Nick Hornby
31 Songs
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Nick Hornby
31 Songs
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Nick Hornby liebt Popmusik, das weiß man spätestens seit seinem Roman »High Fidelity«. In diesem Buch nun schreibt er über Popmusik und erzählt mit viel Selbstironie und einer wunderbar subjektiven Haltung über seine augenblicklichen Lieblingssongs. Was macht einen guten Song aus und warum kann man sich an manchen Liedern nicht satt hören? Nick Hornby verrät dem Leser, welche Songs eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen und erzählt dabei viel von sich selbst. ISBN 3-462-03220-8 Original: 31 Songs Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann 1.Auflage 2003 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln Umschlaggestaltung: Rudolf Linn, Köln Umschlagfoto: © Rudolf Linn
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
Buch Was macht einen guten Song aus und warum kann man sich an manchen Liedern nicht satt hören? Nick Hornby verrät dem Leser, welche Songs eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen und erzählt dabei vor allem von sic h selbst. Wie »Thunder Road« von Bruce Springsteen die Antwort auf alle Absageschreiben wurde, die er jemals erhalten hat, dass »Caravan« von Van Morrison trotz eines winzigen Einwands auf seiner Beerdigung gespielt werden soll, warum es nicht uncool ist, einen Song von Rod Stewart zu mögen, wie Musik eine Romanfigur beeinflussen kann, ob Freunde noch Freunde sind, wenn sie einen anderen Musikgeschmack haben, was Popmusik mit Fußball vereint, was passiert, wenn ein vermeintlicher Geheimtipp plötzlich als Hintergrundmusik im Supermarkt gespielt wird, warum kleine unabhängige Plattenläden allen Ketten dieser Welt vorzuziehen sind - mit viel Selbstironie, einer wunderbar subjektiven Haltung und seinem unvergleichlichen Stil beschreibt Nick Hornby, was ihm wicht ig ist. Ein Buch für alle Leser, die Musik lieben - oder Nick Hornby.
Autor
Nick Hornby, 1957 geboren, studierte in Cambridge und arbeitete zunächst als Lehrer. Mit seinen Romanen feierte er sensationelle Erfolge und gilt seitdem als Kultautor. »High Fidelity« wurde mit John Cusack und Iben Hjelje von Stephen Frears verfilmt und »About a Boy« mit Hugh Grant. Nick Hornby lebt in London. Clara Drechsler, geboren 1961, und Harald Hellmann, geboren 1958, übersetzen gemeinsam aus dem Englischen, u.a. Werke von Bret Easton Ellis, Nick Hornby und Irvine Welsh.
Für Lee und alle anderen durch die ich neue Songs kennen gelernt habe.
Einleitung »Your Love Is the Place That l Come From« - Teenage Fanclub
Da gab es also diese Veranstaltung, eine Party anlässlich der Veröffentlichung von Speaking With The Angel, einem Buch mit Kurzgeschichten, das ich zusammengestellt hatte, um Geld für die Schule meines Sohnes aufzubringen, und wir - die Schule, die Verleger des Buchs und ich - waren ganz schön nervös. Wir wussten nicht, ob Leute kommen würden, wir wussten nicht, ob die Mischung aus Lesung und Livemusik funktionieren würde, und wir wussten nicht, ob die Leute einen schönen Abend haben würden. Ich kam ziemlich früh am Hammersmith Palais an, und als ich hineinging, fielen mir sofort zwei Dinge auf. Das eine war, dass der Veranstaltungsort toll aussah: Am Abend zuvor hatte dort eine große Betriebsfeier stattgefunden, und alles war voll Lametta und Flitter, was mir damals auf billige, aber effektive Art Magie zu symbolisieren schien. Das andere war, dass Teenage Fanclub, die sich bereit erklärt hatten, einen akustischen Set zu spielen (und dafür einen Auftritt auf dem Kontinent verschieben mussten), gerade beim Soundcheck waren. Sie spielten »Your Love Is the Place That I Come From«, einen der schönsten Songs von einer meiner Lieblingsplatten überhaupt, Songs From Northern Britain. Es hörte sich fantastisch an, wie die perfekte musikalische Entsprechung zu dem Lametta, und als ich es an diesem Abend hörte, wusste ich sofort, dass der Abend keineswegs ein Flop, sondern etwas Besonderes werden würde. Und das wurde er auch - er entwickelte sich zu einer der denkwürdigsten Veranstaltungen, an der ich von Berufs wegen beteiligt war.
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Wenn ich heute »Your Love Is the Place That I Come From« höre, muss ich natürlich jedes Mal an diesen Abend denken wie könnte es anders sein? Als ich mich ursprünglich entschloss, ein kleines Buch mit Essays über meine Lieblingsstücke zu schreiben (was an sich schon eine heikle Aufgabe ist, weil man zu missglückten Sachen immer so viel mehr zu sagen hat als über etwas, das perfekt ist), dachte ich, dass diese Essays von Ort-und-Zeit-Verknüpfungen wie dieser nur so strotzen würden, aber so war es nicht. Eigentlich ist »Your Love Is the Place Where I Come From« so ziemlich das einzige Beispiel. Als ich darüber nachdachte, warum das so ist, warum so wenige Songs, die mir wichtig sind, assoziativ mit bestimmten Gefühlen und Empfindungen aufgeladen sind, fiel mir nur eine Antwort ein: Wenn man ein Stück liebt, so sehr liebt, dass es einen durch verschiedene Lebensphasen begleitet, schleift sich jede spezifische Erinnerung durch häufigen Gebrauch ab. Wenn ich »Thunder Road« 1975 im Schlafzimmer irgendeines Mädchens gehört, für gut befunden und dann weder das Mädchen wiedergesehen noch das Stück ein weiteres Mal gehört hätte, könnte ich mich wahrscheinlich noch an den Geruch ihres Deos erinnern. Aber so war es nicht; es war so, dass ich »Thunder Road« hörte und toll fand und mir das Stück seit damals in (erschreckend) regelmäßigen Abständen wieder angehört habe. »Thunder Road« erinnert mich eigentlich nur an »Thunder Road« und wohl auch an mein Leben ab achtzehn - mithin an nichts Besonderes und doch an zu vieles. Es gibt so ein grässliches Stück, ich glaube, es heißt »Mummy, I Want A Drink of Water«, das immer samstags morgens im Radio lief, im Kinderprogramm der BBC. Ich glaube nicht, dass ich es seit damals jemals wieder gehört habe, aber wenn, dann würde es mich daran erinnern, wie ich klein war und am Samstagmorgen das Radioprogramm für Kinder gehört habe. Es gibt ein Stück von den Gypsy Kings, das mich daran erinnert, wie ich bei einem Fußballspiel in Lissabon mit Plastikbierflaschen -6-
bombardiert wurde, und verschiedene Songs, die mich ans College, an Exfreundinnen oder einen Ferienjob erinnern, aber keinen davon habe ich zu Hause - sie alle bedeuten mir als Musik nichts, nur als Erinnerung, und ich will nicht über Erinnerungen schreiben. Das ist nicht der Sinn der Sache. Man darf wohl annehmen, dass Leute, die sich von ihrem absoluten Lieblingsstück an ihre Flitterwochen auf Korsika oder an den Chihuahua der Familie erinnert fühlen, nicht wirklich etwas für Musik übrig haben. Ich wollte in erster Linie darüber schreiben, was in diesen Stücken steckt, das mich dazu gebracht hat, sie zu lieben, nicht darüber, was ich in diese Songs hineingehört habe. Ich höre Songs - praktisch ausschließlich. Ich höre nicht sehr oft klassische Musik oder Jazz, und wenn mich Leute fragen, welche Musik ich höre, fällt mir eine Antwort schwer, denn sie wollen in der Regel Namen irgendwelcher Leute hören, und ich kann ihnen nur Songtitel nennen. Und meistens kann ich über diese Stücke nur sagen, dass ich sie gern höre und mitsingen möchte und andere Menschen zwinge, sie sich anzuhören, und übellaunig werde, wenn sie sie nicht genauso toll finden wie ich. Es tut mir Leid, dass ich nichts über »Trampoline« von Joe Henry zu sagen habe oder über »Stay« von Maurice Williams and the Zodiacs, über »Help Me« von Sonny Boy Williamson, »Ms Jackson« von Outkast oder alles von Lucinda Williams, Marah, Smokey Robinson, Olu Dara, die Pernice Brothers, Ron Sexsmith oder tausend andere, meinetwegen auch Marvin Gaye. Ich kann nur sagen, dass sie alle toll sind und Sie sie unbedingt hören sollten, falls Sie sie noch nicht kennen... Ich meine, ich bin sicher, dass ich mir irgendwas aus den Fingern saugen und dieses Buch halbwegs auf die vorgeschriebene Länge aufblasen könnte, aber auch das ist nicht Sinn der Sache. Schriftsteller walzen immer alles aus, weil Bücher und Artikel gefälligst eine bestimmte Anzahl von Wörtern zu umfassen haben, hier aber halten Sie den tatsächlichen (d. h. natürlichen, nicht -7-
erzwungenen und nicht gestreckten) Umfang dieses bewussten Buches in Händen; es ist, wenn Sie so wollen, ein naturbelassenes Buch, das ohne Stopfen oder den Einsatz von Steroiden aufgezogen wurde. Und wie bei allem Naturbelassenen kostet weniger mehr. Wie dem auch sei...
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»Thunder Road« - Bruce Springsteen
Ich erinnere mich, wie ich dieses Stück 1975 gehört und geliebt habe; ich erinnere mich, dass ich das Stück erst vor ein paar Monaten gehört und noch beinah genauso geliebt habe (ja, ich saß im Auto, wenn auch höchstwahrscheinlich nicht am Steuer, und ganz gewiss fuhr ich nicht auf einer Autobahn, einem Highway oder einem Freeway, und der Wind zerzauste auch nicht mein Haar, da ich weder ein Cabrio noch Haare mein eigen nenne. Es ist nicht diese Sorte Springsteen.) Das heißt, ich liebe diesen Song seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert, und ich habe ihn häufiger gehört als jeden anderen, abgesehen möglicherweise von... Wem will ich was vormachen? Da kommt keiner ran. Verstehen Sie, hier wollte ich das Ganze etwas abfedern, irgendwas Schwarzes und/oder Cooles einschieben (vielleicht »Let's Get It On«, ein Stück, das ich für die beste Popsingle aller Zeiten halte und das es leicht auf die Liste meiner zwanzig meistgespielten Platten schaffen würde, aber nicht auf Platz zwei, sondern ganz weit hinten. Platz zwei - und ich gebe mir hier Mühe, ehrlich zu bleiben - wäre wahrscheinlich so was wie »White Man in the Hammersmith Palais« von Clash. Wenn ich »Thunder Road« sagen wir 1500mal aufgelegt habe (etwas mehr als einmal pro Woche in fünfundzwanzig Jahren, das kommt ungefähr hin, wenn man das Mehrfachhören in den ersten Jahren berücksichtigt), käme »White Man...« auf etwa 500mal. Mit anderen Worten, »Thunder Road« liegt uneinholbar vorn. Mir kommt es selbst seltsam vor, dass »Thunder Road« überlebt hat, während andere, wohl bessere Songs - »Maggie May«, »Hey Jude«, »God Save The Queen«, »Stir It Up«, »So Tired of Being Alone«, »You're a Big Girl Now« - mit -9-
zunehmendem Alter mehr und mehr an Reiz verloren. Nicht, dass ich die Mängel übersehen würde: »Thunder Road« ist überfrachtet, sowohl vom Text her (wie Prefab Sprout schon angemerkt hat, gibt es mehr als Mädchen und Autos, und das Wort »Erlösung« sollte man sicherlich wie die Pest meiden, wenn man Stücke über Erlösung schreibt) wie musikalisch immerhin, Jim Steinman und Meatloaf haben auf diese vier Dreiviertelminuten eine ganze Karriere aufgebaut. Dazu ist es so humorlos, wie Springsteen selbst es gerade nicht ist, und wenn die romantische Untergangsstimmung 1975 noch nicht gänzlich abgeschmackt war, so ist sie es heute jedenfalls. Doch manchmal, wenn auch nicht sehr häufig, bringen Songs, Bücher, Filme und Bilder perfekt auf den Punkt, wer man ist. Das muss nicht notwendigerweise in Worten oder Bildern geschehen; die Verbindung ist viel weniger direkt und viel komplizierter. Als ich anfing, ernsthaft zu schreiben, las ich Anne Tylers Dinner im Heimweh-Restaurant, und plötzlich wusste ich, wer ich war und was ich werden wollte, egal, was kommen würde. Der Vorgang ist so ähnlich wie sich zu verlieben. Man sucht sich da nicht unbedingt den besten, klügsten oder schönsten Menschen aus, das geht anders vonstatten. Ein Teil von mir wäre lieber von Updike, Kerouac oder DeLillo angetan gewesen - zumindest von einem Mann, einer etwas dunkleren Gestalt, ganz sicher von jemandem, der sich etwas derber ausdrückt - und obschon ich diese Autoren in verschiedenen Lebensabschnitten bewundert habe, ist Bewunderung doch etwas ganz anderes als die Art von Übertragung, von der ich hier rede. Ich rede davon, jede künstlerische Entscheidung, jeden Impuls, die Seele des Werks und die des Autors zu verstehen - zumindest das subjektive Gefühl zu haben, sie zu verstehen. »Das bin ich«, wollte ich sagen, als ich Tylers reichen, traurigen, bezaubernden Roman las. »Ich bin keine der Romanfiguren, ich bin nicht wie die -10-
Autorin, ich habe nicht die Erfahrungen gemacht, über die sie schreibt. Aber trotzdem empfinde ich genau so in meinem Innersten. So möchte ich klingen, wenn ich jemals meine Stimme finde.« Diese Stimme fand ich irgendwann, und es war meine, nicht ihre, aber nichtsdestotrotz war die Identifikation so stark, dass ich noch immer nicht das Gefühl habe, mich so gut, so umfassend mitgeteilt zu haben, wie es Tyler für mich getan hat. Also gelingt es »Thunder Road« irgendwie, für mich zu sprechen, obwohl ich kein Amerikaner und nicht mehr jung bin, Autos hasse und nachvollziehen kann, warum so viele Leute Springsteen bombastisch und theatralisch finden (aber nicht, dass man ihn machohaft, hurrapatriotisch oder blöd findet solche ignoranten Urteile haben Springsteen über weite Strecken seiner Karriere begleitet und werden von Neunmalklugen gefällt, die viel blöder sind, als er es je war). Das liegt - so peinlich es klingt zum Teil daran, dass sich viele SpringsteenStücke aus dieser Zeit darum drehen, wie man berühmt wird oder mit seiner Kunst zumindest eine gewisse öffentliche Anerkennung findet: Was sonst soll die letzte Zeile des Stücks »I’m Pulling Out of Here to Win« bedeuten, wenn nicht, dass er bereits gewonnen hat - weil er diesen Song Abend für Abend vor einer stetig wachsenden Anzahl von Menschen spielt? (Und was sollen wir anderes daraus schließen, wenn er in »Rosalita« mit rührender, komischer und unschuldig diebischer Freude singt: »Cos the record Company, Rosie, gave me a big advance«, als dass ihm die Schallplattenfirma gerade einen dicken Vorschuss gegeben hat?) Dieser Traum vom Ruhm ist niemals unangenehm oder aufdringlich, denn ihm liegt ein rastloses, unkontrollierbares künstlerisches Bedürfnis zugrunde er weiß, dass er Talent zuhauf hat, und er will uns scheinbar sagen, dass die angemessene Belohnung für dieses Talent im nötigen Kleingeld liegt, um etwas daraus zu machen -, als habe -11-
er kein Interesse am Ruhm an sich. Im Fernsehen eine Quizshow zu moderieren oder ein Attentat auf einen Präsidenten zu verüben würde dieses Bedürfnis keinesfalls befriedigen. Und wenn man davon träumt, Schriftsteller zu werden (lassen Sie sich nur ja nichts anderes einreden), gehören zu diesen Träumen natürlich auch verschwommene, unwürdige Visionen von Ruhm; »Thunder Road« war meine Antwort auf jedes Ablehnungsschreiben, das ich erhielt, auf jeden Zweifel, den Freunde oder Verwandte äußerten. Die lebten in Städten für Verlierer, sagte ich mir immer, während ich genau wie Bruce ausscherte auf die Gewinnerstraße. (Die Städte waren, nebenbei gesagt, Cambridge, wo es von Verlierertypen wie Ärzten, Rechtsanwälten und Akademikern wimmelt, und London, wo es von erfolgreichen Verlierertypen aller Art wimmelt, aber na schön. Das war das Material, mit dem ich arbeiten musste, also arbeitete ich damit.) Da die Zeit verstrich, ohne dass es Anzeichen dafür gab, dass ich irgendwohin ausscherte, um dort irgendwas zu erreichen, schon gar nicht in dem Tempo, das der Song vorgab, half es mir sehr, dass »Thunder Road« das Älterwerden ansprach und mich dadurch mit dem Mangel an Vorwärtsbewegung aussöhnte. »So you're scared and you're thinking that maybe we ain't that young any more«, sang Bruce, und das hörte ich gern, auch noch, als mir schon erste Zweifel gekommen waren, ob die Nacht überhaupt eine Magie hatte: Ich hatte schon sehr, sehr lange, jahrzehntelang das Gefühl, dass ich nicht mehr ganz jung sei, und noch heute interpretiere ich die Zeile als wehmütige Betrachtung der mittleren Lebensjahre, nicht als die schneidende Furcht, die einen in der späten Jugend packt. Es half auch, dass ich irgendwann gegen Mitte bis Ende der Siebziger eine andere Version des Stücks entdeckte, eine Studioaufnahme von Springsteen allein mit akustischer Gitarre (sie ist auf War And Roses, dem Bootleg mit Born to Run-12-
Outtakes); er erschafft »Thunder Road« neu als selbstquälerische, erschöpfte Hymne auf die Vergangenheit, eine verlorene Liebe, verpasste Gelegenheiten, Selbsttäuschung, Pech und Versagen, und auch das passte mir in den Kram. Es ist sogar die akustische Version, die mir zuerst in den Kopf kommt, wenn ich versuche, mir die letzte Zeile zu vergegenwärtigen. Sie ist langsam und klagend und absolut überzeugend: Ein Künstler, der einen vom Wahrheitsgehalt dessen, was er singt, mit jeder Version überzeugen kann, hat als Künstler verdammt viel geleistet. Es gibt noch andere Bootleg-Versionen, die ich oft auflege und liebe. Das Grandiose an dem Stück, wie es auf Born to Run erscheint, ist unter anderem, dass die ersten paar Takte auf einer keuchenden Mundharmonika und einem schon schmerzhaft schönen Klavier klingen, als bezögen sie sich auf etwas, das geschehen ist, noch bevor die Platte anfängt, etwas Folgenschweres und Trauriges, das jedoch nicht alle Hoffnung zunichte macht, denn »Thunder Road« ist die erste Nummer auf der ersten Seite von Born to Run - das Album beginnt praktisch mit seinem eigenen Abspann. Bei den Auftritten während der Darkness on the Edge of Town-Tour Ende der Siebziger maximierte Springsteen diesen Effekt, indem er aus »Racing in the Streets«, einem seiner düstersten, verzweifeltesten Songs, nahtlos in »Thunder Road« überleitete, und die Mundharmonika, die diese Verwandlung von einem Song in einen anderen markiert, erscheint als plötzlicher, glorreicher Frühlingsbote nach einem langen, kräftezehrenden Winter. Auf den Bootlegs von diesen Auftritten in den Siebzigern kann »Thunder Road« endlich die Erlösung bringen, die ihm auf Born to Run verwehrt wurde. Vielleicht ist der Grund dafür, dass »Thunder Road« mir erhalten geblieben ist, der, dass der Song trotz seiner Energie, -13-
seiner Lautstärke, dem schnellen Auto und der Haare elegisch klingt, und je älter ich werde, desto deutlicher höre ich das. Im Grunde glaube ich wohl auch, dass das Leben folgenschwer und traurig, aber dennoch nicht bar aller Hoffnung ist, und ob mich das zu einem depressiven Menschen, der ständig dramatisieren muss, oder zu einem glücklichen Idioten macht - »Thunder Road« weiß, was ich fühle und wer ich bin, und das ist letztendlich eine der tröstlichen Eigenschaften von Kunst. Postskriptum. Seit ein paar Jahren verkaufen sich meine Bücher in großen Mengen, zuerst nur in Großbritannien, später dann auch in anderen Ländern, und ich stellte zu meiner immensen Verblüffung fest, dass ich irgendwie Teil des literarischen und kulturellen Mainstreams geworden war. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet, darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Obwohl ich keinen Grund sehe, warum sich jemand von meiner Arbeit ausgeschlossen fühlen könnte - schließlich ist sie ja nicht schwierig oder experimentell -, erscheinen mir meine Bücher dennoch nebensächlich. Aber es kamen schlagartig von allen möglichen Menschen, Menschen, die ich weder kannte noch mochte oder schätzte, Meinungsäußerungen über mich und meine Arbeit, die scheinbar über Nacht von »erfrischend und originell« in »klischeehaft und alles schon mal da gewesen« umgeschlagen waren, ohne dass sich ein Wort geändert hatte. Und mir zeigte man dieses grässliche Spiegelbild meiner selbst und meiner Arbeit, ein Bild aus dem Kirmes-Spiegelkabinett, total verzogen und verzerrt - ich und doch nicht ich. Nicht, dass man mir besonders übel mitgespielt hätte, anderen (und einige davon kenne ich persönlich) ist bestimmt wesentlich Schlimmeres widerfahren. Dennoch, unter solchen Umständen wird es mehr als schwierig, seiner Vorstellung von dem, was man machen möchte, treu zu bleiben. Genau das gelingt Springsteen irgendwie, er folgt unbeirrt -14-
seinem Weg. Er wird noch immer verspottet (vor etwa einem Jahr las ich in der Zeitung einen Artikel, in dem Tony Blair wegen seiner Liebe zu Bruce attackiert wurde, die als ein Beleg für das unverbesserliche Banausentum des Premierministers gewertet wurde), und manche können nur dieses Zerrbild von Springsteen sehen. Innerhalb weniger Monate sah man in ihm nicht mehr die Zukunft des Rock 'n' Roll, sondern einen leicht verfetteten, Fahnen schwingenden, patriotisch-verblödeten Stadionrocker, aber selbst in diesem Fall hatte sich außer dem Grad seiner Popularität nicht viel geändert. Sei es, wie es sei, die Unbeirrbarkeit, mit der er den Anschlag auf sein Selbstwertgefühl weggesteckt hat, erscheint mir exemplarisch; manchmal fällt es einem schwer, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass das, was man macht, nicht schon deshalb, weil es viele Menschen mögen, zwangsläufig wertlos sein muss. Bisweilen könnte es sogar ein Indiz dafür sein, dass es gerade umgekehrt ist.
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»l'm Like a Bird« - Nelly Furtado
Oh, natürlich kann ich Menschen verstehen, die Popmusik verachten. Ich weiß, dass sie oft, beinahe immer, billig, einfallslos, schlecht geschrieben, aalglatt produziert, hirnverbrannt, repetitiv und pubertär ist (obwohl man mindestens vier dieser Adjektive anführen könnte, um die unablässige Mäkelei an Pop zu beschreiben, die man immer noch im Feuilleton findet). Sie dürfen mir glauben, ich weiß auch, dass Cole Porter »besser« als Madonna oder Travis ist, dass die meisten Popsongs zynisch auf eine Zielgruppe zugeschnitten sind, die Jahrzehnte jünger ist als ich, dass das goldene Zeitalter auf jeden Fall fünfunddreißig Jahre zurückliegt und seit damals kaum irgendwas von Wert entstanden ist. Doch da gibt es eben diesen Song, den ich im Radio gehört habe, den ich mir auf CD kaufte und den ich mir jetzt zehn oder fünfzehn Mal am Tag anhören muss. Das ist es, was mir an den Leuten unbegreiflich ist, denen heutige Popmusik (und wenn ich dieses Wort benutze, beziehe ich Soul, Reggae, Country und Rock mit ein - eben alles, was man als Schund bezeichnen könnte) zu hoch ist, zu tief ist, zu weit geht - irgendein Verhältniswort, das Distanz bezeichnet, jedenfalls: Soll das heißen, dass Sie nie neue Songs hören oder sie Ihnen, wenn doch, nicht gefallen, und dass alles, was Sie pfeifen oder mitsummen vor Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten geschrieben wurde? Versagen Sie sich tatsächlich das Vergnügen, eine Melodie zu meistern (ein Vergnügen übrigens, das sich Ihre Generation als vielleicht erste in der Geschichte der Menschheit entgehen lässt), weil Sie Angst haben, als jemand dazustehen, der nicht weiß, wer Harold Bloom ist? Wow. Ich wette, Sie sind eine Stimmungskanone. -16-
Das Lied, das mich in letzter Zeit in wohltuenden Schwachsinn versetzt hat, heißt »I’m Like a Bird« von Nelly Furtado. Nur die Geschichte kann darüber richten, ob Ms Furtado sich als so was wie eine Künstlerin erweist, und abgesehen von meinem Verdacht, dass sie unser Weltbild nicht verändern wird, kann ich nicht sagen, dass ich viel darüber nachdenke: Ich werde ihr immer dankbar dafür sein, dass sie in mir die Sucht geweckt hat, ihr Stück immer wieder zu hören. Es ist eine harmlose und leicht zu befriedigende Sucht, und davon gibt es wenige genug auf der Welt. Ich möchte nicht einmal eine Lanze für diesen Song und/oder gegen alle anderen brechen obwohl ich ihn für einen sehr guten Popsong halte, von einer verträumten Schläfrigkeit und einem leicht lädierten Optimismus, der ihn gleich von seinen anämischen und unterentwickelten Kollegen abhebt. Es geht darum, dass der Song, zumindest für uns, noch vor wenigen Monaten nicht existierte, und nun ist er hier, und das an sich ist schon ein kleines Wunder. Dave Eggers vertritt die Theorie, dass Menschen wie wir, die sich Songs wieder und wieder anhören, das tun, weil sie sie »knacken« müssen, und es stimmt, dass es am Anfang unserer Bekanntschaft, in der wir einen Song noch umwerben, eine Phase gibt, die einer gewissen emotionalen Verwirrung ähnelt. In »I’m Like a Bird« beispielsweise gibt es eine kurze Stelle, ungefähr in der Mitte, an der sie mit sich selbst im Duett singt, und die Wirkung - besonders auf jemanden, der kein Musiker ist, sondern Mus ik liebt und wertschätzt und durch die simpelsten Aufnahmetricks zu verblüffen und zu bezaubern ist ist köstlich und frisch und macht süchtig. Sicher, bald genug wird der Song fadenscheinig und abgestanden wirken. Bald werde ich »I’m Like a Bird« »geknackt« haben und nicht mehr oft hören wollen - ein -17-
dreiminütiger Popsong kann seine Geheimnisse nicht ewig bewahren. Ja, ein Popsong ist tatsächlich ein Wegwerfprodukt als würde das irgendwen in seiner Ansicht über den Wert von Popmusik beeinflussen. Aber müssten wir dann nicht auch die Mondscheinsonate langsam satt haben? Oder »Christina's World«? Oder »Ernst sein ist alles«? Sie sind leer! Allealle! Von uns bis auf den letzten Tropfen ausgelutscht! So was regt mich auf: Dieselben Leute, die hochnäsig über den Wegwerfcharakter von Pop reden, sehen sich immer wieder an, wie Lady Bracknell mit komischer Stimme »Eine Handtasche?« sagt. Und sie finden nicht, der Witz hätte sich langsam erschöpft. Vielleicht ist der Wegwerfcharakter von Popmusik ein Zeichen für ihre Reife, für das Wissen um die eigene Begrenztheit, und nicht umgekehrt. Davon abgesehen - ich saß neulich im Wartezimmer eines Arztes, und vier kleine karibische Mädchen, die geduldig darauf warteten, dass ihre Mutter aus dem Sprechzimmer kam, stimmten urplötzlich Nelly Furtados Lied an. Sie kannten den Text in- und auswendig, beherrschten ein paar Tanzschritte und sangen mit großer Lust und Ausgelassenheit. Ich fand es schön, dass wir für einen Moment etwas gemeinsam hatten, ich hatte das Gefühl, als lebten wir alle in einer gemeinsamen Welt, und das kommt nicht oft vor. Ab und zu nehme ich mir eine Kassette fürs Auto auf, ein Tape mit den ganzen neuen Stücken, die mir in den vorangegangenen Monaten gefallen haben, und jedes Mal, wenn ich sie fertig habe, kann ich mir kaum vorstellen, dass noch eine weitere dazukommt. Aber es kommt immer eine dazu, und ich kann die nächste kaum abwarten; noch ein paar hundert mehr von der Sorte, und das Leben ist lebenswert.
