Staf Bischoff
Französische
Liebesnächte
Roman Carl Stephenson Verlag • Flensburg
Das Titelfoto steht in keinem Zu...
23 downloads
454 Views
780KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Staf Bischoff
Französische
Liebesnächte
Roman Carl Stephenson Verlag • Flensburg
Das Titelfoto steht in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches Erste Auflage 1982 © Copyright by Carl Stephenson Verlag, Flensburg Alle Rechte vorbehalten Satzherstellung: Fotosatz Rolf Petersen, Harrislee Umschlaglithographie: Nordklischee, Rendsburg Gesamtherstellung: Horst Dieter Adler Druck: WSOY, Porvoo, Finnland Mitglied von Finnprint Printed in Finland 1982 19786-6-10.00 Abo 11/82
Inhalt Yvonne war viel zu jung, viel zu schön und das Verlangen nach Liebe, das in ihrem schlanken, biegsamen Körper pulsierte, war viel zu groß, als daß sie noch viel länger das einsame Leben einer Witwe hätte führen können, die zwar wohlhabend war, aber zurückgezogen in einem feudalen Landhaus vor den Toren von Paris lebte. Viele Männer warben um Yvonnes Gunst. Aber keiner hatte es bislang vermocht, ihr Herz zu erobern, welches sich nach der potenten Kraft eines wirklichen Mannes sehnte, der die schwe lende Unruhe ihres Schoßes zügeln konnte. Der junge Graf, der auf dem Schloß nebenan wohnte, konnte dies sehr wohl. Mit ihm, dem kühnen Draufgänger und Weiberhelden, erlebte sie dann auch den süßen Sinnentaumel einer heißen Liebesnacht. Doch den Grafen lockte es nach Paris, wo er, der eine feste Bindung an eine Frau ohnehin scheute, ein ausschweifendes Leben führte. Dabei vergaß er die schöne Yvonne, die sich in Sehnsucht verzehrte, fast völlig. Je länger die Trennung dauerte, desto größer wurde die Liebe zu ihm…
1. Kapitel Der warme Frühlingstag war viel zu schwül für die Jahreszeit. Madame Yvonne Gamelin hatte sich in den temperierten Winter garten auf das breite Ruhebett zurückgezogen, neben dem zur Linken ein zierliches Tischchen stand, dessen Marmorplatte eine Karaffe mit gekühltem Himbeersaft und eine große Silberschale voller kandierter Früchte trug. Die bunte Markise milderte das gleißende Sonnenlicht. Die gedämpfte Helligkeit tat Yvonne Gamelins großen, stets ein wenig erstaunt dreinblickenden Augen wohl. Yvonne war eine voll erblühte Frau von 22 Jahren, die um ihre unbestrittenen Reize wußte. Die Avancen der Männer unterstri chen ihre Schönheit deutlicher als ein zärtlich schmeichelnder Spiegel. Ihr ebenmäßiges Gesicht mit dem zierlichen Näschen und dem üppigen Mund begeisterte selbst ihre erbittertsten Rivalinnen. Und der kokette Aufschlag ihrer langbewimperten Lider war dazu angetan, Jünglinge wie Greise gleichermaßen zu verwirren. Allerdings hatte Madame Yvonne die Augen jetzt geschlossen, um der gewohnten mittäglichen Erholung zu pflegen, welche ihrem bezaubernden Aussehen so förderlich diente. Reglos wie eine aus glattem Marmor gemeißelte Aphrodite lag sie auf der weichen Ottomane. Kein Kleidungsstück versuchte die Anmut ihres schwellenden Leibes zu mindern, der wie ein Inbegriff erotischer Sünde aussah. Nur das lange, goldblonde Haar, das mit dem um eine Nuance dunkler schimmernden Vlies im warmen Dreieck ihres Schrittes korrespondierte, floß ihr zärtlich weich über die schmalen Schultern. Die Rechte ruhte untätig im sinnlichen Schoß, als müsse sie seine einladende Blöße bedecken, während die linke Hand sich sanft unter den Kopf geschoben hatte. Die zierlichen Füße waren auf ein kleines Kissen gebettet, mit dessen flauschigen Quasten
die Zehen gelenkig spielten. Aber trotz dieser kurzweiligen Be schäftigung blieben die schlanken, langen Beine fest geschlossen, als gelte es jederzeit auf der Hut zu sein. Yvonne Gamelins Brü ste wölbten sich in verführerischem Schwunge wie zwei Hügel grenzenloser Lust. Die sinnlichen Hüften rundeten sich in ausla dender Kühnheit so aufreizend, daß kein zufälliger Betrachter ruhig geblieben wäre. Viele Männer warben um Yvonnes Gunst. Aber noch keiner hatte es vermocht, ihr Herz zu erobern. Denn seit dem Tode ihres Gatten, des recht wohlhabenden Kaufmannes Alexandre Gamelin, lebte sie zurückgezogen in ihrem feudalen Landhaus vor den Toren von Paris, wo sie nur die Domestiken um sich duldete und sonst keinen Menschen. Sie müsse, so erzählte man sich, zunächst einmal Abstand gewinnen von dem schweren Verlust, der sie getroffen hatte. Dabei lag der unselige Tag, an welchem ein heimtückisches Fieber den nicht mehr ganz jungen Handelsherrn hinweggerafft, schon mehr als zwei Jahre zurück. Während sie sich mit geschlossenen Augen entspannte, dachte Yvonne ohne sonderliche Gefühlsregungen an den verstorbenen Alexandre. Unwillkürlich verglich sie ihn mit dem kräftigen, lebensstrotzenden Gärtner, wobei der Tote nicht gerade vorteil haft abschnitt. Monsieur Gamelin hätte gut und gerne ihr Vater sein können. Zudem war er klein und beleibt, wenn man ihn nicht gar als korpulent bezeichnen wollte. Sein Asthma, das Yvonne anfangs in kindlicher Naivität für vitale Leidenschaft gehalten hatte, ließ die körperliche Spannkraft stets rasch erlahmen, was die junge Frau jedoch mangels besserem Wissen noch geduldig hinnahm. Das vom vielen Trinken aufgedunsene, viel zu feiste Gesicht mit dem massigen Doppelkinn jedoch blieb für Yvonne bis zum letzten Atemzuge ein familiäres Greuel, welches nur von dem sagenhaften Reichtum Alexandres erfolgreich gemildert wurde. Denn Geld überbrückt oft die tiefsten Klüfte. Dennoch war Yvonne ihrem Gatten zu allen Zeiten eine treue Ehefrau gewesen, die ihn nicht ein einziges Mal hintergangen
hatte, obwohl sich ihr täglich ungezählte Gelegenheiten boten. Denn die jungen Kavaliere umschwärmten sie wie Bienen den Honig, und der gute Alexandre war sehr oft und ausgedehnt in Geschäften unterwegs. Vielleicht hätte Madame Yvonne ihre Tugend nicht gar so standhaft bewahrt, aber sie wollte das Leben in sagenhaftem Luxus nicht durch einen flüchtigen Fehltritt aufs Spiel setzen. Um so weniger, als ihr Gatte in dieser Hinsicht nicht mit sich spaßen ließ und in beiläufigem Gespräch warnend mit rigoroser Scheidung ohne die geringste Abfindung gedroht hatte. Yvonne indessen, die aus sehr armen Verhältnissen stammte, spürte nicht die geringste Lust, in die nur zu gut bekannte Mittel losigkeit zurückgestoßen zu werden, die ihr tausendmal unerträg licher erschien als körperliche Entsagung, zumal ihr die sexuelle Erfüllung, das Ziel aller heimlichen Wünsche jeder Frau, noch niemals zuteil geworden war. So blieben die Triebe ihres aufreizenden Körpers auch weiter hin ungeweckt, ohne daß Yvonne unter dem Mangel an eroti scher Betätigung über Gebühr gelitten hätte. Denn was man nicht kennt, das vermißt man nur selten. Hin und wieder jedoch geschah es, daß Madame Yvonne sich nach der potenten Kraft eines wirklichen Mannes sehnte, der die schwelende Unruhe ihres Schoßes mit gezielten Zärtlichkeiten zügelte. Der Gärtner Louis zum Beispiel, der immer so unanständig enge Beinkleider trug, war anscheinend wie geschaffen dazu. Und immer, wenn Yvonne sich plastisch vorstellte, was sich hinter der prall gewölbten Knopfleiste seiner Hosen lauernd verbarg, wurde ihr ein wenig schwindelig. Ihre Gedanken schweiften vom toten Alexandre zum verdammt lebendigen Louis über, und ein leiser Seufzer entrang sich ihrer üppigen Brust. Trotzdem wäre es ihr nie und nimmer in den Sinn gekommen, sich mit einem dienstbaren Geist zu paaren, auch wenn er noch so kühn und mannbar aus sah. Denn zwischen Herrschaft und Gesinde gab es naturgege bene Grenzen, die niemand ungestraft überschreiten durfte. Die Reue dauerte dann vielleicht ein Leben lang. Bot man dem Teufel
den kleinen Finger, dann wollte er sicherlich bald die ganze Hand. Mit dem Schoß mochte es nicht viel anders sein. Die umsichtige Vernunft hinderte Yvonne jedoch nicht daran, sich auf dem breiten Ruhebett in ausschweifenden Phantasien zu ergehen. Sie malte sich sehr bildhaft aus, wie der nackte Gärtner Louis sich ihr in stolzer Pose kühn näherte, wie er sich trium phierend über sie beugte und ihre sensiblen Brüste streichelte, wie er mit festem Griff ihre wehrlosen Beine spreizte und, ohne ihren schwachen Widerstand überhaupt zur Kenntnis zu neh men, mit seinem mächtigen Glied sieghaft in ihren wohlbehüte ten Schritt eindrang. Bei dieser süßen Vorstellung war es ihr, als krabbelten tausend Ameisen zwischen ihren Schenkeln. Ein unverschämter Kitzel breitete sich in ihrem Schoß aus, so daß sie mit den Fingern der Rechten nach dem Herd der Unruhe griff und sich eigenhändig Linderung zu verschaffen begann. Zuerst rieb sie die beiden Rosenblätter sanft aneinander. Doch als sich der Reiz zu unzähmbarer Lust verstärkte, da intensivierte sie die masturbierenden Bewegungen in einem hemmungslosen Affekt, der ihr schier die Besinnung zu rauben schien. Ein wohliges Gefühl überflutete ihren Unterleib und breitete sich rasch über den ganzen Körper aus. Der Lustreiz ging über in einen unbe schreiblichen Rausch, welcher Yvonne erschauern ließ. Bald stieß sie leise, spitze Schreie aus. Nun nahm sie auch noch die andere Hand zu Hilfe. Ihr Becken hob und senkte sich stoßweise und hart. Aber plötzlich ebbten die heißen Empfindungen wieder ab, ohne daß Madame Yvonne Gamelin den Gipfel der Seligkeit erreicht hätte. Das Intermezzo klang unbefriedigt aus, wie immer, wenn sie einmal Hand an sich legte, was selten genug geschah. Und weil sie es nicht besser kannte, tröstete sie sich mit der resignierenden Feststellung, daß es keine wirkliche Erfüllung gab, zumal auch Alexandre sie ihr zu Lebzeiten niemals hatte schen ken können. Man mußte sich damit abfinden, daß der Genuß unzulänglich war wie alles im Leben. Mit geröteten Wangen ließ Madame Yvonne von sich ab. Ihr Busen wogte in nachklingender Anstrengung, und ihre Atemzüge normalisierten sich nur allmäh
lich wieder, obwohl doch kaum etwas Nennenswertes geschehen war. Denn ein Anfang ohne Vollendung wird immer nur sinnlo ses Stückwerk bleiben. Erschöpft überlegte die junge Frau, was sie wohl falsch machen mochte. Denn sie wußte sehr wohl, daß es irgendwo eine körper liche Erlösung geben mußte, von der sich ihre Unwissenheit nichts träumen ließ, auch wenn sie sich noch so sehr um die Entdeckung des unaussprechlichen Geheimnisses bemühte. Aber sie ahnte, daß sie eines Tages dem Mysterium auf die Spur kom men würde. Allerdings hat man mit 22 Jahren nicht mehr allzu viel Zeit, das Rätsel der Erotik zu lösen. Andere Frauen waren in diesem empfehlenswerten Alter schon die Geliebten ungezählter feuriger Liebhaber gewesen. Und die Gräfin Dubarry, glaubte Yvonne einmal gehört zu haben, legte seinerzeit bereits mit 19 Lenzen den König Louis an die Kette. Der Hufschlag eines Pferdegespannes riß die Träumende aus ihren Gedanken. Federnd rollte eine Kutsche auf dem Kiesweg vor dem Portal aus. Die Rosse schnaubten vernehmlich. Und dann schellte auch schon die Glocke aus Messing neben der Haustür. Ihr voller Klang hallte gellend durch das geräumige Vestibül. Yvonne streckte sich wohlig aus. Sicher würde das Hausmädchen Fanni gleich herbeieilen und den Besucher be scheiden, daß Madame die Ruhe pflegte. Eine dicke Fliege umkreiste hartnäckig die kandierten Früchte. Ihr aufdringliches Surren unterstrich die mittägliche Stille, die friedlich auf Haus und Garten lastete. Wieder läutete die Glocke. Diesmal länger und eine Spur drän gender. Gleich darauf knarrte die Haustür. Feste Männerschritte kamen die wenigen Stufen zum Wintergarten herauf. Die nackte Hausherrin fühlte das Herz bis zum Halse schlagen. Wo, um alles in der Welt, mochte Fanni nur stecken? Warum hatte sie nicht geöffnet? Und plötzlich schoß es Madame Gamelin durch den Kopf, daß sie ja Fanni ins nahe Dorf geschickt hatte. Himmel, wie konnte sie das nur vergessen! Sie war jetzt völlig schutzlos und mutter
seelenallein im Hause! Ihr blieb keine Zeit mehr, sich etwas überzuwerfen. Ihre Kleider lagen unerreichbar auf der Bergére im Salon. «Hallo?» rief eine volle, sonore Baßstimme fragend. «Ist nie mand da?» Es klopfte verhalten am Rahmen der offenen Tür, und schon trat ein eleganter Monsieur ein, in welchem Yvonne den Grafen von Estiché erkannte, den Herrn des benachbarten Landgutes, dessen Felder und Wiesen an die ihren grenzten. Yvonne machte aus der Not eine Tugend. Weil sie wußte, wie lächerlich eine unbekleidete Frau wirkt, die verschämt und genierlich ihre Nacktheit zu bedecken versucht, traf sie keine Anstalten, sich von der Liegestatt zu erheben. Denn was sich bei einer raffinier ten Kokotte in den Wellenlinien ästhetischer Schönheit abspielte, das sieht, von einer braven und ungeübten Bürgersfrau dargebo ten, höchstens peinlich aus. Madame Yvonne Gamelin tat das Beste, was sie hätte tun kön nen. Sie stellte sich ganz einfach schlafend, in dem Bewußtsein, daß sie sich ihres makellosen Leibes nicht zu schämen brauchte. Durch die fast völlig geschlossenen Lider gewahrte sie nicht unzufrieden, wie der stattliche Graf suchend in die Runde schau te und bei dem unvermuteten Anblick, den sie ihm bot, sichtlich zusammenzuckte. «Ooooh», flüsterte er überwältigt, wobei er sich in verständli cher Erregung ans Herz faßte. «Welch herrliches Bild! Keine Aphrodite könnte schöner sein!» Er näherte sich unsicher. Yvonne stockte der Atem. Die Schläfen schienen unter dem dröhnenden Pulsschlag zerspringen zu wollen. Das Herz weitete sich süß in ihrem vollen Busen. Jetzt beugte sich der Graf über die scheinbar Schlafende. Seine Augen liebkosten ihre unverhüllte Gestalt vom Scheitel bis zur Sohle. Ein unbeschreibliches Verlangen erfüllte ihn. Er konnte sich einfach nicht sattsehen an den schwellenden Reizen der
Wehrlosen, die sich sonst immer so abweisend und unnahbar gab. Einen Moment lang zögerte der Graf von Estiché. Dann faßte er nach Yvonnes leblos herabgeglittenen Rechten, führte sie an die Lippen und bedeckte den Handrücken mit einem anbetenden Kuß, der Yvonne wohlig erschauern ließ. Wäre der Graf just in diesen Sekunden kühner geworden, Yvonne wußte nicht genau, ob sie ihm widerstanden hätte. Denn es war einfach zu schön, dem männlichen Kavalier in hilfloser Nacktheit ausgeliefert zu sein. Zu plötzlich hatte sich diese pikante Situation ergeben. Und warum sollte auch eine tugendhafte Schöne nicht einmal schwach werden dürfen? Schließlich lebte Yvonne Gamelin schon lange genug in ihrer selbstauferlegten Askese. Dauernde Entsagung ist lediglich das Vorrecht frommer Non nen, deren Sinne einzig und allein auf das Jenseits gerichtet sind. Immerhin war der Graf ein anziehender Mann, in dessen Armen schon viele ehrbare Damen sowohl Schamhaftigkeit als auch Gegenwehr aufgegeben hatten, wie man in den Salons der Nach barschaft hinter vorgehaltener Hand ausgiebig zu berichten wußte. Madame Gamelin nahm sich mit aller Kraft zusammen, um sich nicht durch einen Seufzer oder eine andere unbedachte Reaktion zu verraten. Denn sie wollte den Edelmann nicht über Gebühr provozieren. Das, was soeben hier vorging, genügte ihrer ausschweifenden Phantasie völlig. Einen größeren Nervenkitzel hätte sie im Augenblick auch gar nicht zu ertragen vermocht, zumal sie in erotischer Hinsicht wahrlich niemals verwöhnt worden war. Der Graf gab ihre Hand frei. Behutsam ließ er sie zurück auf das Laken gleiten. Einen zögernden Moment lang überlegte er, ob er seine Lippen nicht in stummer Würdigung weiblicher Vollkommenheit auf Yvonnes Nabel oder gar ihren unschuldigen Schoß drücken sollte. Doch dazu gebrach es ihm an Mut. Mit einer entsagenden Bewegung richtete er sich wieder auf. Schweratmend warf der Graf einen letzten Blick auf Madame, deren marmorgleicher Leib sich ihm noch immer reglos offen
barte, dann verließ er den Wintergarten, erfüllt von einer Stim mung, in der sich Euphorie und Bedauern die Waage hielten. Ein nur zu gut bekanntes Gefühl durchrieselte dabei seine kraftvollen Lenden. Es kostete ihn ziemliche Überwindung, stark zu bleiben und nicht umzukehren. Bevor er aus dem Haus trat, ordnete der Landedelmann den Inhalt seiner Beinkleider, die ihm schier zu eng geworden zu sein schienen. Dabei stieß er einen unbeherrschten, gleichwohl leisen Fluch aus, weil ihn das schwache Fleisch allzusehr peinigte. Mit gemessen zur Schau getragener Beherrschung öffnete der Graf die Tür, um zu seiner Kutsche zurückzukehren, als er auf der Schwelle mit dem geschwind heimkehrenden Hausmädchen Fanni beinahe zusammenstieß. «Himmel!» entfuhr es dem hübschen Kind. «Herr Graf haben mich aber ganz schön erschrocken!» «Erschreckt», korrigierte er Fanni nachsichtig, wobei er sie prü fend von oben bis unten musterte. «Sehe ich denn wirklich so furchterregend aus?» «Keinesfalls», beeilte sich das Hausmädchen zu sagen. «Aber ich war nicht darauf vorbereitet, in der halbdunklen Halle einem Manne zu begegnen.» «Eine hübsche Mademoiselle sollte immer damit rechnen, einen Monsieur zu treffen», belehrte er sie lächelnd, ohne den Blick von ihr zu wenden. Fanni besaß nicht die schwellenden Formen von Madame Gamelin, obwohl sie nur wenige Lenze jünger war. Sie hatte ein natürlich anmutiges Gesicht mit glänzenden braunen Augen, die keck und gleichzeitig hungrig blickten. Ihre volle Brust trug sie herausfordernd im freigebigen, beinahe gewagten Dekollete. Wenn sie ging, wiegten sich ihre sinnlichen Hüften und die harmonischen hinteren Rundungen in einer aufreizenden Weise, die jeden Mann erregte. «Ein Hausmädchen hat stets demütig und züchtig zu sein», ent gegnete sie artig, wobei sie dem Grafen jedoch einen feurigen Blick zuwarf, in welchem eine spöttische Herausforderung auf blitzte. «Gut gebrüllt, du temperamentvolle Löwin!» Er faßte sie
anerkennend an den Schultern, und der Kitzel, den Madame Gamelins Anblick in seinen Lenden entfacht hatte, verstärkte sich. «Und nun lassen Sie mich bitte vorbei!» Fanni drückte ihren vollen Einkaufskorb mit beiden Händen an sich, wobei sie an dem Grafen vorüberzuschlüpfen versuchte. «Gemach, gemach», lachte er betont harmlos und nahm ihr mit einer Höflichkeit, die einem Manne blauen Geblütes einem dienenden Mädchen gegenüber nicht ziemte, den Korb galant ab. Sie duldete es zwangsläufig und schritt durch die Halle voran in die Küche, die sich zum Kräutergärtlein hin erstreckte. Graf Estiché folgte ihr in kurzem Abstand. In Fannis Nacken kräuselten sich braune Locken. Ihre Haut, soweit sie sichtbar war, schimmerte in einem leicht elfenbeinfar benen Pastellton, der kontrastreich gegen die hellgrüne Bluse abstach, die Fannis Oberkörper prall umschloß. Zu einem ande ren Zeitpunkt hätte Gaston Graf von Estiché die hübsche Fanni schwerlich beachtet. Denn er pflegte – wie alle Herren von Stand – nur Kontakt mit Damen ebenbürtiger Herkunft. Doch weil ihn Madame Yvonne ungewollt in körperliche Erregung versetzt hatte, nahm er es im Augenblick mit Fannis niederem Rang nicht gar so genau. Ja, merkwürdigerweise provozierte ihn die einfache, unverbildete Anmut des hübschen Kindes vom Lande über alle Maßen. Und er schalt sich insgeheim einen Narren, daß er nicht schon früher auf die Reize des Hausmädchens aufmerksam geworden war. Ihm schien, als sei er bisher blind für die Verlok kungen der gemeinen Schöpfung gewesen. In der Küche angekommen, deutete Fanni neben dem blankge scheuerten Tisch auf den gekachelten Boden: «Stellen Sie den Korb nur einfach hier ab, Herr Graf! Vielen Dank für Ihre ritter liche Hilfe!» Er setzte den geflochtenen Behälter auf die Erde. Und weil er keinen passenden Ansatzpunkt fand, wandte er sich wieder zur Tür, zumal er nicht recht wußte, wie man mit einfa chem Küchenpersonal verkehrt, ohne sich seiner Würde zu begeben.
Auf halbem Wege jedoch hielt er, einer plötzlichen Eingebung folgend, inne und drehte sich noch einmal um. Er sah animiert, wie sich Fanni arglos nach dem Korb bückte, so daß er einen ausführlichen Blick auf die langen, schlanken Beine unter dem Rock erhaschen konnte. Zu allem Überfluß quollen auch noch die beiden prallen Liebesäpfel, den physikalischen Gesetzen der Schwerkraft unterworfen, aus dem einladenden Ausschnitt der Bluse. Leise und mit angehaltenem Atem schlich sich der Graf zurück. Und blitzschnell schob er seine Hand unter Fannis Rock, wo sie auf Anhieb den neuralgischen Zenit ihres Schrittes fand, dessen Zugang durch kein überflüssiges Wäschestück behindert wurde. Denn die Mädchen auf dem Lande lieben es an heißen Sommer tagen viel luftiger als die feinen Damen aus der Stadt. Fanni zuckte nur leise zusammen. Aber sie sagte nichts. Vielmehr versuchte sie sich zu entspannen und alle Muskeln zu lockern. Ob sie ihn aus lähmender Überraschung oder aus sinnlichem Genuß gewähren ließ, vermochte der Graf nicht zu sagen. Und er wollte es auch gar nicht wissen. Zu süß lockte Fannis Liebes frucht, die sich seiner Hand wie von allein öffnete. Gaston von Estiché wog Fannis Kleinod prüfend zwischen den Fingern. Deutlich fühlte er das Blut im lebendigen Schritt der Kleinen pulsieren. Und süßer Honig begann seine Fingerspitzen zu netzen. Nur langsam richtete sich Fanni auf, als fürchte sie, den Grafen mit einer zu plötzlichen Bewegung zu vergrämen. «Genug», flüsterte sie zitternd. «Genug!» Sie wandte ihren Kopf zu ihm und fuhr sich mit der spitzen Zunge über die lockenden Lippen. Dabei hob sie lauschend den Kopf und deutete mit dem weich geschwungenen Kinn warnend zur Tür. «Madame Gamelin schläft fest», raunte Gaston ihr beruhigend zu. «Von ihr droht uns keine Gefahr!» Da drehte sich Fanni vollends um. Dabei quittierte sie mit einem leisen Ausruf der Enttäuschung, daß die Hand des Grafen den Kontakt zu ihrer Märchengrotte unter brach. Sie empfand das abrupte Ende der zärtlichen Liebkosun
gen als schmerzhaft, und sie verhehlte nicht, daß sie sich nach einer Fortsetzung sehnte. «Küssen Sie mich!» Sie drängte sich verlangend in seine Arme. Ihr Busen ruhte wogend an seiner gestärkten Hemdbrust. Ihr halbgeöffneter Mund bot sich dem Grafen willig an. In einem glühenden Kusse fanden sich ihrer beider Lippen. Die Zungen umspielten einander gierig. Gaston schien Fanni den Atem aus den Lungen zu saugen, so sehr ergriff er Besitz von dem süßen Mädchen. Seine Finger wühlten unbeherrscht in ihrem Venushügel. Fan nis Hand, die keiner Führung bedurfte, betastete wissend die Wölbung seiner Hose und drückte erregt die gräfliche Lanze. Gerade wollte Gaston die niedliche Fanni über den Küchentisch legen, als Madame Gamelin aus dem Wintergarten nach ihr rief: «Fanni! Wo steckst du denn nur? Ist Besuch gekommen? Wer hat denn nur vorhin an der Haustür geschellt?» «Es geht jetzt nicht», flüsterte Fanni dem Grafen erhitzt ins Ohr. «Es ist unmöglich, so gerne ich Ihnen zu Diensten sein möchte!» Sie machte sich frei, fuhr sich mit den Händen durch das dichte Haar und rückte die apfelrunden Brüste im Ausschnitt wieder zurecht. Auf ihren hektisch geröteten Wangen glühte süßes Fieber. «Fürwahr», stimmte Gaston ihr widerwillig zu. «Im Augenblick ist wirklich nicht die günstigste Gelegenheit. Aber wir holen doch unser kleines Schäferspiel so bald als möglich nach?» «Wenn Sie es wünschen!» Sie sah ihm schelmisch schräg von unten ins Gesicht. «Soll ich Sie heute nacht besuchen, Herr Graf?» «Nein», wehrte er beinahe bestürzt ab. «Um Himmels willen, nein! In meinem Hause haben die Wände Ohren. Und Gerüchte besitzen schnelle Beine!» «Dann werde ich in meiner Kammer auf Sie warten», entschied Fanni mit einem resoluten Nachdruck, den Gaston ihr niemals zugetraut hatte. «Ich sorge dafür, daß alle Türen unverschlossen sind.» «Und wo wohnst du, schönes Kind?»
«In der Mansarde.» Sie deutete mit dem Zeigefinger nach oben. «Immer die Treppen hinauf! Sie können den Weg nicht verfeh len! Bisher hat noch jeder Mann in mein Zimmer gefunden!» «Du bist ein kleines, ausgekochtes Biest», lobte Gaston aner kennend. Denn die unverbildete Fanni bezauberte ihn mehr als nötig. Sie machte einen untertänigen Knicks, wie es sich für ein braves Hausmädchen gehört, und fragte mit artiger Distanziert heit, als habe sich überhaupt nichts ereignet: «Soll ich den Herrn Grafen jetzt Madame melden?» «Hol’s der Teufel!» Gaston hatte tatsächlich vergessen, daß er gekommen war, um Yvonne Gamelin seine Aufwartung zu machen. Kaum zu glauben, aber die kleine Hexe Fanni schien allein zu dem Zwecke geschaffen, seine Sinne zu verwirren. Zustimmend nickte Gaston: «Sag deiner Herrin, daß ich warte!» «Gewiß doch.» Fanni führte ihn in die Halle, wo sie ihm einen knarrenden Korbsessel anbot, der nicht so recht zu dem anderen kostbaren Inventar zu passen schien. Mit provozierend wiegenden Hüften stieg das Mädchen die wenigen Stufen zum Wintergarten hoch. Der Graf von Estiché setzte sich umständlich und betrachtete nicht unzufrieden die Spitzen seiner schwarzen Lackstiefel. Insgesamt verglich er die schöne Madame Yvonne mit dem hübschen Mädchen Fanni. Vor die Wahl gestellt, hätte er nicht auf Anhieb zu entscheiden ver mocht, welcher er den Vorzug geben sollte. Am liebsten wollte er beide besitzen, war jedoch klug genug zu wissen, daß dies ein unerfüllbarer Wunschtraum bleiben mußte. Aber in Gedanken ist alles erlaubt. Und noch viel mehr. Es dauerte einige Minuten. Dann erschien Fanni wieder in der Tür. Ihre rassige Gestalt hob sich plastisch und dennoch weich gegen das warme Tageslicht ab, das ihre Konturen umspielte. «Herr Graf, Madame lassen bitten!» Gaston räusperte sich hü stelnd. Dann eilte er festen Schrittes in den Wintergarten. Dies mal war Madame Yvonne nicht mehr nackt. Sie trug ein hochge schlossenes Kleid von zeitloser Elegance. Eine seidene Bieder meierstola, die über dem Dekollete von einer elfenbeinernen
Gemme zusammengehalten wurde, bedeckte Schultern und Busen. Yvonne Gamelin saß dekorativ ausgestreckt auf dem Ruhebett und sah fragend dem Edelmann entgegen. «Mein lieber Graf! Was verschafft mir die Ehre Ihres unver hofften Besuches?» Sie streckte Gaston die Rechte entgegen, die er mit einem galanten Kuß bedachte. Dabei erinnerte er sich nicht ohne Amüsement, daß er erst vor wenigen Minuten diese Hand mit seinen sinnlichen Lippen berührt hatte. Auch Yvonne rief sich die so kurz zurückliegende Episode ins Gedächtnis zurück, wobei sie unmerklich lächelte. Denn sie spürte, daß sie beide in diesem Moment das gleiche dachten, wobei der Graf jedoch nicht wissen konnte, was hinter ihrer glatten Stirn vorging. Er mußte sie zwangsläufig für ahnungslos halten. «Meine Anwesenheit ist recht delikater Natur», holte Gaston ohne Eile aus, während er sich einen verschnörkelten Rokoko sessel heranzog und es sich bequem machte, ohne Yvonnes Aufforderung abzuwarten. Denn wer die Form beherrscht, darf sie verletzen. «Haben Madame noch einen Wunsch?» Fanni stand noch im mer in der Tür. Mit flinken, aufmerksamen Augen, denen nicht die geringste Kleinigkeit entging, beobachtete sie die Herrin und ihren Gast. «Bringen Sie uns eine kleine Erfrischung!» Yvonne Gamelin sah zu Gaston: «Wäre Ihnen ein leichter Weißwein recht?» Er nickte zustimmend und schlug die Beine übereinander. Sie plauderten unbeschwert über das Wetter und die Weizenernte, bis Fanni zwei Gläser und eine Karaffe herbeitrug. «Danke, Kind!» Yvonne entließ das Mädchen mit einer hinaus weisenden Handbewegung. Während sie graziös einschenkte, wandte sie sich an Gaston: «Sie sagten, Ihr Besuch sei delikater Natur?» «Gewiß.» Er nickte und betrachtete geistesabwesend die Finger spitzen, die er locker gegeneinandergelegt hatte. «Ich bin in einer
pikanten Angelegenheit auf Ihre Hilfe angewiesen.» Yvonne neigte abwartend den Kopf. «Ich habe eine englische Vollblutstu te», sagte der Graf zögernd. «Sie, Madame, besitzen einen pas senden Hengst, der dieser Stute an edler Rasse nicht nachsteht. Ich ziehe schon seit langem in Erwägung, diese beiden Pferde zu…» Sie sah, wie er nach Worten suchte. Deshalb faßte sie hilfsbereit zusammen: «Mein Hengst soll also Ihre Stute schwän gern?!» «Man könnte es so ausdrücken.» Madame Yvonne stellte sich mit unanständiger Bildhaftigkeit vor, wie die beiden feurigen Rösser sich vereinigten. Dabei legte sie ihrer Phantasie keinerlei Zügel an, zumal der Anblick allein schon eines einzigen Pferdes bei ihr stets erotische Gedanken weckte. Sie wußte selbst nicht, warum dies so war. Allerdings hatte sie auch noch nie den Ver such unternommen, die Ursachen dieser verzeihlichen Abartig keit zu ergründen. Yvonne vermochte nicht zu verhindern, daß eine leichte Röte in ihre Schläfen stieg, wie immer, wenn sich in ihrem hübschen Köpfchen lustvolle Assoziationen ausbreiteten. «Sind Sie einverstanden, Madame?» Sie zuckte leicht zusammen, als habe der Graf die Richtung ihrer heimlichen Träume erraten. «Gewiß», stimmte sie zu. «Mein Gärtner wird Claudius noch heute zu Ihnen bringen.» «Claudius?» «So heißt mein Hengst», erklärte Yvonne. «Vorzüglich!» Der Graf lehnte sich lachend zurück. «Meine Stute trägt den dazu passenden Namen Messalina! Wenn das kein gutes Omen ist! Ich bin begeistert!» «Warum sollen die Namen denn zueinander passen?» Yvonne verstand nicht, da sie nur eine einfache Schule besucht hatte, was ihr allerdings niemand zum Vorwurf machen konnte. «Weil die männerverschlingende Messalina die Gattin des römischen Kai sers Claudius war.» «Natürlich.» Wieder errötete Yvonne. Denn ihre Unwissenheit machte sie unsicher. Der Graf allerdings fand ihre Schamhaftig keit ziemlich erotisierend, um so mehr, als sie in ihm die ritterli
chen Instinkte des Beschützers weckte. «Ich würde aber davon abraten, Claudius zu Messalina zu führen», kehrte Estiché zum Kernpunkt der Unterhaltung zurück. «Der Hengst muß ausge ruht sein, wenn er etwas leisten soll! Ich schlage vor, daß die Tiere den Akt hier vollziehen!» «Und wir werden zuschauen?» fragte Yvonne mit unbeherrsch ter Eile, die all ihre Empfindungen verriet. Erschrocken fuhr sie sich mit der Hand über den Mund. Aber es war zu spät. «Wenn das Schauspiel Sie delektiert, dann sollten wir uns unbe dingt das Vergnügen leisten.» Er wich ihrem Blick aus, obwohl doch dazu keine Veranlassung gegeben war. «Ich weiß allerdings nicht, ob das Bild eines mit einer Stute kopulierenden Hengstes keine Beleidigung für die Augen einer Dame ist…» «Bestimmt nicht!» Yvonne schüttelte nachdenklich den Kopf. «Ich halte die Zeugung in der Natur für einen ganz selbstver ständlichen Vorgang, der jeglicher Obszönität entbehrt.» Diesmal errötete Yvonne nicht mehr. Sie hatte sich mit ihren eigenen Worten überzeugt. Der Graf trank einen großen Schluck, und er fand, daß der Wein schwerer als erwartet war. Zumindest paßte er nicht zu diesem schwülen Tage. «Selbstverständlich bezahle ich für die Bemühungen von Claudius das ortsübliche Deckgeld!» «Auf gar keinen Fall!» Madame Yvonne richtete sich auf der Bergere steil hoch. «Claudius ist kein Gigolo! Eine Honorierung seiner Bemühungen wäre eine glatte Beleidigung! Das ist, als ließe ich mir die Gunst vergüten, die ich einem Kavalier schenke! Und Sie glauben doch nicht, daß ich käuflich bin?» «Nein, das halte ich für unmöglich», pflichtete er ihr rasch bei, obwohl er sich ganz sicher war, daß jede Frau ihren Preis hatte. Es kam nur auf die Höhe des Betrages an. Es gab Grenzen, an denen alle Tugend aufhörte. Und einige Sekunden lang malte sich Gaston aus, wie es wäre, wenn Madame Gamelin sich ihm für eine Perlenkette oder ein güldenes Armband hingeben würde. Laut aber sagte er: «Frauen sind das Element guter Sitten. Ich werde schon einen Weg finden, mich für die feurige Kühnheit Ihres Hengstes zu revanchieren.»
