Unter den großen Rishis bin ich Bhrigu; Die heilige Silbe OM unter den Worten; Von den verschiedenen Anbetungsformen bin ich die Wiederholung des Mantras; Unter den Bergmassiven der Himalaya. SRI KRISHNA
(Bhagavadgita X, 25)
Alles Sichtbare haftet am Unsichtbaren, das Hörbare am Unhörbaren, das Fühlbare am Unfühlbaren; Vielleicht das Denkbare am Undenkbaren. NOVALIS
T:
Wilfried Huchzermeyer (Hrsg.)
Das Geheimnis der Mantra-Kraft Mit Texten von Joachim-Ernst Berendt, Mircea Eliade, Pandit R. Tigunait, J. Donald Walters, Lama Anagarika Govinda, John Blofeld, Madhav P. Pandit, Gunhild Jellinek, Linda Sparrowe, Swami Vivekananda, Sir John Woodroffe, Sri Aurobindo und Swami Sivananda Radha
Verlag W. Huchzermeyer Karlsruhe
INHALT
Vorwort
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Einleitung
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Joachim-Ernst Berendt Nada Brahma als Mantra
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Mircea Eliade Mantra und Dhärani
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edition sawitri - W. Huchzermeyer Lessingstraße 64 D-76135 Karlsruhe
Pandit Rajmani Tigunait Das Mantra »So'ham«
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Tel. 0721/85 62 01 Fax: 0721/84 39 62
J. Donald Walters Mantra-Praxis
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2. Aufl. 2000
Lama Anagarika Govinda Das Mantra als Urlaut
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ISBN 3-931172-07-4
John Biofeld Das Mantra »Om Mani Padme Hüm«
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© 1997 Verlag W. Huchzermeyer, Karlsruhe Mitarbeit: Gunhild Jellinek Druck: Grube & Speck, Karlsruhe Printed in Germany - Alle Rechte vorbehalten
Madhav P. Pandit Die Wirksamkeit des Mantras
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Gunhild Jellinek Sri Caitanya
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Umschlagbild: »Himmelslotos«, Edition Heita Copony
Das Copyright für die in den Quellenangaben genannten Texte liegt bei den lizenzgebenden Verlagen. Wir danken für die freundliche Genehmigung des Abdrucks.
Linda Sparrowe Sanskrit-Chanten mit Vyaas Houston Swami Sivananda Radha Mantra und Heilung
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Dichterische Schau und das Mantra
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Nachrichten, Geschichten und Zitate
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Literaturhinweise
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Informationen
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Im Anschluß an den Titel Erlebnis: Sanskrit-Sprache ist das vorliegende Buch der zweite Titel in einer Mantra-Trilogie. Eine Reihe von Beiträgen wurden speziell für dieses Buch geschrieben oder übersetzt, andere wurden verschiedenen Werken der Literatur in deutscher Sprache entnommen. So ergibt sich eine sehr umfassende Studie, in der das Wissen erfahrener Autoren in einer Gesamtschau zusammengeführt wird. Angesichts der Vielfalt der abgedruckten Texte war eine einheitliche Schreibweise der Sanskrit-Wörter nicht zu realisieren. Allerdings erscheinen sie insgesamt in nur geringfügig abweichender Transkription, teils mit diakritischen Zeichen, teils ohne diese. Inzwischen ist der dritte Titel dieser -Reihe erschienen, Nada Yantra Mantra - Sphären des Klangs. Darin werden insbesondere mystische Klänge, indische und spirituelle Musik sowie symbolische Diagramme, die Yantras, erläutert. Aber auch einige Themen der Sanskrit- und Mantra-Thematik werden noch einmal aufgegriffen und ergänzen das bereits Gesagte.
Autoren und Quellenangaben
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W. H.
Swami Vivekananda Das Mantra OM: Wort und Weisheit
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Sir John Woodrqffe Das Gäyatri Mantra
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Wilfried Huchzermeyer Durvasas Mantra im Mahabharata
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Sri Aurobindo
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EINLEITUNG
Mantra ist eines jener Sanskrit-Wörter, die in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. zunächst unter westlichen Yoga-Anhängern bekannt wurden und später in der Literatur, in Zeitungen, Nachrichtenmagazinen und Wörterbüchern auftauchten. Der Wahrig definiert es als »geheimnisvolles Wort, das gedacht oder gesungen wird (als Meditationshilfe)«. Der amerikanische Webster's spricht von einem »Wort oder einer Formel, die zu singen oder zu rezitieren sind«. Im weitesten Sinne können wir das Mantra1 definieren als Wort, als Silbe oder Formel, welche eine besondere emotionale, magische oder spirituelle Kraft in sich trägt. Im engeren Sinn kann man die Definition auf den rein spirituellen Bereich beschränken. In diesem Buch wird jedoch das ganze Spektrum berücksichtigt, wobei allerdings die höhere Anwendungsebene im Mittelpunkt steht. Der Begriff Mantra ist seit der ältesten vedischen Zeit bekannt. Die Veden (Samhitas) erwähnen es nicht nur, sie sind es. In den Upanischaden wird die subtile Bedeutung des OM für spirituelle Sucher offenbart. Die großen Epen Ramayana und Mahabharata erwähnen das Mantra in einigen Episoden, während es in den Tantras schließlich zu einem Hauptinstrument der inneren Verwirklichung wird. Einen weiteren Höhepunkt erlebt das Mantra in der Zeit Caitanyas, der eine In1. Obwohl Mantra im Sanskrit meist Maskulinum ist und seltener Neutrum, hat sich im Deutschen die sächliche Form eingebürgert. Mit gutem Recht kann man auch der Mantra sagen, wie dies bisweilen geschieht. Eine weitere Variante ist Mantram, d.h. der Nominativ des Neutrums statt des Stammes.
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lcarnation der spirituellen Gottesliebe, Bhakti, war, welche er durch die innige Wiederholung der heiligen Krishna-Worte zum Ausdruck brachte. Auch in vielen Schulen des Buddhismus spielt das Mantra eine bedeutende Rolle als Mittel der Meditation, der Sublimierung und des Schutzes, insbesondere im Vajrayäna (»Diamant-Fahrzeug«), das wegen der Verwendung heiliger Silben in Tibet auch als Montrayäna bezeichnet wird. Im Westen war die Bedeutung des Wortes esoterischen Traditionen stets bewußt, aber erst in der Gegenwart hat eine breitere Öffentlichkeit das Mantra für sich entdeckt. In den USA gibt es bereits eine fast nicht mehr überschaubare Anzahl von Mantra-Tonträgern, und auf beiden Seiten des Atlantiks wird es in vielen Gemeinschaften und Yoga-Schulen regelmäßig gechantet. Wenn wir uns mit den Details von Theorie und Praxis des Mantras beschäftigen, bemerken wir, daß es zu einigen Fragen unterschiedliche Auffassungen und Auslegungen gibt. Soll man seine Bedeutung genau kennen und im Geist wachhalten oder eher auf die Kraft als solche vertrauen und alles weitere vernachlässigen? Spielt die korrekte Aussprache eine Rolle oder kommt es eher darauf an, daß das Mantra von Herzen geäußert wird oder daß die Autorität eines befugten Lehrers dahinter steht? Viele differenzierte Antworten sind hier möglich je nach Standpunkt und Tradition des Autors. In einigen Texten wird auf diese Thematik eingegangen, ein weiteres Studium ermöglichen die Titel, die in den »Literaturhinweisen« vorgestellt werden. Abschließend noch eine Anmerkung zu der Frage der Beziehung zwischen der altindischen Sprache und dem heiligen Wort: Sanskrit ist die Sprache des Mantras, aber nicht die ein9
zige. In jeder anderen kann es ebenfalls empfangen und geäußert werden, wenn ein spirituelles Bewußtsein gegeben ist. Will man jedoch tiefe Wahrheiten durch einem optimalen Klangkörper zum Ausdruck bringen, so bietet sich die Sanskrit-Sprache als geeignetes Medium an.
Joachim-Ernst Berendt
Nada Brahma als Mantra2 Viele meditieren nicht über ein Koan, sondern über ein Mantra (und natürlich - das ist das beste, wenn man es kann - über Nichts). Mantras sind Wort- und Silbenklänge. Wir werden sehen: Deshalb gerade - weil sie Klang sind - wirken sie. Was sagt das Wort Mantra? Die Silbe man heißt Verstand. Auch Denken und Fühlen. Alles, was den Menschen ausmacht. In man steckt das englische man und das deutsche Mensch, auch das kleingeschriebene deutsche man. Tram ist die helfende und beschirmende Kraft, die »Fittiche« des Psalmisten: »ER breitet seine Fittiche über dir. Seine Wahrheit ist dein Schirm und dein Schild.« Das ist tram. Ein Man-tram breitet Fittiche über Verstand, Denken und Fühlen. Über den Menschen. Lama Anagarika Govinda nennt Mantras »Geistige Werkzeuge«... »Werkzeuge des Geistes«. Mantras entstehen aus dem mantrischen Laut, der im Sanskrit bija heißt: Same. Mantras sind aufgehende Samenkörper. Aus Mantras sprießt Einswerden. Sie sind »Werkzeuge des Einswerdens«. Das Wort bija ist wahrscheinlich mit der im 1. Kapitel3 erwähnten Sanskrit-Wurzel bri = wachsen verwandt, von der sich der Gott Brahma und das Brahman, das 2. Die Kapitelüberschrift des Originaltextes, dem der folgende Auszug entnommen wurde, lautet: »Nada Brahma - als Koan und als Mantra«. (Anm. d.Hrsg.) 3. Des Buches Nada Brahma. (Anm.d.Hrsg.)
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kosmische Prinzip herleiten. All dies gehört in einen einzigen sprachlichen Zusammenhang. Der Same, aus dem die Mantras sprießen, ist der gleiche, aus dem Gott Brahma wuchs. Der große Weise Govinda spricht vom »Mantra als Urlaut und als archetypisches Wortsymbol«. Mantrische Formeln sind »vorsprachlich«. Sie sind »Urlaute, welche Gefühle ausdrükken, aber keine Begriffe, Gemütsbewegungen, aber keine Ideen.« Aus den bija, den Keimsilben der Mantras, ist Sprache entstanden. Aus den Mantras selbst entsteht Sprache. Das größte aller Mantras ist »OM«. Besonders eindrucksvoll sagen und singen es tibetische Mönche - wo immer sie heute in ihrer weltweiten Diaspora leben - in den Bergen Kaschmirs und der Schweiz, in den Tälern Colorados und Nordindiens. Zur tibetischen Gesangsweise gehört es, daß eine einzelne menschliche Stimme ganze Akkorde singen kann und was für Akkorde! Akkorde, die aus tiefsten Tiefen zu kommen scheinen und die dem Sinn dieses Wortes entsprechen. In accord steckt cor — Herz. Westliche Zuhörer bewundern die tibetischen Stimmen. Aber wunderbar sind sie in erster Linie für uns, weil wir den Ton - wie so vieles andere auch - abstrahiert und aus seinen natürlichen Zusammenhängen gelöst haben. Wenn eine Saite schwingt - das Urbild aller Klangerzeugung, dem auch unsere menschlichen Stimmbänder entsprechen -, dann schwingt ja nicht nur die ganze Saite, also der Grundton, es schwingt zwangsläufig auch die halbe Saite mit, das heißt die nächsthöhere Oktave, und es schwingen zwei Drittel der Saite, die Quinte, und drei Viertel, die Quarte, und drei Fünftel, die große Sexte, und vier Fünftel, die große Terz, und fünf Sechstel, die kleine Terz, und so fort, das heißt: es erklingt die ganze Tonleiter, nur eben als Obertonreihe, aber die ist ja oh-
ehin die einzig »natürliche« Leiter - und deshalb auch die einzige »wahre«. In jedem Ton sind alle enthalten. Wie in der Perle Indras, obwohl sie nicht größer ist als alle anderen auch, alle Perlen der Welt stecken - und, nach neueren Vorstellungen der Teilchen-Physik, der sogenannten »Bootstrap-Theorie«, in einem atomaren Vorgang alle atomaren Vorgänge der Welt enthalten sind. Es gibt nun gewisse Musikkulturen, die pointiert auf der Verbundenheit aller Töne untereinander basieren. Es gibt Instrumente, die besonders obertonreich sind und deren Spieler von vornherein bestrebt sind, die Obertöne nicht etwa zu unterdrücken, oder mehr oder minder unbeachtet mitschwingen zu lassen, sondern sie zu entwickeln, zu kultivieren und zu akzentuieren - wie es zum Beispiel die Spieler der indischen Saiteninstrumente tun: der Sitar, des Sarod, der Veena, der Surbahar - oder ähnlich obertonreicher Blasinstrumente: des Shenai und des Nagaswaram - auf diese Weise ständig den Zusammenhang mit dem Ganzen, dem »Kosmos der Töne«, herstellend, an ihn erinnernd, sich immer wieder neu seiner bewußt werdend. (»Kosmos der Töne«: Man kann die beiden Worte »der Töne« fortlassen.) Vor allem aber gibt es Sänger etwa die tibetischen Mönche -, die die Obertöne kultivieren und oft auch die viel weniger stark hörbaren, noch schwerer zu produzierenden Untertöne. Auf diese Weise entsteht ein Eindruck mehrstimmiger Akkorde - und oft auch von Polyphonie, weil verschiedene, unabhängige Melodiebewegungen entstehen. Hierzu ist eine völlige Entspannung von Gaumen, Rachen, Zunge, Lippen, Kehle und Brustraum erforderlich. Nirgendwo wurde so viel meditiert wie in Tibet, und gerade die Meditation fördert derartige Entspannungszustände. Auch bei dem in Sibirien lebenden mongolischen Stamm
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der Tuwans ist diese Art des Obertonsingens geboren in religiöser Überlieferung. Sie wird von den Schamanen gepflegt, den magisch und medial begabten Priestern. Ansätze freilich zu mehrstimmigem Singen gibt es in vielen Kulturen - bei südamerikanischen Indianern, auf Sardinien, in Bulgarien und inzwischen auch bei vielen jungen Musikern und Musikerinnen der zeitgenössischen westeuropäischen und amerikanischen Meditationskultur. In den alten Schriften des Tantra-Buddhismus heißt es über das OM: »Dieses Mantra ist das mächtigste. Seine Kraft kann allein schon Erleuchtung vermitteln.« Und die Upanischaden sagen: »Wer immer dieses Mantra fünfunddreißig Millionen mal sagt, das Mantra des heiligen Wortes, wird befreit von seinem Karma und von all seinen Sünden. Er wird erlöst von allen Banden und erreicht absolute Befreiung.« Nada Brahma, die Welt ist Klang: die Weisen Indiens und des Tibet wie die Mönche von Sri Lanka meinen: Wenn es einen - für uns normale Sterbliche - hörbaren Klang gibt, der diesem Urklang, der die Welt ist, nahekommt, dann ist es der Klang des heiligen Wortes OM. Nochmals die Upanischaden: »Die Essenz aller Wesen ist die Erde, die Essenz der Erde ist das Wasser, die Essenz des Wassers sind die Pflanzen, die Essenz der Pflanzen ist der Mensch, die Essenz des Menschen ist die Rede, die Essenz der Rede ist das Heilige Wissen, die Essenz des Heiligen Wissens ist Wortlaut und Klang, die Essenz von Wortlaut und Klang ist OM.«
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Und an anderer Stelle: »Gott Brahma sprach: >Du bist der heilige Opferruf Svaha, du bist Lebenskraft, du bist der heilige Spendenruf Vaschat - Schall ist dein Wesen. Trank der Unsterblichkeit bist du, Unvergängliche; dein Wesen liegt in den drei Zeiten der heiligen Silbe OM beschlossen, du bist in der Halbzeit beschlossen, die dem Verklingen der Silbe OM als Schweigen nachfolgt, du Ewige, die vom Unterschiedlichen her nicht auszusagen ist<.« Swami Sivananda Sarasvati schreibt in »Der dreifache Yoga«: »OM ist der Bogen, der Geist ist der Pfeil, Gott oder Brahman ist die Zielscheibe... Triff diese Scheibe!« Und etwas später: »OM ist die innere Musik der Seele... Verwirkliche dich durch OM. Denke immer an OM. Singe OM. Rezitiere OM. Übe OM. Meditiere OM. Betritt das Schiff OM. Segle sicher auf ihm... Und lande wohlbehalten in der wunderbaren Stadt des Ewigen Brahma.« Das Sagen und Meditieren des OM ist unlösbar mit dem richtigen Atmen verbunden. OM »geschieht« auf dem Ausatmen. Das »M« muß lange nachschwingen - hinein in den möglichst weit ausgedehnten Raum zwischen Aus- und Einatmen: dem eigentlichen Moment der Leere und des Einswerdens. Auch insofern bezeichnet das Mantra OM genau die Stelle, an der 15
aus dem »Atem« das »Wort« wird, und aus dem »Wort« der »Atem« mit allem, was zu diesen beiden Begriffen gehört: zum Atem das Atma, das Selbst, zum Wort der Logos der Griechen und die »Tat« Goethes. OM ist eines der vier großen Keim- und Samen-Mantras. Govinda nennt drei weitere: AH, HUM, HRIH. In ihnen stekken die vier Basisvokale o, a, u und i, die »den vier Prinzipien entsprechen: einer kreisförmigen, alles einschließenden, einer horizontalen, einer nach unten und einer aufwärtsgerichteten Bewegung«. Auf diese Weise kann man auch von den UrMantras sagen, daß sie das Universum umfassen. Wie der in alle vier Himmelsrichtungen schauende Gott Brahma - wie das Prinzip Brahman.
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Mircea Eliade
Mantra und Dhärani Die Kraft »mystischer Laute« war schon zur Zeit der Veden bekannt. Seit dem Yajurveda genießt OM, das mantra par excellence, allgemeines Ansehen; man identifiziert es mit dem brahman, dem Veda, mit allen großen Göttern; Patanjali (Yoga-Sütra I, 27) betrachtete es als Ausdruck Ishvaras. Die Spekulationen über Väc (das Wort) und über den schöpferischen Wert der rituellen Formel (Aitareya-Br. X, 3, 1; XIII, 11, 7 usw.) brauchen wir nicht zu erwähnen. Nur soviel sei gesagt, daß bestimmte tantrische mantra sich schon in den Brahmana finden (z.B. khat, phat usw.: Apastamba XII, 11, 10 usw.): Doch vor allem der Tantrismus, und zwar sowohl der buddhistische wie der shivaistische, hat die mantra und dhärani zur Würde eines Heilswerkzeuges erhoben (mantrayäna). Es gibt verschiedene Aspekte an dieser allgemeinen Welle der heiligen Formel, die einerseits zu den höchsten Spekulationen über die »mystischen Laute«, andererseits zur lamaistischen Gebetsmühle geführt hat. Zunächst ist zu bedenken, welchen Erfolg eine solche Methode mit ihrer scheinbaren Leichtigkeit, durch Wiederholung der mantra und dhärani das Heil zu erlangen oder wenigstens Verdienst zu erwerben, beim Volk haben mußte. Wir wollen bei diesem Phänomen der Vulgarisierung und Degradierung einer spirituellen Technik nicht weiter verweilen; es ist in der Religionsgeschichte sehr be17
kannt und jedenfalls kann uns sein »Erfolg beim Volk« nicht das Geheimnis des mantrayäna entdecken. Der praktische Wert und die philosophische Bedeutung der mantra erstreckt sich auf zweierlei, erstens auf die yogische Funktion der Phoneme, nämlich ihre Anwendung als »Stützen« der Konzentration, und zweitens auf das vom Tantrismus Hinzugebrachte, die Ausarbeitung eines gnostischen Systems und einer interiorisierten Liturgie durch Umwertung der archaischen Traditionen über den »mystischen Klang«. Die dhärani, wörtlich »die Stützende oder Einschließende«, diente schon in vedischer Zeit als »Stütze« und »Wehr« der Konzentration (dhäranä); daher ihr weiterer Name kavaca und raksa (»Panzer«, »Schutz«). Für die Profanen sind die dhärani Talismane, die gegen Dämonen, Krankheiten und Zauber schützen. Für die Asketen, Yogins und Kontemplativen jedoch werden die dhärani Instrumente der Konzentration, ob sie nun durch den pränäyäma rhythmisiert sind oder ob man sie während den Atemphasen im Geist wiederholt. Manchmal ahnt man den Sinn gewisser verstümmelter Worte (amale, vimale, hime, vame, kale usw., die die Begriffe der Reinheit, des Schnees usw. ausdrücken, oder cchinde, das an den Akt des Zerreißens und Schneidens erinnert), doch meistens handelt es sich um bizarre, unverständliche Phoneme: hrim, hräm, hrüm, phat usw. Da die dhärani wahrscheinlich bei vom pränäyäma geleiteten Meditationen verwendet und verfeinert wurden, fand die - zwangsläufig auf eine bestimmte Anzahl von Silben beschränkte - phonetische Erfindung in der tiefen inneren Resonanz dieser »mystischen Klänge« ihren Sinn. Was übrigens auch der historische Ursprung der dhärani sein mag, sie hatten auf jeden Fall den Wert einer Geheim- und Initiationssprache. Diese Laute offenbarten ihre Botschaft ja nur während der
Meditation. Für den profanen Menschen blieben die dhärani unverständlich; ihr »Sinn« gehörte nicht der rationalen Sprache an, der Sprache, die zur Mitteilung weltlicher Erlebnisse dient. Eine dhärani, ein mantra erschlossen ihre Bedeutung nur, wenn sie gemäß den Regeln ausgesprochen und wenn sie assimiliert, das heißt entdeckt, »geweckt« wurden. Wir werden diesen Prozeß besser verstehen, wenn wir uns mit der dem mantrayäna zugrundeliegenden Metaphysik beschäftigen. Wahrscheinlich drückten die während der Meditation entdeckten Phoneme Bewußtseinszustände von »kosmischer« Struktur aus, die in profaner Terminologie schwer zu formulieren sind. Erfahrungen dieser Art waren schon in der vedischen Epoche bekannt, wenn sich die spärlichen Dokumente auch mehr auf Andeutungen vor allem in Form von Bildern und Symbolen beschränken. Man hat es hier mit einer ausgesprochen archaischen spirituellen Technik zu tun; bestimmte »kosmische Ekstasen« der Schamanen drücken sich in unverständlichen phonetischen Erfindungen aus, die manchmal zur Schaffung einer »Geheimsprache« führen. Es handelt sich also um Erlebnisse, die in gewisser Weise mit der Entdeckung der Sprache zusammenhängen und die durch diese ekstatische Rückkehr zu einer uranfänglichen Situation das Tagesbewußtsein zerschellen lassen. Die ganze Anstrengung des tantrischen Yogin geht darauf, dieses uranfängliche Bewußtsein zu »wecken« und wieder die Fülle zu entdecken, die der Sprache und dem Zeitbewußtsein vorausgegangen ist. Die Tendenz zu einer »Wiederentdeckung der Sprache« zum Zweck einer völligen Neuwertung des profanen Erlebens zeigt sich im Tantrismus vor allem im Gebrauch der »Geheimvokabulare« (s. S. 258). dhärani wie mantra werden aus dem »Mund des Meisters«
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{guru-vaktratah) gelernt: es handelt sich also nicht um Phoneme, die der Profansprache angehören oder sich aus Büchern lernen lassen - man muß sie »empfangen«. Doch einmal aus dem Mund des Meisters empfangen, haben die mantra unbegrenzte Kräfte. Ein tantrischer Text ersten Ranges wie Sädhanamälä zögert nicht zu behaupten: »Was gibt es, das man nicht durch die mantra verwirklichen könnte, wenn man sie in Übereinstimmung mit den Regeln anwendet?« (hrsg. von Bhattacharyya, S. 575). Man kann durch sie sogar die BuddhaVerfassung erreichen {ebd. S. 31) und das ekajata-mantra ist so mächtig, daß der Initiierte im Moment, wo er es ausspricht, sofort vor jeder Gefahr gerettet ist und die Heiligkeit des Buddha erreicht (S. 262). Alle siddhi jeder beliebigen Art, vom Glück in der Liebe bis zur Realisierung des Heils, werden durch solche mystische Formeln erlangt. Sogar die höchste Wissenschaft kann ohne Studium direkt durch das adäquate Aussprechen bestimmter mantra erreicht werden. Doch die Technik ist schwierig; dem Aussprechen geht eine Reinigung des Denkens voraus, der Praktizierende muß sich auf jeden Buchstaben des mantra konzentrieren, darf nicht müde werden usw. (ebd. S. 10). Die unbegrenzte Wirksamkeit der mantra rührt daher, daß sie die »Objekte«, die sie repräsentieren, sind (oder wenigstens durch richtige Rezitierung werden können). So hat zum Beispiel jeder Gott und jeder Heiligkeitsgrad ein bija-mantra, einen »mystischen Laut«, der ihr »Samen«, ihre »Stütze«, also ihr Wesen ist. Indem der Praktizierende dieses bija-mantra in Übereinstimmung mit den Regeln wiederholt, eignet er sich eine ontologische Wesenheit an und assimiliert sich in ganz konkreter Weise den betreffenden Gott, Heiligkeitsgrad usw. Es kommt sogar vor, daß eine ganze Metaphysik in einem
mantra konzentriert ist. Die achttausend Strophen der umfangreichen mahäyänischen Abhandlung Astasähasrikä-Prajnapäramitä sind in einigen wenigen Strophen zusammengefaßt, welche das Prajnä-Päramitä-Hrdaya-Sütra bilden, und dieser kurze Text wurde wieder auf die wenigen Zeilen der Prajnäpäramitä-Dhärani reduziert, die ihrerseits in einem Prajnäpäramitä-Mantra konzentriert wurde, und dieses mantra schließlich wurde auf seinen »Samen« zurückgeführt, das bijamantra pram* So war es möglich, die ganze Prajflä-PäramitäPhilosophie zu beherrschen, indem man die Silbe pram murmelte. Trotzdem handelt es sich nicht um ein »Resume« der Prajnä-Päramitä, sondern um die unmittelbare und globale Assimilierung der »Wahrheit vom allgemeinen Leeren« {shünyatä) unter der Gestalt einer »Göttin«. Denn der ganze Kosmos mit allen seinen Göttern, Seinsebenen und Seinsweisen manifestiert sich in einer bestimmten Anzahl von mantra; das Universum ist klingend, ebenso wie es farbig gestalthaft, substantiell usw. ist. Ein mantra ist ein »Symbol« im archaischen Sinn des Wortes; es ist zugleich die symbolisierte »Realität« und das symbolisierende »Zeichen«. Es gibt eine okkulte »Korrespondenz« zwischen den »mystischen« Buchstaben und Silben (den mätrkä, »den Müttern«, und den bija, den »Samen«) und den Subtilorganen des menschlichen Körpers einerseits, und andererseits zwischen diesen Organen und den im Kosmos schlummernden oder manifestierten göttlichen Kräften. Indem man mit einem »Symbol« arbeitet, »weckt« man alle Kräfte, die ihm entsprechen, und zwar auf allen Seinsebenen. Zwischen mantrayäna und Ikonographie zum Beispiel besteht eine
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4. B. Bhattacharyya, An Introduction to esoteric Buddhism, S. 56
vollkommene Korrespondenz, denn jeder Heiligkeitsebene und -stufe entspricht ein bestimmtes Bild, eine bestimmte Farbe und ein bestimmter Buchstabe. Durch die Meditation über eine Farbe oder einen »mystischen« Laut dringt man in die Seinsweise ein, die dadurch repräsentiert wird, absorbiert oder inkorporiert man einen yogischen Zustand, einen Gott usw. Die »Stützen« sind einander homolog; man kann von jeder beliebigen Stütze ausgehen und jedes beliebige »Instrument« (Bilder, mantrayäna usw.) verwenden, um sich die ontologische Modalität oder göttliche Manifestierung zu assimilieren, die man erlangen will. Zwischen diesen vielfältigen Ebenen besteht Kontinuität, jedoch eine Kontinuität mystischer Art, die man nur in bestimmten »Zentren« realisieren kann. Der Kosmos, wie er sich in der tantrischen Konzeption offenbart, ist ein großes Gewebe magischer Kräfte, und die nämlichen Kräfte können durch die Techniken der mystischen Physiologie auch im menschlichen Körper geweckt oder geordnet werden.
