ALT-IRISCHE MYSTERIEN
und ihre Spiegelung in der
KELTISCHEN MYTHOLOGIE
MARIA CHRISTIANE BENNING
J. Ch. Mcllingcr V...
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ALT-IRISCHE MYSTERIEN
und ihre Spiegelung in der
KELTISCHEN MYTHOLOGIE
MARIA CHRISTIANE BENNING
J. Ch. Mcllingcr Verlag, Stuttgart Scanned by
Apuleius
Vorwort Wer heute das Wagnis unternimmt, „nach den stillen Dingen" zu fragen und nach dem „Licht" zu suchen, das ihnen innewohnt, muß Mut aufbringen. Wer darüber hinaus darzustellen wagt, auf welchem Wege er gesucht hat und wie weit er gekommen ist in seinem anfänglichen Suchen, wird oft dieses „Gespräch" mit dem Leser nur eröffnen und durchführen können aus der Überzeugung, daß es „an der Zeit" ist, über diese Dinge zu sprechen, und in dem Vertrauen, beim Leser selbst die Bereitschaft zu finden, mit zu fragen und mit zu suchen, so daß er alles, was er ausspricht, nur als Anregung auffassen darf, als die Bitte um ein „Gespräch" von Menschengeist zu Menschengeist. In vorliegendem Werke hat die Verfasserin sich in der Darstellung der keltischen Mythologie auf jene Fassung beschränkt, in welcher sie durch Ella Young bekannt geworden ist1. Zu gelegentlichen Vergleichen hat sie ein Werk herangezogen, auf welches sie den interessierten Leser bei dieser Gelegenheit hinweisen möchte: „Myths and Legends of the Celtic Race" by T. W. Rolleston2. In dem letztgenannten Werk sind auch weitere Quellen der Mythologie angeführt. Jede keltisch-mythologische Darstellung berichtet hauptsächlich von fünf „Invasionen": der Invasion des Partho-lan mit seinem Volke, der des Nemed mit seinem Volke, den Invasionen der Firbolgs, der Tuatha De-Danaans und der Milesier. Die drei ersten, für Irland unwesentlicheren und auch in der Mythologie nur andeutungsweise behandelten, sind in diesem Werke unberücksichtigt geblieben in der Absicht, in einer späteren Arbeit einmal ausführlicher darauf einzugehen. Die realen Geschehnisse, welche die keltische Mythologie spiegelt, gehören zum großen Teil der vorkeltischen Zeit an. Bezeichnend aber für die Entwicklung des Geisteslebens und Mysterienwesens auf irischem Boden ist sowohl in der uralten als auch in der weniger fernen Vergangenheit (nämlich bis in die 1 »Keltische Mythologie«, aus dem Gälischen nacherzählt von Ella Young, aus dem Englischen übersetzt von Maria Christiane Benning, J. Ch. Mellinger Verlag, Stuttgart.
2
George G. Harrap a. Comp. Ltd., London.
frühchristliche Zeit hinein) das Bestreben und das Vermögen, die Essenz durch-schrittener Entwicklungsstufen in verwandelter Form wieder aufleben und somit „gegenwärtig" sein zu lassen. In dieser Entwicklung entsteht kein endgültiger Bruch zwischen dem Alten und dem Neuen. Das Alte geht in der Begegnung mit dem Neuen durch eine Metamorphose, wodurch das Neue bereichert wird, das Alte aber nicht nur stirbt, sondern auch wieder aufersteht und in der Vermählung mit dem Neuen eine neue Stufe der Erfüllung findet. Die frühchristliche Zeit auf irischem Boden kennt kein Märtyrertum. Die iro-schottischen Mönche achten und lieben das irische „Heidentum" und kommen nicht, es auszurotten, sondern eine Wesensbegegnung zwischen „Christentum" und „Heidentum" herbeizuführen. Dabei sind sie nicht nur Schenkende, sondern auch Lernende und Empfangende. In ähnlicher Geisteshaltung mögen etwa ein Jahrtausend früher die Kelten den Mysterien der vorkeltischen Zeit gegenübergestanden haben. In ihren Mysterien sind die Mysterien der vorkeltischen Zeit in metamorphosierter Form gegenwärtig, wie die Mythologie zeigt. Daß die Mythologie eines Volkes eine wesentliche und unentbehrliche „Quelle" zum Verständnis seiner vorgeschichtlichen und geschichtlichen Zeit ist, wird heute von immer mehr Historikern anerkannt. Zur eigenen Erfahrung aber kann die Wahrheit der Mythologie jedem Interessierten werden, der sich bemüht, ihre „Runen" und „Hieroglyphen" immer besser lesen zu lernen. Die Verfasserin hat durch das Studium der geisteswissenschaftlichen Werke Dr. Rudolf Steiners die Möglichkeit gefunden, zu fruchtbaren Fragestellungen zu kommen und Beziehungen aufzusuchen, die ihr ohne diese Werke nicht sichtbar geworden wären. Es war daher unerläßlich, manche Ausführungen und Darstellungen Rudolf Steiners zu zitieren (sie damit aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausnehmend) oder auch in gedrängter Form zu referieren. Außerdem hat die Verfasserin manches aus den Bildern der Mythe heraus von Grund auf entwickelt, anderes auch nur bewußt andeutungsweise ausgesprochen, manchmal, um das Ganze nicht zu sehr festzulegen und die schöpferische Mitarbeit des Lesers nicht zu lahmen, manchmal auch, weil die Mythe selbst nur noch im großen und ganzen andeutete und in den Einzelheiten unzugänglicher erschien.
So mag die Methodik der Darstellung manches Problematische in sich enthalten. Der Leser sei darum um Geduld und Nachsicht gebeten. In dem Vertrauen, daß die im folgenden niedergelegten Andeutungen und Anregungen dennoch hier oder dort Verstehen finden und ein lebendiges Echo des Herzens und daß sie den „Trugesbann siebenfacher Schleier", der in unserer Zeit auch Menschengeist von Menschengeist immer stärker trennen will, doch ein wenig zu durchlichten vermögen, gibt die Verfasserin diese Arbeit aus der Hand. Februar 1956 Maria Christiane Benning
Irland Irland, das „Heilige Land" der Kelten, ist noch heute in seiner stillen Schönheit und beseelten Natur von dem unaufdringlichen Zauber kindlicher Unberührtheit durchwoben, der wie Erinnerungen an paradiesische Zeiten und Zustände ist. Auf einen realen, geheimnisvollen Zusammenhang der „grünen Insel" mit dem „Paradies" der Menschheit deuten manche Mythen und Legenden aus alter Zeit. Über eine besonders rätselvolle Legende berichtet Rudolf Steiner: „Bei Irland ist es so, daß in älteren Zeiten die Menschheit, die Irland gekannt hat, die ganz besondere Eigentümlichkeit von Irland märchenhaft, legendenhaft zum Ausdruck gebracht hat. Ich möchte sagen: eine esoterische Legende hat man gekannt als aussprechend das Wesen von Irland im Erdenorganismus. Man hat gesagt: die Menschheit ist einstmals aus dem Paradiese vertrieben worden, weil im Paradiese Luzifer die Menschheit verführt hat, und sie ist dann in die übrige Welt zerstreut worden. Aber diese übrige Welt war schon da zur Zeit, als die Menschheit aus dem Paradiese vertrieben worden ist. Man unterscheidet also - so sagte man in dieser märchenhaften Darstellung - das Paradies mit dem Luzifer darinnen von der übrigen Erde, in die die Menschheit verstoßen worden ist. Aber mit Irland ist es nicht so, das gehört nicht zu der übrigen Erde, sondern, bevor Luzifer das Paradies betreten hat, hat sich ein Abbild des Paradieses gebildet auf der Erde, und dieses Abbild ist Irland geworden. Verstehen Sie wohl: Irland ist also dasjenige Stück Erde, welches keinen Teil hat an Luzifer, zu dem Luzifer keine Beziehung hat. Dasjenige, was abgesondert hat werden müssen vom Paradiese, damit ein irdischer Abglanz vom Paradiese entstand, das, was da abgesondert hat werden müssen, das hätte verhindert, daß Luzifer ins Paradies hineingekonnt hätte. Also: Irland wurde so aufgefaßt nach dieser Legende, daß es erst eine Absonderung war desjenigen Teiles des Paradieses, der Luzifer verhindert hätte in das Paradies hineinzukommen. Erst als Irland heraus abgesondert war aus dem Paradiese, konnte Luzifer in das Paradies hinein*)3."
3
In „Drei Vorträge", Nov. 1817, Dorn«*, S. 36 ff.
Manche Gegend der Erde ist bis in historische Zeiten hinein als ein „irdisches Paradies" bezeichnet worden. Unter allen diesen jedoch nimmt Irland noch eine besondere Stellung ein. Es ist nicht nur ein Abbild des Paradieses, sondern, nach dieser esoterischen Legende, auch in besonderer Weise mit dem Sündenfall verstrickt. Wäre dieses Abbild mit dem Paradiese verbunden geblieben, hätte Luzifer nicht ins Paradies hineingekonnt. Vor dem „Sündenfalle" also ist Irland erschaffen worden. Was können wir von der Zeit vor dem „Sündenfalle" wissen? Die moderne Geisteswissenschaft gibt uns die Möglichkeit, Einblick zu gewinnen in die gewaltigen Werdezyklen der Erde und somit auch die Zeitpunkte aufzusuchen, an welchen die verschiedenen Schöpfungsmythen der Völker einsetzen. Sie vermitteln uns die Einsicht, daß weder die Genesis des Moses noch andere Schöpfungsmythen den Anfang allen Erdendaseins schildern wollen, sondern ganz bestimmte und verschiedene Entwicklungsabschnitte oder,,Wiedergeburten" der in ihrem geistigen Sein uralten und sich immer wieder erneuernden und fortentwickelnden Erde. Dem jetzigen Zustand des Erdenplaneten gingen - so schildert die Geisteswissenschaft 4 - drei planetarische Zustände der Erde voraus. Jeweils nach einer solchen „Verkörperung" verbrachte die Erde ein rein geistiges Dasein bis zur „Wiedergeburt" unter neuen Daseinsbedingungen und mit neuen Entwicklungsmöglichkeiten. Im ersten dieser planetarischen Zustände fanden die im Geistigen längst vorhandenen Menschenwesen die erste Möglichkeit zu einer Verleiblichung. Von Physis kann allerdings in diesem Aon nur insofern die Rede sein, als physische Gesetze wirksam waren. Diese äußerten sich nur durch Wärmewirkungen. Außer Wärmesubstanz gab es keine Stofflichkeit. In Wärme-Körpern, gebildet aus der Substanz des aus Wärme bestehenden Planeten Erde, gelangte der Mensch zu einer Stufe dumpfen Bewußtseins, vergleichbar dem Bewußtsein, in welchem heute das Mineralreich lebt. Dieser erste Zustand stofflicher Verdichtung der Erde wird als der „alte Saturn" bezeichnet. 4
Siehe vor allem: K. Stelner: „Die Geheim Wissenschaft Im Umriß".
Am Ende des Saturnzustandes war der Entwicklungspunkt erreicht, an welchem die auf dieser Stufe mit der Erden- und Menschheitsentwicklung verbundenen höheren Wesen sich aus dem Gewordenen zurückzogen und es in sich ersterben ließen. Den wesenhaften Erden- und Menschheitskeim aber führten sie durch eine lange „Weltennacht" hindurch einem neuen Schöpfungsmorgen entgegen. Bei der zweiten Verkörperung wiederholte die Erde am Anfang ihre erste Werdestufe, verdichtete sich jedoch dann weiter bis zum Luftelement. Der Mensch konnte in neuen physischen Leibern, gewoben aus der Stofflichkeit dieser Erde, aufsteigen zu höherem Bewußtsein. Das aber war, verglichen mit den heutigen Bewußtseinszuständen, noch immer nur das Bewußtsein des tiefen, traumlosen Schlafes, dem ähnlich, in welchem gegenwärtig unsere Pflanzenwelt lebt. Während dieser zweiten Verkörperung war unsere heutige Sonne noch mit dem Erdplaneten verbunden. Dieser Weltzustand wird daher die „alte Sonne" genannt.
Alles, was sich auf der Sonnenstufe ausgebildet hatte, zog sich wiederum in den Weltenschlaf zurück und trat nach einer großen Ruhepause abermals in ein neues planetarisches Dasein. Hier erreichte das Physische einen weiteren Grad der Verdichtung. Das Wasserelement kam zu Wärme und Luft hinzu. Die Sonne befand sich jetzt außerhalb der Erde und wirkte auf diese zurück. Schon differenzierten sich die Leiber der Menschen stärker. Das schlafende Bewußtsein hellte sich zu einem traumartigen Bilder-Schauen auf. Während dieses dritten Äons war der Mond noch mit dem Erdenplaneten verbunden. Dieses kosmische Zeitalter heißt darum der „alte Mond". Wiederum gingen alle mit dieser Mondenentwicklung verbundenen Wesen in eine geistigere Daseinsform über. Mit der darauf folgenden Verkörperung beginnt das eigentliche Erdendasein unseres Planeten. Ehe aber das Neue, das Erdenelement, auftritt im großen Werdeprozeß, wiederholt die wiederverkörperte Erde ihre früheren Daseinsstufen in zusammengedrängter Form. Noch einmal durchschreitet sie den saturnischen Weitenzustand in der polarischen Zeit. Wieder verdichtet sie sich zum Luftelement in der hyperboreischen Zeit, in welcher sich unsere heutige Sonne von der Erde löst. Abermals
durchlebt sie die Stufe des alten Mondes in der lemu-rischen Zeit, ehe sie in der atlantischen Zeit zur eigentlichen Erde wird und in der nachatlantischen Epoche, in welcher wir seit etwa 10 000 Jahren leben, dem Menschen in zunehmendem Maße die Möglichkeit bietet, seine eigentliche Erdenaufgabe in Freiheit zu ergreifen. Am Anfang des 4. Äons, der eigentlichen Erdenentwicklung, beginnt auch der Mensch wieder ganz neu aus den göttlichen Urgründen seiner seelisch-geistigen Existenz herauszutreten und eine Beziehung zum Physischen aufzunehmen wie einst im saturnischen Urbeginne des Planeten. In der Wiederholung des Saturn-Äons, in der polarischen Epoche der eigentlichen Erdverkörperung, ist er aber noch ganz geistverbunden, und das Physische fängt erst an, sich aus dem Feuerelement heraus zu verdichten. In der hyperboreischen Zeit durchschreitet er mit der Erde noch einmal den alten Sonnenzustand und webt, im Geiste seines Schöpfers lebend, gleichsam in und über dem Sonnen-Erdenwesen, das auf dieser Stufe ein einziger großer Paradiesesgarten ist. Sein eigenes Bewußtsein bildet noch eine Einheit mit der Außenwelt, dem reichen Garten der aufsprießenden Lichtblütenformen der werdenden, wenn auch noch nicht irdisch-verfestigten Pflanzen wesen. In diesem Paradiese leben auch schon die Tiere, aber noch in gattungsgemäßer Urbildlichkeit. Die ganze Schöpfung west noch in der Unschuld und Reinheit, die dem Pflanzenreich heute noch innewohnt. In der lemurischen Zeit bereiten die Schöpfermächte dem Menschen einen Leib, der soweit verfestigt und verdichtet ist, daß an und in ihm das erste keimhafte Ich-Gefühl aufdämmern kann. Allerdings ist er mit dem Leiblichen in heutiger Form noch nicht zu vergleichen. In dieser Leiblichkeit ist der Mensch noch nicht imstande, mitschaffend in die irdische Natur einzugreifen. Noch schenken die göttlich-geistigen Mächte ihm alles. „Ohne Mühe und Arbeit" - wie es in einem alten Paradies-Spiel heißt - lebt er noch im paradiesischen Zustand. Aber nur ein kleiner Teil der damals bewohnten Erde hatte sich diese Geistnähe und paradiesische Harmonie bewahren können5. Der Garten Eden, die paradiesische Wohnstätte der Menschen, lag wie eine Insel inmitten brodelnder und feuerspeiender Vulkane und erstarrender Wüsten des alten Kontinents Lemurien, der sich auf der südlichen Halbkugel der Erde, in der Gegend des heutigen Indischen Ozeans, zwischen Afrika 5
*) R. Steiner: „Aus d«r Akasha-Chronik".
und Australien bis nach Indien und Vorderasien hin er-streckte. In der hyperboreischen Zeit hatten die mit der Sonne ver-bundenen göttlichen Wesen unsere heutige Sonne aus der Erde herausgeführt. Von den ihr bis dahin innewohnenden, schöpferischen Lichtkräften verlassen, verdichtete und verhärtete sich die Erde fortan in zunehmendem Maße. Die zur Verfestigung und Erstarrung führenden Mondenkräfte in ihr wurden nun immer mächtiger und konnten sich ungehemmt auswirken. Der Mensch fand nur noch in dem besonders geschützten und von nachwirkenden Sonnenkräften noch stärker durchzogenen Gebiet eine Lebensmöglichkeit. In der verholzenden Erdensubstanz vermochte er sich nicht mehr zu verleiblichen. Besondere Tierarten aber stiegen früher als der Mensch in die Verhärtung hinunter. Sie bevölkerten als Drachen, Ichthyosaurier, Plesiosaurier, Dinosaurier und andere Ungeheuer das alte, immer chaotischer und unter-weltlicher werdende Lemurien6. Schon drohte die Erde den verhärtenden, lebensfeindlichen Mondgewalten ganz anheimzufallen, schon schien es, als sollte der in seiner Entwicklung auf der Erdenstufe angekommene Planet dem Menschenwesen ganz verlorengehen.Die meisten Menschenseelen konnten sichnichtmehr verkörpern. Sie zogen sich auf andere Planeten zurück. Nur die mutigsten und stärksten, .die „AdamMenschen"7 inkarnierten sich auf jener paradiesischen Insel des alten Lemuriens, die aber schon umtobt war von den dämonischen Drachengewalten der Tiefe. Schon schickten sich die Drachenmächte an zu einem Angriff auf diese paradiesische Adam-Menschheit, als ein kosmisches Ereignis eintrat, das der ganzen Entwicklung eine andere Wendung gab. Hohe geistige Wesenheiten bemächtigten sich der formenden und bereits überformenden, verhärtenden Mondgewalten und führten diese als einen besonderen Weltenkörper aus dem Erdorganismus heraus. Der heutige Mond verließ damals die Erde. Diese Tat der „Mondgötter" hatte entscheidende Folgen für Erde und Menschheit und darüber hinaus für den Kosmos. Die Absterbungsprozesse im Erdenplaneten waren jetzt gebändigt. Nach und nach konnten sich die Menschenseelen wieder 6
Siehe hierzu: R. Steiner (u. a.), Dornacher Vorträge vom 20. 9. 22 und 1.12. 23. Siehe hierzu vor afflem: B. Steiner, „Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte", und Llc. Emil Bock, „Das Alte Testament und die Geistesgeschichte der Menschheit, I, Urgeschichte". 7
verkörpern. Im äußeren Bereich waren die Verfestigungsmächte überwunden. Nicht mehr aus dem Innern der Erde, sondern vom Monde, der sich außerhalb der Erde befand, wirkten jetzt die von den „Mondgöttern" dirigierten Mondenkräfte auf die Menschen. Im Laufe dieser Entwicklung war der Mensch ein zweigeschlechtliches Wesen geworden. In den Fortpflanzungskräften der sich wiederum vermehrenden Menschheit wirkten die „Mondengötter" regelnd und organisierend. Darüber hinaus ging ihre Wirkung auf das „Ich" des Menschen. Dadurch erlebte sich der Mensch nicht mehr in einem träumenden Bewußtsein als eine Einheit mit der Außenwelt. Es erwuchs in ihm die Möglichkeit, in einem helleren Bewußtsein der Welt als Ich gegenüberzustehen und sie in seinem Bewußtsein widerzuspiegeln wie in einer Erkenntnisspiegelung. Die „Mondgötter" beeinflußten aber dieses freier gewordene Bewußtsein so, daß es im Einklang mit dem Weltall blieb und zu einem klaren Spiegel und Abbild desselben wurde. Das menschlische Bewußtsein.wäre ein ungetrübter Erkenntnisspiegel des Weltalls geblieben, wenn nicht andere Wesen jetzt einen Zugang zum Menschen gefunden hätten. Es gab geistige Wesenheiten, die von ihrer alten Mon-dennatur so viel in sich bewahrt hatten, daß sie an dem Herausgang der Sonne aus der Erde nicht teilnehmen und sich auch nicht mit den „Mondgöttern" und deren Wirkungen auf den Menschen verbinden konnten. Auf dem alten Monde hatten sie sich gegen die Sonnengeister aufgelehnt. Jetzt wurden sie zu Gegnern der „Mondgötter", durch welche die Sonnengeister weiterhin auf den Menschen zu wirken vermochten. Sie hatten sich aus ihrer alten Mondennatur die Kraft mitgebracht, auf das menschlische Innenleben, den astralischen Leib, zu wirken. Sie übten nun diese Kraft aus, indem sie dem menschlichen Astralleib eine gewisse Freiheit und Selbständigkeit gaben und so im Menschen die Möglichkeit erregten, willkürlich in die Bewußtseinsbilder einzugreifen, sie selbst zu regeln und zu beherrschen. Dadurch blieb das menschliche Bewußtsein nicht ein Spiegel des Weltalls. Es erlangte eine gewisse Freiheit. Es befreite sich von dem Einfluß der normalen „Mondgötter", geriet aber in den Bann der Wesen mit der alten Mondennatur, der luziferischen Mächte, die im Astralleib
wirkten und in deren Abhängigkeit nun auch das dem Astralleib übergeordnete menschliche ‚Ich‘ geriet. Der Mensch aß vom Baume der Erkenntnis unter dem Einfluß dieser Versuchermächte. So nahm er die Verfestigungsmächte in sein Innenwesen auf. Dadurch entzog er sich selbst dem harmonisierenden Einfluß der „Mondgötter". Die in den Sündenfall gestürzte Adamund Eva-Menschheit verlor das Paradies. Auch das bisher verschont gebliebene Wohngebiet der Menschen im alten Lemurien verlor seine gottverbundene Lebenskraft und Schönheit und wurde allmählich wüst und leer. Im Feuer der immer stärker und allenthalben ausbrechenden Vulkane ging das alte Lemurien unter. Eine kleine ausgewählte Schar aus der „Adam-Kolonie" aber wurde vor dem endgültigen Untergang des Kontinents hinübergerettet auf einen anderen Erdteil, der bis dahin geschützt war vor dem Verderben bringenden menschlichen Einfluß. Dieses Land lag dort, wo heute der Atlantische Ozean rauscht, und erstreckte sich bis nach Amerika, Europa und Afrika hinein8. Auf der alten Atlantis fand die sich erneuernde Menschheit ungestörtere und weiterführende Entwicklungsmöglichkeiten. Während nun die biblische Überlieferung das Leben der AdamMenschheit auf der paradiesischen Insel in dem allmählich untergehenden Lemurien und den Sündenfall dieser jungen Menschheit schildert, lenken die keltischen Schöpfungsmythen unseren geistigen Blick auf die Zeit vor dem Sündenfalle, auf jenen weltentscheidenden Entwicklungsabschnitt des Erdenplaneten, in welchem sich der Mond von der Erde trennte. Sie weisen uns nicht nach dem „Geburtsort" der Erdenmenschheit im Osten, sondern zeigen uns, wie die Schicksalsmächte der Menschheit schon vor ihrer eigentlichen Erdengeburt eine Stätte bereiten, an welcher sie einmal eine entscheidende Schicksalswende erleben soll. Sie führen uns in ein besonderes Gebiet der werdenden Atlantis und deuten hin auf deren ganz andersartige Mysterien. Die Grundzüge der esoterischen Legende, welche Rudolf Steiner berichtet, finden wir auch in der keltischen Schöpfungsmythe. Jede dieser beiden Geschichten aber wird erst verständlich in der Zusammenschau mit dem, was die Geisteswissenschaft über den
8
Vergleiche hierzu: Ernst Uehli: „Atlantis und das Rätsel der Eiszeitkunst", Stuttgart 1936
Herausgang des Mondes aus der Erde und dessen Folgen für Erde und
Menschheit zu sagen weiß.
Von vielen Gesichtspunkten her hat Rudolf Steiner dieses
kosmische Ereignis und seine Auswirkungen geschildert9.
In der Zusammenschau dieser vielseitigen Hinweise mit dem auf
diesen Andeutungen basierenden, umfassenden Werke Günther
Wachsmuths über die ätherische Welt ergibt sich folgendes Bild für
die Vorgänge in der Erde während der Mondenkrisis10.
Seit dem Herausgang der Sonne aus der Erde in der
hyperboreischen Zeit gerieten die ätherischen und physischen Kräfte
im Erdenorganismus immer mehr in Unordnung. Vor allem an
lichtätherischen Kräften war die Erde ärmer geworden, seit die ihr
früher innewohnenden schöpferischen Lichtkräfte der Sonne sie
verlassen hatten.
Während der lemurischen Zeit strömte nun aus kosmischen Sphären
überwiegend der in der wässerigen Substanz wirkende Chemische
Äther in das Innere der Erde hinein, so wie in der polarischen
Epoche hauptsächlich der Wärmeäther und in der hyperboreischen
Periode vor allem der Lichtäther aus dem Kosmos in sie
hineingedrungen war. Der Chemische Äther aber verdrängte die
Licht- und Wärmeäther-Kräfte. Die gestauten und verdrängten
Feuerkräfte der Erde befreiten sich in gewaltigen
Vulkanausbrüchen und zunehmenden Feuerkatastrophen.
Da führten die „Mondengötter" unter der Führung eines erhabenen
Sonnengeistes den Mond aus der Erde heraus. Dieser hohe
Führergeist verließ um dieser kosmischen Helfertat willen seinen
bisherigen Wohnplatz, die Sonne, und blieb fortan mit dem Monde
verbunden.
Nachdem der Mond sich aus der Erde getrennt hatte, kehrte
allmählich das Leben in sie zurück. Die Verdichtung der Erde schritt
fort, aber es waren nicht mehr überwiegend die vertrocknenden,
mumifizierenden Kräfte, die sie verfestigten. Aus dem Kosmos
heraus strömte ihr eine vierte Ätherkraft zu. Der zur Verdichtung
und Verhärtung führende Lebensäther strömte in das Innere der
9
R. St.: „Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte", „Aus der AkashaChronik", „Die Geheimwissenschaft im Umriß" 10 Dr. Günther Wachsmuth: „Die ätherische Welt in Wissenschaft, Kunst und Religion".
Erde hinein und durch ihn fanden die über dem Menschen stehenden, göttlich-geistigen Wesenheiten wieder die Möglichkeit, Mensch und Erde auf ihrem Wege in die immer stärker werdende Verdichtung zu begleiten. Diese Geschehnisse unmittelbar vor, während und nach der Mondentrennung schildert die keltische Schöpfungsmythe in bildhafter Weise: Im Reiche der „Götter der Dana" in einer sonnenhaften, von Licht und Leben durchkrafteten Sphäre, im Reiche der „Lebenden Herzen" singt die Göttermutter Dana. Die sieben „Götter der Dana" horchen sich in ihren Gesang hinein. Sie gewahren, daß nicht die Dana selbst singt, sondern daß durch sie hindurch der Schmerzensschrei und der Hoffnungsruf der Erde zu ihnen dringt. Einer der Götter fragt: „Ist nicht die Erde auf dem tiefsten Grunde des Chaos? Wer hat je in diesen Abgrund gesehen oder an ihm gestanden zu lauschen, da, wo weder Schweigen ist noch Gesang!" Und Dana schildert den „sieben Göttern" den Zustand der von der Sonne verlassenen Erde in der lemurischen Zeit. „Ich habe da gestanden zu lauschen. Mir hat geschaudert in der Finsternis, welche die Erde umhüllt. Ich habe die schwarzen, zischenden Wasser gesehen und die Ungeheuer, die einander verschlingen. Ich habe hineingeschaut in den sich windenden zuckenden Natterngrund der Hölle. Die Erde wehklagt jede Nacht, weil sie von der Schönheit geträumt hat. Die Erde hat geträumt von der reinen Stille des Urbeginns, von dem Stern, der dem Sonnenaufgang vorangeht, von einer Musik, gleich der Musik meines Gesanges." Schaudernd will einer der Götter sich abwenden von dem Gedanken an die Erde. Aber Dana fragt: „Du hast dich eingehüllt in alle Farben des Sonnenlichtes. Bist du nicht bereit, in die Finsternis zu schauen und den Donner der Wogen des Abgrunds zu hören? Bist du nicht bereit, Freude in den Abgrund zu bringen?" Während die anderen Götter noch zögern, tritt Midyir hervor und schüttelt „die hellen Locken seines Haares aus, bis er ganz in Strahlen gehüllt" ist wie in ein goldenes Vlies. „Ich bin bereit in die Finsternis zu schauen", sagt er. „Ich bin bereit den Donner der Wogen des Abgrunds zu hören!"
„Dann komm mit mir", sagt Brigit, „ich gehe, meinen Mantel um die Erde zu breiten, weil sie von der Schönheit geträumt hat." „Ich will einen Platz für deinen Mantel bereiten", sagt Midyir. „Ich will ein Feuer zwischen die Ungeheuer werfen." Jetzt sind auch die anderen Götter bereit, mit hinunterzusteigen. Sie beschließen, die vier Schätze, das Lichtschwert, den Kessel der Fülle, den Speer des Sieges und den Stein des Schicksals mitzunehmen. Mit diesen vier Schätzen steigen sie hernieder auf die Erde. Das ist ein in echter irischer Erzählerkraft vermenschlichtes, aber dennoch durchsichtiges Bild für ein Ereignis in der Sonnensphäre in der lemurischen Zeit. Die sieben Elohim, zu welchen Jahve noch gehört, richten ihren Götterblick auf die an Lichtäther verarmte, vom Chemischen Äther überwältigte, feuerspeiende, von Ungeheuern wimmelnde Erde. Einer der Sieben, Midyir, den die Genesis als Jahve kennt, faßt den Entschluß, die mumifizierenden Mondgewalten aus der Erde herauszuführen, sie von den verhärtenden Drachengewalten zu befreien, um einen Platz zu bereiten für Danas Mantel, für die sonnendurchkraftete ätherische Welt, mit welcher die ersterbende Erde keinen Zusammenhang mehr hat und durch welche hindurch die lebenspendenden Sonnengeister wieder eine Verbindung aufnehmen können zur Erde. Mit den „vier Schätzen" steigen die Götter hernieder. Sie beherrschen die vier Ätherarten. Durch diese wollen sie die Erde umformen und in sie hineingestalten „Macht und Weisheit und Schönheit und die verschwenderische Kraft des Herzens". Die Götter „senkten sich wie ein Sternenregen hernieder, bis sie die Finsternis erreichten, welche die Erde umhüllte, und hinunterschauend sahen sie unter sich, wie auf einem Höllengrund, das sich windende, zuckende, gräßliche Leben, das da wimmelte und wühlte und .sich selbst unaufhörlich verschlang. Vor dem siedenden Wirrwarr dieses Abgrundes wichen die Strahlenden alle zurück, nur Midyir nicht. Er ergriff den feurigen Speer und stieg in die Tiefe wie eine Flamme. Seine Begleiter schauten hinunter und sahen, wie er das Leben der Ungeheuer zertrat gleich einem Keltertreter, der Trauben preßt. Sie sahen, wie das Blut und der Schaum der Zerstörung an Midyir aufstiegen und ihn rot färbten bis zum Scheitel. Sie sahen, wie er
den Speer im Kreise schwang, bis der zu einem Feuerrad wurde, das Funken und Flammenzungen von sich sprühte. Sie sahen, wie die Flammen die Finsternis verzehrten, in sich zurückfielen und sich ausbreiteten, blühten - dunkelrot - blutrot - rosenrot zuletzt. Wie der Glanz eines Rubins stieg Midyir aus dem Abgrund hinauf und sagte: „Ich habe einen Platz bereitet für Brigits11 Mantel. Wirf deinen Mantel hinunter, Brigit, und segne die Erde!"12 Das ist die Herausführung des Mondes, allerdings von einem besonderen Aspekt aus geschildert. Im Mittelpunkt der keltischen Schöpfungsmythe steht nicht der Mensch, wie in der Genesis. Sie will auch nicht erzählen von dem, was im Kosmos geschieht. Sie schildert das Schicksal der Erde. Darum berichtet sie nicht, daß jetzt die Eva erschaffen wird, daß die Zweigeschlechtlichkeit beim Menschen auftritt infolge der Mondentrennung. Wir erfahren durch sie nicht, daß ein neuer Weltenkörper, der Erdenmond, entsteht durch die Tat des Midyir-Jahve. Sie schildert dieses kosmische Ereignis, soweit es sich darstellen läßt an seinen Auswirkungen auf der Erde: Die Drachenmacht wird gebändigt. Die Erde erwacht wieder allmählich zum Leben. Die Ätherwelt wirkt wieder herein. Dana wirft ihren Mantel herunter, der breitet sich aus um die Erde. Er bildet die Brücke von der Geistwelt zur Physis. Auf diesen Mantel, der zuerst wie Feuer, dann wie Silbernebel ist, lassen die Götter sich nieder. Von der ätherischen Sphäre aus gestalten sie an der Erde. Durch die Ätherwelt hindurch wirken die schöpferischen Gestaltungskräfte der Elohim, der „Geister der Form", auf die Erde. Die Elohim, die in der Erdenbildung schaffenden Geister der Form, harmonisieren die chaotischen Erdgewalten wieder. Am meisten können sie sich auswirken in dem vom Menschen unbeeinflußt gebliebenen Erdgebiet, in der werdenden Atlantis. In Lemurien sind die den Elohim entgegenwirkenden Versuchermächte bereits bis vor die „Tore des Paradieses" gedrungen, Zugang suchend zu der dem Erkenntnisprozeß entgegenreifenden Menschheit. Der Sündenfall der Menschheit wird auch den lemurischen Kontinent mitreißen in die Gottentfremdung und ihn herausfallen lassen aus dem Wirkungsgebiet der göttlichen Wesen. Die vom Irrtum am meisten freigebliebene Menschheitsgruppe aber wird dann auf der Atlantis 11
Anderer Name für Dana Die ohne Quellenangabe wörtlich angeführten Zitate sind dem im Vorwort erwähnten Werk von Ella Young entnommen. 12
eine neue, ungehemmte Entwicklungsmöglichkeit finden und ein reiner Stamm werden können für die kommende Menschheit. - In diesem Erdgebiet gestalten und umgestalten die Geister der Form, die Elohim, weniger gehemmt von ihnen entgegenwirkenden Kräften als in Lemurien, an der werdenden Atlantis, dessen „paradiesische Insel" in Zukunft Irland sein wird, wie das mythische Bild vorauskündet. Der nordöstliche Teil der Atlantis, das heutige Irland, wird unter ihrem Einfluß ein Abbild des Paradieses.
DIE VIER SCHÄTZE
Die vier Schätze Vier Schätze bringen die De-Danaans mit auf die Erde, den Speer des Sieges, das Lichtschwert, den Kessel der Fülle und den Stein des Schicksals. Durch diese hindurch gestalten sie ihre Impulse in die Erde hinein. In diesen Schätzen schauen wir im Bilde die den Naturerscheinungen zugrunde liegenden ätherischen Grundkräfte, die Bildekräfte, welche die moderne Geisteswissenschaft als die vier Ätherarten dem begrifflichen Denken der Gegenwart zugänglich gemacht hat. Sie zeigt 13, daß von insgesamt sieben ätherischen Ur-kräften, die den Kosmos durchwirken, vier sich in Prozessen und Zuständen unserer gegenwärtigen Erscheinungswelt offenbaren: der Wärmeäther, der Lichtäther, der Chemische Äther (oder Klangäther) und der Lebensäther. In der Erdengenesis tritt der Wärmeäther zuerst auf. Er ist seinerseits aus dem Rein-Geistigen, nicht aus einem ZeitlichRäumlichen hervorgegangen. So vermag er auch das im Geistigen Existierende in Zeit und Raum überzuführen. Er liegt allen Wärmeerscheinungen zugrunde. Immer hat er das Bestreben, von einem gegebenen Mittelpunkt auszustrahlen, sich auszudehnen, zentrifugal zu wirken. Überall, wo er in der Natur auftritt, bildet er sphärische Formen. Die Götter, die den Midyir hinuntersteigen sehen auf die chaotische Erde, gewahren seine Wirksamkeit in dieser Bildekraft. „Sie sahen, wie er den Speer im Kreise schwang, bis der zu einem Feuerrad wurde, das Funken und Flammenzungen von sich sprühte. Sie sahen, wie die Flammen die Finsternis verzehrten, in sich zurückfielen und sich ausbreiteten, blühten - dunkelrot - blutrot rosenrot zuletzt." Die Bildersprache der Mythe weist uns im Bilde des Speeres auf die zentrifugale Tendenz des Wärmeäthers hin; in dem kreisenden Speer aber gewahren wir die in sphärischen Formen auftretende Bildekraft. Der Speer sprüht Feuer. Auch im Laufe der Erdenentwicklung ist die zweite Ätherart, der Lichtäther, welcher überall wirksam ist, wo 13
Siehe vor allem: Dr. Günther Wachsmuth: „Die ätherischen Bildekräfte In Kosmos, Erde und Mensch".
