„Elfengeschichten“ von Ulrike Stegemann
„Von der Liebe des Hauptmanns zu einer Elfe“
prustete er los und erntete dafü...
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„Elfengeschichten“ von Ulrike Stegemann
„Von der Liebe des Hauptmanns zu einer Elfe“
prustete er los und erntete dafür einen finsteren Blick Elwans. Zu gerne hätte der Berater etwas zu seiner Verteidigung gesagt. Doch er besann sich und kündigte den Männern lediglich ihre wohlverdiente Rast an. Ein Jubeln voller Dankbarkeit zog sich durch die Reihen. Es machte deutlich, wie sehr sie darauf gewartet hatten, sich endlich ausruhen zu dürfen. Santhor nickte ihnen kameradschaftlich zu. Er gönnte ihnen diese Pause, entzündete gemeinsam mit Elwan ein Feuer und erklärte sich sogar selbst dazu bereit, etwas für die Männer zu jagen. Wenige Augenblicke später verschwand der Hauptmann in dem dichten Buschwerk des Waldes, der sie umgab. Er trug einen Speer mit sich, den er nun in den Boden neben sich rammte. Stirnrunzelnd blickte er sich um. Weit und breit war kein Tier zu sehen oder zu hören. Er ging in die Hocke und untersuchte den Waldboden nach Spuren. Aber er suchte vergebens. Nichts deutete darauf hin, dass es dort irgendeine Art von Lebewesen gab. Trotzdem wollte er sich nicht entmutigen lassen. Er griff nach seinem Speer und ging weiter. Vielleicht, so glaubte er, versteckten sich die Tiere viel tiefer im Wald, als er angenommen hatte. Santhor schritt eine ganze Weile voran, bis er schließlich ein sanftes Summen vernahm. Es klang so lieblich und betörend, dass es kaum das Summen eines menschlichen Wesens sein konnte. Wie magisch angezogen folgte er den Lauten. Er wollte wissen, von wem sie ausgingen. Der Wald teilte sich vor seinen Augen und gab den Blick auf eine Lichtung frei.
„Hauptmann Santhor, die Männer sind vollkommen übermüdet. Sollten wir nicht eine Rast einlegen?“ Elwan warf seinem Hauptmann einen Seitenblick zu, ohne dabei den Weg vor Augen zu verlieren. Er saß steif und aufrecht im Sattel. Seine Hände umkrallten die Zügel in einem einzigen Krampf. Er hatte nie ein Geheimnis darum gemacht, dass er sich auf dem Rücken eines Pferdes unwohl fühlte. Santhor verkniff sich ein Grinsen, als er seinen Berater und Schreiber nun ansah. Seine Mundwinkel zuckten zwar ein wenig, doch er konnte sich beherrschen. Elwans Frage hingegen hatte er nur mit halbem Ohr gehört. „Wie meintest du?“ Elwan räusperte sich. „Die Männer, Hauptmann“, sagte er. „Sie sind vollkommen übermüdet.“ Santhor warf einen Blick zurück. Die Anstrengungen der letzten Tage standen den Männern deutlich ins Gesicht geschrieben. Mit größter Mühe hielten sie sich aufrecht. Doch es mochte nicht viel fehlen, um sie von ihren Pferden zu stoßen. „Wir sollten eine Rast einlegen“, wandte Santhor sich wieder an seinen Berater. Dieser ließ ein leises Seufzen verlauten. „Wie ihr wünscht, Hauptmann.“ Er begann an den Zügel zu zerren, um sein Pferd umzulenken. Das Tier schritt jedoch gemächlich weiter geradeaus. Elwan fluchte. Er stieß mit einem Fuß zu und zerrte noch einmal so heftig an den Zügeln, dass sein Pferd vor Schreck gleich zweimal herum sprang. Santhor konnte sich das Lachen nicht länger verkneifen. Aus vollem Halse
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eines ihrer hauchdünnen Tücher von den Schultern und reichte es ihm. Darin sollte er die Beeren mit sich tragen. „Nimm so viele Beeren wie du magst“, sagte sie. „Aber töte kein Tier meines Waldes.“ Er nickte und machte sich schließlich daran, die Beeren zu pflücken. Als er genug beisammen hatte und das Tuch prall gefüllt war, wollte er sich noch einmal an die Elfe wenden und ihr danken. Von ihr war jedoch nichts mehr zu sehen.