Pandit Rajmani Tigunait Das Mantra »So'ham« Nachdem wir bei diesen Techniken5 etwas Fortschritt erzielt haben, müssen wir als nächstes dem Geist einen Gegenstand bieten, an dem er sich festhalten kann, damit er von Ablenkungen frei wird. In diesem Anfangsstadium ist das beste Objekt der natürliche Klang des Atems - so'ham. Dies ist ein Mantra für sich. Es stammt aus den Upanischaden und wird von Schülern sowohl der Yoga- als auch der Vedanta-Tradition praktiziert. Yogis legen Nachdruck auf Meditation, und deswegen praktizieren sie dieses Mantra anders als die Anhänger des Vedanta, die Selbstanalyse und kontemplative Techniken hervorheben. Bevor wir jedoch diese Unterschiede erörtern, wollen wir das Wesen des Klangs selbst ergründen. So 'harrt ist die mantrische Manifestation der vitalen Energie aller Lebewesen, weil es der natürliche Klang des Atems ist. Das Atmen verbindet uns alle mit der kosmischen Lebenskraft - durch das Einatmen werden wir ständig mit vitaler Energie versorgt, und durch das Ausatmen bringen wir hinaus, was nicht in unserem System benötigt wird. Solange dieser Vorgang abläuft, bleiben wir am Leben. Hält er inne, sterben wir. Gemäß der Lehre der Yogis ist das Atmen völlig abhängig vom Klang so'ham. Sie vertreten die Ansicht, daß dieser Ton selbst dem ersten Atemzug vorangehe; in Reaktion auf diesen 5. Gemeint sind einige einfache Entspannungsübungen etc., die Pandit Tigunait im Anhang seines Buches beschreibt. (Anm.d.Übers.)
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Ton erteilt die Seele in dem Augenblick, wo wir geboren werden, instinktiv dem Gehirn und Nervensystem den Befehl zu atmen. Tag und Nacht hallt der Ton so'ham wider, während wir ein- und ausatmen. Falsches Atmen und ein lärmender Geist machen uns jedoch diesen Ton unhörbar, weil er subtiler als der Atemvorgang ist. Um ihn zu erfahren, setze dich an einen ruhigen Ort und lenke die Aufmerksamkeit auf den Atem. Wenn dein Atem ruhig ist und wenn du geräuschvolles und ruckhaftes Atmen ganz ausgeschaltet hast, wirst du den Ton sooo beim Einatmen und hammmm beim Ausatmen hören. Nach einer Weile wirst du das Gefühl haben, als ob jemand in dir ständig bei jedem Atemzug sooohammm sagt. Dies ist der Rhythmus des Lebens. Persönlichkeit, Sprache, Emotionen und das Gefühl von Anziehung und Abstoßung sind einige der Ausdrucksweisen, wie die Lebenskraft von uns ausstrahlt. Wir strahlen auch verschiedene Grade und Schattierungen von Licht, Klang, Elektrizität, Magnetismus und Gravitationsenergie aus. Jede Zelle des Körpers hat ihre eigene Schwingungsform, und auf der Basis dieser Grundform gehen Klangwellen von jeder Zelle aus. Aber alle Zellen in einem Organismus müssen koordiniert funktionieren; sie müssen alle innerhalb eines spezifischen Spektrums vibrieren, welches definiert ist durch die subtile Energie des Klangs so 'harn - des Kollektivtons aller Zellen des Körpers. Mutter Natur koordiniert die Schwingungsform aller Zellen einer bestimmten Spezies, indem sie den Zellen diesen Klang eingibt, der in einer bestimmten Geschwindigkeit und einem bestimmten Rhythmus gehört wird. Die Geschwindigkeit und der Rhythmus bestimmen, wie schnell oder langsam ein bestimmtes Lebewesen atmen sollte; die Atemweise wie-
derum reguliert den Stoffwechsel des Körpers. Von diesem Standpunkt ist Mutter Natur der erste Guru aller Lebewesen. Sie initiiert uns in den heiligen Klang so 'ham, und so beginnen wir die Reise des Lebens. Indem sie dieses Mantra zutiefst in unser Wesen einpflanzt, begründet sie Gesetz und Ordnung, damit wir harmonisch leben und wachsen. Durch die Kraft dieses Mantras sind wir mit dem Kosmos verbunden und in Harmonie mit ihm. In den heiligen Schriften wird die Kraft, die diesem Mantra vorsteht, sutratma (FadenAtma) genannt; es ist auch bekannt als pranatma, der Lebensfaden. Jedesmal wenn wir eine ungute und schmerzliche Erfahrung machen, stören wir die Geschwindigkeit und den Rhythmus des Atems, welche von der Natur begründet wurden. Solche Störungen stellen sich im Verlaufe unseres Lebens ein und beeinträchtigen die Harmonie zwischen unserem Atem und dem natürlichen Klang so'ham. Dies wiederum beeinträchtigt den Strom der Lebenskraft. Indem wir einen natürlichen und rechten Atemablauf wiederherstellen und den Atem dem Klang von so'ham folgen lassen, wird die Harmonie wiederhergestellt. Auf den Klang so'ham zu achten heißt, auf den Lebensrhythmus zu achten. Weil dieser Klang subtiler als der Atem ist, müssen wir beginnen, indem wir auf den Atem achten. Denn nur wenn der Atem ruhig und sanft geworden ist und der Geist stetig, können wir auf so'ham achten. Indem wir den Geist mit diesem Klang vertraut machen, machen wir ihn mit der ewigen Lebens-Kraft vertraut, die zu Anbeginn den Organismus von Körper-Geist in Bewegung setzte, indem sie ihn mit der Quelle der prana shakti (vitalen Energie) in Kontakt kommen ließ. Indem wir dann Geist, Atem und so'ham als integralen Strom zusammenfließen lassen, schaffen wir Har-
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So'ham wird zuerst in den Upanischaden erwähnt, alten Texten, die in Sanskrit verfaßt wurden, und in dieser Sprache bedeutet so'ham »ich bin Er«. Wie wir jedoch sahen [in einem anderen Kapitel], gehören alle Mantras der universellen Sprache an, und diese Sprache ist nicht Sanskrit. Sanskrit ist einzigartig nur in dem Sinn, daß es zum größten Teil durch Offenbarung zu uns kam. Seine Phoneme, Wörter und Gruppen von Wörtern wurden den Sehern in tiefem Samadhi offenbart und schließlich in Gestalt der Veden kompiliert. So'ham bedeutet »ich bin Er«, jedoch nicht, weil die Sanskrit-Wörterbücher es so sagen, sondern weil diese Bedeutung den Sehern zugleich mit dem Klang offenbart wurde. Ergründen wir nun, wie dies geschah. Tief im Samadhi befand sich der Weise in alten Zeiten versenkt in einen Zustand der Einheit, völlig eins mit dem Absoluten. Wenn er aus diesem Zustand herauskam, erfuhr er seine Eigenexistenz in Bezug auf die Erfahrung des Absoluten, und indem er dies tat, trat die Essenz der Dualität hervor. Weil er sich nun an seine Erfahrung der Einheit erinnerte, befand er
sich noch in einem Zustand tiefer Ruhe, aber er war jetzt getrennt und fragte sich, wie es möglich war, mit dem universellen Sein zugleich eins zu sein und völlig getrennt von ihm. Indem er dann atmete, spürte er das Bindeglied, das den Einzelnen und das Universelle verband. Er hörte den Klang so'ham. Mit dem Klang so atmete er ein; mit ham atmete er aus. Indem er einatmete, erfuhr er, wie das Universelle Wesen hereinkam, und erkannte, daß Er es ist, der mit dem Atem in diesen Körper eintritt und dem Individuum, das in ihn eingeschlossen ist, Frische und Lebenskraft bringt. In Form des Klanges so treten Wellen der Göttlichkeit und Unsterblichkeit ein und beleben das Individuum. Diese tiefe Erfahrung führte spontan zu dem Wissen, daß der Klang so »Er« bedeutete - das unsterbliche Wesen. Diese Erkenntnis führte ihn gleichzeitig zu der Erfahrung der anderen Komponente dieser Wahrheit: Ich existiere aufgrund von Jenem; ich bin aufgrund von Jenem. Die Erfahrung war umso lebendiger, wenn er bemerkte, daß der Klang so mit der Einatmung unmittelbar überging in den Klang ham, indem er ausatmete - und mit diesem Klang ham fühlte der Weise, wie er mit dem Kosmos eins wurde. So bedeutete für ihn der Klang ham »ich«. Indem dieser Vorgang fortdauerte, erfuhr er: Ich bin Er, Er bin ich, ich bin Er, Er bin ich... Als nächstes entdeckte der Seher, daß - wenn er einatmete, ohne die kommende Ausatmung zu antizipieren -, der Klang der Einatmung ein flaches sah war, mit einem leichten Hauchlaut am Ende. Der Klang der Einatmung wird nur dann als so gehört, wenn die Ausatmung sogleich folgt. Der Weise erkannte auch: Wenn der Ausatmung nicht die Einatmung vorangeht, erscheint der Klang aham beim Ausatmen. Werden also Einatmung und Ausatmung voneinander getrennt, enthal-
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monie auf verschiedenen Ebenen unserer Persönlichkeit. Frieden eröffnet sich. Der Geist sucht nicht länger Vorwände, in die äußere Welt zu laufen (zumindest eine Zeit lang nicht). Dies ist das essentielle Charakteristikum von so'ham; deshalb ist es das universelle Mantra und deshalb ist kein menschlicher Lehrer erforderlich, um uns in seine Anwendung einzuführen. Wenn wir auf den Atem achten, werden wir entdecken, daß das Mantra bereits da ist.
Die Bedeutung von So'ham
ten sie zwei unterschiedliche Klänge - sah und aham -, aber in dem Augenblick, wo der Atem ohne Unterbrechung oder Pause strömt, werden die Klänge sah und aham zu so'ham, indem sie ineinander verschmelzen und jeder aus dem anderen hervorgeht. Aus dieser Erkenntnis entstand eine der grammatischen Regeln des Sanskrit: Ein auslautender Hauchlaut, dem ein a vorausgeht und auf den ein a folgt, wird zu o. Versuche haben gezeigt, daß es unmöglich ist, sah aham auszusprechen, ohne eine Pause zwischen Ein- und Ausatmung zu schaffen und ohne den normalen Herzschlag zu beeinträchtigen. Selbst in alten Zeiten wurde so'ham von Philosophen und spirituellen Suchern, die verschiedenen Pfaden folgten, für meditative wie auch kontemplative Zwecke heilig gehalten. In den Upanischaden ist dieses Mantra z.B. eines der mahavakyas (»großen Äußerungen«). In anderen Traditionen haben Philosophen und spirituelle Sucher alle so'ham als Mittel der Selbstanalyse und Kontemplation akzeptiert. Die Bedeutung »ich bin Er« ist zugleich so präzise und so allgemein, daß sie im Zusammenhang jeder philosophischen oder religiösen Doktrin gebraucht werden kann. Z.B. kann sie interpretiert werden in dem Sinn: Essentiell bin ich jenes göttliche Wesen, das in mich eintritt, mich aufrechterhält und mich durch die Reise des Lebens führt. Oder: Ich bin ein Anhänger des Höchsten Einen, und Er ist mein Herr. Diese Flexibilität ist einer der Gründe, warum dieses Mantra universal ist.
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J. Donald Walters
Mantra-Praxis In Indien wird diese Art fortgesetzten Chantens (devotionales rhythmisches Singen) Japa genannt. Der mind einer Durchschnittsperson in ihrem Wachzustand fließt nach einer unendlichen Serie von Gedankenmustern, die üblicherweise durch Worte ausgedrückt werden. Diese mentalen Worte sind bloße Energieverschwendung. Manche führen sogar dazu, daß die Lebenskraft und das Bewußtsein nach unten zur Täuschung hin gerichtet werden: Worte des Zorns, der Frustration, der Eifersucht, der Angst, usw. Wenn wir im Geist ständig ein Lied oder eine Affirmation kreisen lassen, wird ein positiver Strudel erzeugt, der all unsere Gedanken und Energien zu ihrem spirituellen Zentrum ziehen wird. Yoganandaji empfahl uns, den ganzen Tag über Worte wie: »Ich bin dein; nimm mich auf!« oder »Ich will nur Dich!« oder »Offenbare Dich mir!« oder aber Texte und Melodien seiner kosmischen Lieder mental zu repetieren. Für die meisten Leute wird es wahrscheinlich hilfreich sein, in ihrer eigenen Sprache zu singen, da man Worten, die man auch wirklich versteht, aufrichtigen Ausdruck geben kann. Deutsch ist jedoch ebensowenig wie Englisch eine wahrhaft spirituelle Sprache. Beide vibrieren mit kristallklarer, mentaler Klarheit. Was aber die Schwingung mit geistiger Macht betrifft, ist wahrscheinlich keine Sprache der Welt vollkommener als Sanskrit. 29
Sanskrit, das in einem weit spirituelleren Zeitalter als dem unseren entstanden ist, enthält in seinen Silben Laute, von denen die großen Weisen Indiens behaupten, daß sie den natürlichen Lautvibrationen der Astral weit am nächsten stehen. Deshalb ist Sanskrit traditionell als »Devanagari, die Sprache der Götter«, bekannt. Wenn die Keimlaute, oder bija-mantras, korrekt ausgesprochen werden, können sie große Veränderungen in der natürlichen Ordnung der Dinge oder unserer inneren Natur verursachen. Sanskrit-Lesungen aus den Schriften inspirieren mit einem Gefühl geistiger Kraft und Freude. Westliche Yogaschüler, die sich die Mühe machen, einige der Sanskritmantren einzustudieren, werden viel davon profitieren. Sanskrit ist nicht nur eine tief spirituelle Sprache für sich, ihre Wirkung beruht auch darauf, daß die Mantren von Devotees und großen Yogis durch Millionen von Jahren hindurch spiritualisiert worden sind. In Indien wird viel Wert darauf gelegt, Sanskritmantren unter korrekter Aussprache und Betonung zu rezitieren. Der westliche Mensch wird diese Kunst sicher nie zur Gänze meistern. Aber auch in Indien gibt es kaum jemanden, der solche Meisterschaft erlangt hat. Swami Vivekananda bezeugte, er habe eine Vision gehabt, in welcher ihm alte Weise erschienen wären und bekannte Shlokas (Passagen aus den Schriften) in einer Art gesungen hätten, die von der als korrekt überlieferten Form erheblich abgewichen sei. Auf Grund dieser Geschichte muß man sich fragen, ob selbst die gelehrten Pandits des heutigen Indiens diese alte Kunst entsprechend den alten Traditionen meistern können. Dennoch wollen wir versuchen, die korrekte Aussprache unter zwei Aspekten zu betrachten: exoterisch und esoterisch. Ein Mitjünger von mir wollte einmal Brucherbsen (split 30
peas) für die Küche der SRF-Kirche in Hollywood bestellen. Der Verkaufsagent, ein Deutscher mit starkem Akzent, konnte die Bestellung erst verstehen, als sie für ihn falsch ausgesprochen wurde. »Aha«, rief er mit dämmernder Erkenntnis aus, »schplit peas! Vei you don't schpiek Ehnglisch?« (»Brucherbsen! Warum sprechen Sie denn nicht Englisch?«) Das ist ein Beispiel exoterischer Betonung. Ausländer sagen oft »loff« oder »loaf« statt »love« (»Liebe«). Aber selbst geborene Engländer oder Amerikaner sprechen das Wort »love« oft auf solche Weise aus, daß sie von seiner tatsächlichen Bedeutung nichts vermitteln. Es ist sogar möglich, »Ich liebe dich« mit solch einer Intonation zu sagen, als ob man ausdrücken wollte: »Ich verachte dich!« Andererseits kann auch ein Satz wie »Ich hasse dich« nichts als Liebe vermitteln. Das Bewußtsein, welches hinter unseren Worten liegt, macht den esoterischen Aspekt korrekter Aussprache aus. Dort wo der Bewußtseinszustand, oder bhav, stark ist, ist die korrekte exoterische Aussprache der Worte von zweitrangiger Bedeutung, obwohl sich die letztere aus der ersteren auch tatsächlich ergeben kann. Was nun die Yogapraxis im speziellen angeht, sollte man sich bewußt sein, daß verschiedene Bewußtseinszustände ihren Sitz in korrespondierenden Zentren, oder Chakras, im Rükkenmark haben. Wenn wir z.B. für jemanden Liebe empfinden, dann ist unser Gefühl im Herzchakra in der Wirbelsäule in Höhe des Herzens zentriert. Eine starke Bekräftigung der geistigen Willenskraft zieht unsere Energie automatisch zum Punkt zwischen den Augenbrauen. Die Sehkraft hat ihren Sitz in den Augen, obwohl sie eigentlich eine Fähigkeit der formlosen Seele ist. In ähnlicher Weise haben verschiedene mentale Zustände ihre korrespondierenden übersinnlichen Sitze im 31
Körper (um exakter zu sein, im Astralkörper, zu dem der physische Körper das Gegenstück darstellt). Wenn Sie sich des Zwecks eines Liedes oder Mantras genauso tief bewußt sind wie der Fülle Ihres eigenen Wesens, werden Ihre Worte wirksam sein, selbst wenn die Aussprache nicht exakt ist. Natürlich ist es immer am besten, innere Aufrichtigkeit mit äußerlicher Genauigkeit zu verbinden. Aufrichtigkeit wird jedoch immer stärker als bloße äußere Form sein. Was aber ist Aufrichtigkeit? Sie ist jene Intention, die die Unterstützung unseres gesamten Wesens hat. So wie der Brustkorb ein Resonanzkörper für die Stimme ist, so ist unsere innere Bewußtheit ein Resonanzkörper für alle mentalen oder spirituellen Eigenschaften, die in der Stimme mitschwingen. Wenn Sie spezifisch aus den höheren Chakras (dem Herzzentrum, dem Halszentrum und dem Christuszentrum zwischen den Augenbrauen) sprechen oder singen, wird Ihre Stimme ein Mittel sein, um spirituelle Kraft zu steuern bzw. sie in sich selbst zu erwecken. Ziehen Sie beim Singen die Stimme vom Herzen durch das Halszentrum nach oben und projizieren Sie sie durch das Christuszentrum nach außen. Um das Gefühl dafür zu bekommen, ist es zunächst einmal günstig, wenn Sie eine Note halten und dabei Ihre Hand vom Herzen nach oben und in einer schwungvollen Bewegung über und hinter den Kopf bringen, als ob Sie Gott hingebungsvoll Ihre tonale Reinheit als Opfer anbieten würden. Führen Sie diese Übung mehrmals durch, bis Sie in Ihrer Stimme wirklich Liebe vibrieren hören, sobald der Ton das Herzzentrum berührt; Friede und Expansion, wenn er zum Halszentrum gelangt; sowie göttliche Kraft und Freude, wenn er durch das Christuszentrum geht. Als ich vor vielen Jahren Gesang studierte, sagte mir meine
Gesangslehrerin: »Die Stimme ist das einzige Instrument, das man nicht sehen kann. Ich kann dir nicht zeigen, wie du sie richtig gebrauchst. Ich kann sie nur selbst richtig gebrauchen, und dir nahelegen, mir feinfühlig zuzuhören und mein Verständnis zu absorbieren.« Eine wahrhaft yogische Stimmpädagogin. Wieviel mehr habe ich von ihr mittels dieser Methode gelernt, als es der Fall gewesen wäre, wenn wir einfach die üblichen Stimmübungen durchgeführt hätten. (...) Welches Mantra sollten Sie verwenden? Solange Sie nicht diksha (Einweihung) in ein spezifisches Mantra erhalten haben (mantra diksha war nicht der Weg meines eigenen Gurus), liegt die Wahl wirklich bei Ihnen. In Indien werden viele Mantras gelehrt. Oft bestehen jene Sanskrit-Mantren, welche für Japa benützt werden, aus 12 oder 16 Silben, oder der Hälfte bzw. der doppelten Anzahl davon. Ebenso oft wird für diesen Zweck aber auch die einzelne Silbe AUM verwendet. AUM ist das höchste Mantra, das auf die wahre Essenz aller Vibration eingeschwungen ist, nämlich die kosmische Schwingung selbst. Dieses Wort wird normalerweise als »OM« geschrieben, um die Leute davon abzuhalten, den ersten Buchstaben wie ein langes A auszusprechen. Spirituell aber ist es eben korrekter, AUM mit drei Buchstaben zu schreiben, da jeder Buchstabe eine verschiedene Phase der kosmischen Schwingung repräsentiert: Schöpfung, Erhaltung und Auflösung. Versuchen Sie, eines oder mehrere der folgenden Mantren während Ihrer Meditation aufzusagen, oder auch vor bzw. nach Ihrer Praxis der Yogastellungen: »Om namo Shiväya (Om, ich neige mich vor dem Herrn Shiva).« Shiva ist Gott im Aspekt des Auflösers des Universums und Zerstörers unserer Verhaftungen und Verirrungen.
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Normalerweise wird das »a« kurz betont. »A« mit einer Linie [oder einem accent circonflexe] darüber (ä" bzw. ä) wird lang ausgesprochen. Wenn Sie dieses Mantra singen wollen, gebe ich Ihnen die folgende, in Indien populäre Melodie dazu:
»Om namo Bhagavate Väsudeväya (Om, ich neige mich vor dem Herrn Vasudeva, oder Krishna).« Das ist das Hauptmantra einer großen indischen Schrift, des Srimad Bhagavatam. Ich habe meine eigene Melodie dafür geschrieben:
Die indischen Mantren, welche zum devotionalen Singen und für Japa herangezogen werden, bestehen vorwiegend in einer Wiederholung des Namens Gottes. Als mein Guru das Chariten (Singen im indischen Stil) im Westen einführte, verband er die Prinzipien der Affirmation und des Gebets: Als Affirmationen sind sie gebetshaft und hingebend, als Gebete affirmativ - »liebevolle Verlangen«, wie er sie nannte. Seine Kosmischen Lieder sind eine natürliche Einführung in die richtige innere Einstellung, zumal einen die bloße Gewohnheit, Gott anzurufen, in die für den Menschen erniedrigende Verhaltensweise des Betteins abgleiten lassen kann. Mantren und andere tief spirituelle Lehren werden normalerweise mit einer Aura des Geheimen umgeben, nicht um die leidende Menschheit von deren Macht zurückzuhalten, sondern eher deswegen, damit sie der Devotee, der sie erhält, ernsthaft und ehrfurchtsvoll mit täglicher Praxis nähre, bis sie aufkeimen und Früchte tragen. Anderen zu erzählen, was man in innerer Stille übt, hieße, die spirituelle Kraft zu zerstören. Das wäre so, wie wenn ein Same aus dem Boden herausgerissen wird, bevor er noch Zeit hatte, zu sprießen. Die Vertraulichkeit aller geistigen Praktiken wird nicht nahegelegt, um die Selbstsucht zu steigern, sondern damit der Devotee zunächst
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»Sri Räm, jai Räm, jaijai Räm, Om (Herrgott! Sieg dem Gott! Sieg, Sieg dem Gott! Om).« Das war das Mantra eines großen Heiligen Indiens aus jüngerer Zeit, Swami Ramdas. Seine Herkunft liegt im Altertum verborgen. Hier ist die Melodie, die Swami Ramdas populär gemacht hat:
die Stärke in sich selbst entwickeln kann. Wenn er einmal zu innerem Reichtum gelangt ist, wird er in die Lage versetzt werden, seinen Reichtum freizügig mit anderen zu teilen. Schließen Sie devotionale Lieder und Japa in Ihr tägliches geistiges Übungsprogramm ein. Bald werden Sie den tieferen Sinn in den eingangs zitierten Worten meines Gurus entdekken: »Chariten ist die halbe Schlacht.« OM, Shanti, Shanti, Shanti
Lama Anagarika Govinda
Das Mantra als Urlaut6 OM ist wie das Öffnen unserer Arme, um alles, was lebt, zu umarmen. Es ist wie eine Blume, die ihre Blütenblätter der Sonne öffnet. Das Scheitelzentrum (sahasrära-cakra), in welchem OM der Tradition gemäß ruht, ist in der Tat ein Lotus mit tausend Blütenblättern. Jedoch die Energien, die dort empfangen und entwickelt werden, bleiben nicht in den Blütenblättern der Blume, sondern müssen herabsteigen in die Dunkelheit der Wurzeln, um in die lebendige und Leben erhaltende Kraft verwandelt zu werden. In gleicher Weise muß die Universalität, die im OM erlebt wurde, d.h. im Urlaut zeitloser Wirklichkeit, herabsteigen und sich in der Tiefe des menschlichen Herzens verwirklichen, um in vibrierendes und leuchtendes Leben verwandelt zu werden. OM ist der Aufstieg zur Universalität, HUM der Abstieg dieses universellen Zustandes in die Tiefe des menschlichen Herzens. OM und HUM verhalten sich wie der Kontrapunkt in der Musik. OM ist das Unendliche, aber HUM ist das Unendliche im Endlichen, das Ewige im Zeitlichen, das Unbedingte im Bedingten, das Formlose als Basis aller Form: Es ist die 6. Der vollständige Titel des Kapitels, dem dieser Auszug entnommen wurde, lautet: »Das Mantra als Urlaut und als archetypisches Wortsymbol.« Einige diakritische Zeichen des Originals wurden hier nicht wiedergegeben. Die entsprechenden Silben sind wie folgt zu lesen: OM - OM; HUM - HUM; AH - ÄH.
