G.F.UNGER
SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Die Adams-Brüder
Als sich die Brüder vor dem Saloon auf ihre Pferde schwin...
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G.F.UNGER
SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Die Adams-Brüder
Als sich die Brüder vor dem Saloon auf ihre Pferde schwingen, fragt Reb Adams noch
nichts.
Doch als sie die letzten Häuser der Stadt hinter sich lassen, wird er ungeduldig.
„He, Jeff, gibt es auch wirklich einen wichtigen Grund, mich wie einen kleinen Jungen
aus dem Saloon zu holen?" „Wir reiten nach Gunthervule", erwidert Jeff.
„Es wird Zeit, daß du nüchtern wirst, Bruderherz.
Ollie hatte mit Joey Kilroy einen Kampf.
Er hat Kilroy getötet und wurde selbst ziemlich schlimm verwundet.
Wenn die Kilroy-Sippe vor uns bei Ollie in Gunthervule ist, ziehen sie Ollie die Haut ab.
Joey Kilroy war für die ganze Sippe der liebe, goldige Kleine.
Sie werden die Nachricht von seinem Tod jetzt gewiß ebenfalls schon erhalten haben
und losreiten.
Hast du das begriffen, Reb?" „Genau!" Reb Adams nickt grimmig und gibt seinem Pferd
die Sporen.
Denn er weiß, daß das Leben seines Bruders Ollie auf dem Spiel steht.
Es kommt jetzt darauf an, wer die zwanzig Meilen nach Guntherville schneller reiten
kann - die Adams oder die Kilroys.
.
.
Guntherville ist ein böser Ort. Früher war es einmal eine kleine, vielversprechende Stadt. Doch während des Krieges wurde der Ort mehrmals von Apachen angegriffen. Und viele Männer kehrten aus dem Kriege nicht heim. Es ist nun ein recht verlassener Ort. Es gibt hier nur noch einen Store, einen Saloon und ein fragwürdiges Hotel. Der Ort wurde zum Treffpunkt von Reitern, die vom Gesetz gesucht werden und sich in größere Ortschaften, in denen es Gesetzesmänner geben könnte, nicht wagen können. Viele Häuser stehen leer oder wurden übel beschädigt. Und in solch einem Ort trafen Joey Kilroy und Ollie Adams aufeinander. Sie waren angetrunken und bekamen wegen eines Mädchens Streit. Mehr wissen Jeff und Reb Adams nicht. Sie besitzen erstklassige Pferde und legen die zwanzig Meilen in der besten Zeit zurück, die jemals auf dieser Strecke geschafft wurde. Es ist immer noch Nacht, als sie vor dem Papago-Saloon ihre keuchenden Pferde anhalten und absitzen. Ein Mann steht im Schatten der Hauswand, und er hat im Mond- und Sternenlicht die Adams-Brüder längst erkannt. Dieser Mann sagt nun sanft: „Er lebt noch - doch er muß zu einem Arzt, der ihm die Kugel entfernt. - Sind die Kilroys dicht hinter euch?" „Das wissen wir nicht", murmelt Jeff Adams und geht in den Saloon hinein. Reb folgt ihm und sagt zu dem Mann: „Pedro, wo ist Ollies Pferd? Schaff es herbei. " Dann folgt er Jeff in den Saloon.
Es ist eine üble Spelunke.
Früher mag alles einmal besser und ordentlicher gewesen sein.
Doch jetzt wirkt alles sehr vernachlässigt, schmutzig und ganz und gar wie eine üble Spelunke.
Gäste sind nicht mehr vorhanden - teils deshalb wohl, weil sie längst zu ihren Camps oder sonstigen
Behausun- heimgingen oder ritten, teils aber auch, weil sie mit den kommenden Dingen und mit der
Kilroy-Sippe nichts zu tun haben möchten.
Denn diese wilde Kilroy-Sippe bringt es fertig und macht auch die Zuschauer dafür mitverantwortlich,
daß Joey Kilroy getötet werden konnte.
Bei den Kilroys ist alles möglich.
Es sind nur der Wirt und die drei Mädchen da, die in diesem Saloon die Gäste unterhalten.
Sie umgeben Ollie, der auf einer Bank sitzt, mit dem Rücken an der Wand lehnt und sein zerschossenes
Bein auf zwei Hocker und eine Decke gebettet hat.
Man hat ihm das Hosenbein bis zur Hüfte aufgeschnitten und einen Verband angelegt.
Er ist ziemlich schlimm betrunken und scheint keine Schmerzen zu spüren.
Sein Gesicht glänzt vor Schweiß.
Jeff und Reb Adams knurren nur, als sie ihn hochreißen und zur Tür schleifen.
Obwohl er völlig betrunken ist, spürt er nun doch die Schmerzen in seinem zerschossenen Bein.
Draußen steht nun auch ein drittes Pferd.
Es gehört Ollie.
Und der Mann, der draußen wartete und den Reb einfach nur Pedro nannte, sagt aus dem Schatten eines
Winkels hervor: „Ich höre schon ihren Hufschlag.
Ihr habt nur noch wenige Minuten.
Sie sind gleich da.
Es sind mehr als ein halbes Dutzend Reiter.
" Jeff und Reb Adams hören es, indes sie den stöhnenden und fluchenden Ollie auf das Pferd binden, so
daß er sich nicht befreien und auch nicht herunterfallen kann. Denn er wird die Schmerzen gewiß kaum ertragen können und bald bewußtlos werden. Als sie fertig sind, sitzen sie auf. „Danke, Pedro", sagt Reb kurz. Dann reiten sie mit dem Bruder los.
Ihr Weg führt zum Chelly-Canon hinüber. Durch diesen Canon gflangt man in ein wildes und unübersichtliches Ge- biet, in dem zwei kleine Armeen erfolgreich Katze und Maus spielen könnten. Sie haben es mit knapper Not schaffen können, Ollie dem harten Zugriff der gewalttätigen Kilroy-Sippe zu entziehen.
Die Kilroys sind fast alle Revolverhelden, Viehdiebe und Banditen.
Sie beherrschen mehr oder weniger dieses Land, und die Adams wurden bisher nur von ihnen geduldet,
wenn auch mit einigem Respekt.
Nun werden die Kilroys bald die Verfolgung aufnehmen.
ter werden aus dem Sattel gestreift, dies ist sicher.
Der Hufschlag der Verfolger ist schon bedenklich nahe, als Jeff sich in den Sattel wirft und den Brüdern
folgt.
Dreißig Sekunden später verläßt er den Canon.
An seinem Ende ist der Chelly-Canon eng.
Zu beiden Seiten des Creeks ist kaum noch Platz.
Jeff Adams hält an.
Auch Reb, der das andere Pferd führt, auf dem der bewußtlose Ollie festgebunden ist, folgt seinem
Beispiel.
Sie lauschen, und nun können sie vom anderen Ende des Canons her den Hufschlag der Verfolger hören.
Die Kilroys kennen sich aus in diesem Land.
Auch befinden sich unter ihren Freunden und Anhängern fast immer einstige Scouts oder Halbindianer,
die sich besonders gut darauf verstehen, eine Fährte zu verfolgen.
„Sie werden uns bald haben", sagt Reb Adams ruhig.
„Wir sollten uns nach einem Platz umsehen, wo wir es ihnen schwermachen können.
" „Noch nicht", murmelt Jeff Adams und gleitet aus dem Sattel.
„Reite mit Ollie schon voraus", sagt er, indes er das Lasso vom Sattelhorn nimmt und ein Stück
zurückgeht.
Reb stößt einen zufriedenen Ruf aus, denn er hat schon begriffen, was Jeff tun will.
„So ist es richtig! Dies wird sie etwas aufhalten und vorsichtiger folgen lassen.
" So sagt Reb scharf und reitet wieder an.
Er zieht das Pferd, auf dem der bewußtlose Ollie festgebunden ist, hinter sich her.
Jeff spannt indes das Lasso zwischen zwei Bäumen aus.
Er tut es hoch genug, so daß die Pferde nicht stürzen und sich die Beine brechen können.
Doch die Reiter werden aus dem Sattel gestreift, dies ist sicher.
Der Hufschlag der Verfolger ist schon bedenklich nahe, als Jeff sich in den Sattel wirft und den Brüdern
folgt.
Dreißig Sekunden später verlässt er den Canon
Und genau zu diesem Zeitpunkt reiten die Kilroys und deren Freunde und Begleiter gegen das
aufgespannte Lasso.
Es gib ein schlimmes Durcheinander.
Zwei Pferde stürzen.
Einige Reiter fliegen aus den Sätteln.
Das wilde, harte Rudel wird also sehr gewaltsam abgebremst, und es tönen einige wilde Flüche, böse und
rachsüchtige.
Dann wird es allmählich still.
Eine Stimme sagt: „Das habe ich immer gewußt! Die Adams-Brüder sind gefährlich.
Wenn wir sie eingeholt und versucht hätten, sie einfach zu überreiten, so würde es Tote gegeben haben.
Wir müssen es anders machen.
Wenn sie das nächste Lasso in Kniehöhe spannen, brechen sich unsere Pferde die Beine.
Wir müssen jetzt vorsichtiger folgen.
" Nach diesen Worten ist es still.
Erst nach einer Weile sagt ein anderer: „Du hast recht, Abe.
Doch wir können sie doch nicht mit dem Mörder unseres guten Joey entkommen lassen. Das geht doch nicht!" „Nein", mischt sich eine dritte Stimme ein, und diese Stimme klingt kehlig und heiser. „Ihr solltet jetzt mal wieder auf euren Onkel Hogjaw zu hören beginnen, Abe und Lewis, nicht wahr? Ich habe Joey als Neffen genauso gern gehabt wie ihr als Brüder. Und deshalb möchte ich genauso gern den Skalp des Burschen, der ihn tötete. Denkt mal richtig und gründlich nach. Ollie Adams ist verwundet. Man sagte uns, daß die Kugel noch in seinem Knie stecken würde. Also müssen seine Brüder ihn zu einem Arzt bringen. Und wenn sie das getan haben, sitzen sie fest. Sie können einfach nicht weiter mit ihm. Und dann haben wir sie. Wir brauchen nur herauszufinden, wohin sie reiten. Es gibt da gar nicht viele Möglichkeiten für sie. Sie können nur nach Westen, nach Santa Anna oder nach Norden. Dort soll es in Golden Cruz einen Doc geben. Nach Santa Anna sind es etwas mehr als fünfzig Meilen, und nach Golden Cruz werden es knapp siebzig Meilen durch rauhes Gebiet sein. Ich glaube, sie werden sich für Golden Cruz entscheiden. " „Was ist das für eine Stadt?" fragt jemand. Hogjaw Haggarty, der Onkel der Kilroys, lacht leise. „Es ist eine verlassene Goldgräberstadt", sagt er. „Es leben kaum mehr als zwei Dutzend Leute dort. Und der Doc dort ist schon alt und ein Sonderling, der noch aus jener Zeit übrig ist, als man dort Gold fand und die Stadt lebendig und wild war, voller Leben und tausend Sünden. Oha, wenn wir nach Golden Cruz kommen und die Adams dort sind, dann übernehmen wir einfach die Stadt. Sie gehört uns - und die Adams bekommen die Haut abgezogen. - So ist das!" Er verstummt und stellt dann die Frage: „Können wir reiten?" „Langsamer, denn unsere Pferde wurden die letzten Meilen scharf geritten, zu scharf!" Dies sagt Abe Kilroy, und er übernimmt damit wieder die Führung. Als es im Osten zu dämmern beginnt, sagt Reb: „Du willst nach Norden, Jeff? Also nach Golden Cruz, wo es einen alten und sonderlichen Doc geben soll. Aber kann unser Kleiner das durchhalten?" Jeff grinst bitter. „Die Kilroys wissen genau, daß Ollie zu einem Arzt muß", spricht er. „Und es ist sicher, daß wir mit ihnen kämpfen müssen. Für uns kommt es nur darauf an, daß Ollie wenigstens vorher zu einem Doc geschafft werden kann. Dann will ich mich diesem Rudel stellen. Ich habe es immer kommen sehen, daß wir mit dieser Sippe Streit bekommen. " Reb Adams nickt. „So ist es. Auch am Spieltisch konnten sie nie verlieren. Ich hasse Burschen, die nicht fair verlieren können. Wir hätten vielleicht das Land verlassen sollen, um ihnen aus dem Wege zu gehen. Doch wir Adams gehören nun mal zu der Sorte, die immer zeigen muß, daß sie sich auf jedem Platz behaupten kann. Vielleicht sind wir Narren, Bruder. Schon unser Vater hatte es sich in den Kopf gesetzt, sich mitten unter den Apachen zu behaupten. Er hätte es in einem anderen Land besser gehabt, leichter und bequemer. Doch er war zu stolz und blieb - zwanzig Jahre lang, bis sie ihn doch mal erwischten und skalpierten.
- Warum machen wir es nicht besser?" Er stellt die Frage ziemlich bitter, doch er erwartet offensichtlich darauf keine Antwort. Er denkt nach, indes sie reiten. Oh, während des Krieges ist er mit Jeff oft so geritten. Jeff hat immer die Führung gehabt, wenn die Situation gefährlich war. Auf Jeff kann man sich verlassen. Er tut immer das einzig Richtige. Und so wird er es auch jetzt gewiß tun. Reb glaubt daran. Er blickt zurück auf Ollie. Oh, dieser arme, wilde Junge, denkt er. Nun hat er es bekommen, und vielleicht wird er nachher, wenn er noch einmal davonkommt, ein vernünftiger Bursche werden - vielleicht. Spät in der Nacht kommen sie durch eine Schlucht nach Golden Cruz. Der alte Goldgräberort war schon damals in der Spanierzeit entstanden, als man hier in diesem kleinen Tal die ersten Minen in die steilen Felswände trieb. Es leuchten einige wenige Lichter durch die Nacht herüber. Den beiden Brüdern ist es, als hätten sie einen schrecklichen Traum hinter sich gebracht. Sie sind vollkommen erschöpft, hungrig und ausgebrannt. Aber es hat sich gelohnt. Ollie lebt noch. Er hat es überstanden, und nun wird er wahrscheinlich bald in einem guten Bett liegen und die Hilfe eines Arztes erhalten. Reb stößt ein heiseres Keuchen aus und reitet wieder an. Jeff, der Ollie bei sich auf dem stolpernden Pferd hat und mit letzter Kraft in den Armen hält, folgt ihm. Sie kommen bis zum Ortsausgang, dann tritt ihnen aus dem Schatten einer einstigen Schmiede ein Mann mit einer schußbereiten Schrotflinte entgegen. Dieser Mann sagt mit präziser Härte: „Haltet an! Es kommt niemand in die Stadt! Reitet im großen Bogen um Golden Cruz herum und verlaßt wieder das Tal. " Jeff und Reb können das, was sie hören, zuerst gar nicht glauben. Sie bleiben eine Weile stumm. Ihr Verstand wehrt sich einfach dagegen, begreifen zu müssen, daß man ihnen den Zugang zur Stadt verweigert. Aber dann sagt Jeff heiser: „Bruder, wir haben einen Verwundeten bei uns, der wird sterben, wenn der Doc ihm nicht sofort hilft. Wir müssen in die Stadt. Wir brauchen ein Bett für unseren kranken Bruder und die Hilfe des Arztes. Bitte gib uns den Weg frei!" Adams bittet also. Doch der Mann sagt noch härter: „Hier kommt keiner rein! Wir haben eine schlimme Seuche in der Stadt. " Die Adams-Brüder denken über diese Mitteilung nach. Und wieder weigert sich ihr Verstand, diesen Worten zu glauben. „Eine böse Seuche", sagt indes der Mann nochmals zu ihnen. „Die Leute sterben wie die Fliegen. Es muß am Wasser gelegen haben. Der Doc sagt, daß es eine besonders schlimme Art von Typhus wäre. Also schlagt lieber einen großen Bogen um Golden Cruz. Die Stadt ist verseucht und voller Kranker. " Als seine drängende Stimme verstummt, denken die beiden Brüder immer noch nach. Ollie aber beginnt, in Jeffs Armen zu stöhnen. Sie blicken von ihren Pferden über den Mann hinweg in den Ort hinein, und sie können ziemlich weit hineinsehen, weil die Straße sehr gerade ist. Aus einigen Häusern fallen Lichtbahnen.
Zwei oder drei Sattelpferde stehen vor einer Veranda.
Zwei Wagen wurden angestellt.
Der Ort macht einen stillen, ruhigen und völlig normalen Eindruck.
Plötzlich jedoch klingt mitten aus der Stadt eine Detonation wie von einer hochgehenden Sprengladung.
Man hört dann auch das Poltern von Steinen und Erdbrocken, die auf irgendwelche Planken fallen oder
gegen Hauswände geworfen werden.
Und danach hört man etwa ein Dutzend Stimmen jubeln.
„Ihr sollt verschwinden!" Der Mann mit der Schrotflinte ruft es mit scharfer Strenge.
Doch die beiden Adams wirken nun trotz ihrer Müdigkeit wachsam und lauernd wie zwei Wüstenwölfe.
„He", sagt Reb langsam, „das war eine Sprengung.
Und danach hörte man Jubel - Mann, Sie haben uns da etwas von einer Seuche unter die Weste schieben
wollen, um uns loszuwerden.
Aber es ist uns völlig gleich, was in diesem Ort hier geschieht.
Wir wollen nichts anderes als Hilfe für unseren Bruder.
- Geben Sie den Weg frei!" In seinen letzten Worten klingt eine kalte und entschlossene Schärfe.
Es ist völlig klar, daß Reb Adams sich den Weg auch freikämpfen wird.
Der Mann stößt einen scharfen Schrei aus und will die Schrotflinte abdrücken.
Doch Jeff Adams kommt ihm zuvor.
Jeff, der Ollie vor sich auf dem Pferd hat, zog inzwischen hinter Ollies Rücken den Revolver und schießt
sofort. Die Kugel trifft den dicken, doppelläufigen Flintenlauf und stößt die Doppelmündung zur Seite. Indes drückt der Mann ab, doch die beiden Ladungen prasseln gegen die halbverfallene Schmiede. Reb aber stößt einen Schrei aus, gibt seinem Pferd die Sporen und reitet den Mann nieder. Er beugt sich weit aus dem Sattel und trifft ihn noch mit dem Revolverlauf. Dann reiten sie mit Ollie weiter in die Stadt hinein. Jeff war schon einmal vor drei Monaten hier und kennt sich aus. Bis zum Hotel ist es nicht weit. Doch noch bevor sie den Hoteleingang erreichen, tauchen einige Männer auf. Sie alle sind bewaffnet. Eine heisere Stimme - sie gehört einem Mann mit einem Holzbein - ruft bitter: „Was war das? Warum wurde geschossen? Ihr habt doch wohl nicht unseren Bürgermeister Bill Sanders erschossen dort am Stadteingang? Was soll dieser Überfall? Wir werden euch voll Blei füllen, wenn ihr nicht sofort die Hände hebt und euch ergebt!" Die heisere Stimme müht sich sehr, forsch und grimmig zu klingen. Deshalb auch die Ausdrucksweise. „Wir werden euch voll Blei füllen. " Der Sprecher will ganz offensichtlich den Eindruck erwekken, als wären Jeff und Reb mit Ollie in ein böses Nest gekommen. Aber im Mond- und Sternenschein der hellen Nacht erkennen die Adams-Brüder schnell, daß dies hier eine armselige Bürgerwehr ist. Reb sagt grimmig: „Wir haben einen Verwundeten, der sterben wird, wenn ihm der Doc nicht hilft. Wir wollen ein gutes Bett für unseren Bruder und ärztliche Hilfe. Dieser Narr dort am Stadteingang wollte uns nicht hereinlassen. Er erzählte uns sogar etwas von einer Seuche. Doch selbst wenn es hier eine Seuche geben sollte, so werden wir hier bei euch bleiben. Versucht mal, uns rauszuwerfen! Ihr könnt es aus zwei Revolvern bekommen. Und ihr könnt darauf wetten, daß wir ein halbes Dutzend von euch traurigen Nullen erwischen! Habt ihr das verstanden?! Wo ist euer Doc? Er soll ins Hotel kommen und an die Arbeit gehen! Vorwärts!" Er hat seinen Revolver schußbereit in der Hand und treibt sein Pferd vorwärts. Die seltsame Bürgerwehr der Stadt verhält sich untätig. Sie sehen zu, wie Jeff dem Bruder vor das Hotel folgt. Dann ruft Jeff scharf: „Los, zwei oder drei Mann sollen herkommen und mir helfen! Tragt ihn in das beste Bett des Hotels!" Er hat kaum ausgesprochen, als eine junge Frau aus dem Hotel kommt.
Wahrscheinlich hat sie zuvor aus einem der oberen Fenster alles verfolgt und gehört. Sie sagt nun herb: „Nun helft ihm doch, Leute! Seid ihr schon so kopflos und verrückt, daß ihr einem Kranken nicht helfen wollt?" Sie stampft mit dem Fuß auf und ruft nun einige Namen. „Charley, Cane, Arch Harris, los! - Was haben Sie mit unserem Wächter gemacht? - Haben Sie auf ihn geschossen?" Die beiden Fragen gelten den Adams- Brüdern. „Nein, wir haben ihm nur die Schrotflinte aus den Händen geschossen und ihm eine Kopfnuß gegeben", erwidert Reb bitter. Sie nickt heftig. „Wir werden den Doc herbeischaffen", erklärt sie. „Ich bin Judith Anderson. Meinem Vater gehört dieses Hotel. Wir werden alles tun, um dem Kranken zu helfen. -Verzeihen Sie den unfreundlichen Empfang. Doch wir haben Angst vor Banditen. " „Wir sind keine", erwidert Jeff und steigt aus dem Sattel. „Und vielen Dank, daß man uns nun helfen will, Miß Anderson. " Die Minuten vergehen. Niemand kommt. Die beiden Brüder werden wieder ungeduldig. Jeff geht zum Fenster und blickt hinaus. Er kann die Straße entlang bis zum Ortseingang sehen, durch den sie in die Stadt gekommen waren. Der Mann, den Reb niederritt, erhebt sich nun mit Hilfe eines anderen Mannes. Sie bringen ihn in die Stadt hinein. Plötzlich wird es wieder laut auf der Straße. Eine Stimme ruft gellend durch die Nacht: „Jube Walker ist frei! Jube Walker ist ausgebrochen! Sucht Jube Walker! Er darf nicht entkommen!" Jeff und Reb zucken zusammen. Jube Walker kennen sie. Dieser Bursche ist ein windiger Strolch und gehört zu der Anhängerschaft der Kilroys. Wenn die Kilroys nach Mexiko hinüberreiten, um dort eine Rinderherde zu stehlen oder sonstwie einen Raubzug zu unternehmen, dann nehmen sie manchmal mehr als fünfzig Reiter mit. Und solche Burschen wie Jube Walker gehören dazu. Er war hier in der Stadt offenbar festgesetzt und eingesperrt worden. Nun ist er entwichen. Sicherlich hat er sich die Aufregung, die das Eintreffen der Adams verursachte, irgendwie zunutze machen können. Jeff und Reb ahnen, daß hier irgendwelche Dinge vorgehen, die sie in ihrem Zusammenhang noch nicht begreifen können. Plötzlich erblicken sie eine sich schnell bewegende Gestalt, die aus einer der Gassen kommt und aus dem Ort läuft. Zwei oder drei der Bürger tauchen auf und beginnen, hinter dem Flüchtigen herzuschießen. Doch sie treffen ihn nicht. Er ist auch viel besser zu Fuß als sie. Und plötzlich hält er an, wendet sich und schießt mit einem Revolver zurück in die Stadt hinein, bevor er endgültig in der Nacht verschwindet. Es war Jube Walker. Niemand folgt ihm. Es hat wohl genügt, daß er zeigte, bewaffnet zu sein. Er konnte also nicht nur entkommen, sondern sich auch bewaffnen. Reb Adams sagt trocken: „In dieser Stadt sind keine richtigen Männer, die kämpfen können. Hier sind nur verkrachte Existenzen oder müde Opas. All die tragischen Nieten einer Stadt blieben zurück. Es ist erstaunlich genug, daß sie Jube Walker überhaupt festgesetzt hatten.
Aber vielleicht war er sinnlos betrunken, als sie das taten.
Pah, ich möchte nur wissen, was hier in dieser Stadt los ist.
Es muß etwas Besonderes im Gange sein.
" Jeff kann ihm keine Antwort geben.
Denn draußen auf dem Gang tönen die Schritte des Mädchens.
„Machen Sie bitte die Tür auf!" So ruft sie von draußen.
Reb gehorcht schnell, und es erweist sich, daß sie beide Hände voll hat.
Sie bringt einen Eimer voll dampfendem Wasser, eine Schüssel, Handtücher und einen Schwamm.
„Sie werden den Kranken erst einmal abwaschen wollen, nicht wahr? Ich hole noch mehr heißes Wasser
und frische Bettücher.
Im Nebenzimmer sind noch ein Tisch und eine Lampe.
Der Doc wird Licht brauchen.
Er wird gleich kommen.
" „Wir danken Ihnen sehr, Miß Anderson", sagt Jeff Adams.
Einen Moment betrachten sie sich.
Das Mädchen ist nur wenig mehr als mittelgroß.
Bei aller Schlankheit besitzt sie alles, was zu einer Frau gehört.
Sie wirkt sehr selbständig und sicher.
Offensichtlich ist sie es gewöhnt, unter Männern zu leben.
Sie hat rote Haare und grüne Augen.
Auf eine aparte Art ist sie hübsch.
Wenig später kommt Doktor John Gerald hereingeschwankt, und man denkt bei seinem Anblick
unwillkürlich an einen weißbärtigen Seehund, der mühsam über Land watschelt.
Sein Kopfhaar und der Seehundsbart sind noch naß.
Gewiß hat er irgendwo seinen Kopf in kaltes Wasser gesteckt, um nüchtern zu werden.
Er betrachtet Jeff und Reb schweigend.
Dann tritt er zu Ollie und blickt auf ihn nieder.
„Ihr habt ihn fast umgebracht", murmelt er.
„Mußte das sein?" „Ja", erwidert Jeff knapp.
Doktor John Gerald stellt keine weiteren Fragen mehr.
Er hat eine Tasche mitgebracht, öffnet diese und wirft einige Dinge in das heiße Wasser, welches das
Mädchen in eine Schüssel gießt.
Dann nimmt er eine Flasche Selbstgebrannten Schnaps, trinkt einen Schluck und schüttelt sich.
„Brrr", sagt er, „früher habe ich solch ein Zeug nicht trinken wollen, doch jetzt gibt es keine Auswahl
mehr für mich.
" Er dreht die Flasche einfach um, so daß sich der Inhalt auf Ollies Wunde ergießt.
„Ich habe nichts anderes, um diese Wunde desinfizieren zu können", murmelt er.
„Haltet den Jungen jetzt lieber fest.
Denn wenn ich in seinem Knie nach der Kugel suche, so könnte das auch einen Toten wieder lebendig
werden lassen.
" Nach diesen Worten beginnt er mit der Arbeit, Jeff und Reb halten Ollie eisern fest, der bald zu kämpfen
beginnen will, weil der Schmerz sogar bis tief in seine Bewußtlosigkeit dringt und er es nicht aushalten
kann.
Judith Anderson macht dem Doc alle Handreichungen.
Sie tut es geschickt und gewiß nicht zum ersten Male.
Der heruntergekommene Arzt ist ein Könner.
Dies begreifen Jeff und Reb schnell, als sie ihn nun hantieren sehen.
Bald hat er die Kugel erwischt.
Es wirkt alles so selbstverständlich und leicht, aber es ist Können.
Jeder Handgriff sitzt.
Dann legt er den Verband an und gießt den Rest des Schnapses darüber, so daß er getränkt ist mit
Alkohol.
„Mehr kann ich nicht tun", sagt er dann.
„Die Blutung war ziemlich heftig, und das war gut.
Die Kugel hat ihm die Kniescheibe nicht völlig zerschmettert.
- Na gut, was können Sie mir bezahlen?" Er hält die Hand auf.
Jeff Adams schluckt mühsam.
„Es tut mir leid, Doc", murmelt er.
„Doch ich besitze nur wenige Cents.
Und mein Bruder Reb.
.
.
" Er bricht ab, denn er möchte nun doch nicht erzählen, daß Reb vor etwa vierundzwanzig Stunden all sein
Geld am Spieltisch verlor.
„Doc, Sie können sich draußen mein Pferd nehmen", sagt er.
„Oder meines", mischt sich Reb mit einem schiefen Grinsen auf den schmalen Lippen ein.
„Auch das Pferd Ihres Patienten können Sie haben, Doc.
Die große Auswahl haben Sie, denn wir werden die Pferde kaum noch nötig haben.
" Es ist still im Raum.
Der Arzt und das Mädchen betrachten die beiden hageren, erschöpften und stoppelbärtigen Brüder.
„Werdet ihr verfolgt?" Dies fragt der Doktor plötzlich.
