Ein Song für Duncan Nora Roberts Julia Nora Roberts Festival 1/00 - 2
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Ein Song für Duncan Nora Roberts Julia Nora Roberts Festival 1/00 - 2
1. KAPITEL Duncan Blade spielte nach Plan. Ob die Gewinnchancen hoch oder niedrig waren, erschien ihm nicht so wichtig. Hauptsache, er kannte sie und der Topf war voll genug. Und er war ein Mann, der es liebte zu gewinnen. Spielen lag ihm im Blut, sowohl von der MacGregor'schen Familienseite - schottische Vorfahren - wie auch von der Blade'schen Seite - indianische Vorfahren. Nichts hätte besser zu ihm gepasst, als die „Comanche Princess" zu leiten. Das allein war schon ein Spiel. Seine Eltern hatten ihr ganzes Leben lang Hotelcasinos auf festem Boden betrieben. In Atlantic City, Vegas, Reno und noch in vielen anderen Städten. Der Casino-Dampfer war für Duncan lange Zeit ein Traum gewesen, und jetzt, wo er ihn verwirklicht hatte, verstand er, dass seine Eltern auf seine Geschäftstüchtigkeit bauten. Er hatte nicht die Absicht, sie zu enttäuschen. Die Hände in die Gesäßtaschen seiner Jeans geschoben, stand er in Saint Louis am Kai und betrachtete wohlgefällig seine „große Liebe". Die „Princess" mit dem langen, schnittigen Rumpf, den weiträumigen Decks und den reich verzierten Relings war eine Schönheit. Man hatte sie den alten Schaufelraddampfern nachgebaut, die früher voll beladen mit Passagieren, Waren und Glücksspielern den Mississippi hinauf- und hinuntergefahren waren. Von außen war sie schneeweiß und die Innenausstattung von einem leuchtenden Rot. Unter dem Charme, den sie ausstrahlte, verbarg sich Solidität. Und mit der Soli di tat ging Luxus einher. Duncan wollte, dass sich seine Gäste entspannten und amüsierten. Das Essen war reichlich und von bester Qualität, das Unterhaltungsgebot auf der Höhe der Zeit und erstklassig. Die Kabinen waren, je nach Wunsch und Geldbeutel, ge mütlich bis verschwenderisch ausgestattet. Alle drei Salons boten eine atemberaubende Aussicht auf den Fluss. Und das Casino ... nun, das Casino war schließlich das Herzstück von allem. Die Passagiere bezahlten für die Fahrt und für die Chance zu gewinnen. Die „Princess" fuhr von Saint Louis nach New Orleans, mit Zwischenstopps in Memphis und Natchez. Diejenigen, die sich entschieden, während der gesamten zweiwöchigen Fahrt an Bord zu bleiben, brauchten keine Angst zu haben, dass sie sich langweilten. Und gleichviel, ob sie das Schiff als Gewinner oder Verlierer verließen, hatte Duncan doch dafür gesorgt, dass sie für ihr Geld etwas bekamen. Im Augenblick freute er sich schon auf die nächste Fahrt. Die Belegschaft bewegte sich geschäftig um ihn herum und belud in der mörderischen Julihitze das Schiff mit allem, was für die zweiwöchige Kreuzfahrt erforderlich war. Auch auf ihn wartete Arbeit in seinem Büro - es war eine Menge Papierkram zu erledigen -, aber er wollte sich diesen kurzen Augenblick der Ruhe gönnen. An Bord schrubbten andere Mitglieder die Decks, frischten Farbe auf, wienerten Messing blank und polierten Gläser. Am späten Nachmittag, wenn die erwartungsfrohen Passagiere über die Landungsbrücke in den Bauch der „Princess" strömten, würde sie in fr ischem Glanz erstrahlen. Alles war bereit. Fast. Duncan kniff hinter den dunklen Gläsern seiner Sonnenbrille die Augen zusammen. Die neue Sängerin, die er unter Vertrag genommen hatte, war bis jetzt noch nicht auf der Bildfläche erschienen. Sie hatte mittlerweile vierundzwanzig Stunden Verspätung. Und wenn sie binnen der nächsten vier Stunden nicht auftauchte, würde ihnen nichts anderes übrig bleiben, als ohne sie abzulegen. Er spürte Verärgerung in sich aufsteigen, die ihm für einen Moment seine Vorfreude nahm. Duncan zog sein Handy aus der Tasche und rief noch einmal Cat Farrells Agenten an. Während er darauf wartete, dass die Verbindung zu Stande kam, wanderte er mit langen, federnden Schritten am Kai auf und ab. Er war eine auffallende Erscheinung: groß, schlank und mit einer bronzefarbenen Haut. Seine Augen mit den schweren Lidern und den langen,
dichten Wimpern waren dunkelbraun, die Haare tiefschwarz und glatt wie die seiner indianischen Vorfahren. Sein Gesicht war schmal, mit hohen Wangenknochen und einer langen, geraden Nase. Sein Mund mit den vollen Lippen verriet Entschlossenheit und war wie geschaffen für schnell aufblitzende Lächeln. Aber im Augenblick lächelte er nicht. „Cicero? Blade hier. Wo, zum Teufel, bleibt mein Talent?" Die Verkehrsgeräusche von Brooklyn kamen über die Leitung, während Cicero eine Antwort winselte. „Sie ist immer noch nicht da? He, ich kann mich dafür verbürgen, dass die Kleine zuverlässig ist. Irgendetwas hat sie aufgehalten, das ist alles. Ganz bestimmt kreuzt sie jeden Moment auf, und wenn Sie sie sehen, sind Sie total von den Socken, das schwöre ich Ihnen." „Kumpel, Sie haben mir garantiert, dass sie gestern Mittag ankommen sollte. Sie hat heute Abend ihren ersten Auftritt. Halten Sie denn mit Ihren Klienten keinen Kontakt?" „Doch, klar, aber Cat ... na ja, sie hat eben ihren eigenen Kopf. Aber sie ist jeden Penny, den Sie ihr zahlen, wert, darauf können Sie wetten. Mehr noch. Ihr Stern ist gerade erst am Aufgehen. Geben Sie ihr noch ein Jahr und ..." „Verflucht noch mal, mich interessiert nicht, was nächs tes Jahr ist, Cicero. Jetzt ist jetzt. Und genau jetzt sehe ich Ihre Klientin nicht." „Sie kommt schon noch. Ganz bestimmt, verlassen Sie sich darauf. Hören Sie, Ihr Bruder war sehr zufrieden mit ihr, sie hat das Publikum in Vegas vom Hocker gerissen." „Mein Bruder hat wesentlich mehr Geduld als ich. Wenn sie in einer Stunde nicht da ist, verklage ich Sie wegen Vertragsbruch. Ich kann in solchen Fällen ziemlich unangenehm werden." Duncan stellte das Gestotter ab, das aus dem Hörer drang, schob das Handy in seine Tasche zurück und ging zur Landungsbrücke. In der Tat war es sein Bruder Mac, eigentlich Robert, ge wesen, der ihm Cat Farrell wärmstens empfohlen hatte. Und es war gar keine Frage, dass Duncan Macs Urteilsve rmögen traute. Andernfalls hätte dieser nicht auf seinen Großvater gehört und sie, ohne sie vorher gesehen zu haben, gebucht, nachdem der große MacGregor ihm von ihr vorgeschwärmt hatte. Wenn das Bild, das Cicero ihm geschickt hatte, nicht täuschte, dann sah sie verdammt gut aus. Geschmeidig und sexy. Und das Demo-Band, das er gleich mitgeschickt hatte, bewies seiner Meinung nach, dass sie die zu ihrer Erscheinung passende Stimme besaß. Aber das nützte ihm alles nichts, wenn diese Frau nicht endlich auftauchte. Ein Mädchen, das von der anderen Seite auf die Landungsbrücke zugeschlendert kam, erweckte seine Aufmerksamkeit. Abgetragene, ausgefranste Jeans, über der Schulter einen Rucksack, ausgetretene Turnschuhe. Auf dem Kopf trug sie eine Baseball-Kappe mit Zebramuster, die sie sich tief in die Stirn gezogen hatte, und auf der Nase eine Sonnenbrille mit runden Gläsern. Er seufzte auf. Was für ein Jammer, dass Jugendliche heutzutage nicht mehr Sinn für Ele ganz besaßen. Er lief ihr schnell entgegen, um sie aufzuhalten, bevor sie die Landungsbrücke betreten und womöglich noch an Bord gehen konnte. „Tut mir Leid, Süße. Du kannst da nicht rauf. Für Kinder unter drei allein kein Zutritt. Du musst also schon deine Eltern mitbringen, wenn du mitfahren willst." Sie stellte einen Fuß vor, streckte eine Hüfte heraus und schob mit einem Finger die Sonnenbrille ein Stück hinunter. Als er die Augen dahinter sah, durchzuckte es ihn wie ein Stromschlag. Sie waren von einem leuchtenden Grün, mit einem hauchdünnen goldenen Ring, der die Pupillen einschloss. Noch ein paar Jahre, und allein die Augen würden jeden Mann in die Knie zwingen, ging es Duncan flüchtig durch den Kopf. Zu seiner Belustigung taxierten ihn diese Augen jetzt vom Haaransatz bis zu den Zehenspitzen und wieder zurück, und das mit einer Arroganz, der er seine Bewunderung nicht versagen konnte.
„Und wer sind Sie?" Es sollte jedem weiblichen Wesen unter einundzwanzig verboten sein, eine solche Stimme zu haben, entschied er. Dieser heisere, verheißungsvolle Klang gehörte zu einer reifcn und erfahrenen Frau. „Ich bin Blade, der Besitzer dieses Schiffes", sagte er und deutete mit dem Kopf zur „Princess" hinüber. „Und du bist willkommen, wenn du volljährig bist, Schätzchen." Sie lächelte jetzt mit derselben Arroganz, mit der sie ihn gemustert hatte. „Soll ich Ihnen meinen Ausweis zeigen, Bla de? Irgendwo da drin muss ich ihn haben." Sie hob die Hand und klopfte auf ihren Rucksack. „Aber warum schenken wir uns das nicht, wo wir sowieso ein bisschen spät dran sind? Ich bin Ihre Hauptattraktion, Süßer." Sie hielt ihm die Hand hin. „Cat Farrell. Und ich bin letzten Monat fünfundzwanzig geworden." Er musterte sie verblüfft. Ja, jetzt sah er es. Das hieß, wenn er seine Fantasie ein bisschen anstrengte. Die Augen hätten ihn warnen sollen. Aber auf dem Foto hatte sie keine Sommersprossen auf der Nase gehabt, und über ihre Schultern und ihren Rücken hatte sich eine Flut roter Haare ergossen. Im Moment sah er keine Spur davon, und er fragte sich, wie sie es wohl angestellt haben mochte, ihre Löwenmähne unter diese scheußliche Kappe zu stopfen. „Sie sind spät dran." „Wurde leider aufgehalten." Sie setzte ein strahlendes Lä cheln auf. „Ich hätte mich von Cicero nicht breitschlagen lassen sollen, vorher noch diesen Auftritt in Bakersfield mitzunehmen. Hab meinen Flug deshalb verpasst und musste umbuchen. Schöner Mist. Hören Sie, da drüben steht noch das Taxi mit meinen Sachen. Wäre nett, wenn Sie sich darum kümmerten. Ich schau mich unterdessen schon mal ein bisschen an Bord um." „Moment." Er hielt sie am Arm fest. „Warten Sie." Er kostete das verärgerte Aufblitzen dieser bemerkenswerten Augen einen Moment aus, bevor er sich an jemanden von seiner Belegschaft wandte und ihn anwies, Cats Gepäck aus dem Taxi zu holen und an Bo rd zu bringen. „Wir schauen uns zusammen um." Er nahm wieder ihren Arm und ging mit ihr die Anlegebrücke hinauf zum Schiff. „Und anschließend zeige ich Ihnen, wie dieses neue und erstaunliche Gerät, das man Telefon nennt, funktioniert." „Niemand hat mir gesagt, wie geistreich Sie sind", kommentierte sie trocken. Aber weil sie den Job dringend brauchte, schluckte sie eine weitere sarkastische Bemerkung hinunter. „Hören Sie, es tut mir Leid. Manchmal gibt's beim Reisen Komplikationen, und ich hatte gleich mehrere davon. Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte." Sie verfluchte im Stillen Cicero, dem sie diesen dicht ge drängten Terminkalender zu verdanken hatte. Nur weil sie ihren Flug verpasst hatte, hatte sie in einer flügellahmen Klapperkiste von Kalifornien nach Missouri fliegen müssen. Außer einem kurzen Nickerchen am Flughafen hatte sie in den letzten vierundzwanzig Stunden kein Auge zugetan, und gegessen hatte sie auch so gut wie nichts. Und jetzt schnauzte sie noch diese Titelblattschönheit von einem Mann an, weil sie ein bisschen spät dran war. Aber er war ein Blade und ein MacGregor dazu, daran sollte sie denken. Hinter diesen beiden Namen stand genug Macht und Einfluss, um ihrer Karriere den kräftigen Schubs zu versetzen, für den sie sich sonst jahrelang hätte abrackern müssen. Es würde ein guter Gig werden. Die Decks waren mustergültig geschrubbt, wie sie bemerkte, und die verzierten Relings erinnerten an die schmiedeeisernen Balkone im French Quarter von New Orleans, die sie bisher nur von Bildern und aus Filmen kannte. Sämtliches Glas funkelte. Offensichtlich legte Duncan Blade Wert auf Ordnung und Sauberkeit. Er drückte eine glänzend rot lackierte Schwingtür auf und bedeutete ihr, einzutreten. Cat folgte seiner Aufforderung und schaute sich mit in die Hüften gestützten Händen um. Wie schon das Schiff von außen, strahlte auch dieser Kaum Charme aus und zeugte von Traditionsbewusstsein. Runde Tische standen nah genug beieinander, um für Gemütlichkeit
zu sorgen, und doch nicht so nah, dass man mit den Ellbogen dem Tischnachbarn ins Gehege kam. Der Zuschauerraum wurde von den Kronleuchtern an der Decke in sanftes Licht getaucht, und der Teppichboden war von demselben leuchtenden Rot wie die Schwingtür. Die Theke in der hinteren Ecke war graziös geschwungen. Stilvoll, dachte Cat, mit dem zusätzlichen Pluspunkt, dass sie auch noch kommunikationsfreundlich war. Die Messingbeschläge an den Barhockern glänzten, und der Spiegel hinter der Bar war blank geputzt. Sie bestieg die Bühne, wo sie beifällig das auf Hochglanz gewienerte Parkett zur Kenntnis nahm, und registrierte mit einem leisen Freudenschauer rechts von dem herrlichen Steinwayflügel auf einer Staffelei das Ankündigungsplakat mit ihrem Foto darauf. Sie stellte sich in die Mitte der Bühne, schloss die Augen und holte tief Luft. Und schmetterte die ersten Strophe von „Stormy Weather" heraus. Duncan, der sich noch immer im Hintergrund hielt, musste aufpassen, dass ihm nicht die Kinnlade herunterfiel. Sie hatte eine gewaltige Stimme, die einem bis ins Mark ging und die es selbst ohne Mikrofon schaffte, den Raum bis in den hintersten Winkel zu füllen. „Sie haben eine gute Akustik hier drin", stellte sie fest. Jetzt erst merkte er, dass er vergessen hatte zu atmen, und holte tief Luft. „Und Sie haben gute Stimmbänder." Sie grinste. Sie wusste es sehr genau. Ihre Stimme war alles, was sie hatte, und sie beabsichtigte, damit ganz nach oben zu kommen. „Danke, Süßer. Meine kleine Anwartschaft auf Ruhm. Ich möchte gern einen Soundcheck machen, eine kur ze Probe. Wenn Sie mir die Garderobe und meine Kabine gezeigt und mir vielleicht auch noch ein Sand wich spendiert haben, mache ich mich an die Arbeit." „Sie haben Ihren Auftritt in ...", er warf einen Blick auf die Uhr, „... acht Stunden." „Ich weiß. Ich komme nie zu spät auf die Bühne." Sie nahm die Sonnenbrille ab und klemmte sich den Bügel in den Ausschnitt ihres T-Shirts. „Keine Angst, Blade, ich mache meinen Job." Dafür würde er sorgen. „Die Garderobe liegt hinter der Bühne, zwischen dem Hauptsalon und dem Casino." „Ganz schön schlau", sagte sie. „Die Leute holen sich hier was zu trinken, dann schlendern sie ein bisschen herum und werfen ihre Scheinchen auf die Spieltische. Und am Ende sind sie die Dummen." Er hob eine Augenbraue. „Ich nehme doch an, dass Sie weder trinken noch spielen." „In der Regel nicht. Alkohol lähmt den Verstand, und Spielen heißt Verlieren, weil das Haus am Ende doch immer gewinnt. Ich habe aber keine Lust zu verlieren." „Ich auch nicht." Er lotste sie durch eine andere Schwingtür und ging dann rechts einen kurzen Flur hinunter. „So, hier ist Ihre Garderobe." Meine Garderobe, dachte sie und lächelte. Es war erst wenig mehr als ein Jahr her, seit sie zum ersten Mal eine eige ne Garderobe bekommen hatte, und der Gedanke daran versetzte sie immer noch in freudige Erregung. Die Zeiten, in denen sie sich ein enges, stickiges Zimmer mit Striptease-Tänzerinnen und Hintergrundsängerinnen hatte teilen müs sen, waren endgültig vorbei. Keine Kämpfe mehr vor dem Spiegel um einen Platz und kein Wühlen in Kleiderbergen, bis man das richtige Kostüm gefunden hatte. Meine, dachte sie wieder, während sie sich in dem kleinen, aber ordentlichen Raum umschaute. Ein beleuchteter Spiegel, ein langer Tresen, ein gepolsterter Hocker, ein Kleiderständer. Und, dem Himmel sei Dank, ein bequemes Sofa. „Ein bisschen eng", sagte sie mit einem Schulterzucken, obwohl sie am liebsten einen Freudentanz aufgeführt hätte. „Aber es reicht. Ich könnte etwas Hilfe ge brauchen, um meine Sachen hier reinzubringen." „Die werden Sie bekommen. Ich zeige Ihnen vorher nur noch den Rest."
Sie ging nur widerwillig mit. Sie hätte sich viel lieber in ihrer Garderobe eingeschlossen, sich auf das Sofa gesetzt und für eine Weile einfach nur vor sich hin gegrinst. Stattdessen folgte sie ihm nun durch das Casino mit den mit grünem Filz bespannten Tischen und glitzernden Automaten und war sehr beeindruckt. Das hier ist seine Bühne, dachte Cat. Wie leger er auch gekleidet sein mochte - und es war anzunehmen, dass diese maßgeschneiderte Hose und das weiße Hemd in seinen Augen leger waren -, war er doch das perfekte Abbild eines traditionellen Casinospielers. Und ganz bestimmt ging er nicht oft mit leichteren Ta schen hinaus als herein. „Zwei Auftritte pro Abend", sagte Duncan, während sie sich ihren Weg zwischen den Tischen hindurch wieder aufs Deck in die strahlende Sonne bahnten. „Der Tag gehört Ihnen, obwohl wir es ganz gern sehen, wenn sich unsere Ange stellten ab und zu auch mal unter die Gäste mischen. Ihre Mahlzeiten nehmen Sie mit der Belegschaft unter Deck ein. Frühstück gibt's von sechs bis acht, Mittagessen von elf bis eins, Abendessen von fünf bis sieben. Ich verspreche Ihnen, dass Sie nicht hungrig vom Tisch aufstehen werden." „Gut zu wissen. Ich habe nämlich großen Appetit." Er warf ihr einen Blick zu. Sie war gertenschlank, obwohl die Fotos mit einigen überaus attraktiven Kurven geprahlt hatten. Duncan kannte und schätzte den Erfindungsreichtum der Dessoushersteller und was sie sich alles einfallen lie ßen, um eine weibliche Figur zu einem Augenschmaus zu machen. „Sie können auch kostenlos den Fitness-Raum und die Sauna benutzen. Beides befindet sich ebenfalls unter Deck. Bezahlen müssen Sie nur für Ihre alkoholischen Getränke, und da Sie nicht trinken - in der Regel -, muss ich Ihnen auch nicht sagen, dass Sie, wenn ich Sie betrunken an Bord antreffe, eine Verwarnung bekommen. Bei der zweiten Verwarnung fliegen Sie." Er ging eine Treppe hinunter und bog in einen Flur ein. „Hier befinden sich die Passagierkabinen. Wir können hundertzwanzig Vollzeitpassagiere unterbringen und an den Tagen, an denen wir in einem Hafen Zwischenstopp einlegen, noch mal hundertfünfzig Gäste." Er blieb vor einer Tür stehen und öffnete sie. „Eine Erste-Klasse-Kabine", erklärte er und forderte sie auf einzutreten. „Nicht übel." Es war geräumiger, als sie sich vorgestellt hatte, mit einem großzügigen Bett und einer gepolsterten Sitzecke. Die Möbel waren antik, echt wahrscheinlich, wie sie annahm. In einer Vase standen frische Blumen, und hinter einer Tür lag ein winziger Balkon, von dem aus man einen herrlichen Blick auf den Fluss hatte. „Muss eine ganz schöne Stange kosten." „Man bekommt das, wofür man bezahlt. Die Leute wollen sich hier entspannen und amüsieren, und wir bieten ihnen etwas für ihr Geld." „Darauf wette ich." Eines Tages, eines schönen Tages würde sie sich auch eine solche Kabine leisten können. Und wenn es so weit war, würde sie sich kugeln vor Lachen. Dann würde sie all die drittklassigen Motels, die Zimmer, in denen man keinen Schritt machen konnte, ohne über irgendetwas zu stolpern, und die Flohbuden, mit denen sie hatte vorlieb nehmen müssen, vergessen. „Also schön, Süßer, da ich kaum annehme, dass Ange stellte so eine noble Kammer bekommen, wo ist dann meine Kabine?" „Eine Ebene tiefer." Er trat einen Schritt zurück, aber als sie durch die Tür ging, streiften sich dennoch ihre Schultern. Er riecht sogar reich, dachte sie mit aufkeimender Verärgerung. Und sie roch wahrscheinlich genau so, "wie sie sich fühlte. Wie ein Haufen Lumpen. Wenn sie nicht bald etwas zwischen die Zähne bekam, würde sie noch um Brot bettelnd auf die Knie fallen und sich selbst demütigen. Du warst früher auch schon hungrig, versuchte sie sich abzulenken, während sie Duncan eine weitere Treppe nach unten folgte. Denk einfach an etwas anderes. An irgendetwas.
Zum Beispiel daran, was für einen knackigen Hintern dieser Blade hatte. Ihr kurzes Auflachen veranlasste ihn, sich umzudrehen. „Was ist?" „Nichts. Da ich jetzt das Vergnügen habe, hinter Ihnen herzugehen, genieße ich nur die Aussicht." Seine linke Augenbraue hob sich ganz leicht - eine Fähigkeit, die sie bei anderen immer bewundert hatte. Dann blitzte sein Grinsen auf wie ein Wetterleuchten. Wow, dachte Cat. Eine Geheimwaffe. Sehr wirkungsvoll. „Beim nächsten Mal tauschen wir die Plätze", sagte er leichthin, dann öffnete er eine Tür. „Ihr Reich." Die Kabine war nur halb so groß wie jene, die er ihr gerade gezeigt hatte, und das winzige Fenster ließ zwar Licht he rein, aber sonst kaum etwas. Trotzdem fühlte sie sich auf Anhieb wohl, das schmale Einzelbett gefiel ihr ebenso "wie der blitzsaubere Fußboden. Dort stand bereits ihr Koffer und füllte den größten Teil des Raums aus. „Wir werden den Koffer für Sie verstauen, wenn Sie aus gepackt haben. Dann bekommen Sie ein bisschen mehr Platz." „Es ist schön." Mehr als schön, dachte sie. Es roch sauber. Nebenan würden keine Betrunkenen herumgrölen. Und sie brauchte auch keinen Stuhl unter die Türklinke zu schieben, um nicht mit ungebetenem Besuch rechnen zu müssen. Sie schaute sich in dem winzigen Bad um und hatte kein Problem mit dem Puppenwaschbecken oder der schuhschachtelgroßen Duschkabine. Es war alles da, egal wie klein, und blitzte vor Sauberkeit. Für die nächsten sechs Wochen gehört das alles dir, dachte sie. „Ich werde zurechtkommen. Was ist jetzt mit dem Sandwich?" „Ich lasse es Ihnen runterbringen." Er war ohnehin schon in Verzug mit seinem Zeitplan. „Ruhen Sie sich eine Stunde aus, gewöhnen Sie sich ein. Ich arrangiere alles für einen Soundcheck. Wir lassen den großen Salon bis vier ge schlossen, aber mehr Zeit kann ich Ihnen für eine Probe leider nicht einräumen." „Ich werde da sein, Süßer." Sie ging zur offen stehenden Tür und forderte ihn wortlos auf zu gehen, indem sie sich dagegen lehnte. „Und ich brauche ein Glas Wasser, ohne Kohlensäure, ohne Geschmack. Einfach nur stilles Mineralwasser." Er hob wieder diese Braue. „Sonst noch etwas?" „Nun ..." Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln und fuhr mit dem Finger über die Knopfleiste seines Hemdes. „Alles andere wird sich zeigen. Danke für die Besichtigungstour." Wenn sie spielen wollte, sollte es ihm recht sein, er war gut darin. Er legte ihr einen Finger unters Kinn und beugte sich gerade weit genug vor, um zu sehen, wie ihre Augen wütend aufblitzten. „Bis jetzt habe ich Ihnen doch noch gar nichts gezeigt, Schätzchen." Nach diesen Worten ging er grinsend davon.
