INHALTSVERZEICHNIS
Kapitel Einunddreißig Jakobs neuer Reichtum.......................................... 3 Kapitel Zwe...
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INHALTSVERZEICHNIS
Kapitel Einunddreißig Jakobs neuer Reichtum.......................................... 3 Kapitel Zweiunddreißig Neue Länder ...................................................... 19 Kapitel Dreiunddreißig Der Kriegsmarsch ............................................... 43 Kapitel Vierunddreißig Dinah ................................................................... 51 Kapitel Fünfunddreißig Rachel hat noch einen Sohn .............................. 66 Kapitel Sechsunddreißig Salem .............................................................. 76 Kapitel Siebenunddreißig Die Söhne finden Funde................................. 82 Kapitel Achtunddreißig Yitzhaks Kinder heiraten .................................... 98 Kapitel Neununddreißig Yehudas Söhne .............................................. 109 Kapitel Vierzig Josephs Freiheit ............................................................ 115 Kapitel Einundvierzig Mamre ................................................................. 126 Kapitel Zweiundvierzig Tamar ............................................................... 134 Kapitel Dreiundvierzig Die Dürre ........................................................... 140 Kapitel Vierundvierzig Ägypten.............................................................. 148 Kapitel Fünfundvierzig Die Herausforderung......................................... 152 Kapitel Sechsundvierzig Binyamin, Binyamin........................................ 157 Kapitel Siebenundvierzig Der Diebstahl ................................................ 165 Kapitel Achtundvierzig Gosen................................................................ 175 Kapitel Neunundvierzig Khian, erster Pharao Ägyptens........................ 184 Kapitel Fünfzig Erneuertes Wachstum .................................................. 188
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Kapitel Einunddreißig Jakobs neuer Reichtum An den äußersten Randbezirken der Stadt Haran setzte Jakobs Geschäftssinn fort, ihm Reichtum zu bringen. Die Könige der westlichen Reiche handelten leicht mit ihm um seine Wolle und sein Hammelfleisch. Laban, der unfähig war, eine so hochqualifizierte Wolle zu erzeugen, zog sich in die Hülle der Eifersucht zurück. Irrlichter unproduktiver Wolken trieben über das Haus, während große Quellwolken auf Jakobs Weiden regneten. In Jakobs einundzwanzigstem Jahr der Verpflichtung zu Laban sprach Jahwes Bote zu ihm. „Es ist Zeit, zu Yitzhak zurückzukehren. Ich werde dich während deiner Rückreise beschützen.“ Als Jakob die Engelsstimme hörte, zog er sich in die Abgeschiedenheit seiner Gedanken zurück. Tage später rief er seine Familie zusammen. Vor ihm saßen seine beiden Ehefrauen und seine beiden Konkubinen auf einem Haufen Decken in dem Hauptzelt. Vor den Frauen saß Reuben, sein dreizehnjähriger Sohn. Neben Reuben saßen die zwei Zwölfjährigen. Neben ihnen saßen die zwei Elfjährigen. Hinter seiner Familie standen viele seiner Diener. Jakob sprach zu ihnen allen. „Laban ist unfreundlich zu mir gewesen. Mit dem Abschluss des Tages starren wir wie Feinde einander an. Die Liebe des Bruders zum anderen ist von unseren Augen gegangen. Es ist besser, von einem echten Bruder in Fleisch und Blut gehasst zu werden als von fernen Abenteurern missbraucht zu werden! Labans Art ist grob und anschuldigend. Doch ihr seid seine Töchter. Ich bitte euch, dies gerecht für mich zu bezeugen. Ich bin ihm gegenüber gerecht gewesen, obwohl er mir gegenüber ungerecht war. Leah, du weißt jetzt, dass dein Vater hinterlistig gewesen ist. Oh, ja, es mag für eine gute und wertvolle Sache scheinen, aber hat er nicht schlussendlich uns allen Schaden verursacht?“ Leah widersprach ihm nicht, noch widerlegte sie ihn. Sie blieb still. Rachel wandte ihre Augen Leah zu und blieb auch still. Jakob fuhr fort. „Ich diente eurer Familie treu. Jedoch fuhr er nicht fort, meinen Lohn immer wieder zu ändern, indem er sich nie nach den Vereinbarungsdokumenten richtete? Hatte er nicht gesagt, ‚die Gestreiften gehören dir’? Dann sagte er nicht, ‚Die Getupften gehören stattdessen dir’? Was er auch wünschte, ich stimmte zu. Doch dies ist nun wahrer als je: was auch immer den neuen Vertrag errichtete, wie auch immer er in der Gunst eures Vaters wog, es wirkte stattdessen für mich. Nun sagt er: ‚Jakob beraubte mich!’ Er sagt auch. ‚Jakob verschwor sich gegen mich!’ Warum kann nicht gesagt werden: ‚Jakob erkannte auf intelligente Weise die richtige Wahl’? Oder richtiger, warum kann nicht eine meiner Frauen und Konkubinen und Kinder mich verteidigen und sagen: ‚Jahwe 3
veranlasste es zu sein’? Denn ist es nicht die absolute Wahrheit der Angelegenheit!? Jahwe hat mir das Vieh eures Vaters gegeben!“ Levi lehnte sich an eine Platane und fragte: „Vater, wie weißt du, dass Jahwe dies tat?“ Jakob schaute seine Kinder an. Von ihnen allen beschäftige sich nur Levi mit der Frage. Nur er wollte Jahwes Geheimnisse verstehen. „Vor langer Zeit“, antwortete Jakob Levi, „als die Schafe und Ziegen sich paarten, wurde ich darüber neugierig, warum einige ihrer Jungen gefleckt oder getupft oder einfarbig herauskamen. Ich schliff inmitten meiner Neugierde ein. Michael der Erzengel flüsterte in mein Ohr: ‚Komm her’, und ich gehorchte. Er erleuchtete meine Sinne mit der Erkenntnis der genetischen Zucht. Das heißt, durch absichtliches Paaren eines spezifischen Wesenszuges mit einem identischen Wesenszug wird es kommen, dass das Junge die selben Eigenschaften der Eltern tragen wird. Mir wurde von Gott dies Erkenntnis gegeben, weil Laban mich betrogen hatte, und dies war eine sichere Rache gegen ihn und eine würdige Herausforderung für meinen Intellekt.“ „Wie wusstest du, dass es der Gott unserer Väter war und nicht ein falscher Gott? Hast du nicht gesagt: ‚Falsche Götter können Wunder geschehen lassen, um die Menschen vom wahren Gott abzuwenden?“ Glücklich über Levi hob er ihn hoch und streichelte ihm energisch sein Haar. Die anderen Söhne drängten sich um ihren Vater. Sie wollten auch die liebevollen Berührungen auf ihren Köpfen teilen. Jakob gab nach. Reuben, der zu Bilhah ging, lehnte sich an ihre Brust. Sie umarmte ihn und drückte ihn fester an sich. „Gott sagte: ‚ich bin der Gott von Beth-El, wo du eine Säule gesalbt hattest und wo du mir einen Schwur leistetest. Steh nun von hier auf. kehre zu deinem ursprünglichen Heimatland zurück.’“ „Jakob“, fragte Rachel, „wenn wir von dem Haus unserer Vaters Außenseiter werden, wie mögen wir eines Erbanteils sicher sein?“ „Was meinst du?“ Reuben schritt von Bilhah fort. „Da wir seinen Haushalt verlassen haben, hält uns Laban für Ausländer“, antwortete Leah ihrem ältesten Sohn. „Er hält unsere Ehe mit Jakob für eine Schuld, die für geleistete Dienste bezahlt wurde. Das Geld, das ihm durch die Tugend der Arbeitskraft eures Vaters gegeben worden ist, setzt fort, ihn und seinen Haushalt zu ernähren. Nicht eine Sache ist uns vermacht worden.“ Rachel fügte hinzu: „Es scheint mir vernünftig, dass Gott alles in deine Obhut gelegt hatte, was Vater gehörte, einschließlich der Erbrechte.“ Nach einer Pause behauptete Rachel. „Jakob, folge Gottes Anweisungen.“ Erfreut über seine Kinder und seinen Haushalt nickte er. „Ich werde unsere Dinge einsammeln.“ „Während du es tust, erlaube mir, meinen Vater zu besuchen.“ „Natürlich. Ich brauche einige Dinge aus seinem Hof. Ich habe noch immer den Passierschein, der mir vor zwanzig Jahren gegeben wurde. 4
Ich bin sicher, dass wir ihn brauchen werden. Also, Kinder, lasst das Lager bei unserer Rückkehr vorbereiten, damit wir schnell abziehen können.“ Die Kinder rannten und schrien und eilten zum Schafhirtengebiet und zerstreuten das naheste Vieh, um in das falsche Territorium zu wandern. „Werden sie je zu gehorchen lernen?“, bemerkte Rachel angewidert von ihrem wilden Benehmen. Jakob ignorierte ihre höhnische Bemerkung und setzte sie vor sich auf das Pferd. Sie galoppierten schnell zu Labans Herrenhaus.
Als sie den unordentlichen Hof erreichten, bemerkten sie, dass der neulich aktive Springbrunnen trocken war. Die leeren Ställe bezeugten, dass Laban zu den fernen Feldern gegangen war. Ungewohnt, den Hirten beim Scheren zu helfen, so wie er sich keine zusätzliche Hilfe leisten konnte, bog er seinen schmerzenden Rücken und ergriff die nicht endende Arbeit. Seine Söhne verfluchten Jakob für seine Vernachlässigung, ihnen während der mühseligen Zeiten zu helfen. Der Hof war menschenleer. Die massiven Eichentüren hingen bedenklich in ihren Türangeln. Die Türangeln knarrten. Die Farbe verblasste an den Wänden. Der Verputz verfiel. Während Jakob seine Habseligkeiten nach seinem privilegierten Passierschein durchsuchte, beschäftigte sich Rachel damit, die Teraphim ihres Vaters zu stehlen. Sie versteckte die kleinen Götzen, die die Erbrechte bezeichneten, in ihrer Leinentasche. „Das ist das Einzige, was in diesem Haus übrig ist, das einen echten Wert für mich hat“, flüsterte sie sich selbst zu. Sie blickte augenblicklich auf die exquisiten Juwelen und dem gehämmerten Gold, aber sie band ihr langes Haar hoch und rechtfertigte ihren Diebstahl sich selbst gegenüber.
Als Jakob zurückkehrte, entdeckte er, dass sein Lager schon abmontiert war und wartete zu gehen. Innerhalb desselben Nachmittags begannen die Familie und Diener ihren langen Weg. Bis zum nächsten Morgen kamen die Flüchtenden zum Euphrat, so wie Eber vor Jahrhunderten. Jakob mietete mehrere Kähne. Ohne ein einziges Missgeschick machte die Gruppe eine gut organisierte Überquerung. Die Diener waren beeindruckt, ebenso Jakobs Kinder. Sein Lager blieb westlich von Karkemisch und südöstlich von Aleppo und Qutna und ließ sich augenblicklich nieder, um sich in der Nähe der frei fließenden Gewässer des Flusses Orontes niederzulassen. Nicht zu weit weg von ihnen marschierte eine militärische Expedition nordwärts nach Hattusas. Die vorderen Läufer trugen die Banner von vielen
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Stadtstaaten bei sich: alle in einem internationalen Krieg gegen Hammurabi vereint.
Als es geschah, beendete Laban das Scheren seiner Schafe zur gleichen Zeit wie Jakob und seine Familie und Herden ihre Ruhelager machten. Ein Händlerspäher, der Labans minderwertigeren Schaffelle und Garne prüfte, stimmte zu, die Gruppierung zu kaufen, falls er eine bedeutende Anzahl die Qualitätswaren der Vereinbarung hinzufügen könnte. „Mein Schwiegersohn hat solche Qualität. Wir werden zusammen mit dir handeln.“ Laban entsandte seinen Diener. Er wusste, dass sein Bote drei Tage brauchen würde, um Jakobs Lager zu erreichen, und weitere drei Tage, bevor er zurückkehren würde. Und so war es. In der Mitte des Nachmittags des sechsten Tags kehrte der Bote zu Laban zurück. Sobald er das Gesicht des Boten sah, wusste Laban, dass etwas passiert war. „Sage mir jetzt, war mein Herz erledigt ist: Was ist los mit Jakob?“ Der Bote hielt seine Arme hoch. „Ich kann dir nicht sagen, was mit Jakob los ist.“ „Dann sind es die Kinder? Meine Töchter?“ „Ich kann dir von ihnen auch nichts sagen“, antwortete er nervös. „Was für törichte Antworten gibst du mir?“ Laban eilte zu ihm und hob seine Hand, wie um ihn ins Gesicht zu schlagen. „Ich kann nicht korrekt antworten, weil ich Jakobs Lager nicht finden konnte.“ „Nicht der dümmste Mann auf der Welt könnte sein Lager verfehlen. Es liegt in der reichsten Biegung. Alles, was man tun muss, ist dem Geblöke der Schafe zuzuhören.“ „Ich hörte keine Geräusche, aber ich sah den Kot von vielen Tieren auf dem genauen Ort verstreut liegen, wo mir gesagt wurde, ich würde ihn finden. Falls es sein Lager war, dann ist es ein verlassenes Lager. Er hat es dem Windwechsel überlassen.“ Indem Laban die Seite seines Beines schlug, schwenkte er herum und schrie: „Aufsteigen! Jakob verschwört sich gegen mich!“ Sechs Tage lang jagten Laban und seine Söhne und seine besten Krieger Jakob. Als sie die Spur verloren, nahm Laban Zuflucht zur Bestechung der Karawanenmeister um Nachrichten vom Aufenthalt seines Schwiegersohns. Schließlich, am siebenten Tag, dreizehn Tage, nachdem Jakobs sein Lager abmontierte, fand Laban einen Karawanengehilfen, der von einem eleganten Händler mehrere einzigartig schöne gepunktete Ziegen gekauft hatte.
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Ein düsterer Sonnenuntergang malte die Wolken tiefrot. Nachdem sie das Nachtlager Minuten, bevor der schwarze Himmel die Erde zudeckte, errichtet hatten, saß Laban alleine am dunklen Wegesrand. Isoliert, alleine betrachtete er alles rau und rachsüchtig, indem er in seinem Kopf zahlreiche, hasserfüllte Möglichkeiten durchging. Eine beängstigende Szene nach der anderen besuchte ihn. „Sicherlich wird die Erde morgen zittern, wenn ich Jakob gegenübertrete! Die Sonne wird für uns beide zu einem neuen Nachmittag ansteigen, aber die Sonne wird nur für einen zu einem neuen Abend untergehen.“ Er wurde müde, seine Gedanken mit dem potenziellen Kampf zu beleben. Schließlich gaben seine Augen dem Schlaf nach. Sein ältester Sohn, als er seinen Vater auf dem Boden herumzappeln sah, bedeckte ihn mit seiner eigenen Decke. In dieser tiefen Schwärze fühlte Laban ein merkwürdiges Gefühl über ihn herabsteigen. Sein Körper, unfähig, der Notlage und Abdeckung des Schreckens zu entkommen, zog sich tiefer in den Abgrund der eintauchenden Nacht zurück. In seinen Gedanken stellte er sich vor, wie seine Reiter Jakob umrundeten. Einer, oder besser noch zwei seiner Männer tauchten ihre Söldnerschwerter in den Körper seines Schwiegersohnes. Er stellte sich vor, wie sein eigenes Pferd mit seinen Beinen stampfte und wie Jakob schwach wurde. Labans Faust ballte sich. Die Hitze der Nacht nahm zu. Er begann zu schwitzen. Er fühlte ein merkwürdiges Ziehen an seinem Körper. Er drehte sich auf die andere Seite und versuchte, es zu ignorieren. Indem er schielte, blickte er in die Dunkelheit des Lagers. „Meiner Männer haben das Lagerfeuer überhitzt“, erinnerte er sich, wobei er es zu sich selbst sagte. Nass vor Schweiß von der intensiven, unnachgiebigen Hitze warf er sich von dem üppigen Schaffell. Ein Ansturm kühlerer Luft streifte seinen Körper und ließ ihn zittern. Der Aramäer verschränkte seine Arme über seiner Brust, um den kalten Windstoß abzuwehren. Nachdem er sich trocken gerieben hatte, fühlte er eine behagliche Wärme ihn überwältigen. Schlaftrunken davon schlief er wieder ein. Kurz danach eröffnete ein mystischer Traum ein neues Szenario in seinem Verstand. Er sah sich wieder Jakob gegenüberstehen. Wieder eilte sein Pferd auf ihn zu. Statt des erwarteten Trampelns jedoch ergriff ein mächtiger Fremder die Mähne seines Pferdes und warf ihn zu Boden. Augenblicklich trampelten die Pferde seiner eigenen Männer über ihn. Eines, oder noch schlimmer, zwei Söldnerschwerter tauchten in seinen Körper statt in den von Jakob. Er schauderte und sein Verstand schob sich zu einem anderen Szenario. Indem er sich leise Jakob näherte, nahm er ihn zärtlich in seine Arme. Er sah zu, wie er selbst seinen Schwiegersohn anflehte, nach Paddan-aram zu kommen. Auf der Rückreise verirrte sich sein Lager und kam in einem fremden, wertlosen Land an – eine düstere Schwarzweißlandschaft, die nur Härten verhieß. 7
Dann stieg Gottes Stimme vom himmlischen Wohnsitz herab und sprach zu Laban. Laban schrie einen stummen Schrei. Er zwang sich aufzuwachen. Er rieb seine Augen. Als er munterer war, sah er seine Söhne über ihn stehen. „Vater, die Sonne ist aufgegangen.“ „Dann steigt auf“, befahl er ruhig, beinahe von der Realität losgelöst. Stunden, nachdem die Erde sich drehte, um den Sonnenstrahlen gegenübertreten, fand Laban Jakobs Lager. Da er nicht wusste, ob er wütend oder glücklich sein sollte, näherten sich seine Kamelreiter den Zelten. Labans Söhne starrten auf ihre Neffen und ihre Schwestern. Jakobs Diener, ungewiss, was sie tun sollten, blieben den schwer bewaffneten Männern fern. Laban stieg von seinem Esel und ging zu Jakob. „Jakob, mein Sohn“, sprach Laban. Die Betonung seiner Stimme überraschte ihn. „Merkwürdig, wie richtiggehend anders die Worte aus meinem Mund zu fließen scheinen, besonders mit der gewaltigen Probe von letzter Nacht verglichen“, dachte er sich. Aber als er Jakob anschaute, sagte er laut: „Was ist in dich gefahren, mir nicht zu sagen, dass du mich verlassen wolltest? Jetzt ist mein Haushalt leer und meiner Enkelkinder beraubt. Du handeltest wie ein Dieb. In der Nacht während meiner Abwesenheit hast du meine Töchter und Enkelkinder entführt! Warum konntest du nicht warten, bis ich nach Hause zurückkehre, bevor du fortgingst? Konntest du mir nicht vertraut haben, dich mit Zuneigung und mit Musik und mit Wein und Fleisch und Tanz fortzusenden? Du beraubtest mich meiner Freude, meine Kinder zum Abschied zu umarmen und zu küssen.“ Verraten durch seine eigenen Emotionen schwollen Tränen unerwartet in seinen Augen. Unbewegt durch seine Schau stand Jakob fest, indem er ein ausdrucksloses Gesicht bewahrte. Labans Töchter waren ebenso über sein Handeln unbeeindruckt. Sie blieben gegenüber ihrem Vater feindselig. Da er versagte, ihr Mitgefühl zu erwecken, versuchte er eine andere Taktik. „Es war eine idiotische Sache für dich, es zu tun!“, erhob er seine Stimme, nicht sehr, aber gerade genug, um zu versuchen, volle Kontrolle über die Situation zu erlangen. „Siehe! Ich bin schwer bewaffnet! Schlimmer noch, die nördlichen Armeen sind auf dem Marsch und sie sind viel besser bewaffnet.“ „Jahwe wird uns beschützen.“ „Ah, ja! Dein großer Gott Jahwe! Gut, ich gebe zu, dein Gott kam in einem Traum zu mir. Er sagte, ich darf dir keinen Schaden zufügen, noch dich versuchen, mit mir zurückzukehren. Ich gebe seinem Willen nach. Immerhin denke ich, dass du wünschtest, zum Haus deines Vaters zurückzukehren.“ Er hielt inne. „Aber da du deinen eigenen Gott hast“, fuhr er fort, „warum war es notwendig für dich, meine zu stehlen?“ „Deine Götter stehlen?“, wiederholte Jakob langsam. Die Anschuldigung verwirrte ihn. Seit einundzwanzig Jahren hatten sie über die heidnischen, dämonisierten Symbole gestritten, die aus dem leblosen 8
Stein gehauen waren, gegen den unsichtbaren, unberührbaren lebendigen Gott, der aus ewiges Geist zusammengesetzt war, der durch die Herzen aller Menschen filterte. „Besser, solche Bildnisse zu zerschmettern, als sie bei sich zu tragen“, argumentierte er oft. Jakob schob sein Haar aus seinen Augen. „Was ich mit deinen Töchtern und Enkelkindern tat, war gerechtfertigt. Jedoch, falls jemand in meinem Lager deine Statuen von dir gestohlen hat, der soll nicht am Leben bleiben!“ „Habe ich deine Erlaubnis, deine Zelte zu durchsuchen?“ „Du bist unverfroren, Laban.“ „Wenn du unschuldig bist, was hast du zu fürchten?“ „Suche!“ Während seine Söhne die Besitztümer der Diener durchsuchten, wählte Laban Leahs Zelt, um es durchzustöbern. Er fand es seiner Götzen leer. „Sie sind gewiss nicht in deinem Zelt“, er blickte sie an. „Doch“, er berührte liebevoll ihre Stirn, „als ich deine Besitztümer durchsuchte, erkannte ich nicht, wie schön organisiert dein Zelt ist. Lehrte dich Jakob ebenso diese Fähigkeit? Kleine Truhen oben auf größeren? Kleider ordentlich aufgehängt? Decken nett auf den Boden gelegt?“ „Mein Mann, der der Vater meiner Kinder ist, hat mir viele Dinge beigebracht.“ Laban nickte. „Deine Sprache sagt mir, dass es wahr ist. Du bist sehr gereift und dein Vater wird dich immer lieben, ohne Rücksicht auf alles andere.“ Er ging zu Rachels Zelt. Er blieb stehen, um Leah noch einmal anzusehen. Er nickte ihr ein zweites Mal zu. Als er in das Zelt seiner jüngsten Tochter trat, war er von der Unordnung erstaunt. „Habt ihr das Zelt getauscht?“, fragte er. „Vielleicht spielt ihr beide ein Spiel mit mir.“ „Es ist Rachels Zelt“, antwortete Leah. „Du weißt nicht, wie man lügt. Oder hat dir das Jakob ebenso beigebracht?“ „Sie ist noch immer unschuldig“, erwiderte Jakob wütend. Laban stöberte durch die Haufen von Rachels Kleidern. Er stieß eine Truhe nach der anderen sorglos zur Seite und fühlte sich über seine Unfähigkeit, die Götzen zu finden, hilflos. Verärgert blickte er Jakob an. „Ich weiß, dass du glaubst, dass meine Statuen bloße heidnische Steine sind, die in die Scheißlöcher geworfen werden sollten. Aber sie sind für mich und meine Söhne ausschlaggebend. Es ist mehr als die Bedeutung ihrer stattlichen Juwelen und Goldauflagen! Die Gerichte unsere Landes anerkennen den Besitzer der Götter als den wahren Eigentümer des Landes und der Haushaltsgüter an. Daher ist es für mich unbedingt erforderlich, sie zu finden. „Haue andere für euch. Jeder Steinmetz kann es tun“, antwortete Jakob kalt.
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„Es ist wahr. Ich kann ein solches Ding tun. Aber ich muss dem König wieder Steuern zahlen für die entsprechenden Siegel.“ Jakob schüttelte seinen Kopf und behielt seine Meinung für sich. „Tochter“, Laban betrachtete Rachel in der dunklen Ecke, „erhebe dich von deinem Kissen.“ Jakob, der über die Gegenwart seines Schwiegervaters intolerant wurde, stand neben ihr. „Ich habe meine Periode. Ich kann nicht aufstehen. Es wäre für mich ein schamvoller Akt, es zu tun.“ „Ich bin dein Vater. Ich habe dich hundertmal nackt gesehen. Ich habe sogar deine Menstruationskleider gesehen. Bitte, Tochter, steh auf.“ „Mein Körper tut weh. Meine Knöchel sind geschwollen. Mir ist zu schwindelig, dass du einfach hereinkommst und mein Leben störst, wie du es tust!“ Jakobs Feindseligkeit gärte. Er verlor seine Geduld. „Das ist genug, Laban! Was für ein Verbrechen habe ich gegen dich begangen, dass du es für notwendig hältst, uns über eine so große Entfernung zu jagen? Dann, wenn du uns entdeckst, was tust du? Bringst du die Besitztümer von jedem durcheinander, ohne die geringste Sorge um ihren Wert! Sage mir jetzt vor deinen Söhnen und Neffen und Cousins: Welchen Verbrechens bin ich schuldig?“ Laban starrte zu Boden, unfähig, in Jakobs Augen zu schauen. „Einundzwanzig Jahre habe ich dir gedient! Deine Mutterschafe und Ziegen erlitten nie eine Steißgeburt in ihren Mutterleibern. Ich führte nie einen heimlichen Diebstahl gegen dich aus, noch aß und trank ich unrechtmäßig das Fleisch deiner Schafsböcke und den Wein. Was von dir von den Löwen und Kötern gefangen und vernichtet wurde, ersetzte ich selbst durch meine eigenen Herden. Ich persönlich nahm diejenigen, die litten, auf meine Schultern, indem ich nie über den Verlust und Ersatz jammerte. Und vergiss nicht, wie schrecklich ich während der Hitze des Tages und während des Frostes der Nacht litt. Ohne Rücksicht auf den wenigen Schlaf, den ich hatte, beklagte ich mich diesbezüglich nie darüber. Das ist die Buchführung: vierzehn Jahre diente ich für deine Töchter. Weitere sieben Jahre diente ich für diese Herden. Während dieser Zeit zogst du Nutzen über mich, da du wusstest, dass ich dich wegen deiner Manipulationen der Vereinbarungen zwischen uns nicht verklagen würde. Hättest du keine Angst vor dem Gott Abrahams und Yitzhaks, meinem Vater, gehabt, hättest du mich höchstwahrscheinlich als mittellosen Bettler fortgeschickt! Aber Jahwe beachtete meine Situation und meine harte Arbeit. Letzte Nacht richtete er den Missbrauch.“ Laban sah die Gesichter seiner Söhne und Neffen zu Boden gesenkt. Sie schämten sich. Er versuchte, seine Selbstachtung zurückzugewinnen. „Das sind meine Töchter. Ihre Kinder, sind sie nicht auch ebenso meine Söhne? Die Herden, stammten sie nicht von mir? Alles, was hier ist, gedieh einst auf meinem Land. Heute jedoch bin ich hilflos gegen meine 10
Töchter und Söhne! Wir müssen daher einen neuen Vertrag errichten! Und ja, dieser wird unser letzter Vertrag werden! Kommt, Kinder, versammelt euch um uns, damit ihr als Zeugen agieren möget, in Bezug darauf, was Jakob und ich zwischen uns festlegen werden.“ Jakob, der das Kommando über die Situation geltend machte, befahl allen Männern aus beiden Lagern, die Steine einzusammeln und die ‚Säule der bindenden Versprechungen’ zu errichten. Alle Männer gehorchten ihm. Sie brachten die Steine zu der Stelle, zu denen sie Jakob leitete. Indem er die Steine nacheinander aufhob, baute er persönlich die Säule. Nachdem er sich für eine Weile ausruhte, erhob sich Laban und streckte seine Arme zu Jakob aus. „Lass diese Säule vor jedem diesen Pakt bezeugen: Möge Jahwe immer über dich und über mich wachen, auch wenn wir voneinander aus den Augen und aus dem Sinn sind. Merke dir, solltest du je Leah oder Rachel schlecht behandeln, wird Gott ein Zeugnis gegen dich für mich tragen. Solltest du eine andere heiraten, wird Gott es zwischen dir und mir bezeugen. Weiters lass diese Säule für immer bezeugen, dass wir sie nicht in irgendeiner Richtung überqueren, indem wir Wut gegeneinander hegen. Schließlich möge der Gott Abrahams und ja, sogar von Nahor selbst, zwischen uns richten.“ Jakob verflocht seine Hände mit denen Labans und behauptete: „Bei der Furcht von Yitzhaks Gott, schwöre ich, dass es so sei wie du sagtest.“ Jakob opferte den auserwähltesten Widder und die auserwählteste Ziege. Hinterher teilten Laban und Jakob und die Männer aus beiden Haushalten das Fleisch. Als ihre Mägen voll waren, schliefen sie neben den sanft geschwungenen Hügeln, die Jakob Galeed nannte, was bedeutete ‚Der Wachtturm’.
Am neuen Morgen umarmte ein Nebel den Talboden. Er begann nachzulassen, als das große Lager von Männern, Frauen und Kindern aus seinem ungleichmäßigen Schlaf erwachte. Jakob, der am frühesten sich erhob, schaute hinauf zu den steil ansteigenden Hügeln. In der Stille dieses schönen Schauplatzes betrachtete er die schwebende Decke weißer Wolken und den Nebel, die von den fernen Hügelketten zur Vorderseite seiner Füße reichten. Er tauchte seine Hände in die rätselhafte Schicht. Unfähig, etwas davon zu halten, seufzte er. Laban erhob sich als Nächster aus dem unruhigen Schlaf. Noch immer unglücklich von den gestrigen Ereignissen und dem Ergebnis, stimmte er trotzdem der Vereinbarung zu. Die beiden Männer schauten auf das Tal. Keiner blickte den anderen an. Innerhalb einer weiteren Stunde erwachten die Kinder. Wiederum weckte Josephs hungriges Schreien Rachel. Reuben, der seinen Magen 11
hielt, schüttelte Bilhah wach. „Wir sind alle hungrig“, stöhnte er mit verschlafenen Augen. „Ich werde mich immer um dich kümmern“, erwiderte sie liebevoll und streichelte sein Schläfenhaar aus seinen Augen und seinem Mund. „Mach deine Brüder für das Frühstück fertig.“ Er verließ das Zelt. Die Frauen leerten mehrere Säcke Getreide in die kochende Ziegenmilch, die zu einer großen Portion Brei verdickte. Aus dem porösen Sack verteilten die Diener das einen Tag alte Brot zwischen den Reihen von Kindern. Der dreizehnjährige Reuben, Leahs erstgeborener Sohn, unfähig, sich zu entscheiden, was er essen sollte, zögerte, dann beschloss er, eine Portion von allem zu essen, was die Diener kochten. Der zwölfjährige Dan, Bilhas zweitgeborener Sohn, zwang sich, langsamer als der Rest zu essen und saß korrekt und ruhig am Tisch und wurde das Kinde mit den besten Manieren im Zelt. Rachel verherrlichte sich in seinem Benehmen. „Er ist der Beste der Besten“, strahlte sie. „Mit ihm übertraf ich Leah!“ Der elfjährige Simeon, Leahs zweitgeborener Sohn, vergewisserte sich, dass er die meiste Aufmerksamkeit bekam. Die anderen Kinder, die sahen, dass sein Lärm funktionierte, jammerten um ihr Morgenmahl. Um sie zum Schweigen zu bringen, klatschte Simeon seine Hände zusammen. Die Diener brachten augenblicklich das Essen. Der zehnjährige Levi, Leahs drittgeborener Sohn, betete leise, bevor er sein Morgenmahl aß, sogar, nachdem Jakobs Vortrag geendet hatte. Der neunjährige Yehuda, Leahs viertgeborener Sohn, beobachtete Levi und versuchte zu beten, aber dann sah er, dass Simeons lärmmachende List funktionierte und fragte sich: „Vielleicht liegt zwischen meinen beiden Brüdern eine bessere Methode, um Aufmerksamkeit und Respekt zu erlangen.“ Der neunjährige Gad, Zilpahs erstgeborener Sohn, war reine Begeisterung, indem er bereitwillig aß und den morgendlichen Weizenbrei genoss. Der achtjährige Ascher, Zilpahs zweitgeborener Sohn, aß auch seinen Brei und machte nicht einmal gegenüber dem altbackenen Brot Einwände. Der siebenjährige Issachar, Leahs fünfgeborener Sohn, weigerte sich, das einen Tag alte Brot zu essen, zerbröckelte es in seiner Faust und schob es mit leisem Murren beiseite. Der sechsjährige Zebulun, Leahs sechstgeborener Sohn, hob die Krumen seines Bruders auf. „Wahre Männer essen, was vor ihnen steht“, sagte er und zeigte Kriegerwesenszüge. Die fünfjährige Dinah, Leahs sechstgeborenes Kind, eine Tochter, lachte liebevoll ihre Brüder an, als sie sie beobachtete. Indem sie Reubens Gesicht berührte, zog sie kichernd an seinem Haar. Der zweijährige Joseph, Rachels erstgeborener Sohn, saugte an der Brust des stillenden Dienstmädchens seiner Mutter, indem er die
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nährreiche Milch herauszog. Das Dienstmädchen wischte die Milch sanft von seinen Lippen. Rachel schaute aus ihrem privaten Zelt auf die große Familie, die das Morgenmahl abhielt. Sie kehrte zu ihrem Polster zurück und setzte sich zurück auf ihre Götzen. Jakob ging von dem Morgenmahl fort und konzentrierte sich wieder auf den sich zerstreuenden Nebel des Tals. „Wie merkwürdig“, sprach er zu sich, „ich kann noch immer kleine Löcher mit weißer Bewegung sehen, die geheimnisvoll im Wald bleiben. Das ist ganz außergewöhnlich, verglichen mit dem Rest des Tals.“ Schließlich löste sich der weiße Nebel auf. Das Grün verbreitete die Schönheit des Landes. Doch verhüllte weiße Gestalten schwebten über einer Vielzahl von ausgewählten Stellen. Die Stunde hindurch, als die Sonne die Erde wärmte, blieben die Irrlichter und wurden paradox dicker. Jakob, der sie anschaute, bemerkte, dass die sich bewegenden Irrlichter aus Rauch Engel waren, die im Wald spielten. Laban, sich der Engel, die zwischen den Bäumen im Tal spielten, nicht bewusst, sonnte sich zwischen seinen elf Enkelsöhnen und seiner einzigen Enkeltochter. Als er sie nacheinander umarmte, befeuchteten echte Tränen seine Augen, als er jedes Enkelkind zum Abschied küsste. Labans Söhne küssten auch ihre Neffen, indem sie die Stärke des neuen Bündnisses bestätigten und anerkannten. Leah hielt ihre Tränen zurück. Laban bemerkte still, wie ihr Gewicht mit ihrem Alter zugenommen hatte. Ihr Haar hatte leichte graue Strähnen. Sie schien reifer, verständiger, intellektueller zu sein. Laban strahlte vor Stolz, als er auf sie zuging. „Du bist so sehr erwachsen geworden. Es ist fast unmöglich für mich zu glauben, dass du dasselbe Mädchen bist, das ich einst aufgezogen und so sehr geliebt hatte.“ „Jakob unterwies mich wohl. Auch wenn wir in der Methode, die wir benutzten, Unrecht hatten, funktionierte es irgendwie. Die Entscheidung, durch die Geduld und Tätigkeiten der Zeit, wurde die richtige Entscheidung.“ „Und Rachel?“ „Rachel hörte auf, sich bei mir einzumischen. Nach Naphtalis Geburt schlussfolgerte sie, dass sie gewonnen hatte. Nun mit Joseph in ihren Armen fühlt sie sich ihres Sieges sicher. Ich beklage mich nie. Für mein Schweigen und meiner Demut wird sie gegen mich in allem mutig.“ „Das verblüfft mich. Also, hat deine Liebe zu Jakob abgenommen?“ „Niemals!“ „Hat seine Liebe zu dir zugenommen?“ „Seine Abhängigkeit hat es. Ich glaube nicht, dass er gehen kann, ohne sich um mich Sorgen zu machen. Ich akzeptiere das.“ Laban küssten sie zärtlich. Seine Hände verweilten auf ihren Schultern. Er nickte akzeptierend.
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Er ging zu Rachel und fand sie noch immer auf denselben Decken sitzen, auf denen sie am Tag zuvor gesessen war. „Eine schwere Periode?“ In diesem Zelt konnte keiner seine Gedanken ausdrücken. Die Worte über ihre zärtliche Liebe füreinander versagten zu sprechen. Ihre Augen mieden einander absichtlich, aber ihre Liebe wollte einen Augenblick einfangen, oder eine letzte Erinnerung aneinander. Er blickte auf ihre Stirn. Sie wiederum blickte liebevoll auf seine Nase. Seine Augen wandten sich ab, um auf ihre Beine zu schauen. Sie blickte auf seine Knie. Beide drehten sich herum, um auf die vorüberziehenden Wolken zu blicken. „Was für eine schöne Tochter du bist.“ Er kämpfte seine Tränen zurück. „Wie sehr wünsche ich, dass deine Mutter diesen Tag sehen könnte!“ Sie lächelte. Tränen weigerten sich, sich in ihren Augen zu bilden. Laban wollte sie in seine Arme nehmen. Aber er kämpfte gegen den Impuls an. Indem er sie anstarrte, sah er, dass ihre Umgangsformen härter geworden waren, indem sie ihre Unschuld verloren. Ihre Augen schienen einen eigenartigen Groll zu hegen. Ihr Kinn war fester geworden, gemeißelter als er sich erinnerte. Laban hockte sich hin zu Rachel, gerade als Jakob Joseph zu seiner Mutter brachte. Laban sah zu, wie das jüngste Kind zu seiner Mutter rannte. Jakob ging zu dem anderen Ende des Zeltes. Laban wählte es, seine Anwesenheit zu ignorieren. Der betagte und müde Vater von Rachel ging näher zu ihr. Er streckte ihr seine Arme entgegen. Sie bewegte sich kaum auf ihn zu. Er schritt in ihren Kreis und zwang seine Arme über ihren Kopf. Steif akzeptierte sie seine liebevolle Umarmung. Schließlich als sie beide einander in die Augen blickten, blieben beide still, merkwürdig von dem Augenblick geschmälert. Verwirrt schaute Jakob sie beide an. Laban lockerte seinen Griff. Er wandte sich Jakob zu. Seit einundzwanzig Jahren stritten er und das Kind seiner Schwester über alles und jedes unter der Sonne. Beide liebten den Nervenkitzel, einander zu verärgern. Er schüttelte die Jahre der Betrübnis ab und sagte zu ihm: Muss ich jedem diese Arme entgegenstrecken und habe niemanden, der sie füllt?“ Jakob nickte und ging auf ihn zu. Fast spontan fielen beide Männer einander in die Arme. Laban, mit einem Ansturm mitfühlender Liebe, umarmte seinen Schwiegersohn fester als er je einen anderen Mann gehalten hatte, einschließlich seiner eigenen Söhne. Dann, indem er ihn in Armeslänge hielt, bemerkte er: „Dein Aussehen hat sich nie verändert.“ Er klopfte ihm auf die Schultern. „Einundzwanzig Jahre später und du bist noch immer ein kleiner Mann. Wie bemerkenswert von einem so großen Vater, ein so kleines Kind 14
hervorzubringen!“ Er lachte und umarmte wieder seinen Schwiegersohn. „Es scheint, Jakob, dass du am Ende gewonnen hast. Alles, was ich hatte, manipuliertest du von mir. Aber du bleibst noch immer ein kleiner und grauhaariger alter Mann. Jakob, was machst du mit der jungen, sinnlichen Bilhah, wenn sich dich zu ihrem Bett ruft? Einen Herzanfall haben?“ Laban lachte wieder laut auf. Augenblicke später zog Laban ab. Jakob versammelte sein Lager. Ein letztes Mal drehte er sich um, um nach Labans Stellung zu sehen. Es war zu spät, ein weiteres Wort hinzuzufügen. Es war zu spät, um irgendwelche anderen Gedanken auszudrücken oder auch nur zuzugeben, dass irgendwie durch alle bitteren Augenblicke es viele Augenblicke echter Liebe zwischen den beiden Männern gab. Er dachte an alle Nächte, in denen sie stritten und debattierten und eine Gelegenheit suchten, einander zu überlisten. Die Söhne und Töchter ergaben sich den Stunden der kühnen Schreie, die jeder Mann dem anderen entgegenschleuderte, sich dann immer fragten, warum jeder Mann immer am nächsten Tag zum Haus des anderen zurückkehrte. „Ihr beide seid Widersprüche der Natur“, sagte Rachel oft zu ihnen. „Ihr beide könnt ohne einander nicht leben, und ihr könnt nicht miteinander leben“, sprach Labans Sohn neidisch. „Geht und streitet miteinander“, schrie Leah. „Keiner von euch weiß, worüber er redet.“ Diese Worte von Leah brachten beide zum Lachen. Die Wut ließ immer nach. Keiner konnte den anderen hassen, doch keiner konnte dem anderen das letzte Wort lassen. „Wie merkwürdig“, behauptete Jakob, als er sich hart zurückhielt, einen Blick auf die Reiter zu werfen, die von ihm fortzogen, „dass von allen Männern, die ich kannte, nur Laban so vieles mit mir gemein hatte.“ Er berührte den Kopfstein der gesalbten Säule. „Schon vermisse ich Laban! Wen kann ich nun überlisten? Wer sonst kann gegen mich so gut wie er spielen? Merkwürdig, ich will ihn wieder sehen. Nein, es ist unmöglich. Lebe wohl, mein Onkel.“ Jakob und seine Familie und seine Diener ritten davon.
Der Sommertau verweilte über dem Wald unter den Bergeshöhen. Die Tannen und Fichten und Pappeln und Mastixbäume bündelten sich gegeneinander und überfüllten den Boden auf dem großen sich ausbreitenden Tal. Als Jakob ritt, blickte er in die Tiefen der umliegenden Bäume. Mit einem langsamen, wachsamen Schritt ritt er am Rand der Bäume vorbei. „Wie nett“, dachte er, „wäre es, zusätzliche Männer zu haben, die für mich arbeiten.“ Selbstzweifel wurden entfernt und besiegt, die vor einundzwanzig Jahren auftauchten. „Ich scheine neulich unfähig zu sein, andere Männer zu überzeugen, sich mir anzuschließen. Wie zieht ein Mann andere Männer an, ihm zu folgen? Aus welchen Tiefen der Menschheit spricht ein Mann den anderen an, damit er seinen Launen 15
blind folgt? Sind es Launen oder ist es Sorge? Esau! Mein Bruder Esau! Tausende folgen ihm. Verheißenes Abenteuer? Erfüllung von Versprechungen? Was erzwingt Gehorsam? „Ja“, sprach er nun laut aus, „wir brauchen zusätzliche Männer, um den Weg zum Jordan zu finden! Er blickte auf die ausgedehnte Landstrecke vor ihm. Er machte einen tiefen Atemzug. Er kämpfte mit seinen Ungewissheiten. „Ich bin heute ein anderer Mann als ich es war. Ich wandle jetzt mit Gott, denn ich bin sein gesalbter Maschiach, und durch meine Lenden wird der letztendliche und wahre Maschiach kommen. Ich habe nichts zu fürchten.“ Abend. Die Lagerzelte hoben sich schwarz von den roten Wolken ab. Während Jakob den Sonnenuntergang betrachtete, lehnte er sich zufällig an einen Baum. Als er die Rinde berührte, rieb seine Hand in einen schleimigen Harzausfluss. Er brachte den blassgelben Ausfluss zu seiner Nase. Er roch an seinen Fingern. Seine Stirn runzelte sich. Er riss ein paar Beeren ab und ließ sie zwischen seinen Fingern aufplatzen. „Balsam“, flüsterte er zu sich selbst. Er lächelte und lachte beinahe. Seine Zurückhaltungen lösten sich auf, als ob sie nie da gewesen wären. Aufgeregt über die Entdeckung eilte zur Mitte des Lagers. „Männer“, rief er aus. „Schneidet Kerben in die Rinde und erlaubt dem Harz, in die leeren Behälter, die wir haben, zu tropfen“, wies er sie an. „Was ist dieses Zeug?“, fragte Gad. „Das Harz kann als Medizin für offene Wunden benutzt werden.“ „Es riecht nett.“ „Es kann auch als Parfüm benutzt werden. Die Kaufleute werden bereitwillig schwer für dieses Balsamöl bezahlen.“ Eine Woche, nachdem er die ersten Baumgruppen entdeckt hatte, beschloss Jakob, mehr Land zu suchen, um es für sich zu beanspruchen. Indem er mehrere Mannschaften zurückließ, um das heilende Öl einzusammeln, reiste Jakob mit einer dritten Mannschaft tiefer in den Wald, um eine Pfad zu erspähen und zu formen, der groß genug ist, um seine Hunderte Ziegen, Schafe, Rinder und Kamele unterzubringen. „Geht auf diese Rauchirrlichter zu“, befahl er seinen Spähern. Die Späher gingen auf den Boden des Tals und von Baum zu Baum. Gelegentlich entdeckten die Späher eine große Lichtung, wo das Gras knietief wuchs. Auf der anderen Seite von jeder Lichtung begannen sich dampfförmige Irrlichter zu festigen. Jakob kam näher auf die Irrlichter zu. Er schaute zu, wie die unscharfen Bildnisse schärfer wurden. Er sah die Irrlichter sich aus unberührbarem nebelgleichem Dampf zu berührbaren Gestalten von Männern umzuwandeln. Wo loser Dampf schwebte, offenbarten sich Engelgruppen. Sie gingen zwischen den Bäumen. Jakobs Männer zitterten und wollten fliehen. Zebulun erinnerte sich an die Geschichten seines Vaters, als sein Großvater von drei Engeln besucht wurde, und verstand schnell, was die Irrlichter darstellten. Er ging auf die wartenden Engel zu. Gad und Ascher folgten ihm. 16
Als die Engel die kleinen Kinder sahen, lächelten sie. Als die Diener das freundliche Lächeln der Engel sahen, näherten sie sich auch den Engeln. Sie alle versuchten, ihre Ängste mit ihrem Mut auszugleichen. „Sind es gute Engel oder böse Engel?“, fragte ein Diener Levi. „Nur gute Engel können sich materialisieren. Alle bösen Engel sind zur Unsichtbarkeit verdammt worden. Nur ihr Flüstern kann in unserem tiefen Unterbewusstsein gehört werden. Böse Neigungen finden immer böse Erscheinungsformen.“ Jakob berührte Levis Schultern nickend. „Warum bist hier?“, fragte Jakob den nächsten Engel. „Wir sind beauftragt worden, dich und alle, die mit dir reisen, zu beschützen“, antwortete der Engel. Jakob nickte. „Wir sind in einem gefährlichen Land. Die Rephaim, die Riesen des Landes, wohnen in der Nähe. Die Amoriter, die Horiter sind auch gefährlich. Darum kam ich über den östlichen Wald. Es scheint, dass keine anderen Menschen außer uns hier sind.“ „Niemand soll euch Schaden zufügen, denn es ist wie du gesagt hast: ‚es sind keine anderen Menschen hier außer euch.’“ „Also siedelten sich die Kanaaniter niemals hier an?“ „Kein Mensch hat sich je hier angesiedelt.“ „Ich suche den Jordan und einen sicheren Ort, um ihn zu überqueren.“ „Reise weiter in dieselbe Richtung. Der Fluss ist nicht weit von hier.“ Jakob verbeugte sich und dankte dem Engel. Als seine Söhne weggingen, fügte Jakob mit leiser, angespannter Stimme hinzu: „Du sagtest: ‚Niemand soll euch Schaden zufügen.’ Kann dasselbe von Esau gesagt werden?“ „Hat nicht Jahwe es versprochen?“, erwiderte der Engel. Zufrieden holte Jakob seine Späher ein. Die Späher, die bei Jakob und seinen Kindern nicht bleiben wollten, waren weitergezogen. Nicht zu weit voraus fanden sie, dass der Wald sich auf einer unerwartete Lichtung öffnete und ein sanft geschwungenes Plateau enthüllte, wo wildes Getreide ungehindert in dem sanften, schwankenden Wind wuchs. An den angrenzenden Bäumen rankten sich große, dicke, purpurrote Trauben, die schwer über dem Boden hingen. Die Familie blickte erstaunt und bewunderte die reiche, fruchtbare Entdeckung. „Vor einundzwanzig Jahren lief ich vor meinem Bruder davon, indem ich nordöstlich ging, die westliche Straße nach Damaskus“, Jakob versammelte seine Söhne um sich und erzählte ihnen seine Geschichte. Als ich zurückkehrte, blieb ich in den östlichen Ländern. Ich wählte diese Route, weil, wie ihr alle erfahren habt, es weder direkte Routen noch geformte Wege gibt. Nicht eine einzige Straßenbaumannschaft kreuzt unseren Verlauf. Die Landkarten dieser Region bleiben leer.“ „Nicht einmal Abraham noch dein Vater, Yitzhak, lagerte jemals in diesem östlichen Teil?“, wollte Ascher wissen. „Nein“, antwortete Jakob. „Nicht einmal Chedorlaomer mit einer eilenden Flut hasserfüllter Krieger wusste über diese Länder Bescheid.“ 17
„Ich werde mir die räumliche Anordnung dieses Landes einprägen“, schrie Gad mit hoher Stimme. „Ich denke, ich werde deine linke Seite beobachten“, neckte ihn Reuben, der zu den östlichen Anstiegen blickte. „Nur wenn ich vor euch allen stehe“, neckte auch Yehuda. „Ihr teilt schon das Land unter euch auf?“, wunderte sich Jakob laut. „Natürlich“, zuckte Levi mit seinen Schultern. „Aber ich werde es für mich leichter machen. Ich werde einfach in jedermanns Land verweilen!“ Die Familie lachte fröhlich miteinander und umarmte einen nach den anderen. „Vorläufig werden wir hier bleiben“, Jakob blickte über die sanften Anstiege der Hügel. „Diese Gegend ist nutzbringend für uns.“ „Wann werden wir Großvater besuchen?“, fragte Reuben. „Nicht gerade jetzt. Für jetzt wünsche ich nicht, Kontakte mit jemandem zu schließen, besonders mit meinem Bruder.“ Die Entdecker ließen sich in der geheimen Gegend nieder und genossen das satte, fruchtbare Land. Riesengroße Bäume verbargen den Eingang und den Anblick vor fernen, beobachtenden Augen. Quellen flossen sanft durch das Land und stillten den Durst der Tiere. Das klare, schmackhafte Wasser erstaunte jeden. Nicht ein einziger Zoll Wüstensand bedeckte die Gegend! „Wie wird dieser Ort genannt?“ fragte Jakob eines Tages den führenden Engel. „Wie auch immer du wünschst, ihn zu nennen, so tue es. Es ist dein Land.“ „Mahanaim“, bestätigte er stolz auf seine Wahl, „denn dies ist Gottes Lager.“
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Kapitel Zweiunddreißig Neue Länder Während Jakob die östlichen Länder jenseits des Jordans erforschte, patrouillierte Esau gewohnheitsmäßig die Schmelzbetriebe in Seir ab und hielt nach Hammurabis Terroristen Ausschau. Jede eintreffende Karawane dokumentierte er sorgfältig. Jede abziehende Karawane überprüfte er emsig. Energisch arbeitete er sich durch die Provinz, indem er dem Minos gegenüber seine persönliche Gewährleistung bewahrte: „Kein Mann wird die gemeinschaftlichen Kupfer- und Zinn- und Bronzebetriebe des Minos und der Ägypter gefährden.“ Der Minos, der wünschte, sich weiter zu versichern, dass dei Mineralbergwerke und Seehäfen im Golf tatsächlich sicher bleiben würden, setzte eine ungewöhnliche Söldneransammlung wilder blondhaariger Männer mit funkelnden blauen Augen ein. Die Philister missbilligten ihre Anwesenheit. Sie konnten nicht akzeptieren, dass eine größere und stärkere Rasse von Menschen außerhalb ihrer existierte. „Alle hochgewachsenen Männer fallen leicht“, scherzte Esau zu seinem Stellvertreter. Die vertrauenswürdigen Ismaeliten, die mehrere Mannschaften von Amoritern und Horitern kommandierte, anerkannten die Wahrheit von Esaus Aussage. Vor langer Zeit schworen er und seine Mannschaftsführer ihre Loyalität und Stärke und die Loyalität und Stärke ihrer Sohne Esau und seinen Söhnen. Aus diesem Bund erhoben sich die Sippen von Edom. Esaus ismaelitscher Onkel erwiderte scherzend: „Dein Vater ist äußerst groß. Wie leicht fällt er?“ Esaus Gesicht wurde knallrot. Er wandte seine Augen zur Tür. Es war ein Trick, den er vor langer Zeit von Jakob lernte. „Konzentriere dich auf den nächsten Gegenstand neben der Person, die sich über dich lächerlich macht“, lehrte Jakob. „Mit einem harten Blick kannst du jeden Feind aus dem Gleichgewicht bringen. Sie werden sich fragen, ob du sie anstarrst oder einen Gegenschlag vorbereitest.“ Esaus Augen wanderten zufällig auf einen in der Nähe stehenden Tisch, wo ein Kupfergefäß sein Bild widerspiegelte. „Vor langer Zeit während meiner Jugend musste ich ständig meine Feinde überwältigen. Wie oft hat meine Größe mich gezwungen, tödliche Schlachten zu kämpfen, um meine Gewandtheit und Tapferkeit zu beweisen?“ Er schüttelte seinen Kopf und wandte sich an seinen ismaelitischen Freund. „Ja, es ist wahr“, gab er zu. „Ich bin viel kleiner als du und mein Vater.“ Der Ismaelit bedauerte es, das Thema aufgebracht zu haben. „Besser, ich hielte meinen Mund“, dachte er sich. „Nun hätte ich besser geantwortet und meine Antwort wäre besser beruhigend gewesen.“ Er behandelte Esau gönnerhaft. „Ja, du hattest einige raue Jahre. Aber diese Jahre der ständigen Siege und nicht wankenden Mutes machten deinen Namen zu einem Alltagsbegriff. Nun halten sich die neuen Männer der Zeitalter zurück, dich herauszufordern. Deine weiten 19
Ansammlungen an Reichtum und Verträgen hindern auch neue Herausforderer, sich gegen dich zu erheben – besonders seit der Minos alle deine Söhne zu Sippenführer über alle neuen Städte der Gegend ernannt hat.“ Esau kratzte seine Nase.
In einem anderen Teil der minoischen Welt wies Eliphaz das Legen der Grundsteine zur neuen Stadt Bozrah an. Der Architekt studierte die minoischen Zeichnungen, bevor er neue Befehle an die Arbeiter ausgab. „Zwischen den Wadis sollten diese Mauern aufsteigen“, zeigte ein sonnenverbrannter, breitschultriger Mann mit schmaler Taille Eliphaz auf. „Was für eine Art von runder Mauer ist das?“, fragte Eliphaz. „Es ist eine Brustwehr zum Werfen von Speeren und Steinen auf die Köpfe deiner Feinde“, erwiderte der Gehilfe. „Was für eine schreckliche Stadt dies sein soll“, sagte Eliphaz. „Ihre Absicht ist Gewalt.“ „Wenn wir sie nicht befestigen“, überlegte sein Gehilfe, „können wir die Kupferbergwerke in der Araba nicht beschützen.“ „Mein Vater beschützt sie sozusagen.“ „Es ist nicht er, den wir anzweifeln“, behauptete der Gehilfe kalt. „Es ist jene, die nach ihm herrschen.“ Eliphaz vermied es, auf die Beleidigung zu antworten. Er presste seine Lippen zusammen. „Die Minoer beleidigen jeden“, biss er die Zähne zusammen. „Ihr Reichtum, ihre Manieren, ihre Marine! Sie sind in Wahrheit die Verschwörer der Welt. Ihr Handelsimperium übertrifft die Prinzipien von allen anderen.“ Der Architekt sprach: „Von unserem ersten zu unserem sechsten Abimelech sind wir mit deiner Familie im Frieden gewesen. Immerhin war es nicht Yitzhak, dein Großvater, der uns von den tiefen Häfen der libanesischen Seeküste und den Namen der Leute erzählt hatte, mit denen wir uns verbünden konnten? In Dankbarkeit für Phönizien bauten wir frei für dich Bozrah. Die Königsstraße, die mit dieser Stadt gebaut werden soll, wird nördlich bis nach Anatolien gehen. Sei dankbar! Diese Stadt wird die Stadt der Kreuzungen werden. Ein großes Reich wird sich mit den Sippen deines Großvaters verschmelzen. Eliphaz lachte. „Yitzhak hat noch einen Sohn. Er ist Esaus Zwillingsbruder Jakob.“ „Nun denn, es ist offensichtlich, dass er ein unbedeutender Charakter ist. In allen Familien kann es nur einen großen Namen und einen großen Führer geben. Dein Vater, Esau, ist dieser große. „Seine sechs Frauen sagen auch dasselbe. Er befriedigte sie alle, die ganze Zeit.“ Der Minoer lachte brüllend und schlug dem Edomiter auf den Rücken. „Siehst du? Beweise es!“ „Nachdem diese Stadt vollendet ist, wohin wirst du gehen?“ 20
„Tyrus. Es braucht eine Brücke.“ „Eine Brücke? Wohin? Es gibt nur ein weites Meer davor!“ „Na“, lächelte er sanft, „in die Welt.“
Ein paar Tage später näherte sich eine Gruppe von Reitern den Arbeitern. Ihre Gestalten verschmolzen mit den weiten Pinienwäldern der Araba, tauchten dann wieder auf und verschwanden wieder. „Das ist der Grund, dass alle diese Pinien umgeschnitten worden sind“, sprach Eliphaz zu seinem Kriegergefährten. „Ich weiß nicht, ob es Freunde oder Feinde sind, die zu mir kommen.“ „Lass sie kommen“, behauptete der Minoer. „Falls sie keine Feinde wären, hättest du sie nie ausspioniert, bis ihr Dolch an deiner Kehle war.“ „Für einen Mann, der aus einer Nation ohne Polizei oder Armee kommt, bist du unglaublich gewalttätig!“, erwiderte Eliphaz. Eliphaz und seine Männer umschlossen die Kamelreiter, als sie aus den Pinien auftauchten. Die Reiter trugen einen einzigen durchlässigen Sack. „Ist das ein Passierschein?“, fragte Eliphaz. „Es ist eine Botschaft für Esau, Jakobs Bruder.“ „Jakob?“, wiederholte Eliphaz den Namen. „Es ist über zwanzig Jahre her, seit wir von ihm gehört haben! Was hat dieser Verschwörer meinem Vater zu sagen?“ „Ich habe die Nachricht nicht gelesen. Ich wurde beauftragt, sie in seine Hände zu legen.“ „Ich werde dich persönlich zu meinem Vater führen“, er erwiderte. Er bemerkte, dass sie Reiter besorgt zu sein schienen. „Kann es sein, dass Gefahr meinen Onkel überwältigte? Oder kann es sein, dass jemand ihn ausmanövriert hat und sein Leben auf dem Spiel steht?“ Innerhalb von ein paar Stunden führte die Straße zum Golf von Aqaba die fünf Reiter zu Esau. Die rauchgeschwängerte Atmosphäre enthüllte offene Herde und Tausende gehärtete Barren leuchtenden Metalls. Die Männer mit bloßer Brust mischten vorsichtig und fachmännisch die richtige Menge an Arsen, was die Kinder ihnen brachten, in das geschmolzene Metallmeer. Andere geschickte Arbeiter, mit runzeligen und bronzefarbenen Armen, maßen das Arsen aus dem riesigen Haufen in der Mitte von Dutzenden lodernden Hochöfen für die Metallmeister heraus. Während der Haufen weniger wurde, bearbeiteten andere starke junge Männer, die Auszubildenden, die Lederbälge. Die Auszubildenden fächelten die Luft und erhöhten die Hitze im Hochofen. Niedrige Rauchfänge ließen den Rauch aus. Sein Geruch verweilte in der ganzen Gegend. Er hing sogar am Fleisch der in der Nähe stehenden Männer. Jeder hustete – ihr Atem war müde. Eliphaz und die Boten fanden endlich Esau, der in seiner dicken, mächtigen Hand ein drei Fuß langes exquisit gehauenes Schwert hielt. Indem er es freundschaftlich schwang, prüfte er fachmännisch sein 21
Gleichgewicht. „Gut. Mach zehntausend mehr“, ermutigte er den Meistermetallurgen, der, indem er seinen Arbeitgeber bewunderte, direkt zu seinen Gehilfen ging und Esaus Befehl herausbrüllte. Als Esau seinen Erstgeborenen sah, rannte er zu ihm, wobei er das neue Schwert trug. „Eliphaz, hier, nimm das für dich.“ „Ich habe genug von einer Sammlung, ohne ein weiteres hinzuzufügen“, erwiderte er. „Das ist jedoch das Beste.“ Er bestand darauf, dass sein Sohn das Schwert nahm. Er drehte sich dann um, um die Fremden anzustarren. „Wer sind die?“, verlangte er zu wissen. „Sie haben für dich eine Botschaft“, erwiderte sein minoischer Freund für die Reiter. „Ja. Es ist für Esau, Jakobs Bruder.“ „Wessen Namen sagtest du“, seine Augen schauten finster, seine Stimme verhärtete sich. „Dies“, der Reiter reichte ihm das Paket, „ist von deinem Bruder.“ Indem er das Leinen aufriss, zog er eine Nachricht aus dem Beutel. „Liebster Bruder“, las er, „für diese vergangene einundzwanzig Jahre, die ich bei unserem Onkel Laban gelebt habe, schulde ich dir große Herden Rinder, Schafe, Ziegen und Esel. Ich habe viele Dienerinnen und Diener. „Ich kehre zu meinem Herrn zurück, indem ich sein begünstigtes Willkommen erflehe. Ich bin nicht hier, um dir eine Sache aufzuerlegen, noch um dich zu verdrängen. Ich bin hier, um meinen Vater zur Begrüßung zu küssen.“ Er las es und starrte seinen Sohn an, dann den Architekten, dann die Reiter. „Absolut unglaublich! Dieser Idiot tat endlich, was ich wusste, dass er eines Tages tun würde! Er ist zurückgekehrt!“ Er legte seine Hände hinter seinen Rücken. Die Geräusche der Arbeiter verringerten sich zum Verstummen, wobei sich alle über das Ereignis wunderten. „Eliphaz, sammle alle meine Krieger. Wir reiten!“ „Warte!“ schrie der Hauptmetallarbeiter. „Wohin gehst du in solcher Eile? Ist Hammurabi hinter uns her?“ „Schlimmer als ein solcher Tyrann!“, erwiderte Esau. Indem er mit den Zähnen knirschte, spuckte er den Staub des rauchenden Metalls aus und fügte hinzu: „Mein Bruder ist hinter uns her!“ Esau lächelte. Und sein Lächeln ließ alle zittern.
Riveka wunderte sich über den beständig beschmutzenden Samen. Ein paar Körner spritzen ein paar Tropfen Rot auf ihre Tunika. Sie schüttelte ihren Kopf, als sie die dicke rote Haut von den Granatäpfeln abschälte. „Es wird unmöglich sein, diese Flecken zu reinigen.“ Andere rote Tropfen platzten auf ihrem Schoß und ihrer Brust und auf ihrem Gesicht auf. Sie schien eine Widerspiegelung kleiner Schnitte zu sein.
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Yitzhak meisterte den Gebrauch seines Stocks. Er ging vorsichtig im Lager herum. Alles blieb genau, wo es war. Für seine Sicherheit wagte niemand, einen einzigen Gegenstand zu bewegen. Seine Enkelkinder halfen ihm, durch das Lager zu gehen. Nach und nach hatte er gelernt, Esaus letzte Ehefrau zu akzeptieren und zu respektieren, indem er sie am besten tolerierte. Er saß bei den großen Eichen und wies seine Hirten an, seine großen Rinderherden zu den Quellen zu führen. Der Staub erhob sich wie eine Wolke. Riveka beobachtete die Prozession der Tiere und fragte sich. „Wer wird der neue Eigentümer eines solchen Reichtums sein? Obwohl Jakob alles erbte, ist er noch nicht um sein Erbe zurückgekehrt. Solcher Reichtum! Doch wen kümmert es?“ Aus dem Süden erhob sich eine entgegengesetzte Staubwolke, die sich mit der nördlichen vermischte. Yitzhak hielt die Hand an sein Ohr, eilende Hufe, die an Lautstärke zunahmen, schlugen energisch gegen den Boden. „Es ist Esau“, tröstete Riveka ihren Ehemann. „Warum ist er in solcher Eile, hierher zu kommen?“
In den unerforschten Regionen des östlichen Landes in der Nähe des Jabbok wartete Jakob auf die Rückkehr seiner Reiter. Indem er fortwährend schaute, sich nie von seiner Stelle bewegte, sah er endlich die Kamele der Männer durch das Wasser des Jabbok galoppieren. Sonnenstrahlen spielten auf seinem schnellen Fluss. Die flotten, mächtigen Beine der Kamele spritzten das graublaue Wasser zu den Höhen der Köpfe der Reiter. „Esau ist auf dem Marsch. Er führt vierhundert Soldaten an!“, schrie der führende Reiter aus und erschreckte das Lager. Jakobs Augen wandten sich den kleinen Kindern und seinen beiden Ehefrauen und seinen beiden Konkubinen zu. Er schaute zu den Tausenden des Viehbestandes, die er besaß. „Soll ich das alles an die Verwüstung eines Mannes verlieren, der vor Feindseligkeit gegen mich wahnsinnig geworden ist!“, schrie er zu sich selbst. Innerhalb von Minuten umrundete das Lager seine Führer. Sie starrten auf seinen hervortretenden Bauch, auf seine Runzeln – und auf das Gesicht von tiefem Intellekt, festem Begreifen, intensiver Logik. „Sag uns, was wir tun sollen, Jakob“, behauptete ein Hirte, der voll auf seinen Führer vertraute. „Wir sind im Land der Engel. Ich werde die Erde dieses Ortes nicht mit unserem Blut beschmutzen. Daher soll dies getan werden.“ Sein berechnender Verstand analysierte schnell die Situation, indem er die Kontrolle übernahm. „Zwei Lager werden errichtet. Beide werden weit voneinander auf der anderen Seite des Jordans im Tal zwischen den Bergen aufgestellt werden. Das erste Lager wird aus dem Vieh und den 23
Männern bestehen. Das zweite aus den Frauen und den Kindern. Das erste soll in Herden geteilt werden. Das zweite soll nach Mutter und Kind geteilt werden.“ Dann flüsterte er insgeheim zu sich: „Falls das Gemetzel beginnt, lass meine Rachel und Joseph die Letzten sein, die leiden.“ Während die Hirten sich tapfer bei der Überquerung des Flusses abmühten, zog Jakob sich von den mutigen Männern zurück und suchte augenblickliche Einsamkeit in dem Herzen der sanft geschwungenen Landschaft. Die Rauchirrlichter erschienen wieder. Engel formten sich um Jakob. „Was soll ich tun?“, fragte er nicht spezifisch zu jemandem, sondern zu ihnen allen. „Ich kenne eure Geschichte so gut wie ihr meine Geschichte kennt.“ Jakob sprach wieder und hoffte auf eine Antwort. Sie standen schweigend um ihn herum. „Ich las, wie Jahwe ein Konziltreffen hielt, denn solches und solches und so und so wurde daraus beschlossen. Ich weiß, dass ein Konziltreffen bezüglich meines Bruders und mir abgehalten wurde. Findet nicht dasselbe Treffen wieder statt? Sollen wir nicht ein großes Vorhaben in Kraft setzen?“ Die Erde, die sich für immer und beständig um die Sonne dreht, erfuhr ihre tägliche Routine zu bezeugen, wie die Sonnenstrahlen die Wolken feurigrot färbten. Gegenüber dem Untergang der Sonne begann der matte Mond aufzugehen. Vor äußerster Angst, unfähig, seine Hände zu hindern zu zittern, mit dem Schweiß, der von seiner Stirn perlte, brach Jakob auf seine Knie. Sein Kopf beugte sich zur Erde. Er betete inbrünstig: „Oh Gott meines Vaters, Abraham. Oh Gott meines Vaters, Yitzhak.“ Sein sanfter Ton ertönte zum Himmel. Die Engel saßen neben ihm. Er wandte sich an sie. Jakob verzweifelte. „Es ist unmöglich, von euren Gesichtern Jahwes Absichten zu wahrzunehmen.“ Keiner antwortete. „Jahwe!“, schrie er, wobei er sein Gesicht zu den feurigen Wolken hob und seine Hände über seinen Kopf streckte. Es erschien, als ob er versuchte, in den Himmel zu klettern. „Du sagtest zu mir: ‚Kehre in dein Land zurück.’ ‚Kehre zu deinem Vater zurück.’ ‚Ich werde dich reich machen!’ Jahwe, ich bin zurückgekehrt! Und ich habe Angst.“ Tränen erschienen und ließen seine Sichtweite verschwimmen. Seine Nasenlöcher wurden feucht. Wieder beugte er seinen Kopf. Ein überwältigendes Schamgefühl durchflutete seine Gedanken. „Ich bin der Freundlichkeit unwürdig, die du mir ständig erwiesen hast. Die Wahrheiten, die Fakten, den Glauben, die du mir offenbart hast – solltest du sie nicht einem anderen offenbart haben? „Ich bin beladen“, seufzte Jakob. „Dieser Stab der Schuld und Scham führt mich, den Jordan alleine zu überqueren. Lass es nicht so sein! Schau mich an!“, schrie er wieder. Die Engel blieben still. Ihre Gesichter wandten sich von Jakob ab. Tränen bedeckten ihren Augenwinkel ebenso. „Ich habe zwei Lager!“ 24
Jakob erhob sich und zeigte außer sich zum tiefen Süden und dem näheren Südwesten. „Hebe mich, ich bitte dich, zu den Regionen der Sicherheit. Bitte, erlaube nicht der Hand meines Bruders, mein Leben zu vernichten! Erlaube ihm nicht, meine Familie brutal zu ermorden!“ Sein Schluchzen überwältigte ihn. Als er zu Boden fiel, drückte er seine Knie an seine Brust, seine Hände ergriffen fest seine Waden. „Jahwe, hast du es nicht versprochen? ‚Ich werde dich reich machen und ich werde deine Nachkommen vermehren, um wie der Sand des Meeres zu sein, zu zahlreich, um zu zählen.“ Schluchzend fiel er in eine depressive Trance.
