Atlan - Der Held von Arkon Nr. 225
Die Gruft des Magnortöters Auf dem Planeten der Legenden ein Kommando sucht Klinsan...
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Atlan - Der Held von Arkon Nr. 225
Die Gruft des Magnortöters Auf dem Planeten der Legenden ein Kommando sucht Klinsanthor von Clark Darlton Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um. seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge oder unvorhersehbare Hindernisse entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol, den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. In diesem Kampf hat Atlan mit dem wiederbelebten Körper Gonozals, seines Vaters, gegenwärtig eine neue Waffe gegen Orbanaschol, die bereits zweimal erfolgreich zum Einsatz gelangte. Aber auch der Imperator bleibt nicht untätig! Durch das Erscheinen seines für tot gehaltenen Amtsvorgängers zutiefst beunruhigt, entschließt er sich zu einem folgenschweren Schritt. Er schickt Expeditionen aus, um Klinsanthor, den sagenumwobenen Magnortöter, suchen und wecken zu lassen. Eine dieser Expeditionen findet tatsächlich den Weg in DIE GRUFT DES MAGNORTÖTERS …
Die Gruft des Magnortöters
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Die Hautpersonen des Romans: Lenth Toschmol - Ein Wissenschaftler auf der Spur des Magnortöters. Arkanol und Karon - Toschmols Begleiter. Vanthor und Tarnar - Zwei Menschen erleben eine unheimliche Verwandlung. Zeranal, Zortain, Parerttok und Swann - Überlebende, der PROTALKH. Orbanaschol III. - Der Imperator beginnt den zu fürchten, den er gerufen hat.
1. Die Flucht war gelungen – wenigstens schien es so. Der Planet Loipos stand auf dem Heckbildschirm der VALKARON und fiel weiter zurück – eine Welt, die an das Paradies erinnerte und sich als Hölle entpuppt hatte. Lenth Toschmol dachte mit Schaudern an die Ereignisse auf Loipos zurück, die dem Großteil der Besatzung des PROTALKH das Leben gekostet hatten. Mit knapper Mühe waren er und weitere sechsunddreißig Überlebende dem Tod entronnen und hatten mit dem Beiboot VALKARON fliehen können. Toschmol war Chefwissenschaftler der PROTALKH gewesen, Gegenspieler des nun toten Kommandanten Zenkoorten, der von Imperator Orbanaschol III. den Auftrag erhalten hatte, den sagenhaften Magnortöter Klinsanthor zu suchen und um Hilfe zu bitten. Niemand wußte, wer oder was Klinsanthor war. Er – oder es – existierte nur in alten und halb vergessenen Legenden, die nichts über den Aufenthaltsort des Fabelwesens aussagten. Toschmol war Altertumsforscher. Er wollte Klinsanthor finden, um seinen Ehrgeiz zu befriedigen, und er war davon überzeugt, daß ihn seine Unterlagen zu dem Magnortöter führen würden. Zenkoorten war ein Narr gewesen, den Planeten Loipos für Klinsanthors Versteck zu halten. Er hatte seinen Starrsinn mit dem Leben bezahlt – und mit dem Verlust des großen Schiffes. Die erlöschende rote Sonne wurde aber nicht nur von Loipos umkreist. Es gab noch
einen zweiten Planeten, oder doch zumindest einen Weltkörper, den man notfalls als solchen bezeichnen konnte. Im gleichen Abstand wie Loipos umlief ein schwarzer und scheinbar lichtloser Lavabrocken die rote Sonne, ebenso groß wie die so paradiesisch anmutende Sauerstoffwelt, die sich als tödliche Falle erwiesen hatte. Toschmol war davon überzeugt, in dem Schlackebrocken das gesuchte Versteck Klinsanthors gefunden zu haben, aber es gab niemand an Bord der VALKARON, der seine Meinung geteilt hätte. Aber auch das war für den ehrgeizigen Forscher ohne jedes Interesse. Die dreißig Männer und sechs Frauen hatten ihm zu gehorchen, ob sie wollten oder nicht. Seine privaten Motive gingen sie nichts an. Was zählte, war der Auftrag des Imperators. Niemand hätte ihm nachzuweisen vermocht, daß er seine eigenen Ziele verfolgte, denn sie schienen mit diesem Auftrag identisch zu sein. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem frontalen Panoramaschirm zu. Vor dem Schiff stand die rote Sonne, die langsam auf den Bildrand zuwanderte. Weit dahinter und noch nicht sichtbar mußte der geheimnisvolle dunkle Planet sein, auf dem zu landen Toschmol sich fest entschlossen hatte. Ohne den Blick vom Schirm zu nehmen, sagte er zu der Arkonidin vor dem Navigationskomputer: »Haben Sie den Sicherheitsabstand genau programmiert?« Sie warf ihm einen kurzen und nichtssagenden Blick zu. »Die Sonne ist nicht besonders heiß, Toschmol. Wir können sie in geringer Entfernung passieren.« Sie zögerte einen Augenblick, dann fuhr sie fort: »Bestehen Sie
4 wirklich darauf, diesen Schlackebrocken anzusteuern? Die Messungen haben ergeben, daß niemand dort existieren kann, auch der sagenhafte Magnortöter nicht – falls es ihn überhaupt gibt.« Er lehnte sich zurück und sah zu ihr hinüber. »Sie also auch, Zeranal? Ich dachte immer, Sie wären dem Imperator treu ergeben.« »Was hat denn das damit zu tun? Haben wir nicht schon genug Männer und Frauen verloren? Dieses ganze Sonnensystem bringt uns noch alle um.« Toschmol lächelte und strich sich durch das rote, strähnige Haar, wobei ihm seine auffallend große und lange Nase sichtlich im Weg war. »Ich hatte von Anfang an die Meinung vertreten, daß Klinsanthor nicht auf Loipos ist, aber keiner wollte auf mich hören. Der Dunkelplanet hingegen entspricht jener Welt, auf der Klinsanthor schläft. Wir werden also hinfliegen und nachsehen …« »Das werden wir nicht!« Lenth Toschmol blieb ganz ruhig sitzen und rührte sich nicht, als er die Mündung des Impulsstrahlers in seinem Rücken spürte. Er hatte die Stimme sofort erkannt und wußte, daß der Techniker Parentok hinter ihm stand, den Finger am Abzug der Waffe. Er hatte Parentok von Anfang an nicht getraut. Es wäre besser gewesen, ihn auf Loipos zurückgelassen, doch dazu war es nun zu spät. »Ich bin hier der Kommandant, Parentok!« »Sie waren es, Toschmol. Sie wurden soeben Ihres Postens enthoben. Ich bringe Sie in Ihre Kabine und schließe Sie ein, dann ändern wir den Kurs und machen, daß wir hier fortkommen.« »Und wer will sich später vor dem Imperator verantworten? Haben Sie daran auch gedacht?« Parentok ging um den Wissenschaftler herum, die Waffe ständig auf ihn gerichtet. »Wer sagt denn, daß wir das zu tun beab-
Clark Darlton sichtigen? Es gibt genügend unbewohnte und unbekannte Planeten jenseits der Imperiumsgrenzen, auf denen wir uns niederlassen können. Im übrigen wollen Sie mir doch nicht weiszumachen versuchen, daß Sie Orbanaschol so lieben, daß Sie Ihr Leben für ihn riskieren wollen.« Toschmol begann einzusehen, daß er seine Taktik ändern mußte. »Solche Gedanken bestraft Orbanaschol für gewöhnlich mit dem Tode, Parentok, aber Sie haben schon recht: Ich liebe den Imperator nicht besonders. Mir geht es um Klinsanthor und die Wahrheit darüber. Ich war meinem Ziel noch nie so nahe wie jetzt. Wenn wir den Magnortöter dazu bewegen können, nach Arkon zu gehen, wird uns Orbanaschol jeden Wunsch gewähren. Wir werden das Imperium verlassen können, ohne eine Verfolgung befürchten zu müssen. Wir werden frei und reich sein, unermeßlich reich, Parentok!« »Reichtum ist für Tote wertlos, Toschmol. Wir haben unseren Entschluß gefaßt.« Er sagte zu der Navigatorin, ohne sie dabei anzusehen: »Zeranal, programmieren Sie eine Transition, die uns ein paar Lichtjahre weiterbringt. Ich bringe Toschmol in seine Kabine.« Er winkte mit der Waffe. Der Wissenschaftler erhob sich langsam und blieb dann ein wenig gebeugt stehen, so als fürchte er, mit dem Kopf gegen die Decke der Kontrollzentrale zu stoßen. »Eine Transition innerhalb des Systems wäre glatter Selbstmord«, gab er zu bedenken. »Sie wissen so gut wie ich, daß der schwarze Planet Energiefelder verbreitet, deren Natur uns nicht bekannt ist. Ihre Auswirkungen waren selbst auf Loipos zu spüren und …« »Das eben ist der Grund, warum wir so schnell wie möglich hier weg wollen. Gehen Sie schon! Sie halten uns nur auf.« »Was haben Sie mit mir vor?« »Nichts! Wenn alles vorüber ist, können Sie sich wieder frei im Schiff bewegen. Wir haben Ihnen einiges zu verdanken, das ver-
Die Gruft des Magnortöters gessen wir nicht.« Wenn Toschmol insgeheim gehofft hatte, jemand würde ihm jetzt beistehen, so sah er sich getäuscht. Auf dem Weg zur Kabine begegnete er nur finsteren Gesichtern. Ohne weiteren Kommentar schloß Parentok die Tür hinter ihm und verriegelte sie mit dem Positronenschloß. Niemand außer ihm würde sie öffnen können. Toschmol behielt seine Ruhe, auch als er allein war. Er nahm seine Unterlagen und studierte die vagen Hinweise über den Magnortöter, der einmal die gefährlichste Waffe des arkonidischen Imperiums gewesen sein sollte. Von einem zerklüfteten und leblosen Planeten war die Rede, von einer unwirklich anmutenden Welt mit unterirdischen Grüften und Meeren. Auch eine sterbende Sonne wurde erwähnt, von der die Sage berichtete, daß sie zusammen mit dem Leben Klinsanthors erlöschen würde. Noch einmal las Lenth Toschmol die geheimnisvollen Verse, welche aus einer arkonidischen Legende stammten: In den Grüften und Meeren der Unwelt träumt Klinsanthor, der Magnortöter. Weckt ihn und ruft ihn, aber achtet darauf, daß sein schrecklicher Schatten nicht auf euch fällt … In einigen älteren Fassungen der Legende blieb der Text zwar gleich, nur hatte dort die erwähnte »Unwelt« einen Namen. Sie wurde »Die Skärgoth« genannt. Toschmol legte die Aufzeichnungen auf den Tisch und setzte sich wieder. Er schaltete den Interkomschirm ein, um verfolgen zu können, was in der Kommandozentrale geschah. Parentok war zurückgekehrt und hatte sich in den Sessel vor die Kontrollen gesetzt. Zeranal teilte ihm mit, daß sie Kurs und Transition programmiert hatte. Nur der linke Rand des Panoramaschirms war zu sehen, und auf ihm erschien gerade der gewaltige Schlackebrocken. Gleichzeitig begannen die Anzeigeinstrumente verrückt zu spielen. Das mußten die geheimnisvollen Energiefelder sein, die den Dunkelplaneten
5 umgaben. »Es ist die Skärgoth, kein Zweifel!« murmelte Toschmol in verbissener Wut in sich hinein. »Die Legende hat nicht gelogen. Ich habe Klinsanthor gefunden, und diese verdammten Narren hindern mich daran, ihn aufzusuchen. Warum sollte ich mich vor seinem Schatten fürchten?« Ihm kam der Gedanke, daß mit dem »schrecklichen Schatten« die Energiefelder gemeint sein konnten, die der PROTALKH zum Verderben wurden. Weitere Besatzungsmitglieder kamen in die Kommandozentrale, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Parentok teilte ihnen mit, daß die Transition bald stattfinden würde und bat sie, sich in die Kabinen zurückzuziehen und auf die Betten zu legen. Der Entzerrungsschmerz würde stärker als gewöhnlich sein, vermutete er nicht zu unrecht. »Ihr seid verrückt!« schimpfte Toschmol, aber niemand konnte ihn hören, da er nur auf Empfang geschaltet hatte. »Eine Transition innerhalb des Systems ist Wahnsinn …!« Voller Faszination starrte er auf das kleine Stück Bildschirm, das von Parentoks Rücken nicht verdeckt wurde. »Sein« Planet Skärgoth war bereits halb zu sehen, aber die Vergrößerung war schlecht und zu gering. Einzelheiten waren nicht zu erkennen. Immerhin wurde klar, daß die Form unregelmäßig und keineswegs rund war, wie man es von einem Planeten erwarten durfte. Die Oberfläche reflektierte nur wenig Licht, was auf drei Faktoren zurückzuführen war: die rote Sonne strahlte kaum noch, außerdem stand sie viel zu seitlich, und drittens war die Albedo von Skärgoth bemerkenswert gering. Die Messungen waren richtig gewesen. Der Brocken schien tatsächlich nur aus erkalteter Lava und Schlacke zu bestehen. Daß seine Bahn mit der von Loipos identisch war, mochte reiner Zufall sein. Aber vielleicht hatte Klinsanthor da auch nachgeholfen …
6 Toschmol war so in den Anblick der Skärgoth vertieft, daß er die bevorstehende Transition vergaß. Erst im letzten Augenblick, als Parentok und Zeranal den Vorgang einleiteten, wurde er sich der Gefahr bewußt, in der er sich befand. Hastig warf er sich auf sein Bett und entspannte die Muskeln. Keine Sekunde zu früh, denn im gleichen Augenblick setzte der erwartete Entzerrungsschmerz ein. Er begriff sofort, daß seine Ahnung sich bewahrheitet hatte. Das war kein gewöhnlicher Entstofflichungsprozeß, der den Schmerz verursachte, und es fand auch keine normale Transition über viele Lichtjahre hinweg statt. Das Bild auf dem Panoramaschirm in der Kommandozentrale veränderte sich nicht. Auch die Konturen von Parentoks Rücken blieben, wenn es auch einen Augenblick so schien, als wollten sie verschwimmen und unsichtbar werden. Langsam richtete Toschmol sich wieder auf. Es wurde ihm klar, daß die Transition mißlungen war. Auch Parentok schien nun endlich zu begreifen, daß seine Absichten durchkreuzt worden waren. Mit gespielter Ruhe nahm er die Schadensmeldungen aus allen Sektoren des Schiffes entgegen und befahl eine Kursänderung. Zeranal wirkte wesentlich hilfloser. »Die Transition wurde durch äußeren Einfluß abgebrochen«, meinte sie aufgeregt. »Verstehen Sie, Parentok? Sie wurde regelrecht verhindert! Das können nicht nur Energiefelder sein!« »Was denn sonst?« »Klinsanthor vielleicht«, flüsterte sie scheu. Toschmol registrierte befriedigt, daß Parentok erschrak. Obwohl ihm selbst auch nicht wohl in seiner Haut war, freute er sich über die Niederlage seiner Gegner, die nicht auf ihn hören wollten. Mit der Kursänderung würden sie auch nicht weit kommen, hoffte er. Jene Arkoniden, die sich zuerst von ihrem Schreck erholt hatten, stürmten in die Kommandozentrale. Einige von ihnen verlangten,
Clark Darlton man solle Toschmol wieder freilassen, was von Parentok jedoch schroff abgelehnt wurde. »Wir versuchen, mit Hilfe des Impulstriebwerks dem Einfluß des dunklen Planeten zu entkommen. Wenn die Energiefelder schon die Transition stören, so können sie den Triebwerken nichtstanhaben.« Er sprach mit einer solchen Überzeugung, daß sich die Leute beruhigten. Außerdem trug er noch immer seine Energiewaffe im Gürtel. Toschmol war davon überzeugt, daß er die Meuterei angezettelt hatte. Die lichtschnellen Impulstriebwerke sprangen einwandfrei an, aber der von ihnen erzeugte Schub kam nicht zur Geltung. Eine Kursänderung war unmöglich, und wenig später hatte Parentok das Gefühl, in einem ferngelenkten Schiff zu sitzen, das seinen Befehlen nicht mehr gehorchte. Die VALKARON flog mit unverminderter Geschwindigkeit weiter und wurde weder langsamer noch schneller. Ihr Bug zeigte genau auf den Lavaplaneten, der inzwischen bedrohlich nähergerückt war. Die Einzelheiten der in schwaches Dämmerlicht getauchten Oberfläche wurden immer deutlicher sichtbar. »Wir holen jetzt Toschmol!« sagte einer der Männer und verließ die Zentrale, ehe Parentok ihn zurückhalten konnte. Toschmol schaltete den Interkom ab und streckte sich auf dem Bett aus, um seine Befreier zu erwarten. Er war gespannt, wie sie ohne Kode das positronische Schloß öffnen wollten. Es dauerte auch nicht lange, bis er es erfuhr. Die Leute setzten Impulsstrahler ein und zerstörten es einfach. Er sah ihnen gelassen entgegen. »Nun?« erkundigte er sich seelenruhig. Die Männer wirkten verlegen. »Parentok hat uns nicht erlaubt, Sie zu holen, aber wir glauben, daß nur Sie uns helfen können. Wir stürzen auf den Dunkelplaneten zu. Was sollen wir tun?« Toschmol erhob sich langsam. Er deutete auf ihre Waffen. »Zwingt Parentok, die Zentrale zu verlas-
Die Gruft des Magnortöters sen. Er ist verrückt geworden. Wie kann er sich dem Willen Klinsanthors widersetzen? Wir werden auf der Skärgoth landen.« Sie sahen ihn verständnislos an, bis ihm einfiel, daß ihnen der Name des Planeten unbekannt war. »Skärgoth ist das Versteck des Magnortöters«, erklärte er den bestürzten Arkoniden. »Er erwartet uns.« Die Mitteilung wirkte nicht gerade beruhigend auf die Männer, aber sie sahen wohl ein, daß eine Landung noch immer besser war als ein Absturz. Zumindest mußte versucht werden, den beginnenden Fall der VALKARON abzubremsen. Als Toschmol die Kommandozentrale betrat, wußte er hinter sich ein paar Arkoniden mit feuerbereiten Waffen. Parentok schwang in seinem Sessel herum. Seine Hand fuhr zum Griff des Strahlers, aber er zog ihn nicht aus dem Gürtel. »Was soll der Unsinn?« fragte er wütend. »Glauben Sie vielleicht, gegen diese Naturgewalten ankämpfen zu können? Ich bin Techniker und verstehe mehr von Navigation als Sie, Toschmol. Verschwinden Sie!« »Verlassen Sie den Platz vor den Kontrollen!« forderte der Wissenschaftler ihn auf und ging furchtlos auf ihn zu. »Zeranal, leiten Sie ein Landemanöver ein und geben Sie Bremsschub.« Parentok stand zögernd auf, als er von seinen Leuten keine Unterstützung erfuhr. Er wußte, wann er verloren hatte. »Na schön, dann versuchen Sie es doch!« knurrte er hilflos vor Zorn und Enttäuschung. »In einer halben Stunde zerschellen wir auf der Oberfläche dieses Lavabrockens, wenn Sie kein Zauberer sind.« »Wir werden sehen«, gab Toschmol zurück und setzte sich. Ein Blick auf die Kontrollinstrumente zeigte ihm, daß alle funktionierten, wenn einige von ihnen auch unmögliche Werte anzeigten. »Wie weit sind Sie, Zeranal?« »Fertig!« »Gut, dann einschalten!« Atemlos warteten sie auf das Ergebnis.
7 Toschmol bemerkte, daß sich die Skärgoth auf dem Bildschirm verschob. Der Planet wanderte in die Mitte der großen Scheibe und kam so in Landeposition. Die Fluggeschwindigkeit der VALKARON verringerte sich. Parentok schien die Meuterei vergessen zu haben. »Wie ist das möglich?« fragte er ungläubig. »Der Bremsschub ist viel geringer als jener der Impulstriebwerke.« Toschmol war nicht nachtragend. »Auf dem Planeten dort gibt es Dinge, die wir uns mit logischem Denken allein nicht erklären können. Man muß die alten Legenden heranziehen, um Antworten auf viele Fragen zu finden. Ich erinnere mich an eine Stelle des Klinsanthor-Epos von Klerakones, in der das Aufgehen im Weltraum verlorener Arkoniden in Energieströme geschildert wird. Daran mußte ich denken, als die Transition mißlang. Vielleicht war das unser Glück. Vielleicht hätten wir sonst für alle Ewigkeit körperlos zwischen den Sternen herumirren müssen.« Parentok gewann seine alte Überlegenheit zurück. »Das sind doch alles nur Märchen, Toschmol, keine Tatsachen. Legenden sind Lügen, die man Kindern erzählt.« »Nur schlechte Eltern erzählen ihren Kindern Lügen«, wies der Wissenschaftler ihn zurecht. »Ich glaube, daß Sagen und Legenden ihre reale Grundlage in den Ereignissen der Vergangenheit haben. Oder wagen Sie es, Parentok, nicht an die Existenz von Klinsanthor zu glauben?« »Wir sind wieder voll manövrierfähig«, gab Zeranal bekannt und gab dadurch Parentok Gelegenheit, die für ihn peinliche Frage nicht zu beantworten. »Wo werden wir landen, Toschmol?« Die Skärgoth wurde schräg von der roten Sonne angeschienen, was die zerklüftete Landschaft um so deutlicher hervorhob. Lichtlose Schattenabgründe wechselten mit schroffen Felsen und mattschimmernden Ebenen. Manche der Spalten zogen sich vie-
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Clark Darlton
le Kilometer weit dahin und wechselten ständig die Richtung. Es sah so aus, als hätten gewaltige Kräfte die gesamte Oberfläche auseinandergezerrt, um Gebirge und riesige Schluchten entstehen zu lassen. »Es ist egal, wo wir landen«, entschied Toschmol, ohne lange zu überlegen. »Wenn möglich, auf einer Ebene zwischen den Gebirgen und Schluchten. Wir dürfen die VALK-RON nicht in Gefahr bringen.« »Atmosphäre ist vorhanden«, sagte jemand von den Massetastern her. »Unglaublich! Atmosphäre, aber keine feststellbare Vegetation.« »Wir werden noch mehr Unmöglichkeiten und Überraschungen erleben«, prophezeite Toschmol, ohne zu ahnen, wie recht er behalten sollte. Auf dem Bildschirm war ein fast runder Talkessel zu erkennen. »Dort, Zeranal! Dort werden wir landen …«
* Das Schiff gehorchte in jeder Beziehung den Kontrollen, wenn auch die Meßinstrumente und Massetaster unmögliche Werte anzeigten. Die Orterschirme waren schwarz geworden, nur der Panoramaschirm arbeitete noch. Toschmol war aufgestanden und deutete auf seinen Sessel. »Arkanol, übernehmen Sie die Kontrollen. Sie verstehen mehr davon als ich.« Arkanol hatte in der Flotte gedient und galt als bewährter Offizier. Wenn er in Stimmung kam, konnte er die unglaublichsten Abenteuer aus dem großen Krieg gegen die Methanatmer berichten, an dem er viele Jahre teilgenommen hatte. Wenn auch nur die Hälfte von dem wahr war, was er erzählte, durfte man es als ein Wunder bezeichnen, daß er noch lebte. Er nickte wortlos und setzte sich. Zeranal gab ihm einige Daten durch und schloß: »Es sind die Energiefelder, die alles stören. Eine ganz natürliche Erklärung, finden
Sie nicht?« Arkanol brach sein Schweigen. »Ich glaube nur an natürliche Erklärungen, Zeranal. Hatten Sie übrigens Gelegenheit, vor dem Totalausfall der Meßinstrumente eine Atmosphäre da unten festzustellen? Vorstellen kann ich es mir zwar nicht, aber es könnte ja sein …« »Eine atembare Atmosphäre ist vorhanden«, bestätigte sie. Er schüttelte den Kopf und sagte zu Toschmol: »Da fällt es mir allerdings schwer, an eine natürliche Erklärung zu glauben. Wie soll auf dem Lavahaufen eine Atmosphäre entstehen? Ich meine: eine atembare Atmosphäre.« »Keine Ahnung«, gab der Wissenschaftler zu. »Vielleicht kommen die Gase aus dem Innern des Planeten und werden durch die merkwürdigen Energiefelder gehalten, falls die Gravitation nicht ausreichen sollte, was ich jedoch bezweifle.« »Na schön, wir werden ja sehen«, knurrte Arkanol voller Zweifel. Die VALKARON senkte sich langsam der Oberfläche entgegen. Der Landeplatz lag auf der Tagseite der Skärgoth. Die Rotation war so langsam, daß es noch mehr als zwanzig Stunden lang Tag bleiben würde. Dann erst würde die rote Sonne langsam unter den Horizont sinken. Toschmol war neben Arkanol getreten und deutete auf den Bildschirm. »Sehen Sie nur – dort! Was ist das?« Der Talkessel war annähernd rund und wurde von schroffen Gebirgen eingeschlossen. In den Steilabhängen waren dunkle Stellen erkennbar, wahrscheinlich Höhleneingänge. Der Durchmesser des Tales betrug etwa zwanzig Kilometer. Es gab keine Spur von Vegetation, aber an den Rändern des Kessels und auch in der Nähe seiner Mitte gab es ausgedehnte Flächen, die das Licht der roten Sonne besonders stark reflektierten. Sie wirkten wie matt gewordene Spiegel. »Keine Ahnung«, murmelte Arkanol unsi-
Die Gruft des Magnortöters cher. »Sieht so aus, als hätte jemand die Felsen poliert.« Die Höhe betrug noch einen knappen Kilometer, als der Antrieb plötzlich aussetzte. Statt jedoch abzustürzen, sank die VALKARON langsam weiter in die Tiefe, veränderte ein wenig die Richtung und setzte dann nicht weit von den Randfelsen auf der Oberfläche des Planeten auf. Sie tat es nicht aus eigener Kraft.
