Atlan - Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 728 Der Erleuchtete
Die Prospektoren von Cirgro von Peter Terrid Das geheimnis ...
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Atlan - Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 728 Der Erleuchtete
Die Prospektoren von Cirgro von Peter Terrid Das geheimnis der Glückssteine Auf Terra schreibt man die Jahreswende 3818/19, als der Arkonide eine plötzliche Ortsversetzung erlebt. Atlans neue Umgebung ist die Galaxis Manam-Turu. Und das Fahrzeug, das dem Arkoniden die Möglichkeit der Fortbewegung im All bietet, ist die STERNSCHNUPPE. Und der neue Begleiter des Arkoniden ist Chipol, der junge Daila. In den sieben Monaten, die inzwischen verstrichen sind, haben die beiden schon manche Gefahr bestanden – immer auf der Spur jener Kräfte, die schon an anderen Orten des Universums verheerend wirkten. In dieser Zeit hat Atlan neben schmerzlichen Niederlagen auch Erfolge für sich verbuchen können. So sind zum Beispiel die Weichen für eine Zusammenarbeit der verbannten Daila mit den Bewohnern ihrer Ursprungswelt gestellt worden – was sich auf den Freiheitskampf der Daila gegen das Neue Konzil positiv auswirken dürfte. Während Atlan gegenwärtig wieder neuen Nachstellungen des Erleuchteten, seines alten Feindes aus Alkordoom, ausgesetzt ist, blenden wir um zum Planeten Cirgro, der Welt der Krelquotten. Dort leben und arbeiten eine große Anzahl von verbannten Daila. Einer von ihnen ist Moxey, der eines Tages überraschend den ganz großen Fund macht. Moxey gehört zu den PROSPEKTOREN VON CIRGRO …
Die Hauptpersonen des Romans: Moxey - Ein Prospektor von Cirgro. Charlot - Moxeys Enzephalophant. Darph – Ein alter Daila. Gamyhn - Eine Glücksritterin. Krirrer - Ein betrügerischer Prether.
1. Als Moxey keuchend und schwitzend unter seiner schweren Last um die Ecke gebogen kam und einen Blick auf seinen Enzephalophanten warf, wußte er sofort, daß er in zehnstündiger Plackerei nichts hatte herbeischaffen können, was wirklich von Wert gewesen wäre. Moxey ließ das schwere Bündel von seinem Rücken auf den Boden gleiten, setzte sich darauf und wischte sich die schweißnasse Stirn ab. Er konnte die Mühen des Tages in seinem Körper spüren, und die Enttäuschung, die ihm jetzt in den Gliedern saß, ließ ihn noch heftiger wünschen, das ganze Unternehmen einfach abzubrechen und in die Stadt zurückzukehren. Auf der anderen Seite aber wußte Moxey auch sehr genau, daß er keine andere Wahl hatte, als weiterzumachen. Sein Enzephalophant brauchte in absehbarer Zeit wieder hochwertiges Futter, das es nur in der Stadt gab und nur gegen gute Ware. Und ohne Enzephalophanten war die Aussicht auf einen großen Fund mit der Möglichkeit, endlich dem Planeten den Rücken kehren zu können, praktisch ausgeschlossen. Moxey setzte sich wieder in Bewegung. Er schleifte das schwere Bündel hinter sich her über den mit Geröll übersäten Boden. Aus einem leicht weisslich gefärbten Himmel stach die Sonne sengend auf die Landschaft herab. Über die Außenhaut von Moxeys transportabler Behausung liefen grüne und rote Leuchterscheinungen, ein Signal dafür, daß der Enzephalophant
sich nicht besonders wohl fühlte. Moxeys Enzephalophant, dem er den Namen Charlot gegeben hatte, war eines der größten und daher auch schwerfälligsten Exemplare, die jemals auf dem Planeten Cirgro gefunden worden waren – ein sechs Meter hoher, fünf Meter langer und drei Meter breiter, gewölbter Klumpen aus einer weißgrau schimmernden organischen Masse deren Oberflächenstruktur verblüffend dem eines Dailagehirns glich. An der hinteren Seite seines Körpers schleppte der Enzephalophant einen breit auffächernden dünnen Schwanz hinter sich her, mit dem er Sonnenlicht aufsaugte und seinem Körper zuführte. Am vorderen Ende trug er ein doppelt lebensgroßes Gesicht, das verblüffend dem von Moxey glich. Bei freilebenden Enzephalophanten bildete dieses Gesicht eine Abbildung des Enzephalophanten selbst. Gezähmte Enzephalophanten übernahmen in einem langwierigen Prozeß der Abstimmung die Gesichtszüge ihres Besitzers. Und je perfekter die Kopie gelang, um so inniger war die Verbindung zwischen Besitzer und Enzephalophant. Das Gesicht des Wesens gab getreulich die augenblickliche Geisteshaltung seines Besitzers wieder, und zwar erheblich eindeutiger, als es dem Besitzer möglicherweise selbst bewußt war. Entsprechend dieser seltsamen Kopplung konnte Moxey im Näherkommen sein eigenes von Niedergeschlagenheit und Mißmut gezeichnetes Gesicht sehen, und das senkte seine Stimmung noch mehr. Die anderen Daila auf Cirgro hatten wenigstens die Möglichkeit, dank ihrer paraphysikalischen Begabungen diesen Rückkoppelungsprozeß anzuhalten und sogar umzudrehen und sich selber dank des Enzephalophanten in eine gehobene Stimmung zu bringen. Moxey hingegen hatte schon sehr früh feststellen müssen, daß er paraphysikalisch taubblind war. Unter den ausgestoßenen Daila war er ein ähnlich mit Mißtrauen und Abscheu betrachtetes Geschöpf, wie es paraphysikalisch begabte Daila bei
ihrem Ursprungsvolk auf dem Planeten Aklard gewesen waren. Moxey hätte ein glückliches und zufriedenes Leben führen können, wäre es ihm möglich gewesen, auf seine Heimatwelt zurückzukehren. Dazu aber hatte er im Augenblick keinerlei Möglichkeit. Fast alle Daila auf Cirgro träumten von dem Tag, an dem sie diesen Planeten verlassen konnten. Er wirkte unheimlich und bedrohlich auf sie, auf Moxey ganz besonders. Von ihrem Ursprungsvolk verstoßen, hatten die Daila auf Cirgro unter dem Druck der Verhältnisse einen Gemeinschaftssinn entwickelt, von dem Moxey aufgrund seiner paraphysikalischen Taubblindheit völlig ausgeschlossen war. Unfreiwillig war Moxey ein Einzelgänger, und das Fehlen einer paraphysikalischen Begabung hatte ihm den Besitz des miserabelsten Enzephalophanten eingebracht, der auf Cirgro jemals gefunden worden war. Mit einem solchen Begleiter war es noch schwieriger, wertvolle Mineralien aufzustöbern und einzusammeln als unter normalen, Bedingungen. Als Moxey Charlot erreicht hatte, öffnete sich an der Oberfläche des Enzephalophanten ein Spalt, durch den Moxey mit seinem Gepäck ins Innere gelangen konnte. Alle anderen Daila auf Cirgro beschrieben den eigentümlichen Körpergeruch im Inneren eines Enzephalophanten als angenehm und stimulierend; Moxey war der einzige, dem dieser Geruch übel in der Nase hing. Im Innern des Enzephalophanten war es angenehm kühl, und nach der Gluthitze des Tages hob diese Kühle Moxeys Stimmungslage doch etwas an. Bei dem Streifzug dieses Tages hatte er ein abgelegenes Tal gefunden, in dem es eine klarsprudelnde Quelle und saftige Wiesen gab. Dorthin wollte er den Enzephalophanten steuern. Moxey nahm im Lenkstuhl Platz. Wie fast alle inneren Einrichtungen des Enzephalophanten-Körpers bestand auch dieser Stuhl aus dem natürlichen Gewebe Charlots. Zur Steuerung dienten Gewebeklumpen, die mit besonders empfindlichem Material gesättigt waren und die in einem langen Konditionierungsprozeß
gezüchtet worden waren. Einen halben Meter vor Moxey gab es in der Struktur des Enzephalophanten eine Fläche, auf der das zu sehen war, was die Augen des Enzephalophanten von der Außenwelt aufnahmen. Daß dieses Bild auf dem Kopf stand, machte die Handhabung des Enzephalophanten einigermaßen schwierig, aber nach jahrelanger Übung hatte sich Moxey daran gewöhnt. »Charlot, du kannst losgehen«, sagte Moxey. Der Enzephalophant setzte sich in Bewegung. Unter seinem massigen Leib gab es ein paar hundert kleiner beweglicher Beine, mit denen Charlot einen langsamen, wackligen Gang einschlagen konnte. Das ausgiebige Sonnenbad während des Tages hatte Charlot gutgetan, und daher waren seine Bewegungen einigermaßen geschmeidig und zügig. Acht bis zehn Kilometer in der Stunde konnte er auf diese Weise zurücklegen, im Extremfall noch ein wenig mehr. Moxey legte seine Hand auf den Kommunikator. Dieser hochkomplizierte Gewebeknoten stellte eine geistige Verbindung zwischen dem Besitzer und dem Enzephalophanten her. Wie jedes Mal brauchte Moxey einige Zeit, bis er eine Verbindung zu Charlot hergestellt hatte. Der Grund lag darin, daß in dem gewaltigen Gewebeklumpen unablässig gedankliche Prozesse abliefen, die allerdings keinerlei Sinn ergaben. Für Moxey stellte sich die Kommunikation so dar, als versuche er, in einer Gruppe von durcheinander redenden Personen eine bestimmte anzusprechen und mit ihr Kontakt aufzunehmen. »Charlot, kannst du mich hören?« fragte Moxey. Durch das Stimmengewirr erklang die Stimme des Enzephalophanten. Sie wirkte auf Moxey quengelig und hektisch, und das hatte seinen guten Grund – auch sie spiegelte Moxeys eigene Empfindungen wider. Sehr detailliert und mit peinlicher Genauigkeit gab Moxey seine Angaben an den Enzephalophanten weiter. Charlot besaß die
entnervende Freundlichkeit, jeden Befehl wortwörtlich aufzufassen, und es gehörte eine große Menge Geschick dazu, Anweisungen an Charlot so zu gestalten, daß er nicht in irgendeine sinnlose Tätigkeit verfiel, aus der er kaum wieder zurückfand. Moxey brauchte eine Viertelstunde, um dem Gehirn des Enzephalophanten den Weg zu jener Schlucht gleichsam einzuprogrammieren, dann konnte er es wagen, sich einer anderen Beschäftigung zuzuwenden. Dennoch warf er immer wieder einen Blick auf den organischen Kontrollschirm, um feststellen zu können, ob er Charlot auch die richtigen Befehle gegeben hatte. Das Innere des Enzephalophanten konnte man getrost als eine Mischung aus Gruselkabinett und wissenschaftlichem Labor bezeichnen. Die Beleuchtung bezog der Innenraum aus den Gedankengängen des Enzephalophanten, die sich in Form eines irisierenden blaugrünen Leuchtens niederschlugen. Mit etwas mehr Geld hätte sich Moxey einen größeren Generator zulegen und den Innenraum elektrisch erleuchten können, aber seine Barschaft hatte nach den letzten Pleiten gerade dazu ausgereicht, die nötigsten Geräte anzuschaffen, die er brauchte, um seine Funde auf ihren Wert überprüfen zu können. Mineralien waren die einzigen Kostbarkeiten, die Cirgro zu bieten hatte, und damit der einzige Weg, an Reichtum und Wohlstand zu gelangen und einen Weg zu finden, Cirgro für immer zu verlassen. Moxey wußte, daß er von diesem Ziel weiter entfernt war denn je. Noch ein paar Wochen ergebnisloser Arbeit in dieser Art – und er würde am Rand des Existenzminimums stehen. Während Charlot sich gleichmäßig durch die Landschaft bewegte, schüttete Moxey seine Tagesausbeute in einen großen Sammelkasten und begann damit, seine Funde zunächst einmal grob zu sortieren. Er trennte die Erze von den Kristallen, die er gefunden hatte. Einige der Erzbrocken wirkten erstaunlich schwer und weckten in Moxey die Hoffnung, daß er vielleicht doch etwas von Wert gefunden haben könnte. Allerdings war das Risiko groß, daß es sich bei diesen
Brocken lediglich um Platin oder Gold oder anderen wertlosen Plunder handelte, mit dem man auf Cirgro nicht viel anfangen konnte. Bei den Kristallen hingegen machte Moxey nach einiger Zeit eine Entdeckung, die ihn erregte. In einer Ecke des Sammelbehälters fiel ihm ein gleißender Schein auf, und Moxey griff danach. Was er Sekunden später in der Hand hielt, war ein faustgroßer Klumpen eines Minerals, das von Schmutz bedeckt war und daher nur an einer Stelle frei zutage lag. Dort aber glänzte und gleißte es, daß Moxey fast geblendet die Augen schließen mußte. Hastig machte er sich daran, den Kristall zu säubern. Was er am Ende der Prozedur in der Hand hielt, war ein kieselgroßer Kristall, der so hell strahlte, daß er den gesamten Innenraum des Enzephalophanten mit seinem Licht erfüllte. »Anhalten!« rief Moxey. Folgsam stoppte Charlot seine Bewegungen. Eilig stürzte Moxey nach draußen, um den Stein bei Tageslicht zu betrachten. Eine Enttäuschung wartete auf ihn. Bei normalem Sonnenlicht wirkte der Kristall stumpfgrau und machte keinerlei wertvollen Eindruck. Sobald Moxey allerdings zurückkehrte in den Enzephalophanten, bekam er seine strahlende Helligkeit wieder zurück. Moxey murmelte eine Verwünschung. Da nahezu jeder andere Daila auf der Oberfläche Cirgros einen voll elektrifizierten Enzephalophanten besaß, hatte Moxey wenig Aussicht, mit diesem Kristall einen gewinnbringenden Handel abschließen zu können. Immerhin, er hatte einen Weg gefunden, seinen eigenen Enzephalophanten hinreichend zu beleuchten. In der neu gewonnenen Beleuchtung – Moxey steckte den Kristall ganz einfach irgendwo in die Decke des Enzephalophanten – setzte der Prospektor seine Arbeit fort. Das Ergebnis sah nach mehrstündiger Probe genau so aus, wie er den ganzen Tag über insgeheim schon befürchtet hatte. Was er gefunden hatte, reichte
von seinem Wert her wahrscheinlich nur dazu aus, die Kosten zu tragen, die dieser Arbeitstag hervorgerufen hatte. Moxey hatte ein paar Kilogramm Uran gefunden, allerdings mit einem überaus geringen Anteil an spaltbarem U 235, dazu ein paar Dutzend Halbedelsteine von geringer Qualität und mittlerer Größe. Charlot hatte inzwischen das Tal erreicht, das Moxey ihm beschrieben hatte, und war zum Stillstand gekommen. Der Enzephalophant hatte seinen Energiekollektor ausgebreitet, um die letzten Strahlen der Sonne für sich auswerten zu können. Moxey verließ das Innere von Charlot und sah sich in dem Tal noch einmal um. Die Sonne begann gerade, hinter den Bergen zu versinken, und im Osten schoben sich dunkelviolette Wolkenmassen heran. Wahrscheinlich würde die Nacht wieder stürmisch und regnerisch werden. Nun, im Innern von Charlot war von solchen Ereignissen nichts zu spüren, es sei denn, es kam zu einem Gewitter. Charlot empfand eine unglaubliche Angst vor Gewittern, und dann steigerte sich seine Denktätigkeit derart, daß auch Moxey in seinem Inneren nicht mehr ruhig schlafen konnte. Die seltsame Innenbeleuchtung pflegte sich dann zu greller Intensität zu steigern, außerdem wurde das entnervende, sinnlose Hintergrundgeplapper von Charlots Gedankengängen derartig verstärkt, daß es fast aus Moxeys eigenem Kopf zu kommen schien. In solchen Fällen blieb ihm nichts anderes übrig, als Charlot zu verlassen und sich anderswo einen Schlafplatz zu suchen. Moxey stiefelte hinüber zu dem Bach, der aus dem Gebirge herabgestürzt kam, und wusch sich ausgiebig in dem klaren, eisigkalten Wasser. Dann wählte er sich eine der selbsterhitzenden Konserven aus, erwärmte den Inhalt und löffelte den reichlich geschmacklosen Eintopf, während er die Karte studierte, die er selbst von dieser Gegend hergestellt hatte. Und auf dieser Karte wanderte Moxeys Blick immer wieder nach Norden, dorthin, wo ein ausgedehnter Bereich schraffiert gezeichnet war.
»Elende Krelquotten«, murmelte Moxey. Wie fast alle Daila auf Cirgro war er sicher, daß in den schraffierten Gebieten, die kein Daila betreten durfte, etwas zu finden war. Bisher hatte Moxey, wie viele andere vor ihm, am liebsten in den Randgebieten jener Zonen gesucht, die die Krelquotten für sich reklamiert hatten und über deren Besitz sie eifersüchtig wachten. Vielleicht war es erfolgreich, einmal an einer ganz anderen Ecke zu suchen, nämlich dort, wo bisher kein Daila eine Prospektion unternommen hatte. Der Weg war weit, aber vielleicht war er lohnend. Während die Wolkenmassen immer näher heranrückten und bereits das erste Donnern zu hören war, begannen am nachtdunklen Himmel die Monde des Planeten ihren verwirrenden Tanz. Moxey nickte langsam. Er war zu einem Entschluß gekommen. Am nächsten Tag wollte er es versuchen.
2. »He«, rief Moxey, »komm endlich zu dir!« Jeden Morgen der gleiche Ärger. Charlot war ein ausgesprochener Langschläfer, und nur selten erfüllte er den Auftrag, Moxey rechtzeitig zu wecken. Die Sonne stand schon zwei Handbreit über dem Horizont, als Moxey den Enzephalophanten verließ. Der Morgen war kühl und feucht, und Moxey fröstelte, während er sich wusch. Charlot hatte bereits seinen Schwanz aufgefächert und tankte Sonnenenergie, während Moxey sich ein kärgliches Frühstück zubereitete. Aus Platzgründen hatte er fast nur Konzentratnahrung mit sich genommen, die entsetzlich fade schmeckte. Enzephalophanten hingegen fanden an dieser Kost viel Gefallen, und so kostete es Moxey keinerlei Überwindung, den größten Teil seines Frühstücks
an Charlot weiterzuverfüttern. Wenn ein Tag, so wie dieser, bereits mit Verzögerung begann, hatte es Moxey nicht eilig, mit der Arbeit zu beginnen. Es war daher schon fast Mittag, als er sich endlich auf den Weg machte. Er nahm ein paar Lebensmittel und reichlich Wasser mit, dazu einen tragbaren Universaldetektor, den er preisgünstig hatte erstehen können. Moxey stellte das Gerät auf größtmögliche Reichweite ein und machte sich dann daran, die nähere Umgebung seines Standorts auszumessen. Auf dem handtellergroßen Bildschirm des Detektors entstand nach einiger Zeit eine Karte der näheren Umgebung. Im Gegensatz zu normalen Karten stellte dieses Bild allerdings nicht die Oberflächenbeschaffenheit in Moxeys Nähe dar, sondern vielmehr eine grobe geophysikalische Abbildung. Es gehörte reichlich Erfahrung dazu, diese Darstellungsweise der Landschaft mit herkömmlichen Abbildern zur Deckung zu bringen. Es gab natürlich auch Universaldetektoren, bei denen diese Aufgabe von einer Positronik übernommen wurde, aber solche Geräte waren extrem teuer, und Moxeys Barschaft hatte noch nie für einen solchen Kauf ausgereicht. Immerhin hatte er im Umgang mit den Detektoren soviel Erfahrung gewonnen, daß er nach einiger Zeit wußte, an welchem Ort er seine Suche fortsetzen wollte. Er begann, einen Berghang hinaufzuklettern. Sein Detektor hatte ihm verraten, daß es in schätzungsweise zwei Kilometern Entfernung einen möglichen Fundort gab, den Moxey näher untersuchen wollte. In der Nähe einer bewohnten Siedlung waren Distanzen von zwei und mehr Kilometern lächerlich gering. Aber unter den Bedingungen der unberührten Natur erwies sich diese Strecke als außerordentlich mühsam zurückzulegen. Moxey brauchte mehr als vier Stunden, bis er endlich sein Ziel erreicht hatte. Zwischendurch hatte Moxey sich immer wieder mit seinem Detektor vergewissert, daß er die Route auch richtig eingeschlagen
hatte, und dabei hatte ihm das Gerät immer deutlicher aufgezeigt, daß es unmittelbar vor Moxey eine gewisse Menge eines Materials geben mußte, dessen spezifische Dichte außerordentlich hoch war. Woraus auch immer der Fund bestehen mochte, er lag in einem kleinen Tal, dessen einziger Zugang die knapp mannsbreite zwanzig Meter hohe Schlucht war, die ein Wildbach sich durch den Fels gegraben hatte. Weißschäumend sprudelte das Wasser am Fuß der Klamm hervor. Moxey überlegte kurz, dann ließ er den größten Teil seines Gepäcks am Eingang der Schlucht zurück und machte sich daran, sich entgegen der Flußrichtung des Wildbachs vorwärtszukämpfen. Schon sehr bald mußte Moxey erkennen, daß er sich auf ein gefährliches Abenteuer eingelassen hatte. Das Wasser war eisig kalt, der Untergrund war eine einzige Ansammlung von rutschigem Geröll, und das Spritzwasser hatte die Felsen rechts und links feucht und schlüpfrig werden lassen. Moxey mußte alle Konzentration aufbieten, um sich überhaupt vorwärtsbewegen zu können. Immer wieder tastete er mit dem Fuß voran, suchte er einen vernünftigen Halteplatz, bevor er sein Körpergewicht verlagerte und sich wieder einen Schritt nach vorne kämpfte. Auf diese anstrengende Art und Weise hatte er die Hälfte der Klamm hinter sich gebracht, als er plötzlich ausglitt und den Halt verlor. Das Wasser riß ihn von den Beinen und schleppte ihn fast die ganze Strecke zurück, bevor Moxey einen Halt zu fassen bekam. Moxey stieß einen Fluch aus. Die unfreiwillige Rutschpartie hatte ihn übel zugerichtet. Zum einen war er triefend naß und schlotterte vor Kälte, zum anderen war er dabei mit dem Geröll zusammengeprallt und hatte sich etliche Prellungen und blaue Flecken eingehandelt. Unverdrossen unternahm Moxey den zweiten Versuch. Diesmal schaffte er zwei Drittel der Strecke, bevor er wieder von den Beinen gerissen wurde. Erst im sechsten Anlauf schaffte Moxey es, das Ende der Schlucht zu erreichen – ausgelaugt, müde und zerschlagen
und nahezu am Ende seiner Kräfte. Er machte einen kurzen Test mit dem Universaldetektor und stellte mit einem Seufzer der Erleichterung fest, daß das Gerät noch einwandfrei arbeitete. Wenn die Anzeige stimmte, dann mußte das Ziel von Moxeys Suche ungefähr hundertfünfzig Meter von ihm entfernt zur rechten Hand zu finden sein, genau dort, wo vor einiger Zeit eine Geröllawine ins Tal hinuntergepoltert war. Am oberen Ende des Geröllhangs konnte Moxey eine dunkle Öffnung in der Bergwand sehen. Moxey holte tief Luft. Am liebsten hätte er jetzt erst einmal eine längere Pause eingelegt, um wieder zu Kräften zu kommen. Aber die Gier nach einem außerordentlichen Fund trieb ihn vorwärts. Er begann mit dem Aufstieg. Die Geröllmassen hatten sich noch nicht völlig gesetzt, und so mußte Moxey höllisch aufpassen, daß er nicht eine neue Gesteinslawine bei seinem Klettern auslöste. Moxey fühlte sein Herz sehr kräftig und schnell schlagen. Ihn erfüllte die irrwitzige Hoffnung, daß es ihm an diesem Tag vielleicht gelingen konnte, seinem Schicksal eine Wende zu geben. Er wußte, daß er dazu nur eines brauchte: Geld. Moxey erreichte den Eingang zur Höhle. Die Öffnung im Fels war gerade groß genug, daß ein Mann hineinkriechen konnte. Moxey griff an den Gürtel und nestelte den kleinen Handscheinwerfer hervor. Er richtete den Scheinwerfer auf den Höhleneingang und betätigte dann den Schalter. Im nächsten Augenblick erstarrte er. Was Moxey sah, war das weitaufgerissene Maul eines Reptils, dessen gespaltene Zunge heftig zuckte. Der mattschwarze Körper bewegte sich schnell vorwärts. Moxey ließ sich zur Seite fallen. Aber die Bewegung kam zu spät. Mit unglaublicher Geschwindigkeit schoß das Reptil auf Moxey zu. Der streckte abwehrend beide Hände aus und bekam den Hals des Reptils zu fassen. Der restliche Körper, der heftig gegen den seinen prallte, nahm ihm den Halt, und sich immer wieder überschlagend
polterte Moxey mit dem Reptil den Abhang hinunter. Die Schürfwunden und Prellungen, die der Prospektor sich dabei zuzog, nahm er gar nicht wahr. Er spürte nur den Schmerz der Krallen, mit denen sich das Reptil an seinem Leib festklammerte. Und er sah den weitaufgerissenen Rachen mit den großen Eckzähnen, deren Spitzen bläulich verfärbt waren. Moxey ahnte, daß der geringste Biß dieser Giftzähne ihn auf der Stelle töten würde. Moxey war halb benommen von dem Sturz, und der Schock des eiskalten Wassers, in dem er mit der Echse versank, lähmte ihn noch mehr. Dennoch lockerte er nicht den Griff um den Hals des Reptils. Mit aller Kraft versuchte er, seinen Gegner unter Wasser zu drücken. Noch einmal bäumte sich das Reptil auf. Und dann sah Moxey zu seinem Entsetzen den Schwanzstachel des Reptils auf sich zuschießen. Er versuchte sich zur Seite zu werfen, aber die Bewegung kam zu spät. Tief bohrte sich der Stachel in Moxeys Leib. Moxey schrie schmerzerfüllt auf und ließ unwillkürlich seinen Gegner los. Die Echse trieb ein Stück ab, prallte gegen einen Felsen und versuchte sich dann mit einem Sprung in Sicherheit zu begeben. Aber die Strömung war stärker. Nur ein paar Flügelschläge brachte die gefiederte Echse zuwege, dann stürzte sie wieder in den Wildbach und wurde abgetrieben. Ächzend vor Schmerz und Erschöpfung zog sich Moxey ans Ufer. Von der Einstichstelle in seiner Magengrube breitete sich eine fiebrige Hitze über seinen ganzen Körper aus und ließ ihn an allen Gliedern zittern. Moxey wußte genau, was in diesen Augenblicken passiert war, und er wußte vor allen Dingen, wie diese Geschichte enden würde. Die gefiederte Echse war einer der gefährlichsten Bewohner des Planeten Cirgro. Und nahezu jeder Kontakt zwischen einem Daila und einem solchen Lebewesen hatte mit dem Tod des Daila geendet. Im günstigsten Fall hatte die Echse ihr Opfer getötet und verzehrt. Im ungünstigsten Fall – und das war genau das, was Moxey zugestoßen war – hatte die Echse den unglücklichen Daila als
Brutplatz für ihre Nachkommenschaft ausersehen. Der Schwanzstachel der gefiederten Schlange enthielt ein Ei, das von der Körperwärme des unfreiwilligen Wirts ausgebrütet wurde, und danach diente der Wirtskörper dem Nachwuchs der gefiederten Schlange als lebender Lebensmittelvorrat. Die Hitze hatte inzwischen Moxeys ganzen Körper erfaßt. Er wußte, daß er so schnell wie möglich etwas unternehmen mußte, wenn er überhaupt noch eine Chance haben wollte, seinem Ende zu entgehen. »Zurück zu Charlot«, murmelte Moxey. Er raffte sich auf und machte sich auf den Rückweg. Was auf dem Hinweg eine kräftezehrende Anstrengung gewesen war, erwies sich unter den veränderten Umständen als eine ungeheure Strapaze, der sich Moxey auszusetzen hatte. Allein der Durchgang durch die Klamm kostete ihn zwei Stunden. Bis auf den Universaldetektor ließ er sein Gepäck zurück, um sich nicht allzusehr zu belasten. Unterwegs stürzte er etliche Male, und er war so kraftlos geworden, daß jeder dieser Stürze in einer längeren Rutschpartie endete, bei der sich Moxeys Körper in eine Ansammlung von blauen Flecken, Prellungen, Schürfwunden und anderen kleinen Verletzungen verwandelte. Als Moxey den Lagerplatz erreichte, stieß er einen Seufzer der Erleichterung aus. Charlot stand noch genau dort, wo Moxey ihn viele Stunden vorher zurückgelassen hatte. Der Enzephalophant schien zu schlafen. Die Erleichterung war so groß, daß Moxey die Kontrolle über seine Glieder verlor und zu Boden stürzte. Auf allen vieren arbeitete er sich zu Charlot hinüber, und mit letzter Kraft gelang es ihm, das Innere des Enzephalophanten zu erreichen. Moxeys Körper war schweißbedeckt. Es lag nicht nur an der Strapaze des Rückmarsches, sondern auch an der heftigen Gegenwehr seines Metabolismus gegen das eingepflanzte Ei der Flugechse.
