JOACHIM BUBLATH
DIE NEUE WELT DERGENE Die Gentechnik macht mit immer neuen Fortschritten von sich reden. Auch das Klon...
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JOACHIM BUBLATH
DIE NEUE WELT DERGENE Die Gentechnik macht mit immer neuen Fortschritten von sich reden. Auch das Klonen von Menschen scheint kein Tabu mehr zu sein. Ethische Grundsätze, die seit Jahrhunderten unverrückbar schienen, geraten ins Wanken. Ist nun ohne Umschweife erlaubt, was technisch machbar ist? In bewährt verständlicher Weise erklärt Joachim Bublath die Grundlagen der Genetik und schildert die faszinierenden Ergebnisse, aber auch die Gefahren, die der Fortschritt auf diesem Forschungsgebiet mit sich bringt.
Vor einem halben Jahrhundert wurde die DNS, das Molekül des Lebens, entschlüsselt, und seither hat die Wissenschaft von den Genen einen beispiellosen Aufschwung genommen. Mittlerweile wurde mit dem Human Genome Project das menschliche Erbgut offen gelegt, und damit erhielten auch die Träume über die Möglichkeiten der Gentechnologie, von der grenzenlosen Machbarkeit des Lebens, vom Menschen als Schöpfer der Natur, neuen Auftrieb. In diesem Buch bietet der bekannte ZDF-Autor und Wissenschaftsjournalist Joachim Bublath eine fundierte und verständliche Einführung in das komplexe Forschungsgebiet der Genetik und in die Probleme, die sich der Menschheit dort mit wachsendem Wissen stellen. Er erläutert die Grundlagen der Genetik und den Stand des erreichten Wissens, macht aber zugleich auch die übertriebenen Erwartungen und Hoffnungen deutlich, die in der Öffentlichkeit nicht selten über dieses Forschungsgebiet herrschen. Denn eines ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu leugnen: Auch wenn das menschliche Genom so gut wie entschlüsselt ist, bleibt das genaue Zusammenspiel der Gene noch weitgehend ein Rätsel. Die DNS ist ein über Jahrmilliarden in der Evolution erprobtes Molekül und von Menschenhand offenkundig nur schwer zu verbessern. Der Mensch ist keineswegs beliebig reproduzierbar, und es ist sehr die Frage, ob dies überhaupt wünschenswert wäre. Welche Chancen, aber auch Risiken sind für uns alle mit dem Fortschreiten dieser Wissenschaft verbunden? Dieses Buch soll dazu beitragen, besser einschätzen zu können, was mit der modernen Genetik wirklich möglich ist und was Illusion bleiben wird.
Joachim Bublath
Die neue Welt der Gene
Visionen • Rätsel • Grenzen
Droemer
Die Folie des Schutzumschlags sowie die Einschweißfolie sind PE-Folien und biologisch abbaubar. Dieses Buch wurde auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt.
Copyright © 2003 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch teilweise - nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden. Umschlaggestaltung: Albrecht-Matthias Wendlandt, Sauerthal Reproduktionen: Vornehm GmbH, München Satz: Vornehm GmbH, München Druck und Bindung: Offizin Anderson Nexö, Leipzig Printed in Germany ISBN 3-426-27304-7 2 45 3 1
Inhalt Vorwort
7
1. Schöne neue Welt?
11
2. Wie das Leben funktioniert
23
3. Der Eingriff in die Natur
37
4. Die Grenzen des Machbaren
55
5. Die zerstörten Hoffnungen
71
6. Der neue Optimismus
83
7. Die Reparatur des Menschen
99
8. Der Weg zur Unsterblichkeit
109
9. Fabriken im Mikrokosmos
125
10. Eine andere Sicht des Menschen
145
11. Die Veränderung der Pflanzenwelt
165
12. Die Risiken von Genfood
181
13. Die Lösung aller Rätsel?
195
14. Das Geheimnis des Lebens
209
15. Die Realisierung des Bauplans
223
16. Spekulationen über das Ende
239
Register
254
Vorwort
Viele Menschen glauben, die modernen Naturwissenschaften könnten nahezu alles in der Welt erklären, und deshalb sei unser Dasein von nichts anderem mehr bestimmt. Mit der neuen Biologie, in der man sich mit der Rolle der Gene beschäftigt, würde jetzt auch noch der geheimnisvolle Bereich des Lebens in das Licht der naturwissenschaftlichen Erkenntnis gerückt und damit der Kontrolle des Menschen unterworfen; zudem wären damit nahezu uneingeschränkte Manipulationen in diesem Bereich möglich. Den Naturwissenschaften diese absolute Position zuzuschreiben, geht jedoch an der Wirklichkeit vorbei. Zwar ermöglichen sie eine neue Sicht der Welt, und es ist durch sie auch möglich, einige Abläufe in unserer Umgebung zu steuern, aber außerhalb der naturwissenschaftlichen Modellvorstellung von der Welt gibt es viel Platz für andere Denkansätze und Erfahrungen. Die Naturwissenschaften erklären bei weitem nicht alles, was um uns herum geschieht; sie liefern eher Hilfsvorstellungen über einige Bereiche im Kosmos, die uns manchmal von Nutzen sind und unsere Kenntnis der Welt erweitern können. Dies gilt auch für die moderne Biologie, die uns eine neue Betrachtungsweise des Lebens eröffnet, uns aber damit auch mehr und folgenreiche Gelegenheiten bietet, dieses Leben zu manipulieren. Wichtig in dieser Situation ist es, herauszufinden, wo die naturwissenschaftlichen Grenzen des Machbaren liegen, denn von einer realistischen Einschätzung dieser Möglichkeiten sind die Entscheidungen darüber abhängig, wie weit wir uns auf diesem Gebiet überhaupt vorwagen. Und auch unsere per-
sönliche Sicht von der Welt wird letztendlich von diesem Wissen beeinflusst. Seit fünfzig Jahren kennen wir die räumliche Anordnung der Bausteine des Lebens im Erbmolekül. Seitdem haben sich immer mehr Forscher darauf konzentriert, mehr über seine Rolle zu erfahren. In ihrer anfänglichen Euphorie haben sie geglaubt, allein durch die Untersuchung des Erbmoleküls - der DNS - alles über die Vorgänge zu erfahren, die das Leben ausmachen. Und sie verkündeten, mit diesem Wissen auch viele Probleme lösen zu können: Krankheiten zu heilen, die Menschheit mit ausreichender Nahrung zu versorgen, ja, sogar Menschen nach Maß zu fertigen. Heute ist man dabei weniger optimistisch geworden. Je mehr man über das Erbmolekül herausfand, um so stärker sanken auch die Chancen, die eine oder andere Vision aufrechtzuerhalten. Allein schon die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts vor drei Jahren brachte nicht den erwarteten Erfolg. Es wurde deutlich, dass mit der Aufklärung darüber, wie die Bausteinabfolge im Erbmolekül des Menschen aussieht, das Geheimnis des Lebens keineswegs gelöst ist. Alles erschien nur noch komplizierter, vor allem die Abläufe in der Zelle - die Funktionsweisen der Proteine -
wurden nun wichtig. Die Rolle der Gene relativierte sich, und heute ist abzusehen, dass es keine einfachen Wege gibt, um die Rätsel der lebenden Welt zu lösen. Viele neue Fragen stellen sich mit dem größer werdenden Wissen auf diesem Gebiet. So ist zum Beispiel unser menschliches Genom auch nur ein Teil der ständig ablaufenden Evolution. Es hat in seiner bisherigen Entwicklungsgeschichte viele Veränderungen auffangen müssen: In der Welt der Gene ist alles fließend. Allein schon die Spekulation darüber, wie stabil unser Genom in der Zukunft sein wird, ist interessant. Bleibt der Mensch so, wie wir ihn gegenwärtig kennen, oder unterliegt er einschneidenden Wandlungen? Genkombinationen können sich verändern - dadurch wird die Evolution vorangetrieben. Jetzt aber gelingt es dem Menschen von sich aus, direkt in diese Prozesse einzugreifen. Welche Möglichkeiten und auch Risiken gibt es dabei für uns alle? Dieses Buch soll dazu beitragen, besser einschätzen zu können, was mit der modernen Genetik wirklich möglich ist. München, im Herbst 2003
Dr. Joachim Bublath
• Ein veränderter Mensch in der neuen Genwelt?
Schöne neue Welt? Die Wege, die zu unserem heutigen naturwissenschaftlichen Weltbild führten, waren steinig und endeten oft in Sackgassen, aus denen man nur mühsam wieder herausfand. Schon das schrittweise Erkunden unserer näheren Umgebung auf der Erde war ein risikoreiches Unternehmen die Entdeckung der unterschiedlichen Seewege zum Beispiel und vor allem die Suche nach der endgültigen Gestalt unserer Erde. Immer von neuem wurde der menschliche Geist herausgefordert, sich ein Bild von den Abläufen in der Natur zu machen. Mit der Astronomie wurde die menschliche Vorstellungskraft hinaus in das Universum gelenkt. Heute stellen wir Theorien über die Ursprünge des Universums auf, spekulieren über Räume mit 11 oder 23 Dimensionen, haben erfahren, dass sich Materie in Energie umwandeln kann und dass - noch erstaunlicher die Umkehrung dieses Prozesses möglich ist. Wir wissen, dass die Zeit nicht absolut, sondern von den jeweiligen Bedingungen abhängig ist. Kurz, mit fortschreitendem Wissen folgte eine Überraschung auf die andere. Vor allem der Weg in den Mikrokosmos ließ den Glauben an einfache, für den menschlichen Geist fassbare Zusammenhänge in der Natur zusammenbrechen. Mit der Quantenphysik mussten wir akzeptieren, dass etwas aus dem Nichts entstehen kann, dass es Sprünge im Raum-Zeit-Kontinuum gibt und die Welt im mikroskopischen Maßstab nicht nur auf das Zusammenspiel von kleinsten Kügelchen mit definierten Aufenthaltsorten zurückzuführen ist. Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen mit all den ihnen anhaftenden Unsicherheiten schlichen sich in unser Weltbild ein.
Heute beschreiben Naturwissenschaftler eine sehr komplexe Welt, die nicht nur aus augenfälligen Objekten besteht. Dabei offenbaren sich auch Vorgänge, die unser Vorstellungsvermögen übersteigen.
Aber auch auf einem anderen Gebiet der Naturwissenschaften gibt es eine revolutionäre Entwicklung: in der Biologie. Mit der Genetik wandelte sich in dieser Wissenschaft die Sicht der Welt. Hatte man früher eher die unterschiedlichen Erscheinungsbilder des Lebens in den Mittelpunkt der Untersuchungen gerückt, kam es plötzlich darauf an, diese auf Abläufe im mikroskopisch Kleinen, auf die Gene in den Zellen, zurückzuführen. Heute ist kaum noch ein Gebiet in der Biologie zu finden, in dem nicht eine Verbindung mit dem Zusammenspiel der Gene gesucht und oft auch gefunden wird. So ist der Zug der Vögel offenbar von den Genen diktiert. Menschliche Verhaltensweisen werden bestimmten Genen zugeschrieben; wie wir Farben sehen, soll genetisch festgelegt sein - eine schier endlose Liste könnte man aufstellen, in der sich die vielfältigen Erscheinungsformen des Lebens auf den Einfluss der Gene zurückführen lassen. Dieser Ansatz, aus etwas Komplexem das Einfache herauszulesen und so die Vielfalt auf überschaubare Abläufe zurückzuführen, ist typisch für die Naturwissenschaften. So ist es in der Chemie gelungen, die Vielfalt der Materialeigenschaften auf die wenigen Bausteine der Atome - die Elektronen, Neutronen und Protonen - und deren Verhalten zu reduzieren. Im Periodensystem der Elemente konnten die unterschiedlichen Substanzen nach ihren Eigenschaften geordnet werden - dieses System beruht allein auf der beständig zunehmenden Zahl der Elektronen und Kernbausteine. Die verschiedenen Verbindungen dieser nur 105 Atomarten machen die Vielfalt der materiellen Welt aus, die uns umgibt. In der Physik gelang es wiederum, die verwirrenden Wechselwirkungen zwischen den Teilchen und Körpern auf vier Grundkräfte zu reduzieren. Sie sind in dem Bild, das wir uns von der Welt machen, die Ursache der Bewegung der Teilchen und ihrer Wechselwirkung untereinander. Es gibt in der modernen Physik Versuche, allein eine Art von Kraft und eine Art von Teilchen zu finden, die Ausgangspunkt für die Vielfalt des gegenwärtigen Erscheinungsbildes der Welt sind. Die daraus resultierende »Weltformel« steht wiederum als Symbol für das Ziel, durch die Reduktion der Vielfalt auf das Zusammenspiel von wenigen Basiselementen die Welt gedanklich beherrschbar zu machen. In der Elementarteilchenphysik glaubt man, mit einer allumfassenden Theorie einen Schlüssel für dieses Ziel gefunden zu haben. In dieser Vorstellung setzen Elementarteilchen, die man als »Quarks« bezeichnet, die
Protonen und Neutronen zusammen. Aus ihnen folgt - zusammen mit den Elektronen - der Aufbau der komplexen materiellen Welt. In diesem Bereich der uns umgebenden Natur, der Welt der »toten Materie«, ist uns das
Konzept
der
Reduktion
auf
Elementarbausteine
vertraut.
Überschaubare Regeln für das Verhalten der Teilchen zu finden, begeistert jeden Naturwissenschaftler, und die Welt in ihrem Inneren zu erforschen und sie durch erdachte Modelle abbilden zu können, gilt als erstrebenswertes Ziel - selbst wenn diese Modelle der Natur oft sehr einfach im Vergleich zur Wirklichkeit sind und nur eine begrenzte Gültigkeit haben. In der Gentechnik kommt nun hinzu, dass mit den Genen zwar offenbar die bestimmenden Elemente bei der Entwicklung und dem Fortlauf des Lebens entdeckt wurden, man jedoch über deren genauen Einfluss bisher nicht allzu viel weiß. Diese Situation fasst plakativ der folgende Satz zusammen: Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Gene. Tatsächlich ist über das Zusammenspiel der unterschiedlichen Gene in der Zelle wenig bekannt. Es gibt weniger Gene als Eigenschaften, die wir kennen. Irgendwie lösen die Gene nur Prozesse aus, die dann erst die Vielfalt des Lebens ausmachen. Verständlich wird dies, wenn man sich vor Augen führt, dass die Unterschiede im Genom zwischen Mensch und Affe nur wenige Prozent ausmachen - wir aber doch höchst verschieden von unserem engeren Verwandten sind. Heute weiß man zudem, dass die groß angelegte Entschlüsselung der menschlichen Erbsubstanz bei weitem nicht mit der Offenlegung der Funktionen im menschlichen Körper gleichzusetzen ist. Wir stehen damit erst am Anfang eines sehr schwierigen Weges, an dessen Ende vielleicht eine größere Überschaubarkeit der Abläufe und Funktionen im Organismus stehen wird. Der von den Genen kontrollierte
Aufbau
von
Proteinen
ist
ein
Schlüssel
für dieses
Verständnis. Proteine bestimmen das Geschehen in der Zelle, sie lagern sich zu neuen Komplexen zusammen oder spalten sich. Die Welt der Proteine zu erforschen, ist das nächste wichtige Ziel, um das Geheimnis des Lebens zu enträtseln. Angegangen wird diese Forschung mit dem Proteom-Projekt, der Entschlüsselung der Proteine und ihrer Funktion einer weitaus schwierigeren Aufgabe, als sie das Genom-Projekt darstellte. Trotz der existierenden Wissenslücke wird bereits versucht, die noch geringen Kenntnisse über das Geschehen in der Welt der Gene zur Behand-
Die Entschlüsselung der Gene Ist nur ein kleiner Schritt, dem Geheimnis des Lebens näher zu kommen. Immer neue Fragen stellen sich, auf die es gegenwärtig keine Antworten gibt und die das Erreichen des Zieles, die Natur zu enträtseln, in weite Ferne rücken lassen.
lung von kranken Menschen einzusetzen. Die Therapie der Gene ist die große Zukunftsvision der Mediziner. Dabei gibt es auch recht skurril wirkende Ansätze. Geleitet werden all diese Versuche jedoch von der Idee, kranke Gene zu erkennen und sie durch gesunde zu ersetzen. Schwierig ist dieser Ansatz deshalb, weil man nicht weiß, wie die Gene eigentlich zusammenwirken, weil nicht nur ein Gen für eine Krankheit verantwortlich ist und man zudem keine guten Methoden hat, ein Gen auszutauschen, das Krankheiten verursachen soll. In späteren Kapiteln dieses Buches wird auf all diese Probleme detailliert eingegangen.
Die Gentechnik hat aber auch noch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen - weniger mit wissenschaftlichen, sondern mit gesellschaftlichen Widerständen. Offenbar fehlt es an der öffentlichen Akzeptanz der naturwissenschaftlichen Denkweisen und Methoden, wenn das Objekt der Forschung nicht mehr die »tote Materie«, sondern der lebende Organismus ist. Über ihn wollen die Forscher ja das Geheimnis des Lebens entschlüsseln. Über Jahrhunderte konnten die Wissenschaftler ihre Forschungen auf diesem Gebiet betreiben, ohne ein besonderes öffentliches Interesse auf sich zu ziehen. Heute jedoch zeigen sich Ergebnisse dieser Arbeiten, die den Rahmen des bisher in der Gesellschaft Bekannten und Akzeptierten sprengen: Der direkte Eingriff in das Entstehen und in die Entwicklung des Lebens ist plötzlich möglich und wird von immer mehr Forschergruppen versucht. In Deutschland fand eine intensive öffentliche Diskussion über die Stammzellen statt, die aus befruchteten menschlichen Eizellen gezüchtet werden. Die Politiker beschäftigten sich mit der Situation, und dadurch wurde auch deutlich, dass mit der Genforschung Grundpfeiler unserer Moral und Toleranz berührt werden. Teile der Forschung wurden gesetzlich geregelt - unvollkommen, wie sich schnell herausstellte. Mit der Möglichkeit, in das sich entwickelnde Leben einzugreifen, begrenzte Vorhersagen über die Entwicklung vom Embryo zum Kind zu machen, wurde plötzlich ein Bereich des Lebens in die Nähe unserer eigenen Entscheidung gerückt, der bis dahin tabu war. Bisher hatte man der Natur freien Lauf gelassen. Mit dem Wissen der Genforscher war es plötzlich jedoch möglich, sich für die eine oder andere Variante eines Nachkommen zu entscheiden - mit begrenztem Erfolg zwar, aber der vorher allein als naturgegeben betrachtete Bereich bekam nun den Ruf, vom Menschen steuerbar zu sein. Ein Wertewandel, der bei vielen keine Zustimmung findet. Ursache für diese Revolution in der Gesellschaft und in den Naturwissenschaften war letztendlich die Entdeckung der DNS (Desoxyribonukleinsäure), eines Moleküls, in dem alle Erbinformationen enthalten sind. Dieses Molekül befindet sich im Innern einer jeden Zelle, aufgerollt als Knäuel. Streckt man es, so erreicht der Molekülstrang eine schier unglaubliche Länge - bei der menschlichen DNS etwa die von zwei Metern! Bei den Billionen von Zellen, aus denen unser Körper besteht, wäre das 140mal die Strecke Erde-Sonne, die von den DNS-Strängen eines einzigen Men-
Die uns vertraute Informationswelt lässt sich mit Hilfe der Kombination von nur zwei Elementen mit dem Computerchip darstellen. In der DNS finden sich vier Bausteine, die in immer wieder neuen Kombinationen alle Informationen über ein Lebewesen speichern.
sehen, sofern man sie miteinander verknüpfen würde, überbrückt werden könnte. Die Strangbreite beträgt nur zwei Nanometer (2 • 10-9 m). So ist es möglich, auf kleinstem Raum sämtliche Informationen über den Bauplan eines Menschen unterzubringen.
Zudem
bildet
die
DNS
die
Steuerzentrale
für
alle
biochemischen Abläufe in der Zelle. Erstaunlich ist, dass diese Vielfalt an Informationen durch die Kombination von nur vier unterschiedlichen Bausteinen gespeichert ist. Die Suche nach dem Einfachen - in der Physik nach der nur einen Sorte von Elementarteilchen und der Urkraft, wie sie zu Beginn unseres Universums existiert haben sollen - setzt sich auch hier, im Reich der lebendigen Natur, fort und scheint berechtigte Hoffnung auf Erfolg zu haben. Aus der Reihenfolge der vier Bausteine, die in milliardenfachen, immer neuen Kombinationen vorliegen, lässt sich letztendlich die Vielfalt der lebendigen Welt ableiten, die uns umgibt. Die Vorstellung ist verführerisch, dass - wie in einem Computer, wo sich alle Rechenkunststücke letztendlich auf die Kom-
bination von zwei Aussagen (Ja-Nein- oder Null-Eins-Schalterstellungen) zurückführen lassen - die komplexen Erscheinungen in der lebendigen Welt auf der Kombination von nur vier Bausteinen beruhen sollen. Inwieweit sich diese Bilder von der Natur mit der Wirklichkeit vereinbaren lassen und wo diese Vorstellungen ihre Grenzen finden, wird in den folgenden Kapiteln beschrieben. Ein solches Konzept der Natur jedoch, demzufolge sich äußerst komplexe Vorgänge auf diese unglaubliche Einfachheit reduzieren lassen, kommt unserem Streben nach Überschaubarkeit der komplexen Umwelt entgegen. Die DNS besteht aus einer Aneinanderreihung von vier verschiedenen, wenn auch einander sehr ähnlichen Molekülkomplexen, den Grundbausteinen Adenosin, Thymidin, Guanosin und Cytidin (in der Grafik auf S.16 sind sie blau, gelb, rot und grün dargestellt). Jeweils zwei solcher Stränge sind zu einer Doppelspirale - der Doppelhelix - gedreht. Das Überraschende an diesem Molekül ist, dass sich die vier Einzelbausteine, die man mit ihren Anfangsbuchstaben A, T, G und C abkürzt, in der gesamten lebenden Welt wieder finden und immer gleich sind. Ein A-Baustein eines Regenwurms ist genauso aufgebaut wie ein A-Baustein beim Menschen. Dasselbe gilt für T, G und C. Lediglich die Abfolge der vier verschiedenen Bausteine, ihre Anzahl und Aneinanderreihung machen die Unterschiede zwischen Mensch und Regenwurm aus. Weil diese Gleichheit in den Bausteinen aller Lebewesen besteht, eröffnen sich - wie sich später zeigen wird - phantastische Möglichkeiten für die Gentechniker. Wichtig ist außerdem, festzuhalten, dass wir in jeder Körperzelle eines Organismus die gleiche komplette DNS finden - mit einigen wenigen Ausnahmen, zum Beispiel in den Abwehr- und Keimzellen beim Menschen. Aber es werden in bestimmten Zellen jeweils nur ausgewählte DNS-Abschnitte als Informationsspeicher tatsächlich benutzt- in anderen Zellen sind es wiederum andere Sequenzen. Das macht letztendlich eine Zelle zu einer Leberzelle oder zu einer Hautzelle. Damit besitzt jede Zelle unseres Körpers zwar die komplette Information über den Aufbau unseres Organismus, jedoch wird jeweils nur ein bestimmter Teil davon genutzt - eine aufregende Entdeckung. Das DNS-Molekül ist in der Zelle zu einem lockeren Knäuel aufgerollt. Die Informationseinheiten, die für den Betrieb der Zelle wichtig sind, liegen so leicht zugänglich vor. Will sich die Zelle teilen, so rollen sich die
Der Ausschnitt macht deutlich, dass sich jeder der vier DNSBausteine aus Atomgruppen zusammensetzt. Sie sind über Wasserstoffbrücken verbunden und bestehen aus Sauerstoff, Phosphat und Kohlenstoff.
DNS-Stränge zu Einzelsegmenten zusammen. Eigentlich besteht also das DNS-Molekül aus mehreren Teilen. Beim Menschen sind es 46 Segmente die Chromosomen. Der Begriff Chromosom- »Farbkörper« -ist historisch zu verstehen: Die langen Einzelfäden wurden durch Einfärben unter dem Mikroskop sichtbar gemacht. Die 46 Chromosomen entpuppen sich beim näheren Hinschauen als Paare, so dass in den menschlichen Zellen eigentlich nur 22 unterschiedliche Chromosomen existieren - hinzukommen noch jeweils die geschlechtsbestimmenden sogenannten X- und Y-Chromosomen. Die Chromosomen können durch Verdoppelung vermehrt werden. Und genau das ist bei der Zellteilung wichtig, denn jede Zelle muss einen vollständigen
Die DNS ist im inaktiven Zustand in den Zellen zu Chromosomen aufgerollt. Beim Menschen finden sich 23 Chromosomenpaare.
Raster-Elektronenmikroskop-
Satz der Chromosomen erhalten. Diese Herstellung von Kopien erfolgt mit
Aufnahme der Chromosomen
äußerster Genauigkeit, denn anders könnte man die gleichen DNS-Mole-
eines Menschen.
küle nicht in den Billionen von Körperzellen wieder finden, aus denen ein menschlicher Körper besteht. Dieser Körper ist ja ursprünglich aus der Verschmelzung nur einer Eizelle mit einer Samenzelle entstanden, und mit dem Wachstum durch ständige Zellteilung mussten die originalgetreuen Kopien der DNS in entsprechend riesiger Zahl produziert werden. Anders als in der Physik, in der Welt der »toten Materie«, sind die Chancen in der Biologie offenbar recht groß, die Grundbausteine und -regeln des Lebens - sollten sie wirklich existieren - zu entdecken. Denn bei der
Erforschung des Lebens liegen die elementaren Bausteine in der DNS offen zutage. In der Physik hingegen gelangt man zu den Urteilchen nur über experimentell schier unerreichbare Bedingungen, so wie sie in der unvorstellbaren Energiekonzentration während der Entstehungsphase des Universums geherrscht haben. In der modernen Biologie müssen allerdings Strategien entwickelt werden, um das Geheimnis des Lebens aufdecken zu können. Es gilt herauszufinden, wie mit den vier Bausteinen, die die DNS ausmachen, der Aufbau des Lebens funktioniert. Auch hier ist dann das Ziel - wie in der Physik -, Vorgänge vorhersagen zu können, die Abläufe des Lebens berechenbar zu machen. Damit wäre auch die Möglichkeit gegeben, in diese Abläufe einzugreifen, den Weg des Lebens zu beeinflussen und überdies neue Lebensformen zu schaffen - ein Gedanke, der verführerisch und beängstigend zugleich ist. Was man bis jetzt auf diesem Gebiet erreicht hat, welche Hoffnungen zerronnen sind und wo sich optimistische Ausblicke zeigen, damit beschäftigen sich die folgenden Kapitel.
Wie das Leben funktioniert
Für das Phänomen Leben lässt sich keine einfache Beschreibung finden. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass ein chemisches System existiert, das sich selbst reproduzieren kann. Mit dem Erbmolekül, der DNS (Desoxyribonukleinsäure), hat man den Grundbaustein für das Leben entdeckt. Einen großen Schritt voran kam man vor 50 Jahren, als James Watson und Francis Crick die Struktur der DNS enträtseln konnten. Zwar waren schon vorher Einzelelemente der DNS bekannt, aber erst diesen beiden Forschern gelang es, die räumliche Anordnung der Bausteine des langen Molekülstrangs zu bestimmen. Dafür bekamen sie 1962 den Nobelpreis. Die DNS besteht aus zwei Molekülreihen, die sich, einander gegenüberliegend, zu einem Doppelstrang - zu einer Doppelhelix - verwinden. In der Zelle ist der Doppelstrang aufgerollt und verknäuelt. Dadurch ist es möglich, die bei der menschlichen DNS unglaubliche Länge von etwa zwei Metern auf kleinstem Raum unterzubringen. In dem Doppelstrang ist die gesamte Erbinformation eines Lebewesens enthalten: seine Gestalt, seine Eigenschaften und wie die biochemischen Abläufe in seinem Innern gesteuert werden. Überraschend ist, dass all diese Informationen allein durch die unterschiedliche Anordnung von vier verschiedenen Bausteinen, den vier Nukleotiden A, T, G und C, gespeichert werden. In dem Doppelstrang stehen sich immer nur zwei passende Bausteine gegenüber, nämlich A und T bzw. G und C. Die doppelte Ausführung der Stränge macht Sinn, denn dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Beschädigung auf die Informationen des möglicherweise unbeschädigten Teiles zurück-
Die Doppelhelixstruktur der DNS in einer detaillierteren Darstellung. Die hellblauen Linien zeigen das Phosphat-Zucker-Rückgrat der DNS. Die andersfarbigen Linien machen die unterschiedlichen Basen deutlich. Alle zusammen bilden jeweils die vier Bausteine: A (blau) und T (gelb) sowie G (rot) und C (grün).
gegriffen werden kann und sich so die DNS reparieren lässt. Außerdem ist die doppelte Speicherung der Information bei der Zellteilung wichtig. Die DNS spreizt sich dazu auf, und aus jedem Einzelstrang bildet sich durch Anlagerung der komplementären Bausteine wieder je ein Doppelstrang für beide Zellen. So kann die genetische Information an die nächste Zelle weitergegeben werden, ohne dass dabei etwas verloren geht. Die DNS ist die genetische Bau- und Betriebsanleitung für die Zellen und den aus ihnen gebildeten Organismus. Eine bestimmte Anordnung der Bausteine über einen definierten Bereich enthält zum Beispiel die Information über die Herstellung eines bestimmten Produkts in einer Zelle. Ein solches Teilstück nennt man dann Gen. Allerdings ist es nicht einfach, den DNS-Strang in einzelne Gene zu unterteilen und dann jede Eigenschaft oder allgemeiner: jede Wirkung - nur einem bestimmten DNS-Abschnitt, einem Gen, zuzuordnen. Ganz im Gegenteil: Sehr wenige Eigenschaften lassen sich allein auf ein einzelnes Gen zurückführen. Und man weiß heute, dass die RNS, der Strang mit der abgelesenen Gen-Information, von den Enzymen der Zelle zerschnitten werden kann und sich auf unterschiedlichste Weise wieder neu zusammensetzt. Danach werden die entsprechenden Proteine produziert. So ist plötzlich ein Gen für mehrere Proteine verantwortlich, die sich dann auch noch auf unterschiedliche Weise zusammenlagern. Dadurch kommt es wiederum zu unterschiedlichen Eigenschaften und Wirkungen dieser Protein-Komplexe - eine zur Zeit noch nicht durchschaubare Situation in der Zelle, bei der vor allem im Dunkeln bleibt, welche Wirkung ein Gen tatsächlich hat. Zudem bestimmt auch das Zusammenwirken von mehreren DNS-Abschnitten die Ausprägung einer bestimmten Eigenschaft. Wenig ist auf diesem Gebiet erforscht, und eines der großen Ziele in der Genetik ist daher auch, die Auswirkung der einzelnen DNSAbschnitte auf ein Lebewesen bestimmen zu können. Jeder Organismus, ob Mensch, Tier oder Pflanze, enthält in seiner DNS prinzipiell die gleichen vier Bausteine A, T, C und G. Allein die Kombination der Bausteine und die Länge der Stränge bestimmen, ob es sich um einen Menschen oder um ein anderes Lebewesen handelt. Beim Menschen ist die DNS aus circa drei Milliarden Bausteinen aufgebaut, bei der Hefezelle sind es 14 Millionen Bausteine - und beim Aids auslösenden HI-Virus nur etwa 9000. Allerdings ist es nicht so, dass sich um so mehr
DNS-Fäden, die aus Zellen gewonnen werden. Dazu »bricht« man die Zellwände chemisch auf und befreit die DNS von den sie umgebenden Proteinen.
Bausteine in der DNS finden, je höher ein Lebewesen entwickelt ist. Ein Lurch etwa besitzt dreißig Mal mehr Bausteine als der Mensch. In dem Bild, das sich die Biologen vom Aufbau der lebendigen Welt machen, ist der Unterschied zwischen den einzelnen Arten auf den ersten Blick nicht allzu groß. Die Abweichungen zwischen Affe und Mensch sind zum Beispiel kaum zu bemerken. Das Genom, die Summe der Gene, zeigt beim Schimpansen und beim Menschen eine Übereinstimmung von etwa 99 Prozent im Erscheinungsbild, im Phänotypus ist sie jedoch weitaus geringer: etwa 40 Prozent. Dies ist ein Zeichen dafür, dass schon kleine Abweichungen in der DNS große Auswirkungen haben können. Vor allem spielt die von den Genen kodierte Vielzahl an unterschiedlichen Proteinen eine große Rolle. Ihr Zusammenspiel ist für die Ausbildung und das Funktionieren eines Organismus äußerst wichtig. Welche Vermutungen es darüber gibt, wird später geschildert (siehe Kapitel 15). Interessant ist, dass sich in den Zellen, aus denen ein Lebewesen aufgebaut ist, zwar immer die gleiche DNS befindet, jedoch in den unter-
schiedlichen Zellen des Körpers nur bestimmte Teile dieser DNS aktiviert sind. In den circa 250 verschiedenen Zelltypen des menschlichen Körpers werden jeweils unterschiedliche Passagen der in der DNS gespeicherten Gebrauchsanweisung »gelesen«. In einer Leberzelle sind andere Abschnitte der DNS aktiv als in einer Hautzelle, und hier wiederum andere als in einer Zelle, die zur Niere gehört. DNS-Teile werden je nach Zellart auf bestimmte Weise an- oder abgeschaltet, so dass sie als Informationsspeicher spezialisierter Zellen dienen und die biochemischen Abläufe in einer Zelle steuern. Damit in den Zellen bestimmte Substanzen nach dem in der DNS gespeicherten Bauplan auf- oder abgebaut werden können, müssen selbstverständlich die entsprechenden Bauelemente in der Zelle vorhanden sein. Wie erfüllt nun die DNS ihre Rolle als Informationsspeicher in den Zellen? In der Zelle sogenannter höherer Lebewesen befindet sich ein Zellkern, in den die DNS eingeschlossen ist. Weniger hoch entwickelte Lebewesen oder auch Viren besitzen keinen Zellkern, so dass in ihnen die DNS frei vorliegt. Wird eine Information von der DNS abgelesen, so wird an der Stelle, an der sich die Information befindet, die DNS aufgespreizt. Ein Enzym, das sich in der Zelle befindet, übernimmt diese Aufgabe und setzt dazu kurz vor dem betreffenden Gen an. Jetzt ist der Weg zum Ablesen frei. Aus Einzelbausteinen wird an dem einen Strang der DNS eine komplementäre Kopie des gegenüberliegenden Teils zusammengesetzt. Komplementär deshalb, weil ja nur ein A an ein T koppelt und ein C an ein G. Beim Ablesen wird der T-Baustein durch einen U(Uridin)-Baustein ersetzt. Den entstehenden Strang nennt man Ribonukleinsäure, kurz RNS. (Übrigens sind auch die Abkürzungen RNA für die RNS oder DNA für die DNS üblich, entsprechend dem englischen Begriff »acid« für »Säure«.) Eine bewundernswerte Strategie in der Natur: Das Zentrum der gespeicherten Information - die DNS - bleibt geschützt im Zellkern, und wie in einer Bibliothek werden Informationen von ihr abgelesen und als RNS-Strang »materialisiert«, der nach außen wandert. Das geschieht immer wieder, je nachdem, welche und wie viele Informationen die Zelle benötigt. Die doppelsträngige DNS wird dabei in eine einzelsträngige RNS umgeschrieben. Man nennt diesen Vorgang auch Transkription. Die RNS-Bausteine sind in der Zelle vorhanden, sie werden ständig aufgebaut und
damit nachgeliefert. Die Energie, die für das Zusammensetzen der RNS notwendig ist, bringen die Bausteine mit. In ihnen ist die Energie in Phosphatresten chemisch gebunden, die beim Aneinanderlagern der Bausteine teilweise abgespalten werden, sodass Energie freigesetzt wird. Dieses Ablesen - das heißt das Zusammensetzen einer langen Molekülkette, die jetzt die Informationen eines Teils der DNS trägt - bricht nach einiger Zeit plötzlich ab. Warum das geschieht, ist bis heute nur unvollständig verstanden. Vielleicht spielt dabei eine bestimmte Folge von Bausteinen eine Rolle, die das Abbrechen signalisiert. Die Beendigung des Aufbauprozesses wird als äußeres Zeichen für die Begrenzung eines Gens gedeutet. Ein Gen ist demnach ein DNS-Stück, das »abgeschrieben« werden
Benötigt die Zelle eine Information, so wird die DNS an einer bestimmten Stelle aufgespreizt, damit das entsprechende Gen abgelesen werden kann. Dabei setzt sich aus Bausteinen eine Kopie des Einzelstrangs - die RNS - zusammen. Ist das Gen abgearbeitet, löst sich die Boten-RNS von der DNS, um z. B. nach diesen Bauanweisungen in der Zelle Proteine aufzubauen.
Zur Produktion von Proteinen durchläuft die Boten-RNS eine der in der Zelle vorhandenen Eiweißfabriken - ein Ribosom. Die das Protein aufbauenden Aminosäuren sind an jeweils eine Dreierkombination der Informationsbausteine A, U, G, C gekoppelt. Im Ribosom wird dann - getreu nach der Bausteinabfolge auf der RNS - das Protein zusammengesetzt.
kann. Aber ganz eindeutig ist diese Definition nicht, denn auf einem abgelesenen DNS-Stück können sich auch mehrere Gene befinden, die bei anderen Ablesevorgängen einbezogen werden. Das aus einem Strang bestehende Botenmolekül - die RNS - verlässt den Zellkern und gelangt zu den Eiweißfabriken der Zelle, den Ribosomen. Wie oben erwähnt, kann die RNS vorher auch zerschnitten und neu kombiniert werden. In den Ribosomen wird aus Aminosäuren nach der in der RNS enthaltenen Bauanweisung gezielt das entsprechende Eiweiß zusammengesetzt. Diese Eiweiße - oder Proteine - sind für die Zelle lebensnotwendig. Sie sind an allen biochemischen Reaktionen - wie Atmung, Wachstum, Teilung - beteiligt, und sie regeln und koordinieren als Hor-
mone oder Enzyme diese Abläufe; kurz: Durch sie »lebt« die Zelle und damit der gesamte Organismus. Die DNS ist das Informationszentrum, aus dem alle Anweisungen für die Funktion der Zelle abgeholt werden. Die im Vergleich zu ihr riesigen Proteine besorgen die praktische Durchführung dieses Informationsplanes. Ein solches Makromolekül - ein Eiweiß - besteht aus einer bestimmten Abfolge von Aminosäuren. Man kennt zwanzig verschiedene Aminosäuren, die die Molekülketten der Proteine zusammensetzen. Welche Reihenfolge die zwanzig unterschiedlichen Aminosäuren im Proteinmolekül einnehmen sollen und wie lang die jeweilige Kette ist, legt die RNS fest, die ja wiederum durch ihren Aufbau und ihre Länge diese Informationen von der DNS erhält. Je nachdem, welches der zahlreichen Proteine gefertigt werden soll, werden die Aminosäuren aneinandergelagert. Auch diese Aminosäuren finden sich in der Zelle. Sie werden entweder von außen aufgenommen oder in der Zelle produziert. Um sie in der richtigen Reihenfolge aneinanderzulagern, sind sie an kurze Adaptermoleküle gekoppelt, die ebenfalls aus einer Kombination der Bausteine A, T, G, C aufgebaut sind. Jedes dieser Adaptermoleküle besitzt an einer exponierten Stelle eine unterschiedliche, für das einzelne Molekül aber charakteristische Dreierkombination der Bausteine. Es transportiert jeweils einen bestimmten Eiweißbaustein, also eine bestimmte der zwanzig Aminosäuren, zu den Ribosomen, der dort in die wachsende Eiweißkette eingebaut wird. Die Aufeinanderfolge der Eiweißbausteine wird von der Boten-RNS bestimmt; sie gibt durch ihre Buchstabenfolge vor, welche der unterschiedlich aufgebauten Adaptermoleküle mit ihrer festgelegten Dreierkombination sich jeweils miteinander verbinden müssen. Dieser Vorgang läuft so lange ab, bis die Boten-RNS zu Ende ist und damit die Bauanleitung abgearbeitet wurde. Entstanden ist damit ein Eiweißmolekül, das für die Funktion der Zelle oder des gesamten Organismus notwendig ist. Der exakte Aufbau dieser Eiweiße aus den Aminosäuren ist äußerst wichtig, das zeigt sich allein schon an den Krankheitsbildern beim Menschen. Werden zu viele oder zu wenige oder gar die falschen Proteine produziert, kommt es zu schweren Störungen des Organismus - die AlzheimerKrankheit, die mit Gedächtnisverlust einhergeht, oder die Rot-Grün-Blindheit sind nur zwei Beispiele dafür.
Darstellung der Gehirnaktivität eines normal arbeitenden Gehirns (rechts) und eines von der Alzheimer-Krankheit angegriffenen (links). Erkennbar wird die höhere Leistungsfähigkeit des normalen Gehirns durch einen verstärkten Glukoseabbau.
Von der Alzheimer-Krankheit betroffen sind besonders Frauen ab dem 40. Lebensjahr. Sie haben Gedächtnisstörungen, sind häufig orientierungslos und können ihre Bewegungen nicht mehr gezielt koordinieren. Bei den Patienten zeigen sich im Gehirn Eiweißablagerungen, sogenannte Plaques. Diese faserähnlichen Stoffe umgeben die Nervenzellen und blockieren offenbar in Abhängigkeit von ihrer Konzentration die Funktion der Gehirnzellen. Diese können nicht mehr richtig arbeiten und gehen schließlich zugrunde. Diese faserähnlichen Stoffe bilden sich zwar in jedem Menschen, werden aber normalerweise von bestimmten Enzymen abgebaut. Ist jedoch das für diese Enzyme verantwortliche Gen leicht verändert, so können diese die faserähnlichen Stoffe nicht mehr auflösen und die Alzheimer-Krankheit bricht aus. Allerdings scheinen hierbei noch andere Faktoren, auch aus der Umwelt, eine Rolle zu spielen. Interessant allerdings ist, wie wichtig offenbar bereits die Veränderung eines Gens und der damit verbundenen
Produktion eines abgewandelten Proteins für die Abläufe im Organismus ist. Auch bei der Entwicklung der Gestalt des Menschen spielen Gene die entscheidende Rolle. Das zeigt sich, wenn es dabei zu Fehlern kommt. Einige Menschen werden mit einer verformten Hand geboren. Ihr Ringfinger ist mit dem Mittelfinger verwachsen. Die Ursache dafür liegt in der frühen embryonalen Entwicklung. Gene zur Bildung der Hand werden dabei ein- und ausgeschaltet. Die menschliche Hand besitzt in einer frühen embryonalen Phase zunächst die Form eines Spatens, später trennen sich die einzelnen Finger voneinander. Dabei sterben auf Kommando der Gene die Zellen in den Zwischenräumen ab. Bei der Bildung des Handknochens spielen zwei Gene die entscheidende Rolle. Durch ihr Zusammenspiel entwickeln sich die langen Fingerknochen. Ein Fehler im einen Gen kann entscheidende Folgen haben: Das andere Gen dominiert, und dies führt zur Bildung kurzer Knochen, zum Beispiel beim Ringfinger. Die
Im Vergleich zu einer gesunden Hand (links) entwickeln sich die Finger eines Menschen mit einem einfachen Defekt in einem Schlüssel-Gen sehr unterschiedlich.
Beim Farbensehen spielen Moleküle eine Rolle, die das Licht absorbieren. Ist der Aufbau eines solchen Moleküls verändert, werden auch die Wellenlängen - die Farben - unterschiedlich stark aufgenommen. Die Umgebung wird dementsprechend andersfarbig empfunden.
ganze Wand ist schließlich vom Defekt betroffen ein Hinweis darauf, welche Folgen eine Veränderung in einem wichtigen Schlüssel-Gen haben kann und wie dann das Zusammenspiel der Gene und entsprechend auch die Herstellung und Funktion der Proteine gestört werden. Aber auch Feinheiten in unserem Leben werden von den in den Zellen erzeugten Proteinen bestimmt. Allein ein einziger Baustein in einem Gen entscheidet darüber, ob wir die Welt etwas rosaroter als andere sehen. Die Rezeptoren in unseren Augen für die drei Farben Rot, Grün und Blau, aus denen sich prinzipiell das weiße Licht zusammensetzt, sind Vitamin-A-Moleküle, die in drei unterschiedlich aufgebaute Proteine eingebettet sind. Je nachdem, aus welchen Aminosäuren sich diese drei Proteine zusammensetzen, wird die eine oder andere Wellenlänge des Lichts, die ja für entsprechende Farben
steht, absorbiert. Diese Proteine werden nach dem in der DNS festgeschriebenen Bauplan - der Bausteinabfolge von A, T, C, G - produziert. Nun hat man herausgefunden, dass sich bei Männern zwei unterschiedliche Sorten von Proteinen finden, die für die Farbe Rot zuständig sind. Die dafür verantwortlichen Gene unterscheiden sich nur durch einen Baustein - an einer bestimmten Stelle ist das Gen statt mit einem T mit einem G versehen. Steht in der Abfolge GCT, so dockt die Dreierkombination mit der Aminosäure Alanin an; ist die Abfolge TCT, so wird das Adaptermolekül die Aminosäure Serin in das Protein einbauen. Männer, die durch diese Genvariation die Aminosäure Serin anstelle von Alanin in ihrem Rotrezeptor erhalten, sind für rotes Licht etwas empfindlicher als Männer mit der Aminosäure Alanin. Physikalisch gesehen verschiebt sich durch den unterschiedlichen chemischen Aufbau des Rezeptors die Empfindlichkeit für die Wellenlänge Rot um 5*10-9 Meter. Diese Rotverschiebung betrifft etwa zwei Drittel aller Männer. Sie nehmen die Welt farblich etwas anders wahr, was sich auf ihre Beurteilung aller Dinge, bei denen Farbe eine Rolle spielt - zum Beispiel Kunstwerke oder Modeartikel - auswirkt. Schön oder hässlich können damit von der Funktion eines winzigen Bausteins unter den drei Millionen Bausteinen der DNS abhängig sein. Diese Beispiele machen deutlich, wie wichtig die DNS als Informationsspeicher ist. Ob es nun um die Produktion bestimmter Eiweiße für den Betrieb der Zelle geht oder um Signale für den Aufbau eines Lebewesens, die DNS wird dabei immer wieder in der schon geschilderten Funktion benutzt: Nach dem Aufspreizen durch ein Enzym nimmt sie nach dem Ablesen ihre ursprüngliche Form wieder an und steht für einen neuen Ablesevorgang zur Verfügung. Erstaunlicherweise werden aber von dem langen DNS-Strang des Menschen nur etwa zwei Prozent für diese Ablesevorgänge benutzt. Nur dieser kleine Teil - über den gesamten Strang verteilt - ist genetisch aktiv, wird also über die RNS »abgeschrieben«. Und auch hiervon trägt wiederum nur ein Bruchteil die eigentliche Information für die Proteine. Die Gene sind durchsetzt von sogenannten Introns - das sind Bereiche, die offenbar nichts zur Information beitragen. Die Teile, die die tatsächliche Erbinformation eines Gens tragen, werden Exons genannt. Die RNS enthält zunächst die Bausteinabfolge der Introns und Exons. Im Zellkern
gibt es aber Enzyme, die aus ihm die keine Information tragenden Bereiche herausschneiden. Übrig bleibt dann die nahtlose Aneinanderreihung der Information der Exons, die den kodierenden Bereich des Gens darstellt. Und diese können auch noch unterschiedlich kombiniert werden. Wofür der Großteil der DNS - die übrigen 98 Prozent - gut ist, weiß man bis heute nicht genau. Er könnte als »Erblast« der Evolution bezeichnet werden, die der Mensch während seines Weges zum höchstentwickelten Säuger nicht abgelegt hat. Auch Viren haben offenbar ihre Erbinformation in unsere DNS einbauen können. Dieser Teil der DNS wird von einigen Wissenschaftlern als ein Potenzial für die Zukunft angesehen,
auf
zurückgegriffen
das
während
der
werden
kann.
Zum
immer
weiterlaufenden
Beispiel
dann,
wenn
Evolution sich
die
Umweltbedingungen extrem verändern sollten und der Mensch sich daran anpassen muss. Wie kommen aber die Abweichungen zwischen den Individuen zustande? Auch sie werden in erster Linie in den wenigen Prozent des aktiven Bereichs der DNS vermutet. Diese DNS-Sequenzen, die Informationen für ein Protein
speichern,
können
jedoch
keine
prinzipiellen,
allzu
großen
Unterschiede zeigen, denn dann würde damit ein komplett anderes Eiweiß produziert werden - der Mensch wäre dann vielleicht »krank«. Aber der Begriff der Krankheit ist sehr fließend, leichte Abweichungen gibt es bereits in diesem aktiven Anteil der DNS - zum Beispiel, was den Zeitpunkt betrifft, zu dem ein Gen angeschaltet wird -, und derartige Informationsunterschiede formen dann den einzelnen Menschen. Offenbar ist für die Ausbildung der Milliarden unterschiedlichen
Menschen
auf
der
Erde
das
fein
abgestimmte
Zusammenspiel zwischen den prinzipiell sehr ähnlichen Genen wichtig. Entscheidend ist, ob sie zum Beispiel etwas mehr oder weniger eines Proteins erzeugen und zu welchem Zeitpunkt. Zudem kann die Boten-RNS eines Gens noch unterschiedlich zugeschnitten und kombiniert werden. Dadurch entsteht eine recht unterschiedliche Palette an Proteinen in den Zellen, die zu großen Unterschieden im Erscheinungsbild eines Menschen führen können. Um das Phantastische der Wirkungsweise der DNS deutlich zu machen, muss noch einmal betont werden, dass die vier Bausteine, aus denen die DNS aufgebaut ist, allen Lebewesen eigen sind und der Vorgang des Ablesens prinzipiell in jedem Lebewesen auf dieselbe Weise funktioniert. Überdies erzeugt eine bestimmte Reihenfolge dieser in jedem Lebewesen
gleichen Bausteine in jedem Organismus immer dasselbe Produkt. Ob sich die Kombination nun im Menschen oder in einem Bakterium befindet - stehen die Aminosäuren zur Verfügung, so werden sie nach der Information dieses DNS-Stücks stets gleich zusammengestellt. Und genau dies eröffnet überhaupt erst die Möglichkeit der Gentechnik. Ihr liegt ja die Idee zugrunde, diese DNS-Stränge zu zerlegen und in den Sequenzen das Genom anderer Zellen unterzubringen. Dabei ist es hilfreich, dass es auf der Ebene der DNS keinen Unterschied zwischen menschlichen und anderen Genen gibt. Weil die DNS eine universelle Baustrategie der Natur darstellt - mit den gleichen vier Bausteinen in allen Organismen, ob Pflanzen, Tieren, Bakterien, Viren oder Menschen -, heben sich hier die Unterschiede auf. Dadurch ist es möglich, DNS-Stücke unterschiedlicher Lebewesen zu mischen. Ein Gen des Menschen kann die Herstellung desselben Produkts, für das es verantwortlich ist, auch in einem Bakterium bewirken. Oder man kann versuchen, die DNS neu so zu kombinieren, dass völlig neue Produkte oder Organismen entstehen eine Versuchung, der Wissenschaftler kaum zu widerstehen vermögen. Aber funktioniert das alles tatsächlich so einfach, wie es sich in der ModelIvorstellung, die sich die Wissenschaftler von der lebendigen Welt machen, darstellt?
Der Eingriff in die Natur
Mit dem Wissen über die Gene gibt es eine entscheidende Veränderung im Umgang des Menschen mit der Natur. Das Leben auf unserer Erde hatte etwa vier Milliarden Jahre Zeit, sich zu entwickeln. Im Wechselspiel zwischen den Organismen stellte sich ein Gleichgewicht ein, das sich immer wieder leicht verschiebt und dann neu stabilisiert. In der gegenwärtigen Gleichgewichtssituation haben bestimmte Organismen ihre Nische zum Überleben gefunden, das ganze Gebilde ist filigran miteinander verwoben - die unterschiedlichsten Organismen hängen mehr oder weniger stark voneinander ab. Durch die Existenz des Menschen wird dieses labile Gleichgewicht besonders stark beeinflusst. Die wachsende Bevölkerungszahl drängt andere Lebewesen zurück. Der Lebensraum wird durch den Menschen intensiv verändert - Wälder verschwinden, Flüsse werden begradigt, Sümpfe trockengelegt. Der Mensch nutzt nahezu jeden Winkel dieser Erde. Als Folge solcher Eingriffe werden viele Lebewesen in ihrem Lebensraum eingeengt und können sogar aus unserer Welt verschwinden. Das Überstrapazieren der Nahrungsquellen - das Ausfischen der Weltmeere zum Beispiel - beschleunigt diesen Prozess. Mit dem neuen Wissen über die Gene und deren Veränderung erschließt sich dem Menschen eine neue Dimension, die Entwicklung auf unserer Erde entscheidend zu beeinflussen. Mit diesem Werkzeug kann er sich weitere Vorteile in seinem Lebensraum verschaffen. Zu hoffen ist, dass er diese Möglichkeit behutsam und mit Bedacht einsetzt, so dass sich die damit verbundenen Veränderungen nicht negativ auswirken
Die Entwicklung des Lebens ist eines der Wunder in der Natur. Kann der Mensch mit Hilfe der Gentechnik diese ineinandergreifenden Prozesse wirklich für seine Bedürfnisse optimieren?
oder dem Menschen letztendlich sogar seine Lebensgrundlage entziehen. Welchen qualitativen Sprung die Gentechnik in den Mitteln bedeutet, die Welt zu beeinflussen und zu verändern, machen die folgenden Beispiele deutlich: Über Jahrtausende hat der Mensch versucht, die Bedingungen für sein Leben zu verbessern. Er wandelte sich vom Jäger und Sammler zum bodenständigen Viehzüchter und Bauern. Über Generationen war es sein Ziel, die Erträge ständig zu erhöhen. So wählte er die stärksten Tiere zur Paarung aus, um von den Nachkommen noch mehr Vorteile - mehr Milch oder Fleisch - zu erhalten. Auch bei den Pflanzen versuchte er, den Ertrag zu verbessern - größere Ähren lieferten ihm mehr Nahrung. Er selektierte die Natur nach seinen Gesichtspunkten, bevorzugte Pflanzen und Tiere, die ihm mehr einbrachten als andere. Das Betreiben von Landwirtschaft ist eigentlich nichts anderes als das Zurückdrängen einer Vielfalt von Pflanzen zum Vorteil der gewünschten Nutzpflanzen, Getreide oder Kartoffelsorten zum Beispiel. Was nicht in das Konzept des Menschen passte, wurde als Unkraut deklariert, und es wurden ausgefeilte Techniken entwickelt, um diese Feinde zu bekämpfen. Das begann mit dem mechanischen Heraushacken des Unkrauts und wird heute mit komplexen chemischen Strategien erledigt. Diese Selektion der Pflanzen und Tiere wurde zunächst instinktiv, ohne besonderes Vorwissen, durchgeführt. Man glaubte, dass die Kreuzung von zwei besonders gelungenen Prachtexemplaren deren gute Eigenschaften in den Nachkommen weiterleben lassen würde. Und oft hatte man mit dieser Methode auch Erfolg. Mit der Zeit zeigte sich auch, dass einige Merkmale sich weitervererbten, andere taten das nicht oder tauchten erst in späteren Generationen wieder auf. Die Mendelschen Gesetze liefern eine phänomenologische Beschreibung der dominanten oder rezessiven Merkmale bei den Pflanzen. Über die Ursache für diese Vererbungsstrategie in der Natur wurde vielfältig spekuliert. Erst vor 100 Jahren kam man zu der Auffassung, dass es so etwas wie ein Zentrum in den Zellen geben könnte, das diese Angelegenheit gesetzmäßig regelt. Aber von der Entdeckung und experimentellen Bestätigung dieser Theorie war man weit entfernt. Noch vor 60 Jahren wurden als Träger des Erbgutes verschiedene Substanzen im Zellkern angenommen. Erst vor 50 Jahren konnte man die Struktur des für die Vererbung verantwortlichen Moleküls - der DNS - aufklären. Und seit dieser Zeit ver-
suchen Forscher, das Geheimnis des Lebens immer weiter zu enträtseln. Schrittweise lernen sie mehr über die Abläufe rund um die DNS. Auch heute ist man noch weit davon entfernt, alle Vorgänge zu verstehen. Dieses Abenteuer der Forschung wird noch Generationen von Wissenschaftlern beschäftigen, und es bleibt dahingestellt, ob es sich mit Hilfe der naturwissenschaftlichen Modellvorstellungen überhaupt jemals vollständig erklären lassen wird. Aber auch ohne Detailwissen über das Zusammenspiel der Gene suchte man schon immer die Verbesserung bei dem, was man als »Vererbung« bezeichnete, um sich in der Tier- und Pflanzenzucht Vorteile zu verschaffen. Mit der mühsamen und zeitraubenden Selektion und dem Warten auf die jeweilige neue Generation war man bald nicht mehr zufrieden. Dieser Vorgang sollte beschleunigt werden. So begann man in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Tierzucht verstärkt mit Eizellen und Spermien zu experimentieren. Die künstliche Befruchtung spielte eine immer stärkere Rolle. Hormone waren dabei wichtig. Mit ihrer Hilfe konnte das Weibchen zur Abgabe von mehr befruchtungsfähigen Eiern gebracht werden. Diese wurden dann von Männchen auf natürlichem Wege befruchtet, die entstandenen Embryonen wurden ausgespült und in andere - hormonell entsprechend vorbereitete - Muttertiere eingepflanzt.
