El Capitan
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corrected by: mm
@ Jänner 2004
Es ist gegen Mittag und die Sonne brennt nun scho...
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El Capitan
scanned by: Waldschrat
corrected by: mm
@ Jänner 2004
Es ist gegen Mittag und die Sonne brennt nun schon recht erbarmungslos. Bisher ritt er im Fichtenwald auf der Mogollan Mesa. Doch jetzt, da er auf die breite Fährte der Schafherde stößt, muss er den Schatten verlassen. Schon zuvor - immer dann, wenn er im Wald anhielt, um zu lauschen - hörte er das klägliche Bähbäh der Schafe und das leisere Blöken der Lämmer. Dazwischen klang das vielstimmige Läuten kleiner Glöckchen. Und er wurde sich wieder stark bewusst, wie wenig er Schafe leiden kann, wie unerträglich diese Tiere für ihn sind. Die breite Fährte durch das Gras stinkt gen Himmel. Und es gibt keinen Grashalm mehr, und keine Blumen sind mehr zu sehen. Es ist eine Fährte der Zerstörung, bedeckt mit stinkendem Kot. Denn hier wanderten gewiss mehr als zehntausend Schafe eine gewaltige Menge. Und wo die Schafe grasen, da
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zerstören sie. Dies hat man ihm schon beigebracht, als er noch ein kleiner Junge war. Aber nicht nur deshalb mag er die Schafe nicht. Es ist noch etwas anderes, was ihm an diesen Tieren missfällt. Es ist ihre totale Hilflosigkeit, welche andererseits wieder ihre Stärke ist. Denn sie sind so hilflos, dass sie ständig beschützt und umsorgt werden müssen. Aber wegen ihrer Wolle und auch wegen ihres Fleisches sind sie für die Menschen einigermaßen wertvoll. Und so besitzen sie Macht über ihre Hirten. Deshalb mag er sie nicht. Und er könnte - nicht ums Verrecken - ein Schafzüchter sein. Er verachtete diese wie die Schafe ... * Sein Name ist Patrik McCoy, und er ist ein Revolvermann. Jedoch ist er keiner von der ruhmsüchtigen Sorte, die sich immer wieder beweisen muss, wie schnell sie mit dem Revolver ist, wie unbesiegbar. Nein, er gehört zu der anderen Sorte, deren Revolver man sich mieten kann, wenn man Hilfe braucht, einen Beschützer haben will. Und so trug er schon als Marshal oder Sheriff den Stern, beschützte Geldtransporte als Postkutschen begleiter, kämpfte gegen Vieh- und Pferdediebe und ritt mit den Besitzern von Frachtwagenzügen, um deren Geldeinnahmen zu sichern. Ja, so einer ist dieser Patrik McCoy.
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Er will an der er Schafherde vorbei, welche jetzt eine Fläche bedeckt, die eine Viertelmeile breit und gewiss länger als zwei Meilen ist. Einige Hirtenwagen sieht er da und dort an den Flanken der Herde, auch wandernde Hirten mit ihren langen Wurfstangen, an deren Enden sich handtellergroße Schaufeln befinden, mit denen sie Erde, Steine und anderes Zeug aufnehmen und mit großer Zielgenauigkeit werfen. Als er der Herde nahe genug ist, stellt sich ihm ein Hund entgegen, der seinem Pferd und auch seinem Packmaultier an die Fesseln will. Der Hund ist gewiss größer als ein Wüstenwolf. Er bellt nicht, sondern knurrt böse. Gewiss geht er auf alles los, was nicht nach Schafen stinkt. Als der Hund wieder mal nach den Fesseln des Packtiers schnappt, schlägt dieses blitzschnell aus und trifft den Beißer auf die Nase. Er heult noch böser auf, hält nun jedoch Abstand. Pat McCoy ruft nicht mal unfreundlich, aber warnend: „He, Beißer, bleib uns von der Pelle, dann passiert dir auch nichts! Wir wollen nur vorbei. Aber halte Frieden und leg dich nicht mit uns an.“ Aber der große Hund gehört wohl nicht zu der klugen Sorte, so groß er auch sein mag. Der Hund versucht nun, dem Wallach an die Hinterfesseln zu gehen. Der Nasenstüber des Maultiers hat ihm noch nicht genügt. Doch nun bekommt er es richtig. Pat McCoy nimmt die zusammengerollte Maultiertreiberpeitsche vom Sattel-horn. Sie hing nach links. Das Wurfseil hängt nach rechts. Der Hund lernt nun richtig. Der Metallknaller am Ende der langen, geflochtenen Peitschenschnur trifft ihn - 3 -
genau auf die Stirn und zwischen die Augen. Er geht zu Boden und ist eine Weile benommen. Dann aber heult er vor Schmerz fast wie ein Coyote. „Oh, du Dummkopf“, ruft Pat McCoy bitter, denn die Bestrafung bereitet ihm nicht mal Genugtuung. „Jetzt kapierst du es hoffentlich, Beißer!“ Der Hund hält sich nun von ihnen fern. Aber dafür nähert sich ihnen jetzt ein Reiter, der die ganze Sache wahrscheinlich aus einiger Entfernung beobachtet hat. Und diesen Mann kennt Pat McCoy. Er hält also an und legt die Hände über dem Sattelhorn aufeinander. Jake Blaisdell kommt zuletzt langsam im Schritt herangeritten. Und von der Schafherde beobachten ein halbes Dutzend Hirten das Zusammentreffen der beiden Revolvermänner. Denn auch Blaisdell ist ein Revolvermann. Als sie voreinander verhalten, betrachten sie sich einige Atemzüge lang schweigend, bis dann Blaisdell mit etwas heiser klingender Stimme sagt: „So sieht man sich wieder, McCoy.“ Dieser nickt nur stumm und betrachtet Blaisdell hart. Nein, sie mögen sich nicht, obwohl sie zur gleichen Gilde gehören. Jake Blaisdell ist ein hagerer, hellhäutiger Typ mit Sommersprossen und aschblonden Haaren. Seine schrägen Wolfsaugen sind fast farblos. Und ein rötlicher Sichelbart hängt ihm über die Winkel des hartlippigen Mundes, welcher zumeist fest geschlossen wie die Narbe eines Messerschnittes wirkt. „Der Hund hat es nicht anders verdient“, spricht Blaisdell schließlich weiter. Wieder nickt McCoy nur schweigend. - 4 -
Dann aber fragt er ruhig: „Bist du allein oder hast du eine ganze Mannschaft angeworben, um diese Stinker zu beschützen? Wollt ihr einen Krieg anfangen mit den Rinderleuten dort unten am Fuß der Mesa?“ Blaisdell zuckt mit den hageren Schultern. „„ „Das liegt an den Rinderzüchtern“, spricht er dann. „Die Schafe jedenfalls können den Winter nicht hier oben verbringen. Sie müssen hinunter auf die Weiden des Basins. Ich denke, dies ist einfach zu begreifen und zu verstehen?“ Pat McCoy schüttelt ungläubig den Kopf. Dann fragt er: „Und ihr wisst, dass dies Krieg bedeutet? Wenn ihr da hinunter in das Tonto Basin zieht mit euren riesigen Schafherden, dann bekommt ihr Krach mit den Rinderzüchtern.“ Blaisdell zuckt mit den Schultern. „Davon leben wir, wir alle von unserer Gilde. Oder bist du vielleicht nicht zu den Rinderzüchtern unterwegs, um ihnen deinen Colt zu vermieten?“ Es ist eine lauernde Frage, und in Blaisdells fast farblos wirkenden Augen ist plötzlich ein Glitzern. Aber Pat McCoy schüttelt den Kopf. „Nein“, erwidert er, „ich vermiete meinen Colt nicht mehr. Damit bin ich fertig. Das ist vorbei.“ Blaisdells Augen werden schmal. „Wenn ich dich nicht besser kennen würde, McCoy, dann würde ich dir jetzt sagen, dass du ein verdammter Lügner bist. Warum also kommst du dann von der Bunten Wüste her über die Mogollon Mesa geritten?“ McCoy zögert ein wenig. Seine Hände kneten das Sattelhorn. Dann murmelt er: „Blaisdell, es müsste dir genügen, wenn ich dir sage, dass ich hier aus jedem Spiel
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draußen bin, was für ein Spiel es auch sein mag. Ich spiele nur noch mein eigenes Spiel.“ „Dann sag es mir doch. Was ist dabei, wenn wir offen miteinander reden, McCoy?“ Noch einmal überlegt dieser. Dann zuckt er wieder leicht mit den Achseln und erwidert: „Ich habe von El Capitan gehört. Er soll hier oben auf der Mogollon Mesa sein Revier haben auf hundert Meilen in der Runde. Ich will ihn mir einmal ansehen.“ „Und dann?“ Blaisdell schnappt die Frage mit einem deutlichen Beiklang von Misstrauen. „He, was dann?“ „Vielleicht fange ich ihn und mache ihn zum Stammvater meiner künftigen Pferdezucht. Du weißt ja, eine edle Pferdezucht braucht einen guten Hengst. Und er könnte der beste Hengst sein, den ich bekommen kann.“ Er will nach diesen Wort anreiten, sein Packtier mitziehen. Doch da kommt ein Reiter herangaloppiert. Blaisdell lässt ein leises Lachen hören und spricht dann belustigt: „McCoy, jetzt bekommst du Ärger. Der da ist einer der drei Thornes, Rip Thorne. Und der Hund gehört ihm. Es ist sein Hund.“ Der Reiter kam von der anderen Seite der Herde herüber, müsste sich erst einen Weg durch die plärrenden und blökenden Schafe bahnen. Nun reißt er bei dem winselnden Hund seinen Pinto auf der Hinterhand zurück, lässt ihn mit der Vorderhand sich aufbäumen und gleitet dabei aus dem Sattel. Er kniet bei dem Hund nieder, welcher ihm winselnd das Gesicht zu lecken versucht. Der Mann Rip Thorne, man nennt ihn auch Red Rip Thorne, weil sein Haar so herausfordernd leuchtet, ist ein geschmeidiger Bursche, einer von diesen verwegen und - 6 -
rücksichtslos auftretenden Revolverschwingern, die es ständig genießen, dass man sie fürchtet und ihnen aus dem Weg geht. Et untersucht die ziemlich böse Wunde, welche der Metallknaller der Peitsche auf der Stirn des Hundes hinterließ und jetzt böse schmerzt. Die beiden anderen Männer beobachten ihn, und McCoy wird sich darüber klar, dass zwischen diesem Rip Thorne und dem Hund eine echte Liebe besteht, so wie sie zwischen einem Mann und Hund überhaupt bestehen kann. Rip Thorne springt plötzlich geschmeidig auf und wendet sich den beiden Reitern zu. „Man hat es mir zugerufen“, spricht er heiser und mit einem Klang von kaum beherrschter Wildheit und Wut. „Jemand hat meinen Hund geschlagen. Verdammt, waren Sie das, Mister?“ McCoy wendet sich an Blaisdell. „Hört der auf dich, Blaisdell?“ So fragt er. „Wenn ja, dann halte ihn mir vorn Leib. Ich bin nicht scharf darauf ...“ „Der hört nicht auf mich, wenn es um seinen Hund geht“, unterbricht ihn Blaisdell. „Für den ist der Hund so etwas wie sein Bruder.“ Blaisdell spricht mit einem Klang von Spott oder gar Schadenfreude in der Stimme. Indes verharrt Rip Thorne breitbeinig neben dem immer noch winselnden Hund. So böse, wild und angriffslustig sich der große Hund vorhin auch verhielt, jetzt ist er ein Häufchen Elend. Doch so verhalten sich ja auch manchmal Menschen, wenn sie aus gutem Grund gehörig zurechtgestutzt wurden. „He, Sie werden mir jetzt Genugtuung geben müssen, wer Sie auch sind, Mister!“
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Rip Thorne stößt es böse und wild hervor. Er vibriert am ganzen Körper. Blaisdell aber sagt fast freundlich: „Rip, dies ist Pat McCoy. Der wird auch mit dir fertig, nicht nur mit“ deinem Beißer.“ „Das ist Duke, nicht Beißer. Er heißt Duke“, faucht Rip Thorne. „Und mir ist es völlig gleich wie jemand heißt, der meinen Hund geschlagen hat. Meinen Hund schlägt niemand ungestraft - niemand! He, kommen Sie herunter von Ihrem verdammten Gaul! Geben Sie mir Genugtuung. Wer meinen Hund schlägt, der schlägt mich! Herunter vom Gaul!“ Patrik McCoy seufzt bitter. Und er versucht es nochmals und spricht: „Freund, der Hund ging meinen Pferden an die Hinterfesseln. Ich konnte meine Tiere nicht anders schützen. Ihr Hund, den Sie Duke nennen, hatte die Lektion verdient.“ „Und nun sind Sie an der Reihe“, faucht Rip Thorne. „Wenn Sie jetzt nicht von Ihrem verdammten Gaul kommen, dann schieße ich Sie herunter!“ McCoy blickt auf Blaisdell. „Ist der nicht zu beruhigen, Blaisdell?“ Dieser zuckt mit den Schultern. „So sind die ThorneBrüder nun mal“, spricht er dann und wendet sich an Rip Thorne. „Rip, ich will dir etwas sagen. Hör mir gut zu. Der wird dich schaffen. Und weil er dann deine beiden Brüder auf seine Fährte hat, wird er auch diese schaffen. Dann gibt es euch nicht mehr auf dieser Erde. Also hör auf, Rip, dich in etwas hineinzusteigern. Hör auf!“ Aber Rip Thorne schüttelt den Kopf. Seine fast schulterlangen, roten Haare fliegen wild. „Wir Thornes kneifen nicht“, grollt er. „Ich zähle bis drei. Dann werde ich schießen.“ - 8 -
Da schwingt McCoy sich vom Pferd und tritt von den Tieren weg. Und Thorne ruft heiser: „Blaisdell, gib das Zeichen! Stoß einfach einen Ruf aus, und dann ziehen wir.“ Sie stehen sich nun gegenüber. Blaisdell wartet etwa zehn Sekunden. Dann stößt er ein „Jetzt!“ aus. Sie ziehen, aber Rip Thorne kann den Revolverlauf nicht mehr hochschwingen und die Mündung auf McCoy richten. Denn dessen Kugel trifft ihn auf das Brustbein. Und so schießt der wilde Red Rip Thorne vor sich in den Boden hinein, bevor er zuerst auf die Knie und dann nach vorn aufs Gesicht fällt. Die Schüsse verhallen über der plärrenden, blökenden, bähenden Schafherde . Und der Hund kriecht winselnd zu seinem Herren, hat seine eigene Not vergessen. Er beginnt Rip Thornes Nacken zu lecken. McCoy verharrt noch mit dem rauchenden Revolver in der Hand. Sein Blick richtet sich auf Blaisdell. Dieser zuckt wieder mit den Achseln und spricht dann: „Die Thornes lassen sich von niemand etwas sagen. Es sind Wilde. Jetzt wirst du auch noch seine Brüder töten müssen. Denn bald hast du sie auf der Fährte. Sie kommen weiter zurück mit anderen Schafherden. In zwei oder drei Tagen wissen sie Bescheid. Mit deiner Jagd auf El Capitan wird es wohl nichts werden.“ McCoy erwidert nichts. Er steckt den Revolver weg mit einer schnellen Bewegung, die fast wie ein Wegzaubern wirkt. Dann sitzt er auf und nimmt auch die Leine seines Packtiers mit. Erst dann fragt er: „Blaisdell, diese Schafherden ... Wem gehören die? Haben sich da viele Züchter zusammengetan oder ...“ - 9 -
„Sein Name ist Larrisburg, Stuart Larrisburg“, unterbricht ihn Blaisdell. „Und er will mit hundert tausend Schafen ein großes Stück von Arizona erobern. Er ist ein sehr mächtiger Mann, McCoy.“ Dieser erwidert nichts, sondern reitet an. Zurück bleiben Blaisdell, der ihm sehr nachdenklich nachsieht, der tote Rip Thorne und dessen winselnder Hund. Die Schafherde aber zieht bähend, plärrend und blökend weiter. Die Hirten - sie sind mexikanischer Abstammung oder Papago-Halbbluts - kümmern sich nur um die Herde. Für alles andere sind Männer wie Blaisdell oder die Thornes da. Als Patrik McCoy in seiner Senke verschwindet und so außer Sicht gerät, da murmelt Blaisdell: „Er ist immer noch so schnell wie früher. Hoffentlich ist er wirklich nur hier auf der Mogollon, um El Capitan zu jagen hoffentlich.“ * In Patrik McCoy ist eine tiefe Bitterkeit, und er fragt sich, ob sein Kampf mit einem der berüchtigten ThorneBrüder ein böses Omen sein könnte in Zusammenhang mit seinen Plänen und Absichten auf der gewaltigen Mogollon Mesa. McCoy will ein neues Leben beginnen und Pferdezüchter werden. Er möchte seiner Vergangenheit entrinnen. Und als er von dem sagenhaften Hengst El Capitan hörte, der auf der Mesa der King aller Pferde sein soll, da glaubte er, endlich ein neues Ziel zu haben. - 10 -
Keine Kämpfe mehr mit oder ohne Stern . Keine langen Fährten mehr. Nicht mehr ruhelos umherziehen, nie wieder seinen Revolver vermieten - wenn auch für redliche und schützenswerte Menschen. Er will einen festen Platz, ein ständiges Heim - und Frieden. Und weil man eine Pferdezucht, die irgendwann einmal berühmt werden soll, nicht ohne einen ganz besonderen Hengst aufbauen kann, will er sich den sagenhaften El Capitan fangen. Ein alter Pferdejäger hat ihn von diesem Hengst erzählt. Und nun, auf dem Weg zu El Capitan, musste er wegen eines dummen und gegen alles Fremde bösartigen Hundes einen Mann töten. Ist das mein Schicksal? McCoy fragt sich an dies an diesem Tag mehrmals - und auch in der Nacht noch, als er an seinem Campfeuer erwacht, um Holz nachzulegen, zu lauschen und seinen bösen Träumen zu entkommen. Ja, er schläft sehr schlecht in der kalt werdenden Nacht und erlebt immer wieder den Kampf. Doch er vermochte ihn nicht zu vermeiden. Er hatte gar keine andere Wahl. Was also wird ihm die Zukunft bringen? Er weiß es nicht, kann es nicht wissen. Und das ist wahrscheinlich gut so. Nur eins weiß er: Er wird sich allen Dingen stellen, mag da kommen, was wolle. Und er fragt sich in dieser Nacht, wann er den sagenhaften El Capitan wohl zu sehen bekommen wird. Er ist begierig darauf, aber zugleich weiß er, dass er Geduld haben und vielleicht viele Wochen suchen müssen wird. Es gibt viele Wildpferdherden auf der
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Mesa. Aber die wertvollste wird sicherlich die von El Capitan sein. Er kennt sich zu wenig aus in diesem Land, und so wird er wohl erst einmal hinunter von der um die viertausend Fuß hohen Mesa Mogollon in das mächtige Tonto-Becken reiten und sich dort in einem Dorf oder einer kleinen Stadt einen Scout suchen müssen. Und das kann nur ein Einheimischer sein, ein Mexikaner oder ein Halbblut. Und er muss Pferdeverstand haben, Wild pferdeverstand. Und auch ausrüsten muss er sich besser mit Reservepferden, Proviant und Lagergerät. Vielleicht wird er eine kleine Mannschaft anwerben müssen. Er macht sich am nächsten Morgen nach dem Frühstück wieder auf den Weg und findet einen kaum noch erkennbaren Pfad, von dem er hofft, dass er ihn aus den Fichtenwäldern durch die Schluchten abwärts in das mächtige Becken unter dem Tonto Rim führen wird. Das Hochplateau der Mesa Mogollon ist übersät von Nadelbergen, kegelförmigen Kratern erloschener Vul kane und vereinzelt stehenden Tafelbergen, welche sich oft an die tausend Fuß über die Hochebene emporrecken. Es gibt hier oben auch wunderschöne Täler, weite Grasgebieten und auch Fichtenwälder. Und wenn mehr als hunderttausend Schafe in dieses Hochland kommen, dann werden sie bis zum späten Herbst alle Wiesengebiete kahl gefressen haben. Was wird dann aus den vielen Wildpferden? Und was wird El Capitan dann machen? Dies fragt sich Pat McCoy, indes er dem verschlungenen Pfad nach Süden abwärts folgt. Manchmal bekommt er freie Sicht auf das TontoBecken unter dem Rim. Einmal hält er inne und nimmt - 12 -
das Fernglas. Ja, da kann er Rinder auf der Weide erkennen, viele Rinder. Und wenn die Schafe auf die Weide herunterkommen, um zu überwintern, dann wird der Krieg ausbrechen. Es kann gar nicht anders sein. Langsam reitet er an diesem Tag weiter. Vielleicht wird er am nächsten Abend unten sein und sich einem Ort nähern. * Der Weg am nächsten Morgen ist sehr viel weiter, als Pat McCoy ihn einen Tag zuvor abzuschätzen vermochte. Pat bleibt zwar auf dem kaum erkennbaren Pfad, aber dieser führt ihn auch wieder hinaus zum Rim, also dem Rand der gewaltigen Mogollon Mesa. Und von oben hat er dann stets den Blick hinunter ins Tonto-Becken wie in eine Meeresbucht von gewaltigen Ausmaßen. Zerklüftetes Gestein geht dort unten in Zedernhänge über, welche von mit Wald, gefüllten Schluchten durchfurcht werden. Hügel und Canyons wechseln miteinander ab. Und weiter im Süden beginnt das Grasland. Alles zusammen aber ist ein Bild von Ehrfurcht gebietender Wildheit. Der Pfad führt ihn also wieder hinauf zum Rim und dann an diesem entlang weiter nach Westen. Es gibt hier weniger steile Stellen nach unten, welche auf Terrassen enden. Es ist dann schon gegen Mittag - und er weiß immer noch nicht, wie er hinunter kommen kann und fragt sich,
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wie das die Schafherden bewältigen können -, als er ein Wunder zu sehen bekommt. Ja, er hält es für ein Wunder - oder für ein Omen und Zeichen des Schicksals. Niemals hätte er es zu hoffen gewagt. Er war innerlich darauf vorbereitet, nach diesem Hengst vielleicht wochenlang suchen zu müssen. Jetzt aber sieht er ihn. Ja, es kann nur El Capitan sein. Denn auf der ganzen Erde kann es nicht noch so einen Hengst geben. Die Wildpferdherde befindet sich etwa hundert Yards unter ihm auf einer gewaltigen Terrasse, in Luftlinie gut eine Viertelmeile entfernt. Es sind an die fünfzig Tiere, zumeist wunderschöne Stuten, einige Fohlen und wenige Junghengste. Die Herde grast ruhig und hat sich weit zerstreut. Und auf einer hügelartigen Erhöhung steht El Capitan, der schwarze Hengst, über den es schon viele Legenden gibt und von dem behauptet wird, dass er so schlau wie ein Apache wäre. McCoy nimmt sein Fernglas und betrachtet ihn mit angehaltenen Atem. Der Hengst ist makellos und bietet ein Bild von wunderschöner Wildheit. In der trockenen Luft und mit Hilfe des Glases, welches achtfach die Entfernung verkürzt, kann McCoy die kleinsten Einzelheiten an dem herrlichen Pferdekörper erkennen. Und in der Stille hier oben, kann er ihn schnauben hören. Und zugleich wendet El Capitan den Kopf und blickt schräg hinauf zu McCoy. Dieser weiß sofort, dass der Hengst instinktiv spürt, dass er beobachtet wird. Ja, er fing McCoys bewundernde Blicke wie eine körperliche Berührung auf - oder wie einen Windhauch.