2. KAPITEL Die Nächte mochte Duncan am liebsten und er begrüßte schon den Einbruch der Dämmerung. Der Juli brachte heiße und schweißtreibende Tage, mit einer Sonne, die erbarmungslos auf die weiten, dunklen Fluten des Mississippi herunterbrannte. Aber solche Tage bedeuteten auch warme Nächte mit zärtlichen Brisen. Und die wiederum bedeuteten Action. Die Passagiere waren an Bord, und die Ab legeparty hatte alle eingestimmt auf eine fantasievolle, vergnügliche Reise in die Vergangenheit, als die Schaufelraddampfer noch die uneingeschränkten Herrscher über den Mississippi gewesen waren. Seine Begrüßungstour lag bereits hinter ihm, bei der er wie üblich versucht hatte, Gesichter einzuschätzen, angefangen von den glückseligen Flitterwöchnern bis hin zu den unverbesserlichen Glücksrittern, die davon träumten, die Bank des Casinos zu sprengen. Während sich jetzt langsam die Dunkelheit herabsenkte, verspürte Duncan diesen leisen erwartungsvollen Kitzel, wie jedes Mal, wenn eine neue Fahrt bevorstand. Er hatte viele Jahre seines Lebens sowohl in Hotels als auch in Wohnungen in den verschiedensten Städten oder Ferienorten zugebracht. Er war es zufrieden gewesen, denn er hatte dadurch eine Menge über das Familienunternehmen gelernt, für das er schon frühzeitig ein Gespür zu entwickeln begann. Aber er hatte dabei auch entdeckt, dass er in Wirklichkeit nicht sesshaft war und Freiheit, Veränderung und das Unerwartete bevorzugte. Seine Mutter hatte oft gelacht und gesagt, dass er ein Jahrhundert zu spät auf die Welt gekommen sei. Er sei dazu geboren, mit einem Schiff den Fluss hinunterzufahren. Und genau das tat er jetzt auf der „Comanche Princess", die träge gen Süden gleitend die dunklen Fluten des Missis sippi zerschnitt und das feste Land mit all seinen Einschränkungen hinter sich ließ. Er hätte das große Schiff selbst steuern können, das war auch noch etwas, das er gelernt hatte. Zudem war er kein Mensch, der gern die Kontrolle in fremde I lande legte. Doch da sein Kapitän ebenso sorgfältig ausge wählt war wie die gesamte Mannschaft, konnte er jetzt in dem Bewusstsein, dass alles wie am Schnürchen lief, den Augenblick genießen. Er schlenderte durch das Casino und nickte seiner Geschäftsführerin zu. Gloria Beene hatte ein scharfes Auge, einen schnellen Verstand und den schleppenden Akzent der Südstaatler, der ihre Tüchtigkeit überdeckte. Und sie füllte ihren eleganten Abendanzug sehr hübsch aus. Duncan hatte sie aus Savannah abgeworben, ihr Gehalt erhöht und erwogen, die Beziehung mit ihr in etwas ... persönlichere Bahnen zu lenken. Bis sie beide entdeckten, dass sie füreinander viel eher geschwisterliche als leidenschaftliche Gefühle hegten. „Einen netten Haufen haben wir da heute", bemerkte Gloria. „Sie hängen alle an den Automaten." „Wen wundert's? Schließlich müssen sie ihre Freichips verpulvern ... für den Anfang. Wir haben zwei Paare auf Hochzeitsreise dabei. Wenn du sie siehst, erkennst du sie gleich. Bring ihnen eine Flasche Champagner auf Kosten des Hauses, wenn sie reinkommen." „Geht klar." „Ich schaue nur kurz nach unserem neuen Talent, aber ansonsten bin ich für die nächsten Stunden hier." Er wanderte durch das Casino, hörte mit Vergnügen das Klingeln und Summen der Automaten, das Geräusch, wenn Karten ausgegeben und wieder eingesammelt wurden, das Klappern der Roulettekugeln, wenn das Rad sich drehte. Er beendete seine erste Runde und ging in Richtung des großen Salons. Auf dem Flur blieb er stehen, warf einen Blick auf seine Uhr und schaute dann mit gerunzelter Stirn auf Cats Garderobentür. Sie hatte sich bis jetzt noch nicht blicken lassen, und seine Hoffnung, dass sie rechtzeitig fertig sein -würde, war nicht sehr groß. Er klopfte an die Tür. „Noch fünf Minuten, Miss Farrell." „Ich weiß. Oh, Mist! Könnten Sie mir vielleicht kurz helfen?"
Duncan machte die Tür auf ... und erfuhr, was es für ein Gefühl sein musste, wenn man zwei Ladungen Schrot direkt in die Eingeweide bekam. Sie stand mitten im Raum in etwas, das man gewiss nur mit viel Großzügigkeit als ein Kleid bezeichnen konnte. Der winzige Fummel hatte dasselbe leuchtende Grün wie ihre Augen und ließ ihre Schultern frei für eine Kaskade von rotem Haar. Die ausgebeulte, abgerissene Jeans hatte ihn nicht darauf vorbereitet, dass sie Beine besaß, die irgendwo in unmittelbarer Nähe ihrer Ohren zu enden schienen. Und der kurze enge Rock sowie die Schwindel erregend hohen Stilettos zeigten diese Beine in allerbestem Licht. „Na", murmelte er, „Sie haben sich ja sogar ein bisschen zurechtgemacht." Cat hörte auf, an dem Reißverschluss herumzuzerren, wandte ihm ihren herrlichen nackten Rücken zu und blickte ihn über die Schulter an. „Sie haben das Päckchen gekauft, Süßer, also helfen Sie mir jetzt auch mit dem Reißverschluss. Dieses verdammte Ding klemmt nämlich." „Dann lassen Sie mal sehen, was wir dagegen unternehmen können." Als er einen Schritt auf sie zutrat, registrierte er, dass sie mit diesem glänzend rot angemalten Mund und den geschminkten Augen weiß Gott nicht wie ein Teenager aussah. Und sie duftete exotisch, betörend sinnlich. Was konnte ein Mann anderes tun, als den Augenblick genießen? „Manchmal muss man erst ein Stück nach unten gehen ...", seine Knöchel streiften über ihre Haut, als er den Reißverschluss etwas hinunterzog, „... bevor man hochkommt." Sie erschauerte nicht und gratulierte sich dafür. Und da sie wusste, wie man Männer wie ihn behandeln musste, warf sie ihm ein betörendes Lächeln zu. „Oh, unten war ich schon, und oben gefällt es mir entschieden besser." „Vielleicht "waren Sie unten nicht an der richtigen Stelle", gab er zurück und konnte nicht umhin, ihr mit dem Finger die Wirbelsäule entlangzufahren. „Hübscher Rücken, Farrell." „Danke." Und jetzt erschauerte sie doch noch. Verdammt. „Ihrer ist aber auch nicht übel, Blade. Was ist jetzt, helfen Sie mir mit meinem Kleid, oder wollen Sie, dass ich zu spät auf die Bühne komme? Mein Boss kann in solchen Fällen höchst unangenehm werden." „Ich lege ein gutes Wort für Sie ein." Es erstaunte ihn, wie sehr es ihn verlangte, ihr das Kleid auszuziehen, um nachzusehen, was sich sonst noch für Geheimnisse unter den abgerissenen Gassenjungenkleidern verborgen haben mochten. Bevor sie wieder den Kopf nach vorn drehte, konnte er noch die Wachsamkeit in ihren Augen erkennen und, falls seine Eitelkeit ihm nicht einen Streich spielte, einen Anflug von Neugier. Regungslos stand sie dann da und wartete, dass er ihr den Reißverschluss hochzog, obwohl seine Fingerspitzen auf ihrer Haut den Wunsch in ihr weckten herauszufinden, wie ge schickt sie waren. „Es wäre ein Fehler", sagte sie ruhig. „Ja." Mit leisem Bedauern schloss er ihr endlich das Kleid. „Das wäre es." Dann trat er einen Schritt zurück und unterzog sie einer genauen Musterung. „Obwohl es von meiner Warte aus so aussieht, als würde es sich lohnen." Er wandte sich zur Tür und öffnete sie. „Hals- und Beinbruch." „Danke, ich versuche mein Möglichstes." Sie wollte schon an ihm vorbei auf den Flur gehen, folgte dann aber einem Impuls und blieb in der Tür stehen, so dass sich ihre Körper berührten. Langsam hob sie die Hand und fuhr ihm mit dem Finger über den Mund. Dann lächelte sie. „Schade." Sie betrat den Flur, lief ihn hinunter, zählte die Herzschläge und blieb dann an der Ecke zum Salon stehen. Wartete. Statt dieses langsame, träge Ziehen in ihrem Unterleib zu unterdrücken, kostete sie es aus, indem sie sich voll und ganz darauf konzentrierte. Schließlich betrat sie den Salon, und als das Licht plötzlich verlöschte, ging sie weiter in die Finsternis hinein und fand die Bühne. Zählend, immer noch zählend. Und dann schloss sie die Augen und fing an zu singen, a cappella in der Dunkelheit.
Sie begann weich und verträumt, nur sie allein, ihre Stimme streichelte die Worte, ihr Herz wurde von ihnen schwer. Kurz darauf setzte die Musik ein. Ein Scheinwerfer flammte auf und beleuchtete ihr Gesicht, hielt es einen Moment fest, dann glitt der Lichtkegel an ihrem Körper ganz langsam nach unten, während ihre Stimme lauter wurde. Verführung, dachte Duncan, der am Eingang stand und sie nicht aus den Augen ließ. Obwohl ihre Stimme schwermütig klang und unendlich traurig, während sie davon sang, dass sie sich nach jemandem sehne, dem sie etwas bedeute. Alles an ihr war Verführung. Und das Publikum war hingerissen. Er stellte sich vor, dass jetzt den Frauen Tränen in die Augen traten und sich in den Männern Begehren regte. Gott, sie verstand es, Begehren zu erwecken. Er fuhr sich mit dem Finger über den Mund, dort, wo sie ihn gestreichelt hatte. Diese winzige Berührung war ihm direkt in die Lenden geschossen. Eine gefährliche Frau, ent schied er. Eine Frau, die ihn nervös machte. Es war sein Pech, dass er eine Schwäche hatte für gefährliche Frauen, die ihn nervös machten. Er lauschte, bis der le tzte Ton verklungen war und sich aus dem Publikum rauschender Beifall erhob. Dann drehte er sich um und machte sich auf den Weg zum Spielcasino, wo die Chancen für ihn günstiger standen. Spät nachts, nach ihrem zweiten Auftritt, ging Cat direkt in ihre Garderobe, zog sich das Kostüm aus und schminkte sich ab. Nachdem sich ihr Adrenalinspiegel langsam abgesenkt hatte, stolperte sie völlig ausgelaugt in ihre Kabine und fiel ins Bett. Und schlief wie ein Stein. Am nächsten Tag erschien sie um halb eins geduscht und putzmunter in der Kombüse. Sie hatte bereits mit einem der Köche Freundschaft geschlossen. In jedem Hotel, Nachtclub oder Schuppen, in dem sie auftrat, hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, sich mit der Person, die für das Essen zuständig war, anzufreunden. Man aß einfach besser so. Charlie aus New Orleans war ein lächerlich magerer Cajun mit einem riesigen Schnauzbart, herausfordernden schwarzen Augen und drei Exehefrauen. Das erfuhr Cat, während sie das geniale „Shrimps etouffee" in sich hine inschaufelte, das er ihr auf einen Teller gehäuft hatte. Sie spülte es mit Mineralwasser hinunter. Koffein machte sie nervös. Sie plauderte und futterte in dem hektischen Durcheinander der Küche, fast ohne zu bemerken, wie die Kellner geschäftig aus und eingingen. Das Mittagessen wurde wahrscheinlich auf dem Prome nadendeck, im Speisesaal und in der Personallounge serviert, aber Cat fand es in der Kombüse gemütlicher. „Erzählen Sie mir ein bisschen was über Ihren Boss, Charlie." „Duncan?" fragte Charlie mit Blick auf einen seiner Köche, um sicherzugehen, dass die Pilze auch fachgerecht ge schnitten wurden. „Guter Mann. Klug. Bei meiner Einstellung hat er gesagt: ,Charlie, ich will Essen, von dem man träumen kann'." Amüsiert von der Erinnerung, stieß Charlie ein meckerndes Lachen aus. „Er will Essen, das schmeckt wie ein Traum, also gebe ich es ihm. Und weil er nur das Beste will, bezahlt er gut dafür. Mit weniger als dem Besten gibt er sich nicht zufrieden, chere. Nicht Duncan Blade." „Darauf wette ich." „Und ein Händchen für Frauen hat er auch." Charlie zog die Augenbrauen zusammen. „Er ist geschickt und durchtrieben. Sie schaffen es nicht, ihn einzufangen. Im Gegensatz zu mir. Ich bin zu langsam. Mir ziehen sie einen Ring durch die Nase, ehe ich es merke." Sie lachte. „Aber Duncan nicht." „Keine Chance. Er kitzelt sie ein bisschen, und während sie noch lustvoll seufzen, ist er schon über alle Berge."
„Nicht alle sind kitzlig." „Oh, jeder hat so seinen Punkt. Irgendeine Schwachstelle. Ich hab leider viel zu viele." Ich nicht, versicherte sich Cat, während sie die Küche verließ und an Deck schlenderte. Wenn eine Frau geschickt war, dann verbarg sie diese Schwachstellen und war diejenige, die sich davonmachte. Wenn man sich nur auf sich selbst verlassen konnte, musste man clever sein. Sie lehnte sich über die Reling und schaute ins Wasser hinunter. Es tat gut, einmal die Stadt und den Lärm hinter sich zu lassen, die feuchte, frische Luft einzuatmen und die heißen Strahlen der Sonne auf der Haut zu spüren. Sie drehte sich um und hielt das Gesicht der Sonne entgegen. Sie könnte ein paar Engagements mehr wie dieses hier brauchen. Mit dem Schiff übers Wasser zu gleiten und faule Nachmittage in der Sonne zu verbringen war keine üble Sache. Und Charlie war in Ordnung. Duncan Blade war nicht knickrig. Das Gehalt der nächsten sechs Wochen würde ihre Ersparnisse um einen ganz schönen Batzen anwachsen lassen. Ihr Polster würde sich noch ein bisschen vergrößern, und die Zeiten, in denen sie es kaum geschafft hatte, die Miete für ihr winziges Zimmer zusammenzukratzen, würden in immer weitere Ferne rücken. Ich werde nie wieder arm sein, versprach sie sich selbst. Oder verzweifelt. Oder verängstigt. Catherine Mary Farrell war auf dem besten Weg nach oben. Duncan beobachtete sie vom Oberdeck aus. Sie lehnte, auf die Ellbogen gestützt, mit dem Rücken gegen die Reling und sonnte sich. Eine Hüfte hatte sie vorgeschoben und die Füße gekreuzt. Sie sah so träge und zufrieden aus wie eine Katze, die ein Sonnenbad nahm. Und warum bewirkte allein ihr Anblick, dass er sich anspannte? Mit der lächerlichen Kappe auf dem Kopf und den Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden durch die hintere Schlaufe gezogen hatte, ähnelte sie nicht im Entferntesten der raffinierten Verführerin vom Vorabend. Ihr T-Shirt bauschte sich über den Hüften - sofern man das überhaupt Hüften nennen konnte -, und sie war barfuß. Natürlich enthüllte diese ausgefranste, hoch über den Knien abgeschnittene Jeans eine Menge Bein. Aber es liegt nicht daran, wie sie aussieht, entschied er. Es war ihre ... Art. Sie strahlte eine absolute Selbstsicherheit aus. Eine Frau, die sich einen Dreck darum scherte, wer sie anschaute und wie. Er fand, ihre Art hatte Stil. „He! Cat Farrell!" Sie schaute hoch und hob trotz Kappe und Sonnenbrille eine Hand, um ihre Augen gegen die grellen Sonnenstrahlen abzuschirmen. Dann entdeckte sie ihn oben über die Reling gebeugt, seine schwarzen Haare wehten im Wind. Die lässige Khakihose und das hellblaue Hemd betonten seine schlanke, sehnige Gestalt. Sah der Mann eigentlich jemals weniger als perfekt aus? „He, Duncan Blade!" „Kommen Sie rauf." „Warum?" „Ich möchte mit Ihnen reden." Sie lächelte, verlagerte ihr ganzes Gewicht auf die Ellbogen und lehnte sich weit zurück. „Dann kommen Sie doch runter." Es war eines dieser kleinen Gefechte, die dazu führen konnten, dass man einen ganzen Krieg verlor. „Oben", sagte er bestimmt. „In meinem Büro." Er sah gerade noch, wie sie mit den Schultern zuckte, als er von der Reling zurücktrat. Er wartete, wobei er wusste, dass sie sich Zeit lassen wür de. Er wusste es, weil er an ihrer Stelle genauso gehandelt hätte. Hinter ihm rekelten sich träge in ihren Liegestühlen die Passagiere, die nicht in den vollklimatisierten Salon ge flüchtet waren, um sich einen Vortrag über die Geschichte des Flusses anzuhören.
Andere - viele andere, wovon er sich vorhin noch hatte überzeugen können - drängten sich im Casino und machten sich an den Spielautomaten zu schaffen. Als sie die Treppe heraufkam, zeigte er wortlos auf die Stufen, die noch ein Deck höher führten, und ging ihr voran. „Gibt's irgendein Problem, Boss?" „Nein. Wie war Ihr Morgen?" „Ich weiß nicht. Ich habe ihn verschlafen." Nachdem sie oben angelangt war, schaute sie sich um und bemerkte: „Bloß gut, dass ich keine Höhenangst habe." „Kommen Sie rein." Er öffnete eine Tür und trat einen Schritt beiseite, um sie vorzulassen. Offensichtlich fühlt er sich nicht gern beengt, dachte Cat. Das Büro war nicht übermäßig groß, aber es hatte ringsum Fenster, die den Himmel hereinbrachten. Sie ging an dem hübschen alten Mahagonischreibtisch vorbei, schlängelte sich durch die kleine Sitzgruppe zu einem der Fenster und schaute hinaus. „Tolle Aussicht", murmelte sie. „Sie verhindert, dass ich über dem Schreibkram grantig werde. Etwas zu trinken?" „Ja, Wasser." Mit einem Kopfschütteln machte er den Minikühlschrank auf und nahm eine Flasche heraus. „Ist das alles, was Sie trinken?" „Fast." Sie wandte sich zu ihm um, als sie hörte, wie er ihr einschenkte. „Und? Worum geht's?" „Ich habe mir heute Morgen Ihr Pressematerial noch einmal angesehen." Er ging zu ihr hin und reichte ihr das Glas. „Und?" „Es ist zwar professionell geschrieben, sagt aber kaum etwas aus." Er setzte sich in einen der Sessel, streckte die Beine aus und zog eine schlanke Zigarre aus seiner Brusttasche. „Erzählen Sie mir ein bisschen mehr über sich." „Warum?" „Warum nicht?" Sie setzte sich in den anderen Sessel und streckte ihre Beine ebenfalls aus. „Sie haben mich engagiert, ich erbringe die versprochene Leistung. Was wollen Sie noch mehr wissen?" Sein Feuerzeug flammte auf, und einen Moment später beobachtete er sie durch eine dicke Rauchwolke. „Es steht nicht drin, wo Sie herkommen." „Chicago. South Side. Aus den Projekten." Er hob eine Augenbraue. „Raue Gegend." „Woher wollen Sie das wissen?" fragte sie mit einem ironischen Lächeln. „Die MacGregors fahren mit ihren Straßenkreuzern nicht durch raue Gegenden." Ah, ein wunder Punkt, dachte er und blies lässig den Rauch aus. „Der große MacGregor hat in Kohlebergwerken geschuftet und einen Großteil seiner Kindheit und Jugend in Vierteln verbracht, die nicht weniger rau waren als die South Side. Mein Vater Blade ist ein Halbblut und hat sich von Orten, gegen die Ihre Projekte das reinste Paradies sind, nach oben gearbeitet. Ich stamme von Leuten ab, die ihre Wurzeln nicht vergessen haben." „Soll mir recht sein, Duncan. Ich habe meine jedenfalls mit Stumpf und Stiel ausgerottet." Sie beobachtete ihn durch ihre Sonnenbrille, während sie einen Schluck von ihrem Wasser nahm. „Wonach haben Sie in meinen Unterlagen ge sucht?" „Nach mehr", sagte er schlicht. „Was ist mit Ihrer Familie?" „Mein Vater ist tot. Ein betrunkener Autofahrer hatte ihn umgefahren. Ich war damals acht, er neunundzwanzig. Meine Mutter lebt in Chicago. Arbeitet als Kellnerin. Und was hat das mit meinem Job zu tun?" Statt einer Antwort beugte er sich vor und nahm ihr mit einer schnellen Bewegung die Sonnenbrille ab. „He!"
„Ich schaue die Leute gern an, wenn ich mit ihnen rede." Er legte die Brille auf den Tisch und lehnte sich wieder zurück, befriedigt darüber, dass er es geschafft hatte, ihre Augen wütend aufflammen zu lassen. „Ich habe mit Ihnen einen Vertrag über sechs Wochen mit einer Option auf sechs weitere. Bevor ich mich entscheide, ob ich Ihren Vertrag verlänge re, wüsste ich gern, mit wem ich es zu tun habe." Noch sechs Wochen, dachte sie. Geregelte Arbeit, ein ge regeltes Einkommen mit Unterkunft und Verpflegung für volle drei Monate. Sie konnte ihre Ersparnisse fast verdoppeln, und auf jeden Fall konnte sie während dieser Zeit ihrer Mutter einen doppelt so hohen Scheck schicken. Und es konnte leicht zu einem anderen Vertrag in der MacGregor-BladeArena führen. Doch als sie jetzt langsam lächelte, zeigte sich auf ihrem Gesicht kein bisschen von der unbändigen Freude, die sie in sich verspürte. „Nun, in diesem Fall ist mein Leben für Sie ein offenes Buch, Süßer. Was wollen Sie wissen?"
3. KAPITEL Ich habe bei ihr den richtigen Knopf gedrückt, dachte Duncan Blade. Manche konnte man mit Geld kriegen. Bei anderen wieder hätte er wie die Katze um den heißen Brei herumschleichen müssen, um sie mit äußerster Behutsamkeit, Charme und Raffinesse an den Punkt zu locken, an dem er sie haben wollte. Er glaubte nicht, dass das bei Cat funktioniert hätte. „Gibt es einen Mann in Ihrem Leben?" Sie hob leicht belustigt die Augenbrauen. „Na, Sie gehen ja gleich in die Vollen." „Ich passe mich nur der jeweiligen Gangart an, Darling. Also, gibt es einen?" „Nein, es sei denn, ich wollte einen." Sie nahm noch einen Schluck von dem Wasser und schwieg, um ihre Worte zu unterstreichen. „Also kein Mann ... derzeit", fuhr er fort. „Sie trinken nicht ... in der Regel. Und spielen tun Sie auch nicht. Keine Laster, Cat?" Jetzt tanzten in ihren Augen, aus dene n sie ihn über den Rand ihres Glases anschaute, belustigte Fünkchen. „Habe ich das gesagt? Sie trinken, spielen, und ich kann mir vorstellen, dass Sie sich eine Frau nehmen, wenn Sie Lust dazu haben. Heißt das, dass Sie von Lastern getrieben sind, Duncan?" „Gute Frage." Gedankenverloren nahm er eine Münze vom Tisch und begann damit zu spielen. „Sie haben mich letzten Abend beeindruckt." „In der Garderobe?" Sein Grinsen war pure Wertschätzung. „Oh ja. Und auf der Bühne. Sie haben eine Menge Talent." „Ich weiß." Er neigte ganz leicht den Kopf. „Die Tatsache, dass Sie von Ihrem Talent wissen und es auch einzusetzen verstehen, kommt Ihnen zugute. Wohin soll es Sie bringen?" „So weit wie möglich und noch ein bisschen weiter." „Warum machen Sie keine Aufnahmen?" Sie fing mit der Zungenspitze einen Wassertropfen von ihrer Oberlippe auf. „Die Produzenten rennen mir nicht ge rade die Tür ein." „Sie brauchen einen neuen Agenten." Sie schnaubte verächtlich. „Erzählen Sie mir etwas, das ich noch nicht weiß." „Ich könnte Ihnen helfen." Langsam ließ sie ihr Glas sinken und stellte es ab. Diese wunderbaren grünen Augen waren plötzlich kühl und unnahbar geworden. „Und was verlangen Sie dafür?" Seine Finger, die müßig mit der Münze herumgespielt hatten, verharrten. „Ich schachere nicht um Sex. Ich bezahle nicht dafür, und ich spiele auch nicht darum." Überrascht darüber, dass diese geschmeidige Stimme so scharf wie eine Rasierklinge werden konnte, sagte sie einen Moment lang nichts. Dann seufzte sie auf, weil sie meistens zugab, wenn sie sich geirrt hatte, auch wenn es ihr schwer fiel. „Entschuldigung, mein Fehler. Es ist einfach nur so, dass ich noch nicht allzu viele Leute erlebt habe, die mir ihre Hilfe angeboten hätten, ohne nicht irgendwelche schlüpfrigen Bedingungen daran zu knüpfen." „Sex ist zum Vergnügen da. Das Geschäft ist... eine andere Art von Vergnügen. Ich verbinde das eine nicht mit dem anderen. Alles klar?" „Sonnenklar." Zufrieden gestellt, ließ er die Münze "wieder durch seine Finger gleiten. „Ich habe einige Kontakte in der Unterhaltungsbranche. Stellen Sie in den nächsten Wochen ein Demo-Band zusammen. Ich leite es weiter." „Einfach so? Warum?" „Weil mir Ihre Stimme gefällt. Mehr noch - mir gefällt das ganze Päckchen."