Seine Augen blitzen hinter der billigen Brille.
Er besitzt trotz des vielen Alkohols, den er vertilgt hat, immer noch einen scharfen Verstand und hat
längst bestimmte Schlüsse gezogen. Jeff nickt. „Die Kilroys sind hinter uns her. Unser Bruder hatte mit Joey Kilroy einen Revolverkampf. Er hat seinen Gegner getötet, nachdem dieser ihn ins Knie schoß. Nun sind sie hinter ihm her. Doch wir werden natürlich nicht dulden, daß sie ihn töten. Es wird hier in der Stadt einen Kampf geben. - Es tut uns leid. " Er blickt auf das Mädchen. „Wir machen ihnen viel Verdruß, doch .
.
.
" Der Doktor beginnt plötzlich, schallend zu lachen.
Es ist ein grimmiges und zugleich sarkastisches Lachen.
Die Augen des Mädchens jedoch werden groß.
Aber sie hebt zugleich auch mutig und tapfer das Kinn und preßt die vollen Lippen zusammen.
Wieder ist es besonders ihr ausdrucksvoller Mund, der erkennen läßt, was sie fühlt.
Dieses Mädchen spürte gewiß einen heftigen Schrecken.
Doch er hielt nicht lange an, weil ihr Mut ihn schnell besiegte.
Der Doktor lacht immer noch und klatscht sich nun sogar auf die Oberschenkel.
Dann nimmt er die Brille ab und wischt sich die Tränen aus den Augen.
„So ist das immer auf dieser Welt", schnauft er dann.
„Es ist immer alles verrückt und läuft völlig anders, als man möchte.
" Er blickt die Brüder an.
„Sind die Kilroys sehr dicht hinter euch?" „Wahrscheinlich", nickt Jeff.
„Vielleicht werden sie jetzt schon dicht vor der Stadt angehalten haben, um zu verschnaufen.
Ich glaube, daß sie noch vor Morgengrauen kommen werden.
" Nun lacht der Doc nicht mehr so schallend. Er stößt ein Glucksen aus. „Ja, diese Welt ist verrückt", erklärt er.
„Vorhin ist Jube Walker aus der Stadt entkommen.
Er wird gewiß auf die Kilroys gestoßen sein und ihnen berichtet haben, was hier in der Stadt im Gange
ist.
Wenn die Kilroys das erst erfahren haben, dann werden sie nicht nur kommen, um sich eure Skalpe zu
holen.
" Er verstummt und beginnt, seine Instrumente einzupacken.
„Warum werden sie noch kommen?" fragt Jeff langsam.
Der Arzt gibt ihm keine Antwort.
Doch das Mädchen Judith Andersen sagt ruhig und schlicht: „Es gibt viel Gold in der Stadt.
Durch Zufall stieß man auf die größte Goldader, die es jemals in Arizona gab.
Der große Brunnen auf der alten Plaza stürzte ein.
Er gab das beste und klarste Wasser.
Deshalb ging man daran, den Schaden wieder zu beheben.
Dort, wo die Brunnen- wand eingestürzt war, trat eine dicke Goldader zutage.
Die Oldtimer hier in dieser Stadt hatten immer daran geglaubt, daß es solch eine Goldader geben würde.
Viele dieser Oldtimer zogen deshalb damals nicht mit all den anderen Menschen fort.
Auch mein Vater gehörte zu diesen Männern, die daran glaubten, daß man hier eines Tages noch einmal
einen besonders großen Fund machen würde.
Nun, diese Goldader auf der Plaza gehört allen Bürgern der Stadt.
Es sind ja nicht mehr viele.
Man beutet die Ader nun schon viele Tage aus.
Sie besteht aus fast purem Gold.
Man kann es ohne viel Schwierigkeiten aus dem Felsen brechen.
Seit vielen Tagen beträgt die Ausbeute pro Schicht mehr als zehntausend Dollar.
Es ist die größte und reinste Goldader, die es jemals gab.
Vor einigen Tagen kam Jube Walker in die Stadt und bekam heraus, was wir taten.
Wir konnten ihn festsetzen, obwohl er zwei Männer verwundete.
Doch jetzt ist er entkommen und lief bestimmt den Kilroys in die Arme.
Auch wir haben von den Kilroys schon gehört.
Wir wissen, daß sie Banditen und Revolverhelden sind und daß Burschen wie Jube Walker mit ihnen
reiten.
Ich glaube, die Kilroys werden jetzt nicht so sehr in die Stadt kommen, um ihren Bruder zu rächen,
sondern vielmehr, um sich das Gold zu holen.
" Sie verstummt und wirkt sehr ruhig und gefaßt.
Die Brüder blicken das Mädchen an.
Dieses erwidert ihre Blicke.
Dann wendet sie sich ebenfalls.
„Ich muß es den Männern sagen - allen Leuten der Stadt! Ich muß ihnen von der großen Gefahr
erzählen!" Auch sie läuft nun davon, um die Bürger der Stadt zu alarmieren.
Reb lauert weit vor dem Stadteingang zwischen zwei Felsen und beobachtet das dunkle Maul der
Schlucht.
Es kommt ihm nun wie eine Ewigkeit vor, bis Jeff dann bei ihm auftaucht.
Jeff hat Brot, Rauchfleisch, Schmalz, Rosinen, Nüsse und einige Äpfel mitgebracht, dazu zwei Flaschen
Wasser.
Sie beginnen wortlos zu essen und behalten die Schluchtmündung unter Beobachtung.
Doch sie können nichts erkennen oder gar hören.
Nun muß er gegen die Müdigkeit ankämpfen.
Doch er bleibt nicht lange allein.
Jemand kommt mit schnellen Schritten.
Es ist Judith Anderson.
„Ich bringe Ihnen einen starken Kaffee", sagt sie schlicht.
„Diese Menschen dort in der Stadt wagen es nicht einmal, die Flucht zu ergreifen.
Sie sind sicher, daß die Bande ihnen folgen würde.
Der andere Talausgang führt ja in die Wüste hinaus.
Sie wagen es nicht.
Und dennoch kann ich diese Menschen verstehen.
" Jeff sagt nichts.
Er trinkt den heißen Kaffee, und dieser Kaffee ist stark und würde vielleicht sogar einen Scheintoten
erwecken.
„Leben auch Sie schon all die Jahre hier?" So fragt er nach einer Weile.
Er kann sehen, wie sie heftig den Kopf schüttelt.
„Nein, meine Mutter ging damals mit mir fort.
Nur mein Vater blieb.
Er hatte das Hotel aufgebaut, und es hatte all seine Energie und Tatkraft gekostet.
Als die Stadt dann von den meisten Menschen wieder verlassen wurde, hatte er keinen Mut mehr.
Zuvor schon hatte er auf ähnliche Art mehrmals Pech gehabt.
Er wollte nicht mehr.
Aber meine Mutter wollte noch nicht aufgeben.
So gingen wir fort.
Vor einem Jahr starb meine Mutter.
Ich kam zurück, um meinen Vater noch einmal zu sehen.
Ich wollte ihn nur für einige Wochen besuchen.
Doch ich konnte ihn nicht mehr verlassen.
Er brauchte mich.
Vor einigen Ta- gen, als man die Goldader fand, da glaubte ich, daß für uns alle ein neues Leben
beginnen würde.
All diese Glücklosen hier erhielten vom Schicksal ein riesengroßes Geschenk.
Es sah einige Tage so aus, als müßte jeder dieser Menschen nun all das tun können, wovon er bisher nur
träumte, was er sich erhoffte und wünschte.
Doch schon ein Rudel Hartgesottener wie die Kilroys stürzt alles um wie ein Kartenhaus.
Jeff Adams, ich habe in der letzten Stunde eines begriffen, nämlich, daß diese Mensehen hier nirgendwo
Glück haben können.
Selbst wenn sie alle Schätze der Welt besäßen, sie könnten sie nicht behalten.
Jeder könnte ihnen wegnehmen, was er nur will.
Ich werde wieder fortgehen.
Ich kann nicht hierbleiben.
Mein Vater tut mir leid, doch ich kann hier nicht länger leben in dieser Stadt und unter diesen Menschen.
" Sie macht eine kleine Pause.
Dann fügt sie noch hinzu: „Ich kann meine Mutter jetzt erst richtig verstehen.
Sie mußte fortlaufen aus diesem mutlosen, zaghaften Verharren, aus dieser Resignation.
- Nun gut!" Sie spricht die beiden letzten Worte abschließend.
Und Jeff weiß nun ziemlich gut über sie Bescheid.
Oh, er kann sie gut verstehen.
Die Nähe dieses Mädchens berührt ihn sehr.
Er spürt irgendwie eine Gemeinsamkeit zwischen ihr und sich, so als würden sie sich schon viele Jahre
kennen und stets offen ihre Gedanken ausgetauscht haben.
Er legt ihr die Hand auf die Schulter, und nun ist es ihm, als ginge ein Strom von ihr auf ihn über.
Ihre Nähe wird ihm nun noch stärker bewußt.
Sie ist ein sehr reizvolles Mädchen.
„Gehen Sie jetzt zurück in die Stadt", murmelt er.
„Ich kann Sie nun nicht länger hier bei mir dulden, Judith.
Denn die Nacht ist fast vorbei.
Sehen Sie, dort steigen die ersten Nebel auf - noch dünn zwar, doch sie sind bald stärker.
Die Kilroys kommen bald.
- Gehen Sie, Judith!" Da beugt sie sich näher zu ihm.
Sie legt ihre Hände um seinen Nacken und küßt ihn.
Oh, sie ist sehr lebendig.
Er spürt ihren Herzschlag und all die Dinge, die sie für einen Mann geben könnte.
Er umfaßt sie fest und vergißt für eine Weile diese Welt und alle anderen Dinge, die da sind und auf ihn
warten.
Er durchlebt einige kurze Sekunden, daß dieses Mädchen für ihn ein kostbarer Schatz werden könnte,
kostbarer als alle anderen Dinge auf dieser Welt.
Dies alles spürt er, indes er sie küßt.
Dann lösen sie sich.
„Warum haben Sie mich geküßt, Judith?" So fragt er verwundert und fügt hinzu: „Wir kennen uns kaum.
Sie wissen nicht.
.
.
" Sie erhebt sich und streicht ihr Kleid glatt.
„Nein", sagt sie, „wir kennen uns nicht.
Und ich bin auch noch nie in meinem Leben einem Mann um den Hals gefallen wie Ihnen, Jeff.
Doch ich mußte es tun.
Denn Sie sind anders als die Leute dort in der Stadt.
Sie wollen kämpfen, wollen sich gegen eine Bedrohung auflehnen, die für die Menschen dort in der Stadt
wie ein unvermeidliches Schicksal ist.
Und vielleicht werden Sie bald sterben müssen, Jeff Adams.
Deshalb mußte ich Sie küssen.
Ich konnte Ihnen nicht mehr geben - leider.
Verstehen Sie, ich mußte Ihnen etwas geben.
" Nach diesen Worten geht sie davon.
Er verspürt mit einem Male einen kalten Zorn auf die Kilroys.
Und er lädt das Gewehr durch.
Es ist eines der neuen Remington-Repetiergewehre aus Illinois.
Man kann damit wunderbar schnell schießen.
Auch Reb besitzt solch eine Waffe.
Als sie ein halbes Jahr nach dem Krieg aus der Gefangenschaft entlassen wurden, hatten sie sich einige
Wochen in Kansas City aufgehalten.
Reb hatte dort mit einem Waffenhändler gespielt und von diesem diese neuen Repetiergewehre
gewonnen.
Hier im Arizona-Territorium gibt es diese Gewehre sonst gar nicht.
Jeff tritt zu Reb und stößt diesen leicht mit der Fußspitze an.
Obwohl Reb bis ins Mark erschöpft ist und sein Schlaf fast schon einer Bewußtlosigkeit glich, erwacht er
sofort.
„He?" Er sagt es fragend.
Sicherlich weiß er im Moment nicht, was mit ihm ist und in welcher Situation er sich befindet.
Doch Jeff sagt es ihm trocken: „Steh auf, Reb, und nimm dein Gewehr.
Wenn die Kilroys in der Schlucht sind, so werden sie in den nächsten Minuten kommen.
" „Na gut, ich habe was für sie", krächzt Reb bitter und spuckt dann zur Seite.
Er trinkt aus seiner Wasserflasche und gurgelt.
Nun wiederholt er: „Ja, ich habe was für sie - einige lustige, heiße, kleine Burschen aus Blei.
" Nach diesen Worten schweigen sie beide und spähen zum Schluchtmaul hinüber. Die aufsteigenden Bodennebel sind nun dichter. „Wir müssen näher heran", entschließt sich Jeff. „Sicher", pflichtet Reb bei, und dann gehen sie näher auf die dunkle Schluchtmündung zu. „Sie werden versuchen, an uns vorbei ins Tal hinein und um die Stadt zu reiten", murmelt Jeff. „Dann müssen wir nach mehreren Seiten kämpfen.
Wir dürfen sie also nicht an uns vorbei ins Tal lassen. Geh weiter nach rechts, Reb. Laß keinen vorbei!" „Nein!" Reb spricht es scharf. Er ist jetzt wild wie ein Rebell, und Jeff weiß, daß Reb dann verwegen ist und zu einem Teufel wird. Die Kilroys mögen gefährliche und auch verwegene Burschen sein und die Adams ziemlich gut eingeschätzt haben. Doch sie kennen die Adams noch nicht richtig. Reb gleitet also vom Weg hinunter und verschwindet nach rechts. Es gibt dort Büsche. Er wird eine gute Deckung haben. Jeff bleibt auf dem Weg. Die Nebelschwaden reichen ihm nun schon bis zu den Hüften. Wenn er sich duckt, wird er unsichtbar. Er erschrickt nicht und bleibt ganz ruhig, als er die Reiter nun kommen sieht. Sie kommen leise. Offenbar haben sie die Hufe ihrer Pferde mit Tüchern umwickelt. Sonst hätte man zuvor gewiß Hufschlag vernommen. Doch sie kommen leise. Es wirkt gespenstisch. Denn von ihren Pferden ragen nur die Köpfe und Rücken über die Nebelschwaden heraus. Die Reiter scheinen mit ihren Pferden durch einen milchigen See zu schwimmen. Und sie ducken sich tief in den Sätteln nieder, hoffen, daß in der nächsten Minute schon die Nebel sehr viel höher gestiegen sind. Doch sie, konnten nicht mehr länger warten. Es wäre dann zu hell gewesen, Sie mußten jetzt kommen. „Haltet an!" Jeff ruft es scharf. Sie halten wirklich an. „Ist das einer von den Adams-Brüdern?" So fragt eine harte Stimme herüber. „Hier ist Jeff Adams!" „Nun gut, Freund Jeff, wir wollen in die Stadt, um einen Whisky zu trinken und später ein Frühstück einzunehmen. Ihr habt gewonnen! Wir können eurem Ollie nicht die Haut abziehen, weil er ja dort in der Stadt in Sicherheit ist und unter dem Schutz der Bürger steht. - Wir wollen nur .
.
.
" „Rede nicht soviel", unterbricht Jeff den Sprecher.
„Ich weiß ganz genau, was ihr wollt.
Ihr kommt nicht in die Stadt.
Wenn ihr es mit Gewalt versucht, so halten wir euch mit den Gewehren auf.
- Also kehrt um und gebt es auf!" Einige Sekunden vergehen.
Dann ruft eine scharfe Stimme: ,Los, Jungens!" Sie reiten an, und vier der Reiter bie- gen sofort aus, um
rechts an Jeff vorbei ins Tal und von der Seite in die Stadt kommen zu können. Fünf Reiter aber reiten geradewegs auf ihn zu. Doch dies ändert sich schnell, denn Jeff trifft mit dem ersten Schuß das erste Pferd. Als es stürzt, stürzen zwei weitere Pferde mit. Er feuert unwahrscheinlich schnell und hört rechts von sich auch seinen Bruder schießen. Einer der beiden Reiter, die in den Sätteln blieben, kommt genau auf ihn zu. Es ist ein verwegener Bursche, der wie ein Indianer reitet, den Texanerschrei hören läßt und mit dem Revolver schießt. Doch er trifft nicht. Jeff trifft ihn, und der Mann fällt aus dem Sattel und rollt bis vor Jeffs Füße. Es ist Bill McClellan, einer der berüchtigsten Komplizen der Kilroys.
Jeff springt nun zurück und läuft auf die Stadt zu.
Er muß verhindern, daß die Angreifer zwischen ihn und die Stadt gelangen können.
Links von sich erblickt er nun in den Nebelschwaden einen Reiter.
Er drückt das Gewehr ab, doch es ist leergeschossen.
Er zieht den Revolver und beginnt zu schießen.
Der Reiter erwidert sein Revolverfeuer, und seine Mündungsblitze sind für Jeff ein gutes Ziel.
Er spürt schmerzhaft eine Kugel, die wie ein Peitschenhieb über seine Rippen brennt.
Dann hört er auch dieses Pferd stürzen.
Nun läuft er noch weiter zurück und auf die Stadt zu.
Sein Bruder schießt immer noch rechts von ihm, auch Reb hat sich ganz * offensichtlich ein Stück auf die
Stadt zurückgezogen, um zu verhindern, daß er abgeschnitten wird von ihr.
Einen Moment verstummen die Schüsse.
Man hört die Stimmen der Männer und das schmerzvolle Wiehern eines getroffenen Pferdes, welches
sich am Boden wälzen muß.
Dieses getroffene Pferd macht gewiß alle anderen Tiere verrückt.
Eine Stimme ruft: „Los, Jungens! Wir gehen jetzt zu Fuß weiter! Wir erwischen ihn schon, und dann liegt
die Stadt offen vor uns! Es ist ganz einfach! Los, Jungens!" „Ich bin getroffen", stöhnt eine gepreßte
Stimme.
„Und Bill liegt wie tot da und bewegt sich nicht mehr", meldet eine andere Stimme.
Wenige Sekunden später klingt diese Stimme noch mal, jetzt schrill und wild.
„Er ist tot! Bill ist tot! Mein guter Bruder Bill ist tot, hört ihr!" Jeff Adams seufzt bitter, als er dies hört.
Nun hat es also einen Toten gegeben.
Nach Joey Kilroy, mit dem alles begann, ist nun auch Bill McClellan tot.
Diese Fehde, die von zwei jungen, wilden Burschen wegen eines Mädchens begonnen wurde, ist nun
ganz bestimmt nicht mehr aufzuhalten.
Die steigenden Morgennebel sind für wenige Minuten sehr stark und verhindern eine weitere Sicht als
etwa zehn Yards.
Doch die Kilroys verpassen diese kurze Chance, weil Don McClellan seinen toten Bruder findet.
Überdies kommt von drüben, wo die vier Reiter versuchten, an Reb vorbeikommen zu können, der
fragende Ruf: „Was ist, Jungens? - Was ist? Er hat zwei von uns verwundet.
Greifen wir weiter an? - Was ist los mit euch? Kommt ihr auch nicht an eurem Mann vorbei?" „Versucht
es zu Fuß! - Los, Jungens! Wir greifen zu Fuß an! Es geht los!" Die Stimme ist tief und kehlig.
Sie gehört Hogjaw Haggarty.
Er hat also, wieder die Führung übernommen, wie immer, wenn seine Neffen nicht weiterwissen.
Jeff Adams lud indes sein Gewehr neu.
Er kniet hinter einem Stein, der nicht viel größer ist als ein Schaf.
Die Sicht ist schlecht.
Oben am Himmel verblassen die Sterne, und im Osten kommt die erste Helligkeit des Tages über die
Hügel.
Und dann kommt noch etwas.
Es kommt über die Stadt hinweg und aus dem breiten Canon, der zur Wüste führt.
Es ist ein ziemlich heftiger Luftzug.
Er kommt fast immer um diese Stunde und legt sich wieder nach Sonnenaufgang.
Dieser Luftzug, den die Kilroys nicht einkalkulierten, rettet die Adams-Brüder.
Denn schon das erste Wehen lichtet den Nebel, wirbelt ihn empor.
Und sichtbar werden die geduckt angreifenden Männer.
Sie haben sich lose verteilt und sind schon sehr nahe - keine zwanzig Yard.
Jeffs Gewehr beginnt zuerst zu sprechen, und er trifft einen der drei Angreifer, bevor die beiden anderen
sich in Deckung werfen können.
Sie schießen mit den Revolvern auf ihn, und auch er muß sich nun hinter den Stein ducken.
Eine Kugel wirft ihm einige kleine Steinsplitter ins Gesicht.
Er spürt, wie an seiner Wange Blut herunterläuft.
Rechts von ihm kracht Rebs Gewehr durch das Bellen der Revolver.
Dann schießt auch Reb mit dem Colt.
Zwischendurch hört man immer wieder Rebs wilden Rebellenschrei, wie ihn die Texaner damals schon
bei Alamo hören ließen, als die Mexikaner angriffen, und wie ihn später dann im Bürgerkrieg die Truppen
der Nordstaaten fürchten lernten, wenn sie mit der Texas-Brigade zu tun bekamen.
Ja, Reb kämpft wild und verwegen.
Er hat bisher nicht weniger Glück als Jeff gehabt und blieb kampffähig.
Es wird still.
Inzwischen blies der Wind noch mehr den Nebel fort.
Das erste graue Tageslicht ist da, und alle Dinge auf dieser Welt sind sichtbar.
Die Helligkeit nimmt schnell zu.
Rebs Stimme klingt herüber: „Jeff, wie geht es dir?" Reb ist keine hundert Schritte entfernt.
Er hat eine gute Deckung zwischen einigen großen Steinen und konnte mit Erfolg jeden
Umgehungsversuch verhindern.
„Mir geht es prächtig, Bruder!" Dies erwidert Jeff, und er gibt seiner Stimme absichtlich einen wilden
und verwegenen Klang, obwohl er mit Schmerz und Bitterkeit angefüllt ist und sich nichts sehnlicher
wünscht, als daß dieser Kampf vorbei sein möge.
„Ich habe zwei verwundet und einen schwerer erwischt", ruft Reb nun herüber.
Jeff kann jetzt nichts mehr erwidern, denn die Gegner beginnen nun wieder zu feuern.
Es ist ein ziemlich nutzloser Wutausbruch.
Jeff rechnet indes.
Und diese Rechung sieht recht gut aus.
Reb konnte einen der Gegner schwer verwunden.
Dieser Mann kann also nicht mehr kämpfen.
Dann hat Reb noch zwei weitere der Angreifer leichter verwundet.
Also hat er es nur noch mit einem unverwundeten und zwei leicht verwundeten Gegnern zu tun.
Reb wird sich gegen diese Männer behaupten können.
Und Jeff selbst? Er hat Bill McClellan getötet und einen anderen Mann - es könnte Lewis Kilroy sein -
verwundet.
Als sie zum zweitenmal angriffen und der Wind die Nebel zerteilte, da erwischte er noch einen der
Angreifer.
Er hat ihn sogar erkannt.
Es ist jener Jube Walker, der aus der Stadt entkommen konnte und dann auf die Kilroys stieß.
Jeff hat es jetzt noch mit Hogjaw Haggarty und Abe Kilroy zu tun.
Die Brüder hatten bis jetzt eine Menge Glück.
Doch jede Glückssträhne geht einmal zu Ende.
Jeff weiß das genau.
Hogjaw Haggarty und Abe Kilroy sind keine zweitklassigen Burschen.
Jeder von ihnen allein könnte es mit Jeff Adams aufnehmen.
Wenn es ihnen gelingen sollte, ihn einzukeilen und zwischen zwei Feuer zu bekommen, so wird er
schnell ein toter Mann sein. Aber wenn sie ihre wilden Wünsche nach Rache und Vergeltung unter Kontrolle halten können, so werden sie Verstärkung heranholen. Sie haben einen langen Tag Zeit und können dann in der kommenden Nacht bestimmt die Stadt in ihre Hand bekommen und damit nicht nur ihre Rache nehmen, sondern auch das Gold bekommen. Jeff sieht plötzlich Abe Kilroy nach links laufen und schießt. Er trifft Abe Kilroys Absatz, als dieser sich hinter eine neue Deckung wirft. Mehr trifft er nicht von ihm. Doch er selbst gab sich, indes er feuerte, zu sehr eine Blöße. Hogjaw Haggarty trifft ihn mit der letzten Kugel aus einem Colt an der linken Schulterspitze. Es ist abermals nur eine schmerzvolle und stark blutende Streif wunde. Jeff schiebt sich das Halstuch unter das Hemd, so daß es auf der Wunde liegt.
Es bleibt nun eine Weile still. Dann klingt Hogjaw Haggartys Stimme: „Bradshaw! He, Bradshaw, kannst du reiten?" „Ja, das kann ich! Er hat mich nur am Arm erwischt. Ich habe nur einen Kratzer. Ich kann reiten und auch kämpfen. " „Dann reite ins Jackson-Hole-Camp und sieh zu, daß du dort einige Jungens findest. Bring sie her! Ihr könnt schon am Nachmittag hier eintreffen. - Los, Bradshaw!" Ein zustimmender Ruf antwortet.
Jener Bradshaw gehört zu den Burschen, mit denen Reb zu tun bekam.
Jeff kann ihn nun sehen.
Bradshaw ist zur Hälfte ein Navajo.
Er zieht sich wie eine Schlange zurück, nutzt jede Deckung aus.
Die Entfernung zu Jeff beträgt mehr als hundertfünfzig Yard.
Und von Reb ist er etwa sechzig Yard entfernt.
Reb beginnt nun zu schießen, doch er kann ihn nicht treffen.
Überdies beginnen nun auch die anderen Männer wieder zu feuern, so daß die Adams-Brüder sich kaum
eine Blöße geben können. Auch Jeff versucht einige Schüsse. Aber er kann nicht verhindern, daß Bradshaw eines der Pferde erreicht, die bis zur Schluchtmundung zurückliefen, und sich in den Sattel schwingt. Die Entfernung ist nun zu weit für einen sicheren Schuß aus dem ziemlich kurzläufigen Sattelgewehr, wie es Jeffs Remington- Karabiner ist. Man müßte eine lange Spencer haben. Damit könnte man Bradshaw aus dem Sattel holen. Er verschwindet in der Schlucht und wird nach dem Jackson-Hole-Camp reiten. Jeff kennt diesen Ort nicht. Doch er hat davon gehört. Es soll sich um eine große Höhle handeln, die einigen Geächteten als Zuflucht diente. Es gibt eine ganze Menge solcher verborgener Camps im Land. Wenn die Kilroys sich eine starke Bande für irgendwelche Raubzüge zusammenholen, so rekrutieren sie sie zumeist aus solchen Camps. Es wird für jenen Bradshaw leicht sein, dort im Jackson-Hole-Camp ein halbes Dutzend Hartgesottener zu finden. Es wird nun still. Niemand schießt. Die Gegner liegen sich hinter Deckungen gegenüber und belauern sich. Langsam wird der Tag klarer und heller. Die Sonne kommt über die Hügel, und es sieht aus, als explodierte ein Ball von Licht und schössen Strahlenbündel nach allen Richtungen. In der Stadt ist es still. Nichts regt sich dort. Jeff blickt mehrmals zurück, und die Bitterkeit und Verachtung gegen diese Stadt könnten in ihm nicht stärker sein. Wie lange werden Reb und er die Banditen davon abhalten können, in die Stadt zu reiten, Ollie zu töten und sich das Gold zu nehmen? Bis heute nacht! Keine Stunde länger mehr. Reb und er wurden schon sehr weit auf den Stadteingang zurückgedrängt. Wäre es dunkel, könnten die Angreifer jetzt schon im Bogen an Reb vorbeikommen und von der anderen Seite in die Stadt eindringen. Sie haben also nur eine letzte Gnadenfrist, die nicht länger, als der Tag lang ist, währen wird. Als Jeff wieder einmal über die Schulter späht, da sieht er den Arzt kommen. Doktor John Gerald steigt nun sehr in seiner Achtung. Dieser an einen Seehund erinnernde Mann, der dem Whisky verfallen ist, kennt seine Pflicht als Arzt.
Er kommt mit seiner alten, schwarzen Tasche aus der Stadt heran, um Leben zu erhalten.
„Schießt nur nicht, Jungens!" So ruft er.
„Ich komme nicht, um an eurem Spaß teilzunehmen, sondern um euch zusammenzuflicken, wenn ihr es
nötig habt.
Denn schon der gute Martin Luther sagte: ,Die Ärzte sind unseres Herrgotts Flicker'.
- Nun gut, wer braucht von euch am nötigsten meine Hilfe?" Indes er all diese Worte spricht, bewegt er sich watschelnd vorwärts und steht nun zwischen Abe Kilroy und Jeff Adams, die natürlich hinter ihren Deckungen verborgen bleiben. „Gehen Sie zuerst zu meinem Bruder Lewis", verlangt Abe Kilroy.
„Jeff Adams, sind Sie damit einverstanden? Brauchen Sie vielleicht auch meine Hilfe?" John Gerald fragt
es in Richtung zu Jeff.