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Weisheit des Großen Spiegels, welcher die Leere ebenso widerspiegelt wie die Objekte, wobei er die Leere in den Dingen ebenso enthüllt wie die Dinge in der Leere. Das OM steht wie die Sonne im Zentrum des Mandala, dem Ort des Vairocana, des »Sonnenbuddha«, des Strahlenden; das HUM hingegen steht im Osten, dem Ort des Aksobhya. Obwohl der Osten der Eingangspunkt in das Mandala ist, kann das HUM dem OM doch nicht vorangehen, denn die Gegenwart des Zentrums ist die conditio sine qua non des Mandala, das im Tibetischen daher ganz richtig mit »Zentrum und Zirkumferenz« (dkhyil-hKhor) übersetzt wurde. Mit anderen Worten, wir müssen durch das Erlebnis des OM hindurchgegangen sein, um das noch tiefere Erlebnis des HUM zu erfahren und zu verstehen. Viele haben Augenblicke der Universalität erfahren, aber nur sehr wenige waren imstande, sie in die Wirklichkeit umzusetzen und ihrem Leben einzuverleiben. Die einzige Persönlichkeit unter den großen Führern und Denkern des modernen Hinduismus, die dies klar erkannte ohne in irgendwelcher Weise sich dieses Parallelismus zwischen seiner eigenen Philosophie und dem buddhistischen Vajrayäna bewußt zu sein -, war Sri Aurobindo. Er betonte die Wichtigkeit des Herabstiegs des »Supramentalen« in das menschliche Leben und Bewußtsein nach der höchsten geistigen Verwirklichung der Universalität - also durch bewußtes Weitergehen über das ursprüngliche Ziel des upanisadischen Denkens. Der grundlegende Vokallaut des langen U im HUM ist der Laut der Tiefe, der im anusvära vibriert und der in das Unhörbare übergeht. Der Vokal »u« drückt eine abwärtsgehende Bewegung aus und stellt die untere Grenze der Lautskala der menschlichen Stimme dar - jene Schwelle des Schweigens,
welche im Tibetischen als »das Tor des Unhörbaren« bezeichnet wird (u-ni thos-pa-med-pahi sgö). Das aspirierte »h«, das ihm vorausgeht, ist der Laut des Atems (präna), der subtilen Lebenskraft. Der tönende, nach innen gerichtete, im Inneren vibrierende Endlaut des nasalierenden »m«, in dem sich der anusvära darstellt, steht zwischen Konsonanten und Vokalen, quasi beide vereinend und somit einen Zustand jenseits aller Dualität andeutend. Dies ist es, warum der anusvära das charakteristische Zeichen oder Merkmal so gut wie aller Keimsilben (bija-mantras) ist, die sich dadurch von gewöhnlichen Vokalen unterscheiden. Eine Ausnahme bildet das lange AH, der dritte wichtige mantrische Laut, der zugleich der grundlegende Laut aller Sprache ist. Er ist in seiner kurzen Form, entsprechend den Regeln des samskrt, in allen Konsonanten potentiell, so daß er im Devanagari (der Schrift, in der samskrt gewöhnlich geschrieben wird) wie auch im Tibetischen nicht geschrieben werden muß, ausgenommen, wenn der volle Laut des langen »ä« dargestellt werden soll, was durch eine vertikale Linie hinter dem vorangehenden Konsonanten geschieht (und im Tibetischen durch ein angehängtes Längezeichen). Dieser Laut »Ä« steht seinem tonalen und mantrischen Wert nach in der Mitte zwischen dem allumfassenden »O« und der Tiefe des »U«. Er ist horizontal in seiner Bewegung und drückt die Fähigkeit der Rede und des Denkens aus (entsprechend dem »logos« westlicher Tradition). Er ist der erste Laut des neugeborenen Kindes. Er ist der erste Ausdruck der Kommunikation und der Anerkennung anderer sowie der uns umgebenden Welt. Das »A« ist der Ausdruck des Sich-Wunderas und der unmittelbaren Wahrnehmung. Als das bija-mantra Amoghasiddhis stellt es die Weisheit, die alle Werke vollendet, dar:
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die spontane Handlung, die verursacht wird durch die Erkenntnis beider Seiten, nämlich der Einheit alles Lebens und der Einmaligkeit und Einzigkeit jeder einzelnen seiner Formen. Diese zwei Prinzipien aber sind in den zwei vorhergehenden Stadien in der zeitlichen Ordnung des Mandala verkörpert, nämlich in Ratnasambhavas Weisheit der essentiellen Einheit alles Lebens und Amitäbhas Weisheit unterscheidender Schauung und innerer Vision. OM AH HUM stellen drei Ebenen der Wirklichkeit dar: die universelle die ideale und die individuelle, und drei Dimensionen des Bewußtseins, die in drei psychischen Zentren verkörpert sind: dem Scheitelzentrum (sahasrära-cakra), dem Kehlzentrum (vtfuddha-cakra) und dem Herzzentrum (anähata-cakrä). Darum finden wir in tibetischen Thangkas (gemalten Rollbildern oder Tempelbannern), die Buddhas, Bodhisattvas, prominente religiöse Persönlichkeiten oder furchteinflößende Schutzherren des Dharma darstellen, auf der Rückseite des 40
Thangka an jenen Stellen, die dem Kopf, der Kehle und dem Herzen der Zentralfigur des Bildes entsprechen, die jeweilig zugehörigen bija-mantras. So stellen OM-AH-HUM die drei großen Mysterien des Vajrayäna dar, nämlich das Mysterium von Körper, Rede und Geist (käya, väk, citta): Was hier mit Körper gemeint ist, ist aber nicht der physische Körper, sondern das ganze Universum, das unseren kosmischen Körper darstellt, von welchem unser physischer Körper nur eine kleine Replika ist. Der Erleuchtete, dessen Geist das Universum umfaßt, lebt somit im Dharmakaya, dem universellen Körper. Das Mysterium der Rede ist mehr als bloße Worte oder Begriffe: es ist das Prinzip aller geistigen Vorstellung und Kommunikation, sei es in Form hörbarer, sichtbarer oder denkbarer Symbole, in denen die höchste Weisheit enthalten ist und vermittelt wird. Es ist das Mysterium des schöpferischen Lautes, der mantrischen Sprache oder der heiligen Schauung und des verständlichen Gedankens, von denen die Dharma-Verkündung eines Erleuchteten kommt. »Wie es im ersten Lautwerden beschwörender Zwang war, mit dem Unmittelbares den SeherDichter als Bild und Wort überkam, Zwang, mit dem der Dichter Unmittelbares in Bild und Wort bewältigte, - so ist es für jede zukünftige Generation, die Mantra-Worte zu gebrauchen weiß, beschwörender Zwang, magisches Mittel, um unmittelbar Wirklichkeit - Erscheinung der Götter, Spiel der Kräfte - zu wirken. Das ist ja das Eigene am wahren Dichter, daß sein Wort unbestreitbare Wirklichkeit schafft, ein Wirkliches unmittelbar aufruft und ent-schleiert. Sein Wort redet nicht, es wirkt.«7 7. Heinrich Zimmer: Ewiges Indien. Potsdam 1930, S. 81-82
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In der Tat, das Mysterium der Rede ist das Mysterium der mantrischen Macht und schöpferischer Vorstellung, aus der Träume, Ideen, Gedanken, Kunst und Kultur, Religion und Wissenschaft geboren werden. Es ist diese mysteriöse Eigenschaft des menschlichen Geistes, aus der die Idee und Visualisierung der leuchtenden Körper von Dhyäni-Buddhas und Dhyäni-Bodhisattvas entsprungen sind: sie sind bekannt als die »Körper geistiger Freude« oder des »Segens und der Inspiration« (sambhoga-käya). Das Mysterium des Geistes ist jedoch mehr als das, was über Gedanken und Ideen begriffen werden kann: es ist die Verwirklichung des Geistes in dieser unserer Welt individueller Existenz in der Tiefe des menschlichen Herzens. Es ist die Verwandlung des sterblichen Körpers in das kostbare Gefäß des Nirmäna-Käya, des Körpers der Verwandlung, der sichtbaren Manifestation des Dharma-Käya. Vom Niveau des universellen Gesetzes (dharma-dhätu) zur Ebene der idealen Wahrnehmung und Vorstellung (sambhogakäya) oder des mantrischen Lautes und innerer Schauung kristallisiert sich das Bewußtsein schließlich auf der Ebene menschlicher Verwirklichung (nirmäna-kaya). So sind die drei Mysterien des Körpers, der Rede und des Geistes, deren Erlebnis in die bija-mantras OM-AH-HUM kondensiert worden sind, der Lehre von den drei Körpern oder den Prinzipien, in welchen ein Erleuchteter - ein Buddha - sich auf den drei Ebenen der Wirklichkeit manifestiert (nämlich der universellen, der ideellen und der individuellen), nahe verwandt.
John Biofeld
Das Mantra »Om Mani Padme Hüm«8 Natürlich sind keineswegs alle Tibeter Meister der geheimen Yoga-Künste. Im Gegenteil, der Buddhismus ist unter ihnen in seiner populären ebenso wie in seiner höheren Form verbreitet, und so erinnerte mich vieles von dem, was ich am Anfang sah, an die Lage in China, wo man wenig Unterschied machte zwischen Mantras und magischen Formeln. Zum Beispiel stieß ich, wohin ich in diesen Bergen auch ging, auf den Beweis eines ungeheuren Glaubens an die Wirksamkeit des Mantras OM MANI PADME HUM als schützenden Zauber; es war auf Felsen am Wegesrand eingeritzt und in Mauern eingehauen, die man nur zu seiner Darstellung errichtet hatte, wobei oft jede Silbe in ihrer entsprechenden mystischen Farbe ausgearbeitet war. Überall sah ich Menschen ihre Gebetsmühlen drehen, die Röllchen aus Seide oder Papier enthielten, auf denen das Mantra hundert- oder tausendmal geschrieben stand. Ich habe von größeren Gebetsmühlen gehört, die von wilden Flüssen angetrieben wurden, und ich sah gewaltige metallene Gebetstrommeln neben den Toren der Tempel, wo jeder vorbeigehende Pilger sie in Bewegung setzen kann. Die Gläubigen intonieren, während sie ihre Gebetsmühlen drehen, die mantrischen Silben und visualisieren sie zudem, so 8. Kapitelüberschrift des Herausgebers W.H. - Die diakritischen Zeichen des Mantras werden, im Gegensatz zum Original, hier nur in der Überschrift wiedergegeben.
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daß die drei Medien des Menschen sich ausdrücken, Körper, Rede und Geist, und alle zusammen am OM MANI PADME HUM teilhaben. Passagiere in Fernbussen, Bauern, die auf inren Feldern arbeiten, und zerlumpte Flüchtlinge, die sehnsüchtig in die Auslagenfenster der Geschäfte schauen, rezitieren dieses Mantra stundenlang. Man nennt es das Mani, und es ist das Mantra des Großen Mitleidsvollen Bodhisattva Avalokiteshvara, der in der Mongolei und in Tibet in der Gestalt des Chenresig und in China; (und Japan) als die liebreizende Kuan Yin (Kannon) erscheint. Daß Avalokiteshvara bei den Weisen nicht als Gott oder Gottheit gilt, sondern als eine geistgeschaffene Verkörperung einer Kraft, die zu abstrakt ist, als daß sie auf andere Weise dargestellt werden könnte, vermindert oder vermehrt die Kraft der Mantras nicht. Was für die Ungelehrten eine geliebte Gottheit ist, ist für alle gleichermaßen eine sehr ergiebige Quelle der Inspiration; denn Avalokiteshvara personifiziert, ob man ihn nun für ein selbst-existentes himmlisches Wesen hält oder als geistige Schöpfung des Gläubigen erkennt, die gewaltige Kraft des Mitleids, das sich unvoreingenommen auf alle Lebewesen in gleicher Weise erstreckt. Ebensowenig ist der Geschlechtsunterschied zwischen den zwei Manifestationen von Bedeutung, da die sexuellen Attribute der Bodhisattvas ganz und gar nur eine Sache konventioneller Vorstellung sind. Es scheint naheliegend, den Geist des Mitleids in weiblicher Form zu verkörpern, aber die männliche Verkörperung Chenresigs wird als nicht weniger freundlich aussehendes Wesen dargestellt, dessen Geschlecht nur von denjenigen eindeutig erkannt wird, die mit den Gepflogenheiten der indisch-tibetischen Ikonographie vertraut sind. Von den unzähligen Geschichten über das Mani ist dieje-
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die ich am liebsten habe, zufällig eine chinesische, aber sie ist denen, die bei den Tibetern im Umlauf sind, sehr ähnlich. Ein engherziger Kriegsherr, der für seine unbarmherzige Grausamkeit bekannt war, mußte mitansehen, wie seine Truppen das Schlachtfeld in überstürzter Flucht verließen, und auch er selbst mußte aus der Umzingelung seines Rivalen flüchten. Nachdem er vorsichtshalber seine Uniform weggeworfen und sich in das grobe blaue Tuch der Bauern gekleidet hatte, ritt er wie der Teufel in die Berge. Hungrig und müde hetzte er vorwärts, so schnell sein erschöpftes Pferd ihn tragen konnte. Am zweiten Abend fühlte er sich sicher genug, um die Nacht in einer Einsiedelei am Wegrand zu verbringen. Als er feststellte, daß die einzigen Bewohner ein bejahrter mongolischer Lama und sein junger Diener waren, zwang er die beiden mit brutaler Roheit, alle tragbaren Gegenstände von Wert, die in der Einsiedelei zu finden waren, in seine leeren Satteltaschen zu packen. Seinen Gastgebern ihre Besitztümer zu stehlen, war schließlich seine übliche Art, Gastfreundschaft zu vergelten, da die einzige Aufgabe der Zivilisten darin bestand, den Helden ein gutes Leben zu ermöglichen. Weil ihm die Mönchszellen zu klein und unbequem waren, befahl er, daß sie im Altarraum eine Liegestatt für ihn aufstellen sollten, und dort fiel er, ungestört vom Licht zweier Butterlampen, welche die Statue der Mitleidsvollen Kuan Yin beleuchteten, in einen unruhigen Schlaf. Der alte Lama, der seinen flegelhaften Verfolger bedauerte, schlich sich nahe zu der Liege und begann, mit gekreuzten Beinen auf den Fliesen an einer dunklen Stelle sitzend, das Mantra OM MANI PADME HUM zu wiederholen, womit er dann in leisem Gemurmel die ganze Nacht lang fortfuhr; nur wenn er den Kriegsherrn sich im Schlaf bewegen sah, formte er die Silben still mit den Lippen, aus Furcht, ihn 45
Kost, die dieser armselige Ort erlaubte, zu bereiten. Da verbeugte sich zu des Kindes großer Verwunderung der vordem so rohe Krieger vor dem Lama bis zum Boden und bat, als Schüler aufgenommen zu werden. »Nein«, war die Antwort. »Das klösterliche Leben ist noch nichts für dich. Geh deiner Wege. Wenn irgendwann dein Schicksal sich verbessert, so benütze deine Kraft und deinen Reichtum für das Wohlergehen der Unterdrückten und erinnere dich daran, daß jeder von diesen dein Vater oder deine Mutter oder dein Freund in einem deiner früheren Leben gewesen sein kann, denn das Leben aller Wesen reicht unzählige Äonen weit zurück.« Bestürzt durch die enge Verbindung zwischen diesen Worten und seinen Alpträumen, drang der Kriegsherr in den Lama, ihm etwas zu geben, an das er sich in den kommenden Jahren halten könne, woraufhin der Alte antwortete: »Es gibt nichts im Universum, das stärker ist als die Macht des Mitleids. Halte dich nur daran. Solltest du eines Tages wegen deiner Last von schlechtem Karma in deinen Anstrengungen wankend werden, so laß die Worte des Mantra der Kuan Yin, OM MANI PADME HUM, das Siegel auf deinem Gelöbnis sein, dich niemals wieder von Grausamkeit oder Habsucht beherrschen zu lassen.« So reiste der Kriegsherr ab, nachdem er beschämt seine Beute zurückgegeben hatte. Es heißt, daß Jahre später einige seiner früheren Untergebenen ihn trafen, wie er sein Brot als Maultiertreiber bei einer Mönchsgemeinschaft in einem abgelegenen Kloster am südlichen Gipfel des Berges Wu T'ai verdiente.
zu stören. Im Herzen des alten Mannes war keinerlei Groll, kein Bedauern für den Verlust einiger belangloser Wertgegenstände, sondern nur die mitleidsvolle Sehnsucht, einen Gast vor den Folgen seiner Torheit zu bewahren. Die ganze Nacht lang träumte der Kriegsherr. Bild um Bild erhob sich in seinem Geist von dem Glück, dessen er sich in früheren Leben erfreut hatte; immer gab es jemanden, der ihn liebevoll behandelte - eine Mutter, eine Schwester, ein lieber Freund usw. -, aber jeder dieser zärtlichen Episoden folgte eine andere, herzzerreißende, in welcher er jemanden, der sich um ihn gesorgt hatte, in der Gestalt eines seiner zahllosen Opfer sah. Mal um Mal mußte er die Qualen des Wiederauflebens seiner grausamen Taten erleiden - wie er etwa jemanden erschoß oder köpfte, den er nun als einen großzügigen Wohltäter in einem seiner früheren Leben erkannte. Es war unbeschreiblich entsetzlich, sich selbst zuerst als fröhlichen kleinen Jungen zu sehen, der von seiner bewundernden Mutter liebkost wurde, und dann als brutalen Schänder oder Mörder dieser innig geliebten Person in einer anderen, aber dennoch erkennbaren Gestalt. Wie ergreifend ihre Tränen und ihr Flehen auch waren, er konnte seine Hand nicht aufhalten. Mit dem ersten Licht der Dämmerung erwachte er, mit schweißgebadetem Körper und den Geist von Abscheu vor sich selbst verdüstert. Vor der Statue der Mitleidsvollen Kuan Yin warf er sich zu Boden und schlug seinen Kopf in einer wilden Raserei der Reue gegen die Fliesen. Währenddessen führte der Junge entsprechend den Anweisungen, die er am Abend zuvor erhalten hatte, das Pferd aus dem Stall und brachte die Satteltaschen an, die mit den erpreßten Wertsachen prall gefüllt waren. Nachdem er dies besorgt hatte, half er dem alten Lama, dem Gast ein Frühstück aus heißem Tee und der einfachen
Von Nicht-Eingeweihten wird das Mani oft als Schutzzauber
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gegen alle Arten von Unglück gebraucht, sowohl für sich selbst als auch für andere. Es wird jäh herausgestoßen in Augenblicken der Gefahr, sanft intoniert, wenn ein Kummer Erleichterung finden soll, und endlos rezitiert, laut oder im Geiste, von denjenigen, die nach einer Wiedergeburt im Reinen Lande streben. Zahllose Tibeter sterben mit dem Mani auf den Lippen. Es gibt auch viele spezielle Anwendungsbereiche für dieses Mantra. Kürzlich schrieb mir Herr Lu K'uan-yü über seinen heilpraktischen Gebrauch bei der Behandlung von wiederholten Halluzinationen und ähnlichen psychischen Erkrankungen. Der Leidende sollte täglich vor einer Schale mit Wasser sitzen und, während er Avalokiteshvara aus ganzem Herzen anruft, diese für eine Weile mit dem Blick fixieren und dabei das Mani rezitieren. Wenn er einen Lotos aus dem Wasser emporwachsen sieht, so ist die Heilung sicher. Ich selbst erlebte, wie ich innerhalb eines Abends von einer Krankheit genas, die mich während eines wochenlangen Rittes durch die Berge in Nordchina gequält hatte. Als ich damals von meinem Maultier getaumelt und zur nächsten Herberge gebracht worden war, kam ich so weit zu Bewußtsein, daß ich einen mongolischen Lama erkannte, der an meinem Bett saß und sanft das OM MANI PADME HUM intonierte. Wunderbar beruhigt, fühlte ich mich müde, die Krankheit fiel von mir ab, und am nächsten Morgen war ich so gesund und munter wie am ersten Tag der Reise. Man könnte argumentieren, daß die Wirkung des Mantra unter solchen Umständen rein psychologisch bedingt sei. Das ist sicher wahr, aber in einem Sinn, der nicht unbedingt einfach ist. Die Energie des Mitleids, die in Avalokiteshvara personifiziert ist, ist real und lebt in einer tiefen Schicht des Bewußtseins; sie ist in jedermann gegenwärtig, wie sehr sie auch von Hin-
dernissen, die das Ego erzeugte, überdeckt sein mag, und sie wird von den Silben aufgerüttelt, besonders dann, wenn sie m it dem tiefen Wunsch für eines anderen Wohlergehen ausgesprochen werden. Aus bestimmten Gründen ist die Energie leichter zu erwecken als ähnliche Energien, für die es andere Mantras gibt; daher rührt die verbreitete Popularität des Mani bei denjenigen, die nicht jenes Yoga-Training erhalten haben, auf dem die Wirksamkeit dieser anderen beruht. Das Mani kann auch auf höheren Ebenen gebraucht werden, und nicht wenige gelehrte Lamas halten es für das Mantra aller Mantras, das ganz allein völlig ausreicht, vorausgesetzt, daß man die yogische Bedeutung kennt, um es wirksam benützen zu können. Ungeachtet des Anscheins gibt es dabei keine magischen Operationen. Das Mantra, das nebenbei eine psychische Affinität zu einem Element besitzt, das sich im Bewußtsein des Rezitierenden befindet, und zu einem identischen Element in der Psyche dessen, für den es gesprochen wird, befreit gewaltige Kräfte aus der zusammengeballten Energie der sakralen Assoziationen, die im Laufe der Jahrhunderte vom Geist zahlloser Menschen ausgestrahlt wurden. Bei dem, was nun über einige Verwendungsarten des Mani im tibetischen Yoga folgt, nehme ich einiges vorweg, um alles beieinander zu haben, was über dieses Mantra bekannt ist. Entsprechend der Mahayana-Lehre, wie sie von den Anhängern des Vajrayana interpretiert wird, hat die höchste Energie, die dem absoluten Ursprung - und damit den Tiefen des dem Adepten eigenen Bewußtseins - entströmt, zwei Aspekte: die Weisheit der spirituellen Verwirklichung und die Weisheit des Mitleids. Die letztere wird oft von Amitabha Buddha personifiziert, dessen göttliche Emanation Avalokiteshwara ist. Die am häufigsten kontemplierte der unzähligen Formen des
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Avalokiteshvara Bodhisattva ist die einer gütigen vierarmigen Gottheit von reinem Weiß, zwei Hände in der Geste des Betens um ein Juwel gefaltet und zwei weitere Hände rechts und links erhoben, wobei die eine einen kristallenen Rosenkranz als Symbol der Kontemplation und die andere einen Lotos als Zeichen der spirituellen Verwirklichung hält. Zur erfolgreichen Kontemplation bedarf es jedoch nicht der genauen Reflexion über die Symbolik; daß es tiefgreifende Gründe für die Form, Haltung, Gesten, Farben und Attribute der Gottheiten gibt, ist für alle jene selbstverständlich, die wissen, daß die kontemplative Tradition, die sich vor vielen Jahrhunderten in Nalanda9 entwickelt hat und in Tibet bis heute aufrechterhalten wurde, nichts enthält, was lediglich spielerisches oder willkürliches Beiwerk wäre. Außer zu Beginn der Yoga-Praxis wird allerdings über diese Angelegenheit nicht weiter nachgedacht, denn hielte man sich bei der Interpretation der Symbolik auf, so hieße das, sich der Ablenkung auszusetzen. Vielmehr ist es nötig, es den Symbolen zu ermöglichen, daß sie in einer tieferen Schicht des Bewußtseins unmittelbar wirken können. Die liebliche Form des Bodhisattva als Kuan Yin (Kannon), die allen Freunden der chinesischen und japanischen Kunst vertraut ist, ist in ähnlicher Weise ein Produkt yogischer Intuition, aber Künstler, die sich nicht im klaren darüber waren, daß Kuan Yin eine Meditationsgottheit und nicht etwa eine Göttin ist, mögen phantasievolle Details hinzugefügt haben, die man auf Bildern oder an Statuen, die speziell als Hilfe zur Kontemplation gedacht waren, nicht findet. Von denjenigen, die einiges Wissen über die Methoden der 9. Hochberühmte buddhistische Universität in Indien, die zerstört wurde, als die Mohammedaner im 11. Jahrhundert dort einfielen.
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Yoga-Kontemplation besitzen oder die imstande sind, die Gestalt des Mitleidsvollen mit der Kraft zu erfüllen, die den Assoziationen, die sie im Geiste entstehen lassen, entspringt, kann das Mani zu jeder Zeit ohne irgendeine besondere Vorbereitung benützt werden. Wird es vom Adepten rezitiert, so ist es im allgemeinen von der Visualisation der Gestalt der Gottheit und der Silben begleitet, wobei jede in der ihr entsprechenden Farbe erscheint. Zu gleicher Zeit erwacht im Geist des Adepten ein tiefes Verlangen nach dem Wohlergehen aller Wesen und die Sehnsucht, allen gegenüber Mitleid zu empfinden - Mitleid nicht nur für jene, die leicht zu lieben sind, wie Freunde, Pferde, Elefanten und kleine Hündchen, sondern auch für zunächst abstoßende Kreaturen wie schädliche Insekten, Reptilien, Soldaten, Banditen, Geister und Dämonen. Als erstes kann man, auch wenn man unfähig ist, sie zu lieben, zumindest ein Mitgefühl für ihre Nöte entwickeln und sich über ihre flüchtigen Freuden mitfreuen, indem man sie als Mit-Lebewesen sieht, die ebenso wie man selbst dazu verurteilt sind, von Geburt zu Geburt zu wandern, Äon auf Äon, bis die Erleuchtung erlangt ist. Was früher für den Yogi ein Objekt der Ablehnung, Feindschaft oder sonstiger Aversionen war, dem muß als erstem die Kraft des Mani gelten, wobei der Adept seinen Geist mit aller Liebe, derer er fähig ist, auf dieses Objekt richtet. Erfüllt von Bedauern für die Last, die alle tragen müssen, und von Sehnsucht nach universellem Glück, blickt er auf die liebenswürdigen Züge des Bodhisattva, der für sein inneres Auge strahlend sichtbar wird, und rezitiert immer und immer wieder OM MANI PADME HUM! Oder, wenn er es von einem tibetischen Lehrer gelernt hat, UM MANI PEME HUNG! OM, das den ersten Ursprung, den Dharmakaya, das Ab51
solute symbolisiert, ist ein mächtiges schöpferisches Wort, das oft als die Summe aller Klänge im Universum aufgefaßt wird möglicherweise als Symbol der Harmonie der Sphären. MANI PADME (Juwel im Lotos) beinhaltet Vorstellungspaare wie: die essentielle Weisheit, die der buddhistischen Lehre zugrunde liegt; die esoterische Weisheit des Vajrayana, die in der exoterischen Mahayana-Philosophie enthalten ist; der allumfassende Geist, der in jedem einzelnen Geist enthalten ist; das Ewige im Zeitlichen; der Buddha in unserem Herzen; das Ziel (höchste Weisheit) und die Mittel (Mitleid); und wenn mir die Folgerung gestattet ist: der Innere Christus, der im Geist des christlichen Mystikers wohnt. HUM ist das Bedingte im Unbedingten (es steht zu OM wie Te zu Tao in der taoistischen Philosophie); es repräsentiert die grenzenlose Wirklichkeit, die innerhalb der Grenzen des individuellen Wesens verkörpert ist, und vereinigt so jedes einzelne Wesen und Ding mit den universellen OM; es ist das Unsterbliche im Vergänglichen, abgesehen davon, daß es ein Wort mit großer Macht ist, die alle vom Ego geschaffenen Hindernisse der Einsicht zerstört. Solche Interpretationen sind natürlich interessant, aber es ist wichtig, zu betonen, daß die Reflexionen über die Symbolik nicht Teil der kontemplativen Übungen sind. Die mantrischen Silben können ihre volle Wirkung in den tiefsten Schichten des Bewußtseins nicht entfalten, wenn der Geist mit begrifflichen Vorstellungen vollgestopft ist. Reflektierendes Denken muß transzendiert, losgelöst werden. Was die Art und Weise der Rezitation betrifft, so kann es keine festen Regeln geben außer jenen, die einem der eigene Lehrer auferlegt, falls er das tun will. Die Silbe OM wird im 52
allgemeinen betont oder mehr oder weniger gedehnt, so daß das abschließende M nachschwingt. MANI PADME (oder nach tibetischer Art MANI PEME gesprochen) wird zumeist als ein Wort rezitiert. HUM ( oder HUNG) wird manchmal in die Länge gezogen. Man könnte den Rhythmus so darstellen: ! Das Mantra kann monoton gesprochen werden; man kann auch das OM höher anstimmen als den Rest; oder die ersten fünf Silben werden tief und monoton angestimmt, das HUM dagegen höher, wie so über do in unserer musikalischen Skala, in welchem Fall das Diagramm sich folgendermaßen ändern würde: ! Wenn die Rezitation endet, so erlaubt der Yogi dem geistigen Bild des Bodhisattva entsprechend der jeweiligen Methode, die er gelernt hat, vor seinem inneren Auge zu verblassen, gedenkt dann mit Dankbarkeit der Ergebnisse, wie etwa der Steigerung seiner Kraft, Mitleid entstehen zu lassen und es unvoreingenommen einzusetzen, oder des tieferen und teilnahmsvolleren Einblicks in die Herzen gequälter Wesen, oder der Linderung von Schmerzen, Kummer oder geistiger Verwirrung bei der Person, auf welche die Bemühung des Adepten gerichtet war. Bevor er sich erhebt, muß er den geistigen Akt vollzogen haben, in dem das Verdienst seiner Übung dem Wohlergehen aller Wesen gewidmet wird, da dies der unbedingt notwendige Abschluß aller Yoga-Übungen und Riten ist.
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Madhav P. Pandit Die Wirksamkeit des Mantras
Wir wissen alle, daß den vedischen Rischis das Mantra ein wirkungsvolles Mittel war, um mit den Göttern zu kommunizieren. Die Epen sind voller Erzählungen, wie die Helden in den Schlachten mit dem Widersacher bestimmte Mantren gebrauchten, während sie ihre Pfeile abschössen, und dadurch diese Waffen außergewöhnlich wirksam machten. Das Ramayana beschreibt, wie Rama bereits in seiner Kindheit vom Rischi Vischwamitra in diese Wissenschaft eingeführt wurde, der ihm die Vidyas von Bala und Atibala gab. Selbst in weniger weit zurückliegender Geschichte gibt es schriftlich fixierte Vorfälle im Leben von Heiligen und Weisen, die die Wirksamkeit des Mantras bezeugen. Ich habe bereits an anderer Stelle einen erstaunlichen Vorfall im Leben des Raghavendra Swami (16. Jh.) erwähnt, doch wir können ihn hier wiederholen. Parimalacharya - so hieß er, bevor er das Priesteramt annahm - kam bei seinen Wanderungen einmal durch eine Stadt und es fügte sich so, daß er in der Ecke des palastähnlichen Hauses eines Beamten ruhte, wo gerade eine große Zeremonie stattfand. Der Wanderer hatte sein Bad genommen und machte nun sein Parayana, seine Gebetsübungen, abseits der Menge, die sich dort versammelt hatte. Da fiel er einem Priester ins Auge, der nach jemandem suchte, um genügend Sandelpaste
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für die große Zahl von Gästen zu mahlen.10 Der Priester drang auf ihn ein, die Paste vorzubereiten. Arm wie er war, blieb dem Reisenden nichts übrig als zuzustimmen. Er begann das Sandelholz mit etwas Wasser auf einem Stein zu zerreiben, während er murmelnd mit der Rezitation der Mantren fortfuhr, in die er vertieft war. Es traf sich nun so, daß die Mantren, die er gerade wiederholte, an Agni gerichtete Hymnen waren. Die Paste war fertig, der Priester sammelte sie ein und sie wurde zum rechten Zeitpunkt unter den Gästen herumgereicht, die sich bedienten und sie auf ihren Körper strichen. Gleich darauf gab es einen Aufruhr. Alle, die die Paste benutzt hatten, klagten über unerträgliche Hitze im Körper und es entstand ein Geschrei. Nachforschungen wurden angestellt und der Priester wurde hereingerufen. Er wurde unruhig und erkannte, was wohl geschehen war. Er erinnerte sich daran, daß der Mann, den er um die Vorbereitung der Paste gebeten hatte, ein Agni Sukta rezitierte, und begriff nun, daß er ein Mantra Siddha gewesen sein mußte. Es folgten Entschuldigungen und man beschwor den Gast, zu vergeben und die Situation zu bereinigen. Parimalacharya war unangenehm berührt, denn was geschehen war, lag nicht in seiner Absicht. Es tat ihm aufrichtig leid. Er entschuldigte sich vor der Versammlung, nahm den Rest der Paste vom Teller, sang das Varuna Sukta, eine an Varuna, die Gottheit des Wassers, gerichtete Hymne, und reichte die so vorbereitete Paste herum. Wir brauchen nicht hinzuzufügen, daß sie allen die gewünschte Befreiung verschaffte. Das Mantra hat eine Kraft, ist eine Kraft. Doch diese Kraft ist nicht überall, stets und für jedermann vorhanden. Es gibt Bedingungen, unter denen allein das Mantra kraftschwingend 10. In den wärmeren Teilen des Südens gebraucht man diese Paste gegen die Hitze.