Lichterscheinungen auftreten, aus dem Wärmeäther hervorgegangen. Der Lichtäther hat sich hinaufentwickelt zum Chemischen Äther, der Chemische Äther zum Lebensäther. Die jeweils höher entwickelte Ätherkraft enthält alle Eigenschaften der früheren in sich. Trotzdem wirkt jede Ätherart sich in einer ganz charakteristischen, allein für sie zutreffenden Weise aus. Der Lichtäther hat mit dem Wärmeäther die zentrifugale Tendenz gemeinsam. Es ist jedoch eine andersartige Gestaltungskraft in ihm. Diese wirkt sich in einer Substanz immer in dreieckigen Formen aus. Wo die Mythe auf das Zusammenwirken des Lichtäthers mit dem Wärmeäther hinweisen will, läßt sie den Speer Funken und Flammenzungen sprühen. Wo sie betonen will, daß er allein wirkt, spricht sie von ihm im Bilde des Lichtschwertes. Die Ätherart, welche phylogenetisch und auch onto-genetisch aus dem Lichtäther hervorgeht, ist der Chemische Äther, auch Klangäther genannt. Dieser Äther ruft alle chemischen Prozesse hervor, trennt, differenziert, spaltet die Stoffe und fügt sie zusammen. Er durchwogt den Raum und ordnet die Stoffe, wie der Ton die Chladnischen Staubfiguren differenziert, trennt und zusammenfügt. Darüber hinaus vermittelt er den sinnlich wahrnehmbaren Ton, der nur ein in der äußeren Erscheinungswelt auftretender Ausdruck seiner eigenen ton- und klangartigen Wesenheit ist. Die Formtendenz des Chemischen Äthers offenbart sich in den Naturerscheinungen in halbmondartigen Formen. Im Gegensatz zu Licht- und Wärmeäther wirkt er zusammenziehend, saugend, zentripetal. Er ist höher entwickelt als Licht- und Wärmeäther, und da er aus diesen beiden Ätherarten hervorgegangen ist, enthält er ihre Attribute auch in sich. Mannigfaltig und vielseitig sind seine Wirkensmöglichkeiten. Der Dagda handhabt diese Kraft im Kessel der Fülle. Der Kessel schenkt einem jeden, was er begehrt. Der Dagda entnimmt ihm ein Grünes Feuer und streut es aus, wie der Sämann den Samen sät. Den Lebensprozessen der gesamten Pflanzenwelt liegt der Chemische Äther zugrunde. Angus formt das Grüne Feuer zu Bergen und Tälern. Die Formtendenz dieser Ätherart offenbart sich unter anderem in vielen Erscheinungen der Erdrinde.
Die Mythe läßt eine bestimmte Wesensseite des Chemischen Äthers Bild werden im Kessel der Fülle. Als wollte sie auf das ganz andere mit Ton und Klang verbundene Wirkensfeld und auf die innerste Wesensart dieses Äthers noch besonders hinweisen, erzählt sie, daß der Dagda, dem der Kessel der Fülle gehört, noch ein anderes Instrument zu handhaben vermag; die magische Harfe. Wenn der Dagda diese Harfe spielt, kommen die vier Jahreszeiten über die Erde. Ganz verschieden arbeitet der feuchtigkeitbildende und in allem Wässerigen sich auswirkende Chemische Äther in der keimenden, blühenden, reifenden und absterbenden Pflanzenwelt. Im Frühling steigt er - wie Günther Wachsmuth zeigt 14 -aus der Erde in die Atmosphäre hinauf, die Feuchtigkeit, auch die Säfte in den Bäumen, mit sich reißend. Im Sommer durchwebt er überwiegend die Lichtätherzone der Atmosphäre. Im Herbst zieht er sich wieder in die Erde zurück. Die Baumsäfte fallen. Die Blätter trocknen aus Die Pflanzenwelt verwelkt. Im Winter ist der größte Teil des Chemischen Äthers in der Erde konzentriert. Aus dem Chemischen Äther ist im Laufe der Entwicklung der Lebensäther hervorgegangen. Während der Wärmeäther den Wärmezustand, der Lichtäther den gasförmigen und der Chemische Äther den flüssigen Zustand der Substanz hervorruft und aufrechterhält, bewirkt und durchwest der Lebensäther alles Feste. Er hat, wie der Chemische Äther, eine zusammenziehende, zentripetale, saugende Tendenz, das Bestreben, alles in einem gegebenen Mittelpunkt zu konzentrieren. Seine formbildende Wirkung erscheint in allen viereckigen Formen der Substanz. Wie der Lebensäther am Ende der lemurischen Zeit in das Innere der Erde hineinzuströmen beginnt und allmählich den Chemischen Äther verdrängt, berichtet uns die Mythe in ihrer Sprache: „Brigit nahm den Stein des Schicksals in ihre Hände. Er leuchtete rein wie ein Kristall. ,Ich will den Stein an diesem Ort versenken', sagte sie, ,damit ihr ein Reich habet.' Sie legte den Stein auf das grüne Gras, und er sank in die Erde. Musik stieg auf um ihn, als er niedersank. Und plötzlich waren alle die ausgehöhlten Täler und die sich windenden Wege mit Wasser
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Dr. G. W.: „Die ätherischen Bildekrfifte...«. I. Bd., S. 64-67.
gefüllt, mit Strömen, die sprangen und funkelten, mit Seen und tiefen Teichen, deren Erzittern nach und nach in Stille überging." Der Stein des Schicksals sinkt in die Erdentiefe. Unter der Wirkung des Lebensäthers gestaltet die Erde sich um. Das feste Erdenelement bildet sich immer mehr heraus. Zum Lebensäther hat die Insel Irland eine besondere Beziehung. An jenem Orte, an welchem der Stein niedergesunken ist, entsteht die „Weiße Insel", die „Insel des Schicksals", deren anderer Name „Irland" ist. Aber die es formenden und schützenden göttlich-geistigen Wesenheiten beherrschen nicht nur diese Bildekraft, sondern bringen alle vier ätherischen Urkräfte in eine Harmonie. Sie besitzen die vier Schätze. Harmonie der Bildekräfte wirkte noch auf der alten Sonne, dem großen, kosmischen Paradies. Wo sich in diesem Entwicklungsabschnitt der Erde ein neues irdisches Abbild des Paradieses bilden soll, müssen alle vier Ätherarten zu einem harmonischen Zusammenwirken gebracht werden.
Das Abbild Des Paradieses
Das Abbild Des Paradieses Dreifach ist die irdische Hülle unserer festen Erde. Die Erdfeste selbst wird durchkraftet vom Lebensäther. In ihrer ersten Hülle, der Hydrosphäre, wirkt vor allem der Chemische Äther, die zweite, die Atmosphäre, ist durch-west vom Lichtäther, und der dritten, der Wärmehülle, liegt der Wärmeäther zugrunde. Diese vier verschiedenen Kraftsphären, von welchen die äußere Erde durchwoben ist, sind eine exakte Spiegelung der viergegliederten, rein ätherischen Umhüllung der Erde, zu welcher der Wärmeäther den Übergang bildet. Die Wärmeäthersphäre wirkt sich also zum Teil in der Wärmehülle der Erde, zum Teil aber im Rein-Ätherischen aus. Sie bildet den Übergang zur rein-ätherischen Lichtäthersphäre, an welche die rein-ätherischen Sphären des Chemischen Äthers und des Lebens äthers sich anschließen. Die Lebensäthersphäre ist die Brücke von der ätherischen Erde zu der vom Chemischen Äther durchkrafteten Mondensphäre, welcher die anderen Planetensphären folgen, die ihrerseits jeweils von einer bestimmten Ätherart durchkraftet sind15. Sowohl im jetzigen Zustand der Erde als auch in ihrer Entwicklung ist die Äthersphäre jener Bereich, durch welchen hindurch die kosmischen Impulse im Physischen wirksam werden. In der polarischen Zeit ging der Erdenplanet - die alte Saturn-Stufe wiederholend - von einem hochätherischen Zustand in den Wärmezustand über. Der Wärmeäther strömte in den Erdenbereich hinein. In der hyperbore-ischen Epoche strömte der Lichtäther nach innen und drängte den Wärmeäther in die äußere Erdensphäre. Dann trennte sich die Sonne von dem Erdenplaneten. Die Erde wurde vor allem an lichtätherischen Kräften ärmer. In der lemurischen Zeit strömte der Chemische Äther von den kosmischen Weiten in die innere Erdensphäre. Er überwältigte und verdrängte den Lichtund Wärmeäther. Die Feuerkräfte der sich immer mehr verfinsternden Erde stauten sich. Die Voraussetzungen für gewaltige Feuerkatastrophen waren gegeben. Die licht-, ätherischen Kräfte der Sonne konnten durch die rumorenden Ätherkräfte von außen keinen Zugang mehr zur Erde finden. Erst als die mit der Sonne verbundenen göttlich-geistigen 15
Näheres siehe: Dr. G. W.: „Die ätherische Welt...«, II. Bd., S. 5-17.
Wesen mit Jahve-Elohim den Mond aus der Erde herausgeführt hatten, konnten sich die chaotischen Äthergewalten im Erdenbereich wieder harmoni-s'ieren. Die mit den schöpferischen Lichtkräften wirkenden Wesenheiten befreiten die Erde von den Mondgewalten, harmonisierten die Ätherströme und konnten fortan wieder durch diese hindurch auf die Erde wirken. Nachdem die Mythe uns bereits berichtet hat, daß die Götter in den Kräften des Wärme- und Lichtäthers und des Chemischen Äthers wirken, daß Midyir den feurigen Speer zu schwingen vermag und daß der Dagda dem Kessel der Fülle das Grüne Feuer entnimmt, erzählt sie in besonderen Bildern, daß sie vom Mantel der Dana aus - also immer noch von der rein ätherischen Erdenumhüllung aus - durch ihre schöpferischen Lichtkräfte bis in die chaotischen Ätherströme, die im Irdischen wirken, einzugreifen vermögen und diese harmonisieren: „Während nun der Dagda das smaragdfarbene Feuer säte und Angus damit spielte, gewahrte Mananaun, daß das verbannte chaotische Leben sich aufgerichtet hatte und über den Rand von Brigits Mantel schaute." Die zerstörenden Kräfte der Unterwelt sind mächtig geworden in der den Götterordnungen entrissenen Erde. Sie lehnen sich auch jetzt auf gegen das ordnende Prinzip, das aus dem Kosmos einströmen will. „Er sah durch die Finsternis die höhnenden, starrenden Augen nie gesehener Kreatur. Und er zog sein Lichtschwert aus der Scheide und senkte seine glühende Schneide gegen das Chaos. Das gräßliche Leben flüchtete unter Zischen und Schäumen, aber das Meer erhob sich, um das Schwert zu grüßen in einer großen, schäumenden, donnernden Woge. Mananaun schwang das Schwert ein zweites Mal. Und wieder erhob sich das Meer in einer Woge, grün wie ein Chrysolith, am Rande gesprenkelt mit amethystfarbenem, purpurnem und blauweißem Schaum. Ein drittes Mal schwang Mananaun das Schwert. Und das Meer erhob sich, es zu grüßen, in einer Woge, weiß wie Kristall, ungebrochen, von reiner Dauer erfüllt, still wie der Urbeginn." Im Bilde des Meeres erkennen wir die in das Erdengeschehen hineinwirkende, in ihm sich betätigende ätherische Welt. Drei Wogen erheben sich, die Götter zu grüßen, die große donnernde Woge, die lichte, farbige und die stille, weiße Woge. Die gewaltigen Ätherwogen des bisher in die Erde eingeströmten Chemischen Äthers, des Lichtäthers und des Wärmeäthers grüßen die Götter.
Zu den harmonisierten Äthergewalten im Erdenorganismus können die Götter wieder Kontakt aufnehmen. In diesen der Erde näheren Ätherbereich können sie nun hinuntersteigen. Sie können Danas Mantel, die reine Äthersphäre, verlassen. „Langsam fiel die Woge in das Meer zurück, und Brigit hob ihren Mantel auf wie einen Silbernebel. Da sahen die De-Danaans alle Dinge klar. Sie sahen, daß sie sich auf einer Insel befanden, die bedeckt war mit grünem Gras und voll von Höhen und fremdartig ausgeschaufelten Tälern und sich windenden Wegen. Sie sahen auch, daß das Gras voll war von Blumen - blau und purpurn und gelb und weiß und rot. „Lasset uns hier bleiben", sprachen sie zueinander, „und Dinge schaffen, voll von Schönheit, auf daß die Erde froh werde." Die Insel, obwohl in irdischen Bildern geschildert, hat aber ebensowenig schon irdische Festigkeit wie der große kosmische Paradiesesgarten, die alte Sonne und das von den Sonnenkräften noch in der Nachwirkung stark durchwobene, irdische Paradies im alten Lemurien. Die verfestigenden Lebensäther-Kräfte beginnen jetzt erst einzuströmen in das Innere der Erde. Jetzt erst heißt es auch in der Mythe: „Brigit nahm den Stein des Schicksals in ihre Hände. Er leuchtete rein wie ein Kristall. ,Ich will den Stein an diesem Ort versenken', sagte sie, .damit ihr ein Reich habet.' Sie legte den Stein auf das grüne Gras und er sank in die Erde. Die Insel Irland entsteht da, wo der Stein in die Erde gesunken ist. Sie ist umrauscht von den drei Wogen des Mananaun. Die Harmonie der Bildkräfte, welche den Erdenplaneten auf der Stufe des alten Sonnendaseins noch zum großen kosmischen Paradiese machte, ist nach dem Mondenaus-tritt in der lemurischen Epoche für die Erde wiederhergestellt, besonders vollkommen für das Gebiet der Insel Irland. Mit der Insel Irland ist - im Zusammenhang mit dem Mondenaustritt ein irdisches Abbild des kosmischen Paradieses entstanden. Das ist es, was uns die keltische Schöpfungsmythe in farbigen Bildern erzählt. Das ist es auch, was die esoterische Legende in anderer Form berichtet. Die Legende aber erzählt noch mehr. Sie sagt: Wäre Irland nicht als ein Abbild des Paradieses erschaffen worden, wäre es als Abbild nicht abgesondert worden aus dem Paradiese, hätte Luzifer nicht in das Paradies hineingekonnt. Nun da es geschaffen und dadurch abgesondert war aus dem Paradiese, konnte Luzifer in das Paradies hinein. Wie ist das zu verstehen? Kann die
Geisteswissenschaft uns dieses rätselvolle Wort entschlüsseln? Was sagt sie über die Folgen des Mondenaustrittes? „Die geistigen Wesenheiten", sagt Rudolf Steiner einmal16, „welche den Mond aus der Erde herauszogen und ihr eigenes Dasein mit dem Monde verbanden - also Erden-Mondenwesen wurden -, bewirkten durch die Kräfte, die sie von dem letzteren Weltkörper aus auf die Erde sandten, eine gewisse Gestaltung der menschlichen Organisation. Ihre Wirkung ging auf das vom Menschen erworbene,Ich'.----Durch sie entstand im Menschen die Möglichkeit, die weisheitsvolle Gestaltung der Welt in sich bewußt zuspiegeln, sie abzubilden wie in einer Erkenntnisspiegelung. Es konnte aber gerade dieses Bewußtsein durch den Einfluß der gekennzeichneten Erden-Mondenwesen - - zum Einklänge mit dem Weltall gebracht, zu einem Abbilde desselben gemacht werden." Eine Umgestaltung vollzieht sich infolge der Monden-trennung in der menschlichen Organisation. Im Zusammenhang damit ändert sich das bisher traumartige Bewußtsein. Eine neue Erkenntnismöglichkeit tritt auf. Der sich zunehmend verdichtenden Erde steht der Mensch in einem freieren, selbständigeren Bewußtsein als allmählich erwachendes Ichwesen gegenüber. Dieses Ichwesen ordnet die gespiegelten Bewußtseinsbilder aber noch nicht willkürlich. Noch steht es ganz unter dem Einfluß der „Mondgötter". Sein Bewußtsein bleibt ein Spiegel der weisheitsvollen Welt, ein Abbild des Weltalls, ein Abbild des Paradieses, in welchem er noch lebt. Infolge des Mondenaustritts entstehen sowohl im menschlichen Bewußtsein als auch auf der Erde neue Abbilder des Paradieses. Die keltischen Schöpfungsmythen wollen - wie wir schon einmal sahen - vor allem von der Erde, nicht vom Menschen erzählen. Darum berichten sie nicht, daß, nachdem im menschlichen Bewußtsein das Abbild des Paradieses entstanden war, die luziferischen Wesenheiten Zugang zum Menschen fanden, daß diese auf der alten Mondenstufe zurückgebliebenen Wesen die Kraft bewahrt hatten, auf den menschlichen Seelenleib, den Astralleib, zu wirken, daß sie vermöge dieser Kraft jetzt den Menschen veranlaßten, in die Bewußtseinsbilder willkürlich einzugreifen, und damit den paradiesischen Bewußtseinszustand des Menschen zerstörten. Sie erzählen: Das Abbild auf der Erde war 16
R. St.: „Geheimwissenschaft. . .", S. 248-249
geschaffen. Wir müssen hinzufügen: Auf der Erde und im Menschen. Sie sagen: Luzifer konnte jetzt, da Irland abgesondert war, ins Paradies hinein. Wir müssen ergänzen: Ja, das abgesonderte Abbild des Paradieses im menschlichen Bewußtsein - wovon die paradiesische Insel Irland ein reales Gleichnis ist - war das Einfallstor für die luzife-rischen Mächte. An das verselbständigte Bewußtsein konnten sie heran, es zu größerer Selbständigkeit verführend. Sie betonen: Irland hatte keinen Teil an Luzifer. Es hat den Sündenfall nicht mitgemacht. Wir fragen: Heißt das, daß es weiterhin ein Spiegel des Weltalls, ein Abbild des Paradieses blieb? Wenn dieser Spiegel irgendwo aufzufinden wäre, müßte er zu finden sein in den Mysterienstätten der irischen Insel, an welchem Ort und zu welcher Zeit sie auch immer existieren mögen. Was können wir über diese Mysterienstätten heute noch wissen?
DER „TEMPEL"
DER DE-DANAANS
Der „Tempel" Der De-Danaans Zu allen Zeiten und in allen Völkern hat es Menschen gegeben, die sich in Gemeinsamkeit mit anderen an besonderen Orten um eine Erkenntnis der Welten, Wesenheiten und Tatsachen bemühten, welche dem alltäglichen Bewußtsein der Menschen nicht zugänglich sind. In den Tempelschulen der alten Kulturen wurde der Mysterienschüler durch besondere Seelenprüfungen und Übungen auf die „Einweihung" in die Mysterien vorbereitet. Unterschiedlich waren die von den verschiedenen Schülern erreichten Einweihungsgrade, unterschiedlich auch die Erfahrungen und Erkenntnisse der im letzten Grade Eingeweihten an den verschiedenen Mysterienstätten. Immer aber ging von den Hinweihüngsstätten ein entscheidender Einfluß auf das Volk aus, nicht nur auf das geistige Leben des Volkes, sondern auch auf seine Unternehmungen, kultureller, politischer und wirtschaftlicher Art im Lande selbst und außerhalb desselben. Aus den uns zeitlich näherliegenden Kulturkreisen ist uns reichhaltiges, wenn auch bruchstückartiges Material erhalten geblieben, was uns Wegweiser werden kann zu der vergangenen Kultur. Von der ältesten Kultur auf der irischen Insel künden keine in Stein gebauten Tempel. Aber die Mythen von den Tuatha DeDanaans lassen vor unserem inneren Blick einen geistigen Tempel erstehen, der schon von außen - in den mehr einführenden Mythen -unsere ganze Aufmerksamkeit aufruft und uns, während wir uns anschauend in ihn vertiefen, ermutigt, den Weg in das geheimnisvolle Tempelinnere zu erfragen. Wie Tempelfriese, rings um den Tempel her angebracht, sind die Mythen vom „Raub des Speeres" und von der „Zurückholung der Harfe". Wir sehen den Speer des Sieges aufgerichtet in der Mitte von Irland. Er ist „wie eine große, feurige Fontäne, wie eine singende Flamme". Er brennt unaufhörlich. Seine Glut reicht bis zu den Bergesgipfeln hinauf, bis unter die Bäume des Waldes. Das vom Speere ausgehende Licht bildet „einen Lichtkreis, weit über die drei Wogen des Mananaun hinaus". Mißgestaltete
Geschöpfe der Finsternis, die Fomor, sind bis an den Rand des Lichtkreises gekommen und umkreisen ihn schreiend. Sie sind gewillt, sich den Speer des Sieges zu verschaffen. Nuada, des Geschreies müde, ergreift den Speer und wirft. ihn in die Finsternis hinein, die Fomor zu vernichten. Balor, der Einäugige, der Herr der Fomor, ergreift den Speer, der in seiner Hand zur feurigen Schlange wird. In den mit schwarzem Wasser gefüllten See in der Mitte seines Reiches steckt Balor den Speer. Dort wird er zu einer Säule aus glühendem Eisen. Niemand kann ihn mehr aus dem See herausziehen. Es steigen große Dampfwolken um den Speer herum aus dem schwarzen Wasser auf. Aus diesem zischenden Dampf heraus werden die Dämonen der Luft geboren. Groß und schrecklich sind sie. Sie finden den Weg nach Irland. Auf den breiten Pfaden, die sie bahnen, folgen ihnen die Fomor. Die Fomor überwinden die De-Danaans und nehmen ihnen den „Kessel der Fülle" und „die magische Harfe" fort. Sie machen sich zu „Herren und hartherzigen Herrschern über das Volk der Dana". Dann aber kommt Lugh Lauve Fauda. Er vermag die Macht der Fomor zu brechen. Er schickt die Söhne der Dana nach dem Speer aus. Diese können den Speer aus dem See herausziehen. Sie geben dem Lugh den Speer. Wollen diese Bilder hinweisen auf die im „Tempel" gehüteten tieferen Geheimnisse von den wärme- und licht-ätherischen Kräften? Die Götter vermochten sie nicht zu schützen - sagen sie -, die Widersachermächte haben diese Kräfte geraubt. Wer sie zurückholen will, muß als Tempelschüler ein „Sohn der Dana" werden und im Einweihungserlebnis den Lugh Lauve Fauda finden. Lugh, dessen anderer Name „der Sonnengott" ist, wird ihn „nach dem Speer ausschicken". Unter seinem Schutz wird er ihn zurückgewinnen können. Wir sahen erst einen kleinen Teil des Tempelfrieses. Weitere Bilder folgen. Sie erzählen eine andere Geschichte: Angus und Dagda, der Harfe beraubt, sind verarmt. Angus will der weiteren Auseinandersetzung mit den Fomorn entfliehen. Er will ein Lachs werden oder ein Adler. Aber sein Vater führt ihn zu der Einsicht, daß er in solchen Gestalten erst recht den Fomorn ausgesetzt wäre. Da entschließt sich Angus, eine „gute
Tat" zu werden, weil sich die Fomor mit einer guten Tat niemals einlassen. Da naht sich ihnen der Fomorprinz, gefolgt von einem tobenden, schweinsköpfigen, hundeartigen Ungeheuer. Der Prinz wirft mit einer Feuerkugel nach dem Pooka, der den Angus immer begleitet. Der Pooka springt hinter Angus und fängt die Feuerkugel auf. Der Prinz verlangt weitere Schätze. Angus zaubert aus einer Rübe, welche der ihn begleitende Pooka ihm reicht, ein Ei. Das reicht er dem Prinzen, ihm versprechend, das Ei werde sich in einen kostbaren Schatz verwandeln, vielleicht in Mananauns weißes Pferd, oder in drei goldene Äpfel oder in einen Hund aus Tirnan-Oge, sobald er drei gute Taten vollbracht habe. Der Prinz wirft auf dem Heimwege mit dem Ei nach einem Vogel, über dessen Gesang er sich ärgert. Das Ei fällt in ein Gebüsch und verwandelt sich wieder in eine Rübe. Es hat einen Hasen aufgescheucht. Der schweins-köpfige Hund, auf den Hasen gehetzt, vermag diesen nicht einzuholen. Er kommt zurück mit der Rübe. Traurig kehrt der Fomorprinz um. Angus hat ihn kommen sehen und sich in eine Rübe verwandelt. Pooka ist zu einem Eichhörnchen geworden. Der Dagda nimmt die Rübe in seine Hände und formt daraus das Ei. Vergeblich versucht der Prinz durch Bitten und Drohungen, das Ei zu erlangen. Der Dagda behält es in seinen Händen. Als der Prinz schreien will, die Heere seines Vaters herbeizurufen, wirft ihm der Pooka als Eichhörnchen Eicheln in das aufgerissene Maul. Während er würgt und speit, verwandelt sich Angus in eine gute Tat und „schlüpft in das Gemüt des Jungen". Der entschließt sich, eine gute Tat zu vollbringen, dem Dagda das Ei zu lassen und ihn zu seinem Sklaven und Schatzfinder zu machen, der ihm überall hin folgen muß. So gelangt der Dagda in das Reich Balors. Auf dem Festplatz sieht er Balor von seinem Volke umgeben. Neben Balor ist die große Harfe. Dagda streckt seine Hand aus, eine Zauberrune sprechend. Die Harfe kehrt durch die Scharen der Fomor hindurch zu ihm zurück „wie ein Blitz durch Wolken geht". Der Dagda spielt die Harfe. Gras und Blumen wachsen aus dem unfruchtbaren Boden hervor. Apfelbäume erstehen und blühen. Die Fomor fallen allmählich in einen Zauberschlaf. Angus entsteigt dem Gemüte
des Prinzen. Er ist kein Bettler mehr. In göttlicher Herrlichkeit steht er neben Dagda. Dann spielt Dagda eine andere Weise. Gras und Blumen schwinden hinweg. Ein Apfelbaum nach dem anderen entschwindet. Zuletzt ist nur noch einer übriggeblieben. Angus bittet den Dagda, diesen Baum nicht hinwegzuspielen, ihn stehen zu lassen für Balors Sohn, der doch eine gute Tat vollbracht habe. Der Dagda lächelt und hört auf zu spielen. Eindringlich sprechen die Bilder: Wer die Kräfte des Wärme- und Lichtäthers, den feurigen Speer, zurückerlangt hat, kann in schwerere Aufgaben geführt werden. Er wird den „Göttern der Dana", den Geistern der Form, selbst begegnen und sich auf dieser Einweihungsstufe mit ihnen selbst identifizieren. Verarmt wird er sich erleben, der Kräfte des Chemischen Äthers, der „magischen Harfe" beraubt. Die Versuchung wird an ihn herantreten, ein „Lachs" oder „Adler" zu werden, die Erde nicht wieder zu berühren, ihr und ihren Aufgaben zu entfliehen. Wer dieser Versuchung nicht erliegt, ist reif, in weitere Proben geführt zu werden. Er wird sich mit den Mächten des Bösen auseinandersetzen müssen. An den Erlebnissen des Fomorprinzen kann er erfahren, daß ein böses, unmoralisches Wesen, das die „gute Tat" nicht kennt, sich zwar unter Umständen der Kräfte des Chemischen Äthers und des Lebensäthers bemächtigen kann, sie aber nicht im Einklang mit den in Ton und Klang wirkenden Wesenheiten schöpferisch zu handhaben vermag. Das böse Wesen vergeudet die Kräfte des „ZauberEies"17. Es „ärgert sich am Gesang eines Vogels". Wer aber mit seiner ganzen moralischen Substanz, selbst eine „gute Tat" werdend, als Angus untertaucht in diese geheimnisvollen Kräfte, wer sie als Dagda „in seinen eigenen Händen behält" und sie schützt vor Wesen, die nur ihre Habgier und ihre Göttergegnerschaft in ihnen ausleben wollen, wird sich das Böse dienstbar machen können und so den Weg finden in das Reich, in welchem er die „magische Harfe" zurückgewinnen kann. Er wird sich die Fähigkeit erwerben, die Bildekräfte zu 17
Dr. G. Wachsmuth zeigt, daß Im Ei-Keim die „das Wässerige und aas in-sichGefestigte und Geformte beherrschenden Bildekräfte des Chemischen und des Lebensäthers" vorwiegend wirksam sind, siehe: »Die ätherische Welt. . .", II. Bd.. S. 81. So ist es verständlich, daß das Ei hier Bild wird für diese Kräfte.
ihrem eigenen wahren Wesen zurückzuführen und sie schöpferisch zu handhaben im Einklänge mit den in ihnen wirksamen göttlichen Schöpfermächten. Durch die Zurückholung der „Flamme" und der „Harfe" wird er als „Sohn der Dana" die Herrschaft über alle vier Bildekräfte, über seinen eigenen Bildekräfteleib zurückerlangen können. Wer aber seinen Bildekräfteleib beherrscht, kann die göttlich geistige Welt umfassender erfahren und in die äußere Welt tiefer und stärker eingreifen. Durchgeistigter und erdentüchtiger wird er werden. Wir erahnen durch den „flammenden Speer" auf dem Tempelfries die Opferflamme im Innern des Tempels und durch die „magische Harfe" das tönende „schöpferische Wort", das „im Anfange war" und offenbar in diesem Tempel der De-Danaans gesucht und auf der höchsten Einweihungsstufe gefunden wird. Können uns andere Mythen etwas über die Erlebnisse und Erfahrungen der Schüler und Eingeweihten dieses Tempels aussagen? Was wollen sie künden?
DER SOHN GOBHAUN SAORS
Der Sohn Gobhaun Saors Das erste Abenteuer „Der Gobhaun Saor war ein reicher Mann in der alten Zeit. Und er
erwartete von seinem Sohn, daß er dem Vater Ehre mache",
beginnt die erste Mythe über die Abenteuer des Sohnes Gobhaun
Saors. „Er hatte nur einen Sohn und dachte groß von ihm. Aber noch
größer dachte der Sohn von sich selbst. Er wuchs von Tag zu Tag,
und je mehr er heranwuchs, um so größer dachte er von sich selbst,
bis ihm zuletzt das Haus des Gobhaun Saor zu eng wurde und
Gobhaun Saor ihm sagte, nun sei es an der Zeit für ihn, in die Welt
hinauszuziehen und sein Glück zu suchen. Er gab ihm eine
Schafshaut und seinen Segen und sagte:
„Nimm dieses Schafsfell und gehe auf den Markt und zeige mir,
indem du es verkaufst, welche Klugheit du besitzest."
„Das will ich tun", sagte der Sohn. „Und ich will dir den höchsten
Preis bringen, der auf dem Markte dafür zu haben ist."
„Das ist nicht genug", sagte Gobhaun Saor. „Aber wenn du mir die
Haut und den Preis brächtest, würde ich sagen, du besäßest
Klugheit."
„Dann will ich dir beides bringen", sagte der Sohn. Und er machte
sich auf die Wanderschaft. - -"
Wir sehen, dies hörend, förmlich die versteckte Heiterkeit in den
Augen des „Shanachie's"18, der zum ersten Male diese Geschichten
so geformt haben mag, wohl wissend, daß diese, dem bäurischen
Leben entnommenen Bilder auch jede einfachste Seele ansprechen
müssen, daß sie aber zugleich Urbilder sind der Stationen eines
Seelenweges, welche der Einweihungsschüler an einer bestimmten
Mysterienstätte zurücklegen mußte.
Schon mit den ersten Worten wird angedeutet, daß der Sohn des
Gobhaun Saor sich zu etwas Außerordentlichem berufen fühlt. Er ist
Mysterienschüler. Die Aufgabe, welche ihm gestellt wird, deutet
hin auf ein besonderes Einweihungsergebnis, das er erreichen soll.
Ein Mensch, der seine Sinne und die Eindrücke, welche ihm durch
diese vermittelt werden, beherrscht, wird in der Märchen- und
18
Shanachle: berufsmäßiger Geschichten-Erzähler, bis In unsere Zelt in Gebieten, in denen noch gälisch gesprochen wird, zu finden.
Mythen-Sprache oft als Schafe hütend dargestellt. Ein echtes Bild ist aber in sich nie starr. Es ändert und wandelt sich je nach dem Zusammenhang, in welchem es auftritt. So ist hier mit der Schafshaut auf die gesamte Sinnesorganisation hingewiesen. Nicht die Vielheit der Sinneseindrücke, nicht „die zu hütende Herde" betont diese mythische Hieroglyphe. Die Sinnesorganisation als Einheit ist gemeint. Der Sohn des Gobhaun Saor soll durch sie zu „Gold" kommen, sie aber selbst nicht abgeben. Er soll den „Preis" und das „Fell" nach Hause bringen. Er macht sich auf die Wanderschaft. Aber niemand hat für sein Anliegen Verständnis. Die Leute auf dem Markte spotten seiner. Ein jeder, den er trifft, findet es normal, daß das „Fell" aufgegeben wird, wenn das „Gold" errungen werden soll. In der Tat wurde auf vielen Einweihungswegen die Sinnesorganisation aufgegeben, damit das „Gold" der Weisheit errungen werde. Von seinem Leibe getrennt gelangte der Einzuweihende zu höherer Weisheit. Der Sohn des Gobhaun Saor soll einen solchen Einweihungsweg nicht gehen. Er hat einen anderen Auftrag erhalten. Er soll der Sinnesorganisation treu bleiben, soll sich nicht von ihr trennen und das „Gold" der Weisheit doch erlangen. Wie löst er diese Aufgabe? Gobhaun Saors Sohn wird der vergeblichen Versuche, das Fell zu verkaufen, müde. Er bleibt bei einem Bettler stehen, der Zauberstücke vorführt. Der Bettler erbittet sich die Schafshaut für ein Zauberstück. Gobhaun Saors Sohn gibt sie ihm. Der Zauberer bläst in die Wolle und es
entsteht ein großer Wald daraus. In dem Walde sind Bäume mit goldenen Äpfeln. Der Bettler wandert in den Wald hinein und entschwindet. Gobhaun Saors Sohn ist traurig, weil er glaubt, nun könne er dem Vater weder das Fell noch das Gold bringen. Er will ihm wenigstens einen Apfel mitbringen und streckt seine Hand aus, ihn zu pflücken. Da hat er Wolle in der Hand und das Fell vor sich. Er verläßt den Markt, nicht wissend, daß er in dem Bettler und Zauberer dem Angus begegnet ist. Angus, einer der ihn führenden Götter, hat zu ihm durch eine Imagination gesprochen. Er hat ihm eigentlich durch diese Bilder gesagt: „Siehe, das ,Fell' ist dem ,Walde' verwandt. Auch im ,Walde' des an die Sinne gebundenen Denkens reifen ,Äpfel'. Auch hier warten die Erkenntnisfrüchte dein!" Aber der Sohn des Gobhaun
Saor hat noch nicht verstanden. Er wandert traurig weiter. Schon wird es dunkel. Da gewahrt er eine erleuchtete Hütte. Die Tür steht offen. Er geht hinein. In der Hütte sind Angus und der Dagda. Er erfährt von der Verarmung der Götter. Der Dagda bereitet ein Mahl in einem großen Kessel. Er klagt, daß ein großer, plumper, krummbeiniger Grobian der Fomor stets komme, wenn er die Mahlzeit rieche und sich das Beste forthole. Angus rät dem Dagda, ein Stückchen Gold .unter das Essen zu mischen. Das Herz des Grobians werde bersten, wenn er das Gold verschlucke. Der Dagda hat kein Gold. Da erinnert sich der Sohn Gobhaun Saors an einen goldenen Ring, den ihm sein Vater geschenkt hat. Er zieht ihn vom Finger und gibt ihn dem Dagda. In Glück und Frieden verbringen sie die Nacht miteinander. Am Morgen begleitet Angus den Sohn Gobhaun Saors ein Stück auf dem Heimweg. Er gibt ihm den Rat, die erste Frau, der er begegnen werde, freundlich zu grüßen und ihr Glück zu wünschen. Was ist geschehen? Angus hat in neuen Imaginationen zum Sohne Gobhaun Saors gesprochen und hat ihn be-wogen, den „vom Vater ererbten Ring" zu opfern, das gruppenseelenhafte Bewußtsein, durch welches sich der Mensch in alter Zeit mit seinen Ahnen als Einheit fühlte, aufzugeben. Danach kann er ihn auf seine eigene Seelenaktivität stärker hinweisen. Die Frau, welche Gobhaun Saors Sohn danach auf dem Wege trifft, ist die ihm im Einweihungserlebnis von außen anschaubare eigene Seele. Er trifft eine Frau, die am Bache wäscht, grüßt sie und kommt mit ihr ins Gespräch. Sie erfährt von seinem Auftrag. Er brauche nicht mehr weit zu wandern, sagt sie. Sie selbst wolle ihm das Vließ abnehmen und es ihm dennoch lassen und ihm auch den Preis dafür bezahlen. Er gibt ihr das Vließ. Sie rupft die Wolle heraus, bezahlt ihm den Preis und wirft ihm die Haut wieder zu. Von Herzen froh kehrt der Sohn Gobhaun Saors nach Hause zurück. Als der Vater erfährt, wer ihm zu dieser Weisheit verhelfen hat, schickt er ihn um, auf daß er die Frau bitte, seine Gemahlin zu werden. Mit der Frau kehrt der Sohn dann zurück. Und der Gobhaun Saor bereitet ihnen das Hochzeitsfest.