Sie zögerte, hielt Ausschau nach dem Haken, nach den verborgenen Fallen, konnte jedoch nichts entdecken. „Ich weiß es zu schätzen", sagte sie schließlich. „Sehr", fügte sie hinzu und grinste, als sie sah, dass die Münze in seiner Hand wie durch Zauberei verschwand. „Nicht schlecht. Haben Sie noch mehr solcher Tricks auf Lager?" „Unzählige." Belustigt über ihre Reaktion, holte er die Münze wieder zurück und ließ sie über die Fingerspitzen tanzen. Mit der Zigarre zwischen den Zähnen hielt er dann beide Fäuste hoch, machte sie auf, und die Münze war verschwunden. Ihr Lachen war rau und tief, als sie sich zu ihm vorbeugte. „Machen Sie es noch mal. Ich möchte herausfinden, wie es geht." „Wetten, dass Sie es nicht schaffen? So einfach ist es nicht, den Trick zu durchschauen." Sie streifte ihn mit einem kurzen Blick. „Ich habe ein sehr scharfes Auge." „Wunderbare Augen. Das ist mir schon aufgefallen, da hielt ich Sie noch für einen jugendlichen Straftäter. Und erst dieses Haar", sagte er mit weicher Stimme, streckte die Hand aus und fuhr ihr über den im Nacken zusammengebundenen Pferdeschwanz. Dann nahm er ihr die Kappe ab und ließ sie in ihren Schoß fallen, wobei er ihr tief in die Augen schaute. „Wunderschön. Wo ist die Münze, Darling?" „Was?" Ein Fortschritt, dachte er lächelnd, lehnte sich zurück und hob die Hände mit den Handflächen nach außen. „In meinem Ärmel ist sie jedenfalls nicht." Als ihr bewusst wurde, dass sie einen sehr gefährlichen Moment lang einfach abgeschaltet hatte, atmete sie tief durch. „Sie sind gut." „Da haben Sie verdammt Recht." Er griff nach ihrer Kappe. „Offnen Sie die Hand", sagte er, drehte die Kappe um und schüttelte die Münze heraus. Kurz bevor sie in ihre Hand fallen konnte, fing er sie in der Luft auf. Und dann war sie wieder verschwunden. Ob sie wollte oder nicht, sie musste lachen. „Wirklich gut. Hat mir echt Spaß gemacht. Aber jetzt muss ich noch ein bisschen an ein paar neuen Liedern arbeiten." Sie stand auf, fand jedoch ihre Handgelenke in diesen schnellen und geschickten Händen gefangen. Irgendetwas schlug hart ge gen ihre Rippen, aber sie hielt seinem Blick, ohne mit der Wimper zu zucken, stand. „Spüren Sie das?" murmelte er und stand auch auf. „Was?" „Die Verbindung." „Wer weiß? Lassen Sie mich gehen." In dem Moment, wo Besorgnis und leise Verärgerung in ihr aufzusteigen begannen, ließ er sie los. „Keine Fesseln, Cat." „Nein, keine Fesseln", stimmte sie zu. „Ich habe nämlich meine Hände gern frei." Mit diesen Worten hob sie die Arme, umfasste seinen Kopf und zog ihn zu sich herunter. Sie hatte mit einem Stromschlag gerechnet, als sie ihn küsste. Sie mochte schöne harte Schläge dieser Art. Denn was war ein Kuss sonst? Sie hatte auch damit gerechnet, dass da Hitze sein würde. Sie mochte es, wenn ihr die Hitze direkt ins Gesicht schlug. Aber wenn einen ein solcher Schlag schachmatt setzte, war es mehr als nur ein Spiel. Es war keine angenehm prickelnde Hitze, wenn sie einen versengte und das Blut zum Sieden brachte. Sie wäre am liebsten in das, für das sie keinen Namen fand, hineingekrochen, bis dieses unerwartete Begehren in ihr wieder nachgelassen hätte. Aber ihr Überlebensinstinkt befahl ihr, ihn loszulassen und sich zurückzuziehen. „Nun", brachte sie mühsam und mehr als nur ein wenig erschüttert heraus, weil sie es einfach nicht schaffte, ihren Kopf wieder richtig klar zu bekommen. „Nun", echote Duncan und packte sie bei den Hüften, bevor sie ihm entkommen konnte. „Jetzt bin ich dran."
Er senkte den Kopf und hielt einen Zentimeter vor ihrem Mund gerade lange genug inne, um ihr schnelles Atemholen zu hören. Dann streifte er langsam ihre Lippen. Sie hatte ihn soeben wieder einmal überrumpelt, und er wollte nicht, dass sie es sich zur Gewohnheit machte. Wenn er nicht sehr gut aufpasste, würde sie ihn noch am Nasenring durch die Gegend ziehen, bevor die erste Woche vorbei war. Nein, er hatte nicht die Absicht, das zuzulassen. Er wusste, wie man einer Frau Vergnügen bereitete. Wie man gab und wie man nahm. Seine Hände wanderten an ihrem Oberkörper nach oben, streiften dabei die Seiten ihrer Brüste, dann legten sie sich auf ihren Rücken, um sie näher an sich heranzuziehen. Langsam, Zentimeter für Zentimeter, bis ihre Körper sich berührten. „Oh Teufel." Ihr Fluch war nicht mehr weit entfernt von einem Stöhnen. Doch dann schickte sie sich in das Unvermeidliche und legte ihm die Arme um den Nacken. Noch immer war seine Liebkosung spielerisch. Er traktierte sie mit zärtlichen Bissen, entfachte ihre Leidenschaft mit der Zunge, überschüttete ihre Kinnpartie mit kleinen Küssen. Und endlich, endlich wurde sie schwach. So schwach, dass sie erbebte. Erst jetzt eroberte sein Mund ihren, heiß und fordernd, so dass ihr der Atem stockte und sich ihr Verstand, der noch immer alles daransetzte, die Oberhand zu behalten, trübte. Mit einem leisen Seufzer öffnete sie ihm einladend ihre Lippen. Sie betörte seine Sinne. Mit ihrem Geschmack, ihrem Duft, der Weichheit ihrer Haut. Als er die Hände in ihr Haar vergrub, legte sie den Kopf in den Nacken und lud ihn ein, seinen Kuss noch zu vertiefen. Aber es war keine Geste der Ergebenheit. Nein, sie zahlte ihm mit gleicher Münze zurück, ihre Münder, Körper und Bedürfnisse wurden eins. Sie drängte sich an ihn, rieb sich an ihm, Becken presste sich ge gen Becken. Als er spürte, wie ihm die Kontrolle entglitt und eine ungeahnte Wildheit in ihm zu erwachen drohte, befahl er sich, den Rückzug anzutreten. Sanft strich er ihr über das Haar, ehe er ihr Gesicht in beide Hände nahm und noch einmal einen letzten köstlichen Schauer über sich ergehen ließ. Sein Puls raste. Ein Dutzend Hämmer schlugen gegen seine Brustwand. Pure Begierde hatte ihn gepackt. Aber seine Hände blieben sanft an ihrem Gesicht, während sich über diesen wunderbaren Augen die schweren Lider langsam ho ben. Ihr Atem ging schnell. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als ob sie noch ein bisschen mehr von seinem Geschmack kosten wollte, und sagte: „Ich schätze, man könnte das eine Verbindung nennen." Er musste lächeln. „Sag ich doch. Komm heute nach der Show in meine Kabine. Wir werden uns ... kurzschließen." Sie seufzte, weil es nic hts gab, was sie mehr wollte und gleichzeitig weniger riskieren konnte. „Süßer, wer sich mit dir einlässt, begeht Selbstmord. Und für mich steht im Moment einfach zu viel auf dem Spiel, um von der nächsten Klippe zu springen." Sein Griff um ihr Gesicht verstärkte sich gerade genug, um sie zurückzuhalten. „Das hat nichts mit dem Geschäft zu tun, Cat." „Schon klar." Sie hob die Hände und umschloss seine Handgelenke. „Und vielleicht würden wir es sogar schaffen, dass es ein bisschen dauert. Aber das meine ich nicht." Sie drückte kurz seine Handgelenke, bevor sie sich von ihm befreite und einen Schritt zurücktrat. „Du bist ein Herzensbrecher, Duncan, und ich kann mir in meinem Herzen keine Sprünge leisten." Sie nahm ihre Kappe und die Sonnenbrille vom Tisch. „Ich breche keine Herzen. Ich kratze sie nicht einmal an. “ Lachend setzte sie sich die Sonnenbrille auf. „Ich wette, das glaubst du auch noch." Sie tippte sich mit dem Finger an die Lippen, warf ihm einen übermütigen Kuss zu und machte, dass sie ganz schnell fortkam, bevor sie es womöglich auch noch glaubte.
Er war schon im Begriff, ihr zu folgen, aber dann bremste er sich. Er wollte sie nicht bitten. Allein der Gedanke daran bewirkte, dass seine Handflächen feucht wurden. Er musste sich seine Chancen ausrechnen. Er ging in der kleinen Kabine auf und ab, schob die Hand in die Hosentasche und befingerte die Münze, die noch darin steckte. Eine Frau zu begehren war normal, und um sie zu werben war einfach und machte zudem Spaß. Man brauchte sie dann nur noch zu verführen. Er zweifelte nicht daran, dass es ihm gelingen würde. Es knisterte einfach zu sehr zwischen ihnen, als dass einer es schaffen könnte, sich umzudrehen und wegzugehen, als ob nichts wäre. Und sie irrt sich, dachte er mit einem Stirnrunzeln. Er war kein Herzensbrecher. Er hatte noch nie einer Frau wehgetan, sondern jede Verbindung rechtzeitig beendet, bevor sie tiefer gehen und die eine oder andere Seite womöglich verletzt werden konnte. Es gab keinen Grund, seine Taktik diesmal zu ändern. Sie war eine größere Herausforderung als die meisten anderen Frauen und mit Gewissheit reizvoller als jede andere. Und dieser unverhüllte Sex-Appeal, der einen geradezu ansprang, wirkte "wie eine Einladung. Er brauchte sie nur noch davon zu überzeugen, dass seine Bedingungen akzeptabel waren. Nachdenklich zog er die Münze aus der Tasche, warf sie in die Luft und fing sie geschickt wieder auf. „Kopf, ich habe gewonnen", murmelte er, während er das Geldstück grinsend zwischen den Fingern drehte und die beiden gle ichen Seiten betrachtete. Er grinste immer noch, als das Telefon klingelte. Er hockte sich auf die Schreibtischkante, beugte sich vor und nahm den Hörer ab. „Hallo." „Nenn deinen Namen, wenn du dich meldest! Wo sind deine Manieren?" Das Grinsen wurde breiter. „Blade hier. Hallo, Grandpa." „So ist es schon besser. Was macht das Schiff?" „Meine Prinzessin? Wir fahren in Richtung Memphis, und es ist dreimal so heiß wie in der Hölle." „Ha! Hier weht eine schöne leichte Brise vom Meer her, und ich rauche gerade eine feine Havanna." „Was heißt, dass Grandma nicht zu Hause ist." „Sie ist auf irgendeinem Kaffeekränzchen. Sie jammert dauernd herum, dass du ihr so schrecklich fehlst." Anna MacGregor hatte noch nie auch nur einen Tag in ihrem Leben gejammert, aber Duncan ließ es ihm durchgehen. „Ich komme im Herbst für zwei Tage zu euch." „Ich dachte eher, sie würde vielleicht Spaß an einer kleinen Reise auf deinem Schiff haben." „Das wäre großartig. Sag mir einfach nur Bescheid, wann ihr kommt, dann rollen wir den roten Teppich aus." „Dein Bruder hat ihr von dieser neuen Sängerin erzählt, die du engagiert hast. Und jetzt will deine Großmutter sie unbedingt selbst einmal sehen." „Cat Farrell." Duncan leckte sich mit geschlossenen Augen die Lippen. „Sie ist ein Flugticket wert." „Glaubst du, das weiß ich nicht? Ich habe sie schließlich schon mit eigenen Ohren gehört. Ich hab dir ja gleich gesagt, dass sie gut ist." „Ich weiß es zu schätzen. Sie war letzten Abend ein Rie senerfolg. Ich habe mitbekommen, wie sich einige Passagiere heute Morgen über die Show unterhielten." „Gut, gut. Und obendrein ist sie auch noch ausgesprochen attraktiv." „Stimmt, sie ist rundum ein niedliches Päckchen", murmelte Duncan. „Und robust. Die Iren sind ein robustes Völkchen. Catherine Mary Farrell ... das klingt so irisch, dass es irischer gar nicht mehr geht."
Duncan kniff die Augen zusammen, als ihm ein Gedanke durch den Kopf schoss. Ein Gedanke, der so unangenehm war wie eine Reißzwecke auf einer Sitzfläche. „Catherine Mary? In ihren Papieren steht nur Cat Farrell. Woher kennst du denn ihren vollen Namen?" „Oh, dein Bruder", sagte Daniel, sich im Stillen verfluchend. „Mac hat ihn irgendwann mal erwähnt, und er ist mir im Gedächtnis geblieben, weil es ein so schöner Name ist ... Catherine Mary." Duncan trommelte mit den Fingern auf dem Knie herum. „Sehr richtig. Bestimmt behält sie ihn, wenn sie ihren Pianisten heiratet." „Was? Was denn für einen Pianisten?" „Na den, mit dem sie verlobt ist", sagte Duncan betont ruhig. Hab ich dich erwischt, du kupplerischer Fuchs, dachte er. „Dabny Pentwhistle." „Pentwhistle? Pentwhistle? Was ist das denn für ein Name? Und wo, zum Teufel, kommt der denn so plötzlich her? Letzte Woche war sie noch nicht verlobt." „So? Und woher weißt du das schon wieder?" „Weil ich ..." Daniel spürte die Falle und machte eilig einen Rückzieher. „Ich habe in meinem Leben gelernt, dass Hintergrundwissen sich immer auszahlt. Schließlich habe ich ein Interesse an diesem Schiff, oder etwa nicht? Was zugleich heißt, dass ich ein Interesse an denen habe, die dort arbeiten. Das ist doch wohl nicht so schwer zu verstehen? Wenn das Mädchen irgendeinen Klavierspieler namens Pentwhistle heiraten will, ist das ihre Sache, aber man sollte wenigstens Bescheid wissen." „Und jetzt weißt du Bescheid, nicht wahr? Nur damit du nicht auf den Gedanken kommst, irgendwelche unausgegorene Pläne in deinem Kopf herumzuwälzen. Die Idee, dass du Catherine Mary Farrell und mich verkuppeln könntest, kannst du getrost abhaken." „Unausgegorene Pläne? Unausge goren? Ist das eine Art, mit seinem Großvater zu sprechen? Also wirklich, ich sollte dir den Hosenboden strammziehen." „Das hast du mir schon oft versprochen." Grinsend griff Duncan wieder zu seinem Zigarillo und zündete es sich an. „Wann tust du es denn endlich?" „Wenn du das nächste Mal in Reichweite bist, Bürschchen. Und glaub ja nicht, dass ich es vergesse. Da sitzt du auf deinem Pott und lässt dir von einem, der Pentwhistle heißt, eine wunderbare Frau vor der Nase wegschnappen. Wirklich, es ist eine Schande. Das Mädel ist auf Zack. Es hat Mumm in den Knochen und Köpfchen. Es verdient nur den Besten." „Und ich bin der Beste, ja?" „Ha! Ein Halunke bist du. Du wirst deiner armen alten Granny das Herz brechen, wenn du deine ganze Zeit auf die sem Schiff ve rtrödelst, statt endlich einmal an die Zukunft zu denken." „Und ihr Babys zu machen, mit denen sie ,Hoppe, hoppe Reiter' spielen kann. Ich kenne den Sermon, MacGregor." Als Daniel sich mit dröhnender Stimme gegen Duncans Anschuldigungen verwahrte, lachte Duncan nur. „Ich liebe dich, Grandpa." „Das solltest du auch." Daniel gluckste und beschloss, seine Taktik zu ändern. „Wirklich, Duncan, ich sorge mich doch nur um dich. Ich möchte meinen Lieblingsenkel glücklich sehen, damit ich beruhigt sterben kann." Duncan war sich sehr wohl bewusst, dass jeder von Daniels Enkeln sein Lieblingsenkel war. „Du stirbst nie. Und wenn du es tust, kommst du zurück und spukst bei deinen Urenkeln herum, bis sie sich gepaart und fortgepflanzt ha ben. Aber jetzt halt dich besser an Ian oder einen von den anderen. Ich bin dir auf die Schliche gekommen." „Gut, gut." Daniel grinste ins Telefon. „Dann geh und spiel mit deinem Schiffchen." „Genau das habe ich auch vor. Sag Grandma alles Liebe von mir." „Mach ich. Pentwhistle. Ha!" rief Daniel beim Auflegen mit einem Schnauben, das Duncan mit schallendem Gelächter beantwortete.
4. KAPITEL Duncan Blade glaubte an Romantik, an die Kraft und Schönheit, die ihr innewohnten, an die kleinen Besonderheiten und Gesten, die mit ihr einhergingen. Sein Bruder sagte oft, dass die Romantik Duncans Religion sei. Und obwohl er selbst so weit nicht gehen würde, hatte er absolutes Vertrauen in die Kraft der Gefühle. Außerdem waren Frauen seiner Erfahrung nach dafür äußerst empfänglich. Er schickte ihr Blumen in die Kabine, als sie in Memphis Station machten, Parfüm, als sie nach Natchez kamen, eine herzförmige Schmuckschatulle, als sie in Baton Rouge einliefen. Und während sie über den Fluss auf all diese Orte zuglitten, suchte er immer wieder Cats Nähe, lud sie zum Abend essen auf seinem Privatbalkon ein, zu einem Mondscheinspaziergang auf Deck, zu einem späten Imbiss nach ihrer Show. Ihre Antwort war immer dieselbe: Vergiss es, Süßer. Cat Farrell war eine harte Nuss, die sich nicht knacken ließ. Nicht nur, dass mich das verrückt macht, sinnierte Duncan, während er von seinem Fenster aus den Blick über den Hafen von New Orleans schweifen ließ, ich sehe auch keinen Sinn darin. Die Gefühle, die einer beim anderen erweckte, ließen sich unmöglich ignorieren. Von ihm jedenfalls nicht. Seit dem Vorfall vor einer Woche in seinem Büro hatte sie ihm zu seiner Enttäuschung nicht eine einzige Gelegenheit gegeben, sie zu fassen zu bekommen. Nicht, dass sie ihm aus dem Weg gegangen wäre. Sie war nicht der Typ, der sich in seiner Kabine verschanzte oder sich hinter dem Rücken anderer versteckte. Sie war immer präsent, spazierte auf dem Schiff herum, plauderte mit den Passagieren oder der Mannschaft, probte im großen Salon. Sie war nicht verlegen und wich ihm auch nicht aus, wenn sie einander begegneten, sondern warf ihm ihr träges, katzenhaftes Lächeln zu und hielt seinem Blick ohne mit der Wimper zu zucken stand. Sie schien nicht im Mindesten berührt, selbst wenn er ihr nah genug auf den Leib rückte, um ihr Parfüm zu schnup pern ... Parfüm, das er ihr geschenkt hatte, um Himmels willen. Es brachte ihn fast um den Verstand. Nein, sie brachte ihn fast um den Verstand. Aber er war weit davon entfernt aufzugeben. Wenn die Kombination aus Duncan Blade und New Orleans eine Frau nicht erweichen konnte, gab es keine Hoffnung für die Menschheit mehr. Cat lag in dem schmalen Bett in ihrer Kabine und rekelte sich genüsslich. Die dünnen Vorhänge waren noch zugezo gen. Sie hörte an den Motorengeräuschen, dass sie anlegten. Nach einer Woche an Bord hatte sie sich an die Bewegungen und die Geräusche der „Comanche Princess" gewöhnt. Da draußen ist New Orleans, dachte sie träge. Beignets, von schmiedeeisernen Baikonen hinunter- und an Hauswänden emporrankendes Grün, Cool Jazz und angesäuselte Touristen. Was konnte sich eine Frau noch mehr wünschen? Sie hatte Gelegenheit, die Stadt zu erkunden, durch die engen Straßen zu wandern, in bezaubernden Läden zu stöbern, die Spezialitäten zu kosten, für die die Stadt berühmt war, und den Straßenmusikanten zuzuhören. Und vom Schiff hinunterzukommen ... und weg von Duncan, dem Gefährlichen. Ihre Mundwinkel hoben sich. Duncan, der Gefährliche, so nannte sie ihn im Stillen. Ein Mann, der einer Frau derart viel Aufmerksamkeit schenkte, der so charmant war, so umwerfend sexy, war genauso gefährlich wie eine geladene Pistole. Und sie hatte nicht die Absicht, sich einen Streifschuss einzuhandeln. Aber bei Gott, der Mann hat etwas, dachte sie, während sie barfuß in ihr winziges Bad tappte, um zu duschen. Er hatte eine Art, eine Frau aus diesen schönen, schokoladenbraunen Augen anzusehen, als ob sie der Dreh- und Angelpunkt seiner Welt wäre. Eine Art, zu ihr mit dieser einschmeichelnden und durch und durch männlichen Stimme zu sprechen, als ob er sein ganzes
Leben lang nur auf sie gewartet hätte. Eine Art, sie mit diesen geschickten Händen zu berühren, so dass ein schlichtes Streifen ihrer Schulter bereits Wellen der Erregung bei ihr auslöste. Der charmante Mistkerl machte sie verrückt. Schickt mir Blumen, dachte sie, während sie sich abtrocknete. Es war so ein Klischee. Aber sie war schlau genug, um zu wissen, dass manche Klischees aus irgendeinem Grund niemals ihre Wirkung verfehlten. Und hatte sie etwa nicht beseligt aufgeseufzt über die Blumen und ihr Gesicht darin vergraben? Hatte sie etwa nicht jedes Mal, wenn ihr Blick darauf fiel, an ihn gedacht? Und Parfüm. Nie in ihrem Leben hatte sie teures Parfüm besessen. Die Art von Parfüm, die es in extravaganten Flakons gab, ein Vermögen kostete und bewirkte, dass sich eine Frau mit diesem Duft wie eine Königin fühlte. Schlimmer noch, er hatte genau gewusst, was für eine Art Duft es ihr unmöglich machen würde, die wunderbare Flasche unange tastet zu lassen. Sie war zu dem Ergebnis gekommen, dass er der geborene Verführer war. Und das Schmuckkästchen hätte ihr um ein Haar den Rest gegeben. Es war so töricht, so nutzlos, so hübsch. Sie hatte nie Zeit oder Gelegenheit gehabt, dem Törichten oder Nutzlosen zu frönen, und ihr wäre nie in den Sinn gekommen, dass ihr nutzlose Dinge so viel Spaß machen könnten. Eingewickelt in ein Badetuch, ging sie durch die "winzige Kabine zu der kleinen Frisierkommode, auf der die wie ein Herz geformte Schmuckschatulle stand. Sie nahm sie in die Hand und besah sie sich erneut. Sie war glänzend weiß, mit einem dünnen rosa Rand an der Einbuchtung. Und sie war leer, weil Cat keinen Schmuck besaß, den sie hätte hineintun können. Aber sie entlockte ihr ein Lächeln. Sie stellte sie wieder zurück und begann dann, sich für einen brütend heißen Sommertag anzuziehen. Sie wusste, was Duncan, der Gefährliche, im Schilde führte. Es war eine Art Feldzug, strategisch und bis in alle Einzelheiten geplant. Und sie war der Hügel, den er zu erobern trachtete. Und wenn er sie im Sturm genommen und - bildlich ge sprochen - seine Fahne auf ihr gepflanzt hätte, würde er sein Augenmerk auf den nächsten Feldzug, den nächsten Hügel richten. „So machen das Herzensbrecher normalerweise", murmelte sie. Sie zuckte die Schultern und steckte das schlichte weiße T-Shirt in schlichte schwarze Shorts. Zum Glück wusste sie, wie sie ihn anpacken musste. Sie schlüpfte in ihre Sandaletten, stopfte sich ein bisschen Bargeld in die Tasche, dann schnappte sie sich ihre Kappe und ihre Sonnenbrille. Als sie die Tür öffnete, hob Duncan gerade die Hand, um bei ihr anzuklopfen. „Ah. Gut, dass du schon auf bist." Die Tatsache, dass sie sich ihm so ganz unerwartet gegenübersah, versetzte ihr einen kleinen Schock, und das war höchst ärgerlich. Aber sie schwenkte dennoch lässig ihre Sonnenbrille am Bügel und legte den Kopf schräg. „Warum sollte ich noch nicht auf sein?" „Weil du normalerweise selten vor Mittag aus dem Bett findest." Sie lächelte nur. „Und warum wolltest du dann um neun Uhr früh an meine Tür klopfen?" „Um dich zu wecken. Aber da du bereits fertig bist, ha ben wir mehr Zeit. Lass uns gehen." „Wohin?" „Warst du schon mal in New Orleans?" Ohne dass sie es merkte, zog er hinter ihr die Tür ins Schloss. „Nein, aber das gedenke ich heute nachzuholen." „Großartig. Wir fangen wie richtige Touristen mit Beignets im ,Cafe du Monde' an. Sind diese Schuhe auch wirklich bequem?" „Ja. Aber ich hatte eigentlich vor, allein zu gehen, Süßer."