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wird. An erster Stelle muß das Mantra von einer Quelle der Kraft ausgehen. Die Inspiration oder Offenbarung, die das Mantra hervorbringt, muß von höherer, spiritueller Ordnung sein. Es ist nicht so, wie wenn man einen Gedanken nimmt und dann Worte findet, um ihn in ein bestimmtes Versmaß zu kleiden. Zugleich mit dem Erwachen gegenüber einer Wahrheit in Gedanke oder Form kommen aus den Tiefen oder Höhen gewisse Klänge oder Worte, die jener Wahrheit einen Tonkörper geben, die man allgemein die Gottheit nennt, welche jene spezielle Manifestation der Wahrheit verkörpert. Dies ist das wirkliche Mantra, das eine ihm eigene Bewußtseinskraft in sich birgt und die Wahrheit oder die Gottheit manifestieren kann, von der es sich herleitet, sofern es richtig angewandt wird. Wenn das geschehen ist, so ruft das Mantra nicht nur in subtilerer Weise die Gegenwart der Gottheit herbei, sondern bisweilen macht sich jene Gegenwart in untrüglicher Weise bemerkbar.11 Als Sri Kapali Sastriar upasana, formgemäße Anbetung der Sri Matangi (der göttlichen Mutter) praktizierte, die den Harmonien von Rede und Sprache vorsteht, pflegten Papageien hereinzufliegen und sich auf seine Arme zu setzen. Und das überraschte ihn nicht, denn Matangi wird in den Schriften als kira-hasta gepriesen, als diejenige, die den Papageien in ihren Händen hält. Doch diese innewohnende Kraft, mantra-shakti, ist nicht alles. Gewöhnlich liegt sie latent. Eine lebendige Instanz wird 11. Es wird folgendes berichtet: Als Vasishtha Ganapati Muni [ein bekannter Sanskrit-Gelehrter und Anhänger von Ramana Maharshi] aus einer unwiderstehlichen Inspiration heraus seine berühmten Hymnen an Indrani, die Göttin der Erleuchtung und des Regens (der Fülle) verfaßte, pflegte der Himmel von Wolken bedeckt zu sein und es blitzte und regnete, obwohl es mitten im Sommer war.
gebraucht, um diese Kraft zu erwecken und das Mantra in diesem Zustand auf einen anderen zu übertragen. Das erfolgt durch den Guru, der das Mantra durch seine eigene tapasshakti, Askese-Kraft, wirksam macht und es auf den Schüler überträgt, so daß es ein lebendiges Mantra für ihn wird. Natürlich kann ein Sucher rein theoretisch auch selbst kraft seiner eigenen Tapasya ein Mantra »aufladen« und zu einem lebendigen Bestandteil in seinem Wesen machen. Doch das kommt selten vor. Nachdem der Schüler das Mantra bekommen hat, ist es seine Aufgabe, das Mantra durch seine sadhana-shakti, die Macht innerer Kultur, zu einer lebendigen und wirksamen Kraft in seinem Wesen zu machen. Er muß Schritte unternehmen, um das Mantra in sich zu naturalisieren, es zu einem Teil seines eigenen Wesens zu machen, so daß es so spontan in ihm funktioniert wie sein eigener Atem. Wir müssen auf die oft gestellte Frage eingehen, ob man unbedingt der Bedeutung des Mantras folgen muß, während man es wiederholt. Diese Frage wird gestellt, weil das Mantra gelegentlich selbst dann fruchtbar wird, wenn sich der Übende bei der Wiederholung nicht der Bedeutung bewußt ist. Alle Schastras schreiben vor, daß die Bedeutung des Mantras völlig zu erfassen ist; nicht nur ist sie zu erfassen, sondern Schritt für Schritt nachzuvollziehen, während man die Laute oder Wörter wiederholt, die es ausdrücken. Patandschali stellt klar: tad Japan, tad artha bhavanam - Wiederholung des Mantras und Nachdenken über seine Bedeutung. Falls dieses Erfordernis nicht erfüllt wird, kann es durch einen starken Glauben des Mantra-Übenden wettgemacht werden. Die innewohnende Kraft des Mantras, der in ihm wirksame Einfluß des Gurus und der Glauben des Sadhaks - sie alle kommen zusammen,
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um Ergebnisse zu zeitigen. Doch dies ist nicht eine Regel. *
Gunhild Jellinek
Sri Vasishta Ganapati Muni, jener bekannte Dichter-Yogin, der in seinem inneren Leben eine einzigartige Synthese von Veda und Tantra erreicht hatte, kampierte in einem Dorf auf dem Land nicht weit von uns. Die Ernte war gerade vorüber und dutzende Heuhaufen lagen über das ganze Dorf verstreut. Er wohnte mit einigen Anhängern in einem kleinen Haus. Eines Tages bemerkte jemand, daß ein großes Feuer in einem der Heuhaufen ausgebrochen war und daß es sich, von einem starken Wind getrieben, schnell ausbreitete. In großer Bestürzung rief der Dorfbewohner: »Herr, Herr, rette uns. Vom Wind getragen, wird dieses Feuer uns bald alle zu Asche gemacht haben. Es gibt kein Entkommen, rette uns!« Der Weise hörte den Entsetzensschrei mit Fassung, begriff die Situation und begann die Gnade des Gottes Agni anzurufen. Mit seiner durchdringenden Stimme sang er laut den Vers von Parashara: vanema purviraryo manisa agnih, susoko visvanyasyah. »Mögen wir den großen Reichtum erlangen, möge das Feuer, hochflammend mit seinem Lichte, Meister durch den Denkgeist, von allen Dingen, die sind, Besitz ergreifen.«12 Sofort schlugen Feuer und Wind in eine andere Richtung um und alles wurde gerettet. In derselben Nacht verfaßte der Muni eine neue Hymne an Agni, um seine Dankbarkeit gegenüber der Gottheit zum Ausdruck zu bringen.
Sri Caitanya Der Name Caitanyas13 ist weit über Indiens Grenzen hinaus bekannt geworden - gehörte er doch jener bedeutenden BhaktiBewegung in Bengalen an, die auch als Gaudiya-Vaishnavismus bekannt wurde und dem Kult spiritueller Anbetung und Verehrung ganz neue Impulse gab. Dies vielleicht umso mehr, als es sich um einen Gott-Geweihten handelte, der durch seine einzigartige Persönlichkeit und Ausstrahlung selbst Gegner zu überzeugen wußte und Machthabende zu seinen Anhängern zählte. In Indien wird er als Avatar des Kaliyuga, d.h. als göttliche Manifestation des dunklen Zeitalters, verehrt. Man betrachtet ihn als wiedergekehrten Sri Krishna, der zugleich auch den Aspekt des Gottsuchers verkörperte. Besonders bekannt und beliebt im Volk wurden Caitanyas Kirtanas, Lobgesänge des geliebten Krishna oder Geschichten aus seinem Leben mit einfacher Zimbal-Begleitung, die durch ihren mantrischen Charakter und ihre ständigen Refrains in ähnlicher Melodie eine stark emotionale Wirkung hatten und oft ekstatischen Charakter annahmen. Seine Lebensgeschichte wird von den zeitgenössischen Biographen bedeutungsvoll mit »Lila« überschrieben - denn glich sein Leben nicht einem göttlichen Spiel im himmlischen Vrindavan? 13. Aussprache: »Tschaitanya«. Z.T. findet sich auch die Schreibweise »Chaitanya«.
12. Rig Veda 1,70,1
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Wünsche nicht erfüllt wurden. Doch aufgrund seines natürlichen Charmes wurde ihm meist schnell vergeben. Im Laufe der Zeit wurde er jedoch vernünftiger, erhielt Privatunterricht und besuchte auch eine Schule.
Caitanya, auch als Krishna Caitanya und Caitanya Mahaprabhu (»der große Herr«) bekannt, wurde am 12. Februar 1486 in Navadvipa, 80 km westlich von Kalkutta, in West Bengalen geboren. Seine Eltern gehörten einer armen, jedoch angesehenen Brahmanenfamilie an. Schon etwa dreizehn Monate vor Caitanyas Geburt nahm sein Vater, Jagannath Misra, ein starkes Licht wahr, das in sein Herz strömte und auf seine Frau Saci überging, die eine Reihe von Göttern sah, welche in Anbetung verharrten. Caitanya war das letzte von zehn Kindern, wobei jedoch alle anderen Geschwister, mit Ausnahme eines älteren Bruders, im Kindesalter gestorben waren. Bedeutungsverheißend erhielt er den Namen Visvambhar, d.h. derjenige, der das Universum trägt und erhält. Liebevoll wurde er von seinen Freunden und Verwandten auch »Nimai« genannt und war bis zu seiner Einweihung als Sannyasi allgemein unter diesem Namen bekannt. Ferner führte er auch die Namen »Gauränga«, d.h. »jener mit der hellen oder goldenen Hautfarbe«, oder Gaura Krishna. Viele übernatürliche Begebenheiten werden von Caitanya seit seiner Geburt erzählt, die seine besondere Stellung und spätere Mission erahnen lassen. So wird z.B. berichtet, daß Schlangen ihn nicht angriffen und daß er oft auf wundersame Weise geschützt wurde. Auch hatte Nimai bereits als Säugling die Eigenheit, daß er, wenn er einmal weinte, durch nichts anderes als das leise Singen von »Hari Hari« (Krishnas Namen) zu beruhigen war. Sein gesunder Übermut als Knabe beflügelte ihn zu allerlei Streichen, die uns an jene des jungen Krishna erinnern. So betrachtete er gleichsam alle Häuser als seine eigenen, ging nach Belieben ein und aus, bat um Süßigkeiten, Milch oder Bananen und zertrümmerte bisweilen zornig Utensilien, wenn ihm seine
Nimai studierte auf der Schule mit Eifer und Enthusiasmus und begann alsbald selbst Sanskrit, Grammatik und Logik zu unterrichten. Obwohl er bei seinen Schülern sehr beliebt war, fürchteten ihn manche Brahmanen aufgrund seiner überlegenen geistigen Schlagfertigkeit, und er war in dieser Zeit eher als arroganter Gelehrter bekannt. Allerdings wurde sein wahres Wesen schon früh von einigen seiner späteren Jünger gespürt oder es wurde ihnen in Träumen offenbart. Wie damals meist üblich, hatte Nimai schon in sehr jungem Alter geheiratet. Als seine Frau durch einen Schlangenbiß starb, vermählte er sich auf Wunsch seiner Mutter ein zweites Mal. Mit dreiundzwanzig Jahren begab sich Nimai auf eine Pilgerfahrt nach Gaya, wo sich ein bekannter Vishnu-Tempel befindet und wo einst Gautama Buddha unter dem Bodhi-Baum meditiert hatte. Hier führte Nimai Riten für seinen lange zuvor verstorbenen Vater durch und hatte eine überwältigende innere Erfahrung, die sein ganzes Leben verändern sollte. Es traf sich so, daß unter den Pilgern auch der Asket Ishvara Puri war, der in der Tradition der bengalischen Bhakti-Bewegung stand und Nimais ekstatische Erfahrung richtig zu deuten wußte. Er wurde zu Nimais erstem Guru, gab ihm das Krishna-Mantra und vermittelte ihm jene Form der Gottesliebe und Verehrung,
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Jugend und frühes Erwachsenenalter
deren Verkörperung Teil seiner Mission sein sollte.14 Später äußerte er sich tief bewegt über seine Begegnung mit Ishvara Puri: »Pinda15 erlöst nur denjenigen unter den Vorfahren, um dessentwillen er dargebracht wird, doch bei deinem bloßen Anblick werden Millionen von Vorfahren sofort von aller Bindung frei.« Schon zu diesem Zeitpunkt hätte Nimai gern dem weltlichen Leben entsagt, und er fühlte einen starken Drang, im Norden Indiens die Orte von Krishnas Leben aufzusuchen. Doch er folgte einer inneren Stimme und kehrte nach Navadvip zurück, wo er als völlig gewandelter Mensch nun zum tief inspirierten Krishna-Anbeter wurde. »Das was schon immer verborgen war, brach plötzlich hervor: unerhörte Kraft dienender erkennender Gottesliebe (premabhakti).«16 Oft hörte man ihn laut ausrufen: »O Krishna, wo bist Du?« Wenn er nachts nicht einschlafen konnte, verharrte er häufig in der Meditation Krishnas. Meist war er in einer Stimmung extremer Sehnsucht nach Gott, alternierend mit ekstatischen Gotteserfahrungen. Wenn er während des Schulunterrichts in einen Trancezustand fiel und danach seine Schüler fragte, was er sie gelehrt habe, sagten sie ihm respektvoll, er habe über die Herrlichkeit Krishnas gesprochen. Einmal, als er eine grammatische Feinheit erläuterte, hörte
einen Nachbarn einen Vers über Krishna singen. Er fiel sofort in einen Trancezustand und rollte sich auf dem Boden, während ihm Tränen übers Gesicht strömten. Das Ende von Nimai Pandit (der sich immer weniger als Gelehrter empfand) und der Beginn von Krishna Caitanya war jetzt nahe. Seinen Schülern gestand er: »Ich sehe fortwährend einen dunkelhäutigen Knaben auf seiner Flöte spielen. Ständig vernehme ich den Namen Krishnas.« Kurze Zeit später gab er seinen Posten als Lehrer auf. Vorher brachte er jedoch seinen Schülern noch das Samkirtana bei: er
Haraye namah Krishna-Yädaväya namah Gopäla Govinda Räma Sri-Madhusüdana. »Dem Hara, dem Krishna aus dem Yadava-Klan Ehrerbietung. Du, der du auch Gopala bist, Kuhhirt, Govinda, Rama, Sri Madhusudana.« In dieser Zeit entfaltete Caitanya immer mehr das Kirtana. Mit Gruppen gleichgesinnter Bhaktas sang und tanzte er zum Lobe Krishnas, und es entstanden die berühmten Tanzdramen, bei denen jeder der sorgfältig ausgesuchten Mitwirkenden seine Rolle in der jeweiligen Geschichte Krishnas übernahm.17 In kleinem Kreise, oft in Privathäusern unter Ausschluß der Öffentlichkeit begonnen, fanden diese Treffen später immer mehr Zustrom. Caitanya offenbarte hier seine tiefsten Gefühle gelebter Gottesekstase. Mit vierundzwanzig Jahren beschloß Caitanya endgültig,
14. Auch im Leben anderer Avatare finden wir eine förmliche Einweihung. So suchte Krishna den Guru Sandipani auf, während Christus sich von Johannes taufen ließ. 15. Der Reiskuchen, der beim Totenkult den Verstorbenen dargebracht wird. 16. Walter Eidlitz, Krsna Caitanya, Sein Leben und seine Lehre, S. 211
l7 Wie man annimmt, daß Caitanya die Inkarnation Krishnas war, so sagt man ähnlich auch von seinen engen Gefährten, daß sie bereits zu Krishnas Zeiten eine solche Verbindung mit ihrem Herrn hatten.
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den Weg der Entsagung zu wählen und sich zum Mönch weihen zu lassen. Sein zweiter Meister, Keshava Bharati, gab ihm den Namen Krishna Caitanya, »derjenige, der Krishna in den Herzen aller erweckt«, sowie das upanischadische Mantra tat tvam asi, »Es bist du«, welches Caitanya bereits vorher im Traum empfangen hatte und jetzt von seinem Guru förmlich erhielt. Ein Jahr später nahm dieser ihn in einen von Shankaracharya gegründeten Orden der streng monistischen Schule auf, bei dem die Anbetung Gottes nur von zweitrangiger Bedeutung war, weil das völlige Aufgehen im Absoluten als das eigentliche Ziel galt. Caitanya ignorierte jedoch die strengen Ordensregeln und begann in seiner eigenen Weise im Kirtana zu tanzen. Reisen und Pilgerfahrten Zu dieser Zeit wuchs Caitanyas Sehnsucht, Vrindavan aufzusuchen, die Geburtsstätte seines geliebten Krishna. Doch zunächst führte ihn sein Weg nach Puri in Orissa, zum berühmten Jagannath-Tempel, der Krishna als dem Herrn der Welt geweiht ist. Er unternahm - meist in Begleitung einiger Schüler - weitere Pilgerreisen, die ihn schließlich auch nach Vrindavan führten, wo er die regionale Krishna-Tradition neu belebte. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er vor allem in Puri, wo ihn seine Anhänger aus Bengalen anläßlich eines jährlichen religiösen Festes immer wieder aufsuchten. In diesem Lebensabschnitt weilte er überwiegend im Bewußtsein Radhas in der schwer zu ertragenden, und doch mit Liebe empfundenen Trennung von Krishna.
Svarupa Damodara, ein Schüler Caitanyas, schrieb in einem Kommentar: »Radha und Krishna sind... ein Wesen, aber auf dem Boden von Vrindavan trennten sich einst ihre Leiber. Doch in Caitanya ist diese Zweiheit wieder zur Einheit geworden. Ich verehre in ihm die Wesensgestalt Krishnas, vereinigt mit dem Leuchten der Liebe Radhas.«18 Der Avatar in Bhakta-Gestalt In allen Stadien von Caitanyas spirituellem Leben finden wir einerseits eine tiefe Verbundenheit mit Krishna, andererseits Momente von Krishnas direkter Selbstoffenbarung, wobei er seinen Schülern in der ganzen Herrlichkeit der göttlichen Person erschien. So war er in einer Art Doppelpersönlichkeit zugleich der Anbeter und die göttliche Offenbarung, die im rechten Augenblick seinen Anhängern zur Bestärkung in ihrem Glauben zuteil wurde. Die langen Phasen von Caitanyas Bhakta-Natur fanden den vollkommensten Ausdruck in der Identifikation mit Radha, Krishnas auserwählten Gopi-Geliebten, die symbolisch für die suchende menschliche Seele steht, welche die Vereinigung mit dem göttlichen Ursprung anstrebt. Diese besondere Doppelnatur wurde von einem Schüler Caitanyas wie folgt zum Ausdruck gebracht: »Da Er (Krishna) erkannt hatte, daß die Liebe Seiner Geliebten zu Ihm viel lieblicher ist als seine eigene Liebe, 18. Caitanya-Caritamrita, 1,1,5
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wurde er aus Sehnsucht nach der Bhakta-Gestalt Avatara. Alles übertrifft siegreich Er, in seiner Gestalt gleich geschmolzenem Gold.«19 Die Bedeutung von Kirtan und Mantra Caitanya lebte seine spirituellen Erfahrungen und Zustände in bewegender Form in den berühmt gewordenen Kirtans aus. Hier unterscheidet man das näma samMrtana, das die Wiederholung von Gottes Namen und sein Lob beinhaltet, und das rasa samkirtana, wobei Geschichten aus Krishnas Leben erzählt werden. Es sind mantrische Lobgesänge, die chorisch oder in Alternation von Vorsinger und einer chorischen Gruppe vorgetragen werden. Dabei haben die Gesänge des Vorsängers meist erzählenden Charakter: Es wird das Leben Krishnas in vielen Einzelheiten gesanglich beschrieben, während die Gruppe den chorischen Gesang übernimmt. Durch die ständige Wiederholung eines ähnlichen Textes wie auch durch die Hineinsteigerung in die Thematik, die Identifizierung der Lobpreisenden mit dem geliebten Subjekt nimmt der Gesang oft ekstatischen Charakter an. Es existiert ein Bericht in Sanskrit des Dichters Narahari Sarkar Thakur über die frühen Kirtans, die noch in Caitanyas Heimatstadt stattfanden: »In dünnes Leinen gehüllt, war Caitanya ein Juwel des Sannyasa-Status: Ihm gelang es, die hartgesottensten AtheistenMonisten, die Unkontrollierten, von Reichtum geblendete 19. Letzteres ist ein Epithet für Radha.
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Menschen..., Sünder, Unberührbare... in den Ozean der Liebe zu tauchen, indem er sie in Glückseligkeit hüllte und so nach Vaikuntha20 brachte. Nur durch Ströme der Liebe reinigte er aller Geist und zerstörte das Schlechte in ihrer Natur. Er brachte weibliche Anmut selbst in männliche Wesen..., selbst Geschäftsleute tanzten mit dem Gefühl der Gopis.« Caitanya, der als eigene Schrift nur acht Sanskrit-Verse hinterließ (seine Äußerungen wurden ansonsten von Schülern aufgezeichnet), pries die Bedeutung von Kirtan und Mantra in den folgenden Zeilen: »Chante unermüdlich den Namen des Herrn und Seine Herrlichkeit, Auf daß der Spiegel des Herzens gereinigt werde Und gelöscht das mächtige Waldfeuer des Begehrens. O Name, ströme im Mondlicht herab ins Lotusherz, öffne dessen Kelch der Erkenntnis Deiner. O Selbst, tauche tief ein in die Wogen Seiner Seligkeit, Chante Seinen Namen beständig, Schmecke seinen Nektar Schritt auf Schritt Und nimm das erfrischende Bad in Seinem Namen.«21 Mantrajapa, Namajapa oder Namakirtana, d.h. das bewußte Wiederholen des Namens oder der Namen Krishnas war Caitanya gleichsam in die Wiege gelegt und entfaltete sich rasch in seinem Leben. Das Singen des geliebten Namens brachte oft tiefste tranceartige Zustände mit sich. Schon beim bloßen Zu20. Der spirituelle Himmel der Vaishnavas. 21. Dt. Übers, nach einer engl. Übers, von Swami Prabhavananda.
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hören einer Melodie oder eines Textes konnte Caitanya in Ekstase fallen, und ähnlich erging es manchen seiner Jünger. Das Hauptmantra für die Meditation lautete: Hare Krishna Hare Krishna Krishna Krishna Hare Hare Hare Roma Hare Rama Roma Roma Hare Hare Speziell beim Kirtan, in kleinen mitklatschenden Gruppen, oder begleitet von einfachen Instrumenten, wurde das folgende Mantra gechantet: Haraye namah Krishna Yädaväya namah Gopäla Govinda Rama Sri Madhusüdana Diese Praxis wurzelte tief in der Vaishnava-Vorstellung, daß Name und Genannter im Wesen eins sind. Durch das ständige Wiederholen des Namens des zu Verwirklichenden wird dessen Inhalt aktiviert. Dies besonders, wenn das Wort oder Mantra mit dem vollen Bewußtsein seines Inhalts gechantet wird und das Herz und die Seele daran teilhaben. Bestimmte Worte erfahren im Laufe der Zeit durch ihren Gebrauch eine besondere mantrische Wirksamkeit. Caitanya erreichte mit seiner außergewöhnlichen spirituellen Persönlichkeit eine höchste Verwirklichung all dieser Aspekte der Mantra- und Kirtana-Praxis.
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Linda Sparrowe
Sanskrit-Chanten mit Vyaas Houston Anm.d.Hrsg.: Der folgende Text ist ein Auszug aus einer Reportage. Mit einer Gruppe von 20 Personen nimmt Linda Sparrowe an einem dreitägigen Intensivkurs am American Sanskrit Institute in New York teil. Vyaas Houston, der Direktor des Instituts, leitet den Kurs, unterstützt von seinem Assistenten Kent Lew. Am ersten Tag hat Houston die Gruppe allgemein in das Chanten eingeführt und 6 - 1 2 Silben rezitieren lassen. Im Rahmen seiner alternativen Pädagogik gibt er die Anweisung, nicht an Erfolg oder Mißerfolg zu denken, sondern sich ganz auf den Lernprozeß und die Klangerfahrung zu konzentrieren. Der Bericht setzt ein am Morgen des zweiten Tages, als die Gruppe sich wieder versammelt und das Chanten des Vortags noch einmal wiederholt hat. *
...Da bemerke ich, wie Vyaas etwas auf einen großen Bogen Papier schreibt, der über einer Staffelei hängt. Mit Hilfe von Farbmarkierungsstiften schreibt er oben, in deutlicher Schrift, quer über das Papier eine Reihe von Symbolen. Im Laufe des Tages werden ständig weitere Symbole hinzukommen, jeweils in Fünfer-Reihen waagerecht und senkrecht, wobei jede vertikale Reihe mit einer anderen Farbe markiert wird. Jetzt ist es an der Zeit, sagt Vyaas, das Sanskrit-Alphabet einzuführen. Dieses Alphabet wurde mit viel Bedacht entwickelt. Die 69
alten Weisen, die von der unglaublichen Kraft des Ewigen Wortes wußten, Leben zu erschaffen und zu erhalten, entwikkelten und verfeinerten ihre Sprache ständig weiter in der Hoffnung, so ihre eigene göttliche Natur zu entdecken. Diese Grammatiker glaubten, erklärt Vyaas, daß »die Evolution menschlichen Bewußtseins untrennbar mit der Entwicklung von Sprache verknüpft ist.« Zunächst beobachteten sie aufmerksam, wie die Laute vokalisiert wurden; sie studierten die Struktur des Mundes; und dann, fährt Vyaas fort, »wählten sie nur jene Laute, die die größte Klarheit, Reinheit und Resonanzkraft besaßen.« Die Weisen »organisierten diese Laute derart, daß sie einander verstärkten und erhellten und wechselseitig auf ihrer Resonanz aufbauten.« Indem sie mit dem Atem arbeiteten, verfeinerten sie die Vokalisierung der Laute weiter. Sie entdeckten, »daß die Sprache - indem der Atem bei bestimmten Lauten minimal und bei anderen maximal wird - im Instrument einen Zustand entspannter Wachheit herbeiführte, der bewirkte, daß es effektiv und ohne Ermüdung für längere Zeitabschnitte tätig sein konnte, während präna, die Lebenskraft, herangebildet und erweitert wurde.« Man kann leicht sehen, wie diese 3500 Jahre alte vedische Sprache zu ihrem Namen kam: Sanskrit bedeutet »Sprache, die zu formeller Vollkommenheit gebracht wurde«. Dieses intensive Studium des Sanskrit fand etwa im 5. oder 4. Jh. v. Chr. seinen Höhepunkt in der Abhandlung des Grammatikers Panini, der Ashtädhyäyi, einem Werk, das so gründlich erarbeitet war, daß seitdem niemand etwas Signifikantes hinzufügen konnte. Geschriebenes Sanskrit oder Devanagari wurde erst viel später eingeführt, vielleicht im 4. Jh. n. Chr. Während wir uns anschicken, die ersten Silben zu chanten, erklärt Vyaas, wie das Sanskrit-Alphabet aufgebaut ist. Indem
es sich in Vokale und Konsonanten aufteilt, kann es leicht und logisch begriffen werden. In allen Konsonanten ist der erste Vokal, das a, bereits enthalten - z.B. in ka, ga, pa, sa, ya außer wenn man ein modifizierendes Schriftzeichen hinzufugt. Wenn man also das Alphabet chantet, welches in sich selbst ein wunderbares Mantra ist, schließt man stets den a-Ton mit ein. Jeder Laut ist wesenseigen phonetisch und hat sein eigenes, ganz spezifisches Zeichen. Dies bedeutet, daß - anders als im Englischen - lange und kurze Vokale durch verschiedene Schriftsymbole bezeichnet werden und jeder Konsonant nur eine Aussprache hat. G wird z.B. immer wie in »geben« ausgesprochen und nie wie in »Gentleman«. C wird immer wie in »Cakra« ausgesprochen. Wir beginnen mit dem a und chanten dann die ersten acht einfachen Vokale. Erst chantet Kent sie, dann ruft er einen von uns auf. In diesem Stadium des Kurses am Sonnabend melden sich die Teilnehmer bereitwillig und niemand sorgt sich sehr, er oder sie könnte sich blamieren. Die Singsang-Melodie des Chantens steckt an und macht es leicht, die Vokal-Laute zu lernen. Nachdem wir deren Aussprache ebenso aufgenommen haben wie ein gutes Mittagessen, sind wir bereit, uns an die Konsonanten zu wagen. Die klare Art und Weise, wie die Konsonanten angeordnet sind, läßt mich staunen. Wie Vyaas schon früher erwähnt hatte, sind sie alle gemäß der Stelle im Mund arrangiert, wo der jeweilige Laut erzeugt wird, d.h. in einer stufenweise Folge von der Region der Kehle bis zu den Lippen. Zweitens hat jede Silbe einen geschriebenen Buchstaben für den unaspirierten, hauchlosen (alpapranä) Laut und einen anderen für den aspirierten (mahaprana). Um zu verdeutlichen, wie dies funktioniert, sagt uns Vyaas, wir sollten
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eine Hand eng an den Mund führen und den ersten Konsonanten des Alphabets, ka (unaspiriert) chanten, wobei wir nur einen kleinen Hauch auf der Handfläche spüren, und daraufhin den zweiten, das aspirierte kha mit einem bewußten Ausatmen. Dieses Wechselspiel zwischen einem extrem konzentrierten und einem extrem expansiven Laut ist das der Sprache inhärente Pranayama, von dem die alten Grammatiker sprachen.
ten gegen die oberen Schneidezähne gedrückt. Die labialen Laute als fünfte Gruppe, die mit den Lippen gebildet werden, schließen unsere Reise durch den Mundraum ab. In diesem Stadium lernen wir das Alphabet nicht nur, indem wir seine Silben chanten, sondern auch indem wir darauf achten, wie Vyaas jedes Symbol zu Papier bringt. Für einige von uns ist Chanten der leichteste Weg, um sich die Laute einzuprägen - indem wir die Schwingungen in unserem Körper fühlen und die Plazierung der Zunge im Mund, während der Ton von der Kehle bis zum Gaumendach reist, dann zu den Vorderzähnen, um mit dem Schließen der Lippen zu enden. Andere, mehr visuell veranlagte Teilnehmer haben Probleme, den Rhythmus des Chantens zu finden, stellen aber gern eine innere Verbindung zu den Devanagari-Symbolen her, die Vyaas farbig markiert, um ihr Erkennen zu erleichtern. Ganz gleich wie wir lernen, am Sonnabend verlassen wir den Unterrichtsraum mit dem Gefühl, tiefer miteinander und mit der Sprache verbunden zu sein, die jetzt in unseren Seelen zu vibrieren beginnt.