Der Sohn Gobhaun Saors entdeckt eine neue Seelenfähigkeit in sich. Durch diese neue Seelenaktivität kommt er zu einem ändern Gegenstandsbewußtsein, als es im allgemeinen die frühe, noch hellsichtige Menschheit hatte. Er - seine eigene Seele - rupft dem „Vließ" die „Wolle" aus. Er befreit seine Sinnesorganisation von den kosmischätherischen Einflüssen, von welchen sie noch durchzogen war. Vom alten hellsichtigen Bewußtsein schreitet er vor zur gegenständlichen Wahrnehmung der Sinnenwelt und zum sinnengebundenen Denken, aus welchem sich das „reine Denken"19, das sich auf keine Sinneswahrnehmung mehr stützt, entwickeln kann. Die „Wäscherin am Bach" hat durch ihre Tätigkeit schon prophetisch auf dieses reine Denken hingewiesen. Wie die Wäscherin die Wäsche von allem, was ihr aus der physischen Welt an Fremdartigem anhaftet, befreit, so reinigt die an der gegenständlichen Wahrnehmung zum Denken erwachte Seele den Bildekräfteleib des Menschen von den Einflüssen aus der wahrgenommenen Sinnenwelt, wenn sie zum reinen Denken fortschreitet. Der Sohn Gobhaun Saors verzichtet, den „Ring des Vaters" opfernd, auf das Gruppenseelenbewußtsein. Er schreitet von der alten gottverbundenen Hellsichtigkeit vor zum Wahrnehmen der gegenständlichen Sinnen-weit, indem er in eigner Seelenaktivität die „Wolle" von dem „Vließ" trennt. Das sinnengebundene Denken entwickelt er zum reinen Denken in seinem Bündnis mit der „Wäscherin". Nicht durch Verzicht auf die Sinnesorganisation - wie es auf manchen anderen Einweihungswegen geschah -, aber auch nicht durch das alte atavistische, hellsichtige Bewußtsein, das sich auf eine von Ätherkräften noch durchzogene Sinnenorganisation stützte, sondern durch Sinneswahrnehmung und Denken gelangt der Sohn Gobhaun Saors zum „Gold" der Weisheit. Sinneswahrnehmung und Denken aber sind große neue Errungenschaften auf dieser Stufe der Menschheitsentwicklung. Es mag Mysterienstätten gegeben haben in der damaligen Zeit, an welchen diese Errungenschaften das Endziel des Einweihungsweges waren. Im „Tempel" der De-Danaans, von welchem die Mythen uns berichten wollen, waren sie eine erste Station des Einweihungsweges. Gobhaun Saors Sohn muß noch eine schwerere Probe bestehen. 19
Rud. Steiner: „Philosophie und Anthroposophle
Das zweite Abenteuer „Eines Tages saß der Sohn des Gobhaun Saor draußen im Sonnenschein und schnitt sich aus einem kleinen Schilfrohr eine Flöte", erzählt die Mythe. Schon dieses erste Bild läßt uns aufmerken. Aus den griechischen Mysterien kennen wir das Saiteninstrument als das Instrument der apollinischen Gottheit, der oberen Götter, die Flöte aber als das Instrument des Dionysos, der unteren Götter. Der in die apollinischen Mysterien Eingeweihte vermochte die Kraft „des Wortes" in Einklang zu bringen mit der „Macht der Musik". Das „Wort", der „logos", die geistige Kraft in ihm „ertönte" in Harmonie mit den „Mächten der Musik", die als seelische Mächte in ihm aufstiegen. Vom Objektiv-Geistigen her lernte der Schüler durch die Denkschulung in diesen Mysterien die subjektive Seelenmacht zu bändigen und zu führen. - Die dionysischen Mysterien sind die älteren. In diesen bestand die Aufgabe des Einzuweihenden darin, in die eigenen Seelenkräfte unterzutauchen und diese so zu verobjektivieren, daß er durch sie hindurch den Dionysos, die im Innern wirkende geistig göttliche Kraft, das in der Seele ertönende „göttliche Wort" wahrzunehmen vermochte. Der Abstieg zu Dionysos, den unteren Göttern, war der Schwerere. In dem Maße, als die Menschheit der Kraft des Denkens entgegenreifte, versubjektivierten im allgemeinen auch die einst göttergeführten Seelenkräfte der Menschen. Für den subjektiver werdenden Menschen wurde die Einweihung in die dionysischen Mysterien immer schwerer und gefährlicher. In den apollinischen Mysterien erfuhr er dagegen eine ihm gemäße Schulung. In den orphischen Tempelschulen, in welchen apollinische und dionysische Mysterien vereint waren, trat der Schüler den Weg zu den „unteren Göttern" immer erst an, nachdem er die „oberen Götter" gefunden hatte. Zuerst erwarb er die apollinische Kraft und wurde dadurch selbst zurü „Sänger und Harfenspieler" Orpheus. Als solcher konnte er danach - in der zweiten, der schwereren Probe - in die Unterwelt steigen.
Wenn der Sohn des Gobhaun Saor sich eine „Flöte schneidet", dürfen wir vermuten, daß er sich vorbereitet auf einen Abstieg zu den unteren Göttern. Das aber geschieht zu einer Zeit, in welcher es noch keine dionysischen und apollinischen Mysterien im griechischen Sinne gibt. Noch sind die Seelenkräfte der Menschheit nicht in dem Maße versubjektiviert wie in der griechischen Zeit. Aber schon beginnt der Weg zu den „unteren Göttern" schwer und gefährlich zu werden. Wir haben gesehen, wie der Sohn des Gobhaun Saor sich am Anfang seines Einweihungsweges - im ersten „Abenteuer" bewußt abwandte von dem Weg zu den Göttern durch das eigene Seeleninnere hindurch. Nicht den Weg nach innen, den wir uns in den alten Mysterien verbunden denken müssen mit der Trennung vom physischen Leibe, suchte er. Nach außen wandte er sich. Indem er den Kontakt der Seele mit dem physischen Leibe auf geistgemäße Art pflegte und aufrechterhielt, vermochte er die Sinnesorganisation so umzuwandeln, daß sie ihm diente zur gegenständlichen Wahrnehmung der Außenwelt und somit zur Grundlage wurde für ein zunächst an die Sinne gebundenes und späteres, sinnenfreies Denken. Die Kraft des Denkens entfaltete er als Mysterienschüler zu einer Zeit, in welcher die Menschheit im allgemeinen noch in einem imaginativen, bildhaften Bewußtsein lebte. Die Eingeweihten waren immer ihrer Zeit weit voraus. Er wählte als Schüler der Mysterienstätte der De-Dana-ans den Weg in die Sinnenwelt, den Einweihungsweg nach außen. Das war sein Weg zu den oberen Göttern, jedoch zu einer Zeit, als dieser Weg noch nicht leichter zu beschreiten war als der Weg nach innen. Wenn e r sich jetzt „eine Flöte schnitzend" auf den Abstieg zu den unteren Göttern vorbereitet, dürfen wir annehmen, daß er diesen Weg nach innen in besonderer Weise gehen wird. Wird er jetzt doch der Sinnesorganisation untreu werden? Oder wird er auf dem bereits beschrittenen Weg zu vertiefter Erkenntnis kommen? Die Mythe schildert uns seinen besonderen Weg in aller Klarheit: Während er noch mit dem Schnitzen der Flöte beschäftigt ist, kommen Boten vom König des Landes unter dem Meere. Sie sagen ihm, ihr König erwarte ihn. In seinem Reiche sei eine Arbeit zu
vollbringen, die niemand aus seinem eigenen Volke ausführen könne. Der Sohn des Gobhaun Saor antwortet den Boten, sein Vater werde die Arbeit vielleicht ausführen können. So solle er seinen Vater mitbringen, antworten die Boten. Der Sohn Gobhaun Saors geht zu seinem Vater und bewegt den anfangs Mißtrauischen mitzukommen. Am nächsten Morgen machen Vater und Sohn sich auf. Unterwegs fordert der Gobhaun seinen Sohn auf, ihm den Weg zu verkürzen. Es stellt sich heraus, daß der Sohn das nicht kann. Darauf kehrt der Gobhaun um. Er geht wieder nach Haus. Der Sohn setzt sich auf einen Stein und bedenkt, wie er den Weg verkürzen könne. Da gewahrt er einen alten Mann, der auf dem Grase Wollflocken ausbreitet. Er geht auf den Alten zu, ihm zu helfen. Doch als er in die Nähe des alten Mannes kommt, ergreift ein Wind die Wolle. Er sieht, daß es gar keine Wolle, sondern der weiße Schaum des Meeres ist, und erkennt in dem Alten Ma-nanaun, den Gott des Meeres. Der Sohn Gobhaun Saors nimmt auf das Geheiß Mananauns eine Handvoll Meeresschaum. Dieser verwandelt sich in eine Wollflocke. Der Gott schenkt dem Sohn Gobhaun Saors die Flocke und verheißt ihm, sie werde ihm Glück bringen, wenn er einmal in Not gerate. Als Gobhaun Saors Sohn sich bedanken will, ist der Gott verschwunden. Er geht nach Haus zurück, zeigt seiner Frau die Wollflocke und sagt ihr, er habe dem Vater den Weg nicht verkürzen können. Darüber sei er sehr traurig. Seine Frau tröstet ihn, er solle nicht länger betrübt sein; das wisse doch jeder, daß sich durch das Erzählen von Geschichten der Weg verkürzen lasse. Beglückt verspricht er ihr, den Rat zu befolgen. Am nächsten Morgen macht er sich abermals mit seinem Vater auf den Weg. Unterwegs erzählt er ihm die Geschichte von Angus Oge und wie der es fertiggebracht hatte, ein Haus für sich selbst dem Dagda Mor, seinem Vater, abzugewinnen. Unter diesen Erzählungen gelangen beide an den Weißen Strand. Was ist geschehen? Der Sohn Gobhaun Saors wird „berufen", zu den „unteren Göttern" herabzusteigen. Sein Vater mißtraut der Botschaft zunächst. Er weiß, daß es gute und böse „untere Götter" gibt, und fürchtet, in die Macht der bösen zu geraten. Schließlich bewegt ihn aber der Sohn doch mitzukommen.
Der Gobhaun mag sehr wohl der leibliche Vater des „Sohns" gewesen sein. In diesem Mysterienerlebnis aber repräsentiert er dem Mysterienschüler zugleich eine ältere Seelenkraft im eigenen Innern. Diese ältere Seelenkraft kennt noch das alte, imaginative Bewußtsein. Der Sohn fühlt sich durch sie aufgefordert, sich der imaginativen, bildschaffenden Erkenntnisart zu bedienen auf dem Wege zu den unteren Göttern. Ihm aber ist diese Kraft fremd geworden. Er weiß sie nicht mehr zu betätigen. Darum kommt er zunächst nicht weiter. Der Vater kehrt um. Der Sohn aber bleibt zurück und begegnet dem Mana-naun, dem Herrscher über das Meer der Ätherkräfte. Helferwille bewegt ihn, auf den Alten zuzugehen. Der Gott, der diese moralische Kraft in ihm entdeckt, schenkt ihm eine Begabung, die er bereits in freier Tat geopfert hat, noch einmal in etwas anderer Form zurück für kurze Zeit. Eine „Wollflocke" erhält er als Geschenk. Die Möglichkeit der Handhabung gewisser ätherischer Kräfte, auf welche er - im Zusammenhang mit der Sinnesorganisation - schon verzichtet hat, entdeckt er als Begabung, als Göttergeschenk in sich. Wir werden erinnert an eine griechische Mythe, die einen ähnlichen Vorgang schildert, an den Kampf des Perseus mit der Medusa. Die Gorgone Medusa wurde der Menschheit gefährlich, als ihre einst goldenen Haare sich in Schlangen verwandelten. Perseus schlug der Medusa das Haupt ab. Aus dem Rumpfe der enthaupteten Gorgone entsprangen .der Riese Chrysaos und der Pegasus. Das Haupt behielt Perseus fortan als seine stärkste Waffe. Durch dieses abgeschlagene Gorgonenhaupt vermochte er alles zu versteinern, was ihm gefährlich wurde. Perseus repräsentiert eine bestimmte Entwicklungsstufe der Menschheit, welche das griechische Volk ganz besonders rein darlebte. Als das Griechentum zu seiner kulturellen Mission erwachte, war die Menschheit im allgemeinen zu jener Krisis gekommen, die der Sohn Gobhaun Saors in uralten Mysterien als Eingeweihter schon vorauslebte. Zu Beginn der griechischen Zeit wurde das alte imaginative Bewußtsein völlig dekadent. Die einst goldenen Haare der Medusa wurden zu Schlangenhaaren. Perseus erwirbt die Kraft des Denkens, indem er das „Haupt der Medusa" vom „Rumpfe" trennt. Was im alten imaginativen Bewußtsein „in schwankender Erscheinung schwebte" und seinem jungen Ichbewußtsein schon
gefährlich wurde, das „befestigt er in dauernden Gedanken"20, indem er das alles versteinernde Medusenhaupt seinen Feinden entgegenhält. Versteinert erscheint die Außenwelt in der gegenständlichen Wahrnehmung. An der „versteinerten" Außenwelt betätigt Perseus seine junge Denkkraft. Zugleich mit der Denkkraft wird ihm aber auch noch eine andere Kraft geboren. Von dieser erzählt die Perseussage nur weniger. Der Riese Chrysaor und der Pegasus entspringen dem Rumpfe der Gorgone. Immer stehen die Riesen mit den Ätherkräften in besonderer Beziehung. Der Pegasus aber ist ein Bild für die Kraft der Phantasie, die vorwiegend im Ätherischen lebt. Also auch hier werden Ätherkräfte frei bei der Geburt, des Denkens. Ein Teil der früher sich im alten imaginativen Bewußtsein betätigenden Kräfte wandelt sich bei dem zum Denken erwachenden Menschen um in die Kraft der Phantasie und in Denkkräfte selbst. Mit der Denkkraft zugleich wird die Phantasiekraft geboren. Das erlebt Perseus, als er den Pegasus dem Rumpf der Medusa entsteigen sieht, wenn e r sich auch zunächst auf das Denken, auf das Medusenhaupt allein, konzentriert. Das erlebt auch der Sohn des Gobhaun Saor. Indem er die Wollflocke aus der Hand des Mananaun erhält, entdeckt er in sich die im Ätherischen schaffende Kraft der schöpferischen Phantasie. Was unmittelbar danach geschieht, betont diese Tatsache. Er geht nach Hause, zeigt seiner Frau die Wollflocke und berät sich mit ihr darüber, wie er dem Vater den Weg verkürzen könne. Seine Frau rät ihm, dem Gobhaun Saor unterwegs Geschichten zu erzählen. Durch seine eigene Seele erfährt der Sohn des Gobhaun Saor die Möglichkeit, die Kraft der Phantasie als bilderschaffende Kraft zu betätigen. Diese Kraft handhabt er am Anfang des „zweiten Abenteuers", der zweiten Mysterienprüfung. Daß er diese Kraft, die er als Begabung in sich entdeckte, in freier Weise, nicht etwa Götter-geführt, betätigt, betont die Mythe mit einem fast schelmischen Zug: Er erzählt dem Gobhaun Saor die Geschichte von Angus Oge und wie dieser ein Haus für sich von seinem Vater, dem Dagda Mor, gewann. 20
Goethe: Faust I.
Was aber geschieht nun? Von der Kraft der Phantasie geht der Mysterienschüler diesmal aus. Sie wird ihm, so hat Mananaun ihm verheißen, einmal Glück bringen. Wird er sie weiterentwickeln und im Reiche der unteren Götter einst betätigen? Der Sohn Gobhaun Saors gelangt mit seinem Vater an den „Weißen Strand". Dort warten ihrer Boot und Ruderer. Wieder ist der Vater voller Mißtrauen. Dem Sohn gelingt es noch einmal, die Bedenken Gobhauns zu zerstreuen. Sie besteigen das Boot. Da sie sich dem Ziele nähern, erkennen sie, daß die Bedenken des Vaters berechtigt waren. Sie landen nicht im Reiche Mananauns, sondern im Lande Balors mit dem Bösen Auge, des Königs der Fomor. Die Ruderer sind Diener Balors und bringen den Sohn Gobhaun Saors und seinen Vater zu ihrem König. Balor sagt den beiden, er habe sie holen lassen, weil er von ihnen einen bestimmten Dienst erwarte. Sie sollten ihm Feuer legen unter einen Topf. Er führt sie zu einem ummauerten, von vielen Kriegern bewachten Platz. Auf diesem Platz erblickt der Gobhaun einen riesengroßen Topf aus roter Bronze. Balor befiehlt ihm, unter diesen Topf ein Feuer zu legen. Niemand aus seinem eigenen Volke könne das. Jedes Feuer, das unter diesem Topfe angezündet werde, erlösche wieder. Balor droht den beiden, er werde sie töten lassen, falls sie seinen Befehl nicht ausführten. Der Gobhaun bittet sich aus, in dem Bezirk mit seinem Sohne allein gelassen zu werden, damit er sehe, welche Macht er besitze. Er wartet, bis alle hinausgegangen sind. Dann rät er dem Sohne, neunmal um den Topf herumzugehen, was er auch tut. Sie wollen sehen, welche Weisheit sie finden. Beide erfahren auf diese Weise, daß dieser Topf der Kessel der Fülle ist, welcher dem Dagda Mor von Balor geraubt wurde. Balor besitzt ihn nun. Jedoch vermag er kein Feuer darunter anzuzünden. So ist er praktisch wertlos für ihn. Der Gobhaun ruft die Diener Balors, die Fomor, zu sich und gebietet ihnen, ihrem König zu sagen, es müßten neun Arten frisch gesammelten Holzes unter den Topf gelegt werden. Außerdem brauche er zwei Steine zum Feuerschlagen, einen weißen Stein aus der Türschwelle eines Brughfers und einen schwarzen Stein aus der Türschwelle eines Dichters, der die neun
goldenen Gesänge hat. Man möge ihm diese Dinge bringen. Dann wolle er ein Feuer unter dem Topf anzünden. Schwarz vor Wut wird Balor, als er diese Botschaft vernimmt. In seinem unfruchtbaren Reiche gedeihen keine Pflanzen. Er hat keine Hölzer. Seine Dichter kennen keine Gesänge außer Spottliedern und Verwünschungen. Und einen Brughfer, einen von der Sippe erwählten und mit Gütern ausgestatteten Verwalter der Gastfreundschaft des Clans, gibt es in seinem Reiche nicht. Nie ist bei ihm ein Fremder gastfreundlich aufgenommen worden. Er schickt die Boten wieder zum Gobhaun Saor zurück und läßt ihn fragen, wo diese Dinge zu bekommen seien. Gobhaun läßt ihm sagen, Balors Sohn und Neffe möchten zum Hause Gobhaun Saors nach Irland gehen und von der Frau des Hauses diese Dinge erbitten. Die Frau des Sohnes Gobhaun Saors empfängt Balors Sohn und seinen Vetter, traut ihnen aber nicht. Sie sperrt Balors Sohn ein und schickt den Vetter zurück mit der Forderung an Balor, er solle die Ihrigen zu ihr zurückschicken. Balor weiß sich vor Wut nicht zu lassen, als er diese Nachricht bekommt. Er beschließt, am ändern Morgen den Sohn Gobhaun Saors zurückzuschicken nach Irland, um seinen eigenen Sohn zurückzubekommen. Den Gobhaun aber will er töten. Er läßt die beiden über Nacht in seinen stärksten Turm einschließen. In was für einem Reiche sind Gobhaun Saor und sein Sohn gelandet? Der Mysterienschüler, der Sohn des Gobhaun Saor, wollte zu den unteren Göttern. Er bemüht sich, die Phantasie umzuwandeln zur Fähigkeit der Imagination. So gelangt er an den „Weißen Strand", an die Schwelle zur ätherischen Welt. Er läßt sich übersetzen, gelangt aber nicht in das Reich Mananauns, wie er erwartet hat. Nicht den ihm bisher bekannten Herrscherüber das Ätherreich findet er. Er erlebt, daß noch eine andere Macht herrscht in jenem Gebiete, wo er von guten Göttern schöpferisch gehandhabte Ätherkräfte vermutet hat. Er erfährt in seiner Weise, was die Geisteswissenschaft heute wieder in zeitgemäßer Art schildert, daß die Erde und Menschheit seit dem Sündenfalle im allgemeinen verarmt ist an den Kräften des Chemischen Äthers und des Lebensäthers, daß der „Baum des Lebens", der das alttestamentarische Bild ist für diese beiden Ätherkräfte, der
Erde und Menschheit entzogen wurde, seit der Mensch die Früchte vom Baum der Erkenntnis genoß, seit er willkürlich die Kräfte des Wärme- und Lichtäthers zu handhaben vermochte. Was nach dem Sündenfalle an lebens- und klangätherischen Kräften in der Erde verbleibt, „dient meist der Verdichtung im Wässerigen und im festen Erdhaften, ist in die Substanz verstrickt, nicht reine ätherische Bildekraft, sondern dient der Materie, ist gefesselt im Aufbau und Wandel der Elemente21. Im Reich der Materie aber wirkt neben hohen schöpferischen, göttlichen Mächten auch jene dunkle Widersachermacht, die Zarathustra, der große Lehrer des persischen Volkes, Ahriman nannte. In diesen ahrimanischen Bereich gelangt der Sohn des Gobhaun Saor. Der Göttergegner Balor kann zwar den Kessel der Fülle rauben, er kann die Kräfte des Chemischen Äthers an die Materie fesseln, jedoch vermag er diese Kräfte nicht schöpferisch zu handhaben. Der Mysterienschüler sieht das. Und indem er um ein tieferes Verständnis dieser gefesselten Ätherkräfte ringt, kommt plötzlich eine Erkenntnis über ihn wie eine Inspiration: Die an die Materie des menschlichen Leibes und der Erde gefesselten Ätherkräfte könnten befreit werden. Ein „Feuer" müßte entfesselt werden aus zwei Kräften, die sich ihm im Bilde von zwei besonderen Feuersteinen darstellen. Der Stein aus der Türschwelle eines Dichters, der die neun goldenen Gesänge kennt, ist Bild für die Kraft der weltweiten Weisheit. Wer die neun „goldenen Gesänge" beherrscht, weiß um die Geheimnisse des neunhierarchischen Kosmos.
21
Dr. G. Wachsmuth: „Die ätherische Welt...", S. 22».
Der Stein aus der Türschwelle eines Brughfers deutet hin auf eine andere Seelenkraft. Der Brughfer, dessen Beruf die Pflege der Gastfreundschaft ist, wird in diesem Zusammenhang Repräsentant für die Kraft der dienenden Liebe von Mensch zu Mensch. Liebe und Weisheit - das erfährt der Mysterienschüler auf dieser Stufe - könnten ein Seelenfeuer .entzünden, welches in der Lage wäre, die „Hölzer", die aus der von Leben und schöpferischen Kräften durchdrungenen Äthersphäre schon herausfallenden, verhärteten Substanzen eines bestimmten Bereichs zu „verbrennen", sie wieder ins Ätherische zurückzuführen. Durch diesen „Verbrennungsakt" könnte der Kessel der Fülle wieder zu dem werden, was er einst war. Die Ätherkräfte würden von ihrem Zusammenhang mit der Materie befreit und könnten sich frei-schöpferisch im nicht-materiellen Bereich auswirken. Aber will dieser Mysterienschüler die Trennung des Ätherischen vom Materiellen? Hat er nicht bisher gerade angestrebt, dem Materiell-Physischen der Erde und des eigenen Leibes treu zu bleiben, es nicht zu verlassen? Er weiß sehr wohl, daß er auf dem bereits beschrittenen Wege nicht mehr zurückgehen kann. Er erkennt, daß er durch eine solche „Flucht" ins Ätherische - durch die Trennung seines eigenen ätherischen Leibes vom physisch-materiellen Leib etwa die mit dem Materiell-Physischen verbundenen Ätherkräfte der Erde nur stärker den Widersachermächten ausliefern würde. Er befragt seine eigene, dem Leibe treu gesinnte Seele, die „Frau", die „zu Hause" geblieben ist. Die aber gibt die Feuersteine und Hölzer nicht her. Sie will ihre besten Kräfte, die der Weisheit und Liebe, in jenem Bereiche der vom Materiellen gefesselten Ätherkräfte nicht betätigen. Sie will, daß der suchende Forschergeist -Gobhaun und sein Sohn - zu ihr zurückkehre. Sein eigenes Gewissen vernimmt der Sohn Gobhaun Saors in der Botschaft seiner Frau. Weder in der ätherischen noch in der physischen Welt ist er in dieser Situation ganz beheimatet. Schon hat er sich weitgehend mit den Versuchermächten eingelassen. Schon ist er ihr Gefangener. Soll er ins Ätherische flüchten, um Balor zu entgehen? Soll er Balor dienen und sich ihm verschreiben? Oder kann er beide Versuchungen meistern und zu seiner Frau zurückkehren?
Er verbringt die Nacht der Seelennot mit dem Vater zusammen im dunklen Turme Balors, zur Tatenlosigkeit verdammt. Nach Licht und Flötenspiel sehnt er sich. Da fällt ihm die Flöte ein. Er sucht sie in den Falten des Mantels. Da findet er die Wollflocke und erinnert sich beglückt der Verheißung Mananauns, Er bittet die Flocke um Licht, und der Turm ist von Licht erfüllt. Er teilt sie und wünscht, daß sie zu zwei unsichtbar machenden Mänteln werde. Sein Wunsch wird erfüllt. Dann geht die Tür vor ihnen auf. Die Wächter befällt ein Zauberschlaf. Sie gelangen ins Freie. Ein kleines Licht geht ihnen voran. Es führt sie zum Schwarzen Strand. Das Boot Mananauns wartet ihrer. Es bringt sie zum Weißen Strand zurück. Zu Hause angekommen, lassen sie den Sohn Balors frei, schicken ihn in sein Reich zurück und feiern ein großes Fest. Der größte Topf in Gobhaun Saors Haus wird aufgehängt. Und der Gobhaun selbst nimmt neun verschiedene Hölzer, einen weißen Stein aus der Türschwelle eines Brughfers und einen schwarzen Stein aus der Türschwelle eines Dichters, der die neun goldenen Gesänge hat, und zündet ein Feuer unter dem Topfe an. „Und in dieser Nacht wurde Gobhauns Haus nicht dunkel noch still. Und wenn alle die Helden von den Gipfeln des Gebirges am Rande der Welt hineingekommen wären mit dem Hunger von sieben Jahren, sie hätten ihn ohne Mühe stillen können auf dem Feste des Gobhaun." Im Dunkel der eigenen Ratlosigkeit, in der seelenlosen Stille von Balors Reich sehnt sich Gobhaun Saors Sohn nach Licht und Flötenspiel, nach lichtvoller Weisheit und Seelen - weckender und verbindender Musik. Durch diese Sehnsucht begibt er sich bereits zurück „nach Hause" zu „seiner Frau". Noch hat er die Verbindung mit „Haus" und „Frau", mit „Leib" und „Seele" ja nicht verloren, aber er muß ganz zurückkehren. Nur dort, im „Hause", wird er finden, was er sucht. Die Sehnsucht taucht zuerst auf. Dann entdeckt er auch den Weg, auf welchem er zurückkehren kann. Den inneren Kontakt mit der Seele hat er in der Sehnsucht schon wieder hergestellt. Da findet er die Wollflocke, jene Kraft der schöpferischen Phantasie, die er zur bilderschaffenden, imaginativen Kraft weiterentwickelt hat. Durch die Imagination findet er den Kontakt zu Mananaun zurück. Er betätigt diese Kraft und hält sie bittend gleichsam den Göttern entgegen. Die Götter sprechen zu ihm im Lichte der Weisheit; ein inspiratives Element durchdringt seine Imagination. Dieses Licht gibt ihm Schutz und Freiheit. Er kommt zu einer Wesensbegegnung mit Mananaun. Noch
ist es keine Wesensvereinigung mit dem Gott, noch keine reine Intuition. Aber Mananaun ist gegenwärtig durch das Boot, das sie übersetzt, wenn sie ihm auch selbst nicht begegnen. Ein intuitives Element durchdringt die Imagination.22 Unter dem Schütze Mananauns, zu welchem er aktiv den Kontakt wieder hergestellt hat, gelangt er mit seinem Vater nach Hause zurück.23 Im Leibe bleibend kann er fortan eine neue Kraft betätigen. Unter dem „Kessel im Hause" vermag er das ätherische Feuer mit den Feuersteinen von Weisheit und Liebe zu entzünden. Und dieses Abbild des Kessels wird selbst zu einem „Kessel der Fülle", aus welchem selbst die „Helden vom Rande der Welt", die Götter, sich nähren. Wie ist das zu verstehen? Wo ist dieser „Kessel im Hause"? Wo im Menschen sind die Kräfte des Chemischen Äthers und Lichtäthers so wirksam, daß sie sich zunächst nur passiv, unschöpferisch betätigen, bis das ätherische „Feuer" von der aktiven, Weisheit- und liebedurchdrungenen Menschenseele unter ihm angezündet wird, durch welches sie selbst zum „Kessel der Fülle" werden können? Im Erkenntnisakt des denkenden Menschen können entweder die „zentrifugalen, zum Ausstrahlen und tätigen Ergreifen und Verwandeln der Dinge hin tendierenden",24 aktiveren Kräfte des Licht- und Wärme-Äthers überwiegend tätig sein oder die mehr passiven, rezeptiven Kräfte des Chemischen Äthers und Lebensäthers mit ihrer „zentripetalen, einsaugenden, formgebenden"25 Tendenz.
22
Vergleiche hierzu: Rud. Steiner: „Die Stufen der höheren Erkenntnis". Was Perseus Im Bilde des Chry s a o r, der dem Rumpfe der Medusa entsteigt, erschaut, das erlebt dieser Mysterienschüler an seinem eigenen Vater Gobhaun S a o r, der ihm in dieser Mysterienprüfung die alte imaginative Kraft repräsentiert. Perseus beschränkt sich zunächst auf die Betätigung der jungen Denkkraft, auf die Handhabung des Medusenhauptes. Der Sohn Gobhaun Saors aber bildet die Phantasiekraft aus, durch welche er seinen eigenen Vater aus der „Gefangenschaft im Turm" befreien kann. Die beim sinnengebundenen Denken im „Turm" des menschlichen Hauptes gefesselten Atherkräfte befreit er durch die Weiterentwicklung des Denkens. Das betont die Mythe auch noch in anderen Bildern. 24 Dr. G. Wachsmuth: „Die ätherische Welt.. .", II. Bd., S. T7 ff. 25 wie oben. 23
Beide Denkarten bergen Gefahren in sich. Die erstere kann von der Willkür der Seele zur Ungenauigkeit verführt werden; die zweite, einseitig ausgeübt, führt leicht in die Erstarrung und völlige Unproduktivität. Der Sohn des Gobhaun Saor betätigt am Beginn seines DenkSchulungs-Weges die mehr rezeptive Art des Denkens. Er geht von der Wahrnehmung der gegenständlihen Außenwelt aus. An der Außenwelt schult er sein Denken. Eine gewisse Selbstlosigkeit erlangt er dadurch in seiner Denktätigkeit; und die Willkür der eigenen Seele kann ihm nicht mehr in dem Maße wie sonst gefährlich werden, wenn er nach diesem Denken zu einem aktiveren übergeht. Das selbstlose, aktive Denken aber kann er zum sinnenfreien Denken weiterentwickeln. Dieses reine Denken nun, das sowohl ein rezeptives als aktives Element in sich hat, läßt sich weiterentwickeln zur Fähigkeit der freien Imagination.26 In der freien imaginierenden Tätigkeit ist der Geistesschüler aktiv als Farben und Formen, also Bildelemente Schaffender, rezeptiv aber, indem er diese Bildelemente gleichsam der schaffenden Götterweisheit entgegenhält, welche Bilder und Bildzusammenhänge aus den Elementen formt und aufbaut und die Imagination erst vollständig macht, indem sie diese durchdringt mit inspirativen und intuitiven Elementen. Wenn die Mythe berichtet, daß der Sohn Gobhaun Saors unter den passiven, rezeptiven, zur Empfängnis neigenden Kräften der Erkenntnis mit geläuterten Seelenkräften ein ätherisches Feuer entzündet, so will sie betonen, daß er die rezeptiven Erkenntniskräfte in die Sphäre der Imagination hinaufhebt, indem er - als Feueranzünder - aktiv und opfernd zugleich, die empfangenden Kräfte den Göttern entgegenhält, wodurch sich in diese Kräfte wiederum die „Fülle" der Offenbarungen aus der göttlich-geistigen Welt niedersenken kann. Nicht länger - so führt sie weiter aus - brauchen die „Helden vom Rande der Welt", die Götter, zu hungern nach Offenbarungs möglichkeiten, welche die Freiheit des Menschen respektieren, wenn der Mensch ihnen in dieser Weise entgegenkommt. Im „zweiten Abenteuer" hat der Sohn des Gobhaun Saor das reine Denken weiterentwickelt zur Fähigkeit der freien Imagination. 26
Vergleiche hierzu: R. Steiner: „Die Stufen höherer Erkenntnis".
Warum - so können wir uns fragen - hat die Mythe das nicht einfacher und kürzer erzählt? Es ist, als wollte sie durch diese Nebenerzählungen besonders hervorheben, daß es sich um die frei gehandhabte Imaginationskraft handelt, nicht um eine Begabung atavistischer Art. Kurz zusammengefaßt erzählt sie nämlich eigentlich: Zu einer Verinnerlichung und Weiterentwicklung der bisher erworbenen Kräfte des Denkens fühlte der Sohn Gob-haun Saors sich berufen. Indem er sich bemühte, die Phantasiekraft, die er als Begabung in sich vorfand, weiterzuentwickeln zur frei gehandhabten Fähigkeit der Imagination, wurden auch alte atavistische Kräfte in seiner Seele wach, die ihm gewisse Offenbarungen vermittelten. Er stand vor der Möglichkeit, den Ätherleib vom physischen Leib zu trennen, um im Ätherleib allein die geistige Welt wahrzunehmen, erkannte aber die Widersachermacht, die im Physisch-Materiellen wirkt, und wußte, daß sie durch Flucht nicht überwunden werden kann. Er weiß, daß er selbst wieder untertauchen muß in das PhysischMaterielle, wenn er diese Kraft wirklich überwinden will. So verbindet er sich als Erkennender wieder mit dem Leibe, und dort gelingt es ihm, die Imaginationskraft, die als Veranlagung und Begabung in ihm lebte, schöpferisch weiterzuentwickeln und umzuwandeln in eine individuelle, selbsterworbene Fähigkeit. Sein Weg zu den unteren Göttern führt ihn nicht fort vom Leibe, sondern zur Verinnerlichung der im Leibe erworbenen Fähigkeiten.