„Dann musst du dich jetzt eben umstellen", sagte er vergnügt und lotste sie unauffällig in Richtung Treppe. „Ich kenne mich in New Orleans gut aus. Es ist eine meiner Lieblingsstädte", erzählte er, während er mit ihr bereits übers Deck zur Anlegebrücke schlenderte. „Nachts finde ich es dort am schönsten, aber an einem schwülen Sommertag ist es auch herrlich. Es hat unheimlich viel Atmosphäre. Magst du Fisch?" „Ich mag alles." „Gut. Ich kenne ein tolles Lokal, in dem wir zu Mittag essen können." „Hör zu, Duncan, ich ..." Mitten auf der Brücke blieb er stehen, drehte sich zu ihr um und fasste nach ihren Handgelenken. Dann ließ er seine Hände an ihren Armen nach oben gleiten und nagelte sie mit einem dieser intensiven Blicke fest. „Verbring den Tag mit mir." Oh ja, dachte sie mit einem inneren Aufseufzen. Dieser Mann hatte etwas. „Gut, aber du bezahlst." Während sie den Hafen verließen und in die Stadt hineingingen, kam es ihr vor, als watete sie durch einen heißen, dampfenden Fluss, so hoch war hier die Luftfeuchtigkeit. Dennoch genoss sie jeden Schritt. Die Häuser im French Quarter waren prachtvoll, elegant und wirkten fast feminin mit den verzierten schmiedeeisernen Baikonen und den vie len Blumen. Die Luft war schwer vom Blütenduft, vermischt mit dem süßlichen Geruch von Verwesung. Die Straßen waren eng, die Parks üppig grün, das Tempo schläfrig und langsam. Sie hatte drei Beignets verdrückt und mehrere Schluck von Duncans Cafe au lait getrunken. Sie hatte dem Cajun-Französisch gelauscht und den klappernden Hufen der Pferde, die die Kutschen um den Jackson Square zogen. Sie waren bereits einmal um den Platz herumgegangen, hatten sich die Sachen angeschaut, die die Künstler am Straßenrand feilboten, und über eine Kohlekarikatur von Elvis gelacht. Weil der Tag es verlangte, wanderten sie Hand in Hand unter riesigen, Schatten spendenden Bäumen und auf sonnenüberfluteten Bürgersteigen dahin. Sie blieb stehen, um drei Jungen zuzuschauen, die mit schweißnassen Gesichtern auf einem Platz steppten, ihre Füße bewegten sich so rasend schnell, dass man ihnen kaum mit Blicken folgen konnte. Und sie registrierte, dass Duncan Scheine statt Münzen in ihren Schuhkarton warf. Großzügig, dachte sie. „Diese Kids betteln sich womöglich jeden Nachmittag ein Vermögen zusammen", bemerkte sie. „Sie verdienen es. Bist du schon bereit fürs Mittagessen?" Sie lachte. „Ich bin immer bereit, Süßer." Sie hatte erwartet, dass er mit ihr in ein vornehmes Restaurant mit weiß gedeckten Tischen und diskret umherhuschenden Kellnern gehen würde. Stattdessen führte er sie in ein schummriges, überfülltes Cafe mit ramponierten Holztischen ohne Tischdecken, wo es nur Papierservietten gab und die Speisekarte mit Kreide auf einer Schiefertafel stand. Es war nicht weit von einer Kaschemme entfernt und genau ihr Stil, wie sie fand. Die Frau hinter dem Tresen hatte enorme Ausmaße. Die Schürze, die sie trug, war groß wie ein Zelt, und die Flecken und Spritzer darauf erinnerten Cat an ein abstraktes Gemälde. Ihr schwarzes Vollmondgesicht, glatt und glänzend wie Satin, verzog sich zu einem breiten Lächeln, als sie Duncan erkannte. „Da ist ja mein hübscher Junge! Komm und gib Mama ganz schnell einen Kuss!" Er grinste, beugte sich zu ihr hinab und pflanzte ihr einen Schmatz auf die Backe. „Bonjour, Mama, Ca va?" „Oui, oui. Mal so, mal so. Wer ist denn dieses magere Mädchen, das du mir da mitgebracht hast?" „Cat, das ist Mama. Eine Bessere als sie gibt es nicht."
„Cat? Na, wie eine Katze sieht sie auch aus. Wir werden sie ein bisschen füttern müssen, eher." „Darauf zähle ich." Cat hob schnuppernd die Nase und sog dann tief die Luft ein. „Riecht wie im Paradies." „Im Paradies." Mama klatschte sich mit den Händen auf den Bauch und hielt ihn fest, während sie dröhnend lachte. „Nimm dein mageres Mädchen und setz dich. Ich mach euch was zurecht." Sie scheuchte sie mit einer Handbewegung fort. „Du bestellst nichts?" fragte Cat, während sie sich an einem der wackligen Holztische niederließen. „Ich nehme, was sie mir vorsetzt." Sein Lächeln blitzte auf. „Und es schmeckt immer. Es wird dir auch schmecken." Er hätte nicht mehr Recht haben können, entschied Cat, während sie wenig später gegrillte Shrimps in einer köstlichen Soße, einen Riesenberg Wildreis und wunderbar duftendes frisches Brot in sich hineinstopfte. Ihr einziger Kommentar war ein zustimmendes Brummen, als Duncan ihr noch zwei seiner Shrimps auf den Teller legte. Er trank sein Bier und schaute ihr zu, wie sie aß. Er hatte sie schon vorher beim Essen beobachtet und sich gar nicht daran satt sehen können. Sie hatte den Appetit eines Fernfahrers. „Warum bist du nicht so stattlich wie Mama?" „Irgendwie bleibt nichts hängen", sagte sie mit vollem Mund. „Aber ich gebe nicht auf." Er lachte und nahm wieder einen Schluck von seinem Bier. „Pass auf, dass du noch Platz für die Nachspeise hast. Mama macht einen köstlichen Pecan Pie." „Pecan Pie?" Cat schluckte und ließ ihren Blick über die verglaste Desserttheke schweifen. „Mit Eis?" Er schüttelte verwundert den Kopf. „Klar, wenn du willst." „Ich will." Nachdem sie ihren Teller leer geputzt hatte, lehnte sie sich zurück und stieß mit einem lauten Seufzer die Luft aus. „Absolute Spitzenklasse." „Wenn ich hier bin und es schaffe, schaue ich immer bei Mama rein." Er beugte sich vor. „Warte, du hast da ein bisschen Soße." Er rieb mit dem Daumen an ihrem Mundwinkel, dann ließ er ihn dort liegen und schaute ihr tief in die Augen, um sofort Begehren zu verspüren. „Und einen tollen Mund", murmelte er. „Moment, es ist noch nicht ganz weg." Er erhob sich und beugte sich so weit vor, dass er seinen Mund auf ihren legen konnte. Seine Hand legte sich um ihren Hinterkopf, streifte ihr Ohr und umschloss dann ihren Nacken, um diesen sanft mit den Fingern zu massieren. Ihr Herz setzte für einen Moment aus, dann schlug es umso schneller. Er machte es wieder. Er machte, dass ihr schwindlig wur de und sie erschauerte. Das Klappern der Teller und Bestecke sowie das Stimmengewirr drifteten in den Hintergrund, und das Einzige, was jetzt noch existierte, war er. Statt des Geruchs und des Geschmacks der Gewürze und Soßen war da nur noch sein Geschmack und sein Duft. Aber ich werde mich seiner schon zu erwehren wissen, sagte sie sich, während sie die Lippen öffnete. Später. „Junge, lass das Mädchen in Ruhe, damit sie ihren Kuchen essen kann." Mama gab Duncan einen liebevollen Klaps auf den verlängerten Rücken. Er grub schnell noch einmal zärtlich seine Zähne in ihre Unterlippe, bevor er den Kuss beendete. Ohne den Blick von Cat abzuwenden, setzte er sich wieder auf seinen Platz. „Sie möchte Eis zum Kuchen, Mama." „Hab ich mir schon gedacht." Sie stellte die Dessertteller vor sie auf den Tisch und räumte das benutzte Geschirr ab. Dann blinzelte sie Cat zu. „Er hat einen guten Mund zum Küssen, richtig?"
„Ja." Bemüht, nicht sehnsüchtig aufzuseufzen, griff Cat nach ihrer Kuchengabel. „Er ist nicht schlecht", sagte sie, dann nahm sie den ersten Bissen von ihrem Kuchen. „Aber das hier", fügte sie hinzu und schloss die Augen, „ist traumhaft." „Sie hat einen gesunden Appetit." Mama schlug Duncan auf die Schulter. „Sei gescheit. Behalt sie." „Ich sollte Mama wirklich meinem Großvater vorstellen", bemerkte Duncan, nachdem Mama mit wogendem Busen davongewatschelt war. „Sie denken beide gleich." „Wirklich?" Cat aß von ihrem Kuchen und fragte sich, was wohl eine schwarze Köchin aus New Orleans und ein unverschämt reicher Schotte aus Hya nnis Port gemeinsam haben mochten. „Ja. Sie finden beide, dass ich heiraten und mir einen Stall voller Kinder zulegen sollte. Einer von beiden versucht ständig, mich mit irgendeiner Frau zu verkuppeln." Cat vermischte das Eis mit dem Kuchen, ehe sie den Blick hob und sein atemberaubend hübsches Gesicht musterte. „Du machst auf mich nicht gerade den Eindruck, als brauchtest du auf diesem Gebiet Nachhilfe, Süßer." „Sag das ihnen." Er gestikulierte mit seinem Bier, nahm dann einen Schluck und kam zu dem Ergebnis, dass es erheiternd sein könnte, ihre Reaktion auf die jüngste Machenschaft seines Großvaters zu beobachten. „Der große MacGregor hat dich eigens für mich ausgesucht." Sie blinzelte und wirkte zum ersten Mal völlig aus dem Konzept gebracht. „Was?" „Mein Großvater. Er will, dass ich dich heirate." Jetzt lachte sie auf und wandte sich wieder ihrem Kuchen zu. „Du spinnst, wirklich." „Es ist mein Ernst. Das Mädel ist schwer auf Zack. Es hat Mumm in den Knochen", zitierte er seinen Großvater, wobei er versuchte, dessen schottischen Akzent nachzuahmen. „Und Köpfchen. Sie verdient nur den Besten." „Woher will er das denn wissen? Er kennt mich doch kaum." „Du wärst überrascht, wie viel er weiß. Dieser Mann ist richtig unheimlich ... und stur. Ich dachte mir, es "wäre nur fair, dich wissen zu lassen, worauf er aus ist." Sie trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, während sie überlegte, was sie davon halten sollte. „Machst du alles, was dein Granddaddy dir sagt?" „Nein. Es gibt also keinen Grund zur Panik, Darling. Es war kein Heiratsantrag. Ich ahnte gar nichts davon, bis er vor ein paar Tagen anrief, um sich zu erkundigen, wie du dich so machst." Jetzt grinste Duncan und wandte sich seiner eige nen Nachspeise zu. „In diesem Moment roch ich Lunte und zog ihn ein bisschen auf. Erzählte ihm, du seist mit einem Pianisten verlobt. Dabny Pentwhistle." „Pentwhistle? Was ist das denn für ein komischer Name?" ISIS „Genau das hat mich der große MacGregor auch gefragt. Er war ganz schön enttäuscht von dir, Sweetheart", fügte er, indem er seine Worte mit der Gabel unterstrich, hinzu. „Dass du deine Zeit mit irgendeinem Klavierspieler vertrödelst. Aber er hat es mir nicht lange abgekauft. Der Alte hat immer noch einen verflucht wachen Verstand. Er hat gerade erst meinen Cousin D.C. verheiratet." „Er hat ihn verheiratet? Ja, Himmel, wo leben wir denn? Im mittelalterlichen Schottland?" „In MacGregor-Land", sagte Duncan mit einem Grinsen. „Schlimm daran ist nur, dass die beiden wirklich perfekt zusammenpassen. D.C. und Layna, meine ich. Der große MacGregor hat bei ihnen ins Schwarze getroffen ... und es ist nicht das erste Mal. Angefangen hat alles mit meinen Eltern. Von da an ist er offensichtlich größenwahnsinnig geworden." Sie überlegte flüchtig, ob Duncan wohl seinen ganze n Kuchen aufessen würde. „Er hat die Ehe deiner Eltern arrangiert?"
„Nein, er hat es nur eingefädelt, dass sie sich kennen lernten. Der Rest lag in ihren Händen. In den letzten paar Jahren hat er an der zweiten Generation gearbeitet. Und er hat jedes Mal genau ins Schwarze getroffen. Jetzt hat er mich aufs Korn genommen." Sie war weit davon entfernt zu verstehen, aber sie nickte. „Und du setzt jetzt alles daran, um seine Trefferquote zu vermindern." „Ich habe vor, mein eigenes Leben zu leben und meine eigene Wahl zu treffen." Langsam schob er seine Hand auf ihre zu, erfasste sie und begann mit ihren Fingern zu spielen. „Aber ich bewundere seinen Geschmack." „Hmm. Verrückt", sagte sie, schüttelte seine Hand ab und griff wieder nach der Kuchengabel. „Du hast offenbar eine ziemlich merkwürdige Familie, Süßer." „Darling, du weißt noch nicht einmal die Hälfte, glaub mir. Nach dem Essen mieden sie die brütende Mittagshitze und hielten sich in vollklimatisierten Geschäften auf. Als Duncan Cat dabei ertappte, wie sie eine Pralinenschachtel beäugte, begann er zu lachen. „Du kannst doch unmöglich schon wieder hungrig sein." „Im Augenblick nicht", entgegnete sie mit glänzenden Augen. „Aber irgendwann werde ich es wieder sein. Warum also nicht Vorsorge treffen?" Er kaufte sie ihr, nicht die kleine Pralinenschachtel, auf die sie ein Auge geworfen hatte, sondern eine große, von der eine vierköpfige ausgehungerte Familie hätte satt werden können. Und brachte sie damit zum Lachen. Sie mochte ihn. Sie mochte ihn wirklich. Und das, verbunden mit der heftigen Lust, die sie auf ihn verspürte, machte es ihr sehr schwer, seinem Werben zu widerstehen. Der erste Umstand barg die große Gefahr, dass sie bei dem zweiten schwach werden könnte. Pass gut auf dich auf, warnte sich Cat, als er sie in einen anderen Laden zog. Damit du heil aus dieser Sache herauskommst. Diesmal war es ein Schmuck- und Trödelladen. Bunte Steine und Kristalle funkelten in Glasvitrinen oder waren kunstvoll über Wände und auf Regalen drapiert. Im hinteren Teil befanden sich drei Nischen mit zugezogenen Vorhängen, wo sich die Neugierigen Cats Meinung nach die Leichtgläubigen - ihre Zukunft vorhersagen lassen konnten. Sie wanderte müßig umher und spielte mit hübschen Staubfängern, während Duncan sich ebenfalls umschaute. Sie hörte, wie eine Versteigerung eingeläutet wurde, und schüttelte ohne großes Interesse den Kopf, als Duncan sie fragte, ob sie teilnehmen wolle. Der Mann liebte es einfach nur, sein Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Als er ihr wenig später auf die Schulter tippte, drehte sie sich um, und er streifte ihr eine dünne Goldkette über den Kopf. „Was ist denn das?" Stirnrunzelnd griff sie nach dem orangefarbenen glänzenden Stein, der an der Kette hing. „Ein Zitrin. Er fördert die Kommunikation ... und die Stimmkraft." Er lächelte sie an. „Genau der richtige Stein für eine Sängerin." „Du meine Güte." Aber ihre Finger hatten sich bereits um den Stein geschlossen. „Du glaubst doch wohl nicht an so ein Zeugs." „Darling, durch meine Adern fließt keltisches und indianisches Blut. Ich kenne mich mit so einem Zeugs aus. Davon abgesehen, dass er zu dir passt, Catherine Mary." Amüsiert beobachtete er, wie sich zuerst Überraschung, dann Bestürzung und schließlich eine leichte Verärgerung auf ihrem Gesicht abmalte, bevor sie sich wieder unter Kontrolle hatte. „Woher kennst du meinen richtigen Namen?" „Es ist nur eins von vielen Dingen, die ich kenne. Möchtest du dir aus der Hand lesen lassen?" „Das ist doch wirklich Quatsch." „Dann kann es ja auch nicht schaden." Er ging kurz entschlossen zum Tresen und bezahlte für einmal Handlesen.
„Na schön. Wenn du dein Geld unbedingt zum Fenster rauswerfen willst, von mir aus." Sie hatte sich nie als abergläubisch betrachtet. Und dass sie nie ohne ihre Kappe reiste, die ihr bis jetzt immer Glück gebracht hatte, war schließlich nur eine dumme Angewohnheit von ihr. Deshalb setzte sie sich unerschrocken in eine der Nischen, grinste die hübsche junge Frau an, die ihre Hand nahm, und erwartete zu hören, dass sie eine lange Reise antreten und einen großen dunklen Fremden kennen lernen würde. „Sie haben eine starke Hand", sagte die Frau mit einem lieblichen Lächeln. „Und eine alte Seele." Cat warf Duncan, der an die Wand gelehnt dastand, einen Blick zu und verdrehte die Augen. „Ja, ich bin uralt." „Sie haben Verluste erlitten, Sorgen und Kämpfe erlebt." „Wer hat das nicht?" brummte Cat, aber die Frau streichelte weiter mit der Fingerspitze die Innenseite ihrer Hand. „Sie sind stark daraus hervorgegangen. Sie haben sich schon in jungen Jahren für eine Richtung entschieden, und Sie schauen nur selten zurück. Sie sind von einem leidenschaftlichen Ehrgeiz beseelt. Sie achten sehr darauf, Ihre Entscheidungen mit dem Verstand zu treffen." Plötzlich blickte sie Cat fragend an. „Wagen Sie es nicht, Ihrem Herzen zu trauen?" „Wer könnte das schon wagen?" entgegnete sie schnip pisch. „Sie können Ihrem Herzen trauen. Sie haben ein starkes, zuverlässiges Herz. Und Talent. Ihr Talent ist groß und wird Sie dorthin bringen, wohin Sie möchten." Sie zögerte einen Augenblick, während sie eingehend Cats Gesicht studierte. „Sind Sie Sängerin?" Der Schauer, der sie überlief, bewirkte, dass sie am liebsten die Hand weggezogen hätte, aber sie zuckte nur die Schultern und deutete mit dem Kopf auf Duncan. „Mein Kumpel dort hat Sie anscheinend gut informiert." „Ihm können Sie auch trauen", sagte die Frau statt einer Antwort. „Sein Herz ist ebenso stark und zuverlässig wie Ihres, aber genauso gut abgeschirmt. Veränderungen und Entscheidungen, Risiken und Belohnungen. Alles hängt von Ihnen ab. Sie müssen nicht allein sein, es sei denn, Sie wollen es so. Eine Familie beschützt einen. Sie ist ein Anker in stürmischen Zeiten. Sie werden noch viel herumkommen, und viele Türen werden sich Ihnen öffnen", jetzt lächelte sie strahlend, „die Ihnen früher verschlossen waren oder verschlossen zu sein schienen." Sie senkte den Blick, und ihre Finger wanderten wieder über Cats Hand, streiften sie und verharrten. „Sie fürchten sich nicht davor, hart zu arbeiten, aber Sie erwarten, dass Sie etwas dafür bekommen. Sie sind sparsam und wünschen sich, es nicht sein zu müssen. Sie wären gern großzügig mit denen, die Ihre Großzügigkeit verdienen. Und einer verdient sie mehr als alle anderen. Es gibt nur einen, der zu Ihnen passt, und er ist bereits in Ihrem Herzen und in Ihrem Kopf." Cat warf das Haar zurück, als sie nach draußen in die Mittagshitze traten. „Das war ja ein ganz schön fauler Trick, Blade. Wie viel hat es dich gekostet, sie mit dem zu präparieren, was sie mir sagen sollte?" „Ich habe sie nicht präpariert." Er war leicht beunruhigt darüber, was bei dem, was leichte Unterhaltung für sie beide hatte sein sollen, herausgekommen war. „Also wirklich." „Ich habe es nicht", wiederholte er und schob die Hände in die Hosentaschen, damit er gar nicht erst in Versuchung kam, Cat zu berühren. „Es war nur so eine Idee. Ich dachte einfach, es würde uns Spaß machen." „Halt sofort die Luft an." Sie packte ihn am Arm und musterte prüfend sein Gesicht. Entweder war er ein teuflisch guter Schauspieler oder er war genauso verblüfft wie sie. „Also schön, dann war es eben unheimlich", beendete sie die Diskussion. „Ja, das war es wirklich."
Danach gingen sie schweigend zum Hafen zurück.
5. KAPITEL Sie blieben zwei Tage in New Orleans und legten am zweiten Abend wieder ab. Auf der Mardi Gras-Party, die auf dem Schiff veranstaltet wurde, sah man neue und altvertraute Gesichter. Die Musik war laut, die Cocktails bunt, die Stimmung prächtig. Duncan schlenderte über die Decks, durch die Salons, begrüßte neu hinzugekommene Passagiere und plauderte mit jenen, die auf dem Schiff geblieben waren, um wieder mit nach Norden zurückzufahren. Aber wo steckte Cat? Erst nachdem ihm dieser Gedanke gekommen war, wur de ihm bewusst, dass er die ganze Zeit nach ihr gesucht hatte. Seinem Instinkt folgend, ging er schließlich in die Küche. Hier war die Hektik groß. Töpfe dampften, Pfannen zischten, Hackmesser klapperten auf Holzbrettern. Müßig stibitzte er sich ein Stückchen Karotte aus einer militärisch aufgereihten Linie von Karottenstiften und kaute darauf herum, als Charlie ihn begrüßte. „He, Boss, heute geht's rund bei uns. Kommen Sie, um einen Topf umzurühren?" „Wollte nur mal kurz reinschauen. Wie ist der Redfish heute?" „Frisch und gut. Soll ich Ihnen ein schönes Stück auf den Grill schmeißen? Die Knoblauchsoße ist vom Feinsten. Sie sollten sie probieren, es sei denn, Sie haben heute noch ein heißes Date." Er kicherte über seinen Töpfen. „Ich habe läuten gehört, dass wir ein paar hübsche Ladys eingeladen haben. Vier Schwestern, eine hübscher als die andere." „Die Kingston-Schwestern, richtig. Vier langbeinige Blondinen." Duncan nickte seinem Koch zu, während er an dem Karottenstift knabberte. „Ich checke sie für Sie aus, Charlie. Mal sehen, ob vielleicht Ehefrau Nummer vier für Sie dabei ist." „Nix Ehefrau Nummer vier. Ich habe der Ehe abge schworen." „Das sagen Sie jedes Mal. Haben Sie Cat gesehen?" „Ja, sie war hier. Das Mädchen hat einen guten Appetit." Er schaute Duncan an und wackelte mit den Augenbrauen. „Haben Sie Hoffnung, dass sie auch von Ihnen nascht?" „Könnte meinem Ego nicht schaden. Wann genau war sie denn hier?" „Sie hat vorhin wie üblich hier zu Abend gegessen. Sie mag ihren Redfish scharf gegrillt und kräftig gewürzt. Ihren Erdbeerkuchen hat sie sich mit in die Kabine genommen. Wenn Sie große Schritte machen, holen Sie sie vielleicht noch ein." „Mach ich ...", entgegnete Duncan und unterbrach sich, als er seinen Beeper in der Tasche spürte. Er zog ihn heraus, überprüfte den Code und sah, dass er im Casino gebraucht wurde. „Aber ich werde es wohl auf später verschieben müssen." Bis zur Mitte der zweiten Show schaffte Duncan es nicht, sich freizumachen. Seine Saalaufsicht fiel wegen einer Migräne aus, und zwei seiner besten Kartengeber waren ebenfalls krank. Das Casino war gestopft voll. Duncan übernahm einen Black-Jack-Tisch - jenen, an dem die Kingston-Schwestern saßen. Sie sahen wirklich fantastisch aus. Sympathische Frauen mit einer Menge Geld und noch mehr Familiensinn. Und keine von ihnen hatte einen Schimmer von Black Jack. „Honey, Sie können doch nicht bei vierzehn stehen bleiben, wenn der Geber eine Zehn aufdeckt. Sie möchten doch gewinnen, oder?" „Nichts lieber als das." Sie kicherte vergnügt, und ihre Schwestern kreischten. „Okay, Hübscher, versuchen Sie bei mir Ihr Glück." Er gab ihr eine Sechs, was ihre Schwestern zu Beifall veranlasste, dann erklärte er jeder Schwester genau, was sie ma chen sollte. Am Schluss zahlte er zwei von ihnen aus, während er bei den anderen beiden abkassierte. Dann teilte er die Karten von neuem aus. Unter normalen Umständen hätte ihm nichts mehr Spaß gemacht, als mit einem Quartett aus vier attraktiven Blondinen zu spielen und zu flirten.
