Atlan - Der Held von Arkon Nr. 238
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Atlan - Der Held von Arkon Nr. 238
Das Erbe der Akonen Der Magnortöter greift ein - er bringt Atlan zur Transmitterwelt von Harvey Patton
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Fein de ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, be reits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmuti gen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orba naschol III. den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. In diesem Kampf hatte Atlan mit dem wiederbelebten Körper Gonozals, seines Va ters, kurzfristig eine neue wirksame Waffe gegen Orbanaschol. Doch dann, nach dem Abflug von Perpandron, der Welt der Goltein-Heiler, kommt es auf Atlans Raum schiff zu folgenschweren Ereignissen, von denen Besatzungsmitglieder der ISCHT AR betroffen werden. Akon-Akon, der mysteriöse junge Mann, der auf Perpandron an Bord genommen wurde, entpuppt sich bei seinem Erwachen als Psycho-Tyrann. Mit seinen unheimli chen Fähigkeiten beherrscht er die Männer und Frauen der ISCHTAR und dirigiert sie nach seinem Willen. Nachdem er Atlan und Fartuloon auf Ketokh zurückgelassen hat, zwingt er die Be satzung der ISCHTAR, Kledzak-Mikhon anzusteuern, den Planeten der Loghanen. Aber auch Atlan und Fartuloon gelangten durch das Eingreifen des Magnortöters dorthin – und sie entdecken DAS ERBE DER AKONEN …
Das Erbe der Akonen
3
Die Hautpersonen des Romans:
Klinsanthor - Der Magnortöter greift ein.
Atlan und Fartuloon - Der Kristallprinz und sein Lehrmeister gelangen zur Transmitterwelt.
Akon-Akon - Herr der ISCHTAR.
Ra - Der Barbar fungiert erneut als Retter.
Rassafuyl, Tamoyl und Kenyol - Die Herrscher von Kledzak-Mikhon fürchten die Ahnen.
1. »Ich könnte in die Luft gehen«, murrte Fartuloon und kraulte mißmutig seinen Bart. Damit gab er ziemlich genau die Gefühle wieder, die auch mich beherrschten. Das Warten, die zwangsweise Untätigkeit, zerrte an unseren Nerven. Scolaimon Nove war nicht mehr. Das Skarg des Bauchaufschneiders hatte den Ge staltwandler, der uns viele Schwierigkeiten bereitet hatte, erledigt. Der Magnortöter Klinsanthor hatte Lautsprecherkontakt zu uns aufgenommen. Ihm gehörte die riesige Raumstation, in der wir beide uns jetzt be fanden. Unsere Überraschung war nicht ge ring gewesen, als wir plötzlich in einem Raum auf Bildschirme gestoßen waren, die uns die ISCHTAR zeigten, die gerade einen fremden Planeten anflog. Das war aber auch alles gewesen. Die Schirme waren wieder erloschen, wir waren so klug wie zuvor. Klinsanthor hatte Hoff nung in uns aufkommen lassen, daß wir wie der zu unseren Gefährten gelangen würden. Doch nun ließ er uns schon eine ganze Wei le warten. »Wer weiß, was dieser Knabe inzwischen wieder aushecken mag!« fuhr Fartuloon grimmig fort. »Wenn wir an Bord wären, könnten wir vielleicht manches verhindern. Die anderen können es ja nicht, sie müssen nach seiner Pfeife tanzen.« Mit dem »Knaben« meinte er den jungen Akon-Akon, dessen Gabe der suggestiven Beeinflussung keine Gegenwehr zuließ. Nur wir beide konnten ihr bis zu einem gewissen Grade widerstehen, alle anderen waren ihm hilflos ausgeliefert. Kein Wunder, daß wir darauf brannten, wieder in die ISCHTAR zu
gelangen. Ich wollte etwas entgegnen, aber in diesem Moment geschah endlich etwas. Ein Türsegment glitt auf, und in der Öffnung erschien ein seltsames Gebilde. Es war ein Würfel aus Metall mit einer Kantenlänge von etwa einem Meter. Er schwebte frei einen halben Meter über dem Boden, eine Spitze zeigte nach unten. Aus den anderen Ecken des Würfels ragten tentakelartige Fühler hervor, die offenbar nach Bedarf aus gefahren und eingezogen werden konnten. Wir sprangen auf, und der Bauchaufschnei der griff instinktiv nach seinem Schwert. Doch der Robot machte keine Anstalten, uns etwa anzugreifen. Mit leisem Summen glitt er auf seinem tragenden Prallfeld auf uns zu. Einige Schritte vor uns hielt er an, und aus der linksseitigen Spitze fuhr elastisch der Tentakelarm aus. Damit machte er winkende Bewegungen zur Tür hin, und ich atmete auf. Die Einladung war eindeutig. »Es ist soweit, Fartuloon. Klinsanthor hat uns also doch nicht vergessen. Beeilen wir uns, vielleicht hat er etwas Entscheidendes vor.« »Er hätte uns vorher wenigstens noch ein mal unser Schiff zeigen können«, meinte der Bauchaufschneider zögernd. »Wer weiß, was dort in den vergangenen Stunden ge schehen sein mag.« Ich zuckte mit den Schultern. »Das kön nen wir vermutlich immer noch haben. Der Magnortöter hält die ISCHTAR und unsere Leute gewiß ständig unter Beobachtung. Vielleicht hat er dadurch etwas erfahren, das unser Eingreifen erfordert.« »Das wäre möglich«, räumte der Bauch aufschneider ein. Wir setzten uns in Bewe gung, und der Würfelroboter schwebte uns voran. Wir legten so mindestens dreihundert Meter zurück. Dann war der Korridor zu En
4 de, und eine große Tür glitt vor uns auf. Un ser metallener Begleiter schwebte zur Seite und ließ uns beide passieren. Wir kamen in einen großen Raum voller fremdartiger technischer Gebilde. Manche wirkten zierlich und zerbrechlich, andere wieder waren kompakt und riesig. Der größ te Teil war in Betrieb, das bewiesen leise Arbeitsgeräusche und das Zucken bunter Kontrollichter auf den dazugehörigen Arma turen. Wir sahen uns aufmerksam um, denn wir hatten damit gerechnet, hier auf Klinsanthor zu treffen. Diese Annahme erwies sich als falsch, denn in diesem Raum befand sich kein lebendes Wesen. Nur einige passivierte Arbeitsroboter standen herum, und ihre blin den Sehorgane schienen uns anzustarren. Mich befiel ein Frösteln, ein unbestimm bares Unbehagen. Ein Seitenblick zeigte mir, daß es Fartuloon nicht anders erging. Er hielt die Rechte dicht am Skarg, und seine Augen schweiften wachsam und mißtrauisch umher. »Fühlst du es auch?« fragte er leise. »Irgendwie herrscht hier eine unheimliche Atmosphäre, als würde etwas oder jemand uns belauern. Verdammt, wo steckt denn Klinsanthor?« Genau das fragte ich mich auch. Wir hat ten ihn bisher noch nicht zu Gesicht bekom men, nur seine eigentümliche knarrende Stimme aus Lautsprechern gehört. Ob er es wohl überhaupt ehrlich mit uns meinte? Wir wußten nichts von ihm, wir hatten keinen Grund, ihm zu vertrauen. Das vage Verspre chen, das er uns gegeben hatte, konnte alles und nichts besagen. Trotzdem solltest du ihm glauben, meldete sich mein Extrahirn. Er hat schließlich auch zum Ausdruck gebracht, daß es so etwas wie eine Hilfeleistung auf Gegenseitigkeit sein soll. Es wäre folglich auch zu seinem Nach teil, wenn euch hier etwas zustieße. Diese Schlußfolgerung war einleuchtend. Sie änderte allerdings nichts daran, daß mein Unbehagen weiter wuchs. Das leise Surren der vielen Aggregate klang in meinen Ohren
Harvey Patton plötzlich schrill und feindselig. Eine voll kommen unmotivierte Angst ergriff mich, und ich sah mich gehetzt nach allen Seiten um. Ich hatte das Gefühl, daß sich außer uns noch jemand in dem Raum befinden mußte. Unwillkürlich griff ich nach meinem Im pulsstrahler, der früher zu Malthors Ausrü stung gehört hatte. »Laß das«, wehrte Fartuloon ab. »Vermutlich fühlen wir beide dasselbe, aber wir sollten uns trotzdem beherrschen.« »Du redest wie mein Extrahirn«, gab ich zurück. »Dabei spüre ich fast körperlich, daß wir belauert werden, wenn nicht gar bedroht. Es sollte mich gar nicht wundern, wenn sich ein Unsichtbarer in diesem Raum aufhielte.« »Du spinnst ja«, behauptete der Bauch aufschneider, aber im nächsten Moment ver zerrten sich seine Züge. Gleichzeitig steiger te sich mein Angstgefühl zu einer regelrech ten Panik. Schweißtropfen rannen über mei ne Stirn, jede klare Überlegung war mir un möglich. Ich wollte davonlaufen, mich in Si cherheit bringen und irgendwo verstecken, wo ich diesem würgenden Zugriff entzogen war. Mein Gehirn gab den Befehl dazu, aber meine Glieder wollten mir nicht gehorchen. Wie gelähmt stand ich da und wartete auf et was Schreckliches, das sich jeden Moment ereignen mußte. Der Tod wäre mir in diesem Moment förmlich als Erlösung erschienen. Unartikulierte Laute drangen aus meiner Kehle, und undeutlich hörte ich, wie auch Fartuloon aufstöhnte. Und dann klang unvermittelt Klinsanthors knarrende Stimme auf.
* »Ich weiß, wie euch jetzt zumute sein muß«, sagte der Magnortöter. »Ich konnte es euch aber nicht ersparen, in diesen Raum zu kommen, der ganz in meiner Nähe liegt. Versucht, euch zu beruhigen, es droht euch keine Gefahr. Ich bedaure es, mich euch nicht zeigen zu können, aber das wäre zuviel für euch. Meine geistige Ausstrahlung ist
Das Erbe der Akonen einfach zu stark.« Ich vernahm diese Worte wie aus weiter Ferne, aber langsam klärte sich nun mein Geist. Mein Extrahirn unterstützte mich durch beruhigende Impulse, die Panik be gann von mir zu weichen. Auch Fartuloon beruhigte sich zusehends, und nun sprach Klinsanthor weiter. »Leider verfüge ich hier über keinen Ver mittler, in dessen Gehirn ich einen Teil mei nes Bewußtseins transponieren kann. Das hätte meine Aufgabe um vieles erleichtert. Sie erinnern sich gewiß, daß es in Ihrer Ge genwart schon einmal geschehen ist. Das war nach dem Start von Perpandron, der Welt der Goltein-Heiler. Damals übernahm ich den Körper von Gonozal VII. um die ISCHTAR nach meinen Wünschen dirigie ren zu können.« »Sie waren das also!« murmelte ich schwach. Bisher hatte ich darüber nur Ver mutungen anstellen können, jetzt erst wurde mir alles restlos klar. Das Überlegen fiel mir noch immer schwer, aber mein Extrahirn unterstützte mich dabei. »Wenn es sein muß, stelle ich mich dafür zur Verfügung«, erklärte ich. »Sicher wird Fartuloon ebenfalls dazu bereit sein.« »Natürlich«, meinte der Bauchaufschnei der, aber Klinsanthor wehrte ab. »Ich erkenne Ihre gute Absicht an, aber leider kann ich mich Ihrer Person nicht be dienen. Sie beide besitzen gewisse Eigen schaften, die Sie für diese Aufgabe ungeeig net machen. Doch ich glaube, daß ich Ihnen vertrauen kann, Atlan. Ihr ganzes Verhalten hat gezeigt, daß Sie ein ehrenhafter Mann sind, eine heute nicht mehr alltägliche Ei genschaft.« Er machte wieder eine Pause, und ich spürte, wie sich sein psionischer Einfluß weiter verringerte. Ich hatte den Eindruck, daß es ihm um ein bestimmtes Anliegen ging, deshalb fragte ich: »Was können wir für Sie tun, Klinsanthor?« »Ich werde Sie unterstützen«, sagte die Stimme des Magnortöters. »Dafür fordere
5 ich allerdings das Versprechen, daß Sie gleichfalls zur aktiven Hilfeleistung für mich bereit sind, wenn ich Sie darum ange he. Wollen Sie es geben?« Ich überlegte kurz, aber eigentlich gab es nicht viel zu überlegen. Wenn ich diese Form der Zusammenarbeit ablehnte, konnte das zur Folge haben, daß wir für den Rest unseres Lebens in dieser Raumstation festsa ßen. Gegen Klinsanthors Willen konnten wir sie nicht wieder verlassen, das stand fest. Auch der Bauchaufschneider mußte zur glei chen Schlußfolgerung gekommen sein, denn er nickte mir zu. »Ich gebe das Versprechen«, erklärte ich. »Allerdings hoffe ich, daß Ihre Intervention nicht wieder zu einem ausgesprochen un günstigen Zeitpunkt erfolgt. Sie wissen ver mutlich, in welche Schwierigkeiten wir als indirekte Folge Ihrer ersten Handlung ge kommen sind.« »Ich bedaure das«, sagte Klinsanthors knarrende Stimme, und es klang aufrichtig. »Dafür hoffe ich, daß ich nun im Zuge unse rer Zusammenarbeit einiges wieder gutma chen kann, Atlan. Ich bin bereit, Sie und Fartuloon zu jener Welt zu bringen, zu der das Schiff mit Ihrem Gefolge geflogen ist. Was Sie dort in der ersten Zeit tun, bleibt Ih nen und Ihren Fähigkeiten überlassen. Ich selbst habe noch gewisse Vorkehrungen zu treffen, die einige Zeit erfordern werden. Dann werde ich mich wieder bei Ihnen mel den.« »Auf welche Weise?« fragte der Bauch aufschneider, der kein Freund von Unklar heiten war. Er hatte sich ebenfalls wieder gefangen, das bewies mir sein wacher Blick. »Das hängt von den jeweiligen Umstän den ab«, gab der Magnortöter wenig auf schlußreich zurück. »Mehr kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen. Warten Sie jetzt, bis mein Roboter Sie holen kommt. Er wird Sie an den Ort bringen, wo sich das Trans portmittel befindet.« Seine Stimme verstummte, und auch der letzte Rest seines geistigen Einflusses ver schwand. Offenbar hatte er sich jetzt abge
6 kapselt, in sich selbst zurückgezogen. In sich selbst? Ich begann zu überlegen, in welcher Daseinsform er sich wohl in dieser Station aufhalten mochte. Er war eine uralte, sagenumwobene Gestalt. Ob er überhaupt noch einen Körper besaß? Oder war er viel leicht nur eine rein geistige Entität, die ir gendwie an diesen Ort gebunden war? Es sprach einiges dafür. Er lebte, aber es war keinesfalls ein nor males Dasein mit seinen Freuden und Lei den. Das machte ihn in meinen Augen zu ei ner tragischen, bedauernswerten Figur. Gleichzeitig hatte ich aber auch das Gefühl, daß wir ihm vertrauen konnten, eben weil er nicht mit normalen Maßstäben zu messen war. Vertrauen ist gut und schön, meldete sich die skeptische Stimme meines Extrahirns. Ob du aber damit weit kommen wirst, Kri stallprinz? Vergiß nicht, wie oft du dabei schon hereingefallen bist! Ich ignorierte diesen Einwurf, obwohl ihm eine leider nur zu unangenehme Wahr heit zugrunde lag. Falls sich auch Klinsan thor als unehrlicher Partner erweisen sollte, war das mein Pech. Immerhin wollte er uns irgendwie zur ISCHTAR zurückbringen, und das war für den Anfang schon eine Menge wert. Diesmal brauchten wir nicht lange zu warten. Der Würfelrobot erschien und schwebte uns voran zu einer Tür am anderen Ende des Raumes. Sie glitt vor uns auf, und wir sahen in eine kleine Kabine, die bis auf die Beleuchtungskörper an der Decke völlig leer war. Die Tür schloß sich hinter uns, wir blieben allein, und sofort wirbelte Fartuloon herum. »Hier stimmt etwas nicht!« behauptete er und griff nach dem Skarg. »Bei allen Göt tern, ich spüre es ganz deutlich: Eben ge schieht etwas mit uns.« Ich sah mich aufmerksam um, aber im er sten Moment konnte ich nichts Ungewöhnli ches entdecken. Erst nach schärferem Hinse hen bemerkte ich, daß in diesem kleinen Raum nicht alles stimmte. Irgendwie schie-
Harvey Patton nen seine Proportionen nicht zu passen, die Wände und die Decke wirkten auf unbe stimmbare Weise verzerrt und verschoben. Oder sollte das nur eine optische Täuschung sein, eine Rückwirkung von Klinsanthors geistigem Einfluß? Dann sah ich wieder den Bauchaufschnei der an, und nun wurde mein Eindruck bestä tigt. Auch Fartuloons massige Gestalt bot einen sonderbaren, in alle Richtungen hin verzerrten Anblick. Er schien mich auf glei che Weise zu sehen, das bewies mir sein er schreckter Ausruf. Ehe wir jedoch irgendwie darauf reagie ren konnten, ertönte aus unsichtbarer Quelle wieder die knarrende Stimme. »Es besteht kein Grund zur Beunruhi gung«, sagte der Magnortöter. »Die seltsa men Erscheinungen hängen mit der Art des Transports zusammen, dem Sie unterzogen werden. Dieser Raum ist der Kontaktpunkt zu einer Falte in den Dimensionen des Uni versums. Von hier aus kann ich Sie durch die Hilfe technischer Effekte nach KledzakMikhon senden, auf jene Welt, bei der sich Ihr Schiff befindet. Der Transportvorgang ist bereits eingeleitet.« Seine Stimme wurde immer leiser und un deutlicher, zuletzt erklang sie wie aus weiter Ferne. Auch meine Umgebung begann nun weiter zu verschwimmen, nahm völlig un mögliche Formen an und löste sich allmäh lich auf. Schließlich verschwand sie ganz und Fartuloon mit ihr. Ein rasender Wirbel schien mich zu umgeben, ich fühlte, wie mein Körper entstofflicht wurde und in die sem Wirbel durch Raum und Zeit fiel.
2. Snayssol zitterte an allen Gliedern. Das, was in den letzten Stunden auf den Logha nen eingestürmt war, war einfach zuviel für ihn gewesen. Er war einer der »Erben« des loghani schen Volkes auf dem Planeten KledzakMikhon, mithin also eine wichtige Person. Das hatte ihn jedoch nicht davor bewahrt,
Das Erbe der Akonen als Teilnehmer beim »Spiel der Schwarzen Tore«, bestimmt zu werden. Dabei handelte es sich um eine abenteuerliche Reise durch ein planetenweites Transmittersystem. Sie war mit so zahlreichen Gefahren und Fallen aller Art verbunden, daß von den jeweils 3000 Teilnehmern an diesem »Spiel« immer nur dreißig überlebten! Um sein Leben zu retten, hatte er gegen die Regeln verstoßen und war zur Strafe nochmals auf die lange Reise durch die Tore geschickt worden. Das kam einem Todesur teil gleich, denn er war bereits zu Tode er schöpft gewesen. Seine Chancen, diese Tor tur und die Kämpfe gegen die anderen Spie ler zu überstehen, war gleich Null gewesen. Doch dann war ein Wunder geschehen! Fremde Wesen waren ganz plötzlich auf dem Kampfplatz erschienen und hatten ihn aus höchster Bedrängnis gerettet. Sie hatten ihn in einem seltsamen Fahrzeug an einen anderen unbekannten Ort gebracht, wo es noch viele von ihnen gab. Sie hatten ihn vor dem sicheren Untergang bewahrt, und dafür mußte er ihnen dankbar sein. Doch im Mo ment war er nichts weiter als ein verängstig tes, vor Furcht schlotterndes Geschöpf. Er hatte auch allen Grund dazu. Nach seinem Verstoß gegen die Regeln der Spiele hatte man ihn vor das regierende Triumvirat der Loghanen gebracht. Tamoyl, Kenyol und Rassafuyl hatten ihn nicht sehr zartfühlend behandelt, aber das war zu er warten gewesen. In ihren Augen war er ein Rebell gegen die herrschende Ordnung, und für solche Männer hatte keine Regierung des Universums Verständnis. Der eigentliche Schock war jedoch erst über ihn gekommen, als man ihm das Bild eines Vorfahren ge zeigt hatte, von dessen Rasse die Loghanen angeblich abstammen sollten. Dieses Wesen hatte gänzlich anders aus gesehen als er selbst und seine Rassegefähr ten. Snayssol hatte schon immer gewisse Zweifel in bezug auf das offizielle Ge schichtsbild der Loghanen gehabt. Daß sie jedoch von diesen Fremdlingen abstammen sollten, hatte er nicht wahrhaben wollen. Er
7 war eher bereit gewesen, zu glauben, daß ihn das Triumvirat nur in die Irre führen wollte. Dieses eine Bild konnte nicht als Be weis dafür gelten, daß es derartige Wesen wirklich einmal gegeben hatte. Jetzt hatte er den Beweis: Es hatte sie nicht nur gegeben – es gab sie noch! Drei von ihnen hatten ihn gerettet, und nun stand er einer ganzen Schar dieser Fremden ge genüber. Es war kein Zweifel möglich, sie ähnelten dem Bild in geradezu beängstigender Weise. Kein Wunder also, daß Snayssols Geist von heilloser Verwirrung und Angst be herrscht wurde … Die Männer und Frauen in der Zentrale der ISCHTAR betrachteten ihn mit unver hüllter Neugier. Sie sahen ein aufrechtge hendes Wesen mit je zwei Armen und Bei nen, aber damit endete auch die Ähnlichkeit mit den Arkoniden schon. Wie alle Logha nen war auch Snayssol nicht größer als 1,60 Meter und von oben bis unten mit einem dunkelgrünen Pelz bedeckt. Sein Gesicht wies eine breite stumpfe Schnauzform auf, die Ohren waren spitz, die Augen nach Kat zenart geschlitzt. Der Barbar Ra hatte den Anstoß zu seiner Rettung gegeben. Nun stand er vor dem Lo ghanen, grinste ihn freundlich an und ver suchte, durch gutes Zureden zu einer Ver ständigung mit ihm zu gelangen. »Nur keine Angst, Grünpelz. Wir haben dich nicht gerettet, um dich anschließend umzubringen. Wir wollen lediglich einige Auskünfte, weiter nichts.« Snayssol erschrak noch mehr. Ra hatte ihm offen die Zähne gezeigt, und das galt bei seinem Volk als äußerst unfreundliche Geste. Er gab einige Laute in seiner Sprache von sich, die in den Ohren der Umstehenden bellend und unartikuliert klangen. Karmina Arthamin schüttelte den Kopf. »Er versteht kein Arkonidisch, das ist of fenkundig. Wenn wir zu einer Verständi gung mit ihm kommen wollen, werden wir einen Translator brauchen.« Sie gab einem der Männer die Anwei
8 sung, ein solches Gerät zu holen. AkonAkon stand im Hintergrund und verfolgte wachsam das Geschehen, brachte aber kei nen Einwand dagegen vor. Die Arkonidin redete Snayssol inzwischen in beruhigendem Tonfall zu. Damit erreichte sie wenigstens, daß der Loghane ihre gute Absicht begriff. Sein angstvolles Zittern klang ab, seine vier fingrigen Hände kamen zur Ruhe. Sie ne stelten nur noch zuweilen an dem bunten Kreuzgurt über seiner Brust, den er als einzi ge Bekleidung trug. Der Translator wurde gebracht und einge schaltet. Karmina redete weiter und machte dazu auffordernde Gesten, und bald hatte der Loghane begriffen. Erstmals brachte er mehrere zusammenhängende Sätze hervor, die von dem Semantiksektor des Überset zungsgeräts aufgenommen und analysiert werden konnten. So kam es schließlich nach einigen weiteren Minuten endlich zu einer brauchbaren Verständigung. Snayssol verlor allmählich seine Scheu vor den Fremden. Er berichtete von den töd lichen Spielen und dankte Ra und seinen Helfern für seine Errettung. Als er jedoch aussagte, daß die Loghanen die einzige in telligente Rasse von Kledzak-Mikhon waren und über ihre Zivilisation sprach, kam es zu einem unvorhergesehenen Zwischenfall. Akon-Akons Gesicht war schon zuvor nicht gerade freundlich gewesen. Nun aber nahm es den Ausdruck offenen Ekels an. Er stieß einen zornigen Ausruf aus. »Was erdreistet sich dieses tierhafte We sen?« schrie er unbeherrscht auf. »Die Zivi lisation auf dieser Welt ist nicht von seiner Rasse geschaffen worden! Sie hat mit ihr nicht mehr gemeinsam als eine Amöbe mit mir!« Snayssol verstand alles und duckte sich zitternd zusammen, doch das beeindruckte den Herrscher über die ISCHTAR in keiner Weise. Er kam mit großen Schritten nach vorn und schaltete mit einer brüsken Bewe gung den Translator aus. Karmina Arthamin sah ihn befremdet an, doch er beachtete sie nicht, sondern wandte sich an Ra.
Harvey Patton »Töte ihn auf der Stelle!« befahl er mit schriller Stimme. Sein Verhalten war auch dem dunkelhäu tigen Barbaren unverständlich. Akon-Akon hatte sich schon oft genug ausgesprochen exzentrisch verhalten, aber so zornig hatte er ihn noch nie erlebt. Alles in ihm sträubte sich dagegen, diesen unsinnigen Befehl zu befolgen, denn in seinen Augen war der Lo ghane ein wirklich bedauernswertes Wesen. Er sträubte sich vergeblich. Seit der Landung auf Kledzak-Mikhon war der junge Suggestor relativ umgänglich gewesen. Das war soweit gegangen, daß er seinen geistigen Druck auf die Schiffsbesat zung ganz erheblich vermindert hatte. Doch diese Phase schien nun vorbei zu sein. Akon-Akon setzte seine Fähigkeiten wieder in vollem Ausmaß ein, und dagegen hatte Ra keine Chance. Sein Aufbegehren erstickte schon im Keim, es war wieder so, wie fast immer in letzter Zeit. Sein ganzes Inneres bäumte sich dagegen auf, Snayssol einfach ohne jede logische Be gründung zu töten. Und doch mußte er mit ohnmächtigem Grimm erleben, wie seine Hand gegen seinen Willen zur Hüfte fuhr. Sie zog den Impulsstrahler, der Daumen drückte auf den Entsicherungsknopf, und vor dem Abstrahlpol entstand flimmernd das energetische Leitfeld. Snayssol schloß angstschlotternd die Au gen und bereitete sich auf sein Ende vor.
* In der Stadt Sevvo-Bonth auf dem Nord kontinent Parl-Jasgor wurde die Feier zum Ende des »Spieles der Schwarzen Tore« ein geleitet. Wieder waren fast dreitausend jun ge Loghanen ihm zum Opfer gefallen, aber das berührte die Außenstehenden nur wenig. Nur die Angehörigen und Freunde trauerten um sie. Die meisten anderen hatten den Ner venkitzel genossen; zum Teil als direkte Zu schauer, zum Teil an den überall aufgestell ten Bildschirmen.
