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Die rechte Hand Gottes Wilfried A. Hary
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ISSN 1614-3302 Copyright 2003 by HARY-PRODUCTION Canadastra€e 30 * D-66482 Zweibr•cken Telefon: 06332 48 11 50 * Fax: 01805 060 343 768 39 www.HaryPro.de eMail:
[email protected] S€mtliche Rechte vorbehalten! Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von HARY-PRODUCTION! Lektorat. David Geiger Coverhintergrund: Anistasius Copyright Titelbild: Gerhard B•rnsen, Steinruther Str. 13, D-58093 Hagen
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PROLOG Mein Vater nannte mich John Willard. Das w€re eigentlich bedeutungslos, denn nach Einf‚hrung der freien Namenswahl vor ‚ber f‚nfhundert Jahren konnte sich normalerweise sowieso jeder so nennen, wie er es wollte. Es sei denn, daƒ es sein Vater ausdr‚cklich VORAUSBESTIMMTE! Und genau das war n€mlich das Kreuz: Wenn der Vater den Namen erst einmal eindeutig festgelegt hatte, durfte man ihn niemals wieder €ndern, weil man in einem solchen Fall darunter fest registriert war. Eine Regelung, deren Sinn ich bis heute weder verstehen, noch akzeptieren kann. Nun, ich h€tte damit problemlos leben k•nnen - falls er einen anderen Namen als ausgerechnet diesen vorausbestimmt h€tte. Aber JOHN WILLARD... Genau dieser war n€mlich der Name des gr•ƒten Verlierers in der Geschichte der Menschheit gewesen (ich kenne jedenfalls keinen gr•ƒeren!): John Willard, das war der Mann gewesen, der im Jahre Null (wie man es danach nannte) die sozialistische Planetenvereinigung gepredigt, zum Aufstand gegen die Planetenv•gte und sogar gegen die Sternenv•gte geblasen, Milliarden von Anh€ngern gefunden und damit schlieƒlich einen blutigen B‚rgerkrieg angezettelt hatte - der ‚brigens die gesamte menschliche Ordnung im bekannten Universum ins Wanken gebracht hatte (und der deshalb in der Menschheitsgeschichte vergeblich seinesgleichen suchte) - und anschlieƒend alles verloren hatte, sogar sein Leben! Vor allem: Es war damals genau das Gegenteil von dem eingetreten, was dieser John Willard 7
urspr‚nglich angestrebt hatte: Die Macht der V•gte war wieder wie der sagenhafte Ph•nix aus der Asche des Krieges aufgestiegen und hatte sich zu vordem v•llig ungeahnter Bl‚te hinaufgeschwungen. Kein Wunder, daƒ man Willards erstes Jahr des Aufstiegs zum Beginn eines neuen Zeitalters gemacht hatte. Denn seitdem waren die alten Machtstrukturen erst recht vollkommen unantastbar. Genauso unantastbar wie die V•gte selbst! Sie wurden zu Wesen emporstilisiert, die GOTT„HNLICH erschienen. Oder waren sie in der Tat zu - G…TTERN geworden? John Willard! Ich knirschte mit den Z€hnen, wie ich es jedesmal tat, wenn ich an diesen unr‚hmlichen Namen bloƒ dachte. Und wenn es gar jemand wagte, mich so zu nennen... Dank der Staatsschulung, an der jeder teilnehmen muƒte, konnte ich lesen und schreiben und hatte mich dadurch in die Geschichte meines Namensvorl€ufers bestens hineinlesen k•nnen. Seitdem haƒte ich nicht nur diesen Namen, sondern auch Begriffe wie Sozialist, Revolution und dergleichen. Schlieƒlich ahnte ich nicht einmal, daƒ ich in dieser Beziehung irgendwann selber einmal eine sehr entscheidende Rolle spielen w‚rde - eben gerade als eine Art Revolution€r... Aber ich will hier nicht vorgreifen: Jedenfalls, dieser Willard, das war f‚r mich mein bisheriges Leben lang so ein armer Irrer gewesen, der etwas versucht hatte, was von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen war und die Gesamtsituation erst recht erheblich verschlimmert hatte. Oder kam einer, der auch nur einigermaƒen klar denken konnte, jemals auf die Idee, gegen 8
G…TTER zu k€mpfen? Und was meinen Vater betrifft: Er h€tte mich gern als den Dauerversager gesehen, der er selber war. Deshalb wahrscheinlich ja auch diese unr‚hmliche Namensgebung: Um von vornherein eine Rivalit€t aus der eigenen Familie zu unterbinden! Damit allerdings erreichte auch er genau das Gegenteil, denn John Willard war f‚r viele ein Schimpfwort, und wenn sie mich so nannten, dann oftmals mit ironischem Unterton - falls sie mich noch nicht gut genug kannten - und dann hatten sie anschlieƒend das zweifelhafte Vergn‚gen, ein gr‚ndliches Kennenlernen meiner Person nachzuvollziehen: Ich muƒte ihnen diesen vermaledeiten ironischen Unterton n€mlich gewaltsam mit den F€usten austreiben. Das schlieƒlich hatte mich im Laufe meines jungen Lebens zu einem Burschen heranreifen lassen, mit dem †nicht gut Kirschen essen‡ war, der sich bestens durchzusetzen wuƒte, der daher im gesamten Viertel mehr gef‚rchtet als geachtet wurde. Diese stinkende Kloake namens Erde hatte zwar eine ganze Menge von Herren, aber ich war unbestreitbar durch mein k€mpferisches Durchsetzungsverm•gen einer von ihnen geworden schon damals, lange vor der Begegnung mit dem Sternenvogt... Nein, ich will gewiƒ nicht vorgreifen, denn man sollte erst mal genau wissen, wie es damals hier aussah, auf der Erde. Nur so ist es m•glich, meine sp€tere Handlungsweise im vollen Umfang zu verstehen: Groƒe Teile dieser Welt waren zu einer einzigen, wahrlich gigantischen Stadt zusammengewachsen - sogar auf dem Meer, in der Gestalt schwimmender Kontinente. Es gab sch€tzungsweise vierzig Milliarden Menschen. Davon lebten 9
mindestens f‚nfunddreiƒig so €hnlich wie ich: im Gestank, im Elend: Wir bekamen t€glich unsere Rationen an Nahrungsmittelkonzentraten an der •ffentlichen Ausgabe, und damit hatte es sich. Zwangsl€ufig war die Ausgabeeinheit f‚r alle zum Fixpunkt geworden, zum Mittelpunkt seines Lebensinteresses... Jeder war registriert, und jeder konnte jeden Tag nur ein einziges Mal hier erscheinen. Schwindel deckte der gewissenhafte und sehr gestrenge Automat augenblicklich auf. Wer es tats€chlich wagte, sich mehr als einmal anzustellen, bekam am anderen Tag automatisch ‚berhaupt nichts. Das war seine Strafe. F‚r uns, die wir als Mini-Herrscher den Ton angaben, ‚brigens ‚beraus n‚tzlich: Wer in Ungnade fiel, wurde GEZWUNGEN, sich zweimal anzustellen - und hatte seine Bestrafung weg. Es war die unterste Stufe einer strengen Maƒregelung durch den HERRN DER STRAƒE und seine Handlanger. Die h•chste Stufe war demnach das Todesurteil, dessen Vollstreckung als Unfall getarnt wurde. Woher ich das so genau wuƒte? Ganz einfach: In meinem Gebiet, da hatte ICH das Sagen, denn... ...ICH WAR DER RECHTM„ƒIGE HERR DER STRAƒE!
1. Kapitel †Und nur deshalb hast du das geschafft, weil ich dich damals John Willard genannt habe!‡ sagte Vater haƒerf‚llt, als wir ‚ber den Markt gin10
gen. Er sch‚ttelte den Kopf. Dann knirschte er h•rbar mit den Z€hnen. Ich haƒte diesen alten Mann wie sonst nichts und niemanden auf dem stinkenden Planeten, der sich Erde nannte. Schon immer. Und nicht allein dessentwegen, weil dies auf Gegenseitigkeit beruhte: Durch ihn war ich zwar HERR DER STRAƒE geworden, aber noch viel lieber h€tte ich zu den f‚nf Milliarden Privilegierten geh•rt! Das war gar nicht mal so hoch gegriffen f‚r mich, denn w•chentlich einmal wurden Tests gemacht. Jeder kam einmal an die Reihe, turnusm€ƒig. Bei diesen Tests wurden Intelligenz, politische Integrit€t und k•rperliche Eigenschaften gemessen. Bei den k•rperlichen Eigenschaften hatte ich niemals Schwierigkeiten, ehrlich gesagt auch nicht bei den anerkannten Intelligenztests, aber wenn es dann um die verdammte politische Integrit€t ging... Bei einem solchen Namen... Auƒerdem: Wenn man erst einmal HERR DER STRAƒE war - ein h•chst inoffizieller Titel! - bekamen das die vermaledeiten ˆberwachungsautomaten mit t•dlicher Sicherheit heraus, und allein dadurch schon wurde man als politisch bedenklich eingestuft und muƒte bei allen Tests letztlich durchfallen. Oh, ich schw•re bei meinem heiligen Eid als HERR DER STRAƒE in der weltumspannenden dritten Macht namens MAFIA: Ich haƒte ihn t•dlich, diesen Vater, der solches seinem Sohn antat! Ich h€tte ihn auf der Stelle, ohne mit der Wimper zu zucken, umgebracht, w€re er nicht so ein verdammter DON gewesen. Aber mein Eid schloƒ leider auch ein, daƒ ich einem Vorgesetzten innerhalb der MAFIA kein H€rchen kr‚mmen durfte. Zumindest nicht ohne entsprechende Weisung 11
von †weiter oben‡. Deshalb blieb mir nichts anderes ‚brig, als allenfalls mit den Z€hnen zu knirschen, wenn er mich, den HERRN DER STRAƒE, •ffentlich in solchem Maƒe beleidigte. Oder ich tat, was ich jetzt tat: Ich l€chelte mitleidig! Das war wie eine Waffe, mit der ich ihn jedesmal aufs Neue besiegte - auƒer diesmal, denn er lachte mir offen ins Gesicht: †Ja, ich weiƒ genau, was in deinem Sch€del vorgeht, John Willard, H•llenhund! Wisse, meine Gedanken sind nicht minder unfreundlich, denn du wirst mir allm€hlich zu gef€hrlich.‡ †Gef€hrlich?‡ echote ich gedehnt. †Na, dann streng diesen Dicksch€del doch mal ausnahmsweise ein biƒchen an: Ich bin dein DON, aber ich bin auch dein Vater. Und du haƒt mich. Genauso wie ich dich hasse. Ohne Z•gern w‚rde ich dich beseitigen.‡ †Wozu? Du bist mein DON!‡ Er pochte mir mit der geballten Faust so fest gegen die Stirn, daƒ ich beinahe r‚cklings ‚ber den Apfelstand st‚rzte, vor dem wir stehengeblieben waren. Die Menschen ringsum wurden aufmerksam. Sie hatten vorher respektvoll Abstand gehalten und r‚ckten jetzt n€her. Als sie jedoch die ungeheure Spannung sp‚rten, die pl•tzlich in der Luft lag und scheinbar die Atmosph€re zum Knistern brachte, fuhren sie wieder zur‚ck. Ein HERR DER STRAƒE im offenen Streit mit seinem DON? Nein, ich h‚tete mich wohlweislich, mich mit den F€usten zu wehren, denn damit w€re ich des Todes gewesen. Und allm€hlich d€mmerte mir, wovon er ‚berhaupt redete: Die n€chste Stufe in der Hierarchie 12
der MAFIA w‚rde mich dem DON schon sehr bedenklich nahe kommen lassen. Ich w‚rde seine Position echt gef€hrden - und hatte man jemals davon geh•rt, daƒ ein DON eines nat‚rlichen Todes starb? Es fiel mir gewissermaƒen wie Schuppen von den Augen: Meine n€chste Bef•rderung stand unmittelbar bevor und hatte Vater aufs h•chste alarmiert. Und deshalb hatte er mich hier auf den Markt geschleppt? Um mich zu provozieren, bis ich ihm unter zahlreichen Augenzeugen den Grund lieferte, mich zu t•ten? Ich schaute mich kurz um. Nein, es leuchtete mir nicht recht ein. Er hatte k•rperlich kaum eine Chance gegen mich. Doch das war es nicht allein, was mich bedenklich stimmte: Der Markt befand sich im toten Winkel der automatischen ˆberwachung, denn er wurde auƒerhalb der Legalit€t abgehalten. Geld gab es nicht, doch hier wurden illegale Tauschgesch€fte durchgef‚hrt: Ein gestohlener goldener Ring beispielsweise f‚r ein paar „pfel je nach Nachfrage, die den Preis regelte. Die angebotenen Fr‚chte waren heimlich gez‚chtet und stellten daher allesamt kleine Kostbarkeiten dar. Und wer auf dem illegalen Markt Streit provozierte, wurde gebrandmarkt, selbst wenn es sich um einen angesehenen DON handelte. Die MAFIA war darin unnachsichtig, weil sie der direkte Nutznieƒer des Marktes war und solche Aktionen als direkte Gef€hrdung einer wichtigen Einnahmequelle ansah. Vater schien sich daran zu erinnern, denn er h•rte endlich auf, mich zu traktieren, und wand13
te sich ab. Ich folgte ihm, als er sich einen Weg durch die angesammelte Menschenmenge bahnte. †Was hast du vor?‡ rief ich ihm zu. Er blieb wieder stehen und antwortete ‚ber die Schulter zur‚ck: †Bin ich nicht der HERR DES MARKTES?‡ Ich ergriff irgendeinen Apfel und biƒ hinein. Der Besitzer des Standes machte erschrockene Augen, aber er verkniff sich seinen berechtigten Protest, denn ich zeigte ihm die Spitze meines Messers. Sein Leben gegen einen Apfel? Bei diesem Tauschgesch€ft konnte der Mann wahrlich zufrieden sein! Breitbeinig und kauend stand ich vor meinem Vater. †HERR DES MARKTES, eh? Ich habe deine Andeutungen verstanden, groƒer DON. Nicht mehr lange, sch€tze ich, und dann bist du so reif wie dieser Apfel hier, und ich werde dich genauso verschlingen - mit Haut und Haaren. Im Moment gilt es f‚r mich, nur noch eine groƒe Schwierigkeit zu ‚berwinden: Ich kann es n€mlich kaum erwarten!‡ Er schluckte schwer, aber in seinen in der letzten Zeit seltsam w€ƒrig wirkenden Augen entstand ein loderndes Feuer, das ich nicht zu deuten vermochte. Zu jenem Zeitpunkt jedenfalls nicht. Er kehrte sich ab und tat ganz so, als interessierte er sich f‚r die Auslagen. Man muƒ sich vorstellen: „pfel und Birnen, genauso wie andere Seltenheiten, wurden meist einzeln pr€sentiert und einzeln getauscht, nicht etwa in Pfund oder Kilo... Luxusg‚ter f‚r die unterste Klasse der 14
Menschheit auf Erden, denen ansonsten nur ein €uƒerst knapp bemessener Wohnraum und die t€glichen Nahrungsmittelkonzentrate zur Verf‚gung standen. Unschl‚ssig stand ich neben ihm. Er hatte mir befohlen, ihn zum Schutz zu begleiten. Als DON durfte er das. Also muƒte ich bei ihm bleiben. Wenigstens redete er jetzt nicht mehr, und ich hatte Gelegenheit, kurz meinen schwerm‚tigen Gedanken nachzuh€ngen. WAS HATTE ER MIT MIR VOR? Die MAFIA war die Macht, die uns alle f‚hrte und verband. Ein Name, der sich aus der †Vorzeit‡ in die Gegenwart her‚bergerettet hatte, nachdem im Jahre Null mit Aufstieg und Niederlage von John Willard endg‚ltig das neue Zeitalter begonnen hatte - f‚r alle Zeiten zementiert. Endg‚ltig das Zeitalter der STERNENV…GTE! Denn sie waren die ERSTE MACHT im Universum. Die zweite Macht war die Staatsgewalt, repr€sentiert durch die PLANETENV…GTE. Die Staatsgewalt f‚hrte die f‚nf Milliarden Privilegierten und wurde maƒgeblich von ihren gew€hlten Vertretern bestimmt. Wir UNTEREN bekamen diese Macht nur mehr oder weniger indirekt durch die Macht der Automaten zu sp‚ren, die uns wie Stallvieh (um einen l€ngst verblichenen Ausdruck zu benutzen) h‚teten und abf‚tterten. Aber wo immer Menschen sind, suchen sie sich ihre eigenen Herren, denn der Mensch ist offensichtlich so eine Art †soziales Tier‡, das seine Rangordnung innerhalb einer ‚berschaubaren Gesellschaft braucht. Die meisten Menschen jedenfalls - gem€ƒ meiner pers•nlichen Erfahrun15
gen. Und so hatte die SUBordnung der MAFIA entstehen k•nnen. Die DRITTE MACHT in dieser KLOAKENWELT!
2. Kapitel Ich legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Decke empor. Nat‚rlich befand sich der Markt nicht unter freiem Himmel. Ich folgte dem symmetrischen Muster der Beleuchtungsk•rper, die dort oben, in etwa zehn Metern H•he, installiert waren. Versammlungspl€tze wie dieser hier waren immer relativ groƒz‚gig gebaut. Normalerweise befanden sich zwischen den Beleuchtungsk•rpern die ˆberwachungsaugen der Automaten, aber hier fehlten sie. Die Menschen meiner Straƒe glaubten, beim Bau sei die ˆberwachungsanlage an dieser Stelle durch einen Planungsfehler weggeblieben. Ich wuƒte es l€ngst besser. Ich war ja nicht umsonst HERR DER STRAƒE geworden. Ich wuƒte durch meine Stellung innerhalb der MAFIA definitiv, daƒ solche Pl€tze nicht nur hier, sondern in praktisch jeder Straƒe ‚blich waren. Das Volk sollte das Gef‚hl †partieller Freiheit‡ haben. Und auch die MAFIA selber war durchaus erw‚nscht, denn sie nahm den F‚hrern und Verantwortlichen der Staatsordnung eine ganze Menge Arbeit ab: Sie erm•glichte, auf ein offizielles Staatsgef‚ge innerhalb der gigantischen Mas16
se von f‚nfunddreiƒig Milliarden sogenannter Untermenschen weitgehend zu verzichten! Immerhin waren das fast achtmal so viele Menschen wie in der zweiten H€lfte des zwanzigsten Jahrhunderts alter Zeitrechnung auf der ganzen Erde! F‚nfunddreiƒig Milliarden Menschen wurden von Automaten nur oberfl€chlich geh‚tet, wurden regelm€ƒig abgef‚ttert. Den Rest besorgte die MAFIA. Sie bestimmte, welche Wohnungen von wem bewohnt wurden. Selbstverst€ndlich wurden die besten Wohnungen von ihren eigenen Leuten besetzt. Sie herrschte und regierte, bestimmte ‚ber Leben und Tod innerhalb ihres Machtbereiches, der lediglich von den Automaten recht d‚rftig begrenzt wurde. In Wirklichkeit war sie damit ein sehr wirksames Werkzeug des Planetenvogts, der mit seiner Familie unumschr€nkter Herrscher der Welt war. Er hatte seine Subv•gte aller hundert Klassen strategisch ‚ber die Welt verteilt, und sie waren die obersten F‚hrer der MAFIA und stellten auch das Oberhaus der von den f‚nf Milliarden Privilegierten gew€hlten Regierung, die ohne sie nicht beschluƒf€hig war. Die Macht der V•gte reichte somit bis in den kleinsten Bereich, und so gesehen war selbst ich ein kleines Machtr€dchen, denn als HERR DER STRAƒE sorgte ich nicht nur f‚r meine eigene Vorherrschaft, sondern damit auch f‚r die Vorherrschaft der MAFIA und ihrem obersten F‚hrer, dem Planetenvogt. Gut durchdacht! ‚berlegte ich anerkennend. Ein perfektes System, das immer funktionierte. Jedenfalls hatte es allein ‚ber f‚nfhundert Jahre (gerechnet NACH John Willard) funktioniert 17
vorher vielleicht schon Jahrtausende? - und es gab nicht die geringsten Anzeichen daf‚r, daƒ es jemals anders werden w‚rde. Ich senkte den Blick. Unter meinen F‚ƒen wuƒte ich mindestens noch eine weitere Straƒe. Meine eigene befand sich h•chstwahrscheinlich in der Mitte von drei Hauptebenen. Die Wohneinheiten darin bildeten ebenfalls drei Ebenen. Eine Stadt mit mindestens drei Stockwerken. Mit Straƒen, die in Wirklichkeit nichts anderes waren als Teile eines weitverzweigten Tunnelsystems, das in sich wiederum in drei Ebenen unterteilt war. Doch selbst als HERR DER STRAƒE durfte ich meinen Bereich nicht verlassen. Es gab strenge Automatenkontrollen. ˆberwechseln von einer Straƒe zur anderen - ob nun vertikal oder horizontal - durften h•chsten DONS und deren Vorgesetzte. Auƒerdem direkte Untergebene von ihnen, sofern triftige Gr‚nde f‚r eine entsprechende Sondergenehmigung gesorgt hatten. Gerade die Tatsache, daƒ die Stellung der DONS von den Automaten somit praktisch anerkannt wurde, war eigentlich der beste Beweis daf‚r, daƒ die MAFIA sozusagen im offiziellen Auftrag handelte! Die Menschen der Straƒen erkannten das nur deshalb nicht, weil sie es nicht erkennen sollten und wollten! Ich seufzte unwillk‚rlich. Der gravierende Nachteil also, wenn man Mafioso war wie ich: Man konnte niemals zu den Privilegierten der obersten Ebene geh•ren, denn die oberste Ebene wurde ausschlieƒlich von diesen bewohnt. Das muƒte man sich einmal vor Augen f‚hren: 18
F‚nf Milliarden privilegierte Menschen durften jeden Tag die Sonne sehen - und f‚nfunddreiƒig Milliarden dr€ngten sich zu ihren F‚ƒen, Tag und Nacht beleuchtet von k‚nstlichen Beleuchtungsk•rpern, die nur in den Wohneinheiten abgeschaltet werden konnten. Dabei spielte es ‚berhaupt keine Rolle, ob man nun in einer Straƒe der zweiten oder untersten Ebene war. Die meisten erfuhren die Wahrheit sowieso nie, sondern glaubten fest, daƒ die GANZE Welt gerade das war, was sie ihr Leben lang zu Gesicht bekamen. Den Gegenbeweis daf‚r hatten eigentlich nur die DONS, die sich freier bewegen durften, und die h‚teten sich, die Wahrheit allzu publik werden zu lassen. Kopfsch‚ttelnd schaute ich mich um. Ein Gef€ngnis f‚r Lebensl€ngliche, mehr nicht. Auch der Markt, obwohl der in der ‚bergroƒen †Zelle‡ f‚r rund f‚nftausend Menschen, die ihren Lebensbereich †Straƒe‡ nannten... obwohl dieser gewissermaƒen der Kontakthof war - im besten Sinne des Wortes. Er hatte einen Durchmesser von vielleicht vierzig Metern auf der schmalen Seite und f‚nfzig Metern auf der breiten. An seinen Enden m‚ndeten die beiden Straƒenteile, denn der Markt war zentral gelegen. Die Straƒenteile waren praktisch Sackgassen. An ihren Enden war die strenge ˆberwachung, wenn man beabsichtigte, zu einer anderen Straƒe ‚berzuwechseln. Nur an einem der beiden Straƒenenden war indes die Ausgabestelle f‚r die Nahrungsmittelkonzentrate. Sie wurde naturgem€ƒ ununterbrochen belagert, denn die f‚nftausend Menschen in den drei Subebenen der Straƒe wollten ja versorgt werden - und das ging eben 19
nur rund um die Uhr bei einer einzigen Ausgabestelle. Ich war ihr Herr. Fr‚her h€tte man dazu wohl B‚rgermeister gesagt. Aber ich war nicht von ihnen gew€hlt worden - etwa nach altmodischem demokratischem Prinzip -, sondern hatte mich selber in dieses Amt erhoben. Mit meinem Messer und mit meinen F€usten. Ich war derjenige unter ihnen, den sie am meisten respektierten, und ich muƒte st€ndig auf der Hut sein, mein Amt zu behaupten. Mordversuch oder gar Mord an meiner Person (falls ungenehmigt) w‚rde von der Organisation zwar streng geahndet werden - bloƒ, was hatte ich nachtr€glich davon, wenn es mich nicht mehr gab? Ich muƒte selber auf der Hut sein, st€ndig, Tag und Nacht, und ich muƒte auƒerdem auch noch mit von der MAFIA genehmigten Herausforderern rechnen - die ebenfalls scharf auf mein Amt waren. Schlieƒlich war ich einst genauso ins Amt gekommen, und als ich meinen Vorg€nger t•tete, war das vorher genehmigt gewesen und zog deshalb keineswegs die Blutrache der MAFIA nach sich, sondern ich wurde genauso akzeptiert wie vorher er - und wie irgendwann auch mein eigener Nachfolger... Ich hatte schon viel zu viele blutige K€mpfe hinter mir, und l€ngst war in mir der Entschluƒ gereift, irgendwann h•herzusteigen. Vater hatte mir jetzt sogar angedeutet, daƒ es unmittelbar bevorstand. Eigentlich h€tte ich mich dar‚ber freuen m‚ssen, aber ich hatte einen imagin€ren Kloƒ im Hals stecken. Aufstieg zu den direkten Untergebenen des 20
DON? Mein verfluchtes Pech, daƒ mein verhaƒter Vater dieser DON war - ausgerechnet! Und daƒ er mich als Konkurrenten t•dlich f‚rchtete...
3. Kapitel An einem Ende des Marktplatzes entstand auf einmal wilder Tumult. Etwas schien die Menschen dort in Angst und Schrecken zu versetzen. Ich war HERR DER STRAƒE und muƒte als solcher ‚ber alles im Bilde sein, was in meinem Herrschaftsbereich geschah. Deshalb setzte ich mich sofort in Marsch, um nach dem Rechten zu sehen. †Hiergeblieben!‡ befahl Vater mit schneidender Stimme. Er war kreidebleich. Auf seiner Stirn perlte Schweiƒ. Ich gehorchte unwillk‚rlich. Es blieb mir ja auch nichts anderes ‚brig. Und da d€mmerte mir auf einmal, daƒ die Vorkommnisse dort dr‚ben irgendwie mit dem Feuer in Verbindung standen, das ich in seinen Augen entdeckt hatte... Ein Schrei des Entsetzens: †Der STERNENVOGT!‡ Ich erstarrte. Zwar wuƒte ich kaum etwas von der Welt auƒerhalb meiner Straƒe, aber allein das Wort STERNENVOGT... ER bei uns - h•chstpers•nlich? Niemand hatte jemals einen von ihnen zu Ge21
sicht bekommen. Es gab nicht einmal Bilder. Man sah immer nur ein Symbol, wenn es sich um sie handelte - beispielsweise in einer der zahlreichen Unterhaltungssendungen. Aber jeder hatte gelernt: Sie waren die M€chtigsten ‚berhaupt, weil sie das Universum regierten, und sie waren auƒerdem - unsterblich! Superwesen, absolut gottgleich - falls sie nicht l€ngst selber G•tter geworden waren. Es gab nur wenige, und niemand wuƒte die genaue Zahl. Allerdings war sie so gering, daƒ sich die wenigen Sternenv•gte in der Weite des Universums gegenseitig niemals ins Gehege kommen konnten. Und jetzt war einer von ihnen - hier? Wirklich hier? Kein Wunder, daƒ ich erstarrt war - und es blieb, bis sich unvermittelt eine L‚cke bildete. In dieser L‚cke zeigte sich inmitten fliehender Menschen ein krokodil€hnliches Gebilde, das Maul halb aufgeklappt. Es schwebte ‚ber dem Boden. Aber es war kein Lebewesen, wie ich sogleich erkannte, sondern bestand aus Metall und Edelsteinen, verbreitete mit seinem Anblick allein schon Angst und Schrecken und trug auf seinem R‚cken eine reichverzierte, thronartige Sitzgelegenheit. Eine Schwebes€nfte! durchfuhr es mich. Ich wagte es kaum, meinen Blick zu heben, um denjenigen zu betrachten, der in diesem Thron saƒ: DER STERNENVOGT!!! Und dann tat ich es doch, blickte ihm scheinbar furchtlos entgegen, obwohl mein ganzer K•r22
per vibrierte und ich einer Ohnmacht nahe war. Ein junger, sehr muskul•ser GOTT, mit halbentbl•ƒtem Oberk•rper, in der Pose des Unbesiegbaren. Sein K•rper schien aus sich heraus zu gl‚hen. Ein goldener Schein, der seine Erscheinung irgendwie unwirklich machte. Ich wuƒte es besser: Ein energetischer Schutzschirm. Jetzt lachte er schallend, bog dabei den Kopf zur‚ck, lachte zur Decke empor, wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Ich sah die Angst, das Entsetzen, das sich auf den Gesichtern der Menschen abzeichnete. Da erst entdeckte ich die Peitsche in seiner Rechten. Sie war eigentlich mehr ein tr‚gerisch unscheinbarer Griff, aus dem sich etwas schl€ngelte, glitzernd, nicht gegenst€ndlich, sondern rein energetisch. Es war d‚nn wie ein Federstrich und schnellte vor. Geschickt bewegte der Sternenvogt den Strich. Er lieƒ ihn peitschen. Er lieƒ ihn auf die R‚cken von Menschen niedersausen. Aber was ihm Vergn‚gen bereitete, hatte auf die Getroffenen eine verheerende Wirkung: Die Peitsche fuhr in ihre K•rper, lieƒ sie wild zucken, erzeugte in ihnen unsagbare Pein. Die Schwebes€nfte w‚rde auch an mir vorbeikommen, falls ich nicht auswich. Zwangsl€ufig. Ich schaute mich nach meinem Vater um. Er zog sich r‚ckw€rts in Deckung. †Du hast es im voraus gewuƒt!‡ klagte ich ihn an. †Du hast gewuƒt, daƒ er kommt, und hast rechtzeitig daf‚r gesorgt, daƒ wir zur Stelle sind, 23
daƒ es zu dieser Begegnung kommt. Du Saukerl!‡ Ja, er hatte mich hereingelegt. Jetzt war alles ganz klar. Deshalb sein Erbleichen, noch bevor jemand ‚berhaupt das Wort STERNENVOGT gesagt hatte. Als DON war er rechtzeitig im Bilde gewesen, daƒ der Sternenvogt uns einen Besuch abstatten wollte. Denn als DON hatte er bestens funktionierende Nachrichtenkan€le. Jeder Privilegierte durfte jederzeit jede Straƒe besuchen. So lange und so oft er wollte. Manchmal kamen sie in regelrechten Horden, beispielsweise um M€dchen zu vergewaltigen. Zuweilen lieƒen sie dabei auch ihr Leben. Dann wurden sie ausgepl‚ndert, und es waren f‚nfzig von uns †Untermenschen‡ als Zeugen n•tig, eine solche Begegnung als Unfall aussehen zu lassen. Aber noch niemals zuvor war auch nur einer der Unterv•gte bei uns gewesen, geschweige denn ein echter STERNENVOGT! †Zufall!‡ schrie Vater voller Panik. Vor wem hatte er mehr Angst: vor mir oder vor dem Vogt? Und wenn vor dem: Schlieƒlich war er doch ‚berhaupt nicht gef€hrdet, weil er kneifen durfte, ohne sein Gesicht zu verlieren: Immerhin hatte er mich bei sich, um ihn abzuschirmen. Ja, ein DON durfte in diesem Sinne feige sein aber niemals der HERR DER STRAƒE. Sonst verlor er f‚r immer sein Gesicht und war erledigt. †Zufall!‡ schrie er abermals. †Verstehst du?‡ Jetzt kicherte er irre. †Ein verdammter Zufall, daƒ er hierherkommt - und die Chance meines Lebens, dich f‚r immer loszuwerden!‡ Aus dem Kichern wurde ein kreischendes Gel€chter. †Du entkommst mir nicht!‡ br‚llte ich ihm 24
nach, als er gemeinsam mit den Umstehenden floh. Aber es klang nicht sehr ‚berzeugend. Langsam wandte ich mich dem Sternenvogt zu. Er war bereits aufmerksam geworden. Nein, dieser Teufel war nicht aus Neugierde oder gar Freundschaftlichkeit da. Sonst h€tte er die Energiepeitsche nicht gebraucht. Er war da, um sich auf Kosten anderer zu am‚sieren. Er freute sich, wenn andere vor Schmerzen schrieen. Er war ein perverser Sadist. Ich ballte die H€nde zu F€usten. Er lieƒ die S€nfte langsamer schweben, lieƒ nur noch ein paarmal seine Energiepeitsche aufzucken, aber da war niemand mehr, den er treffen konnte, weshalb er sein ganzes Augenmerk mir zuwenden konnte. Ein diabolisches L€cheln stand in seinem Gesicht. Die Fliehenden verhielten auƒer Reichweite seiner Energiepeitsche. Sie ahnten, daƒ jetzt nur noch einer gef€hrdet war: ich! Sie gafften in atemloser Spannung. Ich war verloren; selbst wenn ich jetzt ebenfalls davongerannt w€re, hatte ich mein Leben verwirkt: Entweder ich wurde vom Sternenvogt zu dessen Vergn‚gen grausam zu Tode gequ€lt oder als feiger HERR DER STRAƒE bei der Flucht von der Meute in St‚cke gerissen, denn da war niemand, der den HERRN DER STRAƒE nicht aus ganzem Herzen f‚rchtete und deshalb haƒte...
4. Kapitel 25
Nein, ich hatte wahrhaftig keine Chance mehr, und doch ergab ich mich nicht in mein Schicksal. Ganz im Gegenteil: Jetzt l€chelte ich, kreuzte groƒspurig die Arme vor der Brust, spreizte leicht die Beine und verbeugte mich knapp. †Willkommen in meiner Straƒe, STERNENVOGT!‡ †DEINE Straƒe?‡ fragte er sp•ttisch. †Ich bin der HERR DER STRAƒE!‡ erkl€rte ich freundlich, †und von daher gesehen - ja, es ist MEINE Straƒe!‡ †ERLAUCHTER heiƒt das!‡ †Gewiƒ, ERLAUCHTER!‡ Ich dehnte es ‚bertrieben und verbeugte mich abermals - diesmal ein wenig tiefer als beim ersten Mal. Er lachte schadenfroh. Dennoch entflammte in mir eine wilde Hoffnung: Vielleicht hatte sich mein schurkischer Vater sogar geirrt? Vielleicht kam ich mit dem Leben doch noch davon? Oh, wie optimistisch ich auf einmal war... Ich schwor mir, Vater nicht einfach zu t•ten, falls ich das hier wirklich ‚berstand, sondern ihn genauso grausam enden zu lassen, wie er es f‚r mich vorgesehen hatte... Ich wollte mich wieder aus der Verbeugung heraus aufrichten, aber da lieƒ der Sternenvogt seine Energiepeitsche vorschnellen. Tief grub sie sich in meinen K•rper, lieƒ ihn zucken, weil das Nervensystem versagte, lieƒ mich wimmernd und schreiend zu Boden sinken. Wieder und wieder schickte er mich mit der Peitsche in eine furchtbare, unbeschreibliche H•lle grausamer Pein, die mir eigentlich das Bewuƒtsein h€tte rauben m‚ssen, die mich aber 26
gleichzeitig hellwach bleiben lieƒ, damit ich weiterlitt - schrecklicher, als es sich ein Mensch vorstellen k•nnte... Und er lachte dazu sein satanisches Lachen. Es war der Tod und doch blieb ich am Leben. Die zuckenden Blitze verbrannten mich von innen heraus und lieƒen mich doch jedesmal neu entstehen... Und als es vorbei war, wollte ich das gar nicht glauben. Ich lag am Boden, starrte zur Decke und war unf€hig, mich zu r‚hren. Pl•tzlich fuhr ich vom Boden auf, sprang auf die Beine: Mein K•rper gehorchte wieder meinem Willen. Der STERNENVOGT lauerte gespannt, ein diabolisches Grinsen um die Lippen. Ich war nicht von allein HERR DER STRAƒE geworden, Herr ‚ber Leben und Tod von f‚nftausend Menschen, die mir vollkommen ausgeliefert waren - mir und meiner Willk‚r - und die mir jetzt immer noch haƒerf‚llten Respekt zollten... Und ich w‚rde ihnen beweisen, daƒ ich dessen w‚rdig war. Furchtlos schaute ich den STERNENVOGT an. †Feiges Schwein!‡ sagte ich sehr laut, sehr betont und legte alles hinein, was ich an Abscheu ausdr‚cken konnte. †Feiges Schwein!‡ Da war niemand, der es nicht haargenau verstand, auch wenn er vielleicht seinen Ohren nicht trauen wollte. †Feiges Schwein!‡ Ich schob mein Kinn vor, deutete damit: †Steig von deiner S€nfte herab und stelle dich mir wie ein Mann, und ich werde dich lehren, einem wahren HERRN DER STRAƒE mit dem n•tigen Respekt zu begegnen, Elender!‡ Ich spuckte ver€chtlich aus. 27
Er war kreidebleich. Sogar der goldene Schein seines Schutzschirms schien an Intensivit€t verloren zu haben. In einer w‚tenden Geb€rde hob er die Energiepeitsche. Ich lachte ihm ins Gesicht. Die Peitsche zuckte. Der Energiefaden schnitt meinen Leib in zwei gl‚hende H€lften, und von den Innenseiten der H€lften ging die Pein aus. Aber ich schaffte es diesmal sogar, aufrecht stehenzubleiben, obwohl ich selber nicht wuƒte, wie mir dies m•glich war. †John!‡ schrie jemand, als sich mein Blick wieder kl€rte. †John Willard!‡ Die Stimme meines Vaters. Er rannte herbei, l€ngst nicht mehr angstschlotternd, wie ich ihn zuletzt gesehen hatte, sondern - v•llig verzweifelt! Und diese Verzweiflung - galt nicht etwa sich selbst, sondern - MIR! Ich wandte nur kurz den Kopf, um zu sehen, was ich einfach nicht glauben konnte. Er packte mich von hinten, dr€ngte mich zur Seite. †Scher dich fort, Willard! Weg von hier, los! Dies ist der Befehl deines DON!‡ Ich hatte Schwierigkeiten, die pl•tzliche Wende zu begreifen: Als DON durfte er es mir befehlen, gewiƒ, und es war keine Feigheit mehr, wenn ich ihm gehorchte und damit mein Leben doch noch rettete. Aber jetzt bekam Vater selber die Energiepeitsche zu sp‚ren! Schreiend sank er zu Boden. Immer wieder zuckte die Peitsche auf ihn nieder und in ihn hinein. 28
Ein alter Mann, obwohl k•rperlich noch ungew•hnlich gut auf der H•he. Dennoch ein alter Mann, und wenn der Sternenvogt nicht aufh•rte, war er bald tot... Derselbe Mann, den ich noch vor Augenblicken mit ganzem Herzen gehaƒt hatte, der mich in diese Situation gebracht hatte, um den l€stigen Rivalen in mir loszuwerden, und um den ich mich jetzt - verdammt noch eins! schrecklich sorgte! Ich gehorchte seinem Befehl nicht, sondern st‚rmte vor. Der goldene Schein des Energiefeldes hielt mich davon ab, nach dem Vogt zu greifen: Das Feld h€tte mich auf der Stelle umgebracht. Ich reckte ihm nur die F€uste entgegen und l€chelte herausfordernd: †Du Haufen Dreck! Du bist der wahre Abschaum - nicht wir hier, in den Subebenen, wo wir wie die Ratten hausen m‚ssen. Du bist ein Nichts, das sich hinter seinem Energieschirm versteckt und alte M€nner zu Tode traktiert. Ein armseliges H€ufchen stinkender Feigheit. Schau mich einmal an. Was bist du denn gegen einen wahren HERRN DER STRAƒE? Komm doch, stell dich, groƒer, erlauchter Meister, wie du dich nennen l€ƒt. STERNENVOGT! Komm, daƒ ich dich anspucken kann. Schalte das Ding ab, das dein minderwertiges Leben sch‚tzt, damit ich dir die Knochen im Leib brechen, dich zu den W‚rmern schicken kann, wo du hingeh•rst...‡ Es war genug. Er br‚llte vor gekr€nktem Stolz, vor un‚berlegtem Zorn! Er war auƒer sich, schmiƒ seine Energiepeitsche hin und - schaltete den Energieschirm aus. Die Menge schrie wild durcheinander. Ein to29
sender L€rm, der m€chtig zur Decke emporstieg und den Marktplatz ausf‚llte wie eine Kampfarena. Und das war der Markt jetzt in der Tat geworden: EINE ARENA! Und hier sollte der unm•glichste Kampf aller Zeiten stattfinden - zwischen dem STERNENVOGT und einem gew•hnlichen HERRN DER STRAƒE...
5. Kapitel Ein kurzer Seitenblick gen‚gte: Vater hatte sein Leben ausgehaucht. Er hatte die Qualen nicht ‚berstanden. Der Sternenvogt vor mir war bleich. †John Willard, eh? Wer hat dich so genannt? Wer hat dir den Namen des groƒen Sozialisten gegeben? Man hat wohl sehr fr‚h erkannt, welchen Weg du gehen wirst - n€mlich den Weg des Verlierers.‡ Er spannte seine Muskeln. Es war sehr beeindruckend. Ich lachte ihn trotzdem aus: †Diesmal wird John Willard gewinnen, Dreckskerl von einem STERNENVOGT!‡ Ich zog so schnell mein Messer, daƒ es dem Vogt so erscheinen muƒte, als h€tte ich es in meine Hand hineingezaubert. †Stirb!‡ Mein Messer zuckte vor, wollte sich in seine Brust bohren, aber der Vogt wich so behende aus, wie ich es ihm niemals zugetraut h€tte. 30
Meine linke Hand schwang rechtzeitig nach hinten, um die Bewegung mit dem Messer auszugleichen. Ich riƒ die Messerhand hoch und drehte dabei gleichzeitig den K•rper. Die Balance stimmte: Ich setzte dem verdammten Sternenvogt kraftvoll einen Fuƒ in den Unterleib. Ein dumpfer Laut. Er klappte zusammen wie ein Taschenmesser, kippte dabei r‚cklings von der jetzt ganz niedrig schwebenden S€nfte und geriet dabei auf der anderen Seite fast in das Kraftfeld, das die S€nfte trug. Ich hechtete ‚ber das Gef€hrt einfach quer hinweg, mit dem stichbereiten Messer in der Faust... und erkannte praktisch noch im Flug, daƒ ich auf eine Finte hereingefallen war: Der Vogt hatte sich absichtlich fallengelassen. Die Wucht meines Fuƒtritts hatte dazu nicht gereicht - bei ihm nicht. Und er hatte inzwischen selber ein Messer gezogen, um mich hineinst‚rzen zu lassen. Er muƒte mich einfach t•ten, um ein Exempel zu statuieren. Eine solche Unversch€mtheit wie von mir, die durfte niemals unges‚hnt bleiben. Wo gab es denn so etwas: Der m€chtigste Mann des Universums, und dann schm€hlich beschimpft und beleidigt von einem hergelaufenen Straƒenherrn... Dennoch w‚rde aus dieser Begegnung einer der Mythen entstehen, die man sich hinter vorgehaltener Hand erz€hlte. Und ich w‚rde darin eine wichtige Rolle spielen - als der zweite John Willard in der Geschichte der Menschheit. Ob ich es nun ‚berlebte oder nicht. Ich hatte Gl‚ck: Bevor ich in das Messer st‚rzte, erwischte ich das Handgelenk des Vogts und 31
gab der Messerspitze eine andere, f‚r mich ungef€hrlichere Richtung. Gleichzeitig zog ich den Kopf ein, machte die Schulter rund und rollte dar‚ber ab. Der Schwung gen‚gte, auch den Sternenvogt hochzureiƒen und ihn sogar ‚ber mich hinwegzuziehen, denn ich lieƒ sein Handgelenk nicht mehr los. Wir w€lzten uns am Boden, bis ich ‚ber ihm lag. Vergeblich versuchte er, mit dem Messer nach mir zu stoƒen. Ich nagelte ihn fest und gab keinen Millimeter nach. Aber ich kam selber auch nicht mehr zum Zuge, weil er sich immer wieder aufb€umte. In diesem muskul•sen K•rper war eine ungeheure Kraft und Geschmeidigkeit. Mein Gegner war wie ein Raubtier, nur zum T•ten bestimmt. Oder wie ein - HERR DER STRAƒE... Ich lachte heiser. Wie oft hatte ich eine solche Pattsituation bereits erlebt - im Kampf auf Leben und Tod? Denn ich war John Willard und hatte bis jetzt jeden Kampf gewonnen, auch wenn er noch so aussichtslos erschienen war, sonst w€re ich l€ngst nicht mehr unter den Lebenden gewesen. Er probierte Tricks durch, um mich abzuwerfen. Ich kannte sie alle und parierte entsprechend. Geduldig lieƒ ich ihn gew€hren, denn er verlor dabei mehr Kraft als ich, weil er seinen t•dlichen Zorn nicht z‚geln konnte, w€hrend mein Gehirn v•llig klar blieb, ungetr‚bt von gef€hrlichen Emotionen, die einen sehr leicht zum Verlierer werden lieƒen... Und dann war es an der Zeit, ihn eine schein32
bar bessere Position einnehmen zu lassen, in der er mich endlich abwerfen konnte - wie er es beabsichtigte. Damit er nicht auf die Idee kam, er k•nnte mir mit dieser Absicht sogar entgegenkommen, spuckte ich ihm ins Gesicht. Ich zeigte ihm grenzenlose Verachtung und sagte ihm wieder, was ich von seinem nichtsw‚rdigen Dasein hielt. Sein Fehler war, daƒ er seinen Zorn nicht z‚geln konnte - gegen‚ber einem Untermenschen, wie er fand. Gegen‚ber einem Menschen, der nur einen Zweck zu erf‚llen hatte: seinen sadistischen Vergn‚gungen zu n‚tzen. Sein Aufb€umen kam sozusagen zwangsl€ufig. Alles war genau kalkuliert. Ich lieƒ zu, daƒ seine Hand hochschnellte. Das Messer gierte nach meinem Fleisch. Sein Arm war gekr‚mmt. Ich hielt sein Handgelenk so, daƒ er mit der Spitze nicht meinen Arm ritzen konnte. Sobald seine Hand hoch genug war, verlagerte ich mein ganzes K•rpergewicht, um seinen Arm einknicken zu lassen, so daƒ die Spitze jetzt auf seine eigene Brust zuraste... Ich sah es wie in Zeitlupe: Insgesamt entstand eine halbbogenf•rmige Bewegung mit dem Messer, dessen Spitze erst hochgeragt hatte und jetzt tief in den entbl•ƒten Brustkorb des STERNENVOGTS drang. Ich sprang auf. Es war vollbracht. Jeder konnte es sehen, konnte sehen, daƒ sein eigenes Messer in der Brust steckte. Ein Trick, der nicht zum ersten Mal funktioniert hatte. Man muƒte nur den Gegner in dem Glauben lassen, pl•tzlich in der besseren Position zu sein. Man lieƒ die Hand vom Boden, mit der er 33
zustechen wollte, drehte sich halb, f‚hrte seine Hand - und sorgte daf‚r, daƒ sich das Messer in sein eigenes Herz bohrte. Er begriff seinen Fehler nicht, stierte mich mit schier herausquellenden Augen an, •ffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, brachte jedoch nur einen Schwall Blut hervor. Seine Hand war noch am Messergriff, den Daumen nach oben. Zitternd spreizte er sich ab. †Zeugen!‡ br‚llte ich. Ich funkelte die Menge an: †Ihr Bastarde, ihr habt es gesehen: Ein Unfall! - Oder ein - Selbstmord?‡ Ich lachte mir die Kehle heiser, w€hrend der Vogt starb. †Ein Unsterblicher, der nicht mehr lebt!‡ Ich trat gegen den Leichnam. Gebrochene Augen stierten anklagend zur Decke. Ich lief zur S€nfte und sprang hinauf. Ich setzte mich auf den reichverzierten Thron und lachte so lange, bis nur noch ein Kr€chzen zu h•ren war. †Ich, HERR DER STRAƒE, habe den m€chtigsten Mann des Universums erledigt! Einfach so. Im fairen Kampf! Und wer bin ich jetzt? Bin ich nicht mehr als ein - STERNENVOGT?‡ Da erscholl eine grollende Stimme: †Ein verdammter, hirnloser Narr, das bist du, und sonst nichts!‡ Eine Stimme wie von Gottvater pers•nlich. Sie lieƒ die Erde erbeben, schien von allen Seiten gleichzeitig zu kommen. Danach war es so ruhig, daƒ man eine Stecknadel h€tte fallen h•ren k•nnen...
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6. Kapitel †Ein verdammter Narr!‡ grollte die Stimme mit urweltlicher Gewalt. †Das war einer der besten Diener, die ich jemals hatte!‡ Zorn sprach aus ihr - g•ttlicher Zorn? †Verflucht, er hatte nur diesen einen Fehler, daƒ er seinen irren Vergn‚gungen nachging, falls ich ihn mal freistellte...‡ Ich schaute umher. Meine Haare stiegen schier senkrecht zu Berg. Ich hatte den gr•ƒten Sieg errungen, den man sich denken konnte - und ahnte auf einmal, daƒ daraus meine gr•ƒte Niederlage werden w‚rde... Ein - Diener? Ja, was denn...? Demnach... demnach war das ‚berhaupt kein - Sternenvogt gewesen, kein echter, sondern nur sein - Diener?! †Ja, nat‚rlich!‡ grollte die Stimme. †Was hast du denn gedacht, Idiot?‡ Der Gott hatte - meine Gedanken gelesen, denn ich hatte keinen Ton gesagt! †Wenn man mal nicht aufpaƒt, die Augen nicht ‚berall hat... Herrjeh, das hat mir gerade noch gefehlt. Was soll ich denn ohne ihn machen? Das sollst du mir b‚ƒen, Bursche, so wahr man mich den STERNENVOGT nennt!‡ Endlich wuƒte ich, woher die Stimme kam: Nicht etwa aus dem Nichts, sondern direkt aus der S€nfte. Der ganze S€nftenk•rper vibrierte unter dem Donner des Zorns. †B‚ƒen wirst du's mir!‡ schwor er erneut. Die Menge schrie panikerf‚llt durcheinander. Auch in den Straƒeneinm‚ndungen standen die Menschen. Viele schauten von den Zwischenetagen herunter. 35
Ich war ‚berzeugt davon, daƒ keiner der f‚nftausend Untertanen fehlte. Eine Arena, in der ich den Diener des STERNENVOGTS get•tet hatte - um den Zorn eines Gottes zu beschw•ren. W‚rde dieser Zorn nicht auch die Zeugen treffen? Deshalb schrieen sie. Obwohl - keiner wandte sich zur Flucht. Weil sie ahnten, daƒ es vor dem STERNENVOGT sowieso kein Entrinnen gab. Der STERNENVOGT hatte aber anscheinend nur mich im Auge. Er beherrschte die S€nfte, und diese beherrschte mich. Ein Narr war ich gewesen, auch noch freiwillig daraufzuspringen. Das wurde mir jetzt heimgezahlt: Ein goldener Lichtkegel entstand, legte sich eng wie eine zweite Haut um meinen K•rper und fesselte mich. Ich war nicht einmal mehr in der Lage, einen Finger zu r‚hren. Die beiden Toten blieben liegen, w€hrend die S€nfte mit mir langsam emporschwebte, genau auf die Decke zu. Sollte ich dort - zerquetscht werden? Mit einem letzten Blick nahm ich Abschied von meinem toten Vater. Warum hatte er das bloƒ getan? Ich verstand es immer noch nicht, weil es hundertprozentig dem widersprach, wie ich ihn gesehen hatte - ein Leben lang. Im letzten Augenblick •ffnete sich die Decke. Ein groƒes Loch entstand - groƒ genug, um die S€nfte hindurchzulassen. Leuchtender Schein blendete mich. Ich konnte keine Einzelheiten erkennen. Und dann nahm die Helligkeit sogar noch zu, konzentrierte sich letztlich auf einen Glutball, der hoch ‚ber mir hing und viel, viel 36
heller war als jede Lampe, die ich je gesehen hatte. Auƒerdem hing er h•her als jede Decke sein konnte. Der Glutball... den kannte ich... nicht nur aus Unterhaltungsfilmen... Das war - DIE SONNE! DIE ECHTE, EINZIGE SONNE! Sie hatte das Leben auf der Erde gezeugt, und ich war jetzt oben, auf der Oberfl€che dieser Erde, und diese raste unter mir so schnell hinweg, daƒ ich keine Einzelheiten erkennen konnte. ˆber mir - die Sonne. Ich war ihr ausgeliefert, f‚hlte mich ihr gegen‚ber nackt und hilflos, und ihr Strahlen war f‚r mich keineswegs lebensspendend, sondern vielmehr zerst•rerisch, und ich hatte auf einmal die Vision, meine Strafe w‚rde einfach darin bestehen, in sie hineinzust‚rzen, in diesen Atomofen, weil ich es gewagt hatte, den einzigen Diener des STERNENVOGTS vom Leben zum Tode zu bef•rdern. Selbst wenn er es in meinen Augen tausendfach verdient hatte. Die Sinne schwanden mir, so daƒ ich den Rest verpaƒte, und das bedauerte ich irgendwie mit dem letzten bewuƒten Atemzug.