Aber er war nicht so recht bei der Sache. Seine Gedanken wanderten immer wieder aus dem Casino hinaus und in den Salon dahinter. Sie würde jetzt in einem winzigen Fummel mit dem Mikrofon in der Hand in der Mitte der Bühne stehen und singen. Ihre Stimme würde den Raum erfüllen und sich verströmen. Tief und voll und geschmeidig. Ihm wurde klar, dass er sie nicht nur sehen wollte. Er wollte sie auch hören. Er wollte sich an einen Tisch irgend wo in einer dunklen Ecke setzen und ihr einfach nur lauschen. „Ich habe zwölf!" Die Schwester am Tischende mit den riesigen blauen Babyaugen klimperte mit den Wimpern und verlangte Aufmerksamkeit. „Was soll ich jetzt machen, Duncan?" „Gehen Sie ein Risiko ein. Ich decke die Neun auf, deshalb brauchen Sie jetzt mindestens neunzehn." „Okay, aber machen Sie's sanft mit mir." Er schlug sie mit einem König und lächelte mitfühlend. „Oh, puh." Sie zog eine niedliche Schnute. „Vielleicht bin ich bei anderen Spielen ja besser." Signal erhalten, dachte er. Das war klar und deutlich. Und was, zum Teufel, war nur los mit ihm? Er fühlte sich nicht im Mindesten versucht, seinerseits mit einem Signal zu antworten. Und verspürte nichts als Erleichterung, als Gloria neben ihn trat. „Kartengeberwechsel, meine Damen!" rief sie vergnügt. Als ihr ein Chor von enttäuschten „Ooohs" entgegenscholl, musste Gloria kichern. „Sag den Damen gute Nacht, Duncan." „Gute Nacht, Ladys!" Dann wandte er sich an seine Geschäftsführerin. „Du übernimmst ab jetzt hier die Oberaufsicht." „Alles klar. Warum gehst du nicht in den großen Salon und schaust dir den Schluss der Show an? Das willst du doch ohnehin schon seit einer Stunde." Er kniff sie freundschaftlich in die Nase. „Gut möglich. Gloria wird sich jetzt Ihrer annehmen, meine Damen", sagte er in die Runde, und vier große blaue Augenpaare folgten ihm zur Tür. „Dann ist er also schon vergeben?" Gloria schaute die Blondine, die ihr gegenübersaß, mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ja, das ist er. Er -weiß es nur noch nicht. Ladys, machen Sie Ihre Einsätze." Duncan schlüpfte leise in den Salon und versuchte sich an das schummrige Licht und Cats leidenschaftliche Stimme zu gewöhnen. Sie sang davon, dass sie den falschen Mann liebe, aber in ihrer Stimme lag mehr Trotz als Kummer. Er hatte vorgehabt, sich an der Seite nach hinten zur Bar zu schlängeln, sich einen Whiskey geben zu lassen und sich damit irgendwohin zu setzen. Aber er blieb stehen, wo er war, im Schatten der Bühne, die links von ihm lag. Sie wusste, dass er hier war. Sie hätte schwören mögen, dass sich die Atmosphäre in dem Moment verändert hatte, in dem er zur Tür hereingekommen war. Ihre Haut hatte ange fangen zu prickeln. Dann entdeckte sie ihn, und als ob sie sich beide auf die Probe stellen wollte, begegnete sie seinem Blick und hielt ihn fest. Ließ den Song aus sich hinausströmen, in ihn hinein. Erst als der Beifall aufbrandete, wurde ihr klar, dass sie den Blickkontakt abbrechen musste. Sie hielt das Mikrofon etwas tiefer, um zu verhindern, dass ihr zitterndes Ausatmen weitergetragen wurde, dann wandte sie sich dem Publikum mit einem strahlenden Lächeln zu. Sie wusste, dass sie jetzt ein paar Sätze sagen musste, denn das tat sie immer, in verschiedenen Variationen und der jeweiligen Stimmungslage angepasst. Deshalb sollte sie sich jetzt besser darauf konzentrieren und nicht auf den gefährlichen Mann, der in der Nähe des Eingangs im Dunkeln stand. Er hatte gerade Atem geholt, als sie auch schon ein intimes Gespräch mit denen, die vorn an den Tischen saßen, begann.
Sie betörte sie mit ihrem Charme, rief nach den Scheinwerfern, damit ein Paar angestrahlt werden konnte, das seinen fünfundzwanzigsten Hochzeitstag feierte. Sie machte ein paar Scherze, gerade anzüglich genug, um die Anwesenden in Gelächter ausbrechen zu lassen, dann gab sie dem Pia nisten das Stichwort und begann schließlich langsam eine leicht zweideutige Version von „Big Spender" direkt an den Jubilar gerichtet zu singen. Schließlich verließ sie die Bühne, ging auf den Mann zu, streichelte seine Wangen und fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar. Dann setzte sie sich auf seinen Schoß. Seine Frau kicherte hilflos, während das töricht grinsende Gesicht des Mannes eine dunkelrote Farbe annahm. Duncan ertappte sich dabei, dass er ebenfalls grinste. Verdammt, sie ist gut, dachte er. Sie wickelte ihr Publikum um den kleinen Finger und hielt es bei der Stange, bis sie ihre Show abgezogen hatte. Und genau dasselbe machte sie mit ihm. Der Unterschied war nur, dass er selbst gern andere um den kleinen Finger wickelte. Er lehnte sich gegen die Wand und schaute zu, bis die Show zu Ende war. Es machte Cat nervös, dass er immer noch am Eingang stand und sie so gezwungen war, auf dem Weg in ihre Garderobe an ihm vorbeizugehen. Und weil sie so nervös war, war sie noch entschlossener, so zu tun, als hätte sie keine einzige Sorge auf der Welt. So würdevoll wie möglich stieg sie die paar Stufen von der Bühne hinab, nahm die Mineralwasserflasche, die sie unten auf einem Tischchen deponiert hatte, und trat auf ihn zu. „Du schaust doch sonst nur ganz kurz rein", bemerkte sie, während sie die Flasche aufschraubte. „War das eine Kontrolle?" „Ich wollte dich sehen." Er sagte es, weil es die Wahrheit war - und weil er sie damit überrumpeln wollte. „Schön, jetzt hast du mich gesehen." Sie machte Anstalten, sich an ihm vorbeizuschieben, doch er griff nach ihrer Hand. „Lass uns an Deck gehen." „Nein, ich muss mich umziehen." „Das musst du nicht. Ich sehe dich gern in diesem ... Kleid." Es war aus einem schwarzen glänzenden Stoff heute und vorn und am Rücken tief ausgeschnitten. „Ich bin müde, Duncan." „Bist du nicht. Du bist aufgekratzt." Er konnte fast spüren, wie die Energie aus ihr herausströmte, wünschte sich, sie auffangen zu können. Er hob ihre Hand an seine Lippen und schaute ihr dabei tief in die Augen. „Es ist warm an Deck, und einen Mond gibt es auch. Mach einen Spaziergang mit mir. Ich könnte ein bisschen frische Luft brauchen. Ich verspreche dir, ich fass dich nicht an, es sei denn, du willst es." Das ist ja das Problem, dachte sie. Sie wollte es. Vielleicht wurde es Zeit, es zuzugeben. „Also gut. Gehen wir einen Moment raus. Ich habe auch etwas frische Luft nötig. Es war ganz schön voll heute." Er führte sie aus dem Salon hinaus aufs Deck. „Du hast dem Burschen einen tollen Hochzeitstag beschert. Vielleicht wird es ja sein Jahr." Sie lachte, schüttelte sich das Haar zurück und atmete tief den herben Geruch des Wassers ein. „Seine Frau hat mich darum gebeten. Es sollte eine Überraschung für ihn sein. Sie kam vor der Show zu mir und gab mir fünfzig Mäuse." „Sie hat für ihr Geld etwas bekommen. Lass uns ganz nach oben gehen, dort sind wir näher am Mond." „Falls ich mich nicht verhört habe, warst du bei den Kingston-Schwestern der große Hit", bemerkte sie. „Ich bekam es zufällig mit, als sich ein paar Gäste unterhielten."
„So? Nichts ehrt einen Mann mehr." Er stieg mit ihr bis zum dritten Deck hinauf und war erfreut, es leer vorzufinden. „Das kann ich mir denken." Sie schlenderte zur Reling und lehnte sich dagegen. „Gott, ist das herrlich hier. Wirklich herrlich. Ich liebe die Nächte auf dem Fluss." „Gut so. Ich hatte nämlich gehofft, dass du abgespannt genug bist, um dich zu einer Promenade auf Deck überreden zu lassen." Er ging zu ihr und stellte sich vor sie hin. „Nachts auf dem Fluss." „Das ist es nicht, wo du mich haben willst, Duncan." „Es ist nur einer von vielen Orten." Er ergriff ihre Arme, fuhr streichelnd darüber, zog sie jedoch nicht an sich. „Du hast für mich gesungen." Sie bekam Herzflattern, ein unangenehmes und, wie sie fand, albernes Gefühl. „Ich singe für alle. Es ist mein Job." „Du hast für mich gesungen", wiederholte er ruhig. „Ich wollte dich in diesem Moment so sehr, dass es schmerzte." Seine Finger liebkosten ihre Schultern, wanderten ihren Hals hinauf. „Und ich konnte sehen, dass du mich auch wolltest." Jetzt senkte er den Kopf, bis sein Mund nur noch einen Hauch von ihrem entfernt war. „Aber du wirst mich schon fragen müssen, weil ich versprochen habe, dich nicht zu drängen." „Hältst du immer dein Versprechen, Duncan?" „Ja." Sein Atem strich über ihre Lippen. „Das tue ich." „Und ich frage nie", gab sie zurück, schlang ihm die Arme um den Hals und presste ihren Mund auf seinen. Sie zog ihm mit ihrem wilden, leidenschaftlichen Kuss den Boden unter den Füßen weg. Ihr Mund war warm, feucht und weich, und er lechzte nach mehr. Er wusste, dass er sie auf der Stelle nehmen würde, wenn er sich nicht gleich unter Kontrolle bekam. Deshalb beendete er den Kuss und zwang sich, die Hände von ihren Schultern zu nehmen. „Meine Kabine ist direkt hinter uns." Sie legte den Kopf in den Nacken, und auf ihrem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Ich weiß." Er nahm sie an die Hand und zog sie mit sich zu seiner Kabinentür. Dort holte er den Schlüssel aus seiner Tasche, und während er ihn ins Schlüsselloch schob, beobachtete er genau ihr Gesicht. „Warum gehen wir nicht rein?" „Ja, warum eigentlich nicht?" murmelte sie. Mehr Zustimmung brauchte er nicht. Im nächsten Moment hatte er die Tür geöffnet und betrat die Kabine. Cat, die ihm folgte, sah sich interessiert um. Neben dem Bett hatte er eine Lampe brennen lassen, und durch das große Fens ter, dessen Vorhänge zur Seite geschoben waren, schaute der Mond herein. Obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug, wanderte sie lässig durch den Raum. Es gab einen antiken Tisch, auf dem silbergerahmte Fotografien standen, tiefe Sessel in einem lebhaften Blau, Messinglampen mit Glasschirmen, eine hübsche Nische mit einem Regal, in dem Bücher und noch mehr Fotos standen. Das große Bett mit dem elegant geschwungenen Kopfteil war ebenfalls aus Messing. „Nette Bude." Sie warf einen Blick über die Schulter, als sie hörte, wie er ein Streichholz anriss, und sah zu ihrer Verwunderung, dass er schlanke weiße Kerzen in einem silbernen Kerzenleuchter anzündete. „Du bist ein Romantiker, stimmt's?" Er blies das Streichholz aus, ging dann hinüber zur Nachttischlampe und machte sie aus, so dass sie einen Moment später im weichen Schein der sich im Luftzug bewegenden Kerzenflammen standen. „Hast du ein Problem damit?" „Nein, nicht unbedingt." Aber es machte sie ein bisschen zittrig. Um es zu überspielen, griff sie mit einem spöttischen Lächeln hinter sich und begann den Reißverschluss im Rücken ihres Kleides zu öffnen.
„Nicht." Er kam zu ihr und fuhr ihr mit der Fingerspitze von der Halsgrube zu ihrem Dekolletee hinunter. „Ich möchte dich ausziehen." Sie ließ die Arme sinken. „Was hält dich auf?" „Nichts." Er beugte den Kopf und knabberte sanft an ihrem Hals. „Überhaupt nichts. Du duftest, wie du aussiehst." Sie unterdrückte den dummen Wunsch, den Kopf zu schütteln, um ihn wieder klar zu bekommen. „Das Parfüm hast du mir geschenkt... edler Spender." Lachend fuhr er ihr mit der Zungenspitze übers Dekolletee. „Und du schmeckst auch, wie du aussiehst." Trotz ihrer Anstrengungen, ihren Atem zu kontrollieren, wurde er schneller. „Du hast schon vorher ein oder zwei Kostproben genommen." „Nicht genug. Längst nicht genug." Sein Mund näherte sich ihrem, berührte ihn jedoch kaum. „Soll ich dir erzählen, was ich mit dir machen möchte? Oder willst du dich überraschen lassen?" Oh Gott, war alles, was sie denken konnte. „Mich überrascht nichts so leicht." „Dann lass uns sehen, was ich tun kann." Seine Lippen streiften ihren Mund, einmal, zweimal, zwangen spielerisch ihre Lippen auseinander. Seine Zunge drang ein, verführte ihre zu einem trägen Spiel und hüllte ihren Verstand in einen Nebel, der langsam immer dichter wurde. Noch kein Mann hatte sie je so geküsst, sich so viel Zeit genommen, so viel Geduld aufgebracht. Und als er ganz langsam ihren Reißverschluss aufzuziehen begann, erschauerte sie in erregter Vorfreude. Aber er zog ihr das Kleid nicht aus, sondern schob die beiden Teile nur auseinander und streichelte ihren nackten Rücken. Er wollte jeden Quadratzentimeter ihrer Haut, jeden Moment dieses ersten Mals bis zur Neige auskosten. Selbst als sich ihre Fingernägel in seine Schultern gruben, sah er sich nicht zur Eile gedrängt. Je langsamer er vorging, desto mehr steigerte sich ihre Lust. Doch erst, als ihr das Kleid von den Schultern glitt und mit einem leisen Rascheln zu Boden fiel, war er bereit, die nächste Stufe zu nehmen. Gedankenverloren fuhr er mit den Fingerspitzen über die Wölbung ihrer Brüste, dann über den unteren Rand ihres trägerlosen schwarzen BHs und schließlich über ihre Taille und den zum BH passenden Strapsgürtel. „Alles ist sehr, sehr hübsch", sagte er sanft. „Lass sehen, ob ich von dir dasselbe behaupten kann." Bemüht, ihre Hände ruhig zu halten, streifte sie ihm das Jackett ab und begann sein Hemd aufzuknöpfen. Das Kerzenlicht huschte über seine bronzefarbene Haut, ließ die muskulöse Brust und die langen, sehnigen Glieder schimmern. Sie blickte ihm wieder in die Augen. „Ja, auch sehr hübsch." Als er sie hochhob, machte ihr Herz einen Riesensatz. „Es wird noch besser", versprach er.
6. KAPITEL Cat erwartete jetzt Eile, hastige Hände, und sie hätte beides begrüßt. Doch als er sie aufs Bett sinken ließ und sich über sie beugte, waren diese Hände langsam, ruhig und brachten sie fast um den Verstand. Er zog ihr den Slip hinunter, senkte den Kopf zwischen ihre Schenkel und führte sein Liebesspiel mit dem Mund fort. Er hörte ihr Stöhnen, spürte ihr Aufbäumen, und in einem Moment blinder Leidenschaft gruben sich seine Zähne über ihrem Strumpfrand ins Fleisch. Als sie erschauerte, glitt er mit der Zunge über diese Stelle und noch ein Stück weiter an ihrem Schenkel hinauf. Und drang in sie ein. Überrascht von der heftigen Lust, die sie durchfuhr, bog sie sich ihm entgegen und spreizte die Beine, um sich ihm ganz zu öffnen. Gierig kostete er von ihr, und immer noch gierig bahnte er sich einen Weg wieder nach oben, benutzte dabei Hände und Mund, Zähne und Zunge. Schließlich öffnete er den Vorderverschluss ihres BHs und ergötzte sich an ihren Brüs ten. Sie vermochte nicht länger zu warten. Ungeduldig packte sie ihn bei den Schultern, schlang die Beine um ihn und überschüttete ihn ihrerseits mit Küssen, ihr Mund suchte überall seinen Geschmack. Als sich ihre Lippen wieder trafen, ging ihr Atem keuchend. „Ich will dich in mir spüren." Sie zerrte an seiner Hose und riss sie ihm herunter. „Jetzt. Auf der Stelle." Er blickte auf sie hinab. Ihre Augen glitzerten in dem sich ständig verändernden Kerzenlicht, und ihre roten Haare sahen aus, als stünden sie in Flammen. In diesem Moment dachte er, dass er sie mehr wollte als sein Leben. „Dann schau mich dabei an." Er brachte die Worte keuchend hervor, während er ihre Hüften umfasste und sie leicht anhob. „Schau mich an, wenn ich zu dir komme." Mit einem einzigen Stoß drang er in sie ein. Er beobachtete, wie sich diese herrlichen Augen verschleierten, dunkler wurden, glasig, und erstickte mit einem Kuss das Stöhnen, das sich ihren Lippen entrang. Sie bewegte sich unruhig unter ihm, verlangend, ihn antreibend. Und er kam ihrem Wunsch nach. Kraft, Geschwindigkeit, wilde, ungezügelte Energie verschmolzen zu einer leidenschaftlichen Einheit. Ihre Finger wühlten in seinem Haar, gruben sich in seinen Rücken, kratzten über seine Hüften, während dieser wunderbare, gelenkige Körper mit ihm zusammen über den Rand in die Tiefe stürzte. Er spürte, wie sie heftig erschauerte, und hörte ihr ersticktes Aufschluchzen. Meine, dachte er, dann wurde sein Kopf leer, während er sich in ihr verströmte. Schön, dachte Cat, als ihr Gehirn wieder zu arbeiten begann, ich habe es getan. Sie hatte damit alle ihre guten Vorsätze, jede Vernunft im wahrsten Sinne des Wortes über Bord geworfen. Nur, dass Duncan ihr gegenüber jetzt entschieden im Vorteil war. Nicht genug damit, dass sich ihr Körper ergeben hatte, ihr war irgendwo unterwegs auch noch ihr Herz zu einem guten Teil abhanden gekommen. Und sie wusste genau, was als Nächstes kam. Er würde es genießen. Sie würden eine leidenschaftliche Affäre haben, diskret natürlich, denn er war immerhin der Boss, und wenn ihr Vertrag abgelaufen war, würde er sie aus seinem Leben hinauskomplimentieren, vielleicht mit einem kleinen, ge schmackvollen Abschiedsgeschenk. Und das war es dann gewesen. Männer wie Duncan Blade hatten mit umherziehenden Barsängerinnen nichts Ernsthaftes im Sinn. Sie spielten nur mit ihnen. Deshalb musste sie sich seelisch darauf vorbereiten. Und wenn ihre Zeit gekommen war, würde sie es sein, die sich zuerst verabschiedete.
Entschlossen, sein Spiel mitzuspielen, fuhr sie ihm mit der Hand leicht über den Rücken, dann hob sie die Arme und reckte sich unter ihm genüsslich. „Mmh, sehr nett, Blade. Es war wirklich sehr nett." Ihm war immer noch ganz schwindlig. „Ich fühle mich wie ein Cartoonkater." „Wie was?" „Du weißt schon, der Kater, der sich selbst mit dem Holzhammer eins überbrät. Dann hat er auf einmal drei Brummschädel und gibt mit verdrehten Augen diese echt schauerlichen Laute von sich." Sie lachte auf und hätte ihn fast umarmt, aber dann besann sie sich eines Besseren und sagte sich, dass es klüger sei, die Unbeteiligte zu mimen. „Und was passiert, wenn sein Schädel aufhört zu brummen?" „Dann macht er es wieder." Er gluckste vor Vergnügen, liebkoste mit den Lippen ihren Hals, ihr Kinn und küsste sie dann lange und ausgiebig. Und gerade, als Cats Verstand sich wieder zu trüben begann, rollte er sich von ihr hinunter und zog sie eng an sich. Er mag es zu kuscheln, dachte sie und spürte wieder diesen Druck auf ihrem Herzen, aber nur ein bisschen. „Dann schaust du dir also oft Zeichentrickfilme an?" „Ja. Es macht Spaß. Man vergisst seine Sorgen." Er zog Cat noch ein bisschen näher an sich, bis sie Gesicht an Gesicht waren und ihre schweißnassen Glieder sich berührten. „Sollen wir jetzt eine ausführliche Diskussion über Zeichentrickfilme führen?" „Wir könnten es." Ihr Blut erhitzte sich schon wieder. Sie schmiegte sich an ihn und biss ihm spielerisch ins Kinn. „Oder ich könnte noch mal meinen Holzhammer rausholen." „Ich mag die Art, wie du denkst." Er fand ihren Mund und drang mit der Zunge ein. „Hol deine Sachen." „Mmh. Was?" Sie schreckte hoch und drückte ihn von sich, als er versuchte, sich über sie zu schieben. „Deine Sachen." Seine Hände wanderten über ihren Körper, legten sich auf ihre Brüste. „Zieh bei mir ein." „Hoppla." Aus dem Gleichgewicht geraten, entwand sie sich ihm und setzte sich auf. „Was soll das denn jetzt?" „Ich will mit dir zusammen sein. Was für einen Sinn hat es, wenn du zwei Decks unter mir schläfst?" Er setzte sich ebenfalls auf und biss sie zärtlich in die Schulter. „Diskretion. Wenn ich hier einziehe, wissen alle sofort Bescheid. So groß ist das Schiff auch wieder nicht." „Na und?" Er packte sie und drehte sie so zu sich herum, dass sie sich direkt gegenübersaßen. Dann schlang er sich ihre Beine um die Taille. „Wir sind beide schon groß und dem Heimlichtun lange entwachsen." Er fuhr ihr mit den Händen über den Rücken, zog sie eng an sich und begann ihren Hals zu liebkosen. „Ich will dich hier haben. Ich habe noch viel mit dir vor." Denk nach, denk nach, denk nach, befahl sie sich, obwohl das Blut in ihren Ohren rauschte wie ein Ozean. „Okay, du hast ein größeres Bett. Eine schönere Aussicht. UnglaublicheHände", sagte sie mit einem Gurren. „Aber ..." Schnell, solange sie noch dazu in der Lage war, legte sie ihm die Hände auf die Schultern und hielt ihn zurück. „Aber wenn ich mein Gepäck hier raufbringe, will ich meine Kabine trotzdem behalten. Du darfst sie nicht vermieten." Er schaute ihr in die Augen. „Du hältst dir einen Flucht weg offen, ja?" „So ist es besser, Süßer. Wenn einer von uns entscheiden sollte, dass sich die Sache abnutzt, ziehe ich einfach wieder nach unten. Keine Verletzungen, keine faulen Tricks." Er nahm die leise Verärgerung, die in ihm hochstieg, nicht zur Kenntnis und griff wieder nach ihren Hüften. „Ab gemacht." Dann hob er sie sich auf seinen Schoß und drang in sie ein.
Es nutzte sich nicht ab. Sie hatte damit gerechnet, zumindest was ihn anging. Aber je länger sie zusammen waren, desto wichtiger schien es für beide zu werden, diesen Zustand beizubehalten. Cat sagte sich, dass es der Sex war, denn ihr Hunger aufeinander war alles andere als gering. Sie liebten sich in der Nacht und am frühen Morgen. An einem brütend heißen Nachmittag hatte er sie mit einer Ho telsuite in Natchez überrascht, wo sie sich in einem ange nehm kühlen Whirlpool geliebt hatten. Und dann gab es da noch diese heiße schnelle Begegnung im Stehen in ihrer Garderobe, von der sie beide überrascht gewesen waren und die bewirkt hatte, dass sie bei ihrem anschließenden Auftritt von innen heraus geglüht hatte. Er brachte ihr immer noch Blumen und unnütze kleine Geschenke. Sie verstand es nicht. Er hatte sie doch schon, warum umwarb er sie dann noch? Wir sind jetzt seit drei Wochen ein Liebespaar, dachte sie, während sie sich in dem Bett umdrehte, das sie mittlerweile auch als ihres betrachtete. Sie waren den Fluss hinaufgefahren, dann hinunter und jetzt wieder hinauf und diese ... Verbindung zwischen ihnen blieb bestehen. Sie wusste nicht, was sie dagegen tun sollte. Genieß es, Cat, befahl sie sich selbst. Genieß einfach den Moment. Sie reckte sich wohlig und erwog, sich wieder in den Schlaf zurückgleiten zu lassen. Sie waren in Saint Louis vor Anker gegangen, und Duncan tat das, was er immer am Morgen zu tun hatte, wenn sie in einem Hafen lagen. Sie selbst hatte den ganzen Tag frei und kein Verlangen danach, in die Stadt zu gehen. Sie würde den Nachmittag über an ihrem DemoBand arbeiten, obwohl sie nicht ganz davon überzeugt war, dass Duncan wirklich vorhatte, irgendetwas damit zu machen. Aber immerhin hatte sie die Kontrolle über ihre berufliche Arbeit wieder zurückgewonnen und Cicero gefeuert. Dieser Schwachkopf. Sie würde das Demo-Band brauchen können, wenn der Job hier zu Ende war. Sie würde sich nach einem neuen Agenten umschauen müssen und nach einem neuen Engagement. Mit dem Geld, das sie hier verdiente, würde sie sich eine Weile über Wasser halten können, so dass sie mehr Zeit und Muße als früher hatte, sich etwas Annehmbares zu suchen. Auf keinen Fall wollte sie zu diesen kurzen Auftritten in Hotelbars zurück, für die sie mit dem Bus von Stadt zu Stadt gefahren war und in irgendeiner billigen Absteige aus dem Koffer gelebt hatte. Sie hatte offenbar schon ein bisschen zu viel von dem guten Leben geschnuppert, und es behagte ihr. Du lebst jetzt, entschied sie und stand auf, weil sie es ausnutzen wollte, dass das Schiff fast menschenleer war. Sie schlenderte an Deck und kniff die Augen gegen das grelle Sonnenlicht zusammen, obwohl sie ihre Sonnenbrille aufgesetzt hatte. Die Hitze war mörderisch, sie flimmerte auf dem Wasser und hatte diejenigen, die an Bord geblieben waren, nach drinnen getrieben, wo die Klimaanlage das Leben erträglich machte. Aber sie liebte die Hitze und genoss es, über die verlassenen Decks zu schlendern, bevor sie wieder nach unten gehen und arbeiten würde. Manchmal, wenn sie so allein war wie jetzt, malte sie sich aus, dass das Schiff mit seinem glänzenden Lack und den hübsch verzierten Relings ihr gehörte. Sie hätte nie gedacht, dass ihr das Leben auf dem Wasser so viel Spaß machte, und wusste schon jetzt, dass sie es schrecklich vermissen würde. Nichts ist für immer, sagte sie sich. Deshalb sollte man alles mitnehmen, was man bekommen konnte. Dann bog sie um eine Ecke und sah Duncan in einer Umarmung mit einer schlanken Blondine.