Den größten Teil des Sonnabends verbringen wir damit zu erkunden, wo die Konsonanten im Mund entstehen. Für einige von uns ist das ein wenig frustrierend und ermüdend. Aber um wirklich Sanskrit zu lernen und seine Kraft als heiliges, heilendes Instrument zu spüren, ist die exakte Lokalisierung jedes Lautes entscheidend. Sie zu finden und die genau richtige Quantität von Atem und Energie für die Erzeugung jedes Lautes einzusetzen, »versetzt uns in einen Zustand harmonischer Resonanz mit dem Universum«, erklärt Vyaas. Er weist auf die ersten vier Buchstaben, die er aufgeschrieben hat. Wenn man diese Laute ausspricht - ka, kha, und ga, gha, die ersten Konsonanten im Alphabet - entsteht Resonanz am ersten der fünf Punkte im Mundraum, in der Region der Kehle. Der einzige Unterschied bei der Aussprache von ka und ga ist, daß das ga mehr resonant ist. Ich bemerke, daß es anfänglich beim Chanten hilft, die Augen zu schließen und die Schwingungen der Silben in der Kehle zu spüren. Die zweite Konsonanten-Gruppe, die Palatale, erzeugt Laute wie ca (tscha) und ja (dscha), etwas weiter vorne im Mund. Die dritte oder zerebrale Gruppe, ta, tha und da, dha liegt wiederum weiter vorn, wobei die Zunge sich vom Gaumendach leicht zurückbiegt. Die vierte Gruppe sind die dentalen ta, tha, und da, dha. Hier wird die Zunge leicht von hin-
Wenn wir verstehen wollen, was es bedeutet, Sanskrit eine heilige Sprache zu nennen, müssen wir mindestens 3500 Jahre zurückgehen (nach Auffassung einiger Gelehrter sogar 6000 Jahre) zu einer noch älteren Sprache, dem Vedischen, der Mutter des heutigen klassischen oder literarischen Sanskrit. Vedisch ist die Sprache der Veden - Bücher der Erkenntnis, die die Basis für den Hinduismus bilden. Diese alten Texte äh-
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Der vedische Hintergrund
nein nicht den heiligen Schriften anderer Religionen. Sie sind nicht göttlich eingegebene Instruktionen und würden auch nicht als »das Wort Gottes« betrachtet werden in dem Sinne, wie die Christen, Juden und Moslems es hinsichtlich der Bibel, der Torah und des Korans tun. Die Veden sind schlicht eine Sammlung heiliger Laute oder Mantras, oder, wie Raimundo Panikkar uns in seinem Buch The Vedic Experience mitteilt, sie sind kollektiv »das Ur-Wort, von dem kein Menschenwesen der Autor ist... [Sie sind] nitya vak, das Ewige Wort.« Die Veden, auch bekannt als shruti (jenes, was gehört wird), waren nie dafür bestimmt, gelesen oder analysiert zu werden, sondern dafür, mündlich von Generation zu Generation weitergegeben, gesungen oder rezitiert zu werden, selbst lange nachdem die Worte niedergeschrieben waren. Diese heilige Kraft des Klangs, die durch die Veden mittels des Mantras, des Gebets, der Opfergaben oder Hymnen offenbart wird, strukturiert die ganze vedische Religion und bildet tatsächlich die Grundlage für alle Schöpfung in vedischer Mythologie. Zu Beginn, so heißt es, war Purusha oder kosmisches Bewußtsein. Aus jenem Zustand gingen die feinstofflichen Schwingungen des Urlautes hervor, der das Element Äther, oder Raum, erschuf. Als Äther sich zu regen begann, erschuf er die Luft. Als er an Bewegungskraft gewann, erzeugte er so viel Reibung und Hitze, daß intensives Licht sich manifestierte, woraus Feuer entstand. Durch Feuer verflüssigten sich gewisse Äther-Elemente und wurden zu Wasser; andere kühlten nach einiger Zeit ab und verfestigten sich, um die Erde zu bilden. Von der Erde kamen alle Elemente - organische wie anorganische zum Leben. Sieben Rishis oder Weise empfingen durch Intuition die reine und heilige Silbe - die Mutter aller Schöpfung - und be-
gannen deren Kraft in Form der Veden mit allen Menschen zu teilen. Panikkar erklärt: »Der ganze Kern der Veden liegt in einer Silbe, dem unwandelbaren und damit ewigen Laut.« Die Ursilbe (wahrscheinlich Om, obgleich einige sagen, es sei Brahmari) ist jedem Wort innewohnend. Obwohl im Laufe der Jahrhunderte viele vedische Texte verloren gingen, blieben einige tausend Seiten. Die frühesten Sammlungen, bekannt als Samhitas - Hymnen oder Gebete -, bilden die Basis der vier Hauptbücher: Rigveda, Yajurveda, Samaveda und Atharvaveda. Über 1000 metrische Hymnen oder Mantras bilden die Samhita des Rigveda, des ältesten und wichtigsten Buches, und enthalten Lieder der Ehrerbietung, Ehrfurcht, manchmal der Furcht, gerichtet an ein Pantheon von Göttern und Kräften der Natur. Indem sie auf den Rigveda zurückgreifen, setzen die anderen Samhitas die Kraft dieser Mantras für bestimmte Zwecke ein. Der Yajurveda erklärt im Detail die richtige Art und Weise, Opfer durchzuführen und spezifiziert die zu rezitierenden Mantra-Formeln; der Samaveda weist die Mantras auf, die für bestimmte Opfer erforderlich sind, und setzt sie sogar nach einer Tonleiter mit sieben Noten. Der Atharvaveda konzentriert sich auf die Kraft heiliger Sprache für den Haushälter und nennt bestimmte Mantras für Anrufungen und Zaubersprüche. Medizinisches und pharmazeutisches Wissen - Ayurveda - findet sich gleichfalls im Atharvaveda. Als nächstes kamen die Brahmanas. Diese letzteren Werke folgen den Samhitas der vier wichtigsten vedischen Bücher und enthalten, gemäß Panikkar, »ausführliche Erklärungen und Beschreibungen der Rituale und Gebete, die mit dem Opfer verbunden sind.« Noch später kamen die Aranyakas oder Waldschriften. Sie geben jenen Personen Anweisungen, die der
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Welt entsagt haben und nicht länger »die ausgefeilten Rituale durchführen können, die vom Haushälter erwartet wurden.« Die Aranyakas repräsentieren eine Verlagerung von den äußeren, das Opfer betreffenden Verantwortlichkeiten der Priester und Haushälter hin zu einer mehr verinnerlichten, persönlichen Beziehung mit dem Absoluten. Die Upanischaden, die vielleicht um das sechste Jh. v.Chr. verfaßt wurden und als Ende [oder Essenz] der Veden gelten, als »Vedanta«, vervollständigen tendenziell diese Verlagerung vom Äußeren hin zum Inneren oder Mystischen. In den frühen Samhitäs der Veden ist vak das Ewige Wort jenes, was alles durchdringt und erfüllt. Es ist nicht bloß Sprache, sondern die Intelligenz hinter der Sprache; es sind nicht nur die hörbaren Laute der Sprache, sondern der kosmische Widerhall, die Bedeutung hinter den Worten; es sind nicht bloß Vorstellungen und abstrakte Theorien, sondern auch Aktion, Bewegung, Geist. Es ist nicht bloß das Mittel, durch das Menschen den Göttern ihre Opfer darbringen, sondern das Opfer selbst. Tatsächlich gibt es keinen Namen für das Absolute; das Absolute ist das Wort. Die Heiligkeit des Wortes wird in den späteren Upanischaden zwar nicht reduziert, doch verteilt sich seine Kraft. Vak, das weibliche Prinzip, wird zu bloßer Sprache. Brahman verkörpert all die unsagbaren Aspekte des Ewigen Wortes; es ist das Absolute, welches das Wort ist. Vak und Brahman sind jedoch auch weiterhin untrennbar verknüpft, indem Brahman für die innere Bedeutung der Handlungen eines Individuums steht und vak zum Mittel wird, durch das man die Wörter hinter jenen Aktionen zum Ausdruck bringt. Im Jnana Yoga, dem Yoga der Erkenntnis, übermittelt vak, oder das gesprochene Wort, die Anweisungen des Gurus an 76
seine Schüler. Im Bhakti Marga, dem Pfad der Hingabe, bleibt vak durch den Gebrauch des Mantras - insbesondere des heiligen Aktes der Wiederholung des Namens Gottes - das stärkste Bindeglied zwischen dem Einzelnen und dem Göttlichen. Tatsächlich wird durch das Wort oder Brahman der Einzelne zur Ebene des Göttlichen erhoben.
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Es gibt viele Theorien über das Heilen, aber mit eigener Beobachtung und wachsendem Verständnis wirst du ganz spezielle persönliche Erkenntnisse gewinnen. Mit unserem begrenzten Verstand, der nur auf der dreidimensionalen Ebene funktioniert, können wir nicht wirklich das gesamte Gesetz des Göttlichen oder das weite Gesetz der Natur erfassen oder die komplizierten Ursachen von Krankheiten verstehen. Wenn wir jedoch mit konzentriertem Geist chanten oder beten und diese Konzentration durch Handlung verstärken, so wird Heilung ganz natürlich in uns erfolgen. Mantras können eine heilende Wirkung haben, indem sie die Gefühle lösen und in der Person, die chantet, wie auch jener, die zuhört, einen Zustand der Ruhe und tiefen Entspannung herbeiführen. Wenn der Geist entspannt ist, können die Quelle der Krankheit und die verborgenen Wurzeln des Konflikts an die Oberfläche gelangen, wo man sich mit ihnen befassen kann. Aber wir müssen wissen, warum wir gesund sein wollen, was wir mit unserem verbleibenden Leben tun werden, wenn die Gesundheit wiederhergestellt ist. Wir müssen in unserem Bestreben aufrichtig sein. Das Kranksein mag Vorteile haben, die - obgleich wir sie vielleicht nicht bewußt eingestehen - unser Ego sich erhalten möchte. Indem wir unseren Willen stärken und jenen Teil unterstützen, der gesund sein möchte, läßt sich dieser innere Zwiespalt überwinden, wodurch Heilung möglich wird.
Es gibt ein Mantra, Aham Brahmasmi, welches bedeutet »ich bin Brahman« oder »ich bin Gott«. Das mag wie ein seltsamer Gedanke anmuten, aber der Mensch wird zu dem, was er denkt. Wenn du dich für einen Versager hältst, wirst du ein Versager. Wenn du umgekehrt ständig Aham Brahmasmi chantest, wirst du letztendlich deine göttliche Natur erkennen, und es wird auf jeder Ebene - der physischen, emotionalen oder mentalen - wenig Raum für Krankheit bleiben. Wenn du dieses Mantra chanten möchtest, ist es wichtig, daß du dir zunächst Klarheit verschaffst, was Gott für dich bedeutet. Du mußt auch aufrichtig an Selbstläuterung arbeiten, und die anderen Bereiche deines Lebens müssen diese Läuterung widerspiegeln. Ferner mußt du die Fähigkeit entwickeln, dich dem Mantra und der Energie, die von ihm ausgeht, zu überantworten. Du mußt die Demut haben, um Vergebung bitten zu können und dich bei anderen zu entschuldigen, wenn du im Unrecht bist. Abgesehen von dem Erfordernis des Egos, Aufmerksamkeit geschenkt zu bekommen, was Krankheit langfristig nährt, und mangelnder Demut, was auf falsche Einstellung hinweist, kommen noch viele andere blockierende Faktoren ins Spiel, wenn man sich auf spirituellem Wege heilen möchte. Vielleicht ist es so, daß du eine Lektion lernen mußt und daher Heilung im Moment nicht zu deinem Besten ist. Vielleicht ernährst du dich falsch, bist einer vergifteten Umwelt ausgesetzt oder verletzt bestimmte Gesetze der Natur, denen dein Körper unterworfen ist. Du magst auch dem ungesunden Glauben unterliegen, daß du ein zu großer Sünder bist, um Heilung zu verdienen. Oder vielleicht verletzt du andere, ohne dir dessen bewußt zu sein, und bestrafst dich unbewußt für ihren Schmerz. Der menschliche Geist ist so komplex und
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Swami Sivananda Radha
Mantra und Heilung
seine Fähigkeit zum Schmerz so gewaltig, daß wir uns vor zu großer Vereinfachung hüten müssen. Schmerz ist ein großer Lehrmeister, jedoch müssen wir seine Botschaft verstehen und darauf eingehen, bevor der Weg für eine Gesundung bereit ist. All dies muß man auch im Auge behalten, wenn es um die Heilung anderer geht. Für die betreffende Person mag es notwendig sein, Schmerz zu erfahren oder eine Krankheit durchzumachen, um Zeit zur Reflexion zu haben, um Demut und Hingabe zu entwickeln und Selbstsucht zu überwinden. Vielleicht kann physische Heilung nur stattfinden, wenn ersteinmal das Mentale geheilt ist. Du kannst nicht den Zweck einer Krankheit oder ihre mögliche Ursache kennen und au«h nicht wissen, was für die betreffende Person am besten ist. Aber du kannst ein Gebet für sie darbringen oder ein Mantra chanten, indem du die Kraft des Mantras selbst wirken läßt. Chanten kann ein Ausdruck deiner aufrichtigen Zuwendung sein, obgleich du nicht selbst entscheiden solltest, wie diese Hilfe zu erfolgen hat. Wenn du dein Mantra für jemanden chantest oder rezitierst, stelle dir die Person bei guter Gesundheit vor. Halte dir nicht das Bild einer Person im kranken Zustand vor Augen, da ein solches Bild beträchtliche Kraft hat. Stattdessen rufe das Bild Taras an, oder Krishnas, Sivas oder Jesus', und schaue die Person in voller Erwartung, wie sie im Glanz des Lichtes steht. Laß die heilende Kraft durch dich strömen, nie von dir, und stelle dir die Energie des Mantras als jenes heilende Licht vor. Hülle die Person in eine Spirale dieses Lichts, so daß er oder sie kaum noch sichtbar bleibt, und laß das Bild dieser Spirale sich auf die Quelle allen Lichts hinbewegen. Dann richte deine ganze Aufmerksamkeit auf das Chanten. Wenn du schlecht von jemandem gesprochen hast, kannst
du die Negativität aufheben, indem du rasch ein Mantra chantest und die Person in Licht und in die Kraft des Mantras hüllst. Bitte darum, daß deine Schwäche nicht die Person beeinträchtigen möge, und um Vergebung. Indem du bewußter wirst, kannst du wieder zurückziehen, was du geäußert hast, indem du den Zuhörenden sagst: »Bitte vergeßt das. Es ist nur eine sehr subjektive Sichtweise.« Du kannst das Mantra auch einsetzen, um Menschen zu helfen, die du nicht persönlich kennst. Wenn du z.B. die Sirene der Feuerwehr oder Ambulanz hörst, sage: »Om Namah Sivaya. Jemand ist in Not. Möge Hilfe kommen.« Wenn du in Zeitschriften oder im Fernsehen Bilder von Menschen siehst, die in Kriegszonen getötet oder verletzt wurden, hülle sie mit dem Mantra in Licht. Wenn du für andere chantest, stelle sicher, daß du aus tiefem Mitgefühl heraus tätig wirst, und nicht bloßer Sympathie. Hab acht vor jeglichem Verlangen, das Resultat zu beeinflussen, oder vor jeglicher starken Gefühlsreaktion. Du mußt deinen persönlichen Willen zurückstellen und alles der Kraft des Mantras überlassen. Was geschieht nun, wenn wir ein Mantra chanten? Wir ziehen spirituelle Kraft an und bringen uns als Kanal für diese Kraft dar, auf daß sie durch uns zur kranken oder verletzten Person ströme und vollbringt, was immer notwendig sein mag. Wir dürfen nicht Heilung fordern oder Gott sagen, wie, wann oder wie rasch sie zu bewirken sei. Wir wissen nicht, welches Karma zu begleichen ist oder welche Lektionen zu lernen sind. Heilen ist nicht eine Sache des Zufalls, obgleich es menschlicher Wahrnehmung so scheinen mag. Die meisten spirituellen Heiler machen - aus vielfältigen Gründen - die Erfahrung, daß nicht jeder anspricht. Manchmal
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geschieht es, daß jemand, der ungläubig erscheint, geheilt wird, während ein anderer, der Glauben besitzt, nicht geheilt wird. Der Grund könnte sein, daß die unterbewußten Überzeugungen dieser Menschen genau das Gegenteil dessen sind, was sie bekennen. Die Empfänglichkeit der zu heilenden Person ist auch ein wichtiges Element. Der Heilende muß sich Gott überantworten, den kosmischen Heilkräften, und sicherstellen, daß keine persönliche Ansicht ins Spiel kommt oder kein Urteil getroffen wird. Nur wenn du innerlich ein höchstmögliches Mitgefühl anrufst, wirst du direkt die heilende Kraft des Mantras evozieren oder anwenden können. „ Wie entwickelt man Mitgefühl? Beobachte dich selbst, sei bewußt, um zu einem Verständnis deiner selbst zu gelangen. Falsches Verhalten sollte ausgeräumt, nicht verdammt werden. Wenn du deine eigenen Fehlschläge siehst und vergibst, wirst du bereit sein, die Fehlschläge anderer zu vergeben und mehr Verständnis für jene aufzubringen, die du heilen möchtest. Beim Vorgang des Heilens begegnen wir uns selbst. Jesus sagte uns, wir sollten »siebzig mal sieben« vergeben. Er meinte damit, wir sollten immer vergeben und nicht über uns selbst oder andere zu Gericht sitzen. Wenn du jemanden zu heilen versuchst, evoziere zunächst ein höchstes Mitgefühl. Laß die kranke Person sich wohl fühlen und hilf ihr, sich selbst anzunehmen ohne das Gefühl, eine Last der Sünde zu tragen. Heilung wird nicht stattfinden mit der Einstellung des »unwerten Sünders«. Chante das Mantra und laß dich von seiner Schwingung erfüllen. Dadurch ziehst du die Kräfte des Mantras an und richtest sie auf die kranke Person. Wenn du spürst, daß die Schwingung von den Fingerspitzen oder den Handflächen ausströmt, kannst du die Hände
über die Person halten oder du kannst mental die Tore deines Herzens öffnen und sie hindurchströmen lassen. Mit dieser Schwingung strömt deine eigene Liebe. Es ist das Zeugnis deiner Bereitschaft zu helfen. Zuversicht wird sich mit Erfolg einstellen, jedoch solltest du nicht in allzu großer Zuversicht darauf vertrauen, daß Heilung immer stattfinden wird. Das Mantra kann alles überwinden, wenn jemand es rezitiert oder empfängt im Sinne eines Begleichens von Karma, mit Vertrauen auf Vergebung und der Bereitschaft, das eigene Leben zu wandeln und es dem Dienst an Gott zu widmen. Jedoch kann selbst nach erfolgter Heilung die Krankheit mit größerer Kraft wiederkehren, wenn der Geheilte nicht eine selbstsüchtige oder verletzende Lebensweise ändert. Dankbarkeit gegenüber dem Göttlichen sollte in Nächstenliebe oder selbstlosen Werken für andere zu Tage treten. Zeichne die Resultate deiner Anstrengungen auf, um das Gesetz des Heilens besser zu verstehen. Wenn wir spirituelle Kräfte anrufen, ziehen wir durch die Schwingung eines bestimmten Klanges oder eines Mantras einen bestimmten Aspekt des Göttlichen Lichts an, das für eine spezifische Heilung geeignet ist, aber möglicherweise nicht für alle. Viel wird vom Wesen der kranken Person abhängen. Der Einfluß eines Heilstrahls kann von der Person, für die er bestimmt ist, zurückgewiesen werden. Das geschieht nicht unbedingt bewußt, sondern es kann eine unterschwellige Zurückweisung sein aufgrund der Vorstellung, unwert zu sein oder ein zu großer Sünder, um Vergebung erwarten zu können. Manchmal wird Heilung zu schnell erwartet und wir geben auf, bevor sie stattfinden kann. Nicht alle Heilung kann oder sollte sofort erfolgen. Wenn wir ein Mantra chanten, wandeln wir gewiß den Geisteszustand des kranken Menschen. Wir können seine Ent-
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Spannung herbeiführen und sanft die Tiefen seiner Seele oder seines Geistes ergründen, um herauszufinden, mit welchem Widerstand wir uns befassen müssen. Wir können versuchen zu helfen, seine Lasten zu tragen. Vielleicht können wir erklären, daß dem Göttlichen wirklich vertraut werden kann und daß wir viele gute Gründe für dieses Vertrauen haben. Mögt ihr alle, die ihr dies lest, zu Kanälen der Hilfe, Heilung und Güte für viele andere werden. Gott sei mit euch.
Swami Vivekananda Das Mantra OM: Wort und Weisheit
Den göttlichen Inkarnationen, von denen wir im vorigen Kapitel22 sprachen, sind die großen Seelenführer und Lehrer der Religion untergeordnet, die höchste Erleuchtung erlangt haben. Sie sind es, die dem Schüler den Keim der göttlichen Weisheit mittels Worten (mantram) einpflanzen. Diese Mantras muß der Schüler wiederholen und über ihre Bedeutung meditieren. Was sind diese Mantras? Das Offenbarwerden des Weltalls, so sagt die indische Philosophie, ist bedingt durch Name und Gestalt. Kein Gedanke kann sich im menschlichen Geist erheben, der nicht durch Name und Gestalt bedingt wäre. Wenn es wahr ist, daß die Schöpfung durchaus nach dem gleichen Plan aufgebaut ist, dann muß diese Art der Bedingtheit durch Name und Gestalt für den ganzen Kosmos gültig sein. »Wie die Kenntnis eines Klümpchens Ton zur Erkenntnis alles dessen führt, was aus Ton hergestellt ist«, so führt die Erkenntnis des Mikrokosmos zur Erkenntnis des Makrokosmos. Nun ist die Gestalt die äußere Schale dessen, wovon der Name oder die Idee das Wesen oder der Kern ist. Der Körper ist die Gestalt und die Seele ist die Idee oder der Name, und bei allen Wesen, die der Sprache 22. Der Schrift Bhakti Yoga. (Anm.d.Hrsg.)
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mächtig sind, ist der Name stets mit Lautsymbolen verbunden. Jeder Gedanke, der sich im begrenzten menschlichen Geist erhebt, gibt sich zuerst als Wort und dann als konkrete Gestalt kund. Im Universum manifestierte sich Brahma oder der kosmische Geist zuerst als Name und dann als Gestalt, nämlich als dieses Weltall. Diese ganze, durch die Sinne wahrnehmbare Welt, ist die Gestalt, hinter der das ewig unaussprechliche Sphota steht, der Offenbarer als Logos oder Wort. Dieses ewige Wort, der unvergängliche Grundstoff aller Ideen oder Namen, ist die Macht, durch die Gott die Welt erschafft.23 Gott wird zum Wort und entfaltet dann aus sich das gestaltete, sinnlich wahrnehmbare Weltall. Dieses ewige Wort hat ein einziges mögliches Lautsymbol, und das ist OM; und wie durch nichts das Wort von der Idee getrennt werden kann, so sind OM und das ewige Wort untrennbar. Deshalb nimmt man an, daß aus diesem heiligsten aller heiligen Worte, der Mutter aller Namen und Gestalten, die ganze Welt erschaffen wurde. Darauf kann man einwenden: Wenn auch Idee und Wort untrennbar sind, so kann es doch verschiedene Wortsymbole für die gleiche Idee geben, und es ist nicht notwendig, daß gerade die Silbe OM die Idee darstellt, aus der das Weltall offenbar wurde. Darauf erwidern wir: Dieses OM ist das einzig mögliche Symbol, das alle Bedingungen erfüllt. Kein anderes kommt ihm gleich. Der Logos ist der Urstoff, aus dem alle Worte entstanden sind, gleichwohl aber ist er kein endgültiges Wort in seiner vollen Gestaltung. Das heißt, beseitigt man alle Besonderheiten, die ein Wort vom anderen unterscheiden, dann ist 23. Man vergleiche die ersten Sätze des Johannes-Evangeliums. (A.d.Ü.)
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das, was übrig bleibt, der Logos. Deshalb wird er der NadaBrahman oder der Laut-Brahman oder der Gotteslaut genannt. Jedes Wort, das den Versuch macht, das nicht ausdrückbare ewige Wort auszudrücken, wird es so spezifizieren, daß es nicht länger der Logos bleibt. Deshalb ist dasjenige Symbol, das es am wenigsten spezifiziert, aber gleichzeitig sein Wesen möglichst annähernd ausdrückt, das wahre Sinnbild des Logos. Und das ist OM, und OM allein. Diese drei Buchstaben A, U, M, zusammengezogen als OM ausgesprochen, können als das verallgemeinerte Symbol aller Laute gelten. Der Buchstabe A ist der am wenigsten differenzierte aller Laute, weshalb Sri Krishna in der Gita sagt: »Von Buchstaben bin ich das A.« Ferner, alle artikulierten Laute werden in der Mundhöhle in dem Raum zwischen Kehlkopf und Lippen gebildet. Der Kehllaut ist A, der letzte Lippenlaut ist M, und U ist die genaue Wiedergabe des vorwärts rollenden Impulses, der am Kehlkopf beginnt und zwischen den Lippen endigt. Richtig ausgesprochen, stellt dieses OM das gesamte Phänomen der Lautbildung dar. Kein anderes Wort kann ihm das gleichtun. Deshalb ist es das beste Symbol des Logos, der wahren Bedeutung des OM. Wie Sinnbild und das, was es versinnbildlicht, eines sind, so sind OM und Logos eines. Der Logos ist die subtilere Seite des Weltalls und deshalb Gott näher. Wahrlich, er ist die erste Kundgebung der göttlichen Weisheit, und dieses OM ist das wahre Gottessymbol. Nun kann die unvollkommene menschliche Seele Brahman, »das Eine ohne ein Zweites«, das absolute »Sein-Wissen-Seligkeit« (akhanda-sat-chit-ananda) in Seiner Abstraktheit nicht erfassen. Der Mensch kann sich Brahman, die absolute Gottheit, nur von einem gewissen Standpunkt aus und verbunden mit bestimmten Eigenschaften vorstellen, und das gleiche gilt 87
für den Leib der Gottheit, das Universum. Jeder nimmt dieses Weltall in seiner Weise wahr, und diese Wahrnehmungsweise ist abhängig von der Weltauffassung (tattva), die im Betreffenden vorherrschend ist. Daher wird der Eine Gott in verschiedenen Offenbarungen mit verschiedenen Eigenschaften geschaut, wobei einmal diese und einmal die andere Eigenschaft vorherrschend sein kann, und daher wird dieses eine Universum in so verschiedene Weise aufgefaßt und wahrgenommen. Alle diese Auffassungen sind die zahlreichen Manifestationen der Einen Gottheit. Wie im wenigst differenzierten und zugleich allumfassenden Symbol OM Idee und Lautsymbol untrennbar sind, so sind sie auch bei den zahlreichen differenzierten Aspekten Gottes und der Welt untrennbar. Deshalb wird jeder dieser Aspekte durch sein eigenes Lautsymbol ausgedrückt. Diese Lautsymbole sind von erleuchteten Seelen in tiefster Versenkung wahrgenommen worden. Sie sind das Sinnbild und der nach Möglichkeit genaueste Ausdruck für den besonderen Aspekt Gottes und der Welt, für den sie stehen. Wie OM das undifferenzierte Brahman bezeichnet, so bezeichnen die anderen Mantras die differenzierten Aspekte des gleichen Wesens. Sie alle sind hilfreich für Meditation und Erlangung wahrer Erkenntnis.