Sonnenlicht umströmte Bäume und Erdboden, und in dessen Mittelpunkt konnte er deutlich ein zierliches Wesen erkennen. Es saß auf einem umgestürzten Baum. Nun, da er sich ihr näherte, reckte es sich in die Höhe und beobachtete ihn aufmerksam. Von ihr ging dieses betörende Summen aus. Doch viel mehr noch betörte den Hauptmann ihr magischer Anblick. Die Haut, die unter ihren grünen Gewändern hervor blitzte, schimmerte so hell, dass sie beinahe durchscheinend wirkte. Ihre langen Haare umspielten in goldenen Locken ihren Körper und ihre Augen glänzten wie Saphire. Sie durchbohrten ihn wie ein Pfeil, der ihn mitten ins Herz traf. „Wer bist du?“, fragte Santhor. Das Wesen erhob sich. Es stellte sich auf den Baumstamm, um seine volle Größe zu zeigen. „Ich bin die Herrin dieses Waldes.“ Ihre Stimme klang so sanft, dass Santhor deutlich spürte, wie seine Knie erweichten. Er streckte die Hand nach dem Baumstamm aus und hielt sich daran fest. „Die Tiere dieses Waldes stehen unter meinem Schutz. Niemand wird eines von ihnen ungestraft töten. Auch du nicht.“ Der Hauptmann schluckte diese Worte wie einen dicken Kloß hinunter. „Du bist eine Elfe.“ Das Wesen nickte. „Entschuldige“, sagte er. „Ich wollte dich nicht erzürnen. Aber meine Männer sind müde und hungrig. Was soll ich ihnen sagen, wenn ich mit leeren Händen zurückkehre?“ Die Elfe machte mit ihrem Arm eine leichte Bewegung zur Seite. Mehrere herabhängende Äste zogen sich auseinander und gaben den Blick auf einen Busch frei. Rote Beeren schimmerten an ihm in einer solchen Fülle, dass er drohte unter der Last zusammen zu brechen. Santhor hob eine Augenbraue. Was würden seine Männer sagen, wenn er mit nichts als Beeren zu ihnen zurückkehrte? Doch die Elfe lächelte ihn an und ließ ihn all seine Bedenken vergessen. Sie nahm
Die Begeisterung der Männer hielt sich in Grenzen. Sie konnten nicht verstehen, weshalb ihr Hauptmann ihnen anstatt eines ordentlichen Bratens einen Beutel Beeren auftischte. Zuerst wagte niemand etwas zu sagen. Doch nachdem sie einen Teil der Früchte gegessen hatten und ihre Mägen nicht aufhören wollten zu knurren, sprang einer unter ihnen auf. „Ich werde gehen und uns etwas Anständiges zu essen besorgen.“ Santhor schnellte jedoch auf und versperrte ihm den Weg, bevor er auch nur einen einzigen Schritt in den Wald hinein tun konnte. „Das wirst du nicht“, sagte er in einem Ton, der keine Widerrede duldete. „In diesem Wald gibt es keine Tiere.“ „Und was ist das?“ Der Mann streckte seine Hand aus und deutete auf ein kleines Eichhörnchen, das am Wegesrand vorbei huschte. Santhor verzog das Gesicht. Seine Augen blitzten angriffslustig auf. „Das ist nichts. Ein Eichhörnchen“, sagte er. „Du wirst in diesem Wald keinem Tier etwas zu leide tun. Und auch sonst keiner von euch.“ Er blickte in die Runde. „Habt ihr das verstanden?“ Der Mann, der ihm gegenüber stand, nickte. Jeder einzelne hatte seine Worte verstanden. Zwar wussten sie nicht, was in ihren Hauptmann gefahren war, doch niemand brachte den Mut auf, sich mit ihm anzulegen. Gegen ihren Willen blieben sie hungrig, und daher sollte die Rast auch nur von kurzer Dauer bleiben.