Mit zitternden Händen wühlte Moxey in der Bordapotheke herum, bis er ein fiebersenkendens Mittel gefunden hatte, das er sich injizieren konnte. Danach verließ er Charlot, um seinen Körper erst einmal im See abkühlen zu können. Das Bad tat ihm gut und gab ihm einen Teil seiner Frische zurück. Dennoch wußte Moxey, daß seine Überlebensaussichten außerordentlich gering waren. Er sah nur eine Möglichkeit – er mußte sich das Ei herausoperieren. Moxeys medizinische Kenntnisse waren alles andere als gut, aber er ahnte, daß ein solcher Eingriff durchaus möglich war, zumindest medizinisch-technisch. Ob er psychologisch dazu in der Lage sein würde, mußte sich erweisen. Aus seinen Vorräten stellte sich Moxey zusammen, was er für den Eingriff benötigte. Das Wichtigste war ein hochwirksames Betäubungsmittel. Nachdenklich wog Moxey die Injektionspistole in der Hand. Er besaß nur eine Ampulle. Es gab zwei Möglichkeiten der Betäubung: Moxey konnte sich das Mittel unmittelbar an der, Stelle injizieren, an der der Legestachel in seinen Körper eingedrungen war. Er wußte aber nicht, wie tief hinab die betäubende Wirkung des Medikaments reichen würde. Die andere Möglichkeit, die Moxey erwog, bestand darin, das Medikament in die Wirbelsäule einzuspritzen. Wenn er die richtige Stelle erwischte, dann würde sein gesamtes Nervensystem unterhalb der Injektionsstelle für Stunden vollständig betäubt sein. Das Problem bestand darin, die Injektionsstelle so hoch anzusetzen, daß auf jeden Fall der gesamte Bauchraum betäubt wurde, aber wiederum nicht so hoch, daß Moxey bei der Injektion seine Atmung oder die Bewegungsfähigkeit seiner Arme und Hände beeinträchtigte. Hinzu kam, daß er das Medikament auch tatsächlich ins Innere der Wirbelsäule injizieren mußte. Er hantierte mit der Injektionspistole an seinem Rücken herum. Immer wieder zögerte er, weil er sich keinen Fehler erlauben durfte.
Schließlich nahm er allen Mut zusammen und drückte ab. Ein kaum wahrnehmbares Brennen war in seinem Rücken zu spüren, dann war die Injektion abgeschlossen. Moxey ließ die Arme sinken. Jetzt mußte er nur noch abwarten, wie das Medikament wirkte. Er nutzte die Zeit dazu, die anderen Gerätschaften bereitzulegen, Skalpell, Tupfer, einen winzigen Laser, mit dem er Blutgefäße zusammenschmelzen konnte, Verbandsmaterial und eine größere Portion Wundplasma. Die Wirkung des Betäubungsmittels ließ nicht lange auf sich warten. Moxey spürte seine Zehen, dann seine Füße taub werden. Er kniff sich in die Oberschenkel und stellte zufrieden fest, daß auch sie allmählich völlig gefühllos wurden. Der Legestachel hatte ihn fünf Zentimeter links unter dem Nabel getroffen. Dort war jetzt eine faustgroße dunkelrot schimmernde Geschwulst zu sehen, von der ein heftiges Pochen ausging. Vorsichtig tastete Moxey danach. Er stieß einen Schmerzenslaut aus. Die Betäubung hatte dieses Gebiet noch nicht erreicht. Moxey wartete noch zehn Minuten, dann wiederholte er die Probe. Diesmal stieß er einen Seufzer der Erleichterung aus. Bis weit über den Nabel hinaus war sein Körper nun völlig gefühllos geworden. Es war an der Zeit, den Eingriff zu beginnen. Moxey griff nach dem Skalpell und setzte die Klinge an. Er holte tief Luft, preßte die Zähne aufeinander und begann zu schneiden. Er brauchte drei Minuten, bis er den Fremdkörper freigelegt hatte, den die Flugechse in seinen Körper eingepflanzt hatte. Ein dunkelschimmerndes, hartes Gebilde, das bereits teilweise mit seinem Fleisch verwachsen war. In seiner Erleichterung, den heimtückischen inneren Feind aufgespürt zu haben, ging Moxey großzügig vor. Er schälte den Fremdkörper heraus und legte ihn zur Seite. Dann füllte er die Öffnung mit Wundplasma, desinfizierte die Wundränder und klappte sie zusammen. Ein zehn Quadratzentimeter großes Spezialpflaster bedeckte schließlich die Wunde, von der Moxey annehmen konnte, daß er sie am nächsten
Abend bereits nicht wieder spüren würde. Der Prospektor ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. Jetzt erst kam ihm voll zum Bewußtsein, wie er die letzten zehn Minuten verbracht hatte. »Puh«, machte Moxey. Er griff nach rechts, wo er ein großes Glas mit einem Erfrischungsgetränk bereitgestellt hatte, und leerte das Glas mit einem Zug. Viel konnte er jetzt nicht mehr unternehmen. Sein Körper war zu zwei Dritteln paralysiert, aber sein Verstand funktionierte einwandfrei. Ein paar Augenblicke lang spielte Moxey mit dem Gedanken, sich hinüberzuschleppen zum Bett und erst einmal zu schlafen, aber die Neugierde war stärker. Er wollte unbedingt sehen, wovon er sich in seiner Selbstoperation befreit hatte. Der Stuhl, auf den Moxey sich gesetzt hatte, ließ sich bewegen, und so schob sich Moxey an den Wänden seiner lebenden Behausung entlang hinüber zu seinem kleinen Labor. Den Fremdkörper hatte er in einer Metallschale auf seinen Schoß gesetzt. Moxey packte den Klumpen mit einer Metallzange und säuberte ihn unter einem Wasserhahn. Dabei fiel ihm auf, daß das seltsam kristalline Ei der Flugechse ein außerordentlich hohes spezifisches Gewicht besaß. Moxey machte eine Probe. Tatsächlich, das Mineral, was immer es auch sein mochte, hatte ein dreimal höheres Gewicht als Blei. Moxey nahm ein Zählrohr zur Hand und maß nach – das Mineral setzte keinerlei Strahlung frei. Ein weiterer Test ergab, daß Moxeys seltsame Beute keinerlei hyperphysikalische Besonderheiten aufwies. Es war nichts weiter als ein dunkelrot schimmernder Kristall mit einem außerordentlich hohen spezifischen Gewicht. Wie daraus etwas Lebendes hervorgehen konnte, war Moxey unbegreiflich. Besonders schön wirkte der Kristall nicht, und Moxey spielte mit dem Gedanken, ihn wegzuwerfen. Dann aber entschloß er sich, dieses Erinnerungsstück an ein besonderes Abenteuer auf Cirgro zu
behalten. Allerdings fiel es ihm nicht ein, das Material unbehandelt zu lassen. Niemand konnte wissen, was aus diesem Körper noch werden konnte. Moxey entschied sich für ein rabiates Verfahren – er bestrahlte den Körper mit extrem harter Gammastrahlung, um alles Lebende darin abzutöten. Was Moxey dann zu sehen bekam, ließ seine Nackenhaare steil nach oben gehen. Als er sein Fundstück aus der Bestrahlungskanone herausholte, hatte es sich wesentlich verändert. Was Moxey sehen konnte, war nun ein perfekt geformter Tetraeder aus einem intensiv schwarzen Material, das von einer leicht irisierenden Aura umspielt wurde. Dieser Tetraeder veränderte sich. Nach ein paar Sekunden sah er so aus, als habe man zwei gleich große Pyramiden ineinander gesteckt. Ein paar Augenblicke später verwandelte sich der Kristall abermals. Auf jeder dreieckigen Pyramidenfläche bildete sich eine neue, miniaturisierte Pyramide. Fasziniert sah Moxey zu, wie sich der seltsame Kristall mehr und mehr durchstrukturierte, bis die Miniaturpyramiden einmal so winzig waren, daß er sie mit bloßem Auge nicht mehr sehen konnte. Wenig später begann der Kristall damit, in ähnlichen Schritten seine ursprüngliche Gestalt zurückzugewinnen. Es war ein Anblick, der Moxey faszinierte, nicht zuletzt deswegen, weil in ihm die Hoffnung aufkeimte, daß auch andere diesen Anblick faszinierend fanden und vielleicht bereit waren, diese so teuer erkaufte Beute für ein hübsches Sümmchen zu erstehen. Moxey packte den Kristall in den kleinen Safe, in dem er die kostbarsten seiner Fundstücke verwahrte, und schloß ihn darin ein. Deutlich nahm er jetzt seine Müdigkeit wahr und fand, daß es an der Zeit war, ins Bett zu gehen.
3.
»Mach schneller, Charlot«, drängte Moxey den Enzephalophanten. Der Prospektor hatte es eilig, in die Stadt zu kommen. Seine Vorräte waren verbraucht, und da er nahezu ohne Pause die Landschaft durchstreift hatte, war Moxey vier Tage lang nicht dazugekommen, sich zu waschen oder zu rasieren. Auch der Enzephalophant schien am Ende seiner Leistungsfähigkeit angelangt zu sein – seine Bewegungen wurden von Stunde zu Stunde langsamer. Die Ränder der Stadt waren bereits zu sehen – sie wirkten auf Moxey wenig einladend. Es gab wenige größere Ansiedlungen der Daila auf Cirgro, in der Regel in der Nähe eines Raumhafens angelegt. Nicht selten bildete die Stadt einen weiten Ring um den jeweiligen Raumhafen herum, ein deutliches Symbol für die Gedanken, die fast jeder Daila hegte – irgendwann einmal den Planeten verlassen zu können. An den Außenbezirken dieser Ringstädte gab es weitflächige landwirtschaftliche Gebiete, die ausschließlich von den Daila bewirtschaftet wurden. Neben diesen typischen Raumhafensiedlungen gab es noch ein paar kleinere und größere Orte, die keinen eigenen Raumhafen besaßen. Sie führten ein Schattendasein, obwohl sie durch Straßen mit den anderen Städten verbunden waren. Die Krelquotten, die eigentlichen Bewohner des Planeten, hatten ein grundsätzliches Verbot von Luftfahrzeugen erlassen. Nur innerhalb der Siedlungstädte waren Antigravgleiter und ähnliche Geräte zugelassen, außerhalb dieser Gebiete durften nur oberflächengebundene Fahrzeuge eingesetzt werden. Das behinderte die Prospektoren natürlich sehr in ihrer Arbeit, und wie nicht anders zu erwarten gewesen war, hatten sich immer wieder Daila gefunden, die sich über das Verbot hinweggesetzt hatten. Es waren rauhe Burschen darunter, denen die Waffen locker im Gürtel saßen und die an Kämpfe gewöhnt waren. Aber nach jeweils sehr kurzer Zeit hatten die Wagemutigen ihre Bemühungen eingestellt und sich dem allgemeinen Brauch angeschlossen. Wie die
Krelquotten es geschafft hatten, diese Männer und Frauen zu einer Meinungsänderung zu bewegen, hatte nie jemand herausfinden können. Das gleiche seltsame Phänomen ergab sich bei dem anderen Gebot der Krelquotten. Es gab auf dem Planeten weite Regionen, in denen die Daila und andere nach Herzenslust schürfen durften. Andere Gebiete aber waren ihnen verschlossen. Die Krelquotten hatten niemals einen Grund dafür angegeben, und die verbotenen Gebiete zeichneten sich vor allem dadurch aus, das sie auf keinen gemeinsamen Nenner gebracht werden konnten. Wie vieles, was mit den Krelquotten zu tun hatte, blieb auch diese Angelegenheit rätselvoll. Nicht zuletzt diese Besonderheiten des Planeten Cirgro hatten dazu geführt, daß die Daila sich auf dem Planeten wie ungebetene Gäste vorkamen. Daß Angehörige anderer Völker mit den Krelquotten noch weniger zurechtkamen und beim Schürfen nicht die geringsten Erfolge hatten, war ein Schwert mit zwei Schneiden. Zwar hob die Duldung der Daila durch die Krelquotten das Selbstwertgefühl der Para-Verbannten etwas an, zum anderen waren sie aber dadurch als Prospektoren auf diesem Planeten unabkömmlich geworden, und die Händler nutzten diese Zwangslage der Daila erbarmungslos aus. All dies hatte dem Leben der Prospektoren auf Cirgro den Stempel aufgedrückt, ganz besonders den Städten. Das latente Unbehagen der meisten Daila schlug sich dort am deutlichsten nieder. Von der Kultur, die die Daila einmal besessen hatten, war dort nichts zu spüren. Es waren Siedlungen mit einem monströsen Männerüberschuß und entsprechenden Reibereien. Jeder versuchte sich nach Kräften durchzumogeln und die Früchte der anstrengenden Prospektorenarbeit entweder möglichst gewinnbringend zu vermarkten – oder aber anderen Prospektoren mit allerlei unsauberen Methoden abzujagen. Auch Moxey empfand daher keine große Freude, als er die ersten
Gebäude in seinem Blickfeld auftauchen sah. Schon von weitem war zu erkennen, daß die Daila und andere sich auf Cirgro nicht wohl fühlten. Jedem einzelnen Gebäude haftete etwas Improvisiertes an, als seien sie nur für eine kurze Zeitspanne errichtet worden. In der Regel handelte es sich um einfache Kästen aus hartem Plastikmaterial, groß genug, um drei bis vier Daila darin eine brauchbare Unterkunft zu gewähren. Sie wurden am Felsboden festgeklebt und hielten so auch beträchtliche Stürme aus. Das Plastikmaterial der Wände sorgte für eine angenehme Temperatur sowohl in den dürrenirrenden Sommertagen als auch im Winter, wenn die Straßen kniehoch vereist waren. Am Rand der Stadt gab es große Einzäunungen, in denen die Enzephalophanten abgestellt werden konnten. Moxey ließ Charlot zu einem dieser Abstellplätze hinübertraben. Er war heilfroh, daß der Enzephalophant das noch aus eigener Kraft schaffte. Der Enzephalophantenwart, ein gichtgebeugter Daila, sah kurz auf, als Moxey mit seinem Enzephalophanten erschien. »Glück gehabt?« fragte er mit brüchiger Stimme. Selbstverständlich war er nicht wirklich an Moxeys Erfolg interessiert, aber die Frage hatte sich auf Cirgro im Lauf der Zeit gleichsam als Begrüßungsformel eingespielt. »Mäßig«, antwortete Moxey. »Willst du dich um das Tier kümmern?« »Eine Geldfrage«, sagte der Alte. Moxey nestelte aus seiner Tasche das letzte Bargeld hervor. »Reicht das für die nächste Woche?« Der Alte starrte auf die Münzen in Moxeys Hand. »Zwei Tage«, sagte er dann. »Ich gebe dir einen Tag Kredit, wenn du dann nicht kommst und zahlst, werde ich deinen Enzephalophanten nehmen.« Moxey nickte. Er hatte keine andere Wahl. »Futter natürlich extra«, sagte der Alte, als Moxey sich gerade
abwenden wollte. Der Prospektor erstarrte. »Was soll das heißen?« empörte er sich. »Der letzte Transport ist ausgeblieben. Jetzt wird das Futter knapp und daher teurer.« Moxey murmelte eine Verwünschung. Die Folgen des ausgebliebenen Frachters konnte er sich mühelos ausrechnen. Das Leben auf Cirgro kostete Geld. Vor allem die konzentrierte und daher leicht transportierbare Nahrung verschlang Unsummen. Wurden diese Nahrungsmittel knapp, stieg selbstverständlich ihr Preis. Und war das Angebot so klein, daß es nicht für alle reichte, hatten die ärmeren Prospektoren natürlich das Nachsehen – sie konnten ihre Arbeit nicht fortsetzen. »Also gut«, sagte Moxey schließlich. »Ich werde Geld für Futter besorgen. Hat sich etwas geändert?« Der Alte spuckte aus. »Auf Cirgro? Wo denkst du hin?« Moxey wandte sich zum Gehen. Aus Charlot, der gerade von einem altersschwachen Robot gefüttert wurde, holte er ein paar seiner Fundstücke hervor, natürlich nicht die kostbarsten. Moxey hatte eine dumpfe Ahnung, daß es besser war, die Trümpfe in der Hand zu halten. Moxeys ursprüngliche Absicht war es gewesen, so zu handeln, wie es ein Prospektor nach Wochen der Plackerei üblicherweise tat – vom Enzephalophantenplatz mit einem Mietgleiter in die Stadt fliegen, sich ein Zimmer suchen und dann erst einmal ausgiebig baden. Der nächste Schritt bestand üblicherweise darin, sich in einer der zahlreichen Kneipen vollaufen zu lassen und schließlich mit irgendeiner Frau anzubandeln. Erst nach diesem eingefahrenen Ritual dachte ein Prospektor ans Geschäft. Moxey war vorsichtig geworden. Er ging zu Fuß. Mochten die anderen über ihn lachen – er brauchte jetzt auch die kleinste Münze, um überleben zu können. Niemand konnte wissen, ob das überfällige Frachtraumschiff doch noch auftauchte, oder ob es
verschollen blieb. Platz gab es auf Cirgro genug, und die Prospektoren waren einander nicht grün. Daher bedeckte die Stadt ein gewaltiges Areal um den Raumhafen herum. Moxey brauchte zwei Stunden, bis er den inneren Rand erreicht hatte. Die Stadt sah noch genauso heruntergekommen aus, wie Moxey sie in Erinnerung hatte. Das einzige Gebäude, das einen vergleichsweise soliden Eindruck machte, war die Mineralienbörse. Selbstverständlich wurde sie nicht von Daila geführt, sondern von anderen Bewohnern Manam-Turus. Sie machten sich die Tatsache zunutze, daß die seltsamen Lebensbedingungen Cirgros die Prospektoren zu mißtrauischen Einzelgängern gemacht hatten, die einander so wenig über den Weg trauten wie dem Wetter. Moxey betrat die Mineralienbörse. Zwar hatte es auf Cirgro niemals einen Raubüberfall auf die Börse gegeben, dennoch waren die Sicherheitsvorkehrungen beeindruckend. Es gab Lichtschranken und ein paar bewaffnete Roboter, die in der Eingangshalle auf und ab marschierten. Bevor man die Halle verlassen konnte, mußte man seine Waffe abgeben. Die Schätzstelle befand sich im dritten Stock des Gebäudes und war nur über einen zentralen Antigravschacht zu erreichen. Moxey ärgerte sich jedes Mal, wenn er ihn benutzte. Treppen wären weitaus billiger gewesen. Der Schätzer war ein stämmiger Prether, dessen olivfarbene Schuppenhaut leicht glänzte. Das kostbare Salböl, dessen Geruch Moxey als aufdringlich empfand, wurde, wenn man es genau bedachte, von den Prospektoren bezahlt. Wortlos legte Moxey seine Mitbringsel auf den Tisch. Der Prether setzte ein Gesicht auf, als müsse er Katzengold aus Fäkalien herausklauben. »Sehr hübsch«, sagte er gönnerhaft. Mit spitzen Fingern nahm er die erste Probe und steckte sie in den Analysator. »Graviumgehalt knapp an drei Prozent«, verkündete er dann.