7. Kapitel Da war undefinierbarer L€rm. Da war ein st€ndiger Luftzug mit wechselnder St€rke, der ‚ber mich hinwegging. Da waren berauschend exotische Ger‚che, krabbelndes Getier, das mich 37
anwiderte! Mein Kopf fuhr hoch. Ich lag auf dem Bauch. Was f‚r ein widerw€rtiges Gr‚n. Dieses Zeug, auf dem ich lag: Aus was bestand es ‚berhaupt? Auƒerdem war es feucht. Ich hob den Blick. Ein buntes Feld. Meine Augen suchten automatisch nach einem Haltepunkt in dieser Weite. Da war er: Dicke S€ulen, die sich - sanft schwingend bewegten! Ab einigem Abstand zum Boden waren sie ‚bers€ht mit gr‚nen Bl€ttern. Was f‚r eine Arbeit muƒ das gewesen sein, all diese Bl€tter festzukleben! dachte ich unwillk‚rlich. Ein eigentlich absurder Gedanke, aber genau der brachte mich endg‚ltig in die Wirklichkeit zur‚ck. Ich hockte mich auf und konzentrierte mich auf die Ger€uschkulisse um mich herum. Ich empfand sie als undefinierbaren L€rm, weil ich diese Ger€usche einfach nicht kannte. Oder vielleicht doch? Aus Unterhaltungsfilmen? Die S€ulen mit den Bl€ttern: B€ume! Ich lag demnach auf einer - Wiese! Die bunten Kleckse auf dem Feld: Blumen! Eine perfekte Illusion, tats€chlich! Ich griff mir an den Sch€del. Mir schwindelte. †Verdammt!‡ entfuhr es mir. Wiese, Wald, freie Natur... Ich f‚hlte mich ungesch‚tzt, ausgeliefert, ja entbl•ƒt und beschmutzt. Dies konnte keine Illusion sein, sondern dies war unnachahmliche REALIT„T! Der ewige Gestank der Etagen, die wenig wechselnde Intensivit€t, ob man nun viele Menschen oder ein paar weniger um sich hatte. Die 38
Lufterneuerungsanlagen waren stets ‚berfordert, denn die St€dte waren urspr‚nglich f‚r die H€lfte der effektiven Einwohnerzahl konstruiert worden. Dies alles erschien unerreichbar weit, und ich wagte es nicht, den Blick zur Decke zu heben. Weil ich wuƒte, daƒ es keine gab: ˆber mir war freier Himmel. FREIER HIMMEL! Ich saƒ auf einer Wiese, und dieser undefinierbare L€rm - das war nichts anderes als die Ger€uschkulisse der Natur. So ungeordnet, erschreckend. Das waren V•gel, Grillen und dergleichen und - keine Menschen. KEINE MENSCHEN? †Hat er endlich sein Bewuƒtsein wiedererlangt, dieser... dieser HERR DER STRAƒE?‡ Ich schreckte zusammen. Die Erinnerung... Wo die Stimme herkam, erhoben sich ebenfalls S€ulen, aber sie waren k‚nstlicher Natur, keine Baumst€mme, sondern aus makellosem Marmor gefertigt, zus€tzlich mit kunstvollen Intarsien versehen. Sie strebten aufw€rts, um ein Dach zu st‚tzen. EIN DACH! Auf allen vieren kriechend bewegte ich mich auf die S€ulen zu. DAS DACH! Ich wimmerte leise. Nein, ich konnte es einfach nicht unterdr‚cken, so lange ‚ber mir dieser unertr€glich leere Himmel war. 39
Das Dach erschien mir wie der Hord aller Gl‚ckseligkeit. Es w‚rde mich vor dem gnadenlosen Himmel sch‚tzen, vor dem grellen Glutball der Sonne... Ich, der ich wie eine Ratte in einem Loch mein ganzes bisheriges Leben verbracht hatte, war allem Schutz entbl•ƒt, war ans Tageslicht gezerrt, unbarmherzig, brutal. Ja, begann so meine grausame Strafe f‚r den Mord am Diener des STERNENVOGTS? Ich erreichte das begehrte Ziel nicht, denn als ich meine Nase ‚ber den Grat der Bodenplatte hob, traf mich ein Fuƒtritt mitten ins Gesicht. Ich landete auf dem R‚cken, hilflos zappelnd wie ein K€fer unter dem schrecklichen Himmel ohne Dach, ohne Befestigung, ohne St‚tze, und ich glaubte, der Himmel m‚ƒte genau in diesem Augenblick einst‚rzen und mich unter sich begraben. Ich schrie wie am Spieƒ, und vor meinen Augen flimmerte es. Ein Schatten traf mich. Ich riƒ die Augen weit auf, aber ich war geblendet. Jemand schien sich ‚ber mich zu beugen. Ich machte eine hilflose Abwehrbewegung. †Narr, der er ist! T•tet meinen Diener und benimmt sich wie ein Tier!‡ Ich w€lzte mich am ganzen Leib vibrierend auf den Bauch. Daf‚r ben•tigte ich ungeheuer viel Kraft. Und ich dr‚ckte mein Gesicht in das widerliche Gras. †Weil ich eben ein Tier bin, Erhabener!‡ kr€chzte ich m‚hsam. †Ein Tier - im Vergleich zu Euch, Erhabener, Erlauchter! Da bin ich viel weniger noch als ein Diener. Seht mich bereit. Zertretet mich, zermalmt mich f‚r meinen Frevel. 40
Nur laƒt mich nicht hier liegen, in dieser unertr€glichen Weite!‡ Er trat mir in die Seite. †So ein Dummkopf ist mir mein Lebtag nicht begegnet. Was redest du f‚r ein ungereimtes Zeug? Richte dich endlich auf wie ein Mann, und dann ab mit dir in den Pavillon, denn dort habe ich ein ernstes W•rtchen mit dir zu reden!‡ Ich lebte, und ich atmete. Und ich wuƒte, in welcher Richtung der Pavillon war. Wieso wollte er, daƒ ich hinging, wenn er mich vorher weggetreten hatte? Meine H€nde krallten sich um den Rand der Bodenplatte. Ich br‚llte auf, ein Gebr‚ll wie nach einem gewaltigen Sieg. Mit einem einzigen Ruck bef•rderte ich mich unter das sch‚tzende Dach. Zwar waren die Seiten frei, aber wenigstens oben war etwas. Der ungeheure Druck, der auf mir lastete, verringerte sich schlagartig. Keuchend schnappte ich nach Luft. Ich griff mir in das schmerzende Gesicht. Es war blutverschmiert. Eine b•se Verletzung durch den Tritt! Neben mir waren Schritte. Der Boden war glatt und k‚hl. Ich erwartete den n€chsten Tritt und krampfte mich unwillk‚rlich zusammen. Nein, ich w‚rde mich nicht wehren. Dazu fehlte mir einfach die Kraft. †Laƒt ihn!‡ befahl die Stimme des Sternenvogts streng. Eine andere Stimme antwortete: †Erlauchter, er ist unw‚rdig, heiligen Boden zu betreten! Bedenket!‡ †Papperlapapp, was hier heilig ist, das bestimme ja wohl ich! Will er mich nun endlich unterst‚tzen oder nicht? Was soll das Geplapper? 41
Ich habe durch diese Kanaille meinen wertvollen Diener verloren. Was soll ich jetzt tun? Meine gef€hrlichen Missionen erfordern seinen Einsatz. Er war ein groƒartiger K€mpfer und hat niemals versagt. Er hat mir sogar oft das Leben gerettet. Ja, gewiƒ, ich erinnere mich daran. Ein paarmal war das... Na, auf jeden Fall ein oder zweimal oder so...‡ †Aber, Erlauchter, wenn Ihr erlaubt: Er war ein schlechterer K€mpfer als dieser hier, denn sonst w€re er noch am Leben!‡ †Verdammt! Muƒ er mich denn schon wieder daran erinnern? Als h€tte ich nicht schon Probleme genug! Auƒerdem war es ja nicht allein seine Kampfkraft, sondern vor allem seine strategische Intelligenz...‡ †Aber er war nicht intelligent genug, dem Untergrund fern zu bleiben und den Eklat zu vermeiden! Auƒerdem, er lieƒ sich ganz sch•n ‚berlisten, schaltete sogar sein Schutzfeld aus...‡ Triumph war in der anderen Stimme. Ich preƒte die heiƒe Stirn gegen den k‚hlenden Boden und hielt die Augen geschlossen. Ich lauschte diesen Stimmen, denn so lange sich die beiden unterhielten, hatte ich meine Ruhe. Wer wuƒte denn, was danach auf mich wartete?
8. Kapitel Ich war kaum in der Lage, den Inhalt dessen zu verstehen, was die beiden M€nner miteinander besprachen: †Nicht intelligent genug?‡ fragte der Sternen42
vogt gedehnt. †Er war halt eben im Rausch der Sinne. Er hat sich vergn‚gt und war dabei nicht so ganz zurechnungsf€hig. Das war auch schon alles.‡ †Er hat zu seinem Vergn‚gen Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Es sind unn•tig viele Todesopfer zu beklagen. Ganz zu schweigen von den zahllosen grausamen Verst‚mmelungen.‡ Der Sternenvogt lachte hart: †Na und? Hat er denn nicht gen‚gend von diesem Gesindel? F‚nfunddreiƒig Milliarden, falls ich nicht irre. Und da beklagt er sich ‚ber h•chstens hundert Verluste?‡ †Ich beklage mich keineswegs, mit Verlaub, aber man sollte bedenken, Erlauchter, es sind viele Genies darunter, und Genies k•nnen wir nicht genug gebrauchen. All diese Kreaturen sind einzeln unwichtig, aber in der Masse von unsch€tzbarem Wert - als wesentliches Potential. Zumindest als lebendiges Genmaterial unersetzlich, um es genauer zu sagen. Man weiƒ doch, daƒ es wesentlich billiger ist, sie auf diese Weise in Massen zu z‚chten und dabei die besten herauszufiltern, als die Gene zu manipulieren. Seit Jahrtausenden wissen wir das, und es hat immer wieder ungeahnte Mutationen hervorgebracht, die man bewuƒt eigentlich gar nicht so h€tte erzeugen k•nnen...‡ †Will er damit sagen, daƒ mein Diener ausgerechnet die wertvollsten Gentr€ger umgebracht hat und nicht eher wertloses Material, das keine gr•ƒere Bedeutung hat als die von Evolutionskulisse? Fordere er bloƒ nicht meinen Zorn heraus!‡ †Wesentliche Mutationen entstehen dort zu unseren F‚ƒen!‡ betonte die andere Stimme un43
ersch‚tterlich. †Man sehe sich nur diesen Willard an - hier! Hat er es nicht selber bewiesen?‡ Eine schallende Ohrfeige. Ich h•rte es deutlich. Verdammt, wer war eigentlich der Gespr€chspartner des Sternenvogts? Die Neugierde siegte ‚ber die Furcht. Ich drehte vorsichtig den Kopf, aber bevor ich etwas sehen konnte, traf mich der n€chste Tritt ins Gesicht. Ich schmeckte wieder Blut und unterdr‚ckte ein St•hnen. †Ein Befleckter!‡ schrie der Gespr€chspartner des Sternenvogts. †Soll er es denn wagen, mein heiliges Antlitz zu schauen?‡ Eine weitere schallende Ohrfeige. †Na, gef€llt ihm denn das besser? Soeben hat er noch seine Befleckten in h•chsten T•nen gelobt. Mit welchem unversch€mtem Hintergedanken denn? Und jetzt ger€t er in Panik, nur weil diese besondere Mutation, wie er ihn nennt, ihn beinahe gesehen h€tte? Was ist denn der Grund?‡ Man packte mich brutal im Genick - wie einen jungen Hund. †Noch ein paar solcher Tritte, und er ist wirklich zu nichts mehr n‚tze. Er hat ihn schon ganz erheblich verletzt. - Das war vielleicht ein Kampf...‡ Er schnalzte mit der Zunge. †Mann, ich habe ihn in jeder Phase verfolgt. Eigentlich hatte dieser Depp von einem Diener nicht die geringste Chance. - Echt gute Anlagen, muƒ ich schon zugeben.‡ Er riƒ mich mit ungeahnter Kraft vom Boden hoch und drehte mich. †Schau dir den Heiligen an, Bursche Willard! Schau, wie er zur‚ckschreckt, wie er abwehrend 44
die Arme hebt, wie sein Fuƒ zum n€chsten Tritt zuckt... Wage er es ja nicht!‡ Das war an die Adresse des Gespr€chspartners gerichtet. Der Sternenvogt hielt mich mit einer Leichtigkeit in seinen Armen, als h€tte ich kein Gewicht. Und doch wagte ich nicht, die geschlossenen Augen zu •ffnen. Ja, warum durfte ich als †Befleckter‡ seine †Heiligkeit‡ nicht schauen? Was erf‚llte diesen mit solcher Furcht? †Mir ist klar, was in ihm vorgeht: Er hat nur Bange, ein Befleckter sieht, was f‚r ein Wrack sein oberster Meister ist!‡ Ein brutales, ver€chtliches Lachen. †Also gut!‡ schrie der andere. †Laƒt ihn schauen, Erlauchter. Was €ndert es denn? Der Diener ist tot, und keine Macht erweckt ihn zu neuem Leben. Und ich weiƒ, wie dringend ihr ihn braucht, daƒ ihr hier seid, um Vorbereitungen f‚r einen unerh•rten Einsatz zu treffen. Dann nehmt doch den Burschen hier. Er gilt als unbesiegbar! Ich lieƒ mir berichten, daƒ die MAFIA Groƒes mit ihm vorhatte. Inzwischen wissen wir auch, daƒ die Begegnung mit Eurem Diener auf Betreiben seines Vaters zustande kam. Es war f‚r ihn eine willkommene Gelegenheit, seinen €rgsten Konkurrenten loszuwerden. Obwohl es der eigene Sohn war...‡ †Ich weiƒ‡, sagte der Sternenvogt gelassen. †Dieser Vater stand sogar schon auf der Liste, Erlauchter. Das heiƒt, er konnte aufgrund fehlender Eignung nicht mehr bef•rdert werden. Also w‚rde ihn sein Nachfolger umbringen m‚ssen. John Willard w€re der Nachfolger gewesen. Die Umst€nde h€tten ihn zum Vaterm•rder werden lassen...‡ 45
†Das Schicksal hat eigene Wege beschritten.‡ Der Sternenvogt lieƒ mich zu Boden fallen. Ich blieb auf dem Gesicht liegen. Jetzt war ich v•llig ruhig, denn das ganze Gespr€ch gipfelte in einem: In einer klaren Chance f‚r mich! Ich muƒte nur geduldig sein, und auƒerdem durfte ich das Gespr€ch in keiner Weise mehr st•ren!
9. Kapitel †Er meint also, John Willard w‚rde sich tats€chlich als Diener eignen? Ohne Ausbildung? Will er mir das vielleicht garantieren?‡ erkundigte sich der Sternenvogt lauernd. †Denkt... denkt an die gefahrvolle Aufgabe, die vor euch liegt, Erhabener. Was w‚rde Euch ein gut ausgebildeter Diener n‚tzen, w€re er nur halb so kampfstark wie dieser hier?‡ Der Sternenvogt packte mich wieder derb im Genick und zog mich hoch. †Los, aufstehen, Bl•dmann! Was habe ich deinetwegen nur f‚r Scherereien... Herrjeh, zum Auswachsen ist das!‡ Ich wagte es: Ich •ffnete die Augen. Diesmal bekam ich keinen Tritt. Mein Gegen‚ber wagte es einfach nicht. Der Sternenvogt knuffte mich so lange, bis ich ohne seine Hilfe aufrecht dastand. Mein Gesicht war verschwollen. Blut sickerte. Ich blinzelte ein paarmal, um meinen Blick klarer zu bekommen. †Warum hat er ihn bloƒ so getreten?‡ machte 46
der Sternenvogt weinerlich anklagend. †Bis ich den jetzt wieder zusammengeflickt habe...‡ Ich schaute seinen Gespr€chspartner an. Meine Knie wurden dabei unwillk‚rlich wieder weicher: Ich sah den m€chtigsten Mann dieses Planeten, sah den Mann, der als Einzelner ‚ber eine Schar von rund vierzig Milliarden Menschen herrschte. Als unumschr€nkter Ursupator. Der Mann, der t€glich ‚ber Leben und Tod entschied - milliardenfach, wenn es sein muƒte. Ein einziger Fingerzeig konnte Heerscharen ausl•schen. Und gegen‚ber dem Sternenvogt? Da war er ein unterw‚rfiges Nichts! Ein buckelnder Lakai, denn jeder Planetenvogt muƒte sich dem Sternenvogt unterordnen - kompromiƒlos. Sonst war er des Todes, und einen Sternenvogt zog niemand zur Rechenschaft. NIEMAND! Und jetzt war der Planetenvogt nat‚rlich entsetzt dar‚ber, daƒ ich ihm so offen ins Gesicht schaute. Klar, wenn man bedachte, auf welcher Stufe des irdischen Daseins ich mich mein Lebtag lang befunden hatte... Nicht nur ich, sondern meine gesamten Vorfahren... Aber ich hatte die Lobby des Sternenvogts. Und der Planetenvogt hatte es ihm sogar auch noch m•glichst schmackhaft gemacht. Wohl, weil er um sein zitterndes, wimmerndes Dasein bangte. Denn der Sternenvogt hatte hier auf der Erde seinen anscheinend sehr wertvollen Diener verloren, und der Planetenvogt war schlieƒlich f‚r die Sicherheit jedes seiner G€ste verantwortlich. Obwohl ich den Kerl eigenh€ndig umgebracht hatte, war ich aufgrund meiner niedrigen Stellung letztlich viel zu gering, um zur Rechenschaft gezogen werden zu k•nnen. Ich war f‚r diese da 47
weniger als ein Tier. Ich war h•chstens ein l€stiges Miƒgeschick. Und um seine Haut zu retten, pries mich der Planetenvogt an - ertrug es jetzt sogar, von mir ungeniert gemustert zu werden. Diese wabbelige Visage! Angewidert knurrte ich. Der Planetenvogt zuckte unwillk‚rlich zur‚ck. Erwartete er, daƒ ich seine Tritte erwiderte? Sie h€tten ihn auf der Stelle get•tet, diesen verweichlichten, aufgedunsenen, total degenerierten †Softi‡. Warum sollte ich vor so einem minderwertigen Wesen Respekt haben? Nur aufgrund seiner Macht? Ich war HERR DER STRAƒE, und mir d€mmerte, daƒ das eigentlich mehr war als so ein Planetenvogt jemals erreichen konnte. Man hatte vor mir Respekt, und der war ehrlich. Und dieser da? Er hatte seine Vollstrecker. Ohne die war er ‚berhaupt nicht ‚berlebensf€hig. In der Straƒe, da h€tte er keine Stunde ‚berlebt. Was war er also in Wahrheit wert? Ich spuckte aus vor ihm: Ein Brocken Blut und Schleim. Ja, jetzt h€tte ich wirklich gern zugetreten. Ich tat es nicht. Weil ich mich ekelte. Freiwillig wandte ich mich ab, um diesen Anblick nicht l€nger ertragen zu m‚ssen. †Ein wildes Tier! Ein Tier!‡ keifte der Planetenvogt auƒer sich. †Weg mit der Bestie! Hinweg damit!‡ Der Sternenvogt lachte schallend. Er wollte sich gar nicht mehr beruhigen. †Aha, deshalb will er ihn so schnell loswerden?‡ Er hieb mir auf die Schulter, daƒ ich in meiner gegenw€rtigen Schw€che fast in die Knie ging. †Das hat die Welt noch nicht erlebt. Ein echter Grund zum Feiern. Dieser Bursche aber 48
auch... Sticht meinen besten Diener ab wie zum Zeitvertreib und lehrt den Planetenvogt anschlieƒend das F‚rchten - einfach indem er ihn mustert! Das nenne ich einen Gl‚cksgriff, wahrlich!‡ Der Sternenvogt h‚pfte vergn‚gt umher und hieb sich zwischendurch immer wieder quietschend auf die Schenkel. Der Planetenvogt sank auf seine wannenartige Sitzgelegenheit nieder, die spielend mit seiner K•rperf‚lle fertig wurde. Sein Kinn zitterte. Er war gelblich-bleich, mit einem leichten Gr‚nstich um die Nase. Einmal verdrehte er die Augen, daƒ nur noch das Weiƒe zu sehen war. Dabei hoffte ich, er w‚rde sein unn‚tzes Leben endlich aushauchen und einem Mann Platz machen f‚r dieses Amt - einem richtigen Mann. Aber dann zweifelte ich, daƒ es ihn in dieser Gesellschaftsschicht ‚berhaupt noch geben konnte. Und ein HERR DER STRAƒE als Aufsteiger zum Planetenvogt? Das war so unm•glich wie der Sieg des John Willard aus der Geschichte... Der Sternenvogt. Eine insgeheime Scheu hatte mich so behindert, daƒ ich es bis jetzt nicht wagte, ihn genauer zu betrachten. Jetzt ‚berwand ich diese Scheu endlich. Meiner Meinung nach war sein Benehmen v•llig unm•glich, wie das eines alternden Weibes und nicht wie das eines echten Sternenvogts, eines richtigen Gottes also... Ich hatte ihn direkt vor mir. Vielleicht hatte ich so etwas €hnliches wie beim Planetenvogt erwartet. Aber er war anders, v•llig anders... Er war so, wie ich es niemals vermutet h€tte... 49
10. Kapitel Der Sternenvogt war ein schlanker J‚ngling, irgendwie zartgliedrig. Man h€tte ihn f‚r eine gut durchtrainierte junge Frau halten k•nnen, aber er hatte keine Br‚ste und auƒerdem eine tiefe, m€nnliche Stimme, die ‚berhaupt nicht zu seiner langhaarigen Erscheinung passen wollte. Eine Erscheinung etwa wie ein virtuoser Ballett€nzer aus einem der Unterhaltungsfilme. Aber er hatte Kraft, wie er mir bereits bewiesen hatte. Und doch erschien der Sternenvogt irgendwie unwirklich, gar nicht so recht wie - ein lebendiger Mensch; als w€re er keine Person, sondern nur ein Trugbild, obwohl er doch andererseits recht real erschien - wenn er einem beispielsweise auf die Schulter hieb, daƒ es klatschte. War er wirklich unsterblich? Ein - GOTT? Falls nicht - was dann? EIN GOTT! dachte ich best‚rzt. Ich wandte mich wieder dem Planetenvogt zu und deutete eine knappe Verbeugung an, wie ich es in Filmen gesehen hatte. †Ich bitte aufrichtig um Vergebung, Mylord, falls ich Euch erschreckt haben sollte!‡ Scheinbar betroffen senkte ich den Blick. Der Planetenvogt schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen: Das h€tte er anscheinend nicht erwartet von mir. Der Sternenvogt vergaƒ seine Heiterkeit, hielt inne und trat neben mich. Er z•gerte einen Augenblick, dann lachte er bitter: †Den nehme ich, 50
wahrlich! Nicht nur ein K€mpfer, wie er im Buche steht, sondern von wacher Intelligenz und so anpassungsf€hig, daƒ es einem schon wieder fast graust. Aber das muƒ ein guter Diener wohl sein.‡ Ich verbeugte mich auch in seiner Richtung, allerdings tiefer und sehr viel ehrerbietiger. †Ich bitte untert€nigst um Vergebung, aber ein besserer Diener auf alle F€lle als Sie vorher hatten. In aller Bescheidenheit nat‚rlich!‡ †Hach!‡ rief der Sternenvogt aus, †jetzt ist aber wirklich genug, Bursche! Ich nehme dich ja schon, aber bilde dir nur ja nicht zuviel darauf ein. Im Moment hast du mich ‚berzeugt, aber treibe es nicht auf die Spitze! Und es wartet die reine H•lle auf dich, glaube mir. Du wirst dir noch •fter w‚nschen, lieber durch den Befehl des Planetenvogts ein grausames Ende genommen zu haben - zur Strafe. Und ich nehme dich nicht deshalb, weil du mir besonders f€hig erscheinst, sondern eigentlich nur, weil mir im Moment nichts anderes ‚brigbleibt. Kapierst du? Ich habe halt keine Alternative. Und da nehme ich lieber an, du seist in der Tat so f€hig, wie man mir vorgaukelt...‡ Von diesem Zeitpunkt an wuƒte ich, daƒ ich jeden Menschen dieses Universums untersch€tzen durfte, aber niemals den Sternenvogt - egal auch, wie er sich benahm. Er war vielleicht kein echter Gott, aber vom Anspruch her sicherlich GOTTGLEICH! Das muƒte ich mir einpr€gen jetzt und f‚r immer. Und dann kam es mir siedendheiƒ: Konnte der Sternenvogt nicht - Gedanken lesen? Das war's! Ich richtete mich auf und sah ihn erschrocken 51
an. Er l€chelte unergr‚ndlich. Dann nahm er die Rechte des Planetenvogts zum Abschied. Es sah aus, als wollte er sie unbedingt zerquetschen. Der Planetenvogt stieƒ spitze Schreie aus. †Na, doch nicht so ‚berschwenglich!‡ tadelte ihn der Sternenvogt sp•ttisch. †Oder h•re ich Trauer heraus? Nur Mut, ich werde wiederkommen. Und falls sich Willard bew€hrt, bringe ich Rosen. Falls nicht allerdings - bringe ich Blut!‡ Er lieƒ die Hand los. Der Planetenvogt machte mal wieder Anstalten, das Bewuƒtsein zu verlieren, w€hrend der Sternenvogt mir ein Augenzwinkern schenkte. Wahrlich: untersch€tzen durfte ich ihn niemals! Er tippte mich mit dem Zeigefinger an und kam ganz nahe. †H•r zu, Bursche Willard: Ab sofort bin ich dein Erhabener, kapiert? Eine andere Anrede existiert f‚r dich nicht. Und noch etwas zur Einf‚hrung in dein Amt: Ich pflege unwichtiges Geschmeis wie diesen da in dritter Person anzureden. Wenn ich jemanden duze, ist das schon eine ganz besondere Ehre, die du dir eigentlich noch verdienen m‚ƒtest. Ich tu's trotzdem - sozusagen als Vorschuƒ. Denn wir werden m•glicherweise lange zusammen sein m‚ssen - so lange du deine Aufgaben ‚berlebst. Da ist das Vertrauliche schon besser.‡ Es klang nicht so gut f‚r mich, aber ich war schon zufrieden damit, dem Leben in der Straƒe entronnen zu sein. Alles andere w‚rde sich finden. Dachte ich jedenfalls...
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11. Kapitel Der Sternenvogt packte mich am Arm und f‚hrte mich zum Rand des Pavillons. †Paƒ auf, Bursche Willard: Wir werden zuk‚nftig nicht nur auf der Oberfl€che von Planeten herumlaufen, sondern wir werden sogar das All durchkreuzen. Hast du auch nur die entfernteste Vorstellung davon?‡ Mir schwindelte. Ich blieb die Antwort schuldig. †Wir werden im absoluten Nichts zwischen den Sternen sein, f‚r unbestimmte Zeit. Wir werden schreckliche Weiten erleben, Dinge sehen, die das Blut in den Adern gefrieren lassen. Dies ist mehr als nur ein Abenteuer, in das du dich wagst. Es ist die reine H•lle. Hiermit versprochen. Und es ist deine Zukunft - unwiderruflich, falls du den n€chsten Schritt tust - gemeinsam mit mir. Andernfalls... Du kannst auch hierbleiben, dich in die Allmacht dieses Fettkloƒes von Planetenvogt begeben, ihm die Chance lassen, sich an dir zu r€chen, f‚r die vermeintliche Schmach, die er durch dich erlitt...‡ Er l€chelte wie ein Raubtier mit seinem Opfer. †Nicht nur die H•lle, Bursche Willard, sondern das gesamte Universum wartet auf dich. Bursche Willard! Das All - im wahrsten Sinne des Wortes. Denn ich bin der Sternenvogt und kenne keine Beschr€nkungen. Es gibt nichts auƒer mir - und meiner ewigen Aufgabe, an der du als Hauptperson teilhaben wirst.‡ †Absolut?‡ fragte ich w‚rgend. †Absolut!‡ Und sein b•ses L€cheln gefror zur 53
Maske. Er gab mir einen Stoƒ, der mich nach drauƒen trieb. Von wegen ein freiwilliger Schritt ins Freie... Ich taumelte und schlug die H€nde vor das Gesicht. Es schmerzte h•llisch. Ich verfluchte in Gedanken den Planetenvogt, dem ich das verdankte. Unter dem freien Himmel. FREIER HIMMEL! Ich japste und lieƒ die blutverschmierten H€nde sinken. Wankend wie ein Schilfhalm im Wind stand ich da. Die Arme hingen kraftlos herab. Ich legte mit zun€chst geschlossenen Augen den Kopf in den Nacken. DER FREIE HIMMEL! Ich trank sein Blau. Ich sp‚rte den Wind - ein unbekanntes Erleben. Ich roch die D‚fte, so fremdartig, als w€re ich auf einem anderen Planeten. So etwas €hnliches war mir auch widerfahren: Nicht wirklich ein anderer Planet zwar, aber eine v•llig andere Welt. Zu meinen F‚ƒen lag meine pers•nliche Vergangenheit, dort unten, wo menschliche Ratten ein unw‚rdiges Dasein fristeten. Dort oben aber wartete die Zukunft. Egal, wie sie sein w‚rde. Ob die H•lle oder nicht... Ich •ffnete die Augen und starrte hinauf. Die Zukunft! 54
Und was gab es ˆberzeugenderes, um dem Leben einen Sinn zu geben, als die Hoffnung, die uns weismachen will, es k•nnte nur noch besser werden? Ich glaubte es in diesen Augenblicken tats€chlich, und deshalb ertrug ich den Anblick. Den Anblick meiner Zukunft! In der Weite, entflohen der Enge. Immer noch ein Untertan, aber nur noch mit einem einzigen Herrn ‚ber mir... War ich es k‚nftig nicht: der ZWEITM„CHTIGSTE im All? DER ZWEITM„CHTIGSTE! WAHRLICH! Ich ignorierte das schadenfrohe Lachen des Sternenvogts, der meine Gedanken lesen konnte wie in einem offenen Buch. Ich ignorierte sogar seine Worte: †Ja, gewiƒ, Bursche Willard, aber der Preis, den du daf‚r zahlen wirst - der wird dir wenig schmecken...‡
12. Kapitel Das Ding, das auf der Wiese landete, sah aus, wie ein zu groƒ geratener Tropfen, und hatte gen‚gend Platz f‚r ein halbes Dutzend Menschen ohne daƒ diese sich h€tten einschr€nken m‚ssen. Nun, ich maƒ es nat‚rlich an dem, was ich aus meiner Welt gew•hnt war, und bekanntlich sind unsere Wohneinheiten recht knapp bemessen, weil hoffnungslos ‚berbelegt. Der Sternenvogt beispielsweise sah es anders: 55
†Ist zwar ein wenig zu eng f‚r uns beide, aber wir werden uns zurechtfinden. Ist ja nicht f‚r lange.‡ Er winkte ‚ber die Schulter zur‚ck, ungef€hr in die Richtung, wo er den Planetenvogt wuƒte: †Er lebe wohl und hoffe inbr‚nstig, daƒ er eine gute Wahl getroffen hat - mit John Willard. Wenn ja, wird es ihm auch nach meiner R‚ckkehr gutgehen k•nnen...‡ Mir gab er einen scheinbar kameradschaftlichen Klaps: †Nat‚rlich, wir beide hoffen auch f‚r dich, daƒ es eine R‚ckkehr geben wird - nicht nur f‚r ihn allein.‡ Ich h€tte ihn daf‚r am liebsten geschlagen, aber ich hatte mich gut im Griff und lenkte mich anderweitig ab: Ich deutete in Richtung Planetenvogt eine Verbeugung an und versprach ihm ewige Treue und daƒ ich alles tun w‚rde, um ihn niemals zu entt€uschen, unter vollkommenem Einsatz meines Lebens und so... Der Sternenvogt lachte daraufhin humorlos und riƒ mich am Arm einfach mit sich. †Komm, Bursche Willard, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Und das Getue gew•hne dir besser gleich wieder ab. Das vertrage ich n€mlich nicht. Es sei denn, ich wende es selber an. Auƒerdem...‡, das mit einem Augenzwinkern, †...auƒerdem kann ich nicht zulassen, daƒ jemand einen ehrw‚rdigen Planetenvogt auf den Arm nimmt, klar? Das steht dir nicht zu!‡ Wir betraten den †Tropfen‡ und setzten uns in die beiden Schalensitze vor dem breiten Bedienungspaneel. †Zur‚ck!‡ sagte der Sternenvogt gelangweilt. Ich wollte schon wieder aufstehen, weil ich es miƒverstand und auf meine Person bezog, aber da antwortete eine Stimme scheinbar aus dem 56
Nichts: †Jawohl, Sir!‡ Ich zuckte erschrocken zusammen. Nicht, weil es eine Automatenstimme war, denn daran war ich schlieƒlich gew•hnt, sondern weil diese offensichtliche Automatenstimme so t€uschend menschlich klang. Genauer: Sie klang aufregend weiblich! Und da erst wurde mir bewuƒt, was mich in Zukunft alles erwartete: Vor allem totale Abstinenz! Gerade davon war ich nun wahrhaftig kein Freund. Aber, was sollte ich tun? Vom HERRN DER STRAƒE zum Diener des Sternenvogts wahrlich eine unvorstellbar steile Karriere - obwohl ich nichtsdestotrotz vom Herrn zum Diener avanciert war! Auch daran muƒte man sich erst einmal gew•hnen. Selbst wenn das Fehlen von Frauen die Sache zus€tzlich versch€rfte. Ich schloƒ die Augen und versuchte vergeblich, an etwas anderes zu denken. Prompt sah ich die Sch•nste aller Sch•nen vor mir: t€uschend €hnlich einer Darstellerin in einem der Unterhaltungsfilme. Es erinnerte mich an den Verdurstenden in der W‚ste: Wo immer er seinen Blick auch hinwandte, sah er Trinkbares! Selbst wenn er verzweifelt die Augen zukniff. Auƒerdem kam mir ein passendes Philosophenwort in den Sinn: †Dies empfindest du als den gr•ƒten Mangel, das du vergeblich begehrst!‡ Wie wahr, wie wahr...
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13. Kapitel Nachdem die n•tig gewordene medizinische Aktion nach kurzer Bet€ubung abgeschlossen war, hatte ich Gelegenheit, mein †neues‡ Gesicht zu bewundern. Ja, es erschien wie †nagelneu‡: Die medizinische Einheit war um Welten allem ‚berlegen, was ich in dieser Hinsicht bereits kannte. Nun, schlieƒlich ging es hier um nichts Geringeres, als um das Wohlergehen des Sternenvogts (wovon dessen Diener sozusagen zwangsl€ufig mit profitierte), w€hrend es †dort unten‡, wo ich herkam, lediglich †um die Pflege von aktivem Genmaterial‡ ging... Allm€hlich begann ich zu begreifen, welchen Stellenwert ich selbst innegehabt hatte, selbst als HERR DER STRAƒE: Genmaterial! Mir schauderte: Die besten wurden ausgesondert, und wenn jemand zu ehrgeizig war und F‚hrungseigenschaften bewies, war er nicht zum Privilegierten geeignet, sondern †durfte‡ als Mafioso Karriere machen... Es sei denn, er war ein †gewaltloser Streber‡. Dann kam er m•glicherweise f‚r eine politische Karriere auf der obersten Ebene infrage. Das waren dann die F‚hrer dort oben. †Warum bist du so blaƒ?‡ erkundigte sich der Sternenvogt sp•ttisch. †Bekommt dir der Weltraum nicht?‡ Wie h€tte das sein k•nnen? Ich sah ihn nicht und sp‚rte ihn nicht, denn das einzige, was ich davon mitbekam, das waren Anzeigen auf Schirmen, und mit denen konnte ich sowieso nichts anfangen. Auf mich wirkte das so verwirrend, als w‚rden tausend Unterhaltungsprogramme 58
gleichzeitig ablaufen. Im ‚brigen f‚hlte ich mich zur Zeit immer noch wesentlich wohler als beispielsweise auf so einer widerlichen gr‚nen Wiese mit allerlei Krabbelgetier: Allein schon in Erinnerung daran, begann es mich ‚berall zu jucken. Dann sogar noch lieber der Schmutz der Subetagen mit dem ewigen k‚nstlichen Licht. Ein jeder halt eben, wie er es gew•hnt war... Doch wenn ich an die Bemerkungen des Vogts dachte, meine k‚nftigen Aufgaben betreffend: Vielleicht w€re das kleine Krabbelgetier doch kein so schlechter Tausch gewesen? Ich sp‚rte die G€nsehaut auf dem R‚cken und beeilte mich zu versichern: †„h, doch, doch, Erhabener!‡ Wenn er wirklich Gedanken lesen konnte - und daran zweifelte ich sowieso nicht mehr - wuƒte er l€ngst, was mich so tief bewegte: Die Unmenschlichkeit der irdischen Ordnung. Was sich so Ordnung schimpfte... Unmenschlich, ja im h•chsten Maƒe pervers! Das war mein Urteil. Diese verfluchten Schweine von V•gten! Was gibt ihnen ‚berhaupt das Recht, mit anderen Menschen...? Erschrocken hielt ich inne und schaute zum Sternenvogt hin‚ber. Verzichtete er zur Zeit auf seine F€higkeiten, meine Gedanken zu lesen? Ganz offensichtlich, sonst h€tte er nicht fr•hlich vor sich hin pfeifend mit den Kontrollen gespielt. Was er damit bewirkte, war mir genauso schleierhaft wie die ganzen Anzeigen, die dabei in wilde Bewegung kamen. Er wirkte auf mich wie ein verw•hntes Kind, das mit besonderer Vorliebe s‚ndhaft teures, hochelektronisches Spielzeug benutzte... †Mit Verlaub, Erhabener!‡ hub ich zu einer St•rung seines undurchsichtigen Spiels an: †darf 59
Euer untert€nigster Diener fragen, wohin die gemeinsame Reise geht?‡ Er stockte in der Bewegung. Irritiert hob er den Kopf. Er legte seine Stirn in Falten, betrachtete mich, als h€tte er mich noch nie zuvor gesehen. †Wie war das?‡ Ich muƒte es wiederholen und war dabei mindestens genauso irritiert wie er. Seine Reaktion erschreckte mich: Schallendes Gel€chter! Als er sich endlich wieder beruhigte: †K•stlich, Bursche Willard! Wirklich k•stlich! Mit dir habe ich vielleicht einen Fang gemacht... Bist du immer so? Murkst meinen besten Diener ab und redet anschlieƒend so geschwollen daher, wie ich es mein Lebtag noch nicht geh•rt habe. Findest du wohl besonders originell, wie?‡ Das war ganz offensichtlich eine R‚ge! Ich zuckte zusammen, hatte ich doch leider den falschen Ton erwischt. Aber wie, um alles in der Welt, sollte ich ihn denn sonst ansprechen? †Am besten erst mal gar nicht!‡ sagte er schneidend, denn er hatte wieder meine Gedanken aufgeschnappt. †Und wenn, muƒt du erst einmal gelernt haben, meine Launen richtig einzusch€tzen, und die Palette dieser Launen ist reichlich bunt! Also streng dich an. Wenn du das nicht schaffst, bist du nichts wert und taugst nicht einmal f‚r den einfachsten Einsatz. Das heiƒt, ich schmeiƒe dich kurzerhand aus dem Schiff!‡ Das war ‚berdeutlich. Die G€nsehaut war wieder da, wenn auch diesmal aus anderem Grund. Der Sternenvogt wandte sich wieder seinen 60
Kontrollen zu. ˆber die Schulter sagte er, wobei seine Stimme wieder ein wenig vers•hnlicher klang: †Nachdem du mich schon damit bel€stigt hast, werde ich dich nicht ganz im Dunkeln tappen lassen, Bursche Willard. H•re und staune: Es gibt Menschen, die m•gen deinen Erhabenen nicht sonderlich. Es sind zwar V•gte wie er, aber an Planeten gebunden, und das schmeckt ihnen anscheinend nicht.‡ †Feindliche Planetenv•gte?‡ entfuhr es mir, und ich biƒ mir sogleich auf die Zunge: Verdammt, wieso hatte ich nicht den vorlauten Mund halten k•nnen? Er reagierte gar nicht so schlimm wie ich bef‚rchtet hatte. Wahrscheinlich lag es daran, daƒ er sich rechtzeitig erinnerte, keinen anderen Diener zur Zeit verf‚gbar zu haben... †Gewiƒ, Willard! Tja, was weiƒt du eigentlich ‚ber uns Sternenv•gte? Hm?‡ Er wandte sich wieder mir zu. Sein Mund wirkte hart, das ganze Gesicht verschlossen, aber um die Augen entstand ein feines L€cheln. Ich deutete es als positives Zeichen und antwortete so, wie ich es gelernt hatte: †Sie sind unsterbliche - G•tter! Auƒerdem...‡, ich erlaubte mir ein schelmisches Grinsen, †...auƒerdem kenne ich einen pers•nlich!‡ Er lachte auf. †Tats€chlich, wenn auch nur vom Anschein her...‡ †Und vom Anh•ren!‡ trumpfte ich auf. Ich hatte richtig gew€hlt, um seinen Humor zu kitzeln, denn er lachte abermals: †Ein kleiner Witzbold, wie? Na, dann wird die Reise wenigstens nicht langweilig.‡ Er sch•pfte tief Atem und wurde wieder ernst und verschlossen: †Die Sternenv•gte sind die 61
Herren des Universums. So wie du der HERR DER STRAƒE warst. Sie begegnen sich nie - falls sie es nicht darauf anlegen. Und doch ist jeder f‚r alles verantwortlich - und alle Sternenv•gte f‚r jeden! Ein ungeschriebenes, niemals gebrochenes Gesetz lautet, daƒ die Sternenv•gte eine vollkommene Einheit bilden, in all ihren Bem‚hungen. Konkurrenz ist v•llig ausgeschlossen, und sie kommt allein schon deswegen nicht auf, weil das beherrschte Universum so groƒ ist - zu groƒ eigentlich f‚r die kleine Schar von Sternenv•gten, denn dadurch ist jeder trotz der gegenseitigen Unterst‚tzung in seinem Bezirk auf sich allein angewiesen...‡ Sein Blick richtete sich scheinbar in weite Ferne. †Weiƒt du, worauf unsere Macht beruht?‡ Eine Antwort wartete er gar nicht erst ab: †Sie wird durch den interplanetarischen Handel gew€hrleistet! Da gibt es immer Dinge, die von einer Welt zur anderen transportiert werden m‚ssen. Sogenannte interplanetarische Handelsg‚ter. Nun, das kennst du nicht, denn in der Stadt, in der du geboren wurdest, funktioniert das unsichtbar per Rohrleitungen. Davon gibt es ein weltweit verzweigtes, dichtes, perfekt funktionierendes, elektronisch ‚berwachtes Netz... Aber stelle dir vor, du machst beispielsweise den Wasserhahn auf und es kommt nichts!‡ †Dann ist die Versorgung gest•rt!‡ Schlieƒlich wollte ich beweisen, daƒ ich aufmerksam zuh•rte. †Und wenn NIEMALS mehr Wasser l€uft?‡ †...bricht die Ordnung zusammen. Chaos macht sich breit. Die Menschen...‡ Er unterbrach mich: †Siehst du, jetzt sind wir 62
auf dem richtigen Weg. Und es gibt eben Dinge, die auf einem Planeten reichlich vorhanden sind und andere, an denen groƒer Mangel herrscht. Der interplanetarische Handel sorgt f‚r den gesunden Ausgleich, f‚r das wertvolle Gleichgewicht. Und jede St•rung kann katastrophale Folgen haben: Wenn jemand irgendwo im wahrsten Sinne des Wortes den Hahn zudreht! Aber nimm ein typisches Beispiel aus der Praxis: die Erde, deine Heimat! Sie ist reich an Menschenmaterial. Beste Ware sogar, wie ich zugeben muƒ, allerbeste!‡ Er schnalzte anerkennend mit der Zunge. †Menschenhandel?‡ entfuhr es mir in meiner Best‚rzung. Er lachte abf€llig. †Klar, Bursche Willard, was hast du denn gedacht? Eine Ware wie jede andere auch - wesentlich f‚r den Ausgleich, f‚r die universale Ordnung... Die Erde ist darauf spezialisiert. Sie hat an der Ware Mensch durch best€ndige Groƒz‚chtung einen ungeheuren ˆberschuƒ. Und diese Spezialisierung hat sich eigentlich sogar ganz von allein ergeben: Alle Menschen stammen urspr‚nglich von der Erde ab. Weil die schon immer aus allen N€hten zu platzen drohte: ˆberbev•lkerung mit all ihren h€ƒlichen Begleiterscheinungen wie Versorgungsengp€sse, ˆberindustrialisierung, r‚cksichtslose Ausbeutung der nat‚rlichen Resourcen und damit st€ndig zunehmende Umweltzerst•rungen... Abhilfe schuf die Auswanderung, nachdem Raumfahrttechnik dies m•glich machte. Damit kam alles in Gang und der Spezialexport funktioniert heute besser denn je! Nachteile hatte es nicht f‚r die Menschheit, sondern f‚r alle anderen Kulturen, die im Laufe all der Jahrtausende menschlichen Expansions63
dranges im Universum ausgel•scht wurden.‡ Anscheinend fand er das gar nicht mal so traurig, sonst h€tte er nicht anz‚glich gegrinst! Ich haƒte ihn in diesem Moment daf‚r. †„h, ja, das Menschenmaterial... Hm, du kennst ja aus eigener Erfahrung die ungez€hlten Tests, nicht wahr? Nun, ich habe mich hobbym€ƒig einmal mit dem Z‚chtungsverfahren auf der Erde befaƒt, deshalb kann ich auch gut dar‚ber Auskunft geben: Die Tests helfen bei der wichtigen Auswahl, denn dabei werden nicht nur sogenannte Privilegierte f‚r die oberen Etagen ausgesondert, sondern auch die Exportware!‡ Ich vergaƒ zu atmen. †Ich sehe schon, Bursche Willard, du bist v•llig unbeleckt, unschuldig wie ein Baby: Sobald so eins das k‚nstliche Licht der Subwelt erblickt, beginnt die Untersuchung, denn jedes minderwertige Leben wird sofort wieder dem Verwertungskreislauf zugef‚hrt. Alles andere w€re Verschwendung. Beispielsweise von Licht, Luft, Raum und Nahrungsmittelkonzentraten, mit denen man die P•belmasse m€stet.‡ Mir war hundeelend. †Das wertige Leben hingegen wird nicht weggeworfen, sondern gegen Krankheitserreger jeglicher Art immunisiert, indem man die k•rpereigenen Abwehrkr€fte enorm aktiviert. Leben, das sich dem nicht gewachsen erweist: ebenfalls fort damit! Es darf schlieƒlich niemals zu Seuchen in den Etagen kommen, denn der Schaden w€re unermeƒlich. Die wertigen Babys sind f‚r jedermann tabu, um die weitere Entwicklung nicht durch zweckfremde St•rungen zu gef€hrden. Der eigentliche ˆberlebenskampf, wobei sich ganz von allein die 64
Spreu vom Weizen trennt, beginnt erst nach dem Krabbelalter, diesmal teilgesteuert von den Kindeseltern, wobei der Vater eine wichtigere Rolle spielt als die Mutter, denn deren Aufgaben sind nach der Geburt insofern abgeschlossen. Sie hat jetzt nur noch eine Ersatzfunktion, als Vertretung des Vaters, und dieser ist gehalten, seinen Nachwuchs zu trimmen - um es einmal salopp auszudr‚cken. Aber das kennst du ja schon. Oder was glaubst du, warum dir dein Vater diesen Namen gegeben hat? Es war nicht wirklich Haƒ, sondern Verantwortungsgef‚hl, und er hat es damit tats€chlich geschafft, einen ganzen Kerl aus dir zu machen!‡ Er sagte es ironisch. Am liebsten h€tte ich daraufhin ausgespuckt, aber ich wuƒte mich gottlob zu beherrschen. †Nur gegen Ende warst du ihm anscheinend doch zu unheimlich geworden, weshalb er dich... Na, Schwamm dr‚ber. Jedenfalls, diese geniale Z‚chtungsmethode sorgt f‚r ein einmaliges Genmaterial, einmalig im gesamten bekannten Universum! Und es ist dar‚ber hinaus nicht einmal so teuer, weil man die Mechanismen der sogenannten Evolution voll greifen l€ƒt und sie nicht durch unn•tige k‚nstliche Eingriffe beeinfluƒt. Du bist doch selber ein gutes Beispiel daf‚r!‡ Mir war jetzt so schlecht, daƒ ich alle M‚he hatte, nicht zusammenzubrechen oder mich zumindest ordentlich zu ‚bergeben - vor lauter Ekel, gepaart mit Scham und Verzweiflung.
14. Kapitel 65
Der Sternenvogt achtete nicht auf meinen Gem‚tszustand. Oder ‚bersah er ihn absichtlich? Er redete sich in Begeisterung: †Denk doch mal nach, John Willard: Man m‚ƒte praktisch das Menschenmaterial der Erde st€ndig trainieren; was das f‚r ein Aufwand w€re. So aber ‚berl€ƒt man sie einfach ihren Instinkten, und schon...‡ Er boxte mit der rechten Faust in die linke hohle Hand, daƒ es nur so krachte, †...und schon reguliert sich das ganz von selbst!‡ †Und - und die Tests?‡ murmelte ich br‚chig. Er runzelte die Stirn. †Die Tests, mein Lieber, die kommen viel sp€ter, wie du weiƒt. Nach den ˆberlebensk€mpfen der fr‚hen Kindheit. Dann, wenn sich die Spreu erst mal vom Weizen getrennt hat, kommt die Phase der Einschulung. Lernf€higkeit ist gefordert. Die Staatssch‚ler, wie man sie nennt, bekommen einen Sonderstatus. Sie d‚rfen nicht mehr bek€mpft werden und d‚rfen auch untereinander nicht mehr k€mpfen. Dazu haben sie schlieƒlich in der Folgezeit auch noch genug Gelegenheit. Es ist die aufwendigste Z‚chtungsphase seit dem Babyalter. Aber auch hier werden die Mechanismen der nat‚rlichen Evolution genutzt, denn die Lernf€higeren setzen sich von den weniger Lernf€higen ab. Abermals trennt sich Spreu vom Weizen, um bei diesem Vergleich zu bleiben.‡ Ich erinnerte mich an meine eigene Zeit: †Ich war keiner der besonders Lernf€higen. Ich war eher ein Lernverweigerer, der knapp im Mittelfeld mitschwamm. Und ich habe festgestellt, daƒ Lernbereitschaft und Intelligenz nicht unbedingt miteinander zu tun haben. Ganz im Gegenteil: Die intelligenteren Sch‚ler neigen eher zur Lern66
verweigerung und sind dessentwegen in ihren schulischen Leistungen schlechter als die anderen...‡ Aber der Sternenvogt hatte sich gut vorbereitet, wie es schien. Er wuƒte bestens Bescheid: †Die weniger Lernf€higen werden zum richtigen Zeitpunkt ausgesondert. Du kannst sie auch 'weniger Lernwillige' nennen, Bursche Willard.‡ Er lachte heiser. †Es macht keinen Unterschied, denn sie werden wieder zu den allgemeinen Behauptungsk€mpfen zugelassen. Die Schonfrist ist vorbei.‡ Er fand es ‚beraus am‚sant. Ich nicht. †Die Lernf€higen und Lernwilligen schreiten weiter, und ihre Spitze wird keinen Tests mehr unterworfen. Es w€re reine Zeit- und Kostenverschwendung. Die Spitze wird bald in die oberste Etage versetzt.‡ Er beugte sich vor. †Und dort f€ngt das eigentliche Studium erst an.‡ Er grinste mich herausfordernd an. †Die Privilegierten, wie du sie nennst, Willard.‡ Er lehnte sich wieder zur‚ck, musterte mich aus schmalen Augen, st‚tzte die Ellenbogen auf die Sessellehnen und legte die Fingerspitzen zu einem gespreizten Dach zusammen. Mir war der kalte Schweiƒ auf der Stirn erschienen. Wie schaffte ich es bloƒ, aufrecht stehenzubleiben und nicht zusammenzubrechen? Ich war in einer Verfassung wie nie zuvor, war der Sternenvogt doch soeben dabei, alles zu zerst•ren, was ich mir an einigermaƒen heilem Weltbild aufgebaut hatte - und durch ein Bild zu ersetzen, wie ich es mir zu diesem Zeitpunkt ‚berhaupt nicht schrecklicher vorstellen konnte... 67
†Ah, da wird im Laufe der Zeit auch noch etwas anderes herausgefiltert, Bursche Willard, n€mlich die Kreativit€t. Beinahe h€tte ich's vergessen: Auch Genies sind meist schlechte Sch‚ler. Umgekehrt: Die besten Sch‚ler sind meistens ungeeignet f‚r leitende Posten, denn ihre allzu herausragenden schulischen Leistungen zeigen fehlende Selbst€ndigkeit im Denken. Sie sind also eher geeignet f‚r die Posten hochqualifizierter Ausf‚hrender. Dort kann ihre mangelnde Flexibilit€t keinen Schaden anrichten, sondern ist sogar €uƒerst n‚tzlich. Tja, Flexibilit€t, die ich in einem Atemzug mit Kreativit€t nennen m•chte: Bei sturem Lernen ist sie ein echtes Hindernis. Sie bremst und blockiert manchmal sogar, wie, John Willard?‡ Ich nickte stumm. †Fahren wir doch fort, Willard: Die Sch‚ler stehen st€ndig unter Beobachtung. Alles wird ausgewertet, jede Kleinigkeit, sogar „uƒerungen. Ansonsten ‚berl€ƒt man sie lieber sich selber. Das ist billiger. Die Kreativen m‚ssen hingegen keine groƒen schulischen Leistungen erbringen, um in den Genuƒ der obersten Etage zu kommen.‡ Ich erinnerte mich: Da waren Sch‚ler, teilweise um einiges schlechter als ich. Sie schafften das Lernpensum nur mit gr•ƒter M‚he, und trotzdem wurden sie bef•rdert. Niemand hatte das verstehen k•nnen. Ich hatte an Protektion gedacht, aber jetzt wuƒte ich den wahren Grund. Nein, Protektion lieƒ dieses System ‚berhaupt nicht zu, denn hier ging es ganz klar um Menschenz‚chtung! Damit die Menschen sich selbst, ihre eigene Produktion, ‚berwachen und organisieren konnten und Ge68
eignete schlieƒlich zum Verkauf freigaben... Und warum erz€hlte mir der Sternenvogt alles? Hatte es denn mit seinem Auftrag zu tun, der uns bevorstand - oder was sonst war der Grund? †Ich habe ‚brigens deine Daten ‚berspielen lassen und mich mit ihnen eingehend besch€ftigt, w€hrend dein Gesicht erneuert wurde.‡ Er nagte an der Unterlippe und wirkte dabei sehr nachdenklich. †Anschlieƒend habe ich die Daten s€mtlich vernichtet, John Willard. Es ist wohl besser, ich vergesse sie. Vor allem ist es besser, du bekommst sie niemals zu sehen. Ich habe auch einen entsprechenden Befehl an den Planetenvogt gegeben, den dieser wohl nur zu gern ausf‚hrt: S€mtliche Daten werden ausgemerzt. Es gibt im gesamten Universum keinen John Willard mehr. Man wird ihn vergessen. Er ist verschwunden, als h€tte es ihn niemals gegeben. Na, wie findest du das?‡ †Aber warum?‡ †Nur ich allein weiƒ es.‡ Ein sanftes L€cheln. †Und bei mir ist das Geheimnis sehr gut aufgehoben, Bursche Willard. Du wirst es erleben.‡ Er blinzelte - scheinbar irritiert, als w‚rde er sich endlich erinnern, daƒ er eigentlich etwas ganz anderes hatte erz€hlen wollen. †Das Gesetz der Auslese, das man in der Natur Evolution nennt. Nirgendwo ist es perfekter in der Konsequenz als auf der Erde. Kein Wunder, daƒ die Erdenware am beliebtesten ist und ‚berall wegen ihrer hervorragenden Qualit€t gesch€tzt wird.‡ Allm€hlich d€mmerte mir sein Motiv... †Es werden daher immer mehrfach so viele Menschen von einer Straƒe abgezogen als es 69
Nachr‚ckende f‚r die oberste Etage gibt‡, sagte der Sternenvogt nachdenklich. Er sch•pfte tief Atem. †Und dann ist da noch etwas: All die Kinder, die in der obersten Etage geboren werden. Sie haben n€mlich keinerlei Privilegien, denn das Privileg haben nur ihre Eltern. Sie werden gegen unwertiges Leben eingetauscht - in den Straƒen. Das heiƒt, rein zahlenm€ƒig f€llt es kaum auf, daƒ ‚berhaupt Neugeborene ausgesondert werden. Dadurch kann man jeder Straƒe einsuggerieren, gerade sie habe besonders guten Nachwuchs, weil die getesteten Babys so pr€chtig und makellos sind. Das heiƒt: In der oberen Etage darf kein Kind groƒ werden, sonst w‚rde das Gesetz der Auslese nicht mehr funktionieren, und in den unteren Etagen merkt sowieso niemand, ob das nun sein leibliches Kind ist oder nicht. Wie denn auch?‡ †Und - und ich? Mein Vater... War er nun mein richtiger Vater oder nicht?‡ Er l€chelte anz‚glich. †Insofern sind die Privilegierten weit weniger privilegiert als du geglaubt hast, stimmt's, John?‡ †Mein Vater!‡ beharrte ich. †Ein armer Tropf, im nachhinein betrachtet.‡ Ich sah ihn noch einmal vor meinem geistigen Auge sterben - f‚r mich, seinen Sohn. Sein Sohn? †War er wirklich mein Vater? Sagen Sie es mir! Niemand auƒer Ihnen weiƒ es!‡ Er lachte mich aus, und da verlor ich die Beherrschung und st‚rzte mich auf ihn. Er sollte b‚ƒen - f‚r alles, was er mir er•ffnet hatte. Aber ich erreichte ihn nie. Sein Gesicht, dieses 70
widerliche Gel€chter - schwammen pl•tzlich von mir weg, w€hrend mich Dunkelheit einh‚llte und mein Arme scheinbar in dicken Brei eintauchten, der jede Bewegung hemmte. Ich verlor das Bewuƒtsein.