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»Heartbreaker« - Led Zeppelin
Die herkömmliche Lehrmeinung, warum Jungs Heavy Metal (oder Nu Metal oder Rap Metal) so heiß und innig lieben, betrachtet Gitarren als Penis-Ersatz und unterstellt homoerotische Neigungen und alles mögliche andere, das auf Perversität, sexuelle Desorientierung und tief sitzende, morbide Neurosen hindeutet. Zugegeben, ich hegte für kurze Zeit eine (unerwiderte) Liebe zu dem irischen Bluesrock-Gitarristen Rory Gallagher, und es trifft auch zu, dass ich während der ersten drei, vier Jahre meiner Rockfan-Existenz nur Sänger hörte, die fröhlich zugaben, dass sie Nagetiere und/oder Reptilien verspeisen. Und doch glaube ich, dass es eine nicht pathologische, sondern musikalische Erklärung für mein kindliches Liebäugeln mit Zeppelin und Sabbath und Deep Purple gibt, nämlich, dass ich meinem Urteil über einen Song nicht traute. Wie ein prätentiöser, aber begriffsstutziger Erwachsener, der sich einen Film nur ansieht, wenn er Untertitel hat, hörte ich mir nichts an, das nicht unter lauten, kreischenden E-Gitarren begraben war. Woran hätte ich sonst erkennen sollen, ob das Stück irgendwas taugt? Songs, die auf dem Klavier oder akustischen Gitarren gespielt wurden, von Menschen ohne Bartwuchs (Mädchen zum Beispiel), von Menschen, die Salat und keine Nagetieren aßen... nun ja, das hätte schlechte Musik sein können, die mich auszutricksen versuchte. Das hätten Leute sein können, die so taten, als wären sie die Beatles, ohne es zu sein. Woher sollte ich das wissen, wenn alles so undurchsichtig war? Nein, am besten, man mied die Frage, ob gut oder schlecht, und hielt sich stattdessen an laut. Mit laut konnte man nie ganz falsch liegen. Die Songtitel waren ebenfalls hilfreich. Songtitel, die keine -19-
überdeutlichen Heavy-Rock-Hinweise beinhalteten, waren wie Musik ohne laute Gitarren: Als würde jemand versuchen, dir das Taschengeld abzuluchsen, dir einzureden, das wäre etwas, was es gar nicht war. Man muss sich nur »Blue« von Joni Mitchell ansehen. Also, ich habe es getan, eingehend, und ich habe dem Song nicht getraut. Ein Lied, das »My Old Man« heißt, kann ohne weiteres ein schlechter Song sein (nicht zuletzt, weil mein Dad ein Lied mochte, das »My Old Man's a Dustman« hieß), genauso wie »Little Green« (nicht zuletzt, weil mein Dad ein Lied mochte, das »Little Green Apples« hieß); und wenn man sich das Mistding anhörte, wusste man weiß Gott noch immer nicht, ob die Platte gut oder schlecht war. Aber die Stücke auf Paranoid von Black Sabbath zum Beispiel waren solide, verlässlich und wiesen unmittelbar auf Qualität hin. Wie konnten Songs mit Titeln wie »Iron Man« oder »War Pigs« oder - um das Maß meiner Begeisterung voll zu machen - »Rat Salad« schlecht sein? Ruhigere Songs lieben zu lernen - Country-, Soul-, Folksongs, Balladen, die von Frauen gesungen, auf dem Klavier oder der Bratsche oder sonst so einem verfluchten Ding gespielt wurden, zum Teil mehrstimmig waren und Titel wie »Carey« trugen (denn wer mit zwei funktionstüchtigen Ohren würde »Blue« nicht mögen?) - hat also nichts mit dem Älterwerden zu tun, sondern damit, dass man ein musikalisches Selbstvertrauen entwickelt, die Fähigkeit, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Manchmal scheint es mir, als wäre mit jedem verstrichenen Jahr eine Schicht grungiger Gitarren weggekratzt worden, bis ich schließlich mein gegenwärtiges Stadium erreicht hatte, in dem ich, wie ich hoffe, einen guten George-Jones-Song von einem schlechten unterscheiden kann. Songs, die so nackt und bloß dastehen, ohne einen Faden Stratocaster am Leib, sind beängstigend - mit denen muss man ganz allein fertig werden. Und dann, wenn man dazu endlich in der Lage ist, wird man -20-
wieder so träge und so ängstlich in Bezug auf das eigene Urteilsvermögen, wie man es mit vierzehn war. Woran erkennt man, ob eine CD etwas taugt? Man hält Ausschau nach Belegen für einen dezenten, guten Geschmack. Man achtet auf stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Cover, Anzeichen von Bratschen, hochklassige Gastmusiker, irgendwelche ironischen Songtitel, einen Aufkleber mit einem Zitat aus einer Rezension in Mojo oder im Feuilleton, und vielleicht ein paar Verweise auf Literatur oder Film irgendwo. Und man hört natürlich ganz auf, sich Musik von kreischenden, lederbehosten, zottelhaarigen Männern anzuhören. Denn woran soll man erkennen, ob sie irgendwas taugt, wenn sie derart laut gespielt wird, und das von Leuten, die offenkundig der Ästhetik subtiler Modernität so ablehnend gegenüberstehen? Irgendwann während der letzten paar Jahre habe ich festgestellt, dass meine musikalische Ernährung arm an Kohlenhydraten ist und dass Rock-Riffs ernährungsphysiologisch unabdingbar sind - vor allem im Auto und auf Lesereisen, wenn man etwas Schnelles und Billiges braucht, um einen langen Tag zu überstehen. Nirvana, The Bends und die Chemical Brothers weckten neuen Appetit in mir, doch nur Led Zeppelin konnten ihn stillen. Sollte ich jemals einem verwirrten Außerirdischen ein Blues-Metal- Riff vorsummen müssen, würde ich »Heartbreaker« von Led Zeppelin II wählen. Ich bin mir nicht sicher, ob es für ihn besonders aufschlussreich wäre, wenn ich DANG DANG DANG DA-DA-DANG, DA-DA-DA-DA-DA DANG DANG DA-DA-DANG machte, aber ich hätte das Gefühl, unter den gegebenen Umständen gute Arbeit geleistet zu haben. Selbst hingeschrieben (wenn auch unter Zuhilfenahme von Großbuchstaben) habe ich den Eindruck, dass die großartige, idiotische Lautstärke des Stücks effektiv und unmissverständlich rüberkommt. Lesen Sie es nochmal. Sehen Sie? Es rockt. -21-
Am meisten gefällt mir an der Wiederentdeckung von Led Zeppelin - und daran, mir die Chemical Brothers und The Bends anzuhören -, dass ich sie nicht mehr bequem in mein Leben integrieren kann. So vieles von dem, was man konsumiert, wenn man älter wird, hat mit Integration zu tun: Ich habe Kinder und Nachbarn und eine Partnerin, die liebend gerne nie wieder in ihrem Leben ein weiteres Blues-Metal-Riff oder einen Beat, bei dem die Wände wackeln, hören würden. Ich habe weniger Zeit, eine geringere Schrott-Toleranz, ein gestiegenes Interesse an gutem Geschmack, mehr Vertrauen in meine eigene Urteilskraft. Die Kultur, mit der ich mich umgebe, ist ein Spiegel meiner Persönlichkeit und meiner Lebensumstände, und zum Teil ist es auch richtig so. Doch indem man dies alles lernt, gehen Dinge verloren, und eins der Dinge, die verloren gehen, ist - neben einer Vorliebe für, ach, ich weiß nicht, Krankenhausdramen um kranke Kinder und Experimentalfilme - Jimmy Page. Der Krach, den er macht, das bin nicht mehr ich, aber der Krach selbst ist immer noch hörenswert; außerdem ruft er uns ins Gedächtnis, dass es seinen Preis hat, zum kultivierten Erwachsenen heranzureifen.
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»One Man Guy« - Rufus Wainwright
Ich gebe mir natürlich Mühe, nicht an Gott zu glauben, doch manchmal geschieht in der Musik, in bestimmten Songs etwas, das mich stutzig macht, mich aufhorchen lässt. Wenn sich Dinge zu mehr als der Summe ihrer Teile addieren, wenn die erzielte Wirkung unerklärlich ist, dann bewegen sich Atheisten wie ich auf dünnem Eis. Nehmen wir zum Beispiel Rufus Wainwrights Version von »One Man Guy«, einem Stück seines Vaters Loudon. Eigentlich dürfte nichts daran den Heiligen Geist heraufbeschwören: Das Stück ist großartig, aber etwas mürrisch, ein wenig traurig, witzelnd - der Witz besteht darin, dass das Stück nicht von den Freuden der Monogamie, sondern von den Freuden des Solipsismus und der Misanthropie handelt, ein Witz, der durch Wainwright Juniors sexuelle Orientierung noch eine nette kleine Doppelbödigkeit gewinnt -, und man kann sich nur schwer vorstellen, dass Gott die Zeit hat, bei etwas so Sarkastischem und Selbstironischem zum Vorschein zu kommen. Doch seltsamerweise tut er genau das. Ohne jeden Zweifel. (Und indem er das tut, beantwortet er natürlich ein für alle Mal die Frage, was er von Homosexualität hält: Ihn interessiert es weder so noch so. Offiziell.) Mir erscheint er zu Beginn der zweiten Strophe, gerade wenn Rufus und seine Schwester Martha anfangen, im Duett zu singen. Vielleicht zeigt sich (vielleicht beweist er aber auch nur einen bislang unerwarteten Sinn für Humor) seine Gegenwart erstmals in der Textzeile »People meditate, hey, that's just great, trying to find the Inner You«. Entscheidend ist der mehrstimmige Gesang, ob er Ursache oder Wirkung ist, bleibt die Frage. Erscheint Gott, weil Martha und Rufus so wunderbar zusammen singen - hört er sie aus der Ferne und denkt, he, das ist Musik nach meinem Geschmack, mal gucken, was da los ist? -23-
Oder befähigt er sie zu diesem Harmoniegesang - sieht er, was sie vorhaben, und hilft ihnen dabei? Wenn ich behaupte, dass man Gott aus »One Man Guy« von Rufus Wainwright heraushören kann, meine ich damit nicht, dass da ein alter Knabe mit Bart - ein göttlicher Willie Nelson, wenn Sie so wollen - bei ihnen mitträllert. Und ich will damit auch nicht sagen, die zweite Strophe zeige, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist oder die Reichen es schwer haben werden, ins Himmelreich zu kommen. Ich meine lediglich, dass es in gewissen musikalischen Momenten, in denen man eine Gänsehaut bekommt - Sie haben da sicher Ihre eigenen, wie könnte es anders sein -, schwer fällt, nüchterner Realist zu bleiben. (Diese Schwierigkeiten habe ich übrigens nicht, wenn ich Kirchenmusik höre, und sei sie auch noch so schön. Sie spielen ein falsches Spiel, diese Komponisten: Sie laden ihn ein, sie legen es darauf an, und darauf wird er doch kaum hereinfallen, oder? Ich glaube, er besitzt genug Selbstachtung, um den Abstand zu wahren.) Ich bin mir nicht sicher, welche Bedeutung es für mich hat, wenn in der Musik, die ich liebe, gelegentlich das Göttliche durchblickt. Okay, vielleicht bringt es mir Erleichterung, denn viele Menschen, für die ich mir viel Zeit ne hme, Schriftsteller, Musiker, Sportler, Politiker, haben ungeheuer viel zum Thema Gott zu sagen, und bislang fühlte ich mich dabei ein wenig außen vor; jetzt habe ich was, ein Fetzchen Spiritualität, das ich dagegensetzen kann. Oh, und als Schriftsteller habe ich normalerweise wenig Geduld mit dem Unbeschreiblichen - ich muss davon ausgehen, dass alles beschreiblich ist, sonst würde ich ja meine Zeit verschwenden. Aber ich bin mir nicht sicher, ob man es in Worte fassen kann, wenn zwei Stimmen sich vereinen (hat die Kraft und Schönheit und reine Perfektion eines simplen Akkords nicht schon ein bisschen was von, wie soll ich sagen, Outer Limits? Kein Wunder, dass Pythagoras sich so in die Harmonielehre reinsteigern konnte). Ich will nur sagen, dass -24-
ich etwas hören kann, das nicht da ist, dass ich etwas sehe und spüre, das ich normalerweise nicht sehe und spüre, und zu begreifen beginne, dass es doch so was wie die unsterbliche Seele gibt, und wenn nicht, dann zumindest ein verbindendes Bewusstsein bei allen Menschen: dass unser Leben zwar kurz ist, aber einen Sinn hat. Ob es abgesehen davon viel ändert, weiß ich nicht genau. Ich werde mir dieses Zeug trotzdem nicht zu oft anhören, man weiß ja nie.
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»Samba Pa Ti« - Santana
»Samba Pa Ti« ist eigentlich ein Instrumental und kein Song, aber als es mir während einer entscheidenden Phase meiner Pubertät zum ersten Mal begegnete, sprach es zu mir genauso beredt, als hätte es einen Text: Ich war davon überzeugt, dass es Sex beschrieb. Genauer gesagt, »Samba Pa Ti« wollte ich hören, wenn ich meine Unschuld verlor - wenn nicht von Platte, dann doch in meinem Kopf. Es beginnt langsam und geheimnisvoll und schön, dann wird es drängender und dann - tja, dann klingt es aus. (Das Stück ist übrigens vier Minuten und siebenundvierzig Sekunden lang, aber ehe ich mich dem Vorwurf der Angeberei aussetze: Ich hatte geplant, dass wir während des langsamen Teils noch andere Dinge tun würden küssen, ausziehen, vielleicht nach dem Kino auf den Bus nach Haus warten -, daher hoffte ich zuversichtlich, bis zum Ausklingen durchzuhalten.) Damals hatte ich noch nichts gehört, das sich besser als Soundtrack zum Sex geeignet hätte; tatsächlich bin ich mir nicht mal ganz sicher, ob es von irgendwas zu schlagen wäre, das ich seit damals kennen gelernt habe. Es werden dauernd alle möglichen Musikstücke als »sexy« bezeichnet, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass man sich beim Sex davon begleiten lassen möchte. Die meisten Stücke sind eigentlich eher Sexersatz als die musikalische Begleitung dazu - Musik für Leute, die keinen Sex zu erwarten haben (oder erst wenn sie zu Hause sind). Könnte man zu »Let's Get It On« ficken, ohne zu lachen? (Nicht, dass irgendwas Falsches daran wäre, beim Sex zu lachen, aber ich vermute, dass Lachen nicht die Reaktion ist, auf die Marvin hoffte. Wenn Sie lachen möchten, steigern Sie Ihr amouröses Vergnügen doch gleich durch »I Have a Pony« -26-
von Steven Wright oder »Disco Duck« von Rick Dees.) Und selbst wenn Sie das ohne Lachkrampf durchstehen, gelingt Ihnen das auch noch bei »If I Should Die Tonight«, dem dritten Track auf dem Album? Meinetwegen, wahrscheinlich sind Sie dann schon fertig, aber höchstwahrscheinlich haben Sie die Musik noch nicht ausgemacht, was bedeutet, dass Sie mit Ihrer Freundin, Ihrem Freund oder jemandem, den Sie kaum kennen, daliegen, während Marvin Ihnen erzählt, dass der Sex, den Sie gerade hatten, höchstwahrscheinlich für den Rest Ihres Lebens nicht mehr überboten werden kann - dass Sie genauso gut gleich aus diesem irdischen Jammertal abtreten können, schließlich kann jedes nachfolgende Erlebnis nur noch eine Enttäuschung sein. Diese Bürde ist für jedes Paar zu schwer und lähmt sicherlich die üblichen postkoitalen Aktivitäten (schlafen, das Suchen nach den Socken oder der Fernbedienung, den Austausch falscher E-Mail- Adressen etc.) »Do Me Baby« von der Prince-LP Controversy ist einer der sexuell explizitesten und dabei wahrhaft erotischen Songs, die je gemacht wurden, aber kein bisschen weniger problematisch als »Let's Get It On«. Zunächst einmal gibt es da nach dem Höhepunkt (krachende Klavierakkorde, Gestöhne, Seufzer und so weiter) eine Stelle, wo er plötzlich sonderbar wird und davon anfangt, dass ihm »soooo cold« sei, was einen sehr wohl rausbringen kann, es sei denn, man hat selbst ein furchtbar schwindsüchtiges Oberbett. Und auch wenn das nächste Stück auf dem Album, »Private Joy«, nicht gerade das ist, was man in einem intimen Moment hören möchte, geht damit wenigstens die erste Seite von Controversy zu Ende, wenn Sie die LP haben; wenn Sie es auf CD haben, finden Sie sich in der misslichen Lage, dass Sie versuchen müssen, fleischliche Freuden zu spenden und zu erhalten, während Prince »Ronnie, Talk To Russia« singt - eine Aufforderung, die keine Spur von Dringlichkeit mehr besitzt - erst recht nicht beim Sex. Man fragt sich, was Prince sich dabei gedacht hat, als er die Reihenfolge -27-
der Stücke festlegte. Vermutlich etwas in der Richtung: »Ich geb ihnen fünf Minuten, um zu Atem zu kommen, dann werden sie wieder Lust haben, über den bevorstehenden Weltuntergang nachzudenken.« Es war unvermeidlich, dass ich meine Unschuld nicht zu »Samba Pa Ti« verlor. Stattdessen hörten meine bedauernswerte Freundin und ich die zweite Seite von Rod Stewarts Smiler, damals meine Lieblingsplatte; auf Seite 2 sind, wie ich heute feststellen muss, »Hard Road«, »I've Grown Accustomed to Her Face« und »Dixie Toot«. In einer perfekten Welt hätte es dazu selbstverständlich niemals kommen können.
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»Mama You Been On My Mind« - Rod Stewart
Wir hörten uns die zweite Seite von Smiler an, weil ich in jener Zeit ein großer Rod-Stewart-Fan war. Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, aber 1973 Rod Stewart zu mögen war so ziemlich dasselbe wie 1994 Oasis oder 1989 die Stone Roses - mit anderen Worten, es machte einen nicht zum coolsten Jungen der Klasse, aber es war bestimmt nichts, dessen man sich schämen musste. Das Tolle an Cameron Crowes Film Almost Famous ist, dass er diese Tatsache würdigt und Rod den schuldigen Tribut zollt; als die Band mit dem Bus losfährt, hören alle »Every Picture Tells a Story«. Das ist so ziemlich das Einzige, was ich zu seiner Verteidigung anführen kann, denn innerhalb weniger Jahre kam jede Menge zusammen, für das man sich schämen musste: Britt Ekland zum Beispiel. Und etliche andere, austauschbare blonde Frauen, die nicht Britt Ekland waren, aber hätten sein können. Und »D'Ya Think I’m Sexy«. Und »Ole Ola«, der schottische WM-Song von 1978 (der Refrain ging: »Ole ole, ole ola/We're going to bring the World Cup back from over thar«). Und seine L.-A.-Besessenheit und der Champagner und die Strohhüte auf den Plattencovern und das gezeichnete Cover von Atlantic Crossing und das Livealbum der Faces (am Schluss von Seite 2 hört man, wie Stewart mit gemeinem Hohn sagt: »Thank you for your time... and your money«) und der Session-Musiker-Sub-Stones-AllzweckStampfrock, den man auf jedem seiner Post-Faces-Werke findet, Hot Legs ist die Schablone dafür... »Das ist mal einer, der dich nie enttäuscht«, kommentierte ein Freund einst trocken, als ich ihm meine Schwäche eingestand, und es ist wahr, dass Rods Weste keineswegs blütenweiß ist. Dennoch verdanke ich ihm viel. Auf seinen ersten vier oder fünf Soloalben waren die ersten -29-
Balladen, die ich lieben lernte - »Country Comfort«, »Tomorrow Is a Long Time«, »Handbags And Gladrags«, »Reason to Believe«, »I'd Rather Go Blind«, die Liste ist lang -, und noch heute höre ich lieber Balladen als alles andere. Und er war der erste Sänger, der mich lehrte, dass Interpretation eine Kunst ist: Seine besten Songs waren mit schöner Regelmäßigkeit Coverversionen, und ich war immer davon ausgegangen (ich war schon ein Musiksnob, ehe ich mich damit auskannte), dass Coverversionen irgendwie unauthentisch und zwangsläufig minderwertig waren - dass nur die Originale wirklich zählten. Aber als ich in diese Originale reinhörte, musste ich zu meiner Verwirrung feststellen, dass er sie ziemlich oft verbessert hatte. Er war selbstredend kein besserer Sänger als Sam Cooke, aber Stewarts Version von »Bring It on Home to Me« hatte eine Ra uheit und einen Swing, den ich bei Cookes Version nicht hören konnte, und Dylans »Mama You Been On My Mind« wirkte auf mich wie reines Geklampfe - ein exquisites Geklampfe mit einem von Dylans wunderbarsten und schlichtesten Texten, aber eben doch geklampft. Stewarts offenkundige Liebe zu dem Song rettet ihn oder bringt ihn zumindest besser heraus: Während Dylan ihn nur so hinwirft und damit andeutet, dass er noch wer weiß wie viele davon auf Lager hat, adelt Stewarts Reverenz den Song, verleiht ihm eine epische Qualität, die ihm Dylan nicht zugesteht. Ich würde sagen, heute gefallen mir beide Versionen gleich gut, aber wäre Stewart nicht gewesen, wäre mir nie aufgefallen, dass es da etwas zu entdecken gibt. Zu den Platten, die ich nur dank Rod Stewart besitze, gehören Bobby Blands His California Album, von dem sich Stewart »It's Not the Spotlight« entliehen hat (und obwohl die Coverversion blasser und weniger prickelnd ist, hat sich Stewart klugerweise entschieden, Blands wirklich eher unschönes gurgelndes Räuspern wegzulassen); meine gesamte Bobby-Womack-30-
Sammlung (Stewart hat sich meines Wissens nie an einem Womack-Song versucht, aber er hat ein paar von ihnen abgekupfert und erwähnte Womack ständig in Interviews); Chuck Berry's Golden Decade, The Temptations' Greatest Hits, Sam Cooke's Golden Greats. Ich lernte die Isley Brothers kennen (»This Old Heart Of Mine«), Aretha Franklin (»You Make Me Feel Like a Natural Woman/Man«) und Crazy Horse (»I Don't Want to Talk About It«). Und nachdem ich Aretha, Bobby Bland und die Temptations kennen gelernt hatte, wurde ich durchgereicht zu B. B. King und den Four Tops, zu Atlantic und Chess und... Die Sachen sind alle ziemlich gut; es wäre grässlich, wenn ich sie nicht entdeckt hätte. Wäre ich damals auf ähnliche Weise in Elton John, Jethro Tull oder Mike Oldfield vernarrt gewesen, die alle um etwa dieselbe Zeit um meine Aufmerksamkeit buhlten, würde ich heute möglicherweise gar keine Musik mehr hören. Es scheint mir nämlich, dass diejenigen der Popmusik am längsten treu bleiben, die sich in jungen Jahren jemandem wie Stewart anschlossen, jemandem, der eindeutig selbst Fan war. Wer auf die Stones stand, machte, sofern er Wert darauf legte, Bekanntschaft mit Arthur Alexander und Solomon Burke und Don Covay (und wer Jagger mag und Covay noch nicht gehört hat, sollte das schleunigst nachholen - das macht Spaß, es sei denn, Sie haben sich felsenfest darauf verlassen, dass Jagger tatsächlich das Original ist). Zeppelin-Fans könnten dazu bewegt worden sein, mal in Muddy Waters und Howlin' Wolf reinzuhören. Die Vorläufer von Yes und Genesis waren Pink Floyd, ansonsten gab es davor nicht viel, und wenn ich jetzt zurückdenke, war das mit ein Grund, warum ich sie nicht besonders mochte. Die Musik erschien mir luftleer und synthetisch, und schon damals hatte ich das Gefühl, als würden die ganzen Prog-Rocker lieber klassische Musik machen, als sei Pop irgendwie unter ihrer Würde. Sie führten einen in eine Sackgasse, da ging es nicht weiter. -31-
Elvis Costello, ebenfalls ein alter Rod-Stewart-Fan, hat sich erst kürzlich als Produzent angeboten, um Stewart so einen Weg zur Wiedergutmachung zu eröffnen. Ich hege denselben Wunsch. Ich würde gerne die Songs aussuchen (ich hab da schon ein paar Ideen, aber das sind natürlich Geschäftsgeheimnisse), und eine kongeniale Band, eine Gruppe von Musikern könnte an diesen zusammengeschusterten, folkigen Stomp von »Every Picture Tells a Story« rankommen... ich schätze, ich könnte ein paar ganz gelungene Sachen aus ihm herausholen. Vielleicht könnten Elvis und ich zusammenarbeiten - das Gefummel an den Reglern müsste er allerdings übernehmen, darin bin ich nicht besonders gut. Aber andererseits, was hätte Rod davon? Er ist ja bis jetzt ganz gut ohne uns klargekommen.
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»Can You Please Crawl Out Your Window?« - Bob Dylan »Rain« - The Beatles Mir ist klar, dass ich mich verraten habe, indem ich keinen Unterschied zwischen der Rod-Stewart-Version einer DylanNummer und dem Dylan-Original gemacht habe: Ich bin kein großer Fan von Dylan. Ich habe selbstverständlich Blonde On Blonde und Highway 61 Revisited. Und Bringing It All Back Home und Blood On the Tracks. Diese vier besitzt jeder, der Musik mag. Und ich war neugierig genug, mir The Bootleg Series 1-3 zu kaufen, und das Livealbum, von dem wir heute wissen, dass es nicht in der Royal Albert Hall aufgenommen wurde. Die Kritiken von Time Out of Mind und Love and Theft haben mich veranlasst, auch für diese beiden Geld auszugeben, obwohl ich nicht behaupten könnte, dass ich sie oft höre. Biography hab ich mir mal zum Geburtstag gewünscht, mit der und den Bootleg-Series besitze ich also zwei Boxed Sets von Dylan. Außerdem entdecke ich, als ich jetzt nochmal nachsehe, auch noch World Gone Wrong, The Basement Tapes und Good As I Been to You, obwohl ich vermute, dass ich die eher wegen Greil Marcus, der so überzeugend und brillant über Dylans Folk- und Blueswurzeln geschrieben hat, als aufgrund meiner Dylanophilie besitze. Irgendwann hab ich mir auch Street Legal, Desire und John Wesley Harding zugelegt. Ach ja, und ich habe mir Oh Mercy gekauft, wegen des fantastischen »Most of The Time«, das auch auf dem High-Fidelity-Soundtrack ist. Ich habe also rund zwanzig Dylan-CDs im Regal stehen; tatsächlich habe ich von Dylan mehr Alben als von jedem anderen. Manche Leute - meine Mutter etwa, die wahrscheinlich alles in allem keine zwanzig CDs besitzt würden sagen, ich sei ein fanatischer -33-
Dylan-Anhänger, aber ich kenne einige Dylan-Fans, und die würden mich nicht als Artgenossen akzeptieren. (Ein Freund von mir ist während der Arbeit fast den ganzen Tag auf der Dylan-Website »Expecting Rain« eingeloggt - als wäre diese Website CNN und Dylans Karriere der Mittlere Osten -, und er besitzt hundertdreißig Dylan-Alben, inklusive einer 14-CD-Box von allem, was Dylan 1965 aufgenommen hat, abgesehen von stellen Sie sich vor - Highway 61 Revisited, der einzigen der 1965 aufgenommenen Sachen, die ein Mensch, der ganz bei Trost ist, besitzen möchte. Er ist ziemlich begeisterungsfähig.) Ich kann die Songtexte nicht in voller Länge zitieren - nur die ein oder andere Zeile. Ich halte Dylan nicht für wichtiger oder talentierter als Elvis Presley, Marvin Gaye, Bob Marley oder diverse andere bedeutende Künstler. Ich habe keine Meinung dazu, ob er ein Dichter ist, und will mir erst recht kein Urteil darüber anmaßen, ob er ein besserer Dichter ist als irgendein anderer Dichter, ich besitze keine Bootlegs, ich habe nicht das Verlangen, ihn nochmal live zu sehen (ich habe ihn zweimal gesehen, und das war mehr als genug), ich habe keine Theorien über auch nur einen einzigen seiner Songs... Ich mag einfach ein paar der Melodien, und das, hat man mir eingetrichtert, REICHT NICHT AUS. Es gibt eine sehr intelligente englische Künstlerin namens Emma Kay, die eine Serie von Arbeiten gemacht hat, die ganz aus ihren (mündlichen) Erinnerungen an Shakespeare-Stücke bestehen. Müsste ich das Gleiche mit dem Leben Bob Dylans machen, käme dabei folgende Liste heraus: Zimmerman Hibbing, Minnesota New Yorker Coffee Houses Joan Baez (Aber was war mit ihr? Ich bin nicht sicher.) The Band, vormals The Hawks. Elektrisch verstärkt. -34-
»Judas!« Motorradunfall. Danach nie wieder so gut gewesen. (Stimmt das? Ich fürchte, dass ich den Unfall vielleicht mit Elvis' Militärzeit verwechsle.) Sarah (Sarah wer? Keine Ahnung.) Scheidung. Eyeliner Christentum Farm Aid Viele Tourneen Damit weiß ich für meinen Geschmack schon viel zu viel. (Warum um Himmels willen kenne ich Dylans Heimatstadt? Und warum muss ich mich daran erinnern, dass er von seinem verdammten Motorrad gefallen ist?) Ich werde nicht versuchen, zu William Shakespeare eine ähnliche Liste zu machen, weil ich mich damit blamieren würde, ich sage nur, dass sie über Stratfordupon-Avon, Anne Hathaway und ihr Cottage, das Globe Theatre und die Dark Lady nicht weit hinausgehen würde. Jane Austen: Bath. Unverheiratet. War offenbar irgendwann mal im Haus meiner Schwester, wenn auch geraume Zeit, bevor meine Schwester dort einzog. (Das kommt doch wohl ungefähr hin, oder? Von den Jahreszahlen her.) Selbstverständlich ist es einzig und allein meine Schuld, dass mein Wissen über unsere großen Dichter so lückenhaft ist. Aber für mein Wissen über das Leben des Bob kann ich nichts. Das verdanke ich allen möglichen Leuten: Freunden, Musikjournalisten, Universitätsprofessoren, Lektoren meines Verlags. Man kann ihm kaum entgehen - hauptsächlich deswegen, weil sein Status als großer Dichter es einem gestattet, ihn zu mögen, ohne die Anwandlungen von intellektueller Verunsicherung auszulösen, die üblicherweise mit der Verehrung eines Popstars einhergehen. -35-
Ich schätze, genau das geht mir gegen den Strich. In diesem Buch gibt es nur rein oder raus, und wenn man drin ist, dann ist man richtig drin und räumt dem trivialen Unsinn - »Mmmm Bop« und »Judy Is a Punk« - einen ebenso großen Platz in seinem Herzen ein wie dem Zeug, das zur Not auch als Dichtkunst durchgehen würde. Natürlich würde ich von niemandem verlangen, »Mmmm Bop« einen ebenso großen Platz in seinem Kopf einzuräumen, aber zum Teil ist genau dies das Problem: Die beste Musik spricht die Seele an, nicht den Verstand, und irgendwie befürchte ich, dass die ganze DylanVerehrung in gewisser Weise antimusikalisch ist - dass sie uns weismacht, das Herz würde nicht zählen, dass es nur auf den Verstand ankommt. An anderer Stelle in diesem Buch werden phantasievolle Parallelen zwischen Literatur und Musik gezogen, insbesondere zwischen Romanen und Songs, aber es ist nun mal so, dass sich ein großartiger Song viel schneller erschöpft als ein großartiger Roman, und ich habe - unter anderem wohl auch, weil mich Dylan als Dichter nicht interessiert - aus Bob alles herausgeholt, zumindest das an Bob, was mich interessiert. Ich wünschte, es wäre anders; Dylan-Songs haben eine Dichte und ein spezifisches Gewicht, wie man es sonst nirgendwo findet. Aber noch mehr, als ich bedaure, alles von Wert (oder von Wert für mich) herausgeholt zu haben, bedaure ich, dass ich keins dieser Stücke im richtigen Alter, in dem richtigen Jahr gehört habe. Wie mag es gewesen sein, »Like a Rolling Stone« 1966 im Alter von neunzehn oder zwanzig zu hören? 1976, als ich neunzehn war, habe ich »White Riot« und »Anarchy in the UK« gehört, aber die enorme Wucht, die diese Stücke damals hatten, ist mittlerweile fast gänzlich verloren gegangen. Ihre Schockwirkung verdankten sie zum großen Teil ihrer Lautstärke, Geschwindigkeit und Kürze, und folglich wurden im Anschluss Platten immer lauter, schneller und kürzer; wenn man sich die beiden Songs jetzt, ein Vierteljahrhundert später, anhört, -36-
ist das, wie Filmaufnahmen von einem Rennen mit Jesse Owens zu sehen. Man sieht zwar, dass er seine Rennen gewonnen hat, aber jeder Eindruck von Tempo ist durch Maurice Greene weggewischt worden. »Like a Rolling Stone« klingt jedoch immer noch perfekt. Es klingt nur nicht mehr frisch. Im viktorianischen London pflegte man auf Seancen Phosphor abzubrennen, um Geister sichtbar zu machen, und ich hege den Verdacht, dass das Äquivalent in der Popmusik dazu unsere Versessenheit auf B-Seiten, alternative Versionen und unveröffentlichtes Material ist. Wenn man heute Dylan oder die Beatles in ihrem unverwechselbar eigenen Sound und auf dem Höhepunkt ihres Schaffens hört - aber unverwechselbar in einer Weise, die wir nicht schon tausend, Millionen Mal gehört haben -, dann erlebt man ein kurzes, aber elektrisierendes Aufblitzen ihres Genies, und näher kommen wir Spätgeborenen der Erfahrung nicht, wie es gewesen sein muss, als diese tollen Songs einem plötzlich aus dem Radio entgegenschallten, und das zu einer Zeit, in der man Derartiges nicht erwartete. Ich sehe ein, dass »Can You Please Crawl Out Your Window« einer der unwichtigeren Dylan-Songs ist, eine von seinen knurrigen (und nicht gerade poetischen) Abfuhren, aber er stammt aus meiner Lieblingsperiode (elektrisch verstärkt, mit diesem frischen, klaren Orgelsound), und da ich ihn nicht schon eine Millionen Mal gehört habe, mogelt er sich plötzlich auf meine Autokassetten. Und »Rain« ist ein großartiges Beatles-Stück aus einem großartigen Jahr in ihrer Karriere, ein Jahr, in dem Oasis sich die letzten zehn Jahre einzurichten versucht haben, und es ist wunderbar, sich einen Lennon/McCartney-Song anzuhören, dem nicht schon das ganze Mark ausgesogen worden ist. Ich werde beide Stücke irgendwann satt haben - sie halten einfach nicht lange genug vor, um bis in alle Ewigkeit ihr Geheimnis und ihre Magie zu wahren. Aber noch tun sie es.
