Peter Hien Bernhard O. Böhm Diabetes 1×1 Diagnostik, Therapie, Verlaufskontrolle
Peter Hien Bernhard O. Böhm
Diabete...
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Peter Hien Bernhard O. Böhm Diabetes 1×1 Diagnostik, Therapie, Verlaufskontrolle
Peter Hien Bernhard O. Böhm
Diabetes 1×1 Diagnostik, Therapie, Verlaufskontrolle
Mit 15 Abbildungen und 26 Tabellen
123
Dr. med. Peter Hien Medizinische Klinik, Kreiskrankenhaus Freiberg, Donatsring 20, 09599 Freiberg Universitätsprofessor Dr. med. Bernhard O. Böhm Zentrum für Innere Medizin, Schwerpunkt EndokrinoIogie und Diabetologie, Exzellenzzentrum Baden-Württemberg »Stoffwechselkrankheiten« Universität Ulm, Robert-Koch-Str. 8, 89081 Ulm/Donau
ISBN 978-3-540-75899-0 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2008 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Hinrich Küster Projektmanagement: Meike Seeker Umschlaggestaltung: deblik Berlin Umschlagabbildung: photos.com Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg SPIN: 12168156 Gedruckt auf säurefreiem Papier
2126 – 5 4 3 2 1 0
Vorwort
Das Diabetes 1x1 ist die aktualisierte Pocketversion des Handbuches. Es extrahiert aus der Summe der diabetologischen Informationen das Wichtige und das Richtige. Dem gut ausgebildeten Arzt sind Fragestellung und Zuordnung in der Regel klar; er braucht einen raschen und verlässlichen Zugriff auf präzise Schemata, um diese im konkreten Fall einsetzen zu können. Mit der 1. Auflage des Diabetes-Handbuches 1995 setzten wir das Konzept der US-amerikanischen Pocket-Manuale für junge Ärzte um. »Es wurden«, so kommentierte Herr Professor Mehnert, »keine wichtigen Fakten ausgelassen und das Ganze dennoch komprimiert, lesbar und verständlich dargeboten«. Bis zur 5. Auflage erfolgten immer wieder Überarbeitungen auf dem Boden der neueren wissenschaftlichen Literatur und der Empfehlungen der Fachgesellschaften. Die hohe Leistungsdichte und die Arbeitsbedingungen in der Praxis und im Stationsalltag vor Augen ergab sich die alte Herausforderung neu: das bewährte Buch bündeln, Aussagen ohne inhaltlichen Verlust wesentlich kürzen, praxisrelevante Information jederzeit griffbereit machen. Wir wünschen dem Nutzer viel Freude mit diesem Kitteltaschenbuch. Es soll ihm den Einstieg in die Diabetologie erleichtern und möge ihm bei der täglichen Arbeit mit den »Zuckerpatienten« von großem Nutzen sein.
Freiberg/Ulm, im Frühjahr 2008
Peter Hien Bernhard O. Böhm
Über die Autoren und das Diabetes-Team
Dr. med. Peter Hien Medizinische Klinik im Kreiskrankenhaus Freiberg
Univ.-Prof. Dr. med. Bernhard O. Böhm Medizinische Universitätsklinik Ulm
VIII
Über die Autoren und das Diabetes-Team
Das Diabetes-Team im Kreiskrankenhaus Freiberg wirkte bereits an der 5. Auflage des Diabetes-Handbuches und jetzt auch an unserem Diabetes 1x1 mit. Alle Facetten, von der Pflege bis zum ärztlichen Dienst, von der Aufnahme bis zur Entlassung, ambulant und stationär, fanden so aus verschiedenen Blickwinkeln ihren Niederschlag. Neben einer Station mit akkredierter Diabetologie und Schulungszentrum werden im Schwerpunktklinikum in Freiberg Diabetiker im Bereich Geburtshilfe, Pädiatrie, perioperativ und auf der Wach- und Intensivstation betreut. Regelmäßig finden gemeinsame Fortbildungen mit den niedergelassenen Kollegen, Treffen mit intensiv betreuten Patientengruppen sowie auch mit den Selbsthilfegruppen vor Ort statt. Von links: Frau Dr. Bock wird in Kürze zur DiabetologinDDG gekürt werden. Herr Dr. Fritsch leitet oberärztlich die Diabetologie im Hause, ist zudem sächsischer Diabetologe, ein Mann der ersten diabetologischen Stunde in Freiberg. Schwester Ines Lantzsch leitet die Diabetesstation pflegerisch. Meine Wenigkeit mit dem Manuskript. Dr. Wunderlich kam von weit her, nach umfangreicher internistischer Vorbildung, um in Freiberg zum Diabetologen ausgebildet zu werden. Schwester Katja Bauch hat von Anbeginn an unermüdlich am Aufbau und Gelingen unserer Einrichtung mitgewirkt, sie führt das Schulungszentrum und das Beratungsteam im Klinikum. Schwester Katrin Uhlig ist ebenfalls Diabetesberaterin. Als intensivmedizinische Fachkraft kann sie gerade in diesem Bereich und perioperativ viele Impulse setzen.
Peter Hien
Inhaltsverzeichnis
1
Führende Symptome des Diabetes . . . . . . . . . . . . . . . 1
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9
Labordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutzucker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oraler Glukosetoleranztest (OGTT) . . . . . . . . . . . . . . . . . Blutzucker im venösen und kapillären Blut . . . . . . . . . . Sekretionskapazität – C-Peptid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . HbA1c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fructosamin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikroalbuminurie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nierenfunktionsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urinstix auf Ketonkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Verschiedene Diabetesformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
4
Pathogenese des Typ-1-Diabetes mellitus . . . . . . . . 11
5
Entwicklung des Typ-2-Diabetes . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
6
Pathophysiologie, Klinik des D. m. 1 . . . . . . . . . . . . . . 17
7
Prävention des Typ-1-Diabetes mellitus . . . . . . . . . . 19
8
Pathophysiologie, Klinik des D. m. 2 . . . . . . . . . . . . . . 20
9
Metabolisches Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
10
Prävention des Diabetes mellitus Typ 2 . . . . . . . . . . 24
2 2 3 6 6 7 7 7 8 9
X
Inhaltsverzeichnis
11 11.1 11.2 11.3 11.4
Gestationsdiabetes – D. m. und Schwangerschaft . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen für Mutter und Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik des Gestationsdiabetes . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25 25 27 28 29
12 12.1 12.2 12.3 12.4
Diabetische Ketoazidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnose und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komplikationen im Therapieverlauf . . . . . . . . . . . . . . . .
34 34 35 36 43
13
Hyperosmolares Koma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
14 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6
Hypoglykämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursachen der Hypoglykämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Risiko und Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Ursachen für eine Hypoglykämie . . . . . . . . . .
15
Laktatazidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
16 16.1 16.2 16.3
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus . . . . . . . Makroangiopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mikroangiopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diabetische Neuropathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58 58 62 72
17 Diabetisches Fußsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Prophylaxe von Sekundärkomplikationen bei diabetischem Fußsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83 83
48 48 49 51 52 53 55
86 87
XI
Inhaltsverzeichnis
18
Hypertonie, Herzerkrankungen und weitere Folgeerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1 Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Herzerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Weitere Folgeerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
91 91 93 94
Fettstoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
20 20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6 20.7
Insulintherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Eigenschaften verschiedener Insulinpräparate . . . . . 97 Physiologie der Insulinwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Konventionelle Insulintherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Intensivierte Insulintherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Bestimmung der Insulindosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Blutzuckerkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Index von Insulinpräparaten, Auswahl verfügbarer Insuline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 20.8 s.c.-Insulininjektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 20.9 Insulinaufbewahrung und Haltbarkeit . . . . . . . . . . . . 139 20.10 Häufige Fehler bei der Insulintherapie . . . . . . . . . . . . 139 21 21.1 21.2 21.3 21.4 21.5 21.6 21.7 22
Pharmakotherapie des D. m. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alpha-Glukosidase-Hemmer (Acarbose) . . . . . . . . . . Metformin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sulfonylharnstoffe (SH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prandiale insulinotrope Glukoseregulatoren . . . . . . Insulinsensitizer – Thiazolidindione (Glitazone) . . . . GLP-1-Analoga und DPP-IV-Inhibitoren . . . . . . . . . . . Insulin beim Versagen oraler Antidiabetika . . . . . . .
141 146 146 149 152 152 153 154
Perioperative und periinterventionelle Diabetestherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 22.1 Anästhesieverfahren und Tageszeit . . . . . . . . . . . . . . . 161 22.2 Operation und Postaggressionsstoffwechsel . . . . . . 162
XII
Inhaltsverzeichnis
22.3 Begleiterkrankungen und diabetische Folgeerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 22.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 23
Alkohol und Diabetes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
24 24.1 24.2 24.3 24.4 24.5
Grundzüge der Diabeteskost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundzüge der Diabeteskost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Körpergewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energie-, Kohlenhydrat-, Protein- und Fettbedarf . . . Berechnungseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kohlenhydrataustauschtabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
Diabetes und Reisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
26
Diabetes und Straßenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
169 169 170 171 175 179
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Abkürzungsverzeichnis
ADA ADN AGE
Ak ALLHAT
APS
ARDS ASCOT-LL ASD ASS ASR ATP AUC AVK BE
American Diabetes Association autonome diabetische Neuropathie »advanced glycosylation endproducts«; Proteine, die Zuckeraddukte enthalten; diese Proteine werden von spezifischen Rezeptoren gebunden (sog. RAGE) und vermitteln u. a. die Ausschüttung pro-inflammatorischer Signale Antikörper Antihypertensive and Lipid Lowering Treatment to Prevent Heart Attack Trial; die in der Studie eingesetzten α-Blocker konnten nicht wie erwartet kardiovaskuläre Risiken vermindern autoimmunes polyglanduläres Syndrom; liegt immer dann vor, wenn neben einem Typ 1-Diabetes weitere organspezifische Autoimmunerkrankungen bestehen »adult respiratory distress syndrome« Anglo-Scandinavian Cardia Outcomes Trial – Lipid Lowering Arm alternative Einstichstellen Azetylsalizylsäure Achillessehnenreflex Adenosintriphosphat »area under the curve« arterielle Verschlusskrankheit Berechnungseinheit für den Kohlenhydratgehalt von Nahrungsmitteln, 1 BE entspricht 10–12 g Kohlenhydrate (früher auch »Broteinheit« genannt)
XIV
Abkürzungsverzeichnis
BGA BMI BZ CARE CARDS
CK COPD CPK CSSI CRP CT CTS DCCT
DD DDG DFS DIC DIGAMI
Blutgasanalyse Bodymass-Index; Index für die Gewichtsverteilung Blutzucker Cholesterol and Recurrent Event Trial Collaborative Atorvastatin Diabetes Study, dokumentiert eine signifikante Risikoreduktion bei Vorliegen eines Diabetes mellitus Typ 2 und einem weiteren kardiovaskulären Risikomerkmal durch Atorvastatin Kreatinkinase chronisch obstruktive Lungenerkrankung Kreatinphosphokinase kontinuierliche subkutane Insulininfusion; Insulinpumpentherapie C-reaktives Protein konventionelle Insulintherapie Karpaltunnelsyndrom Diabetes Control and Complications Trial; große Typ 1-Diabetes-Studie, die die Vorteile einer intensivierten Insulintherapie und der Insulinpumpentherapie für die Primär-und Sekundärprävention mikro- und makrovaskulärer Komplikationen des Diabetes nachgewiesen hat Differenzialdiagnose Deutsche Diabetes Gesellschaft diabetisches Fußsyndrom »disseminated intravasal coagulation« Diabetes Mellitus Insulin Glucose Infusion in Acute Myocardial Infarction; klinische Studie, die den Überlebensvorteil einer GlukoseInsulin-Infusion beim akuten Myokardinfarkt nachwies
Abkürzungsverzeichnis
D.m. dpt DPT-1
XV
Diabetes mellitus Dioptrien Diabetes Prevention Trial in pre Type 1, Typ 1Diabetespräventiosnsstudie, die den Effekt von intravenösem und oralem Insulin in der prä-Typ 1-Phase überprüfte DR diabetische Retinopathie DSA digitale Subtraktionsangiographie ED erektile Dysfunktion EDIC Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications Study; Nachfolgebeobachtung der DCCT EMG Elektromyogramm, zeichnet Aktionsströme der Muskeln auf ENDIT European Nicotinamide Intervention Trial, Interventionsstudie mit Nikotinamid in der prä-Typ 1 diabetischen Phase GAD Glutamat-Decarboxylase, Inselzellantigentypischer Autoantikörper beim Typ 1-Diabetes und beim spätmanifestierten Typ 1-Diabetes (sog. LADA-Diabetes) GFR glomeruläre Filtrationsrate GI glykämischer Index; Wirkung eines bestimmten Nahrungsmittels auf den Blutzuckeranstieg GIK-Regime perioperative Glukose-Insulin-Kalium-Infusion GIP »gastric inhibitory peptide« GDM Gestationsdiabetes; erstmalig in der Schwangerschaft auftretende Glukoseerhöhung GLP-1 Glukagon-like-Peptid-1 GOT Glutamat-Oxalazetat-Transaminase GPT Glutamat-Pyruvat-Transaminase h Stunde HbA1c N-terminal glykiertes Hämaglobin HCG humanes Choriongonadotropin
XVI
HDL-C HF HLA HOPE
HOT
hPL HPS
hsCRP IAA IA-2 ICA
ICA 69 ICT IDF IE IFCC IFG
Abkürzungsverzeichnis
High-density-lipoprotein-Cholesterin; Lipoproteine hoher Dichte Herzfrequenz »human leucocyte antigen«; Histokompatibilitätsantigen Heart Outcomes Prevention Evaluation Trial; große klinische Studie, die den positiven Effekt des ACE-Inhibitors Ramipril zur Risikoreduktion kardiovaskulärer Ereignisse bei Diabetikern und Nichtdiabetikern zeigen konnte Hypertension Optimal Treatment Trial; große klinische Prüfung an Nichtdiabetikern und Diabetikern, mit Nachweis einer Risikoreduktion durch diverse Antihypertensiva sowie durch Gabe von Aspirin plazentares Laktogen Heart Protection Study, dokumentiert klinische Effekte von Simavastatin zur Risikoredukation bei Patienten mit/ohne Diabetes mellitus hochsensitives C-reaktives Protein Insulin-Antikörper Inselzellantigen-Tyrosinphosphatase Inselzellantikörper; im Immunfluoreszenztest nachweisbare Autoantikörper gegen Inselzellgewebe Inselzellantigen 69 intensivierte konventionelle Insulintherapie; Standardtherapie eines Diabetes mellitus Typ 1 International Diabetes Federation Internationale Einheiten, Maßeinheit für Insulinmenge (auch als E oder U abgekürzt International Federation of Clinical Chemistry »impaired fasting glukose«; gestörte Nüchternglukose
Abkürzungsverzeichnis
IGT INTERHEART
IRI i.v. IVGTT JDF-U KHK KG KM KOF LADA LCAT LDH LDL-C LJ LZ-EKG LZ-RR MDRD min MODY
MSY NASH NCEP NI NLG NNR-AK
XVII
gestörte Glukosetoleranz International case-control study to assess importance of risk factors for coronary heart disease worldwide; weltweite Studie, die allgemeingültige Risikoprofile für einen akuten Myokardinfarkt angibt immunreaktives Insulin intravenös intravenöser Glukose-Toleranztest Juvenile Diabetes Foundation Unit koronare Herzkrankheit Körpergewicht Kontrastmittel Körperoberfläche »latent autoimmune diabetes of the adult«; spätmanifestierter Diabetes mellitus Typ 1 Lezithin-Cholesterin-Acyltransferase Laktatdehydrogenase Low-density-lipoprotein-Cholesterol; Lipoproteine niedriger Dichte Lebensjahr Langzeit-EKG Langzeitblutdruckmessung Modified Diet in Renal Diseases Minute »maturity onset diabetes in the young«; genetisch bedingte Diabetesform mit autosomaldominantem Erbgang metabolisches Syndrom nichtalkoholinduzierte Fettleber National Cholesterol Education Program Normalinsulin Nervenleitungsgeschwindigkeit Nebennierenrinden-Antikörper
XVIII Abkürzungsverzeichnis
NNRI NP NPH
NPDR NSAR NTproBNP Nü-BZ OAD OGTT
Op OR pAVK PCA PDN PDR p.o. POC-S PPAR PRL PSR PTA PTCA RENAAL
Nebennierenrindeninsuffizienz Nephropathie neutrales Protamin Hagedorn; basisches Protein, geeignet, um Verzögerungsinsuline (NPH-Insuline) herzustellen nichtproliferative diabetische Retinopathie nichtsteroidale Antirheumatika; können u. a. die Nierenfunktion reduzieren aminoterminales pro brain natriuretische Peptid Nüchtern-Blutzucker orales Antidiabtikum oraler Glukose-Toleranztest; oraler Zuckerbelastungstest mit 75 g Glukose um z. B. den Glukosestoffwechsel bei regelhaftem Nüchtern-BZ weiter zu klassifizieren Operation Odds-Ratio, Vergleichsmaß für Risiken etc. periphere arterielle Verschlusskrankheit Parietalzellantikörper periphere diabetische Neuropathie proliferative diabetische Retinopathie per os (Einnahme über den Mund) polyzystisches Ovarsyndrom Peroxisomen-Proliferator-aktivierendes Protein, nukleärer Rezeptor für die Thiazolidindione Prolaktin Patellarsehnenreflex perkutane transluminale Angiographie perkutane transluminale koronare Angioplastie Renal Protective Effects of Losartan in Patients with Noninsulin-Dependent Diabetes Mellitus and Nephropathy; klinische Studie, die erstmalig die Risikoreduktion für Nieren-
Abkürzungsverzeichnis
RKM RPF RR s s.c. SD SEA SH
SIH SpM SSW STH Stix 4SStudie
Tbl. TNF TPO
tTG
XIX
versagen beim Typ 2-Diabetiker durch einen Angiotensinrezeptorblocker (AT1-Blocker Losartan) nachgewiesen hat Röntgenkontrastmittel renaler Plasmafluss Blutdruck Sekunde subkutan Schilddrüse Spritz-Ess-Abstand Sulfonylharnstoffe; vom Sulfonamid abgeleitete Pharmaka, die über einen spezifischen Rezeptor an β-Zellen die glukoseabhängige Insulinsekretion stimulieren schwangerschaftsinduzierte Hypertonie Spätmahlzeit Schwangerschaftswoche Wachstumshormon; klassischer Vertreter eines kontrainsulinären Prinzips Teststreifen Scandinavian Simvastatin Survival Study; große klinische Studie, die die Reduktion von Mortalität und Morbidität bei Patienten mit KHK ohne oder mit Diabetes und Serumcholesterin zwischen 210 und 310 mg/dl durch das Statin Simvastatin nachwies Tablette Tumor-Nekrose-Faktor schilddrüsenspezifische Peroxidase; wichtiges Autoantigen der Schilddrüse bei HashimotoThyreoiditis und Morbus Basedow gewebespezifische Transglutaminase; Autoantigen bei glutensensitiver Enteropathie (Zöliakie, Sprue)
XX
Abkürzungsverzeichnis
UKG UKPDS
VEGF VLDL WHO WHR ZM ZVK
Echokardiographie UK Prospective Diabetes Study; große klinische Studie an Patienten mit Erstdiagnose eines Typ 2-Diabetes mellitus; Nachweis der Effektivität einer BZ-Senkung und Blutdrucksenkung auf mikrovaskuläre Komplikationen des Diabetes Vascular Endothelian Growth Factor »very low density lipoprotein«; Lipoprotein von sehr geringer Dichte Weltgesundheitsorganisation Taille/Hüft-Quotient Zwischenmahlzeit zentralvenöser Katheter
1 Führende Symptome des Diabetes
Durst, Polydipsie, häufiges Wasserlassen, Polyurie, Exsikkose, Gewichtsverlust, Sehstörungen Leistungsschwäche, Abgeschlagenheit, Müdigkeit Verlangsamung, Eintrübung bis Koma, Harnwegsinfekte, Hautmykosen, Furunkulosen, Pyodermie, Übelkeit und Bauchschmerzen bis zum akuten Abdomen (Pseudoperitonitis), Muskelkrämpfe, Juckreiz (u. a. Pruritus vulvae). Regelstörungen Libidoverlust Appetitlosigkeit Dehydratation
Diese Aufstellung beschreibt die Symptome eines entgleisten Blutzuckers beim Typ 1- und beim Typ 2-Diabetespatienten. Der Typ 2-Diabetiker ist im Gegensatz zum Typ 1-Diabetiker weitaus häufiger bei Diagnosestellung asymptomatisch. Die Entwicklung des Typ 2-Diabetes ist meist schleichend, so dass die Diagnosestellung bei fehlender Klinik quasi zufällig gestellt wird.
2 Labordiagnostik
2.1
Blutzucker
Norm- und pathologische Werte zeigt ⊡ Tab. 2.1. D. m.-Screening ab einem Alter >45 Jahre, bei Normoglykämie Wiederholung nach 3 Jahren. D. m.-Screening im jüngeren Alter bei Vorliegen folgender Risikomerkmale: Adipositas (BMI ≥27 kg/m2), arterielle Hypertonie, KHK, insbesondere bei Angina pectoris oder nach Herzinfarkt, HDL-Erniedrigung und/oder Triglyzeriden ≥250 mg/dl [2,85 mmol/l], gestörte Glukosetoleranz, erhöhter Nüchternglukose (z. B. während eines Infektes). erstgradig Verwandter mit Diabetes mellitus, Geburt eines Kindes mit Makrosomie (>4 kg), Gestationsdiabetes, Albuminurie
Merke
I
100 mg/dl BZ = 5,6 mmol/l BZ 18,0 mg/dl BZ = 1,0 mmol/l BZ
I
Labordiagnostik
3
⊡ Tabelle 2.1. Normwerte und pathologische Blutzuckerwerte bezogen auf venöses oder kapilläres Vollblut. (Aus Böhm 2001, S. 7) BZ [mg/dl]
BZ [mmol/l]
Normale Nüchternglukose
<100
<5,6
Gestörte Nüchternglukose (»impaired fasting glucose«, IFG)
100–109
5,6–6,0
Diabetes mellitus:
≥110
≥6,1
In der Gestationsphase gelten besondere Kriterien Normale Nüchternglukose
<90
<5,0
Gestörte Nüchternglukose (sog. präpathologischer Nü-BZ)
91–99
5,0–5,4
Pathologischer Nü-BZ
>100
>5,6
2.2
Oraler Glukosetoleranztest (OGTT)
Details sind in ⊡ Tab. 2.2 und 2.3 dargestellt. Bei normalem/grenzwertigem BZ zum Ausschluss eines D. m. oder einer IGT: Vorgehen beim OGTT nach WHO 1999 Procedere: 10–16 h vorher nüchtern; Tage zuvor normal und kohlenhydratreich essen; (>150 g Kohlenhydrate/Tag); Thiaziddiuretika, Kontrazeptiva und Glukokortikoide 3 Tage vorher absetzen; Nü-BZ bestimmen;
4
Labordiagnostik
dann:
morgens 75 g Glukose in 300 ml Flüssigkeit in 5 min trinken; Bestimmung des BZ nach 2 h; normale Bewegung (keine Arbeit, keine Bettruhe) im Messzeitraum; nicht rauchen vor oder während des Tests.
⊡ Tabelle 2.2. Blutzuckerwerte zur Beurteilung des OGTT Nüchternglukose (Vollblut: kapillär/venös)
BZ [mg/dl] / [mmol/l]
Normal
<100 / <5,6
Gestörte Nüchternglukose (»impaired fasting glucose«; IFG)
100– <110 / 5,6–<6,1
Diabetes mellitus
≥110 / ≥6,1
Glukose nach 2 h
Vollblut kapillär BZ [mg/dl] / [mmol/l]
Vollblut venös BZ [mg/dl] / [mmol/l]
Normal
<140 / 7,8
<120 / 6,7
Gestörte Glukosetoleranz (IGT)
140–199 / 7,8–10,9
120– <179 / 6,7–<10,0
Diabetes mellitus
≥200 / ≥11,0
≥180 / ≥10,0
⊡ Tabelle 2.3. Orale Glukosebelastung bei Kindern mit 1,75 g Glukose/kg KG in Wasser gelöst (maximal 75 g) Nü-BZ
[mg/dl] / [mmol/l]
Nach 1 h [mg/dl] / [mmol/l]
Nach 2 h [mg/ dl] / [mmol/l]
Normal
<100 / <5,6
<180 / <10,0
<140 / <7,8
Diabetes mellitus
>126 / ≥7,0
>180 / ≥10,0
>140 / ≥7,8
Labordiagnostik
Merke
I
5
I
Prognostisch bedeutsam ist jede Hyperglykämie in Stresssituationen (z. B. Pneumonie, Herzinfarkt, Schlaganfall), im Intervall sollte eine oGTT durchgeführt werden. Orale Glukosebelastung ist nicht indiziert bei: entzündliche und konsumierende Erkrankungen, Z. n. Magenoperationen mit Veränderung der normalen Passage peptische Ulzera, Morbus Crohn, akutes Abdomen, frischer Herzinfarkt; frischer apoplektischer Insult; Hirnödem, Kalium- und Magnesiummangel (für die Insulinwirkung erforderliche Elektrolyte), Leberfunktionsstörungen, Endokrinopathien wie Akromegalie, Phäochromozytom, Morbus Cushing und Hyperthyreose, unter Medikation mit Azetazolamid, Phenytoin, Beta-Blocker (Vasokonstriktion), Diuretika (Exsikkose) und Steroiden (z. B. Glukokortikoide, Ovulationshemmer). OGTT kann falsch-negativ sein bei: Resorptionsstörung, Reduktionsdiät, körperlicher Arbeit. Der OGTT ist falsch-positiv bei Bettruhe oder nach einer Fastenperiode. 1–5% der Menschen mit IGT entwickeln pro Jahr einen D. m. 2. Risikofaktor 20 über der Normalbevölkerung.
6
Labordiagnostik
2.3
Blutzucker im venösen und kapillären Blut Merke
I
NÜ-BZ: Postprandial oder nach OGTT: Vollblut versus Plasma:
I Venöses Vollblut entspricht kapillärem Vollblut. Venöses Vollblut liegt ca. 20–40 mg/dl [~1–2 mmol/l] unter dem kapillären Vollblut. Im Plasma liegen die Werte um ca. 15 mg/dl [~1 mmol/l] höher als im Vollblut (Erys ohne Glukose).
Diabetesdiagnose nur mit qualitätskontrollierten Messverfahren; Messgeräte zur BZ-Selbstkontrolle sind zur Diagnostik eines D. m. nicht geeignet, sie sind nur zur Verlaufskontrolle und Steuerung der Einstellung geeignet.
2.4
Sekretionskapazität – C-Peptid
C-Peptid als Insulinspaltprodukt (Pro-Insulin wird zu Insulin und C-Peptid), beschreibt das Ausmaß der Insulinsekretion. Diese Fragestellung kann in der sog. »Honeymoon-Periode« oder beim Sekundärversagen unter oralen Antidiabetika wichtig sein. Nü-C-Peptid von 1,0–2,0 ng/ml und ein postprandiales C-Peptid von 1,5–3,0 ng/ml.
Labordiagnostik
2.5
7
HbA1c Merke
I
I
Normwert HbA1c ist 4–6% des Gesamt-Hb. 6,5% wäre die ideale BZ-Einstellung.
Die Anlagerung der Glukose an das Hämoglobinmolekül (Glykierung) dauert 4–6 h (!) und ist dann irreversibel, HbA1 beschreibt den Langzeitverlauf über 2–3 Monate. Falsch-hohe Werte bei Niereninsuffizienz, Alkoholismus, Leberzirrhose, Eisenmangel-Anämie und der Polyzthämie. Falsch-niedrige Resultate bei Blutverlust, Hämolyse durch eine jeweils verkürzte Erythrozytenüberlebenszeit. Problematisch: Hämoglobinopathien.
2.6
Fructosamin
Glykierte Serumproteine mit einer HWZ von 14 Tagen. Es beschreibt die Einstellung der letzten 14 Tage, mitunter sinnvoll bei Diabetes in der Schwangerschaft. Normwert: 200–285 µmol/l oder bei Hämoglobinopathien.
2.7
Mikroalbuminurie
Definition der Mikroalbuminurie Bei 24 h Urinsammlung: Im Morgenurin: Konzentrationsmessung bei Kindern bezogen auf 1,73 m2 Körperoberfläche:
30–300 mg/Tag 20–200 mg/l 20–200 mg/l
8
Labordiagnostik
Merke
I
I
Der Test des 24-h-Urins ist störanfällig, da häufig keine vollständigen Sammelperioden eingehalten werden! Screening: Bestimmung mit Schnelltests möglich (z. B. Micral-II-Test, Rapitex-Albumin). Bei D. m. 2 jährliches Screening, bei D. m. 1 spätestens 5 Jahre nach Diagnosestellung. Diagnose Nephropathie durch zweimaligen Nachweis im Abstand von 2–4 Wochen (= persistierende Mikroalbuminurie). Falsch-positiv« bei: Harnwegsinfekte, andere Infekte, Fieber, Hypertonie, körperliche Anstrengung, Orthostase (z. B. langes Stehen im Op), Herzinsuffizienz, massiv entgleister BZ, Nierenerkrankungen (Ischämie, Nephritiden etc.), vaginaler Ausfluss oder Periodenblutung.
2.8
Nierenfunktionsprüfung
Zur raschen Abschätzung der GFR bieten sich 2 Verfahren an: die MDRD- (Modified Diet in Renal Diseases) Formel, basiert auf Kreatininwert im Blut die Bestimmung von Cystatin C, ebenfalls durch Einsatz einer Schätzformel. In die gekürzte MDRD-Formel gehen das Serum-Kreatinin, das Alter und das Geschlecht ein. Frauen: Männer:
GFR (ml/min/1,73m2) = 186 x (S–Kreatinin)–1,154 x (Alter)–0,203 x 0,742 GFR (ml/min/1,73m2) = 186 x (S–Kreatinin)–1,154 x (Alter)–0,203
Labordiagnostik
9
Alternativ kann das Cystatin C bestimmt werden, es hängt ausschließlich von der glomerulären Filtrationsleistung ab (Normwerte: Männer 0,50–0,96 mg/l, Frauen: 0,57–0,96 mg/l): Mittels einer Schätzformel wird der GFR errechnet: GFR (ml/min) = 74,835: Cystatin C (mg/l)1,333
2.9
Urinstix auf Ketonkörper
Er sollte ab einem BZ von 240 mg/dl [13 mmol/l] und bei Verdacht auf eine ketoazidotische Entgleisung durchgeführt werden. Müdigkeit, Infekt, Gewichtsverlust, Übelkeit und Erbrechen. Test hat besondere Bedeutung bei der Insulinpumpentherapie: Ketoazidose kann innerhalb von 2–4 h nach Abknicken der Leitung oder Nadeldislokation beginnen. Differenzialdiagnose Hungerketose bei Arbeit/Sport/Anorexie.
3 Verschiedene Diabetesformen
Die wichtigsten Formen: (ADA 1997, WHO und Böhm 2001): Typ-1-Diabetes mellitus, D. m. 1: Autoimmunerkrankung, die zu einer Zerstörung der Insulin produzierenden Zellen mit absolutem Insulinmangel führt. Typ-2-Diabetes mellitus, D. m. 2: Meist zunehmende Insulinresistenz bei Überernährung und Bewegungsmangel, erst Insulinresistenz und Hyperinsulinämie, dann Sekretionsdefizit. Pankreopriver Diabetes, meist bei chronischer Pankreatitis (sehr schwer einstellbar). Gestationsdiabetes, erstmalig in der Schwangerschaft auftretend. Andere spezifische Diabetestypen (ADA 1997, WHO, differenziert ausgeführt bei Böhm 2001): genetische Defekte der Beta-Zellfunktion (hierunter wird z. B. jetzt auch der MODY-Diabetes mit seinen Unterformen [MODY 1, 2 etc.] eingeordnet), genetische Defekte der Insulinwirkung, Endokrinopathien, Medikamenteninduziert, etc.
4 Pathogenese des Typ-1-Diabetes mellitus
I
Merke
I
Die Charakteristika dieser Autoimmunerkrankung (⊡ Abb. 4.1)sind: entzündliche Infiltration der Inselzellen (Insulitis), Autoantikörper (Inselzellantikörper, Antikörper gegen weitere Inselzellantigene), Häufung in Familien, gehäuftes Auftreten anderer Autoimmunopathien wie Hashimoto-Thyreoiditis, u. a.
Genetik Umweltfaktoren
ICA (GAD, Insulin, IA-2, ICA69, ...)
Beta Zell Funktion
IV GTT ↓ O GTT ↓ Glukose ↑ C Peptid -
II
III
Insulitis
I
⊡ Abb. 4.1. Natürlicher Verlauf des Typ 1-Diabetes. ICA = Inselzellantikörper, GAD = Glutamat-Decarboxylase, IA-2 = Inselzellantigen-Tyrosinphosphatase, GTT = Glukosetoleranztest
12
Pathogenese des Typ-1-Diabetes mellitus
In der prädiabetischen Phase (vor Manifestation eines D. m. 1) lassen sich bereits Auto-Antikörper nachweisen. Genetische Disposition HLA-assoziierte Veranlagung (HLA-DR3/DR4; DQB1*0201,*0302). D. m. 1: weltweit steigende Inzidenz und Prävalenz (⊡ Tab. 4.1).
⊡ Tabelle 4.1. Empirisches (lebenslanges) Typ 1-Diabetes-Risiko. (Aus Spinas 2001, S. 15) Risiko [%] Familienangehörige Monozygote Zwillinge Geschwister: durchschnittliches Risiko HLA-identisch HLA-haploidentisch HLA-nichtidentisch
30–50 6–10 10–15 2–9 0–1
Allgemeinbevölkerung Allgemeines Risiko DR3-/4-positiv Suszeptible DR-/DQ-Allele
0,4 2–4 6–8
Pathogenese des Typ-1-Diabetes mellitus
Merke
I
I
Autoantikörper als Marker der Insulitis meist Frage D. m. 1 vs. D. m. 2 Risikoabschätzung bei Verwandten von D. m.-1Patienten (erstgradig) Zuordnung des Gestationsdiabetes: Inselzellantikörper Normalbefund: <2 JDF-U (ICA): Glutamatdecarbohäufig stark positiv bei Patixylase-Antikörper enten mit einem spätmani(GAD-Ak): festen Typ-1-Diabetes (sog. »LADA-Diabetes«). angegeben in arbiträren Einheiten, s. Normbereich des Testbestecks. angegeben in arbiträren EinTyrosin-Phosphaheiten des eingesetzten Tests tase-Antikörper (IA-2-Ak): Insulinautoantikör- Möglicherweise ist der präper (IA-Ak): diktive Wert der IA-Ak im Kindesalter höher im Vergleich zum Jugend- und Erwachsenenalter. Je mehr Inselzellantigene durch Auto-Antikörper erkannt werden und je höher die Titer, desto höher das Risiko für Typ-1-Diabetes.
13
5 Entwicklung des Typ-2-Diabetes
Der Typ-2-Diabetes zeigt ein hohes Maß an Vererblichkeit. Androide Fettverteilung mit Bauchfett und schmalen Hüften sowie Hirsutismus bei Frauen (z. B. polyzystische Ovarien). Ursache ist die regelmäßige hochkalorische Nahrungszufuhr, gepaart mit Bewegungsmangel (⊡ Abb. 5.1): 1. Ereignis: Genetische Konstellation mit Tendenz zur Insulinresistenz (Leber, Muskulatur), verzögerten Insulinsekretion und reaktiver Hyper(pro)insulinämie. 2. Ereignis: Bewegungsmangel und regelmäßige Fehl- und Überernährung (androide Adipositas). 3. Ereignis: Zunehmende Insulinresistenz der insulinempfindlichen Organ- und Zellsysteme. 4. Ereignis: Zunehmende regulatorische Hyper(pro)insulinämie, Verlust der ersten Phase der Insulinsekretion. 5. Ereignis: Verminderte Glukosetoleranz, später Typ-2Diabetes. 6. Ereignis: Langsames »Ausbrennen« der Beta-Zellen mit Beta-Zellversagen. 7. Ereignis: Lifestyle-Änderung mit Diabetes-Kost und Bewegung (Basistherapie). 8. Ereignis: Basistherapie plus OAD. 9. Ereignis: Zur Kontrolle des Stoffwechsels wird eine Insulinbehandlung notwendig. Hyperalimentation mit rasch aufschließbaren Kohlenhydraten, Überschuss an gesättigten Fettsäuren, und Bewegungsmangel führen zu IGT und schließlich zum D. m. 2. Die große
-6
0
2
6
Typ 2Diabetes Phase II
Jahre ab Diagnose
-2
Gestörte Typ 2Glukose - Postprandiale Diabetes Hyperglykämie toleranz Phase I
0 -12 -10
25
50
10
14
Typ 2-Diabetes Phase III
⊡ Abb. 5.1. Unterschiedliche Stadien des Diabetes mellitus Typ 2 in Beziehung zur β-Zellfunktion. Die Daten 0–6 Jahre nach Diagnosestellung wurden gemäß der UKPDS-Population ermittelt. (Mod. nach Lebovitz 1999, aus Palitzsch u. Bollheimer 2001, S. 40)
b-ZellFunktion (%)
75
10 0
Entwicklung des Typ-2-Diabetes
15
16
Entwicklung des Typ-2-Diabetes
Mehrheit dieser Patienten kann durch vermehrte Aktivität und Kalorienrestriktion zumindest temporär dies umkehren. Letztlich »brennen« die Beta-Zellen aus.