CIAN
Cian Der Sohn des Gobhaun Saor durchschreitet als Mysterienschüler und Eingeweihter zukünftige Menschheitsentwicklungsstufen, allerdings in einer speziellen, der damaligen Entwicklungsmöglichkeit angepaßten Form, wie wir später noch sehen werden. Einen Einweihungsweg mit ganz anderem Ausgangspunkt und Ziel schildert die Cianmythe. Cian kommt zu Gobniu, dem Schmied, und bittet ihn, ihm ein Schwert zu schmieden. Gobniu ist bereit, Cians Bitte zu erfüllen, kann es jedoch nicht bedingungslos. Er hat die Wunderkuh. Die Kuh zieht grasend durch Irland, Tag für Tag. Sie gibt einem jeden, der zu ihr kommt, Milch, so daß niemand Hunger leiden muß. Balor aber trachtet danach, die Kuh zu stehlen. Das Halfter der Kuh haben seine Räuber dem Gobniu schon entwendet. Seitdem hat Gobniu keine rechte Freude mehr an der Kuh, da er sie fortwährend bewachen muß, denn wo immer das Halfter ist, dahin will auch die Kuh. So muß er immer befürchten, sie könnte in Balors Reich gehen. Der Bitte Cians, ihm ein Schwert zu schmieden, kann er darum nur nachkommen, wenn Cian die Kuh hütet. Cian ist bereit dazu. So einigen sie sich. Cian hütet die wandernde Kuh einen ganzen Tag lang. Abends kommt er wieder am Hause Gobnius an. Er sieht Licht im Hause. Vor der Tür stehen einige Männer. Die sagen ihm, Gobniu habe sein Schwert geschmiedet, er müsse es nur noch härten. Das könne er aber nur, wenn er, Cian, ihm den Schwertgriff halte. Cian eilt voller Freude hinein. Gobniu fragt nach der Kuh. Cian sagt, sie sei draußen. Beide eilen hinaus. Die Kuh ist verschwunden. Cian hatte mit seinem Kopf für sie gebürgt. Er ist zum Tode bereit. Gobniu aber will eine andere Sühne. Er beauftragt den Cian, das Halfter der Kuh aus dem Reiche Balors zurückzuholen. Cian verspricht, in das Reich Balors zu gehen und nicht ohne das Halfter zurückzukehren. Er wandert, bis er an die dunklen Wasser kommt. Dort wartet er drei Tage und drei Nächte. Dann erblickt er einen Alten in einem armseligen Boot. Der Alte ist bereit, ihn in Balors Reich hinüberzurudern, wenn Cian ihm die Hälfte dessen verspricht, was er dort erringen wird. Cian sagt, er wolle alles mit ihm teilen, nur nicht das Halfter der Kuh. Das werde er nie erbitten, antwortete der Fährmann. Dann rudert er zu Balors Reich. Cian will ihm als
Dank für die Dienste seinen goldenen Ring und kostbaren Mantel schenken. Der Alte nimmt den Ring nicht an. Cians Mantel aber tauscht er gegen den seinen ein. Als Cian sich in den Mantel eingehüllt hat, gewahrt er die Zauberkraft dieses unsichtbarmachenden Gewandes. Er dreht sich um, den Alten näher anzuschauen. Dieser aber ist verschwunden. Von dem Mantel geschützt, erreicht Cian den Hof Balors. Er wird von Balor empfangen und bietet ihm seine Dienste an. Als Balor hört, daß Cian Gras und Apfelbäume wachsen lassen kann, nimmt er, der Herrscher über ein völlig unfruchtbares Land, ihn gerne in seinen Dienst und erklärt sich bereit, ihm als Lohn das Halfter der Kuh, das Cian für seine Arbeit fordert, zu geben. Cian ist froh und beginnt zu arbeiten. Wer ist Gobniu? Warum geht Cian zu ihm? Und was für eine Kraft erbittet er von ihm unter dem Bilde des Schwertes? Gobniu ist Schmied und Hirte zugleich. Als Schmied geht er um mit den harten Substanzen der Erde. Er arbeitet, bildet und formt am Physischen. Als Hirt hütet er die Wunderkuh, von deren Milch die Menschen in Irland sich ernähren. Er hält den Kontakt aufrecht zum Astra-lisch-Ätherischen, zu jenen Kräftewelten, durch welche die Offenbarungen der Götter als Nahrung zu den Menschen kommen. Das Halfter der Kuh ist ihm geraubt worden. Eine Kraft, durch welche der Kontakt zur astralisch-ätherischen und damit zur geistigen Welt früher in selbstverständlicher Weise hergestellt wurde, ist ihm verlorengegangen. Es ist eine besondere Wachsamkeit und Tätigkeit notwendig, die Verbindung zu diesen Kräften aufrechtzuerhalten. Er muß die Kuh unaufhörlich hüten. Gobniu hat eine besondere Erdentüchtigkeit als Schmied. Als Hüter der Wunderkuh aber nimmt er in außerge wöhnlicher Weise die Offenbarungen der Geistwelt entgegen. Er will uns erscheinen wie der Repräsentant, vielleicht der Hierophant eines Tempels, in welchem der Mysterienschüler sowohl diese besondere Erdentüchtigkeit als auch die außergewöhnliche Fähigkeit, Offenbarungen aus der Geistwelt entgegenzunehmen, erwerben kann. Der Tempel aber ist jener „Geistige Tempel" der De-Danaans. Durch Cian selbst erfahren wir, daß er im Tempel der DeDanaans erzogen ist. Als er zu Balor kommt und ihm seine
Dienste anbietet, fragt Balor ihn, was er denn könne. Da antwortet ihm Cian, er beherrsche die Künste des Volkes der Dana. Er könne auch Gras und Apfel bäume wachsen lassen. Wir müssen annehmen, daß Cian die Fähigkeiten, die im Zusammenhang stehen mit der Pflanzenwelt und auf eine Beherrschung der ätherischen Kräfte hindeuten, bereits erworben hat, als er zu Gobniu kommt und um das Schwert bittet. Wahrscheinlich war er mit der besonderen Veranlagung, vorwiegend im Ätherischen, auch im eigenen ätherischen Leibe, zu leben - obwohl er einen physischen Leib hatte wie die anderen Menschen jener Zeit - schon in die Tempelschule gekommen. Wenn er nun um das Schwert bittet, so heißt das eigentlich nichts anderes, als daß er sich die Aufgabe setzt, auch den Physischen Leib stärker ergreifen zu lernen. Er weiß sehr wohl, daß er dabei der Hilfe der Götter und des Hierophanten bedarf. Aber was er sich erwerben will, ist die Schwertkraft des klaren, zielbewußten, aktiven Denkens, die nur im physischen Leibe errungen werden kann. Der Hierophant macht ihn auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die ihm bei seiner Veranlagung in einer solchen Aufgabe erwachsen werden. Er sagt ihm gleichsam: „Siehe, ich weiß durch eigene Erfahrung: Wer die Denkkraft erringen will und sich stärker dem physischen Leib zuwendet, wird die volle Beherrschung der äthe risch-astralischen Kräfte, durch welche er die Offenbarungen der Geistwelt empfing, verlieren. Die ,Wun-derkuh' wird ihm geraubt werden. Sie wird dahin gehen, wohin die alte, natürliche imaginative Kraft längst entschwunden ist, in jenen Bereich der vom Physisch-Materiellen gefesselten Ätherkräfte. Früher, solange die imaginative Kraft natürlich war, brauchte niemand den Verlust der ätherisch-astralischen Welt zu fürchten. Aber diese atavistische imaginative Kraft wird dekadent. Einst, da sie stark und zuverlässig wirkte, war sie das Halfter, durch welches die ,Kuh' gehalten wurde. Jetzt ist sie vom Physisch-Materiellen her irritiert und verwirrt. Balor hat diese Kraft gleichsam an sich gezogen. Er hat das Halfter geraubt. Du weißt ja selbst, daß nunmehr nur durch die höchste Wachsamkeit und Aktivität ,die Kuh gehalten werden kann'. Du beherrschst die Kräfte, sie zu halten. Nun aber begibst du dich in eine Gefahr. Sei besonders wachsam! Denn die Denkkräfte, die du erwerben willst, sind ja Ätherkräfte. Indem du diese
Denkkräfte aber zunächst an der physisch-materiellen Welt schulst, verbannst du selbst Ätherkräfte in den Bereich Balors. Ich will dich vorbereiten auf diese Denkfähigkeit. Hüte du deine alten Fähigkeiten inzwischen gut und achte auf das, was mit ihnen geschieht." Cian erlebt dann im Laufe der Denkschulung, daß ihm tatsächlich „die Kuh" geraubt wird. Er kommt in eine Krisis, in der er das Denken noch nicht beherrscht und die alte Fähigkeit, Offenbarungen zu empfangen, auch verloren hat. Er ist in höchster Not. Schon will er seine Existenz aufgeben. Er will sterben. In diesem Höhepunkt der Krisis aber schickt ihn der Hierophant in die größte Prüfung. Er stellt ihm die Aufgabe, hinunterzusteigen in den Bereich der vom Physisch-Materiellen gefesselten Ätherkräfte und das Halfter der Kuh zurückzuholen. Cian ergreift diese Aufgabe. Er begibt sich in das „tote, unfruchtbare Land" Balors und trägt schöpferische Ätherkräfte in diesen Bereich. Das ist keine leichte Arbeit. Die Mythe sagt: „Er hatte seine Mühe mit dem Gras, denn jeder Halm, der durch ihn am Morgen aufwuchs, war am Abend durch Balors Atem verwelkt. Nach einer Weile waren Apfelbäume gewachsen." Es gelingt ihm also, das Tote zu verlebendigen. In den folgenden Bildern der Mythe wird das noch genauer geschildert: Cian sieht, während er die Apfelbäume bewacht, oft zu einem großen, weißen Turm hinüber, der in der Nähe steht. Dieser Turm ist immer von Kriegern der Fomor bewacht. Eines Tages erfährt er, daß Balors schöne Tochter in diesem Turme lebt. Balor hat sie dort eingesperrt, damit sie sich nicht vermähle, denn es war geweissagt worden, ein von ihr geborener Sohn werde den Balor erschlagen. Cian denkt viel darüber nach. Es überkommt ihn die Sehnsucht, die Frau zu sehen. In seinen Tarnmantel gehüllt gelangt er in den Turm. Dort findet er Balors Tochter Ethlinn. Sie sitzt am Webstuhl, webt ein Tuch in allen Farben und singt dabei. Sie lieben sich, als sie sich sehen. Cian vermählt sich mit ihr. Von nun an besucht er sie oft im geheimen. Sie schwören einander Treue. Es wird ihnen ein Sohn geboren. Ethlinn nennt ihn Lugh, d. h. Licht. Cian pflegt ihn den „Sonnengott" zu nennen. Balor hat inzwischen entdeckt, daß die Apfelbäume schon Früchte tragen. Er bringt das Halfter der Wunderkuh seiner Tochter und sagt ihr, sie möge es verstecken. Wenn Cian es von ihm erfrage, werde er es verloren haben. Ethlinn nimmt das Halfter.
Bald kommt Cian zu ihr und bringt ihr einen Zweig voller Äpfel. Sie gibt ihm das Halfter und bittet, auch das Kind an sich zu nehmen und in das Land zurückzukehren, von welchem er gekommen sei. Cian folgt schweren Herzens ihrem Rate. Er nimmt das Halfter und das Kind und trennt sich von Ethlinn. Er wandert, bis er an die dunklen Wasser kommt. Dort trifft er den Alten, der ihn übersetzt. Der Alte erinnert ihn an die Abmachung. Cian muß ihm das Kind geben. Als Cian sich am anderen Ufer von dem Alten trennt, nachdem er ihm das Kind gereicht und den Mantel zurückgegeben hat, erkennt er in ihm Mananaun, den Gott des Meeres. Cian preist die Stunde glücklich, in welcher er dem Gott seinen Sohn gegeben hat. Und Mananaun verheißt ihm eine herrliche Rückkehr des Sohnes. Dann rudert er in seinem Boote, der Oceanf ähre, mit Lugh auf das Meer hinaus. Cian wandert zu Gobniu, der ihn herzlich empfängt. Er überreicht ihm das Halfter der Kuh. Der Schmied gibt dem Cian das Schwert. „Und von dieser Zeit an war immerdar Freude und Freundschaft zwischen Cian und Gobniu", betont die Mythe. Cian erringt in diesem Einweihungsakt die alte Fähigkeit der Imagination zurück, welche in der allgemeinen Menschheit als natürliche Begabung unzuverlässig und blaß zu werden begann. Er hat erlebt, daß er die Fähigkeit, Offenbarungen in der alten Weise zu empfangen, verlor, indem er die Denkkraft ergreifen und betätigen wollte. Dadurch war er in eine starke Krisis gekommen. Nun bemüht er sich, das Denken, das ihm ein großes Rätsel geworden ist, zu verstehn. Er erlebt es als Tochter Balors, in einen Turm eingesperrt. Als Tochter Luzifers mag die Erkenntnis, die sich der Mensch im Sündenfall errang, angeschaut werden. Das abstrakte, in den „Turm" des menschlichen Hauptes eingesperrte Denken hat sich nicht ohne die Einwirkung der im PhysischMateriellen wirkenden Widersacherkräfte entwickelt. In gewissem Sinne ist Ahriman-Balor der Vater des abstrakten, toten Denkens. Cian sieht Ethlinn ein Tuch in allen Farben weben. Er, der vorwiegend im Ätherischen lebt, erkennt, daß selbst dem abstrakten Denken ein farbiges, imaginatives Element verbunden ist. Aber dieses Imaginative ist wie eine alte längst erworbene Fähigkeit, die sich mehr im Unbewußten auslebt. Das abstrakte Denken sieht er in dem Turm eingesperrt.
Indem er sein schöpferisches Wesen diesem abstrakten Denken vermählt, führt er es zur Imagination, aus welcher es sich entwickelt hat, zurück. Cian erhält das „Halfter der Wunderkuh" zurück von Ethlinn. Aber nur, indem er Ethlinn verläßt, vermag er das Halfter zu gewinnen. Er kann das abstrakte Denken noch nicht „aus dem Turm erlösen" und es weiterführen zur freien Imagination. Er muß auf es verzichten und es zurückentwickeln zur alten imaginativen Fähigkeit. Erst, nachdem er diese Fähigkeit sicher beherrscht, kann er, der sich in besonderer Weise dem Ätherischen verbunden weiß, das Schwert von Gobniu empfangen. Erst jetzt vermag er die Denkkraft voll zu ergreifen und zu bejahen, ohne das bedrückende Schuldgefühl, „die Wunderkuh" nicht genügend behütet zu haben. Weiß er doch nun, daß er das „Hüteamt", zu welchem er sich bei seiner Veranlagung in besonderer Weise berufen fühlt, nicht aufzugeben braucht, wenn er das Denken erringt. Hat er sich doch die Fähigkeit, es auszuüben, in großer Arbeit errungen. Er beherrscht fortan die Imagination und das Denken. Er ist Hirt und Schmied wie Gobniu, mit dem er in »Freundschaft und Freude" verbunden bleibt. Durch den Verzicht auf Ethlinn hat er sich die alte Fähigkeit zurückerobert. Durch Verzicht auf sie rettet er auch das Leben seines Kindes. Wer ist dieser sein Sohn Lugh? Und in welcher Beziehung steht Cian zu ihm?
DER SONNENGOTT LUGH
Der Sonnengott Lugh Die zentrale Gestalt der uralten, keltischen Mysterien ist „Lugh", dessen anderer Name „der Sonnengott" ist. Die vielen, zum Teil zunächst recht kompliziert erscheinenden Geschichten, welche in der keltischen Mythologie von ihm überliefert sind, müssen so lange völlig rätselhaft erscheinen, als sie nicht zusammengeschaut werden mit dem, was die moderne Geisteswissenschaft über die uralten Mysterien der Menschheit zu berichten weiß. Die De-Danaans verehren in Lugh ihren höchsten Führer, den mächtigsten Kämpfer gegen Balor, den Retter, dessen „Ankunft" sie feiern wie ein großes Wunder und auf dessen Hilfe im „Großen Kampf" sie alle Hoffnung setzen, den Gott, für den sie jedes Opfer bringen, für den und mit dem sie leben und kämpfen. Das innerste, tiefste Geheimnis im „Geistigen Tempel" der De-Danaans ist das Mysterium des Lugh. Was aber hat die Mythe uns vom Tempel der De-Danaans bisher berichtet? Wir haben erfahren, daß der Sohn des Gobhaun Saor in diesem Tempel die besondere Erdentüchtigkeit erringt. Er verzichtet auf das damals noch allgemein übliche, natürliche Hellsehen und entwickelt das an die Sinneswahrnehmung gebundene Denken. Das Denken erkraftet er zum reinen Denken, und dieses entfaltet er zur neuen, freien Imagination. Gobniu ist als Schmied im irdischen Bereich tüchtig und geschickt. Als Hüter der Wunderkuh hat er die Fähigkeit, Offenbarungen der Geistwelt entgegenzunehmen. Cian beherrscht die ätherischen Kräfte in besonderer Weise. Vergangenheitskräfte, die an den alten Sonnenzustand des Erdenplaneten erinnern, sind in ihm lebendig. Er lebt sie aber nicht einfach aus, sondern stellt sie in den Dienst des Tempels. Dort erringt er die sichere Handhabung der alten Imagination und erlernt die Fähigkeit des Denkens. Im Einweihungserlebnis wird er zum „Vater" des Sonnengottes. Diesen „Geistigen Tempel" der De-Danaans, in welchem es zahlreiche Einweihungsstufen gibt und in dem zwei scheinbar ganz entgegengesetzte Einweihungswege harmonisch miteinander verbunden sind, kennt auch die moderne Geisteswissenschaft, wenn sie ihn auch mit anderen Namen bezeichnet.
Rudolf Steiner hat das uralte Mysterienwesen der Menschheit von vielen verschiedenen Gesichtspunkten her geschildert. Wir müssen hier ein wenig weiter ausholen in der Wiedergabe einer uns an dieser Stelle besonders wesentlichen Ausführung, damit diese seine Schilderung nicht zu sehr aus dem Zusammenhang herausgenommen werde, in welchem sie gegeben wurde. In der „Geheimwissenschaft im Umriß27" schildert Rudolf Steiner als eine der vielen Folgen des Sündenfalles eine starke Veränderung im Ätherleib des Menschen: „Für den menschlichen Lebensleib traten nun besondere Verhältnisse ein. Er wurde in ein solches Verhältnis zwischen physischem Leib und Astralleib hineingegliedert, daß er in gewisser Beziehung den Fähigkeiten entzogen wurde, welche sich der Mensch durch den luziferischen Einfluß angeeignet hatte. Ein Teil dieses Lebensleibes blieb außer dem physischen Leibe so, daß er nur von höheren Wesenheiten, nicht von dem menschlichen Ich beherrscht werden konnte. Diese höheren Wesenheiten waren diejenigen, welche bei der Sonnentrennung die Erde verlassen hatten, um unter der Führung eines ihrer erhabenen Genossen einen anderen Wohnsitz einzunehmen. Wäre der charakterisierte Teil des Lebensleibes mit dem astralischen Leibe vereinigt geblieben, so hätte der Mensch übersinnliche Kräfte, die ihm vorher eigen waren, in seinen eigenen Dienst gestellt. Er hätte den luziferischen Einfluß auf diese Kräfte ausgedehnt. Da durch hätte sich der Mensch allmählich ganz von den Sonnenwesenheiten losgelöst. Und sein Ich wäre zu einem völligen Erden-Ich geworden.-- Der Mensch wäre so zum Bewußtsein seines Ich, aber nur als eines „irdischen Ich" gekommen. Das wurde abgewendet durch jenen Vorgang mit dem Lebensleib, der durch die Erdmondenwesen bewirkt wurde. Es war nun für einzelne Menschen des atlantischen Zeitalters die Möglichkeit gegeben, sich so wenig als möglich in die Sinnenwelt zu verstricken28. Durch sie wurde der luziferische Einfluß aus einem Hindernis dei Menschheitsentwicklung zum Mittel eines höheren Fort schreitens. Sie waren durch ihn in der Lage, früher, als es sonst möglich gewesen wäre, die Erkenntnis für die Erdendinge zu 27 28
7.-15. Auflage: S. 254 ff „Geheimwlssenschaft.. .", S. 266.
entfalten. Dabei versuchten diese Menschen den Irrtum aus ihrem Vorstellungsleben zu entfernen und die ursprünglichen Absichten der geistigen Wesen aus den Erscheinungen der Welt zu ergründen. Sie hielten sich frei von den nach der bloßen Sinnenwelt gelenkten Trieben und Begierden des astralischen Leibes. Dadurch wurden sie von dessen Irrtümern immer freier. Das führte bei ihnen Zustände herbei, durch welche sie bloß in jenem Teile des Lebensleibes wahrnahmen, welcher in der geschilderten Weise vom physischen Leibe getrennt war. In solchen Zuständen war das Wahrnehmungsvermögen des physischen Leibes wie ausgelöscht und dieser selbst wie tot. Dann waren sie durch den Lebensleib ganz verbunden mit dem Reiche der Geister der Form und konnten von diesen erfahren, wie sie geführt und gelenkt werden von jenem hohen Wesen, das die Führung hatte bei der Trennung von Sonne und Erde und durch das sich später den Menschen das Verständnis für den „Christus" eröffnete. Solche Menschen waren Eingeweihte (Initiierte). Weil aber des Menschen Individualität in der oben geschilderten Art in den Bereich der Mondwesen gekommen war, so konnten auch diese Eingeweihten in der Regel von dem Sonnen-Wesen nicht unmittelbar berührt werden, sondern es konnte ihnen nur wie in einer Spiegelung durch die Mondwesen gezeigt werden. Sie sahen dann nicht das Sonnen-Wesen unmittelbar, sondern dessen Abglanz. Sie wurden die Führer der anderen Menschheit, denen sie die erschauten Geheimnisse mitteilen konnten. Sie zogen sich Schüler heran, denen sie die Wege zur Erlangung des Zustandes wiesen, welcher zur Einweihung führte. Zur Erkenntnis dessen, was früher durch Christus sich offenbarte, konnten nur solche Menschen gelangen, die im angedeuteten Sinne zu den Sonnenmenschen gehörten. Sie pflegten ihr geheimnisvolles Wissen und die Verrichtungen, welche dazu führten, an einer besonderen Stätte, welche hier das Christusoder Sonnenorakel genannt werden soll, (oraculum im Sinne eines Ortes, wo die Absichten geistiger Wesen vernommen werden). Das hier in bezug auf den Christus Gesagte wird nur dann nicht mißverstanden werden, wenn man bedenkt, daß die übersinnliche Erkenntnis in dem Erscheinen des Christus auf der Erde ein Ereignis sehen muß, auf das als ein in der Zukunft bevorstehendes diejenigen hingewiesen haben, welche vor diesem
Ereignis mit dem Sinne der Erdenentwicklung bekannt waren. Man ginge fehl, wenn man bei diesen „Eingeweihten" ein Verhältnis zu dem Christus voraussetzen würde, das erst durch dieses Ereignis möglich geworden ist. Aber das konnten sie prophetisch begreifen und ihren Schülern begreiflich machen: „Wer von der Macht des Sonnenwesens berührt ist, der sieht den Christus an die Erde herankommen." Andere Orakel wurden ins Leben gerufen von den Angehörigen der Saturn- und Jupitermenschheit. Deren Eingeweihte führten ihr Anschauen nur bis zu den Wesenheiten, welche als entsprechende „höhere Iche" in ihren Lebensleibern enthüllt werden konnten. So entstanden Bekenner der Saturn-, der Jupiter-, der Marsweisheit. Außer diesen Einweihungsmethoden gab es solche für Menschen, welche vom luziferischen Wesen zuviel in sich aufgenommen hatten, um einen so großen Teil des Lebensleibes vom physischen Leibe getrennt sein zu lassen wie die Sonnenmenschen. Sie konnten auch nicht durch die genannten Zustände bis zur prophetischen Christusoffenbarung gebracht werden. Sie mußten wegen ihres mehr vom luziferischen Prinzip beeinflußten Astralleibes schwierigere Vorbereitungen durchmachen, und dann konnten sie in einem weniger leibfreien Zustand als die anderen zwar nicht die Offenbarung des Christus selbst enthüllt erhalten, aber die anderer hoher Wesen. Es gab solche Wesen, die zwar bei der Sonnentrennung die Erde verlassen haben, aber doch nicht auf der Höhe standen, daß sie die Sonnenentwicklung auf die Dauer hätten mitmachen können. Sie gliederten sich nach der Trennung von Sonne und Erde einen Wohnplatz von der Sonne ab, die Venus. Deren Führer wurde das Wesen, welches nun für die geschilderten Eingeweihten und ihre Anhänger zum „höheren Ich" wurde. Ein Ähnliches geschah mit dem führenden Geist des Merkur für eine andere Art Menschen. So entstanden das Venus- und das Merkurorakel. Eine gewisse Art von Menschen, die am meisten von dem luziferischen Einfluß aufgenommen hatten, konnte nur zu einem Wesen gelangen, welches mit seinen Genossen am frühesten von der Sonnenentwicklung wieder ausgestoßen worden ist. Es hat dies keinen besonderen Planeten im Weltenraum, sondern lebt im Umkreis der Erde selbst noch, mit der es sich wieder vereinigt hat nach der Rückkehr von der Sonne. Diejenigen Menschen, welchen
sich dieses Wesen als höheres Ich enthüllte, können die Anhänger des Vulkan-Orakels genannt werden. Ihr Blick war mehr den irdischen Erscheinungen zugewendet als derjenige der übrigen Eingeweihten. Sie legten die ersten Gründe zu dem, was später als Wissenschaften und Künste unter den Menschen entstand. Die Merkur-Eingeweihten dagegen begründeten das Wissen von den mehr übersinnlichen Dingen; und in noch höherem Grade taten dies die Venus-Eingeweihten. Die Vulkan-, Merkur- und Venus-Eingeweihten unterscheiden sich von den Saturn-, Jupiter und Mars-Eingeweihten dadurch, daß die letzteren ihre Geheimnisse mehr als eine Offenbarung von oben empfingen, mehr in einem fertigen Zustande, während die ersteren schon mehr in Form von eigenen Gedanken, von Ideen ihr Wissen enthüllt erhielten. In der Mitte standen die ChristusEingeweihten. Sie erhielten mit der Offenbarung in unmittelbarem Zustande auch zugleich die Fähigkeit, in menschliche Begriffsformen ihre Geheimnisse zu kleiden. Die Saturn-, Jupiter- und Mars-Eingeweihten mußten sich mehr in Sinnbildern aussprechen; die Christus-, Venus-, Merkur- und Vulkan-Eingeweihten konnten sich mehr in Vorstellungen mitteilen." Die Christus-Orakel - so betont Rudolf Steiner an anderer Stelle 29 - konnten „nicht nur das Geheimnis des Christus selbst bewahren, sondern auch die Geheimnisse der anderen Orakel". Der „Geistige Tempel" der De-Danaans auf irischem Boden ist ein solches atlantisches Sonnen-Orakel, dessen innerstes und tiefstes Geheimnis das Mysterium des kosmischen, zur Erde niedersteigenden Christuswesens ist, welches sich manchen Eingeweihten unmittelbar unter der Gestalt des Lugh offenbarte, in der Regel aber den Initiierten im Abglanz der Mondwesen, der Götter der Dana, erfahrbar wurde. Der Sohn des Gobhaun Saor wendet sich als ein in die VulkanMysterien Eingeweihter den irdischen Erscheinungen in stärkerem Maße zu als die übrigen Eingeweihten. Indem er diese Einweihung aber nicht im Vulkan-Orakel, sondern innerhalb der ChristusMysterien-Stätte, des Sonnen-Orakels erfährt, kann er unter der Führung der hohen Mondenwesen, durch welche hindurch die Christuskraft wirkt, in einer Zukunft vorwegnehmenden Weise 29
„Geheimwissenschatt Im Umriß", S. 277
das Denken weiterentwickeln zur freien Imagination. Das ist eine Fähigkeit, die der Mensch vom eigenen Ichwesen aus erst seit dem Mysterium von Golgatha entwickeln kann. Unter der Führung der De-Danaans aber lebt der Sohn des Gobhaun Saor sie prophetisch voraus. Noch nicht sein eigenes, freies Ichwesen betätigt sich in dieser inneren Fähigkeit. Auch für ihn trifft zu, was Rudolf Steiner über die Ichhaftigkeit der damaligen Menschen sagt30: „Das eigentliche individuelle Ich" war „so losgelöst vom bloßen Erden-Ich, daß der Mensch sich während des Erdenlebens - - nur teilweise als eigenes Ich fühlte; zugleich fühlte er, wie sein Erden-Ich eine Fortsetzung war des Erden-Ichs seiner Vorfahren durch Generationen hindurch. Die Seele fühlte im Erdenleben eine Art .Gruppen-Ich' bis zu den fernen Ahnen, und der Mensch empfand sich als Glied der Gruppe. In dem leibfreien Zustand konnte das individuelle Ich sich erst als Einzelwesen fühlen. Aber der Zustand dieser Vereinzelung war dadurch beeinträchtigt, daß das Ich mit der Erinnerung an das Erdenbewußtsein (Erden-Ich) behaftet blieb. - -" Der Sohn des Gobhaun Saor hat noch keinen eigenen Namen. Er ist der Sohn seines Vaters. In ihm wirkt noch nicht das eigene freie Ichwesen, sondern das von den Mondenwesen durchwirkte Gruppen-Ich, das in den Generationen lebte. Außerhalb des Leibes aber vermag dieses „Monden-Ich" nicht zu existieren. Den leibfreien Zustand der Einweihung muß der Sohn des Gobhaun Saor daher aus seinem innersten Wesen heraus ablehnen. Es wäre für ihn gefährlich und unfruchtbar gewesen, da es in s e i-n e m Falle völlige Selbstaufgabe bedeutet hätte. Den „Ring des Vaters" opfernd und den „Bund mit der Wäscherin" eingehend, löst er sich zwar aus der Gruppenseelenhaftigkeit. Er wird auf diesem Wege zur Individualisierung jedoch geführt von Angus, einem der „Mondengötter". Der Schmied und Hirte Gobniu ist ein in alle Stufen des SonnenOrakels Eingeweihter und daher der eigentliche Repräsentant des Tempels. Er kennt die Saturn-, Jupiter-und Mars-Geheimnisse innerhalb des Sonnenorakels und empfängt durch diese als „Hirte" seine Offenbarungen. Ihm sind aber auch die Vulkan-, Merkur- und Venusmysterien durch seine Einweihung in das 30
„Geheimwissenschaft.. .«, S. 255
Sonnenmysterium vertraut. In Form von eigenen Gedanken und Ideen vermag er das Göttlich-Geistige als „Schmied" zu ergreifen. Wenn in der Cian-Mythe erzählt wird, daß er nicht mehr zugleich Hirte und Schmied sein konnte, so dürfen wir das nicht ohne weiteres auf ihn beziehen. Er hält dem Cian gleichsam einen Spiegel vor, in welchem dieser seinen eigenen Seelenzustand erkennt. Und wenn Cian ihm das Halfter zurückbringt, so darf das gewiß nicht so gelesen werden, als habe der Hierophant durch den Neo-phyten eine Fähigkeit zurückerlangt. Indem Cian ihm das Halfter überreicht, offenbart er dem Meister die eigene neuerrungene Fähigkeit. Gobniu also ist der eigentliche Repräsentant des Tempels. Seine Beziehung zu dem innersten Sonnenmysterium braucht die Mythe nicht eigens zu erwähnen, da er sie in allem, was er ist und tut, darlebt. Cian kommt als Schüler zu Gobniu. Er ist ein Kains-mensch, obwohl er nicht identisch ist mit dem Kain des Alten Testaments. In seinem Werke über das Alte Testament zeigt Emil Bock31, wie die eigentliche Tragik des Kain darin besteht, daß er zur Unzeit eine Kraft, die dem Menschen vor dem Sündenfall eigen war, darlebt: „Kain heißt ,der Könner'. Die magischen Könnens- und Willenskräfte, die in der paradiesisch-lemurischen Vorzeit auf göttliche Art im Menschen lebendig gewesen waren, erfüllen ihn nun auf mehr menschliche Art. Der Abelmensch hat die sonnenhaften Willensmöglichkeiten preisgegeben. In ihm schatten sie sich mondhaft ab zu Bewußtseinskräften. Der Baum des Lebens ist verdorrt zugunsten des Erkenntnisbaumes. Kain trägt den sonnenhaften Baum des Lebens in sich, aber er trägt ihn in die Welt der Willkür und des Eigenwillens hinein. Was wird aus dem Baum des Lebens in der Welt, in die der Tod bereits Einzug gehalten hat? Menschliche Magie entsteht, die ein äußerst zweischneidiges Schwert ist." Mit seinem Opfer aus den sonnenhaften Gaben des Pflanzenreiches dient Kain einem Geiste, der „von der Führung des Menschenwerdens bereits zurückgetreten ist. Die Sonnengottheit der Elo-him hat das Zepter der Entwicklung an Jahve, die geistige Wesenheit des Mondes, abgetreten. Kains 31
„Urgeschichte; Das Alte Testament und die Geistesgeschichte der Menschheit", I, S. 46.
Gaben entsprechen einem bereits untergegangenen Aon, sie sind nicht mehr zeitgemäß. Das mondenhafte Tieropfer Abels dagegen entspricht dem die Gegenwart führenden Geiste. Die magische Willenskraft des Kain staut sich vor einer Welt, die sich totzustellen scheint, zum Zorne. — — Böses entspringt dem Kainswillen."32 Von den Nachkommen Kains aber - so führt Bock aus -, die ihre Kräfte in die abgesonderten Wirkensbereiche der Mysterienstätten zurückziehen, wo sie nicht eine unausgesetzte Fortsetzung des Brudermordes bewirken können, sondern zum Heile der Menschen genützt und geleitet werden33, geht ein entscheidender Einfluß auf die junge, werdende Menschheit aus. Ein solcher Nachkomme aus dem Kainsgeschlecht ist Cian. Er stellt seine sonnenhaften Kräfte in den Dienst der De-Danaans, der Mondenwesen. Seine Lebenskräfte töten nicht mehr, sondern verlebendigen das Tote. Aus alten, sonnenhaften Schöpferkräften wirkt er wie Kain in die ferne Zukunft. Durch die volle Beherrschung der Vergangenheitskräfte lernt Cian die Gegenwart erst ganz bejahen. Im Mysterienerlebnis kommt er durch sein eigenes, sonnenverwandtes Wesen zur unmittelbaren Erfahrung seines höheren Ichwesens, des Lugh, durch welches sich ihm die Christuswesenheit offenbart. Die Ichorganisation ist das jüngste der Wesensglieder des Menschen. In der Mythen- und Märchensprache erscheint es daher oft unter dem Bilde des Kindes. Indem Cian den Lugh als sein eigenes Kind erlebt, erfährt er sein eigenes höheres Ich als Sonneneingeweihter. Er gewahrt es, indem er das Tote zurückführt ins Lebendige. Er weiß, daß es „im Turme" bei seiner Mutter, in dem an die Hauptesorganisation gebundenen Denken, noch keine Lebensmöglichkeit hat. Nur durch Verzicht auf Ethlinn kann er es retten. Er gibt es dem Mananaun, dem Herrscher des Meeres. Dem Gott der Dana, dem Mondengott, vertraut er es an. Er läßt es zurück im ätherischen Bereich, wo er es unter dem Schütze des Gottes der Dana weiß, das heißt, er hat es zwar im Lebensleibe als wirkend erlebt, weiß aber sehr wohl, daß es noch nicht sein eigenes Ich ist. Er läßt es zurück und gibt es in den Schutz der im Ätherischen wirkenden Mondgötter und somit des hohen Sonnenwesens selbst. 32 33
Urgeschichte, S. «47-48. Urgeschichte, . 49
Er kann es auf dieser Stufe der Menschheitsentwicklung noch nicht in die Verkörperung tragen. Er mag aus dieser Einweihungser fahrung heraus verkündet haben, er habe sein eigenes höheres Ichwesen als identisch erlebt mit dem Christuswesen. Der Christus steige aus dem Kosmos auf die Erde hernieder, und er werde den Menschen die Möglichkeit bringen, sich in seinem eigenen höheren Ichwesen stärker zu ergreifen. Das mögen die Eingeweihten, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, verstanden haben. Den Haß der Nichtverstehenden aber hat ihm das, was ihm wesenhaft war, gewiß eingebracht. Zu diesen seinen Feinden gehörten die Söhne des Turann, die ebenfalls dem Tempel der De-Danaans mit seinen Lugh-Mysterien angehörten.
