Atomboss Cunningham entführt … Von Axel Nord „Name des Schiffes?“ „Diamant.“ „Nationalität?“ „Schweden.“ „Stoppen Sie I...
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Atomboss Cunningham entführt … Von Axel Nord „Name des Schiffes?“ „Diamant.“ „Nationalität?“ „Schweden.“ „Stoppen Sie Ihre Fahrt! Wir kommen an Bord!“ Der Funker hielt das Mikrofon vor den Mund, während die Maschine der internationalen Polizei über der weißen Jacht kreiste, die schlank und rassig die Weite des Südatlantik durchschnitt und jetzt ihre Fahrt verlangsamte. Der Oberleutnant und seine Polizisten kannten selbstverständlich die teuerste Luxusjacht der Erde, sie wußten auch, daß sie dem Schweden Märlander gehörte, aber das war kein Grund, sie nicht anzuhalten wie unzählige andere Schiffe auch, seit vor gut vier Wochen in Tanger beim dortigen Weltamt für Astronautik aus dem großen amerikanischen Forschungszentrum Orion-City eine sensationelle Meldung einging: „Generaldirektor Cunningham verschwunden!“ Seit jenem sommerlichen Spätnachmittag, der still und freundlich seinen sonnendurchwobenen Zauber über Orion-City breitete, waren die internationalen Organe nicht mehr zur Ruhe gekommen. Das Verschwinden eines Mannes von der Bedeutung des gewichtigen Generaldirektors des amerikanischen „Staatlichen Atom-Territorium“ reichte aus, um den ganzen Erdball in Alarmzustand zu halten; denn Ted S. Cunningham gehörte unbedingt zu den zehn wichtigsten Männern. Die Öffentlichkeit allerdings wußte es noch nicht …
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Noch nicht einmal die Spürnasen von der Lichtdruckpresse hatten es bisher erfahren, sie regten sich nur über die internationale Polizei auf, die in den letzten Wochen immer mehr dazu überging, friedliche Schiffe anzuhalten und zu durchsuchen. Der Polizeiverantwortliche des „Weltbundes der freien Nationen“ steckte die Vorwürfe der Sensationspresse ein, ohne mit der Wimper zu zucken und hütete sich, in alle Welt zu posaunen, daß eine winzige fadendünne Spur auf den Atlantik hinausführte. Die „Diamant“ war das 106. Schiff, das sie anhielten. Der Oberleutnant ließ seine formschöne Doppelrumpfmaschine zehn Meter über der Mastspitze verhalten und kletterte über eine Strickleiter direkt auf die Kommandobrücke. Der Schwede hatte illustre Gäste an Bord. Ein junger, dunkelhaariger Sergeant, der ihm piekfein und elegant folgte, zählte allein während des Abstieges drei berühmte Schauspielerinnen von Film und Television und zwei Politiker, deren Gesichter man in jeder zweiten Lichtdruckausgabe sehen konnte. Ein untersetzter, blau und gelb kostümierter Mann keuchte zur Kommandobrücke hinauf. Er stellte sich dem salutierenden Oberleutnant als Erge Märlander vor und zeigte sich ziemlich entrüstet. „Herr Oberleutnant …“ „Herr Märlander“, wurde ihm in hartem Kolonialfranzösisch geantwortet. „Ich bitte um Verzeihung – aber Sie antworteten nicht auf unsere ersten Anrufe.“ „Ich bin ein freier Mann, Herr Oberleutnant! Dieser Zwischenfall dürfte noch bedauerliche Folgen nach sich ziehen! Die internationale Polizei scheint mir eine Organisation von Piratenenkeln zu sein!“ Der Oberleutnant blieb gelassen. „Es steht Ihnen frei, sich zu beschweren! Darf ich nun die Räume Ihres Schiffes sehen?“ „Ich protestiere gegen eine solche Maßnahme und …“
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Der Oberleutnant hielt ihm ein Schriftstück hin, das ihn verstummen ließ. Er trat zur Seite. „Bitte!“ * Die Jacht wurde durchsucht. Der Oberleutnant rechnete gar nicht damit, hier etwas Verdächtiges zu finden, und er war auch gar nicht enttäuscht, als er sich eine Stunde später mit einer höflichen Entschuldigung verabschieden mußte. Die „Diamant“ ging wieder auf ihre alte Geschwindigkeit. Erge Märlander war etwas blaß und mußte sich drei doppelte Gin hinter seinen offenen Kragen gießen. Nach weiteren vier Stunden legte am Bootssteg einer einsamen Südseeinsel ein kleines Tauchboot an, dem vier Herren entstiegen. Vom Steg führte eine schmale weiße Straße durch Palmen auf einen Bungalow zu, der neben Tennisplätzen und Schwimmbassins traumhaft schön im Innern der Insel lag. Die vier unterhielten sich angeregt. „Ich muß schon sagen, das tut einem armen alten Knaben wie mir gut!“ „Die Natur heilt immer noch am besten alle Leiden eines Zivilisationsmenschen.“ „Eines Roboters müßten Sie sagen, mein Guter. Mein unerbittlicher Gott ist der Terminkalender – und der ist bis auf zehn Minuten unterteilt.“ „Ich hoffe, Sie vergessen hier Ihren Terminkalender!“ „Bin schon auf dem besten Wege!“ *
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„Sie haben einen Schweden angehalten!“ Über Orion-City breitete sich warm und ausgesternt der Sommerhimmel. Die große Forschungsstadt am Fuße der Wasatch Mountains schien etwas ruhiger zu pulsieren als sonst. Viele Institute und Werke hatten ihre Mitarbeiter geschlossen in die Ferien geschickt, und auch der Strom der Fremden, die sonst neugierig und sensationslüstern durch die breiten weißen Straßen zogen, hatte etwas nachgelassen. Im Sicherheitsdienst war allerdings nichts von sommerlicher Flaute zu spüren. Der lange Oberst Mortimer drehte sich seine Zigarette aus einem Tabak, der noch immer so billig und so schlecht war wie eh und je. Er sah trübe auf die Offiziere, die neben ihm standen und die Meldung mitangehört hatten und auf den Globus, der sich vor ihm auf einem niedrigen Tisch drehte. „,Diamant’! Das ist der protzige Märlander! Was glauben Sie, wie der hochgehen wird.“ „Wie eine Rakete!“ „Der schlägt jetzt Krach!“ Das schiefgedrehte Gebilde, auf dem der Oberst bereits wütend herumkaute und das er Zigarette zu nennen beliebte, wurde in Brand gesteckt. „Mit der Geheimhaltung ist es vorbei! An die nächsten Ausgaben der großen Lichtdruckzeitungen wage ich nicht zu denken.“ „Ich wäre auch erbost, wenn man meinen Kahn auf offener See anhalten würde.“ „Natürlich!“ bellte der Oberst und paffte dem vorlauten Naseweis mit den Leutnantsstreifen eine stinkende Wolke in das volle braune Gesicht. „Warten Sie ruhig mit geistreicheren Vorschlägen auf, mein Sohn!“ Jeremy Gerwin grinste etwas verlegen. Wenn man ihn ärgern wollte, redete man ihn bei seinem Vornamen an, gute Freunde nannten ihn kurz Jerry. „Ich habe keine, Sir!“
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In Mortimers Augen funkelte Ironie. „Sie sind der dreiundzwanzigste, der mir das gesteht! Stellen Sie es sich nicht so einfach vor! Da fliegt Mr. Cunningham in seinem privaten Hubschrauber von der Hauptverwaltung zu seinem Haus an der stillen Washingtonallee. Der Hubschrauber landet dort auf dem Dachgarten. Mr. Cunningham erfrischt sich, ißt etwas und setzt sich, da es sehr warm ist, auf den Dachgarten, um zu lesen. Er hat genau fünfzig Minuten Zeit für sich, denn dann beginnt in seinem Wohnzimmer eine Konferenz von Energiewissenschaftlern. Sein Diener bringt ihm Eisgetränke und wird dann noch einmal in das Arbeitszimmer geschickt, um Zigarren zu holen. Das Arbeitszimmer schließt unmittelbar am Dachgarten an, und der Diener glaubt, in diesen paar Minuten zu hören, wie Cunningham mit jemand spricht. Dabei kann sich außer ihm keiner im Dachgarten aufhalten. Es ist auch keiner da, als der Diener die Zigarren hinausbringt, und auch Cunningham ist nicht verändert. Er macht noch ein paar faule Witze. Die Konferenz findet statt. Cunningham geht anschließend früh schlafen. Am nächsten Morgen ist alles wie sonst. Um 17.10 Uhr läßt Cunningham dann plötzlich einen Wagen vorfahren, angeblich, um in Serene Village das Schwimmbad zu besuchen. Er steuert ihn selber. Den Wagen findet man am Rande der Autobahn, drei Meilen vor Serene Village – er selber ist verschwunden!“ Einer der Offiziere tritt vor eine große Skizze, die über eine Projektionstafel gezogen ist. „Wir haben alles untersucht. Ich kann ohne Übertreibung sagen, Meter für Meter! Keine Spur neben dem Wagen – nichts – –“ „Es gibt dafür nur eine Erklärung, wenn ich noch etwas sagen darf“, konnte sich Jerry Gerwin nicht mehr halten. „Nämlich?“ „Der Generaldirektor muß aus seinem Wagen heraus an einer
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Strickleiter in einen Hubschrauber geklettert sein, der über ihm hielt.“ „Gut! Sauber durchdacht, mein Sohn, wenn wir auch selber schon darauf gekommen sind! Nur – glauben Sie, daß solche Kletterübungen eines behäbigen älteren Herrn auf einer belebten Autobahn unbeobachtet geblieben wären?“ „Nein.“ „An jener Stelle auf der Autobahn nach Serene Village reißt der Faden ab, und ich glaube auch nicht, daß er auf den Atlantik hinausführt, nur weil man dort Stunden später ein auffällig niedrig fliegendes Flugboot mit Ostkurs beobachtet haben will. Ich halte davon nichts.“ Er trat an den Schreibtisch und drückte einen Knopf am Hauslautsprecher. „Hallo, Herkins, sind die neuesten Lichtdruckausgaben schon ’raus? Sind schon ’raus! Und?“ „Sie bringen die Sache mit der ‚Diamant’ in großer Aufmachung, aber über Cunninghams Verschwinden noch nichts.“ Mortimer atmete auf, aber er wußte, sie hatten nur noch mit einer Galgenfrist zu rechnen, bevor sie der Öffentlichkeit reinen Wein einschenken mußten. Er dankte und schaltete ab. „Mhm! Jetzt werden sie wild und sich bei der internationalen Polizei nach ihren Einfällen erkundigen. Ich werde mit Lord Clifford sprechen müssen.“ Lord Clifford war der englische Präsident der internationalen Polizei, der „Weltpolizei“, wie sie offiziell hieß, und hatte seinen Amtssitz in London. „Ich kann mir denken, was der Lord Ihnen vorschlagen wird, Oberst“, sagte ein Captain trocken. „Ich auch.“ „Eine offizielle Verlautbarung, die das Verschwinden Cunninghams bekanntgibt.“ „Es wird uns nichts anderes übrigbleiben.“
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* Der Erdball drehte sich weiter. Nach zwei Stunden lag Westeuropa unter dem schwarzen Mantel der sommerlichen Nacht. Die Großstädte warfen sich ihr mit ihren Lichterfluten entgegen. Noch immer schwiegen internationale Polizei und S.A.T. Die Sensationsberichte über das skandalöse Verhalten von Polizeiflugzeugen gegenüber der friedlichen Schiffahrt wurden hier nur am Rande genossen. Auch das spielzeughafte kleine Sportflugzeug, das über einer Großstadt in der Nähe des Atlantik kreuzte, fiel nicht auf. Man hörte und sah es nicht. Kurz nach Mitternacht löste sich von ihm eine Gestalt, die an einem der neuartigen kleinen Drillingsfallschirme herunterschwebte. Sie hielt auf ein recht dürftiges Gelände zu, das aus Kinderspielplätzen und schmalen Grünstreifen bestand und mitten in einem Bezirk lag, in dem hauptsächlich Arbeiter wohnen. Nicht weit davon erhob sich der mächtige fensterlose Komplex der Leitzentrale eines der vier europäischen Atomkraftwerke als schneeweiße Silhouette gegen den Himmel. Es war an sich schon ungewöhnlich, daß hier einer mit einem Fallschirm abspringen konnte, aber noch hatte die Überwachung der Leitzentrale ihn nicht bemerkt. Die Gestalt trug einen enganliegenden Schutzanzug, der sie fast unsichtbar machte. Der Unbekannte setzte in senkrechter Haltung vor einem alten Ruderboot auf, an dem sich tagsüber die Kinder tummelten. Als seine Hände zupackten, um sich festzuhalten, gab es ein kurzes schrammendes Geräusch, das ihm das Blut zu Kopfe trieb.
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Aber dann war wieder Stille. Der Wind, der von der See heranstrich, fächelte leicht und warm durch die Kronen der nahen Bäume. In den Häusern, die jenseits einer breiten Straße lagen, stöhnte ein Akkordeon wehmutsvoll, und ein Transparent leuchtete weiß und rot herüber. Menschen sah man nicht. Der Unbekannte duckte sich elastisch hinter dem alten Ruderboot und löste den Fallschirm, der neben ihm auf den Sandboden fiel. Dann löste sich auch der Schutzanzug und gab die Gestalt eines schlanken schmalen Burschen frei. In der Hand hielt er ein glasartiges Dreieck, in dem ein winziger roter Ball tänzelte. Der Unbekannte, der auf eine so geheimnisvolle und mysteriöse Art in eine friedliche Großstadt eindrang, tat nun etwas, was den Frieden der mitternächtlichen Stunde jäh zerriß. Er stellte an einem winzigen Relief, das um die Spitze des Dreiecks lief, blickte abwechselnd auf den roten Ball und die Konturen der Leitzentrale, die 200 Meter hoch war und mit ihrem strahlenden Riesenglobus ein Wahrzeichen der großen Stadt darstellte. Als der rote Ball stehenblieb, nahm der Unbekannte ein kleines Mikrofon vor den Mund und sagte mit verhaltener Stimme einige Worte hinein, die oben in der Sportmaschine aufgefangen wurden. Unmittelbar darauf schossen aus der Höhe sechs silberne Strahlenpfeile auf die Leitzentrale zu. Der Unbekannte warf sich herum und rannte über die Grünstreifen. Die silbernen Pfeile trafen die Wände der Leitzentrale und überschütteten für Sekunden ein weites Gebiet der Stadt mit einem unerträglichen weißen Licht.
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Der Unbekannte erreichte die Straße und sprang in einen Wagen, der parkte. Er jagte die Straße hinunter. Hinter ihm brodelte wild die Unruhe auf. In dem Augenblick, da die Strahlenpfeile die Außenwände der Leitzentrale trafen, schrie das mächtige Gebäude wie ein gequältes Tier aus vielen Sirenen auf. Der Alarm gellte über die Stadt. Den Ingenieuren, die gerade in den gläsernen Außenkammern arbeiteten, stockte der Atem, als sie in eine gleißende Helle sahen. Die erwartete Katastrophe blieb jedoch aus. Die Männer, die sich vor Schreck nicht rühren konnten, zählten bis vier – dann verschwand das Phantom. Ein Leuchten war es gewesen – mehr nicht. Die Sirenen aber riefen weiter. Sie riefen die Einwohner aus ihren Häusern und hetzten rasende Polizeiwagen durch die Straßen. Hubschrauber stiegen auf und kämmten den Luftraum über der Stadt durch. Sie fanden nichts. Der Unbekannte war noch in der Stadt. Er wachte am nächsten Morgen in einem feudalen Hotelzimmer auf und genoß die Sensation, die er hervorgerufen hatte, mit Behagen. Man hatte seinen Schutzanzug gefunden und den Fallschirm. Die Lichtdruckausgaben überschlugen sich. EIN PHANTOM GEHT DURCH DIE STADT! VEREITELTE SABOTAGE AUF DIE A.K.-LEITZENTRALE? Der Unbekannte zog einen eleganten Straßenanzug an und fuhr in einem großen Wagen durch die Stadt. Er hatte gute Nerven. In der Nähe der Leitzentrale, wo sich die Neugierigen hinter den Polizeiketten stauten, nahm er verstohlen mit seinem klei-
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nen Gerät Messungen vor. Niemand achtete darauf. Am Abend prasselte eine neue Sensation auf die erregten Einwohner der Stadt herab. S.AT.-GENERALDIREKTOR VERSCHWUNDEN!!! WO IST TED S. CUNNINGHAM? * In London fluchte man. Man hatte schon genug Arbeit, um dem berühmten und wichtigen Havannavertilger aus Orion-City endlich auf die Spur zu kommen. Cunningham war tatsächlich einer der wichtigsten Männer der Erde, und der Weitpolizei war gar nicht wohl bei dem Gedanken, dieser Mann könnte „Gast“ von Gangstern sein. Zu dieser Sorge gesellte sich noch eine zweite: Anscheinend von einem Flugkörper aus wurden Strahlenpfeile gegen die Leitzentrale eines westeuropäischen Atomkraftwerks geschleudert und alles deutete darauf hin, daß dabei ein Unbekannter mit einem Drillingsfallschirm über der Stadt abgesprungen war. WP-Präsident Lord Clifford sah dem zuständigen Kriminalrat höchst ungnädig entgegen, als dieser am Spätnachmittag aus Antwerpen zurückkehrte. „Nun?“ dehnte er. „Mylord, wir stehen vor einem Rätsel.“ „Vielleicht hat sich jemand einen schlechten Scherz erlaubt“, sagte Lord Clifford rasch, der nur zu gern bereit war, diese unliebsame Sache mit der linken Hand abzutun. „Das will ich nicht behaupten, Mylord! Im Gegenteil! Da brechen Strahlenpfeile aus dem Nichts hervor und treffen die Außenwände einer atomaren Anlage der europäischen Energieversorgung! Wir dürfen das nicht unterschätzen, wenn auch
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dieser mysteriöse Angriff noch ohne Folgen zu bleiben scheint. Nein, Mylord, ich glaube nicht, daß es so harmlos ist.“ „In diesen Tagen kommt mir jeder mit düsteren Prognosen“, lächelte der Lord dünn. „Wenn mehr dahintersteckt als ein dummer Scherz oder ein Reklametrick, müssen wir uns auf allerlei gefaßt machen – darüber sind Sie sich wohl im klaren?“ „Gewiß, Mylord!“ nickte der Kriminalrat ernst. „Wir müssen damit rechnen, daß weitere Anschläge gegen die A.K. Antwerpen und andere Anlagen erfolgen, die nicht mehr mit einem Nervenschock enden werden. Wer dahintersteckt, und was er mit diesen Anschlägen verfolgt, wissen wir nicht.“ „Das ist wenig genug“, knurrte der WP-Präsident verbissen und spielte mit seiner Zigarettendose. „Wie im Fall Cunningham – nur, daß wir es dort mit einem vollendeten Verbrechen zu tun haben, nämlich mit einer Entführung.“ „Das steht nicht hundertprozentig fest, Mylord.“ „Für mich schon“, lächelte der Lord und blieb vor ihm stehen, um vor seiner Nase die Zigarettendose aufspringen zu lassen. „Da kann der dicke Cunningham getrost wieder in Orion-City auftauchen und behaupten, er habe seinen alten Erbonkel zum Geburtstag besucht.“ Er sollte später noch oft genug an diese Worte denken. Der Kriminalrat, ein untersetzter strohblonder Däne, hatte sich gerade eine der dünnen ägyptischen Zigaretten Lord Cliffords aus der silbernen Dose genommen, als auf dem Schreibtisch ein roter Telefonapparat summte. Der Lord hob ab und meldete sich. Eine dünne Stimme scholl ihm entgegen. „Kommodore Parker ist mit dem Raumschiff ‚S.A.T. Neptun II’ auf dem Rückflug zur Erde. Er wird in zehn Tagen erwartet.“ „Wenigstens etwas.“ Er legte auf. „Was Neues, Mylord?“ fragte der Kriminalrat. „Jim Parker kommt!“
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* „Sei gegrüßt!“ Sie standen neben dem Piloten des Raumschiffes – es war eines jener aerodynamisch gebauten Schiffe für den Planetenverkehr innerhalb des Sonnensystems – und sahen durch die große Sichtscheibe der Bugkanzel auf den Planeten, der sich ihnen aus der Unendlichkeit des Alls näherte. „So’n kleiner Stern und soviel Getöse auf ihm“, sagte Commander Fritz Wernicke weise und nahm einen tiefen Schluck von einer edlen Mischung, die er sich aus irdischem Feuerwasser und den süßen Säften des Sirius zusammengemixt hatte. Jim Parker antwortete nicht. Er sah unbewegt auf die Erde, auf der bereits die westliche Hemisphäre zu erkennen war, die sich links von ihnen wegdrehte. Er stand noch hier in der halbrunden Bugkanzel, aber seine Gedanken kreisten immer nur um eine Frage: Wo ist Cunningham? Auch für ihn stand es fest, daß man dem dicken Ted S. einen bösen Streich gespielt hatte. Das Raumschiff wurde seit 23 Tagen vom Centralfunk der Erde laufend über den Stand der Ermittlungen unterrichtet. Man hatte ihm auch gemeldet, daß in Antwerpen ein rätselhafter Anschlag auf die dortige Leitzentrale der Energieversorgung verübt worden war, doch er interessierte sich noch nicht sehr für diese Meldung, da sie in keinem Zusammenhang zum Fall Cunningham zu stehen schien. „Du sparst mit deinen Antworten, großer Häuptling!“ „Ich sehe, wie es dir schmeckt“, grinste Jim trocken, „und das freut mich.“ Fritz Wernicke schielte flüchtig, sah, wie in dem markanten, harten Gesicht des berühmtesten Raumfliegers der Erde ein ironisches Lächeln flackerte und steckte etwas verlegen die Flasche ein.