Merke
I
I
Im Stadium der gestörten Glukosetoleranz könnte mittels Bewegung, Muskelaufbau, angepasster Ernährung und Medikamente einem D. m. 2 vorgebeugt werden. Gewichtsreduktion, körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung reduzieren das Risiko, einen D. m. 2 zu entwickeln, um 30–50%. Sobald man das sog. metabolische Syndrom diagnostiziert, ist die Krankheit bereits fortgeschritten, Hinweise auf die Mikro- und Makroangiopathie liegen schon vor.
6 Pathophysiologie, Klinik des D. m. 1 Manifestationsgipfel um das 14.–16. Lebensjahr. D. m. 1 kann in jedem Lebensalter auftreten; im höheren Lebensalter (>40. LJ) sind Antikörpertests in der Differenzialdiagnose wichtig. Es fehlt das Insulin zur Verwertung der Glukose mit heftigen Erstsymptomen, Polyurie, Polydipsie und Exsikkose. Es wird auch der Protein- und Fettstoffwechsel katabol mit Schwäche und Gewichtsverlust bis zur Ketoazidose. Aufgrund der Reizung des Peritoneums kann sich die Ketoazidose als Pseudoperitonitis mit dem Bild eines akuten Abdomens manifestieren. Zusätzlich wird durch hohen BZ (>180 mg/dl) die Granulozytenfunktion, die Migrationsfähigkeit der Leukozyten und damit die Immunabwehr eingeschränkt.
Merke
I
I
Insulinmangel führt zu: intrazellulärem Glukosemangel, mangelnder intrazellulärer Energieversorgung, erhöhtem Blutzucker und ungehemmter Glukagonwirkung mit Proteolyse, Glykogenolyse, überschießender Lipolyse und Ketonkörperbildung mit den Folgen der körperlichen Schwäche, osmotischen Diurese und Exsikkose, Ketoazidose.
18
Pathophysiologie, Klinik des D. m. 1
Ein D. m. 1 hat nach seiner Erstmanifestation oft über längere Zeit einen niedrigen Insulinbedarf von weniger als 0,4 IE/ kg KG, Remissionsphase, Honeymoon-Periode; die Patienten sind noch C-Peptid-positiv (⊡ Abb. 6.1). Die vorhandene Restsekretion erleichtert die initiale Diabeteseinstellung. Mit Hilfe der ICT/Insulinpumpentherapie wird die Remissionsphase früher erreicht und hält länger an, es entwickeln sich weniger Komplikationen.
Maximale Insulinsekretionskapazität Akute Belastung Trauma Infekt o.ä.
14.
15.
sog. »HoneymoonPeriode«
16.
Lebensjahr
⊡ Abb. 6.1. Abfall der Insulinsekretionskapazität in der Entwicklung des Typ 1-Diabetes. (Mod. nach Harrison 2001)
7 Prävention des Typ-1-Diabetes mellitus Merke
I
I
Das D. m.-1-Risiko kann bei erstgradig Verwandten von D. m.-1-Patienten durch Auto-Antikörpermessungen und OGTT (oder IVGTT) gut eingeschätzt werden. Nach 5 Jahren Beobachtungszeit folgende Auftretenswahrscheinlichkeiten für D. m. 1: Alleinige Inselzellantikörper-Positivität (ICA+): etwa 4% ICA+ und ein weiterer Autoantikörper (AAk) positiv: etwa 20% ICA+ und zwei weitere AAk positiv: etwa 35% ICA+ und drei weitere AAK positiv: etwa 60%
Merke
I
I
Zurzeit steht kein Konzept zur Immunintervention mit dem Ziel einer D. m.-1-Verhütung zur Verfügung. Ist eine prädiabetische Phase des D. m. 1 durch obige Teste erkannt, sind Stoffwechselkontrollen und bei Manifestation eine frühe Insulintherapie mit intensivierter Insulintherapie zum Erhalt der Restsekretion angezeigt. Phase-II/III-Studien zur Immunintervention werden zurzeit durchgeführt.
8 Pathophysiologie, Klinik des D. m. 2 Merke
I
I
Die Pathophysiologie des D. m. 1 wird vom Insulinmangel bestimmt. Die Pathophysiologie des D. m. 2 aus der Kombination von Insulinresistenz und gestörter Insulinsekretion sowie letztlich Beta-Zellverlust. Die erste »frühe« Insulinfreisetzung (⊡ Abb. 8.1) aus den Vesikeln bei BZ-Anstieg ist viel zu schwach. Die zweite langsame Sekretion trifft auf überhöhte BZ-Spiegel und erreicht trotz überhöhter Sekretion keine Normoglykämie mehr. Neben Insulin und C-Peptid erhöhte Freisetzung von Proinsulin. Die physiologische Insulinsekretion erfolgt in pulsatilen Wellen, diese 3-minütigen Schwankungen erlauben die Erholung der der Insulinrezeptoren. Bei D. m. 2 ist der Insulinspiegel um ein Mehrfaches erhöht, die Pulsatilität fehlt. Adipositas bei 9 von 10 Typ-2-Diabetikern. Die Fettleber des Adipösen mit androider, stammbetonter Fettsucht extrahiert weniger Glukose und weniger Insulin. Ebenso wichtig wie die Differenzialdiagnose D. m. 1 vs. D. m. 2 ist das Erkennen des Insulinmangels. Klinische Zeichen (Gewichts-, Kraftverlust, mentale Veränderungen etc.) und BZEntgleisungen unter oralen Antidiabetika sind Indikationen zur Insulintherapie. Insulinmangel zeigt sich auch durch eine ungehemmte Lipolyse mit hohen Triglyzeriden. Das hyperosmolare Koma tritt eher bei alten Typ-2-Diabetikern auf.
Pathophysiologie, Klinik des D. m. 2
21
Mangelnde Flüssigkeitszufuhr und erhöhte Diurese bei hohem Blutzucker führen zur Exsikkose und Eintrübung. Es entsteht selten eine Ketoazidose, weil die Insulinrestsekretion den Abbau von körpereigenem Fett hemmt.
Insulinsekretion 1
2
a
Insulinsekretion N
MS IGT/IFG f Typ 2 s Typ 2 b
Jahre
Insulinsekretion
IGT/IFG
MS
f Typ 2
N s Typ 2 c
Jahre
⊡ Abb. 8.1a–c. Pathophysiologie der Insulinsekretion beim metabolischen Syndrom und Typ 2-Diabetes. (Mod. nach Mehnert 2002) a Die physiologische Insulinsekretion auf Glukose und den Nahrungsreiz hat eine frühe, kurze und heftige Insulinantwort (1. »first-phase-insulin«) sowie eine schwächere, langanhaltende späte Antwort (2. »secondphase-insulin«). b Die frühe Insulinantwort (s. 1 in Abb. 8.1a) nimmt im Rahmen des MS bzw. D. m. Typ 2 kontinuierlich ab: N Normalperson, MS metabolisches Syndrom, IGT gestörte Glukostoleranz, IFG gestörte Nüchternglukose, f Typ 2 früher D. m. Typ 2, s Typ 2 später D. m. Typ 2. c Die späte Insulinantwort (s. 2 in Abb. 8.1a) versucht, diesen Verlust zunächst durch eine kompensatorische Hyperinsulinämie auszugleichen, was ab der IGT/ IFG nicht mehr gelingt. Der früh entdeckte Typ 2-Diabetiker ist normo- bis hyperinsulinämisch
9 Metabolisches Syndrom
WHO-Definition (2001): Ein metabolisches Syndrom liegt vor, wenn zwei oder mehr der folgenden Kriterien (aus a und b) erfüllt sind: (a) – Diabetes mellitus oder – gestörte Glukosetoleranz (IGT) oder – gestörte Nüchternglukose (IFG) – oder Insulinresistenz (b) – Erhöhter Blutdruck (RR >140/90 oder es wird ein Blutdrucksenker eingesetzt) – Erhöhte Plasmatriglyzeride (>150 mg/dl) [1,7 mmol/l] – Vermindertes HDL-Cholesterin (Männer <35 mg/dl [0,9 mmol/l], Frauen <40 mg/dl [1,0 mmol/l]) – BMI >30 und/oder W/H-Verhältnis >0,9 (Männer), >0,85 (Frauen) – Albuminausscheidung >20 mg/min oder Albumin/Kreatinin >30 mg/g Im klinischen Alltag einfacher zu handhaben ist die Definition der International Diabetes Federation (IDF) von 2005 (folgende Kriterien müssen erfüllt sein): Bauchumfang beträgt bei Männern mehr als 94 cm bzw. bei Frauen mehr als 80 cm 2 weitere der folgenden Störungen/Bedingungen liegen vor: – Erhöhte Triglyzeridwerte (mindestens 150 mg/dl bzw. 1,7 mmol/l) bzw. eine bereits eingeleitete Behandlung zur Absenkung der Triglyzeride.
Metabolisches Syndrom
23
– Zu niedriges HDL-Cholesterin (Männer: weniger als
40 mg/dl bzw. 1,03 mmol/l; Frauen: weniger als 50 mg/ dl bzw. 1,29 mmol/l) bzw. eine bereits eingeleitete Therapie zur Anhebung des HDL-Cholesterins. – Bluthochdruck (systolisch mehr als 130 mm Hg oder diastolisch mehr als 85 mm Hg) bzw. eine bereits behandelte Hypertonie. – Erhöhte Nüchtern-Blutglukosespiegel (mehr als 100 mg/ dl bzw. 5,6 mmol/l) oder ein bereits diagnostizierter Typ2-Diabetes. Therapeutische und prophylaktische Maßnahmen entsprechen der Basistherapie beim D. m. 2: Reduktionskost, Tägliche körperliche Aktivität, mit Muskelaufbau und Fettabbau (täglich 30–45 min einer mittleren Belastungsstufe), Nikotinkarenz, diabetogene Pharmaka meiden, Beta-Blocker nur hochkardioselektiv.
10 Prävention des Diabetes mellitus Typ 2 Eine detaillierte Darstellung der prophylaktischen Maßnahmen würde den Umfang dieses Kompendiums sprengen. Wir verweisen wir auf das Buch Hien P, Böhm B (2007) DiabetesHandbuch. Eine Anleitung für Praxis und Klinik, 5. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg, New York, Kap. 10.
11 Gestationsdiabetes – D. m. und Schwangerschaft 11.1 Grundlagen In der Frühschwangerschaft ist die Insulinwirkung zunächst verbessert, der Insulinbedarf bei einem D. m. 1 sinkt, Hypoglykämien beachten. Ab der 2. Hälfte der SS dominiert die Insulinresistenz. Norm- und pathologische Werte sind in ⊡ Tab. 11.2 und 11.2 dargestellt.
Merke
I
I
Unter dem Gestationsdiabetes wird eine erstmalig in der Schwangerschaft aufgetretene und diagnostizierte Störung des Glukosestoffwechsels verstanden.
⊡ Tabelle 11.1. Normwerte des Blutzuckers in der Schwangerschaft
Normale Nüchternglukose Gestörte Nüchternglukose (sog. präpathologischer Nü-BZ) Pathologischer Nü-BZ HbA1c
BZ [mg/dl]
BZ [mmol/l]
<90
<5,0
91–99 >100 Normalwerte!
5,1–5,5 >5,6
26
Gestationsdiabetes – D. m. und Schwangerschaft ⊡ Tabelle 11.2. Pathologische Glukosewerte in der Schwangerschaft Messzeitpunkt
Kapilläres Vollblut [mg/dl] / [mmol/l]
Venöses Plasma [mg/dl] / [mmol/l]
Nüchtern Nach 1 h Nach 2 h
≥90 / 5,0 ≥180 / 10,0 ≥155 / 8,6
>95 / 5,3 >180 / 10,0 >155 / 8,6
Hinweis: Die DDG empfiehlt für Kapilläres Vollblut einen Nüchterngrenzwert von 85 mg/dl bzw. 4,7 mmol/l.
Manifestation/Entdeckung des D. m. im 1. Trimenon: präkonzeptionell bereits vorhandener Diabetes, D. m. 1, Genetisch bedingte Diabetesform (MODY-Diabetes). Ein Gestationsdiabetes GDM wird bei 5% aller SS diagnostiziert, der Gipfel liegt im 4. bis zum 8. Schwangerschaftsmonat. Durch eine Dibeteskost kann die Insulinsensitivität verbessert werden. Sind die BZ-Spiegel trotzdem erhöht, wird sofort die intensivierte Insulintherapie eingeleitet. BZ-Werte um 200 mg/dl [11 mmol/l] sind mit einer Ketonbildung assoziiert. Die normo-glykämischer Einstellung senkt Morbidität und Mortalität für Mutter und Kind. 7–8 BZ-Kontrollen sind pro Tag erforderlich. Gesunde Schwangere haben physiologisch niedrigere BZNormwerte: Nüchtern: 3,3–4,4 mmol/l (60–80 mg/dl) 1 h postprandial: <7,0 mmol/l (<126 mg/dl) 2 h postprandial: 4,8–5,8 mmol/l (86–105 mg/dl)
Gestationsdiabetes – D. m. und Schwangerschaft
27
11.2 Folgen für Mutter und Kind Akute Folgen für die Mutter Harnwegsinfekte, SS-induzierte Hypertonie und Präeklampsie/Eklampsie, erhöhte Rate an Kaiserschnitt-Entbindungen und an vaginal-operativen Entbindungen (wg. Makrosomie). Vorbestehende Folgeerkrankungen Sie können in der SS rascher fortschreiten (Augen, Nieren). Bei guter Einstellung und Überwachung ist dies keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch. Ein Herzinfarkt wird als Kontraindikation für eine SS erachtet. Vor einer geplanten SS einer Diabetikerin wird die Einstellung optimiert. Langzeitfolgen für die Mutter Risiko 50% für erneuten Gestations-D. m. in der folgenden SS oder eines D. m. 2 bei: BZ-Nü >95 mg/dl (>5,3 mmol/l) kapillär Notwendigkeit zur Insulintherapie, Diagnose des GDM vor 24 SSW, GDM in einer früheren Schwangerschaft, IGT pp und Übergewicht. Akute Folgen für das Kind fetaler Hyperinsulinismus, Makrosomie, Schulterdystokie, neonataler Hypoglykämie, Hypokalzämie mit Krämpfen, Polyglobulie, Hyperbilirubinämie, Hyperexzitabilität und Apnoeanfälle, Atemnotsyndrom. Bei unbehandeltem GDM kann es zum intrauterinen Fruchttod kommen. Gehäufte Frühgeburtlichkeit. Perinatale Mortalität bei 2–5%.
28
Gestationsdiabetes – D. m. und Schwangerschaft
Langzeitfolgen für das Kind Kinder von Müttern mit unzureichend behandeltem GDM haben Übergewicht und ein erhöhtes Risiko eine IGT oder einen D. m. zu entwickeln. Fehlbildungen und Reifungsstörungen des Kindes bevorzugt am Herzen, der Wirbelsäule bzw. dem Rückenmark und Gastrointestinaltrakt sind Folge gehäufter oder anhaltender Hyperglykämien in der Phase der Organogenese, also im 1. Trimenon. Besonderheiten bei Schwangeren mit vorbestehendem D. m. Folgeerkrankungen: bestehende diabetische Folgeschäden vollständig erfassen, Retinopathie: ggf. prophylaktische Laserbehandlung, Verlaufskontrollen, Nephropathie: alle 2–4 Wochen Urinstatus, Mikroalbuminurie, Körpergewicht und Blutdruck. 11.3 Diagnostik des Gestationsdiabetes Diagnose D. m. gesichert: Bei einem Nü-BZ von >110 mg/ dl [≥6,0 mmol/l] im kapillären Vollblut oder >126 mg/dl [≥7,0 mmol/l] im venösen Plasma: kein OGTT. Einzeitiger OGTT: Bei allen anderen Schwangeren erfolgt eine einzeitige Untersuchung mit einem 75-g-OGTT zwischen der 24. und 28. SSW oder: Zweizeitige Untersuchung: Bei allen Schwangeren zwischen der 24. und 28. SSW erst ein Screeningtest mit 50 g Glukose, bei pathologischem Ausfall plus 75-g-OGTT.
Gestationsdiabetes – D. m. und Schwangerschaft
29
Indikation zum Screening bereits im 1. Trimenon Mit Nü-BZ und ggf. 75-g-OGTT in der 24.–28. SSW und der 32.–34. SSW: Übergewicht (BMI >27 kg/m2 KOF), positive Familienanamnese eines Diabetes, Gestationsdiabetes in vorangehender Schwangerschaft, Geburt eines Kindes mit Makrosomie (>4500 g), Totgeburt, schwere kongenitale Missbildungen in einer vorangehenden Schwangerschaft, habituelle Abortneigung (2 Fehlgeburten hintereinander). Oraler 50-g-Glukose-Screeningtest Zu jeder Tageszeit, unabhängig von der Nahrungszufuhr, in der Praxis (50 g Glukose in 200 ml Wasser), in 5 min getrunken. BZ nach 1 h im kapillären Vollblut oder venösen Plasma >140 mg/dl [≥7,8 mmol/l] rechtfertigt Verdacht auf GDM. Ab >200 mg/dl [≥11,1 mmol/l] erst Nü-BZ, falls Nü-BZ >90 mg/dl [>5,0 mmol/l] im kapillären Vollblut oder >95 mg/ dl [>5,3 mmol/l] im venösen Plasma kann die Diagnose GDM (ohne 75g-OGTT) gestellt werden. 11.4 Therapie
BZ im unteren NB. pp BZ zwischen 60–90 mg/dl [3,3–5,0 mmol/l]. 1 h pp BZ <140 mg/dl [<7,8 mmol/l]. 2 h pp BZ <120 mg/dl [<6,7 mmol/l]. Tagesmittelwert ≤5,5 mmol/l [100 mg/dl]. HbA1c ohne größeren Nutzen. Leichte Hypoglykämien der Mutter ohne Ketose schaden dem Kind nicht. Frühgeborene kommen erst ab
30
Gestationsdiabetes – D. m. und Schwangerschaft
20 mg/dl [1,1 mmol/l] und Neugeborene erst ab 30 mg/dl [1,7 mmol/l] in den Unterzucker. Hypoglykämisches Koma möglich (nicht Auto fahren!). Werden obige Werte bei GDM durch Diät nicht erreicht, wird Insulin injiziert (ICT). 6–8 BZ-Selbstkontrollen pro Tag. Zunächst Abdecken der Mahlzeiten mit kurzwirksamen Insulin. nächtliches Verzögerungsinsulin, falls der Nü-BZ erhöht ist. Bei diätetischer Therapie des Gestationsdiabetes sind folgende Punkte zu beachten:. – Komplexe Kohlenhydrate und Ballaststoffe verzögern die Glukoseresorption. – Der Proteinbedarf liegt bei 1,5–2 g/kg KG. – Der Bedarf an Kohlenhydraten steigt im 2. Trimenon um 25%. – Täglicher Kalorienbedarf bei 30–35 kcal/kg KG, bei Idealgewicht (~18–22 BE). – Adipöse können in der SS bis zu 7 kg, Untergewichtige dürfen 15 kg zunehmen. – Regelmäßig sollte der Urin auf Glukose und Ketone (teratogen) gestixt werden. – Bei Ketoseneigung fettarme und kohlenhydratreiche Kost. – Eine Hungerketose wird vermieden durch 3 Haupt- und 3 Zwischenmahlzeiten. – Eine Glukosurie spricht meist (nicht immer) für eine schlechte Einstellung. – Eine Ketoazidose ist für Mutter und Kind sehr gefährlich, für den Fetus oft fatal. – 15% der Frauen müssen zum Erreichen der Therapieziele mit Insulin behandelt werden. Mit Beginn der Schwangerschaft besteht häufig ein niedrigerer Insulinbedarf.
Gestationsdiabetes – D. m. und Schwangerschaft
31
Im 2. Trimenon steigt der Bedarf an Insulin und Kohlenhydraten deutlich an. Der Bedarf liegt häufig über 1 IE Insulin/kg KG. Während der Entbindung und postpartal fällt der Insulinbedarf plötzlich deutlich ab, beim Gestationsdiabetes auf Null. Bei vorbestehendem Diabetes fällt der Bedarf auf deutlich niedrigere Dosen, wobei sich dieser Trend bereits 1–2 Wochen vor der Geburt abzeichnen kann. Bei Zwillingsschwangerschaften liegt der Insulinbedarf bei mehr als 70 IE Normalinsulin pro Tag, oft sogar bei 2 IE Insulin/kg KG. Bei Hyperemesis gravidarum nur wenig Normalinsulin zum Essen, ggf. nachspritzen. Initierung der Lungenreifung mit Glukokortikoid oder Wehenhemmung mit Fenoterol steigern den Insulinbedarf. Hyperinsulinämie hemmt die Surfactantproduktion, gehäuft ARDS. 48 h postpartum hohes kindliches Hypoglykämierisiko, Glukoseinfusion ist indiziert ab einem BZ <30 mg/dl [<1,7 mmol/l] oder bei Hypoglykämiesymptomen. Prophylaktisch ist die frühe und häufige Fütterung. Postpartal wird überprüft (Mutter), ob sich ein Diabetes entwickelt. Erster Test nach 6 Monaten, sobald sich die Hormonsituation normalisiert hat, einmal pro Jahr. GDM-Patientinnen sind eine ideale Zielgruppe zur Diabetesprävention. 11.4.1 Antihypertensive Therapie Definition der Präeklampsie Hypertonie 140/90 nach der 20. SSW oder Anstieg um 30 mm Hg systolisch bzw. mehr als 15 mm Hg diastolisch. Proteinurie: >3 g/l im 24-h-Urin.
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Gestationsdiabetes – D. m. und Schwangerschaft
Definition der schweren Präeklampsie Blutdruck >160 mm Hg systolisch oder >100 mm Hg diastolisch. Proteinurie >5 g/24 h. Oligurie. Zerebrale und visuelle Störungen. Epigastrische Schmerzen. Lungenödem und Zyanose. Leberfunktionsstörungen unklarer Ätiologie. Thrombozytopenie. Eklampsie Auftreten von Krampfanfällen oder Koma bei Schwangerschaften mit Präeklampsie. Man spricht bei erhöhtem Blutdruck von der schwangerschaftsinduzierten Hypertonie (SIH). Ziel-RR ist 120/80 mm Hg, Therapie ab 140/90 (⊡ Tab. 11.3). Ödeme und eine Proteinurie kündigen bereits das Folgestadium, die Präeklampsie, an. Ungeeignete Antihypertensiva ACE-Hemmer: Nierenversagen des Kindes; Schädigung von Niere und Schädelkalotte, Ca-Antagonisten: teratogene Wirkung im Tierversuch. Allgemeinmaßnahmen bei SIH Kochsalzreduktion auf 6 g/Tag (mittlere Kochsalzzufuhr in Deutschland bei 15 g/Tag) Körperliche und psychische Ruhe ASS 60 mg bei SIH; absetzen bei Präeklampsie wegen einer etwaigen Notsektio Magnesiumgabe: 100–300 mmol/Tag; der Serumspiegel sollte bei 2–4 mmol/l sein.
Gestationsdiabetes – D. m. und Schwangerschaft
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⊡ Tabelle 11.3. Geeignete Antihypertensiva in der Schwangerschaft Medikament
Dosierung
Nebenwirkungen
Methyldopa
250–1000 mg/Tag (s. gynäkologische Fachliteratur)
Nicht vor der 16.– 20. SSW geben wegen gehäuftem Auftreten von verminderten Kopfumfängen und Tremor des Neugeborenen bei zu frühzeitigem Einsatz
Beta-1-selektive Beta-Blocker
z. B. Atenolol, 50–100 mg/Tag Metoprolol, 50–200 mg/Tag Acebutolol, bis 400 mg/Tag
Bradykardie des Neugeborenen, deswegen 2 Tage vor der Entbindung absetzen und durch Methyldopa ersetzen
Eine Kochsalzrestriktion ist umstritten. Bei SIH bzw. EPH-Gestose ist die Plazenta mangelperfundiert mit reaktiver systemischer Hypertonie. Eine weitere Volumenkonstriktion würde diesen Regelkreis in Richtung Hypertonie fördern. Die Flüssigkeitszufuhr wird deshalb auch nicht eingeschränkt, Diuretika werden nur bei Linksherzinsuffizienz gegeben. Körperliche Ruhe, Linksseitenlage zur Dekompression der V. cava verbessern die Plazentadurchblutung.
12 Diabetische Ketoazidose
12.1 Grundlagen Ursache: Insulinmangel, mit Freisetzung von Ketonkörpern bei Fettabbau und der Dehydratation bei Hyperglykämie. Koma: Kombination aus Exsikkose, Azidose, Hyperventilation, Mangelperfusion und Mangel an intrazellulären Energieträgern. Übelkeit, Erbrechen und Müdigkeit mit zunehmender Eintrübung gehen dem Koma voraus. Differenzialdiagnose: Bei Koma unklarer Genese stets BZ prüfen. Sollte man zwischen einem hypoglykämischen und hyperglykämischen Koma nicht differenzieren können, so gibt man probatorisch Glukose, bis zu 50 ml Glukose 40% i.v., um Schäden durch eine schwere Hypoglykämie zu vermeiden.
Insulinmangel Als Erstmanifestation des D. m. Typ 1 sowie bei mangelnder Substitution als Therapiefehler, z. B. Weglassen des Basisinsulins bei Diarrhö und Erbrechen, Versagen der Insulinzufuhr bei Insulinpumpentherapie, s. unten, bei fortschreitendem Insulinsekretionsabfall des Pankreas bei D. m. 2, pankreopriver Diabetes (selten). Definition der diabetischen Ketoazidose (verkürzt nach ADA) BZ: >250 mg/dl [13,9 mmol/l]. Arterieller pH: <7,35. Serumbikarbonat: <15 meq/l (met. Azidose). Ketonurie/Ketonämie.
Diabetische Ketoazidose
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Ursachen des relativen Insulinmangels und Auslöser einer Ketoazidose Infektionen, Myokardinfarkt, Schwangerschaft (ansteigender Insulinbedarf und Insulinresistenz), Schock, Trauma und Operationen, zerebraler Insult, Hyperthyreose, Cushing-Syndrom, selten bei D. m. 2. Der Myokardinfarkt, die Nekrose bei AVK, zerebraler Insult und Schock sind auch Folgeerkrankungen der Exsikkose und der Mangelperfusion. Die Aspirationspneumonie ist eine Komplikation der Ketoazidose, bedingt durch eine funktionelle Gastroparese (manifestiert sich ab BZ 200 mg/dl [11,1 mmol/l]). Tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien bei Hyperviskosität bei Dehydratation. 12.2 Diagnose und Diagnostik Blutgasanalyse und Ketonkörper, Exsikkose, trockene Schleimhäute und Gewichtsverlust, Tachykardie, Hypotonie und marmorierte Haut (gestörte Mikrozirkulation), Schwäche, Apathie, Schläfrigkeit bis Koma, tiefe Atmung (Kußmaul-Atmung) mit Azetongeruch, Bauchschmerz bis zum akuten Abdomen. Blutzucker: Kalium:
>250 mg/dl (14,0 mmol/l) meist erhöht, obwohl ein Defizit von 300– 1000 mmol bestehen kann; die Azidose bewirkt normale bis er-
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Diabetische Ketoazidose
Amylase:
erhöht
Leukozyten: erhöht, Blutgasanalyse (BGA):
Phosphat:
erhöht
Laktat:
erhöht
Ketone i. U.:
erhöht
CPK, GOT:
erhöht
höhte Serumkaliumspiegel. Mit Insulin und NaCl-Infusion stürzt der Kaliumspiegel ab. und die Lipase ist im Normbereich. auch wenn kein Infekt vorliegt (Stress). metabolische Azidose und respiratorische Kompensation. Werte oft um pH 6,8 und pCO2 bis 15 mm Hg [2,0 Pa]. Der Verlauf entspricht dem des Kaliums. Die Mangelperfusion führt zur Laktatazidose im Gewebe. Die Serumwerte muss man nicht heranziehen. als Zeichen der Proteolyse.
12.3 Therapie An erster Stelle bei jeder Komaform des Diabetikers stehen die ZVD-kontrollierte Flüssigkeitszufuhr und weitere supportive Maßnahmen. Flüssigkeitssubstitution, reichlich Elektrolytgaben (K+-Verlauf ), Insulin niedrigdosiert nur in Ausnahmefällen Gabe von Bikarbonat, intensivmedizinische Überwachung. 1. Vitalfunktionen sichern:
Sofort Legen eines peripheren Zugangs und Infusion.
Diabetische Ketoazidose
2. Flüssigkeitssubstitution: 3. Dauerkatheter: 4. Blutabnahme:
5. Kaliumsubstitution:
6. Insulingabe:
7. Magensonde: 8. ZVK und arterieller Zugang: 9. Natriumbikarbonat:
10. Thromboseprophylaxe: 11. Antibiotika: 12. Ursache suchen:
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Dies ist meist die erste und wichtigste Maßnahme. Bilanzierung und für die Kaliumgabe. Elektrolyte, BZ, Blutbild, Kreatinin, Leberwerte, BGA, Amylase und Lipase, CPK und Troponin. Sie hängt von der Nierenfunktion und vom Ausgangswert ab. In der Reihenfolge erst nach obigen Vorbereitungen injizieren. Man gibt 10 IE Normalinsulin als Bolus i.v., dann niedrige Dosen kontinuierlich über den Perfusor (0,1 IE/kg KG/h). Bei Bewusstlosigkeit. Nicht zwingend. Bis zum pH 7,1 wird gepuffert. Die Hypernatriämie ist zu vermeiden. hohes Thromboserisiko. Fieber bei Ketoazidose spricht für einen Infekt. Infektionen, abdomineller Prozess u. a.
Die Flüssigkeitssubstitution ist die erste wichtigste Maßnahme, idem zur hyperosmolaren Entgleisung. In der 1. Stunde 1–2 l 0,9%ige NaCl-Lösung. Der gesamte Bedarf liegt bei 5–10 l. Ab der 2. Stunde wird die Substitution vom ZVD, der Ausscheidung und der kardialen Funktion abhängig gemacht:
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Diabetische Ketoazidose
ZVD <4: ZVD 5–12:
ZVD >12:
Merke
1,0 l/h Prüfe, ob es Hinweise für eine Herzschwäche oder ein Nierenversagen gibt. 0,25–0,5 l/h 0,1–0,25 l/h
I
I
Zunächst verwendet man die physiologische Kochsalzlösung, denn sie hat den besten Volumeneffekt unter den Elektrolytlösungen, bei Hyperkaliämie und unbekannter Nierenfunktion Kaliumkontrolle engmaschig. Hypotone Elektrolytlösungen bergen die Gefahr eines Hirnödems. Es liegen eine hypertone Dehydratation und meist auch eine Hypernatriämie vor, die Gehirnzellen sind hyperosmolar. Die ersten 1–2 l sollten 0,9%ige NaCl-Lösung sein.
Merke
I
I
Folgende Regeln gelten bei Hypernatriämie und Volumenmangel: Hypernatriämie langsam senken – ca. um 1 mmol Natrium/l/h senken, – ca. halber Ausgleich in den ersten 24 h, – den Rest in 1–2 Tagen. Flüssigkeitsdefizit bezüglich Natrium Natrium i. S. --------------------------------- × Körperwasser (=0,4–0,6×kg KG) Natrium Soll Zuerst Kreislaufstabilisierung: Sobald der Patient hämodynamisch stabil ist, wird dieses Defizit zur Hälfte ausgeglichen, z. B. mit 0,45%igem NaCl.
Diabetische Ketoazidose
39
Die Auffüllung des Kreislaufes bewirkt 4 wesentliche Veränderungen: die Katecholaminausschüttung geht zurück, die periphere Mangelperfusion und periphere Laktatbildung gehen zurück, die Gehirnperfusion verbessert sich, die Urinproduktion springt wieder an, Kalium und saure Metabolite werden ausgeschieden. Dies hat zur Folge, dass die Insulinantagonisten an Wirkung verlieren, der Blut-pH wieder steigt, der Patient wacher wird, der Kaliumspiegel rasch abfällt. Kaliumsubstitution beachten: Insulin, Flüssigkeitsinfusion und Bikarbonat senken den Kaliumspiegel dramatisch schnell. Die Kaliumsubstitution (⊡ Tab. 12.1) richtet sich nach folgendem Schema: Kalium >5,5 mmol/l keine Kaliumgabe, aber engmaschige Kontrolle Kalium zwischen 5,5 und Kaliumgabe 20–30 mmol/h, >3,5 mmol/l Kalium <3,5 mmol/h Gabe von 40 mmol/h. Kalium kann so rasch fallen, dass man mit der Substitution nicht nachkommt. Insulinperfusor stoppen, bis Kalium wieder hochnormal. 30 mmol/h gelten als maximale stündliche Zufuhr. Manche Autoren geben auch 40–60 mmol/h als Möglichkeit bei einem Kaliumspiegel kleiner als 3 mmol/l an. Die Kaliumsubstitution erfolgt unter Berücksichtigung des Blut-pH. Der Gesamtbedarf kann 300–1000 mmol Kalium betragen. Im Allgemeinen sollte man pro Tag nicht mehr als 250 mmol ersetzen. Dies ist bei der Ketoazidose nicht immer machbar.
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Diabetische Ketoazidose
⊡ Tabelle 12.1. Kaliumsubstitution Serumkalium
Kaliumsubstitution mmol/l pH < 7,2
pH > 7,2
>5,5
0 mmol/h
0 mmol/h
5,0–5,5
0–20 mmol/h
0-10 mmol/h
4,0–5,0
25 mmol/h
15 mmol/h
3,0–4,0
35 mmol/h
25 mmol/h
2,0–3,0
45 mmol/h
35 mmol/h
Die Insulingabe ist in der Reihenfolge des Vorgehens ein später Schritt: Die Insulingabe erfolgt immer intravenös, zuerst als Bolus, dann über Perfusor. Das Niedrigdosiskonzept (0.1 IE/kg KG/h) ist Therapie der Wahl. Bei Serumkalium <4 mmol/l erfolgt die Insulingabe zusammen mit der Kaliumgabe. Ab einem Serumkalium <3,3 mmol/l ist eine Insulinpause einzuhalten. Bei Serumkalium >4 mmol/l injiziert man einen Bolus von 10 IE Normalinsulin und gibt dann 0,1 IE/kg KG/h über den Perfusor. 1/2-bis 1-stündliche Kalium- und BZ-Messungen sind erforderlich. Fällt der Blutzucker um weniger als 10% vom Ausgangswert nach 1 h, so kann die Insulinmenge auf 0,2 IE/kg KG/h gesteigert werden; auch jetzt ist die kontrollierte Flüssigkeitszufuhr entscheidend.
Diabetische Ketoazidose
Merke
I
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I
Die Insulinwirkung kann bei der Ketoazidose deutlich reduziert sein. Diese Insulinresistenz ist Folge einer Hypokaliämie, einer Hypomagnesiämie und einer anhaltenden Mangelperfusion mit Katecholaminausschüttung und protrahierter Azidose. Für die ersten 24 h gelten folgende Zielwerte bezüglich der Blutzuckersenkung: Abfall des Blutzuckers pro Stunde um weniger als 50 mg/dl [3,0 mmol/l] und nicht tiefer als auf 250 mg/dl [14,0 mmol/l] senken, um ein Hirnödem zu vermeiden (dies gilt besonders bei schweren Ketoazidosen). Ab 300 mg/dl [16,6 mmol/l] infundiert man Glukose 10% aus obigen Grund und wegen des intrazellulären Glukosebedarfs. Die Infusionsgeschwindigkeit richtet sich nach dem Blutzucker. Eine schnelle BZ-Senkung hat keinen Nutzen, die niedrige Insulindosierung hat nur Vorteile: Vermeidung eines Hirnödems; ein BZ von 250 mg/dl [14,0 mmol/l] als kritische Grenze. Besondere Risikogruppen für Hirnödem: Kinder, junge Erwachsene, Frauen. Blutzucker besser steuerbar. Späthypoglykämien werden vermieden. Kaliumspiegel besser steuerbar. Risiko des Kammerflimmerns und eines paralytischen Ileus bei Hypokaliämie ist geringer. Eine Hypophosphatämie (Energiebereitstellung) entsteht langsamer.
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Diabetische Ketoazidose
Natriumbikarbonatgabe Natriumbikarbonat (NaBi) wird bei Aufnahme bei einem pH-Wert <7,0 infundiert. Ein pH-Wert >7,0 wird ohne NaBi spontan ausgeglichen. Mit Insulin und Rehydrierung wird die Produktion saurer Valenzen eingestellt. Die metabolische Alkalose ist negativ inotrop am Herzen, vermindert die Sauerstoffdissoziation vom Hämoglobin und ist atemdepressiv. Ein pH <7,1 hat folgende Auswirkungen: negativ inotrope Wirkung am Herzen, verminderte Ansprechbarkeit der Blutgefäße auf Katecholamine, Laktatproduktion in der Leber, Insulinresistenz Die Infusion von Natriumbikarbonat hat folgende Risiken: Hypokaliämie, Hypernatriämie (1 ml Nabi = 1 mmol Natrium) mit Dehydratation der Gehirnzellen,
Merke
I
I
Deswegen gilt bei Ketoazidose folgende Regel: Pufferung erst ab pH <7,0, 50 mmol Bikarbonat pro Stunde, nur ausnahmsweise höher bei schwerster Azidose, Pufferung bis pH 7,1 oder maximal 7,2, 1/2- bis 1-stündliche Kontrolle der Blutgase, des Kaliums und des Natriums, die bekannte Substitutionsformel wird leicht modifiziert: Natriumbikarbonat in mmol = (negativer Base-Exzess × kg KG × 0,3) · 0,3 über mindestens 2 h kontinuierlich i.v.