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»You Had Time« - Ani DiFranco / »l've Had It« - Aimee Mann Man sollte meinen, dass nachdenkliche Stücke über das Leben im Musicbiz - über die Qualen und Freuden einer begabten, aber noch erfolglosen Singer-Songwriterin (»I've Had It«) oder über die Schwierigkeit, eine Beziehung und eine Rock-'n'-RollKarriere unter einen Hut zu kriegen (»You Had Time«) - das Letzte wären. Man sollte meinen, diese Art Songs würde nach Selbstverliebtheit stinken oder einen Mangel an Phantasie, Kreativität und Einfühlungsvermögen verraten; man sollte meinen, dass Mann und DiFranco schon drei Viertel des Weges hinter sich haben, der zu Songs über Room-Service, Bierstände und die Beschränktheit von lokalen Radiomoderatoren führt. Wie kommt es dann, dass diese beiden zu den bewegendsten und schönsten Musikstücken zählen, denen man auf einem Popalbum begegnen kann? »You Had Time« macht es sich selbst noch zusätzlich schwer: Es beginnt mit einem über zwei Minuten langen, offenbar optimistischen und gelegentlich disharmonischen Klaviergeklimper. Ich weiß, ich weiß - weder »Baby, Let's Play House« noch »Hit Me Baby One More Time« beginnen mit Klaviergeklimper, und wenn es so wäre, wären es keine guten Songs und hätten mit Pop nicht viel zu tun. DiFrancos Song ist äußerst ambitioniert, denn er beschreibt - oder tut zumindest so, als beschriebe er - seine eigene Erschaffung: Wie er seine eigene Funktionsweise darlegt, würde jeden Mathelehrer begeistern. Anfangs klingt das Geklimper impressionistisch, wie Klangfetzen aus dem Soundtrack eines künstlerisch anspruchsvollen, aber auch emotionalen Films - vielleicht Wenn die Gondeln Trauer tragen, weil das Klavier so düster und nach Kirche klingt; man kann sich vorstellen, wie Donald Sutherland und Julie Christie trauernd und ziellos durch das kalte Venedig -38-
laufen. Aber dann lebt es plötzlich auf, wenn DiFranco entdeckt, dass sie auf dieses hinreißende kleine Riff gestoßen ist, das Rückgrat des Songs. Sie ist noch nicht ganz am Ziel, weil sie noch nichts gefunden hat, was sie mit ihrer linken Hand anstellen kann, daher wird noch ein bisschen herumprobiert, dann arbeitet sie wie durch Zauberei (obwohl wir natürlich wissen, dass der Zaubertrick lediglich harte Arbeit und Talent sind) einen Kontrapunkt heraus, dann hat sie es. Sie feiert die Geburt des Songs, indem sie das Klavier Klavier sein lässt und das Stück vernünftig auf der akustischen Gitarre spielt - die beiden Instrumente gehen bewusst so unglaubhaft nahtlos ineinander über, als wollte sie, dass wir es als Metapher für den künstlerischen Prozess, nicht als den kreativen Prozess selbst begreifen. Die Idee ist entzückend, so stellt sich ein Fan vor, wie Musik erschaffen wird; genau deswegen wäre ich gerne Musiker, weil ein Teil von mir glaubt, ein Song würde auf eben diese Weise geboren, genau wie Menschen, die selbst nicht schreiben, manchmal glauben, wir Schriftsteller seien völlig abhängig davon, dass uns die Muse küsst. Und dankenswerterweise enttäuscht der fertige Song einen nicht: »You Had Time« ist vielleicht der sanfteste und großmütigste Song über das Ende einer Beziehung, den ich kenne. (Und so wie das Intro die Wunschvorstellung eines talentlosen Fans von musikalischer Kreativität ist, entspricht diese Großmut der Vorstellung eines liberalen Heterosexuellen davon, wie nett lesbische Frauen miteinander umgehen, selbst wenn ihre Beziehung scheitert. Während Hetero-Männer nach außen Gleichgültigkeit heucheln und insgeheim Rachepläne schmieden und Hetero-Frauen den Schritt aus teuren Hosen herausschneiden, fallen sich lesbische Frauen in die Arme und schwören sich unter Tränen ewige Freundschaft. In Wirklichkeit ist das natürlich beleidigender Nonsens - auf den es leider nur eine einzige intelligente Erwiderung gibt, nämlich die, anzuerkennen, dass Schwule genauso gewalttätig, unangenehm, -39-
scheinheilig, rechthaberisch und gedankenlos sind wie alle anderen -, aber »You Had Time« ist so sanftmütig, dass es zu derart peinlichen Stereotypisierungen verführt.) Zum Teil bezieht »You Had Time« seine Eindringlichkeit daraus, dass der Song im Gegensatz zu den meisten Stücken über Trennung, bei denen das gebrochene Herz im Vordergrund steht, von Unschlüssigkeit und Stillstand handelt. Die Erzählerin ist gerade von einer Tournee zurückgekommen; da sowohl ihre Finger wie ihre Stimme gelitten haben, müssen wir annehmen, dass sie Gitarristin und Sängerin ist (entschuldige, Ani, wenn wir vorübergehend Fiktion und Autobiographisches durcheinander werfen). Wie sich herausstellt, sollte sich die Erzählerin während dieser Tour über die Zukunft ihrer Beziehung klar werden, und der Titel des Songs ist eindeutig die vorhersehbare und legitime Retourkutsche ihrer Lebensgefährtin auf die uralten Ausflüchte. Na, jedenfalls, sie hatte so viel Zeit und konnte sich dennoch nicht entscheiden - dabei, lässt der Song durchblicken, hat sie das längst getan: Sie weiß, dass es vorbei ist. In einem einzigen wunderbar schlichten und sehr traurigen Zweizeiler sagt die Erzählerin: »You are a china shop and I am a bull/You are very good food, and I am full«... Sehen Sie, was ich mit Großmut meinte? Hätten sich viele von uns nicht besser gefühlt, wenn das jemand zu uns gesagt hätte, als wir in die Wüste geschickt wurden? Das Stück endet jedoch verträumt, es ist noch nichts entschieden, zumindest nach außen hin, und ich glaube nicht, dass DiFranco je wieder einen auch nur halb so durchdringend hübschen oder bewegenden Song schreiben wird. Manns Stück handelt direkter von Arbeit und ist, schließe ich aus der Detailfreude, unverblümt autobiographisch; ein anekdotischer Ausschnitt, der so lange bearbeitet und ausgeschmückt wurde, bis darin mehr mitschwingt, als ihm eigentlich zukommt. Mann und ihre Band trudeln zu einem Gig in New York ein, ein Gig, von dem sich, wie es scheint, keiner -40-
viel verspricht, doch »something strange occurs«: Der Band mag zwar kein Erfolg beschieden sein, aber dennoch findet an dem Abend so etwas wie eine musikalische Offenbarung statt. Ein fröhliches Stück ist es nicht - Mann zieht es vor, die Epiphanie als Ironie (und das ist nun unser größter Moment?) und nicht als Erlösung aufzufassen, und das macht »I've Had It« zu einem Stück vom Triumph bitterer Showbiz- Erfahrungen über die Hoffnung. Ich höre mir »I've Had It« recht oft an, und manchmal finde ich das anklingende Selbstmitleid im Text ungeheuer tröstlich (Selbstmitleid ist eine unedle Regung, aber wir alle kennen es, und die orthodoxe Kritikermeinung, es sei eine Art künstlerischer Formfehler, ist fragwürdig, eine »emotional correctness« sozusagen.) Dennoch hat die atemberaubende melodische Kraft dieses Songs etwas Verstörendes. Die Frage ist: Was war zuerst da, die Melodie oder der Text? Denn wenn es die Melodie war, fragt man sich, wieso Mann meinte, dass zu einer Musik, die so erhaben ist, am besten ihr musikalischer Leidensweg passte? Gab es nie eine Trennung, ein Elternteil oder eine Kindheitserinnerung, die ihr mehr bedeuten? (Ihr Stück »Ghost World« enthält zufällig eine Zeile, die sie als sehr talentierte Autorin ausweist: »Everyone I know is acting weird or way too cool/They hang out by the pool/So I just read a lot and ride my bike around the school.« Mit diesen wenigen Worten schafft sie das Gleiche wie bestimmt siebenhundert kürzlich veröffentlichte, semiautobiographische und gefühlsbetonte Erstlingsromane.) Und wenn der Text zuerst da war, sollen wir daraus schließen, dass einzig und allein ihr Werdegang dieses Maß an musikalischer Inspiration hervorbringen konnte? Mich irritieren beide Möglichkeiten und lassen mich zweifeln, ob ich meiner Begeisterung für dieses Stück wirklich trauen soll. Das kann einem bei Popmusik natürlich passieren - alle möglichen Leute können eine ordentliche Melodie aus dem Ärmel schütteln und haben ihr -41-
dann nichts Besseres mitzugeben als ein paar schäbige, abgegriffene Zeilen über fliegende Adler und sterbende Liebe aber was mich so beeindruckt, ist, dass Mann scheinbar unfähig ist, ihr Talent für Melodien zu zügeln und zu kontrollieren. Das ist vielleicht der Fluch des Business. »Alle Kunst strebt kontinuierlich den Zustand von Musik an«, sagt Walter Pater in einer der wenigen Kritikerzeilen, auf die ich je etwas gegeben habe (wenn ich Musik schreiben könnte, hätte ich mich nie mit Büchern aufgehalten); Musik ist eine so reine Form, sich darzustellen, und Texte sind, da sie aus Wörtern bestehen, so unrein, dass Songwriter, selbst so großartige wie Mann, die beides können, die Erfahrung machen müssen, dass Worte einen immer im Stich lassen. Eine Hälfte ihrer Kunst strebt ständig nach dem Zustand der anderen Hälfte - es muss schon seltsam sein, sich so göttlich inspiriert und so menschlich unzulänglich vorzukommen. Vielleicht können nur Songwriter ungefähr ermessen, wie Jesus sich an einem miesen Tag gefühlt hat. Aber welches Thema eignet sich für einen Song? Songs und Bücher unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht, aber Songschreiber wie Romanschriftsteller suchen nach Material, das eine vielschichtigere Bedeutung hat, etwas, das Widerhall und ironische Brechungen und Substanz und Verwicklung beinhaltet, etwas, das sowohl zeitgebunden wie zeitlos ist und, im Fall des Popsongs, vielhundertfaches Abspielen und womöglich noch ein paar Werbespots für Margarine unbeschadet übersteht. Manchmal überstehen Songs die raue Behandlung durch Fans und Radiosender beinahe ohne ihr eigenes Zutun, weniger durch Cleverness, als durch reines Glück. The Clash hätten vermutlich nie gedacht, dass die Leute noch einige Jahrzehnte später »Complete Control«, eine Attacke gegen ihre Plattenfirma, die gegen ihren Wunsch eine Single veröffentlicht hatte, nachvollziehen können würden (man kann sich kaum eine weniger viel versprechende Eröffnungszeile für einen Song denken, als »They said release ›Remote Control‹«), -42-
aber er sagt immer noch etwas über Naivität, Zynismus und künstlerische Ohnmacht aus. Selbst »Nelson Mandela« klingt kein bisschen blöd, obwohl dieser große Mann mittlerweile frei ist. Das Stück würdigt ein Leben - ein großartiges Leben, ein wichtiges Leben, ein gut gelebtes Leben - und geht daher mühelos und freudig über den Kernpunkt seines Protestes hinaus. Nils Lofgrens »Keith Don't Go« wiederum ist ein Stück, das den Rolling-Stones-Gitarristen beschwört, 1977 nicht nach Toronto zu reisen, weil er dort wegen einer Drogensache verhaftet worden wäre; das ist kein Fall, in den man schrecklich viel Energie hätte investieren mögen, selbst damals nicht (nicht zuletzt, weil Keith ja nichts weiter tun musste, als, na ja, einfach nicht hinzureisen), und es ist kein Song, der in den Jahren danach irgendwelche verborgenen Tiefen offenbart hätte. Der begnadete australische Komiker Norman Gunston sang immer Liza Minellis »I’m Liza With a Z« und konnte sich nie genug darüber wundern, dass nicht mehr Leute den Song gecovert haben - vielleicht fragt sich Nils ebenfalls vergeblich, warum »Keith Don't Go« ihm nicht die erhofften Tantiemen eingebracht hat. Letztendlich sind es Liebeslieder, die sich am besten halten. Songs über Arbeit sind gut. Ebenso Songs über Flüsse, Eltern oder Straßen. Gute Songs über Kinder sind überraschend selten (ja, es ist schwierig, darüber zu schreiben, was man für sein Kind empfindet, ohne dass es den Leuten hochkommt, obwohl es Songwriter andererseits fertig bringen, absolut salonfähige, manchmal sogar atemberaubende Songs über hohlköpfige Models, die sie auf der Toilette eines Clubs kennen gelernt haben, zu schreiben). Von Songs über Haustiere lässt man besser die Finger. Songs über Drogen - besonders die Songs, die vordergründig von Mädchen handeln, »in Wirklichkeit« aber von Drogen - verlieren ihren Reiz, wenn man nicht mehr zur Schule geht und keinen mehr hat, den man über die verborgene Bedeutung aufklären kann. Und Witze überleben sich besonders -43-
schnell. Ich habe den Werken von Randy Newman, so brillant manche von ihnen auch sind, immer etwas ambivalent gegenübergestanden. Wie oft möchte man einen Song hören, der Bigotterie oder die Parteilichkeit der Politik des amerikanischen Kongresses satirisch aufs Korn nimmt? Sich Randy Newman immer wieder anzuhören ist so, als würde man zwei Mal im Jahr Früchte des Zorns lesen: Sosehr einen die Misere der amerikanischen Wanderarbeiter in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts auch interessiert, das Maß an seelischer und mentaler Energie, die man dafür einsetzen kann, ist sicherlich begrenzt. Aber die wahrhaft großen Songs, denen das Alter und die Golden-Oldies-Radiosender nichts anhaben können, handeln von unseren romantischen Gefühlen. Und das liegt nicht etwa daran, dass Songwriter etwas Neues zu dem Thema beitragen könnten; es liegt einfach daran, dass Liebesgeschichten mit ihren Tiefs und Wendungen, ihrer Schwermut und ihren Ekstasen, ihren Überraschungseffekten und ihren Verzückungen und ihrer Melancholie von Natur aus als Metapher für Musik selbst geeignet sind. Songs, die von komplizierten Dingen handeln - sagen wir von kanadischen Gerichtsbeschlüssen oder dem Mindestalter für sexuelle Kontakte zwischen Homosexuellen -, lenken die Aufmerksamkeit auf die inhärente Künstlichkeit des Mediums: Warum singt dieser Kerl? Warum schreibt er nicht einen Zeitungsartikel oder ruft bei einer Call- inSendung an? Und überhaupt, wie soll denn ein Mandolinensolo die missliche Lage der Eskimos erhellen oder veranschaulichen? Aber da es Brauch ist, über Herzensdinge zu schreiben, scheint die Sprache ihre Unbeholfenheit zu verlieren, transparent zu werden, sodass man durch die Worte hindurch ungehindert die Musik sehen kann. Mit anderen Worten: Songtexte über Liebe werden sozusagen zu einem weiteren Musikinstrument, was Liebeslieder irgendwie zu reinen Songs macht. Vielleicht macht das »You Had Time« so brisant: In unseren Trennungen steckt am Ende doch mehr Musik als in unserer Arbeit. -44-
»Born For Me« - Paul Westerberg
Das ist tatsächlich eine ernste Frage: Wie kann ein Mandolinensolo denn nun die Misere der Eskimos erhellen oder veranschauliche n? Ja, wie kann überhaupt irgendein Solo irgendeine Misere erhellen, sei es die Misere der Eskimos oder die Misere eines jungen Mannes, dessen Freundin hinter seinem Rücken mit seinem besten Freund ausgeht? Warum haben Worte plötzlich Pause, wenn der Gitarrist oder Saxophonspieler oder Violinist nach vorne tritt und seine Nummer bringt? Diejenigen von uns, die in den späten Fünfzigern geboren wurden und während der frühen Siebziger ihre Liebe zur Rockmusik entdeckten, haben ein gespaltenes Verhältnis zum Solo. Ich weiß noch, wie ich Grand Funk Railroad im Hyde Park gesehen habe und mit aus heutiger Sicht geradezu herzzerreißender Ernsthaftigkeit versuchte, das zwanzigminütige Schlagzeugsolo zu würdigen, zu mögen und zu verstehen; ein paar Jahre später, älter und weiser und in Spät-Teenager-PräPunk- und Anti- Bombast-Stimmung stahl ich mich während John Paul Jones' nicht enden wollendem Keyboard-Exzess beim Led-Zeppelin-Konzert am Earl's Court davon, ging auf eine Partie Poolbillard und ein Bier in einen Pub in der Nähe und kam gerade rechtzeitig zurück, um das Ende von Jimmy Pages Nummer mit dem Geigenbogen zu sehen, auf diese Weise hatte ich »Moby Dick« (»Das mit dem Schlagzeug«) komplett verpasst. Ich bereue es nicht. (Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, empfinde ich nicht nur keine Reue, der Abend lehrte mich auch eine der nützlichsten Regeln, einen der wenigen Ratschläge, die ich der jüngeren Generation mitzugeben habe: MAN DARF EINFACH RAUSGEHEN! Ich erinnere mich noch an das Schwindel erregende Gefühl der Erlösung, als wir in -45-
diesen Pub gingen, und hätte ich damals nicht das ZeppelinKonzert verlassen, wer weiß, ob ich je erfahren hätte, dass das überhaupt möglich ist. Oh, ich kenne Menschen, die rausgegangen sind, weil sie schockiert waren. Aber ich wusste nicht, dass es auch erlaubt war, wenn man sich einfach ein bisschen langweilte. Seit jenem Abend habe ich diese süße Erleichterung hunderte von Malen gekostet: Ich verließ Kinos, Konzerte und - natürlich - Theater. Sollten Sie während des ersten Akts eines Stücks neben mir sitzen und sich von meiner Zappelei gestört fühlen, seien Sie unbesorgt - nach der Pause komme ich nicht wieder. Und lassen Sie mich so viel verraten: Es geht nichts über den Geschmack von Pasta und einem Glas Wein um halb neun, wenn man geglaubt hat, nicht vor elf zum Essen zu kommen. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass John Paul Jones und sein Keyboard mein ganzes kulturelles Leben umgekrempelt haben.) Heutzutage nervt niemand mehr mit ausgewalzten Soli zumindest niemand, den ich live sehen möchte -, daher gehören alle Ängste vor DEM SOLO längst der Vergangenheit an. (Außerdem reden wir hier von Stücken, die in einem Tonstudio, nicht bei Liveshows aufgenommen sind, darum sind die Soli praktisch immer mit enthalten und stammen immer von einem Leadinstrument, nicht von Bass oder Schlagzeug.) Seitdem die Mitglieder von Grand Funk Railroad getrennte Wege gegangen sind (obwohl sie sich mittlerweile wahrscheinlich wie alle anderen auch wieder zusammengefunden haben), habe ich sogar gelernt, Soli zu lieben, und obwohl es natürlich möglich ist, einen tollen Song ohne irgendeinen Instrumental-Break zu finden, möchte ich behaupten, dass ein toller Song mit einem tollen Instrumental- Break per definitionem einem tollen Song ohne überlegen ist. Es gibt zwei Arten von tollen Soli. Die erste und verbreiteteste ist die, bei der ein brillanter (oder momentan inspirierter) Musiker nach vorne tritt und die vorgesehene Zahl -46-
von Takten phantasievoll wenn man Glück hat, sogar elektrisierend -, aber nicht notwendigerweise sinngemäß auffüllt. Am Ende von Steely Dans »Kid Charlemagne« beispielsweise gibt es ein Gitarrensolo von so außerordentlichem und gekonntem Überschwang, dass man sich wundert, wo es herkommt und was genau es eigentlich mit der trockenen Ironie des Songtextes zu tun hat; »Kid Charlemagne« ist ein typisch cleverer, boshafter Blick auf das Ende der Sechziger, aber das Solo, das den Song beschließt, ist der Sound reiner, ungetrübter Freude; die Gitarre springt dem Song auf die Schultern und katapultiert sich von da aus in die Wolken, und wenn das Stück ausklingt, weiß man, dass sie sie auch erreichen wird. Aber was der Sound reiner Freude mit »Kid Charlemagne« und dem Ende der Sechziger zu tun hat, bleibt unklar, und in der Stille zwischen diesem Stück und dem nächsten ist die Gitarre, mit der man dort allein gelassen wird, wie eine einzige, köstliche Geschmacksnote, die ein delikates Gericht leider vollständig überlagert. Freude kommt niemals unwillkommen, aber manche Songs freuen sich mehr über ihren Besuch als andere: Springsteens Gitarrensolo in »Thundercrack« (von Tracks) kommt ekstatisch aus einem bewusst extramisstönenden Kreischen angeschlittert, und obwohl Springsteen nicht der ausgebuffteste Gitarrist der Welt ist (und das Stück eigent lich gar kein Stück ist, sondern einfach der krachige Abschluss eines Auftritts), kriegt er diese Art von Streetpunkgeladener West-Side-Story-Ekstase mit links hin, und ich freue mich jedes Mal, wenn ich es höre. Aber meine Lieblingssoli sind solche, die irgendwie zeigen, dass der Solist den Song mitsamt Text, Musik und allem erspürt hat, den Song gefühlsmäßig erfasst und seinen Charakter verinnerlicht hat, wodurch das Solo nicht nur zu einer einfallsreichen Neuinterpretation wird, sondern seinen Beitrag zum Stück leistet, die Bedeutung und den Kern des Stücks artikuliert wie ein brillantes Beispiel angewandter Kritik. Dazu -47-
sind Soli eigentlich da, aber die meisten sind bestenfalls eine einfallsreiche Abwandlung der Melodie; nur sehr wenige machen den Eindruck, als wollten sie sich auf einen Dialog mit der Seele des Songwriters einlassen. David Lindley hat das auf den ersten paar Jackson-Browne-Alben spektakulär hinbekommen; Clapton gelang das immer wieder bei »Layla«, als er offenkundig heroinverseucht und außer sich vor Verzweiflung war - ein Schlag für alle unter uns, die weder von dem einen noch dem anderen Mythos über Kunst etwas halten. Sein Solo auf »Nobody Knows You When You're Down And Out«, ein schmerzlich empfundener und schlicht gespielter Break, der sich unaufhörlich aus einer klaffenden Wunde im Herzen des Songs selbst - nicht des Gitarristen, sondern des Songs - zu ergießen scheint, ist mir der liebste Moment im weißen Bluesrock. Clarence Clemons ist nicht gerade mein Lieblingssolist - wir haben ein und dasselbe Solo ein paarmal zu oft gehört -, aber wenn ich Bruce wäre, hätte ich geweint bei dem, was Clemons für »Lovers In the Cold« produziert hat (ein Born to Run-Outtake, das man im Internet finden kann), weil ich mich so durch und durch verstanden gefühlt hätte, weil jeder einzelne Sturzflug, jedes Aufkreischen des Saxophons Hingabe an den Geist des Songs und dessen Urheber beweist. Und das delirante Violinensolo in der Mitte von Mary Margaret O'Haras außergewöhnlichem »Body's In Trouble« verfällt japsend in einen Begeisterungstaumel, als stünde es am Rande eines dieser Ohnmachtskrämpfe, die Engländerinnen des neunzehnten Jahrhunderts angeblich in Florenz bekamen: Man findet nicht allzu viele Anfälle von ästhetischer Verzückung auf einem durchschnittlichen Pop-Folk-Album, aber dieser reißt beinahe den Song mit sich fort. Was ich an diesen Soli mag, ist, dass sie an so unerwarteten Stellen auftauchen können und noch nicht mal besonders gut gespielt sein müssen. Paul Westerberg, jedermanns liebstes verkanntes Genie, ist kein Pianist, aber sein Solo auf »Born For -48-
Me« ist einfach herrlich - vielleicht weil er den Song singt und geschrieben hat und weiß, wie er sich anfühlt, und damit auch, wie er sich für uns anfühlen soll. »Born For Me« ist eine ungeschliffene Ballade mit Einsamer- Loser-Lyrics à la Waits und einer ergreifend verzweifelten Melodie; das Solo wird im Wesentlichen mit einem Finger gespielt und setzt sich zumindest anfangs aus ganzen drei Noten zusammen, aber für mich klingt es großartig - nicht auf punkige DIY-Weise (obwohl man es, ehrlich gesagt, selber machen könnte, wenn man es einmal gehört hat), sondern auf eine seltsame, durch und durch musikalische Weise. Ein besserer Pianist hätte den Augenblick zerstört, die Lücken gefüllt und nicht erkannt, wie die Melodie den Zuhörer in ihren Bann gezogen hat; jemand, der wenig Talent und absolut kein Gehör hat, hätte einfach die falschen drei Noten ausgewählt. So wie man auch einfachsten und krudesten Pinselstrichen anmerkt, dass sie von einem echten Künstler stammen, kann ich mir dieses Solo nie anhören, ohne zu denken, dass es von einem geborenen Musiker gespielt wird keinem Virtuosen, nicht mal einem, der sich seinen Lebensunterhalt als Pianist in einer Cocktailbar verdienen könnte, sondern einfach von einem Menschen, der in Musik denkt, fühlt, liebt und spricht.