Die ersten Späher erreichten schließlich den kleinen Anstieg der Hügel und trafen zufällig auf die erste Herdenüberführung über den Fluss Jabbok. Der Anblick von zweihundert Ziegen und zwanzig Ziegenböcken aus Jakobs Lager zum dem von Esau überraschte sie. Die unglaubliche Schönheit der gefleckten Tiere erstaunte die Soldaten. Ihr üppiges, glänzendes, dickes Fell zwang sie, die Ziegen zu berühren. Eine leichte Erweichung geschah in den Herzen der Späher. Das gezähmte Vieh akzeptierte bereitwillig die Berührung. Fasziniert hielten die Späher ihren Vormarsch an und zogen es stattdessen vor, die gefleckten Tiere zurück zu Esau zu führen. Verwirrt durch den Anblick seiner furchtlosen Soldaten, die auf ihren Kamelhöckern die einzigartig gefärbten Ziegen trugen, wurde er durch dies plötzliche Sanftheit seiner führenden Männer bezaubert. Er fühlte auch einen eigenartigen Zwang, die Tiere zu berühren. Sie waren unglaublich weich. Das Fell war beruhigend. Er begann sich zu entspannen. Sein eiliges Atmen begann langsamer zu werden, der Sauerstoff reichte tiefer in seine Lunge. „Was für ein merkwürdiges Phänomen!“, strahlte er seine Söhne und Führer an. „Es ist in Ordnung. Streichelt sie.“ Als sie es taten, entspannte sie eine mystische Sanftheit ebenso. Alle wurden von den ausgezeichneten Ziegen bezaubert. „Wessen Diener bist du?“, fragte Esau den Hirten. „Ich diene Jakob. Diese gehören dir, Herr Esau, ein Geschenk von Jakob, der dicht hinter uns folgt.“ „Tatsächlich?“ Er starrte über die Schulter des Mannes und sah stattdessen nur einen sanften Anstieg des grünen Hügels. Kurz danach erschien eine weitere Ansammlung von Vieh hinter dem Anstieg des Hügels nach der Überquerung des Flusses Jabbok. Dieses Mal stiegen zweihundert Mutterschafe und zwanzig Schafsböcke den sanften Anstieg herab und gingen direkt zu Esau. Die vierhundert Soldaten drängten sich zusammen und blickten die schönen Tiere an. „Wessen Diener bist du?“, wiederholte Esau. „Ich diene Jakob. Diese gehören dir, Herr Esau, ein Geschenk von Jakob, der dicht hinter uns ist.“ 25
„Ich habe diese Worte zuvor gehört“, lächelte er seine Söhne an. Sie nickten. Dann kamen dreißig Milchkamele über den Gipfel des Hügels, zusammen mit ihren Jungen. „Wessen Diener bist du?“, fragte Esau ein drittes Mal. Und zum dritten Mal hörte er dieselbe Antwort. Sofort folgte eine Gruppe von vierzig Kühen und zehn Stieren der kostbaren Prozession. Besessen stellten Esau dieselbe Frage. Wieder erhielt er dieselbe Antwort. Dann überquerte die letzte Gruppe den Jabbok. Als er sie beobachtete, tauchte ein wundervoller Anblick aus der sich erhebenden Staubwolke. Zwanzig unglaublich schöne, stramme, weiße Eselinnen und zehn langhaarige Esel brachten Esau dazu, hochzuschießen. Er hatte nie so schöne Tiere gesehen. Ihre Mähe war auf zarte Weise zurechtgemacht. Ihre Ohren vollkommen aufgerichtet. Ihre Farbe das Weißeste, das man je sah. „Ein Geschenk passend für einen König!“, hauchte er die Worte heraus. Der Tag verging bei der Geschenkprozession von einem Bruder zu einem anderen Bruder! Ein Lieferant ergab sich dem Krieger. In dieser öffentlichen Unterwerfung des listigen Verstands gegenüber dem Krieger mit Hausverstand erschien es allen, die die Geschenkprozession mit ansahen, dass der Bruder, der unbeholfen seine Mutter und seinen Vater aus Furcht um sein Leben verließ, nun als Diener des Kriegers zurückkehren wollte. Und Esau, der die zahlreichen Gaben zählte, fragte sich auch, ob der Bruder, der vor langer Zeit vor dem Konflikt zwischen ihnen davonrannte, unter seine Diener gezählt werden wollte. Ein solcher Gedanke bekümmerte ihn. „Wie kann ein Bruder einen anderen Bruder zu seinem Diener machen? Falls ich diese Gaben akzeptiere, muss ich Jakob akzeptieren? Falls ich diese wundervollen Geschenke annehme, werden die Leute mich für unfreundlich und unerträglich und unfähig, meinem Bruder zu vergeben, halten: mein Fleisch und Blut? Was soll ich tun? Wenn ich nur klug genug wäre, mir vorzustellen, was für einen listigen Plan er gegen mich im Schilde führt? Oder hat er sich bekehrt? Was beruhigte ihn? Zwei Ehefrauen? Zwei Konkubinen? Elf Söhne? Besitztümer?“ Esau blickte Eliphaz an, der das Fell eines prächtigen Esels streichelte. Er schaute auf die untergehende Sonne. „Ich werde meinen Bruder heute nicht sehen.“ Er schüttelte seinen Kopf. Er fühlte seine Augen feucht werden. „Ich werde die Geschenke akzeptieren“, sprach er unhörbar. Er erlaubte seinem Herzen, sich zu entspannen und seufzte erleichtert. Satan und seine dämonischen Anhänger näherten sich Esaus Lager und pressten ihre Lippen zusammen, denn Jahwes Engel bildeten eine unüberwindliche Barriere herum. „Wir wünschen, Esau zuzuflüstern“, sprach Satan zu Michael dem Erzengel. Der Führer aller Engel schüttelte seinen Kopf verneinend. 26
Jakob konzentrierte sich in der Zwischenzeit auf seine Gebete zu Jahwe. Während die Prozession vor Esau stattfand, weigerte sich Jakob, etwas zu essen. Durch das Ereignis des langen Tages bewachten ihn die Engel und wiesen jeden dämonischen Engel zurück, Esaus Lager zu betreten. „Warum bist du so herzlos zu uns“, fragte Satan Michael den Erzengel. „Uns ist immer erlaubt worden, Esau zuzuflüstern. Schämst du dich so sehr über meine Fortschritt, dass dein Neid uns von unserer Mission abhält, Esau zuzuflüstern?“ „Eure Mission?“ „Unsere Aufgabe ist es, die Menschheit sich anderer Möglichkeiten bewusst zu machen.“ „Wie kommt es, dass eure Herzen sich so verhärtet haben zu denken, dass der Schöpfer des Universums für euch eine Mission zuteilte, um die Menschheit zu verderben? So etwas ist nie der Fall gewesen. Du rebelliertest aus eigenem Antrieb gegen die guten Dinge des Universums, um dich am Lobgesang der Menschheit und deinen Anhängern zu bereichern und zu ermächtigen.“ „Ich wurde erschaffen, um der Menschheit Alternativen zuzuflüstern!“ „Das ist nicht der Fall. Du hast dich so sehr selbst angelogen, dass du deine eigene Verderbtheit vergessen hast. Ich werde dir nicht erlauben, das Lager zu betreten. Jedoch werde ich dir nicht erlauben, diese Stelle zu verlassen, da ich will, das zu bezeugst, dass die Menschheit, egal wie feindselig die Dinge der Vergangenheit sie beeinträchtigen, ohne deinen Einfluss und deinem Einmischen einander akzeptieren und vergeben und in Ruhe und Harmonie leben.“ Satan erwiderte: „Ich werde bleiben, aber nur, um zu beweisen, dass du Unrecht hast. Alle Brüder fühlen eine Art von Eifersucht gegenüber dem anderen, ob ich dort bin oder nicht. Sie werden sogar einander töten, um zu erlangen, was sie können. Es ist die Weise des Universums. Und die Weise des Universums ist die Schuld deines Vaters, denn er erschuf uns alle und verwurzelte in uns spezifische Wesenszüge, die nicht zu brechen sind.“ „Du alleine erfandest das Konzept des Schicksals. Es ist nicht Jahwes Bezeichnung. Ein solches Konzept widerlegt alles, woraufhin er gearbeitet hat. Böses existiert im Universum, weil du ihn herausfordertest und Erfüllung des selbstsüchtigen Wunsches für dich verlangtest. Du willst ein Königreich, nicht um zu profitieren oder dich zu bereichern, sondern um unmögliche Maßstäbe zu genießen, die unter den guten Lebensqualitäten keinen Verdienst haben.“ „Du, Michael, bist ein Scherz. Eines Tages werde ich dich töten müssen.“ „Dieser Tag möge dir erlaubt werden. Aber an diesem Tag werden wir brüderliche Liebe ohne das Tuch des Bösen prüfen. Also, Dämon, bleibe still und schau zu.“
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„Michael, falls du weiter diese Liebesfarce kontrollierst, wird es keine gerechte Prüfung sein. Erlaube mir, Jakob zuzuflüstern. „Ich werde es nicht erlauben. Aber ich werde mich für dich ihm zeigen.“ Den Beginn des Sonnenuntergangs hindurch, während die Tiere und Diener den Fluss Jabbok überquerten, beschützten die Engel Jakob. Dann im Griff der Dunkelheit hörte Jakob schließlich auf zu beten. Als die Engel Michael den Erzengel sich in der Nähe von Jakob materialisieren sahen, gingen sie fort. Jakob sich Michaels Anwesenheit nicht bewusst, fuhrt fort, zu sich selbst zu sprechen. „Ich, in dieser Wildnis, entlang dieses Flusses des wirbelnden Wassers, bin allein.“ Er beugte seinen Kopf. Bekümmert arbeitete er sich langsam seinen Weg zurück in sein Zelt. Jeder war bis dahin gegangen. Jeder außer seiner Familie. „Was geht vor sich?“, fragte er Rachel. „Wir haben nichts gehört“, erwiderte Rachel. „Könnte es nicht sein, dass jeder getötet worden ist?“ „Wie kann ich antworten, was ich nicht weiß?“ verspannte sich Rachel ängstlicher als vorher. „Ich weiß es auch nicht“, erwiderte Jakob. „Trotzdem ist es unsere Zeit zu überqueren. Tun wir es.“ „Ist es sicher, nachts das Wasser zu überqueren?“, fragte Leah, ihre Stimme ein bisschen höher als gewöhnlich. Er rieb sanft ihre Wange. Sie legte ihre Hand über seine. Impulsiv umarmte er sie. Rachel schloss sich dem Kreis an, ebenso die Kinder. Dieses Mal weinte nicht ein einziges Kind, noch ärgerte, noch zankte es sich. „Kommt“, und mit diesem einen Wort nahmen die Frauen die kleinsten Kinder in ihre Arme. Bilhah ermunterte Reuben, während Jakob Joseph trug. Simeon weigerte sich, die Hand von jemandem zu halten, während Levi an der Seite seines Vaters blieb und ein paar lose Fäden seiner Tunika hielt. Gad und Ascher gingen schweigend hinüber, wobei sie ihre Hände über dem Wasser hielten. Sie bekamen Angst, dass irgendwie ein merkwürdiger Fisch sie unter die Wasserwellen ziehen würde, wenn sie die Strömung berührten. Im Gegensatz zu ihren Brüdern ließen Issachar und Zebulun ihre Hände den kühlen Wasserandrang spüren und gaben vor, die imaginären Fische zu fangen, die für Gad und Ascher eine so ernste Gefahr darstellten. Nachdem er seine Familie auf der anderen Seite des Ufers in Sicherheit brachte, umarmte er sie wieder. „Geht schon. Ich werde euch treffen, sobald ich unsere anderen Besitztümer zurückbringe.“ „Sei vorsichtig, Jakob“, rief Leah aus, während Rachel seinen Hals küsste. Jakob ließ Rachel los und schritt neben Leah. „Werde ich“, erwiderte er und erhellte ihr Gesicht mit Freude. Als er seinen Unterarm rieb, winkte er ihnen. Nachdem er sie kurz beobachtete, setzte er fort, noch einmal den sanften, seichten Fluss zu überqueren. 28
„Dunkelheit“, flüsterte er dem wirbelnden Wasser zu, „was bringst du mir. Schwarze Schatten des Lebens eines törichten Mannes? Dunkelheit, wohin ist der Tag gegangen. Unter welcher deiner Strömungen hast du ihn verborgen. Was spielt es für eine Rolle? Ich kann nicht einmal mein Spiegelbild sehen.“ In der elenden Dunkelheit der Furcht band Jakob die letzten Besitztümer auf sein Pferd. Er hielt das Seil für eine kurze Sekunde in seinen Händen, dann entschlossen, so schnell er konnte dorthin zu gelangen, klatschte er das Seil in die Hinterhand des Pferdes. Das Pferd schoss über den Wasserlauf und nach einem sehr schnellen Galopp holte er seine Ehefrauen ein. Ungefähr zu dieser Zeit zog ein Schatten an Jakob vorbei. „Wer ist da?“, krächzte seine Stimme, sein Körper zitterte vor intensiver Furcht. „Es ist, wer es ist, und nicht mehr.“ „Warum bist du hier?“ Das spirituelle Wesen blieb still. „Warum antwortest du mir nicht. Hast du mir etwas zu sagen?“ Wieder Schweigen. Die Gestalt drehte sich um, um fortzugehen. „Verlass mich nicht, ohne zuerst mit mir zu sprechen. Sage mir, bist du von Jahwes Ratstisch? Ist etwas wegen mir und meinem Bruder beschlossen worden?“ Keine Antwort. Angespannt wurde Jakobs Furcht zu Wut. Indem er auf die Seite seines Oberschenkels schlug, eilte er auf die Geistperson zu und schlug sie nieder, wobei er ihn zu Boden warf. Erstaunt über sich selbst und über den leichten Sturz der Geistperson ergriff er den Unterarm der Geistperson und drückte sie fest. „Rede mit mir!“ schrie Jakob. Die Geistperson drehte ihn auf seinen Brustkorb. Jakobs Gedanken wurden zur inneren Wut. Jakob sprang auf den Mann und rang mit ihm. Die beiden ergriffen die Hände und den Hals und Brustkorb und Rücken und Beine des anderen. Dem Fremden gelang es, Jakob von sich wegzustoßen. Jedoch als er versuchte davonzugehen, stürzte sich Jakob wieder auf ihn und schlug ihn in die harte Böschung des Flusses. Jakob raufte ihn wieder nieder. Ein viertes oder fünftes Mal schlug er ihn hart zu Boden. Als das raue Kämpfen sich die Nacht hinzog, versammelten sich Satan und seine Dämonen um den Menschen und den Erzengel. Wann immer es möglich war, prüften sie die Barriere und versuchten, sich dem Kampf anzuschließen. Fünfzig Legionen guter Engel materialisierten sich vor den bösen Engeln und Satan rief seine Horde, um in der Mitte des Flusses Jabbok. Unbekannt für Jakob begann das Wasser vor energischen Wellen zu schäumen. Michael der Erzengel hielt Legionen guter Engel zur Verteidigung. Die Barriere, die das menschliche Wesen und den Erzengel umgab, verstärkte sich und hinderte die bösen Engel durchzugehen. Aber die Stunden hindurch begann die Kraft des Erzengels schwächer zu werden. 29
Es war schwierig, seine verteidigende Macht gegen den Menschen zu bewahren, während er seine Stärke gegen die Horde böser Engel erhöhte. Jahwe lehnte in seinem königlichen Stuhl, bereit, die Frage durch die Vernichtung der ganzen Menschheit zusammen mit der Horde böser Dämonen zu lösen. Michael der Erzengel, der wusste, was sein Vater tun konnte, lockerte seinen Stand gegen den Menschen. In seinem Kampf versagte Jakob, die Strahlen der Sonne zu bemerken, die auf das kommende Licht hindeuteten, und als das sanfte Licht die Landschaft berührte, sengte ein zweiter Atem der Stärke durch Jakob. Ein tiefer, geltungsbedürftiger Wunsch sengte durch Jakob, den Fremden unter die Strömung des schäumenden Wassers zu halten. Er führte den Kampf weiter. Michael der Erzengel, der wusste, dass sein Vater und Schöpfer des Universums sich von seinem königlichen Thron erhob, um der menschlichen Rasse und den Dämonen völlige Vernichtung zuzufügen, bog Jakobs Finger von seinem Bein weg. Jakob dachte, es wäre nur die Ermüdung seiner eigenen Muskeln. Michael der Erzengel schaute in Jakobs Augen, und in diesem Blick wusste er vollkommen alles betreffend die Vergangenheit und Zukunft des Menschen. Michael der Erzengel sah alle Nachkommen Jakobs und wusste ihre Namen und was jeder während seines Lebens tun würde. Dann sah er sich aus einer spirituellen Existenz zu einer irdischen Existenz umgewandelt und er fühlte eine tiefe Brandung seinen Körper füllen, der ihn beinahe überwältigte. Er fühlte einen Teil von Jakobs listiger manipulierender Taktik aus ihm sickern. Das Böse des Menschen wurde mit der Substanz des Guten und der Sorge um andere Menschen direkt aus der eigenen Person von Michael dem Erzengel ersetzt. Er fühlte die Gegenwart seines Vaters und wusste, dass sein Vater Jahwe die kurze Umgestaltung erlaubte. Aus Angst, Jakob zu verletzen, flehte der Erzengel: „Hör auf, nach mir zu greifen! Die Sonne geht auf. Meine Stärke ist zu viel für dich, um dich dagegen zu behaupten.“ „Ich werde es nicht!“, beharrte er und ergriff den Brustkorb des Engels fester gegen seinen eigenen.“ Der Erzengel hob seinen Arm zu den gelblichen Wolken. Die Dämmerungsbrise rührte das Gras der Ebene auf. Das Wasser bewegte sich. Der Engel drehte seine Hand zu Jakob und legte seinen Finger auf Jakobs Hüfte. „Du musst mich gehen lassen. Dies ist zu gefährlich für dich, um es fortzusetzen.“ „Ich werde es nicht!“ „Du kannst nicht, trotz all deinem Intellekt, verstehe, was nun geschieht und was geschehen kann. Aber ich werde dich nicht vernichten, aber ich werde etwas Wertvolles von dir nehmen, damit du nie vergessen wirst, mit wem du es zu tun hattest.“ Jakob schaute in die Augen des Erzengels, als er sprach. Für einen Augenblick dachte er, dass er Ebers Augen sähe, oder die von Abraham
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oder die Augen von jemandem Tiefsinnigen mit der Anmut des Genies, das nichts Größeres als die Umarmung der Liebe wollte. „Ich weiß, wer du bist“, sprach Jakob zur selben Zeit, als Michael der Erzengel seinen Finger in Jakobs Bein drückte. Ein sengender Schmerz zuckte durch Jakobs Körper. Jakobs Griff wurde augenblicklich leichter, aber genauso schnell festigte er wieder seinen Griff über den Schultern des Engels. Jakob zischte durch den fürchterlichen Schmerz die Worte: „Segne mich, Beschützer von Shem und Beschützer von Abraham. Bitte! Segne mich!“ Der Erzengel berührte zärtlich Jakobs Wange. Die fünfzig Legionen der guten Engel kehrten zu Esaus Lager zurück, als die Horde dämonischer Engel begann, fortzugehen, um sich mit den Konflikten der Menschen zu unterhalten. Der Erzengel schaute wieder in Jakobs Augen und durchsuchte seinen Verstand, wo er die genetische Zusammensetzung und die charakteristischen Merkmale sah, die den mathematischen Algorithmus für seinen eigenen Eintritt in die Welt der Menschen formulierten. Der Erzengel sagte. „Wie heißt du?“ Michael der Erzengel schluckte. Er fragte nach seinem Namen, nicht weil er ihn nicht wusste, sondern um ihn wissen zu lassen, dass der damit in Verbindung gebrachte Sinn seines Namens eine größere symbolische Bedeutung annehmen würde. „Jakob.“ Dabei gab er seinen Griff über den Schultern des Erzengels frei. Er sank auf seine Knie neben den mächtigen Beinen des Erzengels. Jakob legte seine Hand in das Wasser, er versuchte, seinen beinahe erschöpften Atem wiederzuerlangen. Inspiriert durch Jahwes leise Stimme antworte der Erzengel Jakob: „Nicht länger sollst du Jakob genannt werden. Yirsrael soll dein neuer Name sein. Du hast dich bei Engeln hartnäckig behauptet, ebenso bei Menschen. Gegen beide hast du dich hervorgetan.“ Jakob schaute den Engel an. Als die Sonne die Landschaft erhellte, konnte er deutliche sein Gesicht und seine Gestalt sehen. „Ich sehe Eber in deinem Gesicht, ebenso gut sehe ich Abraham. Falls es für einen Menschen möglich ist, mit einem Geistwesen verwandt zu sein, dann sage mir deinen Namen?“ „Was ist mein Name für dich?“ „Er ist alles.“ „Er ist nichts, denn ich bin nichts. Nur der Vater, der Schöpfer des Universums, ist alles. Er liebt dich, und weil er dich liebt, liebe ich dich auch.“ Jakobs Augen schwollen vor Tränen an. „Vergib meinen Hochmut. Ich bin nichts. Dieses Nichts hätte dich nie berühren sollen.“ „Ich muss gehen“, der Engel blickte in Jakobs Augen. Jakob erwiderte seinen Blick und fühlte einen inneren Frieden und eine erneuerte Harmonie mit Gott und mit seinem Vorsatz. Er sah die Aufrichtigkeit des Erzengels und sein unglaublich hübsches Gesicht, das die Absichten 31
seines Herrn widerspiegelte. Jakob nickte und spreizte seine Hände hilflos auseinander. Er hob seinen Kopf und beobachtete die aufgehende Sonne. Sie erschien als eine flammende Trommel. Für einen Augenblick schien sie gleichhoch mit seinem Körper zu sein. Er starrte auf die Landschaft. „Penuel ist der Name dieses Ortes. Hier haben meine Augen die Augen eines göttlichen Wesens gesehen, und mein Leben wurde verschont.“ Er schaute zu Michael den Erzengel und sah seinen Körper verblassen wie der Nebel verblasst. Das durchscheinende Bild lächelte Jakob an und Jakob erwiderte das Lächeln. Sofort näherte sich Satan Michael dem Erzengel. „Warum verschontest du sein Leben? Er berührte dich. Schlimmer, er kämpfte gegen dich, du, der Beschützer seiner Familie, du, der Führer aller Engel, ergabst dich einem Menschen. Also, sage mir, bin ich blind für deine Schwäche gewesen und versagte zu erkennen, wie leicht es ist, dich zu vernichten?“ „Du wirst für einen einzigen Tag mein Fleisch vernichten.“ „Dein Fleisch? Warum spielst du diese Wortspielereien mit mir. Du hast kein Fleisch!“ „Satan, heute bat ich den Schöpfer, dein Leben ebenso das der Menschheit zu verschonen. Wie kommt es, dass du nicht die Wut des Schöpfers fühltest, bereit, dich und deine Anhänger nur vor Augenblicken zu vernichten?“ Satan schaute Michael den Erzengel an. Er wusste, dass es wahr war. Er fühlte ein Anspannen in seiner Brust für einen Augenblick und fragte sich über die Bedeutung. Aber er schüttelte das Gefühl ab, vertieft in dem Ringkamp. Satan schaute Jakob an und wie er mit seinem geschwächten Bein sich abmühte. Satan ging. Michael der Erzengel beobachtete auch Jakob. Er wandte sich um, um auf die Wolken und die aufgehende Sonne zu blicken. „Vater, ich sah alles in Jakobs Augen und ich sah die genetische Zusammensetzung in seinem Körper anhaften. Was du beabsichtigst, akzeptiere ich voll. Danke, Vater.“
Jakob humpelte über den Wadi und holte seine Familie ein. Als er sie erreichte, schickte er Bilhah und ihre beiden Sohne, um die Ersten in dem Zug nach vorwärts zu sein, gefolgt von Zilpah und ihren zwei Kindern, dann Leah mit ihren sechs Söhnen. Als Letzte war Rachel, die Joseph in ihren Armen hielt. Jakob übernahm die Führung. Unfähig, seine Männer oder sein Vieh zu sehen, nahm er das Schlimmste an. Er humpelte vorwärts, wobei der Schmerz bei jeder Überquerung der Hügel stärker wurde. Im Zwielicht des Tages sah Jakob schließlich Esau und seine vierhundert Männer vor ihm. Sein Herz raste wie es nie zuvor gerast war. Es schien, als ob es durch die 32
Geschwindigkeit bersten würde. Sein Mund trocknete aus. Dann ließ seine Furcht nach, als ein Friede, den er nicht verstand, sich auf ihm niederließ. Siebenmal warf sich Jakob vollkommen nieder und legte sein Gesicht auf den Boden in die Richtung von Esaus Lager. Dann vor Esau und vor der Welt erniedrigte sich Jakob und bat um Esaus Vergebung. Wieder umgaben numerologische und symbolische Ereignisse Jakob.
Riveka, Yitzhak, ihre drei anderen Söhne und mehrere Töchter schauten zu, als der jüngere Zwilling, Esau, aufrecht, stolz über dem reichen Lederzeug, das über dem Höcker seines Kamels hing, stand. Sie sahen aus der Ferne die Gesichtszüge eines kleineren Mannes. Jakob humpelte auf den brutalen, gnadenlosen Reiter zu, der genau in diesem Augenblick sein Furcht erregendes, schlachtenerprobtes Kamel zu ihm lenkte. Die Augen der Zuschauer erhaschten das Blitzen eines Schwerts, das hoch über dem Reiter erhoben war, seine Schreie ein bloßes Echo für ihre Ohren. Der Wind schien still zu sein. Die Vögel hörten auf, einander zuzurufen. Das Lager verstummte. Jeder stand zitternd, als ein Bruder sich dem Bruder näherte. Die Hufe des Kamels traten große Gras- und Erdklumpen hoch. Wie in Zeitlupe sahen die Zuschauer das Näherrücken des Reiters zum Opfer. Ihre Atmung wurde schwer. Ihre Herzen klopften. Das jüngste Mädchen, das seine Augen schloss, wünschte, dass auch seine Ohren taub werden könnten. Riveka hielt Yitzhak fester und fand sich von Deborah, ihrem treuen Kindermädchen und ihre Gefährtin seit den lange vergangenen Tagen von Haran, umarmt. Qualvolle Sekunden später stand das Kamel vor der kleinen Gestalt. Sie beobachteten den Reiter, wie er sein Schwert bewegungslos in der Luft hielt. Einige, die den Todesschlag erwarteten, weinten frühzeitig. Aber Esau zögerte. Andere, fasziniert über den möglichen Ausgang der Gewalttat, schauten zu, als sich das Kamel hinkniete. Langsam stieg Esau ab. Er ging langsam auf den Mann zu, der einfach bewegungslos stand. Er schaute seinen schweigenden Bruder an. Er schaute seinen Bruder an, dessen Hände sich unterwerfend öffneten und keine Herausforderung boten. Jakob schaute den Mann in der Bronzerüstung an. Ihre komfortable Passform wurde über einem gewebten Hemd getragen. Auf seinen mächtig gemeißelten Beinen waren große Schichten genieteter runder Metallstreifen um seine Waden und Schienbeine gewickelt. Jakob konnte nicht einen Zoll von der Haut seines Bruders sehen. Der verborgene Mann verängstigte ihn.
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Esau stieß sein schweres Schwert nach unten. Sein tödlicher, scharfer Rand durchbohrte die Erde neben dem Mann. Das Schwert bewegte sich hin und her, dann ruhte es. Esaus Handlung erschreckte sogar ihn selbst. Er schaute auf das Schwert. Er blickte auf die Hand, die so viele intensive Kämpfe ausgetragen hatte. Dann sah Esau seinen Bruder! Esau lachte. Jakob begann ebenso zu lachen. Die Augen beider Männer füllten sich mit Tränen. In diesem Augenblick der wiederentdeckten Liebe umarmte Esau Jakob und küssten ihn leidenschaftlich auf den Hals und ließ ohne sich zu schämen die lange zurückgehaltenen, beinahe vergessenen Freudentränen fließen. Die vierhundert Soldaten senkten ihre Speere. Riveka umarmte Yitzhak und begann vor Erleichterung zu weinen. Esau akzeptierte Jakob. Die Krieger schauten, als eine andere Gruppe von Kindern auf dem Anstieg hinter den beiden Zwillingen erschien. Zuerst kam eine Frau mit sechs Kindern, dann eine andere mit zwei und noch eine mit zwei anderen, gefolgt von einer einzigen Frau, die ein kleines Kind auf ihren Armen trug. Alle Frauen, alle Kinder verbeugten sich vor Esau. „Wer sind die?“ „Meine Frauen. Meine Kinder.“ „Ein alter Mann wie du, der das mit diesen jungen Frauen macht?“, lachte Esau. „Aber warum brachtest du sie voran, mir entgegen, wie du es getan hast?“ „Um deine Gunst zu erlangen.“ Und Esau lachte wieder. „Dasselbe mit dem Vieh?“ Jakob anerkannte schweigen die Wahrheit davon und nickte bejahend. „Ich bin enorm wohlhabend!“, prahlte Esau bei Jakob. „Der Rest, der dir gehört, bleibt bei dir.“ „Bitte, da du mich wohlwollend empfangen hast, und da ich hocherfreut bin, dein Gesicht wieder zu sehen, genau als ob ich Gottes eigenes Gesicht sehe, nimm von mir diese Gaben an. Ich bin auch ein wohlhabender Mann. Was ich dir gebracht habe, behalte, denn Gott hat mich diese langen vergangenen Jahre begünstigt.“ „Dann, da Jahwe es für dich geschehen hat lassen, wer bin ich, um solche Geschenke zurückzuweisen?“ Überwältigt vor Emotion hob Esau seinen Bruder so hoch wie er konnte und verkündete seine Wiederaufnahme in die Familie. Er trug ihn in seinen Armen und setzte ihn auf den Sattel seines eigenen Kamels und führte ihn und seine Familie zu den wartenden Soldaten. Esaus älteste Söhne führten ihre Großeltern gleichzeitig den Hügel hinunter, um den Zwillingen entgegenzugehen. Als Jakob diese zwei Generationen zusammen sah, nahmen seine Tränen des Glücks zu. 34
Die Zwillingsbrüder suchten die auserlesensten Tiere für das Opfer und für das Versöhnungsfest aus. Jakobs ältestes Kind, Reuben, der zu dieser Zeit dreizehn war, umarmte Esaus ältestes Kind, Eliphaz, der dreiunddreißig Jahre alt war. Die anderen Kinder der beiden Familien vermischten sich miteinander und tauschten Geschenke und Namen und Freundschaftsschwüre aus. Die beiden Väter beobachteten alles und nahmen es für die Zukunft zur Kenntnis. „Simeon, dein Zwölfjähriger, spielt rau!“, bemerkte Esau. „Er lässt alle nach seiner Pfeife tanzen.“ „Er ist ein verwöhnter Balg“, mischte sich Deborah in die Privatunterhaltung. „Er braucht eine ordentliche Tracht Prügel.“ „Er ist so groß wie ich“, antwortete Jakob verlegen durch sein Versagen, seine Kinder zu disziplinieren. „Dann scheint es besser, ich bleibe bei deinen Kindern und Frauen“, verkündete sie. „Ich werde sie aufziehen wie Kinder aufgezogen werden sollten.“ „Braucht Mutter nicht deine Hilfe?“ „Warum? Yitzhak hat sich lange an seine Blindheit angepasst. Riveka und ihre anderen Kindern kümmern sich gut um ihn.“ „Wie meine eigenen Kinder“, fügte Esau zu, der wieder prahlte. „Vater ist unter meinem Schutz. Niemand belästigt ihn je.“ Jakob ging zu seinem Vater und umarmte ihn wieder. „Vater, wird mir vergeben?“ „Deine Handlungen wurden sozusagen für einen göttlichen Zweck geleitet. Sogar Esau hat diese Tatsache akzeptiert. Alles, was ich besitze, gehört dir.“ „Ich habe meine eigene Buchführung“, erwiderte Jakob, so dass er seinen Zwillingsbruder und seine anderen Familienmitglieder besänftigen konnte. „Verbreite deinen Viehbestand unter deinen anderen Söhnen und untern denen von Esau. Sie haben sich um dich die vergangenen einundzwanzig Jahre gekümmert. Sie verdienen mehr von deinem Reichtum als ich.“ Yitzhak wandte sein Gesicht Riveka zu. „Ist das eine weitere Lektion aus deinen Händen?“ „Die Weisheit kam aus Jakobs eigenem Mund. Er ist ein anderer Mann als er war.“ Indem er sein Gesicht und Haar berührte, nickte Yitzhak. „Die Gesichtszüge sind dieselben, der Ton ist derselbe, aber dein Kinn ist stärker als deine Wangen. Du bist sehr gereift, seit du uns verlassen hast. Gottes Wahl wird gerechtfertigt.“ „Mein Name hat sich auch geändert“, informierte er seine Familie. „Ich rang mit Jahwes Engel im Fluss Jabbok. Ich hinke, weil er mich mit seinem Finger auf meiner Hüfte berührte.“
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„Du kämpftest mit Jahwes Engel?“ Esau lehnte sich näher. „War das Hochmut oder schiere Dummheit? Wie kommt es, dass er dich am Leben ließ?“ „Er schaute in meine Augen und als er tat, fühlten wir beide eine Blutsverwandtschaft.“ „Sohn“, Yitzhak berührte seine Schulter, „wir sind mit allen Engeln verwandt. Solche Kinder kamen in der Flut um.“ „Nein, das ist nicht, was ich meinte. Ich meine...“ „Ja?“ „Ich weiß nicht, was ich meine“, bekannte Jakob. Esau und Yitzhak brachen in Lachen aus. „Endlich gibt er eine Unwissenheit über etwas zu. Also, wie war der Ausgang?“ „Der Engel sagte mir, dass von nun an ich mit einem neuen Namen gehen soll. Ich soll Yisrael genannt werden.“ „So sei es“, nickte Yitzhak. Esau lächelte und schlug seinem Bruder grob auf den Rücken. „Yisrael, der Herausforderer“, lächelte Riveka, als sie seine Wange berührte. „Was für einem anderen siebenundneunzig Jahre alten Mann kann ein neuer Name gegeben werden, als ob er wiedergeboren worden wäre.“ „Mutter, eigentlich als ich mit Jahwes Engel in dem Fluss Jabbok rang, wurde mir ein neues Leben gegeben. Ich fühlte einen gewissen Hochmut, der mich lange bekümmerte, aus dem Zentrum meines Körpers zum Zentrum des Körpers der Engels hervorgehen. Es war, als ob er einen Teil meiner Schuld an sich nahm.“ „Wie eigenartig“, sagte Yitzhak. Jakob schaute seine Eltern an, dann Esau. „Es ist nun Zeit für dich, mit mir zu reisen“, wechselte Jakob abrupt die Unterhaltung, indem er versuchte, seine Kopf durchzusetzen. Esau war durch den Vorschlag verletzt und schritt von Jakob weg. Yitzhak fühlte die Bewegung. Er zögerte nicht zu antworten. „Es liegt nicht an dir, eine solche Sache zu wünschen. Ich habe mit Esau und seinen Frauen Frieden gefunden. Ich habe entdeckt, dass Vorurteil, sogar in einer so edlen Sache, nachteilig ist. Das einzige Vorurteil, das nie bloßgestellt werden kann, ist der Intellekt und das Verständnis von Jahwes Wahrheit. Wenn das Herz mit dieser Wahrheit verbunden ist, ist die Haut und Nationalität unwichtig. „Jahwes Geist kann sogar das Herz des Kanaaniters erwärmen.“ Indem Yitzhak seine Hände erhob, verkündete er mit feierlicher Stimme: „Ich befreie deine Kinder von dem Gesetz der Verbindung ausschließlich mit den Babyloniern. Jahwes Gesetze der spirituellen Wahrheit und Führung sind wichtiger.“ Riveka erhob sich und forderte: „Aber der Maschiach muss aus reiner Zucht geboren werden!“ „Frau“, tadelte Yitzhak seine Ehefrau, „wie kannst du so etwas sagen?“ 36
„Es waren Abrahams Worte.“ „Nein, seine Worte richteten sich auf unsere Heirat, dass sie in einem reinen Zustand der Gleichheit ausgeübt wurde. Abraham diktierte die ursprüngliche Notwendigkeit, damit die Eigenschaften des Maschiachs richtig geformt werden konnten. Damit dies vollbracht wurde, mussten die ersten drei Generationen reine Babylonier sein.“ „Warum?“ „Diese drei Generationen stellen symbolisch die letzten drei Generationen des Menschen dar, die vor dem letzten Ereignis existieren werden, bevor das endgültige Königreichs Jahwes der Menschheit dargebracht wird. Nun dürfen wir uns mit anderen Nationalitäten verheiraten. Dies zu tun jedoch verpflichtet uns stark, unseren Ehepartnern alles zu lehren, was wir bezüglich der letztendlichen Wahrheit können. Uns ist unter keinen Umständen erlaubt, unseren Glauben vor ihnen zurückzuhalten. Uns sind die Mittel gegeben worden, die Welt zu bekehren, und wir müssen sie ausüben. Wir sind erwählt worden, seine Ideen darzubringen. Dafür dürfen wir unserem Glauben nie erlauben, verseucht und verdorben mit dem Glauben anderer zu werden. Die leichte Straße ist immer eine Versuchung, aber wir dürfen nie einen Fuß darauf setzen. Ein ewiger Vertrag ist fortwährend zwischen uns und ihm und der ganzen Menschheit besiegelt worden. Lasst dies Jakob bekannt werden: jeder Mann, jede Frau möge unser Glaubenssystem annehmen, solange sie voll an unseren Gesetzen haften. Behandelt die Proselyten wie unsere eigene Familie, denn das ist genau, was sie geworden sind. Zur Zeit des letztendlichen Maschiachs wird die Welt des Menschen in seinem Haus willkommen sein. Die Heiden werden wie wir werden: eine auserwählte, zusammengesetzte Rasse und Nationalität, die Jahwes wundervolle Nachricht erklärt. Weiters, sollte eine Übertretung begangen werden, ist dieser Übertretung mit der ernstesten Bestrafung zu begegnen. Jahwe ist vollkommen. Was er geschaffen hat, ist auch vollkommen – ohne Rücksicht darauf, was wir Menschen halten und möchten, dass es ist. Der menschliche Zustand ist solcher, dass wir uns mit den Antworten zu unserer Beziehung zum Schöpfer versorgen müssen. Unsere persönlichen Wahlen und Urteile gehören uns allein. Wir können Gott nicht für alles, was wir zu tun wählen, verantwortlich machen. Aus genau diesem Grund ist diese Familie unter der Welt des Menschen auserwählt worden. Wir sind das blendende Licht, das der Welt seine Rettung vom bösen und vom Tod darbringen wird. Es ist eine harte und schreckliche Last. Ein leidendes Drama, das unter allen Umständen des Schmerzes hinaus zu seinem letzten Abschluss getragen werden muss.“
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Nachdem Yitzhak gesprochen hatte, begann das Lager seine Zelte abzumontieren. Während jeder arbeitete, suchte Riveka Jakob auf, um mit ihm zu sprechen. Als sie ihn im hinteren Teil des Lagers fand, fragte sie: „Meinst du es ernst mit deinem Vater und mir, bei dir zu bleiben?“ „Tue ich“, erwiderte Jakob und fragte sich über die Absichten seiner Mutter. „Aber ich habe Vaters Realität und Anerkennung der Wahrheit darüber gesehen. Bleibt für den Augenblick bei Esau. In einer Zeit von jetzt an werde ich mich euch anschließen.“ „Warum sagst du das?“ Die Zeit der Heilung muss nun zwischen Bruder und Bruder in Kraft treten. Die offene Wunde ist verheilt, aber das geistige Missfallen muss ebenso heilen. Lass uns an das Gesicht des anderen wieder gewöhnen.“ „Ich glaube, dass du dich in dem, was du jetzt sprichst, irrst. Lass mich Esau bitten, dir zu erlauben, bei uns zu bleiben. „Nein, Mutter, ich habe einundzwanzig Jahre unter Laban gedient. Ich will für eine Weile mein eigenes Haus und Lager und meine persönliche Freiheit fort von anderen Patriarchen genießen!“ Riveka ignorierte die Worte ihres Sohns. „Ich werde mit deinem Vater darüber sprechen.“ Bestürzt schüttelte Jakob seinen Kopf und ging davon. Als die Erde sich zur maximalen Reichweite von der Sonne drehte (die Entsprechung von Mittag), fand Esau Jakob mit seinen Kindern spielen. Neben der Gruppe von groben Kindern stillte Rachel Joseph. „Jakob“, sagte Esau, „die Zelte sind abmontiert und auf den Kamelen verladen. Um deiner Frau und Kinder willen können meine Männer und ich langsamer als gewöhnlich reisen.“ „Wohin reisen wir?“, fragte Jakob. „Nach Seir. Es ist ein weites, bewaldetes Land. Straßen werden überall gebaut! Jede Straße führt direkt zu einer der Städte meiner Kinder! Kannst du dir das vorstellen! Ich bin in der Mitte eines Schmelzimperiums! Und zu denken, dass ich einst ein Seekapitän werden wollte! Wie merkwürdig unser Leben geworden ist! Wir Hebräer gedeihen genau wie Jahwe es Abraham sagte!“ „Es ist erstaunlich“, stimmte Jakob freundlich zu. Aber er wunderte sich über die Bezeichnung Hebräer. „Ja, wir beide sind ‚Hebräer’, aber unsere Motive und Richtungen sind völlig ungleich. Wir beide kennen Jahwes Namen und wir beide haben seine Handlungen sich materialisieren gesehen, als er gesprochen hatte. Doch können wir nicht beide ‚Hebräer’ bleiben. Wenigstens nicht beide Linien.“ Esau störte Jakobs Gedanken. „Mit deinem Verstand und meinen bewaffneten Söldnern können wir die vollkommene Kontrolle über die Bergwerksbetriebe und den Gewinn haben!“ „Ich habe gelernt, Schafhirte zu sein“, lächelte Jakob. „Das Land wird deine Herden unterstützen. Aber denke so darüber: In Seir sind wir alle miteinander verwandt. Unsere Cousins durch Keturah, Abrahams zweiter Frau, leben und arbeiten dort. Sie werden dich
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glücklich begrüßen und zusammen können wir diese Gegend erobern: von Ägypten den ganzen Weg bis zum Euphrat.“ „Hammurabi der Eroberer träumt denselben Traum.“ „Der Minos wird unsere Kriegskasse finanzieren.“ „Und nach unserer Eroberung?“ „Wir werden den Minos erobern.“ „Ohne Schiffe?“ Esau lachte. „Wir werden ihn auf seiner Insel in Schach halten.“ „Afrika hat zu viele Häfen. Er kann auf uns vom afrikanischen Kontinent oder der europäischen Kehle aus marschieren. Solange wir im Mittelpunkt der Welt sind, wird jeder fortwährend gegen uns marschieren. Ich glaube, Jahwe schenkte uns dieses Land, damit wir der Welt friedlich zeigen können, dass ein gerechtes Volk, dem Höchsten Gott gehorsam, erfolgreich sein und politisch existieren kann, ohne zur Eroberung Zuflucht zu suchen. Durch unser Sein im Mittelpunkt der Welt sollen wir ein Beispiel dieses ‚durchreisenden Glaubens’ sein.“ Esau wandte sein Gesicht ab. „Jakob versteht nicht“, flüsterte er. „Er ist so dickköpfig. Es mangelt ihm an Weitblick und Mut.“ „Lebt unser Vater in Seir?“ suchte Jakob den Grad der Wahrheit an Esau zu erforschen. „Er kommt die ganze Zeit zu Besuch“, antwortete Esau schnell, freudig. „Sein Zuhause jedoch“, gab er zu sich selbst traurig zu, „ist noch immer B’er-Sheva. Er besteht dort aus dem einen oder anderen Grund auf eine repräsentativen Haushalt.“ „Aus den Gründen, die ich angegeben habe“, legte Jakob dar. Esau ging davon. Jakob, der versuchte, zu einer glücklicheren Laune zurückzukehren, behauptete: „Oder vielleicht mag er die Brunnen, die er grub.“ „Wer braucht Wasser, wenn es Wein gibt!“, lachte Esau wieder. Jakob überlegte, folgerte die Unmöglichkeit der beiden, je wieder eine einzige Familie zu werden. Die Edomiter konnten nie eins mit den Hebräern werden. Ein neuer Name muss meinen Kindern gegeben werden! Was für ein Name? Ja, darum benannte mich der Engel um! Natürlich! Wie konnte ich nicht verstehen! „Doch was sage ich, um mich von meinem Bruder zu trennen, ohne ihn zu beleidigen?“ Er dachte darüber nach und entwickelte eine logische Ausrede. „Mein Herr Esau, bitte verstehe, meine Frau stillt noch unser Kind. Meine anderen Kinder spielen zu viel. Sie sind langsam bei ihren kleinen Aufgaben. Sogar die Euter meines Viehs sind den Beispielen meiner Frauen gefolgt. Sie verwöhnen ihre Kinder mit einer zu zarten Milchgabe.“ Nachdem er erlaubte, den Gedanken und die Bilder in Esaus Gedanken sinken zu lassen, fuhr er fort: „Sollte ich sie zwingen zu marschieren, wenn auch nur für einen Tag, werde ich alles verlieren. Wäre es nicht besser, Esau, wenn du mir vorausgingest? Auf diese Weise werden deine Männer und du selbst mein langsames und untaugliches Reisen ertragen. Bis ich in Seir ankomme, wird zwischen uns alles bereinigt sein.“ 39
Esau dachte darüber nach und nickte. Aufrichtig besorgt bemerkte er: „Zumindest erlaube mir, meine besten Krieger zu beauftragen, mit euch zu reisen und euch gegen die Diebe und Mörder zu beschützen!“ „Deine Freundlichkeit ist hervorragend! Doch was für ein Horiter oder Ismaelit würde sich bei einer Sippe von Babyloniern und ihrem Staub verursachendem Vieh wohl fühlen? Besonders, wenn sie bestrebt sind, bei ihren eigenen Frauen und Kindern zu sein!“ „Deine Logik ist weise“, erwiderte Esau. „Lass es sein wie du sagst. Ich werde dich bald wieder sehen.“ Als der feuchte Nachmittag mit der Abendbrise abkühlte, legte Yitzhak seine Hände über seine elf Enkelsöhne und beruhigte ihre Ängstlichkeit. „Ich verstehe, dass deine Kinder unkontrollierbar sind. Das ist immer der Fall, wenn ein alter Mann Kinder zeugt. Jakob, erlaube uns bitte als eine Gunst, dass Deborah bei dir bleibt. Ich verstehe, dass sie früher eine solche Bitte gestellt hat.“ „Ich wäre glücklich für Deborah, bei uns zu bleiben.“ Spät an diesem Abend stand die Familie wieder einander gegenüber. jeder, nach Umarmungen, erlaubte Esaus Kriegern, Jakobs Lager voranzugehen. Indem er sich absichtlich Zeit nahm, überquerte Esaus letzter Krieger endlich die letzte sichtbare Wiese, während sein Kamel voll in die Waldpfade eintauchte. Mit der untergehenden Sonne lenkte Jakob seine Herden, in die entgegengesetzte Richtung zu reisen, zurück nach Penuel. Esau schaute ständig über seine Schulter nach Jakobs Männern. Als er sie nicht sah, wurde er beunruhigt. „Ich muss herausfinden, was mit Jakob geschah“, bemerkte er zu seinem besten Freund. „Ja, wir sind im Perizziter-Territorium, aber ich bezweifle, dass sie deinem Bruder Schaden zufügen werden.“ „Sie tun es vielleicht nicht, aber ich schaue trotzdem lieber nach.“ Riveka sah die Unterhaltung und bat einen Soldaten in der Nähe, ihren Sohn zu ihr zu bringen. „Warum hältst du unsere Reise an?“ „Ich bin besorgt. Ich habe Jakobs Lager noch nicht gesehen.“ „Es gibt keinen Grund für deine Sorge. Er ging in die andere Richtung.“ Überrascht schaute er sie und Yitzhak an. „Es musste sein“, brach sein Vater das Schweigen. „Jakob muss sein eigenes Haus errichten. Er ist nie zuvor selbständig gewesen. Und in seinem Alter verdient er nicht weniger.“ „Sein Zuhause ist bei uns“, überraschten Esaus enttäuschte und erstickte Worte jeden. „Ich will ihn neben mir.“ Seine Augen wurden feucht. „Hat er je etwas anderes als das Haus von jemand anderem gekannt?“, fuhr Yitzhak fort. „Sogar deine eigenen Söhne haben ihre eigenen Städte. Sollte nicht Jakob zumindest ein Tal für sich haben?“
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Esau trocknete seine feuchten Augen. „Ja, ja, sollte er. Der Vater einer großen Nation muss sein eigenes Haus haben.“ Er berührte seinen Brustkorb und blickte über den sich windenden Pfad durch den Walt zu der fernen Lichtung hinaus und dachte: „Also, wer unter seinen elf Söhnen wird der erwählte Maschiach werden?“ Esau legte seine Hand liebevoll auf Eliphaz’ Schulter. „Mögen deine Kinder sich auf die Seite seiner Kinder stellen. Jahwe hat uns unbestritten unser Land gegeben. Was Jakob gehört, halte es unberührt.“ Eliphaz’ Augen wandten sich auch der Straße zu, auf der sie gerade gereist waren. Er fühlte eine leichte Traurigkeit in seiner Brust. „Merkwürdig, wie kann ein so korrupter Manipulierer mir so viel bedeuten?“ Esau drehte die Zügel seines Kamels, um der Straße vorne nach Seir gegenüberzutreten. Er brach so stark in Lachen aus, dass seine Tränen seine Augen bedeckten. „Lasst es sein wie es ist!“
Innerhalb von ein paar Tagen, nach dem Eintreffen in Succoth, begann Jakob seinen neuen Namen zu verwenden: Yisrael. In der neuen Siedlung organisierte er seine Männer, die Steine zu bearbeiten und die hohen Mauern seines neuen Hauses zu errichten. Indem er sich an die Häuser der westlichen Küste erinnerte, baute er einen ähnlichen doppelgeschößigen Wohnsitz. Ein einfacher mittlerer Hof, der einen Springbrunnen enthielt, der die architektonischen Pläne beherrschte. Während seine Zimmerleute das Haus errichteten, machten sich andere Männer daran, eine Lichtung aus dem Wald für die Dutzenden Rinderställe zu fällen, die die wertvollen Rinder und Stiere beherbergen würden. Nachdem die Zimmerleute die Rinderställe vervollständigten, bauten sie einen besonderen Pferdestall neben dem Herrenhaus. Die Zimmerleute befolgten Yisraels Zeichnungen, wie er sie anwies, und errichteten das große Herrenhaus auf der dem weiten Raum des Talbodens. Die Landschaft rollte nach und nach zu seinem großen Eingangstor. Hinter den hinteren Mauern setzte der sanft verschüttende Hügel nach oben mehrere hundert Fuß fort. Aus der Ferne erschien das Haus, als ob es aus dem Inneren des Berges gehauen wäre. Der ansteigende Wald überblickte sein großes Anwesen. Weinreben wuchsen über eingepflanztes Bauholz und gaben zierliche Lauben ab. Reichliche Weizenfelder wuchsen auf den gesäuberten Waldflecken. Yisrael errichtete sein Anwesen und Weiden und steckte rechtmäßig seine Grenzen mit seiner eindeutigen Kennzeichnung ab. Niemand bestritt Yisraels Besitz des Landes. Niemand stritt darüber, wem die Brunnen gehörten, die er grub, oder wagte es, den rechtmäßigen Besitz der Rinder oder Schafe oder Ziegen zu bestreiten. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte Yisrael rechtmäßig den Besitz des Landes, das er bearbeitete, beanspruchen, denn die Markierungen,
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die Yisraels rechtmäßige Kennzeichnung trugen, wurden von allen Menschen respektiert und geehrt. Dies wurde die erste wahre Errichtung der Familie. Der rechtmäßige Anspruch der Familie auf das Land war unbestritten! Wann immer er eine zusätzliche Parzelle wünschte, traf sich Yisrael mit der Regierungskörperschaft und kaufte das Land für sich. Auf diese Weise festigte Yisraels Abrahams Rechte auf das Land und für die zukünftige Nation seiner Kinder.
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Kapitel Dreiunddreißig Der Kriegsmarsch Letzte Nacht auf der Insel Kreta zerstörte ein kleines Erdbeben mehrere bedeutende Gebäude. Zufällig traf es mit dem Tod des Minos zusammen, der die letzten Handelsverträge mit den Indo-Europäern ausgearbeitet hatte, und der den internationalen Krieg gegen Hammurabi finanziert hatte. Innerhalb von Monaten des Erdbebens eroberte Hammurabi unbarmherzig die Stadt Nippur. Nachdem seine Soldaten die Überlebenden in lange Reihen der Sklaverei banden, richtete Hammurabi seinen berüchtigten von Pferden gezogenen Streitwagen gegen die Stadt Ur. Bald überrannten die schwer ausgebildeten Soldaten und Kavallerietruppen in hervorragendem Zustand Ur. „Bei diesem unglücklichen Sieg – aus irgendeinem geheimnisvollen Grund“ – bemerkte ein Minos-Spion, „begann das Schlammbecken des Ur-Flusses zu steigen. Seine Böschungen begannen hart zu werden und ließen den Hafen mit einer neuen Küstenlinie zurück.“ „Ein merkwürdiges Omen.“ Der neulich ernannte Minos prüfte den Bericht des Spions. „Wir müssen unsere östlichen Grenzen neu festigen. Der Anstieg des Wassers fordert uns auf, schnell zu handeln. Als die Söldner des Minos ihre Kriegsbemühungen gegen Hammurabis Westfront drängten, sandte Hammurabi seine eigenen Spione nach Mari und versuchte zu bestimmen, warum sein Verbündeter, Zimri-Lim, die offenen Vormärsche des Minos gegen ihn nicht aufhalten hatte können. Es geschah seit dem Tod des siebenten Minos, dass die Sicherheit augenblicklich nachließ. Ungewiss, wem er berichten sollte, anvertraute sich ein Spion unachtsam der falschen Prostituierten. Innerhalb von Stunden seines amourösen Bekenntnisses erwischten Hammurabis Spione den Doppelagenten des Minos. Drei Tage später, nach nicht endender Folter, enthüllte der Spion Zimri-Lims Verrat. Im Jahr 1757 v.Chr. fiel die Stadt Mari an Hammurabi. Bekümmert über das Versagen seines Feldzugs studierte der achte gewählte Minos sorgfältig die neuen Kriegskarten, die soeben eingetroffen waren. „Wir müssen die Straße vom Golf von Aqaba ausdehnen, um den Norden nach Damaskus zu erreichen. Gibt es irgendwelche Sippen oder Stämme oder Könige, die sich uns in seiner Vernichtung widersetzen können?“ „Die Ägypter begünstigen es“, erwiderte der Hauptingenieur. „Sie sollten es. Ich verstehe, dass Balsamöl entlang den Nebenflüssen des Jordans zu finden ist. Wer kontrolliert seine Erzeugung?“ „Ein Hebräer namens Jakob.“ „Diese Hebräer scheinen ziemlich bedeutend zu werden. Ich erinnere mich an eine Zeit, als ich von ihnen hörte. Wie mächtig sind sie?“ 43
„Eine Sippe und ihre vielen Sprösslinge sind mächtig in der Araba. Wir machten mit ihnen Verträge, um die Kupfer- und Zinn- und Messingschmelzbetriebe, die sie besitzen, zu kontrollieren.“ „Sind sie eine wahrscheinliche Bedrohung für uns oder in Zukunft?“ „Es ist unwahrscheinlich. Soweit ich weiß, hat Esau keine Imperiumsambitionen. Sein Bruder scheint zufrieden zu sein.“ „Was besitzen sie?“ „Die Hebräer in den zentralen Ebenen besitzen nichts außer etwa ein Dutzend Brunnen. Den Hebräern in Seir sind Städte versprochen worden und sie sind nun in dem Prozess, sie zu beenden.“ „Städte? Wenn ein Volk Städte baut, baut es eine Nation.“ „Diese Städte werden nie eine Bedrohung für uns sein. Die Ägypter können sie zu jeder Zeit stürmen, sollten sie sich je gegen sie erheben. Interessanter, diese Hebräer streiten untereinander. Sie haben sich in bestimmte Sippen geteilt, indem sie die Identität ihrer Städte vorziehen.“ „Wie die Orientalen – sie ziehen vor, sich nach einer Stadt zu benennen. So lasst es sein. Besser, sie denken von sich leidenschaftlich als eine Stadt, statt als eine Nation.“ „Ja. Nun nennen sich diese Sippen ‚Edomiter’. Im nördlichen Plateau jedoch bezieht sich das Oberhaupt der Familie noch immer auf seine Sippe als die ‚Hebräer’.“ „Wer ist das Oberhaupt dieser Familie?“ „Der Cousin und Onkel der Edomiter: Jakob.“ „Derselbe Jakob, der den Balsom kontrolliert?“ „Derselbe. Er nennt sich jetzt Yisrael. Er benannte sich aus dem einen oder anderen Grund um.“ „Also, seine Kinder, werden sie nicht Israeliten genannt?“ „Ja, ich vermute, das ist korrekt.“ „Ist er bedeutend genug für mich, um mir Sorgen über ihn zu machen?“ „Er besitzt ein großes, sehr beeindruckendes Anwesen. Dieser besondere Hebräer kauft alles Land, was er kann.“ „Bei wem hat er Schulden?“ „Er bezahlt alles bar.“ Er drückte seine Oberlippe und faltet sie zwischen seinen Zähnen, als der achte Minos nickte. Der Minos legte die Federkielspitze an die Mitte seines Kinns. „Was für eine Art von Verteidigungen und Angriffe kontrolliert er?“ „Er hat keine Armee. Sein Haus hat keine Mauern. In vielen Hinsichten ist sein Glaube parallel zu unserem.“ „Wie das?“ „Er nimmt nie Zuflucht zu offenkundiger Gewalt. Sein Intellekt wird erneuert.“ „Führt unsere Straße zu ihm?“ „Die östliche Division wird durch die Mitte seines Landes ziehen. Die westliche Straße wird ihn umgehen.“ „Können wir um sein Land herumgehen?“
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„Es ist unerforschtes Gebiet. Unsere Baumannschaft scheint vor der Gegend Angst zu haben. Abergläubische Legenden von fliegenden Männern und solches.“ „Doch Jakob – Yisrael – lebt neben diesen fliegenden Männern?“ „Ja.“ „Wird er wohl geliebt oder ist er ein Tyrann?“ „Er wird bewundert und von den Menschen der Gegend respektiert.“ „Dann ist er eine Bedrohung für mich.“ „Großer Prinz der Lilien. Der Mann ist über hundert Jahre alt. Sicherlich liebt jeder einen alten Mann. Sicher wird er bald sterben und sein Anwesen wird unter seinen Söhnen und Erben auseinander brechen.“ „Wie alt, sagtest du?“ „Er ist extrem alt. Über hundert Jahre.“ „Aber er ist Esaus Zwillingsbruder. Wer könnte je glauben, dass sie so alt sind? Das bedeutet, dass beide vielleicht bald sterben. Also, fahrt fort, die Straße zu bauen, aber wenn ihr in die Nähe seines Heims kommt, seid bei ihm reichlich großzügig. Bietet ihm zehnmal den Wert seines Landes an.“ „Sollte er sich weigern?“ „Bietet ihm etwas an, das gut geeignet für ihn ist. Macht ihn, ich betone, nicht zu meinem Feind! Alles, was es braucht, ist eine kleine feindselige Tat durch uns, um die Welt gegen uns zu wenden. Hammurabi würde das allzu gut lieben.“
Innerhalb von Monaten bahnten die Vermesser und Baumannschaften ihre neuen Straßen in die Erde. Die Kaufleute, die Handelsfreigaben erlangten, bauten ihre neuen Gasthäuser entlang den neuen Straßen. Während die erfahrenen Baumannschaften außer sich in ihrem Wettlauf gegen die Zeit die Wälder ebneten und die klaffenden Lücken in das Land, begannen Yisraels Männer vorsichtig einen genauen Bericht über die Methode der Vermesser zu führen. Im neunten Jahr von Yisraels Ansiedlung in der Gegend, dehnten sich minoische Ingenieure an den Grenzen seines Landes aus. als Yisrael mit seinem Pferd zu der Baustelle der Baumannschaft ritt, beobachtete er vorsichtig, wie die blonden und blauäugigen Männer neben den Kindern der Libanesen arbeiteten: die Phönizier. Der Hauptingenieur, der einen flüchtigen Blick auf Yisrael auf seinem prächtigen Pferd warf, galoppierte mit seiner Mannschaft und seinen Kamelen zu dem wohlhabenden und einflussreichen Landbesitzer. „Bist du Yisrael?“, fragte er. „Bin ich“, antwortete Yisrael. „Wir haben mit dir reden wollen, aber du meidest uns immer. „Ich hatte eine andere dringende Angelegenheit über dem Jordan.“
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„Wir verstehen, dass du das Land besser als sonst jemand auf der Welt kennst.“ „Verstehst du auch, dass ich es offiziell besitze!“ „Rechtmäßigkeit deines Anspruchs steht nicht in Frage. Wir haben ein dringendes Bedürfnis, in dein Land zu ziehen. Unsere Kaufleute müssen nach Norden reisen und diese Straße wird ein großer Vorteil für sie sein.“ „Tatsächlich glaube ich, ist es mehr ein kaufmännischer Vorteil. Es ist eine militärische Übung gegen Hammurabi.“ „Der Minos ist nichtpolitisch. Wir mischen uns nie in nationale Gruppen ein.“ „Außer es beeinträchtigt deinen Handel.“ „Yisrael, ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten oder zu debattieren. Ich bin hier, um dir was auch immer für Bedingungen für dein Land anzubieten.“ „Irgendwelche Bedingungen?“ „Innerhalb der Vernunft?“ „Euer Minos hat nicht so viel Macht oder Reichtum. Also zweige deine Straße links ab. Der gerade Weg ist nicht für dich.“ Das Kiefer des Hauptingenieurs war vor Ärger angespannt. Er führte die sanfte Berührung des Gehilfen auf seiner Schulter. Er beruhigte sich und setzte seine Gedanken neu zusammen. Indem er seine geballten Fäuste öffnete, versuchte er aufrichtig zu lächeln. Duldend für den Augenblick wandte er sich zur gleichen Zeit wie Yisrael ab.
Bald erreichten die Nachrichten von der erfolglosen Begegnung den Abimelech. Bestürzt reichte er die Frage an seinen Phikol, der wiederum die Frage an Yitzhak weitergab. „Er ist dein Sohn. Er hat einen Schutz- und Kooperationsvertrag unterzeichnet, wobei er spezifische Bedingungen und Entschlüsse und Probleme festlegte. Also, warum lehnt dein Sohn unsere großzügigen Bedingungen ab?“ „Er ist sich des Vertrages bewusst. Wie Esau den Vertrag ehrt, so wird er es. Doch dehnen sich die Grenzen der Bedingungen bis zum Norden von Succoth aus?“ „Es war zwischen den Familien – wo auch immer sie wohnen mögen. Abraham, dein Vater, wurde als eine Regierung an sich anerkannt. Diese Anerkennung wurde an dich und eine Söhne ebenso übermittelt. Du sagtest uns, dass du Yisrael in deiner Übertragung der Erbrechte und der Macht begünstigtest. Da wir mit ihm nicht unterhandeln können, mach es richtig für uns in dem, was wir wollen.
Der minoische Sendbote schrieb eine schnelle Nachricht an Esau. „Informiere deinen Bruder“, begann die Tontafel, „dass Yisraels 46
beharrlicher Stand gegen den Ingenieur nicht lange toleriert werden kann.“ Esau las die Tafel und ließ sie ungeschickt aus seinen Händen fallen. Sie zerschmetterte auf der gehärteten Erde. Esau kratzte seine Nase und wischte den Schweiß von seiner Stirn. Er beriet sich widerwillig mit seinem Vater. „Warum ist Yisrael so dickköpfig? Sucht er eine Konfrontation mit dem Minos?“ „Yisrael sucht keinen Kampf“, erklärte Yitzhak Esau. „Jahwes Gesalbter hat Fuß auf sein Land gesetzt und wünscht für diese Tatsache, anerkannt zu werden. Ich verlangte, dass du deinen Bruder in diesem Bestreben unterstützt.“ „Du verlangst, dass ich gegen den Minos kämpfe? Dass ich mich auf die Seite meines Bruders stelle? Vor neun Jahren bot ich ihm einen solchen Anschluss an. Damals hätten wir die Welt erobern können. Aber, nein, Yisrael wollte sich zuerst bereichern. Nun, da er ein Haus voll mit jungen Leuten hat, will er Macht! War das Yisraels Plan, als er alleine in eine andere Richtung von mir ging? Er will, dass ich und meine Kinder im Alleingang gegen den Minos kämpfen, damit wir aus einer solchen törichten und vergeblichen Bemühung umkommen, damit seine Kinder Hand an das ganze Land anlegen!“ „Dein Haus, solange es an Jahwes wahrem Gesalbten angeglichen ist, werden wir nie umkommen, noch von der wahren Wohnstätte verdrängt.“ „Yisrael sucht, sein Treffen zu überstürzen. Ich glaube, er muss warten. Das Land geht nirgendwohin. Es wird immer da sein.“ „Das ist nicht die Frage. Die Frage ist: er, der auf dem Land wohnt, wohnt durch Jahwes bestimmten Segen.“ „Und wenn die Armeen des Minos ihn und seine Familie töten, dann beschließen, sich gegen uns zu wenden für das Sitzen am Wegesrand, während das alles vor sicht geht? Nein, Vater. Ich werde Yisrael bitten, das Land zu verlassen. Ich werde ihn anflehen – friedlich – auf eine andere Zeit zu warten, um sich in dem Land niederzulassen.“ Er verlor keine Zeit, die Männer zu versammeln. Versammelt rasten sie zu den nördlichen Regionen.
Am neuen Morgen standen die Söldner des Minos vor Yisraels Wald. Ein paar, angespornt durch das Stocken ihrer Pferde, wagten sich nicht über die Frontlinie von Yisraels Land hinaus. „Ein merkwürdiger Wind beunruhigt unsere Pferde“, berichtete der Hauptmann seinem befehlshabenden Offizier. „Ich fühlte auch die Kühle. Wir werden nicht in den Wald gehen.“ „Was werden wir tun?“ „Eine gesetzliche Zahlung Yisrael für das Straßenrecht bezahlen.“
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Der Hauptmann hörte dies und ergriff zehn Bündel Silber. Er galoppierte mit ihnen zum Rand des Waldes. Sobald er ihn erreichte, ließ der Hauptmann die Säcke fallen und galoppierte davon zu einem sicheren Punkt. Yisrael schaute zu, als seine Männer die Säcke öffneten, und sah den Silberinhalt sich auf den Boden ergießen. Er beobachtete seine Arbeiter, wie sie sein Vieh verließen und seine Rinder- und Ziegenhirten miteinander kämpften, wobei sie Barren für sich selbst nahmen, soviel sie tragen konnten. Israel ritt in den Knoten der kämpfenden Männer. „Hört auf!“, verlangte er. „Warum sollten wir? Seit wann hast du uns je gegeben, was der Minos uns jetzt schenkt?“ Ja, Yisrael“, sprach ein anderer, „verlasse dieses Land! Da ist mehr irgendwo um dich herum!“ „Dieses Land gehört mir und meinen Kindern und ihren kommenden Kindern. Die Vision meines Großvaters legalisierte es als meines.“ „Die Vision ist eine selbstsüchtige Vision!“, schrie ein dritter Mann. „Es erlaubt nicht anderen, am Besitz des Landes teilzuhaben. Nur du und deine Kinder.“ „Bin ich Gott!“, schrie Yisrael zurück und stieß den Mann zur Seite. „Kann ich euch vermachen, was nicht mir gehört, um es zu vermachen? Kann ich Jahwes Auftrag ändern? Dieses Land kann nicht denen gegeben oder genommen werden, denen es nicht bestimmt ist zu besitzen. Ich will für dich und deine Erben, dass sie dieses Land mit mir und meinen Kindern teilen, aber Gott wird nicht tolerieren, dass Ungläubige einen einzigen Felsen daraus besitzen. Dies ist ein reines Land, errichtet nach den Gesetzen und den Wahrheiten des großen Schöpfers. Folglich ist es ein unerträgliches Land für jene, die versagen, Jahwe als ihren wahren Ausführenden aller Dinge. „Es tut mir Leid, aber ich kann nicht die Wahrheit ändern.“ „Yisrael“, warf eine freundliche Stimme ein, „wenn dieses Land uns nicht gehören kann, und wenn es ausschließlich dir gehört, dann hast du nichts zu fürchten. Gib dem Ingenieur das Wegerecht, denn was spielt es für eine Rolle? Es gehört sowieso immer dir? „Versuche nicht, mich mit falschen Argumentationen zu manipulieren“, warnte ihn Yisrael. Ungefähr zur selben Zeit ritten zwei andere Söldner zu der Gruppe. Vorne auf ihrem Sattel lagen zwei Bündel mit Silber. Die Söldner, die Yisrael erkannten, ritten direkt auf ihn zu. Dieses Mal ließen die Söldner die Bündel vor seine Füße fallen. Er drehte seinen Rücken zu und ging nach Hause zu seinem Herrenhaus. Stunden später gab es merkwürdige Geräusche an seiner Tür. Er entriegelte die zurückhaltenden Stifte und öffnete die Tür. Er schritt hinaus und entdeckte fünf Silbersäcke, die übereinander in der vorderen Empfangshalle gestapelt waren. Er trat das Geschenk weg und 48
schlug die Tür zu und verriegelte sie fest. In derselben Nacht glühte der Himmel hell bei dem Feuer der Söldner. Kriegsschreie erfüllten die schwarze Nacht mit Verachtung. Raue Flöten und Trommeln spielten bis zum Sonnenaufgang. Bei der Dämmerung erklang ein schrecklicher Kriegsschrei und verängstigte Yisraels Kinder. Sich zusammenkauernd weinte die Familie an der Schulter des anderen. Als ihr Weinen intensiver wurde, verstummte der Kriegsschrei auf geheimnisvolle Weise. Lange Augenblicke später öffnete Yisrael die Tür. Der Mann, dem er gegenübertrat, war Esau. Er schaute über die Schulter seines Bruders und sah die Ränge von Esaus loyalen Soldaten. Ihr Kriegsbanner flatterte im Wind. Gut diszipliniert hatten die Soldaten ohne zu Zögern Yisraels großes Herrenhaus umzingelt. „Was für ein Leid ist gegen meinen Bruder ermächtigt worden?“ Esau drehte sich herum, um den Hauptmann der Truppen des Minos herauszufordern. „Esau“, schluckte er hart. Der Hauptmann hatte von der Kraft und Wagemut der Edomiter auf dem Schlachtfeld gehört. „Wir sind nicht hier, um gegen deinen Bruder Krieg zu führen, sondern ihn zu verscheuchen.“ „Wie könnt ihr einen König verscheuchen?“ „Was für ein König?“ „Mein Bruder.“ „Unter welcher Kundgebung?“ „Von Gott!“ „Esau, sei nicht lächerlich. Dein Bruder ist nicht mehr ein König wie du.“ „Aber ich bin ein König. Meine Kinder sind Könige. Der Minos hat diese Tatsache seit den Tagen Abrahams anerkannt.“ „Wenn ihr Könige seid, wo ist euer Königreich?“ „Unter deinen Füßen“, antwortete er. Der Krieger wandte seine Augen von Esau ab. „ Wenn ich weiterhin starre“, dachte er sich, „könnte ich einen Kampf provozieren.“ Er bot schließlich Selbstbeherrschung auf, um wieder zu sprechen: „Der Minos will, dass diese Straße fertig gemacht wird. Er verlangt, dass sie mit der westlichen Route verbunden wird. Außerdem hast du selbst den Vertrag unterzeichnet, der ihren Bau ermächtigt.“ Esau schaute auf den Bauarbeiter und auf seine Söhne. „Ja, es stimmt“, Esau durchdachte die Ereignisse in seinem Kopf. „Yitzhak und ich unterzeichneten den Vertrag. Yisrael weigerte sich – aber er wusste, dass dieser Tag kommen würde! Er wusste es die ganze Zeit!“ Angewidert brachte er seinen Bruder zu der entlegenen Mauer des schönen Hofs. Dort vor einem Hintergrund von Wasser, das aus einem exquisit einfachen Springbrunnen floss, fand Esau schöne und wohlduftende Blumen hängen, die die Blockwände säumten. „Was für ein unglaubliches Haus!“, seufzte er. „Ich entwarf es.“ Sie begannen zusammen hindurchzugehen. Esaus Augen wurden groß. „Was für ein Raum ist das?“ 49
„Ein Badezimmer. Die große Kupferschüssel ist die Badewanne. Die Rohre nehmen die Exkremente fort von dem Haus und tragen sie zum Fluss.“ „Wie bist du an einen solchen Entwurf gekommen?“ „Ich las darüber. Die Minoer erfanden die Bauweise. Ich habe sie verbessert.“ Esau schüttelte seinen Kopf vor Bewunderung, aber dann wandte er sich dem Herzen der Angelegenheit zu. „Du weißt, was man sagt, ist wahr. Unser Vater und ich unterzeichneten die Verträge des Schutzes der Ermächtigung für den Straßenbau, lange bevor du nach Haran zurückgekehrt warst. Wer hätte zu dieser Zeit wahrnehmen können, dass du ein Haus im Niemandsland bauen willst? Aber Yisrael, diese Straße ist für sie lebenswichtig. Eines Tages wird sie für dich ebenso lebenswichtig sein. Wir brauchen auch diese Straße.“ „Ich verstehe ihre Bedeutung. Doch ich kann ihnen dieses Land nicht verkaufen. Du verstehst warum, nicht wahr?“ „Ich verstehe. Es kann nicht verkauft werden. Aber so viel kann getan werden. Mittels Vertrag verpachte das Land an den Minos. Es wird an ihm liegen, frei darauf zu reisen, wie er und seine Karawanen und Soldaten es wünschen. Wiederum werden sie deine Siedlungen innerhalb der Grenzen erlauben.“ Überrascht über Esaus Gerissenheit lächelte er. „Es ist nie zuvor getan worden. Was ich verstehe, ist dies: die Minoer werden für die Erlaubnis bezahlen, die Straße über meinem Land zu errichten, doch ich werde immer das Land besitzen.“ „Ein Pächter!“ „Bemerkenswert! Lass es getan werden!“ „Ich werde mit ihm reden. Jedoch würde ich vorläufig nicht hier bleiben, so nahe dem Bau. Ich habe sozusagen zu viel Gewicht zugelegt. Es geschieht so, dass ich alle meine Zelte sparte. Ich stimme zu.“ Innerhalb des Monats schloss der Sendbote einen neuen Vertrag ab. Der Minos pachtete nun gesetzlich die Steigung des Landes für den Straßenbau. Das Siegel des Minos’ anerkannte auch rechtmäßig, dass die Eigentümerschaft des Landes bei Yisrael blieb. Indem er südwestlich ging, brachte er seine Familie zu den kanaanitischen Land in der Nähe der Stadt von Hamor, dem Hiviter.