Sir John Woodroffe Das Gäyatri Mantra Anm.d.Hrsg.: In den folgenden Textauszügen24 beschäftigt sich der Autor speziell mit dem Gäyatri Mantra, einem der wichtigsten Mantras im Hinduismus, das viele täglich wiederholen: tat savitur varenyam bhargo devasya dhimahi, dhiyo yo nah pracodayät. »Laßt uns über jenen hervorragenden Glanz des Gottes Savitr meditieren. Möge er unsere Gedanken beleben.« Oder in einer freien Übersetzung: »Mögen wir über das leuchtende Licht dessen meditieren, der anbetungswürdig ist und alle Welten geschaffen hat! Möge er unsere Intelligenz auf die Wahrheit lenken!« »Gäyatri« ist der Name des verwendeten Versmaßes und auch der Name der Göttin, die über dieses Mantra regiert. * Die Wirkung bloßer Sprache besteht darin, Vorstellungen von Kunst und Gefühle und angenehme Gedanken hervorzurufen, während jene des Mantras darin besteht, die mentalen Fähigkeiten mit der göttlichen strahlenden Energie (Tejas) zu erfüllen und so zu einem vollen Verständnis der immer sichtbaren 24. Aus dem Buch Principles ofTantra, Parti.
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übersinnlichen Wirklichkeiten (Tattvas) hinzuführen. Eine bloße Anhäufung von Wörtern ist etwas Grobförmiges, während Mantra voller Bewußtsein ist. Ein Wort ist eine bloße Darstellung von Buchstaben, während das Mantra eine Masse strahlender Energie ist. In Sprüchen wird den Menschen Rat erteilt, während Mantras übermenschliche Shakti [Kraft] erwecken. Ein bloßer Spruch ist daher wie ein Jiva [Einzelseele], Geburt und Tod unterworfen; während ein Mantra Brahman selbst ist, nicht vergehend, unvergänglich. Solange es einen Unterschied zwischen grober Materie und Bewußtsein gibt, zwischen Jiva und Brahman, wird es diesen Unterschied zwischen einem Spruch und einem Mantra geben - eitlen Unterschied, der so groß ist wie jener zwischen dem Himmel und der niederen Welt. Deswegen ist hinsichtlich des Gäyatri die Vorstellung, Sprüche und Mantra seien identisch, falsch und irrtümlich. Um uns dagegen zu verwahren, müssen wir zunächst die Bedeutung von Mantra verstehen und uns dann mit der Mantra-Shakti beschäftigen. Im Gäyatri Tantra steht geschrieben: »Jenes wird Mantra genannt, durch dessen meditative Betrachtung der Jiva Freiheit von Verfehlungen, den Genuß des Himmels und Befreiung (Moksha) erlangt, und mit Hilfe dessen er vollständig die vierfache Frucht erwirbt.«25 Und weiter: »Weil Sie gesungen wird in der Meditation vom Mülädhära26 bis zum Brahmarandhra27.., deswegen ist Sie gäyat, und weil Sie, wenn über Sie meditiert wird, dem Jiva Befreiung (träna) schenkt, indem die Hülle des Shatcakra
durchdrungen wird,28 deswegen ist Sie tri. Durch die Verbindung von gäyat und tri wird das Wort Gäyatri gebildet, welches der Name jener großen Shakti ist, die aus dem Mantra besteht.« *
Das Shästra jedoch sagt: Wenn man während des Japa29 über Gäyatri meditiert, sollte man Sie in drei Formen betrachten, je nachdem ob es Morgen, Mittag oder Abend ist. Am Morgen ist Sie Gäyatri und erscheint als junges Mädchen, rosig wie die Morgensonne. Sie ist die zweiarmige Brähmani,30 reitet einen Schwan,31 hält in ihren Händen Rudräksha-Perlen,32 den Faden und die Bettelschale,33 residiert in der Sonnenscheibe, ist die Devi (vorstehende Gottheit, Adhishthätri) des Rigveda. Mittags ist sie Sävitri und erscheint als junge Frau, dunkel wie die Blätter eines blauen Lotus. Sie ist Vaishnavi,34 reitet den Vogel Garuda und hält in Ihren vier Armen eine Muschel
25. D.h. käma, artha, dharma, moksha. [Die vier Ziele, auf die das menschliche Leben gerichtet sein kann: Wunscherfüllung; Wohlstand; Rechtschaffenheit, Pflicht; Befreiung. - Anm.d.Übers.] 26. Dem untersten Chakra in der Dammregion. 27. Der Vertiefung des Brahman an der Kopfkrone.
28. D.h. der Vorgang, der Shatcakrabheda genannt wird, durch den die erweckte Kundalini die sechs Chakras durchdringt und durch sie aufsteigt, bis sie sich mit dem Shiva des Sahasrära vereinigt. 29. D.h. Dhyänä während der Rezitation (Japa) des Mantras, so wie der Katholik, wenn er den Rosenkranz betet, an jede Szene der freudigen, leidvollen oder herrlichen Mysterien denkt. 30. Der weibliche Aspekt der Shakti von Brahma. 31. Hamsa, welcher auch als Gans oder Flamingo beschrieben wird, das Traggefährt (Vähanä) von Brahma. 32. Der Keim einer Frucht, der für mala (Rosenkranz) etc. verwendet wird. 33. Kamandalu, wird von den Asketen benutzt, um erhaltene Nahrung zu transportieren. 34. Weiblicher Aspekt oder Shakti von Vishnu, dessen Traggefährt der Vogel-König Garuda ist.
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(Shankha), einen Diskus (Cakra), eine Keule (Gada)35 und einen Lotus, wohnt in der Sonnenscheibe und ist die vorstehende Devi des Yajurveda. Am Abend ist Sie Sarasvati und erscheint als ältere Frau von makellos weißer Schönheit. Sie ist die dreiäugige Rudräni,36 trägt als Krone die Mondsichel, reitet einen Bullen, hält einen Dreizack (Trishüla) und eine Trommel (Damaru), residiert in der Sonnenscheibe und ist die vorstehende Devi des Sämaveda. In Shankarächäryas Kommentar über Sandhyä37 gemäß dem Yajurveda werden die folgenden Passagen zitiert: »Gäyatri morgens, Sävitri mittags, Sarasvati abends. Sie trägt diese Namen zu diesen drei Tageszeiten, und Sie selbst ist Sandhyä zu allen drei Zeiten« (Vyäsa). »Die Morgen-Sandhyä ist Gäyatri, die Mittags-Sandhyä ist Sävitri, und die Abend-Sandhyä ist Sarasvati« (Yäjfiavalkya). »Gäyatri ist rot, Sävitri ist weiß... und Sarasvati ist dunkel... Diese drei Erscheinungen Gäyatris wurden für die drei Sandhyäs erwähnt. Bei der Meditation zu anderen Zeiten sollte man sie als Wesen weißer Farbe visualisieren« (Vyäsa). »Die dreifüßige Gäyatri, die in Ihren drei Füßen die drei Shaktis von Brahma, Vishnu und Maheshvara verkörpert; Sie allein sollte der Zweimalgeborene suchen und in drei Formen anbeten.« Wiederum wurde verfügt, daß diese Gäyatri, die als Shakti erscheint, zur Zeit des Pränäyäma38 folgendermaßen als männ-
lieh betrachtet werden sollte: »Zur Zeit des Einatmens (Püraka) visualisiere... Brahma, den Großvater der Welt (Loka), von rotem Körper, mit vier Antlitzen, sitzend auf einem Lotus in der Herzregion. Beim Ausatmen (Recaka) visualisiere Maheshvara (Shiva, den Zerstörer der Sünde), klar, hell und weiß, wie das reinste Kristall in der Stirnregion.«
35. Alle drei werden von Vishnu gehalten. 36. Weiblicher Aspekt oder Shakti von Rudra (Shiva), dessen Traggefährt der Bulle ist. 37. Tägliche Anbetung, die morgens, mittags und abends durchgeführt wird. 38. Atemregulierung oder Atemübung.
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Wilfried Huchzermeyer
Durvasas Mantra im Mahabharata Das Mahabharata ist eine der bedeutendsten Schöpfungen der Sanskrit-Literatur. Das Epos des legendären Vyasa umfaßt in manchen Ausgaben nicht weniger als 100 000 Verse und eröffnet einen tiefen Einblick in Kultur, Geschichte und Spiritualität des alten Indiens.39 Eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Haupthandlung des Epos spielt ein Mantra, das der Asket Durväsä einem jungen Mädchen gab. Dazu kam es wie folgt. König Sura war Stammesführer der Yadus und Vater Vasudevas, der wiederum Krischnas Vater war. Eines Tages versprach Sura seinem kinderlosen Vetter Kuntibhodscha, er würde ihm sein eigenes erstgeborenes Kind zur Adoption geben. Als ihm nun Kunti geboren wurde, schickte er sie sogleich zu seinem Verwandten, in dessen Haus sie aufwuchs. Eine der Aufgaben, die ihr im Laufe der Zeit aufgetragen wurden, war der Empfang von Gästen, darunter Yogis, Asketen, Weise, die sie stets vorbildlich umsorgte. Zu den Gästen gehörte auch der Asket Durvasa, der bekannt war für seine äußerst schwierige und reizbare Natur. Er pflegte seine Gastgeber mit unmöglichen Forderungen und Wünschen zu traktieren und provozierte sie zudem mit groben
Flüchen und Beschimpfungen.40 Aus Liebe zu ihrem Vater steckt Kunti alle Schmähungen des aufbrausenden Asketen weg und meistert geduldig die schwierigsten Situationen. Dies beeindruckt selbst Durvasa, der Kunti - statt seiner üblichen Flüche - ein Gnadengeschenk anbietet, ein seltenes Mantra. Kunti lehnt zunächst ab, gibt aber schließlich Durvasas Drängen nach, woraufhin er ihr eine magische Formel beibringt: »Gleich welchen Gott du mit diesem Mantra rufst, er wird dir Untertan sein, ob er es will oder nicht, und er wird sich dir fügen wie ein Diener.«41 Eines Tages, als Durvasa schon lange fort ist, meditiert Kunti über die Kraft und Bedeutung des Mantras, woraufhin sie ihre Periode bekommt, obwohl sie noch im Kindesalter ist. Sie blickt in die strahlende Sonne und ruft, tief bewegt von deren Schönheit, mit Hilfe des Mantras den Sonnengott zu sich. Er nähert sich ihr in Form einer Emanation. Kunti erschreckt heftig, als sie bemerkt, welche Kraft das eher spielerisch geäußerte Mantra hat. Sie bittet den Gott, sie wieder zu verlassen, aber er weigert sich: einmal gerufen, könne er nicht wieder zurück, ohne sich mit ihr zu vereinigen; er würde ihr einen Sohn schenken, einen mächtigen Helden mit göttlichem Schutzpanzer, der die Ohrringe Aditis trüge, der Mutter der Götter, die die Ringe einst dem Sonnengott geschenkt hatte. So vereinigt sich der Sonnengott mit Kunti »in seinem yogi-
39. Die Urfassung des Textes war wesentlich kürzer, vielleicht nur 24 000 Verse, die im Laufe der Jahrhunderte von verschiedenen Autoren durch eigene Texte erweitert wurden.
40. Sri Aurobindo gab einmal die folgende Erklärung für das seltsame Verhalten Durvasas und anderer ähnlicher Persönlichkeiten: Sie hatten keinerlei Interesse daran, ihre äußere Natur zu entwickeln und mit der inneren Verwirklichung abzustimmen, was zu großen Disharmonien und stark abnormem Verhalten führen kann. 41. Mbhr. 3.289.17-18 (Poona Critical Edition)
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sehen Körper«, und sie wird Mutter eines Kindes, »strahlend wie ein Unsterblicher durch die Gnade Gottes«. Um einem unlösbaren Konflikt mit ihrer Familie und der Gesellschaft zu entgehen, folgt Kunti dem Rat ihrer Amme und setzt ihren Sohn - unter großen seelischen Schmerzen - in einem sorgfältig versiegelten Korb aus. Das Baby wird von einem Kutscher entdeckt und wächst unter dem Namen »Karna« in dessen Familie auf. Später wird Karna zu einem der mächtigsten Kämpfer im Krieg zwischen den Pandavas und den Kauravas und tritt durch die Tragik der Ereignisse gegen seine Halbbrüder Ardschuna, Bhima und Yudhischthira an. Auch sie wurden mit Hilfe des Mantras gezeugt. Und dies begab sich so: Als Kunti herangewachsen ist, wird sie mit König Pandu verheiratet, der aufgrund eines Fluches, der auf ihm lastet, keine Kinder zeugen kann. Kunti jedoch berichtet ihm von dem Mantra, das Durvasa ihr geschenkt hat, und fragt ihn, ob sie es anwenden könne und welchen Gott sie herbeirufen solle. Pandu ist erfreut über diese unerwartete Lösung seines Problems drohender Kinderlosigkeit und ermutigt seine Frau, noch am selben Tag Dharma zu rufen, den Gott der Gerechtigkeit, »denn er wird uns einen Sohn schenken, der Recht und Gesetz für die Kuru-Familie verkörpert.« Kunti führt ein kleines Ritual der Anbetung durch und ruft den Gott, indem sie die mantrischen Verse äußert. Dharma, der »einen yogischen Körper annahm«, kommt und vereinigt sich mit ihr. So wird Yudhischthira geboren, der später die von Pandu erhofften Tugenden verkörpern sollte (allerdings nicht ganz ohne Schwächen war) In gleicher Weise wird vom Gott des Windes und der Kraft der bärenstarke Bhima geboren, während Indra zum Vater
Ardschunas wird. Ihn kennen wir aus der Bhagavadgita, wo er Krischna zu einem Diskurs höchster spiritueller Weisheit inspiriert, vorgetragen in erlesenen Sanskrit-Mantras, die einen großen Einfluß auf die Entwicklung vieler Wahrheitssucher und Yogis hatten. Aber am Anfang standen die geheimnisvollen Kraft-Worte des seltsamen Asketen Durvasa.
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Sri Aurobindo
Dichterische Schau und das Mantra Das Mantra, poetischer Ausdruck der tiefsten spirituellen Wirklichkeit, ist nur möglich, wenn drei höchste Intensitäten dichterischer Sprache unlösbar zusammentreffen: eine höchste Intensität rhythmischer Bewegung, eine höchste Intensität verwobener verbaler Form und Gedankensubstanz, des Stils, und eine höchste Intensität der Seelenschau der Wahrheit. Alle große Dichtung entsteht durch eine Vereinigung dieser drei Elemente. Die Unzulänglichkeit des einen oder anderen ist es, was die Fluktuationen im Werk selbst der größten Dichter verursacht, und das Versagen jeweils eines Elements ist die Ursache ihrer Fehltritte, der Schlacke in ihrem Werk, der Flecken in der Sonne. Aber nur auf einem bestimmten höchsten Gipfel der vereinten Intensitäten wird das Mantra möglich. *
Bei den weniger großen Dichtern sind diese Augenblicke [reiner mantrischer Inspiration] selten und kommen wie glänzende Zufälle, wie Engelserscheinungen; bei den bedeutenderen handelt es sich um häufigere Ausbrüche; aber bei den größten treten sie in Fülle auf, weil sie einer ständigen Fähigkeit zu dichterischer Schau und einer dichterischen Sprache entspringen, die ihre geringeren und größeren Momente hat, jedoch nie ganz ausbleibt bei diesen höchsten Meistern des ex98
pressiven Wortes. Vision ist die charakteristische Kraft des Dichters, so wie scharfes Denken die wesentliche Gabe des Philosophen und analytische Beobachtung der natürliche Genius des Naturwissenschaftlers ist. Der Kavi42 war in der Vorstellung der Vorväter der Seher und Offenbarer der Wahrheit, und obgleich wir uns von jenem Ideal weit genug entfernt haben, um von ihm nunmehr nur die Freude des Ohrs und die Unterhaltung des ästhetischen Sinnes zu verlangen, bewahrt doch alle große Dichtung instinktiv etwas von jener höheren Tendenz ihres eigenen Ziels und ihrer eigenen Bedeutung. Da Dichtung Kunst ist, muß sie denn auch versuchen, uns zur Schau zu verhelfen, und da sie sich an die inneren Sinne richten muß, - denn das Ohr ist nur physisches Tor und selbst dort richtet sich ihr wirklicher Reiz an das innere Hören, - und ihr Ziel ist, uns im Inneren erleben zu lassen, was der Dichter in seinen Vers hineingelegt hat, ist es eine innere Schau, die er in uns öffnet, und diese innere Schau muß intensiv in ihm gewesen sein, bevor er sie in uns erwecken kann. Daher waren die größten Dichter stets jene, die eine große, starke, interpretative und intuitive Schau von Natur, Leben und Mensch hatten und deren Dichtung sich daraus in einer höchsten offenbarenden Kundgebung erhob. Homer, Shakespeare, Dante, Valmiki, Kalidasa stimmen - wie sehr sie auch in allem anderen differieren mögen - darin überein, daß sie dies als den Grundcharakter ihrer Größe aufweisen. Ihre Vortrefflichkeit liegt nicht essentiell in einer größeren Gedan42. Das Sanskrit-Wort für Dichter. Im klassischen Sanskrit wird es für jeden Verfasser von Vers oder sogar Prosa verwandt, aber im Vedischen bedeutete es Dichter-Seher, der die Wahrheit sah und in einem subtilen Wahrheitshören das inspirierte Wort seiner Schau fand.
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kenkraft, einer reichhaltigeren Metaphorik oder einer tieferen Kraft der Leidenschaft und Emotion; diese Qualitäten mögen sie gehabt haben, wobei der eine mehr in der einen Richtung, der andere in anderen begabt ist, aber diese Kräfte waren mehr Stützen für ihren dichterischen Ausdruck als Essenz oder Quelle. Oft findet sich mehr gedanklicher Inhalt in einem kurzen Essay Bacons als in einem ganzen Schauspiel von Shakespeare, aber selbst hundert Kryptogramme können ihn nicht zum Autor der Dramen machen; denn wie es sich zeigte, als er Dichtung zu schreiben versuchte, behinderte ihn eben die Natur seiner Gedankenkraft und die charakteristische Art des Ausdrucks des geborenen philosophischen Denker» beim poetischen Ausdruck. Das ständige Ausströmen von Form, Gedanke und Bild aus einer reichen inneren Lebensschau, dies machte Shakespeare - gleich welches seine anderen Mängel sein mögen - zum überlegenen dramatischen Dichter. Schau ist die wesentliche dichterische Gabe. Der archetypische Dichter in einer Welt von ursprünglichen Ideen ist, so können wir sagen, eine Seele, die in sich selbst innig diese Welt schaut und all die anderen, Gott, Natur und das Leben der Wesen sieht, und von ihrem Zentrum eine Woge des schöpferischen Rhythmus und Wortbilder ausströmen läßt, die zum Ausdruck der Schau werden. Die großen Dichter sind jene, die in einem gewissen Maß diese ideale Schöpfung wiederholen, kavayah satyashrutah, Seher der dichterischen Wahrheit und Hörer ihres Wortes.
ihn fanden, das Mantra. Insbesondere Dichtung beanspruchte für ihren vollkommenen Ausdruck in den Hymnen des Veda diesen Namen. Er ist jedoch nicht auf diese Bedeutung beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle Sprache, die eine höchste oder absolute Kraft hat; das Mantra ist das Wort, das die Gottheit oder die Kraft der Gottheit in sich trägt, das sie in das Bewußtsein bringen und samt ihren Funktionen dort befestigen kann.
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... Diesem Absoluten des ausdrückenden Wortes kann man jenen Namen geben, den die inspirierten Sänger des Veda für 100
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Nachrichten, Geschichten und Zitate über das Mantra I: NACHRICHTEN
»OM« ertönt im Kreml
seine rechte Hand und bittet uns alle, ihm zu folgen. Er intoniert: Oooohm. Und der Saal ist erfüllt mit dem Klang von OOOOhm. Michail Gorbatschow sagt OOOOhm. Schewardnaze wirft einen kurzen Blick auf seinen Chef und sagt: OOOOhm. Der Bart des Großmuftis bebt, ebenso der prächtig gebürstete Silberbart des Metropoliten. Anscheinend machen beide mit beim OOOOhm. Die drei amerikanischen Senatoren vor mir - Claibourne Pell, Timothy Wirth und Albert Gore - beugen respektvoll ihre Häupter.« »Michail Gorbatschow ist hier, um die Abschlußrede für die einwöchige Konferenz des Weltforums für spirituelle Führer und Parlamentarier zu halten, die sich mit dem Fortbestehen der Menschheit beschäftigt. Nichts erscheint unangemessen oder außerordentlich. Es ist das erste Mal in 70 Jahren, daß ein religiöses Wort im Kreml geäußert wird. Überhaupt zum allerersten Mal sitzen Hindu Swamis mit Buddhisten und Christen und Indianern zusammen im Gebet vereint.« »Es erschien den Teilnehmern der Konferenz, daß wir dazu gezwungen sind, zu menschlichen, religiösen und spirituellen Werten zurückzukehren, wenn wir überleben wollen. Wollen wir unseren Kindern keinen toten Stein anstelle eines lebendigen Planeten hinterlassen, dann scheint eine Rückkehr zu spirituellen Zielsetzungen unerläßlich.«43
1000 Menschen waren in der vollgepackten St. Georgs-Halle des Kremls versammelt: Parlamentarier aus 5 Kontinenten, spirituelle Führer aller Konfessionen, Syrisch-Orthodoxe, Protestanten, Moslems ebenso wie Indianerhäuptlinge, jüdische Rabbis aus vielen Ländern und Hindus aus Indien und sogar Hawaii. Anwesend waren auch Wissenschaftler wie Carl Sagan, Sokolov, Velikhov und Journalisten von Presse und Rundfunk, darunter BBC, Time, Newsweek, Guardian, Yomiuri Shimbun, Tass, CNN. Ferner Hunderte von Beobachtern, die von weither angereist waren, um an dem Symposium über das weltweite Überleben teilzunehmen. Aus diesem Saal hatte Lenin 1917 die Gründung des Bolschewikenstaates verkündet. Auf dem ersten Podium saß gelöst Michail Gorbatschow, neben ihm der Dekan einer New Yorker Kathedrale und ein Senator aus Peru. Neben ihnen der Moskauer Metropolit und dann Eduard Schewardnaze und Akio Matsumura, durch dessen Einsatz die Versammlung zustande gekommen war. »Auf dem zweiten Podium, in der Sprecherloge, steht ein Hindu Swami in orangefarbener Robe, das Tilak-Zeichen auf seiner Stirn bedeckt von einem Strich heiliger Asche. Er hebt
43. Zusammenfassung einer Reportage von Tarzie Vittachi in der Zeitung Indian Express v. 4.3.1990. Zugrunde lag eine dt. Übers, der Reportage in Yoga im Leben (Pondicherry), Nr.3/4.
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II. GESCHICHTEN UND ZITATE
Das vedische Mantra44 Im System der [vedischen] Mystiker, das teilweise in den Schulen des indischen Yogas überlebt hat, ist das Wort eine Macht, das Wort schafft. Denn alle Schöpfung ist Ausdruck, alles existiert bereits in der verborgenen Stätte des Unendlichen guhä hitam, und muß hier nur vom aktiven Bewußtsein als Erscheinungsform herausgebracht werden. Gewisse Schulen des vedischen Denkens gehen sogar davon aus,-daß die Welten von der Göttin Wort geschaffen wurden und daß Ton als erste ätherische Schwingung der Gestaltung vorangegangen sei. Im Veda selbst gibt es Stellen, die die dichterischen Versmaße des heiligen Mantras - anustubh, tristübh, jagati, gäyatri - als symbolisch für die Rhythmen ansehen, in denen die universale Bewegung der Dinge gestaltet wird. Durch Ausdruckgebung erschaffen wir also, und es wird sogar von den Menschen gesagt, daß sie die Götter in sich durch das Mantra erschaffen. Wiederum können wir das, was wir in unserem Bewußtsein durch das Wort geschaffen haben, dort durch das Wort fixieren, damit es Teil unserer selbst und wirksam wird nicht nur in unserem inneren Leben, sondern auch in der äußeren physischen Welt. (...) Das mantra ist, obgleich es Denken im Mental ausdrückt, in seinem wesentlichen Teil nicht eine Schöpfung des Intellekts. Um das geheiligte und wirksame Wort zu sein, muß es als Inspiration von der supramentalen Ebene, die im Veda
rtam, die Wahrheit, genannt wird, gekommen und im oberflächlichen Bewußtsein entweder durch das Herz oder durch die erleuchtete Intelligenz, manisa, empfangen worden sein. In der vedischen Psychologie ist das Herz nicht darauf beschränkt Sitz der Emotionen zu sein. Es schließt jenes weite Feld spontaner Mentalität ein, das dem Unterbewußten in uns am nächsten steht, woraus die Empfindungen, Emotionen, Instinkte, Impulse und alle jene Intuitionen und Inspirationen entstehen, die durch diese Mittlerkräfte reisen, bevor sie in der Intelligenz zur Form gelangen.45 Sri Aurobindo Wort-Kraft: Der König und sein Minister Ein Anhänger fragte Ramana Maharshi: »Kann jemand Nutzen dadurch erlangen, daß er heilige Silben wiederholt, die er sich irgendwo angeeignet hat?« Der Maharshi antwortete: »Nein. Er muß kompetent sein und eine Einweihung in diese Mantras bekommen haben.« Dann illustrierte er die Geschichte wie folgt: Ein König besuchte seinen Premier in dessen Residenz. Dort sagte man ihm, der Premier sei gerade damit beschäftigt, heilige Silben zu wiederholen (Japa). Der König wartete auf ihn, und als der Minister kam, fragte er ihn, welches Mantra er denn wiederholt habe. Der Premier antwortete, es handele sich um das allerheiligste, das Gayatri. Da brachte der König den Wunsch zum Ausdruck, vom Premier initiiert zu werden. Dieser erklärte jedoch, er sei dazu außerstande.
44. Die Überschriften wurden vom Herausgeber hinzugefügt. Das Copyright für die zitierten Texte liegt bei den jeweils genannten Verlagen.
