BAD EARTH
Die große Science-Fiction-Saga
DER AUSERWÄHLTE von Manfred Weiland & Werner K. Giess Erinjij, die »Geißel«...
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BAD EARTH
Die große Science-Fiction-Saga
DER AUSERWÄHLTE von Manfred Weiland & Werner K. Giess Erinjij, die »Geißel«, nennen die Völker der Milchstraße die Menschen jener Zeit, in die es die Mitglieder der Marsmission - John Cloud und die GenTecs - verschlagen hat. Und während auf Kaiser, der Nargenwelt, erste Zipfel des Geheimnisses gelüftet werden können, das mit der Invasion der Erde des Jahres 2041 zusammenhängt, wechseln wir den Schauplatz. CLARON, ein Bund aus sechs raumfahrenden Völkern - allesamt organischer Natur ringt verzweifelt um die Wahrung des Friedens. Denn das zerbrechliche Kräftegleichgewicht zwischen Organischen und Anorganischen wurde von den Menschen ins Wanken gebracht. Durch ihre ebenso rigorose wie skrupellose Expansionspolitik. Aber auch durch eine andere Spezies wird der Frieden bedroht den legendenumwitterten Jay'nac. Anorganische, die nicht gewillt scheinen, länger nur tatenlos mit anzusehen, wie sich die Erinjij ein Sonnensystem noch dem anderen einverleiben. Als es aussieht, als könnte nichts mehr die Jay'nac von ihrem Weg in die offene Aggression abhalten, signalisieren sie doch noch einmal Gesprächsbereitschaft mit der Allianz - aber unter Bedingungen, die CLARON nur erfüllen kann, wenn die Sucher erfolgreich sind. Die Sucher, psibegabte Wesen, die in den unerforschten Bereichen der Galaxis nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen fahnden - als letzte Hoffnung der Organischen. Die Suche Algorian hörte - vor allem aber spürte er -, wie der, dem er diente, die Zentrale der MASOT betrat. Die Präsenz des Ankömmlings verschlug ihm schier den Atem. Dennoch vermied er es zunächst, von den Kontrollen aufzublicken, mit deren Hilfe er das Schiff steuerte. Der überlaute saugende Atem des Erstlings schien den gesamten Raum einzunehmen. Wie stets überfiel Algorian eine abstruse Angst, dass der, dem er diente, tatsächlich sämtliche darin befindliche Luft für sich allein beanspruchen und in sich einsaugen könnte. So schnappte er ein-, zweimal nach Atem, ehe er sich fasste und wieder unter Kontrolle hatte. »Nimm Platz«, bat er und wies auf den speziellen Sitz in unmittelbarer Nachbarschaft des seinen. Nicht nur das ungestüme Atemgeräusch ließ den Erstling monströs erscheinen - auch rein äußerlich flößte er Respekt ein.
Mehr als das, dachte Algorian immer noch bebend. Er ist blanker Terror. Und wenn ich dies so empfinde, wie muss er dann erst auf Fremde wirken? Auf solche, die ihm nicht halb so nahe stehen? Es war müßig, darauf eine Antwort finden zu wollen. Der Erstling stapfte auf den Sitz zu. Er war nicht nur doppelt so groß wie Algorian, sondern besaß auch das fast dreifache Gewicht. Was an Algorian zierlich und zart war, konnte bei ihm nur als kolossal bezeichnet werden. In seiner frühen Jugend hatte sich Algorian oft gewünscht, mit seinem erstgeborenen Bruder tauschen zu können - inzwischen war er sich längst nicht mehr sicher, ob dessen Status tatsächlich so erstrebenswert war. Der Koloss sank in den Sitz, dessen Material sich mit einem schmatzenden Geräusch an seine Konturen anschmiegte. Noch schrecklicher klang es, wenn der Erstling sich daraus erhob - es ähnelte jedes Mal einem kurzen Kampf, bei dem er sich aus der Konstruktion befreien musste. Als versuchte sie, ihn festzuhalten und Bestandteil des Riesen zu bleiben. Kaum saß er, senkten sich von der Decke Fäden herab, die sich in den kantigen Schädel des Aorii bohrten. Und schon wenige Herzschläge später bestätigten Algorians Instrumente, dass der Kontakt hergestellt war. Eine neue Etappe der Suche konnte beginnen.
Expansion 17 Jahre nach der Ankunft (n.A.)
Der Auftrag war klar formuliert.
»Erobern Sie den Tarrant!«
Drei Schlachtschiffe brachen auf - die KYOTO, die BAGDAD und die KIEW.
An Bord befanden sich Elite-Angriffstruppen, besonders ausgebildete,
hochintelligente Soldaten.
Sie flogen den Planeten Tarrant an.
Tarrant befand sich im Sternensystem Triangulum und war ein Planet der fünften
Ordnung, besaß also die Größe der Erde.
Bevölkert war Tairant von den Foranern und Liscombianern. Die beiden
Bevölkerungsgruppen waren seit gut zweihundert Jahren miteinander verfeindet und
bekämpften sich bis aufs Blut.
Und diese Feindschaft gedachte Mallory, Kommandant der Erdflotte, auszunutzen.
»Tarrant ist jetzt im Erfassungsbereich der Sensoren, Sir! », ertönte es aus dem
Lautsprecher. »Entfernung: 10.000 Meilen.«
Auf dem riesigen Monitor in der Kommandozentrale des Flaggschiffs KYOTO erschien der Planet mit seinen beiden Monden. »Gut«, sagte Commander Mallory mit sonorer Stimme. »Navigation, Anflugwinkel für eine tiefe Umlaufbahn berechnen. Piloten sollen die Lande-Shuttles vorbereiten.« Deckert, der 2. Offizier, salutierte steif und verließ die Zentrale, während er bereits Befehle in sein Kehlkopfmikrofon schnarrte. Mallory wandte sich an John Briscoe, seinen ersten Offizier. »Nach der Landung greifen wir sofort die Hauptstadt Battlon an. Es ist wichtig, dass wir Solo Hasradun, den Präsidenten der Foraner, in unsere Gewalt bekommen. Wenn wir ihn haben, wird sein Volk kooperieren.« »Die Liscombianer sind auch nicht zu unterschätzen, Sir«, wandte Briscoe ein. »Schließlich ist es den Foranern während des mehrere hundert Jahre andauernden Krieges nicht gelungen, sie zu unterwerfen, obwohl sie in der Überzahl sind. Wir sollten die Truppen deshalb aufteilen, Sir. Während sich die halbe Truppe in Richtung Battlon in Marsch setzt, sollte sich die andere Hälfte nach Süden begeben und die Hauptstadt der Liscombianer besetzen.« Commander Mallory wiegte nachdenklich den Kopf. »Geschlossen besitzen unsere Männer enorme Kampfkraft. Wenn wir sie aber aufsplitten... « Briscoe blickte seinen Commander abwartend an. Er hatte ihm seine Bedenken mitgeteilt, doch die Entscheidung lag nicht bei ihm. Mallory verzog das Gesicht. Ja, er würde die Befehle letztendlich geben müssen. Er hatte die Verantwortung zu tragen, und er würde es sein, dessen Kopf bei einem Fehlschlag rollen würde. Doch ihm gefiel das alles nicht. Er war Soldat, Eroberer, Invasor und Kämpfer - er empfing Befehle und führte sie aus. Der Befehl lautete, die Foraner und Liscombianer zu unterwerfen, damit die Erde ihre Arbeitskraft noch nutzen konnte. Die Lebensbedingungen auf Tarrant entsprachen denen auf der Erde. Es gab keine übermäßig hohen Konzentrationen von Schwermetallen oder anderen Giften. Die Atmosphäre und die Zusammensetzung der Luft bewegten sich in akzeptablen Parametern. Ja, Tarrant war wie geschaffen dafür, eine Kolonie der Menschheit aufzunehmen. Für die Foraner und Liscombianer aber war kein Platz mehr. Bei allem, was Richard Mallory heilig war - er war kein Schlächter! Dazu jedoch degradierte ihn der Zweck der Mission, auf die er mit seinen Leuten entsandt worden war. Der Gedanke daran ließ Mallorys Mundhöhle austrocknen und seinen Hals eng werden. Versonnen starrte er auf einen unbestimmten Punkt an der Wand. Endlich nickte er. »Ich gebe Ihnen Recht, John. Wir dürfen die Liscombianer wohl tatsächlich nicht unterschätzen. Darum nehme ich Ihren Vorschlag an. Während Captain Deckert mit der halben Mannschaft gegen Battlon marschiert, halten Sie mit dem Rest der Crew die Liscombianer in Schach.« »Präsident der Liscombianer ist Moran Melix, ein Stratege, wie er im Buche steht, Sin Solo Hasradun hingegen ist Krieger. Er war mal Kommandant des
Flottenverbandes der triangulumischen Allianz, und er wurde wiederholt wegen
seines Mutes und seines großen Erfolges ausgezeichnet.«
Commander Mallory zuckte mit den Schultern. »Sie kümmern sich also um den
Strategen Moran Melix, John. Deckert widmet sich Solo Hasradun. Überwachen Sie
den Eintritt in die Umlaufbahn. Sollten irgendwelche Raumschiffe von den Sensoren
geortet werden, aktivieren Sie die Schirme und benachrichtigen mich.«
»Klar, Sir. Ich glaube aber nicht, dass wir angegriffen werden. Die triangulumische
Allianz wurde schließlich in Kenntnis gesetzt, dass wir auf Tarrant landen. Als
Begründung für unsere Landung wurde die friedliche Erforschung der Galaxie
angegeben.« John Briscoe lachte fast belustigt auf. »Es klingt wie Hohn in meinen
Ohren, Sir.«
Rich Mallory warf seinem ersten Offizier einen unergründlichen Blick zu.
Dann stieg es fast schleppend aus seiner Kehle: »Es steht uns nicht zu, die
Entscheidung der Admiralität anzuzweifeln, John. Befehl und Gehorsam! Das ist es,
dem wir uns unterworfen haben, als wir uns zur Raumflotte gemeldet haben. Wir
haben einen Eid geleistet. Also gehorchen wir dem Befehl.«
Der Commander richtete seinen Blick auf den Monitor.
Der Planet zeigte sich in überwiegend grüner Farbe. Wie ein Smaragd hob er sich vor
dem dunklen Hintergrund des endlos anmutenden Universums ab. Sie waren am Ziel.
Der grüne Planet!
Viele Lichtjahre von der Erde entfernt wusste niemand in den drei Raumschiffen
genau, was sie erwartete.
Kampf?
Gefangenschaft?
Tod?
Alles war ungewiss.
John Briscoe schnarrte seine Befehle, die der Kommunikationsoffizier an die KIEW
und die BAGDAD weiterleitete.
Commander Mallory widmete seine ganze Aufmerksamkeit dem Monitor, auf dem
der grüne Planet rasch größer wurde.
Mallory wusste, dass die Farbe von den dschungelartigen Wäldern herrührte, die den
Planeten bedeckten.
»Deckert, wie weit sind die Shuttles?«, hörte der Commander den 1. Offizier sagen.
»Die Landungsfahrzeuge sind klar, Sir! «, erklang es aus dem Lautsprecher.
»Sind die Soldaten bereit?«
»Jawohl, Sir.«
Briscoe nickte zufrieden. »Commander?« Mallory riss sich aus seinen Gedanken
und blickte seinen ersten Offizier an.
»Wir wären so weit.«
Der Commander zögerte einen kaum merklichen Moment. »Sie kennen Ihre
Aufgabe. Führen Sie sie aus! «
»Jawohl, Sir!«
Briscoe verließ die Kornmandozentrale.
Mallory schaute ihm einen Augenblick fast neidisch nach.
Natürlich würden sich die Landungstruppen in Lebensgefahr begeben. Trotzdem war
er ein wenig neidisch.
Er als Commander konnte natürlich nicht persönlich an dem Angriff teilnehmen.
Oh, ihm war klar, dass er die Erinnerungen an Tod, Verstümmelungen und Chaos
verdrängte.
Doch jetzt war es so, dass er darauf zu achten hatte, dass sie in der Umlaufbahn
blieben, und darauf, dass die Schiffe Tarrants keine Gefahr darstellten. Sobald man
auf dem Planeten erkannte, dass sie nicht der friedlichen Erforschung der Planeten
wegen hergekommen waren, könnten sie versuchen, sich zu wehren.
Mallory verzog die Lippen zu einem humorlosen Lächeln. Nicht, dass zu erwarten
wäre, dass sie damit Erfolg hätten.
In dieser Gegend der Galaxis hatte ihnen keine Zivilisation etwas entgegenzusetzen.
Das war auch der Grund, warum er zwar über Elite-Bodentruppen verfügte, jedoch
nur über drei Schiffe.
Es würde reichen müssen...
Cy
Da war ein Wirbel aus Farben, aus Hitze und Kälte, aus Licht und Dunkelheit...
... und da war er.
Cy.
Der Aurige kämpfte den ungleichen Kampf gegen die Elemente, gegen Gewitter und
Sturm und all die elenden Dämonen, die ihn zu vernichten trachteten, mit
wachsender Verzweiflung.
Wir schaffen es nicht, dachte er. Wir werden zwischen den Gewalten zerrieben.
Wenn er alle Augenknospen gleichzeitig öffnete, hatte er das Gefühl von den Kräften
zerrissen zu werden, die an dem Dragg zerrten - und damit letztlich auch an ihm.
Dazu kam das jammervolle Heulen des riesigen Tiers, mit dem er in empathischer
Verbindung stand und dessen Hautsegel sich flatternd in den Turbulenzen
verhedderten und dadurch zu immer bedrohlicheren Situationen führten. Die
Reiseplattform auf dem Rücken des Draggs schaukelte unkontrolliert hin und her.
Immer wieder wurde Cy gegen die Reling oder den zentralen Aufbau geschleudert,
in dem sich die Kajüte mit allen Vorräten an Werkzeug und Nahrung befand.
Obwohl er sich selbst vertäut hatte, fürchtete er immer häufiger, über Bord gespült
und von der Verdammnis des ewigen Mahlstroms verschlungen zu werden.
Die Stimme des Sturms überdeckte immer häufiger das Jammern des Draggs, bei
dem es sich um eine erfahrene Kreatur handelte, die aber auch - bei aller Routine -
noch niemals so weit draußen gesegelt war. Normalerweise befuhren Dragg
Gespanne nur den unmittelbaren Bereich um die heimatliche Zone. Dort, in den gemäßigten Gefilden, stellten sie das effektivste Fortbewegungsmittel dar. Mit ihrer Hilfe vermochte ein Aurige die Spore im Bedarfsfall innerhalb eines einzigen HellDunkel-Wechsels zu überqueren oder sogar auf die andere Seite zu gelangen. Nun aber hatte der Dragg gemeinsam mit zwei seiner Artgenossen und ihren Passagieren die ruhigen Häfen verlassen. Seit einer Zeitspanne, die ungefähr dreißig Hell-Dunkel-Wechseln entsprach, wurde das lebendige Gefährt regelrecht durch die tobenden Orkanströmungen geprügelt. Sie hatten sich seit dem Aufbruch beständig gesteigert - und strebten einem Höhepunkt entgegen, der für Cy und seine Kameraden nur eines bereit halten konnte: den unvermeidlichen Tod. Der junge Aurige vermochte sich die Qualen nicht auszumalen, die ihn erwarteten, sollte der Dragg seinen Kampf verlieren und entkräftet zum bloßen Spielball der Urgewalten werden. Noch hielt er dagegen, aber seine Gefühle drangen immer schwächer zu Cy vor. Die Schwäche würde ihn bald besiegen. Worauf habe ich mich nur eingelassen? Er wusste, dass dies die falsche Frage zum gänzlich falschen Zeitpunkt war, denn welche Alternative wäre ihm wohl geblieben? Auf der Kleinen Welt auszuharren und untätig auf das sichere Ende zu warten? Den Hungertod ohne die geringste Gegenwehr zu akzeptieren? Ohne wenigstens den Versuch zu machen, etwas dagegen zu tun? Nein, die wenigen Vorräte gingen rapide zur Neige - nicht nur hier an Bord. Der Lebensquell war allzu plötzlich versiegt, von einem Wechsel zum anderen. Es war keine Zeit geblieben, Depots anzulegen, von denen die Aurigen auch nur mittelfristig hätten zehren können. Kein Alter, kein Weiser wusste, warum es so gekommen war. Es war einfach geschehen. Und die einzige Möglichkeit, der Katastrophe auf den Grund zu gehen, bestand darin, eine Expedition in Bereiche zu starten, wo nie zuvor ein Aurige gewesen war. Eine Expedition, die Ka anführte, der energischste unter den Weisen. Ausgerüstet mit Proviant, der nun den anderen auf Auri fehlte. Dort hungerten und verhungerten vielleicht diesem Moment Freunde und Verwandte... Cy wusste nicht, wann er den Ältesten Ka mit seinem Dragg zuletzt gesehen hatte. Es musste wenigstens ein Hell-Dunkel--Wechsel her sein, sei4-sie-inle Ligen Böen und unberechenbaren Winden voneinander getrennt wurden. Auch El, der dritte Teilnehmer, war dabei seinen Blicken entschwunden. Verloren gegangen. Cy schauderte und hoffte noch immer, dass die launischen Strömungen ihn wieder mit den anderen zusammenführten. Nur zu dritt hatten sie vielleicht eine Chance, doch noch zur Quelle, die versiegt war, vorzustoßen und... Der Gedanke riss im selben Moment wie eine der Häute seines Draggs. Es gab ein hässliches, tief in Cys Bewusstsein hineinschneidendes, selbst den Sturm übertönendes Geräusch - und dann bäumte sich sein lebendes Gefährt auch schon schmerzgeplagt auf.
Abermals wurde er brutal gegen die Aufbauten der Plattform geschleudert, und für Sekunden überlagerten die Gefühle des verwundeten Draggs seine eigenen Schmerzen. Unter Aufbietung aller Reserven gelang es Cy, dem einzigen Gefährten, der ihm noch geblieben war, beruhigende Impulse zu schicken. Sie schienen ins Hirn der gemarterten Kreatur zu dringen und sie wider Erwarten sogar zu trösten. Allmählich erlahmten seine unkontrollierten Bewegungen, und Cy fand Zeit, sich um sich selbst zu kümmern. Nur seiner Robustheit verdankte er es, dass er nicht längst umgekommen war. Aurigen waren generell zäh, selbst in hohem Alter noch. Beinahe so zäh wie die Draggs, mit denen sie seit Urzeiten in Harmonie lebten. Draggs waren treue, anspruchslose Kreaturen, denen es aber an Verstand fehlte. Sie waren nicht in der Lage zu planen, sich selbst zu reflektieren oder gar über ihren Platz in der Welt zu sinnieren, wie Aurigen es vermochten. Sie lebten in den Tag, weideten auf den Auen oder leisteten den Aurigen wertvolle Hilfsdienste beim Einbringen der Ernte, die nun erstmals ausgefallen war. Cy stöhnte. Es ging nicht nur um sein eigenes Überleben - es ging um sein Volk! Zum wiederholten Mal versuchte er über die Entfernung hinweg einen Kontakt zu Ka oder El herzustellen. In der gemäßigten Zone war es Aurigen untereinander möglich, sich zu spüren. Gefühlsbilder des anderen wahrzunehmen, seine Stimmungen, Sorgen, Hoffnungen - manchmal sogar seine Träume. Dies funktionierte ähnlich wie die empathische Verbindung zu den Draggs. Es war eine Gabe. Ein Geschenk der Schöpfung. Mehr hätte Cy nicht darüber zu sagen gewusst. Es genügte. Aber all seine Fähigkeiten, all sein Talent reichte auch diesmal nicht aus. Es kam keine Verbindung zustande. Die hiesigen Strömungen mussten schuld daran sein. Selbst die Verbindung zu dem Dragg war hier draußen wesentlich schwächer und schwieriger aufrechtzuerhalten als in der Lebenszone. Der Gedanke an seine sterbende Welt ließ Cy in Wehmut verfallen. Er war auf Auri geboren und dort aufgewachsen, aber so wie die Dinge standen, würde es ihm verwehrt bleiben, auch dort sterben zu dürfen. Er hatte sich Ka angeschlossen, weil der Weise an sein Verantwortungsbewusstsein appelliert hatte. Denn trotz seiner Jugend genoss Cy den Ruf, mehr Geschick im Umgang mit Draggs und mehr Phantasie beim Ersinnen von Konstruktionen, die die Erntearbeit erleichterten, zu besitzen als irgendeiner sonst. Dieses Talent hat mir kein Glück gebracht, dachte Cy in einem Anflug von Selbstmitleid. Ich werde einsam und verlassen fernab meiner Familie sterben, während die anderen wenigstens... Vor ihm tauchte etwas auf. So jäh und unvermittelt, dass seine Gedanken zu gerinnen schienen. Und dass keine Möglichkeit mehr bestand, ihm auszuweichen. Was ist das? Es sah aus wie ein Trümmerstück. Wie Teil eines geborstenen Gebirges, nur dass es glänzte und schimmerte wie... Wie nichts, was Cy je erblickt hatte.
Nein, Cy hatte dergleichen wahrhaftig noch nie gesehen, und noch ehe er wusste, wie
ihm geschah, kollidierte sein Dragg-Gespann auch schon damit.
Er fand nicht einmal mehr Zeit, in Panik zu verfallen.
Ein fürchterlicher, jäh abbrechender Schrei aus dem Maul des verendenden Tieres,
dann rissen die Taue, wurde der Aurige hineingeschleudert ins wirbelnde, blitzende
Licht des Mahlstroms, in dem es kein Oben und kein Unten - überhaupt keine
Richtung - mehr zu geben schien.
Aus! Vorbei! Ende!, durchzuckte es Cy. Das Ende für mich, das Ende für alle
anderen...
Aber er täuschte sich. Es war erst der Anfang unglaublicher, sich überstürzender
Ereignisse.
Erde, Beijing, 2041 a.D.
Im Schatten der falschen Kathedrale hasteten Menschen.
Xian stand abseits mit ihrem Mann Wei Sie hustete. Sie war schweißgebadet. Ihre
Augen tränten.
Wei stützte ihren hageren Körper. Sein Gesicht leuchtete. »Es... es ist noch viel
unglaublicher, als ich dachte... ! « Wie ein Lauffeuer hatte sich verbreitet, was
passiert war. Sie hatten ihr kleines Dorf nahe der Hauptstadt verlassen und sich einer
Gruppe angeschlossen, die gegen den Strom der Flüchtlinge aus der Stadt
vorgedrungen war. Allesamt lebensmüde Narren wie sie selbst.
Oder solche voller Hoffnung, wie Wei nicht müde wurde zu betonen. Hoffnung.
Xian wusste nicht, was sie davon halten sollte.
»Die Außerirdischen kommen! «
»Die Außerirdischen sind gelandet!«
Von Mund zu Mund war die Nachricht weiter getragen worden, nachdem das
kaiserliche Fernsehen die Bilder ausgestrahlt hatte.
Die Bilder der in den Orbit eintretenden Raumschiffe, groß wie Wolkenkratzer, von
denen eines später hier gelandet war.
Raumschiffe!
... oder >Kathedralen<, dachte Xian, deren Mutter im Ausland studiert hatte, in
Amerika. Bevor das verboten worden war. Vor so vielen Jahren. Aber die Bilder,
obwohl auch verboten, waren geblieben. Erinnerungsstücke, die sich Xian bei jedem
Besuch im elterlichen Haus aufs Neue anschaute. Bilder vom Campus. Bilder von
ausgelassenen Festen mit Kommilitonen. Bilder, die den Geruch von Freiheit trugen
- nicht Terror, nicht permanente Überwachung. nicht...
Sie hielt inne. Wurde sich wieder der Angst bewusst, von der sie seit Verlassen des Dorfes erfüllt war. Ich muss verrückt sein, dachte sie. Wir müssen alle verrückt sein. Sie werden uns identifizieren. Und dann werden sie uns verhaften, foltern und zu Tode quälen... wie sie es mit Vater getan haben... Als Hu Sadako (sie weigerte sich bis heute, ihn Kaiser zu nennen) im blutigen Putsch 2028 die Macht übernommen und alles - alles! - reformiert hatte, war sie neun gewesen. Und seither hatte er keine einzige seiner großen Versprechungen eingehalten. Den einzigen Schwur, den er eins zu eins umgesetzt hatte, war offenbar der, den er sich insgeheim selbst bei seiner Rückkehr aus dem Exil gegeben hatte: für immer an der Macht bleiben zu wollen. Ein System aufzubauen, das jeden neuerlichen Umsturzversuch schon im Keim erstickte. Den totalen Überwachungsstaat. Den gläsernen Bürger. So war es gekommen. Das Reich hatte sich vermeintlich alter Traditionen besonnen, sie aber zugleich pervertiert und instrumentalisiert. Selbst die Religion war zum Werkzeug des wieder belebten Kaisertums geworden. Alles hatte sich Hu Sadako untergeordnet, dem Mann, den alle, die so dachten und empfanden wie Xian und Wei, nur den Bastard nannten. Hinter vorgehaltener Hand, natürlich. An Orten, die nachweislich »sauber« waren, nicht mit Spionagetechnik verseucht. Jede offene Kritik oder gar - wie in diesem Fall - Beleidigung des selbst ernannten Gottkaisers über das »neochinesische Reich«, wie er die Volksrepublik als eine seiner ersten Amtshandlungen umbenannt hatte, wäre einem Todesurteil gleichgekommen. Und nicht nur die »Sünder« hätten dies gebüßt, sondern auch ihre Angehörigen, sämtliche nahen Verwandten und der Kreis von Freunden, in dem sie sich bewegten. Hu Sadakos Apparat funktionierte vorbildlich. In den Augen der Schlächter. Was für ein Aberwitz, dachte Xian, während ihre Blicke nicht von dem Monument abließen, das sich vor wenigen Tagen noch nicht hier, inmitten der Stadt, erhoben hatten. Hier war nur ein Park gewesen. Und jetzt sah es aus, als wäre dieser schon immer nur der Vorgarten dieses mächtigen Bauwerks gewesen, dem man einfach nicht ansah, dass es... das es absolut fremd war. Es weckte so viel Vertrauen. Besaß so viel - fast magische - Anziehungskraft... Jedenfalls behauptete Wei dies. Wenn Xian es genau bedachte, war er die treibende Kraft gewesen, um hierher zu kommen. Sie selbst hätte sich am liebsten in ihrem kleinen Haus verkrochen, womöglich noch in dessen Keller, und einfach nur abgewartet. Aber nicht einmal dort wäre es sicher gewesen. Die Bilder, die sie unterwegs gesehen hatten, ließen das Schlimmste befürchten. Eine Massenflucht aus der Hauptstadt hatte eingesetzt. Entgegen aller Durchhalteparolen, die über die Medien verbreitet wurden.