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»Frankie Teardrop« - Suicide / «Ain't That Enough« - Teenage Fanclub
Suicides »Frankie Teardrop« ist ein zehneinhalb Minuten dauernder, wahrhaftig erschreckender Industrial- Lärm, das akustische Äquivalent zu Eraserhead. Wie David Lynchs Film lässt es eine frostige, freudlose, monochrome Dystopie erstehen, nichts als markerschütternde Schreie und metallisches Klirren, obwohl ich mich zu erinnern meine, dass der Film gelegentliche Momente der Ruhe bot, ein gelegentliches Aufschimmern bizzarer, missgebildeter Hoffnung, während »Frankie Teardrop« nichts dergleichen anzubieten hat. Hier ist eine heitere, bereinigte Fassung der Geschichte: Frankie hat zwei Jobs, also kommt er eines Nachts verzweifelt nach Haus, bringt seine Frau und seine Kinder um, erschießt sich und landet in der Hölle. Wie Sie sich vielleicht schon denken können, müsste ich lügen, wenn ich behaupten würde, dass die zehn Minuten wie im Flug vergehen. Wenn Sie den Song nie gehört haben, aber immer noch kennen lernen wollen, nehmen Sie sich einen Abend Zeit, sehen Sie zu, dass Sie nicht allein im Zimmer sind (den Song über Kopfhörer zu hören endet übrigens fast zwangsläufig mit der Einweisung ins Irrenhaus), und nehmen Sie sich den folgenden Tag frei. »Ain't That Enough« von Teenage Fanclub hingegen ist eine geballte dreiminütige Ladung byrdsmäßiger Pop, voller Sonnenschein, Hooks, Harmonien und gutem Willen. Mir gefällt das Stück von Teenage Fanclub besser. Na ja - wie sollte es anders sein. Es ist gefälliger. Mit Melodie und allem Drum und Dran, und im Großen und Ganzen ziehe ich Stücke mit Melodie vor. »Frankie Teardrop« ist ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Werk, aber ich habe heutzutage keine Verwendung dafür; ich habe es mir früher gelegentlich angehört, als ich Mitte zwanzig und mein Leben ein anderes -50-
war, aber ich habe es seit grob geschätzt fünfzehn Jahren nicht mehr gehört und bezweifle, dass ich es mir irgendwann nochmal anhören werde. (Ich habe es mir nicht mal angehört, um hier darüber schreiben zu können, und hatte auch nicht den Eindruck, das sei unbedingt notwendig. Glauben Sie mir, die Erinnerung ist lebhaft genug.) Ich will mir von Kunst keine Angst mehr einjagen lassen. Es ist ein merkwürdiges Phänomen der Kritik, dass nur Kunstwerke, die »provozierend«, »verstörend« oder »bedrohlich« sind, überhaupt als erwähnenswert betrachtet werden. In meiner Tageszeitung steht heute ein Interview mit dem Filmemacher Todd Solonz, in dessen Film Happiness es um Pädophilie ging und der, wie es hier heißt, »einen zutiefst verstörenden Blick hinter die heuchlerische Fassade des amerikanischen Mittelstands« erlaubte - einen Blick, der sich mir, so Leid es mir tut, nicht erschlossen hat, als ich mir den Film ansah. Dann ist da ein Interview mit den Mitgliedern der englischen Band British Sea Power, die behaupten, dass »es viel mehr gibt, was man tun kann, als immer bloß Songs zu schreiben und zu singen«, und beim Fototermin psychotisch in die Kamera starren. Ein Review des Jackthe-Ripper-Films From Hell erscheint unter der Überschrift »Danger: menace at work«. Und ein Rapper namens Bubba Sparxxx wird von einem Journalisten abgekanzelt, es sei nicht gerade provokant, »über seine ländlichen Wurzeln zu reden«. (Tja, ist es nicht. Aber das ist, wie mir scheinen will, ein Mangel, der den meisten Gesprächsthemen innewohnt, es sei denn, man ist diesbezüglich schon heroisch fixiert und lässt sich jedes Mal, wenn man mit irgendwem Essen geht, über Nazis oder Gräueltaten irgendwelcher Terroristen aus. Reden gehört im Großen und Ganzen zu einer der ungefährlicheren Tätigkeiten.) Ich vermute, es gibt zwei Gründe, warum sich die Kritik so für Provokationen und Gefährlichkeit begeistert. Erstens haben Kritiker viele Bücher gelesen oder viele Filme gesehen oder viele Platten gehört, die zum größten Teil nichts sagend und nicht zu -51-
unterscheiden sind. Daher wird jeder, der eine Platte aufnimmt, auf der man eine Kettensäge hört, oder einen Film dreht, der zwölf Stunden rückwärts läuft, verständlicherweise sofort bejubelt - in den meisten Fällen lediglich hochgejubelt, wie den überdrüssigen Lesern schnell klar wird, wenn sie versuchen, den Enthusiasmus des Feuilletons nachzufühlen. Der zweite Punkt ist der, dass Rezensieren - und das Rezensieren von Musik ganz besonders - zumeist ein Job für junge Leute ist, und junge Leute haben für gewöhnlich nicht viel Lebenserfahrung. Sie haben nicht nur wenig vom Leben gesehen (und geraten deswegen immer ganz aus dem Häuschen, wenn jemandem der Ruf anhaftet, harte Drogen zu nehmen der Gebrauch harter Drogen wird von Rockkritikern häufig als Lebenserfahrung missdeutet), nein, sie haben auch den vielleicht sichersten Job, den man haben kann. Die meisten bekommen ihre CDs mit der Post zugeschickt, CDs, die sie sich dann auf der eigenen Anlage anhören, bevor sie ihre Reviews per E-Mail rausschicken. Sie setzen sich nicht mal dem Risiko aus, vom Bus überfahren zu werden. Wer würde sich unter diesen Umständen nicht radikal überstimuliert fühlen, wenn ein Künstler ausdrücklich versucht, ihm Feuer unterm Arsch zu machen? Mich muss niemand davon überzeugen, dass das Leben beängstigend ist. Ich bin vierundvierzig, und für meinen Geschmack ist es auch so schon beängstigend genug geworden ich brauche niemanden, der sich bemüht, mich aus meiner Selbstzufriedenheit aufzurütteln. Freunde sind an unheilbaren Krankheiten gestorben und haben ihre Lieben, zum Teil kleine Kinder, zurückgelassen. Bei meinem Sohn wurde eine schwere Behinderung diagnostiziert, und ich weiß nicht, wie seine Zukunft aussehen wird. Und es besteht natürlich permanent die Möglichkeit, dass irgendein Irrer ein Flugzeug in mein Haus oder ein Atomkraftwerk steuert oder irgendetwas in unser Trinkwasser oder unsere U-Bahnen kippt, das uns schwarz werden und unsere Nieren schrumpfen lässt. Lassen Sie mich -52-
also Zufriedenheit und Sicherheit finden, wo ich kann, und sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich »Frankie Teardrop« im Moment nicht hören möchte. »Nach so vielen Jahren klingen Suicide immer noch wie ein Kopfschuss«, schrieb ein begeisterter Kritiker, als ihr erstes Album wieder veröffentlicht wurde; ein paar Jahrzehnte früher wäre das für mich Anlass genug gewesen, es kaufen zu wollen. (»Ein Kopfschuss! Wow! Selbst The Clash waren nur wie ein Fußtritt!«) Ich jedoch habe mich entschieden, dass ich nicht in den Kopf geschossen werden möchte, und werde daher jedwedes Werk vermeiden, das diesen speziellen Eindruck in mir hervorrufen möchte. Es ist ein eigentümlich modernes Phänomen, diese Versessenheit auf Gefahr. Man kann eigentlich nur den Schluss ziehen, dass dies ein Ergebnis von Friedenszeit, Wohlstand und Reizüberflutung ist. Man fragt sich doch, ob dieser Kritiker auch jemandem, der gerade von der Somme zurückkam, erzählt hätte, ein Musikstück sei »wie ein Kopfschuss«. Und wenn, hätte er dann tatsächlich erwartet, dass der gute Mann sofort in die nächste Musikalienhandlung stürmt? Es ist wichtig, dass wir uns gelegentlich, vielleicht sogar regelmäßig, von Büchern deprimieren, von Filmen herausfordern, von Gemälden schockieren und vielleicht sogar von Musik aufstören lassen. Aber muss das ständig so sein? Dürfen sie uns nicht trösten, aufbauen, inspirieren, bewegen, aufmuntern? Bitte. Nur dann und wann, wenn wir einen ganz beschissenen Tag hatten? Ich brauche, heute mehr denn je, etwas, wohin ich mich flüchten kann, und es sind Stücke wie »Ain't That Enough«, in die ich mich flüchte. »We're All Frankies« beschlossen Suicide damals ihr Opus magnum, aber sie meinten das nicht ernst, es sei denn, sie wären dämlicher, als sie den Eindruck machen. (In welcher Hinsicht haben wir unsere Familien ermordet und dann die Waffe gegen uns selbst gerichtet, selbst metaphorisch gesprochen?) Und wären wir alle Frankies, was würden wir uns dann wohl lieber anhören? Mark -53-
und Bein erschütternde Nachdichtungen unserer elenden und unerträglichen Existenz oder etwas, das uns für kurze, aber kostbare Momente zeitweise Linderung verschafft? Das ist der eigentliche Schwindel an Schockkunst: Sie gibt sich demokratisch, doch in Wirklichkeit ist sie nur für die da, die es sich leisten können. Und einige von uns finden mit zunehmendem Alter schlicht und einfach, dass wir nicht mehr so viel Mut zu verschenken haben. Schön für Sie, wenn es bei Ihnen so ist, denn das bedeutet, dass Sie es geschafft haben, so gut wie allen Knüppeln aus dem Weg zu gehen, die das Leben Ihnen zwischen die Beine werfen kann, aber versuchen Sie mir nicht einzureden, ich sei Ihnen moralisch oder intellektuell unterlegen.
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»First I Look At the Purse« - J. Geils Band
Ich war schon sehr früh, mit etwa sieben oder acht, in die USA vernarrt. Es gab einen amerikanischen Jungen an meiner Schule, der besaß nicht nur Spielsachen, wie wir sie noch nie gesehen hatten (er konnte seine eigenen Spielzeugsoldaten herstellen, oh Gott, und er konnte mit seiner Plastikraketenabschussrampe fast den Saturn erreichen), er war auch in der Lage, seine Augäpfel nach hinten zu drehen, indem er kräftig auf seine Augenlider drückte. Nun haben die USA hier in England eine eher zwiespältige Presse, und es gibt jede Menge Leute, die diese beiden Schlüsselreize auf düstere Weise bezeichnend finden würden: Ja natürlich, würden sie sagen, wenn man Freaks verherrlicht und Waffen fetischisiert, dann muss einen Amerika ja faszinieren. Aber für mich war nichts Sinistres an den Spielsachen oder Fähigkeiten meines Freunds. Da ging es nur um überlegene amerikanische Technologie (die Augäpfel) und überlegene amerikanische Unterhaltungswerte (die Raketenabschussrampe), die bei mir den unauslöschlichen Eindruck hinterließen, dass praktisch alles irgendwie Interessante auf der anderen Seite des Atlantiks besser war. Ich besuchte die USA erst Mitte der Siebziger, als mein Vater mit seiner Familie nach Wilton in Connecticut umzog. Ich war sechzehn und lebte in einem Land, das sich, aus heutiger Sicht gesehen, redlich bemühte, in Ambiente und Infrastruktur eher dem kommunistischen Polen als New York nachzueifern. Eine Reihe von Streiks hatte zu einer Reihe von Stromsperren geführt, was bedeutete, dass man die Abende häufig damit herumbrachte, Sandwiches zu essen und bei Kerzenlicht zu -55-
lesen. Wir hatten drei Fernsehkanäle und tagsüber gar kein Fernsehen, abgesehen von gelegentlichen Schulfunksendungen über Mathematik oder den Lebenszyklus von Lachsen. Unser Essen war berühmtberüchtigt (selbst unser Junk-Food war mieses Junk-Food), und man fand kaum irgendwas, das länger als bis 23.00 Uhr geöffnet hatte. An Sonntagen waren die Geschäfte zu. Amerikanische Filme brauchten zwischen sechs Monate und einem Jahr, bis sie in englische Kinos kamen, und eine richtige, eigene Filmindustrie hatten wir nicht. Wir hatten die Drei- Tage-Woche. Der Krieg war über dreißig Jahre her, aber es schien keinen richtig plausiblen Grund zu geben, warum wir nachts nicht trotzdem zum Schlafen in die U-Bahn-Stationen gingen - da hätten wir uns doch wenigstens auf etwas freuen können. Und inmitten von alldem stieg ich in ein Flugzeug und flog nach New York. Bei diesem ersten Besuch wollte ich nicht viel mehr, als tagsüber fernzusehen und Geschäfte abzuklappern, und meine scheinbare Trägheit trieb meinen Vater zum Wahnsinn; er wollte Ausflüge mit mir machen und mir alles Mögliche zeigen, aber er hatte mir schon ein paar Jahre im Ausland voraus und war sich, glaube ich, nicht bewusst, wie freudlos sein Heimatland geworden war. Als er dort gelebt hatte, war England noch, in den unsterblichen Worten von Roger Miller, »swinging like a pendulum«, aber nun war das Pendel abrupt und zum allgemeinen Bedauern zum Stehen gekommen. Ich vermute, dass jeder englische Sechzehnjährige, der in den Mittsiebzigern zum ersten Mal die Staaten besuchte, die gesamte Zeit seines Aufenthalts damit verbracht hat, tagsüber Wiederholungen von Green Acres zu glotzen und exotische Frühstückszerealien zu essen; sich darüber hinauszuwagen, hätte den sofortigen Tod durch Reizüberflutung nach sich gezogen. Obwohl in Connecticut natürlich niemand an Reizüberflutung stirbt, wären die meisten Einwohner dieses geruhsamen Staates -56-
überrascht gewesen, zu erfahren, wie viel Aufregendes selbst dieser Staat damals einem englischen Teenager zu bieten hatte. Ich rede hier nicht von der Küste und den Bäumen, die reizend waren, aber nicht anders als zu Hause; ich rede von Sam Goody's und Wal Mart, die ich praktisch täglich aufsuchte und die beide ungeahnte und unerschöpfliche Freuden bereithielten. High Fidelity, mein erster Roman, handelte von einem jungen Mann, dessen Liebe zum Rock and Roll ihm in vielfältiger Weise das Leben vergällte und seine Entwicklung hemmte, und man kann mit Fug und Recht sagen, dass ich viele wichtige Recherchen für dieses Buch (anders gesagt, sehr viel Vergällendes und Retardierendes) während dieser ersten Reise machte, zwanzig Jahre, bevor ich anfing, es niederzuschreiben. Ich hatte damals nicht besonders viel Ahnung von Popmusik, aber die Möglichkeiten des Plattenladens bei mir zu Hause hatte ich nun wirklich ausgeschöpft. Ich hatte jedenfalls gut drei Viertel der Platten im örtlichen Sam Goody's bei meinem Vater noch nie zu Gesicht bekommen und verließ den Laden mit Bergen von unwahrscheinlich preiswerten Soul- und Bluesplatten (die Sachen, die Sam Goody's mit 1,99 Dollar ausgepreist hatte, hatten für mich einen ungleich höheren Wert). Aber natürlich waren es nicht nur die Plattenläden. Man nahm mich in Häuser mit, die Carambolage-Billard-Tische im Basement stehen hatten - Carambolage hatten wir zu Hause nicht. Man zeigte mir McDonald's, und auch das hatten wir nicht. Wir hatten weder Eis (auf unseren Teichen oder in unseren Drinks) noch gute Pizzas oder Eight-Track-Stereogeräte in unseren Autos, Swimmingpools hinterm Haus, Pastrami, fast acht Zentimeter dicke Sandwiches, Shopping-Malls, MultiplexKinos, La- Z-Boys oder Hot Dogs in unseren Sportstadien. Ich weiß, es waren die sorgenfreien Mittelschichts-Suburbs in Connecticut, die es mir angetan hatten, und dass Millionen von Amerikanern arm waren und unter hässlichen, gewalttätigen und -57-
harten Bedingungen leben mussten. Aber ich war ein Kind aus der Mittelschicht und lebte in einer sorgenfreien englischen Vorstadt, und die waren kein Vergleich. Und es war ja auch nicht so, dass wir als Ersatz irgendwas anderes Unterhaltsames zu bieten gehabt hätten. Wir hatten weder tolle Pasta und tolles Eis wie die Italiener noch tolle Strände und tollen Fußball wie die Spanier; in den 1970ern versuchten wir nach amerikanischem Vorbild zu leben, aber ohne irgendeins der Dinge, die das Leben in Amerika erträglich machten. Was wir hatten, war Geschichte, und das reichte offenbar schon aus, uns ein Gefühl der Überlegenheit zu geben. Tja, dafür konnte ich mir nichts kaufen. Ich hätte Englands komplettes kulturelles Erbe - Stonehenge, Stratford, Wordsworth, Buckingham Palace und den ganzen Rest - frohen Herzens dagegen eingetauscht, am Morgen Quizshows sehen zu können. Der Freund meines Vaters hatte einen Sohn namens Danny, der älter als ich war, vielleicht zwanzig oder einundzwanzig, und lange Haare und einen Schnurrbart hatte; er sah exakt so aus wie Billy Crudup in Almost Famous. Danny liebte seine Platten, und als ich das erste Mal zu ihm rüberging, hörte er gerade das Livealbum der J. Geils Band, Full House. Die waren mir gänzlich unbekannt, und ich hatte noch nie etwas Vergleichbares gehört; damals, bevor sie mit »Centerfold« den großen Pophit landeten, spielten sie White-Boy-R&B, etwa so wie die Stones 1965, nur viel lauter und schneller, mit berserkerhafter Respektlosigkeit und einer gelegentlich Furcht einflößenden Intensität. Auf dem Livealbum stieß der Leadsänger Peter Wolf zwischen den Songs komische, verrückte und unverständliche Dinge hervor: »On the licking stick, Mr Magic Dick!«, »This is used to be called Take Out Your False Teeth Mamma... I Want To Sssssuck On Your Gums«. Und etwas, das sich anhörte wie: »areyougonnagetitmoodoogetitgoomoogetitmoodoogoomoodoo moogetitalldowngetitallrightgetit outofsightandgetitdownbaby?« Das Erste, was man auf der Platte hört, ist eine massive Wand -58-
von Publikumslärm, Pfiffen und Jubel und Schreien, und dann die gebrüllte, sehr unenglische Ansage eines MCs: »Are you ready to get down? I said, are you ready for some rock and roll? Let's hear it for the J. Geils Band!« Und dann (kein Instrumentestimmen oder gemurmeltes »Wie geht's?«) steigt die Band direkt in »First I Look at the Purse« ein, eine alte Smokey-Robinson-Nummer, die er für die Contours, eine der Motown-Gruppen, geschrieben hatte, und selbst solche alten Smokey-Robinson-Nummern schienen aus einem Paralleluniversum zu kommen. Die, die ich kannte, waren sanft und traurig, wie »Tracks Of My Tears« oder »Tears Of a Clown«, aber dieses war rundheraus anstößig - dem Text ist zu entnehmen, dass jeder Mann, der Wert auf das Aussehen oder den Charakter einer Frau legt, ein Schwachkopf ist. »I don't care if she waddles like a duck or talks with a lisp/I still think I’m gonna love her if the dollar bills are crisp.« Gegen Ende des Songs spielt die Band immer schneller, und Wolf singt schneller und schneller, bis die ganze Sache in einem einzigen Lärmen untergeht, und dann brüllt das Publikum, als würde es über den Siegtreffer im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft jubeln. (Und das war die Eröffnungsnummer, die zur Lockerung, zum Warmspielen - erst am Ende von Seite 2 geht es dann richtig zur Sache.) Dies - nicht Tamla Motown - war damals für mich der Sound des jungen Amerika - laut, verwirrend, exotisch, cool, wild. Es kommt aus derselben Welt wie Kramer aus Seinfeld und »Surfing Bird« und »Papa Oo-Mow-Mow« und James Brown, wenn er in einen Umhang gehüllt von der Bühne geführt wird, bis er wieder zurück ans Mikrophon springt, und die Prahlerei von Muhammad Ali, und die verrückte Ausgelassenheit, wenn jemand bei »The Price is Right« einen Rasenmäher gewinnt. In unseren Quizshows lächelten Menschen, wenn sie gewannen. Aber das auch nicht immer. Als ich die J. Geils Band endlich selbst live sehen konnte, ungefähr sechs Jahre später, war das in Hammersmith, und nicht -59-
in Detroit, wo Full House aufgenommen worden war, daher herrschte eine eher respektvolle als irrsinnige Atmosphäre, und obwohl ihr richtig großer Erfolg noch bevorstand, hatten sie ihren Zenit bereits überschritten. Und es war der 12. Mai 1979, die Nacht, in der Mrs Thatcher zum ersten Mal zur Premierministerin gewählt wurde. Wir fuhren gerade zurück zum College, während sich das alte England ins moderne England verwandelte - ironischerweise eine trostlose und billige Variante von Amerika, mit den McDonald's und den ShoppingMalls, aber ohne die Lautstärke oder das Delirium oder das Showtalent. »I’m so bored with the USA«, sangen The Clash damals jeden Abend auf der Bühne, und obwohl wir alle mitsangen, traf das nicht wirklich zu. Uns langweilte nur unsere eigene Fixiertheit auf Amerika, und das ist etwas ganz anderes.
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»Smoke« - Ben Folds Five
An einem heißen Sommerabend sitzen wir hinterm Haus im Garten, essen Hühnchen vom Grill und hören uns Todd Rundgren an, als ein Freund plötzlich in eine Tirade über Popmusik ausbricht. Seine Argumentation war, soweit ich ihr folgen konnte: Popmusik ist Scheiße, weil die Texte Scheiße sind, keine wahre Poesie, sondern jämmerliche Primanerdichtung, und da das alles Scheiße ist, kann man sich gleich eine Musik anhören, die eine Funktion erfüllt und keinerlei andere Ambitionen hat, deswegen interessiere er sich nur für House-Musik. House-Musik hat mit Texten nichts am Hut und nur ein erklärtes Ziel, nämlich, einen zum Tanzen zu bringen, wenn man breit ist. Mir kommt das so vor, als würde man sagen, man sollte doch, weil die meisten Restaurants schlecht sind, das Glücksspiel aufgeben, und gar nicht erst versuchen, eins der guten zu finden, sondern jede Mahlzeit bei McDonald's einnehmen. Es besteht allerdings kein Zweifel, dass Texte die Achillesferse des gebildeten Popfans sind. Wir alle haben diese erniedrigenden Momente durchlebt, in denen unsere Mutter oder unser Vater ins Zimmer kam und mit sarkastischem Unglauben zwei vom Plattenspieler oder aus dem Fernsehen aufgeschnappte Zeilen wiederholte. »Was soll das bedeuten?«, fragte mich meine Mutter bei Top of the Pops. »›Get it on/Bang a gong?‹ Wie lange er wohl gebraucht hat, um darauf zu kommen?« Und auf die passende Antwort - »Zwei Sekunden, und darauf kommt's nicht an« kommt man nie, also sagt man ihnen bloß, sie sollen ruhig sein, während man insgeheim Marc Bolan verflucht, dass er einen dazu gebracht hat, ihn zu mögen, obwohl er so was singt. (Ich habe den Verdacht, dass diese Erniedrigung erblich ist und es keinen Unterschied macht, ob die erniedrigenden -61-
Eltern mit der Muttermilch T. Rex oder Spandau Ballet oder Sham 69 aufgesogen haben und daher das Thema anspruchsvolle Literatur gar nicht erst anschneiden sollten. Meine Mutter gehörte immerhin zu einer Generation, die zu »How Much Is That Doggie In the Window« tanzte - tanzte und knutschte -, und wenn sie fand, sie könnte sich über »Get It On« abfallig äußern, dann steht die Waffe der abfälligen Äußerung sicherlich allen zur Verfügung. Uns über die Vorlieben unserer Kinder zu mokieren gehört zu den wenigen Freuden, die uns bleiben, wenn wir irgendwann alt, überflüssig und kulturell marginalisiert sind.) Ich schenke trotz (oder wahrscheinlich gerade wegen) meines Hauptberufs den Texten meiner Lieblingsstücke nicht viel Aufmerksamkeit. »Call Me« von Aretha Franklin, dessen gesamter Text so ziemlich aus »I love you/so call me the moment you get here« besteht, beendet jede Diskussion darüber, ob ein Song auch ohne anspruchsvollen und vielschichtigen Text Größe haben kann. (Zumindest so lange, bis jemand es für nötig hält, darauf hinzuweisen, dass ein großer Song per definitionem ein bisschen mehr zu bieten haben muss als ein oder zwei Zeilen, die klingen, als stammten sie aus einem besonders uninspirierten Telefongespräch. Na meinetwegen, aber »Call Me« kommt dennoch etwas Wunderbarem nahe, das sich kaum erklären lässt.) Halb verstandene Satzfetzen stören mich nicht, und ich lasse gerne alles durchgehen, solange ich nicht direkt rot werden muss. Doch je nachsichtiger man hinsichtlich der literarischen Ansprüche und Unzulänglichkeiten seines Lieblingskünstlers ist, desto leichter vergisst man, dass Songwriting eine ganz andere Kunst als Gedichteschreiben ist. Man muss nicht Bob Dylan und nicht der Mensch sein, der die Songs für Celine Dion schreibt, wer immer das ist (anders gesagt, man braucht die Worte und Formulierungen »dreams«, »hero«, »survive« oder »inside my-62-
/yourself« nicht zu benutzen, denn das Leben ist keine Anzeige für das neue Ford-Modell); wenn man mutig ist, kann man versuchen, Cole Porter zu sein und Dichte, Detail, Witz und Wahrheit anzustreben. Ben Folds ist ein akzeptabler Songwriter, finde ich, auch wenn ihm das offenbar nicht viel Anerkennung einbringt, vielleicht deshalb, weil Rockkritiker mit anspruchsvoller Schlichtheit weniger zu beeindrucken sind als mit subdylanesker Verdunkelung: Seine Texte würden hingeschrieben nicht so gut aussehen, aber er hat eine große Bandbreite (auf seinem zweiten Album waren Stücke über Apathie, die sich als Coolness tarnt, über einen unwillkommenen Gast und den hässlichen Triumph eines schikanierten Nerds, der es zu was gebracht hat), ein belustigtes Auge für verliebte Details (»Words fail when she speaks/Her mix tape's a masterpiece«, singt er in dem ekstatischen Song »Kate«), und er macht Witze - aber nicht in den Refrains, denn er weiß, dass man einen Witz am sichersten kaputtmacht, indem man ihn in drei Minuten sieben Mal wiederholt. »Smoke« ist einer der Schlauesten, weisesten Songs über den schleichenden Tod einer Beziehung, den ich kenne. Schon viele haben sich mit dem heiklen romantischen Thema des Nochmalvonvorne-Anfangens befasst (auf Anhieb fällt mir da »Starting All Over Again« von Mel and Tim ein) und gelangen gewöhnlich zu dem Schluss, dass es zwar harte Arbeit wird, aber sowohl möglich wie erstrebenswert ist; das Herzzerreißende an Folds' Song ist, dass es ihm gelingt, zugleich die Verzweiflung des Erzählers wie die Unmöglichkeit eines glücklichen Ausgangs zum Ausdruck zu bringen. Von Letzterem weiß er jedoch nichts - nur Folds' der Songwriter, dem sowohl die Musik wie seine auktoriale Erzählperspektive zu Hilfe kommen, kann überblicken, dass die Beziehung so gut wie tot ist.
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In »Smoke« besteht der zentrale Selbstbetrug darin, die Beziehung sei wie ein Buch der Erzähler und dass er deren unglücklichen Verlauf in jüngerer Zeit - wie er gerne glauben würde - ungeschehen machen kann, indem er es Seite für Seite verbrennt, bis »all the things we've written in it never really happened«. »Here's an evening dark with shame«, singt er. »Throw it on the fire!«, sagt ihm darauf der Backing-Sänger. »Here's the time I took the blame. (Throw it on the fire!) Here's the time we didn't speak, it seemed, for years and years...« Die Vergangenheit wegzuwischen ist der Wunschtraum jedes Menschen, der sich je mit seinem Partner überworfen hat, und die Metapher ist geistreich und gehaltvoll genug, um uns wenigstens für einen Moment in der Hoffnung zu wiegen, in diesem Fall könnte es möglich sein, aber die Musik, ein trauriger Walzer, erzählt eine andere Geschichte. Es klingt auch nicht so, als sei die Liebste des Erzählers ganz so überzeugt: »You keep saying the past's not dead«, sagt er zu ihr. »Well, stop and smell the smoke.« Aber der Rauch trägt natürlich die genau umgekehrte Bedeutung: Er ist allgegenwärtig und erstickt sie. »You keep saying... we're smoke«, schließt er traurig, und wir spüren, dass er schließlich beginnt, es zu glauben; den Rauch zu riechen symbolisiert, wie sich erweist, nicht Hoffnung, sondern das Gegenteil. Die Lyrics von »Smoke« sind meiner Meinung nach in einer Weise perfekt, clever und traurig und gelungen, die mein oben genannter Freund nicht anerkennen würde; es ist außerdem eins der wenigen Stücke, die sich mit der Liebe als Prozess befassen, und nicht mit ihrem Objekt oder Subjekt. Und es war mein ständiger Begleiter am Ende (dem langen, hinausgezögerten Ende) meiner Ehe; damals klang es sehr plausibel, und das tut es heute noch. Viel mehr kann man von einem Stück nicht verlangen.
