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Band 241 der Bibliothek Suhrkamp
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Djuna Barnes Antiphon Deutsch von Christine Koschel und Inge von Weidenbaum
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Band 241 der Bibliothek Suhrkamp
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Djuna Barnes Antiphon Deutsch von Christine Koschel und Inge von Weidenbaum
Suhrkamp Verlag
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Titel der Originalausgabe »The Antiphon« © 1958 by Faber and Faber, London
1. Auflage 1972 © der deutschen Übersetzung Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1972 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vertrags, der Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Abschnitte. Das Recht der Aufführung oder Sendung ist nur vom Suhrkamp Verlag, 6 Frankfurt am Main, Lindenstr. 29-35, zu erwerben. Druck: Poeschel & Schulz-Schomburgk, Eschwege Printed in Germany By
n maoi
2003/II-1.0
NICHT ZUM VERKAUF BESTIMMT. 4
Vorbemerkung Da eine falsche Auslegung des Antiphon nicht unmöglich ist, sollte man vielleicht bedenken, daß dieses Stück über das Wörtliche hinausgeht. Jack ist (während des I. Aktes) freimütig, nicht aufdringlich; Augusta, in ihrer Erscheinung hager und aufrecht, ist ihrem Wesen nach abwechselnd harsch und furchtsam. Miranda, obwohl auf eine harte Probe vorbereitet, kann sich zu leidenschaftlicher Wut steigern. Aber zwischen den beiden gibt es kein Gejammer; ihre Vertrautheit ist ihre Entfremdung, in diesem Abgrund findet ihr Zweikampf statt, und er sollte mit Stil geführt werden. D. B.
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Dem Andenken am Edwin Muir
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Personen Die Witwe AUGUSTA BURLEY HOBBS JONATHAN BURLEY, ihr Bruder MIRANDA, ihre Tochter
}
DUDLEY ihre Söhne ELISHA ›JACK BLOW‹, ›Kutscher‹
Reisende auf dem Weg zum Hafen. Zeit: Während des Krieges von 1939 Ort: England, Burley Hall, im Stadtbezirk Beewick, ein ehemaliges Chorherrenstift, Familiensitz der Burleys seit dem späten 17. Jahrhundert.
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I. Akt
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Die große Eingangshalle von Burley Rechts und links führen breite, flache Treppen zur Galerie hinauf. Über die Balustrade hängen Flaggen, Banner, Barette, Ordensbänder und Theaterkostüme aller Art. Genau unter der Galerie ist eine gewölbte Türöffnung ohne Türe. In der Halle steht ein langer Tisch, dahinter ein Kastenstuhl, an den Tischenden die beiden Hälften eines Greifen, früher ein Wagen in einem Karussell. Der Tisch ist in aller Form gedeckt, beherrscht von schweren Kerzenleuchtern, einer großen Suppenterrine aus Porzellan, einer bronzenen Vesperglocke und einer zerbeulten, vergoldeten Fastnachtskrone. Zur Linken steht vor einem gotischen Fenster ohne Scheiben eine Schneiderpuppe in Uniform, umringt von Notenständern, Hörnern, Fiedeln, Gewehrkästen, Hutschachteln, Masken, Spielzeug und zerbrochenen Tier- und Menschenstatuen. Zur Rechten sieht man durch die eingestürzte Mauer in die Landschaft und auf einen Teil eines verfallenen Kreuzganges. In der Maueröffnung sitzt ein grauer Flanellesel mit dem Rücken zur Bühne. Miranda, eine hochgewachsene Frau, Ende fünfzig, kommt aus dem Kreuzgang herein. Ihre Haltung ist vornehm, aber zerrüttet. Sie trägt ein elegantes, doch verschlissenes Kleid, offensichtlich ein Theaterkostüm, einen langen Mantel, Schnallenschuhe und einen raffinierten Dreispitz mit wehenden Hahnenfedern. Die linke Hand stützt sie auf einen Spazierstock mit schwerer Krücke. Ihr folgt in respektvollem Abstand Jack Blow, ein bärtiger Geselle mit einer Augenklappe, ungefähr im gleichen
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Alter. Er ist in hohen Stiefeln und langem Kutscherrock und trägt eine Peitsche und einen geschlossenen Weidenkorb. Bei seinem Eintritt hält er seine Melone hoch über den Kopf, als erwarte er Applaus von der Galerie. Im ersten Akt ist sein Verhalten aufreizend, beißend, clownesk. MIRANDA
Hier ist ein Riß durch die Natur; Hier ist feiste Stille, umfriedeter Zerfall; Hier ist Roheit, was einst Heimat war. JACK
Ein Thema ohne Variation, Sogar der dreiste Tick des Daseins stockt. MIRANDA
Geborsten ist die Wand, wo der Altar einst stand, Das Becken trocken, voll Staub die Notenpulte. Hörn und Fiedel... JACK
Verstummt, wie Missae pro Defunctis. Welcher Irrwitz führte Sie hierher zurück? Kann denn kein Mensch sein Leben einrenken, Unbewegt in der Verheerung, wie eine Fahne, Abgedankt und dennoch gegenwärtig? MIRANDA
Dies Feld, dies Brachland, dieser Spuk der Zeit, der Wall, Der Startpflock, von dem meine Mutter lief... JACK
Es riecht nach Jagd, wie einer Witwe Atem. MIRANDA
Folg der Spur, Jack Blow, wir reisen morgen früh: Dann lebe wohl Benediktinerschuh, Der meiner Mutter Fuß umschloß – und ihre Qual.
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JACK
Gewiß. Wo ist jedoch Ihr Onkel Jonathan? Kamen Sie nicht, ihm zärtlich Lebewohl zu sagen? Die Szene steht, doch scheint der Spieler fort. Kein Zöllner, Klagweib, Wächter, cicérone; Kein Büttel, Richter, Advokat, kein Schreiber, Mit einem Wort – kein Publikum. Sie werden sich Mit meinem Applaus begnügen müssen, Gnädigste. MIRANDA
Nicht so rasch. Fürwahr, das Sippennetz, es zerrt Ein Wrack herauf, das eine Zeit unwidersprochen war. Jedoch Verderbnis, die geschwind sich offenbart, Enthemmt die Vorsicht, und der Vesper-Maulwurf Tappt übers Winterpflaster des Prophetenschädels. Im faulen Fleische hingeschwundnen Auges Steht wie ein Tümpel Eitelkeit und spiegelt Die gierigen Geschäfte mit dem Paradies. Die Welt hat einen Sprung – und in dem Bruch Ist meines Vaters Unterschlupf. JACK
Das ist ein Hieb, der mich vernichtet! Wer schnappt eine Falle zu, und sie blieb' unversehrt? MIRANDA
Wem folgt der Hund, wenn man ihn ruft bei seinem zweiten Namen? Zu welchen Tiefen steigt einer auf beim Anruf ›Liebe‹? Dies befristete Gestolper, dies flinke Gefährt der Tage, Der Staub, der Menschen gerbt und sie gemein macht – Dies grindig aufgeworfene Gesicht der Zeit... JACK
Läge Beewick nicht am Weg zum Hafen, Und hätten Sie mir nicht gesagt, Reisende zu Fuß
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Benutzten dieser Tage Burley Hall als Obdach, So hätte ich geraten, es zu meiden. MIRANDA
Hättst du das? JACK
Rollt seine Melone von der Ellbogenkehle zum Handteller Nun, darauf kann ich nichts mehr sagen; Es ist ja schließlich Ihr geliebtes England. MIRANDA
Dieser verfallne Ort war einst die Wiege meiner Mutter. Augusta, die Gute, hier hat sie geplärrt. Wenn Tradition und altes Lehen – Und sei der Umfang auch gering, zum Maßstab werden, Zu Trutzburg und Verschanzung für das Reich der Seele, So könnt' man sagen: Sie wurde hier auf einem Wappenschild gewindelt. Gräber war'n ihre Fibel und ihre Rechenlehre, Beewick ihre Stadt und Burley Hall die Schule. Mit der Fledermaus der Tudors nistete ihr Geist, Der Sphinkter-Rose, festgesaugt an der Schamöffnung Ihrer geheimsten Vorsätze; Nabe und Maß, Die die Spannung ihrer Pole hielten, Die wahre Umlaufbahn ihrer Neigung. JACK
Rollt seine Melone in die Armbeuge zurück Aha! Gierig auf blaues Blut und Huldigung? MIRANDA
Sie stützte sich so sehr auf Adel und Legende, Daß sie zu ihrem eignen Widersacher wurde – Bis sie sich in Vergessenheit verwarf
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Und kreiselnd wie ein Kompaß ohne Halt, Einem Zifferblatt ohne Stunden zum Opfer fiel – Heirat mit meinem Vater und seiner Narrheit. JACK
Ich sagte stets, kein Piédestal, das nicht, Wenn man es stößt, den Hintern seines Helden wackeln läßt. Ich selbst, der ich hier steh, bin auf der Flucht. Es gibt kein höheres Ziel als die Zerstörung. Und hier, das ist der Gipfel. MIRANDA
Wenn dem so ist, mein Freund, schraub dich in den Ruin; Und wie des Juwelieres Raubtierlinse prüft, So achte du auf Pomp und Praktiken der Ameise. Kann denn der Wind in seiner gesammelten Wucht Ihre unverdrossene Eile zerstreun? JACK
Nein. MIRANDA
Wenn, sagen wir heut nachmittag, die Erde bebte Und tausend Pflastersteine in die Höhe schleuderte, Würde der Flügelkäfer nicht sein Ziel anstechen? JACK
Würde er? MIRANDA
Und der verrückten Zeit des Zifferblatts Seine Absicht aufprägen? JACK
Hm, ich meine schon. MIRANDA
Doch hier, da tauschte sie, Augusta, meine arme Mutter,
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Das fromme Gleichgewicht ihrer Idylle Gegen den Torkelkompaß des Barbaren – Meines Vaters, Titus Higby Hobbs von Salem – JACK
Sie, die einst schaukelnd hing am Gartentor.., MIRANDA
Und mit der offnen Hand die Hecken langgesegelt kam, Den Gartenweg hinab nach Gästen spähte; Nach dem Frühling ausschlug wie ein Böckchen, Dem Sommertag entgegensprang und tollte, Und blökte, bähte, fröhlich, wie sie von Natur aus war, Genährt von einem solchen Schwarm argloser Bilder, Daß sie entzückt sich umsah und sagte, ›horch, Siebenschläfer!‹ und Laubheuschrecken scheuchte. JACK
Kein einheimisches Insekt – MIRANDA
Mit diesem Fehlgriff hast du die Tragödie. Vor den Frühling geschirrt, auf Zaumzeug lispelnd, Ein langer Wind durch ihre Mähne fegend, So kam sie, sang und sprang, bis sie in einem Kurzen, schneidenden Moment umgerissen ward Und still lag, wie das Wasser in dem Stock, Mit dem der Zimmermann sein Maß nimmt: Ganz hintüber gestürzt in einem Lockenhagel, Mit Kobaltaugen in der Sauermilch der Leidenschaft ertrunken – Eine schlichte Blume in der hochgereckten Hand. JACK
Guter Gott! MIRANDA
öffentlich besudelt wie die Stallfliege
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Vollführte sie auf ihrem Rücken das tragische Ballett, Füllte mit Kränkung die ihr aufgepreßten Brünste Und pflanzte krüppeliges Leid aus dieser Ehe fort, Wie Frauen müssen, die die Unlust aufziehn Und denen jeder Traum mißrät. JACK
Und Sie sind Arm und Bein davon! MIRANDA
Den drei Söhnen dieses Beinespreizens wandte sie sich offen zu: Auf mich warf sie den verstohlenen Blick des Hundes, Der sich umdreht und seine Exkremente untersucht. Doch als sie niederkam, beide Enden ihres Leibs in Terror, Da starrte ein Kopf auf den andern, und sie weinten. JACK
Mit einem langen Pfiff Welch wilde, grause Reise ist Ihre Erinnerung! Wie finden Sie dann diese Endstation des Schweigens? MIRANDA
Tief bewegt. Es ist nicht gut, so sehr bewegt zu sein Von längst verlorener Vertrautheit – Und ich fürchte Händler. JACK
Spielen Sie nicht Versteck mit mir! Sagen Sie mir offen – Wie kam Ihr Vater überhaupt hierher? MIRANDA
Großmutter brachte ihn aus Middletown Und setzte ihn am Grosvenor Square auf ihre Stange. JACK
In gespieltem Erstaunen Er trabte über die Kultur, den Freibrief in der Hand,
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Unter ihm das Roß gespornt auf fünf und vierzig Grad! Oh, diese fürchterlichen Posen der Eitelkeit! MIRANDA
Sprich weniger, Jack Blow, da du nichts davon weißt. JACK Ich sagte mehr, und aus dem gleichen Mangel. Denn wer ist klüger als ein gänzlich Fremder? Hab ich das Bild des Mannes nicht erfaßt? In jedem Teil seines Wesens steckte Absolute Perfektion! MIRANDA
Du sprichst zuviel, läßt zuviel aus. JACK
In meiner Innern Galerie sitzt er in Ganzfigur; Im Lederwams tip-top, das Uhrgehäng am Wanst, Es baumelt wie auf den Docks die Fährketten; Apostel für die Freiheit der Geschlechter. Im Schatten seines bequem gesetzten Hintern, Ängstlich zurückgedrängt in einer Reihe stehend, (Sie sagten mir, er glaubte an Brigham Young) – Sein Schwarm von Weibern, geputzt mit Taft, Concord-Kameen, Glasperlen, Gürtelketten – Von ihren Tornüren straff geritten wie von Jockeys – Flankiert von Bettpfannen, Fagotten und Bastarden. MIRANDA
Man möchte beinah meinen, du hast den Mann gekannt. JACK
Ich streif umher, wo Menschen gehn; erinnern Sie sich, Gnädigste? Ich fand Sie, eine Pilgerin, am Weg. MIRANDA
Ich danke dir dafür, das mag genügen:
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Und darum schließ die Fenster, sperr die Türen zu. JACK
Erhöh die Mauern, säg den Wind um, schöpf das Meer aus! Zieh die Brücke hoch, und sperr den Himmel und die Sterne ein! Gnädigste, seien Sie nicht so mitschuldig an sich selbst; Verderben Sie sich Ihre augenblickliche Erwartung nicht Mit der verstörten Miene. Wenn Sie planen, hinter Schloß und Riegel die Luft Zu setzen, um die Zerstörung aufzuhalten – Summt Heda, ›Wer Kommt denn hier vorbei so spät‹, Immer lustick? MIRANDA
Ich sagte doch – ich fürchte Händler. JACK
Händler, Händler, Händler! Zehn-, vierzigmal haben Sie gemurmelt: Händler! Was für Händler? Mohammedaner? Kaufleute? Zupft sieb am Kinn Die ihren ekelhaften Bernstein streicheln? Gieriger Hauswirt obdachloser Fliegen? Oder vielleicht Ein Tibet-Lama, in Bussardgrau gehüllt, Der aus der stehngebliebnen Uhr die Stunden samt? Oder etwas, näher an zu Hause? MIRANDA
Genug – genug. JACK
Legt den Finger an die Nase
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Brüder? Mit ihren Börsenblättern und Bilanzen? Oder Schlimmres gar, Ihre verwitwete Mutter, Die in fremden Angelegenheiten schnüffelt? MIRANDA
Dreht sich schroff nach ihm um Halt den Mund, Jack Blow, sei still – Ich fürchte Brüder. JACK
Schwingt die Peitsche Aber Ihre Mutter etwa nicht? O Mittagshöh der Qual, wie du verblaßt, Der Fingerring entglitt und rollte vom Gelenk. Die träge Zeit, die hastende, erbrach die Schlösser Und warf den Schlüssel weg zu Ihrem Vertrauen! Doch weiter geht die Fahrt, glücklose Reisende. Ich glaube, Sie verheimlichen mir etwas. MIRANDA
Nimm das Übel hin. JACK
Übel, Madame? Ich rechne damit, In diesem Haun und Stechen allgemeinen Kriegs Bis zum Genick in Glockenstühlen zu stehn, Zwischen aufgescheuchten Wieseln, Haubenhühnern, Und Schiffen, die auf Straßen segeln. Und, weil die Sitten stumpfen, gebissen zu werden Von gestürzten Firstmedusen, die ehdem Den Himmel mit Orions unverschämter Jauche düngten. Übel, Madame? Gefaßt bin ich auf kurzsichtige Eroberer, Mit Achatmonokeln und gespornten Fersen; Die greulich und verbissen, mit gieriger Kralle Den Grund der Seine nach unsrer Erbschaft kämmen,
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Den Tiber und die Themse dreggen Nach Kruppen, Zaumzeug, Scherben und Sarggriffen, Nach Schaukelpferden, Jahrmarktsäbeln – Im Hellespont nach Log und nach Legende fischen, Nach jedem Ding, das ihrem Griff entrückt ist. Doch kehren wir zurück auf terra firma – MIRANDA
Wer bist du eigentlich, Jack Blow? JACK
Im Augenblick hab ich nicht die leiseste Ahnung. Wie ich schon sagte – MIRANDA
Lauscht Psst! Ich höre etwas! JACK
Eine Schnecke, heißt es, kroch aus Caesars Grab In Napoleons Schnupftabakdose. MIRANDA
Wo sind wir in der Tat, daß wir bloß hier sind? JACK
Man könnte sagen, augenblicklich spuken wir. Brächte man Drosseln, die man fettet, durch ein Sieb? Nein, nur der Zwang kann das. Wer hat ein Recht zum Zwang? MIRANDA
Miranda. JACK
Dann frischen Mut, mein Kind. MIRANDA
Ich geh nach hinten und will sehen, was ich sehen kann. Laß niemand ein. Geht ab
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JACK
Laß niemand ein? Sogar die Luft ist draußen! Da haben wir eine, die ist mit Flucht beladen! Er geht vor und prüft den Tisch. Er hebt den Deckel der Suppenterrine und steckt den Finger hinein Bouillabaisse? Dies Meergeschlinge? Aii! Unglaublich, und nackt wie Finnegans Oberlippe! Er legt nervös den Deckel zurück, weil er fühlt, daß er nicht allein ist Ah, nun gut, da Oktober ist und mein Pfennig knapp, Will ich im Leeren schwelgen – aber trotzdem – Die Brüder erscheinen, Dudley am Fenster, Elisha auf der Galerie, ungesehen, aber gespürt von Jack Ich mag kein Fest, auf dem die Hunde stilliegen. Jack geht weiter bis zum Kopfende des Tisches und stellt sich vor die geflügelte Hälfte des Greifen Einst sah ich einen Richter, Der saß auf seinem Stuhl in Macht und Ehren Und hat das Recht so sehr mißbraucht, daß seine Ohren Ihm aus Protest vom Kopf abstanden. Hat aber die erstaunte Luft das Urteil abgewürgt? Nein. Er täuscht eine Nonchalance vor, die er nicht empfindet, und singt mit halber Stimme ›Wer kommt denn hier vorbei so spät – ‹ Man sagt, der Monolog sei aus der Mode, Als eine Form, mit Höheren zu reden. Er setzt sich in den Kastenstuhl Doch was, das einer tut, verriete nicht den Täter? Die Esauferse läßt jeden straucheln, der da läuft. Doch Jack – der nicht läuft – ist enterbt? Schlüpf ich unter wie der Lotsenfisch?
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Bin ich ein Nestschmarotzer, Lockvogel oder Judasziege? Hab ich den Schritt, um über and'rer Leute Teiche zu spazieren, Wie die Schneiderspinne, die auf stillen Wassern hüpft? Oder bin ich durch eine verborgene Reizung Dabei, über den eignen Strick zu stolpern? Entbürd ich meinen Kopf, wenn ich mirs Haar ausreiße? Kann ich meine Zeilen ausspucken mit zusammengeklemmten Zähnen? Oder bin ich schon so völlig verkommen, Daß ich mich allerorten spreize als ein König? Warum nicht, so sei es denn. Wenn auf dem Throne kauern Sitzen heißt, Sitz ich dies bis zum Ende aus. Er wird stocksteif, als er ein Geräusch auf der Galerie hört, dreht sich aber nicht um Hör ich die Welt in meinem Rücken näher kommen? Dann will ich, ist sie auch da, die Welt, der Prokurator sein – Mit zunehmender Herausforderung, schrill wie ein Ausrufer Los! Los! Hierher die Spielzeughändler: Hierher, Prahlhänse, hier ist die bärtige Dame, Das menschliche Skelett, der betuliche Zwerg, Das dicke Mädchen mit dem Wandelstern im Schoß; Der Schwerteschlucker, dessen versteckter Ausfall Den Gegner doch noch nicht getroffen hat! Jonathan Burley, ein alter Mann und schmächtig, kommt durch eine Tür unter der Galerie herein. Dudley und Elisha schlüpfen hastig außer Sicht
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BURLEY
Guten Abend. JACK
Der Teufel! BURLEY
Zu Ihren Diensten. JACK
Herrje, ich dachte, daß ich hier den Vorrang hätte. BURLEY
Ein nicht ungewöhnliches Mißverständnis, mein Herr. JACK
Wer war die Frau? BURLEY
Welche Frau? JACK
Sie müssen sie gesehen haben. Sie ging hinaus, als Sie hereinkamen. BURLEY
Mein lieber Herr, es kommen und es gehen viele. Seit dem Krieg ist dieser Saal ein Zufluchtsort Für jedermann, der ohne Schlüssel ist. Mit einem Anfing von Ironie Mit andern Worten, eine Art Hampton Court Für eine Ritterschaft – zu Fuß. JACK
Ist das hier nicht der weiland Burley Landsitz - Seit Sechzehnhundertsoundsoviel – Der, wie ich höre, die ›Abtei‹ genannt wird? BURLEY
Metaphorisch gesprochen. JACK
Chorherrenstift, genauer gesagt?