Hu Sadako war seit der Landung des Schiffes nicht mehr öffentlich aufgetreten. Die Gerüchte, er sei tot, hielten sich hartnäckig, entbehrten aber Xians Meinung nach jeder Grundlage - obwohl sie sich kaum etwas mehr als das gewünscht hätte. Auch wenn ihr Vater davon nicht mehr lebendig geworden wäre. Auch wenn niemand ihr die verlorenen Jahre in Unfreiheit damit hätte ersparen können. Eine Genugtuung wäre es allemal gewesen. Was wirklich geschehen war und geschehen würde - hier und überall auf der Welt wusste noch niemand. Die Außerirdischen blieben nach wie vor unsichtbar. Nur die Monumente, mit denen sie aus dem Jupiter-Black-Hole gekommen waren - ihre Raumschiffe - zeugten davon, dass es sie gab. Dass sie Einfluss nahmen. Dass nicht alles nur ein Traum gewesen war, den Bürger und Bürgerinnen wie Wei und Xian geträumt hatten. Ein Traum, der jede Sekunde zum Alptraum werden kann, dachte sie nervös. Wohin sie auch schaute, alles kam ihr unwirklich vor. Und dieses Gebilde, diese »Kathedrale«, schien ein regelrechter Magnet zu sein, der das Surreale auf sich bündelte. Er flößte ihr Angst ein. Nichts, was sie hätte präziser beschreiben können. Aber es musste Furcht einflößend sein, so anders wie es war - und von so weit her es gekommen war! Sie zuckte zusammen. »Wo willst du hin?« Wei, der sich ein paar Schritte von ihr entfernt hatte, blieb stehen, drehte sich um und sagte mit diesem fanatischen Glan± in den Augen, der sie seit Tagen verfolgte und fast mehr beunruhigte als die Situation an sich: »Ich will es mir ansehen - warum sonst sind wir den ganzen Weg gekommen?« »Du siehst es dir an - schon die ganze Zeit.« Er lachte. Aber es war nicht das vertraute Lachen, das sie über die Jahre schätzen und lieben gelernt hatte. »Ich meine von innen«, verkündete er. Xian begann vor aufwallender Panik zu zittern. Dass Wei es sah und dennoch nicht darauf reagierte, bestärkte sie in ihrem Eindruck, dass sich nicht nur das Schiff der Außerirdischen von Grund auf verändert hatte, sondern auch er. »Du bist verrückt-, flüsterte sie. »Du weißt nicht...« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich will nicht, dass du dich selbst in Gefahr begibst. .. Wieder dieses Lachen. »Warte hier auf mich. Ich bin gleich wieder zurück. Ein kurzer Blick nur...« Sie war zu fassungslos, um ihn aufzuhalten. Als sie aus ihrer Starre erwachte, hatte das Zittern aufgehört, und Wei befand sich schon auf halber Strecke zum Eingang der Kathedrale. Natürlich war es keine Kathedrale. Aber es ähnelte einer. Xian wusste noch, wie die Raumschiffe ausgesehen hatten, als sie über der Erde erschienen waren. Die Bilder waren um die Welt gegangen und nicht einmal hier der Zensur zum Opfer gefallen. Äskulap-Schiffen hatte jemand die Titanen aus den Tiefen des Alls getauft.
Äskulap-Schiffe - weil sich um den schlanken, raketenartigen Grundkörper aus dunkel anthrazitfarbenem, unbekanntem Metall spiralförmig ein Wulst herumschlang, wie eine Schlange um einen Stab: das Äskulap-Symbol der Medizin. Aber was war das für eine Medizin, die die Außerirdischen den Menschen von der Erde verabreichen wollten? Warum hatten sie sich immer noch nicht gezeigt? Was bedeutete das Ausschleusen von Satelliten im Orbit rund um den Planeten? Was war mit den Mondförderstätten, auf die Hu Sadako so stolz war? Was war mit Skytown, der riesigen Orbitalstation, die, wie man hörte, als Einzige von der »Säuberungswelle« der Fremden - sie hatten bei ihrer Ankunft zunächst einmal sämtliche irdischen Satelliten aus der Umlaufbahn gefegt - verschont geblieben war? Xian brannten noch tausend andere Magen auf der Zunge. Aber sie sah, wie Wei auf das monströse Gebilde - ja, das war es in ihren Augen, monströs - zueilte und gab sich einen Ruck. Trotz der überall verborgenen Überwachungskameras, die ihr geübtes Auge problemlos fand, setzte auch sie sich in Bewegung, folgte ihrem Mann, der kurz stehen blieb, den Kopf weit in den Nacken legte, das Monument fast ehrfürchtig anstarrten - und dann weiterlief.
Cy
Irgendwann erwachte er wieder.
Ein Traum, dachte er. Es ist ein Traum.
Das ist nicht wirklich.
Er versuchte, sich zu erheben, aber es ging nicht. Da merkte er, dass er mit Tauen an
irgendetwas gebunden war. Der Dragg!
Die Erinnerung an das, was geschehen war, vermischte sich mit anderen Bildern. Mit
den Bildern, die er sehen wollte. Aber mehr und mehr überlagerten die realen Bilder
die seiner Wünsche.
Es waren nicht alle Taue gerissen.
Er war nicht allein ins Nichts geschleudert worden, in das feurige Spiel unglaublicher
Farben und Kräfte. Er war nach wie vor an die Reiseplattform gebunden - genauer
gesagt an das, was von ihr noch übrig war.
Eine Urgewalt hatte sie zerschmettert. Geborstene Planken, eine zerfetzte Reling,
zertrümmerte Aufbauten. Die Nahrungsvorräte, die sich in der Kabine befanden -
einige waren über den Leib des Dragg verstreut, andere verschwunden, für immer
verloren im Nichts. Das Werkzeug...
Eines nach dem anderen, dachte Cy.
Er lauschte, aber er konnte den Dragg nicht mehr spüren. Dessen Leben war verloschen. Das Tier war nur noch ein Klumpen Fleisch, der irgendwann verfaulen würde. Immer noch tobte der Sturm. Doch seine Kraft hatte etwas nachgelassen. Viel half es nicht. Die entfesselten Gewalten zerrten immer noch an dem toten Dragg und seinen schlaff gewordenen, teilweise zerrissenen Hautsegeln. Die Strömung jagte das zerstörte Gespann hin und her, planlos, ohne Ziel. Auri war unerreichbar fern. Auch die anderen Sporen waren unerreichbar fern, wie auch das Ziel seiner Suche. Cy ahnte, dass er verloren hatte, verloren war. Es musste schon ein Wunder geschehen, aber Wunder geschahen selten, wenn man sie brauchte. Er sehnte sich zurück nach Auri, zurück in die Zeit, in welcher die Welt noch in Ordnung war. Vor seinem inneren Auge entstand die Spore, die seine Heimat war, eine Art Atoll im Lebensgürtel, der das wärmende Muttergestirn umgab. Rötlichgelb leuchtete es immerdar, und die Sporen bewegten sich auf ihren Bahnen, trieben durch den Lebensgürtel, drehten sich dabei und schufen so Helligkeit und Dunkelheit in regelmäßigen Wechseln. Die Helligkeit, um zu leben, zu atmen, Nahrung aufzunehmen, und die Dunkelheit, um zu ruhen. So weit die Aurigen zurückdenken konnten, hatten sie immer Nahrung gefunden, hatten sie aus dem Lebensgürtel gefischt, hatten das Licht der Muttersonne geatmet. Doch jetzt war alles anders, mit einem Mal. Deshalb war Cy unterwegs. Vielleicht gab es noch irgendwo Nahrung. Weit entfernt, aber mit entsprechender Mühe erreichbar. Wenn er oder die anderen etwas fanden und heil zurückkehrten, woran Cy immer weniger glaubte -, konnten andere Aurigen dorthin reisen und Vorräte sammeln und heranschaffen. Vielleicht mussten die Aurigen auch ihre Heimat verlassen und dorthin gehen, wo sie überleben konnten. Ein schrecklicher Gedanke. Die Heimat aufzugeben, um an irgendeinem fremden Ort neu zu beginnen... Wer würde das wollen? Und wer würde es können? Der junge Aurige war nicht sicher, ob alle anderen sich mit einer solchen Vorstellung abfinden konnten. Er war nicht einmal sicher, ob er selbst es konnte. Auri war nicht nur seine Heimat und die der anderen. Auri war auch die Heimat der Vorfahren. Schon jene waren immer in Auri verwurzelt gewesen. Und ob die neue Generation, die der alten entsprossen war, sich endgültig lösen konnte, blieb fraglich. Die Alternative war der Tod. Das Verblassen, Dahinwelken, das Absterben. Zu verhungern war der schrecklichste Tod, den Cy sich vorzustellen vermochte. Da war es sicher leichter, vom Sturm zerfetzt zu werden oder mit dem Dragg-Gespann an einem eigenartigen Trümmerstück zu zerschellen. Der Dragg hatte es bereits hinter sich. Er musste nicht verhungern. Dieses Schicksal blieb ihm erspart.
Das Trümmerstück!
Woher war es gekommen?
Welchem einst heilen Objekt hatte es angehört?
Und wohin war es wieder verschwunden? So angestrengt Cy auch Ausschau hielt, er
konnte es nirgends mehr erkennen. Er musste zu lange in der traumlosen Dunkelheit
verblieben sein, sodass es davonwirbeln konnte.
Aufgetaucht, zerstörerische Wut entfesselt und wieder verschwunden-verloren bis in
alle Ewigkeit.
So verloren wie Cv.
Und wie El und Ka.
Auch jetzt konnte er sie nicht spüren.
Immer wieder sagte er sich, es sei besser, nicht mehr nach ihnen zu lauschen. Und
doch versuchte er es immer wieder, weil er hoffen wollte. Weil er nicht wahrhaben
wollte, dass sie so tot waren wie sein Dragg.
Erschrocken sah er, wie ein weiterer Nahrungspack davon trieb.
Panik erfasste ihn.
Er musste das, was ihm verblieben war, einsammeln und sicher befestigen, dass der
Sturm es nicht fortreißen konnte. Und er musste sich um das Werkzeug kümmern.
Und er musste...
Es war so viel, das auf ihn einstürzte.
Er musste überleben, um neue Nahrungsquellen für sein Volk zu erschließen. Er
musste! Dafür war er von Auri aufgebrochen. Er durfte jetzt nicht aufgeben. Er
musste sich dem Schicksal entgegenstemmen. Er musste sich freikämpfen. An ihm
lag es, ob sein Volk noch eine Überlebenschance hatte.
Denn wenn weder er noch seine beiden Gefährten zurückkehrten, würde auf Auri
niemand den Mut haben, eine weitere Expedition zu starten.
Dann war es vorbei...
Für immer...
Die Suche
Die MASOT durchpflügte die Finsternis zwischen den Sternen um ein Beträchtliches schneller als das Licht. Dennoch blieb sie auf wundersame Weise Bestandteil dieses uralten Kosmos, der bereits viele seiner Geheimnisse preisgegeben hatte, aber noch längst nicht alle. Algorian kauerte vor seiner Konsole und fühlte sich in Gegenwart seines Erstlings mehr allein, einsamer, als während der Phasen, in denen der andere sich in der Abgeschiedenheit seiner Kabine erholte.
Auf jede Spürphase folgte eine ebenso lange Regenerationsphase, in der sein Bruder sich zurückzog und Rituale ausführte, die Algorian nur im Ansatz kannte und verstand. Erstlinge wuchsen nicht gemeinsam mit den Nachgeburten auf. Erstlinge verließen die Familie nach dem ersten Lebensjahr, bekamen Vormünder, die ebenfalls Erstlinge waren, besuchten andere Schulen, zu denen keine Nachgeburt jemals Zugang erhielt und lebten bis zur Vollreife ausschließlich unter ihresgleichen. Genauso lange war es auch den Zweitgeborenen möglich - die Bezeichnung Nachgeburt versetzte Algorian stets einen Stich, hatte sie doch etwas Herablassendes, Entwürdigendes -, ein fast freies Leben zu führen. Doch permanent wurden sie auf die Zeit der Wiederzusammenführung vorbereitet. Er hatte noch von keinem Fall gehört, dass die, denen sie dienten, auf ihr Privileg verzichtet hätten. Ab der Vollreife zogen Erst- und Nachgeburt zusammen, bildeten eine untrennbare Einheit, die erst bei der Partnerwahl des Erstlings - die in der zweiten Hälfte ihres Lebens erfolgte - wieder zerbrach. Ihr Leben war nicht nur von der Natur, viel mehr noch von der Gesellschaft streng reglementiert, und oft, sehr oft hatte sich Algorian gewünscht Cesem Korsett entfliehen zu können. Etwas, was er niemandem je anvertraut hätte am wenigsten dem Ungetüm, das zwar sein Bruder, ihm aber auch fremder war als jeder wirklich Fremde. Wie hätte er sich einem Wesen, das nie mit ihm sprach, auch anvertrauen sollen? Natürlich beherrschten sie dieselbe Sprache. Aber der Erstling benutzte sie ihm gegenüber nie. Es gab Gesten und schriftliche Kommunikation, die sich in der Regel darauf beschränkte, dass Algorian seine Instruktionen erhielt. Nähe im emotionalen Sinn fehlte zwischen ihnen völlig. Und sie existierte auch nicht zu anderen Nachgeborenen. Wir sind unterprivilegiert von Geburt an, dachte Algorian, während er die Vernetzung seines Hassbruders überwachte. Hassbruder nannte er ihn nur für sich selbst. Ihm eine solche Beschimpfung entgegenzuschleudern, hätte er nie gewagt. Es gab - wenn auch selten - Berichte über Fälle, in denen Erstlinge die zu ihnen gehörige Nachgeburt als Missgeburt bezeichnet und getötet hatten, wie in einem Rausch. Und andererseits existierten auch - ebenso seltene - Berichte über Zweitgeborene, die versucht hatten, ihren dominanten Geschwistern etwas anzutun. Aber zumindest war kein Fall überliefert, in denen es ihnen gelungen war. Erstlinge waren nicht nur an Größe und physischer Stärke hoch überlegen, ihre eigentliche Dominanz fußte auf ihren Geisteskräften - die sich die MASOT gerade zunutze machte. Die MASOT war nur eines von vielen Suchschiffen, die im Auftrags CLARONs die Weiten der Galaxis durchkämmten. Jede Einheit war mit nur zwei Lebewesen bestückt, beides Aorii. Wobei der Zwerg dem Riesen dient und untergeordnet ist. Wie zu Hause auf Aor auch, dachte Algorian und warf einen flüchtigen Blick auf den Koloss, dessen saugender Atem leiser und damit erträglich geworden war.
Algorian bemerkte ein Zittern an sich, das Ausdruck des Zwiespalts war, mit dem er seinem »großen Bruder« begegnete - und an dem sich nie etwas ändern würde. Er wusste seit langem, dass mit ihm selbst etwas nicht stimmte. Und dass er, wenn er so weitermachte, Gefahr lief, vielleicht eines Tages zu jenem verschwindend geringen Prozentsatz der Bevölkerung zu gehören, die entweder ihren Erstling attackierten - oder von diesem umgebracht wurden...
Expansion, 17 n.A.
John Briscoe betrat wenig später die Shuttlerampe im unteren Teil des Schiffes. Hier standen in Reih und Glied die Landungsboote, die die Elitesoldaten auf Tarrant absetzen sollten. Einige Männer in dunkelgrünen Overalls legten rastlose Hektik an den Tag. Stimmen schwirrten durcheinander. Ein Trupp Soldaten kam im Laufschritt durch ein breites Tor, dessen Hälften wie von Geisterhand gesteuert lautlos auseinander geglitten waren. Die Soldaten waren mit dunkelgrünen Gefechtsanzügen bekleidet, trugen Helme mit Kopfhörern und Mikrofonen. Die Gesichter waren hinter schwarzen Visieren verborgen. In den Holstern an den Koppeln steckten Blasterpistolen. In den Fäusten lagen Blastergewehre. Jeder Handgriff saß. Alles war tausendmal geübt worden. Jeder der Soldaten wusste, wohin er sich zu wenden hatte. Weitere Trupps erschienen. Alles ging ohne große Worte vonstatten. Die Soldaten bestiegen die Landefahrzeuge. Captain Deckert hatte in einem der Shuttles Platz genommen und wurde gerade vom Commander über die Planänderung instruiert. Er schien unzufrieden, doch das war nicht Briscoes Problem. Der 1. Offizier nickte dem Captain knapp zu und bestieg anschließend eine andere Landefähre. »Der Start erfolgt in einer Minute, 30 Sekunden!«, tönte eine Computerstimme. Auf einem Monitor konnte Briscoe beobachten, was draußen vor sich ging. Das Hangar-Personal hatte sich zurückgezogen, und die Außenschotts öffneten sich. Außerhalb des Raiimsrhiffs war es finster wie in der Hölle. Die Schiffe befanden sich natürlich noch außerhalb der Atmosphäre des Planeten und würden auch nicht landen - obwohl sie dazu in der Lage waren. Das Licht der Scheinwerfer wurde schon nach wenigen Metern von der Finsternis verschluckt. »Noch sechzig Sekunden bis zum Start! «
»Seid ihr bereit, Männer?«, sagte John Briscoe in das Bordmikrofon seines Shuttles.
»Jawohl, Sir!«, hallte es mehrstimmig zurück.
»Haltet die Ohren steif, Jungs! Es ist zum Wohle der Menschheit.«
Wie immer vor solchen Einsätzen gab sich Briscoe kameradschaftlich und jovial.
Aber das war nicht nur zweckbestimmt. Er fühlte sich für seine Männer
verantwortlich. Er gehörte zu ihnen.
»Noch dreißig Sekunden! «
Ein Beben schien durch die Maschine zu gehen, in der Briscoe und 50 Soldaten
saßen.
Und dann kam der Befehl zum Start.
Das Shuttle donnerte auf die Schleuse zu, und als es die Außenwände der KYOTO
passierte, hatte es bereits Überschallgeschwindigkeit erreicht. Es wurde regelrecht
aus dem Leib des Raumschiffs katapultiert.
Ein Shuttle folgte dem anderen. Auch die BAGDAD und die KIEW spuckten die
Landefahrzeuge in blitzschneller Folge aus.
Alles lief gespenstisch leise ab.
Die Piloten steuerten die Shuttles geradewegs in die Atmosphäre des Planeten. Die
Schilde hielten der Hitze ohne Probleme Stand.
Die Landefähren donnerten in die Tiefe und näherten sich mit halsbrecherischer
Geschwindigkeit dem dichten, grünen Blätterdach der Urwälder, die den Planeten
bedeckten. Wie blaue Adern zogen sich dazwischen die Flussläufe, die fast alle in
das Meer am Südpol des Planeten mündeten.
Jedes zweite Shuttle drehte in südliche Richtung ab. Sie flogen auf die andere Seite
des Planeten, wo die Liscombianer lebten. Der 1. Offizier, John Briscoe, führte den
Befehl über diese Armada.
Cy
Nach wie vor war Cy mit dem toten Dragg und den Resten der Reiseplattform ein Spielball der Elemente. Hätte er sich nicht mit den langen Seilen an den noch stabilen Resten der Plattform festgebunden, er wäre unweigerlich hinweggefegt worden, so wie viele der zerschmetterten Teile, viele der Proviantpacks und der Werkzeuge. Alles drehte sich um ihn, immer wieder. Längst hatte er die Orientierung verloren. Die rötliche Scheibe des Leben spendenden Muttergestirns tauchte zwar immer wieder in seinem Blickfeld auf, aber in
welcher Richtung er sich bewegen musste, um entweder zurück nach Auri oder auf
seinem ursprünglichen Weg weiter vorwärts zu gelangen, konnte er nicht mehr
abschätzen.
Er musste zusehen, dass er in die ständigen Taumel- und Drehbewegungen mehr
Ruhe bekam. Aber wie sollte er das tun? Der Dragg konnte seine Hautsegel nie mehr
entfalten und steuern.
Cy musste es anders versuchen.
Da der Dragg ihm nicht mehr helfen konnte, den Lebensgürtel zu durchqueren,
musste er sich selbst helfen. Er überlegte, wie er es schaffen konnte, einen Dragg zu
»simulieren«.
Er brauchte Segel und etwas, womit er sie steuern konnte. Schnüre, Seile... Doch
weder das eine noch das andere war greifbar.
So blieb ihm nur eine Möglichkeit.
Eine sehr bittere.
Er musste den Dragg ausschlachten!
USA, Nevadawüste, geheimer unterirdischer Komplex, 2041 a.D. Sid Palmer war um Jahre gealtert, und auch Sarah Cuthbert, vor wenigen Tagen noch Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika und damit de facto mächtigste Frau der Welt, konnte sich von dem Gefühl nicht freimachen, unendlich müde geworden zu sein. Natürlich, sie hatte kaum geschlafen, aber diese Müdigkeit war mehr als Mangel an Ruhe. Sie strömte wie eine lähmende Kraft aus dem innersten Kern ihrer Seele. Angst, erkannte sie. Es ist die furchtbarste, weitreichendste Angst, die ich je hatte. Vielleicht könnte ich sie abschütteln, wenn ich mich bewegen könnte. Aber ich bin hier lebendig begraben. Sie und eine ihr nicht genau bekannte Zahl von Frauen und Männern. Militär und NCIA. Darunter Hays und Cronenberg. Und die telepathischen Klone. Dr. Xander Hays war der wissenschaftliche Leiter des GenTec-Projekts. Er hatte maßgeblich an der »Züchtung« der in vitro-Geborenen mitgewirkt. Und Reuben Cronenberg war der Chef des Geheimdienstes, der sich aufspielte und benahm, als sei er der Präsident. Als sei er es seit langem gewohnt, die wahre Macht im Staate zu verkörpern. Fröstelnd musste Sarah anerkennen, dass sie nun, da sie vieles klarer sah, dies nicht einmal im Brustton der Überzeugung hätte ausschließen können. Im direkten Gegenübertreten war selbst sie von Cronenbergs düsterem Charisma beeindruckt und bezweifelte, dass er umgekehrt ebenso viel Respekt vor ihr hatte.
Schwäche... Ich darf ihm gegenüber die Flanke nicht allzu sehr öffnen. Sonst bin ich
weg. Geschichte.
Wenn ihr eines seit ihrem Rückzug in die Geheimbasis klar geworden war, dann
dies: Sie musste sich Cronenberg zum Verbündeten machen, sonst würde er nicht
davor zurückschrecken, auch sie kaltzustellen.
Falls es zum Anbiedern nicht schon zu spät war.
Vieles an der Umgebung, in die Sarah und ihr engster Stab mit Einsetzen der
Invasion geflüchtet waren, sprach dafür, dass Cronenberg hier ohnehin schon »Herr
im Haus« war.
Welches Süppchen hat die NCIA wirklich all die Jahre und Jahrzehnte gekocht?
Wussten meine Vorgänger davon? Hat einer von ihnen die immensen Vollmachten
ratifiziert, über die selbst ich nur staunen kann?
Angesichts der Situation oben waren das zwar persönlich wichtige, aber nicht
weltbedeutende Fragen.
Sarah war froh, dass Sid Palmer, ihr engster und liebster Vertrauter, in dieser Zeit an
ihrer Seite war. Auch jetzt.
»Es ist falsch«, wiederholte sie, was sie Minuten zuvor schon einmal mit aller
Inbrunst gesagt hatte. »Es ist grundfalsch, sich hier zu verkriechen.«
Der hagere, ältere Mann, der frappierende Ähnlichkeit mit Frank Sinatra, einem der
großen Entertainer des vergangenen Jahrhunderts, hatte, wiegelte auch diesmal ab.
»Wir sind dabei den Kontakt zu Sadako herzustellen. Es kann nicht mehr lange
dauern. Wir müssen vorsichtig vorgehen, damit unsere eventuelle Spur, die wir
hinterlassen, nicht rückverfolgt werden kann. Kommunikation in der gegenwärtigen
Lage ist eine heikle Angelegenheit. Cronenberg und seine Jungs bemühen sich,
aber...«
»Seine Jungs! « Sarah lachte spontan auf, selbst von ihrem Heiterkeitsausbruch
überrascht. »Das zeigt mal wieder, wie unglaublich konservativ Sie sind, Sid. Er wird
wohl nicht nur >Jungs< beschäftigen. Die Mädels sollten es ebenso drauf haben...«
»Sie sind ja eine Emanze...«, erwiderte Palmer in gespieltem Erstaunen. Dass er
sofort auf ihr Geplänkel einging, zeigte ihr, wie sehr auch er sich nach den Zeiten der
relativen Normalität zurücksehnte. »Obwohl... Sie haben Recht. Zuzutrauen wäre es
diesem Burschen, dass er zum Chauvinismus neigt. Allein, uns fehlen die Beweise,
um ihn dafür hinter Schloss und Riegel zu bringen... «
Sarah blickte Palmer an. >Sie mögen ihn auch nicht, oder?«
»Mag ich meinen Zahnarzt?« Palmer verzog das Gesicht. »Nein. Aber ich muss
trotzdem mit ihm zusammenarbeiten, wenn ich nicht will, dass der Schmerz noch
schlimmer wird.«
»Kein guter Vergleich.«
»Ich bin auch nicht für Metaphern aufgelegt.«
»Wie denken Sie über meine Entscheidung? - Ja, ich weiß, Sie sind loyal, Sie haben
sie mitgetragen, aber- was denken Sie darüber?«
»Dass wir uns mit Sadako kurzschließen sollen?«
Sie nickte.
»Cronenbergs Demonstration mit dieser Telepathin war beeindruckend. Die Schlüsse, die er zieht, sind nicht von der Hand zu weisen. Ich würde sagen: Es ist klug, den Dialog mit einem Mann zu suchen, der diese ganze Scheiße höchstwahrscheinlich übersteht, ohne dass es ihm an den Arsch geht.«
»Aber er hält ebenfalls still. Schon seit Tagen ist die Situation unverändert. Die Schiffe sind gelandet. Die Schiffe haben sich verwandelt!« Sie atmete tief durch, konnte immer noch nicht begreifen, was sie via Bildschirm gesehen hatte. »Aber er hat seine Drohung, sein Reich bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen, noch immer nicht wahr gemacht. Die Mittel, die uns noch zur Verfügung stehen, zeigen, dass keine einzige Atomrakete abgefeuert wurde, egal ob boden-, luft-, oder wassergestützt. « »Wofür wir dankbar sein sollten.« »Schon - aber es erklärt nicht, was das Mädchen gesehen hat.« »Die Telepathin.« »Scobee...« Sie nickte. Nach einer kurzen Pause nahm sie den Faden wieder auf. »Wir beide, Sie und ich, Sid, wissen nicht zweifelsfrei, ob die Aussagen des Mädchens nicht manipuliert werden.« Er schürzte die Lippen, wiegte skeptisch den Kopf. »Wofür sollte das gut sein? Was sollte sich Cronenberg davon erhoffen?« »Wenn ich das wüsste.« Die Telepathin hatte Kontakt zu ihrem Doppelklon gehalten, der mit anderen Besatzungsmitgliedern des ehemaligen Marsschiffes RUBIKON ins JupiterWurmloch gestürzt war. Danach hatte es ausgesehen, als wären die Expeditionsteilnehmer umgekommen - zumindest für immer ihrer Reichweite entzogen. Doch wider Erwarten hatte Scobee - die Telepathin- nach einem kurzen »Filmriss«, wie sie es selbst ausdrückte, wieder Kontakt zu GT-Scobee auf der anderen Seite des Wurmlochs erhalten. Seither hielt die Verbindung, die einseitig war und von der ihr Doppelklon von der Mannschaft der Rubikon nicht einmal etwas wusste. Seither diktierte die Telepathin ununterbrochen Geschehnisse aus ferner Zukunft - so zumindest die inzwischen favorisierte Theorie zu allen Vorgängen. Die RUBIKON-Besatzung war fernab des Sonnensystems - niemand wusste, wo der Austrittspunkt des Wurmlochs lag - auf Raumschiffe mit irdische Namen gestoßen, die in Kampfhandlungen mit einer anderen Partei verwickelt waren. Eines dieser Raumschiffe, von denen Scobee berichtete, trug den Namen PEKING. Und daraus leiteten Leute wie Cronenberg nun ab, dass es den Menschen der Gegenwart - uns, dachte Sarah beklommen - irgendwie gelungen sein musste, die Invasion der Äskulap-Schiffe zu überstehen, sich vielleicht sogar in den Besitz außerirdischer Hochtechnologie zu bringen, um eine unbestimmte Zahl von Jahren später dazu in der Lage zu sein, selbst ins All vorzustoßen, die Grenzen des Sonnensystems hinter sich zu lassen - zu expandieren!
