K
L
E
I
N
E
BORIS
J
U
G
E
N
D
R
E
I
H
E
DJACENKO
DER SCHWALBENKONSTRUKTEUR
V E R L A G K U L T U R ...
12 downloads
413 Views
449KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
K
L
E
I
N
E
BORIS
J
U
G
E
N
D
R
E
I
H
E
DJACENKO
DER SCHWALBENKONSTRUKTEUR
V E R L A G K U L T U R U N D F O R T S C H R I T T B E R L I N
1 953
4. Jahrgang, Heft 6/1953
Diese Erzählung ist dem m unserem Verlag erschienenen Sammelband von Boris Djacenko ,,Wie der Mensch Gesicht bekam“ entnommen.
Copyright 1953 by Verlag Kultur und Fortschritt GmbH. Berlin Printed in Germany • Alle Rechte vorbehalten Lizenz-Nr. 3 Einband- Verlagsentwurf – Rudi Lehmann Textillustrationen Ernst Jazdzewski Satz und Druck: (III/9/1) Sachsische Zeitung, Verlag und Druckerei, Dresden N 23, Riesaer Straße 32 353 12079 885/1/53
Von Bruch las die Seite des Buches zu Ende und schaute erst dann zu dem Leutnant auf, der eingetreten war. „Was ist das für ein Fall?“ „Die Brückensprengung bei Sagoroschje, Herr Oberst.“ „Dann geht es mich nichts an. Ist Sache des Sicherheitsdienstes.“ „Zu Befehl, des Sicherheitsdienstes!“ Klack! Die Absätze des Leutnants Herrweg schlugen automatisch zusammen. „Aber Herr Sturmbannführer äußerte trotzdem den Wunsch, Sie möchten das Verhör wegen des Berichtes übernehmen.“ Oberst von Bruch dachte kurz nach. Obwohl kaum älter als fünfzig, war sein buschiges, locker gekämmtes Haar schon ergraut. Er hatte eine kantige, massive Stirn und Augen, die scharf beobachteten und Menschenkenntnis verrieten. ,Herr Sturmbannführer äußerte trotzdem den Wunsch…’ Also war es Befehl. Da half nichts. „Na gut, bringen Sie mir die Akten. Und dann führen Sie die… Festgenommenen her!“ „Zu Befehl! Akten bringen! Dann die… die Kerle herführen!“ Klack. Allein geblieben, blätterte der Oberst die Seite um, las weiter, bemerkte aber, daß er mit seinen Gedanken nicht mehr dabei war. Er nahm ein abgebranntes Streichholz, kratzte am Rand des Aschenbechers das verkohlte Ende ab, legte es dann schön sauber zwischen die Seiten und schlug das Buch zu. Es war „Krieg und Frieden“ von Tolstoi. Dann stand er auf und trat ans Balkonfenster. Erst vor ein paar Wochen war er direkt aus Marseille, wo er die Gruppe M III des deutschen Abwehrdienstes im Mittelmeerraum geleitet hatte, nach Oreschowo versetzt worden wegen eines zu skeptisch gehaltenen Berichtes.
Nicht weniger gab ihm zu denken, was er jetzt hier in Rußland sah, schon allein der Anblick des Platzes vor der Kommandantur. In seiner Mitte stand ein weißer Marmorsockel. Die Leninstatue, von den Deutschen entfernt, war in Stücke zerschlagen worden. Der Sockel selbst wurde als Anschlagsäule für Bekanntmachungen benutzt. Schon von weitem erkannte man die Hinrichtungsbefehle auf rotem Papier mit schwarzem Rand. Doch keine Menschenseele war da, die sie gelesen hätte. Wie ausgestorben wirkten auch die ausgebrannten Ruinen der kleinen zweistöckigen Häuser, die den Platz umsäumten. Die wenigen Einwohner, die in Oreschowo zurückgeblieben waren, hausten in Kellern. Seit zwei Tagen kamen sie kaum noch ans Licht, als könnten sie unter der Erde das ferne Geschützdonnern besser hören, das ihnen Befreiung verhieß. „Die Akten, Herr Oberst.“ Klack. Von Bruch öffnete die Mappe, verzog die buschigen Augenbrauen. Ein Zeitungsausschnitt lag darin, das - schlecht reproduzierte Bild eines Mädchens, und ein Blatt mit fünf Namen. Quer durch – ein dicker roter Strich, oben drüber: ,Erledigen bis 28. 7. Engerle.’ Der Name Pjotr Koserew war noch besonders mit Tinte durchgestrichen. „Was sind denn das für Akten? Nur die Namen?“ „Heute ist der siebenundzwanzigste, Herr Oberst.“ „Na und, was hat das damit zu tun?“ „Insofern, Herr Oberst, daß man heute nacht den Fall sowieso erledigen muß laut Bemerkung. Da meinte Magdanz, wozu noch Papier vollschreiben. Er ahnte ja nicht, daß Herr Sturmbannführer diesmal genaue Unterlagen haben will, weil – Sie wissen ja!“ Von Bruch wußte. Zwei russische Divisionen lagen hufeisenförmig um Oreschowo. Gelang es
ihren Panzerverbänden, die Zange zu schließen, gab es für die Deutschen kein Entrinnen mehr. Daher Engerles plötzlicher Wunsch, ihn, von Bruch, mit dem Verhör zu „betrauen“. Der Oberst ließ sich aber nichts anmerken. Er schnippte auf das Blatt mit den durchgestrichenen Namen. „Was ist mit dem Koserew? Schon ,erledigt’?“ „Ja. Bei der Verhaftung. Wollte fliehen und – “ „Wie ist man ihnen auf die Spur gekommen?“ „Da war einer, der sie um diese Zeit in der Nähe der Brükke gesehen hat.“ „Sind Beweise da?“ „Nein! Aber meiner Ansicht nach – “ „Sitzen die übrigen vier in Einzelzellen?“ „Jawohl, Herr Oberst.“ „Dann werden Sie sie mir auch einzeln vorführen!“ „Zu Befehl, einzeln.“ Klack. Und schon erklangen draußen im Korridor Schritte. Zwei SS-Männer mit Stahlhelmen traten ein, pflanzten sich beiderseits der Tür auf mit Maschinenpistolen im Anschlag. Dann erschien zwischen ihnen der erste der Terroristen. Von Bruch schaute hin, wußte im ersten Augenblick nicht, was er sagen sollte. Da stand ein Bube, kaum älter als zwölf, selbstsicher, gar nicht verschüchtert. Ein kleiner Pfiffikus, man merkte es schon daran, wie er sich die Nase rieb und im Zimmer umguckte. Sicher spielte er noch Murmeln und bemogelte dabei tüchtig die andern. Schon aus Spaß an der Sache. Er trug ein gelbes Russenhemd, eine alte, bis zu den Knien aufgekrempelte lange Hose, war barfuß. Die Hose mußte er mit den Händen festhalten, sonst wäre sie ihm sogleich runtergerutscht. Den Riemen hatte man ihm abgenommen laut
Vorschrift, damit er sich nicht erhängen kann. Von Bruch fühlte sich veralbert. „Was soll das?“ wandte er sich schroff an Leutnant Herrweg. „Dieser Spatz da… soll eine Brücke gesprengt haben?!“ „Zu Befehl, Herr Oberst, die Annahme besteht.“ Klack. Von Bruch überlegte. „Lassen Sie uns allein!“ Klack. Auch die beiden SS-Männer zogen ab, leicht verlegen, was sie unter einem Lächeln zu verbergen suchten, „Wie heißt du denn?“ fragte von Bruch. „Nikolai Alexandrowitsch Grekow.“ „Und warum hat man dich festgenommen, Kolja?“ „Weil meine Ziege als Zugtier nicht gut dressiert war.“ „Ziege – dressiert?!“ „Ja ja, ich habe da so eine Art Fuhrgenossenschaft aufgezogen. Die Ziege gehört mir. Milch gibt sie keine mehr, aber sonst ist sie zähe. Mischka lieferte das Chassis vom Kinderwagen, Saschka die Räder. Da hatten wir das Gefährt zusammen. Freilich primitiv… kein SIS… aber immerhin, ‘n Sack Kartoffeln und so konnten wir befördern“, erzählte der Knabe wichtig und nicht ohne Stolz, als spräche er mit einem alten Bekannten. „Und was hast du an der Brücke gemacht?“ „Gemacht? Nichts!“ „Aber du warst doch in der Nähe, als sie in die Luft ging?“ „Na ja… aber nur geschäftlich.“ „Wie denn – ,geschäftlich’?“ „Na, das war so. Die alte Warwara Simonowna hatte eine Wanduhr. Dafür wollte sie eintauschen, was es so an Rüben gibt, ‘n halben Zentner. Na, ich hab mit Mischka unsere Artelziege eingespannt und die Uhr aufgeladen. Und dann
fuhren wir los ins Dorf. Nach Bochorin. Saschka hatte Zahnschmerzen, ich meine, eine geschwollene Backe. Der mußte zu Hause bleiben. Wie wir auf der Brückenböschung sind, der Wachposten unten hat uns durchgelassen – kennt uns schon – , da bockt auf einmal das Tier, ich meine, zieht nach links. Ich gebe ihm eins übers Fell, es zieht noch mehr nach links und – runter geht’s den Abhang zum Fluß.“ „Warum bockte denn dein ,Zugtier’ so auf einmal?“ Von Bruch versuchte ernst zu bleiben. „Na ja, da sieht man gleich, daß Sie nie ‘ne Ziege gehabt haben. Erstens, weil so ‘ne Ziege, wenn sie keine Milch mehr gibt, schlimmer ist als ein Esel, ich meine Eigensinn und so. Zweitens, weil so ‘ne Ziege auch mal Durst hat, besonders wenn’s so heiß ist wie vorgestern.“ „Das stimmt. Und wie ging es weiter?“ „Zuerst ging es gar nicht weiter. Denn ich hatte nur einen Gedanken – die Uhr! Aber so’n Wunder! Vorher tickte sie zwar, aber konnte nicht schlagen. Jetzt auf einmal: bam, bam, bam – hatte vor Schreck ihr Schlagvermögen wiedergewonnen! Da gab’s einen ordentlichen Bums. Das war aber nicht die Uhr. Das war die Brücke. Was hinterher geschah, hab ich nur so im Halbschlaf gehört. Immerhin – eine Lufterschütterung ist es, wenn so eine Brücke in die Luft fliegt. Sache!“ Nur mit Mühe unterdrückte von Bruch ein Schmunzeln über das kecke Bürschchen. Um davon abzulenken, fragte er: „Warst du im Komsomol, Kolja?“ „Da merkt man gleich, obwohl Sie russisch sprechen – lange sind Sie nicht in der Sowjetunion“, versetzte er. „In den Komsomol wird man doch erst aufgenommen, wenn man vierzehn ist. Vorher ist man nur Pionier.“ „Na, und warst du einer?“