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BURLEY
Benediktiner. JACK
Nun, mein Lieber, dann verbergen Sie mir nichts. Da hier ein offnes Haus ist, sein auch Sie selber offen. War das nicht Miranda, eine frühere Burley? BURLEY
Frühere? Sie kommt oft zu Besuch. Wie Sie sehen, Läßt sie ihre Hüte, Flaggen, Schachteln da. Sie liebt die Karnevals und Prozessionen. Darf ich fragen, ob Sie zu Pferd gekommen sind? JACK
Mit Pferd und Wagen. Ich hör, daß Hobbs, (Der Vater dieser Dame, den Sie vielleicht kannten) Einmal zu Pferd hier durch die Halle ritt, die Treppe hoch Und auf der andern Seite wieder runter, Wie ein Gaskogner. Ist das wahr? BURLEY
Allerdings. JACK
Nun, ich bin geringer – meins band ich an einen Baum. BURLEY
Kommen Sie, ich werde Ihnen helfen. JACK
Helfen? Wozu? BURLEY
Sie haben sicherlich Gepäck? JACK
Nur das Geringste –
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BURLEY
Dann kommen Sie mit mir. JACK
Einen Augenblick. Sind Sie Verwalter hier? BURLEY
So kann man sagen. JACK
Schon lange? BURLEY
Sehr. Das ganze Leben. JACK
Dann will ich Ihnen sagen: das Gepäck, das Sie erwähnten, Könnt es, lieber Herr, oder könnt es nicht, Ein Tierkäfig sein, beispielsweise, Ein Puppenhaus vielleicht oder eine Arche? Beiseite Bin ich jetzt ein ausgemachter Narr? Laut Ein unheiliger Bund, ein Pakt, Besiegelt mit dem Kieferknochen eines Esels? BURLEY
Ich kann Ihnen nicht folgen. JACK
Macht sich bereit, mit Burley zu geben Ich folge Ihnen, aber nicht der Kiste wegen. Ich möchte, daß mein Pferd sofort gefüttert wird. Es hungert, Herr, wie alle Welt. Burley und Jack ab Dudley steigt durchs Fenster herein, Elisha kommt durch die Tür. Dudley ist der Ältere und Resolutere
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von beiden, grobschlächtig, an einer Zigarre kauend; er hat noch den Hut auf dem Kopf und trägt seinen Regenschirm aufgespannt. In der linken Hand hält er eine große goldene Uhr mit baumelnder Kette. Mitten in der Halle trifft er mit Elisha zusammen, der freigebig Mandelschalen um sich verstreut, während er näher kommt. Elisha ist jünger und smarter. ELISHA
Was hältst du davon? DUDLEY
Dreht sich langsam von Kopf bis Fuß herum Nicht sehr viel. Ne wüste Keilerei in der Natur; ramponierte Griechen; Ein abgetakeltes Orchester, Weiberröcke, Ein stockfleckiger Esel und ein Kinderball. Er stößt ihn mit dem Fuß an Kurzum, wenn ich was nicht verstehe – Tret ich es! ELISHA
Folgt dem Beispiel und tritt nach einer umgefallenen Statue Wenn ich was nicht taxieren kann, Taxier ich es. Warum hat Mutter Beewick eigentlich so hochgejubelt? DUDLEY
Wer sind die beiden Fremden? Der Alte Und der Jüngre, dieser Taschenspielerfex? Irgendwie hab ich versäumt, mit Gesellschaft hier zu rechnen, Außer Touristen, jeden zweiten Freitag. ELISHA
Jeden zweiten Tag und heute nicht?
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DUDLEY
Ein Fuchsbau, ganz gewiß. ELISHA
Und keine Spur von Bruder Jeremy. Na ja, egal – er hatte Anwandlungen von Barmherzigkeit. DUDLEY
Wer ist der Mensch, sich gegen Wind zu stemmen? ELISHA
Darum geht's nicht, es geht um unsre fixe Schwester; Eigentlich hab ich mit Miranda nicht gerechnet. Und das war doch Miranda, von hinten, oder nicht? Das Ganze paßt nicht recht zusammen. DUDLEY
Unsre tödlich geliebte Füchsin, wie sie leibt und lebt. Was können wohl zwei brave Brüder mehr sich wünschen? ELISHA
Weniger von ihrer Selbstbeherrschung – weniger Einfalle, Damit sie nicht im Nu neun Punkte Vorsprung kriegt. Es bringt nichts, sich mit einer solchen gut zu stellen: Drum sag ich: bloß keine Zimperlichkeit. DUDLEY
Bleib auf dem Boden – wer redet von Zimperlichkeit? Ob der Alte bestechlich ist? ELISHA
Knackt eine Mandel Das bezweifle ich. Es gibt ein Sprichwort – Jeder ist im Äug des andern auf der Pirsch Und koppheister jagend, Hakt er sein Spiegelbild an seinen Geist. Diese Verklammerung kannst du nicht auseinanderreißen.
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DUDLEY
Der alte Domestik, ganz eingeschnürt in Etikette! Weißt du, mitunter scheinen Mutter und Miranda So aufgeblasen von dem ›Großen Geists Daß, wenn sie mich von rückwärts im Spiegel schauten, Ich mich frage, was für ein Scheusal sie da sahn. ELISHA
Dreh sie zur Wand, die beiden, und dein Spiegel ist leer. Was sonst, mein Junge? DUDLEY
Was sonst? Das frage ich mich selbst oft. Vor der Welt bin ich ein Uhrenfabrikant, Herr über mehr als tausend Seelen, Doch was bleibt von mir übrig, wenn ich abschnappe? ELISHA
Eintausend Mäuse. DUDLEY
Genau. Drum sag ich dir, was ich mir wünsche: Ich möchte eine Mausefalle bauen, groß wie Gott, Und mich selbst darin fangen – als Meister und als Mensch. ELISHA
Sind wir etwa unsres Vaters Blasphemie? DUDLEY
Wahrhaftig – das frag ich mich. ELISHA
Was, mein Junge? DUDLEY
Ob alle alten Weiber einen gewaltsamen Tod haben? ELISHA
Ich sage immer: Hund frißt Hund. Was hältst du die verräterische Uhr hoch?
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Wir sind doch ungeheuer schlaue Burschen, denk daran. DUDLEY
Ich stell die Zeit. ELISHA
Stellst die Zeit? Welche Zeit hast du? DUDLEY
Geborgte. Mutter wird jetzt jeden Augenblick hereinkommen – Sie kann nicht ewig im Wagen schlafen – Und Miranda? ELISHA
Offensichtlich ohne Geld und Gönner. DUDLEY
Nie wieder wird sich eine solche Chance bieten; Nie, nie wieder ein so verlaßner Ort, Noch die günstige Anonymität des Kriegs. Alle alten Leute sterben am Tod, vergiß das nicht. Hier sind wir Fremde; sie bevölkern diese Fremdheit. Gut, hier ist Unschuld, laß uns davon kosten. Landschaften verändern alles. Das Meer, Es wäscht uns rein. Und morgen sind wir Männer: Werde so fest wie ich, Elisha. Laß uns den Boden öffnen, auf dem sie stehn, Und ihre Schatten unter ihnen fortziehn. Erledigen wir sie! ELISHA
Aber Jeremy, der ihre Liebe hat, Und gütig sein kann, wo ist Jeremy? Wo ist er? Als Dudley und Elisha hören, wie Burley und Jack zurückkommen, schlüpfen sie hastig außer Sicht JACK
Nun das Dinner!
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BURLEY
Zuvor, mein Herr, muß ich um Ihre Referenzen bitten. JACK
Was, auf einem offenen Forum, wo jeder unverhohlen spricht? Das ist der reinste, schwarze Argwohn! BURLEY
Mag sein. Trotzdem frag ich: woher? JACK
Sie Rückversicherer! Soll ich's Ihnen buchstabieren? BURLEY
Ja. JACK
Darf ich sagen, daß von einer unsichtbaren Vogelstange Eine Feder fiel und ich sie aufgefangen habe? BURLEY
Nein. JACK
Nein? Aber haarklein mein Pech erzählen, würde Sie ermüden. Nennen Sie mich darum Tollhaus-Tom, Irrlicht-Jack. Wir sind die Vagabunden aus Paris – Findelkinder des Kriegs. BURLEY
Nicht ganz so sprunghaft, wenn ich bitten darf. JACK
Miranda denken Sie sich am Odeon engagiert; Als Garderobiere an der Oper – und sagen wir Der tragischen Aspekte willen – Sie putzte an der Comédie Française.
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Ich – einfach Jack – der auf dem Fuß ihr folgte, Der Piqueur, der kluge Fährmann. BURLEY
Die Höflichkeit gebietet, daß Sie, wenn Sie sprechen, Mehr geben als Stillschweigen. JACK
Der Grund dafür ist klar und beinah zwingend: Wir reisen morgen früh. BURLEY
Sie sind Mirandas Freund? JACK
Freund? BURLEY
Wo sind Sie ihr begegnet, Herr? JACK
Ich habe doch gesagt, ich folgte ihr – Doch gehn wir nun zum Dinner! BURLEY
Vielleicht sag ich Ihnen am besten, wer ich bin. Ich bin, Herr, Jonathan von Burley, Verwalter; Mirandas Onkel. JACK
Du meine Güte! Der Priester werden wollte Und es nicht geschafft hat? BURLEY
Eben der. JACK
Sie erzählte mir von Ihnen, den ganzen Weg von Dover her; Eine wahrhaft überschwengliche Verehrung. BURLEY
Sie trafen meine Nichte in Dover?
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JACK
Halt. Sagen wir, es verschlug mich eines Tages nach Paris. Ich mit dem einen, sie mit dem komplexen Auge, Wir trafen uns Rücken an Rücken – eine Art Paradox. Als ich die Stufen von Sacré-Cœur hinunterstieg, Da sah ich sie zur Stadt gewendet stehn; schlicht, Hochgewachsen, zurückhaltend, gesammelt Und keine Spur von Tücke; Eins mit der Luft und mehr als still, Die Hände herabhängend und vollendet geprägt – Die Spannung gelöst, wie bei Tragödinnen, Die die tragische Gebärde auf der Bühne ließen Und deshalb einsam auf die Katastrophe zugehn – Da sagte ich mir: ›Gott, die letzte Stunde dieser Welt ist so sehr Überdeckt von Hoheit und rasender Vulgarität, Daß sie aus ihrer Höhle kommt, nach Beute streifend, Wie in einem wüst gelegten Land der Leopard.‹ BURLEY
Sollen wir weiterfahren? JACK
Es ist nicht aufzuhalten, das weiß ich wohl. Mein Eschenstock begann von selbst zu schlagen, Wie eine beseßne Wünschelrute, brach in Blüte aus Und folgte klopfend ihrer Fußspur, Schritt für Schritt. Nun bin ich der, der weiß, daß Luzifer nicht nur fiel, Sondern inmitten eines Sternenhagels landete. BURLEY
Der sind Sie? JACK
Der bin ich.
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Ich sagte mir, sie hört gefangnes Schweigen, Oder ich mißdeute das Dröhnen auf dem Amboß des Ohrs. Sagen wir so, wir trafen uns in der Abschiedsstunde – Beim ersten Trommelwirbel. BURLEY
Aber Ihr Wagen in Dover? JACK
Sagen wir, ich hab ein Pferd in jedem Hafen – und sagen wir, Ich traf eine Pilgerin auf Wanderschaft und Wallfahrt. BURLEY
Und halbwegs schon in Beewick – holten Sie sie ein? JACK
Ich holt' sie ein – auf halbem Weg nach Haus, Wenn Sie's so nennen: Von Sacré-Cœur hinunter in die untre Stadt. Streng ausgerichtet und in dunklen Reihen flogen Die Pferde der Garde Républicaine an uns vorbei, Rissen Splitter aus dem Kopfsteinpflaster, Wie Brecheisen in einem Steinbruch; Schweife, die einst um Hinterbackengruben rauschten, Flatterten jetzt auf stolzen Reiterhelmen, Vorbei am Armenhaus, wo kleine Männer Unter vogelbeschwerten steinernen Büsten Schwarze Zigarren rauchten, während auf den Baikonen Die Kranken im Uhrzeigersinn Gesundung übten. BURLEY
Ich verstehe – oder nicht? JACK
Das kommt auf eins heraus. Wir gingen, wie gesagt, zusammen
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Hinunter zu den Marktständen der Avenue du Maine. BURLEY
Warum? JACK
Warum? Nachdem der Markt beendet und die Karren verschwunden, Kann man eine Karte von der öffentlichen Heimlichkeit Gemeiner Nöte zeichnen. Kann sehn, wie jede Menschenseele, Die nicht genug zum Leben und zuviel zum Sterben hat, An einem Strick ihr Stückchen Land und ihr Schlafzimmer schleift, In einen Rock gekleidet, der zu seiner Zeit Und unauffällig wieder Mode werden wird. Der Kopf, mit zittrigem Bartgehänge bis zum Kinn, Wackelt (obgleich man nichts von ihm verlangt) Mit jedem schlagflüssigen Kopfschütteln sein Nein, Mit jedem Atemzug, der wie ein Brechreiz kommt. BURLEY
Wozu das alles? JACK
O Pedantenkopf! Eingewurzelter Bremsschuh! Sie würden ein Gummiband um einen Adler schlingen! Miranda ging rückwärts durch ihr Ziel, Den Blick finster nach Beewick gerichtet: Dies war ihr Anteil an der Partnerschaft – BURLEY
Zu. sich selbst Phantast – Scapin! Zu Jack Sie hätten Schauspieler werden sollen!
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JACK
Ich war's, ich bin's. Einer von denen, die man nicht bemerkt. Ich glaub, sie werden ›Speerträger‹ genannt. BURLEY
So lehnte sich Miranda an das Hallentor Und schaute? JACK
Noch nicht, nicht damals, sie brauchte Pausen – Hört ein Geräusch Ist da jemand? BURLEY
Der Wind. Ein Reisender – JACK
Ein Reisender? Nicht heute abend, hoffentlich. BURLEY
Ein oder zwei vielleicht, vor Tagesanbruch. JACK
Mit nervöser Munterkeit Sollt es mehr Ding auf Erden geben, als wir uns träumen lassen? Gut. Ich riß also meine Melone hoch Und rief – ex tempore – ›Dies ist der Tag!‹ Und dachte gerad, ich hätt das Eis gebrochen Mit: ›Lady, Verehrteste, hols der Kuckuck, Madame, he!‹ Aufrecht stehn gehört zu ihrer Haltung, Wie auf der Nase liegen, wo sie liegt, zu ihrer Lage – Als sie verschwunden war, mit einem Blick – Ich sage Ihnen, bei dem es mich gefror bis in die Fersen. Dann peng! Da sind wir mitten drin auf einem Gartenfest:
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Alles behängt mit Glühwürmern und Lampions. Ein Bahnhof, Waterloo, Grand Central Station, Eine Endstation zum Tee, doch keine Züge fuhren, Eine Priesterschaft des Protokolls, ein Rumpelmayer, In jeglichem der Inbegriff des guten Tons. Es wimmelte von alten Drachen in Rüschen und Plissee. Manche hinter einer Hecke aus Papierrosen versteckt; Manche, die auf eine einz'ge Karte gesetzt, wie die großen Blender, Spielten Geduld auf einer höhern Ebene Und fanden sie, den langen Zahn sich mit dem Lederfächer klopfend. Andere übten Klimakterium und hielten Die abnehmende Sichel in der Finsternis zurück, Den Augapfel gegen die bittre Nacht gekehrt: Aber beim besten Willen, ich könnt nicht sagen, wann das war. BURLEY
Mir scheint, das war Mirandas stille Stunde. Waren Sie willkommen? JACK
Willkommen? Ach, mein Lieber! Über das Willkommensein bin ich längst hinaus: Von des Menschen Verzweiflung haben wir ausgeteilt und empfangen. Dies war Mirandas Publikum, ihre Herde im Gehege; Ihr Es-war-einmal, ihr Hofstaat, ihre Leute; Ihre Gemütsverfinstrung, ihr Entsetzen. Denn sie ist eine, die weiß, der Mensch ist stolzer Auf seinen Ruf, als auf die Art, durch die er ihn erwarb. Sie weiß, nichts wird jetzt mehr von Hand gemacht, Der Hand den Stolz der eig'nen Ausführung zu lassen.
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BURLEY
Dann kamen die Lakain mit Eis und Kuchen? JACK
Dann kamen die Bediensteten mit Tee und Torten. Niemals sah ich so viele ausgehungerte Oh's Gierig schlingen, weil davon das Maulaufsperren abhing. Pasteten gab's in jeder Form und Fülle. (Der Frauen letzte Liebe endet eines Tags Immer in einem Teig, in eines ortsansässigen Moguls Gestalt Oder eines monsterhaften, windigen Senators.) Da also waren sie, Delikatessen au miel, montée Mit menthe, mit aquavit und Rum beträufelt, Durch Zucker und Sirup gezogen; Salzmandeln und Maronen, glasiert und geliert – Kompotte, Aprikosen, Marzipan und Feigen – Und jede Form das leibhaftige Abbild einer Gesellschaft, Die von ihrem Nimbus überwältigt wird. BURLEY
Schlägt nervös mit der geballten Hand in die andere War da Ihr Augenblick gekommen? JACK
Nein. Der Hunger war zu groß. Wer einsah, Daß heutige Eile die Erinnerung und jeden Ausdruck, In den man sie noch fassen könnte, sterben läßt – Versuchte schnaufend sich ins Spiel zu mischen. Heilige Nacht! Welch eine Wolke Puderzucker stieg da auf Und machte Konfekt aus reichen Witwen und aus Dandys! Als, zut! Miranda und die alte Belle Laide von d'Oc – Die das Gedärm der Spielbank derart aufgewühlt, daß sie
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Mit einundneunzig Jahren strack stand, wie ein Rösserpfahl, Vor Diamanten wiehernd – von Angesicht zu Angesicht Zusammenstießen. BURLEY
Sagten Sie von Langue d' Oc? JACK
Das sagte ich. BURLEY
Du meine Güte! Das war gewiß Elvira, Meine einmalige Schwester – sie verschwand nach Frankreich. Blieb sie bis zum Schluß? JACK
Sie blieb, in einer blitzenden Woge aus Taft. Ihr Kopf, von einer Tüllspindel bekrönt, war In einen Schleier eingefangen, der das Gesicht hinwegwob, Und die Wespennadel ihres Blickes bändigte; Jedoch die Unzucht des geprägten Geldes stachelte. BURLEY
Jetzt war Ihr Augenblick gekommen? JACK
Ts! Ts! beide Hände waren taub Vom Niederhalten der flüchtigen Jahre. Diese Schindmähre der Nacht, ganz Flitter, kalte Glut, Machte ihre Edelsteine zu Kohle und zu Oxyd das Gold. Doch dann, als die Dämonen Wachablösung hatten, Sprach sie mit Stentorstimme, dumpf, Wie ein Feldmarschall, mit Kopf in der Zisterne: Alles in allem, würd ich sagen, eine grandiose Draufgängerin –
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BURLEY
Ach was, mein Lieber, ich weiß so gut wie irgendeiner, Lilien, Zwiebeln und Geständnisse haben viele Schichten. Schälen Sie weiter, berichten Sie, mein Herr. Dies Leben ist ja nicht das erste Stelldichein. JACK
Soll ich von dem, dem einer sich verschrieben hat, Störrisch abgehackt, dünnlippig, orthodox Reden oder geradezu? BURLEY
Geradezu! JACK
Mit einem Bühnenflüstern Wenn ich bloß wüßte, was sich hier zusammenbraut. BURLEY
Auffahrend Was? JACK
Nein. Aber Gott, steh mir bei, Daß ich keinen Fehler mache. Also, wo war ich? BURLEY
An dem Punkte, wo Elvira – JACK
Ach ja. Die Hüfte lässig aufgestützt, Den Oberschenkelknauf fest in der Kapsel, Saß sie hingegossen und prüfte ihre Lücke in der Zeit – In einer Hand hielt sie die Armgehänge hoch, Locker über dürren Knochen. BURLEY
Nickt Und wog, was ihr Abgang kosten würde.
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JACK
Genau. Ich stieß den Finger in die Luft und schrie: ›Ole! Heulen Sie, Gnädigste, nicht auf dem Höhepunkte BURLEY
Zu wem? JACK
Immer herausfordernder Miranda. »Der Croupier harkt zusammen‹, sagte ich, ›Machen Sie sich nichts daraus. Bei dieser Sitzung sind wir alle im Profil, Mädchen – Dudley und Elisha beginnen näher zu kommen, sie bewegen sich seitwärts wie Kinder in einem Anschlagspiel, ungesehen von Jack, aber beobachtet von Burley Und verwaist auf beiden Seiten, das gehört zum Spiel. Sie aber, wenn meine Sturmlaterne mich nicht täuscht, Erwartet Adel von der einen Seite. Ein Vorsprung, wie manche geltend machen, Von dreißig Jahren, vorausgesetzt, Sie sind von königlichem Blut. Wenn nicht, dann lento, lento, schöne Dame; Sie müssen lernen, zum Äußersten bereit zu sein; Aufs Gesicht zu fallen auf einem Schlachtfeld des Tiepolo, Und sei es an die Decke auch gemalt. Raffen Sie all Ihre Pracht und Ihre Bestürzung zusammen, Widerstehn Sie den Posaunen und den Schrecken; Geben Sie die gehörige Antwort, Alle Gobelins haben ihre Speere geschleudert !‹ BURLEY
All das?
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JACK
Alles. An jenem Tag schien mir die ganze tobende Hölle Entfesselt. Ich erzähle das zu Ihrer Kenntnis – Sie sind der letzte Burley, der ihr blieb, nicht wahr? An jenem Tage war ich so in Fahrt, daß ich mir selbst begegnete; Ich wußte, vor meinen Augen nahm die Katastrophe ihren Anfang. Drum schrie ich in der höchsten Aufregung: ›Ruhig, ruhig, piano und piano !‹ Was sonst bleibt einem, Der eine Seele so erstarrt, in solchem Maße Ihre Abwesenheit vollziehen sieht, als Eine Hand über die andere zu halten und zu keuchen ›presto!‹ Was meinen Sie dazu? BURLEY
Nichts. JACK
Und eben darum kam Jack Blow gelaufen, Der sein Ich verschlang und murmelte: ›Wird Miranda das Wehr aufrecht erreichen? Schafft sie's, so hoch gelagert wie sie ist?‹ Ich erzähl es Ihnen, der sie viele Jahre nicht gesehn, Damit Sie klüger sind als wie zuvor. BURLEY
Jüngst habe ich sie oft gesehen. Die Brüder machen aus Versehen ein Geräusch JACK
Halt! Was war das?