Diabetische Ketoazidose
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Phosphatsubstitution Die Phosphatsubstitution ist umstritten, Komplikationen durch die Hypophosphatämie allein sind selten. Koma-Management Intensive Überwachung, ITS oder Wachstation: Puls, Blutdruck, Atmung: kontinuierlich, Kalium, Natrium, Blutzucker: alle 30–60 min, Einfuhr/Ausfuhr: stündlich bilanzieren, ZVD, BGA: initial alle 2 h, bei stabilisierten Patienten alle 4 h, Phosphat, Kalzium, Laktat, alle 6–12 h, Chlorid: Ketone i. U., EKG: 1-mal/Tag, Temperatur: 2-mal/Tag.
12.4 Komplikationen im Therapieverlauf Ist die Ursache der Entgleisung nicht klar, Diagnostik. Intraabdominelle Prozesse (Cholezystitis, Perforation, Blutung, Ischämie) müssen ausgeschlossen werden. Komplikationen der Ketoazidose, wie tiefe Thrombosen, Aspirationspneumonien, etc. müssen bedacht werden. Hirnödem
Lungenödem
▬ zu schneller Natriumabfall mit hypotonen Lösungen, ▬ zu schneller BZ-Abfall bei Insulinüberdosierung und verspäteter Glukoseinfusion, ▬ bei Flüssigkeitszufuhr ohne Berücksichtigung der kardialen, pulmonalen und renalen Situation,
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Diabetische Ketoazidose
Protrahiertes Koma
Arrhythmie Protrahierter Verlauf Krämpfe
▬ paradoxe ZNS-Azidose bei zu schneller Bikarbonatinfusion, ▬ dehydrierte Hirnzellen bei Hypernatriämie, ▬ Kaliumabfall, ▬ Phosphat- und Magnesiumsubstitution nachholen, ▬ Hirnödem, Hypernatriämie oder protrahierte Exsikkose abklären, ▬ Kalziummangel bei Hyperphosphatämie.
Symptome und Befunde bei Hirnödem Allgemein Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen, RRAnstieg, Frequenzabfall, Papillenödem, Lähmung des 6. Hirnnervs, Sehstörungen, Eintrübung, Symmetrische Cheyne-Stoke-Atmung, kleine, aber Einklemmung reaktive Pupillen, Lähmung des Aufwärtssehens, Asymmetrische einseitig dilatierte areaktive Pupille, Einklemmung Hemiparese, Hirnstammirreguläre Atmung bis Apnoe, RReinklemmung Abfall, Herzfrequenzanstieg. Therapie des Hirnödems Mannitol 20%: 1 g/kg KG im »Schuss«. Die langsame Infusion verstärkt das Hirnödem. Wiederholung alle 3–6 h bei Bedarf. Lagerung: Der Oberkörper sollte im Winkel von 30° hochgelagert werden, Kopf und Hals gerade zur Erleichterung des venösen Abstroms.
Diabetische Ketoazidose
Hyperventilation:
Furosemid: Barbiturate:
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Der Ziel-pCO2 liegt bei 28–32 mm Hg [3,70–4,25 Pa] unter Beatmung. Ein pCO2 <25 mm Hg [<3,30 Pa] kann zu zerebralen Vasospasmen führen. Nur als letzte Maßnahme, wahrscheinlich keine Wirkung auf das Hirnödem. Die Indikation ist umstritten. EEGÜberwachung.
Die Mortalität im Koma liegt bei 5–10%. Bei Patienten über dem 65. Lebensjahr liegt die Sterblichkeit immer noch bei bis zu 20%. 10% der Todesursachen entfallen auf den Herzinfarkt, 33% auf den zerebralen Insult. Andere Todesursachen sind der Schock bei Exsikkose, schwere Aspirationspneumonien, Aspirationen mit Verlegung der Atemwege, Schocklunge (ARDS), Lungenembolien und das Hirnödem.
13 Hyperosmolares Koma
Das hyperosmolare Koma (Dehydratation) findet sich beim älteren Typ-2-Patienten. Zur Dekompensation führen oft Infekte, Myokardinfarkt, Insulte. Da geringe Insulinspiegel ausreichen, um eine Lipolyse zu verhindern, haben diese Patienten keine Ketoazidose. Das klinische Bild ist geprägt von: einer massiven Exsikkose nach anhaltender Polyurie bei Hyperglykämie, fokalen oder generalisierten Krämpfen, Nackensteifigkeit bei meningealer Reizung, einem zunehmend eintrübenden Patienten, der zuletzt im Stadium des Komas ist, allen Zeichen und Komplikationen einer Exsikkose und Mangelperfusion, wie Durst, trockene Schleimhäute, Tachykardie, Hypotonie, Schwindel, Schwäche, bis zum Schock, tiefen Venenthrombosen. Gehäuft: Harnwegsinfekte, Urosepsis, Pneumonien. Typische Laborwerte Blutzucker: Plasmaosmolarität: Natrium und Kalium: Blutgasanalyse: Laktat: Ketone: LDH, GOT, GPT, CPK:
600–1000 mg/dl [~33–56 mmol/l]; >320 mosm/l; normal, erhöht oder erniedrigt; (trotz absolutem Mangel); meist pH >7,3; deutlich erhöht bei peripherer Mangelperfusion und Schock; normal, allenfalls leicht erhöht; zum Teil massiv erhöht;
Hyperosmolares Koma
Gerinnungsstörungen: hoher Hämatokrit: Triglyzeride
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Hyperviskosität und Mangelperfusion führen zur DIC; als Zeichen der Eindickung; zum Teil massiv erhöht, im Labor »Pseudohyponaträmie« möglich.
Nicht jedes Labor kann die Osmolalität bestimmen. Eine Eintrübung tritt ab 320 mosm/l ein, Koma ab 350 mosm/l, Mortalität dann bis zu 30%. Schätzung mit der Formel: mosm/l = 2 x (Na+ + Ka+) mmol + BZ mg/dl/18 + BUN mg/ dl/2,8 Therapie und Monitoring Analog Ketoazidose, folgende Unterschiede sind zu beachten: Der Flüssigkeitsbedarf ist 10 l und mehr. höher: Initial oft höhere Infusi0,9%ige NaCl-Lösung in der 1. onsmengen: Stunde, ZVD-gesteuert. Überwachung der Serum- 1/2-normale Lösungen entspreosmolarität: chend Verlauf. Öfter kardiovaskuläre Es sind meist ältere Patienten Komplikationen: (Diabetiker). Hoher Kaliumbedarf: höher als bei der Ketoazidose. Meist kein Bedarf an Bikarbonat: Insulingabe nachrangig: Therapie des Flüssigkeits-Elektrolythaushalts vorrangig. Infekte oft ursächlich: Pneumonieanteil 40–60%, Harnwegsinfekte 15%.
14 Hypoglykämie
14.1 Grundlagen
Merke
I
I
Krampfanfall, Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit, irrationalem oder unkontrolliertem Verhalten oder vegetativen Symptomen (Schwitzen, Zittern, Heißhunger, Sehstörungen) mit Blutzucker <50 mg/dl [2,8 mmol/l] (Kontrollmessung !). Besserung durch BZ-anhebende Maßnahmen Die schwere Hypoglykämie wird definiert durch: Hypoglykämieereignis, bei dem der Patient Fremdhilfe benötigt, Notwendigkeit der Behandlung durch Dritte mit KH (p.o., i.v.) oder Glukagon. Frühgeborene sind hypoglykämisch mit Werten unter 30 mg/ dl [1,7 mmol/l], Neugeborene unter 40 mg/dl [2,2 mmol/l]. Bei Diabetespatienten mit langjähriger Hyperglykämie kann auch ein Blutzucker zwischen 150 und 200 mg/dl [8,3–11,0 mmol/l] zu Unterzuckerungssymptomen führen. Der Stoffwechsel und seine Regulationsmechanismen sind an höhere Werte »gewöhnt«. Gerade ein rascher Abfall von einem langjährig hohen Niveau wirkt wie eine Hypoglykämie.
Hypoglykämie
Merke
I
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I
Letztere müssen langsam an ein normoglykämisches Niveau herangeführt werden. Das heißt, dass Hypoglykämiesymptome in weiten Bereichen, unabhängig vom aktuellen Blutzuckerwert, auftreten können. Andererseits findet sich beim Gesunden unter lang-anhaltender Nahrungskarenz häufig ein Blutzucker um 50 mg/dl [2,8 mmol/l]. Eine Hypoglykämiesymptomatik tritt nicht auf, die Regulationsmechanismen sind gut an solche Blutzuckerspiegel adaptiert. Beim Typ-1-Diabetespatienten, insbesondere bei langer Diabetesdauer, werden die Gegenregulationsmechanismen häufig später aktiviert. Hier gilt aber, dass dies kein schicksalhaftes Ereignis ist, sondern je häufiger Unterzuckerungen bereits aufgetreten sind, desto häufiger werden weitere Hypoglykämien folgen. Daraus folgt für die Therapieüberwachung, dass BZ-Werte unter 70 mg/dl [4,0 mmol/l] konsequent verhindert werden sollten, um die Gegenregulation wieder besser aktivieren zu können. Die Gegenregulation ist bei manchen Diabetikern besonders schwach. Diese Diabetiker neigen vermehrt zu Hypoglykämien, spezielle Schulung zur Hypoglykämievermeidung. 14.2 Ursachen der Hypoglykämie Unzureichende Nahrungsaufnahme: Überhöhte physische Aktivität: Medikamentenüberdosierung:
zu wenig BE pro Insulin, bei normal dosierten Insulinin und ohne BE-Ausgleich, z. B. normale Insulindosis trotz Diarrhö,
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Hypoglykämie
Verbesserte Insulinwirksamkeit:
Autonome Neuropathie: Beschleunigte Insulin-Resorption: Kumulation von Antidiabetika: Spritz-Ess-Abstand:
z. B. in der frühen Schwangerschaft, der Remissionsphase oder nach Überwindung einer sekundären Insulinresistenz, z. B. am Tag nach vermehrter körperlicher Aktivität, Gastroparese und/oder gestörte adrenerge Gegenregulation, z. B. Sonnenbad nach Insulininjektion oder i.m.-Injektion (häufig: Oberarm), v. a. bei Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance <30), zu lang mit präprandialer Hypoglykämie.
Chronische Unterzuckerungszustände unter ICT oder mit Insulinpumpen, bei dauerhaftem BZ zwischen 50–80 mg/dl [3,0–4,5 mmol/l. Sie adaptieren an diese Grenzbereiche und nehmen die Warnzeichen schwerster Hypoglykämien nicht mehr wahr. Das Wechselspiel der Antagonisten normalisiert sich durch die Reduktion der Insulindosierung und höhere Zielbereiche (80–160 mg/dl [4,5–9,0 mmol/l]) in 2–4 Wochen wieder. Ursachen für die Hypoglykämie beim Diabetiker und Nichtdiabetiker Leberinsuffizienz: gestörte Glukoneogenese und fehlende Glykogenspeicher, Alkoholintoxikation: gestörte Glukoneogenese, NNI, Hypothyreose: erhöhte Insulinempfindlichkeit, mangelnde Gegenregulation, Insulinom: Kap. 14.6,
Hypoglykämie
reaktive postprandiale Hypoglykämie: Niereninsuffizienz:
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Dumping-Syndrom, Gastrektomie, gestörte Glukoneogenese (Leber + Nieren).
14.3 Symptomatik Die Symptome der Hypoglykämie können beim Einzelnen sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Adrenerge bzw. vegetativ-autonome Hypoglykämiesymptome sind: Tachykardie, weite Pupillen, Unruhe, Überaktivität, Aggressivität, Zittern, kalter Schweiß, Übelkeit, Heißhunger, Speichelfluss, Stuhl- und Harndrang. Zerebrale bzw. neuroglykopenische Hypoglykämiesymptome sind: Angst, Verwirrtheit, Desorientiertheit, Konzentrationsschwäche, Halluzinationen, psychotische Veränderungen, Clownerie, Müdigkeit, Verlangsamung, Koma, Krämpfe, Hyperreflexie, Gedächtnis-, Sprach- und Sehstörungen, Lähmungen, Bild des zerebralen Insults bis zur Dezerebrationsstarre.
Merke
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Bei mangelnder adrenerger Gegenregulation und/oder wegen einer autonomen Neuropathie können die ersten Anzeichen fehlen oder kaschiert sein
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Hypoglykämie
Nächtliche Hypoglykämien sind meist asymptomatisch. Nachtschweiß, Alpträume, schlechter Schlaf und ein morgendlicher Kopfschmerz mit Abgeschlagenheit sind Hinweise. An nächtliche Hypoglykämien denkt man auch bei überschießendem BZ-Anstieg nach dem Frühstück. 14.4 Risiko und Prävention Rezidivierende leichte oder asymptomatische nächtliche Hypoglykämien richten keinen Schaden an. Leichte Hypoglykämien sind nicht immer vermeidbar. Im Rahmen der intensivierten Insulintherapie muss man mit einer schweren Hypoglykämie pro Jahr rechnen. Regelmäßige nächtliche BZKontrollen sind angezeigt. Unter mit Sulfonylharnstoffen (SH) führt Nahrungskarenz zu Hypoglykämien. Lang wirksame Präparate, wie das Glibenclamid/Glimipirid, haben eine Halbwertszeit bis zu 36 h und länger. Komata bis 30 min sind bei sofortigem Ansprechen des Patienten auf die Glukosezufuhr in der Regel komplikationslos. Beim protrahierten hypoglykämen Koma sind zerebrale Schäden möglich. Trotz Normoglykämie liegen diese Patienten noch stunden- bis tagelang in Koma und Stupor bis zum Erwachen. Nach solchen Verläufen sind dauerhafte Schäden mit zerebralen Funktionsstörungen möglich.
Kardioselektive Beta-Blocker und Hypoglykämie. Es konnten keine abgeschwächte Wahrnehmung, keine verlängerte Dauer oder gar gehäufte Hypoglykämien beobachtet werden. Nur die Qualität der Symptome ist etwas weniger vegetativ.
Hypoglykämie
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14.5 Therapie
Therapie der leichten Hypoglykämie (Der Patient ist noch ansprechbar, kooperativ und orientiert.) Kombination aus schnell und langsam wirksamen Kohlenhydraten. Zuerst schnell wirksame Kohlenhydrate, um raschen BZ-Anstieg zu erreichen: 1 Glas Limonade, Cola, Fruchtsaft (keine Diätsäfte!) oder 10–20 g Traubenzucker (2 Dextroenergen-Plättchen sind ca. 10 g KH) dann: Kräcker, 1 Stück Brot oder 1–2 Tassen Milch. 1–2 schnelle BE oder 10–20 g Traubenzucker steigern den BZ um 40–80 mg/dl [2,2–4,4 mmol/l]. Bei Gastroparese viel Flüssigkeit zur schnelleren Magenpassage. Therapie der mittelschweren Hypoglykämie (Patient kann noch schlucken) Limonade, Cola, Fruchtsaft: entspricht Glu 10%, 0,2 l = 20 g Zucker; falls die Glykogenspeicher leer sind, werden die 20 g Zucker gleich verbraucht, und es folgt ein erneuter Unterzucker; also gleich eine Scheibe Brot nachessen. 4 Dextroenergen mit Wasser: besser als 8 Würfelzucker, weil reine Glukose schneller resorbiert wird. Therapie der schweren Hypoglykämie 50 ml Glukose 40%, selten bis 100 ml: Nach 10 ml ohne Effekt eine Hypoglykämie auszuschließen, ist falsch. Eine periphere Phlebitis muss man im Notfall in Kauf nehmen. Besser: Zur Vermeidung einer chemischen Phlebitis 10–20% Glukose-Lösungen verwenden.
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Hypoglykämie
Glukose 5%–10%: Eine Dauerinfusion ist nach der Bolusgabe wichtig. Der Blutzucker sollte über 150 mg/dl [8,0 mmol/l] gehalten werden, und es kann Stunden dauern, bis die Speicher aufgefüllt sind. Dabei sollte man die Kaliumsspiegel bestimmen oder Glukagon i.m. oder s.c.: Diese Maßnahme dauert wenige Minuten bis zum Blutzuckeranstieg durch Induktion der Glykogenolyse. Der Erfolg ist nicht immer sicher. Prophylaxe der nächtlichen Hypoglykämie Regelmäßige BZ-Messungen in der Nacht (zwischen 3 und 5 Uhr) Langwirksame Zur Spätmahlzeit Vollkornprodukte Kohlenhydrate: mit Resorptionsverzögerung durch Eiweiß oder Fett, z. B. Vollkornkeks mit Quark, Vollkornbrot mit Butter und Käse oder Schokolade. 1–2 BE extra, falls um ~22.00 Uhr der BZ <120 mg/dl [6,7 mmol/l]. NPH-Insulin spätWenn Nü-BZ niedrig, dann Dosis reabends (~22.00 Uhr): duzieren. Wenn Nü-BZ normal und BZ nach Frühstück überhöht (Somogyi), dann Dosis reduzieren und möglichst später injizieren. NPH-Insulin abends Eine Wirkungskumulation eines NPH(ICT mit 4 x NPH): Insulins vor dem Abendessen mit dem spätabendlichen NPH-Insulin um ~2.00 Uhr sollte bedacht werden; alternativ: Umstellung auf langwirksame Analoginsuline.
Hypoglykämie
Insulinpumpe:
Körperliche Aktivität:
55
Wenn nächtliche Hypoglykämien mit einem hohen Nü-BZ einhergehen (NPH-Wirkdauer zu kurz). Nach 3 h Aktivität Reduktion des Verzögerungsinsulins (Basalrate) zur Nacht um ca. 30%, BZ-Kontrolle, evtl. Zusatz-BEs.
14.6 Weitere Ursachen für eine Hypoglykämie Gastrektomie Nach Gastrektomie entwickeln v. a. Diabetespatienten ein Spät-Dumping-Syndrom mit Unterzuckerung. Die Prävention des Dumping-Syndroms ist diätetisch: Mehrere kleine Mahlzeiten: ca. 6- bis 8-mal/Tag, komplexe Kohlenhydrate, keine gezuckerten Limonaden oder Säfte, Ballaststoffe vermindern die Resorptionsgeschwindigkeit. Insulinom
Merke
I
I
Das Insulinom ist eine extremst seltene Ursache. Erhöhte Proinsulin-, Insulinspiegel und ein hohes C-Peptid sowie wiederholte Nüchtern-Hypoglykämien sind richtungsweisend. Beweis: Hungerversuch über 72 h.
15 Laktatazidose
Typ-A-Laktatazidosen mit verminderter Sauerstoffversorgung des Gewebes bei gestörter Gewebeperfusion infolge eines Schocks oder einer schweren Hypoxämie. Typ-B-Laktatazidosen bei vermehrter Laktatproduktion und gestörter Laktatverwertung. Eine Biguanid-induzierte Laktatazidose ist als Typ-B-Laktatazidose zu klassifizieren. Symptome der Laktatazidose Gastrointestinal: Übelkeit, Erbrechen, Inappetenz, akutes Abdomen Respiratorisch: kompensatorische Hyperventilation Kardiovaskulär: eine Schocksymptomatik kann sowohl Ursache als auch Folge sein Zentralnervös: Unruhe, Verwirrtheit, Müdigkeit bis zum Koma
Merke
I
I
Unter Biguanidtherapie ist das Risiko einer laktatazidotischen Entgleisung unter allen Zuständen, die eine Laktatakkumulation bewirken, gesteigert. Laktatazidosen unter Biguanidtherapie sind insgesamt selten. Folgende Kontraindikationen der Biguanidtherapie sind zu beachten: Leberschäden Auch bei Alkoholabusus ohne nachaller Art: weisbare Leberschädigung. Niereninsuffizienz: Ab einem Kreatinin >1,2 mg/dl [106 µmol/l] (S. GFR!).
Laktatazidose
Hypoxie:
Saure Metabolite:
Andere:
57
Mangelperfusionen, AVK, Schock, Sepsis, Lungenembolie, pulmonale Erkrankungen, perioperativ. Bedingt durch Infektionen, Pankreatitis, Nekrosen und Gangräne, Sepsis, Hungerketosen, Ketoazidosen oder konsumierende Prozesse. Schwangerschaft, Reduktionsdiät, unzuverlässige Patienten, Alter >75–80 Jahre. Geplante Operation oder Angiographie, jodhaltige Kontrastmittel i.v.: Biguanide 48 h zuvor abzusetzen, im Anschluss ansetzen bei normalem Kreatinin.
Therapeutisches Vorgehen Ursachen Biguanide absetzen, Schocktherapie, beseitigen: Infektionsherde suchen. Blutzucker: Einstellung mit Insulin, zunächst über den Perfusor; Insulin hemmt einen Teil der Laktatproduktion. Ausreichende Glukosezufuhr Bikarbonat: Soll-pH-Wert >7,1: dabei besteht die Gefahr einer Hypernatriämie, Hämodialyse: ab pH <7,0 und/oder Laktat >90 mmol/l (oft auch Hypernatriämie) Kaliumabfall: Eine Azidose kaschiert den Kaliummangel ( Kap. 12.1). Hypothermie: Aufwärmen immer von zentral, am besten über die Beatmung Andere: Herzinsuffizienz, Infarkt, Lungenembolie können sowohl Auslöser als auch Folge sein.
16 Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus Makroangiopathie mit KHK, zerebrovaskulärer Sklerose und pAVK,
Mikroangiopathie mit Retinopathie, Makulopathie und Nephropathie,
Neuropathie, mit sensomotorischer und autonomer Neuropathie,
komplexe Syndrome sind u. a. das diabetische Fußsyndrom. 16.1 Makroangiopathie Periphere arterielle Verschlusskrankheit: Claudicatio intermittens bis Gangrän, Zerebralsklerose und zerebrale Insulte, KHK und Herzinfarkt, oft als stiller Infarkt bei autonomer Neuropathie, Arteriosklerose des Intestinums, z. B. Nierenarterien, Mesenterialarterien, Impotenz, Makroangiopathie und Neuropathie ursächlich. 16.1.1 Periphere arterielle Verschlusskrankheit Untersuchung der Beinarterien bei pAVK Klinische Untersuchung: Pulspalpation, Auskulation (Gefäßgeräusche?), evtl. Ratschow-Lagerungsprobe. Stadieneinteilung nach Fontaine Apparative Untersuchungen: Knöchel-Arm-Index ermitteln: pathologisch: ab 0,9 (bei Fehlen von Claudicatio intermittens, Ruheschmerz oder Ulkus = asymptomatische pAVK).
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
59
Bestimmung der schmerzfreien und absoluten Gehstrecke, Duplexsonografie. Angiographie: gezielt nach nicht-invasiver angiologischer Diagnostik und unter definierter Fragestellung. Kontrastmittelgaben, entspr. nephroprotektive Maßnahmen beachten sowie Medikation (Cave: Metformin). Ergänzende Diagnostik: Messung des transkutanen Sauerstoffpartialdrucks. Die Mediasklerose (Mönckeberg-Sklerose) findet sich bei 10–20% der Diabetiker. Unter fortgesetzter Doppler-Ableitung wird das Bein angehoben, bis das Doppler-Signal sistiert. 13 cm Höhendifferenz entsprechen 10 mm Hg. Die Untersuchung wurde durch die intraoperative Druckmessung bestätigt. Sie ergab auch, dass die herkömmliche Methode mit dem Doppler-Index häufig falsch-hohe Werte anzeigt. Therapie Zur Therapie der peripheren AVK wird man konservative Maßnahmen ausschöpfen: Optimale Diabetes- Plus Gabe von ASS 100–300 mg/Tag, bei einstellung Unverträglichkeit Gabe von Clopidogrel 75 mg/Tag Korrektur der Statingabe, hoch dosiert Dyslipidämie Infusion von Pro- Alprostadil 1 Amp. in 100 NaCl 2-mal/Tag, staglandinderiva- bis 2 Amp. in 100 NaCl 2-mal/Tag, ten (Prostavasin): Vorliegen einer Herzinsuffizienz beachten, hier sehr langsame Dosissteigerung. Thromboseniedermolekulare Heparine. prophylaxe: Antikoagulation: dauerhaft bei rezidivierenden Embolien, Vorhofflimmern. Bei Entzündungs- z. B. 3-mal 2,2 g Augmentan i.v. zeichen Antibiose:
60
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Doppleruntersuchung der Beinarterien bei pAVK Druckmessung: ▬ CW-Verschlussdruck der A. tibialis post. und dorsalis pedis, 10 min Ruhe vor der Untersuchung, Manschette supramalleolär Distal der Steno- >80 mmHg ~AVK Stadium II se, also die Knö- <60 mmHg ~AVK Stadium IV ischämische cheldrücke: Gefährdung Diameterreduk- >75% ▬ hämodynamisch relevante tion: Stenose ▬ Pulspalpation distal der Stenose nicht möglich, aber ▬ Doppler-Ableitung noch möglich Zunehmende ▬ zunehmender diastolischer Flow, monoStenose: phasisch, abgeflacht ▬ kein negatives postsystolisches Minimum Druckquotient 1 bis 1,2 normal Knöchel/Arm: <0,9 pathologisch Prognose (bei 55 mmHg grenzwertig bzgl. Amputation RRsys etwa bei Hautläsionen 50 mmHg Nekrosegefahr, bedrohlich, 140 mmHg): Ruheschmerz Normgeschwin- A. fem. com. 114 ± 25 (Vmax in cm/s ± SD): digkeit: A. poplitea 69 ± 13 A. dorsalis >50 gilt als noch ausreiNach »Distal<30 chend origin-Bypass« pedis Indikation zur An(Vmax in cm/s): giographie Duplex: Lokalisation, Plaquemorphologie Arteriographie: 60–80 mmHg nach Klinik 50 mmHg indiziert Immer beachten: Mediasklerose häufig bei Diabetes mellitus ( S. 59)
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Schmerztherapie: Weitere Maßnahmen:
61
Sequenz Schmerz-Adrenalin-Vasokonstriktion stoppen. ausreichende Hydrierung, Tieflagerung der Extremität, Watteverbände, zunächst Entlastung der Extremität, mit einsetzender Besserung beginnt die Mobilisation.
Sog. vasoaktive Substanzen sind im Stadium II pAVK umstritten. Im Stadium III und IV sind Prostanoide möglich, Nutzen 1–2 Monate. Lumeneröffnende Maßnahmen: Ergebnisse der perkutanen transluminalen Angioplastie (PTA) und Bypasschirurgie sind genauso gut wie bei Nichtdiabetikern. Periphere Ulzera heilen nach der Rekanalisation besser ab. Bei Diabetikern sind die Unterschenkelarterien häufiger betroffen. 16.1.2 Koronare Herzkrankheit
Merke
I
I
KHK bei Diabetespatienten mit autonomer Neuropathie des Herzens über lange Zeit asymptomatisch. An den stummen Herzinfarkt denken. Eine weiterführende Diagnostik ist durch das gehäufte Vorkommen mehrerer Risikofaktoren bei D. m. in besonderem Maße angezeigt bei: auch bei atypischer Angina pectoris, Auffälligkeiten im Ruhe-EKG, pAVK, arteriosklerotischen Veränderungen der extrakraniellen Hirngefäße (korreliert > = 0,8),
62
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Beginn eines intensiven sportlichen Trainingsprogramms, erhöhtes kardiovask. Risiko durch Dyslipoprot, Hypertonie (wichtig: diastolischen Druck nicht unter 75 mm Hg senken; Cave: posturale Hypotonie bei Diabetes und Neuropathie), Rauchen, Mikroalbuminurie. 16.1.3 Ischämischer zerebraler Insult Therapeutisches Schema unter intensivmedizinischer Kontrolle bzw. »stroke unit«. Beachte die aktuellen Leitlinien zum Thema Schlaganfall: Allgemeinmaßnahmen: Kontrolle des Blutzuckers normnahe, RR: hoch-normal aufrechterhalten, insbesonere akut. Azetylsalizylsäure (ASS): 100 mg ASS p.o. Antikoagulation: Nach Ausschluss Hirnblutung bei Vorhofflimmern. BZ-Führung: Normnahe Werte, z. B. auf einer Stroke Unit. Lysetherapie: Zeitfenster 2–3 h, vorher CCT. 16.2
Mikroangiopathie
16.2.1 Diabetische Retinopathie und Makulopathie
Merke
I
I
Die Ursache der Retinopathie ist die Mikroangiopathie. Negativ beeinflusst durch eine schlechte Stoffwechseleinstellung, eine lange Dauer der Diabeteserkrankung, eine begleitende Nephropathie, eine Hypertonie und durch das Rauchen.
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
63
Der Patient ist lange Zeit, trotz fortschreitender Retinopathie, asymptomatisch. Sobald Visusausfälle, Schleiersehen, Verschwommensehen oder gar ein roter Vorhang auftreten, ist die Retinopathie fortgeschritten. Eine Verbesserung der Stoffwechsellage sollte bei schlecht eingestellten Diabetikern mit einer proliferativen Retinopathie schrittweise über 2–6 Monate erfolgen. BZ-Werte von 150–250 mg/dl [8,3–14,0 mmol/l] werden zunächst akzeptiert. Regelmäßigen Verlaufsbeobachtungen mit einem standardisierten Befundbericht: Sehschärfe, vorderer Augenabschnitt, Augendruck, Augenhintergrund mit binokular-biomikroskopischer Funduskopie (bei erweiterter Pupille). Stadien der diabetischen Retinopathie Keine Retinopathie. Milde, nichtproliferative Retinopathie (NPDR). Mäßige, nichtproliferative Retinopathie (NPDR). Schwere, nichtproliferative Retinopathie (NPDR). Proliferative Retinopathie (PDR) mit oder ohne diabetische Makulopathie. Späte, fortgeschrittene Stadien der diabetischen Retinopathie (PDR). Klassifikation der diabetischen Makulopathie Fokales Makulaödem: umschriebene Zonen von Ödem, kombiniert mit intraretinalen Blutungen und harten Exsudaten. Beim visusbedrohendem Stadium Laserbehandlung am hinteren Pol (zentrale Laserkoagulation). Diffuses Makulaödem: Hierbei handelt es sich um ein Ödem und harte Exsudate am gesamten hinteren Augenpol mit massiver Leckage. Visus deutlich herabgesetzt.
64
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Ischämische Makulopathie: Ausgedehnter Perfusionsausfall, Visusprognose sehr schlecht. Diagnose nur mittels Fluoreszenzangiographie möglich. Indikation zur Laserbehandlung klinisch signifikantem Makulaödem: gezielte zentrale Laserkogulation (sog. »grid pattern«), schwerer NPDR bei Risikopatienten: – Typ-1-Diabetiker, – Typ-2-Diabetiker mit schlechter Stoffwechsellage und arterieller Hypertonie, – Schwangerschaft, – beginnender Katarakt mit erschwertem Funduseinblick. Poliferativer diabetischer Retinopathie (PDR). Mögliche NW: Einschränkung Gesichtsfeld, gestörte Dunkeladaptation, Farbsehens (blau-gelb). Augenärztliche Kontrollintervalle Diabetes mellitus ohne diabetische Retinopathie: Diabetes mellitus mit milder NPDR: Diabetes mellitus mit mäßiger NPDR: Diabetes mellitus mit schwerer NPDR: Diabetes mellitus mit proliferativer Retinopathie: Klinisch signifikantes Makulaödem:
12 Monate 6 Monate 6 Monate 3 Monate 3 Monate 2–3 Monate
Häufigere Kontrollen bei Stoffwechselentgleisung Häufigere Kontrollen bei schwerer arterieller Hypertonie Bei Gravidität: vor der Schwangerschaft In der Schwangerschaft alle 3–6 Monate
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
65
Primär- und Sekundärprävention Normnahe Blutzuckerwerte (HbA1c <7%), Blutdruckziel (systolisch <130 mm Hg, diastolisch <85 mm Hg), Blutfette und Statine (LDL-Cholesterin <2,6 mmol/l [<100 mg/dl]), regelmäßiges Screening. 16.2.2 Nephropathie Progredienz hängt an der BZ-Einstellung und vom Blutdruck ab (⊡ Tab. 16.1 und 16.2). Antihypertensiva und im besonderen ACE-Hemmer sind frühzeitig einzusetzen. Unbedingt Rauchen einstellen! Albuminurie-Screening Die Screening-Untersuchungen erfolgen bei normaler Flüssigkeitszufuhr (1,5–2 l) im Spontanurin (z. B. Micraltest).
Aufbewahren der Urinprobe. Bei Raumtemperatur für maximal 72 h, ansonsten gekühlt (+2 °C bis +8 °C) bis zu 2 Wochen.
Merke
I
I
Sind 2 von 3 Proben innerhalb von 2–3 Wochen positiv, liegt eine Albuminurie vor.
Definition der Mikroalbuminurie ( Abschn. 2.7, S. 7) Nephropathie-Screening Besonderheiten ab Alter >60–65 Jahre: persistierende Mikroalbuminurie.
66
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Hinweis auf erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Differenzialdiagnose: kurzfristige Erhöhung der Albuminausscheidung, nichtdiabetische Nierenerkrankung.
⊡ Tabelle 16.1. Stadieneinteilung der diabetischen Nephropathie nach Mogensen. GFR = glomeruläre Filtrationsrate; Np = Nephropathie, RPF = renaler Plasmafluss Stadium
Zeitverlauf (Typ 1)
Charakteristische Symptome
Prognose
Große Nieren, RPF und GFR erhöht
Reversibel
I
Bei DiabeHypertesmanitrophieHyperfunk- festation tion
II
Stadium der klinischen Latenz
2 bis 5 Jahre
Verdickung der kapillaren Basalmembran, Ausweitung des Mesangiums
Bedingt reversibel
III
Beginnende Np
5 bis 15 Jahre
Mikroalbuminurie, Anstieg des Blutdrucks
Progression kann gestoppt werden
IV
Klinisch manifeste Np
10 bis 25 Jahre
Persistierende Proteinurie, RPF und GFR abnehmend, Hypertonie in ca. 60%
Progression kann gebremst werden
V
Niereninsuffizienz
15 bis 30 Jahre
Serum-Kreatinin erhöht, Hypertonie in ca. 90%
Irreversibel
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
67
Stadien der diabetischen Nephropathie (Neu-Klassifikation), Leitlinien der DDG Stadium/ Beschreibung
Albuminausscheidung (mg/l)
KreatininClearance (ml/min)
Nierenschädigung mit normaler Nierenfunktion
S-Kreatinin im Normbereich
Mikroalbuminurie
20–200
Makroalbuminurie
>200
>90
>200
b Mäßiggradig c Hochgradig d Terminal
60–89 30–59
abnehmend
Blutdruck im Normbereich steigend oder Hypertonie Raschere Progression von KHK, AVK, Retinopathie und Neuropathie
Nierenschädigung mit Niereninsuffizienz a Leichtgradig
Bemerkungen
15–29 <15
S-Kreatinin grenzwertig oder erhöht, Hypertonie, Dyslipidämie, HypoglykämieNeigung Rasche Progression von KHK, AVK, Retinonpathie u. Neuropathie, Anämie-Entwicklung
68
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
⊡ Tabelle 16.2. Schweregradeinteilung der Hypertonie gemäß der Weltgesundheitsorganisation Systolisch [mmHg]
Diastolisch [mmHg]
Optimal
<120
<80
Normal
<130
<85
Hoch-normal
130–139
85–89
Milde Hypertonie (Schweregrad 1)
140–159
90–99
Mittelschwere Hypertonie (Schweregrad 2)
160–179
100-109
Schwere Hypertonie (Schweregrad 3)
>180
>110
Isolierte systolische Hypertonie
≥140
und <90
Stadiengerechte Therapie der Nephropathie Nichtmedikamentöse Therapien sind in ⊡ Tab. 16.3 dargestellt. Stadium II (GFR: 60-89 ml/min/1,73m²) und Stadium III (GFR: 30–59) Intensivierte Stoffwechselführung: falls möglich HbA1c <7,5% (besondere Hypoglykämiegefahr beachten). ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten ab Mikroalbuminurie (Dosis nach RR; Ziel: <130/75–80 mm Hg). Antihypertensiva: weitere ACE-Hemmer in Kombination mit anderen Antihypertensiva. Stadium IV (GFR: 15-29) Intensivierte Stoffwechselführung: Cave Hypoglykämie. Antihypertensiva:
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
69
⊡ Tabelle 16.3. Nichtmedikamentöse Optionen der Blutdrucksenkung Modifikation
Ziel
Zu erwartende RR-Senkung
Gewichtsreduktion
Normalgewicht BMI 18,5–24,9 kg/m2
5–20 mmHg/ 10 kg
Ernährung
Obst, Gemüse Reduktion tierischer Fette
8–14 mmHg
Kochsalzreduktion
Weniger als 6 g NaCl/d
2–8 mmHg
Körperliche Aktivität
Aerobe Belastung, z. B. 30 min strammes Gehen
4–9 mmHg
Alkoholreduktion
Maximal 1 kleines Glas Wein/Bier/Tag
2–4 mmHg
– ACE-Hemmer: Gefahr der Nierenfunktionsverschlechterung und Hyperkaliämie – Kombination Diuretika, Beta-Blocker, Kalziumantagonisten, Vasodilatatoren Reduktion der Eiweißzufuhr: 0,8–1,0 g/kg KG/Tag – Malnutrition beachten Weitere Therapiemaßnahmen – sekundärer Hyperparathyreoidismus: Gabe von Phosphatbindern, Vitamin-D-Substitution, – Therapie der Anämie: Eisensubstitution, ErythropoietinGaben, – Therapie der Fettstoffwechselstörung, – Planung und Vorbereitung der Nierenersatztherapie.