Die Entwicklung eines Rinderembryos. Am 29. Tag ist er etwa 10 mm groß (1. Bild), wächst in 10 Tagen um weitere 10 mm und zeigt am 65. Tag eine Größe von 9 cm.
Der Vorteil war, dass zur gleichen Zeit mehrere Tiere das wertvolle Erbgut zu Nachkommen heranreifen lassen konnten und dass das ursprünglich die Eizellen abgebende Rassetier von den Strapazen des Austragens verschont blieb und weitere befruchtungsfähige Eier lieferte. Auch die Männchen waren so für die Nachwuchsstrategie zu »optimieren«. Sie wurden zu Samenspendern, und ihre Spermien konnte man überdies tiefgefroren über lange Zeiträume konservieren. Heute ist diese Technik so weit ausgereift, dass man auch Embryonen im Frühstadium tiefgefroren deponieren kann. Embryonen von Hochleistungstieren werden so in die ganze Welt verschickt, vor Ort aufgetaut und den austragenden Muttertieren eingepflanzt. Die Befruchtung lässt sich zudem auch im Reagenzglas vollziehen. So kann man die Zahl der Embryonen und die Mischungen des Erbgutes beliebig erhöhen. Heute sind auch beim Menschen ähnliche Praktiken möglich und werden zum Teil auch ausgeführt. Mit dem detaillierter werdenden Wissen über die Rolle der DNS eröffneten sich plötzlich neue gigantische Möglichkeiten bei dieser Technik. Warum - so die Idee - sollte man die gewünschten Eigenschaften eines Tieres oder einer Pflanze nicht direkt in die DNS einbringen können? Kennt man die Eigenschaft, die von einem bestimmten Gen gesteuert wird zum Beispiel hohe Milchleistung bei einer Kuh -, dann könnte man dieses Gen in die DNS der Kuh einschleusen und hätte dann die gewünschte Superkuh. Auf herkömmliche Weise musste man bis jetzt diese Eigenschaft über Generationen von Kühen erst mühsam heranzüchten, und bei dem unvollständigen Wissen kam es immer wieder zu Rückschlägen. Immer wieder tauchten bestimmte gewünschte Eigenschaften plötzlich bei den Nachkommen nicht mehr auf, dagegen aber andere unerwünschte. Der Zufall entschied über Erfolg oder Misslingen. Mit Hilfe einer direkt am DNS-Strang vorgenommenen Veränderung könnte man dagegen in nur einer Generation die gewünschte Eigenschaft erhalten: ein ungeheurer Schritt in den Möglichkeiten der Tierzucht. Aber gelingt das alles so einfach, wie es sich hier darzustellen scheint? Die im Anfangsstadium in eine Zelle eingebrachten Fremdgene müssen ja bei den folgenden Teilungen immer weitergegeben werden. Das ist keine einfache Forderung, denn wenn ein Lebewesen entsteht, müssen sich die Zellen ja häufig teilen, bis die Entwicklung abgeschlossen ist. Aus nur einer Ei- und einer Samenzelle baut sich der neue Organismus auf -
Bei einer relativ einfachen Möglichkeit des Klonens werden die vier Zellen z. B. eines Schafembryos aus der natürlichen »Schutzhülle« entnommen und voneinander getrennt. Dann setzt man sie einzeln in die vorher entleerten Schutzhüllen anderer Embryonen und pflanzt sie wieder in das Muttertier ein. In diesem Stadium kann sich aus jeder Zelle wieder der vollständige Organismus entwickeln, so dass letztendlich vier identische Schafe entstehen. Jedes dieser Schafe besitzt in allen Zellen die gleich aufgebaute DNS. Damit ist es letztendlich möglich, eine große Herde identischer Tiere aufzuziehen. nach genauen Anweisungen offenbar. Würde sich dabei das eingebrachte Fremdgen verlieren, wäre aller Aufwand nutzlos gewesen. Diese Unsicherheit umgeht man zunächst, indem nach Methoden gesucht wird, ein schon optimiertes Zuchttier möglichst schnell zu vervielfältigen. Und das geht so: Auf dem (obenstehenden) Foto sind aus der befruchteten Eizelle eines Schafes durch herkömmliche Teilung mittlerweile vier Zellen entstanden. Die Zellen sind von einer Schutzhaut umgeben. Unter dem Mikroskop werden die vier Zellen aus dieser natürlichen Schutzhaut herausgenommen. In diesem frühen Stadium haben sich die Zellen noch nicht spezialisiert, jede einzelne dieser Zellen besitzt noch die Fähigkeit, durch weitere Teilung jeweils ein vollständiges Lebewesen entstehen zu lassen. Für dieses Experiment werden aus vier anderen Schutzhüllen die Zellen
herausgenommen
und
in
die
jetzt
leeren
Hüllen
die
teilungsfähigen Einzelzellen gebracht. Das liest sich leichter, als es in Wirklichkeit ist. Diese Arbeiten finden unter dem Mikroskop statt, und sie erfordern viel Übung. Es kommt zu vielen Fehlversuchen. Gelingt die Umsetzung, so können sich aus den vier Einzelzellen ausgewachsene Lebewesen entwickeln. Dazu müssen die neu gestalteten Embryos in ihren Schutzhüllen in den Leib eines austragenden Tieres eingepflanzt werden.
Das Neue an diesem Weg ist, dass die entstehenden Tiere alle genau dasselbe Erbmaterial - die identische DNS - besitzen. Dieses Verfahren ist eine einfache Form des Klonens. Bei dem Experiment mit den Schafembryos entstehen so vier identische Schafe. Diese Methode wird schon seit einiger Zeit in der Tierzucht angewendet, um schnell wertvolle Nutztiere zu erhalten. Man könnte diese Zelltrennung auch noch im späteren Teilungsstadium versuchen, zum Beispiel mit 16 oder 32 Zellen. Die Voraussetzung ist immer, dass die Zellen noch nicht spezialisiert sind, jede also noch die Fähigkeit besitzt, dass aus ihr das vollständige Lebewesen hervorgehen kann. Damit ist es möglich - wie in einer industriellen Produktion -, identische Tiere in der Zucht regelrecht zu »produzieren«. Durch die Einheitlichkeit im Muskelaufbau könnten die Fleischproduzenten so ihre Verarbeitungsmethoden perfektionieren. Die Normierung und Industrialisierung in der Tierzucht wäre damit noch weiter getrieben. Die Zahl der Zellen ist bei dieser Methode des Klonens begrenzt, denn spätestens mit 32 Zellen beginnt sich der Embryo zu differenzieren, die nachfolgenden Zellen sind also nicht mehr in der Lage, ein vollständiges Lebewesen entstehen zu lassen. Deshalb arbeiten Wissenschaftler seit einigen Jahren daran, identische Erbmoleküle in »entkernte« - also von ihrem ursprünglichen Erbgut befreite - Eizellen direkt einzusetzen. Die Idee ist denkbar einfach: Jedes Lebewesen besitzt in jeder seiner Zellen das gesamte Erbgut als DNS-Strang. Man kann dieses Erbgut bei einem erwachsenen Organismus aus einer beliebigen Zelle herausnehmen und in einer entkernten Eizelle unterbringen. Die Hoffnung dabei ist, dass sich dann alle Gene chemisch so anregen lassen, dass sie angeschaltet werden und die Eizelle mit der Teilung beginnt. Der berühmteste Fall auf diesem Gebiet ist das Schaf Dolly. Man konnte zunächst nicht glauben, dass eine komplette DNS aus einer erwachsenen Zelle ein vollständiges Lebewesen entstehen lassen kann, denn die DNS ist ja gealtert, und viele Gene - entsprechend der Funktion der Zelle - in ihr sind an- oder ausgeschaltet. Bei Dolly wurde die DNS aus Zellen des Eutergewebes eines erwachsenen Tieres gewonnen, die in einer Zellkultur gehalten wurden. Diese DNS scheint sich leichter zum Klonen zu eignen, weil sie - vergleichbar mit fötalen Zellen - nicht so stark blockiert ist wie in anderen Zellen. Für Dolly wurde aus einer gewöhnlichen Eizelle eines Schafs das Erbgut abgesaugt und durch das der Euterzelle ersetzt.
Die so behandelte Eizelle wurde zwischen zwei Elektroden plaziert und im elektrischen Feld zur Teilung
angeregt.
Unter
dem
Einfluss
der
ver-
schiedenen Inhaltsstoffe der Eizelle werden das Erbgut der eingebrachten spezialisierten Euterzelle offenbar wieder in seinen universellen Urzustand zurückversetzt
und
die
Genprogramme
zur
Entwicklung eines Schafes neu aktiviert. Heute scheint gesichert, dass das Klonen auch mit einer beliebigen erwachsenen DNS - nicht nur aus Euterzellen prinzipiell möglich ist. Andere Wissenschaftler haben ähnliche Experimente durchgeführt und bestätigen damit diese Möglichkeit des Klonens. Man könnte also beliebig viele Klone aus Erwachsenen-DNS herstellen. Allerdings ist das bis jetzt noch mit sehr hohen Fehlerquoten verbunden und es zeigen sich andere Nachteile, die in Kapitel 8 aufgeführt sind. Was sich hier als entromantisierende Zukunftsvision darstellt,
eröffnet
der
Labormedizin
neue
Möglichkeiten. Wenn man auf diesem Wege genetisch identische Mäuse züchtet, so können bestimmte
Medikamententests
gerichteter
durchgeführt
genauer
werden.
Die
und
ziel-
geklonten
Mäuse stellen identische Modelle dar, die auf verabreichte Substanzen identisch reagieren sollten. Mit der Beherrschung dieser Mikrotechnik ist der Mensch in Regionen vorgestoßen, die ihm auch neue ethische Verantwortung abverlangt. Wie weit soll man mit diesen Techniken gehen? Trotz anderer, offizieller Bekenntnisse werden einzelne immer wieder dazu verführt, allgemein anerkannte Grenzen zu überschreiten. Ein Beispiel dafür aus der Aufbruchszeit der Gentechnik ist die »Schiege«. Dieses Kunstwort ist aus der Kombination der Wörter Schaf und Ziege entstanden - und genau diese Mischung wurde in einem amerikanischen Labor 1986 experimentell hergestellt. Im frühen Teilungsstadium wurden. Die Euphorie über das Klonschaf Dolly war kaum zu überbieten, als es im April 1998 Mutter wurde. Die Befruchtung erfolgte auf natürlichem Wege, und für die Wissenschaftler war es ein weiterer Beweis, dass sich Dolly vollkommen normal entwickelte. Aber schon zu dieser Zeit gab es auch immer wieder Zweifel am Gesundheitszustand von Dolly
Diese »Schiege« ist eine vom Menschen künstlich geschaffene Kreatur. Dazu wurden im frühen Embryonalstadium Zellen von einern Schaf und einer Ziege vermischt. Welcher Teil des Körpers von den Schafzellen und welcher von den Ziegenzellen bestimmt wird, hängt vom Zufall ab.
Zellen aus einem Ziegenembryo und einem Schafembryo in einer gemeinsamen embryonalen Schutzhülle zusammengebracht. Die gemischten teilungsfähigen Zellen entwickelten sich weiter, wobei sowohl die Erbinformation aus der Ziege als auch die aus dem Schaf die Entwicklung des neuen Embryos bestimmten. In ein Muttertier eingepflanzt, entwickelte sich dann eine Mischung aus Schaf und Ziege - eine Schiege. Welcher Teil des Körpers von den Schafzellen und welcher von den Ziegenzellen bestimmt wird, hängt vom Zufall ab. Das Foto oben zeigt das Ergebnis dieses »Experiments«, auf das die meisten Wissenschaftler wohl nicht sehr stolz sind. Denn hier wird deutlich, wie stark unsere Wertvorstellungen von den Möglichkeiten der biologischen Technik erschüttert werden. Dieser Versuch ist zudem nicht das, was man unter Gentechnik versteht. Er ist dem Zufall unterworfen, während in der Gentechnik DNSStücke gezielt neu kombiniert werden, um neue biologische Funktionen zu erhalten.
Solche Experimente, die Chimären zum Ziel haben - also Lebewesen, die die Erbinformationen von verschiedenen Arten in sich tragen -, machen offenbar wenig Sinn; denn die Natur hat selbst Schranken für solche Entwicklungen gesetzt. Schon wenn Pferd und Esel zu Maultieren gekreuzt werden, sind diese in der Regel unfruchtbar. Und die Schwangerschaft bricht bei allen Tierarten natürlicherweise ab, wenn es beim Austragen der Embryonen zu Entwicklungsstörungen - zu starken Missbildungen zum Beispiel - kommt. Zwar kann das Vermischen der Zellen bei so nahen Verwandten wie Schaf und Ziege Erfolg haben. Sind aber beim Zusammenbringen der teilungsfähigen Zellen verschiedener Tierarten in einer Schutzhülle diese Arten zu unterschiedlich, so entwickeln sich die Embryonen nicht vollständig - sie sterben ab. Außerdem muss die Schutzhülle für die Zellen von einem Muttertier derselben Art stammen, sonst kann sie sich nicht in der Gebärmutter einnisten. Aber auch beim Menschen versuchen Forscher, Ergebnisse dieser biologischen Techniken anzuwenden. Einige Krankheiten sind an bestimmte Gene gebunden. Kennt man diese Gene, so lässt sich schon im frühen Stadium voraussagen, ob der fertige Mensch diese Krankheit haben wird oder nicht. Dazu greift man schon sehr früh in die embryonale Entwicklung ein. In Risikofällen beginnt man mit der Überprüfung des Embryos auf seine Eigenschaften, bevor er in den Mutterleib eingepflanzt wird. Diese Präimplantationsdiagnostik - kurz PID genannt - ist nur im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung möglich. So werden der Frau zunächst Eizellen entnommen. Und diese reifen Eizellen werden mit den Spermien des Mannes befruchtet, die ganz unromantisch über eine Kanüle in die Eizelle gespritzt werden. Nach einigen Zellteilungen, die ebenfalls außerhalb des mütterlichen Körpers stattfinden, kann der Test des Embryos auf seine Eigenschaften beginnen. Dabei werden dem etwa achtzelligen Embryo ein bis zwei Zellen entnommen. Aus dem Rest kann sich immer noch ein gesundes Kind entwickeln. Die abgezupfte Zelle kann nun auf genetische Defekte untersucht werden. Mit der fortschreitenden Entschlüsselung der menschlichen Gene ist es möglich, immer mehr über die Eigenschaften des werdenden Lebens auszusagen - das reicht von der Bestimmung des Geschlechts bis hin zu einigen schweren Krankheiten, deren genetischer Ursprung bekannt ist. Welche Embryonen letztlich in die Gebärmutter eingepflanzt werden, entscheiden allein die Eltern.
Auch hinter der Bestimmung des Geschlechts mit dieser Methode steckt nicht nur die Befriedigung der elterlichen Neugier. Zwei X-Chromosomen bedeuten ja ein Mädchen, eine XY-Kombination einen Jungen, Einige Erbkrankheiten treffen mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit die männlichen Nachkommen. Deshalb erscheint es sinnvoll, beim Vorliegen einer solchen Erbkrankheit nur ein Mädchen auszutragen. Die Mutter kann also die Entscheidung, die Embryonalentwicklung abzubrechen, sehr früh treffen. Die Entnahme der zur Analyse notwendigen einen Zelle aus dem Zellverband stört die Weiterentwicklung des Embryos nicht. Voraussetzung ist hier wiederum, dass diese Technik in einem sehr frühen Stadium der Embryonalentwicklung angewendet wird, in dem sich die Einzelzellen noch nicht spezialisiert haben. Der ausgewählte Embryo wird in die Gebärmutter eingespült, die Chancen für eine normale Schwangerschaft stehen etwa bei 1 :10. Zur Sicherheit wird deshalb noch ein zweiter weiblicher Embryo ausgewählt, der tiefgefroren als Ersatz dienen kann. Mit der Anwendung dieser Techniken wurde 1989 in England begonnen. Aber diese geschilderte Methode ist ja nur eine Inspektion des Erbguts, um Erbkrankheiten zu vermeiden, die geschlechtsgebunden sind. Es werden dabei nur die Chromosomen überprüft die in ihnen steckenden Gene, die für die Krankheit verantwortlich sind, bleiben unbekannt. Ziel wäre es jedoch, direkt die krankmachenden Gene zu analysieren. Allerdings sind heute nur bei einigen wenigen Krankheiten die dafür verantwortlichen Gene überhaupt bekannt. In der Zukunft ließe sich mit dem entsprechenden Wissen durch eine detaillierte Analyse jedoch prinzipiell herausfinden, ob der entstandene Embryo dieses Gen in seiner DNS besitzt oder nicht. Und bei negativem Befund könnte dann der Embryo zur Weiterentwicklung in den Mutterleib eingepflanzt werden. Bei einem vorsichtigen Umgang mit diesem Wissen bliebe der Eingriff darauf beschränkt, den Embryo auf dieses Gen zu testen und dann über den eventuellen Abbruch seiner Entwicklung zu entscheiden. Aber kinderlos gebliebene Paare versuchen heute noch mehr, um zu einem gesunden und schönen Baby zu kommen. Ein Grund für die ausbleibende Schwangerschaft kann sein, dass die Eizelle zwar erfolgreich befruchtet wurde, die darauffolgende Teilung der Eizelle aber nur recht unvollkommen vorangeht. Offenbar ist die beteiligte Eizelle dazu nicht optimal ausgestattet. Um in einem solchen Fall den Kinderwunsch
Arbeiten an Zellen eines Embryos finden unter dem Mikroskop statt und erfordern eine ausgefeilte Technik. Auf dem Bild ist ein menschlicher Embryo im Vergleich mit einer Nadelspitze zu sehen. In diesem Stadium kann man ihm eine Zelle entnehmen, um an ihr die DNS zu untersuchen. Diese Entnahme nur einer Zelle stört die Gesamtentwicklung des Embryos nicht.
dennoch zu erfüllen, wurde in einem Pilotversuch zunächst einer Spenderin das Zytoplasma aus einer ihrer Eizellen abgesaugt. Die Idee war, damit die erfolglosen Eizellen der zukünftigen Mutter zu stärken. Und so wurde diese spektakuläre künstliche Befruchtung durchgeführt: Der Frau wurden Eizellen entnommen. Das ist eine mühsame und komplizierte Angelegenheit. Zusätzlich zu den Spermien ihres Mannes wurde in diese Eizellen auch noch das Zytoplasma der fremden Spenderin injiziert. Die Hoffnung war, dass die neuen Inhaltsstoffe die Aktivität der Eizelle der Mutter erhöhen und zu einer normalen Teilung anregen. Dieses für eine breite Öffentlichkeit ungewöhnliche Experiment wirkte wie ein Donnerschlag: Der Embryo hatte nun praktisch zwei Mütter und einen Vater, weil mit dem fremden Zytoplasma auch fremde Gene der Spenderin in die Eizelle der Mutter gelangen. Mit Hilfe dieses Verfahrens wurden weltweit bereits etwa dreißig Kinder »erzeugt«. In Deutschland sind solche Versuche allerdings nicht erlaubt. Science-fiction-Autoren stellen sich vor, dass man in der Zukunft ein Designer-Kind kreieren kann. Die Paare bringen in dieser Vision ihre Kinder durch künstliche Befruchtung zur Welt. Damit es kein Zufallsprodukt wird, informiert per Knopfdruck ein Computer die Eltern über alle genetischen Daten ihres zukünftigen Kindes. Diese Informationen erlauben es ihnen auch, ihr Kind frei zu gestalten und bestimmte Gene auszuwählen, die ihren Wünschen entsprechen. Bei einer möglichen krankmachenden Genkombination gibt das System eine Warnung ab und die Gene werden sofort neu arrangiert. Größe, Gewicht, Haar- und Hautfarbe, Intelligenz, sportliches Leistungsvermögen und künstlerische Begabung sowie das Geschlecht sollen so über die Gene beliebig wählbar werden. Der Computer simuliert dann das Aussehen in den verschiedenen Altersstufen. Und dann kann der so am Computer entworfene Embryo auf Wunsch in die Gebärmutter der Frau eingepflanzt werden. Neun Monate später wird das Designer-Baby geboren. Babys wie aus dem Katalog: schön, gesund, intelligent und nach der eigenen Vorstellung kreiert - Perfektionismus auf Bestellung. Für viele ist dies eine Horrorvision. Aber wie realistisch sind solche Vorstellungen? Was ist heute überhaupt möglich? Kann man wirklich das perfekte Kind im Mutterleib heranwachsen lassen? Durch spezielle Methoden wie die Präimplantationsdiagnostik lassen sich zwar einige defekte Gene schon in einem sehr frühen Stadium der Embryo-
Designer-Babys sind nach den Wünschen der Eltern optimiert Alle sind schön, lieb und intelligent. Wird das in der Zukunft möglich sein?
nalentwicklung erkennen. Aber diese bereits in dieser Entwicklungsphase zu behandeln - etwa durch gesunde Gene auszutauschen -, ist zu risikoreich. Keiner weiß, welche Auswirkungen die eingebrachten Fremdgene in dem sich entwickelnden Embryo haben werden. In Kapitel 15 wird darauf näher eingegangen. Der Eingriff in die Keimbahn ist deshalb in Deutschland - wie in den meisten anderen Ländern - verboten. Zudem sind die Rolle der Gene und ihr Zusammenspiel noch weitgehend ungeklärt. Unsere Eigenschaften lassen sich nicht einfach auf bestimmte Gene zurückführen. Deshalb bleiben wohl die Träume, einen idealen Menschen allein mit Hilfe der Gene zu kreieren - einen Menschen regelrecht zu konstruieren -, eine Vision. Unser Verhalten und vieles, was uns ausmacht, hängt auch von der Umwelt ab, in der wir aufwachsen und leben. Deshalb sind die Gene eher nur eine Mitgift bei der Geburt und sagen wenig darüber aus, welche Eigenschaften ein Mensch entwickeln wird. So gesehen wäre der Weg vom entschlüsselten Erbmolekül zum perfekten DesignerMenschen noch weit, und er wird vielleicht nie zum Ziel führen. Die Schöpfung im Labor könnte für alle Zeiten nur ein Thema für Romanautoren bleiben. Die heutigen Möglichkeiten führen jedoch zu Diskussionen, was wirklich möglich ist und welche Gefahren auftauchen, die mit dem sich ständig vergrößernden Wissen über die Gene verbunden sind. Würde man einmal die kompletten Funktionen der einzelnen Gene und deren Zusammenspiel kennen, so hätte man es in der Hand, einen Menschen - wenn auch in Grenzen regelrecht zu konstruieren. Selbst wenn der Rahmen, den die Gene vorgeben, eng wäre, würde der Mensch in dieser Vision nicht mehr das wunderbare Geschöpf mit den geheimnisvollen Wegen der zufälligen Entwicklung sein, sondern erschiene als kühl kalkuliertes Etwas, als Ergebnis eines Gen-Designs. Vielleicht, so die Vorstellung, wird man dann besonders kriegerische Menschen als Soldaten herstellen oder mütterliche zur Kinderaufzucht - genetisch sortiert und verlesen. Die entscheidende Frage ist dabei wieder, wie viel von uns die Gene wirklich bestimmen. Und auch der Mechanismus des Zusammenspiels der Gene erscheint heute als nicht so einfach und überschaubar, wie es die Forscher vielleicht gerne hätten. Wenn aber einmal in weiter Zukunft die Selektion der Menschen nach einigen bestimmten Genkombinationen ge-
Ein kleiner Ausschnitt der Bausteinabfolge eines Gens, das beim Aufbau der Zellmembran beteiligt ist. Bei dieser Analyse wurde die Kombination TTT gefunden. Fehlt diese Baustein folge in dem Gen, so führt das zum Ausbruch von Mukoviszidose. Stärkt das die Hoffnung, in Zukunft einen idealen Menschen zu »designen« oder Krankheiten zu »reparieren«?
lingen sollte, sind verschiedene Szenarien vorstellbar. Je nach den Wertmaßstäben der jeweiligen Gesellschaft wäre es dann möglich, bestimmte Typen mit bewusst gewählten - von den Genen abhängigen - Eigenschaften regelrecht zu »züchten«. Neue Fragen werden aufgeworfen: Soll es dann eine Welt der rational bestimmten Menschen oder der gefühlsbetonten werden? Werden die Gefühle überhaupt von den Genen bestimmt? Und: Welche Gene will man nicht mehr und welche Eigenschaften gehen dann verloren? Selbstverständlich könnte man dann aufgrund der Kenntnis der Funktion der Gene auch die schon existierenden Menschen sortieren und einteilen - sie für bestimmte Arbeiten tauglich befinden oder nicht. Eine Möglichkeit, die wiederum zeigt, wie durch die neuen Biotechniken unser althergebrachtes Wertesystem ins Wanken gerät. Und was passiert, wenn es einmal möglich wäre - wie bei den Schafen beschrieben - durch Klonen genetisch identische Menschen zu schaffen? Was die Natur nur selten durch Zufall als eineiige Zwillinge zulässt, wäre jetzt durch den menschlichen Eingriff leicht mit Hundertschaften identischer Lebewesen möglich. Allerdings mit Unterschieden in den Bereichen, die nicht von den Genen bestimmt werden. Dass dieses Klonen nicht so einfach ist, zeigen die späteren Kapitel, aber trotzdem wäre dies eine Welt, die unter heutigen Gesichtspunkten wohl als nicht wünschenswert erscheint. In den vorher geschilderten praktischen Beispielen aus der Gentechnik hat man mit der Gesamtheit der DNS experimentiert. Der Strang, der die Erbinformationen trägt, wurde als Ganzes in andere Eihüllen umgesetzt, oder die Zellen wurden mit verschiedenen, jeweils kompletten DNS-Bauplänen - wie bei der »Schiege« - zusammengebracht. Aber es gibt auch Experimente, bei denen man versucht, einzelne Gene im DNS-Strang zu beeinflussen. Die Voraussetzung dafür ist, erst einmal zu erkennen, welchen Einfluss und welche Funktion ein Gen - ein bestimmter DNS-Abschnitt - überhaupt haben. Und das macht man im Tierversuch. Taufliegen wurden dazu intensiv untersucht. Sie lassen sich im Labor leicht halten und vermehren sich - wie alle Insekten - sehr rasch. So kann man in relativ kurzer Zeit sehr viele Generationen durchlaufen, um die Auswirkungen der Eingriffe zu studieren. In einer solchen Taufliegenpopulation fanden sich durch einen Fehler der Natur auch einige wenige Fliegen, die eine ganz bestimmte Missbildung aufwiesen. Anstelle der Antennen
an ihrem Kopf wuchsen dort Beine. Die Ursache für diese Abnormität lag in der Mutation von Genen, die für diesen Teil der Entwicklung Experiment
verantwortlich bestrahlten
nun
waren. die
Im Wis-
senschaftler die DNS der Fliege während der Entwicklung mit Röntgenstrahlen. Dadurch zeigten sich bei einigen Fliegen dieselben Missbildungen, die auf die Schädigungen der gleichen Gene zurückzuführen waren. Es gelang, diese Gene zu lokalisieren und damit festzustellen, welcher DNS-Abschnitt für diese
Entgleisungen
in
der
Entwicklung
verantwortlich war. Als Bestätigung dieser
Abhängigkeit
ist
es
jetzt
den
Wissenschaftlern möglich, gezielt das Erbgut der Fliege so zu verändern, dass ihr am Kopf Beine statt Fühler wachsen. Heute kennt man alle Gene, die die Gestalt der Taufliege so dramatisch beeinflussen. Man kann zum Beispiel da Flügel wachsen lassen, wo Augen hingehören. Diese Versuche wurden auch auf andere Tiere ausgedehnt. Bei Mäusen fanden sich 38 Gene, die dominierend die Gestaltgebung eines Organismus beeinflussen. Manipuliert man bestimmte von ihnen, so kann man am Halswirbel einer Maus zum Beispiel eine Rippe wachsen lassen. Die Wissenschaftler wollen dabei nicht etwa Frankenstein spielen, sondern diese Experimente werden mit ganz bestimmten Zielen durchgeführt, wie sich in Kapitel 15 zeigen wird. Diese Experimente erscheinen zwar makaber, sie werden aber gemacht, um das Geheimnis des Lebens zu enträtseln. Sie zeigen auch, welche Möglichkeiten sich plötzlich dem Menschen eröffnen, in den Ablauf der Natur einzugreifen und das Leben regelrecht zu konstruieren.
Am Kopf dieser Taufliege wachsen als Folge von genetischen Manipulationen Beine anstelle von Fühlern.
Die Grenzen des Machbaren
In der ersten Euphorie könnte man glauben, dass mit Hilfe der Gentechnik der Mensch Gott spielen könnte, indem er neue Lebewesen regelrecht konstruiert. Denn hat man eine DNS in einzelne Fragmente zerlegt, so ist es denkbar, diese beinahe beliebig mit Teilstücken der DNS anderer Organismen aneinanderzureihen. Prinzipiell wäre es so möglich, eine neuartige DNS zu gestalten. Gene könnten aus einer Kombination entnommen werden und, zu einem neuen Molekülstrang zusammengesetzt, jede beliebige Form eines Organismus entstehen lassen. Aber die Verhältnisse sind komplizierter. Zwar sind bei allen Lebewesen die DNS-Moleküle aus den gleichen vier Bausteinen A, T, C, G aufgebaut, doch bleibt es weitgehend
ein
Geheimnis,
welche
Buchstabenfolgen
überhaupt
funktionieren, welche Vorgänge im Detail in der Zelle ablaufen und wie die verschiedenen Gene zusammenspielen und die Abläufe des Lebens steuern. Zudem bestimmen oft Zufälle die Entdeckung des einen oder anderen Gens. Bis jetzt hat man es erst geschafft, das Erbmolekül des Polio-Virus im Reagenzglas nachzubauen - allerdings nach dem bekannten Bauplan der Natur. Einen neu gestalteten Organismus zum Leben zu erwecken - das scheint aus verschiedenen Gründen ein unerreichbares Ziel zu sein. Doch der Mensch beginnt, der Natur ins Handwerk zu pfuschen. Schon seit einiger Zeit ist der DNS-Abschnitt beim Menschen bekannt, der über das Größenwachstum entscheidet. Dieses Gen gibt die Anleitung zur Produktion bestimmter Eiweiße, in diesem Fall Hormone, die das Wachstum stimulieren. Weil ja die DNS-Kodierung in der Natur universell für jeden
Die aus den Zellen herausgelöste und gereinigte DNS wird mit Enzymen zerschnitten. Eine elektrische Spannung zieht die Fragmente durch ein Gel. Dadurch werden die Genabschnitte je nach Größe sortiert. Sie leuchten im UV-Licht auf.
Im Kern dieser Zelle eingepackt, befindet sich das Erbmolekül -die DNS. In der Gentechnik wird versucht, neue Gene - fremde DNS-Abschnitte - im Erbgut unterzubringen, um es dadurch umzufunktionieren. Dazu werden die fremden DNS-Stücke einfach in die Zelle gespritzt. Die Hoffnung ist, dass sie in das Erbmolekül eingebaut und in der Zelle wirksam werden.
Organismus ist, wird dieser definierte DNS-Abschnitt - das Gen - die Stoffe, die das Wachstum anregen, getreu der gespeicherten Information auch in den Zellen anderer Organismen herstellen lassen. Deshalb hat man versucht, mit der aus der menschlichen DNS gewonnenen Bausteinabfolge das Wachstum von Tieren zu beeinflussen. Das entsprechende DNS-Stück wird dazu mit Hilfe von Enzymen aus der menschlichen DNS »herausgeschnitten«. Man vervielfältigt das Wachstumsgen und schleust es in die DNS des Tieres ein. Mit diesem Kunstgriff sollte das Wachstum von Schweinen beschleunigt werden, um sie letztendlich größer werden zu lassen. Damit wäre es möglich, in relativ kurzer Zeit viel Muskelmasse zu produzieren, was wiederum die Schweinezucht noch rentabler machen würde. In der Züchtung gab es schon immer solche Ziele. Man wollte möglichst magere Schweine züchten oder Schweine mit mehr Rippen - das heißt mit mehr Koteletts - als üblich. Das alles hat sich nach
mühsamen Kreuzungen und nach entsprechend langer Zeit auch mehr oder weniger erfüllt. Mit der Gentechnik jedoch hofft man, solche Ergebnisse weitaus schneller und vor allem gezielter zu erreichen. Um das Wachstumsgen in den zukünftigen Riesenschweinen unterzubringen, benutzt man die befruchtete Eizelle eines normalen Schweins und spritzt das Konzentrat aus Wachstumsgenen in diese teilungsfähige Zelle. Das ist ein sehr mühsames Unterfangen, das nur unter dem Mikroskop möglich ist. Das Glasröhrchen, das in die Zelle eindringt, ist dünner als ein Haar und muss zum Zellkern geführt werden. Die Hoffnung ist, dass von den vielen angebotenen Wachstumsgenen eines oder mehrere in die DNS der Zelle eingebaut werden. Dabei kann nicht vorhergesagt werden, an welcher Stelle der DNS das passiert. Weil nur wenige Prozente der DNS mit genetischen Informationen durchsetzt sind, gibt es eine recht gute Chance, dass sich das eingebrachte DNS-Stück an einen Platz anlagert, an dem es keines der lebensnotwendigen Gene der Wirtszelle stört. Hat diese Injektion Erfolg, so besteht die weitere Hoffnung darin, dass die neue Information auch wirklich in der Zelle »abgelesen« wird, das heißt, die Vorgänge in der Zelle auch nach der neuen Anweisung gesteuert werden. Diese Methode des Hineinspritzens der DNS ist nicht besonders elegant, sie mutet an wie ein Schuss mit einer Schrotflinte - bei dem man nur hoffen kann, dass irgendwann einmal ein Treffer gelingt. Die Erfolgsrate für die Integration des eingebrachten DNS-Abschnitts und dessen Mitnahme bei den weiteren Zellteilungen ist auch recht niedrig: Von 100 Versuchen gelingt meist nur einer. Wird das eingeschleuste DNS-Stück in der Zelle wirksam, so produziert die Zelle die Hormone, die das Wachstum verstärken. Bei der Entwicklung des Schweins aus der befruchteten Eizelle muss sich dieses fremde Gen bei jeder Teilung behaupten, um an die neu entstehenden Zellen weitergegeben zu werden. Und bis zum ausgewachsenen Schwein sind das viele Teilungen. Bei Versuchen in den USA gelang es aber tatsächlich, das menschliche Wachstumsgen in der DNS eines Schweins zu verankern und dieses dann »transgene« Tier vollständig zur Entwicklung zu bringen. Das eingeschleuste Gen wurde in die biochemischen Prozesse in der Zelle mit einbezogen und fand sich in jeder Körperzelle wieder. Das Schwein wuchs tatsächlich zunächst schneller als seine Artgenossen, in der Endgröße allerdings übertraf es sie nur wenig. Außerdem zeigen diese Schweine
Ein Riesenschwein, in das ein menschliches Wachstumsgen »eingebaut« wurde. Dieses transgene Schwein wuchs tatsächlich zunächst schneller, übertraf in der Endgröße jedoch kaum seine genetisch nicht veränderten Artgenossen. Zudem zeigen diese Riesenschweine große Nachteile. Sie leiden an Arthritis und können schlecht stehen oder sich fortbewegen.
große Nachteile: Sie leiden unter schwerer Arthritis, können sich deshalb nur mühsam fortbewegen und kaum stehen; zudem sind sie nicht fortpflanzungsfähig. Offenbar gelingt es nicht, in dem komplexen System, das die Entwicklung eines Schweins steuert, durch die Veränderung nur einer einzigen Komponente einen Vorteil auf einem bestimmten Gebiet zu erzielen. Diese Versuche lassen ahnen, dass es mit dem »Gott spielen« nicht so einfach zu sein scheint. Denn die langsame Entwicklung über Jahrtausende hat in der Natur das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren - wie Knochenbau, Beweglichkeit in Zusammenhang mit der Größe usw. - fein aufeinander abgestimmt, so dass es nicht möglich erscheint, nur einen Faktor nach Belieben herauszunehmen und diesen zu verstärken. Der Umgang mit der DNS ist offenbar weitaus komplizierter. Das harmonische Zusammenwirken der einzelnen Faktoren muss zunächst erforscht werden, um überhaupt sinnvolle Veränderungen erreichen zu können. Die Überraschung ist jedoch, dass bei einem solch komplexen System, wie es ein Organismus darstellt, durch die willkürliche Änderung nur einer Komponente - die Vermehrung des Wachstumshormons - überhaupt ein Effekt zu erzielen ist. Bei Mäusen zum Beispiel funktioniert die Veränderung mit Hilfe des menschlichen
Wachstumsgens besser. Hier erreicht man tatsächlich eine weitaus größere »Riesenmaus«, die auf den ersten Blick keine Nachteile zeigt. Dennoch ist die Lebenserwartung kürzer, und es lassen sich Schäden an den Nierenund Leberzellen feststellen. Es zeigt sich, dass die Veränderung nur einer Komponente kontrolliert in das Zusammenspiel der anderen Abläufe integriert werden muss. Man denkt deshalb zum Beispiel daran, die vermehrte Produktion des Wachstumshormons durch das eingebrachte Gen zu bremsen, um so den gesamten Organismus an die neue Situation besser anzupassen und dadurch die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Bei der Maus hat dieser Gentransfer rein äußerlich eine größere Wirkung gehabt als beim Schwein. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass in der über Jahrtausende währenden Zucht, das heißt bei der Selektion der Tiere nach den Maßstäben der Menschen; Die Möglichkeiten des Schweins schon voll ausgeschöpft wurden. Wahrscheinlich sind damit alle »Reserven« der Natur für das Größenwachstum aufgebraucht. Bei der Maus hingegen lassen sich durch solche Genmanipulationen noch Veränderungen erreichen, die für den Gesamtorganismus auch verträglich sind. Die Maus wurde ja bisher nicht als Nutztier »auf Größe« gezüchtet. Man muss sich immer bewusst machen, dass sich solche Versuche nur sehr schwer durchführen lassen. Sind schon die Chancen für das Einbringen des Fremdgens in die befruchtete Eizelle nicht sehr hoch, so muss zusätzlich noch der Embryo in ein Muttertier eingepflanzt werden. Infolge der gentechnischen Manipulation ist auch das erschwert, der veränderte Embryo wird häufig während der Entwicklung abgestoßen. Die Natur hat einige Schranken gesetzt, wenn es darum geht, Organismen wachsen zu lassen, die das nicht mehr nach ihren Regeln tun. Weniger optimistisch sieht man heute auch die Möglichkeit, durch die Gentechnik einen zeitlichen Vorteil in der Zucht zu erzielen. Ein Rind der dritten Tochtergeneration erhält man mit normaler Zucht in etwa zehn Jahren, mit Hilfe der Gentechnik wird das kaum früher erreicht. Denn die eingebrachten Wunschgene müssen ja stabil in das Genom eingebaut und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Forscher sind daran interessiert, diese Möglichkeiten der Genmanipulation auszuloten, um vielleicht auf anderen Gebieten - nicht nur zur Steigerung der Leistungsfähigkeit-Vorteile zu erreichen. So gibt es mit Hilfe der entsprechenden Gene Versuche, Tiere gegen Krankheiten resistent zu
Das menschliche Wachstumsgen wurde hier in einen Mausembryo eingeschleust. Anders als bei Schweinen gelang es jetzt tatsächlich, das Größenwachstum entscheidend zu verändern. Vielleicht liegt der Grund darin, dass Mäuse bisher noch nicht »auf Größe« gezüchtet wurden und sie deshalb »Reserven« bei solchen Manipulationen besitzen.
Viren docken an Zellen an und bringen ihr Erbgut in der DNS der Wirtszelle unter. Wird es wirksam, ist die Zelle so umfunktioniert, dass sie neues virales Erbgut produziert und zu kompletten Viren in Eiweißhüllen verpackt. Auf diese Weise vermehren sich die Viren.
machen. Bei Schweinen führt häufig die Grippe zu hohen Verlusten in den Beständen. Cut bekannt ist wiederum bei bestimmten Mäusestämmen das Gen, das diese unempfindlich gegen eine Grippe macht. Dieses Resistenzgen veranlasst die Zelle, ein bestimmtes Eiweiß zu produzieren - das MX-Protein. Die Grippe breitet sich über Viren aus. Viren benötigen zum Leben immer eine Zelle, deren Ressourcen sie benutzen. Sie bestehen nur aus einer Eiweißhülle, in der sich ihr Erbgut befindet. Das Virus dockt an eine Zelle an und bringt sein Erbgut in der DNS der Wirtszelle unter. Die Zelle wird dadurch so umfunktioniert, dass sie neues virales Erbgut produziert und in Virushüllen einpackt. Dadurch werden die Viren vermehrt.
Das MX-Protein verhindert nun nicht die Infektion - das Eindringen des viralen Genoms in die Zelle -, sondern es blockiert die Vermehrung der Grippeviren, indem es Kopien des viralen Erbgutes bindet. Wegen der Universalität der DNS-Bausteine ist es wiederum möglich, dieses Resistenzgen, das für MX-Protein kodiert, aus Mäusezellen in die Zellen von Schweinen zu übertragen. Dieses Gen wird isoliert und nach der »Schrotschussmethode« in eine entwicklungsfähige Eizelle gespritzt. Die Hoffnung ist auch hier, dass in einigen Fällen das DNS-Stück in die DNS des Wirtes eingebaut wird und dass sich dieses Grippevirus-Resistenzgen bei den nachfolgenden Teilungen während des Wachstums in jeder Zelle wiederfindet. Eine weitere Hoffnung ist, dass dieses Gen, das bei Mäusen die Funktion hat, sie eine Grippe leichter überstehen zu lassen, auch bei Schweinen die gleiche Wirkung zeigt. Dazu muss das eingebaute Fremdgen »abgelesen« werden, das heißt, die Zelle nach der eingebrachten Anweisung arbeiten. In Versuchen gelang es, Schweine mit solchen Fremdgenen aufzuziehen. Diese Gene fanden sich zwar in allen Zellen wieder, die RNS, die die Anweisung für die Herstellung des MX-Proteins trug, konnte nachgewiesen werden - aber das Protein selbst wurde aus ungeklärten Gründen in den Zellen nicht produziert. Zudem scheinen die Abläufe in der Maus einfacher zu sein als im komplexen Organismus eines Schweins. Die Erwartungen der Wissenschaftler waren bei diesem Experiment offenbar zu hoch gesteckt. Das Ziel jedoch, Schweine gegen Grippe oder andere Krankheiten resistent zu machen, ist verführerisch. Das allein mit der Veränderung der DNS zu erreichen, würde alle anderen Methoden, die mit ungeahnten Mühen verbunden sind, in den Schatten stellen. Aber der Weg dorthin ist nicht klar vorgezeichnet. Genauso wie sich nur wenige Krankheiten auf einzelne Gene zurückführen lassen, ist die Resistenz gegen eine Krankheit äußerst selten auf nur ein Gen gegründet. Wieder trifft man auf das alte Problem des komplizierten Zusammenspiels verschiedener Gene und der Proteine, das überdies noch weitgehend unerforscht ist. Gearbeitet wird an der Verfeinerung der Methode, die Aufgaben der Gene in einer Zelle zu erkennen und dann als Fremdgen in ein anderes Genom einzubringen. Phantastisch einfach klingt es, wenn man liest, dass nur ein bestimmtes Gen - ein DNS-Stück - in eine Zelle eingesetzt werden müsse, und dann
sei die Zelle »umfunktioniert« und arbeite nach den Anweisungen des neu eingebrachten Gens. Die Wirklichkeit sieht - wie so oft - anders, weitaus komplizierter aus. Zunächst einmal muss man wissen, welche Teile der DNS wirklich Gene enthalten. Ein Gen ist ja in den meisten Fällen eine Information für ein Protein, das hergestellt werden kann. Untersucht man die Proteine im menschlichen Körper, so kommt man auf mehrere hunderttausend - und ebenso viele Gene müsste es ja eigentlich geben. Es sind jedoch nur etwa 50 000. Aber, wie schon erwähnt, das Botenmolekül, die RNS, wird in der Zelle umgebaut, und deshalb können von einem Gen viele Proteine kodiert werden. Wenn der Forscher ein für ihn interessantes Gen lokalisiert hat, ist die nächste Frage, wie man es isolieren kann, um es in einer anderen Zelle unterbringen zu können. Lange Zeit blieb dieses Problem ungelöst, bis 1970 bestimmte Proteine (Enzyme) entdeckt wurden, die den DNS-Strang an genau definierten Stellen chemisch aufbrechen. Die Enzyme reagieren hier mit den DNSBausteinen, schwächen den Zusammenhalt und trennen an dieser Stelle den Doppelstrang der DNS. Die Entdeckung dieser »molekularen Schere« gilt als wichtigste Grundlage der Gentechnik, denn mit diesem »Werkzeug« wurde es möglich, gezielt DNS-Stücke und damit Gene herauszuschneiden. Diese sogenannten Restriktionsenzyme sind nicht etwa künstlich vom Menschen gebaute Werkzeuge, sondern wurden in Bakterien gefunden, die sie wahrscheinlich zur Abwehr herstellen. Wenn fremde DNS in das Bakterium gelangt, beginnen diese Enzyme, die eingedrungene DNS zu zerstören, indem sie sie zerschneiden. In der bakterieneigenen DNS dagegen sind die von den Enzymen angreifbaren Stellen durch bestimmte chemische Gruppen geschützt, so dass die eigene DNS mit den potenziellen Schnittstellen von dem Zerschneiden ausgenommen ist. Mehrere hundert dieser Enzyme wurden bisher in den verschiedensten Mikroorganismen entdeckt, die jedes für sich die DNS an unterschiedlichen Stellen zerlegen können. Trifft eines dieser Enzyme auf eine DNS, so beginnt es immer an einer bestimmten Stelle, für die das Enzym ausgelegt ist - zum Beispiel da, wo die Bausteinabfolge GAATTC vorliegt -, die DNS enzymatisch aufzubrechen. Will man die DNS an einer anderen Stelle, das heißt an einer anderen Abfolge, aufschneiden, so muss ein anderes dieser Restriktionsenzyme benutzt werden. Der DNS-Strang wird dazu vom
Enzym abgetastet, und wenn sich die bestimmte Reihenfolge der Bausteine zeigt, beginnt es mit seiner Arbeit. Diese Enzyme sind universell einsetzbar, denn die DNS aller Organismen besteht aus den gleichen vier Bausteinen - nur die Reihenfolge der Anordnung macht die Unterschiede zwischen ihnen aus. Sie schneiden die DNS eines Bakteriums genauso an der definierten Stelle ab, wie sie das bei einer menschlichen DNS tun. Es muss nur die für sie angreifbare Bausteinabfolge vorliegen - eine wichtige Voraussetzung, wenn man die DNS verschiedener Organismen kombinieren will. Und noch etwas kommt dem Gentechniker zu Hilfe. Viele dieser Enzyme schneiden die DNS immer so auf, dass am Ende nicht etwa ein glatt abgeschnittener Doppelstrang übrig bleibt, sondern immer ein Stück des einen Stranges überhängt. Das herausgeschnittene DNS-Fragment besitzt dadurch zwei reaktionsfreudige Enden, die sich gerne wieder mit anderen Abschnitten zusammenlegen. Diese »klebrigen« Enden erleichtern dem Gentechniker das Zusammensetzen zu einem größeren Strang. Die Arbeit besteht für ihn zunächst darin, gezielt ein bestimmtes DNS-Stück zu isolieren. Dazu müssen die Zellwände und der Zellkern aufgebrochen werden, um an den DNS-Strang zu kommen. Dieser sieht aus wie ein gallertartiger, zu einem Knäuel aufgewickelter Faden. Die DNS wird mit dem Restriktionsenzym versetzt, das sie an den entsprechenden Bausteinfolgen zerschneidet. Unter den dabei entstehenden vielleicht tausend oder gar eine Million verschieden langen Fragmenten befindet sich auch das gewünschte Gen. Dieses DNS-Segment muss von den anderen getrennt und vermehrt werden, denn nur ein Exemplar reicht für die weiteren Arbeiten nicht aus. Für diese Vermehrung kann man wiederum auf das Repertoire der Natur zurückgreifen, in diesem Fall auf Bakterien. Bakterien besitzen keinen Zellkern - die DNS liegt offen im Inneren vor. Für Gentechniker interessant sind die zusätzlich vorhandenen ringförmigen Plasmide, die auch aus DNS bestehen, aber wesentlich kleiner sind. Die Plasmide bilden einen geschlossenen DNS-Ring mit vergleichsweise wenigen Bausteinen - etwa 3000 bis 10 000 sind hier aneinandergereiht. Sie können wichtige Informationen tragen, zum Beispiel für die Resistenz gegenüber einem bestimmten Antibiotikum verantwortlich sein. Die Plasmide werden mit dem gleichen Enzym, das vorher die DNS in Fragmente zerlegt hat, aufgeschnitten. Das geschieht immer da, wo die Bausteinfolge
auftaucht, an der das Enzym ansetzt. Weil das gleiche Enzym benutzt wird, besitzen jetzt die Enden des aufgeschnittenen Plasmidringes und die des herausgetrennten DNS-Stücks zueinander passende Bausteinkombinationen - das heißt Enden, die leicht miteinander verbunden werden können. Mit dieser Strategie ist es möglich, die herausgeschnittenen DNSStücke in die Plasmidringe einzufügen. Die so veränderten Plasmidringe werden dann wieder in Bakterien eingeschleust, die Ausgangsplasmide werden sozusagen als Genfähren benutzt. Das Einbringen in die Bakterien geht leichter und zudem effizienter, wenn man die Bakterien für die Aufnahme des fremden Plasmidringes vorbereitet. Werden sie zum Beispiel gut gekühlt und mit einer Kalziumchloridlösung behandelt, so zeigen sich die Wände für das Plasmid durchlässiger. Die nach dieser Prozedur transformierten Bakterien vermehren sich, und mit ihnen auch das eingeschleuste DNS-Stück. Und noch eine Strategie in der Natur kann von den Gentechnikern ausgenutzt werden: Die Plasmid-DNS kann natürlicherweise ein Resistenzgen gegen ein bestimmtes Antibiotikum enthalten. Koppelt man dieses mit dem eingebrachten Fremdgen, dann wird die Selektion derjenigen Bakterien, die ein solches Plasmid aufgenommen haben, erleichtert. Denn bringt man nach der Vermehrung die Bakterien mit diesem Antibiotikum in Kontakt, so werden nur diejenigen überleben, die gegen das Mittel resistent sind und das sind genau die Bakterien, die ein Plasmid mit der Fremd-DNS enthalten. Diese »Markergene« stehen immer wieder in der Diskussion, denn gelangen sie in den Menschen, so werden die in ihm lebenden Bakterien resistent gegen bestimmte Antibiotika. Deshalb benutzt man zur Markierung der Fremdgene DNS-Abschnitte, die für medizinisch nicht bedeutende Antibiotika verantwortlich sind, und seit einiger Zeit werden Markersequenzen angekoppelt, die zum Beispiel auf Licht reagieren und aufleuchten. Das Ziel ist es, unter den vielen unterschiedlichen DNS-Fragmenten, die jeweils in den Plasmiden eingebaut sind, das Plasmid mit dem gewünschten Gen herauszufinden, denn nur an diesem ist man interessiert. Benutzt werden dazu auch radioaktiv markierte Gensonden. An ein Ende eines kurzen DNS-Stranges, der dem gesuchten Fremdgen entspricht, wird ein radioaktiv markierter Baustein angebaut. Gibt man diese radioaktiv markierten Sonden zu einem Gemisch aus DNS-Stücken, so
Zum Vervielfältigen eines Gens einer Zelle wird mit Hilfe von Enzymen aus dem Plasmidring eines Bakteriums ein Teil der DNS herausgeschnitten und durch das fremde Gen ersetzt Diesen so veränderten Plasmidring bringt man in Bakterien unter. Teilen sich jetzt diese Bakterien, so vermehren sich dadurch auch die genetisch veränderten Plasmidringe und damit auch das Fremdgen.
Aufspüren eines Gens: Die in unterschiedliche Fragmente zerlegte DNS wird mit dem RNSStrang des gesuchten Gens zusammengebracht Diese »Gensonde« enthält einen radioaktiv markierten Baustein. Der Strang lagert sich in dem Gemisch an das gesuchte DNS-Fragment und signalisiert den Ort.
werden sie sich immer genau an die DNS-Stücke anlagern, zu denen sie wie der Schlüssel zum Schloss passen. Auf diese Weise spüren sie die Bakterien auf, die das gesuchte Fremdgen enthalten. Haben sie sich an das Gen angekoppelt, so zeigt darüber gelegtes Fotopapier an, wo sich diese Bakterien befinden. An dieser Stelle der Bakterienkultur wird das Fotopapier durch die radioaktive Strahlung des Markers geschwärzt. Man kann die Sonden übrigens auch so markieren, dass eine Identifizierung durch eine Farbreaktion möglich ist. Nur die identifizierten Bakterien - von denen man jetzt weiß, dass sie das gesuchte DNS-Stück enthalten - lässt man jetzt weiter wachsen, und damit vermehren sich auch nur die gewünschten Gene. Das nennt man übrigens auch Klonieren von DNS, weil identische DNS-Abschnitte in riesiger Anzahl vermehrt werden. Hat
man das Fremdgen mit so genannten Promotoren versehen, ist es jetzt sogar möglich, in den Gastbakterien die von ihnen kodierten Proteine produzieren zu lassen. Wie aber bringt man die Fremdgene in anderen Zellen und Organismen überhaupt unter? Neben dem mechanischen Einspritzen werden zum Gentransfer auch so genannte Vektoren oder Genfähren benutzt, die man der Natur abgeschaut hat. Sie dienen dazu, Gene in die Zelle zu bringen und dort zu verankern. Plasmide können als solche Genfähren benutzt werden. Sie passieren relativ leicht die Zellwände und können so die an sie gekoppelten Gene in der zelleigenen DNS unterbringen. Vor allem wenn Bakterien durch fremde Gene zur Produktion eines Stoffes gebracht werden sollen, benutzt man Plasmide als Genfähren. Ist der Gentransfer gelungen, so setzt das Fremdgen seine Information im Gastbakterium um. Nach seiner Anweisung werden Proteine produziert - das Bakterium ist umfunktioniert. Um in Körperzellen das Fremdgen unterzubringen, werden meist Viren als Vektoren verwendet. Die ausgewählten Gene werden in den Viren untergebracht, die dann als Genfähre das gewünschte Gen in den Zellkern bringen. Auch hier nutzt man einen natürlichen Vorgang aus. Zur Überlebensstrategie der Viren gehört es schließlich, eine Zelle für ihre eigenen Bedürfnisse umzuprogrammieren, das heißt, ihr Erbgut in der Gastzelle unterzubringen. Koppelt man nun das selektierte Fremdgen an das virale Erbgut, so wird es direkt zum zelleigenen Genom gebracht. Schwieriger zu erreichen ist, dass das Gen dort eingebaut wird. Das gelingt nur in einem Promille der Fälle. Die geschilderte Prozedur der Genselektion und -Vermehrung funktioniert nur, wenn man das Gen kennt, das für ein bestimmtes Protein kodiert. Aber nicht in allen Fällen ist das DNS-Stück, das für die Produktion eines interessanten Eiweißes verantwortlich ist, bekannt. Dann wird das Auffinden dieses speziellen Gens schwieriger. Kennt man das Produkt, das Eiweiß, das nach den Anweisungen des unbekannten Gens hergestellt wird, könnte aus der Zusammensetzung des Proteins zumindest auf das entsprechende RNS-Stück, auf das Botenmolekül geschlossen werden; denn die Abfolge der Eiweißbausteine - der Aminosäuren - geht ja nach strengen Kodierungsregeln vor sich. Aber nur mit etwas Glück gelingt es, auf diese Weise auch den dazugehörenden DNS-Abschnitt zu konstruieren. Denn die RNS könnte nach dem Ablesen in der Zelle neu
kombiniert worden sein und nicht mehr das getreue Abbild des DNSStranges liefern. Diese Beispiele machen deutlich, wie man Abläufe in der Natur ausnutzt, um Werkzeuge für den Gentechniker zu entwickeln, und wie kompliziert sich das alles gestaltet. Ziel ist es, mit diesen Methoden einmal die Mosaiksteinchen zusammenzusetzen, die dann vielleicht das Geheimnis des Lebens enträtseln. Diese detektivischen Arbeiten dienen aber auch dazu, Vorteile aus diesem Wissen zu ziehen, zum Beispiel bestimmte Produkte herstellen zu lassen. Beide Ziele sind die Grundpfeiler der heutigen Gentechnik. Vereinfacht lässt sich die Aufgabe der Gentechnik so beschreiben, dass die DNS zunächst zerlegt und dann in neuen Kombinationen wieder zusammengesetzt wird. In diesen neuen Kombinationen soll sie in den Zellen ihre biochemische Arbeit aufnehmen. Die praktische Ausführung dieser geschilderten Methoden allerdings ist schwierig. Welche Probleme dabei auftreten, zeigen die folgenden Kapitel.