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„Na ja“, würgte er. „Natürlich tut es mir auch leid, daß sie den Dicken einfach verschleppt haben, ohne uns zu fragen – aber der Durst ist nun einmal gefährlich.“ Jim legte ihm die Rechte auf die Schulter. Sie vibrierte leicht im harten Rhythmus des sausenden Heckantriebes. „Wenn wir Glück haben und den Chef heraushauen können, machen wir anschließend solange Urlaub, daß dir der Durst von allein vergeht.“ „Wer gibt uns zehn Jahre Urlaub?“ sagte Wernicke düster. Der Kommodore antwortete wieder nicht. Er wandte sich ab und stieg in den Kontrollraum hinunter. Wernicke folgte ihm stillschweigend. In Wirklichkeit war er gar nicht so gleichgültig, wie es den Anschein hatte. Auch ihn bedrückte es, daß ein Mensch verschwinden konnte, ohne daß eine so hochqualifizierte und mit den besten Experten ausgestattete Truppe wie die Weltpolizei mehr fand als eine hauchdünne und fragwürdige Spur. In Jim Parkers Privatkabine nahm der Kommodore einen umfangreichen Funkbericht aus seiner Tasche und reichte ihn Fritz Wernicke hin. Der Commander knurrte etwas, steckte sich seine leere Shagpfeife zwischen die Zähne, kaute darauf herum und sah fragend auf Jim. „Ein Lagebericht aus City, Fritz!“ „Wieder so was über den Stand der Ermittlungen?“ „Nein, mein Junge. Aber das, was der Chef und der S.A.T.Rat sich für die nächste Zeit vorgenommen hatten. Wenn du den Bericht gelesen hast, werden wir ihn verbrennen, denn er ist streng vertraulich. Ich habe ihn mir nur durchgeben lassen, um vielleicht einen Anhaltspunkt zu finden.“ „Und?“ „Es ist das übliche! Verhandlungen mit den Franzosen über Lieferung von TC-Stoffen, Besprechungen mit der schwedi-
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schen F.F.A. über die Charterung von S.A.T.-Raumschiffen für die skandinavische Mars-Compagnie, und so geht es weiter. Alles recht harmlose Vorhaben, die höchstens zu Kämpfen am grünen Tisch führen können. Unbekannt ist mir eigentlich nur, was dieser Name hier soll.“ „Hm“, machte Wernicke und las den Namen. „Sanda! Mehr steht dort nicht.“ „Eben!“ nickte Jim. „Gehört habe ich diesen Namen schon einmal, ich weiß aber nicht wo und in welchem Zusammenhang.“ Er blickte durch ein Bullauge in die Tiefe des Alls, in der sich die Erde langsam in ihre Fahrtrichtung schob. „Ich möchte wissen, wer dieser Sanda ist.“ * Nach fünf Tagen erreichten sie die Erde. Sie landeten in der neuen Außenstation „Luna nova II“ achthundert Kilometer über der Erdoberfläche und kamen mit einem der Raumtaxis herab. Der dritte Augustabend senkte sich auf Orion-City, als sie zum Gebäude des Sicherheitsdienstes rasten. Oberst Mortimer empfing die beiden mit einer abwehrenden Armbewegung. „Freut mich, daß ihr da seid, Jungens, aber kommt mir nicht mit Vorwürfen.“ „Mortimer, was ist bloß los bei euch?“ „Wenn Cunningham nicht in zehn Tagen wieder da ist, nehme ich meinen Abschied und züchte Rosen“, grollte der lange Oberst und schüttelte ihnen die Hand. „Ihr könnt mir glauben, daß hier in Orion-City die Luft so geladen ist wie vor einem Gewitter. Man nimmt es uns verdammt übel, daß wir Cunningham nach 28 Tagen immer noch nicht gefunden haben.“ „Mortimer, wer ist Sanda?“
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„Sanda?“ dehnte der Oberst langsam, und ein Blick, der viel bedeuten konnte, traf Jim. „Ja, das möchte ich auch gern wissen! Cunningham hat in seinem Terminkalender, den wir im Safe seines Arbeitszimmers fanden, unter dem 18. August den Namen ‚Sanda’ eingetragen – sonst nichts.“ „Ich habe aber schon den Namen gehört, Mortimer!“ „Sanda ist Inder“, sagte Mortimer, und man konnte ihm anhören, daß er bereits selber bis zum Überdruß über diese Eintragung nachgedacht hatte. „Man erzählte sich vor gut zehn Jahren über ihn, er habe eine Materie entdeckt, mit der er die Wirkung der Sonnenstrahlung aufheben könnte.“ Jim Parker ließ sich in einen Sessel fallen. Es kam ihm gar nicht zum Bewußtsein, daß er sich zum erstenmal seit drei Jahren wieder auf der Erde in einen Sessel setzen konnte. Seine Augen waren unentwegt auf Mortimer gerichtet – sie waren groß und gläsern hart. „Mann, Mortimer – nun entsinne ich mich!“ „Man hörte dann nichts mehr von ihm“, berichtete der Oberst, steckte sich eine selbstgedrehte Zigarette an und schob Wernicke eine mächtige Flasche zu, in der es giftig-grün schillerte. „Er bot damals seine Materie einer europäischen Wirtschaftsorganisation an.“ „Welcher?“ „Der ‚Nordeuropäischen Energie-Föderation’.“ „Hm – und?“ „Aus irgendeinem mir nicht bekannten Grunde lehnte sie ab. Sanda verschwand wieder. Niemand weiß, wo er sich aufhält und ob er überhaupt noch lebt. Es gibt aber Mächtegruppen, die ein Vermögen auswerfen würden, um hinter das Geheimnis seiner Materie zu kommen. Sie haben wohl alles versucht, um ihn zu finden und mit ihm zu verhandeln, aber soweit ich in Erfahrung bringen konnte, waren alle diese Versuche vergeblich. Sanda
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meldete sich nicht Wie sein Name in Cunninghams Terminkalender gelangte, und was am 18. August geschehen sollte, weiß ich nicht.“ „Wer bekommt Einblick in den Terminkalender?“ „Er selber, sein Privatsekretär Shilling und höchstens noch ich – sonst niemand.“ „Ist im S.A.T.-Rat, im Ministerium oder hier in Orion-City etwas darüber bekannt geworden, daß Cunningham mit Sanda in Verbindung stand?“ „Ich habe im Ministerium in Washington angefragt – man weiß dort von nichts.“ „Und hier in der City?“ „Nein!“ bekräftigte der Oberst energisch und begann aufgeregt hin- und herzulaufen. Neben ihm stand auf einem Podium ein großer Fernseher, den er abstellte und sogar noch von der Anschlußgabel löste. Dann wandte er sich ruckartig wieder dem Kommodore zu. „Der Name Sanda hat etwas zu bedeuten, das ist mir klar! Ich habe die Weltpolizei ins Vertrauen gezogen, und wir bemühen uns, den Aufenthaltsort Sandas zu ermitteln – bisher allerdings ohne Erfolg.“ „Vielleicht lebt der Inder nicht mehr auf der Erde?“ Oberst Mortimer machte ein paar Schritte auf den Kommodore zu und blieb vor ihm stehen. Die Hand mit der Zigarette hielt er vor der Brust. Er sah ziemlich benommen auf Jim Parker. „Daran habe ich noch nicht gedacht, Parker, aber wir …“ Ohne daß Jim es wollte, blickte er in dieser Sekunde auf seine Armbanduhr. Es war genau 21.28 Uhr. Und in diesem Augenblick brummte es dreimal in dem kleinen weißen Kasten auf, der auf dem Schreibtisch stand. Der Oberst fuhr wieder herum und drückte eine Taste ein. „Mortimer …“, meldete er sich.
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* „Halb zehn“, sagte der Mann. „Wir kommen noch zurecht“, nickte der andere, der mit ihm vor dem Bildschirm eines großen Empfängers saß. Nur das leichte andauernde Rütteln, das um sie war, ließ sie immer daran denken, daß sie sich an Bord eines mit großer Fahrt vorwärtsstürmenden Unterseekreuzers befanden. Der Mann, der auch hier auf seine Uhr gesehen hatte, stellte an einer Skala. Daraufhin erschien auf dem Bildschirm das Gesicht Jerk Hathaways. Jerk Hathaway war einer, den man gernhaben mußte, wenn man ihm in die Augen sah. Wo gab es wohl einen zweiten Mann, dessen Augen so milde und gütig blickten. Doch wenn man das Lächeln sah, das wie festgefroren um die schmalen Lippen lag, wandte man sich schaudernd ab – es war das Lächeln eines eiskalten Zynikers. Vielleicht hatte Jerk Hathaway die Welt einmal lieben wollen. Heute haßte er sie. Dabei wußte keiner, wer dieser Jerk Hathaway eigentlich war. Nicht einmal die beiden vor dem Bildschirm. Sie wußten nur, daß er unter seinem richtigen Namen ein geachteter Mann war, der großen Einfluß hatte, und man flüsterte sich sogar zu, er sei Mitglied des S.A.T.-Rates und aktiver Raumflieger. „Er wird in einer Stunde Orion-City wieder betreten“, sagte er. „Ist in New York alles einsatzklar?“ Die Stimme war leise und nicht unangenehm, wer allerdings Jerk Hathaways Mitarbeiter war, der spürte kein Verlangen, sie länger als nötig zu hören. Der Mann vor dem Bildschirm beeilte sich denn auch mit der Antwort. „In New York ist alles klar! Welches Zeichen werden wir erhalten?“
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„Ich gebe die Reihe C bis E! Vergeßt den Anruf bei dem Mädchen nicht!“ „Wir werden gegen zwölf anrufen!“ * Der Wagen glitt die ruhige Allee hinunter. Jerry Gerwin – Leutnant im S.A.T.-Sicherheitsdienst, Jeremy Charlton Gerwin, um es genau zu sagen – blickte sehr aufmerksam auf das schlanke junge Mädchen an seiner Seite und seufzte herzerweichend. „Ich weiß, ich bin ein sehr schlechter Tennisspieler, Ann, aber vielleicht vergeben Sie mir diese Sünde, wenn ich Ihnen sage, daß Sie mich heute abend zu einem kranken Menschen gemacht haben.“ Sie trugen beide einen weißen Tennisdreß. Ann June lächelte fein, drehte den Kopf beiseite, so daß er um den Genuß kam, ihr in die Augen sehen zu können, und schwieg. Worauf Jerry Gerwin zum zweitenmal aufseufzte. „Liebeskrank haben Sie mich gemacht, Ann“, verkündete er düster. „Verstehen Sie mich?“ „Nehmen Sie Kopfwehtabletten; vielleicht gibt es sich!“ Jerry fiel in das Polster zurück, ließ das Lenkrad los und fuhr sich mit beiden Händen durch das blonde struppige Haar. Ann June sah mit Entsetzen, daß der Wagen sich selbständig machte und quer über die graue Kunststoffstraße rollte. Sie warf ihren Schleier weg und griff mit einem angstvollen Aufschrei ins Steuer. Der Wagen schrammte hart gegen den Bordstein. „Gerwin, was soll das?“ „Wir sind nämlich schon da“, grinste er und trat auf die Bremse. „Wenn Sie bitte meinen Wagen verlassen wollen? Ich hoffe, Sie haben jetzt auch Kopfschmerzen!“
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Atemlos starrte sie ihn an. „Sie sind gemein“, stammelte sie und blieb sitzen, obwohl sie nur noch wenige Schritte durch den Vorgarten zu gehen brauchte und dann die Tür ihres kleinen Bungalows hinter sich schließen konnte. Aber Ann June, die stellvertretende Leiterin des II. S.A.T.-Bildarchivs, saß ganz einfach da und starrte auf diesen frechen Leutnant, der so schlecht Tennis spielen konnte, daß sie es gerade als beleidigend empfunden hatte, mit ihm auf den Plätzen zu erscheinen. „Das ist ja unglaublich“, sagte sie dann, als sie wieder atmen konnte und stieß mit einer entschlossenen Bewegung den Wagenschlag auf. „Ich muß morgen dienstlich zum Mond, und ich hoffe, Sie sobald nicht wiederzusehen.“ „Oh, ich hoffe es auch“, nickte er trocken, wartete geduldig, bis sie ausgestiegen war und warf ihr eine Kußhand zu. „Träume schön von mir, Darling!“ Dann ließ er den Wagen mit einem Satz vorschnellen. Er sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Es war kurz vor halb zehn, und er hatte gerade noch Zeit, sich umzuziehen; denn in einer halben Stunde begann sein Dienst. Jerry Gerwin rollte weiter die Allee hinunter und bog auf den Jupiter-Boulevard ein. Weiter kam er nicht. Ein schwarzer, auffallend niedriger Sportwagen schoß aus einer Seitenstraße hervor und mußte vor seinem Wagen stoppen. Ein älterer, sehr kompakter Herr saß am Steuer und beugte sich gerade etwas vor, um zu schalten. Jerry Gerwin glaubte, ihm müßte das Herz stehenbleiben – bei allen guten Geistern –, das war doch … Der schwarze Sportwagen rollte federleicht an ihm vorbei. Der Mann am Steuer sah zu Gerry herüber und lachte breit. Jerry Gerwin brüllte laut auf. „Das ist doch Cunningham! Das ist doch Cunningham!“
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Dann manövrierte er waghalsig und jagte hinterher. Der schwarze Sportwagen fuhr den Jupiter-Boulevard entlang. Der Mann am Steuer, der Ted S. Cunningham sein sollte, steckte sich mit der rechten Hand eine dicke Zigarre zwischen die Zähne und lachte vergnügt, als die vertraute Prachtstraße von Orion-City an ihm vorbeiglitt. An der großen Verkehrsschleife, die zum Nordwestviadukt hinaufführte, hielt er kurz an, unmittelbar neben der XI. Helicopterstation, die in der Schleife hoch aufragte. Die breite Stationstreppe hinunter kamen gerade ein höherer Offizier im S.A.T.-Sicherheitsdienst und der englische Journalist James Jagger. Ohne daß er sich etwas dabei dachte, blickte Jagger in den Wagen, in den der volle Schein der Stationsbeleuchtung fiel. Gleich darauf riß er seine Kamera hoch. Der Offizier wollte lachen, aber als er sah, wer in dem Wagen saß, auf den der Journalist zustürzte, blieb er stehen und konnte sich sekundenlang nicht rühren. Der Sportwagen schoß davon und tauchte im Strom der vielen Wagen unter, die in dieser Abendstunde in die Außenbezirke der großen weißen Forschungsstadt hinausfuhren, in die Wohnsiedlungen oder über den Platz an der Raumkadettenschule hinweg zur Gold and Silver Street, wo es ziemlich leicht und lebenslustig zuging. James Jagger stürzte los. Er kümmerte sich nicht um den warnenden Zuruf des Offiziers, er rannte zur nächsten TV-Telefonzelle und betätigte mit fliegenden Händen die Wählerscheibe. In der Zelle war ein moderner Zeitmesser angebracht, der genau auf 21.29 Uhr zeigte. James Jagger kam leider nicht dazu, sich im Glorienschein seines überraschenden Erfolges zu sonnen. Er hatte eben die Verbindung mit seiner Redaktion hergestellt und seinen Chef
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vom Dienst vor sich auf dem Schirm, als dieser auch schon losbellte. „Es ist gut, daß Sie anrufen, James! Fliegen Sie bitte sofort nach New York! Nach New York, verstehen Sie? Dort ist nämlich seit einigen Minuten der Teufel los …“ „Moment mal“, brüllte James erbost zurück und duckte sich kampfeslustig. „Ich habe eben Cunningham gesehen! Cunningham! Hören Sie?“ „Sie sollen nach New York fliegen!“ schrie der in London aufgebracht herüber, und sein Gesicht war nicht schön, so verzerrt und aufgedunsen wirkte es auf der gläsernen Starre des Bildschirms. „New York wird von unbekannten Strahlen angegriffen! Fliegen Sie sofort!“ „Aber verstehen Sie doch, Chef!“ flehte Jagger geradezu und schrie noch lauter und stellte an der Skala, um den Ton noch zu verstärken. „Das geht doch nicht! Ich habe Ted S. Cunningham gesehen! Hier in Orion-City In einem schwarzen Sportwagen! Vor drei Minuten …“ Einige Herzschläge lang war der Chef vom Dienst in London schockiert, doch dann schüttelte er den Kopf. „Sie müssen sich geirrt haben! Das in New York geht vor! Fliegen Sie, was dort immer auch geschehen mag.“ Womit er die größte Dummheit seines Lebens beging. Denn was nun geschah, vergaß man in Orion-City sobald nicht. Der schwarze Sportwagen ließ sich vom Strom des unaufhörlich fließenden Verkehrs durch die Innenstadt treiben. Der Herr am Steuer, der seine dicke Havanna rauchte und mit sich sehr zufrieden schien, war tatsächlich Cunningham. Jerry Gerwin hatte sich nicht geirrt, und James Jagger auch nicht.