70
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Stadium V (GFR: <15) Frühzeitiger Therapiebeginn: bei Clearence-Werten 15– 24 ml/min. Hämodialyse, Hämodiafiltrationsbehandlung, lange Dialysedauer Peritonealdialyse. Vorbereitung zur Nierentransplantation oder Nieren- und Pankreastransplantation.
Merke
I
I
Die Progredienz wird durch ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten deutlich gebremst, möglicherweise haben AT1-Antagonisten in späten Stadien einen besonderen Vorteil. Initial Kreatininanstieg um 20–30% noch tolerabel. Eine mehr als leichte Aorten- und/oder Nierenarterienstenose ausschließen. Bei Niereninsuffizienz ist die Dosis sehr langsam einzuschleichen. Ab einem Kreatinin von 1,5–3 mg/dl [133–265 µmol/l] und/oder gefährdeter Hämodynamik stationärer.
Thiaziddiuretika. Meist liegt eine Natrium- und Volumenretention vor, sodass sich die Diuretikatherapie anbietet. Eine niedrig dosierte Therapie, wie in Kombinationspräparaten üblich, ist sinnvoll und steigert die Wirkung von z. B. der RAASBlocker.
Kardioselektive Beta-Blocker sind ein prognosebestimmendes Therapeutikum nach Myokardinfarkt, Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen treten hiermit i.d.R. nicht auf.
Alpha-Blocker sind umstritten und sollten nur als Reservemedikation eingesetzt werden.
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
71
Kalziumantagonisten. Lang wirksame Kalziumanatgonisten sind bewährt.
Merke
I
I
Cave: Röntgenkontrastmittel (RKM) können bei Nephropathie ein akutes Nierenversagen auslösen. Kreatinin 2–3 mg/dl [177–265 µmol/l]
Kreatinin >3 mg/dl [>265 µmol/l]
Metformin 48 h vorher absetzen, KM-Dosis möglichst gering wählen. Der Patient wird gut hydriert, danach folgen Kreatininkontrollen. Alle intravenösen KM sind relativ kontraindiziert. Ist eine KM-Untersuchung indiziert, wird sehr gut gewässert. ACEInhibitoren temporär absetzen, Metformin zuvor immer absetzen.
Medikamentöse Begleittherapie vor RKM-Gabe: 600 mg ACC 3-mal täglich vor und nach der Angiographie (insgesamt 2 Tage) p.o. (Krea-Kosmetik?). Reichlich prophylaktisch Infusion, bei Überwässerung plus Furosemid. Hypoglykämiegefahr
Merke
I
I
Sie ist bedingt durch einen sinkenden Insulinbedarf und verminderte Glukoneogenese; mit zunehmender Niereninsuffizienz fällt der Insulinbedarf deutlich.
72
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Nierenersatztherapie Frühe interdisziplinäre Versorgung bereits ab einem Serumkreatinin von 1,5 mg/dl [133 µmol/l]. Die frühzeitige Nierentransplantation ist zu bedenken. 16.3 Diabetische Neuropathie Dünne Nerven, das Temperaturempfinden, und die Tiefensensibilität sind zuerst betroffen. Es wird eine Untersuchung auf Berührungs-, Schmerz-, Temperatur-, Vibrationsempfinden und den Lagesinn durchgeführt. Die Inspektion erfasst trophische Störungen und das Gangbild. Prävention (primär und sekundär) Gute BZ-Einstellung. Gute Blutdruckkontrolle und Lipidsenkung (Target: Vasa nervorum). 16.3.1 Periphere Neuropathie Die mit Abstand häufigste Form der peripheren diabetischen Neuropathie (PDN) ist die sensible, symmetrische, distale Neuropathie. Beide Diabetesformen sind gleich häufig betroffen. Lebensalter und Diabetesdauer beeinflussen die Häufigkeit.
Merke
I
I
Im Schnitt haben 25% aller Diabetiker und etwa 45% der Diabetiker über 60 Jahre eine Neuropathie. Eine gute Diabeteseinstellung kann das Risiko um etwa 80% reduzieren.
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
73
Formen der peripheren diabetischen Neuropathie (PDN) Sensible, sym Langsam fortschreitende Entwickmetrische distale lung beidseits Polyneuropathie: Strumpf- oder handschuhförmig, mit herabgesetzter Berührungsempfindlichkeit, Schmerz, Temperatur, Vibration, Tiefe Parästhesien Autosympathektomie mit Hyperperfusion, troph. Störung Motorische, Meist kombiniert mit sensibler PDN symmetrische NP: Bevorzugte Ausfälle im Peroneusbereich Proximale Akut oder subakut mit Mononeuropathie: Schwäche bis zur vollständigen Parese Oft mit Schmerzen (z. B. Orbitaschmerz) Alle peripheren Nerven, aber auch Hirnnerven, N. abducens, oculomotorius, facalis Spontanheilung in der Regel innerhalb von 2–6 Wochen Kompressions N. ulnaris syndrome: Karpaltunnelsyndrom (N. medianus) Tarsaltunnelsyndrom N. peroneus N. femoralis Radikulopathie: Einseitige, radikuläre Symptomatik Ein oder mehrere Spinalsegmente Mit Schmerzen Zum Teil mit vollständigen Paresen, EMG mit Denervierung paraspinaler Muskelgruppen
74
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Plexusneuralgie:
Amyotrophie
Differenzialdiagnose: Herpes zoster, Borreliose, Herzinfarkt, akutes Abdomen, BSV etc. Spontanheilung in der Regel innerhalb von 2–6 Wochen Wichtige Differenzialdiagnose bei den Sammelbezeichnungen Schulter-Arm-Syndrom oder Lumbalgie Akuter Schmerz spricht innerhalb von 10 Tagen sehr gut auf BZ-Normalisierung und Thioctacid an Mangelnde trophische Impulse mit Schmerzen und Muskelschwund, v. a. im Oberschenkelbereich
Symptome und Befunde der sensiblen, symmetrischen, distalen PDN Gestörtes VibratiEin Frühzeichen (Tiefensensibilität, onsempfinden: kleine Fasern). Parästhesien, «Burning-feet-Syndrom«. Bereits der Hyperästhesien: Reiz durch die Bettdecke ist für diese Patienten unerträglich. Schmerz: v. a. nachts, stechend, besser beim Gehen. Hypästhesie oder Strumpfförmig an den Füßen. KälteTaubheit: gefühl. Gangstörungen: gestörte Tiefensensibilität »Gehen wie auf Watte«. Gelenkschäden: mangelnde Koordination unphysiologischen Belastungen. Veränderte Degeneration der Haut, des HalteappaFußanatomie: rates, der Knochen und der Sehnen. Die
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Abgeschwächte Sehnenreflexe: Gestörtes Spitzstumpf-Empfinden, gestörtes Temperaturempfinden: Verzögerte NLG:
75
Folge ist ein anatomisch veränderter Fuß mit Hammerzehen bei verkürzten Sehnen, Zusammenbruch der Fußgewölbe und einem Fußrückenödem. Im Röntgenbild Frakturen der Sprunggelenke. Zuerst fällt der Achillessehnenreflex (ASR) aus. Betroffen sind zuerst die kleinen Nervenfasern, wie es auch bei den Ausfällen der Tiefensensibilität der Fall ist. NLG ist das sensitivste Kriterium.
Therapie Die Therapie gestaltet sich gemäß ⊡ Tab. 16.4. ⊡ Tabelle 16.4. Therapie der diabetischen Neuropathie gemäß den Leitlinien der Deutschen Diabetesgesellschaft Verlaufsformen der Neuropathie
Therapie
Alle Formen und Stadien
Optimierung der Diabeteseinstellung Blutdrucknormalisierung, Lipidsenkung Patientenschulung Änderung der Lebensgewohnheiten
Subklinische Neuropathie
Prophylaxe von Fußschäden (Fußpflege, orthopädietechnische Versorgung, insbesondere bei knöchernen Fußdeformitäten mit und ohne periphere Neuropathie)
▼
76
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
⊡ Tabelle 16.4. Fortsetzung Verlaufsformen der Neuropathie
Therapie
Chronisch-schmerzhafte Neuropathie (Angabe der Medikamente in alphabetischer Reihenfolge)
Alpha-Liponsäureb Antikonvulsiva (Carbazepinc, Gabapentina,c, Pregabalin) Capsaicina Mexiletina,c Selektive SerotoninWiederaufnahmehemmera,c (Citalopram, Paroxetin) Tramadol Trizyklische Antidepressivac (Amitriptylin, Clomipramin, Desipramina, Imipramin) und andere Antidepressiva (Duloxetin) Physikalische Therapie
Akut-schmerzhafte Neuropathie
Versuch mit einfachen Analgetika Weitere Therapie wie bei der chronischschmerzhaften Neuropathie
Schmerzlose Neuropathie (hypästhetische bzw. anästhetische Form)
Fußpflege (Diabetesschulung) Prophylaxe von Fußläsionen (orthopädietechnische Maßnahmen) Krankengymnastik
Diabetische Amyotrophie
Überweisung zum Neurologen zur diagnostischen Abklärung Physikalische Therapie Weitere Therapie wie bei der schmerzhaften Neuropathie
a
Nicht zugelassen zur Behandlung neuropathischer Schmerzen. begründbare Therapie, Evidenzklasse aus klinischer Sicht zweitrangig. c Einschleichende Dosierung beachten, ggf. Spiegelbestimmungen, Interaktion mit Komedikation beachten. b Pathogenetisch
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Wadenkrämpfe Magnesium: Chinin:
Benzodiazepine:
77
Orale Dosierung: 100–300 mg/Tag, dauerhaft 100 mg. Es wirkt peripher muskelrelaxierend und dämpft die Aktionspotenziale. Orale Dosierung: 100–200 mg zur Nacht, z. B. Chininsulfat 200 mg abends. Peripher und zentral muskelrelaxierend, z. B. Tetrazepam 50 mg abends.
16.3.2 Autonome Neuropathie Die Manifestationen der autonomen diabetischen Neuropathie (ADN) sind: ▬ Gastroparese und verlangsamte GastrointestiMagenentleerung, nales System: ▬ Ösophagusatonie mit Schluckstörungen, ▬ wässriger Durchfall, meist nachts, ▬ Obstipation bei mangelnder Propulsion, ▬ gustatorisches Schwitzen. Kardiovaskuläres ▬ Verminderte Gefäßregulation: OrthosSystem: tase, Mediasklerose, ▬ Verminderte Herzfrequenzadaptation mit Ruhetachykardie, QT-Syndrom, Herzstillstand, ▬ Stummer Herzinfarkt. HormonDies ergibt eine gedämpfte Glukagon-/ regulation: Adrenalinsekretion bei Hypoglykämie, und die Hypoglykämiewarnsymptome fallen weg.
78
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Pupille:
Miosis mit verlangsamtem Pupillenreflex. Cave: gestörte Dunkeladaptation, z. B. beim Autofahren! Ureteren- und Blasenatonie, mit Infektneigung bei Stase, erektiler Dysfunktion und retrograder Ejakulation sowie Verlust des Hodendruckschmerzes. Atrophe Haut. Trophische Störungen führen zur Atrophie der Knochen, Sehnen, Muskulatur und des Bindegewebes. Eine seltene Variante ist die diabetische Amyotrophie mit Muskelschwund bei Impulsabfall, meist Schultergürtel- und Beckenmuskulatur betreffend, Mangelnde trophische Impulse auf die Knochen führen zur Osteopathie und dem Charcot-Fuß.
Urogenitales System:
Stütz- und Bewegungsapparat:
Therapie
Merke
I
I
Die Therapie bei diabetischen Störungen des vegetativen Systems ist unbefriedigend. Mandatorisch ist die möglichst normonahe BZ-Einstellung.
Gastroparese. Zur Akuttherapie ist Metoclopramid (Wirkverlust nach 1 Woche) geeignet. Akute Gastroparese bei entgleistem BZ (>200 mg/dl [11,1 mmol/l]) und/oder bei einer Ketoazidose auf. Das Makrolidantibiotikum Erythromycin, das als Motilin-Agonist wirkt, kann bei schweren Formen der diabetischen Gastroparese eingesetzt werden, 250 mg 0,5 h vor der Mahlzeit. Orthostase. Sehr schwierig, physikalische Maßnahmen werden primär ausgeschöpft:
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
79
viel trinken, Ausdauertraining, Wechselduschen, langsames Aufstehen plus Lagerungsübungen Beingymnastik vor dem Aufstehen und Stützstrümpfe.
Die Kochsalzzufuhr wird nicht reduziert. Sekundär ist die medikamentöse Therapie. Neben dem Fludrocortison etabliert sich das Midodrin, ein Alpha-Agonist. Wenn Antihypertensiva indiziert sind, werden sie einschleichend verordnet. Diuretika reduzieren, Alpha-Blocker absetzen. Blutdruckkontrolle im Sitzen und im Stehen (Schellong-Test ⊡ Tab. 16.5). Gastrointestinales System Gastroparese, ▬ Akut: Metoclopramid 3-mal 10 mg, Hypoglykämie: ▬ Flüssigkeit vor und zum Essen, ▬ bei postprandialer Hypoglykämie mit Glukose, ▬ fett- und eiweißreiche Kost meiden, ▬ Spritz-Ess-Abstand verkürzen, Insulininjektionen (z. B. Analoginsulin mit kürzerer Wirkdauer) nach der Nahrungsaufnahme. Gallenblasen▬ Versuchsweise Substitutionstherapie. atonie: ⊡ Tabelle 16.5. Kardiovaskuläre ADN: Respiratorische Herzfrequenzschwankungen und Schellong-Test Norm
Grenzwertig
Pathologisch
Delta-HF/min
>15
11–14
<10
Delta-RRsys/min
<10
11–29
>30
80
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
Diarrhö:
Obstipation:
Gustatorisches Schwitzen:
Resorptionsstörungen, Diarrhö und unphysiologischer Darmkolonisation. ▬ Doxycyclin einmal 100 mg p.o. oder über 7 Tage. Erfolg in 50% der Fälle, beseitigt eine bakterielle Fehlbesiedelung. ▬ Ballaststoffe und/oder Loperamid müssen einschleichend dosiert werden. ▬ »Überdosis« Zuckeraustauschstoffe, Guar, Acarbose oder Metformin bedenken. Bis zur Kolonatonie bei schlechter Zuckereinstellung. ▬ Versuch mit Pyridostigmin p.o. 10–60 mg einmal/Tag. Die zentrale Stimulation auf einen Essensreiz wirkt sich bei vegetativem Ungleichgewicht überschießend aus. ▬ Versuch mit Clonidin p.o., einschleichend, es wirkt über die zentrale AlphaBlockade.
Kardiovaskuläres System Orthostatische Hypotonie:
Rhythmusprobleme:
▬ Physikalische Maßnahmen, Kochsalzzufuhr etwas steigern. ▬ Fludrocortison, einmal 0,05 mg p.o. ▬ Midodrin, einmal 2,5 mg p.o. ▬ Antihypertensiva langsam einschleichen. ▬ Diuretika reduzieren, Alpha-Blocker ab. ▬ Tachykarde Arrhythmie: ggf. kardioselektive Beta-Blocker, Magnesium und Kalium auf hochnormale Werte. ▬ Bradykardie: Schrittmacherindikation.
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
81
Urogenitales System Harnretention: ▬ Manuelle Expression, Einmalkatheter. ▬ Carbachol, versuchsweise bis 3-mal 2 mg p.o./Tag. ▬ Phenoxybenzamin hat viele Nebenwirkungen. Infektionen: Behandeln mit Erfolgskontrolle; auch die asymptomatische Bakteriurie. Impotenz: N.-pudendus-Affektion plus Makroangiopathie, Patient hat keinen Hodendruckschmerz mehr und nachlassende Libido (30–60%!). 16.3.3 Erektile Dysfunktion Die Anamneseerhebung (Sexualanamnese) wird meist nicht gemacht. Für die Therapie gilt: Vermeidung medikamentöser NW (Tranquilizer, Antidepressiva, Antihypertonika), Therapieversuch mit 5-Phosphodiesterase-Hemmer (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil). Risikoeinschätzung vor Phosphodiesterase-5-Inhibitorengabe, mittleres Risiko bei: bei einer behandelten Hypertonie, KHK-Risikofaktoren, leichte stabile Angina, Z.n. ACVB, Vorliegen einer leichten Klappenerkrankung. Höheres Risiko oder unklares Risikoprofil, wenn Herzinfarkt oder auch Schlaganfall weniger als 6 Wochen zurückliegen, drei oder mehr Risikofaktoren der KHK bestehen (außer Alter, Geschlecht), eine Herzinsuffizienz NYHA 1 + II besteht.
82
Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus
die körperliche Untersuchung Herzgeräusche unklarer Ursache zeigt, eine mittelschwere stabile Angina vorliegt. Ein zu hohes Risiko liegt vor bei instabiler oder therapierefraktärer Angina, einer unkontrollierten Hypertonie, Herzinsuffizienz NYHA III+IV, weniger als 2 Wochen zurückliegendem Herzinfarkt und/ oder Schlaganfall, Rhythmusstörungen mit hohem Risiko, hypertrophischer Kardiomyopathie, mittelgradiger bis schwerer Klappenerkrankung. Therapieversuch nicht erfolgreich, dann zum Urologen: Erektionshilfesysteme (Vakuumpumpe), intraurethrale Applikation von Alprostadil (MUSE), Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT), Schwellkörperimplantat.
Merke
I
I
Erektile Dysfunktion (D )st immer auch ein Hinweis auf eine generalisierte Fehlfunktion und/oder Gefäßschädigung.
17 Diabetisches Fußsyndrom
17.1 Grundlagen Risikofaktoren des diabetischen Fußsyndroms sind: Diabetesdauer, Blutzuckerniveau, Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie, herabgesetzte Schmerzempfindung, muskuläre Dysfunktion. Die Ursachen sind: diabetische Polyneuropathie, periphere arterielle Verschlußkrankheit (pAVK). Die Makroangiopathie führt zum ischämischen Fuß (⊡ Tab. 17.1). Neuropathie, Ischämie, Deformierung und Atrophie liegen in fortgeschrittenen Stadien meist parallel vor. In den frühen Stadien ist eine Unterscheidung/Trennung noch möglich. Die verminderte Tiefensensibilität bewirkt eine unkoordinierte Belastung und Atrophie bis zum Charcot-Fuß (Fußgewölbe bricht ein). Gefordert sind folgende diagnostische Maßnahmen: Inspektion: Haut, Nägel, Schwielen, Infekte, Schuhe, Gangbild, Fußarchitektur. Neurologie: Stimmgabeltest, Monofilamenttest (⊡ Abb. 17.1). Angiologie: Doppler; Angiografie. Bildgebung: Osteolysen, Sequester, Frakturen, Fissuren, Osteopenie.
84
Diabetisches Fußsyndrom
Mikrobiologie:
Differenzialdiagnose: Pedographie:
Wundabstriche aus der Tiefe, oberflächlich erfasst man nur die Kolonisation; also vorher die Nekrose abtragen. Alkohol, Vitamin-B-Mangel, Borrelien, Urämie.
Entscheidend die regelmäßige Verlaufskontrolle und die Neuanpassung von Einlagen und Polsterungen.
⊡ Tabelle 17.1. Merkmale der beiden Hauptformen des diabetischen Fußes Neuropathischer Fuß
Ischämischer Fuß
Ca. 60% der diabetischen Füße
25% rein angiopathisch, 15% als Mischform
Läsionen oft schmerzlos, neuralgischer Schmerz nachts unter der Decke
Schmerzhaft, z. B. Claudicatio; Ratschow-Probe positiv; mitunter kein Schmerz bei Belastung wegen der Neuropathie
Warm und rosig, keine Schweißbildung, Fußpulse positiv, gefüllte Venen
Feucht, kalt, livide, schwache oder negative Fußpulse; Kältegefühl
Plantare Schwielen mit tiefbohrendem zentralen Ulkus = Mal perforans
Gangrän an Ferse und/oder Zehen, Nekrosen besonders an den Druckstellen
Assoziiert mit der Nephropathie und Retinopathie
Kombiniert mit anderen Lokalisationen, wie Carotisstenosen, einer KHK sowie Fettstoffwechselstörungen und Rauchen
▼
Diabetisches Fußsyndrom ⊡ Tabelle 17.1. Fortsetzung Neuropathischer Fuß
Ischämischer Fuß
Frühe Befunde einer Neuropathie: – Mangelnde Tiefensensibilität – Gestörtes Vibrationsempfinden – Gestörte Kalt-warmDiskrimination, – Strumpfförmige Ausfälle – Reduzierter ASR und PSR
Frühe Befunde einer Makroangiopathie: – Druckindex Knöchel/Arm <0,9 – Belastungstest – Duplexuntersuchung
Infektionen: feucht, rasche und massive Ausbreitung
Infektionen: trockene Gangrän
Atrophie der kleinen Fußmuskeln mit Krallenfuß, Hammerzehen und Hohlfuß; spät im Verlauf Spitzfuß Ödem um den Schwielenabszess, das Ödem komprimiert die Perfusion
Mangelperfusion mit Blasenbildung der Haut und nachfolgenden Nekrosen
Trophische Störungen mit Rhagaden und teigiger Haut
Keine Haare mehr; trockene, dünne, schuppige Haut mit Fissuren
Im nativen Röntgen: – Osteopenie und -lysen – Spontanfrakturen im oberen und unteren Sprunggelenk – Einbruch des Fußgewölbes
85
86
Diabetisches Fußsyndrom
⊡ Abb. 17.1. Berührungspunkte beim Monofilament-Test: Beim Berühren mit dem Semmes-Weinstein-Filament wird die Oberflächensensibilität geprüft. Das Testergebnis hat einen hohen prädikativen Wert für das Amputationsrisiko. Bei Berührung mit dem 10-g-Monofilament unter Ausübung von Druck bis zur leichten Biegung an 5 unterschiedlichen Stellen plantar und lateral des Fußes müssen mindestens 3 Punkte sicher benannt werden. (Aus Brunner et al. 2001)
17.2 Prophylaxe von Sekundärkomplikationen
bei diabetischem Fußsyndrom
Anschauen: Täglich einmal die Füße kontrollieren. Waschen: Kontrolle Wassertemperatur mit Thermometer. Füße sorgfältig abtrocknen. Pflegen: Trockene Haut sollte 2-mal täglich gecremt werden, u. a. harnstoffhaltige Schäume (dünn auftragen). Zehennägel: Ecken abrunden, um das Eindrücken benachbarter Zehen zu vermeiden. Nie barfuß oder in Strümpfen laufen. Strümpfe sollten keine auftragenden Nähte oder beengende Ränder haben.
Diabetisches Fußsyndrom
87
Keine Wärmflaschen, Heizkissen oder Fön zum Erwärmen. Diabetesgerechte Schuhe tragen. Neue Schuhe nur nachmittags einkaufen, da dann die Füße dicker als morgens sind. Badeschuhe oder Einlagen mit Profil, Relief oder Noppen sind ungeeignet und gefährlich. Orthopädische Schuhe bei Fußdeformitäten, nach Läsionen. Hühneraugen: Niemals Pflaster, Salben oder Tinkturen. Schwielenbildung deutet immer auf erhöhte Druckbelastung hin. Verletzungen jeglicher Art können sich rasch ausbreiten. Haut- und Nagelpilze können Eintrittspforten sein. Bei Bettlägerigkeit Entlastung von Fersen und Knöchel. 17.3 Therapie Therapie der Angiopathie besondere Beachtung des Nikotinabusus, Gehtraining (führt zur Kollateralisierung), Revaskularisation (Ballon, Stent, Bypass). Therapie der Neuropathie Normoglykämie, Meiden von Alkohol. Therapie der Fußläsion
Angiopathische Läsionen. Häufig lange Heilungsphasen, Gefäßrekonstruktion. Keine Feuchtbehandlung trockener Nekrosen. Neuropathische Läsionen. Bei guter Entlastung häufige raschere Abheilungstendenzen im Vergleich zu angiopathischen Läsionen → Schuhversorgung !
88
Diabetisches Fußsyndrom
Charcot-Fuß. Ruhigstellung und Schonung wie bei akuter Fraktur über 3–6 Monate. Vorsichtige Belastung nach Abklingen lokaler Entzündungszeichen (Schwellung, Rötung, Überwärmung). Hemmung des vermehrten Knochenumbaus durch moderne Amino-Bisphosphonate (z. B. Aredia, Bondronat) kann als Heilversuch erwogen werden. Therapieerfolg kann über eine Temperaturmessung erfasst werden.
Amputation. Es erfolgt nur eine Grenzzonenamputation nach Demarkierung und erfolgloser konservativer Therapie mit trockener Gangrän. Sequesterentfernung bei persisitierender Osteomyelitis. Orthopädische Schuhe (sind ein Muss!) Keine hohen Absätze, weiche Kappen, die die Zehen nicht einengen, weiche, dämpfende Sohle, Schaumstoffeinlage bis 1 cm, Maßschuh nach Diabeteskriterien bei Fußdeformierungen, Abrollhilfen (konvexe Sohle) bei mechanischen Problemen. Die Konvexität muss proximal des Fußballens sein. Die Metatarsalgelenke werden entlastet und die Scherkräfte an der Fußsohle reduziert. Mit speziellen festen Schaumstoffeinlagen können bei Deformierungen der Fußsohle Aussparungen vorgenommen werden. Ein Vorfußentlastungsschuh plus Gehstützen sind passager bei Vorfußläsionen sinnvoll. Behandlungskonzept der Fußläsionen Das Behandlungskonzept richtet sich nach Lokalisationen und Schweregrad der Läsionen:
Grad 1–2. Oberflächliche Wunde, vollständig granuliert: halbfeuchte Behandlung. Regelmäßige Wundreinigung, Ent-
Diabetisches Fußsyndrom
89
fernung von Fibrin, Wundrandanfrischung, Schutz vor Austrocknung, Abdeckung mit Fettgaze.
Grad 2–3. Tiefe Wunde, frei liegende Knochen, Abszesshöhle: feuchte Behandlung. Spülung und Feuchtbehandlung mit isotonischer Kochsalz-/Ringerlösung, Abdeckung der Wunde mit Fettgaze, ggf. kleinchirurgische Maßnahmen, falls benötigt Schmerztherapie, Antibiotika nach Abstrich (z. B. Augmentan, Sobelin, Chinolone).
Grad 3–4. Ausgedehnte Nekrosen: Therapieziel ist eine nekrosefreie, granulationsfähige Läsion. Vorsichtiges kleinchirurgisches Vorgehen, unter Nekrosen Eiteransammlungen nicht übersehen. Prophylaxe und konservativen Maßnahmen müssen ausgeschöpft werden, um vorschnelle Amputationen zu vermeiden. Ischämischer diabetischer Fuß Primär wird eine Verbesserung des Perfusionsdrucks durch Revaskularisation angestrebt. Da bei diabetischer AVK die Stenosen bevorzugt distal liegen, wurden die Techniken der »Distal-origin-Bypässe« mit Erfolg entwickelt. Die proximalen Ansätze sind an der A. poplitea oder tibialis, die distalen an der A. dorsalis pedis. Diese Bypässe haben den großen Vorteil, dass sie nur 30–35 cm lang sind. Neuropathischer Fuß
Merke
I
I
Beim neuropathischen Fuß ist die Therapie internistisch-konservativ. Nach Wochen bis Monaten kann eine Nekrosenabtragung indiziert sein, nicht mehr!
90
Diabetisches Fußsyndrom
Eine etwaige Resektion erfolgt ohne Berücksichtigung der anatomischen Grenzen (Lisfranc etc.) an der Gangrängrenze. Beim Ulkus mit Osteolyse wird der betroffene Knochenanteil von dorsal entfernt, das Ulkus plantar reseziert und offengelassen. Diese Vorgehensweisen erfordern sehr viel Geduld. Sie zahlen sich jedoch in jeder Hinsicht aus, da ein schlechter Restfuß besser ist als jede Prothese.
18 Hypertonie, Herzerkrankungen und weitere Folgeerkrankungen 18.1 Hypertonie
Merke
I
I
Die Blutdruckmessung ist unverzichtbarer Bestandteil einer regelmäßigen Verlaufskontrolle. Blutdruckwerte gehören dokumentiert, erhöhte Blutdruckwerte (Zielwert: <130/80 mm Hg) therapiert. Bei KHK RR diastol. nicht < 75 mmHg. Die erhöhte Sterblichkeit ist an Nephropathie und Hypertonie gekoppelt. Morbidität und Letalität werden durch eine Blutdruckeinstellung entscheidend gesenkt. 50% der Typ2-Diabetiker haben bei der Erstdiagnose bereits eine Hypertonie. Mit einer Monotherapie ist meist keine Blutdrucksenkung zu erreichen, regelhaft werden 2–3 Wirkprinzipien benötigt: Allgemeinmaßnahmen: ACE-Hemmer: AT1-Antagonisten: Kalziumantagonisten:
Kochsalzrestriktion (<6 g NaCl/Tag) und ggf. Gewichtsreduktion, Bewegung steigern, Muskulatur und Ausdauer. Nierenfunktion ist im Verlauf zu beobachten. Bei Nebenwirkungen der ACE-Blocker sinnvolle Therapiealternative. Kombinationspartner, lang wirksame Substanzen bevorzugen.
92
Hypertonie, Herzerkrankungen und weitere Folgeerkrankungen
Carvedilol: Beta-Blocker:
Diuretika:
Aldosteronantagonisten: Clonidin: Alpha-Blocker:
Ein passagerer Anstieg der Proteinurie ist möglich. z. B. bei Herzinsuffizienz einschleichend. Selektive Substanzen sind zu bevorzugen. Absolut indiziert bei Angina pectoris und nach Herzinfarkt. Niedrig dosierte Thiazide ergänzen sinnvoll RAAS-Blocker. Indiziert bei Herzinsuffizienz. Schleifendiuretika indiziert ab einer Kreatininclearance <30 ml/min. Therapieergänzung bei Herzinsuffizienz, Cave: Hyperkaliämie. Zu Dauertherapie nicht mehr empfehlen. Nicht verwenden, keinesfalls zur Monotherapie.
Kochsalzrestriktion Gerade Typ-2-Diabetiker mit hohen Insulinspiegeln sprechen auf die Kochsalzrestriktion gut an. Ursache ist wahrscheinlich die Natriumretention durch Insulin.
RAAS-Blocker Günstige Effekte auf klinische Endpunkte, insbesondere bei bestehender Proteinurie, aber auch bei Normotension und Mikroalbuminurie. Bei Nebenwirkungen eines ACE-Inhibitors (z. B. Husten) stattdessen AT1-Antagonisten einsetzen.
Beta-Blocker Ihr günstiger Einfluss bei Diabetikern mit Hypertonie und nach Herzinfarkt ist nachgewiesen.
Hypertonie, Herzerkrankungen und weitere Folgeerkrankungen
93
Nichtmedikamentöse Ansätze Kein Alkohol, Nicht-Rauchen. Kalorienreduzierte Kost. Körperliche Aktivität. Minimum von 30–60 min mäßig intensiver Bewegung 4- bis 5-mal wöchentlich unterstützt durch eine aktivere Lebensweise. Optimaler Effekt ab 5 h Bewegung pro Woche. Risikopatienten (Koronargruppe, Übungsgruppe) mit Herzfrequenz im ischämiefreien Bereich. Häufige Fehler Zu schnelle RR-Senkung (Orthostase) Zu viele Tabletten (Fixkombinationen bevorzugt) Mangelnde Aufklärung über Therapieziele, Wirkungen und Nebenwirkungen der Therapie 18.2 Herzerkrankungen Koronare ▬ KHK mit Angina pectoris, stummen IschäHerzkrankheit: mien bedenken. ▬ Erhöhte Restenoserate nach PTCA. ▬ Das Herzinfarktrisiko ist bei diabetischen Männern um den Faktor 2–3, bei diabetischen Frauen um den Faktor 4–5 erhöht. Linksherz▬ Bei Hypertonie. hypertrophie: Autonome ▬ Frequenzstarre, Bradykardien, TachykarNeuropathie: dien. ▬ Fehlende Frequenzregulation bei Orthostase und Belastung. Vitien: ▬ Gehäufte Endokarditiden (Dialyse) wegen Abwehrschwäche. Kardiomyopa- ▬ Bei schlechter Diabeteseinstellung wird thie: auch der Energie- und Strukturproteinstoffwechsel der Herzmuskelzelle beeinträchtigt mit Fibrosierung des Interstitiums.
94
Hypertonie, Herzerkrankungen und weitere Folgeerkrankungen
18.3 Weitere Folgeerkrankungen Infektionen:
Man beobachtet gehäuft ▬ emphysematische Cholezystitiden, ▬ Pyelonephritiden, ▬ Tuberkulose, ▬ Vulvovaginitiden, meist Candida, ▬ Haut- und Nagelmykosen, ▬ Abszesse, ▬ Phlegmonen, ▬ Pyodermien, ▬ bakterielle Endokarditiden (Vitien), ▬ Mangelperfusion, ▬ Phagozytosefähigkeit/Motilität der Leukozyten sinkt ab einem Blutzucker von 150 mg/dl [8,3 mmol/l].
Mukormykose:
Pilzbefall der oberen Luftwege, v. a. im Rahmen und nach einer Ketoazidose.
Necrobiosis lipoidica:
Erythem meist solitär am Unterschenkel (granulomatöse Entzündung des Bindegewebes).
Katarakt:
Linsenproteine werden glykiert.
Glaukome:
Gefäßproliferation bis in den Linsenapparat.
Refraktion:
Transitorisch bei osmotisch bedingten Veränderungen.
Mönckeberg-Mediasklerose:
Verkalkung der Tunica media meist kleiner und mittelgroßer Arterien, typischerweise an der unteren Extremität.
19 Fettstoffwechselstörungen
Dyslipidämie wird wie folgt definiert: Hypercholesterinämie: Gesamtcholesterin >200 mg/dl (>5,2 mmol/l), Triglyzeride <200 mg/dl (<2,3 mml/l). Hypertriglyzeridämie: Gesamtcholesterin <200 mg/dl, Triglyzeride >200 mg/dl. Gesamtcholesterin >200 mg/dl, Gemischte Hyperlipidämie: Triglyzeride >200 mg/dl. Typischerweise findet sich auch eine Verringerung des Highdensity-lipoprotein-Cholesterins (HDL-C: Männer <35 mg/dl [<0,9 mmol/l], Frauen <40 mg/dl [<1,0 mmol/l]). Statin-Therapie der Dyslipidämie senkt Morbidität und Mortalität Es haben sich z. B. Simvastatin und Atorvastatin bei makrovaskulären Komplikationen bewährt. Dosen um Simvastatin 40 mg, für Atorvastatin 10–20 mg. Stets mit Allgemeinmaßnahmen (Diabeteskost, körperliche Aktivität, Gewichtsreduktion) kombinieren. Lipidsenker haben auch eine Bedeutung zur Risikominimierung und Reduktion der Progression bei mikrovaskulären Komplikationen. Therapieziele Sind abhängig vom klinischen Kontext zu formulieren: LDL-C auf unter 100 mg/dl (<2,6 mmol/l) für Patienten ohne manifeste KHK, nach einem Mykoardinfarkt <70 mg/dl [<1,8 mmol/l].
96
Fettstoffwechselstörungen
Die Statintherapie ist kein Ersatz für folgende weitere Therapiemaßnahmen: BZ-Normalisierung: wichtigste, entscheidende und erste Maßnahme. Körperliche Aktivität: v. a. beim D. m. Typ 2. Gewicht: Reduktion bei Adipositas. Ernährung: ▬ Meiden: Eier, Innereien, tierisches Fett und Eiweiß. ▬ Günstig: einfach gesättigte Fettsäuren (Olivenöl, Walnuss, Erdnuss, Avocado u. a.), Meeresfisch als Eiweißquelle, Ballaststoffe. Mit Diät ist eine Gesamtcholesterinsenkung um maximal 50 mg/dl [1,3 mmol/l] bzw. 10% möglich; sie potenziert die Wirkung der Lipidsenker. Ausschließen: Hypothyreose, nephrotisches Syndrom. Vermeiden: Alkohol. Medikamentöse Therapie der Hyperlipidämien Fibrate:
Statine:
▬ ab Triglyzeride >400 mg/dl [4,5 mmol/l] ▬ Triglyzeridsenkung um 30–50% LDL-Cholesterin-Abfall um 15% HDL-Cholesterin-Anstieg um 10% ▬ LDL-Senkung um 20–35% ▬ HDL-Cholesterin-Anstieg um 10%
20
Insulintherapie
20.1 Eigenschaften verschiedener
Insulinpräparate NPH-Insulin (Neutral-Protamin-Hagedorn-Insulin), ein kristalliner Insulin-Protamin-Komplex. Protamin bewirkt eine mittellang verzögerte Resorption des s.c. injizierten Präparates über ca. 8–16 h; deshalb werden NPH-Insuline auch als Intermediärinsuline bezeichnet (⊡ Tab. 20.1). Sie müssen ca. 20-mal gewendet und dann sofort injiziert werden, um ein optimales Suspensionsverhalten und damit auch Dosissicherheit zu erreichen. NPH-NI-Mischinsuline wirken erst ab 30 min, also SEA beachten. Das lang wirksame Insulinanalogon Insulin-Glargin (Lantus) führt nach Injektion ins Gewebe zu einem Mikropräzipitat mit Wirkverzögerung. Es ist mit Normalinsulin nicht mischbar. Das Insulinanalogon Detemir (Levemir) bindet an Albumin im Gewebe sowie in der Blutbahn. Es zeichnet sich deshalb durch eine sehr konstante Wirkrate aus. Alle Insuline enthalten Konservierungsstoffe. Dies verhindert eine bakterielle Kontamination und macht die Desinfektion der Haut überflüssig.