CIAN UND DIE SÖ HNE DES TURANN
Cian und die Söhne des Turann Im „Großen Kampf", das sagten die Eingeweihten des De-DanaanTempels prophetisch voraus, werde Lugh auf der Seite der DeDanaans gegen Balor kämpfen. In freudiger Erwartung und in krisenhaften inneren Umwandlungen bereitete sich die Mysterien-Gemeinschaft auf dieses entscheidende, die „Not wendende" Ereignis vor. Die Freude und Hoffnung, mit der sie diesem großen Geschehnis entgegensah, erzählt die Mythe von der „Ankunft des Lugh". Als der Meister jedweder Kunst kommt Lugh zu den De-Danaans. Einen Schreiner, einen Schmied, einen Kämpfer, einen Harfner, einen Dichter, einen Sänger, einen Zauberer, einen Heiler und einen Kupferschmied haben zwar die De-Danaans selbst, aber Lugh beherrscht alle diese Künste. Er übertrifft Ogma im Steinwurf und Nuada im Schachspiel. Die Harfe des Dagda, durch welche der Dagda die vier Jahreszeiten auf der Erde hervorzurufen vermag, spielt er auch. Er spielt auf ihr die Musik der Freude, des Leides und des Friedens und ruft dadurch Veränderungen im Reiche der Pflanzen und Elemente und Wandlungen im Innern der lauschenden De-Danaans hervor. Vom astralen Bereich her wirkt er in das Gebiet der Lebenskräfte hinein. Schon fordert er die Fomor heraus zum Großen Kampf. Die Mysterien-Gemeinschaft weiß, daß sie sich auf diesen Kampf vorbereiten muß. Im Großen Bruderschaftseid schwören sie alle mit der Erde und dem Kosmos einander Treue und verschwören sich der Bruderschaft untereinander. Aber eine große Krise setzt schon bald ein. Die Söhne des Turann brechen den Eid und erschlagen Cian, den Vater des Lugh: Eines Tages sieht Cian sie auf der Ebene von Louth auf sich zukommen. Die Mythe sagt: „Es war ein schwarzer Haß zwischen ihm und den Söhnen des Turann. Und er fühlte keine Neigung, ihnen zu begegnen." Er versucht, sich zu verbergen. Die Söhne des Turann aber entdecken ihn. Sie steinigen ihn, der sich nur durch das Wort verteidigt, zu Tode. Lugh entdeckt die Tat und kommt an den Hof des Königs Nuada, wo er auch die Söhne des Turann findet. Nuada erfährt durch Lugh von dem Eidbruch der Söhne des Turann, der „mächtigsten und schönsten seiner Krieger", die er vor allem
liebt. Er ist bereit, sie den Sühnetod sterben zu lassen. Aber Lugh fordert eine andere Sühne: Sie sollen den Schlachtverlust gut machen, indem sie die „sieben Schätze der Welt" erringen: die drei goldenen Äpfel vom drachenbewachten Baum, die Haut des Schweins, durch welche Wasser zu Wein wird und die zu Tode Verwundete heilt, den feurigen Speer, den Kampfwagen, der über Meer und Land fährt, die sieben Schweine, die getötet und gegessen werden können und doch am nächsten Tag wieder lebendig sind, den Hund Failinis und den Bratspieß, der unter dem Meere eine Flamme ist und auf der Insel Caer unter den Meereswellen bewacht wird. Sie sollen drei Rufe abgeben auf dem Hügel, der von Midkena und seinen Söhnen bewacht ist. Seit dem Anfang der Zeit hat kein Kämpfer mehr auf diesem Hügel einen Siegesruf ertönen lassen. Die Söhne des Turann erklären sich bereit, die Schätze zu erringen. Auf Turanns Bitte hin schickt Lugh den Söhnen für ihre Fahrt die Ozean-Fähre Mananauns. Die Söhne des Turann machen sich auf. Sie erringen unter schweren und furchtbaren Abenteuern die goldenen Äpfel, den Speer, die Zauberhaut, den Hund, die sieben Schweine und den Kampfwagen. Und ihre Herzen sind erfüllt von Stolz und Trauer. Lugh, der ihre Meerfahrt und Abenteuer und ihre verhärteten Herzen kennt, bewirkt durch einen Zauber, den er auf das Meer legt, daß sie sich der Flamme unter dem Meere und der Rufe auf Midkenas Hügel nur dann erinnern, wenn sie des Unrechtes gedenken, das sie der Erde angetan haben. Die Erde hatte den großen Bruderschaftseid mitgeschworen. Die Söhne des Turann aber hatten sie gezwungen, das Blut des Cian zu trinken und seinen toten Leib zu bergen. Sie hatten sie zertreten zu blutigem Schlamm. Da sich die Söhne des Turann nun ihres Unrechtes an der Erde nicht erinnern, kommen sie ohne die Flamme zurück und vergessen die Rufe auf Midkenas Hügel. Sie überreichen dem Lugh die Schätze und gewahren, daß einer fehlt. Beschämt machen sie sich noch einmal auf. Diesmal leiht ihnen aber Lugh die Ozeanfähre nicht mehr. Aus eigener Kraft erringen sie die Flamme. Es gelingt ihnen auch, Midkena und seine Söhne zu schlagen und die drei Siegesrufe auf
dem Hügel ertönen zu lassen. Dann aber sinken sie zu Tode erschöpft nieder. Nun erinnern sie sich ihres großen Unrechtes an der Erde. Da kommt ein milder Wind aus Irland, der ihnen Stärkung bringt. Sie können sich erheben und ihr Boot besteigen. Der Wind bringt sie nach Irland. Sie werden am Ufer von den Verwandten und Gefährten erwartet. Zu Tode verwundet und erschöpft sinken sie ins Gras. Lugh kommt zu ihnen. Es ist weder Mitleid noch Zorn in seinem Angesicht. Ein strahlendes Licht umgibt ihn. Turann bittet ihn, seine Söhne zu heilen. Lugh befragt die Söhne des Turann nach ihrem Willen. Sie aber verzichten auf die Heilung und bitten Lugh, er möge für sie kämpfen im Großen Kampf. Noch einmal die Erde um Verzeihung bittend, sterben sie. In Tirna-Moe, dem Lande der Lebenden Herzen, begegnen sie dem Cian. Der heißt sie willkommen und reicht einem jeden von ihnen einen goldenen Apfel. Von diesen Äpfeln essend, wissen die Söhne des Turann alles, was je geschehen ist in der Welt und was je geschehen wird. Sie wissen um das Ende des Großen Kampfes und erwarten in Freude mit Cian zusammen die Siegesbotschaften in Moy-Mell. Das dramatische Geschehen zwischen den Söhnen des Turann und Cian muß vor allem als Seelendrama in der Seele eines Einzuweihenden verstanden werden. Außerdem wird es - das scheint die Mythe betonen zu wollen - eine Krisis in der Mysteriengemeinschaft gewesen sein, mit deren Überwindung sich diese Gemeinschaft selbst zu etwas wesentlich Neuem durchrang. Die Gemeinschaftskrise mag so eine vollkommene Spiegelung eines bestimmten Einweihungsaktes gewesen sein. Der Einzuweihende aber mag seine dramatischen Seelenerlebnisse in Bilder aus dem Gemeinschaftsleben der Mysterienstätte gebracht haben. Ist doch oft bei den einschneidendsten Schicksalsgeschehnissen, auch der modernen Menschheit, das Innere zugleich ein Äußeres. Was aber vollzog sich in Wirklichkeit in der Seele des Schülers und in der Mysteriengemeinschaft? Je näher der Große Kampf heranrückt, jenes entscheidende Ereignis für Erde und Kosmos, für Menschen und Götter, umso schwerer wird es für den Mysterienschüler des De-Danaan-Tempels, jene Stufe zu erreichen, auf welcher er sich als der Vater des
Lugh erlebt. Die Cian-Strömung innerhalb der Mysteriengemeinschaft mag an diesem alten Sonnenmysterium festgehalten haben, als junge Strömungen längst darauf verzichteten. Von einem Mysterienschüler, der diese bisher höchste Einweihungsstufe noch zu erreichen sucht zu einer Zeit, als im Kosmos bereits große Wandlungen vorgegangen waren, erzählt die Mythe von den Söhnen des Turann. Dieser Neophyte kennt seinen Zusammenhang mit jenem Gruppen-Ich, das in den Generationen lebt. Er ist wie der Sohn des Gobhaun Saor vor allem der Sohn seines Vaters. Er ist aber nicht namenlos, sondern kennt auch das individuelle Ich. Er erfährt es allerdings nicht auf jener Sonnenstufe wie Cian und identifiziert es daher nicht mit Lugh. In Ur, Urcar und Brian, den drei Söhnen des Turann, erschaut er seine eigene ich-begabte Seele, die sich in den drei Seelenfähigkeiten des Denkens, Füh-lens und Wollens darlebt. Indem er nun versucht, sich zu jener sonnenhaften Einweihungsstufe zu erheben, sein eigenes, .vom Sonnengotte Lugh durchkraftetes Ichwesen zu ergreifen, erfährt er da, wo er wesenhafte Fülle erwartet hat, nur Leere. Er erlebt, daß er nicht mehr zum „Vater des Lugh" werden kann. Er hat den Vater des Sonnengottes, jene Kraft der schöpferischen Seele, durch welche die Begegnung mit dem Sonnenwesen möglich war, in sich selbst getötet. Den Sonnengott Lugh findet er auf dieser Stufe der Entwicklung nicht mehr. Schon glaubt er, „des Todes" zu sein, seine Existenz als Tempelschüler aufgeben zu müssen. Dann aber begegnet er dem Lugh beim König Nuada, bei den De-Danaans, also im Abglanz der Mondenwesen. Er erkennt die Sühneforderung des Lugh: Die „sieben Schätze" soll er erringen und sie dem Lugh bringen. Er soll sich einweihen lassen in die Geheimnisse der sieben Planeten und ihre Beziehung erkennen zu dem Sonnengotte Lugh. Er macht sich auf und erringt unter schwersten Seelenvorbereitungen und Prüfungen sechs der Schätze. Von diesen Seelenprüfungen spricht die Mythe in ihrer Sprache: „Lange, lange Zeit suchten sie. Sie hatten Wellenschaum der östlichen Welt und
Wellenschaum der westlichen Welt unter dem Bug ihres Bootes. Sie sahen die Sterne des Nordens und die Sterne des Südens und die Sterne, die unter dem Meere sind. Sie suchten in der Dunkelheit der Nacht, in der Morgenröte und in allen Farben des Tages. Sie lernten die singenden Wogen kennen, von denen die Abenteurer zu den Höhen der Welt gehoben werden, und die schweigenden Wogen, von denen sie in Abgründe geworfen werden." Unter dem Schütze des Lugh, in der Ozeanfähre, die der Sonnengott ihm schickt, erringt der Mysterienschüler die sechs Schätze. Als Zugehöriger des Sonnenorakels läßt er sich einweihen in die Planetenorakel, nach ihrem inneren Zusammenhang mit dem Sonnenmysterium suchend. Er erinnert sich aber nicht des „Unrechtes, das er der Erde angetan hat". Darum kann er den „siebenten Schatz", das eigentliche Sonnengeheimnis innerhalb der planetarischen Sphären nicht finden. Er vergißt die „Flamme" und die „Rufe auf Midkenas Hügel". Wäre er im eigentlichen Sonnenmysterium bis zur schöpferischen Feuerkraft seines eigenen Ichs vorgedrungen, hätte er die „Flamme" gefunden, dann hätte er auch „Midkenas Hügel" erobert, er hätte die eigene Physis stärker als Ichwesenheit beherrschen gelernt. Aber mit diesem Sonnen-Erden-Mysterium ist die LughWesenheit, in welcher sich die Geheimnisse des aus dem Kosmos zur Erde niedersteigenden Christuswesens spiegeln, aufs tiefste verbunden. Ohne diese Christuskraft in sein Ichwesen aufzunehmen, kann der Neophyte das wahre Sonnen-ErdenMysterium nicht finden. Stolz und Trotz nährt er in seinem Herzen. In dieser Seelenhaltung kann er dann zwar die „Flamme" erringen und „Midkenas Hügel" erobern. Aber die geistige Feuerkraft seines Ichwesens ist luziferischer Art. Sie hat auf „Midkenas Hügel", im physischen Bereich, keine wirkliche Existenzmöglichkeit. Sie siecht dahin. Es fehlt ihr die Liebe zur Erde. Sie hat keine Wandlungskraft. Schon ist er dem Tode nahe. Da erschaut er die dämonischen Gewalten, von denen die Erde durchsetzt ist. Er sieht, „wie die Dämonen der Luft, die kein Mitleid haben, und die
Ungeheuer, die unter der Erde leben", ihn beobachten. Und in Liebe und Schmerz gedenkt er des „Heiligen Landes Irland", der „paradiesischen Erde". Sehnsucht überkommt ihn, Lugh den „siebenten Schatz" überreichen zu können, sein Ichwesen mit der Kraft des hohen Sonnenwesens zu verbinden. In dieser Liebe zur Erde und in dem Verlangen nach Lugh wird er von dem zur Erde niedersteigenden Christuswesen innerlich erfüllt. Lugh schickt ihm Stärkung. Er vermag ihm entgegenzufahren, und Lugh kommt ihm entgegen. Nun weiß der Neophyte, daß die drei Söhne des Turann in ihm nicht mehr weiterleben wollen. Sie bitten Lugh, für sie zu kämpfen im Großen Kampf, wie er für Cian kämpfe. Nicht mehr durch seine ichbegabte Seele, das Sonnenwesen nur im Abglanz der Mondenwesen erfahrend, dient dieser Schüler fortan der Mysterienstätte. Er hat sein Ichwesen tiefer erfahren. Nun, da Lugh für ihn kämpfen wird, kann er ruhig „sterben". Die alten Fähigkeiten kann er ruhig aufgeben, nun, da er aus dem von Lugh durchwesten „Ich" zu wirken vermag. „Stirbt" er doch gleichsam in Lugh hinein. Nach diesem „Tode" vermag er sich auch wieder mit Cian zu verbinden. Cian hat die Wahrheit gesagt: Das zur Erde niedersteigende Sonnenwesen ist unmittelbar erfahrbar. Cian war der „Vater" des Lugh. Er dagegen hat diese „Vaterkraft" in sich getötet. Er ist schuldig geworden an der auf die Erlösung,stat des Lugh wartenden Erde, indem er ihr das von dem hohen Sonnengeiste durchwirkte Ichwesen vorenthielt. Cian hat das Sonnen-Wesen des Lugh im Sonnenbereiche erfahren, als es dort noch zu finden war. Er aber hat es durch die Sternenmysterien im Zusammenhang mit dem Sonnenmysterium dort gefunden, wo es jetzt, zu Beginn der atlantischen Zeit, zu finden ist, in den Planetensphären. Er hat Cian „gehaßt" - und die Cianströmung innerhalb der Mysterienstätte vielleicht isoliert oder verdrängt -, weil er den Mondenwesen in besonderem Maße die Treue hielt. Cian aber wird ihm verzeihen, wenn er sieht, daß er ja in dieser seiner Treue zu den Mondenwesen die beste Vorbereitung fand, die er brauchte, den astralen Bereich im eigenen Innern und im Kosmos
kennenzulernen, durch welchen hindurch e r das
Sonnenmysterium fand.
Als Mysterienschüler hatte e r so die Voraussetzung mitgebracht,
zu erfahren, daß das hohe Sonnenwesen, das im Sonnenbereiche
nicht mehr zu finden ist, in den Planetensphären angekommen
ist, von wo aus es den großen Kampf gegen Balor führen wird.
E r aber kann nun Cian verstehen, der sich berufen fühlte, das
alte Geheimnis so lange zu hüten, bis das Neue wirklich
erfahren werden konnte, in einer Weise, die der Vergangenheit
nicht nachsteht.
Die Mysteriengemeinschaft hat in heftigen inneren Kämpfen
und Krisen - wie dieser Schüler - das große Ereignis im Kosmos
mitgemacht. Jetzt ist die sonnenverwandte Cianströmung mit der
den Mondwesen getreuen Strömung der Söhne des Turann
versöhnt. Jetzt durchschauen sie, was ihren Kämpfen zugrunde
lag. Lugh wird für sie a l l e kämpfen. In ihm sind sie vereint.
Alle kämpfen sie mit im Großen Kampf.
DER GROSSE KAMPF
Der groß e Kampf Durch Lugh offenbart sich dem Eingeweihten im Tempel der DeDanaans das kosmische, zur Erde niedersteigende Christuswesen. Rudolf Steiner hat in manchen Zusammenhängen34 darauf hingewiesen, daß der Christus lange vor dem Ereignis von Golgatha, jenem bedeutendsten und tiefsten Mysterium für Erde und Menschheit, von anderen Sphären aus mit der Erden- und Menschheitsentwicklung verbunden war. Aus seiner modernen Geistesforschung heraus berichtet er von drei großen Opfertaten, die der Christus von kosmischen Sphären aus für die Menschheit vollbrachte, bevor er auf der Erde selbst durch das Mysterium von Golgatha die Rettungstat für Erde und Menschheit vollzog: Während des zunehmenden Verhärtungsprozesses der Erde in der lemurischen Zeit hatten die Menschenseelen, mit Ausnahme ganz weniger, keine Verkörperungsmöglichkeit mehr auf der Erde gefunden und sich in die verschiedenen Planetensphären zurückgezogen. Als sie sich nach dem Herausgang des Mondes anschickten, sich nach und nach wieder auf der Erde zu inkarnieren, wären sie einer großen Gefahr der Sinnesentwicklung ausgesetzt gewesen, wenn ihnen keine kosmische Hilfe zuteil geworden wäre. In den Menschenleibern wirkten sich die luziferischen und ahrimanischen Einflüsse aus. Unter diesen Einwirkungen waren die Sinne in Gefahr, reine Antipathie- und Sympathie-Organe zu werden. Sie wären durch die verschiedenen Sinneseindrücke durchzogen worden von großer Lust und furchtbarem Schmerz, so daß der Mensch als Sinneswesen nur die subjektiven, quälenden Eindrücke der eigenen Seele wahrgenommen hätte. Jedes Beschauen der Welt in Weisheit wäre ihm unmöglich gewesen. Es mußte in den Kräften, welche aus dem Kosmos einströmend die Sinne des Menschen aufbauten und ausgestalteten, eine Änderung eintreten, durch welche der Einfluß Luzifers und Ahrimans gebannt wurde. Jene Wesenheit, welche später als der Mensch Jesus von Nazareth auf der Erde erschien, machte sich damals, von der Not der Menschheit im tiefsten berührt, in der Sonnensphäre fähig, das Christuswesen in sich aufzunehmen. Durch sie hindurch konnte die Christuswesenheit die kosmischen Kräfte, welche die Sinne des Menschen aufbauen, so lenken und 34
Siehe vor allem: „Von der Suche nach dem helligen Gral", Leipzig, 1913-14.
durchwirken, daß die Sinne aus Sympathie- und AntipathieOrganen zu solchen Organen wurden, die dem Menschen die Möglichkeit gaben, in gelassener Weisheit hinzuschauen auf alle Sinneswahrneh-mungs-Nuancen. Von dieser Sonnensphäre aus bewirkte die Christuswesenheit in der lemurischen Zeit die Harmonisierung der Sinne. Später, zu Beginn der atlantischen Zeit, erwiesen sich die Lebensorgane und ihre Grundkräfte, der Ätherleib, nicht mehr als geeignete Werkzeuge der sich weiterentwickelnden Menschheit. Ohne eine Wandlung innerhalb der von den Planetensphären einströmenden Kräfte wären die menschlichen Lebensorgane, die Atmungs- und Zirkulationsorgane immer mehr in Unordnung geraten. Der Mensch wäre von der Luft, die er atmete, und von der Speise in nicht zu bewältigender Gier angezogen oder in furchtbarem Ekel abgestoßen worden. Wiederum machte sich jene Wesenheit, die in der Sonnensphäre den hohen Sonnengeist in sich aufgenommen hatte, bereit, von dem Christusgeist durchdrungen zu werden. Von Planetensphäre zu Planetensphäre ziehend, durchlebte sie die Unmöglichkeit, daß die Menschheitsentwicklung so weitergehen könne, und machte sich fähig, den Christusgeist in sich aufzunehmen. Unter der Wirksamkeit des Christus von den Planetensphären aus zog Mäßigung ein in die vorher von Gier und Ekel beherrschten Lebensorgane des Menschen. Eine dritte entwicklungshemmende Verwirrung wäre bei den Menschen eingetreten am Ende der atlantischen Zeit ohne eine dritte kosmische Opfertat des Christuswesens. Die Seelenfähigkeiten des Menschen wären in Unordnung geraten. Denken, Fühlen und Wollen hätten nicht harmonisch zusammenwirken können, sondern sich nur gegenseitig gestört und gehemmt. Die Menschen wären „entweder Rasende geworden durch ein Übermaß des Wollens oder aber umdämmert durch ein zurückgehaltenes Fühlen oder Leute mit flüchtigen Ideen durch ein hypertrophiertes Denken.. ."35. Das damals übermenschliche Wesen, das später zu dem nathanischen Jesus wurde, durchlebte die Tragik der Menschenseele in der Mondensphäre und setzte sich hier den geistigen Monden-, Erden- und Sonneneinflüssen aus, jenen 35
Wie oben,S.69
kosmischen Wirkungen, die sich auch in den Seelenkräften des Menschen ausleben. Wiederum rief es den hohen Sonnengeist auf sich herab, der es zum dritten Male durchgeistigte und nun die Seelenorgane des Menschen harmonisierte. In seiner Erdeninkarnation machte sich das Jesus-Wesen auf der vierten Stufe reif, von dem Christuswesen durchdrungen zu werden. Durch das Mysterium von Golgatha, der vierten Opfertat der Christuswesenheit, ist dem Menschen die Möglichkeit gegeben, die Ichkraft in der Verkörperung auf der Erde wirklich zum Ausdruck zu bringen. „Niemals hätten die Seelen, die es zu einer Ichentwicklung gebracht haben, wiederum irdische Leiber, die geeignet gewesen wären zu einer wahren Entwicklung, finden können, wenn nicht das Mysterium von Golgatha stattgefunden hätte."36 Die Harmonisierung des Sinneslebens, die der Lebensorgane und die von Denken, Fühlen und Wollen geschah durch die drei Opfertaten des kosmischen, zur Erde niedersteigenden Christuswesens. Durch das Mysterium von Golgatha wurde das Ichwesen des Menschen harmonisiert. Die im höchsten Grade Eingeweihten der altirischen Mysterienstätten wußten aus eigener Erfahrung um das zur Erde niedersteigende Christuswesen. Das höchste Mysterium ihrer „Tempel" war das Christusmysterium. Die kosmischen Opfertaten des Christuswesens waren ihnen vertraut, und das Mysterium von Golgatha schauten sie prophetisch voraus. Das berichtet die keltische Mythe in aller Klarheit: Die Schöpfungsmythe, die vor allem den Mondenaustritt in der lemurischen Zeit schildert, läßt in verhaltener Weise auch jene erste Opfertat des kosmischen Christuswesens mit aufleuchten. Dana sagt den Göttern: „Die Erde wehklagt jede Nacht, weil sie von der Schönheit geträumt hat. -- Die Erde hat geträumt von der reinen Stille des Urbeginns, von dem Stern, der dem Sonnenaufgang vorausgeht.---------- " Dana hat, wie das kosmische Jesuswesen, „den Jammerschrei" der Erde in sich aufgenommen. Wie dieses Wesen ist sie selbst der „Stern, der dem Sonnenaufgang vorangeht". 36
wie oben,S.83-84
Nachdem der Mond aus dem Erdenorganismus herausgeführt ist und die Ätherkräfte der Erde sich allmählich wieder harmonisieren, fangen die Götter an, „Dinge zu schaffen, voll von Schönheit, auf daß die Erde froh werde". Die Schöpfungsmythe berichtet vor allem von der Erde, nicht vom Menschen. Wir aber müssen hinzufügen, daß die nun nach und nach wieder von den Planetensphären herabsteigenden Menschenseelen in der Erdenverkörperung die „schönen" Dinge wahrzunehmen begannen, das heißt: Sie gewahrten allmählich die von Weisheit durch-wobene Außenwelt durch die harmonisierten Sinnesorgane. Wie auch, so müssen wir fragen, hätte die Erde sonst - im Sinne der Mythe - „ihrer Schönheit froh werden" können! Hat diese Schönheit doch erst Dauer, indem sie im Menschen vergeistigt aufersteht. Der Mysterien-Schüler der atlantisch-irischen Mysterien mag, dieses Schöpfungsgeschehen imEinweihungsakt nacherlebend, sich durch seine Wesensbegegnung mit Dana des ersten Christusopfers erinnert haben, wenn auch Dana nicht zu identifizieren ist mit dem Jesuswesen, wie wir noch sehen werden. Den „Großen Kampf" Lughs gegen Balor miterlebend, aber erfuhr er das zweite Christusopfer unmittelbar als gegenwärtiges Ereignis. In dem dramatischen Geschehen zwischen den Söhnen des Turann und Cian hatte er den Herabstieg des hohen Sonnengeistes von der Sonne zu den Planetensphären erfahren. Die Opfertat des Sonnengottes von diesen Sphären aus erlebte er, sich im Einweihungsakt mit diesem Gotte und seinen Scharen, den De-Danaans, vereinigend, selbst kämpfend mit. Die Mythe berichtet davon: „Das Kommen der Fomor war schrecklich. Sie waren zahlreich wie die Körner des Sandes, zahlreich wie die Wogen im Meeressturm. Der Todeswind wehte vor ihnen her, und Finsternis bedeckte sie. Die Tuatha De-Danaans zogen Helligkeit zu sich heran und gingen in den Kampf. Lugh ging nicht in den Kampf, denn es war bekannt geworden, daß Balor nicht kämpfen würde vor dem Ende des Kampfes. Lugh wartete auf Balor. Er saß auf einem grünen Hügel, und unter ihm stritten die Scharen. Er sah die Speere der Tuatha DeDanaans fliegen wie feurigen Regen und die der Fomor wie zischenden Hagel. Und in dem zischenden Hagel und feurigen
Regen schrien und kämpften die Dämonen der Luft. Zuweilen trieben die Fomor die Tuatha De-Danaans zurück. Zuweilen gewannen die Tuatha De-Danaans die Übermacht über die Fomor." Drei Tage lang währt der Kampf. Dana bringt den Verwundeten und Kampfesmüden Heilung und Kraft in der ersten Nacht. Am nächsten Tage „verwandelten sich" die Fomor „in ungeheure Schlangen und schuppige Drachen und gestaltlose Greuel, die sich wanden in giftigem Schaum. Die Tuatha De-Danaans fielen über sie her wie ein Feuer, vom Sturm entfacht. Sie stießen in die sich windenden Ungeheuer, wie das Licht in die Finsternis stößt. Dennoch konnten sie die Fomor nicht gänzlich vernichten." Während der Nacht ruht der Kampf; die De-Danaans empfangen wiederum Kraft und Heilung. „Bei Tagesanbruch sprangen sie zum Kampf. Furchtbar war der Kampf. Zweimal unterlagen die Fomor den Tuatha De-Danaans. Einmal unterlagen die Tuatha De-Danaans den Fomorn. Sie waren wie streitende Wogen wie Feuer und Wasser, ringend um die Herrschaft. Schrecklich war die Verwüstung." Im Höhepunkt des Kampfes rufen die Fomor nach Balor. „Balor erhob sich am Horizont, eine mächtige Gestalt. Und die Fomor gaben ihm ihre Kraft und ihre Grausamkeit, bis sie selbst keinerlei Macht mehr hatten. Dadurch wuchs Balor bis zu den Himmeln. Und sein Schatten verdunkelte die halbe Welt." Die De-Danaans rufen nach Lugh. „Lugh sprang auf seine Füße. Die Tuatha De-Danaans gaben ihm ihre Kraft und ihren Kampfeszorn, so daß er bis zu den Himmeln wuchs. Und seine Helligkeit war schrecklicher als die Helligkeit der Sonne am Mittag. Schnell war das Kommen des Lugh, des Sonnen-Falken. Schnell war das Kommen Balors, des Geiers der Nacht. Lugh rief mit einer Stimme, deren Echo frohlockend zu den Sternen stieg. Balor rief mit einer Stimme, welche die Tiefen des Abgrunds erschütterte. Lugh sammelte seine Kraft und die Kraft der Tuatha De-Danaans in dem Speer des Sieges, den er in seiner Hand hielt." Diesen Speer hatten die drei Söhne der Dana, von Lugh ausgeschickt, den Fomorn schon abgerungen. „Balor sammelte seine Kraft und die Kraft der Fomor in seinem mächtigen, Tod austeilenden Auge. Er hob das verderbliche Lid, aber bevor der Strahl, der die Welt hätte
vernichten können, aus seinem Auge hervorschoß, schleuderte Lugh den Speer. Er traf, und der Speer drang in das böse Auge, wie Feuer in eine dunkle Höhle dringt. Die Kraft des Lugh und aller Götter des Lichtes ging mit ihm. Balor erzitterte; die Kraft, die er an sich gebunden hatte, löste sich. Die riesenhafte Gestalt wankte und wurde zu einem Schatten. Und der Schatten zerschmolz und wurde zu einer gestaltlosen Dunkelheit. In dem gestaltlosen Dunkel glitzerte etwas. Es war das Schwert des Tethra, das Große Schwert des Abgrunds. Lugh stieß auf es herab, und als er es aufhob, drängten sich die Tuatha De-Danaans hinter ihm und vor ihm und um ihn herum und zerstreuten die Finsternis und zogen in sich hinein den Kampfeszorn und die Macht der Fomor, so daß sie fortan gegürtet waren mit der Macht der Nacht und der Macht des Tages. Das Schwert des Tethra, das Große Schwert des Abgrunds, wurde Ogma gegeben. Er zog es aus der Scheide. Der Sonnenschein lief die Klinge entlang wie ein Strom von Licht. Und die Geister, die unter den gleitenden, grünen Wogen des Meeres leben, und die Geister des Sturmwinds jauchzten vor Freude. Ogma hielt das Schwert empor. Und donnernde Musik brach auf über der Erde und verklang zwischen den Sternen. Da brachte Brigit, die Mor Reegu, die Königin des Kampfes, genannt Dana, den Hügeln und Seen und Flüssen und Wäldern und Tälern und Ebenen von Irland die Kunde des Sieges." Der Schüler der alten Mysterien erfuhr seine eigentliche Einweihung gewöhnlich - nach langen Vorbereitungen -während eines dreitägigen Einweihungsschlafes, bei welchem der Leib in einem todähnlichen Zustand verharrte und der Einzuweihende getrennt vom Leibe Erfahrungen machte in der geistigen Welt. Es ist anzunehmen, daß auch der Einzuweihende des atlantisch irischen Sonnenorakels für drei Tage in jenen Zustand versetzt wurde, in welchem er nur in dem vom Leibe getrennten Teile seines Lebensleibes wahrnahm. So mag es für ihn zutreffen, daß der Kampf zwischen Lugh und Balor „drei Tage dauerte", wenn er im Einweihungsakt, vom Christusgeiste berührt, die Tatsache des zweiten Christusopfers mit- oder nacherlebte. Er erfuhr die Widersachermacht im Lebensleibe besonders in der Gestalt des Balor. Die luziferische Macht hatte er in den vorbereitenden Läuterungsproben, als in der Seele wirkende Macht, schon weitgehend überwunden. Außerdem wird der
Einfluß Luzifers in einem Lande, das „keinen Teil am Sündenfalle hatte", ohnehin gemäßigter gewesen sein. In den alten irischen Mysterien wurde - wie wir gesehen haben das Wissen von der ätherischen Welt und die Liebe zum „heiligen Lande" Irland, zur Erde, besonders gepflegt. Im physischen und ätherischen Bereich der eigenen Leiblichkeit erkannte der Schüler die realen Wirkungen des ersten und zweiten Christusopfers. Der physischen und ätherischen Erde wandte er sich erkenntnissuchend zu. Nun wirkt aber die luziferische Macht, wie Rudolf Steiner oft dargestellt hat, vorwiegend im Seelischen, die ahrimanische dagegen vor allem im Physisch-Materiellen. So ist es verständlich, daß dem Schüler der irischen Mysterien vor allem die ahrimanische Balor-Wesenheit vertraut war. Die zunehmende Verwirrung der Lebenskräfte vor dem zweiten Christusopfer, die wachsenden Einflüsse der ahrimanischen und luziferischen Kräfte auf den Ätherleib des Menschen erlebte er daher als eine immer größer werdende Bedrohung durch Balor und seine Scharen, als Raub der „Schätze" des Ätherreiches. Die Bannung der Widersachermächte in diesem Bereich erfuhr er als „Tod" Balors und Untergang der Fomor, als eine Zurückgewinnung der „Schätze". Im Kampf des Lugh offenbarte sich ihm die zweite große Opfertat der Christuswesenheit. Soweit er sie in der Spiegelung der Mondenwesen erfuhr, wußte er die De-Danaans mitkämpfend im „Großen Kampf". In der Siegesbotschaft und im Friedensgesang der Dana, die, wie wir noch sehen werden, dem Sonnengeiste in besonderer Weise verbunden ist, ertönt ihm die durch den „Großen Kampf" errungene Harmonie der Lebenskräfte.
DIE INVASION DER MILESIER
Die Invasion der Milesier In zahlreichen Schiffen, mit Weibern und Kindern und allen
ihren Schätzen - so erzählt die Mythe -, kamen die Milesier nach
Irland. Sie kamen aus einem Lande „jenseits der äußersten Bläue
des Himmels". Amergin, der größte Dichter und Druide unter
ihnen, betritt, nachdem die Schiffe ans Land gezogen sind, das
„Heilige Land" zuerst. Er macht, das Land betretend, einen
Gesang zur Ehre Irlands. Er singt:
„Ich bin der Wind und blase übers Meer,
Ah-ro-he!
Ich bin die Woge des Meeres,
Ah-ro-he!
Ich bin das Singen des Meeres,
Ah-ro-he!
Ich bin der Ochse der sieben Kämpfe,
Ah-ro-he!
Ich bin der Geier auf dem Felsen,
Ah-ro-he!
Ich bin der Strahl der Sonne,
Ah-ro-he!
Ich bin die schönste der Pflanzen,
Ah-ro-he!
Ich bin der wilde Eber,
Ah-ro-he!
Ich bin der Salm im Wasser,
Ah-ro-he!
Ich bin der See in der Ebene,
Ah-ro-he!
Ich bin das Wort der Weisheit,
Ah-ro-he!
Ich bin die Speerspitze des Kampfes,
Ah-ro-he!
Ich bin der Gott, der Licht entfacht im Haupte,
Ah-ro-he!
Wer weiß die Zahl der Berge?
Wer weiß des Mondes Alter?
Wer weiß den Ruheplatz der Sonne?
Ah-ro-he!