Moxey kannte die Werte natürlich. Der Reihe nach ging der Schätzer die Stücke durch. An seiner Miene ließ sich nicht ablesen, ob er die Stücke für wertvoll hielt oder nicht – er machte, wie Moxey aus Erfahrung wußte, stets ein Gesicht, als habe er es mit Abfall zu tun. »Das ist nicht sehr viel«, sagte der Prether schließlich. »Ist es die ganze Ausbeute?« »Vielleicht«, antwortete Moxey zurückhaltend. Der Prether setzte eine abweisende Miene auf. »Glaubst du an einer anderen Stelle einen besseren Preis zu bekommen?« fragte er herablassend. Moxey unterdrückte seine Wut. Er hatte nur drei Möglichkeiten: seine gesamte Ausbeute an die Börse zu veräußern, eine andere Stadt aufzusuchen und dort sein Glück zu versuchen oder aber den geheimen Markt. Moxey wog die Chancen ab. Die Mineralienbörse war verpflichtet, ihm alles abzukaufen, was einen Wert hatte. Aufgrund dieses Zwangs waren die Preise der Börsen nie sonderlich hoch – und selbstverständlich waren die Unterschiede von Börse zu Börse sehr gering. Der geheime Markt war da weitaus verlockender – dafür aber gefährlicher. Nicht nur, daß Moxey Gefahr lief, übers Ohr gehauen zu werden – es kam auch nicht selten vor, daß man einen Prospektor nach einem solchen Handel mit durchschnittener Kehle in irgend einem Graben fand. »Ich werde sehen«, sagte Moxey mürrisch. »Es hängt davon ab, wie der Tagespreis aussieht.« Der Prether rechnete die Werte zusammen. Was er Moxey schließlich anbot, war ein Betrag, der um mindestens dreißig Prozent unter Moxeys niedrigster Schätzung lag. Der Prospektor war so überrascht, daß ihm der Mund offen stehen blieb. »Was?« fragte er dann fassungslos. »Nicht mehr?«
Der Prether breitete seine muskulösen Arme aus. »Der Markt«, erklärte er Moxey. »Angesichts der Knappheit versucht jeder Prospektor soviel Ware wie nur möglich zu verkaufen – und das drückt die Preise natürlich.« »Perfekt«, murmelte Moxey grimmig. »Sauber abgestimmt – die Nahrungsmittelpreise steigen, und die Werte für Mineralien sinken.« »So ist es«, bestätigte der Prether ungerührt. »Es sind die Gesetze des Marktes, und ich habe sie nicht gemacht.« Moxey preßte die Lippen aufeinander. »Gut«, sagte er schließlich. »Ich verkaufe.« Der Rest des Handels war schnell abgewickelt. Der Prether sackte die Mineralien ein und zahlte Moxey in Bargeld aus. »Du kannst von Glück sagen, daß wir überhaupt noch kaufen«, sagte der Prether zum Abschied. »Andere Börsen haben schon geschlossen.« Moxey holte tief Atem. Er glaubte dem Prether aufs Wort. Dieser Trick der Händler war sauber ausgetüftelt. Wurden die Börsen geschlossen, brach unter den Prospektoren mit Sicherheit eine Panik aus – und dann gingen die Preise ins Bodenlose. Moxey wurde den Verdacht nicht los, daß das Verschwinden des Frachtraumers wenig mit galaktischen Piraten zu tun hatte, sondern vielmehr mit den gierigen Händlern, die die Daila auf Cirgro mit bemerkenswerter Rücksichtslosigkeit schröpften. Zitternd vor Zorn und Entrüstung verließ Moxey die Börse. An den bedrückten Mienen anderer Prospektoren konnte er ablesen daß er nicht der einzige war, der auf diese infame Weise ausgetrickst worden war. Moxey überschlug seine Barschaft. Mit dem, was er jetzt erzielt hatte und dem, was er mit den anderen Funden noch herausschlagen konnte, ließ sich die nächste Expedition ins Schürfgebiet nicht bezahlen.
Wieder einmal war Moxey in einen Kreislauf geraten, aus dem es kein Heraus zu geben schien. Wenn die Arbeit eines Monats nur dazu ausreichte, einen dreiviertel Monat weiterer Arbeit zu finanzieren, dann ließ sich leicht ausrechnen, daß Moxey in kurzer Zeit ruiniert war. Moxey machte sich auf den Weg. Er suchte nach einem billigen Zimmer und fand schließlich auch eines – genauer gesagt einen Schlafplatz in einer ohnhin schon überfüllten Prospektorenbehausung. Als nächstes kehrte Moxey zum Enzephalophantenpark zurück und bezahlte die erste Standwoche. In der Erwartung, daß die Futterpreise noch steigen würden, kaufte er einen Vorrat für sich und vor allem für Charlot. Der Enzephalophant war jetzt Moxeys kostbarster Besitz, und Moxey wollte entsprechend pfleglich mit ihm umgehen. Bei dieser Gelegenheit nahm Moxey auch den seltsamen Kristall mit, den er sich aus dem Leib operiert hatte. Die Wunde war inzwischen verheilt, und Moxey war zuversichtlich, daß die Angelegenheit ausgestanden war. Danach kehrte Moxey in die Stadt zurück. Der Abend war über die Siedlung hereingebrochen, die Geschäfte hatten geschlossen, und die meisten Bewohner schliefen bereits. Nur in der Nähe des Raumhafens gab es noch Leben. Moxey fand ein Bad und gönnte sich den spärlichen Luxus einer warmen Dusche und einer Rasur. Heimliche Geschäfte wurden üblicherweise in den zahlreichen Spelunken abgewickelt, die es in der Nähe der Raumhäfen gab. In diesen Müllbehältern der Gesellschaft auf Cirgro gab es alles, was möglich war. Schnaps wurde dort mit der gleichen Selbstverständlichkeit gehökert wie Menschenleben. Ein Gleiter, ein Mädchen, exotische Früchte, verbotene Waffen – in den Hafenkneipen war alles zu haben, es war nur eine Frage des Preises. Schon beim Betreten bemerkte Moxey, daß sich etwas geändert
hatte. Er hatte die Schenke aufgesucht, die er nach seinen Erfahrungen für die ungefährlichste hielt – pro Kopf der Besucher kamen höchstens zwanzig Jahre Zwangsarbeit zusammen. Aber der süßliche Geruch nach Khemmph verriet, daß jetzt auch hier mit Rauschdrogen gehandelt wurde. Auf vielen Planeten, die Moxey – dem Namen nach – kannte, wurde schon der Besitz von Khemmph mit lebenslanger Zwangsarbeit geahndet, für die Händler galt die über dreihundert Jahre alte Khemmph-Vereinbarung. Nach dieser Übereinkunft vieler Völker war jeder Khemmph-Händler auf der Stelle hinzurichten, gleichgültig von wem. Moxey holte tief Luft. Er wußte, daß er lebensgefährliches Gelände betrat – der Geruch bewies es ihm. Khemmph versetzte den Benutzer in einen Glücksrausch, der mit den Halluzinationen anderer Rauschmittel nicht zu vergleichen war – sagten Fachleute. Schon beim ersten Probieren entstand eine psychische Abhängigkeit, beim zehnten Mal spätestens war eine nicht heilbare körperliche Sucht entstanden. Nach fünf Jahren trat unweigerlich der Tod ein. Wer mit diesem Stoff handelte, hatte nichts mehr zu verlieren. »Worauf wartest du?« wurde Moxey angesprochen. Erst jetzt wurde Moxey bewußt, daß er immer noch im Eingang stand. Hastig machte er einen Schritt nach vorn. Der irisierende Leuchtvorhang, der den Innenraum von der kühlen Luft draußen abgrenzte, baute sich wieder auf. Der Raum war ziemlich voll. Moxey schätzte die Menge auf etwas mehr als fünfzig Köpfe. An den Tischen war kaum noch Platz, lediglich an der Bar fand Moxey noch ein paar freie Plätze. Drei kamen für Moxey nicht in Frage, wegen der Animiermädchen, die dort auf Kundschaft warteten. Moxey wußte aus Erfahrung, daß er bei derart abgebrühten Frauen stets eine Bauchlandung machte. Er entschied sich daher für den vierten Standplatz – und ohne es
zu wissen, entschied er damit über sein Schicksal.
4. Er hätte es wissen müssen – es gab auf Cirgro keinen ehrlichen Daila. Wenn diese Regel stimmte, dann mußte er vor dem greisenhaften Daila auf der Hut sein. Aber Moxey fiel einmal mehr auf Spielchen herein, die jeder andere durchschaut hätte. Sein Nebenmann mußte fast hundert Jahre alt sein, hager und sehnig, mit Altersflecken auf der wie Pergament aussehenden Haut. Die Augen lagen tief in den Höhlen, die Kleidung war noch schäbiger als die von Moxey. Die hageren Finger des Alten hielten ein Glas umklammert, dessen Inhalt dennoch heftig hin und her schwankte. Es gehörte nicht viel Sachkenntnis dazu, in diesem Mann den Endzustand einer Säuferkarriere zu sehen. »Wie geht's, Kumpel?« fragte der Alte und grinste Moxey mit einem Mund an, der außer Alkoholausdünstung nur noch drei geschwärzte Zahnstummel enthielt. »Glück gehabt?« »Man schlägt sich durch«, antwortete Moxey leidlich freundlich. Er bestellte bei der Barfrau einen Drink, der mit einem scheelen Seitenblick serviert wurde. Offenbar hatte die Frau mitbekommen, daß Moxey den Animiermädchen ausgewichen war. »Ja, ja«, philosophierte der Alte. »So geht es im Leben.« Moxey hörte gar nicht hin. Er konzentrierte sich auf das Geschehen in der Kneipe. Die Mädchen und ihre sogenannten Beschützer hatte er schnell aussortiert. Beim Rest der Gäste war das nicht ganz so einfach. Es waren etliche Prospektoren darunter, die einen leidlich normalen Eindruck machten. Ein paar der Besucher waren der Kleidung nach zu schließen Stadtbewohner – Männer mit modischen Anzügen und flinken Augen über einem gleichbleibend freundlichen Lächeln. Vor
solchen Gestalten galt es auf der Hut zu sein. Es waren fast nur Daila in dem Raum, Moxey konnte nur zwei Angehörige anderer Völker ausmachen, darunter einen Prether, dessen entrückter Zustand vermuten ließ, daß er der Khemmphbenutzer war. »Ich war auch einmal Prospektor«, murmelte der Alte mit schwerer Zunge. »Ist lange her und hat nicht viel gebracht. Aber ich verstehe mein Handwerk. Brauchst du vielleicht einen Partner?« Nichts lag Moxey ferner, als mit diesem Wrack von Prospektor zusammen in die Wildnis zu ziehen. Er setzte dennoch ein höfliches Gesicht auf. »Im Augenblick nicht«, antwortete er. »Vielleicht später.« »Dann denk an mich«, sagte der Alte und strahlte Moxey an, der noch immer die Gäste durchmusterte, um zu wissen, woran er mit ihnen war. »Ich bin Darph, jeder hier kennt mich.« Das war mit Sicherheit keine Empfehlung. Moxey suchte nach einer Möglichkeit, den lästigen Schwätzer loszuwerden. Niemand hatte Moxey jemals darüber aufgeklärt, daß er eine Gabe besaß, die Telepathen arbeitslos machen konnte – er schaffte es einfach nicht, seine Mimik so zu kontrollieren, daß man ihm nicht ansah, was in ihm vorging. Erst viel später sollte sich Moxey darüber klar werden, daß es dieser hilfeheischende Blick gewesen war, den er in diesem Augenblick aussandte und der ihn mitten in die Katastrophe hineinzerrte. Eines der Animiermädchen kam näher. »Troll dich, Alter«, sagte die Frau mit einer aufregend rauchigen Stimme. »Wenn du uns weiter die Kundschaft vergraulst …« »Nicht doch«, stammelte Moxey. Er hatte nicht die leiseste Absicht, mit einer der Frauen handelseinig zu werden. Die Frau verstärkte den Zuckergehalt ihres Iüchelns, und damit war die Falle perfekt. »Ich weiß«, sagte sie verständnisvoll. »Du bist nicht so einer. Das kann man dir sofort ansehen.«
In den nächsten dreißig Sekunden bekam Moxey zwei unübersehbare Hinweise geliefert, aber er schaffte es, sie nicht wahrzunehmen. Das eine war die schneidende Schärfe in der Stimme der Frau, als sie zu Darph hinüberzischte: »Verzieh dich, Alter.« Der zweite Hinweis bestand in dem sekundenlang aufflackernden, zufriedenen Grinsen in den Augen des Alten. »Ich gehe ja schon, Gamyhn«, sagte der Alte und torkelte von der Bar weg. Moxey fühlte eine große Hilflosigkeit in sich aufsteigen. »Trink das Zeug besser nicht«, sagte Gamyhn leise. »Es ist gepanscht, außerdem viel zu teuer.« Bevor Moxey etwas sagen konnte, hatte Gamyhn die Barfrau herangewinkt und zwei neue Drinks bestellt – und sie bezahlte auch sofort. Moxey fand das verwunderlich, noch mehr erstaunte ihn der böse Blick, mit dem die Barfrau Gamyhn bedachte. »Wenn ich dir einen Tip geben darf«, fuhr Gamyhn leise fort, »verschwinde von hier. Das ist kein Ort für Männer wie dich.« Einen Augenblick lang durchfuhr Moxey der nagende Zweifel, ob sie seine Standfestigkeit, Männlichkeit oder was auch immer damit in Frage stellte, aber der fürsorgliche Blick belehrte ihn darüber, daß die Worte nicht verletzend gemeint waren. Endlich begriff der Prospektor. Das Mädchen warnte ihn – und sie mußte diese Spelunke bestens kennen. Gamyhn stieß einen Seufzer aus. Sie leerte das Glas mit einem Zug, stellte es auf die Bar, sah Moxey noch einmal eindringlich warnend an, dann lächelte sie zaghaft und wollte sich abwenden. »Augenblick«, bemerkte Moxey. »Ich bin dir noch einen Drink schuldig.« »Besser nicht«, antwortete Gamyhn. »Glaube mir, du gehst besser.« »Nachher«, erklärte Moxey energisch. Sie gab sich geschlagen.
* »Unglaublich«, staunte Gamyhn. »Du hast wirklich eine gefiederte Echse mit der bloßen Hand getötet?« »Nicht freiwillig«, antwortete Moxey bescheiden. »Ich hatte keine andere Wahl, weißt du.« Gamyhn nickte ihm anerkennend zu. In den letzten zwei Stunden hatte er Gamyhn besser kennengelernt und sehr viel Ähnlichkeit mit sich selbst feststellen können. Wie er hatte auch sie ein hartes und entbehrungsreiches Schicksal hinter sich, und ihre Zukunft war um keinen Deut besser als die von Moxey. So wie Moxey von der Mineralienbörse geprellt und ausgebeutet wurde, so war Gamyhn das Opfer der Machenschaften der Barfrau, die während Moxeys letzter Expedition das Etablissement übernommen hatte – nachdem der Vorbesitzer bei einem rätselhaften Unfall umgekommen war. Jetzt begriff Moxey, warum die Barfrau Gamyhn angestarrt hatte. Es war nicht Gamhyns Aufgabe, potentielle Opfer zu warnen. Außerdem hatte sich Gamyhns Tip als richtig erwiesen; der Drink, den sie bestellt hatte, war nicht nur billiger, sondern auch erheblich wohlschmeckender. Moxey stieß einen Seufzer aus. »Hoffentlich kommt der Transporter noch an«, murmelte er. Gamyhn beugte sich ein wenig vor. Ihr Haar streifte Moxeys Wange, und einmal mehr stieg der Geruch ihres atemberaubenden Parfüms in seine Nase. »Das Schiff wird nicht kommen«, flüsterte sie eindringlich. »Man hat es abgefangen und hält es fest. In drei Wochen werden dann hier gleich zwei Schiffe landen.« Moxey schluckte. »Und wozu soll das gut sein?« fragte er ebenso leise. »Ganz einfach. In zwei Wochen seid ihr Prospektoren allesamt pleite, weil die Preise für Konzentratnahrung astronomisch hoch
und die Werte eurer Erze gleich null sein werden.« »Das verstehe ich«, sagte Moxey. »Und dann?« »Gibt es Nahrung im Überfluß. Ihr werdet euch – auf Kredit selbstverständlich – reichlich damit eindecken können. Schließlich müßt ihr ja fleißig arbeiten, um eure Verluste wieder auszugleichen. Das Bißchen, das die Händler bei der Nahrung vielleicht zusetzen müssen, haben sie vorher tausendfach aus euch herausgepreßt.« Moxey schüttelte den Kopf. Soviel Halsabschneiderei ging über seine Begriffe. »Drei Wochen kann ich unmöglich durchhalten«, murmelte er sorgenvoll. »Schon gar nicht, wenn die Preise noch weiter anziehen.« Gamyhn sah ihn nachdenklich an. »Weißt du was?« fragte sie dann. »Ich werde dir helfen. Ich habe gespart, und ich kann dich bis zur Landung durchfüttern. Aber unter zwei Bedingungen.« »Und die wären?« fragte Moxey mißtrauisch. »Erstens stellst du mir einen gültigen Schuldschein aus über das, was ich dir geliehen habe.« Moxey nickte, das war einsichtig. »Weiter«, sagte er. »Du hast zwei Möglichkeiten«, fuhr Gamyhn fort. Ihre Stimme hatte einen energischen Unterton bekommen. »Entweder zahlst du mir für mein Geld Zinsen …« »Wieviel?« Gamyhn lächelte. Auch Moxeys Stimme hatte jetzt sehr geschäftlich geklungen. »Nicht soviel wie du bei anderen zahlen müßtest«, antwortete sie. »Ich will wie du von dem Planeten weg, und da kann ich mir Mildtätigkeit nicht leisten. Schließlich kennen wir uns ja kaum.« Moxey nickte wieder. Ihm gefiel, daß Gamyhn so klarsichtig Geschäft und anderes auseinanderhalten konnte. »Und die zweite Möglichkeit?«
»Eine rechtsgültige Verpflichtung von dir, daß du mich mitnimmst, wenn du einen wirklich großen Fund machen solltest. Gehst du darauf ein, bekommst du das Geld ohne Zinsen.« »Hm«, machte Moxey. Der Vorschlag klang nicht übel. Moxey wußte, daß es nur zwei Sorten von Daila gab, die es geschafft hatten, Cirgro zu verlassen. Die einen hatten gerade genug zusammenkratzen können, um den Flug zu bezahlen, die anderen waren steinreich abgeflogen. Gamyhn lächelte. »Ich will dir nicht verhehlen, daß ich dieses Geschäft schon ein paar Mal gemacht habe. Insgesamt habe ich sieben solcher Verträge, du wärest der achte.« Moxey grinste. Die Frau wußte sich zu helfen. Sie gefiel ihm immer besser. »Ich habe wieder Hoffnung«, sagte Moxey leise. Er nippte an dem Glas. »Endlich zurück nach Aklard.« Gamyhn wölbte die Brauen. »Aklard?« fragte sie. Moxeys Grinsen wurde noch breiter. »Weißt du, ich bin nämlich paraphysikalisch blind, taub und stumm.« »Du auch?« fragte Gamyhn mit weit geöffneten Augen. Moxey hätte sie am liebsten in den Arm genommen, aber in dieser Umgebung wagte er das nicht. Ein nie gekanntes Glücksgefühl hatte den Prospektor erfaßt. Es gab auf Cirgro tatsächlich jemanden, der sich in seine Lage hineinfühlen konnte und ihn verstand – unter Ausgestoßenen ausgestoßen wie er selbst. »Wenn wir zusammenhalten, können wir es schaffen«, behauptete Moxey. »Es wird in jedem Fall schwer werden«, gab Gamyhn zu bedenken. »Wir werden alles riskieren müssen.« Unwillkürlich dachte Moxey an den Kristall, den er sich aus dem
Leib geschnitten hatte. Es war natürlich möglich, daß das Ding nichts weiter war als eine Kuriosität – aber es war auch möglich, daß sich das seltsam pulsierende Gebilde als Kostbarkeit entpuppte. Die Frage war nur, wem er das Stück anbieten sollte. »Worüber sinnst du nach?« fragte Gamyhn. Moxey setzte ein schiefes Grinsen auf. Er hatte vorsichtig getrunken und fühlte sich ein wenig angeheitert. Er traute dieser Sorglosigkeit nicht. »An nichts Bestimmtes«, gab er zurück. »Wann wollen wir die Transaktion starten?« »Morgen?« schlug Gamyhn vor. Moxey nickte. Er überlegte, wie er es anstellen konnte, an mehr Bargeld zu kommen, ohne dabei etwas zu riskieren. Gamhyns Angebot war sicherlich hilfreich, aber Moxey hatte den Verdacht, daß sie bei weitem nicht genug hatte, um ihm einen wirklich komfortablen Start für eine neue Expedition zu ermöglichen. Wahrscheinlich reichten ihre Mittel gerade dazu aus, Moxeys Existenz zu sichern. Im hinteren Teil der Kneipe wurde es laut. An einem der Tische wurde gespielt, und der Lärm kam von dort. Als Moxey sich umdrehte, sah er gerade noch, wie einer der Spieler von einem anderen mit einem Faustschlag zu Boden gestreckt wurde. »He, Krirrer, hast du nicht Lust mitzumachen?« rief der Schläger quer durch den Raum. Damit war der Prether gemeint, der in einer Ecke vor sich hin döste. Er sah auf und begann zu grinsen. »Mitspielen?« fragte er, während er sich schwankend aufrichtete. »Klar, setz dich zu uns. Der da hat nichts mehr, was er verspielen könnte.« Der Prether wollte sich gerade in Bewegung setzen, als sich die Barfrau einmischte und ihn zur Seite zerrte. Sie ging hinüber zu dem Tisch mit den Spielern und zankte mit den Männern herum. Währenddessen torkelte Krirrer hinüber zu dem Tisch, an dem
Moxey und Gamyhn saßen. Die Frau betrachtete ihren Arbeitgeber mit offenem Widerwillen. »Wie wäre es mit uns?« fragte Krirrer. »Interessiert an einem Spielchen?« »Besten Dank«, antwortete Moxey sofort. Bei solchen Unternehmungen hatte er stets draufgezahlt. Die Barfrau hatte unterdessen ihr Gezänk beendet und kam an Moxeys Tisch. »Es ist immer dasselbe«, murrte sie. »Immer wenn Krirrer nicht ganz bei sich ist, versuchen sie ihn auszunehmen.« »Unsinn«, begehrte der Prether auf. »Halte du dich da heraus.« Die Frau machte eine abschätzige Handbewegung, dann verließ sie den Tisch. Krirrer angelte sich mit den Fuß einen Stuhl heran. »Nun, wie ist es? Keine Lust?« Gamyhn sah Moxey verschwörerisch an, während Krirrer ein Paket Spielkarten auf die Tischfläche legte. Die Barfrau äugte kurz herüber; sie betrachtete Moxey eindringlich, dann flog ein boshaftes Lächeln über ihre Züge. Offenbar war sie der Meinung, daß Moxey selbst für den berauschtere Krirrer keinen ernsthaften Gegner abgab. Diese schnöde Herabsetzung war mehr, als Moxey in diesem Augenblick ertragen konnte. »Einverstanden«, sagte er. Gamyhn preßte die Lippen aufeinander. Moxey kannte die einschlägigen Regeln, und so konnte das Spiel beginnen. Die Einsätze waren niedrig – Moxey hatte sich das ausbedungen. Es sollte ein Spiel um des Vergnügens willen sein, kein Versuch, den anderen nach Kräften auszunehmen. Krirrer war damit einverstanden. Trotz seines Rausches war er ein brauchbarer Gegner. Moxey verlor einige Male, bis er das System herausgefunden hatte, nach dem Krirrer sein Blatt gezinkt hatte. Danach gestaltete sich das Spiel für Moxey recht einträglich.