Zu dieser Zeit war Yisrael hundertsechs Jahre alt. Reuben, sein Erstgeborener, war zweiundzwanzig Jahre alt. Simeon war einundzwanzig Jahre alt und Levi war zwanzig Jahre alt. Dinah, Yisraels einzige Tochter, war sechzehn Jahre alt. Joseph, sein Letztgeborener, war fünfzehn Jahre alt.
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Kapitel Vierunddreißig Dinah Hamor der Hiviter-König verbeugte sich vor Yisrael, der öffentlich die Bedeutung seiner Position anerkannte. Befriedigt deutete der HiviterKönig mit einem leichten Nicken des Kopfes. Zwei ärmlich gekleidete Diener legten einen Haufen Wollpolster in den matt erleuchteten Raum für Yisrael, um sich zu entspannen. Das matte Licht und der Gestank der Straßen drangen durch die Kammern der vermoderten Residenz. Der Anblick und der Zustand der Stadt, enttäuschte Yisraels Ehefrauen und Konkubinen. Baufällige Gebäude mit hervortretenden Mauern erstreckten sich die engen Stadtstraßen entlang. Lose Blöcke fielen oft von den oberen Stockwerken und bedrohten die reisenden Kaufleute. Statt auf den Dächern zu schlafen, zogen die Leute ihre geschlossenen Räume vor. Der König deutete Yisrael, nach vor zu treten. Nur die schlimmsten Kaufleute besuchten seine Stadt. Nur die Erfolglosen und Verzweifelten reisten außerhalb ihres Weges, um ihn zu besuchen. Aber der Mann, der vor ihm stand, beeindruckte ihn. „Dieser Fremde ist tatsächlich Esaus Bruder!“, dachte sich der verarmte König. „Aber seine dunkelbraunen Augen sind freundlich.“ Yisrael versuchte, einen Hinweis auf die Wesenszüge und Persönlichkeit es Königs wahrzunehmen. „Er ist kein Tyrann“, dachte Yisrael. „Mein Bruder sandte mit zu dem richtigen Ort. Doch wie kann ein Herrscher sanft bleiben, in Anbetracht der Bedingungen seiner Stadtstraßen?“ Yisrael sprach. „Hamor, ich bin Yisrael, Sohn von Yitzhak, Bruder von Esau.“ „Ich weiß, wer du bist. Ich hörte, dass du kamst, um mich zu besuchen.“ „Dann musst du wissen, dass ich eine große Fläche für meine Rinder brauche.“ „Deine Tiere sind die feinsten Exemplare, die ich je gesehen habe. Du musst ziemlich stolz auf sie sein.“ „Ich züchtete sie.“ „Du bist ein Tierhalter?“ Yisrael lächelte. „Bin ich.“ „Dann wirst du nette Weideflächen brauchen. Mein Sohn hat solches Land. Er hat es nie benutzt. Keiner von meinem Volk benutzt es. Wir sind keine Bauern oder Hirten.“ „Was ist eure Spezialität?“ „Wir sind Tonwarenhandwerker. Leider können wir nur handeln, wenn die Karawanen ihre Kamele in unsere Richtungen wenden. Es scheint, dass unsere Tonwaren nicht so sehr wie sie sollten geschätzt werden.“ „Zeige mir ein Beispiel.“ 51
Die Diener stöberten in dem finsteren Raum herum und holten schließlich mehrere miserable Tonkrüge und –schalen hervor. Yisrael prüfte sie und legte sie zurück in die Hände des Trägers. „Die Art und Weise ist alt und nicht begehrenswert. Die Töpferwaren aus Kreta sind gut verziert und majestätisch. Ihre Oberfläche ist glatt mit geometrischen Mustern und anmutigen Kurven. Verziert eure wie die ihrigen. Imitation ist ein Kompliment.“ „Du hast geurteilt und offen gesprochen. Dein Auge ist scharf und abgestimmt auf Einzelheiten. Dein Rat klingt gesund. Ich werde meinen Sohn bitten, dir das Land zu verkaufen.“ „Dann, um die zu helfen, deine neuen Töpferwaren zu erzeugen, werde ich dir hundert Quesitahs im Namen meines Großvaters hinterlegen.“ „Im Namen deines Großvaters?“ „Ja. Stelle die Urkunde in Abrahams Namen aus, denn es gehört ihm durch das Recht der ursprünglichen Patriarchie. „Da du mir zehnmal mehr bezahlst als das Land wert ist, werde ich glücklich sein, die Landurkunde auf den Namen von irgendjemandem einzutragen, den du mir sagst!“, platzte Hamor heraus. „Oh, vergaß ich zu erwähnen, die Hälfte des Töpfereiunternehmens gehört vertraglich auch mir.“ Hamor grinste. „Ja, du hast vergessen, diese Klausel zu erwähnen. Doch da deine Summe großzügig ist, akzeptiere ich deine halbe Eigentümerschaft.“
Eine Stunde vor dem Sonnenuntergang sammelten Yisrael und seine Kinder so viele Felsbrocken wie sie tragen konnten. Sie beeilten sich, einen neuen Altar für Jahwe zu finden. Yisrael, zufrieden mit der Arbeit, erhob seine Hände, als seine Kinder ihre Köpfe senkten. „Dies und alles andere muss El-elohe-yisrael: El, Gott von Yisrael, geweiht werden. Als die Erde ihr Gesicht zur dunkeln Seite des Universums wandte, saß Sechem, der Sohn von König Hamor, auf der Veranda. Er hatte die Altarbauer beobachtet. Inmitten ihrer Gebete fielen seine Augen auf Leahs Tochter, Dinah. Shechem konzentrierte sich auf Dinahs Gesicht und Figur. Er schaute genauer. Das war alles, was es brauchte. „Ich muss sie kennen lernen“, verkündete er seinem Vater. „Wen?“ „Das Mädchen in Yisraels Lager.“ „Wenn du sie kennen lernen musst, lerne sie kennen.“ „Wirst du es organisieren?“ „Sehe ich wie ein Ehevermittler für dich aus? Lerne sie kennen. Sie ist nur eine Frau.“ „Aber was für eine schöne Frau sie ist!“, seufzte er.
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Hamor ging auch zu dem Rand der Veranda für einen eigenen Blick, aber es war dunkel geworden. „Sie ist ein Schatten“, kicherte Hamor und schlug ihm auf den Rücken.
Dinah wanderte auf den verwahrlosten Stadtstraßen. In der zweiten Reihe, wo Unkraut durch die Dächer des Häuser wuchs, begegnete sie einer Gruppe von müßigen Mädchen am Wegesrand, die sie jeden Augenblick beobachteten. „Habt ihr sonst nichts zu tun als mich anzustarren?“ „Nein, sonst nichts“, antwortete das führende Mädchen. „Was macht ihr, wenn ich nicht hier bin?“ „Wir spielen.“ „Ja, wir spielen Fangen und Beobachten und Erläutern. Wir haben Spaß dabei.“ „Ich darf nicht sehr viel spielen. Ich bin das einzige Mädchen von elf Brüdern. Meine Mutter redet nicht sehr viel und ich denke nicht, dass sie überhaupt etwas Beachtung schenkt.“ Die anderen Mädchen lachten. „Du kannst mit uns spielen.“ Dinah nickte. „Was sollen alle diese Dinge um deinen Hals herum“, fragte sie, als sie die merkwürdigen Figuren bemerkte. „Es sind unsere Schutzgötter. Wir machen Hunderte davon in unseren Öfen und Werkstätten. Wenn du magst, kannst du ein paar haben.“ Das Mädchen legte mehrere um ihren Hals. Wieder nickte Yisraels Tochter. Über die nächsten mehrere Monate ging Dinah täglich aus, um bei den Mädchen zu sein. Indem sie ihr traditionelles Kleid und die Traditionen ablegte, nahm sie das Kleid und Make-up ihrer neuen Freundinnen an. Ihr glattes haar wurde fest geflochten. Ihre neue beste Freundin durchbohrte ihr Ohrläppchen und stieß eine goldene heilige Nadel des Schutzgottes der Stadt hinein. Yisrael sah den Ohrring und nahm sie beiseite. „Du wirst immer mehr wie die Mädchen der Stadt.“ „Sie sind meine besten Freundinnen.“ „Vielleicht solltest du öfter in dem Lager bleiben.“ „Bei Mutter und Rachel? Sicher nicht!“, jammerte sie. „Es gibt babylonische Mädchen in unserem Lager in deinem Alter, um mit ihnen zu spielen.“ „Ich habe es satt, mit ihnen zu spielen. Sie sind langweilig.“ „Das mag sein. Warum bleibst du für die nächsten paar Tage nicht im Lager bei deiner Mutter?“ „Ich will nicht“, schmollte sie. „Tue es trotzdem“, beharrte er. „Falsche Gesellschaft kann zu falschen Folgen führen.“
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Shechem verbrachte seine Vormittage und Nachmittage damit, aus dem Fenster zu starren und zu hoffen, Dinah wieder zu erblicken. Endlose Stunden gingen vorbei. Sein Herz wurde vor Sehnsucht nach ihr gequält. Eines Tages geschah es, dass er über den Wunsch hinaus begehrte, mit ihr zu reden, also verließ er die zerbröckelnde Armut seiner Burg. Er verließ die Stadt. Er ging zu den Ebenen, wo ihr Vater lagerte. Er ging von Zelt zu Zelt und gab vor, sich den Israeliten und ihren wenigen Dienern vorzustellen. „Was für ein interessanter junger Mann“, strahlte Rachel Leah an. „Seine Manieren sind beispielhaft.“ „Ja, er hat viel bessere Manieren als unsere Kinder.“ „Deine Kinder, meinst du. Joseph ist ein Schatz.“ „Joseph ist ruhig.“ „Wie du es warst, als du in seinem Alter warst.“ „Er ist klüger als ich.“ Rachel ignorierte die zurückhaltende Aussage. Sie umarmte sie sanft um die Taille. „Yisrael hat dir viel beigebracht. Ich bin glücklich, dass du hier bei mir bist.“ „Ich habe bemerkt, dass du meine Kinder nicht so viel schlägst, seit du dein eigenes Kind hast.“ Leah lächelte auch. „Ich hätte nicht aufhören sollen, sie zu schlagen. Zumindest, seit Deborah bei uns ist, scheinen sie ein bisschen erwachsen geworden zu sein.“ Bei dem Zelt, das am weitesten von der Stadt war, am Rand des Rinderfeldes, fand Shechem schließlich Dinah. Aber er weigerte sich, sie anzusehen. Und sie wiederum weigerte sich, ihn anzusehen. Stattdessen suchte er nach flachen Steinen. Als er die richtige Art fand, klatschte er sie über das Wasser des Teichs. Er warf mehrere. Die Steine schufen perfekte konzentrische Kreise und sanfte Miniaturwellen. „Junge“, rief sie aus, „versuchst du, meine Aufmerksamkeit zu kriegen?“ „Warum würde ich das tun?“ „Du führst dich so auf.“ „Wie?“ „Die Art, wie du von Zelt zu Zelt gehst, wanderst, wo es dich wirklich überhaupt nichts angeht, dann plötzlich, wenn du hier auftauchst, wirfst du Steine!“ „Ich werfe gerne Steine.“ „Aber vor meinem Zelt?“ „Zufall.“ „Vielleicht solltest du vor dem Zelt von jemand anderem Steine werfen.“ Sie ahmte das Spiel nach, das sie die Stadtmädchen mit ihren Freunden spielen sah. „Mir gefällt der Teich hier am besten. Meine Steine hüpfen hier am besten.“ „Du bist nie zuvor hier gewesen.“ 54
„Warum sagst du das?“ „Deine Haut hat nie das Sonnenlicht gesehen. Sage mir, bist du ein gesellschaftlich Ausgestoßener?“ Shechem platzte vor Lachen heraus. „Schlimmer als das! Ich bin der Sohn des Königs. Und du hast Recht. Ich darf nie irgendwohin gehen. Ich werde auf das kleine Zimmer den ganzen Tag und die ganze Nacht beschränkt.“ „Das ist deine eigene Schuld, wenn du dich nicht mehr behauptest.“ „Oh, es ist nicht so schrecklich. Ich habe Angst gehabt, nach draußen zu kommen. Da sind Schmutz und Pollen und Insekten und Tiermist. Ich mag das Freie nicht.“ Er lächelte sie hübsch an. „Also, wie isst du?“ Sie erwiderte sein schönes Lächeln. „Was hat Essen mit dem Freien zu tun?“ „Jagst du nicht für deine Mahlzeiten?“ „Niemals!“ „Niemals?“ „Niemals!“ Dinah lachte. „Ist es darum, dass du keinen Dolch an deinem Gürtel trägst?“ „Ich brauche kein Messer, um mich zu beschützen. Ich trage das die ganze Zeit bei mir.“ Er zog ein kleines Amulett zurück. „Ich trage auch eines.“ Sie zeigte ihre kleine Schnitzerei. „Ich habe über hundert verschiedene Götter in meinem Zimmer“, prahlte Shechem. „Ich habe auch viele. Ich sammle sie von überall.“ „Ich hörte, deine neuen Freundinnen helfen dir, sie zu sammeln.“ „Oh“, lächelte sie, „du redest über mich, nicht wahr?“ „Ich rede“, gab er ruhig zu. „Also, zu welchen Göttern betest du?“ „Zu Vaters.“ „Wie viele hat er?“ „Einen.“ „Oh, wie langweilig!“ „Ist es jedoch nicht. Meine Tante Rachel hat die hübschesten Götter, die ich je gesehen habe, in ihren Decken versteckt.“ „Oh, es müssen Sexgötter sein. Fruchtbarkeit und Fortpflanzung.“ Dinahs Gesicht wurde rot. „Komm schon, sei nicht so. Geschlechtsverkehr ist eine wundervolle Sache zu genießen.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Ich weiß es nicht.“ „Wie alt bist du?“ „Sechzehn.“ „Nanu, du bist eine alte Jungfer.“ „Die Mädchen in der Stadt sagen das Gleiche.“ „Das ist, weil es stimmt. Die Mädchen von meinem Dorf haben Geschlechtsverkehr, wenn sie zehn oder elf Jahre alt sind. Sie haben Babys, bis sie zwölf sind.“
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„Ich weiß. Ich habe viele von ihnen kennen gelernt. Ich habe mit ihren Babys so viel gespielt wie mit ihren Müttern.“ „So sollte es sein. Habe deine Kinder jung, so wirst du nie zu alt sein, um sie zu genießen. Je älter du bist, wenn du Kinder hast, umso intoleranter wirst du als Elternteil.“ „Vater war alt, als er Geschlechtsverkehr hatte. Neulich scheint er über alles intolerant zu sein.“ „Siehst du, sagte ich das nicht gerade? Also, Dinah, du solltest nicht länger warten.“ Inspiriert, gezwungen ging Shechem neben ihr. Sein Körper erwärmte sich. Seine Sinne wallten vor Begierde. Er streifte an ihr. Sein harter Penis pochte in seiner Seite. „Tu das nicht!“, erhob sie ihre Stimme. Ihr Spiel war weiter gegangen als sie beabsichtigte. Sie schritt fort von ihm. Er drehte sich um, um nach den anderen Zelten zu schauen. Niemand hörte sie. Niemand rannte zu ihnen. Er ergriff sie und schleppte sie zu der anderen Seite des Zeltes. Sie kämpfte, um von ihm loszukommen. Sie sah ihn seine Tunika hochheben, das Tuch zwischen seinen Beinen abnehmen, wobei er seinen festen, großen Penis freilegte. Sie bedeckte ihre Augen. Sie keuchte, als er auf sie fiel. Sie versuchte ihn wegzustoßen. Sie schlug auf seinen Rücken und auf seine Seiten mit ihren Händen. Er ignorierte sie. Er hatte sie mit seinem Gewicht in der Falle. Sie fand sein Ding versuchen, ihre Öffnung zu finden. Sie schob sich weg. Er versuchte es wieder. Sie ruckte weiter und machte es für ihn schwierig einzudringen. Ihr kniff in ihren Schenkel. Sie schrie auf. Es spielte keine Rolle. Indem er mit seinen Fingern fühlte, schaffte er es endlich, ihre Vagina zu öffnen. Das ließ sie vor Furcht gefrieren. Indem er von ihrer Lähmung profitierte, drang er in sie ein. Besiegt ließ sie ihre Arme neben ihren Schenkeln fallen. Aus Angst, dass sie wieder zu schreien beginnen würde, band er seinen Gürtel über ihren Mund. Bald war es vorüber. Zärtlich hielt er ihren schlaffen Körper. Wie bei einer leblosen Person blieben ihre Arme bewegungslos an ihrer Seite. Er streichelte ihr Haar aus ihren Augen und versuchte, seine Handlungen zu entschuldigen. „Was getan wurde, wurde getan, weil es der Brauch meines Landes ist. Willkommen in unserem Land!“ Sie würgte heraus: „Du hast mich vergewaltigt!“ „Nein. Du hast missverstanden! Wie kann der Sohn des Königs seine Untertanen vergewaltigen?“ Traurig durch die Zurückweisung seines Geschlechtsverkehrs stieg er von ihr herab. Ein langer Faden seines Samens fiel auf ihren Schenkel. Ihre wütenden Augen erschreckten ihn. Sanft, indem er noch immer versuchte, sie zu besänftigen, fügte er hinzu: „Ich verband mich mit dir, weil ich dich liebe.“ „Du liebst mich?“ „Total.“ „Du hast mein Leben zerstört!“
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„Wie das? Ich bin der Sohn des Königs. Ich habe dein Leben bereichert.“ Er glaubte aufrichtig seine eigenen Worte. „Ich werde eine Ausgestoßene von dem Heim meines Vaters wegen dem, was du mir angetan hast, sein.“ „Eine Ausgestoßene aus de Haus deines Vaters ist keine so schlechte Sache. Jetzt wirst du ein willkommener Zusatz in meinem Haushalt sein.“ „Ich will nicht deine Lustobjekt sein.“ „Du sollst meine Frau sein.“ „Was für eine Art von Antrag ist das?“ „In unserer Stadt müssen wir unsere Frauen kennen, bevor wir uns mit ihnen verbinden. Ich vergewaltigte dich nicht. Ich entdeckte dich.“
Auf den nahe liegenden Rinderfeldern führte Simeon seine anderen Brüder weiter in die reichen Weidegebiete. „Ich kann nicht glauben, dass diese Leute diesem Land erlauben, einfach brachzuliegen. Haben die keinen Verstand?“, bemerkte Levi. „Was für ein Heide hat einen Verstand?, antwortete Simeon. „Alle Heiden der Welt sind an stinkenden Penissen erkrankt! Sie haben keine Wertschätzung für die reinigenden Künste des Wassers.“ Gad, nahe genug, um zu hören, lachte schrill und brachte die anderen so laut zum Lachen wie er es tat. Joseph, der zwischen Yehuda und Reuben ging, bemerkte: „Die Zeit, sich zu vermischen, steht uns bevor. Respektiert sie für das, was sie sind.“ Reuben fegte mit seinen Knöcheln über Josephs Kopf, wobei er seine Kopfhaut rieb. „Hör auf, Simeon wütend zu machen. Lerne zuzuhören, ohne Bemerkungen zu machen.“ „Alles, was er je wünscht, ist eine schnelle, brutale Antwort auf alle Dinge. Aber man kann nicht immer diese Art von Antwort geben.“ „Was erwartest du?“, sprach Yehuda. „Ist nicht Esau unser Onkel und kommen wir nicht aus demselben Stammbaum?“ „Wechsle den Stammbaum und du milderst die Charakterzüge“, erörterte Joseph. Yehuda hörte auf, neben Joseph zu gehen. Er starrte seinen jüngeren Bruder an und dachte: „Wie kommt es, dass er so anders von dem Rest von uns ist?“ „Hole auf“, schrie Simeon und brachte Yehuda dazu, seinen Schritt zu beschleunigen. Bald schloss er sich wieder Reuben an. Levi ging zur Mitte der entfernten Rinderherde und beschloss, einen Schritt hinter Simeon zu bleiben. Zebulun, Issachar und Naphtali blieben auf der anderen Seite der Herde, wo die sanften Weisen dieser drei Brüder halfen, die nervösen Rinder zu beruhigen. Gad, Dan und Ascher gingen hinter allen anderen und lachten insgeheim über ihre eigenen Scherze.
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In dem nasskalten und moderigen Raum des Königs hörte Hamor seinem Sohn genau zu der Zeit zu, zu der Yisrael seiner Tochter zuhörte. „Du gesellschaftlich zurückgebliebener Idiot!“, schrie Hamor seinen Sohn an. „Du denkst, indem du seine Tochter vergewaltigst, du sie zwingst, dich zu heiraten?“ „Du vergewaltigtest Mutter, wann immer du Geschlechtsverkehr wolltest!“ „Ich übte mein Haushaltsrecht aus!“ „Ich bin Dinahs Ehemann!“ „Nicht, bis die Zeremonie rechtmäßig durchgeführt worden ist! Nach ihr zu gieren macht dich nicht automatisch zu ihrem Ehemann!“ „Dann hole sie mir zur Frau!“ Hamor schlug die Tür zu und ging, wobei er zu sich selbst murmelte, als er zu Yisraels Zelt sauste. Leah, die das bekümmerte Gesicht ihres Ehemanns bemerkte, näherte sich ihm. „Mann, was ist los?“ Er schrie auf: „Dinah ist von Shechem vergewaltigt worden!“ Ihre Ruhe wurde zu Kummer. „Oh, wie, wie, wie!“ „Ihre Brüder ließen sie alleine, als sie die Herden hüteten. Niemand war bei ihr, um sie zu beschützen.“ Rachel rannte zu Leah, als sie von ihren Ausbrüchen hörte. Leah konnte kaum sprechen. Rachel, die sich hilflos fühlte, berührte ein kleines geschnitztes Bildnis des Gottes ihres Vaters, das um ihren Hals baumelte. Sie drängte Leah, es auch zu berühren. Leah sah es als eine Scheußlichkeit und schüttelte ihren Kopf. Yisrael bemerkte in dem Augenblick zum ersten Mal, dass der Götze um Rachels Hals Laban gehörte. Er presse seine Lippen zusammen und sein Körper zitterte. Ein Diener, der die Aufregung bezeugte, bestieg seinen Esel und raste, um es Yisraels Söhnen zu erzählen.
„Was für eine Gräueltat das ist!“, schrie Simeon. Dinah schluchzte unbeherrscht an Leahs Busen. „Er sagt, dass er mich heiraten will“, kämpfte sie die Worte zwischen ihrer Qual heraus. „Es ist der Brauch seines Volkes, eine Frau zu haben, bevor man sie tatsächlich zur Frau nimmt.“ Liebling, Kind, ich verstehe einen solchen Brauch nicht“, sprach Leah leise. „Lass deinen Vater sich darum kümmern.“ „Da gibt es nichts zu kümmern. Shechem sagte, dass wir schon verheiratet sind.“ „Aber niemand hielt dein Vollzugstuch, dass es jeder sieht“, versuchte Leah es sich selbst darzulegen. „Mutter! Du redest Unsinn. Es ist in Ordnung, Geschlechtsverkehr vor der Heirat zu haben. Ich tat es, also, das ist es.“ 58
Hamor trat ein und begegnete den plötzlichen stummen Blicken der Familie. Simeon griff nach seinem Dolch. Reuen hielt ihn auf. „Lass Vater sich darum kümmern.“ „Ein Mann vergewaltigt ein Mädchen nicht, bevor er es heiratet!“ „Ich hörte, dass es ihr Brauch ist.“ Levi flüsterte: „Es ist ein verdammenswerter Brauch!“ Als er Dinah anschaute, fragte er sie so leise wie möglich: „Hast du geschrien?“ „Er war auf mir. Seine Hände waren über meinem Mund.“ Du hast also nicht geschrien?“ „Ja, ich habe geschrien.“ „Das ist es. Sie wurde vergewaltigt“, richtete Levi. „Geschrien?“ fragte Ascher. „Ich verstehe nicht.“ Levi antwortete kalt, fast entrückt. „Wenn eine Frau schreit, ist es eine Gewalttat. Wenn sie still bleibt, ist es Einwilligung.“ Joseph nickte. „Schweigen oder Schreie, Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung ist unverzeihlich. Es vermindert den Wert einer Frau.“ „Bitte!“ Yisrael hob seine Hände. „Jeder schweigt! Lasst mich hören, was Hamor spricht!“ „Mein Sohn begehrt wahnsinnig deine Tochter“, fuhr Hamor fort. „Er liebt sie über alle Maßen. Lass sie heiraten.“ „Nein, Vater“, platzte Levi heraus. „Ein gemeiner Mann sollte nicht unsere Schwester heiraten!“ „Sagte ich nicht, schweigt?“, tadelte ihn Yisrael. „Ja, Vater.“ „Nun denn?“ Er nickte und schrick zurück in die Menge seiner Brüder. „Yisrael“, flehte Hamor. „Du hast elf Söhne. Alle sind im Heiratsalter. Warum vereinigen wir unsere Familien nicht miteinander. Kaufe alles, was du begehrst zu dem Preis, der dir richtig scheint.“ Shechem, der dachte, dass die Feindseligkeiten gegen seine Handlung unbedeutend waren, betrat das große Versammlungszelt. Als sie ihn sahen, begann das Geschreie wieder. „Bitte, tut mir diesen großen Gefallen!“ flehte er. „Sagt mir, was zu zahlen ist! Ich werde es tun!“ „Dein Leben“, flüsterte Simeon Levi hinter Reubens Rücken zu, damit niemand ihn hörte. „Bitte, erlaubt mir, Dinah zu heiraten! Ich bin nicht so unehrenhaft, dass ich abscheulich und verräterisch bin. Was geschah, widerfuhr mir aus Liebe. Vergebt mir. Erlaubt uns zu heiraten.“ In diesem stickigen Zelt lief Schweiß über Yisraels Gesicht. Der meiste Schweiß bildete sich zwischen seinen Fingern. Er hob wieder seine Hände und brachte die verwirrenden Schreie zum Verstummen. Er schritt den Boden zwischen seinen Söhnen und dem Sohn des Königs auf und ab. „Ich verstehe, dass euer Brauch vorehelichen Geschlechtsverkehr erlaubt, aber ich muss zugeben, eine solche Sache setzt uns herab. Nun, nachdem du meine Tochter entehrt hast, sagst du, du willst sie heiraten. Doch ich sage: Was, wenn nach ihrer Entehrung du beschlossen hättest, dass sie der Ehe unwürdig sei?“ Er warf seine Hände in die Luft. „Aber 59
das ist nur ein Teil meines Problems. Ihr Männer seid Heiden und nationalistisch inbrünstig gegenüber falschen Göttern. Wir können nie in ein Volk heiraten, das außerhalb unseres Glaubens ist.“ „Wie kannst du das sagen, Yisrael?“, unterbrach Deborah das Kindermädchen. „Esau heiratete Ismaeliterinnen und Horiterinnen! Und dein Großvater Yitzhak entließ dich aus dem Schwur der reinen Ehe. Es war ein voreingenommener Akt, der durch das Gesetz richtig gemacht wurde. Er sah seine schlechten Auswirkungen.“ „Solches ist wahr“, antwortete Yisrael Deborah. „Aber erlaubt diese anderen Gesetzen aufpoliert zu werden? Keuschheit muss unangetastet bleiben!“ Bei dieser ausweglosen Situation meldete sich Joseph zu Wort. „Unsere Gesetze mögen bei Gelegenheit einer Korrektur unterworfen werden, außer dieses eine Gesetz: Keine unbeschnittenen männlichen Personen dürfen zur Ehe unserer Familie gegeben werden. Um sich mit uns zu verbinden, müssen sie zuerst freiwillig erlauben, dass die Vorhaut ihres Penis durch eine ermächtigte Person, die Jahwe dient, beschnitten wird. Sich mit unserer Familie zu verbinden, würde bedeuten, dass ihre genetische Zusammensetzung in unsere Linie eintreten wird. Ihre Nachkommen, weil sie auch ein Teil von uns sind, würden unsere Nachkommen werden. Zwei bestimmte Rasen werden sich zu einer vermischen. Von dieser einen wird vielen anderen Rassen erlaubt werden, sich mit uns zu verbinden, indem sie unsere Linie eingliedern.“ „Doch“, bezeugte nun Levi, „ein immer währender Vertrag ist zwischen uns und Gott verkündet worden! Und um sich mit unserer Schwester zu verbinden, muss Shechem unseren Gesetzen gehorsam werden.“ „Was für Gesetze?“, fragte Shechem. „Die Vorhaut deines Penis muss beschnitten werden“, wiederholte Levi Josephs Worte. „Mehr, weil du zuerst die Schändung der Tugend unserer Schwester verursachtest, muss jede männliche Person in deiner Stadt auch beschnitten werden.“ Yisrael übernahm die Unterhaltung. „Mein jüngster Sohn hat Recht. Dieses Gesetz kann nicht bloßgestellt werden. Seine Voraussetzung ist wesentlich für unseren Vertrat. Beschneidet alle Männer und wir werden uns mit euren Töchtern verheiraten und eure Söhne werden sich mit unseren Töchtern verheiraten.“ Yisrael fuhr fort: „Wenn ihr dem, was wir gesprochen haben, keine Aufmerksamkeit schenkt, werden wir euer Land und eure Stadt verlassen. Was geschehen ist, ist geschehen. Dinah wird bei uns bleiben. Weiters, unter keinen Umständen ist Shechem erlaubt, uns zu folgen.“ Shechem erwiderte ohne zu zögern. „Ich werde beschnitten. Yisrael ben Yitzhak, du selbst musst meine Vorhaut beschneiden. Niemand hier weiß, was zu tun ist, daher musst du es logischerweise sein.“ Yisrael anerkannte die Wahrheit davon. „Ich werde es tun. Jedoch merke dir dies, nicht eine männliche Person darf diese Zeremonie verweigern. Falls einer versagt, werdet ihr alle versagen.“
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Hamor und Shechem betraten ihren Stadtplatz. „Männer“, schrie Hamor zu den wenigen Zuhörern, „lauft und sammelt alle aus der Stadt zusammen. Ich habe große Neuigkeiten mit euch zu teilen!“ Die Männer rannten zu jeder Tür und schrien: „Schnell! Schnell! Der König hatte große Neuigkeiten uns zu verkünden!“ Die Stadt eilte zum Platz. Indem sie die Stellen mieden, wo Steine lose aus den Brustwehren gefallen waren, drängten sie sich nahe zum König. „Durch Umstände und Glück kam es durch Zufall zu einem unglaublichen Vorschlag!“ „Was ist es, König Hamor!“ „Die Hebräer, die außerhalb unserer Mauern sind, sind sie nicht ein wohlhabendes und mächtiges Volk?“ „Das ist so.“ „Durch Umstände geschieht es, dass sie auch unsere Freunde sind! Erlaubt ihnen, sich niederzulassen und unsere Ebenen zu benutzen. Sicher benutzen wir selbst nicht das Land. Es liegt ungenutzt und ist voller Unkraut und Wildblumen. Keiner von uns bebaut es, also, was hat es für einen Sinn für uns? Und niemand von uns ist je die Länge und Breite abgegangen, wer kann daher sagen, dass für sie hier kein Platz ist?“ „Wir stimmen dir zu, König Hamor.“ „Was mehr ist, sie sind bereit, sich mit uns zu verheiraten. Unsere Eigenschaften müssen ihren ähnlich sein, für so ein Volk, sich einem solchen Vertrag zu unterwerfen! Seid stolz auf eine solche Einladung!“ „Wir sind stolz auf die Einladung, König Hamor.“ „Diese eine Sache jedoch müssen wir ausführen, damit wir ihnen unsere Aufrichtigkeit zeigen.“ Die Menge lehnte sich näher. „Wir müssen die Vorhaut unserer Penisse abschneiden.“ Die Menge wurde still. Ein paar räusperten sich nervös. Schließlich sagte ein Mann. „Wer hat je so etwas an sich selbst getan?“ „Sie haben es. Sie alle.“ „Wir werden verbluten!“ „Sie haben Balsamöl bei sich. Yisrael ist ein erfahrener Doktor! Er weiß, wie man alles tut.“ „Es ist barbarisch!“ „Ist ihr Wohlstand barbarisch? Ist es nicht wahrer, dass unsere baufällige Stadt unsere eigene Bürger als barbarisch und faul und untauglich, sich zu ändern, widerspiegelt? Schaut auf diesen Weg: wenn sie barbarisch sind, steckt mich mit ihrer Barbarei an! Ich würde lieber beschnitten und wohlhabend sein als einen ganzen Penis zu haben und in Armut wühlen, wie wir es jetzt tun. Sie haben Rinder und Schafe und Ziegen und Wolle und Säcke mit Silber! Was sie auch haben, wird unser während der Zeit des Anteils. Beleidigen wir sie nicht und verlieren wir nicht ihre Fähigkeiten!“ „Wird ihr Führer die Operation ausführen?“ „Er hat zugestimmt.“
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Der Wortführer hob seine Tunika und schaute auf seinen Penis. Er streckte seine Vorhaut aus. „Es ist wahr. Sie könnte entfernt werden, ohne dass es uns wehtut. Tun wir es!“ Israel stimmte zu und verbrachte den Tag mit den Männern der Stadt. Sie spreizten ihre nackten Beine auseinander für sein Zeremonienmesser. Vor ihnen sagte er ein kleines Gebet auf. Er beruhigte die sich fürchtenden Männer mit seinem freundlichen Lächeln. Einige schrien und schlossen ihre Augen, als das Messer flink ihre Vorhaut entfernte. Andere beobachteten Yisrael, wie er ihre Vorhaut vorzog. Als das Fleisch beschnitten wurde, strömte das Blut heraus und spritzte zwischen ihren Schenkeln. Die zuschauenden Frauen schrien für ihre Ehemänner und Kinder. Einige schrien aus Furcht. Andere weinten vor Freude. Alle Männer unterwarfen sich dem Messer. Jeder Mann tupfte und wickelte ein balsamdurchtränktes Tuch über den zarten, nackten Schaft, wobei der den pochenden Schmerz ertrug.
Am dritten Tag setzte der Schmerz die männliche Bevölkerung völlig außer Gefecht. Nicht ein Mann konnte sich von seiner Position bewegen. Nicht ein Mann konnte gehen. Nicht ein Mann konnte sich selbst füttern. Satan, de Simeons Wut schürte, hatte auf diesen Tag gewartet. Er flüsterte Simeon unaufhörlich zu. Simeons Hass nahm Satan an. „Das wird Jahwes Samen ein Ende setzen“, lachte Satan. „Was Jakobs Kinder heute begehen, wird in ihrem eigenen Tod resultieren.“ Zusammen mit Levi ging Simeon in die Stadt, als die Sonnenstrahlen die Grundlage der Stadtmauern berührte. Die beiden Männer trugen ihre Schwerter in ihren Händen. Vom Eingangstor bis zur hinteren Tür metzelten die beiden Brüder die Männer der Stadt nieder. Männer, die neben Männern saßen, schauten hilflos zu, als ihre Freunde und Cousins und Brüder und Söhne erschlagen wurden. Unfähig zu entkommen, versuchten einige zu schreien, in der Hoffnung jemand würde ihnen zur Hilfe kommen. Die anderen, die es hörten, konnten nur sitzen und auf ihr eigenes Blutbad warten. Simeon und Levi gingen über die Leichen der Männer und tauchten ihre Schwerter in die Bäuche und durch die Kehlen der neulich beschnittenen Männer. Was die Frauen betrifft, zwangen Yisraels Söhne sie, dem Blutbad zuzuschauen. Mehrere Stunden vergingen. Noch immer erhob sich niemand, um sich dem methodischen Töten zu widersetzen. Als Simeon und Levi Hamors Haus betraten, entdeckten sie Dinah, die Shechems Körper mit ihrem eigenen Körper abschirmte. Simeon griff nach ihrem Arm und zog sie auf ihre Füße und bedeckte ihre Augen, während Levi sein Schwert durch den Brustkorb ihres Schwiegervaters, dann durch den ihres Ehemanns sausen ließ.
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„Ihr verdammenswerte Mörder! Alles war geregelt! Das war Sünde über die Sünde hinaus! Grauen, schrecklicher als Rache! Möge euch nie vergeben werden für das, was ihr diesen Männern angetan habt.“ Yehuda, der einen tiefen, beinahe nicht zu weckenden Schlaf abschüttelte, hörte die gedämpften Schreie seiner Schwester. Er rannte, um nachzuschauen und gefror bei dem Anblick des herzlosen Gemetzels von Unschuldigen. Gefolterte Männer lagen an einem Abgrund der Vernichtung. Ihre Kadaver überfüllten die Straßen. Überall klaffende Wunden der Vernichteten, die auf ihn zurückstarrten! Amputierte Arme und verstümmelte Leichen fielen scheußlich gegen die Mauern und befleckten die gebrannten, rissigen Verputzmauern rot. Berge von Köpfen rollten in eine Ecke. Es war unmöglich, einen Mann zu identifizieren. Reuben folgte seinem jüngeren Bruder. Er ignorierte das zerstörte Leben. Als er den Schmuck durch das Blut der Toten glitzern sah, griff er nach den zum Schweigen gebrachten Männern und stahl die Schmückstücke und Goldketten von den Leichen. Hinter Reuben folgten weitere sieben Brüder seinem Beispiel, indem sie stahlen, was sie für sich begehrten. Als sie fertig waren, setzten die zehn Brüder die Stadt in Brand und zwangen die Überlebenden hinaus. Yehuda weigerte sich, an dem Diebstahl teilzunehmen. Stattdessen ging er zu Dinah und trug sie von dem verrückten Wahnsinn, den seine Brüder begingen, davon. Zu dieser Zeit war Benjamin Rachel nicht geboren. Yisrael fing das Aroma des Feuers auf. Er verließ sein Zelt. Als er die dicke, graue Rauchwolke sah, sprang er auf den Rücken seines Pferdes und raste zu den Stadtmauern zurück. Sein Pferd bäumte sich auf und sein Mund öffnete sich, als Yisrael an seinen Zügeln zog. In erschrockenem Unglauben fand Yisrael zehn seiner Kinder mit dem Blut der abgeschlachteten Unschuldigen bedeckt. Vor seinen Söhnen lag ein großer Haufen an Gold und Juwelen. Hinter ihnen waren die entsetzten Frauen und Kinder der Stadt Hamors. Ihr trauervolles Schluchzen erfüllte die Luft. Yisrael ging direkt zu Simeon und schlug ihn grob. Er fiel zu Boden, seine Lippe riss auf. „Meine Schwester ist keine gemeine Hure!“ schrie er zu seinem Vater hoch. Yisrael antwortete: „Alle meine Nachbarn werden mich für das, was ihr getan habt, hassen. Sie werden uns jagen. Sie werden uns vernichten!“ „Wer kann gegen uns kämpfen!“, schrie Simeon zurück. „Die Perizziter zum einen! Die Kanaaniter zum anderen! Die Horiter können es einfach aus Spaß! Und die Amoriter – habt ihr vergessen? – Sie waren es, die Abraham die Kriegskunst beibrachten? Jeder kann uns vernichten!“ Yehuda ließ seine Schwester von seinen Armen. Er sah die Wahrheit von dem, was sein Vater zu ihnen sagte. Yehuda wandte sich gegen
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Simeon und sagte: „Wir müssen alle unsere Geiseln freilassen. Gebt ihnen die Beute. Wir werden sie in Ruhe lassen.“ Simeon schaute die Frauen und Kinder an. Er erwiderte: „Sie sind die einzigen Dinge, die zwischen uns und den anderen Stämmen stehen. Sie sind unsere Schutzhecke.“ „Wäret ihr nicht so verdammt rachsüchtig, wären wir jetzt nicht in dieser Lage“, unterstützte Yisrael Yehudas Entscheidung. Die anderen neun Söhne, die die Folgen abwogen und auf ihren Vater vertrauten, gaben das Gold und die Herden der Stadt zurück an die Überlebenden. Die Söhne gingen von der Gewalttat davon, die sie auf die Stadt von Shechem verübt hatten, aber Yisrael schaute ein letztes Mal zurück und schüttelte den Kopf. „Shechem. Armer Shechem. Er war der ehrenwerteste Mann aus Hamors Haus. Möge man sich an diesem reuelosen Hass meiner Söhne immer durch uns erinnern. Eine Zeit wird in unserer Geschichte kommen, wenn eine solche Gewalttat uns heimsuchen wird.“ „Dann ist es richtig, dass wir diesen Tag vergessen sollten“, sprach Ascher. „Damit ihr heute nicht vergessen werdet, werden wir diesen Ort für immer nach dem Namen des Jungen nennen, den ihr so energisch und unbarmherzig ermordetet.“ „Shechem“, sprach Joseph aus. Yisrael zog sich in sein Zelt zurück und verbat jedem einzutreten. „Jahwe“, betete er, „meine Kinder haben ein großes Übel verübt. Ihre Gewalttat war abscheulich, unbarmherzig! Die Stämme werden sich gegen uns verbünden. Wir werden ausgerottet!“ Er blickte in die Einsamkeit seiner Umgebung und fragte: „Hast du das vorhergesehen? Warum wurde ich nicht vorbereitet?“ Er saß auf dem Boden. Er durchforschte seine Erinnerung. Seine Gedanken wandten sich an die Geburt seines Vaters und zur Prophezeiung der vierhundert Jahre Drangsal. „So glaube ich zu verstehen. Dieses Land gehört noch nicht uns. Ich habe es frühzeitig für unseren Besitz gekauft. Ich hätte weder meine Ställe noch mein Herrenhaus bauen lassen sollen. Ich muss ein Fremder und ohne Land sein, so wie das drei Generationen nach mir müssen.“ Jahwe antwortete: „Steh auf. Gehe nach Beth-El. Bleibe eine Weile in diesem Land. Dort musst du für mich einen Altar errichten.“ „Einen neuen Altar? Bist du ein anderes Wesen als das eine, von dem ich einst hörte?“ „Ich bin derselbe Gott, zu dem du riefst, als du vor Esau flohst. Aber diese Tat, die deine Söhne gegen Hamor und Shechem begingen, verlangt eine neue Vergebung. Ich bin vorbereitet, sie dir als Beweis deines Gehorsams zu gewähren.“ „Jahwe, offenbare dies mir: Was ist das Schicksal der Toten?“ „All jene, die sterben, sterben ohne Gedanken. Sie sind ohne Gewissen. Ohne Träume. Ohne Gefühle. Sie liegen im Nichts. Keine Qual. Kein Bedauern. Kein Entsetzen. Kein Glück.“ 64
„Fortwährend?“ „Nur bis die Stimme des wahren letztendlichen Maschiachs sie aus ihrer Tiefe der Dunkelheit ruft. Jeder, der je gelebt hat, an den erinnere ich mich völlig. Ja, sogar an das kleinste ihrer Haare. Darum müssen alle Menschen jenen vergeben, die ihnen Unrecht taten, sie verfolgten oder sie ermordeten. Denn was spielt es für eine Rolle, was geschah, wenn ich die Toten zurück ins Leben rufen und jene heilen kann, die krank waren. Wenn mein Königreich auf der Oberfläche der Erde ersetzt wird, werde ich alle, die gestorben sind, neu beleben. Nachdem die Lehrzeit abläuft, werde ich fragen: ;Wünschst du bei mir zu bleiben, oder wünschst du, nicht bei mir zu bleiben.’“ „Wenn sie wünschen, bei dir zu bleiben, wie lange werden sie leben? Tausend Jahre? Zehntausend Jahre? Hunderttausend Jahre?“ „Mehr als vorstellbar ist! Sie werden ewig im Königreich bleiben, das ich für sie errichten werde.“ Ein tiefer Schlummer überkam Yisrael. Bilder von tausend gesichtslosen geschnitzten Bildnissen überwältigten seine Gedanken. Zahllose von Menschen gemachte Götzen griffen seine Söhne an. Sie besiegten sie schrecklich. Die Ungeheuer rissen die Arme seiner Kinder ab! Geier warteten, um an den zerstöckelten Leichen zu schmausen. Schlangen und Löwen und Köter schlossen sich dem Reißen der Knochen an. Seile von Muskeln und Venen steckten sich zwischen den Kiefern der kämpfenden Hunde! Die Schreie seiner Kinder riefen kein Mitgefühl unter den Zuschauern hervor. Es waren die Männer und Knaben, die in der Stadt der hingeschlachteten Unschuldigen umkamen! Ein heißer Gestank füllte das Zelt! Yisrael erwachte bei seinen eigenen Schreien. Brennend heißer Schweiß durchtränkte seinen Körper. Er eilte nach draußen und fand die Versammlung von Männern vor seinem Zelt lagern. „Versammelt euch. Stellt vor mich alle falschen Schnitzereien von Göttern, die ihr gesammelt habt. Sie haben böse Gedanken in euren Verstand geflüstert und haben euch gezwungen, unklug zu handeln!“ „Yisrael, sogar meine?“, fragte Rachel, ihre Augen flehten anderweitig. „Besonders deine.“ „Wenn ich es tue, verliere ich alle Erbrechte in Haran!“ „Wir haben keine Erbrechte in Haran. Wir werden dorthin nie wieder zurückgehen. Was auch immer für Rechte uns gegeben sind, werden von Jahwe beschützt: Er, der alle Rechte dem gibt, den er wählt! In meiner Suche nach einem beständigen Heim hatte ich das vergessen. Eine solche Beständigkeit soll nicht sein.“ „Yisrael, ich will kein Wanderer wie dein Großvater sein und wie Lot es wurde! Seine Kinder leben über diesen Bergketten, doch sie wandern und suchen für immer nach einer Heimstätte. Wir sollten nicht das Gleiche tun.“ „Wir sind in der Zeit der Drangsal.“ „Was für eine Drangsal? Was für einen Schmerz leiden wir?“ „Den Schmerz der Heimatlosen.“ 65
Kapitel Fünfunddreißig Rachel hat noch einen Sohn Die Familie brachte Yisrael alle ihre falschen Götter und Amulettbildnisse dar. Sie gaben ihm ihre modernen Goldringe und Ikonen und Broschen, die schöne Reliefs eingearbeitet hatten. Das schwere Gold, das sie in ihren Ohrläppchen getragen hatten, verwirkten sie an ihn. Indem er ihr Gold und ihre kostbaren Ikonen und Amulette und geschnitzten, wunderbaren Bildnisse einsammelte, vergrub Yisrael alles in der Nähe des Fußweges der verbrannten Mauern, wo noch immer eine einzige Terebinthe stand. Dann führte er sie fort von der zerstörten Stadt. Als sie gingen, versammelten sich Einwohner der nahe gelegenen Städte auf den Hügeln, um ihren Rückzug zu beobachten. Sie murmelten einander zu: „Wir müssen unsere Nachbarn rächen.“ Aber sie waren zu in Anspruch genommen durch die Größe der Gewalttat, um zu handeln. Sie zogen sich in ihre eigenen Städte zurück und erlaubten Yisrael, frei aus ihrem Land zu fliehen. Die Herrscher der anderen Städte, als sie von dem schrecklichen, gnadenlosen Gemetzel hörten, waren für Yisraels Abzug dankbar. Nachdem er gegangen war, verschwanden die Rauchschwaden über den dichten Wäldern und sanft geschwungenen Hochebenen jenseits des Jordans. Innerhalb desselben Jahres vollendeten die minoischen Ingenieure die Straße.
Deborah blieb während der langen Nächte wach. Sie fürchtete die Möglichkeit eines Angriffs und sie wurde körperlich und geistig geschwächt. Sie versuchte ständig, den jungen Erwachsenen richtige Manieren beizubringen, aber sie bestanden darauf zu tun, was sie wollten. Nur Joseph hörte zu. Oft wusch er seine Hände, um die Schuld loszuwerden, die ihn quälte. Yehuda wusch auch seine Hände neben seinem Bruder. Nach und nach kamen sich die beiden Brüder näher als den anderen. Deborah wählte oft diese beiden Männer, um mit ihnen zu reden, aber nach einer Weile verließ sie ihre Energie und sie musste schlafen. Die Tage hindurch nahm ihre Schlafenszeit zu. Dann geschah es, dass sie eines Tages zusammenbrach. Yehuda hielt ihren schlaffen Körper, als sie sich abmühte, Yisrael zu rufen, ihren geliebten Schützling. „Deine Kinder sind zu wild, um ausgebildet zu werden“, sagte sie zu ihm. „Nanu, zu warten, bis du ein so alter Mann wurdest, um Kinder zu haben, ist völlig anormal!“ „Wir tun, was wir tun“, wischte Yisrael ihre Stirn trocken.
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„Ich habe dich und Esau und deine anderen Brüder und Schwestern ausgebildet, und so verwöhnt sie sind, ist keiner so verwöhnt wie deine Söhne!“ „Ja, Deborah, ich weiß, dass es wahr ist.“ „Es mag sein“, Deborah hielt Rachels Hand und mühte sich ab, um die Worte herauszubekommen, „dass du es für ein weiteres Kind versuchen solltest. Benutzte, was du gelernt hast, um diesen neuen Sohn, den Besten bis jetzt, zu leiten. Halte ihn fest an deinen Händen und spare nie die Rute bei ihm.“ In derselben Nacht, während jeder schlief, sickerte ein langer, letzter Atemzug aus Deborahs Mund. Das Geräusch schien zu verweilen, sich unsichtbar an den Zeltwänden festhalten, an der mittleren Stange, an den Spitzen der Flammen. Rachel erwachte und entdeckte ihre steifen Körper. Ihre Finger waren über ihrem Brustkorb ineinander verflochten. Am Morgen begrub Yisrael Deborah unter der großen Eiche unter dem Hügel, der zum Anstieg in Beth-El führte. Yisrael grub persönlich ihr Grab. Indem er alleine bleib, füllte er es ebenso wieder. Nachdem er den letzten Stein über da Grab legte, schaute er sich in der Gegend um. „Ich werde diesen Ort Allon Bakhut nennen: die ‚weinende Eiche’.“ Und dann weinte er.
Mehrere Monate später betete Yisrael zu Jahwe. „Jahwe“, demütigte er sich. In der Mitte des Nachmittags wurde es heller. Die Geräusche der Vögel verblassten. „Bin ich wahrlich Yisrael? Oder bin ich jemand, der versucht zu sein, was ich nicht sein kann? Oder bin ich noch immer Jakob?“ Jahwe antwortete: „Du, Jakob, sollst nicht länger Jakob genannt werden. Yisrael ist dein Name. Ich bin El Shaddai. Deine Lenden werden revitalisiert. Eine Nation und eine Vielzahl von Nationen werden aus dir abstammen! Könige werden aus dir kommen. Die Länder, die ich Abraham und Yitzhak anvertraut habe, habe ich dir zugeteilt. Sogar an allen Nachkommen von dir vertraue ich diese Länder an.“ Yisrael, nun praktisch als Yisrael bestätigt, errichtete einen weiteren Altar. Er stand vor seinen Kindern und goss frisch gepresstes Öl darüber. Nachdem er das religiöse Ritual vollendete, betrat er Rachels Zelt. Zärtlich hielt er sie in seinen Armen.
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Als die Karawane von Beth-El reiste, umgaben böse Engel die Terebinthe von Shechem. „Wir haben unseren Einfluss über die Sippe verloren“, sprach ein böser Geist zu dem anderen. Die bösen Dämonen schauten auf die Leichen, die in Hamors Stadt verstreut lagen. Millionen Maden verzehrten das Fleisch, als die Köter die sich auflösenden und verstümmelten Leichen der Stadt schmausten. Die Dämonen hörten den wirbelnden Flügeln der Millionen Fliegen zu, die über den Leichen schwebten. Sie genossen das Bild. Der scheußliche Anblick, der andere anekelte, entzückte sie. „Yisraels Kinder zerstörten diese Stadt, aber sie gingen frei davon.“ „Jahwe wusste, dass wir es wahren, die seine Söhne beeinflussten.“ „Wenn wir uns noch materialisieren könnten, wie die anderen Engel es dürfen. Was für eine Verwüstung wir bei der Karawane anrichten könnten.“ „Wir können noch immer boshaft sein. Folgen wir ihnen. Unser Flüstern wird bei ihren Ohren nie aufhören.“ „Zuerst sammeln wir mehrere weitere Legionen. Es wird Tausende von unserem Geflüster brauchen, um sie wieder zu verderben.“
Während der Reise nach Süden, als die Karawane sich Ephrathah näherte, reiste Yisrael neben Rachel, indem er ihre tröstenden Arme suchte. Als die Entfernung zwischen ihren Lagerorten und der Gegend von Paddan-aram zunahm, wurde Rachel wieder schwanger. Aber es war eine harte Schwangerschaft. Ihr Essen weigerte sich, in ihrem Magen zu bleiben und sie wurde dünner. Ihre Kopfschmerzen nahmen zu. Ihre Beine schwollen an. Sie ertrug es acht Monate lang. Dann am Stadtrand von Beth-El, während der Mitte des Nachmittags eines unglaublich angenehmen Tages überwältigten Rachel ihr vorzeitigen Geburtsschmerzen. Sie arbeitete in der Nähe des äußeren Randes des Dreschbodens, als ihre Fruchtblase platzte. Gefangen in dem Griff des entsetzlichen Schmerzes und der Panik fiel sie zu Boden. Leah und Reuben arbeiteten neben ihr und lachten über die Scherze des anderen, als sie sie hinfallen sahen. Reuben hob sie von dem harten Boden auf und trug sie sanft, um sich im Schatten der Bäume auszuruhen. Es waren Schafe in der Nähe. Leah wiegte Rachels Kopf in ihrem Schoß und rief nach Joseph, um die Hebamme zu holen. Er rannte um sie und fand sie unter den Kindern am anderen Rand des Lagers spielen. Die Hebamme eilte an Rachels Seite. Indem sie Rachels Tunika über ihrer Taille hob, untersuchte sie den Geburtszyklus. „Es ist zu früh“, verriet ihre zitternde Stimme ihre Gedanken. Joseph, überwältigt von Tränen, hockte alleine am Wegesrand und betete. Merkwürdige Empfindungen sickerten durch seinen Körper. Ein unerklärliches Zittern ergriff ihn. Er drückte seine Hände fest zusammen,
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wobei seine Knöchel weiß wurden. Er fühlte Tausende Anwesenheiten um sich. Die Stimme der Hebamme unterbrach seine Trance. „All ihr Männer, lasst uns alleine!“ Die Gehilfin der Hebamme errichtete das Geburtszelt um die entsetzte, dahinschwindende Frau herum. Leah und Dinah wischten den überreichlichen Schweiß von Rachels Stirn. Sie versuchten sie zu trösten, als die erfahrene Hebamme ihre Hände zwischen Rachels Beine arbeitete und die Lage des Babys erforschte. „Wo ist Deborah?“, begann Yisrael ängstlich und verwirrt zu schreien. „Du hast sie vor über einem Jahr begraben“, antwortete Gad. Yisraels benebelte Augen wandten sich von seinem Sohn ab. Rachel hielt ihren Bauch und faltete ihre Beine an ihren Brustkorb. „Rachel, kämpfe nicht dagegen an. Lass das Kind herauskommen.“ „Ich habe Schmerzen! Ich habe Schmerzen!“, schrie sie auf, wo bei ihre Hände herumfuchtelten und versuchten, jemanden zu ergreifen, um sie zu trösten. Leah streichelte Rachels Stirn. „Oh Leah, wie sehr ich dich liebe“, mühte sich Rachel ab, die Worte durch die qualvollen Schmerzen zu sagen. „Es tut mir Leid, dass ich all diese unrechten Dinge gegen dich tat.“ Dann klammerte sie ihre Hände über die von Leah. „Ich werde sterben!“ Leah umarmte sie und kreischte auch einen schrecklichen Schrei, unfähig, ihre Worte zu akzeptieren. Dreiunddreißigtausend Dämonen umzingelten das Lager und verspotteten Rachel. Joseph, der seine geballten Fäuste nicht öffnen konnte, griff nach der Taille seines Vaters. „Vater, es ist Böses hier. Es umringt uns!“ Yisraels Haare prickelten von der unheimlichen elektrischen Spannung. Indem er die Tatsache ignorierte, dass sich Joseph an ihm festhielt, schleppte er seinen Weg über das trennende Feld zu Rachels Kreis. Er blickte tief in die leidenden Augen seiner Ehefrau. Rote Linien und gestreifte Blutvenen verkündeten ihre schreckliche Qual. Sie krümmte ihren Rücken. Ein schrecklicher Schrei nach dem anderen riss aus ihr heraus. Der Schrecken der Stunde dieses Nachmittags zog zu dem Nachmittag des nächsten Tages. Furcht war überall im Lager. Um das Mitternachtsfeuer wiegte sich jeder hin und her in andächtigen Gebeten. Der neue Morgen kam unbemerkt. Niemand aß. Niemand verließ seine Gebete. Am Spätnachmittag des neuen Tages umkreisten Yisraels Hände seinen Hals, als der Schweiß von ihm herabströmte. „Jahwe! Lieber Jahwe! Beende ihr Leiden!“ Die feuchte, verweilende, umhüllende Luft rührte sich. Eine sanfte Hand berührte Rachels Stirn. Es war dann, dass das Baby durch Rachels Vagina riss und schreckliche, intensive, krampfartige Schmerzensblitze zu ihrem Gehirn und Herzen rasten. Ihr Körper zuckte völlig vom Boden hoch. 69
Und dann hörten ihre Schmerzen völlig auf. Betäubt, ruhig schaute sie Yisrael, Joseph, Leah an. Ihre Lippen, die noch immer zitterten, flüsterten. „Habe ich einen Sohn?“ „Ja, er ist am Leben.“ „Nennt ihn Ben-oni, denn er ist der Sohn meines Leidens.“ Sie schaute den gut aussehenden Mann an, der neben ihr saß. Yisrael fühlte die feindselige Atmosphäre sich auflösen. Eine kühle Brise stieg über sie herab. Joseph fühlte eine tröstende Empfindung über sich kommen. „Das Böse ist vergangen“, flüsterte er zu sich selbst. Yisrael, der das Gesicht seiner schönen Frau anblickte, sah die sanfte Zeichnung ihrer Augen gegen das trübe werdende Licht. Ein langes Zischen der Luft entkam ihrer Lunge. Ihr Brustkorb senkte sich. Speichelspuren tröpfelten von ihren Lippen. Faules Gas und Exkremente wurden aus den Eingeweiden hervorgestoßen. Ihre schöne, glühende braune Haut wurde aschweiß. Ihre intensiven, wundervollen braunen Augen trüb. Das wundervolle Licht des neuen Morgens und die warme Glut des Nachmittags und das Hellwerden der Sterne gegen die Schwärze konnten nicht länger die atmosphärischen Schleier über ihren Augen durchdringen. Die grünen und gelben und scharlachroten Farben der Pflanzen und die blaue Farbe des Himmels und die sich stets verschiebenden Muster der Wolken weigerten sich, in ihre Gedanken zu dringen. Ihre Ohren weigerten sich zu hören. Ihre Augen konnten nicht länger ihre Kinder sehen. Ihre Gedanken, Handlungen und Gefühle hörten völlig auf; beständig ausgelöscht. Ihre Persönlichkeit trat in Jahwes Gedächtnis ein und wartete auf eine Rückkehr in einen neuen Körper, der sich ewig mit neuen Zellen und nicht verderbenden Organen ergänzen würde. Leah streichelte das nasse Haar ihrer toten Schwester aus ihren Wangen. Indem sie sich nach vor beugte, küsste sie ihre Stirn zum Abschied. Yisrael ließ einen verzweifelten Seufzer los und weigerte sich zu sprechen. Joseph sah Leahs ruhige Fassung und die seines Vaters steife Akzeptanz des toten Körpers, und er nickte und ging würdevoll aus dem Todeskreis. Seine Gedanken und Gefühle lösten sich von seiner Umgebung. Als er an seinem Vater vorbeiging, beschloss er, ihn nicht zu berühren. Yisrael streckte ihm seine Arme entgegen, aber der junge Mann ging fort, wobei er sich auf das Unnahbare konzentrierte. Als Joseph von Angesicht zu Angesicht mit seinem beschützenden älteren Bruder kam, begannen seine Beine zu zittern. Sein Gewicht wurde zu unausgewogen für seine Beine, um ihn zu stützen. Zitternd fiel Joseph in die Nähe von Yehudas Füßen. Indem er den Staub vom Boden ergriff, verstreute er ihn über seinem Haar und rieb ihn auf sein Gesicht. Josephs fürchterliches Schweigen begegnete Yehudas Schrei des Kummers. Und die Himmel weinten mit ihm. Sanfte, schwache Tränen fielen aus den Wolken und bedeckten das Lager.
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Yehuda fiel neben Joseph und öffnete seine Hände, um die Staubwolken zu empfangen, die Joseph über sich warf. Der herabfallende Staub fiel kaskadenartig auf seine Tunika. Indem er auf die Teilchen starrte, die in seine Hände schwebten, rieb er den Staub auf sein Gesicht. Er kreischte weiter den Schrei, der sich irgendwie weigerte, aus Yisraels und Josephs Lungen auszugehen. Levi hörte die Tränenflut und fühlte den eigenartigen Nebel, der aus den Wolken herabstieg. Er galoppierte zu dem Lager vom Rinderpfad. Zuerst kämpfte er gegen die Tränen des Kummers an, aber dann ergab er sich ihrem Gewicht. Er weinte auch offen die verzweifelten Tränen der Qual. „Jahwe“, betete Levi leise, „vergiss nie Rachel. In der Zeit der Abrechnung bringe ihr Leben zurück zu uns, damit wir uns wieder umarmen mögen. Und, falls möglich, akzeptiere mich in den Hürden deines Dienstes. Ich habe gegen dich große Sünden begangen. Ich flehe dich um Vergebung an.“ Reuben, der die beherrschten Emotionen seines Vaters prüfte, weigerte sich auch zu weinen. Er zog sich von dem Platz zurück. Bilhah bemerkte zufällig Reubens unnatürlichen, ruhigen, emotionslosen Rückzug. Yisraels Konkubine ging heimlich hinter seinem Sohn. Als sie das Schattengebiet hinter den Zelten erreichten, legte sie seine Hand in seine. „Umarme mich“, flehte sie. „Lass deine Trauertränen auf meinen Brüsten freien Lauf.“ „Ich werde nicht weinen!“ „Dann halte mich sanft. Es wird genug sein.“
Die Trauerklagen hallten durch die Begräbnisstätte, als die vier Gruppen von Männern Rachels Leiche in den Boden senkten. Yisraels gebeugte Schultern weigerten sich aufzurichten. Er brach eine gelbe Wildblume in der Nähe des Grabesabgrundes und tat sie in seine Tunika. Über ihrem Grab errichteten Joseph und seine anderen Söhne eine große Säule und gestalteten sie so, dass beide Seiten den einzigartigen, herrlichen Feigenbaum umfassten.
Am achten Tag, während die Karawane südlich nach Mamre reiste, wies Yisrael Joseph an: „Bringe mir das Neugeborene.“ Yisrael empfing sanft das Kind in seinen Armen, dann legte er das Neugeborene auf den hinteren Teil seines Wagens. Er wickelte sorgfältig das Opfermesser aus und mit einer scharfen Klinge schnitt er die Vorhaut des Neugeborenen ab. Er bedeckte zärtlich die klaffende Wunde mit Balsamöl. „Du bist Binyamin: Sohn des Südens.“
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Als die Karawane jenseits des sanften Gebietes zog, begann die Jahreszeit des milden Regens auf die einsamen Reisenden zu strömen. Der Regenbogen leuchtete am östlichen Horizont, als sie langsam südlich nach Mamre zogen. Die Rinder gebaren neue Kühe. Lämmer und Kitze schlossen sich ihnen an. Simeon, bestimmt als der führende Späher, erzwang einen neuen Pfad durch die Gegend. Joseph beobachtete seinen Bruder und dachte: „Umstände und Ereignisse sollten nicht die leitenden Faktoren der Reaktion oder Haltung einer Person sein. Eher sollte man sich über das Ereignis oder den Umstand mit zuverlässiger Integrität erheben. Simeon, mein liebster Bruder, deine Persönlichkeit ist immer am Rand der Katastrophe. Deine guten Wesenszüge neigen sich dem Bösen zu. Bekunde dein Herz zu Jahwe. Erlaube ihm, deine Gedanken zu durchdringen, um die unnötigen Dingen von dir zu entfernen. Unterwirf dich. Unterwirf dich. Unterwirf dich.“
Weniger als ein Jahr, nachdem Rachel in Leahs Armen starb, begann Reuben seine Affäre mit der Konkubine seines Vaters, Bilhah. Woche um Woche machte er eine Ausrede nach der anderen, dann ritt er davon von dem langweiligen Pfad. Als er eine sichere Entfernung von den anderen fort war, machte er hinter dem Lager kehrt. Heimlich schloss er sich Bilhah an, die ihr Rindergespann absichtlich weit hinter den anderen Wägen gehalten hatte. „Warum führst du mich ständig in Versuchung, bei dir zu sein“, neckte sie Reuben. „Ich bin fünfunddreißig Jahre alt“, antwortete sie ernsthaft dem Mann. „Ich bin am Gipfel meiner sexuellen Begierden. Yisrael weigert sich, mit mir zu schlafen. Du bist jung genug, um mich zu befriedigen.“ Er schaute von ihr weg. Ihre schweren Brüste und runden Hüften zwangen ihn, sie wieder anzusehen. Sein Verstand widerlegte seine Logik, von ihr fern zu bleiben. „Du bist der Erstgeborene“, fügte sie hinzu. „Ich werde bei seinem Tod dein werden. Also, warum sollten wir auf seinen Tod warten, wenn wir einander heute in unsere Armen nehmen können, statt auf morgen zu warten?“ Reuben zitterte plötzlich, als sie seinen Arm berührte. Die intensive Begegnung mit der Konkubine seines Vaters zog ihn an. „Ich muss dir widerstehen“, flüsterte er ihr zu. „Ich weiß zu gut, wie du denkst. Deine Gedanken schwanken und verändern sich, was auch immer für Launen dich in dem Augenblick streifen. Ich versuche dich, nicht wahr?“ Er blickte in ihre Augen. Sie legte seine Hände über ihre Brüste. Er drückte und sie stöhnte, als sie sich fester an ihn presste. Ihre Lippen
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begegneten sich in einer heftigen Umarmung der Leidenschaft. Sie zog sich aus.