Oh, du mieser Schweinehund! Sie ballte die Hände zu Fäusten, während sie einen heftigen Stich im Herzen verspürte. Eine Cat Farrell hinterging man nicht! Keiner machte sie zum Narren. Am liebsten hätte sie sich auf diese blonde Schlampe gestürzt und ihr die Augen ausgekratzt, um anschließend Duncan Blade sein verräterisches Herz aus der Brust zu reißen und über Bord zu werfen. Alles, was sie zurückhielt, war ein letzter Rest von Stolz. Sie wollte verdammt sein, wenn sie ihn wissen ließ, dass er sie verletzen konnte. Deshalb verdrängte sie ihren Schmerz, warf den Kopf in den Nacken und schlenderte auf die beiden zu, als ob sie nicht eine einzige Sorge auf der Welt hätte. „Netter Morgen. Du Schuft!" Sein freundliches Lächeln verwandelte sich in Verblüffung. „Was?" „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?" Stolz ist schließlich doch nicht alles, dachte sie und empfand eine tiefe Genugtuung, als sie ihm den Zeigefinger in die Brust stieß. „Glaubst du, du kannst aus meinem Bett steigen, nur um sofort anschließend mit irgendeiner..." „Mutter", fiel Duncan ihr schnell ins Wort, bevor sie ihm mit ihrem Zeigefinger ein Loch ins Hemd bohren konnte. „Und nicht irgendeine Mutter, sondern meine Mutter. Mom, das ist Cat Farrell. Ich habe dir schon von ihr erzählt." „Ja, das hast du." Unter Auslassung einiger offenbar sachdienlicher Details, dachte Serena, aber sie lächelte höflich und hielt Cat die Hand hin. „Zuerst möchte ich mich für das Kompliment bedanken." Zutiefst beschämt und ärgerlich auf Duncan, weil diese unaussprechlich peinliche Situation sein Fehler war, nahm Cat die angebotene Hand. „Ich entschuldige mich, Mrs. Blade." „Oh, tun Sie das bitte nicht", sagte Serena mit einem La chen. „Damit verderben Sie alles." Cat entspannte sich ein bisschen. Immerhin war die Frau hübsch. Sie sah mit ihrem glänzenden blonden Haar und die sen außergewöhnlichen lavendelblauen Augen nicht wie die Mutter von irgendjemandem aus. Die legere gelbe Leinenho se mit der passenden Bluse betonte ihre schlanke Gestalt, und ihre Haut war samtig wie das Blütenblatt einer Rose. „Ein verständlicher Irrtum", sagte Cat, zog ihre Hand zurück und schob sie in die Tasche ihrer ausgebeulten Shorts. „Sie sind schön." „Ich mag Sie. Wir haben Duncan auch überrascht", fuhr Serena entschuldigend fort. „Sein Vater und ich haben ganz spontan beschlossen, kurz vorbeizuschauen, bevor wir weiter nach Westen fliegen. Wir haben geschäftlich in Vegas zu tun." „Und das ist noch nicht alles." Ausgesprochen erfreut über Cats Reaktion, legte Duncan seiner Mutter einen Arm um die Schultern. „Meine Großeltern sind ebenfalls hier. Sie fahren mit uns nach New Orleans." Na toll, dachte Cat. „Das freut mich für dich. Aber wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich wollte gerade ..." Sie unterbrach sich, als ein Mann übers Deck auf sie zukam. Er war groß, seine braune Haut glänzte in der Sonne. Seine Augen lagen hinter dunklen Gläsern und ließen sein wie gemeißelt wirkendes Gesicht geheimnisvoll und nicht wenig gefährlich erscheinen. In der rabenschwarzen Mähne glitzerten Silberfäden. Erste Sahne, war alles, was Cat denken konnte. Allererste Sahne. Der König der Herzensbrecher. Das war also sein Vater. Kein Wunder, dass Duncan verboten attraktiv aussah. Bei solchen Eltern. „Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen." Justin nahm Cats Hand zwischen seine Hände. „Mac wie auch Duncan haben uns erzählt, was für ein Gewinn Sie für die Unterhaltungsbranche sind. Ich hoffe, dass wir Sie für das ,Comanche' in Atlantic City buchen können." Sie führte keinen Freudentanz auf, auch wenn sie es gern getan hätte. „Ja, ich glaube, mein Terminkalender lässt das zu." Sie musste sofort hier weg, bevor sie sich noch lächerlich
machte, indem sie zum Beispiel ein Rad schlug. „Ich habe zu tun. Ich hoffe, wir sehen uns noch, ehe Sie weiterfliegen." Und schon eilte sie davon. „Worauf du dich verlassen kannst", sagte Serena mehr zu sich selbst, während sie Cat nachschaute. Einen Augenblick später wandte sie sich mit hochgezogenen Augenbrauen ihrem Sohn zu. „Dann..." „Dann lasst uns reingehen, bevor wir hier draußen in der Sonne schmelzen", unterbrach er sie. „Ich möchte mich davon überzeugen, dass sich Grandma und Grandpa schon häuslich eingerichtet haben, und dann muss ich die Unterla gen zusammensuchen, die Dad für die Revision braucht." Duncan nahm die Hand seiner Mutter. „Und ja, ich werde dir davon erzählen." „Gut." Eine Stunde später klapperte Serena mit den Eiswürfeln in ihrem Glas und lachte. „Er hat dich hereingelegt! Er hat sie dir aufs Schiff fallen lassen, genauso wie er mir vor all den Jahren Justin auf mein Schiff hat fallen lassen." „Mehr oder weniger", stimmte Duncan zu. „Ich werde ihm dafür danken müssen." „Tu es nicht. Bitte." Justin hielt abwehrend die Hand hoch. „Du wirst ein Monster schaffen." „Nun, an seinem Geschmack habe ich jedenfalls nichts auszusetzen. Sie ist wunderbar." Duncan, der hinter seinem Schreibtisch saß, ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. „Und vom künstlerischen Standpunkt gesehen ist sie erstaunlich. Es ist mir ein Rätsel, warum sie nicht sämtliche Hitlisten anführt. Schlechtes Management, nehme ich an. Aber das werden wir ändern." „Wir?" fragte Serena. „Unsere Familie hat Verbindungen", entgegnete Duncan schlicht. „Und ich gedenke, sie zu nutzen. Ich weiß, dass sie in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen ist und es nicht leicht hatte. Ihr Leben hat sich seitdem nicht viel geändert. Aber es gibt keinen Grund, dass das immer so weitergeht, bei ihrem Talent. Das ist die geschäftliche Seite. Was die private angeht, bin ich mir noch nicht ganz im Klaren. Sie ist... ungewöhnlich, und ich habe noch nie für eine Frau das emp funden, was ich für sie empfinde." Mit einem leichten Stirnrunzeln griff er nach einem Briefbeschwerer aus Messing, der die Form des MacGregor'schen Familienwappens hatte, und ließ ihn gedankenverloren von einer Hand in die andere gleiten. Wie sollte er es erklären? Hier ging es um Gefühle. Gefühle, die stark und drängend waren und gleichzeitig süß und zärtlich. Es war wie ein wirrer Knoten, der sich um sein Herz geschlungen hatte. Auf jeden Fall war keine andere Frau je so nah daran ge wesen, in seinem Herzen Wurzeln zu schlagen. „Vielleicht, weil sie so anders ist, aber ich weiß es nicht", sagte er schließlich. „Aber ganz bestimmt werde ich sie noch für weitere sechs Wochen buchen. Fürs Geschäft zahlt es sich mit Sicherheit aus. Sie ist ein echter Renner. Und persönlich gewinne ich so ein bisschen Zeit, um ... mir Klarheit zu verschaffen." Ein Teil von ihm hat schon Klarheit, dachte Serena und nahm Justins Hand, während sie das Gesicht ihres Sohns studierte. Aber sein Kopf schafft es noch nicht, mit seinem Herzen Schritt zu halten. Anscheinend hat sie nicht viel Zeit für sich selbst, dachte Serena, die sich unauffällig von ihrer Familie gelöst hatte, um sich auf die Suche nach Cat zu machen. Sie wollte sich selbst ein Bild von der Frau verschaffen, die ihren Sohn dermaßen beeindruckt hatte. Obwohl es ihr gelungen war, ihrem Vater ein paar Tatsachen zu entlocken - nachdem sie ihm die Hölle heiß gemacht hatte, weil er sich in das Leben ihres Kindes einmischte -, musste sie unbedingt noch mehr wissen.
Wer war Cat Farrell, und war in ihrem Herzen Platz für Duncan? Sie lachte über sich selbst, als sie auf die Doppeltüren des großen Salons zuging. Es fehlte nicht mehr viel, und sie würde in die Fußstapfen ihres Vaters treten und selbst zur Kupplerin werden. Dann öffnete sie die Tür und blieb wie angewurzelt stehen. Blieb stehen und hörte einfach nur zu. Cat saß am Piano auf der Bühne. Sie spielte gut, zwar nicht brillant, aber gut genug, um diese atemberaubende Stimme zu begleiten. Und diese Stimme sang die herzzerreißenden Strophen von „Am I Blue" mit einer Kraft, die direkt aus der Seele zu kommen schien. Nachdem das Lied zu Ende war, schimmerten Serenas Augen feucht. „Man sollte eigentlich meinen, dass Sie zu jung sind, um diesem Lied gerecht zu werden", sagte sie und lächelte, als Cats Kopf herumfuhr. „Aber Sie singen es, als wäre es Ihnen auf den Leib geschrieben." Etwas unangenehm berührt, drehte Cat sich ganz um. „Es ist mein Job." „Nein, es ist Ihre Gabe. Sie haben mich zum Weinen ge bracht." „Ein größeres Kompliment können Sie mir gar nicht ma chen. Danke." „Ich weiß, dass ich störe", sagte Serena, ging dennoch nach vorn auf die Bühne und setzte sich neben Cat auf die Klavierbank. „Aber ich wollte Sie für heute Abend zum Dinner einladen." Cat zögerte. „Es ist doch ein Familientreffen." Sie wusste nichts über Familien, dafür alles über Außenstehende. „Dennoch, wir würden uns freuen, wenn Sie kämen. Meinen Vater haben Sie ja schon kennen gelernt." „Ja, kurz, als ich in Vegas war. Er ist beeindruckend." „Oh ja, das ist er in der Tat." Serena drehte sich lachend zum Klavier um und schlug ein paar Tasten an. „Er war sehr angetan von Ihnen." „Ich nehme an, Duncan hat Ihnen erzählt, dass Mr. MacGregor diesen Gig für mich arrangiert hat." Sie nickte. „Und das aus reinem Egoismus. So ist er eben, der große MacGregor. Er kann nichts dafür." Sie lächelte sanft. „Ich hoffe, Sie fühlen sich jetzt nicht bedrängt." „Nein. Nur überrascht." „Wirklich? Warum?" „Ich hätte erwartet, dass er für seinen Enkel die Debütantinnen aufmarschieren lässt." „Und dazu würde der große MacGregor sagen: ,Debütantinnen! Ha!' Er sucht nach einer Frau mit einem guten Herzen und einem starken Rückgrat, und ich würde behaup ten, dass Sie beides haben. Dazu Verstand, Entschlusskraft und einen ausgeprägten Familiensinn." Cat hob die Augenbrauen. „Ich habe die High School ge rade mal so geschafft, und meine Entschlusskraft habe ich wohl einzig und allem der Tatsache zu verdanken, dass ich genug verdienen muss, um nicht zu verhungern. Und was den Familiensinn angeht ... meine ganze Familie ist meine Mutter. Allerdings bedeutet sie mir sehr viel." „Und dazu würde er sagen: ,Cat Farrell hat Mumm in den Knochen.' Gegen Daniel MacGregor kommt man nicht an." Cat schaute auf ihre Hände hinunter, dann auf Serenas. Duncans Mutter hatte die Hände einer Dame. Das Gesicht einer Dame. Die Umgangsformen einer Dame. Plötzlich glaubte sie, begriffen zu haben, worauf Serena Blade hinaus wollte. „Und Sie möchten jetzt, dass ich meiner Wege gehe, bevor Duncan anfängt zu glauben, dass die Idee seines Großvaters vielleicht doch nicht so schlecht war." Serena hörte auf zu klimpern und schaute Cat an. „Wie kommen Sie denn darauf?" „Weil es auf der Hand liegt. Ich weiß, was ich bin und wo ich herkomme. Mein Vater war ein gewöhnlicher Mann, der das Pech hatte zu sterben, bevor er dreißig wurde. Meine Mutter
ist eine Kellnerin, die nie eine Chance hatte, etwas anderes zu machen. Und ich singe für ein Abendessen. Ihr Vater mag vielleic ht alt und sentimental sein, aber Sie sind es nicht." „Ich verstehe." Serena überlegte. „Und wenn ich Ihnen ... nehmen wir mal an, zehntausend Dollar anbieten würde, damit Sie Ihrer Wege gehen, was würden Sie sagen?" Grüne Augen blitzten auf. „Ich würde sagen, dass Sie sich zum Teufel scheren sollten, Mrs. Blade." Zu Cats Überraschung warf Serena den Kopf in den Nacken und lachte erfreut. „Oh, ich wusste sofort, dass ich Sie mag. In dem Moment, wo Sie sich auf Duncan gestürzt ha ben, um ihm Ihre Meinung zu sagen, wusste ich es. Da Sie mich nicht kennen, würde ich es Ihnen nicht verübeln, wenn Sie mich als eine hohle, versnobte Person betrachteten, die eher an einem Schoßhündchen interessiert ist als an dem Glück ihres Sohnes, aber ..." Sie machte eine Pause, und ihre schönen Augen wurden ernst. „Sie sollten mehr an sich selbst denken, als Sie es offensichtlich tun." „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen." „Ich spreche davon, dass Sie hier die Einzige sind, die sich nicht für eine interessante, anziehende und entzückende Frau hält." Sehr sanft bedeckte sie Cats Hand mit ihrer. „Ich liebe meinen Sohn. Er ist in jeder Hinsicht ein wunderbarer junger Mann. Wie sollte ich nicht glücklich sein, dass Sie ihn auch lieben?" „Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn liebe." Panisch ge worden, zog Cat ihre Hand zurück und sprang auf. „Das habe ich nie gesagt." Das kann nicht sein, dachte sie benommen. „Nein." Serena lächelte wieder. „Nein, das haben Sie nicht gesagt. Aber wenn Sie es je tun sollten, würde ich mich sehr für ihn freuen. Ich will Sie jetzt nicht länger von der Arbeit abhalten." Sie erhob sich würdevoll. „Denken Sie über das Abendessen nach, ja?" Serena war fast an der Tür, bevor Cat wieder sprechen konnte. „Mrs. Blade?" „Ja?" „Schon als ich das alles hier sah", sie machte eine Hand bewegung, die das ganze Schiff einschloss, „glaubte ich zu wissen, dass Duncan Blade ein glücklicher Mensch ist. Aber es sieht so aus, als hätte ich nicht einmal die Hälfte von ihm gewusst." „Oh ja", sagte Serena, „ich mag Sie wirklich." Dann eilte sie mit einem zufriedenen Lächeln hinaus.
7. KAPITEL Cat hatte nicht damit gerechnet, sich während ihres sechswöchigen Engagements zu verlieben. Und sie hatte ganz gewiss nicht damit gerechnet, sich in einen über neunzigjährigen Mann zu verlieben. Aber sie tat es. Sie verliebte sich Hals über Kopf in Daniel MacGregor. Er war ein Erzhalunke, und das entsprach ihrem Hang zum Abenteurertum. Er war ein Hitzkopf, und sie zog ihr eigenes hitziges Temperament einem ruhigen, ausgegliche nen vor. Er war unverbesserlich sentimental, aber sein Verstand rasiermesserscharf. Die Kombination wirkte auf sie unwiderstehlich. Bei Anna MacGregor schien sie sich nicht so sicher. Sie verkörperte Würde und Nonchalance und hatte diese damenhafte Art, die man nicht erlernen konnte. Man bekam sie in die Wiege gelegt. Ihre Tochter besaß diese gewisse Vornehmheit auch. Cat vermutete, dass alle MacGregorFrauen sie besaßen, einschließlich derer, die durch Heirat in die Familie gekommen waren. Nun, sie würde nie eine Dame werden und verspürte auch keine Sehnsucht danach. Auch hatte sie nicht die Ab sicht, durch Heirat irgendwohin zu gelangen. Sie war eine Einzelgängerin und hatte vor, es zu bleiben. Aber sie konnte mit dem großen MacGregor zusammen sein und jeden Moment davon genießen. „Was? Sie kennen keine einzige schottische Ballade? Was für eine Sängerin sind Sie eigentlich?" „Eine Schnulzensängerin, Mr. MacG." Es machte ihr Spaß, in dem leeren Salon nur für einen Zuhörer zu singen. Daniel hatte es sich angewö hnt, wann immer der Salon fürs Publikum geschlossen war, sich an einen der Tische zu setzen und ihr Repertoire zu kommentieren. „Das heißt doch nicht, dass man da nicht ein bisschen Abwechslung hineinbringen könnte." Er schaute sie unter schneeweißen, buschigen Augenbrauen finster an. „Noch dazu, wo manche schottischen Lieder sogar einem starken Mann die Tränen in die Augen treiben. Bei Ihrer Stimme würde sich jeder Mann, dem schottisches Blut durch die Adern fließt, auf der Stelle in Sie verlieben." Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Sie verheben sich so oder so in mich." Er lachte dröhnend und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Sie sind ein kesses Mädel, Cat Farrell. Warum fordern Sie nicht meinen hübschen Enkel endlich zum Tanz auf?" Es war auch eine seiner Standardfragen, und Cat grinste übermütig. „Weil ich mich für Sie aufspare. Warum sich mit einem dünnen Hering zufrieden geben, wenn man den Haifisch haben kann?" Er lief rot an vor Freude. Doch noch während er sich ge schmeichelt den weißen Bart strich, trat in seine himmelblauen Augen ein durchtriebener Ausdruck. „Er würde Ihnen hübsche Babys machen." „Ihnen, meinen Sie wohl. Ich habe Sie durchschaut, Mr. MacG." Sie beugte sich zu ihm vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Sie werden nicht eher glücklich sein, bis Ihre Enkelkinder einen ganzen Hörsaal füllen." „Anna wünscht es sich so sehr." Und da seine Frau nicht in der Nähe war, zog er eine Zigarre aus seiner Brusttasche. „Sie macht sich Tag und Nacht Sorgen um Duncan." „Dafür hat sie aber noch eine sehr glatte Stirn." Cat grill nach einem Streichholzheftchen, riss ein Streichholz an und hielt es grinsend an Daniels Zigarre. „Wenn Sie mit mir durchbrennen, Süßer, wird sich keiner von uns beiden je wieder Sorgen machen müssen." „Verführst du meinen Großvater schon wieder?" Duncan kam herumgeschlendert und spürte, dass ihm, wie jedes Mal, wenn er die beiden zusammen sah, das Herz aufging. Was sehr oft war.
„Ich hätte es geschafft, ihn zu überreden, mit mir nach Venedig durchzubrennen, wenn du jetzt nicht hereingeplatzt wärst." Ihr verschmitztes Grinsen war noch nicht voll erblüht, als Duncan sie auch schon an den Haaren packte und sie küsste, dass ihr Hören und Sehen verging. „So ist es richtig!" Daniel haute wieder mit der Faust auf den Tisch. „Das gefällt mir. Halt sie gut fest, Bursche. Sie ist schlüpfrig wie ein Aal." „Ich habe sie schon", gab Duncan gut gelaunt zurück, der immer mehr zu der Überzeugung kam, dass er sie auch behalten wollte. „Der Salon öffnet erst in zwanzig Minuten, Grandpa", sagte er, ohne Cat aus den Augen zu lassen. „Geh noch ein bisschen spielen." „Das ist keine Art, mit deinem Großvater zu reden", bemerkte Cat streng. „Ist es wohl, wenn er ständig versucht, mir meine Frau auszuspannen." „Diese Frau versucht, ihn auszuspannen." Sie machte Anstalten, sich aus Duncans Umarmung zu befreien, aber er hielt sie fest. „Lass mich los, manche von uns müssen arbeiten, Süßer." „Ich bin der Boss, erinnerst du dich? Entschuldige uns jetzt, Grandpa, aber ich muss mit meiner Sängerin noch dringend eine kleine geschäftliche Angelegenheit regeln." Während er Cat mit sich in Richtung Garderobe zog, rief er über die Schulter: „Und nebenbei, Grandma ist auf dem Weg hierher. Du solltest zusehen, dass du diese Zigarre schnellstmöglich loswirst." „Schade", brummte Daniel enttäuscht, drückte eilig seine Zigarre aus und wedelte die Rauchschwaden weg. Dann lächelte er jedoch versöhnt, als er Duncan und Cat hinterherschaute. Er war bereit, jede Wette einzugehen, dass es eine Hochzeit geben würde, noch ehe der Sommer vorbei war. „Also wirklich, Duncan, ich hatte mich eben so nett mit deinem Großvater unterhalten", beschwerte Cat sich. „Sobald ich dir den Rücken kehre, hockt ihr zusammen. Ich kann es einfach nicht glauben, dass mir der Alte den Rang abläuft." „Ich bin verrückt nach ihm." „Und ich nach dir." Er machte die Garderobentür hinter ihnen zu, drehte den Schlüssel um und drängte Cat gegen die Wand. Dann fuhr er ihr mit den Händen an den Seiten nach oben, über die Brüste und wieder nach unten. „Na gut", brachte sie mühsam hervor, weil ihr das Herz bis zum Halse schlug. Nimm es leicht, befahl sie sich. Denk und fühl nicht wieder mehr, als du aushalten kannst. „Aber warum sagst du nicht gleich, was du willst?" Sie schlang ihm die Arme um den Hals und erwartete einen heißen, Schwindel erregenden Kuss. Doch er umrahmte nur ihr Gesicht mit den Händen, sein Mund verweilte eine ganze Weile dicht über ihrem, dann streifte er ihre Lippen und biss zärtlich hinein. Er wollte hö ren, wie ihr der Atem stockte, so wie immer, wenn sie sich ihm hingab. Wollte dieses langsame, fast widerstrebende Dahinschmelzen spüren, dieses allmähliche Kapitulieren. Manchmal war Feuer in ihrem Blut, dann gab es nur Hit ze, Ungeduld und Leidenschaft. In diesen Momenten konnte es ihnen gar nicht schnell genug gehen. Ein andermal waren sie wie die Kinder, alles war nur Balgen und Lachen. Und ab und zu war es langsam und zärtlich und kam ganz aus dem Herzen. Und genau das ist es, was ich jetzt will, dachte er, während er den Kuss absichtlich vertiefte. Er wollte ihr Herz. Sie seufzte auf und ließ sich in seine Arme sinken. Und gab ihm, was sie nie geglaubt hätte geben zu können. Er erweckte Gefühle in ihr, von denen sie gar nicht gewusst hatte, dass sie existierten, er fand immer noch eine Tür, die zu öffnen ihm gelang. Sie flüsterte seinen Namen, als er sie hochhob und zur Couch trug, flüsterte diesen immer noch, als er sich neben sie legte und seine Hände über ihren Körper gleiten ließ.