„Ich wollte schon, aber sie nahmen mich nicht.“ „Warum denn nicht?“ „Sie haben rausgefunden, ich hätte noch Überreste vom Privatkapitalismus in meinem Charakter, von wegen Melonenklauen und so. Da hab ich gesagt: Na, wenn ihr nicht wollt, dann laßt es sein! Bin ohne Großmutter aufgewachsen, werde auch ohne euch auskommen.“ Das Brummen eines Flugzeuges drang durch das offene Balkonfenster. Kolja lauschte eine Weile, dann sagte er kurz und sachkundig: „Ju 52. Transportmaschine, drei Maschinengewehre, vier Mann Besatzung, Flugweite tausendfünfhundert Kilometer.“ „Stimmt genau. Woher kennst du dich denn so gut in deutschen Flugzeugen aus?“ „Sache! So was lernt man doch in bald drei Jahren, wenn man nicht Schnupftabak im Kopf hat. Außerdem, ich bin eben Spezialist auf dem Gebiet.“ „Auf welchem?“ „Aeronautik.“ „Kannst auch ohne Flügel fliegen, wie?“ fragte der Oberst lachend. „Ohne Flügel freilich nicht. Von wegen Schwerkraft und so. Aber wenn ich ein Segelflugzeugmodell baue, dann fliegt es besser als eins mit’m Motor.“ „Na!“ Schon mehrmals hatte Kolja durchs Fenster geblickt. Jetzt war ihm offensichtlich ein Gedanke gekommen. „Wollen wir wetten?“ „Wie wetten?“ „Geben Sie mir das Stück Papier da, sechs Streichhölzer und ein bißchen Kleister. In fünf Minuten mach ich ein Schwalben-Modell, das fliegt über den ganzen Platz.“
Oberst von Bruch nahm das Blatt, die Büchse mit Kleister, zählte die Streichhölzer ab. „Also, worauf wetten wir?“ Kolja überlegte. „Wenn es rüberfliegt, krieg ich jeden Tag, den ich eingesperrt bin, Rührei mit Makkaroni. Abgemacht? Und außerdem darf ich, solange ich will, unten aufm Hof in der Sonne liegen.“ „Ich nahm an, du willst raus in die Freiheit?“ „Ach, jetzt, wo mein Zugtier dem Bombenanschlag zum Opfer gefallen ist, da faß ich das hier als eine Art Erholungsurlaub auf. Meine Existenz ist ja nun sowieso ruiniert.“ „Also gut! An die Arbeit!“ Von Bruch steckte sich eine Zigarette an und beobachtete gutgelaunt, wie der Knabe seine „Schwalbe“ verfertigte. Er tat es mit einer Fingerfertigkeit, die sofort verriet, daß er solche „Schwalben“ schon zu Dutzenden gemacht hatte. Vor Eifer fuhr ab und zu seine Zunge heraus, beleckte die Lippen, er war ganz vertieft. Idioten! So einen Buben als Terroristen festzunehmen! schloß von Bruch seine Überlegungen. „So, fertig! Muß nur noch getauft werden.“ Kolja griff nach einem Bleistift. „Ich schlage vor – Prometheus. Das ist einer, der Feuer erfunden hat und so.“ „Einverstanden – Prometheus.“ Kolja kniete auf den Fußboden nieder, malte ein paar Krakel auf den Schwanz der „Schwalbe“. „So. Und jetzt können wir!“ Beide traten auf den Balkon. Kolja streckte sachkundig die Nase in die Luft, um festzustellen, woher der Wind käme. Dann holte er mit dem rechten Arm aus, während er mit der anderen Hand die Hose festhielt, und ließ seine Schwalbe fliegen. Das hatte von Bruch nicht vermutet. Sie glitt durch
die Luft wie ein Vogel, und obwohl sie nur den Denkmalssockel erreichte, an dessen Fuß sie zur Erde fiel, enthielt er sich nicht des Lobes. „Das hast du wirklich fein gemacht!“ Kolja tat trübselig. „War kein richtiger Luftzug! Und auch das Papier taugt nichts.“ „Macht nichts. Kriegst trotzdem dein Rührei!“ Sie kehrten ins Zimmer zurück. Am liebsten hätte von Bruch noch ein Weilchen mit dem Buben geschwatzt, doch dann dachte er an die andern und klingelte. „Führen Sie ihn zurück, Herrweg, und machen Sie die Entlassungspapiere fertig.“ „Und das Rührei?“ erinnerte Kolja. „Richtig. Er kriegt ein Rührei, aber ein ordentliches! Führen Sie den nächsten herein! Aber diesmal keine solchen Späße mehr, bitte!“ „Zu Befehl, keine Späße.“ Klack.
Von setzte wieder
Bruch sich an den
Schreibtisch und wartete. Es verging jedoch eine geraume Zeit, ohne daß der Leutnant zurückkehrte. Von Bruch wollte nach ihm klingeln, da hörte er von draußen aufgeregte Stimmen, Schritte. Die Tür wurde aufgerissen, und mit einem groben Kolbenstoß wurde Kolja noch einmal ins Zimmer befördert. Herrweg hielt vorsichtig die Papierschwalbe zwischen den Fingern. „Ja, was ist denn?“ „Bitte, Herr Oberst!“ Er zeigte unter den Flügel der Schwalbe, legte sie vor ihm auf den Tisch. GORBUN VERRÄTER. ES LEBE UNSER KOMSOMOL! Dann erklärte Herrweg: „Ich stand gerade am Fenster und erlaubte mir zu sehen, daß ein Bengel, der schon längere Zeit auf dem Platz herumlungerte, den Vogel haben wollte. Da schöpfte ich Verdacht.“ „Haben Sie ihn erwischt?“ „Nein, leider nicht.“ Von Bruch war betroffen, verriet es aber mit keiner Wimper. Er schaute sich Kolja lange an, wie er dastand in seinem gelben, geflickten Russenhemd, der hochgekrempelten Hose, die er festhalten mußte, die strohgelben Haare in der Stirn, barfuß, genau wie vorhin. Nur sein Blick war nicht mehr derselbe. Keine Spur mehr von dem kindlich Verschmitzten, von der liebenswürdigen Durchtriebenheit. Da sagte von Bruch, unerwartet für alle: „Es bleibt trotzdem bei Rührei!“ Koljas hageres Gesichtchen verzog sich verächtlich: „Sparen Sie sich das Rührei. Ich werde auch dann nicht reden, wenn Sie mich auf Kohlen braten.“ „Wir kommen ohne Kohlen aus.“ Und zu Herrweg: „In die
Zelle! Führen Sie den nächsten herein!“ „Zu Befehl, den Nächsten!“ Klack. Die beiden behelmten SS-Männer nahmen mit Maschinenpistolen wieder Aufstellung an der Tür. Jetzt erschien es von Bruch gar nicht mehr lächerlich, obwohl die Person, die hereingeführt wurde, auch diesmal für ihn eine unerwartete Erscheinung war. Er war nicht der erste, den die seltene Schönheit Asjas aufmerken ließ. Dabei war alles an ihr schlicht, sogar ihr prächtiges, blauschwarzes Haar trug sie glatt und in der Mitte gescheitelt. Jede ihrer Bewegungen verriet Selbstbewußtsein und Haltung. Sie hatte eine außerordentlich wohlklingende Stimme und wählte ihre Worte mit Überlegung. „Sie heißen Anastasija Oserowa?“ „Ja.“ „Leben Sie ständig in Oreschowo?“ „Nein, ich bin aus Tomsk.“ „Und wie sind Sie hierhergekommen?“ „Ich war zu Besuch bei einer Freundin. Der Krieg verhinderte meine Rückkehr.“ Von Bruch warf einen Blick auf die Landkarte an der Wand. „Muß eine sehr nahe Freundin gewesen sein, nach der Entfernung zu urteilen. Sind immerhin mehr als 2000 Kilometer.“ „Mit dem Flugzeug bis Kursk dauert es keine zehn Stunden.“ „So. Und jetzt erzählen Sie mir bitte, wo und wann Sie verhaftet wurden.“ „Vorgestern. Ich habe mich am Ufer des Flusses gesonnt, ging nach Hause – “ „Allein?“ „Ja. Dort wurde ich dann festgenommen.“
„Nachdem die Brücke in die Luft gegangen war?“ „Ja. Aber ich vermute, nicht weil ich mich gesonnt habe.“ Ihre blutvollen, schön gezeichneten Lippen lachten von Bruch aus. Er wollte sie scharf anfahren, hatte sich aber sofort wieder in der Hand und sagte scherzhaft: „Das vermute ich auch. Nahmen Sie Ihr Sonnenbad stromaufwärts oder stromabwärts der Brücke?“ Kurzes Zögern. „Stromabwärts.“ „Sind Sie eine gute Schwimmerin?“ „Nein, eine sehr mäßige.“ „Sie waren da am Fluß mit Freunden zusammen?“ Wieder kurzes Zögern. „Ja.“ Von Bruch brauchte nicht mehr auf das Verzeichnis zu blicken. „Mit Pjotr Koserew, Gerassim Surkow und Wladimir Judin?“ „Gerassim war nicht dabei. Ihn habe ich schon eine gute Woche nicht mehr gesehen“, versetzte sie rasch. „Und wie kam Ihr Bild in eines seiner Bücher?“ Von Bruch zeigte ihr den Zeitungsausschnitt, einem Einfall folgend; denn er wußte überhaupt nicht, woher der Ausschnitt stammte. Asja gelang es diesmal nicht, ihre Verlegenheit ganz zu verbergen. „Woher soll ich das wissen… Wahrscheinlich… wahrscheinlich hat Gerassim das Bild früher mal ausgeschnitten und… und in dem Buch vergessen.“ „Also, Sie waren nur mit Koserew und Judin zusammen?“ „Ja. Aber Judin ging schon vorher weg.“ „Sie blieben also mit Koserew allein?“ „Ja.“ „Auf dem Heimweg – worüber haben Sie sich da so mit ihm unterhalten?“ Sie dachte nach.