Achtzig Jahre später stellte Reuben dem Erzähler den Sachverhalt dar: „Sie hob absichtlich ihre Tunika über ihre Knöchel und beugte sich vor, damit ich ihre großen Brüste sehen konnte, als sie am Ufer des klar fließenden Wassers stand. Ihre glatten Brüste rundeten sich bis zu den Spitzen ihrer Nippel. Was für eine Erregung! Schließlich, wie sie wusste, brach mein Widerstand zusammen. Als ich sie betrachtete, fühlte ich, als ob eine neue Richtung in meinem Leben mich zu ihr lockte. Natürlich weiß ich jetzt, wer die wahren Einflüsse waren, aber oft, wenn wir uns verbotene Dinge begehren, bezwingen wir die Unschuldigen zugunsten der Verdammten. Daher, ohne Rücksicht auf die Folgen, tauchte ich voll in diese verbotene Leidenschaft ein! Unfähig, von den wachsenden Befriedigungen von Bilhahs Armen wurde ich immer kühner in meinem Streben nach ihrer Zuneigung. Eines Tages geschah, was geschehen musste! Es geschah, dass Yisrael, mein gesalbter Vater, da er jemanden brauchte, der auf Binyamin aufpasste, zum Zelt seiner Konkubine genau in dem Augenblick ritt, in dem ich hinausging. Ich rannte direkt in seinen Brustkorb. Überrascht schauten wir beide einander an. Ich vermute, mein Gesicht wurde scharlachrot. Unfähig, meine Gegenwart in ihrem Zelt zu rechtfertigen, verbeugte ich mich sorglos vor meinem Vater. Schnell eilte ich davon zu meinem Esel und ritt fort zu dem vorderen Mittelpunkt der sich erstreckenden Karawane.“ Der Schriftgelehrte legte seinen bronzenen Federkiel beiseite. Er berührte seine Nase. Als er seine Augen schloss, stellte er sich den Rest der enthüllenden Szene zwischen Yisrael und Bilhah vor. Yisrael schüttelte seinen Kopf, als er in das Zelt ging. Er roch die Luft. Der Geschlechtsduft war eindeutig anwesend. Bilhah war gerade fertig, ihren Körper zu bedecken. „Was machst du?“, überraschte er sie, indem er sich weigerte zu akzeptieren, was sein Verstand ihm sagte. Indem sie seinen anschuldigenden Blick zurückwies, senkte sie ihr Gesicht zu Boden. „Jakob, warum bist du hier?“ „Yisrael“, erinnerte er sie an seinen neuen Namen. „Was ist ein Name? Ein Name ist nicht anders als ein anderer.“ „Es ist die symbolische Darstellung meines Namens, die wichtig ist. Er hat für mich und für meine Nachkommen große Bedeutung.“ Sie zuckte mit ihren Schultern, indem sie die Worte zurückwies. Er mied es, sie zu konfrontieren, indem er dachte: „Da ist nichts ihr zu beweisen. Das Leben ist wie es ist. Akzeptieren oder leugnen: es spielt keine Rolle. Die Wahrheit ist beständig richtig.“ Dann sagte er laut: „Es ist deine Woche, dich um Binyamin zu kümmern.“
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Sie schaute ihn eigenartig an. Verärgert fragte er: „Warum war Reuben hier?“ „Er musste mir etwas bringen.“ „Was?“ Sprachlos schaute sie sich im Zelt um. Unfähig, etwas Vernünftiges zu finden, um sich herauszureden, erwiderte sie zaghaft, nachdem sie das kleine Kind in seinen Armen sah: „Milch.“ „Wo ist sie? Wir müssen sie zu Sahne kochen.“ Als er herumsuchte, konnte er das Tongefäß nicht finden. Als sie ihren Irrtum erkannte, log sie wieder: „Reuben ließ die Milch draußen.“ „Damit die Fliegen sie verseuchen können? Sicherlich würde er nicht herkommen, um dir verdorbene Milch zu bringen.“ Frustriert wurde sie zornig und hoffte, dass diese Strategie Yisrael zwingen würde zu gehen: „Hör auf, mir so viele Fragen zu stellen. Wenn du beabsichtigst, das Baby hier zu lassen, dann tue es!“ „Warum schreist du mich an? Es gibt keinen Grund für deinen Zorn gegen mich. Wenn die Milch gekocht werden muss, werde ich es für dich tun. Sage mir einfach, wo ich den Krug finde.“ Sie ging zu Yisrael und nahm das Kind aus seinen Armen. „Da ist keine Milch“, sagte sie. Yisrael blickte in ihre Augen. „Warum war Reuben hier?“ „Er ist mein Liebhaber“, antwortete sie einfach. „Wie ist das möglich?“ „Oh, du dummer, impotenter alter Mann! Ich ziehe meine Kleider aus, er zieht seine Kleider aus, und dann FICKEN wir!“ Sie spuckte die Worte in sein Gesicht, etwas Speichel streifte sein Kinn. Yisrael nahm Binyamin zurück aus ihren Armen und wandte ihr den Rücken zu, als er das Zelt verließ. „Hast du mir nichts zu sagen?“, schrie sie ihm nach. Yisrael trug Binyamin zu Leahs Zelt. Er brach neben ihr zusammen. Seine Hände und sein Körper zitterten. „Yisrael? Was brachte dich hierher?“ Seine Arme spannten sich um Binyamin. Yisrael starrte auf das Kind und weigerte sich, die Frage seiner Ehefrau zu beantworten. Das Baby begann zu weinen. Es war nass und hungrig. „Yisrael, lass mich das Kind haben.“ Yisrael hielt ihn weiterhin und weigerte sich, ihn loszulassen. „Lass ihn essen“, flehte ihn Leah wieder an. Er berührte es und legte seinen Zeigefinger in den Mund des Babys, indem er es augenblicklich zum Verstummen brachte. Das Baby machte Saugbewegungen am Finger, dann begann es wieder zu weinen. Schweigend nahm Yisrael eine Schüssel mit Brei von Leah und fütterte Binyamin selbst. Als Binyamin einschlief, streckte Yisrael seine Hände Leah entgegen: eine Sache, die er vorher nie getan hatte. Verwirrt nahm sie an und legte ihre Hand in seine. Nicht sprechend nickte er zu der leeren Stelle neben 74
sich. Als er sich hinsetzte, legte er seine Arme um ihre Taille und küsste ihren Hals.
In derselben Nacht, als Reuben sein dunkles Zelt betrat, mühte er sich ab, seinen Lampenhalter zu finden. Als er ihn anzündete, entdeckte er auf seinem Boden das Zylindersiegel des Erstgeborenen brutal zerschmettert. Er keuchte, als er auf die zerbrochenen Stücke schaute. Reglos durch den Anblick saß er neben den Fragmenten. Er hob ein Stück des runden Zylinders auf und schaute auf das, was von dem Siegel der Handels- und Reiseprivilegien übrig war, die der Welt seinen Status und seine Bedeutung in Yisraels Haus anzeigten. Er verbrachte die Nacht wach und starrte auf die zerschmetterten Stücke.
Am nächsten Tag ritt Ascher zum Zelt seines ältesten Bruders und brüllte: „Komm schon, fauler und wertloser Taugenichts! Beschäftige dich mit deinen Arbeiten.“ Als er keine Antwort bekam, öffnete er den Vorhang des Zelts. Eine Flut des Sonnenlichts enthüllte den Rücken seines Bruders. Fragmente des zerschmetterten Zylinders lagen um seine gebeugte Gestalt herum. Ascher war fassungslos. „Reuben, warum hast du deinen Erstgeborenenprivilegienstein zerbrochen?“ Reubens Stimme mühte sich zu einer Antwort, aber die Worte kamen nicht heraus. Bis dahin war auch Naphtali in das Zelt des Erstgeborenen eingetreten. Er verstand, was geschehen war. Er schrie nach Dan hineinzukommen. Dan fegte die Fragmente in seine Hände zusammen. „Vater fand heraus, was du und Mutter getan habt?“ Reuben erhob seine Stimme, um der von Dan zu begegnen. Doch versagte seine Stimme zu sprechen. „Fand was heraus?“, fragte Ascher unschuldig. „Reuben und meine Mutter sind Liebende.“ „Das ist unmöglich!“, schrie Ascher. Er erhob seine Hand und schlug Reuben so heftig er konnte. Er spuckte auf ihn und ging fort. Dan und Naphtali halfen Reuben aufzustehen. „Was wird Vater mit dir tun?“, fragte Dan. „Was er gegen mich tun würde, hat er schon getan.“ „Was wirst du jetzt tun?“ „Meine Arbeiten.“
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Kapitel Sechsunddreißig Salem Innerhalb des Anfangs des neuen Monats zog Yisrael in die Stadt Salem. Mit Yehuda und Levi neben sich erforschten sie die Höhen der Stadt. Die Erdstraße wurde breiter. Doch zahlloses verstricktes Unkraut und Schlingpflanzen machten den Weg schwierig. Baumwurzeln wuchsen innerhalb der Steinmauern neben dem steilen Anstieg. Als sie durch die alte Eiche des Stadttors gingen, sahen sie die Lumpen und Haufen mit verdorbenen Essen überall. Wenige Gebäude blieben stehen. „Seid ihr Kaufleute?“, fragte ein alter Mann Yisrael. „Wir sind Hirten“, erwiderte er und starrte auf die eingeätzten, strahlenförmigen Runzeln des alten Mannes. „Wir haben keinen Bedarf an Rindern“, erwiderte er. „Wir sind nicht hier, um Rinder zu verkaufen. Wir sind Durchreisende. Wir hatten gehört, es gäbe hier eine große Bibliothek. Wir kamen, um sie zu sehen.“ „Es gibt den Mythos eines Priester-Königs, der direkt von dem Begründer der Welt abstammte, und es wurde gesagt, dass er wunderbare Bücher schrieb, aber wir haben sie nie gesehen.“ „Wer seid ihr Leute?“, fragte Levi. „Wir sind Jebusiter.“ „Aus Kanaan“, informierte Yisrael Levi. „Ja, genau wie die Hiviter, Girgaschiter, Amoriter und...“ „Perizziter“, beendete Yisrael den Satz des alten Mannes. „Also, du kennst unsere Geschichte?“ „Bis vor fünfunddreißig Jahren. Sage mir, kannst du uns zu der Bibliothek führen?“ „Die Legende besagt, dass eines unserer alten Gebäude ein großes Lernzentrum hatte. Ich werde euch dorthin bringen.“ Yisrael folgte ihm durch die übel riechenden Straßen. Der Mann führte sie zu den äußersten Enden der Hügelformation. Vor ihnen stand ein verfallenes Steingebäude. Seine hintere Wand war vor Jahrzehnten zusammengebrochen, ebenso ein Teil seiner rechteren mittleren Wand. Ratten huschten von ihren Füßen davon und versteckten sich hinter verfaulendem Bauholz. Hinter den letzten Mauern bezeugten die Überreste eines großen Weingartens seiner sich einst kümmernden Bürger. An den äußeren Rändern, vor dem Abstieg des Hügels, wuchsen große sich ausbreitende Feigenbäume. Darüber hinaus blühten Olivenbäume. „Warum kümmert sich niemand darum?“, fragte Yisrael. „Wir dürfen nicht in das Gebiet.“ „Warum?“, fragte Levi. „Es ist heiliger Boden. Nur ein Priester kann eintreten.“ „Treten eure Priester ein?“ 76
„Sie haben zu viel Angst. Es gibt einen geheimen Gesang, den sie verkünden müssen, bevor sie eintreten. Unglücklicherweise erinnert sich niemand daran.“ Levi brach in Lachen aus. „Es ist falscher Aberglaube, Mann. Schau!“ Ohne es sich nochmals zu überlegen, rannte Levi in das taillenhohe Unkraut zu den Trauben, die die Äste hinunterzogen. Er ergriff eine Traube und zerbiss die saftige Frucht mit seinen Zähnen, wobei er den süßen purpurroten Saft genoss. „Er ist der heilige Priester dieses Landes“, sagte der alte Mann erstaunt zu Yisrael. Yehuda rief seinen älteren Bruder, dass er zurückkommen sollte. „Der Priester gehört diesem anderen?“, flüsterte er Yisrael zu. „Er muss sein König sein!“ Als Yisrael die Worte des alten Mannes hörte, lächelte er: „Levi ein Priester und Yehuda ein König?“ Er dachte über die Möglichkeit nach. „Kommt“, schrie er seinen beiden Söhnen zu. „Kehren wir zur Karawane zurück.“ „Vater, was ist mit Salem?“, fragte Yehuda. „Das?“ „Ja!“ „In einiger Zeit von jetzt an mag es geschehen, dass dieser Ort deiner werden wird.“ Yehuda blickte auf die Ruinen der Stadt und auf die verarmten Einwohner. „Ja, ich oder meine Kinder werden diese Stadt für uns nehmen.“ Nachdem die Männer gingen, umrundeten andere Leute den alten Mann. „Wer waren diese Fremden?“ „Einer war ein Priester, der andere ein König. Der alte Mann muss der Sohn von einem mächtigen Gott sein.“ „Welchen Gott?“ „Ich weiß es nicht.“ „Du redest Unsinn.“ „Ich antworte, was ich wahrnehme.“ „Wenn sie diese Stadt wünschen, die weit von den Handelsrouten ist, dann muss sie etwas Bedeutendes an sich haben. Wir sind vielleicht zu faul wegen diesem Ort gewesen. Wir müssen uns vielleicht treffen, um ihren Wiederaufbau und ihre Befestigung zu besprechen.“ „Aus was für einem Grund?“ „Um sie abzuhalten, sie zu haben!“
Mehrere Wochen später erreichten die sich langsam bewegenden Schafs- und Rinderherden Mamre. Esaus horitische und ismaelitische Soldaten ritten den Pfad mit den Karawanen hinunter, indem sie sie zu Yitzhaks Steinhaus begleiteten.
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Das abwesende Kind, Patriarch seiner eigenen Familie, umarmte und küsste bei der Rückkehr nach Hause seinen Vater. „Ich anerkenne dich als den Maschiach“, Esau warf sich vor Yisrael zu Boden. „Dieses Land gehört beständig dir.“ „Wie Seir beständig dir gehört“, erwiderte Yisrael. „Vater und Mutter werden nun in deine Obhut übergehen. Meine Soldaten werden dich immer beschützen, so wie ich dich immer beschützen werde, denn wir sind Brüder und ich werde meinen Bruder immer lieben.“ „Ich werde auch meinen Bruder immer lieben“, und die beiden küssten sich inmitten von Jubelrufen der Menge und den offenen Tränen von Yitzhak.
Es geschah mehrere Monate später, dass Yisraels Pferd an hohem Alter starb. Yitzhak, der den leblosen Körper streichelte, bemerkte: „Was für ein großartiges Tier du warst.“ „Er war mein Freund. Ich hätte eine Gefährtin für ihn fangen sollen.“ „Es ist besser für uns, Esel zu reiten. Sie sind sanfter, intelligenter. Lass die Ägypter und Hurrier Pferde reiten.“ „Doch ist es eine Schande, dass ich ihn nicht züchtete.“ Yitzhak berührte Yisraels Schulter. „Deine Söhne sind im heiratsfähigen Alter. Es wäre eine Schande, wenn sie jetzt nicht heirateten.“ „Ich wartete.“ „Viel zu lange!“ „Sollte ich sie in den Norden schicken?“ „Wie dein Pferd verschied, werden auch sie im Norden verscheiden. Sende ein paar nach Gaza. Erlaube ihnen, sich mit den Philistern zu vermischen. Es könnte geschehen, dass sie unter ihnen Ehefrauen finden werden.“ „Ihre Frauen sind hässlich! Blondes Haar, blaue Augen! Und sie sind viel größer als irgendeiner meiner Söhne!“ „Dinah ist die einzige reine Babylonierin hier. Ihr ist nicht erlaubt, einen deiner Söhne, ihre eigenen Brüder, zu heiraten.“ „Unsere Gesetze jedoch verbieten ihr nicht, ihren eigenen Vater zu heiraten.“ „Das ist wahr“, runzelte Yitzhak die Stirn. „Lots Handlung verstand das!“ Yisrael ergriff liebevoll seinen Vater an seinen Schultern. „Sie ist schwanger mit Shechems Kind. Daher, da du Diener hast, und ich Diener habe, die babylonische Nachkommen sind, sollten vielleicht unsere Söhne innerhalb ihrer Ränge heiraten.“ „Würden deine Söhne Dienerinnen heiraten wollen?“
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„Lieber als dass wir Eheverträge erzwingen, erlauben wir ihren Herzen, ihre Bräute für sich zu gewinnen, ohne Rücksicht auf Rasse oder ethnischen oder ökonomischen Hintergrund.“ Yitzhak nickte. „Durch internationale Mischehe mag niemand unsere Kinder verurteilen, denn die ganze Welt wird in unserer Nation zusammengefasst. Alle jedoch müssen einem wahren Gott treu bleiben.“ „Ich hoffe nur, dass die Welt nicht vergisst, dass Gott Eber erlaubte, den Fluss zu überqueren, damit seine Kinder eine einzige Nation errichten konnten, um der Welt gute Gesetze darzubringen, die zu ihrer Rettung vor der Sünde führen werden. Es sind die Hebräer, die Gott wählte, um einen ewigen Vertrag zu bilden, damit der Maschiach der Menschheit erscheint. Keine andere Menschenfamilie ist mit diesem Vorrecht ausgestattet worden. Es ist jetzt unsere Verantwortung, in seine Gene alle Gene der Welt zu setzen.“ Bald danach reisten die ältesten Söhne nach Gaza. Dan und Naphtali, die Söhne von Bilhah, und Gad und Ascher, die Söhne von Zilpah, blieben zurück. Yisrael delegierte an diese vier Söhne die Autorität, für die Herden verantwortlich zu sein. Diese Ermächtigung kultivierte und verwurzelte Führerfähigkeiten in ihren Persönlichkeiten. Joseph, der erstgeborene Sohn von Rachel, der nun siebzehn Jahre alt war, wurde ihr Helfer.
In dem Land des hohen Grases züchteten die erfahrenen Hirten die wertvollen Bullen mit den dünnen, nicht beanspruchten Kühen der Gegend. Gad, der versuchte, seine neu gefundene Autorität über die Züchter auszuüben, bestand fortwährend darauf, dass die Züchter das weite Land nach mehr passenden Gefährtinnen für die Bullen suchten. „Gad“, wandte der alte Führer ein, „du magst Yisraels Sohn sein, aber du hast sein geschicktes Auge und seinen Scharfblick nicht. Pass auf und hör uns zu. Wir werden dich in dieser Angelegenheit ordentlich ausbilden.“ „Aber ich weiß schon, was zu tun ist. Jeder Schwachsinnige kann sehen, dass unsere Bullen zu groß sind, um sich mit diesen Ausgestoßenen zu paaren.“ „Die Beine und Euter der Weibchen lassen es anders vermuten. Ordentlich gefüttert werden sie fett und dann wirst du sehen, wie weise es für uns ist, sie auszuwählen.“ „Ich denke, du bist ein alter Narr, der mich anlügt. Ich glaube nicht, dass du irgendetwas weißt. Ich würde dich aus dem Lager jagen, wenn ich die totale Kontrolle hätte. Wahrlich, du musst aus unserer Beschäftigung entlassen werden.“ Der Führer wurde intolerant über Gads Einmischung und protestierte bei Yisrael.
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Yisrael rief seinen Sohn zur Seite. Sein Vater schüttelte seinen Kopf, dann klopfte er ihm auf den Rücken und zeigte zu den Feldern. „Benimm dich.“ „Yisrael, dein Tadel ist zu freundlich. Es ist beinahe unbedeutend“, beklagte sich der Führer. „Er wird gehorchen.“ „Niemand gehorcht einer so milden Bestrafung. Ich kann meinem Diener sagen: ‚Benimm dich’ und sicher tut er genau das Gleiche zehn Minuten später. Um eine ungebärdige Person zu erziehen, wird rauere Behandlung angeraten.“ Yisrael wandte sich Joseph zu und sagte: „Dieser Sohn wird über ihn wachen.“ „Er ist der Jüngste!“ „Er ist der Genialste. Also, Joseph, was auch immer falsch läuft, berichte es mir sofort. Ich werde dir zuhören und über die Angelegenheit nachdenken.“ „Möge dein Denken die richtige Handlung wahrnehmen“, schüttelte der angewiderte Führer seinen Kopf. Ein paar Tage später wurde Gad schelmisch. Er gab die Rechthaberei für Streiche auf. Er formte eine Steinschleuder, nahm einen Stein und traf einen Bullen im Hinterteil. Der Bulle trat und stürmte los, wobei er bis zum Rande der Erschöpfung rannte. „Schlage nicht wieder diesen Bullen so!“ brüllte Yitzhaks Hirte. „Ein Diener darf mir nie sagen, was zu tun ist“, entgegnete Gad. „Ich diene dir nicht. Ich diene deinem Vater und deinem Großvater. Das sind ihre kostbarsten Bullen. Es sind keine Sachen, um missbraucht zu werden.“ Gad hob einen anderen Stein auf und schleuderte ihn nach dem Hirten und traf ihn im Rücken. „Tu das nicht bei ihm!“, schrie Joseph. Gad rannte zu dem Hirten und trat ihn in den Magen. „Ascher“, flehte Joseph, „bring Gad dazu, aufzuhören!“ Ascher, ein schüchterner Mann, zog sich von dem Kampf zurück. Joseph stieß sich zwischen Gad und dem Hirten und beschützte ihn so gut er konnte. Dan war über etwas anderes beunruhigt. „Dieser Bulle wird uns angreifen!“ „Er humpelt zu sehr, um uns nachzurennen“, sprach Ascher von den Seitenlinien. „Gad schleuderte einen schweren Stein auf sein Hinterteil.“ Gad schlug den Hirten weiter und trat seinen jüngeren Bruder von ihm fort. Von der anderen Seite des Feldes hörte Naphtali den Aufruhr. Er kam gerade rechtzeitig, um Gad abzuhalten, den Mann zu Tode zu schlagen. „Wiederholen wir Shechem?“ „Der Idiot konfrontierte mich! Er erlaubt unserem wertvollen Bullen, schwächliche Kühe zu besteigen!“ „Also, du warfst einen Stein nach dem Bullen und verletztest ihn, damit er nie wieder eine andere Kuh besteigen kann?“ 80
„Ja! Er sollte nur besteigen, was ich sagte!“ Naphtali schüttelte angewidert seinen Kopf. „Joseph, Gad hatte Unrecht, den Mann zu schlagen, aber du hattest Unrecht, dich bei deinem Bruder einzumischen. Verteidige ihn, richtig oder falsch!“ „Werde ich nicht“, antwortete Joseph. „Bruder oder nicht, Unrecht ist Unrecht!“ Genau wie du, Ascher, fortzugehen Unrecht war! Nicht Partei bei einem Unrecht zu ergreifen, wenn man ein Zeuge davon ist, befreit einem nicht von Unrecht!“ „Richtest du uns, kleiner Bruder“, entgegnete Gad. „Du bist nicht unser Vater!“ „Ich werde mich nicht mit euren Irrtümern abfinden. Jung oder alt, was ich heute gesehen habe, verurteilt euch für das, was ihr seid: boshaft und niederträchtig!“ „Du wagst es!“, schrie ihn Gad an. „Und was ist mit uns?“, fragte Reuben. „Ihr seid genauso schuldig!“ „Ich tränkte die Kühe!“ „Sie besser eine Weile länger dürsten lassen als sich mit dem Geschlagenwerden eines unschuldigen Mannes abzufinden.“ „Du richtest auch mich?“ „Ebenso wie Dan und Naphtali!“ „Verschwinde von uns“, verlangte Dan. „Ein Bruder gegen den einen ist gegen die anderen.“ „Eure Loyalität muss bei Jahwe sein, nicht bei Menschen!“, antwortete Joseph, als er zu dem brutal behandelten Hirten ging. Er half dem Mann zum Haus seines Vaters zurückzuhumpeln. Dort berichtete Joseph Yisrael den Vorfall.
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Kapitel Siebenunddreißig Die Söhne finden Funde In der Stadt Gaza wateten Reuben, Simeon und Zebulun in die Wellen des Großen Meeres und genossen das warme Wasser, das mit ihren Zehen spielte. Sie wurden wie Kinder, als sie am Ufer des einladenden blauen Meeres planschten, wobei sie zum ersten Mal die Vielfalt der Muscheln und Fische entdeckten, die die Kaufleute in ihren Ständen zur Schau stellten. Die riesigen Schiffe von Kreta ruhten in der Nähe des Horizonts, als kleinere Kähne mit flachem Boden zu ihnen fuhren und ihre Waren ein- und ausluden. „In Tyrus gehen wir gleich hinauf zu den Hafenanlagen und laden von dort aus“, machte ein alter Fischer eine müßige Unterhaltung mit Zebulun. „Es wird nicht lange dauern, bis alle unsere Schiffe in Phönizien stationiert sind.“ Zebulun warf seinen Blick zu dem Abhang des Meeres, wo der blaue Himmel sich zart mit dem blauen Wasser vermischte. „Diese Fische sind schöne Dinge“, bemerkte Zebulun zu dem alten Mann. Der Mann zuckte die Achseln und drehte sich weg, wobei er zum Inland zurückkehrte. Da Zebulun dachte, er müsste mehr sagen, sprach er zu Simeon: „Ich glaube, Esau wollte Fischer werden?“ „Ein Seemann“, korrigierte Reuben. „Krieger werden immer Krieger bleiben, egal wie die Dinge werden, die sie wünschen“, fügte Simeon hinzu. „Sei zu oft auf das Schwert stolz, Bruder“, antwortete Reuben, „und wir alle werden tot sein, bevor wir eine Gelegenheit haben, unseren rechtmäßigen Besitz dieses Landes zu errichten.“ (Und die Herausforderung an die Welt ist, diese Wahrheit zu akzeptieren. Obwohl jedoch andere Männer ähnliche Ansprüche auf andere Länder stellten, haben nur die Hebräer eine historische Aufzeichnung begründet, die ihre Rechte und Bemühungen, die Länder zu besetzen, die David der König eroberte, rechtfertigte. Anderen Männern in der Geschichte wurde die Gelegenheit so herrlich wie Shem und Abraham und Isaak auszuführen gegeben, um Frieden und Harmonie der Welt zu bringen, aber keiner erhob sich zu den Maßstäben, die Jahwe vor sie setzte. Eber hatte viele Söhne, die versagten wie Terah. Abraham hatte auch viele Söhne, aber sie erlangten nicht die nötige Demut, um Yisraels Rolle zu übernehmen, der Welt den Maschiach darzubringen. Aus diesem Grund beschloss Jahwe, nur mit Yitzhak Kontakt zu haben, dem zweitgeborenen Kind Abrahams. Durch Yisrael hatte Gott Kontakt zu Judah, nicht Reuben. Es ist nicht, dass Gott Yisrael mehr liebte als Esau. Es ist, dass Yisrael Gott eindeutiger gehorchte als Esau. Durch Yisrael stammt der Maschiach ab, der die ewige Rettung der ganzen Menschheit vor der Sünde und die Rückerstattung des Paradieses auf Erden darstellt. Wir sollten darüber nachdenken und diese Tatsache nicht eine dämonische Störung in 82
unseren Gedanken werden lassen, dass Gott nur gewisse Menschen über allen Menschen liebt, denn Gott gab den Hebräern die Aufgabe, der ganzen Menschheit Frieden zu bringen, oder Vorurteil oder Ausschluss. Würde die Geschichte Japheths Söhne hassen, wären sie gewählt worden, der Erde den Erlöser darzubringen?) Simeon fuhr fort: „Hier zu sein, all diese Dinge zu sehen, verblüfft mich, wie Vater und Großvater sagen, dass wir dieses Land besitzen. Doch keiner verbeugt sich vor uns. Niemand weiß, dass wir existieren!“ „Die Vision liegt bei einigen unseren Kinder zu vollführen“, antwortete Reuben und in seinem Herzen zog der Schmerz der verlorenen Gelegenheit an ihm. „Irgendwie“, dachte er sich, „werde ich einen Weg finden, den Respekt meines Vaters wiederzugewinnen. Irgendwie. Auf irgendeine Weise.“ Peinlich für ihn schauten die beiden anderen Brüder über Reubens Schultern hinaus. „Es ist hart, ein hervorragendes Versprechen zu verlieren“, dachte Simeon. Reuben verstand ihren Blick. Er senkte seinen Kopf zu den Meereswellen. Für einen Augenblick machte ihn das ständige Kommen und Gehen der Wellen schwindelig. Die Hin- und Herbewegung, die weißen Kappen. „Zebulun, du kannst das Meer für dich behalten. Ich will die inneren Berge!“ Die drei Brüder lachten, als sie das beruhigende Wasser der Freude zurückließen, um Abimelechs Haus zu finden. Es war ihre Verantwortung, ihre Anweisungsdokumente zu bringen. Die abblätternden Tafeln riefen um Erlaubnis für die drei Brüder, sich mit den blonden und hellbraunen Frauen zu verheiraten. Während diese drei mit dem Abimelech redeten, wanderten Levi und Issachar durch die Hirten ihrer Eltern und suchten für sich Ehefrauen mit babylonischer Abstammung aus. Yehuda hielt sich vorübergehend vor dem Heiratsbaldachin zurück. Yehuda, verloren in Enttäuschung, beschloss, zum Haus seines Vaters zurückzukehren. Als er zurückging, begegnete er einem jungen Mann, der alleine an der Biegung der Straßengabelung stand. Als Yehuda seinen jüngeren Bruder erkannte, rannte er zu ihm. Als er näher kam, schien die Kleidung des Mannes ungleich eines anderen Stoffes zu leuchten, den er je gesehen hatte. Das blaue und rote und grüne Gewand schimmerte im Sonnenlicht. Es erstaunte Yehuda. Fasziniert von der exotisch reichen Kleidung seines Bruders betrachtete den äußeren Faden und das identische Innenmuster. „Wie bist du an einen so hervorragenden Stoff gekommen?“ „Vater kaufte ihn gerade von den Karawanen aus China.“ Yehuda berührte das hellfarbige Seidengewand und fühlte das zarte Muster des Stoffs. Vorsichtig streichelte er die erhöhten Fasern der Pfaue, die über den Blumenkeramikkrügen zu tanzen schienen. „Ein so schönes Gewand“, bemerkte Yehuda und schluckte hart, da er ein wenig neidisch auf einen solchen Besitz wurde. „Bekam ich auch eines?“ Joseph senkte verlegen sein Gesicht. 83
„Oh“, nickte Yehuda. „Vater machte jedem eine Tunika, als sie volljährig wurden“, suchte Joseph seinen geliebten Bruder zu trösten. „Er kaufte jedoch nie eine für uns aus China.“ „Es tut mir Leid, ich hatte nicht vor zu prahlen.“ „Nein, lieber Bruder“, Yehuda umarmte ihn und nahm seine Hand in seine. „Wir waren bloß nie in der Nähe der chinesischen Karawanen. Trage sie mit Stolz. Ich bin sicher, Vater hätte das Gleiche für uns getan, wäre es möglich gewesen.“ Die anderen vier Brüder, in äußerstem Gegensatz, fühlten sich ausgelassen, vernachlässigt. „Wir sind die Kinder seiner Konkubinen. Seine Liebe zu uns wird nie seiner Liebe zu seinen beiden wahren Ehefrauen gleichkommen. Besonders Rachels Kind!“ „Es ist, weil Mutter mit Reuben schlief, dass er uns finster anschaut“, erinnerte Dan seinen Bruder. Die anderen drei stimmten mit der Feststellung überein. „Warum laufen wir nicht davon?“, schlug Gad vor. „Davonlaufen?“, wandte Ascher ein. „Vor unserem Erbe und unserer Verantwortung? Sollen wir uns wie Reuben gefährden?“ „Dann ist es Joseph, gegen den wir handeln müssen. Er ist ein verdammter kleiner Schakal, der eine Lektion braucht, wann er reden und wann er den Mund halten soll!“, explodierte Gad. Während des stillen Atems einer genauen Nacht, als das Sternenlicht durch den Baldachin dahinziehender Wolken filterte und den Verstand und die Träume der Menschen berührte, wobei es Visionen verwirrender Faszination schuf, beugte sich Joseph dem unwiderstehlichen Ruf des Schlafs. Elf Männer erschienen auf geheimnisvolle Weise auf dem Feld des gelben Weizens, den die Ernte des Tages zu Garben gebunden hatten. Die Männer stellten ihre Garben aufrecht, aber der sich bewegende Wind warf sie um, außer die von Joseph. Am nächsten Morgen, während die Brüder den heißen Brei unter sich aufteilten, offenbarte Joseph seinen nächtlichen Traum Yehuda. Als er ihn erzählte, lehnten sich die anderen Brüder nach vor, um zuzuhören. Grad fasste über Yehudas Schüssel, um Josephs Schulter zu ergreifen. „Erzählst du uns, dass du unser König sein wird? Ist es darum, dass du uns ausspionierst und uns jedes Mal verpfeifst? Bist du der Typ, der aufhetzt, dann, wenn die Verschwörung versagt, zu dem Oberhaupt rennt und schreit ‚Beleidigung’? Bist du die Art, die absichtlich Probleme schafft, dann versucht, andere zu seiner Denkweise zu manipulieren und seinem Ziel irreparablen Schaden verursachst?“ „Gad, lockere deinen Griff an ihm“, verlangte Yehuda. „Du bist es, der ihn erdrosseln sollte, Bruder! Niemand mag ihn und denke daran, benutzt er dich nicht so wie er den Rest von uns benutzt?“ „Was meinst du?“ „Um sich selbst zu dienen. War nicht eine dieser sich verbeugenden Garben deine?“
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Als Gad seinen Griff lockerte, schaute Yehuda seinen jüngsten Bruder an. „Ja, eine stellte mich dar, so wie dich.“ Indem Yehuda aufstand, verließ er den Kreis und ging zu den Herden. Joseph folgte und hielt sich etwas in der Ferne.
Ein paar Monate später, nach sorgfältiger Analyse, akzeptierte Yisrael die gebotenen Eheverträge für seine Söhne: Reuben, Levi, Simeon, Issachar und Zebulun. Diese Kinder verbeugten sich vor ihrem Großvater Yitzhak, der die letztendliche Zustimmung der Hochzeitsanordnungen autorisierte. Während eines ruhigen Sonnenuntergangs vollführte Yitzhak die Hochzeitszeremonie unter einem großen weißen Baldachin, der gegen eine rote Wolkendecke stand. Hunderte Gäste, zusammengesetzt aus den umliegenden internationalen Gemeinden, feierten fröhlich mit ihren besonderen Weinen und Früchten und Gemüse und verschiedenem Würzen von Hammelfleisch und Filetfleisch und Gazellen und Antilopen und Gänsen. Als die Feier fortsetzte, rief Yitzhak ein Geheimtreffen in seinem Zelt für die Söhne Yisraels ein. „Reuben, was wünschst du?“, fragte Yitzhak, als er seine Hand über seinen Kopf legte. „Beständigkeit und Wohlstand!“, antwortete Reuben. „Und so wird es durch Vertrauen, durch Loyalität, durch Exzellenz in Würde und Stärke kommen.“ „Levi, wovon träumst du?“, fragte ihn Yitzhak als Nächsten, als er seine Hand über sein Haupt legte. „Jahwe dienen und verstehen.“ „Möge deine babylonische Ehefrau dir Kinder mit einem solchen Eifer gewähren! Issachar, was ist dein Traum?“, fragte ihn Yitzhak und legte auch seine Hand über sein Haupt. „Ein fruchtbares, bearbeitbares Land, wo das Schweiß nur dem einen und nicht dem anderen gehört. Tadellose Freiheit für immer!“ „Dein Fleiß wird es für dich verschaffen. Zebulun, was ist dein Wunsch?“, fragte ihn Yitzhak, als er seine Hand über sein Haupt legte. „Ich werde zum Meer gezogen. Ich mag die beruhigenden Wellen. Das Meer scheint endlos. Ich liebe das Wasser!“ Die anderen in der Menge lachten, bezaubert durch die Einfachheit seines Wunsches. „Fische sind die Substanz des Lebens, denn sie waren die zweite Lebensform der Erde nach den Pflanzen. Sogar die großen Landungeheuer, die durch die Welt streiften, schulden ihre Geburt den Fischen und den kleineren Geschöpfen, die sie fütterten. Ungleich uns brauchen sie keine Reinigung, denn sie sind rein. Sei ein Fischer, Zebulun. Es ist ein edles Handwerk.“ 85
Die anderen verstummten, da sie eine so große Bitte von ihrem Großvater zu einem so einfachen Traum nicht erwarteten. „Und Simeon, sage mir deinen?“ Yitzhak legte seine Hand ebenso über sein Haupt. „Ein tapferer Krieg zu sein!“ Er starrte Yitzhak an, der seinen Blick fühlte. Yisrael blickte ihn an. „Siegreiche Pfade werden deine Straßen säumen“, verkündete Yitzhak kurz. „Ich träumte auch einen Traum“, behauptete Joseph ruhig zu Yitzhak. „Hier geht das schon wieder los“, bemerkte Gad verbittert. „Drücke ihn uns gegenüber aus“, ermutigte ihn Yitzhak. „Als ich alleine auf den Feldern saß und auf meine Wache Acht gab, erhob ich meine Augen zu den Himmeln, wo ich die Sonne und den Mond und die elf Sterne bezeugte, wie sie sich mir unterwarfen. Yisrael, der Anstoß nahm, erhob sich von seinem Platz. „Ich bin in großer Deuter von Träumen, denn nichts kann gesehen werden, was ich nicht deuten kann. Ich weiß, dass ich an dich dieselbe großartige Fähigkeit weitergegeben habe, aber niemals habe ich meine Gabe benutzt, um über einen anderen zu herrschen.“ „Vater“, fragte Reuben, „du verstehst Josephs Traum?“ „Bin ich nicht die symbolische Darstellung des wahren kommenden Maschiachs? Bin nicht ich es, der die Salbung an meinen auserwählten Sohn weitergebe?“ „Ja, Vater, bist du“, erwiderte Reuben taktvoll. „Josephs Traum bedeutet das:“, antwortete er, seine Augen auf Joseph gerichtet, „ich und meine Frau und meine Söhne sollen uns Josephs Herrschaft unterwerfen!“ Sie wandten sich Joseph zu. Ein paar ballten fest ihre Fäuste, während andere ihre Messer in ihren Händen umklammerten. Ein paar andere spannten ihre Kiefer an. Yitzhak zog an Yisraels Tunika und flehte ihn an, sich zu setzen. „Ungerechtfertigte Herrlichkeit wird immer den treibenden Winden überlassen. Aber wahrer Verdienst zwingt uns, in die Augen des Besitzers zu blicken, denn er kann uns zur Rettung vor Drangsal führen.“ Dann, indem er in Yisraels Ohr flüsterte, fügte er hinzu: „Josephs Vision ist vorzüglich.“
Eine Weile später geschah es, dass die wachsenden Herden mehr Fläche zum Herumstreifen brauchten. Yisrael wies seine Kinder an, seine Herden zwischen Shechem – die Gegend in Ehren zu Hamors Sohn benannt – und der Gegend von Dothan zu bringen. Yehuda, der versprach, die Herden von den einladenden Wäldern fernzuhalten, versicherte, dass sie auf den sich windenden Pfaden zu den fruchtbaren Weiden des Tals bleiben würden. Simeon war wie immer der führen 86
Treiber der Herde. Reuben schloss sich neben Yehuda an. „Bruder“, begann er unbehaglich, „ich ziehe in Betracht, meine Frau fort von hier zu bringen.“ „Es ist zu früh für eine solche Sache. Großvater braucht uns alle.“ „Meine Frau ist schwanger.“ „Umso mehr Grund zu bleiben. Dein Kind muss mit Jahwes Wissen gekleidet sein.“ „Zu welchem Gewinn? Er wird nie den Mantel der Führerschaft erben.“ „Für wahre Kenntnis. Wenn wir uns trennen, werden uns die Stämme rundherum verschlingen. Wir werden durch sie angepasst. Wir werden vergessen.“ „Alle Kinder verlassen das Nest.“ „Wir sind nicht wie die anderen Kinder. Wir sind Ben Yisrael! Als die Kinder von Yisrael sind wir fortwährend verbunden!“ „Esaus Söhne sind Könige über ihre eigenen Städte! Der Minos berechtigte sie als solches. Könnten wir nicht ein solches Bündnis formen? Jeder von uns kann ein König über seine eigene Stadt werden. Und werden diese Städte nicht Nachbarn zu den Brüdern sein?“ „Wir sind zwölf Kinder unter einem Mann. Es kann nicht geändert werden. Wir müssen als eine einzige Familie bleiben, mit einem bindenden Vorsatz. Siehst du nicht, wie der Rest von Abrahams Kindern Jahwe für Baal verlässt? Die Götter der Kanaaniter sind mächtig, leicht, geistig zu verdauen und verlockend anzubeten. Wer kann einer einladenden Titte oder einer feuchten Muschi widerstehen?“ „Wenn ich bleibe, werden mir nie die Erbrechte des Ältesten zurückerstattet.“ „Dann akzeptier diese Tatsache. Hat Vater dich enteignet? Hat er dich öffentlich ausgepeitscht oder dich verdammt?“ „Nein.“ „Umarmt er dich noch immer nicht?“ „Ja.“ „Er tut es, denn du kannst nicht von ihm bezwungen werden. Du bist der Eckstein dieser Familie und daher bist du verpflichtet zu bleiben. Tue wie Esau es getan hat. Vater manipulierte die Erstgeborenenrechte von ihm, doch lieben sie einander nicht noch immer? Geloben sie nicht einander ihr Leben, um den anderen zu verteidigen? Ob du der erklärte Gesalbte bist oder nicht, und auch wenn es werden sollte, dass einem anderen das Öl über das Haar gegossen wird, musst du deine Loyalität zur Familie aufrechterhalten. Rücksichtslos!“ Dann in einem zweiten Gedanken überlegte er gedankenabwesend: „Nichts so Tragisches, wie unversöhnlich zu sein, ist je getan worden, um uns voneinander zu reißen.“
Simeon betrachtete die trostlose Landschaft und schüttelte seinen Kopf in benommener Verwirrung. „Wie kamen wir dazu, so viele Schafe 87
und Rinder zu besitzen? Wie überlebten wir gegen alle Uneinigkeiten von Laban und wie überlebten wir unser Blutbad der Unschuldigen? Sind wir äußerst gerissen und intellektuell überlegen?“ Unsichtbares Flüstern kam aus dem tiefen Abgrund des Hasses, um ihn zu beeinflussen. Er fühlte seine Schenkel. Sie waren so muskulös wie sein Brustkorb. Simeon dachte über Joseph nach. „Alle meine Brüder sind stark. Alle sind intelligent. Doch unter allen von uns ist Joseph ein Träumer, dem es an Realität mangelt. Er ist ein Hellseher! Und seit wann verbinden sich Männer, die auf der Seite des wahren Gottes stehen, mit Hellsehern?“ Von einem Hügel in der Nähe der Tiefebene von Hebron saß ein Mann gemütlich unter dem Schatten eines großen Baumes und beobachtete den starken Mann. „Wie sonderbar! Ein einziger Mann inmitten einer Armee von Schafen und Rindern! Und was tut er? Nichts! Absolut nichts! Ohne Zweifel ist er einer der Söhne des gemeinen Fremden, der so viele Männer und Kinder durch Verrat und Täuschung tötete! Ah, wohin geht er? Dothan! Was für ein Verrat liegt dort durch die Söhne dieses Manipulierers?“
Ungefähr zwei Wochen später begann sich Yisrael über seine Herden zu wundern. Niemand war bis jetzt aus Shechem zurückgekehrt und hatte ihm über ihre Aufsicht erzählt. „Vater“, Yisrael ging zu Yitzhaks Haus, „ich habe nichts von Shechem gehört.“ „Dieselbe Gegend, die deine Söhne plünderten und vernichteten?“, fragte Riveka, ihr Gesicht aschfahl.“ Er nickte. „Diese Gegend bedeutet nichts außer Feindseligkeit. Bringe sie zurück nach Hause, Sohn.“ „Ich werde Joseph dorthin schicken.“ „Schicke einen Diener“, entgegnete Riveka. „Ein zukünftiger Führer darf vor seinen eigenen Untertanen keine Angst haben“, tadelte Yisrael. „Verspotte seinen Traum nicht“, warnte Yitzhak. „Du selbst hast in Beth-El geträumt. Niemand verspottet deine Begegnung.“
Ungefähr zur selben Zeit bereitete ein midianitischer Kamelmeister seine Reise von Gilead nach Ägypten vor. Zahnlos, narbengesichtig von den vielen Begegnungen mit den Sandstürmen der Wüsten war er trotzdem herzlich, freundlich. Durch seine zahllosen Begegnungen mit anderen Kaufleuten fand er nie jemanden so Feindseligen, dass er um sein Leben fürchten musste. Er wusste, wie gesegnet er war. Doch dies sollte seine letzte Reise werden. Seine beste Reise. Die Reise einer Lebenszeit. Diesmal trug er die wohlriechenden Balsamöle, die die 88
Ägypter für medizinischen Gebrauch vorzogen. Zusätzlich sicherte er sich Laudanum! Die Ägypter liebten es für ihre Kochkunst und ihren Duftstoffen. Normalerweise handelte er nur mit Gummiharz, das die Ägypter für ihre Möbel und Furnierarbeiten benutzten. Aber dieses Mal hatte er alles!
Gad, der die Herde hütete, sah zufällig das schimmernde Gewand in der Ferne auf sie zukommen. „Schaut, Joseph kommt, um uns auszuspionieren!“ „Sicherlich nicht! Er würde kein so helles Objekt tragen, wenn er uns ausspionierte.“ „Er hat dann vor, sich über uns zu behaupten“, unterstützte Simeon Gads Stimme. „Reuben ist der Erstgeborene und sollte unser Führer sein.“ „Ich bin nicht euer Führer“, entgegnete Reuben. „Dann fällt es auf mich, nicht wahr?“, schnappte Simeon. „Joseph ist der Erstgeborene, von Rachels Seite gerechnet“, fühlte Levi es für notwendig, Simeon zu erinnern. „Joseph zieht daraus einen Vorteil. Er weiß, dass Vater Rachel immer über unsere eigene Mutter liebte. Und warum sollten wir Außenseiter sein, weil Mutters geistige Fähigkeiten nicht allen anderen ebenbürtig sind?“ „Ja! Töten wir diesen Tagträumer!“, schloss sich ein anderer Bruder Simeons Diktat an. „Wir werden seine Leiche in eine dieser Gruben werfen. Wir können es leicht auf einen Löwen schieben!“ „Was ist dann mit seinen Träumen!“ „Fort mit dem Wind!“ „Und Friede für uns!“ Reuben näherte sich vorsichtig Yehuda. Als er es tat, hörte er die letzten paar Bemerkungen seiner Brüder. Er beobachtete die Gestalt, die näher zu ihnen kam und schluckte hart. Er dachte an seinen Vater, an seine Unehre, an seine Vertreibung von der Seite seines Vaters beim Tisch. Josephs Geburtsrecht für seinen Rückkauf! Kühn, verzweifelt behauptete er: „Wir werden ihm keinen Schaden zufügen!“ „Erster Bruder, bist du stärker als unser gesamtes Gewicht, um zu versuchen, uns aufzuhalten?“ Gad und Simeon schritten dichter zusammen, wie es mehrere andere taten. Reuben berührte Yehuda und stieß ihn leicht weg. „Wir sind zwei. Wir werden gegen euch halten!“ Er beschloss, fest gegen sie zu stehen. „Wir sind acht. Löwen fressen drei so leicht wie einen.“ Und Simeons Einschüchterung schwächte Reubens Reaktion. Yehuda spannte seine Muskeln an und bereitete sich vor, gegen seine acht Brüder zu kämpfen. „Wie kommt es, dass dieses Drama nun wirkt?“ dachte er. „Wer stiftete das an? Umstände oder das Flüstern böser 89
Engel?“ Seine Nackenmuskeln taten weh. Seine geballten Fäuste schmerzten. „Reuben“, er drehte sich leicht herum, um den Rand seines Gesichts zu sehen, „wir haben keine Schwerter, um uns zu verteidigen.“ Reuben schaute Yehuda an. „Dann ist es uns vielleicht nicht erlaubt, das Blut unseres Bruders zu vergießen!“ Yehuda, der die Situation genau betrachtete, stachelte Reuben wieder an. „Dort drüben“, er zeigte zu einem großen Gefälle auf der Oberfläche des Bodens, „ist eine tiefe Grube.“ Indem er seine Stimme hob, damit die anderen Brüder sich beruhigen würden, behauptete er: „Werft Joseph dort hinein, wenn ihr darauf bestehen müsst, ihm Schaden zuzufügen.“ „Was für einen Sinn würde das haben?“ „Befriedigung!“ Bis zum späten Vormittag zog die midianitische Karawane über den letzten Gebirgskamm und in Richtung Hebron. Joseph holte seine Brüder ein. Die acht rebellischen Brüder zerstreuten sich und umrundeten ihn langsam. Yehuda und Reuben standen am Wegesrand und versuchten, die Dinge unter Kontrolle zu halten. Als Joseph ihre wütenden Gesichter und ihre feindseligen Posen sah, fühlte er eine eigenartige, plötzliche Ängstlichkeit. „Was geht hier vor sich?“ fragte er Yehuda. Sobald er gesprochen hatte, stürzten sich Gad und Simeon auf ihn und schlugen ihn zu Boden.“ „Hört damit auf!“, schrie er. Ein plötzlicher Fuß trat Joseph in den Hinterkopf. Ein weiterer Tritt folgte schnell und schlug ihn in den Rücken. Ein dritter und boshafterer Tritt schlug ihn auf der rechten Seite. „Wartet eine Minute!“, schrie Josef, seine Seite schwoll von den Tritten an. Indem er sich krümmte, um sich zu schützen, kämpften mehre Armpaare gegen seine verschränkten Arme und öffneten sie von seinem Brustkorb und seinem Magen. Eine Faust schlug ihn ins rechte Auge und schloss es. Eine andere Faust schlug ihn auf die Nase und verpasste ihm ein blaues Auge. Ein anderer schlug ihn grausam in den Kiefer. Joseph fiel auf die Knie, als seine Brüder seine qualvollen Schreie und Bitten ignorierten. Simeon, besessen von seiner Handlung, trat ihn immer wieder. Gad, der Vergnügen fand, die unnötige Bestrafung zu gewähren, trat ihn ein letztes Mal in die Lenden. Josephs überraschte Augen schwollen an! Seine Stimme, gefangen durch den immensen Schmerz in seinen Hoden, versagte, seine Qual zu verkünden. Sich krümmend kämpfte er mit den sich bildenden Worten, nur um keine zu sprechen zu finden. Reuben, regungslose durch das wütende Drama, zuerst unfähig, dagegen zu reagieren, schüttelte schließlich seine lähmende Furcht von seinem Verstand. Indem er auf Joseph sprang, nahm er einen groben Tritt in die Schulter. 90
„Immer handelst du zu spät und dann nicht genug“, bemerkte Yehuda, als er sich selbst zwischen die beiden Gruppen zwang. „Einige sagen, ich handle zu viel“, verteidigte sich Reuben und hielt seine Schulter. Als Reuben den Schmerz aus seinem Verstand bekam, schleppten Simeon und Gad Josephs reglosen Körper zu der Grube. „Gib mir die Tunika!“ „Sie ist zerrissen.“ „Darum will ich sie, Dummkopf!“ „Nenne mich nicht Dummkopf!“ „Friss Scheiße, trink Pisse und stirb!“ (Und so begann die Ausdrucksweise, die auf der ganzen Welt beliebt wurde. Jahrhunderte später, als Jerusalem von Sennacherib belagert wurde, sandte er seinen Repräsentanten, ein Rabschake, um die Juden genau mit denselben Worten zu verspotten. Für diese Worte wurde er zusammen mit 185.000 Soldaten von einem Engel in einer einzigen Nacht erschlagen.) Gad, außer sich, schlug Simeon auf die Brust und klopfte den Atem aus ihm heraus. „Sollen wir alle gegeneinander Krieg führen, als ob einer nicht genug wäre!“, mischte sich Levi zusammen mit Ascher ein. „Er ist die Trennwand unter uns“, antwortete Gad und zeigte auf Josephs traumatisierten Körper. Gad hob den Körper hoch und ließ ihn kopfüber in die Grube fallen, als ob es für jemanden nichts auf der Welt bedeutete. Ein Sack Knochen von geschwächtem Fleisch bedeckt. Joseph fühlte sich fallen. Er drehte seinen Körper nach rechts und als er fiel, konnte er keinen Halt an den Seitenmauern erlangen. Sein unkontrollierbares Gewicht schlug hart auf den Felsen unter ihm. Bebend nahmen seine zitternden Hände seinen Verstand in Besitz. Sein Sehvermögen verschwamm. Seine Hoden schwollen an. Seine Rippen schmerzten und pochten von den intensiven Schlägen. Reuben blickte in die Grube und sah den nackten Körper seines Bruders zittern. Joseph, der versuchte, sich zu wärmen, hatte seine Knie an seinen Brustkorb gepresst. Eine Vielzahl an Schnitten und Kratzern bedeckte seinen Körper von den scharfen Spitzen der Grubenwand. Reuben, durch das Leiden seines jüngeren Bruders gequält, ging von dem Lager fort, entschlossen, Joseph zu retten. „Verdammt, essen wir. Ich bin hungrig“, wies Simeon an, losgelöst von der früheren Gewalttat. „Ich werde hier bleiben“, erwiderte Yehuda, der bei der Öffnung der Grube saß. „Sei zufrieden.“ Yehuda nickte und setzte sich schwer auf den Boden. Kleine Teilchen von Staub und Felsen fielen unter ihm herab und streiften Josephs Gesicht. Er streckte seine Arme nach dem daliegenden, bewusstlosen Körper. „Nein, ich meinte es nicht so! Bitte, lass diesen Augenblick vergehen. Joseph, ich meinte es nicht!“
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Nur Schweigen folgte Yehudas Flehen. Schweigen, außer die knisternden Geräusche des brennenden Holzes und das puffende Geräusch des Fettes des kochenden Fleisches. Unfähig, seine Augen von Joseph loszureißen, blieb Yehuda auf den brutal weggeworfenen Körper fixiert. Er beobachtete, wie der Brustkorb des elenden Mannes sich hob und senkte. Das Bild der zitternden Lippen des jungen Mannes, der um die brennende Luft, die in seine Lunge drang, zu kämpfen und sie mit einem schrecklichen Geräusch ausstieß, das sich in seinem Verstand festsetzte. Nicht zu weit weg von ihnen hob der midianitische Karawanenmeister seine Nasenlöcher in die Luft und fing den matten Geruch von gekochtem Hammelfleisch auf. „Also, Gastfreundschaft wird uns erlauben, mit ihnen zu essen“, dachte er sich. Er sprach die erste Person an, der er über den Weg lief, und war durch Yehudas feuchte Augen überrascht. Verwirrt schaute er die anderen Männer an, die ruhig ihr gekochtes Fleisch etwas weiter weg aßen. Sie schienen zufrieden zu sein, verglichen zu dem einsamen Mann, der bestürzt zu sein schien. Was war mit ihm geschehen? Ungehorsam? Korrigierende Handlung für einen mit schlechtem Benehmen? Am besten nicht einmischen! Sein Kamel kniete sich hin. „Ich bin aus Gilead.“ „Ein Kaufmann?“ „Ein midianitischer Händler aus dem Haus Abrahams und Keturahs.“ „Wir sind deine direkten Verwandten – Cousins – aus dem Haus Abrahams und Sarahs. Wir haben uns zwischen Be’er-Sheva und Mamre angesiedelt“, antwortete Yehuda. „Ihr seid Esaus Verwandte?“ „Von Yisraels Seite.“ Er nickte. Die beiden Cousins umarmten sich und küssten einander auf den Hals. Die anderen Brüder begannen von ihrer Mahlzeit aufzustehen. „Cousin, warum sitzt du hier alleine? Haben sie dir Unrecht getan? Oder hast du ihnen Unrecht getan?“ „Sie sind meine Brüder. Zusammen haben wir unserem jüngsten Bruder Unrecht getan.“ Der Kamelmeister schüttelte seinen Kopf, als er die Männer anschaute, die begannen, zu ihm zu gehen. „Wo ist schlecht behandelter Bruder?“ „Dein Cousin ist in der Grube vor dir. Sein Körper liegt ausgestreckt.“ „Ist er tot?“ „Fast.“ „Schnell, bevor die anderen uns erreichen, um zu hören, was wir sagen, was willst du, dass ich tue?“ „Rette ihn. Bringe ihn von hier fort. Hebe ihn hoch in Sicherheit. Ich flehe dich an, es zu tun, denn wir sind deine Cousins, beide Rassen von Abraham geboren. Wir teilen dasselbe Land, dieselbe Ernte, denselben Himmel, dieselbe Luft.“ 92
„Abraham war großzügig bei Keturahs Söhnen. Ich werde bei meinem Cousin großzügig sein. Rede mit ihnen für mich.“ Yehuda rannte zu seinen Brüdern und hielt ihr Näherkommen an. „Er ist unser Cousin – Nachkomme aus den Lenden Midians. Er ist bereit, Joseph von uns zu kaufen.“ „Warum würden wir ihn an unsere nördlichen Cousins verkaufen?“, fragte Zebulun. „Sie werden ihn von hier fortbringen und wir werden frei von Mord sein. Immerhin ist Joseph unser eigenes Fleisch. Unser eigener Bruder!“ Simeon schritt neben ihn. „Was ist unser Bruder wert?“ „Zwanzig Silberstücke.“ „Es ist genug“, behauptete Gad. „Und wir haben einige zusätzliche Vorräte. Lasst unsere Cousins essen, was sie wünschen.“
Auf der anderen Seite des Bergkamms kämpfte Reuben vergebens mit einem langen, dicken Seil, das er gewohnheitsmäßig bei sich aus Mamre trug. Vor Jahren an seinem ersten Morgen der wahren Reife, als sein betagter Vater ihn ermächtigte, auf die Schafe in den Randgebieten von Labans Land aufzupassen, lernte er den Wert eines guten, starken Seils. Gewahr, als ein Jungendlicher, beobachtete er begeistert die Frauen des Lagers, wie sie sie aus langen Strähnen der Rinderschwänze machten. Ihre beweglichen Finger flochten und sicherten jedes Haar, bis Tausende einzelne Strähnen vereint, stark und unzerreißbar wurden. Danach bewachte Reuben den kostbaren Gegenstand in seinem Wagen. „Wer weiß, wann das Seil gebraucht wird, um das Leben einer verirrten oder gestrandeten Kuh zu retten?“, lehrte ihn sein Vater fortwährend. „Oft streunen diese sanften Kühe in die gefährlichen, schnellen Strömungen des verräterischen Stroms. Sogar öfter stranden sie in den steilen Abhängen des unberechenbaren Pfades.“ Er vergaß nie die Worte seines Vaters. Nun, als er flott zur Grube zurückging, stellte er sich einen stolzen und dankbaren Vater vor, der ihn umarmte! Er stellte sich vor, wie sein verzweifelter Vater für ihn seine beste Ziege kochte! „Endlich werden meine Besitztümer und mein Geburtsrecht mir wieder zurückerstattet! Ein neuer Zylinder wird mir öffentlich inmitten einer großen, applaudierenden Menge überreicht!“ Als der Tag schwächer wurde, beeilte sich Reuben, bestrebt um die dankbare Umarmung seines Vaters. Als er die Grube erreichte, warf er das Seil hinein und schrie: „Joseph, ergreif das Seil!“ „Er ist nicht drinnen“, antwortete Yehuda auf seinen Ruf, als er sich von den zusammenlaufenden Schatten der Höhle der Steinmauer zurückzog. „Sind unsere Brüder zu Verstand gekommen und halfen ihm heraus? „Nein.“
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„Was“, Schrecken erfüllte seinen Verstand, „ist dann mit ihm geschehen?“ „Unsere Cousins kauften ihn. Es war der beste Weg.“ „Unsere Cousins? Welche? Die Ismaeliten? Die Keniter? Die Midianiter?“ „Die Midianiter.“ „Sie handeln mit Ägypten! Yitzhak verbietet uns, nach Ägypten zu gehen!“ Reuben erhob bekümmert seine Hände in die Luft und schrie so laut er konnte. „Was haben wir getan!“ Und die Macht seiner Stimme hallte alleine in dem nahe gelegenen Gebirgskamm. Er legte seine Hände auf seine Tunika und riss die Öffnung auseinander, wobei er auf seine Knie fiel. Sein Körper begann sich zur Grube zu schieben. Verzweifelt kümmerte er sich wenig darum, hineinzufallen. Simeon und Gad, die zusahen, wie sein Körper seitwärts steuerte. Sie ruckten fest an dem Saum seines Gewandes und zogen ihn fort von dem Abhang. „Was für eine Vorstellung führst du hier auf?“, verlangte Simeon zu wissen. „Wirst du uns an Vater verraten?“ Er starrte Simeon an: „Ich bin der Älteste. Ich versagte, den Jüngsten zu beschützen. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“ „Wahrlich gesprochen, du verdammter Idiot! Hör zu, das ist, was wir tun werden. Ergreift ein Kitz, schlachtet es, dann taucht die Tunika in das Blut. Diese Verschwörung wird uns retten.“ „Was wird unseren Verstand retten?“, fragte Yehuda Simeon, der sich gerade abgewandt hatte und nach einer jungen Ziege suchte.
Als die midianitische Karawane an Mamre vorbeizog, warf Yisrael einen flüchtigen Blick auf sie, wobei er sogar von seinem Haus aus den süßen Duft ihres Balsams und Laudanumharzes roch. Der Kamelmeister starrte auf den alten Mann, an dem er vorbeizog, als die Sonne begann unterzugehen. Yisrael kehrte zu seinem Haus zurück, als das letzte Kamel vorbeitrottete. Joseph, in Heiltüchern eingewickelt, konnte nicht sehen oder hören oder einen Aufschrei machen. „Wir haben mehr Cousins als Brüder“, scherzte Yisrael zu Yitzhak. „Abrahams Kinder von Keturah vermehren sich. Aber dann auch Sarahs Nachkommen.“ „Werden wir immer unsere Cousins lieben?“, fragte Yisrael. Yitzhak, der es hörte, schauderte plötzlich. Sein Ohr wandte sich den Geräuschen der Füße der Kamele zu. Er schnüffelte, seine Nasenlöcher öffneten sich weit. „Eine Gewürzkarawane?“ „Eine große. Sie zieht nach Ägypten.“ „Wohin du vielleicht eines Tages gehen musst.“ „Ich dachte, wir dürften nicht in das Land.“
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„Nein, ihr nicht. Was ich sagte, war: ‚Ich darf nicht nach Ägypten.’ Nicht du.“ „Ich missverstand. Es spielt keine Rolle. Ich führe hier ein zufriedenes und glückliches Leben. Ich liebe dich.“ Dann fügte er leise hinzu: „Ich liebe sogar Leah. Ja, sie ist nun zuallererst in meinem Sinn.“ „Sie ist auch gut bei mir gewesen, Yisrael. Viel ergebener als Basemath oder Adah oder Oholibamah. Ich bin froh, dass du sie heiratest.“ Yisrael dachte an Rachel. An seine glücklichen Umarmungen. An ihre heimlichen Spaziergänge durch die Wiesen und Felsspitzen und hinter Labans Pferdeställe. Er lächelte liebevoll. „Ich kann dein Gesicht nicht sehen, aber ich kann dein Glück wahrnehmen“, bemerkte Yitzhak, als er seine Hand über die Öllampe legte, um die Flamme auszulöschen.
Einen Tag, nachdem die midianitische Karawane an Yisraels Lager vorüberzog, kehrten Yisraels andere Kinder zu Yitzhaks Haus zurück. Unfähig, einander anzublicken, hielten die zehn Brüder einheitlich ihre Gesichter hinunter zur Erde, als sie zum Lager ihres Vaters ritten. Der Schritt der Kamele hielt identisch miteinander. Die Herden folgten in einem durcheinander gebrachten Muster. Viele streunten wild. Irgendwie jedoch blieben die Ringer innerhalb der Begrenzungen des Weges. Leah sah ihre Söhne und wünschte, sie mit Umarmungen und Küssen zu begrüßen. Sie verließ ihren Weingarten und rannte zu ihren Söhnen, die vor ihrem Ehemann standen. „Merkwürdig“, dachte sie sich, „alle ihre Schultern sind über ein rotes Tuch gebeugt.“ Sie mühte sich ab, die Unterhaltung zu suchen. Sie konnte das Schreien, den Wortschwall nicht unterscheiden. Verwirrt hörte sie zu laufen auf, als sie sich ihnen näherte. Sie blickte ihren Ehemann an und starrte auf sein verwirrtes Gesicht. Sie sah seine Augen zusammenkneifen, seine Gesicht verziehen. Sie erinnerte sich an den Blick. Sie erinnerte sich an Rachels Todestag. Sie sah ihren Ehemann sein Gesicht in das rote Tuch vergraben, Linien von tropfendem Blut fielen herab. Sie keuchte, als er seine Tunika von seinem Körper riss, indem er voll seinen nackten, dicken Körper jedem zeigte. Sie hörte den verbitterten Schrei: „JOSEPH! JOSEPH! JOSEPH!“ Sie verstand die qualvollen Schreie und nahm die rechte Gabelung des Pfades, wobei sie rannte, bis sie ihr Zimmer erreichte. Erschöpft blieb sie kurz stehen, um mühevoll Luft zu holen. Sie riss ihr Arbeitskleid herunter und legte dasselbe Sacktuch an, das sie während der Trauerzeit für Rachel getragen hatte. Sie durchstöberte die Truhe und fand Yitzhaks Trauersacktuch in seinem Amtsgewand eingewickelt. Sie umklammerte es fest mit ihren Händen und eilte zurück zu ihm. Während jeder bewegungslos um ihn herum blieb, unfähig, die Ungeheuerlichkeit seines Leidens zu begreifen, öffnete Leah sein Trauersacktuch. Sie warf das Tuch über ihn und umhüllte sei nacktes 95
Fleisch, wobei sie es vor den Augen seiner Söhne und seiner Tochter und seinen Schweigertöchtern und Dienern schützte. Er wandte sich seiner Ehefrau zurück. Ihre Augen begegneten sich. Sie öffnete ihre Arme und empfing seinen schweren Körper in ihrem Körper. Beide hielten einander und bejammerten das tragische Drama. „Leah! Leah! Verdamme mich zum Scheol! Lass meinen Körper in die dunkle Tiefe der Erde fallen, der allgemeine Liegeort für die ganze Menschheit: den Reichen, den Armen. Den Königen, den Prinzen, den Mächtigen. Den Dienern, den Schwachen, den Unterernährten, den Kranken. Den Betagten, den Jungen. Den Bösen neben den Guten. Den Unsterblichen neben den Sterblichen. Ein schmerzloser Ort ist es. Ein gedankenloser Ort ist es. Keine Qual. Keine Rache. Kein Schmerz. Kein Leiden. Keine Pein. Vergessene Erinnerungen. Wo die Menschen der Welt und Hebräer zusammen in Frieden ruhen und auf den messianischen Loskauf warten.“ Einen Monat später, nachdem die Trauer endete, trennte sich Yehuda von Simeon, Reuben, Gad und dem Rest seiner Brüder.
Das ist Yehudas Geschichte. Träume, schreckliche Träume besuchten fortwährend Yehudas Nächte. Nächte, geplagt mit Josephs sich abmühendem Atem durchdrangen seine Gedanken! Bilder von Josephs verkrümmten Körper mit Blutströmen, die seinen Rücken und seine Beine bedeckten, verängstigten Yehuda! Der Schweiß der Nacht wurde unerträglich! Die Gesichter seiner Brüder waren schrecklich anzublicken. Hamors Stadt suchte ihn wieder heim. Leichen. Leichen überall. Die Maden verzehrten, was die Hyänen nicht verdauten. Er erwachte. „Ich kann nicht länger mit diesen Mördern und Lügnern leben. Meine Brüder sind wertlos. Oh, Joseph, warum versagte ich, dich zu beschützen? Ich bin unnahbar. Ich bin schlimmer als mein Bruder. Wie kann einem solchen faulen Ding wie mir erlaubt werden, einen weiteren Tag zu wandeln?“ An jenem Morgen beschloss er zu gehen. Als die Nacht dem kriechenden Licht nachgab, beschäftigte er sich damit, seinen Esel mit 96
ein paar Besitztümern zu bepacken. Den Rest ließ er zurück. Er schaute auf das Zelt seiner Eltern. Er dachte daran, sie zu wecken, dann überlegte er es sich. Stattdessen ging er in Reubens Zelt. „Wach auf, Bruder. Wach auf.“ „Was? Yehuda?“ „Ich gehe fort.“ „Vater teilte uns Aufgaben zu?“ Reuben warf seine Decke weg und stand auf und ging zum Wasserbecken, um sein Gesicht zu waschen. „Nein, ich meine, ich verlasse Vaters Lager.“ „Warum?“ „Was ich dachte, es könnte nie passieren, ist passiert.“ Er umarmte Reuben und küsste ihn auf den Hals. Reuben ging aus dem Zelt mit seinem Bruder und sah den Esel schon bepackt. „Also, du hast dich entschieden.“ Yehuda nickte. „Ich dachte zu gehen, aber jetzt muss ich bleiben“, antwortete Reuben. „Ich muss mein Bestes versuchen, Josephs Platz einzunehmen. Ich werde alle groben Worte meines Vaters ertragen, sollten sie kommen. Ich werde alle Schläge ertragen, sollten sie kommen. Ich werde mich nicht von seiner Seite bewegen, ohne Rücksicht auf die Umstände.“ „Lass es sein wie du gesprochen hast.“ „Wohin gehst du?“ „Wo auch immer das Tier mich führt.“ Sie nickten einander zu. Yehuda ließ die Zügel des Esels zur Erde fallen und ließ ihn in seine eigene Richtung gehen. Der Esel ging weiter und blieb erst stehen, als er die Randgebiete der Stadt Adullam erreichte, das strategisch in der Nähe der Kalksteinhöhlen gebaut wurde, die ungefähr sechzehn Meilen südwestlich von der Stadt Salem lagen.