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Möglicherweise bleibt solche Handwerkskunst unbemerkt, denn »Smoke« ist »bloß ein Song« in einem Sinne, in dem »Yesterday« oder »Something« nicht »bloß Songs« waren. Die jungen Männer, die Letztere geschrieben haben, waren auch, ob wissentlich oder nicht, dabei, die Welt zu verändern (beziehungsweise - um möglichst alle Relativierungen in einer plumpen Parenthese unterzubringen - sie sorgten gerade dafür, dass ihnen irgendwann zugeschrieben werden würde, sie hätten, unwissentlich oder nicht, die Welt verändert). Das bedeutet zwangsläufig, dass sich unerhört großes Augenmerk auf ihr Talent konzentrierte - was immerhin das vermeintlich einzige weltverändernde Mittel war, das ihnen zur Verfügung stand. Wenn man als Sänger die Welt verändert, achten die Leute zwangsläufig genau darauf, was man singt - denn wie anders sollte man das fertig bringen? Aus diesem Grund sind einigen sehr guten, sehr schönen, sehr raffiniert geschriebenen, brillant produzierten und unbestreitbar unvergesslichen Songs beinahe übernatürliche Kräfte zugeschrieben worden. Das kommt eben dabei heraus, wenn man Menschen zu Göttern macht. Ein Forscher hat ausgerechnet, dass Shakespeare sich zwei Drittel von Henry VI. - 4111 von 6234 Zeilen - aus anderen Quellen »geborgt« hat. Und auch wenn Henry VI. eins der unbedeutenderen Stücke ist - es geht darum, dass alles schon existierte, in der Welt war und Shakespeare es sich einverleibt hat. Was dann wieder herauskam, war natürlich größtenteils genial, aber es war keine Genialität aus dem Nichts heraus, sie entstand in einem Kontext. Auch die Beatles hatten einen Kontext, doch sie scheinen ihn mit allem anderen vereinnahmt zu haben: Sie haben alles aufgesogen und wurden zum Synonym der Sixties schlechthin, und alles, was in diesem außergewö hnlichen Jahrzehnt geschah, wird jetzt irgendwie ihnen angerechnet. Ihre Songs sind daher von allen erdenklichen Zauberkräften durchdrungen, die dort ursprünglich nichts zu suchen hatten, und es ist uns heute -65-
unmöglich, in diesen Songs »bloß Songs« zu sehe n. Ben Folds hat weder die Welt noch die Popmusik verändert. (Wer weiß, womöglich versucht er gerade, im Schweiße seines Angesichts seinen Lebensunterhalt mit Popmusik zu bestreiten, obwohl ich es nicht hoffen will.) Er schreibt Songs zu einer Zeit, in der niemand Musik mit sozialem Wandel identifiziert, er hat keinen Kontext, den er aufsaugen kann, und arbeitet in und mit einem Medium (grob gesagt: Pop/Rock), das zu der Zeit, in der ich dies schreibe - und machen wir uns nichts vor: auch zu der Zeit, in der Sie es lesen, es sei denn, Sie lesen es im Jahr 1970 -, allgemein als abgemeldet, ausgebrannt, erledigt gilt. Daher sind seine Songs bloß Songs. Sie repräsentieren nichts und sind auch nicht Teil von irgendetwas anderem, und sie müssen sich in einer Ind ustrie und gegen Kritiker behaupten, die nur Dinge von kultureller Wichtigkeit interessieren. Genau das muss anders werden, wenn die Popmusik überleben soll. Die Literatur hat scheinbar gerade noch einen Fuß in die Tür unserer Kultur (oder unseres Kulturbegriffs) bekommen, weil wir bereit sind, zu akzeptieren, dass Bücher ein Fall für sich sind: White Teeth von Zadie Smith zum Beispiel repräsentiert nichts als sich selbst. Es ist nicht die Speerspitze einer neuen, jungen, hippen, multikulturellen usw. Revo lution, sondern steht sehr deutlich in einer vertrauten erzählerischen Tradition. Aber deswegen ist es keine geringere Leistung oder weniger interessant, und es ist deswegen erst recht nicht unpopulärer, weder bei der Kritik noch bei den Lesern. Wäre es aber eine Platte gewesen, hätte man sie wahrscheinlich ignoriert; die einhellige Meinung wäre, dass man diese ganze großartige Schreiberei und den ambitionierten erzählerischen Kram schon x- mal gehört hätte, besten Dank, und lieber darauf warten würde, dass etwas Neues kommt. -66-
Es gibt den Standpunkt, dass Popmusik, ähnlich wie der Roman, ihre ideale Form gefunden hat, was im Falle der Popmusik der drei- oder vierminütige Strophe-Refrain-StropheSong ist. Falls das zutrifft, müssen wir für die Kritik ein Vokabular entwickeln, das es uns ermöglicht, das Gute vom Schlechten zu unterscheiden, das Banale vom Durchdachten, das Frische vom Abgestandenen; wenn wir nur rumsitzen und darauf warten, dass die nächste Punkbewegung kommt, geben wir unseren besten Songwritern zu verstehen, es sei wertlos, was sie tun, und marginalisieren sie. Die nächsten Lennons und McCartneys sind wahrscheinlich schon unter uns; nur werden sie am Ende nicht bekannter als Jesus sein. Sie werden lediglich Songs produzieren, die so gut sind wie »Norwegian Wood« und »Hey Jude«, und damit kann ich leben.
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»A Minor Incident« - Badly Drawn Boy
»Du musst ja schon aufgeregt sein, dass der Film anläuft«, bemerkte eine freundliche und wohlmeinende Bekannte Ende 2001, ein paar Monate, bevor die Filmfassung von About a Boy in die Kinos kam. (Tatsächlich sagte sie natürlich: »You must be excited about ›About a Boy‹ coming out.« Dem Prosaschmied in mir tut das doppelte »about« weh. Jungen Autoren rate ich: Lasst einen Titel niemals mit einer Präposition anfangen, denn ihr werdet feststellen, dass man sonst unmöglich irgendeinen Satz über euer Werk äußern oder schreiben kann, ohne dass es klingt, als litte man an einem besonders bemitleidenswerten Stottern. Ich frage mich, ob Steinbeck und sein Verleger davon nicht auch irgendwann die Nase voll hatten. »Was halten Sie von Von Mäusen und Menschen?«, »Ich habe gerade die erste Hälfte von Von Mäusen und Menschen gelesen«, »Wann ist das Erscheinungsjahr von Von Mäusen und Menschen?«... Trotzdem, damals hat es sicher wie eine gute Idee ausgesehen.) Ich lächelte höflich, aber wie sie darauf kam, war mir ein Rätsel. Was um Himmels willen sollte mich in Aufregung versetzen? Die Vorgeschichte hatte interessante, manchmal sogar unterhaltsame Momente - den Verkauf der Rechte an dem Buch für einen unvorstellbar hohen Geldbetrag zum Beispiel, die Begegnung mit den Menschen, die für die Filmfassung verantwortlich waren, die erste Vorführung des Endprodukts, das mir sehr gefiel. Aber mir wäre jeder Autor suspekt, den irgendetwas an diesem Prozess, der gelegentlich einen unangenehmen Beigeschmack hat (About a Boy verschliss einen Regisseur und wurde von einer anderen Filmfirma ausgespuckt, noch ehe er überhaupt entstanden war) und verblüffend langwierig sein kann, irgendetwas Aufregendes gefunden hätte. -68-
In Wirklichkeit ist die Zeit vor, während und nach einer Filmveröffentlichung sogar definitiv unangenehm. Man wird erneut überall rezensiert; man entdeckt, dass die Hälfte seiner Freunde das Buch überhaupt nicht gelesen hat; es stellt sich heraus, dass die Sachen, die den Filmleuten am besten gefallen, mit einem selbst gar nichts zu tun haben. Dafür war es wirklich aufregend, im echten, prickelnden Wortsinne, den Soundtrack zum Film das erste Mal zu hören. Zu sehen, wie die eigenen Worte in Hollywoodknete umgesetzt werden, ist in jeder Hinsicht erfreulich, aber nichts im Vergleich dazu, sie in Musik umgesetzt zu hören: Für jemanden, der Bücher schreiben muss, weil er keine Songs schreiben kann, ist die Vorstellung, sein Buch könne irgendwie einen Song hervorbringen, geradezu peinlich elektrisierend. Wie viele andere auch kannte ich für den Großteil des Jahres 2000 nichts Schöneres, als das Badly- Drawn-Boy-Album Year of the Bewilderbeest zu hören. Es ist eine der ganz wenigen englischen Platten der letzten Jahre, für die mir meine Zeit nicht zu schade war; sie hat Tiefgang, sie ist eigenwillig, ohne unbeholfen zu wirken (ganz am Anfang dachte ich, der Name des Künstlers lasse irgendwie auf miserable Musik schließen, was mich zuerst davon abhielt, sie mir anzuhören), sie ist melodisch, sie zitiert leichthin und kenntnisreich alle möglichen folkigen und rockigen Sachen, die ich mag (Damon Gough ist Fan des frühen Springsteen), sie spielt sich nicht auf, sie ist unenglisch in dem Sinne, dass sie für Ibiza-Raver oder betrunkene Fußball- Hooligans ungeeignet ist, und sie hat Soul. Außerdem erinnert sie mit ihren kleinen orchestrierten Passagen (den Auftakt macht ein Bläser-Instrumental, das auch einer leichten 60er-Jahre-Komödie gut angestanden hätte) und ihren vielen Stimmungen an Filmmusik. Ich war sicher, Damon könnte eine phantastische Filmmusik schreiben, und hätte ihn -69-
für About a Boy vorgeschlagen, wäre mir nicht bewusst gewesen, dass Autoren ungefähr so große Aussichten haben, Einfluss auf Verfilmungen ihrer Bücher zu nehmen, wie das Wetter zu ändern. Und dann, als wir uns das erste Mal trafen, erzählten mir Chris und Paul Weitz, die Koregisseure, dass sie Damon bereits gebeten hatten, die gesamte Musik für den Film zu liefern. Mir ging das beinahe zu glatt - konnte es wirklich sein, dass in ihren Köpfen die gleiche Musik war wie in meinem? -, aber hier sitze ich nun in meinem Arbeitszimmer, höre mir einen ganzen Schwung neuer Songs und musikalischer Versatzstücke von Badly Drawn Boy an, die bislang nur sehr wenige Menschen auf der Welt zu hören bekommen haben, und bin glücklich. Ich begann 1996 mit der Abfassung von About a Boy, in dem Jahr, in dem bei meinem Sohn Danny endgültig Autismus diagnostiziert wurde. Es gab viele Dinge, über die ich nachdenken (beziehungsweise in Panik geraten, verzweifeln oder mich schlaflos herumwälzen) musste, und Geld war nur eins davon. Schlagartig empfand ich mich nicht mehr als relativ wohlhabend - seit etwa vier Jahren verdiente ich ganz einträgliche Summen mit Schreiben und hatte zum ersten Mal im Leben Ersparnisse -, sondern finanziell ungesichert: Ich würde genug verdienen müssen, um meinem Sohn finanzielle Sicherheit nicht nur für die Dauer meines, sondern für die Dauer seines Lebens zu gewährleisten, und es war schwer, für diese zusätzlichen dreißig oder vierzig Jahre vorauszuplanen. Und dann, gerade als mich diese Sorgen packten und ein wenig nervös zu machen begannen, kam das Hollywoodgeld. Das war für mich lange Zeit die einzige Verbindung, die zwischen dem Buch und Danny bestand. Der Marcus aus dem Buch hat nichts mit ihm zu tun (Marcus ist zwölf, aufgeweckt und eloquent, wenn auch etwas eigen; Danny war damals drei und kann nun, fünf Jahre später, immer noch nicht sprechen), und ich glaube -70-
nicht, dass Danny die Art von elterlicher Aufsicht, die Marcus erfährt, überhaupt mitbekommen würde. Gut möglich, dass mich - wäre ich kinderlos gewesen - eine ganz andere Art von Geschichte interessiert hätte, aber das ist auch die einzige Hinsicht, in der About a Boy von Danny handelt. »A Minor Incident«, ein sanftes, sehr gefühlvolles, akustisches Geschrammel mit einem asthmatischen, dylanesken Mundharmonikasolo, bezieht sich direkt auf einen keineswegs nebensächlichen Vorfall im Buch und im Film: Marcus kommt heim und findet seine Mutter Fiona nach einem Selbstmordversuch bewusstlos auf dem Sofa liegend, und daneben ihr Erbrochenes auf dem Boden. Der Song ist ihr Abschiedsbrief an ihren Sohn. Ich habe auch einen für sie verfasst, aber nicht in Form eines Songtexts, und Damons Text gibt Fionas meschuggene, depressive Unbekümmertheit perfekt wieder. Aber jetzt kommt's: Nachdem ich mir den Song »A Minor Incident« ein paarmal angehört hatte, ließ er mich auf eine Weise über Danny nachdenken, die mir noch fremd war, als ich das Buch schrieb. »You always were the one to make us stand out in a crowd/Though every once in a while your head was in a cloud/There's nothing you could never do to ever let me down«, singt Damon als Fiona, und der Text ließ mich aufhorchen. Autistische Kinder sind von Natur aus verträumt, und es kann gut vorkommen, dass Danny versucht, uns aus einer Menge hervorstechen zu lassen, indem er einem Wildfremden seine Kartoffelchips klaut oder sich oben im Bus der Linie 19 auszieht. Aber diese verdrehte Verneinung in der letzten Zeile... Wie konnte Badly Drawn Boy wissen, dass gerade die Dinge, die Danny niemals tun wird (reden, lesen, Fußball spielen und alles mögliche andere), in denen, die ihn lieben, glühenden Stolz und Beschützerinstinkte wecken? Und plötzlich, fünf Jahre später, entdecke ich in dem Songtext eine traurige unterschwellige Parallele, weil das Geld aus dem Verkauf der -71-
Filmrechte mich gezwungen hat, über meine eigene Sterblichkeit nachzudenken; wie Fiona denke ich an die Zeit, wenn ich für Danny nicht mehr da sein werde - aus anderen Gründen zwar, doch mit demselben Ergebnis. Da haben wir's. Darin liegt das Aufregende: in den magischen Zufällen und Wechselwirkungen der Kreativität. Ich schreibe ein Buch, das nicht von meinem Kind handelt, und dann schreibt jemand einen wunderbaren Song, der auf einer Episode in meinem Buch basiert, und wie sich herausstellt, berührt er mich persönlich viel mehr, als es mein Buch je getan hat. Ich will nicht sagen, dass so etwas mehr wert ist als alles Hollywoodgeld der Welt, denn ich bin Pragmatiker, und dieses Geld aus Hollywood hat Danny zu einem Treuhandfonds verholfen, der ihn hoffentlich sicher durch diese beängstigenden dreißig oder vierzig Jahre bringen wird. Aber es ist ungeheuer viel wert, etwas, das man mit Geld nicht kaufen kann, und motiviert mich, weiter zu schreiben und zu kollaborieren, weil ich darauf hoffe, dass etwas, das ich schreibe, noch einmal einen dieser gleißenden, unverhofften Funken schlagen wird.
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»Glorybound« - The Bible
The Bible sind eine mittlerweile aufgelöste englische Band, an die Sie sich bestimmt nicht mehr erinnern. Sie wurden von der Kritik wohlwollend aufgenommen und hätten mit dem Song »Graceland« 86 oder 87 beinahe einen Hit gelandet. Ende der 80er füllten sie mittelgroße Konzertsäle in Großbritannien, aber sie lösten sich zum Bedauern Tausender, wenn auch nicht gerade Hunderttausender, nach wenigen Alben auf; das Ausbleiben exzessiverer Trauerreaktionen spricht für sich. Es gibt zahllose Bands wie The Bible, Bands, die Talent, loyale und kritische Fans und das Zeug zu ein paar guten Alben haben, aber leider das falsche Plattenlabel, den falschen Manager, den falschen Haarschnitt, die falschen Hosen - oder einfach nur Pech. Meine Plattensammlung ist voller Alben von Bands, denen zu bald die Puste ausging - Friends Again und Hot! House, The Fountains of Wayne, die Keys und Danny Wilson und Hurrah! (vermeidet diese Ausrufezeichen, Kids, wenn ihr eine langfristige Karriere im Musikgeschäft anstrebt - The Bible hatten auch mal eins, das sie dann fallen ließen, aber da war es schon zu spät), und sie alle, finde ich persönlich, hätten es zu Ruhm und Ehre bringen können, wenn... ach, was soll's. Popsnobs meinen immer, die Bands, die sie lieben, seien unfair behandelt worden und ihr Scheitern sei der Beweis für eine geschmacklose und ignorante Welt ohne Gehör für Musik, aber in Wahrheit sind diese Bands stets zu still, zu anonym, zu hässlich, zu schlau und haben zu viel Zeit damit verbracht, sich Chris Bell oder die Replacements oder Bill Evans anzuhören, statt sich ein schickes Outfit zuzulegen, mit Drogen und Makeup zu experimentieren und Vierzehnjährige aufzureißen; ich mag zwar das Songwritertalent von Paddy McAloon höher schätzen als die Vulgarität von Eminem, aber es wäre dumm, so zu tun, -73-
als wüsste ich nicht, warum Eminem der größere Star ist. Sei's drum. Ich habe The Bible schätzen gelernt, weil einige meiner Freunde in der Band waren, Freunde von Freunden zumindest Boo Hewerdine, der Frontmann und Songwriter von The Bible, arbeitete mit meinem Freund Derek in »The Beat Goes On«, einem Plattenladen in Cambridge, daher grüßten wir uns, wenn Boo in der Stimmung war zu grüßen. (Später fand ich heraus, dass es keine Rockstar-Arroganz war, die ihn durch mich hindurchblicken ließ, wenn wir uns auf der Straße begegneten, sondern Kurzsichtigkeit. Die leistet ihm immer noch gute Dienste - auf der Bühne sieht er aus, als würde er ganz in der Musik aufgehen, dabei starrt er nur geradeaus, weil er nicht weiß, wo er sonst hingucken sollte, und seine Brille kann er nicht tragen, weil sie beschlagen würde.) Ich hatte angenommen - tut man das nicht immer? -, er und seine Band würden peinlich untalentiert sein und ich würde, nachdem ich seine erste Platte gehört hätte, nicht mehr wissen, wie ich ihm noch ohne Mitleid zunicken sollte. Aber tatsächlich war seine erste Platte geradezu erschreckend gut, und ich war dementsprechend eingeschüchtert. Danach war ich oft auf Konzerten der Band in ihren unterschiedlichen Inkarnationen und Besetzungen (bevor sie Bible! oder Bible waren, hießen sie The Great Divide und Georgia Peach) und mit wechselndem Grad von Bewegungsfreiheit: Als sie 1982 als Vorband im Marquee spielten, waren wir im Publikum zu siebt; vier Jahre später kam ich nicht mehr rein, als sie im Town and Country Club spielten, in den ein paar tausend Leute passen. (Ganz ehrlich, ich kenne Boo gut genug, um auf die Gästeliste zu kommen. Ich hatte nur vergessen, ihn zu fragen, und hatte nicht erwartet, dass es ein Problem werden würde, und... Ach, denken Sie, was Sie wollen.) Nur wenn man eine Band kennt und liebt, wird man zu genau der Art von Musikkritiker, die jede Zeitschrift oder Zeitung einstellen sollte. Ich habe in den letzten paar Jahren für den New -74-
Yorker über Popmusik geschrieben, ein Job, der es unbedingt notwendig macht, dass einem jeden Morgen hunderte von CDs, die man nicht haben will, in den Briefkasten gestopft werden. (Ich habe den Verdacht, dass die Plattenfirmen irgendwann unseren Geschmack ausrechnen können und, verschlagen wie sie sind, die CDs, die man vielleicht möchte, von ihren Bemusterungslisten streichen und uns damit zwingen, sie zu kaufen.) Auf die unerwünschten CDs reagiere ich gewöhnlich so: a) Ich werfe einen Blick aufs Cover. Wenn ein »Parental Advisory«-Sticker drauf ist oder der/die Künstler/in Thuggy Breakskull, PusShit oder ähnlich heißt, höre ich sie mir nicht an. Desinteressiert bin ich auch, wenn der/die betreffende Künstler/in hübsch ist, üppiges Haar hat oder gehässig kuckt, ihm/ihr Blut aus der Nase läuft oder er/sie wie der Star einer Teen-Soap, besonders alt oder besonders jung oder irgendwie unbedarft, aussieht (ein komplexes Kriterium, dieses letzte, und vielleicht kann ich es nicht schlüssig erklären - ich glaube, es hat was mit den Augenbrauen zu tun, obwohl gelegentlich auch eine Tätowierung oder ein Lächeln, ein Zähneblecken oder eine Kopfbedeckung dazu beiträgt) oder die Platte auf einem Label erschienen ist, das ich nicht mag. Manchmal zugegebenermaßen nicht oft - drehe ich die CD um, um mir die Songtitel anzusehen, die Länge der Songs, gelegentlich den Namen des Produzenten, in der Hoffnung, etwas wird mich zum Schluss führen, dass dieses Album NICHTS FÜR MICH ist dass es für Teenager gedacht ist, oder für Spießer, Headbanger, Konservative, Anarchisten, für praktisch jeden außer einem Vierundvierzigjährigen, der in North London lebt und Nelly Furtado und Bruce Springsteen mag. Wenn es mir bis dahin immer noch nicht gelungen ist, ein böswilliges Vorurteil auszubilden, dann schaue ich b) ins Presseinfo. Wenn dort ein Vergleich mit irgendeinem der schätzungsweise dreihunderttausend Musiker gezogen wird, für die mir meine Zeit zu schade ist (und für gewöhnlich ist das so, denn meine -75-
dreihunderttausend Namen habe ich sorgfältig ausgesucht), tja, dann höre ich sie mir auch nicht an. Folglich schaffen es nur sehr, sehr wenige Platten bis Schritt c), der darin besteht, das Scheißding tatsächlich in den CD-Player zu legen und es mir anzuhören. »Anhören« bedeutet in diesem Kontext allerdings, dass ich den ersten Akkordwechsel im ersten Song abwarte, ein Punkt, an dem ich einen Riesenseufzer der Erleichterung ausstoße und das ganze Ding kurzerhand als Witz, talentfreie Zone und von Dummköpfen angerichtete Kakophonie abtue. Es ist ein ziemlich wasserdichtes System. Ich räume jedoch ein, dass es kein faires System ist, und wenn Sie oder Ihre Plattenfirma mir in den letzten Jahren in der Hoffnung, dass ich es im New Yorker bespreche, ein Album zugeschickt haben, kann ich mich nur entschuldigen und vorschlage n, dass Sie beim nächsten Fototermin fürs Cover nicht wieder einen bescheuerten Hut aufsetzen. (Und wenn Sie Nasenbluten haben, warten Sie bitte, bis es aufgehört hat und Sie wieder vorzeigbar sind.) Sollten Sie aber jemals mit einem meiner Freunde in eine m Plattenladen gearbeitet haben, können Sie eine völlig andere Behandlung erwarten. Ich werde mir jedes Stück anhören, das Sie jemals aufgenommen haben. Die, die mir beim ersten Anhören nicht besonders gefallen, werde ich nochmal hören, in der Annahme, dass mir beim ersten Mal etwas entgangen ist. Und wenn mir dann immer noch etwas nicht gefällt, werde ich nicht zulassen, dass diese eine Komposition, dieser eine faule Apfel, mir mein Vergnügen am nächsten, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit großartigen Song verdirbt. »Glorybound«, ein hübscher Mid-Tempo-Shuffle, beginnt viel versprechend (man beachte, viel versprechend, und in diesem Fall NICHT etwa unoriginell, was bei einem Song von jemandem der Fall gewesen wäre, der in einem Plattenladen gearbeitet hat, in dem ich niemals war) mit dem gleichen ZweiNoten-Bass-Riff wie »Ricki Don't Lose That Number« (das -76-
wiederum mit dem gleichen Zwei-Noten-Bass-Riff beginnt wie »Song For My Father« von Horace Silver, was wiederum belegt, dass The Bible damit eine glorreiche musikalische Tradition hochhalten), enthält ein ganz großartiges, anmutiges Gitarrensolo von meinem anderen Freund in der Band, Neill McColl, und war eine B-Seite, wodurch ich mich natürlich nicht abhalten ließ, es zu entdecken und es immer wieder zu hören, bis es schließlich ein Teil von mir wurde, fest angelegt bei meiner Melodien-Bank. Und genau das braucht Musik: diese Art von Hingabe, dieses Voraussetzen, die Musiker wüssten schon, was sie tun, und dass sie, wenn man ihnen die Zeit gibt und das notwendige Vertrauen schenkt, schließlich etwas abliefern werden, das man lieben lernt. Wer weiß, wie viele tolle Songs ich schon verpasst habe (und »Glorybound« ist ein toller Song, um nichts anderes geht es hier - nicht darum, aus einem Schweineohr ein Seidentäschchen zu machen, sondern darum, dass ich in der Regel genau umgekehrt verfahre), Songs, die Menschen geschrieben und aufgenommen haben, die Ihre Freunde sind, aber unglücklicherweise nicht meine.
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»Caravan« - Van Morrison
Die großartige Version von »Caravan« auf It's Too Late to Stop Now (unbestreitbar Van Morrisons unterhaltsamstes Album, glauben Sie's mir) klingt für mich, als könnte es beim Abspann des besten Films laufen, den man je gesehen hat, und dann kann man es sich sicherlich auch wünschen, dass es bei der eigenen Beerdigung gespielt wird. Ich glaube nicht, dass man damit die Bedeutung des eigenen Lebens übertrieben dramatisiert. Es muss nicht jeder Film Lawrence von Arabien oder Apocalypse Now sein, und man muss, zumindest in unserem Teil der Welt (und wenn Sie in eine Buchhandlung gehen und dieses Buch kaufen, leben Sie in dem Teil, den ich meine), schon gehöriges Pech haben, um neben all der Plackerei, dem Kummer und Schmerz nicht ein paar Momente der Freude, der blanken Hoffnung, des Triumphes mit der geballten Siegerfaust oder einfach der Zufriedenheit erlebt zu haben. Für mich bündelt »Caravan« all das, und nur weil es aus diesem exorbitanten Schlamassel etwas macht, das heiter klingt, heißt das nicht, dass das Stück banal ist. »Caravan« handelt, soweit ich das sagen kann, nicht von Leben oder Tod. Es ist ein Song über fröhliche Zigeuner/innen und Lagerfeuer, dass man sein Radio laut aufdreht und so. Aber in der langen, improvisierten Passage vor dem Höhepunkt, wenn das Saxophon sich sanft in die gekonnten, geistreichen NeoKammermusik-Streicher hinein- und wieder herausschlängelt und das Klavier bluesige hohe Töne darauf tüpfelt, isoliert Morrisons Band einen Moment irgendwo zwischen dem Leben vor und dem Leben nach dem Tod, einen Ort wie eine große, barocke Eingangshalle, an dem man innehalten und über alles, was davor war, nachdenken kann. (Puh. Ein plötzlicher Anflug -78-
von Panik: Hören Sie, diejenigen unter Ihnen, die das Album bereits besitzen oder durch diese Beschreibung verleitet werden, ihm eine Chance zu geben, dasselbe, was ich höre? Wahrscheinlich nicht. Aber - Schluss mit Panik - dieses Buch setzt nicht voraus, dass Sie und ich exakt dasselbe heraushören; mit anderen Worten, es geht nicht um Musikkritik. Ich hoffe lediglich, dass Sie etwas Vergleichbares kennen, dass Sie viel Zeit mit Musikhören verbringen und Gesichter in Ihrem Feuer sehen.) Und obwohl ich es aller Wahrscheinlichkeit nach sein werde, der sich über meine Beerdigung Gedanken machen wird - ist es denn so arrogant, von seinen Freunden und seiner Familie etwas Besinnlichkeit zu verlangen? Immerhin ist es meine Beerdigung. Und sie müssen nicht ausschließlich über mich nachdenken; sie können über alles Mögliche nachdenken, solange es dem Anlass und der Musik entspricht und nichts mit Essen, E-Mails, Schuhen etc. zu tun hat. Das Einzige, was mir daran Sorgen macht, wenn »Caravan« auf meiner Beerdigung gespielt wird, sind diese StreicherArrangements. Wird man von mir denken, ich würde irgendwelche Zugeständnisse an klassische Musik machen? Werden sie sich sagen: »Eine Schande, nun war er am Ende doch zu feige, seinen Überzeugungen treu zu bleiben, wie alle anderen auch...«? Mir wäre es gar nicht recht, wenn man das dächte. Sofern mir in den nächsten Jahrzehnten nichts Unvorhergesehenes widerfährt, werde ich bis zu meinem Tod mehr oder weniger ausschließlich Popmusik in der einen oder anderen Form hören. (Ich besitze ein paar klassische CDs und höre sie auch manchmal, aber ich nehme Mozart oder Haydn nicht als Mus ik wahr, sondern eher als etwas, wovon das Zimmer eine Zeit lang anders riecht, wie eine Duftkerze, und ich gehe mit Kunst nicht gerne so respektlos um.) Außerdem bereue ich nichts. »Ich möchte ihn schon dafür im Kittchen sehen, dass er mit etwas so Hirnverbranntem wie Pop zu tun hat, und Punkt«, schrieb jüngst ein für seine galligen Kommentare -79-
legendärer Autor und Zeitungskolumnist, als er versuchte, etwas zugunsten eines bekannten Moguls der Musikbranche zu sagen, der gerade inhaftiert worden war, aber so was kennen Sie ja zur Genüge. Ich habe keine Ahnung, ob er unter »Pop« dasselbe versteht wie ich und ob er alles davon, selbst Dylan und Marvin Gaye und Neil Young, für hirnverbrannt hält. Ich vermute, ja. Diesen Einwand habe ich noch nie verstanden, denn Musik ist, wie Farbe oder eine Wolke, weder intelligent noch unintelligent - sie ist einfach. Der Akkord, der einfachste Baustein selbst für den banalsten, blödesten Chart-Song, ist ein wunderbares, perfektes, geheimnisvolles Etwas, und wenn ein ungebildeter, emotional verrohter Klotz, der noch nie ein Buch in der Hand hatte, ein paar davon zusammenzimmert, hat er gute Chancen, etwas Wunderbares und Mitreißendes zu erschaffen. Ich möchte keine hirnverbrannten Bücher lesen, aber Bücher bestehen aus Wörtern, dem einzigen Instrument, um unsere Gedanken auszudrücken; von Musik verlange ich nicht mehr, als dass sie sich gut anhört. Obwohl es so krude und einfach klingt, ist »Twist and Shout« gut - ja, jeder Versuch, es zu verfeinern, würde ihm nur abträglich sein -, und ich widerspreche kategorisch und energisch jedem, der musikalische Kompliziertheit und Intelligenz mit überlegener Qualität gleichsetzt. So funktioniert das nicht, und vielleicht ist das der Grund dafür, dass diese Leute über Popmusik die Nase rümpfen - weil sie zu den wenigen Dingen gehört, bei denen das nicht so ist. (Oft hassen sie auch Sport.) Ich lehne klassische Musik nicht aufgrund ihrer Kultiviertheit ab - so eine Art von Snob bin ich nicht. Ich mag sie nicht (oder sie berührt mich zumindest nicht), weil sie so weihevoll klingt und es, zumindest soweit ich heraushören kann, nicht versteht, sich mit den unbedeutenderen Gefühlen zu befassen, die einen Tag, eine Woche, ein Leben ausmachen, und weil es keine Backing Vocals, Bass-Lines oder -80-
Gitarrensoli gibt und weil ich damit aufgewachsen bin, etwas anderes zu hören, und weil es ihr nicht gelingt, irgendeine Emotion in mir zu wecken, und weil ich es nicht nötig habe, dass meine Musik irgendwie »besser« klingt, als sie es bereits tut ein großartiges, furzendes, glucksendes, geistesgegenwärtiges Saxophonsolo reicht mir völlig. Deswegen wird »Caravan« auf meiner Beerdigung gespielt. Das einzige Problem mit der oben bereits erwähnten längeren Passage, dem Part, von dem ich hoffe, dass er die Traue rnden besinnlich stimmen wird, ist, dass... na schön, okay, raus damit: Es ist der Teil, wo Van Morrison die Band vorstellt. »Terry Adams on cello... Nancy Ellis on viola... Bill Elwin on trumpet... David Hayes on bass...« Ist das zu schräg? Werden Leute sich wirklich von meiner Beerdigung entfernen, während sie im Hintergrund eine Liste mit Namen von Leuten hören, die sie (und ich auch) gar nicht kennen? Mittlerweile stelle ich mir diese Passage als eine Art metaphorische Dramatis Personae vor: zugegeben, ich kenne keinen David Hayes und keine Nancy Ellis, aber, wissen Sie... ich kenne wahrscheinlich jemanden, der so ist wie sie. Mehr fällt mir dazu nicht ein, und das muss reichen, weil ich meine Meinung nicht mehr ändern werde.