Er verlor absichtlich, nachdem er eine größere Summe gewonnen hatte, dann gewann er wieder kräftig. Zur Gänze unter Kontrolle hatte er das Spiel natürlich nicht, aber doch so weitgehend, daß er einen ernsthaften Verlust unter allen Umständen vermeiden konnte. Das Bargeld vor Moxey vermehrte sich langsam, aber stetig. Der Prether begann unruhig zu werden. Er spielte jetzt leichtsinniger, versuchte durch höhere Einsätze seine Verluste wieder hereinzuholen. Da Krirrer nicht wissen konnte, daß Moxey sein Falschspiel durchschaut hatte, ließ Moxey ihn gewähren. Die Beträge, die in den nächsten Stunden über den Tisch wanderten, wurden immer höher. Gamyhn sah dem Spiel schweigend zu. Ihr Blick verriet, daß sie Moxeys Gewinnsträhne nicht traute. Unterdessen hatten die hohen Einsätze Publikum herangelockt, und Moxey mußte sich sehr darauf konzentrieren, daß ihm die ungewohnte Aufmerksamkeit nicht zu Kopf stieg. Dann kam der Augenblick auf den Moxey gehofft hatte. Er bekam ein Blatt auf die Hand, das kaum übertroffen werden konnte – und die Kartenkombination seines Gegners war, wie Moxey erkennen konnte, ein wenig schlechter. Moxey beschloß, seinem Gegner nun den entscheidenden Schlag zu versetzen. Das Publikum war ihm dabei nur recht – vor so vielen Augen konnte Krirrer unmöglich* kneifen. Bedächtig trieb Moxey den Einsatz in die Höhe. Zuerst konnte er dabei aus dem Gewinn schöpfen, den er Krirrer abgenommen hatte, dann mußte er auch eigene Mittel einsetzen. Dann landete Krirrer einen Überraschungscoup. Eher Moxey recht begriffen hatte, wie ihm geschah, hatte Krirrer den Einsatz derartig in die Höhe getrieben, daß Moxeys Barschaft zum Mithalten nicht mehr ausreichte. Stille trat ein. Alle Augen waren auf Moxey gerichtet, der Mühe hatte, sich zu beherrschen. Er hatte einwandfrei das bessere Blatt –
aber er konnte nur gewinnen, wenn er mithielt. Moxey preßte die Lippen aufeinander, dann nestelte er seinen Kristall hervor. »Unglaublich«, stieß Krirrer hervor. Er starrte den Kristall an, der sein Verwandlungsspiel auf der Tischplatte vollzog. »Wo hast du das gefunden?« »Mein Geheimnis«, behauptete Moxey, dem eine Zentnerlast von den Schultern fiel. Die Mienen von Krirrer und den anderen zeigten, daß jedermann von dem hohen Wert des Kristalls überzeugt war. »Akzeptierst du den Einsatz?« fragte Moxey. Krirrer nickte wie geistesabwesend. Die Karten wurden aufgedeckt, und Moxey konnte genießerisch Krirrers Haut aschgrau werden sehen. Der Prether hatte verloren. Während andere ihm die Schultern klopften, sackte Moxey seinen Gewinn ein. Es war genug, um davon monatelang leben zu können. »Noch ein Spiel«, forderte Krirrer. »Um den Kristall.« Moxey grinste. »Was willst du dagegen halten?« fragte er. »Du bist pleite.« Krirrer grinste unverschämt. Er packte zu, bekam Gamyhns Handgelenk zu fassen und zerrte sie heran. »Darum«, sagte er mit einem schmierigen Grinsen. Gamyhn wurde bleich. »Einverstanden«, sagte Moxey sofort. »Wenn ich gewinne, gibst du sie frei.« Die Karten wurden gemischt, verteilt – und aufgedeckt. Wieder hatte Moxey gewonnen. Krirrer starrte den Prospektor an, als habe er einen Schlag auf den Kopf bekommen. Erst in diesem Augenblick wurde Moxey bewußt, daß er dieses Spiel tatsächlich nur durch Glück gewonnen hatte, und noch nachträglich wurde ihm vor Schreck darüber fast übel. »Komm, wir gehen«, sagte er. Er ließ den Kristall unter den begehrlichen Blicken der anderen in seiner Kleidung verschwinden, dann verließ er mit Gamyhn das Lokal Draußen dämmerte es
bereits, aber Moxey fühlte sich so frisch und voller Kraft, als habe er zwei Tage in einem Stück geschlafen. Zum ersten Mal, seit er auf Cirgro gelandet war, hatte ihm das Glück zugelacht – in einem Maß, wie es Moxey noch nie erlebt hatte.
5. Leise pfeifend machte sich Moxey daran, die Sprengladungen in die Bohrlöcher zu schieben. Auf diese Idee war er erst im letzten Augenblick verfallen, und jetzt zeigte sich, daß er richtig geahnt hatte. Sie waren ihm auf der Spur. Er hätte es sich von Anfang an denken können – sein Fund hatte Aufsehen erregt. Natürlich wollten auch andere solche Kristalle aufstöbern, und das einfachste Verfahren schien zu sein, Moxey zur Fundstelle zu folgen. Daß es solche Kristalle nicht zu finden gab, hatte Moxey niemandem verraten, nicht einmal Gamyhn, die er in der Stadt zurückgelassen hatte. Die Sprengladungen waren fertig. Moxey hatte sich bei seiner Route für einen Weg entschieden, der durch ein enges Tal führte. Nach dem Zünden der Ladung würde das Tal versperrt sein, dann hatten seine Verfolger das Nachsehen. Bis die ganzen Trümmer weggeräumt waren, konnte Moxey sich längst auf Schleichpfaden davonmachen und ungestört weitersuchen. Und dieses Mal würde er einen gewaltigen Fund machen, das spürte Moxey ganz genau. Vor allem hatte er bei dieser Expedition die beste Ausrüstung, die man als Prospektor überhaupt nur haben konnte. Moxey hatte sein gesamtes Kapital investiert, dazu noch einen stattlichen Betrag von Gamyhn. Die Geräte im Inneren des Enzephalophanten waren die modernsten und leistungsfähigsten, die es zu kaufen gab, und bei den Nahrungsmittelvorräten gab es sogar ein paar ausgemachte Delikatessen.
Moxey kehrte zu Charlot zurück, den er ein Stück entfernt abgestellt hatte. Er hatte den Enzephalophanten behalten, obwohl er sich jetzt einen besseren hätte leisten können – aber Moxey wollte seinem Gefährten treu bleiben. Ein Funkimpuls ließ die Sprengladungen hochgehen. Eine riesige Staubwolke wirbelte auf, wahrscheinlich würde sie den Jägern verraten, zu welcher List Moxey gegriffen hatte, aber das konnte dem Prospektor gleichgültig sein. »Setz dich in Bewegung, alter Junge«, sagte Moxey, sobald er auf dem Sitz in Charlot Platz genommen hatte. Der Enzephalophant war hervorragend gefüttert worden und so leistungsfähig wie nie zuvor. Es war, als habe der neue Schwung seines Herren den Enzephalophanten angesteckt – er bewegte sich nun auch schneller als früher und war leichter zu bedienen. Moxey konnte sich nur darüber wundern, wie glatt und geschmeidig alles lief, seit er jene Spelunke betreten hatte. Es hatte Moxey nicht einmal viel Mühe gekostet, den Diebstahl abzuwehren, dessen Opfer er wenige Stunden nach seinem Gewinn werden sollte. Es war, als sei Moxey gleichsam über Nacht zum erfolgreichen Prospektor geworden. Die anderen hatten das Nachsehen. Es waren ohnehin nur wenige, die sich auf Moxeys Fährte gesetzt hatten – die anderen hatten sich diese Verfolgungsjagd gar nicht leisten können. In der Stadt wurden die Nahrungsmittel von Tag zu Tag teurer, und ausnahmsweise hatte Moxey einmal gar nichts dagegen, daß die Schurken von den Mineralienbörsen die Prospektoren ausplünderten. Ihn betraf es nicht, und so konnte er seine Arbeit unter besseren Bedingungen denn je fortsetzen. Moxey sah nach dem Himmel. Es versprach zu regnen – dann waren die wenigen Spuren, die der Enzephalophant auf diesem Boden hinterlassen konnte, im Nu weggespült. Noch ein Punkt, der für Moxey sprach. »Wie geht es dir, Charlot?« fragte er gutgelaunt.
»Vorzüglich«, antwortete der Enzephalophant. Recht flott entfernten sich die beiden von der Explosionsstelle. Moxey war entschlossen, diesmal mit reicher Beute heimzukehren. Er hatte sich genau ausgerechnet, wieviel er brauchte, um für sich und Gamyhn das Ticket bezahlen zu können. Mit ein bißchen Glück blieb danach sogar noch genug übrig, um sich auf Aklard eine Existenz aufzubauen. Das Unwetter über dem Enzephalophanten verstärkte sich. Es sah nach einem handfesten Gewitter aus, und die liebte Charlot überhaupt nicht. Ganz so leicht, wie sich Moxey diese Expedition vorgestellt hatte, schien sie nicht zu verlaufen. Das Wolkengebräu wurde von Minute zu Minute finsterer, und schon waren am Horizont die ersten fahlgelben Blitze zu sehen. Moxey konnte spüren, daß der Enzephalophant aufgeregt wurde. Das seltsame Stimmengewirr wurde lauter und deutlicher. Charlot bekam es mit der Angst zu tun. Moxey stöberte auf seinen Karten nach einem Platz, wo er sich mit Charlot verstecken konnte, bis das Unwetter abgezogen war. Auf diesem Teil der Oberfläche von Cirgro waren solche Gewitterstürme in der Regel sehr heftig, aber auch kurz. »Wenigstens werden die anderen davon genauso behindert«, murmelte Moxey. Der Enzephalophant bockte und wurde langsamer. Draußen prasselte bereits der Regen herunter und verwandelte den Weg in einen heftig plätschernden Bach. Moxey preßte die Zähne aufeinander, bis es beinahe schmerzte. Charlot rutschte aus, stürzte zur Seite, und Moxey prallte hart auf eines der zahlreichen neuen Geräte, mit denen er den Enzephalophanten ausgestattet hatte. »Beruhige dich«, schrie Moxey, aber der Enzephalophant war jetzt vor Angst so außer sich, daß er nicht mehr gehorchte. Durch die dicken Zellwände des Enzephalophanten waren die
Donnerschläge deutlich zu hören, und bei jedem Blitz quietschte Charlot entsetzt auf. Der Enzephalophant geriet völlig außer Kontrolle. Moxey mußte sich festhalten, um nicht hin und her geschleudert zu werden, während um ihn herum die Entsetzensschreie erklangen. Das Getöse war laut genug, um Moxey halb taub werden zu lassen, außerdem wurde er von Charlots Panikanfällen mehr und mehr angesteckt. Das Gewitter weitete sich zum übelsten Sturm aus, den Moxey in all den Jahren auf Cirgro erlebt hatte. Ein mörderisch starker Wind trieb die Regentropfen nahezu waagerecht über das Land. Wieder kippte Charlot zur Seite. In seinem Innern erklang ein gräßlicher Schrei, dann verstummte der Enzephalophant. Moxey rappelte sich mühsam wieder auf und verließ seinen Gefährten. Charlot lag auf der Seite, seine Beine strampelten verzweifelt. Moxey rannte um den Enzephalophanten herum und stemmte sich gegen den massigen Körper. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihm, Charlot wieder auf die Beine zu bekommen. Bevor Moxey etwas dagegen unternehmen konnte, begann Charlot wieder zu rennen. Er hatte völlig die Kontrolle über sich verloren und jagte wie von Sternenteufeln gehetzt über den Boden, auf dem das Wasser in einer flachen Schicht dahinströmte. »Hiergeblieben!« schrie Moxey, aber der Enzephalophant hörte nicht auf ihn. Moxey mußte die Beine in die Hand nehmen und ihm folgen. Das Unterfangen erwies sich als schwieriger, als Moxey befürchtet hatte. Auf dem schlüpfrigen Boden glitt er immer wieder aus und stürzte. Er war nach ein paar Schritten schon bis auf die Haut durchnäßt, und der Wind peitschte ihm den Regen mit schmerzhafter Härte ins Gesicht. »Charlot!« schrie Moxey aus voller Kehle. Der Enzephalophant stürmte weiter. Er arbeitete sich eine Höhe hinauf, und nun stieg auch in Moxey Panik auf.
Wenn … Er hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als seine Katastrophenahnung sich auch schon bewahrheitete. Charlot wurde von einem Blitz getroffen. Eine irrlichternde Feueraura bildete sich um den Körper des Enzephalophanten, der auf der Stelle stehenblieb. Ein schriller Ton gellte in Moxeys Ohren, dann sah er aus dem Innern des Enzephalophanten dichte Qualmwolken aufsteigen. Nach kurzer Zeit war der Spuk verschwunden. Charlot stand reglos und stumm. Langsam kam Moxey näher, gegen den Sturm ankämpfend. Er ahnte, daß er einer Katastrophe zum Opfer gefallen war – und daß seine Schwierigkeiten jetzt erst richtig begannen. Müde schleppte sich Charlot voran. Wider Erwarten hatte der Enzephalophant den Blitzschlag ohne Schäden überstanden. Charlot stand allerdings immer noch unter dem Schock, den ihm der Blitz versetzt hatte. Das unentwegte Geplapper in seinem Innern war fast gänzlich verstummt. Seine Bewegungen waren fast roboterhaft geworden. Immerhin, er lebte noch, und Moxey hatte Hoffnung, daß der Enzephalophant im Lauf der Zeit wieder der alte wurde. Der teure Gerätepark aber, den Moxey sich vor dem Aufbruch zugelegt hatte, besaß nur noch Schrottwert. Die Energie war zu den Apparaten durchgeschlagen und hatte sie völlig zerstört. Irgendwo weit hinter Charlot lag der Schrotthaufen, der einmal Moxeys stolzer Besitz gewesen war. Der reine Materialwert ließ sich vielleicht noch verschmerzen – wesentlich wichtiger aber war, daß Moxey ohne diese Geräte in den Einöden Cirgros kaum eine Chance hatte, etwas Lohnendes zu finden. Lediglich die Handbücher hatten die Katastrophe unversehrt überstanden, desgleichen die mechanischen Werkzeuge und Arbeitshilfen. Der gesamte positronische Hilfspark hingegen war unwiederbringlich verloren.
Verzweiflung hatte sich des Prospektors bemächtigt. Mit diesem vorsintflutlichen Hilfsmaterial etwas aufspüren zu wollen, glich dem Unterfangen, mit verbundenen Augen in einem riesigen Kohlehaufen ein Perle zu finden. Moxey hatte nur einen Ausweg gesehen – ein Wagnis, daß er unter anderen Umständen niemals eingegangen wäre. Er war unterwegs in einem Gebiet, das offiziell den Krelquotten gehörte. Moxey hatte nicht die leiseste Ahnung, was ihm blühte, wenn die Krelquotten ihn beim Suchen und Schürfen erwischten. Unangenehm würde es wohl in jedem Fall werden. Krelquotten gab es überall auf Cirgro zu finden. Auf den ersten Blick erinnerten ihre Körper an die von Bären – bis zu einer Körperhöhe von fast drei Metern. Ihre Pelze waren in der Regel in allen Schattierungen von braun bis schwarz eingefärbt, aber man hatte auch schon fast schneeweiße und gefleckte Exemplare gefunden. Unbezweifelbar waren die Krelquotten intelligent, allerdings hatte sich nie herausfinden lassen, wie intelligent sie im Durchschnitt waren. Es gab Leute, die allen Ernstes behaupteten, es gäbe in den Krelquotten-Gebieten regelrechte Städte – Moxey hielt das für Phantastereien, denn die Krelquotten wurden in der Regel weit verstreut in kleineren oder größeren Sippenverbänden gesichtet. In gewisser Weise waren die Krelquotten äußerst gutmütig. Die Umstände auf Cirgro brachten es mit sich, daß größere Schürfunternehmungen ganze Berge umgruben oder riesige Löcher im Boden hinterließen. Die Krelquotten hatten sich niemals beschwert. Der Versuch, einen gewissen Tauschhandel mit ihnen einzugehen, war königlich gescheitert. Man hätte sie für simple Tiere halten können, wäre da nicht das seltsame Phänomen der abgegrenzten Territorien gewesen. Das Erschreckende an diesen Phänomen war die Sanftheit, mit der die Krelquotten ihren Willen durchsetzten. Soweit es bekannt geworden war, war noch nie ein Prospektor von einem Krelquotten
angegriffen worden – dennoch konnten sie auf geheimnisvolle Weise einen gewissen Zwang ausüben, der die Daila dazu brachte, die Rechte der Krelquotten zu achten und die anderen Lebewesen das Schürfen sogar gänzlich verleidete. Wie die Krelquotten das bewerkstelligten, blieb ihr Geheimnis. Die Erfahrungen der Vergangenheit hatten die Daila vorsichtig gemacht – unter anderem die einfache Tatsache, daß ein paar Vorwitzige, die lauthals verkündet hatten, auf Krelquottenjagd gehen zu wollen, von ihren Unternehmungen waffenlos, bleich und seltsam schwiegsam zurückgekehrt waren. Über Cirgro war die Nacht hereingebrochen. Moxey hatte sich dafür entschieden, sich bei Tag mit seinem Enzephalophanten zu verstecken und nur des Nachts zu reisen. Ob ihn das davor bewahren konnte, von den Krelquotten entdeckt zu werden, würde sich erst noch erweisen müssen. »Langsamer«, bestimmte Moxey. Der Enzephalophant hatte ein Plateau erreicht, auf dem der massige Leib unschwer auszumachen sein würde. Moxey ließ den Enzephalophanten anhalten und stieg aus. Sorgfältig suchte er die Umgebung ab, bevor er Charlot weitermarschieren ließ. Moxey wußte, daß er auf dem Gebiet der Krelquotten große Aussichten hatte, etwas zu finden – warum sonst sollten die Krelquotten dieses Gelände für sich beanspruchen. Gelang ihm das nicht, war Moxey verloren. Er besaß außer dem Enzephalophanten nichts mehr von Wert, den seltsamen Kristall ausgenommen, aber dessen Wert reichte bei großzügigster Schätzung nicht aus, Moxey zu retten. Zwar hatte Moxey den Eindruck, Gamyhn sei ihm zugetan, aber er war sich auch recht sicher: wenn es um Geld und damit um die Möglichkeit ging, Cirgro verlassen zu können, verstand Gamyhn nicht den geringsten Spaß. Moxey traute ihr sogar zu, daß sie zum Äußersten schritt, wenn er seine Schulden bei ihr nicht begleichen
konnte – sie würde ihn selbst pfänden und versteigern lassen. »Stehenbleiben«, bestimmte Moxey. Charlot hielt an einem Hang an. Ein Teil des Plateaus war hier abgebrochen. Moxey sah sich draußen um. Der Hang führte einigermaßen sanft siebenhundert Meter in die Tiefe. Ob Charlot das durchhielt? Von der Kraft her bestimmt, aber der Enzephalophant war reichlich unaufmerksam seit dem Blitzschlag, und wenn er erst einmal in Stolpern geriet … Moxey beschloß, den Hang erst einmal allein zu erkunden, bevor er Charlot hinunter dirigierte. Mit ein bißchen Glück fand er vielleicht einen leichten Weg in die Tiefe. Auf allen vieren mußte Moxey sich teilweise bewegen, wenn er nicht abgleiten wollte. Ausgeschlossen, den Enzephalophanten in seiner derzeitigen Verfassung dort hinabzuschicken. Tränen der Wut stiegen in Moxeys Augen. Einen anderen Weg zu finden, kostete ihn mindestens zwei Tage – begleitet von der allgegenwärtigen Gefahr, einem Krelquotten zu begegnen. »Was habe ich getan, daß die Schicksalsmächte mich so strafen?« murmelte Moxey. Ab und zu überkamen ihn solche Zustände, in denen er mit seinem Schicksal haderte. In der Regel fing die Prozedur mit Jammern und Klagen an, verwandelte sich dann in eine mehrstündige handfeste Depression und endete schließlich in einem explosiven Wutausbruch. Danach konnte Moxey sein Leben in der üblichen Haltung der Resignation fortsetzen. Als die Wutphase kam, begann Moxey, mit allem um sich zu werfen, das ihm in die Finger geriet. Da er diesmal seiner Verzweiflung nicht mit größeren Mengen Alkohol nachgeholfen hatte, fiel der Ausbruch milde aus und ließ Moxey wenigstens einen Teil seiner Wahrnehmung. Daher fiel ihm irgendwann auf, daß er Leuchtgeschosse durch die Luft schickte, die beim Aufprall in Kaskaden von Funken auseinanderstoben.
Moxey hielt inne. Was war das für ein Material? Moxey kniete nieder und untersuchte den Boden in seiner Nähe genauer. Das Gestein war relativ weich und mürbe, es ließ sich schon recht gut mit dem Messer bearbeiten, das Moxey am Gürtel führte. Mit dem Geologenhammer, der am Gürtel eines jeden Prospektors baumelte, ging die Arbeit noch leichter vonstatten. Schon nach kurzer Zeit hatte Moxey eine ganze Reihe der geheimnisvollen Leuchtsteine gefunden, die meisten in der Größe einer kleinen Perle, aber auch ein nußgroßes Stück. Moxey schluckte. War das der Fund, auf den er seit jeher gewartet hatte, die alles entscheidende Entdeckung? So schnell er konnte, krabbelte er zu seinem Enzephalophanten zurück. Er brauchte Licht. Der Handscheinwerfer war noch intakt, allerdings konnte der Akku nicht mehr aufgeladen werden, so daß Moxey mit der Energie vorsichtig umgehen mußte. Der Prospektor eilte zu der Fundstelle zurück. Gehetzt sah er sich um. In der Nähe war niemand zu sehen. Moxey strengte seine Augen an, aber er sah niemanden. Außer Charlot und ihm schien es kein lebendes Wesen weit und breit zu geben. Schließlich schaltete Moxey den Handscheinwerfer ein. Sein heller Strahl fiel auf das Felsgeröll. Was Moxey zu sehen bekam, war vornehmlich taubes Gestein, eine rötliche Masse, ein wenig schwarz gemasert, aber ansonsten reichlich uninteressant – wären da nicht die seltsamen Einsprengsel gewesen. Sie hatten eine völlig glatte Oberfläche, als wären sie vom Wind und vom Wasser im Lauf vieler Jahrtausende glattgeschliffen worden. Im Licht leuchteten sie nicht, aber dafür schillerten sie in allen Farben des Spektrums. Niemals zuvor hatte Moxey etwas
Ähnliches gesehen. Mit fieberhaftem Eifer begann Moxey zu graben. Er nahm den Hammer zur Hand und grub. Es sah fast so aus, als wäre er gleich beim ersten Anlauf auf die Mutterader gestoßen. Natürlich war der weitaus größte Teil des zutage geförderten Materials taubes Gestein, aber immer wieder fanden sich darin die seltsamen Kugelgebilde – mal heller, mal dunkler schillernd, aber in jedem Fall faszinierend. Moxey spürte kaum den fieberhaften Eifer, mit dem er seine Suche fortsetzte. Vergessen waren die Stadt und Gamyhn, vergessen die Not und die allgegenwärtige Gefahr der Krelquotten. Alles, was jetzt noch für Moxey zählte, waren die Kugelgebilde, von denen er noch nicht wußte, ob sie Halbedelsteine waren, Erze oder sonst etwas – Moxey spürte nur eines: das war der große, einmalige Fund, nach dem er sich immer gesehnt hatte. Wie besessen grub er weiter. Die Ausbeute war nicht schlecht – es gab etliche der Kugelgebilde. Die meisten waren klein, von Stecknadelkopfgröße an aufwärts bis zur Murmel, aber einige waren besonders schön und groß. Moxey fand sogar ein Exemplar, daß er mit der Faust nicht zu umschließen vermochte. Er nahm sich gar nicht erst die Zeit, seinen Fund auf seinen Wert hin zu untersuchen. Zwar hatte er keinen positronisch gesteuerten Analysator mehr, aber was schadete das. Im Handbuch – soviel hatte Moxey festgestellt – waren diese Kristalle nicht zu finden. Egal, um was es sich handelte – sein Fund war in jedem Fall einzigartig. Es gab kein vergleichbares Material auf Cirgro. Das Material lag schwer und warm in Moxeys Hand, und es gab für den Prospektor keinerlei Zweifel, daß diese seltsamen Steine der Schlüssel zum Erfolg waren. Er mußte nur genug davon finden und zur Stadt schaffen – danach war alles andere ein Kinderspiel. Reich würde er sein – unermeßlich reich, der wohlhabendste Mann auf Cirgro. Endlich würde er es den niederträchtigen Mineralienhändlern heimzahlen können. Er würde statt ihrer das Geschäft an sich reißen und Cirgro beherrschen. Seine Entscheidung
würde in allen Fragen den Ausschlag geben – wenn es ihm nur gelang, seinen Fund entsprechend auszubeuten. Moxey richtete sich auf. Mit seinem Blick umfaßte er, was von Cirgro wahrnehmbar war. Viel war es nicht, die Phantasie mußte ersetzen, was der Blick nicht leistete – all das würde künftig ihm gehören. Nur ihm! Was scherten ihn Aklard und andere Planeten.