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Einer Katze gleich wendet sich der Hengst nun ganz um, so dass er den Kopf mit dem Hals nicht mehr zu sehr herumdrehen muss. El Capitan blickt daraufhin geradewegs nach oben. Und es ist, als würden er und sein Betrachter über die Entfernung hinweg gegenseitig einen Kontakt herstellen. Patrick McCoy hört sich halblaut rufen: „Hoiii, El Capitan, da bin ich! Wir werden uns noch besser kennen lernen, denke ich! Ich will dich, ja, ich will dich wie einen guten Freund. Und ich werde dich wie einen Freund achten. Ich brauche dich, mein prächtiger Schwarzer! Wir müssen irgendwie zusammenkommen, so als wären wir füreinander bestimmt worden seit unserer Geburt. Es wird lange dauern, bis du das einsehen wirst. Aber ich will dich!“ Er kann dann mit dem Glas erkennen, wie der Hengst die Ohren spitzt und am ganzen Körper vibriert. Er hört ihn warnend schnauben. Dann aber steigt der Hengst mit der Vorderhand hoch und wiehert trompetenhaft. Dieses Wiehern ist wie ein Angriffssignal. Er schlägt mit den Hufen der Vorderhand in die Luft, als könnte er bis zu McCoy damit reichen und ihm den Schädel zertrümmern. Dann wirbelt er herum und beginnt seine Herde vor sich her in eine Schlucht zu treiben. Denn die Herde ist schon bei seinem ersten Schnauben sozusagen in Habachthaltung erstarrt. Sie alle - selbst die Fohlen witterten zu ihrem Herrscher hinauf. Und dann reagierten sie diszipliniert. Eine Kavallerieschwadron hätte nicht präziser reagieren können. Und bevor der Hengst als letztes Tier in die Schlucht verschwindet, da hält er noch einmal an, steigt mit der Vorderhand hoch, schlägt mit den Hufen in die Luft und - 15 -
lässt erneut sein trompetenhaftes Wiehern ertönen, ganz und gar wie eine Warnung. Patrik McCoy verharrt eine ganze Weile bewegungslos im Sattel. Seine beiden Tiere schnauben unruhig. Auch sie spüren etwas, das sich nur schwer beschreiben lässt. Aber gewiss war es eine animalische Warnung. Pat McCoy ist überzeugt, dass der Hengst gewisser maßen den Fehdehandschuh aufgenommen hat mit seinem Wiehern und dem Schlagen seiner Vorderhufe. Der Hengst hat etwas gespürt - vielleicht, dass ein besonderer Mann in sein Reich gekommen ist, ein Mensch, der ihm gefährlicher werden könnte als alle anderen zuvor, die versucht haben, ihn und seine Herde zu fangen. Es bestand plötzlich irgendwie eine geheimnisvolle und durch nichts zu erklärende Verbindung zwischen ihnen. McCoy atmet langsam aus. Er beugt sich etwas vor und klopft seinem Wallach den Hals. „Ja, das ist er, Amigo“, murmelt er. „Den werden wir jagen, um ihn fangen und zu unserem Freund machen zu können. Ob wir das schaffen ...“ Er verstummt leise, und er verspürt tief in seinem Kern ein Gefühl des Zweifels. Was da von diesem Hengst zu ihm herüberkam, macht ihn unsicher. Nun ahnt er, warum noch keiner der vielen Wildpferdjäger dieses Tier fangen konnte. Er begreift auch, warum es so viele Legenden gibt von El Capitan, als wäre dieser gar kein wirklich existierendes Wesen, sondern ein Geist. Und er hat ihn gleich in den ersten Tagen seiner Ankunft hier oben auf der Mogollon Mesa zu sehen bekommen. - 16 -
Das kann doch wohl kein Zufall sein oder einfach nur Glück? Er weiß ja, dass es immer wieder Menschen gibt, denen das Glück nur so nachläuft. Solche Menschen finden Gold- oder Silberminen, finden Geld und entkommen irgendwelchen Gefahren. Und wenn sie in Not geraten, gibt es für sie stets eine Rettung. Aber Patrik McCoy hat nie zu dieser Sorte gehört. Und deshalb glaubt er auch jetzt nicht, dass es Glück ist, El Capitan gleich gesehen und die erste Verbindung mit ihm hergestellt zu haben. Denn El Capitan kennt nun seine Stimme. McCoy ist sicher, dass der Hengst diese Stimme niemals vergessen wird. Er konnte zwar die Worte nicht verstehen, doch die Stimme in der Stille hier oben am Rim genau in sich aufnehmen. Und wenn der Hengst so schlau sein sollte wie ein Apache, dann müsste er am Klang dieser Stimme gehört haben, dass sie nicht feindlich klang, sondern eher werbend. Noch eine Weile verharrt Pat McCoy am Rand des Rims und lässt seinen Blick überallhin schweifen. Er versucht, sich dieses gewaltige Land einzuprägen und auch die Formationen der Schluchten, Canyons und Täler, der Hügelzüge und Bergspitzen zu begreifen. Denn er weiß, er wird in den nächsten Wochen - oder Monaten? - all die vielen Landmarken in seinem Kopf haben müssen, um stets zu wissen, wo er sich befindet. Und er braucht einen guten Scout, einen Mann, dem dieses Land keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Ein Tonto-Apache wäre gewiss richtig. Aber gibt es friedliche Tontos? Und wird es überhaupt möglich sein, selbst mit einer wirklich guten Mannschaft, in dem Land hier oben auf der Mogollon Mesa den Wunderhengst zu fangen? - 17 -
Er denkt plötzlich wieder an die Schafherden und an den verrückten Revolverschwinger, den er töten müsste und dessen Brüder er gewiss bald auf der Fährte haben wird. Und der Besitzer der riesigen Schafherden, die zu dieser günstigen Jahreszeit noch durch die Bunte Wüste die Painted Desert - wandern konnten und so auf die Mogollon Mesa gelangten, dieser Besitzer heißt Stuart Larrisburg. Er ist ein mächtiger und harter Mann, der den Ehrgeiz hat, überall den Rinderzüchtern mit riesigen Schafherden die Weide streitig zu machen und dazu mehrere Revolvermannschaften reiten lässt. Ja, es wird Krieg geben. Die Schafe können zu dieser Jahreszeit nicht durch die Painted Desert zurück. Dort, wo sie herkommen, ist nun alles trocken. Die Herden würden verdursten. Und hier auf der Mesa können sie nicht überwintern. Sie müssen hinunter ins Tonto Basin und den Rindern dort die Weide streitig machen. Kein Rind frisst Gras, wo Schafe ihren Kot hinterlassen haben. Es wird also einen schrecklichen Krieg geben mit vielen Töten. Und er - Patrik McCoy - will mittendrin einen Wunder-hengst jagen und fangen. Kann das gut gehen? Ja, er verspürt Zweifel und ein Gefühl der Heraus forderung zugleich. * Es ist drei Tage später, als er im Tonto Basin nach Fellow Lodge kommt, einem kleinen Ort im Rinderland. - 18 -
Es ist schon fast Abend, und vor dem Cattlemen Saloon stehen bereits mehr als ein Dutzend Sattelpferde, denen er unschwer ansehen kann, dass es Rinderpferde mit Texassätteln sind. Letzteres erkennt man an den Sattelhörnern und an den doppelten Bauchgurten. Denn wenn ein ausgewachsenes Rind am Wurfseil zieht, müssen die Sättel eine Menge aushalten, besonders dann, wenn das Seil ums Sattelhorn rutscht. Er hält an und sitzt ab. Seine beiden Tiere stecken ihre Nase sofort in den Wassertrog an der Haltestange. Er aber geht hinein. Denn in einem fremden Ort erfährt man zumeist in einem Saloon alles, was wichtig ist. Als er an den Schanktisch tritt, muss er bis zu dessen rechten Ende ausweichen. Denn an dem Tisch lehnen oder lümmeln eine Reihe von Weidereitern. Es muss sich um eine Mannschaft handeln, welche unterwegs ist und hier mal eben einkehrte auf einen Drink. Sie alle wenden sich ihm zu oder betrachten ihn im Spiegel, der hinter dem Barmann an der Wand hängt. Rechts und links neben dem Spiegel hängen Ölbilder von Pferden, Hengsten wahrscheinlich. Der Barmann - wahrscheinlich ist er auch der Wirt und Besitzer - kommt zu ihm ans Barende und fragt: „Bier oder Brandy?“ „Beides“, erwidert McCoy. Aber dann sagt einer der Weidereiter, wahrscheinlich ist er der Vormann oder Boss dieser Mannschaft: „Moment, Sharkey, Moment noch!“ Der Wirt verharrt tatsächlich und betrachtet McCoy neugierig. Einer der Cowboys stößt sich von der Bar ab und geht hinaus. Ein anderer aber kommt zu McCoy, tritt ganz - 19 -
dicht an diesen heran und schnüffelt fast wie ein Hund an ihm - ja, es ist ein Schnüffeln. McCoy verharrt bewegungslos. Der Cowboy tritt zurück und sagt laut genug, so dass alle hören können: „Er stinkt nicht nach Schafen.“ Und von draußen kommt der andere Cowboy herein und schüttelt stumm den Kopf. „Jetzt bekommen Sie Ihre Drinks, Fremder.“ Der bullige Wirt grinst und beginnt die Gläser zu füllen. Der Mann, welcher offensichtlich das Sagen hat, stößt sich vom Schanktisch ab und kommt mit seinem Glas in der Hand zu McCoy. Er ist groß, hager, blond und blauäugig, mit einem schweren Colt unter der linken Hüfte, ein Bild von einem Mann, ein typischer AngloTexaner. Und das hört man auch an seiner Sprechweise, als er ruhig fragt: „Fremder, woher kommen Sie?“ „Vom Rim herunter“, erwidert McCoy. „Und wer sind Sie, Mister? Wem gebe ich Antwort auf seine Fragen?“ Der blonde Texaner zeigt unter seinem Sichelbart blinkende Zahnreihen. Dann erwidert er: „Ich bin Lonnegan, Bac Lonnegan. Mir gehört die Lim-Kreis. Es ist eine Rinderranch. Haben Sie dort oben Schafe gesehen, Mister?“ „McCoy ist mein Name. Ja, ich sah viele Schafe, mehr als zehntausend. Und ich sprach auch mit einem der Revolvermänner, welche die Schafe und deren Hirten beschützen. Ich hörte, dass noch mehr Schafherden von der Bunten Wüste her unterwegs sein sollen. Alle Herden gehören einem gewissen Stuart Larrisburg. Ich fragte den Revolvermann auch, wohin sie mit den Schelfen wollten. Er sagte mir, dass die Tiere auf der Mogollon Mesa gewiss nicht überwintern könnten und sie deshalb hinunter müssten ins Tonto Basin. Und als er das gesagt - 20 -
hatte, fragte ich ihn, ob er sich darüber klar sei, dass dies zu einem Krieg führen müsste. Er sagte mir, dass dies gewiss der Fall sei. Ich denke mir, Mister Lonnegan, dass ich Ihnen ausführlich mehr als nur eine Frage beantwortet habe und Sie das honorieren. Denn ich bin fremd hier und will wieder hinauf zur Mogollon Mesa. Ich brauche einen guten Pferdejäger und Scout, will mich hier ausrüsten und noch zwei oder drei Helfer anwerben. Denn ich will El Capitan fangen. Mister Lonnegan, ich habe alle Karten auf den Tisch gelegt. Und ich bin weder ein Rindermann noch ein Schafzüchterbeschützer. Ich bin neutral. Ich will den Hengst, sonst nichts.“ Als McCoy verstummt, bleibt es lange still. Aber Lonnegan starrt eine Weile fest in McCoys Augen. Doch dieser hält seinem Blick stand. Und da murmelt Lonnegan „Viel Glück, Pferdejäger Wir werden ja sehen.“ Er leert das Glas und stellt es hart auf den Schanktisch Dann klirrt seine Stimme „Also los, Jungs, wir reiten weiter’“ Sporenklirrend geht er hinaus, und seine Reiter folgen ihm wie die Ritter einem König McCoy aber wendet sich an den Wirt „Können Sie mir helfen? Sie haben ja zugehört.“ Der bullige Wirt zögert „Sie sind verdammt fremd hier“, murmelt er dann „Und ich denke, Sie sind weder ein Rindermann noch ein Pferdejäger Das hat auch Bac Lonnegan gewiss an Ihnen erkannt. Ihr Glück, dass Sie nicht nach Schafen stinken. Ich denke, Sie sind ein Revolvermann Ich bin zu erfahren, um mich nicht zu täuschen.“ Er macht eine Pause, wischt mit seinem Lappen auf dem Schanktisch herum. McCoy betrachtet den - 21 -
Handrücken des Mannes, und da kann er erkennen, dass sich dieser bei Preiskämpfen mehrmals die Handknochen gebrochen haben muss, die dann schlecht zusammen wuchsen. Wahrscheinlich musste er deshalb seine Karriere als Preiskämpfer aufgeben. Bei jedem harten Schlag waren ihm die Knochen immer wieder gebrochen. McCoy sieht auch an den zerschlagenen Ohren und den Narben im Gesicht des Wirtes all die Zeichen eines Preiskämpfers. Denn man kämpft ja am Mississippi und in den großen Städten des Ostens noch ohne Handschuhe. Der Wirt spricht plötzlich mit grimmiger Bitterkeit „Es werden noch mehr Männer Ihrer Gilde in dieses Land kommen, Revolvermänner und Revolverschwinger Und die schlimmsten Burschen sind die ruhmsüchtigen Revolverhelden. Ihr werdet euch vermieten an die beiden Parteien. Ja, es wird einen Krieg geben.“ Er verstummt mit einem Klang von Feindschaft in der Stimme. „Und was ist“, murmelt McCoy, „wenn ich wirklich unparteiisch bin und nur El Capitan jagen will, nichts anderes?“ Der Wirt zuckt die massigen Schultern „In diesem Land wird es bald keine Neutralen mehr geben können“, spricht er dann „Jeder wird Partei ergreifen müssen - auch Sie. Aber gut, ich will Ihnen einen Rat geben. Reiten Sie fünf Meilen nach Südwesten. Ein kleiner Weg biegt zwei Meilen von hier in diese Richtung ab. Er führt zu Jane Howell. Sie führt die Pferderanch ihres Mannes weiter. Ja, sie ist Witwe. Und sie beschäftigt einige Mexikaner oder Halbbluts mit Pferdeverstand, die auf der Mogollon Mesa schon mit ihrem Mann Pferde jagten. Ausrüsten können Sie sich hier bei uns im unserem Generalstore. Aber Pferde für - 22 -
die Jagd und auch Reiter können Sie nur bei Jane Howell bekommen. Nur dort finden Sie vielleicht, was Sie suchen.“ „Danke“, erwidert McCoy, legt einen halben Dollar auf die Tischplatte und geht hinaus. Und weil der Wirt ihm aufmerksam nachsieht, wird dieser sich jetzt erst bewusst, dass McCoy keine Sporen trägt. Es ist nun dunkel geworden draußen. Der Wirt hat schon vor einer halben Stunde die Lampen angezündet. Und so geschah es auch in allen anderen Häusern. Als McCoy im Sattel sitzt, zögert er ein wenig. Denn es stellt sich ja für ihn die Frage, ob er im Fellow Lodge bleiben oder noch in der beginnenden Nacht weiter nach der Howell-Pferderanch reiten soll. Er entschließt sich zum Weiterreiten und denkt. Wenn ich dort nicht willkommen bin, kann ich immer noch unter freiem Himmel campieren wie die letzten Nächte. Es kommt mir auf eine Nacht mehr auch nicht an. Er reitet also mit seinem Packpferd aus dem kleinen Ort. Und er verspürt eine gewisse Neugierde auf diese Jane Howell. Es soll sich also um eine Witwe handeln, die nach dem Tod ihres Mannes die Pferderanch weiter im Gang hält. Also muss sie eine energische Frau mit Pferdeverstand sein. Ist sie jung oder alt? Er hat den Wirt nicht danach gefragt. Nun aber verspürt er Neugierde. Es wird eine helle Nacht mit einem vollen Mond und unzähligen Sternen. Er bleibt die zwei Meilen auf dem Wagenweg nach Süden und biegt dann nach rechts auf einen schmalen Weg ab. Dann und wann halt er an und lauscht in die Kunde. - 23 -
Wenn er zurückblickt nach Norden, da sieht er noch die Lichter von Fellow Lodge, aber weiter weg erheben sich die steilen Hänge der Mogollon Mesa. Mond- und Sternenlicht liegt dort oben. Doch in den abwärtsführenden Canyons und tiefen Furchen der engen Schluchten ist alles dunkel. Manchmal, wenn er anhält, hört oder sieht McCoy da und dort kleine Rinderrudel. Und dann brüllt ein mächtiger Stier ganz in der Nähe, als wurde er in McCoy einen Nebenbuhler wittern. McCoy reitet weiter und spürt in der zunehmenden Nachtkühle immer stärker die Düfte des Landes. Es ist der Geruch der Fichten und Zedern, der Erde, des Grases. Und alles kommt ihm so rein und sauber vor, so einfach und klar. Ich bin im Tonto Basin, denkt er manchmal. Was für ein Land! Und dann hält er wieder an und blickt zurück und hinauf zum Rim, der sich hinter ihm wie eine gewaltige Mauer im leichten Bogen gen Himmel erhebt. Es kommt ihm etwas unwirklich vor, dass er vor zwei Tagen noch dort oben war auf dem gewaltigen Plateau der Mesa Mogollon. Es war ein sehr, sehr langer Weg, ein langes Reiten durch die Bunte Wüste bis zum Rim, von dem aus er dann ins Tonto-Becken blicken konnte. Und dann sah er auch noch den sagenhaften El Capitan, von dem er bis dahin nur gehört hat. McCoy reitet weiter und bekommt schließlich die Lichter der Howell-Ranch zu sehen. Diese liegt offensichtlich - das ist in der hellen Nacht gut zu erkennen - in einem nach Nordosten offenen, kleinen Tal, dessen Hange mit Wald bewachsen sind. Der schmale - 24 -
Weg, der nur von Radfurchen und Hufen geprägt wurde, fuhrt darauf zu. Wenig später reitet er in den Hof, und zuvor passierte er einige Weidekoppeln und Corrals. Es gibt einige Schuppen und Scheunen. Rechts vom Haupthaus - es besitzt gewiss außer der Küche nur vier Räume - steht das Bunkhouse der Reiter. Aber auch dieses Schlafhaus ist klein und kann gewiss nicht mehr als ein halbes Dutzend Reiter aufnehmen. Bei dem Bunkhouse lehnen drei Gestalten außerhalb der herausfallenden Lichtbahn an der Wand. Und vor der Veranda des Haupthauses stehen ein leichter Wagen und zwei Sattelpferde. Auf der Veranda aber erkennt er zwei Männer, die an den Stutzbalken des Daches lehnen. Beide rauchen sie Zigaretten. Als McCoy dicht heranreitet, schnippt einer der beiden Männer die Zigarettenkippe dicht vor die Hufe von McCoys Wallach. Es ist wie eine wortlose Warnung, nur nicht zu dicht an die Verandatreppe zu kommen. McCoy halt inne mit seinen beiden Tieren. „Ich möchte zur Mrs Jane Howell“, spricht er ruhig. „Wir aber möchten das nicht“, spricht einer der Männer. „Denn Mrs Howell will nicht gestört werden Ver-schwinden Sie, Mann, wer Sie auch sein mögen. Hau’n Sie ab!“ McCoy zögert. Und er will schon die Zügel heben und seinen Wallach herumreißen. Doch dann spricht er ganz ruhig und fast freundlich: „Das sollte mir Mrs Howell selbst sagen. Vielleicht sind Sie, mein Freund, gar nicht von ihr autorisiert dazu. Also, ich möchte immer noch zu Mrs Howell. Gehen Sie hinein, und sagen Sie ihr das. Denn ich will Pferde kaufen.“ „Ich werde Ihnen Beine machen“, spricht der Mann auf der Veranda hart. Er und der andere Mann bewegen - 25 -
sich nun. Sie lehnen nicht mehr lässig an den Stutzbalken, sondern treten bis zum Rand der Veranda. Nun sind sie im Mond- und Sternenschein für McCoy besser zu erkennen, und dieser schätzt sie als Revolverschwinger ein. Wahrscheinlich sind sie die Begleiter eines Mannes, der mit dem leichten Wagen kam und sich drinnen bei der Frau befindet. McCoy wirft einen Blick zum Bunkhouse hinüber, an dessen Wand die drei Gestalten lehnen. Aber es sind wahrscheinlich nur Zureiter, Pferdepfleger und Ranchhelfer mexikanischer Abstammung, die sich nicht einzumischen wagen. Denn da drinnen im Haus gibt es Ärger. Das ist jetzt unverkennbar. McCoy hört eine Frauenstimme hart und spröde rufen: „Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen, Mister Stafford? Ich verkaufe nicht! Auf keinen Fall, selbst wenn Sie noch mehr bieten. Ich verkaufe nicht. Und nun gehen Sie! Ich will Sie hier nicht noch einmal sehen. Gehen Sie!“ Aber eine tiefe, kehlige Männerstimme lacht schallend zu den Worten der Frau da drinnen und spricht dann hart: „Schöne Jane Howell, ich glaube fast, Sie sind zu dumm, um Ihre Situation begreifen zu können.“ Der Wortwechsel drinnen wird wieder leiser geführt. Aber McCoy hätte ohnehin nicht länger lauschen können. Denn die beiden Revolverschwinger entschließen sich in diesem Moment zum Handeln. „Verdammt, jetzt machen wir dir Beine!“, ruft einer von ihnen. Und der andere zischt böse: „Hau ab!“ Sie schnappen nach ihren Revolvern. Vielleicht soll das nur eine drohende Gebärde und Abschreckung sein.
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Doch es ist das Falscheste, was sie bei einem Mann wie McCoy machen konnten. Dieser hat plötzlich seine Waffe in der Faust und schießt auch schon. Es sind zwei blitzschnelle Schnapp schüsse, und er muss nur zweimal schießen, um die beiden Kerle außer Gefecht zu setzen. Sie müssen ihre Revolver fallen lassen und taumeln getroffen auf der Veranda rückwärts, bis die Hauswand sie aufhält. Einer rutscht daran mit seinem Rücken nieder bis in die Hocke. Der andere hält sich noch auf den Beinen und drückt seine Hand gegen die Schulter, wo die Wunde nun höllisch zu schmerzen beginnt. Stöhnend fragt er: „Wie, wie hast du das gemacht, du verdammter Hurensohn?“ Und der andere knirscht mühsam: „Das ist ein Großer. Johnny, den haben wir unterschätzt. Der hat uns gefressen, verdammt!“ McCoy gibt ihnen keine Antwort. Er bleibt auf seinem Wallach sitzen, der sich bei den Schüssen nicht bewegte, weil er ein ehemaliges Kriegspferd ist, gewöhnt an das Krachen von Waffen jeder Art. Nur das Packtier schnaubte etwas nervös. Aus dem Haus aber brüllt die tief e Stimme: „He, was ist da draußen los? Slater! Jenkins, was ist da draußen los?“ Aber sie geben ihm keine Antwort. Sie sind zu sehr mit ihrer Not beschäftigt, denn sie sind beide böse angeschossen und verlieren Blut. Es rinnt ihnen aus den Schulterwunden und macht ihnen eine Menge Sorgen. McCoy gleitet aus dem Sattel. Mit dem Revolver in der Faust überquert er die Veranda und tritt ein. Mit einem einzigen Blick erfasst er die Situation. Er sieht einen kleinen, schmächtigen Mann, eigentlich ein Würmchen von einem Mann. Aber diesem äußerlich - 27 -
so unscheinbaren Burschen gehört die tiefe, sonore und manchmal kehlige Stimme, die man einem Riesen oder einem schwergewichtigen Dicken eher zutrauen würde, wenn man sie nur hört und ihren Besitzer nicht sieht. Es ist so, als wenn ein kleiner Pintscher wie eine Bulldogge bellen würde. Doch das gehört nun mal zu den Launen der Schöpfung. Dem Mann steht eine Frau gegenüber. Es ist eine mehr als nur hübsche Frau, eine von der Sorte, die man als herbe Schönheit bezeichnet. Sie ist etwa mittelgroß, mag etwas mehr als sechzig Kilo wiegen, eine Frau mit rabenschwarzen Augen und leuchtend blauen Augen, die jetzt im Lampenschein fast grün leuchten. Ihr Mund ist herb geschlossen. Und ihr Blick richtet sich ein wenig staunend auf McCoy. Dieser sagt trocken: „Stafford heißen Sie, wie ich hörte? Nun gut, die Lady will Sie hier nicht mehr haben. Wie ich hörte, ist sie auch nicht an einem Verkauf interessiert. Ihre beiden Revolverschwinger habe ich angeschossen. Sie sollten die beiden Dummköpfe schleunigst zum nächsten Doc schaffen. Sonst laufen sie aus. Also vorwärts, die Lady hat Ihnen ihr Haus verboten. Raus hier!“ Das kleine Männlein zittert nun am ganzen Körper. Und so unscheinbar er auf den ersten Blick auch wirkt, man sieht ihm jetzt an, dass er auf eine bestimmte Art gewiss gefährlich ist, Macht besitzt, ein Boss ist, ein Mann also, der Befehle erteilt und seine Ziele niemals aufgibt. „Ja, mein Name ist Stafford“, murmelt er. „Und wer sind Sie, Revolvermann? Was für einen Kriegsnamen besitzen Sie? Denn Sie müssen ein Großer sein.“ - 28 -
Aber McCoy geht nicht darauf ein. „Ihre beiden Revolverschwinger verlieren Blut“, spricht er trocken. Da geht der kleine Mann wortlos hinaus. McCoy folgt ihm, und er hilft ihm dann sogar, als es darum geht, die beiden stöhnenden Angeschossenen in den Wagen zu bekommen. Er bindet auch die beiden Sattelpferde hinten an. Dann sieht er ihnen nach. Vom Bunkhouse kommen nun die drei Ranchhelfer herüber. Sie sind unbewaffnet. Ja, es sind kleine Männer mexikanischer oder indianischer Abstammung. Einer könnte ein halber Tonto-Apache sein. Im herausfallenden Lichtschein betrachten sie McCoy. Dann sagt einer ernst: „Senor, die Patrona hatte uns verboten, ihr beizustehen.“ „Das war wohl auch richtig so, Hombres“, nickt McCoy. „Die Pistoleros hätten euch sonst getötet.“ „Ja, das hätten sie wahrhaftig“, spricht die Stimme der jungen Frau von der Veranda. Doch dann stellt sie spröde die Frage: „Mister, warum haben Sie mir geholfen? Hat Bac Lonnegan Sie geschickt?“ „Nein“, erwidert er. „Mich hat der Wirt vom Fellow Saloon hergeschickt. Denn ich will einige gute Pferde für die Wildpferdjagd kaufen. Auch möchte ich einige Helfer anwerben. Könnten wir ins Geschäft kommen, Lady?“ Sie zögert eine Weile, verharrt bewegungslos mitten auf der Veranda, lässt ihn noch warten. Doch dann nickt sie und spricht: „Kommen Sie herein. Zumindest bin ich Ihnen ein Abendessen schuldig. Wo wollen Sie denn Pferdejagen, doch nicht oben auf der Mesa?“ „Doch“, erwidert er. „Ich habe El Capitan gesehen. Nun will ich ihn haben. Und weil ich fremd in diesem
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Land bin, brauche ich Hilfe, für die ich zahlen kann. Mein Name ist McCoy, Patrik McCoy.“, Sie nickt. Dann spricht sie zu ihren Helfern: „Versorgt seine Tiere. Er wird hier im Haus schlafen - nicht bei euch im Bunkhouse.“ „Si, Patrona“, erwidert einer. Und dann folgt McCoy der Frau ins Haus. Drinnen inmitten der Wohnküche hält sie inne, wendet sich und sieht ihn im Lampenschein fest an. Er hält dem Blick ihrer Augen stand, und er spürt, wie ihr Instinkt an ihm tastet. Nach einer Weile nickt sie. „McCoy?“ So fragt sie. „Haben Sie auch noch einen anderen Namen? Ich möchte wetten, dass Sie noch niemals Wildpferde gejagt haben.“ „Aber ich will El Capitan“, erwidert er. „Wer war dieser Wicht?“ „Ein Anwalt aus Payson“, erwidert sie. „Er ist überall unterwegs, um alles auszukaufen, was sich kaufen lässt. Und er droht stets unmissverständlich, wenn jemand sein Angebot ablehnt. Er ist ein Mann der Schafzüchter. Sie wollen ins Tonto-Becken und benötigen hier Landbesitz. Das würde ihnen Aufenthaltsansprüche sichern. So ist das nun mal.“ Als sie verstummt, betrachten sie sich immer noch fest. Er verspürt ständig ihr vorsichtiges Forschen. „Sie haben für mich gekämpft“, spricht sie dann. „Die beiden Begleiter, welche Stafford vorerst noch draußen warten ließ, hätte er bald hereingerufen. Er ist äußerlich nur ein Wicht, aber in Wirklichkeit ein harter Mann, der über Leichen geht. Auch eine Giftviper kann unscheinbar wirken und dennoch tödlich sein. Ich wollte eben das Abendbrot zubereiten, als Stafford kam. Nun müssen Sie - 30 -
ein wenig warten. Ich koche auch für meine drei Helfer. Wir essen im Küchenanbau. Dort können Sie auf der Bank schlafen.“ Er nickt langsam. „Ich hole meine Sattelrolle und die Satteltaschen“, murmelt er. „Ich werde mich beim Brunnen waschen und ein frisches Hemd anziehen. Ich habe noch ein sauberes Hemd, so als hätte ich irgendwie geahnt, dass mich mal eine schöne Frau zum Essen einladen würde.“ Er verstummt lächelnd. Sie lächelt zurück und spricht dann: „Ich bin keine schöne Frau. Aber Sie sind offenbar ein Süßholzraspler.“ Er schüttelt stumm den Kopf und wendet sich zur Tür. Dann aber hält er inne und blickt über die Schulter zurück. „Doch, für mich sind Sie eine schöne Frau“, spricht er mit ruhiger Überzeugung. „Und wenn das so ist, warum sollte ich es nicht sagen.“ Er will nun endgültig hinaus. Doch da sagt sie: „Haben Sie wirklich keinen Namen als Revolvermann? Ja, ich halte Sie für einen Mann dieser Gilde. Sie sind Texaner. Und Sie tragen keine Sporen. Letzteres gefällt mir. Aber dafür tragen Sie Ihren Colt auf besondere Art. Auch mein Mann war einer von Ihrer Gilde. Deshalb kenne ich mich aus.“ „Und warum ist er tot und sind Sie Witwe?“ Er fragt es geradezu. „Das ist eine lange Geschichte“, erwidert sie spröde. Damit wendet sie sich dem Herd zu und kehrt ihm den Rücken. Er geht hinaus. Die Helfer der Pferderanch haben seine Sattelrolle und die Satteltaschen auf der Veranda zurückgelassen und beschäftigen sich mit seinen Tieren. Dort im Schuppen wird auch die Packlast seines - 31 -
Packtieres liegen. Er holt sein Waschzeug aus einer der Satteltaschen und rollt dann die Sattelrolle auf und findet dort das noch saubere, aber ziemlich zerdrückte Hemd. Als er sich gewaschen hat und sich das Hemd überzieht, da nähern sich die drei Helfer der Ranch. Es sind kleine, drahtige, zähe Burschen. Sie geben sich sehr zurückhaltend und bescheiden. „Senor“, spricht einer, „halten Sie uns nicht für Feiglinge. Aber die Patrona hatte uns verboten ...“ „Ich weiß“, unterbricht ihn McCoy. „Ihr sagtet es vorhin schon. Ihr hättet ihr nicht helfen können. Sie muss euch sehr mögen und wollte deshalb nicht, dass diese Pistoleros euch erschießen.“ Sie schweigen bedrückt. Dann hören sie alle die Stimme der Rancherin rufen: „Kommt zum Abendessen!“ Sie treten durch die Tür des Küchenanbaus. Hier ist ein kleiner Speiseraum mit einem langen Tisch, zwei Bänken und einer Schlafbank an der Wand. In einem großen Kasten liegt gewiss Bettzeug. Dieser Raum dient offenbar auch als Gastzimmer. Sie setzen sich. Jane Howell sagt: „Mister McCoy, dies sind Paco, Juan und Pedro. Sie waren schon hier, als mein Mann noch lebte. Ohne sie hätte ich die Pferderanch nicht weiter in Gang halten können. Und sie machten auch schon Jagd auf El Capitan mit meinem Mann. Mister McCoy, Sie erinnern mich an meinen Mann. Sie könnten ein Bruder von ihm sein - äußerlich.“ „Nennen Sie mich einfach nur Pat“, erwidert er. Dann beginnen sie zu essen. Erst nach einer Weile murmelt sie: „Dann nennen Sie mich einfach nur Jane. Ich bin in Ihrer Schuld.“
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„Nein“, widerspricht er. „Ich bin Texaner, und in Texas beschützt man Frauen, weil sie das Wertvollste sind, was das Land besitzt. Früher sagte man, dass Texas ein Paradies sei für Männer und Hunde und die Hölle für Frauen und Ochsen. Deshalb verehren Texaner ihre Frauen und beschützen sie. Und deshalb sind Sie nicht in meiner Schuld.“ Sie essen schweigend weiter. Dann aber hören sie draußen Huf schlag. Es ist ein einzelner Reiter. Er kommt zuletzt im Schritt herangeritten und ruft: „Ich bin es, Bac Lonnegan!“ Wenig später tritt er in den Speiseraum ein, groß, sehnig, blond, blauäugig, ganz und gar der typische Anglo-Texaner, dessen Vorfahren einwanderten, als Texas noch zu Mexiko gehörte und die dann bei Alamo kämpften und Texas zu einer selbständigen und stolzen Republik machten. Sein erster Blick richtet sich auf Jane Howell, sein zweiter aber auf McCoy. Und erst dann spricht er: „Ich wollte nach dem Rechten sehen, Jane. Ich ritt mit meiner Mannschaft bei den Bennets vorbei und hörte dort, dass dieser Stafford wieder mit zwei Revolverschwingern unterwegs ist und Druck ausübt. War er auch hier? Dieser Wurm besucht stets nur die kleinen Rancher. Hat er auch hier Druck gemacht, Jane?“ „Er hat es versucht, Bac, ja, er hat es versucht. Aber dann kam Mister McCoy. Es gab eine Schießerei. Stafford musste seine beiden Revolverschwinger mit seinem Wagen wegschaffen. Sie konnten nicht mehr reiten.“ Als Bac Lonnegan dies hört, richtet er den Blick wieder fest auf McCoy und murmelt schließlich: „McCoy, Sie machen sich beliebt im Rinderland.“ - 33 -
„Was hätten Sie denn an meiner Stelle getan, Lonnegan?“, fragt McCoy. Und dann setzt er noch hinzu: „Wir sind beide Texaner, nicht wahr?“ Lonnegan erwidert nichts. Und Jane Howell spricht ruhig: „Setz dich, Bac. Du siehst hungrig aus. Wo ist deine Mannschaft?“ „Die wird jetzt schon auf der Ranch sein“, erwidert er, nimmt Platz und beginnt, sich seinen Teller zu füllen. Es gibt eine ziemlich scharf gewürzte Bohnensuppe und frisches Fladenbrot dazu. In der Suppe sind Rauchfleischwürfel. Eine Weile essen sie schweigend. Dann spricht Bac Lonnegan mit einem Klang von Nachsicht in der Stimme: „Er will El Capitan fangen. Wahrscheinlich hat ihn der Wirt vom Fellow Saloon zu dir geschickt. Wirst du ihm helfen, Jane?“ Als er die Frage stellt, ist ein merkwürdig lauernder Klang in seiner Stimme und sein Blick ist forschend auf Jane Howell gerichtet, so als wollte er spüren, was tief in dieser Frau vorgeht und was für Gefühle sie spürt. Aber Jane Howell erwidert seinen Blick nicht. Sie blickt in ihren Teller. Die drei Helfer der Ranch aber halten mit dem Essen inne. Es ist, als warteten sie auf etwas. Auch McCoy hält inne und blickt auf Lonnegan. Dieser zögert tatsächlich und fragt nochmals: „Wirst du ihm helfen, Jane?“ Da richtet Jane Howell ihren Blick fest auf McCoy und spricht mit klirrender Stimme langsam Wort für Wort: „El Capitan hat vor mehr als einem Jahr meinen Mann getötet. Er ist ein Killerhengst. Er hat einen Menschen getötet, vielleicht sogar noch andere. Alle Pferdejäger haben längst aufgegeben, ihn fangen zu können. Und wenn ich genug Geld hätte, würde ich - 34 -
tausend Dollar als Abschussprämie auf ihn aussetzen. Mister McCoy, vielleicht wird er auch Sie töten. Und dennoch will ich Ihnen helfen.“ Sie richtet den Blick auf ihre drei Helfer und spricht: „Paco, du reitest morgen zu Benito Valdes und bittest ihn, herzukommen. Und er soll auch Colorado mit bringen.“ „Si, Patrona.“ Paco nickt eifrig. „Sie werden beide kommen. Sie brennen darauf.“ Sie sieht nun McCoy an. „Benito Valdes ist der beste Pferdejäger im Land. Colorado steht ihm nicht viel nach. Beide kosten zusammen vier Dollar pro Tag und Nacht. Auch ich und Paco werden mitkommen, aber wir machen es umsonst.“ „Gut.“ Pat McCoy nickt. „So ähnlich habe ich es erhofft. Und vielleicht gestatten Sie mir eine Frage. Warum und wie hat El Capitan Ihren Mann getötet?“ „Sie hatten ihn gefangen. Mein Bill wollte ihn zureiten. Aber El Capitan warf ihn ab und zerstampfte ihn mit den Hufen.“ Sie verstummt fast tonlos. Aber Bac Lonnegans Stimme klingt hart und metallisch, als er fragt: „Wie denken Sie darüber, McCoy?“ Dieser hebt die Schultern, lässt sie etwas ratlos sinken. Dann aber sucht sein Blick den von Jane Howell. Und er erkennt in ihren grünblauen Augen tatsächlich eine heiße Frage. Sie spricht plötzlich hart. „Antworten Sie ehrlich.“ Er nimmt sich Zeit, denkt erst nach, so wie er es stets tut, bevor er auf schwere Fragen antwortet. Sie alle sehen ihn an, warten auf seine Antwort.