Gen-Analyse anhand von radioaktiv markierten DNS-Stücken. Sie sind nach Länge im elektrischen Feld sortiert und schwärzen das Fotopapier.
Die zerstörten Hoffnungen
Wissenschaftler werden von dem Verlangen getrieben, herauszufinden, wie etwas funktioniert. Bei all den vielfältigen und undurchschaubaren Abläufen in der Natur ist das eine große Herausforderung. Mit der immer weiter gehenden Enträtselung der Rolle der Gene bei der Entwicklung und dem Funktionieren des Lebens kommen auch Wünsche auf, dieses Wissen zu nutzen. Ein Ziel ist es, Krankheiten mit Hilfe der Gene heilen zu können. Dahinter steckt die simple Idee, dass die Vorgänge im menschlichen Körper letztlich von den Genen gesteuert werden. Sie sind die Bauanleitung für die Proteine, die den Ablauf des Lebens gestalten. Im Erbmolekül, das die Gene trägt, sind die Informationen darüber durch die unterschiedliche Abfolge von nur vier Bausteinen gespeichert. Verändert sich diese Abfolge in bestimmten Genen, so kann das Krankheiten auslösen. Will man nun eine genetisch bedingte Krankheit heilen, so muss man diese von der Norm abweichenden Gene erst einmal finden. Die Hoffnung ist, dass nur wenige Gene - möglichst nur eines - der Auslöser für eine Krankheit sind. Ein Beispiel dafür glaubte man in der Mukoviszidose gefunden zu haben. Sie ist die häufigste Erbkrankheit in Europa. Von dieser schweren Krankheit sind vor allem das Lungengewebe und die Atemwege betroffen. Bei der Mukoviszidose liegt offenbar der seltene Fall vor, dass die Veränderung nur eines Gens für eine Krankheit verantwortlich ist. In den meisten
Die Zerlegung der DNS und die Entschlüsselung dieser Segmente
Fällen ist es lediglich das Fehlen von drei nebeneinander liegenden Bau-
sollte das Geheimnis des Lebens
steinen TTT auf dem Gen, das zum Ausbruch der Mukoviszidose führt.
enträtseln. Dabei stieß man aller-
Allein dieser - in unseren Augen kleine - Fehler verursacht den
dings schnell auf Grenzen.
letztendlich
Ein Virus dockt an und bringt sein Erbgut in einer Zelle unter. Vorher wurde es mit einem Gen versehen, das man in der DNS der Zelle platzieren will. Gelingt der Einbau in das Genom, hofft man, dass es dort wirksam wird und durch das jetzt produzierte Protein eine Krankheit heilt.
tödlichen Verlauf der Krankheit. Durch das Fehlen der TTT-Kombination in der DNS wird auch die ihr entsprechende Aminosäure nicht in das Eiweiß eingebaut. Die Folge ist ein verändertes Protein, das den Stoffwechsel durch die Zellhülle nicht gut funktionieren lässt. Die in der Zelle vorhandenen lonenkanäle werden blockiert. Der Salzhaushalt ist gestört, Wasser wird entzogen, es bildet sich ein zäher Schleim in der Lunge und in den Atemwegen - ein idealer Herd für Infektionen. Eine lebenslange Therapie ist bei den Betroffenen notwendig, ihre Lebenserwartung ist verkürzt. Der Schlüssel für eine Heilung könnte im Erbmolekül liegen. Gelänge es, das kranke Gen gegen ein gesundes auszutauschen, so wäre die Ursache für die Krankheit beseitigt. Die Idee ist verführerisch einfach: Man könnte aus anderen Organismen gesunde Gene selektieren und versuchen, sie in die Zellen des von der Mukoviszidose Betroffenen einzubringen. Das gesunde Gen wird zum Beispiel in einem Virus untergebracht und mit
dieser Genfähre in die geschädigten Zellen transportiert. Damit die Viren ihre Aufgabe als Gentransporter erfüllen, müssen sie erst einmal zu den geschädigten Zellen gelangen. Ein Weg dorthin führt über die Atemwege. Aber hier beginnen schon die ersten Schwierigkeiten. Es zeigt sich, dass der Gentransport nicht so einfach ist. Auf ihrem Weg zu den Zielorganen werden bereits viele Viren von dem Immunsystem vernichtet. Andere wiederum bringen das Gen in Zellen, die gar nicht von den Auswirkungen des kranken Gens betroffen sind. Die Ausbeute an erfolgreichen Genübertragungen in die eigentlichen Zielzellen ist noch sehr gering. Und die Forscher beobachten eine weitere Schwierigkeit: Selbst wenn es die Gene in die Zelle geschafft haben, erfüllen sie - wenn überhaupt ihre Funktion nur für kurze Zeit. Viele Jahre Forschung haben diese Probleme nicht lösen können. Aber allmählich werden die Gründe besser verstanden. Ein einzeln eingebrachtes Gen lässt sich offenbar nicht so einfach in das Zusammenspiel der anderen Gene integrieren. Weitere Gene, sogenannte Regulationsgene, sind für sein Funktionieren notwendig. Sie gewährleisten, dass jedes Gen dann abgelesen wird, wenn es gebraucht wird. Die Wissenschaftler arbeiten nun daran, nicht nur einzelne Gene, sondern Teile von Chromosomen, also größere DNS-Stücke, in die Zelle einzubringen. Dadurch ist die Chance größer, dass das wichtige Reparaturgen auch angeschaltet wird. In einigen Versuchen hat man das schon bei Mäusen ausprobiert. Krankheiten auslösende Gene in den Körperzellen zu ersetzen, hat neben den geschilderten Schwierigkeiten noch andere Nachteile. Selbst wenn man die gewünschten Gene in der Zelle untergebracht hat, können sie nach einiger Zeit ihre Aktivität einfach einstellen. Man weiß zudem nicht, wie viele der Zellen wirklich durch sie repariert werden. Alles scheint noch wenig verstanden zu sein. Manche glauben, dass eine Gentherapie in der Keimbahn, die schon im ersten Embryonalstadium oder sogar während der Befruchtung beginnen würde, mehr Erfolg verspräche. Dazu müsste man während dieser frühen Entwicklungsphase des Menschen das »defekte« Gen durch ein »nichtdefektes« ersetzen. Allgemein wird diese Methode jedoch als zu risikoreich angesehen. Denn keiner weiß, welche Auswirkungen dieser Eingriff in die Keimbahn auf den Gesamtorganismus und auf die folgenden Generationen hätte. Auch kann man den Ort nicht bestimmen, an dem das Fremdgen eingebaut wird. Es könnte ja durch seine
Ein menschlicher Embryo im 8Zel-len-Stadium. Durch das Anschalten verschiedener Gene entsteht aus dieser Zusammenballung gleichartiger Zellen letztendlich der Mensch. Werden in dieser Entwicklungsphase Gene von außen manipuliert, kann das unabsehbare Folgen haben.
Integration andere wichtige Gene beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass bis heute nicht bekannt ist, welche Funktionen die einzelnen Gene genau besitzen und wie komplex sie miteinander verbunden sind. Gene werden ja auch durch die Aktivitäten anderer Gene an- oder ausgeschaltet. Wie riskant ein solcher Eingriff wäre, zeigt sich in der Entwicklungsbiologie (siehe auch Kapitel 15). Zwar sind nur zwei Prozent der DNS wirklich aktive Bereiche, Gene also, die abgelesen werden und die für die Funktion des Organismus unerlässlich sind, aber selbst wenn sich das neue Gen an einem inaktiven, harmlosen Ort an der DNS festsetzt und dadurch nicht direkt die Funktion der anderen Gene beeinflusst, zeigt sich eine andere Gefahr. Unter Umständen können die von dem neu hinzugekommenen Gen kodierten Produkte andere Gene anschalten, die sonst nicht in der Zelle aktiv sind und so die Zelle in nicht gewünschter Weise umfunktionieren. Greift man mit den Fremdgenen in die Keimbahn ein, so könnten plötzlich Gene, die nur während der Entwicklung des Organismus aktiv waren und dort die Zellteilung stimulierten, wieder abgelesen werden; damit würden sie die Zellen zum Wachstum und zur Teilung anregen - sie würden alles durcheinander bringen und zu regelrechten Krebsgenen aktiviert werden. So droht neben der Gefahr, dass man nicht genau weiß, wo die neu eingebrachten Gene sich verankern, noch das Risiko einer indirekten unerwünschten Beeinflussung der Abläufe in der Zelle. Heute weiß man auch, dass in den überwiegenden Fällen für bestimmte Eigenschaften nicht allein ein Gen verantwortlich ist, sondern vielmehr das Zusammenspiel vieler Gene. Allein schon für die Augenfarbe ist eine Vielzahl von Genen verantwortlich. Außerdem werden bestimmte Gene zu verschiedenen Zeitpunkten angeschaltet. Eine Veränderung im Genom zu einem frühen Zeitpunkt, in der Entwicklungsphase eines Embryos zum Beispiel, ist schon von daher riskant. Kurz, kein Wissenschaftler kann voraussagen, was bei einem solchen Eingriff wirklich passieren würde. Die Forschung steht auf diesem Gebiet an ihren Anfängen. In Deutschland sind solche Eingriffe in die menschliche Keimbahn verboten, und man kann eigentlich davon ausgehen, dass sie auch nirgendwo sonst in der Welt durchgeführt werden. Doch sicher kann man sich dabei nicht sein. Vernünftiger erscheint es - um auf die Mukoviszidose zurückzukommen -, mit der Kenntnis über das defekte Gen ein Medikament zu entwickeln, das an dem Produkt - dem Eiweiß - ansetzt, das von dem
Gen kodiert wird. Dieses Medikament könnte zum Beispiel das defekte Eiweiß in seiner Struktur beeinflussen und ihm dadurch seine ursprüngliche Funktion zurückgeben. Im Falle der Mukoviszidose sind Medikamente denkbar, die dieses falsch produzierte Eiweiß in den Zellen »vor Ort« reparieren. Hier können gentechnische Methoden auf ganz andere Weise helfen. Die Mukoviszidose wird ja durch die Veränderung eines ganz bestimmten Gens verursacht. Bringt man dieses defekte Gen in Mäusen unter, so ist es möglich, den Krankheitsverlauf am Tiermodell zu studieren und überdies Medikamente in verschiedenen Phasen zu erproben. Und für dieses Ziel macht man das, was sich beim Menschen von selbst verbietet: den Eingriff in die Keimbahn. Man versucht, das die Krankheit tragende Gen in der DNS einer sich entwickelnden Eizelle unterzubringen, um ein »Tiermodell« entstehen zu lassen. Erst wenn man sicher ist, dass diese Eizelle das Fremdgen bei der Teilung nicht verliert, wird deren Entwicklung zum vollständigen Organismus vorangetrieben. Die Hoffnung ist, dass sich die Fremd-DNS im Genom der Wirtszelle gut verankert und sich mit dem Wachstum auch in den anderen Zellen weiter ausbreitet. Findet sich das Fremdgen dann auch in den Ei- oder Samenzellen des neu entwickelten Tieres wieder, so hat man mit diesen fortpflanzungsfähigen Zellen die Möglichkeit, Generationen von Mäusen zu züchten, die das fehlerhafte Gen, das die Mukoviszidose auslöst, in sich tragen. An ihnen ist es dann möglich, diese Krankheit genauer zu untersuchen. Auch wenn bei der Mukoviszidose nur ein Gen eine Rolle spielt, ist eine Gentherapie nicht so einfach. Es hat sich herausgestellt, dass nicht nur - wie anfänglich angenommen - das Fehlen der Bausteinfolge TTT auf dem Gen für die Mukoviszidose verantwortlich ist, sondern das Problem sich weitaus komplexer darstellt. So sind heute schon auf diesem Gen 350 Orte bekannt, an denen es mutieren - das heißt sich in andere Bausteinfolgen verändern - kann, und immer weitere werden entdeckt. Selbst wenn also der seltene Fall eintritt, dass nur ein Gen für eine Krankheit verantwortlich ist, können die Überraschungen in den variablen Veränderungen auf diesem einen Gen liegen, wodurch das Problem einer Heilung vergrößert wird. Einige Wissenschaftler versuchen, trotz des noch unzureichenden Wissens über das Zusammenspiel der Gene, einen Therapieerfolg regelrecht zu er-
zwingen. Und das führte zu einem dramatischen Ausgang, der die gesamte Gentherapie in Frage stellte. Um die Ausbeute der Genübertragungen zu steigern, erhöhten sie die Menge an Viren, die die Reparaturgene in sich tragen. Ein Experiment mit großem Risiko, wie der Fall des ersten Todesopfers einer fehlgeschlagenen Gentherapie zeigt. Der Patient Jesse Gelsinger litt an einer genetischen Stoffwechselstörung der Leber. Eine gefährliche, aber mit herkömmlichen Mitteln eigentlich therapierbare Krankheit. Dennoch nahm Jesse Gelsinger an einer klinischen Studie zur Gentherapie teil. Die Ärzte spritzten die Viren mit den Reparaturgenen in seine Blutbahn. Sein Zustand verschlechterte sich rapide: Die Leber arbeitete nicht mehr, und ein Abbauprodukt des Blutfarbstoffs vergiftete seinen Körper. Die Ärzte waren zunächst ratlos. Zwar konnten sich die entschärften Viren nicht mehr in Jesses Körper vermehren, doch die ursprüngliche Dosis genügte, um das Abwehrsystem zu alarmieren. Es tobte ein Kampf des Immunsystems gegen die Übermacht der eingebrachten Viren. Der geschwächte Körper versagte, und Jesse Gelsinger starb. Die beteiligten Wissenschaftler sahen sich schwersten Vorwürfen ausgesetzt, denn das Experiment hätte in dieser Form niemals stattfinden dürfen. Bis vor kurzem glaubte man dennoch, einen Erfolg bei der Gentherapie vorweisen zu können: bei der sogenannten ADA-Krankheit. Bei dieser Immunsystemerkrankung blockiert ein defektes Gen die Produktion eines Schlüsselenzyms, das ADA (Adenosindesaminase) genannt wird. Fehlt diese ADA, so werden einige Zwischenprodukte des Stoffwechsels nicht abgebaut. Tödlich ist das für einige wichtige Abwehrzellen des Immunsystems - die T-Zellen. Ein fehlerhaftes Gen verhindert, dass sich blutbildende Stammzellen noch zu Immunzellen entwickeln. Die Kranken sind anfällig gegenüber jeder Infektion. Um überhaupt existieren zu können, leben sie in steril gehaltenen Räumen oder unter entsprechend konstruierten Plexiglashelmen, die es ihnen erlauben, auch nach draußen zu gehen. Diese Kinder werden deshalb auch »Bubble-Babys« genannt. Ihre Krankheit zwingt sie zu einem Leben in einer sterilen Plastikkugel. Für eine Therapie wurde in den weißen Blutkörperchen eines Kranken das ADA-kodierende Gen von gesunden Menschen verankert, und diese so veränderten weißen Blutkörperchen wurden wieder in die Blutbahn gebracht. Tatsächlich wurde nun genügend ADA produziert, so dass das Immunsystem zeitweilig wieder gut funktionierte. Der Nachteil dabei ist,
Um den an ADA erkrankten Kindern zumindest einige Kontakte zu ermöglichen, wurde dieser Apparat konstruiert. Die Atemluft wird keimfrei gemacht und über Schläuche in das von der Außenwelt abgeschlossene Zelt zu- und abgeführt. Wegen der Störung des Immunsystems sind die Kinder gegenüber jeder Infektion anfällig.
dass die gentechnisch veränderten Blutkörperchen nach einigen Monaten natürlicherweise wieder verschwinden. Die Patienten werden durch diese Prozedur nicht geheilt, sondern müssen immer wieder zurück ins Krankenhaus, um sich neu behandeln zu lassen. Will man diesen Immundefekt wirklich heilen, so muss die genetische Veränderung in den Stammzellen im Knochenmark vorgenommen werden, dort, wo die weißen Blutkörperchen durch Zellteilung immer wieder neu gebildet werden. Genau das hat man auch versucht - zunächst an den leichter zu findenden Stammzellen, die in der Blutbahn treiben. Hier
erreichte man, wenn überhaupt, wiederum nur eine zeitlich begrenzte Besserung, weil diese Zellen wieder verschwinden. In einem weiteren Schritt wurden die im Knochenmark lokalisierten Stammzellen genetisch repariert. Sie sollten dann beständig mit ihrer Teilung immer wieder das heilende Fremdgen abgeben. Um das zu erreichen, entnehmen Ärzte dem Baby Knochenmark. In ihm befinden sich die körpereigenen geschädigten Stammzellen, die repariert werden sollen, indem man gesunde Gene in sie einbaut. Danach können sich die Stammzellen wieder normal weiterentwickeln. Dieser Gentransfer wird außerhalb des Körpers vorgenommen, um das kranke Immunsystem keiner Gefahr auszusetzen. In der Zellkultur übertragen Viren das gesunde Gen in die Stammzellen. Die so veränderten Zellen werden dann wieder in das Baby injiziert. Und tatsächlich vermehrten sich die Stammzellen mit den neuen Genen und entwickelten sich zu den wichtigen Immunzellen. Knapp zwei Jahre konnten einige dieser Kinder endlich ein normales Leben führen. An 27 Babys hat man diese Therapie bis jetzt versucht. Aber dann kam der große Rückschlag: Einige der so therapierten Kinder entwickelten
Bringt man ein Fremdgen ein, um die ADA-Krankheit zu heilen, so können dadurch plötzlich auch andere benachbarte Gene aktiviert werden. Das von ihnen kodierte Protein löst in der Zelle eine Kaskade von Prozessen aus, die zu unkontrolliertem Wachstum und damit letztlich zu einer Leukämie führen können.
plötzlich einen Blutkrebs. Offenbar aktivierte der Einbau des heilenden Gens ein dicht daneben liegendes Gen, das die Zellen zum unkontrollierten Wachstum anregt. So lässt die Gentherapie auch in diesen, anfänglich so vielversprechend erscheinenden Fällen keine Hoffnung zu. Versuche, diese bestechende Idee zur Heilung von Krankheiten zu benutzen, gibt es viele. Um einen Lungentumor zu zerstören, werden Gene eingebracht, die die Krebszellen abtöten sollen. Gentherapeuten spritzen dem Patienten Viren mit den Fremdgenen direkt in die Lunge - dort, wo das Krebsgeschwür sitzt. Von hier gelangen die Genfähren gezielt in das Krebsgewebe und können dort die fremden Gene in die Zellen einschleusen. Wichtig dabei ist ein Gen, das sich bei vielen Krebsarten als defekt herausstellt. Es ist für das Protein p53 verantwortlich, und dieses Protein kann den Tod einer Zelle einleiten. Sind Zellen beschädigt oder zu Krebszellen entartet, bindet p53 an bestimmte Bereiche des Erbmoleküls. Dies löst eine ganze Reihe von Reaktionen aus. Weitere Proteine greifen in den Prozess ein, und die Selbstauflösung der Zelle beginnt. Der kontrollierte Selbstmord ist eine Schutzfunktion des Körpers, um Zellen zu beseitigen, die dem Organismus schaden können - wie die Krebszellen. Ohne p53 würden diese Zellen nicht sterben, sondern ungehindert weiter wachsen. Bei einigen Patienten zeigte die Therapie erste Erfolge. Zwar konnte der Krebs nicht gänzlich besiegt werden, aber der Tumor verkleinerte sich auf einen Bruchteil seiner ursprünglichen Größe. Die Gentherapie gegen Krebs steckt noch in den Anfängen. Einzelne Erfolge sind zunächst von geringer Bedeutung, erst ausgedehnte klinische Testreihen können den Wert einer Therapie belegen. Heute kann man nur relativ wenige biochemische Abläufe im Körper überhaupt detailliert beschreiben - und das begrenzt entscheidend die Möglichkeiten der Genforscher. Die Beispiele zeigen auch, dass die Teilerfolge in der Gentherapie beim Menschen nur bei Krankheiten erreicht wurden, die relativ selten zu finden sind. Das liegt daran, dass nur in Ausnahmefällen allein ein Gen für eine Krankheit verantwortlich ist. Die Immunschwäche ADA tritt gerade bei 100 Patienten weltweit auf. Und selbst wenn sich eine Krankheit auf ein einzelnes Gen konzentriert, kann das Problem komplex sein. Wie die Erkrankung der Mukoviszidose zeigt, können Abweichungen an verschiedenen Stellen desselben Gens die Ursache sein. Sind dazu noch mehrere
Teilung von Krebszellen. In diesen Zellen sind die Wachstumsgene ständig angeschaltet, und deshalb geraten die Zellen außer Kontrolle. Könnte man die »Selbstmordgene« der Zellen anschalten, wäre es möglich, die Krebszellen von innen her zu zerstören.
Gene an einer Krankheit beteiligt, so häufen sich die Schwierigkeiten. Zunächst ist es ein Problem, überhaupt geeignete »Genfähren« zu finden, die sich mit mehreren Genen beladen lassen. Auch wenn man die Gene kennt, die für bestimmte Proteine verantwortlich sind: Das Zusammenspiel der vielfältigen Produkte ist kaum erforscht. Bei den mehreren 100 000 verschiedenen Proteinen, die im Menschen produziert werden, ist es grundsätzlich schwierig, Vorhersagen zu machen.
Der neue Optimismus
Heftige Diskussionen gab es über die Gentechnik, als die Forscher die embryonalen Stammzellen für sich entdeckten. In diesen Zellen verbirgt sich das Wunder des Lebens, dass nämlich aus nur einer befruchteten Eizelle ein komplexer Organismus mit sehr unterschiedlichen Zellen entsteht. Aus der ursprünglich einen Sorte von Zellen bildet sich dabei durch Spezialisierung die überwältigende Vielfalt an Zelltypen, die einen Menschen ausmacht. Und diesen Prozess wollen die Forscher nutzen. Zu Beginn seiner Entwicklung besteht der Embryo aus gleichberechtigten Zellen, den embryonalen Stammzellen, die noch nicht spezialisiert sind. Sie besitzen die Fähigkeit, sich in jeden beliebigen Zelltyp zu verwandeln. Im Labor versuchen Wissenschaftler die Abläufe, die zu einer Spezialisierung der Zellen führen, aufzuschlüsseln. Dazu werden embryonale Stammzellen von Tieren untersucht. Zunächst ist es das Ziel, diese Stammzellen zu vermehren und aus ihnen Zelllinien zu züchten. Die Stammzellen gewinnt man so: Eine befruchtete Eizelle teilt sich und erreicht nach fünf bis sieben Tagen das sogenannte Blastozytenstadium. Im Innern dieser Hohlkugel befinden sich die Stammzellen. Diese lassen sich herauslösen und im Labor nahezu unbegrenzt vermehren. Gelingt das, so genügen den Forschern wenige Stammzelllinien, ohne dass weitere Embryonen benötigt werden. Die Züchtung dieser Linien ist allerdings schwierig. Sie wachsen nur auf anderen Zellkulturen, benötigen spezielle Nährlösungen und müssen so ständig vor biologischen Verunreinigungen geschützt werden - eine aufwendige Pflege ist für den Erhalt einer solchen Stammzellenlinie notwen-
Kann das Wunder des Lebens vom Menschen kontrolliert - wirklich Vorteile bringen?
Menschlicher Embryo, etwa 6 Tage alt, im Blastozysten-Stadium. Aus dieser Kugel werden die embryonalen Stammzellen gewonnen.
dig. Aber es existieren bereits solche Linien, in denen sich die Zellen – wie gewünscht - vermehren und ihre Eigenschaften beibehalten. Die Diskussion entzündete sich, weil die Forscher nach Tierversuchen jetzt mit menschlichen embryonalen Stammzellen experimentieren wollten. Ihr Argument: Will man mit ihrer Hilfe Menschen heilen, so muss dies nach den Tierversuchen der nächste Schritt sein. In der Öffentlichkeit wurde
diskutiert,
ob
man
das
durch
Schwangerschaftsabbrüche
gewonnene, beginnende Leben, wirklich dazu verwenden dürfe. Dabei geht es nicht darum, immer wieder neue menschliche Embryonen im Anfangsstadium - nach einigen Zellteilungen - zu verbrauchen. Eine Quelle für die Stammzellen könnte die künstliche Befruchtung sein. Kinderlose Paare versuchen über eine Befruchtung im Reagenzglas zu dem Ziel ihrer Wünsche zu gelangen. Bei dieser aufwendigen und mit Misserfolgen verbundenen Prozedur bleiben immer einige Embryonen
übrig. Hier sehen die Wissenschaftler, die Forschungen an menschlichen embryonalen Stammzellen betreiben wollen, ihre Chance. Diese überzähligen Zellen lassen sich in Zelllinien vermehren, ohne dass ihr universales Verwandlungspotential verloren geht. Damit stehen embryonale Stammzellen in beliebiger Zahl zur Verfügung. In den USA, Israel und Australien werden so schon seit einiger Zeit embryonale Stammzellen gewonnen und in alle Welt verschickt. In Deutschland sind diese Methoden bis jetzt verboten, allerdings ist der eingeschränkte Import zu Forschungszwecken möglich. Diese embryonalen Stammzellen werden also nicht aus zahllos abgetriebenen Embryonen gewonnen, sondern in einem Vielzellenstadium der Blastozyste entnommen und dann in Zellkulturen immer weiter vermehrt. Auch kann aus diesen Zellen nicht mehr ohne weiteres ein vollständiger Mensch entstehen. Wollte man das, müssten die Stammzellen erst mit anderen Embryonen kombiniert werden.
Die embryonalen Stammzellen werden aus einem Embryo im 10O-Zellen-Stadium gewonnen. In dieser Blastozyste (hier aufgeschnitten) finden sich im Inneren die Stammzellen, die dann im Labor weitergezüchtet werden und sich immer neu vermehren.
Mit Zelllinien haben die Wissenschaftler einige Erfahrung. Zelllinien mit Krebszellen zum Beispiel sind seit Jahrzehnten in der Forschung üblich. Viele Zelllinien, mit denen im Labor experimentiert wird, stammen von nur einer Krebspatientin ab, die vor Jahrzehnten starb. Das Neue ist jetzt, Zelllinien aus embryonalen Stammzellen aufzubauen. Die Wissenschaftler haben die Hoffnung, mit diesen Zellen zum Beispiel einmal ein menschliches Herz zu reparieren. Dafür müssen die Stammzellen nicht nur zur Teilung angeregt werden, sondern man muss sie auch in diesen anderen Zelltyp überführen - in die Herzmuskelzellen. Diese Entwicklung lässt sich mit speziellen Labortechniken einleiten.
Die
Stammzellen
sollen
dabei,
wie
in
der
natürlichen
Embryonalentwicklung, ihr Potenzial entfalten und sich zu Herzzellen spezialisieren. Die Erfolge der noch jungen Forschung sind erstaunlich. Der erste Schritt, die Entwicklung von Herzmuskelzellen im Labor, gelang bereits. Vielleicht wird es mit dieser Methode in Zukunft möglich, in einem kranken Herzen
zerstörtes Gewebe zu ersetzen. Versuche mit Mäusen sehen
vielversprechend aus: Herzzellen aus dem Labor verbanden sich mit dem Herzgewebe des Tieres. Der Zustand speziell gezüchteter Mäuse, die an einem Herzinfarkt leiden, konnte so bereits verbessert werden. Doch bis menschliche Stammzellen kranken Menschen helfen können, sind noch viele weitere Schritte zu gehen, und ob dieser Weg letztendlich erfolgreich sein wird, ist noch ungewiss. Im Tierexperiment sind einige weitere Erfolge nachzuweisen. Nichtspezialisierte Zellen wurden direkt in verschiedene Organe gespritzt. Das umliegende Gewebe stimuliert die Zellen so, dass sie sich zu Zelltypen des entsprechenden Organs weiterentwickeln. Selbst im Gehirn sollen die Stammzellen heilen können. Dazu untersuchen die Wissenschaftler Mäuse mit angezüchteten Gehirnerkrankungen. Parkinson und Alzheimer beruhen zum Beispiel auf einer Schädigung des Nervengewebes. Forschern
gelang
es, Vorstufen
von
Nervenzellen
aus
menschlichen
Stammzellen zu züchten. Diese übertrugen sie in das Gehirn einer Maus. Das hoffnungsvolle Ergebnis: Die sogenannten Vorläuferzellen entwickelten sich in der Maus weiter und bildeten neues Nervengewebe. Auch bei Krankheiten wie dem Veitstanz gehen bestimmte Nervenzellen im Gehirn zugrunde. Bei dieser seltenen Erbkrankheit verlieren die Er-
krankten allmählich die Kontrolle über ihren Körper. Auch hier lässt sich der Auslöser dafür im Gehirn finden. Bei den vom Veitstanz Betroffenen entsteht ein bestimmtes Protein, das zum Auskristallisieren neigt. Und das - so vermutet man - zerstört die Nervenzellen. Die Vision ist es nun, bei solchen Krankheiten einfach die zerstörten Zellen wieder zu ersetzen, und zwar durch Stammzellen. Bei der Therapie wird dann die Schädeldecke aufgebohrt, und die zu Nervenzellen umfunktionierten Embryonalzellen werden direkt ins Gehirn des Patienten gespritzt. Dort sollen - so
Wachsende Nervenzellen, im Labor gezüchtet. In den geeigneten Nährlösungen gelingt es, Stammzellen zu Nervenzellen umzufunktionieren.
die Vorstellung - die neuen Zellen wachsen und die verloren gegangenen Verbindungen wieder aufbauen. Beim Menschen ist eine solche Therapie noch lange nicht in Sicht. Doch auch hier wurden bei Tieren erfolgversprechende Experimente durchgeführt. Mäuse dienen dabei als Versuchstiere. Nach Einschleusen des Veitstanz auslösenden Gens zeigt sich nach außen das typische Zittern. Mit diesen Modellmäusen wurden Grundversuche für eine mögliche Therapie gemacht: Einem Mäuseembryo wurden dazu Stammzellen ins Gehirn eingespritzt. Nach der Transplantation lebten die Zellen im Gehirn der Maus tatsächlich weiter. Sie entwickelten sich sogar zu den für die Maus typischen, gesunden Nervenzellen. Ein viel versprechender Ansatz für eine zukünftige Therapie dieser Krankheit. Ob jedoch embryonale Stammzellen jemals ein menschliches Gehirn heilen werden, ist noch ungewiss. Seine komplexe Struktur stellt andere Anforderungen an eine Therapie als das Gehirn einer Maus. Auch deshalb wollen Wissenschaftler die Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen verstärken. Die vielfach bereits versprochene Heilung liegt jedoch in weiter Ferne. Wenn embryonale Stammzellen wirklich ein krankes Organ reparieren sollen, stellen sich noch weitere Probleme: Die eingebrachten Zellen sind körperfremd, und deshalb muss man die Immunabwehr des Patienten überlisten - sonst wird das gezüchtete Ersatzprodukt abgestoßen. Bei Diabetes hat man da schon eine Idee: Ursache der Krankheit ist eine Schädigung der Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse, die das lebensnotwendige Insulin produzieren. Körperfremde Stammzellen sollen nun zu solchen Inselzellen umfunktioniert werden. Wie bei einer Transplantation werden sie in den Körper gebracht. Doch hier sind die fremden Zellen dem Immunsystem hilflos ausgeliefert. Fresszellen zerstören das neue Gewebe. Um das Immunsystem auszuschalten, verfolgen einige Forscher einen verblüffend einfachen Weg: Die fremden Zellen werden mit einer künstlichen porösen Membran umhüllt. Jetzt gelangen die Immunzellen nicht mehr in direkten Kontakt mit den eingebrachten Zellen und erkennen sie nicht mehr als Eindringlinge. Ein perfekter Schutz vor dem Angriff der Fresszellen. Die kleinen Insulinmoleküle jedoch, die von den umgewandelten Stammzellen produziert werden, strömen ungehindert durch die Membranporen in das Blut. Eine Heilung wäre so denkbar.
Auf den ersten Blick sieht alles so einfach aus, aber die Realität ist weitaus komplizierter. Und der alte Streit flammt wieder auf: Auch im erwachsenen Körper gibt es Stammzellen, aus denen sich zum Beispiel viele Haut- oder Blutzellen erneuern. Würden sie zur Therapie im eigenen Körper eingesetzt, dann hätte man die Probleme mit der Immunabwehr nicht. Aber es gibt Nachteile: Einmal treten sie nicht besonders häufig auf und lassen sich nicht in beliebige Zellen umprogrammieren -eine Stammzelle aus dem Knochenmark kann nur begrenzt in andere Zelltypen umgewandelt werden. Sie ist eher eine Vorläuferzelle für ganz bestimmte Zelltypen. Welche Schaltmechanismen diese Zellen zur Spezialisierung bringen, ist nicht bekannt. Bringt man diese »erwachsenen« Stammzellen in Lösungen mit Signalstoffen, die die Umwandlung einleiten sollen, so entsteht ein sehr heterogenes Gemisch aus Zellen. Und das ist für eine zukünftige Therapie selbstverständlich unerwünscht.
Durch eine poröse Membran werden die körperfremden Inselzellen vor dem Angriff des Immunsystems geschützt Das von ihnen produzierte Insulin kann jedoch die Poren der Membran durchdringen.
Auch deshalb drängen einige Forscher darauf, die embryonalen Stammzellen zu erforschen - Stammzellen, wie sie aus befruchteten Eizellen, aus Embryonen, gewonnen werden können. Sie besitzen eine andere Qualität als die Stammzellen des erwachsenen Körpers und sind in ihrer Spezialisierung nicht so eingeengt wie diese. Sie reagieren homogener, und deshalb könnte man an ihnen die Schaltprozesse, die zur Spezialisierung führen, besser erforschen. Eine weitere Argumentation dieser Wissenschaftler ist, dass ihre Tierversuche so erfolgreich sind, dass sie - will man diese Ergebnisse für den Menschen nutzen - jetzt in die klinische Erprobungsphase kommen müssen. Das heißt, sie wollen mit menschlichen embryonalen Stammzellen eventuelle Therapiestrategien auch beim Menschen erproben. Ein wichtiger Schritt dahin liegt im Verhalten der embryonalen Stammzellen. Setzt man sie in eine Nährlösung mit entsprechenden Zusatzstoffen, so entwickeln sie sich sehr homogen zu den gewünschten spezialisierten Zellen, und das reproduzierbar. Das heißt, anders als bei den erwachsenen Stammzellen bekommt man immer wieder das gleiche Ergebnis- und das ist ja die Grundvoraussetzung für Therapieversuche. Für einen zukünftigen medizinischen Einsatz ist dieses gleichmäßige Reagieren der embryonalen Stammzellen wichtig, denn dann muss alles kontrolliert ablaufen. Was dabei genau geschieht, bleibt noch im Dunkeln. Um das zu klären, ist noch jahrelange Forschungsarbeit erforderlich. Zur Zeit vertraut man einfach darauf, dass sich die Zellen immer wie gewünscht verhalten werden. Spritzt man solche Zellen zum Beispiel bei einer zukünftigen Parkinson-Therapie ins Gehirn, ist ja eine Voraussetzung, dass sie einheitlich reagieren und sich nicht etwa einige von ihnen anders entwickeln als gewünscht und, statt defekte Nervenzellen zu ersetzen, zu Wucherungen - zu Krebs zum Beispiel - führen. Embryonale Stammzellen lassen sich dabei offenbar gezielter als erwachsene Stammzellen einsetzen. Sie reagieren relativ verlässlich, wenn sie sich spezialisieren - anders als die offenbar weitaus schwieriger zu behandelnden Stammzellen aus dem erwachsenen Körper. Diese sollen aber helfen, auf einem anderen Gebiet neue Möglichkeiten zu eröffnen: bei der Organtransplantation. Eine Organtransplantation der Leber zum Beispiel ist für viele todkranke Menschen die letzte Chance. In Deutschland erhalten jährlich etwa 4000 Menschen ein fremdes Organ.
Um jedoch den Mindestbedarf zu decken, müssten jährlich rund 7000 Organe zur Verfügung stehen. Aber die Organe sind Mangelware, und so kommt für viele die Hilfe zu spät. Eine Vision ist, Organe im Labor zu züchten. Haut, Knorpel und Knochen lieferbar auf Bestellung, und auch komplexe Organe wie Blutgefäße und die Leber sollen künftig im Labor wachsen. Sogar ein voll funktionsfähiges Herz will man nach Bedarf züchten. Ist das alles nur ein Traum, entstanden in der Phantasiewelt von Science-fiction-Autoren?
Mit Hilfe der Gentechnik soll in Zukunft der Engpass bei der Organtransplantation beseitigt werden. Heute erscheint das noch als reine Illusion.
Die Realität sieht gegenwärtig so aus: Einem Patienten entnimmt man ein kleines Stückchen Haut, und im Labor sollen dann aus dieser Probe weitere Hautzellen wachsen, genug, um damit später offene Wundteile des Körpers des Patienten zu bedecken. Dafür wird das entnommene Hautstück in eine Flüssigkeit getaucht. Einzelne Zellen werden so aus dem Gewebeverband herausgelöst. Danach kommen sie in eine spezielle Nährlösung, die auch Wachstumsfaktoren enthält. Mit Hilfe dieser Substanzen werden verschiedene Prozesse in der Zelle in Gang gesetzt. Gene werden angeschaltet, und so beginnen die Hautzellen zu wachsen und
sich zu teilen. Nach etwa drei Wochen ist das Ergebnis sichtbar, eine neue Haut ist entstanden. Sie ist allerdings äußerst dünn, deshalb wird sie auf Gazestreifen geklebt, um die Transplantation zu erleichtern. Hauttransplantationen sind heute fast schon Routine. Dieses so nachwachsende Gewebe ist allerdings mit dem komplexen Aufbau einer Haut nicht zu vergleichen, es ist nur ein einfacher Belag aus ganz bestimmten Hautzellen. Die Wissenschaftler hoffen, Zellen einmal so manipulieren zu können, dass sie sich zu jedem gewünschten Zelltyp entwickeln. Die manipulierten Zellen sollen dann nach den Vorgaben der Wissenschaftler entlang einer Struktur wachsen. Ein Ziel ist es, so zu neuen Knochen zu kommen. Bei Experimenten mitTieren war man dabei schon erfolgreich. Beim Menschen finden sich die geeigneten Ausgangszellen für diese Experimente wiederum in den Stammzellen. In unserem Körper werden laufend Zellen repariert und ersetzt, im Blut beispielsweise. Hier gibt es Vorläuferzellen, die Stammzellen, die sich noch nicht vollständig differenziert haben. Sie können sich in verschiedene Blutzellformen umwandeln. Und auch bei der Erneuerung der Blutgefäße spielen Stammzellen eine Rolle. Die Haut ist ebenfalls ein extrem regenerierfähiges Gewebe. Auch sie besitzt Stammzellen. Selbst bis ins hohe Alter ist die Haut in der Lage, sich zu erneuern und zum Beispiel Wunden zu schließen. Und genau an solchen Zellen sind die Wissenschaftler interessiert. Wandlungsfähige Stammzellen werden zum Beispiel aus dem Knochenmark entnommen. Man hofft, sie nicht nur in reife Blut- oder Knochenmarkzellen verwandeln zu können, sondern auch in Insulinzellen, um zum Beispiel Diabetes heilen zu können. Die körpereigenen Stammzellen könnten in die Bauchspeicheldrüse eingebracht werden, um hier im geeigneten Milieu zu insulinproduzierenden Zellen heranzuwachsen. Weil die Stammzellen aus dem eigenen Körper kommen, würden sich bei dieser Therapie die Probleme, die durch die nur schwer beherrschbare Immunabwehr entstehen, vermeiden lassen. Auch komplexe Organe wie Lunge, Leber, Herz sollen aus der Retorte kommen. Zukünftige Organe aus körpereigenen Stammzellkulturen hätten den großen Vorteil, dass sie keine Abstoßreaktionen hervorrufen. Bislang funktioniert diese Art der Organzucht nur bei einfach aufgebauten Geweben, die aus einem einzigen Zelltyp bestehen. Man könnte zwar so
Hier wächst ein Haar aus der Haut Im Labor ist es bisher nicht möglich, diesen komplexen Vorgang nachzumachen. Man kann nur eine dünne Schicht aus Hautzellen züchten, die medizinisch als Wundverband benutzt wird.
einen Haufen von Leberzellen übereinanderschichten, doch eine richtige Leber ist das noch lange nicht, denn Organe müssen zum Beispiel auch eigene Blutgefäße besitzen. Aber es ist ein Ziel, auch das der Natur nachzumachen. Wie die Differenzierung der einzelnen Zellen abläuft, lässt sich bei der Embryonalentwicklung eines Menschen verfolgen. Eine befruchtete Eizelle beginnt sich zu teilen, je nach der Entwicklungsstufe werden bestimmte Gene an- oder abgeschaltet. Die Entwicklung der Organanlagen beginnt, bestimmte Zelltypen bilden sich heraus, die Organe wachsen und reifen heran. Der Embryo nimmt mit der Zeit die Gestalt eines Menschen an. Die Zellen spezialisieren sich dabei immer mehr. Forscher versuchen zu verstehen, wie die Gen-Programme zur Entstehung eines Organismus überhaupt ablaufen. Sie wollen nicht einen kompletten Menschen im Labor züchten, sondern ihr Interesse richtet sich auf die Zellen, die am Anfang der Entwicklung stehen. Ihre DNS ist noch im Ursprungszustand, und aus diesen Zellen können noch alle anderen Zelltypen entstehen. Erst nach und nach werden die Gene, einem Grundprogramm folgend, angeschaltet. Nach ungefähr zwei Wochen beginnen sich die Zellen gezielt in eine bestimmte Richtung zu entwickeln. Weitere zwei Wochen später lassen sich die Zellen bereits abgegrenzten Bereichen zuordnen, wie beispielsweise der Herzregion. Daraus entsteht dann das komplette Organ. Von der Vision, all diese Prozesse der Natur nachzubilden und so außerhalb des Organismus ein voll funktionsfähiges Herz wachsen zu lassen, sind einige Wissenschaftler so begeistert, dass sie immer noch neue Wege suchen, um sie zu verwirklichen. Ein Ausgangspunkt dafür sind wiederum Eizellen. Mit einer Mikrokanüle saugt man ihren Kern ab - die Eizelle wird entkernt. Und dann das Experiment: Das Erbgut aus einer Körperzelle eines erwachsenen Menschen wird in die entkernte Eizelle eingeführt. Die so manipulierte Eizelle wird schließlich in einem elektrischen Feld oder mit Hilfe chemischer Substanzen stimuliert, damit sie anfängt sich zu teilen. Unter dem Einfluss der verschiedenen Inhaltsstoffe der Eizelle wird das Erbgut der spezialisierten Körperzelle anscheinend in ihren universellen Urzustand zurückversetzt, und die Gen-Programme zur Entwicklung eines Embryos werden von neuem aktiviert. Mit Hilfe eines Cocktails aus spezifischen Wachstumsfaktoren werden jetzt im
Eine wichtige Frage der Forschung ist es, herauszufinden, wann und wo im heranwachsenden Embryo Gene angeschaltet werden und sich die Zellen dadurch entsprechend spezialisieren. Bei diesem 1,5 Zentimeter großen Mäuseembryo wird das mit einer neuen Technik sichtbar. Die Regionen, in denen ein Gen aktiv ist, sind mit Farbmarkern gekennzeichnet und werden - wie in der Computertomographie abgetastet. Benutzt wird hier allerdings normales Licht. Den Embryo macht man dazu mit Chemikalien durchscheinend. Die genaktiven Zonen der Nervenbahnen erscheinen grün, das blutgefüllte Herz von sich aus rot.
Beim therapeutischen Klonen wird aus der Eizelle einer Spenderin der Zellkern mit der DNS entfernt. Neues Erbgut, z. B. aus der Hautzelle eines Spenders, wird eingebracht, die Eizelle durch elektrische Impulse zum Teilen angeregt Die Hoffnung ist, dass jetzt Hautzellen entstehen, die mit denen des Spenders identisch sind und ihm als Ersatzhaut dienen können.
Labor die Embryonalzellen dazu gebracht, sich zu einem gewünschten Zelltyp zu entwickeln. Später sollen dann das so gezüchtete Organ oder die erhaltenen Zellen wieder dem Menschen eingepflanzt werden, dessen Erbgut in die entkernte Zelle eingeführt wurde. Dieses äußerst umstrittene und nur schwer zu realisierende Verfahren nennt man therapeutisches Klonen. Will man zum Beispiel eine Ersatzleber schaffen, dann müsste es gelingen, diese Zellen im Anfangsstadium zu Leberzellen umzufunktionieren. Aber wie funktioniert das? Die wenigen Versuche, die es dazu gibt, zeigen, dass schon nach wenigen Teilungen große Schwierigkeiten auftreten. Offenbar gelingt dieser Prozess mit der DNS aus einer erwachsenen Körperzelle beim Menschen prinzipiell nicht so gut. Welche Zellen auch benutzt werden, die Erfolgsraten sind nicht sehr hoch. Das Wissen über die Signalstoffe zum Beispiel, die zur Ausbildung
einer Leberzelle notwendig sind, ist begrenzt. Man stochert im Nebel, weil auch das Wissen über die Funktion der Gene und über die gegenseitige Beeinflussung der von ihnen kodierten Proteine noch sehr unvollständig ist. Außerdem erhebt sich eine wichtige ethische Frage: Darf man überhaupt mit menschlichen Ei- oder Embryonalzellen experimentieren? Immer neue Versuche zeigen, dass sich vieles auf diesem Gebiet weitaus komplizierter darstellt, als ursprünglich angenommen. So galten embryonale Stammzellen für lange Zeit nur als pluripotent, d.h. aus ihnen konnte fast jeder Zelltyp eines Lebewesens entstehen. Ausgenommen davon waren die Keimzellen. Vor kurzem (2003) konnten jedoch Forscher feststellen, dass sich unter bestimmten Bedingungen aus embryonalen Stammzellen von Mäusen auch Keimzellen, also Eizellen und Spermien, entwickeln lassen. Die Stammzellen können so umfunktioniert werden, dass sich im Labor aus ihnen Eizellen züchten lassen. Damit sind viele Theorien und Konzepte wieder einmal umgestoßen. Die embryonalen Stammzellen können demnach alle Sorten von Zellen hervorbringen, sie sind totipotent. Würde das bei Menschen funktionieren, dann müsste man nicht mehr die Eizellen - für das therapeutische Klonen zum Beispiel - von einer Spenderin gewinnen. Damit eröffnet sich eine vollkommen neue Dimension für diese Forschung. In den Labors wird heftig daran gearbeitet, immer neue Erfolge vorzuweisen. Vor allem die Möglichkeit, dadurch dem Menschen helfen zu können, wird immer wieder herausgestellt. Zu welchen Unternehmungen das führt und wie realistisch dieses Vorhaben ist, zeigt das folgende Kapitel.
Die Reparatur des Menschen
Es gibt viele Spekulationen darüber, wie man mit Hilfe des Wissens über die Gene Menschen züchten könnte. Als bescheidenen Anfang will man wenigstens Teile des menschlichen Körpers heranwachsen lassen. Forscher arbeiten zum Beispiel schon an der Herstellung eines menschlichen Ohrs. Dazu muss zunächst eine Biomatrix in eine entsprechende Form gepresst werden. Diese Biomatrix aus Milchsäurepolymeren dient als Stützgeflecht für die Zellen. Ohne ein solches Gerüst könnten sie nicht zu einer dreidimensionalen Struktur wachsen. Später soll sich das Material dann auflösen. Die Biomatrix wird mit Knorpelzellen beträufelt, diese verteilen sich auf dem Stützgeflecht, nehmen Kontakt zueinander auf und bilden bald einen Zellverband. Wegen der vorgegebenen Form nehmen sie die Gestalt eines Ohres an. Versorgt wird der Zellverband mit einer Nährstofflösung, die auch hormonähnliche Wachstumsfaktoren enthält. Nach zwei Wochen ist das Ergebnis sichtbar: ein menschliches Ohr, vom Menschen geschaffen, gezüchtet aus Knorpelzellen. Tierversuche sollen zeigen, wie sich dieses Ohr verhält, wenn es auf den Menschen übertragen wird. Die geeigneten Testobjekte dafür sind Nacktmäuse. Sie haben durch einen genetischen Defekt einen Teil ihres Immunsystems eingebüßt, und deshalb kann man ihnen jedes beliebige Gewebe einpflanzen, ohne dass ihr Körper es abstößt. Ob das Ohr seine Form behält und ob es gelingt, das Wachstum der Zellen zu kontrollieren - das sind die Fragen, an denen die Wissenschaftler interessiert sind, wenn sie
Kann uns die Gentechnik bei der
das im Labor gezüchtete Ersatzteil einer Nacktmaus implantieren. Das
Konstruktion des »perfekten« Men-
Ohr besitzt kein eigenes Abschlussgewebe und wird deshalb direkt unter
schen helfen?
die Haut der Mäuse implantiert, die sich dann um das fremde
Gewebe
schmiegt.
Die
Mäusehaut
ist
gut
durchblutet und versorgt auch das Knorpelgewebe des eingepflanzten Ohrs mit den lebensnotwendigen Stoffen. Dieses Ohr aus der Retorte befindet sich noch im Versuchsstadium, doch vielleicht kann in einigen Jahren ein solches Gewebe auch auf einen Menschen übertragen werden. Und nicht nur Ohren wachsen im Labor. Auch an einem Stück der menschlichen Luftröhre basteln die Forscher nach dem gleichen Prinzip. Knochenteile, Gelenkteile und auch Herzklappen können sie im Labor Ein »menschliches Ohr« wurde in einer speziell gezüchteten Nacktmaus untergebracht. Das Ohr besteht aus menschlichen Zellen, die eine entsprechend geformte Kunststoffunterlage überziehen. Die Maus versorgt die Zellen mit Nährstoffen.
bereits züchten. Diese Organe aus den Zellkulturen haben den großen Vorteil, dass sie wahrscheinlich keine Abstoßreaktionen hervorrufen, denn sie können aus Zellen hergestellt werden, die vom späteren Empfänger selber stammen. Bisher funktioniert diese Art der Organzucht nur bei einem einfach aufgebauten Gewebe, das nicht von Blutgefäßen durchzogen ist. Ein Ziel ist jedoch, auch das der Natur nachzumachen. So will man große, wohldurchblutete Organe, wie zum Beispiel eine Leber, eines Tages im Labor wachsen lassen. Gelänge das mit körpereigenen Zellen, dann wäre das ein großer Vorteil. Denn die komplizierten Mechanismen der körpereigenen Abwehr sind bis jetzt das größte Problem bei Transplantationen von Organen fremder Spender. Die Körperabwehr bekämpft zum Beispiel ein verpflanztes Herz wie einen Krankheitserreger. Und das funktioniert so: Das Immunsystem erkennt das körpereigene Gewebe anhand von bestimmten Merkmalen, die sich an der Oberfläche der Zellen finden. Diese Oberfläche liefert dem Immunsystem ständig Informationen über die Vorgänge im Zellinneren, zum Beispiel über die Proteine, die sich in den Zellen befinden, denn sie könnten gefährliche Virusbausteine sein. Für diese Kontrolle wird in der Zelle routinemäßig ein Teil der Proteine von zelleigenen Enzymen in kleinere Stücke zerlegt. Spezielle Molekülkomplexe können diese Proteinteile an sich binden. Man nennt sie »Zellwächter«, sie existieren in jeder Zelle in mannigfacher Ausführung und sind bei jedem Menschen unterschiedlich. Die Wächter durchdringen die Oberfläche der Zelle und präsentieren die an sie gebundenen Proteinstücke dem Immunsystem. Hier finden sich die T-Zel-
len, die alle Vorgänge auf der Zelloberfläche kontrollieren. Sind die Proteinstücke aus der Zelle körpereigen, so koppeln die T-Zellen nur sehr kurz an, das Immunsystem wird nicht alarmiert. Wenn aber eine Zelle aus dem fremden, transplantierten Gewebe Proteinproben aus ihrem Inneren präsentiert, so sehen diese ganz anders aus. Jetzt können sich die Immunzellen an sie heften, und das löst eine ganze Kaskade von Prozessen aus, die zum Ziel haben, den Körper zu schützen. Die T-Zellen des Immunsystems beginnen mit der Produktion von Stoffen, die anderen Immunzellen wiederum signalisieren: Hier ist ein Feind. Das körperfremde Transplantat wird energisch bekämpft, und innerhalb von wenigen Tagen können seine Zellen zerstört sein. Mildern kann man diese Reaktion des Immunsystems, wenn Spender und Empfänger möglichst ähnliche Gewebemerkmale besitzen. Aber damit das Immunsystem das fremde Organ nicht zerstört, muss es in jedem Fall durch Medikamente unterdrückt werden, was eine weitere Belastung des Patienten bedeutet.
In der Zelle (links) werden Proteine zerlegt und die Bruchstücke zur Außenwand transportiert. Werden diese Proteinproben vom Immunsystem als körpereigen erkannt, so koppeln die patrouillierenden Zellen nur kurz an. Sind die Proben körperfremd (rechts oben), so heftet sich die »Immunpolizei« an die Außenhaut und alarmiert über Signalstoffe (blau) das gesamte Immunsystem.