* Arkanol war blaß geworden. Er desaktivierte die Hauptenergiezufuhr und schwenkte den Sessel herum. Toschmol hatte sich gesetzt. »Wir sind gelandet«, stellte er überflüssigerweise fest. Der Offizier nickte. »Sicher, aber nicht auf eigenen Wunsch und dort, wo wir wollten. Irgend etwas auf diesem Planeten kann mit uns und dem Schiff machen, wie es ihm beliebt. Klinsanthor …?« Der geheimnisvolle Name hing wie eine Drohung in der Luft. Toschmol sagte ruhig: »Wahrscheinlich Klinsanthor, Arkanol. Die glatte Landung scheint jedoch ein Beweis dafür zu sein, daß wir nicht in Gefahr sind, sondern daß der Magnortöter bereit ist, uns zu empfangen und anzuhören. Worauf warten wir noch?« »Immer mit der Ruhe!« empfahl Arkanol, dessen Gesicht allmählich wieder die gewohnte Farbe zurückerhielt. »Bevor wir uns da draußen umsehen, treffen wir besser einige Vorsichtsmaßnahmen. Ich habe schon mehr als einmal Landungen auf unbekannten Planeten durchgeführt und kenne mich aus. Selbst harmlose Naturerscheinungen können zu tödlichen Gefahren werden, wenn man nicht mit ihnen vertraut ist. Die Atmosphäre ist atembar – das wenigstens wissen wir. Trotzdem schlage ich das Anlegen der Kampfanzüge vor.« Aber soweit war es noch nicht. Bevor die
9 Ausstiegluke der VALKARON geöffnet wurde, mußten die vorgeschriebenen Tests durchgeführt werden, die einige Zeit in Anspruch nahmen. Nahezu die Hälfte aller Instrumente war ausgefallen, aber der Rest arbeitete einwandfrei. Schließlich hielt Toschmol es nicht mehr aus. »Hören Sie, Arkanol, ich bin der Meinung, daß wir nur Zeit verschwenden. Es ist Mittag Ortszeit. Vor uns liegen noch viele Stunden Tageslicht, und wenn die Nacht anbricht, bleibt es lange dunkel. Wollen Sie mich begleiten, oder warten Sie lieber bis morgen?« Parentok mischte sich ein: »Ich werde das Schiff auf keinen Fall verlassen, Toschmol. Aber ich hindere niemanden daran, Sie zu begleiten.« »Das könnten Sie auch nicht«, gab Toschmol trocken zurück. Arkanol winkte einigen Männern zu, die in der Kommandozentrale herumstanden. »Bereitet alles für einen Ausstieg vor. Ich werde Toschmol begleiten. Wer kommt noch mit?« Es zeigte sich, daß noch ein Dutzend Arkoniden bereit war, das Risiko der unbekannten Gefahren auf sich zu nehmen und das Schiff zu verlassen. Auch Zeranal meldete sich. Damit war sie die einzige Frau, die an der ersten Landeexpedition teilnahm. Toschmol konnte seine Ungeduld kaum noch zügeln. In der großen Luftschleuse legte er zusammen mit den anderen den Kampfanzug an und wartete dann an der noch geschlossenen Luke, bis diese geöffnet wurde. Die Kampfanzüge, Resultat einer hochtechnisierten Zivilisation, besaßen hervorragende Eigenschaften. Sie verfügten sogar über ein Flugaggregat, das den Träger dazu befähigte, große Strecken mit hoher Geschwindigkeit zurückzulegen. Im Vakuum des Weltraums schützten sie vor der lebensfeindlichen Umgebung. Eine Klimaanlage sorgte für eine gleichbleibende Temperatur, ganz gleich, ob man sich in eisiger Luft oder
10 kochendem Wasser aufhielt. Außerdem gab es Taschen mit Werkzeugen, Lebensmittelkonzentraten und einem handlichen Impulsstrahler. Die Luke schwang auf. Toschmol ging als erster zur ausgefahrenen Rampe und kletterte hinab zu der grauschwarzen Felsenoberfläche der Skärgoth. Er machte einige Schritte und winkte dann den anderen zu. »Kommt, Leute!« forderte er sie über Telekom auf. »Prächtiger fester Boden! Wir werden die Helme öffnen können, denn die Instrumente zeigen gute Atemluft an. Worauf wartet ihr denn noch?« Arkanol und Zeranal standen bald darauf neben ihm, die anderen folgten. Die Luke blieb geöffnet. Die Luft war frisch und kühl, was dank der schwachen Sonneneinstrahlung kein Wunder war. Wahrscheinlich wurde der Planet in erster Linie von innen her erwärmt, einige der Messungen deuteten darauf hin. Er besaß demnach einen flüssigen Kern. Parentok beobachtete die Gruppe in der Kontrollzentrale auf dem Bildschirm. Er stand mit ihr durch den Telekom in Verbindung. »Wie ist es?« erkundigte er sich. »Bestens – bis jetzt«, gab Toschmol zurück, der die versuchte Meuterei total vergessen zu haben schien. »Wir werden die polierte Fläche untersuchen, die zwischen dem Schiff und den Felsen liegt.« »Seid vorsichtig!« Sie blieben dicht beisammen, weil sie sich so sicherer fühlten. Toschmol und Arkanol hatten die Führung übernommen und näherten sich vorsichtig der glatten Fläche, die ihnen schon vor der Landung aufgefallen war. Von weitem sah sie aus wie die erstarrte Oberfläche eines Sees aus mattem Silber. An ihrem Rand hielten sie an. »Wie kann sie entstanden sein?« fragte Zeranal scheu. Toschmol bückte sich und berührte die unbekannte Materie mit der flachen Hand. Er zog sie schnell wieder zurück. »Es ist heiß«, sagte er und richtete sich
Clark Darlton wieder auf. »Die Hitze kommt aus der Tiefe, wie wir vermutet haben. Vielleicht war es einst ein Vulkankrater, der sich mit verflüssigtem Metall füllte, das später abkühlte und fest wurde. Ich glaube, wir können ohne Gefahr darüber hinweggehen. Es trägt uns.« »Und die Hitze?« wollte jemand wissen. »Unsere Stiefel bieten genügend Schutz, und im Notfall können wir auch fliegen.« Auf der glatten Fläche, die kaum Unebenheiten aufwies, war das Marschieren leichter als auf der zerklüfteten Schlacke und Lava. Die Randfelsen des Talkessels wurden scheinbar immer höher und verloren sich in der etwas dunstigen Atmosphäre. Toschmol steuerte auf einen der Höhleneingänge zu. Arkanol verlor nichts von seiner gewohnten Vorsicht. Er blieb mißtrauisch und beobachtete aufmerksam ihre Umgebung, obwohl er nichts Verdächtiges zu entdecken vermochte. Als er sich einmal umdrehte, rief er: »Zeranal, bleiben Sie bei der Gruppe! Was haben Sie dort zu suchen?« Toschmol blieb stehen, auch die anderen hielten an. Die Navigatorin hatte sich etwa dreißig Meter von der Gruppe entfernt, schien es aber nicht bemerkt zu haben. Gehorsam folgte sie der Aufforderung des Offiziers und kehrte zu den anderen zurück. »Merkwürdig«, versuchte sie eine Erklärung zu finden. »Ich wollte gar nicht dorthin gehen. Auf einmal war ich dort.« Arkanol runzelte die Stirn. »Wollen Sie damit sagen, daß Sie etwas gezwungen hat, uns zu verlassen?« »So muß es wohl gewesen sein. Immer nach links zog es mich, obwohl ich mich dagegen zur Wehr setzte. Es war, als hätte mich ein Magnet angezogen.« Einer der Männer bestätigte ihren Eindruck. »Mir ging es ähnlich wie Zeranal, aber ich konnte den inneren Zwang bekämpfen. Vielleicht ist es auch nur Einbildung.« Arkanol schüttelte langsam den Kopf. »Nein, das ist keine Einbildung, denn ich habe es auch gespürt. Es handelte sich dem-
Die Gruft des Magnortöters nach um einen hypnotischen Zwang, dem der eine mehr und der andere weniger widersteht. Ein Grund mehr für uns, jetzt zusammenzubleiben. Was ist mit Ihnen, Toschmol?« »Unwichtig! Natürlich habe ich es auch bemerkt, aber man muß es einfach ignorieren. Übrigens ist mir aufgefallen, daß es uns alle etwas nach links gezogen hat. Seht nur, wo die VALKARON steht! Wir sind nicht geradeaus gegangen, sondern in einem leichten Bogen.« »Aber die Höhlen liegen noch immer genau vor uns!« »Eine optische Täuschung – vielleicht.« Sie gingen weiter, achteten nun aber konzentrierter auf das unerklärliche Phänomen, das vorerst noch keine ernsthafte Gefahr darstellte. Mit einiger Anstrengung gelang es ihnen, in ziemlich gerader Richtung weiterzumarschieren, wenn ihre Beine auch immer wieder versuchten, eine andere Richtung einzuschlagen. Und zwar immer nach links. Toschmol hatte seine eigenen Vermutungen, die er aber für sich behielt, um seine Begleiter nicht noch mehr zu verwirren. Er war fest davon überzeugt, daß Klinsanthor seinen unheimlichen Einfluß auf sie ausübte, was immer er auch damit bezwecken wollte. Auf der anderen Seite war der Wissenschaftler davon überzeugt, daß ihnen kein Unheil drohte, denn wenn der Magnortöter sie vernichten wollte, hätte er das schon längst tun können. Innerlich fieberte er der Begegnung mit Klinsanthor entgegen, aber er fürchtete sich auch vor ihr. In diesem Zwiespalt der Gefühle war es nicht leicht, Besonnenheit zu bewahren. Endlich erreichten sie den Rand der polierten und jetzt fast gläsern wirkenden Fläche, die jedoch undurchsichtig blieb. Die Felswände waren nur noch einige hundert Meterentfernt. »Ziemlich mächtige Höhlen«, stellte Arkanol fest. »Möchte wissen, wie sie entstanden sind. Wahrscheinlich durch frühere vul-
11 kanische Tätigkeit, also Lavaausflüsse. So mag auch der gläserne See entstanden sein.« »Klinsanthor soll in einer gigantischen Gruft hausen«, bemerkte einer der Männer mit unterdrückter Furcht. »Vielleicht lauerte er schon auf uns.« »Unsinn!« fuhr Toschmol ihn an. »Warum sollte er? Wenn er Macht über unser Schiff hat, und das wurde ja wohl bewiesen, hätte er uns samt der VALKARON in die Sonne stürzen lassen. Statt dessen half er uns noch bei der Landung.« »Wenn es überhaupt Klinsanthor war!« sagte Arkanol ruhig. Toschmol warf ihm einen Blick zu, schwieg aber. Wortlos setzte sich die Gruppe wieder in Bewegung.
* Je näher sie den Felsen kamen, desto stärker wurde der Linksdrall. Jetzt, da sie gewarnt waren, konnten sie ihm zwar besser widerstehen, aber mit der Zeit wurde es anstrengend. Es war, als müßten sie ständig gegen eine unsichtbare Strömung ankämpfen, die sie in eine andere Richtung tragen wollte. »Es könnten auch energetische Felder seih, oder Strahlungen«, vermutete der Physiker Karon, der sich bisher schweigsam verhalten hatte. »Das wäre eine ganz natürliche Erklärung, finden Sie nicht, Toschmol?« »Sicherlich«, erwiderte dieser geistesabwesend, denn der Anblick der gewaltigen Höhleneingänge faszinierte ihn viel mehr. »Doch für ein natürliches Phänomen geht es mir zu systematisch vor.« Endlich standen sie vor der ersten Höhle. Fast fünfzig Meter hoch war das Tor, das in die Felswand führte. Der Boden fiel leicht nach unten ab, und die Wände waren nicht absolut dunkel, obwohl kaum Licht in den Eingang fiel. Toschmol wollte weitergehen, aber Arkanol hielt ihn fest. »Augenblick, wir wollen den Leichtsinn
12 nicht auf die Spitze treiben. Sie bringen uns alle in Gefahr, wenn Sie ohne jede Vorbereitung dort eindringen.« »Was für Vorbereitungen?« wollte Toschmol ungeduldig wissen. »Wir sind am Ziel, und da wollen Sie mich aufhalten?« »Keineswegs, aber ich richte mich nach den Erfahrungen unserer bewährten Explorerflotte. Ich kenne ihre Vorschriften, von deren Einhaltung oft das Leben abhängt – besonders auf diesem verrückten Planeten. Die Mindestwartezeit beträgt zwanzig Stunden.« »Dann ist es Nacht! So ein Unsinn!« »Sie sehen ja selbst, daß es in der Höhle nicht dunkel ist, außerdem würde Ihnen Tageslicht in ihrem Innern nicht viel nützen. Warten Sie also, dann erkläre ich mich auch bereit, Sie zu begleiten.« »Ich auch«, erbot sich Karon. Die anderen schwiegen. Toschmol wurde klar, daß er keine andere Wahl hatte, als auf ihren Vorschlag einzugehen, wenn er nicht allein in die unbekannte Höhlenwelt eindringen wollte. Und dazu fehlte ihm trotz allen Engagements der Mut. »Also gut, zwanzig Stunden! Aber keine Minute mehr!« Nach einem letzten Blick in die Höhle wanderten sie weiter, immer an der Steilwand entlang und nach rechts, um den Glassee herum, bis sie sich wieder der VALKARON näherten. Parentok meldete sich über Funk: »Es wird Zeit, daß ihr zurückkommt. Einige der Leute beginnen durchzudrehen.« »Wie meinen Sie das?« wollte Toschmol wissen. »Ja, wie soll ich Ihnen das erklären …? Zwei sind mit dem Kopf gegen eine Wand gerannt und haben sich ernstlich verletzt. Jemand behauptet, er hätte gesehen, wie sie durch den Korridor gingen, dann plötzlich links abbogen, obwohl keine Tür vorhanden war. Ich kann mir keinen Reim darauf machen.« »Nach links?« vergewisserte sich Toschmol und sah Arkanol bestürzt an.
Clark Darlton »Sorgen Sie dafür, daß die Leute in ihren Kabinen bleiben, bis wir dort sind.« Ohne weiteren Aufenthalt erreichten sie die VALKARON und stiegen hinein. Dumpf schloß sich hinter ihnen die Luke und gab ihnen das Gefühl, wieder in relativer Sicherheit zu sein. Erleichtert legten sie die Kampfanzüge ab und zogen die Bordkombinationen an. Parentok erwartete sie in der Zentrale. »Wir hätten versuchen sollen, von hier wegzukommen«, jammerte er. »Ich habe es ja schon immer gewollt.« »Halten Sie den Mund!« fuhr Toschmol ihn an. »Bis jetzt ist nicht viel passiert – und außerdem hätten wir es gar nicht geschafft, das System zu verlassen, das wissen Sie so gut wie ich. Sind die Verletzten versorgt?« »Sie sind in der Krankenstation.« »Ich kümmere mich darum«, erbot sich Arkanol. »Ich will wissen, was geschehen ist.« »Gut«, erklärte sich Toschmol einverstanden. »Kommen Sie dann in meine Kabine und berichten Sie mir. Ich möchte ein paar Stunden ruhen.« »Das würde uns allen wahrscheinlich guttun«, meinte Karon. »Unausgeschlafen gehe ich auf keinen Fall in die Höhle.«
* Zehn Stunden vor dem geplanten Aufbruch zu der Höhle unternahm Parentok mit dem Gleiter einen Erkundungsflug durch den Talkessel. Er wurde von Zeranal begleitet, die sich um die an Bord befindlichen Meßinstrumente kümmerte. Einige von ihnen funktionierten einwandfrei. Die Massetaster zeigten über den gläsernen Flächen feste Materie und schwere Metalle an, während sie an anderen Stellen gewaltige Hohlräume tief unter der Lavadecke verrieten. Parentok bat die Navigatorin, eine Karte zu zeichnen, die den Verlauf der Hohlräume festhielt und so einen groben Überblick verschaffte.
Die Gruft des Magnortöters Er hatte sich inzwischen an den merkwürdigen Linkszwang gewöhnt. Selbst bei der Steuerung des Gleiters machte er sich bemerkbar, da sie aber das Tal in einer großen Linksschleife überflogen, spielte diese Fehlerquelle keine besondere Rolle. Parentok blinzelte verblüfft, als er schräg unter sich die farbige Wolke bemerkte, die träge mit dem Wind dahinzog, ohne dabei auseinandergetrieben zu werden. Das Seltsame dabei war nur, daß er Farben registrierte, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Er machte Zeranal auf das merkwürdige Gebilde aufmerksam. »Ein sichtbar gewordenes energetisches Feld«, behauptete diese, nachdem sie ihre Instrumente zu Rate gezogen hatte. »Harmlos, würde ich sagen.« »Trotzdem merkwürdig! Und die Farben! Haben Sie schon einmal solche Farben gesehen?« »Stimmt, eine geheimnisvolle Mischung, das muß ich zugeben. Aber schließlich hat es auch noch nie ein sichtbar gewordenes Energiefeld gegeben. Dieser Planet ist einmalig.« »Ich könnte auf ihn verzichten«, knurrte Parentok. Zeranal widmete sich wieder ihrer provisorischen Karte, als die Farbwolke zurückblieb. Erst jetzt fiel ihr das gleichmäßige und sanfte Rauschen auf, das sie vorher überhört zu haben schien. Zuerst war es überall, aber dann, als sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren, nahm sie es nur mit dem rechten Ohr wahr. Mit dem linken konnte sie es nicht hören, so sehr sie sich auch anstrengte. Sie sagte Parentok nichts davon, um ihn nicht zu beunruhigen, aber sie sah, daß er sich mehrmals an das rechte Ohrläppchen faßte und daran zog und rieb, so als störe ihn etwas. Trotzdem schwieg sie. Sie arbeitete weiter an der Karte. Es schien, als sei das ganze Tal unterhöhlt und von unregelmäßigen Gängen und Höhlenlabyrinthen durchzogen. Alle standen miteinander in Verbindung, und manche der Hohlräume hatten mehrere Kilometer
13 Durchmesser. Wenn Toschmol sie erforschen wollte, hatte er sich zuviel vorgenommen, das stand fest. Und wenn sich Klinsanthor in der unterirdischen Welt verborgen hielt, würde man ihn niemals finden – wenn er es nicht wollte. Karon meldete sich über Telekom aus der VALKARON, von der er übrigens behauptete, sie sei nach einem seiner berühmten Vorfahren benannt worden. »Ihr solltet allmählich zurückkommen.« »Wenn wir den jetzigen Kurs beibehalten, werden wir in zehn Minuten beim Schiff landen. Warum? Ist etwas geschehen?« »Zum Glück nicht. Was Neues?« »Zeranal hat eine Karte der Höhlen angefertigt. Die Massetaster funktionieren wieder einwandfrei.« »Habt ihr Klinsanthor auch orten können?« »Scherzbold!« sagte Parentok und schaltete ab. Der Rest des Fluges verlief ohne weitere Zwischenfälle.
* Wegen des seltsamen Linksdralls machte sich Toschmol keine Sorgen. Es konnte sehr gut möglich sein, daß die verschiedenen Energiefelder und energetischen Strömungen einen gewissen Einfluß auf das Gehirn ausübten, der sich zwar unangenehm, aber keineswegs schädlich auswirkte. Er konnte sich größere Gefahren vorstellen. Noch einmal hatte er seine Unterlagen studiert, nachdem er aus einem kurzen, aber erfrischenden Schlaf erwacht war. Für ihn bestand kein Zweifel mehr an der Tatsache, daß er die Welt des Magnortöters gefunden hatte. Dieser Planet war die Skärgoth! Im Geist sah er sich schon von Imperator Orbanaschol öffentlich geehrt und in den Kreis der Ruhmreichen aufgenommen. Er vergaß auch nicht, von der Belohnung zu träumen, die ihm ein Leben in Freiheit, Unabhängigkeit und Reichtum ermöglichte,
14 ganz abgesehen von den Privilegien, die er dann genießen würde. Noch in ferner Zukunft würde man von ihm als dem berühmtesten und genialsten aller arkonidischen Wissenschaftler sprechen. Alle diese kühnen Gedanken und Hoffnungen stachelten ihn zu einem Unternehmungsgeist an, dessen er früher nie fähig gewesen wäre. Er war von Natur aus nicht feige, aber unter anderen Umständen hätte er es sich hundertmal überlegt, ob er in die Unterwelt eines so merkwürdigen Planeten hinabgestiegen wäre. Die Karte Zeranals hatte ihm gezeigt, daß die Höhlengänge nicht etwa nur in die Felswand hineinführten, sondern tief hinab unter die Oberfläche. Um so mehr Grund zu der Annahme, daß Klinsanthor dort auf ihn wartete. In einer Stunde würden er, Arkanol und Karon auf brechen. Einen Augenblick lang erwog er die Möglichkeit, daß der zurückbleibende Parentok vielleicht auf den Gedanken kommen würde, während seiner Abwesenheit mit der VALKARON zu starten und zu fliehen. Aber dann sagte er sich, daß der Techniker nicht so verrückt sein würde. Außerdem war anzunehmen, daß sich die anderen Arkoniden weigern würden, seinen Befehlen Folge zu leisten. Außerdem war Zeranal noch da, und auf die Navigatorin konnte er sich jetzt verlassen. Arkanol meldete sich an und betrat die Kabine. »Es ist bald soweit, Toschmol. Wir werden diesen Planeten dazu zwingen, seine Geheimnisse preiszugeben. Er wäre nicht der erste in meiner Praxis.« »Karon denkt ebenso, aber wir müssen darauf vorbereitet sein, Unbekanntem zu begegnen. Wir dürfen uns niemals trennen, wenn wir die Unterwelt betreten haben. Wir werden zusammenbleiben, dann können wir uns gleichzeitig nach drei Seiten hin verteidigen – falls das jemals notwendig werden sollte.« Arkanol blieb stehen.
Clark Darlton »Wenn der Magnortöter hier lebt, ist jede Verteidigung zwecklos, das sollten gerade Sie wissen. Der Legende nach war er die gefährlichste Waffe, die es jemals gab, obgleich ich zugeben muß, mir nichts darunter vorstellen zu können. Wie kann ein Wesen eine Waffe sein? Ist es überhaupt ein Lebewesen?« »Ich weiß es nicht«, gab Toschmol mit einigem Bedauern zu. »Niemand weißes!« Arkanol zuckte die Schultern. »Nun, wie auch immer – wir treffen uns in der Luftschleuse.« Er war schon halb aus dem Raum, als Toschmol fragte: »Hören Sie auch dieses merkwürdige Summen, Arkanol? Im rechten Ohr und unterschiedlich stark. Es ist, als wolle uns jemand etwas mitteilen, was wir nicht verstehen.« »Sie haben recht, ich höre es auch manchmal, aber an eine Botschaft habe ich bisher nicht gedacht. Ich schiebe alles auf die Energiefelder.« Er ging. Toschmol nahm sich noch einmal die Karte vor und prägte sich die Hauptkorridore ein. Manche von ihnen verliefen schnurgerade, so als seien sie künstlich angelegt worden, andere wiederum waren zweifellos natürlichen Ursprungs und mit Sicherheit durch Lavafluß entstanden. Es würde Jahre dauern, wollte man sie alle erforschen. Aber das war nicht seine Absicht. Er wollte lediglich Klinsanthor finden.