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BURLEY
Den Blick starr auf die Brüder gerichtet Nichts. Reisende – JACK
Oder was Schlimmeres. Ich fragte mich, Wird sie von dem Schlag genesen, der sie Vor einem Lebensalter fällte, an ihrem Elterntor? Drum sah ich zu, wie sie so eine Weile dastand, Die sieben erlesenen Nackenwirbel niederwärts gebogen, Der hohe Federturm des Hutes unbewegt. So trafen sich zwei Welten in einem Adlerblick: ›Jemand schuldet dem Asklepios einen Hahn‹, sagte sie. In diesem Augenblick da wurde ich der ihre – Durch die Kraft der Angst. BURLEY
Dann werden Sie sie betrügen. JACK
Es ist nicht nötig; sie ist ihr eigener Zusammenstoß. Sie hält sich majestätisch, ist aber eine Törin. Sie hat tollkühnen Mut – sie wird sich vernichten, Wenn sie sich selbst begegnet, gänzlich unbewehrt. Fangen wir also an. Im gleichen Augenblick, ah Miranda auf der Galerie erscheint, rücken Dudley und Elisha weiter vor, nunmehr ohne alle Vorsicht. Elisha lehnt sich, immer noch Mandeln knackend, gegen die Schneiderpuppe, während Dudley, immer noch in Hut und mit aufgespanntem Regenschirm, sich auf den Kastenstuhl am Tisch setzt, mit den Füßen auf der Tischkante. JACK
Ohne allzu große Überraschung Wen haben wir denn hier?
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MIRANDA
Auf der Galerie, schlägt sachte mit dem Handballen auf die Balustrade und sagt mit angehaltenem Atem, als sie das leise Aufschlagen einer Stockzwinge auf dem Steinboden hört Nein, nein, nein, nein, nein, nein! Vorhang
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II. Akt
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Szene wie im ersten Akt. Die Personen in derselben Stellung. Die Witwe Augusta Burley Hobbs, hager, entschlossen, in strenges Schwarz gekleidet, mit langem Kleid und Mantel, Kragen und Manschetten aus fleckenlosem Leinen und einem flachen Filzhut mit gerader Krempe, kommt aus dem Kreuzgang herein, wobei sie die Zwinge ihres Regenschirms mehr aus Nachdruck, als um der Stütze willen, auf den Steinboden stößt. AUGUSTA
Was läßt man mich meine Heimkehr verdösen? So bin ich also wieder in meines Vaters Haus. Wer sagte, daß ich hier sein müßte? Er war's, Jeremy, mein Sohn, – wo ist er? DUDLEY
Tag, Mutter! BURLEY
Willkommen. AUGUSTA
Sieht sich um Ich habe etwas Klügeres vor, als dazustehen Und zu trauern über Burleys gräßlichen Ruin; Ich tu, wie ich's gewohnt bin, und will sitzen – Werd' ich ihn erkennen, wenn ich ihn sehe? Entdeckt ihre Tochter auf der Galerie Ah! Wie alt du bist, Miranda! MIRANDA
Wie sich's gehört. AUGUSTA
Nun, da wir, bis auf den Einen, alle hier sind, einen Stuhl!
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BURLEY
Dreht schnell das Vorderteil des Greifen um Gleich! Sofort! AUGUSTA
Setzt sich Danke, ich bin nicht mehr fürs Stehn. Als ich die Häuserreihn von Beewick hochkam Und sehen wollte, wie's mit Beewick steht, Sah ich die Giebel ihre Krähn herunterregnen In einem derart rauschenden Erguß, ich rief: ›O Gott, Ich glaub beinah, sie werfen Vögel ab ! – Oder liegt ein Begräbnis in der Luft?‹ BURLEY
Bist du mit Vögeln umgegangen? AUGUSTA
Selbstverständlich nicht! BURLEY
Sie umklammern dir den Finger wie ein Fehdehandschuh, Hingeworfen von einem ungesehnen Feind. Plötzlich bist du Gefangener des Raums Und wie die Faust des hl. Franziskus, In Flug und Flucht gepfercht. AUGUSTA
Aufmerksam Es ist schlimm, auf hohe, gespenstische Dinge zu kommen, Wenn man alt ist und aufgerieben bis aufs Mark. Ich stieß vier Kinder mir vom Saum und doch, Eines blieb eingewebt, um ihn hinabzuzerrn – Aber genug davon. Hier seh ich weder Hühner, Noch den zufriednen Gutsherrn auf seiner Scholle.
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Welch tolle Mähler müssen die Eichhörnchen halten, Wenn sie so reiche Beute ernten können. BURLEY
Und Jeremy? AUGUSTA
Obwohl er mich raus auf die Weide trieb, hat derselbe Sohn Mich zurückgerufen hier nach Beewick und nach England. Er sollte hier sein, da er mich doch verließ. DUDLEY
Genau vor einem halben Lebensalter. AUGUSTA
Sucht in ihrer Tasche Ich habe seinen Brief hier – aber wo? Sagt bloß nicht, Ich habe ihn verloren – meinen Sohn verlegt – ich hatte ihn. Betrachtet den Stuhl näher, auf dem sie sitzt Ist das nicht das Tier, auf dem ich saß Und seinen Vater anstarrte – diesen toten Mann? BURLEY
Bleib sitzen. AUGUSTA
Bleib sitzen, sagen Sie? Wo ich jetzt sitze, hat jener Mann Einen Plan verdorben, aus dem eine Bastei Für uns alle hätte werden sollen. Sieht die Vesperglocke Ah, die Vesperglocke von Vetter Pegamont! Er schwang sie über Gerstensuppen, Um die Armen auf dem Gut herbeizurufen – Ein Liebeswerk, das er an der Pumpe tränkte.
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BURLEY
Ach, ach, er war ein netter Kerl, Obgleich sogar als Kind schon mit so viel attischem Salz, Daß die Amme sich geweigert, ihn ohne Handschuhe zu wechseln. AUGUSTA
Sie kannten also meinen Vetter Pegamont? Zu ihren Söhnen Er schlug den Kerkermeister in sein eigenes Eisen. Der beste Zimmermann auf Burley. Was für ein Handwerker! Richtete seinen eignen Dachstuhl auf. Ich finde, niemand hat ein Zuhaus, der nicht Das Holz des Baugerüsts gerochen. BURLEY
Sehr richtig. AUGUSTA
Was soll man ihnen heutzutag vererben? Ich hab ihnen gesagt, die Silberlöffel haben wir verspeist. ELISHA
Eher unfair, was? AUGUSTA
Benimm dich nicht, als wärst du nirgendwo herumgekommen – Obwohl – in Wahrheit bist du's nicht. Zu Jack Wer sind Sie, mein Junge? JACK
Einfach Jack – Jongleur. AUGUSTA
Wendet sich zu Burley Ein gutes, schmales Gesicht. Kenn ich es?
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BURLEY
Dein Bruder Jonathan. AUGUSTA
Mit leisem Aufschrei Jonathan! Mein ganz veränderter Bruder – Wie freut es mich, daß ich dich wiedersehe! Ich kam den langen Weg, die Heimat hier zu finden, Den Bruder und den Sohn, den Wanderer. Hast du Jeremy gesehen? BURLEY
Ich glaube nicht. AUGUSTA
Ich finde meine Wiege aus der Zeit geschaukelt, Ungleich dem Waagstein, der, wenn angestoßen, sein Gleichgewicht Schnell wieder aufnimmt. Ich finde meines Bruders Haar Gefallen bis auf einen dünnen Kranz; Meinen geliebten Sohn? Den find ich überhaupt nicht. BURLEY
Laß ihm Zeit. AUGUSTA
Seltsam, daß er mich plötzlich hergebeten hat, Da ich ihn zwanzig Jahre nicht gesehn habe und in diesen Zwanzig Jahren zweimal zwanzig ihm entfremdet bin; Ich fürchte meine Söhne und ich lieb sie bitterlich. Faßt sich wieder Doch ich vergesse mich, hab euch nicht mal bekannt gemacht – Jonathan – ich seh, du kennst schon meine Tochter – Das ist Dudley, der Uhrenfabrikant –
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DUDLEY
Taschenuhren. JACK
›Im Schatzhaus saß der König –‹ ELISHA
Spuckt Schalen aus Touché! AUGUSTA
Alle beide, wie du siehst, erfolgreich – Zu Elisha Und hör auf zu blöken! Jonathan, Elisha, Dudleys Werbechef. ELISHA
Tag! AUGUSTA
Sie sagen – kurz, deshalb sind sie gekommen – Ich könnte Jeremy alles überschrieben haben. Und was macht Jeremy? ELISHA
Verächtlich Der reist, um den Geschmack in allem zu verfeinern, Einschließlich Muskateller aus der Moldova. AUGUSTA
Geht mit verächtlichem Mitleid darüber hinweg Kinder – mein Bruder Jonathan. BURLEY
Willkommen, meine Herren, und mögen Sie Erfolg haben. MIRANDA
Und voreinander auf der Hut sein. AUGUSTA
Da du meine Tochter kennst, was hältst du so von ihr?
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BURLEY
Ich halte von ihr, was ich weiß. JACK
Wie besteht sie die Prüfung? BURLEY
Voll und ganz. AUGUSTA
Mustert Jack Junger Mann, wer, haben Sie gesagt, sind Sie? JACK
Ein Freund. AUGUSTA
Freund? JACK
Auf Treu und Glauben. AUGUSTA
Jonathan war mein Lieblingsbruder – BURLEY
In verlegener Bescheidenheit Nein, nein. AUGUSTA
Er wollte Priester werden – BURLEY
Froh, Gutsverwalter von Burley sein zu können. AUGUSTA
Ein wahrer Meister auf der Orgel – BURLEY
Ach, das ist lang, lang her. AUGUSTA
Wie geht es unsern Leuten, Jonathan? BURLEY
Ach, meine liebe Augusta.
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AUGUSTA
Ich habe es befürchtet. Als ich nach Burley raufkam, Sah ich keine Gesichter, die ich sah – Zu Elisha Elisha, Schluß! Hör mit dem Nüsseknacken auf! Zu Dudley Mach den Regenschirm zu! So sehr im Freien bist du nicht! BURLEY
Zweifellos müssen sich irgendwo noch Onkel und Tanten finden – AUGUSTA
Neffen und Nichten? Wohnst du im Haus? BURLEY
Nein, momentan im Dorf. AUGUSTA
Wer bringt dir den Tee? BURLEY
Tut so, als ob er ihre Anspielung nicht versteht Manchmal bringt mir mein Junge eine Kanne Bier; Und manchmal, in der Butlerwohnung, Tee – Die Wohnung steht noch. AUGUSTA
Läßt befriedigt den Blick über den förmlich gedeckten Tisch schweifen Der Tisch – genau wie früher. BURLEY
Aus Gewohnheit. AUGUSTA
An diesem Ende saß mein Gatte, Titus, Und schlang und kollerte wie ein Truthahn.
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BURLEY
Wie ein Usurpator. AUGUSTA
Ich – so ein kluges, so ein Mädchen vom Land! BURLEY
Aber? AUGUSTA
Ich hoffte, Mutter von Aristokraten zu sein Und kriegte Rohlinge – drei Söhne im Geschäftsleben und eine – DUDLEY
Verlauf'ne Gans – Hinter der Szene hört man Geräusche von vorbeikommenden Leuten AUGUSTA
Himmel, was ist das? BURLEY
Nichts, Fremde, die vorüberkommen – morgen geht ein Schiff. AUGUSTA
Immer noch etwas aufgeschreckt Hältst du für möglich, daß seine Frauenzimmer immer noch Hier durch die Gegend schwärmen? Fast wünscht ich mir, sie wären Noch auf den Beinen, da hätte ich eine Vierte zum Bridge – Doch war ich grade bei Miranda – DUDLEY
Seht euch Miranda an! Nach dem Sternbild ist sie Jungfrau – Damit im Himmel die etwas zu lachen haben.
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BURLEY
Magst du deine Schwester nicht? DUDLEY
Sarkastisch Teurer Onkel, wir lieben sie abgöttisch – ELISHA
Aber sie kennen, ist Extravaganz – so britisch! AUGUSTA
Kümm're dich nicht um meine Jungen, sie äffen ihren Vater, Der auf die Briten nur mit höchstem Neid herabsah. Ich hatt gehofft, die Kinder würden durch Manieren glänzen Und Miranda käme schrecklich überhäuft mit Ehren. BURLEY
Und tat sie das? DUDLEY
Mutter wollte eine Königin zu Boden strecken mit dem Besen – Sie mit der Pairswürde in der Tasche, Und Vater mit den Witzblättern im Stiefel! ELISHA
Ich hör, Miranda ist in Frankreich unten durch Und in England offenbar nur eine billige Skribentin. BURLEY
Sie ist auf beiden Seiten des Kanals berühmt Und höchst willkommen hier in Beewick. DUDLEY
Beewick ist ein kleines Nest – zählt nicht in New York. AUGUSTA
Jonathan, verzeih meinen Söhnen ihre Bosheit, Es kommt davon, daß sie zum ersten Male übers Meer
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gefahren sind – Das bringt sie durcheinander; na spiel'n wir jetzt ein bißchen Schicksal. Wo sind meine Karten? JACK
Karten in Karthago! AUGUSTA
Warum nicht in Karthago? Nicht? Dann Schach. DUDLEY
Schach? Ein Trick, Damit zwei feierliche Leichen aufrecht sitzen. AUGUSTA
Eine Spule Klöppelgarn fällt ihr aus der Tasche, während sie nach ihren Spielkarten sucht Ah, meine Klöppelhölzer! Die Spule rollt außer Sichtweite Ich klöppelte mir früher meine Spitzen selber, Jonathan, Das hielt mich ab, über schlimmere Dinge zu schmollen. Seufzt Aber Spitzen? Zu keiner Reise passen sie; Menschen? Keine Reise führt sie heim. Die Spule rollt in die Halle zurück Du liebe Zeit, hier treibt sich jemand rum! BURLEY
Kinder – Pilger – auf dem Weg zum Hafen – Schade, daß ich keine Erfrischungen euch reichen kann. AUGUSTA
Du weißt, ich rühre niemals etwas an! BURLEY
Meine liebe Augusta, ich weiß gar nichts. AUGUSTA
Aber Hunger hab ich!
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BURLEY
Eifrig Laß sehn, was wir dagegen tun können. AUGUSTA
Ängstlich Nein, nein, geh nur nicht fort! ELISHA
Setzt sieb die Karnevalskrone auf den Kopf ›Die Königin, die spielte Karten mit dem Bischof von Limoges – ‹ DUDLEY
Aber sie fand, ›der Silberschrank war leer – ‹ AUGUSTA
Sie spielen immer verrückt; achte nicht darauf – Eh, schon wieder dieser Wind, hier schnüffelt jemand rum. Wie gesagt, manchmal wünscht ich mir, die Weiber Meines Mannes wären wieder auf den Beinen. Mit der Zeit vergißt man, wozu man sie benutzte. BURLEY
Betroffen Was hast du da gesagt? AUGUSTA
Nichts. Die Geschichte endete, wie du's vorausgesagt hast: Mit einer Meute keifender Hündinnen. BURLEY
Meine Liebe! AUGUSTA
Kaum hatt' er sich hinaus aus Beewick ›doktriniert‹, Die Folge all seiner Verkündigungen –
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JACK
Freie Liebe – DUDLEY
Freie Speisung – ELISHA
Alles frei. JACK
›Vornehme Leute‹ distanzierten sich natürlich – AUGUSTA
–
gingen wir natürlich alle in Plymouth an Bord Und kamen Ende Dezember in New York an –
DUDLEY
Dann in eine Hütte, aufgemöbelt zu Pendry Cove. ELISHA
Aus Pendry Cove, peng, nach Spuyten Duyvil – AUGUSTA
In ein Haus, das er ›Hobbs Arche‹ zu nennen beliebte. DUDLEY
Eine Farm, die er nie bewirtschaftete – ELISHA
Ein Haus, das er nicht unterhalten konnte – AUGUSTA
Zu seinen Gunsten, er hat den Kasten selbst gebaut. JACK
Und er stand noch kein Jahr, als seine Biester – Die Mädchen – AUGUSTA
Die rühren mich jetzt nicht mehr. Gleichgültiger Als Granitfiguren sind auf fremden Dächern; Tonlos wie Stimmgabeln, die niemand angeschlagen hat.
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JACK
Mit einem plötzlichen Aufschrei Ai-i-i-i-i-i-i-! Und wie sie da anschlugen! AUGUSTA
Scharf Wer ist der Bursche? BURLEY
Er war es, der Miranda fand, wie sie zu Fuß Von Dover hier herunterkam. JACK
Hat sich wieder gefaßt Nein, von Sacré-Cœur. AUGUSTA
Traf sie zu Fuß? Nahm sie im Wagen mit? Offen gesagt Ich frage mich, was das für eine Art Freundlichkeit war? Wie sagten Sie, war doch Ihr Name, mein Herr? JACK
Jack Blow, Madame. AUGUSTA
Jack Blow, was ist das für ein Name? Kommen Sie ins Licht; Sie tragen eine Augenklappe? JACK
Damit ich Sie besser sehen kann, Madame. AUGUSTA
Manche Menschen verdirbt der Leichtsinn – Bessern Sie sich, junger Mann. JACK
Ich beßre mich, Madame. AUGUSTA
Miranda sagten Sie, zu Fuß? ELISHA
Sie ist lahm.
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DUDLEY
Sarkastisch Hat sich den Fuß verknackst, als sie aus der Kirche kam. AUGUSTA
Zweifellos durch irgendeinen Unfug. JACK
Nein, Krieg, Madame. AUGUSTA
Was? Gekleidet, als gab es keinen Gott – Mit all den Federn, die am Hut ihr flattern Und einer solchen Samtschleppe! DUDLEY
Double für den Schluß Vorhang! AUGUSTA
Ich wußte nicht, Miranda würde hier sein. JACK
Paris verließen wir kurz vor der Abrieglung, Und in der Rolle, die wir grade spielten. ELISHA
Die Herzogin in eigener Person! DUDLEY
Die Königin der Nacht! ELISHA
Die den Teufel in den Daumen biß. AUGUSTA
Beleidige sie nicht; sie ist der Teil von mir Den ich mir nicht leisten kann. ELISHA
Du weißt, daß wir sie hartnäckig bewundern – Mit Vorsicht!
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AUGUSTA
Weiß ich das? BURLEY
Wechselt das Gesprächsthema Wußte Jeremy, daß du kommen würdest? AUGUSTA
Er schrieb: ›Komm heim nach Beewick‹, gab mir keine Adresse. Wo sollt er sonst sein, wenn nicht hier in Burley? Um die Wahrheit zu sagen, er setzt mich in Erstaunen. Werd' ich ihn wohl erkennen, wenn ich ihn sehe? Man sagt, er sieht mir ähnlich – zu Burley – ich meine, unserm Vater. Arglos, nicht unerfahren, frei, doch teilnahmsvoll. DUDLEY
Du glaubst, du wirst ihn riechen? AUGUSTA
Verärgert Dein Großvater roch nach Schierling, doch er lehnte Wie schwankes Rohr sich an die Wand, um Luft zu holen, Und so könnt Jeremy es gehen. DUDLEY
Mit unverhüllter Frechheit ›Sie liebte ihren Mann gar in-nig-lich, Doch einen andern doppelt so sehr.‹ AUGUSTA
Jeremy kann nicht Unrecht tun, außer wenn ich es sage. ELISHA
›Als Eva grub und Adam spann –‹ AUGUSTA
Verzeih ihnen, Jonathan, sie zählen nicht!
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DUDLEY
Er ist Papas Ebenbild in Stiefeletten – Ein Hogarth-Wüstling. AUGUSTA
Jeremy ist Jeremy. ELISHA
Was Jeremy vor zwanzig Jahren In solchem Maß erschreckte, daß er ausriß. DUDLEY
Sie wird ihn zurückhaben – und ihre Schnur hochklettern lassen, Wie Spielzeugaffen vor vierzig Jahren. AUGUSTA
Zu Burley Ich hab dir nicht erzählt, wie das war mit Jeremy, Das heißt – nachdem wir uns von unsrer Herrlichkeit erholt hatten. Er ließ mich heulend in einem unbekannten Raum, Und ich begreife nicht warum. Ließ mich gestrandet auf einem hohen harten Bett, Die Beine zu kurz, um auf den Boden zu stampfen; Des Alters schüttre Tränen auf den Wangen, Und in den Armen die einzig glückliche Erinnerung, Die Stunde, da wir ganz allein zusammen jagen gingen, In den Catskill-Bergen. JACK
Jäger jagt des Jägers Spur, Macht aus Tiger- ein Kaninchenfell Und wirft's um seine Mama Ammer schnell. BURLEY Traurig Den Füchsen ihr Bau, den Vögeln ihr Nest – aber der Mensch –
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AUGUSTA
Je mehr ich seh vom Menschen, desto mehr bin ich verwaist. Wenn ich tot bin, Miranda, leg mich in einen Baum. Vergiß es nicht, du, die geübt ist im Erinnern. DUDLEY
Hei, die Königin ist tot! Lang lebe die Königin! ELISHA
Sie stirbt aufrecht, sie ist Engländerin! DUDLEY
Als Jeremy zu Haus war, ließen wir uns Von den Stoßböen seiner Großmut schaukeln – Aus Berechnung – Doch Jeremy ist fort, Miranda zählt nicht, Bruder, wir als Schläger haben freie Bahn! JACK
Sarkastisch Hundert Prozent? DUDLEY
Hören Sie zu: Stehn Sie auf Ihren eigenen zwei Füßen. Nieder mit dem Gefühl, bei Gott, und hoch das Geschäft! JACK
Der unbezahlbare Genuß der Habgier? AUGUSTA
Oh, seid doch still, ihr alle, oder geht weg! Als ich die Terrassen nach Burley Hall heraufkam, Was mußt ich sehn? Ein verfallendes Halbrund, Wo einst der Pavillon stand und Kapellmeister Stack – Ihr erinnert euch an Stack? – Wie ein Seehund die Luft kratzte mit geweihter Hand Und sein Taktstock wie ein Zweig im Schnee Ein Trompetensolo tauen ließ.
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ELISHA
Ooom-pa-pa, umm-pa-pa – ich wette eine Runde auf Ventilen! Reißt eine Trompete an sich und bläst ein paar Takte •von Purcell BURLEY
Ich geb dir ›Ich liebe und ich kann nicht anders‹. Dudley schlägt die Trommel AUGUSTA
Hält sich die Ohren zu Hab ich dir nicht gesagt, sie wären talentiert? BURLEY
Und wurden ausgebildet. AUGUSTA
Ich wollte grad auf meinen Generalmajor zu sprechen kommen – ELISHA
Deinen Generalmajor? Mirandas erster Kadett. AUGUSTA
Geht über die Frechheit hinweg Er war ein rechter Herbstzapfen, ganz medaillengeschuppt, Verschnürt mit Litzen, Bändern, Ordenssternen – Wie liebe ich doch Männer, welche rasseln! ELISHA
Läuft herum und sagt gedehnt A-a-a-a-a! ›Der Frosch der ging auf Freiersfüßen‹. AUGUSTA
Vulgär! Jonathan, verstehst denn du, warum Keinem meiner Söhne es vergönnt war Im Krieg zu fallen?