Das Erbe der Akonen In Sevvo-Bonth gab es eines jener großen »Tore«, deren Beherrschung den Loghanen nach wie vor unmöglich war. Trotzdem hiel ten sich in der Transmitterhalle immer eini ge der »Erben« auf. Die Regierenden von Kledzak-Mikhon hofften noch immer, auch diese Anlagen einmal unter ihre Kontrolle bringen zu können. Aus diesem Grunde mußten die jungen Männer täglich neue Schaltversuche vornehmen, die in ihren Au gen fast den Charakter von rituellen Hand lungen angenommen hatten. An diesem Tage waren sie jedoch davon befreit. Die Spiele waren beendet, und das war ein Grund zum Feiern. Dammyol, der die Aufsicht über seine fünf Gefährten hatte, war fest entschlossen, die Feier diesmal be sonders eindrucksvoll zu gestalten. Er hatte zwei Konkurrenten an den beiden anderen Transmitteranlagen. Sie alle ver suchten sich gegenseitig zu überbieten, die Zeremonien wurden aufgezeichnet und von Sachverständigen des planetaren Fern sehnetzes begutachtet. Diese entschieden dann, welche Feier eindrucksvoll genug war, um den Loghanen auf ganz Kledzak-Mikhon gezeigt zu werden. Kein Wunder also, daß sich Dammyol be sonders ins Zeug legte. Das Aufnahmeteam war bereits eingetroffen, hatte die nötigen Beleuchtungskörper installiert und die Ka meras einjustiert. Nun gab der Anführer der fünf »Erben« seinen Gefährten die letzten Anweisungen. Er konnte offen reden, denn inzwischen hatten sich die Fernsehtechniker wieder entfernt, um noch eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. »Heute müssen wir alle anderen weit übertreffen!« bellte seine Stimme fordernd auf. »Sie beschränken sich meist nur darauf, die üblichen Handgriffe in irgendwelchen Abwandlungen zu vollführen, aber das ist nicht genug. Ich habe vor, einen besonders spektakulären Ablauf vorzunehmen, von dem man noch in Jahren sprechen soll. Da für habe ich bereits meine eigenen Ideen, die den zuständigen Leuten zeigen sollen, wie gut ich wirklich bin.«
9 »Dürfen wir Näheres darüber erfahren?« fragte einer seiner Gefährten fast ehrfurchts voll. Das war Wasser auf Dammyols Müh len, und er plusterte sich entsprechend auf. »Ich werde euch genauestens instruieren«, versprach er fast hoheitsvoll. »Schon vor Beginn des Spieles habe ich für uns alle be sonders prächtige Kreuzgurte anfertigen las sen. Darin werden wir Gegenstände unter bringen, wie sie noch niemand auf KledzakMikhon gesehen hat. Natürlich sind sie nichts weiter als Dekorationsstücke, aber sie werden ihren Eindruck auf die Masse der Unwissenden nicht verfehlen. Auch nicht auf die Leute beim Fernsehen, denn sie sind längst nicht so sachverständig, wie sie im mer tun.« Erneut weidete er sich an der Bewunde rung durch die anderen, dann fuhr er fort: »Außerdem habe ich durch einen meiner zahlreichen Freunde unter den Künstlern von Sevvo-Bonth eine Art Hymne auf die ›Tore‹ komponieren lassen, die wir bei die ser Gelegenheit absingen werden. Es ist le diglich eine Abwandlung alter Gesänge, die heute kaum noch jemand kennt. Ihr werdet sie innerhalb weniger Minuten auswendig können, denn sie sind kurz und bestehen im wesentlichen aus ständigen Wiederholun gen. Dabei werde ich ein besonderes Ritual an den Anlagen des Tores vollführen, das den Gesamteindruck vervollständigen wird. Wenn es mir dabei noch gelingen sollte, das Tor zufällig in Betrieb zu versetzen …« Er verstummte, von der Größe dieses Ge dankens förmlich überwältigt. Zu seinem Leidwesen konnte er ihn und seine Wirkung auf die anderen jedoch nicht voll auskosten. Die ersten Fernsehtechniker kehrten zurück und betraten geräuschvoll die Transmitter halle. Dammyol schnaufte ärgerlich auf. »Folgt mir in den Nebenraum«, befahl er leise. »Dort liegen unsere Ausrüstungen, und dort können wir auch ungestört den fei erlichen Gesang üben. Und wenn es dann soweit ist …« Er unterbrach sich erschrocken, denn ur plötzlich tönte in der großen Halle ein ur
10 weltlich anmutendes Donnern und Grollen auf. Alle fünf Erben fuhren wie vom Blitz getroffen zusammen, die Bildtechniker suchten schleunigst Deckung hinter ihren Geräten. Was sich da in diesem Augenblick anbahnte, überstieg ihr Begriffsvermögen bei weitem. Es blieb nicht allein bei den schrecklichen Geräuschen, die ihre Ohren marterten und ihre Trommelfelle zu sprengen drohten. Es geschah fast gleichzeitig noch einiges mehr. Im Hintergrund der Halle, wo sich die beiden gigantischen Transmittersäulen be fanden, zuckte heller Feuerschein auf. Die Erben warfen sich rasch zu Boden, weil sie eine Explosion befürchteten. Doch nach und nach ließ das Donnergrollen nach und sank zu einem erträglichen, konstant bleibenden Brummton ab. Dammyols Gehirn stellte eine Gedankenverbindung her, und er hob vor sichtig den Kopf. Gleich darauf schrie er be geistert auf. »Das Große Tor – es hat zu arbeiten be gonnen!« Ungläubig sahen auch die anderen auf, und ihre Augen wurden groß. Tatsächlich, Dammyol hatte recht. Aus den beiden Säu len der Transmitteranlage loderten gleißende Energiebahnen auf. Sie vereinigten sich un terhalb der Hallendecke zu einem großen, wabernd lodernden Torbogen. Er umspannte ein schwarzes Feld, so dunkel wie das Weltall, das alles Licht zu absorbieren schi en. Dammyol sprang erregt auf. »Das muß ein Zeichen sein«, behauptete er im Brustton der Überzeugung. »Noch nie hat eines der drei großen Tore gearbeitet. Daß das ausgerechnet heute geschieht, wo das Spiel der Schwarzen Tore beendet wur de, muß eine besondere Bewandtnis haben. Wißt ihr auch, was das für uns bedeutet?« Die anderen erhoben sich zögernd und sa hen ihn verständnislos an. Ihr Anführer schüttelte verzweifelt den Kopf. Er begriff nicht, daß es soviel Begriffsstutzigkeit geben konnte. »Muß ich euch das wirklich erst erklä-
Harvey Patton ren?« bellte sein Organ auf. »Dabei ist es doch ganz sonnenklar: Wir werden es sein, die ganz Kledzak-Mikhon die Sensation al ler Zeiten liefern, deren Bedeutung die des Spieles noch weit übertrifft! Unsere Anlage hat etwas zu bieten, mit dem keine der bei den anderen aufwarten kann. Die Hüter der anderen Tore haben jetzt keine Chance mehr, uns zu überbieten – versteht ihr end lich?« Nun hatten sie es begriffen. Aber gleich darauf meldete einer von ihnen auch schon Bedenken an. »Vielleicht ist das nicht nur hier bei uns geschehen? Könnte es nicht sein, daß gleich zeitig auch die anderen Tore zu arbeiten be gonnen haben?« meinte er, immer noch von Furcht erfüllt. Dammyols Gestalt erstarrte, sein Pelz sträubte sich bei diesem Gedanken. Doch er war nicht von der Hand zu weisen, das er kannte er sofort. Das Netz der einfachen To re stand untereinander in ständiger Verbin dung, und das gleiche konnte auch bei den Großen Toren der Fall sein. Wenn es aber wirklich so war, dann war es nichts mit der Einmaligkeit der Fernsehübertragung und dem großen Ruhm. Es sei denn … Der Loghane fuhr herum, seine Hand wies wie anklagend auf die Männer des Übertragungsteams. »Steht nicht herum und starrt Löcher in die Luft!« brüllte er sie an. »Wollt ihr wirk lich zulassen, daß uns die anderen vielleicht zuvorkommen? Stellt augenblicklich eine Verbindung zum Regierenden Triumvirat in Poal-To her. Wenn wir die ersten sind, die das Bild eines arbeitenden Großen Tores dorthin übermitteln, wird uns allein der Ruhm zufallen!« Das ließ sich der Teamleiter kein zweites Mal sagen. Auch er hatte inzwischen seine Furcht überwunden und begriffen, daß sich hier etwas Großes, Einmaliges tat. Dammyol hatte ihn bei seinem Ehrgeiz gepackt, und er handelte sofort. Er verfügte über eine Nachrichtenverbin dung nach Poal-To, die auch zur Bildüber
Das Erbe der Akonen mittlung geeignet war. Rasch gab er seine Anordnungen, und nun kam Leben in seine Männer. Schon nach wenigen Sekunden meldete sich die Sendezentrale, bekam eini ge Stichworte und schaltete daraufhin sofort zum Regierungsgebäude weiter. Dort saßen Tamoyl, Kenyol und Rassa fuyl, die Mitglieder des Triumvirats, zu ei ner eilig anberaumten Beratung zusammen. Kurz zuvor war ihnen ein ausführlicher Be richt über die Ereignisse im Zusammenhang mit Snayssol zugegangen. Es hatte eine gan ze Reihe von Zeugen seiner Entführung oder Befreiung gegeben, aber alle standen mehr oder weniger unter Schockeinwirkung. Ihre Berichte widersprachen sich in vielen Punk ten, fast jeder wollte etwas anderes gesehen haben. »Was sollen wir daraus machen?« fragte Kenyol resigniert und schlug auf die Folien mit den Aussageprotokollen. »Diese Berich te sind meiner Ansicht nach praktisch gar nichts wert. Sie stimmen lediglich in einem Punkt überein, und das …« Er unterbrach sich, denn vor ihm auf dem Tisch hatte die Lampe des Nachrichtenge räts zu blinken begonnen. Es mußte sich um eine Meldung von großer Wichtigkeit han deln, sonst hätte man die Beratung nicht ge stört. Kenyol tastete das Gerät ein, und auf der Bildfläche erschien der oberste Techni ker der Nachrichtenzentrale des Regierungs palasts. »Ein dringender Anruf vom Großen Tor in Sevvo-Bonth, Hoher Rat!« meldete er er regt. »Dort ist etwas äußerst Ungewöhnli ches geschehen – das Tor hat zu arbeiten be gonnen. Darf ich Ihnen das Bild überspie len?« Alle drei Räte fuhren zusammen wie elek trisiert. Das war eine wirkliche Sensation, vor der die Begebenheiten um Snayssol fast zur Bedeutungslosigkeit verblaßten. Darauf hatten sie schon so lange gewartet, daß kei ner von ihnen mehr daran geglaubt hatte, daß dieses Ereignis wirklich einmal eintre ten könnte. »Natürlich, worauf warten Sie noch?«
11 herrschte Kenyol den Techniker an. »Machen Sie schnell, ehe es vielleicht wie der vorbei ist!« Der Mann nickte wortlos, sein Abbild verblaßte. Dafür entstand Sekunden später auf dem Schirm das Bild der Transmitterhal le in Sevvo-Bonth, und die Mitglieder des Triumvirats beugten sich erwartungsvoll vor.
3. Es war wie ein Erwachen aus einem lan gen und schweren Traum. Ich kam wieder zu mir, aber ich bemerkte augenblicklich, daß irgend etwas schiefgegangen war. Ich stand auf den Stufen eines riesigen Tempels, das Licht einer großen roten Sonne stach mir in die Augen. Auf dem Platz vor der Tempelanlage wogte eine unübersehbare Menge, und laute Gesänge schallten zu mir empor. Sie steigerten sich bis zur Ekstase, ich hob langsam meine vier Arme und brei tete sie zu einer segnenden Gebärde aus. Im gleichen Moment durchfuhr mich ein heißer Schreck. Ich wußte, daß ich Atlan war, und daß der Magnortöter Klinsanthor Fartuloon und mich durch eine Art von Di mensionstransmitter auf die Reise zum Pla neten Kledzak-Mikhon geschickt hatte. Doch nun stand ich hier auf den Tempelstu fen als der Oberste Priester der Gottheit Ra manak des Furchtbaren, der soeben das Volk zum Heiligen Krieg gegen die Bewohner des Dunklen Landes aufgerufen hatte … Panik wallte in mir auf. Ich konnte klar denken und meine Umge bung voll erfassen, aber das war auch alles. Mein Körper gehorchte mir nicht – es war gar nicht mein Körper! Es war der ungefüge Körper eines Sauri ers, der aufrecht auf zwei plumpen Säulen beinen stand, hinten auf den langen hornigen Schwanz gestützt. An den breiten Schultern saßen vier kurze krallenbewehrte Arme, und zwischen ihnen ragte der lange und schlanke Hals hervor. Der Kopf war eckig, das Maul riesig und mit langen messerscharfen Zäh
12 nen bestückt. Nun öffnete es sich und ant wortete dem Gesang der Menge. »Ich sehe, ihr habt den Willen des Gottes begriffen und wollt seinem Gebot folgen. Die Anhänger der falschen Götter unten im Dunklen Land sollen seiner nicht länger spotten. Wir werden wie ein brausender Sturmwind über sie herfallen, und unsere Rache an ihnen wird furchtbar sein. Das sa ge ich euch, der Oberste Priester Ramanaks des Furchtbaren! Geht nun und bereitet alles für den Kriegszug vor. In einer Stunde bre chen wir auf.« Ein heiseres Geschrei der Ekstase scholl mir aus Tausenden von Kehlen entgegen, und erneut hob ich segnend meine Arme. In Wirklichkeit war ich es natürlich nicht, der das tat. Mein Geist war zu Gast in einem fremden Körper, der selbständig handelte, auf den ich keinerlei Einfluß besaß. Mein Wirt war sich meiner Anwesenheit in keiner Weise bewußt. Das ist doch Wahnsinn! dachte ich be stürzt. Ich konnte noch denken, obwohl ich mei nen eigenen Körper nicht mehr besaß. Mein Geist mußte sich irgendwie von ihm gelöst haben. Nun befand er sich als wesen- und willenlose Entität in der monströsen Gestalt des Saurierpriesters … Die Situation schien völlig auswegslos für mich zu sein. Wie es soweit gekommen war, konnte ich mir ungefähr denken. Klinsanthor hatte mich entstofflicht auf den Weg durch eine Dimen sionsfalte geschickt, und dabei mußte es zu einer Panne gekommen sein. Vielleicht hatte er sein Instrumentarium nicht bis zur letzten Dezimalstelle einwandfrei justiert. Vielleicht hatte es auch störende Einflüsse von außer halb gegeben. Schon die Transition eines Raumschiffs irgendwo in der Nähe, die zum gleichen Zeitpunkt erfolgt war, konnte das bewirkt haben. Dabei wurde stets eine Schockwelle ausgelöst, die auch das Gefüge übergeordneter Dimensionen erschütterte. Eine Falte darin mußte ohnehin ein recht in stabiles Gebilde sein, das auf solche Einflüs-
Harvey Patton se sehr stark reagierte. Während ich diese Überlegungen anstell te, wandte sich der Körper meines Wirts langsam um. Die plumpen Beine trugen ihn die Treppe empor und zwischen den massi gen Säulen hindurch, die das Vordach des Tempels stützten. Wo mochte mein alter Lehrer Fartuloon jetzt sein? Ob es ihm ähnlich wie mir ergan gen war? Vielleicht war er auch gut auf dem Zielplaneten angekommen. Vielleicht beugte er sich jetzt dort erschüttert über meinen leb losen Körper, in den mein Geist nie mehr zurückfinden würde …? Rasch verbannte ich diese Gedanken wie der. Es war gefährlich, sie konsequent zu verfolgen, denn dabei konnte ich irrsinnig werden. Statt dessen konzentrierte ich mich auf das, was nun weiter um mich und den Priester des Furchtbaren Gottes geschah. Eine große Halle tat sich auf, und in ihrer Mitte ragte das gewaltige Standbild Ra manaks auf. Es war aus schwarzem Stein ge fertigt und wirkte selbst auf mich beein druckend, fast überwältigend. Doch diese Wirkung verging rasch, als ich aus einem Seitengang einen weiteren Priester treten sah, der auf meinen Wirt zukam. »Du hast äußerst überzeugend gespro chen, Garrak«, meinte er unverkennbar spöt tisch. »Diese Tölpel waren so begeistert, daß sie einem fast Leid tun konnten. Heiliger Krieg – wenn ich das schon höre … Es ist wirklich zum Lachen, Oberpriester! Warong braucht neue Sklaven und die fetten Weiden und Jagdgründe des Dunklen Landes. Er al lein hätte das Volk nie soweit gebracht, des wegen in den Krieg zu ziehen. Also mußten wir einspringen, und der Stimme des Furcht baren Gottes wagt niemand zu widerstehen.« Garrak stieß ein wieherndes Lachen aus. »Warong wird bekommen, was er will – aber wir werden den meisten Nutzen davon haben! Die Opfer und Spenden werden reichlich fließen. Außerdem wird man im Dunklen Land neue Tempel für uns errich ten, und so wird unser Reichtum noch weiter vermehrt. Unser schwarzer Gott da ist doch
Das Erbe der Akonen eine recht nützliche Figur, nicht wahr?« Er schlug gegen die Beine des Götter standbilds, und dann lachten beide laut. Wi derwille stieg in mir auf, als ich die zyni schen Worte hörte. Doch so ähnlich ging es ja bei vielen Rassen zu; nicht allein bei den Primitiven, sondern zuweilen auch noch auf Welten des arkonidischen Imperiums. Wo mochte jenes Dunkle Land liegen, dem der Raubzug dieser Saurierwesen gel ten sollte? Vermutlich waren seine Bewoh ner friedlich und würden nicht mit einem plötzlichen Überfall rechnen. Ich wünschte mir brennend, sie irgendwie warnen zu kön nen, ehe er noch begann. Doch was konnte ich schon tun – ein körperloses Etwas in ei nem fremden Gehirn? Ich war nicht wenig verblüfft, als plötz lich das Bild der Umgebung, das ich durch Garraks Augen wahrnahm, zu verblassen be gann. Im nächsten Moment aber durchfuhr mich ein freudiger Schreck. Ich fühlte, wie sich mein Ich von dem Körper des Oberprie sters löste und frei in die Höhe zu schweben begann! Wie war das nur möglich? Ich kam zu dem Schluß, daß ich anschei nend doch nicht ganz so hilflos war, wie ich bis jetzt geglaubt hatte. Mein intensives Ver langen hatte schon ausgereicht, die Gefan genschaft in Garraks Hirn zu beenden. Wenn ich aber das konnte, dann vermochte ich vielleicht auch noch mehr! Ich besaß weder Augen noch sonstige Sinnesorgane. Trotzdem konnte ich meine Umgebung deutlich wahrnehmen. Langsam schwebte ich zur Decke der Tempelhalle empor, und unter mir sah sich der Oberprie ster argwöhnisch nach allen Seiten hin um. »Was mag das nur gewesen sein?« meinte er verblüfft. »Mir war gerade so, als hätte mich jemand berührt, als hielte sich ein Un sichtbarer hier im Tempel auf. Hast du es auch gespürt?« Der andere Saurier schüttelte den Kopf. »Unsinn, Garrak, außer uns traut sich hier doch niemand herein. Wahrscheinlich war es nur ein Luftzug, der dich genarrt hat. Komm
13 jetzt, wir müssen uns vorbereiten, um zu Warong zu gehen.« Sie verschwanden in einem angrenzenden Raum, während sich mein Ich weiter nach oben entfernte. Mühelos durchdrang es die Decke des Tempels, und plötzlich befand ich mich im Freien. Jetzt mußte sich erwei sen, ob ich noch zu weiteren sinnvollen Be wegungen fähig war. Tatsächlich, es ging! Ich brauchte mir nur eine beliebige Richtung zu wünschen, in die ich mich bewegen wollte, und schon schwebte ich dorthin. Auch die Geschwin digkeit wurde durch meinen Willen be stimmt, ich konnte nicht nur alles um mich herum erkennen, sondern vernahm auch je des Geräusch. Ich »flog« über eine ausgedehnte An sammlung von Häusern dahin. Es waren große, schmucklose Klötze aus grob bear beitetem Stein, ihre Proportionen entspra chen den riesigen Körpern der Saurier. In ei niger Entfernung entdeckte ich einen beson ders großen Bau, der mein Interesse erregte, weil er als einziger eine prächtige Bemalung besaß. Es war stark anzunehmen, daß dies der Palast jenes Warong war, der hier der Herrscher zu sein schien. Ich wünschte mich dorthin, und im näch sten Augenblick war ich dort. Meine Ver mutung wurde bestätigt, als ich die große Schar von Saurierwesen sah, die sich dort versammelt hatten. Man war dabei, Waffen zu verteilen, die aus einem Anbau des Ge bäudes herausgeschleppt wurden. Es handel te sich um riesige Schwerter und Lanzen mit messerscharfen Schneiden und Spitzen. Nur solche Mordwerkzeuge waren geeignet, die zähe Lederhaut der Saurierkörper zu durch dringen. Auf den Stufen vor dem Portal des Palasts stand eine selbst für hiesige Begriffe giganti sche Gestalt, die einen weiten, in schreiend bunten Farben gehaltenen Umhang trug. Un terführer in weit weniger auffälliger Klei dung traten zuweilen darauf zu, verneigten sich unterwürfig und empfingen Anweisun gen. Es war tatsächlich Warong, der mit ih
14 nen sprach und sie zu größerer Eile antrieb. Ich entnahm den Reden, daß die Invasions armee einen relativ weiten Anmarschweg bis zum Operationsgebiet haben mußte. Trotz der langen Beine der Saurierwesen würde es Mittag sein, ehe das Dunkle Land erreicht war. Das waren noch etwa vier Stunden, und die gedachte ich zu nutzen. Ich orientierte mich nach den ersten Vorausabteilungen, die sich bereits in Marsch setzten, und schlug dieselbe Richtung ein. Hinter den Häusern kam bebautes Land mit eingestreuten Farn wäldern und Buschgruppen, und der Boden senkte sich allmählich. Das Dunkle Land schien also ein ausgesprochenes Tiefland zu sein. Diese Annahme erwies sich als richtig. Ich bewegte mich nun schneller voran, und bald hatte ich das Siedlungsgebiet der Stadt hinter mir gelassen. Ein weites, unkultivier tes Gebiet tat sich vor mir auf, durch das nur wenige Trampelwege führten. Hier nahm der Boden eine satte schwarze Färbung an, worauf wohl auch der Name des Landes zu rückzuführen war. Ich beschleunigte meinen Flug noch wei ter und raste bald schneller wie ein Hochlei stungsgleiter dahin. Es war ein eigentümli ches, im Grunde gar nicht unangenehmes Gefühl, sich so frei und ungebunden bewe gen zu können. Nur die Sorge um mein wei teres Schicksal verhinderte nachhaltig, daß ich mich dieser Euphorie hingab. Ich lebte, aber ich war ein Geist, ein sub stanzloses Etwas! Was mochte aus meinem Körper geworden sein? Wo mochte sich Fartuloon jetzt befinden, und wie mochte es der Besatzung meines Schiffes ergangen sein? Erneut erreichte ich bebautes Land. Ich erkannte einzelne Saurierwesen, die mit der Feldbestellung beschäftigt waren oder große mastodonähnliche Tiere hüteten. Hier war alles noch friedlich, niemand schien etwas von dem Unheil zu ahnen, das sich in Warongs Stadt zusammenbraute. Ob ich trotz meiner Körperlosigkeit etwas
Harvey Patton an diesem Schicksal ändern konnte? Ich wußte es nicht, aber versuchen wollte ich es auf jeden Fall. Eine kleine Stadt kam in Sicht, deren Äu ßeres sich wohltuend von dem der ersten un terschied. Der Baustil war der gleiche, doch hier schien man auch Wert auf Schönheit zu legen. Bunte Fassaden rahmten die grob ge pflasterten Straßen ein, kleine Plätze mit Bäumen und Büschen lockerten das Bild weiter auf. Es waren jedoch nur wenige Sau rier zu sehen, die meisten hielten sich wahr scheinlich auf den Feldern und Weiden auf. Im Mittelpunkt des Ortes sah ich ein grö ßeres Gebäude und hielt darauf zu. Über sei nem Eingang gab es ein großes buntes Wap pen. Das stützte meine Annahme, daß dies so etwas wie ein Verwaltungsgebäude war. Zusammen mit einer kleinen Gruppe von Stadtbewohnern schwebte ich durch die Tür und hoffte, aus ihrer Unterhaltung etwas ent nehmen zu können, das mir weiterhalf. Hier erlebte ich aber eine Enttäuschung, denn ich konnte die gutturalen Laute nicht verstehen. Das gelang mir offenbar nur, so lange ich mich im Körper eines Saurierwe sens befand. Obwohl mir der Gedanke Un behagen bereitete, beschloß ich, mich wie der in den Geist eines dieser Wesen zu ver setzen. Natürlich genügte es nicht, das bei einem unbedeutenden Bewohner des Dunklen Lan des zu tun. Ich mußte jemand finden, der hier Macht oder wenigstens Einfluß besaß, und so begab ich mich auf die Suche. Ich schwebte durch die Wände in verschiedene Räume und sah mich um, bis ich den Richti gen gefunden zu haben glaubte. Es war ein Mann – gewisse Anzeichen wiesen darauf hin, daß es einer war –, der sich in einem zentral gelegenen Zimmer befand. Er trug einen bunten Umhang mit schwarzen Insi gnien, und die Umgebung ließ darauf schlie ßen, daß er so etwas wie das Stadtoberhaupt war. Behutsam steuerte ich auf ihn zu und drang vorsichtig bis zu seinem Gehirn vor. Ich war in keiner Weise auf das vorbereitet,
Das Erbe der Akonen was nun kam. Kaum hatte ich mein Ziel erreicht und sah den ersten Lichtschimmer durch die fremden Augen, als mich etwas brutal und rück sichtslos zurückstieß! Für einen Moment war mein Ich wie paralysiert, ich war zu To de erschrocken. Sollte dieser Saurier so et was wie eine parapsychische Sperre besit zen, die sein Hirn gegen mich abzuschirmen imstande war? Das wollte ich herausfinden. Ich gönnte mir einen Augenblick der Erholung, dann stieß ich nochmals zu seinem Geist vor. Er neut spürte ich Widerstand, der diesmal je doch überraschend schnell nachließ. Ich drang in das fremde Gehirn ein, und plötz lich empfing ich einen halb verblüfften, halb freudigen Impuls. »Du, Atlan …?« »Du, Fartuloon!« gab ich mit einem gren zenlosen Gefühl der Erleichterung zurück.