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Und da spricht er langsam Wort für Wort: „El Capitan hat ein Recht dazu, um seine Freiheit zu kämpfen. Jedes Lebewesen auf dieser Erde besitzt dieses Recht. El Capitan wäre ein böses Ungeheuer, würde er von sich aus ohne Not angreifen und aus Mordlust töten. Aber so war das ja wohl nicht. Er hat offenbar um seine Freiheit gekämpft. Ich würde ihn niemals einzubrechen versuchen, nicht mit Gewalt. Ich würde mir seine Freundschaft zu erwerben versuchen.“ Als er verstummt, da starren sie ihn zuerst eine Weile staunend und ungläubig an. Dann sagt Bac Lonnegan fast mitleidig: „McCoy, ich will Sie nicht beleidigen, denn ich halte Sie für einen stolzen Mann. Aber ich denke, Sie spielen sich hier als ein edler Tierfreund auf. Warum wollen Sie ihn überhaupt fangen?“ „Als Deckhengst für meine Pferdezucht, die ich mir aufbauen und schaffen will. Und wenn er meine Stuten die ich dann haben werde - gedeckt hat, wenn sie alle trächtig wurden, dann könnte es sein, dass ich ihm seine Freiheit wiedergebe. Wir würden uns als Freunde trennen oder als Freunde zusammenbleiben.“ Wieder staunen sie. Bac Lonnegan murmelt: „Heiliger Rauch, das nenne ich edel und gut. Jane, du hast einen Heiligen zu Gast.“ Aber Jane Howell erwidert nichts. Sie sieht McCoy nur schweigend an, und in ihren Augen ist nun nichts mehr zu erkennen. Alles was sie fühlen und denken mag, bleibt tief in ihr verborgen wie in einem tiefen, dunklen See. *
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Nach dem Essen sitzt McCoy noch beim Brunnen auf dessen gemauertem Rand und raucht eine Zigarette, betrachtet Mond und Sterne und lauscht auf die Stimmen der Nacht in weiter Runde, als Bac Lonnegan aus dem Haupthaus tritt und herüber zum Brunnen kommt, wo beim Wassertrog sein Pferd angebunden ist. Einen Moment sieht es so aus, als wollte er aufsitzen, doch dann tritt er zu McCoy und verhält dicht bei diesem, so dass sie nicht laut miteinander reden müssen, sondern leise sprechen können. Auch er dreht sich eine Zigarette. Als er sie anzündet, beleuchtet das Flämmchen des Schwefelholzes sein hartes, hageres Gesicht. Es ist eigentlich ein gutes Gesicht, wenn auch hart und verschlossen, so als spürte er ständig ein Misstrauen gegen die ganze Welt und könnte keinen Menschen näher an sich heranlassen, so wie das bei guten Freunden ja der Fall ist. Dieser Bac Lonnegan lässt eine innerliche Einsamkeit spüren. Gewiss, er ist ein Boss. Und seine Reiter folgen ihm wie die Ritter einem König. McCoy hat das im Saloon gespürt, als sie ihm folgten. Doch er muss ein ziemlich einsamer King sein auf seiner Ranch, vielleicht ein Mann ohne Freunde. Er wirft plötzlich die halb aufgerauchte Zigarette in den Staub und stampft mit seinem Absatz darauf. Dann spricht er hart: „Ich will Jane haben. Ich wollte sie damals schon, als ihr Mann noch lebte. Und jetzt respektiere ich ihre Trauerzeit. Sie hat ihren Mann zu sehr geliebt, um sich so schnell einem anderen zuwenden zu können. Also warte ich geduldig. McCoy, wenn Sie mir bei Jane Howell in die Quere kommen, dann werde ich Sie töten.“
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Nach diesen Worten wendet er sich ab, tritt zu seinem Pferd, löst die Zügel und schwingt sich mit einer schnellen und geschmeidigen Bewegung in den Sattel seines gescheckten Hengstes. Die Comanchen in Texas sitzen so auf. Ja, es ist wohl typisch für ihn, dass er einen Hengst reitet, mit dem er nach jedem Aufsitzen einen kleinen Kampf austragen muss. McCoy sieht ihm wortlos nach. Im Haupthaus verlöscht das Licht. Auch im Bunkhouse ist es dunkel. Er geht zum Küchenanbau. Hier brennt noch eine Öllampe. Er macht sich auf der Bank sein Lager, zieht sich die Stiefel aus und hängt seinen Waffengurt an einen Wandhaken. Nachdem er die Flamme der Lampe herunterdrehte, schläft er ein. Aber irgendwann beginnt er von El Capitan zu träumen, von dem er jetzt weiß, dass er Jane Howells Mann tötete. * Es ist am nächsten Vormittag, als sie die Pferde für die Jagd auf El Capitan aussuchen. Und als es Mittag ist, kommt Paco, der nach dem Frühstück fortritt, mit zwei Reitern zur Ranch zurück. Die beiden Begleiter von Paco haben ein Packtier bei sich. Jane Howell tritt zu McCoy auf die Veranda und sagt: „Da kommen Benito Valdes und Colorado. Sie sind die besten Pferdejäger weit und breit und kennen die Mesa Mogollon wie ihre Hosentasche. Und sie waren dabei, als El Capitan meinen Mann tötete.“ Sie verstummt hart. McCoy erwidert nichts. Er betrachtet die heranreitenden Pferdejäger. Benito Valdes ist gewiss zur - 38 -
Hälfte ein Tonto-Apache. Sein Haar ist mehr als nur grau, fast schon weiß. Doch er sitzt geschmeidig im Sattel. Sein Begleiter Colorado ist mexikanischer Abstammung, ein kleiner, drahtiger Mann unbestimmbaren Alters. Als sie vor der Veranda halten, werfen sie einen forschenden Blick auf McCoy. Paco, der sie ja holte und auch jetzt bei ihnen ist, hat ihnen sicherlich alles erzählt. Und so wissen sie einigermaßen Bescheid über den Fremden neben Jane Howell. Sie grüßen Jane Howell freundlich, lassen dabei deutlich spüren und erkennen, dass sie diese Frau verehren. „Danke, dass ihr gekommen seid. Dies ist Pat McCoy. Er will El Capitan fangen. Ich möchte, dass wir ihm helfen. Er wird euch den üblichen Lohn zahlen. Gut so?“ Beide nicken kaum erkennbar. Dabei betrachten sie McCoy irgendwie nachsichtig. Er erwidert ihre Blicke. Dann fragt Benito Valdes: „Reiten auch Sie mit, Senora, so wie damals?“ Sie presst die Lippen fest zusammen, so dass ihr Mund hart geschlossen ist. Doch sie nickt heftig. Da richten sie ihre Blicke wieder auf McCoy. „Und warum wollen Sie El Capitan fangen, Senor?“ Colorado fragt es höflich. „Ich will ihn als Deckhengst haben“, erklärt ihnen McCoy. „Nein, ich will ihn nicht zähmen oder einbrechen, nicht zureiten. Und vielleicht gebe ich ihm eines Tages sogar seine Freiheit zurück.“ Er verstummt ernst. Sie blicken wieder auf Jane Howell. „Wir sind dabei“, spricht Valdes knapp. Und dann sitzen sie ab. - 39 -
* Es ist am nächsten Tag, und es ist noch früher Morgen - die Sonne kommt gerade erst über die Hügel am Black Canyon Lake - als sie aufbrechen: Jane Howell, Paco, Valdes, Colorado und McCoy. Sie haben drei Packtiere und ein Dutzend Reservepferde bei sich. Sie umreiten den kleinen Ort Fellow Lodge und erreichen nach einigen Meilen den westlichen Arm des Cherry Creeks. Als es später Nachmittag ist, beginnen sie den Aufstieg im Wood Canyon, der oben beim Wood Lake endet. Immer wieder müssen sie aus den Sätteln. Denn der Aufstieg im ansteigenden Canyon ist mühsam. Als es Nacht wird, müssen sie anhalten und ein Camp aufschlagen. Es wird nicht viel gesprochen. Aber als sie den gebratenen Speck und die Tortillas verspeist haben und sich noch mal die Kaffeebecher füllen und Zigaretten drehen, da spricht Valdes ernst zu McCoy gewandt: „Senor, warum wollen Sie Pferde züchter werden? Sie waren doch bisher alles andere als ein Pferdezüchter.“ „Aber ich bin Texaner“, erwidert McCoy. „Und ich bin auf einer Rinderranch aufgewachsen. Hier ...“ Er beugt sich vor und zeigt ihnen im Feuerschein seine Handrücken. Selbst bei der nur mäßigen Beleuchtung des Feuers können sie die alten Narben erkennen. Es sind die typischen Narben, die ein Cowboy im Buschland des Brazos bekommt, wenn er dort die Rinder mit Hilfe des Wurfseils herausziehen muss und die Leine um die Hand schlingt, ein Rutschen aber nicht verhindern kann, weil - 40 -
der Stier zu sehr daran zerrt. Dann entstehen solche Rutschnarben. Und an ihnen erkennt man einen Rindermann vom Brazos. Denn nur dort ist es so schwer, Rinder zu lassieren. Es gibt im Buschland zu wenig Platz. Es genügt nicht, einem wilden Stier die Schwinge über den Kopf zu werfen. Nein, man muss weitere Schlingen an der Leine entlang rollen lassen, in welche der Stier mit einem Bein tritt. Nur so kann man ihn zu Fall bringen. Und so kann man das Lassoende nicht am Sattelhorn festmachen, sondern muss die Leine freihalten. Es ist eine besondere Kunst, im Buschland am Brazos Rinder zu fangen und ihnen den Brand aufzudrücken. Nun, sie betrachten im Feuerschein also die alten Narben und richten ihre Oberkörper wieder auf. Eine Weile schweigen sie. Dann spricht Jane Howell ruhig: „Und wie wurden Sie ein Revolvermann, Pat McCoy?“ In ihrer Stimme ist kein aggressiver Klang. Aber es ist dennoch eine ziemlich brutale Frage. Er wartet ein wenig mit seiner Antwort. Dann erwidert er: „Sie haben es ja selbst erlebt, Jane Howell. Es gibt immer wieder Menschen, welche Hilfe brauchten. Vielleicht war es falsch von mir, Hilfe mit dem Colt zu geben. Einige Male mag es wirklich falsch gewesen sein.“ Er verstummt mit einem Klang von Bitterkeit in der Stimme. Sie schweigen. Aber irgendwie begreifen sie langsam, warum er einen neuen Anfang sucht in seinem Leben und Pferdezüchter werden will. Und weil er offenbar ein Mann ist, der keine kleinen Dinge anstrebt, will er einen schon sagenhaften Hengst fangen, der ein berühmter - 41 -
Stammvater einer ganz besonderen Pferdezucht werden könnte. * Am nächsten Morgen reiten sie weiter hinauf. Wieder müssen sie manchmal zu Fuß gehen. Doch dann - es ist schon später Mittag - erreichen sie den Rim der Mogollon Mesa. Als sie hinunter in das Tonto Basin blicken, da wird ihnen so richtig bewusst, was sie geschafft haben. Sie befinden sich auf dem gewaltigen Hochplateau, welches durchfurcht ist von Canyons und Schluchten, bedeckt mit Hügelzügen, bestanden mit Felsen und kleinen Mesas. Es ist ein wildes und gewaltiges Land. Sie stellen es immer wieder fest. McCoy wendet sich an alle und fragt: „Ist es denn möglich, von hier oben riesige Schafherden hinunter ins Tonto-Becken zu bringen?“ Die Männer nicken. „Es ist möglich“, erwidert Valdes. „Wir nahmen den kürzesten Aufstieg. Aber es gibt auch einige harmlosere Canyons, welche länger und weniger steil sind. Ja, man kann Schafherden hinunterbringen, wenn man Umwege macht und sich eine Menge Zeit nimmt, was Wochen dauern wird. Sie haben die Schafherden schon gesehen, Senor McCoy?“ Pat nickt stumm. Und dabei denkt er an die ThorneBrüder, von denen er einen wegen seines Hundes erschießen musste. Ja, er denkt wieder an Jake Blaisdells Warnung. Aber soll er deshalb seine Absicht aufgeben, El Capitan zu jagen und zu fangen? - 42 -
Valdes fragt: „Wo haben Sie El Capitan gesehen, Senor? Wir müssen von dort aus die Fährte aufnehmen. Können Sie die Stelle wieder finden, Senor?“ „Sicher.“ McCoy nickt und übernimmt die Führung. Sie bleiben den ganzen Tag im Sattel und erreichen im letzten Licht des Tages die breite und stinkende Fährte einer Schafherde. Dann hören sie weit vor sich in der Stille der Mogollon Mesa das Plärren, Blöken und Bähen einer anderen Schafherde, dazwischen das Bimmeln vieler Glöckchen, die am Hals der Leithammel hängen. Auch Hundegebell wird hörbar. „Da kommt die nächste Herde“, murmelt McCoy. „Nein, da kommen erst mal Reiter“, spricht Jane Howell spröde. „Jetzt lernen wir gewiss die Revolverschwinger der Schäfer kennen. Da kommen sie.“ Und so ist es auch. Aus einem Waldstück tauchen drei Reiter auf. Sie folgen der breiten Fährte, deren Geruch zum Himmel stinkt, weil überall der Kot liegt. Doch sie halten sich am Rand der Fährte, welche von zehntausend Schafen geprägt wurde. Und als sie die Pferdejäger sichten, halten sie direkt auf die Gruppe der vier Männer und der Frau zu. Und je näher sie kommen, umso besser kann man erkennen, dass sie wahrhaftig Hartgesottene sind, die ihre Revolver an den Meistbietenden vermieten, ganz gleich für welche Ziele und Zwecke. Wenig später zügeln sie vor der Gruppe ihre Pferde „He, wer seid ihr denn?“ So fragt einer barsch. „Pferdejäger“, erwidert McCoy ruhig „Und wer seid ihr?“.
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Sie grinsen alle drei, verziehen ihre harten Gesichter. Dann erwidert ihr Sprecher „Wir sind die Beschützer der Schafherden. Aber wir suchen auch einen gewissen McCoy, von dem wir eine Beschreibung haben, welche auf Sie zutrifft. Dieser McCoy soll auch Pferdejäger sein. Sind Sie McCoy?“ „Gab euch ein gewisser Jake Blaisdell diese Beschreibung?“. McCoy fragt es mit einem Beiklang von Resignation in der Stimme, so als wusste er schon jetzt, dass es Verdruss geben wird, dem er nicht ausweichen kann. Sie grinsen wieder ohne Freundlichkeit. Dann sagt ihr Sprecher „Alles passt zusammen, nicht nur die Beschreibung von Ihnen, sondern auch die des Wallachs, auf dem Sie sitzen. Es gibt keinen zweiten Wallach wie diesen da. Ein wunderschönes Tier. Sind Sie also McCoy?“. Dieser nickt und fragt nochmals „Und wer seid ihr?“. „Wir sind Bruce und Vance Thorne. Das ist unser Vetter Hank. Schön, dass wir dich so schnell getroffen haben. Wir suchen ja erst drei Tage nach dir. Und wir waren auch ins Tonto-Becken heruntergekommen und hatten dort nach dir gesucht. McCoy, wir wollen deinen Skalp Du hast Rip, unseren Bruder erschossen. Das können wir dir nicht durchgehen lassen. Was wurde man sonst von uns Thornes denken?“ „Ihr seid Narren“, erwidert McCoy „Denn jetzt eskaliert alles wegen eines blödsinnigen Hundes. Ist es das wert? muss ich nun auch gegen euch kämpfen?“ Als er die Frage stellt, weichen seine Begleiter hinter ihm auseinander auf ihren Pferden. Er ist plötzlich allein gegen die Thornes.
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„Steig ab“, spricht einer von ihnen „Ich bin Bruce Thorne. Ich will es zuerst gegen dich versuchen Wenn du mich schaffen kannst, dann kommen mein Bruder und dann unser Vetter Hank an die Reihe. Einer von uns schafft es gewiss. Also komm herunter von deinem schönen Gaul. Und mischt euch nur nicht ein, ihr anderen! Auch Sie nicht, Lady! Sonst.“ „Schon gut“, unterbricht ihn McCoy und sitzt langsam ab Auch Bruce Thorne tut es. Und dann treten sie sich im Abstand von etwa sechs Yards gegenüber. Jane Howell ruft plötzlich „Das ist verrückt! Habt ihr Locokraut gegessen? Seid ihr Thornes krank vor eitlem Revolverstolz?“. „Das ist die Ehre der Thornes“, erwidert Bruce Thorne. „Sie können das Zeichen geben, Lady. Dann werden wir ziehen.“ „Nein, das werde ich nicht, verdammt noch mal, das werde ich nicht!“ Jane Howell ruft es voller Zorn Aber Bruce Thorne schüttelt den Kopf „Na, dann eben nicht! Dann gebe ich selbst das Zeichen. Jetzt!“ Es ist zuletzt ein scharfer Ruf, ganz und gar wie ein Befehl. Und so zieht Bruce Thome - nein, es ist kein normales Ziehen. Er zaubert den Revolver heraus binnen winziger Sekundenbruchteile. Pat McCoy trifft einen Sekundenbruchteil früher und besser. Aber als Bruce Thorne umfallt, da brüllen sein Bruder und sein Vetter auf. Nun wollen sie kein faires Duell mehr, sondern nur noch Rache. Ja, sie ziehen, vertrauen auf ihre doppelte Übermacht. - 45 -
Und so muss Pat McCoy weiterschießen Er hat gar keine andere Wahl. Schwankend, weil ebenfalls getroffen, verharrt er dann mit dem rauchenden Revolver in der Faust und wartet, bis sie beide umfallen Dann schiebt er den Colt ins Holster zurück und tritt schwankend zu seinem Wallach, lehnt sich mit der Brust gegen den Leib des Tieres, legt die Arme über den Sattel. Ja, er dreht seinen Begleitern den Rucken zu, und es ist, als zeigte er ihnen so seine Verachtung. Aber dann ist plötzlich Jane Howell bei ihm „Sie sind angeschossen, Pat“, spricht sie „Sie bluten an der Seite. Lassen Sie mich nach Ihrer Wunde sehen. Ziehen Sie sich aus und legen Sie sich auf eine Decke. Verdammt, ich will nach Ihrer Wunde sehen.“ Der Schmerz lasst ihn mit den Zahnen knirschen. Doch dann gehorcht er. Wenig später, als er auf der Decke liegt und sich fast ganz entkleidet hat, da hocken sie alle um ihn herum. * Die Hände von Jane Howell arbeiten geschickt und versuchen möglichst wenig Schmerzen zu verursachen. „Es ist eine böse Wunde“, murmelt sie. „Zum Glück ist die Kugel an einer der Rippen abgeglitten und hat dann nur eine Furche gerissen wie von einem Hieb mit einem ziemlich stumpfen Säbel. Ich muss die Wunde nähen, und ich habe nur Nadel und Zwirn Pat. Sie müssen die Zähne verdammt fest zusammenbeißen. Und daran werden wir erkennen, wie hart Sie wirklich sind.“ Ihre Stimme hat zuletzt einen aggressiven Klang, der wie eine Herausforderung ist Und so knirscht er „Keine Sorge, ich bin hart genug.“ - 46 -
„Dann ist’s ja gut“, spricht sie fast fauchend, aber er weiß, dass sie seinen Trotz anstacheln und ihm so helfen will. Und so ist es auch. Sie müssen ihn nicht festhalten. Er zuckt nicht besonders, als sie wenig später zu nähen beginnt. Und als sie fertig ist, da spricht er knirschend „Danke, Jane, danke. Jetzt werde ich wohl eine Weile nicht reiten können.“ Sie hocken immer noch um ihn. Die Männer halfen Jane mit kleinen Handreichungen. Und Pedro gießt nun aus einer Flasche Brandy auf die frischgenahte Wunde „Schade um das schöne Feuerwasser“, brummt er dabei, „obwohl wir Tequila mehr heben als Brandy. Nun, vielleicht wird sich die Wunde nicht entzünden Senor, nun wissen wir es ganz genau. Sie sind nicht einfach nur ein Revolvermann, nein, Sie gehören zu den Großen dieser Gilde. Haben Sie wirklich nicht noch einen anderen Namen?“. „Nein“, grollt Pat McCoy Aber dann richtet er den Blick auf Jane „Was nun? Wollt ihr ohne mich weitermachen, nach El Capitan suchen und herausfinden, in welche Falle wir ihn irgendwann treiben können, aus der er nicht mehr herauskommt?“ Es ist inzwischen Nacht geworden Sie haben neben McCoys Lager ein Feuer angezündet Dessen Schein erhellt nun die Nacht. Er kann ihre Gesichter gut betrachten. „Jetzt will ich ihn auch haben“, spricht Jane Howell spröde. „Wir geben nicht auf, nur weil Sie angeschossen wurden. Wir werden hier einige Tage ein Camp aufschlagen und von hier aus nach El Capitans Fährte suchen. Ja, ich denke, wir werden ihn irgendwohin jagen müssen, wo er nicht mehr heraus kommen kann. Aber er ist so schlau wie ein Apache. Der - 47 -
kennt das Land noch besser als wir. Die Jagd kann wochenlang dauern. Und bald können Sie wieder mitreiten, Patrik McCoy.“ Dieser schließt einen Moment die Augen Dann aber sieht er sie alle nacheinander an „Was ist mit den Thornes?“ „Die sind mausetot“, murmelt Colorado „Und sie haben es nicht anders gewollt. Die wollten Sie töten, Senor. Nun sind sie selbst tot. Wir werden sie dennoch wie Christenmenschen beerdigen. Hoffentlich gibt es nicht noch mehr von ihnen, die nun auf Rache aus sind, weil die Sippenehre es verlangt.“ „Nein - ich glaube nicht“, murmelt McCoy „Wir müssen uns nur vor einem Revolvermann vorsehen, dessen Namen Jake Blaisdell ist. Wenn ihr einem Mann begegnet, bei dessen Anblick man unwillkürlich an einen Wolf aus der Apachenwüste denken muss, dann seht ihr jenen Blaisdell. Gegen den konnte selbst ich nicht bestehen in einem Duell. Und er ist der Mann, der die Schafherden ins Tonto-Becken bringen soll. Ich habe vier seiner Revolverschwinger getötet. Er konnte mir das übel nehmen. Aber wenn ihr ihn davon überzeugen könnt, dass ihr nur Wildpferdjäger seid, dann wird er nichts gegen euch unternehmen. Ich bin jetzt verdammt müde. Ich.“ Er spricht nicht weiter Die Schmerzen seiner Wunde ließen nach und konnten ihn nicht langer wach halten. Er verlor eine Menge Blut Er schläft plötzlich ein Sie bleiben noch eine Weile bei ihm hocken und blicken auf ihn nieder. Dann richten sich die Blicke der drei Männer auf Jane Howell.