15. Kapitel †Armer Tropf!‡ War das wirklich ECHTES Mitleid, das ich heraush•rte? Vom Sternenvogt? Unm•glich! konstatierte ich und schlug die Augen auf. Ich hing in meinem Sessel und hatte M‚he, mich zu erinnern. Und dann kam mir schlagartig die Erinnerung. Ich richtete mich ruckartig auf. †Ein Beruhigungsmittel, mein Lieber. Es muƒte leider sein.‡ Grinsend zuckte er die Achseln. †Ja, leider‡, sagte ich tonlos. Aber ich meinte etwas v•llig anderes als er: 'Leider sind nur die Erdmenschen in dieses System der k‚nstlichen Evolution eingebunden - nicht etwa die V•gte! Man merkt's!' Seine Miene verfinsterte sich. Ich bef‚rchtete seine Rache f‚r diese an sich sehr ungeh•rigen Gedanken, aber er reagierte ungew•hnlich: †Richtig, John Willard, nicht die V•gte! Und deshalb sind das auch so verweichlichte Deppen, wie du einen kennengelernt hast. Was glaubst du eigentlich, warum er sich so sehr davor f‚rchtete, daƒ ihm eine seiner Kreaturen von Angesicht zu Angesicht gegen‚bersteht? Stell dir vor, vierzig Milliarden Menschen, ausgezeichnetes Zuchtmateri71
al, wie du zugeben muƒt... Sie w‚rden eines Tages erfahren, was da wirklich gespielt wird - €hnlich wie du jetzt. Sie w‚rden dann auch noch diesen Idioten sehen, der ihrer Meinung nach f‚r alles verantwortlich zeichnet... Hm, kannst du dir das wirklich - vorstellen?‡ Ich sch‚ttelte den Kopf. †Dabei trifft ihn gar keine Schuld!‡ Diesmal ‚berraschte ich IHN! †Der Planetenvogt... Er ist genauso ein Teil des Systems wie jedes Zuchtexemplar, wie seine Erhabenheit auszudr‚cken belieben. Ein Zuchtexemplar wie - ich eins bin. Der Planetenvogt und das System. Es ist ja nicht auf die Erde beschr€nkt...‡ Er betrachtete mich ausdruckslos. Ich fuhr vorsichtig fort: †Die Erde wiederum ist auch nur ein winziges R€dchen im Getriebe. Und das Getriebe, das nennt man die UNIVERSALE ORDNUNG! Wehe, wenn sie gest•rt wird! Das w€re das Ende des bekannten Universums. Dieses Getriebe, so perfekt es auch abl€uft... Es hat unvorstellbare Ausdehnungen. Was es wirklich bedeutet, die Ordnung zu erhalten... Das wissen nur die Sternenv•gte zu sagen. Vielleicht zu einem geringen Teil auch deren Diener, weil sie ihren Beitrag ganz unmittelbar leisten k•nnen!‡ Ich schaffte das Kunstst‚ck: Mein Gef‚hlsleben €nderte sich radikal von Verzweiflung/Wut/Haƒ/Ohnmacht in Stolz/Euphorie/Ehrfurcht/Enthusiasmus. Stolz, einer von denen zu sein, die ihren Beitrag leisteten. Zur universellen Ordnung. Wie schlimm sie im Detail auch sein mochte: Sie garantierte das ˆberleben auf all diesen so verschiedenen Welten, von Menschen, die sich ihrer Umwelt angepaƒt hatten und oftmals gar 72
nicht mehr aussahen wie Erdst€mmige... Das ˆberleben von allen forderte Opfer im einzelnen. Das war schon immer so gewesen und w‚rde immer so bleiben. Oder das Universum begann zu brennen, von innen heraus, um sich zu zerst•ren, und mit ihm alles, was sich darin befand... War es wirklich meine ureigene Meinung? Das war sehr zu bezweifeln! Andererseits: Ich vermochte es in diesen Augenblicken selbst nicht mehr zu sagen. Ich wuƒte nur eines und das nur ganz †insgeheim‡: Dieser gef‚hlsm€ƒige ˆberschwang w‚rde den Vogt endg‚ltig davon ‚berzeugen, mit mir den richtigen Griff getan zu haben. Denn das war sein Motiv gewesen, mir alles dies zu erz€hlen: Er wollte damit meine Loyalit€t testen, und meine anf€ngliche Reaktion war €uƒerst sch€dlich gewesen zun€chst. Aber nun hatte ich ihm beweisen k•nnen, daƒ dies nichts weiter als ein kleiner †Ausrutscher‡ gewesen war - bevor mir endlich die †wahre Gr•ƒe‡ des Augenblicks bewuƒt geworden war... Er kostete es aus und lieƒ sich dabei Zeit, w€hrend ein feines L€cheln seinen Mund umspielte. Als er glaubte, ich sei reif f‚r die n€chste Er•ffnung, sagte er gedehnt: †Ich habe dir alles Wichtige von deiner Heimatwelt erz€hlt, und du hast unglaublich schnell gelernt - schneller als jeder andere. Das zeichnet dich aus. Du hast auch erkannt, wie wichtig der funktionierende Handel zwischen den Welten ist. Dieser Handel wird von uns ‚berwacht. Letzten Endes auch durchgef‚hrt, wenn du so willst. Wir haben das absolute Monopol dar‚ber und dessentwegen die 73
unumschr€nkte Herrschaft ‚ber das Universum. Oder was glaubst du, was aus der Erde wird, wenn ich ihr keine Menschen mehr abkaufe und ihnen daf‚r keine Handelsg‚ter oder Energietr€ger mehr ‚berlasse?‡ †Handel? Mit - mit diesem Raumschiff hier?‡ Ich sch‚ttelte verst€ndnislos den Kopf, denn es erschien mir wahrlich ungeheuerlich. Er lachte mich aus: †Nat‚rlich nicht, Bursche Willard! Dieses Schiff hier ist eine Art Privatyacht. Die HANDELSFLOTTEN hingegen sind gigantische Schiffe und relativ langsam. Sie sind st€ndig unterwegs, automatisch gesteuert. Die Menschen werden darauf in tiefen Schlaf versetzt, ihre K•rperfunktionen erheblich reduziert, so daƒ sie die Strecke bei guter Gesundheit ‚berleben. Ja, st€ndig sind diese Schiffe unterwegs zwischen den Sternen - ungez€hlte - und jedes hat sein Ziel.‡ Das klang schw€rmerisch. Er deutete auf die Kontrollen. †Was jedoch am wichtigsten ist, John Willard: Ich kann ihren Standort jederzeit einzeln abrufen. Das ist wichtig. Wir sind nur wenige Sternenv•gte, und die Handelsflotten geh•ren allesamt uns. Wir sind die Verantwortlichen, sonst bricht alles zusammen. Die geringste St•rung...‡ †Und - es hat eine solche St•rung gegeben, Erhabener?‡ warf ich schlau ein. †Und - wir werden es wieder richten? Wann machen wir uns auf den Weg?‡ Er lachte mich wieder aus: †Auf dem Weg dorthin sind wir l€ngst, Willard!‡ Ein Schaudern: Unterwegs! In der Unendlichkeit zwischen den Sternen! Die absolute Leere, das Nichts! Das Vakuum! Ich bildete mir ein, es k•rperlich zu sp‚ren, und es schauderte mir. 74
Aber dann wurde ich wieder ruhig. Die Aufgabe... Die Sternenv•gte als Aufpasser ‚ber die unvorstellbaren Sternenflotten, die st€ndig unterwegs waren. Vollautomatischer Handel zwischen den Welten... Wie sah es eigentlich aus - auf diesen fremden Welten? W‚rde ich es erfahren? Ich wagte nicht zu fragen. Als Diener des Sternenvogtes w‚rde ich bestimmt noch viele Welten kennenlernen - ja kennenlernen m‚ssen!
16. Kapitel Der Sternenvogt hatte mir seine Infothek zug€nglich gemacht - wenigstens einen Teil davon. Das hieƒ, er f‚hrte mich zun€chst in verschiedene Grundprogramme ein, damit ich mich anschlieƒend f‚r den Rest selber bedienen konnte. So nutzte ich die Dauer der Reise, mir Kenntnisse anzueignen, die f‚r mich so aufregend und phantastisch waren, daƒ die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes im Flug verging. Der Sternenvogt k‚mmerte sich indessen wenig um mich. Zuweilen nur stand er da, die Arme vor der Brust verschr€nkt, regungslos, schweigend. Er beobachtete mich - manchmal aus schmal zusammengekniffenen Augen. Und dann verschwand er so pl•tzlich wie er aufgetaucht war. Kommentarlos und irgendwie - unheimlich. Mich st•rte es allerdings nicht. Ich hatte meine phantastische Besch€ftigung und wurde niemals m‚de, die Programme durchzuarbeiten. Die ein75
zigen Unterbrechungen waren kurze Mahlzeiten und der n•tige Schlaf. Bis mich der Vogt zwang, ein spezielles Trainingsprogramm durchzuf‚hren, um meine k•rperliche Fitneƒ nicht zu verlieren. War es bald soweit? Was f‚r ein Einsatz? Gef€hrlich? K€mpferisch? Ich lernte viel - und wuƒte dennoch so wenig... Einmal legte er mir schwer die Hand auf die Schulter und sagte ernst: †Niemals die Summe des Wissens darf dein Ziel sein, John Willard, sondern immer nur sein Verst€ndnis!‡ Ich sah zu ihm auf, weil ich es nicht begriff. Er sch•pfte tief Atem und philosophierte laut: †Die Kapazit€t des menschlichen Gehirns reicht nicht aus, alles Wissen zu erfassen. Und weil die Kapazit€t des Gehirns begrenzt ist, bleibt auch das Verst€ndnis begrenzt. Deshalb hat der Mensch Computer entwickelt und zur Perfektion reifen lassen. Der Computer ist ein Wissensspeicher gewesen und avancierte allm€hlich zum WISSENSSKLAVEN: Vergiƒ alle Schulen mit ihrem sturen Pauken. Sie hatten ihre Berechtigung, zugegeben. Weil sie die Aufnahmef€higkeit trainierten. Aber sie vernachl€ssigen etwas anderes, was mindestens genauso wichtig ist: DIE F„HIGKEIT ZU ˆBERLEGEN, also im Sinne des Wortes NACHZUDENKEN! Sie behindern damit die Kreativit€t und Flexibilit€t. Das birgt gewisse Gefahren in sich: Je gr•ƒer das vermeintliche Wissen wird, desto weniger kann der Wissende damit anfangen. Das ist wie bei einem pr€chtigen Haus ohne Auƒent‚ren: Man ist darin gefangen wie in einem Labyrinth und findet nicht mehr hinaus... Denn merke dir eines, John Willard: Die wahrlich 76
Groƒen in der Geschichte waren niemals diejenigen, die in der Lage waren, m•glichst viel Wissen zu speichern, sondern es waren ausnahmslos diejenigen, die vorhandenes Wissen gut verarbeiten und vor allem auch ANWENDEN konnten. Es ist wie bei einem Supercomputer: Er leistet immer nur soviel wie sein Anwender von ihm abverlangt! Was nutzt schon ungeheures Wissen, das tot bleibt, nicht aktiviert werden kann, weil dazu die F€higkeit fehlt. Weil diese F€higkeit im Verlaufe des Lernprozesses zu sehr vernachl€ssigt wurde und deshalb auf der Strecke blieb? Kapierst du das, John Willard? Begreifst du, was ich damit sagen will?‡ Er erwartete in Wahrheit gar keine Antwort, sondern fuhr gleich fort: †Ja, die Groƒen in der Geschichte... Am gr•ƒten werden immer nur diejenigen, die es verstehen, das Wissen anderer sinnvoll zu verwenden - ohne selber tiefgreifendes Wissen zu besitzen...‡ Er sagte es wie im Selbstgespr€ch, als w€re es gar nicht mehr an meine Adresse gerichtet. Sein Blick, der wie in weite Ferne gerichtet erschien, kl€rte sich. Er schaute zu mir herab: †Na, was denkst du, John?‡ †Ich - €h - ich dachte gerade, wieviel Wissen ein Mensch haben muƒ, der unsterblich ist!‡ †Ein - unsterblicher - MENSCH?‡ Ich ahnte, daƒ ich etwas Falsches gesagt hatte und stotterte: †Ja, ich - ich meine, daƒ... daƒ die Sternenv•gte... €h...‡ Er sprang zur‚ck und sch‚ttelte die Faust. Auf einmal war er v•llig auƒer sich. †Ein Mensch? Das hast du gesagt? Ich, ein Sternenvogt... ich sei ein - Mensch? Sag das niemals wieder, John Willard! Ich werde dich 77
sonst...‡ †Ein - Gott?‡ warf ich rasch ein, in dem hilfslosen Versuch, meinen Fehler wieder wettzumachen, obwohl ich immer noch nicht wuƒte, wieso der Vogt so reagierte... †Ich - ich habe dich gewarnt!‡ Zitternd schlug er die H€nde vor das Gesicht. Als er sie nach Sekunden wieder herunterzog, wirkte dieses Gesicht mehr denn je wie eine Maske. †Ja, ich habe dich gewarnt!‡ Ich wuƒte mir keinen anderen Rat mehr: Instinktiv sprang ich auf und warf mich vor ihm auf den Boden. Das erschien mir das einzig richtige zu sein - in dieser f‚r mich so unverst€ndlichen Situation. Ich beugte mein Kreuz, bis ich mit der Stirn den Boden ber‚hrte. †Ich bitte um gerechte Strafe f‚r mein Vergehen!‡ Da h•rte ich ihn heiser lachen: †Nein, Willard, ein Mensch bin ich tats€chlich nicht - beim heiligen Universum und seiner Ordnung! Nat‚rlich bin ich auch kein Gott. Welches Wesen d‚rfte schon so anmaƒend sein? Nur in einem hast du recht, Willard: Ich bin unsterblich! In der Tat!‡ Ich wagte es, langsam den Kopf zu heben. Der Sternenvogt stand breitbeinig ‚ber mir, die H€nde auf dem R‚cken verschr€nkt. Sein Blick war jetzt irgendwie mitleidig. Er schaute hin‚ber zu den blinkenden Kontrollen und den Bildschirmen, die f‚r mich unlesbare Abbilder des Sternenmeeres dort drauƒen zeigten. Er wippte auf den Zehenspitzen - irgendwie l€ssig. Deshalb wagte ich, mich wieder vom Bo78
den zu erheben, und verkroch mich in meinem Sessel. †Aber es w€re falsch anzunehmen, meine Unsterblichkeit h€tte mein Sch€del zum Bersten voll mit Wissen werden lassen...‡ Sein Blick suchte mich. Jetzt wirkte er tieftraurig. †Wisse, John Willard, auch meine Gehirnkapazit€t ist begrenzt. Aber ich habe gelernt, Wissen schnell aufzunehmen, schnell verwertbar zu machen - aber nach Verwendung wieder zu l•schen.‡ Er kam zu mir und legte mir wieder die Hand auf die Schulter, genauso wie vorher, als w€re ‚berhaupt nichts geschehen inzwischen. †Das will ich dir kurz erl€utern, John: Wenn du einen Sachverhalt von hohem Schwierigkeitsgrad erlernst, muƒ alles andere zur‚cktreten. Du konzentrierst dich voll und ganz auf den Sachverhalt. Sonst kannst du ihn nicht aufnehmen. Und soll es nicht ein rein reproduzierf€higes Wissen sein, abrufbereit wie zur Pr‚fung in der Schule, sondern soll es ein echt VERWERTBARES Wissen werden, muƒt du es nicht nur einfach aufnehmen, sondern in allen wesentlichen Z‚gen VERSTEHEN! Du muƒt Querverbindungen kn‚pfen k•nnen, du muƒt diesem Wissen in deinem Gehirn die Chance geben, sich gewissermaƒen zu verselbst€ndigen, daƒ du vollkommen damit verw€chst... Wie bei der Bedienung einer Maschine, die du am Ende so beherrschst, als sei sie ein verl€ngerter Teil deines K•rpers. Und wenn dir dies gelingt, bist du jedem Mustersch‚ler haushoch ‚berlegen. Bringst du es gar zur Perfektion, gewinnst du die F€higkeit, immer schneller neues Wissen verarbeitungsf€hig auf79
zunehmen - und anzuwenden. Doch kehren wir zur Schule zur‚ck, wie du sie kennst, Willard: Du erreichst dort nur ein sogenanntes reproduzierbares Wissen, und wenn es sitzt, bekommst du eine Auszeichnung f‚r gutes Lernen, also gute Noten - und am Ende sogar ein Diplom. Um dieses Wissen zu behalten, muƒt du es in deinem Ged€chtnis immer wieder reproduzieren, auch ohne Abfragen. Du muƒt es in deinem Kopf immer wieder kreisen lassen. Du muƒt st€ndig dort flicken, wo L‚cken entstehen. Du muƒt dieses Wissen st€ndig auffrischen, wie man dies auch nennt. Sonst kannst du die diplomierte Reife schon gar nicht erlangen. Und damit bist du so sehr besch€ftigt, daƒ du das Denken verlernst - die wichtigste F€higkeit, um Wissen nicht nur zu behalten, sondern auch nutzbringend anzuwenden - und aus den rein theoretischen Fakten endlich den praktischen Nutzen zu ziehen... Das sind dann Genies besonderer Art. Wandelnde Computer. Alles ist stets abrufbereit. Sie sind Quizmaschinen und verbl‚ffen mit ihren vermeintlichen Kenntnissen. Aber anwenden das muƒ ein anderer, der sich solcher organischen Computer zu bedienen weiƒ. Ja, man braucht solche Menschen auch in der Praxis. Sie sind stets die Ausf‚hrenden - auf Spezialgebieten sogar elektronischen Computern ‚berlegen. Doch das Rad der Geschichte - das wird stets von anderen gedreht.‡ Er schloƒ die Augen. †Wenn ich das so sage, dann denke ich in der Vergangenheit, John Willard. Jahrhunderte, Jahrtausende... Damals... Ja, damals, da war ich noch kein Sternenvogt gewesen. Ich war einer der 80
Macher, nie einer der Wissenden. Und ich habe das H•chste erreicht, was ein Mensch je erreichen k•nnte. Aber ich war... ich war... ich war EIN MENSCH!‡ Er br‚llte es hinaus: †DAMALS - DA WAR ICH NOCH EIN MENSCH GEWESEN!‡ Tr€nen erstickten seine Stimme, und ich begann, sein vorangegangenes Verhalten zu verstehen. †Damals ein Mensch - kein unsterblicher Sternenvogt...‡ Fluchtartig verlieƒ er den Raum. Ich blieb zur‚ck und f‚hlte mich leer und ausgelaugt. Ich hatte von ihm soeben mal wieder mehr erfahren, als ich auf Anhieb verkraften konnte. Es w‚rde eine Weile dauern - eine Welt zu verstehen, die das Universum ausmachte. In all ihrer Tragweite. Und mit einem unfaƒbaren Ph€nomen den Sternenv•gten. Sie waren keine Menschen mehr, sondern unsterbliche Wesen. Ungeheuer? Ich wandte mich der Infothek zu. Hier war alles gespeichert, was f‚r mich wichtig war - aber nicht das, was ich soeben vom Sternenvogt erfahren hatte. Und ich wuƒte auf einmal, was er damit gemeint hatte, als er mir die beiden so grunds€tzlich voneinander verschiedenen Arten von Wissen erl€uterte. Meine Finger ber‚hrten die Tastatur. Ob ich es wirklich jemals schaffte, nicht nur ein Wissender zu werden, sondern ein - Anwender? Wie ein - Sternenvogt? 81
Ein - MACHER?
17. Kapitel †Wir sind da!‡ verk‚ndete der Sternenvogt. Ich f‚hlte mich reichlich verschlafen. Er hatte mich mit dem Schrillen der Alarmsirene geweckt. Es klang unangenehm in meinen Ohren nach. Aber als ich endlich begriff, was er gesagt hatte, war mein Miƒmut wie weggeblasen, und ich f‚hlte mich voller Tatendrang. Er stand vor dem Hauptschirm, vorn‚bergebeugt, beide Arme auf die Konsole gest‚tzt. Mit dem Kinn deutete er. †Sieh es dir an, John Willard. Du kannst jetzt lesen, was der Bildschirm dir zeigt. Das heiƒt, du weiƒt die Zeichen zu deuten, weiƒt, daƒ dies nicht eine Abbildung des realen Universums ist, sondern ein interpretiertes Bild. W‚rdest du mit unbewaffneten Augen nach drauƒen sehen, h€ttest du nichts davon. Menschliche Augen sind f‚r solche R€ume nicht geeignet. Der menschliche Verstand kapituliert. Normale Vorstellungskraft ist v•llig unzureichend, geschaffen f‚r die Winzigkeiten einer planetaren Welt. Der Bildschirm hingegen zeigt alles so, wie du es verkraften kannst. Du verstehst und vor allem, du verwertest es in der richtigen Weise.‡ Der Sternenvogt wirkte sehr gel•st bei diesen Worten und keineswegs schulmeisterhaft. Als h€tten wir ein besonders aufregendes, wenngleich harmloses Abenteuer vor uns, daƒ es sich lohnte, sich darauf zu freuen. 82
†Scheinwelt!‡ murmelte er fast and€chtig. Ich bezog es zun€chst auf das Bild auf dem Schirm. †Scheinwelt?‡ echote ich. Er richtete sich auf und blinzelte verwirrt. †„h, ja, John Willard, ich habe gesehen, du hast dich mit dem astronomischen Programm besch€ftigt. Jetzt bist du gut vorbereitet. Wir haben noch gen‚gend Zeit, daƒ du dich in das System in seinem speziellen Teil einarbeiten kannst, doch vorab ein paar wichtige Informationen direkt von mir...‡ Er deutete mit dem Zeigefinger auf einen der kr€ftigen Lichtpunkte. †Das hier ist SCHEINWELT. Als sie entdeckt wurde, wirkte sie wie ein Paradies. Eine Welt voller Blumen, herrlicher Landschaften, gr‚n und bunt, schneebedeckte Berge, hart und unbarmherzig in diese Landschaft eingemeiselte Schluchten... Ja, f‚r menschliche Begriffe ein Paradies. Die Entdecker waren zun€chst ‚berw€ltigt davon. Den Meƒdaten indessen mochten sie ob dieses Anblicks ‚berhaupt nicht vertrauen. Am liebsten w€ren sie auf der Stelle gelandet und w€ren ausgeschw€rmt, ohne Schutzanz‚ge, dem Paradies in die offenen Arme laufend, es mit wachen Sinnen begr‚ƒend... Gottlob war der Kommandant des Expeditionsschiffes eine starke Pers•nlichkeit und gelang es ihm, diese Narren von ihrem Vorhaben abzubringen. Seine eiserne Hand war vonn•ten, um die Besatzung wieder zu Sinnen zu bringen. Sonst h€tte es keiner von ihnen ‚berlebt...‡ Er sch•pfte tief Atem. †Ein altes Sprichwort der Erde lautet: Es ist nicht alles Gold was gl€nzt! - Scheinwelt, mein 83
lieber Willard: eine gef€hrliche Laune der Natur. Sie hat diese Welt so gestaltet, daƒ ein Mensch annehmen muƒte, es sei ein Paradies f‚r ihn. Die Wahrheit jedoch: Es gab keine Blumen, kein Blattgr‚n, ‚berhaupt keine lebendige Natur - ja, nicht einmal den Schnee, der die Gipfel der Berge bedeckte! Dies alles waren nichts weiter als seltene Mineralien, in allen Farben des Spektrums, und vom Zufall so angeordnet, daƒ dieser optische Eindruck entstand. Der ganze Planet war wie ein einziger kostbarer Juwel, aber absolut lebensfeindlich... SCHEINWELT, ja, diesen Namen hat sie verdient. Tja, die Entt€uschung damals war entsprechend groƒ. Trotzdem wurde dieser Juwel kartographiert, vermessen, registriert, wie es Aufgabe der Expedition war. Obwohl man sich diese M‚he eigentlich nur machte, falls es sich um besiedelbare Welten handelte. Doch der Kommandant des Schiffes bewies Weitblick: Er dachte sich n€mlich, daƒ diese unvorstellbare F‚lle unterschiedlicher und groƒenteils vollkommen unbekannter Mineralien irgendwann einmal nutzbringend sein k•nnte... Er irrte sich nicht, John Willard. Du siehst hier die beiden anderen Punkte, die relativ nahe erscheinen, nicht wahr? Tja, sie sind sehr nahe sogar. Eine Dreierkonstellation, wenn man Scheinwelt mit einbezieht. „hnlich wie Erde und Mond. Nur daƒ sich diese Planeten hier in ihrer Masse ziemlich €hnlich sind. Nat‚rlich hat eine solche Konstellation enorme geophysikalische Folgen wie Erdbeben, Springfluten und eine €uƒerst komplizierte Wechselwirkung von Ebbe und Flut. Das macht f‚r die Bewohner der beiden bewohnbaren und sp€ter auch 84
besiedelten Nachbarplaneten eine hohe Anpassungsf€higkeit erforderlich. Zwei Umst€nde machten damals die besondere Auslese der irdischen Kolonisten n•tig: Sie muƒten sehr flexibel sein, um sich den st€ndig wechselnden Bedingungen optimal anpassen zu k•nnen. Zweitens, sie muƒten k•rperlich weit ‚ber dem Durchschnitt widerstandsf€hig sein. Schon damals war es recht leicht, aus der F‚lle von Menschenmaterial, wie die Erde es darbot, die geeigneten Exemplare f‚r die Besiedelung herauszufiltern.‡ Er lachte heiser. Klang es ver€chtlich? †Das menschliche Leben faƒte Fuƒ auf den bewohnbaren Nachbarwelten von Scheinwelt. Die M€nner und Frauen des Kolonisationsprogramms waren froh, der Hexenk‚che namens Erde entronnen zu sein, obwohl sie das sehr fr‚h bereuten: Die Anforderungen in der neuen Welt waren sehr hoch, und es gab viele Tote, bis man die entsprechenden Materialien und Methoden entwickelt hatte, aus denen man beispielsweise geeignete Behausungen fertigen konnte. Mit der Zeit wurden sie perfekt. Sie sind l€ngst Baumeister, wie es sie nicht einmal ann€hernd sonstwo im Universum gibt. Doch diese Kunst k•nnen sie leider nicht exportieren, weil ihre besondere Bauweise eben nur auf Planeten gebraucht wird, wo es €hnliche Bedingungen gibt, und das ist so gut wie nirgendwo der Fall. Sie leben von etwas anderem: Dieses Juwel namens Scheinwelt... Sie studierten die Mineralien und fanden ihre mannigfaltige Verwendbarkeit heraus. Aus einem wundersch•nen Juwel 85
wurde die gr•ƒte Kostbarkeit des ganzen Universums - zum Reichtum ihrer Besitzer, den Kolonisten!‡ Er wandte sich jetzt erst mir zu. †Du wirst es sehen und erleben, John Willard. Genauso wie viele M€nner vor dir. Denn die bewohnten Planeten ALPHA und BETA sind reine Frauenwelten. Es gibt dort praktisch keine M€nner - auƒer den importierten. Das h€ngt mit Scheinwelt zusammen und deren Mineralien: Sie setzen Strahlung frei. Die M€nnerarmut besorgt also schon der bloƒe Umgang mit den Mineralien.‡ Ich war sprachlos. †Ja, du wirst es sehen und erleben, John Willard, weil dich meine Mission dorthin f‚hrt. Eine gef€hrliche Mission, sehr gef€hrlich sogar, denn die besondere Situation in diesem System AARON, wie es nach seinem Entdecker genannt wird...‡ Er l€chelte fast entschuldigend. †Es gibt selbstverst€ndlich Raumfahrt in diesem System, und man hat es gewagt, damit das Monopol der Sternenv•gte zu verletzen!‡ Jetzt war es also heraus. Sein Gesichtsausdruck wurde hart. Seine Lippen preƒten sich zu schmalen Strichen zusammen. †Um meine Strafe zu unterwandern, schickten sie sogar ein Schiff zur Erde. Dieses Schiff soll von dort M€nner kaufen. Denn die Aaroner wollen schlieƒlich ‚berleben. Ohne Fortpflanzung geht das schlecht.‡ Ein zynisches L€cheln. †Ein unerh•rter Frevel, Willard. Ich wollte, du h€ttest meinen Diener James nicht umgebracht. 86
Ihm h€tte ich die L•sung des Problems zugetraut. Indessen... Das Schiff der Aarons ist unterwegs. Wir sind zwar schneller, klar, und die Zeit muƒ reichen, das Problem zu l•sen, bevor es zu einem ausgewachsenen Konflikt kommt... Denn das Schiff der Aaroner wird von der Erde aus abgeschossen, sobald es sich dort meldet. So ist es mit dem Planetenvogt vereinbart. Er ist loyal und wird das auch bleiben. Zuviel h€ngt f‚r ihn davon ab.‡ †Krieg?‡ entfuhr es mir. †Ja, John Willard, das bedeutet Krieg zwischen der Erde und AARON! Es sei denn, deine Mission hat Erfolg und der Konflikt kann friedlich beigelegt werden, ehe der Abschuƒ erfolgt.‡ †Ich - als - Sternenvogt?‡ Erst jetzt kam mir die ganze Tragweite dessen so richtig zu Bewuƒtsein... †Selten verlasse ich pers•nlich das Schiff!‡ best€tigte der Sternenvogt meine Gedanken. †Vielleicht, John Willard, weil wir Unsterbliche feiger sind als ihr Sterblichen? Denn auch wenn ich unsterblich bin: Leider bin ich nicht v•llig unverwundbar, und wenn man mich atomisiert, ist es auch f‚r mich vorbei!‡ Er sch‚ttelte sich bei diesen Worten. Nur auf der Erde, bei diesen verweichlichten V•gten, da kannst du dich frei bewegen, ohne etwas f‚rchten zu m‚ssen, Feigling! dachte ich ketzerisch. An diesen Gedanken konnte er allerdings nicht teilhaben, denn ich war seinem guten Rat gefolgt und hatte inzwischen gelernt, meine geheimsten Gedanken gut genug abzuschirmen. Ein wichtiger ˆberlebensfaktor f‚r mich... 87
18. Kapitel Ich hatte viel gelernt. Gott, ich hatte soviel gelernt, wie ‚berhaupt in meinen Sch€del gehen konnte, ohne daƒ er platzte. Und jetzt war ich fit - im wahrsten Sinne des Wortes. Ich war bereit f‚r meinen Besuch. Angek‚ndigt war ich l€ngst, nat‚rlich mit dem ‚blichen Symbol und den ‚blichen Floskeln, wie es einem echten Sternenvogt geb‚hrte... Die Aaroner hatten sich mit meinem Besuch einverstanden erkl€rt. Das war allerdings zu erwarten gewesen. Sternenvogt, das war nach wie vor Mystik, Geheimnisvolles, Unw€gbares. Niemand wuƒte so recht Bescheid. Kunstst‚ck, wenn sogar ich immer noch nur so wenig wuƒte... Die F‚hrer der Planeten waren zwar dar‚ber informiert, daƒ die Sternenv•gte die Handelsflotten kontrollierten und allein daraus praktisch ihre unumschr€nkte Macht bezogen, aber Einzelheiten blieben ihnen verborgen. Auƒerdem hatten die Sternenv•gte den Nimbus des Unsterblichen und Unbesiegbaren. Die Aaroner waren viel zu gespannt auf mein Erscheinen, als daƒ sie sich meinem Besuch allzu offen widersetzt h€tten. Auƒerdem muƒten sie einen Angriff bef‚rchten, und wer wuƒte schon, ‚ber welche Vernichtungsmittel ein Sternenvogt 88
verf‚gte? Ich Narr hatte geglaubt, ab sofort abstinent leben zu m‚ssen, und war nun unterwegs zu einem Planeten, der nur von FRAUEN bev•lkert wurde... Ich hatte meine Instruktionen und war eben gewissermaƒen fit, doch mein Herr war in Wirklichkeit eher sparsam mit den Informationen umgegangen - wie ich leider erst bei n€herer Betrachtung herausfand. Anscheinend wollte er mir selber ‚berlassen, die L‚cken vor Ort zu f‚llen. Ich sollte mein Urteil selber f€llen, eigene Eindr‚cke sammeln und eigene Erfahrungen machen - m•glichst †unbeeinfluƒt‡. Ob ich eine Chance hatte, dies zu ‚berleben? Mein Herr setzte auf mich. Ein Krieg muƒte unter allen Umst€nden verhindert werden, denn die Mineralien wurden andernorts dringend ben•tigt. Und wenn AARON einmal zerst•rt war... Dann fiel dieses System auch als Handelspartner und Absatzmarkt f‚r andere Produkte aus - zum Beispiel auch f‚r M€nner der Erde, die laut Sternenvogt in diesem System die begehrteste †Importware‡ ‚berhaupt bildeten... Die Regeln hatte ich begriffen und - ich war bereit! Auf den Weg ging ich in der Pose eines Siegers. Schlieƒlich hatte ich als HERR DER STRAƒE einiges gelernt. Obwohl es mir l€ngst erschien, als geh•rte es zu einem vergangenen Alptraum... Ich hatte mich geschickt angezogen, wie ich fand: Kleidung, die mich in keiner Weise behinderte und die auƒerdem meine Figur voll unterstrich: Mein muskul•ser Oberk•rper war halb entbl•ƒt - gerade so, daƒ man annehmen muƒte, 89
ich sei in Wahrheit noch weitaus muskul•ser... Das hatte ich ebenfalls von der Straƒe: Es war wichtig, seine Gegner zu beeindrucken. Damit vermied man meistens unn•tige, kr€fteraubende K€mpfe und hatte gen‚gend Energie f‚r Wichtiges ‚brig. Meine Haltung fl•ƒte Respekt ein. Normalerweise. Auch wenn der Sternenvogt beim Abschied breit grinste. Ich war jedenfalls in jeder Faser meines Leibes durchtrainiert, was mich zu einer Kampfmaschine ohnegleichen machte. Aber: gen‚gte das wirklich? War es das Richtige? Denn: Welche Situation w‚rde ich eigentlich antreffen? Wie w‚rde sich die Begegnung gestalten? Wenn man mich bereits vor der Landung abschieƒt, nutzt die beste Pose nichts! †Man wird sehen, Weiber von ALPHA, der Hauptwelt! Sonnengeborene!‡ knurrte ich. Ja, so nannten sie sich hochtrabend: Sonnengeborene! †Hochtrabend!‡ murmelte ich ver€chtlich - um mir noch mehr Mut zu machen. †Wartet's bloƒ ab, ihr Weiber!‡ Ich sprach es drohend aus - um meinen Mut zus€tzlich zu forcieren. Und dann tauchte mein tropfen€hnliches Raumfahrzeug in die Atmosph€re ein. ALPHA, die Hauptwelt, befand sich direkt zu meinen F‚ƒen. Aber man lieƒ mir nicht lange die Illusion der Macht: Wie aus einem Hinterhalt st‚rzten sich silberne Pfeile auf mich. Es mochten mindestens hundert sein, schnell wie Gedanken. Aus allen Himmelsrichtungen kamen sie und drangen auf 90
mich ein, wie um mich zu durchbohren. Ich hatte trotzdem den Nerv, das Abwehrsystem inaktiviert zu lassen. Nicht einmal den Schutzschirm schaltete ich ein. So sank ich tiefer, ungesch‚tzt. Die †Pfeile‡ erreichten mich fast und stoppten wie vor einer pl•tzlichen, unsichtbaren Mauer. Es waren doch sicherlich Raumschiffe - ihrer Gr•ƒe nach zu urteilen? Waren sie denn †bemannt‡? Dann muƒten sie enorm starke Andruckneutralisatoren besitzen, sonst h€tte dieses abrupte Stoppen alles Leben an Bord zermalmt... Oder sie besaƒen einen Schwerkraftantrieb. Da gab es ‚berhaupt keine Andruckkr€fte, weder beim Beschleunigen noch beim Abbremsen. Man konnte theoretisch von Null auf volle Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, aus dem Stand. Theoretisch! Andruckkr€fte w‚rden jedenfalls niemals auftreten... Ich wiegte bedenklich den Kopf. Falls es so war, wie ich vermutete, waren die Bedenken meines Sternenvogtes sogar doppelt und dreifach zu verstehen: Zum ersten Mal ging mir auf, daƒ die Informationen - MEINE Informationen - l€ngst nicht mehr auf †dem neuesten Stand‡ waren. Es w‚rde jedenfalls nicht mehr lange dauern, meiner momentanen Einsch€tzung nach, und die Weiber von AARON w‚rden das Monopol der Sternenv•gte nicht nur partiell unterwandern, sondern v•llig ausr€umen. Es w‚rde zu einem Handelskrieg ohnegleichen kommen. Die Ordnung des Universums wurde von hier aus nachhaltig gef€hrdet. Das ganze komplizierte und h•chst sensible System w‚rde zusammenbrechen 91
und das Leben auf allen Welten t•dlich gef€hrden! Eigenartig, daƒ ich augerechnet in diesem Augenblick an meinen Namensvorg€nger, den Sozialisten und Revolution€r John Willard denken muƒte...
19. Kapitel Den Funk lieƒ ich ausgeschaltet. Ich war schlieƒlich angemeldet. Das gen‚gte. So sah ich es auch nicht als notwendig an, mit den Piloten der †Silberpfeile‡ zu verhandeln. Wenn ich schon als der †wahre‡ Sternenvogt auftrat, dann gab es nur einen Gespr€chspartner f‚r mich: Der SYSTEMVOGT! Vielleicht auch der zust€ndige PLANETENVOGT - zumindest jedoch eine w‚rdige Abordnung. Ich schmunzelte unwillk‚rlich: Wie nannte sich der Planetenvogt hier eigentlich? Vogtin vielleicht? Schlieƒlich war es mit Bestimmtheit ein weibliches Wesen... †Amazonen...‡ Ich schnalzte mit der Zunge. Derweil sank mein †Tropfen‡ sanft hinab, wie vom Wind getragen. Scheinbar federleicht und grenzenlos der ˆbermacht der Silberpfeile unterlegen, deren scharfe Spitzen unentwegt auf mich zeigten. Scheinbar gelassen kontrollierte ich die Bildschirme. Das Auge meines Herrn ruhte auf allem, was ich tat. Auch das war ich inzwischen leidlich gew•hnt: Sollte er ruhig Zeuge sein. 92
Zielsicher fand der Flugautomat den Palast des Systemvogts. Er oder sie war Herrscherin ‚ber ALPHA, BETA und ‚ber Scheinwelt. Das Trio war in ihrer Hand. Wenn alle per Funk abgegebenen Versprechungen stimmten, befanden sich die drei zust€ndigen Planetenv•gte bei ihr - inzwischen eingeflogen. Ich lieƒ mir viel Zeit, um damit ˆberlegenheit zu postulieren. Hoffentlich wurde es von den Aaronern auch so verstanden? Mir war klar, daƒ mich bisher nur der Nimbus des Sternenvogts am Leben erhalten hatte. Es w€re f‚r sie so einfach gewesen, mich von ihrem Himmel wegzupusten. Denn ich lieferte mich ihnen ganz offensichtlich schutzlos aus, sozusagen auf einem silbernen Tablett. †Ich finde das falsch!‡ murmelte mein Herr aus dem Lautsprecher. †Nun, ihr habt mir freie Hand gelassen, Erhabener!‡ erinnerte ich ihn k‚hl. †Aber nicht zu so einem bodenlosen Leichtsinn. Was, wenn ich dich jetzt schon verliere, bevor die ganze Angelegenheit so richtig begonnen hat? Also... James w€re niemals so vorgegangen. Er h€tte zumindest den Schutzschirm eingeschaltet gelassen. Die Aaroner h€tten sich daran zun€chst einmal die Z€hne ausbeiƒen k•nnen.‡ †Und wenn die Aaroner ihren technischen Fortschritt nicht allein auf die Raumfahrt beschr€nkten, sondern auch noch andere ˆberraschungen auf Lager haben? Zum Beispiel waffentechnische? Sie h€tten den Schutzschirm anmessen k•nnen. Sie h€tten seine St€rke berechnet und vielleicht danach erst den Beschuƒ gewagt? 93
So aber... Sie m‚ssen annehmen, daƒ niemand so leichtsinnig sein kann, falls er normal angreifbar ist.‡ †Ein Bluff, eh?‡ Ich konnte mir vorstellen, daƒ er ‚ber mich den Kopf sch‚ttelte. †Wenn ihr so wollt, Erhabener: Ja!‡ †Ich hoffe, daƒ deine Rechnung aufgeht - nicht f‚r dich, denn wer sich freiwillig in Gefahr begibt, die nicht zu sein braucht, ist selber schuld. Aber f‚r die Sache. Sie ist viel zu wichtig, als sie in die H€nde eines Mannes wie dich zu legen. Ich bereue es tausendfach, James nicht mehr zu haben. - HERR DER STRAƒE!‡ Er sagte es abf€llig und schaltete den Lautsprecher wieder aus. Ich h‚tete mich, auf seine Abf€lligkeit zu reagieren. Er war schlieƒlich der Sternenvogt - und ich nur sein Diener. Ich leistete mir nicht einmal einen Seufzer: Nicht nur, daƒ ich f‚r ihn die Kastanien aus dem Feuer holen sollte, jetzt n•rgelte er auch noch st€ndig an mir herum... Es war mein erster Einsatz. †Amazonen, ich komme!‡
20. Kapitel Der †Tropfen‡ landete auf dem Dach des Palastes. Hier ging man verschwenderisch mit Platz um. Ganz im Gegensatz zur Erde. Kein Wunder: Es gab auf drei Planeten verteilt nicht einmal eine Milliarde Aaroner. Kaum war ich gelandet, als ein furchtbares Erdbeben den Boden erzittern lieƒ. Das Dach des 94
Palastes war eine weite Fl€che, aus der immer wieder, scheinbar willk‚rlich versetzt, T‚rme und T‚rmchen emporwuchsen. Der Boden war nicht glatt, sondern von unregelm€ƒigen Mustern durchzogen, die manchmal wie Risse aussahen. Ich b‚ckte mich neugierig, um mir den Boden genauer zu betrachten. Die gegenw€rtige Bebenwelle h€tte †daheim‡ auf der Erde v•llig gen‚gt, mindestens so viele Menschen umzubringen, wie auf allen drei Planeten insgesamt lebten. Hier waren sie anscheinend eine eher allt€gliche Erscheinung, die man gewissermaƒen am Rande registrierte, und auch ich muƒte lernen, sie gelassen hinzunehmen. Je schneller, desto besser. Der Boden war elastisch, wie aus einer Gummimasse gefertigt. Es grenzte an ein Wunder, daƒ ein solches Geb€ude ‚berhaupt existieren konnte, ohne in sich zusammenzusacken wie das sprichw•rtliche Kartenhaus. Ich hatte mich zu wenig mit dem Thema Materialkunde besch€ftigt, auf dem Sternenflug hierher, doch es gen‚gte eigentlich schon, daƒ die Aaroner im gesamten bekannten Universum als unerreichbare Meister der Baukunst galten. Ich richtete mich wieder auf und ging auf den n€chsten Turm zu, der eine …ffnung zeigte. Das Beben dauerte an, wurde sogar noch heftiger und versetzte das Dach des Palastes in wellenf•rmige Schwingungen. Das waren ja tats€chlich Risse, wie ich jetzt deutlich erkannte! Waren die denn gewollt? Sie klafften millimeterweit auseinander und schlossen sich nach kurzer Mahlbewegung wieder. Anscheinend war der gesamte Palast aus un95
terschiedlich groƒen Einzelteilen gefertigt, bei denen das kleinste nicht gr•ƒer als ein Kieselstein sein mochte. Alle Teile waren miteinander verbunden, aber wie ich sah, konnte diese Verbindung auch mal reiƒen. Teile konnten sich gegeneinander sogar verschieben. Was brachte sie dann dazu, unverz‚glich wieder ihren †rechtm€ƒigen‡ Platz einzunehmen? Eine fantastische Idee: Bestand der Palast etwa aus LEBENDEM Gewebe? Ich sch‚ttelte den Kopf und ging weiter. Nat‚rlich nicht, sonst w€re es in den Bordinformationen gewiƒ enthalten gewesen. Ich war noch auf halbem Wege zum Turm, der in Wirklichkeit viel weiter weg stand als ich urspr‚nglich angenommen hatte, als die Delegation aus der …ffnung trat. Das Beben verebbte schlagartig - als sei das Erscheinen der Delegation daf‚r eine Aufforderung gewesen. Meine Nervosit€t verschwand gleichzeitig damit. Wenigstens nach auƒenhin. Ja, ich brachte sogar ein L€cheln zustande. Es war das zweite Mal in meinem Leben, da ich mich unter freiem Himmel befand, und dann auch noch zur Zeit eines Erdbebens, wie es die Erde gottlob niemals erlebte. Das kam als erschwerender Umstand auch noch hinzu. Ich wunderte mich selber, daƒ er mir anscheinend nichts mehr ausmachte - dieser †verdammt freie Himmel‡ ‚ber mir. War es, weil ich sowieso alle Kraft darauf verwendete, all meine „ngste und Bef‚rchtungen m•glichst vollst€ndig zu verdr€ngen? Die Damen der Delegation durften jedenfalls nichts davon merken. Deshalb war ich froh dar‚ber, daƒ die €uƒerli96
che Ruhe wieder so vollkommen erschien. Ich blieb stehen. Wie weit waren sie noch? Gew•hnt an die beengten Verh€ltnisse meiner Straƒe war es wirklich schwierig f‚r mich, Entfernungen im Freien zu sch€tzen. Das muƒte ich erst noch lernen. Sie kamen auf mich zu und verteilten sich dabei. Der Systemvogt schritt vorweg, die drei Planetenv•gte hielten geb‚hrenden Abstand. UNTERSCHIEDLICHEN Abstand sogar, wie ich erstaunt sah: Dann war die zun€chst Gehende offenbar Planetenvogt von ALPHA? Oder erschien Scheinwelt den Aaronern wichtiger? Ich sch‚ttelte den Kopf und setzte mich wieder in Bewegung. Kurz ordnete ich meine Oberbekleidung. Ge‚bte Griffe, wie zuf€llig. Die glitzernden, geschmeidigen Stoffe umschmiegten Teile von Brust und Schultern. Die beabsichtigte Wirkung blieb nicht aus: Ich sp‚rte prompt die Blicke der vier Damen auf meinem Oberk•rper. Einer dieser Blicke glitt sogar frech tiefer: Der Blick des Systemvogts. Ein L€cheln entstand prompt in meinem Gesicht. Auch das kam an, denn die Damen erwiderten dieses L€cheln! Wir trafen uns und blieben stehen. Der Systemvogt war eine Frau unbestimmbaren Alters. Sie war groƒ und hatte einen durchtrainierten K•rper. Eine Amazone, wie sie im Buche steht! dachte ich geh€ssig, konnte jedoch nicht verhindern, daƒ mein Herz unwillk‚rlich h•her schlug. Denn ich mochte so durchtrainierte Frauen, die trotzdem nichts von ihrer Weiblichkeit verlo97
ren hatten und keineswegs maskulin wirkten. Solche Frauen waren in der Straƒe die begehrtesten. In einer Welt wie die, aus der ich kam, da war Kampfesmut und k•rperliche Einsatzf€higkeit eine Lebensversicherung. Wir waren wie Raubtiere in unserer Straƒe, und die Frauen durften keine Nesth€kchen sein, sondern sie waren soweit gleichberechtigt, wie sie k•rperlich mitkamen. Das hatte unser Frauengeschlecht im Laufe der Jahrtausende ver€ndert: Eine durchaus beabsichtigte Evolution, wie ich inzwischen wuƒte: ZˆCHTUNGSERFOLGE! Denn man legte es darauf an, Menschen zu z‚chten, die sich in feindlicher Umgebung behaupten und sogar fortpflanzen konnten - in einer Umgebung, in der Mann und Frau im gleichen Maƒe gefordert wurden. Und wenn eine Frau dann auch noch nichts von ihrer Weiblichkeit eingeb‚ƒt hatte... Wenn ihr straffer, durchtrainierter K•rper diese Weiblichkeit dann auch noch in aufregender Weise unterstrich... Ich h€tte niemals eine weiche Frau mit - wie ich fand - †schwammigen‡ Formen begehrt! Der Anblick des Systemvogts schn‚rte mir jetzt die Kehle zu... Ich betrachtete sie scheinbar ungeniert und konnte es nicht verhindern, obwohl sie es gewiƒ als Unschicklichkeit sondersgleichen empfinden muƒte. Aber sie war eine Aaroner und keine gew•hnliche Frau: eine Amazone eben! Den begehrlichen Blick eines Mannes konnte sie unm•glich als Beleidigung empfinden, wo sie M€nner doch f‚r gew•hnlich als Ware betrachtete: Man benutzte sie, so lange sie eben als M€nner funktionierten... Sie l€chelte mich an, stolz, hocherhobenen 98
Hauptes. Noch einmal betrachtete sie mich von Kopf bis Fuƒ, daƒ mir heiƒ und kalt zugleich wurde. War es die Abstinenz w€hrend der Reise, die sich jetzt zus€tzlich bemerkbar machte? Ich verfluchte es, daƒ es mir nicht gelang, mich besser in in den Griff zu bekommen. Der Systemvogt hatte groƒe, ausdrucksvolle Augen. Ihre Wangenknochen lagen hoch, waren sehr ausgepr€gt. Sie hatte eine feingeschnittene Nase, einen vollen Mund, und wenn sie die Z€hne zum L€cheln bleckte, waren sie schneeweiƒ und makellos. Das dichte Haar war halblang gehalten. Das Gesicht war nur leicht geschminkt. Ich wuƒte aus den Informationsspeichern an Bord des Sternenschiffes, daƒ die Sitte des Schminkens auch auf AARON gepflegt wurde. Die Frauen wollten allerdings nicht den M€nnern damit besser gefallen - sondern lediglich SICH SELBST! Sie hatte ein weites Gewand ‚bergeworfen. Ich hegte den berechtigten Verdacht, daƒ sie darunter splitternackt war. Das Gewand lieƒ eine Schulter frei, fiel locker herab und streichelte beim Ausschreiten wie z€rtlich den schlanken K•rper. Die nackte Schulter! Sie war nicht eckig wie bei einer untrainierten, mageren Frau, wie es sie auf der Erde h•chstens unter den Privilegierten gab. Sie war auch nicht in meinem Sinne †schwammig‡. Sie war wohlgerundet, und das waren Muskeln. Nicht faserig, etwa fast entbl•ƒt vom Bindegewebe wie bei einem Mann, deshalb auch nicht zu hart erscheinend... Nein, dies war die anmutigste Schulter, die je meine m€nnlichen 99
Augen gesehen hatten, und ich sp‚rte den unb€ndigen Wunsch, diese Schulter mit meinen H€nden zu ber‚hren, sie sanft zu streicheln, mit meinen Lippen zu... †Verwirrt, Erhabener?‡ fragte sie. Oh, diese Stimme... Warum ging ihr Klang so tief in meine Brust, durchbohrte mich unbarmherzig, breitete sich aus und ergoƒ sich heiƒ in meine Lenden? Ich fuhr unwillk‚rlich zusammen, pochte mit der geballten Rechten gegen die linke Brustseite und deutete eine knappe Verbeugung an. †Ihr Diener, Erlauchte! Ich kam, um mich pers•nlich davon zu ‚berzeugen!‡ †Wovon?‡ fragte sie alarmiert. Ich l€chelte entwaffnend: †Von Ihrer Sch•nheit!‡ Sie lachte glockenhell. †Ein wahrer Sternenvogt!‡ rief sie aus. †Ein - Mann!‡ fl‚sterte eine hinter ihr. Damit wollte sie nicht etwa widersprechen... Ich begegnete den Blicken der drei. Diese Frauen waren hingerissen von mir. Nein, das war wahrlich nicht zu ‚bersehen. Aber sie waren t•dlich gef€hrlich. Das durfte ich nicht vergessen. Und endlich erinnerte ich mich wieder meines Auftrages, der mich hergef‚hrt hatte. Und ich legte den Kopf in den Nacken, um die mindestens hundert schwerbewaffneten †Silberpfeile‡ zu betrachten, die sich bedrohlich nahe ‚ber mir befanden. Aus jeder dieser Spitzen konnte tausendfach der Tod sprechen...