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JACK
Trotz Fortschritt und freiem Unternehmertum? AUGUSTA
Trotz alledem. DUDLEY
Sie trauert wie jemand, den man trösten könnte. JACK
Zu Augusta, mit einem lauten Flüstern Wobei es weniger um die Tapferkeit zu tun ist Als um die glückliche Beseitigung des Körpers? AUGUSTA
Fährt zusammen Ich trau den Menschen, bis sie flüstern! BURLEY
Kann ich mich an den Generalmajor erinnern? AUGUSTA
Natürlich erinnerst du dich an den Generalmajor. Abgesehen von der kühnen Kurve, mit welcher er sich setzte, Vollkommen aufrecht. JACK
Durchgestrichen von breiten, blutigroten Schärpen, Die seine Wampe kreuzten von der Hüfte bis ans Kummet Wie eine Konfektschachtel – experto crede. Und Epauletten? Reinste Furienschrubber. ELISHA
Wendet sich vom Garten herein Ich glaub kein Wort von der Geschichte – weder Den Dirigenten Stack, noch die Palastmedaillen. BURLEY
Schläfrig Eins zwei, eins zwei –
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Komplexe Stimmführung, wie langsam träufelnder Honig, Während Thomas Tallis sich auf seinem Haken windet Und Monteverdi hin- und hergeschaukelt wird. AUGUSTA
Und Couperin. Da siehst du, Jonathan, um was ich gekommen bin. DUDLEY
Sieh doch, wie dich Miranda anstarrt. AUGUSTA
Au, mein Fuß, Miranda! Ich glaub, ich habe mir den Fuß verletzt. Miranda kommt von der Galerie herunter DUDLEY
Warum Miranda rufen? Sie fürchtet doch das Leben. AUGUSTA
Du bist ein rechter Narr. Sie fürchtet nichts. MIRANDA
Nicht das Leben, sondern eure Vorstellung davon. ELISHA
Die Schlägerkönigin! Miranda zeigt die Krallen! AUGUSTA
Während Miranda auf sie zukommt Mein Fuß, Miranda! Ich hab mir den Fuß verletzt! MIRANDA
Beugt sich zu ihr Frau, erinnre dich. AUGUSTA
Warum? ELISHA
›Heute Hühnchen, morgen Federn.‹
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AUGUSTA
Lebe wohl, Tochter. MIRANDA
Gegrüßet seist du, Mutter. AUGUSTA
Erzähl ihnen allen von mir, Miranda. DUDLEY
›Mach zum Kind sie wieder, bloß für heute nacht.‹ MIRANDA
Die Schwungfeder des großen Paradiesvogels Spreizte sich nicht stolzer, als der wippende Rock Um deine Hüfte, der auf Raub ausging An jenem Sommertag, da du den Lauf der Welt nahmst. AUGUSTA
Geistesabwesend Dein Vater sagte: ›Wackel nicht mit dem Hintern!‹ BURLEY
Dieser schwermütige, zarte und ausgelaßne Teil der Anatomie – der Hintern. AUGUSTA
Jonathan! ELISHA
Doch für deine Mutter – wärst du auch Salomon – Bleibt er immer nackt! BURLEY
Mußt du immer deine Familie aufziehn? ELISHA
Klar. Ich quetsch mein Kinn ins Schlüsselbein Und schraube meinen Daumen in den Schwanzwirbel. BURLEY
Wirklich?
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ELISHA
Ich liebe Akrobaten. BURLEY
Die Schnäbel in der Hackordnung – der Dohlentrick – DUDLEY
Der was? BURLEY
Er geht hinter seiner Liebsten her und tritt sie nieder. AUGUSTA
Zu Burley Ich habe meine Flucht verpfuscht. Laut Meine Söhne sind Radaubrüder, meine Tochter? Plötzlich still. Wenn sie still ist – und wahrhaftig sie ist still, Wie Seide, die über eine unsichtbare Kette gleitet – Dann meine ich, sie lügt – sie, die aufrichtig ist. DUDLEY
Ich hörte, wie du sie mit fünfzehn Füchsin nanntest. AUGUSTA
Sie ist so zweideutig, daß trauernde Hunde ihr Von Gräbern folgen mit tränengeiferiger Zunge. Doch wenn sie sich zu einem Ziel erhebt, Glaub ich, daß sie voll finstrer Kraft ist, und der Teufel. BURLEY
Soll ich draus schließen, daß dich Söhne mehr beglücken? AUGUSTA
Natürlich, Männer sind ein Vergnügen. Was ist schon eine Frau? DUDLEY
Eine Kuh, die auf einem schrumpeligen Grinsen sitzt.
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AUGUSTA
Jonathan, tu so, als wären sie nicht da: Dich heiße ich willkommen, hier in Beewick. MIRANDA
Er war niemals fort. BURLEY
An einem Ort zu bleiben, ist dem Menschen zubestimmt – Wohlgemerkt, ich sag nicht anerzogen. AUGUSTA
Mit lobendem Stolz Seine Hand war es, die Burley Hall stützte, Und niemals hat, wie Titus, er an den Registern Von vox humana gezerrt, egal, wie's in ihm zitterte. MIRANDA
Und Titus zitterte – guter Gott, und wie er zitterte! AUGUSTA
Bemerkt Mirandas Ringe Hübsche Ringe. Mir hast du niemals Ringe geschenkt. MIRANDA
Gibt Augusta ihre Ringe Nie erinnerst du dich an die Ringe, die ich dir schenke. ELISHA
Geht auf Augusta zu und klopft ihr mit der geschlossenen Hand auf die Schulter Wer hat das Rotkehlchen getötet? DUDLEY
Es stimmt. Miranda hat die Welt verschenkt, Und niemand schien davon Notiz zu nehmen. Ihre Taten bringen sich selber um, wie der Stich die Biene. ELISHA
Und was für einen Stachel sie hat!
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AUGUSTA
Zu Miranda Ich werd im Grab mich dran erinnern, Daß du meinen Fuß gehalten hast. Was schuld ich dir? BURLEY
Wie lieblos! ELISHA
Es gibt nur einen Zoll von Liebenswürdigkeit an der Frau – Zwischen ihrem Busch und Hintern – Dort sitzt die Liebenswürdigkeit! AUGUSTA
Mit einem schockierten und erschreckten Auflachen Ich staune über meine ordinären Söhne, Jonathan, Die Gleichheit hat sie bloß vulgär gemacht. Verzeih ihnen. Und was Miranda angeht, Bruder, sage ihnen, Daß ich hübscher war als sie. BURLEY
Ich erinnre dich so hübsch wie meine Nichte, Und beide so hübsch wie eine jede einzeln. Du im Winter deiner Wäschestärke, Stolz wie der Frühling – AUGUSTA
Wirft den Kopf zurück Ja, nicht wahr? BURLEY
Ein richtiges Akkordion aus plissiertem Linnen – AUGUSTA
Spitzenunterkleider, zollange Schnürnadeln, Die ein rosa Seidenband ums Knie festhielten.
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JACK
Verabscheute das Haus und alle Hausarbeit? AUGUSTA
Unverschämtheit ! Miranda, erzähl ihnen, wie ich gewesen sein muß, Als ich hochgeschleudert wurde für die Flinte. DUDLEY
Dies Bild kann ich aus dem Nichts malen: Schneidig und zum Fallen bereit, wie eine Rennstallkönigin. Diese steife und schiefe Korrektheit ohne Makel – JACK
Die wie zurechtgebogenes Desaster wirkt – ELISHA
Die hohe Haltung, wie versprochen, Punkt und Schluß – JACK
Die einstudierte Launenhaftigkeit. ELISHA
Schnürnadeln? Papa benutzte die mit einem Korken, Um seine Schlampen wie Schwäne zu markieren und sich Als selbstgekrönten König seiner Herde zu erweisen. AUGUSTA
Schweig von seinen Kreaturen, wenn du von mir sprichst! ELISHA
Warum denn? Auch du tatest genau das, was er wollte, Und hast ihm alles durchgehn lassen. DUDLEY
Zornig Uh, hast ihm sogar erlaubt, daß er als Baby Mich in deinen Armen mit der Peitsche schlug.
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BURLEY
Ist es das, was du deinem Vater vorwirfst? DUDLEY
Ich werfe meinem Vater vor, daß er mich schlug, Ehe ich ihn kannte. MIRANDA
Das verwirrt ein Kind – ELISHA
Und daß Mutter, pflichtschuldig und bemäntelnd, In vertraulicher Gemeinschaft mit seinen Bälgern Und Bräuten lebte, wie eine Sklavin, ohne übertriebene Verwunderung, Während die Damen Bier und Kuchen schlangen. DUDLEY
Red keinen Unsinn! Die Kebsen tranken ihren Kaffee schwarz. Alle quiekten sie und kreischten in demselben Koben, Außer Augusta freilich, Die schrubbte auf den Knien mit Scheuerstein und Seife Um Großmutter herum, die Missionarin, Die ›Unaussprechliche‹ für Suahelis strickte. ELISHA
Man stell' sich vor. DUDLEY
Und Vater, der im Buch der Genesis anstrich: ›Gib mir meine Weiber und meine Kinder, Um die ich dir gedient habe, daß ich ziehe.‹ Egoist und Imperator. Ausreichend Für tausend Gänse, wie Abraham. AUGUSTA
Fährt vom Stuhl hoch, worauf ihre Söhne zurückweichen O Wahnsinn, irgendeinen zu kennen!
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Er war ein eifriger, ängstlicher Mann mit Fehlern. ELISHA
Duckt sich, fährt aber fort zu höhnen Während Brigid-Matilda, dieses Maultier, Seine erste Nebenfrau (dem Unterrock entstiegen), Auf ihren Stickrahmen mit blutigroter Seide stichelte Und ihrer Nadel in den höchsten Tönen zuschrie: ›Noch können wir uns freinähn aus der Fron!‹ BURLEY
Ist es ihr gelungen? AUGUSTA
Setzt sich wieder Daß ich hier und jetzt erinnert werde An all die längst vergangnen Festivitäten. Zu Burley Sie war's nicht, die ausgerissen ist. Wo schlafen wir heut nacht? BURLEY
Dafür ist gesorgt. AUGUSTA
Gut. Dann laß von Beewick als unserm Reich uns sprechen. DUDLEY
Kümmre dich nicht um uns. Wir sind nur arme Provinzler! AUGUSTA
Geh weg du! Ich sprech mit meinem Bruder Über die Zeit, da's euch noch gar nicht gab. Jonathan war Normanne – ich ungezähmt – ELISHA
Wiehernd Hiii-ho! Hiii-ho!
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AUGUSTA
Mein gescheckter Rock, gesäumt bis zu den Füßen mit Bordüren, In einem Faltenschwung, jeder Schritt ein Geisterrauschen, Und auf dem Kopf ein Florentinerhut, Der sich im Wind aufwarf. DUDLEY
Mit gespielter Bewunderung Nein! ELISHA
Fällt in den Ton ein JaGewagte Vorsicht, maßgeschneidert, Hüften keusch wie Schneiderkreide – AUGUSTA
Spiel du den Narrn, beonkel dich nur selbst. DUDLEY
Die Frisur mit einer mörderischen Nadel aufgespießt Bis auf den Knochen; unter zitterndem Gefitz ein Ohr Hochgestellt wie eine Ankerschaufel Um das weiche Gras zu schobern – AUGUSTA
Wer graste? ELISHA
Vater – wer sonst? DUDLEY
Der alte Baron Ochs! ELISHA
Das Ganze klingt, mein' ich, mehr nach Miranda. AUGUSTA
Meinetwegen Miranda.
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Sie ist ja nur Augusta, gespeichert in Miranda; Wiedergeboren als mein neues Konto Und all mein Anspruch. Tochter, einen Auftrag, wenn ich sterbe, leg mich in einen Baum, Dann hüpf ich in den Himmel. DUDLEY
Sind wir wieder bei den Bäumen! ELISHA
Wann biegt sich der Ast? DUDLEY
Zu seiner Mutter Was hast du an Miranda zu gewinnen? ELISHA
Was ist an einer zu gewinnen, Die sich auf der ausländischen Bühne herumtreibt? DUDLEY
Und ihr Blutvergießen in fremder Zunge präferiert Und ihre grausamen Komödien auf französisch schreibt? Ich bin für meinen Teil der Ansicht, Auswandern bedeutet so viel wie Verrat. BURLEY
Dann, mein Sohn, tappst du im dunkeln. DUDLEY
Scheinheilig Mißversteh mich nicht, wir liebten das Lamm – Bis sie zum Hammel wurde. AUGUSTA
Wenn einem von den Kindern beschieden war, begabt zu sein, So hätte es ein Junge sein müssen und dieser Junge
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Jeremy. Doch Titus überwältigte sie alle, außer Miranda. Du erinnerst dich an meinen verstorbenen Mann, Jonathan? BURLEY
Ach Gott, ja, meine Liebe, und an den ganzen Weg von London hierher. AUGUSTA
Er hörte dich als Meister auf der Orgel – JACK
Kam als Schüler, blieb als Lehrer? BURLEY
Und mit ihm seine Mutter. AUGUSTA
Wenn es drum geht, Victoria zu beschreiben, So will ich's tun. JACK
Sicher eine Kleinstadt-Récamier. AUGUSTA
Der letzte Schrei von London! Alle Größen ihrer Zeit drängten sich an ihrer Tür, Wie Kraniche zur Fütterstunde. Und erst die Künstler! Die exzentrischsten und die berühmtesten: Lotta Crabtree kam (ganz frisch aus Hang-town) Und sang auf ihrem Schoß ein Kostpröbchen, Als war es eine Galavorstellung! JACK
Womit England sicher war für London? DUDLEY
Bissig Was wissen Sie davon!
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MIRANDA
Freidenkerin, Mystikerin, Bodenreformerin, Nonkonformistin – Gegnerin der Sklaverei, Hydepark-Rednerin – AUGUSTA
Doch versteckte die Liköre in der Teedose! JACK
Titus, mit dem dreisten parochialen Blick, Ein Prediger so schwülstig wie Sankey und Moody, Bezaubert von den Schwestern Fox mit ihren Klopfgeistern, Von Märtyrern, Propheten und Levitationen Mit orientalischem Einschlag... ELISHA
Und endete als flotter alter Narr Mit Zylinderhut und allem Drum und Dran! DUDLEY
Ältere Damen bewundern einen schneidigen Kerl! AUGUSTA
Erhebt sich von neuem, entrüstet Wenn's etwas gibt, das mehr als alles mir zuwider ist, So ist's ein lächerlich fideler, quicker Mann, Der, um jung und tauglich zu erscheinen, Über Stock und Stein springt und mit Glace-Handschuhen klatscht. Ich bin eine ernste, anständige Frau. DUDLEY
Anständig? Du hast gepißt wie eine Katze, Nur um etwas Schlüpfriges zu hören!
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AUGUSTA
Setzt sich bestürzt wieder hin Oh! ELISHA
Beiseite zu Dudley Das hat sie gerissen! DUDLEY
Beiseite zu Elisha Geduld. Bleib witzig. AUGUSTA
Ich frag mich, wer wir sind, daß wir noch immer Zeit dafür haben. Ich, die ich anspruchsvoll in allen Dingen war, Habe unflätige Männer. DUDLEY
Na und? Wir sind bloß zeitgemäß. AUGUSTA
Und ohne Unschuld; Noch habt ihr den besonderen Dispens Daguerres, Von dem berührt zu werden, gleich wie, eine Taufe war. Unter seinem Streicheln war euer Vater Kind; Die Liebeslöckchen krausten sich um seine Wangen, Als hätte seine Jugend neuen Charme gewonnen. JACK
Aber mit ungeschabtem Kinn wie ich? AUGUSTA
Wer sind Sie, junger Mann, zu wissen, Wie einer Witwe toter Mann aussieht? JACK
Schachmatt! AUGUSTA
In seinem Backenknochenplüsch summten die Bienen,
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hingen, Als wäre er ein Park. MIRANDA
Ich dachte, du hast gesagt, daß du den Mann nie mochtest. AUGUSTA
Außer seinen Zähnen. Seine Zähne waren meine Wonne. MIRANDA
Verteidige ein Beßres Argument; vier Kinder hängen daran. AUGUSTA
Keiner von euch war irgendwo, als ich zum ersten Mal ihn sah. BURLEY
Ein Mann, der um den eignen Umkreis kroch, Als ob er nach dem Ausgang suchte. Zu den Söhnen Wie seht ihr euren Vater? JACK
Unkontrolliert Ein alter Bock! Ein aufgeblasener Gockel! AUGUSTA
Der Kutscher ist ein Redner! JACK
Verbeugt sich Zu Ihren Diensten, Madame. ELISHA
Seid auf der Hut – ich wittre, wittre Britenblut! AUGUSTA
Ohne sich um ihn zu kümmern Er gehörte zur selbsternannten Rasse, das heißt, Amerikaner.
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BURLEY
In unsrer Glanzzeit kamen viele nach Burley, Euer Vater war bloß einer im Gedränge. Apologeten kamen, Rechtsanwälte, Peers, Enzyklopädisten, Architekten – Um unsre stiernasigen Balken zu studieren – Und nicht nur einer hat das Gleichgewicht verloren Und sich, den Kopf voraus, in seinen Brougham geflüchtet, Nach meinen schüchternen und schlauen Schwestern schielend – Den kleinen spähäugigen Brigantinnen! AUGUSTA
Advokaten kamen, wachsame Richter, Die ihr Urteil auf dem Knie abwägten – Diese zweite äußere Zergrübelung des Kopfes – Die lockige Perücke der Jurisprudenz. BURLEY
Adlige, die sich als unfreundlich erwiesen; Kaplane, Spekulanten, ganze Prozessionen kamen; Einmal, nur einmal, mit loderndem Blick Der Dekan. MIRANDA
Und Victoria? AUGUSTA
Ich sagte, wenn Victoria dran ist, will ich sie beschreiben. Sie bildete sich ein, sie sei mit Gelée Royal gepäppelt Und behauptete, die Kraft des Handauflegens zu besitzen, Die einst dem König eigen war. Sollt ich, ein Kind vom Land, dran zweifeln? Man möge mir verzeihn, ich hab ihr blind geglaubt;
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Sie war so zärtlich und so falsch; Eine unvollkommne Lehrmeisterin, aber eine witzige: Und was für ein übersinnliches Augenpaar! BURLEY
Zurück aus Bangkok gerade, für die Presse. AUGUSTA
Aufgelaufen und im Dock vertäut – (Ihre mehr als orientalische Wohnung am Grosvenor Square); Ein kolossaler Körper, über und über bepflastert mit Brillanten, Auf ihrem Kopf der Ballen eines Turbans, Doppelt so tückisch wie ihr Gedankengang gewickelt; Den Handschuh unter die Löwen geworfen, (Den erlauchtesten von ihren Gästen im Schlepptau) Gefolgt von einem Mohrn und einem Spaniel, Der Spaniel gefolgt von ihrem zweiten Gatten, lauter Elfenbeinhauer und ein schauderhaft gewichster Schnurrbart, Ein Spanier von extremer Ordinärheit, Den sie aus übergroßer Liebe mit zwei Ringen geheiratet – (Er verließ sie später wegen einer Cheapside-Hure) – Nun, das mag genügen – Auftritt Victoria! JACK
In einen solchen Bug und solche Bö gehüllt von Funken; Ihr Abdomen, betreßt, geschnürt und wehrhaft – Gestreift wie die Hautschalen der Boxerhornisse – Brummte und vibrierte unter mitternächtgen Lampen: Und in seiner Mitte baumelte der schlafschwere Stein, Der vom Mond den Namen hat.
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DUDLEY
Kräht in höhnischer Bewunderung Ki-ke-ri-ki! AUGUSTA
Obgleich nicht anständig, sich zweimal zu verheiraten, Und gewiß unanständig, Liebhaber zu nehmen, (In ihrer Seele da war jede Liebe treu und ehrbar – Tatsächlich wurde sie betrauert von fünfzig Seidenschirmen – Es regnet immer Schusterbuben auf Wunder nieder) Konnte sie jede zu sich ins Haus als Tochter glucken. Sie pfiff, und die Mädchen, wie Diebe kamen sie gerannt. Ihre flinke, melkende Zunge konnte einen so geschwind Um den letzten Tropfen lecken, wie eine Ameise, Die eine Kuh melkt. ELISHA
Mademoiselle war neu bei Hof und schüchtern!‹ DUDLEY
›Und hatte pro Tag nur einen Pfennig‹ – AUGUSTA
Sie gewann sich meine Börse, mein Vertraun, meine Person, In weniger als einer Stunde. Es scheuern sich selbst Steine ab, wenn Schmeichelei sie leckt; Und ich, für ihren Hengst von Sohn, war bloß das Steinsalz, Vor seinem zügellosen Maul schmolz ich dahin, Zu seinem flüchtigen Genuß. BURLEY
Armes, schwaches, unglückliches Kind! AUGUSTA
Er war so überzeugt von seinen Fähigkeiten,
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Daß er die eigenen Libretti vertonte, seine Schweine abstach; Er sägt' den Greifen an und weiß Gott was alles nieder; Stimmte die Glocken um, so daß sie seine Stunden schlugen; Schrieb sein eignes Credo, half den Kühn beim Kalben; Danach, en garde den Malstock, die Palette gekippt, Malte er Männchen an Flußufern. JACK
Aber, um einen Durst zu stillen, brennender als des Narziß, Übers Wasser geneigt, fiel der Kerl hinein. DUDLEY
Er hatte eine Art, bei jedem Vorwurf hochzugehn. ELISHA
Und eingebildet! Ein Kinderbaustein unter seiner Ferse, Schwups stand er drauf und krähte wie ein Gockel. AUGUSTA
War das ein Tandem! Aus zuverlässiger Quelle habe ich gehört, Daß Vesta Victoria am Leicester Square sang: ›Siehe, meines Herzens Ohren öffnen sich zu dir!‹ Nur zu Victorias eigenem Vergnügen, diese Süße! DUDLEY
Wüstling, weiß Gott; Plünderin und Kupplerkönigin; Ein Gaunerreich, wie man verrückter sich's nicht denken kann. MIRANDA
Aber im tiefsten Winter fuhr sie im gotischen Schlitten, Um Geld heranzuschaffen. AUGUSTA
Lumpensammlerin !