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Nur Hauptmann Santhor rührte nicht einen Bissen an. Elwan beobachtet ihn. Er machte sich allmählich Sorgen, denn er sah deutlich, dass mit seinem Hauptmann etwas nicht stimmte. Mit einem gefüllten Teller stellte er sich neben ihn. Der intensive Geruch des Bratens biss Santhor sogleich in die Nase. Als er sich zur Seite drehte, wusste er, dass dieses Stück für ihn bestimmt sein sollte. Elwan bedachte ihn eines mitfühlenden Blickes. „Mach dir um mich keine Sorgen. Ich habe keinen Hunger.“ „Aber Hauptmann ...“ Doch Santhor ließ ihn nicht einmal ausreden. „Ich habe keinen Hunger. Und jetzt geh und feiere mit den anderen.“ Er machte eine abweisende Handbewegung. Elwan zuckte mit den Schultern. Mehr konnte er für seinen Hauptmann nicht tun. Er machte kehrt und mischte sich wieder unter die feiernde Meute.
Nachdem sämtliche Beeren vertilgt waren, drängten die Männer auf ein rasches Fortkommen. Abermals musste Elwan zwischen ihnen und dem Hauptmann vermitteln. „Hauptmann Santhor.“ In seiner Stimme lag ein zögerlicher Klang. „Die Männer sind bereit. Wir sollten uns wieder auf den Weg machen.“ Santhor stand ein Stück abseits der Gruppe. Er hielt sich mit einer Hand an einem Baum abgestützt und starrte in das Dunkel des Waldes hinein. Seine Gedanken kreisten noch immer um die Waldelfe, der er vor kurzem begegnet war. Elwans Worte rissen ihn jedoch in die Wirklichkeit zurück. Er wandte sich um und betrachtete die Männer. Sie kontrollierten Sättel und Zaumzeug der Pferde und trugen ihre wenigen Halbseligkeiten wieder beisammen. Einer löschte das Feuer, indem er es mit der Erde des Waldbodens erstickte. Mit einem aufkeimenden Unwillen löste der Hauptmann sich von seinem Platz. Er nickte Elwan zu, obwohl er diesen Wald noch längst nicht verlassen wollte. Doch er konnte seine Männer nicht länger hier halten. Sie würden sich gegen ihn stellen, da war er sich sicher. Daher folgte er seinem Berater zu den Pferden und gab dem Trupp das Zeichen zum Abmarsch.
Santhor fühlte sich in den riesigen Mauern des Königshofes eingeschlossen. Sie schienen ihn regelrecht zu erdrücken. Niemals zuvor, hatte ihn dieses Gefühl überkommen, seiner Freiheit beraubt zu sein. Sein Körper wollte nicht zur Ruhe kommen, ganz gleich, was er anstellte. Und immer wieder kam ihm das Gesicht der Waldelfe ins Gedächtnis. Er konnte es nicht verdängen. Er musste sie ganz einfach wieder sehen. Ohne sie in der Nähe zu wissen, fehlte ihm die Luft zum Atmen. Seinen Freunden, Kameraden und den Männern des Trupps, die er befehligte, warf er einen letzten Blick zu. Sie feierten so sehr, dass sie ihn gar nicht bemerkten. Es war ein Kinderspiel, sich unbemerkt davon zu schleichen. Ohne ein Wort des Abschieds schritt er in Richtung Ställe. Dort stand sein Pferd, noch immer gesattelt, als hätte es nur auf seine Rückkehr gewartet. Er schwang sich mit einem Ruck hinauf. Aus den Ställen, durch einen geheimen Durchgang ritt er aus dem Hof hinaus in die Dunkelheit.