Die T-Zellen sind ja die Immunzellen, die hauptsächlich für die Erkennung des fremden Gewebes verantwortlich sind. Sie binden sich an die ihnen unbekannten Proteinstücke an der Zellaußenseite. Die Medikamente greifen hier ein, sie verhindern weitgehend, dass die T-Zellen ihre Signalstoffe weiterleiten und das Immunsystem alarmieren. Das fremde Gewebe des transplantierten Organs wird nicht attackiert. Nur der Einsatz soIcher Medikamente kann das Immunsystem so weit zähmen, dass der Körper das Transplantat überhaupt duldet. Doch das ist der Preis dafür: Die Körperabwehr kann unter der Wirkung der Medikamente auch Krankheitserreger nicht mehr mit voller Kraft bekämpfen. Der Patient ist jetzt sehr anfällig für Infektionen, eine Viruserkrankung könnte für ihn tödlich verlaufen. Aber die Wissenschaftler suchen nach immer neuen Möglichkeiten, Ersatzorgane für den Menschen zu beschaffen. Und dabei hilft ihnen, dass sich zwar im Laufe der Evolution über Jahrmillionen unzählige verschiedene Organismen entwickelt haben, sich letztendlich aber alle auf einen gemeinsamen Ursprung zurückführen lassen. Die Embryonen verschiedener Wirbeltiere sind im frühen Stadium kaum zu unterscheiden, ein Zeichen für ihre Verwandtschaft. Relativ spät in ihrer Embryonalentwicklung bilden sie die ihnen eigene spezielle Charakteristik aus. Der Affe besitzt, wie mehrere andere Säugetiere auch, ähnlich gebaute Organe wie der Mensch. Er ist unser engster Verwandter und deshalb bei der Suche nach geeigneten Organspendern aus dem Tierreich die naheliegendste Möglichkeit. Allerdings sind Affen als ErsatzteiIlager für den Menschen sehr umstritten. Neben ethischen Bedenken besteht die Gefahr, dass mit dem Organ auch bislang affenspezifische Krankheitserreger übertragen werden, die dann auch beim nahen Verwandten Mensch Schaden anrichten können. Dennoch wurde bereits mehrmals der Versuch unternommen, Affenorgane in Menschen zu verpflanzen. Als Spender dienten nicht Menschenaffen, sondern Paviane. Dramatisch verlief dabei die Geschichte eines kleinen Mädchens namens Baby Fae. Es war seit seiner Geburt schwer herzkrank, seine einzige Chance lag in einer Transplantation. Die Ärzte übertrugen damals ein Pavianherz auf das Kind, eine Premiere in der Medizingeschichte. Nach zwanzig Tagen jedoch starb Baby Fae, sein Körper hatte das Herz sofort abgestoßen. Und auch alle sonstigen Versuche, Tierorgane auf den Men-
Die weißen Blutkörperchen sind nur ein Teil des menschlichen Immunsystems. Bei einer Transplantation beginnt eine Kaskade von Abwehrprozessen, die das fremde Gewebe angreifen.
sehen zu übertragen, sind bisher gescheitert. Die Gewebeunterschiede zwischen Mensch und Tier scheinen so groß zu sein, dass sie sofort eine unbarmherzige
Abwehrschlacht
des
Immunsystems auslösen. In Tierversuchen hat man herausgefunden, Abstoßung
wie diese »hyperakute«
verläuft.
Zum
Test
wurde
menschliches Blut durch ein Schweineherz gepumpt. Sofort beginnt die Abwehrschlacht gegen das fremde Gewebe. Die Zellen, die die Gefäßwand tragen
der
Schweineadern
bestimmte
Merkmale,
die
auskleiden, nur
für
Schweine typisch sind und sich von denen der Menschen und anderer Arten unterscheiden. Die Antikörper im menschlichen Blut erkennen die Zellen des Schweineherzens als Eindringlinge und heften sich sofort an sie. Damit setzen sie die gefährliche hyperakute Abstoßung in Gang. Eine
ganze
Kaskade
Abwehrprozessen Abwehrschlacht
wird weiter
von jetzt
immunologischen eingeleitet,
vorangetrieben.
die Die
Gefäße vom Schwein ändern unter dem Angriff ihre Stoffwechselaktivitäten und signalisieren ihrer Umgebung, dass sie geschädigt sind. Das wiederum ruft die Blutplättchen auf den Plan. Sie schwimmen im menschlichen Blut und sind normalerweise verantwortlich für die Blutgerinnung nach Verletzungen. Jetzt ströBei der hyperakuten Abstoßung
men sie zu den geschädigten Zellen und heften sich an sie. Die Blutplätt-
verkleben Blutplättchen sehr
chen bilden schnell einen riesigen Klumpen, der immer weiter anwächst.
schnell das Adergeflecht. Das trans-
Das Blut kann nicht mehr richtig fließen. Schließlich ist die Ader im
plantierte Tierherz stirbt rasch ab.
Schweineherzen verstopft, die Durchblutung des Organs stoppt, es wird nicht mehr versorgt, verfärbt sich dunkel und stirbt. Diese hyperakute Abstoßung kann in sehr kurzer Zeit erfolgen. Lange Zeit galt sie als unüberwindbar.
Aber die menschliche Neugier lässt sich nicht so einfach aufhalten. Alle biochemischen Prozesse im Körper werden ja von Genen gesteuert. Nach ihren Anweisungen werden zum Beispiel Proteinenzyme hergestellt, die in die Abläufe in den Zellen eingreifen. Weil der Ursprung des Lebens auf der Erde aber für alle Organismen gleich ist und die Natur einmal entwickelte, erfolgreiche Konzepte immer wieder übernimmt, sind die Bausteine der Gene, der Erbmoleküle der unterschiedlichen Organismen gleich aufgebaut. Sie kann man unter den verschiedenen Organismen austauschen. Dadurch ist die Gentechnik überhaupt erst möglich. Wenn man also die Gene, die für die hyperakute Abstoßung verantwortlich sind, finden kann und sie dann ausschaltet oder ersetzt, könnte man das Problem vielleicht lösen. Und das ist die Idee: Durch die Genübertragung sollen Tiere so weit »vermenschlicht« werden, dass die Körperabwehr die tierischen Organe nicht mehr als fremd erkennt und bekämpft. Damit das Immunsystem nicht den eigenen Körper zerstört, existieren auf der Oberfläche der menschlichen Zellen bestimmte Kontrollproteine, die den Immunzellen signalisieren, sie nicht anzugreifen. Das Gen für ein solches Kontrollprotein ist bekannt. Man kann es isolieren und Tieren einsetzen. Dazu manipulieren die Wissenschaftler befruchtete Eizellen von Schweinen. Zahlreiche Kopien von menschlichen Genen werden in die Zelle gespritzt. Einige finden den Weg in den Zellkern und werden ins Erbgut eingebaut. Wenn das gelungen ist, werden die menschlichen Gene mit jeder Teilung des Schweineembryos an alle entstehenden Zellen weitergegeben. Ein Schwein mit »menschlichen« Eigenschaften wächst so heran. Schweine gelten als Favoriten für Organspender aus dem Tierreich. Ihre Organe sind von ähnlicher Größe wie die menschlichen, und Schweine lassen sich gut halten und vermehren. Herden von »vermenschlichten« Schweinen will man so züchten, um je nach Bedarf das passende Organ in passender Größe liefern zu können. Doch so weit ist es noch lange nicht, denn es gibt noch viele Unsicherheitsfaktoren. Das menschliche Gen muss sich in den Zellkernen der transgenen Schweine wiederfinden, und es muss sich so in das Erbmolekül integriert haben, dass es genauso wie die Schweinegene abgelesen wird. Die Information des neuen Gens kodiert für die Bildung des menschlichen Kontrollproteins, das sich später auf der Oberfläche der Zelle befinden wird. Dort soll es dann bei einer
Transplantation die tierischen Zellen vor einem Angriff des menschlichen Immunsystems schützen. Damit es diese Aufgabe auch erfüllen kann, muss das Protein in sehr großen Mengen gebildet werden, und das lässt sich an lebenden Tieren nur schwer zuverlässig testen. Trotz all dieser Unsicherheiten sehen Optimisten die Zukunft der Transplantationsmedizin bereits so: Es wird keinen Mangel an Organen mehr geben, denn die Ersatzteile für den menschlichen Körper liefern dann genmanipulierte Schweine. Die eingebrachten Menschengene wirken so: Nach erfolgreicher Transplantation fließt das Blut eines Menschen durch das Schweineorgan. In den Adern des Organs vom Schwein befinden sich aber nun neben dem typischen Schweineprotein auch menschliche Proteine auf den Zelloberflächen.
Mit Hilfe von genetisch veränderten Schweinen versucht man, Organe von Tieren für den Menschen als Ersatzorgane verträglich zu machen. Dazu werden menschliche Gene in die Schweine eingebracht, die das Tierorgan gegenüber dem menschlichen Immunsystem neutralisieren.
Die Antikörper im menschlichen Blut erkennen zunächst die Schweineproteine und docken an. Aber jetzt treten auch die menschlichen Kontrollproteine in Aktion. Sie blockieren den weiteren Ablauf der Immunreaktion, eine hyperakute Abstoßung kommt nicht in Gang, das Schweinegewebe bleibt unversehrt. Allerdings ist dies nur ein vorläufiger Sieg, denn die hyperakute Abstoßung ist nur die erste Barriere bei der Transplantation eines tierischen Organs. Die anderen Abwehrgeschütze des Immunsystems, wie zum Beispiel die T-Zellen, werden den vermeintlichen Feind, das Schweineorgan, nach wie vor bekämpfen. Bis jetzt ist man noch sehr weit davon entfernt, diese Organe im Menschen benutzen zu können. Selbst wenn die tierischen Organe nicht mehr hyperakut abgestoßen werden, muss das Immunsystem so stark durch Medikamente unterdrückt werden, dass man schließlich an diesen Nebenwirkungen stirbt. Bei Experimenten mit Affen hat man diese negativen Erfahrungen schon gemacht. Außerdem muss ausprobiert werden, ob Schweineorgane von der Funktion her überhaupt in der Lage sind, menschliche Organe zu ersetzen. Und mit dem Einbringen von tierischen Organen entsteht eine neue Gefahr -Viren können sich auf bestimmte Zelltypen spezialisieren. So gibt es Viren, die für Tiere gefährlich sind, für den Menschen aber nicht und umgekehrt. Implantiert man nun eine Schweineleber in den menschlichen Körper, dann könnten sich dadurch eingebrachte Viren so verändern, dass sie dem menschlichen Organismus gefährlich werden. Und es ist nicht nur eine Gefahr für den einzelnen Menschen, sondern für alle, wenn Viren den Sprung vom Tier auf den Menschen schaffen. So gibt es auf diesem Gebiet zwar viele Ideen und Experimente, aber von der Realisierung, für den Menschen ein ständig verfügbares ErsatzteiIlager zu haben, ist man noch weit entfernt. Warum aber kann man nicht den Menschen mit Hilfe der Gentechnik unsterblich machen? Von dieser Vision handelt das folgende Kapitel.
Der Weg zur Unsterblichkeit
Noch vor 100 Jahren war man mit 45 Jahren alt. Heute liegt die Lebenserwartung von Männern bei 74 Jahren und von Frauen bei 80 Jahren. Aber obwohl der Anteil der Alten an der Bevölkerung ständig wächst, hat man in der heutigen Gesellschaft jung, dynamisch und fit zu sein. Je älter man wird, desto schwieriger ist es, da mitzuhalten. Wer am Ball bleiben will, muss sich quälen und seinen Körper auf Jugend trimmen. Jeder möchte heutzutage zwar möglichst lange leben, aber nur ja nicht alt aussehen. Von außen und innen versucht man, sich die Jugend zu erhalten. Fanatiker schlucken Dutzende von Pillen am Tag, andere begeben sich in die Hände von Schönheitschirurgen, die dann lästiges Fett absaugen, die Lider anheben und Falten glätten. Die Suche nach dem Jungbrunnen scheint in unserer Gesellschaft allgegenwärtig zu sein. Kaum einer will der Tatsache ins Auge sehen, dass wir letztlich alle vergänglich sind. Täglich werden wir älter. Die Zeit hinterlässt ihre Spuren. Im Gesicht kann man das besonders gut verfolgen. Das Altern ist ein schleichender Prozess mit vielen Symptomen: Die Haut bleibt nicht straff und glatt, denn die Stützproteine des Bindegewebes werden nach und nach abgebaut, die Haut verliert an Elastizität und wird dünn und faltig. Auch die Haarpracht ist vergänglich. Die Haare werden im Laufe der Zeit dünner und grau, bei manchen Männern fallen sie komplett aus. Männer mit Glatze reagieren
Einige Menschen glauben, durch das Klonen unsterblich zu werden. Aber diese Art der Reproduktion ist äußerst schwierig. Selbst wenn
im Alter besonders empfindlich auf das Hormon Testosteron. Das Muskel-
dies eines Tages gelingen sollte,
aufbauprogramm des Körpers erlahmt. Der Körper wird schlaffer und
gilt immer noch, dass der Mensch
schlapper. Eine laute, chaotische Umgebung verwirrt alte Menschen. Ihre
mehr ist als die Summe seiner
Sinnesorgane lassen nach. Sie hören nicht mehr so gut, und auch das
Gene.
Eine Krebszelle wird von Killerzellen des Immunsystems attackiert. Im Alter schwächt sich das Immunsystem ab und verliert langsam seine schützende Wirkung.
Augenlicht wird schwächer. Im Auge eines Kindes ist die Linse noch klar. Doch mit der Zeit trübt sie sich mehr und mehr. All diese Veränderungen sind zwar lästig, aber im Grunde harmlos, denn viel einschneidender ist, dass das Innere des Körpers ebenfalls altert. Die Reparaturmechanismen funktionieren nicht mehr so gut, der Stoffwechsel verlangsamt sich, die Blutgefäße werden weniger elastisch. Krankheiten wie Arteriosklerose und Krebs werden wahrscheinlicher. Das Immunsystem verändert sich: Es richtet sich jetzt vermehrt gegen den eigenen Körper und zerstört hier Zellen. Gegen Krankheitserreger geht es dagegen nicht mehr so aggressiv vor. Die Summe der verschiedenen Alterserscheinungen macht uns immer hinfälliger, bis wir schließlich sterben. Altwerden ist
ein Prozess, den niemand aufhalten kann. Bei jedem Menschen verläuft er anders. Aber im Grunde ist der Alterungsprozess nicht selbstverständlich. Eigentlich sind wir nämlich nicht so alt, wie wir aussehen. Unser Körper ist ständig damit beschäftigt, sich zu erneuern. So sind zum Beispiel unsere Hautzellen nicht älter als ein paar Wochen. Alle 24 Tage wird die Oberschicht der Haut komplett ausgewechselt. Neu entstandene Zellen rücken nach, und die alten werden abgestoßen. Zellen teilen sich, reifen heran, sterben ab und werden durch neue ersetzt. Diese können jedoch Fehler enthalten, die die Zelle nicht mehr repariert - eine mögliche Ursache für das Altern. So erneuert sich unsere Darmschleimhaut vollständig innerhalb von drei Tagen. Das Blut wird innerhalb eines Jahres komplett ausgetauscht. Teile des Skeletts bilden sich alle vier Jahre neu. Nur ein ganz geringer Teil des Körpers ist älter als zehn Jahre, aber jünger machen uns die neuen Zellen nicht, denn sie sind nicht mehr so fit wie die ursprüngliche Ausgangszelle. Für die Forschungen dient ein Wurm als Modellorganismus für das Altern: der
Fadenwurm.
Er
ist
ein
unscheinbarer
Bodenbewohner, nur etwa einen Millimeter groß, mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen. Bei seiner Entwicklung vom Ei zum fertigen Wurm lässt sich der Werdegang bis zu den nur etwa 1000 Zellen gut verfolgen, denn der Fadenwurm ist durchsichtig. Der Fadenwurm gilt als das am besten untersuchte Tier. Sein Erbgut mit 19 000 Genen ist bereits komplett entschlüsselt. Die Gene steuern die Embryonalentwicklung, die Lebensfunktion und - so die Vermutung der Forscher - auch das Altern des Wurms. Sein Leben dauert nur höchstens 25 Tage, sein Altwerden lässt sich deshalb wie im Zeitraffer beobachten. Ein perfektes Modell für Forschungszwecke.
Der Fadenwurm ist ein relativ einfach aufgebauter Organismus, der aber einige biologische Eigenschaften mit dem Menschen teilt. Deshalb wird sein Genom von den Forschern untersucht.
Um dem Altern auf die Spur zu kommen, setzen die Wissenschaftler die Würmer Röntgenstrahlen aus. Wenn Gene dafür verantwortlich sind, dass die Tiere nur so kurz leben, dann könnte man mit den Röntgenstrahlen versuchen, diese Altersgene auszuschalten. Die Röntgenstrahlen treffen auf das Erbgut der Zellen und können dort die DNS schädigen. So werden - vom Zufall abhängig - DNS-Bereiche im Erbgut des Wurmes zerstört. Treffen sie ein Gen, wird dieses wirkungslos gemacht. Mit dieser Methode erhielten die Forscher Fadenwürmer mit den unterschiedlichsten Gendefekten. Die bestrahlten Fadenwürmer wurden beobachtet. Wie erwartet, starben die Tiere nach 25 Tagen - nach ihrer normalen Lebensspanne. Aber nicht alle, einige lebten weiter: Bei ihnen hatten die Röntgenstrahlen offenbar die Gene ausgeschaltet, die das Altern verursachten. Nach einer Genanalyse wurde es dann gefunden: das Alterungsgen. Mutanten mit einem Defekt in diesem Gen können über 80 Tage lang leben, dreimal länger als ihre Artgenossen. Somit war bestätigt, dass Gene beim Alterungsprozess zumindest bei diesen Fadenwürmern eine wichtige Rolle spielen. Und wahrscheinlich gilt dies auch für den Menschen. Eine Vermutung, die nahe liegt, denn schließlich sind es die Gene, die die Embryonalentwicklung des Menschen steuern. Und auch für die Entwicklung vom Baby zum Erwachsenen sind sie verantwortlich. Sind dann vielleicht auch Altern und Tod genetisch programmiert? Von Anfang an spielt der Tod der Zellen in unserem Körper eine wichtige Rolle. Wenn während der Embryonalentwicklung die einzelnen Organe und Gliedmaßen Gestalt annehmen, müssen Zellen absterben, damit die richtigen Formen entstehen. Die Zellen erhalten von bestimmten Genen den Befehl zum Selbstmord. Sie müssen dafür sorgen, dass die Zellen genau zur richtigen Zeit sterben, damit zum Beispiel die einzelnen Finger der Hand entstehen können. Aber auch im ausgewachsenen Organismus ist der Zelltod von Bedeutung, zum Beispiel um ausgediente Abwehrzellen des Immunsystems zu vernichten. Könnte es dann aber nicht sein, dass es in allen Zellen unseres Körpers solche Todesuhren gibt, die unterschiedlich schnell ticken und zu gegebener Zeit das Absterben einleiten? Auch unter optimalen Bedingungen - in der Zellkultur - können Zellen nicht ewig leben. Die Hautzellen eines Embryos verdoppeln sich insgesamt noch etwa fünfzig Mal. Das scheint dann auch schon die oberste
Grenze zu sein. Stammen die Zellen von älteren Menschen, so teilen sie
Bei jeder Teilung einer Zelle muss
sich je nach Lebensalter entsprechend weniger oft. Nähern sich die
sich die DNS verdoppeln, um wie-
Zellen dann dem Ende ihrer Vermehrungsfähigkeit, verdoppeln sie sich
der in jeder Zelle vorhanden zu
immer langsamer. Schließlich sterben sie ab.
sein. Bei diesem Prozess geht
Die Zellen besitzen sogar eine Art Gedächtnis dafür, wie oft sie sich schon geteilt haben. Tiefgekühlt und wieder aufgetaut machen sie genau da weiter, wo sie aufgehört haben. Die Grenze der Teilungsfähigkeit menschlicher Zellen scheint unverrückbar festgelegt. Eine mögliche Erklärung dafür fanden Forscher bei der Untersuchung bestimmter Strukturen der
immer am Ende des Strangs ein DNS-Abschnitt verloren. Das soll eine der Ursachen des Alterns sein.
menschlichen Chromosomen. Aufgerollt befinden sich hier die Erbanlagen der Zellen. Die Chromosomen besitzen an ihren Enden so genannte Telomere, spezielle DNS-Abschnitte, die die Chromosomen stabilisieren und schützen. An diesen Schutzkappen könnte es liegen, dass sich die Zellen nicht unendlich weiterteilen. Vor jeder Zellteilung werden die DNS-Stränge verdoppelt. Aber das dafür verantwortliche Protein arbeitet nicht perfekt: Es kann nämlich nicht den Anfang des Stranges kopieren. Dort bleibt immer ein Stück übrig, das schließlich verloren geht. Und dasselbe passiert vor jeder weiteren Zellteilung. Dabei müssen sich die Chromosomen verdoppeln, und jedes Mal verliert das Chromosom an seinem Ende ein Stück DNS. Die Verdoppelung wird durch Enzyme gesteuert. Die Doppelhelix der DNS spreizt sich auf, und eine exakte Kopie entsteht Baustein für Baustein. An der äußersten Spitze jedoch können sich die Enzyme nicht anlagern - mit der Folge, dass das freie Ende verloren geht und die DNS kürzer wird. Im Körper müssen ständig Zellen erneuert werden, um Organschäden zu reparieren. Doch bei jeder Zellteilung wird die Abfolge an den Enden der DNS kürzer. Ist sie im Laufe des Lebens ganz aufgebraucht, verlieren die Zellen ihre Fähigkeit, sich zu teilen. Der Organismus altert. So schrumpfen die schützenden Telomere mit der Zeit immer weiter. Wenn sie dann schließlich eine kritische Länge unterschreiten, lässt die Funktionsfähigkeit der Zellen mehr und mehr nach. Schließlich hören sie auf, sich zu teilen. Dass Telomere im Alterungsprozess eine Rolle spielen, zeigt eine seltene Krankheit. Die Betroffenen leiden bereits als Kinder an Alterungserscheinungen. Durch einen genetischen Defekt kommen sie mit sehr kurzen Telomeren zur Welt. Sie vergreisen dann sozusagen im Zeitraffer und sterben alsTeenager an Krankheiten, die sonst nur alte Menschen bekommen. Diese Krankheit ist sehr selten - auf der Welt gibt es nur dreißig Kinder, die von ihr betroffen sind. Aber für die Forschung ist diese Krankheit äußerst interessant, sie zeigt zeitlich verkürzt das Fortschreiten des Alterns und kann auch Hinweise auf die Auslöser für den Alterungsprozess geben. Aber: Die Verkürzung der Chromosomen ist noch nicht des Rätsels Lösung. Niemand stirbt, weil die Telomere - die Enden der Chromosomen - zu kurz geworden sind. Wir sterben an Krebs, Herzinfarkt, an den klassischen Krankheiten also. Welche Rolle dabei die verkürzten Chromosomenenden spielen, ist nicht geklärt, man beobachtet nur, dass sich
nach häufigen Zellteilungen - im Alter also - die Enden verkürzt haben. Aber vielleicht spielt das in der Zelle eine Rolle, wenn sie nicht mehr so gut funktioniert wie zu Beginn. Vielleicht entartet sie ja deshalb. Bis jetzt kann man über die Rolle der Telomere nur spekulieren. Vor einigen Jahren glaubte man sogar, über die Telomere einen Traum der Menschheit wahr machen zu können. Sie sollten der Schlüssel für den
Spermien bei der Befruchtung einer menschlichen Eizelle. In den Keimzellen findet sich die Telomerase, der Stoff] der die Lebensuhr immer wieder neu beginnen lässt
Jungbrunnen sein, der uns auf ewig Jugend und Frische liefert. Den Weg dazu sollte ein Enzym ebnen: die Telomerase - ein zelleigenes Produkt. Die Telomerase wirkt in den Zellen der Keimdrüse, und dort haben die Forscher sie auch ausfindig gemacht. Hier teilen sich die Zellen ständig. Die Telomerase sorgt nun dafür, dass bei Ei- und Samenzellen die Lebensuhr wieder zurück auf Start gestellt wird. Dieses Enzym repariert die Schäden, die bei der Teilung an den DNS-Enden auftreten. Es verhindert, dass sich die Schutzkappen der Chromosomen ständig verkürzen. Die Telomerase arbeitet dabei so: Bevor die DNS auf eine Zellteilung vorbereitet und verdoppelt wird, fügt die Telomerase am Anfang einige Bausteine hinzu. Wie gewohnt verdoppelt das Kopierenzym dann den DNSStrang. Wieder bleibt am Anfang eine kurze Sequenz unkopiert übrig. Doch diesmal handelt es sich um das von der Telomerase angefügte Stück. Von den Schutzkappen geht nichts verloren. Zellen, bei denen die Telomerase aktiv ist, können sich unbegrenzt weiterteilen. Sie bleiben jung und frisch und altern nicht. Ist das der Weg zum ewigen Leben? Die Telomerase ist, so gesehen, eine Verjüngungskur für unsere DNS. Sie kann die Enden der DNS-Stränge nach einer Teilung immer wieder verlängern und sie somit in ihren jugendlichen Urzustand zurückversetzen. Die DNS von Spermien und Eizellen wird somit immer im Urzustand gehalten. Damit sind die Zellen der Nachkommen mit der ursprünglichen Anzahl an Teilungsmöglichkeiten ausgerüstet. Im sterblichen Körper hat das Leben so einen Weg gefunden, in einer neuen Generation weiterzuexistieren. Das Spermium mit den Genen verlässt den Organismus bevor die Lebensuhr abgelaufen ist. Letztlich sind es die Gene, die dadurch überleben. In den meisten Körperzellen jedoch ist die Telomerase nicht mehr aktiv. Inzwischen ist es aber gelungen, das Telomerase-Gen erfolgreich in normale Körperzellen einzubauen. In der Zellkultur hat sie also schon funktioniert: die erhoffte Verjüngung. Doch Kulturen von identischen Zellen unsterblich zu machen, ist relativ leicht. Den ganzen Menschen allerdings, mit seinen unzähligen verschiedenartigen Zellen, jung zu halten, gestaltet sich weitaus komplizierter. Denn oft ist es durchaus sinnvoll, dass Zellen sich nicht unendlich teilen können. Dadurch verhindert der Körper gefährliche Wucherungen, zum Beispiel Krebs. Krebszellen sind ja unsterbliche Zellen, die sich ungehemmt immer weiter
vermehren. Sie entstehen, weil in ihrem Erbgut Mutationen aufgetreten sind, die dazu führen, dass sich die Zelle dem normalen - von den Genen kontrollierten - Wachstum entzieht. Bestimmte Mutationen lassen dann auch die Produktion der Telomerase wieder in Gang kommen. Solche Zellen gewinnen dann die Unsterblichkeit. Weil das TelomeraseEnzym bei vielen Tumorzellen für das unbegrenzte Wachstum verantwortlich zu sein scheint, könnte es gefährlich sein, auf diese Weise eine Zellverjüngung im Körper erreichen zu wollen. In Experimenten wurde bislang jedoch noch kein Hinweis auf eine erhöhte Krebsgefahr gefunden. Über die Telomerase allein werden wir - selbst nach Lösung der geschilderten Probleme - die ewige Jugend nicht erreichen. Denn die Zellalterung durch die schwindenden Telomere ist nicht der einzige Grund für unsere Alterskrankheiten. Mutationen im Genom häufen sich zum Beispiel durch äußere Einflüsse wie Strahlung, und noch etwas lässt die Zellen altern,
schwächt
sie
und
macht
sie
funktionsunfähig:
Radikale.
Besonders gefährlich für unseren Körper ist ein Element, das wir alle zum Leben dringend brauchen: Sauerstoff. Wie das Feuer können auch wir ohne ihn nicht existieren. Aber das ist nur die eine Seite. Im Laufe unseres Lebens kann Sauerstoff ebenso tödlich wirken wie diese Flammen. Und zwar in den kleinsten Bausteinen unseres Körpers, den Zellen. Die Kraftwerke in den Zellen, die Mitochondrien, versorgen die Zelle mit Energie und verbrauchen dabei Sauerstoff. Dabei entstehen auch hochaggressive Moleküle, die Radikale. Sie haben chemische Bindungen frei und greifen deshalb alles an, was in ihre Nähe kommt. Wo immer sie auftreten, wirken sie zerstörerisch. Die Mitochondrien sind den Radikalen aber nicht schutzlos ausgeliefert. Zelleigene Enzyme fangen die Radikale ein und machen sie unschädlich. Diese Radikalefänger funktionieren perfekt, solange wir jung sind. Doch mit der Zeit nehmen die Radikale Überhand, die Schutzmechanismen arbeiten nicht mehr so effektiv. Immer mehr aggressive Moleküle entkommen den Wächtern. Sie zerschlagen das Erbgut der Mitochondrien und reißen Löcher in die Membranen. Schließlich ist das Zellkraftwerk zerstört. Die Radikale gelangen in das Innere der Zelle und führen hier ihr vernichtendes Werk fort. Die Zellen gehen durch sie letztlich zugrunde.
Querschnitt einer Zelle. Unten der große Zellkern und darüber die feineren, bohnenförmigen Mitochondrien. Die Abläufe in einer Zelle sind äußerst komplex. Sauerstoff wird in den Mitochöndrien gebraucht und dabei entstehen aggressive Moleküle, die mit ihren freien chemischen Bindungen alles in ihrer Umgebung angreifen.
Und auch das beim Fadenwurm gefundene Altersgen kann in Verbindung mit den Radikalen gebracht werden. Es kodiert für ein Protein, das bestimmte Hormone reguliert und ist gleichzeitig für die Entwicklung der Fortpflanzungsorgane zuständig. Ist das Gen aktiv, so reagiert die Zelle sehr empfindlich auf Radikale, und ihr Alterungsprozess schreitet voran. Wird dieses Gen jedoch ausgeschaltet, so ist die Zelle gegen diese Schädigungen relativ resistent.
Radikale scheinen an einer ganzen Reihe von Alterskrankheiten beteiligt zu sein. Zum Beispiel an der Alzheimer-Krankheit, die Teile des Gehirns lahmlegt. Im Verlauf dieser Krankheit werden immer mehr Nervenzellen funktionsunfähig - die Persönlichkeit des Menschen wird dadurch völlig verändert. Um die Rolle der Radikale beim Altern zu klären, dienen wiederum Tiere als Modelle. Forschern gelang es, besonders langlebige Fruchtfliegen zu züchten. Etwa zehn Gene sollen für die Lebensverlängerung verantwortlich sein. Eins davon ist für die Produktion eines besonders effektiven Radikalefängers zuständig, eine Art »Jungbrunnen«-Gen, das die Fliegen vor dem Angriff der Radikale schützt. Dieses Gen ist besonders interessant für die Forschung, denn es wurde auch im Erbgut des Menschen entdeckt. Auch bei den bestrahlten Fadenwürmern mit dem verlängerten Leben entdeckte man einen Hinweis auf diese Theorie über die Radikale. Allerdings zeigt sich das hier nicht bei den Jungbrunnen-Genen. Alterungsgene spielen eine wichtigere Rolle. Wenn sie funktionsfähig sind, dann sterben die Tiere innerhalb der normalen Lebensspanne. Eines dieser Gene sorgt dafür, dass die körpereigenen Radikalefänger im Alter nicht mehr so gut arbeiten - die Würmer sterben also. Nur wenn dieses Gen zerstört ist, wird der Alterungsprozess aufgehalten, und die Würmer leben länger. Es gibt also Gene - wie bei der Fliege gefunden -, die das Altern hinauszögern, und Gene, die es eher beschleunigen. Auch beim Menschen ist man auf der Suche nach solchen Genen. Allerdings ist der Umfang des menschlichen Erbguts so groß, dass diese Aufgabe viel komplizierter ist als bei den Würmern. Dazu wurde das Erbgut von Menschen mit einem hohen Alter untersucht. Und die Forscher entdeckten tatsächlich einige Gene, die bei diesen Personen besonders häufig auftreten. Es wird vermutet, dass sie auf noch nicht geklärte Weise Radikale in Schach halten können. Doch der Prozess des Alterns ist einfach zu komplex, so dass bis heute keine vollständige Aufklärung erreicht wurde. Mosaiksteinchen werden gefunden, die einige Hinweise geben, einige Möglichkeiten andeuten mehr aber auch nicht. Einige stört diese noch recht unsichere Basis in der Alterungsforschung nicht. Sie verkünden Methoden, wie man das Altern besiegen kann. Klar -
wenn die Radikale in den Zellen schaden, dann muss man sie chemisch wegfangen, mit Vitamin E oder C zum Beispiel. Das hat man auch versucht, aber das Leben verlängern konnte man damit nicht. Verkaufen lassen sich solche Produkte dennoch gut. Hormone wie Melatonin oder DHEA sollen Quellen für den Jungbrunnen sein, aber ein Nachweis für ihre Wirksamkeit gelang bis jetzt nicht. Und diese Erfahrung wiederholt sich: Je weniger man auf einem Gebiet weiß, umso mehr Spekulation und Scharlatanerie sind dann möglich. Aber die Wunschträume reichen noch weiter - bis zur Unsterblichkeit. Die Zauberformel dafür heißt: Klonen. Man nehme dazu seine DNS, zu finden in jeder Zelle eines Erwachsenen, und gebe sie in eine entkernte befruchtete Eizelle. Heranwachsen kann, das hat man ja im Tierexperiment mit dem berühmten Schaf Dolly erstmals gezeigt, eine neue - identische -Kopie eines Lebewesens. Eine Vision ist nun, auch identische Kopien eines Menschen zu schaffen, durch die er dann unsterblich würde. Immer wieder gibt es Sensationsmeldungen dazu -
von
religiösen
Gruppen
oder
exzentrischen
Wissenschaftlern;
ein
überprüfbares Ergebnis wurde bis jetzt (2003) aber nicht vorgezeigt. Die Technik des Klonens wird inzwischen beherrscht, zumindest bei einigen Tierarten, wenn auch die Erfolgsrate nach wie vor sehr gering ist. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Rückprogrammierung der DNS aus den im erwachsenen Körper spezialisierten Zellen nicht immer vollständig gelingt. Und es hat sich auch gezeigt, dass selbst bei Verwendung der identischen DNS durch Klonen nicht unbedingt ein gleich aussehendes Exemplar erhalten wird. Die DNS aus erwachsenen Körperzellen hat offenbar eine andere Qualität. Beim Klonen wird zunächst die Eizelle entkernt. Anschließend führt man die DNS einer Körperzelle des zu klonenden Spenders in die entkernte Eizelle ein. Somit erhält die Eizelle das Erbgut eines Erwachsenen, das Genom aus einer Zelle, die ja nicht mehr ganz jung ist. Die DNS hat daher wahrscheinlich schon einige Fehler aufzuweisen. Und nicht nur das: Die Telomere dieser bereits gealterten Zelle sind ebenfalls nicht mehr im Ausgangszustand, sondern schon verkürzt, je nach Alter des Zellspenders. Es stellt sich die Frage, wie die Klone dann aussehen, die aus einer solchen Zelle entstehen. Das erste geklonte Lebewesen - das Schaf Dolly lebte sechs Jahre, bis es Anfang des Jahres 2003 eingeschläfert wurde. Immer wieder meldeten
Der Alterungsprozess des Menschen verschont auch nicht das Gehirn. Hier ist der Weg zum Vergessen durch eine Alzheimer-Erkrankung künstlerisch dargestellt.
Der Stolz der Wissenschaftler, das Klonschaf Dolly, steht nun ausgestopft im Royal Museum in Edinburgh. Sind damit auch viele Hoffnungen auf das erfolgreiche Klonen als Teil der Gentechnik begraben?
ihre Erzeuger, wie gut die Gesundheit von Dolly sei. Doch es gab auch Zweifler, die sich jetzt bestärkt fühlen. Dolly wurde aus der Euterzelle eines sechsjährigen Schafes geklont. Seine Telomere sind wegen des Alters bereits verkürzt. Trotz der offiziellen Verlautbarungen gab es immer wieder Meldungen, die den schlechten Gesundheitszustand von Dolly beklagten. Schon in jungen Jahren soll sie an Arthritis gelitten haben. Eine Folge des fortgeschrittenen Alterungsprozesses? Schafe leben normalerweise zehn bis sechzehn Jahre. Dolly erreichte kaum die Hälfte dieser Altersspanne. Dabei haben Schafe von Natur aus recht lange Telomere, längere als Menschen. Das Klonen von Menschen könnte schon an diesem Punkt Schwierigkeiten machen. Aber es bleibt hier auch die Frage, ob
man überhaupt Erkenntnisse über den Alterungsprozess beim Tier auf den Menschen übertragen kann. Es gibt zwar viele Parallelen, aber auch manche Unterschiede zwischen dem Alterungsprozess des Menschen und dem anderer Lebewesen. Und noch etwas scheint gegen das erfolgreiche Klonen beim Menschen zu sprechen. Versuche mit Rhesusaffen zeigen, dass bei ihnen Teilungen der geklonten Zellen, die ja die DNS aus einer erwachsenen Körperzelle enthalten, äußerst schlecht funktionieren. Bei 700 Klonversuchen entstanden gerade einmal 33 Embryonen, von denen jedoch keiner in einer Affen-Leihmutter heranwuchs. Bei der Zellteilung mit der »alten« DNS wurden die Chromosomen nicht richtig verteilt. Offenbar ist das, was bei Schafen und Mäusen mehr oder weniger gut gelingt, bei den höheren Organismen der Primaten nicht so ohne weiteres möglich. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass auch das Klonen beim Menschen zur Zeit nicht erfolgreich durchführbar ist. Dennoch: Irgendwie kann der Mensch nicht fassen, dass er altern muss. Der Alterungsprozess stimmt uns alle nachdenklich und macht uns hilflos - die Naturwissenschaftler können darauf nur recht eingeschränkt eine Antwort geben, und uns schon gar nicht dabei helfen, dem Ablauf unseres Lebens zu entkommen.
Fabriken im Mikrokosmos
Schon von jeher lässt der Mensch Lebewesen für sich arbeiten, die für ihn eigentlich unsichtbar sind: Bakterien und Mikropilze. Diese Organismen verschaffen ihm zum Beispiel den Genuss der verschiedenen Käsesorten oder der alkoholischen Getränke. Und schon seit alters versucht er, diese Helfer aus der Mikroweit in ihrer Arbeit zu optimieren. Einfache Verbesserungen in der Produktivität der Mikroorganismen sind die richtige Temperatur, das mundgerechte Nahrungsangebot oder die Verträglichkeit der Lösung, in der sie leben. Kurz: Das Milieu ist für die kleinen Arbeiter entscheidend. So gilt es als eine Kunst, über diese äußeren Bedingungen die Käsequalität zu verbessern oder besonders gute Weine oder Biere herzustellen. Auch bei der Nutzung der Mikroorganismen gibt es, wie in der greifbaren Welt, Selektionen, Kreuzungen verschiedener Organismen, die Bevorzugung von bestimmten Stammeslinien - Tierzucht im Kleinen also. Mit dem Fortschreiten der Gentechnik eröffneten sich auch im Mikrokosmos neue Möglichkeiten. Bakterien lassen sich gentechnisch verändern, auch sie können durch Einbringen neuer Gene umfunktioniert werden. Beim Einsetzen des entsprechenden Gens wird dann in der Bio-Fabrik des Bakteriums eine entsprechend neue Substanz erzeugt. Der Vorteil dieser Minifabriken liegt darin, dass sie sich schlagartig vermehren können und damit in kurzer Zeit diese Substanzen in großen Mengen herstellen. Warum hier die Gentechnik gut funktioniert, liegt auch an der biologischen Struktur der Bakterien. So besitzen diese Mikroorganismen, wie bereits geschildert, neben dem DNS-Knäuel noch einzelne ringförmige DNS-
Wir leben in einer Welt von Bakterien. In dieser ElektronenmikroskopAufnahme sind auf einer Nadelspitze einige etwa ein Tausendstel Millimeter lange Bakterien zu erkennen. Sie können sich explosionsartig vermehren und ihre oft krank machende Wirkung entfalten. In der Gentechnik sollen sie gezähmt werden und als »Minifabriken« dienen.
Die Aufteilung des Erbguts in einem Bakterium bietet für die Gentechniker einen großen Vorteil. Neben einem DNS-Knäuel finden sich DNS-Ringe - die Plasmide. Die von ihnen getragenen Erbinformationen sind relativ überschaubar und eignen sich deshalb gut für gentechnische Manipulationen. Das fremde Gen wird in dem Plasmidring untergebracht
Moleküle - die Plasmide -, die sich unabhängig von der Haupt-DNS in ihnen finden. Diese ringförmigen DNS-Strukturen spielen eine wichtige Rolle, sie kontrollieren Teilabläufe und sind zum Beispiel für Resistenzen gegen Antibiotika im
Organismus
verantwortlich.
Die
Plasmide
werden
unter
den
Mikroorganismen ständig ausgetauscht, so dass sich in einer Ansammlung von Bakterien das durch die Plasmidringe mitgeführte Erbgut in kurzer Zeit weitgehend gleichmäßig verbreitet. Wird nun ein Plasmidring gentechnisch mit einem Enzym aufgeschnitten und in diese Schnittstelle ein neues, weiteres Gen eingebracht, so kann die damit verbundene neue Eigenschaft auf den Mikroorganismus übertragen werden.
Dabei müssen allerdings einige Schwierigkeiten überwunden werden: Die Gene höherer Lebewesen wie Pflanzen oder Tiere sind mit sogenannten Introns durchsetzt, mit Abschnitten also, die offenbar keine Funktion haben. Das Verhältnis zwischen den kodierenden und nichtkodierenden Abschnitten kann 1:10 betragen. Bringt man ein Gen in einem Plasmid unter, so müssen diese Introns vorher herausgeschnitten worden sein, soll das Gen abgelesen werden. Außerdem muss man das DNS-Stück mit »Promotoren« versehen, damit das Gen im Plasmidring aktiviert werden kann.
Mit den gentechnisch veränderten Bakterien (E. coli) lassen sich unterschiedliche Substanzen produzieren. Nach einiger Zeit werden die Bakterien abgetötet, und der gewünschte Stoff, z. B. Insulin, wird isoliert
Promotoren sind bestimmte DNS-Bausteinabfolgen, die am Anfang eines Gens sitzen, an die Proteine andocken und so den ersten Teil des Ablesevorgangs bilden. Gehen die so eingebrachten Fremdgene bei der Teilung der Bakterien nicht verloren, so lässt sich mit dieser Methode schnell eine große Bakterienkolonie mit den neuen Eigenschaften aufbauen. Wichtig ist nun, welches DNS-Stück - also welches Gen - in das ringförmige Plasmid eingesetzt wird. Man will ja dadurch zum Beispiel eine für den Menschen nützliche Substanz produzieren. Erste Erfahrungen mit diesen Minifabriken hat man bei der Produktion von Insulin gemacht. Insulin ist der Stoff, der in unserem Körper den Blutzuckerspiegel reguliert. Dieses Hormon wird normalerweise von der Bauchspeicheldrüse produziert. Funktioniert diese Produktion nicht mehr, so wird man zuckerkrank. Insulin kann man auch von außen dem Körper zuführen. Damit ist es Diabetikern möglich, ohne körpereigene Insulinproduktion weiterzuleben. Vor achtzig Jahren etwa begann man damit, das Insulin aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen und Rindern zu extrahieren. Heute kann man Insulin gentechnisch mit Hilfe von Bakterien produzieren. Benutzt wird dabei ein ausgesuchtes Bakterium (Escherichia coli), dessen nächste Verwandte auch unseren Darm besiedeln. Zunächst wird ein Plasmid, das man als Genfähre benutzt, aufgeschnitten und an dieser Stelle ein DNS-Stück eingesetzt, das in der menschlichen Erbinformation für die Insulinproduktion verantwortlich ist.
Auch
hier
machen
sich
die
Gentechniker
zunutze,
dass
die
Informationsvermittlung der DNS - die Kodierung mit den vier Bausteinen universell ist. Sie hat in allen Organismen immer dieselbe Bedeutung, und deshalb kann erwartet werden, dass dieses »menschliche« Gen im Bakterium dieselbe Funktion ausübt. Diese Plasmidringe mit dem Insulin-Gen werden dann in die Bakterien eingeschleust. Die so veränderten Bakterien vermehren sich schnell durch Teilung, und dabei wird auch das Plasmid mit dem fremden DNSStück vermehrt. Wichtig dabei ist, dass das fremde DNS-Stück - das Insulin-Gen bei diesem Prozess erhalten bleibt. Zudem muss es biologisch aktiv sein, das heißt, im Bakterium abgelesen werden. Weil sich die Bakterien sehr schnell vermehren, kann man so innerhalb kürzester Zeit eine umfunktionierte Bakterienkolonie erhalten. Erstaunlich ist, dass jetzt das Bakte-
rium nach dieser eingeschleusten, neuen Anweisung selbst Stoffe produziert, die für die eigenen Bedürfnisse überhaupt nicht sinnvoll sind. Beim Insulin hat man übrigens das verantwortliche Gen aus dem Produkt dem Protein - rekonstruiert. Dazu wurde die DNS aus der Abfolge der Eiweißbausteine »rückübersetzt«. Durch diese Methode der chemischen Synthese war das für die Insulinproduktion verantwortliche DNS-Stück schon von den störenden Introns befreit. Die Produktion des bakterienfremden Stoffs kann so weit getrieben werden, dass das Bakterium an der hergestellten Menge zugrunde geht. Voraussetzung für die Produktion ist allerdings, dass die dafür notwendigen Grundstoffe im Bakterium vorhanden sind oder ihm angeboten werden. Das genmanipulierte Bakterium wird durch das Einschleusen des fremden DNS-Stücks in unserem Fall dazu gebracht, das menschliche Insulin zu produzieren. Das Bakterium selbst kann mit diesem Eiweißstoff nichts anfangen und wird sogar durch ihn geschwächt. Hat sich genügend Substanz, die nach der neuen genetischen Anweisung hergestellt wurde, im Innern angesammelt, so werden die Bakterien zum Platzen gebracht. In dem entstandenen Flüssigkeitsgemisch befindet sich dann auch der gewünschte Stoff- das Insulin. Reinigungsverfahren werden angewendet, und durch weitere Prozesse kann dann das begehrte Insulin gewonnen werden. Gegen diesen Einsatz der Gentechnik bei Bakterien und Mikroorganismen gibt es jedoch auch Einwände: Wie bei jedem industriellen Verfahren kann es bei der Herstellung - zum Beispiel, wenn die Bakterienstämme mit anderen Mikroorganismen durchsetzt sind oder durch unvollkommene Reinigung des Produkts - zu Pannen kommen. Kritiker sehen auch in dem Verhalten der Plasmide eine Gefahr. Wird nämlich ein solcher Plasmidring mit einem Gen versehen, das für irgendeinen Organismus schädlich ist, so könnte er - bei eventueller Freisetzung - in dort lebende Bakterien eindringen. Diese Bakterien - jetzt mit dem fremden Erbgut versehen - könnten sich unkontrolliert ausbreiten und eine Katastrophe auslösen. Das Risiko für das Eintreten solcher Szenarien steigt, wenn gerade mit Bakterienarten Gentechnik betrieben wird, die auch im Menschen häufig zu finden sind, wie Kolibakterien, die sich natürlicherweise im Darm aufhalten. Keine Gefahr, sagen hingegen die Befürworter, denn dafür gibt es die Sicherheitsstufen, denen diese Arbeiten unterliegen. Zudem wären die so
veränderten Bakterien der Konkurrenz in der natürlichen Umgebung unterlegen und nicht besonders lange lebensfähig - eben wegen der erreichten Umfunktionierung ihres biochemischen Ablaufs im Zellinnern. Hilflos wie eine Ameisenkönigin ohne ihre Arbeiterinnen würden die veränderten Bakterien dahinsterben. Vollständig untersucht sind solche Möglichkeiten jedoch nicht. Einige Experimente zeigen offenbar, dass die Weitergabe fremden Erbguts über die Plasmide an andere Bakterien durchaus möglich ist. Selbstverständlich sind auch kriminelle Handlungen nicht auszuschließen. So lassen sich Darmbakterien mit Genen versehen, die beim Menschen Krankheiten auslösen. Oder jemand könnte vielleicht sogar versuchen, eine Kombination des sich leicht verbreitenden Grippevirus mit dem Aids auslösenden HI-Virus herzustellen. Die Infektionsgefahr wäre dadurch weit größer. Das HI-Virus könnte sich dann eventuell wie ein Grippevirus ausbreiten. Denkbar sind auch biologische Waffen auf gentechnischer Basis, wobei die eigene Bevölkerung zunächst - durch einen gezielt hergestellten Impfstoff- resistent gegenüber bestimmten gefährlichen Viren oder Bakterien gemacht würde. Der Gegner hätte diesen neuen Impfstoff nicht und könnte so vernichtet werden. Szenarien, die auch ohne Gentechnik prinzipiell schon möglich waren. Wie leicht neue, für den Menschen gefährliche Viren auftauchen können, zeigen die eine schwere Lungenerkrankung (SARS) auslösenden Viren. Es wird vermutet, dass sie, ursprünglich nur für Tiere gefährlich, von diesen auf den Menschen übergingen. Dazu reichten offenbar schon kleine Veränderungen aus, wie sie natürlicherweise durch Kopierfehler des Virenerbmaterials auftreten. Durch das enge Zusammenleben zwischen Mensch und Tier in Südostasien wurde dieser Übergang erleichtert. Die Herstellung von für das Bakterium ungewohnten Substanzen gelingt deshalb, weil ihm mit dem Einbau der Fremd-DNS eine Mangelsituation vorgegaukelt wird. Beim Einbau des neuen Gens lässt man die ursprünglichen Anschaltsequenzen an ihrem Platz. Sie sorgen für die Aktivierung dieses DNS-Abschnitts. So wird das Fremdgen gelesen, und über die Boten-RNS wird der Befehl in den Ribosomen - den Eiweißfabriken - ausgeführt, diesen der Information entsprechenden Stoff zu produzieren. Die so hergestellten Proteine reifen in Bioreaktoren heran, in denen sich
Eine T-Zelle des Immunsystems ist mit HI-Viren (blau) infiziert. Mit den entsprechenden Techniken ließen sich gefährliche Biowaffen herstellen.
Bakterien, Hefen oder Säugetierzellen befinden. Sie sind die Mikroorganismen, die die gewünschten Proteine synthetisieren sollen. Diese biologischen Systeme jedoch arbeiten nicht so exakt wie eine Chemiefabrik. Selbst wenn das gleiche Gen und die gleichen Mikroorganismen unter gleichen Bedingungen vermehrt werden, kann das Ergebnis ein Gemisch unterschiedlicher Formen desselben Proteins sein. Denn nach der Aneinanderlagerung der Aminosäuren zu einer Proteinkette, verwindet sich das Protein noch zu einer räumlichen Struktur, die für seine spätere Wirksamkeit wichtig ist. Die Mikroorganismen arbeiten im Bioreaktor unter Stress - sie sind so umfunktioniert, dass 40 Prozent der von ihnen hergestellten Proteine dem für den Menschen interessanten Produkt dienen. Deshalb können die Fabriken im Mikrokosmos auch unberechenbar reagieren. Das Arbeiten mit den Bioreaktoren ist also nicht so einfach, wie es scheint. Ein Trost, wenn es um die Herstellung von Biowaffen geht. Nach dem Terroranschlag von New York stehen die mit Hilfe von Mikroorganismen produzierten Biowaffen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Vor allem der Milzbrand (Anthrax) spielt dabei eine größere Rolle. In unseren Böden, vor allem dort, wo Tiere gehalten werden, leben die Bakterien, die den Milzbrand auslösen können. Gelegentlich fallen ihnen Tiere zum Opfer, selten machen sie Menschen krank. In den Rüstungslaboratorien der Supermächte züchtete man aus ihnen eine gefährliche Biowaffe. Aus den relativ harmlosen Bodenbewohnern wurde so ein todbringendes Pulver. Atmet man die Milzbrand-Sporen ein, folgt eine heftige, unbehandelt fast immer tödliche Krankheit. Die Mikroben gelangen mit der Atemluft tief in den Körper - durch die Luftröhre in die Lunge. Hier warten sie auf den optimalen Zeitpunkt, das Immunsystem anzugreifen. Wenn eine Fresszelle des Immunsystems den Krankheitserreger verschlingt, kann in deren Zellinneren die Spore auskeimen und die Bakterien erwachen zum Leben. Sie produzieren Giftstoffe, die die Fresszelle töten und auflösen. Dadurch werden die Bakterien freigesetzt. Ein Schwall von giftproduzierenden Bakterien ergießt sich in den Körper. Zudem greifen Gifte aus den sterbenden Fresszellen die Körperzellen an - unser eigenes Immunsystem zerstört so lebenswichtige Organe. Der Tod erfolgt bereits wenige Tage nach der Infektion. Die Frage ist, ob jeder Terrorist heimlich einen solchen Biokampfstoff nachbauen kann.