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Der Generaldirektor des „Staatlichen Atom-Territoriums“ fuhr mit seinem Wagen auf den Nordwestviadukt. Inzwischen aber schlug Leutnant Gerwin bereits Alarm. * Oberst Mortimer beugte sich etwas zu dem weißen Kasten hinab. Sekundenlang war nur jener eigenartige Pfeifton hörbar, aus dem man vernehmen konnte, daß der Gesprächspartner in irgendeinem sich rasch bewegenden Fahrzeug saß. Dann knackte es, und eine mühsam gebändigte Männerstimme meldete sich. „Leutnant Gerwin! Oberst, ich verfolge einen schwarzen Sportwagen, der eben den Nordwestviadukt erreicht hat. In ihm sitzt Mr. Cunningham!“ Mortimer rührte sich nicht. „Wer?“ „Cunningham!!“ wiederholte Jerry Gerwin, und nun konnte er seine Stimme nicht mehr halten, sie hob sich und kam schrill aus dem Gerät. „Ich weiß, was ich sage, Oberst! Er ist es wirklich!“ „Leutnant Gerwin!“ schnappte Mortimer. Hinter ihm federten Jim Parker und Fritz Wernicke aus ihren Sesseln hoch. Der Kommodore winkte hastig ab. „Hallo, Leutnant! Hier ist Kommodore Parker! Folgen Sie dem schwarzen Sportwagen?“ „Ich lasse ihn nicht aus den Augen“, antwortete Jerry Gerwin angespannt, der in seinem weißen Tennisdreß fünfzig Meter hinter Cunningham herjagte. Noch immer war nicht klar, ob der Atomboß zu seiner neuen Villa am Central Park oder etwa die Stadt wieder verlassen wollte – ob er überhaupt erkannt sein wollte.
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„Wir lassen die Stadt abriegeln – für alle Fälle!“ Schon riß neben ihm Oberst Mortimer einen Telefonhörer hoch und bellte einen kurzen Befehl hinein. Was wollte Cunningham? Woher kam er? „Ich bleibe ihm auf den Fersen“, gab Jerry Gerwin durch. Wieder knackte es. Das sich überstürzende Pfeifen verstärkte sich. Jim Parker und Wernicke sahen sich kurz an und warfen sich herum. In diesem Augenblick trat die sogenannte „AR-I“-Sperre des Sicherheitsdienstes in Aktion, die das Stadtgebiet von OrionCity hermetisch abschloß. Auf genau 48 Polizeistationen brummten die Alarmgeber auf, und von ihren Dächern lösten sich die kleinen, bulligen, knallroten Hubschrauber, die mit ihren hochempfindlichen Tastinstrumenten dafür sorgen würden, daß keiner ungesehen Orion-City verließ. Aber noch mehr geschah in diesem Augenblick. Durch einen der großen hohen Säle, die an dem Korridor lagen, durch den der Kommodore und Wernicke gerade stürmten, hallte gespensterhaft und hohl eine Lautsprecherdurchsage: „Achtung! Achtung! Strahlenangriff auf New York!!!“ * Der Angriff erfolgte auf die Stadtteile Hoboken und UnionCity. Aus dem Himmel, der weich und hoch über der wildzerzackten Wolkenkratzerlandschaft verdämmerte, schoß ein mächtiger scharfer Strahlenpfeil, fuhr auf die 23. Straße im Bezirk von Hoboken herunter und brach sich an der Wand eines mittleren Geschäftshauses. Die Menschen auf der Straße schrien auf. Füße, die stockten, begannen sich in wilder Hast wieder zu
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bewegen, Augen, die geblendet waren, sahen um sich die vertrauten Menschen und Gebäude in einen fremden kalten Schein getaucht. In vielen Straßen hallten Schreie auf. Noch bevor der erste Strahlenpfeil erstarb, stachen Hunderte andere aus einer Höhe von knapp tausend Metern fast senkrecht herab. Sie schreckten nur die Menschen, die in ihren Bann gerieten. Sie töteten nicht und sie sprengten keine Mauern. Nur an vier Punkten der beiden Stadtteile kam es zu Opfern, als geblendete Kraftfahrer in die Flut der schreienden Passanten rasten. Genau 38 Minuten dauerte dieser Spuk. In dieser Zeit warfen sich amerikanische Luftstreitkräfte dem tobenden Nachthimmel entgegen, und ein wütender General, den man in aller Eile von seinem Landsitz geholt hatte, fluchte, daß die Fensterscheiben zitterten, als er über Sprechfunk von den ratlosen Flugzeugführern hören mußte, daß sie in einen „verdammten und brodelnden Zirkus“ hineingeraten seien. „Sehen können wir nur, daß es überall um uns aufflammt wie in einem Gewitter.“ Nein, sie konnten sonst nichts sehen. Auch nicht die beiden raketenförmigen Flugkörper, die unbemannt nach Osten stürmten. * „Was habe ich nur?“ Ann June starrte auf ihren Schläger, der vor ihr auf der schwarzen gläsernen Platte des Dielentisches lag. Sie schüttelte den Kopf und wünschte einige Herzschläge lang, sie könnte noch neben diesem unverschämten Leutnant Gerwin im Wagen sitzen.
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Dann gab sie dem Rakett einen energischen Stoß, daß es über die Platte rutschte, und betrat pfeifend den Wohnraum. Aber ihr Pfeifen hörte sich nicht besonders schön an – so pfiff man, wenn man Angst hatte und es sich nur nicht eingestehen wollte. Und Ann June hatte Angst. Seit sie die gelbe Tür ihres Bungalows hinter sich geschlossen hatte, war eine fremde Macht um sie, die sie würgte und ihr Herz laut und hart schlagen ließ, die unsichtbar und unbegreiflich in den vertrauten Räumen auf sie wartete. Ann Junes Hand tastete hastig nach dem Schalter des Flurlichts. Aus drei Röhren fiel es über die Dunkelheit her und riß sie auseinander. Ann June ging über den grünen Teppich auf den niedrigen Mitteltisch zu. Sie wußte selber nicht recht, was sie wollte. Ihre Schritte klangen hart und kaum gedämpft. Sie setzte sich auf einen Hocker und dachte intensiv an Jerry Gerwin. Wenn er jetzt hier wäre, würde er Zigaretten rauchen und schnoddrige Bemerkungen machen und ich würde mich ärgern, weil er doch so schlecht Tennis spielt – aber die Angst wäre wenigstens nicht da. Die Angst? Ann June saß ganz ruhig und horchte auf das feine Singen aus einer der Röhren, das sie sonst so anheimelnd fand. Doch heute war es wie das Grollen eines fernen unheimlichen Meeres, das in eine unbekannte Finsternis führte. Ann June war ein vernünftiges Menschenkind, ja, wer mit ihr dienstlich zu tun hatte, fühlte sich oft von ihrer Kälte unangenehm berührt, obwohl auch das wiederum trog. Immerhin lieferte sie sich ihrer Angst nicht willenlos aus, sondern versuchte, sie zu deuten. Sie gab es aber bald wieder auf und griff mechanisch nach ihren Zigaretten. Es gab nichts in ihrem Leben als stellvertretende Leiterin eines S.A.T.-
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Bildarchivs, was dieses Angstgefühl hätte verständlich machen können. Auch nicht der Umstand, daß sie morgen für drei Wochen zum Erdmond fliegen mußte, um in einer neuen Abteilung eines der vier gigantischen Mondwerke Aufnahmen zu machen. Es würde ihr 14. Mondflug sein, und es war wirklich nichts dabei. Ann June stand auf, ging wieder über den grünen Teppich und schaltete den Fernseher ein. Auf dem Bildschirm geisterte undeutlich eine Straßenszene aus dem brodelnden Hoboken, und ein aufgeregter Sprecher schrie etwas, was sie nicht verstand. Mit großen Augen sah sie, wie aus dem Nachthimmel Riesenpfeile aus unerträglich grellen Strahlen herabschossen und zwischen fliehende Menschen hieben. Ann June fror, als sie das sah. Dieses Strahlenphantom war entsetzlich. Die fremde grelle Helligkeit, in die es alles tauchte, war wie ein böser Geist, der sie ansprang. Ann June preßte die geballte Faust vor den Mund. Mein Gott, dachte sie, sicher ist das nur eines dieser albernen Schauerstücke, die sie im TV immer auftischen, aber diese fremde Helligkeit – was will sie nur von mir – was will sie … Ann drehte ab, daß es laut knackte. Ich werde noch mal in die Stadt fahren, entschloß sie sich, ich muß hier ’raus. Sie ging in ihren Schlafraum, um sich umzukleiden. Aber ihre Bewegungen waren müde und unentschlossen. Kurz nach halb zwölf schrillte das Telefon. * Jerk Hathaway war zufrieden. Kurz nach Mitternacht stand fest, daß alles so verlaufen war, wie er es einkalkuliert hatte. Mit seinem grauen Straßenkreuzer
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fuhr er durch die große Stadt an der nordamerikanischen Atlantikküste, stieg draußen in einem Baumwollfeld in einen Hubschrauber und ließ sich auf den Atlantik hinausfliegen. In Orion-City nahm Ann June blaß und zögernd den Hörer ab. Jerk Hathaway lächelte mitleidlos. Ein kleiner verwachsener Mann saß neben ihm. Sein weißes Gesicht war schmal und nicht unschön. Am rechten Mittelfinger trug er einen Ring, der auf einer schweren Goldplatte eine von Meisterhand gestaltete Rose zeigte. Der kleine Mann schwieg und sah scheu und doch voll verhaltener Aufmerksamkeit auf Jerk Hathaway. Unter ihnen glitt die Wasseroberfläche rauschend und unruhig weg. Weit im Süden durchkämmten noch immer Einheiten der amerikanischen Luftstreitkräfte den Luftraum um New York. Der kleine verwachsene Mann räusperte sich. Es klang nicht schön in der Verlorenheit der Meeresnacht. „Hast du das Mädchen anrufen lassen?“ „Sie rufen es an, Ahaves“, erwiderte Jerk Hathaway mit freundlichem Lachen. „Wahrscheinlich wird das arme Ding einen wenig angenehmen Abend verlebt haben, aber ich hoffe, es erfüllt unsere Wünsche, wenn es morgen zum Mond fliegt.“ „Und du, Jerk – was hast du für die nächsten Tage vorgesehen?“ „Ich werde mich Jim Parker vorstellen!“ „Dazu gehört viel Mut.“ „Er soll wissen, mit wem er es zu tun hat.“ * Ted S. Cunningham schüttelte dem Kommodore die Hand. „Hallo, Jungen – es tut mir verdammt leid, daß ich einen solchen Wirbel hervorgerufen habe – das wollte ich nicht.“ Der Kommodore blieb ganz ruhig, obwohl es ihm ganz und
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gar nicht gefiel, daß der Atomboß in einem eleganten grauen Anzug, sichtlich erholt und braungebrannt, hier mitten in seinem Arbeitszimmer stand und so tat, als sei alles nur ein Irrtum oder ein Spaß gewesen. Jerry Gerwin war dem guten Ted S. nicht von den Fersen gewichen. Die „AR-I“-Sperre hätte sich der Sicherheitsdienst allerdings schenken können, denn Cunningham war noch vor dem Central Park vom Nordwestviadukt heruntergefahren und hatte dann vor seiner neuen Villa gehalten. Weder der Leutnant noch die anderen herbeigeeilten Offiziere des Sicherheitsdienstes machten sich bemerkbar. Sie hielten sich vielmehr zurück und ließen ihren Chef gewähren. Ted S. Cunningham verschwand in der Villa. Nach einer guten Viertelstunde kam er wieder durch das Portal und ging zu Fuß durch den dunklen Central Park zur Hauptverwaltung hinüber. In der Hauptverwaltung war man bereits von Mortimer unterrichtet worden. Trotzdem wurden sie ziemlich unsicher, als sie so unvermittelt den Mann vor sich sahen, den die Weltpolizei seit Wochen fieberhaft suchen ließ. Aber sie waren klug genug, sich nichts anmerken zu lassen. Sie schüttelten ihm die Hand und antworteten auf die witzigen Bemerkungen, die er sofort wieder parat hatte. Ted S. Cunningham ging in sein Arbeitszimmer und berichtete sichtlich gut gelaunt, der Aufenthalt in frischer Luft mitten in der See habe ihm gutgetan. Dann wurden ihm Jim Parker und Fritz Wernicke gemeldet. * Jim ließ seine Hand in der des Generaldirektors ruhen. „Chef, wir freuen uns mächtig, daß Sie ebenso überraschend
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wieder aufgetaucht sind, wie Sie aus Orion-City verschwanden“, sagte er warm. Zum erstenmal zeigte sich auf dem vollen gesunden Gesicht Cunninghams ein Anflug von Verlegenheit. „Ich weiß, ich bin euch allen eine Erklärung schuldig“, nickte er und begrüßte auch Wernicke. „Das kann man wohl sagen“, bemerkte Jim trocken. „Ihr wollt wissen, wo ich gesteckt habe.“ „Wir sind nicht übermäßig neugierig, aber wenn man bedenkt, daß die Leute von der Weltpolizei Sie suchten wie …“ „Wie ein durstiges Kamel eine Oase in der Wüste“, ergänzte Fritz Wernicke mechanisch und sah sich nach der fahrbaren Hausbar des Generaldirektors um. Ted S. Cunningham lachte herzlich auf und packte die beiden Freunde an den Schultern. „Kommt! Setzt euch, Jungen! Wernicke, was trinken Sie – Milch oder Orangensaft?“ Der kleine Commander plumpste entgeistert in den tiefen Sessel und starrte dem Atomboß ins Gesicht. Als er aber sah, wie sich tiefe Faltenkränze um seine Augen legten, grinste er und sagte mit Würde: „Ich stelle mit Befriedigung fest, daß Sie Ihren Humor nicht verloren haben, Chef! Wenn ich mit dem nötigen Respekt um eine Doppelflasche Chikago-Alt bitten dürfte …“ „Sie dürfen“, genehmigte Cunningham wohlwollend. Jim Parker preßte die Hände zusammen und konzentrierte sich ganz auf das, was Cunningham in diesen Minuten tat, denn das konnte vielleicht vieles deuten. Er sah auf die breiten, mit schwarzen Härchen bedeckten Hände des Generaldirektors, der aus einem Glasfach der Hausbar eine gedrungene Flasche und drei Gläser nahm. Jim zog sein Zigarettenetui aus der Tasche und ließ es aufklappen, aber er tat es nur, um zu verbergen, wie eine Unsicherheit ihn ergriff.
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Ted S. Cunningham war von einer geradezu frappierenden Ruhe! „Sie wollten uns etwas erzählen, Chef“, begann der Kommodore wieder, steckte sich eine Zigarette an und sah den Generaldirektor aufmerksam an. Der lächelte und drehte den Verschluß von der Flasche. Vor der Hauptverwaltung standen immer noch unauffällig die Offiziere des Sicherheitsdienstes. Noch hoben sie die „AR-I“Sperre nicht auf. „Ich konnte einfach nicht mehr, Jungen“, sagte der Generaldirektor etwas ernster. „Wißt ihr, oft packt es einen mitten in der Arbeit! Dann kann man das, was um einen ist, einfach nicht länger ertragen.“ „Ich verstehe, Chef – das ist so eine Art seelischer Kurzschluß.“ „Man kann es wohl so nennen“, nickte der Generaldirektor nachdenklich. „Ich wollte nach Serene Village hinaus, um mal ordentlich Wasser und Luft zu genießen. Es ging gerade ziemlich heiß her bei uns. Die Konferenzen mit den Europäern wegen des Venusprojekts waren gerade abgeschlossen, und dazu kam der ewige Kleinkrieg mit den Papiereseln vom Ministerium! Langen Sie zu, Wernicke …“ „Ich bediene mich schon“, grinste der durstige Commander und kippte die Flasche. „Als ich auf der Autobahn war, packte es mich! Lacht nicht darüber, Jungen! Mit einemmal packte es mich! Ich wollte ’raus! Aber ich wußte auch, daß ich nicht die Ruhe finden würde, die ich brauchte – wirklich, ich brauchte sie – darum mußte ich eben spurlos verschwinden …“ „Was Sie dann auch gründlich taten, Chef“, zwinkerte der bestens aufgelegte Wernicke und legte schon wieder die Flasche um, während Jim schwieg und bedächtig die Zigarette abstrich. Cunningham blickte kurz auf den Kommodore.