In ihrer Naivität durchschaute Yvonne nicht die Doppeldeutig keit, die der Graf seinen Worten ungewollt gegeben hatte. Er hingegen begriff sogleich, welcher Fauxpas ihm hier unterlaufen war. «Ich erwarte keine Revanche», winkte Yvonne damenhaft ab. «Immerhin hat ja auch Claudius hierbei sein Vergnügen, wenn ich es mal so salopp formulieren darf. Und streng genommen müßte ja er als männliches Wesen für die Liebe bezahlen, wie es in gewissen Häusern üblich sein soll. Aber zum Glück kenne ich solche Etablissements nur vom Hörensagen. Herr Graf, geht es dort wirklich so toll zu, wie man es sich erzählt?» «Keinesfalls. Man achtet auf kultivierte Umgangsformen. Die Delikatesse erfordert besonders viel Fingerspitzengefühl, zumin dest in den Salons von Rang.» «Waren Sie denn auch schon einmal in so einem Salon?» Yvonne blickte dem Grafen forschend ins Gesicht. «Nun», Ga ston räusperte sich belegt. «Manche Herren schauen schon hin und wieder aus purer Neugier hinein. Allerdings will das nichts besagen. Überhaupt nichts.» «Sie antworten äußerst diplomatisch. Doch ich habe verstan den.» Yvonne wollte nachschenken. Aber Graf Estiché lehnte mit einer nachdrücklichen Geste ab. Außerdem war sein Glas noch halbvoll. «Irgendwann besucht jeder Mann einmal ein Bordell», erklärte Gaston beinahe entschuldigend. «So etwas gehört nicht nur im Abendland zu den Riten der Mannbarkeit.» «Ich weiß nicht.» Wieder sah Yvonne ihm in die Augen. «Mein seliger Gatte ging niemals in ein Freudenhaus. Er hätte es mir bestimmt erzählt.» «Es gibt Geheimnisse, über die kein Mann mit seiner Gemahlin spricht. Im Falle von Monsieur Alexandre Gamelin bin ich mir allerdings sicher, daß Sie recht haben.» Gaston deutete zu Yvonne hin eine Verbeugung an. Ihr hübsches Gesicht wurde ernst. Mit ungewollter Schärfe fragte sie: «Soll das heißen, daß Sie an der Potenz meines ver storbenen Alexandre zweifeln?»
«Mitnichten!» Der Graf hob abwehrend beide Hände. «Ich wollte nur sagen, daß er nicht mehr der Jüngste war.» «Seinen ehelichen Pflichten ist er allerdings mit jugendlichem Feuer und abgeklärter Ausdauer nachgekommen», ereiferte sich Yvonne. Aber sie fühlte, daß der Graf ihre apologetische Lüge durchschaute. «Welch ein Glück für Sie, Madame!» Gaston trank sein Glas aus. «Denn Frauen, die in ihrer Ehe keine Erfüllung finden, nehmen nicht nur Schaden an ihrer Gesundheit, sondern auch an der Seele.» «So?» Yvonne überlegte. «Gilt diese These auch für Damen, die, aus welchen Gründen auch immer, ohne Mann durchs Leben gehen?» «Nicht, wenn sich ein Monsieur gelegentlich ihrer leiblichen Notdurft verständnisvoll annimmt. Zum Glück leben wir ja in einem aufgeklärten Zeitalter.» «Sie sind ein kleiner Schelm», lächelte Yvonne. Dann wechselte sie vorsorglich das Thema, um das Gespräch nicht auf schlüpfri ges Terrain abgleiten zu lassen. «Sie bleiben doch sicher zum Tee? Oder bevorzugen Sie Kaffee, Herr Graf?» Sie klatschte in die Hände. Sofort erschien Fanni, als habe sie hinter der Tür gewartet und neugierig gelauscht, was allerdings auch tatsächlich der Fall war. «Madame?» Fanni deutete einen anmutigen Knicks an. Yvonne wollte ihr einige Anweisungen erteilen, doch Gaston Estiché fiel ihr rasch ins Wort: «Ich bin untröstlich, Madame Gamelin. Aber auch ein Graf muß heutzutage mit Eifer und Verantwortung seinen Geschäften nachgehen. Noblesse oblige, Sie wissen ja! Und wo das Auge des Herrn nicht wacht, da tanzen die Mäuse. Sie werden Ihren Tee leider ohne mich nehmen müssen.» Mit einer bedauernden Geste erhob er sich und zuckte hilflos die Schultern. «Wann bringen Sie mir Messalina?» Yvonne blieb zurückgelehnt sitzen und schaute fragend zu Gaston auf. «Heute abend?» schlug er vor. Dabei blickte er scheinbar gleichgültig von Yvonne zu Fanni. «Dann könnte sich Messalina
ein wenig eingewöhnen und morgen mit Ihrem Hengst Claudius Hochzeit feiern.» Fanni kicherte unterdrückt, obwohl sie ein natürliches Mädchen vom Lande war. Aber in sexuellen Dingen fehlt den jungen Leuten aller Stände und jeglichen Milieus der sittliche Ernst. «Also heute abend.» Madame Gamelin fixierte Fanni strafend, ohne ihr Verhalten allerdings verbal zu rügen. «Fanni, du bringst den Herrn Grafen zur Tür!» Zum dritten Male an diesem Tage küßte Gaston ihre Hand. Dann folgte er dem Mädchen. Bevor er aus dem Hause trat, drängte sich Fanni ihm auf der Schwelle noch einmal verlangend entgegen. Sie drückte ihren Busen an seiner Brust platt, während ihr feuchter Kirschenmund sich ihm freigebig anbot. Der Graf und das Hausmädchen versanken in einem glühenden Kusse, der ihre Leidenschaften ins Uferlose steigerte. Gastons Rechte wühl te sich unbeherrscht in Fannis bebenden Schoß. Und es fehlte nicht viel, da hätte sich Fanni dem Besucher auf der Stelle hinge geben. Allein das Bewußtsein der Nähe Madames und die sicht bare Existenz der Kutsche, die Gastons noch andauernde Anwe senheit verraten haben würde, verurteilte den triebhaften Wunsch von vornherein zum Scheitern. Nur mit Mühe gelang es dem Edelmann, sich von Fannis Zärtlichkeiten zu befreien, was er keinesfalls weniger als das Mädchen bedauerte. Denn wenn der Appetit erst einmal geweckt ist, dann fällt es meistens sehr schwer, die Sinne zu zügeln. «Also heute nacht?» vergewisserte sich Fanni flüsternd. «Heute nacht!» Der Graf hätte ihr gerne noch einen Kuß zum Abschied auf den Mund gedrückt. Doch das Risiko, sich erneut zu verstricken, erschien ihm zu groß. Aufseufzend schritt er zum leichten Wagen. Er löste die Brem se. Ein leises Schnalzen mit der Zunge, ein sanfter Zug am Zügel, und die Pferde trabten an. Mit glühenden Augen und brennenden Wangen sah Fanni dem eleganten Gefährt nach, bis es ihren Blicken entschwand.
2. Kapitel Yvonne Gamelin war nachdenklich im Wintergarten zurückge blieben. Süße, ahnungsbange Gefühle schwelten in ihrem Busen. Gefühle, die sie nicht zu deuten vermochte, obwohl sie ihr kei nesfalls fremd erschienen. Allerdings rankten sie sich zum er stenmal nicht um das ungreifbare Phänomen der Wollust schlechthin, sondern gezielt um einen existierenden Mann, der kein Phantom war, sondern blutvolle Wirklichkeit. Madame Yvonne wußte nicht zu sagen, was ihre Empfindun gen heraufbeschworen hatte. Gewiß, der Graf war nur selten bei ihr zu Gast. Sie kannten einander, wie man sich auf dem Lande als Nachbarn kennt. Hin und wieder trafen sie zufällig bei einer Soiree, seltener bei einem feudalen Ball einander, und bisweilen waren sie sich auch schon unterwegs begegnet, einmal sogar auf den Champs-Elysées im nahen, lebenssprühenden Paris. Natür lich blieb Yvonne nicht verborgen, wie sehr Gaston Graf Estiché mit seiner männlichen Schönheit, seinem intelligenten Charme und seiner liebenswerten Zurückhaltung auf die Damen der Gesellschaft wie auch auf die einfachen Mädchen wirkte. Sogar sie selbst fühlte sich von Gaston angenehm angezogen. Aber bisher hatte sie die erotische Wechselbeziehung in überschauba ren Grenzen gehalten. Die dosierte Lust geriet zu keiner Zeit in Versuchung, die Herrschaft über den kühlen Verstand zu gewin nen, und nur in Yvonnes heimlichen Träumen war es gelegent lich vorgekommen, daß die wirre Phantasie den Rahmen der Konvention sprengte. Heute nachmittag jedoch hatte sich etwas ereignet, das Madame Yvonne nicht zu deuten verstand. Aber im Unterbewußtsein begriff sie, daß es so etwas wie Liebe sein mußte. Liebe, wie sie Yvonne niemals vorher zuteil geworden war. Als lebenskluge Frau versuchte sie den Grund ihrer Empfindungen logisch, aber dennoch inkonsequent zu analysieren, nicht wissend, daß Liebe
sich jeder Vernunft und damit allen Interpretationen raffiniert zu entziehen versteht. Denn sie ist das wandelbarste und ungreifbar ste der menschlichen Gefühle. Sie läßt Monate und Jahre auf sich warten, um dann plötzlich in einer einzigen schwachen Stunde zu reifen. Dabei war alles doch so einfach. Die verlangenden Blicke, mit denen der Graf vorhin ihren nackten Körper streichelte, hatten Yvonnes schlummernde Triebe vollends geweckt. Die Wehrlo sigkeit, mit der sie ihre erotisierenden Blößen nicht ohne heimli chen Genuß zur Schau stellte, erschien ihr bereits wie vollendete leibliche Hingabe ohne Einschränkung. Es war nichts weniger als ein psychischer Koitus, auch wenn es nicht einmal zur flüchtig sten Berührung gekommen war. Verständlich, daß Yvonne sich insgeheim vom Grafen Estiché wünschte, was der gutmütige, aber keinesfalls aufregende Alexandre ihr nicht hatte geben können. Dabei mußte es nicht einmal unbedingt Gaston sein. Die ausgehungerte Yvonne hätte zweifellos auch bei jedem anderen kultivierten Charmeur Feuer gefangen, zumindest in jener Situation, in der sie sich befunden. Denn irgendwann im Leben jeder enthaltsamen Frau kommt der kritische Augenblick, da der Schoß sich überreizt nach körperlicher Liebe sehnt. Und Not bricht sogar Eisen. Nicht unbeteiligt an Yvonnes heimlicher Unruhe war schließlich auch das Gespräch über die aufregende Sexualität von Hengst und Stute, zumal die junge Frau ohnehin schon erotische Assoziationen mit der puren Existenz von Rös sern verband, deren Anblick sie ohne weiteres Beiwerk zu stimu lieren geeignet war. Und nicht vergessen durfte man endlich auch das Thema der körperlichen Erfüllung, das der Graf so unbe denklich angeschnitten hatte. Letzten Endes aber trug die günsti ge Situation im Wintergarten die Schuld daran, daß sich Madame Yvonne nach grenzenloser Zärtlichkeit und vollkommener Erfül lung sehnte. Nicht umsonst sagt der Volksmund, daß Gelegen heit Liebe macht. Je länger Yvonne darüber nachdachte, desto ehrlicher bedauerte sie, daß Gaston Estiché seine Chance nicht genutzt hatte. Sie wäre ihm – und dessen war sie sich plötzlich
ganz sicher – eine willfährige Geliebte gewesen. Yvonne begriff, daß sie seit dem Tode Alexandres allerhand versäumt hatte, nur weil sie die hemmenden Imponderabilien nicht zu überwinden versuchte. An Freiern oder Bewerbern um ihre Gunst ermangelte es zu keiner Zeit. Aber war ein potenter Anbeter zur Stelle, so fehlte es an der ungestörten Gelegenheit, und ergab sich eine räumliche Möglichkeit, brachte Yvonne nicht die nötige Lust auf, über den eigenen Schatten zu springen und sich bedenkenlos hinzugeben. Der Fall aber, daß ein verlangender Mann, ein ge eigneter Ort und die unbändige Wollust Yvonnes zeitlich in idealer Konstellation zueinander trafen, trat bisher noch niemals ein. Bis heute. Madame Gamelin erkannte warm erschauernd, daß die Zeit der freiwillig auferlegten Askese zu Ende ging. Ihr junger Körper hatte ein Recht auf die Erfüllung, welche die Menschen Liebe nennen. Mit brennender Ungeduld fieberte Yvonne dem abendli chen Besuch des Grafen entgegen, dessen Nähe sie so unvermu tet schätzengelernt hatte. Sie konnte es kaum erwarten. Am späten Nachmittag ließ sich Yvonne von Fanni einen klei nen Imbiß servieren, von welchem sie jedoch kaum mehr als einen Bissen aß. Ihr Appetit war anderer Natur. Selbst die beste Köchin der Welt hätte Yvonnes Heißhunger nicht zu stillen vermocht. Es dunkelte bereits, als Gaston Estiché auf Messalina herüber geritten kam. Die Kutsche hatte er wohlweislich zu Hause gelas sen. Das abgestellte Gefährt hätte ihn zu leicht kompromittieren können, falls sich sein Besuch tatsächlich in die Länge ziehen sollte. Amouröse Eskapaden vollziehen sich meist im Schatten der Heimlichkeit, zumindest seit die Menschen die Moral erfun den haben. Auf dem Wirtschaftshof des Landgutes sprang der Graf mit sportlichem Schwung aus dem Sattel und drückte dem herbeigeeilten Gärtner Louis die Zügel in die Hand. Fanni ließ in der Küche ihre Arbeit stehen und liegen. Leicht füßig stürzte sie hinaus, als gelte ihre ungeteilte Neugier der Stute und nicht dem Reiter.
Madame Yvonne näherte sich gemesseneren Schrittes. Sie nick te dem Gast hoheitsvoll zu, drohte ihm ob seiner späten Ankunft scherzhaft mit erhobenem Zeigefinger und begutachtete die rassige Messalina, obwohl es ihr an wirklichem Pferdeverstand ermangelte. «Ein herrliches Tier», lobte sie. «Meinem feurigen Claudius durchaus ebenbürtig! Das gibt fürwahr eine gute Mischung!» «Unsere Kultur wäre zweifellos viel fortgeschrittener, wenn man auch die passenden Menschen miteinander paaren würde», ließ sich der Graf vernehmen, wobei er weder Madame Gamelin noch Fanni ansah. Sein Blick war nachdenklich in die Ferne gerichtet. Louis führte die Stute in den Stall. Dann mußte er auf Yvonnes Geheiß den Hengst holen, damit sich Gaston von der Vollkom menheit des stolzen Tieres überzeugen konnte. Claudius hatte die rossige Stute längst gewittert. Er schnaubte temperamentvoll, dann wieherte er unternehmungslustig, wobei er erregt zu tänzeln begann. In seinen ausdrucksvollen Augen blitzte verhaltene Glut auf. «Er ist meiner Messalina in der Tat ebenbürtig», nickte der Graf begeistert. «Das wird morgen eine phantastische Pferdehochzeit. Fast könnte man neidisch werden.» «Das Gesetz des Handelns liegt in unserer Hand», sagte Mada me Gamelin. Aber sie wußte nicht, ob Gaston sie verstand. Männer können manchmal so hilflos sein. Fanni trat resolut neben den Hengst. Sie faßte ihm zwischen die Hinterbeine und wog seine stolze Rute prüfend in der hohlen Hand, die das riesige Glied kaum zu umspannen vermochte. «So stramm bist du nicht ausgestattet», lachte Fanni den Gärtner Louis herausfordernd an. Yvonne stampfte unwillig mit dem zierlichen Fuße auf, hakte sich demonstrativ bei Gaston Estiché ein und zog ihn mit sich fort: «Kommen Sie, Graf!» Der Salon war mit ungezählten Ker zen illuminiert. Strahlend reflektierte sich ihr Licht im Silber der schweren Kandelaber. Überall standen große Feldblumensträuße in den gediegenen Vasen aus Meißen und Sevres.
Madame Gamelin hatte einen kleinen Boulle-Tisch für zwei Personen decken lassen. Champagner harrte in blitzenden Kü beln inmitten gestoßenen Eises seiner Bestimmung. Ein nicht sehr umfangreiches, dafür aber außerordentlich erlesenes kaltes Büffet bot sich appetitlich verlockend an. Unter den vielen Köst lichkeiten, die dem Auge schmeichelten, stachen Kaviar, Spargel köpfe und Selleriesalat unübersehbar hervor. Yvonne hatte diese Delikatessen mit Fleiß in den Vordergrund stellen lassen, weil ihr schon oft von deren anregender Wirkung Wunderdinge zu Oh ren gekommen waren. Und sie wollte, daß der schöne Graf Feuer fing. Heute nacht oder nie. Bevor sie ihren adligen Gast zu Tisch führte, löschte Yvonne eigenhändig die überflüssige Gasbeleuchtung an der Wand. Die Kerzen verströmten festlichen Glanz im Überfluß. Yvonne und Gaston sprachen nicht viel. Ihre Unterhaltung beschränkte sich, wie es so oft in noblen Kreisen üblich ist, auf höfliche Oberfläch lichkeiten und artige Komplimente. Aber mit der Zeit kam zwischen beiden eine gelöste Stimmung auf, je mehr sie dem Champagner zusprachen. Unbeschwert lachten sie immer häufiger und ausgelassener, und Gaston gab der Hausherrin einige nicht allzu gewagte Streiche aus seiner noch nicht allzu lange zurückliegenden Jugendzeit zum besten, wobei er allerdings die zahllosen Abenteuer, die er mit schönen Frauen erlebt hatte, wohlweislich ausklammerte, weil er wußte, was sich bei Damen schickt. Dabei hätte Yvonne nur zu gerne einige erotische Schlüpfrigkeiten gehört, um Gastons Verlangen in die Richtung zu lenken, die ihre Phantasie schon seit dem Nachmittag eingeschlagen hatte. Aufreizende Gespräche näm lich, das wußte sie, sind nicht minder geeignet, erotische Wün sche zu beflügeln, als ein lüsterner Anblick zur rechten Zeit. Geschickt nahm Madame Yvonne immer aufs neue Anteil an der Vergangenheit des stattlichen Grafen. Denn Männer, das sagte sie sich nicht zu Unrecht, interessieren sich meist sehr angelegentlich für eine Frau, die sich für sie interessiert. Nach der zweiten Flasche fragte Yvonne mit geröteten Wangen wie aus
heiterem Himmel: «Warum, mein lieber Graf, haben Sie eigent lich nicht geheiratet?» Er zuckte beinahe zusammen, weil ihm eine solche Insistierung nicht recht behagte. Dann erwiderte er mit einem selbstbewußten Lächeln: «Ringe sind es, aus denen Ketten geschmiedet werden. Deshalb schwor ich mir, nicht vor meinem dreißigsten Lebens jahr um die Hand einer Schönen anzuhalten.» «Und wie alt sind Sie jetzt?» Mit einem gewinnenden, weil ent waffnenden Lächeln entschuldigte Yvonne ihre Indiskretion. «Dreißig», gestand er leicht verlegen. «Genauer gesagt, werde ich in zwei Monaten dreißig.» Das war in der Tat nicht mehr lange hin. Yvonne beeilte sich, ihm noch einige Löffel Kaviar auf seinen Teller zu häufen, den sie überdies mit Spargelspitzen und Selleriesalat garnierte, obwohl diese Zusammenstellung nicht so recht harmonierte. Aber um so sicherer mußte nach Yvonnes Meinung die Wirkung eintreten. Während Gaston Estiché den lukullischen Genüssen emsig zusprach und immer wieder mit Champagner nachspülte, ent schuldigte sich Madame Yvonne für einen kurzen Augenblick. Als sie zurückkehrte, trug sie ein durchsichtiges Chiffonkleid, das einem gewagten Nachthemd mehr ähnelte als einem legeren Abendgewand. Unter dem hauchdünnen, fließenden Spitzentüll war ihr hinreißender Körper sichtbar, weil das Kleid mehr zeigte, als es verbarg. Und Gaston Estiché erkannte mit lustvollem Staunen, daß die Gastgeberin außer der Hülle aus Chiffon nichts weiter auf dem Leibe trug. Ihre Geheimnisse offenbarten sich ihm nicht weniger freizügig als am Nachmittag im Wintergarten. Der durchsichtige Schleier ließ den begehrenswerten Inhalt höchstens noch verlockender erscheinen. Yvonne gab sich ganz natürlich, als sei ihr Aufzug en vogue und die selbstverständlichste Bekleidung der Welt, womit sie allerdings nicht einmal so unrecht hatte. Denn der Mensch im Urzustand ist ein natürliches Wesen. Und auch die Fleischeslust gehört zu seiner vollkommenen Persönlichkeit. Zufrieden, ohne es sich jedoch anmerken zu lassen, registrierte Madame Yvonne
des Grafen sowohl anerkennende als auch verlangende Blicke, die ihrer Schönheit ohne Einschränkung die Reverenz erwiesen. Denn mochte es Yvonne auch an Erfahrung fehlen, an Selbst bewußtsein mangelte es der hübschen Witwe keinesfalls. Gaston Estiché vermochte sein Interesse von Yvonnes überirdischer Makellosigkeit nicht zu lösen. Er verschlang sie mit den Augen, deren sichtliche Gier er nur unvollkommen zügeln konnte. Weich und dennoch voll floß das goldblonde Haar auf Yvonnes schmale Schultern, wobei es das edle Gesicht schmeichelnd umrahmte. Die in kühnem Schwünge geformten Brüste hoben und senkten sich verräterisch unter den bezeichnend tiefen Atemzügen ihrer Besitzerin. Und die aufreizend sinnlichen Hüf ten schienen zu ungestümem Angriff vorbehaltlos einzuladen. Der Schaumwein ließ die Hemmungen des Grafen schmelzen. Gaston Estiché trank aufgeregt sein Glas leer. Seine Gedanken konzentrierten sich bereits auf das himmlische Paradies, das Madame Yvonne ihm verhieß. «Woran denken Sie, Graf?» Yvonne klappte die langbewimper ten Lider kokett hoch. «Sie sind so still geworden?!» «Mir sitzt eine Göttin gegenüber», sagte er rauh und senkte den Blick, um nicht in Yvonnes ausdrucksvollen Augen zu versinken. «Es ist eine Göttin aus Fleisch und Blut!» «Weiß der Himmel, ja!» In Gastons Schläfen dröhnte der aufge regte Puls. Der Graf traf Anstalten, sich zu erheben und Yvonne zu nä hern, als Fanni, angetan mit einer weißen Servierschürze und einem nicht minder weißen Häubchen, nach kurzem Anklopfen eintrat und die Stimmung mit den Worten zerstörte: «Haben Madame noch einen Wunsch? Oder darf ich jetzt zu Bett gehen?» «Ich brauche dich heute nicht mehr!» Madame Gamelin zügelte ihren Unwillen nur notdürftig. Fannis Erscheinen hatte das mühsam geknüpfte Netz der Verführung zerstört, zumindest aber zum Zerreißen angespannt. Es war nicht sicher, ob es jetzt noch halten würde, was sich Yvonne von seinen gleißenden Fäden versprach.
Fanni stand noch immer unbeweglich in der Tür. Ihr wissender Blick glitt über Madame Yvonnes durchsichtigen Aufzug, den sie sehr wohl zu deuten wußte. Aus der Dienstherrin war unvermit telt eine gefährliche Rivalin geworden. «Nun gehen Sie schon!» Yvonne zwang sich zu einem herablassenden Lächeln. «Wir wollen heute abend nicht mehr belästigt werden!» «Oui, Madame!» Die Tür schlug hinter Fanni hart ins Schloß. «Unerhört, was sich der kleine Bauerntrampel da wieder geleistet hat!» Yvonne hielt dem Grafen auffordernd das leere Glas hin. «Ich möchte nur wissen, was in Fanni gefahren ist!» Gaston wußte es. Aber er sagte es nicht. Ihm war inzwischen klargeworden, daß er jetzt zwischen zwei Stühlen saß. Gehorsam schenkte er Yvonne nochmals ein. «Wir werden uns doch von so einem ungehobelten Kind den Abend nicht verder ben lassen?» Sie nippte an ihrem Glas, während die Augen über dem Rand des Kelches den Grafen rätselhaft fixierten. Gaston stand nun endgültig auf. Mit einer Geste, die keinen Zweifel an seinen Absichten aufkommen ließ, trat er auf Madame Gamelin zu. Erwartungsvoll stellte sie das hochstielige Glas aus der Hand und neigte sich, zu ihm aufsehend, leicht zurück. Halb zog sie ihn, halb sank er hin. Gaston kniete sich vor ihr auf den Boden. Er schmiegte sein Gesicht in ihren Schoß. Seine Hände jedoch glitten zielstrebig über die glatte Haut ihrer eben mäßig gewachsenen Beine, tasteten sich immer höher, und als Yvonne ihn widerstandslos gewähren ließ, schob Gaston die Finger unbeherrscht unter dem Kleid in Yvonnes sensiblen Schritt. Yvonnes Schenkel spreizten sich wie von selbst. Sie gaben den Weg frei zur süßen Grotte der Lust, die nervös der ersten Berührung durch Gaston harrte. Und dann hielt Gaston die begehrte Liebesfrucht in der Hand. Seine Finger griffen nach dem warmen, schwülen Mysterium, als wolle er es, einer überreifen Aprikose gleich, sehr behutsam pflücken.
Yvonne schloß bebend die Augen. Ein tiefer Seufzer entrang sich ihrem wogenden Busen. Zwar hatte sie ein ausführlich umfassendes Vorspiel erwartet, doch duldete sie es gern, daß der junge Graf sogleich zur Sache kam. Jetzt umkreiste Gastons Zeigefinger das sammet-weiche Klein od. Immer enger wurden die Spiralen, die er beschrieb, bis er plötzlich, doch sehnlichst erwartet, in die enge Muschel eindrang, wo er eifrig nach dem winzigen Stachel der Wollust fahndete. Madame Yvonne kannte sich selbst nicht mehr. Sie hob leicht den sinnlichen Schoß an, und dann zog sie sich das hauchzarte Nichts von Kleid weit über die zierlich ausladenden Hüften herauf. Die unruhigen Beine gingen noch weiter auseinander. Ohne seine Liebkosungen zu unterbrechen, knöpfte Graf Esti ché mit der freien Hand sein Beinkleid auf und fingerte das erregte Frauenlob hervor. Sein sportlicher Körper drängte sich zwischen Yvonnes Schenkel, und statt des Zeigefingers begann Gaston nun den sehnigen Degen in die Scheide zu bohren. Wild bäumte sich Yvonnes Schritt dem feurigen Angriff entge gen. Gaston holte mit Schwung aus, um besitzergreifend zuzu stoßen. Schon legte er die Spitze der Lanze zwischen die puk kernden Schamlippen der Gespielin, da wurde die Tür zum Salon ohne anzuklopfen aufgerissen. Der Graf und die hübsche Witwe fuhren auseinander. Rasch preßte Yvonne die Knie zusammen und zog das Kleid herunter. Gaston Estiché war aufgesprungen. Jetzt versuchte er seinen zum Glück schrumpfenden Phallus wieder in das Gefängnis der Hose zu stecken, was allerdings nicht auf Anhieb gelingen wollte. Im Zimmer stand Fanni…! Schon wieder…! «Du Satansbraten!» rief Yvonne streng. Aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen. «Was fällt dir ein, Unglückliche?» «Verzeihung», stotterte Fanny aufgeregt. Trotzdem malte sich ein triumphierender Zug um ihren Mund und die Augen. «Aber der Hengst hat sich im Stall losgerissen! Er ist über den Oxer ins Coupe der Stute gesprungen! Und jetzt besorgt er es ihr mäch tig!»
«Auch das noch!» Madame Gamelin war bereits auf dem Wege zur Tür. Glücklicherweise warf sie sich eine knöchellange Häkel stola um, ehe sie zum Pferdestall eilte. Graf Estiché folgte Ma dame auf dem Fuße. Fanni hatte es nicht gar so eilig. Am unbewachten Büffet schob sie sich erst einmal einige Löffel Kaviar in den Mund. Dann trank sie genüßlich, aber trotzdem hastig Champagner aus der Flasche. Es war übrigens der erste Kaviar und auch der erste Champagner ihres Lebens. Im Stall wartete bereits der Gärtner Louis. In der ausgestreckten Hand hielt er eine Petroleumlampe, die ein flak kerndes Licht verbreitete. Auch mehrere Domestiken aus der Nachbarschaft hatten sich, von der Unruhe auf dem Gutshof angezogen, mit brennenden Fackeln eingefunden. Der Hengst Claudius stand wiehernd in der Stallgasse und mahlte mit den kräftigen Zähnen. Er würdigte die unruhig stampfende Messalina keines Blickes mehr. Nur die Ohren richteten sich mißtrauisch in die Höhe. «Der Hengst hat seine Schuldigkeit bereits getan», grinste Louis. Fanni, die inzwischen ebenfalls herausgekommen war, erklärte mit gespieltem Sachverstand: «Er muß sich losgerissen haben! Seine Liebe überwand alle Ketten!» Louis schüttelte wissend den Kopf: «Jemand hat das Tier vor sätzlich befreit! Daran gibt es nicht zu zweifeln!» Gaston suchte forschend Fannis Blick. Das Mädchen wich ihm nicht aus. Mit einem spöttischen Lächeln sah Fanni ihm in die Augen. Sie wußte, daß Gaston Estiché die Zusammenhänge ahnte. «Schade», sagte Madame Gamelin leise. Dabei ließ sie offen, ob sie das eben unterbrochene Liebesspiel meinte oder das entgangene Schauspiel, auf das sie sich so sehr gefreut hatte. Die Umstehenden beratschlagten leise, obwohl am Geschehenen nichts mehr zu ändern war. Außerdem hatte der Hengst Claudius nur das getan, was man ohnehin von ihm erwartete. Somit hätte die Welt nach wie vor in Ordnung sein müssen. Vom fernen Kirchturm schlug es Mitternacht. Yvonne überlegte, wie sie mit dem Grafen unauffällig wieder ins Haus zurückkehren konnte.
Denn sie legte Wert auf ihren untadeligen Ruf, den sie wie ein kostbares Kapital hütete. Immerhin galt sie als unbescholtene Witwe, auf deren tugendhaftem Lebenswandel nicht nur das Auge des Dorfgeistlichen, des etwas rundlichen Abbe Souchay, wohlwollend ruhte. Der unerwartete Zwischenfall hatte Yvonnes Gelüste keines falls gedämpft. Madame Yvonne fühlte im Busen vielmehr ein noch heißeres Verlangen aufsteigen, weil der Graf sie zu sehr auf den süßen Geschmack der Liebe gebracht, den sie nun nicht mehr missen wollte. Alles in ihr drängte sie, den lockenden Kelch bis zur Neige zu leeren. Auch dem Grafen bereitete der abrupte Abbruch des galanten Tête-à-tête erhebliches körperliches Unbe hagen. Bedauernd dachte er daran, daß zwei begehrenswerte Frauen sehnlichst seiner harrten, die Erfüllung aber arg in Zwei fel gestellt war. Denn einerseits durfte er Madame Gamelin durch rücksichtslose oder zumindest ungeschickte Fortsetzung des Besuches nicht kompromittieren, andererseits hätte Yvonne es niemals erlaubt, daß er sich – besonders nach dem vielverspre chenden Anfang der Beziehung – nunmehr Fanni zuwandte. Es wäre auch zuviel verlangt gewesen. Während die Zaungäste das Geschehen blumenreich kommentierten, sagte Graf Estiché laut und vernehmlich, daß jeder es hören konnte: «Ich darf mich für Ihre liebenswürdige Gastfreundschaft herzlichst bedanken, Ma dame! Nun aber muß ich aufbrechen, so leid es mir auch tut!» Der Not gehorchend, reichte Yvonne ihm die Hand, die er weltmännisch an die Lippen führte. Fanni zwinkerte ihm wenig später verständnisinnig zu. Dabei wies sie unauffällig mit dem Köpfchen zur Mansarde hinauf. Es war eine Geste, die ihrer beider Verabredung erinnernd unterstreichen sollte. Gaston nickte unmerklich zurück. Dann eilte er mit ausholen dem Schritt durch das Parktor in die mondbeschienene Nacht. Irgendwo in den Büschen sang eine Nachtigall. Aus der Ferne schwoll helles Hundegebell herüber.
3. Kapitel Es bedarf keiner großen Erklärung, daß Gaston keinesfalls den Heimweg antrat. Denn die Schwäche seines Fleisches quälte ihn so sehr, weshalb er in seinem Bett wohl kaum Ruhe gefunden hätte. Kein Mann vermag sich dem Banne des ewig Weiblichen zu entziehen, das zwingend lockt und seinen Entscheidungen sowohl Ziel als auch Richtung gibt. Weit ausholend schritt der Graf fürbaß. Aber schon nach weni gen Minuten wurde seine Fortbewegung zögernder, bis er end gültig verhielt. Am Rande der Chaussee, die nach Paris führte, lehnte er sich überlegend an den Stamm einer schlanken Espe und zündete sich eine türkische Zigarette an, deren Rauch er genüßlich inhalierte. Dann straffte sich seine Gestalt, und er kehrte wieder um. Denn das Landhaus der Madame Gamelin zog ihn magnetisch an. Insgeheim beglückwünschte er sich dazu, daß er den Hengst Claudius auf dem Gutshof von Madame Gamelin zurückgelassen hatte, obwohl Claudius seinen Pflichten bereits nachgekommen war. Denn wäre Gaston auf dem Tier in das Anwesen eingeritten, es hätte seine Anwesenheit nicht minder verraten als eine Kutsche. Die Stallungen lagen wieder in schläfrigem Dunkel. Und auch im Landhaus der Madame waren alle Lichter gelöscht. Nur in der Mansarde unter dem Dach leuchtete warmer Kerzenschein durch das Fenster nach draußen, wie das Signal eines Leuchtturmes, das dem Seereisenden den Weg in den sicheren Hafen weist. Die Haustür war offen, wie Fanni es versprochen hatte. Graf Estiché trat lautlos ein. In der stockdunklen Diele zog er sich die Stiefel aus, um jeden Lärm zu vermeiden. Die Holztreppe knarrte nur leise, als Gaston sich auf Zehen spitzen nach oben schlich. Er malte sich aus, wie Fanni sich ruhelos in ihrem Bett wälzte und seiner wartete.
Auf dem Absatz im ersten Stockwerk fühlte der Graf sich un erwartet von zwei schlanken, lilienweißen Armen umschlungen, als wollten sie Besitz von ihm ergreifen. Dann hörte er Yvonnes Stimme dicht an seinem Ohr: «Ich wußte, daß Sie zurückkommen würden, Graf!» Er hatte sich vollkommen in der Gewalt. Zwar galt sein Besuch diesmal Fanni, aber mit Yvonnes Geneigtheit war ihm nicht weniger gedient. Gaston betrachtete die unerwartete Wendung des Geschehens als einen Wink des Schicksals und ließ sich von Madame Gamelin willig in ihr Schlafzimmer ziehen. Die Hausherrin zündete eine Kerze an. Sie war jetzt völlig nackt. Ihr durchsichtiges Chiffonkleid lag achtlos zerknüllt auf dem Boden. Gaston blieb abwartend in der Mitte des Schlafge maches stehen. Und wieder umfing sein Blick den herrlichen Alabasterleib der schönen Witwe, der im flackernden Kerzen schein noch anziehender und verlockender wirkte als im Tages licht des nachmittäglichen Wintergartens. «Zieren Sie sich nicht!» drängte Yvonne ungeduldig. «Denn die Nacht ist kurz, und ein hoffentlich endloses Pensum liegt vor uns. Wir sollten die Zeit nutzen!» Er wollte die Arme um sie legen und seine Lippen auf ihren Mund drücken, doch sie entwand sich ihm geschickt und begann ihn unverzüglich von seiner hinderlichen Kleidung zu befreien, wobei er ihr nach Kräften behilflich war. Und dann stand er ihr auch schon in seiner ganzen apollinischen Pracht gegenüber, Zoll für Zoll ein potenter Adonis, dem es sichtlich nicht an Liebesbe reitschaft mangelte. Sie betrachteten sich gegenseitig sehr lange. Dann flog Madame Yvonne mit einem unterdrückten Aufschrei in seine schützenden Arme, mit denen er sie fest an sich zog, als wolle er sie niemals wieder freigeben. «Wären Sie nicht wiedergekehrt, ich hätte vor unbändigem Ver langen den Verstand verloren», flüsterte Yvonne kurzatmig zwischen zwei brennenden Küssen. «Aber jetzt bin ich bei Ihnen, schöne Freundin!»