„Über das neue Klavierkonzert von Prokofjew.“ Vorhin hatte sie gesagt, sie wäre allein nach Hause gegangen. Von Bruch tat aber, als hätte er auch diesen Widerspruch gar nicht bemerkt. Er betrachtete prüfend ihre schlanken, ein wenig sehnigen und offenbar sehr durchtrainierten Finger. „Sie sind Pianistin, nicht wahr?“ Sie lachte. „Pianistin? Nein. Wie kommen Sie darauf?“ Von Bruch, der die ganze Zeit etwas auf seinen Block zeichnete, anstatt ihre Aussagen zu notieren, spielte mit den Fingern der linken Hand. „Sie irren sich aber!“ bemerkte sie trocken. „So? Und was sind Sie dann von Beruf?“ Sie suchte nach einem passenden Wort. „Auf deutsch heißt es, glaube ich – Kuhmagd.“ „Fällt Ihnen wirklich nichts Besseres ein?“ Er schaute gar nicht auf. „Wieso nichts Besseres? Ist denn das kein Beruf?“ Jetzt blickte er sie an, streng, aber nicht böse. „Wir wollen es so halten, Fräulein Oserow: Was Sie mir nicht sagen wollen, das behalten Sie für sich. Vorläufig. Auf diese Art sparen wir beide Zeit – für bessere Witze.“ „Aber worin soll hier ein Witz liegen?“ „Dieses Bild von Ihnen hat man also in der Zeitung gebracht, weil Sie eine Kuhmagd sind?“ Sie wollte etwas sagen, er ließ sie nicht zu Wort kommen. „Na gut, meinetwegen, Kuhmagd! Warum nicht? Auf einem Karneval tut man’s auch.“ Er drehte den Zeitungsausschnitt um, überflog den Text auf der Rückseite, unterstrich ein paar Worte. Dann notierte er etwas, drückte auf den Knopf. Herrweg trat ein. Schweigend reichte ihm der Oberst Zeitungsausschnitt und Notiz. „Zu Befehl!“ Klack.
„Also Sie unterhielten sich über Prokofjews Klavierkonzert? Und worüber noch?“ „Über die Deutschen.“ „Und was sagten Sie?“ „Was hätten Sie gesagt, wenn Sie ein Sowjetbürger wären?“ „Gesagt? Nichts!“ Von Bruch lehnte sich zurück. „Ich hätte gehandelt. Zum Beispiel folgendermaßen. Interessiert es Sie?“ „Ja.“ „Ich hätte schon lange vorher mit Freunden erwogen, wie wir diese deutschen Okkupanten…“ Er nahm ein Streichholz, brach es entzwei. Dabei ließ er keinen Blick von ihrem Gesicht. Jede Bewegung, jedes Zucken der Lider war jetzt für ihn wichtig. „Dann hätte ich Verbindung mit einer Widerstandsgruppe aufgenommen oder mir sonstwie einen Sprengkörper verschafft, den man, sagen wir, leicht in eine Wanduhr einbauen kann. Wenn ich Phantasie hätte, wäre mir auch der ausgezeichnete Einfall mit dem ,Ziegenvehikel’ gekommen. Denn wer würde schon beim ,Transport’ einer alten Uhr Sprengkörper darin vermuten, nicht wahr? Besonders, wenn ein Pfiffikus wie Kolja kutschiert! Ich weiß, ich weiß, Sie kennen ihn gar nicht!“ Er kam ihr zuvor und ließ sich nicht unterbrechen. „Während er die Mine an Ort und Stelle befördert, würde ich mit meinen Freunden ein Sonnenbad nehmen, am Ufer des Flusses. Richtig. Aber nicht unterhalb, sondern oberhalb der Brücke! Wenn wir dann sehen, der Kolja hat es geschafft, springen wir ins Wasser, denn schließlich wird es ja heiß in der Sonne, nicht wahr? Da ich nun keinesfalls ein mäßiger, sondern ein ausgezeichneter Schwimmer bin, gelange ich rasch bis unter die Brücke, ohne daß der Wachposten Verdacht
schöpft. Ich winke ihm sogar zu. Zehn Minuten später geht die Brücke in die Luft, während ich auf dem Heimweg noch gar nicht an den Ruhm denke, dem ich ein Heldendenkmal nach dem Tod verdanken werde. Zum Beispiel ein solches.“ Er reichte ihr das Blatt. Es war eine gelungene Skizze. Ein Sockel wie der auf dem Platz draußen, ein Mädchen, das mit einem in sich gekehrten Blick die Finger über die Tasten eines Klaviers gleiten läßt. Auf einer Ecke des Sockels steht ein Bube. Mit einer Hand hält er die aufgekrempelte Hose fest, mit der andern eine „Schwalbe“, die er auffliegen lassen will. Drei Ecken des Sockels waren noch leer. „Schön!“ Asja gab ihm das Blatt zurück. „Auch wenn es nicht stimmt.“ Von Bruch bemerkte, wie sie sich anstrengen mußte, um ihre Erregung niederzukämpfen. Herrweg trat ein, legte von Bruch eine Zeitung auf den Tisch. Da war dasselbe Photo, das ausgeschnitten in der Mappe gelegen hatte. Ein lächelndes Mädchen, dunkel, sehr schön, mit glattem, in der Mitte gescheiteltem Haar. Bildunterschrift: Asja Oserowa aus der Kollektivwirtschaft ,Tschapajew’, die wegen ihrer Höchstleistung als Melkerin und ihrer vorbildlichen Tierpflege den Roten ArbeitsbannerOrden erhalten hat. „Danke.“ Von Bruch reichte dem Leutnant die Zeitung zurück. „Den Nächsten bitte.“ „Zu Befehl!“ Klack. Als Asja abgeführt wurde, drehte sie sich noch einmal um, wies auf die Zeichnung. „Sie würden besser tun, einen Galgen zu zeichnen. Als Denkmal für sich selbst.“ Der SS-Mann packte sie an den Haaren und zerrte sie hin-
aus. Von Bruch wollte ihn anschreien, unterließ es aber. Denn in der Tür stand schon der Nächste, ein schmächtiger junger Mensch. Er mochte siebzehn sein, hatte ein blasses, nichtssagendes Gesicht, schien sehr unsicher. Durch die starken Brillengläser glichen seine Augen denen eines Frosches. Ist basedowkrank, stellte von Bruch fest. „Wladimir Judin?“ Der andere nickte. Er war so aufgeregt, daß er kaum reden konnte. „Vorgestern, als die Brücke gesprengt wurde, waren Sie auch am Fluß?“ Wieder ein Nicken. „Mit wem?“ „Mit Asja… Pjotr Koserew“, bekam Wladimir mit Mühe heraus. „Und was tun Sie hier in Oreschowo?“ „Lebe bei meinen Eltern.“ „Und sonst?“ „Ich bereite mich zum Studium vor.“ „Wie man Brücken sprengt?“ „Nein, Germanistik.“ „Welches Fach?“ „Germanistik. Deutsche Sprache und Kulturgeschichte.“ „Also ein Verehrer der deutschen Kultur?“ fragte Bruch sarkastisch. Er begann, gereizt zu werden. „Ja, vor allem der Dichtung“, bestätigte Judin ernst. „Na, dann wären ja die Richtigen zueinander geraten. Sie verehren die großen Geister der deutschen, ich die großen Geister der russischen Dichtung.“ Er zeigte auf das Buch Tolstois. „Wirklich, ein ausreichender Grund, um den Krieg gegeneinander bis aufs Messer zu führen.“ „Nein, das ist kein Grund“, widersprach Judin scheu und zugleich sehr bestimmt. „Wir führen Krieg, weil… weil der Faschismus aus den Deutschen… gewissenlose deutsche
Okkupanten gemacht hat.“ „Was heißt Okkupanten?“ fragte von Bruch ruhig, wieder Herr seiner selbst. „Das heißt… ich meine… alle, die hier sind… die wissen ja gar nichts von deutscher Kultur, so verroht und unkultiviert sind sie!“ „Hm, alle?“ Die Tür ging auf, diesmal ohne Anklopfen. Sturmbannführer Engerle erschien, ein sehr großer stattlicher Mann. Jeder Schritt war Machtbewußtsein, was sich aber heute weniger als sonst in seinem glattrasierten, scharfgeschnittenen Gesicht widerspiegelte. Schließlich, die Lage um Oreschowo…! Oberst von Bruch erhob sich, betont lässig, grüßte. „Nun, wie weit sind Sie? Haben Sie raus – wie, wer, durch wen? Zeigen Sie mir die Aussagen!“ Ohne eine Miene zu verziehen, reichte von Bruch ihm schweigend ein Blatt – weißes Papier. „Ich lege Ihnen den Bericht heute abend vor.“ „Ich dachte, Sie wären schon fertig. Bei Ihren Erfahrungen“, bemerkte Engerle hämisch. „Ist das einer von den fünfen?“ Von Bruch bestätigte es. „Aufstehen, wenn man dich anguckt, du Kröte!“ brüllte Engerle plötzlich Judin an. Dann an den Oberst gewandt: „Was ist er, ich meine, was tut er sonst?“ „Bereitet sich zum Studium der Germanistik vor.“ „Ach! Sprichst auch deutsch, was?“ „Ja.“ „Germanistik, so, so. Na, was kennst du denn… Klassik?“ „Ja, auch die klassischen Werke.“ „Na, los, sag was auf! Kennst du Schillers Glocke?“ Wladimir begann, erst stockend, dann immer fließender, bewegter.