Die Herstellung von waffenfähigen Milzbrand-Sporen ist äußerst schwierig. Die Produktionsanlagen sind aufwendig, das benötigte Fachwissen relativ exklusiv. Bereits die Vermehrung der Bakterien ist problematisch. In Fermentern wachsen die Keime zwar rasch - aber ebenso schnell können sie ihre Gefährlichkeit verlieren. Die Erklärung hierfür findet sich in der Erbinformation. Nur ein einziges Gen ist für die tödliche Wirkung des Bakteriums verantwortlich. Es liegt auf einem Plasmid, einem separaten DNS-Ring. Unter künstlichen Bedingungen geht dieses Plasmid bei der Teilung häufig verloren, das Bakterium wird plötzlich harmlos. Statt der Killerkeime entstehen ungefährliche Varianten. Äußerlich unterscheiden sich die tödlichen Milzbrand-Bakterien nicht von ihren harmlosen Verwandten. Methoden müssen gefunden werden, um die Bakterienkultur ständig auf ihre tödliche Wirkung zu untersuchen. Das ist aufwendig und muss unter höchsten Sicherheitsbedingungen stattfinden. Ob das Gemisch noch die Fähigkeit zu töten besitzt, kann erst eine DNS-Analyse klären, ein Blick in die Erbinformation. Dazu müssen gentechnische Prozeduren durchgeführt werden - eine Arbeit nur für Spezialisten. Schwierig ist auch der nächste Schritt auf dem Weg zur Biowaffe. Die giftigen Bakterien in einer Flüssigkeit eignen sich nicht zum tödlichen Einsatz. Aus der Bakterienbrühe müssen Milzbrandsporen gewonnen werden, die dann als Pulver, als Aerosol, versprüht werden. Dazu wird der feuchte Mikrobenschlamm in einem komplizierten Verfahren getrocknet. Gelingt dies, bilden sich widerstandsfähige Sporen, fertig zum Einsatz. Die Partikel müssen klein genug sein, um zu schweben, und groß genug, um eingeatmet, aber nicht wieder ausgeatmet zu werden. Die Sporenhülle schützt vor zerstörenden Umweltfaktoren wie UV-Strahlung. Der Milzbrand kann, in dieser Form versprüht, jahrzehntelang überleben. Als Pulver von höchster Qualität verwandelt sich so das ursprünglich relativ ungefährliche Bodenbakterium in eine tödliche Waffe zur Massenvernichtung. Vor kurzem sprengten Wissenschaftler eine weitere Grenze, die zur Entwicklung von Biowaffen missbräuchlich überschritten werden kann: Sie bauten ein Virus aus Einzelbausteinen zusammen. Mit biologischen Grundsubstanzen gelang es, das Virus für Kinderlähmung neu zu erschaffen. Dabei benutzten die Wissenschaftler die bekannte Gensequenz des Virus aus dem Computer als Vorlage. Enzyme übersetzen dann diese Vor-
Das Zerlegen der DNS in einzelne Fragmente ist der erste Schritt, um neue Gene aufzubauen. Bis jetzt ist es im Labor allerdings nur gelungen, eine in der Natur vorkommende Genstruktur zu kopieren.
läge in ein reales Virus. Aus einem Gemisch von Bausteinen entstand - mit Hilfe der
Gentechnik
-
das
funktionierende
Virus,
das
beim
Menschen
Kinderlähmung auslöst. Denkbar wäre in Zukunft auch die Erschaffung anderer Viren und deren genetische Veränderung, um sie dem jeweiligen Zweck anzupassen. Diese Entwicklungen lösten Ängste vor einer neuen Generation von Biowaffen aus, zum Beispiel Designerviren, die gezielt und ohne Abwehrmöglichkeit Menschen töten. Eine besondere Horrorvision betrifft die mögliche Entwicklung von Biowaffen, die selektiv nur auf bestimmte Menschen-
gruppen wirken sollen. Viren oder Bakterien würden dann gezielt nur Menschen eines bestimmten Volkes treffen. Dazu muss nach biologischen Unterschieden in den Bevölkerungsgruppen der Erde gesucht werden. In einigen Ländern, wie im früheren Apartheidstaat Südafrika, soll diese Entwicklung von Biowaffen bereits angestrebt worden sein - eine Schreckensvision. Doch selbst wenn sich für diese Entwicklung Wissenschaftler finden sollten, würden sie an Grenzen stoßen. Denn die Biologie des Menschen lässt die Entwicklung einer solch spezifisch wirkenden Biowaffe kaum zu. Unsere Gene sind einander zu ähnlich. Unterschiede zwischen den verschiedenen Völkern sind häufig geringer als die Unterschiede zwischen jedem einzelnen von uns. Die lebenswichtigen Gene sind bei allen Menschen mehr oder weniger gleich. Obwohl wir also unterschiedlich aussehen - im Kern unserer Biologie sind wir kaum zu unterscheiden. Keine Chance also für selektive Biowaffen. Warum das so ist, liegt an der Geschichte der Menschheit. Die Völker der Erde haben trotz
ihrer
verschiedenen
Lebensräume
alle
einen
gemeinsamen
Ursprung, und zwar in Afrika. Die Entwicklungszeit, nachdem sich die Völker getrennt haben, war zu kurz, um große biologische Unterschiede entstehen zu lassen. So teilen alle Menschen, in dieser Frage zumindest, ein gemeinsames Schicksal. Wenn man Mikroorganismen mit ihnen fremden Genen ausrüstet, um Proteine zu produzieren, muss man ein weiteres Problem lösen. Denn alle Ausgangsstoffe für die Produktion des neuen Proteins finden sich in der Zelle. Will man ein für das Bakterium exotisches Eiweiß aufbauen, müssen dazu auch die Bausteine geliefert werden. Deshalb lässt man die umfunktionierten Bakterien in einer Nährlösung schwimmen, in der sich diese Zusatzstoffe finden. Sie dringen durch die Bakterienwand, und so können im Inneren unter Anleitung der fremden DNS nahezu alle ihr entsprechenden Stoffe hergestellt werden. Damit das fremde Gen gelesen wird, koppelt man an die Fremd-DNS ein Signal, das dem Bakterium vertraut ist. Diese Promotoren »schalten« dann dieses Gen an. Weil die Fremdstoffe vom Bakterium nicht gebraucht werden, lagert sie das Bakterium ab, bis es überfüllt ist und im Extremfall vielleicht sogar daran zugrunde geht. Bei einigen besonderen Eiweißen genügt allerdings diese Methode der Produktion im Bakterium nicht den hohen Ansprüchen. Zum Beispiel lagern die Bakterien keine Zuckerkomplexe an den von
Für die Produktion von Substanzen in Bioreaktoren werden neben gentechnisch veränderten Bakterien auch Zellen von Menschen und Tieren verwendet. Sie teilen sich schnell - wie hier diese Krebszellen - und können, mit den entsprechenden Genen versehen, in kurzer Zeit die gewünschten Stoffe liefern.
ihnen zu produzierenden Stoff an. Deshalb versucht man das auf andere Weise. Statt der Bakterien werden tierische oder menschliche Zellen verwendet, die man auf einem Nährboden heranwachsen lässt. Damit sie sich immer wieder teilen, kann man sie mit einem Virus infizieren, das in der DNS die für die Teilung verantwortlichen Gene anschaltet. Diese Bedingung erfüllen auch Krebszellen, die sich ja per Definition immer weiter vermehren. So ist es möglich, zum Beispiel Krebszellen mit Abwehrzellen zu verschmelzen, um damit Antikörper in großen Mengen
zu erzeugen. Diese Fusionszellen sind unbegrenzt vermehrbar und produzieren ständig »monoklonale« Antikörper. Diese Zelllinien mit ihrer Fähigkeit, sich zu teilen, sind deshalb wichtig, weil man mit ihnen auch das eingebrachte Gen vervielfältigen und dadurch große Mengen eines Produktes herstellen kann. Das Milieu einer Körperzelle so zu gestalten, dass sie den Unterschied zu ihrem normalen Platz nicht spürt, ist eine Kunst, die Gentechniker immer weiter verfeinern wollen. Sie plazieren Körperzellen an kleinen Glasröhren, lassen sie von entsprechenden Nährlösungen umspülen, regeln Temperaturen, und das alles, um die Technik der Zellzucht zu verbessern und dadurch neue Möglichkeiten für Fabriken im Mikrokosmos zu erhalten. Auch in der Nahrungsmittelindustrie werden immer mehr in Mikroorganismen gentechnisch erzeugte Produkte verwendet. So kann man mit diesen Substanzen Bier schneller reifen lassen, Brot länger frisch halten oder Käse leichter herstellen. Enzyme werden gentechnisch für Waschmittel hergestellt, so dass mit ihnen fleckenfrei gewaschen werden kann. Ein regelrechter Boom hat beim Einsatz der gentechnisch veränderten Mikroorganismen in der industriellen Fertigung eingesetzt. In den USA ist es inzwischen Routine, genmanipulierte Mikroorganismen das Wachstumshormon BST produzieren zu lassen. Dieses Hormon wird in die Kuh eingespritzt, und diese produziert dann mehr Milch. Bei einer Überdosis allerdings findet man Reste des Hormons in der Milch, was zu Bedenken über Nebenwirkungen Anlass gibt. Und es stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, bei den heute hochgezüchteten, in ihrer Leistung voll ausgeschöpften Kühen nochmals mehr Milch (etwa 20 Prozent) zu gewinnen. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, dass sich in der Natur die Vielfalt der Organismen mit ihren Fähigkeiten, die ja letztendlich in den DNS-Strängen verankert sind, über Jahrmillionen entwickelt hat. Ungünstige DNS-Kombinationen konnten auf lange Sicht nicht überleben. So hat sich langsam das heute existierende Gleichgewicht des Lebens herausgebildet- und dieser Zustand ändert sich, wenn auch langsam, auch heute noch. Mit der Gentechnik wird plötzlich in dieses ständige Wechselspiel eine neue DNS-Kombination eingebracht, die in dem vorhandenen Umfeld ihren Platz finden soll. Schwer abzuschätzen ist, ob diese neue Kombination mit den damit verbundenen neuen Eigenschaften bestehen kann oder schnell untergeht. In jedem Fall besitzt die neue Kombination nicht
Will man Tiere mit fremden Cenen versehen, so werden diese Gene also DNS-Fragmente - in eine sich entwickelnde Eizelle injiziert Die Hoffnung ist, dass die Fremdgene integriert und abgelesen werden.
den Vorteil, sich im langsamen Wechselspiel mit den anderen Organismen behaupten und eventuell anpassen zu können. Dass durch die Manipulation irgendwann einmal eine DNS-Kombination entstehen könnte, die besonders erfolgreich ist, sich ausbreitet, andere Organismen zum Verschwinden bringt oder dem Menschen gefährlich wird, lässt sich theoretisch nicht ausschließen. Deshalb werden solche Arbeiten unter Schutzmaßnahmen durchgeführt, damit diese Möglichkeit unwahrscheinlich bleibt. Aber nicht nur durch das Umfunktionieren von Bakterien oder isolierten Körperzellen in Nährlösungen versucht man, gezielt Substanzen zu produzieren. Die Fabriken im Mikrokosmos können auch direkt in den lebenden Organismen betrieben werden. Wissenschaftler, die mit gentechnischen Methoden Tierzucht betreiben, wollen heute weitaus mehr, als nur die uns bekannten Produkte wie Fleisch oder Milch mengenmäßig zu ver-
mehren. Ziel ist es, die Tiere für die Produktion von anderen Substanzen, die dem Menschen nützlich sind, umzufunktionieren. Zur Auswahl hat man dabei das Blut oder die Milch der Tiere. Es gibt Versuche, Schweine genetisch so umzuprogrammieren, dass sie menschliches Hämoglobin erzeugen. Die Vision dabei ist, dass damit die ständige Blutspende von Menschen aufgegeben werden könnte. Die Lagerungsprobleme des gespendeten Blutes wären geringer, und das Blut der Schweine wäre zudem garantiert HIV-frei. Eine andere Produktionsmöglichkeit führt über die Milch. Eine ertragreiche Milchkuh zum Beispiel produziert täglich 40 Liter Milch. Ließe sich ihr Organismus mit Hilfe der Gentechnik so umprogrammieren, dass die Milchdrüsen etwa ein für die Medizin wichtiges Eiweiß bildeten, so wäre die Kuh als lebender »Bioreaktor« zu gebrauchen - ihre Milch würde einen wichtigen Rohstoff für die Pharmaindustrie liefern. In den Labors der Molekularbiologen wird an solchen Aufgaben gearbeitet. Vielleicht können auf diese Weise Proteine, die von medizinischer Bedeutung sind, künftig in ausreichender Menge produziert werden. Versucht wird dabei, das Gen für das Kasein in der Milch gegen ein anderes auszutauschen. Die Sequenzen, die für die Aktivierung dieses Genabschnitts verantwortlich sind - die Promotoren -, bleiben beim Aufschneiden der DNS erhalten. Nur der für das Eiweiß kodierende DNSAbschnitt wird ersetzt. Proteine werden nach den Informationen dieses Gens hergestellt. So ist es denkbar, dass die gentechnische Veränderung es erlaubt, menschliche Muttermilch in einer Kuh herstellen zu lassen. Begonnen wurden diese Versuche mit Mäusen. Hier hatte man mit der Technik des Gentransfers die größte Erfahrung. Außerdem entwickelt sich bei Mäusen sehr schnell die neue Generation, so dass in relativ kurzen Zeitabständen über Erfolg oder Misserfolg einer Genmanipulation entschieden werden konnte. Mäuse liefern allerdings keine nennenswerten Mengen Milch. Deshalb hat man sich bald auf Schafe und Ziegen konzentriert. Sie besitzen im Vergleich zu der von ihnen abgegebenen Milchmenge eine noch akzeptable Entwicklungszeit. Das Verfahren, ein solches transgenes Tier zu gewinnen, ist dabei immer das gleiche: Die Gene werden in eine entwicklungsfähige Eizelle injiziert - zum Beispiel in die eines Schafes. Wird das Gen wirklich in das Erbgut integriert, so besteht bei der weiteren Entwicklung des Embryos die Hoffnung, dieses Gen im ganzen Tier wiederzufinden. Ist das fremde Gen
Das transgene Schaf mit dem Namen »Tracy« hat einem Forschungsunternehmen viel Geld gekostet. In ihm ist ein menschliches Gen wirksam, das in den Milchdrüsen die Anweisung zur Herstellung eines bestimmten Proteins (alpha-1-PI) gibt Dieses Protein findet sich dann in der Milch von Tracy und kann daraus als kostbares Medikament gegen eine tückische Krankheit isoliert werden.
in der DNS eingebaut und auch wirksam, so wird immer wieder die Information für das gewünschte Eiweiß im Zellkern abgelesen. Hat man das Gen für die Produktion von Kasein ausgetauscht und die Anschaltsequenzen für dieses Gen in der DNS belassen, so bewirken diese, dass nur in den Zellen, die für die Milchproduktion zuständig sind, das Fremdgen angeschaltet wird. Das geschieht in den Milchdrüsen, und so lässt sich das zusätzliche, aufgrund der neuen, artfremden Information gebildete Eiweiß später auch in der Milch nachweisen. Doch bis zum Beispiel eine Schafherde zum Produzenten pharmazeutisch relevanter Stoffe geworden ist, muss ein langer Weg zurückgelegt werden. Bis heute gibt es nur einzelne Tiere in den Labors, die zumeist nur geringe Mengen der gewünschten Substanzen mit der Milch abgeben. Ob diese Substanzen dann auch die erwartete biologische Wirkung haben, ist die nächste Frage. Um die Anzahl genetisch veränderter Tiere künftig zu vergrößern, lässt sich der schon bekannte Trick des Klonens anwenden. Der Embryo eines
Schafes kann im »Vier-Zellen-Stadium« in Einzelzellen zerlegt werden. Ist die genetische Manipulation mit der befruchteten Eizelle gelungen, so enthalten im günstigen Fall nach zwei Teilungsschritten nun alle vier entstandenen Zellen das fremde Gen. Die genetisch identischen Zellen lassen sich voneinander isolieren, sie werden jede für sich in dafür vorbereitete Eihüllen gesteckt und entwickeln sich nun getrennt zu genetisch identischen Tieren weiter. Die entstehenden vier Schafe gleichen sich nicht nur äußerlich wie ein Ei dem anderen. Auch die Eiweiße, die sie mit ihrer Milch abgeben, sind gleich. Der wirtschaftliche Erfolg solcher Versuche mit den entsprechenden Fremdgenen liegt jedoch noch in weiter Ferne. Die Entwicklungsarbeiten sind langwierig und teuer. Durch genetische Manipulation wird auch versucht, die Qualität der Wolle zu verbessern. Die entsprechend eingebauten Gene unterstützen den Wuchs der Wolle. Je stärker man die Gentechnik einsetzen will, um so mehr erkennt man jedoch, dass es notwendig ist, das Wissen über die biochemischen Abläufe im Körper zu verbessern. Hautzellen von Schafen werden im Reagenzglas gezüchtet und zur Wollproduktion angeregt, um mehr Kenntnisse über diese Abläufe zu erhalten. Erst dann kann man in die genetische Struktur der Schafe gezielter eingreifen. In Australien wurde mit diesem Wissen eine neue Möglichkeit der Schafschur entwickelt. Anstatt das mühsam mit der Schere zu betreiben, werden im Versuch Schafe in ein Kunststoff netz eingepackt; ihnen wird ein gentechnisch erzeugtes Protein injiziert, das den Haar- oder besser Wollwuchs stoppt. Dieses Eiweiß heißt »Epidermal Growth Factor« (EGF). Die Wolle löst sich nach einigen Wochen vom Körper und kann als Ganzes mit dem Kunststoff vom Schafskörper abgenommen werden. Wiederum ein Beispiel, das deutlich macht, wie intensiv sich die traditionellen Techniken und auch Wertvorstellungen durch die Gentechnik ändern können. Und auch noch auf anderen Gebieten hat die Gentechnik Einzug gehalten. So verschieden die Käsesorten auch sind - eins haben sie fast alle gemeinsam: Zu ihrer Herstellung braucht man ein Enzym, das die Milch gerinnen und fest werden lässt. Dieses Enzym - das Chymosin - wird aus dem Labmagen junger, noch gesäugter Kälbchen gewonnen. Traditionell werden dazu die Kälbermägen aufgeblasen und zum Trocknen aufgehängt. Diese Kälbermägen enthalten das für die Käseproduktion so wichtige Enzym. Paketweise durch den Reißwolf gedreht, kommen sie am
Schafschur mit Hilfe eines gentechnisch erzeugten Proteins. Injiziert wird diese Substanz, um des Wachstum der Wollhaare zu blockieren. Dabei entsteht eine »Sollbruchstelle« im Wollmantel des so behandelten Schafes. Damit das Tier seine Wolle nicht unkontrolliert verliert, wird um das Schaf ein Kunststoffnetz gelegt. Nach fünf bis sechs Wochen kann dann die Wolle wie eine Folie abgezogen werden.
anderen Ende zerkleinert wieder heraus. Mit Salzlake versetzt, wurde so das Enzym herausgelöst. Aber mit steigender Käseproduktion gab es bald nicht mehr genügend Kälbermägen. Heute wird auch mit Hilfe der Gentechnik das Enzym für die Milchgerinnung gewonnen. Gesucht wurde zunächst im Kälbermagen nach dem Gen, das die Information für das Enzym speichert. Nach vielen Versuchen konnte es endlich gefunden werden. Dieses Gen wird dann in Mikroorganismen, in Bakterien, eingebracht, in denen dann das nützliche Enzym hergestellt wird. Weil sich die Bakterien rasch teilen, erhält man innerhalb kurzer Zeit Milliarden und Abermilliarden von Mikroorganismen, die das Enzym produzieren können. Das gentechnisch gewonnene Enzym wird genau wie das herkömmliche Labferment zur Milch gegeben. Es entfaltet seine Wirkung und spaltet das Milcheiweiß, das sogenannte Kasein. Dadurch wird die Milch innerhalb von dreißig Minuten fest. Der erste, wichtige Schritt bei der Käseherstellung. Und auch sonst bleibt der Herstellungsprozess mit dem gentechnisch produzierten Enzym gleich. Schließlich sind die natürlichen und gentechnisch erzeugten Enzyme identisch - Baustein für Baustein. Das aus den Kälbermägen gewonnene Chymosin allein kann allerdings schon längst nicht mehr den Weltbedarf für die Käseproduktion decken - etwa 14 Millionen
Tonnen
Kälbermägen aufar-
pro
Jahr.
Dafür
müsste
man
70
Millionen
beiten und damit auch entsprechend viele Kälber schlachten. In vielen Ländern wird gentechnisch gewonnenes Chymosin zur Käseproduktion eingesetzt. Ausnahmen gibt es bislang noch für Deutschland. Wahrscheinlich findet sich aber auch hier schon solcher Käse auf dem Markt. Und auch beim Bier wird sich einiges ändern. Die Werbung bemüht sich, dem Bier ein besonderes Image zu verleihen. Aber auch hier geht es letztendlich um das Geschäft. Möglichst schnell soll der vergorene Gerstensaft auf den Markt kommen und sich dort verkaufen. Gegen diese Strategie steht bis jetzt noch die Natur. Sie braucht Zeit, um das berauschende Getränk entstehen zu lassen. Hefezellen spielen bei diesem Prozess die große Rolle. Sie wandeln beim Gären den Malzzucker in Alkohol um. In Versuchsbrauereien wird durch Zugabe von verschiedenen Enzymen an der Optimierung des Brauprozesses gearbeitet. Denn die Ansprüche an das Bier werden immer größer. Eine schöne stabile Schaumkrone soll es haben, möglichst wenig Kalorien, und es soll schneller reifen bei höherer Produktivität. Auch hier sind die Gentechniker gefragt. Findet man die Gene, die für wichtige Enzyme beim Bierbrauen die Information tragen, kann man sie in die Hefezellen einbringen und sie dann entsprechend umfunktionieren. In den Gärtürmen der Zukunft könnten dann von den gentechnisch veränderten Hefezellen zum Beispiel Enzyme produziert werden, die zusätzlich Kohlehydrate spalten. Im Labor gelingt das schon lange. Durch die neuen, gentechnisch hergestellten Enzyme wird mehr Zucker zu Alkohol vergärt. Die Ausbeute ist größer, und das Bier hat weniger Kalorien. In Deutschland wird noch nicht mit gentechnisch veränderter Hefe gebraut, wohl aber in England. Und der Verbraucher? Einigen scheint es zu schmecken, anderen hingegen weniger.
Eine andere Sicht des Menschen
Die Gentechnik eröffnet nicht nur eine neue Zukunft, sondern sie erlaubt auch interessante Einblicke in die Vergangenheit. Zum Beispiel kann sie Antworten darauf geben, wo die Wiege der Menschheit stand. Nach einer heute gängigen Theorie nimmt man an, dass die »Urmutter« der Menschheit aus Afrika stammt. Wechselnde Umweltbedingungen - durch heftige Vulkanausbrüche oder globale Klimaschwankungen hervorgerufen - sollen die Menschen zur Wanderung und zum Verlassen ihres Kontinents getrieben haben. Sie zogen in kleinen Grüppchen, immer den Tieren - ihrer wichtigsten Nahrungsquelle - hinterher. Von Afrika breitete sich der Mensch weltweit aus. Vor mehr als zwei Millionen Jahren kam er nach Europa und Asien, erst viel später erreichte er Australien und Amerika. Obwohl die verschiedenen Rassen so unterschiedlich aussehen, stammen sie wahrscheinlich alle von derselben Urmutter aus Afrika ab, haben also alle einen gemeinsamen Ursprung. Gestützt wird diese Theorie durch Gen-Untersuchungen. In den Zellen befindet sich neben dem Erbmolekül - der DNS - im Kern noch ein weiteres, sehr viel kürzeres DNS-Stück in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle. Diese ringförmige DNS wird immer nur von der Mutter weitergegeben, ohne dass es zu einer Mischung dieser DNS mit dem väterlichen Erbmolekül kommt - und das seit Urzeiten. Ideale Voraussetzungen für die Genetiker, um Verwandtschaftsgrade zu bestimmen und nach Spuren der Herkunft des Menschen zu suchen. Man kann mit ihrer Hilfe die Verteilung dieser DNS zurückverfolgen und damit Wanderungswegen nachspüren. Ein zusätzliches
Die Gentechnik eröffnet neue Einblicke in die Entstehung des Menschen.
Hilfsmittel - neben den Knochenfunden -, um herauszufinden, wie die Ausbreitung der Menschen über den Erdball verlief. Die Vielfalt dieser ringförmigen DNS im Menschen ist in Afrika am größten. Je weiter man sich von dort entfernt, umso geringer sind die Abweichungen in den unterschiedlichen Gruppen. Das gilt für die Europäer genauso wie für Asiaten. Daraus kann man schließen, dass der Mensch seinen Ursprung in Afrika hat. Hier soll der mütterliche Stammbaum begonnen haben, und alle anderen Menschen sollen durch eine oder mehrere Wanderungen zu ihren heutigen Siedlungsgebieten gelangt sein. Die Menschen kamen in immer neue Regionen der Erde und mussten sich an die dort herrschenden, sehr unterschiedlichen Bedingungen anpassen, um zu überleben. Amerika wurde zum Beispiel erst spät besiedelt - vor rund 10 000 Jahren. Nach einer Theorie gelangten die Menschen über die Beringstraße von Sibirien in die Neue Welt. Die letzte Eiszeit neigte sich dem Ende zu, Land- und Wassermassen waren anders verteilt als heute, und zwischen Sibirien und Alaska gab es eine Landbrücke, über die die ersten Menschen den neuen Kontinent betraten. Weiter nach Süden wechselten die Klimabedingungen, und immer wieder mussten sich die Menschen an die neuen Landschaften anpassen, um ihr Überleben zu sichern. Auf ihrem langen Marsch kamen sie so auch nach Südamerika. Heute leben hier relativ isoliert einige Indianerstämme. Warum ihr Überleben in Gefahr ist, hat auch genetische Ursachen. Die Indianer leiden an Virusinfektionen wie Masern oder Grippe, die die Weißen in den Urwald einschleppten. Das Immunsystem der Indianer wird damit nicht fertig: Elend und Tod sind die Folgen. Und dies ist nicht erst ein modernes Phänomen. Schon mit der Entdeckung Amerikas vor 500 Jahren durch die Spanier begann das Sterben der Indianer. Im Hochland Perus lösten sie kurz nach ihrer Ankunft eine Pockenepidemie aus. Bei jedem Kontakt mit den Weißen kam es zu dem unerklärlichen Sterben der Indianer an für Europäer eher harmlosen Krankheiten. Trotz der Eroberung des Dschungels durch den weißen Mann blieben einige Indiostämme in sehr abgelegenen Gebieten noch lange Zeit unbehelligt. Wurden sie jedoch vom weißen Mann »entdeckt«, kam es auch hier zur Katastrophe. Seitdem man erkannt hatte, dass der Kontakt mit der Zivilisation den Indianern Krankheit und Tod brachte, gingen Wissenschaftler den Ursachen
Die ringförmige DNS aus den Mitochondrien der Zelle wird unverändert von Generation zu Generation über die Mutter weitergegeben. Daraus lässt sich Erstaunliches aus der Vergangenheit der Menschheit ablesen.
nach. Normalerweise ist der Mensch dem Angriff von Krankheitserregern nicht hilflos ausgesetzt. Das Immunsystem des Körpers hat die Aufgabe, alle Eindringlinge zu bekämpfen. Wenn ein Virus eine Körperzelle befällt, so dockt es an die Zelloberfläche an. Im Innern der Virushülle befindet sich ein kurzer Strang Erbgut. Diese Information über den Aufbau neuer Viren wird in das Zellinnere gedrückt, die Virushülle bleibt zurück. Viren können sich nicht selbst vermehren, sie müssen die Ressourcen der von ihnen befallenen Zellen nutzen. Das Viruserbgut gelangt in den Zellkern, wo es in die Wirts-DNS eingebaut wird. Die Informationen über den Aufbau neuer Viren sind nun in der befallenen Zelle konserviert und lagern
Der Ursprung des Menschen liegt in Afrika. Von dort ist er in mehreren Wanderungswellen in andere Regionen vorgedrungen. Ein Hinweis darauf ist, dass sich die größte Vielfalt in der ringförmigen DNS in Afrika findet. Je weiter man sich von diesem Ursprungsort der Menschheit entfernt, desto geringer werden die Variationen. In Südamerika, dem am weitesten entfernten Wanderungsort einer Gruppe in grauer Vorzeit, ist die Variation in den Genen äußerst gering.
hier, bis die Virusvermehrung beginnt. Wird die Virus-DNS aktiviert, verlassen Botenmoleküle den Zellkern, und nach ihren Anweisungen bildet die Zelle die verschiedenen Bausteine des Virus. Damit beginnt aber auch das Immunsystem des Körpers zu arbeiten: Enzyme in der Zelle spalten stets einige der neu entstehenden Proteine in kleine Stücke und bringen sie zur Zelloberfläche. Dort kommen sie in Kontakt mit dem Immunsystem, das so ständig über die Vorgänge im Zellinnern informiert wird. Dazu bindet ein Vermittler die Proteinstücke an sich und bringt sie dann nach außen auf die Zelloberfläche. Die Immunpolizei kontrolliert unablässig diese Botschaften und kann, wenn nötig,
sofort die Bekämpfung einleiten. Für den Transport an die Oberfläche sind sogenannte Vermittlerproteine wichtig. An sie binden sich die zerlegten Proteinstücke. Viren sind aber in der Lage, sich ständig zu verändern, um das Immunsystem zu überlisten. Damit der Körper darauf variabel reagieren kann, muss er als Antwort auch eine Vielfalt von Vermittlerproteinen produzieren. Und deren Struktur ist wiederum im Erbgut der Zelle, der DNS, festgelegt. Um diese Vielfalt zu erreichen, gibt es im Erbgut viele verschiedene Varianten der Gene, die für den Aufbau des Vermittlers zuständig sind. Bei Europäern hat man bislang fast vierzig dieser Gene entdeckt. Von dieser Palette hat aber jeder Mensch nur eine bestimmte Auswahl - und diese Zusammensetzung unterscheidet sich beträchtlich von Mensch zu Mensch. Bei einer Infektion trifft das Virus also immer auf eine neue, ihm noch unbekannte Immunabwehr. Anders allerdings bei nahen Verwandten: Hier ist die Chance relativ groß, dass sie ähnliche Genkombinationen und damit ähnliche Immunsysteme besitzen. Masernviren, die von einem engen Verwandten stammen, konnten sich womöglich schon dort gut auf dieses Abwehrsystem einstellen. Die Krankheit kann dann schwerwiegender verlaufen. Lange Zeit war es ein Rätsel, warum gerade die Indianer an für uns so harmlosen Krankheiten wie Masern oder Grippe einfach starben. Erst vor kurzem ist man diesem geheimnisvollen Sterben der Indianer auf die Spur gekommen. Man ahnte schon, dass offenbar alles mit dem unterschiedlich reagierenden Immunsystem zusammenhing. Indianer in Südamerika lebten sehr isoliert - ihr Genpool zeigt deshalb nicht so hohe Variationen. Und das hat Konsequenzen, nämlich dann, wenn es zum Kontakt zum Beispiel mit den Weißen kommt. Die Forscher nahmen im Laufe der Jahre Blutproben, und eine Vielzahl von unterschiedlichen Indiostämmen konnte so auf molekularer Ebene untersucht werden. Aus dem gesammelten Blut wurde im Labor das Erbgut isoliert. Vor allem die Gene, die bei der Immunantwort eine Rolle spielen, wurden genauer untersucht. Die Ergebnisse waren überraschend. Jeder Indio besitzt zwar prinzipiell Gene, die für eine Immunantwort nötig sind. Insgesamt gesehen fehlen den Indios jedoch die großen Variationen in der genetischen Ausstattung, die die Europäer besitzen. Die Indiostämme unterscheiden sich zwar voneinander in Aussehen, Kultur und Lebensgewohn-
Obwohl diese Indianer aus dem Amazonasgebiet recht unterschiedlich aussehen, sind sie in ihren Genen relativ ähnlich. Die mangelnde Variation bei den Abwehrgenen kann zur Katastrophe führen.
In der Zelle werden ständig Proteine zerlegt und von Vermittlerproteinen (oben rechts) an der Zelloberfläche dem Immunsystem präsentiert. Von der Vielfalt der DNS hängt es ab, wie viele Sorten dieser Vermittler-Proteine hergestellt werden. Ist ihre Variationsbreite zu gering, so bleiben krankmachende Proteine in der Zelle unerkannt, weil die entsprechenden Vermittler-Proteine fehlen, die sie aufgreifen und dem Immunsystem zur Kontrolle anbieten.
heiten. Genetisch gesehen sind sie sich aber ähnlicher als Europäer untereinander. Die Variationsmöglichkeiten der Vermittler-Proteine, die die Vorgänge im Zellinnern für die Immunpolizei nach außen präsentieren, sind deshalb viel geringer. In der Indianerpopulation gibt es nicht so wie bei den Europäern etwa vierzig verschiedene Genvariationen für das VermittlerProtein, sondern nur rund zehn. Das Virus-Erbgut, das sich immer wieder ändert und ausprobiert, wie es dem Immunsystem möglichst entgehen kann, hat daher eine größere Chance, tatsächlich zum Ziel zu gelangen. Wegen der geringen genetischen Variation ist das Immunsystem der Indianer nicht in der Lage, so vielfältig zu reagieren wie das der Europäer. Zwar wird das Virusprotein, das nach den neuen Anweisungen der Virusboten entsteht, noch zerlegt, aber seine Form ist nun so verändert, dass es dem Vermittler-Protein entwischt. Die Proteinbruchstücke des Virus »passen« nicht mehr mit diesem Zellwächter zusammen, und dieser kann sie deshalb auch nicht mehr dem Immunsystem nach außen präsentieren. Das Immunsystem des Körpers erfährt nichts von dem Angreifer und lässt
ihn daher in Ruhe. Da sich die Immunsysteme der Indios alle sehr ähneln, hat ein solches erfolgreiches Virus bei der Ansteckung des nächsten Opfers leichteres Spiel. So kann es sich ausbreiten und verheerende Folgen anrichten. Eine Erklärung für die geringe Variationsbreite liegt in der abgeschiedenen Lage vieler Indiodörfer. Die Indios lebten lange isoliert in kleinen Gruppen. Womöglich sind über die Jahrtausende immer mehr Gene verlorengegangen. Selbst wenn man - wie wir Europäer - eine größere Variation dieser Abwehrgene besitzt, kann man in Schwierigkeiten kommen. Viren sind sehr variabel, bei ihrer Vervielfältigung passieren Fehler, und so gibt es immer eine breite Variation des Virus-Erbgutes. Das ist genau die Chance für das Virus, das Immunsystem zu überlisten. Denn die Zahl unserer Abwehrgene ist begrenzt - plötzlich taucht ein Virusprotein auf, das nicht mehr in die Vermittler hineinpasst, und schon ist unser Immunsystem wirkungslos. Die Viren vermehren sich und breiten sich aus. Und aus diesem Grund kann auch die Ansteckung mit Masern unter Verwandten dramatischer verlaufen, als wenn wir das Masernvirus von Fremden aufnehmen würden. Während der Erkrankung eines Verwandten haben die Viren dieses Immunsystem mehr oder weniger schon durchgespielt. Überleben werden nur diejenigen Viren, auf die es nicht mehr reagiert. Verwandte untereinander besitzen eine ähnliche Palette von Abwehrgenen, die in diesem Fall ähnlich wirkungslos bleibt. Bei einer Ansteckung durch Fremde jedoch hat man eine größere Chance, dass das Virus in den eigenen Abwehrmechanismus hineinpasst. Nun kann man weiter darüber spekulieren, warum die Indianer eine kleinere Palette an Abwehrgenen besitzen als die Europäer. Die Einwanderung nach Amerika erfolgte in kleinen Gruppen - also kam damit nur eine begrenzte Variation an Genen auf diesen Kontinent. Die größere Vielfalt an Abwehrgenen war auch völlig unwichtig, weil es diese Krankheiten gar nicht gab - bevor die Weißen kamen. Denkbar ist auch, dass in den isolierten Gruppen mit engen Verwandtschaftsstrukturen die Gene nicht einfach verlorengingen. Vielleicht war auch diese mangelnde Diversität in den Genen die Ausgangssituation, und diese erhöhte Vielfalt der Abwehrgene bei uns hat sich wegen der »ungesunden« Umgebung, in der wir existierten, erst später entwickelt. Fest steht, dass es offenbar Unter-
schiede in den Gensätzen der Menschen gibt - mit dramatischen Folgen. Die Indianer verschwinden aus unserer Welt - nicht nur durch brutale Landnahme oder durch direktes Töten, sondern durch die Unterschiede in den genetischen Kombinationen. Mit dem Sterben der Indianer verliert die Menschheit auch unwiederbringlich eine Variation des menschlichen Genoms. Überleben könnten die Indianer, indem sie sich mit den Weißen mischen und so die Chance haben, die ihnen fehlenden Abwehrgene in ihren Gensatz aufzunehmen. Dann aber wären sie keine Indianer mehr, und auch so würden sie, auf eine andere Weise, in ihrer genetischen Einmaligkeit von der Erde verschwinden.
Und noch etwas verändert sich mit dem Fortschreiten der Genforschung: unsere Sicht der Welt. Unser Verhalten soll von den Genen stärker beeinflusst sein, als man bisher glaubte. So verspürt jeder von uns ab und zu Lust auf ein Abenteuer. Es ist die Suche nach Neuem, Aufregendem, nach dem, was einem den gewissen Kick versetzt. Und dieses Verhalten soll auch in den Genen festgelegt sein. So wurde das Blut einiger besonders risikofreudiger Testpersonen nach genetischen Auffälligkeiten untersucht. Und tatsächlich - die Forscher fanden in einem bestimmten Gen eine Buchstabenabfolge, die mit der Stärke der Abenteuerlust der Testpersonen in Zusammenhang stehen könnte. Diese Sequenz wiederholt sich in dem Gen - bei diesen Menschen achtmal. Nach diesen Untersuchungen scheint die Abenteuerlust proportional zu der Zahl der Wiederholungen in diesem Gen zu steigen. Und dieses Gen ist verantwortlich für einen bestimmten Rezeptor im Gehirn. Über solche Rezeptoren werden Signale von Nervenzelle zu Nervenzelle weitergegeben. Diese Rezeptoren können bei verschiedenen Menschen unterschiedlich ausfallen. Finden sich in dem für den Rezeptor verantwortlichen Gen viele Wiederholungen, so hat das Konsequenzen für die Funktion des Rezeptors. Die Folge: Der Befehl zur Beruhigung einer erregten Nervenzelle wird nicht weitergegeben. Und dies soll sich auf die Abenteuerlust und Neugierde eines Menschen auswirken. Einige Forscher meinen, dass diese in den Genen festgelegten Charaktereigenschaften wichtig für das Überleben der Menschheit gewesen seien. Zur Zeit der Jäger und Sammler, als große Stammesgemeinschaften wilden Tierherden nachwanderten, waren Gene für Risikobereitschaft und Abenteuerlust sicherlich von Vorteil. Die Menschen mussten sich auf neues, unbekanntes Gebiet vorwagen, um überleben zu können. Im Laufe der Evolution veränderte sich allerdings immer wieder ihre Umwelt - die Menschen mussten sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Schließlich wurde eine sesshafte Lebensweise möglich. Jetzt waren sicherlich andere Charaktereigenschaften gefragt: Im Zeitalter von Ackerbau und Viehzucht konnten möglicherweise Gene für Beharrlichkeit und Beständigkeit die Leistungen der Menschen steigern und somit das Überleben sichern. Trotzdem entwickelten sich auch weiterhin Menschen, deren Persönlichkeit noch auf das vergangene Zeitalter abgestimmt war. So könnte die Menschheit durch die ständige Veränderung in ihrer Umwelt eine Vielfalt an
Bei den Indianern Südamerikas findet sich eine kleinere Palette an Abwehrgenen (hier leuchtend rot markiert) als bei Europäern. Ein Hinweis auf die isolierte Lebensweise und die Wanderungswege über die Kontinente.
Persönlichkeitstypen hervorgebracht haben. Man kann jedoch eine Bevölkerungsgruppe mit einer bestimmten Lebensart nicht einem genetischen Verhaltensmuster zuordnen. Die Gene geben seit Urzeiten vielleicht die Rahmenbedingungen vor. Doch der Einzelne hat noch viele Möglichkeiten, seine ureigene Persönlichkeit zu entwickeln. Dass Gene bei den biochemischen Prozessen in unserem Körper den Ton angeben, erscheint plausibel. Aber die Vorstellung, dass auch unser Verhalten eventuell durch Gene gesteuert wird, wäre eine unser Selbstverständnis tief erschütternde Erkenntnis. Und doch gibt es noch weitere Anzeichen dafür: Es gibt Menschen, die ständig Angst haben, sich die Hände schmutzig zu machen. Sie leiden unter einem Waschzwang. Haben sie etwas berührt, müssen sie sich sofort ausgiebig die Hände waschen. Wird ihnen das verweigert, kommt es sogar zu Aggressionsausbrüchen. Diese Verhaltensstörung hat etwas mit Angstgefühlen zu tun. In Spezialaufnahmen fand man heraus, dass bei diesen Menschen eine bestimmte Hirnregion extrem erregt, durch Angstgefühle aktiviert ist. Dabei spielen die Nervenzellen im Gehirn eine entscheidende Rolle. Über die Nervenfasern werden Informationen in Form von elektrischen Signalen transportiert. Am Ende der Nervenfaser werden dann Botenstoffe freigesetzt, die über einen schmalen Spalt zur nächsten Nervenzelle gelangen. So wird die Information von einer Nervenzelle zur anderen weitergeleitet. Bei jedem Menschen läuft das unterschiedlich ab. Und diese Unterschiede sollen es sein, die Einfluss auf die Persönlichkeit ausüben. Für diese Unterschiede sind Gene verantwortlich. Wie in anderen Zellen befindet sich auch im Kern einer Nervenzelle Erbmaterial. Und schon eine kleine Änderung in der Abfolge der Bausteine in bestimmten Bereichen soll den Übertragungsweg von Botenstoffen im Gehirn entscheidend verändern können. Um dem Geheimnis der krankhaft starken Angstgefühle einiger Menschen auf die Spur zu kommen, werden Gehirne näher untersucht. Von besonderem Interesse ist dabei ein bestimmter Stoff: das Serotonin. Serotoninmangel könnte im Zusammenhang mit starken Angstgefühlen stehen. Serotonin dient im Gehirn als Übertragungsstoff. Wird Serotonin in den Zwischenraum zweier Nervenzellen ausgeschüttet, so wird ein Signal weitergegeben. Danach wird der Botenstoff wieder in die ursprüngliche Zelle aufge-
Liegt der Kick zum Abenteuer in
nommen. Um etwas über die Rolle von Serotonin zu erfahren, wurden
den Genen begründet?
Biochemische Vorgänge in den Nervenzellen des Gehirns scheinen unser Verhalten zu bestimmen. Ein Mangel von Serotonin in den Verbindungsstücken zwischen den einzelnen Nervenzellen soll Angstgefühle auslösen.
Ratten untersucht. Auch Ratten zeigen Ängste und Aggressionen. So mögen sie es von Natur aus nicht, wenn andere, zum Beispiel Mäuse, in ihr Revier eindringen. Doch wenn in Versuchen eine Ratte an der Maus geschnuppert hat, fühlt sie sich sicher und kümmert sich nicht mehr um sie. In weiteren Experimenten blockierten Wissenschaftler nun die Nerven im Gehirn der Ratte, die für das Freisetzen von Serotonin verantwortlich sind. Dann wurde erneut eine Maus in den Käfig gebracht. Die Ratte leidet mittlerweile unter einem Serotoninmangel im Gehirn. Sie reagiert irritiert und nervös. Schließlich attackiert sie sogar den Eindringling. Als nächstes transplantieren die Wissenschaftler Serotonin freisetzende Nervenzellen in den blockierten Bereich des Gehirns der Ratte. Einen Monat nach der Operation wird wieder eine Maus in den Kasten gesetzt. Die Ratte hat offenbar ihre Angst verloren und ist völlig ruhig. Das Ergebnis: Serotonin scheint Einfluss auf das Verhalten der Ratte zu nehmen und so Angst- und Panikgefühle zu hemmen. Wissenschaftler entdeckten nun beim Menschen ein Gen, das im Zusammenhang mit einer verstärkten Tendenz zu Angstgefühlen steht. Dieser
DNS-Abschnitt ist für die Produktion der Serotonin-Transporter verantwortlich. Der Bereich, der die Aktivität des Gens steuert, ist bei verschiedenen Menschen unterschiedlich lang. So werden bei einem langen Abschnitt zehnmal mehr Serotonin-Transporter produziert als bei einem kurzen. Und das hat Konsequenzen. Bei einem Mangel an Transportern gelangt nur wenig Serotonin zurück in die Nervenzelle. Deshalb können die Zellen auch nur kleine Mengen des Botenstoffs erneut freisetzen. Als Folge ist an der Kontaktstelle zwischen den Nervenzellen zu wenig Serotonin vorhanden. Daraus resultiert ein eher ängstlicher Charakter. Eine Entwicklung, die bis zu einer krankhaften Veränderung der Persönlichkeit führen kann. Und die Verhaltensstörung bei Menschen mit übertriebenem Waschzwang soll in diesem Serotoninmangel ihre Ursache haben. Solche Untersuchungen sind äußerst kompliziert, und die Ergebnisse bieten höchstens Anhaltspunkte, wie unser Verhalten durch die Gene kontrolliert werden könnte. Aber unterliegen wir wirklich so stark der Macht der Gene? Was ist aus unserer Vorstellung einer freien Persönlichkeit geworden? Wie stark ist der Einfluss der Gene wirklich? Will man das untersuchen, so müsste man das bei Menschen mit dem gleichen Genom tun, und in der Natur gibt es diese ja auch: eineiige Zwillinge. Die Frage lautet: Gleiche Gene - gleicher Charakter, oder wie hoch ist der Einfluss der Umgebung bei der Entwicklung einer Persönlichkeit? Eineiige Zwillinge ähneln sich wie ihrem eigenen Spiegelbild. Zwillinge sind eine Laune der Natur, eine bestaunte biologische Besonderheit. Das Geheimnis, warum sich eineiige Zwillinge so ähnlich sehen, liegt in den Genen. Im Kern jeder Zelle befindet sich die Erbinformation - verpackt in 46 Chromosomen. In den Chromosomen ist der Bauplan des Lebens niedergeschrieben. Zu eineiigen Zwillingen kommt es, wenn sich eine befruchtete Eizelle aufspaltet. Das Erbmaterial der beiden Zellen ist identisch, deshalb die große Ähnlichkeit der eineiigen Zwillinge. Tests ergaben: Eineiige Zwillinge sind sich nicht nur im Äußeren, sondern oft auch in ihren persönlichen Merkmalen, ihren Interessen und Neigungen sehr ähnlich. Offenbar scheinen die Erbanlagen einen Menschen stark zu bestimmen. Ein Zwillingspaar ließ sich in einem Kaufhaus testen, um herauszufinden, inwieweit es bei der Kleidung denselben Geschmack hatte. Nach langem Suchen und Probieren zeigte sich schließlich, dass beide zwar zu gleichem Stoff und gleicher Farbe gegriffen hatten, die Form der
Eineiige Zwillinge sehen sich zwar sehr ähnlich. In ihrem Verhalten jedoch können sie höchst unterschiedlich sein. Die Gene bestimmen nicht allein unsere Persönlichkeit, auch die Umwelt hat auf unser Verhalten einen großen Einfluss.
Kleidungsstücke aber völlig unterschiedlich war. Kein eindeutiges Ergebnis also. Die Persönlichkeit, der Charakter eines Menschen, bildet sich im Gehirn. In jeder Nervenzelle befindet sich ein Kern mit der gesamten Erbinformation. Da Zwillinge identisches Erbmaterial besitzen, müssten sie sich auch in ihren Emotionen und in ihrem Verhalten ähneln, wenn diese allein von den Genen abhängig wären. Doch schon im Mutterleib setzen auch bei eineiigen Zwillingen individuelle Entwicklungen ein. Unterschiedliche Bedingungen prägen die heranwachsenden Embryonen. Und schon diese ersten Erfahrungen im Bauch der Mutter können Spuren in der Persönlichkeit der neuen Erdenbürger hinterlassen. So zeigte bei einer Untersuchung ein Zwillingspaar große Unterschiede bezüglich des Temperaments und der Lust und Offenheit, neue Dinge zu entdecken. Während der eine sich eher zurückzog, ja neues Spielzeug sogar ablehnte, untersuchte der andere voller Neugier zum Beispiel einen Schwamm. Ein paar Monate später wurde dieser Test wiederholt, und immer noch war der eine aktiv, während der andere im Hintergrund blieb. Da die beiden Brüder die gleichen Gene besitzen, muss ihr ungleiches Temperament auf die zuvor unterschiedlich erfahrene Umwelt zurückgehen. Erstaunlicherweise können sich eineiige Zwillinge auch völlig unterschiedlich entwickeln, selbst wenn sie im gleichen Umfeld aufwachsen. So gibt es Zwillinge, bei denen sich der eine seit der Kindheit für Mathematik interessiert und der andere für Musik, obwohl sie immer eng zusammenlebten. Auch wenn eineiige Zwillinge identische Gene besitzen, können schon kleine Änderungen in der Umwelt Auswirkungen auf die Aktivität eines Gens haben. Forscher vermuten einen Zusammenhang zwischen diesen Veränderungen und Unterschieden in der Persönlichkeit. Von der Form sind die Gehirne der beiden Zwillinge ähnlich. Doch bei der Messung der Gehirnaktivität werden Unterschiede sichtbar. In einem Versuch wurden Geräusche eingespielt und die Gehirnaktivität gemessen. Das sanfte Geräusch des Windes erzeugt Alphawellen im Gehirn, die ein Zeichen für Entspannung sind. Die Stellen, wo die stärksten Alphawellen entstanden, fanden sich jedoch bei diesen Zwillingen in unterschiedlichen Gehirnregionen. Die Vielfalt der Gene ermöglicht es, flexibel auf die Umwelt zu reagieren. Freunde, der Status innerhalb der Familie und der Schule sowie Hoffnun-
Die Gene scheinen einige Rahmenbedingungen für unser Verhalten vorzugeben. Zusätzlich prägen uns die Erfahrungen mit der Umwelt. Dabei spielen »Zeitfenster« eine Rolle, in denen wir für eine bestimmte Ausrichtung unserer Persönlichkeit besonders empfänglich sind.
gen und Wünsche können offenbar in die Entwicklung einer Persönlichkeit eingreifen. Der Mensch ist also nicht Sklave seiner Gene, ebenso wenig wie er allein durch seine Umwelt bestimmt wird. Das ist ja die alte Frage: Wie viel Einfluss hat die Umgebung auf die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen? Die Zahlen schwanken mit der Zeit: Vor einigen Jahrzehnten sollten die Erbanlagen nur zu 30 Prozent den Menschen bestimmen, heute glaubt man, dass sich Gene und Umwelteinfluss in etwa die Waage halten. Dann erhebt sich jedoch die spannende Frage, ob die Ausprägung einer bestimmten Eigenschaft oder Fähigkeit in der menschlichen Entwicklung von irgendeinem bestimmten Zeitpunkt abhängig ist. Die Entwicklung, die ein Kind in den ersten Jahren erlebt, ist äußerst wichtig für sein weiteres Leben. Doch selbst wenn es erwachsen ist, werden seine Nervenzellen immer noch neue Verbindungen eingehen, wenn auch längst nicht mehr mit dieser Geschwindigkeit und in diesem Umfang. So glaubt man zu wissen, dass in den ersten 13 bis 15 Jahren ein »Lesefenster« geöffnet ist, in dieser Zeit fällt es leicht, zu lesen, und diese Fähigkeit wird intensiviert und im Gehirn »festgeschrieben«. Für das Erlernen von Fremdsprachen gelten auch solche Fenster - eine biologische Uhr begrenzt vieles. In späteren Jahren wird alles schwerer. Auch die Schwierigkeiten in der Pubertät scheinen mit Nervenverbindungen im Zusammenhang zu stehen, wie neueste Forschungen zeigen: Das Gehirn wird in dieser Phase neu strukturiert. Dabei verlieren die Pubertierenden die Fähigkeit, die Gefühle anderer Menschen einzuschätzen, aber zum Trost aller Eltern kehrt dieses spezielle Gespür im Alter von etwa 18 Jahren wieder zurück. Auch diese Ergebnisse sind mit der nötigen Distanz zu betrachten, allzu viel ist auf diesem Gebiet noch unsicher. Aber diese Beispiele zeigen, dass das Wissen über die Gene in Bereiche vorstößt, die früher im Dunkeln lagen oder sogar tabu waren. Der Mensch, sein Charakter und sein Verhalten, zeigt sich plötzlich bis zu einem gewissen Grade als vorprogrammiertes Wesen, das auch in seinen Stimmungen von biochemischen Prozessen abhängig sein kann. In welchem Maße uns noch ein freier Wille zugeschrieben werden kann - diese Grenze ziehen offenbar auch die Gene.
Die Veränderung der Pflanzenwelt
Auch die Pflanzen versucht der Mensch seit Jahrhunderten nach seinen Bedürfnissen auszurichten. Immer mehr sollen sie von dem liefern, was er brauchen kann. Mühsam war der Weg, bis die Getreideähren mehr und größere Körner enthielten oder die Obstbäume höhere Erträge lieferten. Verschiedene Sorten wurden selektiert, miteinander gekreuzt und so die Natur in die eine oder andere Richtung gedrängt. Die Prozeduren nahmen lange Zeiträume in Anspruch, weil das Wachstum der Pflanzen sich kaum beschleunigen ließ und bei der Entwicklung neuer Sorten immer wieder die Zeit des Früchtetragens und damit der Samenverfügbarkeit abgewartet werden musste - Fehlschläge nicht eingerechnet. Die Zucht neuer Sorten dient ja nicht nur der Erweiterung der Geschmackspalette für Feinschmecker, sondern ist für die Landwirtschaft eine grundlegende Voraussetzung. Denn mit der ständig zunehmenden Intensivierung ergeben sich immer häufiger Probleme durch Krankheiten der Pflanzen oder durch Schädlinge. In bestimmten Regionen kann der Boden zum Beispiel mit Fadenwürmern so verseucht sein, dass Kartoffeln nur kümmerliche Knollen ausbilden. Diese Kartoffelnematoden saugen am Zellsaft und zerstören dadurch das Wurzelgewebe. Bei Wildkartoffeln findet sich eine natürliche Widerstandsfähigkeit gegenüber den Fadenwürmern. Diese Kartoffeln besitzen aber nur kleine Knollen, so dass versucht werden muss, diese Nematodenresistenz in unsere Kulturkartoffel - mit großen Knollen, aber Nematodenanfälligkeit - einzuzüchten. Dazu müssen langjährige Kreuzungen durchgeführt werden, bis sich die beiden gewünschten Eigenschaften letztendlich in der Neuzüchtung wiederfinden.
Aus einem Zellklumpen entwickelt sich eine Pflanze. Diese faszinierende Umwandlung eröffnet den Gentechnikern neue Möglichkeiten.
Wie aufwendig diese Arbeiten sind, lässt sich mit der Schilderung einiger Schritte zeigen. Die nach der Bestäubung gewachsenen Früchte enthalten die Samen, aus denen die Kreuzungspflanzen herangezogen werden. Jede der neu entwickelten Pflanzen muss man auf die Nematodenresistenz überprüfen. Dazu werden im Labor die Kartoffeln in mit Nematoden verseuchten Boden gepflanzt, und nach einiger Zeit wird überprüft, ob die Wurzeln von den Fadenwürmern befallen wurden oder nicht. In den Pflanzen, die dabei gesund bleiben, wird die Resistenz vermutet, und deshalb züchtet man sie weiter. Nach acht bis zehn Jahren sind die ersten Erfolge zu erwarten - dazu kommen noch einige Jahre, die für die Verbesserung dieser Sorte gerechnet werden, damit die resistente Kartoffel letztendlich zur Zufriedenheit des Verbrauchers ausfällt. Fünfzehn bis zwanzig Jahre werden so für eine neue Sorte gebraucht. Aber ohne Resistenzzüchtung würde sich heute in unseren mit Nematoden verseuchten Böden der Kartoffelanbau kaum mehr lohnen. Selbstverständlich wird nach schnelleren Wegen gesucht, um die Resistenz zu erreichen. Die Kartoffel bietet für dieses Ziel einen großen Vorteil: Bei ihr kann sich aus fast beliebigen Teilen immer wieder die vollständige Pflanze entwickeln. Nimmt man ein Blattstück, so bilden sich diese spezialisierten Zellen zu totipotenten Zellen zurück, das heißt zu Zellen, die wieder die Fähigkeit besitzen, aus sich eine vollständige Pflanze mit all ihren spezialisierten Zellen hervorgehen zu lassen. Für diese Prozedur werden die Blattstücke der Kartoffel pflanze aufbereitet, um Einzelzellen zu gewinnen. Besonders schnell zeigen sich diese totipotenten Eigenschaf-
Für die Züchtung neuer Pflanzensorten ist es hilfreich, dass sich einige Pflanzen leicht aus einem Zellhaufen - einem Kallus entwickeln können. Dazu werden nur einige Zellen auf einen Nährboden gebracht und unter Zugabe von Hormonen kultiviert. Nach einiger Zeit spezialisieren sich die Zellen -eine komplette Pflanze entsteht.
ten bei Zellen aus bestimmten Bereichen wie Knospen, jungen Sprossen oder Wurzelspitzen. Hier finden sich auch noch nichtspezialisierte, teilungsfähige Zellen. Diese Zellen werden auf einen Nährboden gebracht, und unter Zugabe von Pflanzenhormonen entwickelt sich ein Zellhaufen - ein Kallus. Für einige Zeit sind die Zellen in dem Kallus noch nicht spezialisiert, so dass man ihn immer wieder auseinanderzupfen kann und dadurch neue Anfänge für weitere Kulturen möglich sind. Eine zusätzliche Möglichkeit also, die gezüchteten Exemplare schnell zu vervielfältigen. Will man in diesem Stadium die Resistenz der zukünftigen Pflanzen überprüfen, so bringt man sie einfach mit den entsprechenden Giftstoffen zusammen. Resistente Zellen widerstehen der Infektion, und sie werden dann zu ausgewachsenen Pflanzen weitergezüchtet. Durch ständiges Aufteilen der Zellkulturen ist es möglich, in kurzer Zeit ausreichend viele Pflanzen mit den neuen Eigenschaften zu bekommen. Diese Technik wird seit einiger Zeit ausprobiert, aber allzuoft zeigt sich, dass erst mit der vollständig entwickelten Pflanze eindeutige Aussagen gemacht werden können. Die Zellkulturen dienen hier eher Vorversuchen, die den langen Weg durch die Pflanzengenerationen etwas abkürzen. Vieles ist bei dieser Methode dem Zufall überlassen. Denn unklar ist, was auf der molekularen Ebene - bei den Genen - für die Resistenz der Pflanze verantwortlich ist. Man selektiert nur die Pflanzen, die dem zugegebenen Gift widerstanden haben, ohne die entsprechenden Auslöser für diese Resistenz - die entsprechenden Gene - zu kennen. Zudem ist dieses Verfahren begrenzt, denn bei weitem nicht alle Krankheitserreger liefern ein Gift, das sich leicht isolieren lässt und für die geschilderte Selektion der Zellen nach ihrer Widerstandsfähigkeit zur Verfügung steht. Oft sind auch die Krankheitserreger selbst -Viren zum Beispiel - nicht eindeutig zu separieren, so dass die zur Selektion notwendige Infektion nicht mit reinen Stämmen gemacht werden kann. Wie wir später noch sehen werden, gibt es hier Krankheitsverläufe, bei denen die komplexen Zusammenhänge ein solch eher »rustikales« Verfahren nicht sinnvoll erscheinen lassen. Mit der Gentechnik allerdings eröffnen sich neue Möglichkeiten. Hier setzt man auf der Ebene der Informationen an, die - in der DNS gespeichert - für das Geschehen in der Zelle verantwortlich sind und alles kontrollieren: bei den Genen. Das Grundproblem bei diesem Konzept ist
wiederum die mangelnde Kenntnis über die Funktion der Gene und deren Zusammenspiel. Hat man die entsprechenden DNS-Abschnitte identifiziert, die für bestimmte Eigenschaften verantwortlich sind, kann man versuchen, diese direkt im Zellkern unterzubringen und damit die sich neu entwickelnde Pflanze nach den eigenen Wünschen umzufunktionieren. Auch bei den Pflanzen wurden zunächst Versuche durchgeführt, in denen man recht unspezifisch Erbgut verschiedener Pflanzenarten einfach miteinander vermischte. Ähnlich wie bei der Schiege im Tierreich, bei der das Erbgut eines Schafes mit dem einer Ziege zusammengebracht wurde, hat man das bei den Pflanzen mit einer Kartoffel und einer Tomate getan. Heraus kam die Tomoffel - eine Mischung aus beiden Pflanzen. Um das zu erreichen, wurden die Pflanzenzellen mit bestimmten Chemikalien aufbereitet und dann die Zellen beider Pflanzen vermischt. Während der Entwicklung bestimmte das Erbgut beider Pflanzen das Werden der neuen Pflanze. Wie stark sich nun die Eigenschaften der Tomate oder die der Kartoffel durchsetzten, war dem Zufall überlassen. Die Mischpflanze trug einige kleine Tomaten, und unter der Erde bildete die Tomoffel Knollen, die an Kartoffeln erinnern. Die Tomoffel ist steril, und das Experiment diente allein dem wissenschaftlichen Interesse. Solche Unternehmungen machen jedoch deutlich, welche Möglichkeiten der Mensch plötzlich in der Hand hat, die Natur zu beeinflussen. Das Interesse der Forscher ist nicht allein auf ein solches Kunststück, wie es die Tomoffel darstellt, ausgerichtet. Sie wollen die Erbanlagen einer Pflanze gezielt verändern, etwa um den Ertrag zu steigern oder sie gegen Krankheiten resistent zu machen. Hat man das dafür wichtige Gen entdeckt, so besteht die nächste Schwierigkeit darin, das gewünschte DNSStück in die sich entwickelnde Zelle zu bringen. Im Idealfall soll ja das neue DNS-Stück so gut in der Gast-DNS verankert sein, dass diese Veränderung bei der ständigen Zellteilung während der Entwicklung ständig weitergegeben wird und so letztendlich alle Zellen der ausgewachsenen Pflanze mit der DNS-Veränderung ausgerüstet sind. Die Kartoffel bietet sich für solche Experimente an, da es bei ihr relativ leicht ist, einen Kallus entwickeln zu lassen. In diesem Fall muss man nur jene wenigen Zellen genetisch verändern, aus denen sich relativ einfach die vollständige Pflanze entwickelt. Bei der Kartoffel liegen die Zellen im
Die »zweikeimblättrigen« Pflanzen wie Kartoffel oder Tabak eignen sich deshalb für gentechnische Experimente, weil sich aus ihren Zellen in kurzer Zeit vollständige Pflanzen entwickeln. So lässt sich schnell absehen, ob die in die Zellen gebrachten Fremdgene wirksam sind oder nicht. Die gewünschten Gene bringt man ein, indem sie einfach auf den Kallus getröpfelt werden.