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MIRANDA
Beherrscht ihren Zorn Mach dir nicht zunutze, daß sie fort ist. Die Lumpensammlern war eine Sache, die sie verstand. Ihre Hochflut trug uns empor und schaukelte unsere Wiege. Sie war Schiffstandlerin für jedes Wrack entlang der Küste. Ein Votivschiff, das, den Kiel von Muscheln überkrustet, mit schwerer Schlagseite dahinzog, mit den Opfergaben der Kinder beladen, Glaskugeln, Bändern, Kieselsteinen, zerbrochnen Puppen Und all den Dingen, die verschreckte Kinder in der Höhle Des Löwen liegenlassen. Ein unsicherer Zufluchtsort, Mit einem Zirkus und einem Jongleur auf dem Rücken: Sie verstand, wie man ganz und gar kaputtgeht. Schwindlerin, Puddlerin, Plünderin, Stütze und Grotte; Doch als Petrus seine Pforte schloß, hielt sie Den Fuß dazwischen, daß die Kinder durchschlüpften. AUGUSTA
Du hast immer ihre Partei genommen. MIRANDA
Wirklich? AUGUSTA
Doch ich, die ich den Finger in das Bettzeug bohrte – Fühlte was? Ich rührt' an eine weibliche Insektenlarve, Und da hab ich gewußt, ihr Sohn, Stier Titus, hatte Mit seinen polygamen Scheußlichkeiten angefangen.
85
DUDLEY
Kurz gesagt – Untier Nummer eins. AUGUSTA
Genau. Ich rief mein Kind – Mein zweites Kind – Ein Jammer – BURLEY
Aber liebe Schwester, was warst du überrascht? Titus begann ja hier in Beewick seine Praktiken. Wie weit er's trieb, kann niemand unsres Alters sagen: Eine Sirene brachte er in Wallung Mit dem Gesäusel auf der Zither, das ist klar. JACK
Fräulein Mephistopheles! BURLEY
Leicht amüsiert Bis in die Galoschen liebestoll: Ganz in Scharlach wie ein Kardinal, Um den Hals ein kirschenrotes Band, wie eine Ermordete. War sie erst auf der Treppe, flitzte sie Wie eine Eidechse hinauf und schrie: ›Bist du erregt?‹ DUDLEY
Der auf die Galerie hinaufgestiegen ist War das Luise mit dem Bibliothekaren-Steiß, Erinnert euch, – die ein gutes Buch auf untern Borden suchte? ELISHA
Nicht die. Es war die Schlampe, die gekrischen: ›Haltet den Dieb!‹ wenn sie Visionen kriegte – Vater hatte sie auf einer Schute im Erie aufgefischt.
86
AUGUSTA
Nein, nein. Du bringst sie mit Belinda durcheinander. Belinda war, zum Glück, vor deiner Zeit. Du meinst Juliette aus Camberwell. DUDLEY
War das ein Spaß! Ich dachte grad an Kitty Partingale, Die Großmutter einmal aus Blackpool anschleppte, Oder war es Brighton? Wie auch immer – eine Harf enjule, Die ihre Harfe zur Muschelzeit harfte. JACK
Sie zupfte die hochhüftigen Stränge mit Insektenkitzlern; Alles, was sie konnte, war ›Der kleine Knabe‹, Als sie eingefangen wurde. AUGUSTA
Bissig Sie spielte Mozart, und zwar in Covent Garden. DUDLEY
Gleich welches Lied – es klang immer hochgestochen. AUGUSTA
Mit hörbarem Flüstern zu Burley, der eingenickt ist Geh nicht weg, und schlaf nicht ein! Laut Kitty war die Dümmste von allen. MIRANDA
Eine mißglückte Clairvoyante, die Ärmste, das war alles! Sagte, daß sie Lord Kitchener in einer Wolke sah, Wie er, das Doomsday-Buch beim Rennen schwenkend, Ohm Krüger hoch über Afrika verfolgte. AUGUSTA
Schnippt plötzlich mit den Fingern Trudy Frisch aus Brügge!
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Eine respektable Füchsin von einem Weib, Die sein Bett in Ordnung hielt; Flamin, Stolz auf ihr Fett, das sie Für ihre Landsleute aufsparte. JACK
›Im weichen Gras saß Phyllis‹ rangelnd, In Schönheit gedrechselt, wohin sie sich auch wand. MIRANDA
Wie sie sich auch wälzte, das wütende Sonnenlicht Warf um ihre Linien eine Glutenmähne; Und während die zwei in ihrem Ringkampf tobten, Tauchte Jeremy auf einmal aus dem Ried, Der aufsässige Junge, hieb mit dem linken Handflügel Seinen Vater ins Gesicht und stotterte: ›Verführer!‹ BURLEY
Aus dem Regen in die Traufe. DUDLEY
Du sagst es. Als das Gesetz über uns kam, hinter der Mauer – Die er hoch aufgerichtet hatte gegen böse Zungen – Verbrannte er sein Credo, überließ die Rechnung dem Teufel. Und nachdem er derart den Betrug betrogen hatte, Setzte er uns vor die Türe wie Bastarde, die wir nicht waren: Und entwich auf einem Frachter aus Cove, Um wenigstens von seinen Weibern eine zu legalisieren. BURLEY
Und dann starb er? AUGUSTA
Er ging mehr verloren, als daß er starb.
88
BURLEY
Ich hab wirklich nie begriffen, Wie du dich damit abgefunden hast. AUGUSTA
Mach dich nicht auch noch über mich her! Ich war ein Opfer. Meine Pflicht gegen den Staat hab ich erfüllt – in Kindern. MIRANDA
Oh, nicht das wieder. AUGUSTA
Ein Heiliger der letzten Tage gab er vor zu sein, Reinfegen würde er die Welt von Huren; ich hab ihm noch geglaubt. BURLEY
Ach, ach, meine Liebe! AUGUSTA
Zu meiner Zeit, da hat man seinen Gatten nicht verlassen. JACK
Besonders, wenn er zu verstehen gab, er könnte Eines Tages Earl des alten Pendry werden? ELISHA
Herrgott ja, und Baron von Castaigne! Aus reiner Frechheit, und um sich fremde Aura zu verleihn, Kratzte er im Stroh des Kuhstalls, Um seinen Wappenschild zu suchen. DUDLEY
Und spuckte Trockenpflaumen unter die Philister; Ein Puritaner zu nahe seiner Apostasie. Ein Moralist!
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Und von so schonender Feinfühligkeit, daß er Mutters Federboa verbrannte, aber die Hähne köpfte. BURLEY
Das machte auch mir Angst. Doch du, Augusta, Die du mit Königreichen in Gedanken spieltest, Warum hast du den Inhalt deines Lebens verloren? Unsre Herrn von Burley Hatten nicht Bedarf in ihrer Mitte nach Propheten, Die sie fragten, mach welcher Seite sie trugen‹, Sie schufen ihren Rang und Staat aus sich, wie sie da gingen; Ihre Kleidung paßte zu ihnen, wie der Sammet zum Geweih. Sie herrschten alle mannhaft über Burley; Welchen Ton sie anschlugen, sie klangen ehrlich, Sogar bei Kanonaden. Daher finde ich es Mehr als seltsam, daß du Titus ertrugst. AUGUSTA
Er sagt', er sei der Hengst, ein Königreich zu zeugen. JACK
Summt ›Wer kommt denn hier vorbei so spät?‹ – Hören Sie, ein Stammbaum kommt nicht davon, Gnädigste, Daß man zwei Nächte gegeneinander reibt. BURLEY
Steht hastig auf Ich hol die Lampen. DUDLEY UND ELISHA
Nimm Jack mit. AUGUSTA
Hält Burley fest
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Geh nicht. Laut Jede Überzeugung hat natürlich ihre Trense. Sagen wir, daß ich eines Tages auf der Ottomane saß Und die Dreifaltigkeit mit einem Schlag begriff: Vater, Sohn und höchst unheiligen Ursprung. JACK
Das war der Tag, als der Himmel auf die Küken niederfiel– AUGUSTA
Das war der Tag, als Chronik-Augusta, Die närrische, die Märchenbuch-Augusta, Im wilden Spielraum ihrer Einbildung Einen Turnierplatz absteckte, ein Schlachtfeld bewaffnete, Das Mars selbst ausgestochen hätte! Ich hing die blanken Schilde auf, ich spann den Drillich, Trug Speere und Standarten, Streitaxt und Keule zusammen, Ich band den Ölzweig und alles Knospenwerk In den Reifen, der den Sieger kränzt Und der rote Beeren als sein Blut vertropft. Ich umgarnte die leere Zielscheibe des Herzens – Die ihr Nest in Kettenringen aus Metall baut – Mit den Farben einer dahingeschiednen Mutter: Pflanzte den Helm auf mit dem klaffenden Visier Und warf den Fehdehandschuh in sein Gähnen. Dann, dann wartete ich aufs Getös der Waffen! Und was taten meine Söhne? Standen auf und rückten vor In Reih und Glied, wie der Wald von Burnam? Nein. Sie lagen still und dudelten sich was! Maulwürfe hätten da das Feld erobern können!
91
BURLEY
Miranda stand auf. AUGUSTA
Wer ist Miranda? Sie überläßt ihre Waffen dem Feind. Schau, wie besiegt sie ist in ihrer Herrlichkeit! Kurz gesagt, ich kann sie mir nicht leisten, Sie ist nur ich. BURLEY
Nur mehr verletzt. AUGUSTA
Ja, ja, genug davon. Ich habe Hunger. BURLEY
Nun ist Jack an der Reihe. Er sagt mir, Er hätte eine Reuse voller heimlichem Skandal von Burley, Der die Stadt brotarm machen könnte. Gehn Sie, Jack! Holen Sie meiner Schwester was zu essen. JACK
Im Begriff zu gehen Glaubt nicht, ich bliebe länger aus als euer Segen. Geht ab AUGUSTA
Ein wildes unverschämtes Gebaren. BURLEY
Ein wilder unverschämter Kerl. Ich würde sagen Vernarrt in Miranda wegen ihres Stils; Und verwirrt. AUGUSTA
Wenn du mich fragst – aber nie fragt jemand mich – So ist Miranda immer noch im Tintenfischgewölk,
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Das ihr Vater bei seinem Rückzug ausstieß, Vor nunmehr vielen Jahren. Sie hat Allüren, Gnadenlos wie im Himmel die Verdammten: Trotzdem hat sie, in alle Möglichkeiten ausschweifend, Den Richtpunkt ihres Lebens verloren und dreht sich, Wie der Kopf der Eule, ohne Halt im Kreis. BURLEY
Kurz und gut, da irrst du dich. AUGUSTA
Kurz und gut, das glaubst du. Aber alle wissen, Daß sie in Testamenten ein- und ausspaziert ist, Wie Hunde durch Reifen. Auf irgendeine Weise Müssen meine Kinder überragend sein. ELISHA
Knackt Nüsse Wieso? Wer bist du, ein überragendes Kind zu beurteilen? Was Miranda angeht, so blieb sie immer eingehüllt In eine so verfluchte, so herablassende Milde, Daß ich ihr nicht trauen möchte, selbst wenn sie geohrfeigt wird. DUDLEY
Mutter mochte sie, wenn sie den Kopf hängen ließ. AUGUSTA
Als kleines Mädchen war sie ganz entzückend: Ich hatte sie am liebsten, wenn sie ertappt aussah. DUDLEY
Du hattest sie so überzeugt von ihrer Tücke, Daß sie mit sieben Jahren Hecken schnitt, Und dir die Ruten brachte, um sich In deine Gunst prügeln zu lassen.
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Seit jener Zeit ist sie auf der Suche nach ihrem Verbrechen. ELISHA
zu seiner Mutter Das erinnert mich an die Contra-Hündin, den Köter, Den du auf Vaters Wunsch mit beiden Händen hieltest, Am Rand der Nacht gekauert, während er mit dem Gewehr, Das er gestopft mit deinen Liebesbriefen hatte, Das Tier ins Herz schoß, grade als der Mond aufging. BURLEY
Entsetzlich für ein Kind, wenn es den Mond Aufgehen sieht im Bauche eines Hundes. Ist denn keiner davongekommen? AUGUSTA
Doch, Flora die Namenlose. Das Mädchen legte er vom Herd weg in die Erde. Unter den grünen Rasen, als Wärmehaube Über seinen Balg gestülpt. MIRANDA
Manchmal frag ich mich, was eine Frau Zwischen den Handflächen ausschwitzt, wenn sie barmherzig ist. AUGUSTA
Schau mich nicht an! Dein Vater war an allem schuld. MIRANDA
Trotzdem, war nicht er der Mann, der, um sich hauend, Am Boden lag, eine lange Sterbenacht hindurch? Als das erste Pfand des Tods, sein toter Bankert, Mit verschlossenem Gesicht und hellem Kraushaar, Im vollen Galopp den Sattel seines Herzens ritt, Während er die Luft hämmerte und sich bäumte,
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Um sie zurückzuhalten und die Hände zusammenschlug Und ›Halt!‹ brüllte – das war ein Schrei. ELISHA
Indes unsere Mutter über die Saiten strich und krächzte ›Kuckuck‹. MIRANDA
Und der Mistkäfer Atlas weiterstrebte. BURLEY
Dennoch glaub ich, daß Elvira damit anfing – Ein Mädchen, das ihr Herz durch bloßes Atmen streichelte. Doch um sie zu nennen, wie die Welt sie nennen würde – Diebin – (Es war ihr Bein, über das unser Poussierprinz stolperte!) Und dabei doch so träge, daß sie sich von ihm An einen Kerl im Pelz-Tschako abschieben ließ. AUGUSTA
Ein Tschako, den er striegelte wie eine Katze. BURLEY
Seine Knöpfe blitzten sogar auf der Rückseite! AUGUSTA
Hartnäckig Es war Victoria. BURLEY
Titus? AUGUSTA
Die beiden konnten unternander die Gemeinheit so vergolden, Daß die Luft süß roch, obwohl's zum Himmel stank. DUDLEY
Ach was! Seine Weiber knuffte er kopfüber in den Ring, Und in ihre strampelnden Fersen, notabene,
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Je nachdem was für ein Huhn an dem Tag dran war, Schlug er seine frechen Sporen. AUGUSTA
Noch hör' ich in den fernsten Windungen der Ohren Seine Möwen weither schrein: Kupplerin, verkuppelt, Und Bastard! MIRANDA
Et cetera, et cetera, et cetera! Wenn du, die einmal fügsam, brünstig und leichtgläubig war, Uns das Betrug. AUGUSTA
Ich sage Huren! Zuhälter, Untier und Prostituierte! MIRANDA
Hör mich: Und wenn du die unendlich ferne, jammernde Stimme Einer Kreatur hörst, die in der Verstrickung sich erschöpft, Oder die ihren Kummer einspinnt in dein Ohr; Wenn auf das Rad bittrer Vision geflochten, Ein Phantom den Gletscher deines Augs aufsplittert, Ein Geist vorm Gatter deines Herzens flüstert: Wenn die entfesselte Hand des Cicero die deine spreizt Zu seiner kriechenden Oktave, an deiner Wand, Und mon nobis geschrieben hat in deiner Schrift Und fortfährt, dann hebt sich der Schleier Und eine jede, das Gesicht der anderen umfassend, neigt sich.
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Find sie, findest du sie, wende sie dir zu: Löse dieses Mißgeschicks Geschick. AUGUSTA
O mein Gott! Für jedermann bin ich die andere! BURLEY
Hastig zu Miranda Komm, Nichte! Hilf mir mit den Lampen. Burley und Miranda gehen ab AUGUSTA
Beunruhigt, als sie sich mit ihren Söhnen allein findet Ich frage mich, wofür Miranda angezogen ist. Obgleich zusammengesetzt aus tausend Lastern, Aufgeputzt und ausstaffiert für irgendeinen großen Skandal, Ist sie im Grund genommen hochherzig – ELISHA
So? Ein ganzer Narr steckt in Miranda. DUDLEY
Wenn sie für etwas aufgetakelt ist, dann für Unheil. Eine Wanderschauspielerin, alle Achtung! Ohne Beschützer, Gatten, Sohn oder Bankguthaben? Pfff, pfff! Besser, sie wäre eine fliegende Händlerin, Mit all den tutti und continua; Und lief einmal pro Tag rund um die Schöpfung Und wäre nicht für unser Portemonnaie gefährlich. AUGUSTA
Verdreh die Dinge nicht. Um euer Portemonnaie hat sie noch nie gewinselt. Was mich verwundert, daß sie nicht berühmt ist. Ich glaubte fest, sie käme in die Zeitungen.
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Mit allen wichtigeren Leuten ist sie doch bekannt. Hat sie sich aber die Adressen aufgeschrieben? Nein, das nicht. ELISHA
Indessen du die Saiten strichst und sie geflennt hat ›O Mutter, meine Mutter !‹ AUGUSTA
Ich hab entdeckt, je mehr meine Tochter Dem Gebot ihrer eigenen Skrupel nachlebt, Desto verlassener ist sie. ELISHA
So wie sie urteilt, zahlt man ihr heim: Wer sie sich nicht leisten kann, stößt sie hinaus. AUGUSTA
Wer stieß sie hinaus? DUDLEY
Du stießest sie hinaus. ELISHA
Als du, Strohwitwe, auf die Weide gesetzt warst, Heuschreckenzeit und Hungerzeit war das für dich – Und – mit vollem Recht – bloß an deine Söhne dachtest, Da stießt du sie hinaus in die Finsternis – du, ihr Einzger Schutz, und sie ein dummes Luder – AUGUSTA
Bebend Du, untersteh dich nicht, vor meinem Bruder so zu sprechen! Miranda brauchte keinen Stoß, sie ging. Bist du von allem Anstand so entblößt, Daß du deine Mutter in Bestürzung hetzt? Da hör ich nicht mehr hin.
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DUDLEY
Grinst Gewiß, taub. Aber laß im Muff mal einen fahren, Da gehst du hoch. ELISHA
Und wenn sie hochgeht mit ihrem Tranchiermesser – Drei Mäusejungen, sieh mal, wie sie rennen! AUGUSTA
Mit tonloser, verächtlicher Stimme Ihr verlöret nicht einmal das süße Gewicht Eines Kastraten, um meinen Fall im Alt hinauszugrölen; Und ihr habt mir auch nie etwas zum Renommieren gekauft! DUDLEY
Wie immer, wenn sie scharf wird, mehr amüsiert als beleidigt Geistreich – was? Im selben Augenblick kommt Jack mit einer gut tranchierten Hammelkeule und einem Becher herein. Er serviert sie Augusta mit einer schwungvollen Geste. Sie nimmt mit dem gedankenlosen Gusto eines Kindes an. JACK
Erlauben Sie, Madame, wie Thomas Becket sagte: ›Alles Fleisch erblicken wir‹ – Sie wissen schon – ›durch den Mund‹ – Denken Sie daran. Geht zur Tür Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich mache rasch den Tee In der Butlerwohnung. AUGUSTA
Mit vollem Mund Was von Jeremy gehört?
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JACK
Jeremy? Nicht ein Wort von Jeremy. Burley und Miranda kommen mit den Lampen herein AUGUSTA
Betrachtet die Hammelkeule Wahrhaftig, eine ungeheure gefräßige Welt. Aber leb darauf und du wirst finden, Daß der Appetit es ist, auf dem du lebst. Alter? Ein eingesperrter Irrer – ganz Napf und Gabel Und unwillkürlicher Schlaf. DUDLEY
Halt dich an der Macht, zum Teufel, oder weg mit dir vom Napf! BURLEY
Stellt die Lampe in den Schatten der Galerie Man soll das Licht nicht sehen. MIRANDA
Stellt ihre Lampe neben die Schneiderpuppe Das Sternlicht hätte uns genügt. JACK
Gott segne euch und die Dunkelheit, ich verschwinde. Geht ab AUGUSTA
Bemerkt zum ersten Mal die Kletterpflanzen, die sich in die Halle gedrängt haben Seht, wie die Ackerwinde nach dem Boden zieht, Und von der Haspel des Herbstes ihre Haken auswirft, Das Hohe niederzuranken. Wie die Kletterpflanze Ist das Wickenweib, gemeines tückisches Gewächs, Das sich ranhält wie ein Dieb, mit seinem Saugmund An der Wurzel schnappt und Buben stürzen läßt, Und, zur Höhe des Ligusters kletternd,
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Sich für die Größe hält, an der sie nur schmarotzt. ELISHA
Mit einem Pfiff Das kann wohl niemand, den wir kennen, sein? DUDLEY
Doch wohl niemand, der hier in der Halle steht? AUGUSTA
Warum nicht, lieber Dudley? DUDLEY
Darum, zum Teufel, weil wir nicht gekrönt noch kreditwürdig sind – Was ein ungeheurer Fehler ist, das geb ich zu! ELISHA
Obwohl selbst ganz hübsch vermögend, bin ich sicher, Meine Frau hat mich ums Geld geheiratet, ums liebe Geld. AUGUSTA
Genau. Früher war der Ruhm das Ziel – heut ist es der Besitz. Das auszusprechen, sträubt sich mir das Herz, Wie das Schmirgelleinen, in das ich meine Nadeln stecke. Aber die Frauen kenne ich, mein Sohn. Eh ich Kalt bin, werden sie mich vom Laken schütteln Wie einen Korken. Mich in die Luft schleudern an meinen neuen Platz. Eh du dich versiehst, greifen sie nach Topf und Tiegel, Reißen mir das Dach weg überm Kopf, und aus meiner Tasche Holen sie alles – (mit Fingerspitzen wie gierige Florentiner, Die aus Hurrikan und Schiffbruch profitieren) – Drücken mir die Hand zum Zeichen, daß sie trauern,
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In Wahrheit eine schlaue Fessel bloß, um meine Fingerringe Dem hungrigen rigor mortis zu entreißen. Dann erst geben sie Ruhe. DUDLEY
Beugt sich vor, die Hände auf den Knien Hat man da noch Worte, ist die empfindsam! MIRANDA
Und wahrheitsgetreu. AUGUSTA
Ich habe sie gesehn, die Kreaturen, als sie dachten, Mein Scheitelaug war zu. ELISHA
Wie kommt es, daß gewisse Frauen keine Brüste haben, Bis ihre Kinder begraben sind? AUGUSTA
Springt auf, setzt sich aber wieder Du unnatürlicher, brutaler Kerl! Du hast im Stehn An mir gesaugt! Der Saugkrebs klebt dir noch an deiner Lippe! DUDLEY
Schlägt die Hände zusammen BURLEY
Wenn ich ein Wort einwerfen darf – AUGUSTA
Worte, Worte! Ich wünscht' ich wäre bös gewesen, Ich hätte meine Brust an einen Dorn gedrückt: Oder ich war der Lotsenfisch gewesen, dessen Magen Für seine Brut Morast und Wiege ist – Ich hätte meine Kinder fortschaukeln sollen! MIRANDA
Heftig zu ihren Brüdern
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Gemein, gemein! Der schlimme Zweck im Sprung des Tigers Abgeschätzt auf den Zoll Boden, wo die Tatze aufschlägt, Ist leiser nicht, als es der meine war, Da ich euch schnitt vom Stengel unsrer Mutter Und euch wie eine Schildkröte auf der Hand hielt – Schildkröt und Heiliger sind auf dem Rücken gleich – Und mich fragte, damals, wen von beiden ich gefangen. ELISHA
Tut, als ob ihn fröstelt Brrrrr! Die Temperatur der Hand war kalt. MIRANDA
Die Temperatur der Hand war Grauen. Den guten Vorsatz Für Grausamkeit zu nehmen, zeigt, wie ihr mich mißversteht. AUGUSTA
Ihr alle scheint viel mehr zu wissen als ich. Ich sitze wie der arme, rumgestoßne Bettler Alleine, um in einem Traum Bankett zu halten: Denkt, daß ich Kinder in einer Vision gebar. BURLEY
Betrübt Hat denn keiner hier zum Schutz vor schlimmem Zeiten Einen Verwandten sich bewahrt in seinem Schilderhaus, Der um die Nachwelt patrouilliert? Nicht einen einzigen? Nichts gegen den Winter der Entfremdung? DUDLEY
Höhnisch Sicher, Miranda.