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Kapitel Achtunddreißig Yitzhaks Kinder heiraten Als Yehuda einundzwanzig Jahre alt war, begegnete er Hirah, einem Adullamiter. Sie begegneten sich am Rand der Stadtmauern, als Yehuda seinen Esel tränkte. Hirah hielt es merkwürdig für einen Mann, einen so königlichen weißen Esel zu reiten, doch keine Besitztümer bei sich zu haben. Beide Männer mochten einander augenblicklich und während den ersten Stunden ihrer Begegnung fanden sie, dass sie viel gemeinsam hatten. Bevor die Woche vorüber war, wurde Hirah sein bester Freund. Der Sinn für Humor des stämmigen Gefährten half, Yehudas nächtliche Schrecken von der einnehmenden Schuld zu erleichtern, die ihn für Josephs Verrat umgab. Bald nachdem Yehuda den Lagerplatz seines Vaters verließ, gebar Reubens philistische Ehefrau Yisraels ersten Enkelsohn. Acht Tage später, während des Beschneidungsritus, nannte Reuben seinen erstgeborenen Sohn Enoch, zu Ehren seines Lieblingsvorfahren. In den folgenden Jahren fantasierte Reuben, dass Enoch ein gehorsamer Diener Jahwes werden würde. „Ein Mann, der dem Predigtwerk ergeben ist!“ Stattdessen tat sein ältester Sohn genau, was er wollte. Moderne Wünsche wurden ihm wichtiger als sonst etwas. Was er tun wollte, beging er. Reuben war vierundzwanzig Jahre alt, als Enoch geboren wurde.
Simeon, durch seine philistische Ehefrau, zeugte Jemuel. Innerhalb von zehn Monaten zeugte Simeon Jamin.
Zebulun zeugte während desselben Jahrs Sered.
Drei Wochen später zeugte Levi Gershon. Seine Mutter stammte direkt von den Babyloniern ab.
Innerhalb derselben Zeit zeugte Issachar Tola.
Der Gestank der ägyptischen Stadt stieß Joseph ab! Nackte Männer mit langen Häuten, die die Köpfe ihrer Penisse bedeckten, beleidigten 98
ihn. Als die Ägypter den jungen beschnittenen Mann sahen, dachten sie sich, dass dieser Sklave nicht zu entfernt mit ihnen verwandt war. Was für einen Verrat mochte er begangen haben? Als Joseph auf dem Versteigerungsblock stand, begegneten seine Augen Potiphar. Der Höfling des Hyksos-Usurpators trug die ägyptische Uräusschlange, die seine bedeutende Position anzeigte. Potiphar nickte leicht dem Auktionator zu, der Joseph an den Wegesrand stellte. Er gehörte nun dem Ägypter! Die Wachen ketteten Joseph schnell an mehrere andere Ausländer. Als er dem Sklaventreiber auf der linken Straße folgte, bemerkte Joseph nicht, dass die Hyksos-Herren die rechte Straße mit äußerster Dringlichkeit nahmen.
Der Oberhaushofmeister, der sich mit den Botschaftern von Hammurabi traf, verbeugte sich vor jedem, bevor die Geheimkonferenz begann. Die große Bauweise des Palastes verwirrte den jüngsten Lehrling im Diplomatendienst. Die ältesten Diplomaten, die vor langem den großen Säulen und der gewölbten bemalten Decke begegnet waren, fühlte nur die Qual der Mühe in ihren betagten Körpern. Indem sie zigmal die Jahre hindurch Versammlungen leiteten, wurden sie für die künstlerische Schönheit der Säulen und Decken blind. Der technische Triumph hatte vor langer Zeit ihre Gedanken verlassen. Nun mussten sie Friedensverträge geschickt in die Wege leiten und potenziell brutale Konflikte lösen. „Jede Nation will Ägypten beherrschen!“, schrie der ägyptische König dem Gefolge der Botschafter und Würdenträger zu. „Aber was für eine Nation will Ägypten?“ Niemand antwortete. „Ein tödlicher Kriegsfeldzug nach dem anderen beschmutzt die Savanne rot!“ Die reinblütigen Ägypter wagten nicht, ihre Köpfe zu heben, um den schimpfenden König anzublicken. Verbittert dachten sie sich: „Was für ein Heuchler. Nun, da die Hyksos Ägyptens Reichtum beherrschen, denken sie kategorisch von sich als Ägyptens Väter! Ihr Sturz wird geschehen!“ „Wenn ihr die Welt beherrschen wollt, erobert zuerst Ägypten“, fügte der Hyksos-Herrscher hinzu. „Und der einzige Mann, der stark genug auf dieser Welt ist, Ägypten zu beherrschen, bin ich selbst. Ägypten zu beherrschen befriedigt mein Dasein! Lasst Hammurabis Sohn seine Ambitionen uns gegenüber hüten.“
Im fernen Babylon lag Hammurabis Leiche in einem soliden goldenen Grab. Die größten Metallarbeiter und Präger des Landes reproduzierten
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Hammurabis Gesicht auf den feinsten Granitsteinen in der Gegend. Dutzende exquisite Gesichtsreproduktionen umgaben die Totenkammer. Samsu-iluna, Hammurabis Erstgeborener, stand hinter dem Sarkophag. „Er starb als alter Mann, unversehrt von seinen vielen Feinden“, behauptete er zu den versammelten Besuchern. „Der Minos hat auf diesen Tag gewartet. Der ägyptische König applaudiert über den Tod meines Vaters! Er fantasiert über das neue Thema des Todes. Seine großen Lebensmittelspeicher und seine stark bewaffneten Soldaten, zusammen mit dem finanziellen Imperium des Minos, werden heute danach trachten, uns zu vernichten! Wir werden jedoch nicht den Verschwörungen des Minos’ und Hyksos’ zum Opfer fallen. Wir werden keinen Bürgerkrieg unter uns führen, wie sie von uns erwarten. Wir werden einander nicht auf dem Schlachtfeld bekämpfen, um zu sehen, wer der Stärkste und Beste ist. Es ist wahr: viele von euch verdienen den Thron meines Vaters. Ich bin jedoch für alle Umstände und Absichten der richtige Mann. Stellt mich beiseite, plündert uns im Bürgerkrieg und die Konsequenzen werden die Zersplitterung unseres Reiches sein. Wollt ihr, dass die Ägypter und der Minos auf unseren Straßen marschieren und unsere Frauen heiraten und uns versklaven? Falls ja, führt energisch eure Kriegsfeldzüge gegen mich. Ägypten und Kreta gebieten euch so zu tun!“ Die babylonischen Prinzen und Edlen und Priester hörten zu und stimmten überein, Samsu-iluna als ihren Herrscher zu behalten. Während des Tages besiegelten Abgesandte den Pakt mit dem neuen König und die Armeegeneräle nickten zustimmend, erleichtert, dass die Drohungen eines Bürgerkrieges verblasst waren. Sie schauten wieder auf den westlichen Horizont und schärften ihre Speere.
In der Zwischenzeit auf der Smaragdinsel des Großen Nord-Ozeans inspizierte der minoische Marinekommandant sorgfältig die neulich vollendeten Festungen, die seine Männer schufen. „Es ist passend!“, schlug er seine Hände gegen seinen starken linken Schenkel. „Wir werden unsere besten Soldaten zurücklassen“, sagte der Marinekommandant seinem stellvertretenden Kommandanten. „Um diese Insel voll zu besiedeln, werden wir auch unsere Priester zurücklassen.“ „Er ist ein Verrückter“, schüttelte der andere seinen Kopf. „Darum werden wir ihn zurücklassen.“ „Unsere Männer werden Frauen brauchen.“ „Einige werden auftauchen. Frauen tauchen immer aus dem Nichts auf.“ Die andere Person lachte laut auf. „Wahr!“ „Und um die Männer beschäftigt zu halten, weist die Meisterbauer an, einen kreisförmigen, himmlischen Tempel zu Ehren unserer Entdeckung diese herrlichen Insel zu bauen. 100
„Begründet die Positionen der Säulen auf die Sternenbewegung. Legt die Hauptsteine in Verbindung mit der Sonne und dem Mond. Ich habe mathematisch gefolgert, dass die säulenartigen Steinvorsprünge hier und hier sein sollten“, zeigte er den Männern, „und dort. Legt sie gemäß der Entfernung, die ich berechnet habe. Die Anordnung wird euch über die vergehende Zeitspanne und die vorübergehenden Jahreszeiten informieren. Tut dies zu Ehren unseres Großen Herrn der Lilien.“
Als der Marinekommandant seine Rückreise nach Kreta machte, ekstatisch über die jüngste Entdeckung, stellte er sich vor, wie der Minos den Zehntausenden Bürgern seinen Namen vermittelte. Er sah, wie sich seine Kameraden auf den Spitztürmen drängten und die Haupt- und Nebenstraßen füllten, begierig, seine Neuigkeiten zu hören. „Ich entdeckte eine neue Insel westlich des Kontinents! Sie wird von unseren Landsmännern besiedelt! Unser Reich führt nun zu den neuen Kontinenten der westlichen Hemisphäre!“ Er schloss seine Augen und stellte sich die großen Klippen der schönen grünen Insel vor! Er streckte seine Hände aus und gab vor, den ständigen, erfrischenden Nebel der Insel zu berühren. „Kreta ist heute tatsächlich das mächtigste Land auf der Welt! Eines Tages wird die schöne westliche Insel, die ich entdeckt habe, noch größer werden! Kreta, trotz all ihrer Macht, wird schnell ein schwaches, trockenes Land werden.“ Als sich seine Eskorte von fünfzig Kriegsgaleeren und hundert flachen Kähnen der Stadt Knossos näherte, fegte eine plötzliche, mysteriöse gigantische Welle über die Flotte. Der gewaltige Sturm warf die Flotte wie ein Spielzeug hin und her in einem Becken schlammigen Wassers. In schneller Aufeinanderfolge bracht jedes Boot und jeder Kahn auseinander! Die Schreie der Seemänner hallten kurz im Wind. Die hohen Masten verschwanden unter dem tosenden Meer. Die Flotte erlag völliger Vernichtung. Jeder Mann ertrank.
Weit landeinwärts schauten die verängstigten minoischen Kaufleute auf den gewaltigen Palast und sahen hilflos, wie die Spitze zitterte. Als der Minos den fernen Berg beobachtete, drehte er sich herum, um zu seinen persönlichen Göttern des Vergnügens und der Spiele zu beten. Als er seine ringenden Hände an seine Lippen brachte, hörte er die Deckensäulen krachen. Instinktiv drehte er sich um, um den Geräuschen der brechenden Steine gegenüberzutreten. Im selben Augenblick schob sich ein riesiger Block vom Stützpfosten und direkt in Richtung des verstummten Königs.
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Eine Minute später kehrten die Meereswellen zu ihrem normalen Strudel zurück. Das minoische Handelsimperium wurde in diesen wenigen Sekunden ein Albtraum der Ungewissheit.
Während des Jahres 1749 v.Chr. wurden Yehudas Albträume intensiver, kraftvoller. Hirah, der seinen Schmerz bezeugte, schaute hilflos zu, wie Yehuda sich in seinem Bett hin- und herwarf. Hirah bereitete für seinen Freund einen Beruhigungstrank zu und hielt ihn an seine Lippen, als Yehuda mit seinem üblichen Schrei wach wurde. „Je mehr du das trinkst, umso abhängiger wirst du davon. Finde einen Weg, deine Schuld zu bewältigen.“ „Wie kann ich? Es war mein Bruder, den ich für zwanzig Silberstücke verkaufte. In was für eine Art von Leben zwang ich ihn?“ „Ein Leben, worin er noch am Leben ist!“ „Wie weiß ich das? Er hätte einen tragischen Tod erleiden können! Wenn er noch am Leben ist, ist er vielleicht unter der ständigen Peitsche eines verrückten Sklaventreibers! Schlimmer, ich kann mich nicht erinnern, was für einen großen Schaden er gegen uns verursachte, uns dazu zu bringen, ihn versklaven zu wollen, geschweige denn, ihn ermorden zu wollen?“ „Offenbart die Zeit schließlich nicht dem Menschen alle Antworten?“ „Ich will vielleicht die Antwort nicht wissen. Unwissenheit mag der bevorzugte Geisteszustand sein.“
Im Nildelta Ägyptens bliesen starke Windstöße landeinwärts. Die Wellen waren höher als sie gewöhnlich waren, und spülten zahllose tote Fische hoch. Der widerliche Geruch machte die Leute krank. Tage später gingen die Seevölker auf der Insel Kreta vor Anker. Erschrocken erforschten sie die Insel, erstaunt über die Ungeheuerlichkeit der Vernichtung von dem Erdbeben. „Wir müssen unsere Ressourcen zurückberufen“, traf sich das älteste Ratsmitglied mit den wenigen überlebenden Ratgebern. „Wenn wir es tun, können wir nie nach Asien zurückkehren. Oh, wir haben vielleicht in paar kleine Märkte dort, aber das wird alles sein.“ „Lasst Asien gehen. Wir werden uns auf Griechenland und Italien und Spanien konzentrieren. Die Seerouten nach Indien gehören noch uns. Sie haben keinen Möglichkeit zu wissen, was mit uns geschah. Sie werden noch immer unseren Verträgen treu sein.“ „Ägypten?“ „Es ist allein.“ „Wird das Hyksos-System ohne uns überleben.“ „Sie werden es nicht. Die Ägypter werden sich gegen sie erheben.“ 102
„Nicht für ein paar Jahre. Etwas geschieht vielleicht, um sie an der Macht zu halten – zumindest für eine Weile länger.“
In Avaris, der Hykos-Hauptstadt Ägyptens, wurde Potiphar stolz auf seinen neuesten Sklaven. Joseph wusste, wie man die fünf internationalen Handels- und Politiksprachen las und schrieb. Erstaunlicherweise verstand sein neuer Sklave die Buchführung ebenso wie die Haushaltsaufgaben. Als Joseph neunzehn Jahre alt war, war Binyamin, sein direkter Bruder durch seine Mutter Rachel, vier Jahre alt. Binyamin war zwei Jahre alt, als Joseph in die Sklaverei verkauft wurde. Während die Amme Binyamin säugte, beobachtete Joseph den aufgehenden Mond. Joseph fragte sich, ob jemand anderer auf der Oberfläche der Erde genau seine Emotionen empfand. Er fragte sich auch, wohin das Licht des Vollmondes fiel. „Vielleicht denkt jemand genau in dem Augenblick dieselben Gedanken wie ich.“ Yehuda, der auf den Mond blickte, ging zu der prächtigen Eiche. Er betete: „Lass dasselbe Licht, das ich jetzt anblicke, als Bote zwischen mir und Joseph dienen.“
Drei Jahre, nachdem Potiphar Joseph von der Sklavenversteigerung kaufte, fiel er zusammen mit seinem Sklaven der scheußlichen Verschwörung seiner Ehefrau zum Opfer. Potiphars Ehefrau, erfolglos in ihren Versuchen, Joseph zu verführen, beschuldigte ihn des Versuchs, sie zu vergewaltigen. Eines langweiligen Nachmittags überlistete sie ihn, sie in ihrem Schlafgemach zu besuchen. Seit zwei Jahren beobachtete sie den muskulösen und gut aussehenden Hebräer. Sie würde ihres Ehemanns müde und fantasierte von einem jungen Mann. In den einsamen Nachmittagen masturbierte sie bei Gedanken an Joseph, der in sie eindrang und ihre Brüste liebkoste. Sie wollte ihn um jeden Preis. Als er ihrer Aufforderung nachkam, ließ sie ihre Finger um seine breiten Schultern tanzen und lehnte sich verführerisch in seinen Arm. Er schritt fort von ihr. Ihre Finger lösten das einzige Tuch mit Goldfäden um ihren Körper. Joseph schaute zu, wie es durch die Luft schwebte, um den Boden bei ihren kurvenreichen Beinen zu berühren. Er hatte nie eine so schöne Frau gesehen. Sein Körper fühlte einen merkwürdigen Drang, dem sein Vaterstand widerstehen musste. Seine Beine verweilten auf ihren Beinen, als sie sie auseinander spreizte. „Tue es“, flehte sie ihn an. „Tue es so viel und so oft du wünschst.“ „Ich bin eine Jungfrau“, bekannte ihr Joseph. „Ich weiß nicht, was ich tun soll.“ „Ficke mich, Sklave.“ 103
Joseph zuckte zusammen, als er ihre ausfallende Sprache hörte. „Ich werde es nicht. Du bist verheiratet.“ „Dein Penis ist hart. Dein Körper will mich.“ „Mein Verstand sagt nein. Mein Gott sagt nein. Ich muss nein sagen.“ Sie lächelte und steckte ihre Fingerspitzen in ihre Vagina und begann zu masturbieren. Ihr Stöhnen füllte den Raum. „Stehe nicht so weit weg. Mach es mir.“ Er schritt weiter zurück. Sein Penis schwoll an und schmerzte ihn. Sie sah ihn zittern und beben. Die pochende Bewegung erhöhte ihre Begierde. Sie kam zum Höhepunkt. „Lass dein Lendentuch fallen.“ Er legte seine Hände zwischen seine Beine. Sein Gesicht wurde rot. Sie ging zu ihm hinauf, als er zur Wand zurückwich. Als sie ihn in der Falle hatte, legte sie ihre Hand auf seinen harten Penis. „Er ist wie ein Stein. Ich will ihn in mir.“ „Ich kann die Gesetze meines Vaters oder die Gesetze meines Gottes nicht übertreten.“ „Du dummer Bastard. Scheiß auf deinen Gott und deinen Vater. Ich sagte, ich will Geschlechtsverkehr von dir, Sklave.“ Er stieß sie von sich weg, und als er es tat, zog ihre Hand sein Lendentuch von ihm. Er rannte aus den Gemächern und versteckte sich hinter der Unterkunft der Diener, während er versuchte, etwas zu finden, um sich zu bedecken. Potiphar, der das Haus ungefähr zu dieser Zeit betrat, hörte ein eigenartiges Klatschen von nackten Füßen gegen den Steinboden. Er ging in das Gemach seiner Ehefrau, wo er seine nackte Frau sah, die ein Lendentuch in ihrer Hand hielt. „Was geht hier vor sich?“, schrie der überraschte und wütende Ehemann. Überrascht bei seinem Eintreten ließ sie das Lendentuch fallen und rannte zu ihm und begann hysterisch zu weinen. „Dein vertrauenswürdigster Diener vergewaltigte mich.“ „Wer?“ „Joseph, du Narr! Es war Joseph!“ Potiphar stieß seine junge Ehefrau von sich. Er schaute auf ihre festen Brüste, ihren flachen Bauch, ihren irreführenden Schrei. Er glaubte ihr nicht. Sie schaute ihn dann an, entschlossen, sich vor dem alten Mann zur Schau zu stellen. Sie stolzierte im Zimmer herum und drückte ihre Brüste und stöhnte. „Wenn du diesen Körper willst, wirst du Joseph verhaften und anklagen lassen, mich vergewaltigt zu haben. Kein Mann irgendwo kann die Gemächer dieser Frau betreten, ohne mich zu begehren.“ Sie ging zu ihrem Bett und hob das Tuch auf und band die Riemen über ihre Schultern. „Du wirst den König informieren, dass ich vergewaltigt wurde.“ Potiphar schluckte. Er hob das Lendentuch auf und bemerkte ein Schamhaar, das sich in seinen Fäden verfangen hatte. „Du hast es ihm heruntergezogen, nicht wahr?“ 104
„Wir kämpften und es fiel herab.“ „Doch es gibt keine blauen Flecken an dir. Er ist ein kräftiger junger Mann. Also, wo sind deine blauen Flecken?“ „Lass mich in Ruhe!“, schrie sie. „Gehe zum König und lass Joseph verhaften, oder ich werde nie wieder mit dir schlafen.“ Der betagte Mann gab der Forderung seiner jungen Ehefrau nach. Als er ihre Gemächer verließ, hörte Potiphar seine Ehefrau lachen. Als er die Halle erreichte, ging er an einem anderen jungen Mann vorbei, der nackt war. Er trug einen Sklavenring um seinen Penis. Er gab dem jungen Sklaven Josephs Lendentuch. Potiphar war schlecht. Er ging in sein leeres Schlafgemach und schlug die Tür zu. Einen Augenblick später übergab er sich.
An den Peitschenmeister gekettet wurden Joseph und eine große Gruppe von Gefährten in die Wüstenländer geführt. Alle wurden zu lebenslanger Gefangenschaft in Ägyptens regionaler Wüste verurteilt. Die folgenden Jahre hindurch ging Joseph trostlos um die offene Grube von Ägyptens Wüstenland und hämmerte seinen stumpfen Meißel in die Felsenoberfläche und schlug Steinblöcke für die Architekten heraus. Als diese Aufgabe endete, ließ er das Wasser ab und säuberte die Exkrementengruben und pflügte das fruchtbare Land. Die langen Jahre hindurch blickte Joseph auf den fernen östlichen Horizont, als die Tränen seine Augen nässten. Bei Sonnenuntergang wiederholte er zu sich: „Ich werde überleben, ich werde triumphieren!“
Yisraels Söhne zeugten in der Zwischenzeit zusätzliche Enkelkinder für seinen Haushalt. Reuben zeugte Pallu und Hezron. Simeon zeugte Ohad und Jachin und Zohar. Levi zeugte Kohath. Issachar zeugte Puvah und Iob. Zebulun zeugte Elon und Jahleel. Gad heiratete, als er fünfundzwanzig Jahre alt war und zeugte während Josephs Gefangenschaft Ziphion, Haggai, Shuni, Ezbon und Eri. Während dieser Zeit zeugte Ascher Imnah und Ishvah. Dan zeugte nur einen Sohn, Hushim. Naphtali zeugte Jahzeel, Guni und Jezer. Diese wachsenden Familien umgaben Yitzhaks Haus und bildeten das erste hebräische Dorf. Von diesem Dorf gingen die Familien zusammen jeden Morgen zu ihren Rinder- und Schafsherden und ihren Gärten. Während die Hirten die Schafe und Rinder vor den Raubtieren des Landes bewachten, bearbeiteten Yisraels andere Enkelkinder die Felder. 105
Sie bestellten die reiche, fruchtbare Erde für die Gerste und den Weizen. Während sie ihre Aufgaben ausführten, sammelten die Ehefrauen und Töchter Feigen und Obst und Oliven und Trauben. In Einheit arbeiteten die Familien miteinander für ihr gemeinsames Wohl. Alle blieben in der sich ausdehnenden Zeltstadt. Die Jahreszeiten kamen und gingen und wiederholten die Ereignisse von vorgestern.
In den rauen Tiefebenen der Shephelah, in der Stadt Adullam, errichtete der zweiundzwanzigjährige Yehuda sein separates Heim. Eines klaren Morgens fühlte er sich weniger niedergeschlagen über seinen Bruder, daher beschloss er, wieder mir Hirah zu jagen. „Wir jagen die ganze Zeit“, beklagte sich Hirah. „Wir geben immer weg, was wir fangen. Warum behalten wir dieses Mal nicht, was wir jagen?“ Yehuda lachte und klopfte seinem besten Freund auf den Rücken. „Ich habe eine Idee“, begann Yehuda. „Immer treffen wir auf verlassene Rinder und Herden und Tiere, die niemand will, um sich darum zu kümmern. Sie sind frei für jeden, der sie fängt.“ „Ja, aber wer will sie fangen? Rinder sind dumm und faul? Wofür sind sie gut? Wenn wir sie schlachten, verdirbt drei Viertel von dem Fleisch. Und die Kühe, sie schreien immer nach jemanden, sie zu melken. Nein, jagen wir einfach Löwen und vergessen es, Hirten zu werden.“ „Mein Vater ist ein wohlhabender Hirte!“ „Ja, dein Vater ist sehr wohlhabend. Aber er hat viele Söhne und Enkelsöhne, die sich um seine Herden kümmern.“ „Ja, das ist wahr. Und aus diesem Grund denken alle Männer, dass sie eine große Anzahl an Arbeitern haben müssen, um ihnen zu helfen, Erfolg zu haben.“ „Yehuda, was ist dein Punkt?“ „Was frei herumstreift, streift frei herum, weil Menschen dünnes und wertloses Vieh sehen! Was gedeiht, gedeiht wegen der pflichtbewussten Arbeit! Wir beide können uns ausbilden, unsere eigene pflichtbewusste Arbeitskraft zu sein.“ „Ich weiß nicht.“ „Hirah“, Yehuda blickte mitfühlend in die Augen seines Freundes. „Was für eine Bedeutung gibt es für uns in diesem Augenblick – und für die kommenden Augenblicke? Wir stehen auf. Wir essen. Wir trinken. Wir pissen und scheißen, dann gehen wir wieder schlafen. Mein Vater arbeitete für seinen Onkel einundzwanzig Jahre lang und bezahlte für seine beiden Ehefrauen und beiden Konkubinen und um eine große Herde aufzubauen. Er ist ein großer Mann. Meine Brüder jedoch sind nicht so groß wie mein Vater, trotzdem haben sie für sich selbst eine vernünftige Existenz errichtet. Sie haben Besitz und Kinder und Ansammlungen.
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Rinder sind Dinge zu besitzen. Das Land ist frei wie das Gras. Wir graben ein paar Wasserbrunnen und alles kümmert sich um sich selbst.“ „Es ist nicht so einfach.“ „Nein, es ist nicht so einfach. Aber zusammen können wir Zweck und Bedeutung für unser Dasein schaffen. Warum zum Nichts weitergehen, unerinnert? Lass uns zusammen etwas schaffen.“ Hirah nickte. Er grinste wild und schlug Yehudah auf den Schenkel und stachelte ihn an. „Wir werden zusammen ein Anwesen bauen. Stell dir das vor: Ich, der mit einem Babylonier lebt! Wer kann es glauben!“
Innerhalb eines Monats, als die beiden abenteuerlich die Landschaft erforschten, fingen sie viele wilde, nicht geltend gemachte Rinder und Ziegen für sich selbst. An einem Vormittag während einer anderen Expedition wanderten die beiden zufällig in den Ländern einer kanaanitischen Familie, die dabei war, einen Speichersilo für ihr überschüssiges Getreide zu bauen. Fasziniert ritt Yehuda mit seinem Esel zu den Kanaanitern. „Ich bin Yehuda, Sohn von Yisrael“, stellte er sich der Familie vor. „Das ist Hirah, mein großer Freund.“ „Ihr beide seid willkommen. Steigt von euren Eseln und genießt unseren Wein.“ Beide lächelten, erfreut über ihre Gastfreundschaft. „Irrtümlich wanderten wir in euer Land. Unsere Rinder und Ziegen haben an euren Gräsern gefressen. Wir wussten nicht, dass sich jemand hier ansiedelte, aber da es so ist, sind wir vorbereitet, Wiedergutmachung zu leisten, da sie von euren Feldern fraßen.“ „Wir hätten es nicht gewusst, wenn du es nicht gesprochen hättest“, erwiderte der kanaanitische Patriarch. „Wir haben unsere Felder vernachlässigt, damit wir unseren Silo bauen konnten.“ „Alle sind hier und bauen ihn?“ „Wir haben nur so viele Männer.“ „Ihr habt uns jetzt, um zu helfen. Erlaubt unseren Rindern, sich voll zu fressen und wir werden euch helfen, eure Länder abzuernten.“ „Sind eure Rinder wild?“ „Es sind die nicht geltend gemachten Wanderer der Erde. Ich brachte sie zusammen und sie gehören rechtmäßig Hirah und mir.“ Der Kanaaniter nickte. „Ihr beide arbeitetet hart für das, was ihr habt. Viele hatten die gleiche Gelegenheit, die Rinder für sich einzusammeln, aber taten es nicht.“ Als der Tag sich erwärmte, wurden die Arbeiter nach dem kühlen Wasser des Brunnens durstig. Shua, die vierzehnjährige Tochter des Kanaaniters, reichte ihren Brüdern und Freunden das erfrischende Wasser. Als sie den Becher ausgab, begegneten ihre Augen denen Yehudas. „Du bist ein Hebräer?“ „Ha, Hübsche“, machte er sie verlegen. 107
„Ich bin nie einem Hebräer begegnet. Du scheinst genau wie wir zu sein, außer dein Gesicht ist blässer als meines und dein Haar etwas weicher.“ Seine Augen blickte auf ihre dunkle Haut, ihr dichtes schwarzes Haar, ihre tiefbraunen, faszinierenden Augen. Sein strahlendes Lächeln spiegelte seine Gedanken wider. Sie starrte fortwährend auf die mittlere Sonnenbräune des Mannes, sein hellbraunes Haar und seinen weichen Bart. Seine Augen waren sanft, einladend, verlockend. Sie fühlte sich in ihnen schwimmen. Yehuda, der verstand, errötete. Hirah lachte. „Da hast dir eine Frau gefunden!“, stieß er ihn mit seinem Ellbogen in die Seite. „Ich bin keines Mannes Frau!“, verteidigte sich Shua. Dann, indem sie Yehuda anblickte, fügte sie neckend hinzu: „Außer du willst mich wirklich für dich?“ Hirah ließ seinen Becher fallen und stürzte über den Baumstamm, wobei er vor Lachen brüllte. Yehuda ging hinter ihr her und erwischte sie am Hinterteil ihrer wehenden Tunika. „Warum lacht Hirah so?“ Er berührte ihre junge, vibrierende Wange. „Er ist glücklich für mich. Ich habe mich nach etwas gesehnt“, er atmete lange aus, „nach jemandem.“ Sie senkte ihre Augen zu Boden. Er hob ihr Kinn hoch, damit ihre Augen seinen begegneten. Er fuhr fort: „Wie ist euer Hochzeitsbrauch?“ Und so heiratete der Hebräer eine Kanaanitern, nachdem er einen Anteil seiner Rinder und Ziegen eintauschte.
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Kapitel Neununddreißig Yehudas Söhne In demselben Jahr zeugte Yehuda seinen erstgeborenen Sohn, Er. Der Name bedeutet Erwachen. Sechzehn Monate später wurde Onan im selben Bett geboren, in dem sein Bruder geboren worden war. Der Name stammte aus einem Wurzelwort, das dynamische Energie bedeutete. Beide Söhne wurden in dem Haus von Shuas Vater aufgezogen. In diesem Haus lernten sie viele kanaanitische Bräuche und Traditionen. Während Ers zweitem Lebensjahr, während Shuas Schwestern und Mutter auf ihn und seinen jüngeren Bruder aufpassten, begannen sich schwache, beinahe nicht wahrnehmbare Wesenszüge des Bösen in der Persönlichkeit des Erstgeborenen erkennbar zu machen. Kleine Lügen wurden vergeben und garstige Bemerkungen ignoriert. Yehuda, der die Neigungen seines Sohnes zu den kanaanitischen Bräuchen bemerkte, nahm Hirah zur Seite. „Wir habe eine Menge Rinder und Ziegen. Lass uns unser eigenes Haus errichten, wie wir es wollten, und den Anfang unserer Partnerschaft zu bilden.“ „Yehuda“, Hirah berührte die Schulter seines Freundes, „wir haben keine Getreidefelder. Ohne Futter, was hat unsere Sammlung für einen Sinn? Sie werden bald umkommen. Wir haben auch keine Bullen. Zumindest hier können wir, was auch immer wir züchten, aus den Wäldern und von den Hügeln fangen.“ „Ich glaube, wir müssen selbständig werden.“ Hirah seufzte: „Ich bin dein Freund und dein Gefährte. Ich werde dir folgen.“ Bis zum Monatsende führten die beiden Männer ihr Vieh zu der Gegend außerhalb von Chezib, was dasselbe wie Achzib ist, was dasselbe wie Kezib ist. Diese mehrfach benannte Gegend lag drei Meilen südwestlich von Adullum. Dort wurde Shelah, Yehudas dritter Sohn, geboren. Kurz danach errichteten Hirah und Yehuda in den Ebenen der Shephelah eine große Viehzucht. Während ihrer embryonalen Abenteuer importierten die beiden Unternehmer ihre Futter von Shuas Vater. Das folgende Jahr wuchs die Rinderzucht. Schließlich hatten die beiden Freunde genug Geld angehäuft, um es sich leisten zu können, Shuas Brüder einzustellen, ihnen bei den allgemeinen Arbeiten des Feldes zu helfen. Innerhalb desselben ersten Jahres fand Hirah einen Mann, der gewillt war, seinen preisgekrönten Bullen an sie im Austausch für dreißig gefleckte Ziegen zu verkaufen, die Yehuda privat gezüchtet hatte. Der Händler, der wusste, wie verzweifelt die Partner seinen wertvollen Bullen wollten, verlangte eine weitere Bezahlung: die Kenntnis, wie man die eigenen gefleckten Ziegen aufzieht. Yehuda belehrte ihn über die genetischen Realitäten. Zwei Jahre später züchtete Yehuda mit dem preisgekrönten Bullen die feinsten Rinder in de Land für sich. 109
Während des Beginns des dritten Jahrs ihrer großen Unternehmung kauften die beiden Partner das Weizenfeld ihres Nachbarn, ebenso die Olivenhaine, die in der Nähe wuchsen. In den letzten Monaten ihres dritten Jahrs kauften die beiden Männer einen abmühenden Weingarten. Hirah, der in seinem kurvenreichen Verlauf ging, war entzückt, die trocknenden Weinreben zurechtzustutzen und zu bewässern. Inmitten desselben Jahres überreichte Shua ein kleines Geschenk ihrem Erstgeborenen. Das Bildnis des Ziegengottes entzückte Er. Eines Tages schlich er sich in den Pferch, der die preisgekrönten Ziegen seines Vaters von den anderen Ziegen isolierte. Er stahl das neugeborenen Kitz. Er zog sich zu dem Schatten seines Lieblingsbaums zurück und streichelte sanft sein weiches, verführerisches schwarzes und weißes Haar. Die schwache Ziege, die zu ihrer Mutter zurück wollte, kämpfte gegen seine haltenden Arme. Als die Zeit verging, begann die junge, hungrige Ziege nach ihrer Mutter zu meckern. Das kleine Kind, das fortwährend gegen die Bewegungen der sich abmühenden Ziege kämpfte, wurde bei jedem Sprung wütender. Um sie zu zwingen, an seiner Seite zu bleiben, fing er die Hinterbeine der Ziege unter seinen eigenen. Nicht im Gleichgewicht, aus Angst, kämpfte sie heftiger, um von ihm davonzukommen. Er, entschlossen, sich durchzusetzen, hielt den Hals der Ziege fester. Nach einer halben Stunde der unaufhörlichen Mühe verlor Er völlig die Geduld. Er hob das Kitz an seinen Hinterbeinen hoch und der fünf Jahre alte Junge schlug den Kopf der Ziege in den Baumstamm und zerschmetterte den Schädel. Er höhnte und überließ das blutende Tier den Kötern, die, als sie sein Blut rochen, hineilten und es brutal auseinander rissen.
In der Zwischenzeit, indem er seine starke Persönlichkeit durchsetzte und fortwährend volle Integrität und disziplinierte Manieren ausübte, reifte Joseph in Ägyptens Wüstengebiet. Joseph erlangte das Vertrauen des Gefängnismeisters und wurde der Hauptverwalter der Bedürfnisse der Gefangenen. Es geschah, dass, während er das Gerichtsurteil für die angebliche Vergewaltigung der Ehefrau Potiphars abdiente, zwei andere Männer in den Gefängnisblock von ihm geworfen wurden. Beide waren Ägypter. Der Erste war der Mundschenk von König Apophises. Der Zweite war der Bäcker des königlichen Haushalts. Als Hauptverwalter fiel die Verantwortung für ihre anfängliche Obhut auf Joseph. Über einen Zeitabschnitt begannen die beiden ihm zu vertrauen. Schließlich begannen die beiden Ägypter den Ausländer zu bewundern. „Nicht nur spricht der beschnittene Ausländer fließend unsere Sprache“, unterhielt sich der Mundschenk mit dem Bäcker, „er kann auch Zutritt zu den Honigkrügen erlangen.“
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„Wahrlich“, schmatzte der Bäcker mit seinen Lippen, während seine Zunge seinen Gaumen liebkoste. Während einer bestimmten Nacht erfuhren die beiden Ägypter merkwürdige Träume. Ungewohnt an solche Träume, vertrauten die beiden Joseph die Auslegung an. Joseph rieb seine feuchten Hände entlang seiner schmuddeligen Tunika trocken und setzte sich vor sie. Sie hatten nie zuvor eine Person sich so schnell verändern sehen. Einer bekam Angst vor Joseph, während der andere sich näher nach vor lehnte. Einer zitterte außer sich. Der andere nickte ruhig. Schließlich blickte er die beiden an und hörte sie sprechen.
Der Bäcker sprach zuerst. Während der Nacht erzählte er Joseph dies: „Zehn Geier flogen in Kreisen um das Wüstenland.“ Joseph berührte die Schläfen des Mannes. Er schloss seine Augen und die Worte des Bäckers veranlassten Joseph, sich die Szene in seinem Kopf vorzustellen. Die Worte des Bäckers führten Joseph auf eine eigenartige Reise. In seiner Vision verwandelte er sich in den Bäcker. Er sah sich in ein heißes Gebiet eintreten. In der Darstellung blickte Joseph als der Bäcker durch Schichten von Strohhaufen auf verrottenden Gestellen. Abgenutzte und zerrissene Tücher bedeckten die Strohhaufen. Der fortgezogene Joseph saß neben dem Haufen Stroh und beobachtete eine Schar dunkelfarbiger Vögel, die zu einer Grube herabkamen, die sie vor ihm auf geheimnisvolle Weise öffnete. Joseph jagte den schwarzen Vögeln hinterher und begegnete dem Bildnis eines Mannes, der dem Bäcker ähnelte, der nackt vor den Wachen des Königs stand. Hilflos folgte der Bäcker den Wachen in den Gefängnishof. Dort banden die Wachen des Königs den Bäcker an einen astlosen Baum. Joseph zitterte, als er beobachtete, wie die Wachen mit ihren Speeren zielten und sie in den Brustkorb und in die Beine des Bäckers schleuderten. Joseph schrie vor Schrecken und Schmerz genau wie der Bäcker schrie. Eine dritte Wache rannte brutal zu dem leidenden Bäcker hinauf und rammte seinen Speer durch den Mund des Bäckers und schlug ihn durch seinen Nacken. Joseph schüttelte sich wie ein epileptischer Mann. Er brach die Trance und zitterte gewaltig. Er schaute den Bäcker an und weinte neben ihm. Der Mundschenk begann seine Geschichte. Als Joseph sie hörte, lächelte er. Er berührte die Hand des Mundschenks. „Heute wirst du ein freier Mann sein.“ Am selben Nachmittag, drei Stunden, nachdem der Bäcker durch die Wache des Königs getötet wurde, setzte der Herrscher der Länder den Mundschenk wieder in seiner früheren Position ein. Dies geschah, weil der Herrscher der Länder seinen Geburtstag mit einem großen Fest feiern wollte.
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Zwischen den Städten Mamre und Be’er-Sheva, zwischen den zahlreichen Zelten, gebar Reubens Ehefrau Carmi. Gad, während desselben Jahres, zeugte Arodi und Areli. Ascher zeugte Ishvi. Innerhalb von zwölf Monaten zeugte Ascher auch einen Sohn Beriah. Am Ende des folgenden Jahres gebar Aschers Ehefrau eine Tochter, die sie Serah nannte. Dan, ein Jahr vor Serahs Geburt, zeugte Shillem. Diese zusätzlichen Söhne und Töchter wurden den hebräischen Familien geboren, während Joseph in Ägyptens Wüstenland eingekerkert blieb.
Im Jahr 1740 v.Chr. festigte der neue Minos von Kreta volle Regierungsgewalt für sich, indem er aus dem katastrophalen Erdbeben und den daraus resultierenden Strömungen einen Vorteil zog. Die Überlebenden verlangten Notfallshandlungen, um sie vor den Piraten der Meere zu beschützen, die auf ihre Insel kamen. Der neulich gewählte Minos scharte sein Volk nach dem katastrophalen Ereignis zusammen. Er gab ihnen Hoffnung. Mit erneuerter Stärke kämpften die Minoer tapfer gegen die Eindringliche und begannen ihre zerstörten Städte wieder aufzubauen. Die internationale Allianz jedoch löste sich völlig auf. Babylon, ohne der minoischen Bedrohung, die über es schwebte, gedieh.
Schließlich kam der Tag, als Hirah leise hinaufging zu seinem besten Freund, um ihm eine Nachricht von seinem Vater zu übergeben. Shua umarmte ihren Ehemann und bereitete ihre Ohren vor, das Schlimmste zu hören. Yehuda riss den Brief auf und ließ die Nachricht dann sanft zu Boden fallen. Seine Großmutter war gestorben. „Ich kannte sie nicht sehr gut“, gab er Shua und Hirah gegenüber zu. „Ich erinnere mich an sie immer als alt. Ich denke, ich dachte von ihr nie, dass sie sterben könnte. Ich erinnere mich jedoch, dass sie sich immer in die Angelegenheiten von jemand anderem einmischte. Ich mag bei diesem Bericht Unrecht haben, aber ich scheine mich deutlich zu erinnern, dass sie im Hof herumging mit diesem Krug Öl, den sie mir immer über mein Haar goss. Ich mochte nie das Gefühl von diesem Zeug. Noch die Art, wie es roch.“ „Ich frage mich, ob alle Großmütter so verrückt sind?“, fragte Er. „Deine Urgroßmutter hatte eine Absicht mit dem Öl“, erwiderte seine Mutter dem Jüngsten. „Was für eine Absicht? Sein Haar unten zu halten?“, kicherte er.
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Hirah lächelte, so wie Yehuda. „Nein, Dummchen. Unter den Hebräern, Öl über das Haar einer Person zu gießen, ist das Gleiche wie zu sagen, dass er ihr König ist.“ „Mami, ist Papa wirklich ein König?“ „Liebling, sage ihm das nicht.“ Dann zu Er: „Nein, Sohn. Nur dein Großvater kann einen König salben.“ „Gibt es wirklich Könige in unserer Familie?“ „Esaus Söhne beherrschen ihre eigenen Städte, daher könnte es sein, dass eines Tages Herrscher aus unserem Stammbaum sich erheben werden.“ „Von jedem?“ „Nur einem unter den zwölf mag die Ehre gewährt werden, der Welt den Maschiach darzubringen.“ „Papa, wirst du es sein?“ „Der Segen ist noch nicht verkündet worden. Es könnte jemand anderer sein. Dein Großvater wird es uns sagen, wenn es Zeit ist, es uns zu sagen.“ „Ein König?“ Er rannte zu seinem jüngeren Bruder, der auf den Feldern mit den Tieren spielte. Er schrie: „Ich werde ein König! Verbeuge dich, Hund!“ „Ich bin kein Hund“, schmollte Onan. „Du bist, was ich dir sage. Jetzt jaule, du Hund!“ „Hunde jaulen nicht. Sie bellen.“ „Sie jaulen, wenn an ihren Ohren gezogen wird“, behauptete er, als er hinüberfasste und an Onans Ohr zerrte und ihm wehtat. „Hör auf!“ „Werde ich nicht, bis du jaulst.“ „Ich werde stattdessen bellen. Hunde bellen!“ Sein älterer Bruder war wütend durch die Herausforderung seines jüngeren Bruders. „Was tun dann Kühe?“, spottete er. „Sie brüllen. Und Gänse gackern. Und Adler schreien. Und Esel iahen. Und Schafe blöken. Und Schweine quieken. Und Geier krächzen. Und Wölfe heulen. Und Löwen brüllen. Und Hyänen kichern. Und Frösche quaken. Und Krokodile grunzen.“ „Und kluge Besserwisser weinen.“ Er schlug ihm brutal ins Gesicht. „Trotze einem Herrscher nicht, nichtsnutzes Kind!“
Als die Monate vergingen, fuhren Yehuda und Hirah fort, auf ihrer Viehfarm zu arbeiten. Ein Vierteljahr widmeten sie sich selbst, um Ställe für die jungen Rinder zu bauen. Das nächste Vierteljahr beschlossen sie, den Bau für die Pferche für die Schafe zu beenden. Das dritte Vierteljahr widmeten sie den Pferchen der Ziegen. Durch die heißen Vormittage hindurch arbeiteten sie intensiv. Durch die kühlen Nächte hindurch säuberten sie den Wald und verbrannten die Baumstümpfe.
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In der bitteren Kälte des vierten Vierteljahrs lagen beide wach während der nie endenden Nächte und bekämpften die Wildtiere, die auf ihrem Land eingriffen. Die gefürchtete kalte Jahreszeit wurde zu einer Jahreszeit, die mit Tagen der scheinbar nicht endenden feuchten Hitze erfüllt war. Und die Ernte dieses Jahres wurde weniger als letztes Jahr. Im folgenden Jahr wurde die Ernte wieder reichlich, aber der preisgekrönte Bulle wurde krank um kam an einer merkwürdigen Krankheit um. Die kommende Jahreszeit brachte alles genauso wie die vorher. Keine neuen Rindergeburten und zu viel Weizen. Indem sie das überschüssige Getreide an die Kaufleute verkauften, kauften Yehuda und Hirah einen Ersatzbullen. Kurz danach begannen ihre Ziegen ihre Haare zu verlieren. Kleine Parasiten befielen ihre Fäkalien. Ein kleines Kind, das zufällig vorbeiging, stieg auf den Abfall. Mehrere Flöhe bissen in seine Knöchel und andere, die auf ihn hochsprangen, wurden in seinem Tunikafutterstoff gefangen. An diesem frühen Abend bissen diese gefangenen Flöhe die Mutter und den Vater des Kindes. Weniger als zwei Wochen später wurde das Dorf von einer unerklärlichen Krankheit angesteckt.
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Kapitel Vierzig Josephs Freiheit „Sehne dich nach Freiheit!“, trug der dürftig gekleidete, tief bronzefarbene Mundschenk seinem Gehilfen vor. „Ich spreche aus Erfahrung. Ich spreche aus meinem Herzen.“ Der Mundschenk blickte hart auf den gut entwickelten Mann. „Jetzt wird er der Vorkoster des Königs werden. Schließlich wird er seine Vertrauensperson werden. Ich muss ihn gut ausbilden. Ich muss jedoch sicher sein, dass dieser junge Mann seine Bedeutung für den König nicht überschätzt. Eitelkeit ist beinahe unmöglich zu besiegen, geschweige denn zu verbergen.“ Der Mundschenk führte seinen Gehilfen zu den Gemächern des Königs. Dreihundert Abgeordnete und Ausländer und Priester drängten sich in dem Raum. Roter und blauer Weihrauch schwebte in der Nähe der Decke. Der süße Geruch erfreute den Mundschenk. Er trug das Essen direkt zu dem König und verbeugte sich voll bis zum Boden. Dort wartete er auf die Erlaubnis, seinen Kopf zu heben. „Komm vorwärts“, gebot der König. Der Mundschenk tat es, dann schnippten seine Finger, um den ausgebildeten Gehilfen zu alarmieren, schnell hinter ihm zu folgen. Als der Mundschenk den Weinbecher in seinen Händen empfing, roch er an dem Aroma, bevor er ihn kostete. Sein ausgebildeter Geruchssinn versuchte zu entdecken, ob Gift durch die Feinde des Königs hineingetan wurde. Er nahm eine kleine Kostprobe, dann schluckte er den köstlichen Wein. „Wenn Gift in dem Becher ist, lass mich der Erste sein, der es entdeckt“, sagte er leise zum König. Er nahm einen Bissen von dem Essen in seinen Mund und kostete es auch. „Wenn Gift in dem Essen ist, lass mich der Erste sein, der es erhält.“ Zufrieden mit der Sicherheit reichte der Mundschenk das Mahl seinem König. Hunderte Gäste nahmen an ihrem eigenen Mahl teil, nachdem der König seines genoss. „Mundschenk du hast mich bei vielen Dingen vorher beraten, und wer kennt mein Herz und meine Gedanken über Staatsangelegenheiten besser als du?“ „Ich höre, ich rate, Großer Herrscher der Länder.“ „Weißt du, was mich jetzt stört?“ „Ich weiß es nicht, Großer Herrscher der Länder.“ Der alte König schloss seine Augen und nickte. „Natürlich nicht. Wie könntest du? Keiner meiner anderen Ratgeber kennt die Antwort, also, warum solltest du es.“ „Sage mir, was dich plagt. Ich werde die Antwort für dich finden.“ Der ägyptische König berührte die Hand seines vertrauenswürdigen Gefährten. „Du bist mir immer treu gewesen. Sogar als sie vom ‚wahren Blut’ erfolglos versuchten, dich für ihre Verbrechen zu verleumden, bist 115
du mir treu geblieben. Dafür und für mehr schätze ich deine Ohren meiner Stimme gegenüber.“ „Wie immer werde ich zuhören.“ „,Stehe beim Nil’, gebot mir eine stärkere, autoritärere Stimme als meine, auszuführen. Als ich es tat, stand ich am Ufer, als, siehe da, sieben schöne, wohl geformte Kühe sich aus den Wassern des Flusses erhoben. Diese sieben wundervollen Kühe gingen über das Wasser zur vordersten Reihe der weiten fruchtbaren Felder und fraßen, was sie wollten. Dann, genauso geheimnisvoll, erhoben sich sieben abscheulich dünne, abgemagerte Kühe aus dem Fluss. Sie gingen auch über das Wasser, um neben den ersten sieben zu stehen. Mich wundernd näherte ich mich. Als ich näher kam, sah ich die unnatürlich hässlichen Kühe sich den wundervollen Kühne zuwenden. Auf unglaubliche Weise fielen die wundervollen Kühe den unnatürlichen zum Opfer. Als sie stürzten, wurden sie verzehrt. Die dürren Kühe jedoch erlangten kein Gewicht über sich selbst.“ „Großer Herr“, unterbrach ein Priester. „Kühe fressen keine Kühe. Es sind keine Raubtiere. Also, sei nicht von so einem Traum beunruhigt.“ Der alte König hielt seine Hände hoch und brachte den Ratgeber zum Schweigen. „Ich erwachte mit strömendem Schweiß, der meinen Körper bedeckte. Kämpfend fand ich wieder Freude in meinem Schlaf. Dann, in dieser Glückseligkeit, störte mich ein anderer Albtraum zutiefst. Sieben gesunde Getreideähren wuchsen kraftvoll reich auf einem einzigen Stängel. Hinter dieser einzigartigen Schönheit wuchs ein verbrannter, schwacher Stängel, der kaum seine sieben Ähren hielt. Der Ostwind blies auf beide. Die verschrumpelten Ähren verzehrten die kraftvollen. Ich bat alle diese Männer, die Bedeutung meines Traumes zu beantworten, aber den Antworten, die sie mir verschafften, mangelt es an überzeugenden Argumenten. Ich will es unbedingt verstehen. Warum ist es, dass ich keine Antwort auf meine Frage finden kann?“ Der Mundschenk legte seine rechte Hand über seine Wange und betrachtete genau das Gesicht des Königs, wobei er dachte: „Ja, der Traum beunruhigt ihn ernsthaft. Was für eine Art der Besessenheit kann so verängstigen wie er?“ Er schloss seine Augen und erinnerte sich an seine Gefangenschaft. „Ich kann deine Frage nicht beantworten, Großer Herrscher der Länder.“ Die lauschenden Priester lächelten, ebenso die Diplomaten. „Darum empfahlen wir ihn, der Mundschenk des Königs zu sein“, behauptete ein ägyptischer Edelmann zu seinem Freund. „Er erkennt klug, wann er seinen Mund halten und wann er ihn aufmachen soll.“ Unerwartet jedoch wirbelte der Mundschenk, als er seinen jungen Gehilfen sah, herum, um dem König gegenüberzustehen. Erschrocken wunderten sich die Priester über seine überraschende Bewegung. „Niemand wendet dem König sein Gesucht zu, nachdem er entlassen ist“, sprach einer zum anderen. 116
Der gnädige alte König hob sein Haupt, dann deutete er seinem vertrauenswürdigen Mundschenk, sich wieder seinem Thron zu nähern. „Du musst etwas hinzuzufügen haben?“ „Habe ich, Großer Herrscher der Länder und Großer Herr von Ägypten.“ „Sprich.“ „Ich kann nicht sagen, was dein Traum bedeutet, noch sagen, was er nicht bedeutet. Ich kenne jedoch jemanden, der es kann.“ „Wer ist es?“ „Er ist ein Hebräer?“ „Was ist ein Hebräer?“ „Der Name einer Sippe, die in Retune unter den Kanaanitern und den Amoritern wohnt.“ „Großer Herr“, widersprach der Oberpriester den Worten des Mundschenks. „Ich bin mit der Bezeichnung vertraut. In unseren Geschichten hatten wir eine unglückliche Begegnung mit ihnen. Sie sind Opportunisten und Lügner. Sie benutzen ihre Ehefrauen, um Reichtümer aus unseren Städten zu stehlen.“ „Erkläre.“ „Sie sind vulgär und überheblich. Eine Tafel außerhalb unserer Grenztore verbietet ihnen den Eintritt nach Ägypten.“ „Ich habe nie die Tafel gesehen.“ „Die Sandverwehung hat sie vielleicht begraben. Als Kind erfuhr ich davon von meinem Großvater.“ „Seit der Herrschaft meines Vaters sind alle solche Tafeln beiseite getan worden“, erwiderte der betagte König. „Das ist, weil du Ausländer magst“, sprach der Oberpriester unabsichtlich seine Gedanken aus. Er bedauerte es augenblicklich und verstummte. „Entferne sich jeder aus diesem Raum!“, schrie der König. Er zeigte mit seiner Hand direkt auf den Priester und behauptete laut: „Außer du. Und du“, sagte er zu seinem Mundschenk. Die Versammlung ging rückwärts vom Thron davon und leerte die große Ratskammer. „Wenn ich nicht dächte, dass wir in einer ernsten Situation wären, hätte ich genau in diesem Augenblick einen Speer durch deinen Arsch rammen lassen.“ Der Oberpriester schluckte hart. „Ich entschuldige mich.“ „Ich weiß, dass du es hasst, dass wir Hyksos Ägypten beherrschen. Ich weiß, dass ihr Reinblütler wünscht, die ‚Verdorbenen Blütler’ auszulöschen, aber dein Wunsch, uns loszuwerden, muss unglücklicherweise auf eine andere Gelegenheit und Zeit warten. Das heißt, falls sie kommen wird.“ „Ich gestehe deine Macht zu“, der Oberpriester verbeugte sich wieder. Schweigend starrte der alte König auf den Priester. „Du allein unter meinem Stab hast keine Furcht vor mir. Du solltest in deinem
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Bewusstsein Furcht vor mir verwurzeln. Ich erlaube dir, in deiner Eigenschaft zu bleiben, weil es mir wohl passt.“ „Du erlaubst mir?“ Die Augen des Oberpriesters weiteten sich. Sich bemühend, seine Wut zu beherrschen, erwiderte er leise: „Der Vater meines Vaters hielt diese Position. Ich bin kein bloßer Sterblicher. Ich bin Ras Repräsentant.“ „Ein Gott, dem ich zweckdienlich erlaubte zu existieren. Eines Tages kommt vielleicht ein König, der deinen Gott unmodern findet.“ „Es wird einen großen Gott brauchen, Ra zu überwältigen.“ „Ideologien sind mächtig.“ „Ich weiß. Ich schaffe viele jedes Jahr.“ Der betagte König erlaubte sich schließlich zu lächeln. „Ja, das ist wahr.“ „Also, Mundschenk, wer ist dieser Hebräer?“ „Ich vergaß seinen Namen.“ Der Priester lachte. „Was für eine wundersame Antwort. Und hier wiegelten wir beinahe einen Bürgerkrieg über einen Mann auf, an den du dich nicht erinnern kannst. Doch ein Gesetzesübertreter!“ Die Augen des Königs schossen zurück zum Priester. „Ich vergaß seinen Namen, aber er kann leicht gefunden werden.“ „Oh? Wo ist dieser Hebräer?“ „In unserem Wüstenlandgefängnis.“ „Was?“ drückte der Priester laut den eigenen Schrecken des Königs aus. „Diese Lösung, die du uns vorschlägst, ist, einen Mann, der in unserem Wüstenland eingesperrt ist, aufzusuchen!“ „Ja“, bekannte der Mundschenk sanftmütig. „Das ist zu komisch“, lachte der Priester laut auf. „Wurde er eingesperrt, weil er widerrechtlich das Land betreten hat?“, fragte der König. „Falls ja, ist das leicht zu vergeben.“ „Nein, Großer Herr von Ägypten und Großer Herrscher der Länder.“ Die Stimme des Mannes wurde beinahe unhörbar. „Er wurde wegen Vergewaltigung eingesperrt.“ „Vergewaltigung!“, schrie der Priester und lachte noch lauter. „Ein Sexteufel ist unsere Lösung! Es ist besser, ihn zu kastrieren und ihn an die Alligatoren zu verfüttern als ihm eine große Audienz in unserer großen Kammer zu erlauben.“ Der Priester schüttelte seinen Kopf. „Priester, musst du damit weitermachen?“, schrie der König. „Es ist mir egal, ob er seine Mutter und seinen Vater und Bruder und seine Schwester und einen zweijährigen Knaben vergewaltigte! Was auch immer er sein mag, Dämon oder Sittenstrolch, wenn er meine Frage beantworten kann, kann er alles sein, schuldig von allem.“ „Er sagte mir, dass die Frau ihn fälschlich anklagte“, fühlte sich der Mundschenk gezwungen, den Gefangenen zu verteidigen. „Alle unsere Gefangenen sind unschuldig“, spottete der Priester wieder. „Mundschenk, studiere diesen Mann genau. Entdecke über ihn, was du kannst.“ 118
„Sicherlich kannst du es nicht ernst meinen“, der Priester stand vor dem Mundschenk. „Tritt weg von meinem Diener“, befahl ihm der König. „Großer Herr!“ „Ich sagte: ‚Tritt weg!’“ Der Priester schritt an die rechte Seite des Mundschenks. „Wie kann dich ein solcher Traum so unvernünftig machen? Es beeinträchtigt deinen Verstand, dein logisches Denken.“ „Darum werde ich diesen Hebräer, diesen Vergewaltiger, diesen degenerierten Teufel sehen. Ich verlange zu verstehen, was ich nicht verstehen kann. Durch was auch immer für mögliche Mittel.“
Drei Tage später näherte sich der Mundschenk dem ägyptischen König. „Was hast du erfahren?“ „Potiphar steht draußen vor deinem Gemach mit seiner Frau.“ „Was hat mein Hauptkurier mit dem Hebräer zu tun?“ „Es ist seine Frau, die er vergewaltigte.“ „Er vergewaltigte die Ehefrau eines Edelmanns? Wie kommt es, dass der Richter ihn nicht am selben Tag hinrichten ließ?“ „Der Richter sagte, dass etwas in dem Fall nicht stimmte. Aber wer kann die Anschuldigungen des Adels missachten, egal wie unehrenhaft?“ „Lass sie vor mir stehen.“ Die beiden Wachen riefen sie und eskortierten die verängstigte Frau in das Gemach des Königs. Sie schaute auf ihre Umgebung und zitterte bei jedem Schritt. „Du bist Potiphars Frau“, fragte der betagte König die Frau in mittleren Jahren. Als er sie anstarrte, konnte er leicht ihre sinnlosen Versuche, ihre eingreifenden Jahre aus dem Gesicht zu vertreiben, wahrnehmen. Schwere grüne und goldene Schminke zierte ihre Augen. Ihr graues und schwarzes Haar wurde unter einer schweren Perücke verborgen. Sie bestätigte schnell, dass sie es war. „Erinnerst du dich, dass dein Ehemann einen hebräischen Sklaven kaufte?“ „Ja. Ein hochmütiger und ungastlicher Bastard. Als ich jung und schön war, gesegnet mit festen Brüsten und einer schlanken Taille, warf der Hurensohn zu viele Blicke auf mich. Er begehrte mich zu haben, und da er es nicht konnte, zwang er mich, unter seinem Körper zu liegen.“ „Brach er deinen Arm?“, fragte der König. „Nein.“ „Ich weiß aus absoluter Tatsache, dass er ein mächtiger Mann ist. Seine Arme sind gemeißelt mit der Kraft, die einem so starken Mann geziemt“, meldete sich der Mundschenk zu Wort. „Du kennst ihn?“, rief Potiphars Ehefrau aus. „Ja.“ 119
„Er ist noch am Leben?“ Der Mundschenk nickte. „Wie überlebte er eine so lange Gefangenschaft?“ „Ich weiß es nicht.“ „Durch Betrug und List!“, höhnte sie. „Durch harte Arbeit und Beförderungen.“ Sie weigerte sich, den Mundschenk anzusehen. „Ich verstehe, dass dein Ehemann ihn beförderte so wie wir“, sagte der König. „Ich verstehe, dass er bemerkenswert tüchtig und klug ist. Er spricht viele Sprachen und liest und berechnet mathematische Aufgaben.“ „Er vergewaltigte mich“, erwiderte sie einfach. Der König sprach wieder. „Sage mir ehrlich: Warum würde ein starker, intelligenter, gut aussehender Mann dich vergewaltigen müssen? Er kann jede Frau haben, die er begehrt. Ich weiß, dass du viele Dienerinnen in deinem Haushalt abgesondert hast, um dir und deinem Ehemann, ebenso wie vielen deiner Gäste, Vergnügen zu bereiten. Du hast einen Ruf als liberale Frau verdient, die wünscht, mit vielen Partnern Geschlechtsverkehr zu haben, viele davon sind deine Sklaven. Ich weiß, dass du sexuelle Unterhaltung für viele Männer und Frauen verschaffst.“ Sie starrte auf den Boden. „Also, warum würde er eine Frau vergewaltigen müssen, die bekannt ist, sich jedem Hund hinzuwerfen, der einen Ständer hat?“ „Männer sind in dieser Hinsicht eigenartig. Gib es weg und sie wollen es nicht. Sage nein, und sie bestehen auf ein Ja.“ Der König lehnte sich nach vor, als er sie hörte. In diesem Satz bekannte sie ihre Lüge. „Er ist seit zehn Jahren in unserem Gefängnis“, fuhr der König fort. „Nicht einmal hatte er mit einem der anderen Männer Verkehr. Ich frage mich, wenn er ein Vergewaltiger ist, warum würde er sich weigern, sich neben einen anderen Sexualpartner zu legen?“ „Er ist vielleicht kein Homosexueller.“ „Ich sagte nicht, dass er es wäre. Was ich sagte, ist dies: er ist ein bedeutender Verwalter in unserem Gefängnis. Er hat viele Privilegien. Eines von diesen Rechten ist, frei sexuellen Aktivitäten zu frönen. Wenn er eine Frau will, wird ihm zu jeder Zeit eine verschafft, wenn er nach einer verlangt. In zehn Jahren hat er nie gebeten. Viele Wachen glauben, dass er noch eine Jungfrau ist.“ „Also, sage mir, kann eine Jungfrau vergewaltigen?“ „Ich meinte nie zu sagen, dass er mich tatsächlich vergewaltigte. Ich meinte zu sagen, dass er es versuchte. Ich wehrte ihn erfolgreich ab. Ich habe noch immer seine Tunika, um es zu beweisen.“ „Du hast seine Tunika aufgehoben?“ „Ja. Ein anderer Diener gab sie mir.“ „Warum?“ „Ich weiß es nicht.“ „Erinnerungen an das, was hätte sein können, was nicht war?“ Sie nickte. 120
„Er vergewaltigte dich nicht, nicht wahr?“ „Was für einen Unterschied macht es, ob er es hatte oder nicht! Ich bin eine Ägypterin ‚wahren Blutes’! Wenn ich ihm sagte, er solle Sand fressen und den Boden mit seiner Zunge ablecken, sollte er es besser ausführen. Jede Bitte einem Ägypter ‚wahren Blutes’ zu verweigern, verdient an sich den Tod.“ „Ich bin von ‚verdorbenem Blut’, flüsterte ihr der König zu. „Soll ich auch fälschlich beschuldigt und verurteilt werden? Ich bin der Große Herr von Ägypten und der Große Herrscher der Länder, daher ist vielleicht mein Blut das übergeordnete Blut. Ist nicht ein Köter immer mehr wert als ein reinrassiger Hund?“ „Tochter Ras“, rettete sie der Priester davor, ihm zu antworten, „gehe zu deinem Mann. Er wartete draußen auf dich.“ Der Könige winkte sie davon. „Wie die Tochter Ras behauptete: ‚Was für einen Unterschied macht es?’ Keinen“, beantwortete er seine eigene Frage. „Also, lasst den Hebräer bleiben, wo er ist und wir suchen nach deinen Antworten an einem geeigneteren Ort.“ „Ein Mann, der mehr Jahre als sonst jemand in Dunkelheit gelebt hat, kennt das Licht besser als sonst jemand. Ich werde mit den Hebräern sprechen.“ „Du bist Ägyptens Großer Herr“, beharrte der Priester darauf, gehört zu werden. „Ich selbst habe nie Moral ausgeübt. Also, wenn diese Tochter Ras ihre Zeugnis gegen einen Mann verfälscht hat, na und? Durch die Natur seiner Sippe ist er ein Untergebener. Lass ihm bleiben, wo er ist.“ „Warum hast du solche Angst vor einem Gefangenen?“ „Ich habe keine Angst.“ „Dann werde ich ihn morgen prüfen. Wenn er sich als falsch erweist, wartet das Gefängnis noch immer auf ihn.“ „Aber was, wenn er sich als richtig erweist?“ Der Priester saugte an seinen Lippen. „Wenn er sich als wahr erweist, ist er sich und seinem Glauben treu.“ „Sein Glaube mag unpassend für unsere Kultur und Gesellschaft sein.“ „Um uns beiden seine Loyalität zu versichern“, der König schaute den Priester an, „soll er mit deiner Tochter verheiratet werden. Auf diese Weise kannst du die ganze Zeit ein Auge auf ihm bewahren.“ Der Priester machte einen tiefen Atemzug. Sein Gesicht wurde rot vor Wut. „Meine Tochter?“, flüsterte er zu sich selbst. „Was sagtest du?“, verlangte der König zu wissen. „Ich sagte: ‚Lass es sein wie du wünschst.’“ Indem er rückwärts ging, verließ er das Gemach des Königs. Sobald die Wache die massiven Türen schloss, sprach er laut: „Wenn dieser Hebräer sich als falsch erweist“, der Priester schritt von dem flackernden Schattenspiel auf seinem Gesicht zurück, „werde ich persönlich seinen schmerzlichen Tod überwachen.“ 121
Im Jahr 1739 v.Chr., zwei Jahre, nachdem der Hyksos-König Apophises den Mundschenk wieder in volle Position einsetzte, weckten die Gefängniswachen den dreißigjährigen Joseph, um von seinem dunklen Kerkerbett aufzustehen. Dreckig, nach Schweiß, Urin und Fäkalien riechend, und mit seinem Haar in einem verhedderten Durcheinander, führten ihn die Wachen zu den waschenden und pflegenden Dienern des Hyksos-Königs. Beschämt über den abscheulichen Anblick es Mannes zwangen sich die auserwählten Diener, den entehrten Körper zu berühren. Sie führten den Gefangenen zur Mitte des nächsten Raumes, wo Töpfe mit heißem Wasser auf ihn warteten. Die Diener nahmen geschärfte Muscheln und rasierten das ganze Körperhaar des Gefangenen ab, das sie hinterher verbrannten. Stunden später stand ein verwandelter Joseph vor dem Hyksos-König. Der ausländische König betrachtete sorgfältig die Gesichtszüge des jungen Mannes. Sein Körper war hart, gut getönt. Er war größer als die meisten Ägypter. Sicherlich stärker. Die Schnitte, die die Diener machten, als sie ihn rasierten, beeindruckten den König umso mehr. Er trug sie als Krieger. Seine braunen Augen spiegelten einen scharfen Verstand wider. „Es gibt niemandem in dem Land“, offenbarte Apophises ruhig Joseph gegenüber, „der meinen Traum für mich auslegen kann. Ich habe Angst vor dem, was ich gesehen habe! ich verlange, seine Bedeutung zu verstehen!“ Joseph hörte aufmerksam zu, während er im Zimmer umherging. Der glatte, warme Boden entzückte seine Füße. Der Weihrauch hing schwer unterhalb der Zimmerdecke. In dem Augenblick, als der König aufhörte, Joseph von dem Traum zu erzählen, antwortete er. Der Priester und der Kurier und die Abgeordneten lehnten sich nach vor und fragten sich, was für ein Wahnsinn einen solchen Mann besaß, so frei zu antworten, bevor er analysierte. „Deine beiden Träume sind tatsächlich derselbe Traum. Jahwe, der wahre Gott des Universums, informierte dich, was er vollbringen wird und was du tun musst, um mit seiner Vollführung zu handeln. Die sieben gesunden Kühe und die sieben gesunden Ähren stellen sieben wundervolle Jahre dar, wohingegen die sieben scheußlichen Kühe und die sieben schlechten Ähren stellen sieben schreckliche Jahre dar. Die Ostwinde kommen, um das Land zu versengen. Sieben großartige Jahre werden von sieben grausamen Jahren abgelöst. Hungersnot wird das Land beherrschen.“ „Bist du darüber sicher?“ „Du träumtest zweimal den Traum, also ja, es soll so sein. Gott hat sich schon darum gekümmert.“
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Der König erhob sich von seinem Thron und legte seine zitternde Hand über Josephs Schulter. „Was du auslegtest, glaube ich. Was muss ich tun?“ „Ernenne einen Mann von Urteilsvermögen und Weisheit über deine Länder, um dir zu helfen, die Gedanken und Handlungen der Aufseher zu leiten, die sich auf die Katastrophe vorbereiten und sie bewältigen müssen. Die Lebensmittel aus dem ersten Siebenjahrzyklus müssen für den zweiten Siebenjahrzyklus aufgespart werden. Gott hat dich auserwählt, die Welt zu retten!“ Der König blickte seine Höflinge an und fragte: „Ist das ein guter Plan?“ Sie nickten einstimmig, aus Angst, etwas Gegenteiliges zu seinen Gedanken zu sagen. „Können wir sonst jemanden in Ägypten finden, der wie diese Person ist? Eine Person, die nutzbringend in meinem Gefangenenhaus gewesen ist und die, ungleich anderen Personen, sich weigerte, verzweifelt zusammenzubrechen? Eine Person, die mit Gottes genauer Kenntnis spricht?“ Niemand wagte, gegen die Ernennung des Königs zu protestieren. Der Oberpriester von Sutekh, der zuhörte, spannte seine Gesichtsmuskeln an. Verärgert über die Vorgänge erhob er sich von seinem Seitenstuhl und ging in das hintere Zimmer. Der König hörte ihn fortgehen und drehte sich rechtzeitig um, um den Rücken des Priesters zu sehen, als er die hintere Türschwelle überquerte. Indem er seine höchste Autorität demonstrierte, blickte der König die Höflinge und Botschafter und Edelmänner an. Er schaute direkt auf Joseph und verkündete: „Da nur du meinen Traum verstanden hast – durch die Vollmacht deines Gottes – muss es sein, dass es keine andere Person auf der ganzen Erde gibt, die so klug und scharfsichtig wie du ist. Folglich bist du der eine, den ich zur vollen Verantwortung meines Hofes ernennen werde. Gebiete meiner Bevölkerung. Niemand, außer ich alleine, soll dir überlegen sein. Du bist Ägypten!“ Der Hyskos-König entfernte seinen Siegelring und steckte ihn an Josephs Zeigefinger. „Folge mir, junger Mann von Ägypten“, gebot der König. Indem Joseph es tat, ging er dicht hinter dem gebrechlichen Mann. Der König, ohne zurückzublicken, führte ihn aus den Ratskammern. Aus seiner persönlichen Schatztruhe entfernte der König die schwersten Halsketten, die er drinnen hatte. „Vor Jahrzehnten schenkte mir mein Vater diese Halskette. Jahre vorher erhielt sie mein Vater als ein Geschenk vom König des südlichen Nils.“ Respektvoll legte der Hyksos-König die schwere Halskette über Josephs Schultern.