2. Sie ersparten sich den weiten Fußmarsch und ließen sich mit dem Gleiter zum Eingang der Höhlen bringen. Hier überprüften sie zum letzten Mal ihre Ausrüstung, zu der auch starke Lampen gehörten. Die Sonne war bereits untergegangen, aber über dem gläsernen See lag ein silberner Schimmer, der das Geisterhafte der Landschaft nur noch mehr hervorhob. Aus dem Höhleneingang kam diffuses
Die Gruft des Magnortöters Licht, jetzt besser erkennbar als bei Tage. Sie würden die Lampen kaum benötigen, wenn es so hell blieb. Arkanol sah dem Gleiter nach, bis er in der Dunkelheit verschwand. Dann sagte er: »Gehen wir! Ich bin gespannt, was uns erwartet.« Schon nach einigen Dutzend Schritten machte der unregelmäßig geformte Korridor, der seiner Höhe wegen mehr wie das Innere eines Domes wirkte, eine scharfe Biegung nach links. Es ging nun steil bergab in die Tiefe. Toschmol hielt die Karte Zeranals in der Hand. »Wir werden unter dem gläsernen See hindurch müssen, wenn wir das Hauptlabyrinth erreichen wollen. Wenigstens haben die Massetaster das angezeigt.« »Die können sich irren.« »Kaum, Karon, wenigstens nicht die im Gleiter. Bis jetzt wenigstens ist Zeranals Zeichnung korrekt.« Das Leuchten aus Wänden und Decken blieb unverändert. Der Fels zeigte keine Spuren einer Bearbeitung, trotzdem war Toschmol davon überzeugt, daß hier jemand der Natur nachgeholfen hatte. Es schien ihm unwahrscheinlich, daß allein Vulkanausbrüche und Erdverschiebungen solche Höhlen verursachen konnten, und von Wasser hatte er auf der Skärgoth noch nichts gesehen. Alls sie unter dem »See« waren, verlief der Korridor eben weiter. Arkanol schätzte, daß sie sich nun etwa zweihundert Meter unter der Oberfläche befanden. Die allgemeine Helligkeit hatte eher zugenommen als nachgelassen. Arkanol war stehengeblieben und blickte nach oben. »Mir scheint, die Decke ist höher als vorher. Auch ist der Gang breiter geworden. Was verrät die Karte? Nähern wir uns der großen Haupthöhle?« »Keineswegs.« Toschmol studierte die Zeichnung und deutete auf eine bestimmte Stelle. »Wir sind jetzt etwa hier. Richtig, Zeranal hat die breitere Stelle mit den Ta-
15 stern auch entdeckt. In zweihundert Metern kommen die ersten Abzweiger, die wir jedoch ignorieren können. Die meisten von ihnen münden an anderen Orten wieder in unseren Gang ein. Etwa zehn Kilometer vor uns, fast in der Mitte des Tales, müßten wir eine riesige Höhle vorfinden, die sich bis zum anderen Rand des Kessels erstreckt.« »Zehn Kilometer? Wollen wir die laufen?« »Sie denken an das Flugaggregat?« Toschmol verzog sein Gesicht. »Um ehrlich zu sein, ich habe es vor einigen Minuten ausprobieren wollen. Der Antrieb rührt sich nicht.« Arkanol starrte ihn erschrocken an. »Er fällt aus? Dann stehen wir bereits wieder unter der fremden Kontrolle.« »Das tun wir, seit wir in das System der roten Sonne eindrangen. Es beunruhigt mich kaum noch.« »Mich beunruhigt etwas ganz anderes«, mischte sich Karon nun ein. »Fällt Ihnen nichts auf, Toschmol? Mit Ihren Augen, meine ich.« Der Wissenschaftler sah ihn fragend an. »Was wollen Sie damit sagen?« Er zögerte eine Sekunde. »Nun ja, manchmal meine ich, rechts nicht so gut sehen zu können, aber das kann ein Staubkorn sein. Kein Grund zur Aufregung.« »Dann habe ich aber auch ein Staubkorn im rechten Auge«, stellte Arkanol besorgt fest. »Merkwürdiger Zufall …« »Das ist kein Zufall!« behauptete Karon überzeugt. »Auf dieser Welt scheint sich alles gegen die rechte Körperhälfte verschworen zu haben. Daher auch der Linksdrall, den wir schon mehrmals verspürten. Mein rechtes Ohr schmerzt, und ich höre damit ständig ein fernes Rauschen wie von einem Wasserfall. Ist das auch nur Einbildung?« Die beiden anderen Männer bestätigten ihm, den selben Eindruck zu haben. Auch der Drang, nach links im Kreise zu laufen, war geblieben, aber nicht stärker geworden. Hier im Höhlenkorridor konnte nicht viel passieren, da die linke Felswand ein unüber-
16 windliches Hindernis darstellte. Wenn sie an ihr entlanggingen, gab es keinen Linksdrall mehr. Der Funkverkehr zur VALKARON war schon lange abgebrochen, aber das war weiter nicht erstaunlich. Die Felsen schirmten jeden Funkimpuls ab, außerdem zeigten die Instrumente in den Kampfanzügen starke Energiefelder an. Sie wanderten zwei Stunden. Der Korridor war inzwischen so breit geworden, daß die gegenüberliegende Wand nur noch als schwach schimmerndes schmales Band zu erkennen war. Sie befanden sich nun fünfhundert Meter unter der Oberfläche, und die Decke war mehr als hundert Meter hoch. Mehrmals schaltete Karon seinen Scheinwerfer an, um besser sehen zu können. Der Lichtkegel fiel plötzlich auf ein paar merkwürdige Gebilde, die aus dem Boden herauszuwachsen schienen. Die drei Arkoniden blieben stehen. »Was ist denn das?« fragte Arkanol erstaunt. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Scheinen Kristalle zu sein.« In der Tat waren die ungefähr fünf Meter hohen Säulen sechseckig und regelmäßig geformt. Sie reflektierten das Licht des Scheinwerfers in tausendfacher Stärke – und farbig. Als Toschmol die Augen vorsichtig wieder öffnete, stellte er zu seiner Überraschung fest, daß die Kristallsäulen nur dann farbig waren, wenn er sie mit dem rechten Auge betrachtete. Für das linke erschien das reflektierte Licht lediglich grell und weiß. Welches Auge belog ihn? Den anderen beiden Arkoniden erging es genauso. »Das sind künstliche Gebilde«, meinte Arkanol überzeugt. »So etwas kann nicht einfach aus dem Boden wachsen. Hier ist alles staubtrocken, Ablagerungen können es also auch nicht sein. Ich frage mich nur, was sie bedeuten.« Karon erwiderte: »Die Instrumente registrieren ein starkes energetisches Feld. Es ist von ungewöhnli-
Clark Darlton cher Intensität und geht von den Säulen aus. Sie sind eine Art Sender.« Toschmol sagte ungehalten: »Gehen wir weiter! Warum halten wir uns mit Dingen auf, die wir doch nicht verstehen?« Sie folgten ihm, wenn auch nicht sehr bereitwillig. Schließlich war vereinbart worden, sich niemals zu trennen. Das allerdings wurde erheblich schwieriger, als sich der ohnehin schon kilometerbreite Korridor nach beiden Seiten fast rechtwinklig ausdehnte. Sie hatten die von Zeranal entdeckte Höhle endlich erreicht. Höhle war nicht die richtige Bezeichnung für das unterirdische Reich, das sich ihren staunenden Blicken darbot. Von der sehr hohen Decke fiel helles Licht, wie von einem künstlichen Himmel mit tausend ineinander verwobenen Sonnen. Der Horizont erstreckte sich nach allen Seiten bis ins Unendliche, eine Begrenzung war nicht mehr erkennbar. Das Erstaunlichste jedoch war der Boden der »Höhle«. Obwohl er noch immer aus Felsen bestand, brachte er die farbenprächtigste Vegetation hervor, die man sich vorstellen konnte. Bizarr geformte Pflanzen rankten sich an halb zerfallenen Steinsäulen empor, über und über mit bunten Blüten bedeckt, die einen betäubenden Duft verströmten. Dazwischen wuchsen hohe Bäume mit üppigen Blättern und Wipfeln, durch die das Deckenlicht kaum noch drang. Und keine Spur von Wasser, das doch unentbehrlich für jedes Leben war. Die drei Männer standen lange vor dem wunderbaren Gartenparadies, keiner Worte fähig. Dann raffte Toschmol sich schließlich auf, ging zu der ersten Blume hin und berührte sie. Seine Hand zuckte zurück. Er schlenkerte sie einigemal und sagte dann: »Das Ding hat mir einen Schlag versetzt, kein Zweifel. Sie scheinen aus Energie zu bestehen, die Formen angenommen hat. Karon, wissen Sie eine Erklärung?« Der Physiker schüttelte den Kopf. »Dafür gibt es überhaupt keine Erklärung,
Die Gruft des Magnortöters es sei denn, jemand ist in der Lage, Energie beliebig in Materie zu verwandeln. Das konnte niemand bisher, aber ich beginne allmählich, an Wunder zu glauben.« »Es sind also keine natürlich wachsenden Pflanzen?« »Bestimmt nicht! Hier gibt es nichts Natürliches.« »Die Explorerflotte wird sich auf diesen Planeten stürzen, wenn sie davon erfährt«, behauptete Arkanol. »Ja – wenn!« schränkte Toschmol ein, und es klang so, als rechne er damit, für immer auf der Skärgoth festgehalten zu werden. Vorsichtig drangen sie nach einer kurzen Rast in den farbenstrotzenden Dschungel ein, in dem es zu ihrer Überraschung richtige Wege gab, auf denen nichts wuchs. Mehrmals gaben sie unbewußt dem immer noch vorhandenen Linksdrall nach und gerieten in die Pflanzen hinein. Die Stromschläge trieben sie jedoch immer noch rechtzeitig auf den Weg zurück. Schon nach kurzer Zeit hatten sie jede Orientierung verloren. Auch die Karte nützte nichts mehr, und die Instrumente zeigten unterschiedliche Werte an. Die Richtung, in der sie gegangen waren, konnte nicht mehr festgestellt werden. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn sie den Ausgang der Höhle jemals wiederfanden. Toschmol spürte im Unterbewußtsein etwas nie Gekanntes, das er bei sich als »bösartige Harmonie« bezeichnete. Diese phantastische Welt in ihren abstrakten Formen war völlig unmöglich. Er ließ sich nicht von den prächtigen Farben täuschen, die für ihn das manifestierte Böse darstellten, das sich nur in täuschendem Glanz präsentierte und so jeden aufkommenden Verdacht einschläferte. Alles wirkte wie eine geniale Falle. Eine Falle … für wen? Nach zwei Stunden Marsch hielt Karon an. »Hier sind wir schon gewesen«, behauptete er.
17 »Es sieht überall gleich aus, also können wir nicht sicher sein«, hielt Toschmol ihm entgegen. »Und wenn Ihre Vermutung wirklich stimmt, müssen wir trotzdem weiter!« »Warum hinterlassen wir keine Wegzeichen?« fragte Arkanol. »Wie denn?« »Einfach so …« Der Offizier nahm seinen Impulsstrahler aus dem Gürtel, entsicherte ihn und zielte auf eine der Pflanzen. Die Waffe versagte nicht, als er abdrückte, aber der Energiestrahl wurde von den Blüten absorbiert und hinterließ auch nicht die geringste Spur. Sein zweiter Versuch richtete sich gegen den Felsenweg – mit dem gleichen Mißerfolg. »Es hat keinen Sinn«, sagte Toschmol zornig. »Sie halten uns nur unnötig auf, Arkanol. Ihre langjährigen Erfahrungen in allen Ehren, aber hier nützen sie niemandem.« Karon hielt sich neben dem Wissenschaftler, als sie weitergingen. Arkanol hatte die Spitze übernommen, den Strahler schußbereit in der rechten Hand. »Glauben Sie wirklich, daß Klinsanthor dies alles geschaffen hat, Toschmol? Dann handelt es sich nicht um ein Fabelwesen, sondern um eine uns absolut überlegene Intelligenz. Wie können wir so vermessen sein, in sein Reich einzudringen?« »Es ist der Befehl des Imperators, Karon, vergessen Sie das nie! Wir wollen den Magnortöter um Hilfe bitten, das kann doch nicht verboten sein. Sind wir bisher einmal ernsthaft angegriffen worden? Eben nicht! Aber vielleicht sind alle Schwierigkeiten nur Prüfungen, um festzustellen, ob wir der Hilfe Klinsanthors würdig sind.« »Vielleicht haben Sie recht, aber ich kann nicht daran glauben. Klinsanthor müßte auch so wissen, ob Arkon würdig ist oder nicht.« »Er muß nicht allwissend sein.« »Aber allem Anschein nach überall gegenwärtig, nicht wahr?« »Ja, in Legenden und Sagen. Aber in Wirklichkeit …?« Arkanol drehte sich um.
18
Clark Darlton
»Die Landschaft verändert sich bald. Ich kann das Ende des Gartens sehen.« »Und was kommt dann?« »Keine Ahnung. Jedenfalls hören die Blumen auf.« Toschmol und Karon holten den Offizier ein, der stehengeblieben war. Sie fanden seine Behauptung bestätigt. Das Gelände fiel ein wenig ab und wurde dadurch übersichtlicher. Das Ende des Gartens – oder wie immer man es bezeichnen wollte – war durch kahle Felsen gekennzeichnet, die seltsame Formen besaßen. Einige erinnerten an Torbögen, wie sie von Völkern auf einer primitiven Kulturstufe gern errichtet wurden. Was dahinter lag, blieb den Blicken der drei Arkoniden verborgen. Ohne viele Worte zu verschwenden, nahmen sie ihren Vormarsch wieder auf, und keiner von ihnen schien traurig darüber zu sein, der trügerischen Blumenpracht zu entrinnen. Blumen, die aus Energie bestanden und doch Materie zu sein schienen … Toschmol konzentrierte sich mehr auf das, was hinter den Felstorbögen lag. Je näher sie kamen, desto deutlicher wurde es erkennbar. Im ersten Augenblick glaubte er, Gebäude entdeckt zu haben, aber er war sich seiner Sache nicht sicher. Für Gebäude waren die Gebilde zu abstrakt und sinnlos geformt. Doch in dieser verrückten Unterwelt konnte man mit allem Unmöglichem rechnen. Doch was sie dann wirklich entdeckten, als sie die Torbögen erreichten, war alles andere als unmöglich. Es war durchaus »natürlich« in einer künstlichen Umgebung, weil es ebenfalls künstlich war.
* Einige der Wissenschaftler und Techniker der VALKARON kehrten von einem kurzen Ausflug zum gläsernen See zum Schiff zurück und berichteten dem augenblicklichen Kommandanten Parentok von ihren Erleb-
nissen. Zum Schluß teilten sie ihm mit, daß die VALKARON genau auf einem kleinen Felsspalt gelandet sei. Zeranal schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist nicht möglich«, protestierte sie energisch. »Ich war draußen, als wir den Gleiter startbereit machten, aber von einem Spalt habe ich nichts bemerken können. Wir stehen auf einer soliden Felsplatte.« »Dann überzeugen Sie sich doch selbst!« forderte der Mann sie auf. Parentok stand auf. »Ich komme mit Ihnen, Zeranal. Wir können in der Kombination gehen, der Schutzanzug ist überflüssig.« Sie stiegen die Leiter hinab und gingen zwischen den Landestützen hindurch, deren Abstand genügend Bewegungsfreiheit zuließ. Zwischen zwei Stützen entdeckten sie den Spalt. Er war nur handbreit, aber. »Er war vorher nicht da!« stellte Zeranal fest. »Ganz bestimmt nicht, Parentok! Er muß erst kürzlich entstanden sein.« Der Techniker ging in die Hocke und untersuchte den Spalt. Dann nahm er einen lose herumliegenden Stein und ließ ihn hineinfallen. Sie warteten beide vergeblich auf den Aufschlag. »Er muß sich nach unten erheblich verbreitern, Zeranal. Sorgen Sie dafür, daß ein Meßgerät hier angebracht wird. Wenn sich herausstellt, daß der Spalt sich vergrößert, sind wir gezwungen, einen Start zu versuchen und an einer anderen Stelle wieder zu landen. Ich kann es mir zwar nicht vorstellen, aber hier ist alles möglich.« »Jedenfalls war er vorher nicht da«, wiederholte sie energisch. »Er ist erst nach der Landung entstanden. Vielleicht ein kleines Beben.« »Die VALKARON ist gefährdet. Kümmern Sie sich um das Meßgerät.« Sie kehrten ins Schiff zurück. Im. Kontrollraum wandte sich Parentok an den diensthabenden Funker: »Immer noch kein Kontakt?« »Er ging verloren, als sie die Höhle betra-
Die Gruft des Magnortöters ten. Aber das ist kein Grund zur Sorge. Wer weiß, wie tief sie hinabgegangen sind? Die Felsen schirmen alle Wellen ab.« »Vielleicht haben Sie recht. Bleiben Sie auf Dauerempfang.« Zeranal kümmerte sich inzwischen um das Meßgerät, das trotz der Energiefelder der Skärgoth nicht versagen konnte, weil es auf rein mechanischer Basis arbeitete. Es wurde an einer Stelle der Felsspalte so ange^ bracht, daß jede Vergrößerung sofort registriert und berechnet wurde. Am anderen Tag, fast dreißig Stunden später, war noch immer kein Lebenszeichen von Toschmol, Arkanol und Karon eingetroffen. Aber der Spalt war um zwölf Zentimeter breiter geworden.
* Zehn Meter vor dem ersten Torbogen blieb Toschmol stehen. Auch seine Begleiter hielten an, denn auch sie hatten die in regelmäßigen Abständen angebrachten künstlichen Gegenstände bemerkt, die an die kurzen Läufe von Impulsstrahlern erinnerten. Diese Läufe richteten sich konzentrisch auf jeden, der den Weg benutzte und unter dem Torbogen hindurchgehen wollte. »Das sieht nicht nach einem freundlichen Empfang aus«, konstatierte Arkanol befremdet. »Eher nach einer Falle. Wenn das keine Energieschleudern sind, will ich nicht mehr Arkanol heißen.« »Es sind welche!« bestätigte Karon den Verdacht des Offiziers. »Also eine Energiesperre?« »Ganz richtig!« »Und wie sollen wir an ihr vorbeikommen? Ein Bogen steht neben dem anderen, es gibt keine Zwischenräume.« »Wir stehen nicht vor der ersten Sperre, Arkanol. Haben Sie die fünf Meter hohen Kristalle im Korridor schon vergessen?« »Sie meinen, das war auch eine Sperre?« »Mit Sicherheit, aber sie hielt uns nicht auf. Wenn schon, dann sind die Sperren für
19 andere gedacht, nicht für uns. Ich beginne allmählich Toschmols Behauptung zu glauben, daß wir erwartet werden.« »Von Klinsanthor?« »Wer sonst könnte dies alles geschaffen haben …?« Trotzdem blieb Arkanol vorsichtig, aber er hielt auch Toschmol nicht zurück, als dieser sagte: »Also gut, dann werde ich es eben versuchen. Wartet hier, bis ich unter dem Torbogen hindurch bin.« Er hatte seinen Impulsstrahler in den Gürtel geschoben und streckte die Arme waagerecht vor, als er sich in Bewegung setzte. Die beiden anderen sahen ihm mit gemischten Gefühlen nach und befürchteten jeden Augenblick das Aufblitzen energetischer Entladungen, die dem Leben des Wissenschaftlers ein jähes Ende bereiten würden. Aber nichts geschah. Unangefochten durchschritt Toschmol den Torbogen und erreichte die andere Seite. Er ging ein paar Meter weiter, blieb stehen und drehte sich um. »Nun, was ist? Wollt ihr dort anwachsen?« Arkanol und Karon setzten sich nach kurzem Zögern ebenfalls in Bewegung, ließen aber die Strahlmündungen der vermutlichen Energiewaffen nicht aus den Augen. Sie atmeten beide erleichtert auf, als sie ungeschoren neben Toschmol standen. »Das erinnert mich an eine Art von Mutprobe«, stöhnte Arkanol. »Dieser Klinsanthor hat wirklich Ideen!« »Ich hoffe nur, daß es bei Ideen bleibt«, meinte Karon. Rein optisch betrachtet, waren die vorher scheinbar in ihrer Öffnung durchsichtigen Torbögen durchaus normale Bauten, doch nun stellte es sich heraus, daß sie alles andere als nur das waren. Die Durchgänge waren Sichtsperren. Erst jetzt war zu sehen, was hinter den Torbögen lag. Eine weite Ebene erstreckte sich vor den drei Arkoniden, mit vereinzelten, sehr hohen Bäumen bewachsen, die riesige Blätter tru-
20 gen. Am Horizont war eine schimmernde Fläche zu erkennen, die an die polierten Stellen an der Oberfläche erinnerten. Darüber spannte sich der helle Kunsthimmel der Unterwelt. Karon, der sich noch einmal umdrehte, rief erschrocken aus: »Die Torbögen … der Garten …!« Beides war spurlos verschwunden. Dort, wo eben noch die Bögen gestanden hatten, war nichts mehr als eine glatte Felswand. Es gab keinen Garten mehr, aber in der Wand auch keinen Korridor. Klinsanthor hatte ihnen endgültig den Rückweg abgeschnitten. »Das macht unsere Entscheidung einfacher, wenn auch nicht leichter«, sagte Toschmol nach einiger Zeit. »Wir können nicht mehr zurück – es sei denn, alles ist nur eine optische Täuschung. Also müssen wir in der bisherigen Richtung weitergehen – nach vorn.« »Ich will es genau wissen!« Arkanol ging auf die Felswand zu und zog den Strahler. In sicherer Entfernung feuerte er schräg gegen das Gestein. Das Energiebündel versprühte, als es gegen feste Materie prallte und glitt ab. Auf dem Felsen blieben keine Spuren zurück. »Erstaunlich, wirklich erstaunlich …« »Wieder einmal Materie, die aus dem Nichts entstand«, stellte Karon sachlich fest, aber seine Stimme zitterte ein wenig dabei. »Wenn die Sage stimmt und Klinsanthor eine Waffe ist, dann beginne ich zu verstehen, warum mit seiner Hilfe Kriege zu gewinnen sind. Nur frage ich mich, warum Orbanaschol ihn nicht früher zu Hilfe rief – für den Krieg gegen die Maahks.« Unter dem nächsten Baum ließen sie sich nieder und machten Rast. Zum Glück hatten sie auch Wassertabletten dabei, um ihren Durst zu stillen. Toschmol zog wieder seine Karte hervor. »Wir haben nun ein Dutzend Kilometer zurückgelegt und sind etwa hier.« Er deutete auf einen Punkt, der ungefähr in der Mitte der eingezeichneten Riesenhöhle lag. »Bis
Clark Darlton zum Rand des Tales sind es noch acht Kilometer – wir können die Wand bereits sehen.« »Wenn sie nicht verschwindet.« Arkanol zerkaute eine der Konzentrattabletten. »Wundern würde es mich nicht.« Toschmol ging nicht darauf ein. »Wir werden also versuchen, die Wand zu erreichen. Auch wenn wir die Gruft Klinsanthors nicht auf Anhieb entdecken, so finden wir dort vielleicht wenigstens einen Ausgang aus dem Labyrinth.« »Hört sich nach Aufgeben an, Toschmol.« Karon betrachtete nachdenklich die großen Blätter, die den Baum schmückten. »Ich kann mir nicht helfen, aber ich meine, sie bewegen sich, obwohl von Wind hier nichts zu spüren ist.« »Ich denke nicht daran aufzugeben«, widersprach Toschmol. »Ich ziehe nur eine Möglichkeit in Erwägung, das ist alles.« »Kein Zweifel, die Blätter bewegen sich. So, als wären sie lebendig.« Nun sah es auch Arkanol. Er kramte in seiner reichhaltigen Erinnerung und suchte nach einer Parallele, die er auch sofort fand. »Ich kann mich entsinnen, daß wir einmal auf der Flucht vor einem überlegenen Feindverband eine blinde Transition vornahmen und auf einem wilden Urplaneten Schutz suchten. Wir fühlten uns sicher, aber unsere Orter verrieten uns, daß im Umkreis von Lichtjahren Dutzende von Schiffen der Maahks Jagd auf uns machten. Einen Funkspruch abzusetzen und Verstärkung anzufordern, wäre Selbstmord gewesen. Also blieben wir und beschlossen, die Zwangspause zu einem Erholungsurlaub auszunutzen. Das hätten wir lieber nicht tun sollen.« »Die Maahks fanden euch?« »Nein, sie verzogen sich bereits nach wenigen Tagen und suchten einen anderen Sektor ab, aber wir hatten den Fehler begangen, die Natur des Planeten nicht exakt genug zu untersuchen. Es gab Tiere, aber sie schienen ungefährlich zu sein, nur befanden sie sich ständig auf der Flucht, was wir nicht verstanden. Bis wir den ersten Mann durch den
Die Gruft des Magnortöters Überfall einer harmlos wirkenden Pflanze verloren.« »Aha, ich beginne zu begreifen.« Karon sah hinauf in das dichte Laubdach des Baumes, unter dem sie saßen. »Und Sie glauben, hier gäbe es auch fleischfressende Pflanzen?« »Möglich ist es doch wohl, nicht wahr? Nach allem, was wir bisher erlebten. Nur war es auf dem Urplaneten so, daß sich die gefährlichen Pflanzen fortbewegen konnten. Sie stellten uns regelrechte Fallen, umzingelten einzelne Gruppen von uns und töteten sie bis auf den letzten Mann. Es war wirklich grauenhaft, denn wenn wir sie auch mit den Strahlern verbrannten, so wuchsen die Ableger über Nacht neu heran und nahmen Rache.« Karon stand auf und setzte sich zwanzig Meter weiter auf einen Stein. »Hier fühle ich mich sicherer.« Toschmol begann sich nun ebenfalls für den Baum zu interessieren. Vorsichtig erhob er sich und berührte ein weit herabhängendes Blatt. »Kein elektrischer Schlag, aber klebrig. Kann sein, daß sie so Insekten fangen. Ich glaube, wir sollten uns keine Sorgen machen und endlich weitergehen. Wir verlieren zuviel Zeit.« Arkanol ging zu Karon, »Finden Sie nicht auch, daß eben ein Lufthauch zu spüren war, so als käme ein leichter Wind auf?« »Ja, allerdings. Vielleicht befinden wir uns gerade zwischen zwei Höhleneingängen, die zur Oberfläche führen und fühlen den Durchzug.« »Dann wäre er schon immer da gewesen.« Sie diskutierten noch einige Minuten darüber, dann folgten sie Toschmol, der sich in Marsch gesetzt hatte. Ihn schienen weder die Bäume noch der leichte Wind zu stören. Sie kamen gut voran, doch vorsichtshalber machten sie um jeden Baum einen Umweg. Die Erzählung Arkanols hatte sie mißtrauisch werden lassen. In dieser phantastischen Scheinwelt konnte jeder Grashalm eine tödliche Gefahr in sich bergen.