„Der Kerl kann wirklich was!“ stellte Engerle überrascht fest. „Vielleicht läßt sich aus ihm was machen. Behandeln Sie ihn… menschlich!“ Dann fragte er Judin: „Wo hast du denn das alles gelernt?“ „In der Schule. In letzter Zeit habe ich auch selbst viel übersetzt.“ „Na, dann liefere noch eine Probe aufs Exempel! Wollen sehen.“ Wladimir trug vor, diesmal viel sicherer: „Deutscher Sänger! sing und preise Deutsche Freiheit, daß dein Lied unserer Seelen sich bemeistre und zu Taten uns begeistre!. Sei nicht mehr die weiche Flöte, das idyllische Gemüt – sei des Vaterlands Posaune, sei Kanone, sei Kartaune. Blase, schmettre, donnre, töte!“ „Hm, wirklich, das ist Dichtkunst! Das geht einem ans Gemüt!“ Sturmbannführer Engerle stand auf, klopfte Judin auf die Schulter: „Freut mich, daß wenigstens nicht alle so sind wie üblich hier: verroht und ohne Kultur. Also, behandeln Sie ihn… mit Rücksicht, von Bruch. Und beeilen Sie sich ein bißchen!“ Als er den Raum verlassen hatte, trat eine Weile Schweigen ein. Dann sagte Judin nicht ohne Genugtuung: „Sehen Sie, wohl fast ein General, aber wußte nicht einmal, was es für ein Gedicht war und von wem. Und dabei ist es einer der größten deutschen Dichter.“ Daß er es auch nicht wußte, verschwieg Oberst von Bruch. Allein geblieben, dachte er lange nach. Draußen hatte sich Wind erhoben, jetzt hörte man den fernen Geschützdonner
ganz deutlich. Er hatte sich weiter genähert. Von Bruch nahm eine Karte Europas, faltete sie auf seinem Schreibtisch auseinander. Marburg, da hatte er studiert, Bonn, Göttingen – wie weit lagen sie eigentlich von hier entfernt? Anderthalb- oder gar zweitausend Kilometer. Die Menschen dort hörten noch nicht das Dröhnen um Oreschowo. Und sie hatten auch keine Ahnung, daß es hier solche Judins gab. Woher auch? Sie lebten ahnungslos dahin. Aber wie lange noch? Klack. „Der Nächste!“ Es war Gerassim Surkow. Wie er allein schon das Zimmer betrat, vor dem Schreibtisch stehenblieb, ruhig, gesammelt, unnahbar, erkannte von Bruch sofort, daß er jetzt die Hauptperson des Dramas, in dem er selbst mitspielte, vor sich hatte. Obwohl Gerassim erst sechzehn war, sah er wesentlich älter aus. Schwer zu sagen, woran es lag. Kräftig und gedrungen, hatte er das breite Gesicht eines kerngesunden Arbeiterburschen, das sicher, aufgeschlossen und gutmütig wirkte, wenn er, die Schirmmütze im Nacken und die Harmonika um den Hals, von Freunden und Mädchen umgeben, sonntags durch die neue Bergarbeitersiedlung bei Oreschowo schlenderte. Jetzt aber wirkte es verschlossen und abweisend wie ein vermauertes Fenster. Seine Hände hatte man auf dem Rücken gefesselt, wohl nicht ohne Grund. Würde mich niederstrecken, bei der ersten Gelegenheit! stellte von Bruch fest, befahl dann dem Leutnant: „Machen Sie ihm die Hände los!“ Zum erstenmal zögerte Herrweg. „Erlauben Sie eine Bemerkung, Herr Oberst.“ „Die können Sie sich sparen!“ „Zu Befehl, Bemerkung sparen!“ Dann winkte Herrweg einen SS-Mann heran. „Losbinden!“ Klack! Klack!
Der Oberst blieb mit Gerassim allein. „Setzen Sie sich!“ „Ich bleibe stehen!“ Von Bruch zündete sich eine Zigarette an, und ohne Gerassim auch nur ein einziges Mal anzublicken, rauchte er sie langsam zu Ende. Erst dann holte er aus der Mappe das Blatt mit den durchgestrichenen Namen und reichte es Surkow über den Schreibtisch. „Wissen Sie, was das ist?“ „Euer Hinrichtungsbefehl. Bereits gestern unterschrieben. Was Sie anbetrifft, so weiß ich, da geschieht kein Unrecht. Sie waren dabei, Sie haben die Brückensprengung vorbereitet. Anders ist es mit dem kleinen Kolja und…. Asja. Bei den beiden bin ich geneigt“, er kniff das Blatt zusammen und riß die untere Hälfte ab, „die Namen von dem Verzeichnis abzutrennen.“ „Warum? Da sind verschiedene Gründe.“ „Den einen kann ich Ihnen nennen.“ Gerasisim verzog das Gesicht, als käme übler Geruch aus dem Mund des Obersten. „Weil Sie mich zum Verrat zwingen wollen.“ „Ich will Ihnen einen anderen Grund nennen.“ Von Bruch blieb vollkommen ungerührt, holte dann aus der Schublade Koljas Flugmodell. „Man schießt auf Habichte, nicht auf junge Schwalben.“ „Genauso niederträchtig hab ich’s mir gedacht!“ Als hätte er die Bemerkung gar nicht gehört, lachte von Bruch leise auf: „Wie mich der Stöpsel doch an der Nase rumgeführt hat!“ Dann griff er nach der Zeitung und betrachtete noch einmal Asjas Bild. „Kuhmagd! Hm. Hätte auch Tolstoi nicht erraten! Und Sie konnten für Ihre Sprengerei niemand anderes finden, was?“ fuhr er Surkow plötzlich an.
Der benetzte sich wieder die Lippen. Auf seinen Fäusten zeichneten sich weiß die Knöchel ab. „Ich habe Asja Oserowa seit zehn Tagen nicht mehr gesehen, und sie hat nichts –“ „Hören Sie doch auf mit diesem idiotischen Schwindel! Glauben Sie denn, ich habe nicht schon vorher bei Asjas Verhör gemerkt, was zwischen euch beiden los ist?“ „Sie hat nichts mit der Brücke zu tun. Und die anderen auch nicht. Ich habe es allein getan!“ „Dann bin ich nur gespannt, wie Sie allein mit dem Gedanken fertig werden wollen, was Asja jetzt erwartet.“ Von Bruch holte ein Päckchen Photos aus der Schublade und legte sie wie eine Patience über die Landkarte auf den Schreibtisch, wo sie die schwarzen Punkte – Riga, Kowno, Nowgorod, Smolensk, Kursk, Oreschowo… all die Flüsse, Täler und Berge bedeckten. Es waren Aufnahmen von der letzten Strafaktion des Sicherheitsdienstes. „Schauen Sie sich das an!“ Nur der Adamsapfel ging in Gerassims Hals mehrmals auf und nieder, dann sagte er leise, indem er auf das Fenster deutete: „Hören Sie sich lieber das an!“ Man hörte die Einschläge jetzt deutlicher als zuvor. Von Bruch nickte. „Ja, nur wird es geschehen sein, ehe die hier sind“, er zeigte auf die Photos, „und es gibt nur eine Möglichkeit, das zu verhindern Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Surkow. Nennen Sie mir zwei andere aus Ihrer Gruppe, und ich setze durch, dass Kolja und Asja noch heute abend freigelassen werden.“ „Ich soll?… Sie…!“ Doch er gewann sofort seine Selbstbeherrschung zurück. „Exaltieren Sie sich nicht, Surkow. überlegen Sie sich lieber, warum man Kriege führt?!“
„Um totzuschlagen solche wie Sie, alle!“ „Totzuschlagen, richtig. Aber weshalb? Doch nur, um die zu schützen, die sich selbst nicht wehren können – Frauen, Kinder. Dafür fallen in dieser Minute Hunderte von Männern. Kommt es da auf zwei mehr oder weniger an? Heute nacht ist ohnehin Torschluß für Sie und – Tote, die schweigen nicht nur, sie fühlen auch nichts mehr, Surkow! Also, reden Sie schon!“ ermunterte ihn der Oberst leise. „Torschluß! Ich werde schon von jetzt ab schweigen.“ Von Bruch fuhr hoch. Dieser plötzliche Entschluß Surkows warf seine ganze Verhörstaktik um, hob alles auf, was er bis jetzt erreicht hatte. Dennoch bemerkte er fast gleichgültig: „Surkow! Wissen Sie, was geschehen wird, wenn Sie sich jetzt festbeißen und schweigen? Sie werden von anderen verhört werden und dann, dann werden Sie alle verraten, die Sie nur kennen. Und Vater und Mutter dazu!“ „Surkow! Ich warne Sie! Sie haben noch keine Ahnung – “ Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn Engerle trat wieder ein. Er schien in seinem Arbeitszimmer keine Ruhe mehr zu haben. „Der andere, der Gedichte-Iwan, schon fertig?“ „Ja.“ „Und? Hat ausgepackt?“ „Ich werde ihn später nochmals verhören.“ „Und dieser?“ Engerles Ungeduld war in die zusammengezogenen Augenbrauen gekrochen. Von Bruch lugte schnell zu Gerassim hin, suchte nach einer ausweichenden Antwort. Doch Engerle hatte schon erraten, was los war. „Ach, du willst überhaupt nicht reden?“ „Nein?! Schau, schau, is’ ja prächtig! Und Sie, von Bruch, wissen keine Pille, um ihn hier oben“, er kitzelte Gerassim