Eine halbe Tagesreise brachten sie hinter sich, bis sie den heimatlichen Königshof erreichten. Die Nacht brach bereits herein und ein großer Teil der Bewohner hatte sich zur Ruhe begeben. Doch sie alle sollten wieder geweckt werden. Denn als die Wachen Hauptmann Santhor und seine Männer erblickten, läuteten sie die großen Glocken. Die Menschen warfen sich rasch ihre Gewänder über und eilten hinaus in den großen Hof, um ihre Helden zu begrüßen und zu feiern. Bier und Wein wurde in großen Fässern heran gerollt. Es gab reichlich zu essen. Saftige Braten, Obst und Gemüse wurde aufgetischt, so dass sich die Männer endlich satt essen konnten.
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Dieses Mal kam ihm der Weg viel kürzer vor. Die Stunden vergingen wie Minuten und schon im nächsten Augenblick erreichte er den Wald, in dem er seiner Elfe begegnet war. Die Elfe, die er nicht mehr vergessen konnte. Santhor sprang von seinem Pferd. Er lief zwischen Bäumen und Sträuchern immer
tiefer in das Innere des Waldes, bis er die Lichtung wieder fand. Dort saß sie, auf dem umgefallenen Baumstamm und warf ihm ein strahlendes Lächeln zu. Sie hatte auf seine Rückkehr gewartet.
ENDE
„Feuerelfe und Wasserelfe“
angeflogen und ließ sich am Rande des Wassers nieder. So folgten nach und nach sämtliche Gäste ihrer Einladung. Bis auf ein einziges Wesen: Die Feuerelfe. Obwohl sie mit der Wasserelfe ein und denselben Wald teilte, war sie nicht zu deren Geburtstagsfeier eingeladen. Versteckt hinter einem Baum beobachtete sie, was vor sich ging. Ihre Augen funkelten. Zorn glühte darin auf. Sie beneidete die andere Elfe um ihre großartige Feier. Gleichzeitig war sie aber auch wütend, dass sie selbst sich nicht unter den Geladenen befand. Eine ganze Weile beobachtete sie das bunte Treiben. Je mehr sich alle anderen jedoch amüsierten, umso weniger konnte die Feuerelfe es ertragen. Ihre Gedanken rasten. Sie gönnte der Wasserelfe diese Freude nicht. Es musste etwas geben, mit dem sie ihr die Feier verderben konnte. Wofür habe ich meine Zauberkräfte, fragte sie sich schließlich. Mit der Macht des Feuers würde sie die schöne Wasserlandschaft mit einem Schlag vernichten können. Sie dachte nicht lange darüber nach. Wut und Neid hatten sie schon viel zu sehr ergriffen. Vorsichtig schlich sie sich an den Rand des Wassers. Niemand sollte sie bei ihrem Vorhaben entdecken. Als sie dem See schließlich nahe genug kam, rieb sie sich die Hände und entfachte darin eine kleine Flamme. Wie ein gut behütetes Kind setzte
Am Rande der uns bekannten Menschenwelt gab es einst einen magischen Wald. Bäume und Tannen wuchsen dort in ungewöhnlicher Art und Weise. Doch viel ungewöhnlicher waren die Bewohner des Waldes selbst. Feuerund Wasserelfe hatten dort ihre Heimat. Es kam ein Sommertag, strahlend und warm, wie kaum ein zweiter. Vögel flogen in großen Scharen ihre Kreise über die Kronen des Waldes. Sie ließen fröhliches Gezwitscher verlauten. Alles deutete darauf hin, dass dies ein ganz besonderer Tag sein musste. Und tatsächlich: Es war der 250. Geburtstag der Wasserelfe. Aus diesem Anlass lud sich das kleine, zierliche Wesen alle Freunde und Bekannte der bunten Anderswelt ein. Sie schuf mit Hilfe ihrer Zauberkräfte einen See inmitten des Waldes. Wasserfälle ließ sie zu allen Seiten in die Höhe schießen und ließ wunderschöne und exotische Blumen an gewaltigen Steinwänden hinabranken. In den Mittelpunkt dieses Traums aus Wasser stellte sie eine riesige Muschel, die ihr halb geöffnetes Maul gen Himmel reckte. Wasser sprudelte daraus in die Höhe. Alles in allem war sie mit ihrem Werk zufrieden und wartete nur noch auf ihre zahlreichen Gäste. Zum Ersten erschienen die Nixen, die sich vom großen Ozean einen Weg zu dem See der Wasserelfe suchten. Kurz darauf kam eine unglaubliche Zahl an Elfen