21 Der Wind war kräftiger geworden und kam von hinten. Wenigstens hielt er sie so nicht auf, sondern beschleunigte nur noch ihre Gangart. Er verhinderte zum Glück auch, daß sie links im Kreis gingen. Dann wurde der Wind zu einem Sturm. Karon bemerkte es zuerst. Er blieb stehen und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Luftzug. Seine Begleiter hielten ebenfalls an. »Die Blätter! Sie lösen sich von den Bäumen und fliegen davon. Wie große Vögel – seht doch nur!« Toschmol kniff die Augen zusammen, als er den Flug der Blätter beobachtete. Er wollte sich davon überzeugen, daß er sich nicht täuschte, denn er war sich seiner Sache durchaus nicht sicher. Es war ihm, als flögen nicht alle Blätter genau mit dem Wind. Einige segelten quer zur allgemeinen Richtung, andere sogar dagegen. Auch Arkanol kam zur gleichen Feststellung. Voller Panik brüllte er: »Sie sind lebendig und können fliegen, wohin sie wollen! Sie verfolgen uns …!« So war es wirklich. In Schwärmen näherten sich ihnen die meterlangen Blätter und kreisten sie förmlich ein. Arkanol begann wie wild auf sie zu feuern, und diesmal wurden seine Energiestrahlen nicht absorbiert. Sie verbrannten die getroffenen Blätter, die sich in davon schwebende Aschewölkchen verwandelten. Aber es waren ihrer zu viele. Obwohl nun auch Toschmol und Karon das Feuer auf die unheimlichen Angreifer eröffneten, wurden sie von der Übermacht regelrecht zugedeckt. Schließlich nutzten auch die Waffen nichts mehr, weil sie sich sonst gegenseitig gefährdet hätten. Der Klebstoff an der Unterseite der Blätter haftete an ihren Anzügen, am Gesicht und an den Händen. Sie behinderten ihre Bewegungen, als sie zu fliehen versuchten, dabei hatte der Sturm noch zugenommen. Er war so stark, daß er Karon mehrere Meter weit durch die Luft fliegen ließ, ehe er wieder festen Boden spürte.
22
Clark Darlton
In einer größeren Mulde fanden sie sich wieder. Sie lagen unter den Blättern begraben, die wie Pech an ihnen klebten und sich nur unter größter Anstrengung lösen ließen. Aber sie griffen nicht weiter an, wie Arkanol es befürchtet hätte. Ihre Aufgabe schien es nur zu sein, die Eindringlinge festzuhalten. »Wir müssen uns gegenseitig von ihnen befreien«, schlug Toschmol vor und begann damit, das lästige Zeug von Karons Rücken zu ziehen. Als sie es endlich geschafft hatten, blieben sie noch in der fast windstillen Mulde liegen und sahen vorsichtig über ihren Rand hinaus, um ihre Umgebung unter Beobachtung zu halten. Noch immer segelten Blätter mit dem Wind dahin, aber sie machten keine Anstalten, in der Mulde niederzugehen. Zu Toschmols Entsetzen kehrten sie sogar Dutzendweise zu ihren Bäumen zurück – und wuchsen sofort wieder an. »Ich verliere noch den Verstand«, behauptete Karon, dem die geltenden physikalischen Gesetze wichtiger als alles andere waren. »Hier hat nichts mehr Gültigkeit, auf dem unsere eigene Welt aufgebaut ist. Wie soll man da Erklärungen finden?« »Dies ist auch nicht unsere Welt«, erinnerte ihn Toschmol. »Es ist die Welt Klinsanthors.«
3. Über dem Tal brach ein neuer Tag an. Es dauerte allerdings noch Stunden, ehe die langsam steigende Sonne den Rand des Gebirges erreichte und ihre roten Strahlen in die unwirklich anmutende Landschaft schickte. Der Spalt unter der VALKARON war inzwischen ein Meter breit geworden, seine Ränder näherten sich unaufhaltsam den beiden nächsten Landestützen. Parentok rief die Besatzung zu einer Besprechung zusammen und schlug einen Startversuch vor. Er stieß auf heftigen Widerstand, denn man traute ihm nicht. Einer
der Arkoniden sprach es aus: »Ich kann mir denken, was Sie planen, Parentok. Aber wir lassen Toschmol und seine Begleiter nicht im Stich. Wir müssen warten, bis sie zurückkehren.« »Können wir warten, bis der Spalt so breit wird, daß die VALKARON einsinkt? Dann ist es für jeden Start zu spät. Außerdem denkt niemand daran, Toschmol hier zurückzulassen. Ich will nur einen besseren Landeplatz suchen, das ist alles.« Nach langer Debatte gelang es Parentok, die Leute zu überzeugen. Allerdings verlangten sie, dem Start in der Kommandozentrale beizuwohnen, denn ihr Mißtrauen hatte er nicht beseitigen können. Zeranal übernahm die Navigation, obwohl das für den beabsichtigten Kurzflug überflüssig schien. Einer der leitenden Techniker, zugleich ein erfahrener Raumpilot, übernahm die Hauptkontrollen. Parentok schaltete die Energie ein. Eigentlich hatte er damit gerechnet, daß sie ausblieb, wie es schon einmal der Fall gewesen war, aber zu seiner Überraschung zeigten alle Instrumente volle Leistung an. Schon bei schwachem Schub hob das Schiff ab und stieg langsam in die Höhe. Es gehorchte auch der Steuerung und flog mit geringer Geschwindigkeit bis zum Rand der polierten Fläche, wo der Pilot es sanft niedergehen ließ. Parentok atmete auf. Die Energie wurde abgeschaltet. »Na also«, sagte er zu den anderen und versuchte ein krampfhaftes Lächeln. »So schlimm war es nicht. Wenigstens wissen wir nun, daß wir im Notfall jederzeit starten können. Die Energiefelder scheinen schwächer geworden zu sein.« Sie verließen das Schiff, um sich davon zu überzeugen, daß sie diesmal auf wirklich festem Boden standen. Zu ihrer Beruhigung konnten sie keine einzige Spalte I entdecken. Nur Zeranal blieb skeptisch. »Dort drüben gab es auch keine«, betonte sie Parentok gegenüber. »Sie kann hier genauso entstehen wie am alten Landeplatz. Ich wür-
Die Gruft des Magnortöters de die Meßinstrumente bei den Landestützen lassen.« »Das hatte ich auch vor. Außerdem bin ich der Meinung, wir sollten uns um Toschmol kümmern. Vielleicht befindet er sich in Gefahr und braucht Hilfe. Was halten Sie von einer Rettungsexpedition?« »Niemand wird ihm in die Höhlen folgen«, prophezeite sie – und behielt recht. Dann wurde ein Kompromiß geschlossen. Der Gleiter sollte einen zweiten Erkundungsflug unternehmen, denn es war durchaus möglich, daß Toschmol und seine Begleiter auf der anderen Seite des Tales einen Ausgang gefunden hatten und warteten, abgeholt zu werden. Vielleicht waren die Funkgeräte und Flugaggregate ausgefallen. Der Pilot Vanthor half der Chemikerin Tarnar beim Einsteigen. Wenig später erhob sich der Gleiter und strebte in geringer Höhe über den festen See auf das Randgebirge zu. Dort wollte man zuerst suchen. Die Höhleneingänge waren leer. Von den Gesuchten war keine Spur zu entdecken, doch das war bei dem felsigen Gelände verständlich. Damit der Linksdrall, der nicht nachgelassen hatte, ungefährlich blieb, hielt sich Vanthor links von den steil aufragenden Felsen. Tarnar vergewisserte sich, daß der Funkkontakt zur VALKARON funktionierte und versprach, in regelmäßigen Abständen Verbindung aufzunehmen. Ohne es selbst zu wollen, stieg Vanthor allmählich immer höher, bis die Gipfel rechts den Gleiter nicht mehr länger überragten. Der Blick auf das, was hinter dem Randgebirge lag, wurde frei. Tarnar, die das Verhalten des Piloten nicht kritisierte, war im ersten Augenblick enttäuscht. Sie wußte selbst nicht, war sie erwartet hatte, aber nun erblickte sie eine wilde, zerklüftete Landschaft, die von Hunderten von riesigen Spalten und Schluchten durchzogen wurde. Dagegen wirkte das Tal geradezu einladend. »Wo seid ihr?« fragte Parentok, als sie Kontakt aufnahm. »Auf der gegenüberliegenden Seite. Noch
23 keine Spur.« »Sucht weiter. Hier keine Neuigkeiten. Der Boden hält.« Hoffentlich bleibt es so, dachte sie und schaltete ab. Vanthor überquerte den Kamm und entfernte sich immer weiter von der VALKARON und ihrem neuen Landeplatz. »Jede dieser Schluchten kann zugleich ein Zugang zu dem Höhlenlabyrinth sein«, vermutete er und zog die Kopie von Zeranals Karte zu Rate. »Wo soll man da zu suchen anfangen?« Sie nahm die Karte. »Der ganze Planet scheint durchhöhlt zu sein, kein Wunder also, wenn es Beben gibt. Damit hat die Spalte am Ländeplatz eine natürliche Erklärung gefunden. Übrigens habe ich eben, als wir den Rand des Tales erreichten, der dem Landeplatz gegenüberliegt, keine Höhleneingänge entdecken können. Ich beginne, mir Sorgen um Toschmol und die anderen zu machen.« Vanthor gab keine Antwort. Er hantierte nervös an den Kontrollen des Gleiters und lehnte sich dann ratlos zurück. »Das verstehe ich nicht, Tarnar. Er gehorcht mir nicht mehr.« »Was soll das heißen?« »Daß er hinfliegt, wohin er will. Wir entfernen uns immer mehr vom Talrand. Auch die Instrumente sind ausgefallen. Unterrichte die VALKARON, aber schnell!« Sie versuchte es, aber der Empfänger blieb stumm. Der Kontakt war abgerissen. Von unsichtbaren Energiefeldern eingefangen, trieb der Gleiter immer weiter hinein in die Felslandschaft, hielt sich dabei aber genügend hoch, um nicht die Gipfel zu streifen, die hoch hinauf in die dunstige Atmosphäre reichten. Mehrmals wurde die Flugrichtung geändert, ohne daß Vanthor die Kontrollen berührt hätte. Nur die Antigravaggregate arbeiteten noch, obwohl auch das überflüssig geworden zu sein schien. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß eine unbekannte Macht Besitz von dem
24 Gleiter und seinen beiden Insassen ergriffen hatte und sie einem ungewissen Ziel entgegensteuerte … »Wir hätten sie nicht fliegen lassen sollen«, warf Zeranal Parentok vor. »Seit fünf Stunden haben wir keine Funkverbindung mehr. Was mag geschehen sein?« »Keine Ahnung. Wir können nur warten, denn ein zweiter Gleiter ist nicht vorhanden.« »Aber wir haben den Energiekissenschweber«, erinnerte sie ihn. »Der kann wenigstens nicht abstürzen.« »Ich kann mir nicht denken, daß der Gleiter Havarie erlitten hat. Dann könnte Tarnar noch immer funken – wenn sie lebt.« Sie warf ihm einen erstaunten Blick zu. »Ich beginne mich zu wundern, Parentok. Sie scheinen sich plötzlich über nichts mehr Sorgen zu machen. Ist Ihnen das Schicksal unserer Freunde gleichgültig geworden? Denken Sie nur noch an sich selbst?« »Unsinn!« Wenn er verlegen oder betroffen war, so zeigte er es nicht. »Ich denke lediglich nüchtern und praktisch, weil ich erkannt habe, wie hilflos wir in Wirklichkeit sind. Wenn Toschmol rechtzeitig auf mich gehört hätte, wären wir nicht in diese verzweifelte Lage geraten. Außerdem tut mir die ganze rechte Seite weh. Und nun lassen Sie mich in Ruhe, ich habe zu tun.« Wortlos verließ sie die Zentrale und ging in ihre Kabine. Parentok sah ihr nach, dann bat er über den Interkom die Ärztin, ihn aufzusuchen. Als er ihr seine Beschwerden mitteilte, sagte sie: »Sie sind nicht der erste, der über Schmerzen klagt. Einige verlieren rechts sogar die Sehkraft. Andere scheinen auf dem rechten Ohr taub zu werden. Ich finde keine Erklärung.« »Es muß aber eine geben!« fauchte er sie an und schaltete ab. Nach einer Injektion, von deren Wirkung er nicht viel hielt, verließ er das Schiff und begab sich nach draußen. Seine heimliche Befürchtung, unter der VALKARON könne
Clark Darlton vielleicht wieder ein neuer Spalt entstanden sein, bewahrheitete sich nicht. Der felsige Boden wirkte äußerst solide. Selbst ein schwaches oder mittleres Beben würde ihm nichts anhaben können. Stumm sah er hinüber zu den Höhleneingängen auf der anderen Seite des gläsernen Sees. In ihnen waren Toschmol, Arkanol und Karon verschwunden, es war nun bereits fünfzig Stunden her. Würden sie jemals wieder zurückkehren …? Parentok begann es zu bezweifeln.
* Ähnliche Zweifel hegten Vanthor und Tarnar, allerdings verständlicherweise ganz auf sich bezogen. Ihr Gleiter hatte sich nun schon so weit vom Talrand entfernt, daß die Gipfel des Randgebirges nicht mehr von den Bergen der zerklüfteten Hochfläche zu unterscheiden waren, Tarnar hatte ihre Versuche, Verbindung mit der VALKARON zu erhalten, längst aufgegeben. Die Instrumente zeigten keine Werte mehr an, aber sie schätzte, daß sie seit dem Start zweihundert Kilometer zurückgelegt hatten. Vanthor erschrak, als er ein leichtes Kribbeln in sämtlichen Gliedern fühlte, so als sei er mit einem schwachen Energieleiter in Berührung gekommen. Tarnar bestätigte ihm auf seine Frage hin die gleiche Beobachtung. »Vielleicht eine Auswirkung der Fernsteuerung, oder wir schweben im Zentrum eines Energiefelds. Die Wandung des Gleiters ist schwach im Vergleich zur Hülle der VALKARON, deshalb haben wir früher nichts davon bemerkt.« »Schon möglich, aber beruhigend ist es trotzdem nicht.« Ein wenig später begann der Gleiter abzusinken. Unter ihnen lag eine breite, aber nicht sehr tiefe Schlucht, mehr ein langgestrecktes Tal. Allerdings schien es nicht durch einen Flußlauf entstanden zu sein, denn von einem
Die Gruft des Magnortöters solchen konnte Vanthor nichts sehen. Bevor der Gleiter landen konnte, sagte Tarnar hinter ihm: »Ich habe Sehstörungen, Vanthor. Deine Körperumrisse scheinen zu verschwimmen – aber auch der Gleiter wird transparent. Was soll das denn nun wieder bedeuten?« Er drehte sich um. Seine Augen wurden groß und rund. »Du wirst auch durchsichtig, Tarnar! Es ist so, als würdest du dich in Luft auflösen.« Der Gleiter landete mit einem leichten Ruck. Rechts und links stiegen die Felswände fast senkrecht nach oben. Die Talsohle war nackt und kahl. Keine Spur von Vegetation gab es, dafür aber Dutzende von regelmäßig geformten Höhleneingängen, die in den Berg hineinführten – ähnlich wie jener, in dem Toschmol verschwunden war. »Wir müssen aussteigen«, mahnte Vanthor. »Ich rühre mich nicht von der Stelle!« erwiderte sie. »Jetzt bist du fast völlig durchsichtig geworden …« Vanthor blieb sitzen. Vorsichtig tastete er seinen Körper ab und stellte erleichtert fest, daß er noch in fester Form vorhanden war, obwohl er von den Umrissen nur noch ein leichtes Flimmern wahrnahm. Er drückte zu und spürte den Schmerz. »Es muß sich um ein Deflektorfeld handeln, das Lichtstrahlen derart umlenkt …« »Was immer es auch sein mag – es ist unheimlich. Vielleicht geht es vorüber, wenn wir lange genug warten.« Davon war Vanthor nicht überzeugt. Er vergaß nicht, daß der Gleiter gegen seinen Willen zur Landung gezwungen worden war. Jemand – oder irgend etwas – hatte sie absolut unter Kontrolle. Inzwischen waren die Umrisse des Gleiters wieder voll sichtbar geworden, die beiden Arkoniden jedoch blieben geisterhafte Schatten, wurden aber nicht völlig transparent. Vanthor erhob sich und öffnete den kleinen Ausstieg. Ohne auf Tarnars Warnung zu
25 hören, kletterte er hinaus. Zu seiner Verblüffung verspürte er kaum ein Gewicht, als er auf den felsigen Grund hinabschwebte. Es war, als gäbe es plötzlich keine Schwerkraft mehr. Er blickte zurück. Die Kabine des Gleiters schien leer zu sein. Erst als er genauer hinsah, konnte er die Umrisse der Arkonidin erkennen. »Komm her!« sagte er, nicht sehr laut. Trotzdem verstand sie seine Worte. »Ich komme …« Auch sie war nahezu schwerelos geworden und landete dicht neben ihm. Sie nahm seine Hand, und er konnte die ihre fühlen. Zugleich macht sich ein anderes Phänomen bemerkbar, dessen wahre Natur sie beide nicht sofort begriffen. Sie begannen einander zu verstehen – ohne zu sprechen. Sie wurden Telepathen. Wir müssen dem Ruf folgen, dachte Vanthor. Ja, ich empfange ihn auch. Sie warten auf uns … Der Gleiter blieb auf der Talsohle stehen, einsam und verlassen, als die beiden Arkoniden nur wenige Zentimeter über dem felsigen Boden dahinschwebten, fast unsichtbar und nicht mehr an die Fesseln der Schwerkraft gebunden. Sie hielten sich bei den Händen, um sich nicht zu verlieren, aber wahrscheinlich wäre das nicht nötig gewesen. Eine der gewaltigen Höhlen nahm sie auf, aber sie hätten nicht zu sagen vermocht, ob es hell oder dunkel war. Sie sahen nicht mehr mit körperlich vorhandenen Augen, sondern mit dem Gehirn oder Bewußtsein. Ein wohltuendes energetisches Feld nahm sie auf, so wie ein heißes Wasserbad einen Halberfrorenen wärmend umspült. Sie fühlten sich geborgen und in endlicher Sicherheit. Vergessen waren alle ihre Sorgen und auch ihre Freunde, die sie in einer anderen, rein materiellen Welt zurückließen. Das Paradies hatte sie aufgenommen, obwohl sie nicht gestorben waren. Ist es nicht wunderbar?
26 Das Leben war noch nie so wunderbar, stimmte sie lautlos zu. Die vorbeigleitenden Wände des breiten Korridors leuchteten in allen nur denkbaren – und undenkbaren – Farben. Seltsame Muster veränderten sich ständig und formten immer wieder neue Symbole und abstrakte Modelle. Ein seltsames Summen, stumm und doch vernehmbar, war überall und begleitete die beiden von einem energetischen Universum aufgenommenen Arkoniden. Ich glaube nicht, Tarnar, daß wir noch leben – wenigstens nicht mehr in dem uns bekannten Sinn. Wir sind gestorben. Du meinst, so wäre der Tod! Nicht immer. Nur für uns. Unser Daseinszustand hat sich einfach verwandelt, das ist alles. Für die Welt, wie wir sie kannten, sind wir tot. Wir existieren nicht mehr für sie. Dafür, und davon bin ich fest überzeugt, holt man uns in eine andere Welt, in der wir den Körper nicht mehr brauchen. Ich verstehe nun, wie überflüssig unsere Körper gewesen sind … Ein Übergangsstadium, dachte sie zurück. Der Korridor mündete im Freien – wenigstens sah es im ersten Augenblick so aus. Ein weißschimmernder Himmel spannte sich über einer phantastischen Landschaft, in der bizarre Gebilde »wuchsen«. Sie erinnerten zuerst an Bäume, aber sie waren alles andere als das. Säulen aus einem unbekannten Material türmten sich gegen das schimmernde Gewölbe, verzweigten sich mehrmals und endeten in dünnen, zerbrechlichen Ästen. Vanthor und Tarnar schwebten an den glitzernden Stämmen vorbei, und dann glaubten sie, ein telepathisches Flüstern zu vernehmen. Helft uns! Warum helft ihr uns nicht …? Die beiden Arkoniden begriffen nicht, wer in dieser paradiesischen Welt Hilfe benötigte. Sie konnten auch niemand sehen. Nur eben die baumartigen Auswüchse, zwischen die sie hindurchglitten, aller Sorgen und Beschwerden ledig. Beide konnten sich nicht erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein.
Clark Darlton Eine unbestimmte Zeit schwebten sie durch den merkwürdigen »Wald« und empfingen die Botschaften der für sie unsichtbaren Gefangenen. Vor sich sahen sie einen besonders großen und auffälligen »Baum«, auf den sie der energetische Strom zutrug. Das Gebilde war halb transparent, und in ihm glaubten Vanthor und Tarnar einen Schatten erkennen zu können, der sich bewegte. Wir werden erwartet, dachte Vanthor. Ich weiß, gab sie zurück. Der Strom führte sie genau auf den riesigen Stamm zu, der mehr einem unendlich hohen Gebäude glich, dessen Seitenkorridore frei nach allen Seiten abzweigten wie gewaltige Äste. Auch sie waren nahezu durchsichtig, aber man konnte ihr Inneres nicht erkennen. Ohne ein Hindernis zu berühren, drangen die beiden entstofflichten Arkoniden in das rätselhafte Gebilde ein und wurden sofort von dem, was sie dort bereits voller Gier erwartete, aufgesogen …
* Und wieder sank die lange Nacht über das Tal herab und zwang die überlebenden Arkoniden, in die VALKARON zurückzukehren. Die Stimmung war verständlicherweise gedrückt und ohne jede Zuversicht oder Hoffnung, soweit es die Rückkehr der beiden nun schon seit vielen Stunden vermißten Expeditionen anbetraf. Mehr als einmal dachte Parentok nun wieder daran, zwei oder drei Verbündete zu finden, sich mit ihnen in der Kommandozentrale einzuschließen und mit dem Schiff zu starten, um diesen unheimlichen Planeten für immer zu verlassen. Der kurze Flug hatte ihm bewiesen, daß der Antrieb funktionierte. Allein konnte er diesen Versuch nicht unternehmen, das wäre glatter Selbstmord gewesen. Zeranal, die er behutsam auf das Thema ansprach, reagierte abweisend und zornig.