In der Zukunft - zu der das Telepathenmädchen einen »Draht« zu haben schien. Zeittelepathin hatte Dr. Xander Hays sie ob dieses nicht für möglich gehaltenen Talents genannt - und schien darüber ebenso verblüfft zu sein wie alle anderen. Obwohl Sarah ihm nicht traute. Er und Cronenberg verkörperten all das, was sie immer abgelehnt hatte - und auch künftig ablehnen würde. Dennoch hatte Sid Palmer Recht: Sie mussten sich arrangieren. »Momentan deutet nicht viel darauf hin, dass es sich tatsächlich um das handelt, was wir unter Invasion verstehen würden«, murmelte sie mehr zu sich selbst, aber laut genug, um es auch Palmer hören zu lassen. »Alles ist so verdammt - friedlich. Ist es nicht unglaublich, wie ruhig die Bevölkerung sich verhält. Man hat ihre Regierung quasi enthauptet - sie wissen momentan nicht, was aus ihrer Präsidentin geworden ist. Auch an anderen Orten der Welt sieht es nicht wesentlich anders aus. Und trotzdem gibt es so gut wie keine Panik. Das ist fast schon gespenstisch.« »Wäre Ihnen Panik lieber?« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht lieber - aber ich könnte es eher verstehen.« Palmer wollte etwas erwidern, als es an die Tür klopfte. Sarah stand auf und öffnete. Es war Hays. »Neuigkeiten?«, fragte Sarah, nachdem sie den Wissenschaftler knapp - fast schon unhöflich - begrüßt hatte. Hays verneinte. »Cronenberg schickt mich. Er meinte, solange Sie auf die Verbindung zum Kaiser warten, solle ich Ihnen etwas zeigen, was mich vielleicht interessiert. Sie sind heute eingetroffen. Es war ein schwieriger Transport, aber ich musste darauf bestehen. Sie sind unersetzlich.« »Wovon, zur Hölle, reden Sie?« »Wenn Sie mir folgen wollen...«
Cy Schon der Gedanke daran erschreckte ihn. Er kämpfte mit sich. Ekel, Angst... Wenn ihm klar gewesen wäre, was der Begriff »Mörder« bedeutet, hätte er sich bestimmt dafür gehalten. Dabei sagte ihm sein Verstand, dass der Dragg längst tot war und dass es keine andere Möglichkeit gab, um zu überleben. Wenigstens für eine Weile... Wesen wie Cy töteten nicht. Sie brauchten es nicht, trugen Konflikte mit Argumenten und Verstand aus. Und sie mussten auch nicht töten, um sich zu ernähren, denn das Muttergestirn schenkte ihnen genug Nahrung jeglicher Art, die durch den Lebensgürtel nach Auri getrieben wurde.
Bis vor kurzer Zeit, als eine der beiden Nahrungsquellen versiegte, als keine
nährstoffreichen Pollen mehr heranschwebten, um eingefangen und verwertet zu
werden. Und nur vom Licht der Sonnenmutter allein konnten die Aurigen auch nicht
existieren. Nur beides zusammen erhielt sie am Leben, ließ ihren Stoffwechsel
funktionieren.
Manche munkelten, dass in grauer Vergangenheit - von der niemand mehr wirklich
etwas Genaues wusste, weil sie viel zulange zurücklag - die Vor-Vor-Vor-
undsoweiter-Vorfahren der heutigen Aurigen noch nicht beweglich waren.
Stattdessen waren sie fest verwurzelt mit dem Boden, der sie hervor sprießen ließ.
Damals sollten sie ihre Nahrung aus dem Boden gezogen haben.
Cy war nicht sicher, ob er das glauben konnte. Es war für ihn einfach unvorstellbar,
fest an einen Ort gebunden zu sein und ihn vom ersten Moment der Bewusstwerdung
bis zum Tod niemals verlassen zu können. Jene, die das erzählten, mussten sich irren.
Natürlich konnten sie leicht solche Märchen erzählen, verwiesen sie doch immer
darauf, dass jene Zeit Millionen mal Millionen von Hell-Dunkel-Phasen zurücklag.
Wer konnte es nachprüfen?
Niemand!
Erneut packte der Sturm zu und schleuderte das zerstörte Gespann herum. Cy begriff,
dass er seine Gedanken nicht länger verschwenden durfte. Er musste etwas tun, und
das so schnell wie möglich.
Er musste das tun, was er verabscheute.
Den Dragg zerlegen!
Expansion, 17 nA.
Captain Mike Deckert mochte keine kurzfristigen Änderungen. Wenn ein Plan erst einmal für gut befunden worden war, warum ihn dann ändern. Zumal in diesem Fall offensichtlich keine neue Fakten aufgetaucht waren, die eine solche Änderung rechtfertigten. Dass die Liscombianer auch auf Tarrant lebten, war schließlich kein Geheimnis. Deckert fragte sich, ob der Commander möglicherweise zu wankelmütig für seine Aufgabe war. Nicht, dass der Captain sich jemals irgendwie in dieser Richtung geäußert hätte, das war nicht gut für die Moral. Doch man durfte sich schließlich so seine Gedanken machen. Andererseits hatte der Commander einen ausgezeichneten Ruf... »Fertig machen zur Landung! «, sagte der Pilot des Shuttle, mit dem Deckert flog.
Immer diese Formalien. Deckert hätte jedem seiner Männer den Hals gebrochen, der jetzt noch nicht bereit war »Wow!«, brüllte der Pilot plötzlich. Das Shuttle ruckte zur Seite, sodass Deckert in die Sicherheitsgurte geworfen wurde. »Sie schießen mit Raketen auf uns! «, rief der Pilot. »Diese elenden Kreaturen wagen es tatsächlich, auf uns zu schießen.« »Natürlich, du Trottel!«, brummte Deckert. »Nachdem die Schiffe drei Dutzend Shuttles ausgespuckt haben, wird da unten selbst dem Dümmsten klar geworden sein, dass das nichts mehr mit friedlicher Erforschung des Planeten zu tun hat. Und dumm sind die...« Ein erneutes Aufbäumen der Landefähre versiegelte Mallory die Lippen. Er blickte zum Monitor zu seiner Linken. In einem Feuerball wurde eines der Shuttles zerrissen, das sich im Landeanflug auf Tarrant befand. Der fürchterliche Knall war zwar nicht bis in den schalldicht abgeschotteten Flugkörper zu vernehmen, doch Deckert konnte sich das lebhaft vorstellen. Trümmer des zerstörten Shuttles flogen durch die Luft wie Schrapnell... Die Flugabwehrraketen, die die Foraner der Invasion von den drei Raumschiffen entgegenschickten, zogen ihre lautlosen Bahnen. Feurige Schweife und schwarzen Rauch hinter sich herziehend, waren sie verheerend in ihrer Wirkung, wenn sie trafen. Deckerts Pilot hatte aufgehört zu fluchen und konzentrierte sich darauf, den heranzischenden Sprengkörpern geschickt auszuweichen. Nachfolgende Shuttlepiloten waren zum Teil weniger geübt oder hatten weniger Glück. Zum Teil hatten sie auch einfach keine Chance auszuweichen. Immer wieder zeugten feurige Lichtblitze davon, dass eine Rakete getroffen und eines der angreifenden Shuttles zerstört hatte. Captain Deckert ahnte, dass die Invasion auf Tarrant von ihnen allen einen hohen Preis fordern würde. Und einen Augenblick lang empfand er Hass! Hass auf Commander Mallory, der ihn mit dieser blutigen Mission betraut hatte und der einen guten Plan in letzter Minute geändert hatte. Aber als guter Soldat hatte er zu gehorchen. Deckert ahnte nicht, wie ähnlich er dem Commander eigentlich war...
Cy
Lange Schleier einer dunkelroten Flüssigkeiten wehten davon. Blut, dachte Cy. Das muss das Blut sein.
Er hatte davon gehört, es aber nie selbst gesehen. Aurigen besaßen einen völlig anderen Metabolismus. Auch in ihren Körpern gab es Flüssigkeiten und Sekrete, aber sie waren anders als das Blut. das in den Dragg oder auch anderen Lebewesen floss. Er schnitt die Hautsegel vom Körper des Dragg, die noch einigermaßen intakt waren. Gerade drei Stück. Das war wenig, zumal die Gefahr bestand, dass der nicht aufhören wollende Sturm sie ebenso zerfetzen würde, wie die Segel am lebenden Dragg zerrissen hatte. Aber es war den Versuch wert. Cy schauderte, als er die Hautsegel sicherte und den nächsten, noch grausigeren Teil seiner Arbeit in Angriff nahm. Er brauchte Schnüre, Seile, und die fand er in den Sehnen des Tieres, die er aus den Gliedmaßen heraustrennen musste. In dieser Hinsicht gab der Dragg trotz seiner enormen Körpergröße nicht sehr viel her, denn die Sehnen waren relativ kurz. Cy würde sie miteinander verknoten oder besser noch vernähen müssen. Das war sicherer. Knoten lösten sich zu leicht, wie fest auch immer man sie anzog. Die Sehnen waren feucht und glitschig. Sie mussten erst trocknen, ehe er mit ihnen weiterarbeiten konnte. Mittlerweile ließ der Sturm weiter nach. Dennoch blieb er gefährlich, und da der Aurige nicht bestimmen konnte, wohin er jetzt getrieben wurde, wuchs die Furcht in ihm, den Weg zurück niemals mehr finden zu können. Diese Furcht war es, die ihn beflügelte, die ihn schneller arbeiten und seinen Ekel überwinden ließ. Nun wandte er sich den Resten der Plattform zu. Mit dem wenigen Werkzeug, das ihm verblieben war, machte er sich daran, eine Art »Floß« zu bauen, das wiederum wie zuvor die Reiseplattform über einen kleinen Aufbau verfügte, der als Stauraum dienen konnte. Er brachte das, was ihm an Proviant verblieben war, darin unter. Immer wieder hielt er auch Ausschau nach den nahrhaften Pollen. Doch nirgendwo gab es sie. Der einst immerwährende Strom, der Auri erreicht hatte, schien für alle Zeiten versiegt. Oder war er nur durch den tobenden} Sturm in eine andere Richtung gelenkt worden? Es war müßig, darüber nachzudenken, denn durch Denken und Grübeln allein konnte Cy nichts an den Dingen ändern. Immer wieder lauschte er auch nach seinen Kameraden. Aber er konnte niemals wieder einen von ihnen spüren. Er versuchte, sich zu erinnern, wie die Dragg ihre Hautsegel ausspannten. Wie sie sie aufstellten und schwenkten, um mit dem Sonnenwind zu gleiten. Und er bemühte sich, eine Konstruktion zurechtzubasteln, die dieses Schwenken und Ausrichten nachahmte. Allmählich nahm die Sache Formen an. Er zog die Schnüre aus Sehnen, verband sie mit den Masten und Gaffeln. Zog sie durch Ösen, schuf Befestigungsmöglichkeiten. Er arbeitete langsam, weil das alles für ihn höchst ungewohnt war, aber er arbeitete präzise und überlegt. Jede Ursache durchdachte er in der Theorie hinsichtlich ihrer Wirkung. Und dabei lernte er zugleich, wie er diese Segel bedienen musste, um das Floß zu stabilisieren, damit er die Richtung wieder fand, aus der bislang die Nahrung
heran getrieben wurde. Fand er diese Richtung, konnte er irgendwann auch den
Heimweg wieder finden.
Endlich, nach mehreren Hell-Dunkel-Wechseln, in denen er wenig Nahrung zu sich
genommen hatte, weil er seiner Arbeit wegen kaum Zeit dafür fand, war es so weit.
Er konnte die Segel hissen. Die Windströmung, die längst kein Orkan mehr war,
füllte die Segel. Und Cy begann zu navigieren, so wie es früher der Dragg getan
hatte.
Das Floß löste sich von dem toten, längst ausgebluteten Geschöpf.
Irgendwie war Cy darüber erleichtert. Obgleich er jetzt keinen »festen Boden« mehr
unter sich hatte, verschwand aber auch der schaurige Anblick eines Wesens aus
seinem ständigen Blickfeld, das ihm lange Zeit treu gedient hatte, und das er zum
Dank dafür zerlegt hatte...
Zerlegen musste, um dort zu überleben, wo es dem Dragg nicht gelungen war.
Er hatte in diesen Tagen viel gelernt. Er war reifer geworden. Aber hatte er das
wirklich so gewollt - in dieser brutalen Weise? Musste Erfahrung den Tod in sich
bergen?
Nun endlich konnte er seinen Weg fortsetzen.
Doch er war sich auch über die nicht enden wollende Gefahr im Klaren.
Ein zweiter Orkan dieser Art würde ihn und sein Floß vernichten, so wie er den
Dragg vernichtet hatte. Einmal war Cy davongekommen. Eine zweite Chance bekam
er nie mehr.
Erde, Beijing, 2041 a.D.
Im Laufen fragte sich Xian zum wiederholten Mal, warum nirgends Ordnungskräfte und Soldaten zu sehen waren. Hier war ein fremdes Raumschiff gelandet. Hier hatte sich eben dieses Schiff mit an Zauberei grenzenden Mitteln in etwas anderes verwandelt. Und trotzdem demonstrierte Sadako kaum Stärke? Obwohl sie sich anstrengte, schaffte es Xian nicht, Wei zu erreichen, bevor er das Portal durchschritt. Ein Kind kreuzte ihren Weg und lenkte sie ab. Es weinte jämmerlich. Xian blieb stehen und ging vor dem Jungen in die Hocke, fasste ihn an den Schultern, sprach beruhigend auf ihn ein. In diesem Augenblick tauchte hinter ihr eine Frau auf, trat ihr in den Rücken, packte den Jungen und riss ihn, während Xian stürzte, mit sich fort. Die Frau hatte einen kleinen Koffer bei sich; Das Weinen entfernte sich, und als sich Xian endlich wieder
aufrichtete und ihre Kleidung glatt strich, waren Mutter und Sohn wie von der Bildfläche verschwunden. Wenn es überhaupt ihr Sohn war, durchzuckte Xian ein bizarrer Gedanke. Woher wollte sie wissen, dass sie nicht gerade Zeuge einer dreisten Entführung geworden war? Sie schüttelte die Verstörtheit ab und setzte ihren Weg zu dem außerirdischen Bauwerk fort. Niemand sonst schien zum Portal zu streben. Die Leute, die Xian sah, hasteten in der Mehrzahl achtlos vorüber, und selbst die Gruppe, mit der sie nach Beijing gekommen waren, hatte sie schon vor einer Stunde aus den Augen verloren. Sie sehnte sich nach ihrem Dorf zurück. Nein, korrigierte sie sich, du sehnst dich nach Erlösung. Danach, noch einmal ganz von vorne anfangen zu können. Ein neues Leben. Ohne Schatten... Sie war über die eigenen Gedanken so verblüfft, dass sie stolperte und fast noch einmal hingefallen wäre. Es muss die Nähe dieses sakral anmutenden Baues sein, dachte sie. Aber sie erkannte sich selbst nicht wieder. Nicht nur Wei hatte sich verändert. Und noch etwas bemerkte sie, als sie das Tor in dem riesigen Gebilde fast schon erreicht hatte und an den Außenwänden emporblickte. Die Verwandlung dieses Dings war noch nicht abgeschlossen. Was ihr aus der Ferne entgangen war, wurde aus der Nähe offensichtlich: Entlang der anthrazitfarbenen Fläche war Bewegung! Es erinnerte an ein Rekonstruktionsprogramm, mit dem Xian manchmal zu Hause am Computer arbeitete. Sie war leidenschaftliche Fotografin mit einem Hang für Altes. Oft durchstreifte sie die Umgebung des Dorfes auf der Suche nach Tonscherben oder anderen Überresten, die ihr interessant erscheinen. Diese nahm sie mit nach Hause, fotografierte sie und ließ die Aufnahmen der Fragmente ein Programm durchlaufen, das selbst aus einem Splitter noch Rückschlüsse auf das frühere Ganze zu ziehen vermochte - erst ein grobes Raster erstellte und dieses nach und nach ausfüllte. So wie das langsame Wachsen einer Rekonstruktion entlang eines ersten groben Rasters wirkte auch der Anblick der »Kathedrale« auf Man. Sie hatte die Anfänge nicht erlebt, aber jetzt - jetzt sah es aus, als fülle sich das weit fortgeschrittene Grundgerüst immer noch mit »Fleisch«. Details wurden ausgearbeitet. Atome gruppierten sich um... Nanotechnologie, dachte sie. In einer Perfektion, von der wir nur träumen - oder die wir nur fürchten können... Sie fürchtete sich auch, das Ding zu betreten. Tat es aber doch und folgte Wei wie an einer unsichtbaren Schnur. Die Schwelle war ein Problem. Auf der Schwelle - der Zugang war offen, und es gab kein sichtbares Tor. um ihn überhaupt zu schließen -überkamen Xian noch einmal heftigste Zweifel, ob sie klug handelte. Ob sie wusste, was sie da tat_ Sie wusste es nicht, entschied sie. Aber ihre Beine trugen sie nach kurzem Zögern fast wie von selbst über die Schwelle, von der aus nichts zu erkennen war, was sich dahinter befand.
Das änderte sich jenseits der Marke, die sie überschritt.
Und mit einem Gefühl, als hätte sie gerade die Welt verlassen, schrie sie gellend auf.
Die Suche Übergangslos zerbarst die Routine in tausend imaginäre Scherben. Algorian hatte das Gefühl, von einer gewaltigen, würgenden Faust umschlossen zu werden, als sein Erstling plötzlich - noch bevor ein Instrument ansprach - grollend verkündete: »Eine Sppurrrrr!« Die Zentrale schien über Algorian zusammenzustürzen. Es ist nur eine Spur, versuchte er sich zu beruhigen. Zugleich aber war er sich bewusst, dass es eben auch die erste Fährte war, die sie seit Beginn der Suche überhaupt aufgenommen hatten. Während der ganzen Zeit, die hinter ihm lag, hatte Algorian immer geglaubt, dieser Augenblick müsste etwas Erhebendes, geradezu Feierliches an sich haben. Die Wirklichkeit sah anders aus. Sehr viel nüchterner und ernüchternder. Augenblicklich war er in die Aufgeregtheit seines Bruders eingebunden. Und mit minimaler Verspätung schlugen auch die Ortungsgeräte an. Treffer!, dachte Algorian. Wobei Treffer noch nicht Volltreffer hieß, aber davon ließ sich Algorian nicht bremsen. Vor ihm baute sich knisternd ein Tasthologramm auf, in das eine Sternenkarte jenes Sektors eingebettet war, den sie gerade bereisten. Die zurückliegenden Etappen, allesamt erfolglos verlaufen, waren als farblich abgesetzte Linien markiert. Der Kartenausschnitt machte nicht einmal 0,01 Prozent des Gesamtumfangs der Galaxis aus und umfasste bis dato unerschlossenes Gebiet. Die Suche hatte den nützlichen Nebeneffekt, dass dieses bisherige Niemandsland zumindest kartographiert wurde. Algorian und sein Erstling hatten insgesamt vier Sonnensysteme entdeckt, die sich rein theoretisch für eine Kolonisierung geeignet hätten. Systeme, die allerdings auch für die Aggressoren von Interesse werden konnten, obwohl gerade sie - so schien es - sich lieber auf bereits voll entwickelte Infrastrukturen konzentrierten. Der Gedanke an die Aggressoren, die für sämtliche Anstrengungen, die die Allianz CLARON in jüngerer Vergangenheit unternommen hatte, verantwortlich waren, drohte Algorian aus der Konzentration zu reißen. Doch dann nahm ihn das Jagdfieber wieder voll gefangen. Jagdfieber! Er hatte sich immer gefragt, wie sich der Moment anfühlen würde, in dem sein Erstling »anschlug«.
Jetzt wusste er es. Es war atemberaubend. Es beherrschte ihn bis in die letzte Faser seines Seins, während seine Hände über und durch das Hologramm huschten, die schaltbaren Felder berührten und so den Kurs der MASOT beeinflussten, ihn auf die stetig fließenden Informationen abstimmten. Die Psi-Fühler des Erstlings hatten sich in das noch ferne, am Rande der Wahrnehmung befindliche Ziel ausgerichtet und tasteten es nun unentwegt ab. Der betreffende Stern funkelte tiefrot innerhalb der Darstellung. »Spurrr starrkkk! «, kommentierte der Erstling. Dass er zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit die Stimme erhob, bedeutete für seine Verhältnisse fast schon Redseligkeit. »Spürrrre dasss gessucchhte Mussterrrr! Klaarrrr... Ganzzz klarrr!« Die Worte schnitten wie Klingen in Algorians Körper. Er verinnerlichte sich, was es bedeuten würde, wenn ausgerechnet ihnen Erfolg beschieden wäre. Ruhm und Ehre ein Leben lang... Vielleicht wäre er der erste Nachgeborene, dem es in einem solchen Fall gelingen könnte, wenigstens vorübergehend ins Bewusstsein der völlig auf Erstlinge fixierten Aorii-Gesellschaft zu dringen... Wunschdenken!, maßregelte er sich. Was bist du doch für ein Narr! Wie leicht du aus der Bahn zu werfen bist! Es wird sich als Irrtum erweisen. Als Beinahe Treffer. Alles andere wäre... wäre... Er fand keinen passenden Vergleich. Die MASOT glitt dem Zielstern entgegen. Der Erstling pumpte fauchend Luft, seine Präsenz auf geistiger Ebene schwoll an. Die Atmosphäre innerhalb der Schiffszentrale war zum Zerreißen gespannt. »Schnellerrrr!«, drängte der Koloss, aus dessen Schädel die Kabelverbindungen wie ein Bündel mörderischer Zachwürmer heraus stachen. Das Antriebsgeräusch, sonst dumpf und monoton, hatte sich zu einem hohen Singen gesteigert. Mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit raste das Schiff dem Ort entgegen, an dem der Erstling etwas gefühlt, geortet hatte, das den geforderten Parametern entsprach. Und Algorian wurde immer nervöser, je näher sie kamen. Narr!, schimpfte er sich wieder und wieder - um seine Erwartungen zu dämpfen und zu verhindern, dass die Enttäuschung, die folgen musste, ihn nach übertriebener Hoffnung wieder brutal auf den Boden der Tatsachen zurückbeförderte...
Expansion, 17 n.A.
Leise wie ein Adler glitt das Shuttle durch die Schneise zwischen den himmelstürmenden Bäumen. Dann wurde es abgebremst. Es stand sekundenlang in der Luft, dann senkte es sich langsam auf den Boden nieder. Die Landefähre brauchte keine Rollbahn. Wie ein Helikopter konnte sie senkrecht niedergehen. Mit einem kaute wahrnehmbaren Ruck setzte sie auf, und der Co-Pilot drückte den Knopf, der die Luke öffnete. Captain Deckert schnappte sich sein Gewehr, erhob sich und sprang aus dem Shuttle. Er lief an den Rand der breiten und endlos lang anmutenden Straße, die den Dschungel zerschnitt wie ein graues Band. In der Ferne waren Türme und einige Häuser zu sehen. Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, dass sie direkt in der Hauptstadt landen sollten. Doch die Anzahl der Angriffsshuttles war halbiert worden, und das Luftabwehrfeuer war stärker als vorausgesehen. Sie hatten unmöglich den ursprünglichen Kurs beibehalten können, wollten sie nicht inakzeptable Verluste riskieren. Mit der vollen Anzahl Shuttles wäre ihr eigenen Abwehrfeuer vermutlich dicht genug gewesen, um alle Raketen abzufangen. Offensichtlich hatte Commander Mallory einen Fehler begangen. Hoffentlich bleibt das der einzige!, dachte Deckert grimmig. Seine Soldaten, die mit ihm in der Landefähre gewesen waren, folgten ihm. Die übrigen 13 Shuttles landeten nach und nach. Deckert presste die Lippen zusammen, sodass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich bildeten. Vier Fähren!, schoss es ihm durch den Kopf. Gott verdammt! Die Landung hat uns schon vier Fähren gekostet. 200 Soldaten und 8 Piloten - alle tot! Was für ein Preis! Es war ein Himmelfahrtskommando, mit dem er von Mallory betraut worden war. Der Tod flog mit ihnen und war allgegenwärtig... Aus den 14 Shuttles sprangen 700 Elitesoldaten, Soldaten. Im Laufschritt nahmen sie Aufstellung. Niemand verlor ein Wort. Es bedurfte keiner gebrüllten Befehle, keiner schnarrenden Kommandos. Die Männer waren aufeinander eingespielt, jeder kannte seinen Platz und seine Aufgabe. Innerhalb kürzester Zeit standen sie in Reih und Glied. Es waren neun Kompanien gewesen. Jetzt waren es noch fünf zu jeweils 100, vier zu jeweils 50 Mann. Die Kameraden dieser dezimierten Einheiten hatten in den Shuttles gesessen, die von den Flugabwehrraketen der Foraner getroffen worden waren. Aus den neun Kompanien wurden sieben mit jeweils 100 Mann gebildet. Mit ihren schwarzen Helmen und dunkelgrünen Anzügen sahen die Soldaten aus wie überdimensionale Ameisen, wie Klone, die sämtlich einer dieser Erscheinungen nachgebildet worden waren. Aber es waren Menschen aus Fleisch und Blut. Keiner älter als 25 Jahre. Männer, die in geheimen Lagern zu kompromisslosen Kampfmaschinen herangezüchtet worden waren, die in ihrem Leben nichts anderes kennen gelernt hatten als zu gehorchen, zu kämpfen - und zu töten.
Die Kompanieführer versammelten sich um Deckert und schnarrten ihre Meldungen herunter. »Wir trennen uns!«, erklärte Deckert, der sich bereits einen Ausweichplan zurechtgelegt hatte. »Bis zur Hauptstadt liegen etwa zehn Meilen vor uns. Jede Kompanie versucht für sich, das Ziel zu erreichen. Sollten Ihnen Foraner in feindseliger Absicht gegenübertreten - eliminiert sie. Wir sind hergekommen, um Tarrant zu erobern und zur ersten Kolonie der Menschheit im Sternenbild Triangulum auszurufen. Noch Fragen?« »Nein, Sir«, erklang es mehrstimmig. »Ich selbst übernehme die 7. Kompanie. Lasst euch nicht umbringen, Jungs. Abrücken! « Die Kompanieführer salutierten und liefen auseinander. Kurz darauf erschallte es: »A-Kompanie, rechts um! A-Kompanie - Marsch! « Die B-Kompanie folgte, dann die C-Kompanie... Zuletzt wurde die G-Kompanie in Marsch gesetzt. Es war die 7. Kompanie, wie Captain Deckert sie bezeichnet hatte. Er führte die Männer in den Dschungel hinein. Vögel zwitscherten, Insekten summten. Das schrille Geschrei irgendwelcher Urwaldbewohner sickerte heran. Überall war Knacken und Rascheln, Rauschen und Säuseln. Doch das alles wurde übertönt, als die Triebwerke der Shuttles aufbrüllten. Das Heulen der Maschinen betäubte die Trommelfelle. ` Im nächsten Augenblick erhob sich das erste Shuttle über die Urwaldriesen. Das zweite folgte, das dritte... Die Landefähren drehten ab und nahmen Kurs zu den Mutterschiffen. Es wäre viel zu gefährlich gewesen, sie im Urwald zurückzulassen. Nachdem die Foraner die Menschen schon mit Flugabwehrraketen in Empfang genommen hatten, hätten sie die Shuttles unweigerlich zerstört, sobald sie sie geortet hatten. Ohne die Landefähren aber wären der Captain und seine sieben Kompanien Soldaten nicht mehr von dem Planeten entkommen können. Und das hätte ihrer aller Ende bedeutet... Sie marschierten in Dreier-Reihe. Vorneweg stapfte Captain Deckert durch das Dickicht aus Farnen und riesigen Schachtelhalmen, die die Größe von mittleren Bäumen besaßen. Die Hände des Captains lagen fest um das Blastergewehr. Seine Augen waren unablässig in Bewegung. Die Soldaten bewegten sich verhältnismäßig leise. Au - - sic ununterbrochen sichernd um. Dichte Schatten nisteten zwischen den uralten Stämmen. Sträucher und Felsklötze im Hintergrund verschwammen in der diesigen Luft. Vereinzelte Lichtbahnen brachen durch das Zweiggespinst und malten goldene Muster auf den Waldboden. Überall war ein Wechsel von Licht und Schatten, der das Auge irritierte und huschende Gestalten vortäuschte.