Fingerspitzen streichelten Haut, ihrer beider Atem vermischte sich. Münder begegneten und öffneten sich zu langen, tiefen, sehnsüchtigen Küssen. Er spürte, wie sich ihr Puls unter seinen Fingern beschleunigte, wie ihr Herz raste. Aber er wollte mehr als Erregung, mehr als Verlangen. Er wo llte Liebe. „Lass mich in dem Herz hinein", murmelte er an ihrem Mund. „Ich "werde dich nie verletzen." Aber er tat es dennoch, tat es in genau diesem Moment. Kr verletzte sie, indem er etwas in ihr zerriss. Etwas, das sie immer sorgsam gehütet hatte wie einen Schatz, bekam Sprünge, und das machte ihr Angst. Und weil sie es nicht wahrhaben wollte, schüttelte sie heftig den Kopf, aber sein Mund war geduldig, und seine zärtlichen Hände kannten kein Erbarmen. Und so öffnete sie ihm die Tür ihres Herzens ganz weit und ließ ihn hinein. Die Veränderung, die mit ihr vorging, machte sie hilflos und verwirrt. Mit äußerster Behutsamkeit drang er in sie ein, wobei er sich aufstützte, um ihr in die Augen sehen zu können, in denen sich Erkenntnis und Verwirrung gleichermaßen widerspiegelten. Die Gefühle, die in diesem Moment sein eigenes Herz erfüllten, waren so stark, dass er glaubte, es würde zerspringen. „Es ist anders." Sie konnte nicht sprechen, deshalb schüttelte sie wieder nur den Kopf und schluckte ein Schluchzen hinunter, als sein Mund sich ein weiteres Mal auf ihren legte. Unfähig, ihm länger zu widerstehen, ließ sie sich mit ihm auf der hohen Welle treiben. Und ging zusammen mit ihm unter. „Es war anders", beharrte er. Sie nahm ihren Bademantel vom Haken und schlüpfte hinein. Verzweifelt um Gleichgewicht ringend, verknotete sie energisch den Gürtel. Selbstmord. Hatte sie nicht gesagt, dass es Selbstmord wäre, sich mit ihm einzulassen? Und nun stand sie hier und balancierte direkt auf dem Klippenrand. „Nein, war es nicht." Sie wollte es so gern glauben. „Und das muss es auch gar nicht." Er legte den Kopf schräg. „Warum macht es dir solche Angst zu wissen, dass ich etwas für dich empfinde, dass du mir etwas bedeutest?" „Macht es ja gar nicht." Damit ihre rastlosen Hände etwas zu tun bekamen, schnappte sie sich ihre Bürste und begann mit heftigen Strichen ihr Haar zu bearbeiten. „Was immer du von mir denken magst, aber ich habe nur Sex mit Männern, aus denen ich mir auch etwas mache." „Das ist nicht das, was ich gesagt oder gemeint habe." Er zog sich seine Hose an, dann griff er nach seinem Hemd. „Du verstehst es, einem das Wort im Mund herumzudrehen, Cat. Aber ich verstehe es, an dem, was mir wichtig ist, festzuhalten. Im Augenblick bist du das." „Schön, das freut mich." Ihre Augen begegneten sich im Spiegel. „Ich bin nämlich gern wichtig." Etwas ruhiger ge worden, legte sie die Bürste weg, dann drehte sie sich um und lehnte sich gegen den Tresen. „Du bist mir auch wichtig, Duncan. Ist es das, was du hören möchtest? Natürlich bist du das, sonst wäre ich gar nicht mehr mit dir zusammen. Verkomplizier die Sache jetzt nicht." „Komisch, ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass ich sie vereinfache. Was empfindest du für mich?" „Eine Menge verschiedener Dinge. Ich will dich ... Ich denke, das ist offensichtlich. Es macht mir Spaß mit dir." Lä chelnd trat sie vor ihn hin und fuhr ihm mit der Hand über die Brust. „Mir gefällt deine Art, dein Gesicht, und deinen Körper bete ich geradezu an." Die Belustigung, auf die sie gehofft hatte, flackerte nicht in seinen Augen auf. Sein Blick blieb unbeteiligt, fast kühl. „Und abgesehen vom Sex?" „Schwer zu sagen." Sie zuckte die Schultern und wandte sich wieder um, um die Kosmetiktiegel auf dem Tresen gerade zu rücken, aber ihre Finger fühlten sich dabei taub an. „Schließlich haben wir ja Sex miteinander, oder? Aber um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen ..." Sie musste sich zwingen, sich wieder zu ihm umzudrehen. „Ohne
Sex würde ich dich immer noch mögen. Du bist ein liebenswerter Mensch. Ich habe nicht viele Freunde, Duncan. Ich bin einfach nicht lange genug an einem Ort, um richtige Freundschaften zu schließen. Du bist eine Ausnahme." Seine Brauen schnellten hoch. Seltsam, dass er sich über ihre Worte freute und gleichzeitig wütend war. „Dann sind wir also Freunde?" „Sind wir das?" „Anzunehmen." Er lächelte ebenso lässig wie sie. „Gut, Kumpel, wir legen bald ab. Ich habe noch zu tun." „Wir sehen uns." Sie erschauerte, so als ob sie im letzten Moment eine große Krise gerade noch gemeistert hätte. „Oh, und noch etwas. Es macht wirklich Spaß, mit dir zusammenzuarbeiten, Süßer." Er lächelte, als er die Tür öffnete. Aber sobald er sie hinter sich geschlossen hatte, verengten sich seine Augen, und sein Lächeln erlosch. Er hatte sich immer als einen Menschen betrachtet, dem das Glück hold war. Aber was für ein Glück war es, sich so plötzlich Hals über Kopf in eine Frau zu verlieben, die in kein herkömmliches Raster passte? Liebe "war ein Spiel, das er nur zu spielen gedachte, solange er sich sicher war, dass er es verdammt gut beherrschte. Aber die Karten waren bereits ausgeteilt. Jetzt konnte er nur noch dafür sorgen, dass sie ihren Einsatz machte und nicht bluffte. Denn wenn Duncan Blade spielte, dann spielte er, um zu gewinnen.
8. KAPITEL Für den Rest der Woche ließ Duncan es einfach laufen, hielt seine Karten verdeckt und wartete darauf, dass der Gewinn im Topf anwuchs. Und es war kein Opfer, davon schien er überzeugt, als er letzt durchs Casino ging. Je mehr Cat sich entspannte, desto mehr ging sie aus sich heraus. Es machte ihm Spaß zu beobachten, wie sie mit seinem Großvater flirtete und wie sie nach und nach auch in Gegenwart seiner Großmutter auftaute. Einmal hatte er beide Frauen Hand in Hand übers Deck spazieren gehen sehen, und er hätte schwören mögen, dass die sexy Cat und die gelassene Anna Geheimnisse austauschten. Heute allerdings musste er ernsthaft mit Cat sprechen, Er beabsichtigte, ihren Vertrag zu verlängern, und es erschien ihm nur fair, sie davon zu unterrichten, bevor er ihren Agenten anrief, um ihn von der Änderung in Kenntnis zu setzen. Und dann war da noch dieser Anruf von Reed Valentine von „Valentine Records" heute Morgen. Bestimmt freute sich Cat zu hören, wie viel Anklang ihr Demo-Band gefunden hatte. Es war nichts, was man zwischen Tür und Angel erzählen konnte. Solche Neuigkeiten erforderten den richtigen Rahmen, und er hatte bereits Schritte eingeleitet, ihr diesen nach ihrer zweiten Show zu bieten. Der Gedanke daran brachte ein Lächeln auf sein Gesicht, das eine der KingstonSchwestern veranlasste, nach seiner Hand zu greifen, als er an dem Black-Jack-Tisch vorbeiging. „Oh, ich werde dieses Schiff vermissen." Sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. „Ich mag gar nicht daran denken, dass unsere Ferien morgen schon zu Ende sind." „Ich hoffe, Sie haben sie genossen." Welche ist das, fragte er sich vage. Cindi? Sandi? Candi? „Jede Minute davon. Wir haben schon darüber gesprochen, die Fahrt nächstes Jahr zu wiederholen. Es macht so viel Spaß." „Wir würden uns freuen. Haben Sie wenigstens heute ein bisschen Glück?" Sie himmelte ihn aus babyblauen Augen an. „Nicht so viel, wie ich gern hätte." Er musste lachen. „Ich meine mit den Karten." „Da auch nicht. Aber es macht trotzdem Spaß. Ich nehme nicht an, dass Sie mal nach Philadelphia kommen?" „Wer weiß?" Dann sah er, wie Cat hereinkam, und vergaß alles andere. „Entschuldigen Sie mich." Die Blondine schaute ihm nach und seufzte wehmütig. „Manche Leute haben immer Glück", sagte sie zu dem Kartengeber. Cat schaute ihm entgegen, als er auf sie zukam, und beobachtete seine Bewegungen, die Art, wie er sich zwischen den Tischen hindurch- und an den Automaten vorbeischlängelte. Oh ja, dachte sie, das ist definitiv sein Revier. „He." Er nahm ihre Hand, spielte mit ihren Fingern. „Du kommst doch sonst nie hier rein." „Warum sollte ich auch? Ich ..." „... spiele in der Regel nicht", fiel er ihr ins Wort. „Also brichst du deine Regeln auch manchmal." „Ständig, Süßer." „Möchtest du spielen?" „Ich habe nur zwanzig Minuten Pause." „Das reicht." Er entdeckte zu seiner Freude einen leeren lisch. Es war nur gut, dass sie sich schon zu so früher Stunde einschlossen hatte, hereinzukommen, andernfalls wäre wahrscheinlich nichts mehr frei gewesen. „Na, komm schon. Ich stamme aus einer langen Ahnenreihe von Kartengebern ab." „Kaum zu glauben."
„Na, dann eben aus einer kurzen. Meine Mutter war Kartengeberin. So hat sie meinen Vater kennen gelernt." „Wirklich?" Es faszinierte sie genug, um sich von ihm an den Tisch ziehen zu lassen. „Und "wer hat gewonnen?" „Beide. Ich gebe dir einen Hunderter." „Für meinen Einsatz kann ich schon selbst aufkommen." „Fein, dann hast du jetzt erst mal Kredit." Er legte einen Stapel Chips vor sie hin. „Du siehst heute Abend besonders gut aus, Darling." Was soll denn das jetzt, zum Teufel, dachte sie und glitt auf einen Stuhl. Okay, ihr mitternachtsblaues Kleid war nicht schlecht. Es klebte ihr förmlich am Körper und schimmerte bei jeder Bewegung. „Es ist der letzte Abend, bevor wir vor Anker gehe n. Ich möchte, dass mein Publikum zufrieden von Bord geht." Sie setzte fünf Dollar. „Lass die Karten rüberwachsen, Süßer." Er teilte ihr eine Fünf und eine Sieben aus und sich selbst ein As. „Mögliche Siebzehnundvier. Versicherung?" „Ich glaube nicht daran. Schlag mich." Sie zog eine Acht und lächelte. „Zwanzig." Er drehte seine eigenen Karten um. „Der Geher hat sieben, siebzehn und geht mit vierundzwanzig kaputt." Er schob ihr ihren Gewinn hinüber und nahm wieder einen Kartenstapel auf. „Wie wär's nachher mit einem Date, schöne Frau?" „Vielleicht." Sie schaute auf ihre Karten. Achtzehn. Und seine. Er deckte gerade eine Sechs auf. „Ich will sehen." „Sehen bei achtzehn, der Geber hat fünfzehn und ...", er grinste, als er eine Vier aufdeckte, „... gewinnt mit neunzehn." „Gewinnst du oft?" „So oft wie nur möglich." Er war gut. Sie konnte sich vorstellen, dass er bei jedem Spiel, das er spielte, gut war. Aber sie auch. Und da sie oft spielte, um zu überleben, hatte sie es sich angewöhnt, nie mals mehr aufs Spiel zu setzen, als sie sich zu verlieren leisten konnte. Weder Geld noch Zeit. Und nie ihr Herz. Aber wenn sie ihren Einsatz machte, spielte sie, um zu gewinnen. „Gib", sagte sie und lächelte ihn an. Er schröpfte sie in den nächsten drei Runden, was sie veranlasste, ihn misstrauisch zu mustern. „Ich habe keine Karte im Ärmel", versicherte er ihr. „Hier wird sauber gespielt." „Das Haus kann man nicht schlagen." „Du spielst nicht richtig", erklärte er ihr. „Du willst zu früh sehen und traust dich nicht, ein Risiko einzugehen. Du gibst den Karten keine Chance." „Ich kann sie nicht kontrollieren, vor allem, wenn ich nicht gebe." „Sollen wir die Plätze tauschen? Komm." Sie wollte erst nicht, aber dann zuckte sie die Schultern. „Warum nicht? Eine zweite Karriere für den Notfall kann nie schaden." Belustigt umrundete sie den Tisch und stellte sich dahinter, dann ließ sie den Blick durchs Casino schweifen. „Von hier sieht es ganz anders aus, findest du nicht?" „Dasselbe Spiel, dieselben Chancen." „Nur, dass sie jetzt günstig für mich stehen. Ich werde dich gut im Auge behalten, Süßer. Mach deinen Einsatz." Er schob einen ihrer Chips in die Mitte und wartete auf seine Karten. Sie schaute ganz und gar selbstzufrieden drein, als sie eine Ecke der Karte unter ihrer Neun aufdeckte. Er hatte zweimal die Acht. „Split. Gib mir noch zwei." „Ich weiß, ich weiß", sagte sie trocken. Dann hob sie eine Braue, als er eine Hand mit siebzehn zeigte: „Schlägst du das?"
„Auf jeden Fall. Eine Fünf genügt." Als sie ihm eine Vier gab und die Stirn runzelte, nickte er. „Reicht so. Und jetzt die." Er deutete auf seine zweite Hand mit dreizehn. Sie gab ihm eine Acht und fluchte. „Neunzehn verliert", brummte sie und drehte ihre Dame um. Es sind nicht nur die Karten, entschied sie. Sie verlor ständig an Boden, er brachte sie dauernd dazu, ein bisschen zu viel zu riskieren. Und jedes Mal, wenn sie sich auf ihn einließ, fiel es ihr schwerer, sich zu erinnern, was es kostete, wenn ihre Hand - oder ihr Herz - in die Binsen ging. „Du bist gut, Blade." „Das ist mein Job." „Okay, du hast mir in fünf Minuten vierzig Mäuse abge knöpft, das reicht. Wenn du in diesem Tempo weitermachst, werde ich noch mein Kleid verloren haben, ehe die Show beginnt." „Strip Black Jack können wir später spielen." Sie lachte und beugte sich über den Tisch. Das war ein Spiel, das sie sich leisten konnte, hier hatten sie gleiche Chancen. „Ich bin eigentlich nur hier, weil ich dir erzählen wollte, dass ich für deinen Großvater am Ende der Show eine kleine Überraschung geplant habe. Ich dachte mir, es interessiert dich vielleicht." „Was ist es denn?" „Komm und sieh selbst." Und während sie ihren Blick mit einem süffisanten Grinsen über eine der Kingston-Schwestern wandern ließ, fügte sie hinzu: „Falls du dich von deinem Harem hier losreißen kannst." „Sweetheart, ich gehöre ganz allein dir." „Richtig." Sie kicherte, tätschelte ihm die Wange, dann richtete sie sich auf. „Wir rechnen später ab. Ich muss jetzt erst meinen Verlust wieder reinholen." Der Anblick ihrer nicht ganz dezent schwingenden Hüften beim Hinausgehen bewirkte, dass ihm der Atem stockte. Ja, in der Tat, dachte er. Abrechnen würden sie später. Sie beendete ihren zweiten Auftritt, wobei sie wusste, dass Duncan hereingeschlüpft war und jetzt bei seinen Großeltern am Tisch saß. Sie hatte das Timing mit Anna abgesprochen und trat erst aus dem Scheinwerferlicht, als sich die Publikumsmenge langsam zu zerstreuen begann. Ein paar Zuschauer würden noch bleiben, entweder hinten an der Bar oder vereinzelt an ihren Tischen, aber sie betrachtete dies als einen Privatauftritt. Einen Auftritt, bei dem sie seltsamerweise Lampenfieber wie nie zuvor verspürte. „Ich weiß gar nicht, was dein Problem ist, Junge", brummte Daniel. „Diese Frau ist wie für dich geschaffen." „Daniel, bitte. Fang nicht schon wieder an." Anna seufzte. Sie war zu demselben Schluss gekommen und hätte ihrem Mann am liebsten eine Kopfnuss verpasst, weil sein Gerede möglicherweise zur Folge hatte, dass sich die Waagschale nach der falschen Seite neigte. „Lass Duncan in Frie den. Er ist ein erwachsener Mann." „Sag ich doch! Genau das sage ich doch. Und warum verhält er sich dann nicht so? Wann erinnert er sich bitte schön endlich an seine Pflichten, frage ich dich? Es ist wirklich eine Schande, aber ich sehe es schon kommen, dass er sich dieses Mädel durch die Lappen gehen lässt. Man sollte es nicht glauben, dass durch seine Adern mein Blut fließt. Ha!" Daniel verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit grimmigem Gesicht zurück. In dem Wissen, dass sein Großvater jetzt grün "werden würde vor Neid, zog Duncan eine schlanke Zigarre aus seiner Brusttasche und drehte sie genüsslich in den Fingern. Dann steckte er sie sich zwischen die Zähne, zündete sie an und paffte zufrieden, während Daniels blaue Augen vor Verärgerung und Verlangen glitzerten. „Wer sagt denn, dass ich sie mir durch die Lappen gehen lasse?"
„Wenn du Augen im Kopf hättest, würdest du sehen, dass ..." Daniel unterbrach sich, schnappte nach Luft, dann versetzte er Duncan einen heftigen Schlag auf den Rücken. „Na dann! Ha! Siehst du, Anna, hab ich dir nicht gleich gesagt, dass er ein schlauer Bursche ist? Hab ich dir nicht gesagt, dass es nicht den geringsten Grund gibt, sich Sorgen zu ma chen?" „Ja, das hast du, Daniel." Anna, die beide Männer gleichermaßen liebte, ergriff von jedem die Hand und drückte sie. „Ich mag sie sehr, Duncan." „Ich weiß. Also, pass auf, dass er sich da raushält, dann werde ich mir alle Mühe geben, dass es klappt." „Mich raushalten!" beschwerte sich Daniel mit so laut dröhnender Stimme, dass sich die wenigen Gäste, die noch geblieben waren, nach ihm umdrehten. „Was glaubst du Flachpfeife eigentlich, wobei du dir Mühe geben könntest, wenn ich nicht..." „Hör mal, Daniel", unterbrach Anna ihn sanft lächelnd und in zuckersüßem Tonfall, „du hast dich doch nicht etwa wieder einmal eingemischt?" „Eingemischt? Ich? Ah ... Nein, ich habe nichts gemacht. Überhaupt nichts. Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Ich sage nur ... was ich sage." Er hielt es für angebracht, den Rückzug anzutreten. „Wir sollten besser langsam unsere Kabine aufsuchen, Anna. Du brauchst deinen Schlaf." „Ich trinke nur noch meinen Wein aus." Anna hob ihr Glas und drehte sich auf ihrem Stuhl herum - das Signal, das sie mit Cat abgesprochen hatte. Cat, die schon darauf gewartet hatte, trat wieder nach vorn ins Scheinwerferlicht. „Daniel MacGregor? Ich habe etwas für Sie." „Schön, und warum lungern Sie dann noch da oben auf der Bühne herum? Kommen Sie runter und geben Sie es mir." „Es kommt von hier oben. Und von hier", fügte sie hinzu und legte sich eine Hand aufs Herz. Und dann sang sie die alte schottische Ballade „Loch Loman" für ihn. Weil sie ihn dabei die ganze Zeit über anschaute, sah sie, wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Und spürte, wie ihre eigenen zu brennen anfingen. Duncan hatte sich inzwischen damit abgefunden, dass er in sie verliebt war, zumindest fast. Doch als er jetzt sah, wie weich und zärtlich ihr Gesicht wurde, als sie für den Mann, der einen so großen Platz in seinem Herzen einnahm, sang, wusste er, dass er sie liebte. Ja, er liebte sie. Und diese Erkenntnis bewirkte bei ihm keinen Schock, wie er erwartet hatte. Im Gegenteil. Ein Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit durchströmte ihn, während er vor seinem inneren Auge sah, wie sich sein Leben mit ihr veränderte. Und er war Schotte genug, um zu akzeptieren, dass es von Anfang an darauf zugelaufen war. Jetzt musste er sie nur noch für sich gewinnen. Nachdem der Song verklungen war, kramte Daniel ne ben ihm schniefend nach seinem Taschentuch und schnaub te sich kräftig die Nase. „Na, das ist mir vielleicht ein Mädel", brachte er mühsam hervor. „Das ist ein feines Mädel." Cat verließ die Bühne und kam zu ihnen an den Tisch. „Ich werde Sie vermissen, Daniel", sagte sie, beugte sich zu ihm hinab und küsste ihn auf die Wange. „Ich werde Sie wirklich vermissen." „Da hast du's." Zu ihrer Überraschung nahm er sie auf seinen Schoß und umarmte sie. Anna erhob sich diskret, griff nach Duncans Hand und zog ihn mit sich. „Komm, lass uns noch ein paar Schritte ge hen", murmelte sie. „Dieses Mädchen braucht Liebe." „Ich habe genug für sie. Ich muss sie nur noch davon überzeugen, sie anzunehmen", entgegnete er, während er über die Schulter auf das Paar schaute, das sich umarmte. Anna drückte ihm die Hand. „Ich zähle auf dich."
Duncan wusste, dass sie müde war, er konnte es an ihren Augen sehen, als er mit ihr zu seiner Kabine ging. Er bezweifelte, dass sie ihren Gefühlen oft freien Lauf ließ, und konnte sich vorstellen, dass eine solche Erfahrung auf eine Frau wie Cat erschöpfend wirken musste. „Das war eine wundervolle Überraschung für meinen Großvater." „Ich bin ganz verrückt nach ihm. Wirklich richtig verrückt." Es machte ihr mehr als nur ein bisschen Angst, dass sie Menschen, zu denen sie nie gehören würde, so viele Gefühle entgegenbringen konnte. „Ich würde sagen, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Wenn nicht meine Großmutter und ... oh ... fast siebzig Jahre Altersunterschied wären, würde ich mir ernsthafte Sorgen machen." Sie lachte, dann aber wurde sie wieder ernst und unterdrückte ein Gähnen. „An deiner Stelle wäre ich mir da nicht so sicher." Nachdem er aufgeschlossen hatte, betrat sie vor ihm die Kabine und blinzelte überrascht beim Anblick der brennenden Kerzen und des funkelnden Kristalls. „Was ist denn hier los, Blade?" „Ich dachte mir, du wolltest vielleicht mit noch einer Re gel brechen." Er ging zu dem Eiskübel und nahm die Flasche heraus. „Champagner?" Sie warf einen Blick auf das Etikett und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Guter Stoff. Was ist der Anlass?" „Dazu kommen wir gleich. Möchtest du ein Glas?" „Eins bringe ich notfalls hinunter. Wolltest du deshalb nicht, dass ich mich nach dem Auftritt umziehe? Damit ich für den feinen französischen Tropfen angemessen angezogen bin?" „Nein, sondern weil ich dich ausziehen will. Eventuell." Geschickt drehte er den Korken und ließ ihn dann übermütig knallen. Er füllte zwei Champagnerflöten, reichte ihr eine und stieß mit ihr an. „Auf deine erstaunlichen Stimmbänder." Sie lachte und nahm einen Schluck. „Wie könnte ich darauf nicht trinken?" „Dein Vertrag läuft in einer Woche aus." Ihr Herzschlag setzte aus, und sie war nur froh, dass der Champagner bereits in ihrem Magen war, andernfalls hätte sie sich womöglich noch verschluckt. „Ja, ich weiß. Es war eine gute Zeit." „Ich möchte den Vertrag verlängern." Ihr Herz begann wieder zu schlagen, heftiger als vorher. „Nun, darauf kann ich auch trinken." „Ich wollte mit dir darüber sprechen, bevor ich deinen Agenten anrufe." „Ich habe ihn gefeuert, du kannst also mit mir direkt verhandeln." „Du hast ihn gefeuert?" Duncan spitzte nachdenklich die Lippen, dann nickte er. „Geschickter Zug, aber irgendeinen Vermittler wirst du brauchen." „Man rennt mir nicht gerade die Tür ein, Süßer. Aber wenn die Zeit kommt, suche ich mir wieder jemanden." „Wenn mich nicht alles täuscht, ist es schon so weit. Reed Valentine zeigt sich interessiert und würde gern mit dir eine Probeaufnahme in seinem Studio in New York ma chen." Sie spürte ihre Hände nicht mehr. Und ihre Füße auch nicht. Das Einzige, was sie spürte, war das wilde Hämmern ihres Herzens. „Reed Valentine? Von Valentine Records? Der ist interessiert? An mir? Warum?" „So viele Fragen auf einmal." Er lachte und prostete ihr wieder zu. „Ja, Reed Valentine von Valentine Records möchte dich kennen lernen, weil er von dem Band, das du zusammengestellt hast, sehr beeindruckt ist." „Du hast es hingeschickt? Du hast es Reed Valentine ge schickt?" „Ich sagte dir doch, dass ich ein paar Verbindungen habe, die ich nutzen wollte." Valentine Records. Jetzt konnte sie ihre Lippen nicht mehr spüren. Dafür spürte sie, wie ihr Magen einen Satz machte. „Ich habe nicht damit gerechnet ... ich hätte nie ge dacht ..."
„Hast du nicht geglaubt, dass es mir ernst ist, Cat? Mit so etwas spiele ich nicht." „Nein, ich habe nur nicht... Gott, ich kann nicht mehr atmen." Sie presste sich eine Hand auf die Brust, als wollte sie sich die Luft aus der Lunge herausdrücken, aber es kam keine. „Himmel, ich glaube, ich ersticke gleich." Alarmiert streckte er die Hand nach ihr aus. Sie war kreideweiß geworden. „He. Setz dich hin." Sie gab ihm schnell ihr Glas und rannte zur Balkontür. Ihr war so schwindlig, als ob sie die ganze Flasche Champagner auf einen Zug ausgetrunken hätte. Und sie konnte nicht mehr atmen, weil sich die Luft irgendwo in ihr staute. Sie umklammerte das Geländer, beugte sich vor und starrte blind in die sich neben dem Schiffsrumpf dahinwälzenden Fluten. Er trat hinter sie. „Ist es denn nicht das, was du wolltest?" Sie merkte, wie Tränen unter ihren fest zusammengepressten Lidern hervorquollen. „Doch. Es ist alles, was ich je in meinem ganzen Leben wollte. Nur eine Chance, nur ein einziges Mal eine Chance, irgendjemandem zu beweisen, was ich kann." Ihre Stimme brach. „Ich brauche eine Minute hier draußen, Duncan, okay? Gib mir nur eine Minute." Statt sie jedoch allein zu lassen, drehte er sie zu sich he rum und sah sie prüfend an. „Ich dachte, ich wüsste, wie viel es dir bedeutet." Seine Stimme war sanft, genauso sanft wie seine Hand, die ihr eine Träne von der Wange wischte. „Doch ich habe mich geirrt. Ich hätte einen besseren Weg finden sollen, es dir zu sagen." „Nein, es ist perfekt, es ist gut so." Sie hatte eine Heidenangst vor dem, was er ihr anbot. Vor ihm. Vor dem Tumult in ihrem Innern. „Wenn du mich nur für eine Minute allein lassen würdest. Ich muss mich einfach nur sammeln." „Nein, das musst du nicht." Er zog sie an sich. „Du musst einfach nur loslassen." Ihr Atem kam stoßweise, verfing sich in ihrer Kehle, dann schluchzte sie trocken auf. Sie klammerte sich an ihn, presste ihr Gesicht an seine Schulter, hielt sich an ihm fest, an dem Gefühl und an dem Geschenk, das er ihr gemacht hatte. „Es bedeutet alles für mich. Alles. Selbst wenn sie ihre Meinung wieder ändern, mich gotterbärmlich schlecht finden und mir einen Fußtritt verpassen sollten, bedeutet es alles für mich. Diese Chance! Das kann ich dir nie zurückzahlen." „Es gibt nichts zurückzuzahlen. Cat..." „Es bedeutet alles für mich", wiederholte sie und nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. „Alles. Ich bin dir so dankbar, Duncan." Sie drückte ihre Lippen auf seine und ließ all ihre Gefühle in den Kuss einfließen, den sie ihm gab. „Lass es mich dir zeigen." „Cat, ich will keine Dankbarkeit." „Ich bin dir aber dankbar. Dankbarer, als du dir je vorstellen könntest." Sie küsste ihn wieder mit voller Inbrunst und schlug sie beide in den Bann damit. „Ich möchte dir meine Dankbarkeit zeigen. Bitte."