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„Ich sah einen Hubschrauber, der über den Getreidefeldern hin und her flog und sprach den Jungen, der ihn steuerte, über Sprechfunk an. Es war einer von der Columbus-Universität, der hier Stichproben für eine landwirtschaftliche Versuchsreihe nehmen sollte. Der Junge war gleich bereit, als ich ihn um eine Gefälligkeit bat. Er ließ eine Strickleiter herunter, und ich bemühte mich die fünf Meter nach oben. Ich hatte Angst, es würde auffallen, aber es war gerade verhältnismäßig still auf der Autobahn. Na ja, und dann – dann hauten wir ab –“ „Wohin, Chef – wenn ich fragen darf?“ „Mexiko City! Dort sitzt der Junge noch und schlemmt von den zehntausend Dollar, die ich ihm gab. Von Mexiko dann mit einer Transozeankiste nach England und von dort nach der Kanalinsel Alderney, wo mein alter Vetter Hendrik wohnt.“ Jim Parker nickte nur und tat, als glaube er alles. Wenn Cunningham nur nicht so ruhig geblieben wäre. Die beiden Freunde verabschiedeten sich bald. Eine Stunde später wurde in London Weltpolizei-Präsident Lord Clifford an das TV-Telefon gebeten. Jim Parker meldete sich. „Mylord“, sagte er ernst, und man konnte ihm ansehen, daß er sich schwere Gedanken machte, „ich bitte Sie, nachzuforschen, ob in einem Dorf auf der Kanalinsel Alderney ein Mann namens Hendrik Cunningham wohnt.“ „Das dürfte nicht schwer sein“, sagte der Präsident langsam. „Haben Sie mit Mr. Cunningham gesprochen, Kommodore?“ „Ja! Und ich werde nicht klug aus ihm!“ Der Lord kniff das linke Auge etwas zu. „Ihr Oberst Mortimer rief mich bereits vorhin an. Er war sehr aufgeregt, wollte Ihnen aber nicht vorgreifen, da Sie bei Cunningham waren.“ Jim gab ihm einen kurzen Bericht über seine Unterhaltung mit dem zurückgekehrten Generaldirektor. Lord Cliffords hoch-
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näsiges Gesicht blieb unbewegt. „Dann hätten wir also Cunningham direkt vor unserer Haustür gehabt! Ich werde mich intensiv damit befassen, Kommodore! Werden Sie noch in Orion-City bleiben?“ „Das ist meine Absicht“, sagte Jim entschieden. „Zunächst will ich den 18. August abwarten! Ich habe den Chef nicht gefragt, aber ich nehme an, daß er mit dem Inder Sanda zusammentreffen will!“ „Ich bin auch gespannt, was sich am 18. ereignen wird“, nickte der Lord. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich einen meiner besten Offiziere ’rüberschicke? Sie verstehen – mich interessiert dieser Sanda auch sehr …“ „Wenn Sie Wert darauf legen, Mylord, durchaus nicht!“ „Dann schickte ich Ihnen Oberleutnant Allen Lenn!“ „Einverstanden, Mylord!“ Jim Parker schaltete den Apparat ab und starrte einen Augenblick auf den erlöschenden Bildschirm. Weiter zurück stand Wernicke am Fenster ihres kleinen Hauses am Rande von OrionCity. Die „AR-I“-Sperre wurde in diesen Minuten aufgehoben, doch die Ruhe, die damit scheinbar wieder in Orion-City eintrat, trog. Der Sicherheitsdienst durfte seinen eigenen obersten Chef keinen einzigen Schritt tun lassen, ohne ihn zu beobachten. „So etwas hat es bei uns noch nie gegeben“, meinte Wernicke bedrückt. „Mensch, Jim, was ist bloß los – jetzt müssen wir schon unseren eigenen Chef kontrollieren, ohne daß er etwas davon weiß …“ Der Kommodore ging in die Mitte des schmalen, von Bücherwänden begrenzten Arbeitszimmers und wollte das Flutlicht einschalten. Seine Hand vollendete die Bewegung nicht. Er stutzte. Gut dreihundert Meter von ihrem Vorgarten entfernt führte die breite Autobahn nach Serene Village hinaus. Sie war
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in diesen Nachtstunden – es war inzwischen zwei Uhr geworden – nicht sehr belebt. Vielleicht fiel der kleine Wagen darum besonders auf, der ganz langsam die Höhe ihres Hauses passierte und seine Scheinwerfer zweimal aus- und wieder einschaltete. Jim hielt viel von Ahnungen. Er wollte gerade in den Garten laufen, als der Fernsprecher schrillte. Wernicke hob ab, meldete sich und reichte ihm den Hörer ’rüber. „Weiß nicht, wer das ist“, flüsterte er, „ein Mr. Hathaway!“ „Parker!“ „Hathaway!“ kam es in einem harten trockenen Baß. „Würden Sie mich morgen nachmittag zu einer Unterredung empfangen, Mr. Parker?“ „Wenn Sie etwas mehr über Ihre Person und den Zweck Ihres Besuches sagen würden, ließe sich darüber reden“, erwiderte Jim nicht ohne Ironie. Hathaway ging auf diesen Ton nicht ein. „Sie werden es morgen nachmittag erfahren“, sagte er, und Jim war es, als schwinge ein triumphierender Hohn in der Stimme des Unbekannten mit. Dann knackte es. Die Leitung war tot. Der Kommodore legte auf, wählte dann aber noch einmal und fragte beim Fernamt an, woher der Anruf gekommen war. „New York, Manhattan XVII!“ Langsam ließ er den Hörer in die Gabel gleiten und wandte sich um. „Komm, Fritz, wir wollen noch mal nach Serene ’rauf!“ Wernicke sah ihn von der Seite an, sagte aber nichts und ging hinaus, um den grünweißen Sportflitzer aus der Box zu holen. Gleich darauf lenkte ihn der Kommodore über den Zufahrtsweg zur Autobahn und bog nach Westen ein. Die laue Sommernacht flüsterte mit tausend geheimnisvollen Stimmen in den wogenden Getreidefeldern, die sich an der Autobahn dehnten. Jim blickte aufmerksam nach vorn, doch der kleine fremde Wagen mußte seine Geschwindigkeit beträchtlich erhöht haben,
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jedenfalls war von ihm nichts mehr zu sehen. Wernicke fuhr sich mit den Fingern durch das fliegende Haar. „Was ist denn nun mit dem Chef, Jim?“ fragte er unvermittelt. „Wir müssen abwarten!“ sagte Jim, ohne den Blick von der Kunststoffbahn zu wenden, die unter ihnen wegglitt. „Ich glaube nicht an den seelischen Kurzschluß – so etwas liegt dem Chef nicht …“ „Das wäre aber das erstemal, daß er uns belogen hätte.“ „Vielleicht mußte er uns belügen“, sagte Jim leise. Wernicke ruckte hoch. Er öffnete den Mund, aber es dauerte lange, bevor er etwas sagen konnte. Der Kommodore sah unentwegt in den breitfließenden Lichtbalken der Scheinwerfer, in dem große Falter bunt und gespenstisch vor ihnen hertanzten. Wie lange war es schon her, daß einmal ein Unheimlicher mit seinen Insektenheeren nach der Erde greifen wollte? * ) „Vielleicht mußte er uns belügen?“ kaute neben ihm Wernicke hervor und begriff noch nichts. War es wieder soweit, daß einer im Dunkeln lauerte, um sich zum Herrscher über die Menschheit aufzuschwingen? Vielleicht war alles harmloser. Aber man mußte die Augen offenhalten und sich nicht überrumpeln lassen. Jim wußte, wie gefährlich solche Situationen waren, in denen noch alles von Vermutungen und vagen Kombinationen bestimmt wurde. Er lenkte den Wagen etwas zur Straßenmitte. „Wenn dieser Oberleutnant Lenn kommt, den Clifford uns ’rüberschicken will, wird es gut sein, wenn ihr beide besonders gut zusammenarbeitet.“ „Allen Lenn? Den kenne ich gut von einem Lehrgang her! *
Siehe UTOPIA-Kleinband 35 „Das geheimnisvolle Raumschiff“ und Kleinband 37 „Stern der Wunder“.
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Ein patenter Bursche! Aber wie soll ich deine dreivierteldunklen Worte deuten, großer Häuptling?“ Jim antwortete nicht. * Frank T. Donald bremste. Er war mit einem Schnellwagen über die Eldoradoebene im Gebiet des Mondwerkes „Luna IV“ gerast und war froh, daß ihn nun das weite Rund der Werkzentrale umgab. Frank T. Donald war Spezialist für D-Düsenantriebe und gehörte zum Stab Wilkener, der 200 Kilometer von der Zentrale entfernt – zwischen den Vorstationen 5 und 7 – in einem neuen Gebäudekomplex das erste D-Düsenwerk der Welt einrichtete. Frank T. Donald sprang aus dem Wagen und sah sich um. Die harte eisige Sachlichkeit, die der gewaltige Rundbau der Zentrale mit seinem hohen grauen Kommandoturm ausstrahlte, war geradezu wohltuend im Vergleich zu der mörderischen Einsamkeit der Eldoradoebene, die unter der unerträglichen Hitze des hohen Mondtages zu zerspringen schien. Da war es schon besser, hier in der Kantine zu sitzen und sich die Lieder der Erde anzuhören, die man erst in einem halben Jahr wiedersehen würde. Frank T. Donald ahnte nicht, was ihm die nächste halbe Stunde bringen sollte. Er ließ seinen Schnellwagen einfach neben einer der weißen Tastsäulen stehen, obwohl das verboten war, ging die Stufen zum Platz vor dem Rundbau herab und winkte dem dicken Sörensen zu, der gerade aus der mächtigen Portalfront trat, und der ihm noch fünf Flaschen vom guten deutschen Bier schuldete. „Hallo, Donald“, grüßte er, ohne stehenzubleiben. „Das trifft sich gut! Freie Tage?“
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„Bis übermorgen! Ich komme nachher in die Kantine ’rauf!“ Dann durchquerte er den breiten Portalraum, schloß sich einer Gruppe von S.A.T.-Fliegern an, die noch gelbe Wulstkombinationen trugen und mit einem Strahlhubschrauber aus dem dunklen Norden gekommen waren. Sie gingen unter einem großen weißen Leuchtschild mit roten Querbalken in die große halbrunde Halle, von der wiederum im Halbkreis drei große Gänge in den eigentlichen Rundbau hineinführten. Frank T. Donald wechselte noch ein paar Worte mit den jungen Fliegern und marschierte dann auf einen Schalter zu, bei dessen Anblick er immer lächeln mußte, weil er ihn an den Hauptbahnhof seiner Heimatstadt erinnerte. Ein S.A.T.-Angehöriger saß im Auskunftsbüro und lächelte wohlwollend, als er herantrat. „Hallo, Wobser, ich hätte gern eine Auskunft! Wann trifft die „Luna XXI“ hier ein? Von der Erde kommend!“ „Verkehrt nur zwischen Erde und Mond“, sagte der andere mechanisch und sah auf eine Tabelle, die vor ihm lag. „In fünfzehn Stunden! Dann noch zwei Stunden Anflug für die Passagiere vom Raketenflugfeld! Will dich deine Frau besuchen?“ „Wäre nicht übel“, seufzte der Ingenieur sehnsüchtig. „Nein, ich warte nur auf Miß June, die soll bei uns Aufnahmen machen.“ Er nickte ihm zu und ging weiter. Durch den mittleren Gang, in dem es von Angehörigen nur so wimmelte, da an ihm die großen Büros lagen. Dann fuhr er mit dem Lift in den sechsten Stock und betrat den Wohnraum Nr. 247, der ihm zur Verfügung stand, wenn er seine freien Tage hatte. Hier hatte er allen Komfort um sich, den er sich wünschen konnte. Nur durch das Fenster durfte er nicht sehen – dann blickte er in die braune rissige Wüste der Eldoradoebene hinaus, und es war ein verdammt schlechter Trost, daß er in der Ferne die Amerikaberge aufragen sah, hinter denen eine freundlichere Gegend begann.
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Frank T. Donald ließ die ovale Tür hinter sich, die leise einpendelte. Der Wohnraum lag im hellen grünlichen Schein des Mondtages vor ihm. Donald seufzte schon wieder. Ihn überfiel jedesmal eine große Traurigkeit, wenn er seine freien Tage hatte und in die unpersönliche Bequemlichkeit dieses Wohnraumes trat. Er zog aus seiner Kombination eine Mappe hervor, die er gerade öffnen wollte, als er hinter sich Schritte hörte. Frank T. Donald wirbelte herum. Das war für lange Stunden seine letzte Bewegung. Ein Mann, den er noch nie gesehen hatte, stürzte sich auf ihn. * In Orion-City schien wieder die Sonne. Keiner der Hunderttausende, die an diesem Vormittag durch die Straßen der weißen Stadt fluteten, ahnte etwas von dem stillen Drama, das sich gerade in diesen Minuten auf dem Erdmond abspielte. Sie blickten aber an der hellen Fassade der Hauptverwaltung hoch, wenn ihr Weg sie am Central Park vorbeiführte. Eine offizielle Verlautbarung hatte in den Nachtstunden die überraschende Rückkehr Cunninghams „von einer unvorhergesehenen privaten Reise“ bekanntgegeben. Der Generaldirektor stand am Fenster und sprach mit Jim Parker, der ihm über die Arbeiten auf dem neuentdeckten Transpluto berichtete. Von dem, was den Kommodore eigentlich so überstürzt zur Erde hatte jagen lassen, wurde nicht gesprochen. Jim Parker fiel aber auf, daß Ted S. Cunningham lange nicht so frisch und vital war wie gestern abend. Das volle Gesicht war ohne Farbe, die Augen blickten auf die blaue Uniform des jungen Sternenfliegers, aber sie waren trübe und schienen an Jim Parker vorbeizusehen in irgendeine
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Ferne. Nein, der gute Ted S. gefiel dem Kommodore nicht, doch er gab sachlich seinen Bericht und wartete dann respektvoll die Antwort des Generaldirektors ab. Die Antwort blieb heute aus. Cunningham reichte ihm nur die Hand. „Ich danke, Kommodore“, sagte er förmlich. „Sie können gehen, aber halten Sie sich bitte zu meiner Verfügung.“ Was meinte er damit? Jim grüßte und verließ die Hauptverwaltung. Auch die Stimme – gewiß, es war seine Stimme gewesen, doch so matt hatte sie noch nie geklungen … Jim setzte mit einem Hubschrauber zu seinem Haus am westlichen Stadtrand über, wo Wernicke und Oberst Mortimer auf ihn warteten. „Wir hatten eben die Ehre, mit Lord Clifford sprechen zu dürfen“, knurrte der lange Oberst, der den piekfeinen WPPräsidenten nicht recht riechen konnte. „Es ist alles in bester Ordnung, Jim – in bester Butter sozusagen …“ „So?“ Jim hockte sich auf eine Sessellehne und sah ihn gespannt an. „Lord Cliffords Edelknaben haben herausgefunden, daß Cunninghams Angaben stimmen! Er war tatsächlich auf der Kanalinsel Alderney, wo ein Vetter von ihm wohnt. Der Lord empfahl uns zwar, Cunningham nicht aus den Augen zu lassen, was wir auch ohne seinen gütigen Zuspruch nicht tun würden, aber er scheint uns doch für überängstliche Schwachköpfe zu halten. Was sagen Sie nun, Jim?“ „Es ist durchaus möglich, daß alles so gewesen ist, wie Cunningham uns erzählte“, hob der Kommodore die Schultern, „aber ich mußte eben leider feststellen, daß mit ihm irgend etwas nicht stimmt.“ „Gesundheitlich?“ „Er wirkte wie ein sehr kranker Mann …“
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* Der Generaldirektor blieb lange allein. Er starrte auf die Tür, die sich hinter dem Kommodore geschlossen hatte. Ohne sich zu rühren. Seine Rechte war auf die Fensterbank gefallen und lag dort zusammengeballt und doch kraftlos. Minutenlang. Das hohe feine Singen eines Strahlhubschraubers drang durch die geöffneten Sonnenfilter des Fensters und verlor sich dann wieder in der blauen Weite … Sonst war es hier sehr still. Ted S. Cunningham war weit weg. Auf der Insel Alderney? Oder hörte er Stimmen, die von fern kamen und die nur er vernehmen konnte? Als das hohe Singen des Strahlhubschraubers nicht mehr zu hören war, ging er auf einen Sessel zu, der neben dem niedrigen Klubtisch stand, ließ sich hineinfallen und goß den Inhalt eines kleinen Fläschchens, das er aus einer Jackettasche zog, in ein Glas. Gierig trank er die gelbe perlende Flüssigkeit. Nach zwanzig Minuten fühlte er sich wieder besser, er hatte die Schwäche überwunden. Er rief durch den Haussprecher seinen Privatsekretär Shilling zu sich und saß bereits havannarauchend hinter seinem Schreibtisch, als sich die lange dünne Gestalt hereinschob. „Shilling, warum stieren Sie mich so geistlos an?“ Der Privatsekretär wurde rot, aber er wahrte seine Würde. „Sir, wir haben immerhin lange auf Sie warten müssen!“ „Ihr gönnt einem alten Schlachtroß nicht mal ’ne Verschnaufpause“, grinste der Generaldirektor und nahm die Zigarre aus dem Mund. „Nehmen Sie mal was auf! Ja, mit Steno! Geht gleich an Washington, Mortimer und Parker! Sie rufen selber durch!“
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Shilling klappte seinen Schreibblock auf. „Für den 18. August habe ich eine Zusammenkunft mit dem indischen Physiker Dr. Sanda vorgesehen, die auf seinen Wunsch in meinen Privaträumen und unter vier Augen stattfinden wird. Mr. Sanda erbittet Begleitschutz durch S.A.T.Luftstreitkräfte von Madras nach Orion-City und zurück.“ „… und zurück …“ * „Ich nehme auf!“ Der Stabsoffizier vom Dienst im Sicherheitsdienst schaltete fünf Minuten später sein Tonbandgerät ein, um die Chefinformation für den Oberst aufzunehmen, der noch immer nicht von Kommodore Parker zurück war. „… eine Zusammenkunft mit dem indischen Physiker Dr. Sanda …“ Auch im Ministerium für Forschung und Raumfahrt in Washington stand ein stellvertretender Staatssekretär und hörte mit unbewegtem Gesicht, was Shilling ihm monoton vorbetete. Und doch war es wie eine Bombe. Sanda! Keiner wußte, wo dieser Mann lebte, der einen Stoff besitzen sollte, mit dem man die Sonnenstrahlung aufheben konnte, der einen Schlüssel zum Untergang in Händen hielt … Der stellvertretende Staatssekretär ließ sich bei seinem Minister melden und überbrachte ihm die Chefinformation aus der Forschungsstadt. „… und das nach dem geheimnisvollen Verschwinden von Cunningham, Sir!“ „Nun, der Dicke hat sich ja wieder eingefunden“, lachte der Minister, aber er setzte sich doch und sah lange auf den Text. „Wenn ich das recht verstehe“, sagte er dann langsam und we-
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sentlich ernster, „hat Sanda Cunningham um dieses Zusammentreffen gebeten, und das gefällt mir nicht.“ „Mir auch nicht …“ „Es bedeutet zwar noch nicht, daß wir etwas von Sanda zu befürchten hätten, es kann vielmehr auch so sein, daß der Inder sich bedroht fühlt und Cunningham etwas anvertrauen möchte.“ Der Minister fuhr mit der flachen Hand über das Papier. „Bedenklich stimmt mich, daß Cunningham diese Zusammenkunft ganz im geheimen vorbereitet hat! Kr hat uns nicht ein einziges Mal konsultiert, im Gegenteil, als ich vor einigen Monaten in Orion-City auf Sanda zu sprechen kam, um den sich ja andere so lebhaft bemühen, winkte er ab! Das gefällt mir nicht! Und dann hier …“, er nahm einen schmalen Papierstreifen vom Tisch, „eine vertrauliche Information von Oberst Mortimer, nach der Cunningham heute vormittag einen sehr hinfälligen Eindruck gemacht hat.“ „Ich würde für den 18. alle Vorkehrungen treffen!“ Der Minister stand auf. „Ich weiß, was ich tue! Das ist eine Sache für Jim Parker! Bitten Sie ihn doch für heute abend zu mir!“ * Jim Parker kam nicht mehr nach Washington. Inzwischen ereignete sich auf dem Erdmond etwas, was in keinem Zusammenhang zu diesen geheimnisvollen und absonderlichen Vorgängen zu stehen schien, was aber von sich aus schon alarmierend genug war. Im D-Düsenwerk zwischen den Vorstationen 5 und 7 begann es. Die große ovale Halle, die in ihren Formen den Schallwellen angepaßt war, die von einem kleinen Gabelgerät an der Südseite unaufhörlich ausströmten, war bis auf zwei Betriebsassistenten