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»So I'll Run« - Butch Hancock und Marce LaCouture
Irgendwann in den späten 80ern habe ich mir Butch Hancock, den texanischen Singer-Songwriter, in einem großen, zugigen Pub um die Ecke angesehen. Ich erinnere mich noch deutlich, dass ich auf dem Weg dorthin nicht gerade in Vorfreude geschwelgt habe. Es war ein kalter, feuchter Londoner Winterabend, und ich war nicht in Stimmung, der Pub war legendär ungemütlich, und es gab Zeiten, in denen ich SoloAkustik-Auftritte anstrengend fand, ein bisschen viel Fleisch und Kartoffeln und zu wenig Dessert. Aber Butch Hancock ist eine legendäre Gestalt in der Country-Folk-Musik, er hatte eine weite Anreise hinter sich und kommt sicherlich nicht jeden Tag nach Finsbury Park... Es wäre flegelhaft gewesen, nicht hinzugehen. Aber Butch trat nicht alleine auf. Er wurde von einer Sängerin begleitet, einer Frau namens Marce LaCouture, und in der Sekunde, in der das Konzert begann, besserte sich meine Laune. Sie klangen umwerfend zusammen, diese beiden, und es wirkte wie ein kleines Wunder, dass zwei Stimmen und eine akustische Gitarre diesen zugigen (und ehrlich gesagt zu drei Viertel leeren) Pub in eine Ort verwandelten, in dem schöne Dingen passieren konnten. Nach einer Weile machten sie eine Pause. Marce blieb, um am Bühnenrand Kassetten zu verkaufen, und ich kaufte ihr eine ab, nachdem ich mich vergewissert hatte, das auch »So I'll Run« drauf war, das Stück, das mir von ihrem ersten Set am besten gefallen hatte. (Wie sich herausstellte, war »So I'll Run« so ziemlich der einzige Song in ihrem Repertoire, der nicht von ihnen war - den hat jemand namens Al Strehill geschrieben, und -82-
ich weiß immer noch nicht, wer das ist -, darum war meine Begeisterung dafür wahrscheinlich ein ganz klein wenig taktlos.) Wie dem auch sei, so war's. Ich hatte einen schönen Abend, schöner, als ich erwartet hatte, und dann ging ich heim. Aber aus irgendeinem Grund kam mir dieser Abend wieder in den Sinn, als ich an meinem ersten Roman, High Fidelity, schrieb, und ich ließ Rob, meinen Ich-Erzähler, zu einem miesen Pub gehen, um sich eine Singer-Songwriterin namens Marie LaSalle anzuschauen. Ihm gefällt die Musik, nicht zuletzt, weil sie seine Stimmung hebt oder zumindest ändert, er kauft ihr in der Pause eine Kassette ab und verknallt sich in sie. Später besucht sie ihn in seinem Plattenladen, und schließlich schlafen sie miteinander. Ich bin sicher, dass Ms LaCouture mit wahrscheinlich unschmeichelhafter Bereitwilligkeit bestätigen würde, dass wir nicht miteinander geschlafen haben. Und sie würde sicher mit vergleichbarer Bereitwilligkeit bestätigen, dass sie nie »Baby I Love Your Way« von Peter Frampton gecovert hat, und sie hat erst recht nicht meinen Plattenladen betreten, weil ich nie einen hatte, und obwohl sie einen sehr netten Eindruck machte, habe ich mich nicht in sie verknallt. Ich glaube nicht mal, dass ich je davon geträumt habe, mit einer Musikerin zu gehen und auf dem Cover ihrer CDs in der Thanks-Liste erwähnt zu werden, wie Rob, als er Maries Auftritt sieht. Und doch ist mir bewusst, dass die Marie in meinem Buch irgendwie Marce LaCouture nachempfunden ist, daher der ähnliche Name und die identischen Initialen. Ich hege den Verdacht, dass ich nicht über Marce LaCouture schrieb, sondern über das Lied, das sie sang. Dass ich mich so gut an den Abend erinnere, liegt an der Alchemie, durch die sie aus einer klammen Nacht und einer schrottigen PA ein paar magische Momente machte, und ich versuchte mehr oder weniger das Gleiche. Wie sie verfügte ich über wenig viel versprechende Zutaten (ein übellauniger Erzähler und seine -83-
idiotischen Freunde, ein trübseliger Pub), und wie sie versuchte ich, die Menschen trotz der idiotischen Beschränkungen, die ich mir selbst auferlegt hatte, zu unterhalten. Kürzlich wurde ich in einer Zeitung von zwei »Fantasydichtern« attackiert, soweit ich es verstanden habe, weil die Welt, die ich porträtiere, so furchtbar gewöhnlich ist. Die nächstliegendste Erwiderung darauf ist, dass es schön und gut sein mag, über Elfen, Drachen, Göttinnen, die aus der Erde emporsteigen, und Ähnliches zu schreiben wer könnte so etwas schreiben und es nicht in den buntesten Farben schildern? (Die Lesbarkeit ist natürlich eine andere Frage...) Aber über Pubs und auf ihren Durchbruch wartende Singer-Songwriterinnen zu schreiben - tja, das ist harte Arbeit! Nichts passiert. Nichts passiert, und doch muss ich Sie irgendwie davon überzeugen, dass etwas passiert, irgendwo in den Herzen und Köpfen meiner Charaktere, obwohl sie nur rumstehen, Bier trinken und Witze über Peter Frampton reißen. Genie ist ein überstrapazierter Begriff, aber... Nein, okay, ich will's nicht übertreiben. Ich will darauf hinaus, dass ich meiner Figur dieselben Initialen gegeben habe wie die der Sängerin, die ich gesehen hatte, weil ich hoffte, dass da etwas abfärben würde, das es dem Leser verständlich machen würde, wieso die Laune meines Ich-Erzählers sich bessert, weil es mir unter ähnlichen äußeren Bedingungen so gegangen ist. Mit anderen Worten, es war purer Aberglaube. Ich habe das schon früher und auch später noch gemacht, vermutlich mit ähnlich geringem Erfolg. Das Erste, was ich je geschrieben habe, ein Fernsehspiel, das ich nie an den Mann bringen konnte, sollte so klingen wie das Klavierintro zu Aretha Franklins »I Say a Little Prayer«; vielleicht habe ich das Stück nie verkaufen können, weil dieses Klavierintro weniger als dreißig Sekunden dauert, was wirklich ein bisschen wenig ist, um ein ganzes Fernsehspiel zu tragen. About a Boy, mein zweiter Roman, sollte irgendwie »E-Bow the Letter« von REM ähneln. Inwiefern? Ich weiß nicht, inwiefern. Ich weiß nur, dass -84-
in diesem Song etwas mitschwingt, das ich in meinem Buch reproduzieren wollte, etwas zugleich Geheimnisvolles, Ironisches und Nachdenkliches. Großzügige Leser werden mir wenigstens das Ironische zubilligen. Und obschon mir nie etwas davon zu meiner eigenen Zufriedenheit gelungen ist, obschon ich noch nie eines meiner Bücher oder eins meiner Drehbücher ein zweites Mal gelesen habe und mir sagen konnte: »Ja, das ist es, genauso wollte ich klingen«, weiß ich doch, dass mir das Schreiben ohne die Musik viel schwerer gefallen wäre. Also danke schön, Marce und Butch. Ohne euch wäre Rob nie mit einer Singer-Songwriterin ins Bett gegangen, und damit wäre er definitiv schlechter drangewesen.
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»Puff The Magic Dragon« - Gregory Isaacs
Ich weiß noch, wie mein Sohn Danny zum ersten Mal Musik hörte. Er kam gerade mit seiner Mum aus dem Krankenhaus, in dem er zur Welt gekommen war, und ich spielte Shara Nelsons Solo-CD, die ich mir in jenem Herbst oft anhörte, und plötzlich wurde er ganz still und aufmerksam. Es ist unmöglich, bei den Gedanken an die ersten Tage im Leben eines Kindes nicht sentimental zu werden, aber ich hätte damals jede Wette darauf abgeschlossen, dass Musik eine wichtige Rolle für meinen Sohn spielen würde, auf die eine oder andere Weise keine allzu gewagte Wette, wenn man bedenkt, wie wichtig Musik für seine Mutter und mich ist. Vielleicht würde er bloß ein Fan sein, vielleicht würde er mal ein Instrument spielen. War mir - ist mir - völlig egal, solange er nur irgendwo in sich Musik spürte. Es war eine sehr glückliche Zeit für mich. Danny war nach einer sehr schwierigen Geburt, die ihn und seine Mutter beinah umgebracht hätte, glücklich zu Hause; kurz vor seiner Geburt hatten sie und ich, so glaubten wir, eine lange schwierige Phase durchgestanden, und dass er zur Welt kam, war uns Bestätigung, dass diese Schwierigkeiten nicht wiederkommen würden. Es ging jedoch nicht mehr lange gut. Dannys Entwicklung war ein permanenter Anlass zur Sorge (als er drei war, wurde bei ihm schließlich Autismus diagnostiziert), und in Anbetracht der Belastungen jener frühen Jahre kam es nicht überraschend, dass die Heftpflaster abfielen, mit denen die Beziehung seiner Eltern zusammengeflickt war, und die Wunden darunter eiterten bereits. Doch trotz alldem konnte Danny weiterhin Musik fühlen - er fühlte sie sogar so stark, dass er ein eigenes Wort dafür erfand, -86-
was eine reife Leistung ist, wenn deine ganze Welt von der Unfähigkeit zur Kommunikation bestimmt wird. Einer der vielen faszinierenden Aspekte an seinem Zustand (ja, Faszinierendes gibt es da ebenso wie Lachen und Vergnügen und Aufregung, vermischt mit Kummer und Sorge) ist es, dass er, obwohl er sehr wenig sprechen kann, Namen für Dinge findet, bei denen er fürchtet, sie vielleicht nicht zu bekommen, wenn er nicht ausdrücklich darum bittet. Anders gesagt, es gibt Dinge, die so erstrebenswert sind, dass sie den Mantel des Schweigens zerreißen, der ihn umgibt, und Musik (er nennt sie »goggo«) steht ganz vorne an, zusammen mit Chips, Schwimmen und Keksen, ziemlich genau die Stelle, an der sie bei mir auch rangiert. Dannys Beziehung zur Musik ist intensiv. Abends vor dem Einschlafen muss er Musik hören; manchmal wandert er mit einem tragbaren Kassettenrekorder herum, den er bis zum Anschlag aufgedreht hat, und zuweilen zieht er sich wie ein Teenager in sein Schlafzimmer zurück, um mit einer Konzentration zuzuhören, die ihm woanders nicht zugestanden wird. Ich finde es schon fast unerträglich rührend, ihm dabei zuzusehen - mein kleiner sprachloser Junge, das Ohr am Lautsprecher, um auch ja jeden Ton von jedem Song mitzubekommen (und wer weiß, vielleicht jedes Wort?). Er scheint auch eigene Vorlieben zu entwickeln. Vor ein paar Wochen hörte er im Auto recht vergnügt Tapestry statt seiner üblichen Kinderlieder, aber als der CD-Wechsler auf Louis Armstrongs »Hot Fives and Sevens« umsprang, kam vom Rücksitz ein empörter Aufschrei: »Goggo! Goggo!« Louis Armstrong, der im Alleingang eins der wichtigsten musikalischen Idiome des zwanzigsten Jahrhunderts geschaffen hat, hat anscheinend keine Musik geschaffen. Also machten wir mit Nick Lowe weiter, und er war wieder zufrieden. Das war ein Lichtblick. Jeder Satz, der Danny betrifft und die Wörter -87-
»entwickeln« und »Vorlieben« beinhaltet, ist ein Lichtblick, denn er neigt dazu, nicht weiterzukommen, sich ausschließlich auf Vorlieben zu konzentrieren, die er immer schon hatte hat (für Salz- und-Essig-Chips, Postman-Pat-Videos und Erdnussbutter-Sandwiches), statt neue zu entwickeln: Irgendwann zwischen seinem zweiten und dritten Geburtstag öffnete sich einmal eine Tür, durch die er neue Erfahrungen, Geschmäcker und Interessen hereinließ, aber diese Tür wurde ganz plötzlich, ohne Vorwarnung, mit lautem Knall wieder zugeschlagen, und in den letzten fünf Jahren ist jede Erweiterung seines Repertoires Anlass zu Jubel und verblüfften Gesprächen gewesen - »Er hat zwanzig Minuten von Toy Story geguckt!« »Er hat einen halben Cracker gegessen!« »Er hat in der Schule Aa gemacht!« Das sind so die Dinge, die in Dannys Leben als radikale Neuerungen herhalten müssen; Sie mögen sich ja für ein Gewohnheitstier halten, aber er ist weit mehr als ein Tier. Er ist eine Gewohnheitsbestie, ein Tyranosaurus Rex der Gewohnheit. Also setze ich große Hoffnungen auf Musik. Ich versuche ihm Kassetten (die er gerne verheddert) ab- und CDs anzugewöhnen und ihm seine Kinderlieder auszutreiben; ich glaube, er könnte mit, ich weiß nicht, Rumours, Rubber Soul oder Catch a Fire etwas anfangen, wenn ich ihn nur dazu brächte, sich die erste Takte anzuhören - normalerweise werden alle neuen kulturellen Erzeugnisse (Videos, die er noch nicht kennt, Musik, die er noch nie gehört hat) sofort durch die Eject-Taste wieder ausgeworfen. Ich habe neulich mit der CD Reggae for Kids einen bescheidenen Durchbruch erzielt. Sie beginnt mit Gregory Isaacs, der »Puff The Magic Dragon« singt, und dieser bescheidene Durchbruch folgte unmittelbar auf einen weiteren bescheidenen Durchbruch, die Einführung in so eine WorldMusic-Sache, die er zwar niemals verlangt oder selbst aufzulegen versucht, aber toleriert und vielleicht ja auch -88-
insgeheim schätzt, und ich habe noch einige andere Compilations gefunden, die ihm eventuell gefallen könnten... Wer weiß? Vielleicht hört er sich bald »Night Nurse« von Gregory Isaacs an. Und dann könnten wir auf ein Konzert gehen, und dann würde er vielleicht hinreichend motiviert sein, um zu lernen, welche CD aus welcher Hülle kommt... Wenn man ein behindertes Kind hat, lernt man sehr schnell, alle Pläne aufzugeben, die man irgendwann für sein Kind hatte (und man lernt auch, dass viele dieser Pläne ohnehin blödsinnig waren, abwegig, affektiert, dumm, vermessen, einschüchternd restriktiv), aber es treten andere an ihre Stelle, und Pläne, die mit Musik zu tun haben (mit Musikhören, nicht so eine blöde Traumvorstellung à la Shine, Royal Albert Hall, ein Ausnahmetalent und ein ungläubiges, in Tränen gebadetes Publikum usw.), wirken da sowohl harmlos wie realisierbar. Aber es würde mir fürs Erste schon reichen, wenn er sich »Night Nurse« anhört. Wenn es stimmt, dass Musik selbst denen, die sich ganz annehmbar in Wort und Schrift ausdrücken können, als Form des Selbstausdrucks dient, wie ich an anderer Stelle behaupte, um wie viel wichtiger muss sie für ihn sein, der über so wenige andere Ventile verfügt? Aus diesem Grunde finde ich die Beziehung zur Musik, die er bereits hat, so wunderschön, denn so weiß ich, dass in ihm etwas existiert, von dem er möchte, dass andere es für ihn artikulieren. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, liebe ich genau deswegen die Beziehung jedes Menschen zur Musik: weil wir etwas in uns haben, das jenseits aller Worte liegt, etwas, das sich all unseren Versuchen, es rauszulassen, entzieht und widersetzt. Es ist wahrscheinlich der beste Teil von uns, der reichste und befremdlichste, und auch Danny verfügt über ihn, natürlich tut er das; man könnte sagen, dass er einfach alles Irdischen, Wertlosen daran entbunden ist.
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»Reasons to Be Cheerful, Part 3« - Ian Dury & the Blockheads / »Calvary Cross« - Richard und Linda Thompson
Wollte man pervers sein, könnte man behaupten, dass man niemals England hört, wenn man sich englische Popmusik anhört. Die Beatles und die Stones spielten in ihren entscheidenden Jahren Coverversionen von amerikanischen Songs und sangen mit amerikanischem Akzent; die Sex Pistols waren die Stooges mit schlechten Zähnen und einem cleveren Manager, und Bowie war die Art-School- Version von Jackson Browne, bis er die New York Dolls sah. Aber Sie werden England auch nicht hören, wenn Sie sich Elgar oder Vaughn Williams anhören: Zu viel ist seitdem passiert. Wo ist die bierselige Gewalt? Wo die kesse Lippe, der Minderwertigkeitskomplex, die Lethargie und die Respektlosigkeit? Wo sind die Witze? Wo das Curry? Sie wollen vielleicht an all das nicht erinnert werden, wenn Sie sich hinlegen und an England denken, aber es ist unleugbar da, und wenn Sie Engländer sind, essen Sie wahrscheinlich sehr viel häufiger ein Curry, als Sie eine Lerche aufsteigen sehen. Man kann kaum etwas finden, das amerikanischer klingt als die Musik von Ian Durys Band The Blockheads bei »Reasons to Be Cheerful«: eine abgehackte James-Brown-Gitarre, ein Saxophonsolo, das »Theme From A Summer Place« zitiert... nur dass eben genau da, in der merkwürdigen Kombination von amerikanischem Kitsch der Spätfünfziger und amerikanischem Frühsiebziger-Funk (und »Reasons to Be Cheerful« ist funky genug, um einen in patriotische Könnenwirallesauch-Euphorie zu versetzen) etwas einzigartig Englisches liegt: Durys Generation hatte weder Angst vor der Vergangenheit noch vor -90-
der Populärkultur jenseits der Rock- und Bluestradition. (Vergleichen Sie die Beatles oder die Kinks mit einer beliebigen amerikanischen Band aus derselben Ära, und Ihnen wird sich der Schluss aufdrängen, dass unsere Bands ihre Eltern mehr mochten.) »Reasons to Be Cheerful« ist, wie der Titel schon vermuten lässt, eine Liste, und indem diese Liste nicht wenige Dinge umfasst, die gar nicht englisch sind, ist sie ebenso seltsam repräsentativ für eine bestimmte Art von NachkriegsEnglishness wie die Musik. Stephen Biko beispielsweise, der schwarze Aktivist, der von den südafrikanischen Machthabern ermordet worden ist, war ein integraler Bestandteil der linksliberalen politischen Landschaft der frühen Achtziger - und es war ein englischer Sänger, Peter Gabriel, der ein Lied über ihn schrieb. Und der Posaunist Rico ist Jamaikaner, unsere Begeisterung für Reggae in den siebziger Jahren wurde wiederum auf der anderen Seite des Atlantiks nicht geteilt, und Rico war nicht nur ein Grund, fröhlich zu sein, sondern auch dafür, dass die Specials so unverwechselbar klangen (und zu ihrer Zeit so unverwechselbar unamerikanisch). Ich versuche nicht, diese Leute oder ihre Leistungen für England zu reklamieren, sondern möchte eher darauf hinaus, dass sie für uns eine große Bedeutung hatten, dass sie ein Teil dessen sind, was in den letzten Jahrzehnten dazugehörte, Engländer zu sein. Je häufiger ich mir »Reasons to Be Cheerful« anhöre, desto mehr klingt es für mich wie die ideale Nationalhymne, eine, die es fertig bringen könnte, in denen von uns, die sich schon zu lange für unser Land schämen, wieder so etwas wie Stolz zu wecken. Ja, wenn Tony Blair Mumm hätte, würde er der Queen erklären, dass sich keiner mehr für sie interessiert, dass die alte Hymne nicht mehr passt und von nun an Durys Song bei allen Sportveranstaltungen und Staatsakten zum Einsatz kommt. Man stelle sich das vor: Vor jedem Länderspiel singt David Beckham »Summer, Buddy Holly, the working folly, Good Golly Miss Molly...« das würde der Moral der Nation unermesslichen -91-
Auftrieb geben. Und das Schönste ist, dass der Song sich entwickeln könnte. Wenn wir als Nation beschließen würden, dass, sagen wir, Jarvis Cocker oder Judi Dench oder Michael Owen Grund genug sind, fröhlich zu sein, dann könnte der Poeta laureatus ein paar Reime schmieden, die sich einfügen lassen. (Ein weiterer Vorteil wäre, dass wir dann auf Militärkapellen ganz verzichten könnten, denn keine von denen verfügt über den nötigen Swing, geschweige denn die erforderlichen E-Gitarren.) Es gab seit Punk nicht mehr viel, das in irgendwem Nationalstolz wecken könnte, der nicht John Mayors Vorstellung von England teilt; eine Vorstellung, in der alte Damen auf dem Fahrrad zum Abendgottesdienst und zum Kricket fahren; der wiederbelebende Effekt von Tony Blairs Wahl 1997 ist längst verpufft, und seine Regierung hat sich als eine Bande hohler Witzfiguren entpuppt, die auch nur an ihren Sesseln klebt. Ich kann mich weder für unsere albernen, unechten Gangsterfilme begeistern noch für die Mehrzahl unserer hölzernen, versnobten Schriftsteller, noch für die hölzerne, billige Popmusik (und sollten Sie der Ansicht sein, dass Popmusik generell billig ist, dann vergleichen Sie mal, was Lennon inspirierte - die Goon Show mit Peter Sellers und Spike Milligan, Chuck Berry, die Music-Hall- Tradition, Surrealismus und vieles mehr - mit den Vorbildern von Noel Gallagher, der neben den Beatles keine anderen zu haben scheint). Aber Durys Song erinnert daran, dass es ein anderes englisches Erbe gibt (oder gab?), noch etwas außer Cool Britannia und MerchantIvory. Unter den Dingen, die »Reasons to Be Cheerful« aufzählt, sind Kassengestelle (wir haben immerhin noch ein Gesundheitswesen) und das Bolschoi- Ballett (wir hatten nie Kommunistenparanoia) und das Mitsingen von SmokeyRobinson-Songs (wir haben unsere schwarze amerikanische Musik immer geliebt und tun es noch - ja, wir sind ihre wahren Kuratoren -, und wir fanden Disco niemals Scheiße)... Und -92-
wenn sich Ian Dury in seinem Art-School-Cockney-Akzent für »something nice to study« bedankt, überkommt einen Rührung: Auch das Selbststudium ist ein Teil unserer Geschichte im zwanzigsten Jahrhundert (man denke an den Left Book Club, Penguins preiswerte Originalausgaben, um einer breiten Masse die Klassiker zugänglich zu machen, die Open University), auc h wenn man den Verdacht hegen muss, dass das alles im einundzwanzigsten Jahrhundert keine große Rolle spielen wird. Für ein Stück Funk-Spleen ist »Reasons to Be Cheerful«, wenn man genau zuhört, eine sehr präzise kulturelle Bestandsaufnahme; ob es an ein vergangenes goldenes Zeitalter erinnert, wird nur die Geschichte zeigen können. In Richard Thompsons »Calvary Cross« kann man ein noch älteres England hören, das England, über das Blake und die Brontès geschrieben haben, ein alter, unheimlicher Ort voller finsterer, satanischer Bauern und heulender Winde, wo Fußball mit einer Schweinsblase gespielt wird und ähnliche Dinge mehr. Und obwohl es mehr als genug Folkmusik gibt, in der diese dunkle Zeit, in der es nur drei Fernsehprogramme und keine vernünftigen Imbissbuden gab, heraufbeschwört, ist Thompson der Einzige, der dazu eine E-Gitarre nimmt - er hat den Rock 'n' Roll mit Haut und Haaren verschlungen (und ist einem gelegentlichen Chuck-Berry-Cover nicht abgeneigt, und seine Version der »Ballad of Easy Rider« von den Byrds ist eine wunderbare, folkige Mischung von »Here and There«) und wieder ausgespuckt als etwas, das nur in England fabriziert werden kann. Zum ersten Mal sah ich ihn und seine Exfrau Linda live 1977, und sie sahen aus wie Figuren von Thomas Hardy: Das Konzert fand in einem tristen Hörsaal in Cambridge statt, und Thompsons ausgezehrtes, gequältes, altmodisches Gesicht erinnerte mich an den armen Jude Fawley und seine glücklosen Versuche, in Oxford zu studieren. Linda trug einen Kittel und ein Kopftuch, saß auf einem Stuhl (möglich, dass sie schwanger war) und wirkte elend, so als würde Thompson -93-
versuchen, sie zu verkaufen, ähnlich wie Henchard in The Mayor of Casterbridge seine Frau verkauft. Es war alles sehr karg und seltsam eindringlich, und obwohl ich froh bin, sie gesehen zu haben, habe ich nicht eine Sekunde lang das Gefühl gehabt, in dem Land zu wohnen oder wohnen zu wollen, das diese Musik hervorgebracht hat. Spielt das eine Rolle? Wahrscheinlich nicht - ich wollte auch noch nie in Mali oder in Trenchtown Jamaika wohnen, aber ich habe ein paar gute Platten, die von dort kommen. Es ist nur ein bisschen ungemütlich, Musik aus seinem und über sein eigenes Heimatland zu hören, wenn das Heimatland darin wie der kälteste, trübste Ort der Welt klingt. Ich will dort wohnen, wo Ian Dury wohnte; ich hoffe, ich wohne dort auch noch.