Captain Mike Deckert fühlte sich von tausend Augen beobachtet. Er fühlte sich ganz
und gar nicht wohl in seiner Haut. Sie waren in feindseliger Absicht auf Tarrant
gelandet, und Entgegenkommen oder Verständnis durften sie nicht erwarten.
Der Commander gab sich keinen Illusionen hin.
Er schaute nach links, nach vorne, nach rechts.
Nichts !
Wie zufällig wanderte sein Blick an einem der Baumriesen, der sich ein Stück vor
ihm zum Himmel reckte, in die Höhe.
Und da sah er die Gestalt - ein Foraner.
»Achtung, sie sind da!«, zischte Deckert in das Kehlkopfmikro, über das er mit allen
Männern seiner Kompanie in Verbindung stand. Er warf sich zur Seite und riss das
Gewehr hoch.
Lautlos raste der Blasterstrahl schräg nach oben, kreuzte sich mit der grellen
Lichtbahn aus dem Gewehr des Foraners.
Deckerts Energiestrahl traf den Foraner mitten in die Stirn.
Dort, wo der Captain eben noch gestanden hatte, brachte der feindliche Blaster die
Luft zum Kochen und bohrte sich in den Stamm eines Baumes.
Rinde spritzte, Holzspäne flogen wie Geschosse durch die Luft, Flammen züngelten
um das Einschussloch, erloschen aber sogleich wieder.
Der Foraner kippte von dem Ast, auf dem er gehockt hatte, und stürzte in die Tiefe.
Das Blastergewehr glitt ihm aus den Händen. Äste brachen unter dem Gewicht des
Getöteten, andere wurden nach unten gedrückt und peitschten wieder nach oben,
dann kam der Aufprall auf dem Waldboden.
Mit ausgebreiteten Armen blieb die Kreatur liegen.
Die Soldaten waren abgekniet. Sie bildeten einen Kreis, die Mündungen ihrer
Gewehre zeigten in alle Himmelsrichtungen.
Sekundenlang geschah gar nichts.
Captain Deckert kniete inmitten seiner Männer. Jede Faser seines Körpers war auf
das Äußerste gespannt. Die Atmosphäre war spannungsgeladen wie vor einem
schweren Gewitter, gefährlich und nahezu unerträglich. Deckerts Sinne arbeiteten
mit doppelter Schärfe, und er spürte instinktiv, dass irgendwo zwischen den
Urwaldriesen und im dichten Unterholz die Hölle für sie vorbereitet wurde.
Sekunden später begann das Chaos.
Zwischen den Bäumen glühten die Blasterstrahlen aus den Waffen der Foraner auf.
Doch die Einheimischen waren nicht zu entdecken. Sie verstanden es, sich wie Tiere
im dichten Gebüsch des Dschungels zu verkriechen und für den Gegner unsichtbar
zu bleiben.
Von allen Seiten griff der lautlose Tod nach Deckerts Männern. Sie wurden von
den Treffern herumgerissen und geschüttelt, bäumten sich auf, und stürzten tot oder
sterbend zu Boden.
Es gab keine Gnade und kein Erbarmen.
Es gab nur Hass und tödliche Leidenschaft.
Blindlings feuerten die Invasoren von der Erde zurück. Hin und wieder landeten sie
einen Zufallstreffer.
»Wir hauen ab!«, brüllte Deckert. »Rückzug!« Er federte hoch und stürmte los. Seine Männer, soweit sie noch dazu in der Lage waren, folgten ihm nach allen Seiten feuernd und sich auf diese Weise Feuerschutz gebend. Plötzlich sprang direkt vor Deckert ein Foraner hinter einem Baum hervor. Der Captain erfasste das Bild dieser Kreatur, die mit ihren überlangen Armen und den kurzen, stämmigen Beinen eher an einen Affen als an ein intelligentes Wesen erinnerte. Er trug einen Brustharnisch aus matt glänzendem Metall, einen Helm aus demselben Material und Beinkleider aus Leder. Seine Füße steckten in hohen Stiefeln. Mit wütendem Geheul legte der Foraner an. Das hässliche, dunkle Gesicht hatte sich verzerrt. In den gelben Augen, die wie Wolfslichter schimmerten, glomm der fanatische Hass. Die langen, schwarzen Haare waren verfilzt und strähnig. Einen Herzschlag lang war der Captain wie gebannt von dieser Erscheinung. Dann aber schüttelte er die Lähmung ab, feuerte und... Der Blasterstrahl konnte den Brustpanzer nicht durchdringen. Deckert war einen Augenblick lang schockiert. Ungläubiges Staunen erfüllte ihn. Einen Lidschlag später hielt er höher und traf das verzerrte Gesicht. Der Kopf zerplatzte regelrecht, und der Foraner brach wie vom Blitz getroffen zusammen. Wütendes Gebrüll erschallte ringsum. Der Captain sprang über den reglos Daliegenden hinweg. Als er einen schnellen Blick über die Schulter warf, sah er den Rest seiner Mannschaft hinter sich herstürmen. Die Männer feuerten, was die Rohre hielten, trotzdem sah Deckert noch einige von ihnen stürzten. Der Magen krampfte sich ihm zusammen. Es ging einen Abhang hinauf. Über dem Rand erhoben sich Bäume und dichtes Strauchwerk. Atemlos langte Deckert oben an. Seine Lungen stachen. Seine Bronchien rasselten. Der Captain wirbelte herum. Ein Blick auf die kläglichen Rest seiner Kompanie sagte ihm, dass gut die Hälfte der Männer gefallen war. Die Erkenntnis kam mit schmerzlicher Schärfe und drohte den Captain wie mit tonnenschweren Gewichten zu erdrücken. Unten rannten einige der Foraner aus dem dichten Gestrüpp, knieten ab, zielten sorgfältig und schickten die grünlichen Blasterstrahlen hangaufwärts. Männer wurden getroffen, bäumten sich auf, stürzten und starben. Es war furchtbar. »Beeilt euch, verdammt! In Deckung!« Der Captain brüllte sich fast die Lunge aus dem Leib. Unter dem Helm drang allerdings kein Laut hervor, und durch die Lautsprecher der Headsets an den Helmen der Soldaten würden seine Worte gefiltert und normal zu vernehmen sein. Deckert feuerte auf die Angreifer und sah die affenartigen Kreaturen stürzen. An ihm vorbei rannten die Soldaten, warfen sich in Deckung und eröffneten ebenfalls das Feuer auf die Foraner.
Die Blastergewehre schickten ihre Tod bringenden Lichtbahnen aus den Mündungen.
Die Foraner stürmten den Hügel hinauf und griffen mit wüstem Geschrei angriffen.
Die Blasterstrahlen aus ihren Waffen ließen das Erdreich spritzen, Felsbrocken
zerplatzten, Baumstämme qualmten dort, wo ihnen die gebündelten Lichtstrahlen
tiefe Wunden beigebracht hatten.
»Captain«, kam es durch den Lautsprecher in Deckerts Helm, »Sir, wir werden uns
hier nicht lange halten können. Sicher
werden die Foraner sehr bald Verstärkung erhalten. Und wenn sie uns in der Zange
haben, dann gute Nacht.«
Es war Sergeant Miles Warwick, der diesen drängenden Appell abgesetzt hatte.
Deckert schoss einen der Angreifer von den Beinen. Er sah ihn die Arme hochreißen,
und das Gewehr des Foraners flog in hohem Bogen davon. Schwer krachte der
Körper auf den Waldboden und verschwand im kniehohen Unkraut.
»Wir ziehen uns zurück, Sergeant«, sagte Deckert nach kurzer Überlegung. »Sie und
ihre Gruppe decken unseren Rückzug. Wir geben Ihnen Feuerschutz, sobald wir die
Stadt am Ende der Straße erreicht haben.«
»Meine Gruppe, Sir«, kam es bitter zurück, »besteht noch aus sieben Mann. Sieben
von zwanzig Aber in Ordnung, Sir. Ziehen sie sich mit dem Rest der Kompanie
zurück. Wir werden diese Halbaffen aufhalten, so lange es geht.«
»Sergeant Walker! «, rief der Captain ins Mikrofon. »Hören Sie mich, Walker?«
Ein Knistern drang durch den Lautsprecher, dann eine Stimme: »Walker ist gefallen,
Sit. Er...«
»Wer sind Sie?«
»Soldat Wassilovic.«
»Übernehmen Sie die zweite Gruppe, Wassilovic, und unterstützen Sie Sergeant
Warwick. Klar?«
»Klar, Sir.«
»Erste Gruppe, zweite Gruppe, fünfte Gruppe - Rückzug!«, stieß der Captain
grimmig hervor.
Er erhob sich, feuerte blitzschnell noch einige Male und sah einige der sich den
Hügel hochkämpfenden Foraner stürzen, dann warf er sich herum und rannte mit
langen, kraftvollen Sätzen den Abhang hinunter.
Etwa 35 Mann folgten ihm. Die dritte und vierte Gruppe blieb auf dem Kamm
zurück und lieferte den Foranern einen verbissenen Kampf.
Captain Deckert und der Rest der G-Kompanie verschwanden im dichten Dschungel.
Cy Einsamkeit.
Verlorenheit. Das war es, was Cy empfand während seiner Weiterreise unter den erschwerten Bedingungen. Er gewöhnte sich rasch daran, mit den Segeln zu navigieren, aber er gewöhnte sich nicht daran, allein zu sein. Keine anderen Aurigen in der Nähe, nicht einmal ein Dragg. Er war allein. So allein, wie er es sich niemals zuvor hatte vorstellen können. Mehrere Hell-Dunkel-Wechsel vergingen, während er weiterflog, dem ungewissen und unsicheren Ziel entgegen. Bis plötzlich ein seltsames Etwas seinen Weg kreuzte. Ein Ding, wie er es nie zuvor gesehen hatte. Es glänzte im Licht der Lebensspenderin, aber seine Ränder waren gezackt und zerfranst, als hätte Feuer an ihnen gefressen. Es glitt vorbei, ehe er danach greifen konnte. Um es einzufangen, hätte er wenden müssen. Doch er verzichtete darauf. Die Strömung war gerade sehr günstig, und nach einem vorübergehenden Kurswechsel hätte er sich erst mühsam wieder einfädeln müssen. Zumal es nicht sicher war, ob es ihm überhaupt gelungen wäre, das seltsame Ding zu verfolgen und einzuholen. Denn er hätte gegen die Strömung des Sonnenwinds fliegen müssen. Dem Ding selbst schien diese Strömung nichts auszumachen. Es flog ihr ungehindert entgegen. Getrieben vielleicht von einem völlig anderen Zwang. Bald darauf sah er andere Dinge vorübertreiben, größere und kleinere. Ihre Formen waren unterschiedlich, aber alle zeigten deutliche Merkmale einer Beschädigung oder Zerstörung. Sie bewegten sich unterschiedlich schnell und in unterschiedliche Richtungen. Cy beobachtete, wie zwei dieser Fragmente einander berührten, voneinander abprallten und auf neue Bahnen gestoßen wurden. Je weiter er vordrang, desto mehr dieser Trümmerteile gab es. Ja, richtig: Es mussten Trümmer sein. Er musste an seine Reiseplattform denken. Das, was von ihr losgeschlagen worden war, musste diesen Teilen in gewisser Hinsicht ähneln. Was aber war hier zerstört worden? Er näherte sich immer mehr dem Zentrum. Bald schon musste er die Segel reffen, musste zusehen, dass sein Floß langsamer wurde. Denn je dichter das Trümmerfeld, desto größer wurde die Gefahr, eines der Teile ungewollt zu rammen. Und viele von ihnen waren größer als sein Floß... Sein räumliches Denken versagte, als er sich vorstellte, wie das zerstörte Objekt einmal ausgesehen haben mochte. Sicher war es sehr groß gewesen, wenn auch bestimmt nicht so groß wie eine Spore vom Ausmaß der Auri. Aber was hier an Teilen herumschwebte, überstieg beinahe sein Begriffsvermögen. Es war riesig. Er manövrierte vorsichtig zwischen den Trümmern hindurch und näherte sich einem Teil, das weitaus großer war als alle anderen. Anfangs noch hatte er es zwar für groß, aber nicht für so groß gehalten. Mit der Zeit stellte er fest, dass er die Entfernung falsch eingeschätzt hatte - das Objekt war weiter entfernt von ihm und deshalb in Wirklichkeit auch um ein vielfaches größer als bei seinem ersten Beobachtungseindruck.
Die ursprüngliche Form ließ sich nicht mehr erkennen. Überall waren gewaltige, ausgefranste Löcher. Hier und da ragten Gitter und Streben einsam ins Nichts wie die Knochen eines Dragg. Es sah so aus, als hätte sich im Innern des Objektes ein mächtiger Riese ausgetobt, wild um sich geschlagen und große Teile abgeschlagen und fortgeschleudert. Doch es gab auch eine Stelle, die so aussah, als habe jene Riesenfaust von außen zugeschlagen und sich tief in das Objekt hineingebohrt. Cy konnte sich nicht vorstellen, was hier geschehen war. Aber irgendwie ahnte er, dass dieses zerstörte Objekt wichtig war. Dass es eine Bedeutung für ihn hatte, und auch für alle anderen Aurigen, für die Spore, für ihrer aller Leben und Überleben. »Ich muss herausfinden, was dieses Ding war«, sagte er leise. Er manövrierte sein Floß dicht an das Trümmerobjekt heran und dockte an. Sorgfältig vertäute er es, damit die Strömung des Sonnenwinds, die das Muttergestirn dem Lebensgürtel schenkte, es nicht davon treiben lassen konnte. Und ein neuerlicher Sturm erst recht nicht. Er sah noch einmal zur Sonnenmutter, nahm ihr rötlichgelbes Licht auf - und betrat das Trümmerobjekt.
USA, Nevadawüste, geheimer unterirdischer Komplex, 2041 a.D. Das aufgedunsene, narbige Gesicht verzog sich zu einem abfälligen Lächeln. Der kleine Mund mit den aufgeworfenen Lippen formte ein Bild, das an einen vergreisten Babymund erinnerte. Sarah Cuthbert unterdrückte das Gefühl von Abscheu, das ihr den klaren Sinn trüben wollte. Schon bei ihrem ersten Zusammentreffen mit Hays hatte sie erkannt, dass dieser Mann alles missen ließ, was nötig gewesen wäre, um sie zu Freunden zu machen. Es war nicht einmal genug vorhanden, um gegenseitige Wertschätzung, gegenseitigen Respekt gedeihen zu lassen. Schon als Mann an sich ist er abstoßend, dachte sie. Aber seine Einstellung übertrifft alles. Der Lift stoppte, die Tür glitt auf. Hays machte eine auffordernde Geste. »Madam President ... « »Danke, nach Ihnen.« Er akzeptierte, ohne sich zu zieren. Auch die Liftfahrt war mit einem starken Déjà-vu für die Präsidentin verbunden. So hatte alles begonnen. Mit einem Ausflug in die Tiefe eines ähnlichen Stützpunkts wie diesem hier. ort, wo Hays sein Telepathenprojekt geleitet hatte. Dort, wo Sarah zum ersten Mal dem Mädchen Scobee begegnet war - dem Ebenbild von GT Scobee, die auf der RUBIKON reiste.
Eine einschneidende Erfahrung, wie auch die SCHWARZE FLUT, die Abermillionen Leben ausgelöscht hatte. (Siehe Band 1 »Armageddon« von Manfred Weinland) Und allein schon deshalb, dachte Sarah, sind die Invasoren zu verdammen! Sie mögen sich noch so zurückhalten. Niemand glaubt ihnen, dass sie keine Gräuel im Schilde führen. Sie haben die Welt schon an den Rand der Katastrophe geführt. Denkbar, dass sie jetzt gekommen sind, um die Früchte zu ernten, die sie gesät haben. Aber welche Früchte konnten das sein? Worauf hatten es die Außerirdischen abgesehen? Noch immer gab es kein Gesicht hinter der Angst, die einen ganzen Planeten knebelte. Kein Hinweis auf das Aussehen der Invasoren. Ihre Herkunft. Ihre... »Worauf warten Sie?« Sarah schüttelte ihre Benommenheit ab, ärgerlich, weil Hays sie dabei ertappt hatte, wie sie kurz von ihren Gedanken gefangen genommen wurde. Die Sorgen wurden nicht weniger, doch wenn sie sich diesbezüglich einem Menschen nicht mitteilen wollte, dann war es der Wissenschaftler. Ein kurzer, matt erhellter Korridor, dann eine Tür, die sich nach Retinaabtastung öffnete. Hays' Fingerspitzen huschten über eine Schalttafel neben dem Türrahmen und legitimierten auch seine Begleiterin, den dahinter liegenden Raum zu betreten. Sarah verzichtete darauf, sich mies zu fühlen, weil sie in dieser Sache auf Hays angewiesen war. Die Art, wie er es genoss, sich vor ihr aufzublasen, weckte nur Ärger, Wut und Verachtung. Nein, Dr. Hays war niemand, der es ihr leicht machte, an die guten Absichten hinter dem Klonprojekt zu glauben. Ein Eindruck, der von seiner Verbundenheit mit Cronenberg noch untermauert wurde. Seelenverwandte, dachte sie. Falls sie noch eine Seele haben. Und sie nicht längst dem Teufel verkauft hatten. Wieder übertrat sie die Schwelle erst nach Hays. Ein steriler, karger Raum erwartete sie. Er entsprach dem Klischee eines Bunkertrakts, in dem sich bestenfalls ein Tisch und Stühle befanden, damit die Wachhabenden Karten spielen oder sich sonst wie die Zeit vertreiben konnten. Aber es gab nicht einmal Möbel. Nur ausklappbare Bänke an den Wänden. Und eine weitere Tür. Sie war unverschlossen und mit einem normalen Türknauf zu öffnen. »Nur damit Sie Bescheid wissen«, sagte Hays, während er das Licht im Nebenraum aktivierte. »Sie sind nicht tot.« Mit diesen Neugier weckenden Worten führte er die Präsidentin in einen Bereich, der frappant an ein pathologisches Institut erinnerte. Den Autopsiebereich. Es war Raum genug vorhanden für ein gutes Dutzend der Behälter, von denen nur drei gleichmäßig über die schattenlos erhellte Fläche verteilt standen. Rundum geschlossene, undurchsichtige Behälter aus Aluminium oder einem ähnlich aussehenden Material. Jeder hatte etwa den dreifachen Umfang eines Sarges.
»Was ist das?« Sie löste den Blick von den Behältern und starrte ihn an. »Sie hatten Recht, es interessiert mich. Also spannen Sie mich nicht unnötig noch länger auf die Folter.« »Mobile Stasebehälter«, erwiderte Hays. »Ich nenne sie vereinfachend: meine Frischhalteboxen.« Obwohl er grinste, erreichte der Witz nicht seine Augen. »Sie zeigen mir bestimmt keine leeren Stasesysteme«, sagte sie, ohne seinen »Sinn für Humor« auch nur mit einer einzigen Bemerkung zu würdigen. »Oder wollen Sie mir nur nahe legen, ich sollte mich besser auf Eis zu legen lassen? Bis alles wieder gut ist?« Ihr Sarkasmus musste selbst ihn erreichen. Doch er zeigte keine Reaktion - so wenig wie sie kurz zuvor auf seine launige Bemerkung. Ohne etwas zu erwidern, ging er auf den mittleren Behälter zu und betätigte ein paar Tasten an der Stirnseite. Der leise Brummton, der den Raum erfüllte, veränderte sich, wurde heller. Und dann verlor die Wand des Behälters scheinbar ihre Dichte. Undurchsichtiges Metall wandelte sich zu Material, das erst an milchiges, dann - binnen weniger Sekunden - an absolut klares Glas erinnerte. Zudem war das Innere des Behälters beleuchtet, sodass Sarah mühelos die darin ruhende Gestalt als das erkennen konnte, was sie war. »Scobee!«, rief sie empört. »Was haben Sie mit dem Mädchen gemacht - und warum? Sie ist unsere einzige Verbindung zu...« Sein spöttisches Grinsen brachte sie zum Verstummen. »Es ist nicht das Telepathenmädchen?« Er schüttelte den Kopf. »Ein... weiterer Klon?« Sie ballte die Fäuste. Auf dem ursprünglichen Stützpunkt hatte sie Hays eindringlich gefragt, ob es noch weitere Klone auf der Erde gebe. Er hatte im Brustton der Überzeugung verneint. Und tat es auch jetzt. Er verneinte. Er winkte sie näher zu sich heran und wartete, bis ihr Blick das entspannte Gesicht der Staseschläferin ausgiebig studiert hatte. »Ist sie nicht wunderschön?« Sarah zuckte leicht zusammen, als sie den bemüht leichthin gesagten Satz innerlich sezierte. Aus den Augenwinkeln musterte sie den Professor. Was hatte der Zug um seine Lippen zu bedeuten? Dieser... Lüsterne-Alte-Männer-Ausdruck... Sie versuchte, sich einzureden, dass dergleichen nur ihrer eigenen schmutzigen Fantasie entspringen konnten. Die Abgründe, die Möglichkeiten, die sich für Hays aus dem täglichen Umgang mit den Klonen und ihrer Konditionierung ergeben hatten, beunruhigten sie plötzlich fast mehr als die gesichtslosen Fremden in ihren Schiffen. Schiffe, die inzwischen zu Basen geworden waren. Was darauf hindeutete, dass die Invasoren sich auf einen längeren Aufenthalt einrichteten. Sie gab sich einen Ruck. Überging seine rage. Aber nicht für sich selbst. Schön, dachte sie. Wunderschön, o ja. Aber irgendwie wirkte diese Scobee auch reifer als das Telepathenmädchen und selbst als GT-Scobee, die sie von Bildübertragungen her kannte. »Ich warte!«, sagte sie. »Auf eine Erklärung. Auf eine sehr gute Erklärung... «
Sein Feixen erlosch. »Das«, er machte eine Geste wie ein Zirkusdirektor, der den Auftritt eines Artisten ankündigt, »sind die Vorlagen.« »Die...?« Sie sprach es nicht aus. Aber sie begriff. »Nein...«, flüsterte sie, ohne genau zu wissen, warum ausgerechnet diese Antwort sie entsetzte. »Doch. Darf ich vorstellen: Matrix Scobee.« Seine Hand deutete auf den zweiten Tank. »Matrix Resnick... « Und auf den letzten. »Matrix Jarvis...«
Die Suche Die MASOT fiel in den Normalraum zurück. Vor ihr, in Fahrtrichtung, lag die Sonne, aus deren Nähe die wilde Hoffnung weckenden Impulse gekommen waren. Algorian hielt die Luft an. Selbst die geräuschvolle Atmung des Erstlings schien für ein paar Momente auszusetzen. Bis sie wieder hörbar wurde, hatte Algorian bereits erste Daten des Systems gesammelt. Schneller als er es erwartet - schneller sogar noch, als er es befürchtet - hatte, holte ihn die Enttäuschung ein. Sterne ganz ohne Planeten waren extrem selten, aber hier lag offenbar ein solcher Fall vor. Doch damit nicht genug, wies die Sonne, die ungefähr dem selben Helligkeitstyp wie Pandra entsprach, der Sonne seines Heimatsystems, eine weitere Absonderlichkeit auf, die mindestens ebenso rar war. Einen Kranz. Algorian kannte optisch ähnlich aussehende Planeten aus eigener Erfahrung, aber Sonnen...? Wenige Handgriffe genügten, um den im Hologramm prangenden Stern nicht nur exakt zu vermessen, sondern die eingehenden Daten auch mit den in den Datenbänken gespeicherten abzugleichen. Ein Harxostern, dachte Algorian. Harxo bedeutete auf Aorii Ring. Extrem selten. Die das Gestirn umlaufenden Ringe sind meist extrem kurzlebig, extrem instabil... Aber davon konnte im vorliegenden Fall offenbar keine Rede zu sein. Saugend erwachte der Erstling aus der kurzzeitigen Erstarrung. »Issst da!«, fauchte er. Gleichzeitig wand er sich in nie erlebter Weise. Bäumte sich auf, sank zurück, bäumte sich auf... Die abrupten, an Kontraktionen erinnernden und von ihm selbst nicht zügelbaren Bewegungen führten beinahe dazu, dass ihm sämtliche Kabel gewaltsam aus dem Kopf gerissen wurden. Bei einem geschah dies tatsächlich, und ein dicker schwarzer Bluttropfen quoll aus der Wunde, noch bevor der Medi-Automat einschreiten konnte. »Da?«, echote Algorian. Für einen Moment wusste er tatsächlich nicht, worauf sich die Bemerkung des Erstlings bezog. Er war mindestens ebenso verwirrt, ebenso beeindruckt wie dieser.
Dennoch nahm er allen Mut zusammen und erwiderte: »Du hast dich geirrt. Offenbar
wurdest du von einem hyperphysikalischen Phänomen irritiert. Die Sonne strahlt auf
n-dimensionaler Ebene. Den Werten zufolge...«
»Da!«, unterbrach ihn sein erstgeborener Bruder schroff und betätigte die Sensoren
in den Armlehnen, worauf sich sämtliche Kabelverbindungen aus ihm zurückzogen,
bevor er sich wuchtig aus dem Sitz stemmte. Die Kanäle schlossen sich.
Obwohl Algorian diesen Vorgang unzählige Male beobachtet hatte, war er immer
noch fasziniert davon.
Der Boden schien zu beben, als der Erstling auf ihn zustapfte und unmittelbar vor
ihm stehen blieb.
»Müssenn näherrr! «
»Aber... «
Es war nicht der Erstling, der Algorian unterbrach.
Ein Alarm heulte auf, und in dem Hologramm vor den beiden Aorii begann ein
Warnsymbol zu pulsieren.
Algorian realisierte die Ursache noch schneller als sein ungeliebter Bruder.
»Erinjij ! «, keuchte er und erstarrte vor seiner Konsole. »Erinjij-Alarm!«
Expansion, 17 n.A. Der Planet befand sich im Alarmzustand. Die gesamte Armee war mobilisiert. Die
Hauptstadt der Nordprovinz, Battlon, wurde von starken Armeeeinheiten hermetisch
abgeriegelt. Schweres Gerät war aufgefahren, die foranischen Bomber standen bereit.
Captain Deckert und seine brutal dezimierte Kompanie hatten sich durchgeschlagen.
Auch den beiden Gruppen, die den Rückzug des Captains und der übrigen Männer
gesichert hatten, war es gelungen, den Foranern zu entkommen.
Captain Deckert hatte Verbindung mit den anderen Kompanieführern aufgenommen.
Die A- und die D-Kompanie waren ebenfalls in einen Hinterhalt der Foraner geraten.
Die Verluste waren immens.
Jetzt lagen die Soldaten rund um Battlon verteilt im Rand des Urwaldes und warteten
auf ihren Einsatz.
Deckert nahm Verbindung mit Commander Mallory im Flaggschiff auf.
»Die Truppen der Foraner haben eine Blockade rund um Battlon errichtet, Sir«,
berichtete Deckert. »Von den 900 Männern, die mit mir hierher marschieren sollten,
sind mehr als 250 tot. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, Commander,
dass wir die Einheimischen stark unterschätzt haben.«
»Wollen Sie die Planung der Admiralität kritisieren?«
»Natürlich nicht, Sir. Aber ich sehe jedenfalls kaum eine Chance, in die Stadt
einzudringen und Solo Hasradun als Geisel zu nehmen.«
Kurze Zeit herrschte Schweigen.