Die Gruft des Magnortöters »Der Gedanke allein ist Verrat, Parentok. Niemand würde Ihnen dabei helfen. Man würde Sie höchstens einsperren oder gar töten.« »Wir können doch nicht ewig hier warten!« »Zumindest aber eine gewisse Zeit. Und wir haben noch immer das Fahrzeug, um eine Suche zu wagen. Es ist klein genug, um in die Höhlen eindringen zu können.« »Wenn uns auch der Schweber verlorengeht …« »… dann ist ein Start eventuell zu überlegen«, bot sie ihm einen Kompromiß an. Und dabei blieb es vorerst.
4. Mehrere Stunden hatten sie in der Mulde gelegen und sich ausgeruht. Der Sturm hatte nachgelassen, nachdem alle Blätter wieder zu ihren Bäumen zurückgekehrt waren – bis auf jene, die von den drei Arkoniden vernichtet worden waren. Toschmol drängte zum Aufbruch. »Wir verlieren immer mehr Zeit. Was sind schon diese kleinen Hindernisse und Naturwunder, denen wir begegnen? Bis jetzt bedeutete noch keines eine echte Gefahr. Es sind nichts als Prüfungen, davon bin ich überzeugt. Nur Schwächlinge bestehen sie nicht und müssen umkehren, ohne Klinsanthor begegnet zu sein.« Arkanol pflichtete ihm bei: »Ich bin ganz Ihrer Meinung, Toschmol. Aber unsere Körper bedurften einer Ruhepause, das müssen Sie verstehen. Was nützt es uns, wenn wir kurz vor dem Ziel vor Entkräfgung zusammenbrechen?« »Er hat recht«, stimmte nun auch Karon zu. »Jetzt haben wir uns von den überstandenen Strapazen erholt und können weiter. Ich bin gespannt, was wir noch alles erleben werden.« »Meine Sorge gilt eher Parentok. Vielleicht hätten wir ihn nicht zurücklassen sollen.« Arkanol runzelte die Stirn. »Er könnte auf dumme Gedanken kommen …«
27 »Soll er!« Toschmol stand auf und sah sich um. »Wenn Klinsanthor uns empfangen und anhören will, dann kann er auch verhindern, daß die VALKARON startet. Das hat er bewiesen. – Gehen wir, der Wind ist eingeschlafen, und die Felsen sind nicht mehr weit.« Der künstliche Himmel war immer gleichmäßig hell geblieben. In dem unterirdischen Reich schien es ewig Tag zu sein. Eine Nacht gab es nur auf der Oberfläche. Der Wind war nun völlig eingeschlafen. Alles war so wie vorher, als sie die Torbögen durchschritten hatten. Die Felswand hob sich deutlich von der Ebene ab und begrenzte den Horizont. Überall standen die Bäume mit den Riesenblättern, aber nun wirkten sie harmlos und absolut ungefährlich. Schlaff hingen die bunten und meist grünen Schalen von den Ästen, als hätten sie diese niemals verlassen. Vielleicht konnten sie das auch nicht, wenn kein Sturm wehte. Die drei Männer kamen gut voran, die Felswand rückte immer näher. Die ersten Höhleneingänge hoben sich gut von der dunklen Wand ab, denn aus ihrem Innern drang das bekannte matte Schimmern. Obwohl die fliegenden Blätter sich seit dem überraschenden Überfall nicht mehr gerührt hatten, waren sie alle froh, als sie den letzten Baum hinter sich ließen. Vor ihnen lag eine freie Fläche, die sie noch von den Höhlen trennte. Der Boden war glatt und felsig, aber ohne bemerkenswerte Hindernisse. Obwohl sie nun insgesamt zwanzig Kilometer zurückgelegt hatten, war es ihnen klar, daß sie im Grunde genommen keinen einzigen Schritt weitergekommen waren. Die Spur des Magnortöters hatten sie nicht gefunden, nicht einmal einen Hinweis, wo er sich aufhalten könnte – wenn er überhaupt hier lebte und wenn dieser Planet wirklich die Skärgoth war. Sie gingen noch weitere fünfhundert Meter und blieben wie auf ein Kommando stehen, als sich die Landschaft vor ihnen plötzlich veränderte. Wo vorher noch die kahle
28 Ebene gewesen war, lag nun ein silbern schimmernder See, der sich bis hinüber zu den Höhleneingängen erstreckte. War er eine optische Täuschung, oder hatten sie nur nicht bemerkt, daß sie ihn beim Hinaufgehen nicht spürten? »Ist das Wasser?« fragte Karon befremdet. »Kann es hier überhaupt Wasser geben?« »Das Ufer ist nicht weit entfernt – gehen wir und finden es heraus«, schlug Arkalon vor. Nach einigem Zögern wurde sein Vorschlag angenommen, aber bereits dieses kurze Zögern war jenen unbekannten Mächten wohl zuviel, denen sie seit ihrem Eindringen in das fremde Sonnensystem relativ hilflos ausgeliefert waren. Um sie herum entstand ein farbiges Flimmern, das sie wie eine Wolke umgab und völlig einschloß. Toschmol registrierte ein wildes Ausschlagen seiner Meßinstrumente, das auf einen überstarken energetischen Einfluß schließen ließ. Gleichzeitig spürte er, wie er leichter und dann sogar gewichtslos wurde. Vergeblich versuchte er mit seinen Füßen wieder Grundberührung zu erreichen, aber ein nicht fühlbarer Wind trug ihn sanft davon, auf das Ufer des Sees zu. Seinen beiden Begleitern erging es nicht besser. Sie sträubten sich zwar gegen die unsichtbare Gewalt, die sie in die Höhe entführte, aber es half ihnen nichts. Keiner von ihnen konnte sich vorstellen, daß es die farbige Wolke war, die sie gepackt hatte. Minuten später schwebten sie über der unbeweglichen Oberfläche des Sees. Toschmol sah, wie Arkanol mit beiden Händen um sich griff, als suche er verzweifelt nach einem Halt, und dann senkrecht in die Tiefe stürzte. Mit den Füßen zuerst tauchte er in den See ein und verschwand darin. Gleichzeitig begann auch Karon abzustürzen – und eine Sekunde danach Toschmol. Die farbige Wolke hingegen stieg schnell nach oben und verschwand im künstlichen Himmel. Toschmol sah die silbern schimmernde
Clark Darlton Fläche rasend schnell auf sich zukommen, und kurz nach Karon spürte auch er einen harten Schlag gegen seine Füße, dann tauchte er ein. Er wußte sofort, daß es kein gewöhnliches Wasser war. Der Widerstand war wesentlich größer. Ihm war auch keine Zeit mehr geblieben, den Helm zu schließen, also galt seine erste Sorge dem Wiederauftauchen, um nicht zu ertrinken – oder zu ersticken. Zu seinem Erstaunen stieg er auch ohne Schwimmbewegungen nach oben und erreichte die Oberfläche. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Arkanol und Karon dicht neben sich auf der zähflüssigen Masse treiben. Nein, das war kein Wasser. Es war etwas, das aus unzähligen winzigen Kristallkörpern bestand, etwa wie Treibsand, nur viel feiner und mehliger. Das spezifische Gewicht mußte jedoch sehr hoch sein, sonst hätte es die Arkoniden nicht tragen können. Sie wären rettungslos in dem silbernen Meer versunken. Karon begann zu schwimmen, aber nur ein wohlwollender Beobachter hätte seine krampfhaften Armbewegungen so bezeichnen können. Er kam nur langsam voran und näherte sich Toschmol, der bewegungslos abwartete, weil er befürchtete, wieder zu versinken. »Das ist einfach nicht wahr!« keuchte Karon, als er ihn fast erreicht hatte. »Winzige Kristalle, keine Flüssigkeit in unserem Sinne! Und sie flüstern!« Toschmol, der zu seiner Erleichterung sah, daß auch Arkanol sich langsam näherte, erwiderte: »Sie flüstern? Wer? Die Kristalle?« »Der ganze See flüstert! Hören Sie es nicht?« Toschmol lauschte, und er konnte es hören. Aber ihm war, als dränge das leise, wispernde Geräusch nicht durch seine Gehörgänge an sein Bewußtsein, sondern … nun, eben anders. Er spürte es mehr, als daß er es hörte. Aber wenn es Botschaften waren, so blieben sie ohne jeden Sinn.
Die Gruft des Magnortöters Inzwischen kam auch Arkanol näher. »Das war eine Energiewolke, die uns hier hineinwarf! Ich habe nun bald genug von diesen unliebsamen Überraschungen. Wir wollen so schnell wie möglich versuchen, das Reich dieses Superzauberers zu verlassen. Zuerst einmal das Ufer! Ich will festen Boden unter den Füßen haben!« Obwohl sie nicht versanken, benötigten sie alle ihre Kräfte, um von der Stelle zu kommen und endlich wieder das Ufer zu erreichen. Karon sah immer wieder zum Himmel empor; er schien zu befürchten, daß die farbige Wolke zurückkehrte und sie abermals in den Silbersee warf. Das telepathische Geflüster hörte auch dann nicht auf, als sie aus dem See kletterten. Es blieb konstant, wenn auch weiterhin unverständlich. Zweifellos handelte es sich um Botschaften, die ihnen übermittelt werden sollten, aber von wem sie stammten und was sie bedeuteten, wußte keiner der drei Männer. »Die Frage ist: Wie kommen wir über den See hinüber zu den Höhlen?« Toschmol war trotz seines Eifers, Klinsanthor zu begegnen, ruhiger geworden. »Wenn unsere Flugaggregate funktionierten, wäre das ja sehr einfach, aber so …« »Wir müssen umkehren«, sagte Arkanol entschlossen. »Es hat keinen Sinn, das müssen Sie doch endlich einsehen. Ich bin durchaus auf Ihrer Seite, das sollten Sie längst bemerkt Traben, aber ich fürchte, nun kommen wir nicht mehr weiter.« »Zurück! Wohin wollen Sie denn zurück? Zu den Torbögen, die durch eine Felswand verschlossen wurden? Wir befinden uns auf einer Einbahnstraße, Arkanol. Es gibt kein Zurück mehr!« »Aber auch kein Vorwärts!« Toschmol stand am Ufer des silbernen Sees und starrte hinüber zu der Felswand. Deutlich hoben sich die Höhleneingänge ab. Sie schienen ihn zu rufen, und ihm kam der verrückte Gedanke, daß sie es waren, die ihm die telepathischen Botschaften schickten, nicht die unzähligen Kristalle des Sees.
29 Karon hatte sich gesetzt. Nachdenklich blickte er in die gleiche Richtung wie der Wissenschaftler. Seinem Gesicht war nicht anzusehen, was er dachte und fühlte, ob er Arkanol oder Toschmol zustimmte. Wer ihn jedoch genau kannte, der hätte gewußt, daß ihn nur das Problem der merkwürdigen »Flüssigkeit«, beschäftigte, aus der der See bestand. Er war und blieb Physiker, ob er nun von unerklärlichen Wundern umgeben war oder nicht. Die Zwangspause wurde abrupt beendet, als Toschmol sich umblickte und die farbige Wolke entdeckte, deren Kommen er heimlich erhofft und zugleich befürchtet hatte. Sie näherte sich von der Ebene her, schillerte in allen Farben und schien sich im Rhythmus einer unhörbaren Melodie hin und her zu wiegen. »Sie kommt wieder«, sagte er nur und blieb ruhig stehen. Karon sprang auf, rannte aber nicht weg. Er wußte, wie sinnlos ein Fluchtversuch sein würde. Die Wolke war schneller als sie – wenn es überhaupt eine Wolke war. Wahrscheinlich handelte es sich um ein energetisches Kraftfeld, das von einer Kommandozentrale aus gesteuert wurde. Es hatte nichts mit Zauberei zu tun, wohl aber mit einer überlegenen Technik. Arkanol blieb ebenfalls stehen. Er war kein Wissenschaftler, er war ein erfahrener Soldat. Für ihn war jede Gefahr zu besiegen, die man sehen konnte. Wenigstens war das bisher so gewesen. Jetzt allerdings fühlte er sich nicht mehr so ganz sicher, denn er begegnete Wundern. Da konnte man ihm wissenschaftliche Erklärungen geben, soviel man wollte. Zauberei blieb Zauberei. »Das verdammte Ding will uns nur aufhalten«, vermutete er. »Oder über den See bringen«, hoffte Toschmol. Karon schwieg. Vermutungen auszusprechen, hielt er für Kraftverschwendung, solange sie keine Entscheidung herbeiführen konnten. Die Wolke begann sie einzuhüllen, und
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abermals verloren sie ihr Gewicht und schwebten langsam – fast behutsam – in die Höhe. Diesmal wußten sie, daß der See keine unmittelbare Gefahr für sie bedeutete, deshalb verhielten sie sich ruhig. Aber sie hatten die Geistesgegenwart gehabt, sich bei den Händen zu fassen, bevor sie emporgehoben wurden. Obwohl kein Wind wehte, trieben sie über den See hinaus, genau auf die Felsenhöhlen zu.
* Parentok hatte sich nie sonderlich um Swann gekümmert. Schon dessen Bart mochte er nicht, und schon gar nicht seine Selbständigkeit und sein unkonventionelles Denken und Handeln. Trotzdem kam ihm der Gedanke, in ihm einen guten Bundesgenossen zu finden. Als es draußen wieder dunkel zu werden begann und sie alle im Schiff waren, suchte er ihn in seiner Kabine auf. Swann war sichtlich erstaunt, Parentok zu sehen. Hinzu kam eine leichte Nervosität, die Parentok sich nicht sofort erklären konnte. »Entschuldigen Sie, Swann, aber ich hätte gern mit Ihnen gesprochen.« »Schießen Sie los, Parentok. Aber ich möchte mich heute bald zur Ruhe begeben.« »Die Nacht ist noch lang«, meinte Parentok und setzte sich, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. »Wenn ich mich nicht irre, waren Sie doch auch nicht mit Toschmols Plan einverstanden, diesen verrückten Planeten anzufliegen.« Swann nickte. Er ahnte, worauf Parentok hinauswollte. »Natürlich war ich es nicht, aber ich habe nachgedacht und meine Meinung in gewisser Hinsicht geändert. Wenn ich das alles richtig sehe, landeten wir hier nicht deshalb, weil Toschmol es so wollte. Wir wurden zur Landung gezwungen, und zwar noch zu der Zeit, als Sie das Kommando führten. Sie programmierten eine Transition, die mißlang. Haben Sie das vergessen? Schon von
diesem Zeitpunkt an befanden wir uns unter der Kontrolle jener unbekannten Mächte, die diesen Planeten beherrschen. Was also kann Toschmol dafür? Ich gebe ihm keine Schuld.« »Sie haben gesehen, daß wir die VALKARON ungehindert starten konnten, um einen neuen Landeplatz zu finden. Was hindert uns daran, mit einem plötzlichen Notstart von hier zu verschwinden?« Swann schüttelte bedächtig den Kopf. »Völlig sinnlos. Sie wissen, daß ich ein feines Gespür für Strahlungen habe, und dieser Planet ist voll davon. Wir können überhaupt nicht starten, und selbst wenn wir es könnten, wäre eine Flucht Verrat an Toschmol und den anderen. Wir würden sie dem Tod ausliefern, denn hier gibt es nichts, wovon sie sich ernähren könnten. Ich bin ein harter Bursche, Parentok, aber kein Verräter.« Parentok zeigte seine Enttäuschung nicht. »Natürlich denke ich nicht daran, die Leute im Stich zu lassen, ich habe nur eine Möglichkeit angedeutet. Ich schlage vor, daß wir noch einige Tage abwarten. Wir wissen, wie lange die Lebensmittelvorräte der beiden Expeditionen reichen. Also wissen wir auch, wann ihre Teilnehmer tot sind. Dann starten wir!« »Hm …« Swann sann vor sich hin. Dann nickte er. »Also gut, das ist ein fairer Vorschlag. Wie lange würde das noch dauern?« »Fünf Tage noch. Ich kann also mit Ihrer Unterstützung rechnen?« »Wenn die anderen auch zustimmen – ja.« Parentok erhob sich. »Also gut, ich werde auch mit den anderen reden und ihre Ansichten erkunden. Wir sprechen uns dann später noch.« »Aber nicht mehr heute«, sagte Swann und brachte ihn zur Tür. Draußen auf dem Korridor begegnete Parentok der jungen und hübschen Astronomin Zortain, die seinen Gruß ein wenig verlegen zurückgab. Er stellte keine Fragen und ging weiter, an der Biegung des Ganges aber
Die Gruft des Magnortöters blieb er stehen und sah zurück. Zortain verschwand in Swanns Kabine. Sieh mal einer an! dachte Parentok und ging weiter. Er suchte noch einige andere Besatzungsmitglieder auf und unterhielt sich mit ihnen, ohne ihnen allerdings den Zweck seines Kommens zu verraten. Viele von ihnen hätten den Planeten Skärgoth lieber heute als morgen verlassen, aber die Furcht vor der Allmacht Klinsanthors steckte ihnen allzusehr in den Knochen – weniger allerdings die Sorge um Toschmol und seine Begleiter. Wer in die Höhlen eindrang, hatte sich die Folgen selbst zuzuschreiben. Nicht ganz unzufrieden kehrte Parentok in die Kommandozentrale zurück, um Zeranal abzulösen. Die Arkonidin sah ihm neugierig entgegen. »Nun?« erkundigte sie sich. »Erfolg gehabt?« Er zuckte die Schultern. »Wie man es nimmt. Fünf Tage und Nächte müssen wir noch warten, ehe wir den Start versuchen. Dann wissen wir, daß Toschmol und die anderen nicht mehr leben. Eher will niemand den Versuch wagen, um nicht zum Verräter zu werden.« »Das ist verständlich, und ich denke genauso. Übernimmst du die Wache?« Er lächelte ihr zu. »Ich werde in drei Stunden abgelöst. Erwartest du mich?« Sie lächelte zurück. »Ich freue mich, Parentok …«
* Die bunte Energiewolke setzte sie auf dem schmalen Felsband ab, das den Silbersee von den Höhlen trennte. Dann stieg sie schnell nach oben und verschwand. Toschmol deutete nach vorn. »Da, seht nur! Die Höhle ist nur ein Durchgang. Dahinter liegt wieder ein riesiges unterirdisches Reich. Ich sehe sogar einen Wald – oder täusche ich mich?« »Werden wir wohl bald wissen«, vermutete Arkanol, der froh war, wieder festen
31 Boden unter den Füßen zu haben. »Gehen wir.« Nur Minuten später standen sie jenseits des Felsdurchgangs, ein wenig erhöht, auf einem sanften Hügelkamm und hatten einen umfassenden Blick auf das, was vor ihnen lag. Der ferne Horizont verschwamm mit dem künstlichen Himmel zu einer diffusen Linie, die keine Schätzung zuließ. Auch die davor sich ausbreitende Landschaft ermöglichte in keiner Weise eine vernünftige Definition. Das, was Toschmol als Wald zu erkennen geglaubt hatte, sah viel mehr wie eine unregelmäßige Anhäufung von schmalen, hohen Bauten aus, die sich nach oben zu verzweigten – wie die Äste eines Baumes. Aber die Bäume waren nicht grün, sondern sie wirkten farblos und sogar ein wenig transparent. Davor – die drei Arkoniden glaubten ihren Augen nicht zu trauen – waren Wiesen und ein Fluß, der sich zwischen den flachen Hügeln durchwand. Dichte Büsche säumten die wenigen Wege ein, die durch das grüne Land führten, das es auf dieser sterilen Welt eigentlich gar nicht geben durfte. »Unmöglich!« entfuhr es Karon. »Es muß eine Täuschung sein!« Toschmol sagte nichts. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen und näherte sich dem ersten Strauch, der nur wenige Meter vom Höhlenausgang entfernt wuchs. Langsam streckte er die Hand vor und berührte ein Blatt. Seine beiden Gefährten, die mit einer elektrischen Entladung rechneten, sahen zu ihrem Erstaunen, daß nichts geschah. Toschmol drehte sich zu ihnen um. »Blätter, richtige Blätter! Sie fühlen sich gut an.« Arkanol und Karon überzeugten sich wenig später davon, daß der Wissenschaftler recht hatte. Wenn hier wiederum die Wandlung von Energie in Materie stattgefunden hatte, dann in meisterhafter und unerklärlicher Art. Der Boden war auch nicht felsig. Die Sträucher und das Gras wuchsen in fruchtba-
32 rer Erde, und es schien erst vor kurzer Zeit noch geregnet zu haben. »Wir müssen weitergehen«, mahnte Toschmol ungeduldig zum Aufbruch. »Dort drüben, der zweite Wald – er wartet auf uns.« »Wartet er wirklich?« fragte Arkanol mißtrauisch. »Wie kommen Sie auf den Gedanken?« »Er ruft uns – hören Sie es nicht?« »Ich höre nichts.« Karon meinte: »Auch ich höre nichts, aber mir ist, als könnte ich lautlose Stimmen vernehmen. Es ist so ähnlich wie beim silbernen See, als wir von telepathischen Impulsen überschwemmt wurden. Aber diese hier sind anders.« »Ich höre nichts!« wiederholte Arkanol ungläubig. »Vielleicht bin ich nicht so leicht zu beeinflussen wie ihr.« »Das ist durchaus möglich«, stimmte Karon ihm zu. »Der eine ist eben empfindlicher als der andere. Ich jedenfalls empfange die Impulse sehr deutlich, wenn ihr Sinn auch nicht ganz klar ist. Jedenfalls ist es eine Aufforderung, die gesendet wird. Wir sollen weitergehen.« »Richtig!« Toschmol ging weiter, blieb auf dem Weg, von dem kleinere abzweigten, und marschierte auf den tiefer gelegenen Fluß zu, über den eine schmale Brücke führte. Nicht weit dahinter begann der seltsame Wald. »Ich glaube, wir nähern uns allmählich unserem eigentlichen Ziel.« Die VALKARON schien er inzwischen völlig vergessen zu haben, jedenfalls erwähnte er sie mit keinem Wort mehr. Arkanol begann zu bezweifeln, daß sie das Schiff jemals wiedersahen. Karon schien der gleichen Ansicht zu sein, wenn er es auch nicht laut aussprach. Sie erreichten den Fluß. Bevor sie über die Brücke schritten, ging Karon hinab zum Ufer und untersuchte das Wasser. Es war Wasser, klar, sauber und kühl. Man konnte es trinken. Dann erst gingen sie über die Brücke.