„Nehmen Sie sich nur zuerst diese Narren vor", erwidert Jeff.
„Meinen Kratzer können Sie zuletzt zupflastern.
" John Gerald stößt ein seltsames Brummen aus.
Dann bewegt er sich weiter.
Er verschwindet hinter den Felsen, hinter denen sich Lewis Kilroy und ein anderer Verwundeter befinden.
Der Arzt muß dort ziemlich viel zu tun haben, denn es vergeht eine Stunde.
Es geschieht nichts in dieser Stunde.
Die Gegner belauern sich.
Es ist eine seltsame Situation.
Dann kommt Doc John Gerald zu Jeff.
Er kniet bei ihm nieder und hat ein gerötetes, verschwitztes Gesicht.
Er keucht sehr.
„Dieser Lewis Kilroy wird einen steifen Arm behalten", brummt er bitter.
„Jube Walker hat einen Schulterdurchschuß.
Ich muß dann noch hinüber zu der anderen Gruppe.
Dort soll einer der Jungens eine Kugel in der Hüfte haben.
Es sieht nicht gut aus für euch, nicht wahr? Die Kilroys bekommen gewiß bald Verstärkung.
Und dann seid ihr verloren.
Das tut mir leid.
" Er macht sich brummend an die Arbeit, schneidet Jeffs blutverkrustetes Hemd auf und schnauft, als er
die Wunde sieht.
„Da muß ich ein breites Pflaster auflegen, welches die Ränder zusammenhält", murmelt er.
„Denn ich möchte diesen langen Riß nicht nähen.
Der ist wie von einem Säbelhieb.
- Na gut, ihr seid ja harte Jungens.
Ihr werdet es schon noch schaffen, euch gegenseitig umzubringen.
Tote kann ich nicht lebendig machen.
" Er arbeitet schnell und geschickt.
Er ist wahrhaftig ein erstklassiger Wundarzt.
Als er fertig ist, läßt er Jeff aus einer Wasserflasche trinken und geht wortlos davon.
Auch Jeff sagt nichts.
Es gibt ja nichts zu sagen.
Später dann - es ist schon früher Mittag -, da sieht er den Doc wieder in die Stadt zurückgehen.
„Wir holen uns schon noch deinen Skalp und die deiner Brüder, Jeff Adams!" ruft Abe Kilroy einmal
herüber.
Doch Jeff gibt ihm keine Antwort.
Es hat wenig Sinn.
Der Endkampf findet erst heute nacht statt.
Abe Kilroy sieht sie zuerst, und e;- vermag es gar nicht zu glauben.
Auch Jeff Adams, der die Bürgerwehr mit dem Doc als Anführer nicht viel später als Abe Kilroy
kommen sieht, staunt sehr.
Doch dann findet er die Sache gar nicht mehr so sehr verwunderlich.
Er hat es schon einige Male während des Krieges erleben können, wie die Bürger friedlicher Städte sich
plötzlich zum Kampf entschlossen und keine Furcht mehr kannten.
Irgendwann war auch einmal bei den Zaghaftesten jene Grenze der Selbstachtung erreicht.
Abe Kilroy ruft nun seinem Onkel zu: „Hogjaw, siehst du sie?" „Ja, Abe!" „Die wollen doch wohl nicht
gegen uns kämpfen?" „Doch, es sieht so aus, Abe! Und sie haben einige weitreichende Büffelflinten bei
sich.
Damit können sie außerhalb der Schußweiten unserer Waffen bleiben und fast gefahrlos auf uns schießen.
Abe, wir müssen uns zumindest bis in die Schlucht zurückziehen.
- Komm, Abe!" „Aber wir können doch nicht hinter der Deckung hervor! Dann schießt uns Jeff Adams ab. Und drüben passiert den Jungens bei Reb Adams das gleiche Unglück!" In Abe Kilroys Stimme ist eine fassungslose Ungläubigkeit. Was da in Gang kommt, dies vermag er nicht zu glauben. Doch es ist wahrhaftig so. Die Bürgerwehr hat einige weitreichende Büffelflinten bei sich. Damit kann sie weiter schießen als die Kilroys, die als typische Revolvermänner nur ihre langläufigen Revolver bei sich haben, weil sie ja sicher waren, dicht genug an den Gegner herankommen zu können. Nun sitzen sie wahrhaftig in der Falle. Sie können jetzt schon erkennen, wie der Doc die Bürgerwehr ausschwärmen läßt, wie die Männer aus der Stadt bald in ihrem Rücken sein werden und fast völlig freies Schußfeld auf sie haben. Hogjaw Haggarty weiß genau, wann er verloren hat und aufgeben muß. Er ruft zu Jeff Adams hinüber: „He, Adams! Jeff Adams!" „Ja, Haggarty?" „Wir geben auf! Wir möchten freien Abzug! Wirst du schießen, wenn wir unsere Deckung verlassen und verschwinden?" Jeff Adams grinst bitter. „Das war alles nicht nötig, ihr Narren", sagt er. „Ich werde auf euch schießen, wenn ihr die Waffen nicht wegwerft. Wenn ihr abziehen wollt, dann nur unbewaffnet. " Abe Kilroy beginnt schlimm zu fluchen, und er stößt auch Drohungen aus. Doch sein Onkel ruft ihm zu, daß er seinen Mund halten solle. Hogjaw Haggarty wirft dann seine beiden Revolver in weitem Bogen fort. Dann erhebt er sich hinter seiner Deckung und beginnt zu laufen. Er läuft zur Schlucht zurück, wo ihre Pferde grasend warten. Abe Kilroy hört wahrhaftig auf zu fluchen und zu drohen. Er folgt dem erfahrenen Onkel. Sie halten dann nur an, um die weiter entfernt zwischen Felsen liegenden Verwundeten aufzunehmen. Auch Reb läßt seine Gegner laufen. Inzwischen kommen Doc Gerald und einige andere Bürger bis zu Jeff Adams heran. Sie blicken nun alle zur Schlucht hinüber. Dort laden die Kilroys den toten Bill McClellan auf sein Pferd. Lewis Kilroy muß sich ebenfalls auf sein Pferd helfen lassen. Die anderen Verwundeten kommen ohne fremde Hilfe in den Sattel. Sie alle verschwinden nun in der Schlucht. „Wir haben sie tatsächlich in die Flucht jagen können", sagt Windy Longfellow langsam. „So einfach war das", staunt auch Bill Sanders. „Und sie werden gewiß auch wirklich abziehen und nicht in der Schlucht bleiben, weil sie Verwundete haben, die sie unter ein Dach und in die Betten bringen müssen", erklärt Doc John Gerald. Er blickt sich unter den Männern um. „Als eure Stadt von den meisten Men- sehen verlassen wurde, wurdet ihr alle mutlos. Golden Cruz wurde eine Stadt der Zaghaften, der Mutlosen und der Feiglinge. Jetzt habe ich wieder Hoffnung, denn ihr habt euch im letzten Moment eure Selbstachtung erhalten können.
Vielleicht ist deshalb die Stadt Golden Cruz noch nicht verloren. Ich habe euch eine Menge zu sagen. Wir treffen uns alle in einer Stunde im Saloon - auch Sie, Jeff und Reb Adams! - In einer Stunde also. Und um die Kilroys brauchen wir uns ziemlich lange keine Sorgen mehr zu machen. " Es ist eine seltsame Versammlung, die eine Stunde später stattfindet. Obwohl sie in diesem heruntergekommenen Papago- Saloon tagt, sind außer Judith auch die vier anderen Frauen der Stadt zugegen. Der Doc sitzt hinter dem Schreibtisch auf einem alten Faß und sagt mit trockener Kürze: „Die Bürgerschaftsversammlung von Golden Cruz ist hiermit eröffnet. " Er klatscht mit der flachen Hand auf den Tisch und zündet sich eine Zigarre an. Dann spricht er weiter: „Ich stelle den Antrag, Mister Jeff Adams und Mister Reb Adams zu Ehrenbürgern von Golden Cruz zu ernennen. - Wer ist gegen diesen Antrag?" Es meldet sich niemand.
Der Doc wendet sich an Bill Sanders.
„Bill, Sie sind der Bürgermeister.
Walten Sie Ihres Amtes!" Bill Sanders staunt noch.
Er wischt sich über das Gesicht.
Dann aber nickt er, sieht Jeff und Reb Adams an und sagt: „Hiermit sind Sie beide Ehrenbürger von
Golden Cruz. Sie besitzen hier Wohnrecht und Stimmrecht. Sie können sich jeder eines der verlassenen Häuser aussuchen. " Als er dies gesagt hatte, wendet er sich an den Doc und fragt sarkastisch und bit- ter: „Was soll das, Doc? Eine Ehrenbürgerschaft in Golden Cruz ist keinen Cent wert, und wer weiß, ob diese beiden Gentlemen, von denen ich beschossen, niedergeritten und auf den Kopf geschlagen wurde, überhaupt Wert darauf legen, hier in Golden Cruz Ehrenbürger zu sein!" „Doch", sagt der Doc. „Denn sie bekommen als Ehrenbürger genau wie jeder andere Bürger einen Anteil an der Goldader.
Der steht ihnen zu.
- Oder nicht?" Er blickt sich angriffslustig im Kreise um.
Aber niemand sagt etwas, obwohl sie wissen, daß die Ausbeute der Goldader nun nicht in fünfzehn,
sondern in siebzehn Teile gehen wird. John Gerald grinst nun seltsam. „Ich komme nun zum eigentlichen Zweck unserer Zusammenkunft", erklärt er trocken. Wieder klatscht er mit der flachen Hand auf den Tisch. Nun ist Spannung im Raum. Man fragt sich, was der Doc will. Er läßt die Versammlung eine Weile warten. Dann wendet er sich an Windy Longfellow. „Windy, was wirst du mit deinem Goldanteil machen?" Windy Longfellow war früher viele Jahre Sprengmeister und Vorarbeiter in den Minen, bis er dann sein Bein verlor. Er denkt nach. „Ich weiß nicht recht", murmelt er. „Wenn Golden Cruz nicht eine solch traurige Stadt geworden wäre, würde ich gar nicht fortgehen wollen. Meine Frau ist hier begraben, und ich selbst brauche gar nicht viel. Ich würde mich in einer fremden Stadt ziemlich einsam fühlen und gewiß Dummheiten machen. Hier bin ich eigentlich unter guten Freunden. - Schade, daß wir alle auseinandergehen werden und . . . " Er verstummt hilflos. Einige Männer und auch Frauen nicken zustimmend.
Der Doc lächelt breit und klatscht abermals mit der flachen Hand auf den Tisch.
„Ihr sollt alle hier in Golden Cruz bleiben und diese Stadt wieder zu neuem Leben erwecken", sagt er
ernst.
Nun staunen sie ihn an.
„Pah, wir leben in einer toten Stadt und wie auf einer einsamen Insel abgeschnitten von der Welt und fast
am Rande der Wüste!" Dies ruft Bill Sanders verächtlich.
„Ich werde mit meinem Anteil in ein hübsche Stadt gehen.
Ich werde mir ei Geschäft kaufen, ein großes und nobl Geschäft an einer Hauptstraße.
Ich .
.
.
" „Das alles können Sie hier ebenfalls haben, Bill", unterbricht ihn John Gerald.
Er hebt seinen Zeigefinger.
„Daß wir heute alle so zusammenhielten, als es galt, einen Feind zu vertreiben, dies macht mir Mut.
Jetzt glaube ich fast, daß wir immer gut zusammenhalten könnten.
Wir haben die Möglichkeit, Golden Cruz zu neuer Blüte zu verhelfen.
Es könnten bald wieder mehr als tausend Menschen hier in Golden Cruz wohnen.
Diese Stadt könnte schnell zum Mittelpunkt eines aufblühenden Landes werden.
Und die Wüste könnte man sogar bewässern.
Der Boden dort ist gut.
Nur das Wasser fehlt.
Wenn man Wasser hinschaffen kann, ist Platz für Hunderte von Siedlerstätten und Farmen.
Und ihr habt die Möglichkeit.
" Abermals staunen sie.
Eigentlich kommen sie aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
„Mit unserem Gold?" So fragt eine zweifelnde Stimme.
Sie starren ihn jetzt mißtrauisch an.
Ihnen kommt nun der Verdacht, daß er sie dazu überreden will, ihre Anteile an der Goldausbeutung für
eine verrückte Idee zu opfern.
„Unser Gold brauchen wir als Betriebskapital für den Anfang", erklärt er ihnen.
„Aber wir holen den zehnfachen Gewinn heraus.
Eure Einsätze werden sich verzehnfachen.
Eure Stadt wird aufblühen.
Und ihr werdet die wichtigsten und maßgebenden Bürger des Landes sein.
Denn wir werden eine Minengesellschaft gründen - die Golden-Cruz-Minengesellschaft.
Wir können erstklassige Fachleute bezahlen, Ingenieure, Kaufleute, Hüttenfachleute.
Wir brauchen eine starke und entschlossene Bürgerwehr und müssen Gesetzesvertreter wählen.
Eine Postlinie muß wieder eröffnet werden.
Es müssen eine Erzmühle und eine Schmelze gebaut werden.
Wir müssen den Golden-Cruz-Creek umleiten, um uns die Wasserkraft dienstbar machen zu können.
Ah, wir müssen viele Dinge tun! Und ihr alle werdet mächtig stolz sein und euch nicht länger mehr für
traurige Versager halten.
-- Könnt ihr mir geistig folgen?" Seine Frage ist berechtigt, denn sie alle staunen ihn an und wirken ganz
so, als glaubten sie, daß er verrückt geworden sei.
„He, es gibt doch kein Gold mehr hier", sagt eine Stimme.
„Daß wir zufällig jene Goldader fanden, berechtigt uns doch nicht zu der Annahme, daß wir noch weitere
.
.
.
" „Nein, kein Gold!" John Gerald ruft es triumphierend.
„Kein Gold! - Aber Kupfer und Silber! Hört ihr mich? Kupfer und Silbervorkommen sind reichlich
vorhanden.
All diese Narren hier suchten nur immer nach Gold.
" Er macht einige Atemzüge lang Pause und beginnt dann sachlich zu erklären: „Ihr müßt wissen, daß ich früher als junger Mann auch einige Semester Geologie studierte. Erst später entschied ich mich zum Medizinstudium. Ich habe in den vergangenen Jahren da und dort einige verlassene Minen besucht. Es gibt überall reichlich Kupfervorkommen. Auch Silber ist vorhanden. Man muß den Abbau und die Gewinnung nur im großen Stil betreiben. Dazu gehört ein großes Anfangskapital. Doch das haben wir. Die Goldsucher damals konnten die Möglichkeiten nicht erkennen. Ich konnte dies. Doch was sollte ich damit? Wir alle hier taugten nicht mehr viel. Mir kam die Idee erst, als ihr mir vor die Stadt folgtet, um die Kilroy-Bande zu vertreiben. Da bekam ich plötzlich wieder Mut. Wollen wir jetzt einmal eine große Sache wagen? Wollen wir endlich einmal zeigen, daß wir keine Nieten sind? Und vor allen Dingen müssen wir uns der Hilfe von tatkräftigen Kämpfern versichern. Wir müssen sie beteiligen, zu gleichberechtigten Partnern machen, damit sie ihr Bestes geben. Deshalb war ich dafür, Jeff und Reb Adams zu unseren Ehrenbürgern zu machen und ihnen Anteile zu geben. Wir brauchen solche Männer als Kämpfer. Jedem von uns wird eine Aufgabe zufallen. Doch die wichtigste Aufgabe wird es sein, uns zu schützen, uns zu behaupten. Denkt einmal richtig darüber nach, Leute! Wir treffen uns nach dem Abendessen wieder hier im Saloon und reden weiter über diese Sache. " Jeff und Reb Adams sind viel zu müde und ausgebrannt, um über John Geralds Rede nachdenken zu können. Sie bekommen im Hotel neben Ollies Zimmer ein Doppelbettzimmer und fallen sofort in einen Schlaf der Erschöpfung. Besonders Jeff hat ja nicht wenig Blut verloren und braucht den Schlaf notwendig. Sie erwachen erst am anderen Morgen, Reb zuerst. Als Reb sich jedoch im Bett aufsetzt und leise flucht, weil ihm alles, was war, wieder mit einem Male einfällt, da erwacht auch Jeff. Sie sitzen sich dann auf den Betträndern gegenüber, nur durch die Zimmerbreite voneinander getrennt, denn ihre Betten stehen an den Wänden rechts und links des Fensters. „Du siehst nicht sehr prächtig aus, Jeff", krächzt Reb dann. „So etwa wie du muß der schwarze Mann aussehen, mit dem man stets den unartigen Kindern droht. " „Nein, der sieht so aus wie du, Reb", erwidert Jeff. Sein Oberkörper ist nackt bis auf den Verband. Er erhebt sich und geht zum Waschtisch in der Ecke. Dort blickt er in den Spiegel und murmelt gedehnt: „Nun, wir wollen uns nicht streiten, Bruderherz. " Er blickt sich um und entdeckt, daß man ihnen saubere Wäsche und Hemden auf die Stühle legte. Auch Rasierzeug und reichlich Wasser sind vorhanden. „Wir werden bald besser aussehen", verspricht Jeff und beginnt, seinen Stoppelbart einzuseifen. Eine halbe Stunde später besuchen sie Ollie. Doch dieser schläft fest. Sein Fieber hat nachgelassen. Sie haben den Eindruck, daß es Ollie besser geht. Unten im Speiseraum erwartet Judith sie mit einem Frühstück. Sie lächelt gut. In ihren Augen leuchtet es auf, als sie Jeff ansieht. „Setzt euch", sagt sie. „Wir haben während dieser Nacht die Schlucht bewacht.
Doch von den Kilroys und deren Anhang war nichts zu bemerken.
Die Einwohner dieser Stadt sitzen schon wieder mit dem Doc zusammen.
Er begeistert sie immer mehr für seinen Plan.
Er bringt es noch fertig, daß sie seiner Meinung werden.
Es ist alles fast unglaublich und wie ein Wunder.
Oh, ich habe sie hier schon alle verachtet, weil sie so zaghaft und passiv waren, weil sie damit zufrieden
waren, in einer toten Stadt zu leben, die keine Zukunft zu haben schien! Doch seit gestern ist ein Wunder
geschehen.
Als gestern draußen vor der Stadt immerzu die Waffen krachten, da begann sich in diesen Menschen
etwas zu ändern.
Besonders der Doc ist verändert.
Es ist, als berausche er sich daran, etwas Großes anfassen und vielleicht vollbringen zu können.
" Sie legt während ihrer Worte die Gedecke auf den Tisch und verschwindet nun in der Küche.
Jeff und Reb blicken sich an.
„Sie brauchen uns als Revolverkämpfer", murmelt Reb.
„Sie wollen uns beteiligen, uns zu Partnern machen.
Doch sie brauchen unsere Revolverhilfe.
Nachdem wir ihnen gezeigt haben, wie sie mit einer Bande wie den Kilroys zurechtkommen können,
glauben sie daran, daß wir die richtigen Nummern sind für sie. Was werden wir tun, Jeff? Entscheide du das! Du hast während des ganzen Krieges immer die richtigen Entscheidungen getroffen. Ich verlasse mich auf deine Nase. " Judith kommt nun mit einem Tablett aus der Küche. Sie hat prächtige Steaks, Zwiebeln, Spiegeleier, Salat und Bratkartoffeln. Es ist ein Essen für zwei Männer, die ausgehungert sind. Dazu bringt sie Milch und Kaffee. „Ich hatte euch schon oben in eurem Zimmer herumlaufen gehört, deshalb konnte ich alles vorbereiten", sagt sie. Sie setzt sich zu ihnen, gießt sich eine Tasse Kaffee ein und sieht dann zu, wie es ihnen schmeckt. „Kann ich Sie heiraten, Judith?" Dies fragt Reb. Sie lächelt und schüttelt den Kopf. „Ich bin schon vergeben", murmelt sie und blickt Jeff an. Jeff staunt, doch indes er sie anblickt, wird ihm klar, wie sie ihre Worte meint. Er sagt nichts. Doch Reb fragt: „Wer ist der Glücklichere?" „Ob er ein Glücklicher ist, dies steht noch nicht fest", lächelt Judith. „Ich habe mich nämlich an seinen Hals geworfen und ihn geküßt. Vielleicht mag er diesen Stil gar nicht. Es ist ja auch nicht üblich, daß ein Mädchen sich so benimmt. " „Oh, es kommt gewiß auf die Umstände und die Situation an, in denen man sich befindet", murmelt Reb. „Warum sind Sie nicht mir um den Hals gefallen, Judith? Ich wüßte es zu schätzen. " Bevor sie jedoch weiter diskutieren können, wird die Tür aufgestoßen. Drei Männer kommen herein. Es sind der Doc, dann Bill Sanders und Tom Anderson. „Ich habe sie alle für meinen Plan gewonnen", spricht Doktor John Gerald. „Wollt auch ihr mitmachen, Jeff und Reb Adams?" Reb blickt auf Jeff Adams. Und Jeff blickt einen Moment auf Judith. Sie hat ihre Lippen leicht geöffnet. Er kann erkennen, daß sie ihren Atem anhält. In ihren grüngrauen Augen ist eine bange Erwartung zu erkennen. Aber sie bittet nicht mit diesem Blick. Es sind auch keine Versprechungen in ihren Augen.
Er begreift, daß sie ihm völlig frei die Entscheidung überläßt. Jeff nickt den drei Männern zu. „Wir machen mit, und Golden Cruz soll eine noble und prächtige Stadt werden, die aufblüht und gedeiht. " Der Doc hebt die Hände, heischt damit Aufmerksamkeit. „Wir müssen schnell handeln", erklärt er. „Das Gold muß zur Hauptstadt geschafft werden: Ich habe schon einige Briefe geschrieben und Listen aufgestellt, und ich muß noch weitere Briefe schreiben. Es muß alles in Gang kommen. Ihr müßt das Gold nach Phoenix schaffen. Wir brauchen hier Geld in Münzen und nicht zu großen Scheinen. Nur mit einer Menge Bargeld können wir hier alles ankurbeln, können Löhne zahlen. Ich habe auch noch eine Menge anderer Aufträge für euch. Sicherlich werdet ihr zwei Wochen brauchen, um alles erledigt zu haben und mit dem Geld zurück zu sein in Golden Cruz. Wir werden indes hier die Hände nicht in den Schoß legen. Oh, wir werden mächtig in Gang kommen! Aber alles hängt davon ab, daß ihr unser Geld herbringen könnt. Ihr habt vorerst die schwerste und wich- tigste Arbeit zu erledigen. Denn es wird gefährlich sein, mit dem Gold nach Phoenix zu reiten. Ihr seid viele Tage unterwegs, und wenn die Kilroys oder andere Banditen erst herausfinden, was ihr auf den Packpferden transportiert, so werden sie euch verfolgen und angreifen wie Wölfe nach einem langen Blizzard einen Elch. Es hängt alles von euch ab, Jeff und Reb Adams. " Seine Worte wurden immer eindringlicher und gewichtiger. Jeff Adams' Gesicht bleibt ruhig und still. Nur seine grauen Augen werden schmal. Er zeigt äußerlich kein Erstaunen, daß man ihm und Reb eine solche Menge Gold anvertrauen will. Jeff Adams hat ein schmales, etwas hohlwangiges Gesicht mit einem festen Kinn, einer geraden Nase und einem sehr männlichen Mund. Er ist fast weißblond, doch seine Hautfarbe ist sehr gebräunt, bronzebraun. Reb Adams ist dunkel wie ein Indianer, aber sonst ist er ihm ziemlich ähnlich. Reb ist es, der fragt: „Ihr wollt uns die ganze Ausbeute eurer Goldader anvertrauen? Ist das nicht zu sehr alles auf eine Karte gesetzt? Jeff und ich, wir sind arme Schlucker. Vielleicht können wir der Versuchung nicht widerstehen und. . . " „Sei still, Reb, und denke nach", unterbricht ihn Jeff kühl. „Dieser Doc weiß genau, daß wir treu sein werden und unser Bestes tun müssen. Denn Ollie bleibt hier. Sie behalten doch Ollie hier in ihrer Stadt als Pfand. - Nicht wahr, Doc?" „Es ergibt sich so, nicht wahr?" Dies murmelt er.
„Es sind nämlich fast zweihundert Kilo Gold.
Wir alle spielen ein scharfes und hartes Spiel.
Ja, wir haben euren kleinen Bruder hier als Pfand.
Ihr werdet wirklich euer Bestes geben müssen.
Denn wir erkennen keine Ausrede an.
Aber habt ihr nicht eine erstklassige Chance? Jeder von euch ist jetzt schon Besitzer eines Zehntausend-
Dollar-Anteils, und dies ist sehr vorsichtig und schlecht gerechnet.
Eure Anteile können auch fünfzehntausend Dollar betragen.
Das werdet ihr herausfinden, wenn ihr das Gold eingetauscht habt.
Es könnte zweihunderttausend bis zweihundertfünfzigtausend Dollar dafür geben.
Eure Anteile werden sich hier innerhalb zwei Jahren verzehnfachen.
Eine bessere Chance haben zwei Burschen wie ihr nie gehabt. " „So ist es wohl", sagt Jeff Adams ernst. Reb staunt und rechnet immer noch. Ja, es ist eine gewaltige Chance. Durch Ollie sind sie hier nach Golden Cruz gekommen und in eine Sache hineingestolpert, die ihnen den Tod bringen, sie aber auch zu sehr wohlhabenden Männern machen kann. Nur kämpfen müssen sie, hart, schlau und unerbittlich kämpfen! Dies müssen sie können. Sie sind die beiden gefährlichen Tiger der Golden-Cruz-Minengesellschaft. „Wann könnt ihr reiten?" Dies fragt John Gerald nun knapp. „Sofort", erwidert Jeff und befühlt seinen Rippenverband, unter dem das Pflaster die Wundränder zusammenhält. Dieser Ritt wird nicht einfach für ihn sein. Doch er ist hart und zäh. Der Doc weiß genau, daß Jeff sich trotz der Streifwunde diesen Ritt zumuten darf. „Wir machen alles fertig zum Abritt für euch", spricht der Doc mit präziser Festigkeit. Er wirkt wie verwandelt. Seine Augen hinter der billigen Brille blitzen schärfer als zuvor. Sein Gesicht wirkt straffer und beherrschter. Es ist, als hätte er ein völlig neues Leben begonnen. Die Aufgabe beherrscht ihn völlig, und sie ist für ihn wohl ein Ersatz für jede andere Art von Stimulans. Bisher hatte er wohl bestimmte Erinnerungen immer wieder mit Alkohol betäuben müssen, doch dann hatte er mit einer Art von Selbsterhaltungstrieb eine andere Möglichkeit erkannt. Er faßte ein großes Ziel, und jetzt geht er darin auf. Jeff und Reb bleiben mit Judith zurück. Das Mädchen sagt nun ruhig und schlicht: „Jeff, ich glaube, daß ihr auch dann zurückkommen würdet, wenn Ollie nicht hier bleiben müßte. Auch ihr seid längst von der Möglichkeit gepackt und werdet von ihr in einem Bann gehalten, etwas Großartiges vollbringen zu können. Das geht jetzt allen hier so. Der Doc hat dieses Feuer entfacht. Wir alle wollen hier etwas vollbringen - auch ihr, Jeff und Reb. " Jeff betrachtet sie ernst. „Und du?" Er fragt es bedächtig. „Ich werde dir wohl noch einmal um den Hals fallen und dich zum zweitenmal zum Abschied küssen", erwidert sie. Er nickt. „Ich glaube", murmelt er, „dies bringt mir Glück. Du bist schon ein bemerkenswertes Mädchen, Judith. " Drei Tage später liegt Phoenix vor ihnen - ohne daß sie von den Kilroys etwas gesehen haben. Reb sagt heiser: „Ich verstehe das nicht. Sollte es möglich sein, daß sie gar nichts von unserem Ausflug erfahren haben und deshalb noch glauben, das Gold wäre in Golden Cruz?" Jeff schüttelt den Kopf. „Die Kilroys sind keine Narren, besonders ihr Onkel Hogjaw Haggarty ist ein erfahrener Wolf. Sie werden bestimmt einen Beobachter zurückgelassen haben. Dieser Beobachter muß uns gesehen haben. Die Kilroys wissen mit ziemlicher Sicherheit Bescheid. Darauf können wir uns verlassen. Aber die Kilroys können sich vielleicht ausrechnen, daß wir zwar das Gold fortbringen, doch das Geld, welches wir für das Gold erhalten, nach Golden Cruz zurückbringen müssen. " Die Adams-Brüder reiten wachsam die Hauptstraße entlang. Da und dort vor den primitiven Saloons und Hotels stehen Männer, die mit scharfen Augen beobachten.