Merke
I
I
Sehr wichtig ist es, die Konzentration der Insulinpräparate: in der Regel stehen nur noch U-100-Insuline (Insulinkonzentration 100 IE/ml) zur Verfügung.
98
Insulintherapie
⊡ Tabelle 20.1. Wirkcharakteristika einzelner Insulinpräparationen. Angaben basieren auf der Anwendung von 0,1–0,2 IU/ kg an Humaninsulin, s.c.-Injektion im Abdomen; Insulinanalogon: unmittelbare präprandiale oder auch postprandiale Injektionen möglich; Normalinsulin: bei Normoglykämie unmittelbar präprandiale Injektion möglich. (Mod. nach Böhm et al. 2001a) Insulinpräparation
Wirkungsbeginn [h]
Wirkmaximum [h]
Wirkungsdauer [h]
Kurz wirksames Insulinanalogon
1/4–1/2
1–2
3–5
Normalinsulin
1/2–I
2–4
4–6
Intermediärinsulin (NPH)
2–4
4–6(8)
12–20
Lang wirksames Analoginsulin (Glargin, Detemir)
3–5
10–16
18–24
20.2 Physiologie der Insulinwirkung Insulin wirkt über Insulinrezeptoren an den insulinsensitiven Organen. Die Wirkdauer des exogenen Normalinsulins ist, abhängig von der Resorptionsgeschwindigkeit, 4–6 h. Die Insulinsekretion wird gefördert durch: BZ: Ein hoher Blutzucker stimuliert die Beta-Zellen. Nahrungsproteine gering. N. vagus: Die Aussicht auf Nahrung und die Motilität im oberen Gastrointestinaltrakt.
Insulintherapie
GLP-1:
Glukagon:
99
Das Glucagon-like-Peptid-1 ist das stärkste insulinotrope Hormon; GLP-1 wird nach Einnahme von Mahlzeiten von den L-Zellen sezerniert. Das Glukagon ist das Hungerhormon, es sorgt für die Glukoneogenese und die Mobilisation der Fettreserven. Trotzdem stimuliert es die Insulinsekretion direkt. Damit werden Glukoneogenese und Lipolyse nicht überschießend.
Der Wirkungsweise des Insulins an den insulinsensitiven Organen Leber, Muskulatur und Fettgewebe steht die (geringe) Insulinunabhängige an allen anderen Organsystemen, wie Gehirn, Niere, Gefäße, Nervenzellen, Blutzellen, Endothelien gegenüber. Sie nehmen Glukose unabhängig vom Insulin auf. Wirkungen des Insulins In der Leber: ▬ Glukoseaufnahme, ▬ Glykogensynthese, Eiweiß-, Funktionsprotein- und Enzymsynthese ▬ Glykolyse Im Fettgewebe: ▬ Glukose-, Fetttaufnahme und Fettsynthese In der Muskulatur: ▬ Glukoseaufnahme, Glykogensynthese, Proteinsynthese ▬ Glykolyse Im Pankreas: ▬ Hemmung der Glukagonsekretion und -produktion mit konsekutiver ▬ Hemmung der Lipolyse, Glukoneogenese, Glykogenolyse, Proteolyse ▬ Insulinmangel führt zur ungehemmten Glukagonämie.
100
Insulintherapie
Bei Nahrungskarenz produziert die Leber Glukose, der Hauptwirkort des Insulins ist die Leber. Bei gesunden Menschen werden pro Tag in etwa 46 IE Insulin produziert und sezerniert. 1 IE/h entfällt auf die Basissekretion an Insulin. (Der D. m.-1-Pat. braucht 0,5 bis 1,0 IE/kgKG/Tag).
Merke
I
I
Bei Sport oder langer Nahrungskarenz ist es nur 1/2 IE/h. Pro Berechnungseinheit, die gegessen wird, braucht man physiologischerweise in etwa 1–1,5 IE Insulin.
20.2.1 Insulinwirkung bei s.c.-Injektion Die s.c.-Injektion ist unphysiologisch, nur etwa 10% erreichen die Leber im ersten Durchlauf. Die subkutane Resorptionsgeschwindigkeit hängt ab von: Injektionsort: Abdomen rascheste Resorption, Wirkbeginn nach ca. 15 min Oberschenkel Wirkbeginn nach ca. 15–45 min Temperatur z. B. heißes Bad sehr schnelle Resorption. z. B. Winter, Kälte verzögerte Resorption Massage: am Injektionsort Resorptionsgeschwindigkeit nimmt zu Kreislauf Zentralisation Nach s.c.-Injektion z. T. keine Resorption Muskelarbeit: Schnellere Resorption.
Insulintherapie
i.m.-Injektion:
101
Resorptionsgeschwindigkeit verdoppelt sich. Insulin Glargin wirkt i.m. nahezu wie ein Normalinsulin.
Wirkspiegel und Wirkdauer Bei s.c.-Injektion hoher Dosen ist die Wirkdauer länger. So kann die subkutane Injektion von z. B. 16 IE Normalinsulin über 8–12 h wirken (⊡ Abb. 20.1). 20.3 Konventionelle Insulintherapie Die CT erfolgt meist mit Normal-/NPH-Insulin im Mischverhältnis 30/70 oder 50/50. Morgendosis etwa 2/3, Abenddosis etwa 1/3 der Gesamtdosis (⊡ Abb. 20.1b). Nachteile Häufiges Essen:
Starres Schema: Oft Gewichtszunahme: Hyper- und Hypoglykämie
Vorteile Einfache Handhabung: Wenig Blutzuckerkontrollen:
5- bis 7-mal Essen/Tag, um eine Hypoglykämie zu vermeiden. Essensunregelmäßigkeiten, Sport kaum möglich. hohe Insulinspiegel plus häufiges Essen. kaum Dosisanpassung möglich.
für Patient, die Pflegenden oder Angehörigen. 1- bis 3-mal 3 BZ-Werte/ Woche.
102
Insulintherapie
⊡ Abb. 20.1. a Physiologische Insulinspiegel bei normaler Pankreasfunktion; b Insulinspiegel unter Therapie mit NPH-Mischinsulinen, z. B. Mischung Normal/NPH 30/70. Eine konventionelle Insulintherapie mit 2/3 der Dosis am Morgen und 1/3 abends. NI Normalinsulin, ZM Zwischenmahlzeit, SpM Spätmahlzeit; c Insulinspiegel unter Therapie mit Normalinsulin. Eine intensivierte Insulintherapie mit einem NPH-Basisinsulin und einem Normalinsulin, dosiert nach den zu essenden Kohlenhydraten (BE)
Insulintherapie
103
104
Insulintherapie
Die konventionelle Insulintherapie ist eine Domäne der Therapie des älteren insulinbedürftigen Typ-2-Diabetikers, wenn z. B. eine normnahe Blutzuckereinstellung nicht mehr das primäre Therapieziel ist. Indikationen Typ-1-Diabetiker: Typ-2-Diabetiker:
z. B. bei Demenz, hohem Alter, Pflegebedürftigkeit. ▬ perioperativ oder in anderen Belastungssituationen vorübergehend. ▬ im Rahmen einer Kombinationstherapie OAD/Insulin. ▬ eine intensivierte Insulintherapie nicht sinnvoll ist (s. oben). ▬ Passager, zur Durchbrechung einer Insulinresistenz.
Der Spritz-Ess-Abstand ist länger als bei der Verwendung von reinem Normalinsulin. Bei einem präprandialen BZ <145 mg/ dl [8,0 mmol/l] liegt der Spritz-Ess-Abstand bei 15–30 min, >145 mg/dl [8,0 mmol/l] kann er bei 30–45 min liegen, um eine ausreichende Insulinanflutung zum Essen zu gewährleisten. Biphasische Insuline, die sich aus NPH-gebundenem und freiem Analoginsulin zusammensetzen, zeigen auch weiterhin das typischerweise schnelle Anfluten des Analoginsulins, das bei den Zeitvorgaben zum Spritz-Ess-Abstand berücksichtigt werden muss.
Merke
I
I
Bei älteren Menschen und Analoginsulin ist die postprandiale Injektion zu erwägen, um Hypoglykämien zu vermeiden.
Insulintherapie
105
Insulin
⊡ Abb. 20.2. Insulinspiegel unter einer konventionellen Insulintherapie, z. B. mit Normal/NPH-50/50-Insulin
Morgendliche Hyperglykämien sind meist auf die Phase der geringsten Insulinsensitivität zwischen 3.00 und 6.00 Uhr zurückzuführen. Nächtliche Hypoglykämien treten wegen der maximalen Insulinsensitivität zwischen 0.00 und 3.00 Uhr auf (⊡ Abb. 20.2). Die Dosierung beginnt beim D. m. Typ 2 einschleichend, da meist noch eine Restsekretion vorliegt. Eine partielle Insulinsubstitution ist für Typ-2-Diabetiker in der Regel über Jahre ausreichend. Die Wirksamkeit der oralen Antidiabetika wird beim Typ-2-Diabetiker im Rahmen der Kombinationstherapie zusätzlich genutzt ( Kap. 20.7). Beginn einer CT beim Typ-2-Patienten Im Beispiel wäre die Initialdosis 70 kg KG ×0,5=35 IE Insulin Tagesdosis. Der typische ältere Patient für diese Therapie ist körperlich nicht sehr aktiv. Altersbedingt ist der Energiebedarf um ca. 1/3 reduziert. Bei 70 kg KG errechnen sich etwa 1400 kcal/Tag, entsprechend ca. 14–16 BE. Bei adäquater Ernährung werden pro BE insgesamt ca. 100 kcal aufgenommen. Also werden initial 14–16 BE über den Tag verteilt und mit einem 30/70iger-Mischinsulin 22 IE morgens und 12 IE vor
106
Insulintherapie
dem Abendessen, abgedeckt. In der Klinik passt man die Insulindosis in 10%-Schritten alle 2–3 Tage an. Eine bedarfsgerechte Insulinsubstitution ist mit der konventionellen Insulintherapie kaum möglich. Typ-2-Diabetiker substituieren ihr Insulin besser mit der supplementären bzw. komplementären intensivierten Insulintherapie, Typ-1-Diabetiker mit der intensivierten Insulintherapie. 20.4 Intensivierte Insulintherapie Die intensivierte Insulintherapie (ICT, Synonyme: funktionelle, intensivierte konventionelle oder Basis-Bolus-Insulintherapie ⊡ Abb. 20.3) orientiert sich an der physiologischen Insulinsekretion. Die ICT ist der Pumpenbehandlung fast ebenbürtig und der konventionellen Insulintherapie eindeutig überlegen. Vorteile Bestmögliche BZ-Einstellung: Flexibler Tagesablauf, variabel:
Weniger Folgeerkrankungen: Indikationen Typ-1-Diabetiker: Schwangere Diabetikerinnen: Gestationsdiabetes: Typ-2-Diabetiker: Dekompensierter Typ-2-Diabetes:
Selbstkontrollen, Selbstdosierung. Mahlzeiten, sportliche Aktivitäten und Tag/NachtRhythmus. Risiko um ca. 50–80%.
Nahezu immer. Stets. Zunächst nur zu den Mahlzeiten, dann ggf. ICT. Typ-2-Diabetiker mit erschöpfter Eigenproduktion. Passager bei Operation, Traumata, Kortisontherapie u. a.
Insulintherapie
Essen
ZM
Essen NI
ZM
Essen
107
Spätmahlzeit
NPH-Insulin NI
NI
NPH-Insulin
07.00
12.00
19.00
7.00
⊡ Abb. 20.3. Behandlungsschema der intensivierten Insulintherapie. Das NPH-Insulin deckt den Basalbedarf (im Beispiel die NPH-Wirkdauer fast zu lange!), das Normalinsulin deckt die Mahlzeiten ab
Nachteile BZ-Selbstkontrollen: Schulungen und Fortbildungen: Hypoglykämien:
Bis zu 7-mal/Tag. Grundlegend wichtig. Leichte Hypoglykämien häufig; Schulung.
Das Abschätzen der BE bereitet mitunter Schwierigkeiten und muss systematisch erlernt werden. BZ-Sollwerte unter der intensivierten Insulintherapie Präprandial und nüchtern: 80–100 mg/dl [4,4–5,5 mmol/l] 1 h postprandial: <160 mg/dl [8,9 mmol/l] 2 h postprandial: <140 mg/dl [7,8 mmol/l] Vor dem Schlafengehen: >110 mg/dl [6,1 mmol/l] – bei stabiler Einstellung: ~120 mg/dl [6,7 mmol/l] – bei instabiler Einstellung: ~140 mg/dl [7,8 mmol/l] HbA1c: <7% (6,5) (NB 3,3–5,7) Ein präprandialer BZ regelhaft <80 mg/dl [4,4 mmol/l] ist nicht erwünscht, da die Frühzeichen einer Hypoglykämie
108
Insulintherapie
zunehmend schlechter wahrgenommen werden (zentralnervöser Gewöhnungseffekt und abfallende hormonelle Gegenregulation). Ein BZ <110 mg/dl [6,1 mmol/l] vor dem Schlafengehen führt in bis zu 50% der Fälle zu nächtlichen Hypoglykämien; deshalb wird ein BZ von 120–140 mg/dl [6,7–7,8 mmol/l] angestrebt. Einmalige Entgleisungen, z. B. ein BZ von 200 mg/ dl [11,1 mmol/l] vor dem Schlafengehen, können sich über Nacht ohne zusätzliches Normalinsulin selbst regulieren (Autoregulation Kap. 20.5.6).
Merke
I
I
Das Ziel ist eine nahezu normoglykämische BZ-Einstellung mit HbA1c-Werten 10–20% über der Norm. Eine »schärfere« Einstellung scheint das Risiko der Folgeerkrankungen kaum noch zu senken; sie würde jedoch die Inzidenz schwerer Hypoglykämien erhöhen.
20.5 Bestimmung der Insulindosis Bei vollständiger Insulinsubstitution des Typ-1-Diabetikers und des weit fortgeschrittenen Typ-2-Diabetikers mit geringer oder ohne Restsekretion.
Merke
I
I
Die Typ-1-Diabetiker in der Remissionsphase haben noch eine Restfunktion, die ergänzt wird; schrittweise wird eine vollständige Substitution angestrebt.
Insulintherapie
109
Insulindosierung bei Typ-2-Diabetes (supplementäre Insulintherapie – SIT bzw. Komplementäre intensivierte Insulintherapie – KIT) Wir geben Normal- oder Analoginsulin vor dem Essen, für die morgendliche Dämmerungsphase um ca. 22.00 Uhr appliziertes NPH-Insulin (s.c.-Oberschenkel). Mit dem zunehmenden Erlöschen der Beta-Zellfunktion, also beim weit fortgeschrittenen Typ-2-Diabetes, gleichen sich der Insulinbedarf und die Dosierung denen eines Typ-1-Diabetikers an. Bei sehr ausgeprägter Insulinresistenz, also bei langzeitig überhöhtem BZ und Adipositas, kann der Insulinbedarf zur BZ-Normalisierung den eines Typ-1-Diabetikers um ein Mehrfaches überschreiten.
Basalinsulin. Lückenlos vollständige Substitution der Basalsekretion, z. B. mit NPH-Insulinen, klar vom Bedarfsinsulin trennen! Die Tagesdosis berechnet sich nach dem Körpergewicht, sie beträgt 0,36 IE/kg KG. Es werden 50% der Gesamttagesdosis an Insulin durch das Basalinsulin zur Verfügung gestellt. Die NPH-Dosierungen, 3- besser 4-mal/Tag, ahmen den physiologischen Bedarf zu den Tageszeiten nach. Unter einer korrekten Basalinsulindosierung sollten der Nü-BZ, der BZ 4 h postprandial und der BZ-Verlauf, falls 1–2 Mahlzeiten ausfallen, im Normbereich sein. Die NPH-Dosis wird um 10% verändert, wenn sich eine falsche Dosierung bestätigt. Voraussetzung ist, dass das Bedarfsinsulin zur vorhergehenden Mahlzeit richtig dosiert war (Kontrolle 3 h postprandial, s. u.). Bedarfsinsulin. Das Normalinsulin oder Analoginsulin deckt den Bedarf für die Kohlenhydrate ab. Die Dosis hängt von Menge und Art der KH sowie von der Tageszeit ab. Sie liegt bei 1–2,5 IE/BE. Als Faustregel gilt, dass bei kleinen Mahlzeiten und kleinen Insulindosen die Hauptwirkung des Normalinsulins zwischen 2 und 4 h liegt und der Glukoseverwertungsvorgang nach etwa 4 h abgeschlossen ist. Idealerweise ist bei
110
Insulintherapie
korrekter Dosierung des Bedarfsinsulins der BZ 3 h postprandial mit dem präprandialen BZ identisch.
Korrekturinsulin ( Kap. 20.5.1). Normalinsulin oder Analoginsulin korrigieren prä- und postprandial entgleiste BZ-Werte. Die Dosis hängt von Körpergewicht, BZ und Tageszeit ab. Merke
I
I
Als Faustregel gilt: Beim Erwachsenen senkt 1 IE kurzwirksames Insulin den BZ um 30–50 mg/dl oder ~2–3 mmol/l (30er- bzw. 50er-Regel, sehr häufig 40erRegel zur BZ-Korrektur bei mg/dl, Korrekturzahl 2–3 bei mmol/l). Ein präprandial erhöhter BZ wird durch zusätzliches NI/Analoginsulin, das zum Bedarfsinsulin addiert wird, korrigiert. Ein postprandialer BZ nach 2–3 h ist, hatte man zum Bedarfsinsulin beispielsweise 2 IE Korrekturinsulin addiert, bei Anwendung der 30er-Regel um 60 mg/dl [3,3 mmol/l] niedriger als präprandial. Würde man 2 IE Normalinsulin vom Bedarfsinsulin weglassen, so ist der postprandiale BZ um 60 mg/dl [3,3 mmol/l] höher. Da die Korrekturinsulindosis vom Körpergewicht abhängt, sinkt der BZ-Spiegel bei kleinen, schlanken Menschen oder Kindern pro 1 IE Normalinsulin um mehr als 30–50 mg/dl [1,7–2,8 mmol/l]. Bei schnell wirksamen Analoginsulinen (Humalog, Liprolog, NovoRapid, Apidra) als Bedarfs- Korrekturinsulin müssen schnellere Anflutung und kürzere Wirkzeiten beachtet werden. Die sonst dargestellten Regeln für die Verwendung als Bedarfs- oder auch Korrekturinsulin können bei der Einstellung zunächst wie für Normalinsuline übernommen werden.
Insulintherapie
111
⊡ Tabelle 20.2. Größenordnungen des täglichen Insulin- und Energiebedarfs Alter
Insulinbedarf [IE/kg KG/ Tag]
Energiebedarf (100 kcal ~ 1 BE) [kcal/ kg KG/Tag]
Basalbedarf Bedarfs-/ Basalinsulin- [IE/kg KG/ Tag] Verhältnis
Kind
1,0
45–70
65/35
0,36
Jugendlicher
0,8
35–45
55/45
0,36
Erwachsener
0,7
25–35
50/50
0,36
Korrekturinsulinbedarf, abhängig vom Körpergewicht, Durchschnittswerte. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Heinze, Ulm) 20–30 kg KG: 1 IE Normalinsulin 100 mg/dl [5,5 mmol/l] senkt den BZ um 30–40 kg KG: 1 IE Normalinsulin 70 mg/dl [3,9 mmol/l] senkt den BZ um 40–50 kg KG: 1 IE Normalinsulin 50 mg/dl [2,8 mmol/l] senkt den BZ um ab 50 kg KG: 1 IE Normalinsulin 30 mg/dl [1,7 mmol/l] senkt den BZ um Beispiele für die BZ-Korrektur Soll-Nü-BZ: 100 mg/dl [5,5 mmol/l] Ist-Nü-BZ: 180 mg/dl [10,0 mmol/l] Bedarfsinsulin: 8 IE pro 4 BE morgens (= BE-Faktor von 2,0)
112
Insulintherapie
Körpergewicht: Korrekturdosis: Präprandiale Dosis: Probleme Morgendlicher Nü-BZ:
Postprandialer BZ:
50 kg erfahrungsgemäß 40 mg/dl [2,2 mmol/l] pro IE, d. f.: 2 IE Normalinsulin: 8+2 IE (NPH-Insulin: konstant, wie gewöhnlich)
z. B. >2-mal in Folge 180 mg/dl [10,0 mmol/l], d. f.: ▬ nächtlichen BZ überprüfen, Hypoglykämien ausschließen. ▬ späte (ca. 23.00 Uhr) NPH-Injektion s.c. Oberschenkel. ▬ spätabendliche NPH-Dosis um 10% steigern. z. B. >2-mal in Folge nach 4 h überhöht, d. f.: ▬ Basalratentest, ggf. vorherige NPHDosis um 10% steigern. z. B. >2-mal in Folge nach 2–3 h überhöht, d. f.: ▬ Bedarfsinsulin steigern.
20.5.1 Insulindosierung und Blutzuckerspiegel
(bei 70 kgKG) BZ <200 mg/dl [11,1 mmol/l] 1 IE Normalinsulin s.c. BZ <300 mg/dl [16,6 mmol/l] 1 IE Normalinsulin s.c. BZ >300 mg/dl [16,6 mmol/l] 1 IE Normalinsulin s.c.
BZ-Senkung um 30–40 mg/dl [1,7–2,2 mmol/l] BZ-Senkung um 30 mg/dl [1,7 mmol/l] BZ-Senkung um 20–25 mg/dl [1,1–1,4 mmol/l]
Insulintherapie
113
Je höher der BZ ist, desto weniger wird er pro Einheit Normalinsulin gesenkt. Wichtige Ausnahme ist die kurzfristige Entgleisung des ansonsten immer gut eingestellten Diabetes. Im Rahmen der Autoregulation ( Kap. 20.5.6) senkt 1 IE Normalinsulin den BZ um bis zu 60 mg/dl [3,3 mmol/l]. Wird dies missachtet, droht eine Hypoglykämie. Bei Verwendung von Normalinsulin als Korrekturinsulin ist ein BZ-Abfall von maximal 100 mg/dl [5,5 mmol/l] pro Stunde zu erwarten. Bei Verwendung schnell wirksamer Analoginsuline kann der BZ-Abfall bis zu 200 mg/dl [11,1 mmol/l] pro Stunde betragen. Der BZ kann in 2 Ausnahmesituationen schneller abfallen: 1. bei körperlicher Belastung 2. nach dem Ausgleich einer schweren oder protrahierten Hypoglykämie, da die insulinabhängigen Zellen einen enormen Glukosebedarf entwickelt haben. Wenn man unterzuckerte Patienten mit 50 ml Glukose 40% i.v. auf einen BZ von 250 mg/dl [13,9 mmol/l] bringt, sind sie nach 15 min wieder im Unterzucker. Die insulinunabhängigen Organe »saugen« nach einer Hypoglykämie Glukose auf. ⊡ Tabelle 20.3 zeigt die Dosierung des Normalinsulins bei unterschiedlichen Applikationsformen. Normalinsulin zur Glukoseinfusion In der Praxis wendet man dieses Vorgehen bei unkomplizierten Fällen, v. a. perioperativ häufig an ( Kap. 22). Es gilt: Einheiten Insulin/Glukose in Gramm g= 1/5 bis 1/3. So sind z. B. in 500 ml Glukose 10% 50 g Glukose enthalten. 10–16 IE Insulin werden zugegeben. Korrekturinsulin Korrekturinsulin wird gebraucht, um einen erhöhten Blutzucker so zu korrigieren, dass rasch wieder der gewünschte Zielbereich erreicht wird. Das Korrekturinsulin kann zum Bedarfsinsulin addiert werden (⊡ Tabelle 20.4):
114
Insulintherapie
Beim Erwachsenen sinkt der BZ z. B. um 40–50 mg/dl [2–3 mmol/l] pro IE Insulin (sog. 40er oder 50er-Regel), der präprandiale Ziel-BZ liegt etwa bei 110 mg/dl [~6 mmol/l]. Korrekturinsulin = BZ-Ist minus BZ-Soll geteilt durch die Korrekturzahl, z. B. 50 (bei mmol/l durch ~3]. Beim Unterschreiten des Ziel-BZ Aufnahme schnell resorbierbarer KH (z. B. 1 BE Traubenzucker oder Saft heben den BZ um etwa 40 mg/dl [2 mmol/l]). Zusätlich verzichtet man auf das Abdecken 1 BE. Im Überzucker gilt die Faustregel: Aktueller-BZ minus Ziel-BZ Anzahl der –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– = Korrektureinheiten geteilt durch die Korrekturzahl Beispiel: 10 mmol/l–6 mmol/l ------------------------------------------------------- = 2 IE Korrekturinsulin 2 (~40er-Regel) ⊡ Tabelle 20.3. Dosierung des Normalinsulins bei unterschiedlichen Applikationsformen: Richtwerte, die im Einzelfall sehr schwanken Blutzucker
s.c.-Injektion 30er-Regel Ziel-BZ 100 mg/dl [5,5 mmol/l] [IE]
Perfusor oft >1% des BZWertes [IE/h]
Bolus i.v. ca. 2% des BZ-Wertes in mg/dl [IE]
[mg/dl]
[mmol/l]
<200
<11,1
2–3
>1
2–3
200–300
11,1–16,6
3–5
>2
3–5
300–400
16,6–22,2
5–12
>3
5–7
400–500
22,2–27,7
12–20
>4
7–9
>500
>27,7
>16
6–10
>9
400–600
22,2–33,3
CAVE: Hirnödem, langsam senken!
[mmol/l]
<2,2
2,2–3,3
3,3–4,4
4,4–6,7 6,7–8,0 8,0–10,0 10,0–11,1 11,1–13,3 13,3–15,0 15,0–17,2
[mg/dl]
<40
40–60
60–80
80–120 120–145 145–180 180–200 220–240 240–270 270–310 ▼
BZ
15 15–30 30 30 45 45–60 60
0
0
0
SEA Normalinsulin [min]
nach dem Essen nach dem Essen nach dem Essen –0 0 10 15 15 20 20–30 30
SEA Analoginsulin [min]
0 0 +1 +2 +2 +3 +4
–1
–1
–2
bis +3 bis +4 bis +5
bis +1 bis +2
IE IE IE IE IE IE IE
IE
IE
IE
Korrekturinsulin früh und abends (40er; 1 IE senkt BZ um ~2 mmol/l)
bis –1
0 0 0 bis +1 +1 +1 bis +2 +2 bis +3 +3
–1
–2
–2
IE IE IE IE IE IE IE
IE
IE
IE
Korrekturinsulin mittags (50er; 1 IE senkt BZ um ~3 mmol/l)
+ 1 BE
+2 BE
Korrektur-BE (1 BE hebt BZ ~2 mmol/l bzw. ~40 mg/dl)
⊡ Tabelle 20.4. Empfehlungen zur Variation des SEA und Korrekturinsulingabe in Abhängigkeit vom präprandialen BZ-Spiegel. Es wird ein präprandialer BZ-Zielwert von ~108 mg/dl bzw. ~6,0 mmol/l zu Grunde gelegt
Insulintherapie
115
Ausnahmen:
Kürzerer SEA/Insulin:
Höhere Dosis: Längerer SEA:
Niedrigere Dosis:
⊡ Tabelle 20.4. Fortsetzung – nach 21:00 Uhr – bei Einstellung, zur Sicherheit – bei Hypoglykämiewahrnehmungsstörung – Schlanke und Kinder – vor und nach Sport Kap. 20.5.3 bei Insulinresistenz Kap. 20.7 – Adipositas – Mischinsulin nach dem Essen bei schnell wirksamen Insulinanaloga
116 Insulintherapie
Insulintherapie
117
Vor dem Schlafengehen korrigiert man BZ-Werte bis 150– 200 mg/dl [8,3–11,1 mmol/l] nicht mit kurzwirksamen Insulinen, da der Insulinbedarf nach Mitternacht deutlich abfallen kann und sich eine BZ-Erhöhung in Teilen nachts von selbst reguliert. Ist der BZ vor dem Schlafengehen wiederholt überhöht, so wird also nicht zwingend Korrekturinsulin injiziert, sondern geprüft, ob das vorhergehende Basal- oder Bedarfsinsulin ausreichend ist. Wenn man mit 1–2 IE vor dem Schlafengehen korrigiert, empfiehlt sich eine BZ-Kontrolle um 2.00 Uhr nachts. Spritz-Ess-Abstand (SEA) Der SEA ist ein wichtiges Instrument in der BZ-Einstellung. Je höher der präprandiale BZ liegt, desto länger ist der SEA; dann flutet das Insulin an, und senkt den präprandialen BZ. Dicke Patienten mit schlecht kapillarisiertem Fettgewebe werden den SEA um 15 min verlängern. NI/NPH-Mischinsulin erfordert ebenfalls einen um 15 min längeren SEA, da die Anflutung aus dem größeren subkutanen Depot verlangsamt ist. Diabetiker mit einer Gastroparese wählen kürzere Intervalle. Für Berufstätige und für Kinder sind lange SEA oft nicht praktikabel. Mit schnell wirksamen Analoginsulinen (Humalog, Liprolog, NovoRapid, Apidra) können gut geschulte Patienten einen SEA umgehen. Wirkdauer Die präprandiale Normalinsulindosis (Bedarfs- plus Korrekturinsulin) sollte 15 IE nicht überschreiten, da sonst die Wirkdauer (8–12 h) zu lang wird. Bei massiv entgleistem BZ, z. B. 300 mg/dl [16,6 mmol/l] injiziert man nur die Korrekturdosis von 4–5 IE und wählt einen SEA von 1 h. Nach 1 h könnte man nochmals den BZ stixen, oder man verlässt sich darauf, dass die BZ-Korrektur so richtig war. Es folgt präprandial ohne SEA das Bedarfsinsulin. (Oder man injiziert geteilte Dosen an 2 Stellen).
118
Insulintherapie
Nüchtern-Blutzuckerspiegel Der Nüchtern-Blutzuckerspiegel (Nü-BZ) ist die Berechnungsgrundlage für den Spritz-Ess-Abstand, die Normalinsulindosis und die Dosis des abendlichen Verzögerungsinsulins. Der Nü-BZ-Spiegel und die Konsequenzen für die Insulindosierung: 50 mg/dl [2,8 mmol/l] plus Die abendliche BasalinsulindoHinweise für Unterzucker: sis um 10% reduzieren. 50–60 mg/dl [2,8–3,3 mmol/l]:
Hypoglykämiesymptome, s.o. Ausschluss einer nächtlichen Hypo. mit BZ um 2.00–3.00 Uhr.
80 –120 mg/dl [3,6–5,5 mmol/l]:
Dies entspricht einer guten Einstellung.
>120 mg/dl [>5,5 mmol/l]:
abendliche NPH-Dosis 10% erhöhen oder später verabreichen; »end-of-dose« Phänomen des NPH-Insulins, Umstellung auf länger wirksames Analoginsulin. BZ um 2.00–3.00 Uhr für Entscheidung wichtig.
20.5.2 Insulindosierung und Kohlenhydrataufnahme Eine BE entspricht 10–12 g Kohlenhydrate, enthalten z. B. in ~25 g Brot. Der Blutzucker steigt nach dem Essen von 1 BE um 30–60 mg/dl [1,7–3,3 mmol/l], wenn beim D. m. Typ 1 oder nach Pankreatektomie kein Insulin injiziert wird ( Kap. 24). Der Insulinbedarf wird von der Tageszeit beeinflusst: Normalinsulinbedarf (= Bedarfsinsulin) pro BE: 5.00 Uhr morgens mittags abends 1,5 IE 1,3–2,5 IE ca. 1 IE 1,0–1,5 IE
Insulintherapie
119
Tageszeit Der hohe Insulinbedarf am Morgen ist die Folge einer erhöhten Insulinresistenz (hormonelle Tagesrhythmik, DawnPhänomen). Der Insulinbedarf steigt nach einer Hungerperiode. Liegt zwischen 2 Mahlzeiten eine Pause von über 5 h, so nähert sich der Insulinbedarf für die nachfolgende Mahlzeit dem Bedarf pro BE zum Frühstück an.
Merke
I
I
Der Diabetiker unter einer intensivierten Insulintherapie darf essen, wann er will. Er passt die Insulindosierung seiner Lebensweise an. Natürlich tut er sich mit der BZEinstellung leichter, wenn er einen regelmäßigen Tagesablauf mit Variationen einhält. Abstand zwischen den Mahlzeiten Die Wirkdauer des Normalinsulins erfordert meist eine Zwischenmahlzeit. Bei niedriger Dosis kann die Wirkdauer <3,5–4 h sein (<6–7 IE), eine Zwischenmahlzeit ist dann nicht nötig. Will man innerhalb von 4 h eine Zwischenmahlzeit einplanen, so wird diese der vorhergehenden Mahlzeit bezüglich der Normalinsulindosis mitangerechnet. Sollte die nächste Mahlzeit erst nach 4 h sein, so wird sie extra abgedeckt. Bei Verwendung Kurzwirksamer Insulinanaloga wird im Rahmen der ICT jede Mahlzeit, auch die Zwischenmahlzeit, separat abgedeckt. Verfügbarkeit Sehr schnell verfügbare Kohlenhydrate sind ungeeignet, da sie in weniger als 3 h verdaut werden und die Insulinspiegel noch hoch sind. Dies führt zunächst zu periodischen Glukoseüberflutungen und danach zu Heißhungerphasen während des BZ-Abfalls. Deshalb sollte auch der Typ-1-Diabetiker auf
120
Insulintherapie
eine ballaststoffreiche Kost mit komplexen Kohlenhydraten achten. Eine Abschätzung der BE oder der Kohlenhydrate ist ausreichend. Der Diabetiker muss dann individuelle Erfahrungen mit seinen Essgewohnheiten und seinem Insulinbedarf machen. Mitentscheidend ist, in welchem Ausmaß und wie schnell die BE dem Körper zur Verfügung stehen: MagenGastroTherapie: passage: parese ▬ Motilitätssteigerung ( Kap. 16.3.2), ▬ »negativer« SEA, ▬ flüssige Kohlenhydrate (z. B. Cola, Limo) vorweg trinken. Dumping Bei Gastrektomie, Billroth-Op, YRoux-Anastomose. Zunächst Überzucker, dann Hypoglykämie wegen der noch anhaltenden Insulinwirkung nach ca. 2,5 h. Therapie: ▬ viele kleine Mahlzeiten, ▬ komplexe Kohlenhydrate, ▬ ballaststoffreiche Kost, Guar und Acarbose, ▬ Verzicht auf Getränke zu den Mahlzeiten. Essgeschwindigkeit:
Schnelles Essen und flüssige Kohlenhydrate (z. B. Limonade) überfluten die Leber mit Glukose.
Zubereitungsform:
Flüssige Kohlenhydrate werden rasch aufgenommen. In fester Form und in Verbindung mit Ballaststoffen verläuft die Resorption gleichmäßig über viele Stunden.
Insulintherapie
121
20.5.3 Insulindosierung und körperliche Aktivität,
Sport Körperliche Aktivität ist Sport oder harte Arbeit; gerade bei aktiven Kindern beachten. Die körperliche Aktivität erfordert Energie (BE), erhöht die Insulinsensitivität und senkt den Insulinbedarf. Nach der Aktivität müssen die Glykogenspeicher wieder aufgefüllt werden. Insulindosierung und Energiebedarf beim Sport Tageswanderung oder Tages-Insulindosis 30–50% geleichter Langlauf: senkt; zusätzlicher KH-Bedarf von 30–40 g/h, also wird man 3 BE/h essen; im Anschluss an derartige Aktivitäten nochmals 1–3 BE essen. Schnelles Schwimmen: Kurze heftige Aktivitäten gleicht man nicht über die Insulindosis, 200 m, sondern durch die Zufuhr von schnelles Laufen: Kohlenhydraten aus. Rasch resor5 km, bierbare Kohlenhydrate in kleinen schnelles Radfahren: Mengen decken den Energiebedarf 15 km einer solchen Aktivität ab, z. B. ein Zucker-Schoko-Riegel oder ein gesüßtes Getränk, etwa 3–5 BE, bei BZ um 200 mg/dl [11,1 mmol/l] nur 1 BE. Ausdauersport mit Dies ist für den Diabetiker günsbis zu 60% der tig, denn die Insulinwirkung überwiegt, und es werden keine Maximalleistung: katabolen Stresshormone gebildet. Damit steigt die Insulinsensitivität, Muskulatur wird aufgebaut und der BZ bleibt im Normbereich.