9. KAPITEL Sie war wie eine Hexe gewesen, die ihn mit einem Zauber belegt hatte. Jetzt, im hellen Licht eines neuen Tages, stand Duncan immer noch in ihrem Bann. Er hatte ihr gestern Abend sagen wollen, dass er sie liebte. Hatte sie fragen wollen, ob sie ihm gehören wollte. Aber es war ihm nicht fair erschienen, nachdem sie gerade schon eine Achterbahnfahrt der Gefühle hinter sich hatte. Er zog es vor, fair zu spielen. Wenn es möglich war. Deshalb beabsichtigte er zu warten, bis eine neue Nacht hereinbrach, die Luft sich abgekühlt hätte und sie mit dem Fluss allein waren. Und die Stunden bis dahin konnte er nützen, indem er sich genau zurechtlegte, was er ihr sagen wollte. Welche Worte er benutzen, welchen Tonfall er anschlagen wollte. Er wünschte, sich ihrer etwas sicherer zu sein, aber manche Chancen ließen sich unmöglich im Voraus berechnen. Wahrscheinlich würde er an dem Ring, den er heute Morgen nach der Verabschiedung seiner Großeltern gekauft hatte und der jetzt in seiner Hosentasche steckte, den ganzen Tag über schwer zu tragen haben. Die beste Art, die Zeit zu überbrücken, ist zu arbeiten, entschied er. Cat hatte die gesamte Nacht und den halben Tag nachge dacht und war endlich zu einem Entschluss gekommen. Duncan Blade hatte ihr etwas gegeben, für das sie ihr ganzes Leben lang gearbeitet hatte. Und er hatte keinerlei Bedingungen daran geknüpft. Der einzige Weg, sich bei ihm zu revanchieren, war, jetzt einen schnellen und sauberen Schlussstrich zu ziehen. Keine Verletzungen, keine faulen Tricks, sagte sie sich, während sie die Treppe zu seinem Büro hinaufging. Ihr zitterten die Knie. Sie blieb stehen und verfluchte sich selbst, weil sie im Grunde wusste, dass sie gar nicht so nobel war, wie sie sich einzureden versuchte. Sie rannte nämlich davon. Sie kam mit den Gefühlen, die sie ihm entgegenbrachte, nicht klar. Aber warum, zum Teufel, musste sie überhaupt damit klarkommen? Sie musste gar nichts. Sie hatte eben vorher nicht gewusst, wie es war zu lieben, und jetzt erschien ihr der Einsatz viel zu hoch. Sie würde das, was sie aufs Spiel setzte, nie verschmerzen können, wenn sie verlor. Und dass sie verlieren würde, war anzunehmen. Es war klüger, es abzubrechen, bevor sie noch tiefer in dem Gefühlssumpf versank und womöglich noch auf die Idee kam, dass sie eines Tages einen Platz in seinem Leben einnehmen könnte. Und es wäre feige, die Woche, bis ihr Vertrag abgelaufen war, noch abzuwarten, ehe sie ihm sagte, dass sie nicht mehr weitermachen wollte. Sie sollte ihm wenigstens Zeit geben, sich nach einem Ersatz umzuschauen. Alles andere wäre wenig anständig und höchst unprofessionell. Sie würde sich nicht bei ihm revanchieren, indem sie ihm das Geschäft vermasselte. Oder sein Leben. Plötzlich hatte ihr lebenslang gehegter Traum nicht mehr ganz den Glanz, den er eigentlich verdient hätte. Aber Cat Farrell hielt ihr Wort, sie schaute ihren Verantwortlichkeiten ins Auge, und damit kam sie durch gute wie auch durch schlechte Zeiten. Dann stand sie vor seinem Büro und sah ihn durch die Glasscheibe hinter seinem Schreibtisch sitzen. Ihr ohnehin schon leidendes Herz erlitt einen weiteren Schlag. Oh Gott, er ist so perfekt, dachte sie. Was hatte seine Mutter gesagt? Ein wundervoller junger Mann, in jeder Hinsicht. Es stimmte hundertprozentig. Es war nicht nur sein Aussehen, sein Charme, die todschicke Kleidung.
Es war auc h sein Wesen, diese freundliche und fürsorgliche Art. Er war ganz und gar nicht das durchgeknallte Söhnchen reicher Eltern, das mit dem Familiengeld herumprotzte und sich ansonsten einen faulen Lenz machte. Er arbeitete hart und hatte jedem Quadratzentimeter seines Schiffs seinen persönlichen Stempel aufgedrückt. Er war integer, und er hatte Ambitionen. Gefährlicher Duncan, dachte sie. Herzensbrecher. Du wirst meinen Namen vergessen haben, ehe die Feriensaison vorüber ist. Sie holte tief Luft, schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht und betrat sein Büro. „Hast du eine Minute Zeit, Boss?" Er lehnte sich zurück und schob seine Unterlagen beiseite. „Oh, ich nehme an, das lässt sich einrichten. Wie geht es dir?" „Ich laufe immer noch wie auf Wolken. Hast du deine Großeltern verabschiedet?" Sie setzte sich in einen Sessel. „Ja, und sie haben ein volles Programm. Sie wollen noch einen Tag in New Orleans verbringen und dann nach Boston fliegen, um meine Schwester und meine Cousinen zu besuchen. Ein bisschen mit den Babys spielen, sagten sie. Dann haben sie vor, bei meinem Onkel Caine und Tante Diana vorbeizuschauen und meinen Cousin Ian ein wenig zu nerven, weil er immer noch Single ist... ein feiner junger Anwalt wie er. Außerdem war noch von einem Abstecher nach Maine die Rede, wo der große MacGregor den Campbell- Zweig der Familie noch etwas aufmischen will." Cats Augen funkelten belustigt. „Das hält ihn jung." „Wenn es danach geht, musste er immer noch achtzehn sein." „Seine Familie ist ihm das Allerwichtigste." „Ja. Du hast schnell gelernt, ihn zu verstehen." „Ich habe schnell gelernt, ihn zu lieben. Ach, ich liebe euch alle. Ich liebe euch so sehr, dass es mich richtig erschüt tert. Übrigens, ich habe eine Einladung", fügte sie hinzu, und ihr gelang sogar ein Lächeln. „Ich darf jederzeit nach Hyannis Port kommen. Wann immer ich will. Ich habe auch schon Bilder von dieser Festung gesehen, die er sich da hingestellt hat. Absolut toll." „Dann werden wir dafür sorgen, dass du sie auch in Wirklichkeit siehst." Nicht, bis ich mir sicher bin, dass ich es auch ertragen kann, dachte Cat. Was annähernd nie sein würde. Sie streckte lässig die Beine aus, schlug sie übereinander und bereitete sich auf den schwersten Auftritt ihres Lebens vor. „Ich will dich nicht lange vo n deiner Arbeit abhalten, aber es gibt da eine geschäftliche Sache, die wir besprechen müssen." „Fein. Ich hatte ohnehin später vor, mit dir zu reden. Aber wo du schon einmal hier bist, können wir es sofort erledigen." Er griff nach einer Mappe und nahm ihren Vertrag heraus. „Es ist ein Standardvertrag mit einer fünfprozentigen Gagenerhöhung nach Ablauf der ersten sechs Wochen. Alles andere bleibt wie gehabt. Wenn du irgendwelche Bedenken haben solltest, den Vertrag ohne einen Agenten zu unterschreiben, können wir uns hier in New Orleans mit einem Anwalt in Verbindung setzen oder auch in einem der Häfen auf dem Weg zurück nach Saint Louis." „Ich habe keinerlei Bedenken, Duncan. Ich unterschreibe sowieso nie etwas, das ich vorher nicht selbst von A bis Z durchgelesen habe. Einschließlich des Kleingedruckten." „Sehr weise. Dann willst du diesen Vertrag hier ja vielleicht auch noch mal durchlesen, obwohl du ihn im Grunde genommen schon kennst." „Das ist nicht nötig. Ich möchte ihn nicht unterschreiben." Er hielt ihr den Vertrag noch mehrere Sekunden lang hin, bevor er ihn auf den Schreibtisch sinken ließ. „Wie bitte?" „Ich möchte nicht, dass mein Vertrag verlängert wird. Ich bin nicht interessiert daran. Ich betrachte mich, wenn das Schiff nächstes Wochenende in Saint Louis anlegt, als freien Menschen." „Nimm die Sonnenbrille ab."
„Es ist zu hell hier drin." „Du willst etwas Geschäftliches mit mir besprechen, also schau mir in die Augen." Sie hörte die Veränderung in seiner Stimme. Seide verwandelte sich in Stahl. Weil er Recht hatte und weil es feige war, sich hinter dunklen Gläsern zu verstecken, nahm sie die Brille ab und schwenkte sie am Bügel herum. Er ließ sich Zeit, studierte ihr Gesicht, suchte nach den Anzeichen, die jeder gute Spieler erkannte. Wenn sie bluffte, machte sie ihre Sache verdammt gut. „Willst du neue Vertragsbedingungen?" „Das habe ich nicht gesagt, und ich sage immer, was ich denke." Sie hob die Schultern, ließ sie wieder sinken. „Ich habe neue Jagdgründe in Aussicht, Süßer, und das verdanke ich dir. Ich wüsste nicht, warum ich noch weitere sechs Wochen in der Lounge eines Vergnügungsdampfers singen sollte, wenn ich schon längst in New York sein könnte." „Ich verstehe. Aber wenn du deinen Vertrag richtig durchliest, wirst du feststellen, dass ich auf der Option einer sechswöchigen Verlängerung bestehen kann. Du hast dich mit deiner Unterschrift dazu verpflichtet." Nun, sie war nicht davon ausgegangen, dass er es ihr leicht machen würde. „Ich hatte eigentlich gehofft, du wür dest mich so ohne weiteres gehen lassen ... um alter Zeiten willen." „Der Mensch hofft, solange er lebt." Er stand auf, ging zu dem Minikühlschrank hinüber und nahm für jeden von ihnen eine Flasche Wasser heraus. Er hatte das Gefühl, als ob irgendjemand seinen Brustkorb geöffnet und seinem Herzen einen Stich versetzt hätte. „Aber das hier ist Geschäft und hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass wir miteinander ge schlafen haben." Er ging zu ihr hin. „Brauchst du ein Glas?" Bevor er sich versah, hatte sie ihm die Flasche aus der Hand gerissen. Und dieser kleine Temperamentsausbruch löste immerhin einen der Knoten in seinem Magen. Sie war offensichtlich nicht ganz so cool, wie sie sich gab. Worauf wollte sie hinaus? Worum ging es eigentlich? „Also keinen Gefallen. Auch gut." Sie nahm einen langen Schluck aus der Flasche. „Dann verklag mich." „Lass uns erst sehen, ob wir nicht wie anständige Vertragspartner damit umgehen können." Er ließ seine Stimme absichtlich schneidend klingen und beobachtete, wie die Röte in ihre Wangen kroch. Die Nerven, entschied er. Gefühle. Sie waren da. Dann würde er sie ausnutzen. „Du möchtest nach New York gehen und die Sache mit Valentine durchziehen. Das kann ich dir nicht verübeln. Sobald "wir in Saint Louis sind, bist du beurlaubt, und ...", er hob die Hand, als sie ihn unterbrechen wollte, „... ich werde für die eine Woche einen Ersatz für dich engagieren. Dann kommst du in New Orleans wieder aufs Schiff und erfüllst deinen restlichen Vertrag. So kommt jeder zu seinem Recht." „Das gefällt mir nicht." „Nimm das Angebot an oder lass es." „Ich lasse es." Sie stand auf. „Setz dich." „Sag mir nicht, was ich tun soll." „Mit dem Geschäftlichen sind wir durch. Jetzt kommen wir zum Privaten, und ich sagte, setz dich." Sie schob eine Hüfte vor, hob die Flasche an den Mund und nahm wieder einen großen Schluck. Dabei ließ sie ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen. „Was ist los, Duncan? Ist dein Ego verletzt, oder was?" „Glaubst du wirklich, ich würde dich so einfach gehen lassen?" „Ja, weil ich sonst zu anderen Maßnahmen greifen musste. Und dann würde ich eine Menge mehr verletzen als nur dein Ego. Hör zu, es hat mir Spaß gemacht mit dir, und ich schulde dir eine Menge. Aber es wird Zeit, weiterzuziehen." „Und das ist es, was du willst? Weiterziehen?"
„Ja." Bedauern blitzte in ihrem Blick auf, bevor sie es zurückhalten konnte. „Es tut mir Leid, aber ich muss an meine Karriere denken. Ich werde dich allerdings nicht vergessen, Süßer." Dann machte sie einen Fehler. Sie bedachte ihn mit einem kessen Lächeln und tätschelte ihm die Wange. Das Lächeln verblasste schnell, als er ihr Handgelenk ergriff. „Du zitterst... Süße." Sie schaffte es nicht, den Kloß, den sie im Hals verspürte, hinunterzuschlucken, deshalb schüttelte sie nur den Kopf. „Es ist kalt hier", brachte sie schließlich heraus. „Lachhaft. Warum zitterst du?" „Du tust mir weh." „Nein." Seine Finger umschlossen kaum ihr Handgelenk. „Das tue ich nicht. Aber du tust dein Bestes, mir wehzutun. Warum?" „Ich will dir nicht wehtun, Duncan." Ihre Stimme bebte. „Ich will es wirklich nicht. Verdammt, lass mich jetzt endlich gehen." „Keine Chance. Du willst mich abschieben? Du willst weiterziehen? Kein Groll, keine faulen Tricks? Du bist eine Lügnerin, und du bist nicht so gut, wie ich erwartet hätte." „Vermutlich hast du nicht damit gerechnet, der Abge schobene zu sein. Stimmt doch, oder?" Er hob die Brauen. „Ah, jetzt ist es raus. Du machst Schluss, bevor ich es tun kann." „Dann lass uns sagen, wir wollen es beide." „Wollen wir nicht. Lass uns einfach die Karten auf den Tisch legen und sehen, was wir in der Hand haben. Ich liebe dich, und du wirst mich heiraten." „Was?" Wenn er ihr den Inhalt der Wasserflasche ins Gesicht geschüttet hätte, wäre sie weniger schockiert gewesen. „Bist du verrückt geworden?" Er blieb unbeeindruckt. „Du bist genau das, was ich will, und genau das, 'was ich bekommen werde, deshalb gewöhn dich daran." „Einen Dreck werde ich tun. Was, um alles in der Welt... Hilfe, ich bekomme keine Luft mehr." Nach Atem ringend schlug sie sich mit der Faust an die Brust. „Verdammt." „Komisch, letzten Abend, als ich dir von Probeaufnahmen bei Valentine erzählte, hast du genauso reagiert. Obwohl du behauptetest, dass es das wäre, was du dir dein ganzes Leben lang gewünscht hättest." Er rückte ihr ein wenig näher, während sie keuchend nach Luft rang. „Gibt es sonst noch etwas, das du dir wünschst, Cat?" „Nein. Bleib mir vom Leib. Du bist ja ein Irrer. Ich muss nach draußen, ich ersticke." „Du musst nirgendwohin." Er packte sie am Arm und warf sie in den Sessel. „Wir haben in meiner Familie eine Tradition", sagte er und holte aus seiner Tasche eine Münze he raus. „Wir wetten. Wenn Kopf kommt, heiratest du mich, wenn Zahl kommt, gehst du deiner Wege." „Klar, ganz bestimmt." Weil ihr plötzlich Besorgnis erregend schwindlig war, beugte sie sich weit vor und ließ den Kopf zwischen die Knie sinken. „Dann bist du also einverstanden?" „Bin ich nicht." Sie fuhr hoch, als er die Münze in die Luft warf. Er fing sie auf und klatschte sie sich auf seinen Handrücken. „Kopf. Ich habe gewonnen. Wünschst du eine große, aufwendige Hochzeit, oder magst du es lieber ein bisschen ruhiger?" Sie saß regungslos da. Mittlerweile vermochte sie wieder besser durchzuatmen, das Blut rauschte ihr nicht mehr in den Ohren. Er war aufgebracht, das konnte sie sehen. Hinter dem großspurigen Du-kannst- mich- mal-Grinsen lauerte die reine Wut. „Duncan, kein vernünftiger Mensch entscheidet sich zu heiraten, indem er eine Münze wirft." „Meine Eltern haben es so gemacht, deshalb mache ich es auch so. Du hast doch nicht etwa vor, dich vor einer Wette zu drücken?" „Ich wette nicht..."
„... in der Regel", beendete er ihren Satz. Dann sperrte er sie in ihrem Sessel ein, indem er die Hände zu beiden Seiten auf die Armstützen legte und sich zu ihr hinunterbeugte. „Ich liebe dich." „Ach, hör doch auf", protestierte sie, aber nur schwach. „Ich liebe dich", wiederholte er. „Und nichts weniger als das. Ich habe immer gewusst, dass es eines Tages passieren würde und es dann um mich geschehen wäre. Nun ist es passiert. Catherine Mary, du bist die Einzige, die ich will. Und jetzt sag mir, dass du mich nicht liebst." „Ich tue es nicht." „Was?" „Oh, lass mich doch in Frieden. Wie, zum Teufel, soll ich nachdenken, wenn du mir so auf die Pelle rückst?" „Sag es einfach nur", murmelte er und streifte mit seinem Mund ihre Lippen. „Und überzeug mich davon." „Es kann nicht funktionieren." „Das ist es nicht, was ich dich gefragt habe." „Ich wollte dir einen Gefallen tun." „Danke. Jetzt sag es." „Verschwinde, Duncan. Du bedrängst mich." Er richtete sich auf und trat einen Schritt zurück. Lä chelnd, da er die Antwort in ihren Augen bereits gelesen hatte. „Okay, dann im Stehen. Es ist eher dein Stil." Weil es so war, stand sie auf. „Ich will Karriere machen." „Ich will auch, dass du sie machst." Es war ihm ernst damit, sie konnte es ihm ansehen. Und es erschien ihr wie ein Wunder. Das, von dem sie ihr ganzes Leben lang geträumt hatte, war ihm wichtig. Und sie war ihm auch wichtig. Nein, das war mehr als ein Wunder. Dennoch startete sie einen letzten Versuch. „Ich brauche kein Haus im Grünen mit einem hübschen weißen Palisadenzaun." „Bitte, diese Vorstellung fand ich schon immer zum Grausen." Darüber musste sie lachen. Dann schnappte sie nach Luft und stieß sie langsam wieder aus. „Meinst du das im Ernst?" „Absolut. Ich hatte früher Albträume, in denen weiße Palisadenzäune vorkamen." „Duncan." Verzweifelt schlug sie sich die Hände vors Gesicht. „Ich versuche doch nur, offen zu dir zu sein." Sie ließ die Hände wieder sinken und schaute ihm in die Augen. Und alles, was sie wissen wollte, stand darin. „Und ich will, dass du auch ganz offen zu mir bist, weil du mir mein Herz mehr als brechen kannst. Du kannst es zerschmettern." Zärtlichkeit stieg in ihm auf. „Ich habe dir schon gesagt, dass ich dir nie wehtun werde. Ich halte mein Wort." Sie holte tief Luft und merkte, dass sie auf einmal viel leichter atmen konnte. „Bist du dir sicher, dass es das ist, was du willst?" „Todsicher." Er griff in seine Hosentasche und holte das Kästchen mit dem Ring heraus. „Rate mal, was ich hier habe." „Oh Gott, bist du schnell." Sie schaute auf ihre Hände hinab. „Meine Handflächen sind ganz feucht geworden. Das passiert mir nur, wenn ich wirklich nervös bin." Gedankenverloren wischte sie sich die Hände an den Shorts ab. „Okay, Süßer. Du willst es so. Aber denk immer dran, dass ich dir jede Chance gegeben habe, einen Rückzieher zu machen. Ich liebe dich auch. Ich nehme an, das hat schon angefangen, als du am Kai in Saint Louis versucht hast, mich in die Mangel zu nehmen. Du sahst da so sexy und gefährlich aus." „Komisch, dasselbe habe ich auch von dir gedacht." „In meinem ganzen Leben hat noch nie jemand so mein Herz berührt. Ich habe es nie gewollt, dass das passiert."
„Dann fangen wir am selben Punkt an." Er öffnete das Kästchen und nahm ihre Hand. „Oh Mann, mit dem Stein kann man ja jemandem das Auge ausschlagen", staunte sie. Er lachte dröhnend und gab ihr dann einen Kuss, von dem ihnen beiden schwindlig wurde. „Wetten, dass er passt?" Für einen Moment legte sie nur einfach ihre Wange an seine. Mein Gott, dachte sie, er will mich. Für immer. „Ich wette nicht schon wieder gegen das Haus." Grinsend nahm er den quadratisch geschliffenen Zitrin aus dem Kästchen und streifte ihn ihr über den Finger. „Sehr weise", sagte er, beugte sich über ihre Hand und drückte direkt über dem Ring einen Kuss darauf. „Einverstanden?" „Sieht so aus." Sie hob ihre ineinander verflochtenen Finger an ihre Lippen. Jetzt gehörte er ihr. Für immer. „Aber ich würde gern einmal diese Münze sehen." Er runzelte die Stirn, ließ die Münze durch die Finger seiner freien Hand gleiten und wieder verschwinden. „Was für eine Münze?"
AUS DEN TAGEBÜCHERN DES DANIEL DUNCAN MACGREGOR Es gibt Momente im Lehen eines Mannes, die sich ihm unauslöschlich einprägen. Wenn er das erste Mal eine Frau lieht. Und wenn er das erste Mal die Frau sieht, die er immer liehen wird. Der Moment, in dem ihm sein neu geborenes Kind in den Arm gelegt wird. Und die unzähligen Momente dieses Kinderlehens, das das eigene mit Freude und Sorgen erfüllt, mit Lachen und Tränen. Es gab bereits so viele solcher Momente in meinem Leben, dass ich sie kaum zählen kann, dennoch habe ich sie alle sorgfältig in meinem Gedächtnis aufbewahrt. Kürzlich ist wieder so ein Moment hinzugekommen. Ich durfte an einem wunderschönen Spätsommertag in dem Garten meines Heims, das ich mir und meiner Anna erbaut habe, mit ansehen, wie das Mädel, das ich hebe wie mein eigen Fleisch und Blut, meinem Enkel die Hand reichte, um die Seine zu werden. Um die Unsere zu werden. Und nachdem die Gelübde gesprochen waren und der erste Kuss zwischen Ehemann und Ehefrau ausgetauscht war, kam sie direkt auf mich zu und flüsterte mir ins Ohr: „Danke, Mr. MacG.", so nennt sie mich nämlich gern, „danke, dass du mich für ihn ausgesucht hast." Na, was sagt ihr dazu? Ist das nicht ein feines Mädel? Nicht, dass ich diesen Dank erwartet hätte. Es ist einfach nur ein gutes Gefühl, von Zeit zu Zeit zu hören, dass das, was man tut, auch gewürdigt wird. Was wird dieses Paar für Söhne und Töchter bekommen? Oh nein, es gibt keinen Grund zur Eile, obwohl Anna sich natürlich schon wieder Sorgen macht, dass sie sich ein bisschen zu viel Zeit lassen könnten. Na schön, wir haben unser Möglichstes getan, um sie auf den richtigen Weg zu bringen. Jetzt schaue ich von meinem Fenster aus zu, wie die letzten Blüten von Annas Rosen sich an ihre Stiele klammern, um nicht vom Herbstwind davongeweht zu werden. Doch die Zeit vergeht, auch wenn man sich noch so sehr wünscht, sie anhalten zu können. Deshalb sollte man sie tunlichst nicht vergeuden, oder? Ich habe noch mehr Enkel, die ein bisschen Lenkung, einen unauffälligen Schubs in die richtige Richtung brauchen. Ob wohl Anna und ich nicht viel darüber sprechen, habe ich kürzlich so nebenbei bemerkt, dass Ian sich langsam Gedanken um seine Zukunft machen sollte. Der Junge ist jetzt Anwalt. Es kommt mir so vor, als sei er erst gestern im Wohnzimmer herumgekrabbelt und hätte versucht, die gute Kristallvase seiner Granny in die Finger zu bekommen. Unser Ian hatte schon immer ein Auge fürs Schöne. Nun, ich habe bereits eine Schöne für ihn gefunden. Eine, von der ich glaube, dass sie zu seiner sanften Art und seinem weichen Herzen passt. Der Bursche wünscht sich eine Familie, so viel ist sicher. Hat er sich nicht erst kürzlich ein Haus gekauft? Wofür braucht ein Mann ein Haus, wenn er es nicht mit einer Familie füllen möchte? Es ist nichts dagegen zu sagen, dass er erst einmal mit Möbeln und Krimskrams und Dingen, die ein Mann gern um sich hat, anfängt. Aber nur eine Familie macht ein Haus erst zu einem richtigen Heim. War das bei mir denn nicht auch so? Das Mindeste, was ich für ein geliebtes Enkelkind tun kann, ist, es in die richtige Richtung zu lenken. Und wer etwas anderes behauptet, soll sich zum Teufel scheren.
- ENDE -