Die Adams-Brüder spüren, wie man sie abschätzt, ihre Pferde betrachtet und gewiß leicht feststellen kann, daß ihre drei Packpferde keine umfangreichen Lasten tragen und dennoch schwer beladen sind. In vielen Hirnen kommt nun wohl die Erkenntnis, daß es sich um Gold oder zumindest um Erz handeln könnte. Die Adams halten schließlich vor der Phoenix-Bank an. Nun ist einigen Beobachtern schon mehr klar. Jeff geht hinein. Der Angestellte betrachtet ihn, schätzt ihn ab. Jeff ist sehr stoppelbärtig, staubig und mitgenommen von dem rauhen Ritt. „Was kann ich für Sie tun?" Dies fragt der Angestellte etwas hochmütig. Vielleicht hält er Jeff für einen Mann, der um einen Kredit bitten möchte. „Ich habe fast zweihundert Kilo Gold und möchte es dieser Bank verkaufen", erklärt Jeff. „Holen Sie den Direktor. " Es dauert nur etwa eine halbe Minute, dann kann er seine Wünsche dem Direktor wiederholen. Und zwei Minuten später sehen er und Reb zu, wie die Leute der Bank die Packtaschen mit dem Gold in die Bank schleppen. Aber fünf Minuten später sind auch der Sheriff und der Town Marshai zur Stelle und wollen Fragen stellen. Auch ein Goldprüfer wurde geholt. Jeff und Reb haben es sich im Büro des Bankleiters in den besten Sesseln bequem gemacht. Jeff zieht das Schreiben der Stadt Golden Cruz aus der Tasche. Er sagt ruhig: „Das Gold gehört der Stadt Golden Cruz. Es stammt aus einer reinen Ader, welche man fand, als der Brunnen auf dem Marktplatz einstürzte. Wir haben den Auftrag, dieses Gold an die nächstbeste Bank zum Marktpreis zu verkaufen. Aber es steht alles in unserem Beglaubigungsschreiben. Lassen Sie bitte sofort das Gold prüfen, wiegen Sie es und geben Sie uns dann eine Quittung. Mein Bruder und ich, wir werden dann erst einmal zwei Tage schlafen. Während dieser Zeit können Sie das Bargeld beschaffen - Münzen und nicht zu große Scheine. Wir nehmen es mit nach Golden Cruz. Dort wird es benötigt, denn es gibt dort reichlich Kupfer- und Silbervorkommen. Alles soll nun . . . " Jeff hält den Männern einen kleinen Vortrag darüber, was alles in Golden Cruz in Gang kommen soll. Denn er weiß, daß sich alles herumsprechen wird und sich eine Menge Leute für Golden Cruz interessieren wird. Zwei Stunden später liegen Jeff und Reb in den Betten eines recht guten Hotels, und auch ihre fünf Pferde bekamen im Mietstall einen guten Platz. In Jeffs Brieftasche, die er mit dem Revolver unter seinem Kopfkissen liegen hat, befindet sich eine Quittung über hundertfünfundachtzig Kilo Gold.
Und die Bank hat sich verpflichtet, dieses Gold zum derzeitigen Handelspreis zu kaufen.
Dies wird auch ein recht gutes Geschäft für die Bank, da der Ein- und Ankaufspreis natürlich unter dem
wirklichen Wert des Goldes liegt.
Es war Mittag, als sie sich hinlegten.
Sie schlafen bis zum nächsten Morgen.
Dann lassen sie sich einen kleinen Happen Essen auf das Zimmer kommen.
Denn sie können den rasenden Hunger nicht aushallen.
Nun nehmen sie sich reichlich Zeit zum Verschönern ihres Äußeren.
Sie rasieren sich geduldig und verschwenden viel Wasser, welches ihnen der schwarze Hausbursche
willig auf das Zimmer schleppt, nebst einer ziemlich großen Holzwanne, in die sie sich sogar mit
angezogenen Beinen hineinsetzen können.
Aber indes sie dies alles tun, denken sie nicht ohne Sorge darüber nach, wie es denn nun weitergehen soll.
Denn es wird nicht einfach sein, rund zweihunderttausend Dollar nach Golden Cruz zu bringen.
In dieser Stadt hier wissen schon sehr viele Leute davon, daß sie eine große Menge Gold aus Golden Cruz
brachten.
Nicht wenige Glücksritter sind jetzt gewiß schon unterwegs nach Golden Cruz.
Das ist immer so, wenn irgendwo Gold gefunden wird.
Doch andere Männer werden jetzt aufpassen, was weiter geschieht.
Es wird nicht nur fast unmöglich sein, sich mit etwa zweihunderttausend Dollar unbemerkt auf den Weg
nach Golden Cruz zu machen.
Es wird auch überaus gefährlich sein.
Reb sagt, indes er sich die nassen Haare sorgfältig kämmt, so als wollte er zu seiner Braut gehen: „Diese
Knilche in Golden Cruz haben uns was aufgeladen, als könnten wir Wunder vollbringen.
Es wäre besser, das Geld hier auf der Bank zu lassen und es in kleinen Beträgen nach Golden Cruz
bringen zu lassen.
Es werden doch ohnehin bald Postkutschen und Frachtwagen zwischen Golden Cruz und Phoenix
verkehren.
Da könnte man doch.
.
.
" „In Golden Cruz braucht man viel Geld - zumindest hunderttausend Dollar auf einmal", unterbricht ihn
Jeff.
„Wir müssen uns etwas einfallen lassen, Bruder.
Denn die Leute in Golden Cruz wol len irgendwelche Ausreden und Entschuldigungen nicht gelten
lassen.
Ollie ist bei ihnen.
Doch selbst wenn er nicht bei ihnen wäre, so reizt mich doch die Aussicht auf die Zukunft.
Golden Cruz könnte genauso wachsen und aufblühen wie diese Stadt hier.
Und wir wären dort als Teilhaber mit beteiligt und dabei.
Reb, für solch eine Chance muß man etwas wagen!" ' „Ja", sagt Reb, „und dann ist auch noch dieses
Mädchen Judith, nicht wahr? Sie hat dich geküßt, und du glaubst, daß du ihr etwas bedeutest.
Jetzt würdest du dir für Golden Cruz die Haut abziehen lassen, nicht wahr? Denn das Mädel war- tet auf
dich.
Du bringst ja auch ihren Anteil mit.
" Jeff sagt nichts zu diesen etwas sarkastisch klingenden Worten des Bruders.
Er verläßt das Zimmer und geht die Treppe hinunter.
Drunten in der Halle warten einige Männer.
Es sind der Agent der Post- und Frachtlinie, der Leiter eines großen Store, der seine Waren in alle
entfernten Gegenden sendet, und es sind auch Männer da, die wie Ingenieure und Minenleute wirken.
Sie alle wollen Auskünfte.
Bei ihrer Ankunft hatten Jeff und Reb auch einige Briefe der Stadt Golden Cruz zum Versand gegeben
oder an die Postund Frachtgesellschaft, den großen Store und andere Unternehmen oder Geschäfte verteilt.
Jeff erteilt nun Auskünfte, indes Reb langsam aus der Hotelhalle auf die Straße tritt.
Reb hört Jeff noch sagen: „Ja, wir brauchen fast alles in Golden Cruz und zahlen bei Lieferung in bar.
Wenn ich hier einen Versandstore hätte, wie Sie, Mister, dann würde ich morgen schon einige
Wagenladungen unterwegs haben.
Und schon heute müßte die erste Extrapost abgehen.
Es wird sich wahrhaftig lohnen, einige Pferdewechsel-Stationen zu errichten, damit die Überlandkutschen
nicht länger als siebzig bis achtzig Stunden unterwegs sein müssen.
Gewiß, Gentlemen, Golden Cruz wird eine lebendige Stadt.
Zweihunderttausend Dollar Anfangskapital werden genügen, um einige Minen anzukurbeln.
Später dann werden Kupfer- und Silbertransporte rollen.
Es geht nicht nur hier in Phoenix voran, Gentlemen.
Nutzen Sie Ihre Chancen!" Reb hört das alles durch die offene Tür.
Er grinst bei der Erkenntnis, daß Bruder Jeff für Golden Cruz spricht, als wäre er dort der Bürgermeister.
Er wird noch ein großer Geschäftsmann und seßhaft werden, denkt Reb.
Dieses rothaarige und grünäugige Mädel hat ihm irgendwelche geheimen Fesseln angelegt.
Reb blickt scharfäugig umher.
Er ist bis zur Ecke des Bankhauses gegangen und lehnt sich nun gegen die Hauswand.
Er holt sich seinen Tabak hervor und sucht nach einem Blättchen.
Aber er findet keins, und so geht er hinüber zu einem Saloon.
Er verlangt außer den Zigarettenblättchen auch ein Glas Bier und leert es fast in einem Zug.
Als er sich dann mit dem braunen Seidenpapier die Zigarette dreht, kommen zwei Männer herein.
Sie sind noch staubig und sattelmüde.
Er erkennt sie sofort.
Denn es sind Männer, die oft genug mit den Kilroys reiten.
Es sind Ringo Jenkins und Patala, der gewiß zu einem Viertel ein Apache und Comanche ist.
Sie kommen zu ihm und stellen sich zu seinen Seiten an den Schanktisch.
So glauben sie, ihn eingekeilt zu haben.
Sie verlangen ebenfalls Bier, und sie prosten ihm dann zu, als sie es bekommen haben.
„Wir sahen uns lange nicht, Reb", sagt Ringo Jenkins.
„Yeah, ihr hattet es so eilig", murmelt Täte Patala, indes es in seinen schmutzfarbenen Augen aufglüht.
„Kommt zur Sache, Jungens, kommt zur Sache!" murmelt Reb und bläst ihnen den Rauch in die
Gesichter.
„Wir müssen euch helfen", erklärt Ringo Jenkins.
„Doch ihr werdet dies vielleicht nicht so recht einsehen wollen.
Aber es ist so, daß jetzt schon eine Menge von Banditen darauf wartet, bis ihr mit dem Geld nach Golden
Cruz zurückreitet.
Mehr als eine Bande wird versuchen, euch und das Geld zu bekommen.
Dies können wir natürlich auf gar keinen Fall zulassen! Die Kilroys und die McClellans erheben als
Entschädigung für ihre toten Brüder Anspruch auf das ganze Geld.
Deshalb müssen Täte Patala und ich euch beistehen.
Kannst du das begreifen, Reb?" „Es ist verrückt", sagt Reb.
„Die Banditen beginnen, einander die Augen auszukratzen und die Zähne einzuschlagen.
Es ist verrückt, und ihr seid verrückt.
" Sie lächeln ihn an, so freundlich, wie sie nur können.
„Du weißt etwas noch nicht, Freund Reb, und auch dein Bruder weiß es noch nicht.
Aber es könnte eure Entscheidung vielleicht sehr beeinflussen.
Die Stadt Golden Cruz ist in den Händen der Kilroys und McClellans.
Sie haben die paar Bürger, sie haben deinen Bruder Ollie, und sie erzwangen, daß man sie als Teilhaber
in die Golden-Cruz-Minengesellschaft aufnahm.
Sie bilden die Polizeitruppe dieser Stadt.
Abe Kilroy wurde zum Stadtmarshal ernannt, und wenn die Zeit gekommen ist, wird man Hogjaw
Haggarty gewiß zum Sheriff wählen.
Auf euch wartet man sehnsuchtig.
Man v/ird euch als liebe Heimkehrer empfangen.
Wir selbst kamen erst vor einer Stunde hier an und sind recht müde.
Wartet mit dem Heimritt, bis wir ausgeschlafen haben.
Ihr werdet unsere Hilfe wahrhaftig nötig haben.
" Sie stellen ihre Biergläser ab und gehen hinaus.
Reb aber faßt sich an den Kopf und versucht zu verarbeiten, was sie ihm mitteilten.
Und wie er es auch drehen mag, es kommt immer darauf hinaus, daß die Kilroys und deren Anhänger
offensichtlich die Stadt Golden Cruz in ihren Händen und sich als Teilhaber in das große Geschäft eingekauft haben. Aber was kann man dagegen tun? Gibt es hier eine Möglichkeit, Gesetzesvertreter um Hilfe zu bitten? Aber als er sich die Frage stellt, kann er sich auch schon mit einem glatten Nein die Antwort geben.
In ganz Arizona gibt es kaum noch ein Gesetz, höchstens in den Städten innerhalb der Stadtgrenzen. Diese Städte liegen wie Inseln in einer von Piraten und Haien verseuchten See. Reb weiß das alles, wie es jeder Mensch in Arizona weiß. Für Golden Cruz gibt es keine Hilfe. In Arizona müssen sich die Städte selbst helfen. Das ist überall so. Und so wird sich auch Golden Cruz selber helfen müssen. Reb Adams ist wie betäubt. Er geht hinaus und sieht seinen Bruder drüben aus dem Hotel kommen. Er winkt ihm zu, geht zu ihm hinüber und berichtet ihm die Neuigkeit. Sie stehen an einem Tränketrog, und Jeff starrt auf das Wasser und beobachtet eine Fliege, die hineingefallen ist und nun hilflos zappelt. Nach einer Weile sagt Jeff: „Die Kilroys und deren Freunde haben sich also mit Gewalt in das Geschäft eingekauft, welches Golden Cruz in Gang gebracht hat. Vorerst wird keine Gefahr sein, denn sie müssen sich sehr anständig benehmen. Sie dürfen nichts tun, was den Zulauf stören könnte. Ich bin sogar überzeugt, daß sie für eine Weile mit den Bürgern von Golden Cruz auskommen und wirklich Hand in Hand arbeiten werden. " Er verstummt wieder und blickt nachdenklich die Straße entlang, so als könnte er dort am Ortseingang irgendwelche Dinge erkennen. Dann sagt er wieder: „Dies hat sich bestimmt Hogjaw Haggarty ausgedacht. Bevor sie unsere Verfolgung aufnehmen konnten, wurde ihnen bekannt, was in Golden Cruz geplant wurde und schon in Gang geriet. Wir müssen in Golden Cruz einen Verräter haben, der all unsere Besprechungen, Abmachungen und Pläne umgehend den Kilroys zur Kenntnis brachte. Ihr Onkel Hogjaw Haggarty ist ein schlauer Wolf. Er erkannte sofort die große Chance. Sie nahmen sich die Stadt, und die Bürger sind in ihrer Hand und haben keine andere Wahl, als sie mit in das Geschäft hineinzunehmen. Vielleicht brachten es die Kilroys sogar fertig, Vertrauen zu gewinnen. Die Bürger von Golden Cruz aber setzen darauf, daß bald die Menschen in die Stadt und in das Land strömen werden und die restlichen und gutgearteten Menschen in der Überzahl sein würden und man sich der Kilroys dann entledigen könnte. Aber wie es auch sein mag. Reb, wir müssen mit dem Geld nach Golden Cruz. Es gibt gar keine andere Möglichkeit. Denn es geht nun nicht mehr nur um Ollie, sondern um die Bürger von Golden Cruz, die unsere Partner sind. Wir müssen mitmachen. Ich wette, daß die Kilroys uns mit scheinheiliger Freundlichkeit begegnen werden. Denn sie können vor all den vielen Neuankömmlingen nicht mit Schießereien oder gar Mord beginnen nicht mit uns, die wir doch das Geld und Betriebskapital nach Golden Cruz bringen und deshalb hochangesehen werden von allen Leuten dort. Wir werden morgen mit dem Geld und diesen beiden Banditen Ringo Jenkins und Täte Patala nach Golden Cruz aufbrechen. " Es ist eine Menge Geld, und als sie es am späten Nachmittag des nächsten Tages auf die Packpferde laden, da sehen etwa hundert Menschen zu. Es sieht wirklich so aus, als wären Jeff und Reb Adams allein losgeritten, um die gewaltige Summe Geld nach Golden Cruz durchzubringen. Sie reiten bald darauf am Fluß entlang nach Westen. Aber als dann die Nacht kommt und die Dunkelheit niederfällt, als ließe ein gewaltiger Riese schwarze Riesentücher fallen, da schwenken sie zum Fluß ein.
Sie erreichen eine Furt und lenken, ohne zu zögern, ihre Tiere hinein.
Ihr Abritt war genau festgesetzt, so daß sie bei Anbruch der Nacht diese Furt erreichen konnten.
Das Wasser des Salt River reicht den Pferden nur bis unter die Bäuche.
Drüben auf der anderen Seite der Furt wartet Ringo Jenkins.
„Es ritt eine Menge Reiter nach Westen", sagt er.
„Bis sie herausfinden, daß wir uns jetzt südlich des Flusses befinden, haben wir einen ganz hübschen
Vorsprung.
Doch irgendwann müssen wir über den Fluß zurück, nicht wahr? Er drängt uns sonst zu weit nach Süden
ab.
" „Sicher", erwidert Jeff nun kühl.
„Wir reiten einen großen Umweg.
" Sie lassen die Pferde wieder traben.
Bald darauf stoßen sie auch auf Täte Patala, der voraus erkundet hatte.
Patala lacht kehlig.
„Wir sind wahrhaftig ein merkwürdiger Verein, nicht wahr? Mit einem Male sind wir Partner, und die
Kilroys wollen sogar auf Ollies Skalp verzichten. Was mich betrifft, so hätte ich nie geglaubt, daß ich so ruhig und gelassen neben zweihunderttausend Dollar reiten könnte. Hattet ihr selbst denn nicht den Wunsch, mit diesem Berg Geld zu verschwinden und die Dummköpfe von Golden Cruz darum zu betrügen?" In seiner Frage ist ein deutlich spürbares Lauern.
„Hast du den Wunsch, Patala?" Reb fragt es grimmig.
„Vielleicht! - Schließlich kämen fünfzigtausend Dollar auf jeden von uns, nicht wahr?" „Ihr seid
vielleicht ein Verein", murmelt Reb.
„Reitet weiter - Täte Patala voraus - und du, Ringo, ein Stück zurück als Nachhut!" befiehlt Jeff.
Sie gehorchen.
Bald darauf reiten die beiden Brüder wieder allein mit dem Geld.
Reb sagt über die Schulter: „Dies ist die verrückteste Sache, die es gibt.
Und was ist, wenn diese Revolverhelden den Auftrag haben, uns zu erledigen und an unserer Stelle das
Geld nach Golden Cruz zu bringen?" „Diesen Auftrag haben sie wahrscheinlich auch wirklich", erwidert
Jeff kurz.
„Doch es hat damit noch eine Weile Zeit.
Wir müssen einen großen Umweg durch die Wüste machen.
Und überall werden wir von Banditen und Apachen bedroht.
Ich glaube, daß sie uns erst kurz vor Golden Cruz zu überrumpeln versuchen, weil wir dann fast am Ziel
sind.
" Sie entfernen sich noch in dieser Nacht vom Fluß, erreichen jedoch am Morgen den Gila und haben
ziemlich viel Mühe, einen Übergang zu finden, denn überall ist Treibsand.
Als sie endlich drüben sind, rasten sie bis zum Nachmittag.
Sie halten scharf Ausschau, doch sie erblicken in der Ferne nur einmal eine Indianer-Sippe, die nach
Süden zieht.
Sie rasten noch einmal gegen Abend und bleiben dann wieder die ganze Nacht im Sattel.
Am nächsten Morgen erreichen sie den großen Bogen des Gila River, und das Land in weiter Runde
scheint leer und ohne jedes Leben. „Heute abend brauchen wir Glück", sagt Jeff ruhig. „Wir setzen nach Anbruch der Dunkelheit über und reiten dann nach Nordwesten zu durch die Hügel. Wir brauchen Glück, weil wir sonst im Treibsand des Flusses versinken. " „Oh, ich kenne dort eine Übergangsmöglichkeit", grinst Täte Patala. „Ihr werdet aber doch eure Lassos zusammenbinden müssen. Ich werde mir das Ende um die Brust binden. So könnt ihr mich herausziehen, sollte ich mich irren in der Nacht. Aber ich werde den Vorreiter machen, weil ich mich dort unten wohl am besten von uns allen auskenne.
Seht ihr, welch eine gute Hilfe wir euch sind? Ihr und die Stadt solltet den Kilroys und ihrem guten Onkel Hogjaw wirklich dankbar sein, nicht wahr? Sie schickten euch ihre besten Männer zur Hilfe. " Reb klatscht dankbar in die Hände. „Wenn unsere gute, alte Oma noch lebte, sie würde euch gewiß ein Paar selbstgestrickte Socken schenken und in ihr tägliches Gebet einschließen. " Patalas Gesicht wird böse. „Ich glaube", murmelt er, „daß ich dir bald einige Zähne einschlagen werde, du Witzbold. " „Nur nicht streiten", mischt sich Ringo Jenkins ein. „Wir haben den Auftrag, den Adams-Brüdern wie gute Kameraden zu helfen und keinen Streit anzufangen. Wir alle gehören doch jetzt zu Golden Cruz und sind brüderliche Partner. " „Darf ich die Edlen auf die Stirn küssen?" Dies fragt Reb mit übertriebener Ergriffenheit. Da schnappt Patala nach dem Revolver. Doch er erstarrt, nachdem er die Waffe halb aus der Halfter hat. Denn Jeff Adams zog schneller als er, viel schneller. Täte Patala und Ringo Jenkins sind Fachleute, und sie wissen auch genau, daß sie sehr schnell sind mit dem Revolver. Doch jetzt sahen sie einen Mann ziehen, der es mit den wenigen ganz Großen aufnehmen könnte. Sie wirken plötzlich so, als hätten sie eine besondere Witterung in die Nasen bekommen. „Täte ist etwas aufbrausend und hitzköpfig", sagt Ringo Jenkins mild. „Er muß sich erst an Reb gewöhnen. Denn Reb meint es in seiner spöttischen Art nicht so. Reb ist ein prächtiger Bursche, mit dem es Freude macht, durch diese schöne Welt zu reiten. " Nach diesen Worten löst sich die Spannung. Als es dunkel ist, reiten sie zum Fluß hinunter. Ringo Jenkins hatte Täte Patala am frühen Nachmittag abgelöst, so daß auch Patala etwas Schlaf bekam. Nun verlassen sie die Uferhügel und erreichen bald darauf das Flußufer und die Treibsandzone. Sie binden ihre Lassos zusammen und geben Patala das Ende. Er bindet es um seine Brust und reitet weiter. Offenbar hatte er nicht übertrieben, denn obwohl der Treibsand hier gefährlich ist, findet er nach kurzer Suche in der dunklen Nacht die richtige Stelle und führt sie alle durch den sandigen Fluß hinüber. Nur einmal versinken die Pferde ziemlich tief im Treibsand und werden ängstlich und nervös. Dann sind sie alle wohlbehalten drüben. Sie reiten hinauf zum festen Ufer und setzen ihren Weg fort. Die Verfolger halten fluchend an. Sie sitzen auf müden Pferden. Ringo Jenkins, der zuletzt beobachtet hatte, ob jemand auf ihrer Fährte folgt, hätte diese Reiter sehen müssen, wäre er auch nur zwei Minuten länger auf seinem Posten geblieben. Doch das war eigentlich auch gar nicht nötig. Denn diese Reiter, die nun zum Fluß kommen, wagen sich jetzt in der Nacht nicht mehr hinüber. Deshalb fluchen sie auch so. Ihr Anführer sagt bitter: „Ich möchte um alles Geld dieser Welt nicht im Treibsand verrecken. Wir sind sicherlich nur um wenige Minuten zu spät gekommen. Sonst hätten wir noch sehen können, wo die Adams-Brüder mit dem vielen Geld übersetzten. - Kennt jemand von euch einen sicheren Überweg?" Keiner der anderen Reiter äußert Zustimmung. Eine Stimme sagt: „Die Adams-Brüder haben uns und einige andere Interessenten ziemlich geschickt an der Nase herumgeführt und nutzlos herumreiten lassen. Jetzt haben sie eine ganze Nacht Vorsprung, denn vor Tagesanbruch können wir es nicht wagen, nach einem Übergang zu suchen. Wir können aufgeben, Jungens! Alle Mühe war umsonst. " Es wird nun noch eine ganze Weile geflucht.
Jemand sagt dann noch bitter: „Ich würde mich noch schlimmer ärgern, wenn es einer anderen Mannschaft gelingen sollte, den Adams-Brüdern das viele Geld abzunehmen. " Sie reiten die ganze Nacht, und als der Morgen graut, halten sie wieder einmal an, um zu rasten. Jeff Adams sagt lässig: „Ich glaube, daß wir nun aus der Gefahrenzone heraus sind. Wir haben durch unseren Zickzackkurs bestimmt einige Banden aus Phoenix, die hinter uns her waren oder irgendwo auf uns lauerten, erfolgreich genarrt. Wir verloren zwar viel Zeit und ritten Umwege, doch die Banden verloren noch mehr Zeit beim Suchen nach unseren Fährten und deren Verfolgung. - Nun gut, wir. . . " Er macht eine kleine Pause - gerade so lange, bis er seinen Revolver herausgeschnappt und auf die überraschten Ringo Jenkins und Täte Patala gerichtet hat. Dann spricht er weiter: „ .
.
.
können nun auf eure tätige Mithilfe verzichten.
Wir nehmen daher eure Waffen in Verwahrung.
So läßt es sich besser und ohne jede Sorge reiten.
Wir brauchen dann nicht so sehr auf euch zu achten, als wenn ihr bewaffnet wäret.
" Er spricht recht freundlich.
Ringo Jenkins und Täte Patala aber erwidern seine Freundlichkeit ganz und gar nicht.
Sie wirken vielmehr ganz so, als hätte man sie mit einem Pantoffel geohrfeigt.
Dann holt Täte Patala Luft, um zu fluchen und zu drohen.
Doch Ringo Jenkins sagt nun schnell: „Bleib ruhig, Täte! Ich weiß ja, daß du es nicht so meinst und ein
offenherziger und prächtiger Bursche bist. Aber niemand kennt dich so gut wie ich. - Schweig also!" Als er Täte Patala somit erst einmal zur Ruhe gebracht hat, blickt er die Adams-Brüder an und schüttelt traurig den Kopf, so als wäre er bis in den tiefsten Kern seines Herzens enttäuscht und traurig. „Freunde, das könnt ihr doch nicht mit uns machen", sagt er.
„Wir sind doch echte Kameraden geworden und haben so gut zusammengehalten.
Täte Patala hat uns sogar mitten in der Nacht durch den gefährlichen Treibsand des Flusses gelotst.
Wie sehr wir euch vertrauen, beweist doch allein schon die Tatsache, daß du uns jetzt mit deinem
schnellen Revolverziehen wahrhaftig überrumpeln konntest. - Also . . . " „Du redest zuviel, mein guter, lieber Freund und Kamerad", unterbricht ihn Reb. „Wir wollen euch ja auch nicht die Haut abziehen, sondern betrachten euch auch weiterhin als gute Freunde. Ich hatte euch ja auch schon angeboten, eure Stirnen zu küssen. Dies tue ich doch nur, wenn ich mit wahrhaft echter Zuneigung erfüllt bin. Aber jetzt gebt eure Waffen her. Es könnte euch irgendwann, bevor wir in Golden Cruz sind, plötzlich zu jucken beginnen. Habt ihr denn immer noch nicht herausgefunden, daß wir keine Dummköpfe sind?" Sie sagen nichts mehr, knirschen nur noch mit den Zähnen oder schnaufen, als wären sie dem Ersticken nahe. Reb holt sich ihre Waffen und bringt sie in den Satteltaschen unter. „Nun können wir weiter", sagt Jeff und steckt seinen Revolver fort. Sie betrachten ihn. „Du bist schnell mit dem Revolver", sagt Ringo Jenkins. „Doch ich kenne drei Männer, die schneller sind: Abe Kilroy, Hogjaw Haggarty und Don McClellan.
- Die sind schneller. Und sie werden .
.
.
" Er verstummt, denn er hat erkannt, daß es nicht gut ist, in seiner Wut zu schimpfen.
Zwei Tage später - es ist an einem besonders heißen Mittwoch und schon später Nachmittag - haben sie
es geschafft.
Bis nach Golden Cruz sind es nur noch zwei Meilen.
Sie halten an, und Jeff sagt zu Ringo Jenkins und Täte Patala: „Nun müßt ihr ein Stück zu Fuß laufen.
Da wir nicht wissen, wie freundlich uns die Kilroys empfangen, möchten wir ihnen nicht auch noch
Verstärkung in die Stadt bringen.
Es wird nicht schaden, wenn ihr erst später ankommt.
Und wenn ihr nicht zu langsam lauft, so kommt ihr zum Abendbrot noch zurecht.
" „Dafür legen wir euch um", sagt Täte Patala kehlig.
„Ihr habt uns unsere Hilfe schlecht gelohnt.
Eines Tages .
.
.
" Er verstummt und würgt die anderen Worte, die sich ihm mit Macht über die wulstigen Lippen drängen
möchten, wieder herunter.
Ringo Jenkins sagt gar nichts.
Doch seine wasserhellen Augen glitzern nun gelblich.
Er ist weiß unter der braunen Haut geworden und beißt die Zähne zusammen.
Seine dünnen Lippen wirken blutleer.
„Es tut uns ja so leid", sagt Reb.