Kallus außerdem locker nebeneinander, so dass sie leicht auseinanderzupflücken sind und man sehr schnell zu vielen Pflanzen mit den neuen Eigenschaften kommt. Auch Tabakpflanzen lassen sich auf diese Weise vermehren. Aus diesem Grund konzentrieren sich die Forscher auf »zweikeimblättrige« Pflanzen, denn hier können sie relativ schnell die Ergebnisse ihrer Genexperimente ablesen. Wie später zu sehen ist, haben sie jedoch neben diesem Vorteil auch Nachteile, die in der genetischen Konzeption liegen. Es bleibt die wichtige Frage, wie man die ausgewählten DNS-Stücke in die Zelle hineinbekommt und ob sie dort auch aktiv werden. Prinzipiell bietet sich an - genauso wie in der Tiergenetik -, die gewünschten DNSStücke in die Zelle zu schwemmen und zu hoffen, dass sie in die vorhan-
Um Tumore auf einer Pflanze zu erzeugen, werden mit einer Nadel Agrobakterien (tumefaciens) in den Stengel geritzt. Nach einiger Zeit bilden sich Wucherungen. Diese Wirkung nutzen die Gentechniker zum Gentransfer aus.
dene DNS eingebaut werden. Und das hat man auch ausprobiert. Die Pflanze wird dazu einfach zerschnitten, das Stützgewebe mit Chemikalien aufgelöst, so dass man die Einzelzellen gewinnen kann. In sie spritzt man dann ein Konzentrat mit den ausgewählten DNS-Stücken und wartet ab, ob sich eines dieser DNS-Stücke in die vorhandene DNS einbaut. Geschieht das, so muss die weitere Voraussetzung erfüllt sein, dass bei der anschließenden Teilung der Zellen das fremde DNS-Stück dies ebenfalls tut, und wenn es sich dadurch in jeder Zelle wiederfindet, muss es auch gezielt abgelesen werden. Erst wenn alle diese Punkte erfüllt sind, gilt das Experiment als gelungen. Diese »Schrotschuss«-Methode ist stark vom Zufall abhängig, und deshalb sucht man nach effektiveren und eleganteren Möglichkeiten. Auch in der Natur finden Prozesse statt, bei denen genetische Informationen von einem Organismus in einen anderen transportiert werden - und genau diesen natürlichen Gentransfer versuchen Forscher für ihre Zwecke auszunutzen. Bestimmte Bakterien - Agrobakterien - verursachen bei Pflanzen Wucherungen. Weil sie dadurch ökonomischen Schaden anrichten/werden sie seit Jahren eingehend untersucht. Die Wucherungen entstehen, weil diese Bakterien den Hormonhaushalt der Pflanzen durcheinanderbringen. Dort, wo es den Bakterien gelingt, wachsen die Zellen schneller und teilen sich rascher - sie sind zu Tumorzellen umfunktioniert. Äußerlich ist das als »Geschwür« zu erkennen. Die Wirkung der Bakterien wiederum hat etwas mit »natürlicher« Gentechnik zu tun. Es gelingt ihnen nämlich, ein Stück ihrer DNS in die Pflanzen-DNS einzubauen. Wie ein trojanisches Pferd können die Agrobakterien die natürlichen Abwehrschranken der Pflanze überwinden und gezielt das von ihnen gewünschte DNS-Stück unterbringen. Der Entdeckung dieser Fähigkeit der Agrobakterien ging jahrzehntelange Forschungsarbeit voran - 1974 gelang endlich der entscheidende Schritt. Es stellte sich heraus, dass unter den Agrobakterien Stämme existieren, die besonders große Plasmidringe besitzen. Und in diesen Plasmidringen ist auch das tumorinduzierende Gen untergebracht. Für die Gentechniker entpuppte sich
dieses Ti-Agrobakterium (Ti entspricht »tumorinduzierend«) als unverhoffte Hilfe, denn sie können es als Gentransporter einsetzen. Dazu ist es lediglich notwendig, das Ti-Gen aus dem Plasmid herauszuschneiden und es gegen ein anderes, nunmehr vom Menschen gewünschtes DNS-Stück auszutauschen. Gemacht wird das, wie schon in Kapitel 4 geschildert. Wichtig ist der Rest des Plasmidrings. Er verleiht dem gesamten Plasmid die Fähigkeit, das in ihm verankerte Fremdgen in die DNS der Pflanzenzelle einzubauen und ablesen zu lassen - genauso, wie das vorher mit dem Ti-Gen geschah. Diese Plasmide dienen als Genfähren, als Vektoren. Sie sind die Transportmoleküle für die Genkombinationen, die im Labor zusammengestellt werden. Vorteilhaft dabei ist außerdem, dass Plasmidringe auch in andere Bakterien einwandern können. Das neu eingebrachte DNS-Stück bleibt außerdem bei der Teilung der Bakterien erhalten, so dass wegen der hohen Vermehrungsrate der Bakterien in kurzer Zeit sehr viele Exemplare mit dem eingebauten Fremdgen zur Verfügung stehen. Für den Gentransfer werden die Pflanzen mit den veränderten Agrobakterien infiziert. Dazu reicht es aus, sie in Kontakt mit einem vorher eingeritzten Blattstück zu bringen. Das Bakterium befällt die Pflanze und baut statt des ursprünglich von ihm vorgesehenen tumorinduzierenden DNSStücks das neue, vom Menschen plazierte Gen ein. Die betroffenen Zellen sind entsprechend dem neuen Informationsangebot umfunktioniert. Mit dem Wachstum der Pflanze vermehren sich auch die so veränderten Pflanzenzellen. Sie werden dann von der Mutterpflanze getrennt und können sich in einer Nährlösung weiterentwickeln. Es entsteht ein Kallus, den man wieder in Einzelzellen zerlegen kann, so dass in kurzer Zeit viele auf diese Art genetisch veränderte Pflanzenzellen zu gewinnen sind, aus denen sich vollständige Pflanzen entwickeln. Die Zellen dieser Pflanzen tragen im Idealfall alle die gewünschte Genveränderung in sich, und dadurch können sie neue Eigenschaften zeigen. Wird mit der geschilderten Methode ein Gen eingebaut, das zur Resistenz gegen bestimmte Insekten verhilft, so veranlasst es die Zelle, Abwehrstoffe zu produzieren. Mit Hilfe einer gezielten Gentechnik wäre es also möglich, sehr schnell zu resistenten Sorten zu kommen. Allerdings stellt sich diese Methode wieder einmal als erfolgversprechender dar, als sie in Wirklichkeit ist. Wie in den anderen Gebieten der Gentechnik fehlt es
auch hier noch an vielen Informationen, zum Beispiel welches Gen welche Funktion hat. Zudem ist meistens für eine Eigenschaft nicht nur ein Gen verantwortlich, sondern das Zusammenspiel von mehreren, und das oft auch noch zeitlich versetzt. Die Kartoffel zeigt außerdem für solche genetischen Veränderungen einen Nachteil: Sie besitzt in ihren Zellen keine diploiden Chromosomensätze, das heißt Chromosomensätze in zweifacher Ausführung, wie sie der Mensch besitzt, sondern tetraploide, also Chromosomensätze in vierfacher Ausführung. Und das hat Konsequenzen: Versucht man, in einer menschlichen Körperzelle zum Beispiel fünf Gene unterzubringen, die mit der Zellteilung mitgeführt werden, so rechnet man in etwa mit einer Chance von 1:1000. Bei der Kartoffel mit dem vierfachen Chromosomensatz sinken diese Chancen um das Millionenfache, denn hier muss die Verankerung der neuen Gene an viel mehr Stellen Erfolg haben, sollen sie sich nach der Zellteilung in jeder Pflanze wiederfinden. In der Pflanzenwelt treten noch weitere Schwierigkeiten auf. So gelingt die Entwicklung aus den Zellkulturen zur kompletten Pflanze nur bei den sogenannten zweikeimblättrigen Pflanzen gut, das sind, wie gesagt, zum Beispiel Tabak, Tomaten, Kartoffeln. Deshalb gehören diese Pflanzen auch zu den Favoriten der Genforscher. Mit ihnen wurden die ersten Erfolge in der Gentechnik erreicht. Bei den »einkeimblättrigen Pflanzen« - einkeimblättrig deshalb, weil sie in der Keimphase nur ein Keimblatt ausbilden -, bei Gräsern, wie Weizen oder Roggen, ist die Totipotenz nicht so gut ausgeprägt. Nur wenige Zellen einer Pflanze, und das nur an ausgewählten Stellen, besitzen hier die Eigenschaft, mit ihrem Wachstum eine vollständige Pflanze entstehen zu lassen. Und bei vielen Pflanzen gelingt es überhaupt nicht, solche Zelllinien zu entwickeln. Hinzu kommt, dass bei den Gräsern auch die Agrobakterien als Gentransporter nicht viel nutzen; denn sie werden normalerweise nicht von ihnen befallen. Die Wissenschaftler sind jedoch dabei, diese Hürde zu überwinden. Sie arbeiten mit Zusatzstoffen, die es den Agrobakterien dennoch ermöglichen, ihre Plasmide und damit die Fremdgene auch in Getreidepflanzen unterzubringen. Auch mit physikalischen Methoden wird versucht, die Gene in der DNS der Zellen zu verankern. Wenn die Zellen elektrischen Spannungen ausgesetzt werden, öffnen sich in den Zellwänden Löcher, durch die dann die
DNS-Stücke eindringen können. Oder die DNS-Stücke werden regelrecht in den Zellkern hineingeschossen. Das geschieht heute mit einer MiniDruckpistole. Komprimiertes Helium schleudert beim Auslösen ein mit den Genen beladenes Geschoss in die Zelle. Das Geschoss besteht aus einer Folie, auf der sich Goldkügelchen befinden. Auf den Minikugeln sind die DNS-Stücke angebracht. Nach dem Schuss wird die Folie abgebremst - die Goldkugeln lösen sich ab und tragen die DNS-Stücke weiter in die Zelle. Dabei wird nicht nur eine einzelne Zelle beschossen, sondern der gesamte Zellhaufen, der Kallus. Alle diese Bemühungen dienen dazu, gewünschte neue Gene in die ursprüngliche DNS der Pflanze einzubringen. Das Ziel ist es, Pflanzen zu optimieren, sie gegen Krankheiten widerstandsfähig zu machen oder sie regelrecht umzufunktionieren. Aus den vielen Versuchen, die in den
Gene können über die Plasmidringe der Agrobakterien in die Pflanzenzellen gebracht werden. Man kann sie aber auch in die Zellen schießen. Dazu überzieht man Goldkügelchen mit den DNSFragmenten. Die DNS-Fragmente sollen so den Weg in den Zellkern finden und dort in das vorhandene Erbgut eingebaut und abgelesen werden.
Labors und im Freiland gemacht werden, sollen einige Beispiele zeigen, welche Ziele schon heute erreicht sind. Klassisch ist das Beispiel der Tomaten. Es sorgte zu Beginn der Gentechnik bei Pflanzen für große Aufregung. Tomaten stellen für die Großerzeuger ein Problem dar, denn sie müssen sehr rasch an die Kunden weitergegeben werden, sonst werden sie weich und matschig. Forscher haben die Gene identifizieren können, die für den Abbau des Stützgewebes in den Tomaten verantwortlich sind und dadurch die Tomate so schnell weich werden lassen. In einer neuen Sorte ist es ihnen gelungen, diese Gene so .zu blockieren, dass sie nicht mehr »abgelesen« werden. Dadurch bleiben die Tomaten länger fest und können auch länger an der Staude reifen. Ob das der Verbraucher als Vorteil empfindet, wird sich herausstellen. Durch den Gentransfer ist es auch gelungen, Kartoffeln dazu zu bringen, nur eine Art von Stärke zu produzieren anstatt wie normalerweise eine Mixtur aus verschiedenen Stärken in derselben Knolle. Eine solche Kartoffel vereinfacht die industrielle Verarbeitung, weil die Trennung der verschiedenen Stärken, die für bestimmte Produkte notwendig ist, wegfällt. Durch die Gentechnik kommt man in relativ kurzen Zeitabschnitten zu neuen Pflanzensorten. So wurde bei einigen Pflanzen in zwei Jahren das erreicht, was früher acht bis zehn Jahre in Anspruch nahm. Hilfreich ist dabei vor allem die Gendiagnostik, die es erlaubt, gezielt diejenigen Zellen zur Weiterzucht auszusuchen, die mit den gewünschten Genen ausgestattet sind. Man muss also nicht mehr wie früher abwarten, wie sich im Erscheinungsbild der fertigen Pflanze die gewünschte Eigenschaft zeigt, sondern kann durch die Analyse der Gene den Erfolg oder Misserfolg frühzeitig abschätzen und die Zelllinien entsprechend auswählen. Für alle diese Ziele muss selbstverständlich die Voraussetzung erfüllt sein, die Wirkung der Gene und vor allem ihr Zusammenspiel genau zu kennen und da steht die Forschung, wie schon erwähnt, noch in den Anfängen. Zwar gibt es Versuche, Pflanzen genetisch so zu verändern, dass sie durch ein eingepflanztes Gen kontinuierlich ein Insektengift in ihren Zellen produzieren. Damit soll der heute übliche Einsatz von Insektiziden auf den Feldern vermindert werden. Es gibt einige Teilerfolge auf diesem Gebiet, aber immer wieder zeigt sich, dass über den natürlichen Ablauf in der Pflanze zu wenig bekannt ist, die Rolle der Gene sich komplizierter darstellt als angenommen und der Eingriff von außen oft wie ein Hammer-
Die uns vertrauten Früchte sollen mit Hilfe der Gentechnik »optimiert« werden. Diese gentechnischen Manipulationen gelingen bisher nur in einigen ausgewählten Fällen. Riskant ist es, wenn dadurch die Inhaltsstoffe einer Frucht entscheidend verändert werden.
-schlag auf ein fein abgestimmtes System wirkt. So hatte man in den Anfängen der modernen Gentechnik an Pflanzen die Vision, durch Bindung des Stickstoffs aus der Luft an viele Nutzpflanzen zu erreichen, auch »arme« Böden besser bewirtschaften zu können. Auslöser für diese Idee war die Tatsache, dass bei bestimmten Pflanzen Mikroorganismen für die Stickstoffversorgung eine entscheidende Rolle spielen. In veränderter Form leben diese Mikroorganismen in Knöllchen an diesen Pflanzen, und es gelingt ihnen, die Pflanze mit dem Luftstickstoff zu versorgen, indem sie ihn in eine für die Pflanze aufnehmbare Form umwandeln. Nur wenige Pflanzen - verschiedene Kleearten oder die Luzerne etwa - zeigen diese Symbiose. Mit gentechnischen Methoden wollte man dieses System der Natur auch auf Getreidepflanzen ausdehnen. Aber es zeigte sich, dass das Zusammenspiel der Gene zu kompliziert ist, um bereits heute zu einer Lösung zu kommen. Zu viele Gene sind dafür verantwortlich, zu viele Diese Pflanzen haben sich auf einem Nährboden im Labor entwickelt Zu erkennen ist zudem, dass sich bei dieser Luzerne Knöllchen an den Wurzeln ausgebildet haben. In ihnen wird mit Hilfe bestimmter Bodenbakterien in Symbiose der Stickstoff aus der Atmosphäre chemisch gebunden und der Pflanze zugeführt Diese Fähigkeit der Bakterien will man gentechnisch direkt in die Pflanze integrieren.
äußere Randbedingungen bestimmen den Ablauf der Stickstoff-Fixierung, zum Beispiel wenn kein Sauerstoff in den entscheidenden Pflanzenzellen der Knöllchen zur Verfügung steht usw. Zur Zeit sieht man das Erreichen dieses Ziels weniger optimistisch. Aber es gibt auch Erfolge: So werden Zuckerrüben von einem Virus befallen, das ihr Wachstum verändert. Statt einer dicken Zuckerrübe erhält der Bauer dann sehr kleine, knollenartige Gebilde, die viele Wurzelfäden zeigen. Deshalb wird diese Krankheit auch »Wurzelbärtigkeit« genannt. Durch eine Genmanipulation ist es gelungen, Proteine zu erzeugen, die bei Befall der Rübe durch das Virus dessen RNS regelrecht einpacken und so an der Ausbreitung und Vermehrung hindern. Und auch im Freilandversuch zeigte sich, dass dieser künstlich in die Pflanze eingebrachte Abwehrmechanismus funktioniert. Freilandversuche sind deshalb wichtig, weil Versuche im Gewächshaus nicht alle Bedingungen wie auf dem offenen Feld simulieren. Im Freiland spielen zusätzlich UV-Bestrahlung, Trockenheit, Hitze, andere Krankheiten oder andere Umweltfaktoren eine
große Rolle. Erst wenn die eingebrachte Genmanipulation auch hier ihre Wirkung zeigt, kann die Pflanze mit den neuen Eigenschaften in der Landwirtschaft verwendet werden. Pflanzenkrankheiten, die durch Virusbefall ausgelöst werden, zeigen auch, welche Erweiterung der Bekämpfungsmethoden die Gentechnik bietet. Produzieren die Krankheitserreger Gifte, so kann man mit der anfangs geschilderten, traditionellen Methode versuchen, mit Hilfe der isolierten Gifte die resistenten Pflanzen herauszufinden. Das kostet Zeit, kann jedoch zum Erfolg führen. Aber nicht jeder Krankheitserreger erzeugt so eindeutig Gifte, und zudem lassen sich oft die krankheitserregenden Viren schlecht voneinander trennen, so dass die gezielte Infektion schwierig wird. Außerdem kann die Resistenz - wäre sie einmal gefunden und in die Pflanze eingezüchtet - zu Nachteilen führen, die wiederum gezielt im Genom nicht eindeutig zuzuordnen sind, denn die traditionelle Züchtung selektiert nur nach dem äußeren Erscheinungsbild. So finden sich zwar natürlicherweise einige Resistenzen im Genom der Kartoffel, aber diese werden nur durch das Zusammenspiel von mehreren Genen erreicht, und allein schon deshalb lassen sich diese Eigenschaften nicht gut weiterzüchten. Außerdem sind mit diesen Resistenzen oft unerwünschte Eigenschaften der Kartoffel verknüpft, wie kleine Knollern der geringere Fruchtbarkeit. Und es gibt auch diesen Fall: Beim Blattrollvirus, das die Kartoffel befällt, ist kein Resistenzgen bekannt. Wie der Name sagt, rollen sich bei dieser Krankheit die Blätter der befallenen Pflanze zusammen, weil durch die Wirkung des Virus unter anderem Leitbahnen blockiert werden. Die Existenz nur eines einzelnen Resistenzgens gegen das Blattrollvirus ist höchst ungewiss, deshalb muss man nach anderen Möglichkeiten der Bekämpfung suchen. Das Virus wird durch Blattläuse übertragen. Zur Ausbreitung seines Genoms »verpacken« speziell produzierte Proteine regelrecht das virale Erbgut, reisen über die Transportbahnen durch die Pflanze und vermehren sich so. Dieses
Eine Infektion mit dem Blattrollvirus blockiert unter anderem Leitbahnen in der Pflanze und lässt Zellen absterben. Äußerlich macht sich diese Krankheit durch eingerollte Blattflächen und leichte Gelbfärbung bemerkbar.
Gen, das für die Transportproteine kodiert, wurde im Blattrollvirus identifiziert und isoliert. Es gelang eine Veränderung dieses Gens, so dass es jetzt die Anweisung gab, Transportproteine herzustellen, die eine andere räumliche Anordnung zeigten. Um durch die Transportbahnen der Pflanze zu gelangen, müssen die Transportproteine eine lang gestreckte Form annehmen. Die durch das veränderte Gen fehlerhaft produzierten Proteine zeigen jedoch einen Knick und passen nicht mehr durch die Zellwände, so dass sie die Transportbahnen für die Ausbreitung der Viren verstopfen. Mit diesen veränderten Genen hat man Kartoffelpflanzen ausgestattet, die nach einer Anweisung die sperrigen Proteine herstellen und so die Transportbahnen blockieren. Wird jetzt diese Pflanze vom Blattrollvirus befallen, so werden zwar die
Langgestreckte Transportproteine »verpacken« das Erbgut des Blattrollvirus, so dass es zur Verbreitung durch die Pflanze reisen kann (oben). Wird das Gen, das für diese Transportproteine kodiert, verändert, so produziert die Zelle Proteinketten, die einen Knick aufweisen. Sie passen dann nicht mehr durch die Transportbahnen. Die Ausbreitung des viralen Erbguts wird dadurch blockiert.
intakten Transportproteine produziert, sie können sich jedoch wegen der vorhandenen blockierenden Version des Proteins in der Pflanze nicht mehr ausbreiten. Durch das Einbringen der entsprechenden Gene kann man auch Pflanzen wertvoller für die menschliche Ernährung machen. Versucht hat man das mit Reis. Die entsprechende genetische Manipulation hat eine höhere Produktion des Vitamin A zur Folge. Vitamin-A-Mangel führt in schweren Fällen zur Erblindung. Vor allem in den armen Ländern ist das ein Problem. Die Idee war, das Grundnahrungsmittel Reis mit den entsprechenden Genen auszustatten, die den Aufbau von Beta-Karotin, einer Vorstufe von Vitamin A, im Reiskorn ermöglichen. Das ist auch gelungen, und die gentechnisch veränderten Reispflanzen sollen den unterschiedlichen Gegebenheiten in verschiedenen Teilen der Welt angepasst werden. Aber ob diese Pflanzen das Vitamin-A-Problem lösen können, bleibt fraglich. Die veränderten Reiskörner enthalten zu wenig davon. Man müsste fast zehn Kilogramm Reis pro Tag essen, um auf die empfohlenen Aufnahmewerte zu kommen. Heute lassen sich zahlreiche Beispiele für Pflanzen anführen, die man mit Hilfe der Gentechnik so veränderte, dass sie gegen bestimmte Krankheiten resistent wurden oder neue Inhaltsstoffe produzierten. Weil es vom Aufbau der Gene her gesehen keinen Unterschied in den Bausteinen der DNS bei Menschen, Tieren und Pflanzen gibt, ist es möglich, viele Mischungen der Gene auszuprobieren. So werden in entsprechend veränderten Pflanzen heute Hormone hergestellt, die von menschlichen Genen kodiert werden, Kunststoffe kann man in den Pflanzenzellen anreichern, die entsprechenden Gene stammen von Spinnen, oder Pflanzen können zum Leuchten gebracht werden - mit dem entsprechenden Gen aus Meeresquallen. Einige schier unglaubliche Mischungen sind so möglich, die in Grenzen offenbar auch funktionieren. Wo diese Grenzen liegen und welche Risiken dadurch auftreten, wird in den folgenden Kapiteln beschrieben.
Die Risiken von Genfood
Aufregung gab es vor einigen Jahren, als Allergiker auf gentechnisch erzeugte Nahrung mit heftigen Ausbrüchen ihrer Krankheit reagierten. Die Ursache dafür war schnell gefunden und zeigte, wie naiv man mit der genetischen Manipulation pflanzlicher Organismen umgegangen war. Um die Sojabohne von den Nährstoffen her reichhaltiger zu machen, hatte man in ihnen ein Gen aus der Paranuss untergebracht. Dieses fremde Gen kodierte nun in der Sojabohne für ein Protein, auf das einige Menschen empfindlich reagieren. Das Mehl der Sojabohne wird in vielen Nahrungsmitteln als Beimischung verwendet. Die Allergiker aßen die ihnen bekannten Produkte, zeigten jetzt aber die intensiven Abwehrreaktionen, die sonst nur beim Verzehr von Paranüssen auftraten. Durch die Mischtechniken der modernen Nahrungsmittelindustrie und das veränderte Gen in den Sojabohnen konnten sie plötzlich diese für sie gefährliche Eiweißkomponente nicht mehr vermeiden. Ein Beispiel dafür, wie durch das Vermischen von Genen unterschiedlicher Pflanzen unsere erlernten Überlebensstrategien durcheinander gebracht werden können. Diese Gefahr wächst, denn immer mehr Menschen entwickeln Allergien gegen bestimmte Nahrungsmittel. In einigen Fällen kann man die Substanzen bestimmen, die diese Reaktionen auslösen, in vielen anderen nicht. Die Erdbeere ist zum Beispiel eine Frucht, gegen die viele Menschen allergisch sind. Für die Substanzen, die diese Allergie auslösen, sind letztendlich bestimmte Gene verantwortlich. Sie werden abgelesen, und nach dieser Anweisung produziert die Zelle diese Substanzen. Bringt man diese Gene künstlich auch in anderen Nahrungsmitteln unter, so kommt es zu
Mit allen Mitteln versucht man, Gene in Pflanzen unterzubringen. Das Ziel ist eine Verbesserung der Nahrung des Menschen. Allerdings gelingt dieses Vorhaben nicht immer.
Blattläuse können Pflanzenkrankheiten verbreiten. Sie sollen mit Hilfe der Gentechnik bekämpft werden.
einem gefährlichen Szenario für Allergiker: Sie können schließlich - ohne es zu wissen - in allen möglichen Nahrungsmitteln Gene und damit Proteine von Pflanzen wiederfinden, die ihr Körper nicht verträgt. Eine klare Grenze für die Gentechnik, die man heute einzuhalten versucht. In der Pflanzenzucht wird der ewige Kampf gegen Schädlinge und Krankheiten geführt. So gibt es bestimmte Lausarten, die den Pflanzen gefährlich werden können. Sie zapfen die Pflanze an, um wertvolle Nährstoffe aus dem Gewebe zu saugen. Dadurch geschwächt, wird die Pflanze auch anfälliger für Krankheiten, die wiederum häufig die Läuse beim Saugen
übertragen. Pflanzenkulturen einer gleichartigen genetischen Zusammensetzung können auf diese Weise mit einem Schlag ausgelöscht werden, zum Beispiel Zuchtkartoffeln. Auch das Blattrollvirus verbreitet sich über die Läuse und richtet bei der Kartoffel große Schäden an. Andere Pflanzen, wie das Schneeglöckchen, sind dagegen resistent. Es produziert Gift, das vor Läusen und damit vor bestimmten Krankheiten schützt. Das Gen für das Gift ist ein Teil der Erbinformation der Schneeglöckchen. Mit dem Gift aus dem Schneeglöckchen, dem sogenannten Lektin, wurden Experimente gemacht, um Kartoffeln in die Lage zu versetzen, die Blattläuse abzuwehren. In das Genom einer Pflanze wurde das Lektin-Gen eingebaut. Seine giftige Wirkung auf die Pflanzensauger sollte getestet werden. Aber auch deren Feinde spielten dabei eine Rolle: die Marienkäfer. Die Läuse starben nicht sofort an dem Gift. Auch sie hatten somit die Möglichkeit, einiges davon in ihrem Organismus anzusammeln. Mit fataler Wirkung auf die Marienkäfer: Alle Käfer, die in dem Experiment von den giftigen Läusen fraßen, zeigten sich in ihrer Entwicklung beeinträchtigt und starben schließlich frühzeitig. Einige Forscher warnen deshalb vor einer übereilten Freisetzung von transgenen Pflanzen - sie wollen mehr Zeit für detaillierte Untersuchungen haben. Zu heftigen Kontroversen unter den Wissenschaftlern führten Ergebnisse aus einem schottischen Forschungsinstitut. Auch hier wurde mit dem Lektin-Gen experimentiert. Durch gentechnische Methoden erzeugten die Forscher eine transgene Kartoffelpflanze. Zusätzlich zu ihren eigenen Genen besaß die neu entwickelte Pflanze damit auch ein Stück Erbinformation aus einem Schneeglöckchen. Und somit befand sich auch das Gift der Schneeglöckchen in den geernteten Kartoffeln. In den Labors wurden die Kartoffeln dann für einen Fütterversuch vorbereitet. Die Forscher wollten prüfen, ob der Verzehr der Kartoffeln bei Versuchstieren zu Nebenwirkungen oder Schäden führt. Für das Experiment wurden Ratten ausgewählt. Eine Gruppe der Versuchstiere wurde über einen längeren Zeitraum nur mit Kartoffeln gefüttert, die das Lektin-Gen eingebaut hatten und somit das Gift auch selbst produzierten. Eine zweite Gruppe von Ratten erhielt als Futter zwar die gleiche Sorte Kartoffeln, das fremde Lektin-Gen allerdings war darin nicht eingebaut. Anschließend wurden die Ratten untersucht. Es zeigte sich, dass bei den Tieren, die mit transgenen Kartoffeln gefüttert wurden, verschiedene
Organe geschädigt waren. Außerdem war das Immunsystem geschwächt. Die Ursache dafür soll sein, dass in der transgenen Kartoffel nicht nur das Lektin-Cen wirksam wurde, sondern durch den eingebauten Promotor zusätzlich andere schädliche Substanzen von der Kartoffel produziert wurden. Ein Beispiel dafür, dass der Einbau beliebiger Gene in fremdes Erbgut ungeahnte und vor allem noch unerforschte Risiken beinhalten kann. Dieses unkontrollierte Anschalten von Genen durch einen neu eingebrachten Promotor ist bekannt. Um das zu vermeiden, werden genetisch veränderte Pflanzen daraufhin untersucht, ob sie plötzlich neue Substanzen enthalten. Bei dem umstrittenen Experiment in Schottland geschah das allerdings nicht. Bei diesem Experiment wurden nicht geprüfte und zugelassene Kartoffeln verfüttert - außerdem gibt es Kritik an der Durchführung. Die Risikoabschätzung in der Gentechnik zeigt eine Schwierigkeit, in der prinzipiell alle Wissenschaften stecken. Die Gesellschaft verlangt klare Antworten. Kann dies oder jenes passieren? Ja oder nein? Naturwissenschaften beschreiben die Natur nur modellhaft, und das in Grenzen - und oft gibt es keine klaren Antworten. Ein Risiko ist, wenn die Produkte des Fremdgens andere Gene anschalten. Das kann dann zu anderen Eiweißkombinationen in dem Organismus führen, die vielleicht für uns nicht verträglich sind. Deshalb muss ja für die Zulassung einer gentechnisch veränderten Pflanze zum Beispiel eine Prüfung daraufhin erfolgen, ob sich die Zusammensetzung der Frucht irgendwie verändert hat. Es lassen sich noch andere Szenarien mit genmanipulierten Pflanzen ausmalen. Eine Idee ist, sie gezielt genetisch so zu verändern, dass sie gegen bestimmte Unkrautvernichtungsmittel resistent sind. Hat man ein solches Resistenzgen gefunden, so könnte man die Nutzpflanze damit ausrüsten. Werden jetzt Unkrautvernichtungsmittel gespritzt, so würde sie diese Prozedur überleben, andere Pflanzen jedoch nicht. Damit will man auch das Problem lösen, dass chemische Unkrautmittel bis heute nicht gut genug zwischen »Freund« und »Feind« unterscheiden. Denn auch die Nutzpflanze kann ja beim Spritzen von Herbiziden angegriffen werden. Befürchtet wird aber dabei die größer werdende Abhängigkeit der Landwirtschaft von der chemischen Industrie: Denn Firmen könnten ein Unkrautvernichtungsmittel so für das resistente Gen maßschneidern, dass
nur ihr und kein anderes Mittel verwendet werden kann. Zudem würden die Produzenten von Pflanzensamen ein noch größeres Monopol auf ihrem Gebiet als heute bekommen. In der Landwirtschaft werden sogenannte Hybride verwendet - Kreuzungen von Pflanzen mit bestimmten Eigenschaften. Ihre Vorteile - zum Beispiel dicke Getreideähren - zeigen sich nur in dieser Generation. Würde man diese Getreidesamen weiterverwenden, so erhielte man in der folgenden Generation die ganze Palette des mischerbigen Samens. Die in dieser speziellen Generation uniform gezeigten äußeren Vorteile spalten sich auf - so auch zu kleinen oder anders ausgebildeten Ähren. Der Bauer muss also immer wieder von den industriellen Samenzüchtern die Hybridsamen kaufen, die immer wieder neu durch Kreuzung der Ausgangsarten hergestellt werden - der Preis für das schnelle Wachstum oder besonders dicke Früchte.
Mit der Gentechnik gehen einschneidende Veränderungen in der Landwirtschaft einher. Es besteht die Befürchtung, dass die Abhängigkeit vom Know-how einiger weniger Konzerne zunimmt.
Diese Hybridsamen werden von großen Firmen hergestellt und vertrieben. Vor allem im Getreidegeschäft kommt es zur Konzentration, einige wenige Unternehmen beherrschen den Markt. Mit der weiteren Spezialisierung des Hybridsamens auf maßgeschneiderte Resistenzen würde diese Abhängigkeit von der Industrie noch größer, so fürchten manche. Denn je nach Genzusammensetzung muss man dann mit dem Saatgut auch noch die speziellen Mittel der Firmen kaufen, damit die Nutzpflanzen auf dem Feld überhaupt überleben. Es lassen sich viele Szenarien denken, in denen die Resultate der Gentechnik risikoreich erscheinen. Ein Risiko ist zum Beispiel, wenn Virusteile in Pflanzen untergebracht werden, um sie virusresistent zu machen. Viren neigen schnell zu neuen Kombinationen. Und vielleicht sind dann die dabei möglicherweise neu entstehenden Viren weitaus schwerer in den Griff zu bekommen als die schon vorhandenen. Beim Mais hat man in den letzten Jahren einige Erfolge erzielt: Die Raupe des Maiszünslers frisst sich durch das Mark des Maisstengels und höhlt ihn aus. Die Blütenstände knicken ab. Bei diesem Mais wurde ein Gen aus dem Bazillus thuringiensis eingebaut. Jetzt ist diese »BT-Maispflanze« gegen die Raupe gewappnet. Frisst sie von diesem transgenen BT-Mais, so stirbt sie innerhalb kurzer Zeit. Mit Hilfe des neuen Gens produziert die Maispflanze ihr eigenes Insektengift. Allerdings gibt es noch andere Maisschädlinge, die nicht sofort durch das Gift getötet werden. Sie können sich dann ohne Konkurrenz des Maiszünslers vermehren und reichern das Gift in sich an. Eine gefährliche Entwicklung innerhalb der Nahrungskette, die auch Nützlinge trifft - so ein weiteres Argument der Gentechnik-Kritiker. Die Gentechnik erlaubt es den Forschern, Eigenschaften bestimmter Pflanzen auf andere Pflanzen zu übertragen. Um zu überprüfen, ob die Genübertragung erfolgreich war, greifen die Forscher zu einem Trick: Das DNSStück, das über das Agrobakterium in das Genom der Pflanze eingebaut werden soll, enthält nicht nur das gewollte Gen mit der gewünschten neuen Eigenschaft, sondern noch ein weiteres ausgekoppeltes, sogenanntes Markergen. Dieses sorgt für die Produktion eines Proteins, das die Pflanzenzellen resistent gegen ein Antibiotikum macht. Alle Pflanzen, die auf einem Nährboden mit diesem Antibiotikum gut wachsen, haben somit das Gen für die Antibiotikaresistenz erfolgreich eingebaut und tragen dann auch - so die Folgerung - das Fremdgen in sich, auf das es ankommt.
Über diese Markergene und deren Eigenschaften wird in der Öffentlich-
Eine Gefahr der Gentechnik liegt in
keit allerdings heftig diskutiert: Kritiker befürchten, dass der Einsatz
dem schnellen Austausch von
solcher Gene in gentechnisch veränderten Pflanzen zu einer ungewollten
Genen unter Bakterien. Besiedeln
Verbreitung dieser Antibiotikaresistenzen führen könnte. Und das - so meinen sie - hätte unabsehbare Folgen für Mensch und Natur. Dabei spielen die Bodenbakterien eine große Rolle: Nach der Ernte wird das
diese Bakterien, wie hier das E.coli, den Menschen, so ist es denkbar, dass sie eingebrachte Resistenzgene aufnehmen und nur
Pflanzenmaterial untergepflügt und verrottet im Boden. DNS-Stücke kön-
noch schwer unter Kontrolle zu
nen aber, an Bodenpartikel gebunden, längere Zeit überdauern. Der
halten sind.
Boden ist ein komplexer Lebensraum, der noch kaum erforscht ist. Hier leben die verschiedensten Organismen in einem eng vernetzten Sys-
tem. Bodenbakterien werden bei der Abschätzung von Risiken die Hauptrolle zugewiesen, denn sie besitzen die Fähigkeit, DNS-Teile aus dem Boden aufzunehmen. Diese DNS könnte auch aus transgenen Pflanzen stammen, und damit ist der Einbau dieses Stückes in das Genom des Bakteriums denkbar. Auf diese Weise könnten damit Antibiotikaresistenzen fest in das Erbgut der Organismen integriert werden. Auch zwischen den Bakterien ist ein Austausch solcher Gene möglich. Der Mensch könnte mit seiner Nahrung solche Bakterien, die das Gen mit der Antibiotikaresistenz tragen, aufnehmen. In unserem Verdauungstrakt siedeln zahlreiche Darmbakterien, die sich dann - so die Überlegung - eventuell im Austausch zu Bakterien wandeln könnten, die gegen dieses Antibiotikum resistent sind. Benutzt man diese Antibiotika in der Medizin, so hätten diese dann keine Wirkung mehr. In Laborversuchen wurde bereits bestätigt, dass die Bakterien fremdes Genmaterial und damit auch Resistenzgene aufnehmen können. Untersuchungen an Bienen haben gezeigt, dass es durchaus möglich ist, dass diese Fremdgene in Bakterien Unterschlupf finden. Darmbakterien von Bienen haben die Gene von veränderten Pflanzen wahrscheinlich über deren Pollen aufgenommen. Aber, so meinen andere, unser Magen und Darm seien daran gewöhnt, DNS aufzuspalten, die wir ständig mit unserer Nahrung aufnehmen. Ein Restrisiko bleibt. Und deshalb bemühen sich Forscher, andere Gene zu finden, die sich ebenfalls als Marker eignen. Vorschläge für mögliche Markergene liefert die Natur genug. Leuchtkäfer besitzen ein Gen, das es ihnen ermöglicht, in der Dunkelheit weithin sichtbare Signale abzugeben. In Labors konnte dieses Gen isoliert und auch bereits in Bakterien eingebaut werden. Auf diese Weise will man testen, ob es sich als Markergen eignet. Zudem könnte mit Hilfe der Produkte dieses Leuchtgens auch erforscht werden, wo es im Genom plaziert ist. So ließen sich ungewollte Verbindungen mit anderen Genen aufspüren, die eventuell jetzt blockiert sind. Aber noch andere Gefahren werden diskutiert: Neu eingebrachte Gene könnten sich auf Wildpflanzen übertragen. Transgener Raps zum Beispiel, unempfindlich gegenüber Unkrautvernichtungsmitteln, könnte sich mit verwandten Arten kreuzen. Dazu gehören auch Unkräuter. Deren Pollen - und damit deren genetische Information - könnten mit dem Wind oder durch Insekten übertragen werden. Diese Übertragung von fremden
Genen wurde im Freiland bereits nachgewiesen. In der Folge könnte dann herbizidresistentes Unkraut entstehen - aber viele meinen auch, dass sich diese Resistenz wieder verlieren würde, weil sie den Wildpflanzen keinen Vorteil verschafft. Es ist kaum erforscht, wie Gene nun wirklich von den Pflanzen über den Boden in die Mikroorganismen gelangen. Dazu gibt es nur einige Plausibilitätsbetrachtungen. Auf der anderen Seite will man natürlich Genforschung betreiben. Deshalb existiert auch so etwas wie eine »Augen-zuund-durch«-Mentalität. Die Hoffnung ist, dass man zurückhaltend und mit aller Vorsicht mit den Genen umgeht. Vor Überraschungen allerdings sind wir alle nicht gefeit. Man will Gentechnik betreiben, weil die Ziele sehr verlockend sind. Und die Gentechnik wird sich dabei auch nicht aufhalten lassen. Klargestellt werden muss, dass alle fremd eingebrachten Gene, zum Beispiel auch die Resistenzgene, aus der Natur kommen - sie wurden zum Beispiel in Bodenbakterien gefunden -, es sind also keine neu konstruierten Gene. Und zur Beruhigung wird auch darauf hingewiesen, dass wir ja täglich mit unserer Nahrung für uns fremdes Genmaterial aus der Natur aufnehmen und unsere Verdauung diese Gene mühelos abbaut, ein Prozess, der schon mit der Säure im Magen beginnt. Als Nachteil der landwirtschaftlichen Strategien, die jetzt mit der Gentechnik erweitert werden, fürchtet man, dass sich die genetische Vielfalt der Nutzpflanzen weiter reduzieren wird. Pflanzen mit sehr ähnlichem DNS-Aufbau würden immer weiter verbreitet, und so wäre der Erfolg der Landwirtschaft auf eine sehr schmale genetische Basis gestellt. Wenn das Genreservoir klein ist, sind auch die Möglichkeiten der Pflanzen beschränkt, sich gegen eine plötzlich auftretende Krankheit zu wehren. In der Regel existieren unter den Pflanzen einer Art auch Genvariationen, die gegen bestimmte Krankheiten resistent machen. Bei großflächigem Befall sind sie es, die überleben. Mit der Selektion genetisch relativ einheitlicher Pflanzen entfällt diese Möglichkeit des Kampfes gegen bestimmte Infektionen. Beim Einsatz der Gentechnik in der Pflanzenzucht gibt es weitere grundsätzliche Einwände: Weil sich viele Nutzpflanzen durch Pollenflug befruchten, fürchtet man auch den »horizontalen« Gentransfer. Gemeint ist damit, dass die Pollen der gentechnisch veränderten Pflanzen die vom
Pollenkörner tragen die künstlich eingebrachten Gene weiter. Ein Risiko der Freilandversuche?
Menschen eingebrachten Gene auch an wildwachsende Arten weitergeben können. Hafer oder Gerste können ihre Gene auf Wildformen übertragen, auch Karotten können über ihre Pollen die wildwachsenden Partner befruchten. Und es kann nicht unbedingt das Ziel sein, diese vom Menschen einseitig bevorzugten Eigenschaften seiner Nutzpflanzen auch auf die Wildbestände zu übertragen. Vorstellbar ist dabei die Verbreitung
beliebiger Gene, etwa von Resistenzgenen oder anderen für die Organismen schädlichen Genen. Deshalb führt man Freilandversuche durch, wenn es keinen Pollenflug der Pflanzen gibt. Würde eine bestimmte Pflanze durch eingebrachte Gene starke Vorteile gegenüber anderen erhalten, so könnte sie den übrigen den Lebensraum streitig machen. Damit gelangt man zu der schon bekannten Gedankenkette, dass für das gerade existierende Gleichgewicht in der Natur Jahrmillionen gebraucht wurden, in denen sich die einzelnen Organismen langsam aneinander angepasst haben. Mit der Gentechnik jedoch könnte dieses Gleichgewicht in kurzer Zeit dramatisch verändert werden. Den neuen Pflanzen würden schlagartig Fähigkeiten verliehen, die sie sofort besonders fit gegenüber den Mitbewerbern machen könnten. Gentechniker zweifeln allerdings daran, dass sich die selektierten Gene in der Natur - ohne die intensive Hilfe des Menschen - überhaupt halten können. Wildpflanzen gelten als widerstandsfähig. Schon heute zeigen sich die aus der Zucht hervorgegangenen Nutzpflanzen mit ihrem auf einseitige Vorteile ausgerichteten Genom als äußerst anfällig. Ebenso wird argumentiert, dass auch die verwendeten und veränderten Agrobakterien, kämen sie einmal in die Umwelt, dort gar nicht existieren könnten. Versuche zeigen, dass die hochgezüchteten Bakterien keine Chance gegen die etablierten Bakterienstämme haben. Allerdings ist es unmöglich, sämtliche Variationen in Experimenten durchzuspielen - zu vielfältig sind die theoretisch möglichen Szenarien. Ein Argument zur Abwiegelung der Gefahren ist, dass viele für uns wichtige Kulturpflanzen nicht aus unseren Breiten stammen, sondern aus fremden Regionen eingeführt wurden. So ist zum Beispiel der Mais in Südamerika zu Hause. Ebenso wie den Mais haben wir auch die Kartoffel aus den Anden importiert. Mais- und Kartoffelkulturen benötigen bei uns daher viel Pflege. Sie können sich im Grunde nicht selbständig machen und verwildern, weil unsere klimatischen Bedingungen für sie nicht optimal sind. Verwandte Arten von Kartoffeln und Mais wachsen bei uns auch nicht. Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass sie ihre Gene nicht auf andere Pflanzen übertragen. Eine weitere, für die Gentechniker wichtige Kulturpflanze, die bereits im Freiland getestet wird, ist die Zuckerrübe. Sie ist in unseren Breiten zwar heimisch, aber normalerweise werden die Rüben geerntet, bevor sie zu
blühen beginnen. Auch hier - so die Argumentation - ist daher das Risiko der Auskreuzung oder der Verwilderung relativ klein. Anders der Raps: Er ist hier zu Hause, hat verwandte Arten. Interessant ist seine Frucht, die erst nach der Blüte entsteht. Daher muss der Standort von gentechnisch verändertem Raps sorgfältig ausgewählt werden. Um die Versuchsfelder herum wird ein Gürtel aus so genannter Mantelsaat angelegt- normaler Raps -, in der Hoffnung, dass nur diese kontrollierte Mantelsaat mit Pollen vom transgenen Raps befruchtet wird und keine anderen Pflanzen. Alle diese Beispiele zeigen, dass mit der Weiterentwicklung der Gentechnik Fragen aufgeworfen werden, die sich in der Vergangenheit so nicht gestellt haben. Ob die Probleme gemeistert werden können, bleibt offen. Offenbar ist die anfängliche Euphorie für diese neue Technik etwas abgeklungen. Die Praxis zeigt, dass sich in der Theorie vieles besser anhört, als es sich in der Wirklichkeit erweist. Doch die geschilderten Schwierigkeiten bei den gentechnischen Veränderungen in der Welt der Pflanzen sollen nicht darüber hinwegtäuschen, welch ungeheure Möglichkeiten in dieser verfeinerten Beherrschung des Erbguts stecken.
Gentechnische Versuche mit Raps im Freiland gelten im Vergleich zu anderen Kulturpflanzen als risikoreicher. In unseren Breiten gibt es viele mit dem Raps verwandte Arten, bei denen es zu einem ungewollten Gentransfer kommen könnte.
Die Lösung aller Rätsel?
Die Erkenntnis, dass alle Erbinformationen allein in der DNS gespeichert sind, und das in einem Kodierungssystem aus nur vier Bausteinen, das überdies universell gültig für alle Lebewesen auf der Erde ist, reizt die Forscher selbstverständlich, immer wieder nach neuen Wegen zu suchen, um Experimente durchzuführen. Letztendlich wird es zum Ziel, aus den vier Bausteinen künstlich hergestellte Abfolgen zusammenzubauen, um damit zum Beispiel völlig neue Proteine zu produzieren. Auch wäre es denkbar, mit dieser Technik neue Organismen entstehen zu lassen. Dazu müssten allerdings detailliert die Funktionen und vor allem das Zusammenspiel der einzelnen aktiven DNS-Abschnitte - der Gene - bekannt sein. Ein erster Schritt wäre es schon, die DNS der vorhandenen Organismen daraufhin zu untersuchen, wie sie in allen Einzelheiten das Geschehen in den Zellen steuert. Seit die Werkzeuge der Gentechniker zur Verfügung stehen - seit etwa dreißig Jahren -, bemüht man sich um dieses Wissen. Zunächst wird dabei untersucht, welche Abfolge die vier Bausteine A, T, C, G in der DNS besitzen. Allein dies ist schon keine leichte Aufgabe; denn selbst ein so relativ einfaches Lebewesen wie das Kolibakterium besitzt mehr als 4 Millionen Bausteine. Bereits eine Hefezelle hat 1,4 Millionen
Bausteine,
die
auf
16
Chromosomen
verteilt
sind.
Das
hochgesteckte Ziel der Gentechniker war es, alle Gene der menschlichen DNS aufzulisten und sie in ihrer Struktur vollständig zu analysieren: bei 3 Milliarden Bausteinen eine ungeheure Aufgabe. Geht man davon aus, dass die DNS in Abschnitten von je 20 000 Bausteinen unterteilt wird auf so einer Anordnung vermutet man im Durchschnitt je ein
Die Zerlegung der DNS soll die Strategien in der Natur weiter enträtseln helfen. Gen-Fragmente werden vervielfältigt, so dass man die Bausteinabfolge bestimmen kann.
Gen -, so hat man es mit 150 000 Bruchstücken zu tun. Und jedes dieser Bruchstücke muss auf die Abfolge der Bausteine extra untersucht werden. Im Februar 2001 war es dann endlich soweit: Die Summe der menschlichen Gene - das Genom des Menschen - wurde als entschlüsselt angesehen. Das geschah unter heftiger Konkurrenz zweier Wissenschaftlergruppen. Prinzipiell gibt es zwei verschiedene Strategien, den Code des Lebens zu entschlüsseln. Eine Methode geht dabei Schritt für Schritt vor. Ein Teil des menschlichen Erbguts wird Schritt für Schritt mit den entsprechenden Enzymen in immer kleinere Stücke geschnitten. Ein Enzym setzt immer nur an einer bestimmten Buchstabenabfolge an. Dann folgt ein anderes Enzym, das die DNS-Stücke an einer anderen Stelle weiter verkürzt usw. Man erhält schließlich Fragmente, die aus 500 Bausteinen bestehen. Diese werden anschließend entziffert. Wichtig dabei ist, dass durch dieses schrittweise Vorgehen die Reihenfolge der Abschnitte auf dem Chromosom immer bekannt ist. Nach dieser Methode gingen die Wissenschaftler des offiziellen Human Genome Project vor. Eine Privatfirma benutzte konkurrierend dazu ein etwas anderes Verfahren. Bei dieser sogenannten Schrotschuss-Methode wird das gesamte Erbgut auf einmal in kleinere Fragmente zerlegt, indem man alle Schneide-Enzyme hinzugibt. Aus diesem Fragmentgemisch bestimmt man die Abfolge der Bausteine. Anschließend wird allein durch Überlappung der Enden versucht, die Reihenfolge der Stücke festzulegen. Dabei allerdings kann es zu Fehlern kommen. Beim Schritt-für-Schritt-Verfahren des Human Genome Project weiß man genau, an welcher Position des Chromosoms sich die nun bekannte DNSSequenz befindet. Beim schnelleren Schrotschuss-Verfahren allerdings lässt sich die Lage des entzifferten Abschnitts nicht immer eindeutig bestimmen. Durch sich wiederholende Buchstaben passt er an verschiedenen Stellen des Erbguts. Deshalb ist diese Methode nicht ideal, die endgültige Lage lässt sich nur im Vergleich mit den Ergebnissen des langsameren, konventionellen Schritt-für-Schritt-Verfahrens festlegen. Doch egal, welche Methode die Wissenschaftler vorziehen, nur mit Hilfe von leistungsstarken Rechnern und der Bioinformatik war ein schnelles Vorankommen möglich. Und heute ist der genetische Code, den sonst nur die Zellen lesen können, über den Computer auch für den Menschen verfügbar. Herausgekommen ist eine Fülle von Daten, von Anfang bis Ende
nichts als die Buchstaben A, T, C und G in wechselnder Reihenfolge. Zwar wurde schon verkündet, dass das gesamte Genom des Menschen bekannt sei, aber realistisch geht man davon aus, dass mit Hilfe beider Analysemethoden erst etwa 95 Prozent des menschlichen Genoms entziffert sind. Und man hat festgestellt, dass in den Angaben etliche Fehler vorhanden sind. Aber die wichtigste Erkenntnis ist, dass es mit der Entschlüsselung der bloßen Abfolge der Buchstaben nicht getan ist. Man muss erst verstehen, welche Rolle die Buchstabenfolgen im menschlichen Körper spielen und was im Inneren einer Zelle passiert. Von einem Gen wird die Information Baustein für Baustein abgelesen. Ein Molekül, die Boten-RNS, entsteht.
Nur mit Hilfe von Maschinenautomaten und Computern ist es gelungen, das menschliche Genom zu entziffern.