6. Moxey erwachte. Seine Glieder schmerzten, aber in seinen Adern raste nach wie vor das Fieber. Seit zehn Tagen war der Prospektor an der Arbeit. Er hatte seinen Schatz systematisch vergrößert, bis er ein Volumen erreicht hatte, das kaum noch zu bewältigen war. Nach Moxeys Schätzung hatte er knapp eine halbe Tonne verwertbares Material gefördert und dabei mehr als zwanzig Tonnen Taubgestein bewegt. Entsprechend ausgelaugt fühlte sich der Prospektor. Selten zuvor in seinem Leben hatte er so angestrengt gearbeitet. Normalerweise gab es zwischen den einzelnen Schürfperioden mehrere Tage, in denen die Prospektoren unterwegs waren und nicht mehr taten, als ihre Enzephalophanten zu steuern. Moxey verließ Charlot. Draußen war es wieder dunkel. Moxey hatte nur nach Einbruch der Dämmerung gearbeitet – tagsüber war das Gelände zu gut einzusehen. Einen Krelquotten hatte Moxey in dieser Zeit nicht zu Gesicht bekommen, weder bei Tag noch bei Nacht. Für den Enzephalophanten hatte der Prospektor ein gutes Versteck finden können. Allerdings hatte das Versteck den entscheidenden Nachteil, daß Moxey sein Fundmaterial hatte kilometerweit schleppen
müssen. Um die Krelquotten nicht auf sein Wühlen aufmerksam zu machen, hatte Moxey sich angestrengt, die Spuren seiner Arbeit nach Kräften zu verwischen. Dadurch war die Arbeit noch mühseliger geworden. Moxey hatte jedes Loch wieder zugeschüttet und das Gelände so arrangiert, daß man nur bei entsprechend scharfem Hinsehen etwas von Moxeys emsiger Tätigkeit bemerken konnte. Moxey machte sich auf den Weg zur Fundstelle. Noch eine Nacht lang wollte er graben und schürfen, danach wollte er seine Beute sammeln und damit in die Stadt zurückkehren. Während er den langen Weg zur Fundstelle zurücklegte, hing der Prospektor seinen Tagträumen nach. Er war sicher, daß an diesem Platz nicht nur das. zu finden war, was er bisher aufgestöbert hatte – alles sah danach aus, als habe Moxey hier eine außerordentlich ergiebige Lagersullr der Mineralien gefunden, von denen er eines als Amulett am Hals trug. Wenn die Krelquotten dergleichen zulassen würden – womit Moxey allerdings selbst in seinen kühnsten Phantasien nicht rechnete –, hätte man an dieser Stelle ein regelrechtes Bergwerk errichten können. Der Besitzer der Schürfrechte – also Moxey – hatte dann alle Aussicht, der reichste Daila des Planeten zu werden, vermutlich reich genug, sich später einen eigenen kleinen Planeten zu kaufen. Moxey schwelgte in solchen Träumen. In Gedanken konstruierte er seinen luxuriösen Wohnsitz – mehr ein Palast als ein Haus – in dem er künftig zusammen mit Gamyhn dem Wohlleben nachgehen wollte. Er konnte die einzelnen Räume gleichsam plastisch vor sich sehen. Er sah auch die gewaltige Flotte von Frachtschiffen, die ihm einmal gehören würden, und die seinen Reichtum noch weiter steigern würden. Die besten Raumfahrer der Galaxis würden sich darum reißen, für Moxey zu arbeiten, sein Wort konnte künftig das Schicksal ganzer Planeten entscheiden. Mit dem geeigneten Material gedachte Moxey Cirgro
umzugestalten -Wettermaschinen würden dafür sorgen, daß die Sommer nicht mehr so brütend heiß, die Winter nicht länger frostklirrend waren. Bewässerungsanlagen würden aus Wüsteneien blühende Gärten machen … Nur ab und zu, sehr beiläufig, dachte Moxey noch an Aklard. Der Gedanke, zur Heimatwelt der Daila zurückzukehren, hatte für den Prospektor jeglichen Reiz verloren. Moxey war in Gedanken dabei, sich ein Spezialraumschiff zu entwerfen, in dem er die Galaxis durchstreifen wollte, als er den Fundort erreichte. Erschrocken blieb er stehen. Irgend etwas hatte sich geändert, und von einem Augenblick auf den anderen stürzte Moxey aus den Himmelshöhen seiner Wolkenkuckucksheime hinab in die Abgründe der Verzweiflung. Hatte einer der Jäger seine Fährte gefunden? War das Geheimnis gelüftet? Moxey sah sich sehr genau um. Beim Graben und Wühlen hatte er viel Staub und Sand aufgewirbelt, und es hatte ihn an jedem Morgen viel Zeit gekostet, die Spuren seiner Arbeit verschwinden zu lassen. Jetzt aber waren Spuren zu sehen. Irgend jemand hatte sich in Moxeys Schatzkammer umgesehen. Moxey murmelte eine Verwünschung. Er inspizierte die Spuren genauer. Sie wirkten auf Moxey beängstigend – es war nicht zu übersehen, daß sich jemand dort herumgetrieben hatte. Aber dieser Jemand hatte sich ebenfalls Mühe gegeben, seine Fährte unkenntlich zu machen. Aus den Veränderungen auf dem Boden ließ sich beim besten Willen nicht ablesen, ob ein Daila, ein Krelquotte oder ein anderes Lebewesen sich dort aufgehalten hatte. Nur eines stand fest: Jemand war an der Stelle gewesen, und dieser Jemand war jetzt nicht mehr da. Er hatte sich auch Mühe gegeben, sein Erscheinen zu vertuschen.
Für Moxey ergaben sich daraus zwei schreckerregende Konsequenzen. Entweder war der Besucher ein Krelquotte gewesen, der jetzt vielleicht zu seinen Gefährten zurücktrabte, um Verstärkung zu holen … Oder es handelte sich um einen anderen Prospektor, der nur auf Moxeys Erscheinen wartete, um … Moxey ließ den Handscheinwerfer erlöschen. Mit dem Ding in der Hand gab er eine prächtige Zielscheibe für einen meuchlerischen Schützen ab, der sich irgendwo im Nachtdunkel versteckt hatte. Moxey fühlte sein Herz bis zum Hals schlagen. Es gab nur eine Möglichkeit für ihn – so schnell wie möglich zu verschwinden, bevor er angegriffen wurde. Moxey nahm die Beine in die Hand und eilte zum Versteck des Enzephalophanten zurück. Moxey wußte, daß er keine Chance hatte, seinen Fundplatz noch einmal aufzusuchen. Entweder die Krelquotten würden ihn daran hindern oder der unbekannte Prospektor. Die Krelquotten würden Moxey zwar nicht töten, aber er nahm kaum an, daß die Urbewohner von Cirgro ihm seine Beute belassen würden. Bei einem gegnerischen Daila mußte Moxey darauf gefaßt sein, aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden. Folglich gab es für Moxey nur einen Ausweg – er mußte mit seiner Beute so schnell wie möglich die Stadt erreichen. Solange er der einzige Prospektor war, der diese Kristalle anbieten konnte, hatte er die Preise in der Hand. Erschien ein zweiter Anbieter, konnten die gerissenen Makler der Mineralienbörse die beiden gegeneinander ausspielen, und daß sie in dieser Kunst unerreichte Meister waren, wußte Moxey aus leidvoller Erfahrung. Es war eine Frage der Zeit – die sich auf das Problem reduzieren ließ, wie schnell Charlot sich bewegen konnte. »Ich Narr«, murmelte Moxey. An hochwertigem Futter für den Enzephalophanten hatte es Moxey nicht fehlen lassen, aber wegen des Versteckspiels hatte
Charlot kaum eine Gelegenheit bekommen, Sonnenlicht zu tanken. Ein Dauergalopp war unter diesen Umständen auszuschließen – erst recht, wenn der Enzephalophant eine schwere Mineralienladung zu tragen hatte. Moxey sah in seiner Not keinen anderen Ausweger mußte den größten Teil seines Fundes in der Nähe verstecken, um Charlots Last zu verringern. Moxey stieg ein und weckte den Enzephalophanten. Charlot hatte für Nachtmärsche nicht viel übrig. Der Schock des Gewittersturms hatte den Enzephalophanten gezeichnet. Moxey dirigierte den Enzephalophanten. Er ließ Charlot ein paar Haken schlagen, bevor er sich auf den Kurs zurück in die Stadt machte. Immer wieder ließ Moxey den Enzephalophanten anhalten, damit sich der Prospektor in der näheren Umgebung umsehen konnte. Von irgendwelchen Verfolgern war nichts zu sehen, aber das allein reichte nicht aus, Moxey zu beruhigen. Er hatte sich an seiner Fundstelle völlig sicher gewähnt, und plötzlich war seine Zukunft wieder im höchsten Maß gefährdet – ein Gedanke, der Moxey überhaupt nicht gefiel. Sobald der Morgen graute, ließ Moxey den Enzephalophanten ein leidlich sicheres Versteck aufsuchen. Dort konnte Charlot seinen Fächerschwanz ausbreiten und Sonnenlicht tanken – Moxey sah keinen anderen Ausweg. Nach ein paar Stunden hatte Charlot genügend Energie aufgenommen, um sich wieder etwas flotter bewegen zu können. Den Kurs bestimmte Moxey nach dem Grundsatz, stets einen Umweg einzuschlagen – wenn jemand ihm auflauerte, dann vermutlich auf der schnellsten Strecke zurück in die normalen Gebiete, die den Daila zur Verfügung standen. Charlot brauchte zwei Tage und Nächte, in denen Moxey vor Aufregung kein Auge zumachte, bis endlich wieder ein Bereich erreicht war, auf dem ein Prospektor sich mit seinem
Enzephalophanten legal bewegen durfte. Moxey stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
* Sie waren zu dritt, ihre Gesichter drückten eine höhnische Entschlossenheit aus, und die Waffen in ihren Händen waren geladen. Moxey konnte die Kontrolleuchten sehen. Er schluckte heftig. »So sieht man sich wieder«, sagte Krirrer mit boshafter Freundlichkeit. »Wir wußten, daß du früher oder später wieder hier auftauchen würdest.« Natürlich, schoß es durch Moxeys Kopf. So viele Möglichkeiten gab es schließlich nicht. Keinem Prospektor wäre es eingefallen, in der Nähe einer Stadt seinen Enzephalophanten noch querfeldein traben zu lassen. Man hielt sich an die Straßen, und deren Anzahl war begrenzt. »Was wollt ihr?« fragte Moxey. Er war aus dem Enzephalophanten ausgestiegen, als er dem mächtigen Stamm auf dem Weg entdeckt hatte. Daß dahinter drei Bewaffnete auf ihn lauerten, hatte Moxey zu spät gemerkt. Ob die drei etwas von seinem Fund wußten? Nein, entschied Moxey für sich. Die Kleidung der drei Männer wirkte sauber und gepflegt, soweit man das bei den Lebensbedingungen auf Cirgro überhaupt sagen konnte. Er fragte sich, woher die drei überhaupt wußten, wann er ankam, aber dann sah er ein paar Schritte vom Weg entfernt das Robotwiesel zu seinen Herren zurückeilen – ein Roboter mit variabler Oberflächengestalt, der sich hervorragend jedem Terrain anzupassen wußte und ohne Spezialmittel schwer zu entdecken war. Ein furchtbarer Schrecken erfaßte Moxey.
Wie lange war dieser heimliche Späher in seiner Nähe gewesen? Hatte er die Spuren hinterlassen, die Moxey am Fundort wahrgenommen hatte? »Nicht viel«, antwortete Krirrer. An seinem Gesichtsausdruck ließ sich unschwer ablesen, daß er keine Sekunde zögern würde Moxey niederzuschießen, wenn er sich nicht fügsam zeigte. »Du willst das Geld zurück, das ich dir abgenommen habe«, vermutete Moxey. Krirrer stieß ein spöttisches Kichern hervor. Seine Augen bewegten sich hektisch, und in Moxey wuchs der Verdacht, daß Krirrer unter Rauschgifteinfluß stand. Seine beiden Begleiter kannte Moxey nicht, aber es war zu sehen, daß es sich um Burschen handelte, denen solche Aktionen wohlvertraut waren. »Du wirst uns alles geben, was du hast«, sagte Krirrer. »Danach kannst du deiner Wege ziehen – natürlich nicht in unsere Stadt.« Die nächste vergleichbare Siedlung lag zwanzig Tagesreisen mit einem Enzephalophanten entfernt. Moxey wußte, daß er sie niemals würde erreichen können. »Was habt ihr mit Gamyhn gemacht«, stieß Moxey hervor. Die drei brachen in schallendes Gelächter aus. Was an seiner Frage so ungemein erheiternd war, begriff Moxey nicht – aber er nutzte die Gunst des Augenblicks und versuchte zu fliehen. Er kam nicht weit. Unmittelbar neben ihm schlug der Strahl auf den Boden und ließ einen Regen verflüssigten Gesteins aufstieben. Die Lavatröpfchen brannten sich durch Moxeys Kleidung, rasender Schmerz zuckte durch Moxeys linkes Bein. Er drehte sich herum. Krirrer hatte einen Fehler gemacht – Charlot war von dem Schuß in ähnlicher Weise geschockt worden wie von dem Gewitter. Vermutlich konnte der Enzephalophant gar nicht zwischen einem Blitz und dem Strahl einer Thermowaffe unterscheiden. Der klobige Körper des Enzephalophanten machte einen Satz, wie
ihn Moxey noch nie gesehen hatte. Charlot sprang genau auf die drei Bewaffneten zu, und sie fanden keinerlei Zeit mehr zu einer Reaktion. Mit ungeheurer Wucht prallte Charlot auf sie und warf sie gegen den mächtigen Baumstamm, mit dem die drei den Weg abgeriegelt hatten. Moxey hörte einen furchtbaren Schrei, dann das Geräusch des Aufpralls, danach einen Ton, der an das Bruchgeräusch eines Astes erinnerte. Charlot prallte wieder zurück. Wie besessen drehte sich der Enzephalophant um seine Achse. In den ersten Sekunden hatte Moxey keine Augen für ihn – er sah nur die drei Gestalten am Boden liegen, die Glieder seltsam verdreht. »Ruhig, Charlot«, schrie Moxey. Er rannte zu dem Enzephalophanten hinüber, unterdrückten den Schmerz in seinem Bein und versuchte seinen Gefährten zu beruhigen. Nach einiger Zeit gelang es ihm auch. Charlot zitterte zwar noch am ganzen Leib, aber er blieb wenigstens stehen. Vorsichtig ging Moxey zu den Wegelagerern hinüber. Zwei mußten auf der Stelle tot gewesen sein, einer schien noch zu leben – es war Krirrer, und an der Körperhaltung des Prethers konnte Moxey erkennen, daß er sich bei dem Aufprall die Wirbelsäule gebrochen hatte. Er sah den Haß in den Augen Krirrers, als er näherkam. Der Prether hatte die Waffe noch auf der offenen Handfläche liegen, und an der mimischen Reaktion des Prethers konnte Moxey erkennen, daß Krirrer nicht mehr fähig war, die Waffe zu ergreifen und Moxey damit niederzuschießen. »Verschwinde«, krächzte Krirrer, als Moxey Anstalten machte, die Verletzung des Prethers genauer zu untersuchen. »Du brauchst einen Arzt«, stieß Moxey hervor. Er wußte, daß Krirrer ihn ohne Zögern getötet hätte, aber er brachte es nicht fertig, den Schwerverletzten liegen zu lassen.
»Du hast zu hoch gespielt«, sagte Moxey. Er trat einen Schritt zurück und sah auf den am Boden liegenden Prether hinab, der die Zähne gefletscht hatte. »Und du hast verloren – ich werde diesen Planeten verlassen, wenn ich es will, und zwar zusammen mit Gamyhn.« Wieder lachte Krirrer, und der Ton hämetriefender Freude, der in diesem Gelächter lag, erschreckte Moxey bis ins Mark. Was hatten diese Verbrecher mit Gamyhn gemacht? Bevor Moxey noch danach fragen konnte, hörte Krirrers Hohngelächter auf. Ein Ächzen kam über die Lippen des Prethers, dann fiel sein Kopf zur Seite; die Augen brachen, er war tot. Moxey mußte sich an dem Stamm festhalten, um nicht umzufallen. Dies war der erste wirkliche Kampf seines Lebens gewesen, und nun lagen drei Männer tot auf dem Boden von Cirgro. Moxey bekam einen trockenen Mund. Er ging zu Charlot zurück, der sich unterdessen wieder beruhigt hatte. Moxey überlegte, ob er die Toten bestatten sollte. Er entschied sich dafür, das den Behörden zu überlassen. Er lenkte den Enzephalophanten um das Hindernis herum, was Charlot außerordentliche Anstrengung kostete, dann setzte er den Marsch auf die Stadt fort. »Halt an!« rief Moxey plötzlich. Charlot stoppte abrupt, und der Prospektor stürzte aus dem Enzephalophanten. Hastig eilte er zurück. Ein paar Schritte von den Toten entfernt saß das Robotwiesel auf dem Boden. Moxey bekam es zu fassen und desaktivierte den Robot. Danach sah er sich das Befehlsprogramm und die Aufzeichnung an. Das Wiesel war ihm nicht während der ganzen Zeit gefolgt – Krirrer oder jemand anders hatte den Robot weit vor der Stadt auf Moxeys Enzephalophanten warten lassen. Ein Funkspruch hatte dann die Wegelagerer herangerufen.
Moxey gab sich Mühe, nicht allzuviele Teile des Robotwiesels zu berühren – man würde es bei den Toten finden, und bei der unvermeidlichen Verhandlung war der Robot ein wichtiges Beweisstück. Moxey warf einen Blick auf den Himmel. Es wurde Zeit, daß er die Stadt erreichte. Charlot brauchte eine knappe Stunde, um den Enzephalophantenpark zu erreichen. Moxey gab Charlot ab und bezahlte die erste Futterwoche. Der stark abgesackte Preis für das Futter zeigte Moxey, daß die Raumschiffe mit der kostbaren Fracht inzwischen gelandet waren. Gamyhns Prophezeihung hatte sich als richtig erwiesen. Da Moxey noch genügend Bargeld besaß, mietete er sich einen Gleiter, der ihn ins Zentrum der Stadt transportierte. Die Stadt war leerer als Moxey sie in Erinnerung hatte – der größte Teil der Prospektoren hatte sich offenbar kurz nach der Landung der Frachtschiffe mit allem Nötigen eingedeckt und war aufgebrochen in die Wildnis. Zurückgeblieben waren die normalen Bewohner der Stadt, die sich auf den nächsten Einfall der Prospektoren vorbereiteten. Moxey war zwei Tage früher zurückgekehrt, als er mit Gamyhn abgesprochen hatte. Im vereinbarten Quartier war sie nicht zu finden. Moxey nahm sich ein Zimmer, diesmal in einem der besseren Quartiere der Stadt. Jetzt kam es auf ein paar Münzen nicht mehr an – entweder war Moxeys Beute wertvoll, dann konnte er ruhig großzügig sein, oder aber sein Fund erwies sich als wertlos, und dann konnte es nicht schaden, wenn er sich vor dem unvermeidlichen grausamen Ende noch ein wenig Luxus gönnte. Allerdings hatte Moxey nicht den geringsten Zweifel daran, daß er ein riesiges Vermögen im Inneren seines Enzephalophanten verborgen hatte. Ein paar Probestücke hatte Moxey eingesteckt. Er wollte zunächst
den Marktwert seines Fundes ermitteln, bevor er mehr davon verkaufte. Über das Gesicht des Prospektors flog ein Grinsen. Es würde für Gamyhn sicherlich eine große Überraschung werden, wenn Moxey einen Teil seines Schatzes bereits in Bargeld verwandelt hatte, wenn er mit ihr wieder zusammentraf.
7. Eines stand für Moxey fest – seinen Landsleuten wollte er seine Kristalle nicht zeigen. Mit den parabegabten Daila zu verhandeln war ohnehin ein schwieriges Unterfangen, vor allem dann, wenn man dieser Gabe nichts entgegenzusetzen hatte. Am liebsten wäre es Moxey gewesen, hätte er seine gesamte Ausbeute an einen Raumschiffskapitän verkaufen können, der ihn nach dem Handel von Cirgro mitnahm. Es wäre die einfachste und sauberste Lösung gewesen. Raumfahrer traf man für gewöhnlich in den Kaschemmen unmittelbar am Raumhafen. Es gab ein paar dieser Lokale, in denen nur Fremdlebewesen verkehrten und Daila sich nur selten sehen ließen. Die anderen Bewohner Manam-Turus, die das seltsam gespannte Verhältnis der Daila auf Cirgro untereinander und mit dem Planeten kannten, hatten für die Ausgestoßenen wenig mehr übrig als Spott und Verachtung. Es würde also nicht leicht sein, einen Verhandlungspartner zu finden. Moxey war dennoch guten Mutes, wußte er sich doch im Besitz von erlesenen Kostbarkeiten. Der Prospektor mietete sich ein weiteres Mal einen Gleiter und fuhr damit zu einer Schänke, von der er wußte, daß dort die unterschiedlichsten Geschäfte getätigt wurden. Als er den Gastraum betrat, sah er sich sofort im Mittelpunkt des
allgemeinen Interesses. Mindestens vierzig Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Die Mienen der meisten waren eindeutig ablehnend. Daila waren hier offenbar nicht gern gesehen. Moxey schob sich durch die Menge zur Bar vor. Dahinter standen zwei stämmige Baluchther, die Moxey finster anstarrten. Moxey bestellte ein Getränk, und daß er sich für etwas Alkoholfreies entschied, trug auch nicht dazu bei, Moxeys Ansehen zu steigern. Moxey nippte an dem Drink und sah sich um. Anhand der Kleidung der Gäste versuchte Moxey herauszufinden, wer von ihnen für ein Geschäft in Frage kam. »Was willst du hier?« wurde Moxey von hinten gefragt. Er drehte sich um und sah in das Gesicht eines Baluchthers. Die dunkelroten Augen waren leicht zusammengezogen. »Ein Geschäft machen«, sagte Moxey. »Nicht bei uns«, sagte der Baluchther rauh. »Ein Geschäft, das für alle Beteiligten von Vorteil ist«, ergänzte Moxey. »Was hast du anzubieten?« fragte der Baluchther nach einer peinlich langen Pause. Moxey zögerte einen Augenblick. Er wußte, es kam jetzt auch auf die Zeit an. Nur ein schneller Abschluß konnte einen genügend hohen Gewinn abwerfen. Er brachte eine Probe seiner Beute zum Vorschein, eine der kleineren Perlen. In der künstlichen Beleuchtung wirkte das Schillern und Glitzern besonders eindrucksvoll. Der Baluchther warf nur einen flüchtigen Blick auf die Perle. »Ist das alles?« fragte er, und die Verwunderung in seiner Stimme klang echt. »Nur eine Probe«, beeilte sich Moxey zu versichern. Immerhin ließ sich der Baluchther nun wenigstens dazu herab, die Perle in die Hand zu nehmen. Er warf sie hoch und fing sie wieder auf. »Nicht besonders schwer, auch nicht besonders schön. Aus dem
Zeug kann man höchstens Ketten für die Eingeborenen von irgendwelchen Primitivwelten herstellen. Nun gut, ich mache dir ein Angebot – vorausgesetzt, du kannst eine ganze Raumschiffsladung davon liefern.« Der Preis, den der Moxey nannte, entsprach der Einschätzung als reichlich wertloser Tand. Moxey schluckte. Er war auch als Händler nicht besonders gut. Aber so begriffsstutzig war Moxey nun auch wieder nicht – es war offenkundig, daß das Angebot des Baluchthers kein Trick war, der den Partner erst einmal aus der Fassung bringen sollte. Der Baluchther meinte sein Angebot bitter ernst. Moxey rettete sich in ein überlegenes Lächeln. »Dann nicht«, sagte er und versuchte den Schock zu überspielen, den der Baluchther ihm versetzt hatte. Sollte er sich im Wert seines Fundes derartig geirrt haben? Der Baluchther machte eine abschätzige Geste und entfernte sich. Er ließ einen ziemlich ratlosen Moxey zurück. Allerdings fand der Prospektor bald wieder zu seiner Zuversicht zurück. Er hielt nach einem anderen potentiellen Käufer Ausschau. Nach einiger Zeit hatte Moxey einen Ichthyaner ausgemacht, den irgendein Zufall aus seinem Bezirk von Manam-Turu nach Cirgro verschlagen hatte. Die Abzeichen an der Dienstkleidung des Ichthyaners verrieten, daß er Lademeister eines Frachtraumers war. Die sorgfältig gepflegte Waffe an seinem Gürtel und die hellwachen Augen ließen Moxey vermuten, daß er es mit verkappten Händlern zu tun hatte – von einigen Bewohnern Manam-Turus wurde das seltsame Völkergemisch allerdings auch als Piratenbande bezeichnet. Moxey bewegte sich auf den Ichthyaner zu. »Darf ich mich zu dir setzen?« fragte er. Ichthyaner waren bekannt dafür, daß einige ihres Volkes sehr ehr-pusselig sein konnten und beim geringsten Etikettenfehler zur Waffe griffen.