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„Ja, auch ich will El Capitan“, spricht sie, und es ist ein Klirren in ihrer Stimme. „Ja, verdammt, auch ich will ihn! Meine Trauerzeit ist beendet. El Capitan hat meinen Mann getötet. McCoy kam gerade richtig.“ Sie nicken schweigend, und in ihren Augen und Gesichtern kann man ein Verstehen erkennen. Sie verehren diese Frau. Und sie waren dabei, als El Capitan ihren Mann tötete. Ja, sie verstehen, dass Jane Howell den schwarzen Hengst hasst und Patrik McCoy ihr gerade richtig kam, um die Jagd zu finanzieren. Aber was wird geschehen, sollten sie das Glück haben und es wirklich fertig bringen, El Capitan noch einmal zu fangen? * Die ganze Nacht hören sie in der Ferne das Bähen, Blöken und merkwürdige Plärren der großen Schafherde. Manchmal bellen Hunde. Dann wieder klingen kleine Glöckchen. Hier oben auf der sonst so stillen Mesa ist solch eine Riesenherde mit zehntausend Stimmen meilenweit zu hören. Pat McCoy schlaft bis in den späten Vormittag hinein, und als er erwacht, ist nur noch Jane Howell bei ihm. Valdes, Colorado und Paco sind weg. Jane kniet neben ihm nieder und sieht nach seiner Wunde. „Das sieht gut aus“, murmelt sie „Da scheint sich nichts zu entzünden. Die Männer sind weg und suchen nach El Capitans Fährte. Und die Schafherde ist jetzt sehr nahe bei unserem Camp. Bald zieht sie vorüber. Man kann sie immer lauter hören. Ich mag keine Schafe.“
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Sie erhebt sich, holt seinen Sattel und hilft ihm, als er sich etwas aufsetzt und den Sattel als Krückenstütze benutzt. Dann holt sie ihm vom Feuer das Frühstück und auch den gefüllten Kaffeebecher. Er stellt fest, dass er wahrhaftig Hunger hat. Sie sitzt in der Nahe auf einem Stein und beobachtet ihn eine Weile schweigend. Doch immer wieder treffen sich ihre Blicke „Auch ich mag keine Schafe“, murmelt er etwas später zwischen zwei Bissen „Sie sind scheinbar so hilflos, und das ist ihre Stärke. Und sie stinken und ruinieren jede Weide. Ich mochte wissen, ob El Capitan sich das gefallen lässt.“ Als er die letzten Worte spricht, da weiten sich staunend ihre Augen. Plötzlich spricht sie „Wenn die Schafe seiner Herde die Weide leer fressen oder auch nur mit ihrem stinkenden Kot ungenießbar machen.“ Sie vollendet den Satz nicht. Dafür spricht er „Wenn er so schlau wie ein Apache ist - wie man ja von ihm sagt -, dann wird er etwas tun. Denn es handelt sich ja um gewaltig große Schafherden. Die fressen bis zum Spät herbst eine Menge.“ Sie nickt heftig. Dann richtet sich ihr Blick in die Ferne. Schließlich sagt sie „Sie ziehen eine halbe Meile von hier an unserem Camp vorbei, bleiben also in der Nähe des Rims und suchen gewiss jetzt schon nach abwärts-führenden Canyons. Aber diese sind sehr viel weiter im Westen oder Südwesten. Dahin sind es noch viele Meilen. Der Abstieg liegt erst westlich des East Clear Creek. Die brauchen noch Wochen dorthin.“ Sie schweigt eine Weile. Dann spricht sie „Da kommt ein Reiter von der Herde herüber. Sie haben unser Camp
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längst entdeckt. Aber bisher sah ich nur wandernde Hirten und Hunde. Jetzt kommt ein Reiter.“ McCoy leert den Kaffeebecher und fragt dann „Reitet er einen Schwarzweiß-Pinto?“ „Ja“, erwidert Jane knapp „Dann ist es Jake Blaisdell, der Beschützer aller Herden. Und er wird der Mann sein, der den Krieg im Auftrag seines Auftraggebers gegen die Rinderzüchter im Tonto-Becken fuhren wird.“ „Und wer ist sein Auftraggeber?“ Jane Howell fragt es scharf. „Einer mit Namen Stuart Larrisburg.“ Sie schweigen nach McCoys Antwort Und indes kommt der Reiter immer näher. McCoy kann ihn nun sehen. Ja, es ist Jake Blaisdell. Im leichten Trab nähert er sich dem Camp. Jane Howell erwartet ihn stehend. Er zieht dann sogar vor ihr den Hut. „Was für eine Überraschung“, spricht er „Eine schöne Frau hier oben zu sehen, dies hatte ich niemals erwartet. Aber ich sehe auch Unerfreuliches.“ Er betrachtet Pat McCoy. Dann blickt er auf die Pferde im Seilcorral und erkennt gewiss sofort die Tiere der Thornes unter den anderen. Als er wieder auf McCoy blickt, sagt er „Es ist also passiert. Sie haben dich nicht schaffen können, obwohl sie zu dritt waren. Respekt, mein guter Freund, wirklich, du hast meinen Respekt. Seid ihr eine ganze Mannschaft auf der Jagd nach El Capitan?“ McCoy nickt nur. Dann spricht er ruhig „Jane, dies ist Mister Jake Blaisdell.“
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Er macht eine kleine Pause und spricht dann weiter. „Blaisdell, dies ist Mrs Howell. Ihr gehört unten eine Pferderanch. Ihre Männer helfen mir bei der Jagd auf El Capitan.“ Blaisdell nickt, und seine farblosen Augen betrachten Jane Howell fast ausdruckslos. Dennoch spürt sie einen Anprall. Denn es geht etwas von ihm aus, das irgendwie besitzergreifend auf sie wirkt. Und so sperrt sie sich innerlich dagegen, leistet sozusagen Widerstand gegen den Anprall seines Willens. Er lächelt schmal, und sie glaubt plötzlich, dass er ein Mann ist, welcher niemals laut und herzlich lachen kann. „Viel Glück“, spricht er plötzlich, zieht sein Pferd herum und reitet wieder zur Schafherde hinüber. Sie blicken ihm schweigend nach. Dann aber murmelt Jane Howell „Ja, er ist ein zweibeiniger Wüstenwolf ohne ein Gefühl für Schonung und Duldung. Dem fehlt etwas. Gibt es Geschichten über ihn?“ „Er wird dort unten einen erbarmungslosen Krieg um die Weide führen“, erwidert McCoy „Es wird viele Tote geben. Zum Glück sind wir nur Wildpferdjäger.“ Sie nickt Dann murmelt sie „Ich konnte deutlich spüren, dass er mich haben will. Ja, er will mich. Es war wie ein Anprall. Ich ließ ihn Widerstand spüren. Er hat das gespürt. Wird er das akzeptieren’“ „Er besitzt Stolz“, spricht McCoy „Nein, er tut keiner Frau etwas gegen deren Willen. Und überdies gibt es ja noch einen Mann, der Sie will, Jane.“ Sie wirkt ein wenig überrascht. Dann fragt sie „Pat, Sie meinen Bac Lonnegan, den Boss der Lim-KreisRanch?“ - 52 -
„Den meine ich.“ „Ich will keinen Mann mehr“, erwidert sie spröde und geht davon. Er aber schließt wieder die Augen und denkt nach. * Es vergehen einige Tage. Valdes, Colorado und Paco sind ständig unterwegs und suchen nach El Capitans Fährten. Manchmal bleiben sie zwei Tage und Nächte fort. Aber alle Fährten sind alt. Sie finden von El Capitan keine frischen Spuren. Valdes sagt einmal, als sie spät am Abend zurück ins Camp kommen: „Er zieht weiter nördlich umher, denke ich. Der bleibt nirgendwo lange. Aber er wird gewiss bald nach Süden hier an den Rand des Rims kommen, dorthin, wo Sie ihn schon mal sahen. Dann stößt er auf die stinkenden, meilenbreiten Fährten der Schafherden. Was wird er dann machen? Seine Herde wird keine Weide mehr finden. Alles ist versaut. Es gibt ja nicht allzu viel Weide zwischen den Waldstücken. Er wird verdammt wütend werden. Denn dies ist sein Land. Wann können Sie denn wieder längere Zeit im Sattel bleiben, Senor?“ Die Frage gilt McCoy. Und der erwidert: „Morgen kann ich wieder richtig reiten. Die Wunde wird nicht wieder aufbrechen. Ich bekam die Nähte gezogen. Ja, morgen bin ich wieder im Sattel.“ „Dann verlegen wir unser Camp dorthin, wo Sie ihn damals gesehen haben“, entscheidet Valdes. „Wir fanden die alten Spuren. Ich denke, er wird bald dorthin zurückkommen.“
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Am nächsten Morgen brechen sie das Camp ab und machen sich auf den Weg. McCoy sitzt etwa schief im Sattel, weil die vernarbte Wunde noch spannt, aber er führt die kleine Kolonne an. Ihr Weg führt sie ständig ziemlich dicht am Rim entlang, und so bekommen sie immer wieder einen guten Ausblick über das gewaltige Tonto-Becken zu ihren Füßen mit seinen Creeks, Seen, Wäldern und Weideflächen, den sanften Hügeln und den Felsen. Sie sehen den Cherry Creek, den Spring Creek, den Tonto Creek und weiter im Westen sogar den Verlauf des East Verde River. Es ist dann früher Mittag, als ihnen - nur eine Viertelmeile vom Rim entfernt - eine Schafherde entgegenkommt. Sie hält sich der alten Fährte aller vorausgezogenen Herden fern und sucht Futter südlich der stinkenden Furchen. Einige Hunde kommen bellend herübergelaufen, werden aber von den Hirten zurückgepfiffen. Es sind zumeist Hirten mexikanischer Abstammung, auch einige Halbbluts. Ihre zweirädrigen Karren begleiten knarrend die Herde. Dann aber tauchen einige Reiter auf, Männer von Blaisdell wahrscheinlich, denen der Schutz der Herde anvertraut ist und mit denen die Rinderzüchter irgend wann unten im Tonto-Becken zu tun bekommen werden, Revolverreiter, die für Revolverlohn Krieg führen werden wie Eroberer. Sie spähen zwar herüber, aber sie nähern sich nicht dichter als dreihundert Yards. Die kleine Kolonne der Wildpferdjäger hat angehalten und sieht sich die - 54 -
vorbeiziehende Schafherde an. Es müssen wieder an die zehntausend Tiere sein. Und obwohl sie so misstönig bähen und so ängstlich wirken, immer wieder den Hun den ausweichen oder sich von diesen zusammenhalten lassen, wirken sie dennoch bedrohlich - wie ein wolliger Riesenwurm. Die Herde ist gewiss zwei bis drei Meilen lang und eine halbe Meile breit. Dann aber passiert etwas, was kein Mensch voraussehen konnte - weder die Hirten, noch die Revolverreiter- und auch nicht die haltende Wildpferdjägergruppe. Sie alle vernehmen plötzlich ein gewaltiges Wiehern. Es ist ein Furcht erregend klingendes Trompeten. Jane Howell ruft schrill: „Das ist er! Beim Vater im Himmel, das ist er!“ Uns sie alle wissen sofort, wen Jane Howell meint. Es kann gar nicht anders sein. Sie hören den Hengst El Capitan trompeten, so als kündigte er das Jüngste Gericht an. Sein Trompeten klingt gewiss meilenweit in der Runde und übertönt das klägliche Bähen der Schafe. Es ist ein trompetenhafter Schrei voller Wildheit und Zorn. Sie können nun sehen, wie drüben - keine Viertelmeile von ihnen entfernt - die Schafe in Panik geraten. Sie werden zu einer zappelnden, springenden Masse. Es entsteht wahrhaftig eine Schafstampede. Diese sonst so hilflosen und friedlichen Tiere werden so etwas wie ein losbrechendes Element. Und El Capitan treibt sie mit seiner Herde vor sich her. Auch die anderen Wildpferde schnauben, wiehern, gebärden sich wie verrückt, ganz und gar so, als hätten sie Locokraut gefressen. - 55 -
Es sind gewiss mehr als tausend Schafe, die sie vor sich her in Richtung Rim jagen. Sie teilen die große Herde auf diese Art in zwei Hälften, reißen gewissermaßen ein Stück aus ihr heraus. Die fünf Wildpferdjäger staunen. Jane flüstert: „Der ist gar kein Hengst. Der ist ein Teufel, so schlau wie ein Apache.“ „Er kämpft um seine Weide hier oben auf der Mogollon Mesa“, spricht Benito Valdes hart. „Der hat begriffen, was die Rinderzüchter längst schon wissen. Schafe vernichten das Weideland und ziehen weiter, lassen alles stinkend und verdorben hinter sich zurück, fressen das Gras bis zu den Wurzeln, vernichten die Grasnarbe. Er hat es begriffen und kämpft wie ein Mensch mit seinen Möglichkeiten.“ Valdes verstummt fast feierlich. In seiner Stimme ist ein Klang von Achtung und Respekt. Die Wildpferdjäger müssen nun anreiten, um aus dem Weg zu kommen. Denn es rast eine breite Front von Schafen auf sie zu, angetrieben und gejagt von der Wildpferdherde. Es wäre sinnlos, diese Stampede auf halten zu wollen. Das haben schon die Hirten mit ihren Hunden nicht vermocht. Sie reiten also aus dem Weg und schaffen das gerade noch im letzten Moment. Und als sie dann anhalten und ihre Pferde wieder herumziehen, da sehen sie, wie die Schafe über den Rim gejagt werden und in die Tiefe stürzen. Es sind Hunderte von bähenden, plärrenden, blökenden Tieren. El Capitan kennt keine Gnade. Wie ein schwarzer Teufel jagt er die Schafe über den Rand der Mogollon Mesa, wie ein Teufel die armen Seelen in die Hölle. Und seine Herde hilft ihm. - 56 -
Jane Howell flüstert ergriffen: „Das kann doch nicht wahr sein? Das träume ich doch nur - oder? Das gibt es doch nicht!“ Die Männer hören es nicht, denn der Lärm ist zu laut. Aber gewiss denken sie alle, was Jane Howell flüstert. Sie vermögen das, was sie da sehen, einfach nicht zu glauben. Aber es ist so. El Capitan führt eine Art von Krieg gegen die Schafe, die ihm die Weide vernichten. Er fühlt sich zu sehr für seine Herde verantwortlich, dass sein Pferdehirn fast menschlich zu denken begann. Ja, es ist irgendwie verrückt und unglaublich, aber dennoch Wirklichkeit. Die Wildpferde machen dann dicht vor dem Rand der Mesa kehrt und rasen davon. Ihr trompetenhaftes Wiehern klingt wie Siegesfanfaren. Die Hirten der Herde kommen angelaufen und feuern mit ihren Flinten, die sie ja in ihren Hirtenwagen mit führen, um Raubwild zu verjagen. Aber sie treffen kein einziges Wildpferd. Und dann kommen endlich auch die Revolverreiter zurück, denen ja der Schutz der Herde anvertraut ist. Sie jagen El Capitan und dessen Herde nach. Aber es ist sicher, dass sie die Pferde nicht einholen werden. Einige der Hirten kommen nun zum Rim gelaufen und blicken hinunter auf die Felsterrassen, in die tiefen Rinnen und Furchen, auf die Klippen des steilen Absturzes. Und überall liegen die Schafe. Es müssen mehr als tausend Tiere sein. Manche zappeln noch und lassen kläglich ihre Stimmen tönen. Es ist ein entsetzliches Drama, ja, ein Drama. Man kann es nicht anders nennen. Und sollte man El Capitan, der ja schon einen Mann getötet hat, um sich die Freiheit - 57 -
zu erhalten, auch jetzt wieder verdammen? Er ist ein Leithengst, der für seine Herde zu sorgen hat. Und selbst wenn er für einen Hengst ganz besonders klug ist, wahrscheinlich kluger als ein Hund - was man sonst bei Pferden nicht sagen kann -, so gehorcht er dennoch nur animalischen Instinkten. Was er tat, dies musste er einfach tun, weil sein Instinkt es ihm befahl. Nein, man kann ihn gewiss nicht verdammen. Er ist kein böses Tier, keine Bestie. Er gehorcht nur seiner Pflicht als Leithengst. Er kämpft ums Überleben seiner Herde. Und auch die Viehzüchter werden bald dort unten im Tonto-Becken um ihr Überleben kämpfen. Denn wenn hunderttausend Schafe das Tonto-Becken füllen und die Weide ruinieren, dann ist das wie eine Seuche. So jedenfalls werden es die Rinderzüchter sehen. Die Hirten am Rand der Mesa haben nun genug gesehen. Sie wenden sich den Pferdejägern zu einer - er ist schon alt und gewiss ein halber Navajo - kommt näher heran. „Warum haben Sie ihn nicht erschossen?“ So fragt er heiser in englischer Sprache „Diesen Teufel muss man doch töten. Warum haben Sie nicht auf ihn geschossen? Er hat unzählige friedliche Schafe getötet. Schafe tun niemandem etwas Es sind die friedlichsten Tiere der Welt.“ Der alte Hirte verstummt mit Überzeugung. Aber da spricht Pat McCoy ruhig „Senor, er kämpft um seine Weide. Und auch die Schafzüchter kämpfen um Weide. Sie lassen Revolverreiter um die Weide kämpfen. Oder nicht?“
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Der alte Hirte schweigt einige Atemzuge lang. Dann nickt er stumm und geht davon, strebt mit den anderen zu der geteilten Herde zurück, aus deren langer Schlange gewissermaßen ein Stück herausgerissen wurde. McCoy sieht seine Begleiter an. Benito Valdes nickt ihm zu und spricht „Ja, folgen wir seiner Fährte.“ Sie reiten an. Zwei Meilen weiter stoßen sie auf die zurück kommenden Revolverreiter, die El Capitan und dessen Herde folgten. Sie gaben auf Ihre Pferde sind mit schaumigem Schweiß bedeckt. Sie konnten El Capitan nicht einholen. Er und seine Herde sind im Wettrennen einfach nicht zu schlagen. Sie alle sind auserlesene Tiere, auserlesen von ihm. Die Revolverreiter halten an. Auch die Wildpferdjäger tun es. Einer die Revolverreiter spricht bitter „Warum fangt ihr ihn denn nicht endlich oder schießt ihn ab? Blaisdell erzählte uns von euch. Warum könnt ihr ihn nicht auf irgendeine Art erledigen?“ „Warum konntet ihr das nicht?“, fragt McCoy zurück und reitet wieder an. Sie folgen ihm. Aber im Weiter reiten spricht Valdes zu den Revolverreitern „Hombres, vielleicht ist er gar kein richtiges Pferd, sondern der Teufel in Pferdegestalt.“ * Die Jagd auf El Capitan erfordert mehr Geduld, Ausdauer und Zähigkeit von ihnen als bei jedem anderen Wildpferdhengst. Zwar können sie ständig seiner Fährte folgen, aber sie bekommen ihn und seine Herde in den - 59 -
nächsten drei Tagen nicht in Sicht. Und dennoch ist der erfahrene Benito Valdes recht zufrieden Als sie am vierten Tag gegen Mittag eine Wasserstelle erreichen, da erklärt Valdes es ihnen mit den Worten „Jetzt haben wir es. Jetzt ist alles klar.“ Sie blicken ihn fragend an. Und da deutet er mit einer ausholenden Armbewegung in die weite Runde. Dann zeigt er auf die recht frischen Spuren an der Wasserstelle „Ich weiß jetzt, wie er seine Runden dreht“, sagt er und grinst „Ich kenne jetzt alle anderen Wasserstellen, die er aufsuchen muss, um außer Wasser auch noch gute Weide zu finden. Er muss ja für seine Untertanen sorgen und sie immer wieder dorthin führen, wo es ihnen an nichts mangelt. Und so kann man ihn nun einigermaßen ausrechnen Hier an diese Wasser stelle wird er etwa in einer Woche wieder hinkommen.“ Valdes macht eine kleine Pause, nimmt den Hut ab und wischt sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Er grinst unter seinem grauen, sichelförmigen Schnurrbart, zeigt Zahne, die für sein Alter noch sehr gut sind. Dann spricht er weiter „Wir haben nur eine Chance.“ „Welche? Da bin ich aber sehr neugierig.“ Pat McCoy murmelt diese Worte. Und die anderen grinsen nun alle. Jane Howell aber spricht mit einem Klang von Nachsicht in ihrer melodischen Stimme: „Hombres, er ist kein Wildpferdjäger. Er will nur ein Pferdezüchter werden. Ich werde es ihm erklären.“ Die drei Männer nicken. Da spricht Jane Howell weiter „Es wird eine lange Jagd werden, eine sehr lange Jagd, Pat McCoy. Wir können ihn nur bekommen, wenn er uns nicht mehr fortlaufen kann. Also müssen wir ihn ständig mit seiner Herde in Bewegung halten. Er muss mit seinen - 60 -
Untertanen ohne Ruhepause auf der Flucht vor uns sein, bis er fast zusammenbricht.“ Sie macht eine Pause und spricht dann weiter „Da wir jetzt den großen Kreis kennen, den er immerzu wandert von Wasserstelle zu Wasserstelle und einer saftigen Weide zur anderen, können wir uns aufteilen und ihn dort erwarten. Wir reiten dann stets auf frischen Pferden und jagen ihn. Wenn einer von uns mit seinen Pferden müde ist, übernimmt ihn ein anderer, jagt ihn weiter und weiter. In zwei, drei oder vier Tagen werden zuerst seine Unter tanen und dann er zusammenbrechen. Nur so bekommen wir ihn. Haben Sie das verstanden, Pat?“ Dieser starrt sie ungläubig an „Ist das euer Ernst?“ So fragt er. Da nicken sie. Valdes spricht „Der ist zu schlau, um sich in eine Sackschlucht oder eine andere Falle treiben oder locken zu lassen. Den können wir nur auf die ganz brutale Art bekommen - anders nicht.“ Pat McCoy schüttelt unwillig den Kopf, spricht dann: „Das gefällt mir nicht. Nein, das gefällt mir ganz und gar nicht. Solch eine Hetzjagd ist.“ Er halt inne, denn er muss erst noch nach Worten suchen. Schließlich spricht er weiter „ unfair, gnadenlos, einfach unredlich, gemein. Aah, da gibt es wohl viele Worte.“ Sie alle nicken. Und Benito Valdes spricht dann „Aber so ist die Welt Senor, wenn die Lebewesen auf unserer Erde etwas haben wollen, dann handeln sie so und nicht anders - es sei denn, es handelt sich um Heilige, die nach den zehn Geboten leben. Also, wollen Sie El Capitan oder nicht? Sie können ihn anders nicht bekommen.“ Pat McCoy sitzt eine Weile bewegungslos neben der Wasserstelle im Sattel und knetet auf dem Sattelhorn die Hände. Sie alle sind noch nicht abgesessen. Nur die - 61 -
Pferde stecken ihre Nasen ins Wasser. Es reicht ihnen nur bis zu den Fesseln. Erst in der Mitte wird es tiefer McCoy starrt auf seine Hände. Aber dann hebt er den Blick und sieht sie alle der Reihe nach an. „Verdammt, ich will ihn haben“, spricht er „Und ich will ihn ja nicht zerbrechen und seinen wilden Stolz in ihm töten. Wenn ich ihn habe, werde ich alles tun, dass er und ich Freunde werden. Also jagen wir ihn, wenn es keine andere Chance gibt. Gut, jagen wir ihn.“ Valdes nickt und sitzt ab. Auch die anderen tun es. Neben der Wasserstelle gibt es ein sandiges, trockenes Uferstuck, welches nur nach Regenfallen mit Wasser bedeckt ist. Valdes hebt ein fingerdickes Holz auf und beginnt eine Landkarte mit allen wichtigen Landmarken zu zeichnen. Auch die Wasserstellen zeichnet er ein, gibt auch dazu mit Worten seine Erklärungen. Und dann endet er mit den Worten „Wir müssen uns also aufteilen. Senor McCoy, Sie bleiben mit der Senora hier. Wenn El Capitan in etwa zwei oder drei Tagen hier auftaucht, dürfen Sie ihn nicht an die Wasserstelle lassen, sondern müssen ihn in diese Richtung jagen. Hier wird ihn Colorado übernehmen, am nächsten Tag an der zweiten Wasserstelle ist Paco an der Reihe. Ich übernehme ihn zuletzt und jage ihn hierher. Dann sind Sie die Jäger. Und so geht es weiter, bis er nicht mehr laufen kann. Dann erst können wir ihm die Schlinge über den Kopf werfen.“ Er verstummt hart, und sie alle können ihm unschwer ansehen, dass auch ihm ihr Vorhaben ganz und gar nicht gefällt. Aber wenn sie El Capitan haben wollen, dann müssen sie es auf diese Weise versuchen.
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Etwa eine Stunde später sind Jane Howell und Pat McCoy allein. Valdes, Paco und Colorado reiten in drei verschiedenen Richtungen davon. Und eigentlich beginnt die große Jagd auf El Capitan erst jetzt richtig, nachdem ihnen klar wurde, was für einen Kreis er ständig mit seiner Herde auf der Mesa wandert von Weide zu Weide und Wasserstelle zu Wasserstelle. Jane und Pat sitzen eine Weile am Feuer. Sie haben sich noch einmal die Becher mit Kaffee gefüllt. Nun betrachten sie sich irgendwie forschend. Zum ersten Mal hier oben auf der Mesa sind sie allein. Er wird sich wieder einmal mehr darüber klar, dass sie ihm von Tag zu Tag mehr gefällt. Und langst weiß er, dass sie unter ihrer etwas spröden Oberflache eine vitale und lebenshungrige Frau ist. Und das ist ja wohl auch kein Wunder. Sie ist noch jung, gewiss noch keine dreißig. Sie ist voller Energie und Lebendigkeit. Und schon über ein Jahr ist sie Witwe. Er sagt plötzlich „Jane, wie ist das zwischen Bac Lonnegan und Ihnen?“ Sie will zuerst etwas ärgerlich reagieren und hat gewiss schon eine spröde Abweisung auf der Zunge. Doch dann erkennt sie den Ernst in seinen Augen. „Er will mich“, erwidert sie dann schlicht „So einfach ist das. Er will mich. Und das ist ja immer so auf dieser Erde. Ein Mann will eine bestimmte Frau. Manchmal bekommt er sie und manchmal nicht. Das wiederholt sich dauernd überall.“ „Und? Wird er Sie bekommen?“
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„Warum fragen Sie das, Pat? Es gibt noch mehr Männer, die mich haben wollen. Gehören Sie etwa nicht dazu?“ Ihre letzten Worte klingen aggressiv. Er betrachtet sie abermals ernst, und er sieht auch, dass die vielen Tage und Nachte unter freiem Himmel bei Wind und Wetter ihre Zeichen an ihr hinterlassen haben, so wie an ihm und den drei anderen Männern. Sie alle wirken ein wenig ungepflegt, wenn nicht sogar struppig. Denn nicht immer fanden sie Wasser, um sich waschen zu können. Auch ihre Kleidung hat inzwischen gelitten. Aber das Haar von Jane glänzt immer noch raben schwarz. Ihre Augen leuchten immer noch grünblau. Nur ihre Nase pellt sich etwas vom Sonnenbrand. Und die Sommersprossen wurden offensichtlich etwas zahlreicher. Doch sie strömt eine vitale Kraft aus, eine starke Lebendigkeit - und vielleicht auch so etwas sie kaum unterdrückten Hunger nach den schönen und guten Dingen des Lebens. Sie ist eine junge Vollblutfrau. Sie wartet immer noch auf die Beantwortung ihrer Frage, und so entschließt er sich und erwidert „Gut, machen wir das klar, Jane. Sie sagten mir einmal, dass ich Ihrem Mann sehr ähnlich wäre, ja, dass man uns für Bruder hatte halten können. Vielleicht ist das eine Chance für mich. Denn natürlich möchte ich Sie haben eigentlich vom ersten Augenblick an, da ich Sie zu sehen bekam. Es wäre ja nicht normal, wenn ein Mann wie ich Sie nicht haben wollte. Für mich sind Sie die begehrenswerteste Frau, die mir jemals begegnet ist. Und ich wurde mich mächtig anstrengen, um diesem Bac Lonnegan keine Chance zu lassen. Oder mögen Sie mich nicht, Jane, aus welchen Gründen auch immer? Ja, ich - 64 -
war mal ein so genannter Revolvermann. Und jetzt versuche ich, einen anderen Weg zu finden. Vielleicht stört es Sie, dass ich schon getötet habe?“ Sie betrachtet ihn ernst, hebt dann ihre geraden Schultern und lässt sie wieder sinken. Dann spricht sie „Pat, ich werde Sie vielleicht sehr enttäuschen. Wir werden hier einige Tage und Nachte zu zweit in der Einsamkeit leben. Ich.“ Sie bricht ab, spricht dann etwas spröde „Wir sind nur Wildpferdjäger mit dem gleichen Ziel. Und vielleicht helfe ich Ihnen nur mit meinen Männern, damit ich El Capitan töten kann. Haben Sie schon mal daran gedacht, Pat?“ Er nickt langsam „Ja, das habe ich schon mal in Erwägung gezogen. Aber ich traue Ihnen solch einen Hass auf ein Tier nicht zu, welches nichts anderes tat, als um seine Freiheit zu kämpfen. Auch ich habe in Selbstverteidigung schon getötet.“ Sie schüttelt heftig den Kopf „Er hat meinen Mann getötet“, spricht sie klirrend „Ich weiß noch nicht, ob ich ihn erschießen werde. Aber ich weiß, dass ich Befriedigung verspüren werde, wenn er ein Gefangener ist.“ Sie verstummt hart. Dann spricht sie etwas weicher „Ich werde jetzt einige Sachen waschen. Wenn Sie ein Hemd und Unterzeug gewaschen haben wollen, dann werfen Sie es dort an den Stein am Wasser.“ Sie erhebt sich. Er aber sagt „Ich werde einen Corral für unsere Tiere errichten. Wir haben ja auch noch zwei Reservepferde und die Packtiere. Und eine Zweighütte sollte ich wenigstens für Sie errichten, Jane.“ Sie nickt nur stumm. - 65 -
Dann aber hören sie in der Ferne, was sie in den vergangenen Tagen und Nachten dann und wann zu hören bekamen. Es ist eine wandernde Schafherde. Sie vernehmen das Bähen, Blöken und Plärren der Schafe, Bellen der Hunde und die scharfen Pfiffe der Hirten. Von Nordosten her kommt abermals eine riesige Schafherde von der Bunten Wüste heraufgezogen. Sie halten inne und lauschen. Dann murmelt Jane mit einem Klang von Abscheu in der Stimme „Wenn diese Stinker zu unserer Wasserstelle hier kommen, wird sie für lange Zeit ruiniert und unbrauchbar sein. Sie wird zertrampelt und voll stinken dem Kot sein. Kein anderes Tier oder gar ein Mensch konnten hier genießbares Wasser finden. Alles wäre verdorben für lange Zeit“ Er nickt. Doch dann erwidert er ruhig „Die kommen nicht hierher. Dafür werde ich sorgen. Diese schöne Wasserstelle bleibt unberührt von Schafen. Hier wird es nicht nach Schafdung stinken.“ Sie starrt ihn seltsam an und spricht dann „Aber was ist, wenn Sie dann abermals kämpfen und töten müssen, Pat McCoy?“ Er hebt die breiten Schultern und lasst sie wieder sinken. „In diesem Land“, spricht er, „wird nur der Stärkere respektiert, gibt es keine Vernunft. Sie ist ein Geschenk der Natur für Menschen und viele Tiere. Sie darf nicht zerstört werden.“ Er wollte seinem Wallach den Sattel abnehmen. Doch jetzt lasst er ihn oben und schwingt sich hinauf auf das große Tier. Langsam reitet er davon, dorthin, wo die Schafherde zu hören ist. - 66 -
Jane Howell sieht ihm nach. Und sie denkt „Was für ein Mann“. Er will seiner Vergangenheit entkommen und setzt dabei all seine Chips auf den Hengst, der ihm dabei helfen soll, ein erfolgreicher Pferdezüchter zu werden. Was für ein Mann! Aber sein Schicksal ist es wohl, dass er immer wieder mit seinem schnellen Colt die Dinge beeinflussen muss. Ist er eines Tages zum Untergang verurteilt? Oder kann er es schaffen? Ist er ein Mann, den zu lieben es sich lohnt? Aber das frage ich mich auch bei Bac Lonnegan. Sollte ich zwischen den beiden Männern wählen müssen - eines Tages? Sie weiß keine Antwort. Die Liebe zu ihrem toten Mann ist immer noch zu stark in ihr. Alles ist so ungewiss, und es gibt in ihr nur Ahnungen, die sie nicht deuten kann. Aber es sind Ahnungen in dem Sinn, dass sich eine Menge verändern wird. * Indes trabt der Wallach unter Pat McCoy der Schaf herde entgegen. Manchmal hält er an und lauscht, um die Richtung nicht zu verlieren. Und dann - als er an den Rand einer Senke gelangt -, da sieht er die Schafe. Das Land steigt von Nordosten aus der Bunten Wüste über hundert und noch mehr Meilen langsam an. Die Schafe kommen aus einem breiten Canyonmaul auf die gewaltige Senke, deren Durchmesser gewiss an die zwei Meilen beträgt. Da und dort stehen kleine, rote Felsklötze, aber auch spitze Nadelfelsen. Ein leichter Wind weht. Es ist ein wunderschönes Land. An der Spitze der Herde fährt einer der zweirädrigen Hirtenwagen, gezogen von einem Maultier. Ihm folgen die Leithammel mit den Hirten rechts und links. Hunde - 67 -
rennen an den Flanken der Herde entlang, treiben ausbrechende Tiere zurück. Ja, die Herde befindet sich in Marsch. Sie wandert nicht grasend. Wahrscheinlich will sie eine bestimmte Tagesstrecke schaffen. Dann erblickt Pat McCoy die ersten Revolverreiter. Es sind zwei, und weil sie auch ihn wahrgenommen haben, kommen sie schnurgerade auf ihn zu. Wenig später - sie ritten im Trab - halten sie vor ihm an. Und er weiß nach dem ersten Prüfen, zu welcher Sorte sie gehören. Einer deutet nach Süden und fragt: „Ist dort das Rim?“ Es ist eine barsche Frage. In der Stimme ist ein Klang von Arroganz. McCoy kennt die Überheblichkeit von Revolverhelden, denen jeder normale Mensch aus dem Weg geht. Und so halten sie sich für mächtig und groß in ihrer Bedeutung. Er erwidert: „Hallo, guten Tag. Ja, dort im Süden ist der Rand der Mesa. Doch Sie müssen die Richtung der Herde etwas mehr nach Westen verändern. Da im Süden ist eine kleine, wunderschöne Wasserstelle, eine Oase für Menschen und Tiere, aber nicht für Schafe. Weiter im Westen ist gewiss ein Creek, wo die Schafe in breiter Front ihren Durst stillen können. Also, Gentlemen, ändern Sie die Marschrichtung der Herde.“ Noch bevor er verstummt mit seinen höflichen Worten, kann er erkennen, dass sie ablehnen werden. Denn sie gehören zu der Sorte, die sich nichts sagen lässt, weil sie ein Nachgeben für Schwäche hält. Und als er verstummt, da grinsen sie und schütteln die Köpfe.
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„He, wer bist du eigentlich, dass du glaubst, uns Befehle erteilen zu können? Du bist doch wohl nicht einer der Rinderleute, mit denen wir überall Ärger bekommen, wohin wir mit unseren friedlichen Tieren auch kommen? He, bist du ein verdammter Cowpuncher?“ Pat McCoy bleibt immer noch friedlich, obwohl er weiß, dass sie dies als Schwäche oder gar Feigheit auslegen werden. Und so erwidert er: „Freunde, ich bin ein Wildpferd jäger, und ich möchte nur, dass die kleine und wunder schöne Wasserstelle nicht vom Schafsdung versaut wird. Also ändert die Richtung der Herde.“ Nun sind sie richtig gierig auf ein Erfolgserlebnis. Wenn sie ihn zum Kneifen bringen können, werden sie wieder das Gefühl in sich spüren, groß und mächtig zu sein mit ihren gewiss schnellen Revolvern und ihrer zweifachen Übermacht. Und deshalb fragt einer grinsend: „Pferdejäger, was wirst du tun, wenn wir dir sagen, dass deine schönen Worte nutzlos sind, weil wir immer nur machen, was wir wollen? Also, was dann?“ Da wird er zornig. „Ihr verdammten Narren“, spricht er, „warum legt ihr euch mit mir an? Ich habe an der Wasserstelle eine Frau, die sich im klaren Wasser waschen will. Ich werde euch zurecht stutzen müssen, wenn ...“ Sie haben nur auf solche Worte gewartet, denn sie stoßen zweistimmig einen fast - jubelnden Ruf aus und schnappen nach ihren Revolvern. Es ist, als trügen sie auch unter sich einen Wettkampf aus, wer von ihnen der schnellere Mann ist.