am Adamsapfel, „von der Verstopfung freizukriegen? Na, dann drücken Sie mal auf den Knopf!“ Herrweg erschien. Klack! „Kubitsch und Lippke sollen herkommen!“ Klack! Schweigen, wie in einer Gaskammer, dann leises Anklopfen. Kubitsch und Lippke traten ein. Zwei Männer – zwei Paar Glasaugen. Engerle zeigte gutgelaunt auf Gerassim: „Zungenparalyse. Herr Oberst ist der Ansicht, ihr müßtet da helfen. Oder nicht, von Bruch?“ Er bohrte seinen Blick in das Gesicht des Obersten und schien nur zu warten, ob von Bruch ihm widersprechen würde. Im ersten Augenblick wollte der’s auch tun, sogar sehr energisch. Doch dann sah er die Mienen von Engerle und Herrweg, von Kubitsch und Lippke. Und zum erstenmal, seitdem er in Oreschowo war, beschlich ihn plötzlich kaltes Unbehagen. Der Einspruch blieb in seiner Kehle stecken. Auch von Bruch wurde zum Schweiger. „Na also!“ Engerle spielte jetzt den Jovialen. Dann wandte er sich wieder an Lippke und Kubitsch: „Nur tut dem Bürschchen nicht weh! Ist ja fast noch ein Kind!“ Als griffen sie wirklich einem kleinen Jungen unter die Arme, der noch nicht recht gehen kann, schleiften die beiden, stumm wie sie eingetreten waren, Gerassim aus dem Zimmer. „Geben Sie Kubitsch und Lippke ein altes Gebiß zum Verhören, selbst das würde reden lernen!“ meinte Engerle lachend, als hätte er von Bruchs Gedanken erraten. Dann folgte er den beiden in den Gang hinaus. Von Bruch hörte, wie Engerles Schritte verhallten. Eine Tür knallte zu. Daß die Zigarre, die Engerle fortgeworfen hatte, auf dem Fußboden weiterglimmte, bemerkte der Oberst erst nach einer Weile. Er trat sie aus und lauschte dann wieder. Nur das Quietschen einer Sprungfeder des
Sessels, in den er sich niedergelassen hatte, unterbrach die Stille. Sonst nichts. Eine bisher unbekannte Unruhe trieb ihn nach einer Weile wieder hoch. Was tun? Er hatte Engerle erzählt, das Verhör wäre ergebnislos gewesen. Verriet nun Surkow, was sie gesprochen hatten, würde Engerle diese Aussage zweifellos dazu benutzen, um ihm, von Bruch, das Genick zu brechen. Schwieg Surkow, wurde er zu Tode gequält. Aber auch so herum hatte Engerle eine Schlinge geknüpft. Denn jeden Tag, jede Stunde konnte Oreschowo fallen, und was dann? Er trat an die Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und lauschte erneut. Noch immer blieb alles still. Vorsichtig ließ er die Klinke wieder los, als hätte er etwas Verbotenes getan, kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, warf einen Blick durch das Fenster. Die schrägen Strahlen der Sonne, die im Sinken begriffen war, färbten jetzt die linke Seite des Sockels rot. Von Bruch holte unwillkürlich seinen Block mit der Skizze hervor, die er bei Asjas Verhör begonnen hatte. Dann blieb er wieder mitten im Zimmer stehen. Doch nur seine Armbanduhr hörte er ticken. Es war, als tippe jemand mit dem Fingernagel an eine Grabplatte in der irren Erwartung, ein Lebenszeichen zu vernehmen von dem, der darunterliegt. Eine Viertelstunde verging. Noch eine. Dann endlich gelang es von Bruch, Herr seiner Nerven zu werden. Er griff erneut nach dem Block und wie immer, wenn er sich auf einen Gedanken konzentrieren wollte, begann er zu kritzeln. Drei Ecken des Denkmals waren noch frei. Den erschossenen Koserew hatte er nicht zu Gesicht bekommen. Er wußte nur, daß er Lehrling in einer Möbelfabrik gewesen war. Besonders gut nahm er sich als vergnügter Junge aus, der an seiner Hobelbank Spaße macht, hier, an der zweiten Ecke des Sockels. Dann Judin, über ein Buch gebeugt. Mit Brille
oder ohne? Mit. Das paßte mehr zu ihm. Blieb Surkow und die vierte Ecke. Ein junger Bergarbeiter, der mit der Grubenlampe vorausleuchtet… Im Zimmer war es dämmrig geworden, von Bruch knipste das Licht an. Dann griff er wieder nach dem Skizzenblock, um weiter nachzudenken. Von der Lampe beschienen, warf der Bleistift einen langen schmalen Schatten über das Papier. Da fielen ihm plötzlich Asjas Worte ein. ,Sie würden besser tun, einen Galgen zu zeichnen. Als Denkmal für sich selbst!’ Eine Stimme draußen im Korridor riß ihn in die Gegenwart zurück. Es war Engerle, der dort brüllte. „Nichts mit ihm zu machen?! So! Aber den Teppich zu versauen, das habt ihr verstanden?! Wie sieht der jetzt aus! Als hättet ihr drauf ein Schwein geschlachtet, ihr Stümper! Na, los schon, schafft ihn weg! Und zusammenflicken! Will ihn lebend und nicht als Leiche an die Wand stellen. Verstanden!“ Also doch geschwiegen! Jetzt konnte ihm wenigstens Engerle nichts anhaben, war von Bruchs erster Gedanke. Eine Minute später stürmte der ins Zimmer, pflanzte sich breitbeinig vor dem Schreibtisch auf. „Sie empfinden jetzt wohl so etwas wie Genugtuung, nicht wahr?“ „Bleiben wir bei Tatsachen“, wies von Bruch ihn jetzt wieder überlegen zurecht. „Und Tatsache ist, daß Sie aus ihm auch nichts herausbekommen haben. Mit den andern würde es Ihnen wahrscheinlich ähnlich gehen.“ „Von wegen ,haben bewunderungswürdige Moral’, wie?“ „Das können Sie halten wie Sie wollen.“ „Na, dann passen Sie auf, von Bruch, will Ihnen was sagen von wegen Moral.“ Er trat an die Wandkarte, zog eine der Stecknadeln mit den kleinen Hakenkreuzfähnchen heraus, die zur Kennzeichnung
der Front in die Karte gepiekt waren, und hielt sie dem Obersten vor die Nase. „Eine Stecknadel, ja? Raten Sie jetzt, was ich damit tue! Von wegen Moral. Ich lasse sie in den Tisch pieken. Wo? In der Zelle, in die ich jetzt alle vier einsperren lasse. Warum? Von wegen Moral! Denn einer zieht die bestimmt raus, glauben Sie nicht?“ „Und dann?“ Von Bruch zog die Augenbrauen zusammen. Engerle lachte, seine weißen tadellosen Zähne blitzten auf; dann biß er sie zusammen, als wollte er einem Nagel den Kopf abzwicken. „Und dann? Dann stell ich die Frage so: Dieser Eine wird erschossen. Grund? Weil er eine Stecknadel rausgezogen hat! Aber das Schönste kommt noch! Wer ihn angibt, dem versprech ich sofortige Freilassung. Von wegen Moral! Und Psychoanalyse auf arisch! Denn jetzt ist denen alles gleich, wissen, es ist sowieso aus, da machen die auf ,Held’. Raten Sie aber, was geschehen wird, wenn man diesen Helden eine Chance gibt, ihre Haut zu retten! Nicht drei, alle vier werden angekrochen kommen. Vielleicht sogar der Fünfte unter der Erde, wenn er nur Witterung kriegt, daß er weiterleben darf.“ Wenn Wut jemanden zerfressen könnte wie Krebs, würdest du jetzt nur aus Geschwüren bestehen, dachte von Bruch bei sich. Dann drückte er auf den Knopf unter der Schreibtischplatte. „Ich werde die Putzfrau rufen lassen. Soll den Teppich von nebenan rausschaffen. Von wegen der Flecken.“ Ein alter Tisch, zwei abgewetzte Bänke, vier graue Wände. Dutzende von Namen in die Mauer geritzt – Grabsteininschriften von Menschen, die vor ihnen in diesem Kerker
gebangt und gehofft hatten und jetzt längst vermodert waren. Kolja fügt ihnen den seinen hinzu auf dem Tisch. Er will es besonders hübsch machen. Nachdem er die Buchstaben KG in das Holz geritzt hat, piekt er mit der Stecknadel ein verzwicktes Ornament zur Verzierung darum. Plötzlich schaut er auf. „Wenn der Korolew nicht so blöd gewesen war, hätt’ niemand was gemerkt. Ich hab ihm Zeichen gegeben. Eine bessere Gelegenheit wär’ auch nie gekommen. Aber was tut er? Stürzt sofort los, als wollt’ er meine ,Schwalbe’ fressen. So ‘ne Milchnase! Bin ich daran schuld?“ „Niemand sagt ja, daß du schuldig bist!“ versucht ihn Asja zu beruhigen. „Aber mich strafend angucken und so, das tut ihr alle! Kein Wunder, daß mir da der Charakter platzt!“ Judin nimmt seine Brille ab und putzt sie. „Wie schlau der Oberst auch ist, von wem das Gedicht stammt, hat er nicht gewußt.“ „Wirklich ein Trost!“ Kolja rümpft die Nase. „Wenn du es ihm sagst, wird er uns allen bestimmt die Hand schütteln und sich bedanken: ,Fein, wie ihr die Brücke in die Luft gesprengt habt. Noch ein Rührei gefällig?“1 Unwillkürlich blickt er zum Fensterbrett hin, wo unangetastet der Teller mit der Eierspeise steht. Daß er wolfshungrig immer wieder hinschauen muß, ärgert ihn schon seit drei Stunden. Der schüchterne Judin muß darunter leiden: „Brauchst gar nicht die Brille zu putzen! Kriegst ja doch nicht zu sehen, daß ich’s anrühre!“ „Du, sei jetzt still!“ ruft ihn Asja zur Ordnung. Kolja guckt sie böse und beleidigt an, gehorcht aber. Sie wissen noch nicht, was mit Gerassim geschehen ist, erfahren es erst, als die Tür aufgeht und er von zwei Wärtern