Die Milesier beschließen den Gesang mit einem Siegesruf, und Amergin führt sie weiter ins Land hinein. Sie suchen nach einem Platz, auf welchem sie ein Feuer anzünden können, um, so lange das Feuer brennt, „drei Namen der Macht" auf das Land zu legen, auf daß es ihnen gehöre für immer. Die Milesier sind also gekommen, das Land „in Besitz" zu nehmen. Was wollen sie in Irland? Was verbirgt sich in dem geheimnisvollen Gesang, den Amergin zur „Ehre Irlands" singt? Dem Druiden der Milesier offenbart sich in der dichterischen Intuition das Wesen Irlands beim Betreten des Heiligen Landes. Als Dichter und Sänger verkündet er, was er erst später als Erkennender ganz durchschaut und als Handelnder verwirklicht. Er singt seine Wesensbegegnung mit Irland. In den Bildern verbergen sich Irlands wesentlichste „Tempel"-Geheimnisse und Amergins Beziehungen zu diesen Mysterien. Er verkündet die Wesenheit des „Ich bin" als wirkend im Ätherischen, das sich im Bilde des vom Winde bewegten, wogenden, singenden Meeres offenbart, als Wille, der aus den sieben Planetensphären wirkt, als Sonnen-„Vogel" in Beziehung zur Physis, als Sonnenkraft, die sich der Welt mitteilt, als „Urpflanze", die auf der alten Sonne beheimatet ist, auf welcher die Schöpfung zum Pflanzensein emporstieg, als in vom Menschen-Ich unbeeinflußtem Astralischem wirkend, im „ungezähmten Tier", auf dem alten Monde, auf welchem die Schöpfung zum Tiersein emporstieg, als Wesenheit, die wirkt im Zusammenhang des Astralischen mit dem Ätherischen, als Wesenheit, die wirkt im Zusammenhang des Ätherischen mit dem Physischen, als das „göttliche Wort", das die Sinne zu Organen der Weisheit harmonisierte, als den Bekämpfer Balors im Kampf um die Harmonisierung der Lebenskräfte, als den Gott, der das Denken in Harmonie brachte zu Fühlen und Wollen und es dadurch erkraftete. Er fragt: Wer weiß das Geheimnis der Erde? Wer weiß das Geheimnis des Mondes? Wer weiß das Geheimnis der Sonne? Das „Heilige Land" offenbart sich durch Amergins Gesang in seinen Mysterienbeziehungen zum ersten und zweiten Christusopfer. Das Geheimnis des dritten Opfers, der Harmonisierung des Denkens, Fühlens und Wollens von Sonne, Mond und Erde aus,
berührt der Druide vor allem in der Form der Frage. Fragt Irland ihn nach diesem dritten Mysterium? Fragt er, der dieses dritte Mysterium kennt, sich mit dieser Andeutung in das Wesen Irlands hinein? Will er dem „Heiligen Lande" neue Mysterien bringen? Amergin will die „Namen der Macht" auf das Land legen, so lange das „erste Feuer" brennt, auf daß es ihm und den Milesiern „gehöre für immer". Sie ziehen weiter und begegnen niemandem, bis Brigit in der Gestalt einer armen, klagenden Frau zu ihnen kommt. Amergin fragt nach der Ursache ihrer Klage. Sie sagt, sie beklage verlorenen Besitz und verlorenes Königtum und einen Namen, vom Wind des Vergessens geraubt. Sie sei Banba, eine frühere Königin des Landes. Amergin tröstet sie, ihr Name solle nicht der Vergessenheit anheimfallen, er wolle ihn diesem Lande geben. Es solle fortan Banba heißen. Unter Glück- und Segenswünschen verabschiedet sich die Alte von ihm. Die Milesier ziehen weiter. Nach einiger Zeit begegnet ihnen Brigit in der Gestalt einer grimmigen, schönen Königin, die eine Schlacht verloren hat. Von Amergin ermutigt, eine Bitte an ihn zu richten, wünscht sie sich, daß ihr Name mit diesem Lande verbunden sei für immer. Sie sei Erui, das Weib des MacGrian, des Sohnes der Sonne. Amergin gibt dem Lande den Namen Erui und empfängt Dank und Segen der Königin. Dann zieht er weiter mit seinen Scharen. Bald darauf begegnen sie Brigit in der Gestalt einer gerunzelten Alten, die Holz sammelt und ein schweres Bündel trägt. Amergin grüßt sie und sagt, er wünsche, ihr Los erleichtern zu können. Da bittet sie ihn, diesem Lande ihren Namen zu geben. Sie sei einst eine große Königin gewesen und heiße Fiola. Amergin gibt dem Land den Namen Fiola. Dankbar verläßt die Alte ihn. Danach zünden die Milesier ein Feuer an. Und Ogma, Nuada und der Dagda kommen, da sie den Rauch des Feuers wahrnehmen, sie zu prüfen. Nuada fragt, wer sie seien und woher sie kämen. Sie antworten ihm, sie seien die Söhne des Milesius. Milesius sei der Sohn des Gottes Beltu, des Stolzen Vaters. Sie kämen von Moy More, der großen Ebene jenseits des Horizontes der Welt.
Ogma fragt, wie sie Kunde von Irland erhalten hätten. Amergin antwortet, in der Mitte der großen Ebene erhebe sich ein Turm aus Kristall, dessen Spitze bis in den Himmel dringe. Von der Spitze aus habe der Weiseste unter ihnen Irland gewahrt. Seither sei sein Herz von Sehnsucht nach diesem Lande erfüllt. Er habe ihnen allen von dem Lande erzählt, da seien auch ihre Herzen von Sehnsucht nach diesem Lande erfüllt worden. Darum hätten sie sich aufgemacht, das Land zu suchen. Nun hätten sie das Land gefunden. Sie seien nach Inisfall gekommen, der Insel des Schicksals. Der Dagda sagt, sie seien gekommen wie Diebe in der Nacht, ohne Ankündigung, ohne Aufforderung zum Kampf. Sie hätten ein Feuer angezündet, als ob sie in einem Niemandsland wären. Er fordert sie auf, selbst zu urteilen, ob solches Betragen Helden würdig sei. Die Milesier antworten, in seinen Worten sei die Bitternis der Wahrheit. Er möge ihnen sagen, was sie tun sollten. Der Dagda fordert den Amergin auf, eine Entscheidung zu treffen. Amergin sagt, sie wollten zu ihren Schiffen zurückkehren und sich neun Wogen weit vom Lande entfernen. Die De-Danaans möchten ihre ganze Kraft einsetzen gegen sie. Er wolle mit seinen Scharen gegen sie kämpfen. Durch eigene Kraft wollten sie das Land einnehmen oder für es sterben. Ogma, Nuada und der Dagda sind einverstanden. Sie ziehen sich zurück, ihre Anführer zusammenzurufen. Die Milesier beginnen, das Feuer zu dämpfen. Während sie die Glut löschen, tritt Brigit in ihrer wahren Gestalt zu ihnen. Amergin bittet sie um ihren Segen, auf daß das Glück der Milesier nicht ausgelöscht werde mit dieser Glut. Sie antwortet ihm, daß er das erste Feuer nicht löschen dürfe, bevor er den Namensegen über das Land ausgesprochen habe. Amergin sagt, das wisse er wohl, aber er habe den Namensegen schon fortgegeben. Drei entkrönte Königinnen hätten die Namengabe von ihm erbeten. Er habe ihnen ihre Bitte nicht abschlagen können. Brigit entgegnet, sie habe geglaubt, er werde sie erkennen unter jedem Mantel der Welt. Sie sei es gewesen, die dreimal jene Namengabe von ihm empfangen und ihn dreimal gesegnet habe. Er möge ihren Segen nicht ein viertes Mal erbitten. Lachend entschreitet sie. Die Milesier gehen zu ihren Schiffen zurück. Welche geheimnisvolle Beziehung besteht zwischen dem Druiden der
Milesier und Brigit, der Schützerin Irlands? Amergin will das „Land besitzen". Durch die Namen-gebung will er es erwerben. Was heißt das? Amergin kommt nicht als Eroberer im äußeren Sinne nach Irland. Wer einem Ding oder Wesen seinen „richtigen Namen" geben kann im esoterischen Sinne, ist ihm wesenhaft begegnet. Eine Wesensbegegnung aber vollzieht sich immer im Reiche der Dauer. Sie hat Ewigkeitscharakter. Amergin will Irland die rechten Namen geben, auf daß es ihm „gehöre für immer". Er will das „innere Irland" wesenhaft suchen und weiß wohl, daß er es nie wieder verlieren kann, wenn er es in solchen Wesenstiefen findet, die im Reiche der Dauer Existenz haben. Nicht im egoistischen Sinne des Für-sich-haben-Wollens, sondern als wesenhaft Erkennender will er das „Land besitzen". Indem er das vollbringt, was als Schicksalsaufgabe in ihm liegt und auch von außen an ihn herantritt, begegnet er dem Wesen Irlands schon, ohne es sofort zu erkennen; indem er sich um die „entthronten Königinnen" der drei Seelenkräfte müht, begegnet er der Dana-Brigit, der Sternen-Königin, der Macht im Kosmos, unter deren besonderem Schutz auch die Mysterien Irlands stehen. Die Königin der astralen, kosmischen Sphäre tritt dem Amergin in der menschlichen Astralität unter den „Gestalten" der Seelenkräfte des Denkens, Fühlens und Wollens entgegen. Indem Amergin ringt um die „Namengebung", um die wesenhafte Begegnung mit Irland, erkennt er, daß die Göttin, welche Irland schützt, ihm schon längst unter anderen Gestalten vertraut ist. Während das Feuer noch brennt, tritt Brigit zu ihm in ihrer wahren Gestalt. Im Feuer der Erkenntnis durchschaut er seine tiefe Beziehung zu Brigit, der Sternenkönigin. Was er als Sänger und Dichter intuitiv erfahren hat, findet er als Erkennender bestätigt: Eine tiefe innere Beziehung besteht zwischen ihm und Irland. Jetzt darf er auch vertrauen, daß er als Führer einer neuen Mysterienströmung den „Kampf gegen die De-Danaans", die Begegnung mit der altirischen Mysterienströmung wagen kann. Ruft nicht Brigit selbst ihn nach Irland? Die Milesier entfernen sich neun Wogen weit vom Lande. Die Tuatha De-Danaans entfesseln ihre ganze Macht gegen sie. Ein Gewitter bricht auf die Milesier herein. Große Wogen gehen über sie hinweg und riesenhafte Wasser-abgründe reißen sie hinab. Nicht mit ihrer äußersten Macht können sie ihre Schiffe um
eines Haares Breite näher ans Ufer bringen. Ein schrecklicher
Wind stößt sie zurück. Sie sehen Irland nicht mehr. Da ruft
Amergin das Land an: „O Land, das uns hergezogen hat, hilf uns!
Zeig uns die edle Freundschaft deiner Bäume, wir wollen ihnen
Brüder sein. Zeig uns deine strahlenden Flüsse. Wir wollen
jeden Fisch segnen, der in ihnen schwimmt. Zeig uns deine
heldenmütigen Berge. Wir wollen ihnen Freudenfeuer
entzünden. O Land, hilf uns, hilf uns, hilf uns!"
Irland hört ihn und sendet ihm Hilfe. Die Finsternis hellt sich
auf. Der Wind legt sich.Amergin ruft das Meer an:
„O Meer, hilf uns!
O mächtiges, fruchtbares Meer!
Ich rufe jede Woge an, die jemals das Land berührte.
O Meer, hilf uns!"
Das Meer hört ihn. Die drei Wogen, die Irland umspülen,
heben die Schiffe ans Ufer. Die Milesier landen und kämpfen
gegen die De-Danaans auf dem Lande.
Da die De-Danaans erkennen, daß die Milesier ihnen zu
widerstehen vermögen, ziehen sie sich aus dem Kampf zurück.
Sie lachen und rufen den Milesiern zu: „Gute Helden seid ihr und
wert, die Erde zu gewinnen." Nuada schüttelte den
Glockenzweig; und die Herrlichkeit, welche die Tuatha De-
Danaans gehabt hatten in Tirna-Moe, vor der Schöpfung der Erde,
kehrte zu ihnen zurück. Sie waren so voller Glanz, daß die
Milesier die Augen vor ihnen verhüllten.
Verhüllt eure Augen nicht', sagte Nuada, ,wir wollen den
Mantel der Unsichtbarkeit anziehen, den Faed Feea. Wir geben
euch Irland, aber, da unsere Hände es bildeten, wollen wir das
Land nicht ganz verlassen. Wir werden sein in der Stille, die
über den Seen brütet. Wir werden sein der Freudenruf der Flüsse.
Wir werden sein die geheime Weisheit der Wälder. Lange, nachdem
eure Nachkommen uns vergessen haben, werden sie unsere Musik
hören auf sonnigen Erdwällen und unsere großen, weißen Rosse
sehen, wie sie ihre Häupter erheben aus den Bergseen und den
Nachttau von ihren erhabenen Mähnen schütteln. Und am Ende
werden sie wissen, daß alle Schönheit der Welt in uns ihren
Ursprung hat und daß ihre Kämpfe nur das Echo unserer Kämpfe
sind. Erhebet eure Angesichter, Kinder des Milesius, Kinder des
Beltu, des stolzen Vaters, und grüßt das Land, das euch gehört!'
Die Milesier erhoben ihre Häupter. Kein heller Glanz blendete sie mehr, denn die Tuatha De-Danaans hatten sich eingehüllt in Faed Feea. Sie sahen das Sonnenlicht auf dem Grase liegen wie smaragdfarbenes Feuer. Sie sahen die Bläue des Himmels und die feierliche Dunkelheit der Föhren. Sie hörten myriadenfaches Tönen im Rauschen der Zweige und im Brausen der Wasser, und hinter allem echote das Lachen der Brigit". Nicht im äußeren Sinne kämpften die Milesier gegen die De-Danaans. Was sich dem Amergin als Sänger in der dichterischen Intuition offenbart hatte, was sich dem um ein wesenhaftes Verständnis Irlands Ringenden in der Erkenntnis bestätigt hatte, verwirklicht er als Handelnder jetzt in der Mysterienstätte der De-Danaans.Als Eingeweihter in einer besonderen Mission kommt er zum Tempel der De-Danaans. Die Führer dieses Tempels erkennen in ihm denjenigen, der ihr Werk weiterzuführen berufen ist. Sie erfahren, daß er das „Land" und das „Meer" beherrscht, daß ihm die Geheimnisse des physischen Leibes und des Ätherleibes bekannt sind wie ihnen, daß er also mit dem Mysterium des ersten und zweiten Christusopfers vertraut ist wie sie. Da er aber als Eingeweihter in das Mysterium des dritten Opfers zu ihnen kommt und außerdem ein Eingeweihter in ihre eigenen Mysterien ist, können sie sich zurückziehen. Der „Tempel der De-Danaans" kann zum „Tempel der Milesier" werden. Zwei verschiedene Mysterienströmungen vereinigen sich zu einer neuen, zeitgemäßen. Die alte geht in der neuen auf. Die Eingeweihten des „Tempels der De-Danaans" können sehr wohl bei Amergin und den Seinen geblieben sein. Ihre Götter, die „Götter der Dana", von welchen sie bisher geführt und inspiriert worden sind, wissen sie nach wie vor als „Geister der Form" in der Natur wirkend. Der „Tempel der Milesier" ist der Brigit, der Sternenkönigin Dana unmittelbarer verbunden. In den Bildern der Ankunft der Milesier und ihres Kampfes mit den DeDanaans schildert uns die Mythe das Ringen einer bestimmten Mysterienströmung um das wahre Verständnis der Mysterien des „Heiligen Landes" und um die Verwirklichung ihrer eigenen Mission, diese Mysterien abzulösen und weiterzuführen. Den ankommenden Milesiern sind die Mysterien Irlands vertraut. Amergin offenbart sie in seinem Gesang. Die tieferen Beziehungen der irischen Mysterien zu ihren eigenen jedoch durchschauen sie erst in der wirklichen Begegnung mit Irland. Die irischen Eingeweihten aber scheinen Amergin und seine Scharen erwartet zu haben und
sich gern mit der neuankommenden Strömung zu vereinigen, nachdem sie erkannt haben, daß es die erwartete ist. Die Fragen in Amergins Gesang singt das innere Irland durch Amergin in Erwartung der Milesier. Zugleich singen sie aus Amergin selbst, der nach einer Möglichkeit sucht, das Mysterium des dritten Christusopfers dem „Tempel der De-Danaans" zugänglich zu machen und es auf diese Weise nach Irland zu bringen. Woher kommt diese Mysterienströmung der Milesier? Ist sie der Geistesgeschichte bekannt? Sigismund von Gleich nimmt an, daß diese höchst eigenartige Kolonisation „wohl deswegen fast ganz unbekannt geblieben ist, weil sie vermutlich mit sehr verborgenen Mysterienimpulsen zusammenhing".37 Er führt darüber weiter aus: „Von der phönizisch-griechisch bewohnten Stadt Milet in Kleinasien wurde - vielleicht schon um 1700 v. Chr. - eine Gruppe von Menschen über mancherlei Zwischenstationen bis zur heiligen Insel Irland geleitet. Altirische Bücher, vor allem das ,Biich der Invasionen' (Cin of Drom-Snechta), erzählen, daß phönizische Einwohner von Milet über Ägypten, Kreta, Nordafrika und Spanien zuletzt nach Irland gekommen seien, wo sie die ,Söhne des Milidh' genannt wurden. Bedenkt man nun, daß die Phönizier die Mysterien von AltArabien geerbt haben, das auch in gewisser Beziehung eine irdische Projektion des Paradieses war, dann erscheint diese vielleicht allerälteste und auch aller-fernste Kolonisationsfahrt der Phönizier noch bedeutungsvoller, wenn auch leider welthistorisch noch nicht durchsichtiger." Rudolf Steiner bestätigt aus der Geistesforschung die geschichtliche Wahrheit dieser sagenhaften Kolonisationsüberlieferung. Er sagt38: „In einem bestimmten Zeitpunkte des dritten nachatlantischen Zeitraumes hat eine gewisse Brüderschaft Veranlassung genommen, eine größere Anzahl von Kolonisten aus Kleinasien zu schicken nach der Insel Irland. Dazumal wurden dort angesiedelt Kolonisten aus demselben Gebiete von Asien, aus dem später der Philosoph Thaies stammte. - Thaies stammte aus derselben Gegend, wenn auch später - er ist ja in der vierten nachatlantischen Zeit 37 38
Marksteine der Kulturgeschichte, n. Teil, S. 95. „Drei Vorträge", Nov. 1917, Dornach, S. 38 ff.
geboren. Aber schon früher, aus dem Milieu heraus, aus der ganzen geistigen Substanz heraus, aus welcher später der Philosoph Thaies stammte, haben die Eingeweihten Kolonisten geschickt nach Irland. Warum? Weil sie gekannt haben die Eigentümlichkeit eines solchen Gebietes der Erde, wie es Irland ist. Sie haben gewußt dasjenige, was angedeutet wurde durch die esoterische Legende39, von der ich Ihnen gesprochen habe. Sie haben gewußt: Die Kräfte, die aufsteigen aus der Erde durch den Boden der irischen Insel, diese Kräfte, die wirken so auf den Menschen, daß wenig der Mensch dadurch beeinflußt wird nach der Richtung der Intellektualität hin, wenig beeinflußt wird nach der Richtung des Egoismus, wenig beeinflußt wird nach der Richtung der Entschlußfähigkeit. Das haben diese Eingeweihten, die diese Kolonisten dahin geschickt haben, sehr gut gewußt.und sie haben Leute ausgewählt, welche durch ihre besonderen karmischen Anlagen geeignet erschienen, gerade den Einflüssen der Insel Irland ausgesetzt zu werden -", die sich entwickeln sollten, „so, daß nicht die kleinste Intellektualität, nicht der kleinste Verstand, nicht die Entschlußfähigkeit, dagegen gewisse besondere Eigenschaften des Gemütes hervorragend sich entwickeln sollten. - In solchen Kolonisationen lag eine tiefgehende Weisheit; die wurden gelenkt und geleitet, indem man überall Rücksicht nahm auf dasjenige, was in der Zukunft stattfinden sollte, indem man rechnete in jener Zeit mit den Eigentümlichkeiten der Erdenentwicklung." Über die Mysterien, welche die Phönizier-Milesier nach Irland brachten und für deren Pflege ihnen das „heilige Land" besonders geeignet erschien, werden wir aus der Geschichtswissenschaft heraus nur Näheres erfahren können, wenn wir nach den Mysterien von Alt-Arabien fragen und nach der Form, in welcher sie bei den Phöniziern weiterleben. Die durch den späteren Mohammedanismus für lange Zeit vollkommen verdunkelte, leuchtende heidnisch-arabische Kulturgeschichte beschäftigt die neueren Geschichtsforscher in zunehmendem Maße. Sigismund von Gleich hat - die wesentlichsten Ergebnisse der neuesten Forschungsarbeiten 39
Siehe: 1. Kap.
zusammenfassend und sie mit seinen eigenen Forschungen verbindend - in seinem Werk „Marksteine zur Kulturgeschichte“ Grundlegendes über die altarabische Kultur und die Sabäischen Mysterien ausgeführt: Auf den altsabäischen Sonnendienst weisen die in den letzten hundert Jahren südöstlich von Er Riad und unweit der Ortschaft Ejun im Nedschd entdeckten Steinkreise hin, die den keltischen Steinheiligtümern ganz ähnlich sind.40 In solchen Sonnenheiligtümern wurden vorwiegend die Geheimnisse der Sonne im Zusammenhang mit dem Tierkreis bewahrt. Saba kennt aber auch die Planetengeheimnisse. „In den Weihestätten von Saba", sagt Sigismund von Gleich, „ist seit grauen Vorzeiten eine erhabene Sternenweisheit gepflegt worden. ,Saba' oder Scheba heißt ,sieben' und deutet auf die sieben Planetensphären. Man weiß heute, daß die Araber vor Mohammed nicht bloß die Planetengeister als Götter verehrt haben, sondern daß jeder arabische Stamm mit einem Fixsternbild besonders verbunden war." Die Hauptprodukte des alten Saba-Reiches waren Gold, Weihrauch und Myrrhe. Sie galten als den Göttern heilige Erzeugnisse. Sie waren durchaus in der üblichen Weise im Handel. Im Zusammenhang mit den Mysterien aber repräsentierten sie ganz bestimmte Kräfte. „Während des ganzen Mittelalters", sagt S. v. Gleich, „wußte man noch: Aus Saba brachten die drei Weisen, die aus der Sternkunde die Geburt des Erlösers wußten, die spezifischen Gaben Arabiens: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Karl Heyer konnte darauf hinweisen, daß nach der Sage der Rosenkreuzerbruderschaft („Fama", 1614) die Heiligen Drei Könige von der Stadt Damcar in Jemen (Arabia felix oder Saba) ausgezogen waren -."41 Im Zentrum der altarabischen Kulte stand der „Phönix". Von dem mystischen Wundervogel Phönix, der sich in Weihrauchfeuer selbst verbrennt und wieder aufersteht aus der Asche, erzählt die hebräische Legende, er sei das einzige Wesen, das vom 40
William Gittord Palgrave: „Reise in Arabien", deutsch: Leipzig, 1867/68, und Harry Philby: „Das geheimnisvolle Arabien, Entdeckungen und Abenteuer", Leipzig, 1925. 41 Dr. K. Heyer: „Geschiehtsimpulse des Rosenkreuzertums" (Breslau, 1938).
Sündenfall nicht berührt worden und im paradiesischen Unschuldszustand verblieben sei. Nach Sigismund von Gleich findet man auf sabäischen Altären als herrschendes Symbol dasjenige der liegenden Mondensichel, in welcher die Sonnenscheibe ruht, das Bild des heiligen Grales. Er berichtet auch von einer sabäischen Gemme, auf der man das Gralssymbol über dem aus der Asche sich erhebenden Phönix sieht. Wir müssen annehmen, daß die sabäischen Mysterien durch ihre Sonnenheiligtümer und Sternenmysterien in Zusammenhang standen mit dem ersten und zweiten kosmischen Christusopfer. Gold, Weihrauch und Myrrhe deuten als Mysteriengaben auf die durch das dritte kosmische Christusopfer har-monisierten Seelenkräfte des Denkens, Fühlens und Wollens hin. Durch den Vogel Phönix aber schauen sie prophetisch auf das Mysterium von Golgatha. Indem das Gralssymbol über dem Bilde des Phönix erscheint, kann es auch nur prophetisch hinweisen wollen auf den Auferstandenen selbst: So wie die Mondensichel, die das Sonnenlicht nicht durchläßt, sondern zurückwirft, das Bild der Sonne in sich aufnehmen kann, so wird der unverwesliche geistige Leib des Auferstandenen die Schale werden für den Sonnengeist des Christus. Die Mondensichel, welche die physische Kraft der Sonne als Strahlenkraft zurückwirft, läßt, wie Rudolf Steiner ausführt,42 die g e i s t i g e Kraft der Sonne durch. Es ruht also in Wirklichkeit die geistige Kraft der Sonne in der Schale der physischen Kraft der Sonne. So ist die glänzende Schale, welche die Sonne trägt, ein exaktes Bild für den Auferstandenen. Die altarabischen, sabäischen Mysterien sind dem Christusmysterium verbunden. Sie kennen die vergangenen, kosmischen Christusopfer und weisen auf das vierte Opfer in prophetischer Vorausschau hin. Die Phönizier sind die Erben der sabäischen Mysterienweisheit.
42
Rud. Steiner: „Von der Suche nach dem helligen Gral", Leipzig, 1913-14, Phllosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, Dornach, 1934, S. 137, ff.
Das Zentralgeheimnis Sabas, das Mysterium vom Sonnenwesen Phönix, aufersteht in den Tempellehren der Phönizier in Tyrus und Sidon.43 Nach dem Wundervogel Phönix erhält das kleine, aber weltgeschichtlich so bedeutende Volk, das in Tyrus und Sidon und in anderen Küstenstädten Kanaans wohnte, seinen Namen. Chna (oder Agenor), der Stammvater der Phönizier, ist der mythischen Überlieferung nach der Bruder des Phönix und der Sohn des Bei oder Baal. Nicht nur Chna, auch sein Sohn heißt ein „Bruder des Phönix". Diese Bruderschaft weist nicht auf eine äußere Verwandtschaft hin. Jeder in die Phönix-Mysterien Eingeweihte ist ein „Bruder des Phönix". Chna bringt seinem Volke die altarabischen PhönixMysterien. Diese leben fortan wesenhaft bei den Phöniziern weiter, erscheinen allerdings zum Teil in anderen Formen und Gestalten. Die zentrale Mysteriengestalt der Phönizier ist Herakles-Archal. Durch sie finden die phönizischen Eingeweihten einen Zugang zu dem Sonnenmysterium in seiner weltumfassenden Vielseitigkeit. Vielerorts gründeten die kolonisierenden Phönizier dem Archal Tempelstätten, und die Heraklestempel von Tyrus und Sidon waren weltberühmt. In dem Urenkel des Perseus, der als phönizischer Eingeweihter den Mysteriennamen Herakles trug, spiegeln sich die Opfertaten des „Herakles-Archal", dessen Name S. v. Gleich übersetzt mit „Die Kraft des Feuerlichtwesens triumphiert". In den 12 Taten des Herakles spiegelt sich das erste große, kosmische Opfer des Sonnengeistes, den die Phönizier unter der Gestalt des „Archal", auch Bei oder Baal genannt, verehren. Bei hat auch, wie Nonnos überliefert, „sieben planetarische Schicksalstafeln" geschrieben. Damit ist angedeutet, daß die Phönizier das zweite kosmische Opfer des „Sonnenhelden" kennen. In den phönizischen Fische-Mysterien aber wird das Geheimnis des dritten Christusopfers vor allem bewahrt. Die Stätte, an welcher diese Mysterien besonders gepflegt wurden, ist der 43
ff
Siehe hierzu: S. v. Gleich: „Marksteine zur Kulturgeschichte", II. Teil, S. 78
mythischen Überlieferung nach die phönizische Küstenstadt Japho oder Jope (heute Jaffa) gewesen. Die griechische Sage erzählt: In Jope war Hesione, die Tochter des Trojaner Königs Laomedon von einem Fisch bedroht, den der erzürnte Poseidon heraufgeschickt hatte. Herakles sprang, Hesione zu retten, in den Rachen des Fisches, kam aber nach drei Tagen unversehrt wieder aus seinem Bauche hervor. Herakles erlebt durch seine - drei Tage währende -Einweihung in die phönizischen Mysterien die Bedrohung der Seele durch die aus den Erdenelementen aufsteigenden Widersachermächte und kann - mit Hilfe des Herakles-Archal - die feindlichen Mächte bändigen und in gute Kräfte umwandeln, wodurch die Seelenkräfte harmonisiert werden. Er kann durch seine Tat Hesione retten. Herakles erinnert uns durch diese seine Tat an Phöbus-Apollo, der den aus dem Erdschlund der kasta-lischen Quelle heraufsteigenden „Drachen Python" tötet. Apollo sendet seine „Sonnenpfeile" in die giftigen. Dämpfe, die aus dem Erdschlunde in Form einer Schlange aufsteigen, und wandelt sie dadurch um. Die Sonnenkraft des Apollo selbst lebt nach Überwindung des Drachens in den Dämpfen, welchen die Pythia sich dann aussetzt. Die Gefahr der Überwältigung der Seele durch den Drachen ist gebändigt. Apollo selbst spricht durch die Pythia, die über dem Erdschlunde sitzt. Rudolf Steiner hat darauf hingewiesen, daß die Griechen in Apollo das Schattenbild jener hohen geistigen Wesenheit verehrten, durch welche hindurch der Christus das dritte kosmische Opfer vollbrachte. Von den Sphären der Sonne, des Mondes und der Erde aus wirkt „der Sonnengeist" durch die Erdenelemente als „Heiler" und „Retter" auf die Seele, harmonisierend das Denken, Fühlen und Wollen.44 Der um die Rettung Hesiones ringende Herakles ist der Apollo der Phönizier. In den phönizischen Fische-Mysterien wurde das sabä-ische Phönixgeheimnis in besonderer Form gepflegt. Dem dritten kosmischen Christusopfer waren sie vor allem verbunden. Das vierte Opfer schauten sie prophetisch voraus. 44
R. Steiner: „Von der Suche nach dem heiligen Gral", S. 74 ff, 136
Die mit diesen Mysterien verbundenen Phönizier sind es, welche unter der Führung des Eingeweihten Amergin von Milet aus nach Irland kommen. Sie kommen in Irland mit einer Mysterienströmung zusammen, in welcher die Geheimnisse eines uralten, atlantischen Sonnenorakels gehütet und bewahrt werden. Es ist zwar anzunehmen, daß die atlantischen Sonnenorakel auch um das am Ende der atlantischen Zeit stattfindende dritte Christusopfer gewußt haben. Aber am Ende der atlantischen Zeit zog auch der Sonneneingeweihte und große Führer Manu, wie Rudolf Steiner berichtet, 45 schon mit seinen Scharen gen Osten, wo er eine neue zentrale Mysterienstätte begründete, von der aus die Mysterien der führenden großen nachatlantischen Kulturen inauguriert wurden. Nur im Osten konnten sich auch die mit dem Seelenwesen des Menschen so tief verbundenen Mysterien der Phönizier ausbilden. Der Mysterienweg des Ostens ist vor allem der Weg nach innen. Das Seelenwesen und das Ich des Menschen entwickeln sich unter dem direkten und indirekten Einfluß der östlichen, nachatlantischen Mysterien in hohem Maße. In den nachatlantischen Mysterien Westeuropas galt die Forschung und Pflege der Eingeweihten dagegen vor allem den Geheimnissen der physischen und ätherischen Welt. Der Mysterienweg war ein Weg nach außen. Indem Irland, wie die Mythe berichtet, uralte atlantische Sonnenmysterien weiterpflegte, mußte es sich, seinen Möglichkeiten gemäß, den Geheimnissen des ersten und zweiten Christusopfers besonders zuwenden. Eine echte, lebendige Weiterführung konnten diese Mysterien nur durch eine „einwandernde" Mysterienströmung aus dem Osten erfahren. Die De-Danaans mußten wesensgemäß das Kommen der Milesier begrüßen. Sie werden sie erwartet haben. Es ist, als hätten sie ihre Mysterien nur so lange aufrechterhalten, bis sie weitergeführt werden konnten durch die milesischen Phönizier. Die Phönizier aber kamen zu einer Zeit nach Irland, in welcher die führenden Sonnenmysterien des dritten nachatlantischen Zeitraumes, die ägyptischen Osirismy-sterien, mit 45
Siehe vor allem: „Die Geheimwissenschaft. . .", S. 279, und die kleine Schrift „Unsere atlantischen Vorfahren".
denen die phönizischen Eingeweihten tief verbunden waren,46 schon dekadent zu werden begannen. Schon bereitete sich jenes Zeitalter vor, in welchem Moses unter der Führung des Mondengottes Jahve in einer der damaligen Zeit gerechten und zukunftsbegründenden Weise den Christusimpuls weiterführen sollte, die Inkarnation des Christuswesens auf der Erde im Hebräervolke vorbereitend. Die fortschreitende Seelen- und Ichentwicklung, die von den alten östlichen Sonnenmysterien bewirkt und gepflegt worden war, geriet immer mehr in Gefahr. Eine Mysterienströmung, welche die Mysterien des kosmischen Christuswesens ungetrübt weiterpflegen wollte in dieser Zeit, konnte für diese Mission kein besseres Land finden als Irland, wo wie Rudolf Steiner schildert47 - die Erdkräfte so wirken, daß sie den Menschen wenig beeinflussen in bezug auf Intellektualität, Egoismus und Entschlußfähigkeit, also in bezug auf eigenwillige, ichhafte Persönlichkeitsentwicklung. Die Ich-Erziehung, welche die Phönizier gehabt hatten, konnte in diesem Lande, von den Gefahren des Eigenwillens ungestört, weitergefördert werden. Die Seele des Eingeweihten konnte hier bleiben, was die „paradiesische Insel" in ihren Mysterienstätten bisher selbst auch gewesen war: ein klarer Spiegel der Götterimpulse und der kosmischen Ereignisse. In den irischen Mysterienstätten konnten auf diese Weise die Mysterien vom kosmischen, zur Erde niedersteigenden Christuswesen lange und rein bewahrt werden.48 Die Mythe spiegelt die Beziehung dieser Mysterien zu den drei kosmischen Christusopfern. Durch sie offenbart sich auch die Situation dieser Mysterien in den letzten Jahrhunderten vor der Inkarnation des Christuswesens auf der Erde. Sie kennt die ganze Tragik und Not 46
Siehe hierzu: S. v. Gleich: „Marksteine zur Kulturgeschichte", U- Teil, S. 94, und I. Teil, S. 93-94. 47 „Drei Vortrage", Nov. 1917, Dornach. 48 Rudolf Stelner hat In dem Vortragszyklus über „Mysteriengestaltungen" (23. Nov. bis 23. Dez. 23) auch drei Vorträge gehalten über die Mysterien Hyberniens. Der Kenner dieser Vorträge wird unschwer die Identität dieser „hybernischen Mysterien" mit den in dem vorliegenden Werk als „alt-Irische" und „irisch milesische" Tempelstätten bezeichneten Mysterien erkennen. Die Verfasserin mußte hier darauf verzichten, auf diese Zusammenhänge näher einzugehen, da es sich nicht mit Notwendigkeit aus den Bildern der Mythe ergab; vor allem aber wollte sie die ohnehin sehr gedrängte Stoff-Fülle nicht noch um ein so umfassendes, neues Gebiet erweitern. Es muß einer eventuellen späteren Arbeit vorbehalten bleiben, auf diese Zusammenhänge ausführlich zurückzukommen.
der erlösungsbedürftigen Menschenseele, die Sehnsucht und freudige Erwartung der Ahnenden und Wissenden. Sie weiß aber auch um den Tod und die Auferstehungshoffnung der Mysterien selbst.
EOCHY UND ETHAUN
Eochy und Ethaun Im Liebesschicksal zwischen Eochy und Ethaun offenbart sich die Tragik der individualisierten Menschenseele in der Zeit vor dem Mysterium von Golgatha: weder in der geistigen Welt noch auf der Erde hat sie eine wirkliche Existenz. Ethaun lebt im Reiche der Götter. Sie wird jedoch in diesem Reiche „eines jeden Dinges überdrüssig" und sehnt sich nach einer anderen Welt. Sie geht zu Midyir. Der aber kümmert sich „um die Helligkeit auf der Erde". Müde wendet sich Ethaun von ihm ab. Fuamach, der Ge-staltenverwandler, sagt, sie habe das Herz einer Fliege, die nie zufrieden ist. Er verwandelt sie in eine kleine goldene Fliege und gebietet ihr zu wandern, bis ihr Herz sich wandle und sie dadurch ihre eigene Gestalt zurückerlangen könne. Die goldene Fliege fürchtet sich, die Welt der Götter zu verlassen, und Ethaun sehnt sich nach ihrer wahren Gestalt zurück. Es gelingt Angus, sie noch eine Weile vor dem „Reich der Dunklen Schatten, genannt Erde" zurückzuhalten. Er führt sie in ein Reich zwischen Götterwelt und Erde, ins „Reich der Hellen Schatten". Dort baut er ihr einen Palast. Solange Ethaun in diesem Palaste lebt, hat sie wieder ihre eigene, wahre Gestalt. Bald aber wird sie auch dieser Welt müde. Als goldene Fliege verläßt sie den Palast und gelangt ins „Reich der Dunklen Schatten". Sie kommt zu einem schönen Hause,in welchem ein König und eine Königin beieinander stehen. Der König hält einen goldenen Becher voll Met in seiner Hand und reicht ihn soeben der Königin. Ethaun läßt sich auf dem Rand des Bechers nieder. Die Königin aber sieht sie nicht und gewahrt auch nicht, wie sie in den Met hineingleitet. Sie trinkt die Fliege mit dem Met. Später gebiert die Königin ein seltsames, schönes Kind. Sie nennt es Ethaun. Wir gewahren in diesen Bildern den Niederstieg der individualisierten Menschenseele zur Inkarnation. Was uns hier als scheinbare Unzufriedenheit und Launenhaftigkeit Ethauns entgegentritt, ist nichts anderes als die etwas vermenschlichte Darstellung der Sehnsucht Ethauns nach einer Erdeninkarnation. Sie sieht, „wie Midyir sich um die Helligkeit auf der Erde kümmert", und will nicht in seinem Reiche bleiben. Im Grunde zieht es nämlich auch sie zur Erde.