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Doch keiner von ihnen kann Pat McCoy schlagen. Als sie ihre Revolver hochschwingen und über die Köpfe ihrer Pferde hinweg auf ihn schießen wollen, da trifft es sie. Seine Kugeln stoßen sie aus den Sätteln. Sie landen schwer und lassen dabei auch ihre Waffen fallen. Sie können nicht weiterkämpfen, und so erweist es sich, dass sie längst nicht so hart sind, wie sie glaubten und vorzugeben versuchten. Als er zwischen sie reitet und vom Sattel aus auf sie niederblickt, da liegen sie da und stöhnen. In ihren aufgerissenen Augen erkennt er die Sorge, dass es sie schlimm erwischt haben könnte. „Oh, ihr verdammten Narren“, spricht er vom Sattel aus auf sie nieder. „Warum musstet ihr so großspurig sein?“ Sie geben ihm nur mit knirschenden Flüchen Antwort. Er aber reitet nun bis zur Spitze der Herde. Und hier marschiert der Oberhirte neben dem Wagen und zwei Hunden rechts und links neben sich. Dieser Oberhirte ist schon alt, doch er wirkt irgendwie würdig und lässt die Weisheit des Alters erkennen, als er mit seinen Falkenaugen zu dem Reiter hochblickt. „Senor“, spricht er, „was hat das zu bedeuten?“ Da erklärt ihm Pat McCoy alles mit ruhiger Höflichkeit und endet mit den Worten: „Ich bin sicher, Senor, dass Sie Verständnis haben und die Herde an der schönen Wasserstelle vorbeiführen. Und Sie sollten sich auch um die beiden Verwundeten kümmern, denn ich schoss ihnen in die Schultern. Sie haben sicherlich Salbe und Medizin für die Schafe. Die wird auch gut für diese beiden zweibeinigen Hammel sein.“
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„So ist es, Senor“, erwidert der Oberhirte. „Ich denke, dass Sie ein Caballero sind. Ich werde Ihren Wünschen entsprechen.“ „Dann bedanke ich mich, Senor“, erwidert McCoy und zieht sein Pferd herum, um zurück zu Jane Howell an die Wasserstelle zu reiten. Als er eine knappe Stunde später zur Wasserstelle zurückgeritten kommt, da ist er sicher, dass die riesige Schafherde in meilenweiter Entfernung vorüberzieht. Von einem Hügel aus hat er dies beobachtet. Jane Howell empfängt ihn mit den Worten: „Pat, ich hörte Schüsse. Sie mussten wieder einmal kämpfen?“ „Es ließ sich nicht vermeiden“, erwidert er, und sie spürt die Bitterkeit in seinem Kern, obwohl er sie tief in sich verborgen zu halten versucht. Sie wird sich in diesem Moment darüber klar, warum er als Pferdejäger und Pferdezüchter einen neuen Anfang zu machen versucht und nicht länger mehr als Revolver mann von seinem Colt leben will. Nein, es ist kein Mitleid, was sie für ihn spürt, aber es ist ein starkes Mitgefühl. Denn auch sie kennt ja die Einsamkeit mitten unter Menschen seit dem Tod ihres Mannes. „Aber du hast diese wunderschöne Wasserstelle gerettet, Pat“, spricht sie mit einem weichen Klang in der Stimme. „Steig ab. Ich habe dein, schmutziges und verschwitztes Zeug gewaschen. Es trocknet dort auf dem heißen Felsen. Bald kannst du dich umziehen. Dann wasche ich alles, was du jetzt trägst. Wir haben ja viel Zeit. Der Hengst soll ja mit der Herde erst in einigen Tagen wieder hier auftauchen. Pat, ich glaube, wir werden uns jetzt besser kennen lernen.“
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Er sieht sie etwas überrascht und staunend an und beginnt zu begreifen, dass in ihr eine Veränderung stattgefunden hat. Etwas wurde anders. Langsam sitzt er ab. „Ich habe mich auch schon von Kopf bis Fuß gewaschen“, spricht sie weiter. „Aber schwimmen kann man in diesem kleinen Tümpel nicht. An der tiefsten Stelle ist es nur knietief.“ Er grinst und sagt dann: „He, dann warst du ja splitternackt. Was wäre gewesen, wenn jemand gekommen wäre?“ „Du warst ja in der Nähe“, erwidert sie. „So nahe auch nicht“, widerspricht er. Und dann fragt er geradezu: „Und du vertraust mir, Jane?“ Sie lächelt und nickt. * Zwei Tage und zwei Nächte vergehen, und El Capitan lässt sich mit seinen Untertanen immer noch nicht an der Wasserstelle blicken. Die Nacht wir mond- und sternenhell. Sie halten ein Feuer in Gang, so dass sie sicher sein können, El Capitan dadurch von der Wasserstelle abzuhalten. In dieser dritten Nacht kommt Jane Howell auf die andere Seite des Feuers zu Pat McCoy unter dessen Decke. Dabei flüstert sie: „Pat, ich war lange genug einsam und ohne Mann - und ich spürte die ganze Zeit auch deine Einsamkeit. Ich will wieder etwas Wärme spüren. Also nimm mich in deine Arme, zeig mir, wie schön das Leben ist, voller Zärtlichkeit, wenn man das Glück hat, einen Partner zu finden, den man mag. Ich
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will wieder leben mit allen Fasern meines Körpers und mit allen Gefühlen.“ „Darauf habe ich gewartet“, flüstert er zurück. „Und ich spürte die ganze Zeit, die wir an dieser Wasserstelle verbringen durften, dass es so kommen würde.“ Sie halten sich nun beide umschlungen, und ganz gewiss wäre es weitergegangen. Sie hätten sich einander mit Zärtlichkeit und Liebe beschenkt. Doch es kommt jäh völlig anders. Ihre beginnende Paarung wird gestört. Denn sie hören nun in der stillen Nacht das trompetenhafte Wiehern des Hengstes. Es klingt wie ein drohendes Angriffssignal. Man hört an diesem Wiehern, wie böse und wild El Capitan sein muss. Und das ist wohl auch kein Wunder und gut zu begreifen. Denn nun wird er mit seiner Herde schon einige Tage und Nächte gejagt, gehetzt. Sie konnten nicht ausruhen, bekamen nirgendwo Wasser. Immerzu war ein Reiter hinter ihnen, der auch über ihre Köpfe hinweg gefährlich pfeifende Kugeln schoss. Sie waren fortwährend auf der Flucht. Und jetzt sah der Hengst das Feuer an der Wasserstelle und begriff, dass er abermals verloren hat und seiner Herde wieder keine Ruhe, kein Wasser und keine Weide bieten kann. Er weiß nun, dass er seine Flucht fortsetzen muss - irgendwohin, wo er bei Wasser und Weide mit seiner Herde verweilen kann. Deshalb sein böser Trompetenschrei. Ja, es ist kein Wiehern mehr, es ist wie ein böser Schrei, voller Wildheit und Zorn. Jane und Pat springen aus den Decken. „Jetzt ist er hier! Jetzt geht es los!“ So ruft er. Sie beginnen in aller Eile, ihre Siebensachen einzupacken und die Pferde zu satteln. Und die ganze - 73 -
Zeit hören sie da draußen den Hengst immer böser wiehern und schnauben. Offenbar trabt er immerzu hin und her, umkreist auch seine Herde und hält sie vom leuchtenden Feuer und der Wasserstelle ab. Als sie fast schon fertig sind mit den Pack- und Reservepferden und sich auf ihre Sattelpferde schwingen wollen, da hören sie einen Reiter kommen. Sie wissen, dass es nur Benito Valdes sein kann, der den Hengst von Paco übernahm und hierher jagte. Und er ist es auch. Er kommt auf einem schweißbedeckten Pferd und zieht das ebenso erschöpfte Reservepferd mit sich. Sie sehen im Feuerschein, wie hart er geritten ist. Und sie hören ihn heiser rufen: „Also los, übernehmt ihn! Und wenn er euch anzugreifen versucht in seinem wilden Zorn, dann schießt über seinen Kopf hinweg. Er weiß um die Gefährlichkeit der Schüsse. Der hat schon Bekanntschaft mit Kugeln gemacht. Wenn es kracht, flüchtet er.“ Valdes hat nun krächzend alles gesagt und rutscht aus dem Sattel. Sie aber reiten los. Und als sie sich draußen in der hellen Nacht bei Mond- und Sternenschein dem Hengst und dessen Herde nähern, da greift El Capitan tatsächlich an. Ja, er galoppiert mit einem Angriffswiehern auf sie zu. Doch da feuert McCoy seinen Colt ab, lässt einige Kugeln über den Kopf des wilden Hengstes pfeifen. El Capitan macht auf der Hinterhand kehrt und feuert dann - auf der Vorderhand stehend - nach hinten immer wieder aus. Seine Herde folgt ihm. Er ist wieder auf der Flucht, wird weiter in Bewegung gehalten und gejagt. - 74 -
* Als es Tag wird, da jagen sie ihn und seine Herde immer noch, halten die gut fünfzig Tiere ständig in Bewegung. Pat McCoy verspürt einen sich stetig steigernden Widerwillen. Was sie da tun, das gefällt ihm immer weniger. Sie jagen einen Hengst, der von der Schöpfung dazu geschaffen und bestimmt wurde, für eine Herde zu sorgen. Es ist jetzt schon abzusehen, dass einige der Tiere bald nicht mehr mithalten können. Auch einige größere Fohlen sind ja bei der Herde. Es wird bald schon Nachzügler geben, die schließlich nicht mehr können und sich aus Erschöpfung sozusagen ihrem Schicksal ergeben müssen. Doch dies ist eigentlich das Beste, was sie tun können. Denn von ihnen wollen die Jäger ja nichts. Die Hetzjagd gilt nur dem Hengst. Und dieser wird bis zuletzt laufen. Es ist eigentlich eine abscheuliche Treibjagd ohne Gnade. Sie folgen der Herde also über Ebenen, durch Canyons, enge Schluchten, Wald, über Hügelpässe und halten sie fortwährend in Bewegung. Die Herde läuft an diesem Tag vom Stunde zu Stunde langsamer, manchmal nur noch im Schritt. Der Hengst läuft eigentlich all die Meilen dreimal, denn er umkreist seine Herde, hält sie zusammen, treibt sie an. Einige Male beißt er die Stuten sogar, und immer wieder schmettert er sein trompetefthaftes Wiehern über die Mesa.
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Zweimal stürmt er den beiden Verfolgern angriffs entschlossen entgegen, hofft instinktiv, sie in die Flucht schlagen zu können. Doch dann schießt McCoy wieder über seinen Kopf hinweg, zwingt ihn zur Umkehr und Flucht. Dabei kommt er sich gemein vor, ganz und gar wie ein Mann, der etwas tut, was unehrenhaft ist. Dennoch macht er mit Jane Howell weiter und entschuldigt sein Tun damit, dass er den Hengst zu seinem Freund machen will und nicht vorhat, ihn einzubrechen, so wie es damals Janes Mann versuchte. So vergeht der Tag. Es kommt die Nacht. Abermals wird es eine helle Nacht hier oben auf dem Great Colorado Plateau. Es bleiben nun die ersten Tiere zurück. Der Hengst kann sie nicht mehr antreiben, weder durch böses Wiehern noch durch Beißen. Die Herde bricht auseinander. Und dann stoßen sie gegen Mitternacht auf die Wasserstelle, an der Colorado auf sie wartet. Er kommt ihnen sogar ein Stück entgegen mit seinem Reservepferd neben sich und seinem Pinto. Sie übergeben ihm die Gejagten, und er ruft zufrieden: „Die pfeifen schon aus dem letzten Loch! Aber er wird noch zwei oder drei Tage durchhalten. Ich denke, ihr solltet ihn hier nicht mehr erwarten. Er schafft es im besten Fall nur noch bis zu der Wasserstelle, wo ihr ihn übernommen habt. Auch Valdes wird noch dort sein. Paco und ich, wir bringen ihn gewiss in zwei Tagen.“ Nach diesen Worten zieht er sein Pferd herum, zerrt das Reservepferd mit sich und übernimmt nun die Treibjagd.
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Jane und Pat reiten im Schritt zur Wasserstelle, zu der El Capitan seine Herde auch diesmal nicht führen konnte. Sogar Pat McCoys Wallach ist erschöpft. Alle Tiere sind mit Schweiß bedeckt und stolpern nur noch. Als sie absitzen von den erschöpften Tieren, da stöhnen diese fast wie Menschen vor Erleichterung. Ja, es ist ein Stöhnen, wie man es bei Pferden sonst niemals hört. Jane und Pat schweigen lange. Sie erfrischen sich und sorgen für die Tiere. Sie lassen diese nicht zu viel Wasser aufnehmen. Aber sie reiben die Pferde ab, arbeiten hart daran. Und so ist es schon nach Mitternacht, als sie endlich ein Feuer anzünden und sich daran machen, Kaffee zu kochen und Pfannkuchen mit Speck zu braten, weil sie schnell zuzubereiten sind. Als sie endlich ihren Hunger stillen und sich am Feuer gegenüber sitzen, da spricht McCoy: „Jane, er tut mir Leid. Sag mir, ob du ihn immer noch hasst.“ Sie blickt ihn im Feuerschein mit müden Augen an. Der rote Feuerschein mildert das kalte Licht der Gestirne. Sie hebt die Schultern und lässt sie wieder sinken. Und es ist eine Geste der Ratlosigkeit. Dann murmelt sie: „Soll ich ihn vielleicht bemitleiden? Er hat damals meinen Mann totgetrampelt wie eine wilde Bestie und ...“ „In Notwehr“, unterbricht er sie. „Das muss man ihm doch wohl zugestehen. Jedem Lebewesen auf unserer Erde muss man das zugestehen. Jane, hasse ihn nicht länger.“ Aber sie schweigt und hebt abermals nur die Schultern, um sie dann resigniert wieder sinken zu lassen, weil sie keine Worte finden und in ihrem tiefsten Kern noch kein Umdenken oder anderes Fühlen stattfinden kann.
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Als sie sich später zum Schlafen niederlegen, da kommt sie nicht unter seine Decke. * Sie bleiben am nächsten Tag noch bis Mittag an der Wasserstelle und erleben immer wieder, wie erschöpfte Tiere von El Capitans Herde herangetrottet kommen. Es sind Tiere, welche nicht mehr laufen konnten und zurückblieben, sich ein wenig erholten und nun nur noch Wasser wollen. Die Tiere - sie kommen mit letzter Kraft, viele hinken und stolpern - haben keine Scheu mehr vor den beiden Menschen an der Wasserstelle und deren Tieren. Sie kommen zum Wasser und laben sich. Und man kann sehen, wie sehr das Wasser sie wieder zu neuem Leben erweckt. McCoy sagt bitter: „Einige von ihnen liegen gewiss dort draußen und schaffen es nicht mehr hierher. Jane, ich beginne mich zu verachten.“ Sie nickt. „Aber so ist die Welt“, spricht sie dann. „Wenn man etwas erreichen oder siegen will, dann geht man auch über Leichen. So war es schon immer auf allen Gebieten und unter allen Lebenden. Und wir Menschen sind ja nicht so edel und gut, wie wir vorgeben zu sein. Du willst den Hengst. Also gehst auch du über Leichen. Und die Schafherden wollen Weideland. Also wird es Krieg mit den Rinderzüchtern geben. Und die Völker unserer Erde ...“ „Hör auf“, unterbricht er sie. Dann macht er eine hilflose Bewegung und spricht: „Wir können das jetzt nicht mehr aufhalten. Jetzt jagt ihn Colorado, dann wird Paco den Rest erledigen. Wenn er es - 78 -
wirklich noch bis zur ersten Wasserstelle schafft, wird er erledigt sein. Dann haben wir ihn fast zu Tode gehetzt und zerbrochen. Ich würde, wenn ich es jetzt könnte, die Jagd auf ihn beenden. Doch es ist zu spät.“ Er verstummt bitter. Sie nickt. „Ja, es ist zu spät. In zwei oder drei Tagen wirst du ihn halbtot und zerbrochen bekommen. Aber ob er dann noch edle Nachkommen zeugen kann?“ In ihrer Stimme ist nun doch ein Klang von Mitleid. Er hört es genau. Und so betrachtet er sie forschend. „Nun hegst du keinen Hass mehr gegen ihn?“, fragt er sanft. „Er tut mir jetzt Leid“, erwidert sie ernst. „Ja, er tut mir Leid. Wir Menschen reden so viel von sittlichen Werten und Moral. Aber dann tun wir Dinge, die mit Moral nicht das Geringste zu tun haben. Mein Mann hätte ihn nicht einzubrechen versuchen sollen. Ich kann El Capitan nicht mehr hassen.“ Er nickt wortlos. Erst nach eine Weile sagt er: „Jane, ich danke meinem Schicksal, dass ich dir begegnet bin. Also, reiten wir zurück und warten wir auf El Capitan. Vielleicht will ich ihn gar nicht mehr haben.“ * Sie reiten an diesem Tag bis in die späte Nacht hinein. Und als sie dann ihr Camp aufschlagen und sich nach dem Abendessen zur Ruhe legen, da kommt Jane zu ihm unter die Decke. Ja, sie lieben sich in dieser Nacht, werden ein Paar. In dieser Nacht verliert jeder von ihnen seine bisherige Einsamkeit. Keiner ist mehr allein, und es zeigt sich, wie sehr sich jeder nach Zärtlichkeit, Wärme und all den - 79 -
guten Dingen einer Zweisamkeit zwischen Frau und Mann sehnte. Es ist dann am nächsten Tag, am späten Nachmittag, als sie ihre erste Wasserstelle wieder erreichen. Benito Valdes erwartet sie und begrüßt sie mit den Worten: „Ich dachte mir, dass Sie jetzt kommen würden. Ich habe einen Truthahn über dem Feuer. Können Sie den Braten riechen?“ Sie nicken stumm. Und nachdem sie abgesessen sind und ihre Pferde versorgt haben, da setzen sie sich ans Feuer und kosten von dem Braten. Valdes beobachtet sie eine Weile und fragt dann: „Senor, warum schmeckt es Ihnen nicht? Ist etwas geschehen, was Ihnen den Appetit verdirbt?“ Jane wirft McCoy einen Blick zu, der ihm sagt, dass er Valdes eine Antwort geben soll. Und so spricht er: „Ich will El Capitan nicht mehr. Die ganze Hetzjagd war einer der größten Fehler meines Lebens. Wenn El Capitan herkommen sollte, dann werden wir ihn in Ruhe lassen. Ich will ihn nicht mehr fangen.“ Benito Valdes betrachtet McCoy ernst, forscht in dessen Augen. Dann nickt er und erwidert: „Senor, Sie sind ein wirklicher Caballero. Ich habe nun großen Respekt vor Ihnen. Jeder Mensch, der einen Irrtum zu erkennen und einzusehen vermag, der besitzt etwas, das man wohl Größe nennen kann.“ „Loben Sie mich nicht zu sehr, Benito Valdes.“ McCoy winkt ab. Dann richtet er den Blick in die Ferne, dorthin, von wo El Capitan auftauchen müsste. Und da sieht er offensichtlich etwas, denn er erhebt sich und spricht ganz - 80 -
ruhig: „Da kommt er. Seht, da kommt er tatsächlich. Und er ist allein. Kein Tier seiner Herde konnte ihm noch folgen. Da kommt er. Hinter ihm ist weit zurück Paco zu erkennen. Er jagt ihn nicht mehr. Er folgt ihm nur und schont ihn.“ Sie sehen es nun alle. Ja, da kommt El Capitan langsam näher. Er geht nur noch mit letzter Kraft im Schritt und stolpert. Wie ein Geschlagener nähert er sich. Von seiner ganzen Herrlichkeit, seiner vitalen Kraft, seiner Schönheit ist nichts mehr vorhanden. Er ist mit Schweiß und Staub bedeckt. Die glänzende Schwärze seines Fells ist nicht mehr zu bewundern. Er ist jetzt eine arme, erschöpfte, vielleicht schon sehr kranke Kreatur. Denn die Hetzjagd auf ihn dauert fast schon sechs Tage und Nächte. Kein einziges Tier seiner Herde ist noch bei ihm. „Verdammt“, flüstert Pat McCoy, „was haben wir ihm angetan, was für eine schreckliche Sünde begingen wir an ihm, was für ein Bild bietet er jetzt ... Kommt, machen wir diese Wasserstelle für ihn frei. Er soll erkennen, dass wir ihn in Frieden lassen.“ Und so beeilen sie sich. Sie löschen das Feuer, packen ihre Siebensachen zusammen und bringen alles mit den Pferden einen halben Steinwurf weit von der Wasserstelle weg. Dann erst halten sie an und beobachten El Capitan. Auch er hat angehalten und gewartet. Und dann - als die Wasserstelle frei ist -, da hebt er noch einmal mit letzter Kraft den edlen Kopf. Doch er bringt kein Wiehern mehr heraus. Es ist nur noch ein müdes Schnauben. Er nähert sich nun vorsichtig, aber auch mit letzter Kraft. - 81 -
Paco reitet im großen Bogen um ihn herum und gesellt sich zu der wartenden Gruppe. „O heilige Madonna“, spricht er, „ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich mal in den Himmel kommen werde. Ich hätte ihm leicht mein Wurfseil über den Kopf und ihn als Gefangenen herschaffen können. Doch ich brachte es nicht fertig. Wir haben einen König zerbrochen. Senor, ich bin nicht mehr dabei.“ „Das sind wir alle nicht mehr, Senor Paco“, erwidert McCoy. Sie sprechen nichts mehr, beobachten nur noch El Capitan. Dieser nähert sich der Wasserstelle, wittert auch zu ihnen herüber. Aber irgendwie begreift er, dass die Jagd auf ihn vorbei ist. Er weiß nicht warum, denn er weiß nichts von Moral, Mitleid und Bedauern, die in diesen Menschen da nun wirksam wurden. Als er das Wasser erreicht, nimmt er erst einmal vorsichtig einige Schlucke, wirft nach jedem Schluck den Kopf hoch und lässt das Wasser in seiner Kehle niederfließen. Und immer wieder wittert er zu der regungslos verharrenden Menschengruppe herüber. Dann aber geht er in das knietiefe Wasser hinein und lässt sich darin nieder, beginnt sich darin zu wälzen, immer wieder über seinen Rücken von einer Seite zur anderen. Und als er sich endlich erhebt, sind seine Bewegungen schon wieder besser. Es ist fast wie ein Wunder, dass etwas Wasser und auch ein Bad wie ein Lebenselixier wirken. Er nimmt dann erneut vorsichtig Wasser auf und wälzt sich abermals inmitten der Wasserstelle, wo diese am tiefsten ist.
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Seine Erholung ist fast wie ein Wunder. Er regeneriert sich aus einer tief in ihm immer noch vorhandenen Substanz heraus. Als er dann die Wasserstelle verlässt, da bringt er schon wieder ein trotziges Wiehern heraus. Es klingt fast schon wieder wie eine Kampfansage. „Dem Himmel sei Dank“, flüstert Pat McCoy, „er ist noch nicht völlig zerbrochen. Hört ihr seine Stimme? Er will immer noch kämpfen. Was für ein großer Krieger ist er doch.“ Und er bewegt sich drei Schritte vorwärts und winkt mit seinem Arm, ruft dabei: „Hoooiii, El Capitan! Wir jagen dich nicht mehr! Wir bewundern und achten dich! Du wirst bald wieder eine Herde haben hier oben auf der Mesa! Viel Glück, El Capitan!“ Als seine Stimme verklingt, da wittert der Hengst noch einmal zu ihnen herüber. Dann hebt er den Kopf noch höher und steigt ein wenig mit der Vorderhand hoch. Sein Wiehern klingt schon wieder trompetenhaft. Er wendet sich auf der Hinterhand und will davontraben. Es ist mit ihm ein Wunder geschehen. Wasser und ein Bad brachten das zustande. Doch er kommt nur etwa fünfzig Yards weit. Dann kracht in ziemlicher Entfernung ein Schuss. Dem Knall nach handelt es sich um eine schwere Buffalo Sharps. Man hört dann die Kugel heranrauschen und in den Hengst einschlagen. El Capitan hat keine Chance. Denn solch eine Kugel aus einem schweren Büffelgewehr fällt auf vierhundert Yards auch einen Büffelbullen. *
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Sie sehen El Capitan umfallen. Nein, er bäumt sich nicht auf. Er fällt einfach um und rührt sich nicht mehr am Boden. Und so wissen sie, dass er tot ist. Es gibt keinen El Capitan mehr auf der Mogollon Mesa. Die fünf Pferdejäger, die ihn sechs Tage lang jagten und dann endlich einsahen, dass sie so etwas wie ein Verbrechen begingen an ihm, sie können es einige Sekunden lang nicht fassen. Dann aber halten sie Ausschau nach dem Schützen. Dieser kommt über einen Hügelkamm geritten. Aber er ist nicht allein. Eine starke Mannschaft taucht hinter ihm auf, Reiter für Reiter in fast militärischer Ordnung. Der Reiter an der Spitze schiebt das schwere Büffelgewehr ins Sattelholster. Man kann es in der klaren, trockenen Luft genau erkennen, obwohl die Entfernung gewiss noch an die dreihundert Yards beträgt. „Das ist Jake Blaisdell“, flüstert Pat McCoy. „Blaisdell ist der Mörder von El Capitan. Ja, da kommt Blaisdell mit zwei Dutzend Revolverschwingern geritten.“ Sie hören es. Und Valdes sagt: „Und wir können nichts gegen ihn tun - gar nichts. Seine Übermacht ist zu groß. Er hat den Hengst jetzt dafür bestraft, dass dieser mehr als tausend Schafe über den Rim jagte und in den Tod stürzen ließ. Ja, es ist eine Bestrafung. Er konnte im Auftrag der Herdenbesitzer gar nicht anders handeln. Er hat ihn getötet wie ein Raubtier. Das alles gehört zum Krieg. Er wurde angeworben, um die Schafherden zu schützen. Dafür würde er auch Menschen töten. Und was ist in seinen Augen schon ein Pferd, nicht wahr?“ - 84 -
Benito Valdes verstummt grimmig und voller Verachtung. Und indes kommt Jake Blaisdell an der Spitze der Reiter herangetrabt. Das Bild, welches sie bieten, ist als Machtdemonstration beabsichtigt. Ja, sie sind zwei Dutzend Revolverreiter, gut ausgerüstet und beritten. Und sie alle fühlen sich prächtig innerhalb ihrer Mannschaft. Sie verspüren ein Gefühl von Macht und Unbesiegbarkeit. Blaisdell hält neben dem bewegungslos am Boden liegenden Hengst an, betrachtet offenbar vom Sattel aus die Wunde. Dann spricht er auch einige Worte. Die Entfernung zu Jane Howell und den vier Männern ist zu groß, um die Worte genauer verstehen zu können. Aber es könnte sein, dass er zufrieden spricht: „Nun, du schwarzes Teufelsbiest, du wirst keine Schafe mehr über den Rim jagen.“ Blaisdell kommt dann zu der bewegungslos wartenden Gruppe. Sein Blick richtet sich auf Pat McCoy, nachdem er vor Jane Howell an den Hut griff und sich im Sattel leicht vorbeugte. „Nun, McCoy!“, spricht er klirrend vor Härte. „Jetzt kannst du ihn nicht mehr jagen und einfangen. Wahrscheinlich hättet ihr das auch niemals geschafft. Er war zu schlau für euch. Solch einen Teufel kann man nur mit einer guten Sharps erledigen.“ Er beugt sich bei seinen Worten vor und klopft mit der Hand gegen den Kolben des Büffelgewehrs, welcher neben seinem Knie aus dem Sattelholster ragt. Seine hellblauen, fast farblosen Augen glitzern. Und sein Blick ist immer noch fest auf McCoy gerichtet.
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„Wenn du mir vielleicht böse sein solltest, McCoy, und irgendwie Genugtuung haben möchtest, dann stehe ich dir zur Verfügung.“ Es ist eine glasklare Herausforderung. Doch McCoy schüttelt stumm den Kopf. Nein, er spricht kein Wort. Er erwidert nur den glitzernden Blick von Blaisdell fest. Dieser deutet nun nach Westen am Rim entlang, der ja eine Viertelmeile weit entfernt ist. „McCoy“, sagt er, „du bist mit einigen meiner Reiter nicht gerade sanft umgesprungen. Auch hier hast du zwei von ihnen böse angeschossen. Und du hast auch einem der Oberhirten Befehle erteilt. Damit ist es jetzt vorbei. Ich sage dir jetzt, McCoy, komm mir nicht mehr in die Quere. Ich nehme nichts mehr hin. Und deine Pferdejagd auf El Capitan ist ja ohnehin beendet. Am besten wäre, du reitest weit fort. Oder willst du dich jetzt auf der Pferderanch von Mrs. Howell einnisten?“ Als er verstummt, ist zuletzt in seiner Stimme ein höhnender Klang. Aber Patrik McCoy schweigt immer noch, sieht ihn nur ruhig an, lässt nichts von seinen Gedanken und Gefühlen erkennen. Blaisdell nickt ihm nun zu. „Ja, es ist gewiss besser, wenn du nichts sagst.“ Er zieht sein Pferd herum und will anreiten. Doch dann spricht er noch mit einem Klang von Triumph in der klirrenden Stimme: „Die ersten Herden ziehen jetzt in den Canyons dort im Westen hinunter ins Tonto-Becken. Morgen wird die erste Herde im Tonto-Becken das Gras fressen. Und dann kommt mit jedem Tage eine neue Herde hinzu. Ich bringe mehr als hunderttausend Schafe hinunter.“ - 86 -
„Das bedeutet Krieg, Mister!“ Jane Howell ruft es scharf. Er grinst. „Man konnte noch niemals auf dieser Erde ohne Krieg etwas erobern, schöne Lady. Das war schon immer so und wird auch so bleiben.“ Er reitet endlich an. Die Kavalkade seiner Revolver reiter folgt ihm. Die fünf Wildpferdjäger, die ja nun keine mehr sind, sehen ihnen schweigend nach. Dann murmelt Benito Valdes: „Ja, es gibt Krieg. Und wir alle im Tonto-Becken werden zusammenhalten müssen. Hunderttausend Schafe ruinieren die Rinderweide auf Jahre, selbst wenn sie nur bis zum Frühling bleiben und dann weiterziehen. Die Rinderleute müssen kämpfen. Sie haben keine andere Wahl. Ich werde wie ein Cattleman kämpfen, obwohl ich eigentlich Pfer dejäger bin.“ Er sieht McCoy an. „Was ist mit Ihnen, Senor? Werden Sie aus dem Land reiten oder bleiben?“ „Er wird bleiben“, spricht da Jane Howell. „Nicht wahr, Patrik, du wirst bleiben? Oder irre ich mich da?“ Er schüttelt den Kopf. „Nein, du irrst dich nicht, Jane.“ Sie reiten nun ebenfalls an, aber sie folgen den Revolverreitern nicht lange. Sie finden bald eine Abstiegsmöglichkeit durch einen steilen Canyon, den die Schafherden nicht benutzen konnten, weil es einige zu steile Stellen gibt. Dort werden McCoy und dessen Begleiter absitzen und die Pferde vorsichtig führen müssen.