„Aber wir können doch nichts dafür, wenn man es richtig bedenkt, nicht wahr? Es ist der nackte und so
natürliche Selbsterhaltungstrieb, daß wir die Kilroys erst einmal auskundschaften müssen, bevor wir
zulassen können .
.
.
" .
„Oh, halte nur dein großes Maul!" keucht Täte Patala. „Von dir habe ich besonders genug!" Er rutscht vom Pferd, weil sein Freund Ringo Jenkins dies schon tat und sie auch gar keine andere Wahl haben. Kurz vor der Schlucht, durch die man in das Tal und nach Golden Cruz gelangt, holen die Adams-Brüder einen Wagenzug ein. Es ist ein sehr bunt gemischter Wagenzug. In einigen Wagen fahren Minenarbeiter mit ihrer spärlichen Habe. Es sind jedoch auch typische Farmerwagen darunter und solche, wie sie von den Siedlern und Auswanderern benutzt werden. Und dann fahren einige schwere Frachtwagen mit, in denen gewichtige Lasten verladen sind. Die Adams-Brüder überholen diesen Wagenzug im Trab, reiten in die Zugangsschlucht hinein und stellen fest, daß diese unbewacht ist. Golden Cruz ist also eine offene Stadt. Jeder kann hinein, die gutgearteten und auch die bösen Menschen - ganz so, wie sie kommen und dem Lockruf folgten, der von Golden Cruz ausging. Als Jeff und Reb Adams dann am jenseitigen Ende aus der Schlucht kommen, da halten sie an und staunen. Zehn Tage haben genügt, um Golden Cruz zu füllen, um all die verlassenen Häuser wieder wertvoll werden zu lassen. Vor der Stadt gibt es schon einige Wagencamps, und sogar Rinder- und Schafherden weiden in der Nähe. Denn viele Menschen brauchen eine Menge Fleisch.
Viele der einst verlassenen Häuser wurden bereits ausgebessert.
Es sind zumeist Adobe-Häuser, denn dies ist hier der übliche Baustoff.
Man hat sie zum Teil schon wieder weiß getüncht.
Aus vielen Kaminen quillt der Rauch, denn es geht nun auf den Abend zu.
Man bereitet das Abendessen.
Auf der Hauptstraße sind viele Fahrzeuge, Sattelpferde, Packtiere und Menschen zu sehen, je mehr Jeff
und Reb sich der Stadt nähern.
„Oha", sagt Reb staunend, „dies alles ist in diesem wilden Arizona möglich! Als wir fortritten, war
Golden Cruz eine verlassene Stadt, in der knapp zwei Dutzend resignierender Menschen lebte.
Und jetzt.
.
.
Oha, sieh dir das an, Bruder!" Jeff lächelt nur bitter und lüftet den Revolver in der Halfter.
Sie lassen nun Täte Patalas und Ringo Jenkins' Pferde zurück.
Die Tiere laufen zu einem Tränketrog, der vor der Schmiede steht, die das erste Haus am Stadteingang ist.
Aus der halboffenen Schmiede leuchtet roter Feuerschein in den Abend, und man hört die
Hammerschläge eines Vorschlaghammers und eines Handhammers.
Der Handhammer gibt den Takt an, und der Vorschlaghammer müht sich, diesem Takt zu folgen.
Dieser Rhythmus ist irgendwie bezeichnend für die neue Zeit, die hier angebrochen ist.
Doch diese neue Zeit hat auch die Kilroys hergebracht.
; Und Abe Kilroy soll sogar schon Marshai sein, der Town Marshai von Golden Cruz.
Jeff und Reb müssen nun stark daran denken, und sie vermögen es gar nicht richtig zu glauben, daß die
Polizeigewalt von Golden Cruz sich in den Händen eines Revolverhelden und Anführers einer Sippe
befindet, die als gewalttätig und ziemlich gesetzlos bekannt ist.
Wie wird dies nur ausgehen? Jeff und Reb reiten immer weiter in die Stadt hinein.
Bis jetzt hat noch niemand sie erkannt.
Doch dies ändert sich jäh.
Es ist der alte, einbeinige Windy Longfellow, der sie erkennt und einen schrillen Indianerschrei ausstößt.
„Hooiiyah! Yiiiippiiieeeeeya! - Da sind die Adams-Brüder! Leute, da kommen sie! Ich habe sie zuerst
gesehen! Die Adams-Brüder bringen uns das viele Geld! Seht, drei Packlasten Geld! - Sie haben es
geschafft! Geschafft haben sie es! - Leute, jetzt werdet ihr nie wieder bedauern, nach Golden Cruz
gekommen zu sein.
" Sein Geschrei tönt über die Straße, wird von anderen Leuten aufgenommen und weitergegeben.
Mit einem Male ist die ganze Stadt aus dem Häuschen.
Zu Dutzenden kommen die Menschen von allen Seiten herbeigelaufen.
All diese Menschen hier und die ganze Stadt haben offensichtlich während der letzten Tage nichts
anderes getan als darauf gewartet, daß die Adams-Brüder mit dem Geld kommen würden und nun endlich
hier in Golden Cruz alles richtig in Gang kommt.
Jetzt ist es soweit.
Jeff und Reb Adams haben bald darauf Mühe, vorwärtszukommen.
Auch wissen sie nicht recht, wohin sie sollen.
Aber Windy Longfellow ruft es ihnen zu: „Zum Marktplatz, Jungens! Reitet zum Marktplatz! Dort hat die
Golden- Cruz-Minengesellschaft im Stadthaus ihr Büro! Zum Stadthaus, Jungens!" Nun wissen sie wenigstens den Weg, und die Menschenmenge ist bereits mehr als hundert Köpfe stark. Es kommen immer noch Leute hinzu - aus den Saloons und Hotels, den Speisewirtschaften und Geschäften, Wohnhäusern und Gassen. Als die Adams-Brüder Golden Cruz mit dem Gold verlassen hatten, da gab es nur einen einzigen Saloon, den Papago- Saloon. Jetzt gibt es allein hier auf diesem Straßenstück bis zum Platz schon vier. All die alten Amüsierbetriebe, deren Häuser verlassen waren und verfielen, deren Inneneinrichtung man längst plünderte, die sind nun wieder geöffnet. Es ist eine Art Triumphzug, in dem man die Brüder bis vor das Stadthaus geleitet.
Man ruft sogar immer wieder, daß sie ewig leben sollen, gute Burschen wären und man ihnen das nie vergessen wurde. Ja, sie sind die Helden und guten Burschen. Man muß hier wirklich sehnsüchtig auf das Eintreffen des Geldes gewartet haben. Nun aber lohnen sich alle Investitionen und jede Arbeit. Man sieht sich nicht getäuscht. Deshalb ist die Dankbarkeit der Menge, die ab morgen schon bezahlte Arbeit finden wird, groß. Der Eintritt und die Ankunft der Adams-Brüder sind wirklich völlig ungefährlich. Selbst wenn die Kilroys Narren wären, die sich jetzt rächen und einen Kampf beginnen wollen, so käme es bestimmt nicht dazu. Im letzten Licht des Tages reiten Jeff und Reb Adams dann vor das Städthaus. Man hat dieses Haus ebenfalls ausgebessert und weiß getüncht. Es war früher schon Stadthaus, Gerichtsgebäude und Gefängnis. Jetzt wurde es wieder gebraucht. Vor dem Stadthaus aber stehen jetzt die meisten der Alt-Bürger und Stadträte. Vom Sattel aus erkennen Jef f und Reb Adams Doktor John Gerald, Bill Sanders, den Bürgermeister, Tom Anderson, Arch Harris, Charly Pool und Cane Lamm. Diese Männer sind auch die führenden Köpfe der Golden-Cruz-Minengesellschaft. Jetzt kommt noch Windy Longfellow dazu. Sie bilden eine geschlossene Gruppe, und sie wirken irgendwie verbissen und zugleich auch bedrückt. Neben ihnen steht Abe Kilroy, der Marshai von Golden Cruz. Als Jeff und Reb ihn sehen, als sie den Stern auf seiner Weste matt in der Abendsonne blinken sehen, da können sie das gar nicht glauben. Es erscheint ihnen wie ein Witz. Aber sie wissen, daß Abe Kilroy zwar allein dort steht, doch gewiß mehr als ein oder gar zwei Dutzend Revolverschwinger in der Stadt zur Verfügung hat. Sein Onkel Hogjaw Haggarty, sein Bruder Lewis, der damals verwundet wurde, Don McClellan und all die anderen Burschen sind nicht in der Nähe zu bemerken, so sehr Jeff und Reb auch Umschau halten unter all den vielen Gesichtern in weiter Runde. Abe Kilroy steht ganz allein neben den Stadträten, und er wirkt auf den ersten Blick ganz so wie der harte und schweigsame Marshai einer Stadt. Es ist auch nicht ungewöhnlich, daß sich eine Stadt wie diese einen solchen Revolverhelden als Marshai verpflichtet. Es wird still. Dann fragt Doktor John Gerald: „Jeff und Reb Adams, bringt ihr das Geld?" „Zweihunderttausendsiebenhundertundelf Dollar in Hartgeld und kleinen Scheinen", erwidert Jeff knapp Wieder ist es still. Dann sagt der Bürgermeister Bill Sanders: „Seid willkommen! Diese Stadt hat sehnsüchtig auf euch gewartet. Man hatte uns schon im Verdacht, daß wir all diese Menschen hier mit Lügen zu uns gelockt hätten. Willkommen, Jeff und Reb Adams! Steigt ab und bringt das Geld der Golden-Cruz-Minengesellschaft herein. Für eure müden Tiere wird man sorgen. " Zehn Minuten später liegt das Geld in einem massigen Geldschrank, der erst gestern mit einem der schweren Frachtwagen gekommen war und noch nicht bezahlt ist. Im Büro der Minengesellschaft herrscht eine zurückhaltende Stimmung. Jeff und Reb wissen jedoch, daß dies mit Abe Kilroys Anwesenheit zusammenhängt, der bisher schweigsam in der Ecke stand und nur zusah und zuhörte. Doktor John Gerald trägt nun die Summe des Betriebskapitals der Golden- Cruz-Minengesellschaft in das Hauptbuch ein. Dann sind sie fertig. Und Abe Kilroy tritt nun langsam vor.
Er wendet sich an Jeff und Reb Adams.
Seine Stimme klingt kühl.
„Wir hatten Streit", sagt er.
„Und wir Kilroys spielten etwas verrückt, nicht wahr? Doch wer kann uns das verdenken, wo wir doch
unseren guten Joey verloren hatten. Doch nun wollen wir alle vernünftig sein, nicht wahr? Wir haben alles vergessen, und wir haben unseren ganzen Einfluß und unsere ganze Kraft in den Dienst der Sache gestellt. Es macht Spaß, aus einer toten und fast schon verlassenen Stadt wieder eine lebendige Oase des Aufschwungs und der Zuversicht zu machen. Ich habe das Amt des Marshals übernommen, weil ich sicher bin, daß alle wilden Burschen dieses Landes auf mich hören. Solange ich Marshai bin, wird es in dieser Stadt und in ihrem Einflußbereich keine Gewalttätigkeiten geben. Alle Bürger werden in Frieden und Sicherheit leben. Die Stadträte dieser Stadt waren klug, als sie einen Kilroy zum Marshai machten. Wir wollen Frieden halten und nichts anderes tun, als diese Stadt und ein völlig neues County aufbauen. Keinen Streit mehr zwischen den Adams und uns! Wir haben euren Bruder Ollie nicht angetastet. Dies wäre ja auch ungesetzlich. - Das ist alles!" Er blickt Jeff und Reb Adams einige Sekunden lang an.
Sein hageres, hartes, etwas hohlwangiges Gesicht ist unbewegt und fast starr.
Ein rotblonder Schnurrbart verdeckt seinen Mund.
Er ist gewiß noch keine dreißig Jahre alt, doch er wirkt älter.
Das rotblonde Haar trägt er lang bis fast auf die Schultern, so wie es jetzt durch William Cody, den man
Buffalo Bill nennt, Wild Bill Hikkok, Jim Bridger, Kit Carson und andere Männer Mode wurde.
In seinen dunklen Augen, die so gar nicht zu seiner rotblonden Erscheinung passen wollen, ist nichts zu
erkennen.
Diese Augen sind wie zwei dunkle Fenster, hinter denen alles verborgen ist.
Er wendet sich plötzlich ab und geht hinaus.
Und als er draußen ist, sagt Windy Longfellow heiser: „Dieser Bandit, dieser scheinheilige Schurke! Sie
kamen in die Stadt und überrumpelten uns.
Sie erpreßten uns, zwangen .
.
.
" „Schon gut!" unterbricht ihn John Gerald.
Er blickt Jeff und Reb fest an.
„Wir rechnen weiterhin mit euch.
Die Kilroys haben eine ganze Bande in der Stadt, doch sie alle benehmen sich ohne jeden Tadel und
beteiligen sich am Aufbau.
Die Kilroys haben sogar eine Menge Geld investiert.
Sie eröffneten zwei Saloons, eine Spielhalle und ein Hotel mit Speiserestaurant.
Sie haben eine Menge Leute auf ihrer Lohnliste und sind eine Macht in dieser Stadt.
Und sie wollen diese Stadt ganz in ihren Besitz bringen.
Wenn sie sich groß und stark genug glauben, werden sie rauher ihre Ziele verfolgen.
Wenn dann hier die gutgearteten Menschen nicht entschlossen und mutiger sind als die bösen, so.
.
.
" „Noch ist jede wilde Stadt irgendwann einmal gezähmt worden", unterbricht ihn Jeff.
Und er fügt hinzu: „Sie müssen uns entschuldigen, Gentlemen.
Es drängt uns, unseren Bruder Ollie zu sehen.
Und wir bleiben natürlich in der Stadt.
Wir sind ja Teilhaber an der Golden- Cruz-Minengesellschaft.
" Reb geht schon zur Tür.
Jeff folgt ihm. Und von der Tür sagt er über die Schulter: „Unter den Alt-Bürgern von Golden Cruz gibt es einen Verräter. Die Kilroys wußten schon bald, was mit dem Geld geplant wurde und daß wir damit zurück nach Golden Cruz kommen würden. Sie wußten das alles früher, als es durch euch im Lande bekannt wurde. Denn einen Tag nach unserer Ankunft in Phoenix waren zwei von den Kilroy- Reitern da, die das alles schon wußten. Denkt mal darüber nach, wer den Kilroys alles, was hier beschlossen und geplant wurde, brühwarm erzählte. " Die Zurückbleibenden blicken sich gegenseitig an. Dann sagt John Gerald schwer: „Ja, so ist es! Jemand von uns Alt-Bürgern muß damals sofort Verbindung mit den Kilroys aufgenommen haben, um ihnen alles, was wir beschlossen hatten, zu berichten. Es gibt einen Alt-Bürger in der Stadt, der auf zwei Hochzeiten tanzen möchte. Die Kilroys und deren Anhang konnten schnell erkennen, daß diese Stadt ihnen eine ganze Menge Möglichkeiten zu bieten hat. Und so überrumpelten sie uns schon in der nächsten Nacht, besetzten die Stadt und zwangen uns, sie als Alt-Bürger und Teilhaber aufzunehmen. Und nun betrachten sie diese Stadt als eine Art Kuh, die sie ständig melken können und gewiß auch bis auf den letzten Tropfen melken werden. " Sein Blick richtet sich auf Windy Longfellow und von diesem auf Earl Barney, den Besitzer des PapagoSaloons. „Ihr zwei hattet damals in der Schlucht Wache", sagt er. „Ihr hattet die Kilroys und deren Mannschaft durch die Schlucht hereinkommen lassen. Seid ihr es gewesen, die eine Art Rückversicherung eingehen wollten und deshalb . . . " „Sie beleidigen uns, Doc!" sagt Earl Barney heiser und beleidigt. Er ist ein Mann wie ein Mehlsack, und er schwankt nun unbeholfen hinaus. Seine Glatze leuchtet weiß im Lampenlicht. Auch Windy Longfellow sagt: „Pfui, wie könnt ihr uns so etwas zutrauen! Ich gebe zwar zu, daß wir vielleicht nicht richtig aufgepaßt haben und die Kilroys uns deshalb ziemlich leicht wie Indianer überrumpeln konnten. Doch wir sind keine Rückversicherer und ließen uns deshalb nie mit den Kilroys ein. - Nie!" Auch er geht stapfend hinaus.
Die anderen Männer blicken zweifelnd auf die Tür, die sich hinter ihm und Earl Barney schloß.
„Ich glaube", murmelt Doktor Gerald, „daß sie beide in jener Nacht geschlafen haben, als sie die
Zugangsschlucht bewachen sollten. Und Barney wird Schnaps bei sich gehabt haben. Beide können sie ohne Schnaps nicht auskommen. Sie werden einen Schrecken bekommen haben, als die Kilroys über sie kamen. Und in ihrer Angst werden sie dann alles genau berichtet haben. Dies alles spielt nun keine Rolle mehr. Die Zeit wird es bringen, wie die Dinge sich weiterentwickeln. Was mich betrifft, so hoffe ich, daß die gutgearteten Menschen dann die überwiegende Mehrheit besitzen. " Jeff und Reb betreten das Hotel. Das Mädchen Judith Andersen erwartet sie in der Halle. Judith wirkt etwas blaß und sehr ernst. Doch bei Jeffs Anblick lächelt sie. Es ist das erlöste und warme Lächeln einer Frau, die lange in banger Sorge warten mußte und die nun erlöst ist und auch dankbar, weil sie alle ihre Gebete erhört glaubt.
Sie sieht Reb nur kurz an.
Dann aber hat sie nur Augen für Jeff.
Dieser tritt zu ihr und streicht langsam über ihr im Lampenlicht wie poliertes Kupfer leuchtendes Haar
und dann über ihre Wange.
„Es ist schön, dich zu sehen, Judith", spricht er ernst.
„Ich glaube fast, ihr seid eine Art Liebespaar, und zwar ein recht seltsames und etwas verschrobenes",
murmelt Reb, der schon auf der zweiten Treppenstufe steht.
Aber sie hören ihn gar nicht.
Sie sehen sich an, und sie wissen, daß sie diese Trennung brauchten, um sich richtig darüber klar zu
werden, was sie füreinander fühlen.
Jetzt, da sie sich wieder in die Augen blicken können, wissen sie es genau.
Es ist plötzlich völlig sicher spürbar.
Sie lächelt irgendwie erleichtert und tritt zur Seite.
„Euer Bruder wartet.
Geht schnell zu Ollie.
Es geht ihm gut.
Daran schon könnt ihr erkennen, wie lange ihr fort gewesen seid.
" Nun beeilen sie sich sehr, und sie springen wie zwei übermütige Jungen die Treppe hinauf, obwohl sie
sattelmüde und ausgebrannt sind von ihrem rauhen Ritt.
Ollie sitzt im Bett und grinst ihnen entgegen.
Doch in seinen Augen, die genau wie die seiner Brüder sind, ist ein ernster Ausdruck.
Er wirkt gereifter und älter als vor zwei Wochen.
Seine Not, die Tatsache, daß er nur knapp mit dem Leben davonkommen konnte, zwangen ihn wohl jetzt
die ganze Zeit, da er fieberfrei und untätig im Bett liegen mußte, zum Nachdenken über sich selbst und
seine Zukunft.
„Zieht mir nur die Ohren lang", sagt er.
„Ich weiß genau, daß ich nichts anderes verdient habe.
Doch vielleicht seid ihr, da ihr meine Brüder seid, etwas großzügig und gebt mir eine Chance.
" Sie setzen sich auf sein Bett und hören dann, daß sein Bein sicherlich bald zugeheilt sein und er in etwa
zwei Wochen die ersten Schritte mit Hilfe eines Krückstockes machen kann.
Der Doc hat es ihm versprochen.
Und er hält sehr viel von Doc John Gerald, mit dem er sich offenbar auch ziemlich oft unterhalten hat.
Dann sagt Ollie: „Erzählt mir, wie es war und wie es euch erging.
Und was die Kilroys betrifft, so werden sie mir eines Tages bestimmt die Haut abziehen.
Sie sind in dieser Stadt.
Sie beherrschen diese Stadt auf eine bestimmte Art.
Gestern war Lewis Kilroy hier.
Er hat sich von seiner Verwundung soweit erholt, daß er wieder herumlaufen kann.
Er sagte mir, daß ich nur nicht glauben solle, es wäre alles vergessen und vergeben.
Sie wollen in dieser Stadt nur keinen Wirbel machen, weil sie die Sheriffwahl gewinnen wollen und
überhaupt erst noch fester im Sattel sitzen möchten.
Doch dann .
.
.
Oh, er sagte mir, daß sie sich meinen Skalp schon noch nehmen werden, weil ich ihren guten Joey getötet
hätte.
Und auch eure Skalpe wollen sie haben, Brüder, ihr müßt mir eine Waffe geben.
Ich will hier bei mir im Bett einen Revolver haben.
" Jeff Adams sagt bedächtig: „Reb und ich, wir besitzen hier je einen Zehntausend- Dollar-Anteil, der sich wahrscheinlich verzehnfachen wird. Dafür lohnt sich schon ein Kampf, denke ich. " Und damit hat er eigentlich alles gesagt.
Die beiden Adams-Brüder tauchen erst am nächsten Nachmittag wieder im Leben und Treiben der Stadt auf. Sie sind frisch eingekleidet und wirken sehr ernst und zurückhaltend, als sie durch die Stadt schlendern und all die Veränderungen betrachten. Es gibt in Golden Cruz kein leeres Haus mehr. Selbst die baufälligen und halbverfallenen Gebäude sind nun bewohnt. Die Stadt erließ ein Gesetz, nach dem alle verlassenen Häuser Stadteigentum wurden. Dieses Eigentum wird nun an die Neu-Bürger verkauft oder verpachtet. Die Stadtkasse ist deshalb recht gut gefüllt, und so kann die Stadt einige Arbeitskräfte beschäftigen, die dabei sind, die Straßen und Gassen zu säubern, auszubessern, Unrat wegzuräumen und viele andere Dinge zu tun, die in einer ordentlichen Stadt nun einmal getan werden müssen. Überall wird gebaut, ausgebessert und gearbeitet. Überall entstehen Geschäfte, Läden, Werkstätten. Und für jede Konzession, die erteilt wird, bekommt die Stadt wiederum Geld. Doch sie wird eine Menge dafür tun müssen und gewiß auch tun. Jeff und Reb staunen ehrlich, indes sie durch die Stadt schlendern und sich alles ansehen. Was doch Glaube und Hoffnung der Menschen alles vollbringen. Die Nachricht, daß man in Golden Cruz mit zweihunderttausend Dollar Betriebskapital Kupfer- und Silbervorkommen ausbeuten, daß man eine Erzmühle und eine Schmelze errichten will, hat genügt, um Arbeitskräfte und Geschäftsleute herbeizuholen und natürlich auch jenes Gesinde! der Grenze, welches überall auftaucht, wo es Aufschwung gibt, wo der Dollar leichter rollt und wo man sich irgendwelche Begierden erfüllen und Sünden begehen will. Die Adams-Brüder staunen aber auch über die Alt-Bürger dieser Stadt, die all die Jahre hoffnungslos resigniert und tatenlos gewartet hatten, die zu feige waren, in eine andere Stadt zu gehen und dort neu zu beginnen und die nun mächtig in Gang kommen, über sich hinauswachsen und einfach nicht wiederzuerkennen sind, so als hätte jemand ihnen einen völlig neuen Geist eingehaucht. Diesen Jemand gibt es! Es ist Doktor John Gerald. Er ist die Seele und die Antriebskraft. Dieser Mann hat ganz plötzlich mit seinem Säuferdasein Schluß gemacht und mit einem Male einen Lebensinhalt gefunden. Warum? Was ist der wahre Grund, daß ein Mann sich so ändern konnte? Jeff und Reb wissen nun auch, daß die Kilroys und deren Anhang schon jetzt eine führende Machtstellung im Vergnügungsleben der Stadt besitzen. Ihnen gehören: 1. der Golden-Cruz-Saloon, 2. die Gentlemen-Hall, 3. der Paradiesvogel-Saloon, 4. das Imperial-Hotel, 5. die Tip-Top-Spielhallen. All diese Amüsierbetriebe sind natürlich noch nicht richtig renoviert und wieder eingerichtet. Sie werden noch eine Menge Geld und viel Arbeit investieren müssen. Doch daß sie verstanden haben, von der Stadt all diese Häuser pachten oder kaufen zu können, sichert ihnen eine Machtstellung besonderer Art in der Stadt. Sie werden all die Berufsspieler, Kartenspieler, Bankhalter und Croupiers, die in jeder wilden Stadt eine Gilde für siel) sind, in der Hand haben. Dazu kommen die Hauspolizisten und Barmänner der Saloons, die zusammen eine ziemliche Streitmacht bilden. Was nicht weniger wichtig ist, ist die Tatsache, daß die Kilroys und deren Anhang mit Hilfe der Saloons, der Tanzund Amüsiermädchen und der Barmänner ständig die Daumen am Puls der Stadt und des Landes halten können. Es wird nichts geschehen, was sie nicht sofort erfahren. Und wenn sie eine große Menschenmenge für irgendwelche Dinge begeistern wollen, so können sie Freibier und Freiwhisky ausschenken lassen. Dies alles sind unbestreitbare Vorteile. Nun erst wird richtig klar, warum sie darauf verzichtet hatten, zweihunderttausend Dollar zu erbeuten, und sich lieber diese Stadt nahmen.
Aber werden sie diese Stadt wirklich beherrschen und melken können wie eine Kuh? Diese Frage stellen
sich Reb und Jeff Adams auch.
Als sie die Ecke des Golden-Cruz- Saloons erreichen, tritt dort Abe Kilroy aus der Gasse hervor.
Er lächelt kalt, und seine dunklen Augen glitzern wie zwei nasse und schwarze Kirschen.
Sein Bart verdeckt etwas dieses kalte Lächeln.
Und seine Stimme schnurrt samten, als er sagt: „Eine feine Stadt wird das.
Habt ihr euch schon draußen umgesehen? Man errichtet die Erzmühle nur zwei Meilen von hier.
Und in zwei alten Goldminen wird jetzt schon mit einer Belegschaft von zusammen mehr als zweihundert
Mann gearbeitet.
Nur sucht man jetzt nicht nach Gold, sondern fördert Kupfer- und Silbererz.
In wenigen Wochen schon wird man die ersten Wagenladungen reinen Kupfers und Silbers verkaufen.
Und das wird auch nötig sein, denn die zweihunderttausend Dollar reichen nicht ewig.
Die sind eines Tages alle.
Und .
.
.
" „Dein Bruder Lewis hat unserem Bruder Ollie gedroht, und er hat auch Miß Judith Anderson ziemlich
schlimm beschimpft und beleidigt.
" Mit diesen Worten unterbricht ihn Jeff Adams ruhig.
Abe Kilroys Texanerbart sträubt sich wieder.
Er zeigt darunter grinsend seine Zähne.
In seinen dunklen Augen sind nun heiße Lichter zu erkennen.
Der Haß strömt fast körperlich von ihm aus und prallt wie ein heißer Atem gegen die Adams-Brüder an.
„Ich weiß", sagt Abe Kilroy.
„Und alles, was mein Bruder Lewis sagt, ist wahr und richtig.
Wir werden euch die Haut abziehen, sobald dies ohne großes Aufsehen möglich ist.
An eurer Stelle würde ich mit Ollie fluchtartig aus der Stadt verschwinden.
Doch das verträgt wohl euer Stolz nicht?" „Nein", erwidert Jeff Adams langsam.
„Wir werden hier in Golden Cruz bleiben müssen, um euch bei der ersten Gelegenheit aus der Stadt zu
jagen.
" „Versucht es mal!" sagt Abe Kilroy und geht davon.
Jeff und Reb blicken ihm nach.
„Dies ist eine ziemlich verrückte Situation", sagt Reb.
„Wir sind nicht stark genug, um die Kilroys aus dieser Stadt jagen zu können.
Bruder, wir stecken in einer üblen Klemme.
Ich verstehe kaum noch, wie Männer wie der Doc und all die anderen Alt-Bürger an die Zukunft dieser
Stadt glauben können, wie sie den Mut finden, eine Erzmühle, eine Schmelze und all die vielen anderen Dinge zu bauen. " „In vielen Städten fing es so ähnlich an", murmelt Jeff. „Überall gab es die Guten und die Bösen. " Sie gehen weiter, gelangen zum Stadteingang und lauschen auf die klingenden Hammerschläge aus der Schmiede. „Wir müssen noch nach unseren Pferden sehen", murmelt Jeff. „Man hat den Mietstall wieder aufgemacht. - Komm, Bruder!" Bald darauf gehen sie durch die breite Einfahrt von der Straße in den Hof des alten Mietstalles. Auch hier ist schon seit vielen Tagen ein Pächter an der Arbeit. Jeff und Reb können in dem Halbdunkel die ersten Boxen erkennen. Stroh leuchtet gelb, und Pferde stehen ruhig da. Dies ändert sich jedoch schnell. Doch zuerst bewegt sich Jeff.