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mit den Händen über die Arme und im nächsten Moment glühten diese rot auf. Leuchtende Kugeln entstanden in ihren Handflächen, als sie diese öffnete. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, in dem keine Freundlichkeit lag. Sie ruderte einige male mit den Armen und schoss die Kugeln im nächsten Augenblick auf ihre Kontrahentin ab. Mit einem Ruck warf sich die Wasserelfe zu Boden. Sie kullerte ein Stück zur Seite und entging somit den gleißenden Bällen. An ihrer Stelle trafen sie den See, der umzingelt von einer Flammenzunge, nun auch im Inneren Feuer fing. Darum kümmerte sich jedoch keines der beiden Wesen. Sämtliche Gäste, die sie hätten zur Vernunft bringen können, hatten bereits die Flucht ergriffen. Lediglich die Nixen blieben zurück, in einem Gefängnis der unerträglichen Hitze. Ihre Lungen drohten den Dienst zu versagen. Schreie der Verzweiflung, die sie unter größter Mühe ausstießen, verhallten schlichtweg in den Weiten des Waldes. Niemand hörte sie. Niemand scherte sich um ihre Not. Die Feuerelfe warf weitere Bälle nach der Wasserelfe aus, die jeden von ihnen mit einem feuchten Strahl abwehrte. So ging es Schlag auf Schlag, ohne Pause oder gar die Aussicht auf ein Ende. Eine Nixe stieß einen letzten kläglichen Ruf aus, bevor sie im Wasser versank. Sie konnte die Hitze nicht länger ertragen und ergab sich dem unbeschwerten Gefühl des Loslassens.
sie diese am Ufer ab. Sie streichelte ein letztes Mal über das glühend heiße Etwas und flüsterte ihr die besten Wünsche zu. Sogleich begann die Flamme ihr Werk. Sie sog das Wasser in sich auf, wuchs und wuchs und breitete sich über den Rand des Sees hinweg aus. Die Elfen flogen erschrocken auf und brachten sich vor der drohenden Gefahr in Sicherheit. Den Nixen hingegen wurde jede Fluchtmöglichkeit genommen. Der Weg, der sie zurück in den rettenden Ozean führte, war für sie abgeschnitten. Sie riefen um Hilfe, schnappten nach Wasser und prusteten es sogleich wieder aus. Die Feuerelfe sah mit großem Entsetzen was sie angerichtet hatte. Die Anwesenheit der Nixen erkannte sie eben in diesem Moment. Zwar beabsichtigte sie, die Feier der Wasserelfe zu ruinieren, doch hatte sie nie jemanden in Gefahr bringen wollen. Noch einmal lief sie zum Ufer des Sees und sprach mit ihrer Flamme. Dieses Mal wollte sie sie wieder einfangen. In diesem Moment erblickte die Wasserelfe den Übeltäter. Zornesröte stieg ihr ins Gesicht. Anstatt sich zuerst um die Nixen zu kümmern, flog sie geradewegs auf die Feuerelfe zu. „Was fällt dir ein, meine Feier zu sabotieren?“, giftete die Wasserelfe. Sie setzte vor der Feuerelfe auf dem Erdboden auf und schubste sie von dem See fort. „Wie kannst du es wagen?“ „Ich?“ Die Feuerelfe zeigte sich kampfbereit. Sie stemmte die Hände in die Hüften und erhob sich mit wenigen Flügelschlägen über die Andere hinaus. „Du hast mich von deiner Feier ausgeschlossen. Es ist nur recht, dass ich dir dafür einen Denkzettel verpasse!“ Die Wasserelfe schnappte nach Luft. Ohne jede Vorwarnung, erhob sie plötzlich die Arme und schleuderte der Feuerelfe einen ganzen Schwall ihres Elements direkt ins Gesicht. Die Feuerelfe schüttelte sich. Ihre zarten Glieder zitterten, denn sie war die Kälte des Wassers nicht gewöhnt. Sie fuhr sich