Clark Darlton Die auf sie eindringenden Impulse wurden stärker, intensiver. Nun konnte auch Arkanol sie empfangen. »Das ist keine Aufforderung«, behauptete er nach einigem Lauschen. »Das ist Protest! Das ist Stöhnen, Murren und Suche nach Hilfe. Merkt ihr das denn nicht?« »Doch, wir merken es auch. Aber wer will unsere Hilfe?« Toschmol sah sich suchend nach allen Seiten um, konnte aber außer dem fast gläsern anmutenden Wald nichts entdecken. »Es kommt von den halb transparenten Bäumen her – falls es überhaupt möglich ist, die Richtung zu bestimmen. Ob Klinsanthor Hilfe braucht?« »Ein Magnortöter benötigt nicht die Hilfe Sterblicher«, wies Karon ihn zurecht, obwohl er die ganze Angelegenheit bisher mit äußerster Nüchternheit betrachtet hatte. »Ein Wesen, das solche technischen Wunder vollbringt, kann sich selbst helfen. Ich glaube, wir werden von anderen gerufen.« »Aber von wem dann?« Arkanol legte die Hand auf den Griff seines Strahlers. »Ich sehe niemand.« »Aber ich!« Toschmol deutete mit ausgestrecktem Arm nach vorn. »Seht ihr das, was wir für künstliche Bäume hielten? Sie sind halb durchsichtig, und wenn meine Augen mich nicht täuschen, kann ich Bewegungen in ihnen erkennen. Schatten von unterschiedlichem Aussehen, in den Stämmen und in den dickeren Ästen. Jemand lebt in den Bäumen …!« Nun sahen es auch die anderen. Die Schatten waren nur zu bemerken, wenn sie sich bewegten, sonst konnte man sie für Unregelmäßigkeiten in den Gebilden oder für Lichtreflexe halten. Manche wanderten nicht sehr schnell von unten nach oben, versuchten sich in die abzweigenden Äste zu drängen, was ihnen auch manchmal für ein Stück gelang, und wanderten dann mühsam wieder nach unten zurück. Ihr müßt uns befreien, sonst dauert die Qual Ewigkeiten! Der Impuls war so klar und deutlich, daß ihn alle drei Arkoniden gleichermaßen gut
Die Gruft des Magnortöters empfingen. Trotzdem war es ihnen nicht möglich, die Richtung zu bestimmen, aus der er kam. Aber sie waren davon überzeugt, daß einer der Schatten ihn ausgestrahlt hatte. »Helfen!« knurrte Arkanol wütend. »Wie sollen wir ihnen denn helfen? Wir haben selbst Hilfe nötig!« »Ich muß wissen, was da los ist!« Toschmol ging weiter, auf die ersten Bäume zu – oder auf das, was wie Bäume aussah. »Nun kommt schon, wir müssen zusammenbleiben.« Karon rief: »Warten Sie noch, Toschmol! Lassen Sie sich Zeit, ehe Sie uns alle ins Unglück stürzen. Hier stimmt etwas nicht! Ich vermute eine Falle – und zwar eine letzte Falle.« Toschmol blieb stehen. »Wie kommen Sie darauf? Warum eine letzte Falle? Wer sollte sie uns stellen?« »Na, wer schon? Übrigens, sehen Sie mal nach rechts, ja, dort über der Ebene, an deren Ende wieder Felsen und Höhlen zu erkennen sind. Dort fliegt oder schwebt etwas, und es kommt näher …« Das Ding erinnerte an eine riesige Qualle, und es bewegte sich auch so ähnlich, nur nicht im Wasser, sondern durch die Luft. Der Durchmesser mochte fünf Meter betragen. Da es auch halb transparent war, konnten die Arkoniden es nur undeutlich erkennen. Lautlos näherte sich die Qualle ihrem Standort, ignorierte sie jedoch, als sie in geringer Höhe über sie hinwegschwebte und dann sanft dicht vor den ersten Bäumen landete. Die telepathischen Hilferufe wurden stärker, verzweifelter. Toschmol, Arkanol und Karon standen wie angewurzelt, unfähig, sich zu bewegen oder den stummen Rufen Folge zu leisten. Sie waren wie gelähmt. Fassungslos sahen sie zu, was bei den Bäumen geschah. Das Wesen begann seine Form ein wenig zu verändern. In Ruhestellung ähnelt es mehr einer Halbkugel, die mit der Schnittseite auf dem Boden lag und matt in drei
33 oder vier sich vermischenden Farben leuchtete. Dann begann es langsam auf den Baum zuzukriechen. Als es den Stamm erreichte, hielt es an. Abermals begann sich seine Form zu verändern. Es schien zerfließen zu wollen, denn es wurde flach wie ein aufgespannter Schirm und hüllte so den Fuß des gewaltigen gläsernen Stammes ein. Die Schatten im Innern bewegten sich nun heftiger von unten nach oben und umgekehrt. Sie schienen einen Fluchtweg zu suchen, doch diesmal in letzter Verzweiflung und in unbeschreiblicher Todesangst. Das Wesen kümmerte sich nicht darum. Es begann, in den Baum einzudringen, langsam – aber mit tödlicher Sicherheit. »Ob das dort – Klinsanthor ist?« hauchte Toschmol. Er erhielt keine Antwort von seinen Gefährten, die dem Geschehen wie gebannt zusahen und jede Einzelheit verfolgten. Das Wesen war nun zur Hälfte in den gläsernen Baum eingedrungen und kaum noch zu erkennen. Man konnte seine Fortbewegung nur noch an den Bewegungen des Schattens erraten, der vergeblich versuchte, dem drohenden Verderben zu entrinnen. Und dann kroch der Schatten wieder nach unten, während das Quallenwesen gleichzeitig wieder aus dem Baum hervorkam. Kein Zweifel, es hatte sein Opfer eingefangen und aufgesogen, denn noch während es wieder zur ursprünglichen Form zurückfloß, verschwand der Schatten in ihm. Der geöffnete Schirm blieb bei dem Baum liegen, seine Konkavseite den Arkoniden zugewandt. Auf dieser Seite begannen sich die blassen Farben zu vermischen und ein Bild zu formen. Allmählich erkannten Toschmol und die anderen, was es war: Es war ein schmerzverzerrtes Gesicht. Das Gesicht einer Arkonidin, die sie alle kannten. »Bei allen Dunkelsternen – das ist ja Tarnar!« Arkanol hatte so leise gesprochen, daß die anderen ihn nicht verstanden. Aber das
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war auch nicht nötig. Sie alle kannten die junge, hübsche Chemikerin, aber natürlich wußten sie nichts von ihrem Flug mit dem Gleiter. »Es ist Tarnar!« hauchte nun auch Toschmol. Arkanol fügte grimmig hinzu: »Sie ist es, und nun beginnt sie, zu uns zu sprechen! Hört ihr es? Sie spricht zu uns, lautlos und voller Angst …« Und sie konnten es alle hören …
5. Als Swann am anderen Tag in der Kommandozentrale auftauchte, war er sichtlich aufgeregt, aber bevor er zu sprechen begann, überzeugte er sich, daß der Panoramaschirm nicht eingeschaltet war. Einer der Techniker hatte Wache. Er schien halb eingeschlafen zu sein, jedenfalls erschrak er, als Swann ihn aufforderte: »Interkomkontakt mit Parentoks Kabine, aber schnell!« Parentok meldete sich sofort. »Ja, was ist, Swann?« »Ich war eben draußen. Sieht nicht gut aus. Unter dem Schiff sind wieder Risse entstanden. Überhaupt scheint sich die ganze Oberfläche des Planeten zu verschieben. In Richtung Gebirge ist eine tiefe Schlucht, die gestern noch nicht da war.« »Bin schon unterwegs …« Gemeinsam verließen sie wenig später in Begleitung einiger Besatzungsmitglieder das Schiff, um das Ausmaß der sich anbahnenden Katastrophe abzuschätzen. Unter den Landestützen zeigten sich nicht nur eine, sondern gleich drei Spalten. Dem Gebirge zu hatten sich Falten aufgetürmt – über Nacht waren Hügel und Täler entstanden, von tiefen, schroffen Schluchten getrennt. »Wir müssen hier weg, und zwar so schnell wie möglich«, entschied Parentok und warf seinen Begleitern einen fragenden Blick zu. »Was meint ihr?« Zeranal legte ihre Hand auf seinen Arm.
»Du kennst meine Entscheidung, aber die Nacht hat vieles verändert – auch diesen Planeten. Ich bin auf deiner Seite.« »Wir haben wohl auch keine andere Wahl«, stimmte nun auch Swann zu. »Vielleicht finden wir einen besseren Landeplatz, um in Ruhe auf Toschmol warten zu können.« »Er wird nicht zurückkehren, Swann. Kommt, wir haben keine Zeit zu verlieren …« Parentok spürte den Schmerz im rechten Bein bereits seit einigen Stunden, aber er hatte niemandem etwas davon gesagt. Als er die Leiter zur Luke emporstieg, wurde der Schmerz so unerträglich, daß er ein Stöhnen nicht unterdrücken konnte. Swann, der hinter ihm war, fragte: »Sie spüren es auch, Parentok? Die rechte Seite, nicht wahr? Beginnende Lähmung, kein Zweifel. Sie hatten recht! Wir müssen hier fort! Schnell sogar, ehe die VALKARON manövrierunfähig wird.« Parentok antwortete nichts. Er versuchte, das Humpeln, zu dem ihn seine Schmerzen zwangen, möglichst zu unterdrücken. Er hatte längst gesehen, daß auch die anderen Schmerzen auf der rechten Seite verspürten. »Swann, können Sie die Kontrollen übernehmen? Glauben Sie wirklich, daß es sich um eine beginnende Lähmung der rechten Seite handelt?« »Leider ja.« Er ließ sich im Kontrollsessel nieder. »Der Spalt neben Landestütze vier hat sich verbreitert. Nicht mehr lange, und wir verlieren den Halt. Alles in Startposition!« Noch bevor Swann die Hauptenergie einschaltete, wußte er, daß es zwecklos sein würde. Er spürte das Kraftfeld förmlich, das sich über das Schiff senkte und es unsichtbar einschloß. Trotzdem versuchte er es. »Was ist?« erkundigte sich Parentok, als nichts geschah. Swann stand mühsam auf. »Wir müssen versuchen, das Schiff so zu vertäuen, daß es nicht in die Spalte stürzt, wenn sie sich vergrößert. Dann müssen wir
Die Gruft des Magnortöters warten, bis wir wieder Energie haben. Sobald das geschieht, muß ein Blitzstart erfolgen. Eine andere Chance haben wir nun nicht mehr.« »Keine Energie?« »Wie gehabt, Parentok. Beeilen wir uns, ehe es zu spät ist.« Trotz ihrer Schmerzen verließ die gesamte Besatzung das Schiff, um sich an den Rettungsarbeiten zu beteiligen. Es stellte sich heraus, daß kein einziger von den Lähmungserscheinungen verschont geblieben war. Zwei Techniker lagen in der Krankenstation. Sie konnten sich kaum noch bewegen – höchstens ein wenig auf der linken Seite. Zu seiner Beruhigung stellte Prentok fest, daß die gefährlichste Spalte nur wenige Dutzend Meter tief war, dafür aber schnell breiter wurde und Landestütze vier bereits erreicht hatte. Das Schiff begann langsam abzusacken. »Es hat keinen Zweck mehr!« Swann winkte dem Mann, der die Ladeluke manuell öffnen wollte, mit der noch gesunden linken Hand zu. »Es ist zu spät. Kommen Sie her, ehe das Schiff kippt. Wir müssen hier draußen abwarten, was geschieht.« Der so Aufgeforderte begann gerade, mühselig die Leiter hinabzusteigen, als die Landestütze absackte. Eine zweite folgte, da sich der Spalt rapide zu verbreitern begann. Die VALKARON neigte sich zur Seite, und dann begann sie, in die flache Schlucht hinabzurollen. Dabei wurde der an der Außenhülle befindliche Arkonide zerquetscht. In der Krankenstation starben ein Arzt und zwei seiner Patienten. Parentok hätte am liebsten die Augen geschlossen, als er die VALKARON davonrollen sah, aber auf der anderen Seite konnte er in dieser verzweifelten Situation weder die Hoffnung noch die Nerven verlieren. Er kannte die Widerstandsfähigkeit des arkonidischen Stahls, außerdem waren die Hänge der Schlucht relativ sanft. Das Schiff bekam immerhin soviel
35 Schwung, daß es auf der gegenüberliegenden Seite den Hang halb hinaufrollte, dann jedoch auf die Sohle der Spalte zurückfiel. Bei diesem Vorgang starben zwei weitere Arkoniden, die ihrer Schmerzen wegen an Bord geblieben waren. Swann humpelte zum Rand der Schlucht und sah hinab. Die VALKARON lag in richtiger Position auf ihren zerbrochenen Landestützen, ein wenig schief, aber sonst offensichtlich nicht schwer beschädigt. Wenn Energie vorhanden war, würde ein Notstart möglich sein. Die Antigravfelder würden dabei eine große Hilfe sein. Wenn auch sie funktionierten … Parentok trat neben ihn. »Jetzt brauchen wir nur noch zu warten, bis die Energie zurückkommt. Jemand von uns sollte ständig vor den Kontrollen wachen.« »Und niemand darf das Schiff verlassen«, schlug Swann vor. »Und wenn inzwischen neue Spalten entstehen?« befürchtete Zeranal. Sie erhielt keine Antwort auf ihre Frage. Es erwies sich als ziemlich schwierig, in die VALKARON zurückzuklettern. Die Toten wurden in einer der Notschleusen untergebracht. Man würde sie später bestatten – entweder im felsigen Boden der Skärgoth oder im Raum. Trotz der zunehmenden Schmerzen übernahm Parentok die erste Wache in der Kontrollzentrale. Nun endlich hatte er die Zustimmung aller Überlebenden, das Schiff beim ersten Anzeichen der Manövrierfähigkeit zu starten. Alle Luken waren verschlossen worden. Das lange Warten begann …
* Toschmol, Arkanol und Karon lauschten atemlos auf die lautlose Stimme Tarnars, die aus dem Quallenschirm zu ihnen sprach. In kurzen Zügen berichtete sie von ihrem Flug mit Vanthor und ihre unbegreifliche Ver-
36 wandlung in zwei Energiewesen mit festen, aber unsichtbaren Körpern. »Der Baum nahm uns auf, aber Vanthor und ich wurden dann getrennt. Ich weiß nicht, wo er geblieben ist, denn ich habe jeden Kontakt mit ihm verloren. Alles ist voller Energie und Strahlungen, die uns aufsaugt. Das Schrecklichste von allem aber ist der Kristallwächter. Er ruft uns ab und bringt unsere Identität zu Klinsanthor, den Magnortöter …« Toschmol unterdrückte seine Erregung. Zum erstenmal erhielt er nun einen definitiven Hinweis, daß er sich auf der richtigen Spur befand. Dieser Planet war die geheimnisvolle Skärgoth, das Versteck Klinsanthors! »Und was geschieht weiter, Tarnar? Weißt du es?« »Ich empfange nur die verwirrenden Impulse der anderen Toten, die Gefangene des gläsernen Waldes wurden. Es sind viele Arkoniden dabei, die Klinsanthor aus ihren Schiffen holte, aber auch Angehörige anderer Völker der Galaxis. Der Magnortöter hat Macht über viele Welten und Sternenbereiche. Er scheint von den Seelen der Gefangenen zu leben.« »Wie sollte das möglich sein?« fragte Karon wißbegierig. »Seelen und Bewußtsein sind reinste Energie«, gab Tarnar bereitwillig Auskunft. Sie mußte es jetzt besser wissen als jeder andere. »Klinsanthor speichert sie und setzt sie nach Belieben ein. Ich glaube wenigstens, daß es so ist. Ihr müßt zur VALKARON zurückkehren, oder ihr seid alle verloren. Findet den Weg, ehe es zu spät ist! Mir bleibt nicht mehr viel Zeit …« Noch während die Stimme in ihren Gehirnen schwächer und undeutlicher wurde, blähte sich der Schirm wieder zu der Qualle auf und begann zu schweben. Ein riesiger Kristall, schwerelos und von einem unfaßbaren Intellekt gesteuert. Tarnars Gesicht begann zu verschwimmen. Sie verlor den Rest ihrer Identität und wurde zu reiner Energie.
Clark Darlton Das Gebilde stieg höher, ohne sich um die drei Arkoniden zu kümmern, dann schwebte es langsam und doch zielstrebig auf das nahe Gebirge hinter dem gläsernen Wald zu, wo es bald den Blicken der Nachschauenden entschwand. Toschmol sagte: »Wir haben Klinsanthor gefunden! Gehen wir zu ihm!« Arkanol hielt ihn fest. »Nicht so schnell, Toschmol. Wir sind dir bis hierher gefolgt, aber nun ist Schluß! Ich gehe keinen einzigen Schritt mehr mit dir, und auch Karon wird sich's überlegen, ob er dich weiter begleitet.« »Wollt ihr jetzt aufgeben, da wir endlich Gewißheit haben?« »Die Gewißheit, bald sterben zu müssen, hat nur wenig Verlockendes für mich«, teilte Karon ihm trocken mit. »Arkanol hat recht. Wir müssen versuchen, zur VALKARON zurückzufinden. Wir haben unseren Auftrag erfüllt, denn wenn Klinsanthor hier lebt, dann weiß er auch schon, warum wir kamen. Jede weitere Suche nach dem Magnortöter ist sinnlos und Zeitverschwendung.« Toschmols intellektuelle Arroganz brach wieder durch. »Sie mögen Physiker sein, Karon, aber für einen Wissenschaftler fehlt es Ihnen an Neugierde. Wenn Arkanol aufgibt, so kann ich das verstehen, obwohl ich ihn stets für tapferer hielt. Ich jedenfalls werde weitergehen, und zwar sofort. Ich. wünsche euch viel Glück mit auf den Weg – zurück zur VALKARON.« Er lachte kurz auf, ehe er auf die gläsernen Bäume zuging und zwischen ihnen verschwand. Arkanol warf Karon einen zweifelnden Blick zu. Der schien sich seiner Sache auch nicht mehr ganz so sicher zu sein. Toschmols Entschlossenheit hatte den Physiker sichtlich beeindruckt. Hinzu kam seine feste Überzeugung, den Rückweg nicht finden zu können. »Wir dürfen ihn nicht allein lassen«, faßte er seine Überlegungen zusammen.
Die Gruft des Magnortöters »Eigentlich nicht«, pflichtete Arkanol bei, erleichtert darüber, daß nicht er diese Entscheidung hatte treffen müssen. Sie holten Toschmol einige hundert Meter weiter wieder ein. Der Wissenschaftler wartete, bis sie bei ihm waren. Mit keinem Wort erwähnte er die vorangegangene Meinungsverschiedenheit. »Der Linksdrall setzt wieder ein, habt ihr es auch bemerkt? Wir müssen uns immer nach rechts halten, außerdem haben wir noch immer die Meßinstrumente im Anzug. Sie funktionieren, so erstaunlich das klingen mag.« »Wohin wenden wir uns?« »Dort, die Berge und Höhlen vor uns. Das ist Klinsanthors Versteck, und dort finden wir auch seine Gruft, von der die Legenden berichten. Es kann nicht mehr weit sein.« Karon sagte: »Auf dem rechten Auge scheine ich zu erblinden. Ich kann damit kaum noch etwas sehen. Auch das rechte Ohr macht nicht mehr mit.« »Mir geht es ähnlich«, gab auch Arkanol zu. Toschmol nickte fast gleichmütig. »Opfer müssen gebracht werden, Freunde. Ich kann die rechte Hand kaum noch bewegen, und wenn ich einen Schritt mache, zwingt mich etwas, ihn nach links zu tun. Aber wir müssen durchhalten, denn die Prüfungen werden bald überstanden sein.« Die Impulse der Schatten in den Bäumen waren schwächer geworden und kaum noch zu vernehmen. Die drei Arkoniden näherten sich zweifellos jenem Teil dieser Region, den man als »Waldrand« hätte bezeichnen können, wäre es ein gewöhnlicher Wald gewesen. Vor ihnen lag eine senkrechte Felswand, die hinauf bis in den künstlichen Himmel reichte und sich dort verlor. Höhle lag neben Höhle, und die Wahl fiel schwer, in welche man eindringen sollte. Wenn sie dem zwingenden Druck des Linksdralls gefolgt wären, hätten sie die am weitesten links gelegene nehmen müssen.
37 »Wir sollten vorher eine Pause machen«, schlug Karon vor. »Mir schmerzen sämtliche Glieder.« »Und ich verspüre Hunger«, sagte Arkanol. Sie ließen sich auf einer felsigen Platte nieder, von der aus sie die Höhleneingänge im Auge behalten konnten. Nach der Einnahme einiger Konzentrate fühlten sie sich wieder ein wenig zuversichtlicher. »Wir nehmen jenen Eingang dort, hinter dem Licht schimmert«, sagte Toschmol. »Die anderen scheinen dunkel zu sein. Ich bin sicher, daß wir uns ganz in der Nähe des Labyrinthzentrums befinden. Wenn nur diese verdammten Schmerzen nicht wären …« »Sie sind nur eine Prüfung Klinsanthors«, meinte Arkanol spöttisch. Karon sagte überhaupt nichts. Er massierte seinen rechten Fuß. Er tat es mit der linken Hand; seine rechte hing kraftlos herab. Aile hatten sie jedes Zeitgefühl verloren. Vielleicht waren sie schon Tage unterwegs, vielleicht erst Stunden – sie wußten es nicht mehr genau. Nur eines wußten sie bestimmt: bald mußte eine Entscheidung fallen – so oder so.
* Ein Besatzungsmitglied der VAL-KARON verlor am Mittag des vierten Tages auf der Skärgoth von einer Sekunde zur anderen den Verstand. Vorher war er in der Krankenstation gewesen und hatte sich wegen der beginnenden Lähmungserscheinungen auf der rechten Seite behandeln lassen. Die Schmerzen hatten nachgelassen. Auf dem Weg in seine Kabine begegnete er einem der Offiziere, den er ohne jede Warnung niederschlug und ihm die Strahlwaffe abnahm, mit der er ihn erschoß. Zwei Techniker, die den Vorfall bemerkten und ihn entwaffnen wollten, wurden ebenfalls Opfer des Wahnsinnigen, der sich wie ein Kreisel nach links zu drehen begann und wie wild um sich feuerte. Swann selbst war es, der die Sache kurz entschlossen in die Hand
38 nahm, indem er den Mörder mit dem Paralysator betäubte und einsperren ließ. Er konnte niemanden töten, der seiner Sinne nicht mächtig war. Doch das war nicht der einzige Grund. Swann war fest davon überzeugt, daß über kurz oder lang jeder von ihnen den Verstand verlieren würde, wenn er nicht vorher durch einen Unfall ums Leben kam. Draußen im Tal hatte sich in den vergangenen Stunden nichts mehr verändert. Die VALKARON lag noch immer in der breiten Schlucht, ohne Energie. Lediglich die lebensnotwendigsten Hilfsaggregate arbeiteten noch und lieferten Strom für Kühlkammern und Klimaanlage. Auch die Notbeleuchtung funktionierte, ebenso wie der schiffsinterne Interkom. So nur war es möglich, daß die Arbeit in der Krankenstation nicht völlig zum Erliegen kam. Ein Arzt war übriggeblieben. Ihm standen zwei Arkonidinnen zur Seite, die die Patienten betreuten. Parentok sah auf, als Swann in die Zentrale kam. »Nun?« »Drei Tote. Es kann jeden Augenblick wieder passieren.« »Der Schmerz muß ihn wahnsinnig gemacht haben. Ich spüre ihn ja selbst, und ich fürchte außerdem, daß mein rechtes Auge bald völlig erblindet. Gibt es eine vernünftige Erklärung dafür, daß die Schäden nur auf einer Seite auftreten?« »Der Arzt hat keine, Parentok. Es muß mit dem Energiefeldern und der Rotation des Planeten zusammenhängen.« »Das leuchtet mir nicht ein. Die Rotation ist viel zu langsam, und …« »Schon gut, war ja auch nur der Versuch einer Erklärung.« »Es wird nie eine Erklärung geben«, befürchtete Parentok. Es entstand eine kurze Pause, dann fragte Swann: »Was mag mit Toschmol geschehen sein? Warum kommt er nicht zurück?« Parentok stellte eine Gegenfrage:
Clark Darlton »Und warum kommen Vanthor und Tarnar nicht zurück?« Er seufzte. »Ich fürchte, es gibt für keinen ein Zurück, der auf diesem verdammten Planeten einmal gelandet ist. Auch für uns nicht.« Der Interkom summte schwach. Swann schaltete ihn ein. Es war Zortain. »Swann, bist du es … Ja, jetzt erkenne ich dich. Das Bild ist zu undeutlich, wahrscheinlich zu wenig Energie. Wer ist noch bei dir in der Zentrale?« »Parentok, sonst niemand. Warum?« »Ich hole Zeranal und komme zu euch. Etwa fünf der Männer haben sich Waffen besorgt und wollen euch umbringen. Sie sind schon unterwegs. Seid vorsichtig …« »Bleib, wo du bist!« warnte Swann noch, aber der Bildschirm war schon dunkel geworden. Parentok entsicherte seinen Handstrahler, wagte es aber nicht, die Tür zur Kommandozentrale positronisch zu schließen, um Zerenal und Zortain nicht den Rückzug abzuschneiden. Auf dem kleinen Interkomschirm war kaum etwas zu sehen. Das Umschalten funktionierte nur mangelhaft, so daß eine kontinuierliche Beobachtung verschiedener Sektionen des Schiffes unmöglich wurde. Man konnte daher nicht wissen, wo sich die Meuterer gerade aufhielten. Schritte näherten sich auf dem Korridor. Swann hielt den Strahler schußbereit, während Parentok zur Tür ging und sie vorsichtig öffnete. Aber es waren, nicht die beiden Arkonidinnen, sondern vier Männer der Besatzung. »Sie sind hinter uns her, bewaffnet und zu allem entschlossen«, behauptete einer von ihnen. »Laßt uns in die Zentrale!« Parentok durchsuchte sie und ließ sie herein. Sie waren völlig erschöpft von der Anstrengung einer Flucht. Ohne Ausnahme waren sie auf der rechten Seite halb gelähmt. »Geht nach nebenan in die Funkzentrale«, forderte Swann sie auf. »Wir werden schon allein mit den Burschen fertig.«
Die Gruft des Magnortöters Wenig später, fast im letzten Augenblick, kamen Zeranal und Zortain. Parentok blieb bei der Tür und wartete. Er konnte die Schritte der Meuterer schon hören und erwartete sie mit der Waffe in der Hand. Swann nahm dicht hinter ihm Aufstellung. Als sie um die Biegung des Korridors rannten und die beiden entschlossenen Männer sahen, hielten sie an. Sie hielten die Strahler ebenfalls in der linken Hand. »Was wollt ihr?« rief Parentok ihnen entgegen. »Starten, Sofort! Wir wollen hier weg!« »Das wollen wir auch, aber wir haben keine Energie.« »Das ist gelogen – das Licht brennt, es ist Strom da. Ihr belügt uns, um auf den verrückten Toschmol zu warten. Startet, oder wir bringen das Schiff in unsere Gewalt.« »Das wird euch wenig nützen! Keine Energie! Es ist sinnlos!« »Na schön, Ihr wollt es nicht anders …« Doch dann geschah etwas, mit dem niemand gerechnet hatte, am allerwenigstens die Meuterer selbst. Noch während sie ihre Waffen hoben und blindlings gegen die schnell geschlossene Zentraltür feuerten, tauchten hinter ihnen einige andere Besatzungsmitglieder auf und eröffneten ohne Vorwarnung ebenfalls das Feuer. Drei der Meuterer brachen sofort getroffen und tot zusammen, der vierte brachte sich mit einem Satz hinter die nächste Korridorbiegung in Sicherheit. Drei der unerwarteten Retter folgten ihm, die anderen riefen Parentok über Interkom, da die Tür zur Zentrale verschlossen war. Sie berichteten, was geschehen war. Swann öffnete die Tür, vorsichtig und mißtrauisch. Als er die drei Toten sah, ließ er die Waffe sinken. »Vielen Dank, Leute«, sagte er. »Ihr könnt euch darauf verlassen, daß wir starten, sobald wir Energie haben. Was machen die Schmerzen?« Ihm wurde bestätigt, daß sie fast unerträglich geworden waren, und er empahl ihnen, sich auf die Betten zu legen und sich mög-
39 lichst wenig zu bewegen. Ihre Waffen sollten sie bereit halten. Als sie gegangen waren und er in die Zentrale zurückkehrte, saß Parentok schon wieder hinter den Kontrollen. »Immer noch nichts, Swann. Die Hauptzufuhr lasse ich von nun an immer eingeschaltet, der Notstart ist programmiert und aktiviert. Sobald Energie vorhanden ist, startet die VALKARON – selbst dann, wenn niemand von uns in der Zentrale ist. Ich habe die gespeicherten Daten zweimal vom Komputer überprüfen lassen, sie stimmen – aber der Start ist riskant. Wir müssen aber immer damit rechnen, daß die Sperrfelder sofort wieder eingesetzt werden, sobald unsere Absicht zu fliehen bemerkt wird.« »Welche Programmierung nahmen Sie vor?« »Notstart ROT, Swann. Das bedeutet, daß wir mit höchster Beschleunigung abheben und bereits nach kurzer Zeit eine Transition über eine Lichtminute vornehmen, dazu benötigen wir maximale Energie. Weiterflug mit LG für zehn Sekunden, dann die zweite blinde Transition über eine Lichtstunde. Das dürfte genügen.« »Wenn die VALKARON es durchhält – vermutlich ja.« Zeranal, die bei der Programmierung geholfen hatte, sagte: »Erst einmal in meinem Leben habe ich einen ähnlichen Start erlebt, und ich werde ihn niemals vergessen. Wir landeten auf einem offensichtlich unbewohnten Planeten, auf dem unsere Instrumente und Massetaster jedoch verdächtige Metallansammlungen registrierten. Unser Landetrupp fand kein Leben, kein Hinweis darauf, daß es jemals welches gegeben hatte. Und doch geschah das Unglaubliche: Wir wurden angegriffen, und zwar durch Robotkampfmaschinen, die plötzlich aus dem Nichts auftauchten und sofort auf uns schossen. Unsere Leute hatten kaum Zeit, ins Schiff zu gelangen, das schon einige Treffer aufwies, bevor der Notstart erfolgte.« »Ohne Programmierung?« wunderte sich
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Swann. »Natürlich nicht. Der Notstart ROT wurde sofort nach der Landung eingespeist. Ein Knopfdruck genügte, um das Schiff starten zu lassen, was ja auch geschah. Noch heute ist mir ein Rätsel, wie uns die Flucht gelang, denn die Roboter folgten uns, zielsicher gesteuert und mit hoher Geschwindigkeit. Sie waren jedoch nicht schnell genug für unsere erste Transition und verloren uns, aber wir alle glaubten, die Hülle des Schiffes müsse zerbrechen, dabei handelte es sich um einen Schlachtkreuzer.« »Dann sehe ich aber schwarz für die VALKARON«, meinte Swann. Parentok winkte ab. »Keine Sorge, sie hält es schon aus. Und wenn nicht, so haben wir noch immer Glück gehabt, denn auf der Skärgoth würden wir ohnehin einer nach dem anderen verrückt. Wir riskieren, so betrachtet, eigentlich überhaupt nichts.« Der Interkom summte. Einer der Männer meldete sich: »Wir haben den letzten der Meuterer auch noch erwischt. Er ist tot.« »Es ist gut. Ruht euch aus. Niemand weiß, wie lange wir noch warten müssen. Wenn die Energie zurückkehrt, bereitet euch auf den Schnellstart und eine Kurztransition vor. Bleibt in der Nähe der Betten.« »Wir können sowieso kaum noch gehen.« Die vier Arkoniden verzichteten vorsichtshalber darauf, die Kommandozentrale zu verlassen. Überall in den Gängen konnte ihnen jemand auflauern. Die Energie des Notaggregats reichte nicht zur geregelten Bildüberwachung. Das schlimmste aber war, daß der Panoramaschirm ausgefallen war. Sie konnten nicht sehen, was inzwischen draußen im Tal geschah …
6. Sie gerieten in ein Labyrinth von Gängen und Korridoren, in dem sie sich bereits nach kurzer Zeit hoffnungslos verirrt hatten.