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Benito Valdes führt sie. Er kennt sich aus in diesem abwärts führenden Canyon, der vom Rim aus sehr viel gefährlicher wirkt als er es tatsächlich ist. Indes sie also abwärts ziehen, denkt Pat McCoy über Blaisdell nach. Dieser hat den Hengst getötet, den er, McCoy, nicht länger mehr jagen konnte, weil es gegen sein Gewissen und seine Moral ging. In McCoy ist ein kalter Zorn auf Blaisdell. Und so weiß er, dass es zwischen ihm und Blaisdell unweigerlich zu einem Duell kommen muss, wenn er, McCoy , im Land bleibt. Denn auch Jane Howell wird für die Rinder züchter Partei ergreifen. Und er will bei Jane bleiben. Er kann ihr dabei helfen, ihre Pferdezucht größer und besser zu machen. Er besitzt einiges Geld, kann es einbringen als Partner. Er wird kein so genannter Prinzgemahl sein, der sich von einer Frau auf einer kleinen Pferderanch aushalten lässt. Nein, er kann einen redlichen Anteil einbringen. Und wenn sie auch keinen El Capitan als Zuchthengst haben werden, so werden sich doch andere gute Möglichkeiten ergeben. Er muss gegen Blaisdell nur bestehen und überleben können. Das ist das Problem, denn er glaubt, dass Blaisdell mit dem Revolver um jenen Sekundenbruchteil schneller sein könnte, auf den es letztlich ankommt. McCoy hat also eine Menge nachzudenken, indes Valdes sie abwärts führt. Sie werden einige Stunden brauchen, denn sie müssen von etwa viertausend Fuß hinunter in das große Becken. Ihr Weg führt sie über Terrassen und durch dichtbewaldete Canyons. Sie alle sind voller Sorge. *
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Es ist dann zwei Stunden später. Der bewaldete Canyon verläuft auf einer breiten Terrasse, auf der große Felsen liegen, so dass man an eine versteinerte Elefantenherde denken kann. Weil sie anhalten, um zu rasten, hören sie Reiter aus dem Tonto-Becken heraufgeritten kommen. Bac Lonnegan führt die Reiter an. Es sind fast drei Dutzend Rinderleute, also Rancher mit ihren Weidereitern. Bac Lonnegan hält dann an und betrachtet die Pferde jäger ernst. Und sein Blick auf Jane Howell ist besonders fest und forschend. Hinter ihm halten nun die anderen Reiter. Sie alle sitzen ab, denn sie müssen ihren schwitzenden Pferden eine Ruhepause gönnen. Bisher konnten sie noch reiten. Doch nun werden sie auf den steileren Abschnitten die Pferde hinter sich herziehen müssen. Aber sie wollen nach oben. „Na, habt ihr aufgegeben mit der Jagd nach El Capitan?“, fragt Bac Lonnegan ein wenig rau und heiser. Jane Howell gibt ihm Antwort mit den Worten: „El Capitan ist tot, Bac, ja, der Hengst ist tot. Blaisdell erschoss ihn mit einem Büffelgewehr, weil der Hengst an die tausend Schafe über den Rim jagte. Blaisdell bestrafte ihn wie ein Scharfrichter.“ Als Bac Lonnegan das hört, verzieht er sein Gesicht voller Abscheu. „Ja, ich habe von diesem Blaisdell schon gehört“, erwidert er. „Aber nun treten wir an El Capitans Stelle, und wir jagen mehr als nur tausend Schafe über den Rim, sehr viel mehr. Wir warten nicht erst darauf, bis sie bei uns die Rinderweide für Jahre versauen. Wir können auch nicht so viele Schafe erschießen. Also müssen wir - 89 -
sie über den Rim jagen. So einfach ist das. Kommt ihr mit?“ Es ist zuletzt eine barsche Frage und eine Forderung zur Solidarität. Denn es kann im Tonto-Becken keine Neutralen geben, die nur zusehen. Benito Valdes spricht sofort: „Wenn wir gewusst hätten, Senor, dass wir Sie hier treffen, hätten wir oben gewartet. Nun müssen wir wieder hinauf.“ Paco und Colorado nicken zu seinen Worten. Und Jane Howell richtet den Blick fest auf McCoy. Sie spricht dabei kein Wort, aber er weiß, was sie sagen würde, nämlich: „Pat, wenn du bei mir bleiben willst und wir im Tonto-Becken auf unserer Pferderanch leben wollen, dann müssen wir jetzt Partei ergreifen. Und überdies hast du ja wohl auch noch mit Blaisdell eine Rechnung zu begleichen - oder nicht?“ Ja, dies würde sie sagen. Und dies kann er spüren und in ihren Augen erkennen. „Ich reite mit“, spricht er ruhig. „Oder haben Sie etwas dagegen, Lonnegan?“ Dieser verzieht den Mund zu einem Grinsen. „Da werden wir uns ja näher kennen lernen, McCoy“, spricht er dann. Und als er den Blick auf Jane Howell richtet, da erkennt und spürt sie, dass Lonnegan genau weiß, warum McCoy nicht seiner Wege reitet, nachdem er El Capitan nicht mehr jagen und einfangen kann. Lonnegan weiß ja nicht, dass McCoy die Jagd schon vorher aufgegeben hatte. Er ruft über die Schulter seiner Mannschaft zu: „Also weiter, Männer! Wir wollen noch vor Nachtanbruch oben sein.“ Sie setzen sich alle wieder in Bewegung, gehen zu Fuß und ziehen die Pferde hinter sich den steilen Canyon empor. - 90 -
* Indes dies alles geschieht, die erste Schafherde sich für den Abstieg am kommenden Tag rüstet und die Rinderleute hinauf zur Mogollon Mesa unterwegs sind, um die Invasion zu verhindern und ein tausendfaches Schafemorden zu beginnen, liegt der schwarze Hengst El Capitan noch lange bewegungslos in der Nähe der Wasserstelle. Denn er ist gelähmt, einfach nicht fähig, sich zu bewegen. Nein, er ist nicht tot. Aber die schwere Kugel traf ihn am Widerrist, also gewissermaßen im Nacken. Sie streifte einen Wirbel und lahmte irgendwelche Nervenstränge. Und natürlich verursachte sie eine heftig blutende Wunde. Das viele Blut ließ die Wunde sehr viel böser aussehen als sie wirklich ist. Und wenn Blaisdell länger bei dem Hengst gehalten und genauer auf dessen Wunde gestarrt hätte, dann würde er wahrscheinlich bemerkt haben, dass die Wunde noch blutete. Und das konnte ja nur sein, wenn das Herz schlug. Aber Blaisdell war von seinem Treffer zu sehr überzeugt. Er sprach nur einige triumphierende Worte auf den scheinbar toten Hengst nieder und ritt weiter auf die Gruppe der Männer um Jane Howell zu. Auch von seinen Reitern sah keiner mehr richtig hin. El Capitan hörte die Stimme des Mannes. Der Schmerz hielt ihn hellwach. Aber der Schlag der Kugel lahmte ihn. Er konnte sich nicht bewegen. Aber selbst wenn er es gekonnt hätte, würde er es nicht getan haben. Sein Instinkt und seine Schlauheit hätten ihn sich tot stellen lassen. - 91 -
Und so liegt er also viele Stunden bewegungslos. Es wird dann Nacht, und mit der Nacht kommt endlich die Kühle. Irgendwann beginnt der Hengst zu spüren, dass seine Lähmung nachlässt. Auch der Schmerz der Wunde ebbt ab. Er versucht, den Kopf zu heben, doch der Schmerz im Nackenwirbel wird dann höllisch. Doch dieses Schnauben wird immer kämpferischer, trotziger, auch böser. Irgendwann kommt er auf die Hufe, verharrt breitbeinig und leicht schwankend. Dann aber setzt er sich taumelnd in Bewegung und stolpert in die Wasserstelle hinein, in der er sich am Vormittag gewälzt hat. Jetzt lässt er sich darin nieder. Sein Instinkt sagt ihm, dass er die Wunde kühlen muss. Und das Wasser ist immerhin sehr viel kühler als sein Körper. Lange liegt er auf der Seite und kühlt die Wunde. Er kann sie nicht lecken oder sonst etwas tun. Er kann alles nur dem Wasser überlassen. Über ihm leuchten Mond und Sterne. Die Nachtvögel jagen. Er hört die Pfiffe der Nachtfalken. Eulen streichen fast lautlos über die Wasserstelle, hoffen auf das kleine Nachtgetier, nach welchem sie jagen. Doch nichts regt sich in der Nähe der Wasserstelle. Die schnaubenden Laute des Hengstes halten alles Klein getier fern. El Capitan liegt bis zum Morgengrauen im Wasser. Dann erhebt er sich. Und während er langsam Huf vor Huf zu setzen beginnt, wird sein Gang immer sicherer. Im Osten kommt die Sonne über die Berge jenseits des Chevelon Lake und auch weiter südlich von diesem über die Black Range.
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Die ersten Sonnenstrahlen beginnen in die tiefen Canyons zu fallen und dort die Dunkelheit zu verjagen. Selbst im Wald wird es heller. Dennoch findet der Hengst ein gutes Versteck, sogar eine kleine Lichtung mit gutem Gras. Ja, er wird sich eine Weile verborgen halten, um wieder gesund werden zu können. Er kann den Hals nur unter Schmerzen bewegen. Und manchmal stöhnt er deshalb fast wie ein Mensch. Gewiss wird er Tage brauchen, um hier in der Einsamkeit wieder einigermaßen gesund zu werden. Und noch etwas wird sein: Er wird die Stimme jenes Menschen in Erinnerung behalten, jenes Mannes, den er als Feind begriff. Sein Instinkt sagt ihm, dass es der Mann war, der ihm diese Schmerzen zufügte, dann neben ihm verhielt und verächtliche und zugleich auch triumphierende Worte auf ihn nieder sprach. Nein, diese Stimme wird El Capitan niemals vergessen. * Sie erreichen den Rim nach mühsamem Aufstieg mit ihren Pferden im Mond- und Sternenschein, sammeln sich und sitzen auf. Bac Lonnegan führt sie nach Westen am Rim entlang. Nun reitet Benito Valdes neben ihn als der beste Kenner der Mesa. Manchmal müssen sie in der hellen Nacht einige Umwege reiten, weil tiefe Furchen schon hier oben beginnen und dann am Rim zu steilen, abwärtsführenden Canyons werden. Es ist gegen Mitternacht, als sie die
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Feuer der Hirten rings um die große Herde zu sehen bekommen. Sie halten an. Und als ihre Pferde nicht mehr so schnauben, stampfen und auch die Sättel nicht mehr knarren, da hören sie sogar die Stimmen der Herde in der Ferne. Einige Hunde beginnen zu bellen. Wahrscheinlich haben sie die Reiterschar gehört in der stillen Nacht und trotz der vielen Geräusche der Herde. Bac Lonnegan wendet sein Pferd und hat nun die ganze Schar der Reiter vor sich. Sie alle schweigen, und sie wissen, dass Lonnegan nun etwas sagen wird. Er sucht einige Atemzüge lang nach Worten. Dann aber spricht er mit klirrender Stimme, jedoch ziemlich leise: „Also, da vor uns ist die große Herde, die als Erste zu uns ins Tonto-Becken hinuntergebracht werden soll. Der Bear Canyon führt vom Bear Lake dort hinunter. Und der Bear Lake liegt etwas rechts vor uns.“ Bac Lonnegan macht eine kleine Pause. Er leckt sich über die trockenen Lippen. Dann aber klingt seine Stimme noch härter, als er spricht: „Männer, wir müssen es tun. Wir haben keine andere Wahl. Also müssen wir alles auf unser Gewissen nehmen. Tun wir es nicht und überlassen wir den Schafherden das Tonto-Becken, dann gehen wir unter. Denn die Schafe vernichten das Gras, zerstören die Grasnarbe. Und kein Rind frisst von einer Weide, die nach Schafsdung stinkt. Wir stehen mit dem Rücken an der Wand. Also tun wir, was wir tun müssen.“ Er zieht sein Pferd wieder herum und reitet im Schritt an. Sie folgen ihm und bilden eine breite Front. Wenn sie nahe genug sind, werden sie um die ruhende Herde einen großen Halbkreis bilden, der zum Rim zu offen ist. Und dann ... - 94 -
Eigentlich kann man sich das alles gar nicht vorstellen. Es ist zu scheußlich und zu ungeheuerlich in seiner Gnadenlosigkeit. Sie werden die Schafherde wie Unge-ziefer behandeln, wie Heuschrecken zum Beispiel, die ja auch jedes Grün vernichten. Es wird Mord an vielleicht zehntausend Tieren sein, denn es handelt sich um eine riesengroße Herde, die von mehr als einem Dutzend Hirten und noch mehr Hunden zusammengehalten und vorwärtsgetrieben wird. Und dann wird Krieg sein, richtiger Krieg mit vielen Töten. Denn Blaisdell und dessen Revolvermannschaft wird natürlich zurückschlagen. Sie sind der ruhenden Herde schon sehr nahe - und sie bekamen längst schon den scharf und penetrant riechenden Schafsdunggeruch in die Nase, als ihnen einige Hunde böse bellend und knurrend entgegen kommen, so als hätten die Hunde begriffen, dass die ihnen anvertrauten Schafe nun in größter Gefahr sind. Und weil die Hunde einigen Pferden an die Fesseln wollen, beginnen deren Reiter zu schießen. Und von diesem Moment an bricht alles los und ist nicht mehr aufzuhalten. Sie jagen nun brüllend und schießend um die Riesenherde herum. Bald ist jeder Reiter auf sich selbst gestellt. Denn die Abstände zueinander sind groß, da die ruhende Riesenherde eine gewaltig große Fläche bedeckt, welche mehrere Quadratmeilen beträgt. Weil aber eine Schafstampede ausbricht und die wolligen Tiere sich zusammendrängen, ja sogar über einander springen, wird die yon ihnen bedeckte Grund fläche immer kleiner. Ja, sie jagen die Schafe zum Rim hin.
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Jake Blaisdell führte seine Revolvermannschaft noch vor Nachtanbruch den Canyon abwärts, den bei Tages anbruch die erste Herde ebenfalls benutzen muss, um hinunter in das Tonto-Becken zu gelangen. Blaisdells großer Fehler ist, dass er die Rinderleute erst unten im Becken erwartet. Und so lässt er auf einer Terrasse das Camp aufschlagen, um am nächsten Tag vor der Herde in das Becken zu gelangen und dort den Schafen den Weg freizukämpfen. Oben auf der Mesa erwartete er keinen Gegner. Es ist still im Camp der Revolvermannschaft von Blaisdell. Doch er selbst kann noch nicht einschlafen. Er muss noch einmal alles überdenken, und er stellt sich einige Fragen, die er noch nicht beantworten kann. Die große Frage ist: Wie werden seine Revolver schwinger kämpfen? Gewiss, er hat sich die Härtesten ausgesucht, Männer, die geradezu süchtig sind nach Kämpfen, Burschen, die gerne schießen und gewiss auch töten, weil dies für sie ein Erfolgserlebnis ist und der Erweis ihrer Macht. Er ist dann doch schon in einen Halbschlaf gesunken, als er oben vom Rim all das Schreckliche zu hören beginnt in der bisher so stillen Nacht. Er begreift es von einer Sekunde zur anderen und springt fluchend aus den Decken. Auch seine Männer tun es. Dann verharren alle. Sie hören die Schüsse über sich, auch das Heulen und Jaulen der Hunde. Dann übertönen die Stimmen der Schafe alle anderen Laute und Geräusche. Einer von Blaisdells Männern ruft plötzlich schrill: „Heiliger Rauch, sie jagen die ganze Stinkerherde über - 96 -
den Rim! Die sind ja da oben und nicht unten. Sie warten gar nicht unten auf uns. Sie vernichten die Herde!“ Der Mann kann das Geschehen offensichtlich nicht fassen. Doch das geht fast allen so. Und so beginnen sie sich Sorgen zu machen, dass ihnen die blökenden, bähenden und plärrenden Schafe auf die Köpfe fallen werden. Doch das kann nicht der Fall sein. Sie sind zu weit unten und auf der Terrasse zu weit schon vom Rim entfernt. Die Schafe aber stürzen ja senkrecht in die Tiefe, schlagen in die Klippen, in die tiefen Risse und Furchen der Felswände hinein, fallen auf die oberen Terrassen und zwischen die Bäume, auch in den Canyon, den sie am Morgen abwärts wandern sollten. Alles spielt sich weiter oben ab. Und Blaisdell und seine Männer wissen, dass die Herde verloren ist. Blaisdell hat die erste Schlacht verloren, aber noch lange nicht den Krieg. Denn dieser Krieg beginnt jetzt erst richtig. Die Revolverschwinger versammeln sich um ihn. Jemand hat das Feuer wieder angemacht. Im Schein der Flammen betrachten sie ihren Anführer. Er blickt in aufmerksame Gesichter. „Jetzt wisst ihr, wie hart es werden wird“ , spricht er. „Und es hat keinen Sinn, nun noch herauf zureiten. Sie müssen ja auch herunterkommen irgendwann und irgendwo.“ * Es ist dann schon gegen Ende der Nacht, als sie sich um Bac Lonnegan sammeln. Im grauen Licht des Morgens wirken ihre Gesichter noch verbitterter. Nein, es - 97 -
ist kein Triumph in ihnen. Sie verachten zwar die Schafe, mögen sie nicht und halten sie für das größte Übel auf jeder Rinderweide. Dennoch fühlen sie sich nicht gut. Sie haben eine riesige Menge wehrloser und eigentlich unschuldiger Tiere getötet. Und dann waren sie auf den Kampf mit Blaisdells Revolvermannschaft vorbereitet. Aber diese tauchte nicht auf. Es gab sie nicht hier oben am Rim. Einer der Rancher spricht aus, was sie alle denken: „Wenn diese Revolverschwinger nicht hier oben sind, dann sind sie schon unten. Sie werden unsere Ranches klein machen aus Rache. Bac, wir müssen hinunter.“ Und Bac Lonnegan nickt. „Wir nehmen den Chevelon Canyon. Also los!“ Sie reiten an, und es wird für sie alle ein Höllenritt, weil sie auch an den steilsten Stellen nicht absitzen werden. Auch die Pferdejäger reiten mit. Sie gehören jetzt zu den Rinderzüchtern und deren Reitern. Denn sie alle wollen das Tonto-Becken behalten. Sie können es nicht den Schafherden überlassen. Ihre Rinder würden in die Arizonawüste abwandern und dort umkommen. Und keiner von ihnen weiß, dass es El Capitan noch gibt, ja, dass der schwarze Hengst sich gewissermaßen erhob wie Phönix aus der Asche und vielleicht eines Tages wieder gesund sein wird. Es wird also ein harter Ritt. Und sie sind erst auf halbem Weg, als sie einen guten Ausblick ins Tonto-Becken haben und die Ranch von Ben Hackett brennen sehen. In der noch klaren Morgenluft ist der Rauch und sind die Flammen zwar sehr weit entfernt, aber dennoch deutlich zu erkennen.
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Sie wissen, dass sie unten auf die Brandstifter stoßen werden und dass der Krieg erbarmungslos sein wird für beide Seiten. Sie reiten wieder an. Als sie dann aus dem Canyonmaul ins Tonto-Becken hinausreiten, da sehen sie, dass Blaisdell mit seiner Revolvermannschaft schon auf sie wartet. Sie halten an und formieren sich. Bac Lonnegan ruft: „Wir haben keine andere Wahl!“ „Verdammt, so ist es! Siegen oder untergehen!“ So ruft einer der Rancher, der mit seinen fünf Cowboys dabei ist. Noch einige Atemzüge lang verharren sie, und jedem wird in diesen Sekunden klar, dass einige von ihnen sterben werden. Bac Lonnegan gibt dann mit einem lauten Ruf das Zeichen zum Anreiten. Sie folgen ihm. Keiner bleibt zurück. Sie reiten gegen die Revolvermannschaft von Jake Blaisdell und deren Kugelhagel. Doch sie schießen zurück, obwohl es viele von ihnen trifft, auch ihre Pferde. Auch Patrik McCoy ist nun einer von ihnen. Er reitet neben Jane Howell, und er weiß, dass er sie vor den Kugeln nicht schützen kann. Denn sie reitet als einzige Frau gegen die Mannschaft von Revolverschwingern. Es wird ein schrecklicher, furchtbarer, böser, erbarmungsloser Kampf. Zwei Welten sozusagen prallen aufeinander, nämlich Rinderleute gegen Schafzüchter. * Irgendwann geht auch dieser Kampf zu Ende. Irgendwann wollen sie alle nicht mehr. - 99 -
Selbst Blaisdells Hartgesottene haben genug. Und keiner von ihnen weiß, wie lange es bis zu diesem Irgendwann gedauert hat. Waren es nur wenige Minuten, eine Viertelstunde oder dauerte es länger? Wahrscheinlich ist letzteres der Fall, denn sie alle luden mehrmals ihre Revolver nach und ritten schießend gegeneinander. Doch dann wird es still. Blaisdell muss erkennen, dass seine Revolverschwinger doch nicht so zäh und hart sind, um für Revolverlohn zu sterben. Die Rinderleute aber kämpfen nicht für Dollars. Sie kämpfen um ihre Weide, ihre Ranches, ihre Existenzen. Und zuvor schon haben sie gegen Apachen gekämpft, als sie damals ins Tonto Basin kamen. Das ist ja kaum mehr als ein Dutzend Jahre her. Jake Blaisdell folgt als letzter Mann seinen sich zurückziehenden Revolverschwingern. Ja, sie wichen schließlich, und sie lassen Tote und Verwundete zurück. Die Rinderleute aber scharen sich um Bac Lonnegan, der ja ihr Anführer ist. Auch er blutet wie viele von ihnen aus einigen Wunden. Doch er sitzt immer noch im Sattel und ist immer noch ihr Anführer. Neben ihm verhalten Pat McCoy und Jane Howell. Letztere hat gekämpft wie ein Mann. Und Pat McCoy ließ sie alle erkennen, dass er ein Revolvermann ist. Er war für sie eine wertvolle Verstärkung. Sie bilden nun eine bewegungslos verharrende Gruppe und sehen den sich zurückziehenden Revolverschwingern nach. Einige von ihnen fluchen bitter, andere stöhnen. Und die Pferde schnaufen. Eines der Tiere bricht auf die Knie, und der Reiter - ein Cowboy der Topfhenkel-Ranch - 100 -
schwingt sich noch rechtzeitig aus dem Sattel, tritt dann wieder zu seinem Pferd und umfasst dessen Kopf. „Komm wieder hoch, Charly“, spricht er heiser. „He, mein Guter, bleib auf deinen Hufen.“ Doch der Wallach legt sich auf die Seite. Und da blickt der Cowboy sich ratlos um und ruft heiser: „O Vater im Himmel, warum hast du uns das tun lassen?“ Aber sie alle geben ihm keine Antwort. Sie wüssten ja keine. Bac Lonnegans Stimme tönt nun hart: „Also los, kümmern wir uns um unsere Toten und Verwundeten. Wir brauchen einen Wagen. Jerry Sticks, reite zur Skull Ranch und schaff einen Wagen herbei!“ Einer der Reiter treibt sein Pferd an und jagt davon. Die anderen aber sitzen nun ab und beginnen sich um die Verwundeten zu kümmern, tragen auch die Toten zusammen. Und sie stoßen auch auf verwundete Revolverschwinger von Blaisdells Mannschaft. McCoy hört einen der Rancher böse zu einem dieser stöhnenden Verwundeten sagen: „Du verdammter Hurensohn, bist du dir eigentlich bewusst, war ihr angerichtet habt? Ich möchte dir jetzt gerne eine Kugel ins Hirn jagen, aber weil ich immer noch ein Christenmensch bin, werde ich das nicht tun. Wir können euch nicht mal hier verrecken lassen, obwohl ihr so viel Unheil ins Tonto Basin gebracht habt. Verdammt, warum bin ich immer noch ein Christen-mensch?“ *
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Es ist dann später Nachmittag, als sie alle auf der Topf- henkel-Ranch sind, alle die überlebten, die Verwundeten - und auch die Töten. Von den anderen Ranches kamen inzwischen auch Wagen mit Frauen. Und es wird die Topfhenkel-Ranch ein Lazarett. Man beginnt auch irgendwo die Töten zu beerdigen. Es wird Nacht. Die Frauen haben ein Abendessen bereitet. Doch niemand hat Appetit. Mehr oder weniger mühsam würgen sie alles herunter und spülen mit dem starken Kaffee nach. Sie lagern auf dem Hof vor dem kleinen Ranchhaus. Ein Feuer brennt. Es wird kaum ein Wort geredet. Jane sitzt neben Pat McCoy. Dieser wurde nur von einigen Kugeln gestreift wie von Peitschenhieben. Jane aber blieb völlig unverletzt, was man wohl als ein kleines Wunder bezeichnen kann. Bac Lonnegans Stimme klingt dann hart über den Hof: „Also, wir sind noch nicht fertig, Männer! Es ist immer noch Krieg, und wir müssen weitermachen. Wir haben nur unter großen Verlusten ein erstes Gefecht gewonnen, mehr nicht. Die Schafherden sind immer noch dort oben. Und wir müssen verhindern, dass sie herunterkommen! Also müssen wir wieder hinauf - noch in dieser Nacht. Oder ist jemand anderer Meinung?“ Sie schweigen lange, und jeder von ihnen weiß, dass es oben auf der Mesa weitergehen wird. Denn hinter den Schafherden steht ein mächtiger Mann, der so schnell nicht aufgeben wird - oder auch gar nicht mehr kann. Sie müssen also weiterkämpfen.
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Eine Stimme sagt leise: „Heiliger Rauch, warum werden wir so bestraft? Was hat der Himmel gegen uns?“ Wieder herrscht langes Schweigen. Dann spricht der alte Pit Henderson: „Damals kamen wir mit ein paar Rindern her und jagten die Apachen aus dem Tonto Basin. Wir kamen als Eroberer. Nun versuchen es die Schafzüchter. Sie versuchen eigentlich nur das, was wir damals taten. Wenn wir nicht hart und gut genug kämpfen, dann ergeht es uns wie den Apachen. Wir Menschen kämpfen immerzu um etwas. Und keiner von uns will untergehen.“ Als Henderson verstummt, schweigen sie wieder eine Weile. Doch dann erheben sich alle, die noch reiten und kämpfen können und folgen bald darauf Bac Lonnegan durch die Nacht nach Nordwesten. Sie werden sich unter dem Rim einen Canyon suchen, durch den sie hinauf auf die Mesa gelangen. Das kann zwei Tage dauern. Und dann? * Patrik McCoy hält Jane an der Schulter zurück, als auch sie mit den Männern zu den Pferden gehen will. „Du bleibst hier unten“, spricht er ruhig. „Du wirst nicht mehr reiten und kämpfen wie ein Mann.“ „Wie ein Cowgirl“, verbessert sie ihn, und ihre Stimme klingt ernst und fest. „Ich kann reiten und schießen wie ein Mann“, spricht sie spröde weiter. „Frauen gibt es genug hier unten. Doch oben brauchen wir jeden Kämpfer. Ja, verdammt noch mal, ich bin eine Amazone! Ich kämpfe auch um meine Ranch, die auch - 103 -
deine werden könnte, wenn du willst. Also werde ich mit dir und den anderen reiten. Und du weißt, dass ich dennoch kein Mannweib bin.“ Sie verstummt fest und entschlossen. Und so begreift er, dass er sie nicht umstimmen kann. Sie ist eine starke Frau. Sind dann die Letzten, die aufsitzen. Bac Lonnegan kommt zu ihnen geritten. Im Licht der Gestirne betrachtet er sie. „Jane, ich will nicht, dass du mitreitest, um wie ein Mann zu kämpfen!“ So ruft er hart. „Aber ich will“, erwidert sie. „Und ich habe auch meine drei Reiter Paco, Juan und Pedro dabei. Meine Ranch wird vom alten Phil Bunkan versorgt. Der kümmert sich um meine Tiere in den Corrals und Weidekoppeln. Ich reite mit!“ Sie verstummt ebenso fest und entschlossen, wie zuvor bei Pat McCoy. Bac Lonnegan zerbeißt einen Fluch auf den Lippen und zieht sein Pferd wieder herum, übernimmt die Spitze der Reiterschar. Sie sind nun einige Reiter weniger, obwohl zwei oder drei dabei sind, die dort oben noch nicht dabei waren. Aber auch Blaisdells Mannschaft hatte ja Verluste. Was also wird oben sein? Werden Blaisdells Revolverschwinger noch einmal kämpfen? Oder haben sie genug? Das ist die Frage, die sie sich gewiss alle stellen. Jane Howell reitet neben Pat McCoy. Manchmal berühren sich ihre Steigbügel und Beine. Einmal spricht er bitter zu ihr hinüber: „Du bist so starrsinnig wie eine Ziege.“
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„Richtig.“ Sie lacht leise. „Ich bin kein Heimchen am Herd. Aber wenn wir das alles überstehen, werde ich dir eine wunderbare Frau sein. Das verspreche ich dir.“ * Indes dies alles geschieht unten im Tonto Basin, führt Jake Blaisdell seine geschlagene Mannschaft nach oben. Sie folgen dem steilen Chevelon Canyon, durch den die Rinderleute talwärts kamen. Blaisdell ist sich darüber klar, dass sie verloren haben. Seine Reiter wichen schließlich zurück. Er konnte sie nicht aufhalten. Seine Revolverschwinger hatten einfach genug. Und sie ließen Tote und Verwundete zurück. Blaisdell hätte niemals geglaubt, dass die Rinderleute so kämpfen würden. Er denkt auch immer stärker an seinen Auftraggeber Stuart Larrisburg, an diesen mächtigen, löwenhaften Mann, der ihn mit reichlich Geldmitteln versorgte und dafür auch etwas erwartet. Larrisburg wird gewiss bald dort oben am Rim auftauchen und von ihm Rechenschaft fordern. Und dann wird er Larrisburg sagen müssen, dass die zusammengekaufte Revolvermannschaft letztlich versagte, weil sie nur für Dollars kämpfte. Was wird dann sein? Wird Stuart Larrisburg dann aufgeben oder noch hartnäckiger und sturer weitermachen? Dann aber könnte es so kommen, dass sich dieser Schaf-Rinder-Krieg bis in die Hauptstadt herumspricht und der Gouverneur den Ausnahmezustand verhängt und Staatenmiliz einsetzt. Das hat es auch in anderen Territorien schon gegeben.
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Jake Blaisdell fühlt sich in der Klemme. Sein Stolz wurde verletzt. Er war niemals ein Verlierer, stets ein Gewinner. Als sie unten kämpften, da sah er auch Patrik McCoy auf der Seite der Rinderleute kämpfen. Wahrscheinlich war es McCoys schneller und unfehlbarer Revolver, der zuletzt den Ausschlag gab. Blaisdell weiß zu gut, dass Männer wie er und McCoy einen solchen Krieg zu entscheiden vermögen. Und da war auch noch dieser Bac Lonnegan, von dem er zuvor schon eine Menge hörte und wusste, dass er der Anführer der Rinderzüchter sein würde. Und so kommt Jake Blaisdell in dieser Nacht im Chevelon Canyon zu dem Schluss, dass er die Niederlage in einen Sieg verwandeln könnte , wenn es ihm gelingen wurde, diese beiden Männer zu erledigen, einfach aus diesem gnadenlosen Spiel um Macht und Weide herauszunehmen, sie gewissermaßen zu eliminieren. Aber wie? Kann er sie mit seiner weit reichenden Buffalo Sharps mitten aus der Mannschaft herausschießen? - Oder muss er versuchen, sie allein zu stellen? Er ist sich völlig sicher, dass er beide in einem fairen Duell schlagen und töten könnte. Da macht er sich keine Sorgen. Es ginge nur darum, sie jeweils allein zu stellen und zum Duell zu zwingen. Er beschließt in dieser Nacht, eine Wende herbei zuführen. Er muss den Rinderzüchtern die Anführer nehmen. Und als er das Wort „nehmen“ denkt, da meint er nichts anderes als töten. Es ist ein langer Weg den steilen Canyon hinauf nach oben. Immer öfter müssen sie anhalten und verschnaufen. Die Verwundeten wurden nur notdürftig versorgt. Einige - 106 -
können bald nicht weiter. Er lässt sie zurück. Und auch dies ist nicht gut für die Moral seiner angeworbenen Mannschaft. Jeder von ihnen begreift, dass er auf sich allein gestellt und verlassen ist, wenn er angeschossen wird. Aber Blaisdell will hinauf auf die Mesa. Er will noch vor den Rinderleuten oben sein. Denn er weiß, dass der nächste Kampf oben stattfinden wird. Die Rinderzüchter haben gar keine andere Wahl. * El Capitan verbringt diese Tage und Nächte in einem Versteck mit einer kleinen Quelle. Er erholt sich von Stunde zu Stunde mehr. Seine Wunde auf dem Widerrist heilt gut. Sie entzündet sich nicht. Und der angekratzte Halswirbel schmerzt bald nicht mehr bei jeder Bewegung. Irgendwann in der Nacht beginnt er zu grasen, legt sich jedoch dann wieder hin. Und ständig hat er die Stimme jenes Menschen in seinem Sinn, den er als seinen Feind begriff. Er wird diese Stimme immerzu in seiner Erinnerung behalten, niemals ihren besonderen Klang vergessen. Dieser Mensch tat ihm Böses an. El Capitan weiß es instinktiv. Nun, er erholt sich also in diesen Tagen und Nächten, und irgendwann fühlt er sich wieder gut und fast schon so gesund wie zuvor. Und so ist es ganz natürlich und selbstverständlich, dass er seiner Bestimmung als Hengst wieder Folge leisten muss. Das kann gar nicht anders sein. Denn dazu wurde er ja von der Schöpfung bestimmt.