4. Schweigend hatte die Mannschaft in der Zentrale der ISCHTAR das Geschehen ver folgt. Alle mißbilligten den Befehl, den veräng stigten und hilflosen Loghanen zu töten. Er war mehr als harmlos, und doch sollte er sterben, weil es dem selbstherrlichen Jungen so gefiel. Sie verdammten seine Grausam keit, aber sie waren nicht imstande, etwas dagegen zu tun. Sie konnten kein Glied rüh ren, um Snayssol zu helfen, nur ihre Fäuste ballten sich in ohnmächtigem Zorn. Auf Ras Stirn standen dicke Schweißtrop fen, aber sein Widerstand war gebrochen. Sein Finger berührte bereits den Feuerknopf der Waffe, als plötzlich etwas vollkommen Unerwartetes geschah. Sämtliche Strukturtaster des Schiffes sprachen mit zuvor nie erlebter Stärke an! Innerhalb von Mikrosekunden schnellten ih re Anzeigen bis weit in den Rotbereich hin auf – dann schlugen sie durch. Im Innern der Geräte wurden titanische Energien frei und suchten einen Ausweg. Sie fanden ihn und
15 zuckten als meterlange Blitze durch die Schiffszentrale. Schreie gellten auf, und auch der Barbar zuckte zusammen. Die Mündung seines Strahlers änderte ihre Richtung, und der Snayssol zugedachte Schuß entlud sich fau chend in eine Rohröffnung der Belüftungs anlage. Augenblicklich schrillten auch die Alarmpfeifen auf, das Chaos war vollkom men. Zwei Männer waren von den Überschlag blitzen getroffen worden und gingen von Krämpfen geschüttelt zu Boden. Doch nicht nur sie hatte es erwischt – auch Akon-Akon war getroffen worden! Sein überstarker Geist schaffte es, den Körper noch einige Sekunden auf den Bei nen zu halten. Fast schien es, als sollte er re lativ gut davonkommen. Dann aber knickten auch seine Knie ein, und er fiel haltlos in sich zusammen. Er wurde bewußtlos, und Ra spürte es als erster. Von einem Augenblick zum anderen wich der übermächtige Druck der Suggesti vimpulse von seinem Hirn. Er brauchte Se kunden, um sich davon zu erholen, aber dann brach sich seine Wut freie Bahn. Er sah Akon-Akon bewußtlos auf dem Boden liegen, und mit einem rauhen Aufschrei richtete er den Impulsstrahler auf den gna denlosen Unterdrücker. »Stirb, du Ungeheuer!« brüllte er. Karmina Arthamin reagierte mit der Schnelligkeit, die ihre Ausbildung zur arko nidischen Befehlshaberin hervorgebracht hatte. Während alle anderen noch wie er starrt dastanden – die meisten hatten ohne hin nichts gegen den Tod des unerbittlichen Suggestors einzuwenden –, handelte sie be reits. Ein rascher Schritt, ein stahlharter Griff, dem ein Schmerzenslaut des Barbaren folgte. Dann polterte die Waffe zu Boden, und Ra sah die Arkonidin zornbebend an. »Sie halten zu ihm?« stieß er angewidert hervor. Karmina schüttelte den Kopf. »Nein, ich halte nicht zu ihm. Ich hasse ihn nicht weni ger als Sie, aber in meiner Gegenwart soll
16 kein Mord geschehen, den ich verhindern kann. Und es ist doch zweifellos Mord, wenn man jemand tötet, der sich nicht weh ren kann, nicht wahr?« In der Zentrale der ISCHTAR war es to tenstill geworden. Die Strukturtaster hatten ihren Geist aufgegeben, die Blitze waren verpufft, die Alarmpfeifen wieder ver stummt. Die Umstehenden konzentrierten sich nun auf das stumme Duell, das nach diesen Worten zwischen Ra und der arkoni dischen Sonnenträgerin stattfand. Der Barbar senkte als erster den Blick. »Natürlich haben Sie in Ihrer Weise recht«, gab er grollend zu. »Mit Ihrem Dazwischen treten haben Sie uns aber die Chance ge nommen, uns von der Unterdrückung durch diesen Unmenschen zu befreien! Das müs sen Sie doch wohl zugeben?« Ein leichtes Lächeln flog über Karmina Arthamins Gesicht. »Sie irren sich, Ra – es geht auch anders! Akon-Akon ist ohne Bewußtsein, seine Macht ist von uns genommen. Er kann uns nicht mehr schaden, wenn wir jetzt dafür sorgen, daß es auch so bleibt.« Für einen Moment sah Ra ausgesprochen verblüfft aus, aber dann zog ein breites Grin sen über sein dunkles Gesicht. »Ausgezeichnet, dieser Gedanke könnte von Atlan persönlich sein. Ich nehme alles zurück, Karmina, so weit hatte ich eben noch nicht gedacht. Das Erbe meiner barba rischen Vergangenheit schlägt eben immer noch durch …« Die Arkonidin winkte ab. »Das hat auch seine Vorteile, wenn es hart auf hart geht. Doch jetzt müssen wir uns beeilen, ehe der junge Mann wieder zu sich kommt. Eine Verbindung zur Medostation, aber schnell!« Sie selbst wachte mit schußbereitem Para lysator, bis wenige Minuten später die Ärzte der ISCHTAR in der Zentrale ankamen. Ei ne Hochdruckspritze mit einem Betäubungs mittel entleerte ihren Inhalt in Akon-Akons Blutbahn, und der Bauchaufschneider Albra gin nickte Karmina befriedigt zu. »Das dürfte für mindestens einen Tag rei-
Harvey Patton chen, denke ich. Allen Göttern Arkons sei Dank, daß wir es endlich einmal soweit ge bracht haben! Sie können sich darauf verlas sen, daß wir alles tun werden, um diesen Zu stand so lange wie möglich anhalten zu las sen.« Der unschädlich gemachte Suggestor wur de auf einer Antigravtrage zur Medostation gebracht, und unter der Besatzung des Schif fes machte sich eine fast ausgelassene Stim mung breit. Für alle war es eine Erlösung, endlich wieder tun und lassen zu können, was sie aus freien Stücken wollten. Nur Karmina Arthamin vergaß den un freiwilligen Gast von Kledzak-Mikhon nicht. Snayssol stand noch immer regungs los da und hatte das Geschehen zwar er leichtert, aber verständnislos verfolgt. Er hatte kaum die Hälfte davon begriffen, weil ihm das Wissen um die Zusammenhänge ab ging. Die Arkonidin wandte sich an Ra. »Wir werden aller Voraussicht nach doch nicht auf dem Planeten landen, und es wäre sinn los, ihn woandershin mitnehmen zu wollen. Nehmen Sie ein Beiboot und bringen Sie ihn wieder nach Kledzak-Mikhon zurück. Wenn Sie ihn weit genug von dem Kampfplatz ab setzen, dürfte für ihn keine Gefahr mehr be stehen.« Der Barbar nickte. »In Ordnung, Karmi na. Was soll aber anschließend geschehen?« Karmina Arthamin lächelte. »Sobald Sie zurück sind, werden wir starten. Wir fliegen zurück nach Ketokh, um Atlan und Fartu loon abzuholen – hatten Sie etwas anderes gedacht?«
* Die Sensation war perfekt. Das Große Tor von Sewo-Bonth hatte sich aufgetan, zum ersten Male in der Geschichte der Loghanen. Noch wußte niemand, wohin es führen mochte, doch das würde sich herausfinden lassen, sofern es lange genug in Betrieb blieb. »Phantastisch!« flüsterte Rassafuyl über
Das Erbe der Akonen wältigt. »Das ist genau der passende Rah men für die Feiern zum Abschluß des Spie les. Arbeiten die beiden anderen Großtore auch?« Die Frage galt Tamoyl, der inzwischen ei ne Blitzverbindung zu deren Standorten hat te herstellen lassen. Er drehte sich nun um und schüttelte den Kopf. »Nein, dort hat sich bisher nichts Derarti ges ereignet. Die Erben waren sehr verwun dert über meine Anfrage. Sie wissen noch nicht, was in Sewo-Bonth geschehen ist.« »Ich verstehe das nicht ganz«, warf Ke nyol nachdenklich ein. »Ich hatte stark ange nommen, daß die anderen Tore auch in Be trieb wären, denn ein Tor ohne Gegenstation kann doch keinen Zweck erfüllen. Vielleicht müssen sie aber auch erst aktiviert werden. Wir sollten uns bei Dammyol erkundigen, auf welche Weise ihm die Inbetriebnahme gelungen ist.« Die Sprechverbindung nach Sevvo-Bonth stand, und Rassafuyl gab dem Leiter des Aufnahmeteams die Anweisung, den Anfüh rer der Erben ans Mikrophon zu holen. Dammyol kam, verneigte sich und sah die Mitglieder des Triumvirats mit deutlichem Stolz an. Sein Bild wurde in die untere Hälf te des Panoramas der Transmitterhalle ein geblendet. »Es ist ein großer Tag für Kledzak-Mik hon«, meinte Rassafuyl wohlwollend und anerkennend. »Wie haben Sie es geschafft, das Tor zu aktivieren, Dammyol?« Der junge Erbe sah ihn verwundert an. »Geschafft …?« wiederholte er verständnis los. »Wir haben gar nichts unternommen, Hoher Rat. Ich war gerade dabei, den ande ren Anweisungen für die Abschlußfeier zu geben, und da geschah es ganz plötzlich. Wir waren zu Tode erschrocken, als es auf einmal laut krachte und grelle Blitze auf zuckten. Im nächsten Moment stand der Torbogen, und daraufhin habe ich Sie sofort verständigen lassen. Seitdem hat sich hier nichts verändert.« »Es ist gut, Dammyol«, sagte der Rat. »Passen Sie weiterhin gut auf, versuchen Sie
17 vorsichtig, anhand der Kontrollinstrumente herauszufinden, worauf das Ereignis zurück zuführen ist. Die Bildverbindung bleibt bis auf weiteres bestehen.« Er schaltete den Sprechkanal ab und wandte sich langsam um. Der angegraute Pelz auf seiner Stirn kräuselte sich, die spit zen Ohren vibrierten nervös. »Ich habe den Eindruck, daß Dammyol dieser Situation nicht gewachsen ist«, mein te er. »Vielleicht wäre es ratsam, daß wir uns selbst nach Sevvo-Bonth begeben? Wir verfügen über eine weit größere Erfahrung als die Jungen dort.« Tamoyl nickte. »Daran habe ich auch schon gedacht, Rassafuyl. Dann sollten wir uns aber beeilen, denn es ist durchaus mög lich, daß sich das Tor ebenso plötzlich wie der abschaltet, wie es aktiviert worden ist. Der Bogen steht jetzt zwar schon etwa sechs Minuten, aber niemand kann wissen …« Er unterbrach sich erschrocken, denn Ke nyol hatte einen gurgelnden Laut ausgesto ßen. Er war im Moment der einzige, der auf den Bildschirm geachtet hatte, und nun wies er mit zitternden Fingern auf die Mattschei be. »Da – sehen Sie doch! Zwei Gestalten sind aus dem Tor gekommen … Ihr Götter, das darf doch nicht wahr sein!« ächzte er pa nikerfüllt. Die beiden anderen Räte fuhren herum, und augenblicklich sträubte sich ihnen der Pelz. Die Schwärze inmitten des Torbogens hatte zwei Männer ausgespien, die nun in verkrümmter Haltung dicht vor der Trans mitteranlage lagen. Doch es waren keine Lo ghanen, es waren … »Die Ahnen …!« keuchte Rassafuyl fas sungslos. »Kein Zweifel, sie müssen es sein, ihre Erscheinung stimmt genau mit den alten Bildern überein.« »Sie kommen zurück!« sagte Tamoyl mit tonloser Stimme. »Bis jetzt sind es nur zwei, aber bestimmt werden die anderen bald fol gen. Wir müssen …« Er verstummte mitten im Satz, denn im gleichen Moment brach Kenyol zusammen.
18 Seine Gestalt verkrampfte sich, neigte sich dann langsam zur Seite und fiel schwer zu Boden. Dort streckte er sich mit einem rö chelnden Laut und lag dann ganz still da. Rassafuyl sprang auf und beugte sich über ihn. »Er ist tot!« stellte er nach einem Blick in die gebrochenen Augen fest. »Er hatte oh nehin ein schwaches Herz, das dieser Aufre gung nicht gewachsen war. Das hat uns ge rade noch gefehlt.« Er wandte sich um und bemerkte, daß Ta moyl überhaupt nicht mehr ansprechbar war. Er zitterte am ganzen Körper, hielt sich krampfhaft an seinem Sessel fest und starrte aus blicklosen Augen auf den Bildschirm. Der doppelte Schock war auch für ihn zuviel gewesen, mit ihm war vorerst nicht zu rech nen. Nun lag die ganze Verantwortung auf Rassafuyls Schultern, und der Rat handelte sofort. »Wir müssen sie töten, sonst kann es zu einer Katastrophe kommen!« murmelte er entschlossen vor sich hin. Nur wenige Erben, meist Mitglieder der Regierung, waren in das Geheimnis der Ab stammung der Loghanen eingeweiht. Nur sie wußten, daß ihre Vorväter künstlich gezüch tete Geschöpfe gewesen waren, die erst die Herrschaft über den Planeten übernommen hatten, als ihre Schöpfer spurlos verschwan den. Niemand wußte mehr, wie lange das schon zurücklag. Trotzdem hatten die weni gen Eingeweihten immer befürchtet, daß die Ahnen eines Tages zurückkehren könnten. Das hätte das Ende des eigenständigen Da seins der Loghanen bedeutet, es hätte für das ahnungslose Volk ein grausames Erwachen gegeben. Rassafuyl war entschlossen, es nicht so weit kommen zu lassen. Er sah wieder auf den Bildschirm und überzeugte sich davon, daß die beiden Gestalten immer noch re gungslos vor dem Großen Tor lagen. Offen bar waren sie von weither gekommen und hatten dabei einen Schock erlitten, der sie vorerst handlungsunfähig machte. »Das ist gut!« knurrte der Rat und schal-
Harvey Patton tete die Sprechverbindung nach SevvoBonth wieder ein. Auch dort herrschte Aufregung, aber nicht jene Bestürzung, die Rassafuyl erfüllte. We der die Erben noch die Techniker ahnten auch nur entfernt, welch ungebetene Gäste bei ihnen erschienen waren. Dammyol kam zum Mikrophon und wollte berichten, aber der Hohe Rat unterbrach ihn sofort. »Machen Sie schnell, Dammyol«, sagte er und gab sich keine Mühe, seine Erregung zu unterdrücken. »Holen Sie sofort Waffen – die beiden Körper, die aus dem Tor gekom men sind, sind ohne jede Rücksicht zu ver nichten!« Der junge Erbe war bestürzt und wollte etwas einwenden. Doch die Worte blieben ihm im Halse stecken, als er den gnadenlo sen Ausdruck in Rassafuyls Augen bemerk te. »Sofort, Hoher Rat«, gab er zurück und eilte davon.
* Der Eingeborene saß am Tisch und stu dierte einige Bogen aus einem papierähnli chen Material. Ich sah durch seine Augen, aber ich interessierte mich nicht im gering sten dafür. Ganz unvermutet war ich auf Fartuloon – oder vielmehr auf seinen Geist – gestoßen, und nun beherrschte uns beide die Freude über dieses Zusammentreffen. Schließlich schaltete ich meinen Gesichts sinn ganz ab, um nicht abgelenkt zu werden. »So also trifft man sich wieder«, stellte der Bauchaufschneider fest. »Kannst du dir erklären, wie es dazu gekommen ist?« Ich wollte mit den Schultern zucken, doch mangels Masse war dieser Versuch zum Scheitern verurteilt. »Ich weiß auch nicht mehr als du«, gab ich zurück. »Als Klinsan thor uns auf die Reise schickte, verlor ich das Bewußtsein, und als ich wieder zu mir kam, steckte mein Ich im Körper eines Sau riers. Es war ein übler Schock, aber inzwi schen habe ich doch schon einiges gelernt, und deshalb bin ich jetzt hier.« »Verdammt, wo mögen nur unsere Körper
Das Erbe der Akonen geblieben sein?« murrte Fartuloon. Ich konnte jeden seiner Gedanken deutlich emp finden, es war wie bei den sonst üblichen Unterhaltungen mit meinem Extrahirn. »Irgendwie sind sie uns abhanden gekom men, und das ist ein eklig ungemütlicher Zu stand. Statt auf Kledzak-Mikhon anzukom men, sitzen wir jetzt auf einer barbarischen Welt fest. Es ist zum Haareausraufen!« Unwillkürlich produzierte ich ein spötti sches Kichern. »Das würde dir schon im Normalzustand schwerfallen, Dicker! Deine Glatze war schon immer ein wahres Prachtexemplar. Jetzt aber Scherz beiseite: Wir müssen ge meinsam versuchen, einen Ausweg aus die ser prekären Lage zu finden. Oder hast du Lust, für ewig in einem Saurier zu hausen?« »Dumme Frage!« erwiderte der Bauch aufschneider. »Gut, fangen wir an, zu über legen. Da ist einmal die Frage, ob sich diese Welt überhaupt in unserer Galaxis befinden mag. Anomalien im Grenzbereich zwischen dem Hyperraum und dem Normaluniver sum, wie sie Klinsanthors Dimensionsfalte darstellt, können die seltsamsten Effekte hervorbringen.« Damit hatte er recht. Aus der Vergangen heit waren uns Fälle bekannt, bei denen Schiffe anläßlich von Transitionen in derar tige Gebilde geraten waren. Manche waren in die Vergangenheit oder in die Zukunft ge schleudert worden, andere wieder hatten ein Vielfaches der programmierten Entfernung zurückgelegt. Der Verbleib vieler anderer war ungeklärt geblieben, denn sie kamen nie mehr zum Vorschein. Es war gut möglich, daß sie in entfernte Galaxien geschleudert worden waren. »Eine berechtigte Frage«, räumte ich nachdenklich ein. »Doch wir sollten nicht gleich das Schlimmste annehmen, in diesem Fall könnten wir gleich aufgeben. Gehen wir einmal von der Voraussetzung aus, daß sich die Panne in gewissen Grenzen gehalten hat. Der Vorgang wurde schließlich durch Klinsanthors Instrumentarium gesteuert, der in dieser Hinsicht über beträchtliche Erfah
19 rungen zu verfügen scheint.« »Hmmm …«, machte Fartuloon. »Das könnte bedeuten, daß wir uns in der Nähe des Zielplaneten befinden, den unsere Körper vielleicht erreicht haben, während unsere Egos durch hyperdimensionale Ein flüsse von ihnen getrennt wurden. Unter die sen Umständen könnte es uns gelingen, sie innerhalb einer annehmbaren Zeitspanne wieder zu erreichen. Schließlich können wir uns aus eigener Kraft fortbewegen, und so gar mit beträchtlicher Geschwindigkeit. Theoretisch könnte uns also nichts daran hindern, den Planeten zu verlassen.« »Theoretisch könnten wir uns sogar mit millionenfacher Lichtgeschwindigkeit fort bewegen«, spann ich den Faden weiter aus. »Große Philosophen haben schon immer be hauptet, daß der Geist eine übergeordnete Einheit wäre, dem nur durch das Gebunden sein an den Körper Hindernisse auferlegt wären. Gut, nehmen wir das einmal als ge geben an. Dann brauchten wir also nur …« Meine Überlegungen wurden abrupt un terbrochen, denn plötzlich mischte sich eine fremde »Stimme« in unsere Unterhaltung ein. Es war Klinsanthor! »Ich habe festgestellt, daß Ihr Transport durch hyperdimensionale Einflüsse irregulär verlaufen ist«, teilte er uns gedanklich mit. »Ihre Körper sind wohlbehalten auf Kledz ak-Mikhon angekommen, Ihre Bewußtsein dagegen nicht. Machen Sie sich aber deshalb keine Sorgen, ich werde das wieder in Ord nung bringen. Es dürfte allerdings einige Zeit dauern, bis die Anomalien in der Di mensionsfalte behoben sind und ich damit beginnen kann. Diese Zeit spielt aber für Sie keine Rolle, meine Anlagen werden eine entsprechende Kompensation bewirken. Wenn Ihre Bewußtseine wieder in Ihre Kör per gelangen, wird keine nennenswerte Zeit spanne vergangen sein.« Der Ruf des Magnortöters verstummte und ließ uns in einem Zustand freudiger Er regung zurück. »Damit sind unsere Befürchtungen also gegenstandslos geworden«, meinte der
20 Bauchaufschneider, als wir wieder ruhiger geworden waren. »Klinsanthor hält sein Wort, er tut sogar noch mehr, als er verspro chen hat. Somit brauchen wir uns also die nicht vorhandenen Köpfe nicht weiter zu zerbrechen, sondern können beruhigt abwar ten, was weiter geschieht.« »Eigentlich ist es doch seltsam, daß wir beide automatisch zwei bedeutende Persön lichkeiten als Wirte gefunden haben«, über legte ich. »Dein Ich ist in das Gehirn des hiesigen Stadtoberhaupts gelangt, während ich in dem eines Obersten Priesters des so genannten ›Furchtbaren Gottes‹ herausge kommen bin.« »Ich finde das gar nicht so seltsam, Atlan. Vermutlich besitzen beide einen adäquaten Intelligenzquotienten, auf den wir angespro chen haben. Viel merkwürdiger erscheint mir, daß es überhaupt Saurierwesen mit In telligenz gibt. Bisher war mir noch kein der artiger Fall bekannt. Normalerweise besitzen Echsen ja überhaupt kein Gehirn, sondern nur sogenannte Nervenknoten, durch die die Körperfunktionen gesteuert werden. Wir ler nen eben nie aus, wie man sieht.« »Mein Wirt ist nicht nur intelligent, son dern ein ausgesprochen verschlagener Typ«, erinnerte ich mich. »Als ich in ihn ›fuhr‹, war er gerade dabei, das Volk seiner Stadt im Namen des Gottes zu einem Kriegszug gegen die Bewohner des Dunklen Landes aufzurufen. Das war natürlich reiner Betrug, denn in Wirklichkeit ging das Ganze von ei nem gewissen Warong aus, der so etwas wie der Stammesfürst zu sein scheint.« »Priester!« bemerkte Fartuloon abfällig. »Ich habe schon viele kennengelernt, aber kaum einer glaubte wirklich an das, was er seinen Gläubigen verkündete.« Er schwieg einen Moment und fragte dann konsterniert: »Diese Burschen planen also einen Krieg gegen das Dunkle Land? Das ist doch hier bei uns, Mann!« »Allerdings«, gab ich zurück. »Als ich die Stadt verließ, waren die Vorbereitungen be reits in vollem Gange. Es kann nur noch we nige Stunden dauern, bis Warongs Horden
Harvey Patton hier einfallen. Die ersten Voraustrupps wa ren schon auf dem Marsch.« »Das dürfen wir auf keinen Fall zulas sen!« ereiferte sich mein alter Lehrer. »Die Echsen hier entsprechen zwar nicht eben meinem Schönheitsideal, aber sie sind streb same und friedliche Wesen. Wir müssen un bedingt etwas tun, um ihnen zu helfen oder sie wenigstens warnen, ehe es zu spät ist.« »Eben deshalb bin ich hierher gekommen, Bauchaufschneider. Die große Frage ist nur, wie wir das anstellen sollen! Vergiß nicht, daß wir körperlose Wesen sind, die keine Möglichkeit besitzen, sich irgendwie be merkbar zu machen.« Konnten wir das wirklich nicht? Fast augenblicklich fiel mir ein, daß der Oberpriester meine Anwesenheit gespürt hatte, nachdem ich aus seinem Hirn ge schlüpft war. Einen gewissen Einfluß schie nen wir also doch bewirken zu können – vielleicht reichte er sogar aus, um die Sau rierwesen gedanklich ansprechen zu können! Wir waren jetzt immerhin zu zweit und konnten unsere Geisteskräfte potenzieren. Ich teilte diese Überlegungen umgehend Fartuloon mit, und der Bauchaufschneider war wie elektrisiert. »Eine ausgezeichnete Idee, Kristallprinz. Meine Schulung war also doch nicht ganz umsonst, wie man sieht. Dieser Mornak, in dessen Gehirn wir uns befinden, dürfte für unser Anliegen genau der richtige Mann sein. Die Frage ist nur, wie wir es ihm bei bringen sollen, ohne daß er zu Tode er schrickt.« Gemeinsam überlegten wir eine Weile und glaubten dann, eine brauchbare Metho de gefunden zu haben. Wir konzentrierten uns voll auf Mornaks Gehirn und nahmen unser Vorhaben in Angriff.
5. Snayssol hatte sich wieder halbwegs beru higt. Seine Scheu gegenüber den Arkoniden hatte sich jedoch noch immer nicht gelegt.
Das Erbe der Akonen Zu deutlich stand ihm immer noch jene Sze ne vor Augen, als er mit den Mitgliedern des regierenden Triumvirats zusammengetroffen war. Er war schon immer ein Sucher nach je ner Wahrheit gewesen, die seiner Meinung nach tief irgendwo in der Geschichte der Lo ghanen verborgen lag. Er hatte darüber kei ne feste Meinung gehabt, weil ihm die rich tigen Anhaltspunkte fehlten, sondern mehr instinktiv gespürt, daß es ein großes Ge heimnis gab. Dann hatte man ihn mit der Wahrheit konfrontiert und ihm das Bild eines »Ahnen« gezeigt. Es war eine schreckliche Wahrheit gewesen, doch sie hatte ihm im mer noch keine völlige Klarheit gebracht. Die letzte Antwort hatte ihm das Triumvirat verweigert und ihn statt dessen durch das Beginntor des großen Spiels geschickt. An geblich, um ihm eine neue Chance zu geben – in Wahrheit war es ein verkapptes Todes urteil gewesen. Doch er war gerettet worden – ausgerech net von Wesen, die dem Ahnen auf dem Bild so verzweifelt ähnlich sahen! Dieser Umstand hatte ihn in neue Gewissenskon flikte gestürzt, seine Scheu war also durch aus verständlich. Er fürchtete sich auch jetzt noch immer, obwohl die Bedrohung seines Daseins durch Akon-Akon vorüber war. Le diglich der Magnetier Vorry, der sich deut lich von den Wesen im Schiff unterschied, und der dunkelhäutige Barbar, der bei seinen Rettern gewesen war, schienen ihm weniger furchterregend. Ra hatte das instinktiv gespürt und sich seiner besonders angenommen. Es kam ihm deshalb gelegen, daß ihn Karmina Arthamin dazu bestimmt hatte, Snayssol nach Kledz ak-Mikhon zurückzubringen. Er hatte zwei dienstfreie Männer der Schiffsbesatzung als Begleiter ausgewählt und befand sich nun mit ihnen und dem Loghanen auf dem Weg zum Beiboothangar. Ein transportabler Translator ermöglichte ihm die Verständi gung mit dem Grünpelz, der ihn entfernt an einen Bären erinnerte.