103
BURLEY
Obwohl ich Miranda allzu spät. DUDLEY
Doch ihr Ausscheren meint Verödung. BURLEY
Was denkst du, Augusta? AUGUSTA
In dieser letzten, schlimmsten Stunde meines Erstaunens Erkenn ich, daß ich eine Närrin bin. Ich bin auf der Strand, auf Piccadilly gegangen; Ich hab die Löwen am Trafalgar Square gestreichelt. Ich lernte alles in Pendry Cove, und mache doch Keinen Fortschritt, weil ich keine Fragen stellen will. Ich will keine Fragen stellen, weil ich sehe, wie ich mich Durch drei verschiedne, grauenhafte Generationen schwitzen muß Und nichts begreifen möchte. JACK
Kommt herein Die Verdammten, die nicht kapitulieren wollen! Zu Burley, der eingenickt ist Hallo, Wächter! Aufwachen! Kommen Sie heraus. BURLEY
Mit einem Ruck Was? Was ist los? JACK
Helfen Sie mir. Ich habe draußen was im Kutscherkasten, Wofür's nun Zeit ist. Burley und Jack gehen hinaus. Kaum sind sie draußen, als die beiden Söhne – Dudley setzt eine Schweinsmaske, Elisha eine Eselsmaske auf, als ob die Spielsachen ihnen Anonymität verschafften – sich stumm und blitzschnell
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auf die beiden Frauen stürzen. Elisha schlägt Miranda den Stock aus der Hand, packt sie und hält ihr die Arme auf dem Rücken fest. Dudley stößt Augusta herum und versucht, sie zum Tanzen zu bringen. DUDLEY
Ich puste und paffe und blase dein Haus um! AUGUSTA
Die glaubt, daß sie wirklich spielen Ein Spiel! Ein Spiel! DUDLEY
Läßt sie los, springt in geduckter Haltung umher, schlägt mit raschen federnden Faustschlägen in die Luft, wie in einem Schattenboxen Spielen mit dem Kleinen? Willst du spielen mit dem Kleinen? Wer hat Angst? Er setzt dich ab in Windsor! ELISHA
Stößt Miranda von hinten mit dem Knie und hält weiter ihre Arme fest Also los, meine ganz hübsch benutzte Jungfer, Nun, da dein teurer Onkel Jonathan für den Moment Sein Metronom verstellt hat und hinausgetickt ist, Was können wir nicht alles mit dir machen? Du wolltest nie auf deine Brüder hören, stimmts, Schätzchen? Zeckenfresser, der die große Konzeption ausritt, Die Vater aus Schiß in deinem Winkel hinterließ. Winkelt das Knie an Laß sehn an deiner Losung, ob du ein Fuchs bist! DUDLEY
Über die Schulter seiner Mutter zu Elisha
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Tritt sie in den Hintern und stell sie auf vier Füße! Das ist ihre beste Position! ELISHA
Das verdammte auserwählte ›Opfer‹. Auch so eine selbstverlieh'ne Aufwertung! Nie hab ich eine derart ernste Gammeltimpe gekannt! Hättest du nicht deinen Brüdern nachleben können? AUGUSTA
Atemlos zu Elisha. Bewundere sie! Bewundere sie! Wieder zu Atem kommend zu Miranda, Du wolltest niemals – gib zu, daß du niemals Auf deine Brüder hören wolltest. MIRANDA
Macht sich plötzlich frei Hände weg, du allzu nahe Kreatur! Zu Augusta Verlangst du, daß ich in mein Innres springe, Mich dort meines Berufes entledige, Um mich in die Gosse ihrer Ansichten zu setzen? Möchtest du mich beklatscht von Händen ihres Beifalls? Bewertet Durch den vereinten Horror der gemeinen Mäuler; Sollte dem Verdikt des Plebs zulieb ich mich erniedrigen Und schrein: ›Ich bin ein Narr!‹, um einen Narren zu beruhigen? DUDLEY
Zerbrich die Krone ihr mit Fingerhüten, zwick sie in die Nase! Schaut, Jungs, das heilige Weibchen ist geplatzt! MIRANDA
Es gibt ein bestimmtes Ticken in einem kleinen Menschen,
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Das ihn ankündigt. ELISHA
Tritt nach Mirandas Rock Das Amulett an deinem Bein – noch nicht gerostet? Lautes Gelächter. Dudley, der sich Jacks Peitsche gegriffen hat, läßt sie in Augustas Richtung schnalzen. Dudleys und Elishas Bemerkungen fallen so schnell aufeinander, wie in einer Art Tumult. DUDLEY
Zu Augusta Hei! Ich seh gern einen Senkrücken im Galopp; Macht Spaß, einen gestutzten Schwanz am Stummel ziehn; Köstlich, eine aufgespießte Krabbe zu beobachten, Wenn der Parasit hineinkriecht, um sich gütlich dran zu tun, Gekrümmt und tauchend nach dem Grab! ELISHA
Zu Miranda Ho, du Rülp vom Kontinent! Schwindlig geworden? Bist gerannt vorn Zaunpfahl bis zum Zaun? Bist ausgezeichnet worden von den Scheißintellektuellen? Aristokratin! Artistin, Bettlerin, du Habenichts! Schnippt mit den Fingern über ihrem Kopf, wie im Zirkus Trimm, trimm, auf, auf! Volte – Volte! Wer läuft noch mal? Die Reisende, die im Staub Daherstakt? Nicht du! Niemals mehr du! Dreckstück! Sauf aas! Feuerfresserin! Hure! Du wirst noch in meinem Rinnstein kriechen, wenn ich nicht Aufpasse, und mit deiner ausgehungerten Fotze Wie eine schauderhafte Racheschnecke, hüfthoch
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Aufgereckt, mit Fingern zitternd auf mich zeigen. Und wer kann eine Bettlerin ertragen, die noch In ihrem ›distinguiertesten‹ Rausch mit den Fingern zeigen kann? Verschaff dir eine Stellung – Saufjule! MIRANDA
Wenn mein Geschäft, Zug um Zug, betrügerisch wäre wie deins: Wenn ich für meinen Bruder Brutus Dollars spiee, Er würd' mich dennoch bis zum Ellbogen zerfleischen. Krämer – weg mit dir! ELISHA
Weg mit dir, sagt sie! Glaubst du, mit deiner ranzigen Enthaltsamkeit hältst du Die Menschheit auf? Packt sie Mannlos, kinderlos, unbeschütztes Dokument – Ich werd' dich stempeln! Er weint, während er auf sie einschlägt MIRANDA
Schiebt ihn ruhig von sich weg Glaub nicht, du könntest mich besteigen, Bruder. Sieh, wie das ist mit einem Menschen, der keine Geschichte hat, Die ihn unschuldig macht. Sieh, wie stumpf das Gesicht ist. Wie die geduckte Zunge sich im Munde dreht, Mich niederzustechen; sieh, wie er die Ohren hochstellt! Du wirst rücklings vor dem Richterstuhl erscheinen, Armseliger Händler, und den Ballast deiner Kontobücher nach dir schleifen.
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ELISHA
Weicht zurück Hölle und Teufel! Stellt ihr ein Bein Im Dreck lieg ich? Dann sollst du mein Uzvogel sein! DUDLEY
Schau, wie der bärmelnde Leithammel am Boden ist. Wer liegt jetzt im Dreck? AUGUSTA
Laß sie in Ruh. Sollte sie die Flagge der Unterwerfung senken, Heb sie nicht auf: das Tuch ist elektrisiert! ELISHA
Gibt Miranda einen heftigen Stoß in Richtung auf Augusta Sie ist dein Hund. Mach mit ihr, was du willst. AUGUSTA
Überlegt den Vorschlag Nicht mal Hunde setzt man in einer Ruine aus, Elisha. ELISHA
O doch, das tut man. Die Gewöhnung hält sie still. Was ist sie anderes gewöhnt als den Ruin? Wenn wir sie heimnehmen und auf unsre Hauptbücher loslassen, Wird sie uns löschen. AUGUSTA
Pfui, pfui! Ich habe meine Tochter vorher sterben sehn, Und sie ist durchgekommen. DUDLEY
Schwingt Jacks Peitsche vor sich Jetzt, wo die Sonne tief steht, trittst du für sie ein?
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Er dreht die Peitsche um und zeichnet damit imaginäre Vierecke auf dem Boden wie Kinder, die Himmel und Hölle auf der Straße spielen ›Hüpf auf den Strick, brich der Mutter das Genick‹ – Spring, Alte, spring! Spring ab von der Welt! Kratz ab, verschwinde, stirb diskret, mach schnell! Eine Schnepfe wittert eine Elle unterm Boden Futter; Folg, alte Krähe, dem Geruch, ab zum Festschmaus! Er versucht, sie zum Tanzen zu bringen, Augusta bemüht sich zu gehorchen, mit offenem Mund, wie jemand, der schreit Tanz, tanz, tanz! AUGUSTA
Achtzig ist eine kalte Maus! DUDLEY
Wirbelt sie herum Wer ist schon achtzig? MIRANDA
Tritt zwischen sie Laß sie los! Zu Augusta Lös dich von dem Krampf in Dudleys Hand, du armes Weib. Wie ein Rudiment vergessener Natur Im Äug des Leguan schreit, so daß es Blut vergießt, Das allzu gräßlich ist, um's zu beklagen, so Könnte deines Sohnes Hand verlorene Unschuld vergießen. Das Babyvlies hat er geschoren, als er sich aufmachte aus seiner Wiege. So liegt sein Fall – wenn darzustellen überhaupt – Doch glaub ich, seinerseits hat er die Hände in Unschuld gewaschen.
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Burley und Jack kommen mit einem zugedeckten Gegenstand herein. Als sie ihn in der Mitte des Tisches abstellen, zieht Jack die Decke weg und enthüllt ein Puppenhaus. Dudley und Elisha setzen hastig ihre Masken ab und halten sie unterm Arm JACK
Ruhig Hier haben Sie Hobbs Arche, Raubtierkäfig, Puppenhaus. So ein bißchen Alchemie enthemmt den Menschen. Madame, Ihre Ansteckung. ELISHA
Das Haus, Das Jack Gebaut Hat: Werft sie dem Spielzeug vor! Er hebt Augusta auf den Tisch, ohne daß sie protestiert. Mit gekreuzten Beinen sitzt sie vor dem Spielzeug und greift nach dem ersten Gegenstand, der ihre Aufmerksamkeit fesselt – ein Stock, mit Puppen behängt AUGUSTA
Akrobatinnen! Sieben aufrechte Geliebte! Sie verschiebt den Zapfen am Dach des Puppenhauses und eine Puppe springt heraus Schaut, euer Vater Titus, gezähmt! Ein Troll, Ein Wurm, ein Knirps, ein Stift, ein Stumpf, ein Muck, Eine Silbe, bis zum Kinn in Krepp geknöpft! Ein Span, ein Puck, ein Läpp, ein Wicht! Ein kleiner Mann, rasch abgekühlt. Ein Nichts! Nun hat er eine Größe, die zu ihm paßt! War das der Stock, der mich besprang, ihr Herren? Die Hengstrute, wo ist sie jetzt, die den Rasen pfeifend peitschte?
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Er war so stolz darauf, daß neben ihr Er begraben werden wollte. JACK
Aufrechtes Begräbnis? ELISHA
Jetzt ist sie in Fahrt! AUGUSTA
In dieser Größe hätte ich ihn stauchen können, Und wäre glücklich unbekannt geblieben mit euch allen. Untersucht die Puppe Eine diebische Elster hat den Bart davongetragen! MIRANDA
Um ein Nest auf Babylon zu bauen. JACK
Evoe! Sie halten einen Gatten in der Hand, einen Sklaven, Ein Kiefernschnitz zu Ihren Diensten. War das der Däumling, der Sie zähmte? Dann haben Sie einen Splint zum Küssen aufgefangen Und können wieder spielen! MIRANDA
Scharf Was beabsichtigte das Messer, das dies schnitzelte? JACK
Ein Holzopfer. AUGUSTA
Wessen Bosheit hat ihn kleingeschnitzt? JACK
Meine. AUGUSTA
Ich sagte, wer sind Sie, daß Sie wissen können, Wie der tote Gatte einer Witwe aussieht?
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JACK
Niemand, Madame. AUGUSTA
Miranda hat ausgepackt. JACK
Kann sein. AUGUSTA
Kein Thema bringt das Ding hier wieder zum Stolzieren. MIRANDA
Nun ist der Berg auf Mohammed gefallen. AUGUSTA
Wie das Vergangene uns auftaut! Wie viele Haben diesem Stift sich, gleich verliebten Stachelschweinen, Hingegeben? Was für Affen unsre Augen waren, Sahn ihn groß, weil er es sagte. So, leg ihn nieder. MIRANDA
Wenn Tod ein grüner ungestümer Daumen ist, Dann sag ich dir, leg diesen Zeuge-Span nicht nieder; Er war die Ursache. JACK
Tippt an das Dachfenster des Puppenhauses Halten Sie das Äug' an diese Fensterscheibe, Was sehen Sie? AUGUSTA
Legt ihr Auge an das kleine Fenster Ein Schlafzimmer, nicht größer als meine Hand. MIRANDA
Erinnerst du dich, was diese Dachkammer gesehen hat?
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Denn das Fenster ist dein Äug' geworden. Was siehst du? AUGUSTA
Fährt zurück Mir ist egal, was du getan hast, Ich vergebe mir. MIRANDA
Du dir? AUGUSTA
Sehr erregt Sie sollen aufhören, Miranda. Ich bin hier eine Fremde. JACK
Fremde oder Komplizin? AUGUSTA
Ich versteh Sie nicht. JACK
Nicht? Dann schaun Sie hin. AUGUSTA
Mit dem Kinn auf dem Fensterrahmen Wie in einem Spiegel, unergründlich, Ein Rauhreif von erloschner Raserei; Wie Gespenster von Treibhauspflanzen in einem Sommerhaus, Eine statische Flucht, gebannt auf diese Scheibe: Wie in entheiligter Monstranz, Die Schatten des Teufels und der Tochter im Zweikampf verschworen. MIRANDA
Miranda verdammt, den Rist verrenkt, Zieht Notzucht-Blut hinter sich her wie die Schnecke – JACK
Und unter ihr in einem tiefern Raum,
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Rieb der Vater seine Hände ab. BURLEY
Dies schloß das Kind auf ihrem Gesicht ein! JACK
Und danach, die ganze Schwermut des Verlassenseins. AUGUSTA
Wer sind Sie, daß Sie alles wissen? JACK
Der Kristall hat wie ein schwangres Mädchen Eine Stunde der Geburt für den Orakelspruch, In der die Kammer er dem Gegenspieler überläßt. Das Augenkind, mit welchem Sie nun schwanger gehen, Werden Sie in Ihrer Iris tragen bis zum Grab. Durch Unterwerfung machten Sie sich zur Madame, Zweifelsohne mit der Schürze überm Kopf, Und streuten überallhin Salz, treppauf, treppab, Versuchten eine letzte Fußspur zu erhaschen – Ein Mädchen, das knapp sechzehn hinter sich hatte – Einem handlungsreisenden Cockney – dreimal so alt wie sie – Als Trinkgeld hingeschoben, Nämlich Brigid-Matildas Bruder. Warum? Titus hatte ihn zur Hand – AUGUSTA
Hören Sie auf! JACK
Obwohl zuerst Miranda blökte wie ein Mutterschaf: ›Laßt ihn nicht – aber wenn es sühnt –‹ Wobei sie ihren dummen Hals zum Schlachten hinhielt, Und die verkrampfte Zunge ein stockendes Krächzen hervorwürgte –
115
AUGUSTA
In großer Erregung Ich hab es nicht gesehn! Ich hab es nicht gehört! JACK
Unbarmherzig – Darum sage ich, Ihr beiden, Ihr gemeinsam, Habt aus diesem Schlachthaus ein' Kinderpuff gemacht. AUGUSTA
Sieht sich wild um und entdeckt verirrte Reisende, die von hinten auf die Galerie gestiegen sind und auf sie herunterstarren. Sie wirft sich über das Puppenhaus und schlägt mit beiden Händen darauf ein Nein, nein! Aufhören! Schluß! Hinaus! Chronisten! Wölfe! Scharlatane! Welcher Fallensteller mich auch jagt da oben – Pfeife eure Tauben und Propheten ab, Die dieses Haus besudelten, daß niemand künde, Was dieser fürchterliche Ort gesehen hat! Alle Köpfe verschwinden von der Galerie. Miranda hilft ihrer Mutter vom Tisch und legt ihren Mantel um sie MIRANDA
Komm,
komm
zum
Abendessen.
AUGUSTA
Wie sind meine Spiegelbilder von Burleys Teichen Geschwunden. Wie hab ich meine Flucht verpfuscht! Während alle auf die Butlerwohnung zugehen, reicht Elisha Miranda seinen Eselskopf ELISHA
Miranda, ich geb dir unsre Waffen. Jack, Mein Kompliment. Sie haben uns einen Streich gespielt, Der uns alle aus dem Sattel wirft.
116
BURLEY
Nimmt Augustas Arm
Mein Arm, Augusta.
MIRANDA
Läßt alle hineingeben, hält Burley zurück, der Dudley Augustas Arm nehmen läßt Onkel, einen Augenblick: Im Namen aller sprech ich dich frei von unserer Gesellschaft. Du folgst einem Gesetz in dir, das ich bewundere, So verhalten in der Leidenschaft, so mild im Urteil, In der Hilfe unparteiisch; in deinem ganzen Wesen Bist du so freundlich und gerecht, daß deine Rede Schon selbst Vergebung ist. Hier aber gilt ein Maßstab, Der unvereinbar ist mit deinen Jahren. Du hast uns erschüttert gesehn – in Diminutiven, Und wie Hektor an der Ferse im Staub geschleift – BURLEY
Liebe Nichte, Hektor ist für alle Zeiten tot. MIRANDA
Ich bitte dich, bleib nicht da, sei verhindert. Wie die Ballerina auf perfektionierter Spitze Um die Achse wirbelt dank einer Kraft, Die sie aus ihrem tausendfachen Gestern sammelt, So muß um den Magnet der Leidenschaften ich mich drehn. Ich glaub, in deiner zarten, übergroßen Sorge Gedenkst du diese Sitzung durchzustehn. Verzichte drauf. Du stehst zwischen zwei Bestien in einem unschlichtbaren Fall, Die mit gesenktem Schädel sich bekriegen um ein Grab, Für das von ihnen keine ein Geleit hat.
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BURLEY
Liebe Miranda – MIRANDA
Lieber Onkel, du hast in dir ein Klima, So geduldig gegen das Schicksal, ich liebe dich dafür. Was hier indes geschieht, ist mehr als ungeheuerlich; Da die Seele das Chamäleon der Gesinnung ist, Die Gesinnung aber niedrig, sag ich dir, bleib fern. Wie ein Opfer in der Brandung des Verbrechens – Wie eine Heulboje in der einströmenden Flut – Die nur in der Abtrift schaukelt, So bewegt sich meine Seele an der Fessel: Denn ich schwöre, lieber Onkel, ich habe Drei Söhne und eine Frau aus ganzem Herzen geliebt. BURLEY
Söhne? MIRANDA
Was sonst, wenn ich sie bin und sie Miranda? BURLEY
›Der Dichter ist ein lichtes, ein geflügeltes und heilig Wesen‹, Wie Platon sagt. In diesem Sog da schwimmst du; Es wissen's deine Nächsten; das ist ihnen ein grausames Vergnügen. MIRANDA
Bewegt Wenn in den Katakomben alle Märtyrer Sich's überlegten, fortzuziehn, Würdst du die Zeichen dieses Aufbruchs deuten Und für den Fall den Taubenschlag reinhalten. Ich glaub, du hast vorhin gehört, wie hier die Toten Ihre Schwingen spreiteten: es ist ein Schlagen in der Luft.