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menschenleer. Es waren zwei vierschrötige Kerle, die Schutzpanzer aus einem schwarzen Leichtmetall trugen. Sie wußten, warum sie diese Schutzpanzer trugen. Die Schallwellen der DDüse in dem Gabelgerät wirkten auch dann noch auf hundert Meter tödlich, wenn sie unter menschlicher Kontrolle standen; konnten sie dieser entfliehen, geriet ein Gebiet von über 500 Kilometer Umkreis in die größte Gefahr. Während in den anderen Räumen des Werkes noch die komplizierten Apparate montiert wurden, liefen hier bereits die ersten Meßversuche. Von einer kleinen Kabine in der meterdicken Schutzwand aus wurden sie gesteuert. Die beiden Betriebsassistenten in der Halle hatten die Aufgabe, unaufhörlich hin und her zu rennen, um so die günstigste Stellung des menschlichen Körpers zu den D-Wellen zu ermitteln, die später beim Bau von D-Raumern berücksichtigt werden sollte. Hinter dem Kunstglas der Kabine saß der Chefingenieur und dirigierte über Sprechfunk die beiden Gepanzerten. Sie liefen gerade auf einer Linie hin und her, die von der Düse bis zur anderen Stirnseite führte. Der eine hatte schnell zu laufen, während der andere immer nach zehn Metern für eine Sekunde stehenbleiben mußte. An der Stirnseite angelangt, warf sich der eine herum und rannte gleich wieder zurück. Der Chefingenieur ruckte hoch, und sein ganzer Stab von Mitarbeitern, der um ihn stand, begann zu grinsen. „Damned! Der Idiot verpatzt mir die ganze Geschichte! Barking, zurück! Zurück, zum Teufel! Ich habe keine Lust, das hier noch mal von vorn zu beginnen!“ Der Mann im schwarzen Schutzpanzer rannte weiter. Direkt auf die Düse im Gabelgerät zu. „Barking!“ brüllte der Chefingenieur, und nun wurde er ernstlich wütend. „Halt! Stehenbleiben!“
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Barking blieb auch stehen. Dort, wo die Intensität der DWellen am stärksten war. Keine zehn Meter vor dem Gabelgerät. Aber er tat etwas, was seine Kameraden in der Halle und die in der Kabine mitten in ihren Bewegungen erstarren ließ, so furchtbar war es. Er riß plötzlich einen Atombrenner hoch und schoß mit ihm auf die D-Düse des Gabelgeräts. Schoß mit einer knallenden weißblendenden Ladung von TO-Strahlen. * „Heute abend, Sir? Ist gut, ich werde kommen!“ Jim Parker hörte noch auf das, was der stellvertretende Staatssekretär in Washington ihm abschließend zurief und legte dann auf. Er war allein in seinem Haus in der Nähe der Autobahn. Wernicke war in die Stadt geflogen, um sich dort mit dem Oberleutnant der Weltpolizei Allen Lenn zu treffen. Jim Parker steckte sich noch eine „Maza Blend“ an. Er sah dabei in den Garten, der in der Sonnenflut des Augustnachmittags wie eine fremde verwunschene Welt dastand. Jim Parker seufzte bekümmert auf. Das Leben wäre schön, wenn es keine reißenden Wölfe unter den Menschen gäbe. Er klickte sein Feuerzeug zu und wandte sich ab von dem schönen Bild, das sein Auge entzückte. Er sah auf die Uhr. Es ging auf vier. Die Mittelsekunde lief wie ein ruheloses Insekt. Jim rauchte und ging hin und her. Den schmalen Kopf etwas vorgereckt, aufmerksam horchend und nach allen Seiten sehend. Er wartete auf Jerk Hathaway. Er kannte ihn nicht. Vielleicht hatte sich einer einen schlechten
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Scherz erlaubt, denn in ganz New York war kein Jerk Hathaway aufzutreiben. Er wartete auf ihn. Ruhelos. Was ist das nur? Habe ich Angst vor ihm? Angst vor einem Menschen? Jim blieb verwundert stehen und sah auf eine alte Radierung an der Wand, um sich zu konzentrieren, als unvermittelt auf der Leuchtscheibe über dem Schreibtisch ein helles Summen eine Minute lang ertönte. Dann geisterte in wenigen weißen Zeilen eine Nachricht darüberhin, die in dieser Sekunde allen wichtigen Männern der S.A.T.Führung zuging. „Im D-Düsenwerk im Nordgebiet von ‚Luna IV ist durch ein Attentat eine Kettenreaktion von D-Wellen ausgelöst worden. Das Werkgebiet ist in größter Gefahr! Es wird Großalarm gegeben!“ „Ich freue mich, im richtigen Augenblick gekommen zu sein“, sagte neben ihm eine warme angenehme Männerstimme. Der Kommodore vernahm sie, aber es wurde ihm gar nicht bewußt. „… wird Großalarm gegeben!“ Die weißen Zeilen erloschen unter dem Schlußzeichen, das sich über sie legte. Jim wußte, was los war. Die D-Wellen waren der Kontrolle der Menschen entglitten und brachen wie eine Flut über das weite Werkgebiet herein. Wer von ihnen getroffen wurde, fiel bewegungslos zu Boden, und er konnte noch von Glück sagen, wenn er mit schweren Lähmungen davonkam. Die D-Wellen waren nur mit einer „Tabu-H“-Spritze zu stoppen. „Tabu II“ war eine glasklare Flüssigkeit, von der es auf der Erde nur vierzig Gramm gab, die auf einer Insel vor Westafrika unter ständiger Kontrolle von Wissenschaftlern der Weltpolizei lagerten. Nur drei Männer gab es, die mit diesem Satansstoff umzugehen verstanden. Einer von ihnen war Jim Parker.
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Ich muß zum Mond! Ich muß den verdammten Wellen eine Spritze geben! Jim wandte sich entschlossen um, aber er hielt in seiner Bewegung inne und stand wie versteinert. Neben ihm war ein Mann. Jim hatte ihn nie gesehen, und es war ganz unerklärlich, wie er hier hereingekommen war. Er mußte durch die Wände gekommen sein; denn alle Fenster und Zugänge hatte Jim gesichert. „Ich bin Jerk Hathaway!“ lächelte der Mann. Jim rührte sich nicht. Er sah ihm ins Gesicht und dann an dem mit einem weißen Sporthemd bedeckten muskulösen Oberkörper hinunter bis zu der leicht gehobenen rechten Hand, in der Jerk Hathaway eine Strahlenpistole auf ihn gerichtet hielt – dann wieder in das Gesicht … „Die Pistole ist mit Rotpatronen geladen“, fuhr Hathaway fort. Jim glaubte es ihm aufs Wort. Er erkannte, daß er im Augenblick diesem Mann ausgeliefert war. Dieser Jerk Hathaway würde nicht zögern, ihn abzuschießen. Aber was für ein Gesicht hatte er nur! Es war schmal und nicht schlecht geschnitten, doch wenn man es länger sah, lief es einem kalt über den Rücken. Die Haut spannte sich weiß und durchsichtig über den etwas vorstehenden Backenknochen, und um die Augen lag sie eigenartig straff und leblos. Jim atmete beinahe auf, als er feststellte, daß Jerk Hathaway eine plastische Maske trug. Wer plastische Masken trug, verbarg sein wahres Ich. „Ich hoffe, Sie haben einen guten Eindruck von meiner Erscheinung gewonnen“, sagte Jerk Hathaway leise. „Ihre Erscheinung läßt sich wohl kaum falsch einschätzen“, erwiderte Jim Parker kühl. „Vielleicht sagen Sie nun, was Sie von mir wollen und wie Sie hier hereingekommen sind.“ „Ich bin leider nicht in der Lage, Ihnen auf beide Fragen zu antworten“, bedauerte Jerk Hathaway. „Wie ich hier hereinge-
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kommen bin, muß mein Geheimnis bleiben! Was ich von Ihnen will – nun, Sie hörten es ja eben – auf dem Mond sind die DWellen los!“ „Was hat das mit der Unterredung zu tun, um die Sie mich baten?“ „Sehr viel, Kommodore! Sie werden vielleicht die Bedeutung meiner Person noch besser zu würdigen wissen, wenn ich Ihnen sage, daß das Attentat auf das D-Düsenwerk von einem meiner Männer und auf meinen Befehl hin ausgeführt wurde.“ „Erstaunlich“, höhnte Jim. „Und wenn Sie lügen – na, sagen wir mal, um anzugeben?“ „Sie können mir glauben, Sir! Ich bin nicht hierher gekommen, um Ihnen Scherze zu erzählen!“ Die Hand mit der Strahlenpistole bewegte sich nicht um einen Millimeter. „Ich will Ihnen sagen, was die Menschen von mir zu erwarten haben – sie werden leben, aber sie werden so leben, wie ich es ihnen vorschreibe!“ „Wahrscheinlich werden sie dann zu bedauern sein“, sagte Jim kalt. „Die Menschen der Gegenwart sicher, die späteren Generationen aber werden erkennen, daß ich richtig gehandelt habe! Die Erde ist zu klein geworden für eine Vielzahl von Regierungen – es ist besser, sie wird von einem regiert …“ „Mit der Knute!“ „Das wird zunächst nicht anders möglich sein“, lächelte Jerk Hathaway freundlich. „Ich sehe Ihnen an, daß Sie mich immer noch nicht ernst nehmen! Es schadet nichts, Mr. Parker! In einigen Wochen werden Sie anders denken! Können Sie sich vorstellen, daß eine Millionenstadt in vierzig Minuten vernichtet wird?“ „Ich habe schon anderes erlebt!“ „Denken Sie an die Strahlenpfeile, die New York trafen! Es
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sind Strahlen, die so sehr intensiviert werden können, daß sie in einer Zeit der Finsternis die Hölle bringen!“ „Wenn Sie mir schon was zu sagen haben, Mr. Hathaway, dann drücken Sie sich bitte etwas klarer aus!“ Jim hielt den Atem an und suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, den anderen zu überrumpeln – er fand keine. „Sie sollen über das, was ich hier sage, nachdenken, Mr. Parker! Nachdenken ist gut für einen Menschen, der nur noch kurze Zeit zu leben hat! Sie werden nicht mehr lange leben, Parker! Es gibt Menschen, die mir zu gefährlich sind!“ „Ich danke Ihnen für das Kompliment!“ grinste der Kommodore sarkastisch, aber es war ihm klar, daß Jerk Hathaway einer war, den man ernst zu nehmen hatte, verdammt ernst. Wenn ich mich bewege, bin ich erledigt – aber ich muß zum Mond – ich muß – – „Blicken Sie auf meine rechte Hand!“ Jim gehorchte. „Sehen Sie den Ring mit der Rose, Mr. Parker?“ fragte die freundliche Stimme weiter. „Achten Sie auf Männer und Frauen, die solche Ringe tragen!“ Der Kommodore sah wieder in das starre Maskengesicht. „Ich werde sehr auf das Zeichen achten“, erwiderte er leise, aber es war nicht klar, ob er es wirklich so meinte. „Hathaway, Sie können sich darauf verlassen, daß ich die Augen offenhalten werde!“ Während er das sagte, wagte er es doch. Er konnte nicht anders. Die Wut, die beim Anblick des weißen Maskengesichts in ihm aufstieg, war stärker als die Vernunft. Er tat etwas, was eine ungeheure Körperbeherrschung voraussetzte, doch es brachte nichts ein. Er bewegte seinen Körper nicht, nur seine Beine schossen unvermittelt vor. Jerk Hathaway wich etwas zur Seite. Jim Parker wurde von seinem eigenen Schwung hochgerissen und knallte mit dem Rücken auf
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den Fußboden. In den Schmerz hinein hämmerte ein Gedanke: Jetzt schießt er dich ab – jetzt – jetzt – Aber Jerk Hathaway war nicht mehr da. Der Kommodore richtete sich auf. Dann sprang er hoch und raste fluchend durch das Arbeitszimmer, Jerk Hathaway war verschwunden! Ganz in der Nähe heulten Strahldüsen auf. Jim war schon am Fenster. Neben dem Weg zur Autobahn kletterte gerade ein mittelgroßer Hubschrauber hoch. Jim rannte hinaus … * Auf dem Mond aber war der Teufel los … Wenn es wirklich Hathaway war, der hinter diesem Anschlag stand, so verdiente er bereits für das, was in den nächsten Stunden geschah, die härteste Strafe, die es noch auf der Erde gab. Die D-Wellen waren los. Wenn sie auf Lebewesen stießen, legten sie sich würgend um ihre Atmungsorgane. Diese Lebewesen rannten, rannten, rannten, als sie die jaulenden Alarmsirenen über dem D-Düsenwerk hörten. Sie wußten selber nicht mehr, daß sie Menschen waren – sie wollten leben – leben – – Aber die D-Wellen waren schneller. Von denen, die im Augenblick des Attentats im D-Düsenwerk arbeiteten, kam keiner mit dem Leben davon. Der Bursche, der die Sicherung des Gabelgeräts zerstört hatte, kam noch am weitesten. Aber an einem Sandhügel, der rötlichglühend in der Hitze brütete, packten die Dämonen ihn, die er selber gerufen hatte. Er wollte in den Sand. Er wußte, daß er eine Chance hatte, wenn er sich ganz tief hineinwühlte, aber er mußte stehen bleiben – keuchend – – Wie in einem Alptraum war es. Er wollte die Füße bewegen und konnte es nicht. Keine vier Minuten kämpfte er gegen den unsichtbaren Würger. Dann war es aus. Mit weitaufgerissenen
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glotzenden Augen, die vor Entsetzen eisig waren, kippte er vornüber in den Sand. In der Zentrale von „Luna IV“ gaben sie über die Sprechanlage: „Rette sich, wer kann!“ * Jim Parker winkte dem Hubschrauber zu, der einige hundert Meter vor ihn herankam. Er wußte, daß es Wernicke war und schob an seinem Kehlkopfmikrophon. „Hallo, Fritz! Der ist uns entwischt! Verdammte Schweinerei!“ Sie flogen noch einmal über die Wohnsiedlungen hinaus auf die Getreidefelder, die an der Autobahn wogten. Jim erkannte neben Wernicke eine hochgewachsene breitschultrige Gestalt. Er wußte, daß der Commander im Stadtzentrum den Oberleutnant der Weltpolizei Allen Lenn an Bord genommen hatte. Der Himmel über Orion-City war voller Unruhe. Die roten, bulligen Schrauber der Polizei und die weißen des Sicherheitsdienstes schwirrten wie aufgescheuchte Brummer herum. Jerk Hathaway! Wo war Jerk Hathaway? Verdammt – er mußte doch zu finden sein! „Ich finde ihn nicht mehr!“ knurrte Jim böse und sah auf die Uhr am Armaturenbrett. „Ich muß los, Fritz!“ „Du denkst wohl, ich lasse dich allein zum Mond fliegen?“ „Los, ’runter!“ Sie flogen Seite an Seite auf ihr kleines Haus zu. Während sie abstiegen, gab der Kommodore seine letzten Befehle an die Staffeln. Sie durften die Suche nach Hathaway nicht aufgeben! Im Vorgarten lärmte Kawa, der Wolfshund, und raste wie eine Rakete auf Jim zu. Jim steckte die Finger in den Mund und pfiff ihn zur Ruhe. Er hatte sich von der Schlappe erholt, die Hathaway ihm bereitet hatte. Mit weiten, elastischen
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Schritten ging er ins Arbeitszimmer und rief den Sicherheitsdienst an. Ja, die Weltpolizei hatte fünf Gramm „Tabu II“ abgestellt, das bereits in einem Spezialschiff des S.A.T. zur Außenstation unterwegs war. Jim ging in den Schlafraum und kleidete sich um. Die Tür blieb offen. Er stand in seiner Sporthose da, als Wernicke und der große Breitschultrige das Arbeitszimmer betraten. „Hallo, Jim! Ich habe Lenn gleich mitgebracht!“ „Freut mich! Oberleutnant Lenn?“ Allen Lenn winkte zu ihm hin, während Wernicke eine große schlanke Flasche vom Regal nahm. „Das sind immerhin schon ein paar Jahre her, seit wir uns zum letztenmal sahen, Allen! Darauf wollen wir erst einen trinken!“ Draußen wurde das Antriebsingen der brummenden Hubschrauber wieder stärker. Jim strich sich das Haar zurecht und ging zu den beiden. Er trug jetzt seine Raumuniform. Allen Lenn stellte sein Glas zurück, als der beste Raumflieger der Erdenmenschheit auf ihn zutrat. Er nahm Haltung an. Jims Augen ruhten auf ihm. Verständlich, daß Lord Clifford ausgerechnet diesen Allen Lenn geschickt hatte! Der Kerl machte einen famosen Eindruck! „Willkommen, Lenn! Sie sind ja gerade in die richtige Hetze ’reingeraten!“ „Großartig!“ sagte der Oberleutnant mit weißen Zähnen. „Ich hoffe, es geht gleich wieder los! Sie müssen jetzt zum Mond, Kommodore?“ „Ja! Wissen Sie, wie es ist, wenn D-Wellen los sind, Lenn?“ „Ich habe noch nie etwas von D-Wellen gehört, Kommodore!“ „Seien Sie froh! Ich muß den Biestern jetzt eine Spritze verpassen, daß sie wieder brav werden! Fritz, du weißt, was ich dir vorhin sagte! Ihr beide müßt eine Spur von Hathaway finden!“
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Fritz Wernicke kniff das rechte Auge zu. Er war einsichtig genug, Jim nicht mehr zu bitten; er sah ein, daß er hierbleiben mußte. Er wandte sich an Lenn und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Klar! Irgend etwas werden wir beide schon auftreiben!“ * Eine Hand riß die Tabakwolke auseinander. Es war Ted S. Cunninghams Hand. Der Generaldirektor sah durch die auseinandertreibenden Schwaden auf das große Sonnenfenster, durch das gefiltert die Tageshelle in das große Arbeitszimmer fiel. Die D-Wellen waren los! Jim Parker mußte zum Mond, um sie wieder unter Kontrolle zu bringen. Natürlich Jim Parker! Man mußte doch noch einmal mit ihm sprechen. Der Generaldirektor streckte die Hand nach der Tastatur des Haussprechers aus. Aber sie blieb wie ein fremdes weißes Wesen davor hocken. Gespenstisch strich der blaue Dunst darüber hin. Dann zog Ted S. Cunningham sie wieder zurück. Er stand auf. Die halbgerauchte Havanna, die seine Linke hielt, legte er auf einen der drei Ascher. Was habe ich nur? überlegte er. Warum rufe ich Parker nicht an? Wer weiß, ob er das im D-Düsenwerk überlebt! Eine große Traurigkeit kam über ihn, die er sich selber nicht erklären konnte. Cunningham schob die Hände in die Hosentaschen und ging langsam über den schweren Teppich zum Sonnenfenster hinüber. Er fühlte sich körperlich frisch. Wenn nur der Druck hinter den Schläfen nicht gewesen wäre – dieser seltsame Druck, der kein Kopfschmerz war, der die Gedanken lähmte. Der dünne Shilling trat lautlos durch die Polstertür und machte ein paar Schritte in das Arbeitszimmer hinein. „Sir, sie
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jagen noch immer den geheimnisvollen Mann, der bei Kommodore Parker eingedrungen war, aber sie haben ihn noch nicht – soll ich einschalten ., .?“ „Meinetwegen!“ Shilling ließ die längliche Nachrichtenscheibe aufleuchten. „Oberst Mortimer leitet die Aktion! Haben Sie sonst noch Wünsche, Sir?“ „Keine, Shilling!“ Der Privatsekretär verschwand ebenso lautlos. Auf der Nachrichtenscheibe ging der Zauber los. Alles, was Mortimer an die kreisenden Insektenschwärme der Hubschrauber durchgeben ließ und was von den Staffelführern gemeldet wurde, erschien in einem gewitterhaften Aufblitzen flüchtiger Zeilen. Ted S. Cunningham sah nicht hin. Seine Gedanken gingen wieder auf weite Reise. Schwer waren die Gedanken, und sie trafen auf einen Mann, der in einer verdunkelten Halle auf eine große weiße Blüte starrte, die sehr schön und sehr fremd in einem künstlich angelegten Teich schwamm. Der Mann war Sanda. Nun leuchtete die Blüte in einem unwirklichen sanften Schein auf, und von irgendwoher erklang das Singen einer wohlklingenden Mädchenstimme. : . In neun Tagen würde Sanda nach Orion-City kommen. * Wieder waren Wernicke und Allen Lenn in der Luft. „Ihr Freund ist doch ein Teufelskerl“, lachte der junge europäische Oberleutnant begeistert und schob seine graue Uniformmütze noch verwegener über das linke Ohr. Wernicke grinste nur, wurde aber gleich wieder ernst. „Dem haben alle Menschen mehr zu danken, als sie nur ahnen können! Hoffentlich geht es diesmal wieder schief!“