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Deshalb macht er sich auf die Suche nach seinen Stuten. Er verlor ja seine ganze Herde, weil sie sechs Tage und sechs Nächte gejagt wurden und immer mehr von ihnen nicht mehr konnten und zurückbleiben mussten. Und dann - als er ganz allein auf der Flucht war -, da traf ihn nach dem Knall die heran sausende Kugel. Er macht sich also auf die Suche nach einer neuen Herde von Untertanen, einem neuen Harem sozusagen. Dabei stößt er immer wieder auf die Fährten der Schaf-herden, die von der Bunten Wüste her heraufgezogen kommen. Er wittert ihren stinkenden Dung und dann hört er auch immer wieder in der Ferne, die bähenden, plärrenden, blökenden Stimmen der nur scheinbar so hilflosen und harmlosen Tiere. Er verspürt Abneigung und Hass, so dies bei einem Wildpferd überhaupt möglich ist. Doch er ist ja als Hengst nicht mit normalen Pferdemaßstäben zu messen. Er ist anders, schlauer, intelligenter. Und alle Pferde jäger, die ihn bisher einzufangen versuchten, sind der Meinung, dass er so schlau wie ein Apache wäre. Das mag übertrieben sein, so wie Legenden ja zumeist übertreiben. Aber er ist ein besonderer Hengst. Als er in einer Nacht wieder einmal auf eine Schafherde stößt, die am Rim entlang gewandert ist und nun lagert, da bricht die wilde Wut so wie damals in ihm los. Denn auch diese Schafe bringt er irgendwie in Verbindung mit dem Unheil, welches über ihn kam. Und so verwandelt er sich wieder in einen bösen, wilden, vierbeinigen Teufel. Er wiehert wieder wie damals trompetenhaf t, als bräche die Hölle auf und käme der Teufel aus der Hölle selbst in Gestalt eines Hengstes. - 108 -
Er stürmt auf die lagernde Schafherde los, achtet nicht auf die Hunde, die sich ihm in den Weg zu stellen versuchen. Er trifft einige mit seinen Hufen, tötet zwei von ihnen auf diese Weise. Und dann jagt er mehr als hundert Schafe vor sich her über den Rim, lässt sie abstürzen in die Tiefe, ergreift dann die Flucht vor den Kugeln der Hirten. Und diese Hirten - es sind ja einfache Menschen werden in den nächsten Tagen den Hirten der anderen Herden von einem Teufel berichten, der in Hengstgestalt die Schafherden zu vernichten versucht. Ja, eine neue Legende wird geboren. Sie hören in dieser Nacht noch mehrmals das wilde, sieghafte Trompeten des Hengstes in der Ferne. Aber es ist ja nicht nur der Hengst, vor dem sie sich fürchten wie vor einem Teufel. Sie fürchten nun auch die Rinderzüchter, welche eine ganze Schafherde über den Rim jagten und in die Tiefe stürzen ließen. Sie alle von den nachfolgenden Herden hörten ja von dem furchtbaren Geschehen. Noch vertrauen sie auf den Schutz von Jake Blaisdell und dessen Revolverreitern. Doch was wird sein, wenn sie diesen Schutz verlieren, wenn sie erkennen müssen, dass sie allein sind und ihre Schafe nicht beschützen können? Ja, was wird dann sein? Und was mit der vordersten Herde auch passiert ist, alle Folgenden werden es erfahren bis zum letzten Hirten. Und auch jener Stuart Larrisburg wird es erfahren. Was dann? *
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Als Jake Blaisdell am nächsten Tag gegen Mittag mit seinen Männern endlich aus dem Chevelon Canyon hinaus auf die Mesa reitet, da sind sie alle mehr als nur erschöpft. Sie blicken in die Runde, aber sie sehen nichts - keine Schafe, keine Reiter. Alles wirkt friedlich und still. Er zieht sein Pferd herum und betrachtet seine Reiter, die ihm bisher folgten und nun eine dichte Traube bilden, so als suchten sie gegenseitig Schutz und fühlten sich als Gemeinschaft stärker. Er beginnt zu ahnen mit seinem feinen Instinkt, warum sie nun so geschlossen wirken. Einige vor ihnen sind leicht verwundet. Die schlimmer verwundeten Reiter bleiben da und dort im Canyon zurück. „Nun gut, Jungs“, hört er sich sagen, „wir mussten weichen, aber wir haben nicht schlecht gekämpft. Die Rinderzüchter hatten nicht weniger Verluste als wir. Und wenn ihr zuletzt nicht gekniffen hättet, wenn wir noch einmal angegriffen hätten, dann wären wir jetzt die Sieger. Eine hohe Prämie wäre euch sicher gewesen.“ Er macht eine kleine Pause, hebt die Hand und wischt sich über sein Gesicht. Die rötlichen Bartstoppeln werden bald ein richtiger Bart sein. Er konnte sich schon lange nicht rasieren, nicht mal waschen. Und seinen Männern ging es ebenso. Er spricht nun weiter: „Wahrscheinlich sind wir vor den Rinderleuten hier oben. Also müssen wir herausfinden, wo sie herauf auf die Mesa kommen, und sie erwarten. So einfach ist das. Ich verspreche euch eine Prämie - zusätzlich zu eurem Lohn - von hundert Dollar pro Mann. Ihr müsst nur noch einmal gut genug kämpfen. Also los, suchen wir die Stelle, wo sie heraufgeritten kommen. Ich bin sicher, dass sie hier oben auftauchen. - 110 -
Die wollen den Krieg hier oben beenden. Das passt uns gut.“ Er will die Zügel anheben, um anzureiten, aber da erkennt er, dass sie ihm nicht folgen werden. Denn sie verharren bewegungslos auf ihren erschöpften Pferden. Da hält er inne und fragt hart: „Was ist? Haben sie euch die heilige Furcht eingejagt? Wollt ihr nicht mehr kämpfen? Seid ihr den Revolverlohn nicht mehr wert? Sitzt euch nun die Furcht in den Knochen? Ihr wolltet doch Revolverschwinger sein, die von ihren Colts leben oder? Ist euch die Sache plötzlich zu heiß geworden?“ Seine Stimme höhnt. Ja, er versucht ihren Revolverstolz anzustacheln. Und weil sie immer noch nichts erwidern, da fügt er höhnend und verächtlich hinzu: „Eines sollte euch klar sein, Jungs! Wenn ihr jetzt und hier kneifen solltet, dann werdet ihr immer wieder kneifen, wenn es richtig hart wird. Dann seid ihr dort unten im Tonto Basin für immer zerbrochen worden. Also?“ Abermals will er anreiten. Doch sie verharren immer noch. Er möchte böse und zornig reagieren, ja sogar seinen Revolver herauszaubern und sie zu zwingen versuchen. Doch er begreift im gleichen Augenblick, dass dies sinnlos wäre. Er hat keine Revolvermannschaft mehr. Sie wollen nicht mehr kämpfen - auch nicht für eine zusätzliche Prämie von hundert Dollar. Einer von ihnen sagt nun heiser: „Mister Blaisdell, wir wollen nicht mehr. Wenn wir uns ein wenig ausgeruht haben, werden wir unserer Wege reiten. Wir sind fertig hier und geben auf.“ Er hört es und nickt nach einer Weile leicht.
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Plötzlich ist er nicht mehr zornig auf sie. Seine Verachtung jedoch könnte nicht größer sein. Und so verschwendet er kein einziges Wort mehr an sie, sondern reitet im Schritt davon. Sie sehen ihm nach. Vielleicht verspüren einige von ihnen jetzt ein Gefühl der Scham. Aber einer von ihnen sagt heiser: „Er gehört zu einer anderen Sorte als wir. Er ist ein Wolf, wir aber sind nur Coyoten. So ist es wohl. Was wird er ohne uns nun tun?“ „Das ist mir scheißegal“, knurrt einer von ihnen. „Ich reite jedenfalls nach Norden, so weit ich das in den nächsten Tagen und Nächsten kann.“ „Und ich reite mit dir, Pete“ , spricht ein anderer Mann. Sie alle sitzen nun ab. Bevor sie sich als Mannschaft auflösen, müssen sie erst einmal ausruhen. * Es ist spät am Abend - fast schon Nacht - als Blaisdell das Camp einer Schafherde erreicht. Am Tag zuvor verlor er seine Revolvermannschaft. Dann verbrachte er eine einsame Nacht an einer Quelle. Er ritt dann den ganzen heutigen Tag und suchte nach einer Schafherde. Seiner Meinung nach hätte er längst schon auf eine stoßen müssen. Nun taucht er also im Feuer auf. Mit seiner Peitsche schlug er unterwegs auf einige Hunde, die seinem Pferd zu nahe kamen. Die Hirten erheben sich alle am Feuer. Sie unterbrachen ihr Abendessen.
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Es sind fast ein Dutzend Hirten. Und einige von ihnen sind noch rings um die Herde als Wächter verteilt mit ihren Hunden. Rings um das Feuer stehen ein halbes Dutzend der kleinen, zweirädrigen Hirtenwagen. Die dunklen Gesichter der Hirten sind Blaisdell zugewandt. Sie alle lassen Unterwürfigkeit erkennen. Blaisdell fragt hart vom Sattel auf sie nieder: „Warum kam die Herde noch nicht weiter voran? Ihr müsstet zehn Meilen weiter im Südwesten sein. Dort nämlich gibt es Abstiegsmöglichkeiten, dort führen die weniger steilen Canyons abwärts. Warum seid ihr noch hier?“ Sie schweigen eine Weile. Dann spricht ihr Oberhirte ruhig: „Patron, wir waren ohne Schutz. Und in der vergangenen Nacht kam der schwarze Teufel und jagte eine Menge Schafe über dem Rim in die Tiefe. Wir glauben, dass er wieder ...“ „Was für ein schwarzer Teufel?“ Blaisdell fragt es hart. „Der schwarze Hengst, den sie El Capitan nennen, Patron.“ „Unsinn, den habe ich vor vielen Tagen getötet. Der ist tot, mausetot, verdammt !.“ „Das mag sein, Patron. Aber dann ist es sein Geist, welcher aus der Hölle wieder zu uns auf die Erde kam, um unsere Schafe über den Rim zu jagen. Wenn Sie El Capitan getötet haben, Patron, dann ist jetzt sein Geist als Ungeheuer auf Erden.“ Der Oberhirte - er ist ein alter Mexikaner - verstummt überzeugt. Und Blaisdell begreift, dass nun eine Legende geboren wurde und er das diesen einfachen Männern nicht ausreden kann. Einige sind Vollblutindianer, also Papa - 113 -
gos oder gar Yaquis, andere Halbbluts. Diese Leute glauben an Geister und andere unheimliche Mächte. Er seufzt und steigt endlich aus dem Sattel, tritt ans Feuer und nimmt eine Tortilla von dem Stapel, den sie auf einem heißen Stein dicht beim Feuer aufgeschichtet haben. Hungrig beginnt er zu essen. Dabei jagen sich seine Gedanken. Sie alle beobachten ihn mit im Feuerschein funkelnden Augen. Und da spricht er nach einer Weile zwischen zwei Bissen: „Es gibt keine Geister. Es wird sich um einen anderen schwarzen Hengst handeln, der den Gestank eurer Schafe hasst.“ Aber indes er dies spricht, beschließt er, am nächsten Morgen dorthin zu reiten, wo er El Capitans Überreste liegen sehen kann. Die Aasfresser werden wahrscheinlich nur noch das Gerippe übrig gelassen haben. Aber er wird es an der Stelle finden, wo er den Hengst liegen sah und vom Sattel aus auf ihn nieder sprach. * Blaisdell hat seine demoralisierte Revolvermannschaft kaum länger als zwei Stunden verlassen, als Bac Lonnegan und die Mannschaft der Rinderleute das Camp umstellen und sich dann langsam im Schritt reitend nähern. Lonnegans Stimme tönt scharf über die Mesa: „He, wollt ihr immer noch kämpfen für eure Stinker?!“ Sie erheben sich und verharren dann bewegungslos. Einer von ihnen ruft zurück: „He, wir sind draußen! Wir sind nicht mehr in diesem Spiel und reiten weg, sobald wir uns ein wenig ausgeruht haben. Blaisdell hat keine - 114 -
Mannschaft mehr. Lasst uns in Frieden nach Norden reiten, ja, nach Norden. Und wir mögen die stinkenden Schafe ebenso wenig wir ihr.“ Die Stimme verklingt bitter. Und die Rinderleute schweigen eine Weile. Aber jeder von ihnen fühlt sich nun erleichtert, ganz und gar wie von einer Last befreit. Denn ihnen wird klar, dass sie nicht kämpfen müssen hier oben auf der Mesa. Sie warten nun auf Bac Lonnegans Entscheidung, denn dieser ist ja ihr Anführer. Lonnegan lässt sie alle noch etwas warten. Dann hören sie ihn hart sagen: „Eigentlich müssten wir euch alle aufhängen. Ihr habt eine Menge Schaden angerichtet bei uns im TontoBecken. Ihr habt eine Ranch angezündet und wolltet uns besiegen. Ja, wir sollten euch Mann für Mann an den Hälsen hochziehen. Aber auch wir wollen keinen Kampf mehr, keine weiteren Töten und kein weiteres Blutvergießen. Haut also ab! Auf der Stelle! Schleicht euch! Los, haut ab von hier nach Norden!“ Seine Stimme bekommt zuletzt einen gnadenlosen Klang, so als müsste er sich sehr beherrschen. Aber der böse Klang in seiner Stimme wirkt. Die demoralisierte Revolvermannschaft, welche Blaisdell die Gefolgschaft versagte, beeilt sich sehr. Es dauert nur wenige Minuten, dann reiten sie nach Norden über die Mesa davon. Die Rinderleute versam meln sich um Bac Lonnegan. Im letzten Licht des sterbenden Tages betrachten sie ihn erleichtert und hoffnungsvoll. Einer von ihnen sagt: „Jetzt müssen wir nur noch die Schafherden zur Umkehr zwingen hier oben auf der Mesa.“ Lonnegan nickt. - 115 -
„Das könnt ihr ja machen“, spricht er. „Ich muss Blaisdell suchen. Der kommt sonst in einigen Wochen wieder mit einer neuen Mannschaft her. Ihn und seinen Boss muss ich finden, sonst nimmt das hier kein Ende. He, McCoy, willst du mich begleiten? Du kennst offenbar diesen Blaisdell recht gut, und allein wäre ich Blaisdell mit meinem Colt wohl nicht gewachsen. Reitest du also mit mir, McCoy?“ Im Klang seiner Stimme ist zuletzt ein Lauern. Jane Howell, welche neben McCoy ihr Pferd verhält, murmelt leise zu ihm hinüber: „Pat, jetzt musst du beweisen, dass du zu den Leuten des Tonto Basins gehören willst. Jetzt komm die letzte Prüfung.“ „Ich weiß“, murmelt er. Dann ruft er lauter: „In Ordnung, Lonnegan! Reiten wir zusammen auf Blaisdells Fährte. Er wird jetzt unterwegs zu seinem Boss Larrisburg sein, um diesem die Niederlage zu melden. Und dann wird dieser Larrisburg entscheiden, ob sie es nochmals versuchen oder nicht.“ „Dann ist ja alles klar“, erwidert Lonnegan knapp. * In Blaisdell ist eine ständig zunehmende Unruhe. Er muss immerzu an den Hengst El Capitan denken, den er am Boden liegen sah und für tot hielt. Und von El Capitans Tod ist er immer noch überzeugt. Dennoch verspürt er eine Unsicherheit tief in seinem Kern, die er mit seiner sicheren Überzeugung nicht tilgen kann. Und so ist er unterwegs zu jener Stelle, wo er die Überreste des Hengstes finden muss. Er reitet viele Stunden, auch durch eine helle Mond- und Sternennacht. - 116 -
Und erst am nächsten Vormittag nähert er sich jener Stelle. In der Nacht ritt er an einer lagernden Schafherde vorbei, aber er besuchte das Camp der Hirten nicht. Er ist sicher, dass auch diese Herde nicht weiter wandert, weil deren Hirten längst schon von den Hirten der vorderen Herde gewarnt wurden. Er hat jetzt auch ganz andere Sorgen. Und so erreicht er endlich am späten Vormittag die Stelle, wo er El Capitan liegen sah und für tot gehalten hat. Zuerst glaubt er, dass er sich irrt und dies nicht die Stelle sein kann. Aber es gibt keinen Irrtum. Als er absitzt und am Boden kniet, da findet er getrocknetes Blut auf Steinen. Und auch sonst kann er einige andere Spuren erkennen, Hufabdrücke zum Beispiel. Er kann auch am Boden erkennen, wo der Hengst nieder gewuchtet ist. Büsche und Pflanzen wurden zerdrückt. Ja, das ist die Stelle, so denkt er und sieht sich nach allen Seiten um, so als könnte er mit seinen suchenden Blicken den Hengst irgendwo sichten. Dann folgt er den kaum erkennbaren Spuren, gelangt auf weicheren Boden und sieht die Hufabdrücke ganz genau. Und so weiß er, dass El Capitan noch lebt und die Hirten jener Herde nicht von einem Geist sprechen. Er richtet sich auf und geht zu seinem Pferd zurück, zieht sich wieder in den Sattel. Er verspürt Müdigkeit. Resignation will von ihm Besitz ergreifen. Auch bezüglich des Hengstes ist er also ein Verlierer. Er macht sich auf den Weg zu Stuart Larrisburg. Irgendwo vor ihm - vielleicht ein oder zwei Tagesritte weit entfernt - wird Larrisburg bei einer der großen
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Schafherden sein Camp haben und auf Erfolgsmeldungen warten. Er aber muss Larrisburg die Niederlage melden. Die Schmach, versagt zu haben, würgt in seinem Hals. Aber er wird nicht kneifen, wird sich stellen. Und vielleicht gibt jener Larrisburg ihm eine zweite Chance, gibt ihm nochmals eine Menge Geld, um eine neue Revolvermannschaft anzuwerben. In den Bunten Wüsten gibt es viele verborgene Camps, in denen Geächtete hausen, die von Raub, Mord und anderen schlimmen Dingen leben. Seine nächste Mannschaft wird dann noch härter und böser sein als die erste. * Jake Blaisdells Fährte ist leicht zu verfolgten. Sie führt nach Nordosten, also in Richtung Bunte Wüste, aus der die Schafherden in Abständen von ein oder zwei Tagen auf die Mesa Mogollon heraufgezogen kommen. Einmal spricht McCoy ruhig: „Ich bin sicher, er will zu diesem Stuart Larrisburg, der sein Boss und Auftraggeber ist. Vielleicht treffen wir am Ende seiner Fährte auf beide. Ich bin neugierig auf diesen Larrisburg. Was für ein Mann ist er? Und was treibt ihn dazu, mit Schaf-herden Krieg gegen Rinderzüchter zu führen und deren Land zu erobern? Was für einen Grund hat dieser Mann? Es muss einen Grund geben.“ „Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht“, erwidert Bac Lonnegan. Er betrachtet dabei McCoy wieder auf eine lauernde Art, so als wollte er den Texaner immer noch erforschen. Und plötzlich spricht er: „Ihr seid beide Revolver männer, nicht wahr? Ihr seid von einer Sorte. Du kennst - 118 -
ihn besser als ich, denn ich kenne ihn eigentlich noch gar nicht. Kann er dich schlagen mit dem Colt?“ McCoy nickt. „Blaisdell ist der schnellste Mann der Gilde“, erwidert er dann. „Wenn ich mit ihm kämpfen müsste, würde ich gar nicht erst versuchen, schneller zu sein als er. Denn es würde allein darauf ankommen, wer von uns den anderen besser treffen kann. Ich müsste ihn mit meiner ersten Kugel ins Herz treffen, indes er mich vielleicht schon mit seiner zweiten Kugel trifft. Ich müsste fest auf den Beinen stehen, seine Kugeln auffangen und dennoch ruhig zielen. Ein schneller Schütze trifft nicht immer ins volle Leben, sondern verwundet nur. Aber ihn muss man mit dem ersten Schuss voll treffen.“ Er verstummt ernst. Lonnegan starrt ihn staunend an und murmelt dann „Heiliger Rauch, so schnell ist er also. Oho, ich halte mich selbst für schnell mit dem Colt. Das sind wir Texa ner ja fast alle. Aber ihr seid wahrhaftig eine besondere Sorte. Dann wäre es also möglich, dass er uns beide schaffen kann, wenn wir ihn stellen?“ Patrik McCoy nickt nur stumm. Und da spricht Lonnegan weiter „Aber wir können ihn nicht einfach aus dem Hinterhalt abknallen wie ein gefährliches Raubtier? Das bringen wir nicht fertig wegen unserer Ehre?“ „So ist es wohl, Lonnegan“, erwidert McCoy. Er halt sein Pferd an und zwingt Lonnegan so dazu, ebenfalls anzuhalten. Denn Lonnegan begreift, dass McCoy ihm jetzt etwas sagen will, das gewiss sehr wichtig ist und sie beide angeht. „Ist was?“, fragt Lonnegan begierig, so als hatte er eine bestimmte Ahnung. McCoy sieht ihn fest an und - 119 -
zögert „Da ist noch etwas zwischen uns“, spricht er nach einigen Atemzügen „Da ist deine Drohung, mich zu töten, wenn ich dir bei Jane in die Quere komme So ähnlich hast du es doch ausgedruckt, nicht wahr? Und so will ich dir jetzt sagen, dass ich dir in die Quere gekommen bin. Du kannst Jane nicht mehr bekommen Was nun?“ Es ist eine fast brutale Frage. Lonnegans Gesicht wird im Ausdruck noch harter als es ohnehin schon ist. Seine Augen werden schmal, und sein Mund wird ein harter Strich wie eine Messernarbe. Dann spricht er „Ja, das müssen wir noch klaren und regeln. Ich spürte die ganze Zeit, dass zwischen Jane und dir hier oben auf der Mesa bei der Pferdejagd etwas geschehen ist. Ich habe dich gewarnt. Sie wird dich vergessen, so wie sie ja auch den Verlust ihres Mannes vergessen konnte. Ja, sie wird dich nach einer Weile vergessen, wenn du verschwunden bist. Wir werden das mit unseren Fäusten auskämpfen, nein, nicht mit dem Colt, denn da wurde ich verlieren. Doch mit den Fäusten Mann gegen Mann wäre es ein fairer Kampf um Jane. Und der Verlierer verschwindet aus dem Land. So einfach ist das. Doch zuerst müssen wir die Schafherden und diesen Blaisdell und dessen Boss Larrisburg aufhalten. Das geht vor. Gut so?“ Er fragt es ganz ernsthaft. McCoy schüttelt zuerst staunend den Kopf. Er mochte Lonnegan sagen, dass sie doch Jane Howell die Entschei dung überlassen mussten und Jane dies doch schon getan hatte. Aber als er in Lonnegans Augen starrt, da erkennt er in ihnen den unerschütterlichen Entschluss.
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Er verspürt plötzlich ein tiefes Bedauern, denn er mag Bac Lonnegan. Dieser hegt gewiss auch keinen Hass gegen ihn, mag ihn, McCoy, vielleicht ebenso wie er ihn. Aber sie sind Nebenbuhler und gleichen gewissermaßen zwei Hengsten, die um eine besondere Stute kämpfen. In dem primitiven Land hier sind nun mal alle Dinge einfach und primitiv. Zwei Männer, die sonst gewiss gute Freunde geworden waren, werden sich bald als erbitterte Gegner gegenüber stehen. Und vielleicht wird der Verlierer dann den Sieger hassen. Lonnegan wartet immer noch auf eine Antwort auf seine beiden letzten Worte, die ja eine knappe Frage waren. „Ja, gut so“, erwidert McCoy mit drei Worten. Und dann endlich reiten sie auf Blaisdells Fährte weiter. * Irgendwann verspürt Jake Blaisdell ein ungutes Gefühl. Er kennt dieses Gefühl. In dieser Hinsicht gleicht er wahrhaft einem Wolf, der stets spürt, wenn Jäger ihm folgen oder irgendwo auf ihn lauern. Und so fragt er sich, wer ihm wohl folgt in diesem unübersichtlichen Land hier oben auf der Mesa. Immer wieder halt er in guter Deckung an und beobachtet seine Fährte. Es ist dann am späten Nachmittag, fast schon Abend. Die Schatten werden immer länger und halten irgendwelche Geheimnisse verborgen.
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Doch dann - im letzten Licht des Tages -, da erblickt Jake Blaisdell dieses Geheimnis, dessen Vorhandensein er immer starker spürte. Es ist der schwarze Hengst El Capitan Er will es zuerst nicht glauben, wischt sich übers Gesicht und kneift die Augen zusammen. Doch als er sie wieder öffnet, sieht er immer noch den Hengst auf seiner Fährte. „Das gibt es doch nicht“, knirscht er „Dieser schwarze Hurensohn folgt meiner Fährte wie ein Hund. Der ist gar kein Pferd, kein Hengst aus Fleisch und Blut. Der ist vielleicht tatsächlich ein Geist. Er folgt meiner Fährte. Kein Pferd auf dieser Erde kann das. Er muss der Teufel selbst sein.“ Er erschrickt, da er sich seiner Worte bewusst wird. Denn er ist ein Mann, der nicht an Geister und irgendwelchen Teufelsspuk glaubt. Aber jetzt verspürt er ein merkwürdiges Gefühl. Er stoßt einen bösen Fluch aus und zieht die schwere Buffalo Sharps aus dem Sattelschuh Als er das Visier auf die Entfernung von dreihundert Yards einstellt, da murmelt er böse „Diesmal treffe ich besser, du verdammter Hurensohn. Diesmal hast du nicht nochmals Glück.“ Er schwingt sich aus dem Sattel, tritt hinter sein Pferd und legt den Gewehrlauf quer über den Sattel. Sein Pferd steht still wie ein Denkmal. Der Hengst trabt in der zunehmenden Dämmerung langsam näher. Manchmal verschwindet er hinter Felsen, Buschen, Baumgruppen. Doch er bleibt auf Blaisdells Fährte. Blaisdell geht das allerdings zu langsam, und er macht sich jetzt zunehmend Sorgen. Denn die Sicht wird immer - 122 -
schlechter, sozusagen von Sekunde zu Sekunde. Hinter den Bergen im Westen ist die Sonne verschwunden, wirft kaum noch Licht gen Himmel. „Komm näher, komm näher“, flüstert Blaisdell Doch dann sieht er, dass der Hengst anhält, als hatte er eine warnende Witterung in die Nüstern bekommen, so wie ein guter Fahrtenhund in die Nase. Aber das kann nicht sein. Kein Pferd hat eine Spurnase wie ein Hund. Also kann El Capitan nur von seinem Instinkt gewarnt worden sein. Jake Blaisdell weiß nun, dass er nicht langer warten kann. Die Dämmerung verwandelt sich zu schnell in Dunkelheit. Also muss er einen Glücksschuss wagen. Und so druckt er ab. Als der Schuss kracht, springt der Hengst wie eine Riesenkatze zur Seite. Und so rauscht die schwere Kugel an ihm vorbei. Dann ist El Capitan auch schon hinter der Deckung einiger Felsen verschwunden. In Blaisdell ist eine wütende Enttäuschung. Diese Chance hat er vergeben. Und weil nun die Dunkelheit über das Land fallt wie ein schwarzer Riesenmantel, weiß er, dass er die nächste Chance vielleicht erst wieder am nächsten Tag bekommen wird. Denn eines ist ihm klar: El Capitan folgt ihm wie ein Feind, um sich zu rächen. Blaisdell mochte das nicht glauben. Denn eigentlich ist das alles ganz unwahr scheinlich und kaum zu glauben. Die einzige Erklärung ist die, dass El Capitan kein normales Pferd ist, kein Hengst wie seine Artgenossen. Für El Capitan gelten einmalige Maßstäbe. Blaisdell lädt seine Buffalo Sharps neu, schiebt sie ins Sattelholster und sitzt wieder auf. - 123 -
„Dann bekomme ich dich eben morgen“, knurrt er und reitet weiter durch die Nacht. Nach etwa einer Meile erblickt er das Campfeuer einer Schafherde in der Ferne und hört bald darauf das Kläffen der Hunde. Sie kommen ihm entgegen, wollen seinem Pferd an die Fesseln. Und da schlagt er mit der Peitsche gnadenlos zu, reagiert sie damit ab. Wenig später erreicht er das Camp, wo ihn die Hirten unterwürfig erwarten. Doch in diesem Camp ist alles anders. Außer den Hirtenwagen ist hier noch ein anderer Wagen zu sehen. Daneben steht ein Zelt. Es ist ein Offizierszelt, so wie es Regimentskommandeuren zusteht, also Colonels. Als Blaisdell dieses Zelt erblickt, da weiß er, dass er seinen Boss gefunden hat, nämlich Stuart Larrisburg. * Als El Capitan den Knall hört und die Kugel dicht an sich vorbeirauschen spürt - fast hatte sie ihn wie ein Peitschenhieb getroffen -, da erinnert er sich wieder daran, was kürzlich passierte. Ja, er folgt tatsachlich jenem Mann, der ihm schon einmal Böses antat und dessen Stimme er sich merkte, als er sich tot stellte und der Mann vom Pferd aus triumphierende Worte auf ihn nieder sprach. El Capitans Instinkt sagt ihm, dass er diesen Menschen angreifen und vernichten muss, so wie er einen anderen Hengst bekämpfen und vernichten muss, der ihm die Herrschaft nehmen will. Auch El Capitan hört und spürt dann die lagernde Schafherde, sieht das Feuer in der Nacht. Und weil er sich den Hunden fern halten muss, hält er Abstand. Er - 124 -
beginnt im Mond- und Sternenschein auf einem Wiesen stück zu grasen und legt sich dann zur Ruhe. Was am nächsten Tag sein wird, kann er nicht voraussehen, denn er ist ja kein Mensch. Sein Instinkt sagt ihm nur, dass er diesen Menschen bekämpfen muss. Er verbringt eine ruhige Nacht, hört in der Ferne nur die Wölfe und Coyoten und das Kläffen der Hunde, die ihre Herde beschützen. Ja, er halt sich fern und trompetet auch nicht in der Nacht. Aber am kommenden Morgen wird er wieder nach diesem Menschen Ausschau halten. Vielleicht - wenn ihm die Gelegenheit günstig erscheint - wird er den Mann angreifen. * Indes El Capitan also abseits der bähenden, blökenden und plärrenden Schafherde die Nacht verbringt, sitzt Jake Blaisdell im Offizierszeit seinem Boss Stuart Larrisburg gegenüber. Im Lichtschein der Lampe betrachten sie sich und schweigen lange. Denn Blaisdell hat Bericht erstattet, schonungslos auch gegen sich selbst. Er versuchte nicht, sich herauszureden. Sein letzter Satz war „Ich habe gelernt. Und noch niemals machte ich einen Fehler zweimal“ Als er verstummte, lag die Entscheidung allem bei Larrisburg. Blaisdell betrachtet den Mann unentwegt, kann in dessen Augen erkennen, wie es in ihm arbeitet.