Schließlich erwiderte Commander Mallory: »Ich werde die Bomber schicken,
Captain, damit diese Sie aus der Luft unterstützen.«
»Danke, Sir Haben Sie schon Nachricht von John Briscoe erhalten?«
»Er hat zwei Shuttles verloren«, berichtete der Commander. »In schätzungsweise
einer Stunde werden er und seine Leute in der Nähe von Tbnsaba, der Hauptstadt der
Liscombianer, landen. Mal sehen, ob ihnen Moran Melix auch einen derart blutigen
Empfang bereitet.«
»Ich bin davon fast überzeugt, Sir. Wahrscheinlich haben sich die Foraner und
Liscombianer sogar verbündet, um uns mit vereinter Kraft von Tarrant zu fegen.«
»Kaum denkbar«, kam es zurück. »Aber ich will es auch nicht ausschließen. Ich
werde jetzt die Bomber losschicken, Captain. Viel Glück.«
Captain Deckert nahm seinen Helm ab und strich sich mit der flachen Hand über die
Augen. Dann schaute er sich um. Die meisten seiner Männer lagerten zwischen den
Bäumen und Sträuchern. Viele von ihnen hatten die schwarzen Helme abgenommen.
Die Waffen lagen griffbereit neben ihnen. Einige der Soldaten beobachteten ihn.
Deckert war seit zehn Jahren Soldat und war in vielen Kämpfen geprägt worden.
Seine Haare waren rötlich blond und kurz geschoren. Sein hohlwangiges Gesicht war
kantig und von Narben übersät.
Irgendwann jedoch hatte er angefangen, nachzudenken. Und er war zu dem Ergebnis
gekommen, dass er als Soldat nur dazu da war, die Expansion der menschlichen
Gesellschaft mit brachialer Gewalt und gnadenloser Brutalität voranzutreiben.
Die Völker auf Tarrant sollten unterworfen und versklavt werden. Der Planet war nur
dünn besiedelt und bot ähnliche Verhältnisse wie die Erde. Darum waren sie von der
Admiralität auf Terra als künftige Kolonien auserkoren worden, in die Menschen
geschickt werden konnten, um Platz auf der Erde zu schaffen.
Deckert stülpte sich den Helm wieder auf den Kopf und nahm Verbindung zu dem
Spähtrupp auf, den er losgeschickt hatte, damit er über die Vorgänge und
Truppenbewegungen vor Battlon auf dem Laufenden gehalten wurde.
»Die Stadt wird nach allen Himmelsrichtungen abgesichert, Sir«, berichtete der
Corporal, der den Spähtrupp führte. »Auch innerhalb der Stadt finden
Truppenbewegungen statt. Auf dem Flugfeld sind 20 Bomber aufgefahren. Ich
denke, Sir, die Foraner machen es uns nicht einfach. Es sieht aus, als hätten sie
sämtliche Truppen der Nordprovinz um und in Battlon zusammengezogen.«
»Wir erhalten Unterstützung aus der Luft, Corporal«, knurrte Deckert ins Mikrofon.
»Bleiben Sie mit Ihren Männer auf dem Posten und unterrichten Sie mich über alles,
was sich in Battlon abspielt.«
»Klar, Sir.«
Deckert ließ die Kompanieführer bei sich antreten und unterrichtete sie mit knappen
Worten.
»Sobald die Bomberflottille ihre Ladung abgeworfen hat«, endete Deckert, »stürmen
Sie mit Ihren Männern die Zugänge der Stadt. Aber es soll nur ein Scheinangriff sein.
Sie sollen die Foraner lediglich ablenken.«
»Wieso das?«, fragte einer der Männer in der Runde. »Wenn wir diese Halbaffen schon vor den Mündungen haben...« »Weil ich nicht noch mehr Männer verlieren will«, erklärte der Captain mit ruhigem Ton. »Wir sind auf diesem Planeten gelandet, um ihn zu übernehmen, nicht um uns selbst zu verheizen.« Der Captain ließ seine Worte kurz wirken, dann fuhr er fort. »Ich habe mir folgenden Plan ausgedacht, Männer. Während unsere Bomber den Foranern das Feuer unterm Hintern schüren und anschließend die Truppe den Scheinangriff durchführt, dringe ich mit fünf Freiwilligen in die Stadt ein. Es sollte möglich sein, sich bis zum Präsidentenpalast durchzuschlagen und einzudringen. Die Hauptstreitmacht der Foraner ist rund um Battlon verteilt und wird durch den Angriff abgelenkt.« »Grundgütiger«, entfuhr es einem der Männer in der Runde, »das heißt, Captain, Sie wollen Ihr Fell sozusagen zu Markte tragen.« »Es ist den Einsatz sicherlich wert, wenn ich Erfolg habe. Sollte es mir gelingen, Solo Hasradun in unsere Gewalt zu bekommen, dann haben wir gewonnen. Hasradun wird von den Foranern verehrt wie ein Gott. Nein, nicht wie ein Gott. Er ist ihr Gott. - Wer geht mit mir? Ich werde es keinem von euch befehlen.«
Kurze Zeit verstrich, in der die Soldaten schweigend verharrten und wahrscheinlich abwogen. Dann trat einer vor. »Ich gehe mit Ihnen, Sir.«
Der Captain warf einen Blick auf den Namen des Soldaten, der auf der linken Brustseite seiner Uniform zu lesen war. »Gut, Sergeant Curtis. Treten Sie neben mich.«
Nach und nach traten weitere Männer vor.
»Corporal Chung Li«, sagte einer. »Ich komme mit Ihnen, Sin«
»Sergeant Brenner, Sir, ich melde mich freiwillig.«
Zwei Soldaten kamen hinzu. Ihre Namen waren Cartec und Maghini.
Weitere Freiwillige boten sich an, doch der Captain winkte ab.
»Fünf Mann«, sagte er mit Entschiedenheit. »Je kleiner die Gruppe, desto besser.«
Am Himmel ertönte das Donnern der Triebwerke, als die Bomber, die Commander Mallory geschickte hatte, die Wolkendecke durchstießen und Kurs auf Battlon nahmen.
Die Suche Das einzelne Schiff tauchte aus dem Ortungsschatten der umkränzten Sonne auf. Keine Kampfeinheit, analysierte Algorian unter Nutzung aller ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Eher ein... Frachter?
Ausgerechnet hier, am Ende der Spur, die der Erstling gewittert zu haben meinte, auf
die Geißel der Galaxis zu treffen, erschütterte Algorian tiefer, als er sich selbst
eingestehen wollte.
Waren die Bösen längst weiter vorgedrungen, als man ahnte?
Noch während er gegen die Verblüffung ankämpfte, beugte der Erstling sich vor.
Seine Hände glitten über die Schaltfelder und aktivierten die Maske.
Im Bruchteil eines Augenblicks wucherte das Tarnfeld über die Schiffshülle - und
entzog sie nicht nur rein optisch der Wahrnehmung von außen.
Zwar gab es Gerüchte, die Erinjij - oder Menschen, wie sie sich selbst nannten -
verfügten inzwischen über eine Ortungstechnik, die selbst hochwertigste Aorii
Tarnfelder durchdrang, aber dafür gab es bislang noch keinen einzigen stichhaltigen
Beweis.
Algorian hoffte, dass nicht ausgerechnet die MASOT diesen Beweis erbringen
würde. Auch wenn der Erinjij-Raumer kein Schlachtschiff zu sein schien, war seine
Bewaffnung der des Spürers aller Voraussicht nach weit überlegen.
»Haat mann unns entdecktt?«
Algorian fixierte die Instrumentenanzeigen mit einer Inbrunst, als wollte er sie
zwingen, die Frage des Bruders negativ zu bescheiden.
Nach einer Weile sagte er: »Dafür sind keinerlei Anzeichen feststellbar. Sie scheinen
mit anderem beschäftigt.«
Die eigenen Worte riefen ein Frösteln bei ihm hervor.
Wer hatte je davon gehört, dass Erinjij etwas ohne böse Absicht oder Hinterlist taten?
»Spürst du etwas, hoher Bruder?«, wandte sich Algorian unterwürfig an den Erstling.
»Ja, die Spurrr!«
Algorian hätte es nicht für möglich gehalten, dass es einmal so weit kommen könnte
- aber in dieser heiklen Situation interessierte ihn die Spur, an der sein Bruder so
starrsinnig festhielt, nicht im Entferntesten.
Denn Erinjij bedeutete allzu oft Tod.
Möglicherweise sogar Schlimmeres als das.
Es hieß, sie machten keine Gefangenen, niemals. Aber niemand wusste sicher, was
aus denen wurde, die ihnen lebendig in die Hände fielen...
Und der jüngste Zusammenstoss zwischen Erinjij und Barschieri hatte die Lage noch
verschärft. Falls die Jay'nac die Geduld verloren, konnte Algorian dies bis zu einem
gewissen Punkt sogar verstehen. Obwohl die anorganischen raumfahrenden Völker
der Galaxis nicht vergleichbar verbunden waren wie die organischen, besaßen die
Jay'nac doch einen besonderen Status.
Sie waren das Sprachrohr aller bekannten Siliziumrassen. Ihr Wort hatte Gewicht.
Und genau dieses Gewicht hatte vor geraumer Zeit den Anstoß zur Suche gegeben.
Ohne die Jay'nac, wusste Algorian so gut wie sein Erstling, wäre weder die MASOT
noch eines der anderen Spürschiffe ausgeschwärmt, um nach ihnen zu suchen.
Nach einer Spezies, die alle Voraussetzungen erfüllte, um die ins Stocken geratenen
Verhandlungen mit den Jay'nac endlich fortsetzen zu können.
Denn die anorganische Spezies wollten nicht länger stillhalten. Sie rüsteten
unverhohlen auf.
Die Erinjij sollten keine friedliebenden Völker mehr überfallen, drangsalieren oder gar von ihren Heimatwelten vertreiben - so die offizielle Verlautbarung der Jay'nac. Eigentlich ein hehrer Vorsatz, wäre da nicht die Sorge der Allianz gewesen, die offene Kriegserklärung der Jay'nac gegen die Menschen könnte schwerwiegende Folgen haben - vielleicht schlimmere noch als das zunehmend skrupellosere Vorgehen der Erinjij. Die Allianz fürchtete, dass das Vorgehen gegen die Menschen für die Anorganischen nur derVorwand sein könnte, auf den sie lange gewartet hatten. Wir fürchten, was wir nicht verstehen, dachte Algorian. Und wenn wir irgendjemanden noch weniger verstehen als die Menschen - dann die Anorganischen! Die Jay'nac jedenfalls schienen fest entschlossen, den Erinjij und deren aggressiver Expansion Einhalt zu gebieten. Indem sie eigenes Potential, eigene Aggression dagegen setzten.
Erde, Beijing, 2041 a.D. Der Raum war riesig und leer. In dem Sinne leer, dass sich nicht annähernd das darin
befand, was sie auch nur vage erwartet hatte.
Es gab keine Dinge darin.
Und es gab Wei nicht darin.
Wei war durch dasselbe Portal wie sie selbst geschritten, nur ein klein wenig früher.
Doch die Gestalt, die ihr den Rücken zukehrte, die einzige Person, das
einzige Etwas außer ihr selbst, das in der Weite des riesigen, lichten Gewölbes zu
erkennen war, war von völlig anderer Statur. Klein und gedrungen, der Hinterkopf
kahl, die Arme schlaff nach unten hängend.
Xian hätte sich am liebsten umgedreht und wäre wieder hinausgerannt.
Doch als sie sich umwandte, sah sie keine Tür mehr.
»Geh heim«, sagte eine Stimme. »Du bist ungeeignet. Man wird sich beizeiten um
dich kümmern. Um dich und alle, die blind sind wie du. Taub und blind...«
Was redete er da?
Wie redete er?
Ihr Herz drohte anzuhalten.
Sie hatte die Stimme so lange nicht mehr gehört. So lange nicht.
Er drehte sich um, als sie sich umdrehte.
Er war nur Zentimeter von ihr entfernt - so nah.
Xian wurde ganz kalt. Das Blut sackte aus ihrem Kopf bis hinab in die Beine.
Ich falle, dachte sie. Ich verliere die Besinnung - oder sterbe sogar. Das...
Das war nicht möglich!
Vater?!?
Die Gestalt sah aus wie ihr Vater. Sie roch wie er. Jede Geste, jede Betonung
stimmte.
Dann war er fort.
Xian sah ihn nicht gehen. Aber sie sah Wei in geringer Entfernung vor einer Wand
mit unbekannten Symbolen stehen, als wäre er die ganze Zeit dort gewesen.
»Wei!«, rief sie.
Er drehte sich um, und sie rannte auf ihn zu. »Wei!«
Als sie nach ihm fasste, stieß er sie weg.
»Du musst heim! «, sagte er scharf. »Sie haben gesagt, du bist ungeeignet. Und dass
man sich um dich kümmert. Um dich und die anderen.«
Ihr wurde so schlecht, dass sie eine Minute lang glaubte, sich übergeben zu müssen,
diese Übelkeit nicht anders loswerden zu können.
»Geh! Verschwinde!«
Die Art, wie er sie ansah, erstickte jedes Aufbegehren im Keim. Xian war zumute,
als würde ihr bei lebendigem Leib das Herz herausgeschnitten. »Wei...«
»Hau ab!«
Da war Wut in seiner Stimme, die an Hass grenzte. Ein Zorn, ein Aufbrausen, das sie
reagieren ließ, als würde sie von einem anderen gelenkt.
Als sie sich diesmal umdrehte, war die Tür wieder da.
Sie torkelte hindurch.
Im Freien angekommen, blieb sie stehen und spürte Tränen über ihre Wangen laufen.
Ihr war, als wäre es dunkel und kalt und Nacht, obwohl noch immer heller Tag war
und keine Wolke den Himmel trübte.
Sie wartete stundenlang vor dem Ding, das nicht war, was es schien.
Wei tauchte nicht auf. Weder an diesem noch an einem der nächsten Tage.
Xian sah ihren Mann nie mehr wieder.
Cy Cy erkundete das zerstörte Objekt. Warum, konnte er sich selbst nicht erklären. Irgendetwas in ihm raunte ihm zu, es sei wichtig, während er andererseits immer wieder an sein Volk auf Auri denken musste, das darbte und starb, wenn nicht bald neue Nahrungsquellen erschlossen wurden. Die Zeit verrann viel zu schnell. Der Aurige schalt sich einen Narren, und doch machte er weiter, durchstreifte die Kavernen und Hallen, sah seltsame Geräte, die alle mehr oder weniger zerstört waren. Wozu sie dienten, konnte er nicht erkennen. Wie auch. So etwas hatte er nie zuvor in seinem Leben gesehen.
Er begriff lediglich, dass es sich um Apparaturen handelte, die gebaut worden waren,
um irgendetwas zu tun. Aber was das war... Wer konnte es sagen? Cy nicht!
Ihm fehlte die Erfahrung.
Aber eines wurde ihm dennoch klar. Dieses Etwas war von außen zerstört worden.
Die Faust, die von außen zugeschlagen hatte! Etwas war eingeschlagen und hatte die
Zerstörungen ausgelöst.
Aber was war dieses Etwas? Woher kam es? Und wie konnte es so stark sein, ein so
großes Objekt völlig zu zertrümmern? So sehr, dass viele Teile losgeschlagen und
mehr oder weniger schnell in alle Richtungen davon geschleudert wurden?
Cy ahnte, dass er den Verlust seines Gespanns einem dieser Trümmerteile verdankte.
Das im Sonnensturm heranrasende Teil, mit dem sein Dragg kollidiert war und dabei
sein Leben verloren hatte, gehörte sicherlich zu diesem Objekt. Es musste eines der
am kräftigsten hinfort gestoßenen Teile sein, das am schnellsten und damit am
weitesten flog.
Oder...?
War es vielleicht etwas Ähnliches gewesen wie das, das dieses Objekt zerstört hatte?
Gab es noch mehr von diesen zerstörerischen Dingen im Lebensgürtel um die
Muttersonne? Aber warum zeigte es sich dann erst jetzt, warum nicht schon viel
früher?
Waren diese zerstörerischen Dinge vielleicht sogar dafür verantwortlich, dass die
nahrungshaltigen Pollenströme ausblieben?
Fragen, Fragen, nur Fragen..., dachte Cy. Aber ich brauche ANTWORTEN!
Doch wer konnte ihm diese Antworten geben?
Woher sollte er wissen, dass er einen Großteil seiner Fragen beantwortet bekommen
hätte, wenn er vor der Zerstörung dieser Maschine hier eingetroffen wäre?
Müde verließ er das Wrack. Draußen hing sein Floß sicher an den Seilen, mit denen
er es befestigt hatte.
Er sah sich um, sein Blick suchte das große Licht der Muttersonne, der
Lebensspenderin.
Aber er fand etwas anderes.
Grelles Aufblitzen in weiter Ferne.
Tödliches Licht.
Und dann ging eine Sonne auf, eine zweite neben der Lebensspenderin. Doch sie war
nur klein, und sie verstrahlte ihr ganzes Licht innerhalb weniger Augenblicke, um
dann für immer zu verlöschen...
Die Suche
»Dasss Erinjij-Schifff bewegt sssich auf der Spurrr! «, knarrte die Stimme des
Erstlings.
Algorian schrak zusammen. Wenn der Rofasch Recht behielt, war ein Konflikt
unausweichlich. Denn der Erstling würde keinesfalls von dieser Spur ablassen. Nicht
so nahe vor dem sicher geglaubten Ziel. Und die Aorii hatten in diesem Kampf keine
Chance.
»Kollisionskurrrs!«, verlangte der erstgeborene Bruder.
»Das ist Selbstmord«, murmelte Algorian und wunderte sich über den Mut, dem
Bruder zu widersprechen. »Wir sollten das nicht tun. Wir werden eine andere Spur
finden.«
»Will diese! «, drängte der Erstling. »Geh aufff Kollisionskurrrs!«
Seine Stimme wurde lauter. Drohender.
Verzweiflung packte Algorian. »Wir werden sterben. Sie schießen uns zusammen!«
»Nein. Tuu, wasss ich sssage! «
Offenbar vertraute der Erstling auf die Tarnvorrichtung. Aber spätestens dort, wo die
Spur endete, musste das Suchschiff sich zeigen, und die Erinjij würden nicht zögern,
sofort zu schießen.
Aber es blieb Algorian nichts übrig, als dem Befehl zu gehorchen. Mit leicht
zitternden Händen beschleunigte er das Suchschiff, und die Distanz zum Erinjij-
Schiff schrumpfte rasch zusammen.
»Waffen kkklarmachennn!«
»Waffen klar.« Aber es beruhigte den Piloten nicht.
Immer näher kamen die beiden Schiffe sich.
»Da ist etwas«, stellte Algorian plötzlich fest, der immer wieder die Anzeigefelder
der Ortung beobachtete. »Genau dort, wohin die Erinjij wollen.«
Das Ziel befand sich im Gasring, der den Harxostern umgab. Je näher das Suchschiff
dem Ring kam, desto deutlicher zeichneten sich jetzt mehrere größere Objekte ab, die
in ihm trieben. Aber die Erinjij interessierten sich wohl nur für das kleinste der
Objekte.
Weshalb?
»Spurrr endet dorrrt.«
Algorian verzichtete auf eine Antwort. Was hätte er noch sagen sollen?
Stattdessen konzentrierte er sich auf die Auswertung der Ortungsdaten. »Es scheint
sich um so etwas wie eine Maschine zu handeln«, sagte er. »Eine produzierende
Maschine. Aber sie ist defekt. Sie ist zerstört worden. Nur noch ein Wrack, ein
Trümmerstück. Und darin...?«
Darin sollte sich das Ziel ihrer Suche befinden?
Und warum fragte der Erstling nicht, warum und von wem diese Maschine zerstört
worden war, die ungeheuer groß gewesen sein musste? Oder was sie produziert
haben könnte, als sie noch funktionierte?
Ein Taststrahl erfasste eines der Fragmente der Maschine. Algorian zoomte das Bild
heran.
»Nahrrrung«, sagte der Erstling plötzlich. »Diese Maschine prrroduzierrrte
Nahrrrung.«
»Woher weißt du das, hoher Bruder?«
»Schonnn gesehennn. Urrralte Zivilisssation. Längsttt verrrloschen. Niemannnd
kennt sie mehrrr«
Plötzlich änderte das Erinjij-Schiff seinen Kurs!
»Sie haben uns entdeckt!«, keuchte Algorian. Vermutlich waren ihnen die
Ortungsimpulse der MASOT aufgefallen.
»Abwehrrrschiuün aufff!«, befahl der Erstling. Nur einen Herzschlag vorher hatte
Algorian den Schalter bereits berührt. Es war der Augenblick, in dem der Erinjij-
Frachter das Feuer eröffnete.
Die Energiefinger seiner Waffensysteme stachen überlichtschnell durch den Raum
und schlugen in den sich soeben aufbauenden Abwehrschirm des Suchschiffs. Die
Schirmfeldprojektoren wurden durch eine Energie-Rückkoppelung überladen.
Explosionen erschütterten die MASOT.
Algorian wartete nicht ab. Er erwiderte das Feuer.
Aber die Erinjij wichen rasant aus. Irgendwie mussten sie den Zielfokus bereits in
dem Moment errechnet haben, als die MASOT schoss. Algorian konnte die
Schussbahnen nicht so rasch korrigieren, wie der Frachter im Raum tanzte.
Frachter?
Das war ein Kreuzer, als Frachter getarnt! Er projizierte ein falsches Impulsbild, das
gegnerische Ortungen täuschen sollte. Jetzt aber zeigte er seine wahre Kampfkraft.
Immer mehr Energieerzeuger wurden hochgefahren. Der Kreuzer wurde zu einer
Feuer speienden Festung.
Algorian schloss mit seinem Leben ab.
USA, Nevadawüste, geheimer unterirdischer Komplex, 2041 a.D. Der Begriff hatte sich so tief in Sarah Cuthberts Denken eingebrannt, dass ihr
schwindelte, auch wenn sie noch immer nicht wusste, warum ihre Reaktion auf Hays'
Eröffnung mit solcher Heftigkeit ausfiel.
Matrix Scobee!
Wenn die GenTecs Klone waren, musste es irgendwo die Vorlage, das Original
geben...
»Warum liegen sie in Stase?«
»Es war ihr eigener Wunsch.«
Ihr eigener Wunsch... Warum konnte sie das nicht glauben? Welchen Grund sollte
Hays haben, sie zu belügen.
Jeden Grund!, gab sie sich selbst die Antwort. Ich bin nichts, was ihm willkommen
wäre. Er ist ein fanatischer Wissenschaftler. Ein moderner Dr. Frankenstein.
Vielleicht sogar mit einer großen Prise Dr. Jekyll. Ich würde ihm
nicht einmal trauen, wenn er der letzte Mensch auf der Welt wäre. Und ich fürchte,
umgekehrt hält sich das Zutrauen auch in Grenzen.
Keine gesunde Grundlage für eine fruchtbare Zusammenarbeit.
Aber sie hatten bereits einen Kriegsschauplatz - es wäre töricht gewesen, intern
weitere Gräben zu öffnen.
»Warum?«, fragte sie.
»Sie wollten die Zukunft sehen«, sagte Hays, und auch das fiel ihr schwer zu
glauben. Es klang so simpel. Zu simpel. »Sie sind unser Depot. Der Mutterboden, aus
dem wir jederzeit identische >Pflänzchen< ziehen und mit Wachstumsbeschleunigern
an das Original heranführen können.«
»Entschuldigen Sie meine Offenheit, aber das klingt nicht nur ein klein wenig
verrückt. Die Zukunft sehen. Diese Matrix-Vorlagen geben ihr Leben auf. Wofür?
Wer gab ihnen die Garantie, dass sie je wieder geweckt werden? Wissen Sie was,
Hays, Sie können sich Ihr >freiwillig< in die Haare schmieren - ich glaube Ihnen
kein Wort!«
»Verstehe.« Er wirkte keine Spur beleidigt. »Sie haben ganz offenbar zu oft Kontakt
mit anderen Politikern. Da verliert man den Glauben an die Lauterkeit von
Menschen.«
»Sie sind ein Idiot. Ein gefährlicher Idiot. Wissen Sie was? Ich werde mit
Cronenberg sprechen.«
»Und worüber?« Er blieb seiner Linie treu: Arroganz pur. Dass die Präsidentin seines
Landes vor ihm stand - welchen Landes?, dachte Sarah ironisch -, hatte ihn schon bei
ihrem ersten Aufeinandertreffen nicht weiter beeindruckt. Jetzt schien es ihn sogar zu
amüsieren.
Sarah fragte sich, was sie von ihm noch zu erwarten hatte, wenn er wahrhaftig eine
Form von Wahnsinn ausbrütete.
Sie sah ihn kalt an. So eisig, dass die Stase ein Sonnenbad dagegen war.
»Ich werde darauf bestehen«, sagte sie und machte an diesem Punkt eine bewusste
Pause, »dass sie geweckt werden. Zumindest einer von ihnen. Geweckt - und dann
können sie mir selbst bestätigen, ob es wahr ist, dass sie sich freiwillig von ihnen auf
Eis legen ließen. -Was sagen Sie nun, Doktor Hays?«
Es war das erste Mal, dass sie ihn erbleichen sah.
Das erste Mal, dass Worte von ihr wirklich Wirkung bei ihm zeigten.
Schließlich leckte er mit einer weiß belegten Zunge über seine Oberlippe und
schnappte ein wenig atemlos: »Ich schätze Cronenberg nicht als jemanden ein, der
jeder Laune nachgibt.«
Jetzt war es Sarah, die unbeeindruckt blieb.
»Ich bin die Präsidentin«, sagte sie ohne besondere Betonung.
Er dachte darüber nach.
Schließlich zuckte er mit den Schultern. »Versuchen Sie es.«
Und während Sarah wenig später von Hays begleitet zur Kommandoebene des
unterirdischen Komplexes zurückkehrte, wurde sie den Verdacht nicht los, dass es
hinter der Fassade des Wissenschaftlers noch heftiger brodelte, als man allein
gekränkter Eitelkeit - oder was auch immer - zuschreiben konnte.
Er war fassungslos.
Und am liebsten, das las sie in seinen Augen, hätte er sie hinterrücks ermordet.
Der Wahnsinn trieb immer skurrilere Blüten.
Die Suche
Als Algorian die Augen wieder öffnete und die Schwärze wich, wunderte er sich,
warum er noch lebte. Er lag auf dem Boden. War er durch eine Treffer-Erschütterung
aus dem Sitz geschleudert worden, oder hatte ihn sein Hassbruder fort gestoßen? Der
Erstling saß jetzt selbst an den Kontrollen und steuerte die MASOT und ihre Waffen.
Er schaffte es sogar, einige Treffer anzubringen und selbst den Salven der Erinjij
immer wieder auszuweichen. Dennoch war es nur eine Frage der Zeit, bis die Erinjij
ihnen den Fangschuss verpassten.
Wieder schlugen Kampfstrahlen in der MASOT ein. Die Schadensmeldungen
häuften sich. Noch waren keine Überlebenssysteme oder gar der Antrieb ausgefallen,
aber es konnte nicht mehr lange dauern.
Einige Fehlschüsse zuckten in die Gaswolke hinein und ließen dabei bizarre
Lichteffekte entstehen. Das Gasgemisch entzündete sich entlang der Kampfstrahlen
und zog grelle Spuren durch den Ring um das Zentralgestirn.
Im nächsten Moment flammte draußen im All eine künstliche Mini-Sonne auf,
erstrahlte in einem Feuerwerk faszinierender Farben und verlosch dann wieder. Die
Ortungen zeigten ausglühende Wrackteile, die sich nach allen Richtungen verteilten.
»Haben wir...?«, entfuhr es Algorian.