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21. Kapitel Ich l€chelte die drei an - nat‚rlich ein wenig unverbindlicher als ich es beim Systemvogt tat. †Ich bedaure zutiefst, daƒ Sie mit einem Mann als Verhandlungspartner vorlieb nehmen m‚ssen. Ich kann mir vorstellen, daƒ es Sie groƒe ˆberwindung kostet, aber ich verspreche Ihnen, daƒ ich mich durchaus zu benehmen weiƒ. Ich verspreche Ihnen auƒerdem, daƒ ich mich Ihnen w‚rdig erweise, nicht wie ein Mann, sondern gerade so wie eine - Frau.‡ Vor dem Wort Frau z•gerte ich nur kurz. Eigentlich wollte ich Aaroner sagen, aber das lieƒ ich dann doch bleiben, denn ich fand, daƒ ich auch so schon genug ‚bertrieb. Die eine, die hingebungsvoll gefl‚stert hatte: †Ein Mann!‡, fuhr erschrocken zusammen: †Oh, Erhabener, ich bitte vielmals um Vergebung, aber so war das wahrlich nicht gemeint! Eine ungeh•rige Bemerkung, die mir so herausrutschte, die aber keine negative Bedeutung hatte: Wir sind hier im System AARON durchaus in der Lage, auch gegen‚ber M€nnern Gleichberechtigung walten zu lassen, und niemand vergiƒt auch nur f‚r eine Sekunde, wen wir in Ihrer Person vor uns haben, Erhabener!‡ Sie verbeugte sich tief. Wahrend ich noch ‚berlegte, ob ich das nun wirklich als eine Entschuldigung ansehen konnte, zischte der Systemvogt: †Ja, so ist es recht!‡ Ich winkte mit beiden H€nden ab und l€chelte mein charmantestes L€cheln, ehe die Situation 101
noch peinlicher geriet. †Ich nehme die Entschuldigung selbstverst€ndlich an. Ja, wie k•nnte ich dies einem Aaroner ablehnen? Die Schuld liegt einzig bei mir. Vielleicht hatte ich dort Ironie herausgeh•rt, wo sicherlich keine beabsichtigt war?‡ So, jetzt konnten sie dar‚ber nachgr‚beln, wie ICH das meinte: Das L€cheln fiel mir zunehmend leichter. Der Systemvogt riƒ die Arme zum Himmel. Eine gebieterische Geste, die mich wieder an die bedrohliche Macht der hundert Silberpfeile erinnerte. Aber zun€chst achtete ich gar nicht darauf, was diese Geste bewirkte, sondern bewunderte die nun v•llig entbl•ƒten Arme des in diesem Universum gewiƒ anmutigsten Systemvogts ‚berhaupt... Langsam legte ich den Kopf in den Nacken. Die Silberpfeile lauerten. Alle Spitzen waren anscheinend haargenau auf mich gerichtet. Also doch Schwerkraftantrieb, sonst h€tten sie dieses Kunstst‚ck nicht fertiggebracht. Die Geste der Gebieterin gen‚gte, um die Silberpfeile auseinanderfliegen zu lassen, als h€tte es im Zentrum ihrer engen Formation eine Detonation gegeben. †Ich bef‚rchte das Schlimmste!‡ fl‚sterte der kleine Ohrring links. Die Stimme meines Herrn. Ich h€tte sie gern abgeschaltet, aber das ging nicht. Ich h€tte den Ohrring abziehen und wegwerfen m‚ssen. Doch wie konnte ich das wagen? †Ich wollte, James w€re am Leben. Ich wollte, ich h€tte nicht einen solchen Narren an die Front geschickt. L‚stert nach dem schlimmsten Feind 102
der Sternenv•gte. Wahrhaft widerlich, das. Du machst in der Tat Geschichte - aber nicht mit dem Kopf, sondern mit der Kraft deiner Lenden.‡ Liebend gern h€tte ich darauf erwidert: †Das ist noch gar nicht entschieden!‡, aber das w€re nicht m•glich gewesen, ohne die Aufmerksamkeit der V•gte zu erregen. Sie schaute mich wieder an, die eine, die Gebieterin ‚ber drei Planeten. Eine Augenbraue war leicht nach oben verrutscht. Das lieƒ sie energisch erscheinen - und ‚berlegen. ˆber Leben und Tod. Ein wenig auch - ‚ber mich. Sie ist die absolute Herrscherin! dachte ich, und mir war ungew•hnlich heiƒ bei diesem Gedanken. Eines lieƒ ich dabei v•llig auƒer acht (vielleicht, weil mein Herr nicht ganz unrecht hatte, wenn er annahm, daƒ mein Kopf nicht hundertprozentig bei der Sache war?): M•glicherweise hatte sich nicht nur die Raumfahrttechnik im System AARON weiterentwickelt, sondern sogar die Kultur und vielleicht ‚ber allem - das Gesellschaftssystem? Ich h€tte es gleich ber‚cksichtigen m‚ssen, aber ich kam einfach nicht darauf - nicht von allein jedenfalls...
22. Kapitel Die Delegation geleitete mich zur …ffnung im Turm. Um meinen †Tropfen‡ brauchte ich mir keine Sorgen zu machen. Der stand gut da oben auf dem Dach. Er w‚rde sich durchaus zu vertei103
digen wissen, falls sich jemand unbefugt daran zu schaffen machte. Im Turm befand sich eine Art Fahrstuhl. Wir hatten gen‚gend Platz darin, denn er hatte einen Durchmesser von sch€tzungsweise f‚nf Metern. Ich war ein wenig stolz darauf, daƒ ich das so gut sch€tzen konnte, nachdem ich mich auf dem Dach des Palastes so sehr in der Entfernung geirrt hatte. Der Fahrstuhl sank so rasch, daƒ ich glaubte, die letzte Mahlzeit wollte wieder aus meinem Magen heraufkommen. Trotzdem war ich froh, der Dachfl€che unter freiem Himmel endlich entronnen zu sein und in das Innere des Geb€udes zu kommen. Je tiefer, desto besser! Die Delegierten beobachteten mich aufmerksam. Ich tat ganz so, als w‚rde ich es nicht bemerken, und heuchelte starkes Interesse f‚r den Fahrstuhl. Er war fast kreisrund und bestand aus dem gleichen Material wie das Dach, schien mir. Manchmal bewegten sich die W€nde, als w€re drauƒen etwas, was sie eifrig massierte. Seltsam... Der Systemvogt l€chelte ‚ber mein Interesse. †Die Kabine ist selbstverst€ndlich nicht aufgeh€ngt, wie es auf anderen Welten oftmals ‚blich ist. Sie wird auch nicht von einem Kraftfeld getragen. Stellt Euch vor, bei einem kurzfristigen Energieausfall... Auƒerdem erschien es uns zu aufwendig. Deshalb wird die Kabine von den W€nden selbst gehalten. Versteht Ihr, Erhabener? Es ist wie in einer Speiser•hre, in die etwas hineingleitet 104
oder noch besser in einem Darm!‡ Ein Vergleich, der mich unwillk‚rlich schlucken lieƒ. Sie lachte ihr glockenhelles Lachen. Ich strahlte sie prompt an, und ihr Lachen verstummte. Sie leckte sich blitzschnell ‚ber die vollen Lippen. Glut sah ich in ihren Augen, und das brachte mein Inneres erneut in Wallung. Ich konnte diesem verzehrenden Blick nicht mehr ausweichen. Dich hat es genauso erwischt wie mich, M€dchen! dachte ich in einem kurzen Anflug von Schadenfreude, obwohl ich daf‚r weiƒ Gott keinen Grund hatte. Sie l•ste ihren Blick von mir, und ich atmete dankbar auf. Wir rutschten immer tiefer in die †Speiser•hre‡ hinein, bis die Abw€rtsfahrt rucklos stoppte. †Wie wird das System eigentlich gesteuert?‡ erkundigte ich mich scheinbar interessiert. L€chelnd erl€uterte sie: †Durch Rezeptoren, €hnlich dem Nervensystem. Das Geb€ude ist v•llig durchdrungen von ihnen. Selbst€ndig leiten sie alle Impulse weiter. Sie reagieren auf Zug, Druck, Temperaturver€nderungen und sind nicht durch Kabel miteinander verbunden, sondern ‚bermitteln Daten unmittelbar: Immer wenn die Rezeptoren voneinander getrennt werden, streben sie wieder zusammen, denn sie nehmen impulsartig Energie auf und geben Energie ab. Die Energie, die sie untereinander austauschen, enth€lt in den meƒbaren Schwankungen die Information.‡ Ich hatte zwar kaum etwas davon verstanden, aber es beeindruckte mich dennoch. †Und dann sind es also diese Rezeptoren, die 105
es schaffen, die einzelnen Teile des Geb€udes zusammenzuhalten?‡ erkundigte ich mich - mir M‚he gebend, Verst€ndnis zu heucheln. †Selbstverst€ndlich nicht!‡ konterte sie nachsichtig. †Das w€re viel zu energieintensiv, die reinste Verschwendung. Unser System verbraucht in Wirklichkeit ein Minimum an Energie, weil die Rezeptoren nur dann einen Verbrauch haben, wenn sie melden oder eine andere Arbeitsleistung erbringen. Die Teile an sich sind so geformt, daƒ sie MECHANISCH ihre richtige Lage einnehmen. Wir bauen n€mlich nach dem Prinzip des sogenannten Zyklopenmauerwerks, wie man es vom ersten Altertum der Menschheit her kennt: Die einzelnen Steine waren schon damals passend zueinander zurechtgeschliffen worden. Sie f‚gten sich somit fugenlos aufeinander und aneinander und waren dabei stets von unterschiedlicher Gestalt und auch unterschiedlicher Gr•ƒe. Nur so werden alle auftretenden Kr€fte auch unterschiedlich verteilt. Ein berechenbares Kr€ftemuster entsteht. Das Zyklopenmauerwerk des ersten Altertums trotzte praktisch jedem Erdbeben, egal welcher St€rke, obwohl es keinerlei M•rtel zwischen den Steinen gab. Aber gerade das Fehlen einer festen Verbindung machte das aus! Denn bei jeder St•rung, die stark genug war, das Grundmuster zu ver€ndern, entstand dieses Grundmuster danach automatisch neu. Ohne zus€tzlichen Energieaufwand, einfach mit Hilfe der Schwerkraft den Gesetzen der Mechanik folgend. Deshalb wogen die einzelnen Brocken auch soviel. Noch im zwanzigsten Jahrhundert der damaligen Zeitrechnung r€tselten irdische Wissen106
schaftler ‚ber den Sinn und Zweck dieser Bauweise, weil das Wissen darum verlorengegangen war. Wir hier haben es neu kultiviert, nach all den Jahrtausenden seit damals.‡ Ich war jetzt so beeindruckt, daƒ ich es nicht mehr l€nger leugnen konnte. Nicht nur, weil diese Damen anscheinend sehr gut informiert waren: Das eben geschilderte Grundprinzip der Bauweise war von den Aaronern erheblich weiterentwickelt worden, sonst h€tte man nicht solche Pal€ste im System AARON bauen k•nnen. Sie las mir die Gedanken gewissermaƒen von der Stirn ab und l€chelte stumm dazu. Wahrscheinlich w‚rde sie auƒer dem Grundprinzip nichts ‚ber ihre Baukunst verraten, denn das war einmalig im gesamten Universum und machte die Aaroner auch als Baumeister so ber‚hmt. Nur schade f‚r sie, daƒ sie es interplanetarisch wohl kaum vermarkten konnten, weil solche extremen Bedingungen nirgendwo sonst herrschten. Um nicht gar zu dumm zu erscheinen, beschloƒ ich eine letzte Bemerkung: †Also sind es letztlich die Rezeptoren, die ‚ber die rein mechanisch erfolgende Selbstkorrektur hinaus den entscheidenden Anstoƒ geben, falls es doch nicht so ganz von allein klappt - und in Gang gesetzt werden sie durch die auftretenden Ver€nderungskr€fte, denn in einem Erdstoƒ steckt gen‚gend Energie, die man auf diese Weise gleich mehrfach nutzen kann. Stimmt's?‡ Sie war ehrlich ‚berrascht. Anscheinend h€tte sie soviel Scharfsinnigkeit einem Mann niemals zugetraut. Jedenfalls schien es mir gelungen zu sein, das 107
Image des Sternenvogts wieder zurechtzur‚cken. Mein Herr und Meister war derselben Meinung, denn ich h•rte seinen ergebenen Seufzer aus dem Ohrring links. Ich konnte nicht verhindern, daƒ meine Brust vor Stolz schwoll. Prompt richteten sich aller Blicke darauf. Ach, das ewig M€nnliche ziehet euch hinan? dachte ich ketzerisch. Die Damen schienen noch zu ‚berlegen, ob sie mich nun eher als Sternenvogt oder doch lieber mehr als ein Wesen mit m€nnlichem Geschlecht ansehen sollten. Neutral ordneten sie mich zur Zeit auf jeden Fall NICHT ein. Das war schon von der ersten Sekunde unserer Begegnung an klar gewesen. Obwohl - mein Herz geh•rte l€ngst dem Systemvogt allein. Ich h€tte niemals f‚r m•glich gehalten, daƒ ein so kalter und eigentlich geschlechtsloser Begriff so sexy wirken k•nnte. Z€rtlich klang er in meinem Kopf nach...
23. Kapitel Wir traten ein. †M e i n B‚ro!‡ erl€uterte sie. Wieso tat sie das mit solchem Nachdruck? †Ehe die Versammlung komplett ist, vergeht noch eine Weile. Wir sollten diese Zeit nutzen - schlage ich vor, Erhabener, ganz mit Verlaub...‡ †Nur zu!‡ sagte ich stirnrunzelnd. †Versamm108
lung?‡ †Gewiƒ, Erhabener. Seid Ihr nicht mit unserem Gesellschaftssystem vertraut?‡ †Nun, ich dachte, ich w€re es... bis zur Landung.‡ Sie r€usperte sich verhalten. †Die V•gte sind nicht mehr von Geburt an f‚r ihre Aufgabe bestimmt, sondern sie werden aus dem Volk vom Volk gew€hlt.‡ †Was?‡ Ich konnte mir ‚berhaupt nicht vorstellen, wie ein solches System denn funktionieren sollte. †Demokratie, Erhabener!‡ F‚r meinen Geschmack h•rte es sich zu belehrend an. †Es hat in den letzten Jahrhunderten nach und nach eine gesellschaftliche Umstrukturierung gegeben. Ausl•ser daf‚r war letztlich die wachsende Dekadenz der V•gteklasse gewesen. Die V•gte und Unterv•gte waren nicht mehr in der Lage, die Staatsgesch€fte zur vollkommenen Zufriedenheit des Volkes wahrzunehmen. Sie wurden schlieƒlich ganz abgel•st. Eine Weile wurden sie als Relikt der Vergangenheit gepflegt, ohne Befugnisse, lediglich aus Gr‚nden der Repr€sentation. Allerdings - wie kann man gerade diejenigen als Repr€sentanten pflegen, die so total verweichlicht und dekadent sind, daƒ es einem graust, wenn man sie nur ansehen muƒ?‡ Sie rief es richtig erbost aus. †Wir haben sie g€nzlich abgeschafft und pflegen seitdem konsequent die Demokratie!‡ †So, so?‡ machte ich. Es klang ein wenig kl€glich. Sie ‚berging es einfach. †Der Staat ist bei uns in Zellen aufgebaut. Dabei hat jede Zelle ihren eigenen F‚hrer.‡ MAFIA-Methode! durchzuckte es mich. Ja, ge109
radewegs wie auf der guten, alten Mutter Erde. Die Straƒe war dort die kleinste Zelle. Ich war HERR DER STRAƒE gewesen... †Nur die F‚hrer einer Zelle k•nnen Delegierte w€hlen. Die Delegierten wiederum w€hlen in der Delegiertenversammlung ihre Abgeordneten. Die Abgeordneten bilden in einem weiteren Wahlgang das Abgeordnetenhaus mit ihren wichtigsten Vertretern, und das Abgeordnetenhaus wiederum ist zust€ndig zur Bildung des Parlaments. Seine Mitglieder nennen wir Parlamentarier. Sie erst sind befugt, die Gebietsregierung zusammenzustellen...‡ †Und - und die V•gte?‡ warf ich ein. †Jeder Chef einer Gebietsregierung ist gew€hlter Untervogt oder Subvogt - je nach Gr•ƒe des Gebietes, ‚ber das er regiert. Den Titel erh€lt er lebensl€nglich, auch wenn er einmal abgew€hlt werden sollte. Solche abgew€hlten V•gte erhalten anschlieƒend Aufgaben in Verwaltung, Wirtschaft und Industrie.‡ Sie war anscheinend ganz besonders stolz auf ihr System, denn sie sch•pfte tief Atem und f‚gte erfreut hinzu: †Die Unter- beziehungsweise Subv•gte bilden die Hauptversammlung, aus der ein Planetenvogt hervorgehen kann. Er bestimmt die Kandidaten f‚r die Planetenregierung, und diese Kandidaten m‚ssen einzeln mehrheitlich von der Hauptversammlung der V•gte best€tigt werden.‡ †Und Ihr seid der Systemvogt? Wurdet Ihr gew€hlt von den Planetenv•gten?‡ †Nein, nicht direkt, sondern nur indirekt: Die Planetenv•gte von ALPHA und BETA schlagen nur vor, und beide Regierungen m‚ssen best€tigen. Dies gilt nicht allein f‚r den Systemvogt, 110
sondern auch f‚r den Vogt von Scheinwelt, denn dort leben zu wenige Menschen, und diese sind auch nur vor‚bergehend dort, mit Zeitvertr€gen. Sie haben die Aufgabe, die vollautomatischen F•rderungs- und Vorfertigungsanlagen zu ‚berwachen.‡ †Dann m•chte ich eigentlich nur noch eines wissen, Systemvogt: Wie findet eine solche Wahl statt? Ich nehme an, jeder will dieses Amt erreichen. Und - wie habt Ihr es geschafft? Wie ist ‚brigens die Stellung des Vogtes von Scheinwelt?‡ †Die einfachste, Sternenvogt. Eine Stufe h•her ist BETA, dann kommt ALPHA und schlieƒlich ich.‡ †Und wie...?‡ Sie musterte die anderen drei feindselig. Ja, ich glaubte, echte Feindseligkeit in ihrem Blick zu sehen. Sie waren harte Konkurrentinnen, wie ich es bereits geahnt hatte. Demokratie? †Und...?‡ Sie gab sich sichtbar einen Ruck. †Nun, es ist eine Wahl... sagen wir: ganz besonderer Art.‡ Sie sch‚rzte die Lippen wie zum Kuƒ. †Es ist eher ein Kampf der St€rke - und St€rke gewinnt auf jeden Fall. Ich bin die St€rkste im System AARON, und diese St€rke wird von den Wahlberechtigten anerkannt und durch ihr Votum best€tigt. Das ist alles.‡ Demokratie? ging es mir wieder durch den Kopf. Ich gab mir selbst die Antwort - ohne es jedoch laut auszusprechen: Eine Konkurrenzgesellschaft. Eine k‚nstlich geschaffene Gesellschaftsevolution, wenn man so will - mit dem 111
Recht des St€rkeren. In einer jungen Demokratie nutzen die Starken ihre Macht nicht so rigoros, freundlich Gesinnte zu protektieren, um durch sie weitere Unterst‚tzung zu bekommen. Das w€re der fr‚he Tod einer jeden Demokratie, denn zu schnell w‚rden zementierte Monopole entstehen. Zu fr‚h w‚rde man wieder dort sein, wo alles begonnen hatte: Bei genau festgelegten Machtstrukturen und somit beim Recht auf Macht durch Geburt, um niemals das Zepter an †Fremde‡ ‚bergeben zu m‚ssen. Im System AARON schien die Sache namens Demokratie noch zu funktionieren, sonst w€re die Feindseligkeit der Rivalinnen nicht so offensichtlich gewesen: Man h€tte sich arrangiert, zum gegenseitigen Nutzen und zur gemeinsamen Bevormundung (und damit Verdummung!) des Volkes, das in einer Mitbestimmung schwelgte, wie sie fadenscheiniger gar nicht sein konnte... Das ist normalerweise der Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur! dachte ich zerknirscht: In der Demokratie darf man glauben, frei zu sein, und in der Diktatur weiƒ man definitiv, daƒ dem nicht so ist! Wenn ihr die Feindseligkeit nicht nur gespielt habt... Ja, dann klappt es bei euch noch. Und das nach Jahrhunderten? Ich war ehrlich gespannt auf die Versammlung, die anscheinend extra meinetwegen anberaumt worden war. Ich richtete mich hoch auf und sagte k‚hl: †Es ist im Grunde genommen der Systemvogt, der f‚r einen Sternenvogt als Gespr€chspartner infrage kommt - und nicht eine anonyme Versammlung!‡ Alle wandten sich mir zu - und zeigten offene Miƒbilligung. 112
†Jetzt ist dein Spiel aus!‡ drang es geh€ssig aus dem linken Ohrring. Ich blieb ruhig, ja €uƒerlich sogar gelassen. †Der Systemvogt ist nicht befugt, alleinige Entscheidungen zu treffen!‡ belehrte mich eine der Damen. †Aber der Sternenvogt!‡ entgegnete ich l€chelnd, †und die teilt er dem Systemvogt mit allgemeing‚ltig f‚r alle!‡ Der Systemvogt sch‚ttelte heftig den Kopf. †Dann m‚ƒte ich Eure Entscheidungen nicht nur rechtfertigen, sondern auch - pers•nlich durchsetzen!‡ Mein L€cheln gefror. †Aha, ich verstehe: Der Systemvogt ist nicht stark genug daf‚r! Nun gut, ich nehme die Herausforderung an!‡ †James, wo bist du?‡ rief es im Ohrring verzweifelt. Ich blieb unersch‚tterlich: †Wenn der Systemvogt die st€rkste Macht im System ist, dann ist der Sternenvogt mehr als das. Und dort, wo der Systemvogt sich durchzusetzen weiƒ, f€llt es dem Sternenvogt umso leichter. Sonst ist er es nicht wert, ein Sternenvogt zu sein...‡ †Nein!‡ schrie mein Herr und Meister. Ich sah ihn f•rmlich vor meinem geistigen Auge, wie er vor den Kontrollen saƒ, h€nderingend, mit Tr€nen in den Augen, v•llig am Ende mit seinen Nerven - und mit seiner Geduld... Die vier Damen schauten mich beeindruckt an. †Die Demokratie ist eine zarte Pflanze, an der die Kr€fte nagen, und sie kann nicht schnell genug nachwachsen, um ihr Verschwinden letztlich zu verhindern - und Platz zu machen einer Papierblume als Attrappe. Es sei denn...‡ Ich atmete 113
einmal tief durch. †Es sei denn, es gibt Kontrollmechanismen - €hnlich der Rezeptoren, die im Ernstfall nachhelfen, damit alles wieder ins rechte Lot ger€t.‡ In ihren Augen blitzte es. Ich fuhr fort: †Der Systemvogt kann also niemals unumschr€nkter Herrscher sein. Es gibt Kontrollorgane, und diese Kontrolle erfolgt stets von unten nach oben und niemals umgekehrt. Einer der Kontrollmechanismen ist die Versammlung, und in einer wirklich funktionierenden Demokratie siegt nicht allein die Reklame, sondern vor allem die ˆberzeugung durch Taten!‡ Sie zeigten sich auf einmal sehr zuversichtlich. Ich war es selber, obwohl mein Herr und Meister es anscheinend nicht verstehen konnte. Ich dachte: Jetzt habe ich nur noch einen einzigen Gegner, bevor ich vor die Versammlung trete. Und wenn ich diese H‚rde genommen habe, trete ich mit der st€rksten Lobby auf, die in einem solchen System m•glich ist - f‚r einen im Grunde genommen v•llig Fremden (und dann auch noch f‚r einen Mann). Der Systemvogt gab mir ungewollt recht, als er mit einer gebieterischen Geste die anderen hinausschickte - aus seinem B‚ro. Sie gehorchten z•gernd, aber es blieb ihnen nichts anderes ‚brig, als sich dem Wunsch ihres Systemvogts zu beugen. Der Kampf beginnt! dachte ich - und freute mich unb€ndig darauf, w€hrend es in meinem linken Ohrring unaufh•rlich haderte...
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24. Kapitel †Hast du eine Ahnung, wie einsam ein Sternenvogt ist?‡ fragte ich br‚chig, sobald wir allein waren. †Und wie einsam ist - ein Systemvogt?‡ Kurz warf sie einen Blick zur T‚r hin‚ber. Nicht hilfesuchend etwa, sondern eher nachdenklich. Dann schaute sie mir voll ins Gesicht. †Wir sind Feinde!‡ Ihre Augen glitzerten kalt, abweisend. †Nein!‡ widersprach ich. †Wenn schon, dann sind wir - Rivalen!‡ Sie betrachtete mich wie eine Schlange, die ihr Opfer belauert - auf Gelegenheit f‚r den t•dlichen Biƒ. †Wir...‡, begann sie, unterbrach sich jedoch. Ich wandte mich einfach ab von ihr, drehte ihr den R‚cken zu und verschr€nkte die H€nde hinter dem R‚cken. Mit geschlossenen Augen legte ich den Kopf in den Nacken. †Glaubst du wirklich, es muƒ so sein, wie es dir erscheint?‡ Mein Ohrring: †Was ist das: Theater oder Politik? Das Maƒ ist ‚bervoll, mein Freundchen!‡ Ich h€tte ihm gern gesagt: †Theater oder Politik - wo liegt da der Unterschied?‡ Aber ich versagte es mir, sondern konzentrierte mich auf meine Rolle. †Du siehst im Sternenvogt ein Monopol, nicht wahr? Du glaubst, wir w€ren vergleichbar mit den alten V•gten, wir w‚rden das Universum unterdr‚cken, ausbeuten, knechten - durch k‚nstlich gef•rderte Abh€ngigkeit von uns.‡ Ich machte wieder auf dem Absatz kehrt, 115
wandte mich ihr voll zu und begegnete ihrem kalten Blick. †Du irrst! Ein Sternenvogt ist niemals ein Herrscher, sondern ein Verwalter. Wir verwalten das Universum und h‚ten die Ordnung. Wir sind nicht die Ordnung selber. Auch wenn wir dir als Monopolisten erscheinen: Das System ist ‚beraus empfindlich, ungleich empfindlicher noch als eure Demokratie, und bedarf der ungebrochenen Aufmerksamkeit eines verl€ƒlichen, unbestechlichen H‚ters. Sobald diese Ordnung gest•rt wird, beispielsweise durch Konkurrenz, richtet sich aller Kraft auf den Konkurrenzkampf und nicht mehr auf das Stillen notwendiger Bed‚rfnisse aller Handelspartner. Was also im System AARON zu einer groƒartig funktionierenden Demokratie gef‚hrt hat - w‚rde das Universum vernichten. Denn nirgendwo...‡ Jetzt kam die entscheidende Stelle! †...nirgendwo ist der Mensch so reif f‚r eine Demokratie wie im System AARON, und diese Reife w€re n•tig, eine Institution wie den Sternenvogt v•llig zu entmonopolisieren! Ja, richtig geh•rt, diesmal benutze ich das Wort Monopol, aber nur in Abgrenzung zu der Alternative WAHLFREIHEIT! Denn nur in einem Universum, das die Reife etwa wie im System AARON erreicht hat, w€re es sinnvoll, die Sternenv•gte durch Wahl zu bestimmen. Und ich bin hier, um zu beweisen, daƒ jeder Sternenvogt zu Recht sein Amt verwaltet - obwohl ihn niemand da reingew€hlt hat. Kannst du dir das vorstellen: Jemand, der seit Jahrtausenden mit ungebrochener Gewissenhaftigkeit vorgeht, als w€re er der st€ndigen Kontrolle von unten ausgesetzt? Denn es gibt eine Kontrolle, die ist noch wirksamer: Erfolg oder Miƒerfolg! Und jede Art von Miƒer116
folg l€ƒt das Universum brennen!‡ Sie sch‚ttelte den Kopf. †Du verstehst nichts!‡ behauptete sie. †Nicht dein Amt macht uns zu Feinden, denn was du zu erkl€ren versuchst, habe ich l€ngst begriffen...‡ Ich runzelte irritiert die Stirn. Auf einmal war ich gar nicht mehr so selbstsicher wie noch vor Sekunden. Was war falsch? Gottlob blieb mein Herr und Gebieter stumm. Der h€tte mir gerade noch gefehlt. †Ich will es dir sagen, und verzeih mir meine Respektlosigkeit, Sternenvogt: Du bist kein Mann!‡ †Wie bitte?‡ entfuhr es mir. †Nicht einmal ein richtiger Mensch!‡ †Ein Sternenvogt...‡, kr€chzte ich. Was war aus meinem so groƒartigen Erfolgsrezept geworden? Hatte ich nicht noch vor Sekunden so getan, als h€tte ich ganz AARON l€ngst in der Tasche? Und jetzt? Sie erg€nzte: †...ein Sternenvogt ist ein Neutrum, auch wenn er aussieht wie ein Mann. Das ist eine sehr ungleiche Verhandlungsbasis, findest du nicht auch? Menschen haben Gef‚hle, von denen du nicht einmal etwas ahnst. Denn du - funktionierst ganz einfach nur!‡ Ich lachte laut auf. †Menschen? M€nner und Frauen!‡ †Ja, M€nner und Frauen!‡ rief sie €rgerlich. †Wie k•nntest du den Unterschied zwischen dir und uns verstehen? Eine Frau kann unter Umst€nden k€lter sein als ein Mann. Eine Frau hat ein weniger stark ausgepr€gtes Gef‚hlsleben als ein Mann. Sie ertr€gt Schicksalsschl€ge leichter und kann logischer Entscheidungen treffen, falls sie es gelernt hat, mit ihren Gef‚hlen umzugehen 117
- wie es in anderen Gesellschaften, also auf anderen Welten, f‚r gew•hnlich nur die M€nner lernen m‚ssen. Aber da es uns Frauen leichter f€llt, sind wir den M€nnern bei gleichen Voraussetzungen ‚berlegen. Wie k•nntest du allein dieses begreifen...?‡ †So ganz als Neutrum, nicht wahr?‡ Ich grinste sie breit an. Das miƒfiel ihr erheblich. †Ein Problem, das man nicht sachlich und n‚chtern beleuchten kann, entgleitet einem ins Emotionale. Man beginnt, Fehler zu machen. Man verlernt Selbstkritik, wo das Herz mit im Spiel ist.‡ †Probleme, die ein rechtes Neutrum sowieso niemals anfechten, wie?‡ spottete ich. Ich n€herte mich ihr, w€hrend sie sich immer mehr in Eifer redete. †Es macht uns zu Todfeinden, Sternenvogt! Ich muƒ dich hassen, um mich zu sch‚tzen. Wir alle m‚ssen dich hassen und m‚ssen dir den Tod w‚nschen, weil du keiner von uns bist und niemals sein kannst, und weil du deshalb unsere Belange nicht wahrnehmen darfst. Einfach, weil du sie nicht verstehst! Denn unsere Belange, das k•nnen niemals deine Belange sein! Dies ist...‡ Ich war jetzt so nahe, daƒ ich sie leicht in die Arme h€tte nehmen k•nnen. Aber ich tat es nicht - NOCH nicht! Ihren Redeschwall unterbrechend sagte ich: †...dies ist ein Vorurteil! Aber du k•nntest dich sehr leicht vom Gegenteil ‚berzeugen - hier und heute. Ich bin da, stehe daf‚r zur Verf‚gung. Voll und ganz!‡ Ihr Blick glitt unwillk‚rlich tiefer. Mir wurde mit jedem Zentimeter heiƒer. Ihr Blick blieb h€ngen. Ihre Augen weiteten 118
sich. Ihre Nasenfl‚gel bebten. Sie wollte nicht glauben, was sie sah. Ihre rechte Hand schwebte auf mich zu. Mein Atem wurde schwer. Ich zitterte leicht, ohne es verhindern zu wollen. Und dann ber‚hrte sie mich, und es war wie ein gewaltiger Stromstoƒ, der durch meinen erhitzten K•rper raste. Diese G•ttin von einem Systemvogt: Was f‚r eine geschickte Hand! Und jetzt auch mit der Linken. Sie hob den Kopf, damit ich ihr gl‚hendes Gesicht sehen konnte. Ihre Brust hob und senkte sich in tiefen Atemz‚gen. Sie streifte mein Gewand auf, entbl•ƒte mich, senkte wieder die Augen. Und auch ich schickte meine H€nde auf die Wanderschaft, schob das Gewand von ihrer Schulter. Als ich den nackten Busen sah... †Nat‚rlich bin ich - ein Mann!‡ €chzte ich. †Und du? Ein Systemvogt? Keine Frau?‡ †Doch, eine Frau!‡ fl‚sterte sie und dr€ngte sich fordernd an mich. Ich streichelte ihre straffen Br‚ste, schickte die H€nde tiefer und •ffnete mir ihre Schenkel. Wir sanken nieder...
25. Kapitel †Turdelnder, sexbeseƒener Narr!‡ schimpfte die Stimme meines Herrn und st•rte damit brutal 119
dieses abklingende Wonnegef‚hl, das mich tief durchatmen lieƒ. Ich sp‚rte den K•rper dieser berauschenden Frau. Aber sie erregte mich nicht mehr. Es tat einfach gut, sie zu sp‚ren - nur zu sp‚ren. †Was hast du uns da bloƒ eingebrockt!‡ Ich hatte das Gekeife endg‚ltig satt. W‚tend griff ich nach dem Ohrring, nahm ihn mit flinken Fingern ab und warf ihn weit von mir. Irgendwo traf er gegen die elastische Wand und fiel zu Boden. Zufriedener schmiegte ich mich wieder an die Sch•nste der Sch•nen. †Was war denn das?‡ erkundigte sie sich schnurrend. †Ein l€stiger Ohrring, der mich zwickte‡, behauptete ich. †Weg damit. Kannst ihn meinetwegen haben, als Andenken. Kannst ihn aber auch in den M‚ll werfen, falls dir das sinnvoller erscheint.‡ Das h•rte der Sternenvogt mit absoluter Sicherheit, denn der Ohrring beherbergte ein wahres Wunderwerk der modernen Mikrotechnik. Er muƒte es nicht nur h•ren, sondern vielleicht auch sehen, denn der Ohrring erzeugte ein winziges Feld, das auf Lichtschwingungen reagierte. Diese Lichtschwingungen wurden in Hyperimpulse umgewandelt und zum †Tropfen‡ ‚bertragen und von dort zum Raumschiff, das im sicheren Abstand vom Trio abwartete. Dort wurden die Schwingungsreize zu einem recht brauchbaren Bild verarbeitet. †Laƒ ihn liegen‡, fl‚sterte sie z€rtlich und knabberte an meinem Ohrl€ppchen. Wozu so ein B‚ro eines Systemvogts alles gut sein konnte... 120
Pl•tzlich schreckte sie zusammen. †He, die Versammlung! Man darf sie nicht warten lassen!‡ Miƒmutig runzelte ich die Stirn. Sie aber sprang auf und raffte ihr Gewand am Boden zusammen. Das Gewand warf sie ‚ber einen Sessel, der eigens zu diesem Zweck vor ihr aus dem Boden wuchs. Dann bet€tigte sie f‚r mich unsichtbare Kontakte - Rezeptoren? - und lieƒ damit ein breites Becken entstehend. Fr•hlich her‚berlachend stellte sie sich mitten hinein. Schon schoƒ ein harter Wasserstrahl auf sie nieder. Sie drehte sich darunter und genoƒ das Wasser auf ihrer nackten Haut. Ich beobachtete sie fasziniert und sp‚rte prompt wieder ein verr€terisches Ziehen in der Lendengegend. Dem gebot ich energisch Ruhe, obwohl es nicht viel nutzte. Resignierend stand ich ebenfalls auf und ging zur Dusche hin‚ber. †Mein‡ Systemvogt umarmte mich st‚rmisch und zog mich unter den harten Wasserstrahl. Ich hatte erwartet, daƒ er wenigstens wohltemperiert sei, aber das war er nicht, sondern vielmehr eiskalt. Sie sorgte daf‚r, daƒ mir warm genug wurde, und so turdelten wir, wie es mein Sternenvogt auszudr‚cken beliebte, lachten und scherzten und genossen diese letzten Minuten des gemeinsamen Zusammenseins. Ich begann die vermaledeite Versammlung, die uns bevorstand, aus tiefstem Herzen zu hassen. Aber es f‚hrte kein Weg daran vorbei: Ich hatte schlieƒlich einen Auftrag zu erf‚llen, und ungez€hlte Menschenleben hingen vom Erfolg oder 121
Miƒerfolg dieser Mission ab. Endlich strich ein warmer Luftstrom ‚ber uns hinweg, um uns zu trocknen. Wir rieben uns gegenseitig, um den Trocknungsvorgang zu beschleunigen. Stundenlang h€tte ich das tun k•nnen, ohne im geringsten zu erm‚den. Es war mir ‚berhaupt nicht recht, daƒ es so schnell ging. †Los jetzt!‡ dr€ngte der so aufregend weibliche Systemvogt und stieg als erste in ihr Gewand. Ich folgte miƒmutig ihrem Beispiel, und dann liefen wir Hand in Hand, wie zwei verliebte Teenager, zur T‚r. Bevor wir das B‚ro verlieƒen, nahm sie meinen Kopf in beide H€nde. †Feinde?‡ fragte ich. Sie l€chelte, sch‚ttelte den Kopf, daƒ die Haare flogen, und k‚ƒte mich auf den Mund. †Mein verliebter Sternenvogt!‡ fl‚sterte sie und •ffnete die T‚r. Ja, ab sofort war ich hier wieder der offizielle Sternenvogt. Nebeneinander, auf den schicklichen Abstand achtend, schritten wir den Gang entlang. Jetzt l€chelte sie auch nicht mehr, sondern trug die starre Maske ihres Standes w‚rdig zur Schau. Oder war es die Sorge um das, was uns erwartete?
26. Kapitel Die Versammlung. 122
Ich verhielt unwillk‚rlich im Schritt, um den Anblick zu verarbeiten. Niemand hatte mir erz€hlt, was mich wirklich erwartete, was es wirklich bedeutete, dieser Versammlung gegen‚berzutreten. Es war die Versammlung aller Subv•gte der drei Planeten, denn auch f‚r Scheinwelt waren V•gte zust€ndig, selbst wenn sie sich ‚berwiegend auf ALPHA oder BETA aufhielten und sozusagen aus sicherem Abstand ihre Gesch€fte f‚hrten. Ich sch€tzte die Versammlung auf insgesamt zweitausend V•gte. Als wir eintraten, empfing uns zun€chst eine tiefe Grabesstille. Jeder Vogt hielt sich streng an die Etikette. Wir wurden erwartet. Es war das erste Mal im Leben der Aaroner, daƒ ein Sternenvogt pers•nlich erschien, um hier teilzunehmen. Ich ‚berwand meine Erstarrung und schritt vor dem Systemvogt weiter. Da erst wurde mir bewuƒt, daƒ ich nicht einmal ihren Namen kannte. Liebe auf den ersten Blick? dachte ich. Hoffentlich hatte sie mich nicht zu sehr †erblinden‡ lassen... Die Brisanz meiner Mission kam mir erneut zu Bewuƒtsein und lieƒ mich das wunderbare Erlebnis im B‚ro des Systemvogts verdr€ngen. Ich trat an den Kopf der Versammlung. Dort unten saƒen sie alle: Die Sitzreihen waren halbkreisf•rmig angeordnet. Dazwischen, gleich den Strahlen eines Sterns, gab es schmale Durchg€nge. Wie in einem altert‚mlichen irdischen Parlament, wo die G€nge gemeinhin die Parteien optisch voneinander trennten. 123
Aber hier existierten keine Parteien. Sie waren nicht notwendig, weil es kein Direktwahlsystem gab. Die Masse konnte nur indirekt ihre Parlamente w€hlen. †Die Sitzordnung wird jedesmal neu durch das Los bestimmt‡, erl€uterte der Systemvogt im Fl‚sterton, aber ich h€tte schw•ren k•nnen, daƒ man es bis in die letzte Ecke h•rte. †Die Versammlung wird jeden Monat neu einberufen. Normalerweise sind die Sitze h•chstens zur H€lfte besetzt. Nur bei auƒerordentlichen Sitzungen kommt die komplette Versammlung zustande.‡ Dies ist offensichtlich eine ganz besonders auƒerordentliche Sitzung! dachte ich, w€hrend der kalte Schweiƒ auf meine Stirn trat. †Wir groƒ ist deine Macht - ‚ber diese Frauen?‡ †Nein, nicht Frauen‡, belehrte sie mich prompt: †Aaroner!‡ Die Antwort auf meine Frage blieb allerdings aus. Ich trat nicht ans Rednerpult, sondern ganz nach vorn an die Kante der B‚hne. Jetzt konnten sie mich in voller Lebensgr•ƒe sehen. Alle. Ausnahmslos. Sie schienen den Atem anzuhalten, denn ich h•rte kaum ein Ger€usch. Ich verzichtete auf die Lautsprecheranlage, sch•pfte tief Atem und sagte mit donnernder Stimme: †Ich gr‚ƒe euch, Aaroner - Subv•gte des Systems AARON!‡ Die perfekte Akustik der Versammlungshalle trug meine Worte auch ohne die Lautsprecheranlage bis in den kleinsten Winkel. Danach blieb es still. Ich wiederholte: †Ich gr‚ƒe euch!‡ 124
Da antworteten sie mit zweitausend Stimmen gleichzeitig: †Wir gr‚ƒen dich, Sternenvogt!‡ Es war m•glicherweise eine Ungeheuerlichkeit, daƒ sie mich einfach duzten: Ich muƒte sie lehren, die n•tige Ehrerbietung zu erbringen - wie es einem echten Sternenvogt geb‚hrte! Der †gerechte Zorn‡ lieƒ mich err•ten. Ich ballte die H€nde zu F€usten und hob sie langsam. F‚nftausend Menschen hatte ich mit eiserner Hand regiert - in meiner Straƒe. Ich war Herr ‚ber Leben und Tod eines jeden von ihnen gewesen. Eine solche Situation wie hier war mir also nicht ganz fremd. Auƒerdem: hier waren es lediglich ZWEITAUSEND, also DREITAUSEND WENIGER! Ich wollte ihnen zeigen, mit wem sie es zu tun hatten... †Vorsicht!‡ zischte der Systemvogt. Allein, bei mir nutzte eine solche Warnung nichts, wenn ich mir einmal etwas vorgenommen hatte. Das w‚rde sie auch noch lernen m‚ssen. Diese hier hielten mich f‚r ein Neutrum. F‚r sie war ein Neutrum ein Nichts. F‚r sie z€hlten nur Frauen - und M€nner wurden lediglich als Spielgef€hrten und notwendige Zeugungspartner angesehen. Mehr galten sie gemeinhin nicht. Das hatte ich l€ngst begriffen. Und diese hier wiederum muƒten begreifen, was es hieƒ, den Sternenvogt pers•nlich vor sich zu haben! Ich donnerte: †Wie heiƒt das, Subv•gte von AARON?‡ †Wir gr‚ƒen dich, Sternenvogt!‡ brauste der zweitausendk•pfige Chor. †Wie heiƒt das? Heiƒt das vielleicht: Ich gr‚ƒe euch, ihr Weiber von AARON? Oder heiƒt es nicht 125
vielmehr: Ich gr‚ƒe euch, Subv•gte des Systems AARON? Und so heiƒt es auch nicht... Na?‡ Dieses †Na?‡ schnitt energisch in ihre Reihen und erreichte jede von ihnen. Ich w‚rde ihnen zeigen, wer der HERR DER STRAƒE war, jawohl, ich w‚rde es ihnen ein f‚r allemal zeigen! †Wie heiƒt das?‡ br‚llte ich. †Wir gr‚ƒen dich...‡, begannen sie. †Wie heiƒt das?‡ Ich ‚berstimmte sie glatt. Das hatten sie noch niemals erlebt. Ich tat es ohne diesen technischen Schnickschnack, sondern ausschlieƒlich mit meiner eigenen Stimme - obwohl ich dabei Gefahr lief, sie f‚r immer zu verlieren. Aber eine solche Stimmgewalt - das war f‚r sie unvorstellbar gewesen - bis zum jetzigen Zeitpunkt! †Wie?‡ br‚llte ich. †Wir gr‚ƒen Euch, Erhabener!‡ brauste der Chor herauf - wie eine Sturmflut. Ich schwang die F€uste deutlich sichtbar im Takt: †Wir gr‚ƒen Euch, erhabener Sternenvogt! Wir gr‚ƒen Euch, erhabener Sternenvogt!‡ Das war es! Das hatte ich von ihnen h•ren wollen. Ich lieƒ die F€uste niedersausen, als wollte ich jemanden damit erschlagen. Sie verstummten im gleichen Atemzug.
27. Kapitel †Mein‡ Systemvogt hinter mir keuchte. Jetzt konnte ich mich ihr nicht widmen. Ich 126
muƒte die Zweitausend im Auge behalten. Nichts durfte mir entgehen, nicht dir geringste Regung. Ich muƒte bei jeder einzelnen das Gef‚hl erzeugen, mein durchdringender Blick w‚rde genau auf ihr lasten. Nur so konnte man die Masse beherrschen. Ich hatte meine Mission zu erf‚llen. Schutzlos stand ich hier oben. Wenn sie kamen, konnten sie mich ohne weiteres in St‚cke reiƒen. Auch der Systemvogt konnte das nicht verhindern. Selbst wenn sie es darauf angelegt h€tte. Aber wenn ich unterlag, w‚rde es nicht nur mein eigenes Leben kosten. Krieg war V•lkermord, und dieser hier w‚rde wie ein Fl€chenbrand um sich greifen: Zuerst w‚rde das Raumschiff ‚ber der Erde zerstrahlt werden. Weitere Schiffe w‚rden sie losschicken. Mein Herr w‚rde inzwischen eine Kampfflotte herbeordern. Denn ganz allein w‚rde er den Kampf niemals aufnehmen. Er hatte zwar die M•glichkeiten, von seinem Schiff aus die drei Planeten des Trios zu zerstrahlen, daf‚r waren ihm allerdings die Mineralien von Scheinwelt zu schade: Der einzige Grund, warum er das noch nicht offen angedroht hatte. Die Flotte w‚rde die Schiffe der Aaroner aufreiben und alles Leben ausl•schen. Anschlieƒend w‚rde der Sternenvogt neue Erdfrauen einkaufen und hier einsetzen. Aber die Aaroner hatten selber Sternenschiffe: Inzwischen w‚rde der Kampf an anderer Stelle weitergehen. Auƒerdem w‚rde es recht lange dauern, bis Scheinwelt wieder im vollen Umfang wie heute ausgebeutet werden k•nnte. Der Handel zwischen 127
den Sternen w‚rde in dieser Zeit empfindlich gest•rt bleiben. Dieses komplizierte System war einfach zu empfindlich. Nachteile f‚r alle Handelspartner und dadurch wiederum f‚r deren Handelpartner... Viele w‚rden in dieser Krise zu Tode kommen, bevor die letzte Frau von AARON ausgel•scht war - mitsamt ihrem Sternenschiff. Ich stand hier, um es zu verhindern, und vielleicht ahnten einige von ihnen, wie ernst es wirklich stand? Wenn nicht, muƒte ich es ihnen klarmachen - allein mit meiner Person. †Ich gr‚ƒe euch!‡ sagte ich ernst und l€ngst nicht mehr so donnernd. Aber die perfekte Akustik der Halle unterst‚tzte mich, und auƒerdem war es leise genug geworden, daƒ mich jede verstand. Ich dankte insgeheim meinem Schicksal, daƒ nicht ausgerechnet jetzt ein Erdbeben begann und alles verpatzte. Oder war es vielmehr so, daƒ man die Versammlungshalle besonders gesch‚tzt hatte? †Ich - gr‚ƒe - euch!‡ wiederholte ich, jedes Wort einzeln betonend. †Und - ich frage...‡ Ich hob den rechten Arm, streckte den Zeigefinger nach oben. Meine Stimme wurde wieder lauter: †...ich frage: Habe ich ein Sternenschiff von AARON gesehen - unterwegs zur Erde?‡ Nat‚rlich keine Antwort. Stille. Ich lieƒ den Arm oben. Sekundenlang. W€hrend ich ihn danach langsam sinken lieƒ: †Ich danke euch. Ich danke daf‚r, daƒ ihr euch weiterentwickelt habt. Ihr habt ein neues Gesellschaftssystem, das sich l€ngst bew€hrt hat, eine demokratische Ordnung. Ich sehe, daƒ sie funk128
tioniert. Ich sehe eure Freiheit, die Freiheit des Trios, die Freiheit eurer Welten, deren Natur ihr euch zu nutzen gemacht habt - durch perfekte gegenseitige Anpassung. Freiheit, die kostbar ist, weil m‚hevoll erk€mpft. Freiheit, die es zu erhalten gilt.‡ Meine Stimme wurde von nun an von Wort zu Wort um winzige Nuancen lauter: †Eine unersetzliche Freiheit in freiheitlicher, funktionst‚chtiger Demokratie. Ohne Protektion, weil die Kontrolle von unten nach oben erfolgt, weil der Vogt nur in seinem Amt funktionieren muƒ und dar‚ber hinaus keinerlei Rechte besitzt, auch keine Befugnisse, auch keine Anordnungsgewalt. Jeder Posten wird von unten nach oben besetzt und niemals von oben nach unten vorgeschrieben. Demokratie in Politik, in Wirtschaft und im...‡ Ich machte eine Kunstpause. †Und im Handel!‡ Abermals eine Pause, danach wie Donnerhall: †Freiheit des Handels, ohne Monopol? Das ist die wahre Freiheit des Systems AARON!‡ Ich breitete die Arme aus, als wollte ich sie alle gleichzeitig umarmen. †Ich aber sage euch, daƒ es andere Welten gibt, andere Planeten, andere Systeme. Ich habe sie gesehen. Ich habe sie besucht. Ich habe sie erlebt. Ich kenne sie genauestens. Andere Welten - andere Ordnungen.‡ Ich stieƒ eine Faust nach oben. †Mit welchem Recht, frage ich euch, pflegt ihr hier die Freiheit und setzt euch gleichzeitig ‚ber die Freiheit innerhalb der universalen Ordnung aller anderen Welten hinweg? Mit welchem Recht erwartet ihr, daƒ alle anderen eurer Meinung sein m‚ƒt? Mit welchem Recht sprecht ihr von einem Monopol der Sternenv•gte, das es zu brechen gilt, 129
indem ihr ein eigenes Monopol, das Monopol eurer eigenen Freiheit, der Freiheit einzig und allein f‚r AARON und f‚r sonst niemanden... indem ihr dieses selbstherrliche Monopol beansprucht? Ein Monopol, das ihr ungefragt allen anderen aufdr€ngen wollt - wenn n•tig sogar mit Gewalt?‡ Sie schwiegen, aber ich sp‚rte, daƒ ich sie nicht mehr alle erreichte: Sie begannen, sich aufzulehnen. Ich hatte mit meiner Taktik das Problem erl€utert, aber ich hatte dabei einen rhetorischen Grundsatz verletzt: Um wahrlich zu ‚berzeugen, darfst du niemals das krasse Gegenteil von dem propagieren, das man anstrebt! Aber es war mir keine andere Wahl geblieben, als diesen Grundsatz so leichtfertig zu miƒachten. Denn ich konnte es mir einfach nicht leisten, vor dieser Versammlung um den heiƒen Brei herumzureden. Diplomatie war ein gutes Mittel, aber daf‚r brauchte man Zeit. Und die hatte ich nicht. Denn das machte einfach meine Stimme nicht mit! Ich hatte sie zun€chst beeindruckt und mir dabei die Gelegenheit erk€mpft, ihnen das bestehende Problem deutlich zu machen. Ohne dabei unterbrochen zu werden! Jedes meiner Worte hatte die Ohren der Versammelten erreicht. Auch den Verstand. Das war zun€chst entscheidend gewesen. Und jetzt muƒte ich wieder stark sein, muƒte sie alle ‚bertrumpfen, ihnen vorgaukeln, ich sei ein Superwesen, unangreifbar, eben ein - Sternenvogt. Nicht einer, der sich auf sein Monopol berief, sondern einer, wie er genauso als so eine Art Superbursche aus der Masse ihres Volkes h€tte herauswachsen k•nnen. Wie es im Grunde genommen jede Einzelne 130
von ihnen erreicht hatte. Letztlich auch der Systemvogt. Doch ich muƒte besser sein als alle - konnte sie einzig damit erobern. Denn in der Demokratie von AARON ging es nicht allein um Wahlen und das Gewinnen dieser. Da ging es um k•rperlichen und intellektuellen Einsatz aller M•glichkeiten. Da ging es schlichtweg um Kampf in allen Erscheinungsformen. Das hatte der Systemvogt angedeutet, und allein diese Andeutung gen‚gte, mich handeln zu lassen - so und nicht anders...