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Die ägyptischen Wachen, die ihre Trommeln an ihre Taillen hielten, begannen den Versammlungsruf zu schlagen. Indem sie sich außerhalb der Palasttore versammelten, beobachtete die ägyptische und die Hyksos-Bevölkerung den jungen Mann, der direkt neben Apophises’ Streitwagen ritt. Die Bürger bemerkten, dass niemand es je gewagt hatte, so nahe beim König zu stehen. Sogar seine Kinder standen hinter ihm. Dieser junge Mann, dieser Mann aus dem Norden, verstanden sie, ist jetzt die zweite mächtigste Person im Königreich. Ihre Leute hoben ihre Hände und schrien in einer vereinten Stimme: „Abrek! Abrek! Abrek!“
„Du wirst sicherlich diese Verlobung bedauern“, schüttelte der Priester seien Kopf über den König. „Ich sehe es als eine politische Notlösung. Wenn er eine Jungfrau ist, denke, wie dankbar er uns beiden sein wird. Auch als ein Priester von On solltest du diese Tatsache überlegen: indem du ihn mit deiner Tochter verheiratest, wendet er seine hellseherischen Fähigkeiten Ra zu. Er wird diese Talente mit dir teilen. Ihr Priester werdet sehr von seinen Augen profitieren.“ Der Priester verbeugte sich und ging davon. Später fand er seine Tochter auf der Gartenterrasse, als sie das sich schnell bewegende Wasser des Nils betrachtete. Potiphera näherte sich leise Asenath. „Die Politik macht es notwendig für mich, dich der Ehe zu übergeben.“ „Ich bin vorbereitet, dir zu gehorchen.“ „Finde alles, was du kannst, über diesen Hebräer heraus. Gib ihm Söhne, damit wir ihn unserem Glauben gegenüber beherrschen können.“
Vor dem Nachmittag des dritten Tages rief der Hyksos-König wieder nach Joseph, dass er vor seinem Thron erscheine. „Ich bin Apophises“, behauptete er mit lauter, autoritärer Stimme, eine Stimme, die die Männer in den Ratskammern vor Furcht zittern ließ. „Doch ohne deiner Stimme oder Gegenwart soll es niemandem erlaubt sein, zu gehen oder sich in Ägypten auszuruhen! Von nun an sollst du als Zaphenath-paneah bekannt sein. Diese Frau...“, er klatschte laut seine Hände zusammen. Sofort wurde Asenath, die Tochter von Potiphera, dem Priester der Stadt On (die die Griechen Heliopolis nannten, weil sie mit hohen, zugespitzten Obelisken, die sich zu Ra, dem Sonnengut, erhoben, geschmückt war) vor Joseph dargebracht, „...soll deine Ehefrau sein. Schätze sie! Sie stammt aus der größten Familie Ägyptens!“ Potiphar, der Hauptverwalter der Leibwache des ägyptischen Königs, machte neben Potiphera Platz. „Was wir hier haben, ist der Beginn des Endes des Hebräers.“ 124
„Warum sagst du das?“ „Er ist ein sexuelles Raubtier. Ich werde meine Augen auf ihn halten.“
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Kapitel Einundvierzig Mamre In der Gegend von Mamre, während desselben Jahres 1739 v.Chr., fühlte sich Yitzhak unbehaglich über sich selbst. Die Stadt Hebron begann auf sein großes Anwesen überzugreifen. Fremde kamen und gingen um seine Zelte herum. Unwillkommene Soldaten ritten so nahe wie sie es wagten, und eifrige Kaufleute drangen in seine Privatsphäre ein. Nur die herzlichen Grüße von Enkelsöhnen und Enkeltöchtern entzückten ihn. Da er über das hinaus alterte, was er zu leben erwartete, fühlte er den Angriff auf sein Leben schwer auf ihn wiegen. „Ich bin hundertachtzig Jahre alt“, bekannte er seinen Lieblingsenkelkindern, die sich in der Nähe seines Nachtfeuers versammelt hatten. „Ich bin vielleicht historisch in die Schatten der Bedeutungslosigkeit getreten, verglichen mit meinem Vater und verglichen mit meinen Vorvätern, doch so viel ist gewiss: vorurteilslose Geschichte wird die Größe meiner Existenz anerkennen.“ „Wie das, Großvater?“, fragte ein Kind. „Man wird sich an mich erinnern, weil ich die maximale Erfüllung eines lebendigen Menschen verschafft habe. Ich präsentierte mich bereitwillig auf Jahwes Opferaltar. Nur der letzte Maschiach kann meine Handlung übertreffen.“ „Erzähle uns darüber“, fragte ein anderes Kind begierig. Und Yitzhak tat es.
Während einer anderen Zeit, während der großen Familienzusammenkunft sowohl seiner Söhne als auch deren Familien, während er mehr Abenteuer bezüglich ihres Erbes erzählte, bat er leise Esau und Yisrael, seinen Stuhl draußen vor das Haus zu stellen, damit er die Wälder und Wiesen des Tales vor sich anblicken konnte. „Ich hasse wahrlich den Tod“, flüsterte er Esau zu. „Ich verlor meine Geduld, als Shem – Melchizedek – starb. Ich riss mein Zelt in Stücke, als Riveka starb. Nachdem ich sterbe, denkt ihr, dass es für mich möglich ist, diese Erde auseinander zu reißen?“ „Warum nicht?“, zwang sich Esau zu einem Lächeln. Er konnte es nicht. „Esau...“ „Ja, Vater?“ „Stelle dich etwas hinter mich. Erlaube mir, die Erde für eine kurze Zeit alleine zu genießen.“ „Ja, Vater.“ Er strengte seine Augen an und versuchte, einen Schimmer, einen kleinen Linchtfunken durch das Schwarz eintreten zu lassen. Er mühte 126
sich eine Weile länger ab und fuhr fort zu blinzeln. Irgendwie schafften es schwache Farben durch den dichten Schleier zu dringen. Yisrael näherte sich Esaus rechter Seite. Beide standen ruhig ungefähr dreißig Fuß von ihrem Vater weg. Bald versammelten sich die Familien von beiden Brüdern traurig neben den beiden Männern. Auf der entlegenen linken Seite des Hauses standen große Körbe mit Obst und Gemüse. Die Frauen, die das Schlimmste erwarteten, bereiteten das Mahl für Hunderte Gäste. „Woher kamen all diese Lebensmittel?“, fragte Yitzhak. „Meine Nasenlöcher werden von ihrem Wohlgeruch erfüllt!“ „Alles, was wir pflanzen, wächst! Die Ernten sind enorm! Ich habe nie bessere Gersteerträge gehabt!“ „Komm, Esau. Komm, Yisrael. Stehe wieder neben mir. Ich will eure Kleidung riechen und eure Arme berühren.“ Die beiden Brüder gingen ruhig zu ihrem Vater hinauf. Esau lächelte und legte seine hand liebevoll auf das Haupt seines Vaters. „Also, wie viel dunkles Bier macht ihr?“ Yitzhak wandte seine blinden Augen seinem Lieblingssohn zu. „Mehr als genug, um die ganze Welt darin zu ertränken! Yitzhak lachte kurz ein leises Lachen. Er neigte seinen Kopf in einem merkwürdigen Winkel, seine blinden Augen starrten auf die tiefe Dunkelheit, die immer bei ihm war. Er drückte Esaus Hand zum letzten Mal. „Yisrael“, flüsterte Esau mit der sanftesten Stimme, „komm, komm schnell!“ Yisrael fasste nach der Hand seines Vaters. Esau ließ los und erlaubte Yisrael eine Augenblick der zärtlichen Umarmung. Als Joseph dreißig Jahre alt war, war Yehua vierunddreißig Jahre alt. Yisrael war hundertzwanzig Jahre alt, ebenso Esau, als ihr Vater starb.
Innerhalb der letzten Monate dieses Jahres zeugte Joseph seinen erstgeborenen Sohn. Als er das männliche Kind in seinen Armen empfing, lachte Joseph freudig. „Er soll Menashe genannt werden!“ „Warum ein solcher Name?“ „Wann immer ich ihn sehe, werde ich mich erinnern, meinen Fängern und Anklägern zu vergeben, und am wichtigsten, den Verrat meiner Brüder gegen mich. Indem ich meinen Sohn sehe, werde ich vollkommen die Härten, die ich erlitten habe, vergessen. Durch das Sehen meines Sohnes werde ich lernen, das Haus meines Vaters zu vergessen.“ Der Priester nickte, glücklich, die Worte zu hören. Vierzehn Monate später zeugte Joseph Efrayim. Er erhob ihn über sein Haupt und behauptete stolz: „Seht! Gott hat mich in dem Land meiner Drangsal fruchtbar gemacht.“ Als die beiden Kinder nebeneinander spielten, umarmte Joseph stolz seine ägyptische Ehefrau. Aber er konnte seine Tränen nicht zurückhalten, als er sein Gesicht nach Nordosten wandte. 127
„Was ist los, Joseph?“ „Mein Vater. Ich denke an meinen Vater.“
Drei Jahre nach Yitzhaks Beerdigung in der Höhle von Machpelah, als Binyamin siebzehn Jahre alt war, heiratete er die beiden Schwestern des Lieblingsdieners seines Vaters, wobei er von ihnen Bela, Becher, Ashbel und Gera zeugte. Fünf Jahre nach Yitzhaks Tod, als Er siebzehn Jahre alt war, verlobte ihn Yehuda mit Tamar, die fünfzehn Jahre alt war. Ihr einfaches Gesicht und ihre unbedeutenden Gesichtszüge empörten ihn. Ihre Handgelenke waren so dünn wie ihr langer Hals. Da sie wusste, wie Er sie hasste, behielt sie trotzdem ihre sanfte, freundliche, liebenswerte Persönlichkeit. Ihre Wesenszüge waren völlig das Gegenteil von Er. „Hirah, du brachtest für meinen Köter eine zu sanfte Taube“, schüttelte Yehuda seinen Kopf. „Ich glaube, dass sie ihn vielleicht ändern kann.“ „Aber was, wenn er es ist, der sie ändert?“ „Halte ihn mit der Ernte beschäftigt und er lernt vielleicht, wertschätzend über das, womit die Welt uns versorgt, zu sein.“ Yehuda nickte. „Es scheint, er braucht jemandem, der ihm hilft, erwachsen zu werden. Er fantasiert zu viel über das Leben und seinen Platz darin. Wie kommt es, dass wir alle die Ernsthaftigkeit unseres göttlichen Vertrags verstehen, aber er es als eine wirtschaftliche Gelegenheit sieht, die ausschließlich für ihn gemacht ist?“ Yehuda wurde still. Nach einem Augenblick fügte er hinzu: „Hirah, um meines Sohnes willen sollte ich die Salbung ablehnen. Binyamin, Zebulun, Ascher, lass sie ernannt werden. Lass ihre Kinder die Träger des Traums der Krone sein.“ „Ich dachte, du sagtest mir, dass nur Gott allein den wahren genetischen Träger des letzten Maschiachs bestimmen kann.“ „Tat ich. Und sicher sollte es nicht mein Erstgeborener sein.“
In der folgenden Woche ließ sich Tamar die Kanaaniterin in Yehudas Haus nieder. „Beschütze sie wie deine eigene Tochter“, erklärte ihr Vater. „Und sollte es geschehen, möge uns beiden Söhne geboren werden“, hob ihr Vater hervor, bevor er den bindenden, unabänderlichen Vertrag unterzeichnete. „Sie soll uns beiden Söhne gebären“, erwiderte Yehuda. „Lass nie ihre Sanftheit quälen. Es wäre eine böse Sache, es einer so Unschuldigen anzutun.“
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„Sie ist wie Jahwes eigene“, stimmte Yehuda zu. „Ihre Gedanken sind sogar mit denen meines Großvater harmonisch.“ Ihr Vater nickte, indem er den wundervollen Vergleich schätzte. Er legte in die Hand seiner Tochter eine Halskette mit Silbermünzen. „Deine Aussteuer.“ Am Abend, nachdem beide Väter gingen, um das Hochzeitsfest zu feiern, fand Er Tamars Aussteuer an der Seite des Bettes liegen. Er hob den zarten Gegenstand auf und zerbrach absichtlich die dünne Kette. Die schönen handgemachten Perlen, die ihre Mutter und Schwestern fleißig durch die durchbohrten Löcher auf den oberen Rändern der Münzen gefädelt hatten, wurden im ganzen Raum zerstreut. „Ich kann damit das beste dunkle Bier kaufen“, sprach er zu sich und verließ das Hochzeitszelt, während sich Tamar vorbereitete, neben ihrer Mutter einzutreten. Als niemand schaute, stahl Er den weißen Esel seines Vaters und ritt schnell zu dem nächste Bierhändler, um mehrere Krüge für sich zu kaufen. „Yehuda“, bat ihn Tamars Vater von seinen Gästen fort, „Er ist nicht im Hochzeitszelt.“ Verwirrt folgte Yehuda dem bekümmerten Vater zu dem Zelt. Ihr Vater fand die zerbrochene Kette. Er gab sie Yehuda, sein Gesicht ernst, verbittert. Hirah betrat in dem Augenblick das Zelt. „Dein Esel ist fort, Yehuda.“ „Was für ein Hochzeitsfest ist das!“, schrie der Vater. „Ich habe keine Erklärung.“ „Ob dein Sohn anwesend ist oder nicht, unser Vertrag ist abgemacht. Vollzieht ihn heute Nacht oder morgen Früh oder morgen am Abend, es macht keinen Unterschied. Auf die Vereinbarung ist geschworen worden!“ „Was ich vertraglich vereinbarte“, hob Yehuda seine Stimme laut, fest hervor, „schwöre ich zu halten! Was ich unterzeichnete, werde ich ausführen.“ Während die beiden Väter bitterlich in dem Zelt stritten, feierte Er alleine auf der entfernten Stelle der Straße und lachte leise. „Dieses dunkle Bier schmeckt fantastisch!“, sprach er in das Ohr des Esels. „Was? Du kannst mich nicht verstehen?“ Er schrie. „Es ist großartiges Zeug, dieses dunkle Bier!“ Der Esel bockte und rannte davon, erschrocken durch Ers Schreie. „Geh schon, du nutzloser Bastard!“ Er stolperte. Als er wieder aufstand, schaute er auf den schweren Lederbauchbeutel, der sein kostbares Getränk enthielt. „Ich muss von der Straße hinunter.“ Als er zur Seite schritt, rutschte sein Fuß aus. Er stolperte und ließ de Beutel fallen. „Verdammte Scheiße, diese verflixte Straße!“ Er hob das Bier auf und machte noch einen großen Schluck, dann noch einen und einen großen dritten. Als er auf ein streunendes Schaf traf, überraschte er es. Indem er sein dickes wollenes Vlies hielt, streichelte er das Tier ein paar Minuten und beruhigte es wieder. „He“, begann er zu ihm zu sprechen, „heute ist meine Hochzeitsnacht. Ich bin verheiratet. Was für eine dumme dünne, 129
hässliche Schlampe sie ist! Warum konnte mein dummer Vater mir nicht eine Schlampe mit großen Titten finden, um sie heute Nacht zu ficken?“ Er senkte sich auf seine Knie und fuhr fort, das entspannte Tier zu streicheln.
„Yehuda“, Hirah führte ihn außerhalb des Zeltes, fort von den wütenden Schreien seines Vaters. „Dieses Drama tut keinem von uns gut. Ich werde einen Suchtrupp organisieren.“ „Ja, das wird gut sein. Und wenn du ihn findest, stelle eine Wache vor das Hochzeitszelt. Er wird mit Tamar den Geschlechtsverkehr vollziehen, das ist sicher!“ Hirah nickte, dann fügte er hinzu: „Warum betest du nicht um einen Engel, uns zu helfen, ihn zu finden. Tamars Vater ist ziemlich verärgert über dich.“ „Werde ich.“
Als die Stunde aus der Lebensspanne des Menschen verschwand, streichelte Er das Tier weiter, wobei er noch immer mit ihm redete. Die Weichheit des Vlieses erregte ihn sexuell. Fasziniert über das, was er mit dem Tier könnte, hob Er seine Tunika und platzierte seine Erektion direkt hinter das Schaf, wobei er wünschte, in seine Vagina einzudringen. „Halt!“, flüsterte eine Stimme unverkennbar in sein Ohr. Als er sich dem Geräusch zuwandte, sah er nur die sanfte Bewegung der Büsche hinter dem hohen Gras. „Nein, tue, was dich erfreut“, flüsterte eine andere Stimme. „Nein, hör auf, was du tust.“ „Genieße es. Na, schau, wie hart dein Penis ist. Schau, wie saftig die Öffnung ist! Tritt ein. Tritt ein!“ Als er es tat, bockte das Tier, aber er hielt es fest. Als er voll eindrang, lachte er und nahm noch einen Schluck Bier. „Zieh dich zurück und geh“, flüsterte die andere Stimme. „Beeil dich, geh jetzt! Das kann noch gelöst werden!“ „Mach weiter. Mach weiter!“ Nicht gewillt aufzuhören, drang er weiter in das Tier ein, wobei er sich hin- und herbewegte, rein und raus, indem er seinen Körper zur Ejakulation anspannte. „Hör damit auf, was du tust!“, verlangte eine dritte und vierte Stimme. Genau zu dieser Zeit jedoch schleuderte ein mächtiger Strahl aus Ers Penis. Als er schlaff wurde, fühlte er einen plötzlichen Drang, auf den Rücken das Schafes zu urinieren. „Pisse auf alle von euch!“, schrie er.
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Er fühlte eine prickelnde Empfindung in seinem Körper und lachte lauter. Sein Lachen schloss sich dem Lachen der unsichtbaren Stimmen an, die ihn umgaben, die sich in seinen Handlungen entzückten! „Wie kann Jahwe eine solche Sache vergeben?“, fragte eine Stimme. „Schnell, bitte ihn um Vergebung.“ „SCHEISS AUF JAHWE! SCHEISS AUF EUCH ALLE!“ Dann, sobald er gesprochen hatte, gefror sein Herz. Sein Gesicht wurde steif. Seine Glieder versteiften sich. Er fiel mit dem Gesicht voran zu Boden und landete in einem Kothaufen. Augenblicklich schwebten Tausende Fliegen über ihm. Ein paar Augenblicke später, entdeckte Hirah, der den merkwürdigen Schreien folgte, die Leiche des jungen Mannes. Als er die Fäulnis roch, krümmte er sich und übergab seine Mahlzeit auf Ers Rücken. „Holt Yehuda! Seid schnell! Holt Yehuda!“
Als die Erde sich dem matten Morgenlicht zudrehte, schlug Yehuda den Schädel des Schafes ein und ließ es direkt neben der Leiche seines Sohnes fallen. Selbst sammelte er trockene Äste und kleine Zweige und warf sie auf beide Leichen. Als er den Haufen in Brand setzte, keuchte er, als der Körper seines Sohnes sich mit seiner eigene Flüssigkeit ausdehnte und aufplatzte, als die Flammen über ihn griffen. Als er zu seinem Haus zurückkehrte, senkte er seine Schulter in bitterer Scham und ging an Tamars Vater vorbei und direkt zu seinem zweiten Sohn, Onan, und wies ihn mit strenger Stimme an: „Übe die Aufgabe deines Bruders aus. Verschaffe für ihn einen Nachkommen.“ „Ich bin erst fünfzehn.“ „Dieses Ding zwischen deinen Beinen, es wird hart, nicht wahr?“ „Ja, natürlich!“ „Tue, was ich verlangt habe. Beschäme mich nicht mehr als ich schon bin.“ „Aber wenn sie einen Sohn hat, wird es meiner oder der meines Bruders sein?“ „Du weißt die Antwort darauf. Durch Gesetz erbt das Kind die Vorrechte und Rechte des Erstgeborenen. Was deinem Bruder gehören sollte, gehört nun dem Kind, das aus Tamar ausgehen wird.“ „Das ist nicht gerecht! Ich bin jetzt der Älteste!“ „Tamar ist seine Ehefrau. Die Rechte gehen an ihr Kind!“ „Es ist mein Samen. Es ist meiner und was darin ist, gehört mir!“ „Dann hinterlege, was dein ist, in Tamar. Werde fertig damit.“ Er schlug seine Faust in die Seitenwand und knirschte mit den Zähnen. „Sie ist so verdammt hässlich! Wie kann ich eine Erektion bei einer so hässlichen Schlampe bekommen?“ „Sage kein weiteres Wort“, Yehuda stand aufrecht, da er nie zuvor so wütend in seinem Leben war. „Wir stehen unter einem bindenden
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Vertrag! Vollziehe die Ehe oder ich schwöre, ich werde dir dieses verdammte Ding abschneiden!“ Überrascht durch die Wut seines Vaters drehte er sich um und verließ das Haus. Als er Tamars Vater und Mutter sah, blinzelte er ihnen zu. Die Mutter holte schnell ihre Tochter und führte sie in das Zelt. „Hier ist sie. Wir werden draußen warten.“ „Warum wollt ihr nicht eure Gesichter zwischen unsere Beine stecken und einen genauen Anblick davon haben?“ Sie starrte ihn an und schüttelte ihren Kopf. „Warum wir mit deinem Vater handelten, geht über meinen Verstand. Wie kann ein guter Mann zwei so böse Kinder aufziehen?“ „Frage Mama. Sie genießt es, die ganze Zeit über uns zu reden.“ Yehuda, der zu seiner bekümmerten Ehefrau ging, wies sie trotz ihrer Trauer an, sich neben die kanaanitische Familie vor die Tür des Hochzeitszeltes zu setzen. „Also, dünn und hässlich“, knurrte Onan, „Papa will, dass ich deine Muschi weit aufmache! Also spreize deine verdammten, hässlichen, dünnen Beine auseinander!“ Er legte sich direkt auf sie und rammte sorglos, selbstsüchtig seinen Penis in sie hinein, wobei er sie zwang aufzuschreien. Shua berührte die Schulter von Tamars Mutter. „Da. Es ist vollzogen.“ Onan vergaß, dass Tamars Körper unter seinem war. Seine Gedanken wandten sich den Bildern der nackten Astera-Priesterinnen zu, die er auf der Straße gesehen hatte. Er begann sich vorzustellen, wie er Münzen in ihre Hände legte. Er wollte für eine Woche ihre Gunst erlangen. Einen Tag. Eine Stunde. Einen Augenblick. Dann dachte er: „Was, wenn Tamar schwanger wird? Auch wenn das Kind aus meinem Samen ausgeht, wird es Erbe von Ers Besitztümern und Versprechungen werden. Tamars Kind wird der König sein!“, dachte er sich. „Und was, wenn eines Tages ich noch ein Kind aus meiner eigenen vertraglichen Ehe habe? Von meinem Sohn von meiner Braut wird durch Gesetz verlangt werden, sich vor meinem anderen Sohn zu verbeugen: der Sohn von Tamar: der Sohn von Onan, aber mit Ers Macht! Das ist zu viel!“ Als er sich anschwellen fühlte, ruckte er plötzlich seinen pochenden Penis aus Tamars Vagina und ejakulierte sein Sperma direkt auf die Seite ihres Oberschenkels. Die nächste Nacht tat er genau dasselbe. Dann wieder die dritte Nacht und dann wieder die nächste und die nächste. Absichtlich zog er seinen Penis aus ihrer Vagina und ejakulierte auf die Seite ihrer Oberschenkel. Sein Sperma strömte zu Boden und vergeudete seine fortpflanzende Kraft. Durch hebräischen Brauch war das vergeudete Sperma mit dem Begehen von Mord gleichbedeutend. Nicht nur das, er beraubte Tamar, Yehuda und ihrem Vater die Vorrechte der Erstgeborenenrechte zu bringen.
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In der siebenten Nacht, als Onan seinen Samen zu Boden ergießen ließ, ergriff eine heftige Enge seine Brust. Sein Gesicht wurde hochrot, seine Venen traten so wie seine Augen hervor. Shua hörte Tamars Schreie und rannte in ihr Zimmer, wobei sie ihren toten Sohn neben Ers Ehefrau fand. Sie sah den Samen auf dem Boden. Sie berührte ihn und roch daran. Ihre Augen weiteten sich. Sie berührte den Zweitältesten und schaute auf seinen nackten Körper. Sie beugte sich vor und nahm seine Hände von seinem kalten, blauen Gesicht. Sie schlug ihn ernsthaft. „Er ejakulierte nie in ihr“, informierte sie Yehuda. „Er beraubte uns unserer Rechte!“ „Ich kann nicht glauben, dass ich solche Kinder aufzog. Was soll ich mit Tamar tun?“ „Sie mus Shelah gegeben werden.“ „Er ist erst dreizehn Jahre alt! Wenn er es falsch verrichtet?“ „Wir haben keine Wahl. Unser Gesetz verlangt es!“ „Es wird getan. Aber noch nicht jetzt. Warten wir, bis er älter wird. Wenn er sicherer über die Dinge ist, die er tun soll.“ Ein paar Wochen später informierte Yehuda Tamars Eltern von ihrer Entscheidung. Ihr Vater hielt den Vertrag, während Yehuda versprach, dass er seine Bedingungen ehren würde, mit Bedauern über die beiden großen Verstöße.
Zu dieser Zeit heiratete Simeon, Yehudas Bruder, ein zweites Mal. Mit seiner kanaanitischen Ehefrau zeugte er Saul. Beriah, Aschers Viertgeborener, heiratete, während er noch Jugendlicher war, wobei er Heber und Malchiel zeugte. Binyamin zeugte Naaman, Ehi, Rosh, Mupim, Huppim und Ard.
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Kapitel Zweiundvierzig Tamar Im Jahr 1731 v.Chr. kultivierte Shua die größte Ernte, die sie genossen hatte. Hirah, der neben ihr ging, scherzte fröhlich über die enorme Ernte. Lachend dachten sie beide über ihre harten Zeiten, das Land zu bändigen, nach. „Bei all unseren Mühen verdienen wir nicht weniger“, bemerkte sie. „Absolut nicht wahr!“, gab er vor, herzlos zu sein. „Nur die Götter sollten eine solche Ernte essen!“ „Du und du“, erwiderte sie mit einem schönen Lächeln. Aber dann hörte sie zu lachen auf. Sie fühlte einen akuten Schmerz in ihrem Magen. Unfähig weiterzugehen, hörte sie zu gehen auf. Sie ließ ihr Bündel fallen und berührte ihre Seiten. Die verhärteten Bälle in ihren Eierstöcken fühlten sich an, als ob sie dabei wären zu explodieren! Mit einem gehemmten Schrei fiel sie zu Boden, die Garben schlossen sich über ihr.
In Ägypten arbeiteten Zehntausende Freiwillige die ersten sieben Jahre, um große Silos für Hunderte Tonnen Weizen und Bohnen zu errichten. Große Tonkrüge enthielten große Mengen an Olivenöl, ebenso getrocknete Feigen. Die Erntemeister, die die Jahre hindurch arbeiteten, entdeckten die Methodologie, Trauben zu trocknen, ebenso Fleisch durch Salzen und langsames Räuchern zu konservieren. Die Arbeiter bauten ebenso große Vorratshäuser für diese Lebensmittel. Hunderte Zisternen wurden gebaut und Hunderte Wasserkanäle wurden für die Bewahrung des trinkbaren Wassers, ebenso Wein, gegraben.
Während des ersten Jahres nach Shuas Tod betrauerte sie Yehuda sehr in der Stadt Gibeah. Dann in der Mitte seines zweiten Trauerjahrs überwältigte ihn seine Depression beinahe. „Es ist nicht gut, sich so sehr zu kränken“, tröstete ihn Hirah. „Ich verlor meine beiden Söhne und ich habe meine Frau verloren. Was ist los mit mir? Ich kann nie die richtige Entscheidung treffen oder die gerade Straße gehen? Ich werde für das, was ich Joseph antat, bestraft.“ „Noch immer schiebst du die Schuld auf das, was vor Jahrzehnten geschah.“ „Ich kann nicht Josephs Qual vergessen.“ „Lerne es. Es ist am besten für dich und für alle um dich herum.“ Yehuda brach weinend zusammen. Er ergriff die Arme seines Freundes und ließ seine Tränen ohne Scham frei. „Was kann ich tun? 134
Was kann ich tun? Was kann ich tun?“ Yehudas Worte sabberten heraus mit Schleim und Spucke. „Betrinke dich mit mir. Heute Nacht!“ „Ich bin in Trauer.“ „So? Zieh deine schwarzen Kleider aus und zieh dir wieder normale Kleidung an.“ Hirah ging in Yehudas Zimmer und kam mit seinem weißen Gewand zurück. Er zog an Yehudas schwarzer Kleidung und zwang ihn, sich umzuziehen. „Komm. Schließen wir uns unseren Freunden an.“ Nach dieser Nacht verbrannte Yehuda seine Trauerkleider und ließ sich zu einem normalen Leben nieder. Später reisten Yehuda und Hirah und mehrere andere Schafshirten zwei Meilen nordwestlich zu der Stadt Timnah, die zwischen den zentralen Bergen zwischen dem Großen Meer und dem Jordan lag. Die Leute, die auf die große Herde starrten, erblickten Yehudas neue weiße Tunika. Sie fragten sich, warum er gegen ihren Brauch, frühzeitig seine rostlose, schwarze Trauertunika mit standardmäßiger, konservativer weißer Kleidung ersetzte. Tamars engste Freundin bemerkte auch, dass Yehuda seine Trauer um Shua aufgegeben hatte. Aufgeregt rannte sie zu Tamar, um ihr von Yehudas Ankunft und seiner gewöhnlichen Kleidung zu erzählen. „Bist du sicher, dass er es ist?“ „Nur ein Hebräer geht so hochmütig!“ „Sei nicht so kritisch!“, ermahnte sie ihre Freundin. „Und warum sollte ich es nicht sein. Seine Söhne waren die schlimmsten Übeltäter, von denen ich je gehört habe! Sie beide verdienten ihr Schicksal!“ „Hebräer glauben nicht an das Schicksal.“ „Siehst du. Sie sind Wilde! Ich denke, wir sollten bei der Kreuzung in Enaim mit einer Hand voll großen Steinen warten und sie in sein Gesicht schleudern!“ „Nun sieh! Du bist genauso böse!“ „Nun, seien wir dankbar, dass du ihnen nicht länger verpflichtet bist.“ „Aber ich bin ihnen verpflichtet. Ich bin Shelah, seinem jüngsten Sohn, versprochen worden. Er soll das Ritual mit mir vollführen, damit mein Sohn die Erstgeborenen Recht erlangt.“ „Wie dumm du bist! Der Hebräer sagt, dass du einen Fluch zwischen deinen Beinen trägst! Dein Loch ist Satans Zuflucht!“ „Du übertreibst!“ „Falls ja, warum ist dir Shelah nicht gegeben worden?“ Tamar schaute aus ihrem Fenster zu den Schafshirten. „Ich weiß es nicht. Aber ich werde nicht meines Vertrages betrogen.“ „Was kannst du tun? Ein Mann kann eine Frau vergewaltigen, aber was für eine Frau kann einen Mann vergewaltigen?“
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Sie dachte ein paar Minuten nach, dann nickte sie. „Hier, beseitige meine Witwentracht. Wenn Yehuda seine Trauertunika ausziehen kann, kann ich es auch.“ „Du wirst diese hellen Farben tragen?“, rief sie mit erschrockener Stimme aus. „Warum vergewaltigen, wenn ich verführen kann?“, antwortete sie, als sie ihr Haus verließ und schnell zur Kreuzung ging. Sie bedeckte ihr Gesicht mit einem Schleier und passte ihre Ankunft zeitlich mit der Yehudas ab. Als er in ihrer Nähe stand, deutete sie ihm mit ihrem Zeigefinger. Er schaute auf die dünne Dame, ihre unwiderstehliche bunte Tunika, ihre helle Kopfbedeckung und ging von ihr fort. Er zog es vor, bei seinen Freunden zu bleiben. Entschlossen zu bekommen, was sie wollte, erhob sie sich von dem Platz und folgte direkt neben ihm. Er hielt seine Augen auf sie gerichtet. Sie war von mittlerer Größe, eine nette Größe. Dann unfähig, sich selbst zu helfen, fühlte sich sein Brustkorb leer an. Unerklärlich schwollen seine sexuellen Begierden in ihm. Er begann sich nach der Umarmung einer Frau zu sehnen. „Wohnst du in der Nähe?“, zwang er sich, sie zu fragen. „Was ist es für dich?“ „Es tut mir Leid! Ich will dich nicht beleidigen.“ Er wandte sich ab. Ihre weiche Hand war sanft auf seiner Schulter. Sie fragte: „Sage mir, was willst du von mir?“ „Bring mich zu deinem Haus. Ich will Geschlechtsverkehr.“ „Was bin ich dir wert?“ „Ich werde dir eine meiner gefleckten Ziegen schenken.“ „Sie sind sehr wertvoll“, erwiderte sie, „berühmt für ihre einzigartige Schönheit. Aber wie kann ich dir vertrauen, mir eine so wundervolle Gabe zu bringen?“ „Ich schwöre es.“ „Statt zu schwören, lasse dein Zylindersiegel bei mir und deine Schreibschnur und deinen Eichenstab.“ „Mein Zylindersiegel bezeugt meine Abstammung und erlaubt mir, in dieser Gegend zu handeln. Die Schnur bedeutet mein Gemeinschaftsansehen und meinen Rang, und mein Stab meinen Scharfrichter-Status. Sie sind wertvoller als meine gefleckte Ziege.“ „Dann gehe davon.“ Er schaute auf ihre Figur. Sie war dünn, aber es machte ihm nichts aus. Er fühlte die Begierde sich wieder aufbauen. „Ich denke nicht.“ „Ist dein Schwur ehrenwert?“ „Er ist ehrenwert.“ „Dann folge. Mein Haus ist in der Nähe.“ Er folgte ihr zu ihrem Haus und stieg die Seitenwandstufen zu ihrem Dach hinauf, wo die kühle Brise die Stoffwände schaukelte. Sie legte sich hin und zog ihr Kleid hoch. Er zog auch seine Tunika hoch. Als er sich daran machte, ihren Schleier zu heben, legte sie ihre Hände in seine und legte sie auf ihre Brüste. 136
Nach dem er in Tamara zum Höhepunkt kam, schlief er eine Stunde auf dem Dach, während dieser Zeit ging sie davon und nahm sein Siegel, seine Schnur und seinen Stab mit sich. Sie ging direkt zum Haus ihrer Eltern und legte wieder ihre Trauertunika an. An diesem Abend klopfte Hirah der Adullamiter, der eine gefleckte Ziege führte, an die Tür, die ihm Yehuda angewiesen hatte. Niemand antwortete seinem Klopfen. „Entschuldige mich“, fragte er einen Vorübergehenden. „Wo wohnt die Astera-Prostituierte?“ „Wir haben hier viele Leute, die Aster,: die Dame des Meeres, anbeten, aber ich habe nie eine Kultprostituierte hier gesehen.“ „Das ist nicht möglich. Mein bester Freund sagte, es war so – und es muss so sein.“ „Aber ist es nicht.“ „Ich verstehe nicht.“ „Die Frau, die du suchst, existiert hier nicht. Geh zurück zu deinem Freund und informiere ihn darüber.“ Als sich die Erde voll von der Sonne abwandte, kehrte Hirah zu Yehuda mit der gefleckten Ziege zurück. „Es gibt keine Tempelprostituierte in Timnah noch in Enaim.“ „Wie merkwürdig?“ Er schritt auf und ab. „Nun, es mag sein, dass sie glaubt, sie kann das Siegel und die Schnur benutzen, aber nur ich weiß, wie der Code zu entziffern ist. Also, lass sie diese Gegenstände haben. Ich werde, wenn ich die Gelegenheit bekomme, um neue ansuchen. Außerdem, wenn wir darauf bestehen, sie zu finden, wird uns jeder auslachen. Sollte jemand fragen, ob wir meinen Schwur einlösten, haben wir Zeugen, die sagen, dass wir unseren Schwur einlösten. Also lass es.“
In den folgenden Jahreszeiten wurden die Ernten reichlicher als je zuvor. Weizen und Trauben und Gemüse und Früchte bedeckten die Landschaft! Als Yisrael sie erntete, fühlte er eine merkwürdige Empfindung über den ungewöhnlichen Überfluss der Ernte. Neugierig zog er ein Bündel Karotten heraus, um das Wurzelsystem zu untersuchen, wobei er die fingerartigen Fasern berührte. Er ging auf seine Knie hinunter und grub das Loch breiter und tiefer. „Das Land ist fruchtbar, aber es fühlt sich ungewöhnlich trocken an. Ich verstehe nicht: wie kann ein so trockenes Land eine so fabelhafte Ernte hervorbringen? Wir wechseln unsere Feldfrüchte lieber zur nächsten Jahreszeit.“ „Warum Sorgen machen?“, erwiderte Zebulun. „Das Land hat uns nie verlassen.“ „Es verließ meinen Vater und Großvater!“ „Aber es war nur vorübergehend. Wenn etwas passiert, wird es eine kurze Trockenperiode. Wenn alle Stricke reißen, werden wir etwas anderes pflanzen.“
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„Zebulun, du solltest wirklich ein Fischer sein“, behauptete Yisrael. „Landwirtschaft ist nicht deine Stärke!“
Hirah, der Yehuda mit einem tief beunruhigten Gesicht anblickte, flüsterte: „Tamar ist drei Monate schwanger.“ Yehuda schüttelte seinen Kopf. „Sie spielte Hure an den Straßenecken und wurde schwanger. Wissen ihr Vater und ihre Mutter es?“ „Tun sie. Sie haben sie abgelehnt.“ „Wer ist der Vater?“ „Sie fragten nie. Sie fragten nie nach. Sie wollen sie nur fort von ihnen.“ „Wohin ist sie gegangen?“ „Sie ist in dem anderen Zimmer. Sie kam von sich aus, um dich zu sehen.“ „Ich verlor zwei Söhne wegen ihr. Komisch, ich dachte einst, dass sie Jahwe näher als sonst jemand, den ich kannte, wäre, außer mein Großvater. Ich will sie auch nicht sehen.“ „Wirst du sie nicht einmal fragen, wer der Vater ist?“ „Eine Hure hat tausend Ehemänner. Das Kind tausend gesichtslose Väter. Ich verbrannte meinen Erstgeborenen wegen seiner Übertretungen. Ich sollte nicht weniger mit ihr tun. Sie verbrennen.“ Hirah ging aus dem Hinterzimmer zu dem kleinen Zimmer, wo Tamar geduldig hoffte, ihren Schwiegervater zu sehen. „Yehuda lehnt dich ab“, behauptete Yehuda. Er starrte einen kalten Blick in ihr Gesicht. Seine anschuldigenden Augen hassten ihre unschuldigen. „Wann wird er mich zu Yisrael schicken?“ Hirah schüttelte seinen Kopf. Verwirrt fragte sie: „Du weißt es nicht?“ „Yehuda wird dich nicht ins Lager seines Vaters schicken.“ „Wohin dann? Mein Haushalt lehnt mich ebenso ab.“ „Er beabsichtigt, dich in eine Grube zu werfen – dann dich zu verbrennen.“ Sie ließ ein hartes Stöhnen aus und fiel auf ihre Knie, wobei sie ihr Herz mit ihrer rechten Hand bedecke. „Das ist seine Schuld!“, schrie sie. „Er brachte mich in diese Lage.“ „Wie konnte dich Yehuda in diese Lage bringen?“ „Er ist der Vater des Kindes!“, platzte sie mit einem lauten Schrei heraus. Yehuda, der diese Worte von der gegenüberliegenden Halle hörte, betrat den Raum. Tamar öffnete ihre Tunika, wobei sie sein Siegel und seine Schnur und seinen Stab herausschleuderte. „Vater, gehören die nicht dir?“
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Er schaute auf die Gegenstände. „Sie gehören mir. Warst du das Mädchen, bei dem ich lag?“ Sie nickte. „Hirah“, Tränen begannen seine Augen feucht zu machen, „Tamar ist korrekter in dieser Angelegenheit als ich je war. Ich versagte, den Vertrag zu bestätigen, wie er hätte geehrt werden sollen. Ich hatte Angst um Shelah, mein einziger noch lebender Sohn von Shua.“ Er ging zu seinem Zimmer und öffnete seine Schatztruhe. Er kehrte zurück und legte tränenreich eine goldene Kette, von der große Goldmünzen hingen, um ihren Hals. „Deine Ersatzaussteuer muss so groß wie deine Tugend sein. Wahrlich, Jahwe ist in dir so sehr wie er in unseren eigenen babylonischen Frauen ist.“ Er berührte ihre Wange und lächelte: „Deine innere Schönheit ist schöner als die äußere Schönheit von jemand anderem. Bleibe für immer bei mir. Dein Kind ist meines und soll alles, das ich ihm geben mag, erben.“ Sechs Monate später, als das Land begann trocken zu werden, kämpfte Tamar mit ihren Geburtsschmerzen. Während der Wehen entdeckte die verwaltende Person Zwillinge in ihr. Die Hand des Ersten tauchte langsam aus ihr auf. Yehuda, der die Ereignisse zwischen Yisrael und Esau kannte, wies die Hebamme an: „Binde ein karmesinrotes Band an seine Hand.“ Sobald sie fertig war, wurde sie Hand zurück in den Mutterleib gezogen. Sofort tauchte der andere Zwillingsbruder aus dem Mutterleib. „Absolut erstaunlich!“, flüsterte Yehuda. „Einen Riss erzwang er für sich“, fügte Tamar hinzu. „Nenne ihn Perez. Den einen mit dem roten Faden nenne Zerah.“
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Kapitel Dreiundvierzig Die Dürre In Babylon gruben die Bauern extratiefe Kanäle für das weniger werdende Wasser, um durchzufließen. In Assyrien treiben unglaublich große, blendende Sandstürme aus der Mongolei landeinwärts. In China starben Seidenraupen zu Millionen. In Indien und Malaysia tobten Feuerstürme durch die Wälder der Berge, sowie in ganz Afrika. Die Moabiter beteten zu Chemosh, während die Ammoniter zu Milcom beteten. Die Sidonier beteten Astarte an und die Philister wandten sich an Dagon, ebenso die Elbamiter. Harans Priester schnitten sich in ihre Brust und vergossen ihr Blut für Sin, dem Mondgott. Die Babylonier schrien ihre wilde Todesklage zu Marduk. Aus Russland wanderten viele arischen Stämme in das nördliche Germanien, dann nordwärts nach Schweden. Andere arische Stämme gingen südwärts und überquerten die großen Gebirge nach Indien. Indem sie mit den Einheimischen Krieg führten, zwangen sie die dunkleren Rassen auf die Spitze des Subkontinents und auf die Insel jenseits des südlichen Punktes. In England fragten sich die älter werdenden minoischen Seeleute, wann ihr Kapitän mit Vorräten für sie zurückkehren würde. In Zentralamerika begannen die neuen Einwanderer ihre riesigen Tempel zu bauen und übten Menschenopfer aus, die Priester aßen die herausgerissenen Herzen ihrer Opfer, bevor sie starben. Die Erde wurde trockener, als die Sonne gigantische Stürme durch das Sonnensystem loderte. Große Hitzewellen spieen auf der ganzen Erdoberfläche. In Ägypten welkten die grünen Wiesen, als der Nil sich senkte. Die reichen Savannen, die die Pyramiden und die schwer beladenen Feigenbäume umgaben, wurden gelb. Unfähig, die extreme Hitze zu überleben, die von der Nachmittagssonne sich erhebt, kamen sie schließlich um. Innerhalb des ersten Jahres der ernsten Dürre wurde die Welt ein trockenes, trostloses Land. Überall wurden die Straßen mit Viehkadavern überhäuft. Kraftlose Geier gingen, um die Innereien des stinkenden Fleisches herauszupicken. „Die Insekten verschlingen, was auch immer für Getreide sich abmüht zu wachsen“, bezeugte ein Landwirt gegenüber dem Hyksos-König Apophises. Verängstigt starrte er auf seinen Sohn Khian. „Aber warum kommt die Bestrafung zu uns herab?“, fragte der Hyksos-König seinen Sohn. Später während des Nachmittags wiederholte der König die Frage an Potiphera, der bis zu dieser Zeit lernte, der vertrauensvollste Priester und Freund des Königs zu werden. Dies übte der Priester aus, um Joseph in Schach zu halten. „Wir müssen irgendwie die Regengötter beleidigt haben. Sie ruhen nun von unserem Mangel an Ergebenheit.“ 140
„Das ist ausgesprochener Unsinn. Du weißt, dass meine Väter diese Götter schufen, um ihre Taschen zu bereichern und ihre Häuser mit den feinsten materiellen Reichtümern zu säumen.“ „Du hast dann deine eigene Frage beantwortet“, erwiderte der Priester. „Es muss für uns einen anderen Austragungsort geben. Schreibe an den Minos. Frage: Was kann der Minos mit seinen Außenposten in Europa für seine ägyptischen Brüder tun?“ Zwei Wochen später antwortete der Minos dem Hyksos-König. „Sie verloren ihre Schiffe in dem Erdbeben“, las der Priester die Tontafel vor. „Die folgenden Flutwellen zerstörten ihre Lebensmittelvorräte. Der Minos sagt, wir sind auf uns gestellt.“ „Unglaublich! Keine Macht der Welt konnte den Willen des Minos umgehen, dann kommt ein Erdbeben!“ Er schlug die Tafeln zu Boden, wobei er sie gewaltsam zerschmetterte. Der König schaute den Priester an. „Geh zu Joseph. Lass ihn dir beweisen, was er seit sieben Jahren beweisen hat wollen.“
Nachdem das große Erdbeben die minoische Flotte zerstörte, begannen die Philister ihre eigenen Flotte auszudehnen. Zuerst hatten die Kapitalisten Angst, den Prinzen der Lilien herauszufordern, aber als kein kretisches Schiff sich nach Tyrus wagte, um die Schiffsbauer aufzuhalten, setzten sie mit ihrem Fortschritt fort. Gerüchte verbreiteten sich jedoch an den ganzen östlichen Küstengewässern, dass die minoische Flotte vernichtet war. Die Philister, die nicht länger Angst hatten, wagten es, das Ostdelta von Ägypten zu erforschen und in der Hafenstadt Sillu anzulegen. Als die ägyptischen Kaufleute und Priester ihre Segel sahen, jubelten sie. „Endlich kommt eine Rasse zu uns, die so tapfer wie die Minoer ist, die weiten Wasserwege zu bereisen!“ Die großen Philister handelten schnell mit ihren kostbaren Zedernbrettern um Öl und Weizen. Mehrere Monate, nachdem die Philister ihr Schiffsbauprogramm begannen, baute auch eine andere Gruppe von Menschen, das Seevolk, ihre Schiffe. Während die Philister Handelsschiffe bauten, baute das Seevolk Kriegsschiffe. Eine Woche, nachdem die blonden und grünäugigen Philister nach Ägypten Segel setzten, während sie ihre Schiffe die Küstenlinie entlang zu ihren eigenen Städten manövrierten, warteten die Seevölker auf sie mit ihren flammenden hochgiftigen Speerspitzen. Als die Kähne in die entlegenen Gewässer bogen, überfielen die Seevölker die philistischen Schiffe. Innerhalb weniger Stunden zerstörten die Seevölker die philistischen Kähne. Indem sie die Überlebenden verfolgten, töteten die Seevölker alle sich widersetzenden Seeleute. Die gefangenen Männer verkauften sie für Lebensmittel aus Ägypten in die Sklaverei.
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Das Seevolk wurde bei jeder neuen Eroberung kühner. Es dehnte seine Überfälle in das Land der Hafenstädte aus, und nachdem es Lebensmittelsilos des Hafens verheerte, zog sich das Seevolk eilig zu seinem stämmigen Schiffen zurück, bevor die Ägypter einen Gegenangriff zusammenscharen konnten. Im Kielwasser ihrer Gewalttat suchten die Ratten die Hafenstädte heim. Joseph, der beide Feinde bekämpfte, reorganisierte die ägyptische Armee. Die ägyptischen Kommandanten, unwirksam gegen den Feind, zogen sich zurück. Bei ihrem letzten Versagen übernahm Joseph das volle Kommando der Soldaten, um den Bewegungen der Seevölker entgegenzuwirken. Schließlich nach mehreren bitteren Feldzügen löschte er erfolgreich ihre Piraterie aus. Unter seinem Kommando ließ die Rattenheimsuchung auch nach. Indem er die beliebten gezähmten Hunde benutzte, schickte sie Joseph in die Flussbetten, wo sie die Ratten verzehrten.
An der fernen nordwestlichen Seeküste von Philistia kratzten die Kinder der Kanaaniter und der Minoer eine weitere Flotte zusammen. Die phönizische Flotte betrat wieder die Gewässer des Ostdeltas. Sicher vor dem Angriff kauften sie von den Ägyptern Gerstensäcke bei ihrem zweiten Versuch, sie nach Elba zu transportieren. Wochen später, über die Wasserwege, die sicher von den Seevölkern waren, waren die Phönizier erfolgreich in ihren Bemühungen! Die eifrigen Kaufleute, die von ihrem mutigen Abenteuer erfuhren, überboten einander um das Getreide. Eine Gruppe, die das Kaufangebot gewann, brachte es sofort nach Ninive. Von dort transportierte eine wartende Karawane das Getreide nach Babylon. Mit ihrer sicheren Ankunft übermittelte eine andere Karawane die übrigen Lebensmittel nach Süden zum Persischen Golf. Auf diese Weise wurde Ägypten der Brotkorb der Welt! Und das Land Phönizien begann seine Basisbemühungen, eine unabhängige Seemacht zu werden.
Die sengende Hitze drückte schwer auf die Hebräer! Die Straße der Könige führte Flüchtlinge aus dem Norden nach Süden. Nicht endende Karawanen mit Menschen zogen durch Yisraels Gebiet. Esau, der sein Bestes versuchte, ihnen zu essen zu geben, ging bald die Lebensmittel aus, ebenso Yisrael und seiner Familie. „Du kannst mit mir nach Seir kommen. Zusammen werden wir unseren Weg dort so gut wir können machen“, informierte Esau seinen Bruder. „Ich sollte nicht“, weigerte sich Yisrael hartnäckig.
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„Was wirst du tun? Hier bleiben?“ Esau akzeptierte seine Entscheidung. „Was sonst kann ich tun? Yitzhak lässt uns nie nach Ägypten reisen.“ „Unser Vater ist tot. Seine Verpflichtung war zu seinem Vater, aber unsere Verpflichtung ist zu unseren Kindern. Yitzhak würde dich nicht verfluchen, wenn du nach Ägypten reistest. Immerhin, hat er nicht persönlich die Ehen zwischen deinen Söhnen und ihren ausländische Ehefrauen vollführt?“ Yisrael nickte traurig. „Unsere babylonischen Verwandten ziehen jeden Tag an uns vorbei. Was für eine Schande ist es, das wir nicht wissen, wer sie sind. Was für Gesichter unter den vielen erkenne ich? Nicht ein einziges.“ Er antwortete sich selbst. „Labans Briefe sind vertrocknet so wie das Land. Natürlich, auch wenn unsere Cousins uns einladen würden, uns ihnen anzuschließen, könnten wir nicht.“ „Dann sind die Einzigen, die wir übrig haben, wir einander. Sogar die Verwandten unseres Großvaters sind für uns nicht erkennbar. Die Keniter, die Zimraniter, die Medaniter, die Midianiter, die Kinder von Ishbak und Jokshan: Wer sind sie jetzt zu uns? Wer handelt noch mit den Asshuriim und den Letushim und den Leummim? Sie sind unsere engsten Cousins, alle sind die Kinder Abrahams – aber wen kennen wir jetzt? Diese verfluchte Hungersnot teilt und trennt alle voneinander!“ „Vielleicht, lieber Bruder“, bemerkte Yisrael entfernt, „vereint diese Hungersnot ebenso die Familien?“ „Möge es für dich so sein, lieber Bruder“, bemerkte Esau wohlwollend. „Bliebe in Frieden, Yisrael.“ Yisrael blickte Esau liebevoll an. Er schritt zu ihm hinauf und umarmte ihn ein letztes Mal. Für die nächsten paar Augenblicke blieb er am Wegesrand stehen, als Esau und seine Hunderte Krieger und ihre Ehefrauen an ihm vorbeizogen und beständig in das Land Seir reisten. Nach und nach löste sie die enorme Staubwolke auf. Die herankommenden Winde wehten bald die Spuren der Kamele fort. Bis zum Sonnenaufgang waren alle Beweise ihres Lagerortes verschwunden.
Zum Jahresende verstarb Esau, der große, legendäre Krieger. Seine letzten Gedanken wandten sich an Yisrael. Indem er zum Westen blickte, dachte er über seine Kindheit nach. Beide hielten zärtlich die Hand des anderen und spielten in den Nebeln des Ozeans. Ein schwerer Atem entkam seiner Lunge.
Weiter weg kniete Yehuda neben seinem besten Freund. Er erhob seine Hände in die Luft zu Jahwe, dann zerriss er seine Kleider, wobei er nackt auf dem Boden kniete. Er nahm das scharfe Getreide der 143
getrockneten Erde und bedecke seinen Körper damit. Yehuda weinte unkontrollierbar. Er drückte ihn fest an seine Brust. „Er war nur ein Jahr älter als ich. Die Hungersnot und nicht endende Arbeit brachte ihn um.“ „Sie tötete meine Familie ebenso“, antwortete ihm Tamar. „Begrabe deinen großen Freund, dann müssen wir uns deiner Familie anschließen. Er hörte ihre Worte nicht. Er umarmte seinen Freund und küsste seinen Hals. In dem Augenblick verlor er die Kontrolle über seine Tränen. In Wut schrie er: „Mein Gott! Nicht Hirah! Nicht Hirah! Nicht er! Jeder außer ihm! Nimm jeden anderen. Nimm Joseph, wenn er noch lebt, aber nicht Hirah!“ Er krümmte sich, als sein Magen schmerzte und seine Brust sich anspannte. Er konnte nicht länger ein Wort formen. Er ergab sich dem Mangel an Tränen, der ihn überwältigte und ihn besiegte. Er blieb bei Hirahs bewegungslosem Körper drei Tage lang. Am späten Nachmittag des dritten Tages trug er Hirahs Körper zu dem Grab, das er für sich beiseite getan hatte. „Hirahs Name soll nie vergessen werden. Weder von mir noch von meinen Kindern“, behauptete Yehuda, als er den Körper seines liebsten Freunden mit Steinen bedeckte.
Yisrael fuhr fort, seine landwirtschaftlichen Bemühungen bei der trockenen, sandigen Erde fortzusetzen. Hartnäckig verbrachte er den Tag damit, die nutzlose, rissige Erde aufzubrechen. „Irgendwo im Inneren dieser Erde liegt eine Antwort auf meine Frage: Wie speise ich die Erde neu?“ Da er auf seine intellektuellen Fähigkeiten vertraute, versuchte er vergeblich zu erörtern, wie man eine fruchtbare Stelle in der Erde erlangt, um mit seinen neuesten Samenkörnern zu experimentieren. „Sogar das kann in dieser Erde nicht wachsen“, gab er Leah gegenüber zu. „Wir können sie in Gaza anbauen. Du tatest es einmal vorher dort.“ „Sie Sanddünen erstrecken sich bis zum Fuß des Gebirges.“ Er schüttelte seinen Kopf. „Das Salz verdirbt die Erde zu sehr für uns, um darin diese Samenkörner wachsen zu lassen.“ „Ehemann, du wirst dir etwas für uns ausdenken.“ Er schaute in ihre betagten Augen. Auf ihr runzeliges Gesicht. Ihre schwere Brust und ihre großen Arme. Er schaute auf seine eigenen Arme. Er hatte auch beachtlich zugenommen. „Erstaunlich“, dachte er, „dicke Leute, die an Hunger sterben.“ Er berührte sanft Leahs Gesicht. „Wie kommt es, dass du so schön geworden bist“, sagte er sanft zu ihr. Sie lachte leise. „Also, du musstest fett werden, bevor du sagen konntest, dass ich ‚schön’ bin?“ „Leah, ich liebe dich wahrlich. Ohne dich, wie hätte ich Josephs Tod überleben können. Wie hätte ich Binyamin aufziehen können?“ Ihr Gesicht wurde traurig. „Was ist los, Liebling?“ 144
„Liebst du Rachel noch immer mehr als mich?“ „Rachel?“ Er schloss seine Augen. Ihr fernes, schwaches Bild kehrte zu ihm zurück. „Von allen Dingen, die ich war, wünsche ich nur, mir wäre die Kenntnis des Heilens gegeben worden.“ Er versuchte sich an Josephs Gesicht zu erinnern. Er leckte seine Lippen ab. Sie waren ausgedörrt, rissig an den Ecken. „Ich liebte Rachel, ich trauerte um sie und ich trauerte um Joseph. Ich kann jedoch nur die Lebenden lieben. Ich habe die Toten losgelassen.“ Wie es geschehen musste, kam schließlich die Zeit für Leahs Geist, schwach zu werden. In seinem großen Haus saß er neben seiner Ehefrau und fütterte sie mit seiner besonders zubereiteten Linsensuppe. „Deine Lieblingssuppe, nicht wahr?“, bemerkte sie zu ihm, als sie seine Hand hielt. Sie weigerte sich, sie loszulassen. „Ja. Sie ist besser als Fleisch.“ „Sie kaufte dir dein Geburtsrecht.“ „Ja. Und kostete mich beinahe mein Leben.“ „Esaus Tod, veranlasst er seine Kinder, Krieg gegen dich zu führen?“ „Ich weiß es nicht. Ich habe ihnen versichert, dass ich nie in Seir eindringen werde.“ „Aber sie verstehen, nicht wahr, dass der wahre König nicht von ihnen abstammen kann?“ „Sie kümmern sich nicht um die Frage. Sie machen sich nur Sorgen darüber, Kupfer zu schmelzen. Diese intensive Hitze hat ironischerweise ihre Metalle stärker gemacht. Ein neuer Felsen wird geprüft. Er verlangt eine Menge Hitze, um ihn von seinen Banden zur Erde zu befreien, aber sie werden das Problem lösen. Dann können vielleicht unsere Landwirtschaftsgeräte stärker für unseren Gebrauch gemacht werden.“ „Yisrael, Landwirtschaftsgeräte oder Schwerter?“ „Sie haben diese Furcht, dass unsere Kinder eines Tages versuchen, ihnen ihr Land zu nehmen.“ „Aber sie werden es nicht?“ Yisrael brachte die Schüssel wieder an ihre Lippen. „Ja, schließlich müssen sie es. Das Land ist von Jahwe für seine waren Gläubigen beiseite getan worden. Er hat uns ermächtigt, auf diesem Land zu wohnen. Ich hoffe nur, dass die Welt seine Souveränität zuerkennt, sonst müssen unsere Kinder das Land von dem Nebenfluss Ägyptens zum Euphrat erobern. Die Menschheit hat den Rest der Welt, um darin zu leben. Gott bittet um so wenig. Aber Satan macht die Menschheit mit Irreführungen verrückt, dass das Land für ihren Gott heilig ist, ohne zu erkennen, dass es nur unseren Gott auf der Oberfläche dieser Erde gibt. Alle anderen sind es nicht einmal wert, Mist vor ihnen verbrannt zu bekommen. Ich frage mich, wird eine Zeit kommen, wenn Jahwe einen letztendlichen Krieg gegen die Heiden führen wird? Wird es einen endgültigen und entscheidenden Krieg geben, wo nur die Gerechten überleben werden und aller Hass für immer entfernt wird?“ „Das ist die Mission des Maschiachs“, antwortete sie. „Darum ist unserer Familie erlaubt, die Tragödien der Welt zu überleben. Keine 145
Streitmacht kann uns je schaden. Kein König ist stark genug, uns zu besiegen. Keine Nation ist mächtig genug, uns zu überwältigen. Kein Dämon ist stärker als Gott.“ „Oh, Leah, wie ich diese verdammenswerten Priester hasse, die vorgeben, Religion und ihre Mysterien zu verstehen. Alles für eigennützige Zwecke! Schlimmer, alle diese verdammenswerten Heuchler behaupten, es gibt nur einen Gott auf der Oberfläche der Erde: und er ist natürlich ihr Gott! Goldene Facetten der Liebe und Widerspiegelungen verschiedener Persönlichkeiten! Wie dumm! Es braucht Jahrhunderte um Jahrhunderte um Jahrhunderte, der Wahr Gott wird dominieren, und wenn er seine Zeit erklärt, wird die Vernichtung auf sieben Milliarden Seelen sein! Aus diesen Gründen muss es unsere Aufgabe sein, die Welt des Heidentums und des Nationalismus loszuwerden. Ein Gott. Eine Welt, vereinigt.“ Leah wandte ihre Augen zu ihm. „Wen wirst du salben?“ „Ich habe mich noch nicht entschieden.“ „Riveka sagte zu mir, es muss Yehuda sein.“ Sie ergriff Yisraels Tunika und flehte plötzlich: „Bitte, Mann, ich habe alles von dir ertragen und ich habe nie aufgehört, dich zu lieben. Ich kenne die Sünden meiner anderen Söhne, aber Yehuda hat nie gegen dich übertreten. Lass es Yehuda sein.“ Tränen fielen aus den Winkeln ihrer Augen. „Sein Sohn, Shelah, ist Halbkanaaniter. Ich mag Shelah nicht.“ „Perez ist Yehudas Erstgeborener, nicht Shelah.“ „Perez hat die legalen Rechte des Erstgeborenen, aber er ist auch ein Halbkanaaniter.“ „Befreite dich dein Vater nicht vor Vorurteilen?“ Yisrael anerkannte diese Tatsache. „Dann versprich mir jetzt, dass du Yehuda in Betracht ziehen wirst.“ „Leah, was ich in Betracht ziehe, ist unwichtig. Die letztendliche Entscheidung gehört Jahwe.“ „Wahrlich, das ist korrekt“, ihre Augen leuchteten auf. „Er hat mich immer begünstigt.“ Sie wandte ihre Augen von ihrem Ehemann ab. Der Wind rührte draußen und wehte Sand in den Hof. Die Tür des Tores pochte gegen die Türschwelle. Yisrael stellte die Schüssel hin und ging, um die Tür fest zu verschließen. Leah schluckte hart und wandte ihr Gesicht dem weißen geometrischen Werk an der Decke zu. „Jahwe“, lächelte sie das schönste Lächeln ihres Lebens, „ich verstehe deine Pläne. Alles ist so klar für mich.“ Als Yisrael zurückkehrte, sah er, dass sie steif war. Ihre offenen Augen starrten auf das Relief an der Decke. Ihre Augen konzentrierten sich auf das komplizierte Muster, das von Kreis zu Kreis raste, von Diamantenform zu Diamantenform, sogar zu der rechteckigen Zentrierung.
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Yisrael fiel neben ihrem Körper hin und blickte fortwährend an die Decke, wobei er versuchte zu verstehen, was sie in dem Muster gesehen hatte.
Yehuda kehrte drei Tage später in das Lager seines Vaters zurück. Dan, Zebulun und Naphtali sammelten die Begräbnissteine auf dem vordersten Anstieg der gelblichen Grasabhänge des Hügels und bereiteten sich vor, ihre Leiche zu tragen. „Wofür sind diese Steine?“ fragte Yisrael seine Kinder, als er seinen Raum nach dem dritten Tag verließ, wobei er seine Augen von dem Wachs- und Schleimaufbau säuberte. „Um damit Leahs Körper zu bedecken“, antwortete Dan. „Nein, wir werden meine erste Ehefrau, Mutter des künftigen Gesalbten, in Machpelah begraben.“ „Meine Mutter wurde in Bethlehem begraben“, entgegnete Binyamin seinem Vater, als er verstand, dass er nicht für das Maschiach-Privileg in Betracht gezogen wurde. „Wenn wir meine Mutter auf der Seite der Straße eines Fremden begraben konnten, können wir Leah hier begraben.“ Yisrael sah seinen jüngsten Sohn an. Er nickte. „Ich will nicht die Erinnerung an deine Mutter entehren. Meine Liebe zu ihr war so groß, dass ich einundzwanzig Jahre meines Lebens ihrem Vater weihte, um ihre Hand zur Heirat zu bekommen. Warte auf meine Rückkehr.“ Yisrael ging zu seinem Zelt und neben dem bewegungslosen Körper seiner Ehefrau betete er zu Jahwe, der antwortete: „Dies sage ich. Bethlehem wird die Stadt sein, aus der der gerechte und letzte Maschiach in die Welt kommen wird. Sage dieses Wort Binyamin.“ Als Binyamin seinen Vater die Worte wiederholen hörte, nickte er zufrieden. Die Familie versammelte sich. Ihre Trauerprozession zog zu den Höhlen außerhalb von Hebron. Während der Reise ritt Yisrael hinter Yehuda, der sich freiwillig meldete, die Begräbnisprozession zu führen. Reuben und die anderen ritten hinter ihnen. Binyamin, in einer stillen Entschuldigung zu Leah, ritt neben ihrem Trauerwagen. Viel später im Leben hörte man ihn sagen: „Sie war trotz allem die Mutter, die immer für mich da gewesen war. Ohne Versagen, ohne Klage kümmerte sie sich immer um meine Bedürfnisse, genau wie meine eigenen Mutter es getan hätte.“ In der Familie wurden nur Binyamins Augen feucht. Er unter ihnen allen bedauerte den Tod so sehr wie er bedauerte, ihren richtigen Platz im Leben seines Vaters und in seinem eigenen Leben verleugnet zu haben. In den letzten Sekunden, bevor der Stein geschlossen wurde, weinte Yisrael zitternd, öffentlich und betrauerte den Verlust von Leah!
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Kapitel Vierundvierzig Ägypten Drohende Dunkelheit. Unbegreifliche Einsamkeit. Ein existenzielles Drama. Ein phänomenologisches Argument. Yisrael, gefangen in einer Vision der undurchdringlichen Nacht, sah ein Bildnis von sich selbst, das die trocknende Erde studierte. Ein Teil von Yisraels Körper arbeitete die Nacht hindurch, während der andere Teil seines Körpers sich auf der harten Erde hin- und herwarf. Als erfahrener Chemiker experimentierte Yisrael mit einem Becher schlechter Erde nach einem Becher mit giftiger Erde. Er legte kleine Mengen Erde in Wasser, einen anderen Teil in Balsamöl, einen anderen Teil in Schafsdung. Jede erdachte Mischung, an der er experimentierte, versagte elend. Kein Same wurzelte. Es war, als ob die ganze Substanz der Erde in die entfernten Tiefen der Erde verschwand, sich rachsüchtig vor den Bedürfnissen des Menschen verbarg. Yisrael erwachte, als einer seiner Enkelsöhne den zappelnden Mann weckte. Er dramatisierte. „Ich sehe“, sagte der alte Mann zu dem jungen Kind. „Was siehst du?“, fragte sein Enkelsohn. Der alte Mann war unfähig zu antworten. Yisrael lächelte das Kind an. Er stand von seinem Bett auf und fand seine neueste Mischung aus Erde und Getreide. Er ging aus dem Labor und schleuderte den Inhalt an die entfernte Wand der Scheune. „Wofür? Wofür?“, stöhnte er. Er berührte seine pochende rechte Schläfe. „Ich muss schlafen. Ich muss denken. Nein, nicht denken. Ich muss träumen. Ich muss in eine Fantasie reisen, die mich von dieser bitteren Realität loslöst.“ Er seufzte. „,Der Atem Gottes trat in die Menschheit – und der Mensch wurde eine lebende Seele’“, versuchte er sich an die Worte zu erinnern. „Warum kehren wir zu Adams Bestrafung zurück?“ Er kehrte in seinen Raum zurück und ging zu seinem Bett. Er fand das Bett vor sich, ignorierte es aber. Er fiel zu Boden und wurde vor Erschöpfung ohnmächtig und verbrachte den nächsten Tag alleine auf dem harten Boden.
Matte Geräusche filterten durch den Raum. Schwaches gelbes Licht kroch von seinen Füßen zu seinen Beinen zu seinem Magen zu seinem Gesicht zu seinen Augen hinauf. Als er aufwachte, sah er sich von seiner Familie umgeben. „Vater wacht auf“, informierte Ascher Gad, der wiederum Simeon informierte, der es dem Rest wiederholte. Yehuda hob seinen Vater hoch, um den nährreichen Brei zu erhalten. 148
„Er schmeckt schrecklich“, Yehuda machte ein Gesicht und brachte die unsicheren Kinder zum Lachen. „Es ist, was du uns immer essen lässt“, lächelte eine Enkeltochter. „Ich lasse euch das essen?“ „Ja.“ „Gut, wir sollten es nicht mehr essen.“ Der Raum voller Leute lachte ruckartig. „Also, ich schlage das vor. Ich habe die Händler über die großen Lebensmittelhäuser in Ägypten reden hören. Nur sie unter allen Nationen der Welt haben viel zu essen und viel zu verkaufen.“ „Wir sind uns des Klatsches der Kaufleute bewusst. Aber um nach Ägypten zu gehen, brauchen wir deine Erlaubnis.“ „Yitzhaks Einfluss sollte euch bis jetzt verlassen haben“, nickte er. Als er seine Lippe schloss, wandten sich seine Augen zu Yehuda. Er wiederum starrte Simeon an, der auf seine Ehefrau blickte. Jeder starrte auf jemand anderen. „Was schaut ihr alle an?“ „Wir warten auf deine Erlaubnis, nach Ägypten zu reisen.“ „Sie ist gewährt. Geht, geht heute, bevor alle vor Hunger sterben.“ „Wie viele von uns können nach Ägypten gehen.“ „Ich weiß, dass ihr alle nach Ägypten gehen wollt. Lasst es so sein. Jeder, das heißt, außer Binyamin. Er hat zu viele Kinder, um dafür zu sorgen – und gewiss – zu viele Frauen zurückzulassen.“ Die zehn Brüder lachten und bereiteten dann ihre stärksten dreißig Esel für die südliche Reise vor.