45. Sri Aurobindo. Das Geheimnis des Veda. Verlag Hinder + Deelmann 1987, S. 262-3
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Daher erlernte der König das Mantra von einer anderen Person. Als er den Minister wieder traf, wiederholte er es und wollte wissen, ob er es recht tue. Der Minister antwortete, das Mantra sei schon korrekt, aber es sei nicht recht für ihn, es zu gebrauchen. Als der König den Minister drängte, dies zu erklären, rief der Minister einen Pagen, der in der Nähe stand, und befahl ihm, den König zu ergreifen. Der Befehl wurde nicht ausgeführt. Er wurde noch mehrfach wiederholt, und trotzdem nicht ausgeführt. Da wurde der König zornig und befahl demselben Pagen, den Minister zu ergreifen, was sofort geschah. Der Minister lachte und sagte, dieser Vorfall sei genau die Erklärung, die der König wünsche. »Wie das?« fragte der König. Und der Minister antwortete: »Der Befehl war derselbe und auch der Ausführende, aber die Autorität war verschieden. Als ich den Befehl gab, war die Wirkung gleich null, während Euer Befehl sogleich Wirkung zeigte. Ähnlich ist es auch mit Mantras.«46 Ramana Maharshi Mantras: Besitz aller Menschen Das Wort Mantra bedeutet »ausgedacht«, erdacht vom Geist; und der Rishi ist der Seher dieser Gedanken. Sie sind weder der Besitz bestimmter Personen noch der exklusive Besitz irgendeines Mannes oder irgendeiner Frau, wie bedeutend er oder sie auch sein mögen; nicht einmal der exklusive Besitz der größten Geistpersönlichkeiten - der Buddhas oder ChristusWesen -, die die Welt hervorgebracht hat. Mantras sind ebenso 46. Talks with Ramana Maharshi. Sri Ramanasramam 1984, S. 2-3
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der Besitz der Allerniedrigsten wie sie der Besitz eines Buddha sind, ebenso der Besitz des kleinsten Wurmes, der über die Erde kriecht, wie jener des Christus, denn sie sind universelle Prinzipien. Sie wurden nie erschaffen. Diese Prinzipien haben immer existiert; und sie werden weiter existieren. Sie sind nicht-erschaffen - ungeschaffen durch irgendwelche Gesetze, die uns die Naturwissenschaft heute lehrt. Sie bleiben verdeckt und werden entdeckt, existieren jedoch durch alle Ewigkeit in der Natur.47 Swami Vivekananda Mantra heilt Sri Aurobindos Bruder Barin ... [Sri Aurobindo] wollte jedoch einen Guru finden. Er traf im Verlaufe seiner Suche einen Naga Sannyasi, akzeptierte ihn aber nicht als Guru, obgleich er von ihm im Glauben an YogaKraft bestätigt wurde, da er sah, wie der Sannyasi Barin fast augenblicklich von einem heftigen und hartnäckigen Bergfieber heilte, indem er schlicht ein Glas Wasser quer mit einem Messer durchschnitt, wobei er leise ein Mantra wiederholte. Barin trank und war geheilt.48 Sri Aurobindo OM im Spektralphotometer In seinem geodätischen Laboratorium in Wichita demonstrierte Callahan49 für uns in wissenschaftlicher Weise ein Sich-Über47. The Complete Works of Swami Vivekananda ( Vol. VI, 8), Advaita Ashrama 1964 48. Sri Aurobindo - Über sich selbst. Hinder + Deelmann 1994, S. 60 49. Dr. Philip S. Callahan, Professor der Entomologie, ein herausragender
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schneiden von Physik und Metaphysik und erhärtete damit die Weisheit der Veden. Callahan intonierte den Grundton des Hindu-Mantras »Aum«, indem er es mehrmals wiederholte und in den Strahl von infrarotem Licht hinein lenkte, der mittels Spiegeln durch seine Maschine geführt wurde. Dann wies er auf den Computer-Ausdruck, der deutlich die Wirkung seines Mantras in Form einer Gruppe von Nadeln auf der Grafik zeigte. »Über der Grundlinie«, so erklärte er, »wird infrarote Energie durch die Moleküle ausgestrahlt, welche durch meine Stimme angestoßen werden. Unterhalb der Grundlinie ist die Energie, wie sie aufgenommen wird. Wenn die Moleküle dessen, was in meinem Atem ist, mit-Energie geladen werden, können sie Laser-ähnliche Nadeln infraroter Strahlung ausstrahlen. Und genau wie Ihr Radio die Eroica von Ihrem Sender für klassische Musik auffängt, so fängt diese Maschine die Frequenz auf, bei der die Moleküle strahlen, und kann ihre Signalfrequenzen ausmachen. Wenn man die Frequenz eines Atoms oder Verbunds kennt, kann man deren Gegenwart und Amplitude erkennen. Hier zum Beispiel haben wir Kohlendioxyd. Sie können es dort auf der Grafik sehen.« Er produzierte mithilfe eines Knopfes einen Computer-Ausdruck. »All dies«, sagte er und zeigte uns den Beleg, »erweist die außergewöhnliche Kraft des Mantras. Je mehr man es rezitiert, desto mehr befreit es unseren Körper von Kohlendioxyd. Sehen Sie hier? Dies führt zu einem veränderten Bewußtseinszustand. Indem das Mantra die Atemmoleküle vibrieren läßt, ge-
ben sie eine erhöhte Infrarotstrahlung ab. Diese wird wohl von unseren Akupunktur-Punkten aufgenommen und wieder in den Körper geleitet, was einen veränderten chemischen Zustand erzeugt, der den Atem beeinflußt, welcher wiederum unser Bewußtsein beeinflußt. Je mehr man chantet, desto mehr erfährt man einen veränderten Zustand.«50 P. Tompkins & C. Bird Wertschätzung des Wortes Im Zeitalter des Rundfunks und der Tageszeitungen, in dem das gesprochene und geschriebene Wort millionenfach vervielfältigt und wahllos in die Welt geschleudert wird, hat die Wertung des Wortes einen solchen Tiefstand erreicht, daß es schwer ist, dem heutigen Menschen auch nur einen entfernten Begriff von der ehrfürchtigen Haltung zu geben, die der Mensch vergeistigterer Zeitalter oder religiöserer Kulturen dem Wort als Träger geheiligter Tradition und Verkörperung des Geistes entgegenbrachte. Die letzten Überreste solcher Kulturen klingen noch in den Ländern des Ostens nach. Aber nur einem Lande ist es gelungen, mantrische Tradition bis auf den heutigen Tag lebendig zu erhalten, und dieses Land ist Tibet. Hier ist nicht nur das »Wort«, sondern jeder Buchstabe des Alphabetes, jeder Laut, ein heiliges Symbol. Auch wenn es profanen Zwecken dient, wird sein Ursprung und Wert nie vergessen oder völlig außer Acht gelassen.51 Lama A. Govinda
Insektenforscher. Er entdeckte, daß Insekten mithilfe winziger Antennen im infraroten Frequenzbereich kommunizieren. Durch seine Forschungen wurde er zum Experten in der Beobachtung und im Sichtbarmachen von Mikrostrahlungen. (Anm.d.Übers.)
50. Peter Tompkins & Christopher Bird, Secrets ofthe Soil. New Age Solutions for Restoring Our Planet. Harper & Row, New York 1990, S. 275-6 51. Grundlagen tibetischer Mystik. O.W. Barth Verlag 1972, S. 6
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Heilende Worte
Der uranfängliche Logos
Die größte magische Kraft ist die Sprache, das Wort, der Ton. Worte können verzaubern, trösten, erschrecken oder zerstören. Ein gutgemeinter Rat eines Freundes kann uns ein Leben lang führen und vor Fehlern bewahren. Jeder von uns hat durch das gesprochene Wort die Macht, seine Mitmenschen zu beruhigen oder aufzuregen, ihn in gute Laune zu versetzen oder in Wut zu bringen, je nachdem, welche Worte er benutzt. Um wieviel größer muß dann erst die Kraft göttlicher Worte sein! Der Wunsch des Menschen, Gott zu finden un
Das Jesus-Mantra
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Johannes 1,1; 14 Der Name in der Tradition der Indianer Jede Handlung [des Indianers] wird mit einem stummen Gedächtnis des Großen Geheimnisses eingeleitet, es gibt nichts, das nicht in Seinem Namen begonnen wird. Ob es das Essen, das Schlafen, die Jagd, das Bereiten der Speisen, Feldarbeit oder das Fertigen von Gegenständen oder das Führen von Verhandlungen sei, immer flüstert der Indianer zu Beginn der Handlung: »Geist nimm Teil!« und immer hat er das Erleben seiner helfenden und schützenden Gegenwart.52
Der Mönch muß, ob er nun esse oder trinke, ob er sitze oder aufwarte, ob er unterwegs sei oder irgend etwas tue, ohne Unterbruch sagen: »Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner!« Ohne Unterlaß sollst Du daher dem Namen Jesu anhaften.
Wladimir Lindenberg
Der Heilige Chrysostomos 52. Die Menschheit betet. Ernst Reinhardt Verlag 1956, S. 132
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Die Kraft des Glaubens
Die Praxis von Nada Yoga im Bhakti Yoga
Einst saß ein Brahmane am Ufer des Ganges und hielt eine heilige Feuerzeremonie ab. Da näherte sich ihm eine arme Bettlerin. Der Brahmane, der sich über die Störung ärgerte, rief ungehalten: »Komm mir nicht zu nahe, du verunreinigst sonst mein Feueropfer!« »Ach bitte, Herr«, sprach die arme Frau, »helft mir, ich sehe, Ihr seid ein heiliger Mann, gebt mir ein Mantra, damit ich den Ganges überqueren kann. Mein Sohn liegt schwer krank auf der anderen Seite des Flusses und nirgends ist ein Fährmann, der mich hinüberbringen kann.« Der Brahmane dachte nur daran, die lästige Störung möglichst schnell wieder loszuwerden, und murmelte: »Wiederhole einfach Roma, Rama« (Name eines Hindu-Gottes). Die Frau bedankte sich und eilte zum Fluß. Voller Vertrauen wiederholte sie ununterbrochen »Rama, Rama« und schritt unbehelligt über das Wasser. Als sie ihren kranken Sohn versorgt hatte, kehrte sie auf dieselbe Weise zurück. Der Brahmane saß noch immer am gleichen Platz und hatte gerade sein Feueropfer beendet. Die Frau fiel voller Dankbarkeit zu seinen Füßen nieder. Das erstaunte ihn sehr. »Ihr seid ein großer Meister«, sprach sie, »ich habe befolgt, was Ihr mir geraten habt, und habe den Ganges zu Fuß überquert, habt Dank für Eure Güte.« Da schämte sich der Brahmane und zelebrierte daraufhin noch viele Feueropfer, um für seine Ungeduld Buße zu leisten.
Wenn ein Bhakti Yogi auf der ersten Stufe ein Mantra benutzt, tut er sein Bestes, um das Bewußtsein bei dem Klang zu halten, der vom Mantra hervorgebracht wird. Das Mantra wird laut gesprochen. Wenn er sich mit dieser Praxis »aufgewärmt« hat oder wenn er eine tiefere und klarere Bewußtheit vom Klang des Mantras entwickelt hat, hört er auf, hörbare Klangvibrationen hervorzubringen. Er intensiviert dann sein Erlebnis vom Mantra, indem er es flüstert, oder besser gesagt, er formt das Mantra mit seinen Lippen, aber ohne einen hörbaren Klang hervorzubringen. Er strebt danach, mit dem geflüsterten Mantra eins zu werden. Wenn dies gelungen ist, bewegt er nicht länger den Mund und beginnt, das Mantra mental zu erleben. Jetzt singt er das Mantra im Geist. Es ist so, als ob er nicht selbst das Mantra hervorbringt, sondern die mentalen und feinen Klänge hört, welche, selbst wenn sie unhörbar für die äußeren Ohren sind, in einem fein eingestellten Bewußtsein erfahren werden. Der Bhakti Yogi erlebt das Mantra, als ob er es wirklich sänge, so daß alle es hören können. Es geschieht aber in seinem Geist. Wenn das Mantra zu wirken beginnt, bringt es die Aufmerksamkeit dazu, alles Äußere loszulassen und nach innen zu den tieferen Bewußtseinsschichten zu gehen. Das Mantra verändert sich so zu Nada, einem ständigen Klang, der von selbst entsteht und auf der Bewußtseinsstufe, auf welcher der Schüler sich befindet, hörbar erscheint. Für andere jedoch wird es nicht spür- oder hörbar sein. Dies ist Mantra Nada Yoga für Bhakti Yogis. [Quelle: Siehe S. 140]
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John Biofeld: Die Macht des heiligen Lautes. Die geheime Tradition des Mantra. O.W. Barth Verlag53
Literaturhinweise Eknath Easwaran: Mantram - Hilfe durch die Kraft des Wortes. Mit einer Einflihrung von Richard B. Applegate. H. Bauer Verlag, Freiburg Der indische Autor dieses Buches lebt seit einigen Jahrzehnten in den USA, wo er sich einen Namen als Lehrer geistiger Disziplinen und der Meditation gemacht hat. Während die Einführung von R. Applegate das Thema eher vom Standpunkt der Kultur- und Religionswissenschaft erläutert, geht Easwaran ganz auf die praktische Seite ein und beschreibt anhand konkreter Beispiele, wie das Mantra im täglichen Leben angewendet werden kann. So rät er etwa, kurze Wartezeiten und Verzögerungen im Alltag für seine Wiederholung zu nutzen. Schon am Morgen, während man darauf wartet, daß der Kaffee durch den Filter läuft, könne man mit dem Mantram beginnen, statt nur auf die Wand zu blicken. Auch auf dem Postamt oder an der Kasse im Supermarkt helfe das Mantram, die Wartezeit kürzer erscheinen lassen. Easwaran empfiehlt das heilige Wort als stabilisierende Stütze in den Wechselfällen des Lebens und belegt die heilsame Wirkung durch vielerlei Erfahrungen. Die spirituelle Dimension wird ebenfalls erschlossen: Durch die Wiederholung des Mantrams »rufen wir immer den Herrn an, welches Bild wir uns auch von ihm machen. Das Mantram ist in der Tat eines der besten Gebete.«
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Als Biofeld (siehe unter »Autoren«) einmal in Hongkong erkrankte, lernte er einen chinesischen Arzt kennen, der ihn in die Mantra-Wissenschaft einweihte und zu Treffen von Adepten mitnahm. Im Laufe der Zeit drang er immer tiefer in das meist geheime Wissen der Wort-Esoterik vor und wurde selbst zu einem Experten. Sein Bericht liest sich in den ersten Kapiteln mehr wie ein fesselnd geschriebener Reisebericht. Schrittweise beschäftigt er sich dann aber immer intensiver mit dem eigentlichen Thema, und wir erfahren viel Interessantes über die Mantras des chinesisch-tibetischen Kulturkreises, die zum Teil in vollem Wortlaut niedergeschrieben sind. Biofeld berichtet nicht nur, sondern erforscht auch eigenständig das Mysterium der Wbrf-Kraft. So beschäftigt er sich mit der Frage, was den Mantras ihre Kraft verleiht und ob es etwas mit dem Klang an sich zu tun hat. Er gibt zu bedenken, daß die Mantras im Buddhismus teils eine seltsame Mischung aus Sanskrit-Japanisch-Chinesisch seien, d.h. die ursprünglichen reinen Sanskrit-Klänge unterlagen einem vielfachen Wandel, und doch gibt es zahlreiche Zeugnisse dafür, daß die Wortformeln Wirkung zeigen, auch er selbst erfuhr dies in eigenen Erfahrungen. Dies heißt jedoch nicht, »daß NonsenseKlänge wie ba-ba-ba oder bu-bu-bu sich als wirkungsvoller Ersatz für Mantras erweisen könnten. Andernfalls hätte sich die gegenwärtige umfangreiche Skala von Mantras nicht entwickeln können oder würde jedenfalls nicht heute gelehrt. Meine tibetischen Lehrer klärten mich über diese Sache jedoch 53. Dieser Titel ist z.Zt. nicht im Buchhandel erhältlich, jedoch häufig in größeren Bibliotheken vorhanden.
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Der Autor beschäftigt sich in den ersten Kapiteln des Buches zunächst generell mit der Magie des Wortes, dem Ursprung der Silbe OM, der Vibrations-Theorie und der Bedeutung der Mantrik im Buddhismus und Hinduismus. Govinda lehnt Theorien ab, die geistige Schwingungen mit physikalischen Tonwellen in Verbindung bringen und erklärt, die Wirksamkeit eines Mantras könne nicht von der richtigen Aussprache
und Betonung abhängen. Er verweist insbesondere auf das Mantra Om Mani Padme Hum, das in Tibet anders ausgesprochen wird. Was aber verleiht dem heiligen Wort dann seine Kraft? Dazu erklärt Govinda, diese sei abhängig »von der geistigen Haltung, dem Wissen, der Verantwortlichkeit und der seelischen Reife des Individuums.« Der wahre Ton eines Mantras sei nicht ein physikalischer, sondern ein spiritueller: »Das Ohr kann ihn nicht hören, wohl aber das Herz. Der Mund kann ihn nicht hervorbringen, wohl aber der Geist. Mantras haben Kraft und Bedeutung nur für den Eingeweihten, d.h. nur für den, der durch die besonderen Erfahrungen und Erlebnisse hindurchgegangen ist, aus dem das mantrische Wort oder die mantrische Formel entstanden und mit dem sie unlösbar in ihrem innersten Wesen verknüpft sind.« Gemäß Govinda, der hier naturgemäß buddhistische Positionen vertritt, wirken Mantras nicht kraft ihrer eigenen Natur, sondern durch das Medium des sie erlebenden Geistes. Den Worten an sich, so führt er aus, wohnt keine Macht inne, sondern sie sind nur Mittel, um bereits vorhandene Kräfte zu konzentrieren, »so wie ein Brennglas, das selbst keine Hitze enthält, aber bei richtiger Anwendung die an sich harmlosen Sonnenstrahlen zur flammenentfachenden Glut zusammenfassen kann.« Ferner würde ein wahrer Buddhist auch nicht erwarten, daß der Buddha oder seine Jünger oder der Dharma Gebete erhören. Wer also auf die Wirksamkeit mantrischer Formeln vertraut, tut dies in dem Glauben, daß durch harmonisches Zusammenwirken von Klang, Rhythmus, religiösem Gefühl und geistigen Assoziationen latente seelische Kräfte erweckt und freigesetzt werden. Mantras seien dem Buddhisten ein Mittel, das eigene Anstrengung erfordert wie jeder andere Weg zur
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nicht auf.« Dennoch kann in einzelnen Fällen die Macht des Glaubens die Wirkkraft des Mantras an sich überstrahlen. Blofeld berichtet dazu die Geschichte (oder Legende) von einem Tibeter, der mit unzureichenden Sprachkenntnissen einen indischen Guru aufsuchte, der sehr bekannt und fähig war und in den er großen Glauben setzte. Nur kam der Sucher irgendwie zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt, und so schickte ihn der Guru fort, indem er auf Sanskrit »Hau ab!« sagte und eine abweisende Geste machte. Der Tibeter hielt die Worte für ein machtvolles Mantra und die Geste für eine spezielle Mudra, eine signifikante Handgeste, die das Rezitieren des Mantras begleitet. So kehrte er glücklich in seine Einsiedelei zurück, praktizierte eifrig Mantra und Mudra und erlangte alsbald einen hohen Grad der Erleuchtung. Als er später den Guru wieder aufsuchte, klärte sich das Mißverständis auf, doch der Guru lobte den Tibeter sehr, weil er einen so starken Glauben besaß.
Lama Anagarika Govinda: Grundlagen Tibetischer Mystik. Nach den esoterischen Lehren des Großen Mantra OM MANI PADMEHUM. O.W. Barth Verlag, München
Befreiung auch, und sie können nur von Nutzen sein, wenn dies erkannt wird. Govinda erläutert sehr detailliert wichtige Keimsilben und zeigt deren Beziehung zu den Chakras im menschlichen System auf. Dazu wird anhand von Illustrationen viel Information geboten, d.h. die psychischen Zentren werden mit den jeweils zugeordneten Silben und weiteren Charakteristika abgebildet. Zunächst sehen wir das hinduistische System mit sieben Zentren, wobei die zugehörigen Silben in DevanagariSchrift wiedergegeben werden. Im buddhistischen System sind das Scheitel- und Stirn-Zentrum sowie das Unterleibs- und Wurzelzentrum zusammengefaßt. Wir finden hier also fünf Zentren auf drei Ebenen: die obere Ebene mit Hirn- und Kehlzentrum, die mittlere mit dem Herz-Zentrum und die untere mit Solarplexus und regenerativen Organen. Es erfolgen wiederum mantrische Zuordnungen, die aber z.T. von den hinduistischen abweichen. Govinda erklärt die Unterschiede, indem er ein Bild gebraucht: So wie verschiedene Reisende dieselben Landschaften, die sie gesehen haben, verschieden beschreiben, ohne deswegen einander zu widersprechen, erfüllen die buddhistischen und hinduistischen Tantriker dieselben Landschaften des menschlichen Geistes mit verschiedenartig Erlebtem. Nach Govinda betont das hinduistische System mehr die »naturhaft-statische Seite der Zentren«, wobei es Keimsilben und Gottheiten fest zuordnet, während das buddhistische System sich »mehr mit dem beschäftigt, was sie durchströmt, mit ihren dynamischen Funktionen.« »Die mantrischen Symbole der durch das Alphabet dargestellten Urlaute werden daher nicht ein für alle Mal mit bestimmten Zentren identifiziert und festgelegt, sondern dem lebendigen Strom der Kräfte eingefügt.« 118
Diese Zitate bilden nur einen kleinen Auszug aus dem Material, das Govinda in seinem Buch präsentiert, wobei er aufgrund eigener Erfahrungen in das Wesen der Dinge vordringen kann und sich nicht auf bloße Schriftgelehrsamkeit gründen muß, die, wie er darlegt, oft zu völlig fehlgeleiteten Auffassungen gelangt und »Torheit« dort vermutet und anprangert, wo tatsächlich tiefes mystisches Wissen verborgen liegt.
Arthur Avalon: Die Girlande der Buchstaben. Varnamälä Studien über das Mantra Shastra. O.W. Barth Verlag Wer die Thematik »Tantra und Mantra« bis ins Detail erforschen will, findet reichlich Stoff in diesem Titel von Sir John Woodroffe (siehe auch unter »Autoren«). Allerdings ist die Lektüre nicht leicht. Manche Sätze bestehen fast zur Hälfte aus Sanskrit-Begriffen, wie etwa in der folgenden Probe: »Ishvara und Mäyä entsprechend haben wir Präjna und Avidya. Pratyaya von Präjna ist das Vyasti-Gegenstück im Susupti des Anandamaya-Bewußtseins, das Ishvara von seinem eigenen Kausalkörper besitzt.« Viele Begriffe werden bei der ersten Erwähnung im Text erklärt, ansonsten verweist der Autor die Leser auf andere Titel wie Shakti und Shakta und Die Schlangenkraft,5* in denen grundlegende Begriffe der indischen Philosophie und Religion vorgestellt werden. Man könnte daher sagen, daß gewisse Vorkenntnisse für das Verständnis dieses Werkes erforderlich sind, oder es empfiehlt sich, eines der Sanskrit-Wörterbücher 54. Diese Titel liegen ebenfalls in einer dt. Ausg. des O.W. Barth Verlags vor.
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zur Hilfe zu nehmen.55 Der Inhalt von Woodroffes Werk ist sehr umfassend und kann hier nur in Grundzügen angedeutet werden. Die ersten Kapitel behandeln alle Aspekte des Wortes mit seiner kompletten spirituellen Philosophie. Die Kapitel X-XXI erörtern Themen des Tantra-Shastra unter Berücksichtigung der Mimansa-Lehre vom Wort. Schließlich werden sehr ausführlich OM und das Gayatri Mantra erläutert, ferner Begriffe wie Nada, Bindu, Bija Mantra ebenso wie die Mantra-Sadhana (Praxis) und vieles andere. Im folgenden Zitat kommt sehr gut zum Ausdruck, wie das Mantra im Tantra im Prinzip wirkt: »Wenn also ein Gegenstand die Sinne berührt und die Funktion des Denkorgans, die Manas genannt wird, hierbei beteiligt ist, dann entsteht im Denkorgan eine Veränderung seiner Substanz, die ein genaues Gegenbild des äußeren Gegenstandes ist. Nebenbei möchte ich bemerken, daß dies ein grundlegendes Prinzip ist, auf dem alle Tantrik-Sädhana mit Hilfe von Upäsanä [Anbetung] beruht. Durch Verehrung und Meditation oder Japa der Mantras wird das Denkorgan tatsächlich in die Form des verehrten Gegenstandes eingebildet und für diese Zeit gereinigt durch die Reinheit des Gegenstandes (die istadevatä) [persönliche Gottheit], die ihr Inhalt ist. Durch unaufhörliche Übung wird das Denkorgan von dem Gegenstand so erfüllt, daß alles andere ausgeschlossen bleibt.« Die Bedeutung des Titels des Buches erklärt der Autor in seiner Einleitung: »Alle Töne, deshalb auch Bewegungen, bilden die »Girlande der Buchstabens die die Göttliche Mutter trägt. Aus ihren 55. Siehe »Nachschlagewerke« in Erlebnis: Sanskrit-Sprache und »Informationen« im vorliegenden Buch.
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Aspekten als Om oder allumfassender Laut (sämänyaspanda) der ersten schöpferischen Bewegung entstehen alle besonderen Töne und Dinge. Denn alle Dinge können als Ton wiedergegeben werden. Das Weltall ist Bewegung, die Buchstaben sind die Töne bestimmter Bewegungen. Diese sind hörbar wie die groben Buchstaben, die Kali, die Quelle der Bewegung, als Girlande um ihren Hals trägt.«
Die Wiederholung des Namen Gottes - Ein Weg für alle. Zitate von Sathya Sai Baba, zusammengestellt von Dr. Brahmanand Maninkurve. Sathya Sai Vereinigung, Bonn Das Büchlein enthält eine Zusammenstellung von interessanten und vielfältigen Zitaten, die ihrem Inhalt entsprechend in vier Abschnitten wiedergegeben werden. Sathya Sai Baba betont die große Bedeutung der Mantra-Wiederholung in diesem Zeitalter und vertritt den Standpunkt, daß im Prinzip alle Namen Gottes die gleiche Kraft besitzen. Jeder solle sich denjenigen wählen, der ihn am meisten anspricht und den er mit der größten Hingabe und Liebe äußern kann. Erläutert wird u.a. auch das gemeinsame Chanten in Gruppen, das nicht nur den Anwesenden helfe, sondern auch generell für die Menschen eine gute Schwingungsatmosphäre erzeuge. Verschiedene Formen des Lobpreises werden im Detail vorgestellt. Ein bloßes mechanisches Chanten, führt Sathya Sai Baba aus, ist nicht zweckdienlich. Das Mantra solle mit reinem Herzen, mit Hingabe und Konzentration geäußert werden und könne nur so die rechten Früchte bringen. Ein sehr ausführliches Glossar begleitet diese bemerkenswerte Zusammenstellung. 121
Pandit Rajmani Tigunait: The Power of Mantra & the Mystery of Initiation. Yoga International Books56 Dieses Buch, das z.Zt. nur in englischer Sprache vorliegt, ist in relativ leicht lesbarem Stil geschrieben und bietet vom Inhalt viel Interessantes. Linda Johnsen schrieb in ihrer Rezension für die Zeitschrift Yoga International: »... Außergewöhnlich wird [das Buch] dadurch, daß der Autor nicht von einer akademischen oder New Age-Perspektive schreibt, sondern aus dem Herzen der yogischen Tradition.« Der Autor selbst erfuhr eine traditionelle indische YogaSchulung und kann so auf persönliche Erfahrung und eigenes Wissen zurückgreifen. Er ist seit zwei Jahrzehnten in den USA als Yoga-Experte tätig und versteht es, die Thematik in einer für uns zugänglichen Weise zu präsentieren. In den einzelnen Kapiteln wird erörtert, wie man einen Lehrer findet und welche Bedeutung die Initiation hat; ferner finden wir Ausführungen über verschiedene Arten und Klassen von Mantras und deren Kräfte, über Mantra und Yantra, Shaktipata und vieles andere. Im Anhang werden einige einfache Körperübungen vorgestellt (mit Illustrationen), die den Sucher für die Aufnahme der Mantra-Kraft vorbereiten sollen. In Verbindung mit den Illustrationen zu den Yantras ist auch eine Tabelle abgedruckt, die eine Liste der Silbenzeichen des Sanskrit-Alphabets und deren Beziehung zu bestimmten Körperregionen enthält. Besonders wertvoll wird das Buch durch die vielen Erfahrungen, die darin wiedergegeben werden. So führt Pandit Tigunait aus, wie Aspiranten Schiffbruch erleiden können, wenn sie Mantras nicht gemäß den Instruktionen ihres Lehrers hand-
haben oder ungeduldig und ohne rechte Vorbereitung eine Initiation im Shaktipata anstreben. Der Autor führt aus, daß es »universelle Mantras« gibt (wie so'ham), aber auch spezielle mit besonderer Kraft, die von einem kundigen Meister empfangen werden, dessen Anweisungen dann exakt zu befolgen sind, weil sonst das System des Schülers überfordert wird. Aufschlußreich ist eine kleine Episode, die Pandit Tigunait in Verbindung mit den »Apta Mantras« berichtet, welche speziell die Kraft eines individuellen Yogis tragen: »Sie mögen aussehen und klingen wie gewöhnliche Wörter und Sätze, sind aber Mantras, weil sie von einem Weisen reinen Herzens und außergewöhnlicher Kraft geäußert wurden.« Sein Guru, Swami Rama, erhielt nun von einem Heiligen ein »Bienen-Mantra«, mit dessen Hilfe er sich Bienenstöcken auf Bäumen unmittelbar nähern konnte, ohne je gestochen zu werden. Im Laufe der Zeit entnahm er zahlreichen Stöcken ungefährdet Honig, was andere Leute beeindruckte. Eines Tages bat ihn ein Goldschmied, ihm das Mantra mitzuteilen, damit er dasselbe vollbringen könnte. Swami Rama vergaß, was der Heilige ihm gesagt hatte, daß das Mantra nur für ihn selbst wirksam sei und daß er es niemals an eine andere Person weitergeben solle. Als der Goldschmied sich daraufhin den Bienen näherte, wurde er von ihnen so schwer gestochen, daß er ins Krankenhaus gebracht werden mußte, wo er drei Tage im Koma lag. Schließlich erschien der Heilige, entzog dem Swami verstimmt die Mantra-Kraft und sorgte dafür, daß der Goldschmied wieder gesund wurde. Auf 250 Seiten bietet diese Studie eine Fülle von Erfahrung und Wissen, das insbesondere für Leser von Interesse sein dürfte, die Yoga gemäß der indischen Tradition praktizieren.