28. Kapitel Ich war jetzt HERR DER STRAƒE. Ich hatte eine €hnliche Karriere beschritten - daheim auf der Erde, innerhalb der weltumspannenden Organisation mit dem ‚berkommenen Namen MAFIA. Eine ganz besondere Art von Demokratie, zugegeben: h€rter, brutaler, gnadenloser, kompromiƒloser noch als hier. Die Demokratie der MAFIA war die Demokratie der Gewalt, mit dem verbrieften Recht des St€rkeren. Faust und Gnadenlosigkeit lieƒen einen zum Herrn aufsteigen. Im System AARON jedoch z€hlte in erster Linie die Kraft des Geistes, pers•nliche Ausstrahlung, F‚hrungseigenschaften, die man unter Beweis stellen muƒte - f‚r Entscheidungen, die f‚r andere lebenswichtig, ja sogar lebensentscheidend sein konnten! Ich muƒte diese hier ‚berzeugen, daƒ ich nicht nur den Weg eines Systemvogts geschafft h€tte, 131
sondern daƒ ich nach ihrer Ordnung zu allem in der Lage gewesen w€re - auch zum HERRN DES UNIVERSUMS! Nur so waren sie auch zu ‚berzeugen, daƒ ich zu Recht der Sternenvogt war. Denn erst dann bekamen all meine Erkl€rungen zur Sache das n•tige Gewicht. Ich sprang von der B‚hne hinab und landete zu F‚ƒen der zweitausend Versammelten. Ein Schrei hallte durch die Reihen. Ich schritt auf sie zu, zeigte ihnen die F€uste. †Ich bin bereit zu k€mpfen. Ich sehe zweitausend Subv•gte vor mir. Ich sehe die Elite des Volkes von AARON. Und nur derjenige hat das Recht, sich ‚ber die Elite zu erheben, der dieser Elite gewachsen, ja sogar ‚berlegen ist!‡ Damit hatte ich genau den Nerv des Systems getroffen. Ich deutete in die Reihen. †Da, da und da! Jede von euch. Ich k€mpfe. Kommt. Ich besiege euch. ICH BESIEGE EUCH!‡ Ich w€hlte den mittleren Durchgang und schritt ihn entlang. Sie folgten mir mit den Blicken. Ich schaute in einzelne Gesichter. Sie hielten mir stand. Sie wichen nicht aus. Sie hatten keine Angst vor mir, aber sie respektierten mich in ihrer Art. Obwohl: Keine machte Anstalten, meinem Aufruf zum Kampf zu folgen. Sie sch€tzten mich ab. Ich zeigte ihnen im wahrsten Sinne des Wortes Muskeln. Ich zeigte ihnen ˆberlegenheit des K•rpers, und vorher hatte ich ˆberlegenheit der Stimmgewalt - und letztlich auch die ˆberlegenheit von 132
Argumenten bewiesen... Gen‚gte es immer noch nicht? Ich hatte die H€lfte des Weges hinter mir und blieb stehen. Ich drehte mich halb um die eigene Achse und sp‚rte Unsicherheit, die sich auf leisen Sohlen anschlich. Sie w‚rde mich t•ten. Unsicherheit, weil es mir nur halbwegs gelungen war, die Versammlung zu ‚berzeugen. Was fehlte noch? Was war mit der zweiten H€lfte? Warum blieben die Frauen von AARON so verdammt abwartend? Wieso diese zur Schau gestellte Neutralit€t? Ich f‚hlte mich wie ein Dirigent, dessen Taktstock zerbrochen war. Es muƒte jetzt etwas geschehen, sonst war doch noch alles verloren, und ich war vom ertr€umten Sieg weiter entfernt als zu Beginn... Neutralit€t? Ich dachte an die Worte des Systemvogts: †Du bist kein Mann!‡ und: †Nicht einmal ein Mensch!‡ und: †Ein Sternenvogt ist ein Neutrum, auch wenn er aussieht wie ein Mann. Das macht uns zu Todfeinden, Sternenvogt. Ich muƒ dich hassen, um mich zu sch‚tzen. Wir alle m‚ssen dich hassen und m‚ssen dir den Tod w‚nschen.‡ Es war der reinste Irrwitz. Es war - das Ende, falls kein Wunder geschah. Denn es nutzte ‚berhaupt nichts, ˆberlegenheit zu beweisen, wenn ich ihnen nicht beweisen konnte, daƒ ich trotz allem ein Mensch war - gerade so wie sie. Denn nur als Mensch h€tte ich ein B‚rger von AARON sein k•nnen. Und nur als B‚rger von AARON konnte man innerhalb einer solchen Ordnung zum h•chsten Amt des Universums aufsteigen von allen akzeptiert. Dabei war es geradewegs von sekund€rer Be133
deutung, daƒ ich keine Frau war - so wie sie. Sogar als Mann h€tten sie mich akzeptiert, aber keineswegs als geschlechtsloses - Neutrum! Und das war und blieb der Sternenvogt f‚r sie. Und deshalb war ich nach wie vor einer, der sein Monopol verwaltete - ohne seine Berechtigung nachgewiesen zu haben. Noch verhielten sie schweigend, beeindruckt von meiner ‚berlegenen St€rke. Aber jetzt erschien es mir, als w€re ich die Maus, die von zweitausend hungrigen Katzen taxiert wird. Das Neutrum... Keine von ihnen w‚rde unter diesen Umst€nden gegen‚ber dem Volk je vertreten k•nnen, alles h€tte seine Richtigkeit. Ich hatte mir so sehr gew‚nscht, zu siegen, um meinem Herrn zu beweisen, daƒ er richtig gew€hlt hatte. Und w€re ich dann zum Schiff zur‚ckgekehrt, h€tten die Aaroner stolz gesagt: †Seht, dort zieht er wieder hin, der Sternenvogt. Er ist geradewegs wie einer von uns. Er vertritt nicht einfach nur ein Monopol, sondern unsere ureigenen Interessen. Und unsere Interessen - das sind auch die Interessen aller anderen Menschen auf allen anderen Planeten des Universums...‡ Gl‚cklich h€tten sie sein sollen, meine Bekanntschaft gemacht zu haben. Was f‚r ein tr€umerischer Narr ich doch gewesen war: Jetzt wurde es mir bewuƒt, und ich erlebte noch etwas: Meine erste und gleichzeitig gr•ƒte und deshalb auch allerletzte Niederlage...
29. Kapitel 134
Mit den Wundern ist das so eine Sache. Meistens wartet man vergeblich auf sie. Wenn sie dann wirklich einmal eintreten, stellen wir bei n€herer Betrachtung fest, daƒ es eigentlich gar keine echten Wunder sind, sondern die logische Konsequenz in einer nat‚rlichen Situation, das zwangsl€ufige Einm‚nden allen Geschehens in ein bestimmtes Ereignis - und sei es auch noch so spektakul€r. Wie jetzt: Meine Bef‚rchtungen und „ngste erwiesen sich mit einem einzigen Schlag als nicht nur ‚bertrieben, sondern auch als - v•llig unbegr‚ndet! Nein, ich hatte in Wahrheit keinen Fehler begangen. Nicht den geringsten. Es sei denn, man sieht es als Fehler an, sich zu verlieben, und in dieser Hinsicht war ich durchaus - schuldig. Wann hatte man denn schon einmal geh•rt, daƒ einem ein solcher †Fehler‡ das Leben retten konnte? Daƒ man sich nur zu verlieben braucht, um einen Krieg zu verhindern, der Milliarden das Leben gekostet h€tte? In der Geschichte der Menschheit war es eher umgekehrt gewesen, immer wieder: Wenn sich da Menschen verliebt hatten, war es in der Regel der Ausl•ser f‚r schreckliche Kriege gewesen - nicht nur seit dem Kampf um Troja... Ich war hier die Ausnahme, und alles stimmte. Auch †mein‡ Systemvogt war - goldrichtig: Sie stand am Rednerpult, sah zu uns herab und weinte. Jeder konnte ihre Tr€nen sehen, und sie sch€mte sich dieser Tr€nen keineswegs, obwohl sie damit doch eigentlich Schw€che zeigte. Aber: Schw€che gegen‚ber wem? Denn diese Schw€che zeigte sie keineswegs ge135
gen‚ber der Versammlung oder vor den Planetenv•gten im Hintergrund, sondern damit unterstrich sie einzig und allein ihre Aussage: †Er ist ein Mann, ein wahrer Mann! Er ist nicht nur der Sternenvogt. Er hat mich erobert - im Sturm. Er hat mich besiegt. Ich bin sein. Er ist ein Mann, und er ist mehr als das, sonst w€re es ihm nicht gelungen.‡ Sie rief es laut hinaus: †MEIN STERNENVOGT!‡ Das war's dann wohl! dachte ich erleichtert. Ich konnte diese Erleichterung nicht verbergen, aber das brauchte ich auch gar nicht, denn die Versammlung verwandelte sich von einer Sekunde zur anderen in ein Tollhaus. Ich war froh, daƒ niemand von mir erwartete, jetzt wieder meine Stimmgewalt unter Beweis zu stellen, denn gegen‚ber diesem Inferno w€re sie nicht mehr als das heisere Kr€chzen eines Raben gewesen, das man h•chsten f‚nf Sitze weit geh•rt h€tte. Die Aaroner zeigten mir, zu welchen Begeisterungsst‚rmen sie f€hig waren - wenn sie nur erst einen triftigen Grund daf‚r sahen! Von Disziplin oder so war keine Rede mehr. So etwas hatte ich noch nicht einmal andeutungsweise erlebt. Auf der Erde war die individuelle Konkurrenz viel zu groƒ daf‚r. Aber keine der Subv•gte ber‚hrte mich auch nur. Sie hatten viel zu viel Respekt vor meiner Person. Ich war gl‚cklich dar‚ber, denn wenn sie mir ihre Begeisterung auch noch handgreiflich unter Beweis gestellt h€tten... Ich bin ‚berzeugt davon, es w€re kaum noch etwas von mir ‚briggeblieben: Mitten im Zentrum einer gewaltigen Detonation w€re nichts dagegen gewesen! 136
Unter den ohrenbet€ubenden Ovationen schritt ich den Gang entlang in Richtung Rednerb‚hne. Der B‚hnenrand war fast drei Meter hoch. Ich nutzte den Rest des Weges zu einem kurzen Anlauf. Ich flog empor, erwischte programmgem€ƒ die Kante und schwang mich hinauf. War es denn wirklich m•glich, daƒ sich dieser Beifall sogar noch steigern konnte? Es war! Sie sprangen von ihren Sitzen und str•mten herbei, die Subv•gte aus dem System AARON, die weibliche Elite eines Milliardenvolkes. Ich war der einzige Mann in der groƒen Versammlungshalle, aber ich h€tte es niemals gewagt, in den Aaronern etwas anderes zu sehen als eben - Aaroner. Denn da war mein Systemvogt. Sie nahm ich in meine Arme. Nur sie sah ich als Frau an, denn genauso wie ich sie erobert hatte, war es auch ihr bei mir gelungen. Welch ein Gl‚ck, daƒ nur die Amtsbezeichnung so etwas irgendwie M€nnliches hat! dachte ich, und wir umarmten und k‚ƒten uns unter Applaus, begeisterten Pfiffen und st€ndigen Zurufen. Daƒ in diesem Augenblick eines der gr•ƒten Erdbeben aller Zeiten auf ALPHA begann, war wie ein besonderes Zeichen Gottes - sein †pers•nlicher Beifall‡. Jedenfalls wurde es so gewertet. Obwohl: Ich schw•re bei allem, was mir heilig ist, das war purer Zufall, und weder ich, noch der echte Sternenvogt war in irgendeiner Weise daran beteiligt...
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30. Kapitel Es gibt Dinge, die bringen nicht nur einfach Freude. Es gibt Dinge, die machen einen nicht nur einfach gl‚cklich. Es gibt eben Dinge, die bringen ein Gl‚ck, von dem man zu anderen Zeiten nicht einmal zu tr€umen wagt, weil man sich nicht vorstellen kann, daƒ es solches Gl‚ck ‚berhaupt geben k•nnte - f‚r einen. Es ist grausam, daƒ dies dieselben Dinge sind, die uns die H•lle bescheren, uns unendliche Qualen bereiten, wie sie schlimmer nicht sein k•nnen, uns manchmal sogar in den Tod treiben wollen - falls ihr Ende naht. Zu diesen Dingen geh•rt die Liebe zu einer Frau. Seit ich †meinen‡ Systemvogt kennengelernt hatte und mir wieder klar wurde, daƒ ich sie zwangsl€ufig irgendwann verlassen muƒte, war ich in der Lage, in solchen Angelegenheiten mitzureden. Obwohl - wir verdr€ngten alle Gedanken an den unumg€nglichen Abschied nach Kr€ften. Wir reisten Seite an Seite, Hand in Hand, ‚ber die Planeten des Trios. Wir besuchten auch Scheinwelt und berauschten uns an seiner Sch•nheit, die doch so gef€hrlich f‚r einen Mann sein konnte. Ich lernte auch M€nner kennen. Meine schlimmsten Bef‚rchtungen in dieser Beziehung bewahrheiteten sich gottlob nicht: Die M€nner waren gewissermaƒen voll integriert. Sie hatten zwar niemals die Chance, ein Amt zu bekleiden, aber sie wurden auch nicht behandelt wie Sklaven - eher wie eine Art Playboys. 138
Wie hatte sie mein Herr noch genannt: Menschenware! Mit ihnen wurde gehandelt. M€nner gegen Mineralien. Genauso wie Nahrungskonzentrate gegen Mineralien. Oder wie exotische Tiere gegen Mineralien. Sternenhandel. Die M€nner von AARON waren Gef€hrten der Aaroner. Trotz der regelm€ƒigen Importe blieben sie Mangelware. So war es keine Seltenheit, daƒ sich viele Frauen gemeinsam nur einen Gef€hrten leisten konnten. Ein Los, das die M€nner f‚r gew•hnlich nicht nur gelassen, sondern in der Regel mit Freuden trugen, wie ich immer wieder l€chelnd feststellen muƒte. Mich selbst behandelte man ‚berall als den, der ich f‚r alle war: Der Sternenvogt - berechtigter Herr des Universums! Eine groƒe Ehre, aber ich hatte nichts dagegen einzuwenden. Schlieƒlich hatte ich so meine Mission erf‚llen k•nnen. Ich begr‚ƒte jedes Fest, das mir zu Ehren gestiftet wurde. Und so gelangte ich von einem rauschenden Fest zum anderen, erlebte eine Zeit wie im Himmel, war verliebt, war Tag und Nacht mit meiner Geliebten zusammen... Jetzt kannte ich nat‚rlich auch ihren Namen endlich. Sie hatte ihn mir in einer unvergeƒlichen Nacht ins Ohr gehaucht: †Maara!‡ †Ich werde ihn nie mehr vergessen!‡ hatte ich versprochen - ein Versprechen, das ich leicht einhalten konnte. Nie mehr vergessen! 139
Viel lieber w€re ich nie wieder von ihr fortgegangen, aber ich hatte nicht nur diese eine Mission: Am Rande des Systems von AARON wartete ein Sternenschiff, und darauf wartete mein Herr. Der Ohrring, mit dem er mich hatte ‚berwachen wollen, war spurlos verschwunden. Bestimmt hatte ihn eine der Aaroner als Andenken an sich genommen. Maara nicht, denn das h€tte ich irgendwann bemerkt. Mir war es egal. Auf jeden Fall sicherte es, daƒ der Sternenvogt vom Erfolg meiner Mission erfuhr. Maara hatte mir auch mitgeteilt, daƒ das Schiff in Richtung Erde wieder umgedreht w€re. Erfolg auf der ganzen Linie. †Wann folgt der - Abschied?‡ fragte mich Maara einmal. Diese Frage kam ‚berraschend f‚r mich und k‚ndigte das Ende der Gl‚ckseligkeit an. Ich dr‚ckte sie fest an mich und antwortete traurig: †Dann, bevor die n€chste Handelsflotte turnusm€ƒig hier auftaucht. Es ist der Beginn des neuen Alltags.‡ Diesen Aufschub g•nnte ich uns noch. †Die Erforschung und Erprobung neuer Antriebssysteme f‚r Sternenschiffe wurde eingestellt!‡ verk‚ndete sie zu einem anderen Zeitpunkt. Ich l€chelte. †Warum?‡ †Das fragst DU?‡ †Ja, das frage ich, Maara.‡ †Du h€ttest also nichts dagegen, wenn wir die Forschung und Erprobung...?‡ †Warum sollte ich?‡ †Aber dann bleibt doch die Gefahr der - Kon140
kurrenz!‡ Ich dr‚ckte ihre Schultern und blickte ihr tief in die Augen. †Konkurrenz?‡ Ich sch‚ttelte den Kopf. †Hast du eine Ahnung von der Weite des Universums? Hast du eine Ahnung davon, wie viele Welten von unseren Handelsflotten besucht werden? Es gibt nicht nur mich. Es gibt andere Sternenv•gte. Alles, was wir tun, tun wir f‚r die anderen, und alles, was die anderen tun, tun sie f‚r jeden in diesem Universum. Ich werde das System AARON verlassen im Bewuƒtsein, ein Aaroner zu sein. Aber dann sind alle anderen Sternenv•gte ebenfalls Aaroner. Keiner ist, was nicht auch die anderen sind. Wir sind viele und doch sind wir viel zu wenige. Wir sind st€ndig da und doch begegnen wir uns nie. Es sei denn, wir w‚rden darin einen Sinn sehen - zum Beispiel f‚r eine Art Konferenz. Doch dazu fehlt es uns an Zeit. Es gilt, in der Unendlichkeit zu wachen. Sternenv•gte sind keine Herren, sondern sie sind H‚ter oder - wenn du so willst - Verwalter der Sterne.‡ †Keine leichte Aufgabe‡, sagte sie nachdenklich. †Aber wir werden die Forschungen nicht weiter betreiben, weil sie unn•tig Kraft vergeuden, mein Sternenvogt. Denn was nutzt uns ein Antrieb, wenn wir ihn nicht einsetzen k•nnen, weil er uns keinen Vorteil bringt? Wir haben einen Sternenvogt - und damit haben wir alle. Es gibt nichts, was wichtiger w€re, als dies f‚r immer zu erhalten.‡ Wir umarmten uns wieder. Nur ein einziges Mal vor meinem Abschied zeigte mir Maara eine Entbindungsstation. Sie zeigte mir, daƒ nicht nur M€dchen geboren wur141
den, sondern auch Jungen! Das h€tte ich nicht erwartet. Doch die Jungen waren nicht lebensf€hig. Man versuchte alles. Man isolierte sie in v•llig strahlengesch‚tzter, steriler Umgebung. Aber sie starben. †Es ist die ver€nderte Erbmasse von uns Aaronern‡, erl€uterte Maara tonlos. †Es gibt keine M•glichkeit. Kommt ein ausgereifter Mann in unser System, darf er ganz normal leben. Er darf nur nicht ungesch‚tzt Scheinwelt aufsuchen.‡ Ich hatte einen Verdacht. †Bist du dessen sicher?‡ †Wieso nicht?‡ †Ich meine, Maara, dies ist vielleicht nur ein Vorurteil? Wie k•nnt ihr wissen, daƒ ein Mann auf Scheinwelt stirbt, wenn es nicht erprobt ist?‡ †Erproben?‡ rief sie erschrocken. Ich winkte mit beiden H€nden ab. †Ich weiƒ, Maara, eine schlimme Vorstellung, aber ich werde noch einmal Scheinwelt aufsuchen, v•llig ungesch‚tzt!‡ †Nein!‡ †Keine Bange, Maara. Wenn ich wieder auf meinem Schiff bin, werde ich mich komplett analysieren lassen. Mein Schiff wird herausfinden, ob sich mein K•rper ver€ndert hat und wenn ja inwieweit.‡ †Warum willst du das tun, mein Sternenvogt?‡ †Weil ich einen Verdacht habe: Die Strahlung wirkt auf die Erbmasse von Mann und Frau gleichermaƒen. Sie wirkt nicht allein auf den K•rper und das Wohlbefinden eines Mannes. Eure Babys sind deshalb nicht lebensf€hig, weil die Erbmasse entsprechend ver€ndert ist. Es hat sich von Generation zu Generation allm€hlich verst€rkt.‡ 142
†Und was k•nnte man dagegen tun?‡ fragte sie alarmiert. †Ich f‚rchte: gar nichts!‡ †Bist du sicher?‡ †Bedenke, Maara: Es ist in Jahrtausenden so entstanden. Die Rasse der Aaroner hat sich ideal angepaƒt, und es ist ihr Schicksal, daƒ sie dabei gewissermaƒen eingeschlechtlich geworden ist.‡ †Das sagst du so - eigenartig!‡ Ich l€chelte sie an. †Bedenke, daƒ es zu meinen Aufgaben geh•rt, St•rungen des Handels zu verhindern.‡ †Worauf willst du hinaus, Sternenvogt?‡ †So lange alles bleibt, wie es ist, gibt es Dinge, die mir nicht passen, aber die...‡ Ich brach ab. Was redete ich denn da? Wie kam ich dazu, ein solches Thema anzuschneiden? Aber ich konnte nicht mehr zur‚ck: †Ein Sternenvogt m‚ƒte eigentlich zufrieden damit sein, wenn die Ordnung gewahrt bleibt. Das ist schlieƒlich seine ureigene Aufgabe. Aber ein Sternenvogt hat Gef‚hle und einen Kopf zum Denken. Er ist kein Neutrum, denn w€re er eins, w‚rde er nicht auf die Gedanken kommen, wie ich sie hege...‡ Sie klammerte sich an mich. †Du zweifelst? Du, der Sternenvogt?‡ Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Irgendwie begann ich es zu hassen, daƒ sie mich stets mit Sternenvogt anredete, als h€tte ich keinen richtigen Namen. Und deshalb beging ich in diesem Moment einen weiteren entscheidenden Fehler: †Bitte, sage nicht immer Sternenvogt zu mir, sondern nenne mich beim Namen: John Willard!‡ Sie fuhr erschrocken vor mir zur‚ck. 143
†John Willard?‡ echote sie best‚rzt. †Das - das war doch - der Erz-Sozialist. Er hat Milliarden Tod und Verderben gebracht. Er ist das Sinnbild der Gefahr f‚r alle Demokratie.‡ †Nicht nur das, sondern er ist auch derjenige, dessen Namen ich trage. Aber ich bin ein anderer John Willard. Ich bin gewissermaƒen das gesunde Gegenst‚ck von ihm.‡ Sie atmete erleichtert auf und floh wieder in meine Arme. †John Willard‡, fl‚sterte sie an meinem Ohr. †Du hast Probleme? Die Probleme eines Sternenvogts?‡ †Die w€ren leichter zu l•sen.‡ †Die des John Willard?‡ †Ja, Maara, und die sind wesentlich komplizierter, weil... ihre L•sung w‚rde mich in echte Konflikte st‚rzen.‡ †Erkl€re es mir, John - auch auf die Gefahr hin, daƒ ich es nicht begreifen kann.‡
31. Kapitel †Ich nenne dir die Erde als Beispiel. Wuƒtest du, daƒ es auf dieser Welt vierzig Milliarden Menschen gibt - M€nner und Frauen? Wuƒtest du, daƒ der ganze Planet eine einzige Zuchtanstalt f‚r Menschenmaterial ist, das dann nach anderen Welten exportiert wird? Wuƒtest du, daƒ die V•gte der Erde verweichlichte Bastarde sind, dekadente Affen, unbarmherzige Dreckskerle?‡ Sie machte groƒe, runde Augen - Maara, die Herrscherin von AARON. 144
†So spricht John Willard! Aber - was sagt der Sternenvogt dazu?‡ Sie hatte anscheinend die Symbolik begriffen auch wenn sie nicht einmal ahnte, daƒ John Willard und Sternenvogt in Wirklichkeit - tats€chlich zwei verschiedene Personen waren. †Er findet alles ganz in Ordnung - so, wie es ist - der Sternenvogt. Es ist schlieƒlich die Sternenordnung, die ihm anvertraute Ordnung also, die es zu h‚ten gilt, um gr•ƒeren Schaden abzuwenden.‡ †Und John Willard m•chte es trotzdem €ndern?‡ †Ja, Maara.‡ †Was aber ist mit - AARON? Was mit den n•tigen Gef€hrten der Aaroner, die es nicht geben w‚rde, w€re es auf der Erde nicht so, wie es ist?‡ †Du hast mein Problem erkannt, Maara.‡ †Ich verstehe, John: Du leidest unter den schlimmen Begleiterscheinungen der universalen Ordnung, kannst aber nichts €ndern, weil alles dadurch nur noch schlimmer werden w‚rde. Wie der John Willard der Vergangenheit: Er sah all diese schreienden Ungerechtigkeiten, w€hlte jedoch den falschen Weg, um sie zu €ndern - und erzeugte dadurch schlimmstes Chaos. Alles wurde hernach nur noch €rger.‡ Ich packte sie, als m‚ƒte ich mich an ihr festhalten. †Es ist das erste Mal, daƒ ich mit jemandem dar‚ber spreche. Das Amt des Sternenvogts macht wahrlich einsam.‡ †Ich liebe dich, John, und deshalb habe ich Verst€ndnis. Ich denke aber auch an deine Verantwortung, und mir schaudert bei diesem Gedanken. Was sind dagegen die Probleme des Sys145
temvogts von AARON? Es - es ist dem Sternenvogt nicht erlaubt, eine Gef€hrtin zu haben. Er ist gezwungen, wie ein Neutrum zu existieren - als Preis f‚r seine unsterbliche Macht. Das ist ein Miƒstand wie der Miƒstand auf der Erde. Wie auch das Leid von AARON, weil es hier keine M€nner gibt. So hat jeder sein Schicksal zu tragen. Und auch die V•gte der Erde, denn sie leiden darunter, vierzig Milliarden Menschen zu regieren, von denen jeder einzelne ihnen ‚berlegen w€re.‡ Ihre weisen Worte ‚berzeugten und erleichterten mich zugleich. †Du hast recht, Maara: Es gibt keine M•glichkeit, Leid an sich zu verhindern. Es ist das Wesen des Lebens, daƒ es wird und vergeht und daƒ es das Gl‚ck wie das Ungl‚ck ertragen muƒ. Wenn man das eine Ungl‚ck verhindert, entsteht anderes Ungl‚ck. Wenn man Ungl‚ck ‚berhaupt abschafft, verliert das Leben an Sinn. Denn dann gibt es keine Ziele mehr.‡ †Gewiƒ, John Willard, aber du wirst weitersuchen, nach der L•sung deiner Probleme. Und du wirst sie finden. Und du wirst lernen, zu ver€ndern, ohne die Ordnung zu gef€hrden. Denn du bist der Sternenvogt John Willard und nicht der Revolution€r John Willard.‡ †Doch, Maara, denn es ist eine Revolution ganz besonderer Art! Somit bin ich - beides!‡ Ich streichelte z€rtlich ihr Haar, und in der folgenden Nacht liebten wir uns so intensiv, als w€re es unsere letzte Nacht ‚berhaupt. Dabei hatten wir noch zwei weitere N€chte vor uns. Indessen machte ich mein Versprechen wahr 146
und besuchte noch einmal Scheinwelt - sogar ohne Strahlenschutzanzug. Und dann nahte das Ende des Gl‚cks - unwiderruflich, denn die letzte Nacht war die Nacht vor dem Kommen der n€chsten Handelsflotte. Sie w‚rde so p‚nktlich sein wie eine Atomuhr, dank der universalen Organisation, f‚r die alle Sternenv•gte verantwortlich zeichneten. Und ich muƒte rechtzeitig zum Schiff zur‚ckkehren, denn die Sicherheitsbestimmungen verlangten es. Wenn ich es nicht tat, w‚rde die Flotte nicht entladen werden, und die Mineralien w‚rden auf Scheinwelt bleiben. Weil mein Herr annehmen m‚ƒte, ich w€re mit meiner Mission doch noch gescheitert. Und dann w‚rde der Krieg doch noch beginnen - ungeachtet meines Erfolges. Ja, der Abschied, die H•lle aller Liebenden, ihre Strafe f‚r das, was sie f‚hlen. Aber letztlich auch - der Preis, den ich f‚r meinen groƒen Erfolg im System AARON bezahlte...
32. Kapitel Ich dachte zur‚ck an Maara, als mein †Tropfen‡ die Welt verlieƒ und durch das All eilte. Auch du zahlst einen hohen Preis, dachte ich. Maara, mein Preis f‚r meinen Erfolg ist die Marter, von dir f‚r immer getrennt zu sein. Und es ist derselbe Preis, den auch du zahlst: daf‚r, daƒ ihr die Ordnung st•ren wolltet. †Es ist vollbracht!‡ seufzte ich und lenkte mei147
ne Gedanken auf einen anderen: James. Ich dachte an seine Grausamkeit, daran, unter welchen Umst€nden ich ihm begegnet war. †Perverses Schwein!‡ knurrte ich abf€llig. †Du h€ttest die Mission im System AARON niemals erf‚llen k•nnen. Niemals!‡ Es war der Zeitpunkt, an dem ich den Funkverkehr zum Schiff wieder er•ffnete. †Niemals!‡ sagte ich ins Mikrophon, und mein Herr und Meister antwortete prompt: †Sprichst du von James?‡ †Ja, von diesem, Erhabener. Mit Verlaub: Er h€tte keine Chance gehabt.‡ †So willst du mir also einreden, das Schicksal h€tte dich mir zugespielt?‡ †Ein Schicksal, das mit dem Gesicht meines Vaters herumlief, Erhabener. Dasselbe Schicksal, dem ich meinen Namen verdanke. Es hat letztlich daf‚r gesorgt, daƒ der Name mir groƒe Ungemach bereitete. Dies wiederum hat mich zum HERRN DER STRAƒE emporsteigen lassen. Ich traf James und t•tete ihn und wurde Euer Diener, Erhabener. Und ich l•ste das Problem im System AARON.‡ †Trotzdem werde ich ein H‚hnchen mit dir zu rupfen haben, John Willard!‡ drohte er. †Ich habe meine Strafe bereits erhalten, Erhabener!‡ †Du wagst es tats€chlich?‡ †Ja, ich bin so unversch€mt, Erhabener, aber Ihr seid ein Neutrum. Wie k•nntet Ihr Verst€ndnis haben f‚r einen Menschen, der so f‚hlt und der sich - verliebt?‡ Funkstille, und das blieb so, bis ich das Raumschiff meines Sternenvogts vor mir sah. Der †Tropfen‡ schwebte in seinen Hangar und 148
•ffnete sich. Der Sternenvogt erwartete mich bereits. Er stand im Durchgang zum Wohnbereich, breitbeinig, die Arme vor der Brust verschr€nkt. Die linke Augenbraue zupfte er hoch. †Dein Ohrclip!‡ sagte er. †Er hat die Runde gemacht. Ich war stets auf dem laufenden. Daf‚r, was du getan hast, m‚ƒte ich dich eigentlich auf der Stelle t•ten. Du bist nicht nur unversch€mt, sondern du warst sehr ungehorsam. Du warst ein denkbar schlechter Diener.‡ †Ist derjenige ein schlechter Diener, der die Aufgaben seines Herrn zur vollsten Zufriedenheit l•st, Erhabener?‡ †Wir m‚ƒten l€ngst wieder unterwegs sein!‡ Ich wollte etwas entgegnen, aber er wischte es mit einer Handbewegung beiseite und fuhr fort: †Ich kenne deine Daten, Willard. Ich habe sie vernichtet, wie du weiƒt. Ich sah zu vieles darin, was mir riet, dich auszul•schen, auf der Stelle. Ich tat das nicht. Ich war ebenfalls ungehorsam gegen‚ber meiner wachen Vernunft. Du lebst also noch. Nicht, weil ich besonders gn€dig sein wollte. Das kann man sich als Sternenvogt nicht leisten. Ich dachte mir allerdings, daƒ nur du die AARON-Mission meistern k•nntest.‡ †Erhabener, aber Ihr habt an mir - gezweifelt!‡ erinnerte ich ihn. Er grinste breit. †Darf man das denn nicht?‡ †Ich bitte um Vergebung, Erhabener.‡ Ich verbeugte mich tief vor ihm. †Es lag selbstverst€ndlich ganz an mir, Euch von dem Gegenteil zu ‚berzeugen.‡ Ich blieb in der Demutshaltung. †Und ich hoffe, daƒ mir das wenigstens gelungen ist.‡ 149
†Hoch mit dir!‡ befahl er barsch. Und dann klopfte er mir lachend auf die Schulter. †Hereinspaziert, John Willard. Du bist wieder daheim.‡ Unterwegs fragte er mich: †Willst du mir von Maara erz€hlen?‡ †Ich glaube fast, Ihr wiƒt schon alles, Erhabener‡, sagte ich vorsichtig. †Nein, nur das, was man sich auf ALPHA, BETA und Scheinwelt erz€hlt - weil mein Ohrring eine ziemlich weite Reise hinter sich gebracht hat. Er ist das Symbol des sagenhaften Sternenvogts John Willard und wird es bleiben. Irgendwann wird er in einem Museum landen - erdbebengesch‚tzt selbstverst€ndlich.‡ †Darf ich - einen Wunsch €uƒern, Erhabener?‡ †Einen Wunsch?‡ Er blieb stehen und sah mich nachdenklich an. †Ich - ich m•chte nie mehr von - Maara sprechen - mit allem Respekt.‡ Er nickte ernst. †Weil es dich zu sehr schmerzt?‡ †Gewiƒ, Erhabener: Es martert mich wie die reinste H•lle.‡ Er griff mir fest in die Haare und bog meinen Kopf zur‚ck, daƒ ich meinte, er wollte mir das Genick brechen. Ich wagte es nicht, mich zu wehren. Ich h€tte ohnedies keine Chance gehabt. Das Schiff war mit jedem Molek‚l, aus dem es bestand, auf seiner Seite. Sein Mund war ganz nahe an meinem Ohr: †Bursche Willard, ich war ebenfalls einmal ein Mensch - einst! Sage nie mehr, ich sei ein - Neutrum, h•rst du? Sage es nie mehr wieder! Ich war ein Mensch, und wenn ich dich bitten w‚rde, mir von Maara 150
zu erz€hlen, dann w‚rde ich dich darum bitten, mich etwas empfinden zu lassen, was ich sonst nicht mehr empfinden kann. Vergiƒ das niemals, denn ich lasse dich am Leben. Es gibt auch noch andere Missionen, die es zu erf‚llen gilt. Du lebst, weil du funktionierst, und keine Sekunde l€nger. Denn du bist mein Diener - mein Eigentum!‡ Er lieƒ mich wieder los, wandte sich von mir ab und lief davon, als w€re er vor mir auf der Flucht. Ein jeder zahlt halt seinen Preis, dachte ich. In der Tat. Auch der Sternenvogt!
33. Kapitel Ich lieƒ mich von der medizinischen Einheit eingehend untersuchen. Das war Routine und geschah nicht nur, weil ich ohne Strahlenschutzanzug Scheinwelt besucht hatte. Es wurde jedesmal vorgenommen, wenn ein Diener von gelungener Mission zur‚ckkehrte. Ohne Befund! Ich war kerngesund. Keinerlei Strahlensch€den! Daraus schloƒ ich zun€chst, daƒ es eine Langzeitwirkung geben muƒte. Oder waren in Wahrheit nicht die M€nner, sondern nur die Frauen betroffen? Kopfsch‚ttelnd dachte ich dar‚ber nach. Das Problem der Aaroner erschien unl•sbar, 151
und doch zeichnete sich innerhalb des Gesamtbildes, das ich vom System AARON hatte, eine Art L•sung ab. Es war etwas, was noch nie zuvor bedacht worden war... Ich war so begeistert von meiner Idee, daƒ ich beschloƒ, sie schnellstm•glich dem Sternenvogt vorzutragen. Ich paƒte nat‚rlich eine Gelegenheit ab, bei der er besonders gut gelaunt erschien. †Den Schmerz ‚berwunden, John?‡ erkundigte er sich leutselig. †Gewiƒ, Erhabener, einigermaƒen wenigstens. Es gibt eben Dinge, die man niemals vergiƒt. Man verdr€ngt sie zwar, aber unter der Oberfl€che qu€len sie weiter. Liebeskummer geh•rt dazu. Selbst wenn die Wunden der Seele heilen, hinterlassen sie dennoch Narben. Wie Wunden des K•rpers.‡ Er betrachtete mich mit einem wohlwollenden L€cheln. †Ein wundersch•ner Vortrag, John Willard, aber mir scheint, du hast noch etwas anderes auf dem Herzen?‡ †Das habe ich tats€chlich, Erhabener!‡ Ich gab mich ‚berrascht ob seiner guten Beobachtungsgabe. Kurz suchte ich nach den passenden Worten: †Es betrifft - AARON.‡ †Heraus mit der Sprache!‡ Ich erl€uterte ihm die Problematik. Er nickte dazu. †Gewiƒ, John Willard. Es ist die Aufgabe des Sternenvogts, Sammler von Wissen zu sein - eine seiner Aufgaben jedenfalls!‡ verbesserte er sich sogleich. †Du hast insofern einen wertvollen Beitrag geliefert. Interessiert h€tte mich da nur noch, wie weit die technische Entwicklung der Aaroner fortge152
schritten ist. Jammerschade, daƒ du es nicht herausgefunden hast.‡ Es schien mir, als wollte er nur vom eigentlichen Thema ablenken. Wieso? Oder geschah es ungewollt? †Erhabener, mit Verlaub gesagt, ich habe ‚ber das Problem der Aaroner weiter nachgedacht und...‡ †Und?‡ †Ich glaube, daƒ ich - €h - gewissermaƒen einen L•sungsvorschlag h€tte.‡ †Schieƒ los!‡ Er wirkte alarmiert. Anscheinend paƒte es ihm nicht, daƒ ich mir den Kopf ‚ber die Probleme von Planetariern zerbrach. Oder f‚rchtete er nur einen weiteren St•rfaktor f‚r die universale Ordnung, die es zu h‚ten galt? Ich ‚berlegte jedes Wort, ehe ich es aussprach. Dieser Bedacht erschien mir wichtig, denn ich ahnte auf einmal, daƒ es falsch war, alles dies, was mich bewegte, auch wirklich auszusprechen. Aber ich hatte nun einmal damit begonnen, und ich muƒte diesen Kelch bis zur Neige austrinken... †Es - es w€re einen Versuch wert, Erhabener, und es w‚rde sich am Status Quo im Grunde genommen gar nichts €ndern.‡ †Ach?‡ †Es - es besteht die M•glichkeit, daƒ die Strahlung von Scheinwelt die Erbmasse ver€ndert. Dies geschieht im Laufe der Zeit. Ein Gedanke, der ja nicht neu ist, aber man muƒ dabei bedenken, daƒ die Siedler eine zu geringe Chance zur evolution€ren Anpassung hatten, was die Strahlung betrifft - damals. Es ist eine Tatsache, daƒ Frauen gegen‚ber negativen Umwelteinfl‚ssen resistenter sind. Sie 153
sind weniger empfindSAM und auch weniger empfindLICH - um es einmal so auszudr‚cken. Das liegt in der Vergangenheit des Menschen begr‚ndet: Jahrmillionen waren M€nner groƒen Gefahren ausgesetzt, die eine wesentlich h•here Sensibilit€t gegen‚ber allen Vorg€ngen in der Umwelt erforderten. Ein Mann, der beispielsweise auf der Jagd nicht sehr aufmerksam und vorsichtig war, kam zu Tode und konnte seine Erbmasse nicht mehr weitergeben. Es war auch notwendig, daƒ die Schmerzschwelle des Mannes relativ niedrig blieb. Das heiƒt, ein Mann sp‚rt k•rperlichen Schmerz viel eher als eine Frau - immer durchschnittlich gesehen, weil die Evolution des Menschen mehr und mehr Ausnahmen zugelassen hat, je weiter sich menschliche Kultur und vor allem Seƒhaftigkeit entwickelt hatten und von solchen Faktoren nicht mehr Leben und Tod in einem solch hohen Maƒe abhingen.‡ †Worauf, um alles in der Welt, willst du ‚berhaupt hinaus, Willard?‡ Er wirkte jetzt €rgerlich. Seine gute Laune war vollst€ndig verflogen. Ich schalt mich einen Narren, daƒ ich ‚berhaupt damit begonnen hatte, aber scheinbar unger‚hrt fuhr ich fort: †Dieser kurze Ausflug in die fernste Vergangenheit war n•tig, um meine Theorie zu untermauern: Ich glaube n€mlich, daƒ die Frauen von AARON im Laufe der Zeit eine bessere Anpassungsf€higkeit entwickelt haben, was die Strahlung betrifft, w€hrend die M€nner hierin versagt haben. Sie haben auf der anderen Seite verst€rkt daf‚r gesorgt, daƒ die planetaren Bedingungen ertr€glicher wurden, so daƒ es nachfolgende Generationen leichter hatten. Nachdem sie diese Aufgabe gut bew€ltigt hatten, sind sie 154
einfach ausgestorben.‡ †Eine Laune der Natur!‡ behauptete der Sternenvogt. †Man k•nnte leicht herausfinden, Erhabener, was an meiner Theorie wahrscheinlich ist - einfach indem man nicht nur M€nner nach AARON verkauft, sondern auch - Frauen!‡ Jetzt war es heraus. Der Sternenvogt vergaƒ zu atmen. †Ja, gewiƒ, Erhabener, das w€re DIE Chance f‚r die Rasse von AARON, einen neuen Anpassungsprozeƒ zu beginnen. Denn die vergangene Anpassung der Aaroner hat letztlich daf‚r gesorgt, daƒ keine lebensf€higen Jungen mehr auf die Welt kommen. Es ist ein Naturgesetz: Das, was die h•chsten ˆberlebenschancen hat, setzt sich durch. Selbst wenn, wie im vorliegenden Fall, dadurch keine M€nner mehr entstehen und somit die Rasse gerade dessentwegen vom Aussterben bedroht ist! Naturgesetze unterliegen nun einmal keiner menschlichen Logik, und es ist keinesfalls eine Ausnahme, daƒ ein nat‚rlicher ˆberlebensmechanismus einerseits eine Art vor dem Aussterben bewahrt - und unter ver€nderten Bedingungen dieselbe Art f‚r immer verschwinden l€ƒt... Doch weiter im Thema: Die Erbmasse der Aaroner w‚rde sich indirekt mit der Erbmasse von importierten Frauen vermischen lassen. Hinzu kommt selbstverst€ndlich die Erbmasse der weiter importierten M€nner... Es w‚rde sicher sehr lange dauern, Erhabener, bis die Maƒnahme 'Frauenimport' echt greifen w‚rde, aber ich bin sicher, die Rasse der Aaroner w‚rde im Verlauf vieler Generationen daran v•llig gesunden.‡ 155
Ich hatte mich nun in Eifer geredet und verstand gar nicht, wieso er schallend lachte. †Du armer Tropf! Erkennst du nicht, daƒ du bl‚henden Unsinn redest? Ja, ich weiƒ, er ist eine biologische Tatsache, jener kleine Unterschied zwischen Mann und Frau, der sich nicht allein auf die Geschlechtlichkeit bezieht. Zu allen Zeiten haben M€nner geglaubt, besser und f€higer zu sein als Frauen und nat‚rlich auch umgekehrt. In Wirklichkeit ist es eben nur so, daƒ es spezifische Eigenschaften gibt, die sich im Verlauf der Jahrmillionen herausgearbeitet haben. Die einen sind bei den Frauen deutlicher und die anderen bei den M€nnern. Und das trotz aller Z‚chtungserfolge auf der Erde in den letzten Tausenden von Jahren...‡ †Aber, was w€re dann gegen meine Idee einzuwenden, Erhabener?‡ fragte ich zutiefst entt€uscht. †Paƒ auf, Bursche Willard, du hast dich zwar als ‚beraus f€hig erwiesen, aber das sollte dir nicht zu Kopf steigen. Bedenke stets, daƒ auch der Erfolgreiche sich mal irren kann. Auch Genies begehen Dummheiten, vor allem dann, wenn sie sich in ihrer Rolle als Genies dagegen immun zu f‚hlen glauben. Diese scheinbare Immunit€t macht sie in Wahrheit f‚r so etwas wie Kritik oder gar Selbstkritik unerreichbar. Ich will dir erkl€ren, was an deiner Theorie falsch ist: F‚r jede Frau, die wir zus€tzlich in das System AARON einf‚hrten, m‚ƒten wir entprechend einen Mann weniger einf‚hren. Denn die Aaroner w‚rden sowieso mehr M€nner importieren, k•nnten sie sich das leisten. Ein Aufstocken der Importrate kommt also aus Kostengr‚nden sowieso nicht in Frage. 156
Doch das ist noch l€ngst nicht alles...‡ Ich wagte, ihn zu unterbrechen: †Und wenn man die F•rderquote von Scheinwelt erh•hen w‚rde?‡ Er sch‚ttelte den Kopf. †Muƒ ich denn das auch noch erl€utern, John Willard? Geht dein Verst€ndnis von wirtschaftlichen Zusammenh€ngen nicht so weit, daƒ du selber auf die Antwort kommst? Stell dir vor, man w‚rde die Quote beliebig erh•hen. Glaubst du nicht auch, daƒ dann Scheinwelt schneller ausgebeutet sein w‚rde? Und was w€re dann mit den Aaronern? Sie h€tten kein Zahlungsmittel mehr und w‚rden zugrundegehen.‡ †Sie w‚rden andere Zahlungsmittel finden, Erhabener. Scheinwelt wird irgendwann sowieso ausgebeutet sein. Davon d‚rfen wir ausgehen. Dann wird man den Folgen allerdings ‚berhaupt nicht mehr gewachsen sein, denn es wird dann keine M€nnerimporte mehr geben, und die Rasse m‚ƒte aussterben. Welch ein Schaden f‚r die universale Ordnung... W€re die Rasse jedoch gesund und...‡ †Dummkopf, elender!‡ schimpfte er auƒer sich. †Es ist ja nicht der einzige Grund, warum dein Vorhaben irrwitzig w€re: Man m‚ƒte die Aaroner erst mal dazu bringen, das Experiment zu wagen. Sie w‚rden das Risiko der beschleunigten Ausbeute ihrer Ressourcen eines so zweifelhaften Erfolges wegen wohl kaum eingehen.‡ Ich schaffte sogar ein L€cheln. †Dies, Erhabener, w€re ein Punkt, an dem man leicht einhaken k•nnte: Man br€uchte den Aaronern lediglich einen Tausch vorzuschlagen!‡ †Einen - Tausch?‡ †Anstatt einfach nur erwachsene Frauen einzu157
f‚hren, sollte man im System AARON Menschen tauschen - gegen andere Menschen der Erde. Das kann sich auf den Nachwuchs beschr€nken. Das kann sich selbstverst€ndlich auch auf Erwachsene ausdehnen. Beispielsweise f‚r jeden freiwilligen Aaroner eine Erdenfrau, gesund und den Umweltbelastungen des Trios bestens gewachsen. Es w€re eine Frage der Organisation. Und bedenkt, welch ein neues Potential sich f‚r die Z‚chtungserfolge der Erde damit er•ffnen k•nnte! Denn die einmalige Erbmasse der Aaroner w‚rde sich dort ohne weitere Kosten zu verursachen bequem einmischen lassen...‡ Jetzt lachte er wieder, der Sternenvogt. †An Ideen mangelt es dir wahrlich nicht, John Willard. Das bewundere ich so an dir. Auch wenn du vergiƒt, daƒ wir f‚r solche L•sungen planetarischer Probleme ‚berhaupt keine Zeit haben. Wir m‚ssen n€mlich unsere Missionen erf‚llen, und die sind anders geartet. Auƒerdem, um das auch einmal auszusprechen: W‚rde es wirklich gelingen, die Rasse der Aaroner gesunden zu lassen, w€re damit ein wichtiger Absatzmarkt verloren: Man w‚rde dort nie wieder M€nner einf‚hren! Dies w€re der Hauptpunkt, wie ich meine. - Von wegen, der Status Quo bliebe erhalten...‡ Damit war das Thema f‚r ihn beendet, und ich verbeugte mich als untert€nigster Diener vor ihm. Dabei ‚berlegte ich, wie ich all meine sch•nen Ideen zum Problem AARON am besten verdr€ngen konnte. Hoffentlich hatte ich damit nicht sein Vertrauen in mich ersch‚ttert? Das w€re nicht gut. Es k•nnte Folgen haben, und ich muƒte einen Versuch starten, dem vor158
zubeugen: †Ich bitte um Vergebung, Erhabener, aber ich kam nur auf dieses Thema - vom Schmerz getrieben! Denn ich denke noch viel zu sehr an Maara, und jetzt bin ich untr•stlich, dies zugeben zu m‚ssen. Es war also die brennende Sehnsucht, die mich dazu brachte, Ihnen solche Vorschl€ge zu unterbreiten. Denn dann - w€re ich wieder eine kleine Weile mit ihr vereint gewesen!‡ Er betrachtete mich mit halb offenstehendem Mund. Dann fing er sich wieder: Er sprang auf und umarmte mich st‚rmisch. †Wenn du w‚ƒtest, wie mich dein Gest€ndnis erleichtert, John! Ich habe bereits an deiner aufrichtigen Freundschaft gezweifelt!‡ Er schob mich auf Arml€nge von sich und schaute mich offen an. †Ich kann dir versichern, John, daƒ ich mit dir f‚hle, auch wenn es in deinen Ohren unwahrscheinlich klingen mag. Ja, mitf‚hlen, soweit es mir halt eben m•glich ist, nicht wahr?‡ Er zwinkerte mir zu und wandte sich gutgelaunt an die Kontrollen. †Unser n€chstes Ziel ist bereits im Visier, John Willard. Du solltest beginnen, dich auf deine neue Aufgabe vorzubereiten, obwohl ich dir in dieser Beziehung leider keinen Tip geben kann. Lerne einfach alles ‚ber Astrophysik. Vertiefe dich in die Aussagen vergangener und gegenw€rtiger Gelehrter ‚ber Ausnahmen von der Regel. Das k•nnte sehr von Nutzen sein, finde ich...‡ Mehr sagte er nicht dazu. Es muƒte auch so gen‚gen. Mit meinen †ketzerischen‡ „uƒerungen hatte ich seinen Glauben an mir ersch‚ttert, aber es war mir bestens gelungen, die Scharte wieder auszuwetzen. Und ich 159
hatte gelernt, in Zukunft meine Zunge zu h‚ten. Obwohl das Thema dadurch nat‚rlich immer noch nicht aus der Welt war. Im Grunde bist du wie ein Kind, Sternenvogt, das dieses groƒe Spiel zwischen den Sternen spielt. Und du bist zutiefst konservativ, wenn nicht sogar reaktion€r. Nichts darf sich f‚r dich €ndern. Aber du bist nur der H‚ter. ICH ALLERDINGS BIN DER - AUSF‚HRENDE, DER MACHER!
34. Kapitel †Wir sind da!‡ rief er her‚ber. Ich brauchte eine Weile, um aus den theoretischen Tiefen der Astrophysik wieder aufzutauchen, in die ich mich versenkt hatte. Ein faszinierendes Thema, unersch•pflich wie die theoretischen Materiequellen des Universums selber. Meine Gedanken hielten noch die These fest, daƒ Unsterblichkeit nur auf Erneuerung beruht, als ich aufstand und zu meinem Herrn eilte. Ich stutzte. Eigentlich betraf dieser in der Erkl€rung €uƒerst komplizierte Lehrsatz von der †Unsterblichkeit durch Erneuerung‡ das Wesen der zeitlichen Unendlichkeit des Universums. Aber ich sah den Sternenvogt und konnte nicht anders, als ihn damit in Verbindung zu bringen, denn galt nicht auch er als - unsterblich? Er †zerfetzte‡ das Gedankengebilde in meinem Gehirn, indem er auf den Hauptschirm zeigte und ernst sagte: †Sieh!‡ Es blieb nichts mehr ‚brig von der Faszination 160
aller Theorie - angesichts der Praxis: †Die Ausnahme von der Regel!‡ murmelte ich heiser und betrachtete das flimmernde Gebilde auf dem Schirm. †So sieht es nat‚rlich nicht wirklich aus‡, kommentierte der Sternenvogt. †Der Computer hat uns dieses Bild erzeugt, obwohl er eigentlich nichts weiter als permanente St•rungen empf€ngt. Das bedeutet, die Sterne, die sich jenseits von diesem Gebilde befinden, schaffen es nur sehr unzul€nglich, ihr Licht und ihre sonstige Strahlung zu uns zu schicken.‡ †Gebilde?‡ fragte ich zweifelnd. †Deine Zweifel sind durchaus angebracht, John Willard. Es gibt keinerlei Angaben beispielsweise ‚ber die Ausdehnung der St•rung oder gar ihre Beschaffenheit. Auch wenn es paradox klingt: Es existiert ‚berhaupt nicht, obwohl es Wirkung zeigt...‡ †Und wieso interessiert uns diese Ausnahme von der Regel der astrophysikalischen Ordnung, Erhabener?‡ †Eine gute Frage, John Willard. Es interessiert uns in erster Linie deshalb, weil es uns Verluste gebracht hat - empfindliche Verluste sogar. Transportverluste, um genauer zu sein: Immer wieder verschwanden Raumcontainer auf ihrem Weg durch die Unendlichkeit. Das Gebilde, um bei einer so unzul€nglichen Bezeichnung zu bleiben, ver€ndert im gewissen Rahmen st€ndig seine Position, als w‚rde es hin- und her springen. Es ist schwer aufzusp‚ren. Deshalb hat es auch ziemlich lange gedauert, bis wir ihm auf die Spur kamen. - Doch wie ich sehe, hast du deine Lernzeit gut genutzt?‡ Er neigte zur Unkonzentriertheit. Wenn er 161
‚ber ein Thema sprach, lieƒ er sich bald von anderen Gedanken zu sehr ablenken. So wie jetzt. Ich f‚hrte ihn behutsam zur‚ck: †Welcher Art waren denn diese Container, Erhabener? Welche Fracht beinhalteten sie? Waren es immer nur einzelne?‡ †Unterschiedlich‡, antwortete er leichthin. †Unwichtig, was geladen war. Das Gebilde hat es sich offensichtlich nicht extra ausgesucht. Es war reiner Zufall.‡ †Also keine - Intelligenz dieses Gebildes?‡ †Wir haben es durchrechnen lassen - jeder Sternenvogt f‚r sich, denn dieses Problem geht schlieƒlich uns alle an. Bei jedem Verlust wurden Daten aufgenommen - von den verschont gebliebenen Raumcontainern. Diese Daten wurden gesammelt und ausgewertet. Wir haben uns schon oft mit diesem Problem besch€ftigt, glaube mir, wenn auch nur in der Theorie. Dann gingen wir dazu ‚ber, die Verluste statistisch zu erfassen, um die zu erwartende Verlustquote zu errechnen, denn ein Ausweichen auf andere Routen erschien uns zu zeitraubend und kostenintensiv.‡ †Das heiƒt, die Sternenv•gte begannen, die Verluste mit einzukalkulieren, und das erschien ihnen vorteilhafter, als einfach einen Bogen um das Gebilde zu machen?‡ fragte ich ungl€ubig. †So ist es, John Willard. Es war eine •konomische ‚berlegung, die wir mit einer Kompromiƒl•sung angehen muƒten.‡ †Demnach besteht das Problem schon l€nger?‡ Gern h€tte ich ihn gefragt, ob bei den †Verlusten‡ auch †Menschenware‡ gewesen war, aber aus verst€ndlichen Gr‚nden verkniff ich mir eine solche Frage. 162
†Tja, leider, John Willard. Deshalb ist es unsere n€chste Mission. Wir erledigen immer das, was die gr•ƒte Priorit€t besitzt. AARON zum Beispiel ging vor, nicht wahr?‡ Ich hatte mit meinem Studium der Astrophysik AARON verdr€ngt, und jetzt den Namen zu h•ren gen‚gte dennoch, mir einen Stich ins Herz zu versetzen. †Gewiƒ, Erhabener!‡ †Gut, du hast dein Studium weisungsgem€ƒ und zu meiner Zufriedenheit durchgef‚hrt. Mehr Daten kann ich dir leider nicht auf den Weg geben. Wir k•nnen es auch nicht wagen, noch n€her heranzufliegen.‡ Aber ich allein kann und muƒ es! dachte ich zerknirscht. Sein James war ihm f‚r diese Aufgabe anscheinend zu schade gewesen. Und die anderen Vogtdiener sind es auch. Deshalb hat man MICH auserkoren... Wie gut, daƒ ich gelernt hatte, solche Gedanken ausreichend abzuschirmen, ehe sie mir Komplikationen brachten. Er hatte keine Chance mehr, ohne mein Einverst€ndnis mein Inneres zu durchleuchten. †Es liegt an dir, die rechte Ausr‚stung zu w€hlen, John Willard. Dein erster Einsatz hat gezeigt, zu was du f€hig bist, obwohl auch dies hier eine Bew€hrungsprobe f‚r dich sein wird. Keine Mission gleicht der anderen. Es gibt dabei niemals so etwas wie Routine. Du siehst es selber. Und ich beweise dir mit diesem Auftrag mein grenzenloses Vertrauen!‡ Er l€chelte mich an. Auf mich wirkte es kei163
neswegs freundlich, sondern eher wie das Z€hnefletschen eines Raubtiers kurz vor dem t•dlichen Biƒ. †Wie wird diesmal Eure ˆberwachung erfolgen, Erhabener?‡ †ˆberhaupt nicht, mein lieber John, mein Freund. Diesmal werde ich darauf v•llig verzichten, von vornherein. Auƒerdem - es w€re zu gefahrvoll f‚r das Schiff, denn eine Funkverbindung zwischen uns, sei sie noch so abgeschirmt, k•nnte unbekannte Kr€fte auf mich aufmerksam machen, die dort dr‚ben wirken.‡ †Gut, ich w€hle den Tropfen, w€hle mittlere Bewaffnung und nehme zwei Ersatzraumanz‚ge mit‡, sinnierte ich laut. †Des weiteren gen‚gend Proviant f‚r zwei Jahre.‡ †Zwei Jahre?‡ rief er ‚berrascht. †Mein Studium der Astrophysik und die Ausnahmen von den Regeln, Erhabener‡, belehrte ich ihn. †Es w€re m•glich, daƒ unter dem Einfluƒ der Kr€fte dort die Zeit eine andere Gr•ƒenordnung hat. Kann sogar sein, daƒ f‚r Euch, Erhabener, nur Sekunden vergehen, w€hrend f‚r mich Jahre. M•glich w€re nat‚rlich auch das genaue Gegenteil.‡ †Was also schl€gst du f‚r einen solchen Fall vor?‡ †Ich kenne Eure M•glichkeiten zu wenig, um das zu entscheiden, Erhabener‡, wich ich aus. Er machte ein nachdenkliches Gesicht. †Es gibt insgesamt zwei, John Willard: Ich warte die ganze Zeit, also die genannten zwei Jahre lang, und betrachte die Mission danach als gescheitert, falls du nicht wieder auftauchen solltest... Oder aber ich setze die Frist sehr viel k‚r164
zer und installiere eine Boje, die mir sofort meldet, wenn du wieder zur‚ck bist.‡ Es klang, als h€tte er sich bereits f‚r die zweite M•glichkeit entschieden. †Ihr w‚rdet nach Ablauf der k‚rzeren Frist erst einmal f‚r einen neuen Diener sorgen, nicht wahr, Erhabener?‡ fragte ich mit trockener Kehle. †Richtig, John Willard. Aber keine Bange, ich w‚rde dich dessentwegen nicht ganz abschreiben. Deshalb lasse ich ja auch die Boje zur‚ck, ‚ber die du mir gemeldet wirst.‡ †Anders ausgedr‚ckt also: Ihr w‚rdet dann gewissermaƒen mit Verst€rkung zur‚ckkommen, nicht wahr, Erhabener?‡ †Du bist zuweilen sehr weise, John Willard. Hoffentlich weise genug, diese schwierige Mission zu erf‚llen? Es w€re wichtig f‚r das gesamte Universum!‡ Dies war eindeutig ein Befehl. Entweder ich bestand die Aufgabe, oder ich brauchte gar nicht erst zur‚ckzukehren - vorausgesetzt, ich ‚berlebte die Angelegenheit ‚berhaupt. Das mindeste, was ich †mitzubringen‡ hatte, wenn schon keine Erfolgsmeldung, war eine Berichterstattung, von der man entsprechende Maƒnahmen ableiten konnte. Das Gesetz der Sternenv•gte. Ich hatte keinerlei Aussichten auf Gnade. Wie immer, wenn mir das bewuƒt wurde, hatte ich den unb€ndigen Wunsch, meinen Herrn und Meister zu erw‚rgen. Doch das wagte ich nat‚rlich nicht. Ich hatte sowieso keine Chance gegen ihn: Das Schiff war einzig und allein auf ihn programmiert. Er war das Schiff gewissermaƒen selber - und das Schiff war er. Darin war ich nur ein geduldeter Gast. 165
Es h€tte keinen Sinn gehabt, sich dar‚ber hinwegzut€uschen.