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»Late For the Sky« - Jackson Browne
Was hörte ich 1974, als Late For the Sky erschien? Jedenfalls nicht Jackson Browne. Eigentlich war er mir vor 1977 nie richtig aufgefallen, als mein musikalisches Mikroklima viel zu grimmig für empfindliche kalifornische Pflanzen war; die Allgegenwärtigkeit von The Pretender in den Plattensammlungen der Mädchen, die ich am College kennen lernte, bestätigte mich in dem Verdacht, dass Mädchen einfach hoffnungslos waren, wenn es um Musik ging. Und dann, ein paar Jahrzehnte später, in der Zeit meiner Trennung, stellte ich fest, dass Blood On the Tracks und Tunnel Of Love, die in Friedenszeiten weidlich ausgeschöpft worden waren, nicht mehr viel zu bieten hatten, und The Clash und die Ramones, von denen ich gedacht hatte, sie wollten, dass ich über The Pretender die Nase rümpfe, bedeuteten mir längst nichts mehr. (Was nicht heißen soll, dass die College-Mädchen letztlich doch richtig gelegen hatten. Wir waren neunzehn und hatten gefälligst alle Punkrock zu hören und keine Songs über Ehezwistigkeiten und vorgezogene Midlife-Krisen. Wenn man allerdings bedenkt, dass die Jungs Punk hörten, während sie an der University of Cambridge englische Literatur oder Jura studierten, könnte man argumentieren, dass in beiden Fällen ein gewisses Element der Heuchelei zu finden war, das man als junger Erwachsener eigentlich längst abgestreift haben sollte.) Also kam ich auf Anraten meines Freundes Lee (s. u.) mit einem Stapel JacksonBrowne-Platten nach Hause und stellte nach wenigen Minuten fest, dass ich einen neuen Freund gefunden hatte. Abgesehen von »Doctor My Eyes« und »Take It Easy« kannte ich keinen der tollen Songs auf den ersten drei oder vier Alben. »Late For the Sky«, »These Days«, »For a Dancer«, »From Silver Lake« oder »Jamaica, Say You Will« hatte ich noch nie -95-
gehört. Es war fast so, als würde ich einen Autor entdecken, von dem ich noch nie etwas gelesen hatte - nur entdecken wir ständig Autoren, vo n denen wir noch nie was gelesen haben, aber nur selten einen wichtigen Musiker mit solidem Backkatalog: Normalerweise ist es eher Voreingenommenheit als Unkenntnis, was uns davon abhält, sie zu entdecken, und Voreingenommenheit ist schwerer auszuräumen (und es macht viel mehr Spaß, sie zu kultivieren). Ja, es war Voreingenommenheit, die mich davon abgehalten hatte, mir Jackson Browne anzuhören. Er war kein Punk. Er hatte eine komische Pottfrisur, die nicht gerade Rock-'n'-Rollmäßig war. Er schrieb »Take It Easy« zu einer Zeit, in der ich keine Lust hatte, etwas leicht zu nehmen. Und obwohl ich keins dieser Stücke kannte, wusste ich, dass sie die Nabelschau eines empfindsamen Waschlappens waren - amerikanisch im schlimmsten Sinne des Wortes. Und plötzlich, in den Vierzigern, sog ich es gierig auf und war bereit, ihm alle möglichen textlichen Patzer und Banalitäten in den traurigen Stücken nachzusehen; ich war auch willens, ihm all die schlappen, glücklosen und Gott sei Dank seltenen Versuche zu vergeben, sich als Rocker zu profilieren (obwohl ich in den Zeiten des Vinyls, als ich noch keine Fernbedienung und keine »Skip«-Taste besaß, sehr viel weniger nachsichtig gewesen wäre.) Ich bin willens, die schlechten Stücke zu verzeihen, weil die besten Stücke einfach schön sind, und Schönheit ist etwas so Seltenes, besonders in der Popmusik, dass man sich mit allem, was einen davon abhält, es unvoreingenommen zu genießen, letztlich ins eigene Fleisch schneidet. Ich kann es mir nicht mehr leisten, Popsnob zu sein, und wenn es da draußen einen Song gibt, der mich anzurühren vermag, dann will ich ihn auch hören, egal wer ihn gemacht hat. Früher hatte ich einen Grund, Little Feat (zu gefällig, soweit ich mich erinnere, und musikalisch vielleicht zu perfekt) und Neil Young (überlange Gitarrensoli) nicht zu mögen, doch -96-
heutzutage kann sich niemand mehr solche geschmacklichen Marotten leisten. Entweder man mag Popmusik oder nicht, und wenn ja, dann muss man alles hören, das etwas taugt. Die Aversion eines Popsnobs gegenüber Leuten wie dem armen Jackson wäre verzeihlich, wenn alles, was wir in unseren snobistischsten Jahren gehört haben, von vergleichbarem Wert gewesen wäre, aber natürlich war das meiste davon wahrhaft schrecklicher (und kurzlebiger) Schrott. Vor kurzem hat die Zeitschrift Mojo eine Liste der hundert besten Punksingles veröffentlicht, und man muss fairerweise sagen, dass wahrscheinlich achtzig Prozent davon damals wie heute einfach grässlich sind - unoriginell, kindisch, selbst im Kontext von Punk unmelodisch, nichts, was ich jemals wieder hören möchte. Und trotzdem hätte ich damals jederzeit Half Man Half Biscuit oder die Users Jackson Browne vorgezogen. (Ach, was sage ich? Ich habe Half Man Half Biscuit jederzeit Jackson Browne vorgezogen.) Ich habe mir David Lindlays hymnisches, gefühlvolles Gitarrensolo in »Late For the Sky« ein Vierteljahrhundert nicht angehört, weil ich ein Heuchler war, engstirnig und dumm wie ein Rassist. (Und wo wir gerade dabei sind: Ich war alt genug, wählen zu dürfen, und versuchte trotzdem »Belsen Was a Gas« von den Sex Pistols zu verteidigen, während ich mich zur gleichen Zeit außerstande sah, einem Mann mit einer zweifelhaften Frisur und einer leichten Neigung zur Introspektion gegenüber großmütig zu sein... es war alles ein bisschen gespenstisch damals, wenn ich jetzt so darüber nachdenke.) Heute würde ich mich viel entschiedener für Jackson Browne einsetzen als jemals für die Sex Pistols: »Du magst ›Late For the Sky‹ nicht? Dann leck mich, ist mir scheißegal.« Das mag einfach bedeuten, dass ich alt werde und mich die gebremste Musik von Jackson Browne mehr anspricht als Punk dass ich damit nur auf umständliche Art erklären will, dass ich fünfundvierzig bin (heute, während ich dies schreibe!) und mir -97-
deswegen lieber folkige Singer-Songwriter anhöre als rotzfreche, laute Gitarrenbands... Kinder... Ischiasbeschwerden... ein gemütlicher Abend und The West Wing im Fernsehen... blabla. Und dennoch kenne und schätze ich immer noch den Wert von Krach, wie meine Lebensgefährtin zweifelsohne betrübt bestätigen würde. Niemand in meinem Freundeskreis steht so auf die Strokes wie ich (zugegebenermaßen kann keiner etwas mit ihnen anfangen, weil alle meinen, das alles schon mal gehört zu haben, während es mir gefällt, dass ich das alles schon mal gehört habe, daher ist das vielleicht nicht der schlagendste Beweis für meine hardrockende ewige Jugend); Marahs Konzerte, deren Lautstärke meinen Freund Lee an Ted Nugent zu seinen beängstigendsten Zeiten erinnerte, machten mir lediglich klar, dass ich meinen Ohren öfter mal erlauben sollte zu klingeln. Daher denke ich nicht, dass meine neu entdeckte Liebe zu Jackson vollends durch mein fortgeschrittenes Alter erklärt werden kann. Damals wäre Jackson allerdings an mich verschwendet gewesen; ich hätte ihn nic ht verstanden. Damit meine ich nicht die Texte, die ja nicht gerade opak sind (mein Singer-Songwriter der Spätsiebziger, Elvis Costello, hat mich als Kritiker weit mehr gefordert); ich meine die Seele. In diesem Punkt ist es von Vorteil, älter zu sein, denn so wie ich als Vierzehnjähriger jeder Melodie misstraute, die nicht in ein Heavy-Metal-Riff verpackt war, war ich mit einundzwanzig unfähig, zwischen Softrock, der Schmerz ausdrückt, und Softrock, der die satte Zufriedenheit eines selbstgefälligen Kiffers mit Frau, Hund und einem Vorschuss von seiner Plattenfirma ausdrückt, zu unterscheiden. Es gibt eine Fülle von Aspekten an Jackson Brownes Musik, die mich als jungen Mann wohl nicht angesprochen hätten, denn ich hätte ihre Zartheit und Zerbrechlichkeit fälschlicherweise für fade gehalten. Das Fragment eines Backgroundchors in »The Times You've Come«, wenn der mehrstimmige Gesang zum Höhepunkt kommt, die Stelle mit »Everyone will tell you it's not worth it«, -98-
das Klavierintro zu »I Thought I Was a Child«, die ersten Akkorde von »Late For the Sky« selbst, wenn Lindleys Gitarre, Brownes Klavier und eine Orgel eine atemberaubende, dunkle Schönheit erschaffen (und wie viele Plattenlabel würden es heutzutage einem ihrer Stars erlauben, so etwas als Auftakt eines Albums zu bringen?)... Ich glaube, man muss schon ein wenig gelebt haben, um die Tiefen des Gefühls zu begreifen, die in diesen Momenten und diesen Songs stecken, und wenn »Late For the Sky« die perfekte Begleitmusik zu einer Scheidung ist, liegt das nicht nur daran, dass der bedauernde Text passt; eine Scheidung zieht einem eine weitere Hautschicht ab (wer hätte gedacht, dass wir so viele davon haben oder dass ihr Entfernen so unangenehm sein kann?) und erlaubt einem so, Akkorde, Soli und Harmonien richtig zu hören. Ich sollte hinzufügen, dass ich Sachen lieber nicht richtig höre, dass ein Teil von mir wünscht, ich hätte all diese Hautschichten noch und könnte diese Musik weiterhin als kalifornisches Blabla abtun. Aber so ist es nicht, und ich werde das Beste daraus machen müssen, und um die Wahrheit zu sagen, das Beste daraus ist viel, viel besser, als ich es mir je hätte vorstellen können. Ist das nicht immer so im Leben?
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»Hey Self Defeater« - Mark Mulcahy
Irgendwann im Jahr 1996, kurz nachdem die Tasche nbuchausgabe meines Romanerstlings High Fidelity erschienen war, ging ich in einen kleinen Plattenladen auf der Upper Street in Islington, Nordlondon - nicht weit von dort, wo ich den fiktiven Plattenladen angesiedelt hatte, den der IchErzähler meines Romans betreibt. Ich war noch nie zuvor in diesem Laden gewesen - er war relativ neu (er hatte ungefähr um die Zeit herum aufgemacht, als die erste Auflage von High Fidelity erschien, ein Zufall, der seither für viel Verwirrung gesorgt hat), und aus irgendeinem Grund - die Gepflegtheit des Ladens vielleicht oder seine Name, »Wood«, der irgendwie auf eine Vorliebe für Jazz, mittelalterliche Musik oder so was schließen lässt - hatte ich immer geglaubt, dort gäbe es sowieso keine Sachen, die mich interessierten. Aber das stimmte nicht, und seitdem gehe ich oft hin. Beim ersten Mal war Lee, der Besitzer, nicht im Laden. Er war nach Liverpool gefahren, um Bob Dylan zu sehen, ein eindeutiges Indiz, dass er seine Musik ernst nahm. Als ich ihn später kennen lernte, erfuhr ich, dass er auch Fußball ernst nahm, ebenso wie ich, und dass es zu einer spektakulären, ganz üblen Kollision seiner beiden Leidenschaften gekommen war: Dylan hatte genau an dem Abend in Liverpool gespielt, als England gegen Deutschland im Halbfinale der EM 96 antrat, und Lee war vom Bahnhof direkt zu einem Pub in der Nähe des Konzertsaals marschiert, um sich das Spiel anzusehen. Das Spiel ging in die Verlängerung, und dann kam die Tortur des Elfmeterschießens... Als er aus dem Pub kam, bogen gerade die letzten Dylan-Fans vom Konzert um die Ecke. Er war zweihundert Meilen gereist, um England im Fernsehen spielen zu sehen. Das war ein Mann nach meinem Geschmack. -100-
Ich habe Lee viel zu verdanken. Er trat zu einer Zeit in mein Leben, in der es einem passieren kann, dass sich die eigene Begeisterungsfähigkeit in den Schwanz beißt; ich kann mir vorstellen, dass ich mich, wäre er nicht gewesen, zunehmend auf Reissues und Rezensionen im Feuilleton verlassen hätte, was bei mir schließlich zu einer wachsenden Unzufriedenheit mit der aktuellen Musik geführt hätte (denn ich wäre verleitet worden, Geld für ein kühnes neues Hip-Hop-Album rauszuschmeißen, dass ich mir dann niemals anhöre), und damit schließlich mit Musik überhaupt. Die alte Musik reicht nicht für ein ga nzes Leben, nicht wenn man tagtäglich und zu jeder Gelegenheit Musik hört. Man braucht Input, denn bei Popmusik geht es um Frische, um Nelly Furtado und den zum Verrücktwerden eingängigen vierten Song auf der Platte einer Band, die man in der Late-Night-Show im Fernsehen gesehen hat. Stimmt, dieser vierte Song ist nicht so gut wie irgendetwas auf Pet Sounds, Blonde On Blonde oder What's Going On, aber wann hat man das letzte Mal Pet Sounds aufgelegt? Wäre ich Lee nie begegnet, hätte ich zwar nicht Lauryn Hill oder Radiohead verpasst (obwohl er mich immer gut berät, ob ich einem Hype trauen soll oder nicht, und mir oft genug empfohlen hat, meine Kreditkarte wieder einzustecken, und mehr kann man von einem Einzelhändler wohl kaum verlangen), weil niemand Lauryn Hill oder Radiohead verpasst; aber ich hätte Leute wie Mark Mulcahy verpasst, dessen erstes Album, Fathering, ich auf Lees Empfehlung hin gekauft und dann monatelang gehört habe. »Hey Self-Defeater«, dem ersten Track (und dem Stück, das es auf praktisch jede Kassette geschafft hat, die ich mir in dem Jahr aufnahm), gelingt es, eine durch Aufrichtigkeit und einen gewissen beiläufigen Sarkasmus gefilterte Anteilnahme und vorsichtigen Optimismus zu vermitteln; er spricht zu einem, zu sarkastischen und Anteil nehmenden Menschen wie Ihnen und mir, und weil es -101-
anscheinend nicht viele von uns gibt (weiß der Henker warum, da Sarkasmus und Anteilnahme zwei Eigenschaften sind, die das Leben auf Erden erträglich machen), konnte der Song nur durch Mundpropaganda und auf Empfehlung von Gleichgesinnten hier kommt Lee ins Spiel - sein Publikum erreichen. Natürlich hätte es in einem größeren Zusammenhang nichts ausgemacht, wenn ich nie von Mark Mulcahy gehört hätte (oder von Rahsaan Patterson, D'Angelo, Belle and Sebastian, Hazeldine, Elliott Smith, Whiskeytown, Son Volt, Remy Shand, Stacey Earle, Eddie Hinton, den Jayhawks oder Oh Susanna, denen ich alle zum ersten Mal im »Wood« begegnete); niemand davon ist, war oder wird der neue Marvin oder Dylan sein, nicht einmal der neue Gram Parsons. Aber ich sage immer, wenn man sich an den Speisezettel des »größeren Zusammenhangs« hält, dann sind Blonde On Blonde und Pet Sounds - und Don Quixote und Moby Dick - Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Elliott Smith ist mein schönes Tässchen Tee und Rahsaan Patterson mein Eis zum Nachtisch; ohne sie wäre das Leben ungenießbar. Mein Leben lang habe ich mich darauf verlassen, dass mir andere Menschen - Derek und Dave, Paul und Mark, Nick C, Dan deLuca, Andrew, Tracy, Lee und Bennet und zahllose mehr - Tipps geben; genau diese Leute (und jeder Musikfan kennt Leute wie sie, Enthusiasten, die in schönster Jane-AustenManier jederzeit freudig bereit sind, musikalische Mauerblümchen mit denen zu verkuppeln, die die Voraussetzungen und nötigen Mittel mitbringen, sie zu lieben) machen den Unterschied aus zwischen einer kläglichen, kleinen CD-Sammlung, die in ein bescheuertes Designer-CD-Rack passt, und Regalwänden, die einen unverhältnismäßig großen Teil des Wohnzimmers einnehmen. Was kann man schon mit einer leeren Wand anfangen? Ich bilde mir gerne ein, dass ich -102-
alle diese Gefälligkeiten erwidert habe, manchmal mit Zins und Zinseszins, aber trotzdem, hätte ich diese Menschen nicht kennen gelernt, hätte das Leben nicht halb so interessant geklungen. Danke, Leute. Update: Für Lee lief es - wie für jeden, der einen kleinen Plattenladen betreibt - in letzter Zeit nicht so gut. Das erste Halbjahr 2002 hat bislang (trotz meines an anderer Stelle geäußerten, offenkundig blinden Optimismus, dass die Versorgung mit guter neuer Musik nie versiegt) kein auch nur halbwegs brauchbares Album hervorgebracht; die derzeitige Begeisterung der britischen Musikindustrie von Boybands, Girlbands, Boy-and-Girl- Bands und den Gewinnern von Talentwettbewerben im Fernsehen hilft jemandem, der versucht, Erwachsene mit Musik zu bestücken, herzlich wenig. Während ich dies hier schreibe, besteht die Gefahr, dass »Wood« dichtmachen muss. Meine Begeisterung für unabhängige Plattenläden hat sich mitunter in Grenzen gehalten. Oh, natürlich werde ich auch weiterhin versuchen, mein Geld nicht in Läden irgendeiner großen Kette zu tragen, wenn es sich vermeiden lässt; aber manchmal, wenn man ein obskures amerikanisches Importalbum oder ein obskures Sachbuch sucht, hat man eine viel höhere Trefferquote, wenn man in die größte Massenabfertigungsfiliale von Tower oder Borders geht, die man finden kann. Das ist bedauerlich, aber verzeihlich, denn viele der kleinen Läden können es sich nicht leisten, auf etwas zu setzen, das dann monatelang als Staubfänger im Regal oder in den Plattenkisten steht. Aber wenn unsere komplette Kultur von einem einzigen riesigen Einkaufszentrum namens Borderstones vertrieben wird, werden uns die Sachen entgehen, die auf einer schillernden Blase von individuellem Enthusiasmus an die Oberfläche -103-
gespült werden. Solange man bereits von seinem obskuren amerikanischen Album weiß, geht es ja noch. Aber was, wenn man nicht einmal weiß, dass man es gerne hören würde? Wie will man es unter Bergen von Jennifer-Lopez-Platten entdecken? Am deprimierendsten an den Filialen solcher Ketten ist, dass man immer denselben Büchern, DVDs und Platten begegnet, wohin man auch geht, denselben Bestseller-Listen, denselben Schnäppchenangeboten. (Und ja, ehe irgendein Schlaumeier davon anfängt, ich bin es leid, meine Bücher überall zu sehen, wenn ich einkaufen gehe.) Ich möchte auch weiterhin neue Dinge entdecken, die nicht an der Börse notiert sind. Bitte kaufen Sie bei »Wood« oder dem nächsten Laden dieser Art in Ihrer Nähe, oder es wird Ihnen irgendwann Leid tun.
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»Needle In a Haystack« - The Velvelettes
Man bemüht sich nach Kräften, Klischees zu vermeiden; wenn man sich die Kunst an den eigenen Wänden und seine Bücher und CDs in den Regalen betrachtet, sieht man nur einen vielseitigen, unkategorisierbaren Menschen, der sein Leben lang erfolgreich jedes Stereotyp umschifft hat. Ist man jedoch weiß, männlich und auch noch um die vierzig, wird es sehr wahrscheinlich, dass man bedauerlicher-, aber nicht überraschenderweise auf einem Gebiet ein schweres Defizit hat: Man kann ums Verrecken nicht tanzen. Was sage ich, man kann nicht nur nicht tanzen, man weigert sich strikt, es auch nur zu versuchen, es sei denn, man ist betrunken oder halb betrunken und entweder unter wildfremden Menschen (insbesondere wildfremden Menschen, die älter und/oder sogar in noch katastrophalerem Maße verklemmt und hüftsteif sind als man selbst) oder unter Leuten, die man mindestens schon ein Vierteljahrhundert kennt und die auch betrunken oder halb betrunken sind. Wie gerne würde ich von mir behaupten können, von anderem Schlag zu sein, dass ich mich trotz meines Alters, meines Geschlechts und meiner Nationalität (denn ich fürchte, dass mir Englischsein in diesem Fall nicht zum Besseren gereicht) mit der Begeisterung und Unbefangenheit eines Dreijährigen (nein, falsch, eines dreijährigen Mädchens) und der fließenden Eleganz eines jungen Barischnikov auf die Tanzfläche stürze... Aber das kann ich natürlich nicht. Die Tanzfläche ist für mich nach wie vor das gesellschaftliche Äquivalent zur Nordseeküste während der englischen Sommerferien - etwas, dem man nur mit äußerster Furcht und Vorsicht begegnen kann, etwas, dem man sich über Stunden vorsichtig nähert, um immer wieder kehrtzumachen, weil man noch nicht dafür gewappnet ist, etwas, in das man kurz und -105-
voller Unbehagen eintaucht, während jedes Blutkörperchen in deinen Adern danach schreit, wieder wegzulaufen, solange es noch geht, etwas, das einem das Gefühl gibt, etliche der wichtigsten Körperteile seien zusammengeschrumpft. Als ich etwa achtzehn war, ging ich jeden Samstagabend in eine Disco irgendwo in der Nähe, um Mädchen zu treffen, aber natürlich tanzte ich nie. Zu einer Tanzveranstaltung zu gehen, um zu tanzen, wäre so gewesen, als ginge man ins Theater, um selbst aufzutreten; man konnte zwar mit eigenen Augen sehen, dass manche Menschen so was machten, aber man kannte keinen von ihnen. Man bezahlte bloß, um ihnen zuzusehen. Daran war zum Teil die Musik schuld, die ich in diesem Alter hörte. Man hätte genauso gut versuchen können, sie zu essen, wie zu ihr zu tanzen. Heavy Rock war nicht leichtfüßig Punktum -, und obwohl genau während der Zeit, in der ich in Discos ging, phantastische Tanzmusik gemacht wurde, interessierte sie mich nicht. Nein, wir Rockfans verschmähten sie, weil es ihr an Ernsthaftigkeit fehlte. (Natürlich habe ich dann das folgende Jahrzehnt lang versucht, mir das alles nachzukaufen; zum drei- oder vierfachen Preis, den ich damals dafür bezahlt hätte.) Punk, der von einem forderte, sehr schnell auf und ab zu springen und dabei jemand anderen anzurempeln, war kaum dazu angetan, mich beweglicher und geschmeidiger zu machen. Aber dann, Mitte der Achtziger, ging ich wieder aus freien Stücken irgendwohin, wo getanzt wurde, und das sogar ohne die Absicht, Mädchen aufzureißen. Ich ging hin, weil es mir Spaß machte. Der Club hieß »The Locomotion« und fand immer freitagabends in Kentish Town im Londoner Norden statt; eine Zeit lang fühlte ich mich elend, wenn ich nicht hingehen konnte, -106-
genauso, als hätte ich nicht zu einem Spiel meines Fußballvereins gehen können. Die DJeuse, ein Frau namens Wendy May, spielte einen brillanten Mix aus Funk, Motown, Ska, campigem Pop (Tom Jones »It's Not Unusual« war ein Abräumer) und gelegentlich House, der gerade erfunden und noch nicht zu der allgegenwärtigen Plage geworden war, die später sämtliche Clubs befiel; alles, was ich hörte, weckte in mir die Lust zu tanzen, und aus irgendeinem Grund konnte ich es dann auch. (Mit »ich konnte es auch« meine ich natürlich nur, dass mich nichts davon abhielt, und nicht, dass ich plötzlich mit der Gabe gesegnet war, mich mit tänzerischer Eloquenz auszudrücken. »The Locomotion« war eine Wunderwelt, vollbrachte jedoch keine Wunder.) Wie diejenigen wissen, die früher dorthin gingen, ist es ein Club wie das »Locomotion«, den Rob in High Fidelity wieder belebt. Wendy Mays Geschmack machte es einem leicht. Die Motown-Sachen, die sie spielte, waren perfekt, aber es waren nicht die Motown-Sachen, die ich kannte und schon nicht mehr hören konnte. Das rasiermesserscharfe »Needle In a Haystack« von den Velvelettes zum Beispiel (das ich mir sofort selber zulegte, zusammen mit George McCraes »Been So Long« und »Groovin' With Mr Bloe« und Tonnen von anderen Sachen) hatte ich noch nie gehört: Wie alle guten DJs machte May die Songs erfolgreich zu ihren Songs, zu dem, was ihren Club definierte und unverwechselbar machte. Wahrscheinlich half es mir, dass sie so unverkennbar mit Leib und Seele dabei war. Aber es war nicht nur die Musik. Ich hatte das Gefühl, auch das Publikum zu verstehen - alle waren Anfang bis Mitte dreißig, etwas lax gekleidet und relativ knapp bei Kasse; sie schüchterten mich nicht ein, wodurch auch - nur wenige von ihnen machten den Eindruck, als hätten sie vor, Tanzen zu ihrem Beruf zu machen. Etwas gerne zu machen heißt eben nicht zwangsläufig, dass man es auch besonders gut kann. Ich brauchte immer noch -107-
ein paar Drinks, um mich zu trauen, aber nicht sehr viele: Ich musste nicht so viel trinken, dass ich auf allen vieren ging, und hatte mir (paradoxerweise) einreden können, ich hätte auch den fünfundzwanzigjährigen James Brown jederzeit in ehrfürchtiges Staunen versetzt. Aber ich sah auch immer noch gerne zu. Es gab nichts Schöneres, als von der Balustrade im Town and Country Club hinabzuschauen, tolle Musik zu hören und mehreren hundert Menschen dabei zuzusehen, wie sie den vermutlich schönsten Freitagabend verbrachten, den Kentish Town zu bieten hatte. Irgendwann ging ich dann nicht mehr hin, aus Gründen, die mir mittlerweile entfallen sind - wahrscheinlich hatte es etwas mit dem Alter zu tun, mit der zunehmenden Unfähigkeit, nach einem wilden Freitagabend am Samstagmorgen auf die Beine zu kommen -, und ich wurde wieder ganz der alte, hoffnungslos ungelenke Typ, als hätte ich ein Zauberreich wieder verlassen. Wendy May lebt, glaube ich, heute auf dem Land, aber neulich hat sie für einen Abend ein Revival in einer anderen Location veranstaltet, direkt bei mir um die Ecke. Ich ging nicht hin. Na, ich wär mir doch wie ein Idiot vorgekommen, oder?
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»Let's Straighten It Out« - O.V. Wright
In den frühen Achtzigern, nachdem Punk einem schleichenden Tod erlegen war, fiel es mir schwer, mich noch übermäßig für weiße Rockmusik zu interessieren. Einige meiner Helden - Costello, Springsteen - machten dann und wann noch ein vernünftiges Album, und es tauchten ein paar neue Bands auf - REM, die Smiths, Dexy's Midnight Runners -, die uns über das hinwegtrösteten, was wir verloren hatten. Aber die meisten Pubs und Clubs und Plattenläden schienen von Bands erobert worden zu sein, die den Dilettantismus des Punk verinnerlicht hatten, Bands, die sich in lange grüne Regenmäntel kleideten und selten Humor zeigten. Sie waren auf eine Art verbiestert, wie es nur sehr junge Leute sein können, und mit vier- oder fünfundzwanzig war ich alt genug, für ihre Ernsthaftigkeit nur Hohn und Spott übrig zu haben, ähnlich wie ich mit acht oder neun etwas später ins Bett wollte als meine Schwester: Solche altersgerechten Abgrenzungen sind wichtig, wenn man sehr jung ist. Aber schwarze Musik richtete sich an Erwachsene; Soulstücke handelten von Scheidung und Ehebruch und gelebten Leben, und es war möglich, große Soulsänger und -sängerinnen zu entdecken, die gerade auf dem Höhepunkt ihrer Karriere waren: Bobby Womack, Anita Baker, Luther Vandross, Prince, Cameo, Marvin Gaye, Teena Marie (die zwar weiß war, aber aus dem Umfeld von Rick James kam und Platten für Motown aufnahm), und die Produzenten Jimmy Jam und Terry Lewis machten in der ersten Hälfte der Achtziger alle tolle Platten. In der Rockmusik hingegen - wie Gramsci sagte (wahrscheinlich in einem seiner Interviews mit dem Rolling Stone) - starb das Alte, und das Neue konnte nicht geboren werden, was eine Vielzahl von Verfallserscheinungen hervorrief. Aber die Soulkonzerte -109-
waren eine Offenbarung: Ein ethnisch gemischtes Publikum amüsierte sich, jubelte und tanzte (und damit meine ich Tanzen mit Füßen, Oberkörper und Hintern, im Gegensatz zum Pogotanzen oder Headbangen), der Sound war ausnahmslos Spitzenklasse, und die Musiker beherrschten ihre Instrumente. Man konnte nicht einmal argumentieren, dass weiße Rockbands ja schließlich eine andere Aufgabe erfüllten, denn die meisten hatten, zumindest in England, Funk für sich entdeckt. Nur waren sie verheerenderweise nicht sehr funky. Warum sollte man sich einen zwanzigjährigen Bassisten im Kilt und mit anscheinend arthritischem Daumen anhören, der sich an einem alten JamesBrown-Basslauf versucht, wenn man zu Hause »She's Strange« von Cameo auflegen konnte? Nachdem ich einmal mit schwarzer Musik angefangen hatte, wurde klar, dass es einen gigantischen Backkatalog gab, den es aufzuarbeiten galt - so viele Label, die für ihre weniger bekannten Acts dieselben Songwriter und Musiker beschäftigten wie für ihre Stars, so viele Alben, die eine Hit-Single, aber neun weitere noch unentdeckte Tracks enthielten. Ann Peebles Aufnahmen für Hi kamen nicht ganz an Al Greens beste Sachen ran, aber sie machte trotzdem verdammt gute Musik - wie konnte es auch anders sein? Sie wurde von Willie Mitchell produziert und von den Memphis Horns begleitet. Und obgleich ich wusste, dass Shirley Browns »Woman To Woman« eine tolle Single war, hatte ich nicht gewusst, dass es dazu auch ein tolles Album gab. Wer immer noch entschlossen war, sich neuen weißen Rock anzuhören, geriet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an etwas, das alles andere als toll war (und bei dem man heute, anders als bei Ann Peebles »I’m Gonna Tear Your Playhouse Down«, Krämpfe bekommen würde). Aber mit das Beste an Soul war für mich damals die Reife. Eines Abends brachte eine Mitbewohnerin einen neuen Freund mit nach Hause, er war schon älter, ein Autor, der einen Trilby trug, jemand, der einen durchaus einschüchtern konnte. Wie es -110-
sich so ergibt, kamen wir auf Musik zu sprechen, und er war natürlich Jazzfan und hörte sich meine Art von Musik nicht an: Er fand sie »zu teenybopmäßig«, als wären die Osmonds und The Clash ein und dasselbe - für ihn waren sie das möglicherweise. Aus einer plötzlichen Erleuchtung heraus (so nahe komme ich wahrscheinlich nie wieder an eine schlagfertige Entgegnung heran) setzte ich die Nadel nochmal auf den Anfang des Songs, den ich gerade gehört hatte, O.V. Wrights Version von Latimores brillantem »Let's Straighten It Out«, und der Jazztyp gab sich mit einem entschuldigenden Lächeln für den Moment geschlagen. Er lächelte, weil »Let's Straighten It Out« so weit weg von von Teenymusik ist, wie man nur sein kann, ohne sich direkt in Miles Davis oder von Karajan zu suhlen. Es beginnt mit einem kurzen, dunklen, bluesigen Klaviersolo, das sofort einen Ton unzweideutiger Ernsthaftigkeit anschlägt, und in dem Text geht es darum, sich doch um Gottes willen zusammenzusetzen und verdammt nochmal zu versuchen, die offenkundig gravierenden Konflikte in einer Beziehung, vielleicht sogar Ehe, zu lösen, das Ganze gesungen von einem Mann Ende vierzig oder Anfang fünfzig, der schwere Probleme mit den Zähnen hat (echt - sein Gebiss macht sich in den unpassendsten Momenten durch Nuscheln bemerkbar). Das kann man nur als Kinderkram abtun, wenn man der Ansicht ist, alles, was kürzer als eine Symphonie ist und Strophen, Refrain und ein Schlagzeug hat, sei Kinderkram. Ich liebte schwarze Musik aus allen möglichen Gründen, aber dass sie auf ein Publikum abzielte, das womöglich Ehepartner, Geliebte, Jobs sogar Kinder - hatte, war sicherlich einer davon, besonders zur damaligen Zeit. Irgendwann änderte sich die schwarze Musik, um neue Werte und Sorgen widerzuspiegeln, um eine Generation zu erreichen, die von Männern mit schlecht sitzendem Gebiss nichts mehr hören wollte; für sie klang Soul der alten Schule längst morsch und altersschwach, genau wie der Blues für eine frühere -111-
Generation. (Gerade als ich ins richtige Alter kam - das Alter, in dem Songs darüber, sich zusammenzusetze n und Dinge zu klären, mir wirklich etwas sagten -, hörte man auf, sie zu schreiben.) »My music is not for you. It's not for anyone over 30«, erklärte Rapper Biggie Smalls, bevor er ermordet wurde, seiner Mutter, die sich über seine rüden Texte beklagt hatte; mittlerweile ist das Undenkbare geschehen, und weiße Interpreten versuchen, Popmusik für Erwachsene zu machen. Bonnie Raitt singt über die tickende biologische Uhr; neben anderen haben Elvis Costello, Neil Young, Loudon Wainright, Dylan, Springsteen und Tom Waits in den letzten Jahren gute Alben abgeliefert, die sowohl ihrem eigenen fortgeschrittenen Alter wie dem ihres Publikums Rechnung tragen. Aber das ist eine neue Entwicklung in der weißen Rockmusik, die herauszufinden versucht, wie sie Erfahrung und Reife ausdrücken kann (es herrscht immer noch das Gefühl vor, sie dürfte dafür eigentlich gar nicht lange genug haltbar sein); ich benutze immer noch schwarze Musik dazu, Leute zum Schweigen zu bringen, die meinen, Popmusik habe Erwachsenen nichts zu sagen. D'Angelo ist ein junger Kerl, aber »Playa Playa«, das erste Stück auf dem Album Voodoo, klingt unangestrengt erwachsen - nicht überhastet, körperreich, dick wie Honigseim. Und solange Leute wie er noch Musik machen, die so klingt, kann ich auf Jazz verzichten.