Der Erstling räumte den Pilotensitz wieder.
»Meteorrrit«, sagte er. »Sssehr grrroß.«
Algorian ließ sich hinter seinen Kontrollen nieder. Er checkte die Aufzeichnungen.
In der Tat hatte ein sehr großer Meteorit mit hoher Geschwindigkeit das Erinjij-
Schiff getroffen. Das hatten die Abwehrschirme des Kreuzers nicht verkraftet. Die
kinetische Energie des Einschlags hatte den Raumer sofort zerstört.
Andere, kleinere Meteoriten zogen ihre Bahn.
Während des Gefechts hatte wohl keiner von ihnen auf den sich mit hoher
Geschwindigkeit nahenden Meteoritenschwarm geachtet. Algorian erschauerte bei
dem Gedanken, dass es auch die MASOT hätte sein können, die getroffen wurde.
Er ahnte jetzt auch, wodurch die Maschine zerstört worden war, zu welcher die Spur
führte. Sie war wohl ebenfalls von einem Meteoriten getroffen worden, nur musste
der recht klein gewesen sein, denn sonst wäre nicht so viel von der Maschine übrig
geblieben.
»Die Spurrr«, sagte der Erstling, als sei überhaupt nichts geschehen. Es war eine Aufforderung, kein Hinweis. Dennoch scannte Algorian den Weltraum nach Biowerten ab.
Aber keiner der Erinjij schien die Explosion des Kreuzers überlebt zu haben, und der
Aorii flog die Maschine an.
Expansion, 17 n.A. Es waren dieselben Shuttles, die die Soldaten auf Tarrant abgesetzt hatten, die nun in
Kampfformation auf Battlon zudonnerten. Das Tosen, das sie verursachten, dröhnte
in den Ohren und lähmte die Trommelfelle.
»Einsatzbereitschaft!«, rief der Captain und schloss das Visier seines Helmes.
Die Soldaten setzten ihre Helme auf und bezogen Stellung. Die Blastergewehre
waren entsichert und schussbereit.
Flugabwehrraketen, die vor Battlon abgefeuert wurden, rasten himmelwärts.
Die Bomber flogen halsbrecherische Manöver, um nicht getroffen zu werden.
Dennoch explodierte einer von ihnen in einem riesigen Feuerball. Die Trümmer des
Flugkörpers regneten zu Boden.
Aber im nächsten Moment fielen die Bomben aus den Abwurfschächten. Die
Einschläge wurden begleitet von dröhnenden Detonationen. Einige Panzerfahrzeuge
und Mannschaftstransporter, die vor Battlon aufgefahren waren, wurden in ihre
Einzelteile zerlegt. Brennende Trümmer flogen nach allen Seiten auseinander, dichter
Qualm bildete sich und zog träge zwischen die Gebäude der Stadt.
Und irgendwo in diesem Chaos starben Foraner.
Plötzlich tauchten von irgendwoher foranische Jagdflieger auf und nahmen Kurs auf
die Shuttles, die Tod und Verderben gebracht und nach der ersten Angriffswelle
abgedreht hatten.
Gleichzeitig griffen Deckerts Bodentruppen an.
Es sah aus, als würde der Dschungel im Süden der Stadt eine Volk riesengroßer,
mutierter Ameisen ausspucken. Die schwarzen Helme glänzten geheimnisvoll und
zeigten keine Gesichter hinter den heruntergeklappten Visieren.
Die Foraner warfen sich ihnen entgegen.
Die Lichtbahnen der Blaster töteten unerbittlich Mitglieder beider Rassen.
Schließlich zog sich der Truppenverband von der Erde zurück.
Die Foraner folgten ihnen triumphierend. Es waren viele hundert Krieger in matt
glänzenden Harnischen und Helmen, die - wie auch die Brustpanzer - aus einem
Material bestanden, das die Blaster nicht zu durchdringen vermochten.
Hoch über den verfeindeten Parteien lieferten sich die Jäger der Foraner und die
Shuttles der Eindringlinge einen mörderischen Kampf. Raketen fanden ihr Ziel,
explodierten und zerfetzten Flugzeuge und Landefähren gleichermaßen in tausend
Stücke.
Es war die Hölle.
Auf die Erde regnende Trümmer erschlugen Foraner und Soldaten gleichermaßen.
Die Bodentruppen verwickelten die angreifenden Eingeborenen in einen
Stellungskampf. Die Foraner zahlten ihrem blindwütigen Angriff einen hohen
Blutzoll...
Die Suche Sie solle Nahrung produziert haben, hatte der Erstling behauptet. Eine nähere Analyse der Überreste bestätigte das. Diese Maschine hatte bis zu ihrer Zerstörung eine Art Pollen produziert, die äußerst nährstoffhaltig waren - und diese offenbar einfach ausgestoßen, um sie innerhalb der Gaswolke vom Sonnenwind davon treiben und verteilen zu lassen. Woher die Rohstoffe kamen, blieb unerfindlich. Auf den ersten Blick ergab das für Algorian keinen Sinn. Auf den zweiten Blick schon, als sie das Lebewesen fanden, das sich in den Resten der Maschine befand, reglos und ohne Bewusstsein. Die Biowerte ergaben, dass die Substanz, die von der Maschine geformt wurde, und von der es rudimentäre Überreste gab, dem Wesen als Nahrung diente. Es handelte sich um ein eigenartiges Geschöpf. Zunächst hatte Algorian es für eine Pflanze gehalten, die sich aus einem unerfindlichen Grund in diesem Trümmerstück befand. Aber der Bioscan ergab, dass es ein intelligentes Wesen war, das nur völlig anders gestaltet war, als es die Aorii und die anderen Völker der Allianz gewohnt waren. Es ähnelte einem knospenübersäten Busch, ungefähr gleich breit wie hoch und dick. Im Innern des »Gezweigs« befand sich eine Verdickung, die ein wenig an einen Spinnenleib erinnerte, aber auch pflanzlicher Natur war. Ein Gehirn im gewohnten Sinn gab es nicht, die neurologische Aktivität des Wesens durchzog den gesamten Körper. Eine Verdickung im Innern diente als Gedächtnisreservoir. Zum Leben benötige es den Anzeigen zufolge nur Wasser, die pollenartigen Nährstoffe und Licht. Nur fehlten nun die Nährstoffe, denn die Maschine, die sie produziert hatte, existierte nicht mehr. Im Innern des Pflanzenkörpers befand sich zudem ein kleines anorganisches Partikel, von dem auch der Erstling mit seiner arroganten »Weisheit« nicht sagen konnte, welchem Zweck es diente. Er behauptete nur, dieses Wesen sei einer derer, die er mittels seiner Parakraft als geeignet erspürt hatte.
Also nahmen sie das Wesen an Bord...
Cy Die Rückkehr aus der warmen, weichen Finsternis war zunächst von Gegenwehr
bestimmt. Ja, wahrhaftig, alles in ihm sträubte sich, den Ort vollkommener Ruhe und
vollkommenen .Friedens, an dem er weilte, wieder zu verlassen.
Will nicht! Ich - will - das - nicht! Nein, bitte...
Aber alles ging wie von selbst. Er hatte keine Macht darüber. Etwas zog sein
Bewusstsein aus den wohligen Tiefen zurück ans...
LICHT!
Als er seine Augenknospen öffnete, war es wie eine Explosion der Sinne. Er war
geblendet, gleichzeitig aber auch außerstande, sich der Helligkeit zu entziehen. Und
da waren Töne, Klänge - da waren Umrisse, wie er sie nicht kannte, noch nie zuvor
gesehen hatte...
War das die Sphäre, in die Aurigen mit ihrem Tod wechselten?
Er war völlig frei von Furcht und bereit, alles hinzunehmen. Und wahrscheinlich
hatte er ohnehin keine Wahl.
Die Schleier senkten sich. Silhouetten gewannen an Schärfe und Substanz. Und in
unmittelbarer Nähe sagte eine Stimme etwas, das er nicht verstand. Es klang
durchaus freundlich, wohlwollend, mitfühlend - aber konnte er dem trauen?
Plötzlich hörte er ein Krächzen, vernahm er lallende, sinnlose Sätze in einer Sprache,
die er kannte. Er brauchte lange, ehe er begriff, dass kein anderer als er selbst sie von
sich gab.
Seine Stimmfäden rieben hart aneinander. »... bin ich?«
Die Antwort erfolgte aus der Tiefe des Raumes - aber wieder unverständlich und von
einem Wesen, das sich jetzt immer deutlicher aus den Nebeln schälte und...
Cy erschrak bis in den innersten Kern seines Stammes.
... und das alles, nur kein Aurige war!
Der Schock war so gewaltig, so überwältigend, dass Cy erneut das Bewusstsein
verlor.
Expansion, 17 n.A.
Captain Deckert und die fünf Freiwilligen hatten sich im Schutz des Dschungels nahe an die Stadt herangearbeitet. Die Foraner waren von den angreifenden Soldaten zunächst in eine Abwehrschlacht verwickelt worden. Jetzt stürmten sie hinter den Invasoren von der Erde her, um sie zu überrennen und zu vernichten. Am Himmel tobte der Luftkampf. In den aufgegebenen Stellungen der Foraner vor der Stadt brannten einige Fahrzeuge. Eine Gasse, die zwischen die Häuser führte, lag etwa hundert Meter vor dem Captain und seiner kleinen Gruppe. Sie war eng und von Unkraut zugewuchert. Die Gebäude zu beiden Seiten waren alt, Farbe blätterte ab. Die schmale Gasse lag wie ausgestorben vor den sechs Soldaten. »Vorwärts!«, zischte Deckert. Sie spurteten los. Hundert Meter - ebenso viele Schritte, und jeder konnte der letzte sein. Alle sechs Soldaten hielten das Gewehr im Anschlag, um sofort das Feuer zu eröffnen, sollte es notwendig sein. Aber wahrscheinlich hielt der Luftkampf die Verteidiger Battlons so sehr in seinem Bann, dass sie vergaßen, die Zugänge in die Stadt gegen eine so kleine Gruppe zu sichern. Auch dort, wo sich die Eindringlinge in den Dschungel zurückgezogen und verschanzt hatten, tobte ein fürchterlicher Kampf. Die Foraner stürmten mit der Verbissenheit hasserfüllter Fanatiker vor und starben wie die Fliegen im Blasterfeuer der Invasoren. Ungeschoren erreichten Deckert und seine Männer die Gasse und schlichen geduckt an den Hauswänden entlang. Die Herzen schlugen hart gegen die Rippen. Die Gasse mündete in einen großen Platz, der von hohen Gebäuden gesäumt war. Deckert ließ seinen forschenden Blick über die Fassaden gleiten, die Mündung des Gewehrs immer auf den Punkt gerichtet, den er gerade anschaute. Nirgendwo ließ sich ein Foraner sehen. Die Häuser muteten an wie leer stehend. Hinter keinem der Fenster war eine Bewegung wahrzunehmen. Deckert sagte sich, dass sich die Zivilbevölkerung der Stadt wohl in unterirdischen Bunkeranlagen verkrochen hatte, als die Ankunft der Invasoren von der Erde gemeldet worden war. Dunkler Qualm von den brennenden Fahrzeugen vor der Stadt zog zwischen die Häuser. Dem Captain schien die Stille trügerisch und gefährlich. Irgendwo steckten Soldaten der Foraner in den Häusern und warteten nur darauf, dass er und seine Männer sich sehen ließen. Er verspürte ein seltsames Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Sein Instinkt für die Gefahr meldete sich. Noch einmal blickte er sichernd in die Runde. »Der Präsidentenpalast liegt mitten in der Stadt«, stieß er schließlich hervor. »Es wird eine gute Stunde dauern, bis wir ihn erreichen. Gebt mir Feuerschutz. Ich versuche den Platz zu überqueren. Wenn ich drüben bin, folgen Sie mir, Curtis. Als nächster laufen Sie los, Brenner... « Deckert winkte ab. »Die Reihenfolge ist egal. Ich mache jetzt den Anfang. Schießt, was das Zeug hält!«
Er stieß sich ab und landete zwei Schritte weiter auf dem Pflaster des großen Platzes. Sofort rannte er weiter. Nichts geschah. Deckert erreicht die Mitte. Noch 25 Schritte... Aus einem Fenster rechter Hand fuhr ein Blasterstrahl. Auch von links und von vorne wurde Deckert unter Feuer genommen. Er warf sich flach auf den Boden, die und Lichtfinger zischten über ihn hinweg. Der Captain wälzte sich herum. Dort, wo er eben noch gelegen hatte, wurde eine Steinplatte von einem Treffer regelrecht zerpulvert. Gesteinssplitter spritzten wie kleine Geschosse durch die Luft. Deckerts fünf Begleiter begannen zu schießen. Die Strahlen bohrten sich in die Fensterhöhlungen, aus denen der Captain unter Feuer genommen wurde, und zwangen die Foraner in Deckung. Mike Deckert war wieder auf die Beine geschnellt und rannte in Zickzacklinie weiter. Seine Füße schienen kaum den Boden zu berühren. Einige Schüsse verfehlten ihn. Ein Blasterstrahl traf seinen Helm und wurde abgefälscht. Der Captain warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen die Tür des Hauses, das ihm am nächsten war. Krachend flog sie auf. Einen Lidschlag später war er im Schutz des Gebäudes. Es war ein Haus, wie es der Captain auch von der Erde kannte. Er war nicht verwundert, wusste er doch, dass die Kultur der Foraner und auch die der Liscombianer sehr der seiner Heimat glich. Die Geschichte beider Planeten war ähnlich verlaufen. Das Leben auf Tarrant - überhaupt im Sternenbild Triangulum war allerdings erst später, viel später entstanden. Während auf der Erde durch eine kosmische Katastrophe die Saurier vor 65 Millionen Jahren ausstarben und dann mehr als 60 Millionen Jahre verstreichen mussten, bis der erste Mensch sie bevölkerte, ging dieser Prozess auf Tarrant wie im Zeitraffer vonstatten. Im Norden waren es die Foranern, im Süden die Liscombianern, die sich zur dominierenden Spezies entwickelt hatten. Sie standen körperlich auf einer Entwicklungsstufe, die mit dem homo habilis vergleichbar war, dem ersten Lebewesen der Gattung Mensch auf Erden. Geistig jedoch waren sie viel weiter und standen auf einer Stufe mit den Menschen des 20. Jahrhunderts. Und ihre Technik - besonders die Waffentechnik - war noch weiter fortgeschritten, was wahrscheinlich auf den immerwährenden Kampf zwischen den beiden Völkern zurückzuführen war. Der Captain schmiegte sich hart an die Wand neben der Tür. Im Korridor war es düster. In schräger Bahn fiel Tageslicht herein. Über Deckert knarrte es, und er richtete das Gewehr nach oben. Draußen vernahm er trappelnde Schritte. Er wandte sich ab, schob sich vor, glitt um den Türstock herum und stand geduckt im Freien. Haken schlagend wie ein Hase spurtete Sergeant Curtis über den Platz, während seine Kameraden ihm Feuerschutz gaben.
Vereinzelte Lichtstrahlen aus den umliegenden Gebäuden stießen auf den Sergeant
zu.
Deckert feuerte und gab ihm zusätzlich Feuerschutz.
Curtis sprang in den Hausflur - und entdeckte oben auf der Treppe einen Foraner.
Der Sergeant feuerte ansatzlos.
Der Brustpanzer des Foraners lenkte den Lichtstrahl ab. Putz und Mauerwerk
spritzten, Staub wölkte vor dem faustgroßen Loch auf, dass der Blaster in die Wand
gehämmert hatte.
Bei dem Foraner glühte es auf.
Curtis hechtete nach vorne, rollte über die Schulter ab, kam vom eigenen Schwung
getragen wieder hoch und feuerte erneut.
Der Foraner benötigte eine gewisse Zeit, um sich auf das jäh veränderte Ziel
einzustellen - und als er Curtis erneut anvisierte, war es bereits zu spät.
Doch es war nicht Curtis, der geschossen hatte, sondern der Captain.
Der Kopf des Foraners zerfiel regelrecht. Der Helm polterte die Treppe hinunter,
einen Augenblick später schlug der unförmige Leib lang hin.
»Wir werden uns mit den Schutzpanzern und Helmen dieser Kreaturen ausrüsten«,
beschloss Deckert. »Fangen Sie gleich an, Curtis...«
Der Captain wandte sich wieder der Tür zu.
Ein zweiter seiner Gefährten - Corporal Chung Li - rannte über den Platz, so schnell
ihn seine Beine zu tragen vermochten. Gleichzeitig feuerte er mal nach links, dann
nach rechts.
Die gründlichen Lichtstreifen der Blaster zischten durch die Luft.
Der Captain schoss in rasender Folge.
Getroffen kippte ein Foraner aus einer der Türen. Es schepperte, als er auf das
Pflaster prallte. Sein Helm rollte davon.
Der Corporal hatte das schützende Gebäude fast erreicht, von dem aus ihm auch der
Captain Feuerschutz gab, als er getroffen wurde. Die Beine wurden ihm vom Boden
weggerissen. Ein Schrei brach als ersticktes Röcheln aus seiner Kehle. Dann schlug
er der Länge nach hin, überschlug sich einige Male und blieb schließlich mit
ausgebreiteten Armen liegen.
»Diese elenden Hunde! «, brüllte Cartec auf der anderen Seite des Platzes und
stürmte schießend los.
Er rannte nicht auf das Gebäude zu, bei dem sich der Captain und Sergeant Curtis
verschanzt hatten, sondern wandte sich nach rechts, wo es in einem Fensterrechteck
ununterbrochen aufglühte.
Die Soldaten auf beiden Seiten des Platzes deckten dieses Fenster mit ihren
Energiegeschossen ein.
Cartec verschwand im Haus. Kurz darauf trat er die Tür des Raumes, in dem er den
Gegner vermutete, einfach ein. Es knirschte und splitterte, als das Schloss aus dem
Rahmen brach. Der Corporal presste sich rechts daneben gegen die Wand.
Ein Blasterstrahl von innen jagte durch die Türöffnung, doch Cartec befand sich
nicht in der Schusslinie.
Er zählte bis drei und sprang in das Türrechteck. Er kniete links ab und feuerte. Ein Energiestrahl stieß auf den Foraner zu, schleuderte ihn gegen die Wand, schien ihn sekundenlang daran festzunageln. Erst als Cartec den Abzug losließ und der Blasterstrahl erlosch, rutschte der Foraner zu Boden. Cartec lief zum Fenster und äugte hinaus. »Ich habe den Burschen getötet«, sagte er ins Funkmikrofon. »Ziehen Sie sich seinen Harnisch über, Cartec«, befahl Deckert, »und setzen Sie den Helm auf.« »Wie sollen wir in Verbindung bleiben, Captain?«, fragte der Soldat. »Wir haben keine Ahnung, von wie vielen Gegnern wir hier umgeben sind. Alleine auf sich gestellt ist jeder von uns zum Untergang verdammt... « »Mit der Verkleidung fallen wir in der Stadt nicht so auf wie mit unseren schwarzen Helmen, Cartec«, versetzte der Captain. »Was die Verständigung angeht, so werden wir eben versuchen, nicht getrennt zu werden. Unabhängig davon ist jeder von uns auf sich allein gestellt so oder so verraten und verkauft, Soldat.« Sergeant Brenner hetzte über den Platz. Er erreichte den Schutz des Gebäudes, und dann folgte als letzter Maghini. Auch er erreichte ungeschoren die Deckung. Aus einem Gebäude schräg gegenüber feuerten mindestens drei Schützen. Cartec und Sergeant Curtis deckten sie von zwei Seiten mit ihren Schüssen ein. »Brenner, folgen Sie mir!«, kommandierte Captain Deckert. Die beiden rannten schießend und Haken schlagend auf das Gebäude zu, in dem sich drei oder vier Foraner verschanzt hatten. Ihre Blasterstrahlen kreuzten sich mit denen der Invasoren. Es zischte, wenn die Lichtblitze an den Hauswänden gebrochen wurden. Rauchende, schwarz verbrannte Löcher blieben in den Wänden zurück, wo die Blaster einschlugen. Wie durch ein Wunder wurden weder der Captain noch der Sergeant getroffen. Sie drangen in das Haus ein. Es waren drei Foraner, die sie in Empfang nahmen, aber den hervorragend ausgebildeten Soldaten von der Erde hatten die Einheimischen nichts entgegenzusetzen. Noch ehe sie richtig zum Denken kamen, brachen sie tot zusammen. »Okay«, sagte der Captain, lehnte das Gewehr an eine Wand und nahm seinen Helm ab. Er bückte sich über einen der Toten und öffnete dessen Harnisch. »Maskenball, Sergeant«, sagte er grinsend. »Worauf warten Sie?« Jetzt erst fiel ihm auf, dass der Luftkampf über der Stadt beendet war. Die Shuttlebomber, die Mallory ihm geschickt hatte, waren hinter den Wolken verschwunden. Die Flugzeuge der Foraner waren zerstört oder gelandet. Am Rand des Dschungels südlich der Stadt wurde allerdings noch heftig gekämpft. Die Todesschreie der Getroffenen gellten schaurig bis in die Stadt.
Die Suche Algorian blickte auf das Wesen hinab, das er an Bord der MASOT genommen hatte und von dem sie inzwischen wussten, wo es genau in diesem anachronistischen Gasring beheimatet gewesen war. Sie hatten seinen Weg zurückverfolgt - auch mit Hilfe von Rofaschs Geistfühlern... Dabei hatten sie eine bestürzende Entdeckung gemacht. Bestürzend nicht nur für das Wesen vor ihnen, sondern auch für sie selbst. Er wandte sich an seinen Hassbruder. »Wir können hier nicht länger bleiben, sonst gefährden wir uns selbst. Wir hatten Glück, dass der Meteorit das Erinjij Schiff zerstört hat, aber wo ein Kreuzer auftaucht, können jederzeit weitere folgen. Zudem können die Strömungen hier im Ring selbst uns gefährlich...« Der Erstling unterbrach ihn brüsk. »Hasttt du immerrr noch nicht begrrriffen, wasss es bedeutttet, ihn gefundenen zu haben? Dddie Analyse hattt errrgeben, dasss errr den perrrfekttten Körrrper besssitzt. Die Suche hattt ein Ennnde - und wirrr beide habennn gefunnnden, wonachchch die halbe Allianz fahndettt! « Das war nicht einmal übertrieben, fand Algorian, der sich wunderte, dass der Erstling sich dazu herabließ, von »wir« statt von »ich« zu sprechen. Selbst ein Pragmatiker wie er musste wissen, wie verschwindend gering die Chancen gestanden hatten, in der Kürze der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit einen Erfolg zu verbuchen. Und dass ausgerechnet sie beide mit der MASOT fündig geworden waren, grenzte an ein schieres Wunder. Algorian kehrte dem Bruder den Rücken und widmete sich wieder dem Wesen, das sie an Bord genommen hatten. Das wie eine Pflanze, ein kahler Baum, aussehende Wesen hatte erneut das Bewusstsein verloren. »Esss issst intelligennnt - dasss errrschwert die Angelegenheit«, sagte der Erstling. Die Jay'nac würden sich nicht mehr lange hinhalten lassen. Sie schienen fest entschlossen, den Flächenbrand auszulösen. Den Krieg, vor dem jedem friedliebende Individuum der Galaxis bangte. Die Aorii hatten seit vielen Generationen keinen Kampf mehr geführt - weder untereinander noch gegen einen Feind von außen. Seit die wichtigsten organischen Völker sich zu einer Allianz zusammengeschlossen hatten, schien alles auf eine blühende Zukunft hinauszulaufen. Doch dann waren die Erinjij gekommen. Wie aus dem Nichts. Und seither traten sie die ehernen Gesetze der Allianz mit Füßen, akzeptierten nur ein Recht - ihr eigenes, das des Stärkeren, wie sie unverhohlen verkündet hatten. »Was meinst du mit >es erschwert die Angelegenheit« fragte Algorian. »Das weißt du.« Er wusste es, aber hatte das Gefühl, es von seinem Bruder hören zu müssen, um es glauben zu können. »Die Allianz wirrrd sich unnnter Ummmständen annnders entttscheiden alsss zu Zeitennn, da derrr Druck noch nichttt so ssstark war«, antwortete dieser.
»Du meinst, sie könnten ihn töten, um sich seines Körpers zu versichern?« »Errr isttt nach allem, wasss wir gescannnt haben, einzigartttig. Wir werrrden nichttt die errrforderliche Zahl vonnn geeignetennn Individuen finnnden. Aber wirrr haben ihn. Jetzt sssollen annndere entscheidennn, ob errr genügt - und wie mittt ihm zu verrrfahren issst.« »Vielleicht finden wir noch weitere, die geeignet sind. Wenn wir nur ausdauernd genug suchen... « »Nein. Wirrr kehrennn zurrrück. Kümmere dich ummm ihn. Weise ihn einnn. Sag ihm die schonungssslose Wahrheittt oder sei gnädig unnnd belüge ihn - ich überlasse esss dir.« Algorian stand immer noch neben dem reglosen Wesen, das dem Gestrüpp auf seiner Heimatwelt Aorii ähnelte, als sein Bruder längst den Raum verlassen hatte. Nachdenklich blickte er auf das fremde Wesen hinab, das noch nicht ahnte, wofür es missbraucht werden sollte. Wahrheit oder Lüge?
Expansion, 17 n.A. Captain Deckert und seine vier Begleiter erreichten eine gute Stunde später den Präsidentenpalast. Sie waren in den Harnischen und Helmen gut durchgekommen. Die Straßen waren wie ausgestorben. Es war wohl tatsächlich so, dass die zivile Bevölkerung der Stadt sich in irgendwelchen Bunkern verkrochen hatte. Einmal versuchten zwei Soldaten der Foraner, den kleinen Trupp aufzuhalten - was den beiden allerdings schlecht bekam. Der Palast war ein großes Gebäude mit vielen Fenstern, das von einer gewiss fünf Meter hohen Mauer umgeben war. Das Gittertor war verschlossen. Auf dem Wehrgang über dem Tor und in den beiden Türmen zu beiden Seiten des Tores befanden sich befestigte Wachhäuschen. Auf der Straße vor der Mauer standen einige Lastwagen, wie sie zumindest auf der Erde schon lange nicht mehr gebaut wurden. Dort wären es Relikte aus einer Zeit, in der sich der Verkehr noch auf den Straßen der Städte abspielte. Aus dem Schutz eines Gebäudes beobachteten Captain Deckert und seine Männer das Tor. Deckert kam zu dem Schluss, dass es hier kein Hineinkommen gab. »Wenn wir uns dem Tor nur nähern, werden sie auf uns feuern, was ihre Waffen hergeben«, sagte er kehlig. »Und dann können uns auch ihre Brustpanzer und Helme nicht retten.« »Ich sehe mal nach, ob es vielleicht noch einen anderen Zugang zu dem Palast gibt«, erbot sich Sergeant Curtis. »Einverstanden, Captain?« Deckert nickte. »In Ordnung. Geben Sie auf sich Acht, Curtis.«
»Natürlich, Sir. Ich will ja wieder nach Hause zurückkehren zu meiner Frau und
meinem kleinen Sohn Ben Curtis junior.«
Der Sergeant lächelte. »Benny ist zwei Jahre alt, Sir.«
Ein herber Ausdruck kerbte sich in den Mundwinkeln des Captains fest. Curtis hatte
in ihm die Erinnerung an Jennifer geweckt. Sie hatte ihn vor sieben Jahren verlassen,
weil er nie da war. Sein Junge war damals auch zwei Jahre alt gewesen...
Eine kalte Hand aus der Vergangenheit griff nach ihm, doch er zwang sein Denken in
eine andere Richtung und konzentrierte sich wieder auf ihre Situation.
Die Realität war hart und unerfreulich genug.
»Gehen Sie schon, Curtis!«, knurrte er, und der Sergeant pirschte davon.