56. Bezugsadresse siehe »Autoren und Quellenangaben«
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Swami Sivananda Radha: Mantras - Words of Power. Timeless Books57 Eines der vielen Fotos in diesem Buch zeigt, wie Swami Sivananda (Rishikesh) seiner Schülerin, der Autorin, am Tag ihrer Mantra-Einweihung ihre Mala überreicht - im Jahre 1956. Jahrzehnte der Mantra-Praxis folgten, und so findet der Leser auch hier ein Buch vor, das nicht nur Wissen vermittelt, sondern aus tiefster eigener Erfahrung berichtet. Im Vorwort heißt es: »... Dieses Buch soll nicht eine gelehrte Abhandlung über das Thema sein. Vielmehr ist es ein praktischer Führer, um den Menschen bei ihrer Entwicklung im spirituellen Leben durch die Mantra-Praxis zu helfen.« Die Autorin führt aus, daß im gegenwärtigen Kali Yuga - jenem Zeitalter, in dem dunkle Kräfte überwiegen -, Mantra Yoga als besonders wirksam gilt, und sie zitiert einen Spruch: »Im Kali Yuga ist der heilige Name das Boot, um den Ozean der Maya (Illusion) zu überqueren.« Wertvoll ist die Aufzählung von sechs Aspekten jedes Mantras: der Rishi oder Seher; ein Raga oder eine Melodie; die Devata oder vorstehende Gottheit; bija oder Keimton; die Shakti oder Kraft; und ein kilaka oder eine Säule. Diese verschiedenen Aspekte werden ausführlich erläutert. Die Erklärung des kilaka sei hier wiedergegeben, da der Begriff weniger bekannt sein dürfte: Es handelt sich um die treibende Kraft, das Willensvermögen und die Beharrlichkeit, die der Schüler braucht, um beim Mantra zu bleiben. Wenn sich, quasi wie ein Schwungrad, eine Eigendynamik entwickelt, »wird dies zu einem sehr feinen Faden, der den Schüler mit dem Mantra ver-
bindet, mit der Kraft des Mantras, mit dem Guru und der Gottheit, bis alle eins werden.« Swami Sivananda Radha hebt an verschiedenen Stellen hervor, daß es unbedingt notwendig sei, das Mantra mit der korrekten Intonierung zu chanten, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Die Melodie des Mantras dürfe nie verändert werden, denn sie basiere auf der Wahrnehmung von Rishis, die die ätherischen Schwingungen so übersetzten, um im Menschen eine optimale Wirkung zu erreichen. Wie in kaum einem anderen Werk werden detaillierte Anweisungen für die Praxis gegeben, wobei alle erdenklichen Fragen beantwortet werden: Wann sollte man am besten chanten (früh morgens), wann nicht (direkt nach dem Essen), wie sollte man sich innerlich und äußerlich vorbereiten, sich richtig setzen und richtig atmen. Es ist zu begrüßen, daß auch immer der jeweilige Zweck einer bestimmten Regel erklärt wird. Ferner wird der Leser realistisch informiert, welche Schwierigkeiten sich bei der Praxis einstellen können, indem man beispielsweise nach einiger Zeit Interesse verliert und die ganze Sache aufgeben möchte. Auch wird davor gewarnt, allzu schnell greifbare Resultate zu erwarten, denn »Mantra ist keine Zauberpille; vielmehr ist es wie ein stetiger Wasserstrom, der allmählich den härtesten Stein auswäscht.« Verbesserte Konzentrationsfähigkeit sowie Kontrolle des Atems und der Gefühle werden als Resultate der ersten Etappen der Mantra-Praxis genannt, aber am wichtigsten sei das spirituelle Ziel der Verwirklichung des Selbstes. Im Kapitel »Individuelle Mantras« werden viele Mantras mit Noten wiedergegeben, z.B. Om Krishna, Radhe Govinda und Hari Om. So kann sich jeder Musik-Kundige Zugang zu der exakten Melodie verschaffen. Ein »Mantra zur Anrufung des
57. Bestelladresse: 7 Roper Rd., Canterbury, Kent CT2 7EH, England
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Göttlichen Lichtes« wird in englischer Sprache präsentiert. Themen wie »Mantra und Einweihung« und »Erfahrungen mit dem Mantra« werden im zweiten Teil des Buches erörtert. Nur wer selbst intensiv praktiziert und die Kraft des Mantras empfangen hat, könne andere einweihen. Durch die Einweihung werde zwischen dem Guru und dem Schüler eine lebenslange Verbindung hergestellt. Zuvor sollten ggf. größere Schwächen in der Natur des Schülers überwunden werden, damit der Boden für eine fruchtbare Praxis bereitet ist. In dem Kapitel über »Erfahrungen« berichten die Autorin sowie einige Schülerinnen und Schüler, wie das Mantra spirituell, schützend und bereichernd im täglichen Leben wirken kann. So bietet auch dieses Buch eine sehr empfehlenswerte Lektüre für Leser, die einen traditionellen indischen Yoga-Weg wählen.
Madhu Khanna: Das große Yantra-Buch - Das Tantra-Symbol der kosmischen Einheit. Aurum Verlag58 Yantras sind die visuelle Entsprechung von Mantras. Als mystisches Diagramm, als Symbol des Göttlichen oder okkulter Kräfte und Aspekte finden sie insbesondere im Tantra Anwendung. Madhu Khannas Buch bietet eine sehr umfassende Einführung mit 95 teils farbigen Kunstdrucken und 86 Zeichnungen. Erörtert werden Themen wie »Archetypischer Raum und heiliger Klang«, Ritual, Meditation und Ästhetik des Yantra, 58. Diese deutsche Ausgabe ist z.Zt. nicht mehr im Handel lieferbar. Erhältlich ist jedoch die engl. Originalausgabe: Yantra - The Tantric Symbol of Cosmic Unity. Thames and Hudson, London
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ferner auch »Yantras in der Baukunst«. In einer Erläuterung über den Begriff als solchen wird ausgeführt, daß er sich von der Sanskrit-Wurzel yam ableitet, welche bedeutet, »die einem besonderen Element, Gegenstand oder Begriff innewohnende Energie zu tragen, zu halten oder zu unterstützen.« Im Prinzip kann sich das Wort auf jede Art mechanischer Vorrichtung beziehen, etwa auf eine Maschine oder ein Instrument in Architektur, Astronomie, Sport etc. In seiner Ausweitung auf religiöse Bezüge hat es eine besondere Bedeutung erlangt: »Mystische Yantras sind Hilfsmittel und die hauptsächlichen Werkzeuge für die meditative Disziplin.« Dabei handelt es sich im wesentlichen um abstrakte, geometrische Konstruktionsmuster, obwohl es auch bildliche Darstellungen gibt. Die Verbindung von Mantra und Yantra wird wie folgt dargelegt: »Mantras, die auf den Yantras eingezeichneten Sanskrit-Silben, sind im wesentlichen >Gedankenformen< zur Darstellung göttlicher Wesen oder kosmischer Kräfte, die ihren Einfluß durch Klangschwingungen geltend machen. In den Tantras wird erklärt, daß die gesamte Welt symbolisch in mantrischen Entsprechungen dargestellt wird... Yantra und Mantra treten immer in Verbindung miteinander auf. Der Klang wird beim Yantra ebenso wichtig wie die Form, wenn nicht sogar als wichtiger angesehen, weil Form ihrem innersten Wesen nach zu Materie verdichteter Klang ist.« Bei einer Betrachtung der Abbildungen finden wir vielfältige Darstellungen auf Papier, Kupferplatte oder Tafel. Am bekanntesten ist das Sri Yantra, das aus neun einander überlagernden Dreiecken besteht, welche um einen Punkt (Bindu) konzentriert sind. Während die Dreiecke Shiva bzw. Shakti symbolisieren, ist der Bindu der Kern der verdichteten Energie, der Keim des Urklanges. Eines der Farbfotos in dem Buch 127
zeigt ein Sri Yantra, das bei einem Experiment zur Umsetzung von Klang in Bild in einem elektronischen Schwingungsfeld erzeugt wurde. Eindrucksvoll sind auch die Darstellungen zum Thema »Yantras in der Baukunst«, mit Abbildungen von vielen Yantra-ähnlichen Grundrissen von Tempeln oder sakralen Räumen. Im letzten Kapitel werden schließlich noch okkulte Yantras behandelt, »die mit magischen Formeln, Weissagungen und Riten zu tun haben, welche die Götter günstig stimmen sollen.« Insgesamt stellt Madhu Khannas Buch eine bemerkenswerte Studie dar, deren Lektüre schon allein visuell sehr bereichernd ist. Bindu - Zeitschrift über Yoga, Tantra, Meditation (Nr. 8, 1997). Skandinavische Yoga und Meditationsschule. Egestorffstr. 3, 30449 Hannover Die oben genannte Ausgabe der Zeitschrift widmet sich dem Thema »Nada Yoga - Meditation über die inneren Klänge« mit vielfältigen und sehr aufschlußreichen Beiträgen. So wird über die Forschungen von Dr. Hans Jenny berichtet, der 1970 das Tonoskop erfand, mit dem sich Klang in Form umsetzen läßt. Daraus entstand der Forschungsbereich der »Kymatik« (Wellenlehre), die sich mit Form und Bewegung in Mikro- und Makrokosmos beschäftigt. Der Hauptteil des Heftes erläutert Nada Yoga in allen theoretischen und praktischen Aspekten, mit Verhaltensregeln, Übungen, etc. Wer sich für diese dem Mantra eng verwandte Thematik interessiert, findet in der vorliegenden Schrift eine wichtige Zusammenstellung. 128
Informationen Eine Reihe von Mantra-CDs und MCs wurden bereits in dem Buch »Erlebnis: Sanskrit-Sprache« vorgestellt. Diese Informationen werden hier zumeist nur in gekürzter Form wiederholt. Der Text enthält auch einige zusätzliche Nachrichten zum Thema »Sanskrit«. American Sanskrit Institute Vyaas Houston, Direktor des Instituts, bietet eine Reihe von Mantra-Kassetten an, z.B. Bhagavad Gita, Mahamrtyunjaya Mantra und Gayatri Mantra. Anschrift: 73 Four Corners Road, Warwick, N.Y. 10990, USA Aquarius Im Bereich »Vokal« des Katalogs von Aquarius ist eine Sonderseite Mantren gewidmet, darunter ein halbes Dutzend Titel mit Sanskrit-Mantren. Anschrift: Carl-Benz-Str. 10, 82205 Gilching (Katalog gegen DM 3.- Schutzgebühr) H. Bauer Verlag Henry Marshall und die Playshop Family präsentieren auf Sanskrit Mantras - Magische Gesänge der Kraft. Der Titel ist auf zwei MCs oder zwei CDs lieferbar, mit einer Spieldauer 129
von ca. 95 Minuten. Eine ausführliche Begleitbroschüre ist beigefügt. Im Katalogtext des Verlags heißt es: »Jedes Mantra dient einem spezifischen praktischen Zweck; alle sollen Sie dazu inspirieren, Ihr Herz zu öffnen, um die wohltuende Wirkung der Gesänge am eigenen Leibe zu erfahren.« Anschrift: Kronenstr. 2, 79100 Freiburg Gudula Blau Freude am Singen und Chanten vermittelt die (ehemalige) Schauspielerin, Sängerin, Liedermacherin und Buchautorin Gudula Blau mit ihren MCs und CDs. Sie hat über viele Jahre hinweg zahlreiche Lieder und Mantras aus allen Weltreligionen gesammelt und führt für interessierte Gruppen regelmäßig Mantra-Workshops durch. Speziell erwähnenswert von den vier z.Zt. lieferbaren Titeln ist Die Brücke zum Licht, mit Mantras und Liedern aus sechs Weltreligionen. Gesungen werden traditionelle indische Mantras wie Om Namah Shivaya, oder Rarna Rama Hare Roma Rama, das mit einer überaus lieblichen Melodie vorgetragen wird. Hinzu kommen irische, hebräische und islamische Klänge ebenso wie ein christliches Kyrie eleison oder ein buddhistisches Om mani padme hum. Eine Engelsanrufung und andere Lieder sind weitere Elemente dieses tief berührenden Hörerlebnisses, das zum Mitsingen einlädt - alle Texte sind beigefügt. Weitere Titel: Du meine Seele singe; Tune in God Meditationen; Frieden - Das Singen der heiligen Namen. Zu beziehen bei: Annapurna Verlag - Gudula Blau, Maximilianstr. 34, 80539 München. 130
BMGAriola Eine CD Antakarana - Tibetan Mantras & Divine Mixes hat Monica Meggendorfer herausgegeben. Die Mantras und Gebete werden von ihr selbst gesungen, begleitet von bekannten Instrumentalisten. »Das Ergebnis ist eine Musik zum Entspannen und Genießen, eine Musik, die eine Verbindung zwischen den Welten schaffen kann.« (H. Flock in der Zeitschrift Forum 22/'96.) BMG Ariola 74321-35598-2 Lichthaus Musik »Ein multikultureller Wurf für die Seelen-Menschen der neuen Zeit«: So beschreibt Christian Rollmann seine CD ArunaThousand Names of the Divine Mother. Die tausend Namen singt die Inderin Aruna Sayeeram in einer rhythmischen Sanskrit-Rezitation. Die CD enthält auch Ragas sowie Lieder in Hindi und Tamil. Anschrift: Im Felixgarten 122, 51588 Nümbrecht-Prombach Lilananda Ein umfassendes Sortiment von devotionalen Liedern in Sanskrit, Hindi und Malayalam führt die esoterische Fachbuchhandlung Lilananda, darunter auch der Titel Sri Laiita Sahasranamam - Tausend Namen der göttlichen Mutter. Anschrift: Huyssenallee 83, 45128 Essen.
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Mangalam Verlag Ein Sanskrit-Fernkurs mit MCs, bestehend aus 3 Teilen, ist beim Mangalam-Verlag erhältlich: »Hier ist die Möglichkeit gegeben, daß jeder, unabhängig von schulischer Vorbildung, Sanskrit lernen und dabei Geschwindigkeit und Art seines Lernfortschritts selbst bestimmen kann. Der Text, der allen Bändern zugrunde liegt, ist die Bhagavad-Gita. Sämtliche Erklärungen werden immer von Rezitationen der besprochenen Stellen begleitet, so daß der Lernvorgang auch verstärkt über das Hören ermöglicht wird.« Der Verlag bietet auch eine große Auswahl von Tonträgern: Aufnahmen insbesondere von Anandamayi Ma, Kirtans aus ihrem Ashram, vedische Rezitationen und vieles mehr. Anschrift: Im Kirchgarten 2, 67308 Lautersheim
Sathya Sai Baba Buchzentrum
skription, wobei auf diakritische Zeichen mit Ausnahme der Längen bei Vokalen verzichtet wird. Die einzelnen Wörter folgen in ihrer Reihenfolge strikt dem lateinischen Alphabet, sind also für den Nicht-Sanskrit-Kundigen relativ schnell aufzufinden. Anschrift: Grenzstr. 43, 63128 Dietzenbach Smirti Verlag Eine Bhagavadgita-Kassette hat die Frankfurter Ärztin und Therapeutin Dr. Mohani Heitel herausgegeben. Ausgewählte Verse werden in Sanskrit gechantet und anschließend in deutscher Übersetzung vorgetragen. Ferner im Angebot: Vier CDs/MCs The Mantra calls you Song of Devotion, Memory, Prayer, Peace. Sanskrit-Mantras mit jeweils unterschiedlicher Wirkung werden ca. 1/2 Stunde tief aus dem Herzen gechantet, z.B. Om Namo Bhagavate Vishvarupaya Namaha, Om Shivaya Namaha oder Sri Krishna Govinda Hare Murare, He Nath Narayana Vasudeva. Das letztere Mantra »wirkt harmonisierend auf Körper und Geist und schenkt Freude, Frieden und Gelassenheit.« Anschrift: Mühlgasse 22, 60486 Frankfurt
Ein Spirituelles Wörterbuch Sanskrit-Deutsch (277 S.) hat Martin Mittwede verfaßt. Der Autor präsentiert darin einige Tausend Sanskrit-Begriffe, die z.T. nicht nur übersetzt, sondern umfangreich erläutert werden. Erfaßt werden u.a. die Bereiche Religion, Philosophie, Götternamen, Hauptpersonen der epischen Literatur, Fachbegriffe des Yoga und Vedanta sowie Namen von Texten und Begriffen, die für die Praxis spirituellen Lebens bedeutsam sind. So soll der Leser durch die Lektüre gleichzeitig auch Zugang zu wichtigen Aspekten der geistigen Kultur Indiens erhalten. Das Devanagari-Alphabet wird nebst Aussprache vorgestellt, aber im Text selbst erscheinen alle Begriffe in Tran-
Zum umfassenden Kurs-Programm des Frankfurter Yoga Centers am Zoo und des Hauses Yoga Vidya, Ashram Gut Hoffnungstal, gehören auch Mantra-Chanten sowie gelegentliche Sanskrit-Kurse oder Nada-Yoga Wochen. Ein großes Sortiment von Mantra-MCs ist erhältlich. Dabei handelt es sich insbesondere um die Adoration Series of Yogi Hari, mit
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Yoga Vidya Verlag
Titeln wie Adoration to Rama, Vishnu, Siva, Divine Mother etc. Auch erhältlich: Die Bhagavad Gita von Swami Siyananda mit Devanagari-Schrift, Transkription und deutscher Übersetzung. Anschrift: Hanauer Landstr. 48, 60314 Frankfurt/Main, oder: Ashram Gut Hoffnungstal, 57641 Oberlahr *
Weitere Informationen finden sich in dem Buch »Nada Yantra Mantra - Sphären des Klangs«.
Autoren und Quellenangaben H.C. JOACHIM-ERNST BERENDT war 1945 Mitbegründer des Südwestfunks und wurde als Autor von über 20 Büchern bekannt, darunter Das Jazzbuch, der meistverkaufte Musiktitel. Er produzierte zahlreiche Schallplatten und erhielt Auszeichnungen wie den Bundesfilmpreis und den Kritikerpreis des Deutschen Fernsehens. 1983 veröffentlichte er sein vieldiskutiertes und erfolgreiches Buch Nada Brahma - Die Welt ist Klang. 1996 erschienen seine Lebenserinnerungen in dem Titel Das Leben - ein Klang. Wege zwischen Jazz und Nada Brahma. Der abgedruckte Text wurde zitiert aus: Nada Brahma, (c) Insel Verlag, Frankfurt am Main 1983. S. 36-40. PROF.
war rumänischer Indologe, Schriftsteller und einer der bedeutendsten Religionshistoriker der Gegenwart. Nach einem Studium in Indien war er als Kulturattache tätig, später lehrte er als Professor in Chicago. Gegenstand seiner Forschungen war insbesondere das Heilige in der Natur und der Schamanismus. Seine Romane behandeln in mythisch-symbolischer Weise ähnliche Themen wie die Sachliteratur. Zu den bekannteren Werken zählen der Roman Das Mädchen Maitreyi sowie Der Mythos der ewigen Wiederkehr, Das Heilige und das Profane und Yoga. Der abgedruckte Text wurde zitiert aus: Yoga. Unsterblichkeit und Freiheit, (c) Insel Verlag Frankfurt am Main 1977. S. 221-225. MIRCEA ELIADE
Ph.D., hat zeit seines Lebens Meditation praktiziert und ist ein Gelehrter der alten Schriften. Er ist PANDIT RAJMANI TIGUNAIT,
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Schüler von Sri Swami Rama aus den Himalayas und unternahm auch Studien bei verschiedenen Adepten und Gelehrten in der alten GuruSchüler-Tradition. Es erscheinen regelmäßige Beiträge von ihm in der Zeitschrift Yoga International, und er ist Autor der Bücher Seven Systems of Indian Philosophy, Yoga on War and Peace, The Tradition of the Himalayan Masters, Shakti Sadhana und Inner Quest. Pandit Tigunait hält Vorträge und Seminare in den Vereinigten Staaten und im Ausland. Sein nächstes Buch, From Death to Birth: Understanding Karma, Rebirth and Reincarnation erscheint im April 1997. Der Text wurde zitiert aus: The Power of Mantra & The Mystery of Initiation. Der Abdruck erfolgte mit freundlicher Genehmigung des Verlags: The Himalayan International Institute of Yoga Science and Philosophy of the U.S.A., RR 1 Box 400, Honesdale, PA 18431, U.S.A. email
[email protected]. J. DONALD WALTERS, auch bekannt unter seinem Namen Swami Kriyananda, wurde mit zweiundzwanzig Jahren Mönch und Jünger von Paramahansa Yogananda in den USA. Er bekleidete hohe Ämter in der Self-Realization Fellowship, löste sich jedoch nach vierzehn Jahren von der Organisation und gründete später in vielen Teilen der Welt Ananda-Dorfgemeinschaften als Modell für WeltbruderschaftsKolonien, wie sie Yogananda für den ganzen Erdball prophezeit hat. In deutscher Sprache erschienen u.a. Suche nach dem Sinn - Autobiographie eines westlichen Yogi, Affirmationen zur Selbstentfaltung, Geheimnisse des Lebens und Städte aus Licht. Der abgedruckte Text wurde zitiert aus: 14 Stufen zur vollkommenen Freude. Ein Heimstudienkurs zur Selbstentfaltung. S. 261-66. (c) Swami Kriyananda 1980 c/o Ananda Europa, Casella Postale 48, 1-06088 Santa Maria degli Angeli.
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ist international einer der bekanntesten Exponenten des Buddhismus. In Deutschland geboren, studierte er viele Jahre in Klöstern in Ceylon und Burma und wurde später Dozent an indischen Universitäten. Zahlreiche Forschungsreisen führten ihn nach West- und Zentraltibet. Zu seinen wichtigsten Werken zählen Grundgedanken des Buddhismus, Der Weg der Weißen Wolke, Grundlage der tibetischen Mystik und Schöpferische Meditation und multidimensionales Bewußtsein. Der abgedruckte Text wurde zitiert aus: Schöpferische Meditation und multidimensionales Bewußtsein, (c) Aurum Verlag FreiburgBraunschweig 1977. S. 94-98. LAMA ANAGARIKA GOVINDA
englischer Autor, verbrachte einen Teil seiner vierzig Asien-Jahre in chinesischen und tibetischen Klöstern. Dort erlangte er intensiven persönlichen Kontakt mit vielen buddhistischen und taoistischen Meistern, deren Wissen er in seinen Büchern weitergibt. In deutscher Sprache erschienen u.a. Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt und Der Taoismus. Der abgedruckte Text wurde zitiert aus: Die Macht des heiligen Lautes. Die Geheime Tradition des Mantra. (c) Scherz Verlag 1978. S. 58-67 JOHN BLOFELD,
MADHAV P. PANDIT gehörte zum Kreis der engsten Schüler Sri Aurobindos und der Mutter in deren Ashram in Pondicherry. Er schrieb ca. 100 Bücher über den Integralyoga, über die Veden, Upanischaden, Tantras, Bhagavadgita und andere Themen. Als bekannter Exponent des ganzheitlichen Yogas unternahm er viele Reisen auch in den Westen und hielt zahlreiche Vorträge. In deutscher Sprache erschienen von seinen Werken u.a. Dhyana und Verborgene Aspekte im Leben (Vertrieb: Verlag Heßlinger, Weinheim). Der abgedruckte Text wurde zitiert aus: Verborgene Aspekte im
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Leben (Originalausgabe: Occult Lines Behind Life), S. 74-78; 68-69, mit freundlicher Genehmigung von Dipti Publications, Sri Aurobindo Ashram, Pondicherry 605002, Indien. Alle Rechte vorbehalten. Ph.D., hat nach dem Staatsexamen in Musikpädagogik Indologie studiert und mit einer Arbeit über Sri Aurobindo und die Upanischaden promoviert. Sie ist an Forschungsprojekten in Deutschland und Indien beteiligt. Der abgedruckte Text wurde eigens für das vorliegende Buch geschrieben, (c) 1997 Gunhild Jellinek. GUNHILD JELLINEK,
LINDA SPARROWE ist Managing Editor der US-Zeitschrift Yoga Journal. Der abgedruckte Text erschien ursprünglich in der Zeitschrift Yoga Journal (Januar/Februar 1996). (c) Yoga Journal. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber. Alle Rechte vorbehalten.
wurde 1956 als erste westliche Frau in einen Swami-Orden aufgenommen. Sie gründete den Yashodhara Ashram in Kanada, die Association for the Development of Human Potential in den Vereinigten Staaten sowie viele städtische Zentren, genannt Radha-Häuser, in Nordamerika und Europa. Als herausragende Yoga-Expertin schrieb sie eine Reihe von Büchern, in denen östliches Wissen westlichen Lesern erschlossen wird. In deutscher Sprache sind zur Zeit erhältlich Geheimnis Hatha-Yoga, KundaliniPraxis und Praxis des Traum-Yoga. Der abgedruckte Text wurde zitiert aus: Mantras - Words of Power, (c) Swami Sivananda Radha 1994. Pp. 93-98. SWAMI SIVANANDA RADHA
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war der bedeutendste Schüler des indischen Yogis und Weisen Ramakrishna. Mit anderen Mönchsschülern gründete er den Ramakrishna-Orden. Auf Wanderungen durch ganz Indien lernte Vivekananda die materielle Not, aber auch den spirituellen Reichtum seiner Heimat kennen. Als er 1893 am Weltkongreß der Religionen teilnahm, hinterließ er einen tiefen Eindruck bei den Teilnehmern. Auf Vortragsreisen brachte er erstmals und authentisch die Botschaft des Yogas in den Westen. In deutscher Sprache erschienen von seinen Werken u.a. Meditation und ihre Methoden, Vedanta - der Ozean der Weisheit, Jnana Yoga, Raja Yoga. Der abgedruckte Text wurde zitiert aus: Karma und Bhakti Yoga, S. 185-189. (c) 1995 Verlag H. Bauer, Freiburg. SWAMI VIVEKANANDA
SIR JOHN WOODROFFE, auch bekannt unter seinem Pseudonym Arthur Avalon, arbeitete als Rechtsanwalt in Kalkutta und leitete später den Obersten Gerichtshof von Bengalen. Er erforschte detailliert und mit tiefer Einfühlung die Tantras und veröffentlichte zahlreiche Werke über sie. In deutscher Sprache erschienen u.a. Die Schlangenkraft, Shakti und Shakta, Das Tantra der großen Befreiung und Die Girlande der Buchstaben. Der abgedruckte Text wurde zitiert aus Principles of Tantra, Part I (Erstausgabe 1914), S. 217-18; 223-24. Zugrunde lag eine Ausg. von Ganesh & Co. (Madras 1969, ohne Copyright-Vermerk).
Ph.D., hat Indologie, Philosophie und Religionswissenschaft in Deutschland, den USA und Indien studiert. Er ist Autor, Übersetzer und Herausgeber vieler Bücher und Artikel (siehe auch Anzeige am Ende des Buches). Der abgedruckte Text wurde eigens für dieses Buch geschrieben. WILFRIED HUCHZERMEYER,
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SRI AUROBINDO war von Geburt Inder, erhielt jedoch seine Ausbildung in England. Mit einundzwanzig Jahren kehrte er nach Indien zurück und wurde dort zu einer führenden Persönlichkeit in der indischen Freiheitsbewegung. Später zog er sich nach Pondicherry zurück und entwickelte dort zusammen mit der Mutter (Mira Alfassa) den Integralyoga, einen Pfad zur Umwandlung und Erhöhung des menschlichen Bewußtseins. Als Yogi, Dichter und Denker veröffentlichte er zahlreiche Werke, darunter das spirituelle Epos Savitri, sein philosophisches Hauptwerk Das Göttliche Leben sowie Die Synthese des Yoga, Das Geheimnis des Veda, Essays über die Gita und Die Dichtung der Zukunft. Der abgedruckte Text wurde zitiert aus: Die Dichtung der Zukunft, (c) Verlag W. Huchzermeyer 1990. S. 19, 31-32, 308. * Quelle des Zitats S. 113: Ein Text von Paramhansa Satyananda aus dem Artikel »Nada Yoga - Meditation über die inneren Klänge« von Swami Janakananda in der Zeitschrift Bindu Nr. 8. Copyright (c) 1997 Bindu Verlag und Skandinavische Yoga und Meditationsschule.
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