Dunkles Dröhnen hallte über den Waldboden hinweg. Wie eine Gewitterwand zog es immer weiter heran und artete in ein bedrohliches Poltern aus. Die Elfen erschraken und hielten in ihrem Machtkampf inne. Schon lange hatten sie diese Geräusche nicht mehr vernommen. Doch beide wussten, dass dies nur eines bedeuten konnte. Mutter Natur war im Anmarsch. Schon im nächsten Augenblick strömte die anmutige Gestalt der edlen Dame durch die Baumkronen auf den flammenden See
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„All das, was ihr vernichtet habt“, Mutter Natur breitete ihre Arme aus, „werdet ihr auch wieder herrichten.“ Das hörte sich nicht sehr schwierig an, denn Feuer- und Wasserelfe besaßen magische Kräfte. Mit Hilfe derer könnten sie den Wald im Nu wieder herrichten, als wäre dort niemals etwas geschehen. Mutter Natur schüttelte jedoch den Kopf, als hätte sie ihre Gedanken erraten. „Eure Kräfte dürft ihr dabei nicht einsetzen. Ihr müsst fortan ohne sie auskommen und mit euren eigenen, kleinen Händen anpacken.“ Die Elfen ließen die Köpfe hängen. Wie sollten sie das nur jemals schaffen? Im nächsten Moment wich sämtliche Magie aus ihren Körpern und ging auf Mutter Natur über. Die Dame sperrte sie in zwei gläserne Kugeln und ließ diese gen Himmel verschwinden. So blieben die Elfen am Erdboden zurück, mit nicht mehr, als ihrer Fähigkeit des Fliegens.
hinab. Sie streckte ihre Arme aus und zog die bewusstlose Nixe vom Grunde des Wassers wieder an die Oberfläche. Mit einem einzigen Fingerschnipsen löschte sie das Feuer und gab den Weg zum Ozean frei. Dankbar nahmen die übrigen Nixen ihre Gefährtin aus den Armen von Mutter Natur entgegen. Sie verschwanden in Richtung Heimat. Die Feuer- und die Wasserelfe erblickten in diesem Moment das gesamte Ausmaß ihres Streites. Sie hatten den Wald um ein Haar in Schutt und Asche zerlegt. Voller Reue senkten sie die Köpfe und erwarteten die Strafpredigt von Mutter Natur. Die Dame glitt über den See hinweg auf das Ufer zu, an dem die beiden verweilten. Sie schüttelte den Kopf. Gleichzeitig hob sie einen Zeigefinger, um sie zu ermahnen. „Was habt ihr da nur angerichtet?“ Ihr Gesicht zeigte eine tiefe Traurigkeit. Jedes Mal, wenn ein Wesen der Erde ihrem Kind etwas zu leide tat, litt auch sie darunter. Keine der Elfen wagte jedoch auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen. Sie brachten Mutter Natur zu viel Respekt entgegen, als dass sie einen Versuch gewagt hätten, sich aus der Situation heraus zu reden. „Ich sehe schon“, begann Mutter Natur sodann, „ihr bereut eure Taten.“ Wieder schüttelte sie den Kopf. „Doch das allein genügt nicht.“ Die Wasserelfe sah auf. Mit großen Augen sprach sie zu der edlen Dame. „Was können wir tun, um all das ungeschehen zu machen?“ Mutter Natur legte ein Lächeln auf, das weit mehr Wissen offenbarte, als die Elfe jemals erreichen würde. „Nichts, was in der Vergangenheit liegt, lässt sich jemals ungeschehen machen.“ Mit einem tiefen Seufzer ließ die Elfe die Schultern hängen. „Doch ich werde euch eine Möglichkeit geben, all das wieder gutzumachen.“ Beide Elfen schlugen aufgeregt mit den Flügeln. Von Mutter Natur eine zweite Chance zu bekommen, grenzte an einen göttlichen Segen.