21 »Wir werden dich jetzt auf deine Heimat welt zurückbringen«, erklärte er Snayssol freundlich. »Euer sogenanntes großes Spiel ist jetzt vorüber, die Gefahr für dich dürfte also ausgestanden sein. Hast du einen beson deren Wunsch, wo du abgesetzt werden möchtest? Du hast doch sicher Familie oder Verwandte, die dich gern aufnehmen wer den.« Der loghanische Erbe blieb stehen. Seine Augen mit den Schlitzpupillen waren über legend zusammengekniffen, die vierfingri gen Hände nestelten am Kreuzgurt über sei ner Brust. Schließlich schüttelte er langsam den Kopf. »Ich kann mich jetzt auf keinen Fall dort sehen lassen, wo man mich kennt. Wahr scheinlich hat das Triumvirat längst den Be fehl herausgegeben, mich bei meinem Auf tauchen sofort festzunehmen. Sie haben schon einmal versucht, mich zu beseitigen, und sie werden es wieder tun. Ich kann mich nirgends auf Kledzak-Mikhon mehr sicher fühlen.« Ra hatte gleichfalls angehalten. »Ganz so schlimm kann es auch wieder nicht sein«, meinte er zuversichtlich. »Wenn wir dich in einer abgelegenen Gegend abset zen, wo dich niemand kennt, kannst du be stimmt unter einem falschen Namen einen Unterschlupf finden. Dort kannst du dann so lange abwarten, bis Gras über die Sache ge wachsen ist.« »Gras gewachsen?« fragte Snayssol ver ständnislos, dem diese Redewendung unbe kannt war. Ra erklärte ihm, was er gemeint hatte, und sie gingen weiter. Kurz vor Errei chen des Beiboothangars machte sich der Loghane wieder bemerkbar. »Ich glaube einen solchen Ort zu kennen, Ra. In einer kleinen Stadt an der Nordspitze des Kontinents Parl-Jasgor lebt ein alter Verwandter von mir, bei dem ich mich in meiner Jugend oft aufgehalten habe. Ich ha be ihn zwar lange nicht mehr gesehen, aber ich glaube nicht, daß er mich verraten wür de. Er ist ein sehr gutmütiger Mann, früher war er ein bekannter Architekt.«
22 »Ausgezeichnet«, sagte der Barbar und führte ihn in die Zentrale des kleinen Boo tes, während die beiden anderen Männer sich zu den Maschinenanlagen begaben. »Leider ist es in dieser Gegend jetzt erst Vormittag, wir können also nicht in der Nä he der Stadt landen. Ich werde dich in einer möglichst unbelebten Gegend irgendwo in der Umgebung absetzen. Von dort aus mußt du dich dann zu Fuß auf den Weg machen.« Snayssol schüttelte den Kopf. »Ich weiß etwas Besseres, Ra. Am Fuß der Berge unweit dieser Stadt befindet sich ein Ort, der seit Jahren verlassen ist. Die meisten Häuser wurden durch einen Stein schlag zerstört, aber das dortige Tor ist im mer noch funktionsfähig und steht mit dem allgemeinen Netz in Verbindung. Von dort aus kann ich mich direkt in die Stadt bege ben, es gibt einen Anschluß ganz in der Nä he von Garfulys Wohnung.« Ra nickte und leitete den Start ein. Ein kurzer Funkimpuls, dann glitt das Schott des bereits luftleeren Hangars auf, und das Boot schwebte ins Freie. Der Barbar zog die Kar ten zu Rate, die von Kledzak-Mikhon ange fertigt worden waren und schlug dann den entsprechenden Kurs ein. Zwanzig Minuten später glitt das Beiboot mit geringer Geschwindigkeit dicht über der Oberfläche des Nordmeers auf den Konti nent Parl-Jasgor zu. An dieser Stelle fiel das Randgebirge steil direkt in den Ozean ab, in dieser unwegsamen Gegend gab es keine lo ghanischen Ansiedlungen. Ra manövrierte das Boot geschickt zwischen den Bergen hindurch, bis die landeinwärts gelegene Ebe ne in Sicht kam. Dann landete er nach Snayssols Anweisung in einem schmalen Canyon, von dem aus bereits der zerstörte Ort zu sehen war. Er begleitete den Loghanen zur Schleuse, aber dort zögerte Snayssol. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du hier noch eine Weile warten würdest, Ra. Viel leicht geht doch etwas schief, so daß ich wieder fliehen muß. Dann wüßte ich nicht mehr, wohin ich mich wenden sollte, wenn
Harvey Patton ihr nicht mehr da seid.« Ra runzelte die Stirn und wollte bereits absagen. Doch dann gewann das Mitleid mit dem schwer geprüften Grünpelz die Ober hand und er stimmte zu. »In Ordnung, ich gebe dir zwanzig Minu ten. Wenn du bis dahin nicht zurückgekom men bist, starte ich auf jeden Fäll. Wir dür fen keine Zeit verlieren, der Abflug des Schiffes nach Ketokh steht unmittelbar be vor.« Snayssol bellte einen Dank und entfernte sich dann in langen Sprüngen. Der Barbar begab sich in die Zentrale des Bootes zurück und verständigte die ISCHTAR über Funk. Karmina Arthamin zeigte sich sehr unge halten, sah dann aber doch ein, daß der Log hane nicht einfach einem ungewissen Schicksal ausgeliefert werden konnte. Sie wies Ra an, sich so sehr als möglich zu beei len und hatte das Gespräch gerade beendet, als ein Alarmruf aus der Medostation kam. Der Arzt Albragin meldete sich, und sein Gesicht drückte höchste Bestürzung aus. »Kommen Sie schnellstens zu uns herun ter, Karmina – mit Akon-Akon stimmt etwas nicht!«
* »Besteht Lebensgefahr für ihn?« fragte die arkonidische Sonnenträgerin knapp, als sie in der Medostation angelangt war. Albra gin zuckte mit den Schultern. »Wir haben noch keine definitiven Fest stellungen treffen können, Kommandantin. Durch den Überschlagblitz hatte er leichte Verbrennungen erlitten, aber sie konnten uns nicht vor ernsthafte Probleme stellen. Wir haben sie entsprechend behandelt, die Hei lung ist in vollem Gang. Die jetzt aufgetrete nen Komplikationen sind vollkommen ande rer Natur.« Karmina Arthamin sah ihn verweisend an. »Sie machen viele Worte, ohne aber da mit etwas zur eigentlichen Sache zu sagen, Bauchaufschneider! Wenn Mediziner sich derart umständlich ausdrücken, sind sie
Das Erbe der Akonen meist ratlos, das weiß ich aus meinen Erfah rungen bei der Imperiumsflotte. Sie werden mir doch wenigstens die aufgetretenen Sym ptome nennen können, hoffe ich?« Albragin zuckte unwillkürlich zusammen, als sie diesen strengen Ton anschlug. Er strich sich fahrig durch das bereits gelichtete helle Haar, die rötlichen Augen wirkten ver kniffen. »Natürlich kann ich das, Sonnenträgerin«, gab er unmutig zurück. »Rein äußerlich ist dem Patienten nichts anzumerken, aber die an seinen Körper angelegten Kontrollinstru mente spielen seit einigen Minuten verrückt. Sie zeigen plötzlich derart unsinnige Werte an, daß er eigentlich gar nicht mehr am Le ben sein dürfte, wenn diese Angaben stim men.« Sie hatten inzwischen die Krankenkabine erreicht, in der Akon-Akons Körper reglos auf einem Schwebebett ruhte. Man hatte ihn festgeschnallt, aber Karmina war klar, daß diese Vorsichtsmaßnahme eigentlich völlig überflüssig war. Wenn von diesem jungen Mann wirklich eine Gefahr drohen sollte, – dann spielte sein Körper nur eine sehr unter geordnete Rolle. Seine Kräfte lagen auf ei nem gänzlich anderen, rein psychischen Ge biet. Sie starrte in das wachsbleiche Gesicht und sah, wie sich seine Brust in langsamen Atemzügen hob. Akon-Akon stand nach wie vor unter der Wirkung des betäubenden Mit tels. Seine Augen waren geschlossen, von seinem suggestiv begabten Gehirn gingen keinerlei beeinflussende Emissionen aus. Die Arkonidin schüttelte langsam den Kopf und sah wieder den Arzt an. »Was sagen Ihre Instrumente nun wirk lich, Albragin?« fragte sie erneut. »Ich bitte um präzise Angaben, drücken Sie sich aber bitte allgemeinverständlich aus. Meine Stär ke liegt auf anderen Gebieten, von der medi zinischen Terminologie verstehe ich nicht allzuviel.« Albragin winkte seine beiden Gehilfen beiseite, die mit schußbereiten Paralysatoren bei dem Krankenbett Wache hielten. Sie ga
23 ben den Blick auf den kleinen Medocompu ter frei, von dem aus zahlreiche Kabel zu Akon-Akon führten. An ihnen saßen die Sensoren, die man an seinem Körper befe stigt hatte. »Bitte sehen Sie selbst«, meinte er und wies auf die Anzeigen des Computers. »Das hier ist beispielsweise die Angabe seiner Körpertemperatur. Vor zehn Minuten lag sie noch um drei Grad zu hoch – jetzt ist sie um zwei Grad zu niedrig! Hier sehen Sie den Blutdruckmesser, der jetzt Werte anzeigt, die doppelt über normal sind, während es vor zehn Minuten vierzig Prozent zu wenig waren. Ähnlich ist es auch mit allen anderen Angaben, die Werte schwanken ständig. Das ist es, was ich nicht verstehe, Kommandan tin.« »Haben Sie den Computer überprüft?« er kundigte sich Karmina mit gerunzelter Stirn. Der Arzt nickte. »Natürlich, denn zuerst dachte ich auch, daß die Fehlerquelle bei ihm zu suchen wä re. Er ist jedoch vollkommen in Ordnung, ich habe Kontrollmessungen an mir selbst durchgeführt. Als ich die Sensoren wieder an Akon-Akons Körper anlegte, begannen die Schwankungen aber von neuem. Ein ständiges Auf und Ab, das kein normaler Mensch aushalten kann.« »Dieser junge Mann ist kein normaler Mensch«, belehrte ihn die Sonnenträgerin lakonisch. Sie überlegte einen Moment und fragte dann: »Halten Sie es für möglich, daß die Anzeigen des Computers irgendwie durch ihn beeinflußt werden?« Albragin sah sie verwundert an. »Ein Me docomputer ist ebenso unbestechlich wie al le Positroniken, Kommandantin. Ich wüßte nicht, wie jemand seine Sensoren irgendwie beeinflussen könnte. Ein Mann unter dem Einfluß eines starken Betäubungsmittels ist dazu erst recht nicht in der Lage.« Karmina Arthamin lächelte leicht. »Das dürfte sich leicht feststellen lassen, Bauchaufschneider. Entfernen Sie jetzt sämtliche Sensoren und führen Sie dann mit einfachen mechanischen Geräten verglei
24 chende Messungen durch. Sie verfügen doch sicher über die entsprechenden Instrumen te?« Der Arzt nickte mit skeptischem Blick und befolgte ihre Anordnung. Schon nach der Temperaturmessung schüttelte er ver wundert den Kopf, und seine Verwirrung stieg in den nächsten Minuten weiter. Schließlich legte er seine Instrumente beisei te und sah die Arkonidin mit dem Blick ei nes Mannes an, der die Welt nicht mehr ver stand. »Sämtliche manuell erzielten Werte sind vollkommen normal!« meinte er mit schwankender Stimme. »Das ist mir erst recht unbegreiflich, Kommandantin, aber Sie haben augenscheinlich recht. Wie ist das nur zu erklären?« Karmina lächelte wieder. »Ganz einfach, wenn man erst einmal auf den richtigen Ge danken gekommen ist. Akon-Akons Be wußtsein ist zwar ausgeschaltet, aber sein Unterbewußtsein arbeitet trotz der Betäu bung weiter! Von ihm müssen irgendwelche Störimpulse ausgehen, die geeignet sind, den Medocomputer zu beeinflussen. Wie das geschieht, werden wir wohl kaum feststellen können, da es für parapsychische Aktivitäten bisher noch keine Kontrollmöglichkeit gibt. Ihre Sorgen waren auf jeden Fall unberech tigt. Trotzdem ist es gut, daß Sie mich ver ständigt haben, denn nun wissen wir wenig stens, woran wir sind.« Albragin nickte langsam. »Ihre Erklärung leuchtet mir voll ein, Kommandantin. Schla gen Sie irgendwelche besonderen Maßnah men in bezug auf den Patienten vor?« Karmina Arthamin lachte humorlos auf. »Nach wie vor ist natürlich erhöhte Vorsicht geboten, denn dieser ›Patient‹ darf keine neue Chance bekommen, uns unter sein gei stiges Joch zu zwingen. Ihn daran zu hin dern, ist bis auf weiteres Ihre vordringliche Aufgabe, Albragin! Später wird Atlan selbst entscheiden, was weiter mit ihm geschehen soll.« Sie verließ die Medostation, und der Arzt sah ihr kopfschüttelnd nach. Er hatte die
Harvey Patton Sonnenträgerin schon immer heimlich ver ehrt, aber nun war seine Hochachtung vor ihr noch um einige Grade gestiegen.
6. Karwonz zuckte leicht zusammen und strich sich mit der linken oberen Hand über die Augen, die unter dicken hornigen Wül sten lagen. Ein leichtes Schwindelgefühl überkam ihn, sekundenlang verschwamm das Bild der Schriftzeichen auf den Notiz blättern vor ihm. Sollten das bereits erste Anzeichen von Überarbeitung sein? Er war erst seit einigen Dekaden das Oberhaupt der kleinen Stadt, aber er hatte große Pläne. Das Dunkle Land war eine aus gesprochen fruchtbare Gegend, doch die landwirtschaftlichen Erträge ließen trotzdem zu wünschen übrig. Karwonz führte das dar auf zurück, daß immer dieselben Pflanzen am gleichen Ort angebaut wurden. Vielleicht begann der Boden gewisse Ermüdungser scheinungen zu zeigen, und dem wollte er abhelfen. Er hatte in tagelanger Arbeit neue Bebau ungspläne ausgearbeitet und war dabei, sie noch einmal zu überprüfen. Seine erste grö ßere Amtshandlung sollte es sein, diese Plä ne den Pflanzern vorzulegen. Sie würden nicht sehr erfreut sein, doch er hoffte, sie schnell von der Zweckmäßigkeit dieser Maßnahme überzeugen zu können. Wenn er ihnen ausmalte, wie sich ihr Verdienst ohne große Mühe erhöhen würde, würden sie ihm bestimmt zustimmen. Daß die Stadt eben falls davon profitierte, weil sich die Abga ben entsprechend erhöhten, konnte sein An sehen nur steigern. Er hatte sich voll auf seine Pläne konzen triert. Wie kamen nun plötzlich so seltsame Gedanken in seinen Kopf, die damit über haupt nichts zu tun hatten? War die Idee, daß Warong einen Kriegszug gegen das Dunkle Land planen könnte, nicht einfach lächerlich? Was sollten diese unbegründeten Gedanken? Doch sie waren nun einmal da und lenk
Das Erbe der Akonen ten ihn ab; und je länger er sich ihnen hin gab, um so plausibler erschienen sie ihm! Warong war ein Tyrann, das wußte Kar wonz seit langem. Seine Herrschaft basierte hauptsächlich auf Unterdrückung, und die Priester des Furchtbaren Gottes Ramanak unterstüzten ihn dabei. Ihr Einfluß auf ihn war groß – sollten sie ihn jetzt wirklich so weit gebracht haben, einen Überfall auf das reiche Dunkle Land zu planen …? Karwonz schüttelte unwillig den mächti gen Kopf, doch diese unerfreulichen Gedan ken ließen sich einfach nicht verdrängen. Sie gewannen schließlich soviel Macht über ihn, daß er den hornigen Schwanz gegen den Bo den stemmte und sich aus seinem Sitz erhob. Vielleicht waren seine plötzlichen Befürch tungen unbegründet, vielleicht aber auch nicht. Es konnte jedenfalls nicht schaden, wenn er einige schnelle Späher ausschickte, um die Wege zu Warongs Stadt zu kontrol lieren. Seine Ordnungshüter waren sehr verwun dert, als er unvermutet bei ihnen auftauchte und ihnen entsprechende Befehle gab. Sie kannten ihn als einen eifrigen und ehrgeizi gen jungen Mann, der aber seine Fähigkei ten erst noch unter Beweis zu stellen hatte. Doch er war ihr Vorgesetzter, und so führten sie seine Anordnung aus, obwohl sie ihnen sinnlos erschien. Noch nie hatte Warong es gewagt, etwas gegen das Dunkle Land zu unternehmen. Warum wollte er es jetzt auf einmal versuchen wollen? Sie wurden eines Besseren belehrt. Eine Stunde später raste ihr Anführer durch die schmalen Straßen der Stadt, als würde er von Dämonen verfolgt. »Krieg!« schrie er mit trompetender Stimme. »Eine gewaltige Streitmacht aus dem Oberen Land ist im Anmarsch – Warongs Horden greifen uns an!« Minuten später befand sich die kleine Stadt der Saurierwesen in hellem Aufruhr. Von allen Seiten strömten die wehrfähigen Männer zusammen, um die Anordnungen des Stadtoberhaupts zu vernehmen. Kar wonz wußte nun, daß seine völlig unmoti
25 vierten Gedanken genau zur rechten Zeit ge kommen waren. Die Ordnungshüter hatten von dem einzigen großen Hügel der Umge bung aus, der einen weiten Blick ins Obere Land erlaubte, die Annäherung von Warongs Streitmächt beobachten können! In spätestens zwei Stunden mußten sie kommen, und das war sehr wenig Zeit. Kar wonz überlegte nicht lange, sondern schickte umgehend Boten in die gesamte Umgebung aus. Vielleicht würde es nicht mehr gelin gen, den Feind am Einmarsch in seine Stadt zu hindern, und das war bitter. Sobald sich jedoch alle wehrhaften Männer der Umge bung vereinten, mußte Warong eine vernich tende Schlappe erleiden, das stand für ihn fest. Fartuloon und ich beobachteten die Vor bereitungen der Saurier mit gespannter Auf merksamkeit. »Dieser Karwonz verfügt über ein bemer kenswertes taktisches und organisatorisches Geschick«, bemerkte ich schließlich. »Er verzettelt seine geringen Streitkräfte nicht, sondern setzt sie genau dort an, wo er Warongs Horden am wirkungsvollsten ent gegentreten kann. Dadurch kann er sie zu mindest für eine Weile aufhalten, und inzwi schen werden laufend Verstärkungen ein treffen. Ich glaube, daß wir uns um das wei tere Geschick des Dunklen Landes nicht mehr viel Sorgen zu machen brauchen.« Fartuloon stimmte mir zu. »Wir könnten aber noch einiges tun, um ihnen zu helfen«, meinte er dann. »Wenn wir jetzt Karwonz verlassen und in Warongs Gehirn schlüpfen, können wir zusätzlich Verwirrung unter den Angreifern stiften. Wir beeinflussen ihn un merklich soweit, daß er vollkommen unsin nige Anordnungen gibt, und dann …« Seine Überlegungen wurden im nächsten Moment gegenstandslos. Abrupt ver schwand die Landschaft des Saurierplane ten, als uns ein gewaltiger Sog erfaßte und aus Karwonz' Hirn riß. Klinsanthor hatte eingegriffen – die Reise nach Kledzak-Mik hon ging weiter. Hoffentlich schaffen sie es! dachte ich
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Harvey Patton
noch, ehe mein Ich in einer alles umfassen den wesenlosen Schwärze versank.
* Snayssol lief, so schnell er konnte. Trotz seiner Eile sah er sich immer wieder verängstigt um. Der kleine Ort war zwar zer stört und verlassen, aber zuweilen fanden sich doch einzelne Loghanen dort ein. In der Bergwildnis gab es jagdbare Tiere, und ein Teil der Bewohner von Kledzak-Mikhon ging gern auf die Jagd. Ein solcher Ausflug war für sie kein Pro blem. Sie gingen in ihrem Heimatort in einen Transmitter und kamen gleich darauf irgendwo heraus, wo das Revier direkt vor ihrer Nase lag. Das war einer der Gründe da für, daß auch dieses Tor hier noch immer betriebsbereit gehalten wurde. Doch der Erbe hatte Glück. An diesem Vormittag war weit und breit niemand zu se hen. Das Spiel der Schwarzen Tore hatte für Ablenkung gesorgt, niemand wollte die Übertragung der Endfeiern versäumen. Snayssol wand sich zwischen den Steinen und Trümmern hindurch. Außer Atem kam er bei dem betreffenden Gebäude an. Es war ebenfalls schwer mitgenommen, aber sein Eingang war freigemacht worden. Noch ein rascher Blick in die Umgebung, dann schlüpfte der junge Loghane in die Station. Er hatte es vorerst geschafft. Obwohl er es eilig hatte, ließ er nun doch noch einige Minuten verstreichen. Er mußte sich erst erholen und seinen Pelz glattstrei chen, ehe er sich auf den Weg machte. In der kleinen Stadt, die sein Ziel war, würde ihn vermutlich kaum noch jemand erkennen. Wenn er aber verstört und abgekämpft dort ankam, mußte er unweigerlich Aufsehen er regen. Endlich hatte er sich beruhigt und herge richtet. Nun sah er wenigstens äußerlich ru hig und unverdächtig aus. Er trat entschlos sen in das Transportfeld. Die Umgebung verschwand vor seinen Augen und wurde übergangslos durch eine andere abgelöst.
Auch diesmal ging alles gut. Die Trans mitterstation war im Augenblick leer, nie mand hatte seine Ankunft beobachtet. Noch einmal holte Snayssol tief Luft, dann verließ er das Gebäude und trat auf die Straße hin aus. Er hätte rennen mögen, doch er bewegte sich gemächlich wie jemand, der viel Zeit hat. Daß sein Vorgehen richtig war, zeigte sich bald. Ihn trafen zwar die neugierigen Blicke der Passanten, aber niemand schenkte ihm besondere Aufmerksamkeit. Sein Herz begann ruhiger zu klopfen, als er dann in die schmale Seitenstraße einbog, in der sein Großonkel wohnte. Garfuly war zu einem Einzelgänger ge worden, seit seine Lebensgefährtin gestor ben war. Er hatte sich hier in diesem Nest vergraben, wo er nur selten Besuch bekam. Als bekannter Baumeister hatte er früher ge nug verdient, um einen sorgenlosen Lebens abend zu haben. Trotzdem saß er auch jetzt noch die meiste Zeit über vor Zeichnungen und Entwürfen. Er träumte davon, vor sei nem Tode noch ein Bauwerk zu schaffen, das seinesgleichen auf dem ganzen Planeten suchte. So traf ihn auch Snayssol an. Garfuly erhob sich überrascht, seine alten Augen blinzelten den Eintretenden an. Erst nach einigen Sekunden erkannte er ihn und kam mit ausgestreckten Händen auf ihn zu. »Snayssol, mein Junge! Wie schön, daß du dich auch wieder einmal bei mir sehen läßt. Sonst kommt nie jemand zu mir, und mit den Leuten hier im Norden kann ich mich einfach nicht anfreunden. Sie sind so ganz anders wie wir, jeder denkt immer nur an sich. Komm, du mußt dir gleich ansehen, was ich hier entwerfe. Eine Ruhmeshalle, die gleich neben dem Regierungspalast in Poal-To stehen soll – ganz Kledzak-Mikhon wird staunen, wenn sie einmal fertig ist.« Er ist wirklich alt geworden, dachte der Erbe, während er ihn begrüßte. Garfulys Pelz hatte sich gelichtet, die grauen Strähnen darin waren nicht zu übersehen. Nun mühte er sich ab, um noch einmal etwas Großes zu
Das Erbe der Akonen schaffen. Ein aussichtsloses Beginnen, das wußte selbst Snayssol. Es gab Tausende von jungen Männern mit neuen Ideen, die ihn längst überholt hatten. Natürlich hütete er sich, das auszuspre chen. Er sagte einige anerkennende Worte und nahm dann den Becher mit Donrep ent gegen, den ihm der Alte reichte. Beide tran ken, und dann erkundigte sich der Erbe vor sichtig: »Ist es dir recht, wenn ich einige Tage bei dir bleibe? Ich habe frei, und du weißt, daß ich immer gern bei dir gewesen bin. Viel leicht kann ich dir irgendwie helfen.« Garfuly winkte ab. »Das kommt gar nicht in Frage, Junge. Im Gegenteil, solange du hier bist, werde ich einmal nichts tun. Du mußt mir viel erzäh len, ich erfahre ja kaum noch, was draußen in der Welt so vor sich geht. Was machen unsere lieben Verwandten?« Snayssol entspannte sich und gab die ge wünschten Auskünfte. Ja, hier war er sicher, das stand nun für ihn fest. Dieser alte Mann ging ganz in seinen eigenen Angelegenhei ten auf, er wußte nichts davon, was sich in zwischen draußen ereignet hatte. Daß ihn je mand besuchte, von dem er es erfahren konnte, war kaum zu befürchten. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloß behaglich die Augen. Doch im nächsten Moment fuhr er wie vom Schlag getroffen hoch, und sein Pelz begann sich zu sträuben, als eine fremde Stimme aufklang. »… noch immer Unklarheit über den Ver bleib des Erben Snayssol, der während des Spieles der Schwarzen Tore verschwand«, sagte sie. »Obwohl es dabei Zeugen gab, konnte noch nicht festgestellt werden, was auf dem betreffenden Kampfplatz nun wirk lich geschehen ist. Die Aussagen widerspre chen sich so sehr, daß man an ihrer Glaub würdigkeit starke Zweifel haben muß. In zwischen ist aber vom regierenden Triumvi rat der Befehl ausgegeben worden, Snayssol sofort festzunehmen, sobald er irgendwo auftauchen sollte. Er hat sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht, und deshalb
27 …« Rasend vor Wut und Enttäuschung schlug Snayssol auf die Aus-Taste des Videogeräts, das Garfuly gerade eingeschaltet hatte. Es war bestimmt seit langem nicht mehr in Be trieb gewesen, der Alte hatte es nur ange stellt, um ihm einen Gefallen zu tun. Und das ausgerechnet jetzt, im ungünstigsten Moment! Der Erbe drehte sich langsam um und be gegnete dem kalten Blick seines Großon kels. »Ach, so ist das also!« knurrte Garfuly er bittert. »Du bist also nur zu mir gekommen, um dich hier zu verbergen, weil du dich an derswo nicht mehr sehen lassen kannst … Nein, Junge, das kannst du mit mir nicht ma chen. Wie kann ich noch darauf hoffen, daß meine Ruhmeshalle einmal gebaut wird, wenn ich einem Gesetzlosen helfe. Verlaß mich wieder, aber schnell!« Snayssol wollte sich verteidigen, aber der Alte winkte nur verächtlich ab. »Spare dir die Worte, sie sind umsonst. Der einzige Ge fallen, den ich dir noch tun will, ist der, daß ich deine Anwesenheit nicht den Behörden melde. Verschwinde von hier, augenblick lich!« Wortlos folgte der Erbe dieser unerbittli chen Aufforderung. Er schleppte sich hin aus, seine Füße waren wie aus Blei. Nun wußte er wirklich keinen Ort mehr, an dem er sich verbergen konnte. Automatisch schlug er den Weg zur Transmitterstation ein, und plötzlich durch zuckte ihn ein Gedanke, der ihm wieder Hoffnung gab. Der dunkelhäutige Mann aus dem Fahr zeug der Fremden hatte ihm versprochen, noch einige Zeit auf ihn zu warten! Viel leicht war diese Spanne noch nicht verstri chen – vielleicht war er noch da? Snayssol begann zu rennen, ohne sich um die verwunderten Blicke zu kümmern, die ihm folgten.