In Ägypten gaben Hunderte Soldaten die Verteilungen der gebackenen Brote und Futter und Honig und Öl und getrocknete Früchte und konserviertes Gemüse an das Volk aus, das schweigend in den zahllosen Reihen wartete, bis es an der Reihe war, seinen Anteil zu erhalten. Zusätzlich zu den Soldaten hatte Joseph eine Einsatzgruppe von geheimen Spionen und Polizisten ernannt. Seine Sonderarmee verhaftete die Personen, die stahlen oder die Lebensmittel auf dem Schwarzmarkt handelten. Als er seine Verantwortung ausgab, geschah es, dass sich seine eigenen zehn Brüder den Rängen der Hungernden anschlossen. Die Spione Josephs, die auf ihre Gegenart aufmerksam gemacht wurden, führten sie vor Joseph. Sofort verbeugten sich die zehn vor dem Ägypter. Reuben hob behutsam seinen Kopf. Der gewählte Sprecher der Brüder begrüßte den mächtigen Herrscher. Joseph ignorierte seine Worte und betrachtete die Körperhaltungen der zehn Brüder genau. Als Joseph die Haltung seines jüngsten Bruders nicht sah, bekam er Angst um ihn. „Ermordeten sie ihn, als sie versuchten, mich zu ermorden?“, dachte er. Aber mit unwirscher Stimme
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durch seinen ägyptischen Übersetzer fragte er stattdessen: „Woher seid ihr?“ Reuben schaute auf die hochgewachsene Person, die ihn überragte. Die breiten Schultern des Herrschers, die mächtigen Beine und muskulösen Arme schüchterten ihn ein. Goldene und schwarze Farbe bedeckte seine Augenlider. Er hatte das bärtige Kinn des Adelsstands. Große, dicke goldene Bänder schlossen seine Arme ein. „Aus Retenu“, antwortete Reuben leise zu dem Übersetzer, der wiederum die hebräischen Worte in die ägyptische Sprache übersetzte. „Wir kamen, um für Lebensmittel zu handeln“, stellte er wieder klar. „Kanaaniter sind niederträchtige Lügner in unserem Land. Ihr seid Spione. Vielleicht die erste einer erobernden Nomadenwelle?“ „Unmöglich, Großwesir!“, schrie Simeon. „Wir sind nur hier um Lebensmittel“, bekräftigte Gad. „Ihr seid Spione!“, wiederholte Zaphenath-paneah. „Wenn wir Spione wären“, unterbrach Issachar, „könnten wir wahrlich behaupten, die Kinder desselben Mannes zu sein? Wir sind ehrliche Personen! Handarbeitende Personen.“ „Alle von einer Person?“ „Es gab noch einen. Er kam um“, überraschte Ascher seine Brüder, indem er sprach, „aber einer ist noch zu Hause bei seinem Vater.“ „Ich glaube es nicht. Ich sehe nur zehn Personen. Vielleicht zehn Brüder. Wenn es einen elften gibt, beweist es mir. Ich glaube euch nicht.“ Joseph verlangte Versicherung, dass Binyamin noch am Leben und ohne Schaden war. „Wir waren zwölf. Heute sind wir elf“, sprach nun Yehuda. „Was für eine Prüfung beabsichtigst du für uns?“ „Einer von euch muss in meinem Gefängnis bleiben, während der Rest von euch nach Hause zurückkehrt. Bringt diesen elften Bruder, den ihr behauptet zu haben. Dieser Mann wird dann befreit.“ „Wir können nicht tun, was du verlangst“, sprach Yehuda wieder, indem er der neue Sprecher für die Brüder wurde. „Warum?“ „Wir sind zehn Brüder, unzertrennlich. Für mich zu einem Bruder zu sagen: ‚Du bleibst’ ist dasselbe wie zu den anderen Brüdern zu sagen: ‚Ihr seid wichtiger als der eine, der zurück bleibt.’ Wir werden keinen von uns trennen.“ „Seid ihr immer so loyal zueinander gewesen?“ „Nein“, flüsterte Reuben, der nervös seine Finger in seiner Handfläche drehte. „Ich habe die Lösung für euch.“ „Was ist das?“ „Entweder einer von euch trennt sich von dem Rest oder ihr zehn werdet zusammen leiden.“ Die zehn starrten einander an. Sie wagten nicht untereinander zu streiten. Indem sie ihre Stimmen zurückhielten, schauten sie Yehuda an. „Wir werden alle leiden.“ 150
Indem er schnell mit seine Fingern deutete, pferchte die ägyptische Wache die zehn verängstigten Brüder in die Wüstenlandgegend von Ägypten ein. Die Brüder nahmen ihre Gefangenschaft an.
Reuben wischte den Schlaf aus seinen Augenwinkeln. Simeon streckte sich und stieß unabsichtlich in Gad. Ascher drehte sich um und weckte Issachar aus seinem beunruhigen Hin- und Herwerfen. Indem er schnell auf seinen Schrecken reagierte, schlug er Dan auf die Schulter. Dan streckte sein Bein und als er es tat, stieß sein Fuß gegen Naphtalis Fuß. Levi und Zebulun ignorierten ihre hin- und herwerfenden Bewegungen. Yehuda nahm die ferne Ecke für sich und blieb wach, währen er den Beginn des dritten Sonnenaufgangs beobachtete. „Alle von uns sind in Dunkelheit und Gefangenschaft seit drei Tagen eingesperrt“, anerkannte Levi den Sonnenaufgang. „Was stellt diese Einkerkerung dar?“ „Ein Mann der Zukunft – ein Gesalbter – der diese Frage studiert, antwortete: „Die drei Tage der dunkeln Gefangenschaft stellen die drei Tage des Todes dar, die der letzte Maschiach durchmachen muss.“ Die Gefängnistüren flogen auf und überfluteten das Innere mit einer plötzlichen Welle von Staub und Licht. Alle Brüder husteten. Beinahe zusammen hoben sie alle ihre Hände, um das Licht von ihren Augen abzuwehren. Die Sammlung von Brüdern blinzelte mit ihren Augen, bis sie den Wesir von Ägypten, Zaphenath-paneah, vor dem morgendlichen Sonnenaufgang stehen sehen konnten. Indem er neben seinem Übersetzer stand und durch ihn sprach, fragte er: „Wen habt ihr erwählt, um zurückzubleiben?“ „Wir sind nicht fähig zu wählen“, erwiderte Yehuda, der augenblicklich Reuben verärgerte, der sich vorbereitete zu sprechen. „Dann werde ich ihn wählen“, beschloss Joseph, der der Geheimpolizei zunickte, dass sie Simeon einsperren sollten, Josephs ursprünglichen und brutalsten Peiniger. In der Aufregung des Augenblicks bemerkte jeder Bruder nicht, dass die Wachen die ursprünglichen Silbergewichte in die Lebensmittelsäcke zurücklegten.
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Kapitel Fünfundvierzig Die Herausforderung In der Gegend von Mamre bewässerte Binyamin wenig die neu gepflanzten Samenkörner, die sein Vater aus seinen Experimenten entwickelte. Sorgfältig markierte er jede Reihe mit dem Namen des Samens. Die großen Herden- und Landwirtschaftsanwesen, die sie einst umgaben, kamen um. Die früheren, höchst produktiven Weiden verschafften nun kaum den Bewohnern ein paar Scheffel pro Morgen von fast getrocknetem und wertlosem Gemüse. Der Haushalt, der die tiefen Wasserbrunnen bearbeitete, schaffte es, aus ihnen Eimer, die Viertel voll mit dunklem Wasser waren, herauszuholen. Aus Angst vor Magen- und Durchfallkrankheiten wies Yisrael die Diener an, jeden Wasserbehälter, den sie aus dem Brunnen zogen, zu kochen. Viertausend Jahre später folgte ein anderer Mann dieser Methode, um Milch zu reinigen und zu konservieren. Nach der Reinigung des Wassers bewahrte Yisrael es in separaten Krügen vom Waschwasser auf.“ „Wir sollten nicht baden“, sprach sein Diener zu Yisrael. „Es nicht zu tun, ist beleidigend sowohl für uns als auch für Jahwe. Wir müssen uns immer erinnern, dass wir nicht wie die Menschen der Welt sind. Manche mögen sagen, dass unser Haar fettig ist, unsere Körper überaus ölig, unsere Achselhöhlen eine Missachtung der Menschheit, aber wir werden wissen, dass es ein falsches Bild ist. Also, badet mit einem Becher auf einer täglichen Grundlage. Lasst uns unsere Selbstachtung um jeden Preis aufrechterhalten.“ In der kommenden Woche begannen ein paar Hirten Halluzinationen zu erfahren, indem sie von ihren Herden fortgewinkt wurden. Die Hirten, gefangen durch die lebhaften, mysteriösen Bilder, folgten ihnen und wurden für die reale Welt, die sie umgab, geistig blind.
Als die Sonne mit größerer Wut loderte, wurde die Oberfläche der Erde heißer und trockener. „Es ist, als ob unsere Kontinente eine Hitzezone durchquerten“, informierte der babylonische Astrologe seine Freunde. „Wir treiben ostwärts von einer westlichen Position.“ Erstaunt blieben die Mitbeobachter die lange Nacht hindurch auf und versuchten, die Wahrheit der Angelegenheit zu erkennen. Während sie die Sterne erforschten, tobten die Wälder Europas in einem Wirbelwind des verheerenden Infernos, ebenso der westliche Wald von Nordamerika. In der südlichen Gegend von Südamerika starb eine halbe Million Menschen an Hunger. Die Geier schmausten an ihren Überresten und die Wildhunde rissen ihre Knochen in Stücke. Bis zu diesem Tag existiert kein einziger Beweis ihrer Zivilisation, außer den sinnlosen 152
Wasserdämmen. Im äußerste Norden begannen die Eiskappen in den ausgetrockneten Tälern zu schmelzen und legten für die streunenden Tiere die Tundra frei. Als mehr von Yisraels Männern tiefer in ihre unterbewussten Wünsche trieben, was sie intensiver bedrückte, begannen immer mehr von ihren Posten wegzuwandern. Yisrael musste alle vier Stunden Ablösewachen aufstellen, um die wahnhaften Männer zu hindern, aus dem Lager zu gehen.
Binyamin arbeitete den stickigen Vormittag hindurch. Nach langen Stunden konnte er nicht länger die unnachgiebige Hitze tolerieren. Er gab schließlich auf und ging von seinen Arbeiten davon. Yehuda, der sich vom Südosten näherte, ritt inmitten der verdeckenden Sonnenstrahlen. Ungewiss der Gestalt blickte Binyamin auf die eigenartige Form: Ein Mann? Ein Kamel? Ein Kaufmann? Ein Dieb? Wer? Die seltsame Gestalt des Mannes schien für den heißen Tag zu energisch zu sein! Aus irgendeinem unerklärlichen Grund schien der Mann zu ihm zu rennen, wobei er außer sich mit seinen Armen winkte. „Werde ich auch von den Wahnvorstellungen der Sonne gefangen?“, flüsterte Binyamin, sein Gesicht und sein Körper versteinert, wo er stand. „Mann, was ist los mit dir?“, schrie die sich nähernde Gestalt Binyamin an. „Ich bin es! Yehuda!“ „Du bist zurückgekehrt?“, sprach er benommen. „Natürlich bin ich zurückgekehrt. Warum würde ich es nicht?“ Der Rest der anderen war ein bisschen hinter Yehuda, der als ihr Späher agierte. Als alle Brüder einander einholten, fragte Binyamin Yehuda. „Sage mir, Bruder. Hast du irgendeinen unserer Männer an euch auf der Straße vorbeigehen sehen?“ „Nein? Warum würde jemand an uns vorbeigehen? Schickte Vater sie hinter uns her?“ Binyamin schüttelte seinen Kopf.
Bis zu Mitte des Nachmittags, in der letzten Stunde der intensiven Hitze, die abzukühlen begann, führte Binyamin seine Brüder zu Yisraels Lager. Jeder Mann winkte seiner Ehefrau und seinen Kindern zu. „Schaut, womit ich zurückkam!“, rief ihnen Binyamin zu, aufgeregt und glücklich, seine Brüder nach Hause zurückkehren zu haben. Yisrael führte ihre Ehefrauen und Kinder zu ihnen und schloss sich in der Heiterkeit an, wobei er jeden von seinen zurückkehrenden Söhnen umarmte. „Vater, wo ist mein Mann“, fragte Simeons zweite Ehefrau. „Nun?“, fragte er noch immer lachend Reuben, „wo versteckt sich Simeon?“ 153
„Er ist noch in Ägypten.“ „Zu welchem Zweck?“, fragte sie. „Er ist in ihren Kerkern. Er ist ihre Geisel.“ „Geisel? Du meinst Verbrecher!“, brüllte Yisrael. „Nein, nicht Verbrecher. Geisel!“ „Aber warum?“ „Der Wesir beschuldigte uns, Spione zu sein. Er war garstig und gemein zu uns! Doch eine merkwürdige Sache passierte auf unserer Reise zurück nach Hause. Als wir unsere Getreidesäcke untersuchten, waren in ihnen die genauen Silbergewichte, die du uns anvertraut hattest.“ „Was bedeutet es?“, fragte Simeons Ehefrau. „Ich weiß es nicht“, erwiderte Reuben. „Alles, was ich weiß, ist, dass Zaphenath-paneah will, dass wir ihm beweisen, was wir zu ihm gesprochen hatten. Wir müssen mit Binyamin nach Ägypten zurückkehren.“ Yisrael stellte seinen Enkelsohn auf den Boden. Überrascht durch die Neuigkeiten, schritt er von den freudigen Familien fort und blickte seine Söhne alleine an. „Ich bin es immer, der Verlustschmerzen der Qual fühlen muss. Joseph ist nicht länger bei mir. ‚Wir müssen Binyamin nach Ägypten bringen’!“ Yisrael wandte seine Gedanken zu sich und erhob seine Augen zu den vorüberziehenden Wolken und flüsterte: „Wie kommt es, dass diese Dinge immer mir passieren?“ Reuben wurde durch die Qual seines Vaters bewegt. Impulsiv schwor er: „Vater, wenn ich versage, Binyamin zu dir zurückzubringen, darfst du meine ersten zwei Söhne töten! Ich verspreche, ich werde ihn gegen jeden Schaden beschützen.“ „Enoch und Pallu töten? Durch das Töten der Lebenden für die Toten, kehren die Toten ins Leben zurück?“ „Meine zwei werden deinen zwei gleichen.“ „Ein Auge für ein Auge, ein Fuß für einen Fuß? Müssen wir auch eine Hand für eine Hand und ein Leben für ein Leben nehmen? Werden wir nicht! Wenn ein Leben verloren sein muss, lass es an den Händen Jahwes sein! Lasst sein Gesetz durch seine Engel vollstreckt werden. Nicht durch Mensch am Menschen.“ „Jahwe hat uns sein Gesetz von gleichem Schmerz für gleichen Schmerz gegeben“, sprach Levi. „Jahwes Gesetz der Gleichheit stellt eine solche Sache nicht dar“, sage Yisrael. „Dann Vater, lege mir klar, was Jahwes Gesetze bedeuten, damit ich es sie von nun an meinen Kindern klarlege.“ Yisrael und der Rest drehte sich um, um ihn anzublicken. „Was wirst du tun, alle Gesetze Jahwes aufschreiben?“, bemerkte Issachr. „Es ist alles, was du je zu uns sagst. Seit...“, er verstummte. „...Josephs Tod“, beendete Yisrael den Satz. „Nein, Reuben. Binyamin soll nicht mit dir nach Ägypten reisen. Aus Rachels sterbendem Leib kam er zu mir. Und sollte es geschehen, dass mein jüngstes Kind auf der 154
Straße nach Ägypten umkommen sollte, werdet ihr sicher mein weißes Haupt in die Tiefen des Scheols bekümmert schicken!“
Als die Karawanen und Schiffe der Welt mit Ägypten um sein Getreide handelten, begannen die Lebensmittel, die Yisraels Kinder hervorbrachten, dahinzuschwinden. Die Hügel übergaben ihr grünes Gras der Hungersnot. Die ausdünnenden Bäume vertrockneten auch. Tote Stöcke und leblose Überreste standen nun, wo einst hohe, starke Eichen das Land bedeckten. Die Blumen versagten, aus ihren Samenkörnern aufzusteigen. Die Ströme verschwanden völlig. Das Wasser aus dem tiefsten Brunnen kam mit Schlamm herauf. In dem Schlamm bekämpften Insekten einander um Essensreste. Schließlich sagte Yisrael zu seinen Söhnen: „Ihr müsst nach Ägypten um mehr Lebensmittel zurückkehren.“ Sie bleiben still. Yehuda sprach. „Der Wesir sagte uns, wir könnten nur nach Ägypten mit unserem jüngsten Bruder zurückkehren. Ließen wir nicht Simeon im Gefängnis wegen unserem Versprechen, mit ihm zurückzukommen?“ Yisrael ging an Yehuda vorbei, direkt zu Ascher. „Wenn du nur deinen Verstand benutzt und nachgedacht hättest, was du sprichst! Was um alles auf der Welt zwang dich, zu ihm zu sagen, dass du noch einen Bruder in Mamre hättest? Ist dies, wie ein liebevoller Vater seinen Vater liebt – mit schlechten Worten?“ „Wie sollte ich erkennen, was mit Simeon geschehen sollte? Der Mann stellte uns ständig Fragen über dich und unseren Bruder, daher antwortete ich ihm natürlich korrekt. Sollte ich Lügen erfinden, besonders, als ich keine Gefahr fühlte, ihm die Wahrheit zu sagen?“ „Hören wir mit diesem Gezänk unter uns auf!“, schrie Yehuda über ihre Stimmen. „Ich werden Binyamin mit meinem eigenen Leben bewachen! Begleichen wir das jetzt, denn wenn wir das nicht machen, können wir ebenso gut hier sitzen und sterben!“ „Haltet euch fern“, versuchte Reuben wieder die Gruppe von Brüdern zu repräsentieren. „Nichts fernhalten!“ Yehuda schlug mit seiner Hand gegen die Seitenwand. „Zweimal könnten wir in Ägypten und zurück sein, wenn wir nicht so dumm und idiotisch in unseren persönlichen Streitereien untereinander wären.“ Yehuda blickte seinen Vater an. „Ich versichere dir, Vater“, flehte er, „ich selbst werde sein Lösegeld sein. Halte mich für immer – ewig – schuldig, wenn ich versagen sollte.“ Yisrael ging auf dem Boden des Hauses seines Vaters auf und ab, das er vor langer Zeit geerbt hatte. Er ging zum Fenster und starrte auf den vertrockneten Boden. Er hörte auf den wehenden trockenen Wind. Er stellte sich vor, dass er die Tränen der verwelkten und verfaulenden Pflanzen, die in der Erde verwittert waren und dort entwurzelt blieben. 155
„Wenn dies geschehen soll; dann tut dies: sammelt die auserlesensten Früchte und das Gemüse aus unseren Gärten bei den brachliegenden Bächen und legt sie sanft in den hinteren Teil unseres Marktwagens. Tut dies, damit wir nicht als ungehobelte Bettler und verhungernde Vagabunden erscheinen. Zweitens, geht zu meinem privaten Vorratsschuppen und bringt dem Wesir meinen besten Balsam und ein paar Töpfe mit Honig. Nehmt Gummi und Laudanum für seine persönlichen Gaben, so möge er bezeugen, dass wir großzügig in unserem Wunsch, die Wunden und Schmerzen der Menschheit zu heilen, sind. Drittens, nehmt große Behälter mit Pistazienkernen und Mandeln als Beweis, dass wir auch gesunder Substanz und Kraft fähig sind. Als Letztes, nehmt mit euch zweimal so viel Silber wie ihr vorher genommen habt. Die erste Hälfte, um zu ersetzen, was uns irrtümlich zurückgegeben wurde. Die zweite Hälfte, um zu beweisen, dass wir noch immer unseren Weg für das Getreide und die Bohnen bezahlen können.“ Er schwankte fort vom Fenster. In diesem Augenblick filterte ein sanftes gelbes Licht über seinen Körper. Die Sonnenstrahlen brachen durch eine große, schwere vorüberziehende Wolke. Das filternde Licht dehnte sich durch den Raum aus und badete alle in seinem mysteriösen Glühen. Feierlich schloss er: „Nehmt euren Bruder mit euch. Er ist jetzt vierundzwanzig Jahre alt. Er sollte Ägypten besuchen. Möge El Shaddai das Herz des Mannes bewegen, bei euch zu sein. Möge er die Freilassung eures Bruders zurück in eure Arme bewirken. Was mich betrifft, wenn ich beraubt werden soll, werde ich beraubt.“
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Kapitel Sechsundvierzig Binyamin, Binyamin In der Hyksos-Hauptstadt Avaris wies der Wesir mehr Truppen zu einem Gegenangriff auf die Piraterie der Seevölker an. Die ausgehungerten Länder weigerten sich, das Einfügen des Getreides in den Boden anzunehmen. Wie der Rest der Welt verwelkten die eingepflanzten Feldfrüchte augenblicklich. Das hungrige Seevolk erneuerte seine Überfälle gegen die ägyptischen Küstenhäfen. Sie verheerten die Anlegebuchten der Schiffe und ermordeten die Wachen und die Bauern, die die Notwendigkeit verstanden, die Ankunft der Schiffe zu überprüfen und sich darum zu kümmern. Nachdem sie ihr Morden beendet hatten, ließen die Seevölker die Häfen leer zurück. Schweigen und verstreute Überreste der Toten luden die Raten ein, aus ihren Verstecken aufzutauchen. Innerhalb von Tagen schwollen die Leichen mit ihren Giften an. Die Ratten, die von dem Gift fraßen, verbreiteten ihre Krankheiten an die Lebenden. Die Heimsuchung verbreitete sich schnell von den zerstörten Hafenstädten zu dem Inneren des Landes. Von dort verbreitete sich die Heimsuchung den Nil hinunter in die tiefe Landschaft. Joseph beriet sich mit seinen Ratgebern und setzte einen Plan in Gang, um die erneuten Überfälle der Seevölker aufzuhalten. Nachdem er einen prozentuellen Anteil der Gewinne von den Getreideverkäufen beiseite tat, schloss Joseph einen Vertrag mit dem Repräsentanten des Minos, um ihm zu helfen, neue Kriegsgaleeren zu entwerfen, um die Meere und Flüsse zu patrouillieren. Der Repräsentant beriet sich mit seinen Ingenieuren. „Wir werden dem Hyksos-Herrscher seine Kähne und Galeeren bauen, aber wir werden ihn über das Steuer nicht belehren. Macht seinen Booten flache Böden mit Platzierungen für Ruderer. Dann gebt die verbesserten Pläne an uns zurück, damit wir sie voll kennen, nur für den Fall, das wir gegen ihn Krieg führen müssen.“
Simeon starrte zwischen die fest verwurzelten Eichenstangen, die ihn im Kerker des Gefängnisses einsperrten, und pickte an den wunden Stellen, die auf seinem Rücken, seinen Armen und Schultern ausbrachen. Er kratzte seine Brust, zog an seinen grau werdenden Haaren. Er wischte den Schweiß von seinem Hals. „Ich bin durstig“, sprach er zur Wache. „Ich bin durstig“, wiederholte die unbarmherzig Wache spöttisch. Indem Simeon an den Stangen rüttelte, erhielt er die Aufmerksamkeit einer anderen Wache. Simeon schrie ihm auf Hebräisch zu. Als er den Fehlschlag seiner Worte erkannte, machte er seine Hände hohl und 157
ahmte die Bewegungen einer Person nach, die Wasser zu trinken braucht. Augenblicklich gab ihm die andere Wache ein Lammfell mit sauberem, klarem Wasser. „Wie rechtfertigst du das?“, fragte ein kanaanitischer Gefangener. „Ich weiß es nicht. Ist das ungewöhnlich?“ „Der Rest von uns bekommt nur einen Becher, und erst nach einer Stunde des Bettelns.“ „Ich bin kein böser Mann. Ich bin eine Geisel, bis meine Brüder von zu Hause zurückkehren und meine Unschuld beweisen.“ „Oh, einer von denen: ‚Ich bin unschuldig!’ ‚Ich bin unschuldig!’ Dann stecken die Speere in deiner Brust!“ Er begann zu lachen. „Aber ich bin es!“, beharrte Simeon. „Nun, na und! Es ist mir wirklich egal. Aber sei freundlich und reich mir diesen Wasserschlauch.“ „Hier. Behalte ihn.“ „So großzügig mit dem kostbarsten Ding, das du je hier haben wirst!“ „Eine unschuldige Person hat nichts zu befürchten.“ „Nein. Bloß die Speerspitzen.“ Der Gefangene lachte wieder. Simeon starrte die Wache an, die ihn anstarrte. Simeon schaute auf das Gestell mit Speeren und ihren glänzenden Spitzen. Er hörte Füße, die weggeschleppt wurden. Durch die langen, nicht endenden, nicht vergänglichen Stunden hörte er die letzten fürchterlichen Schreie der Männer, den die Wachen für Diebstahl und Mord hinrichteten. Er legte seinen Rücken an die Wand und zitterte. Er schloss seine Augen und sein Verstand überdachte die fernen vergangenen Jahre, als Joseph hilflos in dem trockenen Brunnen lag. „Der Brunnen des Schreckens, des Sklavenhandels“, er machte eine Grimasse. „Die Höhle, wo der Körper meine Bruders still lag: blutend, verletzt, geschwollen. Was für eine schreckliche Eifersucht hatte ich für einen so Unschuldigen!“, flüsterte er zu sich. Seine Augen wurden feucht. Sein Verstand taumelte vor Reue, vor Bedauern. „Ich musste eingesperrt werden, um mich an meine Sünden zu erinnern! Ich musste trostlose Schwärze betrachten, bevor ich sagen konnte, es tut mir Leid! Was für eine schreckliche Person bin ich. Dorthin bin ich gekommen!“ Er vergrub ein Gesicht in seinen verschränkten Armen. Der Gestank seiner Achselhöhle durchdrang seine Sinne. Sein Haar war ein Durcheinander geworden. Seine Kleider waren verdorben, unerträglich zu tragen. „Wie versagte ich, meinen schrecklichen Zustand zu bemerken?“, er roch sich wieder. „Ich verdiene das“, flüsterte er wieder zu sich. Die Stunden der Tage und Wochen krochen vorbei. Der Abend schien, als ob er nie erscheinen würde und der Sonnenaufgang brauchte eine unmöglich lange Zeit zu kommen. Schließlich eines Morgens, als die Wache ihm seine Brei brachte, sprang Simeon auf und schrie außer sich: „ICH BIN SCHULDIG! ICH BIN SCHULDIG! ICH BIN SCHULDIG!“ „Wovon?“ fragte eine matte Stimme. 158
„Ich tötete meinen Bruder!“, platzte er in einer Qual von Tränen und Schleim heraus. „Ich ermordete ihn unbarmherzig! Bindet mich an diesen Pfahl. Taucht diese Speere schnell– oder langsam, wenn ihr müsst – in mich, damit ich diese Qual loswerde.“ „Bereust du es, ihm geschadet zu haben?“ „Ich hatte Unrecht! Ich war ein eifersüchtiger, dummer Narr!“ Eine Stunde später quietschte die Zellentür auf. „Aufstehen!“ Eine schroffe Stimme bellte heraus. Bescheiden gehorchend folgte der zitternde Mann der herzlosen Wache zu einem fernen Raum. Als er eintrat, stand er verblüfft. Vor ihm stand ein großer Tisch mit einer großen Ansammlung saftiger Früchte und Gemüse. „Für wen sind die?“ Niemand antwortete. Hinter ihm schloss ein gebrechlicher, alter Mann die Tür. Sekunden später sicherte der Mann eine Kupferkette über die dicken Bolzen der Tür. „Was ist hier los?“ Noch immer keine Antwort. Monate später wurde die Tür seiner eleganten Zelle wieder entkettet. Simeon, der demütig einem jungen Kind folgte, ging in einen Waschraum, wo ein Gehilfe auf ihn wartete. Er zeigte zu dem Wasser und deutete Simeon zu baden. Andere Wachen kamen in den Raum und legten saubere Wäsche vor ihn. Dieselbe schroffe Stimme, die er vorher gehört hatte, sprach wieder zu ihm: „Erinnerst du dich, was du bezüglich deines Bruders sagtest?“ „Ich erinnere mich an alles. Niemals bin ich mir so lebhaft diesen Tag bewusst wie ich diese vergangenen Monate gewesen bin.“ „Deine Brüder kehren aus ihrer Heimat zurück. Ich werde dir bezahlen, was für einen Preis du von mir verlangst, wenn du nur eine kleine Sache für mich tun wirst.“ „Ich verstehe nicht.“ „Sage mir, dass sie tatsächlich Spione sind und ich werde dich freilassen und dich mit Ländern und Gold belohnen.“ „Sie sind keine Spione. Ich werde sie nicht verkaufen oder etwas sagen, das ihnen schaden kann.“ „Warum nicht?“ „Ich habe einen meiner Brüder vorher verraten. Ich bin gemein gewesen und bin ein Lügner in das Gesicht meines eigenen Vaters gewesen. Ich beschuldigte Löwen und Schakale für das Verschwinden meines Bruders. Ich bin der Schakal, aber ich werde nicht die Schlange sein!“ Der geheimnisvolle Mann warf einen großen Sack Gold vor ihn. Er flog aus den dunklen Schatten des Raumes. Der Sack platzte auf und verstreute seinen Inhalt. Simeon trat ihn zur Seite und ging zur Ecke des Raums, wo er auf den Fußboden hinunterglitt. Augenblicke später kam eine Gruppe von Wachen neben ihn. „Ist es meine Zeit?“ Niemand sprach. Sie hoben ihn hoch und stellten ihn auf
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seine Füße. „Lasst eure Speere tief in mein Herz dringen. Löscht aus meinem Verstand diese Qual.“ Sie schüttelten ihre Köpfe. Er ging zwischen den Wachen und folgte ihnen den Gang hinunter in die weite Halle in einen anderen leeren Raum. Eine andere Wachmannschaft inspizierte ihn. Sie zeigten zu einer Tür und nickten in ihre Richtung, wobei sie ihm andeuteten, sie zu öffnen. Als er es tat, sah er vor sich einen offenen Hof mit Eselgespanne und beladenen Kamelen und Männern, die sich mit ihnen beschäftigten. Jenseits der Aktivität stand eine andere Gruppe von Männern und redeten mit dem Übersetzer, von dem er sich erinnerte, dass er neben dem Wesir stand. „Reuben! Yehuda! Zebulun!“, schrie er. „Es ist Simeon!“ Gad rannte zu ihm. Beide Brüder fielen einander in die Arme. Die anderen schlossen sich schnell an. Joseph, der von der Terrasse aus zusah, weinte.
In der Höhe der Erdentfernung zur Sonne versammelten sich die Brüder wieder in Zaphenath-paneahs Haus. Schnell umrundete ein Schwarm von Dienern die Gäste. Indem sie sich hinknieten, entfernten sie ihre schmutzigen Sandalen. Andere Diener brachten frisches Wasser den Besuchern und wuschen ihre Füße, während andere die Ochsen und Kamele fütterten. Die Brüder, an solche Gunst nicht gewöhnt, nahmen sich absichtlich zusätzlich Zeit, ihre unglaubliche Umgebung zu bewundern. „Niemals hat jemand von uns eine so ausgezeichnete Behausung gesehen!“, berichtete Yehuda die Ereignisse dem Erzähler fünfzig Jahre später. „Große, runde Säulen stützten ein massives Dach, das von einer Wand zur anderen reichte und den größten, schimmernden Wasserteich bedeckte, den wir je gesehen hatten. Drei Wasserspringbrunnen tanzten in der Mitte des Teichs und die glasierten Fliesen auf dem Fußboden spiegelten das Sonnenlicht von der Terrasse wider. Die rot und blau und gelb bemalten Wände stellten Szenen von schönen Lilien dar, die aus einem großen Meeresbecken wuchsen. Neben dieser gemalten Szene schmückte eine andere Szene mit Landwirten, die die Felder bearbeiteten, die Wände des immensen Palastes.“ Der Erzähler, der die Beziehung, die er zu Yehuda entwickelt hatte, genoss, schätzte ruhig die kurze Erinnerung. „Die Ägypter sind eine mächtige Rasse“, sprach der ägyptische Übersetzer zu den Hebräern. „Wir hassen Ausländer, aber wegen unserer Großzügigkeit weigern wir uns, die Welt des Menschen leiden zu sehen. Wir sind die größte Nation auf Erden! Unsere Landwirte sind die Genies des Lebens!“ Als die Hebräer zuhörten, gingen Senath und Manasseh und Ephraim an ihnen vorbei und starrten sie an. „Wer sind sie?“, fragte Binyamin. 160
„Die Ehefrau und die Kinder des Wesirs.“ „Ihre Augen scheinen uns zu hassen.“ „So sollten sie es. Eure Rasse ist ereignislos. Sie hat nichts zu etwas anderem hinzuzufügen als einen lüsternen Wunsch, etwas für nichts bewusstlos zu schlagen.“ „Warum bist du so grob gegen uns? Wir haben dir unsere Unschuld bewiesen!“ „Ist jemand von euch Ägypter?“ „Nein.“ „Dann seid ihr abscheulich.“ „Und du, mein Herr, hast Vorurteile!“, erwiderte Issachar. „Tretet in den Raum ein. Setzt euch, wo euch gesagt wird.“ Nach einer langen, langen schweigsamen Zeit begannen ein paar der Brüder auf und ab zu gehen. Mehrere andere Brüder lehnten sich an die vergoldete Wand und die Zedernbretter. Ein paar andere saßen auf dem Boden. Die übrigen zwei redeten miteinander über das prächtige Haus. Vier Wachen öffneten die schweren Eichentüren und präsentierten die Brüder dem Wesir. Er stand vor ihnen und trug eine schwere goldene Robe. Zwei gebogene ruhten neben ihm. Das Sonnenlicht flutete hinter ihm und machte es für sie unmöglich, seine Gesichtszüge auszunehmen. Aus Angst verbeugten sich die Brüder vor ihm. Auf den Befehl aufzustehen, breiteten die Brüder vor dem Wesir ein schönes blau und goldfarbenes Leinentuch aus. Der schweigende Mann starrte auf das komplizierte Muster. Elegante geometrische Muster zogen sich durch den Stoff. Die Brüder riefen die Männer des Wesirs, um die großen Körbe mit Mandeln und Früchten zu enthüllen. Auserlesenes Gemüse wartete in den gewebten Körben. Als er sie angenehmen Früchte inspizierte, fielen die Augen des Wesirs schließlich auf Yisraels persönlichen Korb. Drinnen schimmerte ein doppelter Anteil von Silbergewichten. Joseph – denn dies war der Wesir – hielt seinen harten Ausdruck bei und setzte die Geschenke herab. Er schaute Reuben an, der sich weigerte, seinen Blick zu erwidern. Joseph ging direkt zu Reuben. „Wie geht es deinem betagten Vater? Ist er gesund?“ „Er ist bei guter Gesundheit.“ Seine Augen, die von Bruder zu Bruder gingen, ruhten schließlich auf seinem jüngsten Bruder. „Möge Gottes Güte auf dir sein, mein Sohn.“ Die elf Brüder verbeugten sich wieder und senkten ihren Augen auf den schimmernden grünen Granitboden. Ihre Manieren anerkannten demütig die große Macht und Position des Wesirs. Indem er aus ihrer Bewegung einen Vorteil zog, verließ Joseph schnell den Raum. Das emotionale Drama, seine Brüder auf diese Weise zu treffen, hatte ihn überwältigt. Die mächtige Freude, einen Bruder nach dem anderen zu sehen, noch immer vereinigt, noch immer zusammen in den Zelten seines Vaters lebend, beeindruckte ihn sehr. „Ein Vater, vier Mütter! Doch was für einen Unterschied macht es für sie? Alle sind vereint! Durch die Macht ihrer Kinder sitzen verschiedene nationale Repräsentanten der 161
menschlichen Rasse vor mir. Wie sehr die Welt dieses Beispiel sehen muss!“ Er schloss die Tür zu seinem Amtsraum und setze sich auf seinen Zedern- und Eichenstuhl. Tränen flossen aus seinen Augen. Er kämpfte, seine Emotionen zu beherrschen, aber vergebens. Schließlich wusch er sein Gesicht und legte wieder einen schwarz und golden und grün schimmernden Lidschatten und das Make-up auf seine Gesicht auf, bevor er zu dem Raum zurückkehrte. Als er eintrat, beobachteten die elf Männer den würdevollen Mann, wie er leise zu seinem reich verzierten Tisch ging. Die dicke schwarze Farbe des Tisches stand in starkem Kontrast zu dem Blattgoldaufsatz. Löwengesichter krönten die Beine des Tisches. Geschnitzte Löwenköpfe bedeckten die Arme des Stuhls ebenso. Indem er seinen harten Blick bewahrte, klatschte der Mann, der das Drama beherrschte, wieder in seine Hände. Die Diener begannen schnell das Mahl zu servieren. Vor den Brüdern bildete ein riesengroßer rechteckiger Zederntisch den Mittelpunkt des großen Raumes. Dekorierte goldene und schwarze Stoffe drapierten die enormen Säulen. Die Diener, die den Anweisungen ihres Herrn folgten, führten die Brüder zu besonderen Stühlen, die den Tisch umgaben. Die Brüder verstanden, dass die Diener sie in der Reihenfolge ihrer Geburt hinsetzten. Verblüfft akzeptierten die Brüder die Sitzordnung. Als die Diener die Teller der Männer mit einer großen Portion auserlesener Lebensmittel füllten, wurden sechs Extraportionen mit Essen vor Binyamins Teller aufgehäuft. Die Brüder wussten nicht, was das bedeutete. Joseph lehnte sich nach vor und betrachtete genau den Ausdruck seiner Brüder. Geduldig wartete Joseph wie ein Panther auf den geringsten Hinweis von Eifersucht. Er wartete, dass sie bewiesen, dass sie ihre neidische Art nicht geändert hatten. Stattdessen akzeptierten die überraschten Brüder die äußerste Großzügigkeit ihres Gastgebers gegenüber ihrem jüngsten Bruder. Stattdessen lachten die Brüder außer sich vor Freude bei seinen Portionen. Yehuda neckte: „Fünf Teller sind genug für einen Mann, der vier Frauen und zehn Kinder hat. Gebt ihm mehr!“ Die anderen Brüder schüttelten sich vor Lachen. Diesmal war es Joseph, der überrascht war. Er starrte aufmerksam Binyamin an. „Sohn“, Joseph sprach kaum die Worte durch seinen Mund, „du hast zehn Kinder?“ Binyamin zuckte die Achseln und sein unschuldiger Blick brachte Joseph auch zum Lachen. Nach dem Abendessen verließ der Wesir die Männer. Die elf Brüder, alleine gelassen, genossen herzhaft die zusätzlichen Gefäße mit köstlichem rotem Wein, die ihnen die Diener brachten. „Wer würde wissen, dass Hungersnot überall auf der Welt besteht“, sagte Naphtali zu Ascher. „Ich kann über eine solche Sache nicht vernünftig urteilen“, erwiderte er. 162
„Und ich kann darüber nicht urteilen, warum es überhaupt geschehen musste“, bemerkte Gad, der einen Diener aufhielt, um nach einem weiteren Gefäß zu greifen.
Am neuen Morgen setzte sie Josephs detaillierte Verschwörung fort zu entfalten. Als er zu den Brustwehren des großen Palastes ging, dachte er über seinen nächsten Zug nach. Er schaute schweigend über die braun werdenden Ebenen der Landschaft hinaus. „Die größten Karawanen der Welt wandern durch diese Ebenen“, sprach er zu sich. „Alle diese Völker, die hierher von so weither kommen. Und ich, wie weit entfernt bin ich von Heimat und Familie? Wann werde ich nach Hause gehen können?“ Apophises sah in diesem Augenblick zufällig seinen geliebten Diener schweigend die Felder beobachten. Der betagte König schritt neben ihn und fragte: „Was beunruhigt dich, Zaphenath-paneah?“ „Die Welt, Großer König.“ „Männer von großer Einsicht und einzigartigem Weitblick haben immer Schwierigkeiten, von anderen als ihre Freunde und allgemeinen Gefährten akzeptiert zu werden. Ich habe bemerkt, wie du immer an Rand der Unterhaltungen sitzt und wie du immer gemieden oder entlassen wirst als etwas anderes, um da zu sein. Zuerst dachte ich, es wäre, weil es dir an Höflichkeit mangelte, aber ich hatte Unrecht. Männer mit göttlicher Vision sind immer vom Rest abgesondert, weil der Rest nie gleich mit dir Anteil haben kann. Ich befürchte, sie begnügen sich, mit ihrer eigenen Art zu leben, wie ich vermute, dass es immer sein muss.“ Nach langem Schweigen, worin Joseph auf Apophises Bemerkungen nicht reagierte, beschloss der König zu fragen: „Hast du nicht gelernt, innerhalb der Grenzen und Einschränkungen zu leben?“ „Ja“, erwiderte Joseph vorsichtig. „Doch etwas Tieferes beunruhigt mich. Ich brauche Sicherheit von mehr als einer großen Nation und einer mächtigen Armee und einer reichen Wirtschaft und Wohlstand und materiellen Dingen. Ich brauche die Sicherheit und Zusicherung einer liebevollen Familie, die verbunden ist und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet.“ „Du bist der zweitmächtigste Mann auf der Oberfläche der Erde. Du bist mit der Tochter meines besten Freundes verheiratet und du hast zwei wundervolle Jungen. Ich habe nur Khian. Bald, bevor dieses Jahr aus ist, werde ich sterben. Khian wird dann deine Verantwortung werden. Diene und leite ihn so gut wie du es unter mir getan hast.“ „Ich werde immer dem Haus Ägyptens dienen. Ich schulde dir meine Loyalität. Du befreitest mich nicht nur von der Dunkelheit des Gefängnisses, du gabst der Welt das Leben zurück. Ich schulde dir viel dafür.“ „Ich glaube, dass du aufrichtig gegenüber meinem Haus und meiner Familie bist. Ich glaube, dass du meinen Sohn so gut du kannst führen 163
wirst. Ich möchte dich damit herausfordern: Da wir beide Ausländer sind, die dieses Land regieren, stelle dich beständig darüber. Wie du deinen Gott anbetest und ihm gehorchst in allem, tue dasselbe bei meiner Familie. Erlaube uns, unser Königtum über Ägypten zu bewahren, und ich werde dir und deiner Familie erlauben, immerwährend über Ägypten als sein Premierminister zu herrschen.“ „Keinem Mann ist eine größere Herausforderung gegeben worden. Warum anvertraust du sie mir?“ „Weil ich auch dies glaube: Meine Oberpriester wollen deine Fähigkeit verstehen, die Zukunft zu sehen, und deine Fähigkeit, mit einem Gott zu sprechen, der größer als Ra ist. In der Stadt On beobachtete ich sie, wie sie in das Wasser des Nils starrten, nur um ihre eigenen Gesichter zu sehen. Ich stand und beobachtete sie, wie die die Innereien der Frösche sezierten, nur um blutige Kleidung zurückzulassen. Ich saß, als sie den Weihrauch einatmeten und ihre Haut mit Balsam und Parfüm einrieben, nur um sich selbst zu nützen. Keiner konnte genau vorhersagen, was du gesagt hast, dass sein würde. In allen Angelegenheiten beziehe ich mich auf dein Urteil und deine Weisheit. Sogar die Priester suchen deinen Rat. Je mehr Wahrheit du ihnen vermittelst, umso mehr ziehen sie sich zu ihren magischen Formeln zurück und versuchen, eine Methode zu erfinden, die ähnlich deiner ist. Politisch bist du der größte Wesir, den wir je hatten! Wegen dir akzeptiert die Welt endlich unsere Familie. Einst degradierten uns die Nationen der Welt, indem sie uns Hyksos nannten: Ausländer und Rebellen des Throns. Heute bewundert die Welt das Wort: Hyksos! Sicherlich schuldet die Welt ironischerweise ihre Rettung der kleinsten Sippe der Welt: den Hebräern! Und weil dein Herz sich nach einem Vater und Brüdern sehnt, weiß ich, dass die Liebe deiner Familie wichtiger für dich ist als die Liebe eines Landes. Ich kann einem Mann wie dir vertrauen, Ägypten durch die Schwierigkeiten zu leiten, und ich kann dir vertrauen, meine Familie über deiner zu bewahren, weil völlige Kontrolle nicht dein Ehrgeiz ist.“ „Großer König, du hast Recht. Mehr als ehrgeizige Herrschaft wünschte ich über allem anderen, dass mich meine elf Brüder so sehr lieben wie ich sie liebe. Alles andere tue ich mit Respekt zu dir und zu der Welt.“ Dreizehn Tage später starb König Apophises. Bei der großen Krönung erhob sich König Khian, um die Machtsymbole anzunehmen. Joseph saß hinter ihm und fragte sich nur über seine Brüder und seinen Vater.
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Kapitel Siebenundvierzig Der Diebstahl Die Morgenstrahlen krochen in den Hof und zeigten die Tätigkeiten der fleißigen Brüder. Sie beluden ihre dreißig Esel mit ihrem zugeteilten Gewicht, indem sie sie für die Reise nach Hause vorbereiteten. Indem sie sich sicher fühlten, begannen die Brüder die Stadt zu verlassen. Dann, wie befohlen, raste Josephs Haushofmeister zu der vordersten Reihe der Karawane und hielt die Hebräer an. „Warum geht ihr bösen Männer fort und verratet den guten Willen meines Herrn euch gegenüber?“ Reuben begegnete der Frage mit einer anderen: „Was sagst du nun zu uns?“ „Ich sage, dass ihr bösen Männer den persönlichen Weissagungsbecher gestohlen habt!“ „Das ist nicht wahr!“, protestierte Reuben. „Na, genau die Tatsache, dass wir die Silbergewichte deines Herrn zurückgaben und mehr brachten, um zu bezahlen, bezeugt unsere Unschuld! Wir haben keine Missetaten begangen!“ „Ja“, fügte Issachar hinzu, „was für ein Mann begeht Gutes, um Schlechtes zu erlangen?“ „Böse Männer – wie ihr selbst.“ „Dann suche in allen unseren Säcken“, antwortete Reuben, „und sollte etwas gefunden werden, das nicht uns gehört, töte diesen Mann! Den Rest von uns versklave!“ „Ja, es soll so sein: Tod einem Dieb und Sklaverei den Verbündeten. Jedoch nur der Dieb wird versklavt. Der Rest wird freigelassen.“ Empört riss Reuben die Schnüre seines Sackes weit auf, indem er den Haushofmeister herausforderte, etwas anderes als Getreide zu finden. Von ihm zum Nächstjüngsten, dann wieder zum Nächstjüngsten und hinunter zum Nächstjüngsten untersuchte der Haushofmeister die Getreidesäcke. Als der Haushofmeister den Elfjüngsten erreichte, grinste er. Er band Binyamins zwölften Sack auf. Der Haushofmeister tauchte seine Hand in die Weizenkörner. Er tastete für ein paar Sekunden herum und sein strenges Gesicht spannte sich noch mehr an, als seine Finger den Becher, den er suchte, umschlossen. „Du bist ein Dieb“, behauptete er, seine Augen brannten sich in die von Binyamin. Binyamin taumelte zurück und stieß unabsichtlich in seinen zweiten Esel und erschreckte ihn. Als der Esel schrie, rissen die erschrockenen und verwirrten Brüder ihre Tuniken auf, als ob eine verzweifelt Schnur sie verband. Beinahe einstimmig stöhnte die elf Brüder und riefen aus. „Zeige es uns!“, verlangte Zebulun. Die anderen Brüder, von dem Verrat des Dramas in Anspruch genommen, drängten sich zusammen, 165
wobei sie die Unschuld des anderen unterstützten. Einige fühlten sich hilflos, als ob sie nie dem Nebel der Verzweiflung, der sie zu umgeben schien, entkommen könnten, seit sie das erste Mal Ägypten betreten hatten. Andere fühlten sich in der Falle, da sie keinen Ausweg aus dem Verrat hatten. Ein Morast der Verzweiflung durchdrang jedes ihrer Herzen. Ein Gefühl der Sinnlosigkeit. Die Tiefen der Leere traten in Binyamin. Eine große neugierige Menschenmenge umrundete die Brüder. Innerhalb von Augenblicken schob sich eine Kompanie von Soldaten ihren Weg durch die Frauen und Kinder und alten Männer. Indem sie sich ein Weg erzwangen, zwangen die schwer bewaffneten Wachen die Brüder, zwischen ihnen zum Gefängnishof zu gehen. Die Speere der Soldaten bewachten die Brüder.“ Auf der Straße schrie der wütende Pöbel hasserfüllt den Ausländern zu. Nicht zu weit entfernt bezeugten die babylonischen und elamitischen Karawanen die Verhaftung der Brüder. Sie senkten ihre Köpfe und bedeckten ihre Gesichter. Die Kaufleute entfernten sich schnell aus dem Gebiet, als die Hebräer zu Zapheanth-paneahs Hof marschierten.
Reuben saß neben Binyamin. Er verlor die Beherrschung und schrie: „Was zwang dich, so etwas zu tun? War es absolut notwendig für dich, ihn zu stehlen?“ „Ist es nicht möglich, dass ich unschuldig bin, ältester Bruder?“, antwortete Binyamin fest, langsam. „Haben wir nicht in unserer Sippe Regeln über Unschuld vor der Verkündigung der Bestrafung?“ „Die Schuld wird durch den Inhalt deines Sackes nachgewiesen.“ „Und was, wenn er in deinem Sack gewesen wäre? Was dann?“ Reuben hatte keine Antwort. Seine impulsive Art wurde zum Schweigen gebracht. „Ich stahl nichts!“, wiederholte Binyamin langsam seine Unschuld. „Reuben, lass es sein“, warf Yehuda ein. „Genau wie die Silbergewichte einst in unseren Säcken auftauchten, so ist es mit dem Becher geschehen.“ „Diese Verschwörung gegen uns wurde absichtlich ausgeführt, weil wir Hebräer sind!“, fügte Issachar hinzu. „Unsinn!“, antwortete Yehuda seinem Schützling. „Wie würde jemand wissen, wie er uns herausgreift? Stammen wir nicht von babylonischen Vorfahren ab und sind nicht unsere Gesichtszüge ihren identisch? Sind irgendwelche babylonischen Kaufleute verhaftet worden?“ „Nein“, bestätigte Simeon die Worte seines Bruders. „Die Gefängnisse waren mit Kanaanitern gefüllt, und sogar mit ein paar von den Seevölkern, und ich traf einen Hurrier, aber keine Babylonier wurden in die Gefängniszellen gesteckt.“ „Dann ist es, weil wir zusammen als eine Familie reisen und die Soldaten uns gegenüber misstrauisch machen.“ 166
„Ausgesprochene Dummheit!“, schrie Dan. „Reuben, siehe wie dein darauf Herumreiten unsere Vernunft beeinträchtigt. Hör auf zu mutmaßen!“
Joseph ging den Korridor seines Hauses auf und ab und schüttelte seinen Kopf hin und her, indem er seine Handlungen in Frage stellte. Asenath, die seine Schritte hörte, ging neben ihn. „Warum spielst du diese Spielchen mit deinen Brüdern? Entweder töte sie oder lass sie gehen.“ „Ich kann nichts davon tun.“ „Warum?“ „Ich brauche sie mehr als je zuvor. Sie sind meine Brüder wie ich ihr Bruder in.“ „Brauchten sie dich, als sie dich in diese Grube warfen oder als sie dich zusammenschlugen? Brauchten sie dich, als sie zwanzig Silberschekel von deinen midianitischen Cousins nahmen? Ich glaube, du solltest die Frage mit ihrem Tod oder mit ihrer Freilassung lösen. Löse sie heute.“ „Werde ich, meine tiefste Liebe. Ich weiß aus absoluter Tatsache, dass ich ohne sie nicht weitermachen kann – noch, Liebling, können unsre Kinder ohne sie weitermachen.“ „Unsere Kinder? Was haben sie mit deinen Brüdern zu tun?“ „Sie haben zur Hälfte ihr Blut in sich.“ „Die Hälfte des Blutes einer niedrigeren Rasse. Es beschämt mich manchmal, dass sie nicht ganz sind.“ „Dein Vater wusste, als er dich mir zu meiner Frau übergab, dass unsere Kinder halb Ägypter und halb Babylonier – oder Hebräer, wie wir uns jetzt nennen – sein würden.“ „Mein Vater und ich sind reine Ägypter. Wir sind die direkten Erben von Mizraim.“ „Und wie lange wird man sich an diese Genealogien erinnern? Dein Volk ist so voreingenommen wie meines. Ja, ich erfuhr von ihrem letzten Besuch, dass einige meiner Brüder ausländische Ehefrauen genommen haben. Simeon und Yehuda heirateten Kanaaniterinnen, und ihre Kinder werden gleichermaßen von meinem Vater geliebt. Wer liebt unsere Kinder besser als meine eigene Familie?“ „Mein Vater liebt sie sehr!“ „Er ist ein Priester von falschen Göttern und ein Zauberer! Er beobachtet mich, da er denkt, er kann lernen, wie man Weissagung ausübt! Ich kann ihm nicht beibringen, was mir vom Höchsten Gott gegeben worden ist. Von der Ganzheit der Menschen mögen nur jene, die er bestimmt, sich auf die Seite seiner Gedanken zu stellen, die besonderen Gaben der intellektuell zu unterscheidenden Wahrheit von Erfindung erhalten. Nur den Wenigsten der Menschheit wird diese Fähigkeit gewährt. Dafür meiden die Menschen sie. 167
Ich bin einer dieser Männer. Darum werde ich isoliert. Kein wahrer Mann Gottes kann je bei den Massen beliebt sein. Kein wahrer Mann Gottes kann in der Welt aufgezogen werden, um ihre Vergnügungen zu lieben. Er muss die Schätze und Weisen und Ebenbürtige zurückweisen, um seine Einfachheit zu entdecken. Während der Flut von Noahs Tagen kamen über drei Milliarden Soldaten, Bauern, Winzer, Statthalter, Könige und Frauen, die ihre Babys säugten, um. Alle litten für ihre Sünden gegen den wahren Gott. Dies geschah vor sechshundert Jahren. Wir haben jetzt auf der Erde die Zahl der Menschen am Leben, die während dieser Tage starben. Unter der Ganzheit der Menschheit überlebte nur eine auserwählte Familie Gottes Urteil! Ich bin ein direktes Mitglied dieser Familie! Unsere Kinder tragen zufällig in sich die genetischen Verheißungen von Abrahams Segen.“ „Ist es darum, dass deine Familie einen so beträchtlichen Bericht über die Welt geschrieben hat: nur um sich selbst als die rechtmäßigen Erben der Welt zu rechtfertigen?“ „Dein Ton verspottet das Werk, aber was du sagtest, ist zutreffend.“ „Wie habt ihr die Büchersammlung genannt?“ „Genesis. Das Wort bedeutet ‚Der Anfang’.“ „Was ist der Zweck der ‚Genesis’?“ Ihr Ehemann berührte ihr Gesicht. Sie wollte oft verstehen, aber wann immer sie es versuchte, vermischte sich der Einfluss ihres Vaters mit ihrer intellektuellen Aufnahme seiner Worte. „Der Zweck, liebste Ehefrau, ist, dass der Leser den Kampf versteht, den die ersten Stimmen der Welt ertragen mussten, um die Identität des ‚Samens’ zu entdecken. Der ‚Same’ ist der Maschiach. Der Maschiach ist Michael der Erzengel. Michael der Erzengel ist Jahwes einziger direkter Teil von sich selbst. Unter der Unterwerfung des Vaters Willen erarbeiteten beide harmonisch einen passenden Rettungsplan vor dem Todesurteil, unter das Adam die ganze Menschheit stellte. Michael ist der eine, der uns von unserem Fluch befreien wird, indem er der Menschheit das Paradies zurückerstattet. Um dies zu tun, muss er seine spirituelle Identität und Substanz zurücklassen, um auf der Erde als eine Substanz des Fleisches und Blutes neu zu erscheinen. Er muss die Sicherheit seines Wohnsitzes für die Unsicherheit von unserem verlassen. Wir müssen erlauben, dass sein Gewissen zu jedem Laster und jeglicher Habgier und Unzulänglichkeit, denen wir täglich unterzogen werden, versucht wird. Als ein Wesen aus Fleisch und Blut, mag es sein, dass er sich über den Morast erhebt. Indem er es tut, wird er Jahwes Feind besiegen, wobei er ewige Souveränität für Jahwes Worte und Gesetze beweist. Um über die Sünde zu triumphieren, muss er sich zuerst in den Weg der Sünde stellen. Jahwes Gesetz der Gleichheit wird Wirkung über ihn haben, wie es über uns hat. Um das Gesetz zu erfüllen, muss der letztendliche Erlöser gestatten, selbst zu sterben. Durch seinen Tod werden alle Sünden zu seinem Wesen überstellt. Aus seinem Tod taucht ewiges Leben auf. Für ihn, um seine Mission zu beginnen, muss der 168
letztendliche Maschiach zuerst durch eine besondere, höchst auserwählte Familie abstammen. Diese Familie ist unsere. Nun lass mich diese Angelegenheit zwischen meinen Brüdern lösen, damit die Kinder unserer Kinder vielleicht die letzte Vernichtung der Gesellschaften der Welt überleben mögen.“ „Ein weiteres totales Gericht kommt?“ „Gewiss. Darum muss ich mich mit meinen Brüdern vereinen. Sie, trotz all ihres Hochmuts und ihrer Gemeinheit, sind die Schlüssel zu der Rettung der Welt. Einer von ihnen wird eines Tages zum gesalbten Träger des ‚Samens’ der Menschheit erklärt.“ „Du?“ „Nein, nicht ich.“ „Unsere Kinder?“ „Nein.“ „Mann, ich weiß als Tatsache, dass du durch Gottes Stimme sprichst und dass du tatsächlich die Zukunft sehen kannst. Wessen Kinder werden die Rettung des Menschen darstellen?“ „Wenn ich in das nächste Zimmer eintrete, werde ich ein paar Fragen stellen. Derjenige, der zuerst zu mir spricht, wird derjenige sein, der der letztendliche Träger des ‚Samens’ sein wird.“ „Dann möge der Mann nie unsere Kinder aus den Augen verlieren.“
Der ägyptische Diener spottete. Nach einem kurzen Zwischenspiel führte er die elf Brüder in Zaphenath-paneahs Privatgemach. Yehuda schaute auf die hellen Zedernwände des Raumes und dachte sich. „Wie eigenartig. Diesem einen Raum fehlen die ägyptischen Götter, die alle anderen Räume schmücken. Von welchen Wurzeln kommt dieser Mann, dass er Bilder der ägyptischen Götter meidet?“ Eine tiefe Stimme unterbrach seine Gedanken. „Was habt ihr Männer gegen mich getan? Seid ihr Männer so ignorant, dass ihr nicht wisst, dass ich alles vor mir sehen kann? Glaubtet ihr wahrlich, ich könnte nicht wahrnehmen, wer für den Verrat gegen mich verantwortlich war? Unter allen Karawanen, die von meinen Städten hin und zurück reisen, seid ihr alleine schuldig gegen mich!“ „Wie können wir auf solche Anklagen antworten, mein Herr?“, sprach Yehuda, bevor einer seiner Brüder auch nur auf die falschen Anschuldigungen reagieren konnte. Josephs erschrockene Augen weiteten sich. „Du?“, öffnete sich sein Mund. Er schritt fort von den Brüdern und legte seine Hand über sein Herz. Er hörte das Keuchen seiner Ehefrau. Indem er sich zu Binyamin, dann zu Reuben drehte, schüttelte er seinen Kopf. „Sogar ich sah das nicht!“ Yehuda, der die ägyptische Sprache nicht verstand, fuhr fort: „Sage mir, Herr, was für Worte mögen wir zu dir sprechen, die unsere Unschuld bestätigen werden?“ Der Haushofmeister übersetzte schnell Yehudas 169
Worte: „Es erscheint, dass Gott selbst dir offenbart hat, dass wir die Männer sind, die des Verbrechens schuldig sind, von dem wir kein Verständnis haben. Aus diesem Grund und mehr unterwerfen wir uns deinem Herrn. Wir sind deine Sklaven!“ „Nur ein Mann ist des Diebstahls schuldig“, erwiderte der Wesir. „Der Rest von uns ist gleichermaßen schuldig wie er.“ „Nein! Wir können nur einen Mann bestrafen. Kein Gesetz irgendwo verlangt, dass alle Mitglieder einer Familie für das Verbrechen einer Person leiden. Der Dieb meines Bechers wird mein Sklave sein. Dem Rest von euch steht es frei, zurück zu euren Heimen zu gehen.“ „Die Gesetze der Nationen werden schnell korrupt, Großer Herr“, antwortete Yehuda. „Eine ganze Familie mag tatsächlich um des einen willen hingeschlachtet werden. Wir werden uns in deine Hände für den einen begeben.“ „Ich bin eurer dummen Worte müde! Verschwindet aus meinem Haus!“ „Bitte, Zaphenath-paneah, erlaube mir fortzusetzen. Der Einsatz ist groß in diesem Raum, denn er betrifft nicht nur uns, sondern meinen Vater ebenso! Bitte, wenn er gestattet sein mag, erlaubte mir nur diesen Augenblick, dich zu erinnern, dass du selbst uns gezwungen hast, unseren jüngsten Bruder mitzubringen. Dies erbatest du, indem du sagtest: ‚Es ist notwendig für mich, euren jüngsten Bruder zu sehen, damit ich selbst die Wahrheit der Angelegenheit wahrnehmen mag.’ Diese Worte, ich erinnere dich, wurden gesprochen und in den großen Handelskammern aufgezeichnet.“ „Ich erinnere mich an die gesprochenen Worte. Ich studierte pflichtbewusst die Aufzeichnungen.“ „Dann, wenn du den Jungen in Ägypten als Sklave behältst, versklave uns alle mit ihm. Wer von uns kann zu unserem Vater zurückkehren, um zu bezeugen, dass sein Herz zerbricht! Wer von uns kann ihn in Sorge zum Scheol schicken? Und wenn es sein muss, dass einer versklavt werden muss und der Rest freigelassen wird, lass den einen mich sich! Ich habe meinem Vater geschworen, dass ich letztendlich für das Leben meines Bruders verantwortlich gehalten werde. Ich kann einen so feierlichen Eid nicht brechen. Weiters weigere ich mich, das Gesicht meines Vaters aschfahl werden zu sehen und zu beobachten, wie sein Körper vor meinen Füßen zusammenbricht. Ich habe meinen besten Freund an die Verzweiflung verloren. Ich habe meine geliebte Shua an die Verzweiflung verloren. Ich werde nicht meine Vater an ihre Macht verlieren!“ Joseph hörte Yehudas elegante Rede und fühlte seine innersten Tränen zu seinen Augen hochsteigen. Er sprang von seinem vergoldeten Stuhl auf und schrie mit seiner lautesten Stimme seinen persönlichen Gehilfen und Wachen zu: „Ihr alle, außer diese Ausländer, verlasst diesen Raum!“
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Der führende Haushofmeister verriegelte die Tür und stand absichtlich daneben und hörte zu. Der zweite Haushofmeister, der zu dem neu ermächtigen ägyptischen König eilt, fiel auf seine Knie, als er die vordere Mitte des langgestreckten Raumes erreichte und sich vor den Thron hinwarf. „Was ist los? Ist Zaphenath-paneah krank?“ „Er warf uns aus seinem Gemach. Meine Neugierde zwang mich, dem folgenden Drama zuzuhören. Ich legte mein Ohr an die Tür und hörte ihn mit solcher Qual jammern und weinen, dass ich Angst um sein Leben bekam. Da ich suchte, meinen Herrn zu beschützen, beschloss ich, noch mehr zu hören, um zu hören, was geschah.“ „Und?“ „Ich hörte ihn sagen: ‚Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr verkauftet. Seid jedoch nicht bekümmert durch das, was ihr mir angetan habt, denn es wurde verfügt. Was geschehen ist, ist geschehen, damit ihr vom Hungertod und der Ausrottung gerettet werdet.“ Der neulich gekrönte König sandte nach Josephs Ehefrau. Als sie sich ihm näherte, fragte er: „Wusstest du über diese Ereignisse Bescheid?“ „Tat ich, Großer Herr von Ägypten.“ „Hast du etwas daraus zu befürchten? Soll ich respektiert werden wie mein Vater es wurde?“ „Du sollst immer von meinem Ehemann respektiert werden und sein Haus soll dir loyal dienen. Du hast nichts je von ihm zu befürchten. Er ist deinem Vater dankbar, ihn in diese Position erwählt und ihn aus dem Gefängnis des Wüstenlandes befreit zu haben. Zaphenat-paneah will nur seine Familie wieder zusammen haben.“ Der König nickte. „Ich kann einen solchen Wunsch schätzen. Nur der liebevollste und zärtlichste Mann würde einen solchen Wunsch haben. Nein, mein Wesir wird mir mit seiner Familien nicht schaden. Dies dann ist meine erste Verkündigung als Herrscher von Ägypten: Sollte er wünschen, dass seine Familie in Ägypten wohnt. Sie dürfen jedoch nicht in einer amtierenden Macht eingesetzt werden. Den Hebräern wird keine Gelegenheit gegeben, meinen Thron zu stürzen wie meine Väter ihn gestürzt haben. Dies sage deinem Ehemann.“ Sie senkte ihren Kopf und klatschte ihre Hände vor ihrem Gesicht zusammen, dann zog sie sich von seiner Gegenwart zurück und ging vorsichtig rückwärts, fort von seinem Angesicht.
In jener Nacht traf sie ihr Vater in ihren Gemächern des Palastes und fragte: „Ist es wahr über deinen Ehemann?“ „Ja, seine Brüder sind hier.“ „Wie viele sind es?“ „Elf.“ „Wird er sie einladen, neben uns zu leben?“ „Er hat es schon.“ 171
„Hat der Große Herr es genehmigt?“ „Hat er.“ „Wir sind in Gefahr“, sagte er, als er schnell ihr Seite verließ, um zu den entfernten dunklen Kammern seines Tempels zu gehen, wo die anderen Priester ungeduldig, nervös auf seine Rückkehr warteten.“ „Also?“ „Die Gerüchte sind wahr.“ „Wir dürfen nicht erlauben, dass dies geschieht!“ „Was sollen wir tun? Der Große Herr ist der absolute Herrscher. Was sind wir, außer Priester? Priester können nur Priester sein.“ „Wir sind nie stärker gewesen!“, erhob sich ein anderes Ratsmitglied. „König Apophises ist tot und sein Körper wiederaufbereitet für seine Reise in die Reiche der Ewigkeit. Nun erheben wir uns offen in Rebellion, bevor Khian förmlich seine Machtgrundlage befestigt.“ „Joseph ist die Machtgrundlage“, erwiderte Josephs Schwiegervater. „Dann ist das eine Frage, die wir nicht länger beiseite stellen können. Erhebt euch jetzt oder bleibt unterjocht. Bleibt unwissend“, der dritte Priester stand neben den anderen Priestern. Er verschränkte seine Arme und drängte die sich zusammenbrauende, gärende Rebellion voran. „Wir müssen beginnen, unsere schlussendliche Revolte gegen den ausländischen Großen Herrn in Gang zu setzen. Wir müssen unsere Art der Macht zurückgeben.“ „Das ist wahr, Potiphera. Der Hyksos-Herrschaft muss annulliert werden. Dieser ausländische Herrscher lädt andere Ausländer ein. Wir sind die Zahlreichen, die unter den Minderheiten dienen.“ „Der Minos genehmigte es zuerst.“ „Und wie lange ist es her, seit die Kreter uns Handelsschiffe schickten? Seht ihr? Niemand kann diese Frage beantworten?“ „Wir sind es, die ihnen Nahrung schicken! Das Seebeben hat ihren Rücken gebrochen! Ägypten muss wieder für die Ägypter sein!“ „Dann werden wir es planen!“
Mehrere Wochen später, als Yisrael sein verdorbenes Gemüse ausgrub, hörte er die ausgedehnten Schreie seiner Enkelkinder, die zu den staubigen und dürren Feldern rannten. Er horchte und hörte die knarrenden Geräusche zahlloser Transportwägen, die zu seinem Haus fuhren. Als er sich den Geräuschen zuwandte, sah er jeden seiner neun Söhne, die Wägen fuhren, die höher als die Seiten mit Waren beladen waren. Das gewaltige Gewicht der Wägen stach tiefe Rillen in die Straße. Seine Söhne, die neue Kleider trugen, begannen zu winken, als sie sich dem Haus näherten. Die glücklichen Ehefrauen rannten zu ihnen. Indem sie auf die neun Wägen sprangen, umarmten sie ihre Ehemänner. Yisrael, der die Wägen zählte, fragte sich über seine zwei anderen Kinder. Dann sah er hinter ihnen Yehuda und Binyamin kommen. 172
Zwischen ihren großen Pferden gingen zwanzig erstklassige Esel. Zehn trugen die feinsten ägyptischen Waren! Weitere zehn trugen Gerstenkörner und andere Getreidearten, um Brot und Kuchen zu machen. Andere Wägen transportierten die stärksten Stoffe des Landes für Yisrael, um sie zu Zelten zu nähen. Ein Sonderwagen kam hinter dem Rest. Er war eigens für Yisraels Reise nach Ägypten entworfen. Yehuda ritt hinauf zu seinem Vater, der sagte: „Ich sandte euch um Nahrung und ihr kamt mit der Welt zurück! Was für eine diplomatische Sprache benutztet ihr, um eine so unglaubliche Leistung zu vollbringen?“ „Die Sprache der Liebe. Joseph ist am Leben! Er ist der Wesir des Großen Herrn!“ Yisrael legte seine Hand über sein Herz. Sein Gesicht wurde weiß. „Wer, was! Aber ein Löwe tötete ihn. Ich habe noch seine blutbefleckte Tunika in meiner Zederntruhe!“ „Nein, Vater“, schloss sich Binyamin neben ihnen ihn. „Was du hast, ist eine beschmutzte Tunika mit dem Blut eines Tieres. Ich erfuhr die Wahrheit darüber in Ägypten von Yehuda und Reuben.“ „Was für eine Wahrheit ist das?“ „Aus Eifersucht und Hass täuschten wir dir Josephs Tod vor“, bekannte Levi. „Wir verkauften ihn an unsere midianitischen Cousins. Sie wiederum verkauften ihn an den persönlichen Höfling des Königs, Potiphar. Er wurde beschuldigt, Potiphars Frau vergewaltigt zu haben, wurde eingesperrt und dort durch Gottes Willen wurde Joseph Ägyptens Wesir! Nun dient er seinem Sohn in derselben Eigenschaft.“ „Ihr lügt mich alle an“, er schüttelte seinen Kopf, überwältigt von der Ungeheuerlichkeit ihres Bekenntnisses. „Ich starb beinahe vor Kummer.“ „Vater“, sprach Yehuda wieder, „Joseph befahl uns, dir das zu sagen: ‚Was geschah, geschah, um dich vor der Hungersnot zu retten.’ Für Jahwes Weisheit und große Voraussicht. Er erlaubte Joseph, ein großer Mann in Ägypten zu werden. Dies war, damit wir überleben können und damit der Maschiach durch unsere Lende kommen möge. Mehr noch, weitere fünf Jahre bleiben für die Hungersnot, um über der Oberfläche der Erde zu herrschen.“ „Ja“, meldete sich Naphtali jetzt zu Wort, „und Joseph sagte: „Wir müssen nach Ägypten reisen, zu der Gegend von Gosen, das er vor langer Zeit für uns, um darin zu wohnen, beiseite getan hatte. Wir müssen unsere Kinder, unsere Schafs- und Rinderherden und alles, was uns gehört, mitnehmen.“ „Ist Joseph wirklich stark genug, um uns vor den Ägyptern zu beschützen?“ „Ja“, antwortete Binyamin, „Joseph ist so stark. Na, der neulich gekrönte ägyptische König gab mir dreihundert Silberstücke, ohne sich etwas zu denken, außer fünf Tuniken zum Wechseln.“ Yisrael drehte sich um, um sein riesiges Anwesen und das gewaltig große Herrenhaus anzusehen, das Yitzhak gebaut hatte und an das Esau Zimmer hinzugefügt hatte, und das er wiederholt vergrößert hatte, er
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seufzte. Dann starrte er auf die leeren Kornkammern, die während der guten Zeiten der Ernte gebaut wurden. Er nickte und schaute seine Söhne, ihre Ehefrauen und seine Enkelkinder, seine dahinschwindenden Rinder und Schafe und Ziegen und seine dünner werdenden Diener an. „Also“, er nickte ständig im Rhythmus seiner Gedanken, „was ich gehört habe, davon habe ich genug gehört. Ich werde nach Ägypten gehen und ich werde Joseph sehen, denn ich bin noch am Leben und die Lebenden müssen ihre Zeit mit den Lebenden teilen.“ Yisrael gab schließlich sein Anwesen auf und führte die Karawane seiner Familie nach Be’er-Sheva. Dort versammelten sie sich um den Altar, den er vor langer Zeit errichtet hatte. Indem er die Gebete anführte, opfert er Jahwe einen Widder. Hinterher teilten Yisraels achtundsechzig männliche Nachkommen die Opfergabe unter sich, während die Frauen hinter ihnen standen und den Augenblick bezeugten, während sie ihre eigenen privaten Gebete Jahwe darboten.