Er stößt Reb zur Seite und wirft sich zu Boden, rollt in die andere Richtung, liegt dann still und hält seinen Revolver in der Hand. Denn als er in Bewegung geriet, krach- ten aus dem dunklen Ende des Mietstalles zwei Gewehre. Eine der Kugeln fuhr durch Jeffs Kleidung. Als er sich über den staubigen Boden rollt, wirbelt er eine Menge Staub auf. Er wartet mit schußbereitem Colt auf ein neues Aufleuchten der Mündungsfeuer, will sie sich als Ziel für einen raschen Schnappschuß nehmen. Doch die heimtückischen Gegner im Hintergrund des Stalles sind erfahren und schlau. Sie wissen wohl auch zu genau, daß sie es mit gefährlichen Gegnern zu tun haben. Sie riskieren keine weiteren Schüsse, zumal die Adams-Brüder nun flach am Boden liegen und der Staub wirbelt. Vielleicht haben sie auf die am Boden liegenden Ziele kein gutes Schußfeld dort drinnen im Stall. Dann wird eine der kleinen Hintertüren aufgestoßen. Nun wird dort im kleinen und helleren Rechteck die Gestalt eines Mannes sichtbar. Es sind nur Sekundenbruchteile. Doch der Mann schnellt sich durch diese Hintertür, will aus dem Stall hinaus, um flüchten zu können. Auf diesen Sekundenbruchteil hat Jeff gewartet. Er schießt blitzschnell und kann nicht erkennen, ob er getroffen hat. Denn der Mann, der sich durch die Hintertür schnellte, gerät sofort wieder aus seinem Blickfeld. Doch es muß noch ein zweiter Mann im Stall sein. Die Hintertür steht jetzt offen. Jeff kann nun genau auf sie zielen, braucht nicht darauf zu warten, daß sie sich öffnet und er sie gewahr wird. Aber was wird der zweite Mann tun? Sein Kumpan und Partner konnte entkommen. Er aber steckt in der Falle. Denn er kann sich ausrechnen, daß sich einer der Adams-Brüder ziemlich schnell zur anderen Seite des Stalles begeben wird. Er kommt dann nicht mehr heraus. Sie haben ihn in der Falle. Also muß er durch die Hintertür, muß es wagen. Jeff hört Reb grimmig rufen: „Ich laufe um den Stall nach hinten! Den bekommen wir, Bruder!" Reb erhebt sich dann. Er taumelt etwas. Offenbar wurde er von einem der heimtückischen Gewehrschützen getroffen. Doch er kann nicht schlimm verwundet sein. Sonst würde er nun nicht um den Stall laufen, um den Hinterausgang zu sperren. Es kommt jedoch gar nicht mehr dazu. Der Mann dort drinnen wagt es nun. Er wirft sich durch die schmale Hintertür, auf deren helles Rechteck Jeff Adams zielt. Jeff braucht nur abzudrücken. Der Mann fällt in der Tür zusammen. Sein Oberkörper liegt draußen, doch seine Füße sind noch im Stall. Er konnte nicht entkommen. Jeff erhebt sich und läuft durch den Stallgang nach hinten. Als er bei dem Mann ist, taucht auch Reb auf. Er blutet am linken Oberarm. Die Brüder betrachten den Mann, der nicht entkommen konnte. Es ist Ringo Jenkins. Er ist tot. „Also war der andere Bursche Täte Patala", knirscht Reb. „Sie hatten sich ausgerechnet, daß wir nach unseren Pferden sehen würden. Deshalb hatten sie sich im dunklen Hintergrund des Stalles versteckt und auf uns gewartet.
" „Genau", nickt Jeff. „Ich erkannte jedoch eine schattenhafte Bewegung. Ich handelte instinktiv, als ich dich zur Seite stieß. Aber die beiden Heckenschützen glaubten sich entdeckt und feuerten zu schnell. " Der entkommene Heckenschütze muß sich nach links gewandt haben. Dort fand er überall zwischen alten Gebäuden Deckung, konnte in die Seitengasse und in die Stadt hineingelangen. Die Adams-Brüder bewegen sich nach links. Nach etwa zehn Schritten finden sie die erste Spur. Es sind kleine, dunkle Kugelchen, Blutstropfen, die sich zu Kügelchen rollten, als sie in den feinen Staub fielen, der die festgestampfte Oberfläche der Erde bedeckt. „Er muß an der Hand oder am Unterarm verwundet sein", murmelt Reb grimmig. „Diese Fährte wird leicht zu verfolgen sein. Den Burschen bekommen wir. " Im Golden-Cruz-Saloon herrscht noch kein Betrieb, als Täte Patala keuchend durch die Hintertür hereinstolpert. Es ist auch schon ziemlich dunkel hier. Schon bald wird man die Lampen anzünden müssen. Es ist etwa ein Dutzend Männer zugegen. Zwei stehen am Schanktisch und trinken Bier. Der Barmann würfelt mit ihnen. An einem Tisch in der Ecke sitzen fünf Mann beim Poker. Hogjaw Haggarty beobachtet dieses Spiel mit einiger Besorgnis, denn der Spieler, dem Hogjaw Haggarty gegen Gewinnbeteiligung den Spieltisch vermietete, verliert allmählich sein ganzes Spielkapital. Haggarty sieht nun Täte Patala hereinkommen. Täte Patala gleitet zum Ende des Schanktisches. Sein rechter Arm hängt kraftlos nieder. Haggarty kann erkennen, daß der Hemdsärmel am Unterarm gerötet ist oder vielmehr dunkelgefärbt von Blut. Jemand kommt nun durch die Vordertür von der Straße herein und ruft in den Saloon: „Beim Mietstall wurde geschossen. Man soll den Adams-Brüdern einen Hinterhalt gelegt haben. " Der Mann verläßt nach diesen Worten wieder den Saloon. Im Saloon ist es nun still. Man hört Täte Patalas heftiges Keuchen. Er muß rasch gelaufen sein. Und er versteckt seinen blutenden Arm, indem er seine rechte Seite zur Wand dreht und nur seine linke Seite zeigt. Alle im Saloon anwesenden Männer betrachten Täte Patala. Patala aber blickt zu Hogjaw Haggarty herüber. Es ist ein stummer, hilfesuchender Blick. Haggarty steht an der Treppe an der Rückwand des Saloons, die nach oben führt. In dem Winkel, den sie bildet, steht der Pokertisch. Haggarty erwidert Patalas hilfesuchenden Blick unpersönlich und abweisend. Man könnte denken, daß er Patala überhaupt nicht kennt. Täte Patala seufzt vernehmlich, ganz wie ein Mann, der keine Hoffnung mehr hat. Er wendet sich an den Barmann. „Nick, ich möchte deine Schrotflinte. Gib mir die Schrotflinte, die unter dem Schanktisch liegt. Nick, ich werde verfolgt und kann nur mit Hilfe der Schrotflinte mein Leben erhalten. " Der Barmann blickt zu Haggarty herüber. Dieser schüttelt kaum merklich den Kopf.
Patala sieht es ebenfalls, und er sagt bitter: „Das ist gemein von dir, Haggarty. " „Geh aus meinem Saloon raus", spricht Haggarty kalt. „Das ist gemein von dir, Haggarty", wiederholt Patala. Er hat offenbar Kraft sammeln können. Denn er stützt seine gesunde Linke auf den Schanktisch und flankt mit einem geschmeidigen Satz hinüber. Dabei tritt er dem Barmann kräftig gegen die Brust, so daß dieser gegen ein Flaschenregal fällt und die Flaschen herausfallen, auf ihn stürzen und zum Teil auch am Boden zerschellen. Täte Patalas Ziel ist die Schrotflinte, die Nick unter dem Schanktisch griffbereit liegen hat. Für Täte Patala, der nur noch einen Arm gebrauchen kann und Furcht hat, ist dies die einzige Chance. Auch kann er hinter dem Schanktisch Deckung suchen. Er bekommt die Schrotflinte in die Hand. Aber noch bevor er sie auf die Hintertür richten kann, durch die nun Jeff Adams in den Saloon schnellt, da kracht Haggartys Revolver. Ja, er hat indes blitzschnell gezogen und trifft Patala in den Kopf. Haggarty sagt in die Stille: „Er wollte dich mit der Schrotflinte abknallen, Jeff Adams. Ich glaube, du verdankst mir das Leben. - Oder hättest du eine Chance gegen zwei Ladungen Indianerschrot gehabt?" Jeff Adams betrachtet ihn wortlos. Durch die Vordertür kommt Reb herein. Beide haben die Revolver in der Hand. Hinter Reb drängen nun viele Männer von der Straße herein. Auch Abe Kilroy, der Marshai, ist dabei. Am nächsten Tag gibt es eine Leichenschau. Die Jury wird zum größten Teil aus Alt-Bürgern gebildet. Man bescheinigt Hogjaw Haggarty, daß er aus Notwehr handelte, um Jeff das Leben zu retten. Und auch den Adams-Brüdern bescheinigt man, in berechtigter Notwehr auf Ringo Jenkins geschossen und diesen getötet zu haben. 'Die Stadt Golden Cruz hat die ersten zwei Toten. Jeff und Reb Adams bekommen in den nächsten Tagen viel Arbeit. Die Golden- Cruz-Minengesellschaft, zu deren Gesellschaftern sie ja selbst gehören, gibt ihnen den Rang von „Sonderbeauftragten", und sie haben als solche überall dafür zu sorgen, daß es nirgendwo Stockungen gibt und alle Arbeiten im Fluß bleiben. Inzwischen kamen auch genügend Ingenieure, Vorarbeiter, Arbeiter. Es kam reichlich Material, unter anderem auch Schienen, Schwellen, Kipploren. All diese Dinge müssen aussortiert und zu den richtigen Stellen gebracht werden. Man hat auch schon damit begonnen, den Golden-Cruz-Creek umzuleiten, um sich seine Wasserkraft nutzbar zu machen. Es gibt in diesen Tagen eine Menge Verdruß für die Adams-Brüder. Denn unter all den fremden Arbeitern sind viele Raufbolde und Unruhestifter. In den Arbeitercamps außerhalb der Stadt wird immer wieder Schnaps eingeschmuggelt, betrinken sich die wilden Burschen und gibt es Streit. Die Adams-Brüder müssen manchmal auf eine sehr rauhe Art Frieden stiften und Unruhe verhüten. Und dennoch macht ihnen ihre Arbeit eine Menge Spaß, denn jeden Tag gibt es irgendwelche besonderen Aufgaben. Und immer wieder staunen sie über Doktor John Gerald, der seinen Beruf als Arzt aufgab und sich ganz der Geschäftsleitung der Minengesellschaft widmet. Es sind indes zwei andere Ärzte gekommen, von denen einer von der Minengesellschaft angestellt wird. Doktor Gerald ist nicht wiederzuerkennen. Er wirkt straffer, energischer, zielbewußter und ganz wie ein Boß, der alles übersehen und lenken kann. In seinen Augen ist ein Feuer von Vitalität. Man weiß, daß er keinen Tropfen Alkohol mehr trinkt.
Was nur hat diesen Mann, der heruntergekommen war und an einen watschelnden Seehund erinnerte, so
verändert? Es muß ganz gewiß irgendein Geheimnis sein.
Doch sein Beispiel wirkt ansteckend auf all die anderen Alt-Bürger und Teilhaber der Minengesellschaft.
Obwohl die Stadt wild und hektisch wird, hält Abe Kilroy als Marshai Ordnung, doch er hat es nicht
schwer, da ihn ja die ganze Kilroy-Partei, die von Hogjaw Haggarty und Lewis Kilroy geführt wird,
unterstützt.
Die Gilde der Spieler, die Barmänner und Hauspolizisten der Amüsierbetriebe, sie alle unterstützen den
Marshai.
Es gibt deshalb kaum Falschspiel und Betrug.
Golden Cruz ist zwar wild, und man kann schnell sein sauer verdientes Geld loswerden, doch es ist
immer noch eine faire Stadt.
Allmählich bereitet man sich auf die Sheriffswahl vor, und es beginnen sich zwei starke Parteien zu
bilden.
Die eine Partei will Hogjaw Haggarty zum Sherif f.
Und die andere Partei hätte gerne Jeff Adams für dieses Amt verpflichtet.
Es ist an einem Sonntagmorgen, als Jeff Adams mit Judith Andersen am Frühstückstisch sitzt.
Sie hat sich zu ihm gesetzt, und die Sonne leuchtet durch das Fenster herein und auf die Blumen in der
Vase, die Judith auf den Tisch stellte.
Sie betrachtet Jeff immerzu forschend.
Dann sagt sie schlicht: „Ich habe dich die ganze Zeit kaum zu Gesicht bekommen, Jefferson Adams.
Du bist hagerer geworden.
Ich wette, daß du bald nur noch aus Knochen, Muskeln und Sehnen bestehen wirst.
Und wenn du dann immer noch nicht aufhörst, überall rastlos tätig zu sein, so wirst du eines Tages in
einem Flintenlauf baden können.
- Hast du mich verstanden?" Er lächelt und nickt: „Ich müßte öfter ein solch prächtiges Frühstück bekommen", sagt er. „Und überdies bin ich dabei, meinen Zehntausenddollaranteil zu vergrößern. Denn ich will dir etwas bieten, mein Mädel. Wir werden eines Tages die alte Ranch meiner Eltern wiederaufbauen und noch Land dazukaufen. Kleine Kälber und Fohlen sind fast die schönste Sache auf der Welt. " „Und was ist die schönste Sache?" Sie fragt es sofort.
»Du bist es", sagt er schlicht.
In ihrem Blick ist eine Menge Wärme und Freude.
Es tut ihr gut, so mit ihm einmal beisammensitzen zu können.
Doch dann fallen ihr wohl wieder all die Probleme ein.
Es ist, wie wenn ein Schatten vor ihre Augen fiele.
„Sie wollen dich zum Sheriff machen", sagt sie ernst.
„Aber die andere Partei will Hogjaw Haggarty zum Sheriff.
Dies ist ein erstes Kräftemessen.
Jetzt wird es sich zeigen, ob die Gutgearteten geschlossener und zahlreicher sind als die Bösartigen.
- Jeff, ich habe Angst.
Dieser Wahlkampf wird immer härter.
In der vergangenen Nacht hat Hogjaw Haggarty in allen Saloons Freiwhisky ausschenken lassen und
Reden gehalten. Zum Schluß haben sie ihm alle zugejubelt und ihn hochleben lassen. Was wird er tun, wenn er Sheriff wird? Und was wird er tun, wenn du Sheriff werden solltest? Ich glaube, daß es in jedem Falle Verdruß geben wird. " Jeff nickt. „Und das Betriebskapital der Golden- Cruz-Minengesellschaft ist schon fast aufgebraucht", sagt er. „Wir können nur noch einmal Löhne zahlen. Die Salonbesitzer und Geschäftsleute haben einen großen Teil dieses Geldes in ihren Kassen. Besonders die Kilroys haben gut verdient.
Doch sie waren schon vorher keine armen Leute, da sie drüben in Mexiko immer wieder große Viehherden stahlen und dann hier in Arizona verkauften. Es wird jetzt gefährlich, Judith! Die Minengesellschaft muß schon bald rentabel werden - oder sie muß Geld aufnehmen. Ich weiß, daß die Kilroys nur darauf warten. " Judith nickt, als er dies gesagt hat.
„Ja, man ist schon an meinen Vater herangetreten.
Jemand wollte seinen Anteil an der Golden-Cruz-Minengesellschaft kaufen.
Als er ablehnte, sagte der Interessent, daß er sich die Sache noch einmal reiflich überlegen solle.
Denn wie leicht könnte meinem Vater etwas zustoßen und wie schnell ging schon manche
Minengesellschaft pleite.
Es waren versteckte Drohungen.
Jeff, ich mache mir große Sorgen.
Manchmal denke ich schon, daß es besser gewesen wäre, wenn der Doc nicht all diese großen Dinge in
Gang gebracht hätte.
Jeder von uns würde zehntausend Dollar erhalten haben - jetzt aber wurde alles bis auf den letzten Cent
ins Spiel geworfen, ja, wie ein Spiel, wenn der Einsatz in der Tischmitte liegt und man nicht weiß, welche
Karten man bekommen wird.
" Jeff Adams erwidert nicht sogleich.
Er trinkt nachdenklich seinen Kaffee.
,,Ja, so ist es wohl", murmelt er dann.
Er hebt den Kopf, als Reb in das Frühstückszimmer des Hotels hereinkommt.
Reb wirkt grimmig und erregt.
„Es geht los", sagt er und läßt sich von Judith eine Tasse Kaffee geben.
„Zwei von den Alt-Bürgern und Gesellschaftern der Minengesellschaft haben verkauft und sind in der
vergangenen Nacht fort. Hörst du, Jeff, sie haben ihre Anteile verkauft! - Und was meinst du, wer diese Anteile jetzt hat?" Jeff denkt nach. Da Abe Kilroy Marshai ist und Hogjaw Haggarty Sheriff werden möchte, bleiben nur noch Lewis Kilroy und Don McClellan übrig. Jeff sagt daher: „Lewis und Don, nicht wahr?" „Richtig", sagt Reb. „Ich weiß nicht, wie sie es fertiggebracht haben, auf jeden Fall aber doch sicher mit massiven Drohungen und Erpressung. Diese Alt-Bürger hier sind in ihrem Kern doch keine harten Kerle. Sie versagen, wenn es richtig hart zu werden droht. Nachdem die Kilroys sich schon die halbe Stadt in die Taschen steckten, fangen sie nun mit den Anteilen der Minengesellschaft an. Und wenn es ihnen gelingt, die Mehrheit zu bekommen, dann . . . " „Wir haben von Anfang an gewußt, daß es zu einem Kampf kommen wird", unterbricht ihn Jeff ruhig. Als er sieht, daß Judith leicht zittert, schwächt er etwas ab: „Doch wir werden Unterstützung finden. " Am Mittag reiten Jeff und Reb hinaus zu der Silverstar-Mine. Obwohl es Sonntag ist, ruht hier die Arbeit nicht ganz. Es werden einige wichtige Sprengungen vorgenommen. Die Adams-Brüder reiten dann weiter zur Erzmühle und zur Schmelze. Als sie dort ankommen, können sie die ersten Silberbarren bewundern. John Gerald und die meisten Alt-Bürger sind versammelt. Es herrscht eine zufriedene und zuversichtliche Stimmung, die sich auch dann nicht wandelt, als Reb mitteilt, daß zwei Gesellschafter ihre Anteile verkauften und fortgezogen sind. Diese Männer hier sind zu glücklich über die Silberbarren. Doktor John Gerald sagt: „Wir haben das Silber zu Fünfzig-Kilo-Barren gegossen.
So kann man es nicht einfach in die Tasche stecken. Denn wenn wir es jetzt transportieren, so werden wir mit Banditen rechnen müssen. " Er wendet sich an Reb. „Wollen Sie das Silber mit Hilfe einer ausgesuchten Mannschaft transportieren? Jeff kann nicht mehr weg von Golden Cruz, Jeff muß hier sein, wenn man den Sheriff wählt. Doch wir können keinen Tag länger auf den Erlös für das Silber warten. Wir brauchen das Geld so schnell wie möglich. " Reb spürt alle Augen auf sich gerichtet. Er begreift sofort, was da von ihm verlangt wird. „Leute", sagte er ruhig, doch mit unverkennbarer Bitterkeit, „ihr macht mir vielleicht eine Menge Spaß. Erst vertraut ihr uns Adams euer Gold an und verlaßt euch darauf, daß wir Bargeld nach Golden Cruz bringen. Und nun wiederholt sich alles mit Silber. Was ist, wenn ich es nicht schaffe? He, was ist, wenn es mir nicht gelingt, das Geld durchzubringen?" Sie betrachten ihn schweigend, und er weiß genau, sie sind in der Klemme. Die Golden-Cruz-Minengesellschaft braucht Bargeld, oder sie muß aufhören, bevor sie überhaupt richtig anfangen konnte. Es ist schon ein Wunder, daß es die Ingenieure fertigbrachten, jetzt schon reines Silber zu gewinnen. Dies konnte nur mit primitivsten Behelfsmitteln gelingen. Doch sie schafften es. Nun aber muß das Silber genau wie damals das Gold nach Phoenix geschafft und verkauft werden. Reb schaudert leicht, als er daran denkt, daß alles von ihm allein abhängen wird. „Ihr bürdet mir eine Verantwortung auf", murmelt er, „die ich nicht tragen kann. Von mir und meinen Begleitern würde es abhängen, ob die Golden-Cruz- Minengesellschaft es schafft oder pleite geht. " Sie sehen ihn an und nicken. „Es gibt keine andere Möglichkeit", sagt John Gerald. „Wir alle müssen hier unsere Aufgaben erfüllen. Und wir müssen überdies auch noch mit all unserem Einfluß im Wahlkampf wirksam sein. Wir sind unentbehrlich. Auch Jeff ist unabkömmlich. Reb, Sie müssen sich einige tüchtige Begleiter mitnehmen. Es gibt genügend gute Männer unter unseren Angestellten, die noch nicht lange genug im Einwohnermeldebuch registriert sind, um wahlberechtigt zu sein. Sie können mit Ihnen reiten, Reb. Und auf Ihre Stimme werden wir sicherlich verzichten können. Auf eine einzige Stimme wird es gewiß nicht ankommen. " „Warum eigentlich nicht?" Dies fragt Reb. „Es wäre ein schlechter Witz, wenn es vielleicht doch auf eine einzige Stimme ankommen würde. Paßt nur auf, daß nicht noch mehr von euch unter Druck gesetzt werden und ihre Anteile verkaufen, um dann still und heimlich bei Nacht zu verschwinden. Vielleicht fehlt euch plötzlich eine ganze Menge Stimmen. Aber ich will es versuchen. Ich verspreche euch, daß ich nach besten Kräften versuchen will, euch nicht zu enttäuschen. " Reb bricht schon zwei Stunden später auf. Die Ledergehänge der Postkutsche wurden verstärkt, und sie haben überdies noch zwei Reserveräder und einige Sack Hafer mit. Die Pferdewechselstationen der Postgesellschaft sind noch sehr weit auseinander, so daß sie unterwegs mehrmals anhalten und die Tiere verschnaufen lassen müssen. Reb sitzt neben dem Fahrer auf dem Bock. Er hat sein Sattelpferd hinten an der Kutsche angebunden. Vor der Kutsche reiten drei hartgesichtige Männer.
Und hinter der Kutsche folgen nochmals drei Reiter. Ob sie zuverlässig sein werden, dies wird sich noch erweisen. Alles in allem ist es ein ziemlich riskantes Abenteuer, in welches Reb Adams sich da einläßt - und mit ihm die Golden-Cruz-Minengesellschaft. Eine Menge Leute sieht zu, darunter auch Abe Kilroy, dessen Bruder Lewis, sogar Hogjaw Haggarty und Don McClellan. Und auch Ollie steht unter den vielen anderen Zuschauern. Ollie kann sein Bein noch nicht sehr belasten. Deshalb benutzt er eine Krücke. Doch er trägt wieder einen Revolver. Und er wirkt sehr viel reifer, ernster und stiller als zuvor. Früher war er schon auf den ersten Blick als ein wilder, rotköpfiger, verwegener Bursche erkennbar, der immer wieder Spaß daran fand, verrückte Dinge zu wagen und die Welt herauszufordern. Jetzt hat er sich in seiner ganzen Art verändert. Als sich die Menge auflöst, spürt er Lewis Kilroys heißen Blick auf sich. Er fühlt den Anprall des Hasses, den besonders Lewis Kilroy gegen ihn hegt, wie den Anprall eines heißen Atems. Aber er erwidert Lewis Kilroys Blick fest und ruhig. In den nun folgenden Tagen kommt der Wahlkampf richtig in Gang. Die Kilroys und deren Anhänger stellen Hogjaw Haggarty immer wieder als einen überragenden Mann heraus, und es gibt in all den Saloons und Amüsierhallen, die sie besitzen oder zumindest kontrollieren, immer wieder Freibier und Freiwhisky, wenn jemand von ihnen eine Rede hält. Es werden allerlei Gerüchte in Umlauf gebracht. Eines davon lautet, daß die Golden-Cruz-Minengesellschaft bald keine Geldmittel mehr hätte und die Kilroys und deren Interessengruppe dann die Golden-Cruz-Minengesellschaft übernehmen würden. Also wäre es gut, sich jetzt schon mit den Kilroys gutzustellen. Denn sie werden nachher natürlich nur treue Anhänger beschäftigen oder mit ihren Aufträgen bedenken. Man wirkt mit diesen Gerüchten also nicht nur auf die vielen Arbeiter ein, sondern auch auf die Handwerker und Geschäftsleute der Stadt. Doktor John Gerald und dessen Gruppe sind natürlich ebenfalls tätig. Besonders John Gerald hält einige bemerkenswerte Reden und entwickelt den Zuhörern ein Bild der Zukunft, und er spricht vor allen Dingen von Redlichkeit und Treue. Jeff Adams ist für alle Leute der Mann, der das Gold der Stadt nach Phoenix brachte und mit zweihunderttausend Dollar wieder zurückgekommen war. Er ist für alle Leute ein Mann, dessen rechtschaffene Ehrlichkeit außer jedem Zweifel ist. Und dies ist wahrscheinlich allein schon das volle Gegengewicht für alle Reden und Anstrengungen der Kilroys, denen man allerdings bescheinigen muß, daß sie ihre Lokale auf eine faire Art führen und auch Abe Kilroy als Townmarshal erstklassig seine Pflicht erfüllt. Man kann also schon jetzt sagen, daß der Ausgang der Wahl sehr offen ist. Nur wenige Stimmen werden den Ausschlag geben. So geht es bis Freitag. Reb Adams wird mit dem Silber jetzt wahrscheinlich schon in Phoenix angekommen sein. Die Arbeiter und Angestellten der Golden-Cruz-Minengesellschaft bekommen an diesem Freitag noch einmal ihren Lohn. Doch es ist das letzte Geld. Als die Post- und Frachtlinie an diesem Tag eine ziemlich hohe Rechnung präsentiert, muß Doktor John Gerald die Post- und Frachtlinie um einige Tage Geduld bitten. Nun wird es bald jedem Menschen in der Stadt klar, daß die Golden-Cruz- Minengesellschaft auf den Erlös für das Silber genau so sehnlich wartet wie damals auf den Erlös für das Gold. Es werden an diesem Abend sogar noch Wetten abgeschlossen, ob Reb Adams es schaffen wird oder ob ihm die Banditen, von denen es eine ganze Menge im Lande gibt und die bestimmt schon Bescheid wissen, einen Strich durch die Rechung machen.
Und dann geschieht an diesem Abend noch etwas.
Eigentlich ist es schon Nacht - die Nacht von Freitag zu Samstag.
Ein Mann kam auf einem grauen, hageren Pferd in die Stadt, nahm sich im Imperial-Hotel ein Zimmer
und legte sich zur Ruhe, obwohl es erst Mittag war.
Am Abend ging dieser Mann zum Postbüro und fragte nach einem postlagernden Brief, der unter dem
Decknamen Rosalia dort auf ihn wartete.
Mit diesem Brief ging der Mann in sein Hotelzimmer zurück und öffnete ihn.
Er entnahm diesem Brief tausend Dollar und einen Zettel.
Auf diesem stand ein Name: Jeff Adams.
Mehr nicht.
Der Mann nahm das Geld, brachte es in seiner Brieftasche unter und verbrannte den Zettel.
Dann machte er sich auf die Suche nach Jeff Adams.
Der Mann ist nur mittelgroß und nicht mehr jung.
Er trägt zwei Revolver und hat ein faltiges Gesicht mit zwei wasserhellen Augen.
Sein Haar ist an den Schläfen schon grau, und seine Lippen sind so schmal und blutleer, daß sein Mund
wie die feine Narbe eines Messerschnittes wirkt.
Dieser Mann hat einen sehr traurigen Ruhm.
Sein Name ist Lee Starr.
Man hält ihn zuerst stets für einen unscheinbaren Mann.
Erst später findet man heraus, daß er ein bezahlter Mordbandit ist.
Aber dann ist er zumeist schon wieder fort.
Und er wird nicht einmal steckbrieflich gesucht.
Denn er läßt den Gegner zuerst zum Revolver greifen.
Es ist eine Stunde vor Mitternacht, als dieser Lee Starr auf Jeff Adams stößt.
Jeff kommt aus dem Büro der Golden- Cruz-Minengesellschaft.
Die Ingenieure von der Red-Mountain- Mine hatten Bericht erstattet und versichert, daß man jetzt,
nachdem man in der Silverstar-Mine schon mit der Silberförderung zu Erfolgen kam, auch mit der
Kupferförderung beginnen könnte.
Alle Voraussetzungen wären jetzt erfüllt.
Die Erzmühle und die Schmelze müßten jetzt in Tag- und Nachtschichten arbeiten und es müßte ein
Wagenpark zur Verfügung stehen.