122
Insulintherapie
Sport mit >80% der Maximalbelastung:
Führt zum BZ-Anstieg durch Aktivierung der Stresshormone (Adrenalin, Kortisol, STH).
Nach Sport oder körperlicher Arbeit:
Der Insulinbedarf ist für weitere 16–24 h reduziert. Die ersten Stunden um ca. 50%, dann eine weitere Bedarfsminderung von ca. 20%. Die Basalrate der Insulinpumpe wird entsprechend abgesenkt. Ausreichend BE zum Auffüllen der Glykogenreserven.
Vermeidbare Gefahren Hypoglykämie: Müdigkeit und Schwitzen können auch eine Hypoglykämie sein. Eine Überanstrengung kann zum Verlust der rechtzeitigen Hypoglykämiewahrnehmung führen.
Merke
I
I
Dies ist bei Sportarten, die bei einer Bewusstlosigkeit lebensgefährlich werden, zu bedenken, wie z. B. Surfen, Drachenfliegen, alpines Klettern, Tauchen etc. Nach dem Sport werden die Glykogenspeicher wieder aufgefüllt, entsprechend nimmt man ausreichend BE zu sich, auch noch vor dem Schlafengehen, und reduziert die Insulindosis, ggf. auch abends und am nächsten Morgen – Schätzformel: Insulindosisreduktion um ca. 1/3. Ketoazidose: Eine akute Hyperglykämie wegen Insulinmangels kann nicht durch Sport therapiert werden. Es müssen bei körperlicher Leistung ausreichend Kohlenhydrate und Insulin zur Verfügung stehen.
Insulintherapie
123
Individuelle Belastung und Insulindosierung Der Insulinbedarf fällt individuell unterschiedlich ab. Eine gute Dokumentation erleichtert das Sammeln von Erfahrungen.
Energiebedarf. Eine BE hebt den Blutzucker um 30–60 mg/ dl [1,7–3,3 mmol/l] und braucht etwa 45 min, bevor sie im Blut voll zur Verfügung steht. Etwa 1/3 bis 1/2 des zusätzlichen Energiebedarfs werden vor und während der Belastung als Kohlenhydrate zugeführt.
Merke
I
I
Schnell resorbierbare BE, also Kohlenhydrate die schnell anfluten, werden während des Sports verwandt. BZ-Ausgangswert und BE Der BZ-Ausgangswert sollte über 90 mg/dl ~5 mmol/l] sein. Zusätzlich nimmt man den Energiebedarf für die anfallende Aktivität (⊡ Tab. 20.5) zu sich. Etwa 45 min wartet man, bis die Kohlenhydrate im Blut vollständig zur Verfügung stehen. Ein BZ von 100 mg/dl [5,5 mmol/l] kann ebenfalls vor Beginn des Sports zu niedrig sein, wenn die letzte Normalinsulininjektion ohne Berücksichtigung der sportlichen Aktivität dosiert wurde und erst vor 1–3 h injiziert wurde. Ein BZ >250 mg/ dl [14 mmol/l] spricht für einen Insulinmangel, v. a. wenn der Urin auf Ketone positiv ist! Ist ein Insulinmangel jedoch ausgeschlossen oder behoben, so kann mit leichter bis halbmaximaler Leistung begonnen werden, und der BZ-Spiegel sinkt rasch ab. Nach 2 h wird kontrolliert. BZ-Kontrollen vor und nach dem Sport, da sich der Verlauf nicht immer vorhersagen lässt. Wenn man wenig Erfahrung hat, der Ausgangs-BZ niedrig lag, die letzte Insulininjektion nicht optimal berechnet war und die Hypoglykämie-Wahrnehmung nicht gut ist, wird man während des Sports alle 1–2 h kontrollieren.
124
Insulintherapie
⊡ Tabelle 20.5. Kalorienverbrauch pro Stunde bei 70 kg Körpergewicht. (Nach Biesalski et al. 2004) Tätigkeit
kcal/h
Tätigkeit
kcal/h
Schlaf
65
Paddeln (7,5 km/h)
567
Grundumsatz (liegend nüchtern)
70
Radfahren (21 km/h)
610
Sitzen
73
Skilanglauf (9 km/h)
630
Theoretischer Unterricht
105
Laufen (9 km/h)
665
Gehen (4 km/h)
190
Laufen (12 km/h)
705
Gehen (6 km/h)
259
Gehen (4 km/h, 5% Steigung + 30 kg Gewicht)
760
Tischtennis
315
Radfahren (30 km/h)
840
Gehen (4 km/h, 5% Steigung)
380
Laufen (15 km/h)
847
Reiten (Galopp)
469
Wie stark fällt der BZ bei 45 min Sport mit unveränderter, normaler Insulindosierung? (Mit freundlicher Genehmigung, mod. nach Deickert): Waldlauf Schwimmen Radfahren Kegeln
50–130 mg/dl 70–135 mg/dl 30–70 mg/dl 10–20 mg/dl
[2,8–7,2 mmol/l] [3,9–7,5 mmol/l] [1,7–3,9 mmol/l] [0,55–1,1 mmol/l]
Insulintherapie
125
Insulindosierung Bei Aktivitäten über 2–3 h sinkt der Bedarf an Basalinsulin bis auf 30–50% ab. Die Dosisreduktion des Basalinsulins kann bei Pumpenträgern kurzfristig einprogrammiert werden. Im Rahmen der intensivierten Insulintherapie wird die Dosisreduktion vorausschauend berücksichtigt. Da der arbeitende Muskel weniger Insulin braucht, fällt auch der Normalinsulinbedarf um 30–60%. Bei sofortigen, lang dauernden Aktivitäten werden also Basal- und Normalinsulin reduziert. Folgt eine Aktivität erst 3 h nach Normalinsulingabe bzw. 2 h nach Analoginsulin, dann wird nur das Basalinsulin gekürzt, also beispielsweise ein geplanter Langlauf um 10.00 Uhr, Frühstück um 7.00 Uhr. Kürzere (<2 h) und kurzfristig geplante Aktivitäten werden vorrangig durch die Kohlenhydratzufuhr ausgeglichen. Natürlich kann ggf. auch eine zusätzliche Reduktion der Normalinsulindosis sinnvoll sein. Nach längerem Sport werden die Glykogenspeicher in Muskel und Leber wieder aufgefüllt, wofür mehr BE und weniger Insulin gebraucht werden. Der Insulinbedarf kann bis zu 24 h reduziert sein. In den ersten Stunden um ca. 50%, dann etwa um 20%. Entsprechend müssen die abendliche und nächtliche Insulindosis verringert werden, um schwere nächtliche Hypoglykämien zu vermeiden. Unter Umständen muss auch die Insulindosis am folgenden Morgen noch reduziert werden, z. B. nach einer ganztägigen Skitour. Pfohl/Schülling: aktueller Puls – Ruhepuls ------------------------------------------------------------------- × 100 maximaler Puls – Ruhepuls 60 min 50%ige Belastung = 180 min 30%ige Belastung:
▬ das basale Insulin bleibt bei diesen kurzen bzw. leichten Belastungen unverändert, ▬ zusätzlichen Energiebedarf mit 3 »schnellen« BE abdecken;
126
Insulintherapie
Längere Belastungen: Stärkere Belastungen: 1 Sporteinheit entspricht: 1 Sporteinheit erfordert:
Oder als mögliche Alternativen: ▬ basales Insulin bleibt unverändert, ▬ Normalinsulin reduzieren, ▬ Kombination aus Bedarfsinsulinreduktion und zusätzlichen BE. Basalinsulin reduzieren um 30–50%. zusätzliche BE. ▬ 20 min 50%ige Belastung oder ▬ 60 min 30%ige Belastung. ▬ bis zu 4 IE Normalinsulin morgens weniger, ▬ bis zu 2 IE Normalinsulin abends weniger, ▬ + 1 schnelle BE, z. B. Glukose, ▬ bewirkt eine BZ-Absenkung um 40–60 mg/dl [~2–3 mmol/l].
Nebenbemerkungen Diese Größenordnungen gelten für einen Ausgangs-BZ um 110 mg/dl [~6 mmol/l]. Je übergewichtiger ein Diabetiker ist, umso mehr sollte er versuchen, den BZ bei Sport über eine Reduktion der Insulindosis zu stabilisieren.
Hyperglykämie während und nach dem Sport ist Folge eines Insulinmangels oder einer maximalen Belastung (katabole Stresshormone). Bei NPH-Dosisreduktionen über 30% entsteht eine Lücke in der Insulinversorgung. Pumpenpatienten können die Basalrate ohne Probleme bis 50% reduzieren.
Hypoglykämie. Durch zusätzliche BE hat er einer Hypoglykämie vorgebeugt. Schnellverfügbare BE, wie Traubenzucker
Insulintherapie
127
oder Glukoselösungen (Cola, eigene Traubenzuckermischungen etc.), sollten jederzeit verfügbar sein.
Merke
I
I
Einem Mitsportler oder Begleiter sollte der Diabetes bekannt sein, und er sollte ggf. Notfallmaßnahmen ergreifen oder zumindest Hilfe holen können. Cave: Hypoglykämiediagnostik: Unter 16° C messen Stixgeräte zunehmend zu niedrig. Deshalb werden im Winter diese unter der Jacke, am Körper getragen. Die Messungen finden in einem geschützten Unterstand oder in einer Hütte statt.
20.5.4 Insulindosierung und Tageszeit Die Tagesrhythmik des Kortisols und des STH erzeugen die Schwankungen der Insulinresistenz. (⊡ Abb. 20.4). Entspre-
Relative Insulinresistenz im Tagesverlauf
2
1
07.00
12.00
19.00
24.00
7.00 Uhr
⊡ Abb. 20.4. Hormonell bedingte Schwankungen der relativen Insulinresistenz bzw. des relativen Insulinbedarfs im Tagesverlauf
128
Insulintherapie
Insulinspiegel
NPH-Insulin
NPH-Insulin
7.00
12.00
22.00
7.00 Uhr
⊡ Abb. 20.5. Physiologische Abdeckung des Basalinsulinbedarfs mit 3 Injektionen NPH-Insulin
chend variiert der Insulinbedarf pro BE und zur BZ-Korrektur. Eine physiologische Dosierung des Basalinsulins (⊡ Abb. 20.5) nähert sich dieser Kurve an; dies erreicht man mit der Insulinpumpe oder dem NPH-Insulinschema nach Willms.
Merke
I
I
Morgendliche Hyperglykämien finden ihre Ursache im »Dawn-Phänomen« oder wegen Wirkwende des benutzten abendlichen Verzögerungsinsulins. Vormittägliche Hypoglykämien finden ihre Ursache im Phänomen des »frühen Frühstücks«. Morgendliche Hyperglykämien finden ihre Ursache im »Somogyi-Phänomen« (eher selten). Abendliche Hyperglykämien finden ihre Ursache im »Dusk-« oder »Abenddämmerungsphänomen«.
Dawn-Phänomen Die STH-Freisetzung steigt nach langem Schlaf und Essenspausen. Meist ist die Phase der geringsten Insulinwirksamkeit
Insulintherapie
129
am frühen Morgen, Folge ist ein erhöhter Nü-BZ. Ausgeprägt bei Kindern und Jugendlichen. Therapie ist die Anhebung des abendlichen Basalinsulins, wenn in der Nacht keine Unterzuckerung aufgetreten ist. Die NPH-Spätdosis wird in den Oberschenkel und so spät wie möglich injiziert, um am Morgen noch wirksam zu sein. Alternativ lang wirksame Analoginsuline (Lantus, Levemir) oder auf die Insulinpumpe umstellen. Somogyi-Phänomen Die Phase der größten Insulinwirksamkeit liegt zwischen 0.00 und 3.00 Uhr. Eine nächtliche Unterzuckerung in dieser Zeit führt zur hormonellen Gegenregulation, die sich am Morgen auswirkt. Die Gegenregulation wirkt sich nicht unbedingt als hoher Nü-BZ aus, jedoch gehen nächtliche Hypoglykämien häufiger mit einem niedrigen oder niedrig-normalen Nü-BZ einher. Stattdessen ist der morgendliche, prandiale Insulinbedarf erhöht, und die Patienten entgleisen nach dem Frühstück, obwohl sie die BE mit der üblichen Bedarfsinsulindosis abgedeckt haben. Die Therapie besteht in der Regel in der Reduktion der NPH-Dosis vor dem Schlafengehen oder Umstellung auf ein Analoginsulin ohne den NPH-typischen nächtlichen Wirkgipfel. Selten kann nun die Dosis für die Dawn-Phase nicht mehr ausreichend sein. Dann wird die NPH-Spätdosis gleich bleiben, und es werden lang wirksame, resorptionsverzögerte Kohlenhydrate zur Spätmahlzeit gegessen, z. B. Kräcker mit Käse, Vollkornkekse mit Quark, Vollkornbrot mit Butter und/ oder ein Riegel Schokolade vor dem Einschlafen. Phänomen des frühen Frühstücks Frühstückt man um 5.00 Uhr (Schichtarbeiter, Briefträger etc.), also bei einem tageszeitlich bedingt besseren Ansprechen der Insulinrezeptoren, so gerät man im Laufe des Vormittags in eine Hypoglykämie.
130
Insulintherapie
Dusk-(Abenddämmerungs-)Phänomen Physiologischerweise ansteigender Insulinbedarf am späten Nachmittag. Der Insulinbedarf kann bis zu 25% steigen. 20.5.5 Basalinsulindosierung und intensivierte
Insulintherapie Beim Erwachsenen 0,7–1,0 IE/h (höher oder niedriger Bedarf ist gewichtsabhängig), 50% seines Tagesinsulinbedarfs. Der schwankt mit der hormonellen Tagesrhythmik. Bei einer vollständigen Insulinsubstitution sollte der Basalinsulinbedarf lückenlos über 24 h abgedeckt werden, da sonst der BZ entgleist. Die physiologischste Lösung des Problems wäre die Pumpe mit einer variablen Basalrate (⊡ Abb. 20.5, ⊡ Tab. 20.6).
Merke
I
I
Eine korrekte Basalinsulindosierung lässt sich überprüfen, indem man an verschiedenen Tagen jeweils eine andere Hauptmahlzeit ausfallen lässt und 1- bis 2-stündlich BZ misst.
⊡ Tabelle 20.6. Physiologische basale Substitution mit 3- bis 4-mal NPH-Insulin. (Nach Neumeister et al. 2003; s. auch ⊡ Abb. 20.5) Morgens
Mittags
Abends
Spät
Renner
15%
30%
5%
50%
Willms
16%
27%
9%
48%
Ohne Abenddosis (s.o.)
1/8
3/8
0
4/8
Tagesbedarf NI/NPH
45%/55%
Insulintherapie
131
20.5.6 Insulindosierung und Autoregulation Es besagt, dass die Glukoseaufnahme in die Muskulatur bei höheren BZ-Spiegeln schneller ist als bei niedrigeren BZ-Konzentrationen. Eine gut trainierte Muskulatur begünstigt die Autoregulation.
Merke
I
I
Dieses Phänomen der Autoregulation besagt also, dass sich der BZ bis 200–250 mg/dl [11,1–13,9 mmol/l] bei einer kurzfristigen Entgleisung teilweise selbst regulieren kann. Voraussetzung: – Entgleisung kurzfristig ~200–250 mg/dl [~11,1–13,9 mmol/l] – Intensivierte Insulintherapie mit ansonsten guter Einstellung – Keine Insulinresistenz (Azeton i. U., Infekt etc.) – Regelmäßige körperliche Aktivität Mechanismus: – Glukoseaufnahmegeschwindigkeit in die Zellen ansteigend mit der BZ-Konzentration – Aktivierung der Glukosetransportmoleküle Konsequenz: – 1 IE Normalinsulin senkt den BZ um 50–60 mg/dl [2,8–3,3 mmol/l]. – Zur Sicherheit Ziel-BZ 150 mg/dl [8,3 mmol/l]. – Nachts regulieren sich hohe BZ z. T. selbst.
132
Insulintherapie
20.6 Blutzuckerkontrolle Die BZSelbstkontrolle:
Sie erfolgt:
sowie ca. 2-mal/Monat:
▬ ist gefordert bei allen mit Insulin behandelten Diabetikern, ▬ erlaubt bei der intensivierten Insulintherapie eine freie Einteilung des Tagesablaufes, der Aktivitäten und der Mahlzeiten, ▬ ermöglicht gerade bei schwangeren Diabetikerinnen die normoglykämische Einstellung, ▬ ermöglicht bei der konventionellen Insulintherapie die Angleichung von Insulinregimen und Spritz-Ess-Abstand. ▬ nüchtern, ▬ vor dem Essen, ▬ vor dem Schlafengehen, ▬ vor und nach dem Sport, ▬ während des Sports ca. alle2 h; ▬ 2 und 4 h nach dem Essen, ▬ nachts um 2.00 Uhr.
Der Nü-BZ besagt, ob das NPH-Insulin zur Nacht richtig dosiert war. Ein hoher Nü-BZ spricht für eine zu niedrige Dosierung oder eine zu kurze Wirkdauer und umgekehrt. Der BZ-Stix 2 h nach dem Essen prüft, ob das Bedarfsinsulin pro BE richtig dosiert war. War die Dosis korrekt, liegt der BZ 2h postprandial ~40 mg/dl [~2 mmol/l] über dem präprandialen Wert; 3–4 h postprandial entspricht der BZ wieder dem Ausgangswert.
Insulintherapie
133
20.7 Index von Insulinpräparaten,
Auswahl verfügbarer Insuline Unterscheide U-40- vs. U-100-Insuline, d. h. 40 bzw. 100 Einheiten Insulin pro ml. Novo Nordisk Schnell wirkende Insuline Actrapid 100% Normalinsulin NovoRapid 100% Insulin Aspart (Lösung) Insulinanalogon Verzögerungsinsuline Protaphane Levemir
Prä-Mix-Insuline Actraphane 30 NovoMix 30
100% Isophan-NPH-Insulin (Suspension) 100% gelöstes Insulinanalogon (gentechnisch hergestellt)
30% Normalinsulin,70% IsophanInsulin (Suspension) 30% Insulin Aspart, 70% ProtaminInsulin Aspart (Suspension)
Lilly Schnell wirkende Insuline Huminsulin Normal 100% Normalinsulin Humalog 100% Insulin Lispro (Lösung) Verzögerungsinsuline Huminsulin Basal (NPH)
100% Protamin-Insulin (Suspension)
134
Insulintherapie
Prä-Mix-Insuline Huminsulin Profil III Humalog Mix 25
30% Normalinsulin, 70% kristallines Protamin-Insulin (Suspension) 25% Insulin Lispro, 75% ProtaminInsulin Lispro (Suspension)
Sanofi Aventis Schnell wirkende Insuline Insuman Rapid 100% Normalinsulin Insuman Infusat 100% Normalinsulin Apidra 100% gelöstes Glulisin (neutral) Insulinanalogon Verzögerungsinsuline Insuman Basal (NPH) Lantus
Prä-Mix-Insuline Insuman Comb 15 Insuman Comb 25
100% Isophan-Insulin (Suspension) 100% Insulin Glargin lang wirksames Insulinanalogon
15% Normalinsulin, 85% kristallines Protamin-Insulin (Suspension) 25% Normalinsulin, 75% kristallines Protamin-Insulin (Suspension)
Berlin-Chemie Schnell wirkende Insuline Berlinsulin Normal 100% Normalinsulin Liprolog 100% Insulin Lispro, Insulinanalogon Verzögerungsinsulin Berlinsulin Basal (NPH)
100% Protamin
Insulin (Suspension)
Insulintherapie
Prä-Mix-Insuline Berlinsulin 30% Normalinsulin, 30/70 70% Protamin Liprolog 50% Insulin Lispro, Mix 50 50% Protamin
Insulin (NPH) Insulin
B. Braun Schnell wirkendes Insulin Insulin B. Braun Rapid
135
Lispro (Suspension)
100% Normalinsulin
Verzögerungsinsulin Insulin B. Braun Basal (NPH)
100% Protamin
Prä-Mix-Insulin Insulin B. Braun ratio (NPH) Comb 30/70
30% Normalinsulin, 70% Protamin
Insulin (Suspension)
Insulin
20.8 s.c.-Insulininjektionen Hautfalte ahheben, die Nadel wird längs dieser Rolle im Winkel von 60–90° eingestochen.
Merke
I
I
Die intramuskuläre Injektion führt zur Verdoppelung der Resorptionsgeschwindigkeit, womit ein erhöhtes Hypoglykämierisiko besteht. Die Einstichstelle sollte gewechselt werden, um Hautveränderungen vorzubeugen, die die Resorption verlangsamen. Trotz Wechsels der Einstichstelle bleibt man innerhalb des
136
Insulintherapie
jeweiligen Bereichs (Bauch, Oberschenkel) wegen der unterschiedlichen Resorptionskinetik. Bei großen Dosen (insbesondere NI >30 IE/Injektion) ggf. Splitten der Insulinmenge (z. B. 16 + 16 IE) und die Injektion in verschiedene Injektionsorte. Die Injektion in den Oberschenkel eignet sich gut für das späte NPH-Basalinsulin (⊡ Tab. 20.7). Durch die langsame Resorption reicht es bis zum Frühstück. Die Hauteinstichstelle muss vom Patienten nicht desinfiziert werden. Bakterizide Stabilisatoren im Lösungsmittel oder Suspensat der Insuline (bei NPH- und Normalinsulinen das Phenol und das Cresol), beugen mikrobiellen Kontaminationen vor und verhindern Infektionen.
⊡ Tabelle 20.7. Insulinpräparation und bevorzugter Injektionsort. (Aus Böhm et al. 2001) Insulinpräparation
Injektionsort
Prinzip
Intermediärinsulin
Oberschenkel/ Hüfte
Langsame Freisetzung
Normalinsulin/ Insulinanalogon
Abdomen
Rasche Freisetzung
Freie Mischung von Verzögerungs- und Normalinsulin
Abdomen (morgens)
Rasche Freisetzung des kurz wirksamen Insulins bedeutsam Langsame Freisetzung des Verzögerungsinsulins mit gutem Nüchternniveau am Folgetag bedeutsam
Hüfte, Oberschenkel (abends)
Insulintherapie
137
20.8.1 Insulininjektionen mit der Spritze Normalinsuline sind in Lösung, und die Ampulle muss vor dem Aufziehen nicht gerollt oder geschwenkt werden. Verzögerungsinsuline sind Suspensionen, sie setzen sich in der Ampulle ab. Vor dem Aufziehen muss die Ampulle gerollt, und mehrmals gewendet werden. 20.8.2 Insulininjektionen mit dem Pen Bei der Verwendung von Verzögerungs- oder Mischinsulin ist die Herstellung einer optimalen Suspension durch Schwenken, Wenden oder auch Rollen des Pens besonders wichtig. Es wird bis zu 20-maliges Wenden empfohlen. Die letzte Insulininjektion aus der Patrone liefert oft nicht mehr die nötige Dosis. Dann injiziert man diesen Rest und ergänzt die Dosis aus der neuen Patrone. Es wird empfohlen, eine Patrone nur bis zu 4 Wochen im Pen zu belassen, nachdem sie aus dem Kühlschrank kam. Der Pen sollte nicht im Kühlschrank aufbewahrt werden. Luftblasen werden vollständig entfernt, und eine gute Durchmischung des Insulins sollte vor der Injektion gewährleistet sein. 20.8.3 Insulininjektionen mit der Insulinpumpe (CSII) CSII = »continuous subcutaneous insulin infusion«. Eine computergesteuerte Pumpe injiziert Normal- oder Analoginsulin s.c. Eine 6–10 mm Stahlnadel oder ein Teflonkatheter (⊡ Abb. 20.6) wird subkutan platziert, vorher desinfiziert. Der Bedarf zur Nahrungsaufnahme wird extra injiziert bzw. die Dosis einprogrammiert. Ein schwer einstellbarer (Brittle-)Diabetes, ein ausgeprägtes Dawn-Phänomen (ggf. mit
138
Insulintherapie
Hypoglykämien um ca. 2.00 Uhr nachts), stark schwankende BZ-Spiegel (ggf. mit gehäuften Hypoglykämien), Diabetes und Schwangerschaft mit Problemen der Einstellung sowie rasch beginnende Folgeerkrankungen (v. a. die schmerzhafte Neuropathie) rechtfertigen eine Pumpenbehandlung. Diese Patienten müssen die intensivierte Insulintherapie mit Selbstkontrolle beherrschen. Bei der Pumpenbehandlung können die zirkadianen Schwankungen der Insulinsensitivität berücksichtigt werden. Körperliche Aktivitäten sind in gewohnter Weise mitzuberechnen, beispielsweise die Basalrate von 1 IE/h auf 0,5 IE/h gesenkt. Dem Dawn- und Dusk-Phänomen kann durch stufen-
⊡ Abb. 20.6. Prinzip einer kontinuierlichen subkutanen Insulininfusion mit Insulinpumpe. Prinzip der Pumpe: Die Drehbewegung des Motors wird von der Gewindestange in eine Längsbewegung des Stopfens in der Ampulle umgewandelt; dabei wird Insulin in den Katheter abgegeben. (Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Disetronic Medical Systems AG; aus Böhm u. Heinze 2001)
Insulintherapie
139
weisen Anstieg der Basalrate begegnet werden. Da fast kein Depot gebildet wird, wirkt sich diese Anpassung sofort aus. Probleme sind das Abknicken der Leitung, Lecks und eine Nadeldislokation mit sich rasch entwickelnder Ketose bei Insulinmangel innerhalb von weniger als 4 h. Infektionen an der Einstichstelle sind zu beachten, da die Nadel 48 h liegen darf. Hypoglykämien sind für die CSII seltener als unter der Spritzentherapie. Gründe sind die stabile Einstellung und die niedrigeren Insulinspiegel um 10–20%. Nächtliche BZ-Kontrollen sind zu Beginn der Pumpenbehandlung obligatorisch. 20.9 Insulinaufbewahrung und Haltbarkeit Angebrochene Insulinflaschen können über 30 Tage bei Raumtemperatur aufbewahrt werden. Ungebrauchte Insulinflaschen werden bei 2–8°C gelagert. Ein Wirkungsverlust entsteht durch Hitze und direkte Sonneneinwirkung, Gefrieren bei Temperaturen unter 2°C und durch starkes Schütteln. Verzögerungsinsuline und insbesondere Analoginsuline sind thermisch empfindlicher als die klaren Normalinsuline. Das Insulin, v. a. die Verzögerungsinsuline, erfahren unter 3–4°C einen irreversiblen Wirkungsverlust. Im Winter Problem. Insulin kommt nie in den Gepäckraum eines Flugzeugs und nicht in den Gepäckraum von Bahn, Bus oder Auto, nicht in den Rucksack. Es wird am Körper getragen. Im Sommer kann die Aufbewahrung im Auto zu starker Hitzeeinwirkung führen. 20.10 Häufige Fehler bei der Insulintherapie
Überdosierung. Eine Insulinüberdosierung und die Nahrungsaufnahme können sich langsam nach oben schaukeln. Adipositas und »Insulinmast«,
140
Insulintherapie
Spritz-Ess-Abstand. Als klassischer Fehler wird bei hohem präprandialem BZ lieber eine hohe Insulindosis gewählt, statt auch den SEA auszunutzen.
Wenig Injektionen – hohe Dosierung. Eine stabile BZEinstellung erfordert öfter kleine Dosen
Basalinsulin. Der Basalinsulinspiegel sollte bei Typ-1-Diabetikern lückenlos und möglichst den physiologischen Tagesschwankungen angepasst sein.
Injektionsstellen. Die Injektionsorte sollten vom Arzt immer wieder inspiziert und palpiert werden. Spritztechnik. Es lohnt sich immer, die Spritztechnik und die Gerätschaften (Pens) zu prüfen. Injektionsregion sollte pro Tageszeit konstant bleiben. Wirkdauer des Insulins. Sie wirken u. a. dosisabhängig, z. B. kleine Dosen Normalinsulin <6 IE können nach 3 h in der Wirkung abgeklungen sein. NPH-Insuline wirken oft kürzer als 8 h. Infekte. Dosisreduktion des Normalinsulins bei Diarrhö, der Basalbedarf muss jedoch beibehalten werden. Bei Infektionen steigt der Insulinbedarf bereits vor der Manifestation des Infekts (z. B. viral, okkulter Infekt wie Osteomyelitis etc.) um 10–100% an.
Überreaktion oder einmal ist keinmal. Einmalige Entgleisungen werden nur mit Korrekturinsulin korrigiert. Einmalige Entgleisungen kommen immer wieder vor, ohne dass sich ein guter Grund findet.
21 Pharmakotherapie des D. m. 2 Merke
I
I
Bei D. m. 2 sind im Krankheitsverlauf mit zunehmender Einschränkung der Beta-Zellreserve Therapieänderungen regelhaft notwendig. Zur Pharmakotherapie stehen insulinotrope (Sulfonylharnstoffe u. a.) und nichtinsulinotrope Pharmaka (Metformin u. a.) sowie Insulin zur Verfügung. Pharmakotherapie des Typ-2-Diabetes ⊡ Abb. 21.1 und ⊡ Tab. 21.1 zeigen die Therapie des D. m. 2 im Überblick. Insulinotrope Pharmaka Sulfonylharnstoffe – Glibenclamid (Euglucon, Maninil etc.) – Glimepirid (Amaryl, Magna) – Gliquidon (Glurenorm) Glinide/Sulfonylharnstoff-Analoga Benzoesäurederivate, Repaglinide (Novonorm), D-Phenylalanin-Derivate, Nateglinide (Starlix) GLP-1-Analoga (Exenatide: Byetta) Dipeptidyl-Inhibitoren (DPP-IV-Inhibitoren) Sitagliptin (Januvia®) und Vildagliptin (Galvus) Insulinsensitizer (nicht-insulinotrope Pharmaka) Metformin (Glucophage, Siofor etc.) Rosiglitazon (Avandia) Pioglitazon (Actos)
Bei Normalgewicht: Monotherapie mit Glibenclamid
Zweites orales Antidiabetikum
Bei HbA1c > 7,0% nach 3 Monaten
Bei Übergewicht: Monotherapie mit Metformin, wenn Kontraindikation: SH
(in alphabetischer Reihenfolge)
Weitere Optionen:
Alpha-Glukosidase-Hemmer Insulin Repaglinide andere Sulfonylharnstoffe (SH)
Weitere Optionen:
(in alphabetischer Reihenfolge)
4 Insulin zur Nacht plus Metformin (SH / Glinide) 4 präprandial kurzwirkendes Insulin, abends Metformin 4 konventionelle (CT) / intensiviert konventionelle (ICT) Insulintherapie
4 4 4 4
bei HbA1c > 7,0% nach 3 Monaten
Zielwert: HbA1c £ 6,5%, Intervention ab 7,0%
Basistherapie: Schulung, Ernährungstherapie, Gewichtsreduktion, Bewegung
Stufenplan der medikamentösen Therapie des Typ 2 Diabetes
142 Pharmakotherapie des D. m. 2
Bei SH-Therapie
⊡ Abb. 21.1. Stufenplan der medikamentösen Therapie des Typ 2-Diabetes. (Mod. nach Nationale Versorgungsleitlinie 2002)
Vorrangig sollen zur Blutglukosesenkung Medikamente verwendet werden, deren Wirksamkeit und Sicherheit im Hinblick auf Erreichen der Therapieziele in prospektiven, kontrollierten Langzeit-Studien nachgewiesen wurden.
4 Zusätzlich Verzögerungs-Insulin zur Nacht 4 Intensivierte Insulin (CT, ICT / Insulinpumpe)
Bei HbA1c > 7,0% nach 3 Monaten
(in alphabetischer Reihenfolge)
4 Alpha-Glukosidasehemmer oder 4 Glitazone
Acarbose oder Glinide oder Glitazone oder Sulfonylharnstoffe
4 4 4 4
(in alphabetischer Reihenfolge)
Bei Metformintherapie
Pharmakotherapie des D. m. 2
143
144
Pharmakotherapie des D. m. 2
⊡ Tabelle 21.1. Differenzialtherapeutische Entscheidungshilfen bei Typ 2-Diabetikern Kriterien
Antidiabetika
Gewicht Patient schlank
Hypoinsulinämie?
⇒
Sulfonylharnstoff, Glinide, Insulin
Patient adipös
Hyperinsulinämie?
⇒
Metformin, Thiazolidindion, Acarbose, Sulfonylharnstoff, präprandiale Insulin-, Insulinanalogongaben
schlank
⇒
Insulin (Sulfonylharnstoff )
adipös
⇒
Metformin, Thiazolidindion, Acarbose, Sulfonylharnstoff, Insulin-, Insulinanalogongaben
schlank
⇒
Sulfonylharnstoff, Insulin
adipös
⇒
Metformin, Thiazolidindion, Acarbose, Sulfonylharnstoff, Insulin-, Insulinanalogongaben
Alter Patient jünger
Patient älter
Diabetesdauer Begleit- und Folgeerkrankungen HbA1c und blutzuckerorientierte Stoffwechseleinstellunga a
Bei Überschreiten des individuellen Therapieziels oder dem Auftreten von zusätzlichen Begleiterkrankungen, Therapieerweiterung bzw. Therapieumstellung erwägen. Hypertonie und Hyperlipoproteinämie konsequent therapieren.
Pharmakotherapie des D. m. 2
145
Alpha-Glukosidaseinhibitoren (nichtinsulinotrope Pharmaka) Acarbose (Glucobay) Miglitol (Diastabol) Insulin Insulin ist unmittelbarer Bestandteil der Mono- und Kombinationstherapie des Typ-2-Diabetes mellitus. Therapieplanung und Therapieziele Nichtmedikamentösen Optionen (Kost und Bewegung) sollen immer zuerst herangezogen werden. Weniger als 20% können durch Allgemeinmaßnahmen eine gute Einstellung erreichen. Die angestrebten Therapieziele sind individuell zu definieren. Nachfolgende Kriterien beschreiben Ziele und Qualität einer BZ-Einstellung beim Typ-2-Diabetiker und definieren zusätzlich auch (Be-)Handlungskorridore: Therapieziel Glukose Nüchternglukose Postprandiale Glukose HbA1c
<120 mg/dl [<6,7 mmol/l] <180 mg/dl [<10,0 mmol/l] <7% (6,5%)
Zwingender Handlungsbedarf = Therapiemodifikation der Diabetestherapie ab Nüchternglukose >140 mg/dl [>7,8 mmol/l] Postprandiale Glukose >180 mg/dl [>10,0 mmol/l] HbA1c >8% Weitere Therapieziele: Korrektur von Dyslipidämie, arterieller Hypertonie, endothelialer Dysfunktion LDL-C <100 mg/dl (<2,6 mmol/l)
146
Pharmakotherapie des D. m. 2
HDL-C
RR systol. RR diastol. Nikotinabusus stoppen Körperliche Aktivität vermehren BMI
>35 mg/dl (>0,9 mmol/l) bei mikro- oder makrovaskulären Erkrankungen >40 mg/dl [>1,0 mmol/l)] Triglyzeride <150 mg/dl [<1,7 mmol/l] <130 mm Hg <85 mm Hg z. B. jeden Tag 30 min strammes Spazierengehen ≤25 (für Erwachsene)
21.1 Alpha-Glukosidase-Hemmer (Acarbose) Das BZ-TP lässt sich hiermit glätten und der BZ um etwa 20% senken. Die postprandialen BZ-Spitzen fallen geringer aus. Die Therapie beginnt einschleichend, womit sich Häufigkeit und Ausmaß der intestinalen Nebenwirkungen deutlich verringern lassen. Man beginnt mit 2-mal 25 mg Acarbose, morgens und abends p.o., direkt vor der Mahlzeit. 21.2 Metformin
Merke
I
I
Metformin ist das Standardtherapeutikum beim D. m. 2, ist der bewährteste Insulinsensitizer. Es handelt sich bei Beachtung der Kontraindikationen um ein sicheres Therapieprinzip, das eine kostengünstige Mono- und Kombinationstherapie ermöglicht.