Sie verlässt schließlich den sicheren Zellkern und macht sich auf den Weg zur Eiweißfabrik der Zelle. Auf diesem Weg wird die RNS verändert. Abschnitte werden herausgeschnitten, und die restlichen können neu arrangiert werden. So steht ein Gen letztendlich für viele Proteine, die in den Zellen zusammengebaut werden. Das Leben ist, so gesehen, das Zusammenspiel dieser Proteine. Und deshalb hat man mit der Analyse des menschlichen Genoms nicht viel gewonnen. Die neue Herausforderung geht weiter als die bloße Entzifferung der Buchstabenfolgen, sie heißt: Entschlüsselung des Proteoms, der Gesamtheit der im Körper hergestellten Proteine. Eine weitaus kompliziertere Aufgabe. Denn alle Techniken haben sich bis jetzt auf die Bestimmung der Buchstabenabfolge konzentriert. Dabei hat man bis jetzt nicht einmal alle menschlichen Gene in den Chromosomen gefunden. Schätzungen gehen von 30 000 bis 50 000 Genen aus. Die Buchstabenabfolge allein sagt noch nicht aus, welcher DNS-Abschnitt nun wirklich ein Gen ist und welcher inaktiv bleibt. Nur zwei Prozent des menschlichen DNS-Strangs sollen ja Gene sein. Erst wenn man die von ihnen kodierten Proteine und deren Zusammenspiel kennt, wird das Bild des Menschen komplett sein. Die ernüchternde Erkenntnis ist: Wenn man die Bausteinabfolge in der DNS kennt, weiß man noch nichts über die Funktion einzelner Abschnitte. Man weiß nicht, wie lang der genetisch aktive Teil ist, wie die Gene untereinander zusammenspielen; das alles muss danach untersucht werden. Kurz: Wir stehen erst am Beginn eines riesigen Forschungsabenteuers. Die Erforschung der Proteine in der Zelle ist nur mit der Entwicklung neuer Techniken möglich, die Aufklärung über die Struktur der Proteine geben. Erst jetzt beginnt man mit diesen Arbeiten. Ob am Ende der Erfolg steht, bleibt abzuwarten. Denn alle bisherigen Fortschritte bei der Erforschung der Genwelt haben - wie fast immer in der Wissenschaft - auch immer wieder neue Fragen aufgeworfen. Die DNS bestimmt den Aufbau und die Abläufe in unserem Körper - soviel ist sicher. Wie aber die einzelnen Abschnitte diese Steuerung übernehmen, weiß man nur in einigen wenigen Fällen, und auch da oft nur ungenau. Um diesen Vorgang bestimmen zu können, müssen alle der etwa 50 000 Abschnitte der menschlichen DNS, die Gene, einzeln untersucht werden. Man muss sie isolieren, sie in Zellen oder Bakterien einbauen und dort
ablesen lassen. Die Eiweiße, die auf ihre Anweisung hin produziert werden, müssen untersucht werden. Man muss herausfinden, warum dies geschieht, welche Vorstufe die produzierte Substanz für welchen anderen Prozess bildet usw. Allein um das zu erforschen, muss man die doch recht zeitaufwendigen Routineprozeduren für alle DNS-Abschnitte durchführen, und bei vielen weiß man überhaupt noch nicht, wie es angepackt werden soll. Man muss zum Beispiel wissen, welche Stoffe die Testzelle benötigt, um die Substanz, für deren Zusammenbau der spezielle DNS-Abschnitt die Information liefert, tatsächlich produzieren zu können. Viele DNSAbschnitte werden erst durch Produkte anderer DNS-Stücke »angeschaltet«. Hat man jedoch in seiner Testzelle nur den einen DNS-Strang untergebracht, so fehlt die Grundlage für dieses Zusammenspiel. Das dafür notwendige Gen sitzt nicht etwa gleich daneben, sondern findet sich irgendwo auf der 3 Milliarden Bausteine umfassenden DNS. Bekannt ist, dass einzelne Gene nur in einem bestimmten Zellenmilieu und unter bestimmten Bedingungen eingeschaltet - also abgelesen - werden. Das liegt auf der Hand, denn in jeder Zelle befindet sich ja die komplette DNS. Was eine Leberzelle also zu einer solchen macht, ist, dass in ihr nur bestimmte Abschnitte der DNS wirksam werden. In einer Hautzelle sind es wiederum andere usw. Dieses Zusammenspiel kompliziert das Problem noch einmal. So bedurfte es einer zehn Jahre langen Suche, bis das Gen geortet wurde, das den Veitstanz auslöst. Es liegt an der Spitze des Chromosoms 4. Ursache für die Erkrankung ist offenbar die sich wiederholende Kombination CAG. Im »normalen« Gen tritt sie 11- bis 34-mal auf. Das kranke Gen weist 37- bis 100-mal die Abfolge CAG auf. Es ist nicht bekannt, wodurch diese Krankheit verursacht wird. Zeigt sich die Abfolge CAG 80- bis 100-mal im Gen, dann weiß man nur, dass die Erkrankung früh in der Kindheit ausbrechen wird. Die Funktion der einzelnen Gene detailliert herauszufinden, ist also eine äußerst schwierige Aufgabe. Zudem arbeitet man heute bei der Sequenzierung mit DNS aus beliebigen Zellen und von unterschiedlichen Menschentypen. Will man die Unterschiede ausmachen, die sich ja irgendwo im Zusammenspiel der DNS wiederfinden lassen, bedeutet das eine noch detailliertere Analyse. Welche Aufgabe auf die Forscher wartet, zeigt sich bei dem genetischen Unterschied zwischen Schimpanse und Mensch. Dieser Unterschied in
den Genen ist offenbar sehr klein. Je nachdem, ob man einzelne Bausteine oder Sequenzen miteinander vergleicht, soll das Erbgut der Schimpansen zu 95 Prozent oder 98,8 Prozent mit dem des Menschen übereinstimmen - eine verblüffend geringe Differenz. Und doch sind wir geistig wie körperlich äußerst unterschiedlich. Die Ursache dafür wird darin gesehen, dass die Gene in den Organismen höchst unterschiedlich abgelesen werden und die Proteinchemie in der Zelle eine völlig andere ist. Die Entschlüsselung des Erbmoleküls - das Human Genome Project zeigte, dass der komplexe Mensch, verglichen mit einfacher gebauten Tieren, nur eine erstaunlich geringe Anzahl anderer Gene hat. Der Schlüssel zu unserer Entwicklung und unserem Körper liegt also nicht nur in der Abfolge der Bausteine des Erbmoleküls. Das Wissen darüber ist noch zu klein, um die menschliche Biologie zu begreifen. Die Produkte der Gene, die Proteine, bergen das eigentliche Geheimnis. Die Gene sind nur eine erste Grundlage. Der komplizierte Weg vom Gen zu funktionsfähigen Proteinverbindungen liegt jedoch größtenteils noch im Dunkeln. Sicher wird es irgendwann möglich sein, die biochemischen Funktionen von sehr vielen - vielleicht auch allen - DNS-Abschnitten verfolgen zu können. Die Frage ist aber offen, ob die Gene wirklich direkt alle Komponenten bestimmen, die einen Organismus ausmachen. Selbst wenn die äußerst schwierige Funktionsanalyse in Jahrzehnten oder Jahrhunderten einmal abgeschlossen sein sollte und auf diesem Gebiet das Wissen vollständig wäre, weiß man wahrscheinlich immer noch nicht, was genau ein Individuum zu einem solchen macht. Schon heute zeigen Beobachtungen an Zwillingen, dass ein Teil der Persönlichkeit von der Umwelt geprägt wird. Welchen Einfluss haben die Gene? Öffnen sie Fenster, um zum Beispiel Prägungen zu ermöglichen? Wie lange dauern diese Prägungsphasen? Unüberschaubar viele Fragen lassen sich stellen, und bei jeder gefundenen Teilantwort treten neue Fragen auf. Das Human Genome Project - die Aufschlüsselung der menschlichen DNS nach der Abfolge der Bausteine - ist nur ein kleiner Schritt, um das Geheimnis des Lebens zu erforschen. Aber es ist der Anfang für den Eintritt in eine neue Welt. Denn Hand in Hand mit der Analyse der Abfolge der Bausteine geht auch die Erweiterung des Wissens über die Funktion der Gene. Gene als Auslöser bestimmter Krankheiten werden identifiziert,
vielleicht auch Gene, die einen Menschen besonders empfindlich machen gegenüber bestimmten Substanzen in der Umwelt. Und: Gene spielen wahrscheinlich auch eine Rolle beim Verhalten eines Menschen. Selbst wenn klar ist, dass die Reduktion des Menschen allein auf das Zusammenspiel seiner Gene bei weitem kein vollständiges Abbild der Wirklichkeit ergibt, wird ständig versucht werden, das Wissen über die Einflusssphäre der Gene zu vergrößern. Und dieses Wissen könnte dazu benutzt werden, Menschen nach der jeweiligen Werteskala einer Gesellschaft einzuordnen. Fragen nach dem besseren oder tauglicheren Menschen werden wohl nicht ausbleiben - der Schritt zur Auswahl für bestimmte
Heute zeigt sich, dass nicht allein die Buchstabenabfolgen in den Genen die Unterschiede zwischen Affe und Mensch ausmachen. Die recht verschiedene Proteinchemie in den Zellen liefert dazu einen großen, noch unbekannten Anteil.
In der Kriminalistik gilt heute die Analyse der DNS als sicheres Beweismittel. Die inaktiven Bereiche der DNS zeigen markante Unterschiede zwischen den Menschen.
Aufgaben nach diesen Kriterien ist dann nicht mehr groß. Der »gläserne Mensch« - selbst mit allen naturwissenschaftlichen Einschränkungen über die Unvollständigkeit des Modells der Genwelt - wird eine weitere Herausforderung an das Zusammenleben in unserer Gesellschaft stellen. Eine Konsequenz aus der Gentechnik hat schon Eingang in die Kriminalistik gefunden: der genetische Fingerabdruck. Genaugenommen werden hier nicht die Gene - die aktiven DNS-Abschnitte - zur Identifizierung von Menschen herangezogen. Diese Gene sind ja recht ähnlich, denn die von ihnen bestimmte Biochemie einer Zelle muss ja bei allen Menschen gleich funktionieren. Ein Muster aus der restlichen, inaktiven DNS führt
zu einer bestimmten, nur auf ein Individuum passenden Struktur. In dem Anteil des Genoms, der nicht mit aktiven Genen besetzt ist, wiederholen sich bestimmte Elemente. Zur Identifizierung eines Genoms lässt man durch die uns schon bekannten Restriktionsenzyme die DNS in Fragmente zerschneiden. Etwa eine Million dieser DNS-Teilstücke werden dann im Gel mit Hilfe der Elektrophorese nach ihrer Länge getrennt. Dann sucht man mit einer DNS-Sonde beispielsweise die Abfolge ACACACAC, eine typische Folge der sich wiederholenden Elemente. Die Sonden sind chemisch oder radioaktiv markiert, so dass sich dem Beobachter von außen ein bestimmtes Muster, eine bestimmte Verteilung der sich wiederholenden Elemente bietet. Für jeden Menschen ist diese Abfolge in einer typischen Weise in seinem Genom verteilt. Deshalb kann man - wie bei einem Fingerabdruck- Personen damit identifizieren. Diese Möglichkeit der Erkennung ist wegen ihrer Eindeutigkeit inzwischen bei den Gerichten anerkannt. Wenn eine bestimmte Abfolge der Bausteine in der DNS genetisch aktiv ist, so bedeutet dies immer, dass nach dieser Anweisung ein Produkt hergestellt werden kann. Man weiß, dass es mehrere 100000 solcher Proteine geben muss, die in den Zellen produziert werden. Aber die 20 Aminosäuren, die die Proteine bilden, lassen noch weitaus mehr Kombinationen zu, so dass auch völlig neue und für uns unbekannte Eiweiße zusammengesetzt werden könnten. Um dieses Ziel zu erreichen, geht man heute noch von den bekannten Proteinen aus und versucht, neue Eigenschaften durch leichte Veränderungen zu erhalten. In vielen Organismen finden sich Eiweiße, die ganz erstaunliche Eigenschaften besitzen. So können zum Beispiel bestimmte Bakterien in sehr heißen Quellen leben, wobei ihre Proteine diese hohen Temperaturen offenbar aushalten. Durch Kombination dieser Eigenschaften mit anderen Proteinen kann man zu völlig neuen Produkten kommen, zum Beispiel zu Enzymen in Waschmitteln, die dann auch bei sehr hohen Temperaturen wirksam sind. Vielleicht wird bald auch der nächste Schritt möglich sein, künstlich DNSStränge zusammenzustellen, die im Zusammenspiel miteinander so etwas wie einen neuen Organismus bilden - ein Versuch, die Natur neu zu »designen«. Praktiziert wird heute schon die Entwicklung von Mäusen nach den Vorgaben des Menschen. Bei der sogenannten Knock-out-Maus
wird gezielt ein bestimmtes Gen in der DNS ausgeschaltet, das, wenn es einen Defekt aufweist, zu einer bestimmten Krankheit führt. Diese Mäuse dienen dann als lebende Modelle zum Studium des Krankheitsverlaufs und zum Test von Arzneimitteln. Das Genom - der komplette DNS-Strang - befindet sich in jeder Zelle unseres Körpers. Aber in unterschiedlichen Zellen sind nur bestimmte Gene »angeschaltet«. Nach ihren Anweisungen werden dann die entsprechenden Proteine hergestellt. In einer Blutzelle zum Beispiel Hämoglobin, in einer Leberzelle das Albumin. Zum Ausschalten werden wiederum Eiweiße benutzt. Am Anfang eines Gens, das eingeschaltet werden soll, befinden sich bestimmte DNS-Abschnitte - die sogenannten Promotoren -, die bewirken, dass der Ablesevorgang beginnt. Diese Promotoren müssen beim Gentransfer zur Verfügung stehen, wenn ein Fremdgen angeschaltet werden soll. Deshalb wollen ja auch die Genforscher ihren eingebrachten DNS-Abschnitt so gerne hinter diesen von der Zelle akzeptierten Sequenzen plazieren. Nur mit den Promotoren können sie die Wirkung des eingebrachten Gens entfalten. Aber man kann Gene auch inaktivieren. Dazu lagern sich in der Zelle dicht neben dem Promotor wiederum Proteine an. Diese Repressoren verhindern das Ablesen der Information. Dieses filigrane Zusammenspiel in der DNS-Welt macht die Genforschung komplizierter. Unerwünscht ist es zum Beispiel, wenn sich durch die Produktion neuer Proteine in einer Zelle durch die Aktivität der Promotoren plötzlich Wachstumsgene anschalten. Dann vermehren sich die Zellen unkontrolliert - es entsteht Krebs. In den letzten zehn Jahren hat man immer mehr der sogenannten Krebsoder Onkogene entdeckt. Nach diesen Untersuchungen entsteht im Körper Krebs, wenn bestimmte Gene an- oder ausgeschaltet werden. Über sechzig dieser Gene sind bekannt. Ein Krebsgen wird erst durch Mutation - durch eine Veränderung auf der DNS - zu einem solchen. Ein Ziel in der Krebsforschung ist es, diese Gene zu blockieren - eine schwierige Aufgabe, denn wiederum hat nicht die Veränderung nur eines Gens automatisch das Krebswachstum zur Folge. Erst wenn mehr als eines dieser Onkogene angeschaltet ist, werden die Zellen zum unkontrollierten Wachstum gebracht. Wünschenswert ist dies allerdings, wenn man Körperzellen im Reagenzglas vermehren will. Durch das Anschalten der
Wachstumsgene kann man so Zellen, die sich normalerweise nicht teilen, in einer Nährlösung »unsterblich« machen. Die große Frage bei allen Genmanipulationen ist, wie man das gewünschte Gen im Genom unterbringt. Werden Viren als Vektoren benutzt, so hat das seine Grenzen. Versuche mit Viren, die bevorzugt Infektionen in der Lunge hervorrufen und deshalb gut dafür ausgelegt sind, in diesem Organ in die Zellen einzudringen, zeigen, dass man sie nur wenige Male als Genfähren - mit dem Fremdgen beladen - benutzen kann. Der Empfänger zeigt nach einigen Versuchen Abwehrreaktionen im Immunsystem gegen diese Viren. Um den Gentransfer bei Patienten mit Mukoviszidose zu ermöglichen, werden deshalb Adenoviren, die regelrecht darauf spezialisiert sind, in die Lungenzellen zu gelangen, so umgebaut, dass sie zwar ihre Eigenschaft, in die Lungenzellen vorzudringen, beibehalten, ihre infektiöse Seite jedoch unterdrückt ist. Später will man dann die so veränderten Viren mit dem entsprechenden Gen beladen und dem Patienten in die Lunge sprühen. Solche Viren werden auch mit sogenannten Selbstmord-Genen beladen, die sich durch die Produktion bestimmter Eiweiße - dann, wenn sie außer Kontrolle geraten oder nicht mehr gebraucht werden - anschalten und sich selbst vernichten. Das große Problem ist, dass man nicht genau weiß, wo das Virus das Fremdgen plaziert. Denkbar ist, dass es an einer Stelle verankert wird, an der es die normalen Abläufe stört und zum Beispiel Krebs auslöst. Der Einsatz von Retroviren als Genfähren ist kritisch, denn sie funktionieren nur in sich teilenden Zellen und können außer Kontrolle geraten. Auch Liposomen winzige Fettbläschen - werden für den Gentransport ausprobiert. Die an sie gekoppelten Gene sollen so ihren Weg zum Beispiel zu einem Melanom finden und die Tumorzellen direkt bekämpfen. Projekte also gibt es viele. Wie schwierig die Wege sind, die beschritten werden müssen, zeigt jedoch das folgende Beispiel: Quallen besitzen Gene, deren Produkte unter bestimmten Bedingungen leuchten. Mäusen wurden versuchsweise solche Quallengene eingesetzt. Ihre Zellen leuchteten tatsächlich wie bei der Qualle auf, wenn man sie mit UV-Licht bestrahlte. Dieses Leuchtgen soll zur Zellmarkierung eingesetzt werden, um im Labor deren Entwicklung verfolgen zu können. Erste Versuche gab es auch bei Affen. Letztendlich will man mit den Leuchtgenen einen weiteren Schritt in Rich-
tung
Keimbahntherapie
an
unserem
nächsten
Verwandten machen. Koppelt man an ein Reparaturgen das Leuchtgen der Qualle, so ließe sich der Weg und die Aktivität dieser Gene während der Embryonalentwicklung
verfolgen.
Dem
Rhesusäffchen ANDI wurde in einem Versuch das Quallengen eingesetzt. Aber das Gen arbeitete nicht in allen Zellen. Und: Bei diesem Experiment kam es zu
einigen
Totgeburten.
Je
komplexer
der
Organismus ist, um so weniger erfolgreich scheinen die gentechnischen Eingriffe zu sein. Diese Einsicht wurde schon mit anderen in diesem Buch erwähnten Versuchen gemacht. Auch bei dem Experiment mit den Leuchtgenen zeigt sich, dass wir noch weit davon
entfernt
sind,
die
Abläufe
während
der
Embryonalentwicklung zu verstehen. Der letzte Schritt, Eingriffe in einen menschlichen Fötus zu versuchen, könnte fatale Folgen haben. Wenn aber schon bei unseren nächsten Verwandten, den Affen, so tief in die Erbinformation eingegriffen wird, dann stellt sich die Frage, ob man nicht doch einmal das Ziel angeht, einen neuen Menschen zu »designen«. Heute wehrt man sich gegen die Eingriffe in die Keimbahn deshalb, weil ja kaum etwas über das Wechselspiel der Gene - vor allem während der Entwicklung - bekannt Diese leuchtende Maus haben japanische Wissenschaftler gezüchtet, indem sie das Leucht-Gen von Quallen in die befruchtete Mäuse-Eizelle gebracht haben.
ist. Außerdem ist bei der Veränderung eines Gens im Anfangsstadium der Entwicklung nicht abzuschätzen, welche Auswirkungen das auf den fertigen Organismus haben wird. Vor allem ist nicht klar, wie sich ein solch verändertes Gen in nachfolgenden Generationen auswirken könnte. Wäre das alles überschaubar, könnte man versuchen, einen »idealen Menschen« zu konzipieren. Je nach Zusammenstellung der entsprechenden Gene würde man dann diesen oder jenen Menschen realisieren. Lassen wir einmal außer acht, dass die Gene wahrscheinlich nur das Grundgerüst eines Menschen bestimmen und es auch andere Faktoren
gibt, von denen abhängig ist, was einen Menschen ausmacht. Dann bleibt die Frage, was nun - genetisch gesehen - ein »idealer Mensch« ist. Wer entscheidet darüber, welcher »Typ« gefragt ist? Den Menschen nach Maß zu konstruieren setzt voraus, dass zunächst die Analyse des gesamten Genoms erfolgt. Dann muss man die Funktionsanalyse betreiben, die äußerst schwierig ist und für die es heute nur in wenigen Fällen wissenschaftliche Strategien gibt, wie man das tun soll. Und es gibt noch viele Rätsel auf diesem Gebiet: Betrachtet man die Embryonalentwicklung, so besitzen wir in dieser Phase im äußeren Erscheinungsbild eine verblüffende Ähnlichkeit mit anderen Organismen. Erst mit Abschluss dieser Entwicklung bildet sich der große Unterschied aus. Ein Zeichen dafür, dass sich in der Zellchemie in diesem letzten Zeitabschnitt viel abspielt. Man weiß zudem, dass es weniger Gene als Eigenschaften gibt - ein Gen bestimmt also offenbar mehrere Eigenschaften. Bei der Festlegung der Augenfarbe allerdings sind mehrere Gene beteiligt. Will man einen Menschen regelrecht konstruieren, so mag das irgendwann in wenigen Teilbereichen gelingen. Aber nur bei den erblich bedingten Eigenschaften, die Auswirkungen auf unser erkennbares Erscheinungsbild haben. Durch Ausfall von bestimmten Genen kommt es zu Missbildungen oder Funktionsveränderungen, wodurch dann die Rolle der beteiligten Gene offenbart wird. Gezielte Experimente am Menschen verbieten sich hier von selbst, erreichen kann man das höchstens begrenzt in Tierversuchen. Wie aber will man differenzierte Eigenschaften erkennen, die von den Genen abhängen? Dabei gilt noch immer der etwas lapidare Satz: Eine Maus kann kein Klavier spielen, was heißen soll, dass nur grobe Funktionsveränderungen im Tiermodell überhaupt erkennbar werden. Will man einen Menschen grundsätzlich verändern, müsste man mit der Entwicklung der Eizelle beginnen. Aber dieser Eingriff in die Keimbahn ist äußerst riskant, weil man nicht weiß, wie ein eingebrachtes Fremdgen die Proteinchemie in der Entwicklungsphase beeinflusst. Auf der einen Seite gibt es Horrorvisionen darüber, was mit der Gentechnik alles möglich sein soll. Dann wiederum zeigt sich, dass vieles biologisch überhaupt nicht möglich ist. Dennoch wirft die Gentechnik genügend neue gesellschaftliche und ethische Probleme auf, wie einige der geschilderten Beispiele gezeigt haben.
Das Geheimnis des Lebens
Als die Erde vor 4,5 Milliarden Jahren entstand, war sie ein Inferno. Es herrschten keine guten Bedingungen für organische Moleküle, aus denen ja letztlich das Leben entstanden sein muss. Dadurch erschwert sich die Beantwortung einer der großen Fragen, die schon seit jeher die Menschen bewegt hat: Wie ist das Leben entstanden? Will man versuchen, dieses Rätsel innerhalb der naturwissenschaftlichen Modellvorstellungen zu lösen, so muss zum Beispiel geklärt werden, wie es zur Entstehung der DNS kam, des Moleküls, das alle Erbinformationen gespeichert hat. Bemerkenswert ist schließlich, dass die Struktur der vier Grundbausteine, aus denen sie besteht, in allen Organismen gleich ist. Schon das ist ein Hinweis auf eine gemeinsame Entstehungsgeschichte aller Lebewesen auf der Erde. Nach der Vorstellung der Molekularbiologen findet, vergleichbar mit der Evolution der Lebewesen im Großen, auch im Kleinen - im molekularen Bereich - eine »Evolution« statt. Parallel zur physikalischen Theorie über die Entstehung des Universums, bei der von nur einer Sorte der Teilchen (und Kräfte) ausgegangen wird, setzt man auch in der Biologie voraus, dass zu Beginn des Lebens Einfachheit herrschte. Es wäre auch mit unseren Erfahrungen kaum vereinbar, dass etwas so Kompliziertes, wie es ein Lebewesen darstellt, urplötzlich - auf einen Schlag - auftauchte. Besser in unsere Vorstellungskraft passt es, wenn sich aus den einzelnen Bausteinen langsam die Moleküle aufbauten und organisierten, auf denen das Leben beruht. Das ist zudem die Grundidee der Evolutionstheorie von Darwin, die eine stetige Entwicklung bei den fertigen Organismen annimmt.
Spekulationen über den Beginn des Lebens auf der Erde gibt es viele. Experimente im Labor sollen die möglichen Anfangsbedingungen simulieren.
In groben Zügen stellt sich für Naturwissenschaftler der Weg zum Leben so dar: Der »biologische Urknall« beginnt im frühen Stadium unserer Erde, bei der - so glaubt man - Wasser, Kohlendioxid, Ammoniak und Methan vorhanden waren. Leben, auf der Molekülebene betrachtet, bedarf der Existenz von organischen Molekülen, die vor allem aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff zusammengesetzt sind. Betrachtet man die unwirtliche Erde vor 4,5 Milliarden Jahren, so müssen unter diesen Bedingungen irgendwann diese für das Leben notwendigen organischen Moleküle - zum Beispiel Aminosäuren - entstanden sein. Ein guter Schritt vorwärts in einer Theorie wäre es schon, wenn man herausfinden könnte,
wie sich die Aminosäuren, die Bausteine der Proteine, aus den anfänglich vorhandenen Stoffen - der Ursuppe - gebildet haben. In den Labors wurden immer wieder verschiedene Szenarien zusammengestellt, um diesen Schritt der Natur nachvollziehen zu können. Wichtig dafür ist es, sich ein Bild vom Aufbau der frühen Erdatmosphäre zu machen. Eine Vorstellung geht davon aus, dass Methan (CH4), Ammoniak (NH3), Wasserstoff und Wasser vorhanden waren, alles Substanzen, die in den organischen Molekülen und auch in der DNS gefunden werden. 1953 konnte Stanley L. Miller als junger Student an der Universität von Chicago erste Erfolge bei Experimenten mit einer solchen Ursuppe verzeichnen. Er stellte die Erde in ihren Anfängen als Modell in einem Glaskolben seines Labors nach seinen Vorstellungen zusammen. Eine Mixtur aus den genannten Stoffen und anderen Zusätzen wurde erhitzt und gleichzeitig Funkenentladungen ausgesetzt. Die Funken stellten die Urgewalt des Blitzes dar, die elektrische Heizung den Einfluss der vulkanischen Tätigkeit, das Wasser simulierte die Ozeane, und die Gase ergaben die Atmosphäre. Nach einigen Tagen waren in dieser Modell-Ursuppe tatsächlich Aminosäuren - die gesuchten Bausteine für die Proteine - nachzuweisen. Aber nicht allein sein komplexer Aufbau macht das Molekül des Lebens aus. Eine weitere Voraussetzung muss erfüllt sein: Es muss sich vervielfältigen können. Denn Reproduktion ist ein fundamentales Kennzeichen des Lebens. Ein denkbares Modell über den Mechanismus, der dies ermöglicht, beginnt mit der zufälligen Bildung eines solchen komplexen Moleküls. In dieser Vorstellung schwimmen in der Ursuppe unzählige Bausteine, aus denen sich das Molekül schließlich zusammengesetzt hat. Nach den Regeln der Chemie könnten sich jetzt an dieses Molekül jeweils Bausteine anlagern, die eine besonders passende Konfiguration für eine bestimmte Stelle des Molekülstrangs aufweisen. Diese »Aura« des Moleküls wird zum Beispiel von der elektrischen Ladungsverteilung des Bausteins und des Molekülabschnitts bestimmt. Nach und nach findet sich dadurch eine Kette von Bausteinen zusammen, die in bestimmter Weise mit dem Urmolekül übereinstimmt und deren Aufbau von ihm abhängig ist. Dann lagert sich an dieser Kette nach dem gleichen Prinzip eine weitere Kette an usw. In der anorganischen Chemie kann man eine solche regelmäßige Aneinanderreihung von Bausteinen
In der Uratmosphäre unserer Erde sollen sich die Moleküle des Lebens und damit letztendlich die DNS gebildet haben. Blitze lieferten die Energie für diesen Prozess.
Die äußere Form eines Kristalls ist eng mit seinem atomaren Aufbau verknüpft. So spiegelt auch beim Diamanten die geometrische Form im Großen die Aneinanderlagerung der Atome im Kleinen wider. Diese Ordnung wird von den Bindungskräften der Atome bestimmt. Vielleicht haben sich auch DNS-Moleküle allein nach diesen Regeln gebildet und vervielfältigt, indem sie sich als Moleküllagen abgelöst haben.
leicht verfolgen. Bei einem Kochsalzkristall zum Beispiel lagern sich die Natrium- und Chlorionen nach den Gesetzmäßigkeiten an, die ihnen ihre elektrischen Ladungsverteilungen aufzwingen. Die mikroskopisch kleine Baustruktur ist hier sogar im Großen zu verfolgen; denn auch bei Millionen solcher gewachsener Kristallschichten geschieht der Aufbau nach denselben Regeln und offenbart sich uns, sobald wir bei entsprechender Größe das Produkt mit dem Auge erkennen können. Bei unserem Lebensmolekül
muss
man
zusätzlich
einen
Ablöseprozess
der
entstandenen Kopien des Urmolekülstrangs annehmen. Diese Kopien können nun ihrerseits wieder als Original dienen, so dass sich der Vermehrungsprozess in kurzer Zeit entscheidend beschleunigen lässt. Wahrscheinlich ist, dass bei dieser Aneinanderlagerung von Bausteinen aus der Ursuppe auch Molekülstränge entstehen, die nicht identisch sind und etwas voneinander abweichen. Allein
stabile
Anordnungen
können
weiterexistieren. Je
stabiler der Molekülstrang ist, um so stärker kann er sich ausbreiten. Letztendlich finden sich so in der Ursuppe Moleküle, die zumindest eine Voraussetzung dessen, was wir Leben nennen, erfüllen - sie reproduzieren sich.
Die darauffolgenden Entwicklungsstufen des Lebens liegen zwar auch noch weitgehend im Dunkeln, es gibt darüber aber viele Spekulationen: Über die Jahrtausende könnten sich zum Beispiel Molekülketten ausgebildet haben, die sich mit Schutzschichten aus anderen Molekülen umgaben, so dass mit dieser Methode die Stabilität- oder die Chance zum Überleben größer wurde. Um den Bedarf an den knapper werdenden Bausteinen in der Ursuppe für die weitere Vervielfältigung decken zu können, haben sich vielleicht Mechanismen entwickelt, die es dem dominierenden Molekül erlauben, andere Kombinationen aufzuspalten und die dabei frei werdenden Bausteine für den Zusammenbau eines Moleküls der eigenen Art zu benutzen. Dieses simple Szenario erklärt selbstverständlich nicht die Entstehung des Lebens. Aber es zeigt die Richtung an, in die Wissenschaftler denken und wie sie sich in etwa den Weg der molekularen Evolution vorstellen. Dass dieses Gedankenspiel die Zusammenhänge nur recht grob nachzeichnen kann, liegt auch daran, dass unsere wissenschaftliche Modellvorstellung über die Abläufe in der Welt ungeheuer vereinfacht ist, und es zeigt überdies, wie wenig wir über die komplexen Vorgänge im Universum wirklich wissen. Die Spekulationen können übrigens noch weiter getrieben werden. Das dominierende Urmolekül könnte die DNS gewesen sein. Das würde zum Beispiel erklären, warum die DNS so universell ist und sie bei den unterschiedlichen Organismen kaum Abweichungen zeigt - der Unterschied zwischen der menschlichen DNS und der DNS eines Regenwurms ist ja nicht allzu groß. Weil es so wenig experimentelle Anhaltspunkte für die Entstehung des Lebens gibt, sind auch die Theorien recht zahlreich. Wie groß die Unsicherheiten dabei sind, zeigt das folgende Beispiel: Eine wichtige Voraussetzung für die Bildung von Aminosäuren in der Ursuppe ist, dass das Methan seinen Kohlenstoff für diese organischen Verbindungen freistellt. Für diese Theorie über die Entstehung der organischen Moleküle ist überdies entscheidend, dass relativ viel Methan zur Verfügung stehen muss. Mit den Jahren veränderten sich jedoch die Vorstellungen der Wissenschaftler darüber, aus welchen Stoffen sich die frühe Erdatmosphäre zusammengesetzt haben könnte. Ergebnisse aus der Weltraumforschung ließen die Zweifel darüber größer werden, ob zu Anfang der Existenz unserer Erde wirklich so viel Methan und Ammoniak in der Atmosphäre
Am Anfang ihrer Entwicklungsgeschichte war die Erde ein Inferno. Die Atmosphäre wechselte ständig ihre Zusammensetzung, Asteroiden trafen auf die Oberfläche, und glühende Lava drang aus dem Erdinneren. Keine guten Bedingungen für die Entstehung von Leben.
vorhanden waren. Vergleiche mit Mars und Venus zeigen, dass es wahrscheinlicher ist, anzunehmen, dass Kohlendioxid (CO 2) anstelle des Methans (CH4) große Anteile der Atmosphäre ausmachte. Außerdem war die Erde zu dieser Zeit sehr warm - ein Hinweis auf den Treibhauseffekt bei viel CO2 in der Atmosphäre. Auch zeigte sehr altes Gesteinsmaterial auf der Erde keine Karbonatablagerungen, so dass auch von dieser Seite der Schluss plausibel klingt, dass eher Kohlenstoff als CO2 in der Atmosphäre zu finden war. Dieser Trend, die Zusammensetzung der frühen Atmosphäre anders zu betrachten, brachte die Forscher in Schwierigkeiten. Denn jetzt mussten sie ihre kunstvoll zusammengesetzten Ursuppen in den Labors abändern. Die größte Veränderung machte dabei das Ersetzen des Methans durch das Kohlendioxid aus. Aus dem Kohlendioxid mit seinen stark die Elektronen festhaltenden Sauerstoffatomen den Kohlenstoff für die organischen Moleküle freizusetzen, ist weitaus schwieriger als aus dem Methan. Dieser Prozess, der mit Methan so leicht verläuft, erweist sich hier als äußerst
kompliziert und unter den gegebenen Bedingungen als eher unwahrscheinlich. Schnell kam die Frage auf, ob denn überhaupt das Leben auf der Erde seinen Ursprung hatte. Möglich wäre ja auch, dass das Leben aus der Tiefe des Weltalls zu unserem Planeten gelangt ist. In den sechziger Jahren hatte man über Spektralanalysen organische Moleküle im Universum entdeckt. Auch Proben aus Meteoriten zeigten organische Moleküle, ja sogar Aminosäuren. Die Erde wurde zudem während einer Periode ihrer. Entwicklung bis vor 3,8 Milliarden Jahren sehr häufig von Asteroiden, Meteoriten und Kometen getroffen. Könnte es deshalb nicht sein, dass zum Beispiel die Kometen das Leben - die organischen Moleküle - zur Erde gebracht haben? Sicher ist, dass diese Moleküle - hätte es sie in den Kometen gegeben im direkten Aufschlagsbereich eines nachfolgenden Meteoriten in der entstehenden Hitze sofort zerstört worden wären. Aber wäre es nicht möglich, so fragen einige Forscher, dass in den begleitenden Staubwolken organische Moleküle intakt blieben und so die Erde mit den Grundvoraussetzungen für das Leben ausstatteten? Im Eisschild Grönlands wurde deshalb nachgeprüft, ob kosmischer Staub, der vor 4000 Jahren auf die Erde niederging, organische Moleküle enthielt - das Ergebnis war negativ. Ein Hinweis darauf, dass dies für den Staub, der vor 3 Milliarden Jahren die Erde erreichte, höchstwahrscheinlich auch gilt und sich so die Theorie über den außerirdischen Ursprung des Lebens nicht halten lässt. Viele Wissenschaftler meinen zudem, dass es ohnedies vernünftiger wäre, den Ursprung dieser Moleküle auf der Erde selbst zu suchen. Denn physikalische und chemische Bedingungen machen es grundsätzlich unwahrscheinlich, dass das Leben aus dem Weltraum kam. Die in einer frühen Zeitperiode zahlreich auftreffenden Meteoriten und Asteroiden haben allerdings einen Nachteil für die Theorie über die erdgebundene Entstehung des Lebens: Sie könnten zu dieser Zeit durch ihre Zahl und die Energie der Einschläge alle Anfänge des Lebens ausgelöscht haben. Zusammen mit dem Problem der Kohlendioxid-Atmosphäre steckten daher alle Spekulationen über die Entstehung des Lebens in großen Argumentationsschwierigkeiten. Wenn die Decke der experimentellen Daten äußerst dünn ist, blühen auch in der Wissenschaft die Theorien, und die Kämpfe zwischen den Verfechtern der einzelnen Schulen werden äußerst heftig geführt.
Nach einer Theorie sollen Kometen das Leben auf die Erde gebracht haben. Kometen - wie hier der »Kohoutek« - können prinzipiell organische Moleküle enthalten.
Weil beginnendes Leben auf der Erde durch das Bombardement aus dem Weltall so gefährdet war, musste man Nischen auf unserem Planeten suchen, die davon verschont blieben und in denen die Entwicklung aus einer Ursuppe ablaufen konnte. Aus Fossilienfunden weiß man, dass die ersten Mikroorganismen, die Photosynthese betrieben, vor rund 3,5 bis 4 Milliarden Jahren auftauchten. Es waren Bakterien, die den noch heute vorhandenen Cyanobakterien ähnelten. Diese frühen Organismen bauten seltsame Strukturen aus Ton und Sand - Stromatolithen -, wie sie sich an den Küsten der warmen Gewässer auch heute noch entwickeln können. Bakterien stehen auf der Stufe der Evolution der Organismen im Anfangsbereich. Sie zeigen eine erstaunliche Fertigkeit im Überleben. Bei Tauchfahrten mit Tiefseebooten hat man in drei Kilometern Tiefe Bakterien ent-
deckt, die in extrem heißem Wasser - in den sogenannten »Vents« - leben können. Dieses Wasser wird geo-thermisch, durch das heiße und glühende Erdinnere aufgeheizt. Hier nun, sagen einige Wissenschaftler, konnten sich - durch den hohen Druck und die Hitze - die Reaktionen abspielen, die zu den ersten organischen Molekülen führten. In diesen heißen Unterwasserschloten entstehen auch verschiedene Mineralien. Eines davon, das Pyrit (FeS2) oder Narrengold, soll sich - so eine The-orie - besonders gut eignen, um organische Moleküle entstehen zu lassen. Pyrite binden an ihrer Oberfläche organische Moleküle, und sie geben auch gerne Elektronen ab - eine gute Voraussetzung, um das Kohlendioxid zu reduzieren und so den Kohlenstoff für die Bildung der organischen Moleküle freizumachen. Das wäre - nach dieser Theorie - auch die Quelle der Energie, um diese Prozesse überhaupt kontinuierlich ablaufen zu lassen. Die organischen Moleküle würden sich an den Pyriten organisieren, so dass letztendlich ein komplexes Molekül entstehen könnte. Dagegen wird eingewendet, dass die Vents durch die tektonischie Tätigkeit der Erde nicht lange genug an einem Ort existieren konnten, um organische Moleküle in großer Zahl und dazu noch systematisch aufzubauen. Zudem müsste dieser Vorgang auch heute noch - zumindest in Vor- und Zwischenstufen - zu beobachten sein, was sich aber durch Untersuchungen nicht bestätigen ließ. Nach einer anderen Theorie soll Ton die Rolle des Pyrits übernehmen. Ton kristallisiert in Teilbereichen - auch da lagern sich Moleküle nach bestimmten Regeln an. Organische Moleküle sollen dabei - als Begleiterscheinung - zu komplexen Strukturen gewachsen sein. Und nach einer wiederum anderen Theorie soll sich diese Bildung der komplexen organischen Moleküle in Schaumblasen der Ursuppe vollzogen haben. Membranen, wie sie beim Wachstum von Kristallen in einer gallertartigen Masse - im »chemischen Garten« - üblich sind, sollen dabei geholfen haben, die organischen Moleküle entsprechend zu arrangieren. Diese
In Vents - aus vulkanischen Quellen aufsteigendem heißem Wasser in der Tiefe des Ozeans -soll nach einer Theorie das Leben entstanden sein. Unter diesen extremen Bedingungen können zwar Bakterien leben, aber ob hier der Ursprung des Lebens liegt, bleibt zweifelhaft.
Pyritkristalle nehmen in einer Theorie über die Entstehung des Lebens eine zentrale Position ein. An ihnen sollen sich die ersten Moleküle des Lebens gebildet haben. Der im Pyrit enthaltene Schwefel soll dabei als Energielieferant eine wichtige Rolle gespielt haben.
Blasen könnten sich auch in den Vents gebildet haben, was dann einige dieser Theorien wieder zusammenführen würde. Aber egal, welcher Spekulation über die Entstehung und Anlagerung der organischen Moleküle man eher zuneigt, oder ob nun diese Moleküle aus dem Weltall kamen oder irgendwie auf der Erde entstanden: Offen bleibt bis jetzt, wie letztendlich das DNS-Molekül entstand. Dazu kommen noch andere Fragen. Was war zuerst da: die Proteine oder die DNS bzw. die RNS, die ja als Bote für den Bau von Proteinen, die Aneinanderlagerung von Aminosäuren, gilt? Diese Frage ist vergleichbar mit der Frage nach dem zeitlichen Auftreten von Henne und Ei. War zuerst die RNS als Vertreterin der genetischen Information vorhanden, aus der sich dann die anderen Vorgänge entwickelten? Oder gab es erst die Proteine, die als Enzyme zum Beispiel die RNS schneiden, sie aufbauen und den gesamten Metabolismus liefern, das Energiesystem des Organismus, der über Auf- und Abbau von Proteinen funktioniert? Und wie hat sich daraus die
DNS entwickelt? Die Proteine brauchen wiederum die DNS, um sich nach ihren Anweisungen aus den Aminosäuren aufbauen zu können. Bezieht man die Henne-Ei-Frage auf die RNS und die Proteine, so hat sich die Antwort in den letzten Jahren zugunsten der RNS verschoben. Es wurde entdeckt, dass sich die RNS auch ohne Hilfe von Proteinen selbst schneiden und aufbauen kann. Im Labor hat man diese RNS-Moleküle einem »Selektionsdruck« unterworfen, indem man die äußeren Bedingungen entsprechend veränderte. Je nach Variation dieser Parameter erwiesen sich dann bestimmte RNS-Moleküle im Vergleich stabiler zu anderen. Die bestimmenden Kräfte dabei sind chemische Bindungsmöglichkeiten. Wie in der Evolution der Lebewesen »überleben« jene RNS-Moleküle, die sich als die »fittesten« erweisen: Darwins Vorstellungen im Mikrokosmos der Moleküle. Aber auch hier bleibt die Frage offen, wie überhaupt die Bausteine der RNS entstanden sind. Die Vervielfältigung der RNS ist im Labor nur mit zahlreichen anderen Hilfestellungen zu erreichen. Zum Beispiel muss man ihr dazu immer wieder fertige Proteine anbieten. In der Natur müsste sie das jedoch ohne diese vorgefertigten Bausteine schaffen, allein aus den vorliegenden Einzelmolekülen. Es gibt also nur äußerst ungesicherte Theorien darüber, wie die Natur zu dem Molekül des Lebens gekommen ist. Findet man einen Weg, letztendlich ein Molekül aufzubauen - ob nun eine RNS oder DNS -, das sich gegen alle anderen Variationen durchsetzen konnte, so muss es bestimmte Eigenschaften zeigen, wie die Fähigkeit zur Reproduktion. Es muss Schäden reparieren können und auf Einflüsse von außen reagieren. Zudem hat man mit diesem Molekül noch lange nicht den Weg zum primitiven Organismus gefunden. Zellen sind der nächsthöhere Baustein des Lebens. Aus ihnen besteht jeder lebende Organismus, und in ihnen sind alle Abläufe des Lebens organisiert - prinzipiell gleich für alle Organismen. Eine Zelle ist von einer Zellhaut umgeben, die die Zelle von ihrer Umgebung abschirmt, aber dennoch erlaubt, dass Substanzen mit der Umgebung ausgetauscht werden können. Anders ist das eng verknüpfte Leben in einem Organismus - in einem Zellverband nicht denkbar. Wahrscheinlich waren die ersten Zellen, die sich in der Ursuppe bildeten, Bakterien, die zum »Leben« die Eiweiße der Ursuppe benutzten. Aus ihnen könnten sich einzellige Algen entwickelt haben, die über die Photosyn-
these plötzlich Sauerstoff abgaben. Der Sauerstoffgehalt der Ozeane und damit letztendlich der Atmosphäre stieg, so dass sich höher organisierte Lebewesen ausbilden konnten, die den Sauerstoff für ihre Art der Energieumwandlung - durch die Atmung - benutzten. In dieser Phase, die vor etwa 600 Millionen Jahren begann, konnte dann die Evolution im Großen ablaufen - bis hin zum Auftreten des Menschen vor wahrscheinlich 2 Millionen Jahren. Auch die Analyse der DNS unterstützt diese Evolutionstheorie. Betrachtet man die DNS der einzelnen Organismen genauer, so sind sie sehr eng miteinander verbunden. Abgesehen von der erstaunlichen Tatsache, dass die vier Bausteine A, T, G, C in jedem Organismus gleich sind, stimmen auch die verantwortlichen Gene eng miteinander überein. Ein Gen, das die Anweisung für die Produktion eines bestimmten Eiweißes in einem Bakterium gibt, tut das auch in einer menschlichen Zelle. Der Unterschied liegt offenbar in der Kombination der Bausteine und Gene und in ihrer Anzahl. Wie schon erwähnt, stimmt das Genom eines Schimpansen zu 99 Prozent mit dem des Menschen überein, obwohl die Abweichungen im Erscheinungsbild 60 Prozent betragen. Dass ein Großteil des menschlichen Genoms keine Gene enthält, gibt vielleicht einen Hinweis auf die vielen Versuche während der Evolution zum Menschen und dokumentiert als »Erblast« die vielen Wege der Natur, zu diesem Ziel zu gelangen. Diese Variationen der Lebewesen konnten sich nur ergeben, weil sich auch die DNS der Lebewesen ständig veränderte, im Zusammenspiel untereinander und auch in ihrer Zusammensetzung und Anzahl im spezifischen Genom. Das geschah offenbar während der Evolution - entweder spontan durch Replikationsfehler oder durch Einwirkung von außen durch Strahlung oder Chemikalien. Kam durch diese Einflüsse ein Genom zustande, das besser an die äußeren Bedingungen adaptiert war, so war das der »fittere« Organismus, der die anderen, ähnlich aufgebauten, aus dieser Nische verdrängte. Vielleicht ist das ein richtiges Szenario für den bisherigen Weg des Lebens auf unserer Erde. Aber es bleiben viele Fragen offen.
Der Mensch existiert erst kurze Zeit auf der Erde. Mit der Entstehung der Erde war vor 4,5 Milliarden Jahren ein heftiges Bombardement durch Meteoriten verbunden, das jede vielleicht schon zu diesem Zeitpunkt entstandene primitive Lebensform auslöschte. Sedimente, die in Grönland gefunden wurden, zeigen, dass etwa vor 3,8 Milliarden Jahren erstes Leben entstanden sein könnte. Formen von Cyanobakterien, die Stromatolithen aufbauten, zeigten sich in Fossilien, die 3,5 Milliarden Jahre alt sind. Vor 2,8 Milliarden Jahren gab es immer mehr Mikroorganismen, die Photosynthese betrieben und die Atmosphäre mit Sauerstoff anreicherten. Dann traten die ersten Zellen mit Zellkern auf (vor etwa 1,8 Milliarden Jahren). Die ersten Tiere entwickelten sich vor 600 Millionen Jahren, Dinosaurier lebten vor 225 bis 65 Millionen Jahren, und der Mensch begann mit seiner Entwicklung vor etwa 2 Millionen Jahren.
Die Realisierung des Bauplans
Die Entwicklung der unterschiedlichen Organismen ist eng an den Aufbau der DNS gebunden. Mit der Evolution der Arten hat sich jeweils immer auch der DNS-Strang verändert. Wenn man sich das Genom des Menschen anschaut, so sind von den 3 Milliarden Bausteinen etwa 20 Prozent genetisch aktiv, und nur wiederum ein Bruchteil davon kodiert für Eiweiße. Der große Rest hat - soweit wir es heute überblicken können - keine direkte Funktion. Viele interpretieren diesen Rest als Überbleibsel aus den verschiedenen Stufen der Evolution, das wir mit uns herumtragen. Diese anscheinend funktionslosen DNS-Abschnitte bieten überdies neue Möglichkeiten für die ständig fortlaufende Evolution - ein Potenzial, um noch ungenutzte DNS-Abschnitte als genetisch aktive einzusetzen. Die Zahl der Bausteine ist jedoch nicht an die Stellung eines Organismus in der Evolutionsleiter gekoppelt. So besitzt der Lurch dreißig Mal so viele Bausteine in seiner DNS wie der Mensch. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass der ungeheure Schritt vom Wasser aufs Land dramatisch viele Veränderungen im Erbgut notwendig machte. Eine Frage ist, wie es denn die Gene ermöglichen, dass zum Beispiel aus einem Menschen immer wieder ein Mensch hervorgeht, sie aber auf der anderen Seite so viele Unterschiede bei den verschiedenen Individuen zulassen können. Es erscheint wie ein Wunder, wenn man beobachtet, wie durch zahlreiche Zellteilungen aus einer Ei- und einer Samenzelle langsam der Organismus seine offenbar vorausbestimmte Form annimmt. Woher »wissen« die befruchteten Eizellen, was aus ihnen werden soll? Wie kommt es, dass
Die Taufliege hat es den Gentechnikern bei ihrer Arbeit angetan. Seit mehreren Jahrzehnten wird ihr Genom in Verbindung mit ihrer Gestaltsbildung untersucht. Durch diese Forschungen kam es zu aufregenden Erkenntnissen.
Aus der befruchteten Eizelle entwickelt sich durch Zellteilung das vollständige Lebewesen. Bei Amphibien sind die Eier mit einem Durchmesser von 2 mm relativ groß. Die zunächst platte Oberfläche des Eies schnürt sich ein. Immer mehr Zellen entstehen, bis das Kaulquappenstadium erreicht ist Daraus entwickelt sich schließlich der fertige Frosch.
sich am Ende einer Entwicklung immer der Kopf oder die Beine am richtigen Platz befinden? Bei der Entwicklung eines Froscheies teilt sich die befruchtete Eizelle schon nach weniger als zwei Stunden zum ersten Mal, und in zwei Tagen bilden sich so über 8000 Zellen. Jede Zelle enthält das komplette elterliche Erbgut. Von außen ähnelt der Zellhaufen einer Brombeere, plötzlich jedoch beginnt sich diese Zellansammlung zu verändern. Die Zellen differenzieren sich, sie sind nach einer bestimmten Zeit nicht mehr gleich. Jede Zelle ist dann für eine andere Aufgabe bestimmt. Das Rückenmark des Frosches beginnt sich zu entwickeln, und die Kopfregion zeichnet sich ab. Nach zwei Wochen schlüpft die Larve aus der gallertartigen Hülle, die sie bis jetzt geschützt hat und in der sie mit Nährstoffen versorgt wurde. Im Anfangsstadium versorgt sich die Kaulquappe im Wasser über stark verästelte Kiemen mit dem nötigen Sauerstoff. Schritt für Schritt entwickelt sich schließlich der fertige Frosch. Ein komplizierter Organismus ist so aus einem undifferenzierten Ei entstanden. Schon vor achtzig Jahren arbeiteten Wissenschaftler intensiv daran, dieses »Wunder der Entwicklung« zu enträtseln. Molcheier gehörten damals zu
den bevorzugten Untersuchungsobjekten. Eine Frage war, wann sich zum Beispiel die Zellen spezialisieren, zu welchem Zeitpunkt also die Zellen ihre Totipotenz verlieren, das heißt die Fähigkeit, dass sich schon aus einer von ihnen der gesamte Organismus entwickeln kann. Dazu ging man im Experiment stufenweise vor. Zunächst wurden nach der ersten Teilung die beiden entstandenen Zellen eines Embryos durch einfache Schnürung voneinander getrennt. Beide Zellen entwickelten sich nun völlig unabhängig voneinander. Das Ergebnis: Aus jeder der beiden Zellen entstand durch diese Manipulation ein vollständiger Organismus. Keine Information ging dem jeweils anderen Partner verloren. Es entwickelten sich künstlich erzeugte eineiige Zwillinge. In diesem frühen Stadium gibt es also noch keine Differenzierung der Zellen. Die Frage bleibt, wann sich bei diesem Experiment - in späteren Entwicklungsstadien - Unterschiede zeigen. Auf den Fotos auf Seite 224 sind die Entwicklungsschritte eines Froscheies zu sehen. Nach einigen Teilungen zeigen sich die 8000 äußerlich gleichen Zellen. Sie formen eine Kugel, in deren Innerem Nahrungsstoffe - der Dotter - liegen. Und dann beginnt sich die »Brombeere« aus Zellen plötzlich einzustülpen. Durch diese Einstülpung unterscheiden sich jetzt die Zellen in ihrer Lage zueinander. Es gibt außen liegende und einwandernde Zellen. Kann jetzt noch immer aus jeder einzelnen Zelle der gesamte Organismus entstehen? Vor achtzig Jahren ist man dieser Frage so nachgegangen: Es wurde aus einem Molchembryo genau die Stelle herausgeschnitten, an der die Einstülpung des Keims begann. Diese sogenannte Urmundlippe wurde in einen anderen - sich parallel entwickelnden - Embryo an der Stelle eingepflanzt, an der normalerweise der Bauch entstehen würde. Die Überraschung war, dass sich dort plötzlich aber auch diese Einstülpung - der Urmund - ausbildete. Offenbar beeinflusste das verpflanzte Stück seine Zellumgebung in der ihm vorbestimmten Weise. Dieses Experiment war ein erster Hinweis darauf, dass chemische Substanzen bei der Steuerung der Spezialisierung der Zellen eine Rolle spielen. Diese Stoffe werden offensichtlich zu einem bestimmten Zeitpunkt in Zellen produziert und beeinflussen die Zellen in ihrer Umgebung. Heute hat man mit den modernen Methoden der Biochemie weitaus mehr Möglichkeiten, diese Abläufe im Detail zu verfolgen. Und dabei spielt die Genetik die große Rolle.
In den letzten Jahrzehnten konzentrierte sich in dieser Frage die Aufmerksamkeit vieler Forscher auf die unscheinbaren »Taufliegen«. Diese Fliege ist im Labor einfach zu halten und vermehrt sich reichlich und zuverlässig. Genetiker haben das Erbgut der Taufliege (Drosophila) sorgfältig studiert, und davon profitieren nun auch die Entwicklungsbiologen. Die Taufliege dient ihnen als Modell, um die Mechanismen zu entdecken, die den Differenzierungsprozess der Zellen steuern. Wie kommt es, dass sich bestimmte Zellgruppen zum Hinterleib, andere zu Fühlern der Taufliegen entwickeln? Woher weiß der »unorganisierte Zellhaufen«, wie die Gestalt des zukünftigen Organismus aussehen soll? Natürlich vorkommende Veränderungen im Erbgut, sogenannte Mutationen, die sich auf die äußere Gestalt auswirken, ermöglichten erste Erkenntnisse. Beobachtet wurden Fehlbildungen. So wuchsen bei einigen Fliegen am Kopf Beine, wo normalerweise die Antennen hätten sitzen müssen. Bei anderen entwickelte sich anstelle der Schwingkölbchen ein zusätzliches Flügelpaar. Die Wissenschaftler begannen, solche Veränderungen bewusst zum Beispiel durch Chemikalien auszulösen und die dadurch in ihrem Erbgut veränderten Fliegen aufzuziehen. Ursache für die Missbildungen waren bestimmte Mutationen in den entsprechenden Genen. Dadurch wurden erste Zusammenhänge zwischen den Veränderungen in
Mit Hilfe genetischer Eingriffe ist es möglich, gezielt Veränderungen bei der Taufliege zu erreichen. Bei dieser Fliege kommt es dadurch zur Ausbildung von vier statt zwei Flügeln.
Bei der Taufliege konnten acht Gene lokalisiert werden, die als übergeordnete Gene ihre Entwicklung kontrollieren. Überraschend ist, dass diese Kontrollgene auf dem Chromosom räumlich in der Reihenfolge angeordnet sind, in der sie die verschiedenen Körpersegmente des zukünftigen Organismus bestimmen. So befinden sich die Kontrollgene für den Kopf-, Brust- und Hinterleibsbereich auch in dieser Abfolge auf dem Chromosom (schematisch dargestellt). Die bei der Gestaltung übergeordneten Gene finden sich auch bei anderen Organismen. Vor allem die Gene mit der Homöobox scheinen von der Natur universell eingesetzt zu werden. So besitzen die Schlüsselgene bei der Maus eine ähnliche Funktion wie bei der Taufliege. Auch bei der Maus sind diese Gene auf dem Chromosom in der räumlichen Abfolge angeordnet, in der sie die ihnen entsprechenden Körpersegmente bestimmen: Kopf-, Brust- und Hinterleibsbereich usw. folgen aufeinander.