35. Kapitel Der †Tropfen‡ erschien mir viel zu winzig in diesem Meer der Unendlichkeit. Der Bordcomputer hatte das †Reiseprogramm‡ ‚bernommen. Ich w‚rde also genau in das Zentrum dieses Gebildes hineinfliegen, das gewiƒ nicht nur hungrig auf Container war... Nach den Berechnungen muƒte ich bereits die ersten Ausl€ufer dieses †STERNENMOLOCHS‡ erreicht haben, falls man eine solche Abgrenzung ‚berhaupt vornehmen konnte. Alles blieb normal. Ohne das Computerprogramm, entstanden in all der Zeit, in der die Existenz des Gebildes bereits aus sicherem Abstand erforscht worden war, h€tte ich sicherlich keine Ver€nderung bemerkt: Das All war sowieso voller †St•rungen‡. Da eine Gesetzesm€ƒigkeit herauszufiltern, erschien unm•glich. Es w€re niemals von Erfolg gekr•nt gewesen, h€tte es nicht den konkreten Verlust der Frachtcontainer gegeben. †Ich glaube fast, Sternenvogt, du hast gewartet, bis ich dein Diener war, ehe du dich diesem Problem widmen konntest. Dein James h€tte auch hier versagt. Mir stehen die Aufgaben zu, f‚r die er nicht geschaffen war. Eigentlich k•nntest du sehr zufrieden mit mir sein, aber du h‚test dich, es mich allzu deutlich merken zu lassen. Sonst w€rst du nicht der Sternenvogt, also 166
ein elender Ausbeuter und Dienerschinder!‡ Ich sagte es zornig, denn das brauchte ich, um mir Mut zu machen. Ich stoppte den †Tropfen‡. Die optische Auswertung lief auf vollen Touren. Keinerlei Abweichungen! Ich schaltete das ‚bernommene Computerprogramm hinzu: Die ersten Ausl€ufer des Gebildes, gewiƒ - wenigstens laut Berechnungen. Strahlenerfassung? Nichts! Fremdortung? Nichts! Eigenortung...? Die ausgestrahlten Meƒimpulse verloren sich. Sie wurden nicht reflektiert. Weil es hier einfach nichts gab, was sie h€tte reflektieren k•nnen. Und doch war das Gebilde da. Ich begann es zu sp‚ren, auch wenn es nicht meƒbar war. Wenn es Container verschlungen hatte, dann gewiƒ auch anderes. Vielleicht sogar ganze Welten? Und wo waren sie geblieben? INNERHALB DIESES MOLOCHS? Wieso war nichts feststellbar? Tarnung? Das Gef‚hl wurde deutlicher. Gern h€tte ich es als Selbstt€uschung abgetan... Ich hatte vorsichtshalber den Raumanzug ‚bergestreift und schloƒ jetzt den Helm. Sofort paƒte sich das Material meinem K•rper an. Der Raumanzug war sozusagen so bequem zu tragen wie eine Badehose. Er behinderte mich in keiner Weise, und doch gew€hrte er optimalen Schutz. Das Aggregat auf meinem R‚cken war nicht zu sp‚ren, und doch war es ‚beraus leistungsf€hig. 167
Zum Beispiel gen‚gte allein ein Gedankenimpuls, um vor mir - direkt vor meinen Augen - die wichtigsten Kontrollwerte erscheinen zu lassen. Alles war bestens: Mit dem Raumanzug war ich v•llig autark. Und noch immer keine Meƒergebnisse, die eine wie auch immer geartete Ver€nderung gezeigt h€tten. Kein Energiefeld. Keine Materie. Ich dachte an das zur Zeit g‚ltige Weltbild der Astrophysiker: Das Universum ist Energie, und Energie ist das Universum. Dort, wo sich die Energie extrem konzentriert, dort ist Materie. Ein Energiekollaps gewissermaƒen, denn Materie entsteht durch Zusammenwirken unterschiedlicher Kr€fte. Die Physiker vor Jahrtausenden (des zweiten Altertums, wie es inzwischen genannt wird) haben von starken und schwachen Wechselwirkungen gesprochen. In Wirklichkeit gibt es nur eine universale Wechselwirkung: Wenn etwas geschieht, hat es Auswirkung auf anderes und wird wiederum selbst durch diese Auswirkungen beeinfluƒt. Es gibt keine Ursubstanz, denn der Anfang war kein Anfang, sondern nur der Beginn des Universums, wie wir es kennen. Also ist das Alter dieses Universums relativ und nicht absolut. Es bezieht sich auf die ungef€hre Zeitspanne, in der sich das Universum relativ wenig ver€ndert hat, es also ungef€hr so ist, wie es sich uns pr€sentiert. Vorher war es ein anderes Universum gewesen. Es ist st€ndiger Wandlung unterworfen, denn das einzige, was die Naturgesetze quasistabil h€lt, ist das Gesetz der Wechselwirkung. Wenn aber durch eine einzige abweichende Kraft als Kettenreaktion alle weiteren sich gegenseitig beeinflus168
senden Kr€fte entstanden sind, kann das Ergebnis davon niemals konstant sein, weil die Kettenreaktion unendlich weiterl€uft. Somit ist die Ver€nderung des Universums v•llig unaufhaltsam und wird zwangsl€ufig in einen anderen Gesamtzustand einm‚nden, irgendwann, ganz allm€hlich. Die Grenzen sind dabei sozusagen flieƒend. Es l€ƒt sich deshalb das relative Alter des Universums nur ungef€hr bestimmen und niemals auf ein paar Milliarden Jahre genau. Und das †n€chste‡ Universum wird andere Naturgesetze haben, die jedoch in sich genauso schl‚ssig bleiben, weil die Wechselwirkungen keine unmittelbaren Abweichungen zulassen, sondern nur mittelbare in der Unendlichkeit von Raum und Zeit, getragen von einem weiteren Faktor mit Namen ZUFALL! Das n€chste Universum wird sicherlich keine Menschen kennen, aber vielleicht irgendwelche Menschheitsnachfolger? Denn mit dem Universum €ndert sich auch das Leben (das, was wir so nennen) - oder das n€chste Universum wird ohne dieses stattfinden! Doch das Leben hat sehr viel Zeit zur Anpassung - viele Milliarden von Jahren. Das ist sein Chance. Der Faktor Zeit ist groƒz‚giger als alle anderen Faktoren. Universale Ver€nderungen verlaufen, gemessen an der Verg€nglichkeit oder dem Selbsterneuerungstakt des Lebens, schier unendlich langsam, so daƒ sie niemals direkt wahrnehmbar und praktisch so gut wie gar nicht berechenbar sind - vor allem auch deshalb nicht, weil dem denkenden Menschen trotz all seiner Wissenschaft und Technik zu viele kreat‚rliche „ngste, W‚nsche und Vorurteile im Weg stehen 169
und somit Pr€zision der n•tigen Forschungen nachhaltig verhindern. Noch w€hrend ich dieses dachte, wurde das Gef‚hl ‚berstark, mitten im Fremden zu stecken. Das war ein ‚bergang, der sich deutlich vollzog, nicht vergleichbar mit der Ver€nderung des Grundzustandes des Universums im Strom der Zeit. Wie kam dieses Gef‚hl zustande? Ich glaubte, in einem Meer zu schwimmen, und war fest ‚berzeugt davon, daƒ es sich dabei in der Tat um das †Meer der Zeit‡ handelte. Ich schaute auf die Kontrollen, die nichts anzeigten, was man ungew•hnlich h€tte nennen k•nnen, und wollte das ‚bernommene Computerprogramm endlich wieder hinzuschalten. Das ging ‚berhaupt nicht, weil meine Hand in die Konsole eindrang, als w‚rde diese aus Fl‚ssigkeit bestehen! Ich erschrak nicht dar‚ber, weil ich €hnliches geahnt hatte. Langsam zog ich die Hand wieder zur‚ck. Die Konsole zeigte schwere Besch€digungen. Sie normalisierte sich nicht wieder. Irgendwo blinkte ein Warnlicht. Gleichzeitig ging der Bordcomputer daran, seine selbstreparierenden Kr€fte zu mobilisieren. Wie von Geisterhand gegl€ttet, begann die †Wunde‡ an der Konsole nun doch zu †heilen‡. Der Sternenvogt hatte mir einmal erkl€rt, wie es funktionierte. Ich hatte dieses Wissen mit einem entsprechenden Computerprogramm vertieft, aber es war mir jetzt v•llig gleichg‚ltig. Wie so vieles. Beinahe sogar alles! Eine tiefe Gleichg‚ltigkeit, die mich sogar die fundamentale Frage vernachl€ssigen lieƒ, ob 170
mein Leben echt in Gefahr war oder nicht. Der Prozeƒ schritt fort, bis ich sicher war, daƒ es keinen Widerstand mehr f‚r mich gab. Ich wollte die Konsole ber‚hren, und diesmal war sie nicht wie Fl‚ssigkeit, sondern ich durchdrang sie mit meiner Hand wie Nebel. Als ich die Hand zur‚ckzog, gab es wieder Besch€digungen. Ich begriff endlich, daƒ diese keineswegs unmittelbar durch meine Hand verursacht wurden, sondern von meinem - Raumhandschuh. Deshalb machte ich mich daran, den Raumanzug auszuziehen... Es war, als w‚rde er aus nassem Seidenpapier bestehen, das an mir klebte. Ich zog es in Streifen ab, pfl‚ckte es sorgf€ltig von meinem K•rper genauso wie der leichte Bordanzug, den ich darunter trug. Dann war ich nackt - und sehr gl‚cklich dar‚ber. Die k‚nstliche Schwerkraft an Bord des Tropfens wirkte nicht mehr auf mich. Ich schwebte nein, ich schwamm wie im Meer. Ich vollf‚hrte Schwimmbewegungen und trieb vorw€rts, genau auf den Hauptschirm zu. Er hatte keine Chance. F‚r mich war er keine Substanz mehr. Ich schwamm einfach hindurch, denn dort drauƒen erwartete mich die Freiheit. Die Freiheit von aller beengenden Materie. Ich wollte nur noch ich selber sein. Das war es, was ich anstrebte. Alles andere wurde absolut bedeutungslos. Astrophysik? Wie unwichtig und auch unsinnig. Sternenvogt, Handelsflotte, AARON, Erde...? Ich lachte gl‚cklich, denn ich war drauƒen, 171
schwamm im unendlichen Meer eines anderen Universums, in dem nichts Bedeutung hatte auƒer mir selber... DER STERNENMOLOCH HATTE MICH L„NGST MIT HAUT UND HAAREN VERSCHLUNGEN - IM WAHRSTEN SINNE DES WORTES! ABER: ES WURDE MIR NICHT MEHR BEWUƒT...
36. Kapitel Ich sp‚rte und erfuhr. Ich dachte und wirkte. Nicht ich war es, der sich bewegte, sondern lediglich die F‚lle meiner Gedanken - nicht mehr gehalten von Materie, nicht mehr gebunden an die Windungen eines materiellen Gehirns, sondern frei und ungeb€ndigt wie nie zuvor. Meine Gedanken bewegten sich und gaukelten mir vor, ich h€tte noch einen richtigen K•rper. Ich betrachtete beispielsweise meinen rechten Arm, und doch war dieser auch nur ein Gedanke, eine Vorstellung, entstanden scheinbar aus schierer Gewohnheit: Ich war es einfach nicht gew•hnt, ohne K•rper zu sein, ohne diesen Zwang der Materie, den ich als €uƒerst l€stig und unangenehm empfand - jetzt, im nachhinein. Und weil ich nicht daran gew•hnt war, erzeugten meine Gedanken diesen Pseudok•rper. Denn wenn ich denke, wirke ich! Ich wirkte auf das, in dem ich †eingebettet‡ 172
war. Ein einziger Gedanke an den †Tropfen‡ gen‚gte, den ich gerade erst verlassen hatte (Gerade erst? Wann wirklich?) - und der †Tropfen‡ schwebte herbei. Meine Gedanken wirkten und gestalteten. Er verfestigte sich nach meinem Belieben. Ich wollte hineinsehen - und konnte es, wie bei einer Riƒzeichnung oder einer Computergraphik. Ich schwebte hin‚ber, unterst‚tzte es mit kr€ftigen Schwimmbewegungen, sah den zerfetzten Raumanzug und wollte, daƒ er auf der Stelle wieder heil war. Er wurde! Ich wollte ihn †am Leib‡ sp‚ren - und sp‚rte ihn sofort. Im Nu war der alte Zustand wiederhergestellt. Das am‚sierte mich ungemein, denn ich sp‚rte jetzt nicht nur die FREIHEIT meiner Gedanken, sondern auch ihre - MACHT! Das Spiel machte Spaƒ, und deshalb trieb ich es auf die Spitze: Ich wollte zum Schiff meines Herrn zur‚ck - und prompt schoƒ es auf mich zu. Oder war es umgekehrt: Bewegte ICH mich, und das Schiff blieb dort schweben, wo es war? Was spielte das schon f‚r eine Rolle? Doch dann erschrak ich: Nicht nur: ICH DENKE UND ICH WIRKE! Sondern auch: ICH SPˆRE UND ERFAHRE! Ich hielt rechtzeitig inne, weil ich genau wuƒte, daƒ ich eine groƒe Gefahr f‚r das Schiff geworden war - f‚r das Schiff und f‚r meinen Herrn. Ich sp‚rte und erfuhr. Aber nur, wenn ich es wirklich wollte. Mit dieser Gabe sammelte ich Erfahrungen und damit Wissen. Mit dem Verstand gestaltete ich es und reflektierte dar‚ber. Diese M•glichkeiten machten mich nicht nur 173
gl‚cklich, sondern berauschten mich regelrecht. Ein wahrscheinlich gef€hrlicher Rausch, weil er das Gef‚hl beherrschte und den Verstand lahmzulegen begann. Das w‚rde in Wahnsinn einm‚nden und in die Unf€higkeit, auch weiterhin zu erfahren und zu wirken - nach eigenem positivem Wollen! Ich wich deshalb vom Schiff zur‚ck. Was hatte ich mit diesem auch zu schaffen? Was verband mich mit dieser so anderen Welt, wo Energie kollabierte, in sich zusammenbrach, sich zusammenballte zu fester Materie? Ich kicherte. Diese dummen Menschen. Sie sprechen davon, Energie freizusetzen, wenn sie beispielsweise Atome spalten, und begreifen nicht, daƒ sie damit das Geheimnis der Materie ansprechen, die nichts anderes ist als gebundene Energie. Gebunden erzeugt sie gewissermaƒen eigene Gesetzesm€ƒigkeiten, dank dem Gesetz der Wechselwirkungen, das sich als Kettenreaktion unendlich fortentwickelt und eine immer neue F‚lle von Naturgesetzen erzeugt. Mancherorts bricht alles zusammen. Ein Kollaps wie beispielsweise beim Tod einer Sonne: Unterschiedliche Kr€fte halten sich vorher die Waage: Das Gesetz der Gravitation will die Sonne in sich zusammenst‚rzen lassen. Komplizierte Abl€ufe als Wirkung der Schwerkraft (= Gravitation) lassen Energie frei werden, die die Sonne wieder auseinandertreibt. Die Schwerkraft verhindert dies jedoch permament. Und so bleibt die Sonne lange eine relativ stabile Einheit, die weder detonieren (als Folge der energetischen Vorg€nge), noch in sich zusammenst‚rzen (als Folge der stark wirksamen Gravitation) kann. ˆber Jahr174
millionen oder gar Jahrmilliarden hinaus. Bis es eine St•rung gibt und sie in einer Nova stirbt... Eine St•rung? dachte ich. Eine komplizierte Ordnung, die gest•rt wird, kollabiert immer. Es f‚hrt zwangsl€ufig zur Katastrophe. Es gen‚gt zuweilen gar ein winziger Nadelstich, um einen groƒen Ballon zum Platzen zu bringen. Es gen‚gt bei einer Sonne eine Ver€nderung der energetischen Abl€ufe - weil vielleicht im Laufe von Jahrmilliarden das †Brennmaterial‡ eine andere Ordnung angenommen hat - und schon wird zu wenig Energie frei, um das Zusammenst‚rzen zu verhindern. Das Zentrum ballt sich pl•tzlich zusammen und sprengt dadurch die €uƒere Schale ab. Eine schreckliche Katastrophe, f‚rwahr. Wenn die zusammengeballte Materie eine bestimmte Gr•ƒenordnung hat, entsteht eine neue Kettenreaktion, und die dadurch freiwerdenden Kr€fte fetzen das Zentrum auseinander - bis auf einen vergleichsweise winzigen Rest. Supernova nennen die Menschen diesen Vorgang. Das Gesetz der Schwerkraft versetzt den verbleibenden †Rest‡ in immer schneller werdende Drehbewegung, bis die €uƒere H‚lle des sogenannten Neutronensterns irgendwann Lichtgeschwindigkeit erreicht. Schneller geht es nicht, denn die Lichtgeschwindigkeit ist die einzige physikalische Konstante und bleibt unver€nderbar. Die Fliehkr€fte reichen indes nicht aus, das letzte Schrumpfen zu verlangsamen. Es ist das endg‚ltige Ende auch des Neutronensterns, eben weil die Lichtgeschwindigkeit die einzige Konstante in der Natur ist. Gr•ƒere Fliehkr€fte k•nnen also nicht erzeugt werden, nicht mehr jedenfalls an der €uƒeren Schale. 175
Bis sich schlieƒlich jeder einzelne Punkt des Neutronensterns mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Jeder einzelne Punkt! Das bedeutet ein st€ndiges Verschieben der €uƒeren Punkte gegen‚ber den inneren. Das bedeutet ein neuer Zustand in der Geschichte des Sterns. Das bedeutet in letzter Konsequenz ein Aufbrechen, ein Aufb€umen, das sich stumm und unsichtbar vollzieht, weil alles Licht, das von auƒen kommt, einfach verschlungen wird. ALLE ENERGIE WIRD LETZTLICH VERSCHLUNGEN. Der Raum um den Stern wird nichtexistent in der ˆbergangszeit zum letzten Zustand. Es gibt keine Verbindung zum Universum und damit keine Einwirkung mehr. Und es gibt w€hrend der absoluten Lichtgeschwindigkeit keine Zeit mehr. Ver€nderungen, wie auch immer geartet, k•nnen somit nur noch r€umlich erfolgen - noch immer allerdings nach dem Prinzip der Wechselwirkung. Raum ist alles und Zeit ist nichts. Dem Stern wird es †zu eng‡, und er kann sich ausdehnen zu einer Neutronenwolke, die sich zu einem eigenen Universum verwandelt, mit eigenen Wechselwirkungen, also eigener Gesetzesm€ƒigkeit. Und die Zeit spielt dort wieder eine Rolle, wo die Konstante der Lichtgeschwindigkeit nicht mehr absolut eingehalten wird - dank der Ausbreitung. Indem sie sich weiter ausdehnt, indem das abgekapselte Universum gr•ƒer wird, sprengt es nach und nach seinen eigenen Rahmen und kommt wieder mehr in Konflikt mit den †€uƒeren Wechselwirkungen‡ des umgebenden Universums. Es wird gezwungen, sich denen wieder 176
mehr anzupaƒen, und es breitet sich dabei noch weiter aus. Ein Vorgang, der nach menschlichem Ermessen unendlich lange dauert. Zeitr€ume, die f‚r den Menschen unvorstellbar sind, aber f‚r das Universum ein kleines St‚ckchen †Alltag‡. Die Anpassung verl€uft sp€ter schneller, und immer, wenn es eine Ber‚hrung gibt mit Materie des †groƒen‡ Universums, wird diese vom †kleinen‡ Universum verschlungen. Es ver€ndert sich dadurch nur noch mehr, aber auch die Dinge von auƒen bekommen innerhalb eine andere Wertigkeit, eine andere Ordnung. Eine gegenseitige Anpassung, eben folgend dem Grundsatz der Wechselwirkungen, auch Kausalit€t genannt. Ich wollte erfahren und erfuhr ‚ber mein Gef‚hl, und ich erg€nzte es mit meinem Verstand, mit meinem Wissen um die grunds€tzlichen Erkenntnisse in der Astrophysik, die mir zur Verf‚gung standen - seit ich sie gelernt hatte. Ich war in dem †kleinen‡ Universum und erfuhr von seiner Anpassung. Und durch mein Wissen, das ich mir einmal als Mensch angeeignet hatte, wurde mir klar, daƒ das †kleine‡ Universum irgendwann nur noch eine Neutronenwolke sein w‚rde, die sich vollkommen anpaƒte und in unterschiedliche Materie erstarrte. Ein weit verteilter Tr‚mmerhaufen mit superschweren Metallen. Er w‚rde sich zu unterschiedlichen K•rpern zusammenballen lassen, w‚rde n€mlich leichtere Materie wie Wasserstoff und dergleichen anziehen und sich damit zu einer interstellaren Wolke aufbl€hen, die sich mit 177
anderen vermischt, bis zu einem sp€teren Zeitpunkt wieder neue Sterne entstehen, mit Planeten - mit Welten wom•glich, die neues Leben tragen... An diesem Punkt der ˆberlegungen angelangt, bem€chtigte sich meiner Verzweiflung: Ich hatte dies alles erkannt, doch was nutzte es mir? Ich war Gefangener im anderen Universum, kam hier nicht mehr heraus. Selbst wenn es mir noch m•glich sein sollte, meinem Herrn Mitteilung zu machen... Es war mir inzwischen gelungen, mich weitgehend dem anderen Universum anzupassen, sonst h€tte ich den ˆbergang nicht ‚berlebt. Aber das hatte mich dem Universum †entfremdet‡, das mich geboren hatte: Es wollte mich nicht mehr haben - auch nicht f‚r eine kurze Mitteilung! Ich dachte an die Planeten, die nach „onen entstehen w‚rden - und bekam die Wahnvorstellung, dann ein winziger Bruchteil davon zu sein. Niemand w‚rde es auch nur ahnen, und ich w‚rde auch nichts mehr davon haben, weil lange vorher schon der letzte meiner Gedanken erloschen sein w‚rde...
37. Kapitel Ich weilte f‚r unbestimmte Zeit in der H•lle meiner pessimistischen Vorstellungen. Vorbei war es mit dem groƒen Gl‚cksgef‚hl, das ich im Verlauf meiner Anpassung erlebt hatte. Schlieƒlich wurde die H•lle von neuen Gedanken gest•rt: Was war eigentlich aus den ver178
schwundenen Containern geworden? Was war vor allem mit ihrem Inhalt? Waren denn Menschen dabei gewesen? Wenn ja: Hatten sie sich wom•glich - ebenso angepaƒt wie ich? In meinem Denken war ab sofort kein Platz mehr f‚r Pessimismus, sondern nur noch f‚r - Neugierde, getragen von dem unangenehmen Gef‚hl von - Einsamkeit! Ich begann, mich in die Idee zu verrennen, in diesem kleinen Universum m‚ƒte es andere Menschen geben. Das machte die Frage zun€chst gegenstandslos, wie es mir gelingen k•nnte, das kleine Universum wieder zu verlassen. Ich hatte wieder Interesse an meiner direkten Umwelt und •ffnete ihr meine Sinne. Zun€chst war um mich herum nur das Nichts. Ich war eingebettet im kleinen Universum, auƒerstande, Eindr‚cke zu sammeln. Doch wenn das Prinzip der Wechselwirkungen auch hier funktionierte, muƒte es m•glich sein, scheinbar Gegenst€ndliches zu erfahren. Denn Wechselwirkungen machen Gleichf•rmigkeit unm•glich, und wo es keine Gleichf•rmigkeit gibt, existieren Inseln! Es lag nur an mir, diese Inseln zu entdecken und sie vielleicht sogar zu besuchen. Ich sp‚rte meinen K•rper, als w€re er Wirklichkeit und nicht von meinen eigenen Gedanken geschaffen. Nun, vielleicht bildete ich mir nur ein, ich h€tte mir selber einen k‚nstlichen K•rper verpaƒt? Ein Traum? Eine Wahnvorstellung zur Zeit der Anpassung? Erneut streckte ich meine †F‚hler‡ aus, vorsichtig, denn die Erkenntnis hatte sich in mir gebildet, daƒ es mir letztlich unm•glich war, zwi179
schen bloƒen Halluzinationen, also Wahnvorstellungen, und Wirklichkeit zu unterscheiden. Ich brauchte jedenfalls einen Anhaltspunkt, eine Art †Anker‡, an dem ich meine Gedanken festkn‚pfen und meine Sinne erproben konnte. Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich sp‚rte meinen †neuen‡ K•rper und hatte auch eine Stimme: Ich stimmte ein Freudengeheul an. Ja, das war es, das war die L•sung. Der †Tropfen‡ muƒte wiedergefunden werden! Er konnte nicht so weit sein. Wie war das denn gewesen: Hatte ich ihn wirklich Kraft meiner Gedanken †repariert‡? Ich konzentriert mich auf ihn, tastete umher, versuchte mit meinen Gedankenkr€ften seinen Standort zu bestimmen. Und dann hatte ich ihn tats€chlich gefunden! Da war er, der †Tropfen‡. Hier ein irgendwie unwirkliches Gebilde, dem ich mich mit Schwimmbewegungen n€herte. Der †Tropfen‡ schwebte vor mir im Nichts. Mir war, als w‚rde d‚nner Nebel dar‚ber hinwegziehen. Eine Str•mung, der dieser Nebel anscheinend folgte, und diese Str•mung wirkte auch auf mich, wenn auch in geringerer St€rke. †Gottseidank bin ich nicht zu weit abgetrieben worden!‡ Die gut verst€ndlichen Worte von meinen eigenen Lippen beruhigten mich ungemein. Neuer Tatendrang erf‚llte mich. Ich schwamm mit kr€ftigen Z‚gen auf den Tropfen zu. Ich war inzwischen ‚berzeugt davon, daƒ ich einen realen K•rper hatte - und nicht etwa nur eine †Wunschvorstellung‡. Alle anderen Ph€nomene interessierten mich zur Zeit ‚berhaupt 180
nicht. Der †Tropfen‡ war ein Ding, das sich genauso real anf‚hlte, aber s€mtliche Systeme waren offensichtlich ausgefallen, denn es gelang mir nicht, die Auƒenschleuse zu •ffnen. Auch reagierte der Computer nicht auf meine Zeichen. Stirnrunzelnd untersuchte ich das Raumboot: Keinerlei Besch€digungen. Und wie war ich dann durch die Wandung nach drauƒen gelangt? Ich sch‚ttelte den Kopf. Eine tr€ge Bewegung, wie bei einem Taucher unter Wasser, auch wenn die †Substanz‡, das †Medium‡, in dem ich schwamm, v•llig anders als Wasser war - irgendwie auch †d‚nnfl‚ssiger‡. Ich hielt mich am †Tropfen‡ fest und lauschte in mich hinein. Nein, ich muƒte mich ver€ndert haben, wie anfangs schon angenommen. Ich war nicht mehr derselbe. Und der †Tropfen‡ funktionierte einfach deshalb nicht mehr, weil hier andere Gesetzesm€ƒigkeiten herrschten. Und dann erkannte ich, was mit mir gewissermaƒen ganz gravierend anders war: Ich atmete nicht! Ich tastete ‚ber meinen Bauch, schaute auf meine Hand. Sie war wie ausgebleicht. Das Fleisch wirkte schwammig, als w€re es kein menschliches Fleisch, sondern irgendwie eine Art - Gummi. Als w€re mein ganzer K•rper in der Tat k‚nstlich! Ich sp‚rte dennoch die Hand am Bauch. Ich tastete ihn sorgf€ltig ab. Kurz versuchte ich, die Bauchmuskeln anzuspannen. Das Gewebe zog sich leicht zusammen und wurde fester. 181
Es gab nicht mehr die Unterscheidung zwischen Muskeln, Bindegewebe und Haut. Das war alles eine einzige Masse geworden. Mein K•rper war eine gegenst€ndliche Einheit, die nicht mehr so funktionierte wie im †alten‡ Universum. Das biologische System mit Namen K•rper hatte sich angepaƒt und war zu einer anderen Art von System geworden, wie es in dieser besonderen Umgebung existieren konnte. Dabei kam zwangsl€ufig die Frage auf, wie es m•glich gewesen war? Wieso hatte ich die Anpassung ‚berhaupt ‚berstehen k•nnen? Es gab keine Antwort darauf - zur Zeit jedenfalls noch nicht. Ich starrte in den Nebel, der tr€ge vor‚berzog und mich dabei allm€hlich beschleunigte - mitsamt dem †Tropfen‡. Ich konnte gut sehen, obwohl es kein Licht im eigentlichen Sinne gab. Aber vorher hatte doch absolute Dunkelheit geherrscht? Als w‚rde jeder K•rper hier eine eigene Strahlung aussenden, die ihn sichtbar machte - und sogar die direkte Umgebung †beleuchtete‡. Ich tastete ‚ber mein †neues‡ Gesicht, das sich wie eine Gummimaske anf‚hlte. Ich ber‚hrte sogar die Aug€pfel. Sie waren so unempfindlich geworden wie normale Haut. Der Nebelstrom brachte mich weg von der Stelle, an der ich in dieses Universum eingetaucht war. Aber wohin w‚rde die Reise gehen? Den Tropfen lieƒ ich nicht mehr los. Er war auƒer mir das einzig Gegenst€ndliche hier und blieb im gewissen Sinne vertraut: Das half mir, nicht den Mut zu verlieren. 182
Vielleicht gab es noch mehr in diesem Universum? Und vielleicht wurde es f‚r mich erst sichtbar, wenn ich mich nahe genug befand? Ich hatte weder Hunger, noch Durst, also hatte ich auch gen‚gend Zeit. Die Str•mung w‚rde mich schon noch an ein Ziel bringen, und dort w‚rde man weitersehen. Der Strom, der mich trieb, blieb nicht stetig, sondern wurde beschleunigt. Ich schwamm dadurch immer schneller. Der Nebel ‚berholte mich, als w‚rde er aus leicht eingef€rbten Wassertropfen bestehen. Er glitt an mir vor‚ber, und jetzt konnte ich die Str•mung auf meiner Haut sp‚ren. Im n€chsten Moment schob sich ein gigantischer K•rper in mein Blickfeld, scheinbar groƒ wie ein ganzer Planet. Seine †Massenstrahlung‡ war stark genug, um ihn auf solche Entfernung schon sichtbar zu machen. Der Nebel eilte zu ihm hin, zerfetzte zu d‚nneren Schleiern wie der langgezogene Schweif eines Kometen. Und ich befand mich mitten darin. Anscheinend prallte der Nebel nicht auf die Planetenoberfl€che, sondern vollf‚hrte einen Bogen. Mit gemischten Gef‚hlen schaute ich dorthin. Wenn es mir so ging wie dem Nebel, w‚rde ich nicht zerschellen. Doch wie war es mir m•glich, auf dieser Welt zu †landen‡? Ich gr‚belte noch dar‚ber nach, als - die Menschen kamen!
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38. Kapitel Sie waren zu zweit und wirkten wie †Gummim€nner‡ - genauso wie ich selbst. In freudiger Erwartung schwamm ich von meinem Kleinraumer weg und auf sie zu. Sie hatten mich ebenfalls bereits entdeckt. Es war die Freude ‚ber das Ende der Einsamkeit, die mich unvorsichtig werden lieƒ. Auƒerdem: Ich h€tte bei meiner ersten Begegnung niemals Aggressivit€ten vermutet, und doch: Diese beiden waren bereit dazu. Sie trugen Waffen: Einer einen Speere und der anderen einen schweren S€bel, dessen Klinge aus schwarzem Stein war, aus Materie dieses Universums. Die beiden schwammen geschickter als ich. Einer lieƒ seinen S€bel durch den treibenden Nebel zischen, als w€re ich bereits in seiner Reichweite, und ich zweifelte keine Sekunde, daƒ bereits ein einziger Treffer gen‚gte, mich in zwei H€lften zu teilen. Dabei war ich v•llig unbewaffnet! †He!‡ rief ich erschrocken, †macht keinen Quatsch! Ich bin neu hier und...‡ Nein, die beiden Burschen verstanden keinen Spaƒ. Die waren darauf aus, mich zu t•ten, und mit flapsiger Freundlichkeit allein konnte ich ihnen nicht beikommen. Sie nahmen mich in die Zange. Ich hatte abgewartet, bis sie nahe genug waren. Rechtzeitig kr‚mmte ich mich zusammen. Eine einzige Bewegung, die gen‚gte, unter ihnen hinwegzutauchen. Damit hatten sie nicht gerechnet. Ich war ih184
nen in meinen scheinbar unkontrollierten, plumpen Schwimmbewegungen eher wie eine leichte, ungeschickte Beute erschienen. Sofort formierten sie sich neu. Woher hatten sie bloƒ diese Mordlust? Was war ihr Motiv? Hatte ich in meiner Unwissenheit etwa ein Tabu verletzt? Einer zielte mit seinem Speer. Der andere holte mit dem S€bel aus. Ich riƒ die Beine geschlossen hoch, ruderte mit den Armen, tauchte wieder weg, ‚berschlug mich und schoƒ ‚berraschend zur Seite. Der mit dem S€bel z•gerte mit dem Schlag, weil ich mich zu schnell bewegte, und wenn er mich verfehlte, war er in einer schlechteren Position. Sein Begleiter konnte indessen den Speer nicht einsetzen, um ihn nicht zu gef€hrden. Und dann war ich so nahe, daƒ ich dem Typ mit dem S€bel in den Arm fallen konnte. Ich umklammerte mit aller Kraft das Handgelenk des Gegners. Er schrie auf. Ich sch‚ttelte ihm den S€bel aus der Hand, erbeutete ihn und drehte mich ab. Genau rechtzeitig, denn der andere hatte keinerlei Bedenken mehr, direkt einzugreifen, und stieƒ mit seinem Speer zu. Ich schlug aus der Bewegung heraus mit dem erbeuteten S€bel gegen den Speer, der dadurch die Richtung €nderte. So traf er nicht mich, sondern den anderen Gegner. Der Getroffene gab einen €chzenden Laut von sich. Ungl€ubig stierte er auf den Speerschaft, der tief in seiner Brust steckte. Er griff danach, um ihn herauszuziehen. Blut quoll aus seinem Mund. 185
Ein entsetzlicher Anblick. Sein M•rder war wie paralysiert, als er sah, was er angerichtet hatte. Aber bevor sich seine Wut gegen mich entladen konnte, schlug ich mit dem erbeuteten S€bel unbarmherzig zu. Das Innere des K•rpers war in der Tat unmenschlich. Die €uƒerliche „hnlichkeit t€uschte: Er bestand aus winzigen Waben, wie winzige Blutkammern. Verst€rkt wurde die Konstruktion durch ein stabiles, wenngleich hochelastisches Ger‚st, wohl aus †ehemaligem‡ Knochengewebe. Das Wabengebilde um die noch vorhandene Wirbels€ule herum pulsierte leicht. W‚rgend wandte ich mich ab. Die erste Begegnung - und gleich zwei Tote! Sah ich in meinem Innern denn genauso aus? Ich strich unwillk‚rlich ‚ber meinen Bauch. Es blieb zu vermuten. Ich hatte durch den Kampf soviel Abstand zum †Tropfen‡ gewonnen, daƒ ich ihn beinahe aus den Augen verlor. Ich sah, daƒ aus allen Richtungen Nebelschleier herbeitrieben, anscheinend angezogen von dem Planeten. Von meiner Warte her €hnelte es einem Muster aus Feldlinien. Ja, als w‚rde es ein starkes Magnetfeld geben, das den Nebel beeinfluƒte und diesen stetigen Sog erzeugte. Ich befand mich offensichtlich ‚ber einem Pol. Mit kr€ftigen Schwimmbewegungen wollte ich dem †Tropfen‡ folgen, aber der wurde immer schneller und raste nun der Planetenoberfl€che entgegen. Da war das Polzentrum. Nebelschleier jagten hinunter und erzeugten ‚ber der Oberfl€che ein Brodeln und Kochen wie in einem Hexenkessel. Aber die Planetenoberfl€che wurde nicht be186
r‚hrt, denn die Str•mungsgeschwindigkeit verringerte sich rapide, und aus dem Kochen und Brodeln wurden wieder endlos lange Nebelfahnen, die sich in der Tiefe dieses Universums verloren. Vielleicht bildeten sie auch, einem mir unbekannten Gesetz folgend, eine weite Schleife und kehrten wieder irgendwann hierher zur‚ck? Der †Tropfen‡ langte jetzt ebenfalls an. Ich sah ihn als winzigen Punkt. Er wurde kr€ftig durchgesch‚ttelt wie auf einem sturmgepeitschten Meer, zerschellte jedoch nicht auf der Planetenoberfl€che, wie ich schon bef‚rchtete, sondern wurde davongetragen, um den Nebelstreifen zu folgen. Ich hatte nicht die geringste Chance, ihn einzuholen, weil ich keine Lust hatte, von diesem Hexenkessel verschlungen zu werden. Aber was blieb mir anderes ‚brig? Ich schwamm verzweifelt, um dem Strudel zu entrinnen, und schaute auf die Planetenoberfl€che hinunter. Die erste Begegnung mit Menschen war sehr unerfreulich verlaufen. Gegen zwei hatte ich mich noch behaupten k•nnen. Was, wenn eine ˆbermacht folgte? Ich erreichte eine Zone, wo die Str•mung deutlich schw€cher war. Hier wog ich pr‚fend den S€bel in der Hand. Er war sehr schwer. Sonst h€tte man ihn in dem fl‚ssigkeits€hnlichen Medium rundherum auch nicht gut handhaben k•nnen. Eine f‚r hiesige Verh€ltnisse recht gute Waffe und messerscharf. Mir blieb nichts anderes ‚brig, als sie vorsichtshalber zu behalten. Leider hatte ich es vers€umt, auch den Speer 187
einzufangen. Der S€bel muƒte gen‚gen. Ich machte mich auf den Weg zur Planetenoberfl€che. Das war hier m•glich. Ich konnte praktisch bis hinunter schwimmen. Dem stetigen Sog konnte man jetzt gut widerstehen. Ich machte keine Umwege, sondern schwamm schnurgerade hinunter, denn ich rechnete mir aus, daƒ es dort unten Verstecke gab. Das Planetenrund erschien mir insofern sicherer als die Weite hier oben. Meine Sinne waren wach, und ich war kampfbereit. Ich w‚rde mein Leben verteidigen. Das war klar. Doch was w‚rde mich erwarten - in dieser so v•llig fremdartigen Sph€re, die mein Schicksal geworden war?
39. Kapitel ˆber der Oberfl€che des Planeten gab es wechselnde Str•mungen. Sie alle wurden von den Feldlinien erzeugt, wie ich sie nannte. Je tiefer ich kam - das heiƒt, je mehr ich mich der Oberfl€che n€herte -, desto deutlicher wurde die Gr•ƒe des Planeten: Er hatte die Ausdehnung des irdischen Mondes und war praktisch haargenau kugelf•rmig. Sicherlich eine †eingefangene‡ Welt. Vielleicht gab es dazu sogar die †passende‡ Sonne? Und was war aus dieser geworden - bei der †Verwandlung‡, also der Anpassung an dieses Universum? 188
Noch immer besch€ftigte mich das Ph€nomen der eigenen Anpassung, und ich war ‚berzeugt von meiner Theorie, daƒ mit jedem K•rper, der von auƒen eindrang, die Sph€re hier †drinnen‡ ver€ndert wurde. Sie war eingebettet im †groƒen‡ Universum, kapselte sich davon ab, jedoch nicht v•llig, denn ihre Grenzen blieben instabil und dadurch f‚r feste K•rper durchg€ngig. Ein Gedanke: M•glicherweise erfolgte ˆBERHAUPT KEINE WIRKLICHE VER„NDERUNG? Vielleicht war die scheinbare Anpassung nur eine Folge der VER„NDERTEN GESETZESM„ƒIGKEIT von diesem Universum? Meine Umgebung wurde stetig heller: Die Helligkeit wuchs proportional zur Ann€herung an die Planetenoberfl€che. Jetzt waren f‚r mich sogar die Oberfl€chenstrukturen erkennbarer - sofern man ‚berhaupt von †Strukturen‡ sprechen konnte, denn sie erschien fast wie glattgeschliffen. Eine Folge von stetigen Str•men, die es auch dort unten gab, obwohl sie weit weniger stark sein mochten? Dann w‚rde diese Welt im Laufe von Millionen von Jahren weiter schrumpfen. Staub w‚rde sich von der Oberfl€che l•sen und in die st€rkeren Str•mungen der Feldlinien geraten. M•glicherweise war es sogar dieser Staub, der die Linien sichtbar machte, weil er jenen eigenartigen †Nebel‡ erzeugte? Deshalb konnte man auch aus der Ferne diesen Planeten nicht sehen, weil der Staub die Sicht verhinderte. Das bekr€ftigte mich nur noch in meiner Annahme, daƒ es hier noch viele andere Festk•rper gab, somit nat‚rlich auch andere Str•mungen, die jeweilsr von der Masse eines K•rpers erzeugt wurden... 189
J€h wurden meine theoretischen ˆberlegungen unterbrochen, denn praktisch von einem Moment zum anderen tauchte die totale ˆbermacht von Gegnern auf - wie aus dem Nichts materialisiert: Sie schwammen aus allen Himmelsrichtungen herbei. Ich war einfach zu unvorsichtig gewesen, zu sehr in Gedanken versunken, und jetzt war es zu sp€t, dieser ˆbermacht zu entfliehen, denn sie hatten mich bereits umzingelt. Ich hielt zwar kampfbereit den erbeuteten S€bel, aber angesichts dieser Situation erschien das eher l€cherlich als furchterregend und abschreckend. Sie hielten trotzdem Abstand zu mir und drohten ihrerseits mit Speeren, deren Spitzen auf mich zeigten. Erfahrungsgem€ƒ w‚rde ein einziger Treffer gen‚gen. †Was wollt ihr von mir?‡ br‚llte ich. Meine Stimmgewalt hatte mir im System AARON den erforderlichen Sieg gebracht, aber hier konnte ich niemanden damit beeindrucken. †Ich t•te jeden, der mir zu nahe kommt!‡ Auch diese Drohung ging ins Leere. †Du hast die Wachen ermordet!‡ klagten sie mich an. †Wir haben es gesp‚rt, denn wir alle sind miteinander verbunden. Du aber bist ein Fremder, ein Eindringling.‡ Ich fragte mich schon die ganze Zeit, wieso sie mich nicht auf der Stelle umbrachten. Wollten sie erst Gericht ‚ber mich stehen? †Ich wehrte mich meiner Haut. Das war alles‡, verteidigte ich mich. †Ich kam ohne b•se Absicht und wurde von euren W€chtern angegriffen.‡ †Du bist ein M•rder!‡ behaupteten sie stoisch. †Aber sie h€tten mich get•tet!‡ begehrte ich 190
auf. †Ich habe mich nur meiner Haut gewehrt. Was blieb mir anderes ‚brig?‡ †Wer t•tet, ist immer im Unrecht!‡ †Und was ist mit diesen - diesen W€chtern, wie ihr sie nennt? Die d‚rfen wohl jeden t•ten, wie es ihnen beliebt - auch ohne sich damit ins Unrecht zu setzen?‡ †Sie verteidigen die Ordnung, und jeder fremde Eindringling ist eine Gefahr f‚r die Ordnung!‡ Ich konnte das Geschw€tz mit der Ordnung nicht mehr h•ren. Ich war regelrecht allergisch dagegen geworden. Was wunder. †Ich bin ein Fremder und kenne folglich eure Ordnung nicht. Ich weiƒ ungef€hr soviel wie ein neugeborenes Kind und bin genauso unschuldig, also unverantwortlich.‡ Sie belauerten mich. Eine perfekte Kugel, in deren Brennpunkt ich mich befand. Mit geschickten Schwimmst•ƒen glichen sie die Wirkung der geringf‚gigen Str•mung aus. Sie waren gewissermaƒen ‚berall, und ich sch€tzte sie auf mindestens dreitausend. Jeder von ihnen war bewaffnet, ob Mann oder Frau. Ja, es gab tats€chlich eine Geschlechterunterscheidung bei diesen †Gummimenschen‡, und ich hatte wenig M‚he damit, weil sie splitternackt waren. †Wieso bist du ‚berhaupt gekommen?‡ beklagte sich eine der Frauen weinerlich. †Niemand hat dich gebeten!‡ Sie unterschritt den Sicherheitsabstand, den die anderen zu mir hielten. †Bleib bloƒ weg!‡ riefen andere ihr zu. Sie gehorchte nicht. †Warum bist du gekommen, Fremdling?‡ beklagte sie sich erneut. †Auƒerdem hast du einen groƒen Fremdk•rper mit191
gebracht, der die Ordnung st•rt. Du m‚ƒtest das wissen, auch als Fremder, denn eine jede Welt hat ihre Ordnung, wo sie auch sei. Wie kannst du also behaupten, von keiner hiesigen Ordnung zu wissen?‡ †Tut mir leid‡, sagte ich leichthin. Ich deutete mit dem S€bel auf sie. †Mir scheint, die W€chter standen dir sehr nahe?‡ †Einer war mein Gatte!‡ †Ja, das tut mir leid!‡ Diesmal klang es glaubw‚rdiger aus meinem Mund. †Das wollte ich nicht. Ich wollte nur ‚berleben, und sie haben mich gezwungen zu t•ten. Durch ihr Verhalten. Sie h€tten mir auch sagen k•nnen, daƒ ich unerw‚nscht sei. Ich h€tte diese Welt wieder verlassen.‡ †Aber es h€tte gen‚gt, einen einzigen zu t•ten, denn dann w€re die Zahl richtig geblieben!‡ Die Zahl? Wie sollte ich das verstehen? Die Bev•lkerungszahl etwa? War dieses Volk hier gezwungen, sie niemals ‚ber ein bestimmtes Maƒ hinaus anwachsen zu lassen? Aber - durfte die Zahl auch nicht kleiner sein? War das der Grund, wieso sie mich noch am Leben lieƒen? Neue Hoffnung war geboren. Ich wurde selbstbewuƒter und lieƒ den S€bel sinken. †Was muƒ ich also tun, um meinen Fehler wiedergutzumachen? Ich kam als Fremder in eure Welt, doch das d‚rft ihr mir nicht verdenken, denn ich war einsam und allein, als ich in dieses Universum hier eindrang...‡ †Von auƒerhalb?‡ schrie einer erschrocken. Tumult entstand. Immer wieder h•rte ich: †Einer von auƒerhalb!‡ Es dauerte eine ganze Weile, bis sich der Tumult wieder legte. Derweil verhielt ich mich ab192
wartend. Ich betrachtete den Kreis der Versammelten und versuchte herauszufinden, welcher von ihnen der F‚hrer war. Dies erschien unm•glich. Nur die Frau des einen W€chters hatte sich in den Vordergrund gespielt. Jetzt schwamm sie n€her zu mir heran. Stirnrunzelnd betrachtete sie mich. Stand in ihren k‚nstlich wirkenden Augen Interesse zu lesen? †Du bist wirklich von - auƒerhalb?‡ fragte sie ungl€ubig. †Ja!‡ Ich nickte. †Ich kam mit einem Raumfahrzeug, ohne das man sich im leeren Raum meines Universums nicht bewegen kann. Dann wurde ich verschlungen und ver€nderte mich, bis ich so war wie ihr. Von Einsamkeit getrieben, machte ich mich auf die Suche. Als ich die beiden W€chter sah, freute ich mich ‚ber die Begegnung. Doch sie st‚rzten sich in m•rderischer Absicht auf mich. Sie lieƒen mir keine Chance, mich zu erkl€ren.‡ †Der S€bel, den du tr€gst... Dies ist der S€bel meines Gatten!‡ †Ich war bei der Begegnung waffenlos, das schw•re ich dir! Ich muƒte deinem Gatten erst den S€bel abnehmen, um mich meiner Haut wehren zu k•nnen. Auƒerdem wurde dein Gatte nicht von mir, sondern von seinem Begleiter get•tet. Es war ein - ein Unfall.‡ Unwillk‚rlich hatte ich mir die Sprechweise der Menschen hier angeeignet. Ja, sie waren †urspr‚nglich‡ Menschen. Wahrscheinlich stammten sie von einem der verlorenengegangenen Container - sie oder ihre Vorfahren. Wenn, stammten sie genauso von der 193
Erde wie ich! Das h€tte mich freuen sollen, aber unter solchen Umst€nden... Inzwischen waren alle verstummt, und sie betrachteten mich schweigend. Ich hatte die volle Wahrheit gesagt. Ihre Blicke schienen mich zu durchleuchten, um herauszufinden, ob ich ihnen etwas vormachte. Aber ich hielt meine Gedanken abgeschirmt, wie ich es bei meinem Herrn und Meister gelernt hatte. Hatten sie denn nicht davon gesprochen, daƒ sie untereinander in Verbindung standen - auch mit den W€chtern? War es das, was sie dieses Miƒtrauen mir gegen‚ber empfinden lieƒ? Ich wagte es - und •ffnete meinen Geist. Schlagartig sp‚rte ich ihr Eindringen! Es war nicht schmerzhaft, aber unangenehm. Reflexartig wollte ich mich wieder verschlieƒen. Aber das w€re mir h•chstens unter Aufbietung aller Kr€fte gelungen. Ich lieƒ es bleiben, lieƒ sie forschen. †Es ist - die Wahrheit!‡ rief jemand aus. †Kara, er hat deinen Mann nicht get•tet, und er kam in bester Absicht. Von unserer Ordnung wuƒte er nichts, ja, er ahnte nicht einmal, daƒ es auƒer ihm in diesem Universum ‚berhaupt Menschen gibt.‡ Sie schwamm so nahe an mich heran, daƒ sie mich fast ber‚hrte. Ich blickte in ihr h‚bsches Gesicht. Die Augen wirkten wie aus Plastik, mit Bonbonfarben eingef€rbt. Die Haut war unnat‚rlich grau und gummiartig glatt wie ein Taucheranzug. Doch ich wuƒte, daƒ ich nicht anders aussah. Auƒer daƒ ich keine Frau war und keine so aufregende Figur hatte! 194
H€tte sie nur nicht so - k‚nstlich ausgesehen, diese Frau... †Es ist das Gesetz der Ordnung, daƒ du mein Gef€hrte wirst‡, sagte sie rauh. †Ich fordere dich als meinen Besitz, weil du den Tod meines Gatten verschuldet hast. Ebenso m•chte ich auch dir geh•ren. Dann ist die Ordnung bis auf die Nichteinhaltung der Zahl erneut erf‚llt. Deshalb werden wir gemeinsam ein Kind zeugen m‚ssen. Nur falls uns dies nicht gelingen sollte, geben wir das verbriefte Recht an die Gemeinschaft in der Ordnung zur‚ck. Die F‚hrer werden dann bestimmen, wer daf‚r in Frage kommt.‡ Ich war verwirrt. Es war zuviel, was in den letzten Minuten auf mich eingedrungen war einmal ganz abgesehen von dem h•chst unerfreulichen †Einstieg‡ in diese eigenartige Gesellschaft. Nur eines war mir hundertprozentig klar: Ich muƒte das deutliche Angebot annehmen, denn wenn ich dieser Kara einen Korb gab, war ich des Todes. Sie w‚rden keinen Augenblick mehr z•gern, denn in ihren Augen w€re ich endg‚ltig ein Frevler, der den Tod verdient hatte. Deshalb lieƒ ich den S€belgriff los und umarmte sie. Ihr K•rper f‚hlte sich weich an, aber nicht so k‚nstlich wie bef‚rchtet. Oder hatte ich mich nur daran gew•hnt, weil ich genauso beschaffen war? Ich k‚ƒte sie. Das war keineswegs unangenehm. Ganz im Gegenteil: Die Nacktheit der Frau erregte mich. Es wurde €uƒerst peinlich, weshalb ich schleunigst wieder von ihr ablieƒ. Meine Erregung war unm•glich vor den anderen zu verbergen. Aber das schockierte sie nicht 195
etwa, sondern l•ste einen unbeschreiblichen Jubel aus! Andere Welten, andere Sitten! dachte ich zerknirscht und versuchte ein L€cheln. Es wurde allerdings nur eine verzerrte Grimasse daraus...