»Wir könnten die Kerle einfach von der Mauer schießen«, murmelte Brenner.
»Dann stehen wir vor dem verschlossenen Tor«, versetzte Deckert. »Und bis wir es
mit den Blastern geöffnet haben, schießen uns Solo Hasraduns im Palast postierten
Leibwächter in Stücke.«
Die Zeit verrann unendlich langsam. Die Wachleute auf dem Wehrgang über dem
Tor bewegten sich kaum. Zeichen dafür, dass noch niemand im Palast bemerkt hatte,
dass der Feind in unmittelbarer Nähe war.
Endlich kehrte Curtis zurück. »Es gibt auf der Nordseite eine kleine Pforte. Sie ist
mit einer Stahltür gesichert. Aber soviel ich gesehen habe, wird sie nicht bewacht.«
»Das kann ich ja kaum glauben«, entfuhr es Captain Deckert.
»Ob sich dahinter Gefahr verbirgt, konnte ich natürlich nicht sehen, Sir«, murmelte
Curtis. »Die Tür zu öffnen dürfte jedoch kein Problem sein. Und dann... « Er hob die
Hand mit dem Blastergewehr. »Für derlei Situationen wurden wir schließlich
ausgebildet, Sir.«
»Gehen wir!«, entschied der Captain.
Sie schlichen zwischen den verwaisten Häusern entlang, durch verschlungene
Gassen, und erreichten eine Buschgruppe dicht bei der Mauer.
»Die Tür wird von den Büschen verdeckt«, erklärte Curtis. »Darum wird sie
wahrscheinlich auch nicht bewacht.«
»Wir werden sehen«, knurrte Deckert.
Er schob sich zwischen die Büsche. Die anderen folgten ihm auf dem Fuße.
Maghini bildete die Nachhut. Er schaute noch einmal in die Runde, ehe er hinter dem
dichten Zweiggespinst verschwand. Eine Verwünschung entfuhr ihm.
Ein Stück entfernt hatte sich ein Soldat der Foraner aufgebaut blickte James Maghini
an - über die Zieleinrichtung des Blastergewehres.
»Achtung!«, zischte der Soldat und wollte sich noch zur Seite werfen.
Da durchfuhr bereits ein glühender Schmerz Maghinis linken Arm. Weit riss er den
Mund auf, als er Not und Schmerz hinausbrüllte. Der Stoff seiner Uniform brannte,
wo ihn die vernichtende Energie getroffen hatte. Es roch nach verbranntem Fleisch.
Jemand packte Maghini am Kragen des Kampfanzugs, und mit unwiderstehlicher
Gewalt wurde er zwischen die Büsche gerissen.
Äste und Zweige zerrten an seiner Kleidung wie gierige Hände, ein Zweig peitschte
sein Gesicht. Der Schmerz, der in seinem linken Arm pulsierte, war kaum zu
ertragen.
Es war Cartec, der seinen Kameraden zwischen die Büsche und aus der Schusslinie
des Foraners gezerrt hatte. Maghini lag am Boden.
Der zweite Schuss des einheimischen Soldaten strich über ihn hinweg und sprengte
Steinbrocken aus der Mauer.
Sergeant Brenner war abgekniet und feuerte.
Der Foraner wurde umgerissen, als hätte ihn die Faust des Satans niedergestreckt.
Sofort aber trat ein anderer an seine Stelle, und ein Stück weiter rechts erschien ein
dritter Einheimischer.
Sie sahen wirklich zum Fürchten aus. Und sie waren vom Willen zum Töten beseelt.
Es spiegelte sich unübersehbar in den gelb glitzernden Augen wider.
Blitzartig visierte Brenner das Ziel an, Captain Deckert feuerte über den knienden
Soldaten hinweg.
Ein Schuss aus dem Gewehr eines der Foraner setzte das Buschwerk in Brand. Im
nächsten Moment brach er getroffen zusammen.
Der andere feuerte erneut. Blätter wurden zerfetzt. Der Blasterstrahl sengte sich
regelrecht durch das Gestrüpp. Zweige fielen zu Boden.
Plötzlich verlosch der Strahl, und der Foraner bäumte sich auf. Das Gesicht unter
dem Helm war verschwunden und wurde zu Asche.
Am Boden lag Maghini und wimmerte leise. Der Blasterstrahl hatte ihm den linken
Arm abgetrennt. Der Ärmel der Uniformjacke qualmte noch. Blut gab es keines. Die
zerfetzten Blutgefäße waren von der Hitze des Strahls zusammengeschmort.
»Wir müssen ihn zurücklassen«, stellte Brenner leise fest und suchte den
Blickkontakt mit dem Captain.
Der Captain schluckte trocken, doch er konnte die Augen nicht einfach vor den
Tatsachen verschließen. Maghini war für sie keine Hilfe mehr, sondern er war ihnen
allenfalls noch ein Klotz am Bein.
»Ja«, erklärte Deckert mit heiserer, belegter Stimme. »Wir lassen Maghini zwischen
den Büschen hier zurück. Wenn alles gut geht, nehmen wir ihn auf dem Rückweg
mit. - Curtis, öffnen Sie das Tor! «
Der Sergeant hielt mit dem Blastergewehr auf das Schloss in der soliden Stahltür.
Der Strahl fraß sich in das Metall wie in Butter. Ein Tritt, die Tür flog auf.
Curtis war zur Seite gesprungen, während der Captain, Brenner und Cartec zu beiden
Seiten der Tür lauerten. Maghini lag am Boden, hatte die Augen geschlossen,
röchelte und stöhnte. Seine Lippen bebten, in seinen Mundwinkeln zuckte es.
Hinter der Tür schien keine Gefahr zu lauern.
In dem Moment, als Curtis den Garten des Palastes betrat, wurde Ohren betäubender
Lärm laut.
Verdammt!, durchfuhr es Deckert.
Doch einen Moment später richtete sich sein Blick zum Himmel.
Am Stadtrand erhoben sich die Jagdflugzeuge der Foraner und schwenkten auf
südlichen Kurs ein. Für kurze Zeit waren sie dicht über den Gebäuden auszumachen,
dann verschwand sie hinter einigen hohen Gebäuden. Bald darauf sickerte das
Detonieren der abgeworfenen Bomben in die Stadt.
Captain Deckert staute den Atem.
»Sie bombardieren unsere Leute im Dschungel! «, presste er schließlich hervor.
»Verdammt, von denen hat wahrscheinlich keiner eine Chance. Und wir dachten, wir
brauchen nur hierher zu fliegen, den Planeten in Besitz zu nehmen und den Politikern
auf der Erde mitzuteilen, dass sie ihre Kolonisten in Marsch setzen können.«
Sein Blick schien sich nach innen verkehrt zu haben. Er atmete stoßweise, seine
Kiefer mahlten.
»Weiter'«, drängte Curtis.
»Bleib hier ruhig liegen, Maghini«, brummte Cartec, der Japaner. »Ich komme
zurück und hole dich. Verstehst du, Maghini? Ich bring dich hier weg.«
Der Verwundete reagierte nicht einmal.
Sie schlichen durch den Garten, jeden Schutz ausnutzend, der sich ihnen bot.
Zwischen ihnen und dem Tor mit den Wachposten war der Palast, dessen Fenster im
Erdgeschoss und in der 1. Etage vergittert waren.
Deckert setzte sich an die Spitze. Ihm folgte Curtis, dann Cartec und Brenner.
Vorsichtig pirschten sie an der Wand entlang zur Vorderseite des Palastes, wo eine
breite Freitreppe zum Tor hinaufführte, das aus dicken Bohlen zusammengesetzt und
mit breiten Eisenbändern beschlagen war.
An der Ecke verteilten sie sich und gingen hinter Büschen und Hecken in Deckung.
Auf dem Wehrgang über dem Tor standen vier Wachleute. Sie wandten Deckert und
seinen Männern den Rücken zu. Dass sich in den Türmen zu beiden Seiten des Tores
jeweils ein Posten befand, hatten die Eindringlinge schon feststellen können, als sie
das Tor von der anderen Seite beobachteten.
Der Captain gab Curtis und den anderen per Handzeichen zu verstehen, dass sie
bleiben sollten, wo sie waren. Er selbst stieg die breite Freitreppe hinauf und drückte
die Klinke des linken Torflügels nach unten.
Die Tür war verschlossen. Aber etwas anderes hatte er nicht erwartet und zog die
Blasterpistole.
Da wandte sich einer der Torposten um. Er sah den Mann mit dem silbern
schimmernden Helm und dem Brustharnisch vor dem Palasttor auf der Treppe,
stutzte und reckte den Kopf vor. Er stieß einen knurrenden Laut aus und...
Er riss das Gewehr hoch.
Unten, neben einem der Sträucher, blitzte es auf.
Der Treffer ließ den Wachposten zurücktaumeln. Das Blastergewehr entglitt seinen
Händen und schepperte auf den Wehrgang. Der Getroffene kippte gegen die
Brustwehr und sackte in sich zusammen.
Seine Kameraden wurden aufmerksam. Zwei von ihnen wandten sich um.
Aus dem Garten schossen die Blasterstrahlen auf sie zu. Einer krümmte sich
getroffen, beugte sich nach vorn, verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber in
die Tiefe. Mit einem dumpfen Laut kam er unten auf.
Die anderen sackten in sich zusammen, ohne einen Laut von sich zu geben.
Die Tür eines der Wachtürme flog auf. Der herausstürzende Foraner rannte direkt in
das Blasterfeuer eines der Invasoren im Garten hinein, wurde herumgeschleudert und
stürzte zu Boden.
Die Jäger der Foraner flogen die zweite Angriffswelle in Richtung Süden. Das
Krachen, das sich anhörte wie ununterbrochenes Donnern bei einem schweren
Gewitter, ging den Männer beim Präsidentenpalast durch Mark und Bein.
Der Captain versuchte vergeblich, den Kloß in seinem Hals runterzuschlucken. Mit
jeder Detonation wurde das Leben einer Reihe seiner Männer ausgelöscht.
Ihm graute vor dem Moment, in dem keine Detonationen mehr zu hören sein würden.
Das war der Moment, in dem der letzte Funke Leben am Waldrand südlich der Stadt
erlosch...
Dumpf schlug das Herz in der Brust des Captains. Mit 900 Soldaten hatte er die
Raumschiffe verlassen. Zurück kamen sie - wenn überhaupt - zu viert. Übelkeit
begann in den Eingeweiden des Captains zu rumoren und stieg sauer in ihm auf.
Ein Ruck durchfuhr Deckert. Erneut richtete er die Blasterpistole auf das Schloss und
zog durch. Der Energiestrahl zerschnitt das Holz und schmolz das Eisen. Es gab ein
leises, knarrendes Geräusch, als die Spannung nachgab, die das Schloss auf beide
Torflügel ausübte. Der linke Torflügel schwang einige Zentimeter auf.
Im Palast blieb es immer noch ruhig.
Curtis, Brenner und Cartec kamen, sich nach allen Seiten mit den Gewehren sichernd
umblickend, aus ihren Deckungen und stiegen die Treppe empor.
Captain Deckert stieß das Tor endgültig auf.
Vor ihm lag die Halle des Palastes. Eine breite Treppe führte hinauf zu einer Galerie,
die die vier Wände einnahm. Türen führten von ihr aus in die verschiedenen Räume.
Der Boden war aus weißem Marmor. Hier war überhaupt alles aus weißem Marmor.
Die gesamte Einrichtung der Halle wirkte steril, kalt und nüchtern. Zu beiden Seiten
saßen auf Marmorbänken bärtige Foraner in langen, weißen Mänteln.
Am Ende des Ganges zwischen den Bänken stand auf einem Tisch eine Figur. Es war
die Nachbildung eines bärtigen Mannes in einem langen, wallenden Gewand. Sie war
etwa einen Meter hoch und kunstvoll gearbeitet.
Langsam betrat Captain Deckert die Halle. Er zählte auf jeder Seite des Ganges
zwölf Foraner.
Südlich der Stadt verklangen die Detonationen. Lastende Stille senkte sich über alles
- die Stille des Todes. Deckerts Blut drohte, in den Adern zu gefrieren. Er erschauerte innerlich. Hinter Deckert huschten Curtis, Brenner und Cartec in die Halle. Curtis be wegte sich rückwärts gehend. Er hatte das Gewehr an der Hüfte und ließ seinen Blick wachsam in die Runde schweifen. Die Schritte des Captains hallten durch den Saal, als er vortrat. 24 Augenpaare waren angstvoll und verunsichert auf ihn gerichtet. Auch diese Alten waren Foraner, doch sie muteten bei weitem nicht so wild und verwegen an wie die Soldaten, mit denen es die Invasoren bisher zu tun hatten. »Versteht einer von euch meine Sprache?«, rief Captain Deckert. Und als er nicht sogleich eine Antwort erhielt, stieß er hervor: »Sicher versteht ihr mich. Ihr hattet schon vorher mit meinem Volk zu tun. Also gebt mir Antwort!«
Zuletzt lag in seinem Tonfall eine unterschwellige Drohung. Da waren aber auch Ungeduld und Unsicherheit und eine Reihe weiterer Gemütsbewegungen mehr. Die Nerven des Captains lagen nach der Erkenntnis, dass es vor der Stadt wohl keine Überlebenden seiner Truppen mehr gab, so ziemlich blank. Einer der Männer erhob sich. »Mein Name ist Ostrabul. Ich spreche deine Sprache, Mensch.« Das letzte Wort klang wie ein Fluch. »Gut.« Der Captain hatte sich dem Mann zugewandt. Der Blick aus den gelben Raubtieraugen traf sich mit dem des Captains. »Dann sag mir, Ostrabul, wo sich Solo Hasradun verkrochen hat.« Deckert hob die rechte Hand. »Keine Sorge, wir wollen eurem Präsidenten kein Leid zufügen. Wir wollen ihn nur in Gewahrsam nehmen. Wenn er tot wäre, könnten wir ihn wohl kaum als Druckmittel verwenden, um das Volk der Foraner im Zaum zu halten.« Ostrabul überkreuzte seine Hände vor der Brust. »Wir sind die Priester des Solo Hasradun«, erklärte er. »Warum braucht ihr ein Druckmittel?« Deckert nagte kurz an seiner Unterlippe. Mit dieser Frage hatte er nun wirklich nicht gerechnet. »Wir werden Tarrant übernehmen und kolonisieren«, sagte er schließlich ehrlich. »Die Menschen, die hier leben werden, sollen nicht ständig um ihr Hab und Gut und um ihr Leben und ihre Gesundheit besorgt sein müssen. Darum werden wir euren Präsidenten mitnehmen. Wir wissen, dass ihr ihn wie einen Gott verehrt. Solange wir ihn als Faustpfand in unserer Gewalt haben, wird sich das Volk der Foraner unterwerfen.« »Ihr seid gekommen, um uns zu versklaven, um uns zu Untertanen der Terraner zu machen. Wir sind informiert. Nun, es ist euch gelungen, bis in den Palast des Präsidenten vorzudringen. Solange ihr euch innerhalb dieser vier Wände befindet, seid ihr nicht gefährdet. Hier darf nicht gekämpft werden. Der Foraner, der dieses Tabu verletzt, ist des Todes.« »Ja.« Deckert nickte. »Ihr seid informiert worden und habt uns erwartet. Von meinen Männern lebt wahrscheinlich keiner mehr, Ostrabul. Eure Flugzeuge haben die Angriffe eingestellt. Eigentlich gibt es keinen Grund für uns, euer Leben und das Leben eures Präsidenten zu schonen.« »Du kannst uns alle töten, Mensch«, kam es entschieden und mit absoluter Endgültigkeit im Tonfall zurück. »Und sobald ihr den Palast verlasst, werdet ihr sterben. Es ist unseren Kriegern nicht verborgen geblieben, dass ihr in die Heilige Halle eingedrungen seid. Sie werden euch draußen erwarten.« »Wir werden euren Präsidenten bei uns haben, Alter. Und wir werden sicher nicht lange fackeln, wenn es darum geht, unsere Hälse zu retten.« »Ihr könnt Solo Hasradun nicht töten, Mensch! «, fuhr der Priester auf. »Er steht dort auf dem Altar.« Ostrabul wies mit dem ausgestreckten Arm auf das Standbild auf dem Tisch. »Wir verehren ihn auf diese Weise, seit er vor fast 200 Jahren gestorben ist.« Captain Deckert war wie vor den Kopf gestoßen. Einen Augenblick lang ver schwamm alles vor seinen Augen. »Solo Hasradun - ist - tot?«, stammelte er. Ostrabul nickte.
Cy »Lüge! Das ist eine gemeine Lüge!«
Ein Erinnerungsfetzen: Etwas traf das Trümmerobjekt. Kurz nach dem Aufgehen der
zweiten Sonnenmutter. Ein gleißender Strahl, der... das Gebilde traf... der Cy traf...
zumindest mit seinen Auswirkungen... und ihn in tiefe Nacht schleuderte.
Es war das Letzte, an das er sich erinnerte, bevor er hier erwacht war.
»Lüge! «, hörte Cy sich noch einmal hervorpressen.
»Nein«, widersprach die monströse Gestalt, die ihn offenbar verstand, seine Sprache
sprach und nahezu perfekt beherrschte. »Es ist wahr. Dich konnten wir retten. Die
anderen, deine Artgenossen, sind alle tot. Wir kamen zu spät - sonst hätten wir euch
vielleicht helfen können. Wir hätten alles versucht. Schon um unsretwillen. Denn wir
hätten die Unterstützung von mehr als nur einem gebraucht, der so ist wie du. In der
Maschine fanden sich Reste eurer Nahrung - sie ist synthetisch und leicht zu
reproduzieren. Wir hätten euch unsere Technologie zur Verfügung stellen können,
um die zerborstene Maschine zu ersetzen, aber... Wir haben deinen Weg
zurückverfolgt und deine Welt gefunden. Sie ist ebenso zerstört wie der Apparat, der
euch versorgt hat - ebenso wie das Erinjij-Schiff. Ein Meteoritenschauer. Er hat deine
Welt förmlich in Stücke gerissen, genau wie die Maschine, die die Nahrungspollen
ausstieß. Es gibt keine Überlebenden.«
Keine Überlebenden...
Der so ist wie du...
Cy lauschte in sich hinein. War er zu erschüttert, zu betäubt, um noch zu wissen, wie
er war. Was er erfahren hatte, konnte und wollte er nicht glauben. Sämtliche Aurigen
tot - selbst die Draggs... alle tot!
An den Draggs hielt er kurz fest - ein Schutzreflex. Natürlich waren es die Seinen,
deren Schicksal ihn in erster Linie aufwühlte.
Aber er verstand nicht.
Maschine... Von welcher Maschine sprach der Dämon? Und was war ein...
»Meteoritenschauer«?
Dies und vieles andere erfuhr er während der Reise, die ihn weiter von seiner
untergegangenen Welt entführte, als ein Dragg es je vermocht hätte.
Eine Reise, die Geschöpfe, die sich Aorii nannten, dazu nutzten, ihm den Grund nahe
zu bringen, weshalb er ihnen so wichtig war.
Ihnen und dem, was sie »die Galaxis« nannten.
Cy fühlte sich von einer Krise in die nächste versetzt. Dass sein Organismus nicht
völlig kollabierte und er vor Trauer und Schmerz und Schock nicht einfach
verwelkte, war ein Wunder, dem er selbst keine Beachtung schenkte.
Andere hingegen sehr wohl...
Erde, Vergangenheit, 2041 »Wo ist er?« »Wir suchen nach ihm.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Nein«, erwiderte Reuben Cronenberg, »es kann nicht sein Ernst sein! «
Er hielt inne und tippte mit dem Zeigefinger gegen den winzigen Empfänger in
seinem Ohr, über den er offenbar gerade eine Nachricht empfing unhörbar für die
anderen.
Nachdem sie Hays jüngst zum ersten Mal fassungslos erlebt hatte, folgte nun bei
Cronenberg die Premiere.
»Was ist?«, fragte die Präsidentin, als er einfach nur wie in Trance vor sich
hinstarrte.
Die an ihn gerichtete Frage holte ihn in die Realität zurück. Er räusperte sich. Schien
um Worte zu ringen. »Ich erfahre gerade...«
»Irgendwas mit dem Professor?« Cronenberg nickte. Sein Allerweltsgesicht war
entgleist. Wirkte er sonst, vom
reinen Äußeren her, absolut durchschnittlich, so war er jetzt, in diesem Moment,
unterdurchschnittlich.
Er schien regelrecht zu verblassen.
»Ja.« Er nickte und strich sich fahrig mit den gespreizten Fingern durch sein Haar.
»Ich erfahre gerade, dass er... Nun, er hat eine zweifellos gefälschte Legitimation
vorgelegt und... den Bunkerkomplex vor einer Stunde verlassen.«
»Das ist nicht Ihr Ernst!«
»Sie überschätzen mein Repertoire an Humor.«
Sie kniff die Lippen zusammen. »Wo ist er hin?«
»Wir sollten uns eher fragen, warum er weg ist.«
Sie standen in dem Raum, den Sarah vor sechs Stunden in Begleitung des Professors
und auf Weisung Cronenbergs schon einmal betreten hatte.
Die Kammer mit den Matrizen von Scobee, Resnick und Jarvis.
Hier hatte auch Hays dazu stoßen sollen, nachdem Cronenberg, wie nicht anders von
Sarah erwartet, sein Einverständnis für die Erweckung der drei Schläfer gegeben
hatte.
»Sie haben Recht«, stimmte Sarah ihm zu. »Was werden Sie unternehmen?«
Cronenberg blickte sie völlig verblüfft an. »Nichts. Haben Sie vergessen, wie es
draußen aussieht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Eben weil ich das nicht vergessen habe, frage ich. Wenn er
den Außerirdischen in die Hände fällt, wird er uns kaum decken, sondern bereitwillig
alles verraten. Wahrscheinlich erkauft er sich ein feines Leben - oder wenigstens sein
eigenes Überleben -, indem er den Aufenthaltsort der Präsidentin verrät.«
»Da oben im Sand laufen keine Außerirdischen herum!«
»Wie können wir uns da sicher sein?«, widersprach sie. Sie schwieg kurz
nachdenklich, bevor sie sagte: »Fangen wir an! «
»Sie wollen immer noch...?«
»Mehr denn je. Immerhin muss es einen Grund geben, warum Hays so überstürzt
geflohen ist. Sein Verhalten, als ich aas Wecken ankündigte, war schon verdächtig.
Er hatte nicht damit gerechnet. Er hätte mich vermutlich nicht einmal aus eigenem
Antrieb hierher geführt. - Das war Ihre Idee, oder?«
Cronenberg nickte. »Also...?«
Cronenberg gab den bereit stehenden Ärzten ein Zeichen. Sie leiteten die
Erweckungsprozedur ein, der Sarah zum ersten Mal persönlich beiwohnte.
Stase war kein Einfrieren. Stase war ein komplexes Verfahren, das die
Körpertemperatur zwar senkte, aber den Organismus eher in eine Art perfekten,
medikamentös gestützten Winterschlaf verfallen ließ.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Vitalanzeige an der Außenfront der Behälter
nach oben kletterte und die Normalmarke erreichte.
Mit leisem Fauchen öffneten sich kurz darauf drei Deckel.
Ausgerechnet die Matrix Scobee war die Erste, die sich aufrichtete und fast
übergangslos die Augen aufschlug.
Besser gesagt: aufriss.
hast ohne Luftholen fing sie mit klarer, durchdringender Stimme an zu sprechen.
»Wo ist Hays? Wo bin ich hier? Ich verlange sofort, zum Schiff gebracht zu werden!
Der Professor... «
Sarah trat einen Schritt vor. »Erkennen Sie mich?«
Die Matrix verstummte. Wahrscheinlich benötigte sie nur den Bruchteil einer
Sekunde, um die Präsidentin zu identifizieren. Die Matrix verfügte über alle
Fähigkeiten, die auch ihre Kopien besaßen.
»Präsidentin Cuthbert«, sagte sie schließlich.
Sarah nickte. »Und jetzt erzählen Sie uns langsam und der Reihe nach, warum Sie so
aufgebracht sind. Ich bin davon ausgegangen, Sie könnten Ihre Emotionen steuern.«
»Korrekt. Aber ich will aufgebracht sein.« Die Augen der Frau aus der Retorte
funkelten.
»Noch einmal«, drängte Sarah. »Warum?«
»Er hat mir unter einem Vorwand die Medikamente verabreicht?«, antwortete Matrix
Scobee.
Also hat mich mein Instinkt nicht getrogen, dachte Sarah - als Scobee auch schon
fort fuhr: »Ich verstehe nicht, warum, aber ich verlange, sofort zum Shuttle gebracht
zu werden. Die RUBIKON wartet nicht ewig! Wie lange habe ich in Stase gelegen?
Ich muss...«
Die Reaktion der Präsidentin ebenso wie die Cronenbergs brachte Scobee zum
Verstummen.
Beide tauschten fassungslose Blicke, und Sarah dachte: O nein. O mein Gott!
Während Scobee aus dem Stasetank kletterte, tobte ein Adrenalinsturm durch die
Adern der Präsidentin.
Es kann nicht wahr sein. Es...
Aber es gab keine andere Erklärung.
Hays hatte mehr zu verbergen gehabt, als Sarah jemals hätte erahnen können.
Er hat es getan - zumindest unterstützt. Aber warum?!
Sie wandte sich an Cronenberg. »Ich weiß nicht, ob es irgendetwas an unserer Lage
ändert, aber... wir wurden offenbar betrogen, Sie eingeschlossen, Cronenberg. Hays
hat ein falsches Spiel betrieben.«
Sie wartete noch ab, bis Resnick und Jarvis erwachten, die sich absolut
zurückhaltend verhielten, keinerlei Anklagen erhoben.
Kein Zweifel, sie waren Matrizen, Scobee jedoch nicht.
Diese Scobee jedenfalls nicht.
Allmächtiger Gott im Himmel, dachte Sarah. Warum? Warum hat er das getan? Und
warum hat sie mitgespielt? Wie konnte dieser Austausch funktionieren?
Wahrscheinlich konnte nur Hays selbst all dies beantworten. Wenn sie ihn jemals
lebend wieder sahen.
»Ich will sofort mit der Telepathin sprechen«, sagte Sarah.
»Kein Problem. Sagen Sie mir vorher nur, ob ich das auch alles richtig verstanden
habe.« Cronenbergs Miene wirkte grau, eingefallen. »Irgendwo in der Zukunft
schwirren zwei geklonte GenTecs zusammen mit Cloud durchs All und erleben
gerade - falsch! - irgendwann so verrückte Dinge wie Raumschiffe, die aussehen, als
hätten wir sie gebaut. Was vermutlich sogar stimmt. Aber wir haben sie jetzt noch
nicht gebaut, sondern werden sie erst bauen. Demnächst oder in hundert Jahren.
Herrgott! Wir wissen nicht einmal, wann genau sie aus dem Wurmloch
herausgekommen sind. Wir wissen aber seit drei Minuten, dass...«
»Dass«, unterbrach ihn Sarah mit klirrender Stimme, »sich nicht GenTec Scobee an
Bord der RUBIKON aufhielt, als diese zum Mars aufbrach, sondern«, sie bebte
innerlich, und es war ihr gleichgültig, dass man es ihr in diesem Moment anhörte,
»sondern Matrix Scobee.«
Niemand, nicht einmal die Frau, die gerade dem Tank entstiegen war, sah sie an wie
eine hoffnungslos Irre - und das war es, was ihr am meisten Sorgen bereitete...
Die Suche
»Errrr istt zzähh. Unnglaubblich zzähh.«
»Aber er wird nicht reichen«, wagte Algorian einzuwenden. »Sechs. Wir hätten
wenigstens sechs Exemplare seiner Spezies lebend bergen müssen, um unseren
Suchauftrag zu erfüllen.«
»Darrrüber müssen annderre enttscheidden.«
Algorian fühlte Frustration und wünschte sich die Persönlichkeit seines Hassbruders,
der die Niederlage ohne Probleme wegzustecken schien.