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»Röyksopp's Night Out« - Röyksopp
Gerade als einige von uns die Angst beschlich, die Club Culture hätte nun endgültig dafür gesorgt, dass wir uns von der großen Jugendparty ausgeschlossen fühlen (und machen wir uns nichts vor, dafür war es scho n höchste Zeit gewesen), kam die Chillout-Music, und wir fühlten uns wieder gut aufgehoben. Geschmackvolle, ruhige Menschen wie Zero 7, The Gotan Projekt und Röyksopp mögen Balsam für diejenigen sein, die gerade eine wilde, drogengeschwängerte Samstagnacht hinter sich haben, aber es besteht immer die Gefahr, dass sie auch Balsam für Leute sind, die gerade eine harte Woche in der Werbeagentur oder im Hörsaal hatten. Ende des Jahres 2001 hörte ich monatelang in müßigen Momenten Röyksopp; mein Lieblingstrack war »Röyksopp's Night Out«, das ein bisschen mehr Drive hat als die anderen verträumten Stücke auf dem Album. (Ich fürchte, ich arbeite nicht hart genug, um mich bei Ambient entspannen zu müssen.) Wie auch immer, kaum hatte ich beschlossen, dass »Röyksopp's Night Out« GUT war - oder zumindest OKAY -, da hörte ich es überall. Die BBC setzte es immer öfter als Hintergrundmusik bei Programmvorschauen ein. Es lief im Foyer eines abartig modischen Hotels, in dem ich auf einen amerikanischen Freund wartete. Es lief im Body Shop, als ich Duschgel kaufte. Mit anderen Worten, es war in knapp zwei, drei Monaten zum klischeehaften, trägen Kürzel für eine bestimmte Art nichts sagender, kaufkräftiger Hipness geworden, und ich brachte es nicht über mich, es nochmal aufzulegen. Aber so ist das heute: Überall ist Popmusik. Wenn man einen Song mag, mag ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch irgendein anderer, jemand wie Sie, der Werbespots fürs Fernsehen macht, beim Film ist, der Sport-113-
Highlight-Programme bearbeitet, oder Compilations für Hotels, Ladenketten, Fluglinien oder Cafes zusammenstellt. (Ein paar Monate vor dem Röyksopp-Debakel entdeckte ich das Album eines guten und, wie ich glaubte, untadelig obskuren SingerSongwriters namens Matthew Ryan; prompt hörte ich den besten Track des Albums die nächsten drei Male im Starbucks. Damit war er auch über den Jordan oder zumindest in Latte ertrunken. Wie kann man Musik lieben oder an sich heranlassen, die so omnipräsent ist wie Kohlenmonoxyd? Vielleicht erklärt das zum Teil die Begeisterung von Teenagern für die lästerlichen Reden und das antisoziale Gehabe von Hip-Hop: Weder Starbucks noch der Body Shop noch das Hotel Minimalist malträtieren ihr geschätztes Publikum mit obszönen Raps über Uzis und Muschis, zu Beats, die einem einen Teil des Schädels wegsprengen wollen. So kann die Jugend von heute sich ganz im Privaten auf ihre Lieblingsinterpreten einlassen. Mit Led Zeppelin konnte ich das auch noch, denn niemand sonst interessierte sich dafür: Sie werden »Dazed And Confused« niemals im Fernsehen gehört haben oder in Kaufhäusern und Pubs, nicht einmal besonders häufig im Radio; in England gab es nur eine einzige Fernsehsendung, in der Musik lief, die ich mochte. (Heute gibt es wahrscheinlich irgendwo einen »Dazed And Confused‹‹Kabelsender, der rund um die Uhr Led Zeppelin spielt.) Daher konnte ich mich der Vorstellung hingeben, dass Zeppelin etwas Besonderes waren, ein Geheimnis zwischen mir und meinen Freunden. Die derzeitige Tyrannei der Popmusik besteht darin, dass es Jugendlichen heute fast unmöglich ist, zu glauben, dass die großen Stars sich unmittelbar und vertraulich an sie wenden - wie soll das gehen, wenn derselbe Künstler sich an jeden wendet, der Pfefferminz-Fußcreme kauft oder bei Pizza Hut isst? Die einfachste Antwort auf diese Allgegenwart ist, Musik zu mögen, die man im Prinzip nicht mögen kann, ein Zeug, bei dem die Leute, die die Berieselungsmusik für Starbuck -114-
zusammenstellen, auf die Knie fallen und um Gnade winseln würden. Pfefferminz-Fußlotion kann man nicht mit Death Metal oder Gangsta Rap verkaufen, mit Elektro-Hardcore sollte man keine Reisenden unterhalten, die auf ihren Flieger warten. Für die Jüngeren wäre also gesorgt: Sollen sie Kram hören, der ihre Ohren bluten und ihre Seele schwarz werden lässt, viel Vergnügen. Aber was ist mit uns? Worauf kann ich mich einlassen, das ich nicht innerhalb der nächsten Wochen satt habe, dessen musikalische Blässe und textliche Banalitäten nicht im nächsten Renault-Spot bloßgestellt werden? Mir scheint, dass für meine Generation Country die gleiche Funktion erfüllt wie Death Metal für die dreißig Jahre Jüngeren: Mit Pedal Steel und Waltzertakt kann man Hasenherzen immer noch erschrecken. Countrymusik ist zu beschämend aufrichtig, zu sehr der Vergangenheit verpflichtet, um von Boutique-Hotel- Lobbys aufgenommen zu werden; die alternativen Countrybands der letzten paar Jahre haben gerade noch genug Lehm an den Stiefeln, um diejenigen abzuschrecken, die glauben möchten, die Welt sei permanent funkelnagelneu. Und es werden sich sicher noch andere lichtscheue Gestalten finden - SingerSongwriter, deren Stimmen zu rau und deren Texte zu verdrießlich für eine kommerzielle Vereinnahmung sind, Bands, die die Haltung der Thirteenth Floor Elevators mit Neil Diamonds musikalischer Sensibilität verbinden - es heißt also nicht, dass bei uns für den Rest des Lebens nur noch Country auf den Tisch kommt, aber bei Gott, wir brauchen irgendetwas, das nicht durch reine Überbeanspruchung in unseren Ohren verreckt.
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»Frontier Psychiatrist« - The Avalanches / »No Fun / Push It« - Soulwax
Das also ist die Musikwelt der Gegenwart - eine Welt, in der niemand einen Ton singt oder spielt und dennoch unbestreitbar und unzweideutig neue Musik erzeugt wird. Ich war einmal der Meinung, dass nichts Gutes nichts Hervorragendes jedenfalls aus dem ganzen Mixen und Matchen und Scratchen und Cutten und Pasten entstehen kann, und das stimmte auch, solange die ganzen Tüftler und Frickler im Grunde Plagiatoren blieben: Was beispielsweise Eric B und Rakim zu ihrer Version von »I Know You Got Soul« beisteuerten, war minimal - es sind Bobby Byrds Bassline und Beat, die den Track definieren. Und wie immer Sie musikalisch auf Puff Daddys »I'll Be Missing You« reagieren mögen, tatsächlich reagieren Sie auf den hübschen Riff von Police. Man kann Geschmack und Unverfrorenheit bewundern, aber nicht die Kreativität: Musik zu erschaffen - jede Art von Kunst zu erschaffen - bedeutet, etwas aus dem Nichts zu erzeugen, etwas dorthin zu stellen, wo vorher nichts war. Aber die Tüftler und Frickler haben nun die Latte höher gelegt. Die Avalanches nutzen so viele Samples, dass es unbestreitbar etwas Eigenes ist und es sinnlos wäre, sie des Plagiats zu bezichtigen: Dann könnte man diesen Vorwurf auch Schriftstellern machen, die Wörter benutzen, die vor ihnen schon andere Schriftsteller benutzt haben. Die Fugees haben derart große Batzen von Marley und Roberta Flack auf ihre Notebooks kopiert, dass ihre Eigenleistung viel niedriger anzusetzen ist: Die Musik ist allzu vertraut, und sie machen überhaupt nichts damit und fügen nichts hinzu, sie verändern weder deren Atmosphäre noch die musikalische Struktur, ob -116-
subtil oder nicht, um sie zu etwas anderem zu machen. In ähnlicher Weise leiht sich R&B-Sängerin Angie Stone den Riff von »The Backstabbers« für ihren Song »Wish I Didn't Miss You«, und für mich klingt das wie eine künstlerische Bankrotterklärung und der vagen Hoffnung, dass die Genialität eines anderen - und dessen Wiedererkennungswert - sie bis ans Ende des Songs rettet. Irgendwie haben wir uns eingeredet, dass es heutzutage nun mal so läuft, als wäre es spießig, zu erwarten, dass ein Songwriter einen nur gottverdammte drei Minuten langen, aber neuen Song schreibt. Die Avalanches verwenden jedoch Fragmente von Sachen, die man nie gehört hat, und in einer Weise, auf die man nie gekommen wäre, womit sie effektiv etwas Neues aus dem Nichts schaffen. »Frontier Psychiatrist« besteht aus Rhythmus, Dialogfetzen aus alten Filmen, ein paar verrückten Geräuschen und einem Bläser-Riff, das von einer alten und vermutlich unfunkigen Bert-Kaempfert-Platte geklaut ist - aus diesem wenig viel versprechenden Material haben die Avalanches etwas geschaffen, das sich auf einen Höhepunkt zubewegt und rockt. (Sie haben es sogar fertig gebracht, einen Reim zwischen zwei zusammenhanglosen Dialogzeilen zu finden.) Das erinnert an Peter Bogdanovichs Film Targets, der u. a. aus einem alten Horrorfilm und ein paar Drehtagen mit Boris Karloff, die der Produzent noch bei ihm guthatte, zusammengeschustert wurde: Darin findet man den gleichen unerschrockenen Einfallsreichtum, dieselbe Entschlossenheit, das Zusammenhanglose in einen Zusammenhang zu bringen - durch Talent und bloße Willenskraft -, zu etwas Neuem zu verbinden. »Frontier Psychiatrist« ist witzig, aber auch irgendwie beunruhigend, denn es erzeugt eine Stimmung, die man so zuvor noch nicht gehört hat (immer verwirrend bei Popmusik, bei der man normalerweise auf emotionale Vertrautheit zählen kann): Kaempferts fast komisch melodramatische Bläser deuten darauf -117-
hin, dass da etwas undefinierbar Pseudoheroisches vor sich geht, eine Schwülstigkeit, die von der Frivolität der anderen, darüber geschichteten Sounds konterkariert wird, aber ich bin nicht sicher, ob der Song deswegen so eigenartig klingt. Ich habe den Verdacht, dieses Eigenartige rührt daher, dass Musik, die aus so vielen Samples konstruiert ist, beim Hörer nichts als Stimmung Erkennbares auslöst - genauso wie Roboter keine Liebe empfinden können. Man hat den Verdacht, da war keine einzige übermächtige Empfindung, die sie inspiriert hat, und es wird auch keine Resonanz erwartet; diese Musik ist einfach so, aus Frack, erzeugt worden, und das merkt man. Damit will ich nicht unterstellen, dass »Frontier Psychiatrist« keine Daseinsberechtigung hat oder keine Leistung darstellt, keineswegs. Tatsächlich nötigt einem etwas, in das so viel Geduld investiert wurde, schon einen gewissen Respekt ab: Ein Stück wie »Yesterday« beispielsweise, das Paul McCartney angeblich im Traum eingefallen ist und ihm so vertraut war, dass er meinte, es müsste bereits geschrieben sein, wirkt im Vergleich dazu beinahe geschenkt. Aber wenn Musik mit dem Ausdruck der eigenen Persönlichkeit zu tun hat, dann ist das Selbst, das sich im Komponieren und Zu-Gehör-Bringen dieser Musik ausdrückt, stets ein empfindungsfähiges Selbst (selbst wenn es Entfremdung, Ennui oder Verwirrung empfindet), und es bringt einen aus dem Konzept, etwas so emotional Ungenaues zu hören. Vielleicht gewöhnen wir uns daran und lernen, wie man Songs, die aus verwirrend vielen Quellen schöpfen, zu übersetzen und zu interpretieren hat; vielleicht wird es CollageSpezialisten wie den Avalanches auch gelingen, ihre Kunst weiterzuentwickeln und mit der Musik, die sie machen, Stimmungen zu treffen, die uns vertraut sind. Aber eigentlich hoffe ich, dass es nicht so kommt, solange Leute weiterhin Musik auf die herkömmliche Weise machen. Das Bootleg-Phänomen dagegen, also DJs, die ein paar Songs -118-
der Länge nach aufschneiden und übereinander schichten, sieht mir mittlerweile nach der unbekümmert nihilistischsten Musikrichtung seit Punk aus - da selbst Punks das rührend altmodische Bedürfnis hatten, ihre eigene Musik zu schaffen, könnte man sogar einwenden, deren Nihilismus sei nur aufgesetzt gewesen. Leute wie Soulwax und Freelance Hellraiser (die mit unerwartet brillanten Ergebnissen Christina Aguilera und die Strokes fusioniert haben) sagen uns, dass wir es hinter uns haben; sie benutzen die Späne, die wir aufgehoben hatten, um uns an ihrem Feuer wärmen zu können, während die Hölle der modernen Musik zufriert. Ich bin nicht sicher, ob ich ihrer Ansicht bin, aber »Too Many DJs« von Soulwax ist in jedem Fall ein süchtig machendes Hörerlebnis, und der Entschluss, die Energie von Salt'N'Pepa mit der Wildheit der Stooges zu paaren, war wirklich clever und der Traum eines jeden Musikfans: Hip-Hop auf Garagenpunk draufzuklatschen ist wie die Diskussionen, die kleine Jungs darüber führen, was passieren würde, wenn man Spiderman mit Superman kreuzt. Wenn man es recht überlegt, ist Bootlegging demokratischer als Punk. Klar, wir können alle hingehen, eine Gitarre klauen und die berühmten drei Akkorde lernen, aber die meisten von uns würden dann immer noch wie Ed Banger and the Nosebleeds und nicht wie The Clash klingen; Bootlegging dagegen erlaubt allen, die kein Talent haben, aber dennoch musikverrückt sind, etwas zu fabrizieren, das sich toll anhört. Alles, was man braucht, ist Software, zwei Ohren und einen überlegenen Geschmack: Endlich kommt das wahre Genie, das im Fantum liegt, doch zu seinem Recht.
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»Pissing In a River« - the Patti Smith Group
Das Patti-Smith-Konzert in der Union Chapel in Islington, gleich bei mir um die Ecke, fand am Ende einer tollen Woche statt. Es war heiß, eine kleine Insel der Heiterkeit und Wärme inmitten eines grauen, nassen englischen Sommers; meine Arbeit - ich bearbeitete zusammen mit einem guten Freund ein Buch, das ich mochte - machte mir Spaß, wir kamen gut voran und brachten etwas zustande, worauf wir stolz waren; Dannys Magenbeschwerden hatten sich vorübergehend gelegt, und er war so heiter wie das Wetter. Patti Smith war einfach Klasse. Ich hatte nicht viel erwartet, es war ein akustischer Auftritt, eine Benefizveranstaltung für die wunderschöne Kapelle, und es gab auch eine Dichterlesung und eine Versteigerung (eine halbe Stunde, bevor sie sich zu einem musikalischen Höhepunkt nach dem anderen aufschwang, versteigerte Smith ein paar Dachziegel und einen Schlagzeugstock mit Autogramm). Ich hatte bestenfalls einen kurzen Phosphorblitz erwartet, in dem wir einen Widerschein von dem hätten erkennen können, was sie einst groß gemacht hatte. Jedenfalls hatte ich nicht mit einem packenden, inspirierenden, gelegentlich chaotischen Auftritt gerechnet, der einen vergessen ließ, dass Patti Smiths beste Zeiten bereits hinter ihr lagen. Etwas, das man an Smith einfach lieben muss, ist ihr unerschütterliches und unheilbares Künstlertum, ihr unstillbarer Hunger auf alles, was mit Kunst, Literatur und Musik zu tun hat. An diesem einen Abend streifte sie im Vorübergehen Virginia Woolf, Tom Verlaine, William Blake, Jerry Garcia, Graham Greene und William Burroughs; Peter Ackroyd widmete sie -120-
sogar einen Song, ein Dankeschön für seine Blake-Biographie und seine Stadtgeschichte Londons. (Man will ja nicht gehässig werden, aber ich schätze, dass man - sagen wir - bei einem Bryan-Adams-Konzert keine so umfangreiche Bibliographie präsentiert bekommt.) Am Anfang dieses Buches habe ich über »Thunder Road« geschrieben, und trotz ihrer Zusammenarbeit bei »Because The Night« scheint es mir, dass Springsteen und Smith an die äußersten, entgegengesetzten Enden dieses Buchs gehören, denn in gewisser Hinsicht vertreten sie in einem bestimmten musikalischen Spektrum zwei gegensätzliche Positionen. In Springsteens Werk oder in Interviews mit ihm erkennt man unschwer ein Unbehagen bezüglich der Art, wie er seinen Lebensunterhalt verdient, ein permanentes Hinterfragen: Habe ich ein Recht dazu? Kann ich ein Sprachrohr für die Menschen sein und gleichzeitig vor ihnen auf der Bühne stehen? Wie sieht das aus, wie klinge ich? Diese Fragen sind ja auch wichtig, zumindest für ihn, und sollten es vielleicht für jeden sein, der gutes Geld dafür bekommt, dass er seine Meinung äußert, doch sie können auch beengend sein. Smith hingegen ist das ganz offensichtlich scheißegal. Ich will damit nicht sagen, sie wäre verantwortungslos - ihr politisches Engagement beweist das Gegenteil, und während des Auftritts in der Union Chapel brachte sie einen hypnotischen Rap über die Unsinnigkeit eines möglichen Kriegs gegen den Irak - oder selbstverliebt (obwohl ich später von einem Autor hörte, der vor Entsetzen über die Texte das Konzert verließ - was von einem leavisianischen Standpunkt aus sicher verständlich ist, aber die Rolle von Smith als Beatnik und Initiatorin von Happenings außer Acht lässt, als eine der Letzten, die noch die Flamme der Counterculture bewahren). Sie ist einfach nur herrlich sorglos hinsichtlich ihres Status als Künstlerin: Sie ist eben eine, und das bedarf von ihrer Seite keinerlei Diskussion. Ich konnte mich nicht erinnern, »Pissing In a River« zuvor -121-
schon einmal gehört zu haben, wenn doch, hat es keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. An diesem Abend jedoch, als Smith zum elektrisierenden, deklamatorischen Höhepunkt des Songs kam - »Everything I've done, I've done for you/Oh, I'd give my life for you« - und sich in dem blauen Licht wiegte, hinter sich die Kanzel und die wunderbaren bunten Kirchenfenster, konnte man spüren, dass das ganze Publikum von ihr, dem Song und dem Abend hingerissen war. Es war einer der seltenen Augenblicke - übernatürlich, im Rahmen eines Rockkonzertes -, der einen dankbar für die Musik stimmt, die man kennt und noch kennen lernen wird, für die Bücher, die man gelesen hat und die man noch lesen wird, vielleicht sogar für das Leben, das man lebt. Für fünfundzwanzig Pfund (inklusive des Obulus für die Kirchenrenovierung) kann man nicht viel mehr verlangen. Und obwohl es übertrieben wäre, eine solche Offenbarung immer wieder zu erwarten, finde ich es doch lohnend, danach zu suchen. Es ist allerdings leicht, sich nach einem derartigen Erlebnis hinreißen zu lassen und Smiths Engagement und glühende Vision von jeder Musik zu verlangen. »Mir ist ganz egal, wen ihr gerne hört oder wie gut er ist«, möchte man zu Kindern sagen, die gerade die Musik für sich entdecken. »Seht nur zu, dass er, wer immer es ist, es ernst meint, dass die Entschlossenheit, sich mitzuteilen, ihn verzehrt, was immer er auch sagen will.« Aber so funktioniert Popmusik nicht immer. Gerry Goffin und Carole King saßen in einem Büro im Brill Building und sahen Songwriting als Broterwerb; sie hauten »Up On the Roof« und »Will You Love Me Tomorrow?« raus, weil sie Hits brauchten. Und ich bezweifle, dass es Björn und Benny umgebracht hätte, wenn sie »Dancing Queen« niemals geschrieben und aufgenommen hätten - es ist ein tolles Stück, aber es hört sich nicht so an, als hinge irgendjemandes Leben davon ab. Die Unempfindlichkeit der Popmusik gegen -122-
Motivation und innere Überzeugung ist ja gerade eine ihrer schönen Seiten. (Außerdem fallen einem Dutzende von Bands oder Interpreten ein, deren künstlerische Ambitionen unermesslich sind, die fast völlig von der Wichtigkeit ihrer Arbeit in Anspruch genommen sind, aber beschissene Songs schreiben.) Es ist kaum zu vermuten, dass »Dancing Queen« in irgendwem den Wunsch weckt, etwas zu lesen, zu schreiben oder zu malen, eine Galerie zu besuchen oder drauflos zu rennen, und genau das war die Wirkung, die Smith auf mich hatte (und ich vermute, auf einige andere im Publikum auch). Diese inspirierenden Erlebnisse sind selten, in jedem Bereich. Dennoch, jetzt, wo ich sehe, dass dieses Buch hier enden wird weil ich versuchen möchte, die Euphorie mitzunehmen, die ich während dieses Konzerts empfunden habe, und damit ein letztes Mal versuche, etwas der Musik zu überlassen, das Worte nicht leisten können -, kommen mir Zweifel: Vielleicht ist es ein bisschen zu viel Hochkultur, Woolf, Blake, Ackroyd, die Kapelle und so weiter. Vielleicht sollte ich lieber mit »Papa Oo Mow Mow«, »Surfin' Bird« oder »I Hate You So Much Right Now« aufhören. Andererseits hieß der Song »Pissing In a River«, wurde auf Gitarren gespielt, war vier oder fünf Minuten lang, und seine emotionale Wirkung beruhte voll und ganz auf den Akkorden, dem Re frain und der Pose. Anders gesagt, es ist ein Popsong, und wie viele andere Popsongs vermag er nahezu alles.
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Diskographie:
Your Love Is The Place That I Come From - Teenage Fan Club Wenn Sie überhaupt kein Teenage Fan Club-Album haben, dann sollten Sie vielleicht mit 4766 Seconds - A Short Cut to Teenage Fan Club beginnen, eine Kompilation aus dem Jahr 2002, auf der beide Songs drauf sind, über die ich in diesem Buch schreibe. Sie sind ebenfalls beide auf Songs From Northern Britain - dem besten Trostspender, wenn Sie Rubber Soul schon haben. Thunder Road - Bruce Springsteen Sie wissen, wo Sie das bekommen. I’m Like A Bird - Nelly Furtado Aus dem Album Whoa, Nelly! , auf dem nichts drauf ist, was annähernd so gut ist wie I’m Like A Bird. Heartbreaker - Led Zeppelin Von Led Zeppelin II, dem besten Zeppelin- Album für Riffs (Whole Lotta Love, The Lemon-Song, etc.). One Man Guy - Rufus Wainwright Aus dem Album Poses. One Man Guy ist jedoch untypisch: Rufus Wainwright scheint mehr von Muscial-Melodien inspiriert zu sein als von Folk oder Popmusik. Für mich ist das kein Problem. Samba Pa Ti - Santana Wenn Sie sich verpflichtet fühlen, ein Santana-Album zu kaufen, dann reicht eine Greatest-Hits-Platte. Es gibt jedoch ein großartiges Santana-Solo auf einem Album mit dem Titel Havana-Moon, von dem ich nie etwas gehört hätte, wenn Jerry Wexler mich nicht darauf hingewiesen hätte. Das Lied heißt -124-
They All Went To Mexico (gesungen von Willie Nelson), und das Solo ist wunderschön, elegisch und keine Angst - kurz. Mama You Been On My Mind - Rod Steward Aus dem Album Never A Dull Moment, auf dem auch You Wear It Well drauf ist. Die beiden Songs vertragen sich erstaunlich gut. Can You Please Crawl Out Your Window - Bob Dylan Aus dem Album Biograph. Rain - The Beatles Aus dem Album Past Masters Volume Two, das Sie wahrscheinlich auch wegen der anderen Tracks - Day Tripper, Hey Jude, Lady Madonna, etc. - haben wollen. You Had Time - Ani DiFranco Aus dem Album Out Of Range, auf dem auch das wunderbare Overlap drauf ist. Auf den meisten Alben rappt und wütet sie herum - mehr Macht für Ani!; das scheint ein bisschen pervers zu sein, wenn man sich überlegt, wie wenig Leute Songs wie You Had Time schreiben können. I've Had It - Aimee Mann Von Whatever, ihrer ersten Solo-Aufnahme. Alle ihre Alben sind gut (genauso wie die neuesten Anstrengungen ihrer Band Til' Tuesday), aber auf ihrem neuen, Lost in Space, sind ihre Texte noch mehr auf den Punkt gebracht. Born For Me - Paul Westerberg. Aus dem Album Suicaine Gratification. Westerbergs SoloSachen sind genauso unterschiedlich wie die Sachen, bei denen er mitmacht, was einer der Gründe dafür ist, dass er nicht berühmter ist. Es gibt eine lohnenswerte Anthologie solcher Projekte, und die guten Songs darauf erklären die Begeisterung seiner Fans. Frankie Teardrop - Suicide -125-
Jeder sollte sich Frankie Teardrop mindestens einmal anhören. Bitten Sie jemanden, der das erste Album von Suicide besitzt, das es als CD gibt, Ihnen das aufzunehmen. Ain't That enough - Teenage Fan Club Vgl. Anmerkung zu Your Love Is The Place That I Come From. First I Look At The Purse - The J. Geils Band Aus dem Album Full Home - »Live«, eine der wenigen Platten, die die Wechselhaftigkeit meines musikalischen Geschmacks überlebt haben. Smoke - Ben Folds Five Aus dem Album Whatever And Ever Amen. Ich kann nicht glauben, wie viele Kritiken ich gelesen habe, in denen Folds entweder mit Billy Joel oder mit Elton John verglichen wurde. A Minor Incident - Badly Drawn Boy Aus dem Soundtrack von About A Boy. Der Roman ist erschienen bei Kiepenheuer & Witsch. Glorybound - The Bible Die Version, die ich mag, werden Sie nicht bekommen. Es gibt eine andere Version auf einem Album mit verschiedenen Einzelstücken mit dem Titel Random Act of Kindness, aber es hat wirklich nicht den gleichen Swing. Boo und Neill können die Aufnahme nicht finden, auf die ich mich beziehe. Caravan - Van Morrison Aus dem Album It's Too Late to Stop Now. Die BBC hat mal einen fantastischen Film über dieses Konzert in der Sendung The Old Grey Whistle Test gezeigt - irgendjemand sollte das mal wieder ausstrahlen. So I'll Run - Butch Hancock and Marce LaCouture. Aus dem Album Yella Rose. Puff The Magic Dragon - Gregory Isaacs -126-
Aus dem Album Reggae for Kids, auf dem auch eine ziemlich gute Version von This Old Man von Yellowman drauf ist. Wenn Ihre Kinder das Zeug so oft hören, dass Sie den Kassettenrekorder an die Wand werfen, dann probieren Sie mal die Reihe Music for Little People aus: Das sind Spitzen-CDs für Kinder von Los Lobos, The Persuasions, Buckwheat Zydeco, Ladysmith Black Mambazo etc. Reasons To Be Cheeful - Part 3 - Ian Dury & the Blockheads Aus dem Greatest-Hits-Album Reasons To Be Cheerful, das mit dem oft übersehenen und in seiner Schroffheit schönen Lullaby For Frances abschließt. The Calvary Cross - Richard and Linda Thomson Aus dem Album I Want to See The Bright Lights Tonight. Linda Thomsons Album aus dem Jahr 2002, Fashionably Late, ist wirklich toll. Late for the Sky - Jackson Brown Aus dem Album Late for the Sky. Hey Self Defeater - Mark Mulcahy Aus dem Album Fathering. Der Spitzen- Tipp dieses Jahres, durch meinen Freund Dan DeLuca vom Philadelphia Enquirer. The Instigator von Rhett Miller. Needle in a Haystack - The Velvelettes Von The Best of The Velvelettes. Sie haben die Originalversion von He Was Really Saying Something gemacht, die auch auf dieser Kompilation drauf ist. Let's Straighten it Out - O. V. Wright Erhältlich auf der Doppel-CD The Complete O. V. Wright on Hi Records Vol. I, auf der fast alles gut ist, wenn man das Pfeifen durch die Zä hne darauf aushalten kann. Sie können Latimores Originalversion mit ihrem langen, launischen Intro auf Straighten It Out: The Best of Latimore finden. -127-
Röyksopp's Night Out – Röyksopp Aus dem Album Melody A. M. La Ravancha Del Tango von The Gotan's Project ist das beste und innovativste Ambient-Album, das ich je gehört habe - selbst dass es wirklich in jedem Starbucks zu hören ist, hat es nicht vollständig für mich verdorben. Frontier Psychiatrist - The Avalanches Aus dem Album Since I Left You. No Fun / Pus h It - Soulwax Aus dem Album Too Many DJs, obwohl dieser besondere Track auch auf einem Album ist mit dem Titel The Best Bootleg Album in the World... Ever!, das man in besseren unabhängigen Plattenläden findet. Pissing In a River - The Patti Smith Group Aus dem Album Radio Ethiopia. Die Anthologie Land (2002) ist ein Album mit zwei CDs, auf dem alles drauf ist, was man will - einschließlich dieses Tracks. Lieblingslieder 2002 Our Love - Rhett Miller; Dy-Na-My-Tee - Ms. Dynamite; Peoples of the Underground - Marah; There Goes the Fear - The Doves; Good Man - Eileen Rose; Flesh and Blood - Solomon Burke; Jesus Etc - Wilko; High Class Music - Roddy Frame; All I See - Linda Thompson; It's Not - Aimee Mann; If You Only Knew - Jurassic 5; Hunger - Boo Hewerdine; Trouble Over Me Tift Merritt; Seven Years - Norah Jones.
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