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„Den wirft doch nichts um! Gehen Sie doch mal auf achthundert, Wernicke!“ „Okay!“ Der kleine Commander ließ seine Shagpfeife in den rechten Mundwinkel wandern und drückte das Höhensteuer an sich. Die drei roten Schrauber der Polizei, die vor ihnen dahinsummten, sackten scheinbar weg, auf die Stadt zu, die sich weit unten im Sonnenglast drehte. Allen Lenn blickte auf die Nachrichtenscheibe, die in jeder der eingesetzten Maschinen ebenso angebracht war wie in der Kommandostelle unten in der Stadt. Er stieß Wernicke an und zeigte auf die eben aufleuchtende Zeile. „Sie setzen noch mehr Kradstaffeln ein!“ „Das hätten sie schon lange tun sollen“, murrte der Commander. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Bursche schon aus der Stadt heraus ist. Aber er wird sein Gesicht wechseln – verdammt noch mal – –“ „Er soll eine plastische Maske getragen haben?“ „Hat er! Parker hat es deutlich gesehen! Das macht ihn doppelt gefährlich!“ „Nicht unbedingt, Wernicke!“ schüttelte der Oberleutnant den Kopf. „Ich glaube vielmehr, daß einer, der eine Maske trägt, sich seiner Sache doch nicht so hundertprozentig sicher ist! Wer sich für unverwundbar hält, braucht keine Maske mehr!“ „Was flüstert man denn so in der Weltpolizei?“ „Zuerst waren wir skeptisch! Als Cunningham hier wieder auftauchte, lachten wir. Aber es gab uns dann doch zu denken, daß …“ Über die Nachrichtenscheibe knallte ein roter Schrägstreifen, der immer stärker wurde und die huschenden Zeilen auslöschte. Dann tauchte auf ihm geisterhaft eine weiße Schrift auf. „Achtung! Achtung! Unbekannter Hubschrauber im Ozean-Park gefunden! Offensichtlich erst vor wenigen Minuten gelandet! Von den Insassen keine Spur!“
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Der Ozean-Park lag am Südrand der Stadt zwischen zwei Wohnsiedlungen. Er hatte seinen Namen von dem großen Tiefseeaquarium, das in seiner Mitte aufragte. Wernicke wendete und jagte über die Stadt hinweg nach Süden. Sie gingen wieder tiefer. Allen Lenn beugte sich aus der Kabine und blickte aufmerksam hinunter. In der Stadtmitte wurden sie ziemlich wild. Das konnte man von hier oben deutlich erkennen. Der Verkehr stockte, wenn die Kradstaffeln mit heulenden Sirenen dazwischenfuhren. Lenn konnte sehen, daß sie einen weiten Sperrkreis um den Ozean-Park legten. Über dem Park selbst hingen dicke Trauben von Schraubern. Wernicke ging gleich herunter und fand auf einer weiten Rasenfläche eine bullige unschöne Kiste, die ausländische Kennzeichen trug. Mochte der Himmel wissen, wie die unbemerkt nach Orion-City gelangt war … Sie landeten und rannten darauf zu. Sie waren nicht die ersten. Ein ganzer Haufen von Offizieren stand bereits um sie herum. Mortimer war auch schon da. Er ging Wernicke entgegen und streckte ihm eine knallgelbe Sommerjacke hin, wie sie neuerdings Männer zu tragen pflegten. Und dazu noch ein kurzer Schmalfilmstreifen, der einen älteren häßlichen Mann zwischen zwei reizenden blonden Schönheiten zeigte. „Wissen Sie, wer das ist – der aufgeblasene Kerl auf dem Film?“ „Ich kann doch nicht jeden bunten Affen kennen“, grinste Wernicke unfreundlich. „Märlander! Schwede! Das größte Tier von Skandinavien! Nett, nicht?“ Oberleutnant Lenins Gesicht rötete sich. „Oberst“, sagte er eifrig. „Wir von der Weltpolizei kennen ihn – er hält seinen Rücken rein, aber der Mann sitzt tiefer drin als alle anderen …“ Wernicke sah den Mann auf dem Filmstreifen böse an.
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* Jim Parker landete auf dem Erdmond. Als sein langgestrecktes aerodynamisches Raumschiff mit dem Heck nach unten aufsetzte, hielt sich alles, was nicht gebraucht wurde, um bei der Landung mitzuhelfen, in respektvoller Entfernung. Jim Parker brachte „Tabu II“ mit. Er trug es in einem knallroten Gummibehälter über die Leiter zu dem Spezialwagen, der bereitstand. Der lange Mondtag neigte sich langsam seinem Abend zu. Aus der grünlichen Helle, die nicht mehr so unerträglich hart war wie noch vor zwanzig Stunden, traten drei Männer auf Jim zu. Zwei trugen auf ihren roten Schutzanzügen große weiße Kreuze. Ohne ein Wort zu sagen nahmen sie Jim den Kugelbehälter ab und hoben ihn in den Wagen. „Hallo, Parker“, sagte der dritte Mann und reichte dem Kommodore die Hand, „es ist nett, daß Sie kommen, aber ich glaube nicht, daß Sie noch viel ausrichten können.“ Jim kannte ihn und schenkte sich trostreiche Worte. „Wie weit sind die Wellen?“ „Luna IV haben sie verseucht! Fragen Sie nicht erst, wie viele Tote es gegeben hat! Nun breiten sie sich weiter aus! Aber das ist nicht alles …“ Jim sah. dem Wagen nach, der vorsichtig davonfuhr. „Was denn noch?“ „Halten Sie sich fest, Parker! Diese Biester von D-Wellen haben bereits ein Raumschiff, das vor dreißig Stunden landete, während seines Fluges durch das All verseucht.“ Der Spezialwagen wurde immer kleiner. Jim atmete ganz tief durch. Dann stemmte er die Hände in die Seite und schüttelte den Kopf. „So etwas gibt es doch nicht!“
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„Es ist aber so! Das Schiff, das vor allem Fachleute für das D-Düsenwerk und die stellvertretende Leiterin eines Bildarchivs an Bord hatte, war bei seiner Landung verseucht! Alle Insassen liegen in den Spitälern von ‚Luna III’.“ Der Kommodore faßte den Arm des anderen. „Ich will mir erst einmal die D-Düse ansehen!“ Die dunkelnde Mondwüste glitt unter dem Schnellwagen des Kommodore weg. Auf der Erde suchten sie den Schweden Erge Märlander. Es war drei Tage vor dem 18. August. Wenn Lord Clifford schon einer Nervenbelastung ausgesetzt war, die ihn mehr Zigaretten rauchen ließ als ihm guttat, so stellten die ständigen TV-Anrufe aus Orion-City in seinen Augen eine glatte Zumutung dar. „Setzen Sie Märlander endlich fest, Clifford!“ drängte der lange Oberst, und man konnte ihm auf weite Entfernung ansehen, daß er nicht sehr freundschaftlich gestimmt war. „Wir müssen ihn haben, sonst sehe ich schwarz!“ „Meine Leute schlafen nicht, mein Lieber“, erwiderte der Lord sehr von oben herab. „Im Stockholmer Zentrum seiner Werke sagt man uns, er kreuze mit seiner Jacht im südlichen Atlantik. Die Jacht aber hat er seit zwei Wochen nicht mehr betreten – er soll sich auf einer Südseeinsel aufhalten – –“ „Also hat er sich davongemacht! Märlander ist Jerk Hathaway, Clifford. Das ist doch klar! Als solcher war er bei Parker!“ „Ich will hoffen, daß es so ist“, lächelte der Lord milde. „Das würde die Sache sehr vereinfachen!“ Er selber glaubte nicht daran, und als er wenig später einigen seiner hohen Mitarbeiter gegenübersaß, gab er es auch unumwunden zu. „Ich gestehe, daß Märlander sich verdächtig macht und ich traue ihm auch allerlei Schlechtigkeiten zu, aber ich kann mir nicht helfen – Jerk Hathaway ist er nicht!“
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„Hathaway? Nur Parker hat diesen seltsamen Mann bisher gesehen?“ „Nur Kommodore Parker!“ „Was will Jerk Hathaway, Mylord?“ „Sandas Geheimnis! Wer die Sonnenstrahlung aufheben kann, ist Herrscher über Leben und Tod – im ganzen Sonnensystem – –“ * In Orion-City wuchs das Fieber von Stunde zu Stunde – – Fritz Wernicke und Oberleutnant Allen Lenn schlenderten am Abend dieses Tages über den prächtigen Jupiter-Boulevard. Sie waren unzufrieden, denn sie konnten nichts anderes tun als abwarten. Der Sicherheitsdienst hatte präzise seine Vorsichtsmaßregeln getroffen. Bis zwei Tage nach dem Besuch des Inders Sanda würde keiner den Central Park verlassen können. Alles, was sich noch innerhalb seiner grünen Grenzen befand, mußte solange ausharren. Die Angehörigen der Hauptverwaltung mußten in ihrem großen weißen Steinkasten bleiben. Für alle anderen aber war der Central Park eine verbotene Zone. Selbst die Mitglieder des Sicherheitsdienstes, die zum Kordon um Cunninghams Villa gehörten, durften ihn nicht betreten. Ständig kreisten 20 bis 30 Hubschrauber über dem Gebiet. Cunninghams Villa selbst war vor einigen Tagen von den besten Abwehrspezialisten untersucht worden. Es bestand nicht die geringste Möglichkeit, daß außer Cunningham, Sanda und den zwei alten Dienern jemand die Villa betreten konnte. Mehr konnte der Sicherheitsdienst nicht tun. Man mußte die Dinge an sich herankommen lassen.
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Allen Lenn nahm die Pfeile aus dem Mund und sah den Boulevard hinunter bis zu jenem Punkt, wo am großen EuropaHotel der bunte, lockende, flimmernde Tunnel der „Gold and Silver Street“ aufblitzte. Allen Lenn wußte, welche Gefahren solche Vergnügungsstraßen meistens boten, und die „Gold and Silver Street“ war auch nicht gerade eine Angelegenheit für fromme Kaffeeschwestern. Der Sicherheitsdienst hatte dort immer allerhand zu tun. Lenn wollte gerade eine Bemerkung dazu machen, als Wernicke ihn am Arm faßte. „Mensch! Da kommt der Alte!“ Die breite Fahrbahn hinunter rollte der blaue Sportwagen des Generaldirektors, den er immer selber lenkte. Cunningham hatte bereits die Scheinwerfer eingeschaltet. Er trug ein leichtes blaues Sporthemd und sah sehr frisch aus. Neben den beiden kam der Wagen zum Stehen. Sie traten an ihn heran. Cunningham grüßte kurz – ganz so wie früher –. „Was von Parker gehört, Fritz?“ „No, Sir! Er wird aber bereits an dieser verdammten Düse sein! Dies hier ist übrigens Oberleutnant Lenn von der Weltpolizei!“ „Freut mich!“ Die breite behaarte Pranke schob sich über die Wagenwand und packte die respektvoll hingehaltene Rechte des Oberleutnants. „Hoffe, es gefällt Ihnen hier bei uns! Urlaub?“ „Ja“, nickte Allen Lenn geistesgegenwärtig. „Na, ich will mal sehen, ob eine Meldung von Jim vorliegt!“ Er beugte sich über das Armaturenbrett. Im grünlichen Schein wirkte sein Gesicht irgendwie fremd, aber nur sekundenlang. Dann glitt der Flitzer wieder zwischen zwei andere Wagen, die gerade vorbeifuhren. Lenn schüttelte den Kopf. „Wenn man ihn so sieht, muß man glauben, es sei alles in schönster Ordnung!“ „Das kann man wohl sagen“, schnappte Wernicke.
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* Die D-Wellen bekamen ihre „Tabu-II“-Spritze. In diesen Minuten, da sich Orion-City mit abertausend leuchtenden Augen der hereinbrechenden Nacht entgegenwarf, kämpfte Jim Parker ganz allein gegen eine Macht, die auf dem Erdmond alles vernichten konnte. Zwanzig Minuten mußte er noch durchhalten. In der ovalen Halle des D-Düsenwerks. Vor dem gähnenden Schlund der konisch auslaufenden meterlangen Düse, aus dem immer neue Wellen des grausamen würgenden Todes über die stille Mondlandschaft geschleudert wurden. Zwanzig Minuten noch. Und jede Minute war wie zehn Stunden – Jim trug einen der Schutzpanzer aus schwarzem Leichtmetall. Breitbeinig stand er und hielt das Spritzgerät mit beiden Fäusten vor sich. Als er vor drei Stunden begann, gegen die DWellen anzukämpfen, standen die Chancen für ihn nicht besser als 1 : 1000. Es war gut, daß es ihm bereits in den ersten Minuten gelang, die Gewalt des Wellenstromes zu mindern, sonst wäre er zusammengebrochen wie alle die anderen armen Teufel, die hier herumlagen. Aber Jim schaffte es – er atmete bewußt flach und hielt sich so über die Zeit. Im weiten Gebiet von „Luna IV“ wußten sie, daß einer vor der Hölle stand, um sie zu bändigen. Sie wußten aber auch, daß es so ziemlich die letzte Chance für die Mondanlagen des S.A.T. war, denn wenn Jim Parker die wenigen Gramm „Tabu II“ wirkungslos verspritzte, würde sich die Gewalt des Düsenstroms nach wenigen Stunden verdreifachen. Der Zeitmesser auf dem linken Kombiärmel zeigte die 184. Minute des Einsatzes an, als er es im Düsenschlund hell aufblitzen sah und weiter
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zurück im Zuleitungskanal ein harter Knall ertönte. Jim hatte es geschafft. Er ging in die Knie. Jetzt, wo die Hölle besiegt war, schien sie sich noch an ihm rächen zu wollen. Aber er hockte nur einige Herzschläge lang wie ein geschlagenes Tier da. Das Herz wollte nicht mehr – es setzte aus und pochte dann widerwillig weiter. Jim Parker sah vor sich auf den roten Plattenboden der Halle, und er sah, wie der feine blaue Dunst, der sich darüberbreitete, zu weichen begann. Die Energie der D-Wellen nahm rasch ab. Der würgende Druck wich, der das Atmen schwer gemacht hatte. Der Kommodore entspannte sich bewußt und richtete sich dann wieder auf. „Hallo, Parker!“ knarrte eine fremde Stimme von den Membranen seiner Ohrmuscheln. „Alles okay?“ „War nur ’n Kinderspiel“, grinste Jim und verzog das schweißnasse Gesicht unter der Haube. „Die bösen Wellen kuschten gleich! Merkt ihr schon was?“ „Hier im Zentrum noch nichts“, keuchte der andere, „aber weiter im Süden soll der Druck nachlassen …“ „Dann habt ihr es auch bald!“ Jim marschierte aufrecht und steif durch die leere Halle am Kabinenfenster mit den erloschenen Gesichtern der Toten vorbei. „Ich muß noch zum II. Spital rüber …“ „Aus Orion-City liegt eine neue Meldung vor, Jim!“ „Was denn?“ „Der Schwede Erge Märlander wurde auf der Südseeinsel Tongana vor seinem dortigen Besitztum tot aufgefunden.“ Jim marschierte weiter, um aus dem unheimlichen Bau herauszukommen. *
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Erge Märlander war tot. Der Präsident der Weltpolizei trauerte dem unsympathischen Manne nicht nach, von dem man wußte, daß er nur die Tugend des Geldverdienens gekannt hatte. Aber sein Tod ging ihm doch nahe – er hätte ihm noch gern einige Fragen gestellt. „Wenn er wirklich identisch mit Jerk Hathaway war, werden wir jetzt vielleicht Ruhe haben“, meinte ein Kriminalrat optimistisch. Lord Clifford sah auf den Kalender. 16. August. Er schüttelte sich. „Und wenn er nicht Jerk Hathaway war? Dann können wir wieder von vorn anfangen – aber wo.“ „Märlander hat einen Herzschlag erlitten! Vielleicht hat er das Doppelspiel nicht länger ertragen können.“ „Märlander hatte keine Nerven“, sagte der Lord kalt und fixierte den unglücklichen Kriminalrat scharf. „Sie sollten mit besseren Argumenten kommen, wenn Sie schon an die günstigste Lösung glauben möchten. Was ist denn?“ Seine Hand tastete nach dem Haussprecher, an dem der rote Signalstreifen aufleuchtete. „Mylord, Sie werden aus Rio verlangt“, meldete sich der Sekretär aus dem Privatbüro. „Soll ich gleich durchstellen?“ „Stellen Sie bitte durch.“ Es knackte kurz. Dann war eine andere Stimme neben ihnen. Eine fremde, hastige, die irgendwie flüchtig in den Raum hineinwischte, um dann nicht mehr zu sein. In einem weichen, gepflegten Englisch. „Mylord! Sie suchen Jerk Hathaway! Hathaway lebt noch! Er hat Märlander ermorden lassen! Achten Sie auf Orion-City! Hathaway befindet sich am 18. August in unmittelbarer Nähe von Generaldirektor Cunningham!“ Der Kriminalrat trat leise hinzu. Sie horchten der Stimme nach. Der Lord setzte automatisch den Überwachungsdienst in
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Bewegung. Dann stellte er die gespreizten Finger auf die Tischfläche und beugte sich etwas vor. „Ich weiß nicht“, sagte er nachdenklich. „Irgend etwas an der Stimme gefiel mir!“ „Demnach müßten wir Jerk Hathaway in Cunninghams Nähe suchen“, bemerkte der Kriminalrat, – und dann unvermittelt: „Vielleicht ist Sanda selber Jerk Hathaway und will sich nur den Apparat des S.A.T. dienstbar machen!“ Der Lord fuhr hoch und drehte sich überrascht um. Es kam nicht oft vor, daß er so offen reagierte. In dieser Minute geschah es. „Menschenskind“, sagte er sogar. * Beim Mars stand ein Raumschiff. Es trennte sich von dem Planeten, der in seiner Bahn auf der Backbordseite weiterwanderte. Der Kasten war funkelnagelneu, war aerodynamisch gebaut und unterschied sich nur in zwei Punkten von den anderen irdischen Raumschiffen: Es trug keines der international vorgeschriebenen Kennzeichen. Es war nur auf kurze Distanz sichtbar. Vielleicht sah man auf einige hundert Kilometer ein schwarzes Etwas durch das Weltall rasen – aber das war auch alles. Das Raumschiff lief mit hoher Antriebsgeschwindigkeit. Es hielt Erdkurs. Am Abend des 17. August betrat Jim Parker das Mondhospital. Der Chefarzt war ein weißhaariger, würdiger Herr, der ihn persönlich in einen Flügel führte, der von bewaffneten Posten scharf bewacht wurde. Von der Dämmerung des Mondtages
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war hier nichts zu spüren. Die langen Gänge lagen im gelben Schein der Flutlichtröhren. „Ich kann nur bestätigen, was Ihnen bereits gesagt wurde, Kommodore! Die Insassen der ‚S. A. T. Lima XXI’ sind auf dem Flug von der Erde mit D-Wellen verseucht worden. Nicht schwer, aber doch so, daß sie hier noch einige Wochen festliegen werden.“ „Aber wie ist das möglich, Doktor?“ Der Chefarzt schenkte sich eine Antwort, sondern öffnete schweigend die erste der fünf Türen, die an diesem Gang lagen. Sie betraten ein Krankenzimmer, das sich ebensogut auf der Erde befinden konnte. Jim trat vorsichtig an das Bett, in dem ein junges Mädchen lag. Es war ohne Bewußtsein. Die Schwester, die neben dem Bett saß, zeigte besorgt auf die rechte Hand, die in einem viel zu großen Handschuh aus irgendeinem schwarzen Stoff steckte. Der Chefarzt nickte. „Das ist Miß June“, flüsterte er Jim zu. „Sie ist die einzige, die außer den Lähmungserscheinungen auch noch schwere und leider sehr bösartige Verbrennungen an der rechten Hand hat.“ Die Schwester sah mit großen Augen auf die beiden Männer. „Sie phantasiert immer, Doktor!“ Jim Parker hatte Ann June noch nie gesehen, aber er war erschüttert von dem Schmerz, der sich in dem verzerrten Gesicht widerspiegelte. „Jerry“, stieß sie mit kaum geöffneten Lippen hervor, die trocken und rissig über den weißen Zähnen lagen. „Oh, Jerry, er kam noch – ich – ich …“ Jim beugte sich zu ihr herab. „… als er mich anrief“, stammelte sie, ohne daß sie etwas davon wußte, „er sagte, ich müßte es tun – ich …“ Ihre Stimme war nur noch ein kraftloser Hauch, doch Jim vergaß alles um sich.