hereingeschafft wird. Verbunden, zusammengeflickt. Asja springt auf, blaß, erschrocken, dann stürzt sie ihm entgegen: „Sima!…Was… was haben sie mit dir getan?! Simuschka!“ Seit einem halben Jahr kennen sie sich. Sie ist Gerassims erste große Liebe, und doch ahnt sie jetzt nichts von allem, was zwischen ihm und von Bruch gesprochen wurde. Sie sieht nur das Blut. Er aber lügt. „Ist nicht schlimm!“ Wie immer, ist Kolja auch diesmal flinker als die anderen. Er reißt die Decke vom Feldbett, legt sie zusammen, steckt sie Gerassim hinter den Rücken, dann rennt er zum Wasserkrug, gießt den Blechbecher halbvoll, reicht ihn Gerassim. Als Asja den Becher halten will, wehrt Kolja heftig ab. „Laß doch! Laß mich doch! Denkst, ich habe Rheuma und so in den Fingern?“ Koljas Liebe und Bewunderung für Gerassim stammt nicht von heute. Er ist der Führer der kleinen Widerstandsgruppe, und auch die anderen vertrauen ihm mehr als sich selbst. Seitdem Genosse Skrjabin, der sie immer anleitete, verhaftet und hingerichtet wurde, sind sie ganz auf sich selbst gestellt. Dennoch haben sie monatelang im ganzen Gebiet Oreschowo die Deutschen unsicher gemacht. Jetzt sind sie zum erstenmal seit ihrer Verhaftung wieder zusammen. Gerassim fordert Asja auf, sie solle ihm berichten, wie die Verhöre verlaufen sind. Mehrmals gibt er ihr Zeichen, beim Sprechen zu flüstern. Als sie ihm alles mitgeteilt hat, sinnt Gerassim eine Weile nach. „Also, daß wir es waren, weiß er. Auch wie wir’s gemacht haben. Trotzdem, eine Hoffnung besteht noch.“ Er schaut das vergitterte Fenster an, die schmutzigen Wände des Kerkers mit den vielen Namen der Ausgelöschten,
doch seine Stimme bleibt fest, auch wenn er kaum reden kann. „Dieser Oberst, er weiß… die Unseren können jede Stunde durchbrechen… da ist es vielleicht möglich, er wird sich nicht trauen.“ „Wie ich ihm entgegengetreten bin und so, das ist ihm auch mächtig in die Knochen gefahren“, prahlt Kolja, um beim Anblick Gerassims nicht loszuheulen. „Du Schwalbenkonstrukteur!“ „Sollte ich denn nicht versuchen, die anderen zu warnen? Wo ich doch sah, Korolew schielt hinter dem Sockel? Wer so eine Gelegenheit nicht am Zopf packt – “ „Nicht Zopf, Schopf heißt es“, verbessert ihn Judin mechanisch und in Gedanken versunken, die nun wirklich nichts mit Stilfragen zu tun haben. „Du, laß mich in Ruhe endlich!“ braust Kolja auf. „Den ganzen Abend piesackt er mich!“ beklagt er sich bei Gerassim. Dann sagt er plötzlich so ernst wie ein erwachsener, reifer Mann: „Ich würde auf keine Hoffnung setzen. Wenn der Oberst uns nicht erschießen läßt, tut es bestimmt dieser Sturmbannführer.“ „Ist nicht gesagt!“ Asja hält Gerassims Hand. „Brauchst uns gar nicht zu trösten“, wehrt Kolja leise ab. „Als ich sieben war, also noch so’n Stöpsel, da bin ich einmal vom Kahn ins Wasser gefallen, weil… weil ich eben so’n Charakter habe, na, so’n eigensinnigen! Der Vater hat mich rausgefischt, wie ich schon ganz tot war. Denkt ihr aber, ich hab was gemerkt, wie ich so ertrunken bin? Nicht mehr, als wenn man einen Sonnenblumenkern in die falsche Kehle kriegt. Und dabei hatte ich den ganzen Kopf voll Schlingpflanzen und so. Ich meine, die Haare. Ein Krebs hat sich sogar in meiner Hose festgekrallt. Aber nichts hab ich ge-
fühlt. Erst später, als ich wieder ins Leben kam und der Vater aus Freude mir eine runtergehauen hat, da bekam ich’s erneut mit dem Gefühl. Genauso ist’s, wenn man erschossen wird. Ehrenwort! Man merkt es gar nicht, höchstens später. Und dann ist es bestimmt nur angenehm! Und die Brücke können sie deshalb doch nicht befahren – Hauptsache, nicht wahr?“ „Aber vielleicht… vielleicht kommen wir doch raus?“ Judin blickt sich um, Zustimmung suchend. „Ich meine, sterben ist bestimmt nicht so leicht, und was leben bedeutet, das… das begreife ich erst jetzt. Da würde ich den ganzen Heine und Büchner und Hölderlin neu übersetzen – sind wirklich große Dichter, das könnt ihr mir glauben!“ „Ja – leben!“ Asja schaut Gerassim an, sein derbes, gutes Gesicht, das bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen, kaum zu erkennen ist, und fügt in Gedanken hinzu: Mit dir. Sie ahnt nicht, daß Gerassim nur deshalb die Augen geschlossen hält, weil er es nicht übers Herz bringt, sie anzublicken. Dann erzählt sie von ihrer „Swetlaja“. „Was denkt ihr, wie sie sich an dem Tag mitgefreut hat, als der Parteisekretär gratulieren kam! Ihr glaubt wohl, Tiere verstehen nichts? Kein größerer Irrtum! Behandelt man sie gut, spricht man mit ihnen, dann werden sie zutraulich, verständig, nur das Denken fehlt ihnen.“ „Aber träumen tun sie, Ehrenwort. Ich hatte einen Hund, so einen großen Schäferhund. Im Schlaf da bellte er am lautesten, wie ein Mensch, ich meine, das Träumen und so.“ Kolja, die Knie ans Kinn gezogen, neigt den Kopf zur Seite, um zu zeigen, wie sein Hund geträumt hat. „Ja, leben“, wiederholt Gerassim plötzlich Asjas Worte, als hätte er alles andere gar nicht gehört. Ebenso plötzlich verstummt er. „Willst du dich nicht hinlegen, Sima?“
„Ja.“ Wie aus einem Katapult geschossen, springt Kolja ans Bett, eifersüchtig auf jede Handreichung, die ihm entgehen könnte. „Laß doch! Laßt mich doch! Ehrenwort! Ich kann es besser!“ Als Gerassim ausgestreckt daliegt, möchte Kolja ihm unbedingt noch eine Freude machen, weiß aber zunächst nicht, wie. „Vielleicht kannst du das brauchen, Sima?“ Er legt einen Bleistiftstummel verstohlen neben Gerassim auf die Decke. Ein mühsames Lächeln gleitet über das zerschlagene Gesicht. „Wo… hast du denn den her…?“ „Hab’n bei diesem Obersten gemaust“, erklärt Kolja. Dann spuckt er aus, damit ja keiner errät, wie ihm eigentlich zumute ist. „Pfui, Kolja“, rügt ihn Asja. „Ach was, hier werden wir sowieso nicht alt.“ Er kehrt zu dem langen Holztisch zurück, nimmt die Stecknadel und beginnt wieder, an seinem Namen zu kratzen. „Böllern ja mächtig. Unsere Panzerspitzen sind schon in Gorsk, bestimmt!“ „Das kannst du doch nicht beurteilen“, meint Judin. „Nein. Aber du mit deinen deutschen Gedichten noch weniger! Wenn ich Minister wäre für Volksbildung, hätt’ ich sie schon längst in allen Schulen abgeschafft, ich meine ihre Poeme und so.“ „Ach, du! Abschaffen!“ Judins Brille funkelt. „Wenn man alles abschafft, was du nicht lernen willst, dann bleibt nur so viel übrig, wie in eine Nudeltüte reingeht!“ „Gerassim, bitte! Das ist Demagogie, was er sagt!“ „Demagogie sagt man nicht, man treibt sie!“ „Ein Schaf wie dich treibt man!“ „Du, Kolja“, sagt Gerassim ganz leise, und der Bube kriegt
sofort einen roten Kopf, „wenn du so weiter verwilderst, dann… dann muß ich dir bald unsere Freundschaft kündigen.“ „Das … das hab ich doch gar nicht so wörtlich gemeint“, stottert Kolja, ganz unglücklich. „Und überhaupt, nur der Krieg ist schuld, ich meine, von wegen Verwildern und so.“ Gerassim schweigt. Da springt Kolja von der Bank, tritt zu Judin, streckt die Hand aus. „Ich… wenn man’s richtig nimmt… ein Schaf bin ich selbst!“ Judin ergreift die kleine schmutzige Hand, will etwas antworten, umarmt Kolja dann plötzlich. „Was denn?… Ist doch Unsinn… jetzt… jetzt kommt es doch nicht auf ein Wort an…“ Asja wendet sich ab, weil ihre Lippe zuckt. Sie brauchte es gar nicht zu tun, denn es ist schon schummrig geworden; die vier jungen Menschen verschwimmen im Schatten, sie sehen einander kaum noch. Und dennoch fühlen sie sich in dieser Dämmerung des Todes mehr denn je zueinander hingezogen. Selbst der kleine Kolja spürt, daß er im Grunde auch Judin lieb hat, und wenn er ihn den ganzen Nachmittag gestichelt hat, so nur deshalb, weil er ungezogen ist und – Angst hat. Allein gelassen, würde er laut zu heulen beginnen und nach der Mutter rufen. Wahrscheinlich. Denn fragt man ihn, wie alt er ist, sagt er mit tiefer Stimme dreizehneinhalb. Und in Wirklichkeit ist er noch keine zwölf. Und Asja? Und Judin? Und Gerassim? Was wären sie ohne einander in dieser dunklen Zelle mit den Grabinschriften, zu dieser Stunde, vielleicht der letzten ihres Lebens? Unbewußt rücken sie zusammen, immer näher, je finsterer