Die Jahve-Midyir-Kraft selbst ist es, welche die Menschenseele in der vorchristlichen Zeit in die Verleibli-chung ruft und somit Luzifer, der die Seelen vor der Inkarnation zurückhalten möchte, entgegenwirkt. Der Versuchung Luzifers, die Erde ihrem Schicksal zu überlassen und in der geistigen Welt zu bleiben, widersteht die Seele in dieser Zeit durch den unterbewußten Hang zum Irdischen, den ihr Jahve einpflanzt und in welchem die Engelwesen als Diener Jahve's wirken.49 Ohne diesen Einfluß wäre der Mensch erdenflüchtig und verfrüht in unfreier Weise vergeistigt worden. Die wahre Freiheit konnte er sich erst durch die Auseinandersetzung mit der physischen Welt erringen. Durch die niedere Natur, durch den Hang zur Verleib-lichung wirkt Jahve dem Luzifer entgegen. Es war aber nur möglich, wie Rudolf Steiner50 einmal ausführt, „den Widerpart des Luzifer in die niedere Natur zu verlegen, solange der Mensch sein Ich nicht in der Weise entwickelt hatte, wie es zur Zeit des Mysteriums von Golgatha geschah. Das unterschätzt man ja zu sehr, wie das Ich herabgedämpft war in alten Zeiten. Es war herabgedämpft. Das Ich trat erst hervor in den Jahrhunderten gegen das Mysterium von Golgatha hin. Da ging es nicht mehr, bloß in die unterbewußte, in die unbewußte Natur desjenigen hineinzuverlegen, was gegen den Luzifer strebt; da mußte etwas kommen, was der Mensch in sein Bewußtsein aufnehmen kann: der Christus, der die Fortentwicklung des Jahve-Gottes ist. Der Christus mußte kommen, damit nun bewußt durch das Sichbekennen zum Christus der Mensch sich widersetzt der bloßen Vergeistigung, wie sie von Seiten des Luzifer angestrebt wird". Ethaun folgt den Intentionen des Jahve-Midyir. Sie folgt dem Hange zur Erdeninkarnation. Zur Zeit der Ethaun aber ist das Ichwesen des Menschen schon stärker entwickelt als es zur Zeit der De-Danaans war. Schon ist die Zeit näher herangekommen, in welcher das Ichwesen bewußter wird und der Hang zum Irdischen gefährlicher. Schon wird es immer notwendiger, daß dieses Ichwesen durchchristet werde, auf daß der Mensch fortan 49 50
Siehe hierzu: R. Steiner, Vortrag vom 27.11.1916. wie oben
durch die bewußte Sphäre des durchchristeten Ichwesens das verwirkliche, was Jahve durch die niedere Natur in ihm veranlagt hatte, die selbstlose Treue zum Irdischen. Schon ersehnt die Seele die „Erlösung" durch das Mysterium von Golgatha. Noch aber ist das Ichwesen nicht durchchristet. Ethaun, die zum Ichbewußtsein erwachte Seele, folgt den Intentionen des Jahve-Midyir, indem sie zur Inkarnation steigt, erlebt aber während des Erdenlebens, daß sie sich von dem Jahve-Midyir-Einfluß fortentwickelt. Zum eigenen Ich erwachend, wird sie Midyir, der im Gruppen-Ich wirkt, untreu. Schmerzvoll erfährt sie es. Sie sehnt sich fort vom Eigen-Ich, in die frühere Götterverbundenheit zurück. Nichts auf der Erde kann Ethaun wirklich erfreuen. Die Mutter beginnt schon zu ahnen, ihr Kind „sei der Unsterblichen einer, die da zuviel Freude und zuviel Schmerz mitbringen für eines Sterblichen Kraft". Als diese Ahnung sich ihr in der Erkenntnis bestätigt, stirbt sie. Der König fürchtet das Kind und läßt es in einen tiefen Wald bringen. Dort findet Eochy, der König von Irland, es. Eochy vermählt sich mit Ethaun. Der König ist glücklich. Aber „durch Ethauns Sinn ging allzeit eine Schönheit, welche die reichen Wände arm erscheinen ließ und die Juwelen langweilig. Und ein Gesang war in ihrem Herzen, vor dem die Musik aller anderen Gesänge erstarb". Ethaun steht beschämt vor dem Glück und der inneren Ausgeglichenheit eines Narren, aus welchem „die dunkle Weisheit der Götter noch wirkt". Sie versucht ihm die innere Harmonie nachzuleben. Da erkennt sie in einem Gaukler, an dem sie sich freuen will, Angus. Und Midyir kommt in der Gestalt eines Fremden zum Feste des Eochy. Er fordert nach einem gewonnenen Brettspiel Ethaun vom Könige zurück. Eochy wehrt sich vergebens. Midyir besteht auf seinem Recht. Ethaun, nach ihrem Willen befragt, wünscht sich, noch ein Jahr bei Eochy bleiben zu dürfen. Midyir gewährt ihr die Bitte. Nach einem Jahr aber erscheint er auf einem Feste des Eochy in seiner Götterherrrlichkeit und nimmt Ethaun mit in sein Reich zurück. Wohl tröstet sie den Eochy, indem sie ihm ihre Liebe versichert« „Ich habe in ein Jahr die Freude eines langen Lebens gelegt -und heute abend hast du die Musik der Götter gehört. Und das Echo dieser Musik wird in den Harfensaiten der Sänger
Irlands sein für immer. Und deiner wird nicht vergessen werden, solange Wind weht und Wasser fließt, denn Ethaun - die von Midyir geliebt wird - liebt dich." Aber dieser Trost erreicht den tiefsten Schmerz des Eochy nicht. Er bleibt, von ihr verlassen, zurück. Von der Liebe zu Midyir, der im Gruppen-Ich wirkt, und der Liebe zu Eochy, der Erdenpersönlichkeit, fühlt sich die individualisierte Menschenseele zur Zeit der Ethaun hin- und hergerissen. Indem Ethaun versucht, auf ihre wachsende Bewußtheit zu verzichten, dem „Narren" nachzuleben, gewahrt sie zwar die Götter wieder, entfernt sich aber zu ihrem eigenen Schmerz von Eochy. Indem sie für Eochy allein lebt, gewahrt sie, daß sie als „Unsterbliche" im Reiche der „Sterblichen" nicht wirklich zu leben vermag. Sie folgt zwar schließlich dem „Gott", der sie ins Reich der „Unsterblichen" zurückführt, aber der Schmerz des zurückbleibenden Eochy ist auch ihr Schmerz. Sie liebt den Sterblichen. Noch ist die Zeit nicht gekommen, in welcher die unsterbliche, individualisierte Menschenseele ganz in die Verleiblichung niedersteigen kann. Vor den Gefahren, die aus der noch undurchchristeten Erde aufsteigen, bewahrt Jahve-Midyir sie, indem er sie vor der Ich-Gewahrung zurückhält im GruppenIch. Aber schon ist die Ich-Entwicklung soweit fortgeschritten, daß die Unmöglichkeit, dieses Ichwesen auf der Erde zu verkörpern, als Schmerz in den Menschenseelen lebt. Die „Liebe" zur Erdenpersönlichkeit ist erwacht. Die Zeit ist herangekommen, in der die Seele die Durch-christung der Erde und des Ichwesens herbeisehnt. Jahve vermag sie nur zurückzuhalten von dieser Liebe zur Erdenpersönlichkeit. Durch das Christusopfer auf der Erde aber wird sie die Möglichkeit finden, als „Unsterbliche" die „Schönheit" der Götterwelt auf der Erde zu verwirklichen, das Ichwesen zu verkörpern und durch ihre Vermählung mit der Erdenpersönlichkeit die Freiheit zu erringen und die Möglichkeit, die Erde mit hinaufzuführen in eine Vergeistigung.
Noch aber muß Ethaun dem Midyir die Treue halten. Das ist auf dieser Stufe der Menschheitsentwicklung -die höchste Verwirklichung der Liebe zu Eochy, die möglich ist.
DIE KINDER DES LIR
Die Kinder des Lir Indem die um die Erlösungssehnsucht der Menschheit wissende Mythe nicht nur von Ethaun, sondern auch von den Kindern des Lir erzählt, will sie offensichtlich betonen, daß die durch die irischen Mysterien erzogene Menschenseele nicht vor allem eine Selbsterlösung erhofft durch die bevorstehende Erlösertat, sondern die Möglichkeit, die Erde selbst auch mit in die Vergeistigung führen zu können. Die vier Kinder des Lir, Fionnuala, Aodh, Fiacra und Conn, leben ohne Schmerz und Trauer im lichtvollen, herrlichen Reiche ihres Vaters, von allen geliebt. Nur Aoifa, ihre Stiefmutter, haßt die Kinder. Es gelingt ihr, sie zum Bade in einem See zu überreden. Die nach dem Bade aus dem Wasser steigenden Kinder berührt sie mit einer Zauberrute und verwandelt sie in vier wilde Schwäne. Für dreimal dreihundert Jahre sollen die Schwäne nach ihrem Fluche einsam und unstet auf den Wassern leben, zunächst auf dem See, später in einer kalten, stürmischen Meeresbucht, danach auf noch kälterem, tobendem, grenzenlosem Meere. Ihr Elend soll erst enden, wenn ein König vom Norden sich mit einer Königin von Süden vermählt, wenn ein Druide mit einem geschorenen Haupte über das Meer kommt und wenn sie den Klang einer kleinen Glocke hören, die Beter herbeiruft. Die Schwäne verbringen die dreimal dreihundert Jahre in unendlichem Leid. Nach dieser Zeit wollen sie zum Reich des Vaters zurückkehren, finden es aber nich mehr. Es ist zu ihrem großen Schmerze von der Erde verschwunden. Die Stätte ist verödet, dunkel und leer. Voller Kummer verbergen sie sich in einem schilfreichen See. Sie beachten die Tage nicht und wissen oft nicht, ob der Mond oder die Sonne am Himmel steht. Sie singen. Das ist der einzige Trost, den sie haben. Eines Tages hört Aibric, der Wanderer, sie singen. Aibric ist ausgezogen, Tir-nan-Oge, das Reich des Lir, zu suchen. Er fragt die Schwäne nach dem Lande. Die Schwäne sagen ihm, das Reich des Lir sei untergegangen. Es sei nirgendwo auf der Welt. Aibric aber erwidert, Tir-nan-Oge könne nicht untergehen. Er müsse es weiter süchen. Er sei als ein König geboren und habe das Schicksal eines Wanderers auf sich genommen und alles hingegeben, das Land zu finden. Es könne nicht verschwunden sein.
Er trage es in seinem Herzen, in seinem Sinn, in seiner Seele. Es brenne ihn wie Feuer und treibe ihn wie rastloser Wind. Das Land sei untergegangen, erwidern die Kinder des Lir. Einst seien die Berge lebendig gewesen durch das Licht in ihrem Innern. Jetzt seien sie dunkel und tot. Aibric entgegnet, die Berge seien nur dunkel und still, aber nicht tot. Er habe sie angerufen in einer leidvollen Nacht, seine Stirn gegen die ihre gelegt und das Schlagen ihrer mächtigen Herzen gefühlt. Aibric führt die Schwäne zu einem Berge, der dunkel, schwermütig und still gegen den erblassenden Himmel liegt. In Schmerz erschauernd, wollen sich die Schwäne schon abwenden. Aibric aber ruft den Berg an, und etwas Wundersames geschieht: Das Licht aus dem Reich Lirs leuchtet auf in dem Berge, und eine feine Musik aus Tir-nan-Oge durchströmt ihn. Die Schwäne beginnen zu singen, innig und froh, und während sie singen, leuchtet ein Berg nach dem ändern auf im Lichte aus dem Lande der Jugend. Die Schwäne wissen, daß ihre Erlösungsstunde gekommen ist. Aibric führt sie dorthin, wo sie den Klang einer kleinen Glocke hören, zu Saint Kemoc. Sie verweilen bei dem Heiligen, bis Largnen, der König des Nordens, der die Kunde von den Schwänen erhalten hat, kommt, sie für seine Gemahlin, eine Königin aus dem Süden, zu fangen. Als Largnen die Schwäne berührt, fallen die Schwanenleiber von ihnen ab. Die Kinder des Lir erlangen ihre Freiheit wieder und kehren in das Reich ihres Vaters zurück. Die vier Kinder des Lir sind die Repräsentanten der in Feuer, Wasser, Luft und Erde hinein verbannten Kreatur, die - nach den Worten des Apostels Paulus - „seufzet und klaget und der Erlösung harrt". Die Wesen der Elemente haben das ätherische Reich ihres Vaters Lir verloren und sind, von der „Zauberrute" der Widersachermächte, die aus dem Physisch-Materiellen wirken, berührt, in das dunkle, lichtlose, tote Erdreich verbannt. Aibric, in dessen Herz, Sinn und Seele Tir-nan-Oge lebt, findet den Zugang zu diesen verzauberten Wesen. Das Licht von Tir-nan-Oge wirkt in der durchchristeten Seele des Aibric. Im Herzen trägt er, wie die ersten Christen, das Christentum. Seine Sehnsucht ist, es auch zu verwirklichen in der Erkenntnis, die ätherisch-geistige Welt von Tir nan-Oge zu schauen. Er begegnet den verzauberten Naturwesen und findet, sich mit ihnen verbindend, Tir-nan-Oge wieder. Sein starker Herzensglaube wird in der neuen Erkenntnis zum sicheren
Wissen: In seinem Herzen und in der Erde wirkt die Christuskraft. Indem er in seiner Erkenntnis durchdringt bis zur ätherischen Erde, kann er sich mit der dort wirkenden Christuskraft verbinden und die verzauberten Wesen erlösen. In Aibrics Seele vermählen sich die Königin des Südens und der König des Nordens. Die im Herzen wirkende Strömung des exoterischen Christentums, die vom Südosten kommt, und die mit dem kosmischen Christuswesen verbundene Weisheitsströmung des nordischen, esoterischen Christentums vereinigen sich in seiner durchchristeten, forschenden Seele. Aibric ist der Christ der Zukunft. Das Motiv der läutenden Glocken und des Heiligen hat die Mythe wahrscheinlich von einem frühchristlichen Mönch, der sie etwas stärker verdeutlichen wollte, zusätzlich aufgenommen. Die Mythe behält aber mit diesen Motiven und ohne sie prophetischen Charakter. Indem das irische Volk, wie die Mythe abschließend erzählt, im Gedenken an die Kinder des Lir die vorüberziehenden wilden Schwäne segnet und ein Gesetz machte, nach welchem einem wilden Schwan nichts zuleide getan werden darf, mag es in seinem Herzenswissen erfahren haben und hier oder dort heute noch erfahren, worauf auch die Mythe in ihren Hauptmotiven hinweisen will: Noch immer seufzen und klagen die Kinder Lirs als wilde, verbannte Schwäne über dem stürmischen, kalten Meere einer dem ätherischen Reiche entfallenden Natur. Der Christusimpuls, der von dem Mysterium von Golgatha ausgeht, wird in den Herzen der Menschen und in der Erde wirken. In den Seelen der Menschen aber müssen sich durch die Aktivität des Menschengeistes diese beiden „königlichen" christlichen Strömungen verbinden. Die Königin des Südens muß sich verbinden mit dem König des Nordens. Dadurch erst werden Lirs Kinder erlöst werden können. Die durchgeistigte Naturanschauung der durchchristeten Seele wird der Anfang einer Vergeistigung der Erde sein.
DAS GLÜCKSKIND
Das Glückskind Auf die großen Wandlungsimpulse und wachsenden Erlösungsmöglichkeiten eines zukünftigen Christentums weist die Mythe noch einmal hin in den prophetischen Bildern der schlichten Erzählung vom Glückskind. Die drei Brüder Aidan, Osric und Teigue sind die Hirten des Königs Eterscel, des Hochkönigs von Irland. Aidan ist alt und milde, Osric ist jung und ungestüm. Teigue ist ein Narr. Sie hüten das Vieh des Königs und jagen die wilden Tiere, die sich den Herden nahen wollen. Nachts schlafen sie in kleinen Hütten, aus Weidenruten geflochten, am Rande eines Waldes. Eines Tages findet Teigue beim Holzsammeln ein kleines Kind, in einen Mantel gewickelt, unter einer Föhre liegen. Die drei Brüder nehmen das Kind zu sich, bauen ihm ein Haus im Walde und ziehen es auf. Sie nennen es ihr „Glückskind". Das Kind wächst zu einem schönen Mädchen heran. Teigue bringt ihm Beeren und macht ihm aus einem kleinen Ried-Rohr eine Flöte. Wenn es darauf spielt, kommen die Tiere des Waldes, zu lauschen. Osric macht ihm einen Bogen und lehrt es, mit Pfeilen zu schießen. Aidan erzählt ihm Geschichten. Die Brüder ahnen, daß das Glückskind nicht immer bei ihnen bleiben wird. Teigue ist manchmal traurig bei dem Gedanken, daß das Glückskind ihm genommen werden könnte. Aber Aidan tröstet ihn: Eines Tages werde das Glückskind in sein Eigentum kommen und dann werde es den Herzenswunsch eines jeden von ihnen erfüllen. Teigue sagt, er wolle sich dann ein Gewand wünschen, über und über mit Gold bestickt. Osric wünscht sich Schild und Speer und das Recht, mit Kriegern in den Kampf zu ziehen. Aidan sagt, er werde sich wünschen, im Schlosse des Glückskindes zu sitzen und den Sängern lauschen zu dürfen, die es preisen werden. Teigue trägt dem Glückskind die Wünsche vor. Das Mädchen lacht und sagt, es werde auch einen Wunsch haben in den Tagen einer besseren Zukunft. Es werde sich wünschen, Teigue, Osric und Aidan immer bei sich haben zu dürfen. Eines Tages: kommt Eterscel, der Hochkönig von Irland, durch den Wald. Er entdeckt das Glückskind und befragt die Brüder
nach dem Mädchen. Teigue erzählt dem König von seinem Funde. Der König fragt das Mädchen, ob es mit ihm gehen und die Hochkönigin von Irland werden wolle. Es solle niemals zweimal um etwas bitten müssen. Das Glückskind fragt ihn, ob er Teigue ein goldbesticktes Gewand geben und ihn allzeit bei ihm lassen wolle. Der König verspricht es. Auch die Herzenswünsche der anderen beiden Brüder verspricht er auf die Frage des Glückskindes hin zu erfüllen. Darüber hinaus will er den Brüdern Ehrensitze verleihen im Palast und eigene Festhallen. Er verheißt ihnen, solange er lebe, wolle er ihnen seinen Schutz und seine Hilfe geben. In Glück und Freude gehen alle zum Palaste des Königs. „Jedermann bestaunte das Glückskind, denn seit den Tagen der Königin Ethaun, die aus der Welt der Götter gekommen war, hatte man keinen so schönen Menschen mehr gesehen in Irland. Der König nannte sie Ethaun. Und das ganze Volk sagte, er habe wohl daran getan, sie zu wählen. - Voller Feier und Freude war jener Tag, an dem sie einander Treue gelobten. Und Teigue sagte, die Sonne sei an diesem Morgen eine Stunde früher aufgegangen und am Abend eine Stunde länger am Himmel geblieben vor Freude." Schlicht und einfach weist die Mythe mit diesen Bildern auf die großen Zukunftsmöglichkeiten der durchchriste-ten Menschenseele hin. Die drei Leiber des Menschen, der physische Leib, der Ätherleib und der Astralleib, empfangen die Ich-Organisation als ein Himmelsgeschenk. Sie werden die Pflege-brüder dieses Ich-Leibes, des jüngsten menschlichen Wesensgliedes, des „Kindes", wissen aber, daß es nicht ihr Eigentum ist. Sie ziehen das Kind nur auf für den „König". Die menschliche Ich-Organisation vermählt sich mit dem „höheren Ich". Erst nach dem Einzug des wahren höheren Ich-Wesens in die Inkarnation werden die „Herzenswünsche" der „drei Brüder" erfüllt. Die menschlichen Leiber werden in ihre „wahre Würde" eingesetzt und empfangen neue Wandlungsmöglichkeiten. Die durchchristete Ethaun hält den Brüdern nicht nur die Treue. Sie führt sie über das hinaus, was sie waren. Eine ganz neue Entwicklungsmöglichkeit setzt ein.
Den Zukunftsmöglichkeiten, welche sich offenbaren durch die Geschichten von den Kindern des Lir und dem Glückskind und seinen Brüdern, mag die Seele, welche in sich das Ethaun- und Eochy-Schicksal erfuhr, hoffnungsstark und erwartungsfroh entgegengelebt haben. Eine weihnachtliche Stimmung webt in den Bildern der Geschichte vom Glückskind. Aber es sind prophetische Bilder für die Seelen der vorchristlichen Zeit. Sie deuten auf die Zukunft. Gegenwärtiger ist diesen Seelen das Ethaun-Eochy-Schicksal. Das „adventliche" Warten-Können ist die Stärke der EthaunSeele, die auf Eochy verzichtet und dem Gotte Midyir die Treue hält. Adventliches Warten und die freudige Vorausschau der Christgeburt lebt auch in den Eingeweihten der vorchristlichen Zeit. Aber nicht nur durch das Mysterium der Geburt, sondern auch durch das Geheimnis des Todes nahen sie sich dem Mysterium des bevorstehenden vierten Christusopfers.
CONARY MOR
Conary Mor Durch Conarys Leben offenbart sich das bevorstehende Christusereignis nicht im Lichte des Sternes von Bethlehem. Die leidbereite, reine Seele des großen Königs begibt sich, durchbebt von dem Weltenschmerz und den Todesschauern der hinsterbenden Mysterien, selbst auf den Weg nach Golgatha und verkündet so durch das eigene Schicksal das große neue Mysterium des in die Erde hineinsterbenden hohen SonnenWesens. Conary ist der „Sohn der Ethaun und des Eterscel". Nicht nur im äußeren Sinne stammt er von diesem Elternpaare ab. Die Mythe unterscheidet ihn durch diesen „Beinamen" von jenem mit Jahve-Midyir verbundenen Eingeweihten, der das Ethaun-Schicksal in seiner eigenen Seele, die dem Gruppen-Ich die Treue hält, erfährt. Conary hat seine geistige Existenz nicht in Jahve. sondern durch den Bund seiner individualisierten Seele (iii welcher das „Glückskind" Ethaun wirkt) mit dem „höheren Ich", das durch den Sonnengeist selbst sein Leben hat und dessen Repräsentant Eterscel ist. Conary hat als Sonnen-Eingeweihter unter dem unmittelbaren Schutz des hohen Sonnenwesens eine hohe IchEntwicklung erreicht. An drei „Höfen" wird er aufgezogen: am Hofe seines Vaters, am Hofe der Erzieher seiner Mutter und am Hofe des weisen Maunya im Westen. Er ist eingeweiht in die Mysterien des höheren Ichs, in die Geheimnisse des physischen Leibes, des Ätherleibes und des Astralleibes und in die Mysterien des Zusammenhangs dieser Leiber mit dem hohen Sonnenwesen, welche der weise Maunya als Repräsentant der westlichen Mysterien hütet. Conary ist ein Sonnen-Eingeweihter. Fünf Gefährten wurden mit ihm aufgezogen: Fer Le, Fer Gar, Fer Rogain, Fer Gel und Lomma Druth, der Narr. Er liebt seine Pflegebrüder Le, Gar und Rogain von ganzem Herzen und teilt alles mit ihnen. Conary mag sehr wohl im äußeren Schicksal fünf Pflegebrüder gehabt haben. Dem Eingeweihten Conary werden diese Brüder zu Repräsentanten seiner eigenen Wesensglieder. Indem die Mythe betont, daß er Le, Gar und
Rogain besonders verbunden war, weist sie auf die Harmonie zwischen dem Geistigen und Leiblichen hin, die sich der Eingeweihte errungen hat. Conary lebt in geistgerechter Ausgeglichenheit mit dem physischen Leibe, dem Ätherleibe und dem Astralleibe. Er ist Gel und Lomma Druth, den Kräften der Empfindungsseele und denen der Verstandes- und Gemütsseele, in brüderlicher Liebe verbunden. Lomma Druth ist ein Narr, durch den die „dunkle Weisheit der Götter" noch spricht. Durch die Verstandes und Gemütsseele wirkt bei ihm noch die Götterweisheit.51 Durch den Hinweis auf diese fünf Brüder, die mit Conary zusammen aufgezogen wurden, sagt uns die Mythe in ihrer Sprache klar, daß wir uns am Anfang des Zeitalters der Verstandes- und Gemütsseele befinden, also nicht mehr weit von der Zeitenwende entfernt sind. In Frieden und Harmonie wachsen die Brüder miteinander auf, bis König Eterscel stirbt. Der Tod des Eterscel läßt uns erkennen, daß wir bei der Zeitenwende angekommen sind. Das Christuswesen verläßt die geistige Welt und wird auf der Erde geboren. Im Sinne der alten Mysteriensprache ist - von der geistigen Welt aus gesehen das Geboren-Werden auf der Erde ein Sterben, das Sterben auf der Erde dagegen ein Geboren-Werden in der geistigen Welt. Conary erlebt, daß das hohe Sonnenwesen die Sphäre, in welcher es bis dahin gefunden werden konnte, verläßt. Dieses für ihn und für alle dem kosmischen Christuswesen verbundenen Mysterien schmerzliche und vielleicht auch zunächst verwirrende und unverständliche Ereignis spiegelt sich ihm im Tode Eterscels. In dieser Zeit aber wird er berufen zum Königtum. In ergreifenden Bildern schildert die Mythe das Ringen des großen Sonnen-Eingeweihten Conary um ein wesenhaftes, lebendiges Erfassen des Mysteriums des vierten Christusopfers. Die „Regierungszeit" des „großen Königs" ist im Anfange noch überstrahlt und durchlichtet von dem wunderbaren Nachglanz der großen Vergangenheit. Conary erlebt als Eingeweihter noch die wesenhaften Nachwirkungen des hohen Sonnengeistes in der 51
Zu den Wesensgliedern des Menschen siebe u. a.: Rud. Stelner, „Die Geheimwissenschaft...". S. 23 ff.
außerirdischen Sphäre. Aber schon vor seinem
„Regierungsantritt", also noch in jenem Einweihungsakt, in
welchem er auch den Tod Eterscels erlebt, tritt ihm die eherne
Notwendigkeit des Schicksals entgegen, die uns die kommende
Tragik schon erahnen läßt:
Der Seher auf Tara hat bereits verkündet, daß Conary nach dem
Willen der Götter König werden soll, während Conary selbst
noch, in seinem Kampfwagen sitzend, unerprobte Pferde antreibt
und auf das Meer zufährt. In der Nähe des Meeres sieht sich
Conary plötzlich umgeben von einer Schar schneeweißer Vögel,
die vor ihm in allen Farben des Regenbogens aufleuchten. Der
König jagt die Vögel, jedoch Speer und Stein versagen. Er
trifft sie nicht, folgt ihnen aber bis aufs Meer. Auf dem Wasser
angekommen, nehmen die Vögel ihre wirkliche Gestalt an. Conary
sieht die „starken, schönen, schrecklichen Krieger von den Faery-
Hügeln" vor sich. Von ihnen erfährt er, daß er den „weißen
Vögeln seines Vaters" kein Leid antun sollte, „um der
Verwandtschaft willen". Sie verkünden ihm, daß er König
werden soll, und verheißen ihm eine glückliche und friedvolle,
eine wunderbare Regierungszeit, nennen ihm aber auch seine
Geise52.
„Du bist der ernannte König", sagt der Anführer zu Conary.
„Und nie, seit Anbeginn der Welt, ist ein so glücklich geborener
König nach Irland gekommen.
Die Berge sind froh über dein Kommen. Die Flüsse und Seen sind
froh. Die Wälder und grünen, blumigen Wiesen sind froh.
Deine Verwandten sind froh. Kein schneidender Wind wird
blasen, während du König bist.
Rein wie Musik wird die Stimme des Menschen zum Menschen
sein. Die Sonne wird sich nicht vor dir ver bergen. Die Sterne
werden sich nicht vor dir verbergen. Dein eigenes Volk wird sich
nicht vor dir verbergen, bis du die Treue brichst. Neun
Schicksalsbande werde ich dir auferlegen:
Höre deine Geise:
Es ist Geis, durch Raub den Frieden brechen zu lassen während
deiner Herrschaft.
52
Geis: ein Zauber, ein Verbot, ein tabu, dessen Verletzung zu Unglück und Tod führt.
Es ist Geis, rechts um Tara oder links um Bregia her umzugehen.
Es ist Geis, die bösen Tiere von Cerna zu jagen.
Es ist Geis, von Tara fernzubleiben in jeder neunten Nacht.
Es ist Geis, in einem Hause zu schlafen, aus welchem den
Vorübergehenden ein Licht scheint.
Es ist Geis, den drei Roten zu folgen zum Hause des Roten.
Es ist Geis, einen einsamen Mann oder eine einsame Frau mit
dir in das gleiche Haus eintreten zu lassen nach Sonnenuntergang.
Es ist Geis, von Tara fortzugehen, um den Streit zweier Könige zu
schlichten.
Es ist Geis, deinen Trinkbecher jemals ohne Wasser zu lassen.
Das sind die Schicksalsbande deines Königtums. An dem Tage, da
du deine Geise brichst, wird die Zerstörung über dich kommen.
Halte Treue, Conary!"
Schon bei seiner Einweihung erfährt Conary, daß seine Existenz
in der außerirdischen Sphäre nur noch unter bestimmten
Bedingungen möglich ist.
Die Natur selbst wird ihm zur Inspirationsquelle. Die weißen
Vögel erinnern uns an die Kinder des Lir. In der Tat dringt
Conary über die Elementargeistigkeit der Erde vor zu den
höheren, göttlich-geistigen Wesen, die durch diese
Elementarwesen wirken. Er lebt aber nicht mehr von selbst in
Harmonie mit der Elementargeistigkeit. Schon war er in Gefahr,
sie zu verletzen. Durch den besonderen Schutz der Götter bleibt er
vor diesem Unrecht bewahrt. So kann er durch die Natur zur
göttlich-geistigen Welt vordringen. Inspiriert von der Natur
geistigkeit, gewahrt er seine Berufung, erfährt aber zu gleich, daß
die Situation des Eingeweihten sich geändert hat: Eine Existenz in
der ätherisch-geistigen Sphäre, in welcher die Eingeweihten bis
dahin vorwiegend geforscht hatten, wird von nun an nur noch
unter bestimmten moralischen Bedingungen möglich sein.
Conary vermag diese Bedingungen lange Zeit hindurch zu
erfüllen. Darum kann der Nachglanz der hohen Son nenwesenheit
durch ihn noch wirken. Er wird zum Kö nig gekrönt. Die Mythe
erzählt: „Nie zuvor war einer so schön gewesen wie Conary war.
Nie zuvor hatte einer so glücklich regiert wie er. Es war Friede
im Land und Friede in den Herzen der Menschen. Und ein jeder
freute sich seines Gefährten. Jeder Bauer erntete siebenfache
Ernte. Die Wölfe verwüsteten nicht. Die Frostwinde wa ren nicht
schneidend. Und das Verborgene Volk kam von den Faery-Hügeln und brachte überall hin Musik und Freude." Aber nicht für immer kann Conary diese Harmonie aufrecht erhalten. Er, der vorwiegend im Ätherisch-Geistigen lebt, ist von den „Unruhen seiner Brüder", von den Widersachermächten, die durch die „Leiber" des Menschen wirken, in zunehmendem Maße gefährdet. Egoismen steigen auf aus diesen Leibern und bedrohen die friedvolle, harmonisierende, segensreiche Regierung des vom Nachglanz der Christusgeistigkeit noch durchwirkten Ichwesens. Die Brüder des Conary ziehen raubend durchs Land. Die Beraubten kommen und fordern ihr Recht. Aber der König liebt die Pflegebrüder zu sehr, in „einer närrischen Liebe". Er kann sich ihnen nicht in Strenge und Härte verschließen. Er ersetzt den Klägern den Verlust siebenfach und heißt sie in Frieden von dannen zu gehen. Danach aber werden seine Pflegebrüder wie „junge Adler, die Blut geschmeckt haben". Sie übersteigern sich in ihrem Ungestüm und plündern und rauben ohne aufzuhören. Andere Edle verbinden sich mit ihnen. Sie ziehen auf Raubzüge aus, bis der Friede im Lande gebrochen ist. Vor dem Richterstuhl des Conary drängen sich die Kläger. Sie fordern den Todesspruch über die Söhne des Don Dessa, die Pflegebrüder des Conary. Der König aber gibt seinen Brüdern Waffen und Schätze und schickt sie fort. Den Klägern gibt er das Recht, sie zu erschlagen, falls sie nach Irland zurückkehren sollten. In tiefem Schmerz trennt er sich von seinen Brüdern. Diese treffen auf der hohen See Ingcel, den Einäugigen, den grausamen und schrecklichen Räuber. Sie verbinden sich mit ihm und seinen dreihundert Männern. Zusammen ziehen sie auf neue Raubzüge aus. Zunächst berauben und vernichten sie Ingcels Verwandte in Britannien. Dann machen sie sich gen Irland auf. Conary hat eine hohe Stufe der Ichentwicklung erreicht. Jetzt aber muß er erleben, daß er sich nicht mehr in der rechten Weise inkarnieren kann. Sein Ichwesen kann er nur bewahren, indem er es dem Einfluß der Leiber entzieht. Er „verbannt" seine Brüder aus dem Bereiche des Ichwesens. Er löst seine bisherige ichhafte Verbindung zu den Leibern und gibt sie dadurch den Widersachermächten nur in höherem Maße preis. Nicht ohne Schmerz vollzieht er diese Trennung. Er liebt die Erde. Seine „Brüder" haben ihm die Verbindung zur Erde ermöglicht. Jetzt
aber kann er sich selbst nur bewahren, indem er seine Brüder
verbannt.
Es ist zunächst das einzige, was er tun kann. Er weiß jedoch,
daß die Entwicklungskrise damit nicht wirklich überwunden ist. Er
hat begonnen, seine Geise zu brechen. Wird er in Wirklichkeit als
Ichwesen in der bisherigen Weise weiterexistieren können?
Der Friede im Reiche ist zwar bald wiederhergestellt. Aber
Conary wird nicht mehr froh. Sein Herz verzehrt sich nach Fer
Le, Fer Gar und Fer Rogain. Er hat keine Freude mehr in seinem
königlichen Hause zu Tara. Da kommt Kunde zu ihm über die
Uneinigkeit zweier Könige im Süden. Er fährt hinunter, Frieden
zwischen ihnen zu stiften. Es ist aber Geis für ihn, einen
solchen Streit zu schlichten. Er stiftet Frieden zwischen den
Königen und bleibt bei ihnen, bis zehn Nächte vorüber sind.
So lange von Tara fortzubleiben, ist aber auch Geis> für ihn.
Der geistige Verzicht auf die Erde und die eigene Leiblichkeit, zu
welcher Conary sich, seiner wesenhaften Ich-Existenz wegen,
gezwungen sah, ist ihm im Grunde nicht wesensgemäß. Er liebt
seine „Brüder". Er hat als Eingeweihter in die Sonnen-Mysterien
die Zukunftsbedeutung der Leiber längst erkannt. Er kann die
Erde und die Leiblichkeit nicht wirklich verneinen. Der Streit der
Könige, der sich „im Süden" erhebt, geht ihn unmittelbar an. In
den von ihm verlassenen Leibern streiten sich „fremde Könige"
um die Herrschaft. Nach „Süden" reisend, steigt Conary wieder
tiefer in die Inkarnation. Er harmonisiert seine eigenen, in den
Leibern sich auswirkenden Unausgeglichenheiten, indem er den
Streit der Könige schlichtet. Dabei aber verläßt er sein ätherisch
geistiges Königreich und bleibt ihm zu lange fern. Sich mit der
Erde wiederum tiefer verbindend, entfernt er sich zu sehr von
der ätherisch-geistigen Welt. Er will sie aber wiederfinden.