Wie zu Beginn ihrer unheimlichen Odyssee waren überall Decken und Wände von innen her beleuchtet, so daß Lampen überflüssig wurden. Es war ein ständiges Leuchten und Schimmern, das natürlich wirkte, zweifellos aber künstlichen Ursprungs sein mußte. Toschmol war von einem Eifer gepackt worden, der ihn trotz seiner zunehmenden Schmerzen und der weiterschreitenden Lähmung der rechten Seite vorantrieb und seine beiden Gefährten ansteckte, die ihm bedingungslos folgten. Das allerdings mochte auch an der Tatsache liegen, daß niemand von ihnen mehr den Weg zurück finden konnte. Nach drei Stunden des Umherirrens hielt Toschmol an. »Ich bin sicher, daß nun alle Gänge in eine Richtung verlaufen, auch wenn es hier und da Abzweigungen gibt. Doch auch sie führen immer wieder in die Generalrichtung zurück. Wir nähern uns also zweifellos unserem Ziel.« »Es wird auch Zeit, denn lange halte ich nicht mehr durch«, beklagte sich Karon, der bis zum Umfallen erschöpft war. »Mir ist es schon egal, was uns am Ziel erwartet, wenn ich nur ausruhen kann.« »Nun übertreiben Sie nicht gleich«, ermahnte ihn der robustere Arkanol. »Wir haben mehr als eine Ruhepause eingeschoben und dadurch wertvolle Zeit verloren. Was mich viel mehr ärgert, ist die dumme Tatsache, daß wir keinen Kontakt zur VALKARON erhalten. Ich möchte wissen, was dort inzwischen alles passiert ist – falls dieser Parentok nicht auf den Gedanken gekommen ist, zu starten und uns zurückzulassen.« »Das würde er nie wagen«, hoffte Toschmol. »Er weiß wie jeder andere, was auf Meuterei steht. Der Tod! Außerdem können wir uns auf die anderen Leute verlassen.« »Trotzdem würde es mich beruhigen, es ganz genau zu wissen.« »Wenn wir Klinsanthor gefunden haben, werden wir es erfahren.« Sie gingen weiter.
Die Gruft des Magnortöters Jeder machte sich seine eigenen Gedanken, was sie am Ende ihres langen und mühevollen Weges finden würden. Keiner aber konnte sich vorstellen, wer oder was der Magnortöter war. Nur eines war ihnen allen klar: Klinsanthor mußte mächtiger sein, als sich jemand vorzustellen vermochte. Das hatten sie am eigenen Leibe erfahren müssen. Sie blieben auf dem Hauptgang und drangen in keinen Nebenkorridor mehr ein. Die Richtung blieb konstant, und die linke Wandseite hielt sie immer wieder davon ab, in den schon zur Gewohnheit werdenden Linksdrall zu verfallen. Alle drei zogen sie den rechten Fuß nach, der schon nicht mehr schmerzte, weil er mehr als halb gelähmt war. Sie sehnten die farbige Energiewolke herbei, die sie über den Silbersee getragen hatte, aber jetzt, da man sie brauchte, erschien sie nicht. Endlich mündete der Korridor in einem schimmernden Gewölbe, das sich wie ein riesiger Dom vor ihnen auftat. Die Decke war so hoch, daß sie kaum zu erkennen war, und die Wände leuchteten in allen Farben. In der Mitte des Domes aber ruhte ein großer kristalliner Körper, halb durchsichtig und von phantastischer Form. Im ersten Augenblick erinnerte er an einen weit ausladenden Blumenkelch, mehr als fünf Meter hoch und ebenso breit. Er schien direkt aus dem Felsboden gewachsen zu sein, besaß aber keinen Stengel. Und es war auch keine Blume. Ein feines, kaum wahrnehmbares Singen ging von dem Gebilde aus, das vorerst ohne jede Bedeutung blieb. Es erfüllte den gigantischen Dom mit angenehmen Vibrationen, die die drei Arkoniden ihre Schmerzen und Lähmung vergessen ließen. Stumm standen sie im Eingang und versuchten eine Erklärung für das zu finden, was sie sahen. Keiner von ihnen vermutete eine Falle, dazu wirkte das Singen und Vibrieren viel zu beruhigend. Was aber war es denn? Toschmol sagte heiser und scheu:
41 »Es muß die Gruft Klinsanthors sein – so wurde sie in den Legenden beschrieben. Wir haben die Gruft gefunden, aber wo ist Klinsanthor? Seht ihr ihn?« Arkanol schüttelte die Beklemmung ab, die sich seiner zu bemächtigen drohte. Fast nüchtern meinte er: »Er ist nicht da, denn ich sehe ihn nicht.« Karon hatte sich einfach auf den Steinboden gesetzt. Stumm und ergriffen betrachtete er den riesigen Kelch und lauschte den Geräuschen, die auf ihn eindrangen. »Vielleicht ist Klinsanthor unsichtbar«, vermutete Toschmol. »Wir müssen warten, bis er unsere Botschaft hören will. Ich bin sicher, daß er uns ein Zeichen geben wird.« Er hatte das Ziel seines Lebens erreicht, der Wissenschaftler Lenth Toschmol. So lange er zurückdenken konnte, war er auf der Suche nach Hinweisen und Legenden gewesen, die ihm die Spur zum Versteck Klinsanthors zeigen konnten. Dann kam der Auftrag Orbanaschols, den Magnortöter aufzuspüren und um Hilfe zu bitten. Toschmol hatte gewußt, daß seine Unterlagen richtig waren. Nun stand er vor dem Beweis. Einem Beweis allerdings, der noch stumm blieb. Die Farben an den Wänden des Domes veränderten sich ständig, vermischten sich zu neuen, unbekannten Farben und bildeten eindrucksvolle Muster abstrakter Symbolik. Die hohe Decke selbst blieb hell und konstant. Der Kristallkelch – natürlich bestand er nicht aus Kristall, aber seine Struktur erinnerte unwillkürlich daran – veränderte sich nicht. Sein Inneres war nur undeutlich zu erkennen, aber es war leer. Plötzlich verstummte das feine und melodische Singen. Gleichzeitig erstarrten die Symbole an den Wänden, als wären sie eingefroren. Der Kelch jedoch begann intensiv zu strahlen, so als wolle er erglühen. Toschmol lauschte atemlos, aber seine Ohren hörten nichts, keinen einzigen Laut mehr. Im Dom herrschte ein unheimliches, fast erdrückendes Schweigen, und er glaub-
42 te, seinen eigenen Herzschlag vernehmen zu können. Das Blut rauschte durch seine Adern, aber das war sicher nur Einbildung. Das Strahlen des Kristallkelchs wiederholte sich in rhythmischer Reihenfolge, so als wolle er eine optische Botschaft aussenden, aber sie blieb ohne Sinn. Aber dann kam die lautlose, telepathische Stimme wieder, die sie ähnlich schon mehrmals einmal vernommen hatten. Doch diese war anders, nicht emotionell, sondern mechanisch und ohne Gefühle. Sie teilte mit: Ihr sucht ihn vergeblich, den großen und unbesiegbaren Klinsanthor, den unvergleichlichen Magnortöter. Er hat die Skärgoth verlassen, denn er wurde gerufen. Das war alles. Kein Wort mehr. Der Kelch blieb stumm, das Farbenspiel an den Wänden begann erneut, und das feine, melodische Singen war wieder da. Arkanol erholte sich als erster von der Überraschung. »Habt ihr es auch vernommen? Oder leide ich etwa unter Halluzinationen?« Karon nickte nur. Toschmol flüsterte: »Sei ruhig, vielleicht erfahren wir noch mehr.« »Was wollen wir denn noch erfahren, nachdem wir alles wissen?« fuhr Arkanol ihn in verzweifelter Wut an. »Du hast es doch gehört: Er ist nicht mehr hier, denn er wurde gerufen.« Er entsann sich des Respektes, den er dem Wissenschaftler schuldig war. »Verzeih', aber ich wollte nicht zudringlich werden …« »Bleiben wir dabei«, hauchte Toschmol fasziniert von der Tatsache, eine Botschaft von Klinsanthor erhalten zu haben – wenn auch nicht direkt von ihm, sondern von einem Beauftragten. »Du warst ein guter Freund auf dieser Reise, die nun zu Ende ist. Ja, sie ist zu Ende, denn der Magnortöter hat den Ruf schon vernommen, bevor wir ihn finden konnten. Aber er kann ihn' nur durch uns vernommen haben. Unser Auftrag ist erfüllt. Wir können umkehren.« Arkanol ließ sich mit einem Seufzer ne-
Clark Darlton ben Karon nieder. »So, wir dürfen also umkehren, meinst du? Und wie stellst du dir das vor?« »Darüber denke ich noch nicht nach. Vielmehr zerbreche ich mir den Kopf, wo Klinsanthor jetzt schon sein mag. Wie konnte er diese Welt verlassen? Wir haben kein anderes Raumschiff geortet …« »Wer sagt dir, daß er die Skärgoth mit einem Schiff verlassen hat?« »Wie sonst?« »Ein Klinsanthor benötigt kein Raumschiff, Toschmol. Darüber bin ich mir nun klar, nach allem, was geschehen ist. Der Magnortöter kann hier sein und im nächsten Augenblick auf Arkon. Unsere Mission war von Anfang an überflüssig. Orbanaschol hätte sich die Mühe sparen können – und die Opfer.« Toschmol antwortete nicht sofort. Er sann vor sich hin, und seiner Miene war anzusehen, daß er in gleichem Maße zufrieden und unzufrieden war. Sein Ziel hatte er zwar erreicht, Klinsanthor aber nicht mehr angetroffen. Vieles war umsonst gewesen, aber er hatte recht behalten. Klinsanthor war nicht nur eine Legende, sondern eine Realität. »Es kann aber auch möglich sein«, unterbrach Arkanol abermals die Überlegungen Toschmols, »daß allein der Wunsch des Imperators genügte, den Magnortöter aktiv werden zu lassen. Frage mich nicht nach einer Erklärung, ich weiß keine. Aber ich halte es durchaus für möglich, daß Klinsanthor noch vor uns auf Arkon eintrifft.« Zum ersten Mal ergriff nun wieder Karon das Wort: »Oder er ist bereits dort«, sagte er gepreßt. Toschmol und Arkanol starrten ihn wortlos an.
* Rings um die in der Schlucht liegende VALKARON riß die Erde auf. Es entstanden zahlreiche neue Spalten und Erhebungen, und dann zeigte es sich, daß alle Verän-
Die Gruft des Magnortöters derungen der Oberfläche vor dem Schiff haltmachten. Es lag also relativ sicher und wurde vorerst nicht gefährdet. Die Erschütterungen jedoch waren selbst in der abgesicherten Kommandozentrale zu spüren. Parentok versuchte vergeblich, den Bildschirm zu aktivieren. »Ich gehe hinaus und sehe nach«, erbot sich Swann schließlich. »Die Schmerzen haben nachgelassen. Wir müssen wissen, was draußen geschieht. Außerdem ist niemand da, Toschmol hereinzulassen, falls er zurückkommen sollte.« Parentok erklärte sich nur zögernd mit dem Vorschlag einverstanden und gab zu bedenken, daß Swann rettungslos verloren war, wenn die erwartete Energie plötzlich wieder vorhanden war und das Schiff startete. »Das muß ich riskieren«, gab Swann zurück. »Aber wir müssen auch wissen, was draußen geschieht.« Seinen Impulsstrahler schußbereit in der Hand, verließ er die Kommandozentrale und trat auf den Korridor. Er konnte niemanden entdecken. Wahrscheinlich lagen alle Leute auf ihren Betten und warteten auf den versprochenen Start. Das erleichterte seine Aufgabe. Unangefochten erreichte er die Luftschleuse und Ausstiegsluke, die er von innen manuell öffnete. Ihm bot sich ein phantastischer Anblick. Die Landschaft bewegte sich wie ein riesiges Tier, das bis eben noch geschlafen hatte und nun erwachte. Swann glaubte am Ufer eines weiten Ozeans zu stehen, dessen Wogen herangerollt kamen und kurz vor der Schlucht, über deren Rand er gerade hinwegsehen konnte, plötzlich erstarrten. Sie kamen von allen Seiten und kreisten das Schiff förmlich ein, aber sie beschädigten es nicht. Es war überflüssig, die VALKARON zu verlassen, es genügte, wenn er in der geöffneten Luke stand, um das Wunder zu beobachten. Drüben bei den Höhleneingängen brach das Gebirge zusammen. Toschmols
43 Rückzugsmöglichkeit war damit endgültig abgeschnitten. Wenn es doch wenigstens eine Kontaktmöglichkeit gäbe! Vielleicht war aber auch nur der Sender im Schiff zu schwach, weil er nicht genügend Energie erhielt. Die Reichweite und Empfangsstärke eines kleineren Geräts würde mit gleicher Energiemenge wahrscheinlich größer sein. Das war ein Gedanke, der Swann elektrisierte. Er schloß die Luke und kehrte in die Kommandozentrale zurück, wo er hastig seinen Kampfanzug anlegte, während er den anderen seinen Plan mitteilte. Er fügte hinzu: »Außerdem schirmen die Felsen ab, reflektieren jedoch auch die Funkimpulse. Ich werde mich auf den Pol der VALKARON stellen und senden. Vielleicht sind Toschmol und seine Gruppe oder auch Vanthor und Tarnar längst nicht mehr im Tal, sondern oben in den Bergen. Dann müßten sie meine Sendung empfangen.« »Denken Sie an den programmierten Notstart«, mahnte Parentok. »Wir könnten zwar die Programmierung aufheben und …« »Kommt nicht in Frage!« protestierte Swann selbst. »Um mich ist es kaum schade, ich fühle mich schon als halbe Leiche.« Wenig später kletterte er mühsam aus der Schleuse und kroch dann an der Hülle des Schiffes empor, bis er den höchsten Punkt der Kugel erreichte. Von hier aus konnte er die seltsamen Wellenbewegungen des Talbodens noch besser beobachten. Von dem Randgebirge waren Felslawinen abgegangen, die nun sämtliche Höhleneingänge restlos verschüttet hatten. Dann setzte er den Sender in Betrieb und rief die Vermißten. Er holte soviel Energie aus dem kleinen Reaktor, wie eben möglich, wiederholte die Sendung mehrere Male und ging dann auf Empfang. Eine Weile lauschte er, aber das Gerät und der Kopfhörer blieben stumm. Doch so schnell gab Swann nicht auf. Um trotz seiner Sendungen nichts zu versäumen und auf
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Empfang bleiben zu können, kehrte er noch einmal in die Luftschleuse zurück, wo andere Kampfanzüge bereit hingen, nahm einen von ihnen mit auf seinen luftigen Aussichtsplatz und schaltete dessen Telekom auf Dauerempfang. Mit seinem eigenen Gerät sendete er nun ununterbrochen. Nach einer Stunde etwa glaubte er, im Kopfhörer eine Stimme zu vernehmen, allerdings sehr leise und undeutlich. Es war nicht zu verstehen, was sie sagte. Aufgeregt funkte er zurück und bat um Wiederholung. Dann lauschte er abermals. Diesmal konnte er Toschmols Stimme ohne Zweifel erkennen. Sie berichtete in aller Hast, was geschehen war und noch geschah. Eine Stunde fast lauschte Swann, dann war er informiert. Als er dann das Gerät abschaltete und schwerfällig ins Schiff zurückkehrte, wirkte sein Gesicht wie versteinert. Nur der zunehmende Schmerz in allen Gliedern und Organen der rechten Körperhälfte ließen es manchmal zusammenzucken. Er wußte, daß niemand wieder die Stimme Toschmols hören würde, aber auch nicht die von Arkanol, Karon, Vanthor und Tarnar. Doch als er endlich die Kommandozentrale erreichte und Parentok schnell die Tür hinter ihm schloß und seine erste Frage stellte, sagte er nur: »Die Energie für den Notstart wird bald eintreffen. Wir werden die Skärgoth verlassen dürfen.« »Und Toschmol und die anderen?« fragte Zeranal. Swann setzte sich. »Ich werde es euch erzählen …«
* Die drei Arkoniden verließen den Dom auf dem gleichen Weg, auf dem sie ihn erreicht hatten. Nichts hatte sich in den Korridoren geändert, und sie kamen gut voran, bis sie endlich den Ausgang erreichten und wie-
der vor dem gläsernen Wald standen. Toschmol hielt an. Angestrengt sah er hinüber zu den halbtransparenten Gebilden, in denen sich undeutlich die seltsamen Schatten hin und her bewegten. »Wir müssen durch!« sagte Arkanol entschlossen. »Es gibt keine andere Möglichkeit, oder, wir finden niemals zurück.« »Ich bleibe hier«, teilte ihnen Karon mit. »Ich gehe nicht mehr weiter.« Die beiden anderen starrten ihn verblüfft an. Es war das erste Mal, daß der Physiker Anzeichen einer beginnenden geistigen Verwirrung zeigte. Vielleicht war nur seine körperliche Erschöpfung daran schuld. Toschmol versuchte ihn umzustimmen: »Sei vernünftig, Karon. Gemeinsam haben wir es geschafft, die Gruft Klinsanthors zu finden, und wenn wir. weiter zusammenhalten, finden wir auch die VALKARON wieder. Wir durchqueren jetzt den gläsernen Wald und riihen uns dann ein paar Stunden aus.« »Dieser Wald hat Tarnar getötet, ich aber will leben.« Arkanol packte Karons Arm. »Rede keinen Unsinn! Meinst du vielleicht, hier würdest du überleben? Der Wald hat uns vorher nichts getan, er wird uns auch diesmal ungehindert durchlassen. Nun komm schon!« Der Physiker schüttelte die Hand ab. »Geht nur! Hört ihr denn die Stimmen nicht, die uns warnen? Seid ihr taub und blind? Ich bin es, aber nur rechts. Ich will nicht völlig blind, taub und gelähmt sein. Ich bleibe hier!« Toschmol hatte das feine Wispern schon längst vernommen. Es war in seinem Bewußtsein. Aber noch ehe er jetzt etwas sagen konnte, sah er mit dem linken Auge wieder die transparente Qualle über den gläsernen Bäumen schweben und sich nähern. Nur ein Dutzend Schritte vor ihnen landete sie sanft auf dem felsigen Grund, obwohl dort keines der baumartigen Gebilde stand. Wieder entstand der schillernde Schirm in Form einer Pilzkappe.
Die Gruft des Magnortöters Das Gesicht darauf, verzerrt und schmerzerfüllt, gehörte Vanthor. »Ich muß euch etwas mitteilen«, sagte er ohne Stimme, doch seine Gedanken drangen deutlich in die Gehirne der drei Arkoniden. »Ich folge Tarnar, denn unsere Energie ist die Energie Klinsanthors. Hört meine Botschaft: Ihr werdet Funkkontakt mit der VALKARON aufnehmen und berichten, was geschehen ist. Dazu bleibt euch eine Stunde Zeit – nutzt sie.« Toschmol faßte sich als erster. »Wir sind tief unter der Oberfläche, wie sollten unsere Funkimpulse bis zum Schiff dringen?« Und Vanthor – oder das, was von ihm geblieben war – erwiderte: »Meine Energie ist dazu ausersehen, eure Worte zur VALKARON zu tragen. Die eure wird für einen anderen Zweck benötigt. In einer Stunde …« Sein Gesicht verschwamm und vermischte sich mit den anderen Farben des Schirmes, der wieder zu der Qualle wurde. »Warte noch, Vanthor!« rief Toschmol, aber er wußte, daß es zwecklos war. »Was meinst du damit: Unsere Energie wird benötigt …? Soll das heißen, daß auch wir …?« Er verstummte, denn er begriff plötzlich. Arkanol zog grimmig seinen Strahler. »Energie! Wir haben auch Energie! Mehr als genug!« Er zielte auf die davonschwebende Qualle, den Wächter des gläsernen Geisterwaldes, und feuerte. Die Energiebündel flossen von den Rundungen des Gebildes ab und verschwanden wirkungslos im Felsboden. Es schien, als würden sie einfach von ihm verschluckt. Die Qualle stieg höher und blieb stationär, hoch über den Köpfen der Arkoniden, schweben. Sie wirkte jetzt wie eine Relaisstation. Und genau das sollte sie auch sein. Seltsamerweise war es Karon, der darauf kam. Er schien sich mit seinem ungewissen Schicksal abgefunden zu haben. »Wir müssen den Telekom einschalten und senden«, sagte er und ging mit gutem
45 Beispiel voran. Toschmol hingegen ging auf Empfang, und nach einigem Suchen hörte er Swanns Stimme. Wenig später war der Kontakt hergestellt.