40. Kapitel Um zu verbergen, was in mir vorging, schirmte ich meine Gedanken wieder ab. Niemand hatte anscheinend etwas dagegen - auƒer Kara: †Du bist jetzt mein Mann! Ich will mit dir verbunden sein, und das kann ich nur, wenn du dich nicht gegen mich verschlieƒt. Alle sind Zeuge davon, daƒ du mein Angebot angenommen hat. Dies hat dein Leben gerettet, und du brauchst unsere Ehe nur noch mit deinen Gedanken zu bekr€ftigen.‡ Ich schaute in ihre †Plastikaugen‡ und l€chelte. Es w‚rde nicht weniger grotesk erscheinen als ihr eigenes L€cheln, doch ich verglich die scheinbare Ver€nderung unserer K•rper einmal mit der optischen Ver€nderung bei Lichtwechsel: Im ultravioletten Licht beispielsweise sah man v•llig anders aus als bei normalem Tageslicht, obwohl man sich in Wirklichkeit ‚berhaupt nicht ver€ndert hatte und ein und derselbe geblieben war. Nein, alle d‚steren Vorstellungen verschwanden und machten Platz f‚r das Neue, Sch•ne, f‚r das ich mich nur noch zu •ffnen brauchte. Ein letzter ketzerischer Gedanke kreiste in meinen Gehirnwindungen: Die hat ziemlich schnell ihren Gatten verges196
sen! Nun, vielleicht muƒte das hier so sein? Der Gedanke verlor sich, und ich konnte mich gefahrlos •ffnen, um Kara †hereinzulassen‡. Noch nie zuvor war es mir m•glich gewesen, fremde Gedanken zu empfangen - aber diese hier... Sie kamen mir keineswegs fremd vor, sondern eher vertraut, als w€re ich mit Kara schon immer verbunden gewesen. Sie muƒte es genauso empfinden, und wir beide vergaƒen, daƒ wir nicht allein waren. Wir k‚ƒten und liebkosten uns. Meine Erregung war nicht nur k•rperlich, weil unsere Gedanken ebenfalls vereint waren. Das war eine Verbindung, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. †Noch nie zuvor?‡ zweifelte Kara. Aber sie las in mir wie in einem aufgeschlagenen Buch und wuƒte sogleich, daƒ es die Wahrheit war. †Wie ein Neugeborenes in dieser Welt!‡ fl‚sterte sie z€rtlich. Oder waren es ihre Gedanken, an denen ich teilnahm? †Durch mich erw€chst du erst zu einem wahren Mann!‡ Sie machte ihr Versprechen sogleich wahr. Nur kurz lieƒ ich mich ablenken: Ich warf einen Blick auf die Umstehenden. Diese jedoch zeigten sich sehr piet€tvoll, denn sie wandten uns jetzt allesamt den R‚cken zu. Wurde in dieser Welt auf solche Art die Ehe vollzogen? Nun, schlieƒlich erwartete man von uns Nachwuchs, und wir konnten nicht fr‚h genug damit anfangen. Gewiƒ - andere Welten, andere Sitten, aber ich w‚rde l‚gen, h€tte ich gegen die hiesigen Sitten auch nur das Geringste einzuwenden gehabt - zu jener Zeit, w€hrend der Vereinigung mit der eigentlich berauschend sch•nen Kara. 197
Dabei st•rte mich ‚berhaupt nicht, daƒ in diesem Fall die Bezeichnung PUPPE €uƒerst gegenst€ndlich geworden war, denn immerhin war auch ich so eine Art †Puppenmann‡... †MEIN Mann!‡ jauchzte sie. †Deine Unschuld geh•rt f‚r immer mir, Kara, denn ich war deine wahrhaft erste!‡ Sie hatte nicht ganz unrecht, unter diesen Umst€nden - und deshalb konnte ich wahrscheinlich auch gar nicht genug von ihr bekommen. Eine Ekstase, wie ich sie mir vorher in den k‚hnsten Tr€umen nicht h€tte vorstellen k•nnen, und damit erregte ich auch Kara immer wieder. Die Versammlung unterdessen besaƒ nicht nur vollstes Verst€ndnis f‚r uns, sondern auch ungew•hnlich viel Geduld, denn man lieƒ uns so lange gew€hren, wie wir wollten - und das war sehr, sehr lange. Ein Ende wurde eigentlich nur dadurch notwendig, weil die sanfte Str•mung uns mitgenommen hatte und uns beinahe mitten in die Versammlungsmauer hineintrieb, die uns nach wie vor den R‚cken zuwandte. †Der Ausklang!‡ murmelte Kara, †sonst geraten wir noch in die Gefahrenzone - mit den anderen.‡ †Nur noch ein einziges Mal, geliebte Kara, nur noch ein einziges Mal!‡ Sie hatte nichts dagegen, oh, nein...
41. Kapitel †Ich lese in dir wie in einem Buch!‡ fl‚sterte sie 198
und kaute an meinem Ohrl€ppchen: Aus meinen Gedanken hatte sie erfahren, wie sehr ich das mochte. †Kennst du denn auch - WIRKLICHE B‚cher, Kara?‡ †Nat‚rlich, John, denn wir besitzen viele. Allerdings keine B‚cher wie im Altertum, also nicht auf Papier.‡ †B‚cher auf Datentr€gern also? Ja, wie k•nnten die denn in eurer Welt funktionieren?‡ †Nein, auch keine solchen B‚cher, denn Datenverarbeitung geht bei uns nicht.‡ †Ich kenne keine anderen.‡ †Nicht einmal auf Papier?‡ †Nicht einmal die!‡ best€tigte ich. †Dann kannst du unsere ‚berhaupt nicht kennen, denn sie sind ganz anders...‡ Wir befanden uns in einer der Haupth•hlen. Das Volk der Creeks, dem Kara angeh•rte, hauste s€mtlich in H•hlen und Nischen. Mit ihren Werkzeugen hatten sie diese selbst geschaffen. Mancherorts hatten sie allerdings tiefe Tunnels in den Planeten getrieben, wie ich von Kara wuƒte. Eine harte und nicht gerade ungef€hrliche Arbeit. Zu viele Tunnels durften sie nicht bauen, denn das w‚rde den Zusammenhalt der Oberfl€chenstruktur st•ren. Ansonsten war der Planetenk•rper in sich ziemlich stabil. Dieselben Feldlinien n€mlich, die auƒerhalb die Str•mungen verursachten, hielten ihn innerhalb zusammen. Eine ganz besondere Art von †Schwerkraft‡, wie bereits von mir vermutet - wenngleich nur mit viel Phantasie vergleichbar, denn sie war so schwach, daƒ man ihre Auswirkungen innerhalb der H•hlen und Nischen kaum sp‚rte - zumal man sich hier schwimmend fortbewegen konnte. 199
Gern h€tte ich jetzt noch von Kara mehr ‚ber die B‚cher erfahren, aber wir wurden unterbrochen, denn wir befanden uns hier, weil uns der F‚hrer der Creeks gemeinsam mit seiner Frau sprechen wollte. Sie kamen gerade herein. Im folgenden Gespr€ch, in dem nur noch best€tigt wurde, was ich von Kara ‚ber die Welt der Creeks bereits erfahren hatte, fragte ich mich vergeblich, wer von beiden mehr das Sagen hatte: sie oder er? All meine Fragen wurden zun€chst vollst€ndig beantwortet. Ich wurde anscheinend dank Kara vom Volk der Creeks als Neumitglied fast ohne Einschr€nkungen akzeptiert. Eine dieser Einschr€nkungen war: Ich durfte als einziger keine Waffe tragen! Ich h€tte l‚gen m‚ssen, h€tte ich mich dar‚ber unzufrieden ge€uƒert. Groa, der Herrscher, deutete auf die verborgene Tunnelt‚r: †Hier beginnt das Labyrinth. St€ndig leuchtet die Substanz unseres Planeten. Es gibt keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht, so wie du es aus deiner Welt kennst, John. Wir m‚ssen dennoch vorsichtig sein, d‚rfen den Planeten nicht zu sehr aush•hlen, weil die Kr€fte relativ gering sind, die ihn zusammenhalten. Es ist oft genug passiert, daƒ Tunnels einst‚rzten. Manche Felsen haben scharfe Kanten, und die wirken t•dlich.‡ Seine Frau nannte sich Sahr. Freundlich l€chelte sie mich an. Ich konnte die Frage nicht mehr zur‚ckhalten: †Du bist der Herscher?‡ Er l€chelte entwaffnend. †Gewiƒ, allerdings nur der F‚hrer der M€nner, w€hrend Sahr die F‚hrerin der Frauen ist!‡ 200
Ich schluckte schwer. Kein Wunder: Ich hatte auf der Erde eine M€nnerherrschaft erlebt - und im System AARON eine reine Frauenherrschaft... Hier, das war sozusagen die dritte Dimension... †Funktioniert das denn ‚berhaupt?‡ †Die Staatsordnung? Nun, wir haben uns daran gew•hnt. Weiƒt du, wir leben monogam. Ja, ich weiƒ auch ‚ber deine Welt Bescheid, John, wie du siehst. Deshalb kann ich unterscheiden und diese Unterschiede erl€utern. Die Paare sind st€ndig zusammen. Es sei denn, es m‚ssen Sonderaufgaben ‚bernommen werden - wie beispielsweise die Planetenwache.‡ †Ist denn st€ndig eine Wache drauƒen?‡ †Mehrere Gruppen sogar, strategisch g‚nstig verteilt. Zur Zeit haben wir sie verst€rkt. K‚nftig werden also immer drei auf Wache sein, anstatt zwei.‡ †Meinetwegen?‡ Er sah mich nur ausdruckslos an. Ich schoƒ schleunigst die n€chste Frage ab: †Sind immer nur M€nner auf Wache?‡ †Es geh•rt zu ihrem speziellen Aufgabenbereich‡, best€tigte er mir. †Kommt es denn tats€chlich vor, daƒ Fremde herkommen, Groa?‡ †Selten, zugegeben: Es sind meist Ausgestoƒene anderer Ordnungen. Wenn man seine Welt verlassen muƒ, braucht man sowieso viel Gl‚ck, um einen anderen Festk•rper zu finden - irgendwo in dieser Unendlichkeit.‡ †UNENDLICHKEIT?‡ †Es heiƒt, es gibt weder Anfang, noch Ende. Das ist das Universum.‡ 201
†Woher habt ihr das? Wenn es keine Orientierungspunkte gibt und es gef€hrlich ist, sich Festk•rpern zu n€hern, die bereits von Menschen in Besitz genommen sind... Wie w€ren unter solchen Umst€nden Forschungen m•glich?‡ Er wich meinem Blick aus. †Wir haben das aus - B‚chern.‡ Schon wieder diese geheimnisvollen B‚cher. Irgend etwas hielt mich davon ab, eine entsprechende Frage zu stellen. Ich wuƒte es selber nicht zu begr‚nden. Er sah wieder auf. †Du bist mit einem eigenen Festk•rper gekommen, John, aber dieser war ungeeignet. Das haben wir deutlich gesp‚rt. Es h€ngt mit der Ordnung zusammen, und es f€llt mir sehr schwer, dar‚ber zu sprechen, denn die Ordnung ist lebensnotwendig, aber - tabu.‡ Er sch‚ttelte den Kopf, wie um einen Druck loszuwerden, der unsichtbar auf ihm lastete. †Jeder Festk•rper hat eine Ordnung - fast jeder‡, verbesserte er sich rasch. †Wer in seinem Einfluƒbereich lebt, ist abh€ngig davon. - Hast du dir beispielsweise einmal ‚berlegt, woher wir Speisen und Getr€nke haben?‡ Die Frage verwirrte mich zutiefst: Tats€chlich, ich hatte seit meinem Hiersein weder Hunger, noch Durst versp‚rt. †Unsere K•rper behalten alle Fl‚ssigkeit. Sie ist n€mlich sehr kostbar. Die Haut ist deshalb wasserdicht, l€ƒt also keinen Tropfen nach drauƒen. Wir brauchen niemals im Leben zu trinken, es sei denn, wir werden verletzt. Doch wenn es uns nicht gelingt, solche Verletzungen sofort zu schlieƒen, bedeutet das unseren Tod, weil zuviel Lebenssaft verlorengeht. 202
Und wir brauchen auch niemals zu essen, sobald wir erwachsen sind. Unser Festk•rper ern€hrt uns mit seiner leuchtenden Kraft. Sie reicht allerdings nur f‚r eine ganz bestimmte Anzahl von Menschen. Sobald auch nur einer zuviel ist, m‚ssen alle anderen darunter leiden. Sie f‚hlen sich bald schlapp und elend. Ihr Leben wird beschwerlich, und sie werden hilflos gegen‚ber fremden Eindringlingen. Denn sobald die Ausgestoƒenen merken, daƒ sie auf einem solchen Festk•rper gefahrlos landen k•nnen, kommen sie zuhauf und rotten das etablierte Volk aus, um nunmehr seine Stelle einnehmen zu k•nnen.‡ Das schien wirklich ihre zentrale Sorge zu sein. Kein Wunder, daƒ die beiden W€chter ohne Z•gern mich umbringen wollten - hielten sie mich doch f‚r einen dieser Ausgestoƒenen. †Und wieso war mein Festk•rper - ungeeignet?‡ †Er scheint hohl zu sein und hat dadurch zu wenig Masse, John.‡ †Wo ist eigentlich euer aller Ursprung?‡ Das interessierte mich brennend, nachdem ich alles andere erfahren hatte, was von Wichtigkeit war. Er best€tigte meinen bereits gehegten Verdacht: Ihre Vorfahren waren mit einem Frachtcontainer in diesem Universum gestrandet! Eine Geschichte, die sich eher wie eine Legende anh•rte. Im Laufe der Zeit war daraus eine Volksreligion geworden. Ich h•rte mir alles in Ruhe an und filterte dabei automatisch den wahren Kern aus den prosaischen Ausschm‚ckungen. Demnach gab es also noch viele andere Container, die im Laufe der Zeit hier gestrandet waren. Als w‚rden auf dieser gef€hrdeten Route ‚berwiegend Menschen transportiert! 203
Unwillk‚rlich dachte ich an meinen Herrn und Meister: Er hatte von rein •konomischen Interessen gesprochen, von einkalkulierten Verlusten, die immerhin billiger als ein „ndern der Route kommen w‚rden... Erregung bem€chtigte sich meiner: Mir wurde klar, daƒ die meisten dieser Ausgestoƒenen keineswegs echte Ausgestoƒene von anderen Festk•rpern waren, sondern - Neuank•mmlinge! Denn immer noch verschwanden Container auf der Route. Todeskandidaten, von vornherein! Vorkalkulierte Verluste! Wie in einem unmenschlichen Krieg! Aus †•konomischen Gr‚nden‡. Ich sch‚ttelte mich vor Grauen. So gef‚hllos konnten wahrlich nur Sternenv•gte denken und handeln. Ich kannte zwar nur einen einzigen, aber das gen‚gte voll und ganz: Ich hatte ‚berhaupt kein Interesse mehr daran, dieses Universum jemals wieder zu verlassen!
42. Kapitel †Ich habe bisher noch keines eurer Kinder gesehen!‡ sagte ich mutig, obwohl ich ahnte, daƒ ich damit schon wieder ein Tabu ber‚hrte. Und ich schob auch noch nach: †Auƒerdem, die B‚cher...?‡ Alle senkten die Blicke. Versch€mt? †Keine B‚cher, wie du sie wahrscheinlich kennst, John!‡ Kara umklammerte meinen Arm. 204
Der F‚hrer der Creeks hob den Kopf. Seine Miene war sehr ernst. Er wandte sich ab und bewegte sich auf den Tunneleingang zu. Eine stumme Aufforderung, ihm zu folgen. Ich sp‚rte ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend, obwohl ich so etwas nicht mehr hatte: einen Magen! Die geringe Schwerkraft erlaubte eine Art Gehen, das allerdings mit kr€ftigem Armerudern unterst‚tzt werden muƒte. Hand in Hand konnten Kara und ich uns nicht fortbewegen, aber sie blieb nahe bei mir. So drangen wir in das Labyrinth ein. Licht brauchte niemand mitzunehmen. Die W€nde leuchteten kr€ftig aus sich heraus. †Was ist mit den Kindern?‡ fragte ich. Groa war direkt vor mir. Ich sah, daƒ er den Kopf einzog. Er blieb stehen, wandte sich jedoch nicht um. Kara umklammerte wieder meinen Arm, daƒ es schmerzte. †Ich - ich kann es nicht, John! Du bist zwar unser Freund geworden und durch Kara sogar eine Art Creek...‡ †Deshalb will ich ALLES wissen!‡ entgegnete ich fest. Es kostete ihn viel M‚he, sich mir zuzuwenden. †Ist es wirklich so schlimm?‡ fragte ich. †Schlimm? Du kommst von auƒerhalb, John. Wir kennen die Gepflogenheiten deiner Welt aus den B‚chern. Niemand von uns kann und darf von dir Verst€ndnis erwarten.‡ Ich dachte unwillk‚rlich an die beiden Leichen - an die W€chter, die ich im Kampf besiegt hatte... Stand denn die besondere Struktur der K•r205
per in irgendeinem Zusammenhang mit den Kindern? Es erschien mir sehr unwahrscheinlich, aber es ging mir nicht mehr aus dem Sinn, als wir endlich weiterschwammen/gingen. Kara wich meinen forschenden Blicken aus. Irgendwie hatte sie - Angst. Vor wem oder vor was? Als Groa verk‚ndete: †Wir sind da!‡, fuhr ich erschrocken zusammen. Er machte eine allesumfassende Geste. †Dies hier ist der €lteste Teil des Labyrinths.‡ Erstaunt betrachtete ich die Seitenwand. Dort war etwas eingeritzt. Groƒe Buchstaben. Da konnte ruhig die H€lfte verwittern und verwischen, und man w‚rde immer noch den ganzen Text verstehen k•nnen. Denn es waren gewohnte Schriftzeichen wie von der Erde, sauber von Hand herausgearbeitet. Ich las: †Ich, Creek, begr‚nde hiermit die Historie der Creeks. Es ging der allgemeine Beschluƒ, dies Volk so zu nennen. Wir haben die Anpassung ‚berstanden. Viele von uns hatten allerdings dieses Gl‚ck nicht - oder soll ich es Ungl‚ck nennen? Ich wurde von allen Creeks zu ihrem Oberhaupt erw€hlt, aber wir beschlossen auch eine neue Ordnung, wie es einem neuen Volk in einer neuen Welt geb‚hrt. So herrsche ich selbst nur ‚ber die M€nner des Volkes, und mein Weib, Jennifer Creek, herrscht ‚ber die Frauen. Wir waren auf einem Container f‚r Menschentransporte und sind Auserw€hlte der Erde. So hat man uns vor dem Tiefschlaf genannt. Wir sind ausgebildet und sowohl k•rperlich, als auch geistig in der Lage, eine neue Welt zu besiedeln. Daf‚r sind wir schlieƒlich vorgesehen. 206
Eine neue Welt mit neuen Bodensch€tzen, einer ‚beraus gef€hrlichen Vegetation und mit t•dlichen Krankheiten, gegen die man uns noch auf der Erde immunisierte - vor dem groƒen Schlaf. Wir haben unsere Zielwelt insgeheim Fieberwelt genannt, und nun werden wir sie doch nie zu sehen bekommen. Im Grunde genommen schade, denn meine Neugierde ist ungeb€ndigt aber soll man wirklich etwas bedauern, was man nicht mehr erreichen kann? Der Nachwelt sei gesagt, daƒ ich nur diese Seite des Ganges benutzen werde, um die „ra meiner Herrschaft ‚ber die erste Generation der Creeks zu beschreiben. Ein historisches Dokument, eine besondere Art von Buch, denn es gibt auƒer dem, was wir in unseren K•pfen haben, nichts mehr, was sich hier verwenden lieƒe. Unser Container schwebt drauƒen im Nebel. Wir haben die Toten geborgen, sofern es m•glich erschien. Viele sind regelrecht aufgeplatzt, andere haben sich in abscheuliche Formen verwandelt. Unserer Sch€tzung nach hat nur ein gutes Drittel aus dem Container den ˆbergang und damit die Anpassung ‚berlebt. Das sind ungef€hr tausend. Sicherlich wird uns der Container immer wieder begegnen, denn die stetigen Str•me dieses Universums lassen ihn ewig treiben. Als ein Denkmal f‚r das ganz andere Universum, in dem wir einst geboren wurden. Seht, auch andere W€nde des Labyrinths tragen bereits Aufzeichnungen, denn unter uns sind Ingenieure, Physiker, Biologen, Geologen, Mediziner... Sie alle werden ihr Wissen in komprimierter Form zu formulieren versuchen. Wir werden unser ganzes Leben damit verbringen, f‚r die Nachwelt eine umfassende Bibliothek zu schaffen, die 207
sich beliebig fortf‚hren und erg€nzen l€ƒt - von sp€teren Generationen...‡ †Eine Bibliothek, wie es sie ungew•hnlicher wohl kaum irgendwo gibt‡, sagte ich. Die erw€hnte Anpassung kam mir in den Sinn. Ich hatte sie schlieƒlich selber erlebt, an der †Ber‚hrungsstelle‡ zwischen dem groƒen und dem kleinen Universum. Der ˆbergang erfolgte allm€hlich, und er wirkte auf K•rper und Geist unterschiedlich - denn hatte sich mein K•rper nicht weitaus st€rker verwandelt als mein Geist? Irgendwo hatte ich einen Denkfehler begangen, bei meiner ersten Einsch€tzung der Anpassung. Ja, irgendwo, und dort war auch eine L•sung verborgen... Ich f‚hlte mich auf einmal wie im Fieber und nahm mir vor, bei passender Gelegenheit noch einmal den ganzen Vorgang genauestens durchzuspielen...
43. Kapitel Eine wahrhaft wunderbare Zeit schloƒ sich an f‚r mich, w€hrend der mir gar nicht in den Sinn kam, mich mit komplizierten Theorien zu besch€ftigen. Auch die nach wie vor unbeantwortete Frage nach den Kindern der Creeks war vor‚bergehend bedeutungslos f‚r mich. Kara und ich waren ein gl‚ckliches Paar. Wir bekamen eine eigene Nische zugeordnet. Viel Zeit verbrachten wir auƒerdem in der †Bibliothek‡ des Volkes. Es erwies sich, daƒ Kara schon immer gern in 208
dem Labyrinth gewandelt war, um dort von unbekannten Dingen zu lesen, die in ihrer Welt eigentlich v•llig unglaublich erschienen. Manchmal stellte sie mir gezielt Fragen, mit denen sie mir zeigte, wie gescheit sie war. Denn sie las sich das Wissen nicht nur einfach an, sondern reflektierte dar‚ber, dachte ‚ber all diese Dinge nach, stellte Vergleiche an. Es beeindruckte mich, aber es war nat‚rlich nicht der einzige Grund, warum ich sie so sehr liebte. Einmal beging ich einen unverzeihlichen Fehler, als ich Kara nach ihrem Alter fragte! Sie reagierte sehr heftig darauf, nannte mich einen ungezogenen L‚mmel und verlieƒ mich sogar. Erst nach einer mir endlos erscheinenden Zeit tauchte sie wieder auf und tat ganz so, als sei ‚berhaupt nichts geschehen. Ich konstatierte aus dem Erlebten: Nicht nur die Kinderfrage ist ein Tabu bei den Creeks, sondern auch die Altersfrage! Oder - ein phantastischer Gedanke - hing beides urs€chlich miteinander zusammen? Meine Neugierde war jetzt nur noch schwer zu unterdr‚cken, und ich wuƒte, daƒ ich das Geheimnis eines Tages ergr‚nden w‚rde - auch ohne die Hilfe der Creeks. Fragte sich nur, wie ich das anstellen sollte? Ein weiterer Gedanke: M•glicherweise hatte ich s€mtliche Informationen bereits und war nur noch nicht in der Lage, die rechten Schl‚sse daraus zu ziehen? Irgendwie €rgerte mich das, und immer, wenn ich mich €rgerte, kam mir Maara in den Sinn. Sie hatte ich auch geliebt, obwohl die Liebe zu ihr nicht vergleichbar war mit der Liebe zu Kara... ˆberhaupt war die Zweisamkeit bei den Creeks 209
in der Tat sehr ausgepr€gt: Auf †Schritt und Tritt‡ begegnete man P€rchen. Es war sehr selten, daƒ man auf Alleinstehende traf. Dabei blieb der Begriff P€rchen mehrdeutig, denn damit waren keineswegs nur zweigeschlechtliche Beziehungen gemeint, sondern auch GLEICHGESCHLECHTLICHE! F‚r die Creeks eine ganz normale Sache, f‚r mich, der ich von der Erde kam, eine Ungeheuerlichkeit. In der gigantischen Zuchtanstalt Erde waren eingeschlechtliche Beziehungen eine verabscheuungsw‚rdige Tods‚nde, wahrscheinlich allein dessentwegen, weil daraus kein Nachwuchs entstehen kann. Kara machte mir den Standpunkt der Creeks klar: †Diese lieben sich genauso wie wir uns lieben. Was ist denn dabei? Sie k•nnen zwar keine Kinder bekommen, aber das ist nicht schlimm, denn wir m‚ssen der Ordnung gehorchen, und die sieht sowieso strenge Geburtenkontrolle vor. Regelm€ƒig werden Z€hlungen durchgef‚hrt. Die Zahl darf niemals ‚berschritten werden, wie du weiƒt.‡ †Ich habe noch nie zuvor ein Volk erlebt, das so tolerant und freiz‚gig ist - und dabei so gl‚cklich!‡ In ihren Augen blitzte es auf. Hatte ich wieder etwas Verbotenes gesagt? Jedenfalls wirkte sie auf einmal nerv•s und gereizt. †Komm, wir kehren zu unserer Wohnnische zur‚ck!‡ befahl sie barsch. Sie lieƒ meine Hand los und schwamm mit kr€ftigen St•ƒen vor mir her. Ich folgte ihr. In der Wohnnische angelangt, zischte sie: †Na, hast du mir nichts zu sagen?‡ 210
†Ich verstehe nicht...‡ †Du hast viele Fragen gestellt. Ich habe sie dir beantwortet. Auch Groa und Sahr und alle anderen waren freundlich zu dir. Du bist mein Mann... Aber ich weiƒ praktisch ‚berhaupt nichts ‚ber dich!‡ Ich runzelte die Stirn. †Ich bin ein Mensch, Kara, genauso wie du. Ich kam von auƒerhalb, genauso wie deine Vorfahren. Auch du hast mir Fragen gestellt, und ich blieb keine einzige Antwort schuldig.‡ †Deine Bemerkung vorhin...‡ †Welche Bemerkung?‡ †Ich habe noch nie zuvor ein Volk erlebt... und so weiter. Wie viele V•lker waren es denn insgesamt? Oder kannst du es nicht mehr z€hlen? Was verbirgst du vor mir?‡ Endlich verstand ich sie. †Du kamst allein, mit einem kleinen Raumboot, nicht mit einem Container wie alle anderen. Es gibt nirgendwo Aufzeichnungen, die das begr‚nden. Was fehlt in unserer Bibliothek? Inwiefern betrifft es dich, und wieso weiƒ niemand etwas davon? Auƒerdem hat man dein Raumboot abgefangen. Es ist unm•glich, hineinzukommen...‡ †Ihr besitzt meinen - 'Tropfen'?‡ fragte ich ungl€ubig. Ich sch‚ttelte den Kopf. †Liebst du mich wirklich, Kara?‡ †Was - hat das denn damit zu tun, John? - Wie ist es eigentlich - mit dir?‡ Sie schlug die Augen nieder. †Du - du bist so anders, und du hast meinen Gatten get•tet, obwohl er ein guter K€mpfer war - der beste ‚berhaupt. Er hatte keine Chance gegen dich, trotz Verst€rkung.‡ †Nein, ich habe ihn doch gar nicht get•tet!‡ 211
Sie funkelte mich an: †Er fiel einer Finte von dir zum Opfer. Wo liegt denn da der Unterschied? Zwei ‚berragende K€mpfer gegen dich allein, und dir brachten sie nicht einmal einen Kratzer bei. Obwohl du ihnen waffenlos begegnet bist. Was ist dein Geheimnis, das du vor uns allen verbirgst sogar vor mir?‡ Ich faƒte unter ihr Kinn. In dieser Welt gab es keine Tr€nen. Wenn ja, h€tte sie jetzt sicherlich geweint. †Soviel Zweifel, Kara? Man sagt von mir, ich sei unbesiegbar. Jedenfalls traf das bis heute zu. Vielleicht haben mir die Creeks deshalb keine Waffen gestattet? Als k•nnten sie damit etwas erreichen. Gewiƒ, dein Volk war bisher freundlich zu mir, aber das Miƒtrauen blieb, und es hat auch dein Denken vergiftet...‡ †Unbesiegbar?‡ Sie forschte in meinen Augen. †Dann - dann stimmt es also?‡ †Was die anderen behaupten? Na, was glauben sie denn?‡ †Es - es gibt f‚r alles nur eine einzige Erkl€rung. Es steht in den B‚chern. Wenn sie wirklich keine wichtige Information ausgelassen haben, wie wir alle annehmen... ja, dann sagen sie auch alles ‚ber dich - STERNENVOGT!‡ Ich lieƒ ihr Kinn unwillk‚rlich los. †Das soll ich sein?‡ Sie schrie mir ins Gesicht: †Du bist es! Wieso leugnest du noch? Du hast dich hier eingeschlichen. Jederzeit k•nntest du zur‚ckkehren - in dein Universum. Wieso tust du es denn nicht? Was bin ich denn f‚r dich? Ein Versuchsobjekt f‚r deine Erforschungen dieser Sph€re? Ein Spielzeug, das du erst ablegst, wenn du seiner 212
endlich ‚berdr‚ssig bist? Denn der Sternenvogt liebt niemals. Er ist der M€chtige, der Erhabene. Und er hat sich zum Volk der Creeks herabgelassen, um uns zu dem‚tigen - mit seiner ˆberlegenheit!‡ Ich packte sie hart an den Armen und hielt sie fest, obwohl sie sich heftig str€ubte. Sie erschrak vor meinem Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich war mein Ausdruck viel unerbittlicher als beabsichtigt, aber er war Folge meiner Angst - der Angst n€mlich, Kara, meine geliebte Kara zu verlieren - nur wegen einem Vorurteil. Obwohl - eigentlich war es doch mehr als nur das... †Sieh mich gut an, Kara!‡ befahl ich. †Ich habe gesagt, daƒ ich dich liebe. Wenn ich wirklich ein Sternenvogt bin: Ein Sternenvogt l‚gt nicht, denn das hat er nicht n•tig. Niemals! Ich kam, weil es n•tig erschien, weil ich wissen wollte, wohin all diese Raumcontainer verschwinden. Jetzt weiƒ ich, daƒ alle Menschen um ihr ˆberleben k€mpfen, wenn sie den ˆbergang geschafft haben. Ich bewundere diese Menschen. Ich bewundere die Creeks und war gl‚cklich wie niemals zuvor, zu ihnen zu geh•ren und an deiner Seite sein zu d‚rfen. Selbst wenn ich die M•glichkeit h€tte, dieses Universum wieder zu verlassen: Ich m•chte es einfach nicht! Begreifst du das? Ich bleibe lieber bei dir - bei euch, obwohl ich damit meine wichtigen Aufgaben vernachl€ssige. Denn der Sternenvogt ist der H‚ter der Sterne und darf sich niemals nur an einer Stelle aufhalten. Seine Aufgaben sind ‚berall im Universum. Es ist seine Pflicht und Schuldigkeit, ja, sein Schicksal, sie 213
wahrzunehmen und niemals zu vernachl€ssigen, was immer auch geschehen mag.‡ Sie flog regelrecht an meine Brust und klammerte sich fest. †Oh, John, du darfst mich einfach nie mehr verlassen, h•rst du? Ich - ich brauche dich so sehr. Ich will nie mehr ohne dich sein. Sag endlich, daƒ all das Geschw€tz nicht stimmt, daƒ du kein Sternenvogt bist und f‚r immer ein Creek bleibst!‡ Ich streichelte ihr ‚ber den kahlen Kopf und murmelte: †Ich - ich kann das nicht, denn es stimmt, Kara. Es ist, wie ich eben sagte. Es wird einen Abschied geben - irgendwann - falls wirklich die R‚ckkehr in mein urspr‚ngliches Universum m•glich sein sollte... Und selbst wenn: Falls wir uns jemals verabschieden, Kara, dann wird dies nicht in dieser Welt geschehen, und euer Container wird ein neues Ziel haben!‡ Sie fuhr zur‚ck. †Was redest du da, John?‡ †Anders als im Raumcontainer w‚rdet ihr es nicht ‚berleben, Kara - im groƒen Universum, in der Weite zwischen den Sternen. Auf eurer Reise werdet ihr schlafen, genauso wie eure Vorfahren, und am Ziel erst aufwachen. Die Erinnerung an hier werdet ihr in neuen B‚chern zu bewahren wissen.‡ Sie barg das Gesicht in den H€nden. Ihre Schultern zitterten. †Dies alles verspreche ich dir als Geschenk bei der Trennung - MEIN Geschenk an dich und dein Volk. Ich werde von jetzt an darauf hinarbeiten, denn ohne dieses Geschenk kann uns nichts mehr trennen - auƒer dem Tod!‡ Sie beruhigte sich, wandte sich jedoch ab. 214
Ich legte eine Hand auf ihre Schulter. †Drauƒen ist alles anders als hier. Dann braucht ihr auch nicht mehr unter eurem Geheimnis zu leiden, das ihr vor mir zu verbergen sucht.‡ †Du - du hast ja keine Ahnung!‡ †Nat‚rlich nicht, Kara!‡ †Bitte, laƒ mich jetzt gehen, John!‡ Ihre Stimme zitterte. Meine Hand glitt von ihrer Schulter. Mit kr€ftigen Schwimmst•ƒen verlieƒ sie mich in Richtung der Wohnnische von Groa und Sahr. Sie wollte also das Wissen um meine Identit€t nicht f‚r sich behalten, sondern w‚rde es mit anderen teilen. Mir war es egal. Ich litt nur deshalb, weil sie mich auf einmal wieder so sehr ablehnte...
44. Kapitel Ich schloƒ die Augen und geriet ins Gr‚beln. Ein €uƒerst k‚hnes Versprechen, alles zu tun, um f‚r alle einen gangbaren Weg nach drauƒen zu finden. Wie sollte ich ein solches Versprechen jemals erf‚llen, wo es nicht einmal einen Weg f‚r mich allein gab? Ich begann ganz von vorn, dachte zur‚ck an meine erste Begegnung mit dem Miniuniversum. Laut Berechnungen befand ich mich in den Ausl€ufern. Die Ver€nderungen begannen. Das Material wurde anders. Aber auch ich wurde ein anderer, in viel extremerem Maƒe. Meine Gedanken waren aufgew‚hlt. Alles, was 215
hinter mir lag, verlor an Bedeutung. Auch der †Tropfen‡. Daf‚r genoƒ ich ein unglaubliches Gef‚hl von Freiheit. Ich glaubte, mich von aller Materie befreien zu k•nnen, streifte den Raumanzug ab, obwohl dieser dabei v•llig zerst•rt wurde. Am Ende ging ich durch die Kontrollen, mitten durch den Hauptschirm, als w€re er nicht existent. W€ren das wirklich nur Wahnvorstellungen gewesen, h€tte ich mich anschlieƒend niemals auƒerhalb des †Tropfens‡ befinden k•nnen... Doch der †Tropfen‡ war dabei anscheinend nicht besch€digt worden. Oder gab es eine andere Begr‚ndung f‚r die intakte Auƒenwandung? Meine ‚berm€chtigen Gedanken... ˆberm€chtig waren sie nur in diesem Grenzbereich. Dort herrschten andere Gesetze als im Hauptbereich des Miniuniversums, denn er war der Bereich des ˆbergangs. Sp€ter verlor sich seine Bedeutung, als mich der Strom fortgetrieben hatte. Man konnte somit sagen, daƒ die Welt der Creeks relativ nahe am Grenzbereich war. Und wieso wuƒten die nichts davon? Das muƒte doch einen Grund haben? Ich muƒte es herausfinden, muƒte den gleichen Strom wiederfinden und gegen ihn schwimmen, bis an mein Ziel. Ich •ffnete die Augen. Ein Entschluƒ war gereift. Ich h€tte Kara wirklich am liebsten nie mehr verlassen, aber die letzte Auseinandersetzung mit ihr hatte mir einen klaren Kopf verschafft. Irgendwie hatte sich - das Blatt gewendet - f‚r uns alle... In diesem Augenblick tauchte sie wieder auf im Eingang zur Wohnnische. Sie l€chelte sanft. †Wo warst du gewesen?‡ fragte ich. 216
†Bei Groa und Sahr. Sie haben ihre Einwilligung gegeben - vorab im Namen ihres Volkes.‡ †Ihre - Einwilligung? Zu was?‡ †Gemeinsam werden wir den Ausweg suchen, John, gemeinsam! Die Zeit w€re g‚nstig, denn laut ihrer Sch€tzung wird bald unser Container wieder hier auftauchen.‡ †Der Container eurer Vorfahren, der ersten Generation von Creeks?‡ Ich begann zu verstehen. Laut Aufzeichnungen waren rund dreitausend Menschen in den Schlafkammern gewesen. Vorausgesetzt, man konnte den Container wieder in Ordnung bringen: Wie viele Creeks gab es eigentlich gegenw€rtig? Kara beantwortete die Frage ohne zu ‚berlegen: †F‚nftausendneunhundertsiebenundsechzig Erwachsene und dreihundert Kinder!‡ Dreihundert Kinder? Wo, um alles in der Welt, hielten sie die denn versteckt? †Zu viele - insgesamt gesehen!‡ seufzte ich. †Der Container wird das nicht schaffen. Es sei denn, wir finden einen zweiten.‡ †Das wird nicht notwendig sein, John, denn es ist kaum vorstellbar, daƒ alle Creeks die ungewisse Reise antreten werden. Groa und Sahr beispielsweise nicht. Wir k•nnen von Gl‚ck sagen, falls wir ganze tausend zusammenkriegen. Die Creeks sind an ihre Sph€re gew•hnt. Sie ist ihre Heimat. Vergiƒ das nicht, John. Es werden also nur die Abenteuerlustigen zur Verf‚gung stehen - und die schaffen willkommenen Platz f‚r andere.‡ †Vielleicht bekommen die Zur‚ckbleibenden einfach mehr Kinder?‡ vermutete ich. †So werden 217
die Ausgestoƒenen keine Chance haben.‡ †Das glaube ich kaum‡, sagte sie abweisend. Dann gab sie sich wieder normal, indem sie zu mir kam, und wir liebten uns stumm und z€rtlich. Irgendwie €hnelte unser Zusammensein dem mit Maara - in unserer letzten Nacht. Ich wuƒte insgeheim, daƒ meine Beziehung zu Kara niemals mehr so sein w‚rde wie zuvor. Die Zeit des groƒen Gl‚cks war endg‚ltig vorbei. Eine besondere Ironie, daƒ wir ausgerechnet gemeinsam den Weg nach drauƒen suchen w‚rden - wir beide. Denn w‚rden wir dabei nicht mit vereinten Kr€ften an unserem Ungl‚ck schmieden?
45. Kapitel Wir waren verbunden mit dem Volk der Creeks, und so wuƒten die W€chter drauƒen Bescheid. Sie w‚rden uns ohne Fragen durchlassen. Mein Orientierungssinn, der sich daheim in der Straƒe niemals hatte bew€hren m‚ssen und hier quasi erst erwacht war, leistete uns gute Dienste, denn er brachte uns ohne Umwege zu der Str•mung zur‚ck, die mich hergebracht hatte. Schweigend schwammen wir nebeneinander her. Wenn ich zu dem verblassenden Planetenrund zur‚ckschaute, erf‚llte mich eine qu€lende Wehmut. Auƒerdem erinnerte es mich an meine Ankunft in dieser Welt. Der Planet der Creeks war eine Hoffnung f‚r 218
mich gewesen, zu einer Zeit, da ich keine Chance mehr gesehen hatte, jemals mein Universum wiederzusehen. Und jetzt diese Zuversicht, daƒ es doch noch einen Ausweg geben k•nnte? †Du hast eigentlich kaum um deinen fr‚heren Mann getrauert!‡ sagte ich in die Stille hinein. Lange genug hatte ich mir diesen Hinweis verkniffen. Sie zeigte sich keineswegs b•se dar‚ber: †Wir haben uns nicht gut verstanden‡, gab sie zu. Es klang, als h€tte sie einen solchen Einwand schon l€nger erwartet und habe sich rechtzeitig darauf vorbereitet. †Und wieso war er dann dein Mann?‡ †Anfangs waren wir sehr gl‚cklich gewesen. Es blieb leider nicht lange so. Er h€tte gern auch andere Frauen gehabt, aber du kennst inzwischen unsere Ordnung: Die Creeks leben streng monogam. Es ist schwer, ja geradezu unm•glich, eine einmal geschlossene Verbindung wieder aufzul•sen. Es k•nnte zu einer sozialen Zur‚ckstufung f‚hren oder - was noch schlimmer w€re zur Feindschaft der anderen, und wer keine F‚rsprecher hat, der wird sehr schnell zum Ausgestoƒenen. Was das bedeutet, ist dir ebenfalls klar...‡ †Dein Mann hat also seine Sehns‚chte verborgen, obwohl sie eure Beziehung belasteten?‡ †Er war nicht so wie du, John. Du willst keine andere, sondern nur mich. Das sp‚re ich. Obwohl ich nicht die erste Frau bin, die du liebst und obwohl du mich verlassen wirst.‡ Es klang bitter, aber ohne Vorwurf. Ich umarmte sie in der Str•mung. Wir liebkosten uns z€rtlich und liebten uns innig. Kara und ich - wir waren Mann und Frau, ein Paar, und 219
irgendwann schwammen wir weiter, im Grunde genommen dem Ende unserer gl‚cklichen Beziehung entgegen... Weil ich der Diener des Sternenvogts war! Weil ich Verantwortung hatte. Oh, nein, nicht nur Verantwortung ihm gegen‚ber. Das h€tte ich gut verkraften k•nnen. Aber als sein rechtm€ƒiger Diener hatte ich Verantwortung gegen‚ber dem Universum. Es gab so unendlich viel zu tun... Ich dachte: Wer hat wohl mehr Einfluƒ auf den Verlauf der Geschichte: Der Sternenvogt oder sein Diener? Mein Namensvetter John Willard hatte einst zur Revolution aufgerufen, um die Welt von aller Ungerechtigkeit zu befreien. Nicht nur, daƒ dadurch viel mehr Ungerechtigkeit entstanden war, weil jeder Revolution€r Not und Elend erzeugt, weil jeder B‚rgerkrieg Tod und Verderben f‚r ungez€hlte Unschuldige bedeutet... Er hatte letztlich versagt, und alle Opfer waren umsonst gewesen. Dies war mit Sicherheit der falsche Weg, denn jede Art von gewaltsamer Revolution war falsch! Ich glaubte, den einzig richtigen Weg bereits zu kennen. Und war ich nicht selber eine Art Revolution€r? Einer von ganz absonderlicher Art? Dabei hatte ich gen‚gend Ansatzpunkte. Beispielsweise die Erde als Menschenfabrik, der bl‚hende Menschenhandel mit seinem wahnsinnigen …KONOMISCHEN PRINZIP! Zum Beispiel die m€nnerlosen Aaroner - ein Zustand, den niemand €ndern wollte, weil es niemandem materielle Vorteile brachte. Und noch einmal der Menschenhandel: Zum Beispiel, daƒ man den grausamen Tod von 220
Millionen fest als Verlustrate einkalkulierte, weil das immerhin billiger war, als einfach die Flugroute zu €ndern... Ich war sicher, ich w‚rde im Verlauf meiner weiteren Reise mit dem Sternenvogt noch ganz andere Ungerechtigkeiten vorfinden. Schlimmere sogar noch? Und ich hatte mir insgeheim geschworen, dagegen anzugehen. Auf meine Art und nicht auf die Art meines vergangenen Namensvetters, der mir ewig ein abschreckendes Beispiel bleiben sollte. Denn ich war der einzige Mensch im Universum, der dazu in der Lage war. Ich war nicht programmiert wie die anderen Diener der Sternenv•gte, die allesamt auf irgendeiner Welt im groƒen Bund durch eine harte Schulung gingen, wie man sie am ehesten mit einer Gehirnw€sche vergleichen konnte... Das Ergebnis hatte ich durch James kennengelernt. Ich war und blieb frei in meinem Denken und hatte gelernt, mich scheinbar anzupassen, falls es erforderlich erschien. Der Sternenvogt war f‚r mich tabu und w‚rde es auch bleiben. Ich w‚rde sein Diener sein; aber zeichnete sich ein guter Diener nicht sowieso dadurch aus, daƒ er seinem Herrn ‚berlegen war? Ein jeder wahre Diener konnte mehr als sein Herr, sonst w‚rde er diesen Herrn nicht zufriedenstellen k•nnen. Es war meine Devise. W€re ich nicht besser als der Sternenvogt gewesen, h€tte ich niemals erfolgreich in seinem Namen auftreten k•nnen. Und ich w‚rde auch f‚rderhin daf‚r sorgen, daƒ meine Auftritte von Erfolg gekr•nt waren. Nicht nur im Sinne der vielbeschworenen Ordnung - sondern sicherlich 221
auch in meinem eigenen Sinne: Die Revolution des John Willard in der Gegenwart w‚rde heimlich erfolgen, gewissermaƒen v•llig unter Ausschluƒ der …ffentlichkeit. Sie w‚rde mehr bewirken als alle Revolutionen zuvor, ob diese nun blutig oder unblutig stattgefunden hatten. Denn meine Revolution erfolgte vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit nicht von unten nach oben, sondern - von oben nach unten! Denn das war mein Erfolgsrezept: Niemals von der Basis her alles umkrempeln, weil damit in der Regel mehr zerst•rt wurde, als man rechtfertigen konnte. Sondern man muƒte nach oben kommen, m•glichst hoch, damit man den rechten ˆberblick hatte. Und dann konnte man mit dem Wissen von unten gezielt eingreifen. Einmal hier und einmal da... Ver€nderungen, die sich erst allm€hlich bemerkbar machten und f‚r die es scheinbar keinen Verursacher gab. Ver€nderungen zum Positiven hin. Wie das gesteuerte Wachstum einer kostbaren, aber empfindlichen Pflanze. Eine solche Pflanze, €uƒerst sensibel und anf€llig, war die gesellschaftliche Ordnung. Sie durfte niemals ‚berfordert werden. Sonst ging sie ein. Und wenn es gar die UNIVERSALE Ordnung war - gab es niemals mehr Ersatz daf‚r. Nur wenn man vorsichtig genug war, konnte man ans Ziel kommen. Denn alle beteiligten Elemente in diesem komplizierten universalen R€derwerk hatten dann gen‚gend Zeit, sich auf jede Ver€nderung einzustellen. Die Ordnung w‚rde nicht gest•rt werden, sondern lediglich aus ihrer ungesunden Statik herauswachsen. Denn ich wuƒte von dem wenigen, was ich seit 222
Antritt meiner Reise mit dem Sternenvogt erfahren hatte, daƒ das Universum krank war. Aber die Sternenv•gte waren nur Pflegepersonal und keine „rzte. Die rechte Therapie - daf‚r f‚hlte ich selbst mich zust€ndig...
46. Kapitel Ich sp‚rte die Gefahr genauso deutlich wie Kara. Wir klammerten uns aneinander. Die Bedrohung kam aus der Finsternis. Wir sahen zwar uns selbst, durften uns jedoch nicht einmal ‚ber Arml€nge voneinander entfernen, um uns nicht aus den Augen zu verlieren, denn die einzige Lichtquelle hier drauƒen, das waren unsere eigenen K•rper. Nebel zogen an uns vor‚ber. Die Str•mung schickte sich an, uns wieder wegzuziehen. Aber wir k€mpften dagegen an. Trotz der Angst. Es war die N€he des anderen Universums mit seiner in unserem gegenw€rtigen Zustand t•dlichen Gesetzesm€ƒigkeit. Es war die Ahnung davon, daƒ unsere Leiber bei der ungesch‚tzten Ber‚hrung mit ihm auseinanderplatzen muƒten. Vielleicht h€tte ich doch besser meinen †Tropfen‡ mitgenommen? Aber es h€tte die Reise hierher zu beschwerlich gemacht. Und jetzt waren wir am Ziel. Ich war sicher: An dieser Stelle war ich in das Miniuniversum eingedrungen. Ich •ffnete noch einmal meinen Geist und lieƒ 223
Kara an meiner Erinnerung teilhaben. Damals: Ich bef‚rchtete, dem Wahnsinn zu verfallen. Die Energien, die daf‚r sorgten, daƒ sich das Miniuniversum noch nicht mit dem groƒen Universum vereinigte... die daf‚r sorgten, daƒ es abgekapselt blieb... dieselben Energien verbanden sich mit den energetischen Vorg€ngen im K•rper auf wundersame Weise. Vielleicht verbanden sie sich auch mit den Energien eines Raumschiffs, aber dort war kein denkender Geist vorhanden, der dies sp‚ren und nutzen konnte. Das Gl‚cksgef‚hl, dieses losgel•st sein von der Wirklichkeit, war wie ein Rausch, weil sich dem Geist scheinbar unbegrenzte M•glichkeiten er•ffneten. Ich machte die Besch€digung des †Tropfens‡ r‚ckg€ngig, was mir spielend gelang. Ich versetzte mich zur‚ck an Bord. Ich lieƒ sogar den v•llig zerst•rten Raumanzug neu entstehen. Nur mit der Kraft meiner m€chtigen Gedanken - hier im Zwischenbereich. Ich bewegte mich auf das Sternenschiff zu und stoppte, weil ich rechtzeitig einsah, daƒ ich bei solch ungez‚gelter Vorgehensweise eine groƒe Gefahr war. Darum kehrte ich in den Grenzbereich zur‚ck, in die N€he des Tropfens. Der Strom lockte. Der Tropfen geriet hinein. Ich wehrte mich nicht dagegen und lieƒ mich ebenfalls tiefer in das Innere des Miniuniversums ziehen. Damit verlieƒ ich den Grenzbereich, jenen Zwischenbezirk mit seinen ungeahnten Chancen f‚r den menschlichen Geist - oder sollte man eher sagen: Gefahren? Jedenfalls hatte der Aufenthalt gen‚gt, meinen K•rper optimal an das Miniuniversum anzupas224
sen. Sonst h€tte ich beim ˆbertritt den Tod gefunden. Bei mir war der ˆbergang sowieso anders erfolgt als bei den Vorfahren der Creeks. Bei mir war es sogar anders als bei allen Menschen, die je in die Sph€re des Miniuniversums gelangt waren. Denn ich war als einziger w€hrend des ˆbergangs bei vollem Bewuƒtsein gewesen! Alle anderen befanden sich beim ˆbergang n€mlich an Bord eines Raumcontainers im absoluten Tiefschlaf. Erst im Grenzbereich war j€hes Erwachen erfolgt. Deshalb waren von vornherein zwei Drittel zum Tode verurteilt, und der Rest schaffte es auch nur mit M‚he, wenigstens den eigenen K•rper anzupassen, ehe der Container mitsamt Inhalt tiefergesaugt wurde. Was wunder, daƒ sie sich sp€ter kaum noch an den Grenzbereich erinnerten. Sonst h€tten sie diesem mehr Raum bei den Aufzeichnungen zugebilligt. F‚r sie war das lediglich ein kurzer Alptraum gewesen, wie bei einem, der aus tiefem Schlaf erwacht und Schwierigkeiten hat, zu sich selbst zu finden. Ich war allen gegen‚ber im Vorteil mit meinen speziellen Erinnerungen. Kara kannte sie jetzt ganz detailliert - und mit Kara alle anderen Creeks, die mit uns in geistiger Verbindung standen - ‚ber alle Entfernung hinweg.