Zurückkehrend gewahrt er, daß Veränderungen in diesem seinem
Reiche vorgegangen sind:
Die Faery-Verwandten haben ihren Schutz von Conary genommen,
da er die Geise gebrochen hat. Ihr Zürnen wird offenbar in
Zauberfeuern, die sie auf den Hügeln und in den Tälern seines
Königreiches entzünden. Conary glaubt, Tara brenne. Da er und
seine Männer aber nicht für einen Kampf gerüstet sind, weicht er
den vermeintlichen Feinden aus. Er fährt rechts um Tara und links
um Bregia herum. Das ist auch Geis für ihn. Seine Hunde jagen die wilden Tiere von Cerna. Auch das ist Geis für ihn. Die göttlich-geistigen Wesen, mit welchen Conary durch sein „ätherisches Königreich" in Verbindung gestanden hat, können ihn nicht mehr schützen. Er selbst hat sich zu weit von ihnen entfernt. Zurückkehrend in „sein Reich", kann er sie nicht mehr wesenhaft erkennen. Illusionen tauchen auf und verwirren ihn.53 Tiefer verstrickt er sich in Irrtum und Tragik. Mit irdischen Willenskräften nähert er sich dem ätherischkosmischen Reiche. Die rechte Seite der Menschengestalt ist immer ein Ausdruck der Willenskräfte, die der Mensch als Erdenpersönlichkeit besitzt, die linke Seite offenbart das vorirdische, kosmische Wesen des Menschen. Indem die Mythe erzählt, daß Conary rechts um Tara herum fährt, betont sie, daß er sich mit nichtvergeistigten Willenskräften der göttlich-geistigen Welt naht. Mit kosmischen Kräften dagegen, welche er der Inkarnation entzieht, versucht er d a s unmittelbar zu begreifen, was ihm bisher nur mittels Kräften und Fähigkeiten, die er auf der Erde erworben hatte, zugänglich war. Er fährt links um Bregia herum.
53
T. W. Rolleston hat In seinem Werk „Myths and Legends of the Celtlc Race" noch auf eine andere Beziehung zwischen Conary und seinen Feary-Verwandten aufmerksam gemacht. Er berichtet, daß (nach einer anderen mythischen Überlieferung) Eochy, der Gemahl der Ethaun (der „Goldenen Fliege"), nach der Entführung seiner Gemahlin durch Mldyir mit dem Faery-Land, den De-Danaans, Krieg geführt und ihre geheiligten Wohnungen zerstört habe. Midylr habe Ihm Ethaun zurückgeben müssen. Die Tochter Eochys und Ethauns (oder Etalns) sei Etain Olg (Etain, die Jüngere). Die aber sei die Mutter des „Glückskindes" (auch „Ethaun" genannt), der Gemahlin des Königs Eterscel. Conary, der Sohn Eterscels und Ethauns sei also der Urenkel Eochys und Ethauns (der „Goldenen Fliege"). Das Verhängnis und der Tod Conarys seien von den De-Danaans heraufbeschworen als ein Racheakt an dem Urenkel ihres Feindes. So verschieden auch die Motive der beiden Fassungen der Mythe zunächst erscheinen mögen, es spricht sich in Ihnen doch ganz das gleiche aus: Die Erdenpersönlichkeit (ob nun dargestellt durch Eochy oder in Conary selbst) löst sich aus der Götterführung aus Liebe zur Erde. Das ist In der vorchristlichen Zeit ein tragisches Geschehen. Eochy befreit sich (nach dieser Fassung) mit promethischem Eigenwillen von den Göttern. (Es ist sehr wohl denkbar, daß der eine Eingeweihte seine Menschwerdung s o erlebte, wahrend der andere noch auf „Ethaun" verzichtete, wie die andere Fassung der Mythe berichtet.)Conary aber erleidet das Menschheitsschicksal. Schuldlos schuldig werdend, löst er sich von den Göttern. Diese seine unpersönliche Schuld will die eine und die andere Fassung der Mythe betonen.
Immer größer wird die Verwirrung. Conary hat seine königliche Wesenssicherheit verloren. Der Nachglanz des hohen Sonnenwesens, der in ihm noch lange gewirkt hat, ist verblaßt. Die „wilden Tiere von Cerna" erheben sich in seiner eigenen, mit der Ichwesenheit nicht mehr in harmonischer Weise verbundenen Astralität. Er muß sie „jagen" und bekämpfen, wenn er sie bändigen will. Seiner Mutter waren die wilden Tiere noch Spielgefährten gewesen. Und solange das geistige Erbe des Glückskindes Ethaun in seiner eigenen Seele wirkte, hatte auch er von den „Tieren" nichts zu fürchten gehabt. Seit er aber mit seinen „Pflegebrüdern", seinen eigenen Leibern in „Unfrieden" lebt und den Zusammenhang der Ichwesenheit mit dem Astralleibe meidet, überläßt er die vereinsamten „Tiere" ihrer Wildheit. Erschrocken gewahrt er, daß er sie jagen muß. Er kennt seine „Geise" und weiß, daß ihm eine solche Tat nicht wesensgemäß ist. „Wohin sollen wir gehen zur Nacht, und welches Haus wird uns beschützen?" fragt er Mac Cecht, den Riesen, der stets an seiner Seite ist. Der getreue Held Mac Cecht weiß ihm nicht zu raten. Conary beschließt, zum Bruiden des Da Derga zu gehen. Mac Cecht kennt das Haus des Da Derga und geht voraus, ein Feuer für Conary zu entzünden. Mac Cecht ist jener Wesenheit verwandt, welche die phönizischen Eingeweihten als Herakles-Archal kannten. Conary ist eingeweiht in die irisch-milesischen Mysterien zu einer Zeit, in welcher die Christuswesenheit, die sich früher durch Herakles-Archal offenbarte, schon auf der Erde verkörpert ist. In Mac Cecht erlebt er den von dem hohen Sonnengeiste nicht mehr wesenhaft, doch von dem Nachglanz der geistigen Sonne noch stark durchwirkten Herakles-Archal. Diese kosmische, im Ätherischen lebende Wesenheit wirkt auf Conary durch seinen eigenen Ätherleib. In Fer Gar erlebt Conary den von Widersachermächten durchsetzten Teil seines Ätherleibes. Mac Cecht steht in Verbindung mit dem geschützten, vom Leibe getrennten Teil seines ätherischen Leibes. Indem Conary sich entschließt, die Nacht im Bruiden Da Dergas zu verbringen, entscheidet er sich für die stärkere Inkarnation seiner Ichwesenheit. Es ist nur selbstverständlich, daß Mac Cecht vorangeht zu dem Hause Da Dergas. Der vom physischen Leibe bisher getrennte Teil des Ätherleibes muß sich in diesem
Inkarnationsprozeß stärker mit dem physischen Leibe verbinden. Erst dann kann Conary in das „Haus" seines physischen Leibes wirklich einkehren. Es ist vorauszusehen, daß der König jetzt seinen Brüdern wieder begegnen muß. Ganz exakt schildert die Mythe diesen stärkeren VerleiblichungsVorgang: Mac Cecht geht voraus, die Ankunft Conarys im Hause vorzubereiten. Während aber Conary noch unterwegs ist zum Bruiden, rudern seine Pflegebrüder mit Ingcel, dem Einäugigen, auf Irland zu. Boten werden von Ingcel auf die Höhe von Ben Edar geschickt, um nach Beute auszuspähen. Sie erblicken und beobachten Conary auf seinem Wege zum Bruiden und melden dem Ingcel die Aussicht auf gute Beute. Ingcel beschließt, den Bruiden einzunehmen. Die Kampfschiffe werden ans Land gerudert. Noch aber ist Conary auf dem Wege zum „Hause". Schweren Herzens fährt er auf den Bruiden zu. Auf dem Wege zur tieferen Inkarnation erleidet er den wachsenden Verlust der geistigen Welt. Die gebrochenen Geise müssen ihn bedrücken. Aber nicht dieser Verlust allein macht ihm das Herz schwer. Er verzehrt sich nach seinen Brüdern. Mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften und Erkenntnisfähigkeiten versucht er die Wandlungen, die in den Leibern vorgegangen sind, zu verstehen. Sind es nicht seine Brüder, mit denen er einst in Harmonie zusammenlebte? Drei rote Reiter gewahrt er. Sie reiten vor ihm her, auf den Bruiden zu. Es sind Verbannte von den Faery-Hügeln, Boten des Unglücks und des Todes. Vergebens versucht sein heldenmütiger, von allen geliebter siebenjähriger Sohn Le-Fri-Flaith, die roten Reiter zu bewegen, den Weg frei zu geben für den Hoch-König. Dreimal erreicht er sie bis auf eines Speerwurfs Nähe, befiehlt ihnen, bittet sie und verspricht ihnen Geschenke des Hoch-Königs. Die Reiter verlangsamen ihre Eile nicht. Nun weiß Conary, daß er seinem Tode entgegenfährt. Unter den Gestalten der drei „Verbannten" aus dem Götterreich erkennt er die luziferischen Gewalten, die in seine drei Leiber einziehen. Sein höheres Ich, sein Sohn Le-Fri-Flaith, vermag diesen Prozeß nicht aufzuhalten. Er weiß, daß er sie überholen müßte, wenn sie ihm nicht gefährlich werden sollen. Mit Schaudern sieht Conary voraus, daß er als Ichwesen in den von diesen Gestalten durchsetzten Leibern keine
Lebensmöglichkeit mehr haben wird, daß er in das „Haus" einkehren wird, um zu sterben. Aber umkehren kann er nicht mehr. Hat er nicht alles bisherige Leid auf sich genommen um seiner „Brüder" willen? Warum kann er sie nicht in ihrem wahren Wesen wiederfinden? Ein häßlicher Mann mit einem Bein und einem Arm und einem Auge begegnet ihm. Er hat ein schwarzes Schwein auf dem Rücken, das schreit und strampelt. Eine Hexe mit einem schiefen Maul folgt ihm. Auch sie hat ein Auge, ein Bein und einen Arm. Die drei haben Conary erwartet, heißen ihn willkommen und ziehen mit ihm zum Bruiden. In der ahrimanischen Verzerrung gewahrt Conary in dieser Imagination seine eigenen Leiber. Von ahrimanischen Mächten durchsetzt, erschaut er seinen Ätherleib, seinen Astralleib und seinen physischen Leib. Er kann diese Widersachermächte nicht hindern, mit in „das Haus" einzuziehen. Er langt im Bruiden an. Und während er den Hof betritt, hört er von ferne das Knirschen von Kielen im Sande. Die Schiffe seiner Brüder sind auf Land gestoßen. Conary glaubt, sie an diesem Knirschen zu erkennen. „Wären sie es wirklich!" ruft er aus. „Und landeten sie auf irischem Boden! Ich würde Fer Rogain und die anderen wiedersehen!" Er geht ins Haus hinein. Da Derga empfängt ihn. Ein Fest ist vorbereitet. Aus der Dunkelheit tritt ein einsames häßliches Weib auf die Schwelle. Der König fragt es, was sein Begehren sei. „Dein eigenes Begehren, o König", antwortet das Weib. Der König gebietet ihm, die Schwelle zu verlassen. Nahrung und Gaben sollen ihm draußen gegeben werden. Das Weib aber begehrt Einlaß und erinnert den König an die heilige Gastfreundschaft. Conary läßt das Weib eintreten. Die Sonne ist bereits untergegangen. In diesem Weibe nimmt Conary sein eigenes Doppelgängerwesen auf. Jetzt, da er im Hause angelangt ist, begegnet er jenem Wesen, das nur in der Verleiblichung des Menschen „erlöst" und umgewandelt werden kann. Außerhalb des Hauses kann Conary durch die besten „Gaben" die karmischen Belastungen, die Schuld, nicht ausgleichen. Auf der Erde wollen die schicksalbelastenden Irrtümer und Verschuldungen aus fernen Vergangenheiten umgewandelt sein. Das erkennt er. Aber die auf der Erde angekommene Christuskraft wirkt noch nicht durch ihn. Die „Sonne" ist noch nicht wieder aufgegangen. Es ist noch
Nacht in ihm. Seinem höheren Ichwesen ist die Sonne untergegangen. In dieser „Nacht" kann er das Doppelgängerwesen noch nicht erlösen. Es ist „Geis" für ihn, das Weib nach Sonnenuntergang aufzunehmen. Die Widersachermächte sind aufgerufen. Ingcel berät sich mit den Räubern, berichtet ihnen genau von seinen Beobachtungen im Bruiden und ruft sie zum Angriff auf. Conary ist einige Male eingeschlafen und wieder aufgeschreckt. Es ist aber Geis für ihn, in diesem Hause, aus welchem den Vorübergehenden ein Licht scheint, zu schlafen. Das Licht, das aus dem Hause Conarys leuchtet, ist nur der Nachglanz der Ich-Sonnenwesenheit. Dieses Licht kann zwar die „Feinde" heranziehen. Seine Ichwesenheit vermag sie aber noch nicht zu meistern. Die neue Christussonne, die ihm helfen wird, die Nacht des Erdendaseins zu durchwachen, muß er sich zuerst durch den Opfertod ersterben. Ein furchtbarer Kampf um den Bruiden entbrennt. Ingcel mit seinen Räubern kämpft gegen Conary und seine Mannen. Dreimal entfachen die Angreifer einen Brand. Dreimal können Conarys Helden ihn löschen. Schließlich legen die Räuber einen Zauber auf alles Wasser und zweifeln nun nicht länger an ihrem Siege. Conary steht selbst im heißesten Kampf. Er wird durstig und bittet den Mundschenken um einen Trunk. Aber der Becher Conarys ist leer. Der Mundschenk sucht im ganzen Bruiden nach Wasser. Aber selbst der Fluß Dodder, der den Bruiden durchströmt, ist ausgetrocknet bis zur Quelle. Niemand vermag dem König den Becher zu füllen. Conary ruft nach Mac Cecht und bittet ihn um einen Trunk. Mac Cecht will den König nicht verlassen im Kampf. „Wenn ich dich verlasse, Conary", sagt er, „wirst du deinen Tod empfangen im Bruiden." „Ich empfange den Tod nun", entgegnet ihm Conary, „denn Durst verzehrt mich wie rasendes Feuer." „Du sollst deinen Trank haben", sagt Mac Cecht und nimmt den Becher. Er schaut sich um im Bruiden und erblickt Le-Fri-Flaith. Das Kind will er retten. Er nimmt es zu sich und verbirgt es in seinem Mantel unter seinem SchildArm. Mit entblößtem Schwert geht er aus dem Bruiden hinaus
und bahnt sich seinen Weg durch die Räuber. Er geht zu jedem See und Fluß in Irland, findet aber kein Wasser. Selbst sein eigener See Uaran Garad auf Magh Ai ist ausgetrocknet. Er durchsucht ihn dreimal, findet aber keinen Tropfen Wasser. Schon will er den Platz verlassen, als ein kleiner Vogel vor ihm aufsteigt und das Wasser von seinen Flügeln schüttelt. Das Wasser kehrt wieder. Mac Cecht füllt am See Uaran Garad den Trinkbecher des Conary mit Wasser. Der Tau kehrt auf das Gras zurück und die Helle des Morgens steigt am Himmel empor. Mac Cecht schlägt den Mantel zurück, Le-Fri-Flaith das Licht im Osten zu zeigen. Le-Fri-Flaith ist tot. Mac Cecht legt den kleinen Leib auf das junge Gras, bedeckt ihn mit Föhrenzweigen und nimmt unter tiefem Schmerz Abschied von ihm. Dann schreitet er eilig zum Bruiden. Er findet eine verödete Stätte. Das Haus ist verkohlt und vom Feuer zerstört. Räuber und Edle haben es verlassen. Conary liegt tot. Ein Wolf streicht um ihn herum. Mac Cecht ergreift den Wolf und zermalmt ihn mit den Händen. Er reicht dem Conary das Wasser und fragt: „Ist der Trank gut, o König?" Und aus der anderen Welt heraus antwortet Conary: „Es ist ein guter Trank, Mac Cecht!" In dem heftigen Kampf um den Bruiden kämpft die Ichwesenheit um die Möglichkeit, sich in der Inkarnation zu bewahren. Conary gewahrt den Verlust der ätherischen Welt im Bilde der ausgetrockneten Flüsse. In dieser Welt aber hat er seine Existenz. Er muß „verdursten" ohne jeden Zusammenhang mit der ätherischgeistigen Sphäre. Falls es den Feinden gelingen sollte, ihn ganz davon abzuschneiden, muß er sterben. Das weiß er. Die Widersachermächte haben aber in der noch un durchchristeten Erde die Macht, die physische Welt dem Einfluß der ätherischen Sphäre zu entreißen. Das ist seine schmerzliche Erfahrung. In seiner höchsten Not bittet er Mac Cecht, den mit dem Ätherischen so tief verbundenen und ihm getreuen Helden, ihm zu helfen. Wird er, sich zurückwendend in die Vergangenheit, sein Leben, seine Ich-Existenz in der bisherigen Form erhalten können? Schon dem Tode nahe, gewahrt Conary, was wirklich geschehen ist. Durch Mac Cecht offenbart sich ihm die große Wandlung im
kosmisch-irdischen Zusammenhang: Mac Cecht nimmt das Kind mit und sucht vergebens nach Wasser. Das ätherische Reich ist verloren. Da erhebt sich ein Vogel und schüttelt das Wasser von den Flügeln. Blaß und kraftlos erscheint diese Imagination. Aber noch ist deutlich, worauf sie hinweisen will: Der Wundervogel Phönix hat der Menschheit das Lebenswasser zurückgebracht. Der Zusammenhang zwischen Irdischem und Ätherischem wird aufs neue ermöglicht durch den Tod und die Auferstehung der Wesenheit, die sich in den alten irisch-milesischen Mysterien durch den Wundervogel Phönix offenbarte. Conary schaut als Eingeweihter hin auf Mac Cecht, der den Becher mit neuem Wasser füllt. Er sieht das Wasser zurückkehren. Der. Tau liegt wieder auf dem Grase. Aber Le-FriFlaith ist tot. Sein höheres Ich, er selbst, stirbt - die Zukunftsbedeutung dieses Geschehnisses in der Vorausschau erfahrend - mit der Christuswesenheit in die Erde hinein. Der „Wolf" hat keine Gewalt über ihn. Die ahrimanischen Gewalten sind gebannt durch den Opfertod der Christuswesenheit, die in der Erdenumgebung selbst zu wirken beginnt. Auch die Äthersphäre - das schaut Conary voraus - wird der Auferstandene einst mit seiner lebenspendenden Sonnengeistigkeit durchwesen. Schon ist die Verbindung zum Ätherischen wiederhergestellt. Mac Cecht reicht ihm den Lebenstrank. Er antwortet ihm aus der Erdensphäre: „Es ist ein guter Trank." Noch kann der Trank ihn im ätherischen Reiche nicht vom Tode aufwecken. Tot ist er für dieses Reich. Verkohlte Ruinen sind vom Gesichtspunkte des Ätherischen aus seine Leiber. Aber der große Auferstehungsprozeß hat begonnen, und durch diesen Mysterientod hat er teil daran. Schon ist das Ätherische wieder erreichbar. Er aber hat als Sonnen-Eingeweihter auf die außerirdische Ich-Existenz verzichtet, nachdem die Christussonne diese außerirdische Sphäre verlassen hatte. Er wird die IchExistenz auf der Erde in Freiheit neu erringen und wird, sich mit der fortan i n der Erde wirkenden Christuswesenheit verbindend, nicht nur diesen Tod in allen seinen Phasen durchleiden, sondern auch den Erde und Menschheit umfassenden Auferstehungsprozeß wachsend miterkämpfen.
Conary erleidet als Eingeweihter in die irisch-milesi-schen Mysterien um die Zeitenwende mit der Christuswesenheit den Tod auf Golgatha und beginnt, das Auferstehungsgeschehen zu erfahren, das im Sinne dieser Mysterien durch das Christuswesen zwar allein ermöglicht werden konnte und eingeleitet ist, als weltumfassender Prozeß aber Äonen umfaßt und von der Mitwirkung einer jeden menschlichen Ichwesenheit abhängt. Mit dem großen König sterben auch die alt-irischen Mysterien den Opfertod. Aber auch sie können wissen wie Conary, daß der sich aus der Asche erhebende „Wundervogel Phönix" alles mit aufrufen wird zum großen Wandlungs- und Auferstehungsprozeß, was in der Vergangenheit geistig wesenhaftes Leben hatte. Auch als ihr Repräsentant nimmt Conary im Erdenbereich den neuen Lebenstrank aus der Äthersphäre von Mac Cecht entgegen. Auch sie sprechen durch ihn: Es ist ein guter Trank!
DANA-BRIGIT
Dana-Brigit Dana, die „Mutter der Götter", ist eine den irischen Mysterien urvertraute Gestalt. Die Mythe kennt sie unter vielen Namen. Sie deutet damit ihre mannigfaltigen Erscheinungsformen und Wirkensmöglichkeiten an. Wir begegnen ihr auch in vielen entscheidenden Ereignissen. Nie aber tritt sie lange in den Vordergrund der Geschehnisse. Jede Offenbarungsform scheint nur eine Andeutung ihres Wesens zu sein. Wesenhaft aber ist sie gegenwärtig in allem, was die De-Danaans und das innere Irland angeht. Sie ist als „reine, aschenlose Flamme der Galen", wie die Mythe sie einmal nennt, das „ewige Licht" im Geistigen Tempel der De-Danaans. Sie wird auch Brigit, d. h. die „HellErstrahlende"54 genannt. Was für eine göttlich-geistige Macht der irische Eingeweihte in dieser geheimnisvollen Manifestation des „Ewig-Weiblichen" wirklich verehrte, kann heute wenigstens anfänglich erforscht werden durch eine Vertiefung in die von Rudolf Steiner weitergeführte, christliche Esoterik: Die Christuswesenheit hat sich durch das Mysterium von Golgatha mit dem Ich des Menschen verbunden. Sie gibt diesem die Kraft, den Astralleib, den Ätherleib und den physischen Leib allmählich umzuwandeln in höhere Wesensglieder. Der geläuterte und umgewandelte Astralleib wird zum „Geists/elbst" des Menschen, zum „Manas", der vom Ich durchdrungene Ätherleib zum „Lebensgeist" oder „Budhi" und der vergeistigte physische Leib zum „Geistesmenschen" oder „Atma". Durch diese höheren Wesensglieder vermag der Mensch eine freie und neue Beziehung zum Kosmos, zu den über den Menschen stehenden geistigen Hierarchien und der den hierarchischen Kosmos durchwirkenden dreieinigen Gottheit zu erreichen. Diese Tatsache deutet die christliche Esoterik an, indem sie die drei höheren Wesensglieder des Menschen mit den Namen der göttlichen Trinität bezeichnet, die ihrer eigensten Wesenheit nach weit über den Bereichen von Manas, Budhi und Atma und über den Hierarchien zu suchen ist.
54
Nach Ella Young: Briefe a. d. Verfasserin.
Sie nennt den geläuterten und umgewandelten Teil des Astralleibes den „Heiligen Geist" im Gegensatz zum ungeläuterten, ungeheiligten Teil des astralischen Leibes, den zu Budhi verwandelten Ätherleib „den Sohn" und versteht unter „Vater" den zu Atma umgewandelten physischen Leib des Menschen.55 „Nun kann man aber", führte Rud. Steiner in dem Vortrag ,Das Vaterunser' aus, „,,,,,,,,,dieses Obere, dieses Ewige, das durch alle Inkarnationen hindurchgeht, von zwei Gesichtspunkten betrachten. Man kann es einerseits als den urewigen Bestand der Menschheit betrachten, andererseits aber auch als Teil der göttlichen Wesenheit --------- als die drei niederen Glieder der dem Menschen nächststehenden Gottheit. Wenn Sie die Prinzipien jener Gottheiten ------ aufzählen wollten, so müßten Sie, während Sie beim Menschen mit dem physischen Leib anfangen, mit dem Äther-, dem Astralleib und dem Ich fortfahren und von Manas bis zu Atma hinaufgehen -,mit Manas anfangen, mit Budhi und Atma fortfahren und hinaufgehen zu den Prinzipien, die noch über dem Atma liegen." In anderen Zusammenhängen56 weist Rud. Steiner darauf hin, daß das niederste Prinzip der Geister der Form in der gegenwärtigen Erdenentwicklung Manas ist, das höchste Wesensglied dieser hierarchischen Wesen aber vier Stufen über dem Atma liegt. „Wenn wir also in unserer Umgebung nach diesen Geistern der Form, nach ihrem niedersten Gliede suchen wollen, so finden wir es in dem, was wir selbst als das fünfte Glied nach und nach entwickeln. Was wir als menschliche Weisheit entwickeln, wodurch wir immer weiser und weiser werden müssen", das finden wir als niederstes Glied der Geister der Form in unserer Umgebung geäußert. Wir finden es als Weisheit, welche die Natur durchzieht. In dieser Weisheit der Welt leben die Geister der Form als in ihrem untersten Gliede, so wie der Mensch in seinem physischen Leibe lebt.
55 56
Siehe hierzu: R. Steiner: Vortr. v. 17. 3. 1907. „Über die Geister der Form", Vortr. v. 29. 2.1906, Berlin.
Die Hierarchie der Geister der Form aber ist selbst das unterste
Wesensglied der den Kosmos durchwesenden Gottheit, welche in
den Geistern der Bewegung das dem menschlichen Ätherleibe
entsprechende Wesensglied hat. Den „Astralleib'' dieser Wesenheit
bilden gewissermaßen die Geister der Weisheit, die Throne,
Cherubine und Seraphine ihre Empfindungs-, Verstandes- und
Bewußtseinsseele. Über den Hierarchien ist die göttliche Trinität
zu finden, die dem menschlichen Geistselbst, Lebensgeist und
Geistesmenschen entspricht.57
Zu diesen Darstellungen bemerkt M. Rebholz58: „Dem
„Ich" dieser göttlichen Wesenheit würde gemäß den --
Ausführungen (R. Steiners) über das Welten-Ich der Christus
entsprechen, der also vorzugsweise in der Hierarchie der Throne,
Cherubine und Seraphine (als den Seelengliedern der „Gottheit")
leben würde, aber natürlich mit persönlichem Selbstbewußtsein.
In dieser Daseinsform als „Welten-Ich" ist aber der Christus
ebenso eine „Inkarnation" seines eigenen höheren oder „wahren
Selbst", wie das irdische Ich des Menschen ein Strahl seines
höheren Ich ist, das in der Geistwelt verbleibt. Und ebenso, wie
das irdische Ich trotzdem wesenseins bleibt mit dem höheren
Ich, so ist auch das Welten-Ich, der Christus, wesenseins mit dem
höchsten Gottes-Ich, obgleich dieses ebenfalls nicht ganz in die
„Welt", d. h. hier also die Welt der Hierarchien, eingeht-
Und im besonderen ist dann das Welten-Ich, der Christus, die
„Inkarnation" jenes Prinzips der Trinität, das man als den
„Sohn" bezeichnet, dessen Glieder die Hierarchien darstellen."
Rudolf Steiner verwendet die Bezeichnungen: Vater, Sohn und
Geist meistens in einem beschränkteren Sinn, z B. im
Zusammenhang mit den menschlichen höheren Wesensgliedern
oder der Erdenentwicklung. Es wird dabei sein Bestreben
deutlich, die Wirksamkeit der göttlichen Trinität in solchen
Bereichen aufzuzeigen, die dem Menschen heute schon zugänglich
sein können. Wo es sich einmal nicht umgehen läßt, auf die drei
Prinzipien der höchsten Trinität auch unmittelbarer hinzuweisen,
ist er immer bemüht, die eben geprägten Begriffe durch neue zu
ergänzen und durch scheinbar widerspruchsvolle zu beleben, als
57 58
R. Stelner: Zyklus 21/5, vgl. auch: Zyklus 7 („Geistige Hierarchien"), Düsseldorf, 1909. Rundbrief 15, S. 29.
wolle er anregen, was er gelegentlich auch deutlich ausspricht: „Nicht sollte man mit menschlichen Verstandesbegriffen, die an der Außenwelt gewonnen sind, so ohne weiteres herankommen wollen an diese Dinge."59 Die Art seiner Darstellung solcher Geheimnisse ist offensichtlich mit Absicht so, daß der Inhalt nur einem verlebendigten Denken zugänglich wird, mag er auch oft zunächst scheinbar in ganz abstrakten Begriffen auftreten. Diese Wandelbarkeit und innere Beweglichkeit verlangt auch die Mythe, wenn sie sich auch nicht durch Begriffe, sondern durch Bilder zu verständigen sucht. Als wollte sie verhindern, daß das einmal Bild Gewordene starr und unlebendig werde, ergänzt sie es durch viele andere Bilder und betont auf diese Weise, daß alle bildhaften Erscheinungsformen eines Wesens nur hindeuten können auf das Wesen selbst. Ihrer geheimnisvollen, runenhaften Bildsprache entnehmen wir, daß auch der Eingeweihte der altirischen Mysterien viele Erscheinungsformen, durch welche sich die göttliche Trinität offenbart, ge kannt hat. Durch Lugh offenbarte sich ihm das Christuswesen. Mananaun gehört zwar, wie die anderen „Götter Danast", zu jenen „Geistern der Form", welche durch MidyirJahve in und an der Erde wirken, er ist aber als „Beherrscher des Meeres" und als „Schmied" und „Weltenbildner" eine Offenbarung des Vater-Gottes. Durch die Begegnung mit Dana aber kommt der Eingeweihte in Berührung mit den Mysterien des Heiligen Geistes. Indem er im Einweihungsakt erlebt, daß Dana den Impuls gibt zur „Neuschaffung" der Erde, zur Herausführung des Mondes durch Midyir-Jahve in der lemurischen Zeit, erfährt er die Wirksamkeit des Sonnenlogos unter dem Geistaspekt: Midyir-Jahve, der siebente Elohim, verläßt die Sphäre der Sonne und damit auch den Sonnengeist der Weisheit, durch welchen hindurch das Christuswesen sich offenbarte, und verbindet sich mit dem Monde. In ihm spiegelt sich fortan das Christuswesen, unter welchem die in der Sonne zentrierten Elohim (Geister der Form) zu einer vorher nicht bestehenden Einheit geworden sind. Durch Jahve-Midyir kann sich die „Elohimheit" als Mondenwesenheit mit der Erde verbinden.
59
Zykl.21/5
Diese „Elohimheit" erlebt der Eingeweihte als die „Götter der Dana", als De-Danaans. Mit ihnen zusammenwirkend erschaut er die „Tuatha De-Danaans"60, die den „Geistern der Form" dienenden geistigen Wesenheiten. Als Eingeweihter weiß er sich aufs engste verbunden mit diesen „Tuatha De-Danaans", da er das Götterschicksal mit dem seinen verbindet und die Götter sich ihm auch durch die Menschen offenbaren. Es ist zwar zunächst befremdend, aber bei näherer Betrachtung verständlich, daß sich die Christuswesenheit dem Eingeweihten in diesem Geschehnis unter dem Geistaspekt offenbart. Auch Rudolf Steiner identifiziert die Christuswesenheit von einem besonderen Gesichtspunkte und in einem speziellen Zusammenhang einmal mit dem Heiligen Geist. Er charakterisiert das Geschehnis der Taufe des Jesus von Nazareth mit folgenden Worten61: „Es konnte eindringen in die Leiblichkeit des Jesus der Sonnenlogos, das Wesen der sechs Elohim; er selbst, der heilige Geist tritt ein. Das Welten-Ich, das kosmische Ich tritt ein, und es spricht fortan der Sonnenlogos in diesen drei Jahren aus dem Jesus-Körper. Dieser Vorgang wird angedeutet durch das Herabsteigen der Taube, des heiligen Geistes, auf den Jesus von Nazareth." Das Christuswesen inkarnierte sich mit dem Ich und Geistselbst auf der Erde62, während es - aus dem Kosmos in die Erde „sterbend" - seinen Lebensgeist (Budhi) in der Erdenumgebung zurückließ und das Vaterprinzip Atma auf der Sonne, so wie der Mensch im Sterben auf der Erde den physischen Leib zurückläßt und bald darauf den Ätherleib. Das Ich- und Geistselbstwesen des Christus, das mit dem Christus verbundene Wesen des heiligen Geistes offenbarte sich dem irischen Eingeweihten durch Dana. Er war durch die Einweihung verbunden mit den „Geistern der Form", deren unterstes Wesensglied Manas ist. Indem er durch dieses Manas-Wesen hinschaute auf den Christus, offenbarte dieser sich ihm als Ichund Geistselbst-Wesen.
60
Nach Ella Young heißt „Tuatha De-Danaans", das „Volk der Götter der Dana", Briefe an die Verfasserin. 61 Zykl. 3 (Johannes-Evangelium, Hamburg, 1908) 62 R. Stelner, Vortr. v. 27. 8. 24, London
Die Tat des Jahve-Midyir wird zwar durch Dana impul-siert. Dana selbst aber kann nicht bei den ihr dienenden Göttern, bei den Mondwesen bleiben. Das erlebt der Eingeweihte. Er sieht sie zurückkehren in die „anderen Welten" und erkennt sie „als die Flamme der Freude" in jedweder Welt. Indem der Eingeweihte sich aber mit den „Göttern der Dana" und den Tuatha De-Danaans verbindet, weiß er sich auch weiterhin mit der Dana verbunden. Nicht oft begegnet er ihr selbst. Im „Großen Kampf", in welchem er das zweite kosmische Christusopfer miterlebt, erscheint sie ihm als die Heilung-Bringende. „Sie berührte mit dem Haupte die Himmel, und ihr Mantel streifte über den Grund wie ein purpurner Nebel. Ihr Haar war geflochten in neun sich lösenden Locken, und in jeder der neun Locken glitzerte ein Stern." Sie bringt den Müden Kraft und den Wunden Heilung. Unter dieser Gestalt erfährt der Eingeweihte wiederum die heilende und heiligende Wirkung des durch den neun-hier-archischen Kosmos sich offenbarenden Heiligen Geistes, der sich ihm unter der Gestalt des Lugh als Welten-Ich offenbart. Dem in. die irisch-milesischen Mysterien Eingeweihten erscheint die Dana - wie dem Amergin - „in ihrer eigenen Gestalt", als „Mutter aller Weisheit", als „Sternen-Königin", die sowohl in der kosmisch-astralen als auch in der menschlich-astralen Sphäre wirkt, zugleich aber auch als jene Wesenheit, die in und hinter „dem smaragdfarbenen Feuer des Sonnenlichtes, das auf dem Grase liegt" und in „dem myriadenfachen Tönen und Rauschen der Zweige und im Brausen der Wasser" mit den vom unsichtbar machenden Schleier Faed Feea verhüllten DeDanaans zusammen als „Weisheit" lebt. Er begegnet in ihr den Mysterien des „Ewig-Weiblichen" und erkennt durch sie das Ewige, was in allem Seelenhaften verborgen ist und vom Ich-Wesen durchdrungen zum „Manas", zum „Geistselbst" werden kann. Mit Conary sterben auch die irisch-milesischen Mysterien den Opfertod. Mit dem Bruiden Da Derga's zugleich stürzt auch der Geistige Tempel der De-Danaans, der seit Amergins Kolonisation zum Tempel der Milesier geworden ist, ein. Aber die Friese des Tempels hat die Mythe bewahrt, und das „ewige Licht" dieser Mysterienstätte, das Mysterium der Dana, und das im verborgensten Heiligtum aufbewahrte geheimnisvolle Bild
des Lugh hat sie hinübergerettet in die Gegenwart als Fragen und Opfergeschenke an ein Christentum, das sich der großen Vergangenheit nicht verschließt.
Inhalt Seite
Vorwort ................................................................
9
Irland ....................................................................
15
Die vier Schätze ....................................................
31
Das Abbild des Paradieses .....................................
39
Der „Tempel" der De-Danaans ..............................
47
Der Sohn Gobhaun Saors
Das erste Abenteuer ...............................................
55
Das zweite Abenteuer ............................................
59
..............................................................
77
Der Sonnengott Lugh .............................................
87
Cian und die Söhne des Turann ..............................
9 9
Der Große Kampf ..................................................
109
Die Invasion der Milesier ......................................
121
Eochy und Ethaun ..................................................
143
Die Kinder des Lir .................................................
151
Das Glückskind......................................................
157
Conary Mor ...........................................................
163
Dana - Brigit ..........................................................
181
Cian