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Doch nein. Noch nicht. Dies ist ein Kampf auf Zeit, Und ich möcht dich dabei als Sakristan nicht haben. Du bist nicht gemacht, mit anderen im Takt zu stolpern – Und wunderlicherweise wird der Mensch zur Fälschung seiner selbst. Darum, wenn du gegessen hast, komm wieder, Und hilf aus der geteilten Bestie mir Ein ungeteiltes Bett zu machen. Burley geht ab Vorhang
119
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III. Akt
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Szene wie im I. und II. Akt Der Greif ist zusammengesetzt. Spitzenvorhänge sind zeltartig in der Fastnachtskrone gerafft. In diesem Wagen liegt Miranda und schläft. Augusta kommt herein, gefolgt von Burley, der eine Lampe trägt AUGUSTA
Schau, sie hat einen Schlaf. Ich gab ihn ihr. Mein Vorrat, mein Freispruch, meine Entschädigung. Schau, wie sie sich verfinstert, wie sie mich verdichtet. Aber atmet sie nicht unerlöst? BURLEY
Zu sich selbst In den Circus Vaticanus gefallen. AUGUSTA
Es ist furchtbar, hinter alten Kindern herzugehen, Jonathan, Die einst die Köpfe hinterbogen, um zu trinken. BURLEY
Es wird Zeit, daß du sie als Miranda siehst. AUGUSTA
Es wird Zeit, daß ich mich als Augusta sehe. Da ist die Vesperglocke, es ist Zeit, und Wahnwitz. Soll ich läuten und sie wecken? BURLEY
Weck sie nicht auf. Im Schlaf ist eine Ligatur, Die uns ans Wachsein fesselt; laß das Mädchen. Gute Nacht, Augusta. AUGUSTA
Wo sind die Jungen?
123
BURLEY
Über dir, sie schlafen auf der Galerie. AUGUSTA
Gute Nacht, Jonathan. Und Jack? BURLEY
Zur Sicherheit bei seinem Pferd. MIRANDA
Wacht auf Bist du es, Onkel? BURLEY
Gute Nacht, meine Liebe. MIRANDA
Gute Nacht, Onkel. Burley geht ab AUGUSTA
Gute Nacht. Untersucht den Greifen Ein solides Tier, eine prächtige Bühne, geeignet für ein Spiel. MIRANDA
Zu Bett, zu Bett. AUGUSTA
Ich glaub, ich habe Beewick und das Tier vergessen. MIRANDA
Das glaube ich. AUGUSTA
Bleibst du hier? MIRANDA
Es kommt drauf an. AUGUSTA
Auf was?
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MIRANDA
Auf vielerlei. AUGUSTA
Du hast's doch hier sehr angenehm. MIRANDA
So sagen Reisende – vom Rastort andrer Leute. AUGUSTA
So laß uns spielen. Vorüber ist der Epilog, Die Jungen schlafen, wir sind wieder Mädchen Und brauchen nicht an sie zu denken, in dieser späten Stunde. Als du klein und ohne Spielgefährten warst, Machte sitzende Esel ich für dich, wie diesen, Nur kleiner. Ich machte Enten dir und Drachen Aus buttergelbem Flanell. Sie klettert auf das Bett und setzt sich Miranda gegenüber Meine Abbitten – für Geringes und für Schlimmes. Nun, da die Tiere in ihren Schachteln verwahrt sind, Laß uns wieder jung sein und unser Leben uns erzählen. Du, Miranda, die in der Öffentlichkeit allzuoft Man hingerichtet hat, erzähl mir, wie das ist. Was gibt es Neues über mich? MIRANDA
Wenn ich hinunterschaue in den Becher deines Auges, Seh ich den Körper eines blutigen Aschenbrödels Heraufgewirbelt kommen. AUGUSTA
Die letzte meiner Welten, mein bester Trick, Mein Schatz, mein As im Ärmel, Die fliegen mit mir auf! Komm, spiel mich, Tochter.
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MIRANDA
Halt – Es gab eine Zeit, da warn wir nicht verwandt. Als ich zum ersten Mal Euch liebte – ich sage ›Euch‹, Wie um eine verlorene Liebkosung zu gebrauchen, Die im Verlust der Welt verlustig ging – Als ich zum ersten Mal ›Euch‹ liebte, saßt Ihr auf der Weide: Kadaver-Eva, Mutterstock für Schößlinge, Stapftet zwischen wilden Lilien und im dunklen Wald; Eh' noch der Baum zum Kreuz, zur Wiege und zum Sarg geworden, Zum Giebel des Unglücksbetts, zur Tür des Opfers, Zu eines Klageweibs Geländer, zur Geheimtür in der Wand. Als das Salz noch unverschüttet, das Brot noch ungebrochen, Unverlangt die Milch, unbeweint und unvergessen, Kamst du und schriest nach einem Liebhaber als Opfer. Da kräht' der Hahn, da schlug der Sporn, und Titus Adam Machte sich über dich mit seinem Notzuchthaken – Und du, du bäumtest dich zurück mit einem Bauch voll Daumen. AUGUSTA
Bei Gott, das war meine frühste Krankheit! Ich bin versackt, als ich dich meinen Bauch benutzen ließ. MIRANDA
Nenn es so. Dann begann der Trick – Der widerspenstige Embryo, dies Häufchen Unglück, Die beinlose Flucht, dies Magensack-Gehirn, Dieser tumbe Hügel, kopfüber in der Hocke,
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Der sein langsames Gepräg berechnet – dieses Waisenkind, Stockblind, gesichtslos, gallertig im Verlauf, In einer Handvoll Themsewasser des Bauches schaukelnd, Um den Hals einen docklosen Strang gewunden, Ohne Hände betend – gerekelt auf den Daumen, Und die Zeit nahm ihren Anfang. AUGUSTA
Erschreckt – aber ohne Bewegung Schssssch! MIRANDA
Das Salz verschüttet und das Brot gebrochen. Der unmaskierte Schädel Zog den Fleischhelm über und verbarg das Grinsen: Zungen schössen vor und zischend spritzt' die Milch Ihre Schlinge und fing den offnen Mund. Das Tor nach Eden fiel ins Schloß und auch die zweite Pforte, Und ich rollte dein Bein hinab. AUGUSTA
Ach, dein Vater! MIRANDA
Ach, meine Mutter! War seine Lende lieber schattenlos gewesen, Wie des Origenes, als daß in seinem Schoß ich raschelte. AUGUSTA
Was soll das hier? MIRANDA
Was soll das nicht hier? AUGUSTA
Zu denken, daß ich eine Tochter zum Inquisitor habe!
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MIRANDA
Zu denken, daß ich eine Mutter hatte, die mich verriet! Die des Verhörs mich und der Missetat beschuldigt; Die mich zusammenzählt, wie Irre ihren Kot Und ebenso indifferent das Konto abhakt. AUGUSTA
Was hat dich plötzlich so in Wut versetzt? MIRANDA
Was? Daß ich an dein lumpiges Gejammer denke, Das du um eine so trostlose Reise angestimmt hast. Gestern erst war die geballte Chronik – Wo du die Hände überm Kleid gekreuzt, Um die Botanik deines Bauches zu verbergen – Eingefangen in meines Vaters Häscherhand Und ich vor allen als Sündenbock gebrandmarkt. AUGUSTA
Knöchel gegen die Augen Liebe ist Tod, Miranda. Ich bin zahm, Da ich vergessen bin. MIRANDA
Sogar die Furchtsamen sterben. AUGUSTA
O nicht auszudenken! MIRANDA
Liebe ist Tod, und der Tod ist jungfräulich. Er ringt im messingnen Gestänge eines jeden Schrägen, Auf dem die Liebe liegt. Was, wenn nicht Mord mit dem Makrelenauge, Paart sich mit den Bewohnern dieses Betts? Und schreit, ›ich liebe, hungere und fürchte mich!‹ Arme und Beine gespreizt wie ein erschlagnes Tier Unter dem blut'gen Linnen eines Schlächterkarrens.
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Drum sage ich mit Perikles: ›Mord ist der Lust so nahe, wie dem Rauch die Flamme.‹ AUGUSTA
Neigt sich zu Miranda Könnte ich wieder lieben? MIRANDA
Wenn der Trommler gestürzt ist, kann da seine Ferse In einer Muskelzuckung die Trommel rühren? AUGUSTA
Du bist zu alt für mich und unbarmherzig. Du, die nie rachsüchtig war, bist es geworden. MIRANDA
Rachsüchtig nicht, doch etwas ganz anderes. AUGUSTA
Laß uns den Tag des Zornes überspringen. Laß uns so tun. Das Spiel ist aus, die Jungen sind zu Bett gebracht. Laß uns Miranda und Augusta spielen. Stellen wir uns vor, wir sind mit Herren auf einer Jagdhütte – Sagen wir zum Entenschießen – an einem See, Oder Schnepfenschlingenlegen auf den Hügeln – Schießen und küssen – Dein Vater trug die Fallen, doch sein Ziel – MIRANDA
War dreist. AUGUSTA
So laß uns beide ihn vergessen. Mir scheint, der Greif hat sich bewegt. Wir haben eine Kutsche! Auf nach Ostende, Monte Carlo, Brighton; An den Lido, nach Palm Beach, Baden-Baden, Carcassonne –
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Vergiß die Fackeln nicht und Kandelaber – Lustgärten, Vauxhall, Fontainebleau, Das Trianon und die Fontänen, die Musik! MIRANDA
Lächelnd Keine Fontänen – keine Flambeaux, keine Musik Und keine Kavaliere mehr. AUGUSTA
Dann Longchamp, Ascot, Aintree, Epsom! Regatten und Bazare, Pferderennen auf dem Corso? Alles, alles! Bartholomäusmarkt. Suchen wir An einer Bude ein Geschenk; tanzen wir eine Gigue. Ziehn wir nach Billingsgate, mit Pfeifen und Trommeln! MIRANDA
Hast du Calvin vergessen? AUGUSTA
Ich werd in einer Loge mit Richelieu soupieren – Aber erst später. Jetzt gehn wir zu Maxim, Ruf die Diener herein, die Tauben, Lerchen und die Fackeln; Gehn wir hinunter zu den Herrn! Ohne um Erlaubnis zu fragen, zieht Augusta Miranda die Schuhe aus, schlüpft selbst hinein und zieht dafür Miranda ihre eigenen an Die Liebe streckt den Fuß hervor; komm in die Oper. MIRANDA
Die Liebe streckt den Fuß hervor, und zwar in meinen Schuhn. AUGUSTA
Hält ihre Hand hoch Siehst du! In diesen vielen Tagen, Da an der Tür des Tods ich brachlag,
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Hab ich meine hübschen Hände und Füße wieder bekommen, Die Hand makellos weiß, wie eines Mädchens, Der Knöchel schlank, beweglich. Ich will aufs Jagdschloß gehn nach Mayerling. Ich will in Garmisch heimlich mich austoben. Oder soll ich sein Toskanerin – mit strammen Hüften, Die stampfend tanzt vor einem Sänger aus der Auvergne? Oder eine Türkin? MIRANDA
Nein. AUGUSTA
Nein? Dann stell dir vor, ich bin die Kaiserin Josephine, Mit einem Hut voll von Napoleons Bienen; Oder eine führende Kokotte der haute noblesse – Nein, Lily Langtry, die ein Glas Sorbet nippt, In Erwartung des müden Prinzen von Irgendwo, Um es die Theke lang zu schubsen zu seinem Platz! Und vergiß nicht die Glücksräder und Feuerwerke! MIRANDA
Du Wesen aus Aufschub und Erwartung! AUGUSTA
Glaubst du, ich hab gebadet in den Thermen Caracallas? Habe vom Kiel der versunkenen Atlantis all ihre Ertrunknen, muschelbedeckten Liebenden gekitzelt, Die diese große Stadt, diese Braut des Ozeans schaukeln? Oder war ich eine Tudor-Hexe, ein Meerestroll, für nichts? Hab ich, mit andern Worten, die goldne Henne aufgescheucht,
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Bloß um falschen Ehrenmännern faule Eier vorzusetzen? MIRANDA
Das fürchte ich. AUGUSTA
Was! Bist du wirklich zu jung für mich? Spinnt sich in Märchen und Sagen ein War ich Prinzessin etwa in einer Legende? Flüstert Hab ich hundert Jahr geschlafen? . MIRANDA
Mutter, die Zeit ist vorbei. Alles ist getan. AUGUSTA
In einem verzweifelten Flüstern Wurde ich gestohlen? MIRANDA
Unglückliche Wanderin – Ich hab dich nach Antonius graben sehen Mit einem Küchenlöffel. AUGUSTA
Tut, als ob sie rechnet War ich Svengalis Abendnachtigall? Delsartes Beste Gleichung? Ging ich im persischen Stil? Sie nimmt eine äußerst affektierte Pose an Der Zeigefinger für die Finken hochgereckt, Die linke Hand balanciert auf dem Rücken der rechten, Gummiarabicum, das ruhelose Spitzen bändigt, Läßt die Pose fallen Mit einer Vogelkette um mein Handgelenk? Oder war ich auf der Galerie an jenem Tag, Da die Guillotine Köpfe schälte? War ich es, die Antoinette auffangen wollte in ihrem Tuch
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Und Augusta darin fand? Miranda, hilf mir! MIRANDA
Bestehe nicht so fest darauf. AUGUSTA
Ging ich nie am Serpentinenteich? Prüfte nie die Harnischbeulen eines Siegers, Auf irgendeinem Feld von irgendeinem Marathon? Wurde auch nie im Übermut auf meinen Mund geküßt Von einem Mund, der zwischen mich und den Küssenden kam? Ich habe zu viel Leben in mir, und du, Tochter, Bist zu alt. MIRANDA
Aha, der Mund mit der Machete im Rachen, Um vom verbotnen Baum dich abzuschneiden. Du Liebste, Schlechteste, Erbärmlichste, wärest du ein Mann, Du wärst der ärgste Schurke von uns allen. AUGUSTA
Grinsend Meinetwegen bin ich das! Aber blas mein Licht nur aus, so kannst mit bloßem Auge du Einen toten Mann hierher zurückholen. Zähle mich nicht zu jener zeitlosen Herde, Die ohne Zunge brüllt – der ungeheuren Fracht aus Schweigen – Auf einem Fries zehn Weiden tief, Sondern setz mich hoch hinauf, wie zum Bankett; Ich bin gern ein flücht'ger Gast auf dieser Welt, Und es soll jetzt sein – und festlich!
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Oder ist alle Pracht, ist alle Fröhlichkeit vergangen? Krieg' ich keine Euphorien, keine Landpartien, kein Spiel, ›Wo ich auch geh und steh?‹, werd' vielmehr ›in Schatten nur gepfercht‹? Nicht in der Blüte ausgezaust, sondern wie Meeresalgen, Blasentang mit seinen Ästelungen, ein flutender Busch, Weitab vom Ufer, regen- und windgepeitscht? Nicht eingefangen in der Hand des Jägers, nicht geglättet, Gehegt, gepflegt; allein gelassen in der Wüste? Hab Erbarmen mit meinen ungeübten Schrein, Miranda, Verlaß mich nicht so streng, so schrill und unbesungen; Mit wilder Herbstesflamme in der Brust, Die Erntespreu verweht, auf meine Hand gestützt. Mein Busen, früher prall wie aufgegangne Hefebrote Im Mieder geküßt, rollt nun eingesunken Die trocknen Eicheln an meine Knie: Also stürzt der Phönix in die Asche sich, Wie der Römer in sein Schwert! MIRANDA
O Mutter, Mutter! AUGUSTA
Das nennst du Weisheit? Aii, ich nenn es Winter! Wo sind denn die Bankette und die Kavaliere? Wie nahe meiner letzten Travestie der Spatenfuß? Wie bald bin ich das Frachtgut jenes kriechenden Dinges, Dessen Geweb der Innenkuß der Lippe ist? ›Der Mensch schuldet Gott einen Tod‹, sagst du? So sei es. Doch wenn es keinen Gott gibt, dann verzeih ihm Gott!
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Auch du bist lieblos geworden vor Kälte. Lindere also meinen Schmerz, grausame Tochter; Gönn mir die Medizin gerechterer Einschätzung. Verpfusche meine Zukunft nicht. MIRANDA
Schnaub nicht so laut hier auf der Bühne. Sei still. AUGUSTA
Dann befrei mich von dem Unglück, das Augusta heißt. Reiß mich aus, ich ertappe mich vergeblich. MIRANDA
Steh dazu. AUGUSTA
Du willst mir nicht mal sagen, wie oder was du bist. MIRANDA
Trappistin – entsprungen – und zwar hart erkauftem Schweigen. AUGUSTA
Weiter nichts über deine Geschichte? MIRANDA
Nichts. AUGUSTA
Gar nichts? MIRANDA
Gar nichts. AUGUSTA
Nimmt Mirandas Hut Nun gut, da ich wie eine normannische Witwe – Bildlich gesprochen – deines Vaters Hut An seinen rechten Platz gehängt, darf ich den deinen haben? Setzt sich Mirandas Hut auf Meine Tochter ist die Flügelschlange und die Urne.
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Irgendeine verdammte, dunkle Seligkeit, die in Ihrem Herz-Kern sitzt und wie ein Irrer quäkt, Sperrt sie von Ruhm aus und Profit; Fegt sie hinweg aus Königreich und großer Welt – Und sie sitzt daneben und streichelt ihr den blutigen Kopf. MIRANDA
Und beobachtet... AUGUSTA
Schwäne bin ich leid, Kind, und der Rosen mehr als müde. Gib also meine Disteln mir und meinen Dorn; Der keuschen Gänseblümchen kargen und duftlosen Frühling, Und all das Unkraut, das kein Sommer dörrt. Hahnenfuß und Wolfsmilch, Bitterwurz und Hasel; Meine kurze Handblume, Gurkenkraut und Kohlstrunk. Gestern gabst du mir Myrten, sagst du? Aber nichts kommt wieder – Gib mir die Hand, obgleich du fern bist: Nimm Abschied schon im Wiedersehen: du, Die die Erstgeborne von uns beiden hätte sollen sein. MIRANDA
So klagen Weiber! AUGUSTA
Beugt sich eifrig flüsternd vor Ist es wahr, daß du vierzig Liebhaber hattest? MIRANDA
Eselsbrücke! Willst du über mich herüberkommen? So bin ich's, die als Winterbraten herhalten soll! AUGUSTA
Bedeckt ihr Gesicht
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Laß mich nicht in meinen Händen ertrinken. Stampf mich nicht als Kerbstock in den Boden, Als ›Siehe da‹ für Plünderer. Sei gnädig. Wenn dieser Körper hier von seinem Geist abfällt, Wer will der Katze die Schelle umhängen? MIRANDA
Zieht Augusta die Hände vom Gesicht Was? Du weinst am Ende gar nicht? Ich hab es geahnt. Es heißt, ein seltsam Tier ist in der Träne, Das andre Wege geht als unsre eignen Und grasend unsern Schmerz ausreißt. AUGUSTA
Nicht, daß ich nicht wollte, aber ich kann nicht. Meine wirklichen Tränen haben unwirkliche Monde beweint: Ich habe mich hinweggegrinst, um die Aufmerksamkeit meiner Söhne zu gewinnen. MIRANDA
Es schmerzt mich, daß dir zuviel Vorwurf für dein Lob ward. Doch wer weiß, als Ödipus auf einer Nadel Seine Augenlast herauswühlte, Nach welcher eingeschlossenen Vision er schürfte? Es heißt, wer auf den Grund nach Liebe gräbt, Bringt die am hellsten brennende Kohle herauf. Sei nicht dein eigener pathetischer Trugschluß, sondern Sei in der Lebensader du dein eignes dunkles Maß, Denn hier ist Trauerspiel im Gange, Mutter. AUGUSTA
Wer sind deine Leute? MIRANDA
An der Achse meines Augs, die nichts verzeichnet,
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Sollte man erkennen, daß ich niemand habe: Doch auf der Schattenseite herberg ich. AUGUSTA
Die Eingeweide? MIRANDA
Man sagt, die Frau kennt vom Advent zum Terror Das Viehische am besten – Was soll der Hieb? AUGUSTA
Verwandt bleiben. Was nie gesagt ward, daß die Mutter Aus Angst, wovon ihr Leben zehren soll, Den Kindern häuptlings durchs Gedärm kriecht Und Nahrung sucht. Aber es hat nichts zu bedeuten Berichte mir etwas Ausgefallenes – Von dir? Keine solchen Neuigkeiten? MIRANDA
Keine solchen Neuigkeiten. AUGUSTA
Kein Mann, der für dich starb? Nichts? Kein Klatsch über berühmte Leute? MIRANDA
Keine berühmten Leute, und kein Mann starb. AUGUSTA
Weidenzweig! Weidenzweig! Wenn du keiner von uns beiden zu Ansehen verhelfen willst, Und uns nicht ins Register der Gesellschaft bringst, Und gar nichts übers Leben mir erzählen kannst, dann bring Uns in die Näh von jemand, der ihm nahe war.
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Es gab das Haus Fenimore Coopers und das Poe's. Ich selbst war mal zu einem Gartenfest geladen – Erzbischof Benson. Gleich hinter der Mauer Hat man mich sitzen sehn. Sag, ›Wer ist Sylvia, Daß alle Schäfer sie verehrten?‹ MIRANDA
Wahrhaftig, wer. AUGUSTA
Ich wurde nicht genug geliebt, als daß man mich vergaß! Ich bin zu alt, um solche Angst zu haben, Tochter, Und vor Schmerzen unverläßlich. Sag mir – Du, die seit je das Kind beim Namen nennt, Und ich da, wo kein Salz mich fangen kann – Sag mir, gab es in Indien eine Frau, die einst So sehr geliebt wurde, daß sie noch immer Mit zufriednen Händen unter einer Tonne Marmor ruht? MIRANDA
Ja. AUGUSTA
Und tauchte eine Mär, von unterm Meer, empor, In eines Liebsten Schoß zu springen? MIRANDA
Ja. AUGUSTA
Siehst du? Ich erinnre mich, wer ich morgen bin; Pfui dieser Kampf, die Gaukelei, die Gläubigkeit! Ich verliere die Geduld mit einer Seele, die dem Vergessen trotzt und es doch mit den Launen Des Herzens bevölkert. Ich möchte Helena sein und vergessen Werden, Tag um Tag, in alle Ewigkeit!
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Pfui über alle Trümmer der Liebe, Den grauenvollen Opferbrand, den Preis Für die Besessenheit der Leidenschaft! Ich hab gehört, Insekten werfen Flügel ab und Vögel Mausern sich beim Kopulieren, Bei manchen Arten spleißen gar die Schnäbel Und liegen überall im Wald verstreut! Ich hab' mir erzählen lassen von Jungen, mannbar geworden, Jedoch mit Kinderfäustlingen eng und heiß an, Die später, im Ritus der Entkleidung, kämpfend Auf einem Bett gefunden wurden! MIRANDA
Ich frage mich, gibt es ein Instrument, Außer der Mundharmonika, dem Manne und dem Kamm, Auf dem die ganze Skala man mit eingezognem Atem spielt? AUGUSTA
Es gibt einen Chor von Heulern in der Luft, Den nur andre hören. Der kleinste Basset Unter den Hunden deines Vaters rannte der Meute voraus, Auf der Heide von Exeter, und verbellte einen Vikar, Der dazumal noch nicht einmal im Mutterleibe war. MIRANDA
Ich frage mich, was Narren hören, wenn es sie Zu einem Kreuzzug ruft, der Schwindel ist? AUGUSTA
Falls du von deinem Vater sprichst – ich verzeihe ihm; Mir gehn jüngre Männer durch den Kopf.