es wird, und wollen die Hand, die Schulter, das Knie des andern fühlen. Man könnte glauben, sie frören. – Alle vier haben zusammen erst dreiundsechzig Jahre gelebt. Sie sind wie grünes Korn, das man mäht, ehe es noch geblüht hat. Ich hätte den gesamten Hölderlin übersetzt, denkt Judin. Ich hätte eine neue Swetlaja gezüchtet, denkt Asja. Ich hätte Brücken gebaut, denkt Gerassim. Ich hätte Krebse gefangen und so, denkt Kolja. Sie haben das alles schon ausgesprochen. Drum schweigen sie jetzt. In den Raum dringt das pausenlose Hämmern der Front. „Scheint immer näher zu kommen!“ „Wirklich, ich hör’s jetzt viel deutlicher!“ „Sache! Ich hör schon die einzelnen Batterien!“ „Ja, es kommt näher!“ Wieder Schweigen. „Meine Großmutter, die behauptet, nach dem Tod ist man gar nicht tot“, platzt Kolja unvermittelt heraus. Dann schämt er sich. „Aber das ist nur von wegen der Bibel und so. Da wird man halt rückständig.“ „Aber viele große Dichter haben auch daran geglaubt!“ „Wenn ich doch deine Hand in der meinen behalten könnte!“ „Was auch kommt, sterben – so wie Rauch vergeht ohne Spur – wird niemand von uns!“ sagt Gerassim, und sie alle begreifen, was er meint. Dann versinken sie wieder in Schweigen, bis sie draußen Schritte hören. Klapp, klapp, klapp. Sie nahen, dann klirrt ein Schlüsselbund, die Tür quietscht, ein Lichtstrahl fällt durch den Spalt in die Zelle. „Gerassim Surkow!“ „Simuschka!“ Asja klammert sich an ihm fest, bedenkt gar nicht, wie weh sie ihm tut. „Ich… ich laß dich nicht! Nein… nein!“ Gerassim befreit sich sanft aber bestimmt aus ihrer Umar-
mung. „Nimm dich zusammen, die brauchen es nicht zu sehen!“ Dann geht er zur Tür mit festen Schritten, als fehle ihm nichts. Dort dreht er sich nochmals um. „Mut, Kinder!“ Jetzt sind sie nur drei. Asja schluchzt. Kolja tröstet sie. „Ist ja noch gar nicht gesagt. Wenn es soweit ist, holen sie uns bestimmt alle zusammen. Ehrenwort, ich weiß es!“ Judin putzt die Brille, obwohl es schon lange stockfinster ist. Eine Viertelstunde vergeht, dann wieder Schritte. Das Schlüsselbund klirrt, die Tür quietscht, ein Lichtstrahl fällt durch den Spalt in die Zelle. „Wladimir Judin!“ Jetzt sind sie nur zwei. „Ist bestimmt zum Verhör, sonst würden sie uns nicht einzeln holen.“ Jetzt ist es Asja, die Kolja Mut macht, weil er mit einemmal ganz in sich zusammengekrochen ist. Was, wenn ich hier allein bleiben muß! Der Gedanke läßt ihn nicht mehr los, die Furcht würgt ihn. „Denk aber ja nicht… ich hab Angst und so…“ versucht er zu flunkern. Als wieder die Schritte nahen, packt er Asjas Hand. „Ich bleib nicht hier, ich geh mit dir!“ „Asja Oserowa!“ „Ich geh mit! Ich will mit!“ Kolja springt auf, stürzt zur Tür. Mit einem groben Stoß befördert ihn der Wärter zurück. Lange hämmert er mit den Fäusten gegen die Tür, dann wirft er sich mit dem Rücken dagegen. Seine Knie zittern. Er fühlt, er hält es länger nicht mehr aus, er muß etwas tun. Aber was?! Singen! Singen…? Singen! Zuerst kann er aber nur piepsen: „Geh ich durch die bunte Wiese, schauen mich die Blümchen an, Muh macht jede Kuh mit Hörnern, doch ich geh an sie heran…“
Dreimal wiederholt er die erste Strophe, die anderen, hundertmal gesungen, sind seinem Gedächtnis entfallen. Vielleicht, weil man doch dabei tanzen muß? Ob man’s versucht? Zaghaft, auf Zehenspitzen, vor jedem Knarren des Fußbodens zusammenfahrend, macht Kolja die ersten Schritte. Da kriegt er plötzlich Wut auf sich selbst, klatscht so laut er kann in die Hände und beginnt, in der Finsternis zu tanzen, wie auf einem Sommerfest, die Strophen kommen jetzt wie von selbst… Ehe der Wärter die Tür aufschließt, glotzt er eine Weile durch das Guckloch in den dunklen Raum. Sprachlos. ,Der auch verrückt geworden?’ Der kleine Kolja singt und hüpft wie einer, der einen Geistertanz vollführt. Er hört nicht einmal, daß die Geschosse jetzt schon über Oreschowo heulen. Das hört aber der Wärter, und er hat es eilig. „Was machst du denn hier?!“ Kolja bleibt jäh stehen. Blinzelt. Da faßt er sich: „Siehst du denn nicht?! übe, damit ich auf deinem Begräbnis tanzen kann!“ sagt er auf russisch. Dann tut er, als müßte er ausgiebig gähnen. „Na, beeil dich schon, du Tölpel!“ Ein Gang. Links rum. Dann wieder ein Gang. Jetzt überlegt Kolja nur eines noch: Was er ihnen zurufen soll, wenn sie die Gewehre heben. Eine Losung mit „Es lebe…?“ Doch er kann sich für keine entschließen und versucht deshalb, selbst einen passenden Satz zusammenzustellen. Aber wie sehr er sich auch bemüht, ihm fallen nur Ausrufe mit „Es lebe…“ ein. Und dabei sind sie alle viel zu lang. Da spürt er, daß seine nackten Füße auf etwas Weiches treten. Der neue Gang ist mit einem Läufer ausgelegt. Er wird in ein Zimmer geführt, er erkennt es sofort. Hinter dem Schreibtisch, auf dem jetzt eine Lampe brennt, sitzt wieder der Grauhaarige, der so tun kann, als ob er einen
wirklich gern hätte. Als Kolja eintritt, lächelt von Bruch ihn an. Doch die Falten auf seiner Stirn wirken jetzt, als hätte sich dort Kohlenstaub festgesetzt. Der ganze Mann sieht alt und gebrochen aus. „Na, Kolja, hast du deine Eierspeise bekommen?“ versucht er zu scherzen. „Können sich ja selbst überzeugen. Steht noch aufm Fensterbrett.“ „Weißt du, ich hab das auch gar nicht anders von dir erwartet!“ meint von Bruch ernst. „Sonst wäre ich sehr enttäuscht gewesen.“ Dann piekt er mit zwei Fingern etwas vom Schreibtisch auf und zeigt es Kolja. Es ist die Stecknadel mit dem Hakenkreuzfähnchen. Von Bruch sticht sie in Tolstois „Krieg und Frieden“, bläst, damit das Fähnchen flattert. „Hast du heute schon ein solches gesehen?“ „Und?“ will Kolja wissen. „Was würdest du tun, Kolja, wenn ich dir nun sage: Da ist die Tür! Kannst gehen, wohin du willst.“ „Was ich tun würde? Sache! Würde es mir nicht zweimal sagen lassen.“ „Hast du auch daran gedacht, daß man dich erschießen wird?“ „Erschießen? Denken Sie, ich habe Angst? Nicht so viel!“ Kolja will ein Schnippchen schlagen, aber seine Finger sind mit einemmal so naß, daß sie lautlos voneinander rutschen. „Sind… sind die anderen schon… auch erschossen?“ „Nein.“ „Und mich…?“ „Weil du die Mine hingeschafft hast. Aber der Kommandant will dir noch eine Gelegenheit geben. Wenn du mir sagst, wer von euch die Stecknadel aus dem Tisch gezogen
hat, läßt er dich frei.“ „Wie?… Dann… dann werde ich nicht…?“ „Nein, dann nicht.“ „Und warum… was geschieht mit den anderen? Asja, Gerassim und Judin?“ „Die werden auch freigelassen, außer demjenigen, der die Stecknadel rausgezogen und das Fähnchen abgerissen hat. Den wird man erschießen.“ „Erschießen, weil er…?“ Kolja glubscht den Obersten an, kann eine solche Sache gar nicht begreifen. Wieder pfeift eine Granate übers Haus, schlägt ganz in der Nähe ein. Eine Fensterscheibe zerbricht klirrend. Kolja zuckt zusammen. Von Bruch rührt sich nicht. „Nun, Kolja?“ „Ihn wird man erschießen, und wenn ich sage, wer es war, dann – “ „Ja.“ Die Tür wird aufgerissen, es ist Herrweg, im Helm, die Pistole in der Hand. „Herr Oberst!…“ „Das nächste Mal klopfen Sie erst an!“ „Zu Befehl, anklopfen!“ Dennoch bleibt Herrweg im Zimmer. „Na, was ist denn?“ „Herr Oberst gestatten zu bemerken – Herr Sturmbannführer Engerle ist schon fort und auch sonst alle. Nur noch Minuten…“ „Na und?“ „Unten steht unser letzter PKW, und ich dachte…“ „Die drei sind in ihren Zellen?“ „Ja, aber Herr Sturmbannführer läßt Ihnen ausrichten…“ „Ich weiß schon Bescheid. Packen Sie inzwischen meine Sachen, das Nötigste, und warten Sie unten auf mich!“ „Zu Befehl. Nötigste zusammenpacken! Dann warten!“