«Ja. Jetzt sind Sie bei mir!» Sie lehnte sich zurück und schaute ihm kokett ins Gesicht. «In meiner Verzweiflung war ich soeben drauf und dran, mir eigenhändig Erleichterung zu verschaffen. Aber leider blieb meinen masturbierenden Bemühungen bis auf den heutigen Tag stets ein zufriedenstellender Erfolg versagt.» Der Graf schob sie ein wenig von sich, um sie besser betrach ten zu können. Dabei stahl sich ein angedeutetes Lächeln auf sein Gesicht, um allerdings sofort wieder zu schmelzen. «Sie verach ten mich deswegen?» fragte Yvonne unsicher. «Keineswegs», beeilte er sich zu erklären. «Ich habe mir in mei nen heimlichen Träumen schon oft vorgestellt, wie es aussehen mag, wenn Sie, meine Teuerste, in gezielter Wollust Hand an sich legen.» «Was gab Ihren Träumen diese Richtung?» «Meine Wünsche waren es. Nichts weiter.» Er hielt schützend die Hand vor seinen Schoß, als wolle er das erregte Glied vor Yvonnes entzückten Augen verbergen. Die Hand war jedoch viel zu klein für die Ungeheuerlichkeit, die unter ihr heranwuchs und noch immer größer wurde. Madame Yvonne faßte sich verstoh len in den unruhigen Schritt, ohne auch nur einen einzigen Blick von dem Gespielen zu wenden. Langsam sagte sie: «Nun nehmen Sie mich, Graf! Ich bin die Ihre!» «Pardon!» Er rührte sich noch immer nicht von der Stelle, mit der er fest verwurzelt schien. «Bevor sich unsere Leiber vermäh len, würde ich zu gerne sehen, wie Sie sich selbst Erfüllung schenken.» «Was meinen Sie damit?» Yvonne verstand ihn nicht so recht. «Ich möchte zuschauen, wenn Sie masturbieren!» Heiße Röte schoß in ihre Wangen. Sie lehnte sich, bildschön anzusehen, gegen eine gedrechselte Säule des Himmelbettes und erwiderte ohne Groll: «Ihre Wünsche sind sehr kühn und setzen ein hohes Maß intimer Vertraulichkeit voraus!» «Dieses Verlangen ist nicht unschicklicher als die Gier, tief in Ihren Schoß einzudringen!»
«Vielleicht haben Sie recht.» Madame Yvonne schien zu überle gen. Alexandre hatte ähnliches Tun niemals von ihr erheischt. Endlich fuhr sie unschlüssig fort: «Sie werden mich hinterher auch nicht auslachen, mein lieber Graf?» «Mitnichten!» Er hob die Finger der Rechten wie zum Schwur. Dabei wippte seine Liebeslanze lustig nach oben. «Nun gut. Wenn es Ihnen Freude bereitet…» Yvonnes Unter leib begann unbewußt zu beben. «Sie werden aber hoffentlich nicht enttäuscht sein, wenn mein Solo ohne überschwenglichen Höhepunkt ausklingt?» «Keinesfalls!» Gaston hätte sich in diesem Augenblick bereits gerne mit Yvonne vereinigt. Aber weil er ein Feinschmecker von hohem Grade war, wollte er den Nervenkitzel auf die Spitze treiben, um den körperlichen Genuß danach desto aufpeitschen der zu erleben. Erwartungsvoll ließ er sich in einen zierlichen Sessel fallen, wo bei er entrückt mit seinem Geschlecht spielte und kein Auge von Madame Yvonne ließ. Yvonne fühlte überdeutlich, wie seine Blicke ihren Leib zärtlich abzutasten und zu streicheln begannen. Da begann sie wie in Trance, angefangen bei den Schläfen und den Wangen, alle Teile ihres berauschenden Körpers zu liebko sen. Sanft glitten ihre Finger über die straffe Haut, die sehr bald schon von wollüstigen Schauern gekräuselt wurde. Madame Yvonne verstand sich selber nicht mehr. Sie, die einem Manne früher nicht einmal einen Blick auf ihre schlanken Fesseln erlaubt hätte, verlor plötzlich alle Hemmungen. Ihre Nacktheit, die ihr noch bis gestern als Symbol tiefster Schande erschienen wäre, trug sie nun wie ein kostbares Gewand, dessen Besitz sie mit unbeschreiblichem Stolz erfüllte. Es bereitete ihr ein unbegreifli ches Vergnügen, jedes Detail des sinnlichen Fleisches vor dem lüsternen Besucher schamlos zu entblößen. Man darf ohne Übertreibung sagen, daß Yvonne sich in den Blicken des Grafen von Estiché mit Vergnügen badete. Staunend beobachtete Gaston mit angehaltenem Atem, wie Madame Yvonne mit der züchtigen Scham auch alle Hemmun
gen abstreifte. Wie gebannt rutschte er auf dem Polster des Sessels hin und her, nur von dem Wunsche beseelt, diese herrli che Frau endgültig zu besitzen. Trotzdem hielt er sich unter Aufbietung aller Kräfte zurück, um die Delikatesse dieser schwa chen Stunde bis zum äußersten zu steigern und die Lust ins Uferlose auszudehnen. Aufreizend streichelte Yvonne ihre festen Brüste, deren rosige Nippel sich längst steif wie geschlagener Eierschnee aufgestellt hatten. Ihre Zeigefinger umrundeten die erregten Knospen in immer kleiner werdenden Kreisen, bis die Hände plötzlich von ihrem Spielzeug abließen und in raffinierter Selbstvergessenheit den sinnlichen Schwung der schwellenden Hüften nachzogen. Dabei wand sich Yvonne mit halbgeschlossenen Lidern wie eine exotische Tempeltänzerin, die sich zu den unhörbaren Klängen einer rhythmischen Musik leise wiegt. «Bezaubernd», flüsterte Gaston immer wieder. Aber Yvonne schien seine Worte nicht aufzunehmen. Sie drangen nicht an ihr Ohr. Ihre Bewegungen steigerten sich zu beginnender Ekstase. Ohne von dem Grafen weiter Notiz zu nehmen, ließ sie sich mit gespreizten Beinen rücklings auf das daunenweiche Bett gleiten, wo sie also gleich damit begann, den offenen Rosenkelch mit allen zehn Fingern emphatisch zu reiben. Immer verlangender bohrte sich des Gra fen Blick in die feuchte Liebesgrotte. Und je mehr Yvonnes Hände die Pforte zur Seligkeit stimulierten, desto größer wurde Gastons Verlangen, sich über Madame Yvonne zu werfen und mit der Glut seiner Lenden in ihren ungeschützten Schritt einzu dringen. Zum erstenmal, seit sie sich in seiner Gegenwart den eigenen Trieben hemmungslos hingab, schlug Madame Gamelin jetzt die Lider auf, und ein verwirrender Strahl aus ihren Augen forschte abwesend in seinem Gesicht, ohne daß sie jedoch auch nur für eine einzige Sekunde in den masturbierenden Bewegungen inne hielt. «Weiter!» drängte der Graf mit heiserer Stimme. «Bitte fahren Sie in Ihrer anmutigen Tätigkeit fort, meine Liebste!»
Sie tat ihm den Gefallen nur zu gern. Immer intensiver steiger ten sich ihre zügellosen Bemühungen. Und je stärker Yvonne ihre Sinne aufpeitschte, desto verklärter und gelöster wurde der angespannte Ausdruck ihres Antlitzes, der von grenzenlosem Glück kündete. Sie wollte und konnte nicht verheimlichen, daß sie sich mit Riesenschritten der Erfüllung näherte, die ihr bisher stets versagt geblieben war. Gaston Estiché hielt verzückt den Atem an. Gegen seinen Wil len verkrampfte sich sein stahlharter Phallus noch mehr, daß der Graf beinahe körperliche Schmerzen empfand. Aber er achtete nicht auf die vorübergehende Unpäßlichkeit. Sein ganzes Interes se konzentrierte sich auf die zauberhafte Szene, die seine Augen genießen durften. Madame Yvonne begann unter den Liebko sungen der eigenen Finger unbeherrscht zu zucken. Und dann schrie sie plötzlich in einem unerwarteten Orgasmus auf, von dem sie später sagte, sie habe bei Alexandre niemals einen schö neren Höhepunkt erlebt, sofern es überhaupt zu einem befriedi genden Ende kam. Und noch im Verglühen der Gefühle bearbei tete Yvonne ihre süße Fröhlichkeit mit einer solchen Heftigkeit und Inbrunst, wie es ihr früher undenkbar erschienen wäre. Nur langsam erlahmten ihre unbändigen Bewegungen. Aromatischer Duft stieg aus ihrem Schoße auf und erfüllte das Gemach. Schweißgebadet streckte die hübsche Nymphe alle viere von sich, und der Graf durfte noch einmal tief zwischen ihre silbern glänzenden Schenkel blicken. Die reife Tulpe im Schritt zuckte noch lange leise nach, und kleine quecksilberne Perlen schimmerten in der gespaltenen Köstlichkeit. «Kommen Sie!» Schweratmend, mit wogenden Brüsten, breitete Madame Yvonne verlangend die Arme aus. «Quälen Sie mich nicht länger! Nehmen Sie mich! Denn ich schmelze schon wie heißes Wachs!» Der Graf hätte ihrer Worte nicht bedurft. Schon ließ er sich neben ihr auf das Bett gleiten. Er wühlte seine Hände in ihr goldblondes Haar und bedeckte ihre Augen, den Hals und schließlich ihre glänzenden Lippen mit verzehrenden Küssen. Seinen Unterleib bettete Gaston zwischen ihre Beine, die Yvonne
einladend spreizte, während ihr Schoß sich seiner Männlichkeit fordernd entgegendrängte. «Ich hatte eben einen richtigen Orgasmus», raunte Madame dem Grafen ins Ohr. «Niemals hätte ich geglaubt, daß ich noch einmal den Weg zur Erfüllung finden würde.» «Es soll nicht der einzige Höhepunkt der heutigen Nacht blei ben», entgegnete Gaston, ehe er sie erneut gierig küßte. «Ich will Ihnen Glück im Überfluß schenken!» Der Graf hielt sich nun nicht länger mit dem Vorspiel auf, weil er der nicht völlig irrigen Meinung war, daß Yvonne sich bereits selbst hinreichend in die nötige Glut der Leidenschaft versetzt hatte. Sieghaft drang sein Zepter in Yvonnes Schritt ein. Die junge Frau zappelte wie ein Fisch, den eine Harpune durchbohrt hat. Gastons erobernder Phallus weckte einen unsag bar süßen Kitzel in ihrem Unterleib. Alle ihre Nerven vibrierten. Ein Hochgefühl durchrieselte den schlanken Körper. Im Takt der Liebe wiegten sich die beiden Nackten. Ihre Bewegungen harmonierten so herrlich, wie es auch bei solchen Paaren nicht oft geschieht, die durch jahrelange Gewöhnung wortlos aufein ander eingespielt sind. Madame Yvonne vermeinte, selig überreizt in einer mildtätigen Ohnmacht zu versinken. Denn alles, was sie nun empfand, war so unerträglich schön, daß es ihr die Sprache verschlug. «Sie machen mich sehr glücklich, Graf!» rief sie mit sich überschla gender Stimme, die ihren stolzen Jubel nicht zu unterdrücken versuchte. Und der junge Graf entgegnete nicht minder atemlos: «Das ist erst der Anfang, Chérie. Ich fühle ungeahnte Kräfte in mir!» Die beiden Leiber verschmolzen miteinander. Ganz fest dräng te der Graf seine Brust gegen Madames schwellenden Busen. Noch zweimal erlebte Yvonne kurz hintereinander einen über irdischen Höhenflug ihrer Gefühle. Wie von Sinnen genoß sie die köstlichen Augenblicke allerhöchster Ekstase, ehe sie wieder, völlig verwirrt und zutiefst beglückt, auf den Boden der Tatsa chen zurückkehrte.
Aber das wunschlose Entzücken aller ihrer Sinne hielt auch fürderhin an. Und als Graf Estiché seine übermenschliche Zurückhaltung aufgab, seiner Lust freien Lauf ließ und in einem atemlosen Gewaltritt den Gipfel erreichte, da riß er Madame Yvonne ein weiteres Mal mit sich fort ins Paradies. Madame Gamelin verging schier vor göttlichem Wohlbehagen. Bei Gaston allerdings stellte sich, wie es bei Männern wohl meist vorkommt, unverzüglich ein resignierendes Empfinden der Mattigkeit ein. Mit unverhohlenem Bedauern spürte Yvonne, wie der Geliebte ihr wieder entglitt und sich von ihr löste. Sie preßte die Beine gewaltsam zusammen, um das Gastgeschenk, welches der Graf in ihrer Perlmuschel zurückgelassen hatte, so lange als möglich in ihrer Obhut zu bewahren, wie ein verpflichtendes Unterpfand der irdischen Liebe, die sie beide verband. Yvonne war klug genug zu wissen, daß Gaston nach dem Tri but, den er auf dem Altar der Lust geopfert, einer längeren Re konvaleszenz bedurfte, ehe sein Organismus zu neuem, fröhli chem Schaffen bereit sein würde. Der arme Alexandre hatte stets Tage gebraucht, um sich zu regenerieren und von dem potentiel len Verlust zu erholen. Bei Gaston, der über eine kräftigere Vitalität verfügte, mochte es zweifellos bei weitem nicht so lange dauern. Wunder allerdings durfte sie auch von ihm nicht erwar ten. Nach der körperlichen Vermählung lagen sie reglos nebenein ander. Yvonne hatte ihr blondes Köpfchen schutzsuchend an seine Brust gebettet. Schnurrend wie ein zufriedenes Kätzchen genoß sie den beruhigenden Druck des Armes, den Gaston um ihre Schultern geschlungen hatte. «Sie waren zauberhaft, Mada me», flüsterte Gaston ihr leise ins Ohr. «So schön hatte ich mir eine schwache Stunde mit Ihnen in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt.» Ein stolzes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Zu lange schon war sie des zärtlichen Lobes eines Mannes ent wöhnt. Jede Frau braucht nun mal hin und wieder ein wenig Selbstbestätigung. Yvonne schmiegte sich noch enger an Gaston.
Während sie kindlich an seiner weich gewordenen Männlichkeit spielte, fragte sie errötend: «Werden Sie mich jetzt auch heiraten, Graf?» Sie fühlte überdeutlich, wie er ernüchtert zusammenfuhr. Zu spät bereute sie die dumme Unüberlegtheit, mit der sie die gewagten Worte gesprochen hatte. Gaston Estiché richtete sich halb auf und drückte zwei abwe sende Küsse auf die Spitzen ihrer Brüste, ehe er ernst und ge messen antwortete: «Ich bin untröstlich, meine Liebste! Aber das geht nicht! Ein Graf darf nur ein ebenbürtiges Mädchen von blauem Blute ehelichen. Unsere Standeskodices sind sehr streng. Niemand bedauert das mehr als ich. Ja, wenn ich ein einfacher Baron wäre…!» Madame Yvonne verstand. Sie hatte Tränen in den Augen. Aber sie unterdrückte tapfer ein unkontrolliertes Schluchzen. «Sie lieben mich nicht!» sagte sie rauh. Es klang wie eine schlichte Feststellung. Keine Nuance in ihrer Stimme ließ ihre Enttäuschung anklingen. «Selbstverständlich liebe ich Sie», be schied der Edelmann sie hastig. «Wer könnte sich Ihren über schwenglichen Reizen entziehen? Ihre Schönheit, Ihre Anmut, Ihr Charme, Ihr Liebreiz und Ihre Tugend machen Sie zur be gehrtesten Frau von ganz Frankreich. Doch Männer von Rang und Namen müssen manchmal auch auf die süßeste Erfüllung ihrer Träume verzichten, wenn die Etikette es erfordert. Nie mand bedauert mehr als ich, daß wir nicht einmal in Gedanken eine Heirat in Erwägung ziehen dürfen!» «Nein, das geht wohl nicht», nickte Yvonne verstehend. Sie hoffte nur, daß der Graf unter dieser Unmöglichkeit nicht min der leiden sollte als sie. «Unsere Kultur ist wahrlich grausam!» Gaston Estiché grub seine Rechte in Madame Yvonnes Scham haar, das er sogleich um seinen Zeigefinger zu wickeln begann. Doch er tat es unbewußt in einem abwesenden Zustand. Mada me Yvonne rekelte sich unter dieser Handgreiflichkeit, die ihr nicht unwillkommen schien. Die Enttäuschung ging ihr demnach anscheinend nicht gar so nahe, wie Gaston Estiché befürchtet hatte.
«Wir werden uns aber wiedersehen?» Yvonne schlug die Wim pern im flackernden Licht der niedergebrannten und nunmehr erlöschenden Kerze kokett hoch. «Selbstredend, Madame.» «Schon heute abend? Ich kann es nämlich kaum erwarten, mich Ihnen wieder hinzugeben und Sie glücklich zu machen. Sie haben die längst erkaltet geglaubten Triebe in mir neu geweckt. Am liebsten würde ich Ihnen in jeder Stunde des Tages gehören.» «Heute geht es unmöglich!» Wieder küßte der Graf sie, doch diesmal auf den Mund. «Ich muß in dringenden Geschäften nach Paris fahren, wo ich vermutlich über Nacht bleibe. Aber ich melde mich gelegentlich wieder, Chérie!» «Gelegentlich?» Sie drohte ihm vorwurfsvoll mit dem Zeigefin ger. «Sagen wir lieber, so bald als irgend möglich!» «Ich werde tun, was ich kann», beruhigte er sie ziemlich vage. Madame Yvonne jedoch schien es zufrieden. Sie nickte mit zustimmendem Nachdruck. Dann schloß sie er mattet die Augen. Weil sie die körperliche Liebe mit einem Man ne schon lange nicht mehr geübt hatte, war sie von den physi schen Anstrengungen, die man vielerorts leicht unterschätzt, rechtschaffen ermüdet. Bereits nach wenigen Momenten fiel sie in einen stärkenden Tiefschlaf. Auf ihrem Gesicht lag noch im Traume der verklärte Ausdruck wunschlos seliger Entrückung. Lange noch betrachtete Graf Estiché die schöne Geliebte, die im Schlummer so kindlich unschuldig und deshalb doppelt ver führerisch aussah. Ihr Bild reizte ihn so sehr, daß er sie am lieb sten sofort noch einmal im Sturme genommen hätte. Aber die Kraft seiner Lenden war erst langsam in der Stärkung begriffen, die ihren eigenen biologischen Gesetzen folgt. Der Graf warf noch einen letzten Blick auf Madame Yvonne. Und wieder verglich er sie mit einer makellosen Aphrodite, wie er bisher keine herrlichere geschaut hatte, noch nicht einmal auf den prächtigen Gemälden Botticellis. Draußen dämmerte sachte der Morgen. Er gab den Gegenständen im Raume allmählich wieder
sichtbare Gestalt. Durch das Fenster sah der Graf einen violetten Streifen am Horizont, der den neuen, noch jungfräulichen Tag ankündigte. Leise, um Madame Yvonne nicht zu wecken, kleidete sich Gaston wieder an, wobei er bedauerte, sich nicht frischma chen zu können. Denn das Landhaus verfügte noch nicht über die Segnungen eines neumodischen Badezimmers, wie sie gerade im ganzen Lande aufkamen. Und nackt hinunter in die Küche gehen wollte Graf Estiché auch nicht. Ein letztes Mal huldigten seine Augen Madame Yvonnes unbekleideter Vollkommenheit. Dabei dachte er daran, was sich in den letzten Stunden ereignet hatte. Gestern mittag noch eine unnahbare Idealgestalt, war Yvonne in der Nacht die Seine geworden. Voller Besitzerstolz warf er sich triumphierend in die Brust. Auf leisen Sohlen stahl sich Gaston aus dem Schlafgemach, das Zeuge von Yvonnes Hingabe und seiner Lust sein durfte. Überlegend stand Gaston lange auf dem Treppenpodest. Un schlüssig blickte er die Stiegen hinab. In seiner Brust kämpften zwei Seelen miteinander. Dann gab sich Gaston einen Ruck. In plötzlichem Entschluß wandte er sich um und stieg zur Mansarde des verträumten Gutshauses hoch. Im Dachgeschoß pochte er leise an die einzige Kammertür, hinter welcher er Fanni vermute te. Fanni war noch wach. Angetan mit einem linnenen Nachthemd, das ihr bis zu den nackten Knöcheln reichte, saß sie mit gekreuzten Beinen auf dem Bett und sah dem Grafen unbewegt entgegen. «Verzeih, mein schönes Kind!» Gaston zog die Tür lautlos hin ter sich zu. «Es war nicht gar so einfach, bis zu dir vorzudringen.» «Sie haben Madame Gamelin die Reverenz erwiesen?» Ein wis sendes Lächeln stahl sich auf Fannis Gesicht. «Woher nimmst du die Sicherheit dieser Behauptung?» «Es ist keine Behauptung, sondern lediglich eine Frage», ent gegnete sie nicht unklug. «Mir steht keine Neugier zu, ich weiß es. Dennoch vermute ich, daß Herr Graf bei meiner Herrin den Teufel der Lust ausgetrieben haben!»
Gaston ging auf ihre Worte nicht ein. Statt dessen setzte er sich zu ihr und begann ihre zierlichen Füßchen zu massieren, was sie mit Wohlbehagen duldete. «Waren Sie zufrieden mit Madame Gamelin?» Das kleine Biest ließ nicht locker. Und als der Graf nicht antwortete, fuhr Fanni fragend fort: «Was hat sie anderes als ich, daß Sie ihr heute nacht den Vorzug gaben?» Lächelnd schob Graf Estiché seine Hand unter dem Nacht hemd hinauf, bis sie die Oberschenkel erreichte, die sich in ver haltener Erwartung anspannten. Dann erklärte er nicht ganz reinen Gewissens: «Sie nahm mich ganz einfach in Beschlag, als ich die Treppen heraufschlich.» «Das dachte ich mir!» Fanni lachte, als sei Eifersucht ein Fremdwort für sie. Mädchen einfachen Standes sind sehr prak tisch veranlagt. Sie leiden nur selten unter psychischen Komplikationen, die sich zu leisten allerdings viel zu kostspielig für sie wäre. Man muß das Leben nehmen, wie es ist. Gastons Hand suchte nach einem höheren Ziel. Die nackten Schenkel des hübschen Hausmädchens genügten ihr nicht mehr. Suchend tasteten sich die Finger zum Brunnen der Liebe hoch. Aber unerwartet schloß Fanni die Beine und preßte die Knie zusam men, so daß der Weg zum Paradies versperrt blieb. «Nicht so stürmisch», flüsterte Fanni. «Ich würde zu gerne wis sen, ob Madame Gamelin eine feurige Geliebte ist?!» «Warum fragst du?» «Weil sie so lange keusch leben mußte. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß eine große Zeitspanne der Enthaltsamkeit der Erfahrung und dem Temperament abträglich sein könnte.» Sie schürzte überlegend die sinnlichen Lippen «Übung macht den Meister. Trifft das nicht auch auf das Liebesspiel zu?» «Vielleicht. Vielleicht auch nicht.» Berechnend kitzelte der Graf jetzt ihre sensiblen Kniekehlen. «In der Liebe verlernt man nicht so schnell, was man beherrscht. Und seit heute nacht bin ich mir völlig sicher, daß Askese die Leidenschaft in höchstem Maße schürt.»
«Madame muß es Ihnen ja phantastisch besorgt haben!» Noch immer hielt Fanni die Beine geschlossen. «Hoffentlich haben Sie sich nicht zu sehr verausgabt, Herr Graf! Es könnte ja sein, daß die unersättliche Madame Sie ganz schön hart herangenommen hat!» Gaston errötete. Er schwieg und sah an Fanni vorbei, ohne die Liebkosungen allerdings zu unterbrechen. Seine Hand begehrte noch immer Einlaß. «Wir werden ja sehen!» Fanni entwand sich ihm geschickt. Federnd sprang sie vom Bett und begann den Grafen auszuziehen, wie es Madame Yvonne vorhin ebenfalls getan hatte. Dabei fragte sie schelmisch: «Haben Sie einander in voller Garderobe geliebt?» «Mitnichten, mein Kind!» Der Graf wehrte erschrocken ab. «Dann hätten Sie sich für den kurzen Weg von Madames Schlafgemach bis zu meiner Mansarde nicht erst wieder so kor rekt anzukleiden brauchen!» Fanni kicherte melodisch wie ein Kanarienvogel. «Das sind viel zu viele Umstände!» «Du sagst es!» Er erleichterte ihr die Prozedur nach Möglich keit, und er fand, daß sie ihn geschickter als Yvonne von dem modischen Ballast der Textilien befreite. Und dann war er nackt. Er schämte sich nicht über Gebühr, als Fanni seinen Körper sachverständig studierte, obwohl sie noch das bis zum Hals geschlossene Nachtgewand trug, was ihr den Anschein von Überlegenheit gegenüber seiner Barwesigkeit gab. «Ihr kleiner Zappadäus sieht aber doch recht strapaziert aus…!» Fanni wog sein Glied prüfend in der Hand, wie sie am Abend vorher die Rute des Hengstes gewogen hatte. «Aber keine Bange! Bisher hat sich noch jedes Zepter vor mir erhoben!» «Da fällt mir ja ein Stein vom Herzen», überbrückte Gaston die Peinlichkeit, in die ihn sein schwacher Exponent gestürzt, die er aber mit Fannis Hilfe zu beheben hoffte. Denn Impotenz war für ihn bisher noch nie ein Problem gewesen, und so sollte es noch möglichst viele Jahre bleiben. Fanni streifte sich behende das Nachthemd ab, um den Grafen optisch in Stimmung zu bringen. Denn meist, das wußte sie aus umfassender Erfahrung, hilft
schon der Anblick eines wohlgeformten Frauenleibes, um einen Penis vor Freude erstarren zu lassen. Gastons Augen ruhten nun wohlgefällig auf Fannis verlocken den Reizen, deren sie im Überfluß besaß, obwohl sie nicht ganz so schwellend ausgestattet war wie ihre Herrin. Die Brüste des Kindes vom Lande wippten lustig, während Fanni sich über Gastons Wurzelpeter beugte, um ihm mit ihrem warmen Atem neues Leben einzuhauchen. Der Graf ließ sie gewähren, zumal ihn diese Stimulierung au ßerordentlich angenehm berührte. Er lehnte sich behaglich zu rück und hielt Fanni das männliche Unterpfand zu zärtlicher Intimpflege hin. Dem Mädchen war, als recke sich der kleine Frechdachs ein wenig. Dennoch gelang es ihm nicht, sich taten froh zu mausern und das bläulich rote Köpfchen keck zu heben. Da näherte sich ihr Mund dem Penis noch mehr. Sie drückte die heißen Lippen auf die Mündung des biegsamen Füllhorns. Dabei streiften die Finger das Deckblatt provozierend sanft zurück, um es jedoch gleich wieder massierend vorzuschieben, so daß der flinke Bengel immer schneller zu nicken begann. «Ich glaube, er wird langsam wieder munter», kommentierte Fanni die sichtbare Reaktion des Fleisches. «Ja», stimmte Gaston eifrig zu. «Ich fühle, wie er sich mit neu em Tatendrang füllt.» Fanni streichelte den Liebesvogel mit wissendem Griff. Und dann stülpte sie die Lippen über die Spitze des Degens. Die Zunge umrundete den dicken Hals an seiner Einschnürung, und der Graf stieß ein leises, zustimmendes Stöh nen aus, welches Fanni bestätigte, daß sie auf dem richtigen Wege war. Je länger sie sich mit der Erweckung des Ermatteten beschäftigte, desto unruhiger wurde der junge Edelmann. Und schon lag Fanni, ohne ihr barmherziges Werk auch nur für den Bruchteil einer Sekunde zu unterbrechen, seitenverkehrt neben Gaston. Dabei gingen ihre Beine wie von selbst auseinander. Die Liebesfrucht bot sich dem Grafen in ganzer Pracht appetitlich dar. Gaston betastete die rosige Aprikose mit sanfter Berührung. Sodann schob er sein Gesicht in den warmen Schritt der hüb
schen Maid und drückte einen gezielten Kuß auf die blaue Grotte der Seligkeit. Das Paar bildete nun eine verschlungene Figur, die dem ma thematischen Begriff «69» entsprach. Mit Mund und Händen liebkosten beide ihre empfindlichsten Regionen. Nur hin und wieder verschnauften sie kurz, um atemlos nach Luft zu schnap pen. Fannis Finger reizten den Grafen über alle Maßen. Routiniert bearbeiteten sie sein Füllhorn so gefühlvoll, daß es zu prachtvol ler Größe heranwuchs. Und noch immer war kein Ende abzuse hen. «Du weißt, wo es langgeht», flüsterte Gaston Estiché ange spannt, während sich sein Schoß dem hübschen Mädchen noch weiter entgegendrängte. «Wo haben deine flinken Hände denn nur den richtigen Griff gelernt, du kleiner Satansbraten?» Ki chernd antwortete Fanni: «Im Kuhstall! Bis vor einem Jahr war ich Melkerin!» Der Graf verstand. Aber er sagte sich, daß sie ihre Fähigkeiten ganz bestimmt auch bei anderen Männern auspro biert haben mußte. Denn sie war ein beachtliches Naturtalent auf dem Gebiet der handgreiflichen Erotik. Als sie spürte, daß Gaston sich nur noch mit Mühe zu beherr schen vermochte, ließ sie von seinem Faustpfand ab und be schäftigte sich verspielt mit seinem weniger sensiblen Nabel, um seine Erregung abflauen zu lassen. Denn sie wußte, daß weder ihm noch ihr mit einer vorzeitigen Entladung der angestauten Spannung gedient gewesen wäre. Der männliche Orgasmus beendet stets das süße Liebesspiel. Fanni hatte deshalb noch nie begreifen können, warum die Kavaliere diesem Höhepunkt so unbeherrscht entgegenstürmen. Bei den Mädchen mag es anders sein. Denn sie beherrschen die Fähigkeit, auch hinterher noch Lust im Übermaß sowohl zu empfinden als auch zu verschenken. Gastons Zunge hatte den Seismographen in ihrem Zenit gefun den. Nun umrundete sie den kleinen Höcker mit fleißiger Intensität, daß Fanni lauthals zu jauchzen anfing. Immer schneller wurden des Grafen Zungenschläge. Immer gezielter umwarb er den neuralgischsten Punkt der hübschen
Gespielin, die seine Intimküsse mit allen Fasern ihres Leibes genoß. Plötzlich begann ihr Schritt zu zucken und zu beben. Sie wand sich gequält hin und her, wobei sie fieberhaft versuchte, die Beine noch weiter zu spreizen. Ein befreiendes Stöhnen entrang sich ihrer wogenden Brust. Und dann schrie sie in höchster Ekstase auf, daß Gaston fürchte te, die ganze Nachbarschaft könne zusammenlaufen. Trotzdem ließ Gastons Mund von Fannis Schatzkästlein erst ab, als sich ihre Bewegungen beruhigten und ihr Atem normaler wurde. Halb erstickt hob der Graf sein erhitztes Gesicht aus dem fruchtbaren Tal aller irdischen Genüsse. «Zufrieden?» fragte er unsicher. «Sie haben mich sehr glücklich gemacht», nickte Fanni eifrig mit hochrotem Kopf. «Meinetwegen könnte es endlos so weitergehen! Aber andererseits weiß ich, daß man auch den potentesten Kavalier nicht überfordern darf. Schließlich reitet man auch ein Pferd nicht bis zur Erschöpfung. Es wäre unklug.» «Gut gesprochen!» Gaston Estiché blickte an sich herunter auf den strammen Lustigmacher, der sich noch immer steil hoch bäumte und nach befreiender, zumindest aber entspannender Betätigung lechzte. «Kommen Sie, Herr Graf! Sie sollen nicht leiden!» Fanni war seinem Blick gefolgt. Jetzt zog sie seinen Kopf zu sich heran. Ihr wollüstiger Leib bot sich ihm einladend dar. Mit kaum unterdrückter Gier ergriff Gaston von Fanni Besitz. In ungestümem Angriff legte er sich auf sie und drang, diesmal auf die germanische Spielart, tief in sie ein. Verklärt sah das Mädchen ihm in die Augen. Abgehackt flüsterte die feurige Geliebte: «So ist es doch am schönsten!» «Gewiß!» Der Graf bedeckte ihr Gesicht mit einer Flut von verlangenden Küssen, während sich sein Zepter tiefer und tiefer in die rosige Fröhlichkeit wühlte, die es mit Haut und Haar zu verschlingen versuchte, was natürlich nur unvollkommen gelang. Im Rhythmus der Ekstase klatschte Gastons Schoß gegen Fannis offenen Schritt. Sie hielt kräftig gegen. Mit Riesenschritten näher te sie sich bereits wieder einem unbeschreiblichen Höhepunkt,
der noch aufregender als der letzte zu werden versprach. Auch der junge Graf setzte zum Endspurt an. Die Konvulsionen seines unbeherrschten Unterleibes bewiesen, daß auch er bald alle Selbstbeherrschung aufgeben und den Gelüsten freien Lauf lassen würde. Der Naturtrieb übermannte den Verstand. Ein letztes Hochbäumen der schweißnassen Körper, dann erreichten beide beinahe gleichzeitig das Paradies. Sie waren wie zwei Boote, die nach stürmischer Seefahrt den schützenden Hafen erreichen, dessen Wasserspiegel von keiner auch noch so geringen Welle bewegt wird. Hinterher lagen sie engumschlungen nebeneinander und sahen schweigend gegen die Zimmerdecke, auf die der Schein der strahlenden Morgensonne ein helles Viereck malte. «War Madame Gamelin besser im Bett als ich?» unterbrach Fanni die Stille. «Sie war anders», wich Gaston aus, weil er es nicht wußte. Denn man konnte die beiden Evastöchter kaum miteinander verglei chen. Was Madame Yvonne an fraulicher Anmut besaß, das ersetzte Fanni durch animalisches Temperament. An Hingabe aber standen beide einander nicht nach. Und auch nicht an lei denschaftlicher Phantasie, welche sie ungezügelt in die Tat umzu setzen verstanden. «Sie war anders», wiederholte Fanni nachdenklich die Worte des Grafen. «Hat es Ihnen mit ihr mehr Spaß gemacht?» «Mit einer schönen Frau bereitet es mir immer unsagbares Ver gnügen», lächelte Gaston listig. Doch als er bemerkte, daß sich Fanni auch mit dieser Antwort nicht zufriedengeben wollte, ergänzte er: «Dich allerdings übertrifft so leicht keine!» Jetzt endlich schien Fanni beruhigt. Sie schmiegte sich noch fester an den Grafen, wobei sie seine Beine mit ihren knackigen Schenkeln umklammerte. Minuten später waren beide eingeschlafen. Die Natur verlangte ihr Recht. Und heiße Liebe ist anstrengender, als die meisten Menschen glauben mögen.