Man hatte dann lange über all die Dinge diskutiert und beschlossen, das Kupfer zu sammeln, bis man
einen starken Frachtwagenzug damit beladen und auf die Reise schicken könne.
Es war spät geworden.
Jeff Adams ist einer der ersten Männer> die heimgehen.
Als er die Fahrbahn überqueren will und ihre Mitte erreicht hat, ruft ihn von hinten die Stimme eines
Mannes an: „Sind Sie Jeff Adams?" Jeff wendet sich, und er sieht einen Mann aus dem Schatten einer
Gassenmundung treten.
Er ist äußerlich ein recht unscheinbarer Mann, dessen Anzug etwas zu weit und zu reichlich wirkt.
„Ich bin Jeff Adams", sagt er zu diesem Manne, der einige Schritte vor ihm verhält.
„Was wünschen Sie, Mister?" Der Mann - es ist Lee Starr - lacht leise und sagt dann trocken: „Jeff
Adams, ich warte schon eine Weile auf Sie.
Man sagte mir, daß Sie im Büro der Golden-Cruz-Minengesellschaft eine Besprechung hätten.
Und man beschrieb mir auch, daß Sie groß und hager seien.
" „Was wollen Sie?" Jeff Adams fragt es nun bedächtiger, ahnungsvoller.
Denn inzwischen spürt er den Atem einer Gefahr, die von diesem so unscheinbar wirkenden Mann
ausgeht, so als wäre es ein Raubtiergeruch.
Wieder lacht Lee Starr leise.
Er fragt: „Was muß ich tun, damit Sie Ihren Revolver ziehen, Jeff Adams?" „Wir kennen uns nicht.
-Wer sind Sie? - Und warum möchten Sie einen Revolverkampf mit mir?" Jeff Adams stellt diese Frage
ganz ruhig.
Man spürt, daß er nicht mehr überrascht ist - auch nicht erschrocken oder gar furchtvoll.
„Ich bekomme tausend Dollar für diesen Kampf - das heißt, ich habe sie schon erhalten. Denn ich bin Lee Starr, der zuverlässigste Mann in diesem Geschäft. - Ziehen Sie Ihren Colt, Adams!" Jeff Adams atmet langsam ein, und er braucht auch nicht erst zu fragen und nachzudenken, welches Geschäft Lee Starr meint. „Sie gemeiner Mörder", sagt er. „Sie betreiben das Töten wie ein Geschäft. Wollen Sie mir nicht wenigstens verraten, wer Sie angeworben und Ihnen tausend Dollar gezahlt hat?" „Diskretion gehört zu meinen Grundsätzen", erklärt Lee Starr. Er fährt fort: „Was wollen Sie noch, Jeff Adams? Ich trete Ihnen offen entgegen. Ich nannte Ihnen meinen Namen. Und ich warte, bis Sie den Revolver ziehen. Was wollen Sie noch? Bin ich vielleicht unfair?" Jeff Adams seufzt. Er begreift mit einem Male, daß das Denken dieses Schießers vollkommen verzerrt ist und nicht in natürlichen Bahnen verläuft. Dieser Mann dort lebt nach völlig anderen Maßstäben. Und er hat eine andere Art von Gefühl. „Ich will nicht", erklärt Jeff Adams. „Ich sehe keinen Sinn darin, mich mit Ihnen zu schießen. Sagen Sie Ihren Auftraggebern, daß sie sich selbst an mich wenden sollen. " „Das geht nicht", erklärt Lee Starr merkwürdig sanft. „Dann müßte ich doch die tausend Dollar zurückgeben. " Nun glaubt Jeff, daß dieser Mann wahrhaftig irgendwie verrückt sein muß. Aber er fragt: „Und wenn ich es nicht tue, Lee Starr?" „Ich würde schon einen Grund finden, Sie zum Kampfe zu zwingen - wenn nicht jetzt, so doch morgen oder übermorgen.
Vielleicht genügt es, Sie anzuspucken.
Oder vielleicht gibt es Menschen, die Ihnen etwas bedeuten und denen man .
.
.
" „Sie sind ein gemeiner Schuft", spricht Jeff Adams und bewegt sich langsam auf ihn zu.
„Halt! Bleiben Sie stehen!" So ruft Lee Starr hart und kalt.
Aber Jeff hält nicht an.
Er geht langsam auf den seltsamen Schießer zu.
Schritt für Schritt.
Sie sind allein hier auf der Straße.
Obwohl die Stadt noch in Betrieb ist, zeigt sich niemand in ihrer Nähe auf der Straße.
Es ist einer jener seltsamen Zufälle.
„Ich werde nicht ziehen", sagt Jeff Adams.
„Ich will mich mit Ihnen nicht schießen.
Ich will Sie nur verprügeln.
Sie sind ein Feigling, Lee Starr! Ich gehe jede Wette ein, daß Ihnen im Traum die Toten erscheinen, jene
Toten, die Sie umbrachten.
Sie leben Tag und Nacht mit Ihnen, und Sie können es nur ertragen, weil diese Toten zuerst zur Waffe
griffen.
Dies ist Ihre Entschuldigung, Lee Starr! Dies allein läßt Sie die Toten ertragen.
Sie können auf keinen Mann schießen, der nicht zur Waffe greift.
Sie müßten sich sonst zu sehr davor fürchten, daß sein Geist Ihnen keine Ruhe mehr läßt.
Lee Starr, wenn Sie auf mich schießen, obwohl ich nicht zur Waffe greife, so wird meine Seele Tag und
Nacht auf Sie niederspucken. " Jeff Adams Stimme bekam einen immer zwingenderen und härter klingenden Tonfall. Er legt seine ganze Verachtung in den Klang seiner Stimme, aber auch einen festen Glauben, so als glaube er wirklich daran, daß seine Seele auf diesen eintretenden Revolvermann niederspucken könnte. Er hat mit sicherem Instinkt Lee Starrs schwache Stelle getroffen.
Hat geahnt, daß diesem Mörder die Toten im Traum erscheinen und daß dieser Mann deshalb so versessen darauf ist, seinen Gegner zuerst zur Waffe greifen zu lassen. Lee Starr bewegt sich so, als wolle er die Flucht ergreifen. Doch dann zieht er blitzschnell seine Revolver und stößt sie vor wie zwei riesige Zeigefinger. Jeff hält an. „Wenn Sie schießen, werden Sie vor sich selbst keine Entschuldigung mehr finden können", sagt er. „Starr, ich habe erkannt, in welcher innerlichen Klemme Sie stecken. Sie werden einfach keine Luft mehr bekommen und ersticken, wenn ich Ihnen im Traum erscheine, weil Sie mich ohne Gegenwehr getötet haben. - Starr, Sie.
.
.
" „Gehen Sie! Oh, gehen Sie!" Dies knirscht Lee Starr.
Jeff Adams macht noch einen Schritt auf ihn zu.
Doch nun weicht Lee Starr zwei Schritte zurück.
„Sie Hundefloh", sagt er.
„Sie kneifen vor einem Kampf mit mir und wollen mich nervlich erledigen.
- Aber.
.
.
" „Sie bekommen keinen Revolverkampf", erklärt Jeff Adams und geht wieder auf ihn zu.
„Sie müssen mich ohne Gegenwehr abknallen oder aus der Stadt reiten. " Lee Starr stößt einen seltsamen Laut aus. Er sieht einen Moment so aus, als wolle er nun doch abdrücken. „Wie viele Tote sitzen schon um Sie herum, wenn Sie schlafen und von diesen Menschen träumen?" Dies fragt Jeff kalt. Da wendet sich Lee Starr. Er steckt seine Revolver weg und geht immer schneller. Jeff Adams blickt ihm nach. Er sieht ihn im Mietstall verschwinden. Als Jeff sich dann umblickt, da sieht er, daß er nicht mehr allein ist. Hogjaw Haggarty tritt aus einer Gasse. Adams geht zu ihm hinüber und hält dicht vor ihm an. „Habt ihr solche Angst vor mir, daß ihr einen Mordbanditen wie diesen da kommen lassen mußtet?" Dies fragt er höhnend.
Haggarty hebt seine Schultern.
„Es wäre einfacher so gewesen.
Doch du hast gute Nerven, mein Junge - und Mut.
Dieser Lee Starr hätte dich erledigt.
- Der ja! - Ob ich oder Abe das können, wird sich erst noch herausstellen.
Doch es ist bald soweit - so oder so.
Ich sehe es kommen.
Geh lieber fort und nimm Ollie mit.
- Verschwinde! Wir kaufen dir auch deinen Anteil ab.
" „Ihr habt eine Menge Angst", sagt Jeff und geht davon. „Täusche dich nur nicht, Jeff", sagt Haggarty kehlig hinter ihm her. „Wenn ttian den bequemeren Weg möchte, so bedeutet dies noch lange nicht, daß man Angst hat. " Er verschwindet wieder in der Gasse, aus der er kam. Bald wird er durch die Hintertür in sein Büro im Golden-Cruz- Saloon gelangen und neue Pläne machen. Jeff Adams aber liegt dann noch lange wach in seinem Zimmer auf dem Bett. Er fühlt sich ausgebrannt und erschöpft. Manchmal erzittert er, ohne etwas dagegen tun zu können.
Seine erregten Nerven beruhigen sich allmählich.
Ein bitterer Zorn steigt in ihm auf, als er zuletzt an die Kilroys, an Hogjaw Haggarty und an ihren ganzen
Anhang denkt.
Wie schön wäre das Leben, gäbe es nicht immer wieder die Gier und die Machtwünsche der Menschen.
Endlich schläft er ein.
Der Samstag und die Nacht zum Sonntag vergehen ohne Zwischenfälle, obwohl der Wahlkampf seinen
Höhepunkt erreicht, überall Reden gehalten werden und auch reichlich Freibier und Freiwhisky von der
Kilroy-Partei ausgeschenkt werden.
Doch die Kilroys sorgen immer noch mit all ihren Helfern dafür, daß in Golden Cruz bei aller
Lebendigkeit keine Zügellosigkeiten an der Tagesordnung sind wie in vielen Minenstädten, in denen alle
Rauhbeine eines wilden Grenzlandes zusammenkamen und nun in den Minen schuften und in den Lokalen
trinken, spielen, raufen und ausgeplündert werden, in denen die Revolverhelden ihre Händel austragen, die
Berufsspieler und die Mädchen betrügen und all die vielen Laster und Sünden ohne Beschränkung
ausgeübt werden.
Nein, noch ist es in Golden Cruz anders.
Noch zeigen sich die Kilroys und ihr ganzer Anhang sehr diszipliniert und redlich, versuchen immer
wieder mit aller Kraft, Vertrauen und Freunde zu gewinnen.
Denn sie wollen ihren Mann in das Sheriffsamt bringen.
Nachdem schon einer von ihnen - Abe Kilroy - innerhalb der Stadtgrenzen die Polizeigewalt ausübt,
wollen sie nun auch das Sheriffsamt.
Sie wären dann die Herren im ganzen Lande.
Als nun am Sonntag die Wahl stattfindet, geht wiederum alles sehr ordentlich und ruhig ab.
Jeder Raufbold und Unruhestifter wird sofort zurechtgestutzt.
Es wird heute auch kein Alkohol ausgeschenkt.
Es gibt genau dreihundertsiebenundfünfzig Wahlberechtigte, denn man muß, um wahlberechtigt zu sein,
zumindest vor einundzwanzig Tagen im Einwohner- Meldebuch registriert worden sein und einem Beruf
nachgehen, sei es bei den Minen oder als Handwerker oder Kaufmann in der Stadt.
Man verhindert durch diese Bedingungen, daß sich eine Interessengruppe mit Hilfe von Tramps oder
irgendwelchen gekauften Helfern, die nur zur Wahl nach Golden Cruz kommen, Vorteile verschaffen
kann.
Bis zwölf Uhr mittags haben die dreihundertsiebenundfünfzig Wähler alle gewählt.
Der Wahlausschuß beginnt, in der Gentlemen Hall, dem größten Lokal in der Stadt, in aller Öffentlichkeit
und vor den Augen vieler Zuschauer die Stimmzettel zu zählen.
Eine halbe Stunde später gibt der Wahlleiter das Ergebnis bekannt.
Und das hört sich so an: „Ladys and Gentlemen! Die Wahl ist beendet, und die abgegebenen Stimmen
wurden gezählt.
Ich werde nach meiner mündlichen Bekanntmachung die genauen Zahlen an diese schwarze Tafel
schreiben, damit jeder sie noch einmal lesen kann.
Es steht auch jedem Bürger frei, sich persönlich durch Zählen der Stimmzettel von der Richtigkeit der
Auszählung zu überzeugen.
Es wurden dreihundertundsiebenundfünfzig Stimmen abgegeben.
Davon waren siebzehn ungültig.
Von den restlichen dreihundertvierzig Stimmen erhielt jeder der beiden Kandidaten genau die Hälfte, also
jeder Kandidat einhundertsiebzig Stimmen.
Wenn keiner der beiden Kandidaten freiwillig verzichtet, so muß am nächsten Sonntag eine Neuwahl
stattfinden.
" Er wendet sich an Jeff Adams und Hogjaw Haggarty.
Es ist still im großen Saal, als er die beiden Kandidaten fragt, ob einer von ihnen verzichten will.
„Nein", sagt Haggarty hart.
„Nein", sagt Jeff Adams ruhig.
Der Wahlleiter wendet sich an die Zuschauer.
„Am nächsten Sonntag findet eine neue Wahl statt.
Es sind dann erheblich mehr Wähler zugelassen.
Ich bin sicher, daß kein unentschiedenes Ergebnis mehr zustande kommen wird.
Die Wahl ist hiermit beendet.
" Jeff Adams, der mit den Alt-Bürgern und führenden Männern der Minengesellschaft beim Mittagessen
sitzt, wirkt sehr schweigsam und nachdenklich.
Auch die anderen Männer wirken so.
Doktor John Gerald sagt dann, was alle glauben: „Jetzt wird es rauher werden, Freunde, denke ich.
Die Kilroys können mit Hilfe von Wählerstimmen nicht mehr gewinnen.
Nächsten Sonntag wird eine Menge Neu-Bürger wahlberechtigt, die fast alle auf unserer Seite stehen.
Nächsten Sonntag bekommen wir die Mehrheit.
Es ist schon ein verrückter Zufall.
Wir haben damals geglaubt, auf Reb Adams Stimme verzichten zu können.
Und heute hätte diese Stimme wahrhaftig den Ausschlag gegeben.
Nun, wir werden am kommenden Sonntag mit stärkerer Mehrheit gewinnen.
Aber es kommt auch darauf an, daß nicht einige Bürger und Mitgesellschafter aus unserer Mitte Angst
bekommen, verkaufen und fortziehen.
Es ist anzunehmen, daß man auf einige Furchtvolle einen Druck ausüben wird.
" An diesem Abend - es ist schon nach dem Abendbrot - kommt Doktor John Gerald in das Wohnzimmer
der Andersons.
Judith, ihr Vater und Jeff Adams sitzen hier, und wieder einmal mehr fällt ihnen auf, wie sehr der Doc
sich in den letzten Wochen veränderte.
Er wendet sich an Judith.
„Ich komme mit einem Anliegen", sagt er.
„Ich habe eine Bitte an Sie, Judith.
" „Erst hole ich Ihnen eine Tasse Kaffee", erwidert Judith schlicht und geht hinaus.
Der Doktor setzt sich, und dann betrachten sich die drei Männer.
Tom Anderson wirkt ebenfalls straffer und sehr viel energischer als zuvor.
Er hält seinen Sergeantenbart ordentlicher, und er hat auch wieder einen festen Blick.
Die drei Männer sagen nichts, und doch herrscht irgendwie ein unverkennbares Einverständnis zwischen
ihnen.
Dann kommt Judith mit dem Kaffee aus der Hotelküche herüber.
Der Doktor bedankt sich.
„Bald werde auch ich wieder ein richtiges Heim haben", sagt er.
„Und solchen guten Kaffee werde ich auch öfter mal trinken.
" Er macht eine kleine Pause und zögert offensichtlich.
„Sprechen Sie doch, Doc", sagt Judith schlicht.
„Was haben Sie für eine Bitte? Sie sind doch unser guter Freund.
Warum zögern Sie?" Er starrt in die Tasse.
„Ich hatte damals meine Tochter verloren", sagt er.
„Nachdem meine Frau gestorben war, war sie mein kostbarster Besitz.
Aber vielleicht hatte ich sie nicht richtig großgezogen.
Sie lief mit einem Burschen davon, von dem ich wußte, daß er ein Schuft war.
Doch sie glaubte diesem Schuft mehr als mir, ihrem Vater.
Sie lief einfach fort, verließ mich.
Und ich wurde ein Trinker.
Ich ging dann nach dem Westen und landete hier in dieser verlassenen Stadt, in der es nur Mutlose und
Resignierende gab.
Hier in diese jämmerliche Gesellschaft paßte ich, denn ich war ja ein Trinker geworden.
" Er machte eine kleine Pause.
Dann spricht er weiter.
„Durch Zufall las ich in einer viele Wochen alten Zeitung von einem großen Betrug.
Der Betrüger, der sich seiner Verhaftung durch Selbstmord entzogen hatte, war jener Mann, mit dem meine Tochter damals fortgegangen war. Er hatte sie geheiratet und war also mein Schwiegersohn. In der Zeitung las ich auch, daß meine Tochter ein Kind besäße und mit den üblen Machenschaften ihres Mannes nichts zu tun habe. Ich schrieb ihr. Und sie antwortete mir. Und dann hatte ich nur noch den Wunsch, ihr zu helfen und aus meinem Enkel einen tüchtigen Burschen zu machen. Wir fanden damals hier in Golden Cruz das Gold. Ich aber bekam mit einem Male wieder ein festes Ziel. Mein Leben bekam einen Sinn. Ich mußte mich in die Lage versetzen, meiner Tochter und meinem Enkel einen festen Platz und ein sicheres Heim bieten zu können. - In den nächsten Tagen kommen sie mit der Postkutsche.
Und sie sind fremd hier.
Judith, meine Tochter ist nur ein Jahr älter als Sie.
Ich glaube, es würde ihr viel helfen, wenn sie hier.
.
.
" „Ich freue mich auf Ihre Tochter und auf das Baby, Doc", sagt Judith warm.
Sie nimmt dann das Bild, welches der Doc ihr reicht.
Sie betrachtet die junge Frau und das Baby.
„Oh, ist die schön", sagt sie.
„Und was muß die Reise für das Kind beschwerlich sein.
Doc, ich freue mich wirklich, und ich bin fast völlig sicher, nachdem ich dieses Bild gesehen habe, daß
wir uns verstehen werden und Ihre Tochter hier bald eine gute Freundin haben wird.
" „Das ist mein großer Wunsch", murmelt John Gerald und erhebt sich.
„Danke, Judith, danke!" Nach diesen Worten geht er hinaus.
Die Zurückbleibenden sehen sich an.
„Deshalb also änderte sich unser Doc so sehr", murmelt Tom Anderson.
Er blickt Judith an.
„Habe auch ich mich etwas zum Vorteil geändert, Tochter?" Sie nickt.
„Alle habt ihr euch verändert.
Der Doc hat es bewirkt - und seine arme Tochter, die mit dem Baby zum Vater kommt, hat das alles
bewirkt.
Diese Stadt sollte ihr vielleicht besonders dankbar sein.
" Bis zum Mittwoch bleibt alles ruhig und ohne jede Zwischenfälle.
In den Minen, in der Erzmühle und in der Schmelze wird hart gearbeitet.
Die Kupferbarren beginnen sich zu stapeln.
Auch Silber für einen neuen Transport häuft sich an.
Doktor Gerald hatte damals die alten aufgegebenen Goldminen sehr richtig beurteilt.
Gold ist nur in geringen Mengen zu finden, doch dafür Silber und Kupfer.
Als man die entsprechenden Gesteinsschichten verfolgte, stieß man auf fast gediegene Vorkommen.
Doch jetzt braucht man Bargeld.
Die Minenarbeiter verdienen drei bis vier Dollar pro Schicht, und es ist sicher, daß es Verdruß geben
wird, bekommen sie am kommenden Freitag, der ein Lohntag ist, kein Geld.
Es wird also Zeit, daß Reb Adams aus Phoenix mit dem Geld eintrifft.
Wird er es schaffen, so wie es damals die Adams-Brüder mit dem Erlös für die Goldader schafften? Wenn
Reb Adams heute nicht zurück ist, wird er überfällig. Er ist heut? den zehnten Tag fort.
Doch dieser Mittwoch vergeht, und um die Mittagszeit beginnt sogar schon der elfte Tag, da Reb Adams fort ist. Es breitet sich überall Unruhe aus. Man sieht in der Stadt immer wieder Menschen, die auf der Straße stehen und zur Schlucht spähen. Der Tag vergeht. Es wird Abend. Und in der Nacht verlassen zwei Alt- Bürger die Stadt, nachdem sie ihre Anteile an die Kilroys oder deren Strohmänner verkauft haben. Die beiden Alt- Bürger, denen es an Mut fehlt, sind Charly Pool und Cane Lamm. Windy Longfellow kommt mit der Nachricht in das Büro der Golden-Cruz- Minengesellschaft, wo man beisammensitzt und auf Reb Adams Ankunft wartet. Es ist schon nach Mitternacht, als Windy Longfellow; auf seinem Holzbein hereingestapft kommt und verkündet, was er in Erfahrung brachte. „Ich habe mit Charly Pool und Cane Lamm gesprochen", sagt er. „Sie sind nicht mutig genug gewesen. Man hat ihnen gedroht. Wenn sie nicht verkauft hätten, so wäre ihnen etwas zugestoßen. Und auch an mich ist schon ein Mann herangetreten und hat mir ein Angebot unterbreitet. " „An mich trat man auch heran", meldet sich Earl Barney, der aus seinem Papago-Saloon für einen Moment herübergekommen ist. „Man hat mir für meinen Anteil an der Mine und den Saloon zehntausend Dollar geboten. Und man hat gesagt, daß dies besser wäre als ein Grab auf dem Friedhof. Der Mann, der mir dies sagte, sprach mich soeben auf der Straße an. Ich konnte ihn nicht einmal genau erkennen. Aber ich bin kein Feigling wie Charly Pool und Cane Lamm. Ich halte durch! Wir müssen uns nur darüber klar sein, daß man jetzt jeden von uns unter Druck zu setzen beginnt. Und es wird noch schlimmer werden, wenn wir unsere Arbeiter nicht bezahlen können und sie erst unzufrieden sind. - Ich meine, wir sollten einen Plan machen. " Alle Augen richten sich nun auf Doktor Gerald und Jeff Adams.
jeff Adams sagt ruhig: „Wir können noch keinen bestimmten Plan machen.
Erst müssen wir wissen, ob Reb, mein Bruder, mit seinen Männern das Geld durchbringen kann oder es
ihm abgenommen wird.
" Er erhebt sich und geht hinaus.
Die Männer sehen, daß er mit einer unwahrscheinlich schnellen Bewegung aus der Tür gleitet, und sie
werden sich bewußt, daß er mit Schüssen aus dem Hinterhalt rechnet.
Doktor John Gerald betrachtet sie der Reihe nach.
Er kann erkennen, daß einige Furcht haben.
Vielleicht werden sie schon bald ebenso zerbrechen wie Charly Pool und Cane Lamm.
Nur weniger Männer ist sich der Doktor sicher.
Die sind: Tom Anderson, Earl Barney, Bill Sanders, Arch Harris - und vielleicht Windy Löngfellow.
Mit ihm selbst und mit Jeff und Reb Adams sind sie acht Männer.
Sie wären dann als Teilhaber der Golden-Cruz-Minengesellschaft in der Minderzahl.
Indes bewegt sich Jeff Adams langsam durch die Stadt.
Die Stadt ist heute ruhiger als sonst um diese Zeit.
Sonst herrscht jetzt, so kurz nach Mitternacht, noch mehr Betrieb in allen Lokalen.
Jeff fragt sich, wo Ollie steckt, denn er hatte Ollie bestimmte Aufträge gegeben.
Ollie ist jetzt wieder ziemlich gut zu Fuß.
Er hinkt zwar noch und kann seinem Bein nicht viel zumuten, doch er kann sich wieder ohne Krücken
bewegen.
Jeff hält sich im Schatten der Häuser, unter den vorgebauten Übergeschossen und in den dunklen Mündungen der Gassen auf. Er hält immer wieder an, wartet, wittert, lauscht und beobachtet. Er lauscht auf den Puls dieser Stadt, auf ihren Rhythmus. Und er spürt immer wieder, daß heute alles anders ist. Aber vielleicht bildet er sich das nur ein. Lange verweilt er vor dem Golden- Cruz-Saloon. Dann sieht er Abe Kilroy seine Runde machen und auch im Golden-Cruz- Saloon verschwinden. Wenig später kommt er dann mit Hogjaw Haggarty heraus. Sie treten zum Rand des Gehsteiges und spähen nach dem nördlichen Stadtausgang, also in Richtung zur Schlucht. Jeff glaubt, daß Don McClellan schon seit mehr als zwei Tagen abwesend ist. Mit Don McClellan sind gewiß auch schon einige andere Burschen vor Tagen aus der Stadt geritten. Warten die Kilroys nun sehnlichst auf die Rückkehr dieser Männer, so wie Jeff Adams auf die Rückkehr seines Bruders Reb wartet? Jeff entschließt sich plötzlich, den Stier bei den Hörnern zu packen. Er verläßt die Gasse und geht schräg über die Fahrbahn auf die beiden Männer zu, die bis zur Ecke des Saloons wanderten und immer noch in Richtung zur Zugangs^ schlucht aus der Stadt spähen. Als sie Jeff Adams erkennen, wenden sie sich ihm wachsam zu, und es ist plötzlich ein angespanntes Lauern in ihrer Haltung. Er tritt ganz nahe an sie heran, so daß es wirkt, als ständen sie als eine sich unterhaltende Gruppe beisammen. „Wer wird gewinnen?" fragt er sanft. Er sieht ihre Zähne blinken, so sehr grinsen sie. „Ihr habt gar keine Chance mehr", murmelt Hogjaw Haggarty. „Wir haben schon sieben Gesellschafter-Anteile in unseren Händen, und wir bekommen noch mehr dazu. Spätestens Samstag stellen eure Arbeiter die Arbeit ein. Denn ihr werdet keine Löhne zahlen können. Alles bricht zusammen. Wir übernehmen es dann. " „Aber ich werde Sheriff", entgegnet Jeff Adams. Sie erwidern nichts darauf. Doch er kann den Anprall ihres Hasses spüren. Nun weiß er, daß sie ihn nicht entkommen lassen wollen, ihn nicht, Ollie nicht - und Reb . . . Nun, vielleicht haben sie Reb schon erwischt. Vielleicht liegt Reb dort draußen irgendwo in der Wildnis, und mit ihm seine Begleiter. Jeff Adams spürt nun ebenfalls das Aufsteigen eines Jähzorns. Er kann es nicht verhindern. Langsam und schwer sagt er: „Wenn Reb etwas zugestoßen sein sollte, so werdet ihr das bedauern. " „Wer droht, der fühlt sich schwach und als Verlierer", entgegnet Hogjaw Haggarty mit kaltem Hohn. „Du willst uns doch wohl nicht drohen, Jeff? Daß wir damals darauf verzichtet haben, euch Adams die Haut abzuziehen, war nur ein Aufschub. " Die Tür des Saloons geht auf. Zwei Männer kommen heraus. Einer der beiden Männer ist Don McClellan. Als Jeff Adams ihn erkennt, durchfährt es ihn heiß. Don McClellan ist also zurück. Oder war er gar nicht fort? Der andere Mann ist Lewis Kilroy. Beide kommen sie nun zu der Gruppe. Abe Kilroy und Hogjaw Haggarty betrachten Don McClellan aufmerksam. Dies erkennt Jeff Adams genau.
„Ich habe soeben eine hohe Pokerpartie gewonnen", erklärt Don McClellan und blickt Jeff Adams an.
„Na, du Hundefloh", sagt er, „hast du immer noch keine Angst um deinen Skalp? Aber es muß dich doch
schon jucken? Kein Mann kann ein so dickes Fell haben, daß es ihn nicht zumindest juckt, wenn er dicht
davor ist zu verlieren.
" Jeff nickt.
Er tritt dicht an Don McClellan heran, und er nimmt Witterung von ihm.
Wenn Don McClellan, so wie er behauptete, jetzt von einer Pokerpartie kommen würde, so müßte von
ihm der Geruch des Saloons ausgehen.
In jeder Kleidung hält sich der Geruch von Tabakrauch, von Whisky und Bier eine Weile.
Doch er riecht nicht nach Rauch.
Er riecht nach Pferd.
Jeff Adams weiß nun mit Sicherheit, daß Don McClellan noch vor wenigen Minuten auf einem Pferd saß
und nicht beim Pokerspiel.