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Stuart Larrisburg ist ein löwenhaft wirkender Mann, der seine gelben Haare bis auf seine breiten Schultern hangen hat. Seine Ohren sind dadurch verborgen. Er ist schwergewichtig, doch prächtig proportioniert. Eigentlich ist er ein Bild von einem Mann, der unter tausend anderen Männern stets wie ein King wirkt. Und dennoch spürt Blaisdell immer wieder bei ihren seltenen Treffen, dass es mit diesem Larrisburg irgendein Geheimnis gibt, etwas, was er verbirgt und tief in seinem Kern verborgen halt. Er hört sich plötzlich sagen „Wenn Sie weitermachen sollen, Mister Larrisburg, dann muss ich eine neue Revolvermannschaft anwerben Und diesmal muss sie noch harter sein. Ich musste Mörder und Banditen aus den verborgenen Camps der Bunten Wüste zusammen holen und mit ihnen hinunter ins Tonto Basin reiten. Irgendwann wurde dann der Gouverneur.“ „Schon gut, Blaisdell“, unterbricht ihn Larrisburg „Das ist Ihr Job. Davon will ich nichts wissen. Und ich denke nicht an ein Aufgeben. Ich will diese Rinderzuchten dort unten im Tonto Basin vernichten. Also werde ich Ihnen noch mal eine Menge Geld geben. Doch zuvor müssen Sie die Anführer der Rinderleute erledigen. Das ist meine Bedingung. Ich kann mit meinen Schafherden noch einige Wochen hier oben auf der Mesa abwarten. Hier gibt es noch Weide genug für meine Herden. Doch vor dem Winter muss das Tonto-Becken frei sein. Ich warte hier auf Ihre Erfolgsmeldung. Wie heißen diese beiden Männer - Lonnegan und McCoy?“ „Das sind ihre Namen.“ Blaisdell nickt „Und ich werde sie beide töten.“ Er macht eine Pause und nimmt dann eine Zigarre aus der kleinen Kiste, die Larrisburg ihm hinhält. - 126 -
Nachdem er sie angezündet und einige Zuge gepafft hat, fragt er „Mister Larrisburg, ich wurde gerne wissen und auch begreifen, warum Sie die Rinderzüchter dort unten im Tonto-Becken so hassen. Ja, es ist Hass, den ich spüre. Ich bin der Mann, der für Sie die schmutzige Arbeit verrichtet, und ich wusste gerne, warum.“ Larrisburg schweigt lange zu Blaisdells Worten, hüllt dabei den löwenhaft wirkenden Kopf in Rauchwolken ein, als wollte er sich so Blaisdells Blicken entziehen. Dann aber spricht er plötzlich mit seiner tiefen, kehligen Stimme „Warum nicht, Blaisdell, warum nicht. Wenn Sie dort unten fertig sind, werden Sie ohnehin als wohlhabender Mann über die Grenze nach Mexiko fluchten müssen und drüben als reicher Mann leben. Warum sollen Sie nicht begreifen, warum ich diesen Krieg führe.“ Er macht nach diesen Worten eine Pause, hebt die Linke und greift unter seinem langen Haar nach seinem Ohr. Doch im Lampenschein sieht Blaisdell, dass dort gar kein Ohr mehr ist. Und da weiß er es plötzlich. Überdies schiebt Larrisburg sein langes Haar dann noch mehr nach hinten, dass Blaisdell alles sehen kann Larrisburg wurden irgendwann und irgendwo einmal beide Ohren abgeschnitten, als er noch ein junger Bursche war. Ja, Blaisdell weiß von einer Sekunde zur anderen ganz plötzlich Bescheid. Überdies sagt es ihm Larrisburg nun auch noch mit Worten, wobei seine Stimme hassvoll klirrt. „Sie wissen, was dies bedeutet, Blaisdell. Sie begreifen jetzt, was mir Rinderzüchter angetan haben, als - 127 -
ich noch ein junger, wilder Bursche war, der ein paar Rinder stahl?“ Blaisdell nickt. „Ja, das war damals vor dem Krieg in Texas so üblich, Viehdieben schnitt man zuerst ein Ohr ab. Wenn man sie nochmals erwischte, verloren sie auch das andere. Sie hat man zweimal erwischt, Mister Larrisburg.“ Dieser nickt und lasst die langen Haare wieder über die Ohren fallen. „Diese Cattle-Kings“, knurrt er, „hielten sich für Halbgötter. Sie entschieden wie Despoten über Leben und Tod. Sie kannten keine Gnade gegen Rinder- und Pferdediebe. Sie ließen mich entstellen. Und jeder Mensch in Texas, der meine verstümmelten Ohren sah, wusste Bescheid über mich. Seitdem hasse ich jeden Rinderzüchter und bekämpfe sie, wo ich auf sie treffe. Und dort unten im Tonto-Becken sind einige aus Texas und vom Brazos, wo ich meine Ohren verlor.“ Er macht eine kleine Pause und nimmt die Whiskyflasche vom Tisch, schenkt daraus zwei Glaser voll. „Trinken wir auf meine Rache“, spricht er hart „Und Sie, Blaisdell, sind mein Werkzeug, das ich mir kaufen konnte mit meinem Geld. Denn ich bin reich, Blaisdell, sehr reich. Als ich damals aus Texas voller Schmach fluchtete, da begann binnen weniger Jahre mein Aufstieg. Das meiste Geld machte ich während des Krieges als Waffenhändler. Mit meinem Partner rüstete ich Armeen aus. Und jetzt macht es mir Freude, wenn ich mit hunderttausend und noch mehr Schafen überall für viele Jahre die Rinderweide ruiniere. Jetzt will ich vor dem Winter hinunter ins Tonto-Becken und dort mit meinen Stinkern alle Rinder vertreiben. Blaisdell, Sie werden ein - 128 -
reicher Mann durch mich. Also tun Sie Ihren Job. Töten Sie zuerst die Anführer der Rinderzüchter und stellen Sie dann in aller Ruhe eine neue und noch härtere Mannschaft von Revolverreitern zusammen. Sie haben nur noch wenige Wochen Zeit. Also!“ Er hebt das Glas und trinkt Blaisdell zu. Dieser zögert ein wenig, dann erwidert er dieses Zutrinken Sie leeren die Gläser. Danach spricht Blaisdell hart: „Ich werde meinen Job erledigen.“ * Pat McCoy und Bac Lonnegan verbringen die Nacht in Hörweite der riesigen Schafherde. Sie hören die Stimmen der wolligen Tiere die ganze Nacht, auch das Kläffen der Hunde, die ständig vor den um die Herde schleichenden Wölfen und Coyoten warnen. Als es Tag wird, erheben sie sich auf dem kleinen Hügel, wo sie in guter Deckung campieren. Und als sie in die Runde blicken, da sehen sie Jake Blaisdell angeritten kommen. Lonnegan stößt einen zufriedenen Laut aus und sagt dann knirschend: „Das ist er wohl, nicht wahr. Ja, ich erkenne ihn wieder. Jetzt haben wir ihn. Komm, McCoy! Reiten wir ihm in den Weg.“ „Nein, Lonnegan“, erwidert McCoy ruhig und entschieden. „Der läuft uns nicht weg. Wichtiger als er ist sein Boss. Ich denke, dieser Stuart Larrisburg befindet sich dort bei der Herde. Sonst würde Blaisdell nicht zurückgeritten kommen. Er bekam in der vergangenen Nacht neue Befehle, wahrscheinlich auch Geld für eine neue Revolvermannschaft. Wir müssen zuerst ins Camp - 129 -
dieser Herde da vor uns und zu diesem Larrisburg. Er ist der Ausgangspunkt allen Übels. Gibt es ihn nicht mehr, hat Blaisdell keinen Boss mehr.“ Als McCoy verstummt, nickt Lonnegan widerwillig, aber er nickt. Denn sein Verstand sagt ihm, dass McCoy die Sache richtig sieht. Und so entschließt er sich. „Gut, reiten wir zu Larrisburg, wenn er überhaupt in diesem Camp ist.“ Sie verzichten auf ein Frühstück, satteln ihre Pferde und sind wenige Minuten später unterwegs. Es ist ja nicht weit bis zu Larrisburg. Die Hunde künden ihr Kommen an. Und die Hirten der Herde verharren bewegungslos und beobachten die Reiter. Als sie sich dem Camp und dem Zelt zwischen den Wagen nähern, da tritt ihnen Stuart Larrisburg entgegen. Doch er ist nicht allein. Zwei Männer sind nun bei ihm, offenbar seine Leibwächter, die ihn und seinen großen Geldkasten beschützen sollen und dies gewiss schon lange Zeit tun. Lonnegan und McCoy halten an und gleiten aus den Sätteln. Sie handeln wortlos, aber dennoch im totalen Einverständnis. Man sieht ihnen eine absolute Ent schlossenheit an. Als sie Larrisburg und dessen Leib wächtern gegenüber treten, da spricht Larrisburg hart: „Ich gab euch zum Absitzen keine Erlaubnis. Dies ist mein Camp. Also in die Sättel mit euch!“ Die letzten Worte sind ein glasharter Befehl. Aber Lonnegan erwidert: „Wenn Sie Larrisburg sind, dann müssen Sie jetzt mit Ihrem Leben bezahlen! Sie haben schon viel zu viel Unheil verursacht. Wir sind gekommen, um Sie zu töten.“ Als Lonnegan verstummt, ist alles klar und begreift Larrisburg seine ganze Ausweglosigkeit. Doch er ist ja - 130 -
ein harter Bursche, auch schnell mit dem Revolver, fast so schnell wie ein erstklassiger Revolvermann. Überdies hat er zwei schnelle Revolverschwinger rechts und links neben sich. Er stößt einen lauten Ruf aus, der für seine beiden Leibwächter ein Signal ist, und greift nach der Waffe. Auch die beiden Männer rechts und links neben ihm ziehen. Ja, sie wollen sich ihren Revolverlohn ehrlich verdienen, ihren Boss beschützen. Sie lassen Larrisburg also nicht im Stich - und das ist ihr Untergang mit ihm. Denn Pat McCoy ist schneller, sehr viel schneller. Und Lonnegan steht ihm nicht viel nach. Das Krachen der Colts erfüllt den Morgen und ist meilenweit in der Runde zu hören. Larrisburg fällt zuerst, dann seine beiden Beschützer. Und die Hirten verharren immer noch fast bewegungslos und sehen zu. Lonnegan hält sich die linke Seite, wo ihn eine Kugel streifte. Und McCoys Hemd und Jacke wurden an der rechten Schulterspitze aufgerissen. Sie treten nun zu den Besiegten. Larrisburg ist tot. Er bekam Lonnegans Kugel mitten in die Stirn. Die beiden Revolvermänner wurden ziemlich böse verwundet. Sie setzen sich mühsam auf. Einer von ihnen, der sich die zerschossene Schulter hält, stößt knirschend hervor: „Ihr seid verdammt schnell, zu schnell für uns. Was nun? Wir haben nur unseren Job getan, so gut wir das konnten. Was nun?“ Lonnegan sieht sich um. „He, wer ist hier der Oberhirte?“ Er ruft es laut in die Runde. Ein Mexikaner - wahrscheinlich zur Hälfte ein Papago mit Apachenstiefeln - nähert sich von einem der Hirtenwagen her. - 131 -
„Senor?“ So fragt er. Lonnegan deutet auf Larrisburg nieder. „Ihr habt keinen Patron mehr“, spricht er. „Larrisburg ist tot. Die Schafherde gehört nun euch, denn sie wurde herrenlos. Ihr solltet sie wieder durch die Bunte Wüste auf eurer Fährte zurücktreiben. Oder wir Rinderleute jagen sie über den Rim in die Tiefe. Und um die beiden Verwundeten solltet ihr euch kümmern. Hast du alles verstanden, Hombre?“ Der Oberhirte nickt. „Si, Senor, ich habe alles gut verstanden. Wir werden gehorchen und auch die Oberhirten der anderen Herden benachrichtigen. Wir sind keine Kämpfer, Senor, nur Hirten.“ Lonnegan nickt. Er wirft McCoy einen Blick zu und verschwindet dann im Zelt. Wenig später kommt er mit dem großen Geldkasten von Stuart Larrisburg wieder heraus. Er sieht den Oberhirten an. „Es hat Tote gegeben im Tonto-Becken“, spricht er. „Einige Familien verloren ihre Väter und Söhne. Frauen wurden Witwen. Eine Ranch brannte ab. Das Geld von Larrisburg wird den angerichteten Schaden wenigstens lindern.“ „Si, Senor“, nickt der Oberhirte. „Aber Tote kann .man damit nicht mehr lebendig machen. Vergeben Sie uns, Senor. Wir sind nur Hirten.“ Lonnegan erwidert nichts. Er schnallt den Geldkasten mit Hilfe des Lassos auf der Sattelrolle hinter dem Zwiesel fest. Dann nickt er McCoy zu. „Also reiten wir, McCoy Suchen wir Blaisdell!“ Sie sitzen auf und reiten davon. Bellende Hunde begleiten sie Und noch eine Weile hören sie die misstönigen Stimmen der Herde. - 132 -
Sie reiten etwa eine Meile weit. Dann halt Lonnegan plötzlich an und zieht sein Pferd herum, so dass er McCoy den Weg versperrt. „Jetzt bringen wir es hinter uns, McCoy“, spricht er rau. McCoy sieht ihn kopfschüttelnd an und erwidert schließlich „Lonnegan, das ist dumm und verrückt. Das muss nicht sein. Jane allein steht die Wahl zu. Du kannst mich nicht wegbeißen wie ein Hengst, den anderen von einer Stute. Ich habe nichts gegen dich, ja, ich meine, wir sind uns sogar in vielen Dingen ähnlich, konnten Freunde werden. Warum also dieser Kampf um eine Frau, die nur einer von uns bekommen kann?“ Und die Wahl trifft sie, nicht du.“ Aber Lonnegan schüttelt eigensinnig den Kopf. „Komm herunter von deinem verdammten Gaul“, fordert er „Blaisdell bedeutet ohne Larrisburg keine Gefahr mehr für uns Rinderleute. Er wird verschwinden ohne weiteren Ärger und Kampf. Es ist nur noch zu klaren, wer von uns das Feld räumen muss Runter vom Gaul!“ Er treibt sein Pferd plötzlich an, lasst es gegen McCoys Tier prallen und wirft sich aus dem Sattel zu McCoy hinüber, reißt diesen mit sich zu Boden. Es wird vom ersten Augenblick an ein gnadenloser Kampf ohne Schonung. * Jake Blaisdell stößt schon bald auf die Fährten der beiden Reiter und wird sich darüber klar, dass er verfolgt wurde.
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Wenig später hört er auch die weit entfernt klingenden Schüsse des Revolverkampfes im Camp von Larrisburg, die ja hier oben auf der Mesa in der stillen Natur meilenweit zu hören sind. Er halt an und überlegt. Wenig später ist ihm alles klar. Er zieht sein Pferd herum und reitet zurück, stoßt bald wieder auf die Fährte der beiden Reiter, die nun von einem Hügel herunter kommt. Dort oben also haben seine Verfolger in Hörweite der Herde die Nacht verbracht. Vorhin haben sie ihn an sich vorbeireiten lassen und sind zum Camp geritten. Dort krachten dann die Schüsse. Jake Blaisdell beschließt in guter Deckung zu warten. Denn wenn die beiden Reiter - er ist fast sicher, dass einer von ihnen Pat McCoy ist - mit Larrisburg und dessen Leibwächtern zurechtgekommen sind, dann werden sie bald zurückgeritten kommen. Er muss nicht lange warten, dann sieht er sie. Doch dann erlebt er die große Überraschung. Er kann sehen, wie sie anhalten und dann zu kämpfen beginnen. „O Mann, o Mann“, knurrt er grinsend, „was ist das denn? Die verhauen sich ja nach Strich und Faden als waren sie erbitterte Feinde. Die wollen sich j a tatsächlich totschlagen. Heiliger Rauch, was haben die plötzlich gegeneinander?“ Er kann es nicht wissen. Wie sollte er auch? Niemals käme er auf die Idee, dass es um eine Frau geht. Nur eines begreift er, nämlich, dass diese Männer von Anfang an keine Freunde waren, sondern nur Partner, bis sie eine Aufgabe erledigt hatten, nämlich Larrisburgs Ver nichtung. Und jetzt tragen sie etwas aus.
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Blaisdell sieht mit Vergnügen und einem grimmigen Behagen zu, wie sie sich gegenseitig zerschlagen und keiner von ihnen aufgeben will. Es ist ein gnadenloser und erbarmungsloser Kampf. Und er dauert lange. Manchmal bleiben sie beide keuchend am Boden liegen, versuchen ihre Not zu überstehen und neue Kraft zu sammeln. Gewiss ist ihnen dann schwarz vor Augen. Es fehlt ihnen an Sauerstoff. Sie keuchen gewiss verzweifelt nach Luft. Dann wieder erheben sie sich und kämpfen weiter, versuchen sich zu zerbrechen und einander zur Aufgabe zu zwingen. Doch keiner gibt auf. Ein grausam gegen sie selbst gerichteter Wille zwingt sie zum Durchhalten. Und vielleicht wird jeder von ihnen nach diesem Kampf für lange Zeit ein kranker Mann sein. Blaisdell kann nicht hören, was sie sich gegenseitig keuchend sagen. Aber wahrscheinlich verstehen sie es selbst nicht mehr, weil sie ja fast ohnmächtig sind und nur noch wie Betrunkene torkeln. Und wenn sie aufeinander einschlagen, dann geschieht das mit langsamen Bewegungen, denen sie dennoch nicht ausweichen können. „Was für ein Kampf“, murmelt Blaisdell immer wieder, „was für ein Kampf“. Und wenn sie fertig sind miteinander, dann werde ich hinunterreiten und ihnen den Rest geben. Das bin ich Larrisburg schuldig. Ich sehe die Geldkiste von Larrisburg auf einem der Pferde. Sie müssen ihn getötet haben. Und dafür werde ich sie töten.“ Er verstummt heiser. Und es ist dennoch ein Frohlocken in ihm. Denn zuletzt wird er die Geldkiste besitzen. - 135 -
Und er muss dafür nicht mal mehr den Krieg gegen die Rinderleute weiterfuhren. Er kann weit, weit weg von hier ein neues Leben beginnen. Denn er wird reich sein und Larrisburg gerächt haben. * Als Pat McCoy erwacht, da verspürt er zuerst nur die bösen Schmerzen. Sie konnten gewiss nicht schlimmer sein, wenn er unter eine Stampede geraten wäre und viele Hufe ihn getroffen hatten. Er müht sich, dies alles zu begreifen. Und so schafft er es endlich nach einer Weile. Ja, plötzlich ist die Erinnerung wieder da. Er weiß wieder, dass er den schlimmsten Kampf seines Lebens kämpfen musste und hat dann das Bild von Bac Lonnegan vor Augen, sieht ihn vor sich wie im Traum. Und so öffnet er endlich seine Augen Er kann kaum damit sehen, denn sie sind zugeschwollen oder zugeschlagen, als wäre er von einem Preisboxer verprügelt worden. Nun will er wissen, wo Lonnegan ist. Er setzt sich mühsam auf und blickt sich um. Und da sieht er Lonnegan in dem Moment, da auch dieser sich aufsetzt. Eine Weile sehen sie sich schweigend an. Sie können gegenseitig erkennen, wie sehr sie sich zerschlagen haben. McCoy hört sich mit heiserer Stimme voller Bitterkeit sagen „Willst du weitermachen, Lonnegan? Oder hast du endlich genug? Muss ich dir deinen dummen Bumskopf noch mehr zerhammern? Oder ist noch etwas Verstand in deinem Hirn?“
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Und weil Lonnegan ihm keine Antwort gibt, spricht er mühsam mit zerschlagenen Lippen weiter „Das war unnötig und so dumm, wie nur etwas dumm sein kann. Was hast du jetzt erreicht, Lonnegan? Zu was war das gut? Oh, du verdammter Narr, wir hatten Freunde werden können.“ Lonnegan stöhnt erst einmal und betastet dann mit zitternden Fingerspitzen sein zerschlagenes Gesicht. Schließlich krächzt er „Unser Kampf endet wohl mit einem Unentschieden. Wir konnten beide nicht mehr. Was machen wir nun?“ Aber McCoy flucht nur als Antwort. Und dann sehen sie beide einen Reiter kommen. Es ist Jake Blaisdell. Er hält wenig später vor ihnen an, indes sie sich muhen, wieder auf die Fuße zu kommen. Dabei wanken und schwanken sie wie Betrunkene. Und ihre Revolver haben sie langst verloren. Ihre Waffen liegen irgendwo. Sie begreifen, das sie Blaisdell waffenlos und kampfunfähig ausgeliefert sind. Er grinst auf sie nieder „Ich habe mir das angesehen“, spricht er „Das war ein prächtiger Kampf. Und er dauerte lange, sehr lange. Immer wieder habt ihr verschnauft und dann wieder aufeinander eingeschlagen Ihr seid Narren.“ McCoy deutet auf Lonnegan „Der da ist der Narr“, murrt er, „nicht ich Blaisdell, was willst du? Larrisburg ist tot. Du hast keinen Boss mehr. Die Schafherden werden wieder umkehren und durch die Painted Desert zurückwandern. Es ist alles vorbei, Blaisdell. Was also willst du noch’“ Da deutet Blaisdell auf den Geldkasten auf Lonnegans Pferd „Das will ich“, erwidert er „Und deshalb werde ich euch töten müssen. Nur dann kann ich mit der Beute entkommen und mir irgendwo einen guten Platz suchen.“ - 137 -
„Wo bleibt denn da dein Revolverstolz, Blaisdell?“ McCoy fragt es höhnend, wenn auch mühsam. Es fallt ihm schwer, die Worte deutlich verständlich zu sprechen. Seine Lippen sind zu zerschlagen. „Ach, McCoy“, erwidert Blaisdell achselzuckend, „irgendwann vergisst wohl jeder Mann mal seinen Stolz, besonders dann, wenn es um eine Menge Geld geht. Du wolltest einen Hengst fangen, um ein neues Leben beginnen zu können. Ich aber fange mir gewissermaßen eine Menge Geld. Damit habe ich es leichter als du mit dem verdammten Hengst“. Er sitzt nach diesen Worten geschmeidig ab und nähert sich Lonnegans Pferd. Doch Lonnegan stolpert ihm in den Weg, will ihn aufhalten. Da hat Blaisdell plötzlich seinen Revolver in der Hand und schießt auch sofort. Plötzlich ist er kein stolzer Revolverkämpfer mehr, sondern nur noch ein Mörder McCoy sieht seinen Revolver im Staub liegen, halb unter einem kleinen Dornenbusch verborgen. Aber die Entfernung ist zu weit. Nicht mal mit einem Hechtsprung konnte er zu der Waffe gelangen. Er müsste drei lange Sprünge machen. Doch dies ist ihm in seinem Zustand unmöglich. Blaisdell betrachtet ihn ernst. Sein Gesichtsausdruck lässt so etwas wie ein Gefühl von Bedauern erkennen. Und dann spricht er „Wahrhaftig, Patrik McCoy, dass es zwischen uns so enden muss. Ich wollte, es gäbe eine andere Losung, verdammt! Aber ich will mit der Geldkiste entkommen, dich nicht auf meiner Fährte haben. Ich weiß, du willst das Geld den Rinderzüchtern als Entschädigung bringen. Das passt zu dir. Immer edel und gut, stolz und ehrenwert, ganz und gar ein Coltritter. Aber du konntest nicht mal diesen schwarzen Teufel - 138 -
einfangen, diesen verdammten El Capitan. McCoy, ich muss dich erschießen. Ich sehe keine andere Möglichkeit. Selbst wenn du mir jetzt dein Wort geben wurdest, mich nicht zu verfolgen, ich wurde dir nicht glauben. Also.“ Er hebt erneut den Colt und richtet die Mündung auf McCoy. Dieser verharrt bewegungslos. Er kann sich ja kaum auf den Beinen halten, und er ist ohne Chance. Er blickt in die Revolvermundung und wartet auf das Mündungs feuer. Gleich wird er tot sein. Doch indes er auf Blaisdell starrt und auf dessen Kugel wartet, da sieht er plötzlich etwas, was ihm Hoffnung macht. * Auch der schwarze Hengst, den sie El Capitan nennen, hat die Nacht in der Nahe der Schafherde verbracht. Ja, er ist Bac Blaisdell gefolgt und hielt sich dabei stets gut in Deckung. Wie ein Wolf begleitete er Blaisdell durch das unübersichtliche Land der Mogollon Mesa. Und er ist nun instinktiv sicher, dass dieser Mensch sein größter Feind ist. Er spürte ja das Rauschen der Kugel, welche sengend über sein Fell strich. Und er erinnert sich an den tage- und nächtelangen Schmerz der ersten Kugel. Sie haben ihn gejagt. Er verlor seine Herde und war fast schon verloren, sozusagen ein zum Tode verurteilter King ohne Volk. All diese Not verkörpert für ihn dieser Mensch. Nun, er verbringt also die Nacht dicht bei der Herde. Am nächsten Morgen wacht er dann auf einem Hügel in guter Deckung auf und beobachtet die Herde und das große Camp in der Ferne. - 139 -
Später sieht er den Reiter kommen und erkennt Blaisdell und dessen geschecktes Pferd. Er hört dann auch die Schusse im Camp, aber darum kümmert er sich nicht. Er folgt dem Reiter abermals seitlich in einiger Entfernung. Vielleicht wurde Blaisdell seinen Schatten sogar wie zuvor schon instinktiv wittern, wenn er nicht zu sehr mit seinen Problemen beschäftigt wäre. Als Blaisdell dann die Fahrten von McCoy und Lonnegan findet und wieder umkehrt, da bleibt der Hengst abermals in seiner Nähe. Sein Instinkt zwingt ihn dazu, lässt ihm gar keine andere Wahl. Als Herdenfürst ist er dazu bestimmt, alle Feinde zu bekämpfen. Und er will ja wieder eine Herde besitzen, einen Harem schöner Stuten. Er beobachtet, wie Blaisdell dem Kampf der beiden anderen Männer zusieht und dann später einen dieser Männer erschießt. Er ist dem Ort nun schon so nahe, dass er Blaisdells Stimme deutlich hören kann. Und er erinnert sich an diese Stimme. Ja, die Stimme gehört jenem Menschen, der ihm Böses antat. Und so setzt er sich leise wie ein Schatten und so leicht wie eine Pumakatze in Bewegung. * Patrik McCoy sieht den schwarzen Hengst hinter einem roten Felsen und zwischen einigen Buschen hervor in Blaisdells Rucken auftauchen. Was er sieht, will er zuerst nicht glauben und halt es für eine Illusion. Aber es ist so. Der schwarze Hengst
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nähert sich lautlos wie ein schwarzes, unaufhaltsames Unheil. Und schon einmal hat er ja einen Mann getötet. Und so begreift McCoy, dass er Zeit gewinnen muss. Indes Blaisdell mit dem Abdrucken noch zögert und McCoy in die Revolvermündung starrt, nähert sich der Hengst und McCoy beginnt zu sprechen. Er sagt „Überleg es dir gut, Blaisdell. Was du jetzt tun willst, wirst du niemals vergessen können. Wir gehörten zur gleichen Gilde. Wir waren Revolverkämpfer und lebten nach einem Ehrenkodex, der dem Buschido der japanischen Samurai ähnlich ist. Du hast diesen Ritterweg verlassen. Ich werde aus dem Jenseits auf dich nieder spucken. Lass mich meinen Colt aufheben und in mein Holster stecken. Und dann tragen wir es nach unseren ungeschriebenen Regeln aus.“ Aber Blaisdell schüttelt den Kopf. „Deine Hand ist total zerschlagen“, spricht er „Du kannst dir nicht einmal mehr einen Hemdknopf zuknöpfen, geschweige denn, einen Revolver halten. Du kannst gar nicht mehr kämpfen. Du redest nur, um ein paar Sekunden langer leben zu können. Ich lasse mich nicht von dir belatschern. Jetzt.“ Weiter kommt Blaisdell nicht. Denn er spürt nun den Atem des Hengstes hinter sich, ahnt jäh die Gefahr und wirbelt herum. Er sieht den sich aufbäumenden Hengst dicht vor sich und will seinen Revolver abfeuern. Doch es ist zu spät. Die beiden Vorderhufe des Hengstes wuchten auf ihn nieder. Und als er zu Boden geht, da stampft El Capitan auf ihn nieder, immer wieder und wieder, obwohl Blaisdell längst schon tot ist.
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Das sieghafte Trompeten von El Capitan tont in meilenweiter Runde. Er ist der King der Mesa, der seinen größten Feind besiegte. Er halt dann schnaubend inne und wittert zu dem anderen Menschen hinüber. McCoy steht unbeweglich und spricht immer wieder leise und beruhigend, so gut er dies kann „Ruhig, El Capitan, nur ruhig. Ich bin ja nicht mehr dem Feind. Es ist ja nun alles gut. Lauf nur und bleib frei wie ein König. Die Mogollon Mesa und alle Stuten auf ihr gehören wieder dir. Du hast gewonnen, El Capitan. Ich verdanke dir mein Leben. Viel Glück, Pferdekönig.“ Er verstummt mit ruhiger Stimme. Und er kann erkennen, wie das erregte Tier immer ruhiger wird. Er sieht das Spiel von El Capitans Ohren, hört dann sein sanftes Schnauben. Und plötzlich scheint ein Einver ständnis zwischen ihnen zu sein. Vielleicht wittert der Hengst, dass der Mensch ihm gegenüber krank ist. Er wendet sich wie eine Katze auf den Hinterhufen und trabt davon. Sein sieghaftes Wiehern klingt wie ein Trompetenstoß meilenweit in die Runde. Dann ist er verschwunden. Patrik McCoy atmet langsam aus und tritt dann schwankend zu Blaisdell. Aber dem ist nicht mehr zu helfen Und auch Lonnegan ist nicht mehr zu helfen. Er wird sie beide hier oben beerdigen müssen, sobald er sich etwas erholt hat und ihm eine körperliche Arbeit wieder möglich ist. Und dann wird er einige Tage und Nachte bleiben und sich erholen müssen, bevor er wieder in den Sattel steigen und zum Tonto-Becken hinunterreiten kann.
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Es ist zwei Nachte und zwei Tage später, als er am dritten Tag erwacht, weil er spürt, dass jemand bei ihm ist. Als er die Augen öffnet, sieht er Jane Howells Gesicht über sich. Sie lächelt auf ihn nieder. Er hört ihre Stimme sanft und dankbar sagen „Dem Himmel sei Dank, dass wir dich gefunden haben. Wir konnten an den Spuren schon eine Menge erraten, aber du wirst uns gewiss viel zu erzählen haben. Was ist mit dem Kasten voller Geld? Und von einigen Hirten der abziehenden Schafherden erfuhren wir, dass Stuart Larrisburg tot ist. Es scheint sich alles für uns zum Guten gewendet zu haben. Wo ist Bac Lonnegan? Liegt er dort in einem der beiden Steingräber?“ McCoy setzt sich langsam auf. Er sieht, dass Jane mit ihren drei Helfern Paco, Juan und Pedro gekommen ist Sie haben gewiss lange nach ihm gesucht Er sagt etwas heiser: „Ja, ich habe eine Menge zu erzählen. Es ist schön, dich zu sehen, Jane. Habt ihr irgendwo El Capitan gesichtet hier oben auf der Mesa?“ „Si, Senor, gestern“, spricht da Paco ernst. „Wir sahen ihn mit einem anderen Hengst um dessen Herde kämpfen. Aber Sie wollen ihn gewiss nicht mehr jagen, Senor.“ „Nein“, erwidert McCoy „ganz gewiss nicht“ Und er sieht Jane Howell dabei an und weiß, dass er bald unten im Tonto-Becken an ihrer Seite ein neues Leben beginnen wird.
ENDE - 143 -
All right, Jerry Queen Ich hatte Stella aus der Hand Benaventes und seiner Bandoleros befreit. Dennoch war unsere Chance davon zukommen nicht größer als die eines Schneeballs in einer heißen Bratpfanne ...
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