4. Kapitel Der Landedelmann Gaston Estiché hatte einen pikanten Traum. Im tiefen Schlummer wähnte er sich in Madame Gamelins ge räumigem Wintergarten, wo er unbekleidet auf der Chaiselongue lag. Madame Yvonne und Fanni, beide nicht minder nackt als er, hatten sich über ihn gebeugt. Mit warmem Olivenöl salbten sie seine Haut, und sie ließen bei dieser Tätigkeit keinen Zentimeter seines Leibes aus. Sie widmeten jedem Teil des Körpers die gebührende Aufmerksamkeit, was ihm außerordentlich wohltat. Die beiden Frauen boten einen berauschenden Anblick, den Gaston mit allen Sinnen auskostete. Ihre Brüste schaukelten wie vier schwere Osterglocken im Gleichklang hin und her, so daß Gaston immer zwingender versucht war, nach den reifen Venus äpfeln zu greifen, die ihn scheinbar unerreichbar lockten. Ein süßer Kitzel breitete sich in Gastons Lenden aus, welche sich unruhig zu dehnen begannen. Alles an Gaston drängte den zwei Nymphen entgegen, die einander in jeder Hinsicht vollendet ergänzten. Jetzt nahm Yvonne im Reitsitz auf seinem zuckenden Schoß Platz, während Fanni sich bemühte, ihren Blütenkelch seinem Munde zum Kusse anzubieten. Mit unbändigem Verlangen richtete sich Gaston hoch, um nach der vollfruchtigen Lieblichkeit zu schnappen… und erwachte schlaftrunken. Noch halb betäubt von der Hemmungslosigkeit seiner Halluzinationen, fand der Graf nicht sogleich wieder in die Gegenwart zurück. Fahrig tastete er neben sich, aber der Platz, wo Fanni an seiner Seite eingeschlummert war, blieb leer. Jetzt erst schlug Gaston die Augen vollends auf. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Die Schatten, die sie warf, waren be denklich kurz geworden. Es mußte längst später Vormittag sein. Fluchend fuhr Graf Estiché auf. Er fingerte seine Goldsavonette aus der Westentasche und warf einen ohnmächtigen Blick auf das
brillantverzierte Ziffernblatt. Die Zeiger standen bereits auf der Zwölf! Kein Wunder, daß Fanni ihr Bett verlassen hatte. Denn der Tag eines Hausmädchens beginnt zeitig. Der Graf Estiché schwang die Füße auf den Boden und angelte mit den Zehen nach der Unterhose und den Socken. Dabei überlegte er, wie er am besten ungesehen das Landhaus verlassen konnte. Denn er mochte weder sich noch Madame Gamelin oder Fanni über Gebühr kompromittieren. Gleichwohl galt es nicht weniger, vor Madame auf der Hut zu sein, die nicht zu wissen brauchte, daß er noch immer ihre Gastfreundschaft in Anspruch nahm. Zu allem Überfluß würde ihn seine Haushälterin vermissen und, wenn er Pech hatte, bei Madame nach ihm fragen lassen. Denn er hatte am Vortage unbedacht geäußert, daß er den Abend im Gamelin’schen Anwesen verbringen wolle. Gaston Graf von Estiché befand sich tatsächlich in keiner beneidenswer ten Situation. Dennoch lächelte er zufrieden, als er rückblickend die Bilanz der letzten Nacht zog. Zwei vollblütige Schönheiten hatten sich ihm kurz nacheinander hingegeben, was seiner Eitel keit nicht wenig schmeichelte. Denn Männer sind ebenso wie Frauen auf handfeste Selbstbestätigung angewiesen, die der Mensch braucht wie die Luft zum Leben. Unter dem Aspekt seines Erfolges verlor die Gefangenschaft in Fannis Mansarde viel von ihrer Pein. Irgendwann würde Fanni, dessen war sich der Graf ganz sicher, heraufkommen und ihm einen ungefährlichen Fluchtweg aufzeigen. Er konnte allerdings nicht wissen, daß die Kleine im Moment ganz andere Sorgen hatte. Ja, über lange Zeiträume vergaß das appetitliche Hausmädchen an diesem späten Vormittag die Existenz des Grafen von Estiché fast völlig, zumal ein Schäferstündchen in ihrem Leben keine Sensation mehr bedeutete. Eine Mademoiselle wie Fanni hat stets mehrere Eisen im Feuer, und Gaston überragte seine unbekannten Riva len weder an Talent noch an Ausdauer. Nur wenige Kavaliere hinterlassen einen so unauslöschlichen Eindruck, daß ihre Ge spielin sich mit brennender Sehnsucht an sie erinnert. Während
Gaston Estiché verstohlen am Mansardenfenster stand und auf den Hof hinunterblickte, wo einige Tagelöhner Holz hackten und Gartengeräte ausbesserten, saß Fanni in der Küche und rupfte eine fette Gans, obwohl der Sommer eigentlich nicht so recht die Saison für Federvieh ist, das am vorzüglichsten im November mundet und seine beste Zeit erst dann hat, wenn die ersten Nachtfröste das Gras unter den Füßen knirschen lassen und der Rauhreif auf Dächern und Ästen den nahenden Winter ankün digt. Aber wenn Madame Gamelin nach einer gebratenen Gans zumute war, dann sollte es Fanni nur recht sein. Fanni konnte Gänsebraten zu jeder Jahreszeit vertragen. Madame kam zwischendurch in die Küche, um den Fortgang der Vorbereitungen für das viel zu spät angesetzte Mittagessen zu überwachen. Dabei sagte sie beiläufig: «Fanni, was war das heute nacht eigentlich für ein Lärm im Hause? Mir dünkt, die Unruhe kam aus deiner Kammer, wenn ich mich nicht irre. Du hattest doch hoffentlich keinen Burschen im Bett zu Besuch?» «Keineswegs», schüttelte Fanni eifrig den Kopf, wobei sie nur um eine winzige Nuance errötete, was Madame Gamelin jedoch nicht zu merken schien. «Ich hörte den Lärm auch. Doch ich war bis eben der Meinung, daß er von Ihrem Schlafgemach ausging. Das gab ein Winseln, Stöhnen, Poltern und Scharren, als triebe man den Teufel aus! Bei meiner seligen Großmutter habe ich einmal so einen Exorzismus erlebt, weshalb ich mir ein Urteil wohl erlauben kann.» «Hör auf!» Jetzt errötete auch Madame Yvonne. Weil sie aber ein viel empfindlicheres Nervenkostüm besaß, schoß ihr das Blut wie eine Woge verräterisch in Schläfen und Wangen. «Du mußt dich irren, Kind! Sicherlich narrten dich deine Sinne!» «Noch kann ich mich auf meine Ohren verlassen!» Fanni tat gekränkt, ohne sich jedoch ungehobelt aufzulehnen. Madame Gamelin lächelte fein und sagte forschend: «Heute morgen stand ein selig verklärter Ausdruck auf deinem Gesicht, was mir doch sehr zu denken gibt!»
Fanni antwortete nicht faul und wie aus der Pistole geschossen: «Das trifft sich gut. Auch Madame sahen heute früh so gelöst und glücklich aus, als hätten Sie einen märchenhaften Traum gehabt. Seit dem Tode des armen Monsieur Gamelin habe ich Madame nicht mehr so unbeschwert und verzückt erlebt.» «So schweig doch!» Madame Yvonne winkte hastig ab. «Aber du magst vielleicht recht haben. Mir träumte heute nacht viel verworrenes Zeug. Leider sind Träume nur Schäume, die rasch wieder verfliegen, wenn man sie für Wirklichkeit hält.» «Das stimmt», nickte Fanni, und ein schwerer Seufzer entrang sich ihrer Brust. Yvonne sah das Mädchen erstaunt von der Seite an: «Was weißt denn du schon von den Sehnsüchten und Enttäu schungen einer Frau! Du hast ja das süße Gefühl von Liebe und Erfüllung noch niemals kennengelernt!» Fanni schwieg artig. Insgeheim jedoch verglich sie die Zahl ihrer bisherigen Liebhaber mit der armseligen erotischen Vergan genheit von Madame Yvonne, die bestimmt nicht einmal halb soviel Erfahrung besaß wie sie selbst. «Sei es drum!» In einer plötzlichen mitleidigen Anwandlung strich Yvonne dem Haus mädchen über den Scheitel. «Auch für dich wurde irgendwo ein Mann geboren, dem du einstmals in jungfräulicher Reinheit gehören darfst!» «Dazu muß man aber sicher erst heiraten?» Fanni stellte sich dumm, was ihr nicht schwerfiel, weil sie, wie alle einfachen Men schen, ein beachtliches schauspielerisches Talent besaß. «Das möchte wohl sein!» Ihre Herrin nickte abwesend, und wieder stahl sich ein Lächeln auf ihr ebenmäßiges Gesicht. Es sah aus, als wolle sie den Ernst ihrer Worte verwischen, zumin dest aber ihnen die Nachdrücklichkeit nehmen. Fanni hielt in ihrer Beschäftigung inne und legte fragend das Köpfchen schief: «Ist es wirklich Sünde, wenn sich eine Frau ihrem Geliebten hingibt, ohne mit ihm vorher die Ehe einzugehen?»
«Meist ist es Sünde», erklärte Madame Gamelin lapidar. «Aber nun rupfe den Vogel weiter. Du weißt doch, wie er zubereitet wird?» «Gewiß, Madame. Ich habe schon viele Gänse gebraten.» «Gut. Ich werde mich im Wintergarten auf der Chaiselongue ein wenig ausruhen.» Madame Gamelin wandte sich zum Gehen. «Du weckst mich, wenn der Braten im Backofen schmort!» «Jawohl!» Fanni deutete einen Knicks an. «Sicher war der nächt liche Traum sehr anstrengend. Werden Madame auch heute wieder nackt entspannen?» «Ich brauche mich meiner Schönheit nicht zu schämen», sagte Yvonne statt der rügenden Zurechtweisung, die ihr auf der Zun ge lag. Sie verstand nicht, warum Fanni, die sonst so artig war, seit gestern eine provozierende Keckheit zur Schau trug, welche so gar nicht zu ihr passen wollte. Fanni wartete noch einige Minuten, bis Madame Gamelin sich in den Wintergarten zurück gezogen hatte. Dann legte sie die fast fertig gesäuberte Gans zur Seite und schlich sich auf Zehenspitzen hinauf in ihre Mansarde. Madame Gamelins Worte hatten ihr den jungen Grafen in die Erinnerung zurückgerufen. Gaston Estiché saß mit geschlossenen Augen auf dem Bett. Er hatte sich lässig zurückgelehnt, und es sah aus, als schliefe er. Aber als Fanni eintrat, sprang er sofort auf die Füße. «Endlich!» Er rückte sich die Weste gerade. «Ich sitze hier wie auf Kohlen!» «Madame hat mich aufgehalten.» Fanni fächelte sich mit dem Unterrock ungeniert Kühlung zu, wobei sie die Beine bequem spreizte. «Wenn Sie Lust haben, dann könnten wir uns noch ein Viertelstündchen lieben, Herr Graf! Madame Gamelin hat sich im Wintergarten zur Ruhe begeben, bis ich sie wecke.» «Nein, um Himmels willen!» Gaston winkte beschwörend ab. «Eigentlich wollte ich längst in Paris sein. Aber daraus wird ja nun nichts mehr.» «Dann hätten wir ja doch Zeit füreinander», beharrte Fanni auf ihrem Vorschlag. Denn sie war ein sehr sinnliches Mädchen, das jede Gelegenheit nutzte und niemals etwas anbrennen ließ. «Ein
andermal», vertröstete er sie. «Jetzt aber solltest du mich ungese hen auf dem schnellsten Wege hinausbringen!» «Der einzige Weg führt über die Treppe. Unten allerdings kön nen Sie zwischen dem Portal und dem Hinterausgang wählen, Herr Graf.» Sie faßte ihn bei der Hand und zog ihn mit sich die Stufen hinunter. Zum Glück vollführten die Tagelöhner auf dem Hof ihre Arbeit unter allerlei Geräuschen, welche die Schritte auf der Stiege übertönten. Der Teufel ritt Fanni. Wie sie beide an der Tür zum Wintergarten vorbeikamen, ließ sie den Grafen einen Blick auf die Chaiselongue werfen, wo Yvonne in derselben Stellung und im gleichen Zustand wie am Vortage lag. Und als Gaston der unbekleideten Hausherrin ansichtig wurde, beobach tete Fanni seinen Blick mit forschender Akribie, die er jedoch nicht wahrnahm, weil sein ungeteiltes Interesse Madame Yvonne allein galt. Ja, Fanni mußte ihn regelrecht von dem verlockenden Bild fortreißen. Denn trotz der Furcht vor Entdeckung seiner Anwesenheit hielt ihn der Anblick gefangen, obwohl er doch längst ausführlich mit allen Sinnen die Reize Yvonnes studiert hatte. Fanni entließ Gaston durch den Küchenausgang. Bevor sie ihn mit verspieltem Nachdruck hinausstieß, fragte sie mit tremo lierender Stimme: «Lieben Sie Madame sehr?» Er wich ihrem Blick aus und antwortete: «Es wäre eine Liebe, die zu viele Probleme aufwirft. Es ist unkomplizierter, sich mit einem einfachen Kind vom Lande zu amüsieren.» «Alles hat seinen Preis», sagte Fanni nachdenklich. «Und eines Tages wird jedem Manne die Rechnung präsentiert!» «Was du nicht alles weißt!» Gaston Estiché zwinkerte ihr belu stigt zu. Dann hauchte er ihr einen flüchtigen Kuß auf die Stirn und entfernte sich im Schutze der dichten Fliederbüsche in Richtung zu seinem kleinen Landschloß, das er in einer knappen halben Stunde zu erreichen hoffte. Unterwegs genoß er doppelt intensiv den Duft der bunten Blumen und der saftigen Gräser, die in überschwenglicher Üppigkeit am Straßenrand wie auf den Wiesen standen und sowohl das Auge als auch die Nase erfreu ten. Ein Geruch von schwerer Erde und lieblichem Nektar lag in
der Luft. Bienen summten von Blüte zu Blüte, und hoch oben in silberblauer Höhe sang eine Lerche einen hellen Sopran. Gaston Graf Estiché hatte den Hemdkragen geöffnet und das Jackett aufgeknöpft. Sein verschwitzter Körper sog mit allen Poren den lauen Wind ein, der sanft über das Land strich. Und wieder dachte Gaston an die herrlichen Stunden mit der bezau bernden Yvonne, denen eine nicht minder bezaubernde Zeit spanne mit der sinnlichen Fanni gefolgt war. Auch im Leben eines Grafen gehören solche Nächte konzentrierten Erfolges nicht zu den Alltäglichkeiten, wenn man einmal von den Aben teuern in einschlägigen Pariser Etablissements absah, wo man sich die Gunst hübscher und nicht immer wohlfeiler Kokotten mit barer Münze erkaufen mußte, was den Genuß leider arg vergällte. Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Gaston bedauerte es fast, daß zu Hause keine anschmiegsame Gattin seiner wartete. Aber er tröstete sich mit dem Bewußtsein, daß auch die schönste Gemahlin sehr bald ihre Reize verliert, wenn man sich aneinander gewöhnt hat und der erste Nervenkitzel dem abstumpfenden Empfinden der Alltäglichkeit gewichen ist. Nur der Wechsel hält jung, und allein die körperliche Neugier beflügelt die Lust. Der Graf war sich ganz sicher, daß sowohl Yvonne als auch Fanni ihre Anziehungskraft einbüßen würden, wenn sie zu seiner täglichen Kost gehörten. Vermutlich war Casanova aus dem gleichen Grunde stets auf der Suche nach neuen Abenteuern gewesen. Die ältliche Hausdame, Mademoiselle Josephine, stand auf der obersten der Stufen der Freitreppe des kleinen Schlößchens. Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie Gaston zu Fuß heimkommen sah. «Herr Graf, wo bleiben Sie denn nur?» lamentierte sie wehlei dig. «Die Eisenbahn nach Paris ist längst abgefahren, und heute in aller Herrgottsfrühe fragten mehrere Offiziere der Dritten Husaren-Eskadron nach Ihnen…»
«Das sind Regimentskameraden, die hier in der Nähe ein Ma növer abhalten», winkte der Graf wegwerfend ab. «Die wollten doch nur einigen Flaschen Rotspon den Hals abschlagen. Nichts von Bedeutung. Und morgen geht auch noch ein Zug nach Paris.» «Sie sind aber für heute nachmittag bei Herrn Notar Lafitte verabredet!» «Er wird es überleben, wenn ich ihn heute nicht aufsuche», lachte Gaston Estiché unbeschwert. «Dieser Rechtsverdreher verdient sich sowieso schon eine goldene Nase an mir. Und nun lassen Sie mir ein Bad richten, Mademoiselle Josephine!» «Soll ich Ihnen den Rücken abseifen?» «Bemühen Sie sich nicht!» Gaston zog das Jackett aus und warf es ihr zu. «Dieses delikate Amt kann die kleine Gärtnerstochter Claudine übernehmen!» «Aber ich habe Sie schon gebadet, als Sie noch ein winziger Säugling waren!» Mademoiselle Josephine breitete die Arme abschätzend aus, um die damalige Größe ihres Brotgebers anzu deuten. «Eben», erwiderte Gaston gutgelaunt. «Deshalb wird es jetzt eine Jüngere tun. Man muß auch der Jugend eine Chance geben. Und Sie dürfen sich inzwischen ausruhen, wie es Ihrem ehrbaren Alter zukommt!» «Mir scheint, Sie haben einen heimlichen Hang zum Hausper sonal entdeckt, Herr Graf!» Mademoiselle Josephine stemmte angriffslustig die Hände in die mageren Hüften. «Sie Wissen, wohin solch frivoles Spiel führen kann?!» «Und ob!» Wieder lachte der junge Graf. Es war ein gutmütiges, jungenhaftes Lachen. «Sie haben schon oft genug meinen kostba ren Piephahn gewaschen, geölt und gepudert. Nun lassen Sie auch mal einem jungen Mädchen das unschuldige Vergnügen!» «Wie Sie befehlen! Aber beklagen Sie sich nicht bei mir, wenn die weiblichen Dienstboten es hinterher an der notwendigen Ehrerbietung Ihnen gegenüber fehlen lassen. Es könnte sein, daß man sich bald über Sie lustig macht!»
«So klein ist mein Wurzelpeter nun aber auch wieder nicht», verwahrte er sich amüsiert. «Er ist immer kleiner, als die Männer denken», widersprach die hagere Josephine, die sehr wissend tat, obwohl Gaston sie nicht zu Unrecht noch für eine waschechte Jungfrau hielt. Und in ihrem vorgeschrittenen Alter würde sich kaum noch etwas an ihrem unberührten Zustand ändern. Wo die Versuchung fehlt, da gerät die Tugend nur selten in Gefahr. Es war dem Grafen nicht vergönnt, sich von der Gärtnerstoch ter Claudine gründlich abseifen zu lassen. Denn noch ehe das warme Wasser in die hochbeinige Badewanne schoß, meldete ihm der ältliche Diener Jean den Besuch eines Landpächters, der um die Stundung einer Bringschuld bat. Dem Landpächter auf dem Fuß folgte, kaum daß jener gegan gen war, der Gutsverwalter, der dem Grafen die Abrechnungen der letzten zwei Monate vorlegte. Und während Gaston noch gewissenhaft die Unterlagen prüfte, kam Mademoiselle Josephine mit der Nachricht herein, daß Claudine zum Schäfer auf die Lämmerweide gegangen sei und nicht vor dem Abend zurück kehren würde. Weil ihm momentan nicht der Sinn nach Josephi nes wenig aufregender Hilfe bei der körperlichen Reinigung stand, verzichtete der Graf vollends auf das beabsichtigte Bad, beschloß aber, es noch vor dem Schlafengehen nachzuholen. Zum Glück hatte die Köchin einige Forellen delikat zubereitet, denen Gaston Estiché lebhaft zusprach, nachdem er den Guts verwalter verabschiedet hatte. Josephine leistete ihm unaufgefor dert Gesellschaft, wozu ihre langjährige Treue der Familie des Grafen gegenüber sie sehr wohl berechtigte. Sie schenkte ihm vom leichten Chablis ein und vergaß nicht, sich auch selbst ein Gläschen zu gönnen, was Gaston ohne Unmut duldete. Während er speiste, gab er ihr für den Tag seiner Abwesenheit alle nötigen Anweisungen, obwohl sie sehr wohl selbständig und außeror dentlich umsichtig dem Hause vorzustehen verstand. «Es kann sein, daß ich erst übermorgen aus Paris zurückkehre», erklärte er ihr beiläufig eingedenk der Komplikationen, die sich in der letz
ten Nacht eingestellt hatten. «Sie brauchen sich also keine unnö tigen Sorgen zu machen!» «Ich bin nicht besorgt», sagte sie unbeschwert. «Ich bin nur traurig, weil Sie nach Paris fahren, ich aber hierbleiben muß. Wissen Sie, wann ich das letzte Mal in der Hauptstadt war? Nein, Sie können es nicht einmal ahnen! Es ist mindestens zwanzig Jahre her. Und dabei wohnen wir nur eine gute Wagenstunde vom Zentrum entfernt!» «Seien Sie nicht deprimiert!» Er legte ihr tröstend die Hand auf den knochigen Unterarm. «Vielleicht miete ich morgen eine Stadtwohnung, in der wir die nächsten Monate und vielleicht sogar den Winter verbringen werden. Diese Pläne trage ich schon lange mit mir herum. Denn meine Geschäfte verlangen, daß ich mich häufiger und auch länger in Paris aufhalte.» «Eine Stadtwohnung?» Mademoiselle Josephine klatschte wie ein Kind begeistert in die Hände. «Sie werden Paris aber kaum noch wiedererkennen», schränkte Gaston vorsorglich ein. «Im Parc du champ de Mars errichtet man augenblicklich einen 318 Meter hohen Turm aus Eisen, der alle Bauwerke überragen wird. Und auf Straßen ersetzen sie die Gasbeleuchtung durch elektri sche Kandelaber, die nächtens so hell wie die Sonne strahlen…» «Ich kenne noch nicht einmal die Gaslaternen!» Josephine schüttelte den Kopf. «Allein daran können Sie ermessen, wie lange ich schon hier auf dem Lande lebe. Aber ich will mich ja nicht beklagen!» «Bald sollen Sie wieder richtige Stadtluft schnuppern», tröstete der Graf sie. Dann stand er auf, um im Arbeitszimmer die Papie re zu ordnen, die er mit auf die Reise nehmen wollte. Denn er hatte große Unternehmungen vor. Die neue Zeit ließ sich nicht aufhalten. Und er beabsichtigte, sich vom Fortschritt eine dicke Scheibe abzuschneiden. Im Hause von Madame Gamelin indes sen schmiedete man keine hochfliegenden Zukunftspläne. Yvonne und Fanni hingen, jede für sich, den Erinnerungen an die vergangene Nacht nach. Vom Gänsebraten hatte Madame Yvonne nur wenige Bissen genommen. Jetzt promenierte sie
langsam durch den Garten, brach hier und dort eine Buschrose ab und sah gelegentlich über die grünen Wiesen in die Richtung, wo Graf Estichés Landschlößchen lag, das man allerdings von ihrer Villa aus nicht erblicken konnte, weil sich zu viele natürliche Hindernisse dem Auge in den Weg stellten. Fanni täuschte unterdessen in der Küche emsige Arbeit vor, obwohl sie, genau besehen, nichts zu tun hatte, zumal eine Zu gehfrau aus dem nahen Dorfe die schmutzigen wie auch die gröberen Tätigkeiten verrichtete. Doch Fanni wußte, durch Erfahrung klug geworden, daß sich nicht ungestraft ausruhen kann, wer die Hände weithin bemerkbar in den Schoß legt. Deshalb wischte Fanni hier und da ein vergessenes und keines falls störendes Stäubchen fort, klapperte ein wenig mit dem abgewaschenen Geschirr im Küchenschrank, schob sich hin und wieder einen Bissen Gänsebraten in den Mund und wartete ansonsten auf den Abend, der jedoch noch lange nicht hereinzu brechen versprach. So blieb Fanni denn Zeit genug, von den Liebkosungen zu träumen, welche der Graf von Estiché ihr hatte zukommen lassen. Und da sie eine sehr bildhafte Phantasie besaß, stellte sie sich die Zärtlichkeiten, welche sie beide ausge tauscht, außerordentlich intensiv vor. Die schlüpfrigen Gedanken versetzten Fanni in eine ungebühr liche Erregung, die sich um so heftiger steigerte, je deutlicher sich das hübsche Mädchen die Details vergegenwärtigte. Fannis rech te Hand schob sich unwillkürlich unter den Rock und suchte jene mystische Stelle, die Gaston Estiché so drängend umworben hatte. Der leicht gekrümmte Zeigefinger bewegte sich zielstrebig hin und her. Die Brust wogte stürmisch. Das unverbildete Kind vom Lande befand sich in einem Zustand höchster leiblicher Unruhe, obwohl sie doch ein sexuell ungemein ausgeglichenes Leben führte und diesbezüglich nichts zu entbehren brauchte. Der Nervenkitzel im Zenit ihres Schrittes wurde immer über mächtiger. Und sicher hätte sich Fanni schon sehr bald von der körperlichen Spannung befreit, wenn die Haustürglocke nicht erklungen wäre.
Als habe man sie ertappt, ließ Fanni von sich ab und ging leicht verärgert ob der Störung durch die Halle, um zu öffnen. Vor ihr stand ein Bursche des Krämers, der einen Korb voller Lebensmittel und Delikatessen brachte, welche Fanni am Vortage nicht mehr hatte tragen können. Der junge Mann war ein braungebrannter, kräftiger Bengel mit breiten Händen und frechen Augen, welche statt zu bitten for derten. Er schloß die Tür hinter sich, stellte den Korb nieder und schnalzte in einer Mischung aus Anerkennung und Verlangen laut mit der Zunge. «Verdammt heiß heute!» Er musterte Fanni, deren Erregung noch nachklang. «Da könnte man einen Schluck kühlen Weines schon vertragen. Der Weg hierher war schließlich lang und be schwerlich.» «Komm mit!» Fanni wies diktatorisch auf den Korb und führte den Boten in die Küche, wo sie ihm ein Glas Most bis zum Rande einschenkte. Während er durstig trank, öffnete sie die Speisekammer und begann den üppig gefüllten Korb auszuräu men, wobei sie sich recht tief bücken mußte. Plötzlich fühlte sie sich um die Hüften gefaßt und kräftig hochgezogen. Mit leichtem Unwillen wehrte sie sich und rief unterdrückt: «Laß den Unsinn, Junge! Ich bin auf deine Mildtätigkeiten nicht angewiesen!» Der Kerl aber hörte nicht auf sie. Er drückte sie zärtlich und zugleich verlangend an sich und küßte ihren glatten Hals. Als sie sich ihm überrascht und erschrocken zu entwinden versuchte, drängte er, indem er seine linke Hand in ihren Ausschnitt schob und die Lustbomben zu streicheln begann: «Zier dich doch nicht so! Alle Mamsells sind dankbar, wenn ich mich ihrer erbarme!» Im gleichen Augenblick fuhr seine Rechte auch schon zielstrebig über ihren Venusberg, und in den nächsten Sekunden lagen seine Finger dort, wo Fanni kurz vorher die leibliche Unruhe bekämpft hatte. Die Hände des Burschen tasteten sich forschend vor, und wäh rend der frühreife Knabe scherzend an Fannis Schamhaaren ziepte, küßte er sie auf den Mund und versuchte seine Zunge
zwischen ihre feuchten Lippen zu zwängen. Fanni war unfähig, sich zu wehren. Und sie wollte es auch gar nicht tun. Sie hatte noch immer das Bild des nackten Grafen vor den Augen und ließ den Gelüsten des kräftigen Burschen freien Lauf. Er drängte sie zu einem harten Stuhl, nahm mit einer geschickten Wendung flugs darauf Platz und zog die kaum nennenswert Widerstreben de auf seinen Schoß. Dabei flüsterte er ihr ins Ohr: «Du bist hübsch wie eine Mademoiselle aus der Stadt! So eine Schönheit bietet sich einem nicht alle Tage an!» Er neigte den Kopf über ihre Brust und küßte sie zwischen die beiden Halbkugeln, was Fanni selig erschauern ließ. Seine rechte Hand bestürmte erneut den warmen Lebensborn. Aber Fanni preßte in einer unvermittelten Anwandlung die Knie ganz fest zusammen, wie sie es anfangs auch beim Grafen von Estiché getan hatte, ohne sich ihm jedoch ernsthaft zu verweigern. Fannis verlockende Halbkugeln wurden Zoll um Zoll über dem herabsinkenden Kleid freigelegt. Wieder preßte sich der Mund des Burschen in einem feurigen Kuß auf Fannis heiße Lippen, und diesmal gelang es seiner Zunge, sich zwischen die beiden Reihen der schneeweißen Zähne zu zwängen. Das Mädchen, das bisher keine Regung gezeigt hatte und den Körper unentschlos sen verkrampfte, fühlte die Willenskraft allmählich erlahmen. Durch den Gedanken an die vergangene Nacht aufgewühlt, ließ sie sich vom dreisten Angriff des kühnen Burschen regelrecht überrumpeln. Natürlich spürte der junge Mann, daß er dem Ziel seiner Wünsche bereits sehr nahe war. Und wieder fuhr seine Rechte unter dem Rock zwischen Fannis Knie, die allen Wider stand aufgaben und sich zitternd zu öffnen begannen. Schon faßte die gierige Männerhand nach der begehrenswerten Liebesfrucht, da fuhr Fanni unvermittelt mit einem solchen Ruck auf, daß der Bengel beinahe samt dem Stuhl umgekippt wäre. Denn sie hatte das Öffnen der vorderen Türe vernommen. «Fort! Man kommt!» Sie ordnete erregt ihre Kleidung und schob auch die Brüste wieder an den richtigen Ort. Dann band
sie sich das blaue Schürzenband gerade, so daß es aussah, als sei überhaupt nichts geschehen. Der Krämersbote griff nach dem halbgeleerten Glas und trank ohne Eile den Rest aus, als Madame Yvonne eintrat: «Fanni, mir war, als habe es vorhin geläutet! Wer ist denn gekommen?» Fanni deutete auf den Burschen: «Der Commis unseres Kaufmannes, Madame! Ich habe den Korb in die Speisekammer stellen lassen.» «Doch nicht in die Speisekammer!» Yvonne riß die Tür auf und betrachtete die Delikatessen. «Diese leicht verderblichen Le bensmittel müssen im Keller gelagert werden, wo es kühler ist!» Da packte Fanni alles wieder ein. Der Junge nahm ihr alsdann galant den Korb ab. Fanni entzündete eine Kerze, welche sie in einen Zinnleuchter steckte, und ging voran zur Kellertreppe. Der Jüngling folgte ihr ehrsam und gesittet wie ein gut erzogener Kavalier. Sie hatten kaum das Tiefparterre erreicht, als ein Wind zug das Licht ausblies. Zögernd blieb Fanni mit tastenden Füßen stehen, um die Augen an die ägyptische Finsternis zu gewöhnen. Der Bursche nutzte Fannis Wehrlosigkeit aus. Des Korbes nicht achtend, umschlang er sie, und hätte sie sich gesträubt, sie wären beide die schmale und überdies steile Stiege hinuntergestürzt. Der Not gleichermaßen gehorchend wie dem eigenen Triebe, führte das Mädchen den mißtrauischen Freier zu einer niedrigen Truhe, die schon seit Ewigkeiten in einer Nische stand und zur Aufbewahrung allerlei Gerümpels diente. Ein Liebesvorspiel konnte es hier allerdings nicht geben. Dazu war die Zeit viel zu kurz. Der Commis tastete prüfend über den flachen Deckel der Kiste und flüsterte: «Dieses Brautbett ist sehr nützlich. Leg dich lang, kleine Süße!» Ehe sie sich versah, hatte er ihren Rock hoch geschoben. Ungestüm drang sein Liebesvogel in sie ein, was Fanni nur zu gerne duldete. Sie war wieder in ihrem Element. Ganz tief stieß das Füllhorn in ihrer Grotte vor. Aber bevor Fanni auch nur richtig zur Besinnung kam, geschah es auch schon. Der überreizte Liebhaber verlor die Beherrschung und ließ den Dingen freien Lauf.
Dann war alles auch schon vorüber. «Du bist einer von der ganz schnellen Truppe», beklagte sich Fanni, und in ihrer Stimme schwang unüberhörbare Unzufriedenheit. «An mich hast du dabei überhaupt nicht gedacht!» «Das nächste Mal», versuchte er sie zu beruhigen. «Dann kommst du bestimmt auf deine Kosten! Ich begreife selbst nicht, warum ich mich nicht zu beherrschen vermochte!» «Weil du ein Schlappschwanz bist!» gab sie ihm einen streng verweisenden Bescheid, während sie sich notdürftig säuberte und ihre Kleidung abermals ordnete. Er indessen fingerte in den Hosentaschen nach Zündhölzern und steckte die Kerze wieder an. Dabei verlor er kein einziges Wort mehr. Er hatte bekom men, was er wollte, und das Interesse an der niedlichen Schönen zumindest vorläufig verloren. Trotzdem half er ihr, die Vorräte im Küchenkeller aufzubauen. Sie allerdings tat, als sei er Luft für sie. Mit egoistischen Männern hatte sie nicht viel im Sinne. Denn so, wie sie in der Liebe alles zu geben bereit war, forderte sie auch alles, und manchmal noch mehr.
5. Kapitel
Gaston Graf von Estiché war am nächsten Morgen in der ersten Klasse der Dampfbahn nach Paris gefahren. Er hatte in der Metropole zahlreiche unaufschiebbare Besorgungen gemacht und noch am Vormittag seinen Hausarzt aufgesucht, welcher ihm eine gute Konstitution und beneidenswerte Gesundheit attestier te. Im Maxim, das damals wirklich noch das sagenumwobene Ma xim war, von dem alle Welt in den höchsten Tönen schwärmte, speiste er sodann genußvoll und ohne Eile, ehe er zum Notar Lafitte schlenderte, dessentwegen er hauptsächlich hergekommen war. Gutgelaunt flanierte er durch die Avenue des Champs-Elysées, die ihn von Mal zu Mal stärker faszinierte. Er genoß beeindruckt das Flair der ungezählten eleganten Geschäfte, Ausstellungssa lons, Luxusrestaurants und Straßencafes. Hier, dessen versicherte er sich stets aufs neue, schlug das Herz der Society von Paris. Und er beschloß, irgendwo zwischen der Place de la Concorde und dem Arc de Triomphe in einer stillen, repräsentativen Sei tenstraße die Stadtwohnung zu mieten, die er schon lange im Auge hatte. Dann sollte das Landgut Nanterre sein Sommersitz werden, wohin er sich zurückziehen würde, wenn er einmal der Ruhe und Abgeschiedenheit bedurfte. Der Notar Lafitte war ein weißhaariger Grandseigneur mit gewinnenden Manieren und einem achtungsgebietenden Backenbart. Er empfing Gaston überschwenglich und trug ihm die eintägige Verspätung keines falls nach. Denn er wußte um die Imponderabilien, mit denen ein Graf bisweilen zu kämpfen hat. Sie tranken einen schweren Burgunder, obwohl der Graf einem Beaujolais insgeheim den Vorzug gegeben hätte, und der Notar lobte Gastons Entschluß, sich gleichwertig zu seinem ländlichen
Domizil auch in Paris niederzulassen. Endlich kam Gaston Esti ché auf den Zweck seines Besuches zu sprechen. «Ich habe in der letzten Zeit nicht schlecht verdient», holte er weit aus. «Die Zucht meiner Vollblutpferde brachte mir ein kleines Vermögen ein. Die Preise für mein Bauland sind rapide gestiegen, und die Schuldner, denen ich Geld zu guten Zinsen lieh, zahlen pünktlich und korrekt zurück. Nun möchte ich mei nen Reichtum gut und gewinnbringend anlegen. Sie, lieber Lafit te, sollen mir dabei behilflich sein. Es wird Ihnen keinesfalls zum Schaden gereichen.» «Hegen Sie spezielle Pläne?» Der Notar strich sich überlegend durch den Bart. Gaston nickte: «Mir kam zu Ohren, daß die Zukunft den Diamanten gehört! In Südafrika wurden riesige Vorkommen gefunden. Man braucht sie nur noch abzubauen!» «Wozu allerdings ein erheblicher finanzieller Aufwand nötig ist. Die Mittel übersteigen zweifellos die Möglichkeiten eines einzel nen. Sie könnten sich höchstens an einer der zahlreichen Gesell schaften beteiligen, die besonders in England und Holland wie Pilze aus dem Boden schießen.» «Das ist doch bestens. So etwas schwebt mir ja auch vor!» Der Notar wiegte bedächtig den Kopf. «Wie hoch wollen Sie denn einsteigen?» «Ich habe acht mal hunderttausend Franc in bar. Hinzu kommt Grundbesitz im Wert von ungefähr einer Million. Ich beabsichti ge aufs Ganze zu gehen und alles zu riskieren!» Der Graf schob dem Notar die Unterlagen, die er mitgebracht hatte, über den Tisch. «Sie haben aber Mut!» Lafitte blätterte die Papiere ohne Eile durch. «Und ich soll das alles in die Hand nehmen?» Estiché nickte. «Dann müßten Sie mir eine Vollmacht unterschreiben!» Lafitte reichte ihm einen vorbereiteten Vertrag und schraubte umständlich das Tintenfaß auf. «Ein gewisses Risiko ist allerdings niemals völlig auszuschließen!» «Ich weiß! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!» Gaston unter zeichnete mit leichter Hand, als ginge es nur um den Kauf eines
Pferdes. «Ihre Unterschrift macht Sie zu einem der reichsten Männer dieser Welt oder zu einem Bettler!» Der Notar Lafitte wartete einige Sekunden lang ab. Und erst, als der Graf zustim mend nickte, nahm er das Schriftstück fast feierlich an sich, um es bedächtig zu falten und in der Schublade seines Louis-seizeSchreibtisches zu versenken. Gaston Estiché schloß für einen Moment die Augen. Die Würfel waren gefallen. Im Bewußtsein der Bedeutung dieser Stunde malte er sich aus, wie es sein würde, wenn ihm bald die Türen der Schlösser des Hochadels und der Paläste der Finanzmagnaten offenstehen würden. Er dachte auch nicht ganz ohne Wehmut an Madame Yvonne Gamelin. Arme Yvonne! Niemals konnte die hübsche Witwe die Frau eines Mannes aus altem Grafengeschlecht werden! «Haben Sie sich schon für einen bestimmten Wohnsitz in Paris entschieden, Herr Graf?» Die Frage des Notars holte Gaston in die Wirklichkeit zurück. «Nein. Aber ich würde der Gegend nahe der Avenue des Champs-Elysées unbedingt den Vorzug geben!» «Das trifft sich gut.» Monsieur Lafitte schenkte nach und lehnte sich in seinem Armsessel bequem zurück. «Ich kenne drei junge und überaus appetitliche Schwestern, die in der Avenue Gabriel ein entzückendes Stadtpalais zur Miete feilbieten. Sie selbst be wohnen nur das Mansardengeschoß. Hier, mein lieber Graf, hätten Sie Luxus und Eros unter einem Dach, und es würde Ihnen ganz bestimmt an nichts mangeln!» «Nach Paris, der Liebe wegen!» Gaston lächelte. «Ich bin nicht gewillt, die Erotik zum Zentralpunkt meines Lebens zu machen. Andererseits ist es eine unbestrittene Tatsache, daß man ohne sie keine rechte Freude an der eigenen Existenz hätte.» «Sie sagen es. Man muß ihr nur den gebührenden Stellenwert zuweisen.» Lafitte prostete dem Gast zu. «Ich könnte bei den Damen Lairesse noch für heute abend einen intimen Besuch arrangieren?!» «In der Avenue Gabriel, sagten Sie?» «Gewiß.»