Und es war eine Niederlage, ganz gleich wie vehement Rofasch seinen Blick davor
auch verstellen mochte.
Ihre Rückkehr in den Hort der Sucher, wo alles für denjenigen, der fündig wurde,
vorbereitet war, würde nicht zum strahlenden Triumph werden.
Die Aufgabe war nicht erfüllt. Nur einer von sechs.
Damit würden sich weder die Oberhäupter der Allianz noch die Jay'nac als
Sprachrohr der Anorganischen zufrieden geben.
Algorian zog sich kurz zurück, um nachzudenken. Die Nähe des Bruders erdrückte
ihn. Er musste vor ihm fliehen, an den einzigen Ort, an den ihm Rofasch nicht folgen
konnte: in sich selbst.
Eine Weile meditierte er, ohne von seiner Umgebung gestört werden zu können. Er
hatte das Wesen, das sie lebend aus den Trümmern jener absonderlichen Maschine
geborgen hatten, nicht belogen. Er hatte ihm die Wahrheit gesagt - sagen müssen.
In der Zeit seiner Bewusstlosigkeit hatten die beiden Aorii das riesige Gebilde, das
einmal seine Heimat gewesen war, gefunden und genauso vorgefunden, wie sie es
dem Pflanzengeschöpf erklärt hatten.
Vernichtet.
Ein weiteres Trümmerfeld, ähnlich dem, auf dem sie den einzig Lebendigen
gefunden hatten, nur übersät mit Leichen. Die Trümmer hatten offenbart, dass auch
die Heimat desjenigen, der sich Cy nannte, künstlichen Ursprungs gewesen war. Wie
die Maschine, die ihn und seinesgleichen ernährt hatte. Und wie wahrscheinlich noch
so manches, was sich innerhalb der Gas-Anomalie befand - Relikte einer offenbar
ungemein hoch entwickelten Rasse, die unmöglich identisch mit der Spezies sein
konnte, der Cy angehörte.
Cy...
Viel mehr als diesen Namen, den er ihnen offenbart hatte, wussten die beiden Aorii
noch nicht von ihm.
Aber noch weniger wusste er von ihnen - und über sein Schicksal.
Der Rat musste entscheiden.
Aber es war aussichtslos.
Sechs.
Sie hätten sechs von seiner Gattung benötigt.
Ideale Träger - ideale Wirte...
Die Natur, ausnahmsweise nicht die Erinjij, hatte dem einen Strich durch die
Rechnung gemacht!
Wäre Rofasch nur ein wenig früher auf
die Psi-Spur gestoßen, dachte Algorian. Aber es war nicht mehr zu ändern. Die
MASOT beschleunigte. Die MASOT durch
stieß die Lichtmauer.
Andere mussten entscheiden. Andere würden entscheiden. Andere entschieden...
Cy Wieder ein Erwachen - wieder völlige Fremde, völlige Orientierungslosigkeit...
»Sterben! Lasst mich bitte sterben!«
Cy war sich sicher, dass sie ihn verstanden. Aber sie respektierten ihn nicht. Da war
Licht. Anderes Licht als das, das er gewohnt war. Andere Wärme. Andere Luft.
Stimmen, wie hinter Nebeln: »... ist unglaublich... passt sich jeder Umgebung, jeder
Atmosphäre in perfekter Mimikry an... Luft, die er atmet, hat eine völlig andere
Zusammensetzung als die, die er ein Leben lang atmete... entspricht den
Verhältnissen bei den Jay'nac... Die Aorii haben perfekte Arbeit geleistet. Fast
perfekte Arbeit. Ich wünschte, wir könnten ihn duplizieren, aber...«
Cy ertrug es nicht länger, nur zuzuhören. Er spürte, dass sie über ihn redeten, auch
wenn er nicht verstand, was sie über ihn sagten. Aber allein, dass er sie verstand,
bewies, dass er sie verstehen sollte. Denn sie benutzten seine Sprache.
Er stöhnte auf.
Sein Stimmfäden sirrten. »Sterben! Bitte... ! «
»Im Gegenteil«, sagte eine Stimme.
Expansion, 17 n.A. »Holt die Figur!«, kommandierte Deckert, als er seine Fassungslosigkeit überwunden und die Blasterpistole gehol stprt hatte. »Ob lebendig oder tot! Dieses Volk verehrt Solo Hasradun als Gott. Darum ist diesem Volk sein Standbild heilig.« Er wandte sich an Ostrabul. »Gibt es noch mehr von diesen Figuren?« »Es ist die einzige. Sie ist ebenso einzigartig wie Solo Hasradun es war...« Raunen und Murmeln ging durch die Reihen der Priester, als Brenner und Cartec mit hallenden Schritten zu dem Altar schritten und das Standbild herunterhoben. Einige der Priester erhoben sich und nahmen eine drohende Haltung ein.
»Ich denke, in dieser Halle sind kriegerische Handlungen bei Todesstrafe verboten!«,
stieß Captain Deckert zwischen den zusammengepressten Zähnen hervor.
Ostrabul nickte und rief etwas in der Sprache der Foraner. Sogleich entspannten sich
die Gestalten der Priester. Das Raunen und Murmel erstarb.
»Was ist, wenn die Statue eures Heiligen zerbricht?«, fragte Deckert.
»Es wäre, als würde man Solo Hasradun töten, wäre er noch am Leben.«
»Dann haltet euch nur schön ruhig, Leute«, knurrte Deckert.
Er hasste sich selbst für das, was er hier zu tun gezwungen war. Aber er hatte seine
Befehle.
Außerdem ging es um Kopf und Kragen. Sein Leben und das Leben der letzten
seiner Männer stand auf dem Spiel. Und das rechtfertigte sein kaltschnäuziges
Vorgehen.
»Du gehst vor uns her, Ostrabul! «, befahl er. »Wir verlassen die Stadt. Und sei
versichert, dass wir diese Statue in tausend Stücke zerschlagen, wenn jemand
versucht, sich uns in den Weg zu stellen.
Brenner, ein großer, breitschultriger Bursche mit viel Kraft, legte sich die
Marmorfigur auf die linke Schulter.
»Ganz schön schwer«, sagte er und verzog das Gesicht. »Ob ich den durch die ganze
Stadt schaffe, ist fraglich.«
Er nahm das Blastergewehr in die Rechte und klemmte sich den Kolben unter die
Achsel.
»Vorwärts, Ostrabul, wir gehen!« Deckert vollführte eine einladende
Handbewegung.
Der Priester setzte sich in Bewegung. Ihm folgte der Captain, diesem Sergeant
Brenner mit der Figur auf der Schulter. Den Schluss bildeten Curtis und Cartec.
Auf dem Wehrgang über dem Tor in der Mauer stand der letzte Wachposten mit
angeschlagenem Gewehr und unbewegtem Gesicht. Vordem Tor auf dem freien Platz
hatten drei Trupps Soldaten Stellung bezogen.
»Sag dem Burschen auf dem Wehrgang, dass er das Tor öffnen soll, Ostrabul. Und
dann solltest du die wild dreinblickenden Kerle draußen darauf hinweisen, dass wir
Solo Hasradun auf das Pflaster werfen werden, wenn auch nur einer von ihnen falsch
mit der Wimper zuckt.«
Der Priester blieb stehen. »Wer das Standbild zerstört, den wird der Fluch des Solo
Hasradun treffen«, stieß Ostrabul hervor. Eine düstere Prophezeiung lag in seinem
Tonfall.
»Was für ein Fluch?«
»Der Frevler wird sterben - und zwar eines grausamen Todes.«
»Und was ist mit jenen, die die Zerstörung des Standbildes herausfordern?«
Darauf gab der Priester keine Antwort, sondern hob beide Arme und rief in der
Sprache der Foraner einige Worte, die weder Deckert noch einer seiner Gefährten
verstanden.
Misstrauen flackerte in ihren Augen, doch sie mussten sich darauf verlassen, dass
Ostrabul genau das tat, was sie von ihm forderten.
Der Posten stieg von der Mauer und schloss das Tor auf. Quietschend schwangen die
eisernen Torflügel nach innen. Draußen erklang ein Befehl. Die Soldaten machten
kehrt und liefen zum Rand des Platzes, der von Wohnhäusern und öffentlichen
Gebäuden begrenzt wurde. Das Getrappel ihrer Schritte verklang.
»Marsch!« Deckerts Stimme sprengte die eingetretene Stille wie ein Hammerschlag.
»Was ist mit Maghini?«, fragte Cartec heiser.
»Sie werden ihn uns ausliefern, solange wir das Standbild ihres Heiligen in der
Gewalt haben«, erwiderte Deckert im Brustton der Überzeugung. »Vorwärts!«
Ostrabul zuckte zusammen und setzte sich in Bewegung.
Die Atmosphäre war angespannt und gefährlich, als sich der Zug über den freien
Platz zu einer der Straßen bewegte, die wie die Beine einer Spinne rund um den
Palast herum nach allen Richtungen abzweigten.
Die Soldaten der Foraner belauerten die Eindringlinge. In den Augen glomm der
tödliche Hass.
Die Terraner hielten die Gewehre schussbereit. Würdevoll schritt Ostrabul vor ihnen
her.
Die Marmorfigur begann hart auf die Schulter Brenners zu drücken, aber er
ignorierte den Schmerz. Keiner der Menschen fühlte sich wohl in seiner Haut.
Im Süden der Stadt stieg Rauch auf. Dort stand der Dschungel in hellen Flammen.
Die Foraner hatten ihn mit ihren Bomben in Brand gesetzt.
Bei einem der alten Lastwagen gebot Deckert anzuhalten. »Curtis, versuchen Sie,
den Wagen zu starten.«
Der Sergeant öffnete die Fahrertür, schwang sich auf den Sitz und studierte
konzentriert die Armaturen, bevor er einige Knöpfe drückte.
Vor dem Fahrzeug blickten Deckert und Cartec sich wachsam um. Ostrabul
beobachtete Brenner, der das Standbild Solo Hasraduns auf der Schulter liegen hatte.
»Nichts zu machen! «, rief Curtis grimmig und sprang aus dem Führerhaus des
Lasters. Er rannte zu einem der Raumgleiter, der ein Stück weiter am Straßenrand
abgestellt war. Die Tür ließ sich nicht öffnen.
»Warum nimmst du nicht das Gewehr?«, grollte Brenners Organ.
»Was nützt es, wenn ich zwar in den Gleiter steigen, ihn aber nicht starten kann?«,
blaffte Curtis.
»Wir halten uns nur unnötig auf«, kam es von Deckert. »Wir marschieren weiter.«
An den Straßenrändern zeigten sich Soldaten der Einheimischen.
»Warum erzwingen wir uns nicht einfach ein Fahrzeug?«, keuchte Brenner. »Die
verdammte Figur wird immer schwerer.«
»Nehmt ihm das Standbild ab«, befahl Deckert.
Curtis und Cartec wussten, dass sie gemeint waren, und hoben die Figur von
Brenners Schulter. Brenner nahm das Gewehr in die Linke und massierte sich mit der
rechten Hand die Stelle, auf die die Statue zuletzt einen fast unerträglichen Druck
ausgeübt hatte.
»Um eine Figur zu kidnappen haben wir das Leben der Soldaten von neun
Kompanien geopfert«, maulte der Sergeant. »Hirnmel, ich hätte gute Lust, diesen
marmornen Solo Hasradun gegen die nächste Wand zu werfen. Und diesen Ostrabul sollte man... « »Jetzt ist nicht die Zeit, sich in etwas hineinzusteigern, das sehr gefährlich werden kann, Sergeant!«, stieß Deckert hervor. »Achten Sie lieber auf unsere Umgebung. Um uns herum wimmelt es von hasserfüllten Feinden. Und wenn dem einen oder anderen der marmorne Solo Hasradun nicht gar so wichtig ist, wie es die Priesterschaft annimmt, dann haben wir sehr schnell ein tödliches Problem am Hals.« Brenners Zähne knirschten aufeinander. Der Zug bewegte sich weiter. Battlon, die Hauptstadt der Nordprovinz, glich einem Pulverfass, dessen Lunte schon brannte. Doch keiner der foranischen Soldaten unternahm etwas. Solo Hasradun wurde wohl tatsächlich von allen als Heiliger verehrt. Keiner wollte die Schuld tragen, wenn das Standbild, das die ständige Anwesenheit Solo Hasraduns auf dem Planeten bewies, zerstört wurde. Keiner wollte vom Fluch des Solo Hasradun ereilt werden. In Captain Deckert tobte eine Hölle aus Selbstvorwürfen, aus Zorn und Enttäuschung, aus Trauer um seine Soldaten und der Überzeugung, dass sie einen völlig sinnlosen Tod gestorben waren. Eine eiskalte Hand schien Deckert zu würgen, als ihm das alles so richtig bewusst wurde. Sie näherten sich dem Stadtrand. Seit sie den Palast verlassen hatten, war über eine Stunde vergangen. Der Dschungel brannte dort, wo sich die Kompanien der Terraner verschanzt hatten, lichterloh. Die Trümmer von Flugzeugen lagen herum. Tote Foraner zeugten von der Grausamkeit, mit der der Kampf hier ausgefochten worden war, ehe die Bomben für ein schnelles Ende sorgten. Der Trupp erreichte den Rand des Dschungels weitab von der wütenden Feuersbrunst. Deckert dirigierte den Priester zwischen die Sträucher und Baumriesen. Curtis und Cartec legten das Standbild ab. Der Captain drückte mit der linken Hand das Zweigwerk auseinander und schaute in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Am Stadtrand verharrte eine ganze Schar Soldaten. Im Hintergrund waren jetzt Männer und Frauen zu sehen, die ihre Verstecke verlassen hatten und der Dinge harrten, die sich anbahnten. »Brenner«, sagte Deckert, »sehen Sie zu, dass sie einen der Helme unserer Soldaten finden, in dem die Sprechanlage noch intakt ist. Wir müssen Verbindung mit dem Commander aufnehmen.« Brenner nickte und lief davon. Er wurde dort, wo der Waldboden bedeckt war mit toten Soldaten, schnell fündig und brachte den Helm zu Deckert. Der stülpte ihn sich über. »KYOTO, kommen! KYOTO, hören Sie mich? Hier spricht Captain Deckert.«
»Deckert«, kam Commander Mallorys aus dem Lautsprecher. Er klang erfreut.
Wahrscheinlich hatte er angenommen, das Unternehmen sei gescheitert. »Wie sieht
es aus, Captain?«
»Wir haben Solo Hasradun«, sagte Deckert mit deutlichem Sarkasmus in der
Stimme. »Es ist eine Marmorfigur. Wir möchten bitte so schnell es geht abgeholt
werden.«
»Das Shuttle ist unterwegs. Erklären Sie den Einheimischen, was mit ihrem
Präsidenten geschieht, sollte es Luftabwehrfeuer geben.«
»Ja, Sir.«
»Ich gratuliere, Captain.«
»Danke, Sir.« Deckerts Stimme war tonlos. Er hatte nicht das Gefühl, dass man ihm
gratulieren sollte.
Mike Deckert setzte den Helm wieder ab.
Ostrabul blickte ihn an. »Was habt ihr vor?«
»Ich denke, wir werden die Statue irgendwo hinbringen, wo sie sicher ist.«
»Ihr... ihr wollte Solo Hastraban von Tarrant entfernen?«, rief der alte Foraner
alarmiert. »Das dürft ihr nicht!«
»Wir sind gerade dabei«, erklärte Deckert trocken.
»Nein!« Ostrabul schrie etwas in seiner Sprache.
Plötzlich brach er ab und starrte verwirrt auf das schwarze Loch in seiner Brust, das
Deckerts Blasterstrahl hinterlassen hatte. Dann brach der Foraner zusammen.
Doch sein Ruf hatte seinen Zweck bereits erfüllt.
Um die letzten terranischen Überlebenden erwachte der Urwald zum Leben, als
foranische Soldaten durch das Unterholz brachen und sofort das Feuer eröffneten.
Curtis und Cartec stürzten tödlich getroffen zu Boden, ehe sie selbst zum Schuss
kamen.
Deckert konnte das Blastergewehr noch zweimal abfeuern, dann spürte er einen
schmerzhaften Stich in der rechten Brustseite. Es war, als bohrte sich ihm glühendes
Metall hinein. Er stürzte.
Brenner wurde umgerissen. Sein Kinn sank auf die Brust. Noch einmal flackerte die
Flamme des Überlebenswillens in ihm auf, und er richtete seine Waffe auf die Statue
des Solo Hasradun.
»Nein!«, wollte Deckert noch rufen, doch seine Stimmbänder versagten ihm den
Dienst.
Und Brenner drückte ab, der Blasterstrahl jagte auf die Marmorfigur zu und...
Solo Hasradun zerplatzte förmlich.
Die Einheimischen heulten auf. Einen Lidschlag später erinnerte an Sergeant Brenner
nur noch Asche.
Das Letzte, was Captain Mike Deckert in seinem Leben sah, war das Gesicht eines
völlig verzweifelten Foraners, der sich über die Splitter seines Gottes beugte.
Auch John Briscoe konnte sich gegen die Liscombianer nicht durchsetzten und
musste sich mit schweren Verlusten zurückziehen. Durch die Zerstörung Solo
Hasraduns wurde die Grundlage für eine einfache Eroberung Tarrants vernichtet.
Commander Mallory kehrte geschlagen zur Erde zurück. Wider Erwarten wurde er nicht aus der Flotte ausgeschlossen. Die Admiralität war seinem Argument zugänglich, dass die Feindaufklärung nicht ausreichend und sogar falsch gewesen war. Nach zwei Jahren kehrte er nachTarrant zurück. Diesmal ließ er die Atmosphäre in Brand setzen und entzog so jedem Leben auf der Oberfläche des Planeten seine Grundlage. Der spätere Admiral Mallory annektierte für die Erde noch sieben Planeten. Bei zweien ging er vor wie auf Tarrant...
Cy Ein Crash-Kurs, wie Cy ihn bis vor kurzem weder für möglich gehalten hätte, noch
hätte vorstellen können, lag hinter ihm.
Und nun raste die CLARON durch die Unendlichkeit des Alls.
All.
Auch das war ein Wort, das er erst hatte lernen müssen. Im Zeitraffer. Mit Hilfe von
Maschinen, fast aberwitziger als die, die sein Volk all die Zeit genährt hatte.
Noch immer schwindelte ihm von der Informationsflut, die über ihn hereingebrochen
war.
Er hatte sterben wollen, aber sie hatten ihn nicht sterben lassen.
Er sei wichtig, hatten sie ihm gesagt. Er sei ihre einzige Hoffnung.
Anfangs hatte er ihnen nicht geglaubt.
Anfangs hatte er sie nicht verstanden. Das hatte sich geändert.
Die CLARON war ein besonderes Raumschiff. Es gehörte der Allianz. Einem
Bund gleichen Namens, dessen Mitgliedsvölker in Frieden miteinander lebten, leben
wollten, aber von einem Feind namens Erinjij - Menschen - bedroht wurden. Ebenso
wie andere Völker, die diesem Bündnis nicht unmittelbar angehörten.
»Wie geht es dir?«, fragte Algorian, mit dem sich Cy inzwischen angefreundet hatte.
Wenn es der Wahrheit entsprach, was Algorian ihm gesagt hatte, als sie beide an
Bord gegangen waren, hatte der Aorii darum gebeten, die Mission als Cys
persönlicher Helfer begleiten zu dürfen. Um einem anderen zu entkommen, den er
mehr hasste denn liebte.
Und Cy zweifelte nicht daran, dass es stimmte, denn er vertraute diesem absonderlich
aussehenden Geschöpf, das seine Monstrosität verloren hatte.
Algorians Bitte war entsprochen worden. Und seither...
Etwas regte sich in Cy.
Das Zittern seiner Extremitäten blieb Algorian nicht verborgen. »Meinst du, du
erträgst sie?«
»Ich weiß es nicht«, gab Cy offen zu. »Ich werde es versuchen. Ich habe nichts anderes mehr, woran ich mich festhalten könnte - nur diese Aufgabe, die es mir wert erscheint weiterzuleben. Und die vor allem du mir überzeugend nahe gebracht hast.« »Wir sind dir alle sehr dankbar...« »Bitte, schweig. Wann werden wir bei den Jay'nac ankommen, die so sehr den Krieg gegen die Erinjij wollen?« »In drei... nun, es wird noch ungefähr so lange dauern, wie es brauchte, um in deiner Welt acht, neun Hell-Dunkel-Wechsel zu durchleben.« »Das Schiff ist schnell.« »Das Schiff ist phantastisch. Es wurde eigenes auf die Bedürfnisse der sechs Regenten abgestimmt. Und auf deine natürlich.« Cy lernte zu schnell, um zu glauben, dass seine Bedürfnisse für die, die in deren Auftrag er reiste, tatsächlich von Belang waren. Wieder regte sich etwas in ihm. Es war unangenehm, aber noch erträglich. »Warum bestehen die Jay'nac darauf, nur dann in einen letzten Dialog zum Friedenserhalt einzutreten, wenn die Oberhäupter der Allianz persönlich bei ihnen vorsprechen?«, fragte Cy. »Und warum wählten die Regenten der sechs Hauptvölker diesen komplizierten Weg? Warum besuchen sie die Jay'nac, die ihr auch die Anorganischen nennt, nicht wirklich persönlich?« »Weil...« Algorian zögerte. Offenbar wurde ihm bewusst, dass sie ihn wahrscheinlich auch hörten, jedes Wort, das er sprach. Dann aber gab er sich einen Ruck. »Weil sie den Jay'nac misstrauen. Es herrscht seit jeher ein angespanntes Verhältnis zwischen Organischen und Anorganischen. Schon lange bevor die Erinjij die Kriegslust schürten...« »Was wisst ihr über die Erinjij?«, schweifte Cy kurz von dem Thema ab, das ihn eigentlich beschäftigte. »Weniger als über die Jay'nac.« »Das scheint mir sehr wenig.« »In der Tat.« »Hat nie jemand versucht, mit ihnen zu verhandeln?« »Sie missachten jeden Kontaktversuch. Wir kennen nicht einmal die Koordinaten ihres Heimatsystems. Sie benutzen künstlich erzeugte Wurmlöcher, um Entfernungen zu überbrücken. Kein anderes Volk vermag dies. Kein uns Bekanntes jedenfalls. Und sie verfügen auch sonst über Waffen und Möglichkeiten, die jedes Vorgehen gegen sie zum unabschätzbaren Risiko macht. Die Allianz fürchtet einen Flächenbrand. Kürzlich zogen ein paar Barschieri-Einheiten - ein an sich harmloses Volk - im Alleingang gegen die Erinjij in die Schlacht. Aber das wurde glücklicherweise von diesen kaum Ernst genommen. Sollten die Jay'nac in den Krieg treten, wird das anders aussehen. Die Jay'nac verfügen über ein Waffenarsenal, über das die Allianz der Organischen nur spekulieren kann. Es ist aber mit Sicherheit dem der Barschieri um ein Erhebliches überlegen. Und es steht zu befürchten, dass sie die Erinjij sogar besiegen.« Das war ein neuer Aspekt, der Cy, für Algorian mit Bestimmtheit nicht unerwartet, in neuerliche Verwirrung stürzte. »Zu befürchten?«, echote er. »Aber gehen nicht die Erinjij so skrupellos bei ihren Expansionsbestrebungen vor, dass ihr das nur begrüßen könntet?«
»Dazu mangelt es am Wichtigsten zwischen Organischen und Anorganischen.«
»Und das ist?«
»Vertrauen.«
»Erklär es mir«, bat Cy. »Ich verstehe wirklich nicht...«
»CLARON - und das werden dir die, deren Träger du geworden bist, gewiss bald
bestätigen - möchte den Krieg zwischen Jay'nac und Erinjij vor allem aus einem
Grund verhindern. «
»Weil?«
»Weil die Allianz fürchtet, die Anorganischen könnten die Erinjij zerschmettern, die
organisch sind wie wir.« Algorian stockte. »Und dabei auf den Geschmack
kommen.«
»Den Geschmack?«
»Der Friede zwischen Organischen und Anorganischen ist seit Aorii-Gedenken eine
höchst zerbrechliche Angelegenheit. Schon mehrfach stand er auf Messers Schneide.
Aber noch nie war die Lage so verzwickt wie heute. Wir, CLARON, müssen zwei
Fronten im Auge behalten: die Erinjij und die Jay'nac. Wobei den Jay'nac fast
weniger zu trauen ist als denen, die sie vielleicht zum Vorwand nehmen, um nach
einer halben Ewigkeit, die das Stillhalteabkommen funktionierte, gegen alles
Organische vorzugehen. Mit anderen Worten: die Allianz fürchtet den Krieg, den
Großen Krieg, den vielleicht die Jay'nac initiieren - wenn deine Mission scheitert.«
»Meine Mission...«
»Sie sollte auf sechs deiner Art verteilt werden. Auf sechs Wesen, die von ihrer
Physis her in der Lage sind, Fremdbewusstseine aufzunehmen - wenigstens
vorübergehend -, ohne sie sofort abzustoßen, wie es bei allen künstlichen
Züchtungen, die wir versucht haben, der Fall war.«
Cy lauschte in sich. Seine Beklemmung wuchs. Nach Algorians Worten zweifelte er
wieder, sich richtig entschieden zu haben. Zum Wohl der Galaxis vielleicht, aber
interessierte ihn das überhaupt? Nachdem er alles verloren hatte, was ihm wirklich
etwas wert gewesen war und bedeutet hatte?
»Ich fühle sie«, sagte er, »aber es ist anders, als ich es erwartet habe. Ich dachte...
dachte, sie könnten zu mir sprechen.«
»Das wird geschehen. Auch sie brauchen Zeit, sich in dir zurechtzufinden.«
Sie.
Die Bewusstseine von sechs völlig unterschiedlichen, völlig fremdartigen Wesen.
Die Bewusstseinskopien.
Die Originale regierten die sechs Hauptvölker der Allianz: Ceyniden, Laschkanen,
Aorii, Rogh, Ovoaner und Neeg.
Früher war ich eins, jetzt bin ich viele, dachte Cy abstrakt, während die CLARON
weiter dem Sternsystem der Jay'nac entgegenraste.
Dort sollte über Krieg oder Frieden entschieden werden. Im Dialog zwischen den
sechs Oberhäuptern der Allianz und den Anorganischen.
Die Oberhäupter wagten es zwar nicht, persönlich einen Fuß auf die Welt der
Jay'nac zu setzen, aber sie waren bereit, einen Unterhändler zu entsenden, dem sie
das Wertvollste anvertrauten, was sie besaßen.
Sich.
Cys Körper beherbergte neben dem eigenen seit kurzem noch sechs andere
Bewusstseine. Ein Verfahren, über das er nichts wusste, hatte die Seelen der sechs
Regenten kopiert und ihm eingepflanzt.
Die Jay'nac würden dies akzeptieren - hatten sie signalisiert.
Auch das konnte eine Falle sein.
Aber eine Falle, die letztlich weniger die Regenten betraf, die in der Sicherheit ihrer
Welten blieben, als vielmehr ihn, Cy, den letzten Aurigen.
Mehr und mehr betrachtete er es als die schlechteste Entscheidung seines Lebens, all
dem zugestimmt zu haben.
Krieg oder Frieden.
Er hatte noch keine Vorstellung, wie die Verhandlung mit den Jay'nac aussehen
würde.
Er hatte noch keine Vorstellung, wie die Jay'nac aussahen.
Aber er spürte, wie es sich immer heftiger in ihm regte.
Stimmen.
Bilder.
Gedanken - die nicht seine waren.
Er war bereit, es auf sich zu nehmen.
Hatte er eine andere Wahl?
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