47. Kapitel Vor uns - das war wie eine stabile Mauer, 225
durch die man mit dem blanken Sch€del rennen will. Wir hatten Angst vor dem, was dahinter verborgen lag, obwohl ich es so genau zu kennen glaubte. Gemeinsam schwammen wir dagegen an. Wir wollten das Hindernis ‚berwinden und f‚hlten uns trotz der anhaltenden Todesangst stark genug - so in Gedanken vereint, als w€ren wir nicht zwei, sondern zu einem einzigen Wesen zusammengeschmolzen. Die Gemeinsamkeit unserer Gedanken potenzierte unsere St€rke in ein Vielfaches. Nur so schafften wir es, die Ketten des Miniuniversums zu sprengen und in den Grenzbereich hinauszugeraten. Grausamer Schmerz fraƒ sich in unsere Leiber. Hier waren wir Fremdk•rper. Unsere Gedanken wurden hinweggefegt, st‚rzten in einen wesenlosen Abgrund, um in der Tiefe zu zerschellen. Unwillk‚rlich klammerten wir uns fester aneinander, um uns ja nicht zu verlieren. Oh, es war v•llig anders als beim ersten Mal. Denn da war ich auch aus der umgekehrten Richtung gekommen. Jetzt aber wollte ich der Sph€re des Miniuniversums wieder entrinnen, und das drohte uns gr‚ndlich zu miƒgl‚cken... Der Sturz nahm immer noch kein Ende. Es gab keinen Boden. Es gab nur das Nichts - und ich begann zu begreifen, woher dieses Gef‚hl stammte: FREIER FALL! Es war das Gef‚hl der Schwerelosigkeit, das uns den Sturz in einen Abgrund vorgaukelte. Es war so unendlich fremd, wenn man sich lange im Miniuniversum aufgehalten hatte. Denn dort war dieses Gef‚hl v•llig undenkbar. Kara, die an meinen ˆberlegungen teilhatte, 226
beruhigte sich wieder. Gemeinsam sch‚ttelten wir unsere Angst ab und ordneten unsere Gedanken. Wir schickten unsere geistigen F‚hler aus, um den Grenzbereich zu erforschen, doch es erfolgte keinerlei Resonanz. Als w€re diese Sph€re nichtexistent - genauso wie das †groƒe‡ Universum. Es schien sowieso nichts mehr zu geben - auƒer uns beiden und unseren gemeinsamen Gedanken. Sogar das Gef‚hl f‚r unsere K•rper verschwand. †So war es auch beim ersten Mal, Kara, erinnere dich mit mir: Ich sp‚rte und erfuhr. Ich dachte und wirkte. Nicht ich war es, der sich bewegte, sondern es war die F‚lle meiner ungeb€ndigten Gedanken, nicht mehr gebunden an die Windungen des Gehirns, sondern frei und in einem Maƒe unabh€ngig, daƒ der Wahnsinn drohte...‡ Ich brauchte jetzt nur zu vollziehen, was ich auch damals vollzogen hatte. Ich brauchte den gesamten Prozeƒ nur umzukehren, wenn ich soweit war - und hatte damit die Chance, ins †alte‡ Universum zur‚ckzukehren. Meine aufkeimende Euphorie riƒ Kara mit, ob sie nun wollte oder nicht. Wir lieƒen zwei neue K•rper entstehen und wurden wieder zu Menschen, obwohl diese K•rper nur aus unserer Gedankenenergie bestanden. Die Energien des Grenzbereichs reagierten auf uns und trugen uns, unterst‚tzten uns. Wir wurden m€chtig. Wir sp‚rten und erfuhren. Wir sp‚rten, daƒ der Grenzbereich sich nicht sehr weit ausdehnte, in kosmischen Maƒst€ben 227
gerechnet. Wir sp‚rten, daƒ wir in diesem Grenzbereich allein waren, denn alles, was hineingeriet, wurde zwangsl€ufig tiefergezogen. Die Sph€re des Miniuniversums erschien uns wie ein uners€ttlicher Moloch. Er w‚rde sich immer mehr vollsaugen mit fremden Dingen aus dem umgebenden All. So w‚rde er weiterwandern, w‚rde seinen Weg durch die Unendlichkeit nehmen, vom Zufall gelenkt. Er w‚rde Sonnen und Planeten verschlingen. Irgendwann war die Route der Raumcontainer auch nicht mehr gef€hrdet. Daf‚r herrschte die Gefahr dann anderswo. Die Sph€re des Miniuniversums blieb niemals konstant. Sie pulsierte wie ein schlagendes Herz, dehnte sich aus, schrumpfte wieder. Dadurch wurde die Route der Raumcontainer nur von Fall zu Fall heimgesucht. Das Pulsieren erfolgte unregelm€ƒig, unberechenbar. Die Container der Route. Wir versuchten, welche ausfindig zu machen. Es gab gegenw€rtig keine. Der n€chste Containerpulk war noch zu weit entfernt - und der letzte hatte diese Stelle l€ngst hinter sich gebracht. Die Raumcontainer waren das billigste Transportmittel, das man sich im All denken konnte. Sie brauchten, einmal auf ihre H•chstgeschwindigkeit beschleunigt, im freien Fall mindestens Jahrzehnte, um an ihr Ziel zu gelangen. Je nach Entfernung waren es sogar Jahrhunderte und Jahrtausende! Das spielte keine Rolle. Der Zeitfaktor war voll ber‚cksichtigt. Seit das System von den Sternenv•gten stabil gehalten wurde, funktionierte es. 228
Selbst wenn die Reise tausend Jahre dauerte, brauchte niemand am Zielpunkt zu warten, denn w€hrend dieser tausend Jahre kamen andere Container - die eben tausend Jahre fr‚her abgeschickt worden waren. Ein faszinierendes System, das wir in diesem Zustand, unterst‚tzt von den Energien im Grenzbereich, gut ‚berschauen konnten. Wir fanden, daƒ dieses System ideal war, obwohl es seine T‚cken hatte: Die geringste St•rung der Transportwege - lieƒ die Versorgung abreiƒen! Aber daf‚r waren die Sternenv•gte gut... Oder sollte man doch besser versuchen, die Planeten mit der Zeit immer unabh€ngiger vom interplanetarischen Handel zu machen? Eine Grundabh€ngigkeit konnte ja durchaus bestehenbleiben, denn das sorgte f‚r die friedliche Kommunikation zwischen den Welten, und es blieb eine Binsenweisheit, daƒ kriegerische Verwicklungen zwischen guten Handelspartnern praktisch ausgeschlossen waren: Nur so lieƒe sich auf Dauer der universale Frieden sichern. Es sollten allerdings anstelle des Raumcontainer- Betriebes auch andere Schiffe die Reise machen k•nnen, ohne unbedingt mit dem bestehenden Transportsystem direkt zu konkurrieren: Neue Sternenschiffe mit Passagieren, die fremde Welten besuchten. Obwohl dies nat‚rlich das Monopol der Sternenv•gte ankratzen w‚rde: Nur sie durften Sternenschiffe besitzen, weil das allein schon ihre ˆberlegenheit sicherte! Das System war starr, aber nicht starr genug, um ein Weiterwachsen aus dem gegenw€rtigen Status heraus zu verhindern. 229
Das System war empfindsam, aber nicht empfindsam genug, als daƒ gezielte Nadelstiche im Rahmen meiner †heimlichen Revolution‡ mehr Schaden all Nutzen anrichten k•nnten... Ich hatte die letzten Gedanken vor Kara abgeschirmt, wollte aber nicht ihr Miƒtrauen erregen, weshalb ich mich rasch wieder •ffnete. Sie hatte grenzenloses Vertrauen in mich - ein Vertrauen, das ich in einem bestimmten Punkt leider miƒbrauchen muƒte. Denn ich hatte l€ngst einen festumrissenen Plan, von dem sie nicht einmal etwas ahnte. Wichtig war vor allem, daƒ Kara niemals erfuhr, daƒ ich nicht der echte Sternenvogt war, sondern lediglich sein Diener. Sonst barg das t•dliche Gefahren f‚r meinen Plan. Dieser war n€mlich einer jener Nadelstiche, die man ganz dosiert ansetzen muƒte und bei denen nicht die geringste Panne passieren durfte...
48. Kapitel Die Sph€re des Miniuniversums w‚rde sich immer weiter ausdehnen, je mehr Substanz sie verschlang. Und je weiter sie sich ausdehnte, desto n€her r‚ckte der Zeitpunkt, an dem sich die Naturgesetze innerhalb und auƒerhalb einander anglichen. Dieser Zeitpunkt war jedoch unendlich weit entfernt - nach menschlichem Ermessen. Ich sp‚rte es deutlich. Gemeinsam mit Kara wandte ich mich dem All 230
zu. Ich verlieƒ den Grenzbereich nicht v•llig, sondern belieƒ eine Br‚cke, um mir den R‚ckweg nicht abzuschneiden. Auƒerdem sorgte ich f‚r eine sch‚tzende H‚lle, um im Vakuum des Weltalls nicht gef€hrdet zu sein. Wir rasten dahin, von den Energien des Grenzbereichs gest‚tzt. Hier h€tte das Sternenschiff auf mich warten m‚ssen, aber es fehlte! Stattdessen wartete eine Boje. Kara wunderte sich ‚ber diesen Umstand. Ich suggerierte ihr, daƒ mein Schiff nach Ablauf einer bestimmten Frist automatisch davongeflogen sei, um Verst€rkung zu holen. Das beruhigte sie wieder, und sie sch•pfte keinen Verdacht, meine Person betreffend. Ich war sowieso froh dar‚ber, daƒ der Sternenvogt nicht anwesend war und sich lieber von einer primitiven Computerboje vertreten lieƒ. So konnte ich ungest•rt meinen Plan in Angriff nehmen. Wir kehrten in den Grenzbereich zur‚ck. Kara und ich konzentrierten uns als n€chstes auf den †Tropfen‡, der in einer der gr•ƒeren H•hlen auf dem Planeten der Creeks stand. Prompt kam die Verbindung zustande. Wir tasteten die Umgebung ab und riefen nach Groa und Sahr. Erleichterung allerorten, als wir sie und das Volk der Creeks an unseren j‚ngsten Erfahrungen teilhaben lieƒen. Kara und ich stellten die entscheidende Frage nach Freiwilligen, die gewillt waren, ihre Welt f‚r immer zu verlassen - mit zun€chst unbestimmbarem Ziel. Es meldeten sich weit ‚ber tausend, also doch mehr, als Kara urspr‚nglich angenommen hatte. Es waren ‚berwiegend P€rchen. 231
Ich bat sie, meinen †Tropfen‡ aus der H•hle zu bergen und in unsere N€he zu bringen. Zwanzig kr€ftige M€nner gen‚gten f‚r diese Aufgabe. Sahr meldete ihre Bedenken an: †Was ist eigentlich mit dem Container? Er ist wesentlich gr•ƒer. Das k•nnen selbst tausend nicht schaffen. Wie sollten wir in bewegen?‡ Ich hatte bereits die L•sung parat und teilte sie allen mit: Die zwanzig Helfer, die meinen †Tropfen‡ brachten, w‚rden zu uns in den Grenzbereich kommen, von uns angeleitet. F‚r sie w‚rde keine Gefahr dadurch entstehen, weil sie an unseren Erfahrungen teilhaben konnten. Und dann waren wir zweiundzwanzig, die ihre Gedanken wirken lieƒen. Es w‚rde mindestens die tausendfache St€rke bedeuten! Damit konnte es uns gelingen, den Container aus der Sph€re des Miniuniversums zu befreien. Nicht nur das: Wir w‚rden alle Freiwilligen an Bord bringen, w‚rden den Container sogar wieder vollst€ndig intakt setzen k•nnen. Im Sinne meines - wie ich fand - grandiosen Planes: Mehr als tausend M€nner und Frauen f‚r das System Aaron, um wahr werden zu lassen, was ich dem Sternenvogt frevlerisch vorgeschlagen hatte! All diese M€nner und Frauen w‚rden ganz besonders sein, denn sie waren hundertprozentig gegen Strahlung und Krankheiten immun, es sei denn, die Anforderungen w‚rden wesentlich h•her sein als im System Aaron. Ich selbst w‚rde f‚r diese Immunit€t sorgen gemeinsam mit meinen einundzwanzig Helfern, sobald die ‚ber tausend M€nner und Frauen an 232
Bord des Raumcontainers gebracht wurden. Die gesunden P€rchen w‚rden sich dereinst mit den Aaronern vermischen und dadurch die Chance f‚r eine gr•ƒere Selbst€ndigkeit der Aaroner bereiten, damit sie vom Mineralienexport unabh€ngiger wurden. Das w€re ihre ˆberlebensgarantie f‚r eine Zeit, in der die Mineralienressourcen zur Neige gingen. Denn irgendwann w‚rde es soweit sein, obwohl es heute noch so erschien, als w€ren die Lager an wertvollen Mineralien grenzenlos. Mein Nadelstich! Behutsam genug, um keine Katastrophe zu erzeugen, denn bis die Maƒnahme wirklich so fruchtete, wie ich es mir w‚nschte, w‚rde sehr, sehr viel Zeit vergehen. Abgesehen davon, wie lange es ‚berhaupt dauerte, bis der Container mit der Menschenfracht sein Ziel erreichte... Und wenn dann der Absatz an M€nnern auf der Erde irgendwann zur‚ckging, w‚rde sich auch dort etwas €ndern m‚ssen - im Laufe der Zeit. Der Teil einer Kettenreaktion, die sozusagen in Zeitlupe ablief und somit kein Verderben bedeutete, weil sie jedem Beteiligten gen‚gend Zeit lieƒ, sich umzustellen. Drei Welten hatte ich bisher kennengelernt: Die Erde, Aaron und die Sph€re des Miniuniversums. Mir w‚rde es gelingen, die Entwicklung von allen drei Welten nachhaltig zu beeinflussen, denn auch die zur‚ckbleibenden Creeks w‚rden ihre Erfahrungen an andere weitergeben k•nnen. Darum w‚rde ich sie bitten, wenn der Abschied kam. Die Menschen der ganzen Sph€re sollten erfahren, daƒ es eine Chance gab, die Sph€re zu verlassen. Sie brauchten nur zusammenzuhalten und sich zu bem‚hen, eines Tages denselben 233
Weg zu gehen wie die ‚ber tausend freiwilligen Creeks. Ja, wenn erst einmal der Abschied kam... Noch war es nicht soweit, denn es gab bis dahin unendlich viel zu tun...
49. Kapitel Eine schier endlose Arbeit, bis alle an Bord des Containers waren. Der Container schwebte im All, auƒerhalb des Grenzbereichs. Wir hatten ihn Kraft unserer Gedanken dorthin gebracht, hatten ihn durchdrungen, hatten gesp‚rt und erfahren, hatten die Technik erfaƒt und begriffen, denn wir waren zweiundzwanzig, vereint zu einem einzigen, m€chtigen Geistwesen. Die Kammern waren vorbereitet. Die Technik war intakt. Die Freiwilligen nahmen ihre Pl€tze ein. Mit der Kraft aller Gedanken sprach ich zu ihnen: †Wenn ihr nach Aaron kommt, sagt, ihr seid das Geschenk des Sternenvogts. Und nennt meinen Namen: John Willard. Man wird den Namen im System Aaron gut kennen. Laut unserer Berechnungen werdet ihr rund f‚nfzig Jahre unterwegs sein m‚ssen. F‚r euch jedoch werden nur Minuten vergehen, weil ihr diese Zeit im Tiefschlaf verbringt. Vergeƒt es niemals: Ein Geschenk des Sternenvogts! Dient den Frauen von Aaron. Helft den 234
Aaronern, ihr Erbgut gesunden zu lassen. Erkl€rt ihnen, daƒ die Sch€dlichkeit der Strahlung mit groƒer Wahrscheinlichkeit durch den schon seit Jahrtausenden betriebenen Abbau auf Scheinwelt weit zur‚ckgegangen ist. Vielleicht ist sie gar nicht mehr gef€hrlich? Obwohl es nach wie vor angebracht erscheint, Vorsicht walten zu lassen. Und sagt ihnen, daƒ ihr praktisch gegen Strahlung immun seid. Eine vererbbare F€higkeit!‡ Der Einschlafprozeƒ begann. Wir k‚mmerten uns indessen um die Computerprogrammierung, damit der Container sicher seinen Weg fand. Ich war zwar kein Experte in Computerprogrammen, genauso wenig wie die anderen, aber wir sp‚rten mit den Energien des Grenzbereichs und - verstanden. Wir fanden in den restaurierten Speichern die Koordinaten von Aaron - weil dort sowieso alle wichtigen Zielkoordinaten gespeichert waren - und ‚bertrugen sie in das Steuerprogramm. Als alles vollbracht war, hatten wir nur noch dieses zu tun: Wir muƒten die Gemeinschaft der zweiundzwanzig beenden, denn einundzwanzig von ihnen wollten den Flug nach Aaron mitmachen. Unter ihnen - Kara! Ja, der Abschied. Man kann ihn vor sich herschieben, so oft und so lange man wollte. Er kam trotzdem, weil er unumg€nglich war. Wir schickten die zwanzig vor und blieben allein zur‚ck, als Gedanken, vereint in einer Weise, wie es sonst zwischen Liebenden niemals m•glich sein kann. So genossen wir die letzten Minuten bis zum Ende - bis zur Trennung. 235
Schlieƒlich ging auch sie. †F‚nfzig Jahre unterwegs!‡ vernahm ich ihre verwehenden Gedanken. Ihr Einschlafprogramm an Bord des Containers begann. Ich sah sie deutlich vor mir. Jetzt war sie ein Mensch, eine junge Frau - aus Fleisch und Blut. Sie wirkte nicht mehr wie eine Gummipuppe. Die Anpassung ihrer Vorfahren an das Miniuniversum - jetzt war sie umgekehrt worden. †F‚nfzig Jahre, mein Sternenvogt! Aber du, John, du bist unsterblich. So das Schicksal es will, gibt es nach diesen f‚nfzig Jahren ein Wiedersehen. Wir werden beide nicht €lter erscheinen. Beide...‡ Es war vorbei. Der Schmerz trieb mich zur‚ck. Und ich muƒte daran denken, daƒ Kara auf Maara treffen w‚rde - im System Aaron. Falls Maara dann noch lebte, denn sie w‚rde immerhin f‚nfzig Jahre €lter sein als jetzt. Seltsam: Ich sehnte mich nicht nur nach Kara, sondern - nach beiden!
EPILOG Ich gab mir alle M‚he, die Erinnerungen und den Schmerz zu verdr€ngen, als sich der Raumcontainer in Marsch setzte. Es gelang nur sehr unvollst€ndig. 236
Als Menschenfrau war Kara eine sch•ne Br‚nette gewesen, schlank, mit einem spitzb‚bischen L€cheln um den Mundwinkeln - wie es zu ihr paƒte. Ich h€tte mich auch in sie verliebt, w€re ich ihr unter anderen Umst€nden begegnet. Das war mir klar. Und dann muƒte ich mich der n€chsten Phase des Abschieds zuwenden, denn nun muƒte auch noch der Abschied mit dem zur‚ckbleibenden Volk der Creeks erfolgen. Sie dankten mir ‚berschwenglich, aber ich nahm ihren Dank nicht an, sondern hatte selber genug zu danken. Schlieƒlich hatten sie mich freundschaftlich wie einen der ihrigen aufgenommen, hatten mich lange in ihren Reihen gl‚cklich sein lassen. Ich gab ihnen letzte Instruktionen und bat sie ein weiteres Mal, Mittel und Wege zu suchen, um mit anderen V•lkern der Sph€re Kontakt aufzunehmen. Jeder Creek hatte schlieƒlich den Vorgang in Gedanken miterlebt, war gewissermaƒen mit zugegen gewesen. Deshalb konnte auch jeder diesen Vorgang wiederholen, konnte einen Container wieder flottmachen und zur Flucht aus der Sph€re benutzen. Ich glaubte trotzdem nicht, daƒ es h€ufig geschehen w‚rde, denn die Creeks hatten auch das Weltall erlebt, das ihre Vorfahren hervorgebracht hatte, und diese hier hatten nicht die geringste Lust, diese Erfahrung so schnell zu wiederholen. Sonst h€tten sie schlieƒlich zu den Freiwilligen geh•rt, die mit dem Frachtcontainer unterwegs zum System Aaron waren. Die Verbindung zu ihnen riƒ erst, als ich mich 237
bereits auf den Weg zur Boje machte. Ich gr‚belte ‚ber dem Bericht, den ich machen muƒte. Ich muƒte ihn so abfassen, daƒ nicht noch mehr Container von der Sph€re verschlungen wurden. Das war einfach zu unmenschlich. Ich konnte es nicht zulassen. Es sollte mir m•glich sein, mit diesem Bericht den Sternenv•gten zu suggerieren, daƒ die universale Ordnung dadurch zus€tzlich gef€hrdet wurde. Aber wie? Ich w‚rde ihnen abenteuerliche Erlebnisse schildern, die ihnen klarmachten, daƒ die V•lker der Sph€re allein schon durch mein Erscheinen auf den Geschmack gekommen waren, alles zu tun, um die Sph€re zu verlassen. Daƒ es m•glich war, hatte ich ihnen ja bewiesen. Und wenn dann noch weiteres Strandgut zu ihnen kam, w‚rde sie das erst recht auf die Spur locken, um den begehrten Weg zu finden. Nur, um das Universum als blutr‚nstige Invasoren zu ‚berfallen. Das w‚rde gen‚gen, den Bereich des Miniuniversums zu umschiffen. Und wenn dann wirklich einmal ein Container daraus auftauchte, w‚rde es nicht einmal bemerkt werden. Die Geflohenen w‚rden ihr urspr‚ngliches Ziel ansteuern, das Ziel, das ihr Container urspr‚nglich gehabt hatte, bevor er verschlungen worden war. Jetzt w‚rde er versp€tet eintreffen. Das war alles. Es w‚rde zumindest dort nichts ver€ndern. Aber es w‚rde keine weiteren Container mehr geben, die von der Sph€re verschlungen wurden... Ich freute mich ganz auƒerordentlich darauf, war dies doch ein Nadelstich, der sofort Wirkung zeitigte. Ich konnte die Fr‚chte davon innerhalb 238
k‚rzester Frist ernten. Diener des Sternenvogts? Das Schicksal hatte mich das werden lassen. Ich dankte diesem Schicksal und bat es gleichzeitig, mich stets mit der n•tigen Umsicht handeln zu lassen - damit ich nicht doch noch eines Tages so enden muƒte wie mein fr‚her Namensvetter. Die Besch€ftigung mit dem n•tigen Bericht jedenfalls erzeugte ein starkes Hochgef‚hl, das viele Tage lang anhielt, w€hrend denen ich neben der Boje Stellung bezog, um auf die R‚ckkehr meines Herrn und Meisters zu harren. Er war von der Boje l€ngst in Kenntnis gesetzt worden, aber er stellte meine Geduld noch auf eine harte Probe. Laut Computerboje war ich ‚brigens ‚ber ein Jahr im Miniuniversum gewesen. Selbst wenn die Zeit innerhalb der Sph€re anders ablief als hier, konnte ich sagen, daƒ dieses eine Jahr zu den gl‚cklichsten meines Lebens z€hlte. ˆbrigens hatte der Sternenvogt schon nach zwei Wochen die Boje ausgesetzt und war verschwunden - mit folgender Nachricht: †Ich muƒ nunmehr davon ausgehen, John Willard, daƒ du die Sache leider nicht ‚berlebt hast. Ich habe alles genauestens beobachtet und registriert. Du warst nicht von einem Augenblick zum anderen verschwunden, sondern wurdest zun€chst durchscheinend und dann gewissermaƒen unsichtbar. Ich vertrete die Theorie, daƒ die besonderen Energiefelder das Licht ablenken und dadurch die Illusion der Unsichtbarkeit erm•glichen. Nach Stunden tauchte der Tropfen wieder auf. Er raste mit unvorstellbarer Beschleunigung auf das Schiff zu, stoppte davor. Ich versuchte, mit 239
dir Funkverbindung aufzunehmen. Vergeblich. Dann drehte der Tropfen wieder ab und wurde endg‚ltig von dem Gebilde verschlungen. Ohne die geringsten Nebeneffekte. Jetzt setze ich also die Boje aus - nach zwei Wochen Wartezeit. Ich werde auf den Weg gehen. Eine Reise zum Ausbildungsplaneten, den wir Sternenv•gte ‡SCHULE DES UNIVERSUMS† nennen. Dort werde ich einen Ersatz f‚r dich suchen. Aber wisse, daƒ du damit nicht abgeschrieben bist, John Willard. Ersatz bleibt Ersatz. Solltest du jemals wieder auftauchen, wird alles so sein wie vorher. Gen‚gt dir das als Garantie? Nun, ich mache mir ernstlich Sorgen um dich, auch wenn es mir schwerf€llt, es zuzugeben. Aber es gibt auch noch mehr Missionen, die es zu erf‚llen gilt, klar?‡ Er h€tte es nicht extra betonen m‚ssen. Es war auch so schon klar. Und jetzt brauchte ich nur noch eines zu tun, n€mlich geduldig zu warten. Obwohl: Langeweile kam f‚r mich keine auf, denn ich dachte an Kara und an ihr Volk - das Volk der Creeks. Jetzt hatte ich wenigstens die Muse, mich in Gedanken gr‚ndlicher mit ihnen zu besch€ftigen, denn ungekl€rt blieb nach wie vor die Frage, wo sie ihre Kinder versteckt hielten - und warum dieses Thema ein so groƒes Tabu war. Es fiel mir gewissermaƒen wie Schuppen von den Augen: Die L•sung des Geheimnisses hatte ich die ganze Zeit ‚ber in H€nden gehalten, nur hatte ich es nicht sehen wollen. Dieses nette Volk der Creeks... Sie waren - Kannibalen! 240
Anders konnte man es nicht nennen: Groa hatte gesagt, daƒ die Haut undurchl€ssig war und die K•rperfl‚ssigkeit lebenslang hielt. Diese K•rperfl‚ssigkeit war ihr Leben. Wer sie verlor, war des Todes. Eine Wunde gen‚gte bereits, wenn man sie nicht rechtzeitig verschlieƒen konnte. Alle t•dlich Verletzten, auch alle Alten, deren Haut durch das Alter por•s wurde, verschwanden im Inneren des Planeten. Dort befanden sich die Kinder der Creeks. Sie wurden gen€hrt von der Strahlung des Planeten, genauso wie die Erwachsenen. Aber diese Strahlung reichte allein nicht aus, die Kinder zu Erwachsenen heranreifen zu lassen. Sie w‚rden Kinder bleiben, ohne die Chance, sich fortzupflanzen. Das Volk w€re vom Aussterben bedroht. Deshalb wurde vollzogen, was auf allen anderen Festk•rpern ebenfalls vollzogen wurde. Sie hatten keine Wahl. Alle, die nicht mehr lebensf€hig waren, wurden von den Kindern verzehrt, damit sie durch die Aufnahme von zus€tzlicher K•rpersubstanz und vor allem zus€tzlicher K•rperfl‚ssigkeit gr•ƒer werden konnten. Ich hatte zwar w€hrend meines Aufenthaltes im Miniuniversum niemals auch nur ein Sterbensw•rtchen ‚ber die Vorg€nge im Innern des Planeten geh•rt, aber alles lag klar auf der Hand. Und auch die Reaktionen von Kara waren verst€ndlich, wenn ich sie darauf angesprochen hatte. Die Wahrheit hatte ich einfach nicht sehen wollen. ˆbrigens hatte ich niemals eine Schwangere gesehen - w€hrend meines ganzen Aufenthaltes 241
nicht. Und hatte Kara nicht von mir ein Kind haben wollen? Es war niemals mehr dar‚ber gesprochen worden. Falls ich tats€chlich ein ganzes Jahr mit ihr zusammen gewesen war... Jetzt begriff ich das, auch ohne daƒ es mir von jemandem erkl€rt worden war: Der F•tus im Mutterleib blieb einfach zu klein, als daƒ man ihn h€tte bemerken k•nnen. Es sei denn, die schwangere Frau zog sich zur‚ck - ins Innere des Planeten. Denn nur dann konnte der F•tus wachsen, wenn sie so handelte wie die Kinder, die dies ebenfalls brauchten, um wachsen zu k•nnen... Ich sch‚ttelte mich. Kein Wunder, daƒ sich Kara davor gedr‚ckt hatte - war ich doch der einzige Creek gewesen, der um dieses Geheimnis nicht gewuƒt hatte! Sie hatte sich nur deshalb nicht in das Innere des Planeten zur‚ckgezogen - meinetwegen! Denn damit h€tte ich zwangsl€ufig die Wahrheit erfahren. Und ich hatte es nicht wissen sollen, daƒ meine Gastgeber von den Naturgesetzen des Miniuniversums zum Kannibalismus gezwungen waren! †Arme Kara‡, murmelte ich. †Du hast mich geliebt und hast meine Verachtung gef‚rchtet. Deshalb lieƒest du mich im Ungewissen. Arme Kara. Dabei haben die Creeks wirklich keine andere Wahl - sofern sie in ihrem Universum bleiben. Jetzt ist es f‚r dich anders. Wenn du erwachst, kann unser Baby heranreifen, ganz normal, und unser gemeinsames Kind wird ein Kind von Aaron werden. Junge oder M€dchen? Schade, ich werde dies wohl nie erfahren, denn du irrst, wenn du glaubst, ich sei wirklich unsterblich!‡ 242
Denn unsterblich, das war nur der Sternenvogt selber - und ich war eben nur sein Diener... DER DIENER DES STERNENVOGTS!
E N D E von Band 1
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Der n€chste Roman in dieser Buchserie wartet bereits:
Planet der Tr€umer Das •Kollektiv der Tr€umer‚ schuf einst eine neue Welt, doch ihr Traum geriet zum Alptraum, entglitt ihnen mehr und mehr. So schicken sie den SUCHER aus, um wieder Macht darƒber zu bekommen. Er kennt das wahre Motiv seiner Odyssee nicht, um unvoreingenommen sein zu k„nnen. Fƒr ihn ist die wahnsinnige H„lle schrecklicher Visionen t„dliche Wirklichkeit. Er hei…t Bereter... Und in diesem entscheidenden Moment setzt der STERNENVOGT, der HERR DER WELTEN, seinen Diener John Willard ein - als Bereter. Alles ist von langer Hand vorbereitet. Der glatte Tausch gelingt ihm mit Hilfe der ƒberlegenen Technik seines Schiffes. Denn er ist ja nicht umsonst der HERR DER WELTEN. Und obwohl John Willard alle Erinnerungen des echten Bereter ƒbernimmt, darf er nicht einmal ahnen, dass er nicht der echte Bereter ist: Um nicht das Misstrauen des •Kollektives der Tr€umer‚ zu wecken! 244
B€cher
Titelbeispiele (Paperback) bei HARYPRODUCTION! Keinerlei Auflagenbegrenzung! S€mtliche Titel sind unbegrenzt bestellbar ab Ersterscheinungsmonat (siehe Klammerhinweis bei jedem Titel!). Einzelpreis: 9,80 EURO Cover: Verschiedene K‚nstler. Ihre Abk‚rzungen bedeuten: GB = Gerhard B•rnsen, HB = Helmut Bone, TG = Thorsten Grewe, MB = Martin Brendel, IB = Iris Berg, AB = Alfred Bekker, DR = Damien Reed, RS = Rainer Schorm HERR DER WELTEN 1: „Die rechte Hand Gottes“ Wilfried A. Hary (4/03 GB) ISSN 1614-3302 HERR DER WELTEN 2: „Planet der Tr€umer“ Wilfried A. Hary (9/04 GB) ISSN 1614-3302 HERR DER WELTEN 3: „Der letzte Krieg“ Wilfried A. Hary (10/05 GB) ISSN 1614-3302 HERR DER WELTEN 4: „Die PSI-H•lle“ Wilfried A. Hary (2/06 GB) ISSN 1614-3302 HERR DER WELTEN 5: „Unternehmen Weltuntergang“ Erno Fischer (2/06 GB) ISSN 1614-3302 HERR DER WELTEN 6: „Ultimate“ Erno Fischer (8/06 GB) ISSN 1614-3302 HERR DER WELTEN 7: „Quendolain“ Erno Fischer (3/07 GB) ISSN 1614-3302 MARK TATE 1: „Das Grauen steht Pate“ W. A. Hary (5/03 HB) ISSN 1614-3329 MARK TATE 2: „Der Monstermacher“ W. A. Hary (2/04 TG) ISSN 1614-3329 MARK TATE 3: „Herr der Geister“ W. A. Hary (7/04 TG) ISSN 1614-3329 IRIS BERG 1 (FSK16): „Erotische Fantasien“ (6/03 IB) IRIS BERG 2 (FSK16): „Erotische Fantasien II“ (12/06 IB) RANULF O'HALE 7 (2): „Die Bluthexe“ Vera Ansch‚tz (1/06 TG) ISSN 1861-6054 245
RANULF O'HALE 8 (3): „Spielball des B•sen“ Justin C. Skylark / Simon Rhys Beck (7/06 TG) ISSN 18616054 RANULF O'HALE 9 (4): „Wolfs Wahn“ Wolfgang Hiller (1/07 TG) ISSN 1861-6054 RANULF O'HALE 10 (5): „Fƒr eine Handvoll Seele“ Charlotte Engmann (3/07 TG) ISSN 1861-6054 RANULF O'HALE 11: „Artefakte der Apokalypse“ Prospero (7/08 TG) ISSN 1861-6054 RANULF O'HALE 14: „Die Lust der Dunklen Engel“ Simon Rhys Beck (10/08 TG) ISSN 1861-6054 RANULF O'HALE 16: „Bis zum letzten Biss“ Astrid Pfister (12/08 TG) ISSN 1861-6054 RANULF O'HALE 17: „Wo das Grauen lauert“ Thorsten Grewe (Hrsg.) (4/08 TG) ISSN 1861-6054 CASSIOPEIA-PRESS 1: „Satans Kinder“ Alfred Bekker (8/03 AB) CASSIOPEIA-PRESS 2: „Fahr zur H•lle“ Alfred Bekker / W. A. Hary (3/04 AB) HORROR 1: „Senrico van Dreike“ Justin C. Skylark (4/08 TG) ISSN 1614-3310 HORROR 2: „Till Brennan ist besessen“ W. A. Hary (11/08 TG) ISSN 1614-3310 HORROR 3: „Liederkreis des Todes“ Charlotte Engmann (8/08 TG) ISSN 1614-3310 HORROR 4: „Der zweite Sohn Gottes“ Michael Buttler (2009 TG) ISSN 1614-3310 HORROR 5: „Die Stadt der lebenden Toten“ Damien Reed (2009 DR) ISSN 1614-3310 HORROR 6: „Blutrote Stunde“ Miriam Rieger (2009 TG) ISSN 1614-3310 HORROR 7: „Rainmark“ Peter Nathschl„ger (2010 TG) ISSN 1614-3310 Das gro…e STAR-GATE-Buch: „Wie alles begann...“ Wilfried A. Hary (12/03 MB) ISSN 1860-1855 GAARSON-GATE 1: „Gaarson“ Erno Fischer (3/04 GB) ISSN 1614-3299 GAARSON-GATE 2: „Das Schiff der Mutanten“ Erno Fischer (6/05 GB) ISSN 1614-3299 246
GAARSON-GATE 3: „Ein Held namens Millory“ Wilfried A. Hary (6/05 GB) ISSN 1614-3299 GAARSON-GATE 4: „H•lle unter null Grad“ W. A. Travers (4/06 GB) ISSN 1614-3299 RED BOOK 1: „Dr. No – der Mann aus dem Nichts“ W. A. Hary (4/04 HB) ISSN 1861-1273 RED BOOK 2: „Callgirl“ W. A. Hary (10/05 HB) ISSN 1861-1273 Welt der Geschichten 1 – von Astrid Pfister und Bernd Rothe (Hrsg.)(2006) ISSN 1864-4880 Welt der Geschichten 2 – von Astrid Pfister und Bernd Rothe (Hrsg.)(2006) ISSN 1864-4880 Welt der Geschichten 3 – von Astrid Pfister und Bernd Rothe (Hrsg.)(2007) ISSN 1864-4880 Welt der Geschichten 4 – von Astrid Pfister und Bernd Rothe (Hrsg.)(2007) ISSN 1864-4880 Welt der Geschichten 5 – von Astrid Pfister und Bernd Rothe (Hrsg.)(2008) ISSN 1864-4880 Welt der Geschichten Sonderband 1: Blutmond – von Astrid Pfister und Bernd Rothe (Hrsg.)(2007) ISSN 1864-4880 Welt der Geschichten Sonderband 2: N€chte der Angst – von Astrid Pfister (2008) ISSN 1864-4880 Welt der Geschichten Sonderband 3: Gequ€lte Seelen – von Astrid Pfister und Bernd Rothe (Hrsg.) (2008) ISSN 1864-4880 Welt der Geschichten Sonderband 4: Hinter den Schatten – von Andrea Tillmanns (2009) ISSN 1864-4880 Ad Astra 1: „Das Geheimnis der Pflanzenwelt“ – von W. Berner (2009 MB) ISSN 1614-3280 Ad Astra 2: „Das sterbende Imperium I“ – von Michael Klein (2009 A) ISSN 1614-3280 Ad Astra 3: „Das sterbende Imperium II“ – von Michael Klein (2009 A) ISSN 1614-3280 Ad Astra 4: „Katastrophenwelt“ – von Bernd Teuber und Marten Munsonius (2010 RS) ISSN 1614-3280
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Buch-Sonderausgaben Gaarson-Gate Pilotroman: „Der Seher von Yys“ Wilfried A. Hary /Alfred Bekker (Paperback, 14,90 EURO) Das groƒe STAR-GATE-Buch: „Wie alles begann...“ Wilfried A. Hary (Paperback: 9,80 EURO) Horror: „Mark Tate“ W. A. Hary (Paperback, 350 Seiten: Das groƒe Buch zur Serie! Sonderpreis: 9,80 EURO) Humor: „Findelkind“ Wilfried A. Hary (Paperback, Sonderpreis: 5,- EURO) Sachbuch: „Aerobic, Spaƒ der fit macht“ Wilfried A. Hary (Paperback, viele Bilder, Sonderpreis: 5,- EURO) Sachbuch: „Der perfekte Mensch?“ Wilfried A. Hary (Paperback, Sonderpreis: 5,- EURO) Sachbuch: „TotalVital“ Wilfried A. Hary (7/03) (9,80 EURO)
Romanhefte
Titelbeispiele bei HARYPRODUCTION! Keinerlei Auflagenbegrenzung! S€mtliche Titel sind unbegrenzt bestellbar ab Ersterscheinungsmonat (siehe Klammerhinweis bei jedem Titel!). Alle Hefte werden versandkostenfrei zugestellt. Bitte beachten Sie auch unser Aboangebot: 12 B€nde in Folge zum Preis von nur 10!
STAR GATE (SF-Serie), ISSN 1860-1855, bis Band 42 je 5,- EURO Nach 19 Jahren kehrte die Serie mit ihren Originaltexten zur€ck! Und wird endlich fortgesetzt! Cover: Verschiedene K‚nstler. Ihre Abk‚rzungen bedeuten: GB = Gerhard B•rnsen, AS = Anistasius, TG = Thorsten Grewe, MB = Martin Brendel, KF = Karl-Heinz R. Friedhoff, ML = Michael Lontke, FSL = Frederick S. List 248
1 †Das Transmitter-Experiment‡ Kurt Carstens (= W. K. Giesa - 3/05 MB) 2 †Flucht von 'Ph•nix'‡ Frank Rehfeld (5/05 MB) 3 †H•llenkommando 'Ph•nix'‡ Frank Rehfeld (7/05 AS) 4 †Geheimcode Alpha‡ Carsten Meurer (= Uwe Anton 8/05 AS) 5 †Wrack aus der Vergangenheit‡ Wilfried A. Hary (9/05 MB) 6 †Ende eines Quellherren‡ Carsten Meurer (10/05 MB) 7 †Stadt der Illusionen‡ Carsten Meurer (11/05 AS) 8 †Wasser f‚r Shan‡ Carsten Meurer (12/05 MB) 9 †Das Geheimnis der Statue‡ Frank Frehfeld (1/06 AS) 10 †Botschafter von den Sternen‡ Frank Rehfeld (2/06 AS) 11 †Das Transmitterinferno‡ Kurt Carstens (3/06 GB) 12 †Freie Seelen‡ Michael Schmidt (4/06 TG) 13 †Das MAFIA-Experiment‡ Hermann Schladt (5/06 GB) 14 †Planet der G•tter‡ Kurt Carstens (6/06 AS) 15 †Der Schatz des Poseidon‡ Miguel de Torres (7/06 GB) 16 †Frascati mal zwei‡ Miguel de Torres (8/06 TG) 17 †Invasion der Kyphorer‡ Miguel de Torres (9/06 KF) 18 †Menschen unerw‚nscht‡ Wilfried Hary (10/06 ML) 19 †Der Clan der Rebellen‡ Wilfried Hary (11/06 ML) 20 †Unter fremder Sonne‡ Wilfried Hary (12/06 ML) 21 †Martha‡ Wilfried Hary (1/07 AS) 22 †Erfolgsaussichten: Null!‡ Wilfried Hary (2/07 ML) 23 †Der Flug der PHAETON‡ Richard Barrique (3/07 MB) 24 †Die Rebellen von Moran-Dur‡ Frank Rehfeld (4/07 ML) 25 †Das Tor der G•tter‡ Wilfried A. Hary (5/07 AS) 26 †R‚ckkehr der Verbannten‡ Manfred R‚ckert (6/07 ML) 27 †Der Verr€ter‡ Miguel de Torres (7/07 MB) 28 †Ad Astra‡ Wilfried A. Hary (8/07 ML) 249
29 †Tohuwabohu in Wohu Batohu‡ Miguel de Torres (9/07 GB) 30 †Tanz am Tanzam Highway‡ Miguel de Torres (10/07 AS) 31 †Das Erbe der Canorer‡ Hermann Schladt (11/07 GB) 32 †Kahlim-Salem‡ Wilfried Hary (12/07 GB) 33 †Im Auge des Feindes‡ Wilfried Hary (1/08 MB) 34 †Im Zeichen der Gewalt‡ Wilfried Hary (2/08 GB) 35 †Kawilas Mission‡ Wilfried Hary (3/08 GB/TG) 36 †Die rechte Hand des Todes‡ Wilfried Hary (4/08 GB) 37 †Ausbruch aus der H•lle‡ Wilfried Hary (5/08 GB) 38 †Die Blockade‡ W. Berner (7/08 KF) 39 €Operation LOOKOUT• W. Berner (8/08 GB) 40 †Zwischenfall auf dem Mond‡ Miguel de Torres (10/08 MB) 41 †Katharsis‡ Miguel de Torres (11/08 AS) 42 †Das Schiff der G•tter‡ Wilfried Hary (12/08 GB) Ab hier Erscheinungsweise als Doppelband: Doppelte Seitenzahl, niedriger Preis: Je 6,90 Euro! 43/44 †Galaxis der Prupper‡ Wilfried Hary / †Wie das J‚ngste Gericht‡ Wilfried Hary (2009 GB) 45/46 †Die rote Sonne‡ Wilfried Hary / †Die goldenen „pfel der Hesperiden‡ W. Berner (2009 GB) 47/48 †Multiversum‡ Wilfried Hary / †Gedankenkontrolle‡ Wilfried Hary (2009 GB) 49/50 †Welten im Krieg‡ Wilfried Hary / †Feindliche ˆbernahme‡ Wilfried Hary (2009 GB) 51/52 †Raumpatrouille‡ Wilfried Hary / †Der Wald der Augen‡ Frederick S. List (2009 FSL) 53/54 †Der Alte Feind‡ Wilfried Hary / †Der groƒe Coup‡ Wilfried Hary (2009 KF) 55/56 †Der Gegenschlag‡ Wilfried Hary / †Entscheidung auf NAI-ROG‡ Wilfried Hary (2009 KF) 57/58 †Aktion „Apfelernte“ I-II‡ W. Berner (2009 KF) 59/60 †K.I. – K‚nstliche Intelligenz‡ Wilfried Hary / †Tor der Welten‡ Wilfried Hary (2010 GB) 250
61/62 †Br‚ckenkopf Ph•nix‡ W. Kimball Kinnison / †Umsturz auf Ph•nix‡ W. Kimball Kinnison (2010 GB) 63/64 †Das Ding von den Sternen I-II‡ Frederick S. List (2010 GB) 65/66 †Die Urmutter‡ Wilfried Hary / †Erben des Alten Feindes‡ Wilfried Hary (2010 GB) 67/68 †Nergaard‡ W. A. Travers / †Planet der R€tsel‡ Wilfried Hary (2010 GB)
ad astra (Science-Fiction-Reihe), ISSN 1614-3280 – bis Band 112 je 5,- EURO Die R€ckkehr der Science Fiction! Die alternative SFReihe, absolut neu, aber in der Tradition ansonsten l•ngst vergangener M‚glichkeiten: Die einmalige Chance, der „reinen deutschen SF“ wieder entscheidend auf die Spr€nge zu helfen - im Farbdruck als Romanheft! Cover: Verschiedene K‚nstler. Ihre Abk‚rzungen bedeuten: GB = Gerhard B•rnsen, AS = Anistasius, TG = Thorsten Grewe, MB = Martin Brendel, KF = Karl-Heinz R. Friedhoff, ML = Michael Lontke, CS = Christel Scheja, LB = Lothar Bauer, RS = Rainer Schorm 1 †Das Meer der Finsternis‡ Alfred Bekker/Wilfried A. Hary/Axel Kruse (8/99 TG) 2 †Grenzg€nger‡ Stefan T. Pinternagel (9/99 MB) 3 †Graham's Curse‡ Stefan T. Pinternagel (10/99 GB) 4 †EndTot‡ Stefan T. Pinternagel (11/99-9/05 TG) 5 †Sternenkrieger‡ - von W. A. Travers (12/99 MB) 6 †Das Geheimnis der Unsterblichen‡ W. A. Travers (1/00 ML) 7 †Tausend Jahre Frist‡ Arndt Ellmer (2/00 ML) 8 †Die Entscheidung‡ Arndt Ellmer (3/00 ML) 9 †Black Mama‡ J•rg Feierabend (4/00 CS) 10 †Traumt€nzer GmbH‡ J•rg Feierabend (5/00 CS) 11 †Welt im Draht‡ J•rg Feierabend: (6/00 CS) 12 †Rocky Hood‡ J•rg Feierabend (7/00 CS) 251
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†Ameisen‡ Erno Fischer/Wilfried Hary (8/00 MB) †Die Tiefe‡ Bernd Karwath (9/00 GB) †Sao Neto I‡ Alfred Bekker (10/00 MB) †Sao Neto II‡ Alfred Bekker (11/00 GB) †Treffpunkt: Zukunft! I‡ Wilfried Hary (12/00 ML) †Treffpunkt: Zukunft! II‡ Wilfried Hary (1/01 ML) †Ein paradiesischer Diebstahl‡ Dirk van den Boom (2/01 ML) 20 †Die Marselfe‡ K. H. Reeg (3/01 CS) 21 †Adrian I‡ Marc Schneider (4/01 CS) 22 †Adrian II‡ Marc Schneider (5/01 CS) 23 †Adrian III‡ Marc Schneider (6/01 CS) 24 †Das Geschenk der Marsianer‡ Neal Chadwick (7/01 ML) 25 †Yuka Tan‡ Antje Ippensen (8/01 CS) 26 †Ghostwriter‡ Axel Kruse (9/01 CS) 27 †Invasion des Rauchers‡ Wilfried Hary/Mario Magazin (10/01 GB) 28 †Terraforming‡ Axel Kruse (11/01 GB) 29 †In den Tiefen des Mars‡ K. H. Reeg (12/01 MB) 30 †Der verbotene Planet‡ Irene Salzmann (1/02 MB) 31 †CyberJunk I‡ Stefan T. Pinternagel (2/02 MB) 32 †CyberJunk II‡ Stefan T. Pinternagel (3/02 MB) 33 †Die verborgene Macht‡ K. H. Reeg (4/02 GB) 34 †Nexen I‡ Bodo Kroll (5/02 GB) 35 †Nexen II‡ Bodo Kroll (6/02 GB) 36 †Nexen III‡ Bodo Kroll (7/02 GB) 37 †Das UFO bei Wedel‡ Th. Pensator (8/02 GB) 38 †Das Geheimnis von Arcole‡ Axel Kruse (9/02 AS) 39 †Nette Aussichten‡ Alfred Bekker (10/02 MB) 40 †Gestrandet‡ K. H. Reeg (11/02 GB) 41 †Die Sicht der Dinge‡ Rainer Innreiter (12/02 GB) 42 †Geheimprojekt ERP‡ Th. Pensator (1/03 GB) 43 †Das Achat-Schwert‡ K. H. Reeg (2/03 MB) 44 †A wie ˆberfluƒ‡ Irene Salzmann/Stephan T. Pinternagel (3/03 AS) 45 †Blumen aus der Zukunft‡ Bernd Karwath (4/03 HB) 46 †Der Anti-Einstein-Antrieb‡ Th. Pensator (5/03 GB) 252
47 †Die fliegende Stadt‡ Jeannot Bildgen (6/03 GB) 48 †Sedu-Pio‡ Harry T. Master (7/03 CS) 49 †Der Schatz von Sedu-Pio‡ Harry T. Master (8/03 ML) 50 †Die Namen der G•tter‡ Alfred Bekker (9/03 GB) 51 †Genesis Pro‡ W. A. Castell (10/03 GB) 52 †STAR FORCE 1 - Fluchtpunkt Mars‡ Brian Carisi (11/03 ML) 53 †Einmal Titan und zur‚ck‡ Th. Pensator (12/03 KF) 54 †Ich, Kyra, Roboter!‡ R‚diger Janson (1/04 GB) 55 †Himmelslichter‡ R‚diger Janson (2/04 GB) 56 †STAR FORCE 2 - Operation Chaos‡ Brian Carisi (3/04 GB) 57 †Revolte im Beteigeuz-System‡ Jack Raymond (4/04 AS) 58 †KORSAIR - Villas Alleingang‡ Jeannot Bildgen (5/04 CS) 59 †Abandon‡ Kajottel (6/04 MB) 60 †STAR FORCE 3 - Signale aus dem Nichts‡ Brian Carisi/ Silke Ziegler (7/04 MB) 61 †STAR FORCE 4 - Das Artefakt‡ Brian Carisi / Silke Ziegler (8/04 MB) 62 †NEUMICRO‡ K.H. Reeg / Rainer Innreiter (9/04 ML) 63 †Das Schiff der Ahnen‡ Jeannot Bildgen (10/04 MB) 64 †Die Woodstock-Verschw•rung‡ Th. Pensator (11/04 MB) 65 †Die telepathische Brille‡ Alfred Bekker (12/04 TG) 66 †Eingefroren in die Zukunft‡ R‚diger Janson (1/05 MB) 67 †Besuch aus dem All‡ R‚diger Janson (2/05 MB) 68 †Willkommen im Kryonikland‡ R‚diger Janson (3/05 MB) 69 †In der H•lle von Calcifer‡ Th. Pensator (4/05 AS) 70 †Das Smaragd-Schiff‡ K. H. Reeg (5/05 AS) 71 †WetGrave‡ A. Stiegler (6/05 MB) 72 †10000 Jahre‡ Michael Lontke (7/05 ML) 253
73 †Die verr‚ckten Abenteuer des Kapit€n Abdullah‡ Miguel de Torres (8/05 ML) 74 †Abdullah, der Universalerbe‡ Miguel de Torres (9/05 GB) 75 †Abdullah, der Schrecken des Universums‡ Miguel de Torres (10/05 GB) 76 †Der Kampf um Sedu-Pio I‡ Harry T. Master (11/05 MB) 77 †Der Kampf um Sedu-Pio II‡ Harry T. Master (12/05 MB) 78 †Der Kampf um Sedu-Pio III‡ Harry T. Master (1/06 MB) 79 †Meuterei I‡ K. H. Reeg (2/06 CS) 80 †Meuterei II‡ K. H. Reeg (3/06 CS) 81 †Uriel‡ Michael Schmidt (4/06 CS) 82 †Das UFO ‚ber Wittenbergen‡ Th. Pensator (5/06 GB) 83 †Abdullah im Auftrag der Kosmografen‡ Miguel de Torres (6/06 ML) 84 †Hexenkessel Olas-ra I‡ Jeannot Bildgen (7/06 ML) 85 †Hexenkessel Olas-ra II‡ Jeannot Bildgen (8/06 ML) 86 †R.A.G.E‡ Frank Neugebauer (9/06 ML) 87 †Der Erzmagier‡ K. H. Reeg u. a. (10/06 AS) 88 †Boney M. und Co.‡ Th. Pensator u. a. (11/06 AS) 89 †Das Ende der Menschheit‡ Adam J. Wilson (12/06 AS) 90 †Unternehmen Dunkelplanet‡ W. A. Travers (1/07 KF) 91 †Das RDP-Projekt‡ Astrid Pfister / Axel Kruse (2/07 ML) 92 †Irotas Satori I‡ Kajottel (3/07 AS) 93 †Irotas Satori II‡ Kajottel (4/07 AS) 94 †Virtual Mortility‡ W. A. Hary (Hrsg.) (5/07 AS) 95 †Tausend Jahre Eden I‡ R‚diger Janson (6/07 AS) 96 †Tausend Jahre Eden II‡ R‚diger Janson (7/07 AS) 97 TERRA FUTURA: †Verschollen im Agena-System I‡ W. Berner (8/07 AS) 98 TERRA FUTURA: †Verschollen im Agena-System II‡ W. Berner (9/07 AS) 254
99 †Zukunftstr€ume‡ Frank Neugebauer (10/07 AS) 100 †Die ersten Marsianer‡ Alfred Bekker (11/07 GB) 101 †Opium des Volkes‡ Alfred Bekker (12/07 GB) 102 †ACAN – die Weltraumstadt I‡ Brian Carisi (1/08 LB) 103 †ACAN – die Weltraumstadt II‡ Brian Carisi (2/08 LB) 104 †Transmitter‡ K. H. Reeg (3/08 LB) 105 †Ganymed I‡ Dieter Grzywatz (4/08 MB) 106 †Ganymed II‡ Dieter Grzywatz (5/08 MB) 107 †Ganymed III‡ Dieter Grzywatz (6/08 MB) 108 †Erinnerungen an die Zukunft“ Wilfried Hary (Hrsg.) (7/08 KF) 109 TERRA FUTURA: †Die Sadir-Katastrophe I‡ W. Berner (8/08 GB) 110 TERRA FUTURA: †Die Sadir-Katastrophe II‡ W. Berner (9/08 GB) 111 †CORRIGAN 1 - Katastrophenwelt‡ Marten Munsonius etc. (10/08 RS) 112 †Ischtar‡ Jeannot Bildgen (11/08 GB) Ab hier Erscheinungsweise als Doppelband: Doppelte Seitenzahl, niedriger Preis: Je 6,90 Euro! 113/114 †Planet der R€tsel‡ Dieter Grzywatz / †Jack Tyrell‡ Frederick List (2009 GB) 115/116 †Scrap Angel‡ Tom Cohel / †Rebellen zwischen den Sternen‡ Alfred Bekker (2009 GB) 117/118 †Die Androiden-Chronik‡ Brian Carisi (2009 GB) 119/120 †Torwege‡ K. H. Reeg (2009 GB) 121/122 †Der Weg ins f‚nfte Reich‡ R‚diger Janson (2009 GB) Ende dieser Staffel!
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