«Und die drei Schwestern sind wirklich hübsch?» vergewisserte sich Graf Estiché. «Für ihre Schönheit verbürge ich mich», nickte der Notar eifrig. «Bei ihrem Anblick wird sogar mein altes Herz wieder jung. Sie wären in dem kleinen Palais in jeder Hinsicht bestens aufgehoben. Ich verspreche Ihnen nicht zuviel.» «Lassen wir uns überraschen», willigte der junge Graf ein. «Mein Besuch erfolgt aber völlig unverbindlich!» «Selbstverständlich!» Der Notar breitete zustimmend die Arme aus. «Ich bin mir jedoch ganz sicher, daß Sie zufrieden sein wer den. Besonders die kleine Adeline ist eine wahre Augenweide. Und sie besitzt zweifellos auch Qualitäten, die nicht auf den ersten Blick sichtbar werden!» Man verabredete, sich kurz nach acht vor dem Palais in der Avenue Gabriel zu treffen, und weil er vom Notar nicht zum Bleiben aufgefordert wurde, verabschiede te sich der Graf nach einer gebührenden Weile. Um den angebrochenen Nachmittag sinnvoll auszufüllen, ent schloß sich Gaston, eine Wohnung aufzusuchen, in welcher er regelmäßig Gast war, wenn er in die Hauptstadt kam. Mit einer Mietdroschke fuhr er nach Montmartre. Kurz vor dem Ziel stieg er aus, entlohnte den Kutscher großzügig und ging die letzten hundert Meter zu Fuß. Das Haus lag am toten Ende einer belebten Straße. Graf Esti ché stieg, nachdem ihn eine ältliche Mamsell kurz in Augenschein genommen und für akzeptabel befunden hatte, in den ersten Stock, wo er in einem keineswegs eleganten Salon Platz nehmen durfte. Hier sah es eher aus wie im Wartezimmer eines Dentisten oder Arztes. Nur einige aufreizende Farbradierungen an den Wänden, die junge Damen in eindeutiger Kleidung zeigten, ließen erkennen, was den Grafen erwartete. Nach einigen Minu ten erschien der ältliche Hausgeist wieder und führte Gaston durch einen halbdunklen Korridor zu Madame Eugenie, die hier allein residierte und alle überflüssigen Schnörkel ablehnte. «Mein lieber Freund», lächelte sie ihn zur Begrüßung an. «Sie haben sich lange nicht blicken lassen!»
Gaston murmelte etwas von Geschäften und chronischem Zeitmangel, während er sowohl Madame als auch den Raum flüchtig studierte, obwohl er doch beides bereits ausführlich kannte. Madame Eugenie erwies sich auch diesmal als freundliche Gastgeberin, mit der Gaston ohne Scheu seine Interessen erör tern konnte, obzwar dies kaum noch notwendig war, weil sie sich seiner Wünsche hinreichend erinnerte. Obgleich Madame den Zenit ihrer Jugend längst überschritten hatte, sah sie noch immer recht begehrenswert aus. Dabei trug sie nur ein einfaches schwarzes Gewand, dazu schwarze Schuhe und gleichfarbige Strümpfe. «Haben Sie heute besondere Wünsche, Monsieur?» fragte sie höflich, nachdem sie Gaston hinreichend Zeit gelassen hatte, sich heimisch zu fühlen. Sie nannte ihn «Monsieur», weil sie seinen wirklichen Namen nicht kannte. Zweifellos interessierte es sie nicht sonderlich, wie ihre Kunden hießen. Der junge Graf deute te mit dem Zeigefinger statt einer Antwort schweigend auf ein Messingbett. Da forderte Madame Eugenie ihn auf, sich auszu kleiden. Sie selbst verließ den Raum, so daß Gaston Muße hatte, sich umzuschauen. Madame schien seine Vorliebe genau zu kennen. Denn als sie wieder hereinkam, trug sie einen Anzug aus Sämisch-Leder, nicht unähnlich den Gewändern der Indianer Nordamerikas. Madame Eugenie streichelte Gaston sehr aufrei zend mit den Fingerspitzen, daß er sich lustvoll aufbäumte. Nachdem er durch ihre Liebkosungen hinreichend erregt wor den war, fingerte Madame Eugenie an seinem kleinen Liebesvo gel und machte ihn mit gezielten Griffen über Gebühr nervös, bis er zuckend das Köpfchen in die Höhe reckte. Gaston war deutlich sichtbar bereit. Aber erst, als er verlangend zu stöhnen begann, erbarmte sie sich seiner. Mit gespreizten Beinen nahm sie auf seinem Schoß Platz, wobei sich der ausgesparte Schlitz im Schritt ihrer Hose wie von selbst weit öffnete. Und schon schnappte die warme Perlmuschel nach dem Liebespfeil, den sie sogleich zu verschlingen begann.
Gaston spürte genau, wie sie ihn verlangend in sich hereinsog. Da hob er den Unterleib und drängte sich dem lustvollen Para dies entgegen, bis der kleine Freudenspender fast völlig in der Märchengrotte verschwunden war, die ihn nunmehr warm, feucht und weich umschmiegte. Madames trainierte Rosenknospe hielt den strammen Penis fest gepackt, wobei sie ihn gefühlvoll zu massieren begann und Gaston allerhöchste Lust bescherte. Der Graf hatte schon viele Frauen und Mädchen besessen. Aber nicht eine einzige konnte sich einer solchen lebendigen Liebesfrucht rühmen, welche so ausdrucksvoll und gezielt zuzu fassen verstand. Die peristaltierenden Konvulsionen verstärkten sich zuneh mend. Madame hob und senkte sich immer schneller auf Ga stons Schoß. Und es mochten nur wenige Minuten vergangen sein, als er auch schon das Ziel seiner Wünsche erreichte und sich seines hinausdrängenden Ballastes entledigte. «Zufrieden?» Madame hielt sich keine Sekunde länger als nötig über seinem Schoß auf. Leichtfüßig stieg sie herab und strich sich, ungeachtet der Spuren, die Gaston an ihrer intimsten Stelle hinterlassen hatte, den ledernen Rock wieder glatt. «Eigentlich hatte ich ja eine strengere Behandlung gewünscht», sagte Gaston. Aber sie schüttelte nur wissend den Kopf und erwiderte: «Nein, Monsieur sind nicht der Typ dafür! Sie hätten bestimmt keinen Spaß daran. Glauben Sie mir, ich kenne die Männer. Es wäre lediglich ein Akt der Peinlichkeit geworden.» «Das erzählen Sie mir jedesmal!» Er erhob sich lächelnd und fügte hinzu: «Allerdings entschädigt der packende Griff Ihrer ausdrucksvollen Orchidee für alles, was Sie mir verweigern.» Sie lächelte nur und schwieg. Vermutlich hatte sie solche Worte schon oft gehört. Das Honorar, das sie abschließend verlangte, war angemessen und beinahe bescheiden. Der Graf wollte noch ein fürstliches Trinkgeld drauflegen, aber als sie dies mit höfli chem Nachdruck ablehnte, versuchte er es ihr nicht aufzudrän gen. Er versprach, in absehbarer Zeit wiederzukommen, dann
verabschiedete er sich mit einem galanten Handkuß, wie es sich für einen Monsieur von Welt geziemt. Wohlgemut und frohgestimmt schritt er zufrieden durch die Straßen und Parks der Metropole. Er fühlte sich auf wundersame Art entspannt und befreit. Insgeheim bestätigte er sich, daß es wohl nicht so sehr auf die Jugend einer schönen Frau ankam, sondern vielmehr auf ihre Erfahrung und Kunstfertigkeit. In einem Cafe trank er eine Schale bitteren Kakao und über dachte noch einmal seine Geldgeschäfte, die er dem Notar Lafitte anvertraut hatte, welchen er als versiert und umsichtig schätzte. Denn Lafitte war ein mit allen Wassern gewaschener Jurist, der Fingerspitzengefühl und Gespür im Überfluß besaß. Hätte er nicht einen Rechtsberuf gewählt, er wäre ein begnadeter Bör senmakler geworden. Als die Sonne bereits lange Schatten zu werfen begann, brach der junge Graf auf. Im Strom der Müßig gänger, die Boulevards und Avenuen schlendernd bevölkerten, arbeitete er sich rasch zur Avenue Gabriel vor, und kurz nach acht traf er vor dem bewußten Palais der Damen Lairesse ein, wo der Notar Lafitte bereits wartete. «Pünktlichkeit in einer fremden Stadt ist eine nicht zu unterschätzende Tugend», sagte Lafitte anerkennend und hakte sich bei Gaston ein, um ihn ins Haus zu führen. «So fremd bin ich in Paris nun auch wieder nicht», wehrte Graf Estiché nicht ohne Selbstbewußtsein das Kompliment ab und ließ sich die wenigen Stufen zum Portal begleiten. Das Palais, so mußte er sich eingestehen, sah zumindest von außen elegant und respektabel aus. Hier müßte man bestimmt angenehm wohnen. Das Interieur stand der Fassade in nichts nach. Davon konnte sich der Graf überzeugen, als sie geschellt hatten und das junge Hausmädchen sie durch eine repräsentative Halle ins Besuchs zimmer führte. «Alles, was recht ist», nickte Gaston dem Juristen zu. «Und das kleine Kammerkätzchen hat sicherlich auch seine bezaubernden Qualitäten.»
«Sie kann den Damen Lairesse nicht einmal das Wasser rei chen!» Lafitte winkte geringschätzig ab. «Und gleich werden Sie mir recht geben, lieber Graf!» «Ich lasse mich nur zu gerne überraschen!» Gaston betrachtete die erlesene Einrichtung, die ihre Wirkung auf ihn nicht verfehlte, obwohl auch er in verschwenderischem Luxus lebte. Mit Ken nerblick taxierte er die schwellenden Teppiche aus Täbris, Isfa han und Anatolien, die kostbaren Porzellane aus Kopenhagen, Meißen und Karlsbad, die handgetriebenen Silberleuchter und schalen, die überall verschwenderisch arrangiert waren, die teuren Gemälde in breiten Goldrahmen und die glänzend furnierten Barockmöbel, die selbst einem Kaiser zur Ehre gereicht hätten. «Sagt Ihnen das Haus zu?» riß ihn der Notar fragend aus seinen Träumen. «Ist dieses Stadtpalais nicht in der Tat ein Märchen schloß aus Tausendundeiner Nacht?» «Ohne Zweifel!» Gaston nickte zustimmend. «Nur die Gemälde werde ich austauschen lassen, falls wir uns einig werden sollten.» «Die Gemälde?» Lafitte verstand nicht. «Es sind die herrlichsten Aktbilder der berühmtesten Maler…!» «Eben!» Der Graf lächelte fein. «Ganz bezaubernde Akte und wunderbares Fleisch betörender Frauen!» «Das Pikanteste vom Pikanten», beschwor Lafitte ihn. «Unge mein anregend, um nicht zu sagen, aufregend!» «Gerade das will ich vermeiden.» Gaston deutete mit einer pau schalen Geste in die Runde. «Man sollte nicht so offenkundig auf seine Neigungen aufmerksam machen! Sonst halten mich die Besucher noch für einen hemmungslosen Lebemann, wenn Sie verstehen, was ich meine!» Der Notar verstand nur zu gut. Ge messen sagte er: «Sie werden ja doch wohl kaum Puritaner oder Jesuiten hier empfangen?!» «Wäre ich mir dessen so sicher, ließe ich die Bilder bestimmt an ihrem angestammten Platz hängen. Schauen Sie nur, wie delikat es der Göttervater Zeus hier mit den nackten Nymphen treibt!» Er wies auf ein wandhohes Gemälde, das die ganze Stirnseite des
Raumes einnahm. «An und für sich ein zauberhaftes Kunstwerk. Aber es gehört eigentlich eher in ein feudales Freudenhaus!» «Deshalb hängt es ja auch hier», entgegnete Lafitte trocken. «Wie bitte?» Gaston glaubte sich verhört zu haben. Aber noch ehe der Notar erklären konnte, was er meinte, ka men die drei Schwestern Lairesse herein. Das heißt, sie kamen nicht, sie schwebten. Sie waren von einer überirdischen Anmut und gleichzeitig von einer verteufelten Schönheit, eine Mischung, die Gaston beinahe den Atem verschlug. Lafitte stellte ihnen Gaston vor. Dann machte er die Damen mit ihm bekannt. Die älteste war Mademoiselle Denise. Sie trug ein bodenlanges Tageskleid, das ihre Reize nicht unnötig verbarg. Es ließ mehr als nur ahnen, wie fehlerfrei sie gebaut war. Die Venusäpfel in ihrem freizügigen Dekollete zogen hypnotisch Gastons Blicke auf sich, daß es ihm fast schwül wurde und er bereits bedauerte, bei Madame Eugenie Entspannung gesucht und gefunden zu haben. Und als seine Augen endlich von ihren Brüsten abließen, hatte er Zeit, die ebenmäßige Schönheit ihres hübschen Gesichtes zu bewundern, über dessen glatter Stirn das natürlich blonde Goldhaar sich in einer kunstvollen Frisur türm te. Die mittlere Schwester hieß Jeanne. Sie war ähnlich wie Deni se gekleidet und lediglich enger geschnürt, weshalb ihre Marzi pankugeln noch üppiger über den Rand des Ausschnittes quollen, was ihrem Reiz jedoch nicht den geringsten Abbruch tat. Ihr Gesicht schien nicht weniger anziehend als das Antlitz Denises, und Gaston fand, daß es vielleicht eine Spur feiner oder zumin dest zierlicher aussah. Den Vogel jedoch schoß Adeline ab, die jüngste der drei entzückenden Schwestern. Bei ihrem Anblick wurde es dem armen Grafen tatsächlich ein wenig schwindelig im Schritt, was er jedoch in weltmännischer Manie galant überspiel te. Waren Denise und Jeanne goldblond, so besaß sie volles kastanienbrünettes Haar, welches ihre porzellanglatten Schläfen provozierend umspielte und hinten in einem sogenannten Pfer deschwanz locker gebunden endete. Und hatten ihre Schwestern offene, blaue Augen, so schimmerten die großen Pupillen Adeli
nes in einem rätselhaft abgrundtiefen Türkis, das klar wie ein stiller Bergsee leuchtete. Adelines Gesicht auch nur annähernd zu beschreiben, dazu fehlten Gaston ganz einfach die Worte, obwohl er ansonsten niemals um einen passenden Ausdruck verlegen war. Das zierli che, kecke Näschen gab dem Antlitz einen kindlich frühreifen Touch, der schön geschwungene volle Mund verzauberte den Betrachter durch seine sündige Sinnlichkeit. Adeline trug ein hochgeschlossenes Kleid, das sich über dem vollen Busen ein wenig spannte und somit Zeugnis von der Üppigkeit ihrer Brüste ablegte. Die schlanke, wohlproportionierte Gestalt bestach nicht nur durch ihre vollendete Anatomie, son dern ebenso auch durch den graziösen Adel selbst der kleinsten Bewegung, die sich in den Wellenlinien sowohl ästhetischer als auch erotischer Schönheit vollzog. Wäre er Paris gewesen, der Sohn des Priamos, Gaston hätte seinen goldenen Apfel nicht Aphrodite überreicht, sondern Adeline. Aber da er kein güldenes Obst besaß, beließ er es bei einem Handkuß, den er diplomatisch an alle drei Schwestern gleichwertig verteilte. Denise, die älteste, ließ den beiden Herren einen Sherry kreden zen, sprach ein wenig über das für die Jahreszeit viel zu trockene Wetter, widmete auch den schlechten Zeiten, die so schlecht nun auch wieder nicht waren, einen kurzen, belanglosen Nebensatz und fragte schließlich mit unverhohlener Neugier: «Sie sind tatsächlich ein richtiger Graf?» Gaston nickte artig: «Mein Herr Vater zumindest war es. Des halb sehe ich keinen Grund, warum ich keiner sein sollte. Aber ist das denn von irgendwelcher Bedeutung?» «Viele Monsieurs, die hier ein- und ausgingen, gaben sich als Grafen, manche auch als Barone aus. Aber nur die wenigsten trugen ihre Titel zu Recht.» «Die meisten Menschen wollen mehr scheinen als sein», sagte Gaston verstehend. «Dabei haben die wenigsten von ihnen Grund, auf ihre Herkunft stolz zu sein. Mein Vater beispielsweise
war ein selbstherrlicher Aristokrat, der wie ein Fronvogt in Nan terre ein strenges Regiment führte. Alle Laster dieser Welt wur den ihm von den Bauern der näheren und ferneren Umgebung zugeschrieben, und dies wahrlich nicht ohne Grund. Es war selbstverständlich, daß sich mein Herr Vater die ganze Weiblich keit seines Dorfes dienstpflichtig machte. Kein Schürzenzipfel schien vor ihm sicher. Die Frauen und Mädchen wurden, sofern sie nur einigermaßen hübsch und proper aussahen, aufs Schloß befohlen und hatten sich widerspruchslos allen Ansinnen zu fügen, welche er ihnen stellte. Und es geschah so gut wie nie, daß sich doch einmal ein Mädchen seinen Lüsten widersetzte.» «Wie aufregend», stieß Denise atemlos hervor. Weil Gaston bemerkte, wie interessiert die drei Damen und auch Lafitte sei nen Worten lauschten, fuhr er fort: «Aber einmal ereignete es sich doch, daß eine Schöne ihm den Gehorsam verweigerte. Es war die reizende Nicole, die eben erst das sechzehnte Jahr er reicht hatte und deren jungfräuliche Knospe mein Herr Vater zu brechen entschlossen war. Nicole wurde als die hübscheste Bauerndirne beschrieben, die je in Nanterre lebte. Sie besaß den ebenmäßigsten Wuchs, den man sich nur vorzustellen vermag, und sie hatte ein blühendes, apfelrundes Gesicht mit Grübchen in Kinn und Nacken, und in ihrem zarten Genick kräuselten sich kleine Löckchen, die so goldig wie die Sonne leuchteten.» «Weiter!» drängte Jeanne mit blitzenden Augen. «Mein Herr Vater befahl sie eines Tages auf sein Schloß. Und als sie sich ihm nicht fügte, ließ er sie mit Gewalt durch einen Lakaien herbeiho len. Sie wurde unsanft in die Halle gestoßen. Mein Herr Vater betrachtete sie mit unverhohlenem Wohlgefallen und winkte sie zu sich heran. Zögernd näherte sie sich ihm. Er sah sie mit lüsternen Augen an, setzte sich in einen breiten Lehnstuhl und zog sie auf sein Knie. Zwar versuchte sie sich ihm zu entwinden, aber er hielt sie lachend fest und versuchte seine Hand unter ihren Rock zu schieben. Sie preßte jedoch die Beine mit aller Kraft zusammen.
Da wollte er sie auf den lockenden Mund küssen. Nicole aber schlug die Hände vor das Gesicht. Nun stand mein Erzeuger fluchend auf, und das überrumpelte Kind glitt überrascht zu Boden. Jetzt warf er sich über sie. Denn er glaubte endlich leich tes Spiel zu haben. Er zerfetzte das Tuch, welches ihre jungfräuli che Brust bedeckte. Ihr blühendes Fleisch, das so weiß und so weich war wie das einer Hofdame, wurde zwischen den Rissen sichtbar. Nicoles kleine, starke Bauernfäuste schlugen gegen die Arme und den Bauch des wilden Kavaliers. Und dann zerkratzten ihre Fingernägel sein Gesicht und den Hals. Da erhob er sich unter den unflätigsten Verwünschungen und nahm eine Reitpeitsche zur Hand. Nicole jedoch ergriff eine geladene Reiterpistole, die an der Wand hing.» «Hat sie ihn erschossen?» wollte Adeline wissen. «Nein.» Ga ston schüttelte den Kopf. «Sie legte die Mündung an die eigene Schläfe und drückte ab. Sie war auf der Stelle tot.» «Gerechter Himmel!» Adeline preßte die Hand bestürzt aufs Herz. «Die Ärmste! Und Ihr Herr Vater?» «Man machte ihm den Prozeß, weil seine Untaten zu offenkun dig waren. So konnten ihm auch seine guten Beziehungen nicht helfen. Er wurde zu zwanzig Jahren Haft verurteilt und in die überseeische Strafkolonie von Cayenne gebracht, wo er schon sehr bald am gelben Fieber starb. Aber was rede ich von mir und meiner Familie! Ich bin ja hier, um Ihr Palais zu mieten. Sie haben es sicher geerbt, meine schönen Damen?» Das hübsche Dreigespann lächelte. Denise erwiderte: «Keineswegs, mein Graf! Wir waren bettelarm, als wir nach Paris kamen. Dieses Haus haben wir uns innerhalb von vier Jahren erarbeitet. Es ist sogar schuldenfrei!» «Erarbeitet?» Gaston begriff nicht sofort, weil sich alles in ihm gegen seine Vermutungen sträubte. «Nun tun Sie nur nicht so naiv!» lachte der Notar Lafitte. «Womit werden drei bildhübsche Mädchen in Paris wohl ihren Reichtum geschaffen haben? Gou vernanten sind sie sicher nicht gewesen, ganz abgesehen davon,
daß Gouvernanten nur selten zu bescheidenem Wohlstand kommen.» «Natürlich, natürlich!» Graf Estiché kratzte sich verlegen hinter dem Ohr. Bisweilen war er eben doch ziemlich weltfremd. «Wir führten ein sehr gastliches Haus», erläuterte Denise ohne den Anflug von Scham. «Die Monsieurs der allerbesten Kreise gaben sich bei uns die Klinke in die Hand. Und unser Name gilt noch heute in Paris sehr viel, obwohl wir uns vor einem halben Jahr aus dem Geschäft zurückgezogen haben und nur noch privatisieren.» «Sie können sich das leisten?» Gaston staunte noch immer. «Wir waren sehr sparsam, Herr Graf», erklärte Denise ihm ge duldig. «Mit den Zinsen unseres Vermögens und der Miete, die dieses Palais uns einbringen wird, können wir durchaus einen standesgemäßen Haushalt führen, ohne uns einschränken zu müssen. Allerdings vermissen wir den Trubel und das fröhliche Treiben, das früher hier herrschte, schon sehr.» «So ganz ruhig geht es bei mir zum Glück auch nicht zu», be schied Gaston die Hausherrinnen. «Ich gebe sehr oft zwanglose Feste und improvisierte Lustbarkeiten.» «Phantastisch», riefen alle drei Mädchen wie aus einem Munde. Und Denise, die dem Terzett offensichtlich tonangebend vor stand, ergänzte: «Das wäre genau das richtige für uns!» «Na, ich glaube, dann können wir ja einen Mietvertrag aufset zen», freute sich Lafitte. Dabei rieb er sich zufrieden die Hände, weil er an sein keinesfalls bescheidenes Honorar dachte. «Wir haben ja noch nicht einmal über den Preis gesprochen», wandte Gaston ein. «Darüber werden sich die Parteien todsicher spielend einigen!» Lafitte zog ein vorbereitetes Papier aus der Brusttasche. Er klopf te Gaston auf die Schulter: «Sie haben vorzüglich gewählt! Ich darf Ihnen von ganzem Herzen gratulieren!»
6. Kapitel Sie hatten zu fünft einen kleinen Imbiß genommen und auch einigen dickbauchigen Flaschen Champagner reichlich zugespro chen. Jetzt saß Gaston mit den drei Schwestern im Salon, wo man ebenfalls bei Champagner das Zustandekommen des Pacht vertrages feierte. Der Notar war nun nicht mehr mit von der Partie, weil sein Beruf ihn auch abends an den Schreibtisch band. Reichtum muß, wie er glaubwürdig behauptete, hart erarbeitet sein. Nach der vierten oder fünften Bouteille entschuldigten sich Jeanne und Adeline, um sich ein wenig frisch zu machen und im Hause nach dem Rechten zu sehen. Für einige Sekunden stand ein ungewolltes Schweigen zwischen dem Grafen und Denise. Denn Gaston war, seinem kurzweiligen Lebenswandel zum Trotz, eher schüchtern als kühn. «Schenken Sie mir nach, mein lieber Graf?» Denise hielt ihm ihren schlanken Champagnerkelch entgegen. In ihren Augen knisterten elektri sche Funken. Gaston goß ihr geschliffenes Glas abermals voll, reichte es ihr artig und nahm, da sie mit der Rechten einladend über das Pol ster des Sofas fuhr, neben ihr Platz. «Wird es Ihnen in unserem bescheidenen Refugium gefallen?» wollte Denise mit kokettem Augenaufschlag wissen. «Über alle Maßen», bestätigte er eifrig. «Und die Anwesenheit dreier so bezaubernder Damen macht mein unermeßliches Glück vollkommen!» «Sie schmeicheln!» Denise reichte ihm die schlanke Hand zum Kuß. Gaston hielt diese Geste für eine Aufforderung, und weil der Wunsch der Vater des Gedankens ist, begnügte sich Gaston nicht mit einer konventionellen Andeutung. Vielmehr fuhren seine Lippen, die fest und heiß waren, hin zum Handgelenk. Sie
drückten sich auf die hauchdünne Haut, unter der Denises Puls deutlich sichtbar und vor allem fühlbar schlug. Denise duldete die Huldigung einige Sekunden lang, ehe sie dem Grafen die Hand wieder entzog, was der Landedelmann mit einem leisen Ausruf des Bedauerns quittierte. Einmal kühn ge worden, begann der Graf nunmehr, Denise gezielt zu umwerben. Er glitt zu Boden, kniete sich vor die Schöne und nahm ihren Fuß in beide Hände, um den Spann an den Mund zu führen. Denise wollte diese Vertraulichkeit nicht dulden, doch Gaston bat eindringlich, wobei er sie von unten mit treuen Augen ansah: «Meine Teuerste, Ihr Anblick rührt mein Herz und raubt meinen Verstand! Bitte, bleiben Sie so! Sie ahnen ja nicht, wie verführe risch Sie ausschauen. Ich glaube nicht, daß ich eine Dame kenne, welche ein so schlankes und zierliches Füßchen besitzt!» Trotz dem stieß Denise ihn zurechtweisend von sich, als habe sie noch nie einem Manne gehört. «Sie sind grausam, Mademoiselle!» Gaston richtete sich hoch und bemächtigte sich wieder ihrer Hand. «Ich werde Ihnen ernstlich böse, Graf, wenn Sie nicht vernünftig sind», versuchte sie ihn mit leisem Vorwurf in die Schranken zu weisen. «Jeden Augenblick könnte jemand herein kommen!» «Bin ich nicht vernünftig, wenn ich einer so wunderschönen Frau wie Ihnen meine aufrichtige Reverenz erweise?» Er bedeck te ihren Handrücken mit glühenden Küssen. Dann hob er erneut den Kopf: «Wüßten Sie, wie hinreißend Sie in diesem Augenblick sind, Sie würden mich nicht so zürnend ansehen! Glauben Sie mir, ich vermag keinen klaren Gedanken zu fassen! Ich wünsch te, ich wäre der Schleier, der diese köstliche Brust bedecken könnte!» Während er sprach, führte er seine Hände über die runden Äpfel der Venus, und sein Griff wurde immer verlangen der, obwohl er sich gemessen zurückhielt. «Graf, was tun Sie?» fragte Denise in scheinbarem Erschrecken, obzwar sie schon viel intimeren Zudringlichkeiten ausgesetzt gewesen war, wie es ihr Metier eben so mit sich brachte. «Meine süße Denise, ich erweise den entzückendsten Halbkugeln dieser
Welt meine innigste Huldigung!» Er beugte sich über die festen Brüste und drückte seine Lippen mit verzehrendem Feuer darauf, daß Denise leicht zusammenzuckte. Noch ehe Denise die Hände zur Abwehr erheben konnte, hatte Gaston das seidene Band gelöst, das ihr Dekollete zusammenhielt. Unverzüglich schob er den Stoff zur Seite und stülpte die Lippen auf die rosigen Spitzen der beiden makellosen Hügel. «Sind Sie von Sinnen? Man könnte uns jede Sekunde überra schen! Geben Sie mich frei!» «Mitnichten! Lassen Sie mich auf diesen warmen Früchten mein Leben aushauchen!» Gaston küßte die Brüste erneut, wobei seine Zunge aufreizend und erregend die rosenroten Himbeeren um kreiste, welche die vollendeten Rundungen bekrönten. Denise atmete heftig. Ihr alabasterweißer Busen wogte aufgeregt hoch und nieder. Gaston sog mit wollüstiger Gier an den steifen Knospen. Zu gerne hätte er sie verschlungen, was jedoch aus mancherlei Gründen eine Utopie bleiben mußte. Nun trennte sich sein Mund von den vollen Glocken, um sich auf Denises Lippen zu heften. Er küßte sie so sanft und dennoch so wollüstig, daß sie sich in der Tat unwillkürlich öffneten. Deni se hatte die Augen geschlossen, ließ sich liebkosen und wußte, daß sie bald Gastons Zärtlichkeiten erwidern würde, falls nie mand ihr Rendezvous störte. Seine Lippen sind keusch, dachte Denise, aber seine Zunge ist erfahren. Er wird mir noch einmal sehr gefährlich werden, wenn ich nicht einen kühlen Kopf bewahre. Während Gaston die hübsche Denise wie ein Verdurstender küßte, hatte er die rechte Hand unter ihren Kopf geschoben. Seine linke hingegen hob ihr Kleid leise an. Selbstredend fühlte Denise nur zu deutlich, was der Graf tat. Aber sie wehrte sich nicht ernsthaft gegen seine Zudringlichkei ten, welche sie als äußerst anregend empfand. Beide sprachen kein Wort. Denn Gastons Lippen verschlossen ihren Mund. Seine Zunge fuhr suchend über die zusammengebis senen Reihen der schneeweißen Zähne, ohne sie jedoch öffnen
zu können. Gastons Linke strich liebkosend und streichelnd über die seidenen Strümpfe, die leise zu knistern begannen. Schon war sie an den runden Knien und tastete sich unaufhaltsam höher. Vor Entzücken bebend, stellte der junge Graf überrascht fest, daß Denise keine Höschen trug. Da wurde seine Hand noch mutiger. Endlich begann Denise den ungestümen Galan in seine Schranken zu weisen. Aber vergeblich schob sie ihn fort. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Denise besaß nicht mehr die nötige Kraft, Gastons fleißige Finger auf dem Wege nach oben aufzuhalten. In einer letzten Anstrengung wollte Denise die Beine schützend übereinanderschlagen. Doch da befand sich Gastons Hand bereits dort, wo sich der Venushügel sanft rundete. Je drängender des Grafen Zärtlichkeiten wurden, desto mehr schmolz Denises Gegenwehr. An Widerstand war kaum noch ernsthaft zu denken. Wohl versuchten sich die Schenkel noch zusammenzupressen, aber Gastons Finger zwängten sich hart dazwischen. Mit sanfter Gewalt fuhren sie in das weiche Fleisch, erreichten die schlüpfrige Pforte aller Wonnen dieser Welt und begannen sich berechnend zu krümmen. Da öffneten sich Denises Schenkel wie unter einem übermäch tigen Zwange. Sie gingen so weit auseinander, daß Gastons Hand das Liebesparadies fest zu umfassen und zu wiegen begann. Der Zeigefinger schlüpfte in die unruhige Fröhlichkeit, die sich be reits zu benetzen begann. Jetzt, da Denise sich vollends in seiner Gewalt wußte, streckte sie die Waffen und gab sich geschlagen. Der Graf führte ihre freie Hand an die Knopfleiste seiner Hose, die unter dem Ansturm seiner Liebeslanze fast barst. Rauh stieß er hervor: «Fühlen Sie nur, wie sehr ich Sie anbete!» «Haben Sie Mitleid mit mir!» hauchte Denise und zog die Hand so erschreckt zurück, als habe sie einer Giftschlange soeben auf den Zahn gefühlt. Gaston war jedoch nicht mehr aufzuhalten. Er öffnete die Hose, und ohne daß er etwas hätte dazu tun brau
chen, drängte sich seine Männlichkeit mit leidenschaftlicher Gewalt heraus. Und wieder nötigte er Denises Hand zur Berüh rung: «Dies ist ein Beweis meiner unbändigen Zuneigung!» Diesmal war die Versuchung für Denise zu groß. Vorsichtig schlossen sich die Finger um die ruckweise nickende Wurzel. Und ganz langsam fuhren sie an dem Schaft auf und ab, in dem gleichen Tempo, wie Gaston die süße Perlmuschel auslotete. «Wie lieb deine Hand ist!» balzte der Graf mit bebender Stimme. Noch einmal schob er ihre Schenkel weit auseinander, und ehe Denise richtig zur Besinnung kam, kniete er zwischen ihnen. «Oh, Graf, was tun Sie nur mit mir?» flüsterte sie mit schwim menden Augen. «Sie müssen wirklich den Verstand verloren haben! Wenn jemand kommt, es wäre nicht auszudenken!» Gaston hörte nicht hin. Er hatte sich bereits über sie gebeugt. Dabei brauchte er seine Lanze nicht auf das lockende Ziel ihres Schoßes zu richten. Das Flammenschwert fand ganz von allein den richtigen Weg, wie ein Gewitterblitz, der in die Höhlung des Baumes fährt. Vergeblich versuchte Denise, ein wollüstiges Stöhnen zu unter drücken. Unwillkürlich bäumte sich ihr Unterleib auf und bot sich dem edlen Kavalier bedingungslos dar. «Nun komm schon über mich!» Denise wand sich in unbändi ger Vorfreude auf die Kopulation. Da nahm Gaston gefühlvollen Anlauf, um den Degen in die Scheide zu stoßen. Aber auf hal bem Wege hielt er irritiert inne und hob lauschend den Kopf. Er hatte Schritte vernommen, die sich rasch näherten. «Das ist sicher Jeanne! Laß mich auf der Stelle frei!» Denise löste sich widerwillig von ihm und ordnete flink ihre kostbare Garderobe. Auch der Graf hatte sich notdürftig restauriert. Und kaum war seine Hose wieder geschlossen, als auch Jeanne eintrat. Auf einem silbernen Tablett brachte sie kleine Kugeln aus Marzi pan und getrüffeltes Nougat. «Vergiß nicht, Schwester, daß du noch nach der alten Geraldine schauen wolltest», sagte sie zu Denise und setzte sich bequem neben den Grafen. Zu Gaston gewandt fuhr sie fort: «Geraldine
ist eine Patenmuhme von Denise. Ein unerwarteter Schlagfluß hat sie vor einigen Tagen aufs Krankenbett geworfen.» «Wie furchtbar», kommentierte Gaston die Kunde. Dabei griff er nach einem Stück Konfekt und ließ es im Munde zergehen. «Gegen den Schlagfluß ist kein Kraut gewachsen.» «Zum Glück wohnt Tantchen Geraldine gleich nebenan. So können wir uns reihum in ihrer Pflege abwechseln.» Jeanne setzte das Tablett auf dem niedrigen Teetisch ab und griff nach ihrem Glas, in dem der Champagner längst zu moussieren aufgehört hatte. Denise erhob sich mit einem unterdrückten Seufzer, entschul digte sich für ein halbes Stündchen und ging hinaus, um die Patentante zu besuchen. Gaston wußte, wie schwer ihr gerade jetzt dieser Weg fallen mußte. «Ich habe doch nicht etwa gestört?» fragte Jeanne mit einem unschuldigen Augenaufschlag, der jeder Jungfrau zur Ehre ge reicht hätte. «Eine so schöne Frau wie Sie stört nie!» Der Graf deutete im Sitzen eine Verbeugung an, küßte galant ihre Hand und fragte, weil er sich noch immer in verständlicher Erregung befand: «Wäre es ein sehr großes Verbrechen, ein Baiser auf Ihre begehrenswerten Lippen zu drücken?» «Einen Kuß?» Sie blickte ihm schelmisch in die Augen. «Wozu sollte das wohl nützen? Küsse sind nichts Halbes und nichts Ganzes! Sie verheißen zumeist nur Lust, die sich niemals oder nur selten erfüllt. Warum also sollte man diese Kunst üben?» Statt einer Antwort bog er ihren Kopf zurück und preßte ihr einen glühenden Dauerbrenner auf den Mund, wobei er seine Zunge zwischen ihre feuchtwarmen Lippen schob. «Warum küssen Sie mich so begehrend?» wollte sie wissen. «Verlangt es Sie gar nach der Willfährigkeit meines Schoßes?» «Und wenn es so wäre?» Tatsächlich machte ihm die leibliche Unruhe, welche Denise erst durch ihre provozierende Wider spenstigkeit und schließlich durch ihre entgegenkommende Bereitschaft geschürt hatte, außerordentlich zu schaffen. Seine Hand glitt in ihren offenen Schoß und zwängte sich sacht zwi
schen die Schenkel. Gaston hatte seine Hose vorhin nicht ganz korrekt geschlossen. Bei dem neuen Reiz, der seinen Körper jetzt durchflutete, erhob sich die Lanze erneut in voller Lebensgröße und brach durch den Schlitz. Nervös bemühte der Graf sich, seine Blöße mit Jeannes Rock zu bedecken. «Küß mich noch einmal mit der Zunge», versuchte er Jeanne abzulenken. Und während ihre Lippen sich fanden, hoffte er optimistisch, sein Geschlecht zurückschieben und versperren zu können. Nur zu bereitwillig bog sich die Schöne zu ihm. Aber dabei streifte ihre ahnungslose Hand sein erigiertes Gemächt. Eine glühende Röte schoß ihr ins Gesicht, und sie zog die Hand zurück, als habe sie sich verbrannt. «Pardon», flüsterte Gaston. Er war nicht minder erschrocken als Jeanne, die doch schon allerhand gewöhnt sein mußte. Seine Wangen verloren alle Farbe. «Pfui, Herr Graf! Pfui!» Jeanne wollte beleidigt aufstehen und den Gast verlassen, zumindest hatte sie vor, wenigstens ihre Kleidung zurechtzurücken. Gaston stand in hellen Flammen. Er ergriff das Mädchen bei den Hüften, bis Jeanne sich ein wenig beruhigte. Dann glitten seine Hände über die rückwärtigen Halb kugeln, als wolle er sie tätschelnd um Verzeihung bitten. Jeanne beugte sich vor, um sich seinen Händen zu entwinden. Gerade dabei aber näherte sich ihr Gesicht in gefährlich kurzer Distanz dem Freudenspender, der angriffslustig vor ihren stau nenden Augen wippte. «Pfui!» sagte Jeanne noch einmal. Doch ihrer Stimme fehlte jede zurechtweisende Strenge. Gaston hatte längst auch den allerletz ten Rest seiner Schüchternheit über Bord geworfen. Seine Hände umspannten jetzt Jeannes schlanke Fesseln und wühlten sich geschwind unter ihren Röcken bis zu der Grotte vor, von der alle Männer träumen. Auch Jeanne trug, wie Denise, keine Höschen. So konnten Gastons Finger ungehindert auf Entdeckungsreisen gehen, obwohl sie keineswegs jungfräuliches Neuland betraten. Jeanne richtete sich keuchend auf. Aber sie traf keine ernsthaften Anstalten, den Grafen in seine Grenzen zu weisen. Sie warnte
ihn nur: «Wer mich gegen meinen Willen zu nehmen versucht, der wird kaum viel Freude an seinem Siege haben!» «Der Appetit kommt beim Essen», lachte Gaston unbeschwert. Seine Hände streichelten unruhig die warmen, festen Rundungen, ehe sie sich zwischen die Beine zu schieben versuchten. Als dieser Angriff nicht auf Anhieb gelang, ließ Gaston alle zehn Finger im Buschwerk kreisen, das den Venushügel bewaldete. «Sie kitzeln mich!» kicherte Jeanne. «Nehmen Sie die Hände fort, und schämen Sie sich!» Gaston schämte sich nicht. Mit zärtlicher Liebkosung wühlte er sich durch das Kraushaar und suchte einen Weg zum ersehnten Liebesquell. «Küssen Sie mich, Verehrteste!» bat der Graf inständig. «Nur, wenn Sie die Mysterien in meinem Schritt verschonen», erklärte Jeanne. Tatsächlich lockerte Gaston den forschenden Griff, und Jeanne beugte sich über seinen Mund, Während sich ihre Münder aufeinanderpreßten, faßte der Graf nach Jeannes Hand und lenkte sie zu seiner Lanze, die sich ihr noch immer entgegenstreckte. Trotz ihrer Abneigung brach er den Wider stand, bis sie das Kleinod von allein fest umklammerte. Ohne die Umschließung zu lockern, nahm Jeanne wieder neben dem hochgradig erregten Grafen Platz. Er führte ihre Hand, die sich wie eine Manschette um das Glied schmiegte, und bewegte sie auf und ab, bis Jeanne von selbst den Rhythmus fand und das Liebeswerk ohne seine Hilfe routiniert fortsetzte. Sie tat es, wie er mit insgeheimer Zufriedenheit be merkte, ohne Widerstreben und mit zunehmendem Behagen. Auch Gaston blieb nicht untätig. Er hatte Jeannes Röcke bis weit über die Hüften geschoben. Jetzt lag ihr ungeschützter Schoß lockend vor ihm, seinen begehrlichen Blicken und verlan genden Handgreiflichkeiten schonungslos ausgesetzt. Schon tauchte der Graf seine Fingerspitzen in den schwülen Quell der Versuchung, der ihn mit übermächtiger Kraft magnetisch anzu ziehen schien. «Hallo», erklang unerwartet Adelines Stimme durch die offene Tür. «Ihr seid so still da drinnen? Ist etwas?»