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* Jerry Gerwin hatte strammen Dienst. Der Morgen des 18. August war regnerisch. Im Sicherheitsdienst verfluchten sie den Nieselregen, als sei er eine Heimtücke des Himmels gegen Oberst Mortimer und seine Männer. Die graue, diesige Luft erschwerte ihnen ihre Überwachungsarbeit. Aus Madras wurde gegen acht Uhr vormittags gemeldet, daß der geheimnisvolle Dr. Sanda an Bord einer amerikanischen Raketenmaschine gegangen sei. Jerry Gerwin gehörte zum Kordon, der den Central Park abschirmte. Er befehligte eine Hundertschaft des Sicherheitsdienstes. Seine Gedanken waren so trübe wie der Morgen – er wußte nicht, warum – bei allen Teufeln, er mußte immer an Ann denken, und dabei war ihm so, daß er am liebsten geheult hätte. Verbissen rauchte er eine Zigarette. Ein Hubschrauber strich tief über ihn dahin, Jerry Gerwin blickte mit der immer wachen Aufmerksamkeit des Sicherheitsmannes nach oben. Vorn in der Kabine saßen Fritz Wernicke und der europäische Oberleutnant, der ihm lächelnd etwas zurief, was er nicht verstand. Wahrscheinlich machte er ein Gesicht wie ein Menschenfresser. Der Regen wurde stärker. Die Männer, die neben Jerry in Jeeps und auf Krädern saßen, klappten mißmutig ihre Mantelkragen hoch. Gegen neun Uhr kam eine Durchsage, daß das Geschwader mit Sanda unterwegs sei und gegen 10.30 Uhr die Westküste erreicht haben werde. Das Geschwader sollte auf dem Flughafen von Orion-City landen. Sanda sollte dann in einem Hubschrauber zu Cunninghams Villa übersetzen. Wernicke und Allen Lenn kamen nach einiger Zeit wieder aus
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dem Parkgebiet zurückgebrummt. Jerry Gerwin sah auf seine Armbanduhr und verwünschte diesen ganzen Zirkus, den sie hier veranstalteten, um zwei Männer zu schützen. Er dachte an Ann. Irgend etwas stimmte nicht mit ihr. Als das Geschwader mit Sanda schon vor der Küste stand, kam einer seiner besten Kameraden vorbei – nervös – blaß. „Heute passiert noch was – verlaß dich drauf!“ * Das unbekannte Raumschiff erhöhte seine Antriebsgeschwindigkeit. Es verfügte über Energien, die man auf der Erde nur noch bei einem geheimgehaltenen Versuchstyp des S.A.T. kannte. Das Raumschiff war unbemannt. Seine Bugkanzel war leer. Aber das Robotgehirn, das es lenkte, hatte die Anweisung, es auf einen bestimmten Punkt der Erde zurasen zu lassen. Auf New York. * In London saßen sie vor einem großen Bildschirm. Hier ahnte niemand, daß in wenigen Tagen ein Raumschiff die Erdatmosphäre durchstoßen und sich auf New York stürzen sollte. Wer dachte schon in diesen Augenblicken an New York. Lord Clifford und seine Mitarbeiter beobachteten, was sich in Orion-City abspielte. Es war eintönig und enttäuschend genug. Auf dem Bildschirm sahen sie, wie aus dem regenschweren Vormittagshimmel ein Verband mittlerer Raketenmaschinen
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auftauchte und sich dem riesigen Flugfeld entgegenschraubte. Es waren 15 Raketenmaschinen, und es war nicht zu erkennen, in welcher von ihnen sich der sagenumwobenste Mann der Erde befand. Lord Clifford wußte allerdings, daß er der dritten Maschine entsteigen würde. „Da ist schon der Schrauber!“ Ein Hubschrauber, der sich nicht von den anderen der Sicherheitstruppe unterschied, stand plötzlich über dem landenden Verband. Die dritte Raketenmaschine setzte als erste auf. Der Hubschrauber schoß neben ihr herab. Lord Clifford und seine Mitarbeiter beugten sich gespannt vor. Jetzt mußte der Mann kommen, der Sanda hieß, und von dem niemand wußte, was ihn mit Cunningham verband. „Vielleicht sehen wir jetzt Jerk Hathaway“, sagte einer gepreßt. Keiner antwortete. Sie hielten den Atem an, und nicht einmal auf dem spitznasigen Gesicht des WP-Präsidenten zeigte sich ein Lächeln, als der Raketenmaschine ein unauffälliger und einfach gekleideter Mann entstieg, der mit wenigen Schritten beim Schrauber war. Gleich darauf flogen sie zum Central Park hinüber. * Das Raumschiff brauste heran. Noch immer nicht hatten die Schiffe und die Außenstationen der Erde es ausgemacht. Wie ein Raubtier, das sich an ein Opfer heranschleichen wollte, hielt es sich immer in einem bestimmten Abstand zu anderen Raumschiffen, die aus der Unendlichkeit auftauchten. Das Robotgehirn auf New York eingestellt.
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* „Mr. Sanda ist zu Ihnen unterwegs, Sir!“ „Danke!“ Der Generaldirektor legte auf und hob das Glas, das er eben neben dem Fernsprecher abgestellt hatte. Es enthielt eine gelbliche perlende Flüssigkeit, die er in einem Zuge trank. Ted S. Cunningham atmete tief durch und spürte, daß er ruhiger wurde. Das Herz, das noch vor einigen Minuten dumpf und schwer in der Brust gehämmert hatte, schlug wieder gleichmäßiger. Der gute Ted lächelte sogar. Sanda konnte kommen! Er sollte alles so vorfinden, wie er es wünschte. Cunningham ging mit seinen wuchtigen Schritten durch das kleine Gartenzimmer, in dem die Unterredung stattfinden sollte. Cunninghams Hände schoben ein Glas und eine Schale etwas zurecht. Sie stießen auch auf ein kleines, rechteckiges Ding, das aussah wie eine winzige Kamera und kaum einen Zentimeter lang war. Sie hoben es auf – die Finger glitten prüfend darüber hin – dann legten sie es vorsichtig hinter eine Vase, so daß es von dem Sessel aus nicht zu sehen war, in dem Sanda Platz nehmen würde. „Er soll alles so vorfinden, wie er es wünscht“, lächelte Cunningham wieder. Gleich darauf ging die Tür auf und Jackson, der alte Diener, winkte aufgeregt, Cunningham trat vor das Haus. Der feine Regen stäubte sein Gesicht, aber er spürte es nicht – er sah nur den Mann, der aus dem eben gelandeten Hubschrauber stieg. „Sanda!“ rief er freudestrahlend. „Auf diesen Augenblick habe ich gewartet!“
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Der indische Wissenschaftler verneigte sich tief vor ihm und machte das Zeichen der Freundschaft. „Meine Hoffnungen leben wieder auf, Cunningham!“ Neben dem Generaldirektor betrat er das Gartenzimmer. * Die Nacht kroch auf den Rundbau der Zentrale zu. Die Mondnacht. Sie war wie ein gigantisches Untier, das unholde Geister aus der Tiefe des Weltalls herabschickten, um den kleinen Erdenmenschen zu zeigen, wie winzig sie waren. Über die Eldoradoebene jagte ein Schnellwagen. Jim Parker saß neben dem jungen S.A.T.-Fahrer, der den Wagen traumsicher mit Höchstgeschwindigkeit dahinjagen ließ. In der Ferne geisterten die Lichter einer Vorstation durch die trostlose Verlorenheit. Nach einer Stunde erreichten sie das große zentrale Raketenfeld der Mondwerke. Auf dem gewaltigen Startviadukt ruhte bereits das Raumschiff „S.A.T. Luna III“, mit dem der Kommodore sich gleich den Sternen entgegenwerfen würde. Auf der Erde ging jetzt der 18. August seinem Nachmittag entgegen. Der Chef des Mondsicherheitsdienstes trat aus dem hellerleuchteten Kommandogebäude des Feldes. „Bleiben Sie ruhig hier, Mann, in Orion-City scheint alles klar zu gehen! Der Inder wird den Generaldirektor in einer Stunde verlassen.“ Jim sah auf seine Armbanduhr und dann zum Startviadukt hin. Er war unruhig, und in seinen Augen funkelte es kalt und unbarmherzig. „Ich habe vorhin noch einmal mit dieser Miß June gesprochen! Sie ist noch immer nicht ganz bei Besinnung, aber soviel habe ich doch herausgehört, daß sie Jerk Hathaway gesehen hat – –“
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„Wo?“ fragte der andere knapp und sehr aufmerksam. „In Orion-City?“ „Ja! Und ich hoffe, ich werde ihm noch zuvorkommen – ich hoffe es!“ „Kennen Sie ihn etwa bereits?“ „Ich glaube, ihn zu kennen!“ Der Chef des Mondsicherheitsdienstes legte ihm die Hand auf die Schulter. „Hals- und Beinbruch, alter Junge!“ * Es hatte wirklich den Anschein, als ginge in Orion-City alles klar. Bis um vier Uhr nachmittags unterhielt sich Ted S. Cunningham mit dem indischen Wissenschaftler unter vier Augen. Nicht einmal der zuständige Minister in Washington wußte, worüber sie sich unterhielten. Dann verabschiedete sich Dr. Sanda. Der Generaldirektor brachte ihn bis zum Hubschrauber, der gerade wie ein Rieseninsekt aus dem aufklärenden Himmel herabstieg. Der Pilot des Schraubers, ein Sergeant, verzog keine Miene und verbarg geschickt, wie neugierig er war. Sanda lächelte und hakte sich sogar bei Cunningham unter, während sie herankamen. Einen Meter vor der Kiste blieben sie noch stehen und unterhielten sich in einer Sprache, die der Sergeant nicht verstand. Er sah nur, daß Cunninghams Gesicht vor Aufregung gerötet war. Dann starteten sie. Der Generaldirektor winkte dem Inder nach, der noch einmal grüßend die Hand hob. Lange stand er und atmete tief die frische kühle Luft ein. Als er endlich in sein Gartenzimmer zurückkehrte, wurde ihm eigentlich erst bewußt, was dieser Tag ihm gebracht hatte.
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Sanda hatte ihm sein Geheimnis anvertraut. Mündlich. Ach, es war nicht schwer zu behalten, denn es war einfach, wie alles, was wirklich genial war. So also konnte man auf der Erde die Finsternis ausbreiten, so konnte man die Sonnenstrahlung aufheben! So einfach war das! Der Generaldirektor strich sich über die Schläfen. Verdammt noch mal, da war schon wieder dieser Druck, den er sich nicht erklären konnte. Etwas steifer als vorhin ging er an ein TV-Telefon und wählte Washington. Der Minister war gleich da – wahrscheinlich hatte er schon stundenlang auf diesen Anruf gewartet. „Cunningham! Was ist denn nun? Was wollte Sanda?“ „Sir, ich bitte Sie, für morgen abend den S.A.T.-Rat einzuberufen!“ * „… unterwegs wie vorgesehen …“ Der Funker des Raketengeschwaders, das den Inder zurück in seine Heimat brachte, setzte alle zehn Minuten diesen Text ab. In der fünften Maschine lehnte sich Dr. Sanda entspannt zurück. Auch hier lächelte er noch. Sein edles Gesicht war wie das eines Schlafenden. Er sprach mit einer jungen dunkelhäutigen Frau, die in Indien auf ihn wartete. Er sah sie bereits vor sich. „Die Bürde ist von mir genommen, Arrid! Ich konnte sie auch nicht länger tragen!“ Die Augen der jungen Frau waren groß und dunkel auf ihn gerichtet. „Und nun, Vater – was soll nun werden?“ „Wir werden die Erde verlassen!“ *
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Der Kommodore näherte sich der Außenstation „Luna nova I“. Weit zurück im freien Weltall schoß das fremde Raumschiff heran, das niemand sehen konnte. Auch hier an Bord war man noch ahnungslos. Jim Parker ging den Mittschiffsgang entlang und sah durch eine der länglichen Sichtscheiben. Wie aus unendlicher Tiefe stiegen blaue und rote Lichter auf. Die ferne Außenstation. Vor ihm öffnete sich eine Hermetiktür. Ein Nachrichtenmann trat heraus. „Kommodore, wir haben die Verbindung! Der Oberst meldet sich!“ Was hat er nur? dachte er, der macht ja ein Gesicht! Jim Parker stand schon in der Funkbox, in der die Verstärker heulten. Über Außenstation und Großsender Orion-City konnte er mit dem Chef des Sicherheitsdienstes sprechen. Schön hörte es sich nicht an, als er loslegte. Die Verstärker nahmen seine Stimme auf und verzerrten sie zu einem Geheul böser Geister. Mortimer würde schön fluchen. „Haben Sie mich verstanden, Mortimer? Sehen Sie sich sofort in London um! Im St.-Georges-Viertel! Und sagen Sie Lord Clifford, daß er sich einmal seinen eigenen Laden ansieht! Sonst soll ihn der Teufel holen! Vergessen Sie nicht, Wernicke zu instruieren! Verstanden?“ Die „S.A.T. Luna III“ beschrieb bereits die große Einflugsschleife vor der Außenstation. Von der Erde aus, die unter ihnen wie eine riesige Halbkugel schwebte, heulte es zurück: „Ich will verdammt sein, wenn ich das mitbekommen habe! Wahrscheinlich haben Sie einen anständigen Mondkoller!“ „Über meinen Geisteszustand können wir uns später unterhalten! Tun Sie jetzt das, was ich Ihnen eben sagte!“ „Ich habe nichts dagegen!“ *
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Damit löste Jim eine Lawine aus. Mortimer schnappte nach Luft. Er hatte rasende Kopfschmerzen, als er in seinem Arbeitszimmer den Apparat mit einem schauerlichen Fluch abstellte. Er ließ eine Sofortverbindung mit London herstellen und rief zwischendurch Fritz Wernicke an. Wernicke hörte sich mit der Flasche in der Hand an, was der Sicherheitshäuptling ihm zu sagen hatte. Mortimer war schon wieder eiskalt. Der Jagdhund hatte eine Fährte gefunden. Wernicke schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich hörte er schlecht, oder Mortimer hatte sich mit seinen billigen Zigaretten vergiftet. Aber als der Oberst mit einer Mordsgeduld alles noch einmal sagte, war es ihm, als müßte er in die Knie gehen. „Ernst, Oberst?“ stammelte er kläglich. „Wirklich – blutiger Ernst?“ „Ich habe jetzt keine Zeit, faule Witze unterzubringen! Wir werden nachprüfen, ob Parker wirklich den roten Faden gefunden hat! Bis morgen abend werden wir es wissen! Verstanden?“ „Verstanden!“ erwiderte der kleine Commander automatisch. Er sah böse auf den Hörer, als er ihn niederlegte und setzte die Flasche an. Als er sie ausgetrunken hatte, warf er sie in eine Ecke und wischte sich mit einem Seidentuch über das Gesicht. Dann stakte er zurück in die Bibliothek. Oberleutnant Allen Lenn saß vornübergeneigt in einem Sessel und betrachtete sich ein albernes Fernsehspiel. Er stand auf. „Diesen 18. August hatte ich mir aber doch etwas anders vorgestellt – weiß der liebe Himmel …“ „Lenn, die Schweinerei ist schon da“, sagte der Commander bedrückt. „Haben Sie Lust, morgen abend die Sitzung des S.A.T.-Rates zu besuchen?“ „Ich denke, da kommt niemand rein, der nicht dazugehört?“ „Mit mir schon!“ Er mußte jetzt noch mehr trinken und gab
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der Hausbar einen Stoß, daß sie in die Mitte des Zimmers rollte. „Man verdächtigt sonderbarerweise diesen Inder und nimmt an, daß er morgen abend zurückkehren wird.“ „Sanda?“ Allen Lenn sah in die Gläser auf der Hausbar, in denen sich das Flutlicht zauberhaft brach. „Sanda soll Jerk Hathaway sein? Das kann ich nicht glauben, Wernicke! Wer ist denn darauf gekommen?“ „Unser Sicherheitsdienst! Parker!“ „Na ja – gehen wir mal hin.“ * Nachts um drei geschah es. . : In Orion-City schliefen nicht viele. Nach dem kühlen Sommertag breitete sich ein klarer Sternenhimmel. Die Stimmung in der großen weißen Stadt war irgendwie zerrissen – man hatte einen Knall erwartet. Insgeheim wartete man noch auf ihn. Nachts um drei, als in der glitzernden Pracht der „Gold and Silver Street“ heiße Rhythmen schräg und hart über die Tanzflächen peitschten, traf von der Außenstation eine Meldung ein. Mitten hinein in die angespannte Ermittlungsarbeit des Sicherheitsdienstes platzte sie. „Ein unbekanntes Raumschiff im Anflug auf die Erde.“ Bei allen Stellen, die für den Einsatz von S.A.T.-Raumschiffen verantwortlich waren: „Ein unbekanntes Raumschiff …“ In Tanger beim Weltsekretär für Weltraumfahrt: „Ein unbekanntes Raumschiff …“ An Bord der „S.A.T. Luna III“ erfuhr Jim Parker in diesem Augenblick, daß ein von der Venus erdwärts fliegendes asiatisches Raumschiff den geheimnisvollen Kasten gesehen hatte.