Der Ichthyaner sah auf und musterte Moxey, dann machte er eine Geste der Gleichgültigkeit. Moxey setzte sich. »Ich sehe, daß du Lademeister bist«, eröffnete Moxey die Unterhaltung. »Kannst du auch sehen, daß ich weder an Bord noch in einem Frachtbüro bin?« gab der Ichthyaner zurück. Das war schroff, aber Moxey dachte nicht daran, so schnell aufzugeben. »Ein gutes Geschäft kann man überall abschließen«, sagte er bedeutungsvoll. Wieder vergingen einige Sekunden, bevor der Ichthyaner seine Aufmerksamkeit wieder Moxey zuwandte. »Hast du ein gutes Geschäft anzubieten?« fragte er mit mildem Spott. »Vielleicht«, antwortete Moxey, dem wieder ein wenig unwohl in seiner Haut wurde. Wieder brachte er eine Perle zum Vorschein, diesmal wählte er ein größeres Exemplar. Der Ichthyaner sah sich das Stück gründlich an. »Hübsch«, sagte er. »Aber nichts, weswegen man nach Cirgro fliegen müßte.« »Untersuche sie genauer«, sagte Moxey verwirrt. Wie konnte sein sicherer Eindruck nur so stark von der Meinung der anderen abweichen? Moxey begriff es nicht. Man konnte den Wert doch förmlich spüren. Moxey wußte, daß er Kostbarkeiten mit sich herumschleppte. »Meinetwegen«, sagte der Ichthyaner. »Kann ich die Probe haben?« Moxey leckte sich die Lippen, dann nickte er. »Du kannst sie analysieren«, gestand er zu. Immerhin bekam Moxey so die erste wissenschaftliche Analyse seines Fundes, auch das war etwas wert. Offiziell konnte er sie nicht untersuchen lassen, wenn er seinen Fund nicht ruchbar werden lassen wollte, und für
ein geeichtes Analysegerät fehlte ihm das Geld – das letzte Gerät, das er besessen hatte, war dem Blitz zum Opfer gefallen. Nach mehr als einer Stunde tauchte der Ichthyaner wieder auf. Moxey stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, der ihm in der Kehle steckenblieb, als er die Mimik des Ichthyaners studierte. Der Raumfahrer bebte vor Zorn, seine Hand wich keinen Millimeter von Kolben seiner Waffe. Moxeys Nackenhaare richteten sich auf. Was war nun schon wieder danebengegangen? Wenn der erzürnte Ichthyaner Moxey auf der Stelle niederschoß, würde sich niemand darum kümmern. Wer mit einem Ichthyaner zu tun hatte, mußte das Risiko kennen. In Ehrenfragen waren die Ichthyaner unerbittlich – und sehr leicht zu erzürnen. »Wenn dir nicht eine sehr gute Erklärung einfällt«, zischte der Ichthyaner zornbebend, »wirst du diesen Raum nicht lebend verlassen.« »Ich habe dich nicht beleidigen wollen«, sagte Moxey verstört. »Und was soll das hier?« Der Ichthyaner legte einen Datenstreifen auf den Tisch. Moxey griff danach. Es war eine Analyse des Minerals, das er dem Ichthyaner gegeben hatte. Nach diesen Daten enthielt die Perle durchaus normale Bestandteile, wenn auch in einer eigenartigen Zusammensetzung. Seltsam war, daß es trotz des einwandfrei kristallinen Aussehens der Probe keine erkennbare Kristallstruktur im Innern gab. Der Ichthyaner deutete auf einen der Meßwerte. »Das einzig Bewerkenswerte an diesem Ding ist dieser Stoff«, sagte der Ichthyaner grollend. Moxeys offenkundige Fassungslosigkeit schien seinen Groll ein wenig gedämpft zu haben. »Er kommt auf meiner Heimatwelt vor und ist nichts weiter als ein hochwirksames Abführmittel.« Moxey schluckte und riß die Augen weit auf. »Das habe ich nicht gewußt«, stotterte er leise. »Wirklich nicht.«
Der Ichthyaner starrte ihn durchbohrend an. Noch immer hatte er eine Hand an der Waffe. Ab und zu schielte Moxey darauf. Der Ichthyaner machte eine gebieterische Handbewegung. Moxey duckte sich, nahm den Analysestreifen an sich und verschwand unter dem Hohngelächter der Gäste aus dem Lokal. Es war eine furchtbare Demütigung gewesen, und Moxey begriff noch immer nicht ganz, wie ihm geschehen war. War er verrückt oder waren es die anderen? Moxey sah zu, daß er sich von der Kneipe entfernte, bevor der Ichthyaner sich anders besann. Nach einem halbstündigen Spaziergang erreichte Moxey eine Gaststätte, in der es lediglich Essen gab und keinen Alkohol. Sie war nur spärlich besucht, und während Moxey auf das Essen wartete, konnte er den Analysestreifen eingehender studieren. Die Verärgerung des Ichthyaners war durchaus verständlich, stellte Moxey fest. Es gab wenig Besonderes an der Perle. Die Zusammensetzung in chemischer Hinsicht war mehr als simpel, ein Kristallgitter gab es nicht, und das Material sandte auch keine Strahlung aus. Von der inneren Schwere her war es uninteressant. Und doch – wenn Moxey an seinen Fund dachte, dann gab es für ihn keine Zweifel. Er konnte den Wert spüren. Nun gut, wenn die anderen so dumm waren – irgendeiner würde sich schon überzeugen lassen. Der Pächter der Gaststätte brachte das Essen. Personal konnte er sich wohl nicht leisten, oder er war zu geizig dafür. Moxey wußte nicht, welchem Volk sein Wirt angehörte – vermutlich stammte er von einem felidoiden Säuger ab. Der Körper war an allen sichtbaren Stellen von einem grauschwarz getigerten Fell bedeckt, die Augen waren gelblich, und die Zähne wiesen auf Fleischfresser hin. Der Wirt war zum wenigsten stattlich zu nennen, wenn nicht korpulent – aber er bewegte sich außerordentlich flink und geschmeidig. »Du siehst aus, als hättest du Kummer«, sagte der Wirt.
Er gehört wohl zu der plauderseligen Sorte, vermutete Moxey. Warum nicht, ihm war nach einem friedfertigen Gespräch zumute, und so kam ihm diese Einladung zu einer Plauderei durchaus recht. »Es ist nicht ganz so arg«, antwortete Moxey. Ohne zu lügen, fügte er hinzu: »Das Essen ist gut.« Zufriedenes Lächeln tauchte auf dem Pelzgesicht auf. »Ich bin der Beste weit und breit«, verkündete der Wirt. »Nenne mich Quanor.« Mit einer Handbewegung forderte Moxey Quanor auf, sich an seinen Tisch zu setzen. Der Wirt holte noch einen Krug mit Saft und zwei Becher, dann setzte er sich. Während Moxey das wirklich gute Essen verzehrte, gab der Wirt Geschichten zum Besten, die sich in den letzten Jahren in der Stadt zugetragen hatten – in der Regel Prospektorenschicksale, die sich untereinander sehr ähnelten. Es gab nur vollständigen Sieg oder eine verheerende Niederlage. »Manch einer hat schon geglaubt, den großen Fund gemacht zu haben, und dann war es doch nur Abfall.« »Es gibt aber doch objektive Meßmethoden«, gab Moxey mit vollem Mund zu bedenken. Quanor wiegte den Kopf. »Was ist an Tharyt wichtig außer der Härte«, sagte er. »Aber das Zeug ist selten und sieht hübsch aus – ein Beutel voll davon würde dich zum reichen Mann machen.« Moxey mußte lachen. Tharyt hatte noch niemand auf Cirgro gefunden, nicht den kleinsten Splitter – wer darauf hoffte, durch Tharyt reich zu werden, griff besser vorher zum Strick. Die anderen Gäste, sieben an der Zahl, kümmerten sich nicht um das Geplauder der beiden. Sie widmeten sich ausschließlich dem Essen. Einer der Besucher kam Moxey bekannt vor, aber da er den Gast nur von hinten sehen konnte, wurde er sich nicht klar darüber, ob er den Mann kannte oder nicht. »Ich bin ein guter Charakterkenner«, behauptete Quanor. Den
Spruch hatte Moxey schon von Dutzenden von Wirten gehört, er schien unabdingbarer Bestandteil des Gewerbes zu sein. »Pech gehabt hast du nicht«, fuhr Quanor fort. »Das kann man dir ansehen.« Er grinste breit. »Dann würdest du nämlich anderswo billiger essen.« Moxey erwiderte das Grinsen. Treffer. »Und den großen Fund hast du auch nicht gemacht – dafür ist dein Gesicht zu angespannt.« Quanor schien wirklich ein guter Beobachter zu sein. Die Sache wurde Moxey langsam ein wenig unheimlich, und er begann darüber nachzudenken, wie er aus dem Gespräch einigermaßen höflich hinauskam. »Also«, schloß Quanor, »hast du etwas gefunden, was man noch nicht kennt und du nicht an den Mann bringen kannst.« Hatte Quanor eine so gute Wahrnehmung oder gar telepathische Fähigkeiten? Moxey wurde mulmig zumute. »Ich habe Verbindungen«, wisperte Quanor, leicht vorgebeugt. »Wenn du willst – zeig mir, was du hast.« Das verschwörerische Gehabe Quanors mußte den anderen Gästen auffallen, und Moxey verspürte nicht wenig Lust zu gehen. Aber ein Versuch konnte nicht schaden. Wenigstens konnte sich Quanor nicht so entrüsten wie Moxeys vorherige Gesprächspartner – schließlich hatte er das Thema angeschnitten. Moxey förderte die kleinste Perle zutage, die er besaß. Quanor warf einen skeptischen Blick darauf. »Hmmm«, murmelte er. Seinem Mienenspiel war unschwer zu entnehmen, daß er von Moxeys Probe nicht überzeugt war. Moxey wollte gerade die Hand ausstrecken, um die Perle wieder an sich zu nehmen, als an einem der Nachbartische ausgerechnet der Mann aufstand, von dem Moxey insgeheim vermutet hatte, daß er ihn kannte. Der Prospektor wurde bleich. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Shanby!
Shanby gehörte einem daila-ähnlichen Volk an, er war schlank, fast hager, hochgewachsen und bewegte sich stets auf seltsam schleichende Art. Das allein hätte Moxey nicht erschrecken können. Aber Shanby war auch bekannt als einer der besten Telepathen von Cirgro … Moxeys Gedanken überschlugen sich. Unter gar keinen Umständen durfte er jetzt an … Zurück, er durfte ja nicht an … Moxey begann zu schwitzen. Er schaffte es einfach nicht, seinen Gedanken einen unverfänglichen Inhalt zu geben. Lähmende Angst breitete sich in dem Prospektor aus, als Shanby mit seinem seltsamen Gang näherkam. Der Telepath wußte ganz genau, daß er Moxey erwischt hatte. Sein widerwärtig überlegenes Grinsen bewies das ganz genau. Moxey wollte die Flucht ergreifen, aber Shanby war schneller. »Vielleicht kann ich helfen«, sagte er mit knarrender Stimme. Quanor, der ihm den Rücken zugekehrt hatte, sah erst jetzt auf. »Natürlich«, rief er aus. »An dich habe ich gar nicht gedacht. Du verstehst doch auch etwas davon. Sieh dir das einmal an.« Quanor war nicht nur ein Charakterkenner, sondern offenkundig auch ein formidabler Schwätzer, der kein Geheimnis für sich behalten konnte. Er streckte die Hand mit der Perle darin aus und hielt sie vor Shanbys Gesicht. Der Telepath zuckte zusammen, als sei er von einem Blitzstrahl getroffen worden. Sein Gesicht verfärbte sich, sein Atem stockte. Bei dieser überaus heftigen Reaktion begann Moxey Hoffnung zu schöpfen. Das Gefühl schlug jäh ins Gegenteil um, als Shanby sich mit einem Ächzen an den Hals griff. Seine Beine gaben nach, er brach in die Knie. Moxey sprang auf und starrte Shanby an, der den Blick nicht von der Perle wenden konnte. Die anderen Gäste waren aufmerksam geworden und starrten zu Moxey und den beiden anderen hinüber.
Shanby begann am ganzen Leib zu zittern, er verdrehte die Augen, dann kippte er mit einem weiteren Ächzen zur Seite und polterte auf den Boden. »Gib her!« sagte Moxey schnell und riß Quanor die Perle aus der Hand – nur ihr Anblick konnte die Ursache für Shanbys Zusammenbruch gewesen sein, auf welche Weise auch immer. »Stehenbleiben«, rief eine herrische Stimme. Moxey sah einen Strahler auf sich gerichtet und gehorchte. Die beiden Männer, die mit Shanby an einem Tisch gesessen hatten, kamen mit drohender Miene näher. »Was hast du mit ihm gemacht? Ihn vergiftet?« »Ich …«, stotterte Moxey, der nicht begriff, was eigentlich geschehen war. Charakterkenner, Klatschbase und nun Deserteur – Quanor wechselte blitzartig die Fronten und deutete anklagend auf Moxey. »Es war seine Perle. Irgendein elendes Spukzeug. Mir ist auch schon ganz übel.« Vor Angst, dachte Moxey wütend, dann richtete er sein Augenmerk auf die beiden Bewaffneten. Sie sahen zu allem entschlossen aus. »Los, rede, wie hast du das gemacht? Und was hat man dir dafür gegeben, den großen Shanby zu ermorden?« Moxey warf einen verzweifelten Blick auf den Telepathen, der mit verdrehtem Körper und verzerrtem Gesicht auf dem Boden lag und sich nicht rührte. Wahrscheinlich war er tot – und Moxey konnte sich ausrechnen, daß er der nächste Tote sein würde. Bevor sie ihn niederschossen, wollten Shanbys Begleiter aber noch wissen, wie Moxey den Angriff auf den Telepathen bewerkstelligt hatte. Sie bauten sich vor Moxey auf, die Strahler auf den Bauch des Daila gerichtet. Fordernd streckte einer der beiden die Hand aus. »Her damit!« »Da, er bewegt sich wieder …«
Quanors Aufschrei war Moxeys Rettung. Die Begleiter des Telepathen waren zu seinem Glück keine geschulten Leibwächter, denn sie drehten sich beide zu Shanby um. Die Verzweiflung gab Moxey den Mut zu seiner Handlung. Mit zwei Faustschlägen, in die er alle Kraft seines bedrohten Lebens legte, schaltete er die beiden Bewaffneten wenigstens für ein paar Augenblicke aus, sie knickten ein und ließen die Waffen fallen. Moxey rannte los und rannte dabei auch noch Quanor über den Haufen. Moxey hatte kaum die Tür verlassen, als auch schon der erste Strahlschuß die Dunkelheit zerriß. Auf jedem anderen von Daila besiedelten Planeten hätte der Schuß die Nachbarschaft aufgescheucht und eine allgemeine Hetzjagd ausgelöst – auf Cirgro gab es das nicht, und so konnte Moxey, aus Leibeskräften rennend, ein paar Haken schlagen und sich davonmachen. Er blieb erst stehen, als seine Lungen ihm fast den Dienst versagten und sich die Brandverletzungen an seinem Bein schmerzhaft in Erinnerung brachten. Erschöpft und völlig niedergeschlagen lehnte Moxey an einer Mauer und schüttelte immer wieder verzweifelt den Kopf. Was war nur geschehen?
8. Eine halbe Stunde lang quälte sich Moxey herum, bevor er den vereinbarten Treffpunkt mit Gamyhn aufsuchte. Die letzten Stunden waren eine einzige Abfolge von Mißerfolgen gewesen. Insgesamt sieben Mal hatte Moxey versucht, seine Kristalle an den Mann zu bringen – ohne den geringsten Erfolg. Niemand außer ihm schien die Schönheit und den Wert der Kristalle erkennen zu können. Moxey hatte schon erwogen, sich an die Mineralienbörse zu
wenden, den Gedanken aber wieder verworfen. Er wollte das Geschäft nicht mit der Börse abschließen, auch nicht mit anderen Daila. Und bei fremden Intelligenzen kam Moxey mit seinen Kristallen nicht an. Der Prospektor hatte nur noch einen winzigen Funken Hoffnung, von dem er selbst nicht wußte, woher er die Nahrung bezog. Sein Verstand sagte Moxey, daß er verraten und verkauft war, daß es besser für ihn war, die Stadt schleunigst zu verlassen und zu versuchen, ein paar Jahre lang irgendwo als Einsiedler versteckt in der Wildnis zu leben. Danach war vielleicht Gras über die Angelegenheit gewachsen, irgend jemand hatte Gamyhn die Passage nach Aklard bezahlt, und Moxey konnte unter neuem Namen versuchen, sich wieder eine Existenz aufzubauen. Als Treffpunkt hatte er mit Gamyhn eine Spielhalle ausgemacht, in der nur lizensierte positronische Glücksund Geschicklichkeitsspiele ausgetragen werden durften – einen Ort, der nach den Wertvorstellungen von Cirgro ein Muster an Anständigkeit und Gesetzestreue war. Er fand Gamyhn sofort und ging auf sie zu. Sein Auftauchen schien sie förmlich überwältigt zu haben – Moxey konnte sehen, wie sie die Augen aufriß und heftig schluckte. Sie gebärdete sich, als sei er von den Toten auferstanden. Wieder hielt Moxey sich zurück und schloß sie nicht in die Arme. Er begrüßte sie freundlich und unterdrückte dabei sein Glücksgefühl. Niemals zuvor war er von einer Frau mit einem solchen Ausdruck der Überwältigung empfangen worden. »Wie ist es dir ergangen?« wollte Gamyhn wissen. »Ich habe Glück und Pech gehabt«, antwortete Moxey. »Ich werde dir alles berichten.« Wie er nicht anders erwartet hatte, bekam Gamyhn glänzende Augen, als er von seinem Fund berichtete. »Und am Grenzgebiet der Stadt hat man mir aufgelauert«, fuhr Moxey fort. Mit der Wahrheit gedachte er es jetzt nicht so genau zu
nehmen. »Krirrer und zwei andere wollten mir alles abjagen.« »Und?« Moxey lächelte überlegen. »Es kam zum Kampf, und jetzt sind die drei tot.« Sie mußte unter Krirrer fürchterlich gelitten haben. Moxey konnte den auflodernden Haß in ihren Augen sehen, als sie sich an Krirrer erinnerte. Dann beruhigten sich ihre Züge wieder. »Fahr fort«, forderte sie ihn auf. Folgsam berichtete Moxey seine weiteren Erfahrungen. Je mehr sich die Pleiten aneinanderreihten, um so leiser wurde seine Stimme, während sich ihre Gesichtszüge verhärteten. »So sieht es aus«, endete Moxey, nun recht kleinlaut geworden. Gamyhn stieß einen Seufzer aus. »Zeig her«, sagte sie nach einigem Zögern. »Ich will es mir wenigstens ansehen.« Moxey zeigte ihr die Probe. Diesmal hatte er eines seiner schönsten Stücke ausgewählt, ein glitzerndes Juwel von der Größe einer Faust. Wieder weiteten sich Gamyhns Augen. Mit zitternden Händen griff sie nach dem Kristall. Sie schloß die Augen und befühlte Moxeys Mitbringsel. Ihr Atem ging ungewöhnlich schnell. »Ja«, murmelte sie kaum verständlich. Ihre Stimme klang heiser vor Erregung. »Du hast recht.« Sie öffnete die Augen und sah Moxey leidenschaftlich an. »Wieviel hast du davon?« fragte sie halblaut. »In dieser Größe nur wenige«, erklärte Moxey. »Kleinere in großer Menge, zusammen mindestens tausend Stück.« Gamyhn begann zu lächeln. »Das wird genügen«, murmelte sie. Sie zögerte einen Augenblick, dann gab sie das Mineral ab. Moxey konnte sehen, wie sehr sie sich dabei überwinden mußte. »Du kannst ihn behalten«, sagte er gönnerhaft. »Ich habe genug
davon, und schließlich sind wir Partner.« Gamyhn drückte ihm das Mineral in die Hände. »Später«, sagte sie. Sie schien mit ihren Gedanken weit entrückt zu sein. Ihr Atem beruhigte sich langsam wieder. »Hast du noch ein kleineres Stück«, fragte sie. »Ein ganz kleines?« Moxey nickte. Er wollte die Perle an Gamyhn weitergeben, aber zu seiner Verwunderung wehrte sie ab. Er legte die Perle auf den Tisch. Fasziniert starrte Gamyhn auf das Farbspiel des Minerals. »Wieviel?« Moxey hatte gar nicht bemerkt, daß sich ihm von hinten jemand genähert hatte. Es war ein Daila-Prospektor wie er – und der Mann schien völlig den Verstand verloren zu haben. Er stierte unablässig auf die Perle, als sei sie das kostbarste Gut des Kosmos. Moxey wollte antworten, aber Gamyhn schnitt ihm sofort das Wort ab. »Laß mich das machen«, sagte sie in einem Tonfall, der Moxey sofort davon überzeugte, daß sie die geschäftstüchtigere in dieser Partnerschaft war. Gamyhn sah den verrückten Prospektor an. »Was bietest du?« Die Antwort des Prospektors ließ Moxey den Unterkiefer herunterklappen. Der Preis, den der Prospektor freiwillig anbot, war geradezu aberwitzig. Einen Augenblick lang zögerte Moxey. Er empfand es als unverfroren, einen solchen Preis zu akzeptieren – dann sagte er sich, daß es Sache des Prospektors war, seine finanziellen Interessen zu wahren, und nicht die Moxeys. »Gibt es noch mehr davon?« fragte der Prospektor. »Auch größere?« Gamyhn lächelte mit kalter Freundlichkeit. »Es gibt mehr«, antwortete sie ruhig. »Auch größere – und der Preis steht noch nicht fest.« Zum ersten Mal zeigte der kaufwillige Daila einen Anflug von Realitätssinn.
»Wieso?« fragte er verblüfft. »Was hat das zu bedeuten?« Gelassen klärte Gamyhn ihn auf. »Die Ware ist neu auf dem Markt. Ihr Wert ergibt sich aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage. Wir wissen nicht, was uns ein anderer für dieses Stück bieten wird.« Moxey wollte empört den Mund öffnen, um zu protestieren. Der Preis, den der Kunde freiwillig geboten hatte, war hoch genug, es gab in Moxeys Augen keinen Grund, ihn noch weiter anzutreiben. Gamyhn schnitt ihm wieder mit einer Handbewegung das Wort ab, bevor er auch nur einen Ton über die Lippen gebracht hatte. »Ich werde dein Angebot notieren. Du bist Kunde Eins, und dein Angebot bezieht sich auf Stück eins.« Sie trug einen kleinen positronischen Kalkulator mit sich. Dort trug sie die Daten ein. Sie lächelte den Prospektor an. »Du siehst, du bist der erste, der sich dafür interessiert. Dein Angebot ist gespeichert. Komme morgen vorbei und frage nach dem Stand der Dinge. Dann erfährst du von mir, wie deine Chancen stehen. Und ganz nebenbei – der Preis kann natürlich auch fallen. Ich will ein ganz sauberes Geschäft machen.« Der kaufwütige Prospektor kniff die Augen zusammen. »Gut«, stieß er hervor. »Morgen also. Und wo?« Gamyhn lächelte. »Das wird sich zeigen«, antwortete sie. »Ich bin sicher, du wirst mich morgen ohne Schwierigkeiten finden.« Der Daila zögerte noch einen Augenblick, dann nickte er und eilte davon. »Mußte das sein?« fragte Moxey. »War der Preis nicht hoch genug?« Gamyhn lächelte überlegen. »Weißt du, ob wir noch einmal eine solche Chance bekommen?« fragte sie. »Es ist der Kunde, der den Preis bestimmt. Sollen wir uns, wenn die Nachfrage die Preise noch höher treibt, vorwerfen lassen, wir hätten unsauber gehandelt, weil wir dieses Stück dem zufällig
ersten Kunden viel zu billig abgegeben haben? Verstehst du, was ich meine – wir werden ein wenig warten, bis sich ein durchschnittlicher Preis herausgebildet hat. Und dann werden wir zu diesem Tarif verkaufen. Sauberer, finde ich, kann man als Händler nicht arbeiten.« Moxey nickte. Gamyhns Argumente klangen recht einleuchtend, aber irgend etwas störte Moxey. Gamyhn setzte ihr gewinnendstes Lächeln auf. »Schließlich müssen wir auch an unsere Zukunft denken«, sagte sie leise. »Und nicht nur an unsere … nicht wahr?« Moxey errötete ein wenig. So weit hatte er seine Zukunftsphantasien in bezug auf Gamyhn noch nicht getrieben. »Sicher«, sagte er ein wenig verlegen. »Ganz bestimmt hast du recht.« »Gut. Ich werde mich um den Handel kümmern, während du deine Ware in die Stadt bringen wirst. Aber ganz heimlich – niemand darf dich sehen.« Wieder senkte sich ihr Blick in Moxeys Gesicht. »Ich halte es auch für besser, wenn du gar nicht öffentlich in Erscheinung trittst«, fuhr Gamyhn fort. »Man könnte dir sonst sehr lästige Fragen stellen.« Moxey nickte. Diesen Aspekt hatte er noch nicht bedacht – nur über ihn konnten andere den genauen Ort der Fundstelle erfahren. Allerdings auch von dem Geheimnisvollen, dessen Spuren dort von Moxey entdeckt worden waren. Aber den hatte Moxey längst vergessen.