Adelines trippelnde Schritte wurden zunehmend lauter. Jeanne sprang in allerhöchster Eile auf, und weil ihr keine Zeit blieb, sich unverdächtig wieder zu bedecken und zu verhüllen, floh sie mit noch immer gerafften Röcken durch die zweite Tür hinaus in die nahe Halle des weitläufigen Hauses. Gaston stieß mit einer vulgä ren Verwünschung die Lanze zurück in die Hose und versperrte sie diesmal gewissenhaft. «Nanu? Man hat Sie allein gelassen, mein lieber Graf?» Adeline stand auf der Schwelle und sah sich suchend im Raume um. «Wo sind denn meine beiden lieben Schwestern?» Gaston zuckte die Schultern. Nur mit allergrößter Mühe bewahrte er seine Selbst beherrschung. Denn Denise und Jeanne hatten seinen Trieb bis an die Grenze dessen erregt, was ein gesunder Mann ohne Scha den zu ertragen vermag. Sein Blut kochte längst. «Pardon, meine Königin», flüsterte Gaston, während er sich unter Aufbietung aller Kräfte zügelte. «Zürnen Sie mir nicht! Denn gleich geschieht etwas, das zu verhindern meine Energie einfach nicht ausreicht. Mein Drang ist mächtiger als meine Vernunft. Seien Sie also nachsichtig mit dem Manne, den das ewig Weibliche zu tollkühnen Taten verführt!» Adeline sah ihn fragend an, weil sie die Tragweite seiner Worte kaum erahnte. Schon stand Gaston dicht vor ihr. Unaufhaltsam beugte er sich nieder und schob seine Hand unter ihren Rock. Ohne verspielte Umwege, die ihm viel zu zeitraubend erschienen wären, steuerte er sein köstliches Ziel an. Adeline zuckte zusammen, als er bei ihrer Liebesgrotte anlangte und unverzüglich Einlaß begehrte. Aber das Mädchen sagte nichts. Auch leistete sie in ihrer Überraschung keinen Wider stand, wie Gaston es wohl erwartet hatte. Der Graf hob seine wohlgestaltete Beute in plötzlichem Entschluß hoch und trug sie zum breiten Sofa, auf das er sie einladend bettete, nicht ohne jedoch vorher ihr Gewand hochgestreift zu haben. Adeline schaute ihm mit wissendem Blick neugierig entgegen. Sie regte sich kaum, und ihrem Mund entfloh kein einziges Wort. Alles an ihr war verhaltene Erwartung.
Warm und verführerisch lockte ihr bloßer Schoß, dessen sie sich nicht schämen zu müssen glaubte. Sie bot ihn Gastons Augen wie einen tropischen Blumengarten zur Schau, der in seiner scheinbaren Jungfräulichkeit wundersamer Entdeckung harrt. Lange sollte Adeline freilich nicht zu warten brauchen. Denn der Graf öffnete nun abermals seine Hose, und befreit schnellte der ungebändigte Pfeil hervor. «Ooooh», flüsterte Adeline nur, als sie das über Gebühr ange schwollene Zepter des Edelmannes erblickte. Ihre Beine began nen unruhig zu zucken, und ihre Knie rieben sich verstohlen aneinander, als wolle sie sich eines zu großen Lustreizes erweh ren. Gaston fackelte nicht lange. Schon ergriff er von der Schönen mit Haut und Haaren Besitz. Sein zur Hälfte entblößtes Glied vermählte sich mit ihrem ungeschützten Schritt, indem der schar fe Säbel mit Macht in die enge Scheide fuhr, die ihn sofort ver langend aufnahm. Adeline keuchte erregt. Ihr Unterleib drängte sich Gastons heftigen Stößen fordernd und zugleich anbietend entgegen. Gaston schonte weder sich noch Adeline. Allerdings hatte er seine Potenz gewaltig überschätzt. Denn kaum war er in Adelines verzauberndes Heiligtum eingedrungen, als er auch schon die Kontrolle über seinen Organismus verlor, in stürmischem Ritt das Ziel erreichte und sein Opfer viel zu schnell auf dem Altar der Liebe darbrachte. Seine Bewegungen erlahmten schlagartig, und er murmelte beschämt: «Verzeiht, Liebste! Der übergroße Reiz meiner Sinne verleitete mich zu dieser Tollkühnheit. Anson sten bin ich ausdauernder als ein junger Steppenwolf!» Adeline lächelte und tippte ihm mit keckem Zeigefinger auf die Nase: «Ihre unbeherrschte Reaktion, mein lieber Graf, will ich als Kompliment an meine Unwiderstehlichkeit werten. Männliche Ausdauer hingegen ist meist ein untrügliches Zeichen für Gleich gültigkeit und mangelndes Interesse.»
«Wohl wahr», nickte Gaston erleichtert. Adeline brauchte nicht zu wissen, daß ihre beiden Schwestern ihn bereits vorher zu unbeherrschter Weißglut angestachelt hatten. «Nun wollen wir uns aber wieder bedecken!» Adeline schob ihn mit verspieltem Nachdruck von sich. «Denn wir sind nicht allein im Hause. Und ein Mädchen wie ich muß doppelt auf seine Untadeligkeit achten. Meine Vergangenheit verpflichtet zu be sonderer Zurückhaltung!» Der Graf stimmte ihr wortlos zu. Insgeheim frohlockte er über sein Glück, ein Palais zu bewohnen, zu welchem drei willige Schönheiten gehörten.
7. Kapitel Die Wochen gingen ins Land. Der brütende Sommer hatte sei nen Höhepunkt überschritten. Goldgelb reifte das Korn auf den Feldern. Schwer ließen die Sonnenblumen ihre runden Köpfe hängen. Die Äste der Obstbäume bogen sich unter der Last saftiger Früchte. Das frisch gemähte Heu duftete auf den Wiesen. Madame Yvonne Gamelin stand sehr oft im Garten und blickte verträumt in die Ferne, das Haus des Grafen mit der Seele su chend. Die Augen der jungen Frau verschwammen manchmal traurig, so daß sie häufig die Tränen mit dem Handrücken trock nen mußte. Denn Gaston war seit jener Nacht nicht wiedergekommen. Er hatte sich auch sonst nicht mehr gemeldet. Es sah aus, als habe er Yvonne vergessen. Wenn Fanni von ihren Einkäufen aus dem Dorf heimkehrte, wußte sie stets viele Neuigkeiten zu berichten. Und als sie eines Tages erzählte, daß der Graf Estiché vorerst für immer nach Paris gezogen war, da vermeinte die arme Yvonne augenblicklich sterben zu müssen. Gaston! Yvonnes Herz krampfte sich zu sammen, wenn sie an den geliebten Mann dachte. Und sie dachte sehr oft an ihn. In ihrem verzweifelten Köpfchen hatte kein anderer Gedanke mehr Raum. Der Graf beherrschte ihr Bewußt sein bei Tag und Nacht. Fanni hingegen fand sich in der ihr eigenen Unbekümmertheit mit dem Fortziehen des Grafen ohne seelische Schwierigkeiten ab. Für sie bedeutete das neckische Schäferstündchen in seinen Armen ohnehin nur eine flüchtige Episode, deren Stellenwert man nicht überschätzen durfte. Denn Fanni war intelligent genug, um zu wissen, welche unüberbrück baren Schluchten sie von Gaston Estiché trennten. Eine Roman ze mit ihm konnte niemals von Dauer sein, ob er nun in Nanter re oder in Paris wohnte.
Unbewegt nahm Fanni deshalb die Nachricht zur Kenntnis, die den jungen Grafen betraf. Und weil sie ein außerordentlich praktisch veranlagtes Mädchen war, hielt sie sich nicht nur an dem Gärtner Louis schadlos, sondern auch an den anderen Männern des Gutshofes und des Dorfes, deren Gunst zu gewin nen sich nicht gar so schwierig gestaltete, zumal allein schon Fannis hübsches Aussehen ihre Triebe schürte und das Verlan gen weckte. Madame Gamelin blieb trotz aller traurigen Wehmut keinesfalls untätig. Sie hatte Fanni mit einem Blumenstrauß ins gräfliche Landschloß geschickt, um zum Wohnungswechsel zu gratulieren, und bei dieser Gelegenheit anfragen lassen, wo der junge Graf nunmehr in der Hauptstadt zu erreichen sei. So kam es, daß Mademoiselle Josephine ihr nicht nur Aufschluß über den genauen Verbleib ihres Herrn in der Metropole gab, sondern auch dem Grafen von den eingegangenen Glückwünschen be richtete. Schon drei Tage später erhielt Madame Gamelin einen Brief des Grafen. Mit klopfendem Herzen und zitternden Händen drückte sie den Umschlag an die Brust, und es schien ihr, als schwanke der Boden unter ihren zierlichen Füßen. Im Wintergarten zog sich Yvonne eine Spange aus dem vollen Haar, mit der sie das Kuvert vorsichtig öffnete. Angehaltenen Atems entfaltete sie sodann das nach männlichem Juchten duftende Schreiben. Doch schon nach den ersten Zeilen gefror das erwartungsvolle Lächeln auf ihrem schönen Gesicht. Denn zu nüchtern und formell war der Inhalt des Briefes, dessen kühle Reserviertheit beinahe einer Beleidigung gleichkam. Der Graf fand kein Wort des Dankes für die schönen Stunden in Madame Yvonnes Armen, kein Wort der Entschuldigung für sein plötzliches Ausbleiben und kein Wort der Würdigung für die bedingungslose Hingabe, mit der Yvonne ihm begegnet war. Er quittierte nur mit gemessener Etikette den Empfang des Blumen angebindes und der Glückwünsche. Sodann gab er seiner Hoff nung Ausdruck, daß man gelegentlich auf einer Soiree oder einem Ball einander unverhofft wiedersehen möge, um angeregt
plaudern zu können. Madame Yvonne begann hemmungslos zu schluchzen. In einem Weinkrampf warf sie sich auf die Ottoma ne und vergrub das Gesicht in den Kissen. Ihre Schultern zuck ten, während sie sich unter den Schmerzen ihres waidwunden Herzens krümmte. An diesem Tage gab sich Madame Gamelin dem Personal gegenüber so unleidlich wie selten zuvor. Sie schi kanierte Fanni, die doch nichts dafür konnte, sich aber sehr wohl einen Reim darauf zu machen verstand; sie drangsalierte die Mägde und Knechte, welche sich wacker und rechtschaffen zum Wohle ihres Hausstandes und zur Mehrung ihres Vermögens plagten. Nur dem Gärtner Louis begegnete Madame Yvonne mit ausge suchter Freundlichkeit. Und hätte der Naturbursche ihr einen eindeutigen Antrag unterbreitet, sie wäre gar wohl ins Wanken geraten, oder nein, sie würde sich ihm bestimmt bedenkenlos geschenkt haben, um sich auf diese Weise an dem undankbaren Grafen von Estiché zu rächen. Denn dieser Edelmann hatte ihre Gefühle schändlich ausgenutzt und es gewagt, sie hinterher wie einen hinderlichen Ballast geringzuschätzen. Einige köstliche Minuten lang malte sich die hübsche Yvonne sehr bildhaft aus, wie sie sich vor den Augen des Grafen von Estiché dem männlichen Gärtner Louis hingab, ohne Gaston auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen. Und je mehr Louis sie entehrte, desto trauriger sollte Gaston in ohnmächtiger Taten losigkeit Zeuge der Szene sein, die er niemals mehr vergessen müßte. Doch Yvonne war nicht nur mit viel Phantasie ausgestat tet, sondern auch mit einem lebensnotwendigen Maß an prakti scher Logik. Weil sie begriff, daß Träumereien nur selten oder niemals zur Erfüllung führen, trocknete sie in plötzlichem Ent schluß ihre Tränen, legte ein besonders apartes Rouge sowie viel Puder auf und zog sich ein unternehmungslustiges Kleid an. Dann ließ sie die Kutsche anspannen und fuhr hinüber zum Landhaus des Barons de Rudgisch, mit dessen Gattin sie in nachbarlicher Harmonie übereinstimmte, obwohl Madame de Rudgisch gute zehn Jahre älter sein mochte als Yvonne. Simone
de Rudgisch war in allen Salons von Paris zu Hause und duzte sich sogar, wie ihr Gatte auch, mit dem Ministerpräsidenten der Republik, was allerdings nicht allzuviel hieß, zumal die Regierun gen damals ziemlich häufig wechselten. Madame de Rudgisch freute sich über Yvonnes Besuch, küßte sie schwesterlich auf die Stirn und rief überschwenglich: «So ist es richtig, meine Liebe! Sie müssen wieder viel mehr unter die Leute! Eine so hübsche und so junge Witwe darf sich nicht in ihre Einsamkeit flüchten!» Sie zog Yvonne ins Haus und gab einem Domestiken Anweisung, die Pferde zu versorgen. Dann führte sie Yvonne in den grünen Salon, wo sie Cakes und Mokka servieren ließ. Die beiden Da men sprachen angeregt über das Wetter und kamen über diese unabdingbare Notwendigkeit auf das Thema gesellschaftlicher Neuigkeiten, die sie mit sichtlichem Genuß austauschten. Stolz erzählte Simone de Rudgisch, daß ihr Gemahl für das Kreuz der Ehrenlegion vorgeschlagen worden war und dem nächst vermutlich als Gesandter nach Luxemburg gehen würde. Dann beugte sie sich plötzlich verständnisinnig vor und sah Yvonne tief in die Augen: «Und nun, liebes Kind, was führt Sie zu mir? Sie haben doch sicher etwas auf dem Herzen?» Madame Yvonne errötete bis unter die Haarwurzeln. Aber sie brachte den wahren Grund ihres Besuches nicht über die Lippen. «Sie haben recht, teuerste Baronin», sagte Yvonne und griff abwesend nach einem Stückchen Mandelgebäck. «Ich bin noch zu jung, um allem zu entsagen. Deshalb will ich für einige Wo chen nach Paris gehen. Dort kommt man sicherlich auf fröhliche Gedanken.» «Das mag wohl sein», lächelte die Gastgeberin. «Und ich soll Ihnen dabei behilflich sein?» Yvonne nickte heftig. «Ich habe den Kontakt zur Hautevolee fast gänzlich verloren!» «Der gute Gaston Estiché hat sich auch eine Stadtwohnung in Paris genommen.» Simone Rudgisch sah forschend in Yvonnes Augen, und Yvonne ahnte, daß sie alles wußte. «Ich hörte da von.»
«Ich werde Sie guten Freunden empfehlen, die sich um Sie kümmern können. Warten Sie, ich gebe Ihnen ein Billett mit!» Simone Rudgisch holte Federhalter, Tintenfaß und ein Blatt Kartonpapier. «Es stört Sie doch nicht, daß diese Leute häufigen Umgang mit dem Grafen von Estiché pflegen?» «Keineswegs», antwortete Yvonne viel zu schnell. Dabei faßte sie sich mit der Linken an die Brust. Die Röte in ihrem hübschen Gesicht verstärkte sich, obwohl Yvonne sich dagegen zu wehren versuchte. «Was haben Sie nur, meine Beste?» Um die Mundwinkel der Baronin spielte ein heiterer Zug. «Steht es so schlimm um Ihr kleines Herz?» «Ich bin mir nicht sicher», entgegnete Yvonne, ohne sich aller dings näher zu erklären. «Hoffentlich weiß Gaston Ihre heimliche Zuneigung zu würdigen», sagte Simone leichthin. «Sie haben mich längst durchschaut?!» Yvonne war heftig zusammengezuckt. «Ich lese in den Augen meiner Mitmenschen wie in einem auf geschlagenen Buch», erklärte Simone Rudgisch. Dabei ver schwieg sie, daß die Gerüchte über Madame Gamelin und den Grafen längst die Runde gemacht hatten. Die Dienstboten sorg ten auf dem Lande mit hartnäckiger Umsicht dafür, daß sich selbst die intimsten Geheimnisse wie ein Lauffeuer verbreiteten. In der Stadt mochte es freilich auch nicht anders sein. «Schade», fuhr die Gastgeberin fort, während sie zügig ihren Brief formu lierte. «Im Augenblick ist in Paris noch nicht viel los. Die meisten Mitglieder der Gesellschaft weilen noch in Biarritz oder auf ihren Landsitzen an der Loire. Kein günstiger Zeitpunkt, den Sie ge wählt haben.» «Ja», hauchte Yvonne unsicher. «Machen Sie den Pelletiers gele gentlich Ihre Aufwartung!» Simone hatte den Schriftsatz beendet. Jetzt unterzeichnete sie mit ihrer zierlichen Unterschrift, ließ sparsam Streusand darüberrieseln und reichte das Papier Yvonne. «Madame Pelletier ist eine Schulfreundin von mir. Ihr Gatte hat auch im Sommer als Bankier alle Hände voll zu tun, weshalb sie
der Stadt nicht den Rücken kehren dürfen. Man wird Ihnen alle Wege ebenen.» «Ich stehe tief in Ihrer Schuld!» Yvonne küßte Simones Hand, und die Ältere bemerkte, wie kindlich die junge Witwe noch war. Gaston Estiché hatte zweifellos eine vorzügliche Wahl getroffen, um seine leiblichen Gelüste ausgiebig zu befriedigen. Hoffentlich würde die kleine Yvonne bei dieser Romanze keinen allzu großen Schaden an Leib und Seele nehmen. Die Baronin erinnerte sich daran, gehört zu haben, daß Gastons Vater während seiner besten Jahre unter den Weibsleuten der nahen und ferneren Umgebung erheblichen Flurschaden ange richtet hatte. Und auch der junge Graf war trotz seiner sympathi schen Schüchternheit ein kühner Draufgänger, welcher die Chan cen, die ihm der Zufall bot, in schnellem Entschluß zu nutzen verstand. Simone Rudgisch beließ es nicht bei dem warmherzigen Emp fehlungsschreiben an die Pelletiers. Obwohl sie nur ein rundes Jahrzehnt älter als Yvonne war, fühlte sie sich darüber hinaus verpflichtet, der hübschen Besucherin ausführliche Ratschläge zu erteilen, um sie vor Mißhelligkeiten mancherlei Art zu bewahren. So warnte sie Yvonne vor den raffinierten Verführungskünsten der Kavaliere, die im entscheidenden Augenblick alle Vorsichts maßregeln leichtfertig außer Acht ließen und nur ihr billiges Vergnügen im Sinn hatten. Sie beschwor Yvonne auch, stets auf der Hut zu sein und selbst den heißesten Liebesbeteuerungen zu mißtrauen, und endlich riet sie ihr, erst dann an die Möglichkeit männlicher Treue zu glauben, wenn der Pfarrer den Bund vor dem Altar besiegelt hat, was allerdings auch noch lange keine Bürgschaft bedeutete. Mit lehrreichem Wissen versehen, entließ Simone die kleine Yvonne erst nach vielen Stunden, in welchen sie offen aus der Schule und dem kostbaren Schatz ihrer Erfah rungen geplaudert hatte, wobei sie auch einige sehr persönliche Geheimnisse offenbarte, von denen selbst ihr Gemahl sich nur schwerlich etwas hätte träumen lassen. Die Sonne versank bereits hinter dem Horizont, als Madame Gamelin endlich wieder in die
Kutsche stieg, um den Heimweg anzutreten. Die Worte der Baronin stimmten sie nachdenklich. Sie klangen ihr noch lange in den Ohren.
8. Kapitel Madame Mireille Pelletier stand Simone de Rudgisch weder an Schönheit noch an freundlicher Hilfsbereitschaft nach. Sie emp fing Madame Gamelin wie eine gute, alte Freundin. Und kaum hatte sie Madame Rudgischs Billett gelesen, da umarmte sie Yvonne schwesterlich: «Sie haben Glück, mein blonder Engel! Heute abend kommt Fürst Mantegna zum Souper. Er stammt aus einer der ältesten und edelsten Familien Italiens. Und außer dem gehört er zu den reichsten Männern Europas. Er liebt Frau en wie Sie. Machen Sie sich also ganz besonders hübsch, obwohl Ihre Schönheit eigentlich keiner Korrektur bedarf!» «Ich weiß nicht so recht…» Yvonne zögerte sichtlich. «Ich bin so plötzlich mit der Tür ins Haus gefallen, daß ich Ihnen höchstwahrscheinlich nur Ungelegenheiten bringe…» «Unsinn, mein schönes Kind!» Madame Mireille küßte Yvonne auf die Wangen. «Ihre Gegenwart wird mein Haus schmücken und die Kerzen noch heller strahlen lassen. Sie haben doch hoffentlich einige Festgarderobe mitgebracht?!» Yvonne schüttel te bedauernd das Köpfchen. «Ich bin lediglich auf einen Sprung nach Paris gekommen und wollte heute abend eigentlich wieder zurück nach Nanterre fahren. An die Möglichkeit eines feierli chen Soupers hatte ich nicht einmal im Traume gedacht. Mein Sinn stand einzig und allein danach, mich nach einer gleichwohl repräsentativen wie auch gemütlichen Wohnung umzuschauen.» «An standesgemäßen Appartements gibt es hier keinen Mangel. Mein Mann wird sich bereits morgen umschauen.» Die aparte Bankiersgattin schien zu überlegen. Plötzlich hellte sich ihre Miene auf, und sie rief: «Voilà! Sie scheinen mir fast genau meine Figur zu haben, liebste Freundin. Wählen Sie unter meinen Klei dern das schönste, und geben Sie mir die Ehre, es heute abend zu tragen!» Madame Yvonne wollte sich zieren. Doch die Gastgebe rin nötigte sie so herzlich und nachdrücklich, daß sie nur zu
gerne nachgab und sich fügte. Mireille Pelletier führte sie in ihr Boudoir, öffnete freigebig alle Schranktüren und erklärte mit einer umfassenden Handbewegung: «Bedienen Sie sich nach Herzenslust, und lassen Sie sich Zeit! Sollten Sie der Hilfe meiner Zofe bedürfen, brauchen Sie nur zu klingeln. Ich muß mich jetzt aber leider entschuldigen, um die Vorbereitungen für den Abend zu überwachen. In zwei Stunden treffen wir uns dann im Salon!» Yvonne hauchte einige verlegene Worte des Dankes. Aber Ma dame Pelletier winkte nur großzügig ab und verließ sie in über triebener Eile. Yvonne Gamelin schwelgte in den unermeßlichen Kostbarkeiten und tat sich in der Auswahl recht schwer. Nach dem sie sich endlich entschieden hatte, verbrachte sie vielleicht eine gute Stunde vor dem Frisierspiegel aus geschliffenem Glas, wobei sie sich aus den Flakons und Schminktöpfchen der Haus herrin sparsam, aber gezielt bediente, bis sie mit der Wirkung ihres Konterfeis zufrieden war. Dabei mußte sie sich eingestehen, daß sie zauberhaft schön aussah. Und sie hätte viel dafür gege ben, sich jetzt Gaston Estichés Blicken zeigen zu können. Die Zeit verging schneller als im Fluge. Zum Schluß mußte sich Madame Yvonne sogar beeilen, um nicht zu spät zu kommen. Trotzdem nahm sie sich die Muße, das ausgewählte schulterfreie Kleid aus Silberlame so sorgsam wie eine Königin anzulegen. Und als sie den Sitz des atemberaubend anmutigen Gewandes im Spiegel prüfte, da lächelte sie sich sprachlos, aber zufrieden entgegen. Und dann betrat sie die Salon-Suite, Zoll um Zoll eine makellose Erscheinung von zauberhafter Vollendung. Aller Augen richteten sich auf sie. Ihr raffiniert schlichtes Kleid, ihre hohe, schlanke Gestalt mit den aufreizenden Rundungen, ihr engelhaft hübsches Gesicht und schließlich ihre natürliche Grazie ließen die gedämpfte Unterhaltung für köstlich aufregende Se kunden ersterben. «Kommen Sie, meine Liebe!» Madame Pelle tier brach das Schweigen und hakte Yvonne unter. «Ich möchte Ihnen zuerst den Fürsten Mantegna vorstellen…» Yvonne war viel zu aufgeregt, um Einzelheiten wahrzunehmen. Zu lange schon hatte sie gesellschaftliche Ereignisse gemieden,
und sie besaß keine Übung mehr darin, selbst nur für kurze Augenblicke im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Nur halb im Unterbewußtsein registrierte sie den gleißenden Schein unge zählter Kerzen, das Funkeln der Gläser und Porzellane und den gediegenen Schimmer der silbernen Accessoirs. Und dann wurde sie für einen kurzen Moment durch zwei große, tiefdunkle Augen gefesselt, die sich mit zwingender Gewalt in die ihren senkten. Wie zwei glühende Kohlen beherrschten sie das Gesicht des Fürsten, von dessen eiserner Energie sie kündeten. Ohne es verhindern zu können, fühlte Yvonne, wie eine rote Welle in ihre Stimme schoß, die Wangen und den Hals bedeckte und in einem kleinen Schauer endlich wieder abebbte. Ohne Scheu machte der Fürst ihr einige artige Komplimente. Yvonne hatte sich inzwischen gefaßt, so daß sie ihn verstohlen zu mu stern begann. Er war ein sehr gutaussehender Mann Anfang der Vierziger, von hohem, schlankem Wuchs. Auf seinen Schultern saß ein schmaler, markanter Kopf, dessen Form von Adel künde te. Sein Gesicht drückte sowohl Intelligenz als auch Sinnlichkeit aus. Der Fürst machte auf Yvonne einen ernsten, stolzen und durchgeistigten Eindruck, der ihn ihr überlegen erscheinen ließ. Und für einige Momente fühlte sich Madame Gamelin wie ein kleines Mädchen. Der Fürst küßte ihr galant die Hand, und als er das Antlitz wieder hob, da traf sein fordernder Blick sie mit einem solchen Verlangen, wie sie es in den Augen noch keines anderen Mannes gelesen zu haben sich erinnern konnte. Fürst Mantegna wandte sich zu Baronin Rudgisch und sagte gemessen: «Ich bin überglücklich, meine Liebe, daß Sie mich mit der schön sten aller Frauen bekannt gemacht haben! Es ist hoffentlich nicht vermessen, wenn ich darum bitte, Madame nachher zu Tisch führen zu dürfen?» «Fragen Sie Madame Yvonne am besten selber!» lächelte Mireil le Pelletier und entfernte sich nicht ohne Berechnung. «Nun?» Er sah Yvonne noch einmal ins Gesicht. «Sie schmei cheln mir», entgegnete Yvonne, setzte aber sofort hastig hinzu: «Doch ich nehme Ihr Angebot sehr gerne an!» Die Baronin hatte
aus der Distanz neugierig herübergeschaut. Nun kam sie wieder heran: «Sind Sie sich einig?» Yvonne nickte. Der Fürst sagte: «Heute abend gibt es sicherlich kaum einen glücklicheren Mann als mich!» «Wer weiß, was der Abend an Überraschungen noch bringt!» Mireille zog Yvonne mit sich fort, um sie auch den anderen Gästen vorzustellen, welche den mädchenhaften Charme der jungen Witwe sehr wohl zu schätzen wußten, zumal er nicht berechnend beabsichtigt war und deshalb überaus natürlich zur Geltung kam. Besonders Monsieur Pelletier zeigte sich begeistert von Yvonne. Blumenreich sagte er ihr Artigkeiten, wobei er deutlich ausdrückte, für wie begehrenswert er die hübsche Ma dame Gamelin hielt. Unwillkürlich mußte Yvonne den Haus herrn mit dem verstorbenen Alexandre vergleichen, dem er in mancherlei Hinsicht zu ähneln schien. Er sah ebenfalls klein und beleibt aus, besaß das gleiche aufgedunsene Gesicht, und auch das von übertriebener Genußfreude kündende Doppelkinn fehlte Mireilles Gatten nicht. Yvonne glaubte mit ziemlicher Sicherheit, daß Mireille den Bankier keinesfalls aus übergroßer Liebe geheiratet hatte. Aber man kann nun mal in einer Ehe nicht alles finden, was man sich als junges Mädchen erträumte. Denn aller guten Dinge sind nur selten beieinander, und auch in der fettesten Suppe schwimmt leider bisweilen eine dicke Fliege. Je stärker Yvonne über die Beziehungen des Ehepaares Pelletier nachdachte, desto mehr Übereinstimmungen entdeckte sie zwischen sich und der Gast geberin. Immerhin hatte auch Yvonne damals mit ihrem Alexan dre nicht aus schierem Verlangen nach seinen erotischen Zärt lichkeiten die goldenen Ringe getauscht. Während Madame Yvonne mit leicht geneigtem Kopf noch immer den Komplimenten Monsieur Pelletiers lauschte, gesellte sich der Fürst zu ihnen, prostete dem Bankier mit einem halbvol len Glas Champagner zu und führte Yvonne, nachdem er sich entschuldigend gegen Pelletier verneigt hatte, in eine stille Ecke. Hier nötigte er sie auf einem Louis-seize-Sofa zum Sitzen und
holte ihr ebenfalls einen gefüllten Kristallkelch. Sodann nahm er neben ihr Platz, ohne sich ihr jedoch mehr als schicklich zu nähern. Anbetend blickte er in ihre Augen. Anstatt jedoch sein Glas zu erheben, flüsterte er ihr mit heiserer Stimme zu: «Sehen Sie mich nicht so an…! Ich bitte Sie…! Sie machen mich ver rückt und verwirren meine Sinne…» Yvonnes Haut zitterte plötzlich. Ihr Leib bebte, und das Blut sang in den Adern. Der Fürst Mantegna aber fuhr drängend fort: «Sie sind dazu geschaffen, Männern wie mir den Kopf zu verdre hen. Wie soll man da noch einen klaren Gedanken fassen kön nen? Sagen Sie mir, meine begehrenswerte Göttin, ob ich hoffen darf!» Yvonne schloß die Lider, um den unvermittelt aufsteigen den Schwindel zu bannen. Alles schien sich um sie zu drehen. Nur ganz langsam gewann sie wieder Gewalt über sich. Doch ihre Zunge blieb wie gelähmt. Zu lange schon hatte sich Yvonne dem gesellschaftlichen Leben ferngehalten, dessen Spiel regeln ihr ebenso fremd geworden waren wie die Pikanterie amourösen Wortgeplänkels. Endlich fragte sie, während sie scheinbar abwesend die Wim pern aufschlug, mit reizender Unbeholfenheit: «Hoffen? Wor auf?» «Ich bete Sie an», sagte er tonlos. «Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als daß Sie mir in einer schwachen Stunde gehören! Denn nichts könnte schöner sein, als eine so bezaubernde Frau wie Sie zu besitzen!» «Zu besitzen?» «Gewiß», nickte er nachdrücklich. «Ich träume davon, daß sich unsere Leiber miteinander vermählen…» Yvonne faßte sich ans Herz. Und dann wandte sie ein, was schon Millionen Frauen und Mädchen vor ihr eingewandt hatten: «Aber wir kennen uns ja kaum…!» Der Fürst lächelte wie ein großer Junge: «Wir sind uns in der Glut der Leidenschaften zu ähnlich, als daß wir sie voreinander zu verheimlichen vermögen. Wenn der Funke überspringt, dann ist es unwesentlich, ob zwei Menschen sich kennen. Die Liebe
keimt und reift in einer schwachen Stunde. Bitte, seien Sie wenig stens für eine einzige Nacht meine feurige Geliebte!» Verspielt drehte Madame Yvonne den schlanken Stiel des Kel ches in den Fingern. Ihr Busen bebte erregt. Und weil sie nicht wußte, was sie antworten sollte, hauchte sie nur: «Vielleicht…» «Ich darf also wirklich hoffen?» Madame Yvonne erhob sich wortlos und versuchte ein rätselhaftes Lächeln, wie sie es erst kürzlich auf dem Bildnis der Mona Lisa im Louvre gesehen hatte. Das Lächeln gelang ihr vorzüglich, und sie war sehr zufrieden mit sich und der Wirkung, die es zeitigte. Doch sie wußte noch im mer nicht, wie sie sich angesichts der kühnen Bitte des Fürsten Mantegna entscheiden sollte. In ihrer verführerischen Brust kämpften zwei Seelen miteinander. Madame Pelletier war inzwi schen mitten in den Raum getreten. Sie klatschte mehrmals in die Hände und rief mit melodiöser Stimme: «Es wird gleich serviert, meine Damen und Herren! Bitte folgen Sie mir in den Speise saal!» Sie schritt voran, und die dreißig oder vierzig Gäste schlossen sich ihr aufgelockert und ohne Eile an. Yvonne hielt sich zurück, um in Ruhe ihren Champagner austrinken zu können. Denn ihr Glas war noch fast voll, und sie sträubte sich gegen jedwede Art von Verschwendung. Auch der Fürst war geblieben. Jetzt trat er dicht vor sie, nahm ihr den Kelch aus der Hand, den er achtlos irgendwo abstellte, und umfaßte zärtlich Yvonnes Schultern. Verlangend zog er sie zu sich heran. Fordernd drückte er sie an sich, und überdeutlich fühlte er, wie sich ihre kugelrunden Para diesäpfel samt den Knospen gegen seine steife Hemdbrust preß ten. Das Blut pulsierte stoßweise in Yvonnes schlankem Hals, unter dessen glatter, feiner Haut die Adern bläulich schimmerten. Da beherrschte sich Fürst Mantegna nicht länger. Er beugte Yvonne zurück und küßte zuerst ihre Augen, dann die schwel lenden Lippen und letztendlich den weißen Hals mit solcher Inbrunst, als wolle er alles Leben aus der Begehrenswerten her ausschlürfen.