Klack. Wird der mich erschießen? Wahrscheinlich. Kolja, der kein Deutsch versteht, benetzt den Gaumen, damit er die Worte rauskriegen kann. „Wenn ich’s Ihnen aber sage, dann… dann muß nur der sterben, der… der’s rausgezogen hat?“ Von Bruch nickt. „Ich war es!“ „Mein Wort als Pionier! Ich war es! Alle können es bezeugen… alle, die Sie jetzt rauslassen müssen… Denn Sie müssen Ihr Wort halten. Sie müssen sie jetzt rauslassen… Bitte!“ fügte er mit einem Ausbruch kindlichen Vertrauens hinzu, als könnten Bitten hier noch etwas helfen. Oberst von Bruch spielt mit der Stecknadel, die er wieder aus dem Buch gezogen hat, reißt dann das Fähnchen ab, zerknüllt es in den Fingern und wirft es fort. „Belogen hast du mich, Kolja.“ „Das ist nicht wahr!“ „Oder haben mich die anderen belogen?“ „Wieso?… Haben die auch…?“ „Ja.“ Von Bruchs Augäpfel sind ganz gelb, das bemerkt sogar Kolja. „Jeder von ihnen wollte es gewesen sein, und da war doch nur eine Stecknadel, nicht wahr?“ Er nimmt seine Armbanduhr ab, betrachtet eine Weile den Sekundenzeiger. Dann holt er aus der Schublade eine Pistole, entsichert sie. „Schade, daß unsere Bekanntschaft von so kurzer Dauer war! Glaube mir, Kolja, es tut mir wirklich leid.“ Echtes Bedauern liegt in seiner Stimme. „Aber es ist halt Krieg, da gibt es kein Mitleid. Denn schau, wenn ihr rauskommt und alles erzählt, dann würde man es mir auch nicht verzeihen. So wie ihr seid, können wir uns nicht verständigen. Leider.“ Er zeigt auf die Stecknadel. „Deshalb müssen wir jetzt Schluß machen, Kolja. Hilft nichts, das
siehst du doch selbst ein?“ Nichts sieht Kolja ein. Er sieht nur die gelben Augäpfel des Obersten, die entzündeten Lider, die verzogenen Lippen, und alles bäumt sich jäh in ihm auf – gegen den sinnlosen Tod, den dieser Verrückte ihm und den andern bringen will, um sie zum Schweigen zu verdammen. Aber was soll er tun, was soll er sagen, mit seinen zwölf Jahren, hilflos, schutzlos, wie er dasteht? Von draußen hört man die Kraftwagen fortsausen, das Rattern der abziehenden Panzer, Flüche, Kommandos. Oreschowo wird geräumt, alles ist auf der Flucht, spätestens in einer halben Stunde wird die Rote Armee da sein. Aber was nützt das noch, in einer halben Stunde? Ein ähnlicher Gedanke muß auch von Bruch beschäftigt haben. „Wir müssen uns beeilen, Kolja! Siehst du das Gemälde dort?“ „-------“ „Geh hin, schau es dir an!“ Den Rücken dem Obersten zugekehrt, steht Kolja vor der Wand und stiert auf das Bild. Eine Berglandschaft mit einer Kapelle, ein Kreuz, das in der Abendsonne leuchtet, eine friedlich grasende Schafherde. Für solche Bilder hat Engerle stets Vorliebe gehabt. Plötzlich brüllt Kolja los: „Es lebe unser…!“ Der Schuß übertönt das letzte Wort des Schreies, aber zu seinem großen Verwundern – geschieht mit ihm weiter nichts. Die Großmutter mit ihrem Nichttotsein, hat sie denn wirklich recht?! ist Koljas erster Gedanke. Dann dreht er sich voller Furcht um. Der Grauhaarige liegt mit dem Oberkörper auf dem Schreibtisch, ein Arm pendelt noch, dann er-
starrt auch der. Zwischen seinen Fingern blinkt eine Stecknadel. Ohne Fähnchen. Das hat er vorhin abgerupft. Kolja stürzt zur Tür. Keiner ist mehr da, der ihn aufhält. Er rennt den Gang zurück, linksherum, rechts, dann bleibt er keuchend stehen und schreit: „Sima! Sima!“ Schweigen. Die Türen der Gefängniszellen glotzen ihn mit ihren Gucklöchern stumm an; da hört er von weitem einen leisen Ruf: „Kolja… du?“ „Sima!“ Er stürzt erneut vorwärts, findet die Zelle, in der seine drei Freunde eingesperrt sind; da er die Tür nicht aufschließen kann, weiß er nichts Besseres zu tun und trommelt mit den Fäusten dagegen, als könnte er so schneller Hilfe herbeirufen. Sie kommt mit den ersten Rotarmisten, die, von ihren Panzern gesprungen, in das Gebäude stürmen. Da bleibt von der eisenbeschlagenen Zellentür nur ein Haufen zersplitterter Bretter und ausgebrochener Stahlplatten übrig.
2. PREISAUSSCHREIBEN der „Kleinen Jugendreihe“
Liebe junge Freunde! Es gilt, den Saboteur zu entdecken, der in so schändlicher Weise versucht hat, die Turbine stillzulegen. Alle Anhaltspunkte, die der Junge Pionier Heinz hatte, seht ihr auf den Bildern oder könnt ihr im Text nachlesen. Für die richtige Lösung der Aufgabe gibt es folgende Preise: 1. Preis: ein Fahrrad 2. und 3. Preis: je einen Trainingsanzug 4. und 5. Preis: je einen Photoapparat 6. bis 25. Preis: je ein Buch 26. bis 50. Preis: je 12 verschiedene Hefte der „Kleinen Jugendreihe“ An dem Preisausschreiben können Jugendliche bis zu 18 Jahren teilnehmen. Die Lösung muß auf den Vordruck Seite 56 geschrieben und auf eine frankierte Postkarte geklebt werden. Andere Einsendungen können nicht berücksichtigt werden. Der letzte Einsendetermin ist der 10. Juli 1953 (Datum des Poststempels). Die Gewinner werden im Septemberheft bekanntgegeben. Und nun wünschen wir euch viel Glück bei der Lösung des Preisausschreibens. Verlag Kultur und Fortschritt Berlin W 8, Taubenstraße 10 Redaktion Jugendreihe
Punkt dreiviertel acht Uhr klingelte Heinz bei seinem Freund Walter, um ihn zur Schule abzuholen. „Sofort, Heinz. – Mutti, ich komme heute später, wir haben jetzt montags Sport. Wiedersehen!“ Auf der Treppe fragte Walter: „ Kom ms t d u ü be rm o rge n m i t ins Kraftwerk?“ – „Ja, natürlich komme ich!“
Dann war es soweit. Kollege Hartmann von der BGL führte die Jungen Pioniere durch den ganzen Betrieb, in dem an allen Ecken gebaut wurde, damit wir bald mehr Strom für den Aufbau des Sozialismus haben. Stolz zeigte er ihnen das neue Verwaltungsgebäude, in dem auch der Kultursaal und das Arztzimmer untergebracht waren.
Auf dem Weg zum eigentlichen Kraftwerk begegneten sie einem Maurergehilfen mit einer Schubkarre Sand, der ihnen lachend zurief: „Dies ist hier bald wie in der Stalinallee!“
Besonders gefiel allen der saubere helle Schaltraum mit den vielen blitzenden Hebeln und Meßrohren, und Heinz dachte bei sich Hier mochtest du auch arbeiten,
und vergaß ganz, daß er eigentlich Schlosser werden wollte
Die Arbeit des Heizers hatten sie sich ganz anders vorgestellt. Alles war vollautomatisch, und ein einziger Arbeiter kontrollierte vier der riesigen Heizkessel. Eigentlich sollte er nur zwei bedienen, und Kollege Hartmann fragte ihn, wo denn der zweite Heizer sei Die Antwort war* „Ja, der Krause, der ist schon seit heute früh beim Betriebsarzt.“
Im Turbinenraum war große Aufregung, und die Pioniere wurden gleich nach Hause g e s c h i c k t J e m a n d ha t t e in einem unbeobachteten Augenblick Sand in die gerade reparierte Turbine hineingeworfen Glücklicherweise bemerkte man es, bevor das Turbinengehause geschlossen wurde Dadurch konnte die Maschine vor großem Schaden bewahrt werden. Der Saboteur war noch nicht gefunden Da fiel Heinz plötzlich etwas ein, worauf e r b e i de r Besichtigung nicht gleich geachtet hatte Er teilte seinen Verdacht dem Kollegen Ha rtmann und dann der Kriminalpolizei mit Er hatte richtig überlegt Auf Grund seiner Beobachtungen wurde der Tater entdeckt und verhaftet Heinz war der Held des Tages und wurde von den anderen Pionieren auf den Schultern umhergetragen. Wer war der Ta ter’
2. Preisausschreiben der „Kleinen Jugendreihe“ Der Täter war:
(Hier abschneiden) Habt ihr schon einmal zu Hause eine Löwin großgezogen? Nein? Das ist auch gar nicht so einfach. Erst hat so ein Löwenbaby fast auf einem Handteller Platz, trinkt sein Fläschchen, und alle finden es reizend. Aber nach einigen Monaten sieht es schon ganz respektabel aus, hat lange Krallen, scharfe Zähne, und man weiß doch nie so rechte – ob unsere junge Löwin nicht eines Tages ihre Wärterin auffressen wird. So denkt wenigstens mancher Besucher, Wer aber die Löwin Kinuli näher kennenlernt, gewinnt sie lieb, und euch wird es sicher ebenso gehen. Sie macht eine Menge lustiger Streiche, doch mehr verraten wir euch nicht. Ihr werdet alles über
Kinuli in unserem nächsten Heft erfahren.