* Moxey hatte in der Stadt schon allerhand Aufruhr und Durcheinander erlebt, aber das was sich in den letzten Tagen dort abspielte, stellte alles in den Schatten.
Moxey betrachtete das Thohuwabohu aus gebührender Entfernung. Gamyhn hatte kurzerhand für einen Stein aus Moxeys Vorräten das Haus in der Stadt gekauft, das den sichersten privaten Tresor besaß. Dort wickelte sie ihre Geschäfte ab. Die restlichen Räumlichkeiten hatte sie an Wirte vermietet, die zu überhöhten Preisen die Kauflustigen mit Nahrungsmitteln und Getränken versorgten. Moxey hatte es sich in einer dieser Kneipen bequem gemacht und nippte vorsichtig an seinem Drink. In dieser Gaststätte ging es verhältnismäßig ruhig zu. Entsprechend einer zwei Tage alten Tradition trafen sich hier die Glücklichen, denen Gamyhn einen von Moxeys Kristallen verkauft hatte. Moxey trug ebenfalls einen Kristall – ein sehr bescheidenes Stück, um kein Aufsehen zu erregen. In der Tasche schleppte er noch einen der größten Steine herum, den er gefunden hatte. Die Stimmung in dieser Gaststätte hatte etwas Euphorisches. Die Gäste zeigten einander die Steine, prahlten mit der Schönheit ihrer Stücke – und alle priesen sich glücklich, überhaupt einen Stein zu besitzen. Moxey konnte es kaum glauben – die Daila von Cirgro nannten seine Funde »Glückssteine«, und sie gebärdeten sich, als hinge von dem Besitz eines solchen Steins das Leben ab. Der »Glücksstein«-Wahnsinn hatte einen Tag gebraucht, um diese Stadt in ihren Bann zu schlagen. Ein weiterer Tag hatte genügt, um sämtliche anderen Städte einzubeziehen, und heute waren Kaufsüchtige aus allen Regionen Cirgros in der Stadt versammelt. Sie kamen von überall her, und Moxey wurde den Verdacht nicht los, daß etliche ihre ganze Habe veräußert, sich vielleicht sogar in Schulden gestürzt hatten – nur um an einen der Steine heranzukommen. Für die winzigen Perlen hatte sich inzwischen ein einigermaßen stabiler Preis entwickelt. Er lag weit über dem ersten Angebot, das
Moxey gehört hatte. Noch steiler kletterten die Preise für große Stücke, von denen Gamyhn noch nicht ein einziges Stück verkauft hatte. Aus marktpflegerischen Gründen, wie sie Moxey gegenüber behauptet hatte. Seltsam war, daß keiner, der ein Stück erworben hatte, bereit war es weiterzuverkaufen. Ein Zweithandel mit »Glückssteinen«, war gar nicht erst in Gang gekommen. Dafür hatte es in der Stadt bereits etliche Raubüberfälle und sogar zwei Morde gegeben – alle in Verbindung mit den Glückssteinen. Der Trubel war so gewaltig, daß die Skrupel in Moxey von Stunde zu Stunde wuchsen. Er wußte aber auch, daß er die Entwicklung nicht mehr aufhalten konnte. So mußte er zusehen, wie rings um das Gebäude herum gefeilscht und geschachert wurde. Prospektoren verkauften alles, was sie besaßen, sogar ihre Enzephalophanten. Neben Gamyhn und Moxey, die ihren neuen Reichtum in Zahlen kaum angeben konnten, waren die Hauptverdiener bei diesem hektischen Geschehen die Fremdintelligenzen. Für die Glückssteine interessierten sie sich überhaupt nicht. Sie machten die Geschäfte am Rande. »He, was ist denn das? Soll man das glauben?« Moxey sah auf. An einem der Fenster der Kneipe hatten sich etliche Daila versammelt und starrten auf die Straße hinab. Unauffällig gesellte sich Moxey dazu. Der Anblick, der sich ihm bot, war wirklich bemerkenswert. Zu Tausenden drängten sich die Daila auf den Straßen, stritten um Plätze in den Käuferschlangen und versuchten, ihre Habseligkeiten zu verkaufen. Und mitten in dieser Menge stand ein Roboter. Moxey konnte ein Kichern nicht unterdrücken. War ein übergeschnappter Daila auf die Idee gekommen, sich in dem Gedränge von einer Maschine vertreten zu lassen? Oder steckten Raumfahrer dahinter? In jedem Fall erregte der Robot Aufsehen.
Moxey verfolgte das weitere Geschehen. Der Robot wartete geduldig, bis er das Gebäude betreten konnte, dann blieb er für einige Zeit verschwunden. Als er wieder zu sehen war, baumelte an seinem Körper ein Glücksstein. »Verrückt« murmelte Moxey. Die Gaststätte füllte sich immer mehr. Moxey sah es mit Vergnügen. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie die Geschäfte standen, das überließ er Gamyhn, deren Geschick auf diesem Gebiet unübersehbar war. Bereits am ersten Tag hatte sie sich eine Gruppe von Leibwächtern zugelegt, während Moxey die ersten Gewinne dazu genutzt hatte, Charlot wieder komplett ausrüsten zu lassen und sich neue Kleidung zuzulegen. Weiter wagte er sich nicht von dem Bild zu entfernen, das er früher gezeigt hatte. Gamyhn hatte völlig recht – sein Anteil an dieser Angelegenheit durfte nicht bekannt werden. Moxey konnte zufrieden sein. Sein Glück war in jeder nur denkbaren Beziehung gemacht – für ihn hielt die Zukunft keine Sorgen mehr bereit. Moxey konnte Gamyhn für ihre Tatkraft und Energie nur bewundern, diese Frau wußte, was sie wollte, und sie setzte sich durch. Mit ihr an seiner Seite schien Moxey nichts mehr unmöglich. Nur ab und zu dachte Moxey an die Krelquotten. Wußten die Urbewohner überhaupt von der Existenz dieser Steine oder von deren Wert? Moxey vermutete, daß dem nicht so war. Die Glückssteine schienen nur für die Daila von Wichtigkeit zu sein Daila mit solchen Steinen waren weniger verdrossen und zänkisch als ihr Artgenossen. Die Stimmung in der Gaststätte war der beste Beweis dafür – zu anderer Zeit, an einem anderen Ort hätte es bereits Streitigkeiten gegeben. Unter dem Einfluß der Glückssteine versprach Cirgro sogar ein Planet zu werden, auf dem sich leben ließ. Bei sich selbst konnte
Moxey spüren, daß er im Augenblick gar keine Lust hatte, Cirgro zu verlassen und nach Aklard zurückzukehren. Das konnte natürlich auch daran liegen, daß ein Mann mit seinem Vermögen alle Mittel zur Verfügung hatte, sich an jedem beliebigen Ort wohnlich einzurichten. Eine Idee schoß durch Moxeys Kopf und brachte ihn zum Kichern. Wenn der erste Boom mit den Kristallen abgeflaut war, wollte er kurzerhand die Mineralienbörse ruinieren und das Gebäude zu seiner Residenz ausbauen. Warum nicht? Geld besaß er jetzt genug. Die Summen, mit denen Gamyhn im beiderseitigen Interesse nun umging, hatten längst eine Größenordnung erreicht, die alle Vorstellungen eines kleinen Prospektors sprengte. Wenn Moxey daran dachte, konnte ihm schwindlig werden. Mit soviel Geld im Hintergrund sollte es eigentlich kein Problem sein, die Kontrolle über Cirgro zu übernehmen. Irgendwann würde er sich als der Finder der Glückssteine zu erkennen geben … und wenn die Daila von Cirgro ihn dann nicht zu ihrem Oberhaupt machten, wollte er nicht länger Moxey heißen. Irgendwann wurde die Kunde von den Glückssteinen sicherlich nach Aklard getragen – und dann mußten die Hochnäsigen von Aklard bei ihren ausgestoßenen Artgenossen nach den Steinen betteln. Was für ein Triumph. Die Nachfrage würde ins Unermeßliche steigen. Moxey würde jede Forderung durchsetzen können, die ihm nur einfiel – und sicherlich würde es auch einen Weg geben, sich auf andere Art mit den Krelquotten zu arrangieren. Danach konnte Moxey dann auf sämtliche Fundstellen des Planeten zurückgreifen. Der Prospektor riß sich zusammen. Tagträumen nachzuhängen war gewiß eine feine Sache, aber man durfte darüber nicht die Wirklichkeit aus den Augen verlieren. Und in diesem Augenblick war Moxey nichts weiter als ein einfacher Prospektor, der von seinesgleichen nicht für voll
genommen wurde. Und was die Psi-Fähigkeiten betraf, würde er für die Verhältnisse von Cirgro immer ein Außenseiter bleiben. Moxey besorgte sich einen neuen Drink. Der Verkaufstag neigte sich seinem Ende zu. Gamyhn war da sehr streng. Sie öffnete ihr Geschäft pünktlich, und zu einer festgesetzten Zeit wurde der Verkauf abgeschlossen. Außerdem heizte der Geschäftsschluß die Stimmung für den nächsten Tag nur noch mehr an. Überall in der Stadt würden in der Nacht Daila beieinander stehen, über die Glückssteine reden. Die schon einen Stein besaßen, würden mit ihrer Schwärmerei den leer ausgegangenen das Maul wäßrig machen. Morgen konnten die Preise dann noch ein bißchen mehr anziehen. Moxey hatte mit Gamyhn verabredet, daß er sich ganz wie normal verhalten sollte – ein Vorschlag, der Moxey durchaus in den Kram paßte. Er verließ diesen Bereich der Stadt und machte einen kurzweiligen Bummel durch andere Regionen. Überall wurde von den Glückssteinen geredet, und in einigen Kneipen ging es so gutgelaunt und friedlich zu, daß Moxey die Daila kaum mehr wieder erkannte. Ein paar Stunden später torkelte ein schwachbeiniger Moxey in sein Quartier, angefüllt mit berauschenden Getränken und noch berauschenderen Träumen. Er hatte sich prächtig amüsiert. Auf dem Rückweg ging Moxey noch einmal am Geschäft vorbei. In Gamyhns Arbeitszimmer brannte noch Licht. Wahrscheinlich war sie noch mit der Tagesabrechnung beschäftigt. »Braves Mädchen«, murmelte Moxey.
9. Ein Erdbeben dieser Heftigkeit hatte Moxey noch nicht erlebt. Der
Boden bäumte sich auf, vollführte einen aberwitzigen Tanz, während der Himmel zu einer Drehbewegung ansetzte und Donnergetöse in Moxeys Ohren gellte. Endlich begriff Moxey, daß er nicht in eine Naturkatastrophe geraten war. Irgend jemand versuchte, durch die doppelte Nebelschicht des Rausches und des Schlafs an sein Bewußtsein heranzukommen. »Rrruhelassen«, murmelte Moxey. Er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und brauchte seinen Schlaf. »Steh auf, gellte eine Stimme in seinen Ohren«, die nur einem Sternenteufel gehören konnte. »Los, werde wach!« Mühsam brachte Moxey die Erkenntnis zustande, daß es sich bei dem Gekreisch um die Stimme einer Frau handelte. »Schlafen, Gamyhn«, bat er und versuchte sich wieder in eine bequeme Lage herumzudrehen, aber eine feste Faust rüttelte nach wie vor an seiner Schulter, und das Gebrüll in seinen Ohren hielt an. »Schafft kaltes Wasser her«, sagte die Frau. Die Vorstellung, man könnte ihn mit eisigkaltem Wasser übergießen, entsetzte Moxey so sehr, daß er wenigstens zur Hälfte in die Wirklichkeit zurückkehrte. »Was soll das?« fragte er unwirsch und richtete sich halb auf. Die Person, die sich neben seinem Bett aufgebaut hatte, war eine Frau, aber nicht Gamyhn. Moxey erkannte die Barfrau wieder, in deren Kaschemme er Gamyhn kennengelernt hatte. Die Verwunderung darüber ließ ihn noch ein wenig wacher werden. »Verschwindet«, brüllte er die Frau an. Hinter ihr stand der versoffene Alte aus der gleichen Spelunke. »Laßt mich schlafen.« »Du wirst bald für immer schlafen«, keifte die Frau. Ein Schwall kalten Wassers platschte über Moxeys Leib und ließ ihn bis ins Mark erzittern. Mit einem Schlag war er hellwach. »Also, was gibt es?« fragte er wütend. »Weswegen habt ihr mich geweckt?«
»Wo ist sie?« fragte Darph. Von Hinfälligkeit war bei dem alten Mann nicht mehr das geringste zu merken, seine Stimme klang wie die eines hungrigen Raubvogels. »Wer, bei allen Sternen?« fragte Moxey. »Gamyhn, du Narr«, sagte die Frau. »Wo hast du sie versteckt?« »Ich?« fragte Moxey entgeistert zurück. Die Frau wechselte einen raschen Blick mit Darph. »Genau wie ich es erwartet habe«, sagte sie mit unverhohlener Wut. »Es wäre auch ein Wunder, wenn ausgerechnet er es wüßte.« Moxey hatte noch immer nicht begriffen, worum es ging. Er hatte nur verstanden, daß Gamyhn verschwunden war, und er sah, daß seine Besucher gehen wollten. »Hiergeblieben!« sagte Moxey mit aller Kraft, die ihm sein Schädel zuließ. »Was habt ihr überhaupt mit Gamyhn zu tun? Sie ist meine Partnerin.« Das höhnische Gelächter der Frau ließ in Moxey die Ahnung aufsteigen, daß in diesem Augenblick der schwärzeste Tag seines Lebens begann. »Hör dir diesen Narren an«, sagte die Frau giftig. Sie sah Moxey mit einem Gesichtsausdruck an, der zwischen Verachtung und Mitleid schwankte. »Hör zu, Kleiner«, sagte die Frau. »Damit du begreifst, worum es geht. Hast du wirklich geglaubt, eine Frau wie Gamhyn würde sich mit einem Narren wie dir abgeben?« Eisige Kälte kroch an Moxeys Rücken hoch. »Gamyhn ist unsere Partnerin«, fuhr die Frau fort. »Wir haben phantastische Geschäfte mit ihr gemacht, sie hatte eine einzigartige Para-Gabe.« Ein neuer Tiefschlag für Moxey. »Sie hatte einen untrüglichen Riecher für erfolgreiche Prospektoren. Sie hat an diesem Abend genau gewittert, daß du etwas Wichtiges gefunden hattest.« »Ich wüßte nicht, was«, entfuhr es Moxey.
»Dieser veränderliche Kristall«, bekam er zu hören. »Gamyhn hat es genau gespürt, daß er dich zu einem wirklich großen Fund führen würde. Und dann haben wir ein kleines Spielchen mit dir gemacht – wir sind ein gutes Team, nicht wahr?« Moxey kniff sich in den Arm. Es tat weh, also war das kein Alptraum. Blitzartig schälten sich die Zusammenhänge heraus, die Moxey nicht hatte sehen wollen. Das barsche Wegschicken des trunksüchtigen Alten, die eindringliche Warnung, die Kneipe schnell zu verlassen, der abgedroschene Spruch, wonach er besser sei als andere Männer, die äonenalte Schluchzgeschichte von der ins Elend geratenen Unschuld – das waren einige der Leimruten, die man für einen Gimpel der naivsten Sorte ausgelegt hatte. Die gespielte Wut der Barfrau, Moxeys Glück im Spiel – auch das gehörte dazu, um ihn in Sicherheit zu wiegen. »Und sie hat sich nicht geirrt«, sagte die Frau. »Du hast den Fund gemacht – meine Hochachtung.« Der Spott war ätzend und traf. »Und das Darlehen«, fragte Moxey in dem verzweifelten Bemühen, seine Schande zu mildern. Die Frau lachte. »Sieh dir das Dokument ruhig noch einmal an. Die mit Geheimfarbe eingetragene zusätzliche Null müßte inzwischen klar zu lesen sein. Gamyhn ist nie ein Risiko eingegangen.« »Krirrer hat auch zu euch gehört«, murmelte Moxey geschockt. »Du kannst froh sein, daß Gamyhn dich dafür nicht umgebracht hat. Krirrer war ihr Adoptivvater, die einzige Person, an der sie wirklich gehangen hat.« Daher also Gamyhns Fassungslosigkeit, dachte Moxey. Er hatte sich aufgeführt wie ein Narr. Wahrscheinlich hatte die Meute alle Mühe gehabt, ihre Heiterkeit über sein Betragen zu unterdrücken. »Und jetzt?« fragte Moxey.
»Gamyhn ist verschwunden. Das Geschäft hätte seit einer halben Stunde anlaufen sollen, aber von Gamyhn fehlt jede Spur.« Wider Willen mußte Moxey grinsen. Er war also nicht der einzige, der auf die Ränke von Gamyhn hereingefallen war. Sie hatte alle übers Ohr gehauen. »Du kannst dir dein Grinsen sparen. Das Darlehen hast du von uns, und bei uns wirst du auch bezahlen.« Moxey schluckte wieder. Zu Bett gegangen war er als Millionär, und jetzt drohte ihm wieder der Sklavenmarkt. Moxey stieg aus dem Bett. Er hatte einen Verdacht. Es gab in der Stadt ein zwar primitives, aber funktionierendes positronisches Nachrichtensystem. In Moxeys Zimmer gab es dafür einen Anschluß. Moxey brauchte nicht lange, bis er herausgefunden hatte, was er wissen wollte. »Da habt ihr Gamyhn«, sagte er und deutete auf den Bildschirm. Die Hafenchronik verriet, daß vor einem Tag auf dem Raumhafen ein Schiff gelandet war, dessen Kommandant ein Daila war – und damit sowohl empfänglich für Gamyhns Reize und Überredungskunst als auch für das Angebot eines Glückssteins. Vor vier Stunden war dieses Schiff gestartet, ohne seine Ladung gelöscht zu haben. Vermutlich hatte Gamyhn die günstige Gelegenheit genutzt. »Habt ihr heute schon Leute mit großen Glückssteinen gesehen?« fragte Moxey. Je länger der Schrecken andauerte, um so nüchterner und wacher wurde er. Die Frau sah ihn verwundert an. »Tatsächlich«, sagte sie. »Ein ganz später Gast hatte gestern nacht einen ganz besonders großen Stein umhängen.« Eiskalt hatte Gamyhn zugeschlagen. Während Moxey unter ihrem Fenster stehend ihre Tüchtigkeit gepriesen hatte, war Gamyhn damit beschäftigt gewesen, heimlich die großen Steine zu verkaufen.
Danach hatte sie sich mit der Beute und einem sicherlich beachtlichen Vorrat noch unverkaufter Steine auf den Weg gemacht. Moxey ahnte, daß man früher oder später wieder von ihr hören würde, wenn auch nicht gerade auf Aklard, wo sie wegen ihrer PsiBegabung keinen Zutritt finden würde. Allerdings ahnte Moxey auch, daß er nicht mehr zu den Empfängern solcher Nachrichten gehören würde. Sein Schicksal war besiegelt. Auf den Straßen der Stadt war Lärm zu hören. Moxey trat ans Fenster. Eine riesige Menge aufgeregter Daila wälzte sich durch die Straßen auf Gamyhns Geschäftsräume zu. »Der Boom geht weiter«, murmelte Moxey. »Nur jetzt ohne Steine.« »Hhmmm«, machte die Frau und fixierte Moxey. »Du hast Gamyhn das Zeug geliefert«, sagte die Frau, von der Moxey noch nicht einmal den Namen wußte. »Wo du die Steine gefunden hast, sollten doch wohl noch mehr zu finden sein.« Moxey schüttelte den Kopf. »Ohne mich«, sagte er. »Ich gehe nicht noch einmal auf Krelquottengebiet.« Die Frau lächelte boshaft. »Möchtest du dich lieber von denen da draußen in Fetzen reißen lassen?« fragte sie lauernd. »Wir brauchen ihnen nur zu verraten, daß du die Steine geliefert hast …« »Und ich werde verraten, daß ihr mit Gamyhn zusammengearbeitet habt.« »Das wird die Leute kaum interessieren. Sie wollen Steine – sonst nichts.« Diesem Argument konnte sich Moxey nicht verschließen. Auf der anderen Seite wurde seine Angst vor den Krelquotten immer größer. Im gleichen Maß wuchs seine Ratlosigkeit. »Hast du noch Steine?« fragte die Frau drängend. »Ein paar«, gab Moxey zu. »Zwei, drei ganz große, dazu einen
kleinen Beutel kleine Steine.« Wäre er doch nie der gefiederten Echse begegnet. Sein Leben wäre zwar mühseliger, aber bei weitem nicht so ausweglos gefährlich. »Gut, damit werden wir das Geschäft weiterführen«, sagte die Frau. An Energie schien sie Gamyhn nur wenig nachzustehen. Und vermutlich würde sie wie Gamyhn auch keine Hemmungen haben, Moxey zu hintergehen. »Und was hätte ich davon, wenn ich es noch einmal wage?« fragte Moxey. Eigentlich wollte er nur Zeit gewinnen, er wußte nur nicht wofür – seine Lage war hoffnungslos. »Gleichberechtigte Partnerschaft«, sagte Darph, der lange Zeit geschwiegen hatte. »Du kannst uns trauen.« Moxey erlaubte sich ein spöttisches Grinsen. »Du kannst ruhig lachen«, sagte die Frau. »Keiner von uns beiden kann die Fundstelle aufsuchen. Wir sind keine Prospektoren, also brauchen wir dich, lebend, gesund und bereit zur Zusammenarbeit. Und du brauchst uns, weil du sonst keine Geschäfte machen kannst.« Das klang vernünftig, aber Moxey empfand Vernunftgründen gegenüber inzwischen starkes Mißtrauen. Dann kam ihm ein Gedanke. Wenn er sich jetzt auf den Weg machte, um neue Kristalle zu holen, war er wenigstens für etliche Tage dem Ärger entronnen. Vielleicht brach der Kristallboom inzwischen zusammen. Und Moxey ertappte sich bei dem Wunsch, daß es vielleicht die beiden Besucher sein würden, die von der steinverrückten Menge in Fetzen gerissen wurden. So oder so – Moxey hatte in diesem Augenblick nur einen einzigen Wunsch: weg von hier. »Einverstanden«, sagte er, nachdem er einige Minuten lang den Nachdenklichen gemimt hatte. »Aber ich verlange einen Vertrauensbeweis – ich möchte den Darlehensvertrag in allen
Ausfertigungen.« Seine Gesprächspartner sahen sich kurz an. Selbst Moxey war imstande, ihre Gedankengänge zu rekonstruieren. Natürlich hatten sie keine Lust, sich von dem Dokument zu trennen, auf der anderen Seite winkte das Vermögen, daß sie mit Moxeys Hilfe zusammenraffen wollten. Und da sie augenscheinlich sehr geldgierig waren, gaben sie die Dokumente heraus. Moxey prüfte sie, bevor er sie vernichtete. Gamyhn hatte ihn tatsächlich hintergangen – der Betrag war nun zehnmal höher als ursprünglich. Zusammen mit seinen neuen Partnern suchte Moxey den Enzephalophantenpark auf. Aus Charlots Innerem brachte er die letzten Reste seiner Funde hervor und gab sie an die beiden weiter. Er war noch immer so angeschlagen, daß er sich keinerlei Sicherheiten geben ließ. Moxey wollte die Sache nur so schnell wie möglich hinter sich bringen. Während die beiden in die Stadt zurückkehrten, machte Moxey seinen Enzephalophanten marschfertig. Ihm wurde sehr seltsam zumute, als ihm bei dieser Arbeit bewußt wurde, daß Charlot auf diesem Planeten wahrscheinlich das einzige lebende Wesen war, auf das er sich verlassen konnte.