Madame Yvonne wehrte sich schicklich, aber keinesfalls sehr nachdrücklich oder gar ernsthaft. Es war mehr das Aufbäumen des Anstandes als die Verteidigung weiblicher Tugend, welche ja ohnehin niemals sichtbar wird und deshalb nicht gerade zu den kostbarsten Attributen einer schönen Frau gehört. Jetzt griff der Fürst, kühner geworden, in Madame Yvonnes Dekollete und begann die festen Marzipankugeln ihrer verschnü renden Fesseln zu befreien, was Yvonne in einem erregten Zu stand willenloser Lähmung duldete. Der drängende Kavalier küßte die schneeweißen Brüste ab wechselnd, und bald schon stülpte er die warmen Lippen über die rosigen Spitzen, die er sogleich mit fleißiger Zunge zu um spielen begann. Am liebsten hätte sich Yvonne wie ein Aal unter den kitzelnden Liebkosungen gewunden. Aber mit der Anspan nung aller Kräfte wahrte sie die Contenance, obwohl selige Schauer ihren ausgehungerten Körper durchrieselten. Der Fürst schürzte wieder die Lippen. Doch diesmal ließ er nicht die Zunge kreisen. Er schlürfte und sog wie ein Verdurstender an den köstlichen Himbeeren, als könne er ihnen süßen Nektar der Liebe entlocken. Gleichzeitig fuhr seine Rechte unter Yvonnes Rocksaum. Und ohne in seiner mündlichen Betätigung innezuhalten, fingerte er sich an den schlanken Beinen empor, die kein Ende zu nehmen schienen. «Zügeln Sie Ihre Gier!» flüsterte Madame Gamelin mit vor Schreck bebender Stimme. «Vergessen Sie nicht, daß ich kein leichtes Mädchen bin, sondern eine ehrbare Witwe!» Aber er reagierte nicht auf ihre Vorhaltungen. Seine Hand wur de nur noch zudringlicher, und sein Kopf senkte sich tiefer über ihren lockenden Busen. Plötzlich vernahm Yvonne, die unablässig über den Nacken des ungestümen Adeligen hinweg zur offenen Tür starrte, wie sich zielstrebig Schritte näherten. «Man kommt!» Yvonne schob den Fürsten mit einer heftigen Bewegung von sich und schlug ihm laut mit dem geschlossenen
Fächer auf die Schulter, just in dem Augenblick, als Madame Pelletier eintrat und auf der Schwelle überrascht stehenblieb. «Sie sind ja schon beim Dessert, lieber Fürst», sagte sie mit unverhoh lener Heiterkeit, weil sie die Peinlichkeit der Szene zu überspielen versuchte. «Die süßen Venusäpfel unserer kleinen Yvonne schei nen aber auch wirklich zu delikat!» «Sie treffen den Nagel auf den Kopf», lächelte der Fürst ohne falsche Scham und strich sich eine vorwitzige Locke aus der Stirn. «Ich kann jedoch tatsächlich nichts dafür, daß Sie solche Leckerbissen in Ihrem Hause bereithalten, Madame!» «Sie ist doch fast noch ein Kind!» Mireille Pelletier deutete zu Yvonne, die mit glühenden Wangen ihre reifen Früchte wieder zu verpacken versuchte. «Eben!» Der Fürst schnalzte leise mit der Zunge, wartete ab, bis Yvonne sich wieder restauriert hatte, und bot sodann der bild schönen Witwe den Arm, um sie zu Tisch zu führen. Zu dritt nahmen sie an der Tafel Platz, wo die anderen Gäste in leise Unterhaltung verfallen waren. Und es mag ein Zufall gewesen sein, daß Yvonne zur Linken des Fürsten saß, während Mireille sich an seiner rechten Seite niederließ. Zwischen Aperitif und Consommé flüsterte der Fürst leise Yvonne ins Ohr: «Ich werde Sie heute nacht sehr glücklich machen!» «Keinesfalls», lächelte Yvonne zurück. «Es gibt auch noch standhafte Frauen in Paris!» «Worüber tuscheln Sie?» Madame Pelletier beugte sich hinüber und legte fragend die Hand auf den Unterarm des Fürsten. «Sie machen unserer niedlichen Yvonne doch hoffentlich keine un züchtigen Angebote?» «Wie könnte ich! Trauen Sie mir denn so etwas überhaupt zu?» «Gerade Ihnen!» Mireille nickte wissend. «Denn Sie sind ein wahrer Draufgänger! Ein Beau, von dem alle Frauen träumen. Und schließlich habe ich Sie ja eben bei der Ouvertüre mit Yvonne überrascht. Ach, wenn ich doch nur zehn Jahre jünger wäre!» Sie seufzte so laut auf, daß die zunächst Sitzenden erstaunt
die Köpfe hoben. Der Fürst Mantegna jedoch schob scheinbar arglos seine Hand in Madame Yvonnes Schoß, wo sie suchend nach dem Schamhügel tastete, der sehr bald schon unter dem Stoff des dünnen Kleides fühlbar wurde. Yvonne erstarrte beinahe zur Salzsäule. Doch sie fand nicht den Mut, ihren Tischherrn in seine Grenzen zu verweisen. Sie fürch tete nämlich einen kleinen Skandal, der ihrem makellosen Ruf in höchstem Maße geschadet hätte. Sie preßte deshalb nur die Knie ganz fest zusammen, und als diese Reaktion nicht half, drängte sie resolut die fürstliche Hand fort. «Vorhin waren Sie gewährender», raunte Mantegna gutgelaunt. «Ich hoffe, Ihr Sträuben ist nur vorübergehender Natur.» «Wenn Sie nicht augenblicklich von mir ablassen, werden Sie mich niemals besitzen», raunte sie nicht weniger leise. Tatsächlich lockerte seine Hand den suchenden Druck, um sich sogleich vollends von Yvonnes Schoß zu lösen. «Zufrieden?» Der Fürst lehnte sich zurück, soweit es die Form des hohen Armstuhles erlaubte. Madame Yvonne nickte. Dabei lächelte sie, weil ein kleines Geheimnis, von dem niemand etwas wußte, sie und den jungen Fürsten verband. «Und Sie werden mir heute abend gehören?» Madame Gamelins Lächeln verstärkte sich, aber sie schüttelte entschieden den Kopf. Da begann der Fürst ihr allerhand gewagte Schmeicheleien ins Ohr zu flüstern, die außer Yvonne zum Glück niemand zu hören vermochte. Er malte ihr in den schillerndsten Farben aus, wie er sie erobern würde und welche zärtlichen Liebkosungen ihr zauberhafter Leib zu erwarten hatte. Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Sie beunruhigten die Sinne der jungen Frau in höchstem Maße, weil Yvonne vom Schicksal nicht verwöhnt worden war und deshalb solchen Schlüpfrigkeiten mit ungezügelter Phantasie lauschte. Yvonne nahm vor Aufregung kaum einen Bissen zu sich, obwohl das vielgängige Souper die erlesensten Delikatessen umfaßte, die Küche und Keller des gastlichen Hauses zu bieten hatten. Insge samt ging Yvonne Gamelin mit sich zu Rate. Immer wieder
fragte sie sich, ob sie des Fürsten Avancen annehmen oder lieber abschlägig bescheiden sollte. Aber sie kam zu keinem Schluß, zumal er alle Überredungskünste aufwendete und mit Engels zungen auf sie einsprach, ohne dabei jedoch die Gaumenfreuden zu vernachlässigen, was auf raffinierte Routine schließen ließ. Seine Schmeicheleien weichten ihre spröde Ablehnung zuneh mend auf. Und noch ehe das Gala-Diner sich dem Dessert zu neigte, glaubte sich der italienische Aristokrat auf der ganzen Linie als Sieger fühlen zu dürfen. Denn Yvonnes Widerspruch wurde immer schwächer, und das Fieber in ihren unwahrschein lich großen Augen verriet mehr als tausend unbedachte Worte. Madame Yvonne Gamelin schwebte auf den weichen Wolken der zärtlichen Einflüsterungen, welche der Fürst gar trefflich wie ein Poet zu formulieren verstand. Dabei überlegte sie unschlüs sig, ob sie ihn überhaupt begehrte oder vielleicht sogar liebte. Doch sie fand keine zufriedenstellende Antwort, sosehr sie ihre Gefühle auch auf die Waagschale ihres Verstandes legte. Gewiß lich war Fürst Mantegna ein Mann, der kaum eine Frau nicht in seinen Bann gezogen hätte. Und auch als Liebhaber mochte er andere Kavaliere spielend in den Schatten stellen. Sobald Yvonne jedoch an den Grafen von Estiché dachte, gefror Mantegnas Schmelz zu Eis, und sein kühner Charme wurde zur konventio nellen Galanterie. Als Monsieur Pelletier endlich die Tafel auf hob, zündeten sich die Herren schwere Zigarren an, während die Damen heißem Mokka und süßem Likör zusprachen. Zwanglos begann man zu plaudern, und es bildeten sich kleine Cliquen. Eine Gruppe versammelte sich im grünen Salon zu einer Partie Bakkarat, eine andere fand sich am Kamin des Speisesaales zu sammen, wo erlesene Weine und wohl auch ausgewählter Cognac kredenzt wurden, und wieder andere Gäste ergingen sich im weitläufigen Park des Anwesens. Madame Pelletier hatte als Hausherrin alle Hände voll zu tun. Das Personal dirigierend, waltete sie ihres schwierigen Amtes, obwohl die Domestiken lautlos und geübt funktionierten. Der Fürst Mantegna reichte Madame Gamelin ein Glas Chartreuse. Dabei näherten sich seine
Lippen abermals ihrem Ohr: «Madame Yvonne, meine Kutsche wartet draußen! Wir könnten sofort aufbrechen und schnur stracks zur Beletage fahren, die ich in der Avenue de Versailles bewohne! Oder zieht es Sie vielleicht mehr nach meinem kleinen Lustschloß in Sevres?» Sie sah ihm prüfend ins Gesicht und erschauerte wieder unter seinen bittenden Blicken, die sie auszogen. Lange hielt sie der Faszination seiner Augen stand. Ratlos überlegte sie mit einem weichen Gefühl in den Knien, ob sie seine dreiste Werbung ausschlagen sollte. Immerhin war es ein äußerst unschickliches Ansinnen, welches der Fürst an sie richtete. Gerade wollte Yvonne den Mund zu einer höflichen Abfuhr öffnen, als Madame Pelletier hereinkam, schnurstracks auf Yvonne zueilte und arglos erklärte: «Kind, Sie werden sich sicher freuen! Soeben ist ein Edelmann aus Nanterre eingetroffen. Sie kennen doch den Grafen von Estiché?» «Er ist mein Nachbar», antwortete Yvonne tonlos, ohne ihre Überraschung zu verbergen. «Unsere Ländereien grenzen anein ander.» «Vorzüglich!» Mireille Pelletier deutete zur Tür, durch welche Gaston eintrat und suchend den illustren Kreis der Gäste über blickte. Der Graf trug einen maßgeschneiderten Frack, der seine schlanke, durch mancherlei Sport gestählte Figur dezent zur Geltung brachte. Madame Pelletier winkte den eleganten Land edelmann heran, und Gaston näherte sich mit federnd leichtem Schritt. «Welch reizender Zufall!» Gaston Estiché hob leicht erstaunt die linke Augenbraue, ehe er einen vollendeten Kuß auf Yvonnes zierliche Hand drückte. «So sehen wir uns eher wieder, als ich geglaubt hätte, Madame Gamelin.» «Ein Wunder braucht es nicht gerade zu sein», murmelte der Fürst Mantegna ein wenig indigniert, weil er mit sicherem In stinkt in dem Grafen einen gefährlichen Rivalen witterte, vor dem es auf der Hut zu sein galt.
Yvonne erschauerte bis ins Mark, als sie Gastons Lippen auf dem Handrücken brennen fühlte. Denn des Grafen Mund be rührte nicht etwa schwerelos ihre zarte Haut, wie es die Etikette formvollendet vorschreibt, er sog sich vielmehr verlangend und besitzergreifend fest, als wolle er sich nicht mehr von ihr lösen. Fürst Mantegna bemerkte mit nur mühsam gezügeltem Unwil len sowohl die Intensität als auch die ungebührliche Dauer der Geste des Grafen von Estiché und preßte verärgert die Lippen zusammen. Gaston deutete nunmehr dem Fürsten gegenüber eine überaus höfliche Verbeugung an, welche die gegenseitige Vorstellung ersetzen sollte, und sprach leichthin zu der am ganzen Körper zitternden Madame Yvonne: «Ich bin außerordentlich erfreut und angenehm überrascht. Hoffentlich ergibt sich nachher noch Gelegenheit für uns beide, miteinander zu plaudern, wie es sich für vertraute Nachbarn gehört!» Er nickte ihr noch einmal mit achtbarer Zurückhaltung zu und entfernte sich, um offensichtlich auch den anderen Gästen die Honneurs zu machen. Fürst Mantegna räusperte sich leise und sprach scheinbar zu sich selbst: «Jetzt sind meine Chancen rapide geschwunden, und mein guter Stern scheint zu sinken!» Yvonne verfolgte Gaston mit den Blicken. Sie hatte nur noch Augen für ihn. Diese kurze Begegnung verstärkte in höchstem Maße die Gefühle, welche Yvonne für Gaston empfand, trotz aller Brüskierung, mit der er sie seit jener berauschenden Liebes nacht bewußt oder unbewußt kränkte und sogar peinigte. Mantegna spürte, wie sehr sich Yvonne nach Gaston sehnte. Und er ließ alle Hoffnung auf ein beglückendes Abenteuer in ihren lockenden Armen fahren. In diesem Augenblick begriff er, wie sehr es bei einer schönen Frau auf die richtige Sekunde ankommt. Jetzt begrüßte Gaston ein junges, außerordentlich hübsches Mädchen, dessen Reize sehr wohl dazu angetan schienen, einen Mann wie den Grafen zu verzaubern. Und mit erschrecktem Herzklopfen mußte Yvonne ansehen, wie sich die Kleine hem
mungslos an Gastons Brust warf und sein Gesicht mit tausend Küssen bedeckte. Zu allem Überfluß vergalt Gaston diese impul sive Zärtlichkeit, indem er seine Arme um die verführerische Teufelin schlang und ihre Liebkosungen ungeachtet der Umste henden feurig erwiderte. Abrupt wandte sich Yvonne ab. Sie stampfte ungeduldig mit dem kleinen Fuße auf und drängte den ahnungslosen Fürsten: «Nun? Worauf warten wir noch? Sie wollten mich doch in Ihre Beletage entführen! Lassen Sie uns also aufbrechen! Ich werde Ihnen die höchsten Wonnen der Liebe schenken, und Sie sollen noch lange an meine bedingungs lose Hingabe zurückdenken!» Verblüfft starrte der Fürst in Yvonnes engelhaftes Gesicht, dessen Lächeln ihm das Paradies auf Erden verkündigte. Donnerwetter, dachte er, mit den Frauen soll sich einer da noch auskennen!
9. Kapitel Nur im Unterbewußtsein nahm Yvonne den Luxus wahr, in dem der Fürst Mantegna lebte. Seine hochherrschaftliche Suite war angefüllt mit erlesenen Teppichen, kostbaren Ölgemälden alter Meister, feudalem Mobiliar aller Stilepochen und antiken Statuen, die zum Greifen lebendig schienen. Unter unverfänglichen Um ständen hätte Madame Gamelin die unschätzbaren Kunstwerke begeistert gewürdigt und mit den Augen verschlungen. In dem unwirklichen Zustand jedoch, in welchem sie sich wie gebannt bewegte, konzentrierten sich alle ihre Gedanken auf das unfaßba re Ereignis, welches sie in leichtfertigem Trotze heraufbeschwo ren hatte. Aus Enttäuschung und wilden Rachegefühlen würde die Hingabe erwachsen, mit der sie den Fürsten Mantegna be glücken wollte. Aber insgeheim erschauerte Yvonne vor dem Opfer, das darzubringen sie sich anschickte. Madame Yvonne war sich selbst gegenüber aufrichtig genug, nichts zu beschönigen. Und weil die körperliche Vereinigung mit einem Manne für sie noch nicht zur Routine des Lebens gehörte, fürchtete sie das Wagnis, das sie einging. Denn sie setzte ihr Gewissen und die Reinheit ihrer Seele aufs Spiel. Dem Grafen von Estiché hatte sie damals aus Liebe gehört. Dem Fürsten Mantegna dagegen bot sie sich nur an, um Gaston zu bestrafen mit einer Tat, die hinterher niemand mehr unge schehen machen konnte, selbst wenn er die ganze Welt vernich ten würde. «So in Gedanken, Madame?» Der Fürst rückte ihr einen Sessel zurecht, aber Yvonne zog es vor, in den schwellenden Polstern eines barocken Sofas Platz zu nehmen. Unkonventionell streifte sie die hochhackigen Pumps ab und bettete die Füße mit angewinkelten Knien auf ein weiches Kis sen. Dabei hatte sie das teure Kleid ein wenig hochgezogen, um
es zu schönen, weil es nicht ihr, sondern Mireille Pelletier gehör te, der sie es unversehrt zurückgeben wollte. Der Fürst betrachtete in stiller Vorfreude die dekorativ hinge gossene Schönheit. «Champagner?» fragte er. Dabei griff er bereits nach einer Bouteille, die ein dienstbarer Geist in einem silbernen Eiskübel bereitgestellt hatte. «Bitte lieber einen scharfen Cognac!» Yvonne nestelte unsicher an ihrem goldenen Armband. Sie brauchte ein hochprozentigeres Getränk, um sich zu betäu ben, wie man im Krankenhaus die Patienten vor einer großen Operation narkotisiert, um ihnen sowohl die Schmerzen als auch die Angst zu nehmen. Und Yvonne hatte Angst. Sehr viel Angst. Graf Mantegna runzelte sinnend die Stirn, holte aus einem Ne benraum ein Tablett mit Brandy und Gläsern, löschte die über flüssige Beleuchtung, bis nur noch zwei zwölfkerzige silberne Kandelaber brannten, und schenkte zwei Schwenker voll. Mada me Yvonne trank ihr Glas in einem Zuge aus und ließ sich sofort nachgießen, was der Fürst wiederum mit einem leichten Stirnrun zeln quittierte. Der Hausherr zündete sich eine lange, dünne Orient-Zigarette an und entschuldigte sich für einen kurzen Augenblick, welchen Madame Yvonne benutzte, sich abermals Mut anzutrinken. Sie vertrug nicht viel, und bald schon fühlte sie eine warme Be schwingtheit im Busen hochsteigen. Ihre Ängstlichkeit schlug um in gelassene Ruhe. Die leichte Euphorie, die in ihren Fingerspit zen kribbelte, gab der jungen Frau plötzlich ungehemmten Schwung. Bisher scheinbar unübersteigbare Grenzen verwischten sich. Die gemessene Zurückhaltung wich todesverachtender Neugier. Der Fürst blieb ziemlich lange fort, während Yvonne noch mehrmals dem ungewohnt scharfen Inhalt der Flasche zusprach, der ihr keinesfalls schmeckte, aber dennoch seine Wirkung nicht verfehlte. Und dann kehrte der Gastgeber zurück. Er trug jetzt einen schwarzen Mantel aus reiner Seide. In der offenen Tür blieb er stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei betrachtete er Yvonne mit einer Mischung aus Verlangen und Mißtrauen. «Niemand zwingt Sie, Madame», sagte
er, und ein flüchtiges Lächeln umspielte seinen männlichen Mund. «Wenn Sie mir gehören wollen, dann ist es Ihre freie Entscheidung. Sie brauchen sich also nicht aufzuputschen!» Yvonne sah ihn wie durch einen weichen Schleier aus Tüll. Sie erwiderte tapfer sein Lächeln und blickte ihm herausfordernd in die Augen. «Es ist mein freier Wille!» Ohne die Lider zu senken, knöpfte sie das Kleid auf und zog es sich mit einer geschmeidi gen Bewegung über den Kopf. Dann streifte sie das Korselett und den Büstenhalter ab. Befreit wippten ihre vollen Brüste unter den Bewegungen des gazellenhaften Leibes. Der Fürst stand noch immer wie gebannt auf der Schwelle. Yvonne trug jetzt nur noch die Dessous aus knisternder Natur seide, die in koketter Sparsamkeit lediglich den Schritt mit all seinen lockenden Reizen verhüllten. Einige bange Sekunden lang zögerte Yvonne. Dann entledigte sie sich auch des Höschens. In völliger Blöße gab sie sich nun den Blicken des Mannes preis, der sich von diesem betörenden Bild nicht loszureißen vermochte, selbst wenn er es gewollt hätte. Wie die personifizierte Versuchung streckte sich Yvonne re kelnd auf den Polstern aus. Ihr schwellender Körper war nun nichts als provozierende Hingabe. Vom Scheitel bis zum Zeh lud Yvonne den Fürsten ein, sich über sie zu werfen und sie zu erobern. Aufgegeilt genoß Madame Gamelin die aufregende Nacktheit, mit der sie sich in erotisierender Hilflosigkeit dem Grafen auslie ferte. Und sie fand Gefallen an diesem Vorspiel, das mit Sicher heit in einer erschöpfenden Vereinigung der Leiber enden mußte. Fürst Mantegnas Augen zogen streichelnd den kühnen Schwung ihres hinreißenden Leibes nach. Er bewunderte ihr hübsches, ebenmäßiges Gesicht, den schlanken, leicht geschwun genen Schwanenhals, die weich gerundeten Schultern, den üppi gen, jedoch festen Busen, dessen Spitzen vorwitzig nach oben ragten, die ausladenden Hüften, die von animalischer Sinnlichkeit kündeten und höchste Liebesfreuden verhießen, den verwirren den Schoß unter dem seidigen Schamhaar und endlich die langen
Beine, die kein Ende nehmen wollten. Yvonne war eine berau schende Schönheit ohne den geringsten Makel. Und sie wußte es nur zu genau. In diesem Augenblick kam ihr überdeutlich zum Bewußtsein, daß sie den Fürsten tatsächlich mit ihren weiblichen Reizen verwirrt hatte. Und ein Triumphgefühl ergriff Besitz von ihrem Körper und ihren Gedanken. Stolz bemerkte sie, wie der Fürst die Rechte unter den Seiden mantel geschoben hatte, um sich unbeherrscht an seiner Männ lichkeit zu schaffen zu machen. Rhythmisch fuhr die Hand im mer schneller vor und zurück. «Sie verschmähen mich?» fragte Yvonne kokett und spreizte aufreizend die Beine, daß er einen Blick in ihren geheimnisvollen Schritt zu erhaschen vermochte, wo die kleine Liebesfrucht, die bereits feucht geworden war, unruhig lockte. Und als der Fürst noch immer keine Anstalten traf, das Werk der Liebe mit ihr zu vollziehen, da begann sie mit den Fingerspitzen die rosige Perl muschel zu liebkosen, die sich unter der zärtlichen Berührung wohlig zusammenzuziehen begann. Dabei wand sich Yvonne in gezügelter Unruhe. Ihr Leib bat sichtlich um Befriedigung, die der Fürst ihm noch immer verweigerte. «Nehmen Sie mich end lich! Sehen Sie nicht, daß ich vor Wollust schier vergehe?!» In animalischer Erregung bäumte sich ihr Schoß ihm entgegen. Mit beiden Zeigefingern zog sie den Blütenkelch weit auseinander, daß die silbern glänzende Schlucht des Jungbrunnens sichtbar wurde, die den Wohltaten des Kavaliers mit brünstiger Ungeduld entgegenfieberte. «Es ist wirklich Ihr freier Wille?» vergewisserte sich der Fürst noch einmal vorsorglich. Niemand sollte ihm zum Vorwurf machen können, daß er eine schöne Frau mit listiger Berechnung überrumpelt hatte. «Ja! Tausendmal ja!» Demonstrativ winkelte Madame Yvonne die gespreizten Oberschenkel an, daß die Knie ihre schmalen Schultern berührten und die Liebesgrotte noch einladender aufklaffte. Da warf der Fürst den Seidenmantel von sich. Und
endlich kniete er sich zwischen die zitternden Beine der unwider stehlichen Geliebten. Unaufhaltsam drang er in ihren Schritt ein. Wie von selbst ergriff der kecke Mannesstolz Besitz von der geheimnisvollen Märchengrotte, die ihn sofort mit schwülem Druck umschmiegte und immer verlangender in ihre süße Tiefe lockte. Die beiden nackten Leiber schienen untrennbar zusam menzuwachsen. Rhythmisch wiegten sie sich in harmonischem Gleichklang, bis der Takt sich zu einem wilden Stakkato steigerte und die gierige Wollust sie mit sich fortriß. Madame Gamelin wand sich glücklich unter den stürmischen Angriffen des Für sten, der sie fest umklammert hielt, während er ihre zuckende Fröhlichkeit unwiderstehlich eroberte. Die Schöße klatschten immer wieder enthemmt gegeneinander. In Madame Yvonnes Schritt brannte ein tausendfältiges Feuerwerk sinnlichster Erfül lung ab. Glück und Seligkeit überfluteten den ganzen Leib der jungen Nymphe, die in ihrer Ekstase unkontrolliert zu schreien begann. Und dann spürte sie berauscht, wie der potente Fürst die Beherrschung verlor und viel zu früh die Schleusen seiner männ lichen Lenden öffnete. Warm schoß der kostbare Nektar des Lebens aus dem mächtigen Füllhorn und überflutete Yvonnes liebreizende Muschel, daß die schöne Geliebte unterdrückt auf jauchzte und sich noch einmal unter einem unbeschreiblichen Taumel hochbäumte. «Es war zauberhaft», hauchte sie hinterher, als der Fürst ohne Nachspiel die Kopulation beinahe abrupt beendete und sich rigoros von ihr löste, obwohl sie gerne noch eine Weile seine Lanze zwischen den peristaltierenden Rosenblät tern glutvoll liebkost hätte. «Es war nicht zauberhaft, es war zu kurz. Viel zu kurz.» Der Fürst stand auf, unzufrieden mit sich selbst, und trank einen Schluck Brandy. «Sicher sind Sie Männer gewöhnt, die mich an Feuer und Ausdauer weit übertreffen, Madame?» «Sie haben mich sehr glücklich gemacht», hauchte Yvonne. «Sie schenkten mir mindestens fünfmal den Gipfel aller Lüste. Mehr hätte ich vermutlich nicht ertragen können.» «So?» Er sah ihr mißtrauisch ins erhitzte Gesicht.
Aber es gelang ihm nicht zu ergründen, ob sie die Wahrheit sprach oder ihn nur trösten wollte. Madame Yvonne schwieg. Denn jetzt, da die Euphorie körperlicher Ekstase allmählich wieder abklang, verdrängten Reue und Schuldgefühle den sexuel len Lustreiz, der sich fast völlig verflüchtigt hatte. Zu allem Überfluß war Yvonnes Mund durch den unmäßigen Alkoholge nuß ausgetrocknet. «Ich würde jetzt gerne doch ein Glas Cham pagner trinken», bat sie leise und niedergeschlagen. «Gewissens bisse?» Dem Fürsten war der seelische Umschwung in ihrem Herzen nicht entgangen. Er reichte ihr einen Kelch, den sie wie eine Verdurstende austrank. «Ich habe keine Gewissensbisse», log sie. Dabei zwang sie sich, an Gaston Estiché zu denken, der sie so verächtlich behandelt hatte und solche Strafe sehr wohl verdiente. Augenblicklich fühlte sie sich wieder wohler. Und nach dem dritten Glas Champagner überlegte sie bereits wieder, ob man dem Fürsten zumuten konnte, die Rache an Gaston fortzusetzen. Nackt, wie sie noch immer war, faßte sie prüfend nach der fürst lichen Lanze, um sie sachverständig zu betasten und den Grad ihrer Erschöpfung zu ermitteln. Weil Yvonne jedoch kaum nennenswerte Erfahrungen mit Männern besaß und der Stamm baum ziemlich unlustig herabhing, kam sie zu keinem schlüssigen Ergebnis. Aufseufzend wandte sie sich ab und knüllte sich den seidenen Schlüpfer zwischen die Beine, um die Polster des sicher lich unbezahlbaren Sofas nicht über Gebühr zu beschmutzen. Der Fürst Mantegna rauchte wieder eine seiner langen OrientZigaretten. Dabei griff er nach seinem Hausmantel, den er takt voll über den erschöpften Schoß legte, um Madame Yvonne den enttäuschenden Anblick seiner Kraftlosigkeit zu ersparen. Und dann fragte er, was so viele Männer in dieser Situation fragen: «Hatten Sie, Madame Yvonne, schon viele Männer vor mir?» «Als ich heiratete, da war ich noch unberührt.» Sie lächelte, und wieder überzog eine liebliche Röte ihr feines Gesicht. «Ich habe meinen Mann, der vor zwei Jahren starb, nicht ein einziges Mal
betrogen. Und die zwei Jahre nach seinem Tode verbrachte ich im Zustande keuscher Abgeschiedenheit!» Von ihrem Abenteuer mit dem Grafen von Estiché sagte sie wohlweislich nichts. Aber schließlich hatte die Liebesnacht mit Gaston ja auch erst stattgefunden, als zwei Jahre seit dem Able ben Alexandres vergangen waren. «Und Sie haben ausgerechnet mich erwählt?» Er betrachtete zufrieden die Glut seiner Zigarette. «Da könnte ich ja beinahe noch eitel werden!» Yvonne fand, daß er bereits hinreichend eitel und selbstgefällig war. Leider hielt seine Potenz, welcher die Natur recht enge Grenzen gesteckt hatte, keinesfalls Schritt mit seinem Selbstbewußtsein. Doch zum Glück überwog sowohl sein Charme als auch sein Reichtum die geringfügige Unvollkom menheit, die eine liebende Frau ohne große Überwindung in Kauf nehmen konnte. «Sie sind ein wirklicher Mann», nickte Yvonne ernsthaft, und die Röte auf ihren Wangen verstärkte sich. «Nicht immer.» «Sie können einer heißblütigen Frau schon ganz schön zuset zen!» Madame Yvonne lehnte sich zurück, daß ihre vollen Brüste sich vorwitzig wölbten. Die junge Witwe hatte sich erstaunlich rasch in die Rolle der koketten Geliebten hineingefunden. Aber in ihrem Alter lernt man schnell. «Trotz meiner gelegentlich unzureichenden Ausdauer?» Er spielte in scheinbarer Gedanken losigkeit mit der Zigarettenspitze und sah an Madame Yvonne vorbei. «Die wenigsten Männer sind so ausdauernd, wie sie uns Frauen glauben machen wollen», lachte Madame Gamelin. Dann fügte sie rasch hinzu: «Das habe ich mir erzählen lassen. Die Herren der Schöpfung schießen nur allzu oft ohne Pulver. Mangelndes Stehvermögen liegt nun mal in ihrer Natur.» «Alle Wetter!» Der Fürst tat amüsiert, vermochte jedoch seine Erleichterung nicht zu verbergen. «Sie sind erstaunlich gut in formiert, meine Liebste!»