*
28 Die Aufregung und Verwirrung in der Transmitterhalle des Großen Tores von Sev vo-Bonth hatte ihren Höhepunkt erreicht. Niemand wagte sich näher als bis auf zwanzig Schritte an den Transmitter heran. Er war nach wie vor in Betrieb, der energeti sche Ring spannte sich noch immer über das wesenlose schwarze Nichts. Auch die beiden fremden Männer lagen immer noch regungs los dicht vor ihm auf dem Boden, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben. Keiner der Anwesenden ahnte, um wen es sich dabei handeln mochte und woher die beiden gekommen waren. Weder die Erben noch die Videotechniker hatten jemals We sen gesehen, die ihnen auch nur entfernt gli chen. Ihr Körperbau ähnelte zwar dem der Loghanen, aber das war auch schon alles. Man fand sie häßlich und furchterregend mit ihren bleichen, unbepelzten Gesichtern. Der eine hatte wenigstens auf dem Kopf lan ges helles Haar. Der Schädel des anderen dagegen war vollkommen kahl und wirkte direkt widerwärtig. Daß er unterhalb der Mundpartie ein dichtes Gewirr aus dunklem Pelz besaß, konnte diesen Mangel nicht aus gleichen. Rassafuyl hätte sie aufklären können, aber daran war ihm nicht das geringste gelegen. Zusammen mit Tamoyl, der sich inzwischen wieder gefaßt hatte, beobachtete er noch im mer vom Regierungsgebäude aus die Szene. Er fieberte vor Erregung, denn jeden Augen blick konnten die beiden Ahnen erwachen und aktiv werden. Wo blieben nur die bei den Erben, die sich entfernt hatten, um Waf fen zu holen? Der Rat schaltete wieder die Sprechver bindung ein. »Warum brauchen die beiden so lange?« herrschte er den in der Nähe des Nachrichtengeräts befindlichen Erben an. Der junge Mann zuckte zusammen. »Es wird nicht leicht für sie sein, sich Waffen zu beschaffen, Hoher Rat«, erwiderte er ver schüchtert. »Das hiesige Arsenal ist leer, man hat alles fortgeschafft; weil es für die Spieler gebraucht wurde.« »Auch das noch!« bellte Rassafuyl, der
Harvey Patton immer nervöser wurde. Rasch unterbrach er die Verbindung und rief dafür den Begtan der Polizeitruppe an, deren Aufgabe es war, den Regierungspalast zu bewachen. »Setzen Sie augenblicklich fünfzig Män ner mit voller Bewaffnung nach SevvoBonth in Marsch«, befahl er. »Sie sollen die Halle des Großen Tores aufsuchen und um stellen. Ein Kommando von zehn Mann soll in die Halle eindringen und die beiden Fremden töten, die dort durch das Große Tor gekommen sind. Sie haften mir persönlich dafür, daß nichts schiefgeht, Kimyul!« Der Begtan verstand nur die Hälfte, aber der drängende Ton in den Worten des Rates hielt ihn von zeitraubenden Rückfragen ab. Er hatte einen eindeutigen Befehl gegeben, und Kimyul war ein guter Beamter, dem Ge horsam über alles ging. »Sofort, Hoher Rat«, versicherte er, und Rassafuyl lehnte sich aufatmend zurück. Nun wußte er seine Sache in guten Händen. Selbst wenn noch Dutzende von Ahnen aus dem Transmitter kommen sollten, sie wür den keine Chance haben, irgendwelches Un heil auf Kledzak-Mikhon anzurichten. Kaum zwei Minuten später setzte sich die Polizeitruppe in Marsch. Ihre Station verfüg te über einen eigenen Transmitteranschluß, eine Sonderschaltung sperrte jede private Reise nach Sevvo-Bonth. So konnten die fünfzig Männer ohne jeden Verzug dorthin gelangen. Sie kamen etwa zweihundert Me ter von der Halle des Großen Tores entfernt heraus, formierten sich und marschierten im Eiltempo auf sie zu. Inzwischen war es aber auch Dammyol und seinem Begleiter gelungen, bei Bekann ten zwei Flammenstrahler aufzutreiben. Es waren zwar nur Jagdwaffen mit relativ ge ringem Wirkungsgrad. Zur Tötung von zwei bewußtlosen Männern mußten sie aber jeden Fall vollauf genügen. Dammyol war durchaus nicht wohl in sei nem Pelz. Sein Spezialgebiet war die Tech nik, nicht das Töten. Er war zwar schon eini ge Male auf die Jagd gegangen und wußte mit den Strahlern umzugehen. Es war aber
Das Erbe der Akonen doch ein Unterschied, ob man diese auf ir gendwelche Tiere richtete oder auf Männer, auch wenn diese Fremde waren. Doch auch er tröstete sich damit, daß der Befehl dazu von Rassafuyl gekommen war, der ihn und seine Folgen zu verantworten hatte. Zweifellos würde ihm der Rat hinter her eine einleuchtende Erklärung geben kön nen, er war immerhin einer der höchsten Re gierungsbeamten. Daß er persönlich zusehen würde, war eine zusätzliche Triebfeder für den jungen Erben. Er eilte mit seinem Begleiter in die Halle. Dort hatte sich in der Zwischenzeit nichts verändert. Noch immer lagen die beiden re gungslosen Gestalten vor dem Torbogen, die anwesenden Loghanen standen in respekt voller Entfernung da. Dammyol drängte sie beiseite und ging auf den Transmitter zu. Als er nun die beiden Fremden vor sich sah, erschien es ihm schon weit weniger bedenk lich, sie zu töten. Sie waren häßlich genug, besonders der Dicke mit dem kahlen Kopf. Er trug einen verbeulten Brustharnisch und ein breites Schwert, was kaum auf eine friedliche Ge sinnung des Besitzers schließen ließ. Auch der andere schien nicht ungefährlich zu sein, denn an seiner Hüfte befand sich eine Waf fe, die entfernt den loghanischen Flammen strahlern glich. Es sah so aus, als wären beide geübte Kämpfer, und Dammyol lag nichts daran, es auf eine Probe ankommen zu lassen. Nein, es war schon besser, sie sofort umzubringen, ehe sie wieder erwacht waren. Er hob die Waffe, und sein Untergebener folgte seinem Beispiel.
7. Die Bardonier waren wirklich zähe Geg ner. Sie waren uns wohl hoffnungslos unter legen, aber trotzdem kam unsere Offensive einfach voran. Sie verteidigten die Grenzen ihres kleinen Reiches mit einem Mut und ei ner Verbissenheit, die uns immer wieder Be wunderung abnötigte.
29 Ich saß in einem kleinen Flugzeug, das hoch über ihren Linien kreiste. Durch die gläserne Kabine konnte ich die Landschaft unter mir sehen, und sie bot keinen erfreuli chen Anblick. Tausende von Granaten und Bomben hatten sie umgepflügt, tiefe Trich ter gähnten überall. Und doch krallten sich die Bardonier förmlich in diesem zerrisse nen Boden fest. Irgendwie brachten sie es auch immer wieder fertig, Nachschub für ihre Kämpfer heranzubringen. Nacht für Nacht wurden neue Geschütze in Stellung gebracht, deren Feuer unseren Bodentruppen entgegen schlug, wenn sie im Morgengrauen zum Sturm ansetzten. Auf diese Weise hatten sie bereits drei große Angriffe abgeschlagen, und an den anderen Frontabschnitten war die Lage nicht viel anders. Ich richtete die Kamera neu ein und machte eine weitere Aufnahme. Von hier aus konnte man nicht erkennen, wo sich der Feind eingegraben hatte, aber die Fotos wür den es zutage bringen. Gleich nach der Lan dung wurden sie entwickelt und ausgewer tet. Dann bekamen die Geschützbatterien über Funk die entsprechenden Anweisun gen, und bald danach würde sich erneut ein Granatenhagel über das gequälte Land aus schütten. »Feindlicher Jäger von hinten!« gellte die Stimme meines Heckschützen auf. Das war auch so etwas, das wir einfach nicht verstehen konnten: Immer wieder wur den die Flugplätze der Bardonier von unse ren Kampffliegern bombardiert, sämtliche Rollfelder glichen nur noch Sturzäckern. Und doch schafften sie es immer wieder, Flugzeuge in die Luft zu bringen, von denen wir auch nicht wußten, woher sie überhaupt kamen. Hunderte hatten wir schon in der Luft und am Boden zerstört, aber wenn es darauf ankam, tauchten immer wieder neue auf. So auch jetzt. Meine Maschine war nur klein und relativ langsam, lediglich als Beobachter zu gebrau chen. Mehr als zweihundert Kilometer in der
30 Stunde schaffte die müde Karwa nicht, und das einzige Maschinengewehr im Heck be saß mehr symbolischen als wirklichen Wert. Die Jäger der Bardonier waren zwar auch nicht größer, dafür aber erheblich schneller und besser bewaffnet. Außerdem agierten die feindlichen Piloten mit einem Geschick und einer Verbissenheit, die ihresgleichen suchte. Ich mußte zu entkommen versuchen, das war mir klar. Sofort drosselte ich den Motor, fuhr die Bremsklappen an den Tragflächen aus, und mein Vogel ging im Sturzflug nach unten. Keine Sekunde zu früh, denn schon raste ein Geschoßhagel heran, ging aber über uns ins Leere. Natürlich war der Bardonier aus der Sonne gekommen, so daß Rasold ihn erst im letzten Moment hatte entdecken können. Ich fluchte lautlos vor mich hin und ließ die Maschine noch weiter durchsacken. Erst im letzten Augenblick fing ich sie ab, raste dicht über dem Boden dahin und auf unsere Linien zu. »Das wäre noch einmal gutgegangen, Ra sold!« sagte ich erleichtert. Der Jäger war weit über uns weggeschossen und hatte nun keine Chance mehr, uns noch zu erreichen. Seine Schnelligkeit brachte es mit sich, daß er eine weite Kurve fliegen mußte, um wie der in Gegenrichtung zu kommen, und in der Zwischenzeit mußten wir über unserem Ge biet angelangt sein. Dorthin konnte er uns nicht folgen, ohne ein Opfer unserer dicht gestaffelten Abwehrgeschütze zu werden. Ich entspannte mich und schnitt meinem Bild im Rückspiegel eine Grimasse. Mein zuvor erblaßter Schnabel nahm wieder seine gesunde rote Farbe an, der Federkamm auf meinem Kopf richtete sich wieder auf. Noch zehn Minuten, dann konnten wir sicher lan den und hatten für den Rest des Tages frei. Dann wartete schon Linbela in ihrem Nest auf mich, und dieser Abend … Mein ganzer Körper versteifte sich, als plötzlich von unten her etwas hart gegen die Maschine schlug. Einen Augenblick lang hatte ich ganz vergessen, daß wir uns immer
Harvey Patton noch über feindlichem Gebiet befanden, und das rächte sich nun! Irgendeiner dieser verrückten Bardonier mußte mit seinem eigentlich nur für den Bo denkampf gedachten Maschinengewehr auf uns gefeuert haben, und er hatte getroffen. Der Kabinenboden wurde förmlich zersägt. Rasold stieß einen erstickten Schrei aus, und ich selbst spürte einen brennenden Schmerz im linken Bein. Doch auch der Motor hatte etwas abbekommen – er begann zu stottern, und die Drehzahl des Propellers sank beäng stigend rasch ab. Es wurde ernst für mich, beim Großen Ei! Mein linkes Bein ließ sich nicht mehr be wegen, unter meinem Sitz bildete sich rasch eine Blutlache. Verbissen arbeitete ich mit dem rechten Bein und beiden Händen, aber die Maschine gehorchte dem Steuerknüppel einfach nicht mehr. Beängstigend schnell ra sten wir dem Boden zu – es war aus! Ich warf einen letzten Blick hinter mich und sah, daß Rasold bereits tot war. Nun, das ersparte ihm etwas, das ich noch vor mir hatte. Doch ich wollte nicht sterben, ich war ja noch so jung … Alles in mir sträubte sich gegen das unab wendbare Schicksal, und plötzlich fühlte ich mich seltsam frei. Im gleichen Moment wurde ich mir auch wieder meiner wahren Identität bewußt. Ich war Atlan, der Kristallprinz von Arkon, und nicht der Pilot Egnal aus der Luftflotte von Gersanien! Allerdings immer noch körperlos und eben dabei, meinen bisherigen Träger zu verlassen, dessen Lebensuhr abgelaufen war. Ich sah, wie das primitive Flugzeug tru delnd und nun auch brennend weiterstürzte, bis es auf einem Feld aufschlug. Die Nase bohrte sich tief in den weichen Boden, und schon Sekundenbruchteile später explodier ten die Treibstofftanks. Das war auch Egnals Ende – der Krieg gegen die Bardonier hatte ein weiteres Opfer gefordert. Hätte ich einen Kopf besessen, würde ich ihn jetzt verzweifelt geschüttelt haben. Wa rum gab es nur überall im Universum immer
Das Erbe der Akonen wieder Kampf und Kriege? »Sind das deine ganzen Sorgen?« machte sich da Fartuloon vorwurfsvoll bemerkbar. »Ehe du dir Gedanken über das Schicksal fremder Wesen machst, solltest du erst ein mal an das unsere denken! Klinsanthor hat offenbar versucht, uns wieder mit unseren Körpern zu vereinigen, aber das ist schiefge gangen. Ich beginne allmählich daran zu zweifeln, ob es ihm überhaupt gelingen wird.« »Ganz bestimmt«, behauptete ich zuver sichtlich. »Er hat es uns versprochen, auch wenn das im Grunde nur aus eigennützigen Motiven heraus geschehen ist. Eigennutz ist aber bekanntlich eine der stärksten Triebfe dern, deshalb wird er uns keinesfalls im Stich lassen.« »Hoffen wir es«, gab das Ich meines alten Lehrers mit deutlich spürbarer Skepsis zu rück. »Wenn es der Anomalie in der Dimen sionsfalte einfallen sollte, sich tagelang zu halten, könnte sein Vorhaben trotz seiner großen technischen Möglichkeiten doch scheitern. Und was wird dann aus uns?« Dieser Gedanke gefiel mir auch nicht son derlich. Zwar hatte der Magnortöter ge meint, Zeit würde keine Rolle spielen, aber das erschien mir zunehmend unsicher. Ir gendwo mußten unsere Körper jetzt hilflos herumliegen, vermutlich auf Kledzak-Mik hon. Ob unsere Gehirne auch wie gewohnt weiterarbeiten mochten, um die motorischen Körperfunktionen aufrechtzuerhalten? Wenn das nicht geschah, bekamen auch die Hirne keinen Sauerstoff mehr zugeführt. Dann wa ren sie nach Ablauf einer Viertelstunde so schwer geschädigt, daß auch unsere Rück kehr ihnen das Leben nicht mehr zurückge ben konnte! Doch Fartuloon hatte mich zu einem prag matischen Mann erzogen, und so schob ich diese Gedanken von mir. Wir konnten nichts an unserem Schicksal ändern, also war es sinnlos, sich Gedanken darüber zu machen. Ich suchte nach Ablenkung, und sie war nicht schwer zu finden. »Wir sollten uns einmal weiter auf diesem
31 Planeten umsehen«, schlug ich vor. »Es sieht so aus, als kämpfte hier ein kleines Volk gegen eine große Übermacht. Worum es eigentlich geht, habe ich durch Egnal nicht erfahren können, aber zweifellos han delt es sich um einen Eroberungsfeldzug der Gersanier. Die Bardonier können unmöglich die Angreifer gewesen sein, dazu sind sie viel zu schwach.« Der Appell an den Gerechtigkeitssinn des Bauchaufschneiders erzielte auch den ge wünschten Erfolg. Fartuloon zog sofort eine Parallele zu unserem Wirken unter den Ech sen und stimmte mir zu. Gemeinsam setzten wir uns in Bewegung und schwebten auf das Land der Bardonier zu.
* »Das ist ja geradezu unmenschlich!« em pörte sich Fartuloon schon nach kurzer Zeit. Ich mußte ihm recht geben, denn was wir inzwischen festgestellt hatten, ließ sich kaum anders ausdrücken. Bardonien war ein kleines Land, das nach allen Seiten hin von seinem Feind eingeschlossen war. Es grenz te nach Norden hin an ein großes Meer, aber auch dieses wurde von den Gersaniern be herrscht. Sie hatten eine totale Blockade er richtet, ihre Kampfschiffe machten jede Ver sorgung über die See hinweg unmöglich. Die Bardonier hungerten, und das nun schon seit langem. Daß sie überhaupt noch Widerstand leisten konnten, lag an den rei chen Rohstoffvorkommen in ihrem Gebiet, auf die es der Gegner abgesehen hatte. Ihre Rüstungswerke wurden immer wieder bom bardiert, aber irgendwie schafften sie es den noch, ihre aufopfernd kämpfenden Truppen ausreichend zu versorgen. Daß sie das aber nicht unbegrenzt tun konnten, war uns bald klar. So tapfer sie auch waren, eines Tages mußten sie der Übermacht erliegen. Wir hatten diese Informationen direkt aus erster Hand. Es war uns gelungen, das bar donische Hauptquartier ausfindig zu ma chen, und in den Gehirnen der dortigen Offi
32 ziere hatten wir die erforderlichen Informa tionen gefunden. Es war uns ohne Schwie rigkeiten gelungen, nicht nur ihre Gesprä che, sondern auch ihre Gedanken zu belau schen. So konnten wir uns ein umfassendes Bild von der Situation machen. Sie war tatsächlich hoffnungslos. Selbst die größten Optimisten unter den Bardoniern rechneten damit, daß ihr Land in spätestens zwei Monaten am Ende sein würde. Die Überlegenheit der Angreifer war einfach zu groß und konnte auf die Dauer auch durch Heldenmut nicht wettgemacht werden. Da bei gehörten beide Parteien derselben vogel ähnlichen Spezies an, selbst in der Sprache gab es kaum Unterschiede. »Wir müssen ihnen helfen«, entschied Fartuloon kategorisch. Das war auch meine Meinung, und so begannen wir zu überle gen, wie das am besten zu bewerkstelligen war. Die Vogelwesen waren in ihrer Entwick lung weit hinter uns Arkoniden zurück. Ihre Fabriken wurden ausschließlich durch Dampfmaschinen betrieben, an die Ausnüt zung der Atomkraft hatte man bisher noch nicht einmal theoretisch gedacht. Ihre neue sten Errungenschaften waren die Verbren nungsmotoren, durch die sowohl Bodenfahr zeuge wie auch Flugzeuge angetrieben wur den. Es gab auch weder Radio noch Fernse hen, nur eine Übermittlung von Signalen auf Funkbasis. Das Kriegsgeschehen wurde al lein durch den Einsatz von Handfeuerwaf fen, Geschützen und Bomben mit Explosiv stoffen bestimmt. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, den Bardoniern den Bau von Strahlwaffen zu er möglichen, die ihnen bald ein kriegsent scheidendes Übergewicht verschaffen wür den. Doch schon nach kurzer Zeit ließ ich ihn wieder fallen. Solange es bei ihnen nicht einmal die erforderlichen Grundbegriffe gab, war das ein aussichtsloses Unterfangen. Das gleiche galt auch für atomare Waffen, und ich begann bereits mutlos zu werden. Fartuloon hatte schließlich den richtigen Einfall.
Harvey Patton »Sie kennen noch keine gepanzerten Fahrzeuge!« teilte er mir triumphierend mit. »Dabei würde es ihnen gar nicht schwerfal len, solche zu bauen, die Voraussetzungen in Technik und Material sind gegeben. Nur ei nige hundert Kampfpanzer, mit Geschützen und Flammenwerfern ausgerüstet, und die Bardonier überrennen den Feind in kürzester Zeit.« »Eine vorzügliche Idee«, stimmte ich ihm zu. Den Gehirnen der Offiziere hatten wir auch entnommen, wo die größten Rüstungs werke lagen, und nun eilten wir dorthin. Nach kurzer Suche machten wir einen Kon strukteur ausfindig, der im Augenblick mit der Arbeit an einem neuen weittragenden Geschütz beschäftigt war. Das war der rich tige Mann. Behutsam drangen wir in sein Gehirn ein und begannen seine Gedanken zu beeinflus sen. Sormul ließ mitten in einem Zeichen strich die Krallenhand sinken, sein bunter Federkamm auf dem Kopf stellte sich steil auf. Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und überlegte, ohne zu bemerken, daß wir es wa ren, die behutsam seine Denkprozesse steu erten. Gleich darauf kam ein krächzender Jubel laut aus seinem edel geformten Schnabel. Hastig richtete er sich wieder auf, nahm ein neues Blatt zur Hand und begann eifrig zu zeichnen. Innerhalb weniger Minuten ent stand die Skizze eines Panzerwagens mit Raupenketten und einem schwenkbaren Ge schütz in seinem Turm. Erstaunt bemerkten wir, daß er von sich aus noch zusätzlich die Anlagen für zwei Maschinengewehre konzi pierte, ohne dazu einen Denkanstoß erhalten zu haben. »Der Mann ist in Ordnung«, kommentier te Fartuloon anerkennend. Schon nach weni gen Minuten griff Sormul zu seinem Fern sprechgerät und rief aufgeregt seinen Vorge setzten an, um ihm seine grandiose Idee mit zuteilen. Gleich darauf bevölkerte sich das Konstruktionsbüro mit einem halben Dut zend weiterer Männer. Schon nach den er
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sten Erläuterungen begannen auch sie laut zu jubeln, aber ihr Überschwang legte sich schnell wieder. Statt dessen überlegten sie nüchtern und präzise, wie und wo sie den Bau der Kampfwagen in Angriff nehmen konnten, ohne daß feindliche Spione vorzei tig davon erfahren konnten. »Das ist die Rettung für Bardonien!« sag te schließlich der Leiter der Fabrik. »Sormul, ich beglückwünsche Sie. Ihr ge nialer Einfall wird nicht nur Tausenden un serer Männer das Leben retten. Ich bin da von überzeugt, daß das plötzliche Auftau chen der Panzerwagen an der Front den Feind so demoralisieren wird, daß wir noch den Sieg davontragen werden.« Weder Fartuloon noch ich vermochten seine Begeisterung voll zu teilen. Diese neue, in Wirklichkeit aber uralte Erfindung mußte unweigerlich eine Unzahl weiterer Opfer fordern, nur eben auf der anderen Sei te der Front. Nur der Gedanke, daß wir da mit einer gerechten Sache dienten, machte uns das Ganze halbwegs erträglich. Wir führten schließlich einen ähnlichen Kampf. Wir verließen das Gebäude und machten uns nun auf den Weg nach Gersanien. Doch wir kamen nicht mehr weit – auf einmal er faßte uns wieder der bereits bekannte Sog! Erneut hatte Klinsanthor gehandelt, und ein weiterer Sturz durch die Unendlichkeit der Dimensionen begann.
* Rassafuyl atmete auf, als die beiden Er ben mit ihren Waffen endlich in der Trans mitterhalle erschienen. Für seinen Ge schmack war schon viel zuviel Zeit vergan gen. Wären die beiden Ankömmlinge früher erwacht, hätte es die größten Unannehmlich keiten geben können. Lebten sie überhaupt noch? Oder hatte sie der starke Schock beim Durchgang durch das Große Tor getötet? Der Rat gab dem leitenden Nachrichten techniker die Anweisung, sie in Großaufnah me auf den Schirm zu bringen. Vielleicht
war es gar nicht nötig, die Strahler über haupt noch einzusetzen. In diesem Fall konnte man die Körper unauffällig ver schwinden lassen und alle Anwesenden zu strengstem Stillschweigen verpflichten. Der Wink, daß sie zu den Teilnehmern am näch sten Spiel der Schwarzen Tore gehören wür den, falls sie plauderten, mußte vollauf ge nügen. Doch Rassafuyl wurde enttäuscht. Tamoyl und er sahen deutlich, daß beide Männer noch atmeten. Also waren sie wirk lich nur besinnungslos und konnten jeden Moment zu sich kommen. Die Räte griffen also nicht ein, sondern ließen die Erben ihr Werk vollenden. Als diese aber auf die Feuerknöpfe der Hitzestrahler drückten, erlebten sie eine ge waltige Überraschung. Im gleichen Moment begannen die Um risse der beiden regungslosen Gestalten zu verschwinden. Es sah so aus, als würden sie entmateriali siert wie bei einem Transmittersprung – aber sie verblieben an ihrem Platz. Sie wurden le diglich transparent, so daß man durch sie hindurch den Mosaikboden der Halle erken nen konnte. Die Thermostrahler trafen sie voll, aber sie schienen ihnen nicht zu schaden. Sie gin gen scheinbar wirkungslos durch ihre Kör per und trafen ungehindert auf den Stein. Rassafuyl und Tamoyl sahen, wie der Boden unter ihnen sich schwärzlich zu verfärben begann, und ihre Pelze begannen sich zu sträuben. Das konnte, durfte es einfach nicht geben! Und doch war es eine unbestreitbare Reali tät, die unbestechliche Kamera zeigte es ih nen deutlich …. Tamoyl begann zu wimmern und kroch vor Schreck in sich zusammen. Die alten Überlieferungen enthielten also die Wahr heit. Die Ahnen waren wirklich so mächtig, wie sie darin beschrieben wurden. Wenn sie nun nach Kledzak-Mikhon zurückkehrten – die Folgen waren nicht abzusehen! Rassafuyl aber gab nicht so leicht auf.
34 Auch ihm zitterten alle Glieder, aber er ver suchte, die Übersicht zu behalten. Rasch er griff er wieder das Mikrophon. »Weiterfeuern, Dammyol!« rief er mit überschnappender Stimme. »Diese Wesen müssen vernichtet werden, um jeden Preis.« Die beiden jungen Erben hatten sich dem Transmitter bis auf zehn Meter genähert, konnten also ebenfalls deutlich erkennen, was geschehen war. Sie waren vollkommen verstört, denn dieses Geschehen erschien ih nen erst recht unbegreiflich und unheimlich. Instinktiv wollten sie die Flucht ergreifen, aber die plötzlich aufdröhnende Stimme des Rates bannte sie an ihren Platz. Rassafuyl war zwar ein alter Mann, aber als Mitglied des regierenden Triumvirats be saß er große Macht. Wenn man seinen Be fehlen nicht gehorchte, konnte das den Ver weigerer ohne große Umwege ins nächste Gefängnis bringen. Die Erben nahmen also den letzten ihnen noch verbleibenden Mut zusammen und feuerten ein zweites Mal. Was diesmal geschah, gab ihnen den Rest. Wieder trafen die Flammen der Strahler nur den Steinboden, aber gleichzeitig ereig nete sich etwas, das noch unfaßbarer erschi en. Die beiden Körper blieben transparent, aber das große Schwert, das der kleinere Mann trug, nahm plötzlich wieder feste For men an. Es schien die Energien förmlich in sich aufzusaugen, denn es begann sofort zu glü hen. Zuerst nur in einem tiefdunklen Rot, dann jedoch in einem kalten, grellen Weiß. Dann zuckten Blitze aus ihm auf und den beiden Loghanen entgegen, und nun wand ten sie sich endgültig zur Flucht, ihre Ge fährten mit ihnen. Sie rasten kopflos davon, dem Ausgang der Transmitterhalle zu. Die Männer des Aufnahmeteams, die alles auf ihren Monito ren mit angesehen hatten, schlossen sich ih nen an. Gemeinsam liefen sie auf das große Tor zu, wirkungsvoll verhallte hinter ihnen die keifende Stimme Rassafuyls. Doch auch der Rat verstummte sehr schnell wieder. Noch immer stand die Groß-
Harvey Patton aufnahme der beiden Fremden auf seinem Bildschirm, und plötzlich stockte ihm der Atem. Das Glühen des Schwertes ließ schon nach kurzer Zeit wieder nach, die von ihm ausgehenden Entladungen erloschen. Dafür sah Rassafuyl nun, wie sich am Knauf der Waffe ein leuchtender Fleck zu bilden be gann. Er strahlte in einem hellen Goldton auf, und dann erkannte der Loghane in dem Fleck deutlich ein Gesicht. Es war das Ge sicht eines Ahnen, und es grinste ihn höh nisch und spöttisch an! Nun war es auch um Rassafuyls letzten Rest von Fassung geschehen. Er folgte Ta moyls Beispiel und schlug beide Hände vor das Gesicht, um diesen entnervenden An blick nicht länger ertragen zu müssen. So sah er nicht mehr, wie sich die Gestal ten vor dem Transmitter wieder zu verfesti gen begannen. Sie wurden wieder voll mate riell, und fast im selben Moment kam auch Leben in sie. Zuerst waren es nur zuckende, unkontrollierte Bewegungen, aber schon nach Sekunden ebbten sie wieder ab. Dafür öffneten sich nun die Augen der beiden Männer. Sie blinzelten zuerst, weil sie das grelle Licht des Transmitters blendete. Doch dann brach der Torbogen zusammen, die wallende Schwärze verschwand spurlos, das Arbeits geräusch der Kraftanlagen verstummte. Die Fremden erhoben sich und sahen sich in der unbekannten Umgebung um. Rassafuyl nahm die Hände wieder von den Augen, als ihm seine Ohren verrieten, daß sich in der Halle des Großen Tores er neut etwas verändert hatte. Nun sah er, daß die beiden Ahnen endlich erwacht waren, aber das überraschte ihn nicht mehr sonder lich. Damit war früher oder später zu rech nen gewesen. Sein Gehirn überwand die lähmende Le thargie, und gleich darauf nickte der Rat von Kledzak-Mikhon befriedigt vor sich hin. Diese zwei Männer waren allein gekom men! Das Große Tor war wieder außer Be trieb, es war also nicht damit zu rechnen,
Das Erbe der Akonen daß in nächster Zeit weitere Ahnen in SewoBonth eintreffen würden. Den Erben war es zwar nicht gelungen, die Ankömmlinge zu töten – aber immerhin befand sich der Begtan Kimyul mit seinen fünfzig Polizisten bereits in der Nähe der Transmitterhalle! Noch war also nicht alles verloren. Rassa fuyl stürzte ans nächste Nachrichtengerät und befahl, augenblicklich eine Funkverbin dung zu Kimyul herzustellen.