* Diesmal hatte es keine Komplikationen gegeben, davon abgesehen, daß Moxey kurz nach dem Aufbruch ein Nickerchen einlegen mußte, um seinen Brummschädel auszuschlafen und Charlot sich völlig in der Richtung irrte. Der Fehler kostete Moxey einen Tag Reisezeit, aber das störte ihn nicht. Eine ungeheure Gleichgültigkeit hatte den Prospektor befallen. Er reiste nur noch seinem Ziel entgegen, weil er nichts Besseres
anzufangen wußte. Gleichmäßig wanderte Charlot über die Oberfläche von Cirgro, während Moxey in seinem Innern saß und trübsinnigen Gedanken nachhing. In den letzten Wochen war er öfter und gründlicher übertölpelt und eingeseift worden als in seinem ganzen früheren Leben. Moxey war viel zu intelligent, als daß er nicht gesehen hätte, daß er sich all diese kleinen und großen Katastrophen selbst eingebrockt hatte. Auf der anderen Seite wußte er nicht, wie er seine Gutgläubigkeit und Naivität, seinen Mangel an Mut und Tatkraft hätte ändern können. Was früher mehr eine Ahnung gewesen war, geriet für Moxey mehr und mehr zur unumstößlichen Gewißheit – er taugte nicht für das Leben, jedenfalls nicht hier auf Cirgro. Selbst seinem aussichtslos verpfuschten Leben ein Ende zu setzen, brachte er nicht fertig – es fehlte ihm der Mut dazu. Und hätte er diesen Mut gehabt, hätte er diesen Schritt nicht gebraucht – ein Paradoxon, mit dem sich Moxey tagelang in Gedanken herumschlug. An Charlot ging Moxeys Stimmung nicht vorbei. Wenn Moxey, selten genug, den Enzephalophanten verließ, konnte er an der Spitze des Enzephalophanten sein Abbild sehen, das seine Stimmung noch tiefer drückte. Charlot bewegte sich zwar gleichmäßig und ruhig, aber erreichte bei weitem nicht seine frühere Geschwindigkeit. Wenn Moxey dennoch zügiger vorankam als bei der letzten Reise in der gleichen Landschaft, dann lag das daran, daß Moxey sich keinerlei Mühe mehr gab, seinen Kurs zu verschleiern. Auf dem kürzesten Weg steuerte Moxey das Krelquottengebiet an. Andere Prospektoren bekam er nur zweimal zu sehen. Beide Enzephalophanten waren auf dem Weg in Moxeys Stadt, und die Frontgesichter der Enzephalophanten zeigten die Gier ihrer Besitzer nach einem Glücksstein. Bei hellem Tageslicht erreichte Moxey das Plateau und den Geröllhang. Von Krelquotten war nichts zu sehen.
Als erstes ging Moxey daran, den Teil der Beute einzuladen, den er beim ersten Besuch zurückgelassen hatte. Die Verstecke waren unberührt. Danach setzte Moxey seine Schürfarbeit fort. Er hatte keine bestimmte Absicht dabei, ihn leitete nur der Wunsch, die Rückkehr in die Stadt so lange wie möglich hinauszuzögern. Ein wenig begann er seine Arbeit sogar zu genießen. Das Wetter war gut, Charlot enthielt ausreichende Mengen hochwertiger Konserven – und mehr brauchte Moxey in diesen Tagen nicht. Er war froh, keinen Daila mehr sehen zu müssen. So vergingen sechs Tage. Am Abend des siebten Tages war Moxey gerade dabei, die Ausbeute des Tages in einem Beutel unterzubringen, als er in einiger Entfernung etwas Glänzendes sah. Es wirkte wie Metall in der untergehenden Sonne – ein Ding der Unmöglichkeit, denn wie sollte sich Metall hierhin verirren. Dann keimte ein Verdacht in Moxey auf. Vermutlich war in der Stadt der Vorrat an Glückssteinen längst erschöpft. Von der Menge bedrängt, hatten Moxeys Zwangspartner bei weitem nicht die eisernen Nerven von Gamyhn. Wahrscheinlich hatten sie geplaudert – und jetzt war vermutlich jeder zweite Prospektor der Stadt unterwegs, um Glückssteine zu schürfen. Ein Mann konnte mit etwas Glück in dieser Landschaft unentdeckt bleiben, aber eine solche Meute niemals. Bisher hatten die Krelquotten noch nie brachiale Gewalt angewendet, aber wenn sie von dieser Massenwanderung erfuhren und sich zwischen die Prospektoren und die Glückssteine stellten, war Blutvergießen hochwahrscheinlich. Ausgehen würden die Gewalttätigkeiten von den Daila, Moxey kannte seine Landsleute da recht gut. Eine Zeitlang wälzte Moxey den Gedanken hin und her, dann zuckte er mit den Schultern. »Sollen sie«, murmelte er.
Er begann mit dem Aufstieg. Er hatte den Entschluß gefaßt, das Lager abzubrechen, bevor die ganze Rotte hier einfiel – er wollte in den unausweichlich erscheinenden Zwist zwischen Krelquotten und Daila nicht hineingezogen werden. Er hatte die Höhe des Hanges gerade erreicht, als er wieder den metallischen Schimmer wahrnahm. Er sah schärfer hin – und was er sah, bewog ihn, den Beutel von der Schulter zu nehmen. Was sich da mit gleichmäßiger Geschwindigkeit der Fundstelle näherte, war ein Roboter. Moxey nahm das Fernrohr zu Hilfe. Im letzten Dämmerlicht konnte er die Maschine genau ausmachen. »Unglaublich«, staunte Moxey. Er kannte diesen Robot – es war die gleiche Maschine, die bei Gamyhn einen Glücksstein gekauft hatte. Der Robot trug das Mineral noch am Leib. Moxey hatte nicht die leiseste Ahnung, was der Robot hier wollte. Nur eines war dem Prospektor klar – es drohte wieder einmal Unheil. Moxey eilte zu Charlot zurück. Am Standort des Enzephalophanten wartete eine weitere Überraschung auf Moxey. Charlot wurde von zwei Robots bewacht, die dem Modell glichen, das Moxey an der Fundstelle ausgemacht hatte. »Bleib stehen«, sagte einer der Robots. Seine Waffe zielte auf Moxey. Moxey blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Man ließ ihn recht lange warten, und während dieser Wartezeit geschahen geradezu ungeheuerliche Dinge. Es wurde taghell in der Umgebung der Fundstelle. Moxey konnte die Lampen sehen, die an hohen Metallmasten befestigt worden waren und die ganze Umgebung erleuchteten. Er sah in deren Licht, wie sich eine gewaltige Maschine auf die Fundstelle zubewegte – unverkennbar eine hochmoderne, positronisch gesteuerte Schürfapparatur.
Irgend jemand besaß die Dreistigkeit, im Krelquottengebiet mit einem großindustriellen Abbau der Glückssteine zu beginnen. Die Überraschung wurde komplett, als sich ein Gleiter näherte. Ein Antigravfahrzeug im Gebiet der Krelquotten – Moxey begriff die Welt nicht mehr. Wieso zeigten sich die Krelquotten nicht? Der Gleiter hielt in Moxeys Nähe. Die Robots forderten Moxey zum Einsteigen auf. Wenig später setzte sich der Gleiter wieder in Bewegung. Sein Kurs war eindeutig – tief ins Herz des Krelquottenlands.
10. Nur das Geräusch des Fahrtwinds war zu hören, während der Gleiter robotgesteuert seine Bahn zog. Von dem Land unter dem Boden des Gleiters bekam Moxey wegen der Dunkelheit nichts zu sehen. Ob sich Krelquotten dort aufhielten, war ebenfalls nicht auszumachen. Schon einige Male war Moxey verblüfft worden, meistens auf recht unangenehme Weise. Aber die Dinge hatten sich in gewisser Weise immer seinem Verständnis der Wirklichkeit eingliedern lassen. Jetzt aber schien gar nichts mehr zu stimmen. Moxey flog in einem Gleiter in einem Gebiet, in dem eine geheime Macht der Krelquotten solche Flüge bislang stets unterbunden hatte. Und während er so flog, waren riesige Maschinen dabei mit dem industriellen Abbau der Glückssteine zu beginnen. Was war geschehen? Die abenteuerlichsten Spekulationen geisterten durch Moxeys Hirn, aber er kam zu keinem vernünftigen Schluß. Nach Moxeys Schätzung war er jetzt einige hundert Kilometer von der Grenzlinie des Krelquottengebiets entfernt – so tief im Territorium der Krelquotten wie kein anderer Daila zuvor. Der
Gedanke gefiel Moxey überhaupt nicht. Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die Inneneinrichtung des Gleiters. Vor dem Sitz des Piloten – in diesem Fall ein Robot – war ein Schirmbild zu sehen. Erst nach einigem Überlegen fand Moxey heraus, was das Bild darstellte. Es war eine sehr großräumige Darstellung der Cirgro-Oberfläche. Moxey faßte jenes Gebiet ins Auge, in dem die Fundstelle lag. Wenn Moxey die Darstellung richtig interpretierte, dann vergrößerte sich der Maschinenpark dort von Stunde zu Stunde. Gleichzeitig schien ein ganzer Schwarm von Robots damit beschäftigt zu sein, einen Schwarm von Daila einzufangen, der sich ebenfalls auf die Fundstelle zu bewegte. Irgendjemand – vielleicht die Krelquotten – schien sich dazu entschlossen zu haben, ziemlich unverhohlen die Macht auf Cirgro zu übernehmen. Hatte das etwas mit Moxeys Glückssteinen zu tun? Bei dem Gedanken, diese Lawine von Ereignissen ins Rollen gebracht zu haben, wurde Moxey fast übel. Mehr und mehr wuchsen ihm die Dinge über den Kopf. Der Gleiter verlangsamte seine Fahrt. Weit voraus in Fahrtrichtung war heller Lichtschein zu sehen, ähnlich dem, der jetzt die Fundstelle überstrahlte. An den Positionslichtern war zu erkennen, daß auf diesem Teil der Planetenoberfläche ein reger Gleitverkehr herrschte. Moxey hatte seit dem ersten Kontakt mit den Robotern kein Wort gesprochen, aber jetzt war seine Neugierde stärker. »Warum lassen sich die Krelquotten das gefallen?« wollte er wissen. »Sie haben jeden Flugverkehr außerhalb der Städtregionen strikt verboten.« »Auch die Krelquotten sind nicht imstande, meinen Herren eine Bitte abzuschlagen.« Das gab neuen Stoff zum Nachdenken. Die Antwort des Robots schien Moxey nur eine höfliche Umschreibung der Tatsache zu sein,
daß die Herren des Robots die Krelquotten zu praktisch allem zwingen konnten. Ausgerechnet die Krelquotten, vor denen die Daila solchen Respekt empfanden – wie mächtig mußten dann die Kräfte sein, die über die Roboter geboten. Obwohl das Innere des Gleiters geheizt war, begann Moxey zu frösteln. Wieder einmal hatte ihn die Furcht gepackt. Wenig später war offenbar das Ziel des Fluges erreicht. Ein Raumhafen, stellte Moxey erschüttert fest, während der Gleiter landete. Ein halbes Dutzend Schiffe stand auf dem großen Feld, das einen sehr modernen Eindruck machte. Wer immer es angelegt hatte – er hatte es nicht als Provisorium gedacht. Den Typ Raumschiff, den Moxey zu sehen bekam, hatte er in keinem einschlägigen Handbuch der Manam-Turu-Schiffstypen gefunden. »Steig aus«, bestimmte der Roboter am Steuer. Moxey gehorchte. Eine waffenstarrende Roboteskorte nahm ihn in Empfang und führte ihn zu einem der Raumschiffe. Im Innern war es seltsam düster. Eine unheimliche, beängstigende Stimmung lag in dem Schiff.. Antigravschächte und Laufbänder brachten Moxey ans Ziel. Eine Tür schwang auf, und dann konnte Moxey die geheimnisvollen Fremden sehen.
* »Nun mach schon, Charlot«, sagte Moxey. »Wir haben noch viel Arbeit vor uns – und viel Spaß.« Hyptons nannten sich die Besucher auf Cirgro. Moxey hatte nie von ihnen gehört, und ihr Aussehen hatte ihn anfänglich erschreckt. Aber nach einigen freundlichen Unterhaltungen hatte er die
Hyptons schätzen gelernt. Er hatte ihnen viel über die Verhältnisse auf Cirgro berichten können, und sie hatten zum Ausgleich seinen Wissenstand erhöht. »Du fragst dich sicher, was an den Glückssteinen so bedeutsam ist für euch Daila.« Moxey hatte nur genickt. Das hätte er wirklich brennend gern gewußt. »Was wünschst du dir am meisten?« hatte der Hypton freundlich geforscht. Moxey war von dieser Frage ein wenig in Bedrängnis gebracht worden. Wenn Gamyhn nicht ein so ausgekochtes Luder gewesen wäre, hätte es Moxey gern mit der Frau probiert. »Nun«, hatte er nach einigem Zögern gesagt, »um ganz ehrlich zu sein – hier als reicher Mann zu leben.« »Wie wäre es mit einer Rückkehr nach Aklard«, hatte der Hypton gefragt. Im Lauf der Gespräche hatte sich sogar Moxeys Abneigung gegen das etwas schrille Sprechorgan des Hyptons ins Gegenteil verkehrt. »Pah, Aklard«, hatte Moxey geantwortet, und er hatte sich selbst darüber gewundert. Friedlich zog Charlot seine Bahn über die Landschaft. Die freundlichen Hyptons hatten das Zusammenspiel zwischen Moxey und seinem Enzephalophanten entscheidend verbessert. Wie sie das gemacht hatten, hatte Moxey aus Höflichkeitsgründen nicht näher erforschen wollen. Der Hypton hatte Laute der Heiterkeit von sich gegeben. »Eine der Besonderheiten der Glückssteine ist, daß sie das brennende Heimweh der Daila nach Aklard zum Verschwinden bringen.« »Kein Wunder, daß wir sie dann Glückssteine nennen«, hatte Moxey begeistert ausgerufen. Wenn er jetzt während der Heise bei sich nachspürte, fand er tatsächlich kaum noch Sehnsucht nach Aklaid. Gewiß, die Heimat
der Daila galt als schöner denn Cirgro, aber Irgendwie war Cirgro abenteuerlicher und frei er. »Ich will dir noch etwas verraten«, hatte der Hypton verkündet. »Diese Steine haben noch einen weiteren Effekt. Sie nehmen den Fluch von euch Ausgestoßenen.« Moxey hatte einige Zeit gebraucht, bis er den vollen Umfang dieser Nachricht begriffen hatte – die Glückssteine saugten die psionischen Energien der Daila in sich auf. Ein Daila mit PsiBegabungen, der einen solchen Stein bei sich trug, konnte nicht mehr als Mutant bezeichnet werden – für die Prospektoren hieß das, daß ihnen allen theoretisch der Weg in die Heimat offenstand. Welche Effekte dafür verantwortlich waren, hatte der Hypton auch erklärt, aber Moxey hatte nicht richtig zugehört. Hängengeblieben war nur, daß die Hyptons unter ParaBegabungen anderer Intelligenzen zu leiden hatten. Nicht zuletzt deswegen hatten sie den Stützpunkt auf Cirgro angelegt. Dort waren sie dank der Krelquotten vor Störung sicher – und für die Zukunft eröffnete Moxeys Fund den Hyptons weitere Möglichkeiten. Moxey fand es faszinierend, daß diese Steine zwei so unterschiedlichen Völkern gleichzeitig aus ihren Problemen heraushalfen. Für Cirgro bedeutete der Stützpunkt der Hyptons in jedem Fall einen Gewinn, für Moxey ganz besonders. Als erster und bislang einziger Prospektor hatte er die besondere Erlaubnis bekommen, überall auf Cirgro nach weiteren Vorkommen der Glückssteine zu suchen, die von den Hyptons dann in ganz Manam-Turu verbreitet werden konnten, um andere Intelligenzen vor störenden ParaBegabungen schützen zu können. Wie es den Hyptons gelungen war, mit den eigenwilligen Krelquotten zu einer Übereinkunft zu kommen, hatte Moxey nach dieser Ehrung nicht mehr interessiert. Moxey war mit Charlot im Gebiet der Krelquotten unterwegs, und
zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich wieder wohl in seiner Haut. Es kam fast einem Wunder gleich, wie sehr seine innere Zuversicht gewachsen war. Moxey hatte den Eindruck, als hätten die Gespräche mit den Hyptons, ihre Geduld, Freundlichkeit und ihr Verständnis einen ähnlich wohltuenden Einfluß auf ihn ausgeübt, wie die Glückssteine ihn bei seinen Artgenossen ausübten. Wenn er sorgfältig in sich hineinspürte, dann schien es ihm, als sei ein dunkler Schatten von seiner Seele gewichen. Seltsam, daß auch die im Hintergrund seines Bewußtseins stets schlummernde Angst verschwunden war. Das Frontbild seines Enzephalophanten zeigte die Veränderung am deutlichsten – es war nicht länger das Abbild eines chronischen Verlierers, sondern das Gesicht eines energischen Daila, der sich durchzusetzen verstand. »So kann es bleiben«, sagte Moxey lachend. Charlot marschierte auf ein Gebiet zu, das noch nie zuvor von einem Daila betreten worden war – diese Enklave war für eine Siedlung viel zu klein ausgefallen, außerdem führte nur ein zugelassener Raumschiffskorridor dorthin. Moxey erreichte das Gebiet nach drei Tagen, und beinahe auf Anhieb wurde er fündig. Als erstes entdeckte er – allen Fachberichten zum Hohn – eine üppige Tharytfundstelle, die er bis auf den letzten glitzernden Stein leer räumte. Wenig später stieß er auf eine Geländeformation, die ihm seltsam vertraut erschien. Das Gebiet sah ähnlich aus wie die erste bekannte Fundstelle für Glückssteine. Moxey ließ Charlot anhalten und untersuchte den Boden. Mit dem Hammer bearbeitete er das brüchige Gestein. Für einen Augenblick hielt er inne, als ein beweglicher Schatten über das Gelände huschte – ein Gleiter der Hyptons erkannte Moxey, als er den Kopf hob. Er arbeitete intensiver. Nach ein paar Stunden hatte er ein paar Quadratmeter Fläche
freigelegt. Mitten darin zog sich ein Band aus Gestein, in dem ein Glücksstein neben dem anderen zu sitzen schien. Wenn der Flöz ebenso mächtig in den anderen Richtungen war, wie er an der Oberfläche zu erkennen war, dann hatte Moxey gleich beim ersten offiziellen Schürfauftrag ein Vorkommen entdeckt, mit dem sich Millionen von Daila oder andere parabegabte Lebewesen von ihrer unseligen Gabe heilen ließen. Moxey konnte mit sich zufrieden sein. Er stöberte noch ein wenig länger in dem Gelände herum, das ihm außerordentlich gut gefiel. Er nahm sich vor, mit den Hyptons zu sprechen – vielleicht erlaubten sie ihm, sich dort ein Haus zu bauen und zu leben. Auf großen Kontakt mit anderen Daila legte Moxey nach den Erfahrungen der letzten Zeit keinen Wert mehr, wenigstens für den Augenblick nicht. Kurz nach Beginn der Dämmerung legte sich Moxey schlafen. Draußen waren Regenwolken aufgezogen, kein Gewitter, und solche Abende liebte Moxey. Charlot empfand den heftigen Regen wie eine Art Massage, und die Klänge in seinem Innern verwandelten sich dann in ein wohliges Schnurren, genau das richtige Geräusch zum Einschlafen, fand Moxey. Er war gerade dabei in Schlaf zu fallen, als er einen Schrei zu hören glaubte. Er richtete sich auf und horchte. Ruhe. Nur Charlots Schnurren. Moxeys Kopf fiel wieder auf das Kissen zurück. Diesmal hörte er den Schrei ganz deutlich. »Wer mag sich hier herumtreiben«, murmelte Moxey. Als erstes griff er nach der Waffe – was er früher nie getan hatte. Mit einem Handscheinwerfer ausgerüstet, verließ er den Enzephalophanten. Draußen goß es wie aus Kübeln, und der Wind war alles andere als sanft. Moxey ließ den Scheinwerferstrahl eine schnelle Runde machen. Wieder erklang ein Geräusch, diesmal ein Stöhnen. Moxey ließ
den Strahl in die entsprechende Richtung wandern. Die Gestalt, die sich auf allen vieren dem Enzephalophanten näherte, war unverkennbar ein Daila, und Moxey fragte sich, wie die Person hierher gekommen sein mochte. »Hierher!« rief er. Die Gestalt kam auf die Beine und wankte näher. Moxey starrte und begann dann schallend zu lachen. »Sieh an«, sagte er heiter. »Eine betrogene Betrügerin.« Es war Gamyhn, und es gehörte viel Scharfblick dazu, die Frau in dieser Verfassung wiederzuerkennen. Sie war völlig durchnäßt, die Haare klebten ihr als feuchter Filz am Schädel. Arme und Beine waren angeschwollen, vermutlich von Insektenstichen, ihre Kleidung war zerfetzt. Sie hatte an Gewicht verloren, stellte Moxey fest, was ihr gar nicht einmal schlecht bekommen war. Hin und her schwankend blieb Gamyhn vor Moxey stehen. Ihre Augen richteten sich auf den Prospektor. »Du?« brachte sie krächzend über die Lippen. »In der Tat«, antwortete Moxey sarkastisch. »Was für ein Zusammentreffen. Wie bist du hierher gekommen?« »Der Kapitän des Raumschiffs«, erklärte Gamyhn stockend. Sie lehnte sich gegen die Außenwand des Enzephalophanten. »Er hat mich hereingelegt. Er hat mich betäubt und hier abgesetzt.« »Du weißt, wo du bist?« fragte Moxey. Sie nickte schwach. »In der Enklave«, sagte sie. Moxey konnte sehen, daß sie ihre Kräfte zusammennahm. Ihre Gestalt straffte sich, ihre Stimme wurde ein wenig fester. Sie verzog für eine Sekunde die Lippen zu einem Lächeln, dann sackte sie mit einem Schlag wieder in sich zusammen. »Ich irre seit Wochen durch diese Wildnis. Ins Krelquottengebiet habe ich mich nicht getraut – es war mir zu gefährlich. Kann ich …?« Moxey zögerte, dann fand sein Blick ihre Augen. Noch nie war
Moxey von irgend jemand flehend angesehen worden, und so brauchte er ein paar Sekunden, bis er den Ausdruck deuten konnte. Er zögerte, dann trat er zur Seite. »Komm herein«, sagte er. Während sie mit kraftlosen Bewegungen in den Enzephalophanten stieg, leuchtete Moxey – weniger um ihr zu helfen als vielmehr um nach versteckten Waffen an ihrem Körper zu forschen. Soweit er sehen konnte, besaß sie keine Waffe – außer sich selbst, und vor diesem Instrument hatte Moxey noch immer Respekt. Er gab Gamyhn Handtücher und frische Kleidung. In einem Prospektorengewand sah sie zwar etwas seltsam aus, aber sie gefiel Moxey auch so. Während sie sich herrichtete, bereitete Moxey eine warme Mahlzeit und gab ihr zu trinken. Sie aß langsam und starrte dabei verstohlen immer wieder auf das Bett. Wahrscheinlich hatte sie auf Steinen schlafen müssen. Sobald sie gegessen hatte, sah sie Moxey prüfend an, dann wanderte ihr Blick wieder zu den weichen Polstern. Sie stand langsam auf, ging zum Ausgang hinüber, öffnete und verharrte. Draußen pladderte noch immer der Regen. Ohne sich umzudrehen, sagte sie: »Ich habe mir überlegt, dir etwas vorzuspielen. Die zerknirschte Sünderin, die im Bewußtsein ihrer Schuld den von ihr so furchtbar Geschädigten verläßt, nachdem sie noch eine milde Gabe von ihm empfangen hat.« Sie drehte sich um. Ihre Augen blitzten. »In Wirklichkeit geht mir nur eins im Kopf herum – wie ich es anstellen kann, wieder in einem richtigen Bett zu schlafen, und wenn ich bei Kräften wäre, würde ich dich dafür aus diesem Enzephalophanten heraus den Krelquotten in die Pranken prügeln, nur um in einem richtigen Bett schlafen zu können.« Moxey setzte sein breitestes Grinsen auf. »Leg dich hin«, sagte er.
Gamyhn schloß die Tür, machte zwei Schritte und fiel dann um. Sie war schon eingeschlafen, bevor ihr Körper das Kissen berührte. Moxey grinste immer noch. Während des Essens hatte er die Lage erwogen. So wie er Gamyhn einschätzte, hatte sie sich nicht im mindesten geändert. Sie war und blieb ein Biest der Extraklasse. Moxey hatte überlegt, ob er sie nicht zu den Hyptons bringen sollte. Vielleicht kannten sie ein Mittel, ihren Charakter zu ändern. Und dann hatte er sich dazu entschlossen, sie so zu lassen, wie sie nun einmal war – denn so, wie er sich jetzt fühlte, war er sicher, es mit ihr aufnehmen zu können. Und das hielt er uneingeschränkt für die wichtigste Entdeckung seines Prospektorenlebens.
ENDE
Im Roman der nächsten Woche beschäftigen wir uns wieder mit Atlan. Nach der Lösung des Rätsels um die wahre Identität Colemayns, des Weltraumtramps, beginnt den Arkoniden ein neues Rätsel zu beschäftigen – das Rätsel um Guray, den angeblichen Schutzpatron der Raumpiraten. Mehr zu diesem Thema erzählt Hans Kneifel. Sein Atlan-Band erscheint unter dem Titel: DER OMIRGOS-KRISTALL