Jeff Adams fragt: „Was habt ihr mit meinem Bruder Reb gemacht?" Don McClellan zuckt zusammen.
Dann tritt er einen Schritt zurück und grinst.
„Ist etwas mit deinem Bruder Reb?" Jeff Adams wendet sich ab und geht davon.
Die vier Männer blicken ihm schweigend nach.
„Es hat alles geklappt", murmelt Don McClellan dann.
„Das Geld liegt in deinem Geldschrank, Hogjaw.
Lewis hat es gleich eingeschlossen.
Es sind einundvierzigtausend Dollar in großen Scheinen.
Es ist gar kein besonders großer Packen.
Man konnte es in einer Satteltasche unterbringen.
- Was machen wir mit den Adams-Brüdern?" Die Frage kommt scharf und gierig, ungeduldig und fordernd. Aber Hogjaw Haggarty scheint diese Frage gar nicht gehört zu haben. „Große Scheine - kein Kleingeld wie beim erstenmal?" Er denkt darüber nach. Dann zuckt er die Achseln. „Na gut, warum nicht! Wir haben ja genügend Kleingeld in der Stadt. Nur die Golden-Cruz-Minengesellschaft hat es nicht. Sie hat überhaupt kein Geld mehr. Und die Adams? - Nun, wir haben jetzt die Chance, die Wahl gewinnen zu können. Da die Golden- Cruz-Minengesellschaft kein Geld mehr hat, verliert sie an Einfluß. Wir bekommen eine Menge neuer Wähler auf unsere Seite. Und dann werden wir lange Schritte machen. Die Adams haben gar keine Chance mehr. " Jeff Adams geht zum Mietstall und sattelt sein Pferd. Ais er das Tier aus dem Stall führt, wartet Ollie an der Ausfahrt zur Straße auf ihn. „Don McClellan kam vor einer halben Stünde aus der Schlucht in das Tal zurück", sagt Ollie. „Sie haben Reb reingelegt. Sie haben das Geld", murmelt Jeff vom Sattel aus zu Ollie nieder. „Aber das kann Don McClellan doch nicht allein vollbracht haben", erwidert Ollie heftig. „Gewiß nicht", spricht Jeff. „Vielleicht waren seine sechs Begleiter unzuverlässig - oder nur einer davon. Es kann jedoch nicht weit von hier geschehen sein. Don McClellan war nicht länger als zweieinhalb Tage fort. Reb wurde auch seit gestern mittag zurückerwartet. Es muß in der Nähe geschehen sein. Ich will bis zur nächsten Poststation reiten und mich etwas umsehen. Ollie, halte dich jetzt verborgen hier in der Stadt. Die Kilroys sind oder fühlen sich fast schon am Ziel. Es könnte dir schlecht ergehen, wenn du ihnen begegnest.
Geh in dein Zimmer und bleibe dort, bis ich wieder in der Stadt bin. " Er reitet davon. Ollie blickt ihm nach, wendet sich dann und verschwindet in der ersten Gasse, um das Hotel durch den Hintereingang betreten zu können. Er möchte jetzt wirklich nicht auf der Hauptstraße am Golden-Cruz-Saloon oder einem der anderen Kilroy-Betriebe vorbei. Ja, er spürt Angst, denn er ist jetzt ganz allein in der Stadt. Weder Jeff noch Reb sind bei ihm. Er kommt in der dunklen Gasse genau drei Schritte weit. Dann fallen sie über ihn her. „Gebt es ihm", hört er Lewis Kilroys Stimme rufen. Die Schläge fallen hageldicht, und sie sind grausam hart und mitleidlos. Sie schlagen mich tot, denkt Ollie Adams voll Panik. Er wehrt sich nach besten Kräften. Doch sie sind drei Mann, Lewis Kilroy und zwei Rauswerfer aus einem der Saloons, die ihre Arbeit verstehen. Es ist schon Tag, als Jeff auf Reb und dessen Männer trifft. Doch es sind nicht mehr sechs Begleiter. Einer fehlt. Reb und die fünf anderen Männer sind unverletzt, doch sie sehen sehr krank aus, wie verkatert nach einem wüsten Trinkgelage - oder als hätten sie gerade eine schlimme Seekrankheit überstanden. Reb hebt müde die Hand und grinst schief, voller Bitterkeit. „Der Bursche hatte es ganz leicht", erklärt er. „Da wir nicht mit einer Überlandpost fuhren, sondern den Rückweg zu Pferd machten, kampierten wir nicht bei den Pferdewechselstationen. Der Bursche hat uns ganz einfach was in den Kaffee getan. Er nannte sich Jack Miller und war Vorarbeiter bei den Fuhrleuten, die das Erz von den Minen zur Erzmühle transportieren. Er führte sich unterwegs tadellos. Als er dann die Nachtwache hatte, schliefen wir von dem Schlafmittel so fest, als wären wir ohnmächtig. Wir erwachten erst, als die Sonne schien. Er aber war schon viele Stunden mit dem Geld fort. " „Er war sicherlich nicht allein", erwidert Jeff. „Don McClellan war gewiß in eurer Nähe. Der Mann gehörte zu den Kilroys oder McClellans. Das Geld ist schon in Golden Cruz - bei den Kilroys. Ich hatte mir nur eine Menge Sorgen um euch gemacht. Ihr seht nicht besonders gut aus. " „Das Zeug hat eine üble Nachwirkung", knirscht Reb. „Es muß eines dieser mexikanischen Indianermittel sein, irgendein Pulver aus bestimmten Wurzeln oder Kräutern, mit dem der Bursche uns einschläferte. Jedenfalls hat er uns reingelegt-und uns das Geld so leicht abnehmen können, als wären wir dumme Jungens und wirkliche Schlafmützen, denen man auch die Hosen stehlen könnte. Es tut mir leid, Jeff. " Aber seine Augen funkeln dabei. Rebs Begleiter fluchen, und sie sind mürrisch. Aber er weiß - vielleicht ist noch einer unter ihnen, der von den Kilroys oder McClellan bestochen wurde. Reb und Jeff sind vorsichtig. Erst dann, als sie einmal etwas voraus an der Spitze reiten, so daß niemand ihr Gespräch hören kann, da sagt Reb: „Ich habe die Banknoten mit Hilfe der Bankleute mit feinen Nadelstichen gekennzeichnet. Und überdies wurden noch die Nummern aufgeschrieben.
Ich habe von der Bank in Phoenix eine beglaubigte Bescheinigung, aus der hervorgeht, daß man mir in
Phoenix diese Scheine für die Silberbarren aushändigte.
Ich besitze diese Bescheinigung noch.
Wir brauchen also nicht nach den Nadelstichen auf den Scheinen zu suchen, sondern können nach den
Nummern gehen.
Aber es wird nicht leicht sein, die Kilroys zu veranlassen, das geraubte Geld auszugeben.
" „Auch die gerissensten Burschen machen Fehler", murmelt Jeff.
„Man muß sie vielleicht mit Dingen locken, die ihnen ein gewisses Risiko wert sind.
Wir werden sehen.
Ich werde mit dem Doc und den anderen Mitgesellschaftern reden.
" Sie erreichen am späten Nachmittag die Stadt.
Wenig später ist dann bekannt, daß die Golden-Cruz-Minengesellschaft wahrscheinlich keine Löhne
zahlen kann - es sei denn, man könnte bis morgen das Geld wieder herbeischaffen.
Jeff und Reb haben aber auch noch andere Sorgen.
Judith und Tom Anderson holen sie nämlich schnell zu Ollie.
Ollie geht es schlecht, obwohl der Doc für ihn getan hat, was nur von einem Arzt getan werden konnte.
„Sie müssen ihn in einer Gasse überfallen und so grausam zusammengeschlagen haben", spricht Judith
mit einer fast tonlosen Stimme.
„Ollie war dann in der Gasse bewußtlos liegengeblieben, bis jemand ihn am Vormittag fand.
Er ist noch nicht wieder zur Besinnung gekommen.
Jeff, diese Stadt verändert sich nun.
Die Kilroys haben die Sheriffswahl verloren.
Sie wissen, daß sie wahrscheinlich auch die zweite Wahl verlieren werden.
Und nun .
.
.
' Sie verstummt, denn sie sieht nun, wie die Gesichter von Jeff und Reb Adams sich verhärten, wie in
ihren rauchgrauen Augen ein gelbliches Feuer zu brennen scheint.
Reb zittert vor Grimm.
„Nur ruhig - ganz ruhig bleiben und nüchtern denken, Reb", murmelt Jeff Adams schwer.
„Sie haben Ollie schwer erwischt, aber nicht nur deshalb, um sich an ihm für den Tod ihres Bruders Joey
zu rächen.
Sie wollen auch uns herausfordern, wollen uns zu Dummheiten verleiten.
- Ruhig, Reb! Wenn wir mit ihnen einen Kampf beginnen, dann muß es sich auch lohnen. Komm, wir gehen zum Doc!" Sie finden Doktor John Gerald im Büro der Golden-CruzMinengesellschaft. Earl Barney, Bill Sanders, der ja immer noch Bürgermeister ist, Arch Harris und Windy Longfellow sind bei ihm. Nun kommen sie mit Tom Anderson hinzu. Doktor Gerald sagt: „Es tut mir leid, daß ich für Ollie nicht mehr tun kann. Aber er muß sich nun selber helfen - ich meine damit, daß seine Natur, seine Lebenskraft ihm helfen müssen. Man kann bei diesen inneren Verletzungen keine genauen Diagnosen stellen. " Jeff nickt. „Wir wissen das, Doc, und wjr wissen auch, wie gut Sie als Wundarzt sind. " Er setzt sich an den Tisch und verschränkt seine Hände. Reb bleibt an der Wand neben der Tür stehen. Sein Gesicht ist ausdruckslos. Er ist noch staubig, unrasiert von dem langen Ritt. Er wirkt abgerissener als Jeff. Man sieht ihm an, daß er sehr viele Tage unterwegs war. „Wir haben genug", sagt Jeff Adams zu den Männern.
„Wir geben der Golden-Cruz-Minengesellschaft keine Chance mehr.
Wir werden verkaufen, und wir raten euch allen, es ebenfalls zu tun.
Jemand von euch sollte mit den Kilroys Verbindung aufnehmen.
Sie sollen uns einen guten Preis zahlen.
Dann können sie unsere Anteile erhalten.
Ich werde auch nicht für das Sheriffsamt kandidieren.
Wir Adams sind fertig hier, sobald wir einen fairen Preis bekommen.
Dann ziehen wir fort und geben alles auf.
Das ist unser letztes Wort.
Und nun könnt ihr ohne uns beraten.
" Er erhebt sich und geht hinaus.
Reb folgt ihm.
„Ob sie es schlucken?" Dies fragt Reb, als sie ein Stück gegangen sind.
„Zumindest erfahren die Kilroys davon", erwidert Jeff.
„Denn unter den Alt-Bürgern ist ein Verräter.
Ich glaube nicht, daß es Earl Barney ist.
Ich tippe auf Windy Longfellow.
Aber wer es auch ist, der ihnen immer wieder berichtet, was beschlossen wird und was getan werden soll,
er wird ihnen bald berichten, daß wir Adams die Nase voll haben und nur einen guten Preis bekommen möchten. Und ich glaube, sie werden diesen Preis bezahlen wollen, weil sie sich ausrechnen können, daß wir sonst kämpfen und einige Kilroys und McClellans und deren Anhänger töten. Was haben Hogjaw Haggarty, Abe Kilroy, sein Bruder Lewis und Don McClellan von einem Sieg, wenn sie tot sind?" und Reb gehen in das Hotel zurück. Sie bekommen von Judith ein Essen und legen sich dann in Ollies Zimmer hin, um auszuruhen. Es ist schon fast Mitternacht, als der Doc zu ihnen in das Zimmer kommt. Doch er kommt offensichtlich nicht nur, um nach Ollie zu sehen. Denn nachdem er ihn untersucht hat, wendet er sich Jef f und Reb zu, die auf ihren Betten sitzen. „Ich habe selbst mit den Kilroys Verbindung aufgenommen", sagt er. „Als es nämlich klar wurde, daß ihr Adams genug habt und aufgeben wollt, da wollten auch die anderen alle ihre Anteile verkaufen. Ich habe für uns alle verhandelt. Sie zahlen jedem von uns zehntausend Dollar, wenn wir ihnen die ganze Golden-Cruz-Minengesellschaft überlassen, wenn wir fortziehen und uns nie wieder hier blicken lassen. Ist das genug Geld für unsere großen Hoffnungen, die wir nun begraben müssen?" Er fragt es bitter, und man sieht ihm an, daß er viel lieber geblieben wäre und gekämpft hätte. Doch er muß auch an seine Tochter denken und an das Enkelkind. Sie kommen vielleicht schon mit der nächsten Postkutsche hier an. Er wird mit ihnen fortgehen. „Es ist genug", sagt Jeff zu ihm. „Aber wir möchten keinen Haufen Kleingeld, den man schlecht unterbringen kann. Wir bekommen zusammen zwanzigtausend Dollar. In größeren Scheinen läßt sich solch ein Betrag in zwei Geldgürteln unterbringen. Sagen Sie das den Kilroys und deren Onkel. Wir Adams wollen nicht von hier mit großen Geldsäcken abreiten. Sonst ist uns alles egal. " Der Doc betrachtet sie bitter. „Von euch bin ich enttäuscht", sagt er. „Ich hielt euch für Kämpfer. Aber vielleicht kann ich das nicht so verstehen. Es ist euer Bruder, der dort liegt.
Vielleicht hätte es auch mich erledigt, wenn ein mir nahestehender Mensch so übel zugerichtet worden wäre. Na gut, wir werden die Übergabe morgen mittag stattfinden lassen. Kommt alle in das Büro der Gesellschaft. Ich werde die Verträge fertig haben. " Er geht hinaus. Jeff und Reb blicken sich an. „Wenn sie die Hundertdollarnoten aus Phoenix auf den Tisch blättern sollten", sagt Jeff, „dann haben wir sie. Wir müssen uns die Nummern merken, damit wir es sofort erkennen können und nicht erst auf deinem Begleitschreiben vergleichen müssen, Reb. Wir müssen uns zumindest die Seriennummern merken. " „Und wir haben überdies auch noch die feinen Nadelstiche als Erkennungszeichen", erinnert Reb grimmig. Sie blicken dann zu Ollie hinüber. Ihre Gesichter sind hart. Ollie stöhnt leise. Sie gehen schon am nächsten Vormittag durch die Stadt. Einmal begegnen sie Abe Kilroy, der mit dem Stern an der Weste seine Runde macht. Die Stadt ist voller Arbeiter aus den Minen. Denn man hat dort die Arbeiten eingestellt. Einige Rädelsführer unter den Arbeitern haben dies bewirkt. Niemand hatte sie daran gehindert. Es sieht wirklich so aus, als hätte die Golden- Cruz-Minengesellschaft aufgegeben. Denn sonst wären gewiß die Adams- Brüder hinausgeritten und hätten die Aufwiegler unter den Arbeitern herausgeholt und sie zum Teufel gejagt. Jeff und Reb werden da und dort angepöbelt. Doch sie tragen jeder zwei Revolver und wirken sehr gefährlich und entschlossen. Man sieht ihnen irgendwie an, daß man sie nicht reizen oder herausfordern sollte. Die ganze Stadt mit allen Menschen, die gekommen sind, sie hält ihren Atem an und wartet voller Spannung. Es hat sich herumgesprochen, daß die Gesellschafter der Golden-Cruz-Minengesellschaft verkaufen wollen. Und so beobachtet man, wie einige Alt- Bürger schon jetzt ihre Sachen packen. Bill Sanders hat seinen Wagen vor dem Haus stehen. Und Arch Harris kauft sich eine Fahrkarte für die Mittagspost nach Yuma. Er will von dort nach Kalifornien. Kurz vor dem Mittagessen begeben sich dann die Kilroys mit ihrem Onkel Hogjaw Haggarty zum Büro der Minengesellschaft. Don McClellan ist ebenfalls dabei. Abe Kilroy trägt jetzt keinen Stern, wohl um damit zu demonstrieren, daß er als Privatmann zum Abschluß eines Geschäftes geht und nicht als Marshai dieser Stadt. Abe und Lewis Kilroy tragen überdies auch noch große Segeltuchtaschen, sogenannte Reisetaschen. Sie sind gefüllt, und die Leute wissen, daß diese Taschen voller Geld sind. Hogjaw Haggarty betritt zuerst das Büro der Golden-Cruz-Minengesellschaft. Seine beiden Neffen und Don McClellan folgen ihm. Sie wirken sehr selbstsicher und zufrieden. Nicht nur sie, sondern fast jeder Mensch in der Stadt glaubt, daß sie die Gewinner sind. Bald gehört ihnen auch die Golden- Cruz-Minengesellschaft. Und damit das ganze Land. Sie werden die Bosse sein. Ihr Wille wird Gesetz.
Und ihr Aufstieg vollzog sich binnen weniger Wochen.
Drinnen im Büro sitzt vorerst nur Doktor John Gerald.
Er hat einige Schriftstücke vor sich, offensichtlich die Verkaufsbescheinigungen.
Hinter den Kilroys kommen nun auch Windy Longfellow, Arch Harris, Bill Sanders, Earl Barney und
Tom Anderson herein.
Nur die Adams fehlen noch.
»Fangen wir an", sagt Hogjaw Haggarty unduldsam und herrisch.
„Fangen wir an, damit wir es hinter uns bringen!" Windy Longfellow, der noch bei der Tür blieb, ruft nun
in den Raum: »Da kommen sie! Da kommen auch die Adams-Brüder! - Es kann gleich losgehen!" Jeff
und Reb betreten bald darauf den Raum, und sie wirken sehr verschlossen und zurückhaltend.
Doch es fällt auf, daß sie jeder zwei Revolver tragen.
Jeff trägt wie immer seine Waffe links unter der Hüfte in der Halfter.
Doch einen zweiten Revolver steckte er sich hinter den Hosenbund.
Reb trägt beide Waffen im Kreuzgurt.
Sie begeben sich an das andere Ende des langen Tisches, der für zwanzig Personen Platz hat.
Sie sind somit von den Kilroys um die ganze Tischlänge getrennt, also gut acht Schritte.
Zwischen ihnen und den Kilroys nehmen die anderen Männer Platz.
Sie wirken etwas verloren und unsicher.
„Fangen wir an", drängt Hogjaw Haggarty wieder, „fangen wir endlich an, sage ich!" Der Doktor nickt.
„Hier sind die Verkaufsurkunden, jede in zweifacher Ausfertigung.
Wir brauchen nur noch zu unterschreiben.
Und sobald jeder der Verkäufer für den Empfang der Geldsumme quittiert hat, ist der Kauf oder Verkauf
gültig und abgeschlossen.
" „Sie sollen erst einmal zeigen, ob sie genügend Geld bei sich haben", verlangt Jeff Adams mit kühler
Stimme.
Er fährt fort: „Wir sind acht Verkäufer.
Sie müßten achtzigtausend Dollar auf den Tisch legen können.
Diese achtzigtausend Dollar wollen wir sehen!" „Neunzigtausend", verbessert Earl Barney.
„Sie übernehmen für weitere zehntausend Dollar meinen Saloon, und sie machen ein gutes Geschäft
damit, weil ich mein Lager an Wein, Schnaps und Bier erst mit einigen Wagenladungen auffüllte und das
ganze Haus .
.
.
" „Du redest zuviel, Barney", schnappt Hogjaw Haggarty dazwischen.
Er macht eine wegwischende Handbewegung.
„Wir legen neunzigtausend Dollar auf den Tisch.
" Nach diesen Worten ergreift er eine der beiden großen Reisetaschen.
Er öffnet sie, stülpt sie einfach um und kippt somit das Geld auf den Tisch.
Die Banknoten sind säuberlich gebündelt.
Er nimmt die zweite Tasche und wiederholt es noch einmal.
Dann sagt er: „Nun aber vorwärts! - Unterschreibt endlich und macht euch davon!" Er richtet seinen
dunklen Indianerblick auf die Adams-Brüder.
„Es ist eine Gnade, daß wir euch so davonkommen lassen und euch sogar noch Geld dafür zahlen.
Ich hoffe, ihr wißt das zu schätzen.
Ihr werdet euren verunglückten Ollie auf einen mit Stroh ausgestopften Wagen legen müssen.
- Vorwärts!" Der Doktor nickt, und er schluckt wie würgend.
Dann beginnt er, die Schriftstücke auszuteilen.
Reb Adams aber bewegt sich plötzlich.
Er geht am langen Tisch entlang bis zu den Geldscheinbündeln.
Er nimmt eines davon.
„Nimm deine Pfoten vom Geld!" Lewis Kilroy schnappt diesen Befehl.
„Nur mal sehen, ob es auch gutes Geld ist", murmelt Reb ungerührt und blättert in dem Packen.
Er wirft ihn wieder zu dem anderen Geld und holt sich einen neuen Packen heraus.
Wieder ist es ein Bündel Hundertdollar- Scheine.
Auch dieses prüft er auf diese Art.
Hogjaw Haggarty beobachtet ihn mit schmalen Augen.
Auch Abe Kilroy wirkt sehr lauernd und mißtrauisch.
Don McClellan und Lewis Kilroy aber protestieren.
„Wie lange lassen wir uns dies eigentlich von diesem Hundesohn gefallen?" Dies fragt Lewis Kilroy.
„Die wollen wohl doch Streit mit uns", sagt Don McClellan heiser, und in seinen Augen ist ein heißes
Brennen.
Reb Adams geht zum Tischende zurück.
Er tauscht mit seinem Bruder Jeff einen kurzen Blick aus und nickt.
Sie weichen plötzlich etwas auseinander, und ihre Bewegungen sind lauernd und angespannt.
Sie wirken gefährlich.
Hogjaw Haggarty, der am Tisch saß, springt plötzlich auf.
Sein Stuhl kippt nach hinten um.
Auch Abe Kilroy springt auf und geht rückwärts, bis er hinter dem Tischende bei seinem Onkel steht.
Lewis Kilroy und Don McClellan weichen nach rechts und links zur Seite.
Don McClellan sagt pfeifend: „Oh, ein Kampf ist mir lieb! - Ich habe es meinem guten Bruder Bill
versprechen müssen, daß.
.
.
" „Halt deinen Mund!" sagt Hogjaw Haggarty.
Er starrt zu den Adams-Brüdern hinüber.
„Was soll es?" Er fragt es fast freundlich, ganz ruhig und gelassen.
Seine Augen sind halbgeschlossen.
Er ist der typische Revolvermann.
Jeff Adams sagt schlicht: „Diese Hundertdollar- Scheine bekam mein Bruder Reb von der Bank in
Phoenix für das Silber.
Die Scheine sind mit feinen Nadelstichen gezeichnet.
Überdies wurden die Nummern notiert.
Wir sind im Besitz einer amtlich beglaubigten Bescheinigung, daß diese Geldscheine nur an Reb Adams
ausgezahlt wurden.
Und ihm wurden sie dann gestohlen.
Jetzt habt ihr sie! Ihr wollt uns mit unserem eigenen Geld auskaufen! Doch wir verkaufen jetzt nicht
mehr.
Wir wollten euch nur als hinterhältige Banditen überführen.
Ihr seid in eurer Gier hereingefallen wie Dummköpfe!" Nachdem er dies gesagt hat, ist alles klar.
Windy Longfellow stößt einen heiseren Laut aus und läuft so schnell hinaus, wie man es ihm mit seinem
Holzbein gar nicht zugetraut hätte.
Arch Harris und Bill Sanders folgen ihm.
John Gerald erhebt sich und zieht sich rückwärts bis zur Wand zurück.
Earl Barney steht unschlüssig da.
Er kämpft mit sich.
Doch dann zerbricht auch er und murmelt: „Ich kann nicht.
.
•" Er folgt Windy Longfellow, Arch Harris und Bill Sanders.
Tom Anderson weicht nur bis zur Tür zurück.
Dort hält er inne.
Aber er sagt bedauernd: „Ich habe keine Waffe bei mir.
Es tut mir leid, daß ich keine Waffe bei mir habe.
" Er zuckt zusammen, so als würde er sich jetzt erst seiner Worte und wilden Wünsche bewußt.
Die Kilroys und die Adams aber blicken sich an.
Dann sagt Hogjaw Haggarty langsam: „Ich habe das befürchtet - ja, ich habe es sogar fast geahnt! Doch ich wollte es riskieren, um möglichst schnell zum Ziel zu kommen. Na gut, jetzt gibt es keine andere Wahl mehr. - Glaubt ihr denn, daß ihr uns schaffen könnt?" „Ich werde euch schöne bleierne Grüße von unserem Bruder Ollie bestellen", sagt Reb grimmig. Dann gibt es nichts mehr zu sagen. Die Kilroys ziehen ihre Revolver, und sie sind schnell. Don McClellan wird von diesem unheilvollen Entschluß etwas überrascht. Er zieht einen Sekundenbruchteil später, und wahrscheinlich gibt dieses späte Reagieren den Ausschlag. Hogjaw Haggarty ist der schnellste Mann. Obwohl er schon an die vierzig Jahre ist, schlägt er seine wilden Neffen glatt. Er ist ein wirklich schneller Revolvermann. Er gibt den ersten Schuß auf Jeff Adams ab, aber er trifft ihn nicht. Die Entfernung beträgt zehn Schritte, doch Haggarty wollte wohl zu schnell sein. Er bekommt Jeff Adams Kugel, bevor er zum zweitenmal abdrücken kann. Indes ihn die Kugel zurückstößt, feuert er, und diesmal trifft er. Denn er sieht Jeff Adams zusammenzucken. Er feuert nun wieder auf Jeff Adams. Dieser zielt fast bedächtig auf ihn, und auch diese Kugel trifft ihn. Er fällt auf die Knie und sieht Jeff Adams zum zweitenmal zusammenzucken. Aber ich habe ihn doch gar nicht getroffen, denkt er müde und fällt auf das Gesicht. Die zweite Kugel, die Jeff Adams trifft, kommt von Abe Kilroy. Denn Abe hatte genügend Zeit, um zielen und schießen zu können. Als er Jeff Adams schwanken und zu Boden gehen sieht, verspürt er einen wilden und freudigen Triumph. Er feuert weiter auf Jeff Adams. Dieser kniet am Boden und schießt nun ebenfalls wieder. Er trifft Kilroy, schießt weiter und feuert den letzten Schuß auf Don McClellan ab. Dann läßt er den leeren Revolver fallen und zieht kniend die zweite Waffe aus dem Hosenbund. Wie aus weiter Ferne hört er eine Stimme: „Es ist vorbei! Es ist vorbei!" Da erst wird er sich darüber klar, daß keiner von den Gegnern mehr auf den Beinen steht. Hogjaw Haggarty liegt auf dem Gesicht. Abe Kilroy rollte unter den Tisch und liegt seltsam zusammengekrümmt da. Links an der Wand fiel Lewis Kilroy. Und Don McClellan liegt auf der Seite und stöhnt. Jeff Adamä blickt sich nach dem Bruder um. Reb sitzt am Boden. Doch die Revolver werden ihm zu schwer. Er läßt sie nun polternd fallen. Sein Hemd ist an zwei Stellen rot gefärbt. „Wie fühlst du dich, Reb?" fragt Jeff schwerfällig. Reb wendet langsam den Kopf. Vor Rebs Augen sind gewiß schon dunkle Schatten. „Mir geht es ganz gut", murmelt er. „Ich bin nur so müde. Ich muß etwas ausruhen, denke ich. " Seine Worte kommen immer schwerfälliger. Nun kommt der Doc von der Seite her zu ihm, hält ihn fest, als er umfallen will. Er läßt seinen Oberkörper zu Boden gleiten und kommt zu Jeff. „Ihr wart ja verrückt", sagt John Gerald. „Sie hätten euch fast totgeschossen. Wie kommt ihr.
.
.
" „Es ist vorbei, und es geht jetzt in eine neue Zeit hinein", sagt Jeff mühsam, bevor auch er die Besinnung
verliert.
Sechs Wochen später tanzen die Adams-Brüder abwechselnd auf einer Hochzeit mit der Braut.
Auf Jeffs und Judiths Hochzeit! Ja, sogar Ollie tanzt mit Judith.
Sie sind alle drei noch blaß und mager.
Doch sie tanzen schon wieder.
Und die Hauptstraße von Golden Cruz wurde in Adams-Street umbenannt.
Heute heißt Golden Cruz anders, und es ist eine Minenstadt von etwas mehr als hunderttausend
Einwohnern.
Die Adams-Street gibt es immer noch.
Wenn jemand einmal in die Stadt kommt, durch eine Schlucht in ein wunderschönes Tal, in der es eine
Adams- Street gibt, dann weiß er, daß er auf dem richtigen Weg ist zu der einstigen Stadt Golden Cruz.
Er wird dort den Enkeln der Adams- Brüder begegnen.
Von den Kilroys aber ist nichts mehr vorhanden.
Deshalb wurde Golden Cruz wohl auch eine so faire und glückliche Stadt.
ENDE