Das Licht des Viertelmondes, als es sanft aufstieg, fiel auf Yisraels Zelt. Unfähig zu schlafen, ging Yisrael zwischen seinen schlafenden Kindern, vorsichtig, um keinen von ihnen zu stören. „Jahwe“, flüsterte er, „habe ich Recht, es zu tun? Yitzhak wurde verboten, nach Ägypten zu gehen. Sogar Esau hielt sich zurück, sich seinen Grenzen zu nähern. Abraham wurde hinausgejagt und ein Schild wurde errichtet, dass mit Todesstrafe Hebräer Ägypten nicht wieder betreten durften. Ich verstehe, dass Joseph Ägyptens Wesir ist, doch er herrscht unter Verkleidung. Er spricht fließend Ägyptisch und trägt ihre Kleidung und ihre Schminke und lebt nach ihren Bräuchen. Wenn wir eintreten, wenn wir überleben, können wir nicht wie sie werden. Wir sind unfähig, uns zu integrieren. Jahwe, ich muss mich abwenden.“ Eine schwere Dunkelheit fiel nach und nach über seine Augen und veranlasste ihn einzuschlafen. Während er schlief, präsentierte ihm Jahwe eine neue Vision. „Ich bin hier!“, antwortete Yisrael. „Ich, der wahre Gott, bin der Gott deines Vaters. Fürchte dich nicht, Ägypten zu betreten. In diesem Land werde ich deine Kinder fruchtbar machen und in ihrer Stärke werden sie sich sehr ausdehnen. Ich selbst werde mit dir nach Ägypten reisen! Ich selbst werde dich auch aus Ägypten bringen.“ „Soll ich in Ägypten sterben?“, fragte Yisrael. „Joseph selbst wird deine Augen schließen.“
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Kapitel Achtundvierzig Gosen Im Jahr 1728 v.Chr. wies Yisrael Yehuda an, vor der Karawane zu reiten und sie nach Gosen zu führen. Wochen später begegnete Yehuda Josephs Kriegsstreitwagen an den Grenzen von Ägypten. Indem sie nebeneinander reisten, kehrten sie zu Yisraels Wagenzug zurück. Reuben und die anderen Brüder starrten schweigend auf den Kriegsstreitwagen, auf sein beeindruckendes Pferd und auf die reich geschmückte Gestalt hinter den Zügeln. Der mächtige Mann stieg von dem Kriegsstreitwagen. Jeder Schritt schien innezuhalten. Er starrte zurück zu den Brüdern. Lächelnd winkte er ihnen zu. Erleichtert lachten sie herzlich. Als Joseph seinen Vater sah, rannte er zu ihm und umarmte ihn um seinen Hals. Als die beiden weinten, ohne sich zu schämen, umrundeten die anderen Brüder sie, wobei sie auch Freudentränen weinten. „Nun da ich weiß, dass du tatsächlich am Leben bist, kann ich in Frieden sterben.“ „Nicht heute“, erwiderte Joseph. „Das ist mein Tag so sehr wie es deiner ist. Umarme mich einfach, denn meine Familie ist wieder mit mir zusammen.“
Tage später berichtete Joseph die Ereignisse dem jungen Großen Herrn von Ägypten. Neben dem Thron saß König Khians ältester Sohn. Er betrachtete Joseph genau und fragte sich, ob es für den großen Wesir möglich wäre, ebenso sein persönlicher Berater zu werden. „Kann ein Mann lange genug leben, um drei Generationen zu dienen?“, fragte er sich. In dem großen Gemach gingen Josephs elf Brüder hinter Yehuda. Als sie stehen blieben, verbeugten sie sich gleichzeitig. Als sie vor Ägyptens großem Thron standen, hörten sie auf die fremden Sprachklänge. „Was für eine Arbeit macht ihr?“, übersetzte Joseph die Frage des ägyptischen Königs an Yehuda. „Deine Diener, mein großer Herr, sind Schafhirten, so wie unsere Väter es waren.“ „Schafhirten? Wie schrecklich! Wie fiel dein Vater zu einem so niedrigen Handwerk?“ „Was war, ist noch immer. Was wir sind, wurden wir.“ Der ägyptische Herrscher schaute Joseph an und schüttelte seinen Kopf. „Wir müssen es für deine Familie besser machen. Eine so abscheuliche Beschäftigung kann nicht mit dir in Verbindung gebracht werden. Sende deine Familie nach Gosen. Die Gegend ist fruchtbar. Die Weiden sind noch immer dicht mit Gras. 175
Und, Zaphenath-paneah, es würde mir nicht schaden, wenn einige deiner Brüder gewählt werden, sich um mein Vieh zu kümmern.“ Joseph verbeugte sich, dann entließ er seine Familie. Automatisch ging er rückwärts von seinem König fort. Der älteste Sohn, der Joseph immer lieber mochte, winkte ihm kindlich freundlich zum Abschied zu. Joseph erwiderte sein Lächeln. „Also, muss ich ihn auch beraten, wenn er König wird?“
Die nächsten paar Tage sahen die Errichtung von Zelten in dem auserlesensten Land Gosen und die Einsetzung der neuen Hirten entlang der besten Wasserwege. Die Hirten, die die Rinder und Schafe und Ziegen unter den reichen Weiden und der reichen Gegend aufteilten, stellten ihre Altäre an der Landesgrenze auf, indem sie es als ihres bestimmten. Die Wachen respektierten die private Grenze. Innerhalb des nächsten neuen Monats begannen die achtundsechzig männlichen Personen beständige Steinhäuser für sich zu errichten. Die Familien gruppierten die Häuser nebeneinander und schufen die erste beständige hebräische Siedlung in Ägypten. In dem Augenblick, als die Familien das Behausungsprojekt vollendeten, kehrte Joseph zur Stadt Avaris neben seinem Vater zurück. in dem großen Haus des ägyptischen Herrschers stellte Joseph seinen Vater zuerst seiner Ehefrau, dann seinen Kindern, dann seinem Schwiegervater, dann dem ägyptischen König vor. Umgeben von ihnen ging der ägyptische alleinige Herrscher direkt auf den alten Mann zu. Der König blickte in sein stark runzeliges Gesicht. Der König bemerkte, wie heiter und fröhlich Yisraels Augen blieben. „Dies ist dein Vater?“, fragte er Joseph auf Ägyptisch. „Ich bin es tatsächlich“, antwortete Yisrael für seinen Sohn auf Ägyptisch. Überrascht warf der Große Herrscher seinen Kopf nach hinten und schlug beinahe sein Hoheitszeichen ab. „Du sprichst meine Sprache?“ „Und Akkadisch und viele andere. Ich war es, der diese Sprachen meinem Sohn beibrachte. Nur er war interessiert daran, sie zu lernen. Die anderen waren an das interessiert, was sie interessierte.“ „Alle Kinder scheinen ihren eigenen Weg zu gehen. Ja, deine blieben zusammen. Ich habe nie zuvor eine solche Sache erfahren.“ „Sie blieben zusammen, da es so sein muss. Sie stellen die Einheit der Welt dar, und die Anbetung eines Gottes.“ „Ich und mein Vater haben seine Macht bezeugt. Sage mir, da ich sehr neugierig bin, denn ich habe nie ein so runzeliges Gesicht in meinem ganzen Leben gesehen: Wie alt bist du?“ „Ich bin hundertsiebenunddreißig Jahre alt. Und ich möchte hinzufügen, nur ein paar dieser Jahre sind schmerzlich gewesen. Der Rest waren ganz glückliche und angenehme Jahre.“ Er wandte seine Gedanken an Rachel, an Leah, an die ersten Arbeitsjahre unter Laban, 176
seine jugendlichen, liebevollen Jahre mit seinem Bruder Esau und die Jahre seiner Wiedervereinigung. „Erstaunlich!“ „Nein, überhaupt nicht“, erwiderte Yisrael sachlich. „Mein Vater war hundertachtzig Jahre alt, als er starb, und mein Großvater lebte, um hundertfünfundsiebzig Jahre zu sehen. Eber, für den wir benannt sind, lebte vierhundertvierundsechzig Jahre. Es gibt viele Beispiel davon in meiner Familie.“ „Wenn nur mein Vater ein Viertel von Ebers Jahren lebte“, antwortete König Khian. „Vater von Joseph, gefällt dir das Land Gosen?“ „In der Tat tut es das.“ Nachdem er den Zylinder der Autorität erhielt, verbeugte sich Yisrael vor Ägyptens neuem Hyksos-König. Er konzentrierte seine Augen auf die Skarabäen des Königs. Der mächtige junge König sprach weiter. „Die Voraussicht meines Vaters hatte sozusagen das Land Gosen dir schon zugeteilt. Jetzt ist es offiziell! Besitze es für dich selbst. Es ist das reichste Land in Ägypten. Ich bin sicher, dass Joseph dich mit allem, was du je brauchen wirst, versorgen wird, denn ich ermächtige es so!“ So wurde es, dass die Hebräer den rechtmäßigen Titel für das Land östlich des Nils erlangten, indem sie es zu ihren gesetzmäßigen Ansprüchen in den nördlichen Ländern vor dem Euphrat anschlossen.
Die Hungersnot tobte weiter während der nächsten fünf Jahre durch die kanaanitischen Länder und durch den Negeb und die Araba und sogar durch die ägyptischen Länder. Während des zweiten Viertel ihres ersten Jahres in Gosen offenbarte Zaphenath-paneah seinem Vater sein Versprechen an König Khians Vater. „König Apophises befreite mich aus der Sklaverei. Als alle anderen meine Pfählung an dem Marterpfahl verlangten, stellte er sich gegen sie zu meinen Gunsten. Ein Bürgerkrieg folgte beinahe. Zwei Völkerklassen existieren in Ägypten: die ‚Reinblütler’ und die ‚Verdorbenen Blütler’. Wir sind von den Letzteren. Wiederum für mein Leben schwor ich dem König, seine Familie an der Macht über ganz Ägypten zu halten. Wiederum werden wir als Stellvertretende eingesetzt. Ich beabsichtige, mein Versprechen zu erfüllen. Um es zu tun, brauche ich deinen Verstand. Ich brauche die Stärke meiner Brüder.“ Yisrael dachte über das Versprechen seines Sohnes nach. „Es verläuft beinahe mit Jahwes Organisationsplänen nebeneinander. Er, der letztendliche Herrscher; wir, die Herrscher, die ihm frei alles darbringen. Wir werden arbeiten, um deinen Schwur als so ehrenwert wie möglich zu machen.“ Joseph nickte. „Sollte ich deine Brüder informieren?“ „Nein“, Joseph schüttelte seinen Kopf, „noch nicht.“ 177
„Zumindest einem anderen sollte erlaubt sein, als deine geheime Stimme mit ihnen aufzutreten.“ „Ich habe schon daran gedacht.“ „Wen wählst du?“ „Wen sonst, außer Yehuda? Er wird meine geheime Stimme an meine Brüder sein.“
Während des dritten Viertels des Jahres wurde Yehuda in den Kreis des Vertrauens und der Geheimhaltung gebracht. Mit ihm formte sich eine neue Machtgrundlage, die durchführbare Pläne machte, um die total Kontrolle Ägyptens zu übernehmen. Durch sorgfältige Anweisungen führten die anderen Brüder ihre separaten Befehle aus, sich Josephs Plan unbewusst, sich zu vergewissern, dass die Herrschaft der Hyksos ungebrochen blieb. Nach ihrer anfänglichen Prüfung erwiesen sich die Brüder als fähig, Yehudas Anweisungen zu folgen. Durch intensives politisches Manövrieren trachtete der „Rat der Drei“ schrittweise danach, König Khian als den reichsten und mächtigsten Mann, den die Welt je gesehen hat, einzusetzen. Vorsichtig, um nicht den Hass der Priester zu erwecken, wirkte Joseph auch innerhalb ihres Einflusses, indem er sie ebenso bereicherte.
In der ersten neuen Woche des neuen Jahres erlaubte Joseph dem ganzen Volk der hebräischen Sippe, einem geheimen Treffen beizuwohnen. „Erstens“, informierte Yisrael seine Söhne und den Wesir von seinem brillant erdachten Plan, die Machtstruktur, die Ägypten kontrollierte, aufrechtzuerhalten, „müssen wir alle Gegnerschaft des Königs umgehen. Zeiten wie diese veranlassen die geringeren Männer, sich in Rebellion gegen ihre Herren zu erheben.“ „Ich habe meine Spione überall“, erwiderte Joseph aufmerksam. „So konnte ich Reuben erwischen, als ihr das erste Mal dieses Land betreten habt“, scherzte er. „Also, mein törichter Vater wurde leicht von dir hereingelegt“, bemerkte Carmi, Reubens Sohn, indem er den Rat mit seinem Hochmut überraschte. „Carmi“, behauptete Yisrael, „das ist nicht die richtige Weise, über deinen Vater zu reden.“ „Es ist merkwürdig für dich, alter Mann, ihn zu verteidigen, wenn du sein Erstgeborenensiegel entfernt hast.“ „Es steht dir nicht zu, in Frage zu stellen, was getan worden ist“, behauptete Yisrael und hielt seine Wut gegenüber dem unverschämten Enkelsohn zurück. 178
„Sohn, dieses Treffen ist nicht über etwas anderes als was wir tun müssen, um unsere Überleben in Ägypten zu sichern. Schenke dem Aufmerksamkeit. Nichts sonst zählt“, beharrte Reuben seinem Sohn gegenüber. Dann, wenn wir fortfahren dürfen, uns auf unser Treffen zu konzentrieren“, schlug Yisrael seine Handflächen auf den Tisch. „Zweitens, wir brauchen große Finanzmittel, um König Khians Armee gegen Rebellion zu sichern. Gutes Einkommen sichert Loyalität.“ „Wie bringen wir das Geld auf?“, fragte Gad. „Von dem Getreide, das ich kontrolliere“, antwortete ihm Joseph. „Jedes Gewicht muss in die Schatzkammer des Königs getan werden. Auf diese Weise mag uns niemand selbstsüchtiger Vorsätze beschuldigen. Von diesen Summen werden Abzüge für den Sold der Soldaten gemacht. Wir natürlich werden für das Fleisch bezahlt, das wir an die Soldaten verkaufen werden. Was den Wein und den Balsam und den Gummi betrifft, wir werden sie in erster Linie für die Priester von Sutekh beiseite legen. Erlaubt ihnen erste Rechte beim Bieten.“ „Woher bekommen wir das?“ „Aus Penuel und Mahanaim!“, beantwortete Zebulun die Frage seines Cousins. „Warum dort?“ „Weil ich rechtmäßig diese Länder besitze“, antwortete ihm Yisrael. „Wir werden auch unsere Mandeln und Pistazien mit den Ägyptern handeln. Sie scheinen sie ziemlich zu begünstigen.“ „Dein Plan wird funktionieren“, behauptete Joseph stolz.
Im zweiten Jahr der Hungersnot führte die vereinte Familie ihre Pläne in ganz Ägypten aus, um König Khian und seine Familie an der Macht zu halten, und für sie, das Überleben und die Ausdehnung ihrer Familie aufrechtzuerhalten. Bis zur Mitte dieses Jahres schafften es Joseph und seine Brüder, die Silber- und Goldgewichte zu kontrollieren, an denen die wenigen freien Bürger noch festhielten. Hungrig handelten die Bürger mit ihren Besitztümern bei Joseph für sein Brot und Getreide. Die gewaltige Zunahme an Gold und Silber verlangte zusätzliche Schatzhäuser, die gebaut werden mussten. Die Bauarbeit verlangte mehr Arbeitnehmer und die neulich angeheuerten Arbeiter jubelten, wann immer Josephs Familie auftauchte. Carmi, der seinen Kopf am höchsten hielt, setzte seine arrogante Aufsässigkeit seinem Großvater gegenüber fort. Die Priester wollten das Gold und baten den jungen König um einen Anteil der Barren, um von den Kunsthandwerkern und Metallexperten für ihre Arbeiten benutzt zu werden. Aber der König schüttelte seinen Kopf. Er musste sich zuerst mit seinem Hauptratgeber beraten. Verärgert verließen den Priester schnell den Raum. 179
Carmi erfuhr zufällig über die Bitte der Priester an den König. Indem er sich ihnen in der dunklen Verborgenheit der Nacht näherte, überzeugte er sie, ihn großzügig zu bestechen, die Schatzkammertüren zu öffnen. Begierig zahlten ihm die Priester seine Bestechung, indem sie auf diese Weise größere Gold- und Silberbeträge für ihren persönlichen Nutzen sicherten. Ein Engel, der in der Nähe stand, ging zu den Feldern, wo Carmis weidende Kühe nervös zitterten. Eine Weile später sandte Issachar Nachricht an seinen Bruder: „Unser Vieh schwindet dahin. Wir müssen es ergänzen!“ Issachar dachte über den Ernst der Lage nach. Vor nicht so vielen Jahren aß die Bevölkerung Haferbrei und Gemüse. Mit dem Absterben der Gräser wandten sich die Menschen mehr dem Fleischessen zu. Immer mehr an den Geschmack und das Aroma gewöhnt, verlangte die Bevölkerung große Mengen an Fleisch zu ihren täglichen Mahlzeiten. „Wir profitieren hübsch von dem Fleisch“, mischte sich Carmi wieder ein. In dieser Krise sah er eine weitere Gelegenheit für sich, mehr Geld und Macht zu gewinnen. Yisrael, der bei der Versammlung anwesend war, entgegnete: „Es ist wahr. Fleisch ist köstlich. Jedoch Linsen und Zwiebel sind besser für euch. Sie sind leichter zu erzeugen. Mit ein paar Hundert Morgen Land werden wir beachtlich mehr profitieren. Außerdem, sobald die Linsen getrocknet sind, können sie jahrelang aufbewahrt werden.“ „Ich ziehe den Geschmack von warmem, blutigem Fleisch vor“, antwortete Carmi. „Du solltest den Geschmack von heißem, gut abgetropftem Fleisch genießen“, entgegnete Yisrael seinem aufsässigen Enkelsohn. „Du solltest alles über Kochen wissen. Du warst es, nicht wahr, der deinen eigenen Bruder mit Linsensuppe betrog, um Macht zu erlangen!“ „Genug von diesem Gezänk. Seit Jahres ist es alles, was ich zwischen euch beiden gehört habe!“, schrie Reuben. „Vater“, antwortete Carmi ruhig, „Großvater betrog dich auch um dein Geburtsrecht. Wie oft hast du versucht, es zurück zu gewinnen, nur um immer wieder besiegt zu werden? Vielleicht kümmern sich Enoch und Pallu und Herzon nicht darum, aber ich bin der Jüngste, und ich kümmere mich darum, was ich bekomme, wenn alles aufgeteilt wird. Diese Hungersnot, weißt du, wird nicht ewig dauern.“ „Also, du willst außerordentlich daraus profitieren, nicht wahr?“, behauptete Yisrael. „Nicht weniger als du, Großvater. Macht, durch das eine oder andere Mittel ist nur genau das: Macht.“ „Joseph“, fragte Yehuda, „was wirst du entscheiden?“ Joseph schloss seine Augen, dann hob er seinen Kopf. „Ich werde eine neue Anweisung herausgeben. Jeder Mann, der kein Gold oder 180
Silber in seinem Besitz hat, um für das Getreide zu bezahlen, muss mit seinem Vieh, seinen Schafen, Ziegen, Antilopen, Gänsen oder Rebhühnern bezahlen.“ „HA! ICH HABE GEWONNEN!“, schrie Carmi jubelnd. „Jeder anerkennt meine Weisheit!“ Joseph schüttelte seinen Kopf und verließ die Kammern mit dem Rest der Familie, die hinterher folgten. Yisrael, der neben seinen Enkelsohn schritt, stellte klar: „Die Entscheidung wurde auf Ägyptens Wirtschaft begründet. Sie mögen Beschneidung wie wir ausüben, aber sie essen keine Linsensuppe.“ „Was sollte das dann alles.“ „Die Babylonier essen Linsen so wie die Minoer. Überdies, da es wir sind, die Linsensuppe essen, werden wir diejenigen sein, die die Ernte erhöhen, und wir werden diejenigen sein, die die Samenkörner bewahren. Du musst deine Augen öffnen, um die Wege der Dinge zu verstehen. Hör auf, gegen mich so streng zu sein, und siehe, was passiert.“ „Ich werde dir sagen, was geschieht. Du betrügst jeden auf jede Weise, die du kannst. Dein eigener Name steht für „Betrüger und Manipulant“. Ich will, was rechtmäßig mein ist, meines wird.“ „Das Geburtsrecht ist nicht für deinen Vater – oder für deine Familie zu tragen. Reuben akzeptiert die Tatsache und lebt damit ohne Aufsässigkeit seinem Vater oder seinen Familienmitgliedern gegenüber. Dein Vater, ungleich dir, versteht die Bedeutung davon. Der letztendliche Maschiach ist für Erlösung, nicht Geschäftemacherei.“ Sarkastisch, beleidigend streckte Carmi ihm seine Zunge heraus und verdrehte seine Augen. „Ich mag dich nicht, du wertloser alter Mann. Warum beeilst du dich nicht und stirbst.“ „Möge dein Hass von mir vergeben werden“, hielt Yisrael seine zornigen Gedanken unter Kontrolle. Er starrte Carmi mehrere lange Sekunden an, dann verließ er den Raum.
Bis zum Beginn des dritten Jahrs des Aufenthalts der Hebräer sammelte die Sippe in Gosen alle Ansammlungen von Tieren Ägyptens zusammen. Die Familie, indem sie es von Yisrael lernte, züchtete die auserlesensten Tiere und schuf einen starken Tierbestand. Um die Priester von Sutekh zu besänftigen, stellte die Familie, was auch immer für Tiere sie für ihre Opfer brauchten, kostenfrei zur Verfügung. In der Mitte des dritten Jahres beschloss Yisrael, dass er zusätzliche Pferde zur Aufzucht wollte. Als die freien Bürger um mehr Getreide baten, mussten sie jetzt für Josephs Familie Pferde verschaffen, die sie besaßen. Von ihnen züchtete Yisrael die weißen Pferde der Kriegsstreitwägen.
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Im vierten Jahr der Anwesenheit der Hebräer in Gosen kam ein Rat der repräsentativen Führer der Reinblütler zu Zaphenath-paneah. Die Männer versammelten sich im großen Saal, wo sie ihn anflehten, ihren Sorgen zuzuhören. „Wir haben an dich unser Gold und unser Silber und unsere Juwelen und unsere Pferde und unser Vieh und unsere Ziegen und unsere Ochsen für Lebensmittel eingetauscht, damit wir die Hungersnot überleben. Doch die Sonne trocknet noch immer das Land aus. Wir sind noch immer hungrig. Wir wünschen nicht, an Unterernährung zu sterben.“ Yisrael hörte ihren Sorgen zu. Nach einer Weile deutete er heimlich seinen Sohn zu sprechen. Joseph lehnte sich vor, um die Stimme seines Vaters zu hören. Wie es der Brauch zwischen ihnen war, sprachen sie Hebräisch: „Sohn, wir haben zu viele Tiere in Gosen aufzuziehen. Die Linsen verkaufen sich besser als wir vorhergesagt hatten. Wir brauchen mehr Land.“ Joseph stand den ägyptischen freien Männern gegenüber und verlangte: „Schlagt mir eine Zahlungsmethode für euer Vermögen vor.“ „Was wir übrig haben, außer uns selbst und unsere Bauernhöfe?“ „Ich weiß nicht.“ Verbittert verließen die Bauern die Kammern. In derselben Woche hielten die freien Männer einen geheimen Rat unter sich ab. „Die Hebräer planen uns zu vernichten. Es ist schlimm genug, dass wir einen ausländischen König haben, aber jetzt einen ausländischen Wesir und ausländische Oberlehnsherrn.“ „Was sollen wir tun? Sie kontrollieren die Armee und die Garnisonen. Sie kontrollieren die Priester. Was auch immer die Priester wollen, erlangen sie für sie.“ „Die Bastarde benutzen diese Hungersnot, um sich zu bereichern, indem sie unser Ableben erzwingen!“ „Ich weiß, wie man sie besiegt!“, meldete sich der Hauptrepräsentant zu Wort. „Wie?“ „Wir werden dem Wesir und seinem Schafhirtenkönig und seiner Familie unsere Bauernhöfe und Häuser und sogar uns selbst und unsere Frauen und unsere Kinder unterwerfen. Wir werden für sie Pächter werden. Auf diese Weise müssen sie uns am Leben erhalten. Wir werden unter ihnen sein, bis wir uns gegen sie erheben können. Dann, in diesem Augenblick, werden wir unser unglückliches Elend umkehren und unser Elend zu ihrem Elend machen. Vergesst nicht, wie die ausländischen Tyrannen unsere Städte verbrannten, unser Vieh töteten, unsere Tempel demolierten und wen sie konnten in die Sklaverei verkauften. Was auch immer wir tun, wir müssen es ruhig tun, ohne jemandes Kenntnis.“
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Potiphera erfuhr zufällig über den Plan der freien Männer durch die widerhallenden Kammern. Er diskutierte es mit seinen Priestern. Sie, da sie über Carmis ständige Auseinandersetzungen mit dem Patriarchen wussten, stimmten zu, ihre heimlichen Bemühungen mit den Bauern zu vereinen. Und ein kurzer Hinweis, der den Verrat des Maschiachs ahnen ließ, folgte. Mit ein paar anderen Priestern zog Potiphera einen Vorteil aus der jährlichen Erfordernis, dass der König und sein Rat in die südliche Stadt Theben reisten. Mit seiner Gruppe trafen sich die Priester mit den überlebenden Repräsentanten des ursprünglichen Königshauses von Ägypten, die die Hyksos-Eindringlinge absetzten und der Macht enthoben. Der reinblütige Prinz und seine reinblütigen Edelmänner bildeten eine Gegentaktik gegen König Khian und seinen hebräischen Wesir. Die Nacht hindurch legten diese vereinten Männer die Grundpläne für ihre eventuelle Rückkehr an die Macht. „Wir werden weder heute noch morgen rebellieren“, beschloss die ausgestoßene Königsfamilie. „Die Garnisonen sind gut befestigt. Die Soldaten sind dem Wesir gegenüber loyal. Lasst die Zeit für König Khian kommen, um zu seinem ewigen Wohnsitz zu gehen. Dann werden wir eine Handlungsweise setzen.“ „Wir sollten es jetzt tun, bevor die Hebräer sich so sehr fortpflanzen, so dass wir alle vor ihren Kindern verschwinden werden.“ „Josephs göttliche Vision ist zu mächtig für uns. Es wird sogar gesagt, dass sein Vater die magischen Augen besitzt. Wir werden warten.“ Als Potiphera zum Hof des Wesirs zurückkehrte, verbeugten sich die Landwirte und Landbesitzer vor ihm. „Damit wir nicht verhungern, schlagen wir dies zu deiner Erwägung vor: Wir unter König Khians Herrschaft. Unsere Länder für Lebensmittel.“ „Eine solche Geste verlangt die Erlaubnis des Königs. Ihr müsst eure Sache vor ihm darbringen.“ „Warum uns mit solchen Worten behandeln? Jeder weiß, dass du Ägypten beherrschst.“ „Ich diene Ägyptens Großem Haus“, erwiderte Joseph.
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Kapitel Neunundvierzig Khian, erster Pharao Ägyptens König Khian saß auf dem Thron und wartete ungeduldig auf Joseph. Eine Patrouille von Wachen trug die Bitte des Königs zu Joseph. Er legte seine Gewänder an, blickte in den Spiegel, um sich zu vergewissern, dass sein Gesicht und Brustkorb sauber rasiert waren, dann eilte er zum König. Joseph verbeugte sich vor ihm. „Ha!“, sprach der König. „Ich hörte von der Bitte der Reinblütler. Ich las auch ihre Anschuldigungen gegen dich: dass deine Familie plant, Ägypten zu kontrollieren, die Lebensmittelsilos zu stehlen, das Kommando über die Armeen zu übernehmen, und zu viele andere Dinge, um anzuführen. Daher fragte ich mich, ob du die Sache der freien Männer mir darbringen wirst oder die Entscheidung selbst triffst.“ „Ich kann keine Entscheidung irgendwelcher Art machen, außer du stimmst zuerst zu, Großer König.“ Der König entspannte sich und lächelte seinen Wesir an. „Ich wusste, du würdest mich nicht betrügen.“ Er ging hinauf zu Joseph und legte seine Hand auf seine Schulter. „Ich hörte, dass Gosen die feinsten Tiere im Land hat. Dein Vater züchtet außergewöhnliche feine Kühe und Schafe.“ „Deine Armee bewacht sie gut“, erwiderte Joseph sein Lächeln. „Das Siegel des Großen Königs ist auf den Ställen eingraviert. Wir alle gehorchen und dienen dir.“ „Du dientest meinem Vater gut. Ich weiß über deinen Schwur zu ihm. Du und deine Familie habt ihn getreu ausgeführt. Weder du noch sonst jemand in deiner Familie verriet mein Vertrauen. Fahret in eurer Pflicht mir gegenüber fort. Wenn es notwendig wird, setze deinen Schwur an meinem Sohn ebenso fort.“ „Du nimmst an, dass ich eine sehr lange, lange Zeit lebe.“ „Jeder in deiner Familie lebt eine sehr lange Zeit. Meinen Sohn anvertraue ich dir wie mein Vater mich dir anvertraute.“ „Ich will ihm so treu dienen wie ich dir gedient habe“ „Ich nehme dich beim Wort durch die Ehre deines Gottes. Nun, großer Freund, gehe, schließe die Verträge mit den freien Männern.“
Eine Woche später erschienen die Reinblütler vor dem ägyptischen König. Joseph, der neben den Ratsführern stand, hielt in seiner Hand eine lange Schriftrolle, die die Vereinbarungen dokumentierte. Der ägyptische König deutete mit seinem Finger um Erlaubnis für die gewählten Führer der freien Männer zu sprechen. „Großer Herr, es ist wahr“, verbeugte er sich völlig flach auf seiner Brust und seinen Beinen, indem er seine Arme ausbreitete. „Alles, was wir sind, sind wir für dich zu gebieten. Alles, was wir besitzen, bringen wir dir dar. Ganz Ägypten 184
gehört dir. Du bist Ägypten. Du bist jetzt größer als irgendein König es vor dir gewesen ist! Wir erachten dich nun: Pharao! Der Erste deiner Art!“ Entzückt drehte sich der ägyptische König herum, um seinen Wesir anzublicken. „Pharao. Was für einen wundervollen Klang dieser Titel hat! Zaphenath-paneah, was für einen Preis du für mich vollbracht hast! Totale, vollkommene Kontrolle! Kein König oder General oder früherer Eroberer in der Geschichte hat je eine so vollkommene Macht erlangt.“ „Herrsche mit Liebe, Großer.“ „Was werde ich mit so immenser Macht tun? Entscheide für mich.“ „Teile sie wiederum mit dem Volk. Lass achtzig Prozent der Lebensmittel und des Goldes in das Land wieder investieren durch Bauprojekte und Bewässerungsanlagen. Lass zwanzig Prozent dein bleiben. Lass die Bauern auf das Land zurückkehren und lass sie für dich ernten, was sie können, ohne Peitschen oder Soldaten, die ihre Arbeiten befehlen.“ „Wir würden dem zustimmen, Großes Haus von Ägypten“, behaupteten die Bauern. „Pahenath-paneah?“ „Lass die Vereinbarung aufzeichnen.“ „Dann stimme ich zu“, endete der Pharao. In den Kammern, als die Bauern hinausgingen, spuckten sie an die Wände und murrten leise. „Wir sind jetzt landlose Arbeiter! Die achtzig Prozent, die der Wesir vorschlägt, werden gesetzlich besteuert und machen es zu vierzig Prozent! Zwanzig Prozent dieser Summe müssen für Wolle und Geräte und in der Pacht des Viehs ausgegeben werden! Zehn Prozent werden von den nächtlichen Dieben gestohlen und lassen nur zehn Prozent für uns selbst!“
Zwei Monate später, als die Bauern von Ägypten erwachten, alarmierte sie das merkwürdige Schreien der Tiere, die Geräusche zu untersuchen. Draußen vor ihren Heimen umgaben Kriegsstreitwägen und Fußsoldaten Haus um Haus. Indem sie an den Türen jeder Familie klopften, zwangen die Soldaten die Leute, sich in der Mitte des Dorfes zusammenzudrängen. „Was ist das?“, schrie der gewählte Führer zu den Wachen. „Beabsichtigt ihr, uns jetzt zu ermorden? Vielleicht sogar an unseren Kadavern zu schmausen?“ „Ihr werdet in ein anderes Dort überstellt. Der Wesir sagte, dass zu viele Bauern dieses Land bearbeiten und dass nicht genug Arbeiter das Land bearbeiten, das neben eurem ist.“ „Das ist nicht unser Problem.“ „Ist es jetzt. Wir sind hier, um eure Umverteilung zu bewirken.“ Die Bauern wagten nicht in die Augen der Wache zu sehen. „Wir müssen unsere Habseligkeiten packen.“ „Tut es schnell“, befahl die Wache. 185
Die Bauern warfen ihre Kleider und ein paar Geräte in die Wägen und verließen ihr Zuhause, indem sie zu den fernen Dörfern zogen. Joseph, der die Umverteilung der Bevölkerung überwachte, holte mehr Pläne für die Bauern heraus, die Länder zu kultivieren. Bauer um Bauer reiste nun auf unbekannten Straßen. Bauern begegneten nun anderen Bauern, die sie nie zuvor getroffen hatten. Zusammen gingen die Fremden auf den neuen Straßen, um sich einer anderen Gruppe von Fremden anzuschließen. Die ganze Bevölkerung wurde entwurzelt.
Potiphera, der Josephs Amtsraum betrat, brüllte heraus: „Wenn das, was du getan hast, nicht genug ist, fügst du nun Umverteilungspolitik hinzu!“ „Die Produktivität der Länder verlangt solche Bestrebungen“, erklärte Joseph ruhig. „Gosen ist fruchtbar, aber der Rest von Ägypten braucht zusätzliche Tätigkeiten. Wir brauchen Dämme und Bewässerungskanäle. Wir brauche auch zusätzliche Arbeiter, um diese Dinge zu vollbringen.“ „Dann tue, was du tun musst, denn du tust sowieso, was du willst! Aber, Joseph, dies verlange ich: siedle meine Bauern nicht auf andere Länder um.“ Joseph, der schnell seinen Stuhl von sich wegschob, stand auf. Er starrte seinen Schwiegervater an. Der alte Priester wich nicht von der Stelle. Entspannend legte Joseph seine Handflächen flach auf den Tisch. „Mache dir über deine Bauern keine Sorgen, Potiphera. Die Länder aller Priester werden in der Kontrolle der Priester bleiben. Ich werde keines eurer Länder anrühren, noch einen eurer Arbeiter umsiedeln.“ „Übertritt das und wir werden einen Bürgerkrieg haben“, beharrte Potiphera weiterhin. „Ich hörte dich nicht“, forderte Joseph heraus. „Lass mich den Pharao holen, und hier vor ihm wiederhole deine Worte.“ „Ich sagte nichts, großer Wesir. Solange wir einander verstehen.“ „Ich bin dein Sohn so wie du mein Vater bist. Drohe mir nie wieder oder ich werde persönlich die Gefängniszelle für dich öffnen, um darin zu verrotten.“ „Seit dein natürlicher Vater in Ägypten wohnt, hast du dich verändert. Deine einst schüchterne Art ist kühn und anmaßend geworden. Wegen dir und wegen deiner sich einmischenden Familie ist Ägypten umgarnt worden. Die Zeit wird kommen, wenn wir wieder frei sein werden. Ägypten wird ihre Versklavenden nicht vergessen!“ „Gut! Und um dich zu erinnern, hier ist Pharaos schriftlicher Erlass, der meine Handlung ermächtigt. Die Leibeigenschaft ist Gesetz wie die Umverteilung. Achtzig Prozent der Erzeugung, wie vereinbart, wird gegeben werden, um das Volk zu ernähren. Zwanzig Prozent gehört dem Großen Haus von Ägypten.“
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„Reiche mir diese Dokumente.“ Potiphera überprüfte sie sorgfältig und flüsterte mit verlegener Stimme: „Ich sehe, dass die Priester ausgeschlossen sind.“ „Ich hatte deinen Protest vorhergesehen und machte dementsprechende Abänderungen.“ „Deine göttliche Vision versagt dir nie, nicht wahr?“ „Niemals.“ „Sie wird, wenn du stirbst. Dann werden wir handeln. Wir werden deine Familie versklaven und ihre Bürden tausendmal härter machen als du unsere gemacht hast.“ Joseph fühlte sein Herz beben. Er gab vor, sich nicht darum zu kümmern, dann entließ er seinen Schwiegervater mit einem leichten Winken seiner Hand.
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Kapitel Fünfzig Erneuertes Wachstum Im Jahr 1723 v.Chr. hörte die Hungersnot in Ägypten auf. Auf der ganzen Welt kehrte der abwesende Regen zurück. Die Blumen und Früchte füllten das öde Land wieder und wuchsen schnell, um das langweilige Braun der Erde wieder zu bevölkern. Die Eichen und die Zedern erhoben sich auch zur früheren Herrlichkeit. Zehn Jahre später hatte die hebräische Bevölkerung dramatisch in ganz Gosen zugenommen. Die ursprünglichen Väter reisten durch die Gegend und versicherten sich des feinsten Tierbestands und der feinsten Samenkörner für ihre Ackerländer. Manasseh, Josephs Sohn, blieb bei seiner syrischen Konkubine und zeugte Machir. Jahre später heiratete Machir Maacah. Yisrael in seinen vorgerückten Jahren zog es vor, seine Enkelkinder über ihre Familiengeschichte anzuweisen und lehrte sie so viel über Wissenschaft wie er wusste. Er zog es vor, ihnen den genetischen Code für die Tierzucht zu lehren, um Eigenschaften zu haben, die von Natur aus innerhalb der spezifischen Zucht möglich war. In der Wachstumszeit nahm er die Samenkörner, die er kultiviert hatte, und brachte ihnen bei, wie man das Beste auswählte, und um das Schlechteste für nahrhafte Köstlichkeiten nach der Mahlzeit zu backen. Von Kind zu Kind lehrte er ihnen Jahwes Gesetze und er lehrte sie ihre Geschichte. Die vorüberziehenden Nachmittage der herankommenden Monate hindurch schrieb und schrieb er die Familiengeschichten neu. Unter seinen Urenkelkindern wählte er die Klügsten aus, um die genealogischen Aufzeichnungen zu bewahren. Die ägyptischen Schriftgelehrten, als sie von seinen Schriften hörten, fragten: „Werden diese Geschichten bewahrt, um Kinder damit zu unterhalten?“ „Sie enthalten große Abenteuer und schließen mit maßgeblicher Moral. Sie lehren Prinzipien, die genaue Wahrheiten enthalten.“ „Aber sie unterhalten auch. Wir beobachten die Kinder und die Männer, die sich um das Feuer versammeln, um aufmerksam deinen Geschichten zuzuhören. Wir sind mit der Form zufrieden.“ „Alle Nationen bewahren Geschichten auf. Schreibt eure Geschichten.“ „In was für einem Stil? Wir bemerken, dass einige deiner Schriften einen poetischen Fluss enthalten, während andere einfache Prosa enthalten.“ „Die Art ist unwichtig. Experimentiert. Tut, was vorteilhaft für eure Ohren klingt.“ „Wir ziehen den poetischen Stil vor. Er erfreut unsere Ohren am meisten.“ 188
Ein paar Wochen später führte Yisrael einen Zug mit weißen Eseln zu seinem Sohn Levi. Als er ihn fand, reichte ihm Yisrael die Geschichten seiner Väter. „Religiös bist du der Hingebungsvollste. Diese Aufzeichnungen sind für dich, um sie zu bewachen. Erlaube nie, dass sie geändert werden oder in ihren Anweisungen zusammengefasst werden. Diese Schriften müssen mit allen Mitgliedern meines Hauses geteilt werden. Allen Kindern muss lesen und schreiben beigebracht werden. Wir werden null Toleranz für Ignoranz haben. Nicht zu lesen und zu schreiben oder Mathematik und Wissenschaft zu verstehen wäre für uns eine Schande.“
Bis zur Mitte des Jahres 1712 v.Chr. wurde Perez, Yehudas Sohn von Tamar, seiner Schwiegertochter, der anerkannte erstgeborene Sohn von Yehuda. In einer ganz besonderen Familienversammlung übergab Yehuda ihm den rechtmäßigen Titel, der von Er verloren wurde. Perez zeugte bald danach Herzon. Drei Jahre später zeugte er Hamul. Neun Jahre später zeugte Zerah, Perez’ Bruder, Zimri. Im folgenden Jahr zeugte Zerah Ethan. Drei andere Söhne folgten. Yisrael beschloss, immer mehr Zeit in Yehudas Haus zu verbringen. Schließlich begann er Herzon, Perez’ Erstgeborenen zu bevorzugen, indem er bewusst mit ihm mehr als mit seinen anderen Enkelkindern spielte.
Yisrael beschloss, bei Yehuda und Tamar zu leben. An einem klaren Morgen lächelte er sie an. Er legte seine Handfläche auf ihre Wange und neckte sie zärtlich. Sie wiederum lächelte ihn an. Sie ging davon zu ihrem Kochfeuer, wo sie mehr Zwiebel für ihn in seine Linsensuppe mischte. Als das Aroma durch die Luft drang, erreichte der wohlriechende Duft Yisraels Nasenlöcher. Er liebte dieses Aroma. Er atmete es so tief er konnte ein und lächelte mehr. Seine schwere Gestalt trampelte in das Zimmer. Als er von seiner Bank zu dem Tisch ging, wurden seine Beine schwer. Er schaute hinunter, unfähig, seine Füße zu sehen. „Du meine Güte, bin ich fett geworden“, sagte er zu Tamar. „Es ist meine wundervolle Kochkunst“, lachte sie über seine Aussage. Sekunden später hörte sie Tür zu ihrem Hauptzimmer öffnen. Es war Carmi. „Hier, alter Mann, das sind die Samenkörner, die du verlangtest.“ Als er den Sack aufhob, blickte er Carmi an. „Der Sack ist leicht. Wo sind die anderen Samenkörner?“
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„Wen kümmert es! Sie schienen für mich nicht wichtig genug zu sein, um jedes zu zählen!“ „Carmi, das sind meine Wassermelonenkerne. Ich habe Jahre verbracht, sie für dieses Klima zu perfektionieren. Damit können wir unseren Gewinn bei den Ägyptern vergrößern.“ „Roter Brei, kaputter Brei. Baue nächstes Jahr mehr an. Lass mich dieses Jahr einfach in Ruhe.“ „Was macht dich so rebellisch gegen mich?“ „Es gibt einen von mir in jeder Familie. Ich sehe, dass du über mich nicht viel in den Geschichten geschrieben hast, daher vermute ich, dass ich für dich so viel ein Ärgernis bin wie ich sein will.“ „Ein Satz über dich war mehr als genug. Wie nett wäre es gewesen, wenn ich schreiben hätte können, wie sehr wir einander liebten, statt das: ‚Du bist ein schreckliches Hindernis für mich.’“ „Geschichten können umgeschrieben werden. Die Ägypter tun es die ganze Zeit.“ „Mache dich nie an meinen Schriften zu schaffen!“ „Oder was? Du wirst dich während der Nacht schlaflos hin- und herwerfen? Alter Mann, warum hältst du nicht einfach den Mund und stirbst!“ Tamar, die die ständigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen satt hatte, schleuderte ihre Selleriescheiben in die kochende Suppe. Indem sie versuchte, das unangenehme Gezänk und Gejammer auszuschließen, war sie dabei, ihre Hände über ihre Ohren zu legen. Dann hörte sie die Geräusche des schweren Tisches, der auf den Boden schlug. Ein schreckliches Stöhne folgte. Dann hallten die entsetzten Schreie ihres zweijährigen Enkelsohns in dem Raum. Sie rannte in den in Unordnung gebrachten Raum, wo sie Yisraels bewusstlosen Körper auf dem Boden zucken sah. „OH, NEIN!“, schrie sie. Ein heißer Blutandrang floss zu ihrem Hals und ihren Schultern. Ihr Gesicht wurde knallrot. Ihre Stirn schwoll vor Schrecken an. „Perez!“, schrie sie wiederholt. Tränen kämpften, um aus ihren Augen zu strömen. Das tiefe Prickeln setzte fort zu ihrem Hals und ihren Schultern. Unfähig, die Empfindungen aufzuhalten, bedeckte sie ihre Wangen und schrie wieder nach ihrem Sohn. Er sauste in das Zimmer des ungewissen Schreckens und sah die Augen seiner Mutter mit Tränen anschwellen. Ihre Nase begann zu laufen. Er versteinertes Gesicht verängstigte ihn. Als er Yisraels zusammengebrochenen Körper sah, schrie er auch. Das Gewicht des Augenblicks ließ ihn auf dem Boden neben Yisraels Körper zusammenbrechen. Seine tastenden und zitternden Hände fanden ihren Weg zu seiner Kleidung. Er spannte seine Hände an und mit einem starken Ruck riss er die Stoffbedeckung von seinem Körper. Seine Nasenlöcher füllten sich mit Flüssigkeit. Perez hob den Körper seines Großvaters in seine Arme und begann ihn hin und her zu wiegen, wobei er Yisraels Namen immer wieder schrie.
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Die Familien, alarmiert durch die qualvollen Schreie, rannten in Yehudas Haus. Entsetzt sandten sie Reuben zu Joseph. „Vater erlitt eine Herzattacke!“ Joseph wischte seine Hände auf seinem Rock ab und starrte seine Ehefrau und seine beiden Söhne und deren Ehefrauen an. Er schaute Ephraims Ehefrau an, die mit Ezer schwanger war, und fragte sich, ob sein Vater je seinen neuesten Enkel sehen würde. „Joseph, schnell, komm schon.“ Er schaute sie an und nickte. „Bleibt hier. Ich werde bald zurück sein.“ Nachdem er auf seinen Streitwagen geklettert war, raste er mit seinen Pferden zu dem privaten Doktor des Pharaos, indem er seine Dienste erlangte. Sobald er auf dem Streitwagen war, versetzte Joseph die Pferde in einen schnellen Galopp. Er knallte ständig mit der Peitsche in der Nähe ihrer Ohren. Schaum bedeckte die Pferdekörper, als sie in Gosen eintrafen. Als er sich seinen Weg durch die Menge gestoßen hatte, legte der Doktor seine Hand über Yisraels Brust und seine andere Hand über sein Handgelenk. Indem er einen glatten Bronzeteller nahm, legte er ihn unter Yisraels Nasenlöcher. „Er hatte eine ziemlich schlimme Herzattacke. Er sollte nicht aufgeregt werden. Sage, was notwendig ist zu sagen und sage deinen Brüdern, dass sie vorübergehend außerhalb dieses Hauses bleiben sollen.“ „Er wird sich erholen?“ „Vielleicht für eine Weile. Niemand weiß es wirklich.“ „Joseph, wo bist du“, fragte Yisrael mit einer leisen, fast unhörbaren Stimme. „Ich stehe vor dir“, antwortete Joseph verwirrt. „Merkwürdig, ich kann dich überhaupt nicht sehen.“ „Warte. Ich werde die Öllampen anzünden. „Da, aber du bist noch immer für meine Augen verschwommen. Wie viele Lampen hast du angezündet?“ „Alle vier.“ Er brachte seine Finger näher an seine Augen und wackelte mit ihnen. „Ich werde so blind wie mein Vater war.“ Er versuchte zu lächeln. Joseph bedeckte seine Augen mit seinen Händen. Der sechsundfünfzig Jahre alte Sohn kämpfte, um nicht zu fallen. Er fand einen Stuhl und zog ihn neben seinen Vater und setzte sich, um Yisraels Arm zu berühren. „Ich rieche deinen Duft. Er ist ein gutes Aushängeschild für meinen Balsam und Laudanum.“ Joseph lachte leise. „Die heidnischen Priester beten seinen Duft an. Erstaunlich, nicht wahr? Hier sind wir, die Inhaber der Wahrheit, und wir handeln mit den Menschen der Welt für unseren Gewinn.“ „Sie betrachten uns als Geringere, wie wir sie als ‚Abgesonderte’ betrachten.“ Joseph lachte wieder. „Du erholst dich schnell genug, scheint es.“ 191
Plötzlich alarmiert ergriff Yisrael Josephs Ärmel. „Sohn, tue diesen Gefallen für mich.“ „Was für einen Gefallen?“ „Lege deine Hand unter meinen Schenkel. Tue dies als einen Beweis deiner äußersten Loyalität und als bindendes Versprechen.“ Joseph legte seine Hand unter den warmen Schenkel seines Vaters und lehnte sein Ohr dicht an seine Lippen. „Sohn, bitte, unter keinen Umständen erlaube es, dass mein Körper in diesem Land begraben wird. Nach der Zeit meines bevorstehenden Todes trage mich aus Ägypten und begrabe mich neben meinem Vater und neben seinem Vater.“ Als er verstummte, tropften Tränen aus seinen Augenwinkeln. Als Yisrael überlegte, fügte er hinzu: „Begrabe mich neben Leah.“ „Leah?“ „Ja, neben der Mutter, die Binyamin, deinen Bruder, aufzog.“ „Ich werde dir gehorchen.“ „Schwöre es mir!“ „Ich schwöre es! Ich werde dich neben deinem Vater und seinem Vater und neben Leah begraben.“ Yisrael nickte, dann hob er seinen Schenkel. Sein Vater trieb sofort in den Schlaf.
Die folgenden wenigen Monate konzentrierte sich Joseph darauf, die Botschafter der Nationen zu bewirten. Er füllte ihre Gedanken mit den zahlreichen Verträgen der Nationen. Während er mit Macht verhandelte, kapitulierte eine Nation nach der anderen vor seinen Forderungen. Er und seine Ratgeber hämmerten die Wege der neuen Handelsrouten durch den Nil zu den südlichen und östlichen Ländern heraus. Im fernen Süden brachten die minoischen Söldner und Forscher Stoßzähne für die Kunsthandwerker, um darauf hervorragende Bildnisse zu schnitzen. Zehntausende Elefanten durchstreiften den fernen südlichen Kontinent. Gewaltige Elefantenfriedhöfe wurden für die Kaufleute leicht zugänglich. Jenseits der Elefantenfriedhöfe zogen sich große Mengen an Gold durch die Hügel jenseits der Katarakte des ansteigenden Flusses. Indem sie die Verträge besiegelten, bewaffneten sich Expeditionskorps, um in die unerforschten Länder des Südwestens zu reisen. Als er sich mit seinen Ingenieuren beriet, beschloss Joseph auch, mit den zehntausend Arbeitern einen Kanal auszugraben, um das Große Meer mit dem Roten Meer zu verbinden. Bis dahin verschwanden diese großen Wiesen, die die Bauern vor den Pyramiden kultivierten. Der sich verschiebende Sand, da er nicht gegen die Savannen kämpfen musste, begann sich auf der Grundlage aller Gebäude im Land niederzulassen.
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Yehuda wartete geduldig in Josephs Hauptraum. Er begrüßte seinen Bruder, als er erschien. „Vater?“, fragte Joseph sofort. Yehuda nickte. „Ich hole meinen Streitwagen.“ „Es wird am besten sein, wenn du stattdessen einen Wagen nimmst. Bringe alle Mitglieder deiner Familie mit.“ Er seufzte und senkte seinen Kopf. Er berührte das Siegel des Pharaos und spielte damit geistesabwesend ein paar Sekunden.
Yisrael trieb tiefer in die Bewusstlosigkeit. Den Tag vorher verbot er Carmi, in seine Gemächer einzutreten. Seine Augen wurden schwächer und weigerten sich, sich auf jemanden zu konzentrieren. Seine Ohren rebellierten auch, als er zuhören wollte, was die Leute sagten. Draußen versammelten sich die drei Brüder und drängten sich in eine feste Formation. „Der Segen ist nie erklärt worden“, erinnerte Simeon Levi. „Muss er sein?“ Binyamin rieb seine Stirn, als er sprach. „Ist es nicht offensichtlich, dass Joseph der Gesalbte ist?“ „Er ist dein direkter Bruder, Sohn der geliebten Rachel“, bestätigte Levi, „und ohne ihn, wer von uns würde jetzt hier neben diesen grünen, reichen See und den fruchtbaren Ebenen sein? Aber weise nicht Jahwes Endgültigkeit in dieser Sache ab.“ „Gesegnet ist sein Name. Ich hatte nicht vor, seine Wahl zu missachten. Ich entschuldige mich.“ „Wir streiten nicht über diese Frage“, sprach nun Dan. „Wir wollen nur, dass Vater wieder gesund wird.“ Die anderen nickten zustimmend. In dem hell erleuchteten Zimmer näherte sich Joseph vorsichtig seinem Vater. Yisraels schwerer Körper bog das Strohbett durch. Sein runzeliges Gesicht starrte endlos auf die Zimmerdecke, unfähig, überhaupt etwas zu erkennen. „Was war es, was Leah in dem Muster sah?“ „Vater?“ „Joseph?“ „Ja, ich bin hier.“ Als er lächelte, floss ein Schimmer Kraft durch seinen Körper. Angespornt zwang er sich, im Bett aufzurichten. „In Kanaan, in Luz“, hielt Yisrael eine Rede, „erschien mir El Shaddai und segnete mich: ‚Ich werde dich fruchtbar und zahlreich machen’, versprach er, und so wurde es. ‚Ich werde dieses Land dir zuteilen und du wirst eine Nation werden’ und so geschieht es jetzt. ‚Einen ewig andauernden Bund mache ich mit dir’ und so ist es. Während ich meine Söhne und Enkelsöhne in Mamre und Be’erSheva aufzog, zeugtest du deine zwei Söhne in Ägypten. Daher wird es von keinem einen Streit geben, ich erkläre jetzt: deine beiden Söhne sind 193
meine eigenen Söhne. Ich nehme Besitz von ihnen und erkläre sie Reuben und Simeon gleich. Sollte es geschehen, dass andere Söhne dir nach diesen zwei geboren werden, sollen sie deine Söhne nach dem Namen sein. Ihr Erbe jedoch wird neben Ephraim und Manasseh gesetzt. Deine Nachkommenschaft wird weder Isolation noch Trennung von dieser Familie erleiden. Deine Nachkommenschaft ist eine feste Bereicherung mit dem Rest der Kinder meiner Söhne! Wird das verstanden?“ „Wird es“, antwortete Joseph auf die ruhige Stimme. Yehuda und Levi standen dicht dabei und bezeugten die Worte. „Der Grund, warum ich dies tue“, erklärte Yisrael Levi, „ist, weil, als ich nach Bethlehem reiste, Rachel starb und neben dieser einzelnen Straße begrub ich sie persönlich. Ich kennzeichnete ihre Grabstelle mit dem Zeugnis und der Ergebenheit meiner Liebe zu ihr.“ „Ich erinnere mich an den Altar“, bestätigte Levi. „Ich liebte sie auch. Sie war eine zweite Mutter für mich.“ Yisrael schätzte den Gedanken. „Levi, sage der Familie, dass sie hereinkommen soll.“ Levi zögerte. „Jeder?“ „Ohne Ausnahme.“ „Zu welchem Grund? „Es ist Zeit für mich, die Neuigkeiten zu erklären, die ich so lange in meinen innersten Gedanken bewahrt habe.“ Ungefähr fünfzehn Minuten später betraten alle Familienmitglieder den großen Raum. Als sie sich um das Bett stellten, verstummten sie. Yisrael blinzelte mit seinen Augen, um auf die ersten zwei Gestalten zu starren, die den Raum betraten. Das helle Sonnenlicht verbarg ihre Gesichter vor ihren Augen. „Wer sind sie?“ „Na, Vater, sie sind die Söhne, von denen du gesprochen hast“, antwortete Joseph. Die beiden gingen direkt zu ihrem Vater und setzten sich neben seine Knie. „Es ist gut, dass sie zu mir hereinkamen. Kinder, nähert euch meinem Bett, damit ihr euren Segen erhalten möget.“ „Sie zuerst?“, protestierte Carmi bei seinem Vater. „Halte deinen Mund, beständig!“ erwiderte Reuben. Joseph und der Rest, der nicht dem Geflüster hier und dort zuhörte, legte seine Wesirkrone auf den hinteren Stuhl. Nach und nach senkte er sich auf seine Knie. Auf halbem Weg zitterten seine Beine und gaben nach. Er fiel auf seinen Brustkorb zu Boden und blickte den Fußboden an und breitete seine Hände gerade über seinem Kopf aus. Die Familie tat genau das Gleiche. Ihre Füße berührten einander so wie ihre Hände und Arme. In dem überfüllten Teil des Raumes berührten die Köpfe der Verwandten die Füße der Verwandten. Körper bedeckten den ganzen Boden. Auf ein Zeichen erhoben sich alle unbeholfen.
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Joseph nickte seinen Söhnen zu und gab ihnen die Erlaubnis, neben ihrem Großvater zu sein.
Ephraim, der nun fünfundzwanzig Jahre alt war, ging hinter dem sechsundzwanzigjährigen Manasseh, seinem Bruder. Beide Männer knieten vor der schweren Gestalt des uralten Mannes. Ephraim beugte sich vor und abwechselnd umarmte und küsste er seinen Großvater. Die Speichelspur verband augenblicklich Ephraim mit Yisrael. Manasseh, der den Faden sah, wischte ihn trocken. „Es ist recht erstaunlich“, bemerkte Yisrael, „dass das, was geschehen ist, geschehen ist. Ich dachte, es wäre für mich unmöglich, dich je wieder zu sehen, aber deine Söhne stehen vor mir.“ Langsam kamen Yisraels Hände vorwärts zu den beiden Söhnen. Ruhig beobachteten die Familienmitglieder, wie seine Arme durch die Luft zu Josephs Söhne flogen. Als sie schauten, sahen sie den Fingersatz die linke Hand über der rechten Hand fassen, die sanft auf Manassehs Kopf landete, während seine rechte Hand Ephraims Kopf berührte. „Vater“, Joseph versuchte, Yisraels Handplatzierung von dem jüngsten Kopf auf den ältesten Kopf entfernen, „der andere ist der Erstgeborene. Nicht dieser.“ „Das ist die bevorzugte Wahl, denn oft ist der Zweitgeborene Jahwes Vorsatz am nächsten.“ Die Familie, die sich an die Geschichten von Yisraels Sieg über Esau erinnerte, hallte gleichzeitig wider: „Gesegnet sei der Name Jahwes.“ „Vor meinen anderen Söhnen von Leah, von Bilhah und von Zilpah, werde ich dich, Sohn Rachels, zuerst segnen. Dieser Segen wird als ein dreifacher Segen für dich handeln: nun, dann wieder später. Auch deine beiden Söhne sollen ihren besonderen Segen erhalten.“ Er hob sein Gesicht und Kinn nach oben und schloss seine Augen. In dem Raum folgte jeder dem Gebet. „Gott, vor dem mein Vater Abraham und mein Vater Yitzhak in völligem Gehorsam gingen: Gott, du, der du mich während meines Daseins gehütet hast, danke, dass du mir und meinen Kindern Michael den Erzengel sendest, der uns vor den Katastrophen der Welt beschützt hat. Ich flehe: segne Josephs beide Kinder! Durch sie lass meinen Namen widerhallen, ebenso wie den Namen meiner Väter: Abraham und Yitzhak. Mögen diese beiden Kinder zahlreich auf der Oberfläche der Erde werden. Manasseh, du sollst eine große Nation werden. Ephraim, du wirst die wahre Zahl der großen Nationen werden.
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Durch euch beide werde ich fortfahren, meinen Segen zu erflehen. Andere Männer werden zu sagen beginnen: ‚Wie Ephraim und Manasseh möge dich Gott machen!’“ Durch diesen Segen und diese Anweisung wurde Ephraim, der jüngste Sohn von Joseph, vor seinen ältesten Bruder, Manasseh, gestellt.
Ein tiefer Seufzer arbeitete seinen Weg aus dem hundertsiebenundvierzig Jahre alten Mann. Nachdem er in Ägypten siebzehn Jahre gelebt hatte, brannte seine Lunge von der Hitze der Wüste. Im Jahr 1711 v.Chr. fühlte Yisrael sein Herz zittern. Seine Lippen verstummten für wenige Augenblicke, er atmete langsam weiter und fing die kostbaren Atemzüge tief in seine Lunge ein. Er schaute wieder Joseph an, dann berührte er ihn auf der Wange. „Joseph, dir teile ich zweimal zu, was ich meinen anderen Söhnen zuteile. Das Land, das ich von den Amoritern mit meinem Bogen und Schwert entrang, gebe ich dir.“ Levi, der den Bericht schrieb, erinnerte sich später an den Krieg seines Urgroßvaters Abraham gegen die Amoriter und seine Siege über sie. Diese Siege sicherten beständig für seine Kinder den rechtmäßigen Titel der Länder. „Nun stehe jeder Sohn neben mir, um seinen Segen zu erhalten. Sammelt euch und hört zu, Söhne Yakovs, hört auf euren Vater, Yisrael!“
„Re’uven, mein Erstgeborener: meine Macht, der Beginn meiner Stärke, außerordentlich im Rang, in der Ehre, doch weil du so unbeständig wie das Wasser bist, sollst du nicht über diesen Tag hinaus herausragen. Du hast das Bett deines Vaters besudelt! Meine eigene Liegestatt!
Shim’on und Levi sind vereinigt. Eure Schwerter schwingt ihr gewaltig! Ich werde mich nicht eurem Rat anvertrauen, noch erlauben, euren Rat zu verdauen, noch meine Gedanken in euren Versammlungen ausüben, denn wenn sie wütend werden, töten sie Männer und legen Bullen lahm, wie es sie erfreut. Verflucht ist ihre grimmige Wut! Ihr grausamer Zorn! Durch die Länder Yisraels werden zerstreut, geteilt durch ganz Yisrael! 196
Yehuda, du bist der, den deine Brüder preisen werden! Deine Hand wird sich um den Hals deiner Feinde zusammenziehen! Die Söhne deines Vaters werden sich tief vor dir verbeugen. Wie das Junge eines Löwen bist du, die Beute wird unter deiner Stärke sein, denn als ein Löwe wirst du kauern und dich hinlegen. Wer wagt es, einen Löwen herauszufordern? Das Szepter wird nie von Yehuda weichen! Noch soll es der Herrscherstab zwischen seinen Füßen! Die Macht soll bei Yehuda bleiben, bis die Zeit des Schilo kommt: und mit ihm, dem es gehört, ewig! Mit dieser göttlichen Macht, wird der Gehorsam der Nationen gültig, denn er ist die Erwartung der Nationen! Er wird das Fohlen an einen Weinstock binden; das Neugeborene an den Weinstock mit hellroten Trauben. In Wein soll er sein Gewand waschen! Im Blut der Trauben seine Roben! Dunkler als Wein werden seine Augen sein. Weißer als Milch seine Zähne.
Zevulun, du wirst am Meeresufer leben, wo die Schiffe landen. Deine Grenze soll entlang von Sidon liegen.
Yissakhar, du bist so stark wie der Esel; der zwischen zwei Satteltaschen kauert! Wenn er sieht, wie wundervoll sein Land sein soll, wird er seine Schultern der Last beugen, indem er als Leibeigener sich abmüht!
Dan wird sein Volk al einer der Stämme Yisraels richten. Wie eine Schlange an der Straße, wie eine Viper entlang des Pfades wird Dan werden. Beiße die Ferse des Pferdes! Schleudere den Reiter zurück! Jahwe! Ich werde auf deine Rettung warten! 197
Gad, Reiter werden dich angreifen, aber du wirst sie durch die hinteren Pfade überwältigen!
Aschers Brot soll entzückend schmecken! Könige werden darin Vergnügen finden.
Naftali ist eine bewegliche Hindin, die frei herumstreift! Seine Worte sind elegant, indem er Geweihe nach vor stößt!
Josef, mein Sohn, ist ein Früchte tragender Ast! Ein fruchtvoller Zweig, der neben einem klaren Strom ruht, dessen Äste, wie die fruchtbaren Töchter des Mannes, die Höhe der Wand bedecken. Bogenschützen greifen ihn erbittert an! Aber sein Bogen bleibt straff, seine Arme ruhig! Durch die Arme von Yisraels Mächtigem kommt bewahrt der Hirte der Welt: Yisraels Stein! Dieser Hirte soll vom Gott deines Vaters kommen, derselbe Gott, der dir hilft. Shaddai segnet dich für solchen Zweck; Segnungen, die sogar zu den Höhne der Himmel oben reichen; sogar zu den wogenden Gewässern darunter, und zu allen Brüsten und Mutterleibern der Erde, die nun sind und die kommen werden! Deswegen sind die Segnungen deines Vaters den Segnungen überlegen, die die uralten Berge erhielten, sogar wenn man ihre prächtigen Zierden betrachtet! Diese Segnungen werden bei Joseph bleiben, sogar wie sie auf dem gekrönten Haupt der Geweihten bleiben, die von ihren Brüdern getrennt sind.
Binyamin ist ein heißhungriger Wolf! 198
Er verschlingt die Beute am Morgen, er teilt die Beute am Abend!“ Er wandte seine Augen ab, um auf die untergehende Sonne zu blicken. Seine Finger klopften nervös auf den Rand seines Bettes. Er öffnete zum letzten Mal seine Augen. „Zwölf Männer von vier Müttern, vereint durch einen einzigen Vater, um an einem einzigen Gott festzuhalten, um eine einzige Nation zu bilden. Ihr zwölf stellt die Welt dar. Die Welt muss lernen, euch zu repräsentieren.“
Er kämpfte härter, um zu atmen. Die aufgebrauchte Energie laugte seine Kraft aus. Er legte seinen Kopf zurück auf das Polster, sein Gesicht zu seinen Kindern gewandt. Er blinzelte mit seinen Augen und versuchte, sich deutlich auf ihre Gestalten zu konzentrieren. Die verschwommenen Bildnisse weigerten sich, schärfer zu werden. Er fühlte die Luft durch seine Lunge brennen. Sein linker Arm schien unfähig zu sein, den pochenden Schmerz, der fortwährend hinter seinem Ellbogen verweilte, zu beenden. Er rieb seinen Brustkorb, seine Hand ging zu seinem Magen. Er schaute auf zu der Zimmerdecke und starrte auf die verwirrten Bilder: die Bilder, die sich weigerten, ihre Geheimnisse zu enthüllen. Er fühlte einen langsamen Luftaustritt aus seiner Lunge. Er fühlte seine Flucht. Sein Kopf schleuderte zurück. Ihm wurde schwindelig. Er fühlte seinen Verstand schwinden, indem sich seine Gedanken in totale, unentrinnbare Schwärze auflösten.
Yehuda lehnte sich hinunter und schloss die Augenlider seines Vaters. Tränen befeuchteten seine eigenen Augen, Joseph warf sich über den Körper seines Vaters und schrie laut die Totenklage. Yehuda und der Rest rissen ihre Tuniken auf. Levi verteilte die Asche von der Feuerstelle an jede männliche Person. Er rieb zuerst sein Gesicht mit dem schwärzenden Kohlenstoff ein. Als Yehuda sich hinkniete, um zu beten, folgten die anderen seinem Beispiel. Als Yehuda vom Bett seines Vaters davonging, folgte der Rest hinter ihm. Als Yehuda sein Haus erreichte, schritt Joseph vor ihn. Lange Augenblicke blickten die beiden Brüder einander ruhig an. Die anderen Brüder und Cousins und Neffen und Nichten und Ehefrauen und Kinder starrten die beiden schweigenden Männer an und wunderten sich. Joseph verbeugte sich voll, dann streckte er sich flach auf den Boden vor Yehuda.
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Der Rest der Familienmitglieder folgte Josephs Führung und unterwarf sich vor Yehuda. Alle Männer, alle Frauen, alle Kinder, alle Diener unterwarfen sich Yehudas Autorität. Mit einer Bewegung seiner Hand gab Yehuda Tamar, seiner Schwiegertochter, und Perez, seinen rechtmäßigen Erstgeborenen, die Erlaubnis, neben ihm zu stehen. Ein tiefer Seufzer fand seinen Weg durch seinen Mund. Er legte seine Hand über Perez’ Kopf und raufte sanft sein Haar, wobei er zustimmend nickte.
Der Essener Schriftgelehrte rollte die Schriftrolle zusammen und hob sein Gesicht zur untergehenden Sonne. Er schaute auf die anderen Schriftrollen vor sich. „Ich werde dieser an einem anderen Tag lesen“, dachte er. „Aber was die ersten Stimmen der Menschheit betrifft, frage ich mich nicht länger, noch stelle ich ihren Beginn in Frage.“
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