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Der Kapitän des Asiaten mußte einen ziemlichen Schock erlitten haben, denn er berichtete entsetzt, das Raumschiff sei nur einige hundert Kilometer vor ihm „wie aus dem Nichts“ aufgetaucht. Jim Parker überlegte nicht lange. „Ich will mir das Ding ansehen“, sagte er nur, und rannte nach vorn in die Bugkanzel. Die „S.A.T. Luna III“ änderte ihren Kurs. * Auch Ted S. Cunningham erfuhr es. Er hörte sich die Meldung an, die einer seiner Direktoren ihm durchsagte und hatte sie bereits nach einer Minute vergessen Seit Sanda nicht mehr bei ihm war, fühlte er sich nicht wohl. Der Druck hinter den Schläfen war scheußlich, er war kaum noch zu ertragen – er war nicht stark genug, um als Schmerz empfunden zu werden, aber er lähmte die Gedanken. Ted S. Cunningham rauchte eine Havanna, obwohl sie ihm nicht schmeckte. Er stand am Fenster und sah in die Nacht, die hier in der Abgeschlossenheit den Central Parks noch etwas Ursprüngliches hatte. Ich verstehe das nicht, grübelte er verbissen und horchte auf das Rauschen in den hohen Baumwipfeln, verdammt noch mal, ich ertrage das nicht länger – ich bin doch allein, und doch beobachtet mich einer. Zwei Augen waren vor ihm. Ted S. Cunningham sah sie nicht, er fühlte nur ihren Willen, und der war sehr stark. Langsam zog er das kleine Ding aus der Tasche, das aussah wie eine Kamera. Er hielt es in Brusthöhe vor sich. Leise sprach er ein paar Sätze hinein.
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* Die Augen wichen nicht. Sie sahen mehr als die von Menschen, die nur in der realen Welt lebten. Sie sahen nicht nur den einsamen Mann mit der brennenden Zigarre. Auch in New York spürte einer ihre Macht. Es war der Polizeipräsident, der diese Nacht in seinen Büroräumen verbrachte, weil ihn irgendein Fall besonders interessierte. Als er von seinem Schreibtisch aufsah, fielen seine Hände schwer auf die Akten, die vor ihm lagen. Sein Blick senkte sich nicht wieder. Da – da war doch was? Gleich darauf hörten seine Sekretäre ihn aufschreien. Sie stürzten herein. Der Polizeipräsident hockte zusammengekrümmt in seinem Sessel und preßte die Hände gegen das weiße Gesicht. Seinen Sekretären stockte der Atem – so hatten sie ihren Chef noch nie gesehen. „Sir – wir rufen den Arzt – wir …“ „Nein“, ruckte er hoch. „Ich rate euch, verlaßt diese verfluchte Stadt. New York wird untergehen! Sie sagten es mir – sie warnten mich …“ Sie standen um ihn herum und rührten sich nicht. „Wer sagte es Ihnen?“ preßte einer hervor. „Die fremden Augen!“ * Keiner glaubte ihm. Er brach zusammen und mußte in das Polizeihospital gebracht werden. Aber das Wort vom bevorstehenden Untergang New Yorks lebte, es war nicht mehr zu unterdrücken.
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Die Öffentlichkeit erfuhr es, und das war schlimm. Die Verantwortlichen bemühten sich, beruhigende Erklärungen abzugeben. Sie sprachen von einem Nervenzusammenbruch des verdienten Polizeimannes und fragten vorsichtshalber beim S.A.T. an, ob mit „Phänomenen irgendwelcher Art“ wieder zu rechnen sei. Die Antwort aus Orion-City war niederschmetternd: „Ein unbekanntes mittelgroßes Raumschiff hält Erdkurs und dürfte den Planeten in zwei Tagen erreichen. Nach unseren Berechnungen seiner äußersten Einkreisbahn ist es nicht ausgeschlossen, daß es in einem Gebiet Nordamerikas herabkommen wird, in dem New York liegt.“ Einer der New Yorker Stadträte stöhnte verzweifelt auf. „Wenn sie nur erst diesen Jerk Hathaway hätten!“ * Der S.A.T.-Rat trat zusammen. Es war in der Abenddämmerung des 19. August. Die großen Parkplätze auf den Dächern der Hauptverwaltung waren mit Reisemaschinen gefüllt. Mehr als 30 angesehene Männer der USA betraten den großen Saal. Mit ihnen eine Handvoll von Sekretären und Offizieren des Sicherheitsdienstes. Auch Fritz Wernicke und Oberleutnant Allen Lenn. Wernicke rauchte eine Maza-Blend, obwohl das vor Sitzungsbeginn nicht gern gesehen wurde. Ein Angehöriger des Sicherheitsdienstes hielt die beiden an und begrüßte sie. Er sagte etwas, was Lenn veranlaßte, sich umzusehen. „Aber das ist doch – Verzeihung – Unfug! Ein Mann wie Sanda …“ „Keiner weiß, wer Sanda eigentlich ist“, lächelte der Sicher-
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heitsmann und entfernte sich. Hinter Wernicke kamen noch zwei Herren in eleganten sommerlichen Anzügen. Sie waren von Oberst Mortimer dazu ausersehen, hier an dieser Stelle und noch an diesem Abend den Mann zu verhaften, der sich Jerk Hathaway nannte. Sie stellten sich neben den großen Konferenztisch. Als ein Gongzeichen dreimal ertönte, betrat Oberst Mortimer mit Generaldirektor Cunningham den Saal. Der Oberst ging aber sofort die Reihe der Ratsmitglieder entlang, während der Generaldirektor an der Stirnseite seine Mappe abstellte und einen Blick über die Versammelten warf, die noch nicht Platz genommen hatten. Dann tat er etwas Ungewöhnliches. Er verließ wieder seinen Platz und begrüßte einen Herrn, der ihm am nächsten stand. Auch einem zweiten reichte er die Hand. Fritz Wernicke verschränkte die Hände hinter dem Rücken und reckte sich. Sie durften jetzt den Generaldirektor nicht aus den Augen lassen. Allen Lenn stieß ihn an. „Ist das hier so üblich?“ flüsterte er. „Natürlich nicht! Sonst eröffnet er nur eine Sitzung! Wenn er jeden einzelnen begrüßen will …“ „Sanda kommt“, sagte einer heiser. „Er kommt gleich.“ * Jim Parker blickte starr geradeaus. In diesen Minuten fiel unten in Orion-City die Entscheidung in diesem Ringen mit einem Unheimlichen. Sie mußte fallen. Ließen sie Jerk Hathaway heute abend frei laufen, gerieten alle Menschen des Planeten in größte Gefahr. Er blickte hinaus in die Sternenräume. Sie rasten mit Vollgeschwindigkeit dem Schemen entgegen,
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das sich immer klarer aus dem Nichts herausschälte. Unaufhörlich riefen sie den fremden Kasten an. Aber in den Empfängern knackte und heulte es nur. Das Weltall schwieg. Es war ein bösartiges Schweigen, das viel verbergen sollte. „In vier Stunden sind wir in Schußweite“, sagte einer neben Jim. Der Kommodore sah zur Seite. Der Kapitän der „S.A.T.Luna III“ stand neben ihm. Er zeigte auf die Halbkugel der Erde, die tief unter ihnen schwebte. „Ich habe noch einmal den Kurs berechnet! Das Biest kommt im Osten der USA herunter – verlassen Sie sich drauf.“ Nordamerika war auf der Halbkugel sichtbar. „Das deckt sich mit meiner Schätzung“, nickte der Kommodore ernst. „Ich möchte es nicht erleben, daß ein solcher Kasten denen dort unten auf die Köpfe fällt! Wir wissen ja nicht einmal, was er an Bord hat!“ „Eben! Da hilft alles nichts, Kommodore! Wir müssen ihn abknallen, bevor er in der Atmosphäre ist!“ „Es wird uns nichts anderes übrigbleiben!“ „Denn man los! Ich lass’ backbord klar machen!“ * Ted S. Cunningham lachte jovial. Das konnte er großartig, und es sah immer sehr wirkungsvoll aus. Heute aber war dieses Lachen so gequält, daß es allen auffiel, die es mitansehen mußten. Er ging zu jedem der Anwesenden und reichte ihm die Hand. Die beiden eleganten Herren, die Jack Hathaway verhaften sollten, paßten genau auf. Keiner hatte mehr den Saal betreten. Wernicke sah die massige Gestalt des Generaldirektors näher kommen. Worte flogen hin und her. Höflich, nichtssagend.
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Oberleutnant Allen Lenn flüsterte Wernicke etwas zu, erhielt aber keine Antwort. Der kleine Commander zählte die, die noch vor ihnen waren. Vier. Drei. Zwei. Dann war das breite Lachen über ihm. „Wernicke!“ Eine behaarte Pranke, so lasch, daß es ihn erschütterte. „Altes Haus! Freut mich! Hoffe, daß Jim bald von seinem Scheibenschießen zurück ist!“ „Schönes Scheibenschießen“, stieß Wernicke hervor. Der Generaldirektor bewegte sich weiter. Die Pranke wurde Lenn hingehalten. „Lenn, das ist …“ Allen Lenn drückte ihm die Hand, aber das war auch die letzte Bewegung, die er als freier Mann machen sollte. Die beiden eleganten Herren waren neben ihm und legten ihre Arme kunstgerecht um ihn. „Allen Lenn, zeigen Sie mal, was Ihnen eben der Generaldirektor gab!“ Der Schock war so stark, daß er alle lähmte. Sie wichen zurück. Sie sahen, wie sich die Hand des Generaldirektors aus Lenins löste und wie dabei etwas herunterfiel. Ein kleines, unscheinbares Ding. Wernicke bückte sich und hob es auf. Allen Lenn brüllte wütend auf und warf sich zurück. Sie fielen mit ihm hin, aber es nützte ihm nichts mehr. Drei, vier andere warfen sich jetzt über ihn, und er konnte nur noch sehen, daß Ted S. Cunningham aufschluchzte und taumelte. Mortimer war schon neben ihm. Stützte ihn und wurde geradezu liebevoll. „Es wird jetzt alles wieder ins Lot kommen, alter Bursche! Ein Jerk Hathaway, der am Boden liegt, kann Ihnen nicht mehr gefährlich werden!“ „Jerk Hathaway?“ murmelte Cunningham verstört, so, als erwache er aus einem tiefen Schlaf. „Das soll Jerk Hathaway sein?“
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„Das ist der Mann, der Ihnen sagte, was Sie tun sollten!“ Ted S. Cunningham stierte benommen. Der Druck hinter den Schläfen wurde schwächer, aber dafür klopfte ihm das Herz so schwer, daß er sich auf Mortimer stützen mußte. „Wasser! Gebt mir Wasser zu trinken!“ *
„Feuer!“ Jim Parker stand am Richtgerät in der Bugkanzel und legte den Hebel um. Das Schiff feuerte backbord! Mit der ganzen Breitseite. Sie konnten sich Maßarbeit schenken. Und brüllen brauchte Jim auch nicht. Aber er konnte nicht anders. Der fremde Kasten stand keine hundert Kilometer von ihnen ab. Aus zehn Rohren schossen mächtige rote Strahlen, flogen wie Schlangen durch den Raum, trafen. Bei allen Weltraumgespenstern! Was kam nun! „Festhalten“, brüllte der Kommodore ins Mikrophon. Dann flammte auch schon das Weltall auf. *
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Über ganz Nordamerika war es sichtbar. So etwas hatte es noch nicht gegeben. Als wenn eine Hölle von Licht jenseits der Atmosphäre losbrach. Sechs Sekunden war der Himmel über Nordamerika taghell. Für sechs Sekunden. In Orion-City sahen sie es. In einem engen, schmalen Raum des Sicherheitsdienstes, in dem ein Mann in der Uniform der Weltpolizei zwischen zwei anderen Uniformierten saß, die ihn nicht aus den Augen ließen. Allen Lenn wehrte sich nicht mehr. Er saß ganz ruhig da, das Gesicht zu einem Fenster gewandt. Als es aufblitzte, zuckte er nur die Schultern. „Aus! Es tut mir leid um Ahaves!“ „Wer ist Ahaves!“ „Wer war Ahaves, müßten Sie fragen, Oberst! Er wird sich in dieser Sekunde das Leben genommen haben! Sie sind noch immer etwas benommen, Wernicke! Dabei haben Sie mich hereingelegt, daß man Ihren Ruhm noch jahrelang singen wird!“ „Wer Ihnen auf die Schliche kam, war Parker, mein Lieber“, grinste Wernicke. „Sie waren einfach zu frech, als Sie sich ihm zweimal zeigten – und dann auch noch Miß June, bevor Sie abflog …“ Ihm war aber doch etwas kläglich zumute! Allen Lenn, dieser feine Kerl und Kamerad, war Jerk Hathaway! Zum Teufel! „Ich sehe Ihnen an, was Sie denken, Wernicke! Auch Lord Clifford wird jetzt erst einmal Urlaub nehmen! Die Blamage! Haben Sie mal etwas von einem Dr. Berg Lenn gehört? Er war mein Vater. In Dänemark hatten wir ein Gut, auf dem er seine Studien betrieb. Er war einer von denen, die nicht an den Segen der Technik glauben können! Er sagte es öffentlich auf einer wissenschaftlichen Tagung, auf der auch Mr. Cunningham anwesend war. Cunningham hat dann seine Argumente mit einem eiskalten Sarkasmus zerrissen, daß mein Vater unter Hohnge-
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lächter den Raum verlassen mußte. Er war etwas hilflos und sensibel und starb wenige Tage später an einem Herzschlag. Ich begann den Mann zu hassen, der so mit meinem alten Herrn umgesprungen war. Aber es blieb bei diesem Haß, bis ich Ahaves traf. Ahaves hatte früher einmal mit dem Inder Dr. Sanda zusammengearbeitet, war aber nie hinter dessen Geheimnis gekommen. Er wußte nur, daß Sanda ein alter Freund von Cunningham war und daß er beabsichtigte, diesem sein Geheimnis anzuvertrauen, um dann auf einen anderen Planeten überzusiedeln. Ahaves war ein Mensch, dessen Fähigkeiten in jene Gebiete vorstießen, die jenseits des Realen lagen. Wir beschlossen, Cunningham zu zwingen, uns sein größtes Geheimnis zu verraten! Ich spielte ihm dabei das kleine Gerät zu, als Wernicke mich ihm vor einigen Tagen vorstellte. Das kleine Ding nahm alles auf …“ „Augenblick!“ Mortimer schnitt ihm mit einer schneidenden Handbewegung das Wort ab. „Wo war Cunningham, als er verschwunden war?“ „Wir hatten ihn unter hypnotischer Beeinflussung entführt. Das war notwendig, um ihn ganz unter Ahaves Einfluß zu bringen. Er war zunächst auf einer Kanalinsel und dann auf Märlanders Insel. Märlander stellte Ahaves seinen Machtapparat zur Verfügung. Wir benutzten ihn zunächst einmal, um Sie abzulenken. Denken Sie an die Strahlenangriffe auf Antwerpen und New York. Durch eine Bildstellenleiterin, die wir unter unseren Einfluß stellten, kamen wir dazu, ein Raumschiff mit leichteren D-Wellen zu verseuchen …“ „Woher kam das fremde Raumschiff?“ „Es war ein Roboterschiff, das Märlanders Leute in der Nähe des Mars starteten. Es hatte einen aktivierten Leuchtstoff an Bord, der New York in wenigen Stunden verbrannt haben würde.“ „Warum sollte das geschehen?“ „Wir wollten mit Sandas Geheimnis und diesem Leuchtstoff
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die Weltherrschaft erringen! Darum mußten wir auch Märlander ausschalten, denn unsere Organisation konnte nur von einem geführt werden. Von Jerk Hathaway!“ Fritz Wernicke erhob sich und verließ den Vernehmungsraum; er mußte Luft haben – viel frische Luft! Draußen stieß er auf einen glückstrahlenden Leutnant, der ein Depeschenformular in der Hand hielt. Es war Jerry Gerwin. Wernicke kannte ihn nur flüchtig, aber er war froh, von dem abgelenkt zu werden, was sie drinnen anhören mußten. „Na, Gerwin! Will Sie auch einer unter hypnotischen Zwang stellen?“ „Yes“, grinste der Leutnant und steckte rasch das Formular weg. „Die schönste Frau der Welt! Sie wird nächste Woche aus dem Mondhospital entlassen.“ „Doch nicht etwa die kleine June?“ „Genau getroffen, Commander!“ Fritz nahm seinen Arm. „Dann seien Sie recht nett zu ihr – ich glaube, sie hat allerhand Schweres durchmachen müssen!“ Jerry Gerwin nickte nur. Er wußte, daß Ann June ihre rechte Hand kaum noch würde gebrauchen können. Aber es sollte keiner wieder kommen, der ihr etwas antun wollte! „Darauf können Sie sich verlassen, Commander!“ – Ende –
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