«Ein tugendhafter Lebenswandel muß nicht unbedingt die Ur sache biologischer Unkenntnis sein!» Yvonne streichelte nach denklich mit den Fingern die keck erstarrten Brustwarzen, ohne damit ein bestimmtes Ziel zu erfolgen. «Sie haben niemals mit dem Gedanken an eine neue Ehe gespielt?» fragte der Fürst. Madame Gamelin zuckte wie elektrisiert zusammen. Eine solche Wendung des Gespräches hatte sie am wenigsten erwartet. Wor auf wollte der reiche, gutaussehende Edelmann hinaus? Unter ihren Haarwurzeln kribbelte es. Langsam antwortete sie: «Dieses Problem hat mich noch nie gequält. Denn bisher bin ich dem richtigen Manne noch nicht wieder begegnet.» Am liebsten hätte sie sich auf die Zunge gebissen. Aber es war zu spät. Die unbe dachten Worte standen im Raum, und keine Macht der Welt hätte sie unausgesprochen machen können. «Vielleicht haben Sie recht», nickte der Fürst ernst. «Warum sollte sich eine Schönheit wie Sie an einen einzigen Gespielen binden, wenn sie jeden Kavalier haben kann, nach dem es sie gelüstet!» «Sie gehen zu weit, mein Fürst!» wies Yvonne ihn mit scharfer Stimme zurecht. Doch er schien ihren Protest zu überhören. Er beugte sich vor und sah ihr zwingend in die Augen: «Madame, ich bete Ihre Schönheit an! Wollen Sie meine Geliebte werden? Es soll Ihnen an nichts fehlen! Ich überschütte Sie mit kostbaren Geschenken und mache eine heimliche Königin aus Ihnen!» «Nein!» Madame Yvonne stand abrupt auf. Ihre Nacktheit nicht achtend, griff sie nach den Kleidern. «Sie irren sich in meiner Person völlig! Wenn Sie die Gunst einer Frau kaufen wollen, dann müssen Sie sich in ein Freudenhaus bemühen! Und sicher gibt es auch genügend Dirnen von Rang und Namen, die Ihr Angebot zu schätzen wissen. Ich allerdings empfinde als ausge sprochen taktlos, was Sie mir soeben unterbreiteten!» Unbeein druckt entgegnete der Fürst: «Warum nur dieser ungezügelte Ausbruch? Im Grunde streben doch alle Damen nach dem glei chen Ziel, die keusche Susanne nicht minder als die abgebrühte ste Hure! Und die Moral ist nichts weiter als billige Tünche!»
«Ich hielt Sie für einen Ehrenmann!» Yvonne zog sich so flink wieder an, wie es ihr die pikante Situation erlaubte, ohne aus der Rolle zu fallen. «Ich sagte nur, was ich denke. Und das ist die reine Wahrheit!» Der Fürst schlüpfte ebenfalls in seinen seidigen Mantel. Dann drückte er auf eine verborgene Klingel. «Meine Kalesche wird Sie nach Hause fahren!» Dem bunt livrierten Lakaien, der mit unbewegtem Gesicht ein trat, befahl er gleichmütig: «Der Kutscher soll noch einmal an spannen und Madame bringen, wohin sie befiehlt!» Der Diener verbeugte sich demütig und verschwand. Der Hausherr trat an einen barocken Sekretär, öffnete eine Ge heimlade und holte einen funkelnden Brillantring hervor, den er sehr lange prüfend gegen das Kerzenlicht hielt. Der hochkarätige Solitär schimmerte gleißend. «Bitte gestatten Sie mir, Ihnen wenigstens dieses kleine Präsent zu überreichen!» Er wollte ihn Yvonne an den Finger stecken. Und als sie sich wehrte, da drückte er ihn ihr einfach in die Hand. Am liebsten hätte Madame Gamelin ihm das prächtige Kleinod ins Gesicht oder zumindest vor die Füße geworfen. Aber sie brachte es einfach nicht übers Herz. Denn der Reif war so beste chend schön, daß er alle Vorsätze ins Wanken brachte. Und Yvonne sagte sich nicht ganz zu Unrecht, daß die Ablehnung des bezaubernden Schmuckstückes ihren Sündenfall auch nicht mehr ungeschehen machen würde. Im Gegenteil! Die Honorierung ihrer körperlichen Hingabe machte die Rache, die sie an Gaston Estiché nahm, höchstens noch süßer. Und sie schwor sich, dem Grafen bei der nächsten Gelegenheit ausführlich von ihrem Fehltritt zu berichten. Einen kurzen Augenblick schwelgte sie in dieser aufreizenden Vorstellung, welche ihre Gefühle beflügelte. Ohne den Fürsten noch eines einzigen Blickes zu würdigen, verließ sie die Beletage. Die Sonne ging bereits am Horizont auf und tauchte die Millionenstadt in violettes Licht, welches lange Schatten warf, die zusehends kürzer zu werden schienen. Der Kutscher wartete bereits. Er hielt ihr den Schlag auf und half ihr devot in die Kalesche, die mit sechs Pferden bespannt war.
«Zum Hause des Bankiers Pelletier!» wies Madame Yvonne den Mann an und lehnte sich aufatmend in den Polstern zurück, wobei sie verstohlen immer wieder den unermeßlich kostbaren Brillanten betrachtete, dessen Anblick ihr Herz schneller schlagen ließ. Das Gefährt schaukelte weich durch die menschenleeren Stra ßen. Das Hufgeklapper der Rosse hallte hohl von den Hauswän den wider. Stolz genoß Yvonne es, sechsspännig durch die Hauptstadt zu fahren. Es war nur jammerschade, daß niemand sie sehen konnte. Madame Yvonne fühlte ein leises Bedauern im Busen aufstei gen, weil sie das Angebot des Fürsten zu voreilig abgeschlagen hatte. In ein oder zwei Jahren wäre sie zweifellos eine sagenhaft reiche Frau geworden. Dann hätte sie sich besonders nachdrück lich an Gaston Estiché rächen können. Aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß sie auch ohne des Fürsten Zutun Geld im Überfluß besaß, weil der verstorbene Alexandre Gamelin zu Lebzeiten sein Vermögen mit glücklicher Hand und kluger Um sicht zu mehren verstanden hatte. Nein, an Reichtum ermangelte es ihr keinesfalls. Trotz der frü hen Morgenstunde brannte im Hause der Pelletiers noch immer helles Licht. Alle Fenster waren strahlend illuminiert wie vorhin, als Yvonne das gastliche Haus am Arme des Fürsten verlassen hatte. Im Salon saß der Hausherr bei Cognac und Champagner mit drei Offizieren, drei Kaufleuten und einem Künstler. Sie plauder ten angeregt und durch den reichlich genossenen Alkohol leicht beschwingt, ohne die zurückkehrende Madame Yvonne zu be merken. Mireille Pelletier allerdings, die nachdenklich am Fenster ge standen hatte, gewahrte die junge Freundin sogleich. Sie trat ihr mit einem liebevollen Lächeln entgegen und hakte sich bei ihr ein: «Sie haben mit dem Fürsten noch einen kleinen Bummel durch Paris gemacht?»
Madame Yvonne nickte schwach und antwortete gedehnt: «Ich trank in seinem Hause ein paar Cognac.» «Oh, lala!» Mireille schnalzte anerkennend mit der Zunge. «Der Fürst geht ja ganz schön ran. Aber das ist kein Wunder, denn er liebt Sie, Yvonne!» «Ich weiß es!» «Und er hat bekommen, was er wollte?» Yvonne schloß die Augen und zuckte statt einer Antwort mit den Schultern. Doch dieser Ausdruck war beredter als tausend Worte. «Er erreicht immer sein Ziel, ohne sich über Gebühr anstrengen zu müssen.» Madame Pelletier streifte mit einem kurzen Blick den Brillantring an Yvonnes Finger, verlor jedoch keine Silbe über dieses Präsent. «Der Graf Estiché hat Sie überall gesucht, liebste Yvonne. Er war ganz unglücklich darüber, daß er Sie nicht fand.» «Er wird mich nicht sehr vermißt haben», sagte Yvonne leise unter Tränen. «Das hübsche Gift, das sich ihm bei seinem Ein treffen so hemmungslos an die Brust warf, wird ihn zweifellos über meine Abwesenheit hinweggetröstet haben!» «Kaum!» Mireille tupfte Yvonne mit einem Spitzentaschentuch die Tränen aus den Augen. «Sie ist die Tochter des reichen Bör sendiktators Lefebre. Der Graf soll sie heiraten, aber er läßt sich nicht dazu bewegen. Sie scheint offensichtlich bei aller Schönheit nicht sein Typ zu sein.» «Dann hätte er sie auch nicht so besitzergreifend zu küssen brauchen!» Yvonne stampfte unwillig mit dem zierlichen Füß chen auf. «Oh, sagen Sie das nicht!» Mireille näherte ihren Mund dem Ohr Yvonnes. «Gaston Estiché ist finanziell wohl oder übel auf den alten Lefebre angewiesen!» «So? Das verstehe ich nicht. Gaston gehört zu den reichsten Leuten von Nanterre!» «Nicht mehr!» Madame Pelletier schüttelte den Kopf. «Er hat sich verspekuliert und alles verloren!» «In Nanterre sagt man, er sei Millionär», wandte Madame Ga melin ratlos ein. «Gewesen.» Mireille Pelletier zog Yvonne mit
sich zu einem Sofa. «Er legte sein ganzes Vermögen in südafrika nischen Diamanten-Aktien an, wie mein Mann mir erzählte. Und tatsächlich gibt es im Burenlande wie auch in den benachbarten Regionen große Edelsteinvorkommen, die ihn zu einem der reichsten Männer der Welt gemacht hätten.» «Warum soll er dann plötzlich verarmt sein?» Yvonne preßte die flache Hand auf das stürmisch pochende Herz. Was sie hier hörte, das stellte sie vor eine völlig neue Situation, deren Auswir kungen sie noch nicht zu ermessen vermochte. Sie wußte nur, daß die Sterne für sie außerordentlich günstig standen. Denn ein mittelloser Graf von Estiché war auch ein hilfloser Graf von Estiché, den ihre süße Rache doppelt traf. «Die Buren haben sich gegen die Engländer erhoben», dozierte Mireille geduldig, was ihr Gatte sie gelehrt hatte. «Jetzt herrscht Krieg in Südafrika, und schwere Kämpfe sind in vollem Gange. Ein Ende der blutigen Feindseligkeiten ist nicht abzusehen. Die Auseinandersetzungen können sich über Jahre hinziehen. Des Grafen Einsatz ist verloren. Die Aktien sind nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem sie gedruckt wurden!» «Das ist ja fürchterlich!» heuchelte Yvonne. Sie hatte Mühe, ihren Triumph zu verheimlichen. «Armer Gaston Estiché», nickte Mireille. «Verstehen Sie nun, meine Liebste, warum er den Bankier Lefebre und dessen Toch ter nicht brüskieren kann? Wenn Lefebre will, pfändet man sogar noch Gastons kleines Landschloß in Nanterre.» «Auch das Inventar und die wertvollen Pferde?» «Alles!» Mireille machte eine bedauernde Handbewegung, die umfassende Ohnmacht andeuten sollte. «Aber zum Glück ist dies nicht unser Problem, Yvonne.» «Jetzt bleibt ihm nur noch sein Grafentitel», überlegte Yvonne laut. «Auf seinen Titel leiht ihm niemand auch nur einen Sou, sagt mein Mann.» «Bestimmt nicht.» Yvonne betrachtete liebevoll den Ring, an dem sie sich einfach nicht sattsehen konnte. «Ein Grafentitel
allein ist nicht viel wert.» Mireille deutete hinüber zum Salon. «Aber nun zu uns! Mein Mann sorgt noch heute dafür, daß Sie ein standesgemäßes Haus besichtigen können. Sie werden sehr feudal wohnen, Yvonne, das verspreche ich Ihnen. Aber nun sollten Sie zunächst einmal wenigstens ein paar Stunden schlafen! Denn eine durchwachte Nacht tut weiblicher Schönheit nicht gut. Und der Fürst war sicherlich auch ziemlich anstrengend, wie ich ihn kenne!» Yvonne errötete schon wieder. Doch dann straff te sich ihre anmutige Gestalt: «Ich habe es mir anders überlegt, Madame Pelletier. Ich bleibe nicht in Paris. Ich fahre mit dem nächsten Zuge zurück nach Nanterre.» «Ach…! Haben die Aufdringlichkeiten des Fürsten Mantegna Ihren Entschluß ins Wanken gebracht?» «Keineswegs.» Yvonne legte kokett das Köpfchen schief. «Der Fürst hätte mich beinahe zu seiner Mätresse gemacht. Nein, das ist es wirklich nicht. Doch ich glaube, mein Platz ist nicht in Paris, sondern in Nanterre. Nun erst recht.» «Sie sind ungebunden, weshalb Sie Ihre Pläne mit leichter Hand umstoßen können», sagte Madame Pelletier, und leiser Neid schwang in ihrer Stimme. «Meine Wege an der Seite meines Gatten sind leider präzise vorgezeichnet. Sie ahnen ja nicht, wie gerne ich mit Ihnen tauschen möchte.» «Vielleicht», flüsterte Yvonne. «Vielleicht auch nicht.» Die Männer im Salon begannen übermütig zu singen. Sie stimmten falsch, aber laut das Lied von Frére Jacques an, der auf einem Dampfschiff nach Amerika reist, um dort sein Glück zu machen. «Noch singen die Herren der Schöpfung das Lied vom Bruder Jacques», warnte Mireille mit erhobenem Zeigefinger. «Doch bald werden sie kühner und intonieren Melodien, welche wirklich nicht für die Ohren einer Dame taugen. Kommen Sie, Yvonne, ein paar Stündchen Schlaf würden uns in der Tat nicht schaden. Und wer schläft, der sündigt nur selten, oder nie.»
Arm in Arm wie zwei Schwestern gingen die beiden Frauen hinauf in Mireilles Schlafzimmer. Und schon wenige Minuten später schlummerten sie eng aneinandergekuschelt wie zwei verspielte Löwinnen dem Mittag entgegen.
10. Kapitel Madame Gamelin hatte das Pariser Abenteuer ohne Schaden überstanden. Nur der Brillantring erinnerte sie noch an den nächtlichen Sündenfall in den Armen des Fürsten Mantegna, der beinahe ihr Schicksal geworden wäre. Von der Baronin de Rudgisch erfuhr Yvonne, daß Gaston Esti ché sein Stadtpalais in der Metropole bald wieder aufgeben muß te. Und die Baronin wußte auch zu berichten, daß Gastons Land schloß in wenigen Tagen unter den Hammer kommen würde. Den Grafen von Estiché selbst sah Yvonne nicht wieder, ob wohl sie alle Möglichkeiten ausschöpfte, ihm zu begegnen. Schließlich schickte sie eines Morgens Fanni hinüber zum gräfli chen Anwesen. Sie gab Fanni einen Brief mit, in welchem sie Gaston bat, sie möglichst rasch zu besuchen. Denn sie hegte hochfliegende Pläne, welche hauptsächlich den Grafen betrafen. «Wird Estiché kommen?» fragte Madame Yvonne nervös, als Fanni von ihrem Botengang zurückkehrte. «Warum nicht?» lächelte das Hausmädchen mit ungezwungener Natürlichkeit. «Eine wollüstige Frau zieht doch mehr als tausend Pferde!» «Pfui, schämen Sie sich, Fanni!» Madame Gamelin stemmte verärgert ihre Hände in die sanft gerundeten Hüften. «Wie kön nen Sie in meiner Gegenwart solch rüde Worte gebrauchen!» «Wenn es aber doch stimmt! Und ich weiß schließlich, was los ist. Oder denken Sie, ich hätte nicht bemerkt, daß der Herr Graf in Ihrem Bett genächtigt hat?» Yvonne wandte sich abrupt ab. Doch sie schämte sich nicht. Und sie konnte Fanni auch nicht böse sein. Immerhin hatte das unkomplizierte Mädchen mit schelmischem Unterton die reine Wahrheit gesprochen. Gaston Estiché kam allerdings nicht. Er konnte Madame Yvonne nicht besuchen, weil er auf der Suche nach einem lang
fristigen Kredit halb Paris zu durchstreifen gezwungen war. Aber die Türen der Häuser, die sich ihm sonst immer wie von selbst öffneten, blieben diesmal geschlossen. Der Graf wurde vom Personal auf der Schwelle wie ein Bettler abgewiesen. Mehr als einmal spielte er mit dem Gedanken, seinem Leben ein Ende zu setzen. Dann wieder zog er ernsthaft in Erwägung, nach Übersee auszuwandern und einen neuen Anfang zu wagen. Schließlich fuhr er enttäuscht und ratlos zurück nach Nanterre. In seinem Landschloß ging der Konkursverwalter bereits ein und aus. Er registrierte und katalogisierte das kostbare Inventar, das Gaston von seinen Vorfahren ererbt hatte. Nun sollte er sich also auch noch von seiner Urväter Hausrat trennen. Das Schloß selbst sowie das Gestüt waren ohnehin nicht mehr zu retten. Ruhelos durchmaß er am Tage seiner Rückkehr die Zimmerflucht im Erdgeschoß, wo es wie kurz vor einem Umzug aussah. Denn der Konkursverwalter, der die Auktion im Namen der Gläubiger vorbereitete, leistete ganze Arbeit. Das Hauspersonal ließ es dem Grafen gegenüber am nötigen Respekt mangeln. Knechte und Mägde besitzen einen sicheren Instinkt und wissen genau, wann die autoritären Zeiten der Herrschaft vorüber sind. Nur Mademoiselle Josephine hielt treu zu Gaston. Als sie ihm an jenem Abend das Essen servierte, fragte sie beiläufig: «Warum nehmen Sie Madame Gamelins Einladung nicht an? Vielleicht weiß sie wohlfeilen Rat?» «Sie hat mich eingeladen?» «Natürlich!» Josephine wischte sich die fettigen Finger an der Schürze ab. «Der Brief liegt weithin sichtbar auf Ihrem Schreib tisch, Herr Graf!» Tatsächlich hatte Gaston sein Arbeitszimmer noch nicht betreten. Dort türmten sich sowieso nur Mahnungen und unbezahlte Rechnungen, die nicht dazu angetan waren, seine Stimmung zu heben. Augenblicklich erhob sich der Graf und holte Madame Gamelins Brief, den er nachdenklich studierte. Er schämte sich, Yvonne so sträflich vernachlässigt zu haben, und ihm fiel keine Entschuldigung ein.
«Lassen Sie den Dogcart anspannen, Josephine», bat er ernst. «Ich fahre gleich zu Madame Gamelin hinüber!» «Bleiben Sie wieder über Nacht fort wie bei Ihrem letzten Be such?» wollte Josephine neugierig wissen. «Oder darf ich Sie noch heute zurückerwarten?» Er schüttelte den Kopf, schwieg aber. Ohne großen Appetit aß er einige Bissen. Und als er den Ein spänner draußen vorfahren hörte, verließ er das Haus. In der Halle traf er den Auktionator, der ihm lächelnd mit dem Zeigefinger drohte: «Herr Graf, Sie wissen, daß auch der Dogcart gepfändet ist?» «Ich werde das Gefährt ja sicherlich einmal benutzen dürfen», brummte Gaston schlecht gelaunt. «Gewiß, wenn Sie es wieder bringen!» So weit war es also schon gekommen. Während Gaston den leichten zweirädrigen Wagen bestieg, verfluchte er den Tag, da er sich zu dem Abenteuer mit den südafrikanischen Diaman ten entschlossen hatte. Aber jetzt war es zu spät. Keine Macht der Welt gab ihm den hohen Einsatz zurück. Wer va banque spielt, der muß eben auch verlieren können. Ein Hasardeur darf sich hinterher nicht beklagen. Denn das Risiko trifft ihn niemals überraschend. Zu allem Überfluß hatte auch Monsieur Lefebre von einem Tag auf den anderen seine hilfreich angebotene Hand und auch die Hand seiner Tochter zurückgezogen. Denn es stand noch viel schlechter um Gaston, als er sich einzugestehen wagte. Das Mädchen Fanni kam gerade mit einem vollen Wäschekorb in den Armen aus Madame Gamelins Villa, als Gaston den Rappen auf dem Kiesweg zügelte und die Bremse anzog. Keck schaute ihm die Kleine ins Gesicht und fragte mit provozierender Unschuld: «Besuchen Sie mich, Herr Graf, oder machen Sie Madame Gamelin Ihre Aufwartung?» «Was hätte ich wohl mit dir zu schaffen?» fragte er mit erzwun gener Heiterkeit, während er ein lustiges Lächeln versuchte. «Als Sie mit mir schliefen, da wußten Sie es!» Sie huschte zurück ins Haus und rief über die Schulter durch die offene Tür: «Ich werde Sie anmelden!» Madame Yvonne trug ein weit ausgeschnit
tenes Kleid und gab sich gemessen zurückhaltend. Sie bot Ga ston einen Sessel an, ließ Tee servieren und fragte schließlich ohne konventionelle Umschweife: «Warum haben Sie nicht mehr von sich hören lassen, Graf Estiché? Sicherlich sind Sie mir zu nichts verpflichtet. Aber Sie versprachen mir ausdrücklich, sich wieder zu melden! Bin ich es nicht wert, daß man sich wenigstens mit einer Zeile oder einem Wort an mich erinnert?» «Sie beschämen mich», stotterte Gaston verlegen. «Doch Sie ahnen ja überhaupt nicht, was sich inzwischen alles ereignete, Madame!» «Ich weiß nur, daß Sie mir aus dem Wege gingen, nachdem ich mich Ihnen schenkte», sagte sie bitter. «Ihre finanzielle Misere wurde erst viel später schockierende Wirklichkeit!» «Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus», schwindelte er und fühlte sich im gleichen Augenblick durchschaut. «Über Ihren Spekulationen vergaßen Sie mich!» Yvonne nestel te fahrig an ihrem Brillantring. «Obwohl Sie mir versicherten, sich sehr bald wieder meiner zu erinnern!» «Man ist oftmals voll von Worten, die dem Augenblick gehö ren», versuchte er sich zu entschuldigen. «Ich hatte Ihnen aber schon damals erklärt, daß an eine dauerhafte Bindung nicht zu denken sei.» Sie lachte ihm entwaffnend ins Gesicht: «Sie wissen genau, daß ich Ihre Vorbehalte respektierte. Damals ging es mir auch nicht darum, Ihre Frau zu werden. Mir ging es allein um unser gemeinsames körperliches Glück! Oder waren Sie so ent täuscht von mir? Widerstrebten Ihnen neuerliche Zärtlichkeiten so sehr, daß Sie sich vor mir nach Paris flüchteten?» «Eines kam zum anderen.» Er griff nach seiner Teetasse, ohne jedoch zu trinken. «Ich spreche die Wahrheit, Madame, wenn ich sage, daß ich Ihre Gegenwart mied, um den Schmerz der Entsa gung nicht noch größer werden zu lassen.» «Ach…!» «Pardon, Madame…!» Gastons Gesicht verlor plötzlich alle Farbe. Wie gebannt starrte er auf Yvonnes Brillantring, der pro
vozierend an ihrem Finger glänzte und glitzerte. «Woher haben Sie dieses entzückende Kleinod?» «Ist das so wichtig?» «Wichtiger als Sie denken!» «Nun», sie schürzte genüßlich die Lippen. «Der Fürst Mantegna schenkte mir den Stein, weil er mit mir eine zauberhafte Liebes nacht verbringen durfte.» «Der Fürst Mantegna? Ihre Worte tun mir unsagbar weh, Ma dame!» «Warum denn nur?» «Weil ich Sie liebe», flüsterte er. «Was Sie mir bedeuten, das wurde mir erst bewußt, als ich Nanterre verlassen hatte.» «Man ist oftmals voll von Worten, die dem Augenblick gehö ren», zitierte Yvonne den Grafen. «Monsieur, Sie sollten Ihre Gefühle vorsichtig dosieren!» «Es ist die Wahrheit», beschwor er sie. «Madame Yvonne, Sie ahnen wirklich nicht, was ich für Sie empfinde!» «Sie haben es mir in den letzten Wochen hinreichend gezeigt», höhnte sie. «Ich kann Sie aber beruhigen. Mir lag niemals etwas an einer ehelichen Bindung. Und langsam erlosch auch mein Verlangen nach Ihnen. Denn die Zeit heilt alle Wunden. Hätte ich mich sonst dem Fürsten Mantegna hingegeben?» Der Graf von Estiché sah sehr zerknirscht aus. Leise sagte er: «Ich war ein Esel, ausgerechnet dem Fürsten diesen Brillantring zu verkaufen!» «Meinen Ring?» Verblüfft hielt Yvonne ihm die Hand entgegen. «Ihren Ring», nickte er düster. «Ich bot ihn dem Fürsten an, als ich in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten begann. Natürlich griff der Fürst zu. Denn der unschätzbar teure Brillant war sehr wohlfeil zu haben.» «Interessant», lachte Yvonne zufrieden. «Der Fürst Mantegna wußte meine leibliche Geneigtheit besser zu würdigen als Sie! Er ist eben ein wirklicher Kavalier!» «Hören Sie auf!» Gaston rang bittend die Hände. «Ich muß mir immer wieder vorstellen, wie Mantegna Ihren Körper entehrte,
wie er Sie eroberte und sich schließlich mit Ihnen vereinigte. Der Schmerz durchbohrt mir das Herz!» «Das hätten Sie sich eben vorher überlegen müssen!» Yvonne schlug kokett die Beine übereinander, was zwar nicht damenhaft, dafür aber außerordentlich aufreizend aussah. «Oder glaubten Sie, ich würde Monat um Monat warten, bis Sie sich zufällig meiner erinnern? Zu allem Überfluß schrieben Sie mir auch noch einen beleidigenden Brief!» «Pardon, Madame!» Gaston beugte sich vor und legte beschwö rend die Hand auf Yvonnes Unterarm. «Bei der Abfassung des Schreibens war Monsieur Lefebre zufällig zugegen. Er wollte mir Geld leihen, falls ich sein Schwiegersohn würde. Bei aller Auf richtigkeit meiner Gefühle für Sie, Madame, mußte ich ihm meine Liebe zu Ihnen um jeden Preis verschweigen.» «Würde er sich nicht plötzlich anders entschieden haben, Sie hätten seine Tochter geheiratet!» «Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe», zitierte er tonlos. «Aber ich wäre bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu Ihnen geeilt, meine Teuerste!» «Kaum.» Madame Yvonne strich sich ein nicht vorhandenes Stäubchen von der glatten Haut ihres Busens. «Hat es Sie denn nicht gestört, daß Lefebres Tochter Ihnen nicht ebenbürtig ist? Sie besitzt doch nur bourgeoise Eltern ohne Adel!» «Ich konnte es mir nicht mehr leisten, nach Stand oder Her kunft zu fragen.» «Ach, was Sie nicht sagen!» Yvonne lachte glockenhell. «So schlimm steht es um Sie!» «Noch schlimmer», nickte er. «Vielleicht könnte ich Ihnen aus Ihren Schwierigkeiten helfen», erklärte Madame Gamelin leicht hin. «Tatsächlich?» In Gastons Augen glomm ein Hoffnungsfunke auf. «Ja.» Yvonne schob ein Stück Konfekt zwischen die roten Lip pen. «Ich werde Ihr Schloß und Ihre Ländereien kaufen. Denn
ich habe das Geld, bei der bevorstehenden Auktion alle anderen Interessenten mit Leichtigkeit zu überbieten.» «Das wollen Sie tun?» Gastons Gesicht drückte Verständnislo sigkeit aus. «Worin besteht denn dann Ihre Hilfe?» «Ich stelle Sie als Verwalter ein.» Yvonne lehnte sich zufrieden zurück und beobachtete, wie überrascht der Graf ihre Ankündi gung aufnahm. Dann fuhr sie fort: «So können Sie wenigstens auf Ihrem eigenen Grund und Boden bleiben. Und das ist schon sehr viel!» «Ich soll Untergebener sein, wo ich einmal Herr war?» Gaston fühlte das Blut in seine Schläfen schießen. «Ich würde nicht nur mein Gesicht verlieren, sondern auch noch meine Ehre!» «Ihr Gesicht und Ihre Ehre haben Sie längst verloren», wies Yvonne ihn schonungslos auf die rauhe Wirklichkeit hin. «Ihre Insolvenz ist doch überall bekannt!» «Ich besitze aber noch meinen Stolz!» «Ihr Stolz ist keinen Sou mehr wert!» beschied Yvonne ihn mit sachlicher Kälte. «Könnten Sie sich nicht zu einem Darlehen an mich durchringen?» Gastons Augen hatten einen traurigen Schimmer angenommen. Der verzweifelte Ausdruck seiner Miene rührte Madame Gamelin beinahe. «Einem Hasardeur leihe auch ich nichts!» Wieder schob sich Yvonne eine Praline in den Mund. «Leider besitzen Sie nicht die geringsten Sicherheiten mehr!» «Doch!» Seine Gestalt straffte sich. «Mich selbst!» Yvonne be trachtete ihn prüfend vom Scheitel bis zur Sohle. Aber schließ lich schüttelte sie bedauernd den Kopf: «Ich kann Sie ja schlecht an die Kette legen, bis Sie Ihr Darlehen abgetragen haben!» «Mein Gott!» Er rutschte von seinem Stuhl und warf sich vor ihr auf die Knie. «Haben Sie Erbarmen mit mir!» Madame Gamelin sah über ihn hinweg, als existiere er nicht. Dabei tat sie, als müsse sie angestrengt überlegen. «Ich wäre einigermaßen abgesichert, wenn Sie mich heiraten würden», sagte sie sodann, und um ihren Mund malte sich ein
triumphierender Zug. «Meinem Ehemann nämlich könnte ich ein Darlehen kaum verwehren.» Er wollte ihre Beine umarmen. Aber sie stieß ihn fort und er gänzte: «Selbstredend müßte ein notarieller Ehevertrag aufgesetzt werden. Denn ich bringe ein Vermögen mit, während Sie über haupt nichts mehr besitzen!» «Ich tue alles, was Sie wollen», stammelte er. «Sie halten also um meine Hand an?» «Mit dem größten Vergnügen», nickte er heftig und erhob sich. Es kostete ihn keine Überwindung, Yvonnes Gesicht zu herzen und zu küssen, daß ihr unter seinen stürmischen Liebkosungen fast der Atem wegblieb. «Aber woran erkenne ich, daß Sie wirklich mich und nicht nur mein Geld lieben?» fragte Yvonne keck, nachdem sie sich müh sam aus seiner Umschlingung befreit hatte. «Ich will es Ihnen sogleich im Bett beweisen», flüsterte er zärt lich. «Der Freudenspender eines Mannes kann nämlich nicht lügen!» Das sah Madame Yvonne wohl ein. Deshalb sprach sie unternehmungslustig: «So lassen Sie uns keine unnötige Zeit verlieren, Graf! Allerdings wollen wir uns im Salon lieben und nicht in meinem Schlafgemach!» «Warum nicht im Bett?» Er schob bereits seine flache Hand in ihr volles Dekollete. «Im Salon ist es viel pikanter und aufregen der!» Ihre Brüste wogten unter seinen gezielten Griffen. Und als seine Finger die niedlichen Himbeeren zu zwirbeln begannen, da schrie Madame Yvonne in unterdrückter Wollust leise auf. «Und wenn uns jemand überrascht?» fragte Gaston verwirrt. «In dieser Gefahr liegt ja gerade die Pikanterie und der Nerven kitzel!» Yvonne wippte verspielt mit dem schmalen Füßchen und duldete es, daß der Graf ihren Busen ans Tageslicht beförderte. Die Halbkugeln lachten dem Landedelmann wie Vollreife Au gustäpfel entgegen. Einladend drängten sie sich in seine Hände. Sie fühlten sich warm und fest an. Gaston, der tatsächlich schon in heftiger Erregung begriffen war, wurde nun vollends munter. Die Gier in seinen Lenden
wuchs von Sekunde zu Sekunde. «Sollte man nicht wenigstens anordnen, daß wir nicht gestört werden?» Der Graf streichelte unsagbar einfühlsam die paradiesischen Hügel. «Wäre es Ihnen wirklich so unangenehm, wenn Fanni plötzlich hereinkäme?» Yvonne kniff die Lider ganz schmal zusammen. «Sie sind näm lich der erste Mann, dem es peinlich ist, sich vor dem kleinen Satansbraten zu entblößen!» «Madame…!» «Vielleicht haben Sie sich sogar schon einmal mit ihr gepaart!» Sie fuhr sich mit der Zunge anfeuchtend über die Lippen. «Fanni verschenkt ihre Gunst nämlich sehr großzügig. Und Gelegenheit hatten Sie beide ja damals im Überfluß!» «Sie könnte einem Kavalier gewißlich gefährlich werden», gab der Graf zu. «Doch einem Vergleich mit Ihrer Schönheit, Gelieb te, hält sie kaum stand!» «Dafür übertrifft sie mich vermutlich an tierhafter Vitalität, wie die meisten Dorfschönen aus dem einfachen Volk!» «Mitnichten! Ihre bezaubernde Anmut, Madame, stellt alle an deren Weiber in den Schatten!» Gaston Estiché bedeckte nun Yvonnes Brüste mit glühenden Küssen. Und als er fühlte, wie sich die rosigen Nippel hart versteiften, da begann er durstig an ihnen zu saugen. «Oh, wie machen Sie mich lüstern!» Madame Gamelin schüttel te sich vor Wonne. Die ungebändigten Brüste wiegten sich unter den hastigen Bewegungen ihres kochenden Leibes. Jetzt kannte der Graf kein Halten mehr. Während seine Linke die schmelzen de Madame Yvonne an ihrer empfindlichsten Stelle zu umwerben anfing, streifte er mit der Rechten seine Kleidung ab, die ihm von Minute zu Minute hinderlicher wurde. Und schon umarmte er splitternackt seine zukünftige Frau. Sein Liebeszepter reckte sich in frecher Kühnheit der jubelnden Yvonne entgegen. Da faßte Gaston nach ihrer Hand und führte sie zu der Wurzel des Le bens. Dabei drängte er heiser: «Fühlen Sie, wie sehr ich Sie liebe! Ja, greifen Sie nur zu!»
«O ja, ich fühle es ganz deutlich», hauchte Madame Yvonne überglücklich. Sie sträubte sich nicht, als der Graf nun auch sie von der überflüssigen Garderobe befreite. Knisternd raschelte ihr Kleid zu Boden. Dann folgten die Unterröcke, das Korselett und endlich die Schlüpfer, die nach Lavendel dufteten. Die beiden unverhüllten Leiber drängten sich aneinander. Yvonne jubelte leise auf, als Gaston sie fest an sich drückte und ihr liebliches Gesicht immer wieder brünstig küßte. «Wollen wir hier festwachsen wie zwei Standbilder?» Madame Yvonne lachte ihn von unten unkompliziert an. «Auf dem Sofa ist es viel weicher und bequemer. Außerdem eröffnen sich uns dort unermeßliche Möglichkeiten, die zu nutzen sich lohnt.» Zustimmend hob er sie hoch. Sie war leicht wie eine Feder, als er sie zum Sofa trug, wo er sie zärtlich in die schwellenden Kissen sinken ließ. Hingegossen, ohne Leben, lag vor ihm das schöne Weib. Yvonne breitete die Arme einladend aus, um Gaston zu empfangen und in sich aufzunehmen. Ihr sinnlicher Schoß schob sich ihm bebend entgegen. Das Blut pulsierte deutlich sichtbar unter der zitternden Haut der leicht gespreizten Oberschenkel. «Kommen Sie in mich, Gaston!» Die fieberhafte Röte, die Yvonnes pfirsichglatte Wange überzogen hatte, machte ihr hüb sches Antlitz noch liebenswerter. Sie verstärkte den unschuldigen Ausdruck kindlicher Erwartung. Madame Yvonne Gamelin schloß die Augen, als der Graf sich über sie beugte. Sie spürte kaum den Druck seines Körpers, der Besitz von ihr ergriff. Schon drang Gaston tief in sie ein. Vor Aufregung stockte ihr der Atem. Die beiden Leiber verschmolzen nahtlos miteinander. Unbe schreibliche Lust trieb das Paar an und peitschte es zu höchster Ekstase auf. Von allen materiellen Sorgen erlöst, gab sich der Graf dem Taumel des Augenblicks hin. Und je hemmungsloser er dem befreienden Höhepunkt entgegenstürmte, desto glückli cher pries er sich, Yvonne wiedergefunden zu haben. Nein, ihr konnte wirklich keine andere Frau das Wasser reichen. Im über mächtigen Rausch der Leidenschaften erschöpfte sich endlich
seine Kraft. Yvonne schrie laut auf, als er sein Opfer in ihrer Gralsschale darbrachte. Und dann erreichte auch sie den Gipfel der Erfüllung. Ein süßer Strom durchflutete ihren Körper. Als Gastons Sturm abflaute, drängte Madame Yvonne nicht auf sinnliche Fortsetzung der Begegnung. Vielmehr bettete sie seinen Kopf in ihren warmen Schoß und streichelte zärtlich seine stra pazierten Glieder, wobei sie auch dem erschöpften Füllhorn die gebührende Aufmerksamkeit erwies. «Ich glaube, Sie lieben mich tatsächlich», sagte sie versonnen und betastete mit fachkundiger Hand den erschöpften Freudenspender. «Ja», nickte Gaston. Und er log wirklich nicht.