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MIRANDA
Mehr zu sich, als zu Augusta Titus! Selbsternannter Eselsschrei des Herrn; Weiber und Sprößlinge in gerechter Fülle. Hielt sich für so heilig wie Stephanus, Dieser Kinderkreuzfahrer lange vor ihm. Seine Dreistigkeit, die wuchs mit der Gefolgschaft; Und durch den Motor seiner Kinder hochgehoben, Schwang er die Rassel über Pendry Cove Und schrie: ›Nieder mit Kirche, König, Schule!‹ Und brachte sich genau da hin, wo ihn der Mut verließ. AUGUSTA
Das Gesetz! Die Angst! Der Widerruf! MIRANDA
Und alle seine Söhne rollten auf den Markt – Wo sie mit aufgehobner Hand auf die Zerstörung bieten! AUGUSTA
Dein Vater fiel sich selbst zur Last! MIRANDA
Wenn ein Mann so selbstherrlich ist und einen Solchen Sturm von Weibern vor sich herbläst, Und dann scheitert – was dann? Einer, der aus Angst den geforderten Respons verleugnet, Verleugnet den Gesang, verwünscht die Gemeinde! Ich hab mich oft gefragt, warum so vielen Frauen So viele Kinder auf einem Bett gelingen! AUGUSTA
Ich sagte, du bist eine böse Frau! MIRANDA
Ich weiß. Das letzte Mal, das war das letzte Mal, daß du mich sahst.
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Es war ein andrer Krieg, wo mir nichts Geblieben war, außer meinem Buch, Du nahmst es heimlich und gabst es meinem Bruder, Der grinste, als hätt er mich ertappt. AUGUSTA
Bewahr uns der Himmel! Was wirst du erst schreiben, Wenn ich tot und unter der Erde bin! MIRANDA
Meine Brüder sagen: ›Zerbrechen wir Miranda!‹ Dich? Ach Mutter, dich hätten sie in die Grube geworfen – In die letzte Salz-Lecke vor dem Vergessenwerden, Wo die Mütter der Welt hinab zur Speise steigen – Wenn ich nicht meinen Fuß gegen diese Tür stemmen würde. AUGUSTA
Bewundernd Du hast's beinah zu was gebracht – früher. Ich sagt es ja. MIRANDA
Bitter Aber bei allen Heiligen, nicht die Anspielung auf Geld? Diese Zugbrücke zu einem sichern Platz, dies Häutchen Vor dem funkelnden Blick, den der Kondor auf Seinen Raub wirft, das Augenlid, das ihn vom Mord befreit? AUGUSTA
Was ist aus dir geworden? MIRANDA
Geheimnisvoll Hab ich es nicht gesagt? Eine aus einer reisenden Schauspielertruppe? Eine Garderobiere, die viele Rollen kleidet?
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Du siehst ja selbst, du hast meine Schuh und Ringe, Meinen Mantel, meinen Hut. AUGUSTA
Wieder in angenehmen Gedanken Ja, wahrhaftig! Spangenschuh und Ringe und einen Federhut! Laß uns so tun, als ob wir wieder Mädchen wären. Laß uns spielen. Wer sich zu Hause langweilt, kann sich draußen umsehn; Es muß doch Wege geben, eine Welt zu fangen. MIRANDA
Ah, ja. Jede Mutter saugt – mit der Schlüsselloch-Iris der Katze – Blut als Erpresserlohn für ihre Milch. Kitzelt aus dem Graun die kitzlige Geschichte hervor Und ihren jeweiligen Kurswert auf fremden Schauplätzen. Pflichtet großzügig bei, mit tödlich-süßer Stimme, Wie Banknachbarn in der letzten Armenapotheke: Mit der Zunge ›Tick, tick, bewahre mich! Die da hat ihr Leben In Seidenschuhn vertanzt! Man stell' sich vor!‹ AUGUSTA
Fanfaren in Moll! Blas weniger Dur, Tochter! Ich wünschte mir dich kleiner – obwohl geschaffen für das Hohe – Ein wenig niedriger, damit ich dich erreichen kann! MIRANDA
So meinst du das! Dann sprechen wir von Männern Und der großen Zahl, die meiner sich erinnert.
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Sagen wir, ein Bürgermeister in Uffing Entthront bei Hochzeit mich, sowohl wie bei Beerdigung: Verbeugt er sich und lüftet den Zylinder, So purzle ich aus dem Chapeau-Clack, in Gestalt Einer kleinen Kaninchen-Kalotte. AUGUSTA
Das gefällt mir! Ich seh dich gern geehrt, Und sei's am Boden eines Hutes. MIRANDA
Wenn du Lust auf süperben Unsinn hast Und Geschmack an durchtrieb'nem islamischen Humor, Laß uns sagen, daß mir ein Berber aus dem Atlas Einhundert Pferde hinterließ. AUGUSTA
Hattest du denn keinen Sitz? MIRANDA
Ich hatte keinen Stall. AUGUSTA
Steht auf Tochter, Im Herzen einer jeden Frau ist eine Schutzwehr, Auf der sie beständig patrouilliert, Um dem Mann auszuweichen, den sie geheiratet, Wegen eines anderen, der an der Wand kratzt. MIRANDA
Bis durch ein Loch in der Trostlosigkeit Ein Liebhaber kriecht? AUGUSTA
Stell dir vor! Bei aller meiner Schönheit genoß er eine Häßliche!
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Jener Mann, dein Vater. Sein Verhalten gegen mich War niemals zärtlich, sanft, noch freundlich; Nie hielt er oder streichelte mich irgendwo; Und du tratst auf, wie in einer ungelösten Gleichung, Als war durch dich die Ordnung wiederhergestellt. MIRANDA
Das war geschehn, glaub mir, hätt ich's gekonnt, Aber Seelenwanderung gibt's nicht auf Wunsch: Und zwischen uns da steht der Zwist. AUGUSTA
Du hast kein Wort zum Trost, das wußte ich. Dennoch schwöre ich, die Jungfrau hat ihr Gezwitscher nicht mehr geliebt, als ich meine Kinder. Mach mir etwas! MIRANDA
Die beiden Frauen umkreisen einander Largo! Largo! Halte Ordnung in deiner Zeitrechnung! Verwechsle nicht Advent mit Himmelfahrt. Und schleudere nicht mich als Zielscheibe hoch in deiner Not. Der Wind, der unsre Generation zu Boden schlug, Der war kein Erntewind. Die Himmelskönigin, die den Glauben offenhielt Für Ein- und Ausgang froher Botschaft, Hat nichts mit dir zu tun. AUGUSTA
Gewiß, du siehst das stets auf deine Weise; Du bist der Terrier, der zurückspringt ohne Knochen. MIRANDA
Warum gerade Fraun, die Kinder lieben, Die eignen Kinder so oft verdammen? Erwartest du, daß eine jämmerliche Seidenraupe
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Aus ihrem kraftlosen Kokon eine Seide zieht, Die stark genug ist für ein Mustergespinst? AUGUSTA
Ah, ganz falsch! MIRANDA
Tadle mich weniger, denn wir stehn Äug' in Äug' Mit den wundgeriebnen Kanten der Entzweiung: Binde und halte uns vielmehr in dieser teuren Fremdheit, Daß wir uns lieben, eh wir uns allzusehr verlieren. Wie der Schmied sein rohes Metall schlägt, So wird das Kind zum Tanz geschmiedet. Wer nicht gehüllt in Metrik ist, von Disziplin umarmt, Im Abweisen der Vertraulichkeit geübt, Festgehalten in der Nut des Rituals, Und im Geist des Spiels sich dreht, Der bringt das Gleichgewicht zum Einsturz; Richte dich danach. AUGUSTA
Du Elster! In welcher Tasche hast du meine Identität? In jeder Faser meines Ichs bin ich so wenig eingetroffen, Daß ich mich vergeblich suche; Indische Witwe auf kalt brennendem Scheiterhaufen. In deiner gültigen, unerschütterten Gesellschaft Laß ich noch immer vor dem Basilisken Meine ungesaugten Eier baumeln. MIRANDA
Wo das gequälte Vogelwild sich Zuflucht sucht, Hoch in der Süße der Kathedralenmauer, Da ist der Halt, die Führung und die Gnade. Wo behutsame Klage und strenge Andacht
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Ihr Pech und Harz ausschwitzen in den Bienenkorb Eines jeden Chorgestühls, in dem der Kopf sich hebt – Da ist die Ambra. Wo die hohen Saiten Der Viola, angerissen, einen Widerhall In den nicht angerißnen Saiten drunter zeugen – Da ist die Antiphon. Ich habe Liebende den Mund einander so verzehren sehen, Bis daß ihr Zwillingsschrei der keuschen Ökonomie der Zunge Den heimlichen Gesang entriß – da ist die Anbetung. So ist der Tag, der Tag, an dem sich's sterben läßt, Der angerissene Akkord. AUGUSTA
Wie soll ich mich in dieser Eisvogelnacht Bis zum Rande füllen und doch nicht gefangen werden? Mein Kalender ist leer, in meinem Land die Pest, Die Heuschrecke im Sprungpanzer klammert sich an meine Verschanzung, Und so starren wir einander an mit nackten Augen, In einem auf gegebnen Fall, der das Herz tötet. Die Pest der Abwesenheit, nennst du sie Gesellschaft? MIRANDA
Ja. AUGUSTA
So schreit der Wildfalke umsonst. ›Weh mir!‹ Wir bewundern einander auf unsere grausame Art. Leere deinen Beutel – hilf mir. Doch laß gut sein; Was besitzt du schließlich. MIRANDA
Den Verlust.
147
AUGUSTA
Was soll das heißen? Na, auch das spielt keine Rolle. Wenn ich tot bin, leg mich in einen Baum. MIRANDA
Sofort. AUGUSTA
Warum liebst du uns nicht mehr? Das ist die Frage – Wo ist Miranda? MIRANDA
Die Frage ist, warum ich's tue. Wo Miranda ist? Gemeuchelt, nicht auf dem Altar geschlachtet. Wo ist der Winkel und der Schrein des Herzens, In dem Mütter ihren Singvogel hielten? Die Tür ist aufgebrochen, das Junge ausgeflogen, Verwundet durch das Schwert, das ihre Eltern An Edens Toren raubten, sie zu züchtigen, Taumelnd, wie ein geköpfter Hahn, benommen, Entsetzt und um sich starrend mit einem Blick, Der ganz ins Leere geht. Welche Echos, glaubst du, summten in dem blutigen Kopf? In den Beichtstuhl der Seele geduckt, Die Gurgel aufgerissen bis zum Rumpf, Mit offnem Mund, dem man das Liebesmahl versagte, bebend, Und mit den Klauen an das Gitter schlagend. – Was sagst du dazu? AUGUSTA
Traurig Dann wurden also Frauen nicht erlöst.
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MIRANDA
Erlöst! Ich hab' gesehen, wie die Meinen ihre Reißzähne In die Hostie schlugen; Ich hab sie an der Wunde schlürfen hören. Was meinst du? AUGUSTA
Gott habe Erbarmen mit mir! MIRANDA
Gott habe Erbarmen mit uns allen; und möge Er meine gräßliche Unschuld mir verzeihn, Die mich hindert zu begreifen, was ich getan hab, Daß die Meinen, die ich viele Jahre nicht mehr sah, Mir so entfremdet sind. AUGUSTA
Ich will Jeremy, wo ist Jeremy? Gott läßt mich so lang warten; wo ist mein Sohn? MIRANDA
Wahrhaftig, wo. AUGUSTA
Er war bei mir geblieben, wenn du geblieben wärst. Er hätte bleiben wollen, wenn du es gewollt hättest Ihr beiden hattet euch so gern; Er suchte dich, doch hielts nicht durch. MIRANDA
Was! Hätt ich seinen Mutterstengel ihm erhalten sollen? Ihm gezinkte Karten austeilen, von einer Schwester abgehoben, In einem Spiel, das ihn am Mischen nicht beteiligte? Weder vor Gericht gestellt, geprüft, bestraft, noch freigesprochen,
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Sondern gefoltert, mit einem Mund, allzu zart für den Haken? Das hätt dir so gepaßt! AUGUSTA
Vorbei! Vorbei! Ausgeworfen und schwindend Wie ein Wasserring von einem Stein läuft, Der auf eine Missetat geschleudert ward; vergessen. Ich überlaß den ganzen Fang der Auferstehung! MIRANDA
Das sagst du? Glaubst du nicht, Daß es in diesem Graben ein Geraufe geben wird? Und willst du dieses ›Monstrum‹ wieder aufrichten? Du, die meinen letzten Atemzug wegatmen würde Vom verräterischen Spiegelglas, um in den Hunger Von meines Bruders Mund zu blasen, Der auf einem Marktplatz feilscht? Ja, beim ersten Posaunenstoß des nahenden Gerichts Wirst du brüllend aus den Galeeren der Toten stürzen – Die eingezog'nen Ruderarme ans Skelett gebunden – Und schrein: ›]'accuse!‹, mich an den Haaren schleifen Und angstvoll zetern: ›Die hier darf nicht auferstehn! Schuldig ist sie, soll sie an der Schuld zugrunde gehn!‹ Und den Käfig deines Bauches schlagen, Von wo ich mich abgestoßen habe; Und wie rasend springen und auszählen, welches meiner Haare An der Wurzel vor den Richterstuhl gezogen werden soll. AUGUSTA
Mutter Gottes! MIRANDA
Ganz und gar nicht.
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Die beiden Frauen befinden sich nun am Fuß der Treppe. Miranda mit ausgebreitetem Rock in Abwehr, Augusta folgt ihr AUGUSTA
Hier stimmt doch etwas nicht. Wo ist mein Jeremy? Ich will meinen Sohn holen! Sie beginnen hinaufzusteigen MIRANDA
Eine Generation, deren Tonart verlorenging. Das Baßthema – so viele halbe Noten über die Holzbläser verstreut, Nur um die Generation eines verängstigten Manns zu amüsieren Und ein närrisch Weib mit Staunen zu schlagen. AUGUSTA
Wild Sag mir nicht, daß gar nichts geblieben ist! Du, der stets allzusehr der Tod am Herzen lag, Bist bald genauso Nichts wie deine Mutter! MIRANDA
Ah, der Fehdehandschuh im Geschenk! Gewiß bin ich stets dem Tod verpflichtet gewesen. Er ist das Maß in allem, was ich tue, Er ist der Gegenstand, um den ich kreise. Er ist die Nabe, die die erschütterte Spindel hält, Bleilot, Sextant und Schwerkraft Des Steuermanns mit der behutsamen Hand: Es gehört zur Menschenwürde, daß man stirbt. AUGUSTA
Erzähl mir nichts! Ich hab den Jäger rufen hören, ›Spur verloren !‹, Den Auf schrei ›Wolf!‹ und den weinenden Menschen auch.
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Ich hab genug von allen erdwärts führenden Exequien, Von Lobgesängen und Cantikeln, Requien und Messen; Von dem erhobnen Finger, der auf Null zeigt – MIRANDA
Des Schmerzes lodernde Betäubung, der verhüllte Kopf, Von seinen Wassern aufgezehrt. Die hochgekreuzten Ärmel; Die gedämpfte Trommel, der schleichende Katafalk, Der sich zurück zur Wiege schleppt; die große fleischfressende Steinfliege, beutezittrig auf den Wegen – AUGUSTA
Das makellose Arrangement der Katastrophe; Die abgeschloßne Rechnung sauber hingelegt! MIRANDA
Ein Kinderwagen, der zum Grabe rollt; Der Tod mit einem Kind im Mund. Eine Prozession, Die im Bogen zum Schaukelbett zurückkehrt: Rösser mit Federbusch und meersalzschweren Quasten – AUGUSTA
Pomp und Staat der Kindheit, Von einem Kutscher ohne Kopf gefahren, der dazu pfeift – MIRANDA
›Wer kommt denn hier vorbei so spät?‹ AUGUSTA
Was soll das? Versuchst du mich zu schrecken? MIRANDA
Nein, ich versuch uns aufs Vergessenwerden vorzubereiten.
152
AUGUSTA
Du erschreckst mich. Wo ist meine Jugend? MIRANDA
In diesem Augenblick gebeugt, deinen Schatten zu begrüßen, Der auf allen vieren läuft, um dir Gesellschaft zu leisten. AUGUSTA
Stößt Miranda weg Laß mich gehn. Ich kenn die Bürger deines Schweigens – Hört, wie Dudley und Elisha sich davonmachen Aus dem Weg, du Werkzeug der Erde! Soll ich jetzt schreien, deren Schreie immer geheuchelt waren? Laß mich gehn, sag ich! ' MIRANDA j Versucht Augusta daran zu hindern, daß sie den obersten Treppenabsatz erreicht Habs nicht so eilig, zu sehen und zu wissen. AUGUSTA
Bleibt plötzlich stehen Bleibst du da? MIRANDA
Ich bleibe. AUGUSTA
Warum? MIRANDA
Ist es denn möglich, daß du nicht weißt, Daß deine Söhne hier sind, dich in den Tod zu hetzen? Ich stand schon einmal am Paneel, Als du so gut wie Mürbgebäck gewesen in dem Korb, Den Leichenbestatter vor prekären Lagen schütteln.
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Ich hab gehört, wie meine Brüder die Preise für Fichte durchgingen, Bis zum günstigsten Angebot – Verbrennen auf einer Schaufel. Selbst da erschütterte der Widerklang von Münzen, In hast'ger Trauer ausgegeben, ihr Innerstes derart, Daß sie im Wettlauf, den Verlust wieder hereinzuholen, Einen halben Tag lang zitterten. Du hast Söhne, Die das Geld auf den Augen eines Toten paaren würden, Damit's den Lohn des Totengräbers heckt. In diesem Augenblick wird die Abfahrt von Dudley und Elisha nur allzu deutlich hörbar. Miranda und Augusta, die inzwischen auf der anderen Seite des Treppenabsatzes stehn, steigen nun hinunter, in derselben Reihenfolge, in der sie heraufgekommen sind AUGUSTA
Aus dem Weg! Ich glaube, meine Söhne haben mich verlassen ! MIRANDA
Bleib bei mir. Sie haben dich längst verlassen. AUGUSTA
Bleiben? Was? An einem solchen Ort – und unbewohnt? Nein! MIRANDA
Doch. Sie haben dich nach Haus gejagt, um dich loszuwerden. Dies ist dein Bereich, und sie der Fehlbetrag, Sie reiten den Wirbelwind in einem leeren Sattel; Dein Grab ist gleichfalls auf der Reise, geh mit ihm: Bewahr dir deinen Tod. AUGUSTA
Nein! Ja. Sie nennen mich Einsiedlerkrebs und schließen
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Die Klappen ihres Herzens, daß ich nicht in es krieche. Denkt nach Angelockt vom Kichern in der Erde, findet der Mensch Gold, Und mit welcher Leidenschaft gräbt er es aus! Doch wenn's die schwere Mutterader ist, Mit welcher Leidenschaft gräbt er sie zu! MIRANDA
Drum bleib bei mir und Onkel Jonathan Und tu wie ich. Gefangen in dem äußersten Meridian und Breitenkreis – Wie ein Schneehuhn, das den Habicht zustoßen sieht –, Zieh im Staub den gebrochenen Flügel um dich, Als letzte Veronica. Miranda und Augusta befinden sich nun am Fuß der Treppe. Ein plötzliches höhnisches Signal der Autohupe kündigt Dudleys und Elishas Abfahrt an. Als Augusta es hört, packt sie die Vesperglocke und schlägt mit schwerem Geläute auf Miranda ein. AUGUSTA
Halt sie auf! Halt sie auf! Du hast sie fliehen lassen! Es ist deine Schuld! Du – du – du! MIRANDA
Wehrt sich Warte. Später will ich liebevoller sein. AUGUSTA
Dich kenne ich. Du würdest mich Bei lebend'gem Leib zehn Städte tief begraben! MIRANDA
Nein, Sperling. Ich tat dich in die Reise deines Bettes legen und dich – Das könnte ich – im Paradiese aus dem Bette nehmen.
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AUGUSTA
Warum hast du mich dann so alt werden lassen? Und läßt sie fortgehen – und Jeremy? Du bist schuld, bist schuld, du, du bist schuld – Aus – aus – aus, aus – mein Sohn – mein Schrecken! Augusta läßt die Glocke auf Miranda niederschlagen. Beide stürzen über den Greifen und reißen die Vorhänge, die vergoldete Krone und alles herunter. Das Läuten hat aufgehört. Burley erscheint auf der Galerie, mit einer Lampe in der Hand. Jack kommt durch den Spalt in der zerstörten Mauer herein. BURLEY
Was ist geschehen, Jeremy? JACK
Ah, dann hat Miranda es gewußt. Was geschehen ist? Alles ist geschehen, Onkel. BURLEY
Beide? JACK
Beide. Ich hätte wissen müssen, daß sie, müd' der Welt Und all der unsinnigen Vergeltungswut, Sich nicht wehren würde. Doch könnt ich wissen, Welche von den beiden die andere ins Kindbett bringen würde? BURLEY
Warum hast du es getan? JACK
Warum? Bin ich mein Vater, Daß ich wissen sollte, welchen Wucherpreis es kostet, Wenn man den höchsten Schatz als Pfand eingesetzt?
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Dies ist die Stunde außerhalb der Schöpfung; Die Zeit für eine Klage ohne Leid: Darum sage, ›Jeremy, du Narr – du Seele ohne Zuflucht! Wie der Mörder, der witternd sein Wild umschleicht Und, seine Seuche vor sich hinatmend, Das Opfer anzieht durch das Schnauben seiner Nase – So finde ich, der Schmach zu heilen glaubte Mit einem Puppenhaus – in dem man Schurken fängt! – Ich hab den Untergang heraufgeatmet und mich selbst. Sag, ich war der Heimat so aufs Äußerste beraubt, Daß ich mir eine grub und mein Entsetzen da hineinstieß. Vorhang, Onkel. Burley verfolgt schweigend, wie Jack in scheinbarer Gleichgültigkeit die Bühne verläßt Vorhang
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