8. Ich hatte meinen Körper wieder! Diese Erkenntnis durchzuckte mich au genblicklich, als mein Ich wieder aus der Schwärze einer übergeordneten Dimension zurückfiel. Ein zwar unartikulierter, aber vertrauter Impuls meines Extrahirns gab mir diese Gewißheit. Klinsanthor hatte also doch nicht versagt, sondern irgendwie alle Schwierigkeiten bei unserem Transport überwunden. Auch mein Körper mußte die Zeit meiner »geistigen Abwesenheit« unbeschadet überstanden ha ben. Anders konnte es gar nicht sein, wenn das Gehirn als sein empfindlichster Teil so fort wieder seine Arbeit aufnahm. Im nächsten Moment empfing ich einen gedanklichen Impuls des Magnortöters. »Die Schwierigkeiten waren größer als er wartet, aber ich habe sie meistern können. Die Einheimischen von Kledzak-Mikhon ha ben versucht, Ihre Körper zu vernichten, doch ich konnte auch das verhindern. Damit habe ich meinen Teil unseres Abkommens erfüllt. Vergessen Sie nicht, nun auch das Ihre zu tun, sobald ich mich deswegen mel de.« Die Mitteilung verstummte, und im näch sten Moment sprang ich hastig auf. Mein Körper sprach wieder auf die Umweltreize an, und die Gefühlsnerven meiner Kehrseite verrieten mir, daß der Steinboden, auf dem ich lag, ungemütlich heiß war. Fartuloon erging es ähnlich, denn auch er schnellte sofort hoch. Er griff nach dem Skarg und zog dann eine Grimasse.
35 »Man hat wohl versucht, uns zu rösten, wie es scheint. Kein sehr ermutigender Empfang für zwei Männer, die sich inzwi schen geistig auf Irrwegen befanden. Es sieht so aus, als ob auch auf dieser Welt das Wort Toleranz aus dem Sprachschatz gestri chen worden wäre.« Ich kniff die Lippen zusammen und nickte nur. Wenn die intelligenten Wesen von Kledzak-Mikhon so rigoros auf das Auftau chen von zwei Fremden reagierten, sah es für uns wirklich nicht gut aus. Wir mußten also versuchen, schnellstens in Verbindung mit der Besatzung der ISCHTAR zu treten, denn unsere Ausrüstung war äußerst dürftig. Ich kam dabei noch am besten weg. Ne ben Malthors Flugaggregat besaß ich noch ein Armband-Funkgerät und einen Impuls strahler. Der Bauchaufschneider dagegen hatte nur seinen uralten verbeulten Harnisch und das Skarg, und damit ließ sich nicht viel anfangen. Offenbar kannte man auch auf dieser Welt Energiestrahler, und das stimmte mich sehr bedenklich. Hätte uns der Magn ortöter direkt in unser Schiff transportiert, wären uns vermutlich viele Schwierigkeiten erspart geblieben. Doch dann sah ich die große Transmitter anlage hinter uns und begriff. Auch ein We sen wie Klinsanthor konnte keine Wunder wirken. In der ISCHTAR gab es keinen Transmitter, also hatte er uns notgedrungen hier absetzen müssen. Auch Fartuloon hatte sich inzwischen ein gehend umgesehen, und plötzlich stieß er einen Ausruf der Überraschung aus. »Kaum zu glauben, Atlan – das hier ist eindeutig ein Produkt akonischer Technik! Verdammt, sollte es hier wirklich Akonen geben? Das würde mich sehr überraschen, nachdem sie doch spurlos von allen von ih nen beherrschten Welten verschwunden sind.« Er deutete auf einige weiter hinten in der Halle stehende Videokameras. »Es sieht ganz so aus, als wären wir hier mitten in ei ne Übertragung der hiesigen Bildfunkstatio nen hereingeplatzt. Das scheint die Leute
36 empfindlich gestört zu haben, deshalb hat man sofort auf unsere Körper geschossen. Was Klinsanthor zu ihrem Schutz unternom men hat, weiß ich nicht, es muß aber ziem lich wirkungsvoll gewesen sein. Die Angrei fer sind jedenfalls Hals über Kopf geflo hen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Sie sind zwar geflohen, aber sie können jederzeit mit Verstärkung zurückkehren. Wir haben nicht viel, das wir ihnen entgegenset zen können. Es wäre also angebracht, daß wir die Halle verlassen, ehe es zu spät ist.« Der Bauchaufschneider spähte zu dem großen Tor am Ende der Halle hinüber, das halb offen stand. »Diesen Weg zu nehmen, wäre jedenfalls kaum ratsam. Vermutlich würden wir den Akonen dort direkt in die Hände laufen. Es gibt aber noch Nebenräu me, also sollten wir es dort versuchen.« Wir verließen den Transmitter und bega ben uns zu der nächstgelegenen Tür an der rechten Seite. Sie stand halb offen, und man konnte ohne Schwierigkeiten erkennen, daß der dahinter gelegene kleine Raum für uns interessant war. Er enthielt nur allerhand Kram, offenbar persönliche Besitztümer der Leute, die hier beschäftigt waren. Einen Ausgang gab es nicht, nur ein kleines Fen ster mit bunten Scheiben. Fartuloon winkte ungeduldig. »Komm weiter, wir müssen uns beeilen. Da draußen wird es lebendig. Offenbar haben die Geflo henen Verstärkung geholt, und man will uns jetzt mit Gewalt ans Leder.« Er stand schon an der nächsten Tür, die geschlossen war. Es gab keinen sichtbaren Öffnungsmechanismus, aber mein alter Leh rer wußte Rat. Er legte eine Handfläche ge gen eine bestimmte Stelle der Füllung, und lautlos schwang die Tür vor uns auf. Dieser Raum glich dem ersten, aber er war vollkommen leer. Der Bauchaufschnei der schüttelte enttäuscht den Kopf, wandte sich zum Gehen, zuckte aber sofort wieder zurück. Seine Hand wies auf das große Tor. »Da kommen sie schon! Verdammt, das sind ja gar keine Akonen! Alles so kleine
Harvey Patton Kerle mit grünem Fell, sie sehen eher wie Tiere aus. Vielleicht ein Hilfsvolk?« raunte er. Ich sah über seine Schulter und erkannte etwa zwei Dutzend Grünpelze, die vorsich tig hereingeschlichen kamen. Auf den ersten Blick machten sie mit ihren stumpfen Schnauzen und den spitzen Ohren wirklich den Eindruck von Tieren, zumal sie bis auf umgehängte Gurte vollkommen unbekleidet waren. Doch dieser Eindruck täuschte. Ihre vierfingrigen Hände hielten Waffen, deren Ähnlichkeit mit Impulsstrahlern unverkenn bar war! Sie hatten uns noch nicht entdeckt, und so blieben wir hinter der halb geöffneten Tür stehen und verhielten uns still. Ich zog mei ne Waffe und machte sie schußbereit, aber sonderlich wohl war mir nicht in meiner Haut. Wir besaßen nur diesen einen Strahler, und die Übermacht war zu groß. Ihr solltet es mit Verhandlungen versu chen! riet mir mein Extrasinn. Solange man miteinander spricht, wird nicht geschossen. Da sie intelligent sind, müßten sie auch logi schen Argumenten zugänglich sein. Ich grinste nur müde, zog diesen Vor schlag schließlich aber doch ernsthaft in Er wägung. Natürlich konnte es über den Ausgang solcher Verhandlungen kaum einen Zweifel geben. Unser unvermutetes Erscheinen in dem Transmitter schien den Pelzwesen einen gehörigen Schrecken eingejagt zu ha ben. Vielleicht sahen sie in uns Spione eines anderen Volkes, ich kannte die Verhältnisse in diesem System ja nicht. Auch wenn das nicht zutraf, war doch damit zu rechnen, daß sie unsere bedingungslose Kapitulation for dern würden. Die einzige Alternative dazu war der Kampf – und auch sein Ausgang war leicht abzusehen. Fartuloon sah mich schief an. »Ich weiß, daß du jetzt erwägst, dich zu ergeben«, meinte er leise. »Mach dir deswegen keine Illusionen, verehrter Kristallprinz! Ich traue den Grünen nicht über den Weg. Selbst
Das Erbe der Akonen wenn sie uns wider Erwarten am Leben las sen sollten, würden wir bestenfalls für unbe stimmte Zeit in einem Gefängnis landen. Das darf nicht geschehen – vielleicht verläßt die ISCHTAR inzwischen das System wie der, und dann sitzen wir für ewig hier fest!« Ich zuckte mit den Schultern und spähte weiter in die Halle. Die Grünpelze trugen alle die gleichen Kreuzgurte, in deren Taschen Ersatzmagazi ne, Messer und ähnliche Dinge steckten. Das und die Tatsache, daß sie ausgesprochen sy stematisch vorgingen, ließ auf ihre Zugehö rigkeit zu einer Militär- oder Polizeitruppe schließen. Sie bewegten sich geduckt voran und waren bemüht, immer im Schutz der dicken Säulen zu bleiben, die an beiden Sei ten des Raumes aufragten. Noch hatten sie uns nicht entdeckt. Die immer noch brennenden Scheinwerfer des Fernsehteams leuchteten nur die Umgebung des Transmitters aus, während die übrige Halle in einem ungewissen Zwielicht lag. Vielleicht hatten wir doch noch eine Chan ce, ihnen zu entkommen, überlegte ich. Wenn wir versuchten … Wir hatten keine Chance! Meine Überlegungen wurden im Keim er stickt, ehe ich noch einen brauchbaren Ge danken formuliert hatte. Eine überlaute Stimme hallte plötzlich durch den Raum, unter der wir zusammenfuhren. Sie kam aus einem Lautsprecher, der zu der Videoanlage gehörte, und in diesem Moment war mir al les klar. Wir waren zwar die ganze Zeit seit unse rem Erwachen allein gewesen, aber nicht unbeobachtet! Nicht nur die Scheinwerfer waren angeschaltet, auch die Aufnahmeka meras liefen noch. Über sie hatte man alle unsere Bewegungen verfolgen können, und nun unterrichtete jemand unsere Gegner da von, wo wir uns jetzt aufhielten! Die Stimme sprach kein Idiom, das auch nur annähernd unserer arkonidischen Spra che glich. Es waren vollkommen fremde, ab gehackt und bellend klingende Laute, von denen wir keine Silbe verstanden. Das war
37 aber auch gar nicht nötig, die Ereignisse sprachen für sich selbst. Die Angreifer war fen sich hinter den Säulen zu Boden, ihre Waffen zeigten in unsere Richtung. Gleich darauf schossen uns die ersten Strahlensal ven entgegen. Ich feuerte nicht zurück, denn das wäre sinnlos gewesen. Statt dessen sprang ich zu rück in den Raum und schlug die Tür hinter mir zu. Sie war aus Metall, schützte uns also für den Moment. Fartuloon stieß ein grimmiges Knurren aus. »Von wegen ergeben – da hast du die Antwort! Mach Platz, ich will ihnen das Ein dringen in diesen Raum so schwer wie mög lich machen.« Er zog das Skarg und stieß die Spitze der Klinge gegen eine bestimmte Stelle seitlich der Tür. Es knirschte laut, Funken sprühten aus, und der Geruch schmorender Isolatio nen schlug uns entgegen. Der Bauchauf schneider nickte befriedigt. »So, der Mechanismus ist hinüber. Jetzt müssen sie schon die Tür aufbrennen, wenn sie uns haben wollen, und das dauert eine Weile. Bis dahin sind wir längst draußen.« Er wies auf das Fenster, und ich mußte trotz unserer Lage unwillkürlich lächeln. Die Öffnung in der Mauer war höchstens fünfzig Zentimeter breit! Wie der korpulente Bauch aufschneider da durchkommen wollte, war mir ein Rätsel. »Grinse nicht, du Grünschnabel!« fuhr er mich barsch an. »Man kann alles, wenn es sein muß. Steck den Strahler weg und hilf mir, aber schnell!«
* Snayssol rannte um sein Leben. Bald schon fiel ihm das Laufen schwer, und er begann zu keuchen. Er hatte sich erst notdürftig von den Strapazen des Spieles der Schwarzen Tore erholt. Jetzt machten sich die Nachwirkungen unliebsam bemerkbar. Hinter der nächsten Straßenecke mußte er anhalten. Seine Glieder schmerzten, vor sei
38 nen Augen begannen feurige Ringe zu tan zen. Erschöpft lehnte er sich in einem Haus eingang gegen die Tür und schnappte mit fliegenden Lungen nach Luft. Einige Frauen mit Einkaufstaschen kamen an ihm vorüber und warfen ihm befremdete Blicke zu. Schließlich kam eine alte Logha nin mit einem Jungen an der Hand. Sie blieb bei ihm stehen und sah ihn mitfühlend an. »Sind Sie krank, junger Mann?« erkun digte sie sich freundlich. »Dem kann abge holfen werden, zwei Straßen weiter wohnt ein Arzt. Kommen Sie, ich führe Sie dort hin.« Sie streckte den Arm aus, aber Snayssol wehrte ab. »Nein, danke, es geht gleich wieder. Es ist nur eine momentane Schwäche, die nicht viel zu bedeuten hat. Ich war erst vor kurz em krank, und das macht sich bei der Hitze zuweilen noch bemerkbar.« Das klang plausibel, denn es war inzwi schen tatsächlich sehr warm geworden. Der Sommer war hier im Norden des Kontinents nur kurz, dafür aber ausgesprochen heiß. Die langen Tage des Planeten, dessen Rotations zeit 34 Stunden betrug, trugen das ihre dazu bei. Geh doch weiter! betete der junge Erbe in Gedanken. Ich habe nur wenig Zeit – wenn ich das Fahrzeug der Fremden nicht mehr antreffe, ist alles verloren … Die Alte nickte. »Ja, das kenne ich. Sie sind noch jung, aber in meinem Alter fehlt es einem hier und da. Und wenn dann noch die Hitze dazukommt …« Sie hätte sich vermutlich noch lange über dieses Thema ausgelassen, aber irgendein Gott hatte Erbarmen mit Snayssol. Der Jun ge wurde ungeduldig und zog die Frau an der Hand. Sie gab ihm unmutig nach und ging weiter. Als sie um die Ecke verschwunden war, hatte sich der Erbe soweit erholt, daß er sei nen Weg fortsetzen konnte. Er rannte wieder los, ohne sich um die Passanten zu küm mern, und hatte schließlich die Straße er reicht, in der die Transmitterstation lag.
Harvey Patton Obwohl die Zeit drängte, zwang er sich nun dazu, langsam zu gehen. Er wollte nicht im letzten Moment noch alles verderben. Zum Glück hatte er sich nur kurze Zeit bei seinem Großonkel aufgehalten, es konnte gerade noch reichen. Ein sinnloser Zorn auf Garfuly stieg in ihm auf. Der Alte hatte sich darüber beklagt, daß die Leute hier im Norden immer nur an sich selbst denken würden. Doch was hatte er gleich darauf getan? Er hatte auch nicht an ders gehandelt und seinem eigenen Ver wandten kalt die Tür gewiesen, als er sich in Not befand. Und das alles nur einer Ruh meshalle wegen, die nie gebaut werden wür de … Snayssol hatte den Eingang zur Transmit terstation erreicht. Einige Leute kamen ihm entgegen, aber er ging achtlos an ihnen vor bei. Jetzt konnte ihm nichts mehr geschehen. Nur noch wenige Sekunden, dann würde er durch das Tor gehen und gleich darauf in den Bergen ankommen. Der dunkelhäutige Mann würde bestimmt den Ort im Auge be halten und ihn sofort bemerken, wenn er dort auftauchte. Er würde ihn dann nicht im Stich lassen, selbst wenn die Wartezeit ei gentlich schon abgelaufen war. Der Erbe sah nicht, wie sich plötzlich ein Mann nach ihm umdrehte, der eben aus der Station gekommen war. Um so größer war sein Erschrecken, als er dann die laute Stim me vernahm. »Haltet ihn auf, er darf nicht entkommen! Das ist der junge Mann, der überall von der Polizei gesucht wird. Ein Gesetzesbrecher, ich habe sein Bild im Videofunk gesehen …« Snayssol handelte spontan. In der Station befanden sich drei Männer, die gleichfalls den Transmitter benutzen wollten. Hinter ihm kam der Mann angelau fen, der ihn erkannt hatte und immer weiter seine Warnung schrie. Die anderen wurden aufmerksam und stellten sich ihm entgegen, aber die Angst verlieh dem jungen Erben zu sätzliche Kräfte.
Das Erbe der Akonen Rücksichtslos stieß er alle Gegner beiseite und hatte damit Erfolg. Die Männer taumel ten gegeneinander und hielten auch den vier ten auf, der ihm nachgekommen war. Hastig betätigte Snayssol die Transmitterkontrollen, und vor ihm baute sich das Transportfeld auf. »Halt – Polizei!« bellte hinter ihm eine Stimme auf, aber das konnte ihn nun auch nicht mehr beeindrucken. Er warf sich vor wärts, in das Tor hinein, und im nächsten Moment stand er in der Gegenstation im Bergdorf. Ein rascher Knopfdruck, und der Trans mitter war abgeschaltet. Snayssol wußte aber, daß ihm das nur einen minimalen Zeit gewinn verschaffte. Der Polizist in der Stadt brauchte nur die von ihm gewählte Einstel lung erneut zu wählen, und schon würde die Verbindung wieder stehen. Doch vielleicht entschieden gerade die wenigen gewonnen Sekunden über sein weiteres Schicksal! Der junge Erbe hastete aus dem zerstörten Gebäude. Eilig wand er sich durch die Trümmer in der Umgebung, bis die Stelle in sein Gesichtsfeld kam, an der sich das Fahr zeug der Fremden befand. Es stand noch da …! Snayssol winkte aufgeregt, um sich den Insassen bemerkbar zu machen. Er konnte aber nicht mehr feststellen, ob diese ihn be merkt hatten, denn schon klang vom Trans mitter her ein wütendes Gebrüll auf. Der Po lizist hatte schnell gehandelt, und mit ihm waren jene Männer gekommen, die der Erbe ebenso wenig rücksichtsvoll behandelt hatte. Erneut rannte Snayssol los. Ihm kam sei ne Ortskenntnis zugute, die ihn den kürze sten Weg zum Beiboot finden ließ. So ge wann er trotz seiner Erschöpfung bald einen Vorsprung vor seinen Verfolgern. Der Polizist war jedoch nicht gewillt, sein Opfer entkommen zu lassen. Wenn er einen Gesetzesbrecher fing, der von der Regierung in Poal-To selbst angeklagt worden war, be deutete das eine Anerkennung von höchster Stelle für ihn. Das war etwas, was einem einfachen Polizisten nur äußerst selten wi
39 derfuhr, und diese Chance wollte er nicht versäumen! Er zog seinen Flammenstrahler, blieb ste hen und wartete geduldig ab, bis der Erbe wieder in seinem Gesichtsfeld erschien. Dann drückte er ab, und dicht neben dem Flüchtling schlug der Feuerstoß in einem Mauerrest ein. Erschrocken ließ sich Snayssol zu Boden fallen. Dort blieb er liegen, denn er war nun wirklich am Ende seiner Kräfte. Er war sei nem Ziel schon so nahe, ohne es jedoch noch erreichen zu können! Sobald er sich wieder erhob, mußte er ein leichtes Ziel für den Polizisten sein. Durch sein eigenes Keuchen hörte er die Geräusche der nahenden Verfolger, und noch einmal riß ihn sein Selbsterhaltungs trieb hoch. Sollte es gerade jetzt mit ihm zu Ende gehen, wo er einen kleinen Zipfel des Geheimnisses um die Ahnen gelüftet hatte? Nein, die unbarmherzigen alten Männer des Triumvirats in Poal-To sollten nicht trium phieren. Er sprang auf, mußte jedoch sofort wieder in Deckung gehen, denn der Polizist schoß erneut. Er wußte, wo sich Snayssol befand, war stehengeblieben und behielt diese Stelle im Auge. Indessen arbeiteten sich die ande ren Männer vor, um den Erben einzukreisen. Sie waren sicher, daß er ihnen nicht wieder entkommen würde … Ra hatte buchstäblich bis zum letzten Mo ment der Frist auf Snayssol gewartet. Seine Finger lagen bereits auf den Bedienungsele menten der Triebwerke, als er noch einen letzten Blick auf den Außenbildschirm warf. Im gleichen Moment hetzte Snayssol aus der Transmitterstation, und der Barbar zog die Hand wieder zurück. Er sah, wie der An kömmling winkte, aber sofort wieder weiter rannte, und seine Brauen kniffen sich zu sammen. Er ahnte bereits, was nun kommen würde. Richtig, da tauchten die Verfolger auch schon auf! Einer von ihnen trug eine Waffe und schoß auf Snayssol, ohne ihn aber zu treffen.
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»Wartet, euch kann geholfen werden!« knurrte der Barbar mit grimmiger Miene. Er griff in die Kontrollen und justierte das Paralysegeschütz des Beiboots ein. Um si cherzugehen, stellte er es auf Fächerstrahl und wartete dann, denn der Polizist wechsel te gerade seinen Standort. Als er zum zwei ten Mal schoß, drückte auch Ra ab. Der lähmende Strahl erfaßte den Logha nen voll. Einen Moment lang blieb er noch mit erhobener Waffe stehen, dann kippte er zur Seite weg. Ra grinste, schwenkte das Geschütz herum und suchte nach den ande ren Verfolgern. Er fand sie und schaltete einen nach dem anderen aus. Dann lehnte er sich zufrieden zurück und wartete auf Snayssol.