Pharmakotherapie des D. m. 2
147
Therapie einschleichend, um gastrointestinale Nebenwirkungen zu vermeiden, mit 1-mal 500 mg. Gesteigert wöchentlich bis maximal 2-mal 1000 mg. 3–7 Tage, um ihre Wirksamkeit zu entfalten. Adipositas und Hyperinsulinämie die idealen Indikationen. Auch schlanke Typ-2-Diabetiker können es initial versuchsweise einsetzen. Nebenwirkungen sind nur initial und passager. Meteorismus und Flatulenz, Übelkeit und epigastrischer Druck, Appetitlosigkeit und metallischer Geschmack im Mund. zwingen etwa 5% der Patienten zum Absetzen. Man sollte die Dosis langsam einschleichen insbesondere bei einem wiederholten Versuch, und dem Patienten erklären, dass sich diese gastrointestinalen Nebenwirkungen bei der Mehrzahl der Betroffenen innerhalb von Wochen zurückbilden. Wirkmechanismus der Biguanide Gesteigerte InsulinDies bewirkt: sensitivität sowie ▬ Überwindung der InsulinresisZunahme der Insulintenz, rezeptoren: ▬ verbesserter Glukosetransport in die Zellen, ▬ Hemmung der hepatischen Glukoneogenese und damit ▬ BZ-Senkung um 30–60 mg/dl [1,7–3,3 mmol/l], ▬ Senkung des Nü-BZ bis zu 110 mg/ dl [6,1 mmol/l], ▬ Abfall der präprandialen BZ-Werte um ca. 30%. Verminderte Die Resorptionsgeschwindigkeit Glukoseresorption: wird durch die Hemmung des aktiven Glukosetransports im Dünndarm gesenkt
148
Pharmakotherapie des D. m. 2
Appetitverminderung: Günstig bei gewünschter Gewichtsreduktion ▬ unter Metformin minus 1,5 kg/ Jahr im Mittel, ▬ unter SH-Therapie plus 5,2 kg/Jahr im Mittel. Senkung der Triglyzeride um 20–50%, Cholesterin Blutfette: um 10%. Geringe Hypoglykämiegefahr. Kontraindikationen für eine Metformin-Therapie Man kann davon ausgehen, dass Metformin unter Beachtung der Kontraindikationen keine Laktatazidose auslöst. Leberschäden aller Art: Unter anderem auch der Alkoholabusus, selbst wenn die Leber noch nicht geschädigt ist. Niereninsuffizienz: Ein Kreatininwert ≥1,2 mg/dl [≥106 µmol/l] oder eine GFR <60 ml/min gilt als Grenzwert. Verschlechterungen sind jederzeit möglich. Gerade bei Kontrastmittelgabe muss mit einer akuten Verschlechterung gerechnet werden. Metformin wird renal ausgeschieden. 48 h vor und bis 48 h nach intravenöser Kontrastmittelgabe muss Metformin abgesetzt werden. Hypoxie: Mangelperfusionen, AVK, Schock, Sepsis, Lungenembolie, pulmonale Erkrankungen, perioperativ, etc. Saure Metabolite: Sie werden freigesetzt bei Infektionen, bei Pankreatitis, Nekrosen und Gangränen, Sepsis, Hungerketosen (Diäten <1000 kcal/Tag) oder bei Ketoazidose sowie bei konsumierenden Prozessen. Andere: Schwangerschaft, Reduktionsdiät, hohes Alter oder unzuverlässige Patienten.
Pharmakotherapie des D. m. 2
149
21.3 Sulfonylharnstoffe (SH)
Merke
I
I
Sulfonylharnstoffe wirken auf die insulinproduzierenden Beta-Zellen des Inselzellapparates im Pankreas und steigern die Insulinsekretion. Die SH-Therapie wird hauptsächlich mit Glibenclamid durchgeführt (⊡ Tab. 21.2). Es sollte immer niedrig dosiert begonnen und die Dosis langsam bedarfsgerecht gesteigert werden. Außer dem Gliquidon mit fast ausschließlich hepatischer Elimination wird das Glibenclamid zu gleichen Teilen über die Galle und die Niere ausgeschieden. Liegen unter Verwendung von kurz wirksamen Derivaten immer hohe Nü-BZ-Werte vor, so profitiert man von einer zusätzlichen spätabendlichen Dosis (z. B. 6–10 IE) NPH-Insulin. Glibenclamid Einnahme direkt vor dem Essen, da nach Tagen ein konstanter Gewebsspiegel entstanden ist. Im Allgemeinen werden 2/3 der Tagesdosis morgens und 1/3 vor dem Abendessen eingenommen. Eine einschleichende Dosierung ist sehr wichtig. Es gibt eine genetisch recht unterschiedliche Pharmakokinetik der SH. Nebenwirkungen der Sulfonylharnstoffe Hypoglykämie:
Blutbild:
▬ zu hohe Initialdosis bei Beginn der SH-Therapie, ▬ erhöhtes Risiko bei alten Patienten, v. a. ohne Dosisanpassung, ▬ bei unzuverlässiger Nahrungsaufnahme und/oder Alkoholabusus, ▬ bei Niereninsuffizienz und Kumulation, ▬ Leukopenie, Agranulozytose, Thrombozytopenie
4–8
2–3
vollständig
Glimepirid vollständig
1
Gliclazid
vollständig
Glisoxepid
3–4
2–3
91–98%
Glibornurid
1–3
99
85–97
99
93
95–97
99
Tmax Plas[h] maproteinbindung [%]
Gliquidon vollständig
vollständig
Glibenclamid
Bioverfügbarkeit
24
6
5–10
15
5–8
4–6
1,7
5– 11
10
WirT1/ kungs- 2el dauer [h] [h]
1,2, 3
30
30
4
25
1,75/ 3,5
0,5–3
30– 120
15– 120
2–12
12,5– 75
1,75– 10,5
Niere
Ausscheidung
100%
99% inaktive Metaboliten
23– 33%
50%
Leber/ Fäzes
60%
60–70% der Metaboliten
40%
10– 20%
95%
70–80% der 15– Metaboliten, 25% 50% unverändert
60–72% der Metaboliten
100% (inaktive) 5% als MetaMetaboliten boliten
50% inaktive Metaboliten
6 Metaboliten, inaktiv
vollständig zu 50% der inaktiven Meta- Metaboliten boliten 100%
Tbl.Dosie- MetaboliStärke rung sierung [mg] [mg] Leber
⊡ Tabelle 21.2. Auswahl und Eigenschaften gebräuchlicher oraler Sulfonylharnstoff-Antidiabetika
150 Pharmakotherapie des D. m. 2
Pharmakotherapie des D. m. 2
Cholestatischer Ikterus: Allergische Reaktionen:
151
Wahrscheinlich als seltene allergische Reaktion. Sie sind in jedem Ausmaß beschrieben, jedoch sehr selten.
Das Risiko einer schweren Hypoglykämie unter Sulfonylharnstoffen liegt bei 1:50 bis 1:4000 behandelter Patienten pro Jahr. Im Alter steigt dieses Risiko sprunghaft auf 10–20% pro Jahr. Ursächlich sind mangelnde Nahrungszufuhr, Medikamenteninteraktionen, Lebererkrankungen mit mangelnder Glukoneogenese. Patienten mit einer Niereninsuffizienz sind einerseits durch die Retention von SH und anderseits durch die gestörte Glukoneogenese gefährdet. Therapie einer »SH-Hypoglykämie« Klinikeinweisung: Die Hypoglykämieneigung kann 12 h und bis zu 72 h andauern. 50 ml Glukose 40% i.v.: Dosierung je nach Symptomatik. Glukosedauerinfusion: Zunächst 1/2- bis 1-stündliche BZKontrollen, meist >10 g Glukose/h. Elektrolytlösung: Tagesflüssigkeitsbedarf. Kalium: Einbau von Glukose erfordert Kalium und Phosphat. Kaliumkontrollen. Relative NNRI: bei sehr schwerer Hypoglykämie 75 mg Prednisonäquivalent/Tag. Kontraindikationen für Sulfonylharnstoffe Typ-1-D. m.: Keine Wirkung, Effekt in der Remissionsphase ist nicht ausreichend. Kinder: Gefährliche Nebenwirkungen. Gravidität: Keine Zulassung, nicht abschließend geprüft. Alkoholismus Hohes Hypoglykämierisiko wegen Hemmung der Glukoneogenese.
152
Pharmakotherapie des D. m. 2
Compliance: Niereninsuff: Hepatose: Allergien: Ketose: Andere:
Eine regelmäßige Nahrungszufuhr muss gewährleistet sein. Umsetzen auf Gliquidon bei Kreatininspiegel >1,5 mg/dl [>133–160 µmol/l]. Hypoglykämierisiko und Kumulationsgefahr. Kreuzallergien mit allen Sulfonamid-Derivaten. Die Insulinsekretion ist nicht mehr stimulierbar. Bei allen konsumierenden Erkrankungen, Schock, Laktatazidosen, Ketoazidosen, Sepsis, Infarkten etc. sind Pharmakokinetik und -dynamik nicht kalkulierbar. Unter Überwachung mit Insulin behandeln.
21.4 Prandiale insulinotrope Glukoseregulatoren Die initiale Dosierung beträgt mit Repaglinide (NovoNorm) 0,5 mg vor jeder Hauptmahlzeit. Bis auf 4 mg pro Mahlzeit. Die initiale Dosierung beträgt mit Nateglinide (Starlix) 60–120 mg vor der Mahlzeit. Der volle Effekt wird jeweils nach etwa 2 Wochen erreicht. Die kurze Wirksamkeit der prandialen Regulatoren ist ggf. von Vorteil, wenn Patienten Mahlzeiten auslassen möchten oder wenn situationsgerecht eingenommen wird, d. h. der Patient ist nicht an ein festes Schema gebunden. 21.5 Insulinsensitizer – Thiazolidindione (Glitazone) Es sind nichtinsulinotrope Substanzen. Sie vermitteln über den PPAR-Gamma-Rezeptor Effekte auf den Glukosetransport, Glykolyse, Glukoneogenese und Lipidsynthese. Sie fördern die kleinen, insulinsensitiven Fettzellen, während große, insulininsensitive Fettzellen in den Zelltod getrieben werden.
Pharmakotherapie des D. m. 2
153
Die aktuell verfügbaren Substanzen sind Pioglitazon (Actos; Dosis: 15–45 mg/Tag) und Rosiglitazon (Avandia; Dosis: 2–8 mg/Tag), die zur Kombinationstherapie mit Sulfonylharnstoffen, Metformin und teilwiese mit Insulin zugelassen sind. Die Einnahme erfolgt unabhängig von den Mahlzeiten. Zulassungen 2006, Stand 6/07 Avandamet + Insulin: Actos + Metformin + Insulin Actos + Insulin Levemir ist mit allen OAD kombinierbar
Merke
I
ja nein ja
I
Für beide Substanzen wird aufgrund der Erfahrungen mit Troglitazon (alt) ein Monitoring der Transaminasen gefordert. Die BZ-Wirkung setzt nach zwei Wochen ein. Leberwerte während der ersten Monate monatlich kontrollieren. Symptomen, die auf eine Leberdysfunktion hinweisen (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Oberbauchbeschwerden, Müdigkeit, dunkler Urin). Bei Herzinsuffizienz sind die Glitazone kontraindiziert, denn es wird Flüssigkeit retiniert. Es gibt Hinweise, dass kardiovaskuläre Ereignisse gehäuft auftreten könnten, so dass im Einzelfall der Einsatz von Rosiglitazon zu diskutieren wäre. 21.6 GLP-1-Analoga und DPP-IV-Inhibitoren Der Inkretineffekt erzeugt 50% der Insulinantwort. Das Exenatide (Byetta) wird mit aufsteigender Dosierung etwa 30 bis 60 Minuten vor einer Mahlzeit s.c. verabreicht.
154
Pharmakotherapie des D. m. 2
GLP-1-Mimetika sind für eine Kombinationstherapie mit oralen Antidiabetika geeignet, führen auch zur Gewichtsabnahme, ein günstiger Langzeiteffekt. Eine weitere Wirkstoffklasse, die den Inkretineffekt nutzt, sind die Dipeptidyl-Peptidase-Hemmer (DPP-IV-Inihibtoren, Sitagliptin und Vildagliptin) (Januvia 1-mal tägl. 100 mg; Galvus 2-mal tägl.), die den Abbau der körpereigenen GLP-1 verzögern. In Kombination mit Metformin oder Insulin-Sensitizern; bereits nach wenigen Tagen kann man den BZ-senkenden Effekt abschätzen. Substanz ist gewichtsneutral. 21.7 Insulin beim Versagen oraler Antidiabetika Beim Typ-2-Diabetes kommt es zum Verlust der Sekretionsfähigkeit des Inselzellapparates. Ursachen für das Versagen einer oralen Diabetestherapie Krankheitsbezogene Ursachen – Sekretionsdefizit, – Zunahme der Insulinresistenz. Patientenbezogene Ursachen: – Fehlende Umsetzung einer Diabetes- und/oder Reduktionskost, – Mangelnde körperliche Aktivität. Differenzialtherapie beim Versagen der OAD Insulinmonotherapie: Verkanntes Primärversagen ▬ Ein D. m. Typ 1 wurde zunächst nicht erkannt oder ▬ ein D m 2 wird bei fast erschöpfter β-Zellfunktion diagnostiziert. Kombinationstherapie »Unechtes« Sekundärversagen Biguanide/Insulin: (Synonym: Diätversagen):
Pharmakotherapie des D. m. 2
155
▬ übergewichtiger Patient, hält keine Diät, körperlich nicht aktiv. Kombinationstherapie »Echtes« Sekundärversagen SH/Insulin: (Synonym: Tablettenversagen) ▬ Mit Maximaldosis SH nach Jahren nicht mehr einstellbar sowie ▬ Patient ist schlank oder ▬ leicht adipös mit Compliance bzgl. Diabetesdiät und körperlicher Aktivität. Passagere Insulin▬ Stress- oder Postaggressionsstoffsubstitution: wechsel, z. B. Operation, Trauma, Infektion, Herzinfarkt, Apoplex, Schwangerschaft etc. 21.7.1 Primärversagen Der spätmanifestierende Typ-1-Diabetes ist mitunter schwer vom Typ-2-Diabetes zu trennen. GAD-Ak geben den immunserologischen Hinweis auf einen autoimmunen Diabetes, C-Peptidbestimmungen sagen initial beim LADA nichts. 21.7.2 Unechtes Sekundärversagen Da die notwendige Diät (Diätversager) und körperliche Aktivität nicht umgesetzt wird, können die OAD allein nicht ausreichend wirken.
Merke
I
I
Theoretisch würde die Therapie mit OAD noch problemlos genügen; deshalb spricht man bei diesen Patienten vom »unechten« Sekundärversagen der OAD.
156
Pharmakotherapie des D. m. 2
Überbehandlung mit Insulin ist ein häufiger Fehler: Insulinmast.
Ernährungsumstellung und körperliche Aktivität: möglichst nur komplexe, langsam resorbierbare Kohlenhydrate (Spaghetti, Kartoffeln etc.) Fette sollten gering gehalten werden.
Merke
I
I
Die adipösen Diabetiker integrieren sich am besten in Sportprogramme und Diätkurse. Körperliche Aktivität ist zur Wiederherstellung der Insulinsensitivität mindestens genauso wichtig wie die Gewichtsreduktion. Erste Erfolge kann der Patient erzielen, indem er mit 30 min strammem Gehen pro Tag beginnt.
Metformin: Metformin ergänzt eine Insulintherapie beim adipösen Typ-2-Diabetiker. Es unterstützt die Gewichtsreduktion und spart Insulin ein. 21.7.3 Echtes Sekundärversagen Definition des »echten« Sekundärversagens Anfangs erfolgreiche Therapie mit SH über mehr als 2 Jahre Dekompensation des Stoffwechsels trotz maximaler SHDosierung und Einhaltung von Diabeteskost, körperlicher Bewegung und nahezu Normgewicht Präprandialer BZ-Spiegel >120 mg/dl [>6,7 mmol/l], postprandialer BZ >160 mg/dl [>8,9 mmol/l] HbA1c >7,0% Neu aufgetretene Glukosurie
Pharmakotherapie des D. m. 2
157
Das echte Sekundärversagen wird auch als Tablettenversagen bezeichnet. Nachdem die maximale Dosierung von SH über Jahre ausreichend war, entgleist nun der Blutzucker. So erreichen nach zunächst erfolgreicher Einstellung jährlich etwa 5–10% der Patienten unter SH dieses Stadium des Tablettenversagens. Leider wird bei den meisten Patienten erst im fortgeschrittenen Stadium mit der Insulinsubstitution begonnen. Dabei gilt: Je länger eine schlechte Stoffwechsellage bestand, desto schwieriger lässt sich eine gute Stoffwechseleinstellung wieder erreichen. Deshalb sollte der ideale Kombinationspartner Insulin auch beim Typ-2-Diabetespatienten rasch zum Einsatz kommen.
Merke
I
I
Sobald die endogene Basalsekretion nicht mehr ausreicht, steigt der Nü-BZ. Mit NPH- oder lang wirksamen Analoginsulin vor dem Schlafengehen wird der Nü-BZ wieder normalisiert. Das spätabendliche Basalinsulin ist der erste Schritt, um die hohen Nü-BZ zu korrigieren. Reicht die NPH-Insulinwirkung nicht bis zum Morgen, dann gelingt es mit den Analoginsulinen Lantus, Levemir. Alternativ kann mit Bolusinsulin zu den Mahlzeiten begonnen werden. Bei dekompensierter Stoffwechsellage entwickelt sich eine ausgeprägte Insulinresistenz. Stationär wird mit Insulin und BZ-Kontrollen die Insulinsensitivität wieder hergestellt. Eine Verbesserung der Glukoseutilisation wird durch eine etwa 3-wöchige Normoglykämie erreicht. Der Stoffwechsel ist nach Rekompensation so stabil, dass man verleitet sein könnte, das Insulin versuchsweise ganz wegzulassen. Diese Patienten würden früher oder später jedoch wieder entgleisen. Eine geringe Gewichtszunahme ist mit der Insuli-
158
Pharmakotherapie des D. m. 2
nierung normal durch Verbesserung der Stoffwechsellage und Rehydrierung nach Wegfall der Osmotischen Diurese. Gerade beim schlanken Typ-2-Diabetiker mit erschöpften Beta-Zellen und absolutem Insulinmangel wirkt sich dieser Effekt ganz positiv auf Wohlbefinden und körperliche Belastbarkeit aus. Insulintherapien Als supplementäre Therapie oder als basal-unterstützte Therapie in Kombination mit OAD: Therapiemöglichkeiten beim echten Sekundärversagen SH: Weiterführung der SH, z. B. Glibenclamid 1–0–1 oder Glimepirid 1–0–0. Normalinsulin Zunächst Abdeckung des Frühstücks, bedarfsweise weitere Mahlzeiten. NI/NPHÜber 20 IE Mischinsulin pro Tag Mischinsulin: sollten im Verhältnis 2:1 auf das Frühstück und das Abendessen verteilt werden. Basalinsulin zur ▬ Die zusätzliche Gabe eines nächtNacht: lichen Basalinsulins erfolgt bei hohem Nü-BZ und/oder ab einem Tagesbedarf >20–30 IE, also wenn die basale Sekretion ebenfalls insuffizient geworden ist. ▬ Dies ist der 1. Schritt der Kombinationstherapie, wenn der Nü-BZ bei erstmaliger Insulintherapie bereits erhöht ist. ▬ Wird zunehmend als 1. Schritt beim Sekundärversagen empfohlen.
Pharmakotherapie des D. m. 2
Körpergewicht:
Insulinmonotherapie: Ziel:
159
Idealerweise sollte das Körpergewicht um weniger als 2–3 kg ansteigen. Ab Insulinbedarf >20–30 IE/Tag und Bedarf eines nächtlichen Basalinsulins SH-Auslassversuch ▬ Ziele sind möglichst eine normnahe BZ-Einstellung, HbA1c ~7,0%, normales Körpergewicht. ▬ Ausreichend Insulin verbessert das Allgemeinbefinden, profitieren auch alte Menschen.
21.7.4 Insulinmonotherapie Sekundärversagen Diese Patienten brauchen in der Regel mehr als 20–30 IE Insulin. Erster Schritt ein nächtliches Basalinsulin oder Abdecken der Mahlzeiten. Wird eine Kombinationstherapie durchgeführt, zeigt sich beim SH-Auslassversuch, ob sich dies noch auswirkt.
Insulinmonotherapie beim Sekundärversagen Im Durchschnitt führt deshalb die primäre Insulinmonotherapie ohne konsequente Beratung bei etwa 70–80% der Patienten zur überschießenden Gewichtszunahme. Mögliche Vorteile einer Kombinationstherapie gegenüber der Insulinmonotherapie Niedrigerer Insulinbedarf bis 50%, Etwa 30% niedrigere Insulinspiegel. Geringere Gewichtszunahme.
160
Pharmakotherapie des D. m. 2
Am Anfang gleich gute BZ-Einstellung. Einfache Handhabung für ältere Menschen. Eine Mehrfachinsulintherapie wird langsam erlernt Die Kombinationstherapie ist in der Regel preisgünstiger.
22 Perioperative und periinterventionelle Diabetestherapie Muss ein Diabetiker operiert werden, so hängt das Vorgehen von einer Reihe von Kriterien ab: welche Art von Diabetes, Therapie, Qualität der bisherigen Einstellung, Dringlichkeit der Operation/Intervention, elektiv, semielektiv, notfallmäßig, Art der Narkose, Ausmaß der Operation, Begleiterkrankungen, v. a. die diabetischen Folgeerkrankungen. 22.1 Anästhesieverfahren und Tageszeit Regionalanästhesieverfahren erleichtern das Procedere sehr, da der Patient postoperativ wieder essen kann.
Merke
I
I
Der Diabetiker sollte keinen ambulanten Eingriff in Vollnarkose bekommen, da die postoperative Überwachung dabei zu kurz ist.
Tageszeit Einige Autoren fordern, dass Diabetespatienten morgens an erster Stelle operiert werden. Dies erleichtert das Management dieser Patienten perioperativ sehr.
162
Perioperative und periinter ventionelle Diabetestherapie
22.2 Operation und Postaggressionsstoffwechsel Man stellt eine geringe Glukosezufuhr von 100–200 g Glukose pro Tag sicher. Zuviel Glukose oder gar Fette werden initial (2–3 Tage) nicht verstoffwechselt ( Kap. 22.4). Die Insulinzufuhr erfolgt nach 2-stündlichen Kontrollen. Bis zu 100 IE Insulin und mehr werden pro Tag gebraucht.
Merke
I
I
Volumenmangel, Mikrozirkulationsstörungen, Hypoxien, Azidose, Schmerzen, Elektrolytentgleisungen und septische Streuungen müssen beseitigt werden, um die katabolen Stimuli zu drosseln.
22.3 Begleiterkrankungen und diabetische
Folgeerkrankungen Häufige Begleit- und Folgeerkrankungen, die präoperativ erfasst werden sollten: Aspirationsneigung bei Gastroparese, Autonome Darmatonie Neuropathie: Herzrhythmusstörungen, Kreislaufversagen Periphere motorische und sensible periphere AusNeuropathie: fälle. Angiopathie: stumme Herzinfarkte, zerebrale Insulte, Mangelperfusionen u. a. mit Wundheilungsstörungen. Leukozyten: gestörte Immunabwehr mit Infektionsneigung
Perioperative und periinter ventionelle Diabetestherapie
163
Kontrastmittel bei Krea 177 µmol/l nur bei guter Hydrierung Kreatinin >265 µmol/l relativ kontraindiziert. Keine nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR, Diclofenac etc).
Nephropathie:
Gastroparese, sei sie akut (reversibel) durch eine schlechte Einstellung (BZ >200 mg/dl [>11,1 mmol/l]) oder chronisch durch die autonome Neuropathie: Vor der Narkose wird der Magen abgesaugt, und in Oberkörperhochlage wird schnell, ohne Maskenbeatmung, intubiert. Die Neuropathie prädisponiert zur besonderen Druckempfindlichkeit peripherer Nerven. 22.4 Therapie Sollten perioperative Insulingaben erforderlich werden, so bietet sich die i.v.-Applikation an. Die s.c.-Injektion ist nach großen Eingriffen schlecht steuerbar. Insulin über Perfusor
Merke
I
I
Insulin läuft am besten parallel zur Infusion kontinuierlich über einen Perfusor. 50 ml NaCl 0,9% oder Glukose 5% enthalten 50 IE Normalinsulin, also 1 IE Insulin/ml. Um Hypoglykämien zu vermeiden, strebt man perioperativ BZ-Werte um 120 mg/dl [6,7 mmol/l] an.
164
Perioperative und periinter ventionelle Diabetestherapie
Insulin in Glukoseinfusion Im Allgemeinen liegt das Verhältnis von Insulineinheiten zu Glukose in Gramm (also IE Insulin/Glukose in g) bei 1/5 bis 1/3. Abgedeckt wird der Energiebedarf entsprechend 5–10 g Glukose/h.
Basalinsulin perioperativ Beim insulinpflichtigen/-bedürftigen Diabetiker (Typ 1 und Typ 2) wird der Basalinsulinbedarf perioperativ mit 1 IE/h (0,015 IE/kg KG/h) substituiert.
Korrekturinsulin Überhöhte BZ (>160 mg/dl [>9 mmol/l]) werden korrigiert,
Vollständige Substitution Der Typ-1-Diabetiker braucht zusätzlich zum Bedarfsinsulin die Substitution des Basalinsulins. Partielle Substitution des Typ-2-Diabetikers Der Typ-2-Diabetiker unter oralen Antidiabetika: Kleine Operationen werden ohne Insulin und Glukose durchgeführt, da der Stoffwechsel sich ausreichend selbst reguliert. Bei partieller Insulinsubstitution oder einer Kombinationstherapie OAD/Insulin ist bei mittleren bis großen Eingriffen auch perioperativ eine partielle Insulinsubstitution notwendig. Das Ausmaß ist nicht vorhersehbar.
Hohe Insulindosen Sehr hohe Insulindosen, teilweise weit über 100 IE/Tag, können für alle Formen des Diabetes nötig werden. Dies hängt vom Ausmaß der Insulinresistenz ab ( Kap. 20.7). Ein klassisches Beispiel wäre die nekrotisierende Pankreatitis mit Sepsis und Schock.
Perioperative und periinter ventionelle Diabetestherapie
Merke
I
165
I
Tipps zur perioperativen Glukose- und Insulinsubstitution Lang wirksame Insuline vom Vorabend können noch wirken, dann wird zunächst nur die Glukoseinfusion abgedeckt. Sollte der BZ wegen Insulinüberdosierung abfallen, passager zusätzlich Glukose.
Ein Unfall könnte auch durch eine Insulinüberdosierung verursacht worden sein. Insulinmangel und zu geringe Energiezufuhr führen zur katabolen Stoffwechsellage mit einem Mangel an intrazellulären Energieträgern. Im Rahmen von Bypass-Operationen zeigte sich, dass mit einem BZ von 90–120 mg/dl [5,0–6,7 mmol/l] den Patienten das Entwöhnen von der Beatmung leichter fällt, da sie genug Kraft haben. Mit einem BZ >120 mg/dl [>6,7 mmol/l] steigt die Mortalität bis auf das 3-Fache. Die Gabe von 5–10 g Glukose/h, bedarfsweise mit ausreichend Insulin, schützt vor einer Initiierung der Glukoneogenese. Dies ist v. a. wichtig bei mittleren bis großen und langen Eingriffen. Grundfalsch ist es, v. a. beim insulinpflichtigen Diabetiker, perioperativ kein Insulin und keine Glukose zu geben, um den BZ wenig ansteigen zu lassen. Der Stoffwechsel entgleist dann nachhaltig.
Merke
I
I
Ausreichende Flüssigkeitszufuhr beugt einer Insulinresistenz durch Exsikkose vor.
166
Perioperative und periinter ventionelle Diabetestherapie
Praktische perioperative Stoffwechselkontrolle und Stoffwechselmanagement Perioperatives Procedere Typ-2-Diabetes
Merke
I
I
Therapie mit oralen Antidiabetika Metformin mindestens 48 h vor Operation absetzen! Kleine Operation – Keine SH am Operationstag. – BZ <200 mg/dl [11,1 mmol/l]: Op., BZ alle 1–2 h. – BZ >250 mg/dl [13,9 mmol/l]: s.c. Normalinsulin, 4–6 IE. Mittlere Operation – Keine SH am Operationstag.. – Infusion mit 5%Glukose. – BZ stündlich: s.c. Normalinsulin nach BZ. – BZ >250 mg/dl [13,9 mmol/l]: 4–6 IE. – SH mit erster postoperativer Mahlzeit. Große Operation – Umstellung auf Insulin präoperativ. – BZ-Führung um 100 mg/dl (5,5 mmol/l). Perioperatives Management Typ-1-Diabetes Glukose-Insulin-Kalium-Infusionsregime (GIK). – 500 ml 10% Glukose mit Normalinsulin (16 IE) und KCl (10 mmol), 80 ml/h mit Infusomat, (=2,6 IE Insulin/h, 8 g Glukose/h). – Mehr Insulin (20 IE = 3,2 IE/h) bei Adipösen oder initial hohem BZ. – Niedrigere Dosis (12 IE = 1,9 IE/h) bei sehr schlanken Patienten.
Perioperative und periinter ventionelle Diabetestherapie
167
Anpassen der Dosis: – –4 IE, wenn BZ fällt bzw. normal/niedrig. – +4 IE, wenn BZ steigt oder hoch ist. GIK-Infusion fortsetzen bis 30–60 min nach erster Mahlzeit. Höhere Glukosekonzentration, wenn Volumenzufuhr problematisch; täglich auf Verdünnungshyponatriämie untersuchen. Postoperativ so schnell wie möglich zum üblichen InsulinTherapieschema zurückkehren, sobald orale Nahrungsaufnahme wieder möglich ist. Richtwerte für den perioperativen intravenösen Insulinbedarf sind nach Alberti bei Infusion von 10%iger Glukose/h Bei Adipositas: 4–6 IE/h. Bei Glukokortikoidtherapie: 5–8 IE/h. Bei schwerer Infektion, Sepsis: 6–8 IE/h. Bei Operationen am Herzen: 8–12 IE/h.
23 Alkohol und Diabetes
Alkohol kann niemals empfohlen werden, ist aber Realität unserer Kultur geworden. Die gefürchtete Komplikation diabetische Neuropathie tritt häufiger in Zusammenhang mit Alkoholkonsum auf. Alkohol kann über eine Hemmung der Glukoneogenese in der Leber zu lang anhaltenden Hypoglykämien führen. Es gibt einige Regeln im Umgang mit Alkohol, die der Diabetiker kennen sollte: Harte Alkoholika: Schnaps, Wodka etc. sind hoch konzentrierte Alkoholika ohne Kohlenhydrate, sie sind deshalb ungünstig. Bier:
Es hat 1,2 BE/500 ml; damit ist das Verhältnis von Alkoholwirkung und Kohlenhydratbedarf ausgewogen.
Insulindosis, SH-Dosis:
Falls vorhersehbar, sollte die Dosierung der Antidiabetika vor und nach einem Fest reduziert werden. Genaue Angaben sind nicht möglich.
Begleitperson:
Eine Begleitperson sollte über die Diabeteskrankheit informiert sein und optimalerweise bei einer Hypoglykämie Glukose geben können.
Snacks:
Kleinere Snacks bei einer Festivität schützen vor der Hypoglykämie.
24 Grundzüge der Diabeteskost
24.1 Grundzüge der Diabeteskost
Merke
I
I
Bis zu 75% der neu diagnostizierten Typ-2-Diabetiker können durch vermehrte körperliche Aktivität, Diabeteskost und der damit verbundenen Gewichtsreduktion zunächst den BZ normalisieren. Dauerhaft sind es etwa 20%. Man sollte bis zu 3 Monate warten, bevor die Basistherapie ergänzt wird mit OADS.
»Mediterrane Kost« Komplexe Mit daraus resultierender besserer Kohlenhydrate: Utilisation der Glukose bei niedrigen BZ-Spiegeln im Portalblut. Gemüse:
Verwertung zum Teil so günstig, dass kein Insulin hierfür berechnet werden muss. Ballaststoffe verzögern die Resorption.
Pflanzliche Öle:
Einfach ungesättigte Fettsäuren schützen vor der Arteriosklerose (Olivenöl, Avocados, Walnüsse, Erdnüsse, Rapsöl etc).
Kaum tierische Fette (Fisch statt Fleisch):
Langkettige gesättigte Fettsäuren induzieren die Atherombildung. Fisch wird 2- bis 3-mal/Woche gegessen.
Früchte und Milchprodukte:
Sie sind weniger »glykämisch« als Zuckerprodukte.
170
Grundzüge der Diabeteskost
24.2 Körpergewicht
Merke
I
BMI
I Bodymass-Index oder Körpergewichtsindex in kg/m2, also kg KG/Größe in m2 (nicht Körperoberfläche!) Frauen 19–24 >26
Soll Übergewichtig
Broca-Index
Männer 20–25 >27
Muskulöser Typ:
Körpergröße in cm minus 100 minus 5 Asthenischer Typ: Körpergröße in cm minus 100 minus 10 Der Quotient aus Ist/Soll-Wert ist der Index; Index >1,2 gilt als übergewichtig
»Waist-hipratio« (WHR)
Frauen: Soll <0,85 Männer: Soll <1,0
Der BMI hat sich als Maßeinheit zur Beschreibung der Adipositas insbesondere in unseren Breiten bewährt (⊡ Tab. 24.1). Die WHR (Quotient aus Taillen- und Hüftumfang) beschreibt die androide, stammbetonte Fettverteilung. Dieser Quotient ist meist nicht einfach zu bestimmen; man kann als ein einfacheres Maß den Taillenumfang verwenden: als pathologisch gilt:
Männer Frauen
Erhöhtes Risiko >94 cm >80 cm
Deutlich erhöhtes Risiko >102 cm >88 cm
Grundzüge der Diabeteskost
171
⊡ Tabelle 24.1. Klassifikation der WHO von Untergewicht, Normalgewicht und Übergewicht BMI [kg/m2]
Klassifikation
Männer
Frauen
Untergewicht
<20
<19
Normalgewicht
20–25
19–24
Adipositas Grad I
25–30
24–30
Adipositas Grad II
30–40
30–40
Adipositas Grad III
>40
>40
24.3 Energie-, Kohlenhydrat-, Protein- und
Fettbedarf Mit folgenden Formeln und ⊡ Tab. 24.2 kann der Energiebedarf näherungsweise bestimmt werden. Diese Formeln können im Einzelfall den wahren Bedarf um 20–30% über- oder unterschätzen. Berechnung des Energiebedarfs in kcal/Tag Kinder von 1000+100× Lebensalter (White-Formel) oder 5–10 Jahren ca. 60× kg KG + 500 oder ca. 21× kg KG +500 + Energiezulage Energiezulage bei ca. 35–60× kg KG/Tag Nomogramme finden sich in pädiatrischen Lehrbüchern. Schätzungen 5–7 Jahre 80 kcal/kg KG/Tag für Kinder 7–10 Jahre 65 kcal/kg KG/Tag 10–13 Jahre 60 kcal/kg KG/Tag 13–15 Jahre 50 kcal/kg KG/Tag
172
Grundzüge der Diabeteskost
Erwachsene
in Ruhe 25–30 kcal/kg KG/Tag leichte Arbeit + 1/3 30–35 kcal/kg KG/Tag mittlere Arbeit + 2/3 35–45 kcal/kg KG/Tag schwere Arbeit + 3/3 45–60 kcal/kg KG/Tag
HarrisBenedictFormel
Frauen Männer
655+ (9,5× kg KG) + (1,8× Größe cm) – (4,7× Alter) 66+ (13,7× kg KG) + (5,0× Größe cm) – (6,8× Alter)
Schreibtischarbeit erfordert zum Basisbedarf ca. 600 kcal, körperliche Bewegung wie Umhergehen ca. 1500 kcal und schwere körperliche Arbeit ca. 2000–5000 kcal extra. Tra⊡ Tabelle 24.2. Empfohlene Zusammensetzung der Energiemenge pro Tag Komponenten
Verteilung [%]
[kcal/ g]
Ideale mittlere Zufuhr [g/kg KG/Tag]
zu beachten
Kohlenhydrate
45–55
4,1
3–6
Komplexe Kohlenhydrate
Fett
20–35
9,3
1–2
>1/3 als ungesättigte Fettsäuren
Eiweiß
10–15
4,1
0,7–0,9 (× 2 bei Kindern und Schwangeren)
Reduzieren bei Nephropathie
Alkohol
7,1
Möglichst vermeiden, nur zu den Mahlzeiten
Grundzüge der Diabeteskost
173
ditionelle Holzfällerarbeiten oder die Teilnahme bei Radrennen müssen mit bis zu 8000–15000 kcal/Tag abgedeckt werden. Bei einer Energieaufnahme von 2200 kcal und einem KHAnteil von etwa 45% werden 990 kcal durch die KH und der Rest, 1210 kcal, durch die Fette und Eiweiß geliefert. 12 g KH (=1 BE) haben 48 kcal (1 g Glukose hat 4 kcal), also 990 kcal: 48=22 BE.
Merke
I
I
Man schätzt grob, dass im Rahmen einer westlichen Mischernährung mit 1 BE insgesamt 100 kcal gegessen werden. Steigert man den Kohlenhydratanteil auf 60%, was nur mit gezielter Essensauswahl zu schaffen ist (insbesondere durch Gemüse und auch Obst), so kann man 29 BE essen, um 2200 kcal zu erreichen bzw. bleibt mit 22 BE bei 1660 kcal. Mit der Aufnahme einer BE werden damit insgesamt nur 75 kcal gegessen. Man könnte also mit einer Steigerung der Kohlenhydrate (v. a. mit den komplexen, langsam resorbierbaren Kohlenhydraten, s. oben) auf Kosten des Fettanteils überschüssiges Körpergewicht abbauen, ohne die BE zu reduzieren. Leider wird eine derart kohlenhydratreiche Ernährung mit geringem Fettanteil nicht als sehr schmackhaft empfunden. Das ist natürlich auch eine Frage der Gewohnheit. Typische Nahrungsmittel mit einem hohen Anteil an komplexen, langsam anflutenden Kohlenhydraten (niedriger glykämischer Index) sind: Roggenvollkornbrot, Vollkornhaferflocken, Vollkornreis, Hülsenfrüchte,
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Grundzüge der Diabeteskost
Nüsse, Vollmilch, Naturjoghurt, alle Gemüse (außer Mais und gekochte Kartoffeln) Äpfel, Birnen, Orangen, Erdbeeren.