Das von der Fliegenmutter abgelegte Ei trägt vier Signalsubstanzen. Durch sie werden Gene angeschaltet, die wiederum ihrerseits die Proteine kodieren und so eine ganze Kaskade von Genen aktivieren. Dadurch wird ein »Koordinatensystem« für die Festlegung der Gestalt der Fliege ausgebildet.
den Genen und den damit verbundenen Abweichungen in der Gestalt der Fliegen gefunden. Es zeigte sich, dass selbst eine minimale Veränderung in bestimmten Genen die oben schon erwähnten dramatischen Veränderungen in der Gestalt der Fliegen hervorrufen kann, zum Beispiel Fliegen mit vier Flügeln statt mit zwei entstehen lässt, oder den Tieren am Kopf Beine statt Antennen wachsen lässt. Gefunden wurde das AntennapediaGen, das durch Mutation Defekte im vorderen Bereich der Fliege auslöst und auch für die Plazierung der Antennen verantwortlich ist. Wird es während der Entwicklung zum falschen Zeitpunkt eingeschaltet, so kommt es zu dieser Ausbildung von einem Beinpaar am Kopf anstelle der Antennen. Erstaunlich ist dabei der große Einfluss von nur einem einzelnen Gen in den Zellen auf die Gestaltbildung. Dieses einzige mutierte Gen hat eine ganze Reihe von Veränderungen in der Fliegenentwicklung zur Folge. Bei diesem Gen handelt es sich um eines der »Schlüsselgene« innerhalb des Entwicklungsprozesses, die die Differenzierung ganzer Zellverbände steuern. Bei der Taufliege wurden bis jetzt acht solcher übergeordneter Gene entdeckt. Mit der Zeit konnte auch ihre Wirkung entschlüsselt werden. Überraschend ist außerdem, dass diese Gene auf dem Chromosom räumlich in der Reihenfolge angeordnet sind, in der sie die verschiedenen Körpersegmente des zukünftigen Organismus bestimmen. So befinden sich die Schiüsselgene für die Kopf-, Brust- und Hinterleibsregion auch in dieser Abfolge auf dem Chromosom: erst das Schlüsselgen für den Kopfbereich, dann das für das Brustsegment usw. Wird eines dieser Gene verändert, so hat das die entsprechenden Transformationen in der Körpergestalt zur Folge. Es offenbarte sich eine Hierarchie - eine Ordnung - innerhalb der Gene, die zuerst bei der Taufliege entdeckt wurde. Demnach beginnt die Entwicklung der Taufliege über die befruchtete Eizelle und Larve damit, dass die Informationen über die räumliche Anordnung der aus der ständigen Teilung hervorgehenden Zellen schon im Ei - während seiner Entwicklung im Mutterleib - eingepflanzt werden. Die Fliegenmutter gibt dem Ei als »Anweisung« die von vier Genen kodierten Produkte mit. Diese mütterlichen Signalsubstanzen - Proteine und Boten-RNS - werden an vier verschiedenen, eng begrenzten Stellen im Ei abgelegt. Eine am vorderen Ende des länglichen Eies, eine andere am hinteren Ende und eine
Mit bestimmten Färbetechniken ist es möglich, die für die Gestaltgebung aktivierten Gene sichtbar zu machen. Angefärbt wird dabei die Boten-RNS. Der breite rötliche Streifen zeigt z. B. das Aktionsgebiet des LückenGens (empty spiracles) an.
dritte jeweils an beiden Stellen. Diese drei Substanzen legen die Längsachse mit »hinten« und »vorne« fest. Die vierte Signalsubstanz wird entlang der Längsachse plaziert und definiert die Querachse - die Bauchund Rückenseite der zukünftigen Larve. Es entsteht ein Koordinatensystem, durch das jeder Ort im Embryo eindeutig charakterisiert ist. Diese Substanzen schalten in ihrer Umgebung bestimmte Gene an, die jeweils für die Produktion eines bestimmten Proteins verantwortlich sind. Das spezielle Protein, das so zum Beispiel am vorderen Pol des Eies produziert wird, breitet sich über die Zellen des ganzen Eies aus. Von vorne nach hinten entsteht dabei ein Konzentrationsgefälle dieses Proteins. Die Eiweiße können in die Zellkerne eindringen und sich dort an bestimmte Bausteinfolgen der DNS verankern. Diese »Schalterstellen« werden dann so durch das angelagerte »Transkriptionsprotein« aktiviert. Das produzierte Protein hat nur eine Aufgabe: In all den Zellen, an denen es vorbeiströmt, schaltet es bestimmte Gene an. Dadurch steuert es als »Kontrollprotein« die Genaktivität. Rastet es nämlich an einer »Passstelle« auf der DNS ein, so wird das dazugehörige Gen abgelesen, und die Zelle beginnt nun ihrerseits mit der Produktion entsprechender Proteine. Wichtig dabei ist, dass - in Abhängigkeit von der Konzentration - jeweils nur bestimmte Gene betroffen sind. Das gelingt dadurch, dass sich die Komplexe der Anschaltproteine je nach dem Vorhandensein entsprechender Einzelproteine bilden. Eine bestimmte Zahl dieser Bausteine erlaubt nur
den Aufbau eines besonderen Proteinkomplexes, der wiederum nur bestimmte Gene anschaltet. Sind in anderen Zellen durch das Konzentrationsgefälle mehr Bausteine vorhanden, so bilden sich andere Komplexe der »Anschaltproteine«, die auf andere Gene wirken. Dieses fein abgestimmte System arbeitet sehr exakt und kann scharfe Trennungen zwischen den einzelnen Zellen etablieren. Der geschilderte Vorgang läuft mit allen vier mütterlicherseits abgelegten Signalsubstanzen ab, so dass sich ein fein ausgebildetes Netzwerk von Konzentrationsunterschieden der unterschiedlichen Genprodukte über das Taufliegenei zieht. Durch dieses »Anschalten« entstehen in verschiedenen Bereichen des Eies unterschiedliche Genprodukte. Die ursprüngliche Differenzierung des Embryos durch ein einfaches Konzentrationsgefälle führt dadurch zur Einteilung in zahlreiche verschiedene, deutlich voneinander abgegrenzte Bereiche. Aus der ursprünglichen Einfachheit des Systems entsteht so die Komplexität des neuen Organismus: Die »Mitgift« der Mutter besteht ursprünglich aus vier Signalsubstanzen. Sie lösen das stufenweise Einschalten der anderen Gene aus. Deren Produkte bilden wiederum ein Konzentrationsgefälle, das weitere untergeordnete Gene einschaltet, so dass kaskadenartig ein unsichtbares Raster auf dem Ei entsteht. Am Ende der Kaskade stehen die oben angesprochenen »Schlüsselgene«. Das Schicksal der Zellen ist nun festgelegt, lange bevor sie äußerlich Veränderungen zeigen. Aber durch Färbetechniken kann man ganz bestimmte Proteine sichtbar machen. So lassen sich schon in diesem frühen Entwicklungsstadium die Unterschiede in der Eizelle als Muster erkennen: Drei Stunden nach der Eiablage zeigen sich hier sieben Streifen, jeder nur drei bis vier Zellen breit. In den Kernen dieser Zellen sind diese ganz besonderen Kontrollgene aktiv, die in dominierender Weise durch Anschalten untergeordneter
Gene
die
weiteren
Entwicklungsschritte
bestimmen.
Die
Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen zeigen als Folge dieses Anschaltens die sich mit der Zeit auch äußerlich verändernde Gestalt des Eies: Mehr und mehr bildet sich eine differenzierte Form heraus. In jedem Segment des Embryos bringt eine sorgfältig aufeinander abgestimmte Aktivität unterschiedlicher Gene ganz spezifische Merkmale hervor. Eine winzige Veränderung jedoch in einem solchen übergeordneten Gen, einem »Kontrollgen« für einen gesamten Entwicklungsabschnitt, hätte gravieren-
de Folgen für die Gestaltbildung der Fliegen. Denn alle nachgeschalteten Gene »warten« auf den von ihm ausgehenden Befehl. So sind die beobachteten Missbildungen bei der Taufliege zwar letztendlich auf das Zusammenspiel Hunderter von Genen zurückzuführen, aber ihre falschen Funktionen werden jeweils immer nur von einem dieser übergeordneten Kontrollgene ausgelöst. Nur eine einzige Art von Genen im entsprechenden Streifenmuster ist zum Beispiel für die weitere Entwicklung der Kopfregion verantwortlich. Das Produkt dieses Gens ist notwendig, um andere an der Kopfbildung beteiligte Gene während der Entwicklung des Vorderkörpers nacheinander anzuschalten. Man hat diese Proteine isoliert und konnte durch Injizieren ihre Wirkung an Eizellen der Taufliege überprüfen. Die eingespritzten Kontrolleiweiße funktionierten die betroffene Region nach ihrer Anweisung um. Diese Gene nennt man »homöotische Gene«, nach dem griechischen homoios, »gleichartig«. Denn diese Kontrollgene haben die Fähigkeit, werden sie an anderer Stelle des Chromosoms plaziert, dem der neuen Position entsprechenden Körpersegment dann ihre Information aufzuprägen -es »gleich« aussehen zu lassen. Obwohl diese Gene in der Erbsubstanz aller Taufliegenzellen vorhanden sind, werden nur in einem Teil von ihnen diese DNS-Abschnitte angeschaltet und die entsprechenden Eiweiße hergestellt. Festgelegt werden letztendlich diese Regionen durch die Ablagerung der vier
Nach einiger Zeit ist die Wirkung der gestaltgebenden Gene auch äußerlich zu beobachten. Der Fliegenembryo verändert seine Form, bis letztendlich die vollständig entwickelte Taufliege schlüpft.
Signalsubstanzen in den Pol- und Seitenabschnitten des Eies durch die Mutter. Die nächste Frage war, ob sich dieses Ordnungsprinzip innerhalb der Gene bei der Gestaltbildung der Taufliege auch bei anderen Organismen wiederfinden ließ, die Natur also auch auf diesem Gebiet universell arbeitet. Obwohl die Entwicklung einer Taufliege nicht unbedingt übertragbar auf andere Organismen ist, zeigte sich eine weitere Überraschung: »Kontrollgene«, deren Kommandos die Entwicklung von Hunderttausenden von Zellen beeinflussen, konnten bisher bei einer ganzen Reihe von Tieren lokalisiert werden. Beim Menschen übrigens sind diese homöotischen Gene auf vier Chromosomen verteilt- wie auch bei allen anderen Wirbeltieren. Bei der Taufliege - wie auch bei den anderen wirbellosen Tieren - liegen jedoch diese Gene auf einem Chromosom in der geschilderten strengen Abfolge, die mit dem entstehenden Organismus korrespondiert. Und jetzt werden auch die Experimente mit den Molchen verständlich, die vor achtzig Jahren gemacht wurden: Transplantiert man eine Urmundlippe wie in dem klassischen Experiment, so bildet sich ein zweiter Vorderkörper im Embryo aus. Das wurde schon damals erkannt. Doch der »Organisator«, die entscheidende Substanz, die dieses Wachstum steuerte, war noch nicht gefunden. Deshalb isolierte man in den neueren Forschungsarbeiten alle aktiven Gene aus der Urmundlippe. Überraschend
war, dass eines der Gene für einen »Schalter« kodierte - ein bestimmtes Anschaltprotein -, den man schon kannte: Ein ganz ähnlicher »Schalter« steuert nämlich bei der Taufliege die Bildung der Kopfregion. Das Produkt des dazugehörigen Gens wurde in einen Embryo injiziert. Der so manipulierte Embryo entwickelte dann tatsächlich einen zweiten Vorderkörper. Genau dieses Genprodukt musste also der chemische »Organisator« sein. Auch in anderen Experimenten mit unterschiedlichen Organismen zeigte sich, dass die Kontrollproteine der homöotischen Gene universell zu wirken scheinen. Bringt man im Experiment zum Beispiel die entsprechenden Proteine der gestaltbestimmenden Gene der Taufliege in Mäuseembryos und umgekehrt, so entfalten sie eine vergleichbare Wirkung. Auch im Mäuseembryo entwickeln sich jeweils in der vom Kontrollprotein bestimmten Region Missbildungen. So verursachen die Proteine, die in der Taufliege für den Vorderbereich des Körpers wichtig sind, auch im Mäuseembryo ähnliche Effekte. Und umgekehrt lässt sich mit den homöotischen Genen einer Maus oder des Menschen auch die Embryonalentwicklung der Taufliege lenken. Weil die Ausbildung und Anordnung der homöotischen Gene bei den Wirbeltieren und wirbellosen Organismen ähnlich sind, lassen sie sich auch auf gemeinsame Wurzeln zurückführen. In letzter Konsequenz wird deutlich, dass zum Beispiel Plattwürmer oder ähnlich primitive Organismen einen gemeinsamen molekularen Bauplan mit Menschen, Mäusen und Insekten besitzen. Mit dieser Ähnlichkeit der Funktion und des Aufbaus der gestaltbestimmenden Gene in den unterschiedlichen Organismen
bestätigt
sich
wiederum,
dass
die
Natur
in
der
Entwicklungsgeschichte ein erfolgreiches Konzept beibehält. Die Festlegung der Kopf-Schwanz-Achse nach der oben geschilderten Weise ist offenbar eine äußerst effektive Methode, dem untergeordneten Zellhaufen ein Koordinatensystem vorzugeben, nach dem sich die übrige Entwicklung - die Ausbildung des Kopfes, des Rumpfes oder des Schwanzes - ausrichtet. In der Evolution hat die Natur an dieser erfolgreichen Strategie festgehalten und nicht etwas völlig Neues »erfunden«. Von dieser fortlaufenden Linie der Evolution, die sich in der DNS dokumentiert, ist etwas bei der Embryonalentwicklung des Menschen zu spüren. Der menschliche Embryo durchläuft während seiner Entwicklung Phasen, in denen sich Formen und Anlagen seiner Vorfahren in der Evolu-
tion wiederfinden. So treten während der Embryonalentwicklung hinter dem Kopf bestimmte Spalten auf, die beim erwachsenen Fisch zu Kiemen werden. Beim Menschen entstehen daraus bestimmte Teile des Rachens. Es scheint so, als ob das Erbe der DNS während der Entwicklung im Embryonalstadium »abgearbeitet« wird, um dann zur endgültigen Gestalt zu führen. Die ungeheure Vielfalt in der Natur entsteht offenbar aufgrund überall gleicher - für uns überschaubar werdender - Regelmechanismen. Die Steuerung der Entwicklung scheint auf einem universellen Prinzip zu beruhen, das sich in Jahrmillionen der Evolution bewährt hat.
Die durch die Schlüsselgene kontrollierten Entwicklungsphasen sind bei verschiedenen Wirbeltieren sehr ähnlich. Das weist auf den gemeinsamen Ursprung hin. Erst im späteren Embryonalstadium kommt es zu einer Differenzierung.
Die Organismen unterscheiden sich auf der Ebene der homöotischen Gene durch die Zahl der Kontrollgene, die ihre Entwicklung hierarchisch regulieren - acht sind es bei der Taufliege, 38 etwa bei Säugetieren. Zur Überraschung der Forscher wurde diese Konzeption der Natur - in abgewandelter Form - auch in den Genen von Pflanzen gefunden. Das bedeutet, dass sich Pflanzen und Tiere auf einen »gemeinsamen« Bauplan zurückführen lassen, obwohl ihre Entwicklung höchst unterschiedlich ist. Auch bei den Pflanzen gibt es offenbar übergeordnete Gene, die die Gestaltgebung regeln. Noch stecken hier die Forschungen in den Anfängen, und die Rolle der in Frage kommenden Gene ist bei weitem noch nicht geklärt. Bei Pflanzen sind diese Untersuchungen auch deshalb weitaus schwieriger als bei der Taufliege, weil ihre Morphologie ganz wesentlich von Umwelteinflüssen abhängig ist. Damit wird der Nachweis einer den Genen entsprechenden Mutation komplizierter. Einige Gene bestimmen offenbar als übergeordnete Gene zum Beispiel die Entwicklung der Blütenform.
Die bei Pflanzen gezielt veränderten Schlüsselgene für die Entwicklung haben Veränderungen im Aufbau der Blüte zur Folge. Mit dem Elektronenmikroskop wird im frühen Entwicklungsstadium die Anordnung der verschiedenen Blütenorgane, wie Staub-, Kelchoder Kronblatt, beobachtet.
Außerdem scheint die Ordnung bei den gestaltgebenden Genen der Pflanzen nicht so streng zu sein wie im Tierreich. Diese Gene sind bei der Pflanze weit über das Genom verteilt, und die Pflanze reagiert auf die von ihnen kodierten Proteine flexibler. Wegen dieser weniger starren Hierarchie können sich Pflanzen offenbar auch besser an die Umweltbedingungen anpassen. Das erscheint plausibel, denn Pflanzen haben anders als Tiere einen festen Standort, können sich den dort herrschenden Bedingungen nicht entziehen und müssen sich deshalb in ihrer Gestalt - zum Beispiel der Ausrichtung und Anordnung der Blätter - den jeweiligen Gegebenheiten anpassen. Pflanzen besitzen als einzige Waffe ihr Genom. Wenn man diese Hierarchie der Gene in den unterschiedlichen Organismen betrachtet, so scheint sich auch hier abzuzeichnen, dass sich alles auf eine grundlegende einfache Struktur zurückführen lässt. Dabei soll allerdings nicht übersehen werden, dass die detaillierten Abläufe im genetischen Apparat noch weitgehend unverstanden und unerforscht sind. Bestechend ist jedoch der Gedanke, dass sich - genauso wie in dem Bild von der Welt, das sich die Physiker beim Umgang mit der »toten Materie« machen - auch im Bereich des Lebens offenbar einfache Ordnungsprinzipien finden lassen, die Naturwissenschaftler mit ihren relativ einfachen Modellen beschreiben können. Der Aufbau der DNS allein aus der unterschiedlichen Abfolge der vier Bausteine A, T, C, G spielt dabei eine große Rolle, hinzu kommen die Entwicklungs-Kontrollgene, die eine weitere Ordnung - eine zusätzliche Reduktion beim Betrachten der Vielfalt der Natur - zulassen. All das kommt unserem begrenzten Verständnis der Welt, die uns umgibt, entgegen, doch muss uns gegenwärtig sein, dass eine solch reduzierte Sicht der Welt bei weitem nicht alles beschreibt, was in ihr geschieht. Das Modell der Naturwissenschaftler ist auch in der Welt des Lebens nur ein recht einschichtiges und zudem grobes Netz, mit dem versucht wird, zumindest Teilerkenntnisse zu erhalten und die Struktur des Lebens für uns etwas überschaubarer zu machen.
Spekulationen über das Ende
Bis jetzt haben wir immer mit Pflanzen und Tieren bestimmte Vorstellungen, Mythen und Gefühle verknüpft. Unser Leben ist eingebettet in die Abläufe der Natur, Änderungen fanden allmählich und über längere Zeiträume hinweg statt und gaben dem Menschen damit die Chance, sich anzupassen und neue Positionen einzunehmen. Eine einschneidende Veränderung im Landschaftsbild durch Felder und Wiesen zum Beispiel vom Menschen künstlich geschaffen - wurde in unsere Sicht der Natur integriert, genauso wie die Schönheit abgeholzter Gebiete, die sich - wie die Lüneburger Heide - zur Heidelandschaft wandelten. Heute jedoch ist es plötzlich möglich, über Nacht Organismen mit ungewöhnlichen Eigenschaften zu kreieren. Was sonst nur in Märchen und Sagen geschah, wird Realität. An diese Eingriffe in die Natur können wir uns nicht mehr über lange Zeiträume hinweg gewöhnen - und damit wirken auch die altvertrauten Akzeptanzmechanismen nicht mehr. Vielleicht ist dies auch ein Grund, warum viele Menschen den Möglichkeiten der Gentechnik so ablehnend gegenüberstehen. Dabei hat der Mensch schon immer in die Entwicklungsprozesse der Natur eingegriffen. In der Tierzucht hat man es über die Jahrzehnte der Selektion geschafft, regelrechte »genetische Monster« zu erzeugen: Kühe, die ohne den Menschen schon allein deshalb nicht überleben könnten, weil er sie von der Überproduktion an Milch im Euter entlasten muss;
Interessante Fragen sind, ob das
Truthähne, die wegen der Beliebtheit von zarter Truthahnbrust so große
Leben auf der Erde einzigartig im
Brustmuskeln »angezüchtet« bekamen, dass sie sich aus rein mechani-
Universum ist und wie lange wir
schen Gründen nicht mehr paaren können - der Mensch muss hier Hilfe-
überhaupt existieren können.
Stellung über die künstliche Besamung geben. Bei der Rinderrasse »Belgischer Doppel-Lender« legte man es darauf an, die Muskelmasse im hinteren Viertel des Körpers zu vergrößern. Die Folge dieser gewollten Muskelvermehrung ist, dass die Kühe ihre Kälber ohne »Kaiserschnitt« - ohne die Hilfe des Menschen also - nicht mehr zur Welt bringen können. Die Beispiele aus der Hühnerzucht sind bekannt, in denen diejenigen Hühner immer wieder selektiert und weitergezüchtet wurden, die am schnellsten wuchsen. Heute hat sich die Entwicklungszeit bis zum Erreichen des Schlachtgewichts auf 42 Tage halbiert. Die Folge für den einseitig strapazierten Organismus ist, dass durch das doppelt so schnelle Wachstum des Muskelfleisches die Entwicklung des Skeletts und bestimmter Organe nicht mehr Schritt halten kann. Die Lebenszeit verkürzt sich zwar dadurch, aber sie reicht aus, um den Züchtern genügend von dem gewünschten Fleisch zu liefern. Über die Jahrhunderte hat sich das Wissen über die Abläufe in der Welt des Lebens ständig vergrößert. Die Gentechnik ist nicht nur die stetige Fortsetzung dieser Bemühungen, das Geheimnis des Lebens zu lüften, sondern bedeutet vor allem einen großen Sprung nach oben in der Skala der Möglichkeiten. Vielleicht ist es auch diese plötzliche Erweiterung unserer nüchternen naturwissenschaftlichen Denkweisen und Methoden auf die bisher größtenteils ungeklärte und geheimnisvolle Entwicklung des Lebens, die ein unbehagliches Gefühl aufkommen lässt. Denn damit müssen auch Werte neu überdacht werden, die sich über Jahrtausende in der Gesellschaft etabliert haben. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, muss nochmals betont werden, dass - selbst wenn uns heute das Wissen über die Funktion der Gene weitaus mehr Möglichkeiten in die Hand gibt als je zuvor damit eine komplette »Erklärung« des Lebens und der Abläufe im Universum noch lange nicht vorliegt. Überdies erscheint es unsicher, ob es den Naturwissenschaftlern jemals gelingen wird, dieses Ziel zu erreichen. Auch in der Genetik werden nur Modelle der weitaus komplexeren Wirklichkeit gezeichnet. Diese »Bilder der Welt« enthalten gewaltige Reduktionen und damit nur begrenzte Übereinstimmungen mit den Abläufen, die sie darzustellen versuchen. Und auch für die Genetik, wie für alle anderen Bereiche der Naturwissenschaften, gilt, dass mit diesen Modellen nur bestimmte Teilbereiche hinreichend gut beschrieben werden.
Diese Teilbereiche beschränken sich auf die dingliche Welt, und es bleibt sehr viel Raum für andere - von den Naturwissenschaften nicht erfasste oder prinzipiell nicht erfassbare - Abläufe und Geschehnisse in unserem Universum. Zudem sind diese naturwissenschaftlichen Modelle von der Welt selbst in ihren begrenzten Möglichkeiten noch recht unvollständig. In der Genetik zeigt sich, wie groß zum Beispiel die Lücken in den Modellen der Biochemie und Medizin sind. Weil so wenig über die detaillierten Abläufe in den Zellen und ihr Zusammenspiel bekannt ist, stockt auch der Fortgang des Wissens über den Einfluss und die Funktion der Gene. Diese Modelle allerdings lassen sich verfeinern, und damit ist dieses Wissen prinzipiell stärker auszuweiten. Selbst wenn die Modelle der Natur nur eine begrenzte Gültigkeit haben und nur reduzierte Aussagen über bestimmte Abläufe machen, bleibt es erstrebenswert, sie laufend zu verbessern. Denn nur mit ihrer Hilfe sind wir in der Lage, Vorhersagen über bestimmte Vorgänge zu machen und dem Geschehen in der Natur so zu begegnen, dass wir besser überleben können. Je tiefer wir in das Geheimnis des Lebens eindringen, um so größer wird die Bewunderung für die Konzepte und Strategien, die sich in der Natur entwickeln. Beim Versuch der Gentechniker, diese Abläufe in der Natur genauer zu verstehen, wird schon als Erfolg angesehen, wenn es gelingt, mit einigen steuernden Eingriffen gezielt das existierende System umzufunktionieren. Der Ausgangspunkt für neue Strategien ist dabei immer das analoge Geschehen in der Natur. Neue Proteine zum Beispiel werden in enger Anlehnung an schon existierende Produktionsprozesse in der Zelle konzipiert. Allzu oft allerdings ist der Einblick, den wir uns durch unsere Modelle über das Geschehen in der Natur machen, so begrenzt, dass die damit verbundenen Folgen nicht überschaubar sind. Was mit den naturwissenschaftlichen Modellen beschreibbar ist, sind oft nur Mosaiksteinchen, die für eine begrenzte Anwendung taugen. Und das hat auch Auswirkungen bei der Abschätzung der Folgen, die Eingriffe in das System verursachen. Schon beim traditionellen Umgang mit der Natur im Großen konnten wir die Erfahrung machen, dass erst mit größer werdendem Wissen und dessen Verbreitung eine bewusstere Strategie realisierbar wurde. So haben noch vor dreißig Jahren nur wenige daran gedacht, welch einschneiden-
den Einfluss der Eingriff des Menschen in die Natur haben kann. Das Ziel, die offen liegenden Reichtümer der Natur intensiv zu nutzen, wurde ohne große Bedenken verfolgt. Erst mit den Jahren wuchs das Verständnis für die ineinander verwobenen Abhängigkeiten in der Natur. Erkannt wurde, dass mit dem Abholzen der tropischen Regenwälder zum Beispiel nicht etwa nur die Gefährdung des Bodens verbunden war, der durch Erosion weggespült wurde. Das tiefere Wissen über die Genetik ließ zusätzlich die Besorgnis über die Verarmung der genetischen Vielfalt auf unserer Erde größer werden. Mit dem Abholzen verschwand auch eine Welt, die vom Menschen nicht einmal ansatzweise erforscht war. Der weitaus größte Teil der Pflanzen- und Tierarten auf der Erde findet sich in den tropischen Regenwäldern - nur vergleichsweise wenige von ihnen sind überhaupt registriert-, und dennoch geht die Abholzung voran. Das liegt hauptsächlich daran, dass dieser Raubbau durch kurzfristige Gewinne das Überleben der Menschen in diesen Gebieten sichert. Die genetische Vielfalt, die diese Wälder enthalten, ist jedoch ein Reichtum, der sich erst durch tiefere Einsichten in das Funktionieren der Natur offenbart. Über lange Zeitperioden hat die Natur ein eng miteinander verwobenes Netz von Organismen geschaffen, das ihnen in gegenseitiger Abhängigkeit das Überleben ermöglicht. Diese Vielfalt drückt sich letztendlich in den für uns unüberschaubar vielen Kombinationen der Bausteinabfolgen in der DNS aus. Dieses Genreservoir gehört zu der riesigen Bibliothek der Natur, die hier Baupläne der verschiedenen Organismen konserviert, ständig neu erprobt und verändert. Aus diesem Schatz können Naturwissenschaftler ständig neu schöpfen und sich diese Strategien zu eigen machen oder in enger Anlehnung an das Original leicht verändern und für ihre Zwecke ausrichten. Solche genetischen Reservoire sind zum Beispiel für Resistenzzüchtungen äußerst hilfreich. Treten in unseren hochgezüchteten und damit anfälligen Kulturpflanzen überraschend Krankheiten auf, so ist man auf die Wildformen angewiesen, will man resistente Pflanzen finden. Kartoffelzucht in den intensiven Landwirtschaftsgebieten mit den auf Leistung getrimmten Pflanzen wäre ohne das Genreservoir der südamerikanischen Wildkartoffel im Hochland nicht denkbar. Diese Wildkartoffeln enthalten in ihrem genetischen Material Variationen, die sie »natürlicherweise« gegen be-
Die genetische Vielfalt des tropischen Regenwaldes ist überwältigend. Immer wieder werden die Schätzungen über die Zahl der Arten nach oben verschoben. Nur ein geringer Bruchteil ist bis heute von den Forschern überhaupt bestimmt. Im tropischen Regenwald liegen die Hoffnungen für das genetische Reservoir der Zukunft.
In so genannten »Frozen Zoos« werden tiefgekühlt Ei- und Samenzellen verschiedener Tierarten konserviert. Auch aus Pflanzensamenbanken kann man die gesammelten Samen schon längst verschwundener Pflanzen später wieder zum Leberherwecken.
stimmte Krankheiten resistent machen. Der Mensch versucht nun, diese Überlebensstrategie der Wildkartoffeln in die Kulturpflanzen einzuzüchten. Dabei hilft die Genetik, die sich das Enträtseln dieser Konzepte in der Natur zur Aufgabe gemacht hat. Aber mit dem Verschwinden der natürlichen Reservoire werden die Forschungen zu einem Wettlauf mit der Zeit. Es wäre ein unwiederbringlicher Verlust, wenn der Bestand an Wildpflanzen verlorengehen würde. Als Notlösung versucht man zum Beispiel in Peru, die verschiedenen Formen der Wildkartoffel in Samenbanken zu erhalten. Dabei wird nicht mehr auf die Erhaltung dieser Wildformen in der Natur vertraut, sondern der Mensch schafft im Laboratorium künstliche Reservate für die vielfältigen Entwicklungen der jahrmillionenalten Tradition des Lebens auf unserer Erde. Für die Forscher wird es lange Zeit in Anspruch nehmen, ehe es ihnen gelingt, das so gespeicherte Wissen der Natur aufzuarbeiten - soweit das prinzipiell überhaupt möglich ist. Aber die Kartoffel, Mais und einige Gräser sind ja nur eine kleine Palette dieses genetischen Reichtums der Natur. Für andere Pflanzen gibt es solche Samenbanken nicht. Ein starkes Argument, um schon aus diesem Grund die tropischen Regenwälder zu erhalten. Auch für die Tiere wird der Lebensraum immer enger - jedes Jahr verschwinden viele Tierarten von der Erde. In sogenannten »gefrorenen Zoos« versucht man, einige Tierarten künstlich zu konservieren und für die Nachwelt zu erhalten. Tiefgefrorene, befruchtete Eizellen werden in flüssigem Stickstoff raumsparend aufgehoben - aber auch hier sind es nur wenige ausgewählte Tierarten, ein kleiner Ausschnitt aus der überwältigenden Vielfalt im natürlichen Lebensraum. Ein weiterer Schritt in diese Richtung wäre es, sich allein auf die Konservierung von DNS-Strängen der verschiedenen Arten in Genbanken zu konzentrieren, um daraus Organismen zu rekonstruieren. Mit dem heutigen Stand des Wissens ist dies allerdings nicht zu realisieren. Ist eine Art einmal verschwunden, so sind die Möglichkeiten des Menschen beschränkt, sie irgendwie wieder zu »rekombinieren« und neu aufleben zu lassen. Ein extremes Beispiel, wie so etwas prinzipiell gehen könnte, wurde in der Öffentlichkeit heftig diskutiert. Den Anstoß dazu gaben Unterhaltungsfilme über Dinosaurier. Die Dinosaurier sind übrigens ein Beispiel für das Aussterben der Arten als Folge der natürlichen
Vor 65 Millionen Jahren verschwanden die Dinosaurier von der Erde. Wahrscheinlich hat der Einschlag eines Asteroiden ihre Lebensbedingungen dramatisch verändert
Veränderungen der Lebensbedingungen und des Fortschreitens der Evolution, die besser angepasste Organismen ermöglicht hat und andere zu »Auslaufmodellen« werden ließ. Das Beispiel der Dinosaurier zeigt, wie schwierig es mit dem heutigen Wissensstand für Gentechniker ist, die Künste der Natur zu kopieren. Der Ausgangspunkt bei diesem Gedankenspiel ist, dass vor 40 Millionen Jahren eine Mücke gerade am Blut eines Dinosauriers gesaugt hat, als sie durch einen Harztropfen eingeschlossen wurde.
Diese »Bernsteinmücke« enthält in ihrem Saugrüssel Blutzellen und damit auch DNS-Material des Dinosauriers, das dort bis in die heutige Zeit überdauert hat. Mit den Methoden der Gentechnik kann man jetzt versuchen, die DNS des Dinosauriers zu isolieren. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass nicht die reine DNS des Dinosauriers vorliegt, sondern sich in dem Gemisch auch die DNS der Mücke als Verunreinigung findet. Die DNS des Sauriers wird durch die in den vorherigen Kapiteln geschilderten Methoden mit entsprechenden Startern zum Verdoppeln belegt, und so kann man von den Genabschnitten Kopien herstellen. Das ist notwendig, um vernünftig viele Proben für die weiteren Arbeiten zur Verfügung zu haben. Diese Polymerase-Kettenreaktion wird etwa dreißig Mal wiederholt, um so zu etwa 1 Million Kopien zu kommen. Aber nicht das gesamte Genom des Sauriers kann gleichzeitig mit Startermolekülen belegt werden. Man muss also schon allein deshalb weitaus mehr komplette DNS-Stränge vom Dinosaurier im Saugrüssel der Mücke finden. Das Ergebnis der Vervielfältigung ist dann ein Gemisch von vielen verschiedenen DNS-Stücken. Als nächstes stellt sich die Hauptfrage, wie man die erhaltenen Stücke zusammenfügt. Welche Reihenfolge nehmen die gewonnenen DNS-Stücke ein? Denn die Ordnung dieser DNS-Stücke ist nicht bekannt. Die Aufgabe entspricht, vom Aufwand her betrachtet, der Sequenzierung des menschlichen Genoms, jedoch mit weitaus weniger verfügbarem DNS-Material. Allein für die Bestimmung der Abfolge würden 100 000 Wissenschaftler über zehn Jahre beschäftigt sein, und als Ausgangsmaterial müsste man etwa 10 000 Mücken mit der Saurier-DNS zur Verfügung haben. Sollte irgendwie doch der richtige Zusammenbau gelingen, so bliebe noch immer die Frage, wie man die entsprechenden Genbereiche aktivieren soll. Je nach der Zellenzugehörigkeit werden ja nur bestimmte Gene angeschaltet. Es gibt Gene, die nur kurzzeitig einmal aktiviert werden. Und wie käme man zu den notwendigen unterschiedlichen Proteinen, die sie anschalten? Außerdem müsste man eine entsprechende Eizelle produzieren. Fragen, die aus heutiger Sicht als zu komplex erscheinen, um gelöst zu werden. Dieses Gedankenspiel zeigt auch, wie filigran die Entwicklung des Lebens aufgebaut ist und wie wenig in den naturwissenschaftlichen Modellvorstellungen davon beschrieben werden kann. Denn alle Probleme und
Mühen, die auftreten, wenn die Natur mit der noch recht unvollkommenen Gentechnik nachgeahmt werden soll, machen sich hier bemerkbar. Die unendlich vielen Versuche der Natur während der Evolution können vom Menschen in seinen Labors nur recht begrenzt nachvollzogen werden. Die Teilerfolge der Gentechnik dürfen also nicht zu dem falschen Schluss führen, dass mit ihnen die vielfältigen Strukturen, die sich in der Natur finden, plötzlich weniger wichtig werden. Schon von daher ist der Verlust des genetischen Reservoirs, wie es zum Beispiel die tropischen Regenwälder bieten, nicht akzeptabel. Die Vielfalt des Lebens auf unserer Erde hat ihren Ursprung in der sich stetig verändernden Umwelt. Tiere und Pflanzen müssen sich den wechselnden Bedingungen anpassen und verändern sich ebenfalls. Die Evolution entwickelte so einen schillernden Reichtum an Lebensformen. Zufällige Veränderungen und der erfolgreiche Kampf ums Dasein sind letztendlich der Antrieb der Evolution. Am Anfang steht ein einzelnes Molekül - die DNS, Trägerin der Erbinformation. Die frühen Lebensformen pflanzten sich ungeschlechtlich fort - durch Teilung. Es tauchten hin und wieder spontane Veränderungen in der Erbsubstanz auf. Diese Mutationen führten allmählich zu einer Änderung der äußeren Gestalt- der Beginn
der
Evolution.
Doch
spontane
Mutationen
allein
treiben
die
Veränderungen nur langsam voran. Die Formenvielfalt hin zu den höheren Organismen entstand in weitaus größeren Schritten. Der Flügel einer Fledermaus beispielsweise hat den gleichen Ursprung wie der Arm eines Menschen. Das klingt
zunächst
unglaublich,
aber
das
Geheimnis
dieser
extremen
Veränderungen liegt in der Sexualität. Nüchtern betrachtet ist dabei die Kombination der väterlichen und mütterlichen Gene wichtig. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung werden die Gene der Eltern neu gemischt und an die Nachkommen weitergegeben: So entsteht eine Generation mit unterschiedlichen Genkombinationen und neuen Eigenschaften. Diese neuen Eigenschaften müssen sich dann in der Umwelt bewähren. Sonst verlieren die Nachkommen und damit ihre Gene den Kampf ums Überleben. Meister der Anpassung sind die Insekten - mit einer fast grenzenlosen Formenvielfalt. Hier zeigen sich auch die Vor- und Nachteile der geschlechtlichen und ungeschlechtlichen Fortpflanzung - denn einige Insektenarten können beides, wie zum Beispiel die Blattläuse.
Eine in Bernstein gefangene Mücke trägt die Hoffnung von Spielfilmautoren. Sie könnte vor vielen Millionen Jahren gerade einen Dinosaurier gestochen haben und dann durch den Harztropfen konserviert worden sein. In ihrem Saugrüssel könnte sich dann seine DNS befinden.
Blattläuse pflanzen sich in den Sommermonaten hauptsächlich ungeschlechtlich fort - ohne zeitraubenden Sex. So können sie in kurzer Zeit viele Nachkommen gebären. Die Überlebensbedingungen sind für die Genkombinationen gut, und die Dezimierung durch Fressfeinde wird mit der hohen Zahl an Nachkommen ausgeglichen. Während die eine Blattlaus stirbt, erblickt eine andere schon wieder das Licht der Welt. Ein Wettlauf, den die Blattlaus nur durch massenweise Vermehrung gewinnen kann. Doch im Laufe des Jahres ändert die Blattlaus ihre Strategie. Im Herbst wird der umständlichere Weg über die Sexualität beschritten. Eier werden produziert, die überwintern können. Und bei dieser Form der Fortpflanzung werden auch die Gene der Blattläuse neu gemischt. Die Nachkommen besitzen nun unterschiedliche Genkombinationen, von
denen die eine oder andere für die Blattlaus von Vorteil sein könnte. Es entsteht eine neue Vielfalt, die sich im nächsten Sommer bewähren kann. Im Laufe der Evolution entwickelten sich im Tierreich die unterschiedlichsten Variationen, den Nachwuchs zur Welt zu bringen. Fortpflanzung und die Sorge um die Nachkommen sind bestimmende Prinzipien des Lebens - bei Tieren und auch beim Menschen. In diesem Punkt unterscheiden wir uns kaum von unseren Verwandten im Tierreich, denn für das Erbmolekül, die DNS, werden in allen Organismen gleiche Strategien sichtbar. Die Weitergabe der Gene verleiht dem Leben seine Unsterblichkeit. Doch auch hier können Fehler auftreten. Und manche Fehler führen zu Erbkrankheiten. Wie bei der Chorea Huntington, dem Veitstanz. Die Ursache dieser Nervenerkrankung liegt in einem fehlerhaften Gen auf Chromosom 4. Eine bestimmte Gensequenz, bestehend aus drei Bausteinen, wiederholt sich. Bei Erkrankten ist die Anzahl der Wiederholungen zu hoch. Die Folge ist, dass ein zu großes Protein entsteht. Dieses Protein wirkt auf das Gehirn und die Nervenbahnen. Die Betroffenen verlieren die Kontrolle über ihre Bewegungen. Zum Ausbruch der Krankheit kommt es erst im Erwachsenenalter, ihre Entstehung findet vor allem in den männlichen Keimzellen statt. Während der Spermienentwicklung kann es durch einen Ablesefehler zu einer Verlängerung der Wiederholungssequenz kommen. Zunächst ohne Auswirkungen, der Embryo entwickelt sich ganz normal. Aber in jeder Zelle befindet sich nun das fehlerhafte Gen. Eine Zeitbombe, die die Krankheit in einigen Jahren auslösen wird. Und dieser Genfehler kann schon vor dem Ausbruch der Krankheit im Erwachsenenalter an die nächste Generation weitervererbt werden. Das Tückische dieses Erbleidens ist: Bei jedem Vererbungsschritt in die nächste Generation besteht die Gefahr, dass sich die betroffene Gensequenz weiter ausdehnt. Die Anzahl der Wiederholungen steigt - die Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch der Krankheit wird dadurch größer. Ab 36 Wiederholungen in der DNS sind die Wissenschaftler sicher, dass die Person erkrankt. In unserem Genom gibt es viele Gene mit solchen Wiederholungssequenzen. Einige lösen ab einer bestimmten Zahl, wie beim Veitstanz, Krankheiten aus, andere könnten in Zukunft neue Krankheiten hervorrufen. Unser
Durch Kopierfehler in der DNS kann es zu Wiederholungen von bestimmten Bausteinen kommen. Dieser Genfehler wird von Generation zu Generation weitergereicht. Steigt dabei die Zahl der Kopierfehler, so kann das zum Ausbruch einer genetisch bedingten Krankheit führen.
Der Sprung in der Evolution zum Menschen bleibt immer noch ein Rätsel. Das Gehirn des Schimpansen ist nur halb so groß wie das des Menschen. Der große Unterschied zwischen beiden kommt aber durch die verschiedene Aktivität der Gene in den jeweiligen Gehirnzellen zustande.
Genom scheint an einigen Stellen schlecht ausbalanciert zu sein. Die Sorge ist, dass in ferner Zukunft unsere Gene sich so selbst ihre Lebensgrundlage zerstören könnten. Möglicherweise ist das Genom instabil, und diese Erbkrankheiten sind die ersten Vorboten dafür. Führt die für die Anpassung so wichtige Variation unseres Genoms letztendlich zu seinem Ende? Eine provokante These, die den Menschen und seine Gene als Sackgasse der Evolution ansieht. Die Folge wäre - in einer weit entfernten Zukunft das Ende der menschlichen Existenz. Doch diese Sorgen, so meinen viele, sind unberechtigt. Die Erforschung des menschlichen Genoms zeigte, dass unsere Erbsubstanz schon seit der Entstehung des Lebens die verschiedensten Änderungen durchlaufen musste. Denn unser Genom zeugt von einer bewegten Geschichte. Seit den Anfängen der Evolution haben sich die Gene verändert. Unsere Chromosomen erlangten ihre heutige
Struktur durch ständige weitreichende Umschichtungen im Erbmaterial. Aber es lassen sich keine Anzeichen finden, dass diese Ereignisse für die Entwicklung zu einem gesunden Menschen von Bedeutung sind. Offenbar kann sich unser Genom an wechselnde Bedingungen anpassen, so dass es stabil und funktionsfähig bleibt. Sogar Viren haben in der Vergangenheit ihr Erbmaterial dauerhaft in unser Genom eingebaut. Dort schlummert es bis heute, jedoch ohne uns zu schädigen. Dieses Erbmaterial der Viren wurde von Generation zu Generation über lange Zeiträume weitervererbt - ohne Einschränkung unserer jetzigen Lebensfähigkeit. Eine Vorstellung, wie diese Anpassung unseres Genoms funktionieren könnte, zeigt sich beim Ablesen des DNS-Strangs: Die Zelle besitzt ein System, mit dem unnütze Gensequenzen, die keine Funktion erfüllen, einfach herausgeschnitten werden. Nur die wichtigen Bestandteile der Erbinformation werden für die Herstellung von Proteinen verwendet. Der Vorteil: Aus einem Gen können die verschiedenen Abschnitte neu kombiniert werden. Dadurch erhält der Mensch eine hohe Flexibilität - aus einem Gen entstehen mehrere Eiweiße. Die Evolution und die Gene besitzen zwar keinen eigenen Willen, aber sie finden immer einen Ausweg und sichern so auch die Zukunft der menschlichen Entwicklung.
Register ADA-Krankheit 77ff. Adenosin (A) 17, 23f., 26, 28f., 33, 195ff., 221,237 Adenosindesaminase (ADA) 77 Adenoviren 205 Affe 25, 103, 122, 199fv 206, 252 Agrobakterien 170ff., 186, 191 Alanin 33 Allergie 181 f. Alterung 109-122 Alzheimer-Krankheit 29f., 86, 119, 121 Aminosäure 28f., 32, 35, 67, 210f., 213, 215, 218f. Ammoniak 211,213 ANDI, Rhesusäffchen 206 Anschaltprotein 230f., 234 Antibiotikaresistenz 63, 65, 186ff. Artensterben 245 Bakterium 35, 62-68, 135, 170ff., 187ff v 203,216,219 -Fabrik 124-129, 131 ff., 135f. Bazillus thuringiensis 186 Befruchtung, künstliche 39, 45, 48, 84 Bernsteinmücke 246f., 248f. Bienen 188 Biomatrix 99 Biowaffen 131-135 Blastozyste83ff. Blattlaus 182f.,249ff. Blattrollvirus 177fv 183 Blutkörperchen, weiße 103 Bodenbakterien 187ff. Boten-RNS27ff., 34, 67, 197, 229f. Charaktereigenschaften 155 ff., 161 ff. Chimäre 43ff. Chromosom 19f., 47, 114, 116, 122, 1 72, 195f., 198f., 227, 229 Chymosin 141 ff. Crick, Francis 23 Cytidin (C) 17, 23f., 26, 28f., 33, 195ff., 221, 237
Darwin, Charles 209, 219ff. Desoxyribonukleinsäure (DNS) 15-21, 23-29, 33ff.,38f., 5 5 , 2 1 1 , 2 2 3 -Abschnitt 17, 24, 199 - aufschneiden 62ff. - Bausteine 1 7, 23f., 26f., 34f., 35, 55, 195-200,221,237 - Entstehung 209f., 212f., 218f. - Information 23f., 26f., 128 - Klonieren 66, 120 Diabetes 88 Dinosaurier 245ff., 249 Dolly, Schaf 42f., 120, 122f. Doppelhelix 17, 23 Eiweiß 28ff., 67, 135, 139ff.,203f. Embryo 39ff., 47, 48f., 74, 85, 95, 103, 207, 234f. Enzym 24, 29f., 33f., 141 ff. Epidermal Growth Factor (EGF) 141 Erbinformationen 15, 23 Evolution 209, 219, 223, 234f., 246, 249, 251 ff. Exon 33f. Fabriken im Mikrokosmos 125-143 Fadenwurm 111 f., 118f., 165 f. Fae, Baby 103 Farbsehen 32 f. Fingerabdruck, genetischer 202f. Fortpflanzung 249f. Freilandversuch 176, 183, 188-193 Fremdgene 40, 50, 56ff., 61, 64f., 67, 73ff., 169ff., 205, 207 Fusionszellen 137 Gehirn 30, 163
Gelsinger, Jesse 77 Gen 24f., 27, 32ff., 50f., 195-207, 221 -Analyse 69 -Anpassung 253
- defektes 29ff., 49f., 75f., 250f. - Entschlüsselung 13, 195ff., 200 - Funktionen 52f., 200f., 226-234
-Hierarchie 229 - homöotisches 232ff., 236 - Isolierung 62ff. -Mutation 53, 117, 204, 221, 226,229,
236, 249 -Selektion 62-67 -Transfer 62-67, 73, 77, 88f., 169-173, 175, 186, 189, 204ff. -Transport 65, 67, 72f., 81, 171, 172f., 205 -Variation 149, 151 ff. -Vermehrung 63-67 -Zusammenspiel 12ff., 25, 32, 74 Genfähre 67, 81, 171,205 Gensonde 65 f. Gentherapie 14, 73, 76-80 Geschlechtsbestimmung 47 Gestaltgebung 31 f., 53, 223, 226-234, 236f. Grippe 61 f., 151 Größenwachstum 55-59 Guanosin (G) 17, 23f., 26, 28f., 33, 195ff., 221,237 Hand 31 f. Haut 92 f., 109, 111 f. Hefe 143 Herzinfarkt 86 HI-Virus 24, 130f. Homöobox 227 Hormon 28f., 39, 120, 179 Human Genome Project 196, 200 Hybride 185 f. Immunsystem 77ff., 88f., 93, 100-107, 110, 136f., 147ff., 151 ff. - hyperakute Abstoßung 104f., 107 Indianer 147, 150-155 Inselzellen 88f. Insulin 88f., 93, 128f. Intron33, 127, 129 Kallus 166ff., 171 Kartoffel 165f., 168f., 172 f., 175, 177f., 183 f., 191,243,245 Käse 141 ff.
Keimbahneingriff 50, 73f., 76, 206f. Keimzelle 97 Kinderlähmung 133f. Kinderlosigkeit 47 Klonen 41 ff., 52, 120, 122fv 140 - therapeutisches 95ff. Knock-out-Maus 203 Kohlendioxid 214f. Komet 215 f. Kontrollgen 227, 231 ff., 236f. Kontrollprotein 105, 107, 230, 234 Krankheiten 14, 29f., 34, 45,47, 51, 114, 117ff., 151 ff., 200, 250ff. -heilen 71-81, 140 - Resistenz 59ff., 63, 65, 166f. Krebs 79ff., 86, 110, 114, 116f., 136, 204 Landwirtschaft 38, 165, 184ff., 189, 239f. Leben 209-221, 239ff., 247, 249 Lektin 183 f. Leuchtgen 188, 205f. Leuchtkäfer 188 Leukämie 79 Liposome 205 Mais 186, 191 Maiszünsler 186 Mantelsaat 192 f. Markergen 65f., 186ff., 205 Maus 58ff., 86, 88, 203 ff., 227, 234 Mendelsche Gesetze 38 Mensch - Design 49ff., 206f. - Eigenschaften 48f., 155-163, 201, 207 -Gestalt 31, 34, 55 t 207 -Herkunft 145, 149 - Reparatur 99-107 -und Affe 25, 199ff., 252 -Wachstum 55-59 Methan 211, 213 f. Milch 137, 139ff. Miller, Stanley L. 211 Milzbrand (Anthrax) 132f. Missbildung 31 f., 53, 207, 226, 234 Mitochondrien 117f., 145 ff. Molch 224f., 233 Mukoviszidose 51, 71 f., 74, 76, 80, 205 Nacktmaus 99f. Nahrungsmittel 137, 179, 181 f., 189 Nukleotid 23
Ohr 99f. Onkogene 204 Organtransplantation 90ff., 95, 100-107 -Tierorgan 103-107 Organzucht 91, 93, 95ff., 99f.
Signalsubstanzen 228ff., 233 Stammzellen 15, 78f., 89f., 93 embryonale 83-88, 90 - Gewinnung 83-88 Stickstoff 1 76
Parkinson-Krankheit 86 Persönlichkeit 161 ff. Pflanzen 165-179, 236f. - Krankheiten 176ff. -wilde 188-193, 243ff. Plasmid63ff., 67, 126ff., 131, 133, 1 70ff. Polio-Virus 55 Pollen 189ff. Präimplantationsdiagnostik (PID) 45, 49 Promotor 67, 127f., 135, 184,204 Protein 13, 24f., 27ff., 32ff., 62, 100f., 139, 203, 218f., 229ff. - Entschlüsselung 13, 198, 200 - MX- 60f. -p53 80 Proteom-Projekt 13, 198 Pyrit 21 7f.
Taufliegen 52f., 223, 226ff., 231 ff., 236 Telomer 114 f., 120, 122 Telomerase 115 ff. Thymidin (T) 1 7, 23f., 26, 29, 33, 195ff., 221,237 Tierzucht 38-42, 56, 59, 138-142, 239f. Tomoffel 168 Tracy, Schaf 140 Transkription 26 Transkriptionsprotein 230 Transportprotein 178f. T-Zelle 100 f., 103, 107, 130f.
Qualle 205f. Radikale 117ff. Raps 188, 192 f. Regulationsgen 73 Reproduktion 211 Resistenz 59ff., 63, 65, 166f., 171, 175ff., 184, 186ff., 243 Resistenzgen 60f., 177, 184, 189 Restriktionsenzym 62ff. Retroviren 205 Ribonukleinsäure (RNS) 24, 26ff., 33f., 67f., 197f., 218f. Ribosom 28f., 131 Röntgenstrahlen 53 Rot-Grün-Blindheit 29 Samenbank 244f. Schaf 41 ff., 139ff. Schere, molekulare 62 Schiege 43f. Schlüsselgen 227, 229, 231 Schrotschuss-Methode 57, 170, 196 Schwein 56-61, 104ff., 139 Selbstmord-Gen 205 Selektion 38f., 50, 52 Serin 33 Seroton in 157ff.
Unsterblichkeit 109-123 Uridin (U) 26, 28 Urmundlippe 225, 233 Ursuppe 210-214, 216f., 219 Variationen 149, 151 ff., 221 Veitstanz 86ff., 199,251 Vektoren 67, 171,205 Vent 217 f. Verhaltensstörung 157ff. Vermittlerprotein 151 ff. Vielfalt, genetische 243, 249 Virus 24, 34, 60f., 67, 72f., 77, 107, 131, 133 ff., 148f., 151 ff., 176ff., 205, 253 Vitamin A 32, 179 Vorläuferzelle 86, 89, 93 Watson, James 23 Wurzelbärtigkeit 1 76 Zelle 17, 24ff., 28f., 47, 118 - Kern 26, 28, 33, 38 -Spezialisierung 41 f., 83, 89f., 95, 166f., 224ff., 229, 235 -Teilung 17, 19f., 24, 47, 48, 113 ff., 122, 224 -Tod 80f., 112 - totipotente 166, 1 72 -Wachstum 80f., 117, 204 f. Zelllinien 83 ff. Zeil Wächter 100, 152 Zwillinge, eineiige 52, 159ff., 225 Zytoplasma 49
Bildnachweis Albrecht-Matthias Wendlandt, Sauerthal: S.8/9, 16, 19, 22, 27, 28, 31, 32 unten, 56, 64, 66, 72, 79, 85, 89, 96, 101, 113, 126, 146, 148/149, 152, 154 unten, 173, 178, 212 unten, 214, 216, 220, 227, 228, 235, 250. Science Photo Library/Agentur Focus: S. 10, 14, 18, 20, 25, 30, 32 oben, 36, 44, 46, 49, 54, 60, 68, 70, 75, 81, 82, 84, 87, 91, 92, 98, 102, 104, 108, 110, 111, 115, 118, 121, 124, 127, 130, 134, 136, 138, 144, 158, 160, 162, 169, 1 74, 180, 182, 185, 187, 190, 192, 197, 202, 208, 210, 222, 238, 242, 244, 246, 248, 252. dpa: S. 43, 100, 106, 122, 156, 206. F. Sinowatz, Inst, für Tieranatomie der Univ. München: S. 39; ZDF/Kratzig: S.41; E. B. Lewis, Div. of Biology, Pasadena: S. 53; Isaksson, Törnell/Univ. of Göteborg, Dept. of Physiology: S. 59; Raphael Gaillarde, Enfant Bull, Studio X/ Paris: S. 78; J. Sharpe und U. Algren, Medical Research Council, Human Genetics Unit, Western General Hospital, Edinburgh, in: Science, Vol. 296, No. 5567, 19. April 2002 (Titelfoto): S.94; Bayer AG, Leverkusen: S.140, 164, 194; CSIRO, Austra lien: S.142; Peter Zürcher, Ananindeua/ Brasilien: S. 150, 154 oben; Inst, für angewandte Mikrobiologie der Universität München: S.166; H.-H. Steinbiß, Max-Planck-Inst. für Züchtungsforschung, Köln: S.170; G. Kriete, Lehrstuhl für Genetik, Univ. Bielefeld: S.176; Pflanzenschutzamt der Landwirtschaftskammer Hannover: S. 1 77) Bilderberg/Archiv der Fotografen, Hamburg: S. 201; Kage, Inst, für wissenschaftliche Fotografie, Lauterstein: S. 212 oben; Robert D. Ballard, Woods Hole Oceanographic Institute: S. 21 7; Christian Weise Verlag, LapisArchiv: S. 218; W. Groepler, Pädagogische Hochschule Karlsruhe: S. 224; G. Hauptmann, Biozentrum Univ. Basel: S.230; E. Rudolf Turner, Dept. of Bio logy, Indiana University: S. 232/233; P. Huijser, Biologie in unserer Zeit, VCH Ver lag: S. 236. Bei einzelnen Fotos war es trotz intensiver Bemühungen nicht möglich, den Rechteinhaber zu ermitteln. Wir bitten diese, sich zur Begleichung etwaiger Ansprüche mit dem Verlag in Verbindung zu setzen.