Die Wasserelfe ballte die Hände zu Fäusten. Sie hatte sich doch nur eine schöne Feier mit all ihren Freunden gewünscht, und nun durfte sie ihren 250. Geburtstag damit verbringen, den Wald wieder herzurichten. Das alles auch noch ohne ihre magischen Kräfte. Sie hätte platzen können. „Ich allein bin schuld daran“, sagte die Feuerelfe plötzlich. „Ich werde mich also auch an die Arbeit machen. Wenn du mir nicht helfen willst ...“ Fragend sah sie die Wasserelfe an, doch die erwiderte nicht ein Wort darauf. Stocksteif und mit wild funkelnden Augen starrte sie ihre Gegenüber an. Traurig ließ die Feuerelfe ihre Flügel hängen. Sie schleppte sich einige Schritte voran und begann schließlich damit, die verkohlten Äste und Zweige aufzusammeln. Anschließend machte sie sich daran, das Wasserufer in Ordnung zu bringen und die vielen Blumen, zu Recht zu stutzen. Noch immer stand die Wasserelfe am Rande und beobachtete die Andere bei
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Elfen konnten die Nacht über daran sitzen und sich wärmen. Bis zum frühen Morgen erzählten sie sich Geschichten. Sie lachten gemeinsam und lernten sich endlich gegenseitig kennen. Als Mutter Natur erschien, um den Wald zu begutachten, waren sie bereits Freundinnen geworden. Die Dame freute sich darüber, und so fiel es ihr auch nicht schwer, die Kräfte des Feuers und des Wassers wieder zurückzugeben. Von diesem Tage an gab es nie wieder Streit zwischen Feuer- und Wasserelfe. Und jedes Mal, wenn die eine Geburtstag feierte, erhielt die andere hierzu eine Einladung.
ihrer Arbeit. Als sie jedoch sah, wie sehr sich die Feuerelfe bemühte, fasste sie sich ein Herz. Sie sprang in die Luft und sauste zu ihr hinüber. „Warte! Ich helfe dir!“ Die Wasserelfe flog über den See und trieb die verstreuten Blumen aufs Ufer zu. Sogleich zog die Feuerelfe sie zu sich heran, band sie zusammen und schon entstand ein wunderschönes Blumenmeer. Die beiden Elfen freuten sich über diesen Anblick so sehr, dass die Arbeit von da an viel schneller voran ging. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit hatten sie den Wald somit auch wieder in Ordnung gebracht. Aus dem Stapel der abgebrochenen Äste nahm die Feuerelfe einige Stücke. Sie rieb sie aneinander und versuchte, ohne ihre Kräfte ein kleines Feuer zu entfachen. Es dauerte eine ganze Weile. Doch schließlich gelang es ihr und die beiden
ENDE
Elfengeschichten erscheint bei vph Verlag & Vertrieb Peter Hopf, Goethestr. 7, D-32469 Petershagen. © Copyright aller Beiträge 2003 bei Ulrike Stegemann und vph. Nachdruck, auch auszugsweise, nur nach schriftlicher Genehmigung durch den Verlag gestattet. Cover: Thomas Knip
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