Der Proteinbedarf ist unabhängig von der körperlichen Leistung. Spitzensportler vermeiden es mehr als 1 g Eiweiß/kg KG/ Tag zu essen. Kinder, Adoleszente und Schwangere benötigen 1,5–2 g Eiweiß/kg KG/Tag. Bei einer Mikroalbuminurie wird die Proteinzufuhr auf 0,7 g/kg KG/Tag reduziert. Ab der terminalen Insuffizienz (Dialyse) wird der Patient deutlich katabol und sollte die bestehende Mangelernährung durch eiweißreiche Nahrungsmittel ergänzen. Eiweißreiche Nahrungsmittel sind: 100 g mageres Fleisch (z. B. Rind, Kalb, Schwein, Geflügel) enthält 20 g Eiweiß, 100 g Fisch (z. B. Seelachs, Scholle, Kabeljau, Forelle) enthält 18 g Eiweiß, 100 g Wurst (z. B. Bierschinken, Fleischkäse, Salami) enthält 13 g Eiweiß, 100 g g ekochter Schinken enthält 20 g Eiweiß, 100 g Milch/Joghurt enthält 3,5 g Eiweiß, 100 g Magerquark oder Speisequark mit 20% Fettanteil enthalten 13 g Eiweiß, 100 g Schnittkäse (z. B. Gouda, Tilsiter, Emmentaler) enthalten 26 g Eiweiß, 100 g Hülsenfrüchte enthalten 23 g Eiweiß, 100 g fettarmes Sojamehl enthalten 50 g Eiweiß. Fette sollten möglichst keinen größeren Anteil als 35% an der gesamten Energiezufuhr haben. Derzeit liegt dieser Anteil im Bevölkerungsschnitt zum Teil deutlich über 40% mit der
Grundzüge der Diabeteskost
175
zusätzlichen Betonung auf gesättigten tierischen und damit ungesunden Fetten. Neben der hohen Kalorienzufuhr beeinflussen Fette die Atherogenese. Atherogen sind langkettige gesättigte Fettsäuren. Sie finden sich ganz offensichtlich in tierischen Fetten (Wurst, Schweinshaxe etc.), die zusätzlich noch viel Cholesterin enthalten. Etwas versteckter schleichen sie sich in Frittierfette und pflanzliche Bratfette (Kokosfett, Palmöl etc.) ein. Ganz unbekannt für viele Diabetiker sind die atherogenen gehärteten Fette in industriellen Fertiggerichten (Kekse, Torten oder auch der erhöhte Fettanteil in sog. Diätprodukten etc.). Gefäßprotektiv sind die einfach ungesättigten Fettsäuren, beispielsweise in Olivenöl, Rapsöl, Avocados, Wal- und Erdnüssen. Deren Kaloriengehalt sollte dabei aber niemals vergessen werden. Sie sollten mindestens 1/3 der gesamten Fettaufnahme ausmachen. Entsprechend sollte man statt Fleisch mehr Meeresfisch essen, da er gefäßprotektive Fettsäuren enthält (s. mediterrane Kost). 24.4 Berechnungseinheiten Eine Berechnungseinheit (BE, früher Broteinheit oder Kohlenhydrateinheit; Berechnungseinheit = Schätzeinheit) entspricht der Nahrungsmittelmenge, die 10–12 g Kohlenhydrate enthält. Mit einer normalen Ernährung beeinflussen die Proteine und Fette den Insulinbedarf nicht. Er errechnet sich nur aus den BE. Unterschiedliche Nahrungsmittel mit derselben Menge an Kohlenhydraten geben unterschiedlich schnell ihr Endprodukt in der Verdauung, die Glukose, frei. Der glykämische Index (GI) ist in den Austauschtabellen bereits berücksichtigt. Trotzdem ist dieses Kriterium zum Verständnis für die unterschiedliche Anrechenbarkeit von Koh-
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Grundzüge der Diabeteskost
lenhydratträgern wichtig. Er sagt etwas über die Auswirkung bestimmter Speisen und Getränke auf den Blutzuckerspiegel aus. Reine Glukose gilt als Referenzsubstanz und hat den Index 100%. Je geringer der Index, um so günstiger sind die Kohlenhydrate (⊡ Tab. 24.3). Austauschtabellen geben an, wie viele BE für ein bestimmtes Nährmittel zu berechnen sind. Einige Nahrungsmittel können vom Diabetiker ohne oder nur mit teilweiser Berücksichtigung ihrer Kalorien oder ihres Kohlenhydratgehaltes zu sich genommen werden. Diese Nahrungsmittel müssen nicht mit Insulin abgedeckt werden.
⊡ Tabelle 24.3. Glykämischer Index. (Aus Berger u. Jörgens 1994) Glykämischer Index [%]
Nahrungsmittel
90–110
Malzzucker, Instantkartoffelpüree, gebackene Kartoffeln, Honig, Instantreis, Minutenreis, Puffreis, Cornflakes, Cola, reife Weintrauben, (sog. schnelle BE)
70–90
Weißbrot, Graubrot, Knäckebrot, Kräcker, Fertigmüsli, Milchreis, Bier, Mondamin, Puddingpulver, Weizenmehl, Biskuit, Plätzchen, Sandkuchen
50–70
Haferflocken, Bananen, Süßmais, ParboiledReis, Salzkartoffeln, Haushaltszucker, Pumpernickel, Vollkornbrot, ungesüßte Obstsäfte
30–50
Milch, Joghurt, Obst, Spaghetti, Hülsenfrüchte, Eiscreme
<30
Fruktose, Linsen, Bohnen, Sojabohnen, Blattgemüse, Nüsse, Frischkornmüsli, Schwarzwurzeln
Grundzüge der Diabeteskost
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Ohne Anrechnung können gegessen oder getrunken werden: Getränke:
Kalorienfreie, künstliche Süßstoffe: Suppen: Gemüse:
Gewürze:
Fett und Fleisch:
Kaffee, Tee, Wasser, Malzkaffee bis 2 Tassen, Limonaden, die mit reinem Süßstoff gesüßt sind. z. B. Aspartame, Saccharin, Na-Cyclamat, Sucralose, Acesulfam-K. Derzeit geht man davon aus, dass sie für den Menschen nicht schädlich sind. Klare Brühe (allerdings hohe Kochsalzbelastung). Keine Anrechnung bis 200 g für: Bleichsellerie, Blumenkohl, Bohnen (grüne), Broccoli, Butterpilze, Champignons, Chicoree, Eisbergsalat, Endivien, Feldsalat, Grünkohl, Gurken, Gewürzgurken, Kohlrabi, Kopfsalat, Kresse, frischer Kürbis, Mangold, Möhren, Okra, Oliven, Paprikaschoten, Pastinake, Petersilie, Pfifferlinge, Radieschen, Rettich, Rhabarber, Rotkohl, Rübstiel, Sauerampfer, Sauerkraut, Schnittlauch, Spargel, Spinat, Tomaten, Topinambur, weiße Rübchen, Weißkohl, Wirsing, Zucchini (5–8 g Kohlenhydrate/100 g Gemüse). Lauch, Porree, Meerrettich, Zwiebeln als Gewürzzutat, Kochsalz, Küchenkräuter, Knoblauch, Fleisch- und Hefeextrakte. Alle Gewürze und Würzmischungen, außer süßem Senf und Ketchup wegen des Zuckergehalts. Beim Fett muss man nur an die Kalorien denken. Normale Eiweißmengen, bis max. 1,5 g/kg KG/ Tag muss man nicht mit Insulin abdecken.
178
Grundzüge der Diabeteskost
Nüsse und Samen:
Nüsse, Mandeln, Kürbiskerne, Sesamsamen, Leinsamen, Sonnenblumenkerne: bis 50 g BE vernachlässigbar.
Sehr gering zu halten sind: Süßigkeiten: Bonbons, Schokolade, Pralinen, Kuchen, Torten, Gebäck, Honig, Gelee, Marmelade, Konfitüren, Sirup, süße Kaugummis, Speiseeis, Buttercreme und Mayonnaise mit Mehlzusatz, (1 BE = 2 gehäufte Teelöffel Honig, Marmelade, Zucker). Getränke: Süßmost, Liköre, liebliche Weine, normale, zuckerhaltige Limonaden, normales Bier, Sekt, Cola, gezuckerte Kondensmilch (Limo und Cola sind eine 100%ige Glukoselösung, Säfte können bis zu 20% Glukose enthalten). Obst: Backobst, getrocknete und kandierte Früchte. Reife Weintrauben haben einen sehr hohen Traubenzuckergehalt, der sehr schnell resorbiert wird und sehr schnell anflutet. Alkohol: Kap. 23. Fette und/oder eiweißreiche Mahlzeiten werden langsamer an das Duodenum weitergeleitet, sie liegen also länger im Magen (man denke an die fette Weihnachtsgans oder das Käsefondue).
Merke
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Fette und Proteine verzögern zudem die Resorption der Kohlenhydrate. Will man Kohlenhydrate lange verfügbar haben, also beispielsweise zur Spätmahlzeit, so isst man zum Obst Quark, zu
Grundzüge der Diabeteskost
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den Kräckern Käse und legt auf das Vollkornbutterbrot Wurst oder Käse. Zuckeraustauschstoffe: Mannit, Xylit, Sorbit und Isomalt werden mit 2,4 kcal/g berechnet. Wegen der langsamen energetischen Nutzung, v. a. des Sorbit und des Isomalt, besteht nur ein sehr geringer Insulinbedarf. Fruktose ist kalorisch mit 4 kcal/g zu berücksichtigen, und die notwendige Insulindosis ist schwierig zu berechnen.
Merke
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Zuckeraustauschstoffe bringen keine Vorteile, sie komplizieren und erschweren die BZ-Einstellung, da sie insbesondere den Betroffenen Unbedenklichkeit suggerieren. Unabhängig davon ist vor Diabetikerpralinen und -keksen zu warnen, da sie versteckte langkettige Fettsäuren enthalten. Sie sind natürlich Kalorienbomben, und diese Fettsäuren sind atherogen.
24.5 Kohlenhydrataustauschtabelle Für die leichtere Abschätzung der aufgenommenen Kohlenhydrate stehen sog. Austauschtabellen zur Verfügung. Austausch heißt: Wie viel Gramm eines bestimmten Nahrungsmittels kann ich gegen ein anderes austauschen, um die gleiche Menge BE bzw. Kohlenhydrate aufzunehmen? Kohlenhydrataustausch- und Kalorientabellen sind in verschiedenen Ausführungen im Buchhandel erhältlich.
25 Diabetes und Reisen
Folgende Regeln sollten weiterhin beachtet werden: Ausreichend Material sollte vorhanden sein. Die Beschaffung von Medikamenten, Spritzen, Nadeln, Testutensilien, Glukagon-Kit und Notfallmaterial kann besonders im außereuropäischen Ausland schwierig sein, z. T. sind auch die Präparatenamen unterschiedlich bzw. nicht vergleichbar oder gar irreführend. Insulin sollte immer in doppelter Menge mitgeführt werden. U100-Insulinspritzen sollten mitgeführt werden. Insulin-Pumpenträger sollten Sie zusätzlich Katheter und Batterien im Reisegepäck haben. Medikamente sollten ausschließlich in der Originalverpackung inkl. Beipackzettel mitgeführt werden; dies ist hilfreich bei Kontrollen an der Grenze oder an Flughäfen sowie beim Nachkaufen der Medikation. Es sollte zuvor geklärt werden, ob Medikamente notfalls im Reiseland erhältlich sind. In den USA sind Spritzen z. B. rezeptpflichtig, die meisten Insuline sind jedoch rezeptfrei. Ein ärztliches Attest (deutsch/englisch) ausstellen, auf dem alle Medikamente angeführt sind (Insuline, aber auch weitere Medikamente) und das bei einer Insulinbehandlung zwingend Spritzenmaterial und weiteres Zubehör im Reisegepäck mitgeführt werden muss. Idealerweise zwei Atteste mitführen, falls ein Attest verloren geht oder beim Grenzübertritt eingezogen wird. Blutzuckermessgerät mit ausreichend Teststreifen mitnehmen sowie Batteriestatus überprüfen; ggf. Ersatzbatterien mitführen. Zusätzlich kann ein rein visuelles System mitgenommen werden.
Diabetes und Reisen
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Gesundheitspass Diabetes mitführen. SOS-Plakette zum Umhängen tragen. Informationen besorgen über mögliche Ansprechpartner lokaler Diabetesorganisationen, falls weiter Hilfe vor Ort benötigt werden sollte. Kontaktanschriften von Insulinherstellern können ebenfalls für Notfälle hilfreich sein.
26 Diabetes und Straßenverkehr
In der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist festgelegt, dass nur der am Straßenverkehr teilnehmen darf, der keinen anderen Teilnehmer gefährdet. Die Fahrtauglichkeit eines Menschen mit Diabetes wird in Deutschland nach den Richtlinien des Gutachtens »Krankheit und Kraftverkehr« beurteilt (zuletzt geändert in 2000). Es gilt die Fahrerlaubnis-Verordnung/FeV, eine Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FahrerlaubnisVerordnung/FeV) vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214) in der Fassung des Inkrafttretens vom 01.08.2007 (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2007 Teil I Nr. 33 S. 1460, ausgegeben zu Bonn am 25. Juli 2007). Von entscheidender Bedeutung für Menschen mit Diabetes sind dabei die Ausführungen in § 11 »Eignung«: (1) Bewerber um eine Fahrerlaubnis müssen die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. Außerdem dürfen die Bewerber nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, so daß dadurch die Eignung ausgeschlossen wird. Bewerber um die Fahrerlaubnis der Klasse D oder D1 müssen auch die Gewähr dafür bieten, daß sie der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht werden. (2) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewer-
Diabetes und Straßenverkehr
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bers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen. Die Behörde bestimmt in der Anordnung auch, ob das Gutachten von einem für die Fragestellung (Absatz 6 Satz 1) zuständigen Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, Arzt des Gesundheitsamtes oder einem anderen Arzt der öffentlichen Verwaltung, Arzt mit der Gebietsbezeichnung »Arbeitsmedizin« oder der Zusatzbezeichnung »Betriebsmedizin«, Arzt mit der Gebietsbezeichnung »Facharzt für Rechtsmedizin« oder Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 erfüllt. erstellt werden soll. Die Behörde kann auch mehrere solcher Anordnungen treffen. Der Facharzt nach Satz 3 Nr. 1 soll nicht zugleich der den Betroffenen behandelnde Arzt sein.« Zur formalen Beurteilung ist das jeweils gültige aktuelle Gutachten »Krankheit und Kraftverkehr« zu beachten (. Es wurde zuletzt 2000 vom Gemeinsamen Beirat für Verkehrsmedizin unter der Leitung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen veröffentlicht. Leitsätze für Diabetiker im Straßenverkehr Wer als Diabetiker zu schweren Stoffwechselentgleisungen mit Hypoglykämien (Blutzuckererniedrigung unter den Normalbereich) mit Kontrollverlust, Verhaltensstörungen oder Bewusstseinsbeeinträchtigungen oder Hyperglykä-
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Diabetes und Straßenverkehr
mien (Blutzuckererhöhung über den Normalbereich) mit ausgeprägten Symptomen wie z. B. Schwäche, Übelkeit, Erbrechen oder Bewusstseinsbeeinträchtigungen neigt, ist nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 gerecht zu werden. Wer nach einer Stoffwechseldekompensation erstmals oder überhaupt neu eingestellt wird, ist so lange nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen gerecht zu werden, bis die Einstellphase durch Erreichen einer ausgeglichenen Stoffwechsellage (einschließlich der Normalisierung des Sehvermögens) abgeschlossen ist. Bei ausgeglichener Stoffwechsellage sind im Umgang mit der Erkrankung informierte Diabetiker, die mit Diät, oralen Antidiabetika oder mit Insulin behandelt werden, in der Lage, Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 sicher zu führen. Wer als Diabetiker mit Insulin behandelt wird, ist in der Regel nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 gerecht zu werden. Ausnahmen setzen außergewöhnliche Umstände voraus, die in einem ausführlichen Gutachten im Einzelnen zu beschreiben sind. Neben regelmäßigen ärztlichen Kontrollen sind Nachbegutachtungen im Abstand von höchstens 2 Jahren erforderlich. Diabetiker, die mit oralen Antidiabetika vom Sulfonylharnstofftyp behandelt werden, sind in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 gerecht zu werden, wenn vor der Genehmigung eine gute Stoffwechselführung ohne Hypoglykämien über etwa 3 Monate vorlag. Nachbegutachtungen sind im Abstand von höchstens 3 Jahren erforderlich.
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Beurteilung der Fahreignung Die Voraussetzungen zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen können eingeschränkt oder ausgeschlossen sein, wenn durch unzureichende Behandlung, durch Nebenwirkungen der Behandlung oder durch Komplikationen der Erkrankung verkehrsgefährdende Gesundheitsstörungen bestehen oder zu erwarten sind. Diese Diabetiker bedürfen der individuellen Beurteilung in der Frage, ob ihre Fähigkeiten den Mindestanforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen entsprechen. Nach verkehrsmedizinischen Aspekten können drei Gruppen von Diabetikern entsprechend ihrer Behandlungsart und Kontrollbedürftigkeit unterschieden werden: Nur mit Diät sowie mit Diät und Medikamenten zur Besserung der Insulinresistenz (Biguanide, Insulinsensitizer) und/ oder Pharmaka zur Resorptionsverzögerung von Nährstoffen behandelte Diabetiker: Diabetiker dieser Gruppe können uneingeschränkt am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen. Mit Diät und oralen Antidiabetika vom Sulfonylharnstofftyp behandelte Diabetiker: Diabetiker dieser Gruppe sind eher selten durch Hypoglykämien gefährdet. Sie können in der Regel uneingeschränkt den Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeuges gerecht werden. Mit Diät und Insulin, auch mit Insulin und oralen Antidiabetika behandelte Diabetiker: Diabetiker dieser Gruppe sind vom Grundsatz her hypoglykämiegefährdet. Sie sind deshalb in der Regel nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 gerecht zu werden. Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 und auch der Unterklassen C1, ClE können sie jedoch führen, wenn davon auszugehen ist, dass sie auftretende Hypoglykämien und Hyperglykämien bemerken und erfolgreich behandeln können. Dies setzt regelmäßige Stoffwechselselbstkontrollen voraus.
186
Diabetes und Straßenverkehr
Die Hypoglykämie kann gut behandelt werden, wenn sie rechtzeitig erkannt wurde. Es gibt aber auch Diabetiker, bei denen sich die Bewusstseinsveränderungen oder Verhaltensstörungen so plötzlich oder ohne typische Warnzeichen einstellen, dass der Betroffene keine Gegenmaßnahmen ergreifen kann. Diese Diabetiker sind nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden, es sei denn, dass sie durch geeignete Maßnahmen, wie z. B. Therapieänderungen, Wahrnehmungstraining, Blutzuckerselbstkontrollen vor und während jeder Fahrt, derartige Hypoglykämien zuverlässig verhindern können. Eine gesonderte verkehrsmedizinische Beurteilung erfordern im Zusammenhang mit dem Diabetes die krankheitsbedingten Komplikationen, v. a. die Retinopathia diabetica. Weitere Komplikationen wie Nephropathia diabetica, kardiale und zerebrale Angiopathien, Hypertonie, periphere Neuropathie oder andere die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Ihre Beurteilung muss den Beurteilungsgrundsätzen folgen, die für diese Krankheitsgruppen vorgesehen sind (nach Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 2000). Richtlinien für insulinspritzende Kraftfahrer Im Kraftfahrzeug müssen immer ausreichende Mengen an schnellverdaulichen, d. h. rasch wirksamen Kohlenhydraten (z. B. Traubenzucker und Apfelsaft) griffbereit sein. Auch der Beifahrer sollte über den Aufbewahrungsort dieser Kohlenhydrate informiert sein. Bei Verdacht auf einen beginnenden oder abklingenden hypoglykämischen Schock darf eine Autofahrt nicht angetreten werden. Beim geringsten Verdacht auf eine Hypoglykämie während der Fahrt muss sofort angehalten werden. Der Fahrer muss Kohlenhydrate zu sich nehmen und abwarten, bis der Schockzustand sicher überwunden ist.
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Vor einer Fahrt darf der Diabetiker niemals mehr als die übliche Insulinmenge spritzen und muss die vorgeschriebene Tageszeit für die Injektion gewissenhaft einhalten. Vor Antritt einer Fahrt dürfen niemals weniger Kohlenhydrate gegessen werden als sonst. Empfehlenswert ist eher ein geringer Mehrverbrauch an Kohlenhydraten. Bei längeren Fahrten sollte der Diabetiker alle 2 h Pausen einlegen, den BZ bestimmen und ggf. zusätzliche Kohlenhydrate zu sich nehmen (Protokollieren zweckmäßig!). Lange Nachtfahrten und andere lange Fahrten, die den üblichen Tagesrhythmus stören, sollten möglichst vermieden werden. Eine Begrenzung der Fahrgeschwindigkeit aus eigenem Entschluss verhilft dem Diabetiker zu erhöhter Sicherheit. Jeglicher Alkoholgenuss vor und während der Fahrt ist besonders dem Diabetiker generell verboten. Immer sollte der Diabetikerausweis mitgeführt werden. Der Diabetiker sollte regelmäßig ärztliche Kontrollen (Augenarzt!) durchführen lassen.
Sachverzeichnis
A Abdomen, akutes 5, 56, 74 Abenddämmerungsphänomen 128 ACE-Hemmer 32, 65, 68, 69, 70, 91 ACE-Inhibitoren 71 Adipositas 2, 14, 20, 96, 109, 116, 139, 147, 167, 170, 171 Akromegalie 5 Akutes Abdomen 5, 56, 74 Albuminausscheidung 22, 66, 67 Albuminurie 2 − Screening 65 Alkohol 168 Alkoholgenuss 187 Alkoholintoxikation 50 Alpha-Blocker 92 Alpha-Glukosidase-Hemmer 146 Alpha-Glukosidaseinhibitoren 145 Amputation 88 Analoginsulin 98, 104, 109, 110, 118, 125, 129, 137, 139, 157 − Aspart 133 − Detemir 97 − Glargin 97, 101, 134
− Glulisin 134 − Lispro 133, 134, 135 − schnell wirksames 110, 113, 116, 117 Androide Fettverteilung 14 Antagonisten 91 Antibiotika 37, 89 Antikörper 11ff Arterielle Hypertonie 2 − Allgemeinmaßnahmen 91 − Ernährung 93 − Kochsalzrestriktion 92 − körperliche Aktivität 93 Arteriosklerose 58, 169 AT1-Antagonisten 68, 91 Ausdauersport 121 Austauschtabellen 179 Autoantikörper 11f Autoimmunerkrankung 10, 11 Autonome diabetische Neuropathie (ADN) 77, 79 Autoregulation 131 Azidose, metabolische 36
B Ballaststoffe 169 Basalinsulin 109, 125, 136, 140, 157, 158, 164
190
Sachverzeichnis
Basalinsulinbedarf 128 Basalinsulindosierung 130 Basis-Bolus-Insulintherapie 106 Basissekretion 100 Bedarfsinsulin 109f Berechnungseinheit 100, 175ff Beta-Blocker 23, 52, 70, 92 Beta-Zellen 98 Biguanidtherapie, Kontraindikationen 56 Biphasisches Insulin 104 Blutgasanalyse 35, 36, 46 Blutzucker 2f − normoglykämischer 108 − postprandialer 110f − präprandialer 104 Blutzuckerbestimmung 6 Blutzuckerkontrolle 101, 123, 132 Blutzuckerkorrektur 110 Blutzucker-Selbstkontrolle 132 Blutzuckerwert 28 BMI 170 Bolusinsulin 157 Borrelien 84 Broca-Index 170 Broteinheit 175 Burning-feet-Syndrom 74
C Charcot-Fuß 78, 83, 88 Continuous subcutaneous insulin infusion (CSII) 137
C-Peptid 6 Cystatin C 8
D Dawn-Phänomen 119, 128, 137 Dehydratation 35, 38, 42, 46 Detemir 97 Diabetes 10 − Schwangerschaft 25ff Diabetes mellitus − Folgeerkrankungen 58ff − Formen 10 − Symptome 1 Diabetesdefinition − Gestationsdiabetes 10 − MODY-Diabetes 10 − Typ 1 10 − Typ 2 10 Diabeteskost 169ff Diabetesrisiko 13 Diabetes-Screening 2, 8 Diabetikerausweis 187 Diabetische Ketoazidose 34ff − Auslöser 35 − Definition 34 − Flüssigkeitssubstitution 36, 37 − Hirnödem 38, 41, 43 − Insulingabe 37, 40 − Kaliumsubstitution 37, 39ff − Mortalität 45 − Natriumbikarbonat 37
Sachverzeichnis − Natriumbikarbonatgabe 42 − Phosphatsubstitution 43 − Schocklunge 45 Diabetische Makulopathie 62 − Klassifikation 63 Diabetische Nephropathie 28, 58, 72, 163 − Screening 65 Diabetische Retinopathie 28, 62f − Stadien 63 Diabetisches Fußsyndrom 83ff − Prophylaxe 86 − Schweregrad 88 Diabetogene Pharmaka 23 Diarrhoe 77, 80 Diätversagen 154 Diätversager 155 DIC (disseminated intravasal coagulation) 47 Diuretika 92 Doppler-Index 59 Dumping 120 Dunkeladaptation 64, 78 Duskphänomen 128, 130, 138 Dysfunktion, erektile 78, 81f Dyslipidämie 59, 67, 95 − Simvastatin 95 − Therapie 95f
E Einstellung, Blutzucker 108 Eklampsie 27, 32
191
Endokrinopathie 5, 10 Energiebedarf 105, 111, 121, 123, 164, 171 Erektile Dysfunktion 78, 81f Erythromycin 78 Exsikkose 1, 5, 17, 21, 34, 35, 44, 46, 165
F Fahreignung 185 − Hypoglykämie 183 Fette 174 Fettleber 20 Fibrate 96 Fludrocortison 79, 80 Fruktose 176, 179
G Gallenblasenatonie 79 Gangrängrenze 90 Gastroparese 35, 50, 53, 77, 78, 117, 120, 162, 163 Gegenregulation 49, 108, 129 Gegenregulationsmechanismen 49 Gestationsdiabetes 2, 10, 13, 25, 26, 28, 31, 106 − Insulinbedarf 30 − Therapie 29 Gesundheitspass Diabetes 181
192
Sachverzeichnis
Gewichtsreduktion 16, 69, 91, 95, 148, 156, 169 Gewichtszunahme 101, 157, 159 Glargin 97, 101, 134 Glaukome 94 Glibenclamid 52, 141, 149, 150, 158 Glimepirid 52, 141, 150 Glinide 141, 144 Gliquidon 141 Glitazone 152 − Herzinsuffizienz 153 Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) 8f, 66 GLP-1 99, 154 Glukagon 48, 54, 99 Glukoneogenese 50, 71, 99, 147, 151, 152, 165, 168 Glukosebelastung − intravenöse (IVGTT) 19 − bei Kindern 4 − orale (OGTT) 4, 5, 19 Glukoseinfusion 113, 164 Glukosetoleranz − gestörte 2, 4, 16, 22 − verminderte 14 Glulisin 134 GlutamatdecarboxylaseAntikörper (GAD-Ak) 13 Glykämischer Index (GI) 175, 176 Glykierung 7 Glykogenspeicher 50, 121, 122, 125
Guar 80, 120 Gustatorisches Schwitzen 77, 80
H Hämodialyse 57, 70 Harnwegsinfekt 1, 8, 27, 46, 47 Hashimoto-Thyreoiditis 11 Haushaltszucker 176 HbA1c 7 Herzinfarkt, stummer 61, 77, 162 Hirnödem 5, 41, 43, 44 − Therapie 44 Honeymoon-Periode 6, 18 Hormonelle Tagesrhythmik 119, 130 Humaninsulin 98 Hungerketose 9, 30, 57, 148 24-h-Urin 8, 31 Hypercholesterinämie 95 Hyperglykämie 126 − morgendliche 105, 128 − Postaggressionsstoffwechsel 155, 162 Hyperinsulinämie 10, 21, 31, 144, 147 Hyperkaliämie 38, 69, 92 Hyperlipidämie, gemischte 95 Hypernatriämie 37, 38, 42, 44, 57
Sachverzeichnis Hyperosmolares Koma − Flüssigkeitsbedarf 47 − typische Laborwerte 46f Hyperthyreose 5, 35 Hypertonie − arterielle 2 − nach WHO 68 Hypertonus s. Arterielle Hypertonie Hypertriglyzeridämie 95 Hypoglykämie 25, 27, 29, 34, 48ff, 126 − nächtliche 55, 129 − Prävention 52 − Risiko 31, 52, 135, 151, 152 − schwere 108, 113, 151 − Symptome 51 − Therapie 53 − Ursachen 49, 50, 55 − vormittägliche 128 Hypoglykämiediagnostik 127 Hypoglykämiegefahr 71, 148 Hypoglykämiesymptom 49 Hypoglykämiewahrnehmung 122, 123 Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen 70, 116 Hypoglykämiewarnsymptome 77, 118 Hypokaliämie 41 Hypomagnesiämie 41 Hypothyreose 50, 96
193
I Immunintervention 19 Impotenz 58 Infektion 94 Inhalatives Insulin s. Insulin Injektion, intramuskuläre 135 Injektionsort 100 Injektionsregion 140 Injektionsstellen 140 Inselzellantikörper (ICA) 11f, 13 Insulin 6, 97ff − Haltbarkeit 139 − Hauptwirkort 100 − Injektionsstellen 140 − (ultra-)langwirksames 98 − Wirkcharakteristika 98 Insulinantwort, frühe 21 Insulinautoantikörper (IA-Ak) 13 Insulindosierung 108ff, 125 − körperliche Aktivität 121 − Sport 121 Insulin-Glargin 97 Insulinmangel 34 Insulinmast 139, 156 Insulinmonotherapie 154, 159f Insulinom 50, 55 Insulinotrope Pharmaka 141 Insulinpen 137 Insulinpräparate, Index 133ff Insulinpumpe 137 Insulinresistenz 10, 14, 20, 109, 127, 147, 154, 157, 164, 185
194
Sachverzeichnis
− sekundäre 50 Insulinsekretion 99 Insulinsensitive Organe 98 Insulinsensitizer 141 Insulinspiegel 105, 101ff, 128 − Insulintherapie 103 − normale Pankreasfunktion 103 − Physiologie 103 Insulinsubstitution 105 − vollständige 108, 130 Insulintherapie 97ff Insulinüberdosierung 139 Insulinunabhängig 99 Intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT) 50, 54, 101ff, 104, 130 Ischämische Makulopathie 64 Ischämischer zerebraler Insult 62 Isomalt 179
K Kaiserschnitt-Entbindungen 27 Kalorienverbrauch 124 Kalziumantagonisten 69, 71, 91 Kardiomyopathie 82, 93 Katarakt 64, 94 Ketonkörper 9, 17, 34, 35 Kohlenhydrataufnahme 118 Kohlenhydrate 103, 173
− komplexe 30, 55, 120, 169, 172 − langsam wirksame 53 − schnell wirksame 186 Koma 1, 32, 34, 44 Kombinationstherapie 154 Konservierungsstoffe 97 Konventionelle Insulintherapie (CT) 101ff Koronare Herzkrankheit 93 Körpergewicht 170f Körperliche Aktivität 121 Korrekturinsulin 110, 113f, 164 Krankheit und Kraftverkehr 182 Künstliche Süßstoffe 177 Kußmaul-Atmung 35
L LADA-Diabetes 13 Laktatazidose 36, 56f − Biguanid-induzierte 56 − Therapie 57 − Typ-A- 56 − Typ-B- 56 Laserbehandlung 64 Leberinsuffizienz 50 Leitlinien 62, 67, 75 Lifestyle-Änderung 14 Linksherzhypertrophie 93 Lisfranc 90 Lispro 134
Sachverzeichnis
M Makroangiopathie 58, 83 Makrosomie 2, 27, 29 Makulaödem − diffuses 63 − fokales 63 Mannit 179 MDRD-Formel 8 Mediterrane Kost 169 Metabolische Azidose 36 Metabolisches Syndrom 16, 22f − Definition 22 − Insulinsekretion 21 Metformin 59, 146ff − Kontraindikationen 148 Metoclopramid 78, 79 Micral-II-Test 8 Mikroalbuminurie 7f, 28, 62, 92, 174 − Definition 65 − falsch-positive Befunde 8 − persistierende 8 Mikroangiopathie 58, 62ff Mikrozirkulationsstörung 162 Mischinsulin 97, 103, 105, 116, 117, 137, 158 MODY-Diabetes 10, 26 Mönckeberg-Sklerose 59 Monofilament-Test 86 Mukormykose 94 Myokardinfarkt 35, 46, 70
195
N Nahrungskarenz 49, 52, 100 Natriumbikarbonat 42 Natriumbikarbonatgabe 42 Necrobiosis lipoidica 94 Nephropathie 65ff Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) 75 Nierenersatztherapie 69, 72 Nierenfunktionsprüfung 8f Niereninsuffizienz 7, 50, 51, 56, 66, 67, 70, 71, 148, 149, 151 Nierentransplantation 70, 72 Nikotin 23 Nikotinabusus 87, 146 Normalgewicht 171 NPH-Insulin 54, 97, 101, 107, 109, 112, 118, 128, 130, 132, 133, 140, 149 Nüchtern-Blutzuckerspiegel (Nü-BZ) 118 Nüchternglukose 2 − gestörte 3, 21, 22, 25
O Obstipation 77, 80 OGTT 3, 5, 6, 11, 19, 28, 29 − Beurteilung 4 Orthopädische Schuhe 87, 88
196
Sachverzeichnis
Orthostase 77, 78, 93 Osteomyelitis 88, 140
P Pankreastransplantation 70 Pankreatektomie 118 Pedographie 84 Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) 58ff Periphere diabetische Neuropathie (PDN) 72ff Perkutane transluminale Angioplastie (PTA) 61 Peroxisomen-Proliferatoraktivierender Rezeptor (PPAR) 152 Pflanzliche Öle 169 Phäochromozytom 5 Pharmaka, diabetogene 23 Phosphatsubstitution 43 Phosphodiesterase-5-Inhibitoren 81 Pioglitazon 141, 153 Polydipsie 1, 17 Polyurie 1, 17, 46 Postaggressionsstoffwechsel 155, 162 Präeklampsie 27, 31 − schwere 32 Primärversagen 155 Proinsulin 20 Prostavasin 59
Proteinbedarf 174 Proteinzufuhr 174 Proteolyse 17, 36, 99 Pruritus vulvae 1 Pseudoperitonitis 1 Pumpenbehandlung 106, 138
R Reduktionskost 23 Reisen − Attest 180 − Gepäck (Material) 180 − Gesundheitspass 181 Remissionsphase 108 Repaglinide 141, 152 Retinopathia diabetica 186 Röntgenkontrastmittel 71 Rosiglitazon 141, 153 Ruhetachykardie 77
S Schätzeinheit 175 Schulterdystokie 27 Schwangerschaft − Glukosescreening 28 − kindliche Risiken 27 − mütterliche Risiken 27 − Nephropathie 28 − Normwerte 25
Sachverzeichnis − Retinopathie 28 Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH) 32 Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT) 82 Sehstörung 1, 44, 48, 51 Sekundärversagen 156ff − unechtes 155f Serumproteine, glykierte 7 SH-Therapie 149 Somogyi-Phänomen 129 Sorbit 179 Spät-Dumping-Syndrom 55 Spätmahlzeit 103 Sport, Insulindosierung 121 Spritz-Ess-Abstand (SEA) 50, 79, 104, 117, 118, 132, 140 Spritztechnik 140 Statine 65, 96 Straßenverkehr 182 Stresshormon 121, 122, 126 Subkutane Resorption 100 Sulfonylharnstoff 52, 141, 144, 149ff − Kontraindikationen 151f − Nebenwirkungen 149f Süßstoffe, künstliche 177 Syndrom, metabolisches 16
T Temperaturempfinden 72, 75 Thiaziddiuretika 3, 70
197
Thiazolidindione 152 Troglitazon 153 Typ-1-Diabetes mellitus 10 − Erstmanifestation 18 − genetische Disposition 12 − Immunintervention 19 − Manifestationsgipfel 17 − Pathogenese 11 − Prävention 19 − Remissionsphase 18 − Risiko 13 − Symptome 17 Typ-2-Diabetes mellitus 10 − Differenzialtherapie 144 − Insulinrestsekretion 21 − Pathogenese 15 − Stadien 15 − Therapie 143, 144 − – Stufenplan 143 − – Therapieplanung 145 − – Therapieziele 145 − Vererbung 14 Tyrosin-Phosphatase-Antikörper (IA-2-Ak) 13
U Übergewicht 171 Untergewicht 171 Unterzuckerungszustand 50 Urämie 84
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Sachverzeichnis
V Verzögerungsinsulin 128, 133, 137, 139 Vibrationsempfinden 72, 74, 85 Vitamin-B-Mangel 84 Vitien 93 Vollnarkose 161
W Waist-hip-ratio (WHR) 170
X Xylit 179
Z ZNS-Azidose 44 Zuckeraustauschstoffe 80, 179 Zusätzlicher Energiebedarf 125 Zwischenmahlzeit 103, 119