9. Es war wirklich Schwerstarbeit, den Bauchaufschneider durch die enge Fenster öffnung ins Freie zu bekommen! Er hatte das Skarg angesetzt und den Me tallrahmen einfach aus der Mauer gebro chen, aber auch das reichte noch nicht. Er mußte sich mit den Beinen voran herablas sen, denn ein Blick aus dem Fenster hatte uns gezeigt, daß der Boden draußen etwa drei Meter tiefer lag. Schon sein Gesäß be reitete erhebliche Schwierigkeiten, aber un ter einigen saftigen Flüchen brachte er es doch durch die Öffnung. Dann aber war Schluß – der Harnisch war zu breit, da halfen auch keine Flüche! Fartu loon klemmte fest, halb draußen und halb drinnen … »Hilf mir doch!« keuchte er mit hochro tem Kopf, auf seiner Glatze standen dicke Schweißperlen. Er bot einen umwerfend ko mischen Anblick, aber mir verging das La chen. Unsere Lage war alles andere als gut, denn die Loghanen bemühten sich bereits, die Tür zu dem Raum aufzubrechen. »Erst einmal können«, gab ich zurück. »Ich kann dich höchstens zurückziehen, und dann mußt du schleunigst deinen albernen Blechladen ablegen. Mit ihm schaffst du es
nie.« Der Bauchaufschneider schnaufte empört auf. »Ich soll meinen treuen Begleiter aus alten Tagen hier zurücklassen? Nie werde ich das tun, darauf kannst du Gift nehmen.« »Nicht mehr nötig«, stellte ich fest und wies auf die Tür. Ihr Kunststoffüberzug be gann bereits Blasen zu werfen, folglich ver suchte man jetzt, sie aufzubrennen. Dieser Anblick überzeugte auch Fartuloon. Wir boten all unsere Kräfte auf, und weni ge Sekunden später stand er wieder neben mir. Nun verschwendete er keine Worte mehr, sondern befreite sich hastig von dem Harnisch. Er dachte aber gar nicht daran, sich von ihm zu trennen, packte ihn und schob ihn schräg durch das Fenster. Ein schepperndes Geräusch zeugte von seinem Aufschlag, und ich fuhr zusammen. Wenn die Einheimischen nicht gerade taub waren, konnten sie den Krach unmög lich überhört haben. Jetzt mußten wir uns al so noch mehr beeilen. Der Plastiküberzug der Tür war inzwi schen vollkommen verschmort, eine beißen de Rauchwolke zog durch den Raum. Trotz dem sahen wir, daß das Metall bereits glüh te. Es konnte höchstens noch zehn Sekunden dauern, dann mußte es sich verflüssigen – und dann waren wir dran! Daß es nicht soweit kam, verdankten wir allein dem geheimnisvollen Skarg. Fartu loon sprang trotz der Hitze vor und hielt sei ne Spitze gegen die Tür. Verblüfft sah ich, daß das Metall augenblicklich schwarz wur de, während die Schwertklinge sanft aufzu leuchten begann. Der Bauchaufschneider grinste. »Jetzt können sie noch einmal von vorn anfangen, und das gibt uns genügend Zeit. Los jetzt, hilf mir.« Diesmal ging es bedeutend besser, ob wohl Fartuloons Bauch erheblich zu leiden hatte. Endlich plumpste er nach draußen, und ich beeilte mich, ihm zu folgen. Die An greifer waren nicht untätig geblieben, die Tür glühte bereits wieder. Ich hatte keine Schwierigkeiten, ließ mich
Das Erbe der Akonen aus dem Fenster gleiten und fing den Auf prall federnd ab. Sofort sah ich mich arg wöhnisch um, aber niemand befand sich in unserer Nähe. Rings um das Gebäude er streckte sich ein hoher Buschkomplex, der uns vor unerwünschten Beobachtern schütz te. Der Bauchaufschneider war bereits dabei, seinen Harnisch wieder anzulegen. »Über diese Sache reden wir noch«, knurrte er. »Den ›albernen Blechladen‹ werde ich dir nicht so schnell vergessen.« Ich packte ihn einfach und zog ihn in die Büsche. »Beeile dich lieber, anstatt hier große Töne zu schwingen. Es kann nur noch Sekunden dauern, dann werden unsere Freunde am Fenster erscheinen. Sie sind auch von der Sorte, die zuerst schießt und dann erst Fragen stellt, das hat sich ja ge zeigt.« Wir bewegten uns so geräuschlos wie möglich durch das Buschwerk nach links, auf das hintere Ende des Bauwerks zu. Wir hatten es noch nicht erreicht, als wütend bel lende Stimmen von oben zu uns herabklan gen. Die Angreifer hatten festgestellt, daß wir entkommen waren und machten nun ih rem Grimm Luft. In dem weichen Boden hatten wir deutli che Spuren hinterlassen. Wenn diese Män ner auch nur halbwegs logisch denken konn ten, mußten sie leicht darauf kommen, wo hin wir uns gewandt hatten. Ich rechnete da mit, daß sie nun wahllos in die Büsche feu ern würden, aber gerade das taten sie nicht. Sie schossen kein einziges Mal, und das gab mir zu denken. Prompt meldete sich auch mein Logiksek tor. Sie sind offenbar sicher, daß ihr ihnen nicht entkommen könnt, eröffnete er mir nüchtern wie immer. Wahrscheinlich haben sie die gesamte Umgebung abgeriegelt, ehe sie in die Halle eingedrungen sind. Ich nickte unwillkürlich und blieb stehen. Fartuloon sah mich verwundert an. »Willst du hier Wurzeln schlagen und einen Busch spielen?« erkundigte er sich ge
41 dämpft. »Grün genug wärst du ja dafür, aber wo soll ich bleiben?« Ich winkte ärgerlich ab. »Spare dir deinen Galgenhumor, bis ich wieder Zeit zum La chen finde. Ich überlege gerade, wie wir un bemerkt durch den Kordon um den Bau kommen könnten.« Der Bauchaufschneider schlug sich vor die Stirn. »Natürlich, darauf hätte ich auch kommen können! Die Brüder verhalten sich nur so still, weil sie wissen, daß wir ihnen so gut wie sicher sind. Ewig können wir uns hier nicht verbergen, und sobald wir die Nasen aus dem Grünzeug stecken, sehen wir direkt in die Strahlermündungen. Hoffentlich dau ert es nicht zu lange, bis es hier dunkel wird. Dann haben wir wenigstens eine kleine Chance, uns durchzuschlagen.« Ich sah durch eine Lücke im Buschwerk nach oben und schüttelte dann den Kopf. »Daraus dürfte nichts werden, fürchte ich. Die Sonne steigt geradewegs zum Zenit em por, also ist hier Hochsommer, und der Tag dauert noch lange. Die Grünen werden wahrscheinlich ein paar Stunden lang war ten, aber dann dürfte ihnen die Geduld aus gehen. Sie werden Verstärkung heranholen und das Gelände durchkämmen – rate mal, wer dann zweiter Sieger wird.« »Wenn ich nur auch einen Strahler hätte«, murrte Fartuloon. »Seit wir diesem AkonAkon begegnet sind, ist alles schiefgegan gen! Ich wünschte, ich hätte diesen Knaben einmal richtig in meiner Gewalt. Ich würde ihn ganz langsam auf einem kleinen Feuer rösten, mein Wort darauf.« Ich brachte nur ein müdes Lächeln zuwe ge. »Keine leeren Versprechungen, mein Lie ber. Wenn es darauf ankommt, schlägt ja doch dein gutes Herz wieder durch. Wir müssen eben versuchen, auch so durchzu kommen. Halt – eben fällt mir etwas ein!« »Ich höre, Euer Erhabenheit«, meinte mein Pflegevater gespannt. Er bemühte sich um einen leichten Tonfall, aber damit konn te er mich nicht täuschen. Ich kannte ihn
42 schließlich von klein auf und war durch sei ne Schule gegangen. Die Abenteuer, die wir zusammen bestanden hatten, reichten für ein Dutzend Männer der härtesten Art. Ich wies auf mein Flugaggregat. »Damit müßte sich schon etwas anfangen lassen, denke ich. Die Spitzohren werden vermutlich nur auf dem Boden nach uns Ausschau halten, nicht aber in der Luft. Wenn wir es geschickt anfangen, können wir ihnen vielleicht fliegend entkommen.« Fartuloon betrachtete den Apparat mit zweifelnder Miene. »Du vielleicht, aber ich noch dazu? Schließlich bin ich ein Mann von – na, du weißt schon, was ich meine.« Er brachte es einfach nicht fertig, sein be achtliches Gewicht zu erwähnen. »Ein Mann von Format«, half ich ihm aus, ohne eine Miene zu verziehen. »Mach dir deswegen aber keine Sorgen. Das Ding hat Malthor und mich schließlich eine ganze Strecke weit getragen, als wir auf Ketokh vor den Julkas flohen. Für einen kleinen Hüpfer, der uns dem Zugriff der Grünen entzieht, reicht es bestimmt aus.« Er nickte, aber sein Gesicht blieb düster. »Gut, nehmen wir einmal an, daß uns das glückt. Damit sind wir wohl fürs erste in Si cherheit, aber wie soll es dann weitergehen? Wir haben schließlich keine Ahnung, wo die ISCHTAR stecken mag! Wir wissen nicht einmal, ob sie wirklich gelandet ist oder sich noch …« Er unterbrach sich, denn nicht weit von uns klang laut die bellende Stimme eines Planetariers auf. Sie schien einen Befehl zu geben, der gleich darauf von mehreren ande ren Stellen aus bestätigt wurde. Dann began nen Büsche zu rascheln, und das sagte uns genug. »Da kommen sie schon!« knurrte der Bauchaufschneider. »Ab nach hinten, da scheint noch niemand zu sein. Wir müssen zusehen, daß wir eine Stelle finden, von der aus wir uns einen Überblick über die Umge bung verschaffen können. Wenn wir nur ein fach auf gut Glück losfliegen, könnte das
Harvey Patton leicht unser Unglück sein.« »Das hast du gut gesagt«, grinste ich ver zerrt, und dann liefen wir los.
* Rassafuyl war außer sich. Sein Pelz war gesträubt, seine geschlitzten Augen funkel ten drohend das Abbild Kimyuls an, das auf dem Bildschirm vor ihm zu sehen war. »Was sagen Sie da?« brüllte er zornig. »Wie konnten Ihnen die Fremden entkom men? Sie hatten schließlich fünfzig Männer mit guten Waffen gegen sie. Sie haben ver sagt, Kimyul!« Der Polizeioffizier wand sich, die Spitzen seiner Ohren hingen herab. »Ich begreife das auch nicht, Hoher Rat. Wir hatten die Tür zu dem Raum, in dem sie sich befanden, schon fast aufgebrannt. Dann wurde sie plötzlich wieder vollkommen kalt, und wir mußten von neuem anfangen. Nur deshalb konnte es ihnen gelingen, durch das Fenster zu flie hen.« Er atmete auf, als er sah, wie Rassafuyl bei seinen Worten zusammenzuckte. Natür lich begriff er nicht, warum sein Vorgesetz ter erschrocken war, weil er nichts über die Hintergründe dieser Angelegenheit wußte. Der Schock saß noch viel tiefer, als er dachte. Rassafuyl schaltete die Tonübertra gung ab und beugte sich zur Seite, so daß er aus dem Erfassungsbereich der Bildkamera kam. Dort saß Tamoyl, der sich noch immer nicht dazu aufraffen konnte, aktiv in das Ge schehen einzugreifen. »Sie haben es gehört, Tamoyl«, sagte der Rat heiser. »Wir haben es nur mit zwei Vor fahren zu tun, und sie machen uns schon ei ne Menge zu schaffen. Ihre Macht scheint noch genauso groß zu sein wie in alten Zei ten. Wie wäre es sonst wohl zu erklären, daß eine glühende Tür von einem Augenblick zum anderen wieder kalt wird?« Sein Amtsbruder hob hilflos die Hände. »Vielleicht sollten wir besser aufgeben und uns ihnen unterwerfen«, äußerte er nie
Das Erbe der Akonen dergeschlagen. »Damit könnten wir ihr Wohlwollen erwerben, und wenn dann mehr von ihnen kommen …« Rassafuyl unterbrach ihn brüsk. Er hatte sich bereits wieder gefangen und funkelte Tamoyl an. »Aufgeben? Niemals! Verges sen Sie nicht, was es für unseren Planeten bedeuten würde, wenn die Ahnen hier wie der die Herrschaft erlangen. Unser Volk würde erneut zu Sklaven degradiert – wollen Sie das wirklich?« Seine Gestalt straffte sich wieder, als er fortfuhr: »Sie haben nicht den Mut dazu, aber denken Sie an den toten Kenyol. Er hät te niemals nachgegeben, und auch ich werde das nicht tun! Das Große Tor ist wieder au ßer Betrieb, und es soll auch nie mehr funk tionieren, dafür werde ich sorgen. Dann sind diese beiden Männer hier abgeschnitten, und allein können sie sich auf die Dauer nicht behaupten.« Er schaltete die Verbindung zur Transmit terhalle von Sevvo-Bonth wieder ein, wo Kimyul auf neue Befehle wartete. »Sind alle Maßnahmen getroffen worden, um den Fremden das Entkommen unmög lich zu machen?« fragte er mit fester Stim me. Der Begtan nickte devot. »Ich bin nur mit fünfzehn Männern in die Halle eingedrungen, Hoher Rat. Die anderen fünfunddreißig haben zuvor die Anlagen umstellt, die das Gebäude umgeben. Bisher haben die Fremden noch keinen Versuch ge macht, das Gelände zu verlassen.« »Sie sollen weiter gut aufpassen«, be stimmte Rassafuyl. »Diese Wesen sind ge fährlich und müssen unbedingt getötet wer den! Ich werde veranlassen, daß Ihnen um gehend Verstärkung geschickt wird. Jetzt gehen Sie wieder zu Ihren Männern, bis sie eingetroffen ist. Anschließend wird damit begonnen, die Umgebung der Halle zu durchkämmen, klar?« »Ich habe verstanden, Hoher Rat«, gab Kimyul zurück und eilte davon. Rassafuyl rief das Hauptquartier der Polizei von PoalTo an und beorderte weitere hundert Männer nach Sevvo-Bonth. Dann schaltete er wieder
43 die Verbindung zum Großen Tor ein und verlangte nach Dammyol. Die Erben waren inzwischen wieder in die Halle zurückgekehrt. Dammyol trat vor die Kamera und bot das Bild eines total veräng stigten Mannes. Sein Pelz war noch immer gesträubt, seine Ohren hingen schlaff herab. Der Rat wußte, wie es jetzt in ihm aussah, aber darauf konnte er keine Rücksicht neh men. »Passen Sie gut auf, Dammyol«, schärfte er ihm ein. »Sie brauchen sich nicht weiter um die beiden Fremden zu kümmern, das ist jetzt Sache der Polizei. Ich habe eine andere Aufgabe für Sie: Sie bleiben in der Halle und bewachen das Große Tor. Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, daß noch mehr dieser Wesen auf unsere Welt gelangen. Sollte das Tor wieder zu arbeiten beginnen, zerstören Sie sofort alle Schaltanlagen, die dazu gehören!« Das Gesicht des Erben wirkte konster niert. »Ist das Ihr Ernst, Hoher Rat? Wenn wir das tun, wird es uns nie mehr gelingen, die Kontrolle über die Anlagen zu erlangen.« Rassafuyl fuhr auf. »Das spielt jetzt keine Rolle mehr«, fuhr er den verängstigten jun gen Mann an. »Notfalls werde ich alle drei Großen Tore zerstören lassen, um weiteres Unheil von Kledzak-Mikhon fernzuhalten. Tun Sie, was ich Ihnen aufgetragen habe, verstanden?« Damit war der schwache Widerstand des jungen Erben gebrochen. Rassafuyl lehnte sich zurück und ließ dem Schicksal nun sei nen Lauf. Er hatte getan, was in seiner Macht stand, um die Ahnen von seiner Welt fernzuhalten. Jetzt lag es an Kimyul und sei nen Männern, die beiden Eindringlinge zur Strecke zu bringen. Verächtlich sah der Rat von Kledzak-Mik hon auf Tamoyl herab, der zusammengesun ken in seinem Sessel hing. Dieser Schwäch ling! dachte er fast angewidert. Und doch nistete auch in seiner Seele die Furcht vor den Ahnen – er gestand es sich nur nicht ein …
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Inzwischen waren die hundert Polizisten bereits in Sevvo-Bonth eingetroffen. Kimyul erwartete sie vor der Transmitterhalle und gab ihnen sofort die nötigen Befehle. Gleich darauf schwärmten die Männer aus und drangen in die Grünanlage ein. Die Jagd auf die beiden rätselhaften Fremden begann!
* »Langsamer, Atlan!« keuchte der Bauch aufschneider. »Nimm doch wenigstens et was Rücksicht auf einen alten Mann.« Ich grinste nur kurz, denn diese Tonart kannte ich zur Genüge. Fartuloon war alles andere als ein Schwächling, aber zuweilen gefiel er sich in dieser Rolle. Wir hatten nicht mehr als etwa hundert Meter zurückge legt und befanden uns nun dicht vor dem hinteren Ende des ausgedehnten Buschwerks. In der gesamten Umgebung des Komple xes war es totenstill. Falls es hier zuvor Ver kehr gegeben hatte, mußte er von den Streit kräften der Verfolger restlos unterbunden worden sein. Nur weit hinter uns waren zu weilen gedämpfte Rufe und das Rascheln von Zweigen zu vernehmen. »Eine regelrechte Treibjagd«, meinte Far tuloon, der plötzlich nicht die geringste Atemnot mehr zu spüren schien. »Man kämmt das Gelände von vorn her durch, um uns vor die Waffen jener zu bringen, die auf der anderen Seite lauern. Jetzt wird es all mählich ernst für uns.« »Wem sagst du das?« knurrte ich zurück. Ich ließ mich zu Boden sinken und schob mich behutsam durch eine Lücke zwischen den Büschen. Sie hingen voller Blüten, und der Pollenstaub drang in meine Nase. Mit Mühe unterdrückte ich ein Niesen und kon zentrierte mich ganz auf das, was ich nun sah. Wir befanden uns offenbar mitten in einer großen Stadt. Vor mir zog sich eine breite Straße dahin, und hinter ihr ragten die Sil houetten ausgedehnter Häuserkomplexe auf.
Unwillkürlich zog ich eine Grimasse, denn das gefiel mir gar nicht. Freies Gelände mit dem nötigen Bewuchs, in dem wir uns hät ten verbergen können, wäre mir lieber gewe sen. »Was siehst du?« raunte der Bauchauf schneider hinter mir. Ich verzichtete auf eine Antwort, denn gerade kamen zwei bewaff nete Grünpelze in Sicht. Sie behielten den Rand der Anlage scharf im Auge, hier war also kein Durchkommen. Ich zog mich zurück und unterrichtete Fartuloon. Er fluchte leise, aber das änderte auch nichts an der Situation. Hinter uns wur de das Rascheln immer lauter – nur noch längstens eine halbe Minute, dann hatten sie uns! »Jetzt ist mir alles egal«, knurrte ich resi gniert. »Wir brechen aus, ohne Rücksicht auf Verluste!« Mehr blieb uns einfach nicht übrig. Wir zogen uns einige Meter zurück, bis wir frei en Himmel über uns sahen. Dann griff Far tuloon nach meinem Gürtel und krallte sich darin fest. Ich aktivierte das Flugaggregat, und langsam erhoben wir uns in die Luft. Es ging besser, als ich geglaubt hatte, Malthors Gerät erwies sich auch dieser Belastung ge wachsen. Dicht über dem Laubdach stoppte ich erst einmal ab. Bewegungslos hingen wir in der Luft und sahen uns um. Die Stadt war weit größer, als ich vermu tet hatte. Ein Meer von Häusern unterschied lichen Stils erstreckte sich nach allen Rich tungen hin. In der Ferne konnte ich auch Fahrzeuge erkennen, die durch die Straßen glitten. In der unmittelbaren Umgebung reg te sich jedoch nichts. Die Truppe, die uns jagte, hatte nicht nur den Verkehr unterbun den, sondern auch dafür gesorgt, daß die Be wohner dieses Viertels in ihren Wohnungen blieben. »Diese Stadt ist eindeutig von Akonen er baut worden«, stellte Fartuloon lakonisch fest. »Manches hat sich zwar verändert, aber die Hinweise auf sie sind nicht zu überse hen. Sie selbst scheinen allerdings auch von
Das Erbe der Akonen hier verschwunden zu sein. Später haben sich die grünen Stumpfnasen dann einfach ins gemachte Nest gesetzt.« »Uninteressant«, gab ich zurück. »Verdammt, diese Umgebung sagt mir über haupt nicht zu. Wir können uns wenden, wo hin wir wollen, überall sind es mehrere Kilo meter bis zum Stadtrand. Das Flugaggregat reicht für diese Strecke zwar ohne weiteres aus. Wir können aber nicht hoch genug stei gen, dafür ist die doppelte Last zu groß. Frü her oder später muß uns jemand sehen – dann braucht man uns nur einen bewaffneten Gleiter auf den Hals zu hetzen, und es ist aus.« Der Bauchaufschneider knurrte zustim mend. »Da hast du leider nur zu recht. Ich habe bisher zwar noch keine Gleiter gese hen, aber das besagt nicht, daß es keine gibt. Eine Flucht hat also nur wenig Aussicht auf Erfolg. Hmmm … wäre es da nicht am be sten, wir würden einfach auf dem Dach der Halle landen? Dort wird uns bestimmt nie mand vermuten.« »Keine üble Idee«, gab ich zu. »Das Dach liegt ziemlich hoch und ist von den Bauten in der Umgebung nicht einzusehen. Da es flach ist, gibt es auch keine sonstigen Pro bleme. Wir brauchen uns nur in seiner Mitte hinzulegen und totzustellen.« Ich schaltete den Antrieb des Apparats wieder hoch. Das von ihm verursachte Ge räusch war so minimal, daß es nur wenige Meter weit zu hören war. Langsam schweb ten wir auf die große Halle zu, bis wir an ih rer Rückwand angekommen waren. Dort gab es keine Fenster, durch die man uns beob achten konnte. Ich mußte nur auf das Such kommando achten, das sich im Buschwerk unter uns befand. Die Grünpelze gaben sich jetzt gar keine Mühe mehr, ihre Anwesenheit zu verheimli chen. Sie brachen mit erheblicher Geräusch entwicklung durch die dichte Anlage und verständigten sich laufend durch laute Zuru fe in ihrem bellenden Idiom. Damit taten sie uns einen großen Gefallen. Anhand dieser Laute konnte ich mühelos ihre Standorte be
45 stimmen und gefährliche Stellen umfliegen. Der neuralgische Punkt waren die letzten drei Meter, denn dort wuchs nichts. Die rückwärtige Front des Gebäudes war etwa fünfzig Meter lang und voll zu übersehen. Wenn zufällig einer der nach uns Suchenden im falschen Moment nach oben sah, war al les umsonst gewesen! Wir zwei mußten einen ungeheuer komi schen Anblick bieten, wie wir so Huckepack in der Luft hingen, aber keinem von uns war zum Lachen zumute. Wir befanden uns auf einer vollkommen fremden Welt, über die wir praktisch nichts wußten. Mir war sogar der Name wieder entfallen, den uns Klinsan thor genannt hatte. Das war sehr ungewöhn lich, denn seit der Erweckung meines Extra hirns besaß ich ein sogenanntes fotografi sches Gedächtnis. Vermutlich war das eine Sekundärwirkung der Trennung meines Ichs vom Körper mit all ihren ungewöhnlichen Folgen. Ich schickte mich gerade an, den Flug auf das Dach zu wagen, als mich das Fauchen eines Strahlerschusses zusammenzucken ließ, dem ein dumpfer Aufschrei folgte. Un willkürlich ruckte ich am Steuerhebel, und wir sackten nach unten durch. Fartuloons Beine streiften eine Buschkrone und riefen ein Rauschen der Zweige hervor, das kaum zu überhören war. Hatte man es gehört? Rasch korrigierte ich meine Fehlleistung wieder. Wir schwebten einige Meter zurück und lauschten angestrengt. Wir vernahmen aber nur die Geräusche von Körpern, die ei lig durch die Büsche brachen, und das Rufen aufgeregter Stimmen. Beides entfernte sich von uns, und Fartuloon grinste. »Da hat ein übereifriger Bursche einen seiner Kameraden angeschossen«, sagte er. »Pech für den Grünen, aber Glück für uns! Jetzt rennen alle dorthin, also ist die Gele genheit günstig.« Ich nickte und schob den Antriebshebel nach vorn. Das Flugaggregat reagierte zwar nur träge, aber es brachte uns sicher auf das Dach der Halle. Dort warfen wir uns sofort nieder, doch schon im nächsten Moment
46 stöhnte der Bauaufschneider unterdrückt auf. »Alle Götter – ist das eine mörderische Hitze hier! Mann, wie sollen wir das nur aushalten?« Das war eine durchaus berechtigte Frage. Die Oberfläche des Daches war mit einer Gußmasse beschichtet. Sie war zwar teilwei se schon vom Zahn der Zeit angefressen und bröckelig, ihre fast schwarze Farbe machte sie jedoch zu einem wahren Hitzespeicher. Die Sonne – sie war groß und grellweiß, of fenbar ein Weißer Riese – brannte nun schon seit Stunden darauf herab, und das machte sich recht unangenehm bemerkbar. Es gab zwar einige buckelartige, mit Git tern versehene Aufbauten, die vermutlich zu Lüftungsanlagen gehörten. Sie waren aber viel zu niedrig, um als Schattenspender zu dienen. Uns blieb also weiter nichts übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und aus zuhalten. Ob wir das aber ohne jeden Trop fen Wasser bis zum Einbruch der Nacht durchhalten konnten, mochten allein die Götter wissen! Wir befanden uns jetzt in etwa dreißig Meter Höhe und damit weit über den höch sten Gebäuden dieses Viertels. Die Halle schien sich ungefähr im Zentrum der Stadt zu befinden, soviel ich das beurteilen konn te. Nach allen Seiten hin umgab uns ein wahres Häusermeer, aber die Gebäude wa ren nur selten höher als fünf Stockwerke. Überall gab es Grünanlagen mit reichlicher, oft sehr exotischer Flora. Und noch etwas ließ sich von hieraus er kennen: die kleinen Grünpelze verfügten doch über gleiterähnliche Luftfahrzeuge! Allzu viele davon schien es nicht zu geben, aber in der Ferne schossen immer wieder ei nige über die Häuser dahin. Nur in unserer Nähe ließen sich keine blicken, und die Schlußfolgerung war recht simpel. Man hat te offenbar diese Gegend für jeden Flugver kehr gesperrt, um ungestört operieren zu können. So würde es aber mit Sicherheit nicht bleiben. Sobald man die Jagd auf uns abblies
Harvey Patton – und das mußte über kurz oder lang gesche hen, wenn man uns nirgends fand – würden die Gleiter auch wieder hier auftauchen. Dann mußten wir unbedingt entdeckt wer den, Fartuloons in der Sonne blitzender Har nisch konnte auf dem dunklen Untergrund gar nicht unbemerkt bleiben! Ich machte den Bauchaufschneider darauf aufmerksam, aber er schien mir gar nicht zu zuhören. Er sah starr nach Norden, und dann stöhnte er unterdrückt auf. »So lange brauchen wir nicht mehr zu warten! Dreh dich einmal um, dann weißt du, was ich meine.« Ich folgte seinem Blick und fuhr zusam men. Drei knallrote Gleiter kamen niedrig und mit langsamer Fahrt genau auf die Halle zu. Man hatte zwar etwas spät geschaltet, aber jetzt mußte man uns unbedingt finden! An eine Flucht mit dem Flugaggregat war nun nicht mehr zu denken. Bis wir eine nen nenswerte Strecke zurückgelegt hatten, mußten die Fahrzeuge längst heran sein. Dann konnten uns die Insassen abschießen wie einen lahmen Vogel. Gehetzt sahen wir uns auf dem Dach um. Hatten wir wirklich keine Möglichkeit, ir gendwie den Häschern zu entkommen? »Die Lüftungsschächte!« knurrte Fartu loon. »Sie führen zwar auch nur zurück in die Halle, aber dort sind wir jedenfalls siche rer als hier, wo wir auf dem Präsentierteller sitzen.« Wir sprangen auf und spurteten auf den nächsten Buckel zu.
10. Als Kimyul wieder auf dem Bildschirm erschien, rechnete Rassafuyl fest damit, eine Erfolgsmeldung zu erhalten. Was er statt dessen zu hören bekam, versetzte ihn in höchste Wut. »Sie sind nicht aufzufinden, sagen Sie?« bellte er den Begtan an. »Das ist doch ein fach unmöglich! Schließlich haben Ihre Männer den gesamten Komplex abgesperrt, und die Gegend um die Grünanlage herum
Das Erbe der Akonen ist gut zu übersehen. Sie müssen sich noch dort befinden, daran kann es keinen Zweifel geben.« Kimyul war durchaus nicht wohl unter dem Pelz. Rassafuyl war so aufgebracht, daß er es vorläufig nicht wagte, ihm von dem Mißgeschick zu berichten, daß ein Polizist einen anderen angeschossen hatte. Er hob die vierfingrigen Hände. »Wir haben alles getan, was in der kurzen Zeit möglich war, Hoher Rat. Meine Leute sind dabei, die Büsche ein zweites Mal durchzukämmen, diesmal in ei ner Kette, die so dicht ist, daß zwei Personen überhaupt nicht übersehen werden können. Darf ich fragen, um wen es sich bei den bei den Fremden überhaupt handelt?« »Sie dürfen nicht!« bellte Rassafuyl. »Da ich schon halb mit einem Mißerfolg Ihrer unfähigen Männer gerechnet habe, habe ich eine weitere vorsorgliche Maßnahme getrof fen. Drei Polizeigleiter sind bereits im An flug auf die Halle. Sie werden das Gelände von der Luft aus überwachen, achten Sie al so auf die Funkdurchsagen der Piloten. Viel leicht sind die Fremden im Geäst der Büsche verborgen, und von oben aus müßten sie besser zu entdecken sein. Sie können sich ja schließlich nicht unsichtbar gemacht ha ben.« »Können sie das wirklich nicht?« fragte Tamoyl zweifelnd, als die Verbindung wie der unterbrochen war. »Vergessen Sie nicht, was die alten Unterlagen über die Vorfahren berichten, Rassafuyl. Darin wird auch er wähnt, daß sie Geräte besaßen, mit denen das tatsächlich zu bewerkstelligen war! Es war von einer Umlenkung der Lichtstrahlen die Rede, die gewissermaßen einen Bogen um den machten, der einen solchen Apparat besaß.« Rassafuyl bellte ärgerlich: »Das habe ich keineswegs vergessen, Ta moyl. Ich kann aber noch logisch denken, während der Schock Ihr Gehirn scheinbar in Mitleidenschaft gezogen hat. Daß die beiden über außergewöhnliche Mittel verfügen, ist klar, sonst wären sie schon von den beiden
47 Erben vernichtet worden. Wenn sie aber tat sächlich Deflektoren besäßen, hätten sie die se auch angewandt. Dann hätten sie es gar nicht nötig gehabt, sich vor den Polizisten anderweitig zu verbergen und durch ein Fen ster zu fliehen.« Tamoyl schwieg betreten. Was hätte er auch darauf erwidern sollen? Die Ereignisse seit Snayssols Verstoß gegen die Regeln des Spieles der Schwarzen Tore hatten ihn weit überfordert. Zum Glück nicht so sehr wie Kenyol, dessen Leiche inzwischen unauffäl lig weggeschafft worden war, aber immer noch mehr, als einem alten Mann zuträglich war. Er war froh, daß Rassafuyl nun die Füh rung übernommen hatte. Dieser war schon immer der agilste der Mitglieder des Trium virats gewesen. Sein Wort hatte auch den Ausschlag dafür gegeben, daß Snayssol ein zweites Mal durch das Beginntor des Spieles geschickt worden war. Hatte nicht aber damit erst alles begon nen? Irgend jemand hatte den jungen Erben vor dem sicheren Tod gerettet. Wer das gewesen war, wußte man auch jetzt noch nicht, weil sich die Aussagen widersprachen. Es stand jedoch fest, daß die Retter mit einem Flug aggregat gekommen waren, das weit größer als die üblichen Gleiter gewesen war. Also konnten sie nicht von Kledzak-Mikhon stammen, denn auf dieser Welt kannte man keine Raumfahrt mehr. Die Annahme lag folglich sehr nahe, daß diese Unbekannten zumindest in Verbin dung mit den Ahnen gestanden haben muß ten. Diese hatten dann davon erfahren, wie man Snayssol behandelt hatte und waren daraufhin selbst in Erscheinung getreten. Ja, so mußte es gewesen sein. Ob es dann aber klug war, sich gegen sie zu stellen und ihre Vernichtung zu befehlen? Mußte man damit nicht geradezu Vergel tungsmaßnahmen herausfordern, sobald sich alle Großen Tore öffneten, um ihr Gros nach Kledzak-Mikhon zu bringen? Tamoyls Gedanken waren unerfreulich,
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aber er schwieg. Sein Amtsbruder hatte un gefragt die Macht an sich gerissen – mochte er nun auch zusehen, wie er mit allem fertig wurde …
* Keuchend langten wir an der etwa dreißig Meter entfernten Lüftungsanlage an. Dort warfen wir uns sofort wieder flach hin und ich griff nach meiner Waffe. Fartuloon schob jedoch meinen Arm energisch zur Sei te. »Laß mich das machen«, forderte er kate gorisch. »Bis jetzt können wir hoffen, daß man uns noch nicht gesehen hat. Wenn du aber den Strahler einsetzt, wird man die Energieemission sofort anmessen. Dann sind wir so gut wie erledigt, während wir jetzt immerhin noch eine kleine Chance haben.« Schon während der ersten Worte hatte er sich wieder halb aufgerichtet und das Skarg hervorgeholt. Nun setzte er seine Spitze an der Basis des Gitters an und riß das Schwert kraftvoll nach oben. Das Metall leistete jedoch erheblichen Widerstand, allem Anschein nach handelte es sich um molekularverdichteten Stahl. Das Gesicht des Bauchaufschneiders lief unter der Anstrengung dunkelrot an. Seine Zähne waren zusammengebissen, die Adern an den Schläfen traten dick hervor. Er ließ noch einmal kurz nach und ruckte dann erneut an. Diesmal gab das Gitter mit einem reißen den Laut nach und brach aus seiner Fassung. Fartuloon schob es aufatmend zur Seite und bedeutete mir, als erster einzusteigen. Ich folgte seinem Wink sofort, denn ich wußte, daß er sich keinesfalls zuerst in Si cherheit bringen würde. Für ihn war ich der rechtmäßige Thronfolger von Arkon, dessen Dasein es unter allen Umständen zu schüt zen galt. In seinen Augen war ich noch im mer ein leichtsinniger junger Fant, der sein Leben viel zu oft aufs Spiel setzte, ohne daß es unbedingt nötig war. Der runde Lüftungsschacht durchmaß et wa achtzig Zentimeter, ließ mich also mit-
samt dem Flugaggregat ohne Schwierigkei ten durch. Ich schwang mich mit den Beinen zuerst hinein, hielt mich noch eine Sekunde lang fest und ließ mich dann einfach nach unten fallen. Dabei spreizte ich meine Beine so weit, daß die Stiefel die Schachtwandung berührten und meinen Fall um einiges ab bremsten. Das war gut so, denn ich fiel etwa acht Meter weit durch. Dann kam ein Aufprall, der meine Gelenke knacken ließ und mir die Luft aus den Lungen trieb. Ein Dröhnen hallte durch den dunklen Schacht, offenbar war ich auf ein weiteres metallenes Gitter geprallt. Ich blieb in der Kniebeuge und tastete um mich. Rechts von mir stieß meine Hand ins Leere, dort schien sich der Schacht in hori zontaler Richtung fortzusetzen. Die runde Röhre war ungefähr einen Meter hoch, und ich kroch sofort hinein. Keinen Augenblick zu früh, denn im nächsten Moment krachte Fartuloons schwe rer Körper hinter mir herunter. Den Grund für seine Eile erkannte ich sofort. Ein Strahl schuß schlug oben in den Schacht ein, sein feuriger Schein zuckte bis zu uns hinunter. Die Besatzung der Gleiter hatte uns also doch entdeckt und nicht gezögert, das Feuer auf uns zu eröffnen. Ich schüttelte den Kopf, während ich mich weiterbewegte, um dem Bauchauf schneider Platz zu machen. Neue Treffer schlugen oben ein, verflüssigtes Metall spritzte herab, ohne uns aber noch schaden zu können. Warum waren diese Grünpelze nur so sehr bemüht, uns um jeden Preis zur Strecke zu bringen? Ich begriff das einfach nicht. Sicher, wir waren unter etwas seltsa men Umständen hier auf dieser Welt ange kommen. Reichte das aber schon als Be gründung für diese gnadenlose Jagd aus? Schließlich hatten wir doch nichts getan, was uns in den Augen dieser Wesen als Be drohung erscheinen lassen konnte. Zwei ein zelne Fremde, noch dazu nur ungenügend bewaffnet, stellten doch bestimmt keine Ge fahr für diesen Planeten dar.
Das Erbe der Akonen Du vergißt die ISCHTAR! meldete sich da mein Logiksektor. Vermutlich ist sie inzwi schen hier irgendwo gelandet, und die Pla netarier haben vielleicht schlechte Erfah rungen mit ihrer Besatzung gemacht. Ange sichts der Unberechenbarkeit Akon-Akons ist diese Befürchtung nicht von der Hand zu weisen. Das war leider nur zu wahr. Das Gebah ren des jungen Suggestors war wirklich nicht dazu geeignet, ihm Freunde zu ver schaffen. Vielleicht hatte er die Besatzung des Raumers unter Zwang dazu gebracht, ri goros gegen die Grünpelze vorzugehen. Das würde vieles erklären. Doch jetzt hatte ich keine Zeit, diesen Ge danken weiter nachzuhängen. Die Gleiter flogen offenbar einen neuen Angriff, denn erneut leuchtete oben in dem Lüftungs schacht der Feuerschein von Strahlschuß treffern auf. Wir spürten die von ihnen her vorgerufene Hitze noch, sie konnte uns aber nicht schaden. Dafür sorgte ein stetiger küh ler Luftzug, der uns aus der Röhre entgegen wehte. »Weiter, Atlan!« spornte mich Fartuloon an. »Die Fahrzeuge werden zweifellos auf dem Dach landen, und dann wird man uns folgen. In dieser Röhre haben wir keine Möglichkeit, auszuweichen oder uns zu ver teidigen. Man könnte uns nach Belieben ab schießen.« Ich kroch also weiter, aber allzu viele Hoffnungen machte ich mir nicht. Das Be lüftungssystem konnte uns vermutlich Zu gang zu Räumen eröffnen, die über der Transmitterhalle lagen, doch damit war kaum etwas gewonnen. Man wußte jetzt ge nau wo wir uns aufhielten und konnte uns mühelos den Weg nach draußen abschnei den. Im Grunde brauchten die Verfolger nichts weiter zu tun, als aufzupassen und ab zuwarten. Wir besaßen weder Wasser noch Nahrungsmittel – in dieser Situation nützte es uns auch nichts, wenn wir hier irgendwo ein Versteck fanden! Über kurz oder lang mußten wir es einfach verlassen, wenn wir nicht darin umkommen wollten.
49 Trotzdem bewegten wir uns weiter in der dunklen Röhre voran. Nach etwa zehn Me tern bemerkte ich einen schwachen Licht schein, der von unten her durch ein Gitter drang. Dort war der Boden durchbrochen, und ein Schacht führte senkrecht nach unten. Ich preßte mein Gesicht gegen das Gitter und erkannte weit unter uns einen kleinen Ausschnitt der Transmitterhalle. Damit war uns in keiner Weise gedient, also krochen wir weiter. Der Luftzug wurde stärker und war nun von einem immer lauter werdenden Sum men begleitet. Wir näherten uns also offen bar den technischen Anlagen des Belüf tungssystems. Jetzt kam es ganz darauf an, wie diese beschaffen waren. Wenn es dort ein Rotorsystem gab, das uns den Weg ver sperrte, waren wir am Ende. Ich hätte es zwar mit dem Strahler mühelos zerstören können, aber die dabei entstehende Hitze hätte auch uns geröstet. Plötzlich machte die Röhre eine Biegung nach links, und dann sah ich einen diffusen Lichtschimmer. Er zeigte mir tatsächlich ra send schnell rotierende Ventilatorflügel hin ter einem Gitterwerk. Ich sah aber auch noch etwas anderes: Dicht vor dieser Anlage gab es eine runde Klappe, durch die man die Röhre zur rechten Seite hin verlassen konn te! Ein Einstieg für Arbeitstrupps, unterrich tete mich mein Extrahirn lakonisch. Ein an sich überflüssiger Hinweis, denn das war mir sofort klargeworden. Die Klappe war nur durch einen simplen Schnappriegel gesi chert, den ich mühelos lösen konnte. Unter leisem Knarren schwang sie auf und gab uns den Weg in einen länglichen niedrigen Raum frei, in dem auf Regalen zahlreiche Werkzeuge und Ersatzteile verschiedener Art gelagert waren. Hier war schon seit langer Zeit niemand mehr gewesen, das zeigte die dicke Staub schicht auf dem Fußboden. Auch das kleine Fenster am Ende war vollkommen verdreckt und ließ nur wenig Licht eindringen. Hastig schloß ich die Klappe wieder, denn der ein
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dringende starke Luftstrom wirbelte den Staub auf und verschlechterte die Sicht noch mehr. Dann sahen Fartuloon und ich uns rat los an, denn dieser Raum besaß keinen regu lären Ausgang! »Das gibt es doch gar nicht …« sagte der Bauchaufschneider verblüfft. »Verdammt, irgendwie müssen die Reparaturtrupps doch hier hereinkommen können, wenn die Anla ge einmal versagt!« Er hatte recht, aber das änderte nichts an den Tatsachen. Wir suchten alles ab, auch den Boden, aber der bestand aus festem Kunststein und wies ebenfalls keinerlei Öff nungen auf. Die einzige war das Fenster, doch es war so klein, daß nicht einmal ich hindurchgekommen wäre. Wir schienen rettungslos in der Falle zu sitzen.
* Wir waren schon bereit, uns mit unserem Schicksal abzufinden, als mein Blick in den schmalen Raum zwischen zwei Regalen fiel. Dort war es fast dunkel, Fartuloon hatte ihn kurz inspiziert, dann aber abgewinkt. Er hat te sich darauf konzentriert, eine Tür zu fin den – und dabei die beiden schmalen Metall säulen übersehen, die diese Lücke rechts und links flankierten! Ich sah sie nun, und da wurde mir alles klar. »Ein Transmitter«, stöhnte ich erleichtert auf. »Fartuloon, da haben wir die Lösung. Die alten Akonen konnten auf andere Wege verzichten, so war es ja viel einfacher für sie. Bete zu deinen Göttern, daß das Ding noch funktioniert.« Wir stürzten auf die Anlage zu und unter suchten die Säulen in fieberhafter Hast. Es war höchste Zeit, daß wir aus dieser Mause falle entkamen. Von der anderen Wand her, wo sich die Ausstiegsklappe befand, waren bereits dumpfe Geräusche zu hören. Offen bar arbeiteten sich die Verfolger schon durch die Röhre zu uns heran. Es gab kein Schaltpult oder sonstige Kon trollanlagen, sondern nur einen einfachen
Aktivierungsknopf. Dieser Transmitter stand also offenbar nur mit einer bestimmten Ge genstelle in Verbindung, vermutlich mit ei nem Arsenal oder einer ähnlichen Einrich tung. Wenn wir jetzt etwas Glück hatten, konnten wir also doch noch entkommen und uns bis zum Anbruch der Dunkelheit verber gen. Wir atmeten auf, als sich nach Betätigung des Schaltknopfes unter leisem Zischen der gleißende Bogen des Transportfelds vor uns aufbaute. Hastig schob ich den Bauchauf schneider hinein und folgte ihm sofort nach. Die wesenlose Schwärze nahm uns auf und spie uns augenblicklich in der Gegenstelle aus. Wir kamen in einem hell erleuchteten Raum ohne Fenster heraus, nicht viel größer als der, den wir eben verlassen hatten. Auch hier gab es nur Regale mit technischen Utensilien, niemand hielt sich darin auf. Ich wandte mich sofort um und zerstörte mit einem kurzen Feuerstoß aus dem Strah ler den Empfangssektor des Transmitters. Nun konnte uns niemand mehr direkt folgen, aber wir mußten trotzdem schleunigst auch hier heraus. Die Grünpelze würden bestimmt wissen, wohin wir uns abgesetzt hatten. Sie würden versuchen, uns auf einem anderen Wege schnellstens nachzukommen. Erst jetzt wurde mir bewußt, wie wenig Zeit vergangen war, seit wir nach den Irrwe gen durch die Dimensionsfalte wieder in un sere Körper gelangt waren. Seitdem waren wir nicht mehr zur Ruhe gekommen, die Stumpfnasen hatten uns fast pausenlos zuge setzt. Kein Wunder, daß sie uns sofort so massiv entgegengetreten waren. Wenn es auf dieser Welt ein ausgedehntes Transmit ternetz gab, brauchten sie nur Minuten, um beliebig viele Verfolger auf uns anzusetzen. Ich drängte Fartuloon beiseite, ehe er die einzige Tür öffnen konnte und übernahm das selbst. Auf Anhieb fand ich die Kontaktstel le, und die Tür schwang willig nach außen hin auf. Hastig griff ich zu und zog sie bis auf einen schmalen Spalt zurück. Durch ihn spähte ich nach draußen.
Das Erbe der Akonen Vor mir lag ein langer Korridor mit vielen Seitentüren. Sie waren sämtlich geschlossen, und niemand hielt sich in meinem Sichtbe reich auf. Ein leises Summen zeugte davon, daß in der Nähe starke Generatoren liefen, sonst war alles still. Ohne Zögern betrat ich den Gang, und der Bauchaufschneider folgte mir, das Skarg in der Hand. Wir hasteten den Korridor entlang. Alle Türen waren mit Zeichen versehen, die mir nichts sagten, aber Fartuloon konnte sie mü helos entziffern. »Alles nur Lagerräume«, knurrte er, und wir liefen weiter bis zum großen Ausgang. Hier zögerte ich sekunden lang, aber nun war es mein Pflegevater, der die Initiative ergriff. »Nur keine Zeit verlieren!« drängte er und legte seine Hand auf den Öffnungskontakt. Diesmal rollte die Tür vor uns zur Seite weg, und dann erstarrten wir vor Schreck. Effektvoller hätte auch ein guter Videoregis seur unseren Auftritt nicht inszenieren kön nen. Wir sahen in einen riesigen Raum, in dem es von Grünpelzen nur so wimmelte! Schon der erste Blick verriet uns, daß wir hier eine zentrale Transmitterhalle vor uns hatten. Die zahlreichen Sende- und Empfangskabinen rings um das weite Rund waren kaum zu übersehen. Dauernd kamen Reisende an oder verschwanden in den von transparenten Wänden umgebenen Anlagen. Hunderte von großen und kleinen Planetariern bewegten sich hin und her, und so konnte es kaum aus bleiben, daß wir augenblicklich entdeckt wurden. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, denn ihre verständnislosen Blicke zeigten uns, daß die Grünen mit uns absolut nichts anzufangen wußten. Sie bellten zwar aufge regt durcheinander, und sofort kam der ge samte Verkehr ins Stocken, aber sie schie nen uns eher als eine Art von exotischen Tieren anzusehen. Ich atmete bereits auf und beschloß, ihr Erstaunen zu unseren Gunsten auszunutzen; doch von einem Moment zum anderen änderte sich die Lage. Laute, befehlende Stimmen übertönten
51 auf einmal alles, und dann stürmten fünf Stumpfnasen vom Ende der Halle her ziel strebig auf uns zu. Sie trugen einheitliche Kreuzgurte und Strahlwaffen, die sie sofort zückten, und damit war für uns alles klar. Das mußten Polizisten oder Soldaten sein – und sie waren bereits vor unserem Auftau chen gewarnt worden! »Schnell weg!« zischte Fartuloon und schob mich nach links, auf eine breite Frei treppe zu. Ich folgte ihm ohne langes Über legen. Noch konnten die Angreifer nicht schießen, ohne ihre eigenen Artgenossen zu gefährden, die sich zwischen ihnen und uns befanden. Das änderte sich jedoch, als wir ein Dut zend Stufen emporgehastet waren. Nun hat ten sie freies Schußfeld und zögerten nicht, ihre Waffen einzusetzen. In der Halle brach ein wahres Chaos aus, als die Glutbahnen durch die Luft zischten und ihre Ziele such ten. Diese Ziele waren wir, aber wir befanden uns nicht zum ersten Mal in einer solchen Situation. Wir verdoppelten unsere Ge schwindigkeit und hetzten in großen Sprün gen die Stufen empor. Die Schützen reagier ten nicht schnell genug. Als sie erneut schossen, hatten wir bereits den Knick der Treppe erreicht, und nun bot uns eine Zwi schenwand Schutz. Bis die Verfolger am Fuß der Treppe angekommen waren, hatten wir schon eine Tür passiert, die sich an ih rem oberen Ende befand. Doch damit waren wir auch am Ende un seres Fluchtwegs angelangt. Diese Tür führ te auf einen Dachgarten, der zwar zur Zeit verlassen war, uns aber keine weitere Fluchtmöglichkeit mehr bot. Nur der Weg durch die Luft blieb uns noch – als ich aber mein Flugaggregat aktivieren wollte, erlebte ich eine böse Überraschung. Es funktionierte nicht mehr! Der Bauchaufschneider hatte den Öff nungsmechanismus der Tür mit dem Skarg zerstört. Nun lachte er bitter auf und wies auf einige lose von dem Gerät herabbau melnde Drähte.
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»Das wäre es wohl, Kristallprinz! Du mußt unterwegs irgendwo hängen geblieben sein, vermutlich schon in der Lüftungsröhre. Das zu reparieren, würde etwa eine Stunde dauern, schätze ich, und soviel Zeit wird man uns nie lassen. Da unten gibt es gleich dutzendweise Transmitter, durch die wahr scheinlich jetzt schon neue Jäger kommen, und die Gleiter werden auch bald da sein.« Ich trat an die Brüstung und sah nach un ten, aber die Fassade des Gebäudes war voll kommen glatt. An ihr hätte auch der waghal sigste Kletterer keinen Halt gefunden. Die nächsten Häuser waren zwar nicht weit ent fernt, aber ihre Dächer lagen viel zu tief. Hinabspringen zu wollen, wäre glatt einem Selbstmord gleichgekommen. Resignierend wandte ich mich um und zog den Strahler, aber Fartuloon winkte ab. »Laß es sein, Junge, sie kriegen uns ja doch. Die Lage ist zwar hoffnungslos, aber nicht ernst, wie schon das alte Sprichwort sagt. Oder weiß das Extrahirn Eurer Erha benheit vielleicht noch einen Ausweg? Einen der berühmten Geistesblitze eines Mannes, der alle Prüfungen für die ARK SUMMIA mit Auszeichnung bestanden hat? Ruf doch einmal die Götter herbei, laß deine Beziehungen zu den höchsten Kreisen spie len …« Das war bitterster Sarkasmus, aber er be rührte mich nicht. Ich hörte gar nicht mehr zu, denn ein Wort hatte eine gedankliche Assoziation hergestellt. Rufen – ja, das war es! Ich besaß noch das Armbandfunkgerät. Es hatte vermutlich keine große Reichweite, aber vielleicht konnte ich damit doch die ISCHTAR erreichen, wenn sie irgendwo in der Nähe war. Oder auch Akonen, falls es sie hier noch gab. Die Jagd nach uns konnte schließlich von den Grünpelzen ohne ihr Wissen inszeniert worden sein. Hastig aktivierte ich das Gerät und be gann, das Notsignal der arkonidischen Flotte abzustrahlen.
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Vollkommen erschöpft stolperte Snayssol in die Luftschleuse des Beiboots. Hilfreiche Hände streckten sich ihm entgegen und zo gen ihn weiter, und im Hintergrund erschien das dunkle Gesicht Ras. »Das ist ja noch einmal gut abgegangen«, sagte er über den Translator. »Ich wollte ge rade abfliegen, als du wieder auf der Bildflä che erschienen bist. Deine Verfolger habe ich ins Reich der Träume geschickt, in Zu kunft werden sie wohl etwas weniger ag gressiv sein. Jetzt müssen wir schleunigst abfliegen, ehe unsere hohe Kommandantin ungeduldig wird.« Er ließ die Schleuse zugleiten und schick te seine Helfer wieder auf ihre Posten, wäh rend der Erbe in einem Kontursitz des Steu erraums Platz fand. Dann blinkte die Ruf lampe des Funkgeräts auf, und Ra verzog das Gesicht. »Typisch weibliche Ungeduld …«, mur melte er und aktivierte den Empfänger. Doch die Bildfläche blieb dunkel, nur aus der Feldmembrane drangen rhythmische Ge räusche, die sich in kurzer Folge wiederhol ten. Der Barbar fuhr zusammen, ein Aus druck ungläubigen Erstaunens erschien auf seinen Zügen. »Das Notsignal der Arkonflotte?« über legte er halblaut. »Von der ISCHTAR kann es nicht kommen, dazu ist es viel zu schwach. Oder sollte etwa …« Er vollendete den Satz nicht mehr, son dern schaltete hastig den Sender ein. Als dann die Antwort kam, verschlug es ihm einen Augenblick lang die Sprache. »Du, Atlan?« brachte er schließlich heiser hervor. »Verdammt, wie ist das nur … ja, schon gut, ich frage nichts mehr. Laß dein Gerät eingeschaltet, damit wir es anpeilen können. Die ISCHTAR steht zur Zeit hinter dem Planeten, aber ich bin mit einem Boot in deiner Nähe. Ich komme mit allem, was der Antrieb hergibt.« Er aktivierte den Antrieb und ließ das Beiboot so heftig anrucken, daß einige Gra vos Andruck durchschlugen. Dann erst rief er das Schiff über Hyperfunk an.
Das Erbe der Akonen
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Karmina Arthamin meldete sich sofort. Auch in der ISCHTAR hatte man das Notsi gnal empfangen, aber nur so schwach, daß man den Standort des Senders nicht anpeilen konnte. Die Arkonidin war nicht wenig überrascht, als sie erfuhr, daß Atlan der Ab sender war und sich offensichtlich in Not befand. »Holen Sie ihn unter allen Umständen heraus, Ra«, bestimmte sie mit der Ruhe ei ner erfahrenen Kampfkommandantin des großen Imperiums. »Worauf Sie sich verlassen können!« ver sicherte der Barbar grimmig, und die weißen makellosen Zähne blitzten in seinem dunklen Gesicht.
* Er kam buchstäblich im letzten Augen blick. Wir hatten uns hinter einigen kümmerli chen Büschen des Dachgartens in Deckung geworfen. Längst war die Kunststofftür un ter den Strahlschüssen der Gegner verglüht, aber sie kamen nicht zu uns heraus. Sobald sich auch nur eine behaarte Ohrspitze zeigte, nahm ich sie unter Feuer, und das verschaff te uns den nötigen Respekt. Doch das war nur ein Aufschub, und wir wußten es. Längst mußten Verstärkungen der Gegner eingetroffen sein und das Trans mittergebäude hermetisch abgeriegelt haben. Nun wartete man wohl nur noch auf die Gleiter, deren Eingreifen uns endgültig erle digen sollte. Wo blieb nur Ra mit dem Bei boot? Immer wieder suchte Fartuloon besorgt den Himmel ab, und schließlich stöhnte er unterdrückt auf. »Da sind sie, Atlan! Dies mal gleich zehn Stück, man will wohl ganz sicher gehen. Nur noch längstens zwanzig Sekunden … alle Götter, da kommt auch das Boot!« Das Heulen und Brausen gewaltsam ver
drängter Luftmassen wurde hörbar, dann das Arbeitsgeräusch eines mit Höchstwerten bremsenden Antriebs. Ein Schatten fiel über das Dach, Luftwirbel rissen uns fast vom Boden hoch. Dann blitzte es über uns auf, und ich vernahm Fartuloons Ausruf. »Da hat es einen erwischt – da, noch einen! Die anderen drehen ab und rasen da von, so schnell sie nur können. Atlan, wir sind gerettet …« Ich konnte noch gar nicht richtig an diese Rettung in letzter Minute glauben. Erst als das Beiboot, vom Antigrav gehalten, rechts von uns dicht über dem Dach schwebte, wagte ich es, die Nase über das Grünzeug vor mir zu heben. Doch die Stumpfnasigen auf der Treppe hatten inzwischen auch er kannt, woher nun der Wind blies und schleu nigst das Weite gesucht. Niemand schoß mehr auf uns, als wir uns erhoben und auf die offenstehende Schleuse zuliefen. Hinter uns schloß sie sich sofort wieder, und das Boot jagte wie ein Schemen in den Himmel hinauf. Im Steuerraum grinste uns Ra triumphie rend an. »Na, wie habe ich das gemacht?« erkundigte er sich. Wir lobten ihn gebüh rend, aber dann fiel mein Blick auf den Grünpelz, der wie ein Häufchen Unglück in einem Kontursitz kauerte. »Was tut der denn hier?« fragte ich nicht sonderlich erbaut, aber der Barbar winkte nur kurz ab. »Ein armer Kerl, dem seine eigenen Leute übel mitgespielt haben«, erklärte er. »Doch ihm habt ihr es im Grunde zu verdanken, daß wir so schnell hierher kommen konnten! Seid also nett zu ihm, er hat es wirklich ver dient.«
E N D E
ENDE