* »Ich verstehe das alles nicht«, sagte Parentok, als Swann seinen Bericht beendet hatte. »Der Funkkontakt kam nur zustande, weil Vanthor die Energie dazu lieferte? Wie ist das zu verstehen?« »Ein Techniker sollte das wissen, Parentok. Zumindest sollte er die Wahrheit ahnen können. Vanthor und Tarnar verwandelten sich in Energie, so wie umgekehrt Klinsanthor Energie in Materie umwandeln konnte. Es geschah nicht sporadisch und in Form eines Energieausbruchs, sondern kontrolliert und programmiert. Zu erklären ist das alles nicht, aber wir müssen versuchen, es trotzdem zu verstehen.« Zeranal sagte von ihrem Sessel her: »Und was ist nun mit Toschmol und seinen Begleitern geschehen? Sie haben da etwas angedeutet …« »Auch ihre Energie wird benötigt – wozu, das weiß ich nicht.« »Aber ich weiß es!« Zortain legte ihre Hand auf Swanns Schulter. Sie stand hinter ihm, er saß im Sessel. »Eine Stunde, sagtest du? Die eine Stunde ist vorbei – wenigstens in einigen Minuten. Wenn ich alles richtig verstanden habe, ist unsere Mission beendet, denn Klinsanthor ist dem Ruf gefolgt. Es besteht kein Grund mehr für ihn, uns hier festzuhalten. Die Energie von Toschmol, Arkanol und Käron wird dazu benötigt, das Sperrfeld aufzulösen, das die VALKARON hier festhält.« Parentok sah sie erstaunt an, dann wandte er sich unwillkürlich den Kontrollen zu. Nichts hatte sich bei den Instrumentenanzeigern verändert. Das Notaggregat lieferte eine Mindestmenge von Energie, wie seit Stunden und Tagen. »Vielleicht hast du recht«, meinte Swann
46 mit neuer Hoffnung. »Dann werden wir die Skärgoth verlassen können, und zwar für immer.« Zortain gab keine Antwort. Sie starrte plötzlich in Richtung der Tür, die hinaus auf den Korridor führte. Die anderen folgten ihrem Blick, und was sie sahen, war nicht erfreulich. Mitten auf der metallenen Fläche entstand ein dunkelroter Fleck, rund und sich langsam vergrößernd. Parentok riß seinen Strahler aus dem Gürtel. »Sie versuchen, mit Gewalt hier einzudringen! Sie müssen verrückt geworden sein!« Schmerzhaft verzog er sein Gesicht. »Au, verdammt! Es wird immer schlimmer!« »Darum kommen sie ja«, meinte Swann, der sich am meisten beherrschte. »Wie wollen wir sie zur Vernunft bringen? Wir können keinen Mann mehr entbehren – und auch keine Frau. Wenn Zortains Theorie stimmt, und ich halte das für wahrscheinlich, kann der Start jeden Augenblick erfolgen.« Die erste Schmelzstelle brach durch. Die noch flüssigen Metalltropfen fielen auf den Kunststoffboden und zerspritzten. Zeranal hielt sich schützend die Hände vors Gesicht. »Treibt sie zurück!« forderte sie die Männer auf. Swann nickte grimmig. Er stellte sich trotz der Hitze dicht neben die Tür und rief: »Wartet, Männer! Der Start steht kurz bevor! Es ist ein Notstart, und ihr seid in größter Gefahr, wenn ihr bei der unmittelbar danach erfolgenden Transition nicht in den Betten liegt. Geht in die Kabinen!« Dumpf kam eine Stimme zurück: »Wir haben es satt mit euren Versprechungen! Wir werden euch ausräuchern und das Kommando übernehmen. Öffnet freiwillig, dann geschieht euch nichts!« Parentok richtete seine Waffe auf das immer größer herausschmilzende Loch. »Verschwindet, oder wir eröffnen das Feuer!« brüllte er voller Wut. »Klinsanthor
Clark Darlton hat uns ausrichten lassen, daß wir starten dürfen, sobald die Energie zurückkehrt. Das kann jede Sekunde passieren.« »Ihr lügt alle!« Die Stimme blieb unidentif izierbar. »Ihr lügt, und darum müßt ihr sterben!« Parentok sprang aus seinem Sessel und rannte zur Tür. Neben Swann ließ er sich zu Boden fallen, den Strahler schußbereit. Er rief den beiden Arkonidinnen zu: »Bleibt in den Sesseln! Entspannt euch! Kümmert euch nicht um das, was hier geschieht. Wir versuchen, sie aufzuhalten.« Auch Swann hatte sich hingelegt. Der Boden war hart, aber er schützte vor dem plötzlichen Andruck des Notstarts. Die Antigravfelder schalteten sich erst Sekundenbruchteile später ein. Hinzu kam der Entzerrungsschock bei der Transition. Es war besser, zu liegen. Als die Warnlampe aufleuchtete, rief Swann den Männern auf dem Korridor noch eine Warnung zu, denn es blieben noch genau fünf Sekunden Zeit bis zum eigentlichen Start. Höhnisches Gelächter antwortete ihm. Er achtete nicht mehr darauf, sondern vergrub sein Gesicht in den Armen. Und dann war es so, als habe sein Körper die ganze Last des Universums zu tragen …
7. Es kam selten vor, daß Admiral For selbst das Kommando über einen Flotteneinsatz übernahm. Meist leitete er ein solches Unternehmen vom Schreibtisch aus – wobei diese Bezeichnung irreführend ist. Der »Schreibtisch« bestand aus einem Kontrollpult mit Dutzenden von Nachrichtengeräten, Hyperfunkverbindungen, Bildschirmen und einer direkten Leitung zum Imperator. Kommandant des Achthundert-Meter-Schlachtschiffs war Rentar, ein verdienter Offizier, der sich auch durch die Anwesenheit seines Admirals nicht aus der Ruhe bringen ließ. Der eigentliche Auftrag war ihm nicht bekannt, und es wäre absolut sinnlos gewesen,
Die Gruft des Magnortöters den Admiral danach zu fragen. Man flog bestimmte Sektoren innerhalb des Großen Imperiums ab und näherte sich allmählich den Randbezirken. In der Funkzentrale der PERONKOLA herrschte Hochbetrieb. Der Admiral hatte ständige Funküberwachung angeordnet, wobei er nicht durchblicken ließ, worauf er eigentlich wartete. Der Befehl an die Besatzung der Funkzentrale besagte lediglich, daß alle eintreffenden Meldungen zu speichern und ihm in geraffter Kurzform zugänglich gemacht werden soll ten. Das war alles. Es genügte immerhin, an Bord der PERONKOLA eine gespannte Atmosphäre entstehen zu lassen, die mit einer gewissen Unsicherheit verbunden war. Man handele im direkten Auftrag des Imperators, hieß, es in zahllosen Gerüchten immer wieder, die die Runde machten. Auftrag oder nicht Auftrag, jedenfalls passierte vorerst nichts. Einige unbekannte Systeme wurden angeflogen und inspiziert, ohne jeden Erfolg. Die aufgefangenen Funksprüche waren belanglos. Als sie vier Wochen unterwegs waren, breitete sich an Bord des Schiffes so etwas wie Langeweile aus. Es wurden Hunderte von Sendungen aufgefangen, die von anderen Schiffen stammten, die oft tausend Lichtjahre entfernt operierten. Aber keine einzige dieser Sendungen schien das zu sein, auf das Admiral For wartete. Nach vier Wochen war auch Rentar soweit, seine Geduld zu verlieren und seine Scheu dem Vorgesetzten gegenüber zu unterdrücken. Er hatte den Wachdienst in der Kommandozentrale übernommen und seinen Ersten Offizier in die Kabine geschickt. Auf dem Panoramaschirm war das übliche Bild: vereinzelte Sonnen in unterschiedlichen Entfernungen, dazwischen die schwarze, lichtlose Leere des Raumes. Rentar schrak zusammen, als die Tür sich öffnete und Admiral For ohne Anmeldung in die Zentrale trat. Er wollte aufspringen, aber
47 For winkte ab. »Behalten Sie Platz, Kommandant. Ich kann nicht schlafen, darum bin ich hier. Also außerdienstlich, wenn Sie so wollen.« Er setzte sich in einen der Kontursessel. Stumm und fast ohne sichtbares Interesse sah er die inzwischen eingetroffenen Funkmeldungen durch und schob sie dann wieder beiseite. Dann lehnte er sich zurück und betrachtete den Bildschirm. Rentar nahm seinen ganzen Mut zusammen. »Wieder nichts dabei, Admiral?« fragte er in einem Tonfall, als wisse er ganz genau, worauf For warte. Der Admiral nahm den Blick nicht vom Schirm. »Nichts, Kommandant. Ich beginne allmählich zu glauben, daß nie etwas dabei sein wird. Wir suchen im falschen Sektor, aber mit uns suchen mehrere hundert Schiffe, jedes in einem anderen Sektor. Warum sollten gerade wir das Glück haben …?« »Was suchen wir?« Der Admiral sah ihn sekundenlang prüfend an, dann nickte er. »Ich hätte es Ihnen schon viel früher sagen sollen, aber der Imperator ordnete strengste Geheimhaltung an. Ich glaube es verantworten zu können, wenn ich Ihnen die Natur unseres Auftrags verrate. Wir warten auf eine Botschaft, die Klinsanthor betrifft.« Rentar starrte ihn verblüfft an. »Klinsanthor – der Magnortöter?« »Genau der! Es sind zahlreiche Expeditionen unterwegs, ihn zu suchen – wir übrigens auch. Das Imperium befinde sich in großer Gefahr, heißt es am Hofe des Imperators. Nur Klinsanthor könne helfen, heißt es weiter. Darum wird er gesucht.« Rentar erholte sich nur allmählich von seiner Überraschung. »Aber Klinsanthor – das ist doch alles nur eine uralte Legende. Es gibt diesen sagenhaften Magnortöter doch überhaupt nicht! Wie kann man etwas finden, das es nicht gibt?« Der Admiral zuckte die Schultern.
48 »Keine Ahnung, aber Befehl ist Befehl! Wir werden solange suchen, bis wir etwas gefunden haben – oder bis wir zurückbeordert werden. Das kann noch Wochen oder Monate dauern.« Rentars Gesicht verriet nur wenig Begeisterung bei der Aussicht, Monate ziellos in den unbekannten Randregionen des Imperiums herumzustreifen. Er wußte, daß seine Leute mal wieder festen Boden unter den Füßen spüren wollten und begierig waren, eine Stadt mit Vergnügungsvierteln zu sehen. Die Disziplin an Bord eines Schlachtschiffs war streng, sie wurde nur dann gelockert, wenn der Flug durch eine Landung unterbrochen wurde. »Sie sehen nicht gerade glücklich aus, Rentar.« »Bin ich auch nicht, wenn ich ehrlich sein darf. Ich habe nichts gegen Aufträge, die ein reales Ziel besitzen und Aussicht auf Erfolg versprechen. Aber Klinsanthor …? Nein, ich fürchte, wir vergeuden unsere Zeit.« »Zu dieser Überzeugung bin ich inzwischen auch gekommen, aber ich würde meine Machtbefugnisse überschreiten, gäbe ich jetzt den Befehl zum Rückflug. Versuchen wir doch, es anders zu sehen: Wir durchstreifen unbekannte Regionen unserer Galaxis und haben die Möglichkeit, fremde Welten zu entdecken und vielleicht sogar Kontakt mit einer anderen Intelligenz aufzunehmen. Wird unsere Aufgabe durch solche Aspekte nicht ein wenig interessanter?« »Wenn Sie es so sehen, Admiral, allerdings. Dazu wäre es aber auch notwendig, nicht nur an den fremden Systemen vorbeizufliegen, sondern in sie einzudringen und auf den entsprechenden Planeten zu landen.« »Dazu haben wir keinen Auftrag. Eine Landung ist nur dann befohlen, wenn ein Hinweis auf die Anwesenheit Klinsanthors vorhanden ist.« »Also nie!« meinte Rentar enttäuscht. »Seien Sie nicht so pessimistisch«, wies der Admiral ihn zurecht. »Sie stecken mich sonst noch mit Ihrer Mutlosigkeit an.« Eine Weile schwiegen sie, weil es nichts
Clark Darlton mehr zu sagen gab. Die Funkzentrale war nicht besetzt, alle eintreffenden Meldungen wurden automatisch aufgenommen und gespeichert. Sie konnten jederzeit abgerufen werden. Admiral For schien sich gerade in diesem Augenblick daran zu erinnern, denn er nickte Rentar zu, stand auf und ging nach nebenan. Der Kommandant hörte ihn an den Kontrollen der Speicherregistratur manipulieren, dann wurde es still. Er wußte, daß der Admiral nun die aufgefangenen Funksendungen überprüfte, eine nach der anderen und mit der ihm eigenen Sorgfalt, die an Pedanterie erinnerte. Rentar sah wieder auf den Bildschirm. Die PERONKOLA flog mit Unterlichtgeschwindigkeit nahe an einem Sonnensystem vorbei, das auf den Karten zwar verzeichnet, jedoch als unbewohnt registriert wurde. Es war damit genauso uninteressant wie alles, was sie in den vergangenen Wochen gesehen beziehungsweise nicht gesehen hatten. Er blickte kaum auf, als Admiral For in die Kommandozentrale zurückkam und sich wieder setzte. In der Hand hielt er einen Zettel – ein Stück Plastikfolie, das aus dem Speicher stammte. Er legte ihn vor sich auf das Kontrollpult, las ihn noch einmal durch und runzelte voller Befremden die Stirn. Rentar fragte: »Eine Meldung, Admiral?« »Eine von vielen, aber der Absender kann nicht normal sein. Ein wirres Durcheinander ohne jeden Sinn. Ein Ruf um Hilfe jedenfalls, aber ohne Angabe der Koordinaten. Lassen sich Richtung und Entfernung feststellen?« »Wenn der Spruch bereits gespeichert wurde, ist das schwierig. Die Orter sind nur dann wirksam, wenn man sie während des Empfangens einsetzt. Vielleicht melden sich die Leute noch einmal.« Der Admiral schob dem Kommandanten den Zettel zu. »Lesen Sie selbst. Und dann sagen Sie mir, ob Sie glauben, daß die Leute sich noch einmal melden werden.«
Die Gruft des Magnortöters Rentar nahm den Zettel und las: »… immer nur Energiefelder und Lava, silberne Glasflächen und riesige Höhlen … Die Welt des Magnortöters ließ uns frei … Wir brauchen Hilfe, sonst sterben wir alle. Die VALKARON wird unser Sarg …« Rentar starrte auf den Zettel. Immer wieder sprang ihm nur das Wort »Magnortöter« in die Augen. »Sie haben Klinsanthor gefunden«, sagte er schließlich. Der Admiral nickte. »So sieht es aus, und darum müssen wir sie finden. Lassen Sie sofort die Funkzentrale besetzen und die Orter in Betrieb nehmen. Jede Funkmeldung muß ab sofort angepeilt werden, ob sie mit diesem Notruf in Verbindung steht oder nicht.« Er nahm den Zettel und erhob sich. »Sie wissen nun, worum es geht, Kommandant. Rufen Sie mich über Interkom, wenn Sie etwas auffangen?« Rentar alarmierte die einzelnen Teams und beorderte sie in die Zentrale. Mit kurzen Worten klärte er sie auf, und zu seiner Verwunderung hob sich sofort die Stimmung der Männer. Endlich wußten sie, worum es ging, und wenn auch niemand an die Existenz des Magnortöters so recht glauben wollte, so hatten sie doch das Gefühl, für eine wichtige Aufgabe ausersehen zu sein. Funk- und Orterzentrale arbeiteten Hand in Hand. Rentar blieb in der Kommandozentrale, vor sich die Sternkarten des Sektors, in dem sich die PERONKOLA aufhielt. Als die ersten Funksprüche aufgefangen wurden, bewährte sich das System der schnellen Ausarbeitung. Der Standort der betreffenden Schiffe war in wenigen Minuten ausgemacht und konnte anhand der Karten bestimmt werden. Aber es war keine Meldung von der VALKARON dabei. Die traf erst einige Stunden später ein.
* Admiral For hatte sich hingelegt und war eingeschlafen, obwohl er innerlich sehr er-
49 regt war und eine nie gekannte Unruhe verspürte. Vom ersten Tag seiner Mission an war er davon überzeugt gewesen, einem Phantom nachjagen zu müssen, aber er hätte es niemals gewagt, dem Imperator zu widersprechen. Wenn der an den Magnortöter glaubte, so war das seine Sache. For verließ sich lieber auf die Schlagkraft der arkonidischen Flotte als auf eine Sagenfigur. Doch nun mußte er seine Meinung ändern, auch wenn der aufgefangene Notruf keinen vernünftigen Sinn ergab. In ihm wurde Klinsanthor erwähnt, zumindest aber die Welt, auf der er lebte. Das war eine Spur, die er finden mußte. Denn es war eine Spur, die zu Reichtum und Ruhm führte. Als der Interkom summte, war er sofort hellwach. Vom Bett aus schaltete er das Gerät ein. Kommandant Rentars Gesicht erschien auf dem kleinen Bildschirm. »Eine zweite Meldung von der VALKARON, Admiral. Wir haben den Standort des Schiffes bestimmen können. Zwei Transitionen werden genügen …« »Wie lautet die Meldung?« »Sie ist fast identisch mit der ersten, nur wird der Name des Planeten erwähnt, auf dem der Magnortöter leben soll. Skärgoth. Noch nie in meinem Leben gehört …« »Aber ich!« Admiral For sprang aus dem Bett. »Ich komme!« Er nahm den Zettel und las ihn durch. Rentar zeigte ihm die Position der beiden Schiffe auf der Karte. For ließ eine Hyperkom-Verbindung mit Arkon herstellen und einige verschlüsselte Fragen senden. Er brauchte nicht lange auf die ebenfalls in Kode verfaßten Antworten zu warten. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, als Rentar ihn voller Spannung ansah. »Ja, Kommandant, wir sind auf der richtigen Spur. Die VALKARON muß das Beiboot der PROTALKH sein, die zu den Spezialschiffen gehört, die mit dem Auftrag ausgeschickt wurden, direkten Kontakt mit Klinsanthor aufzunehmen. An Bord befindet sich der Wissenschaftler Lenth Toschmol,
50 der angeblich genaue Unterlagen über den Aufenthaltsort des Magnortöters besitzen soll. Er scheint Erfolg gehabt zu haben, aber dann muß etwas Unerwartetes passiert sein.« Von der Navigation her wurde bekanntgegeben, daß die erste Transition programmiert sei. Der Admiral befahl die Durchführung und blieb in der Zentrale. »Sie meinen, Admiral, die Besatzung der VALKARON habe den Verstand verloren?« »Nicht unbedingt, aber sie befindet sich zumindest in Schwierigkeiten. Mir geht es um Toschmol. Ihn müssen wir retten!« Rentar sagte nichts darauf. Er war mit seinen eigenen Gedanken und Spekulationen beschäftigt, während die PERONKOLA in Transition ging und einige Dutzend Lichtjahre zurücklegte. Nach der Rematerialisation wurde der zweite Hypersprung programmiert, was einige Zeit in Anspruch nahm. In dieser Pause wurde der dritte Funkspruch der VALKARON aufgefangen. Er lautete: »… immer schlimmere Schmerzen und mehr Linksdrall. Bewegen uns nur noch im Kreis. Die Skärgoth läßt uns nicht mehr los. Position unbekannt. Helft uns! Klinsanthor ist …« Der Admiral sah Rentar fragend an und gab ihm den Zettel zurück. »Klinsanthor ist … was ist mit Klinsanthor?« »Die Meldung kam verstümmelt hier an, Admiral. Sie ist nicht vollständig.« Wenig später erfolgte die zweite Transition, diesmal fast im rechten Winkel zum bisherigen Kurs. Der Umweg war notwendig, weil die Sternkarte energetische Felder und Gravitationsstörungen in diesem Bereich des Randgebiets verzeichnete. Vielleicht war die VALKARON in einen magnetischen Sturm geraten. Die PERONKOLA rematerialisierte in einer sternenarmen Zone. Die Orter begannen sofort mit ihrer Arbeit und suchten den errechneten Sektor systematisch ab, aber die erwarteten Echos auf den Schirmen blieben aus. Entweder hatte die VALKARON in der Zwischenzeit eine Transition vorgenommen,
Clark Darlton oder das Schiff existierte nicht mehr. Eine fieberhafte Suchaktion begann. Ununterbrochen jagten die Funker eine Positionsmeldung nach der anderen durch die Antennen des Hyperkoms und riefen die VALKARON. Es erfolgte keine Antwort. Die Fernortung meldete ungewöhnlich starke Energiefelder in Richtung einer roten Sonne, die mehrere Lichtjahre entfernt war. Auf den Karten war sie mit einem Warnzeichen versehen. Endlich, nach Stunden, traf wieder eine Nachricht ein. Sie stammte von einem Techniker, mit Namen Parentok und besagte, daß die gesamte Mannschaft der VALKARON dienstuntauglich sei und dringend ärztlicher Hilfe bedürfe. Die PROTALKH selbst sei mit dem Großteil der Besatzung verlorengegangen. Nur das Beiboot habe sich retten können. Die PERONKOLA nahm erneut Fahrt auf, nachdem eine Peilung vorgenommen worden war. Als der Entzerrungsschmerz nachließ, wurde der Panoramaschirm justiert. Die Berechnung waren genau gewesen. Der kleine Kugelraumer stand nur wenige Lichtsekunden entfernt bewegungslos im Raum.
* Parentok antwortete nach einigen vergeblichen Funkanrufen. »Rechte Seite völlig gelähmt, kann mich nicht mehr bewegen und die Luke öffnen. Automatik versagt. Wir dürfen die Zentrale nicht verlassen. An Bord fand eine Meuterei statt. Die Zahl der Überlebenden ist unbekannt. Kommen Sie zu uns und helfen Sie uns!« Admiral For ließ Rentar ein Enterkommando zusammenstellen. Schwerbewaffnet verließen zehn Männer die PERONKOLA, als diese sich der VALKARON bis auf wenige hundert Meter genähert hatte. In ihren Kampfanzügen schwebten sie hinüber zu dem anderen Schiff und öffneten dann ge-
Die Gruft des Magnortöters waltsam die verklemmte Luke. Schon in der Schleuse fanden sie zwei Überlebende, die sich jedoch nicht rühren konnten und auf Fragen keine Antwort gaben. Überall in den Gängen, Korridoren und Kabinen lagen gelähmte Männer und Frauen. Vor der Tür zur Kommandozentrale waren drei bewaffnete Arkoniden gestorben. Die Verletzungen ließen erkennen, daß ein plötzlicher Andruck sie getötet hatte. In der Zentraletür waren rundes Schmelzloch. Parentok betätigte den Öffnungsmechanismus und ließ die Retter hereinkommen. Bei ihm waren der bärtige Swann, Zeranal und Zortain. Es dauerte einige Stunden, bis die insgesamt sechzehn Überlebenden an Bord der PERONKOLA geschafft waren und behandelt werden konnten. Parentok war der einzige, der noch verständlich sprechen konnte, bei allen anderen war die Lähmung so weit fortgeschritten, daß sie ihren Mund nicht mehr bewegen konnten. Admiral For erfuhr zu seiner Enttäuschung, daß auch Toschmol nicht mehr lebte. Aber dann tröstete er sich mit der Tatsache, daß die PROTALKH die sagenhafte Gruft Klinsanthor gefunden hatte, wenn auch durch Opfer, die in keinem Verhältnis zum Erfolg der Mission standen. Während Rentar den Kurs nach Arkon programmieren und die erste Transition vorbereiten ließ, wich Admiral For nicht von der Seite Parentoks. Immer wieder stellte er seine gezielten Fragen, bis er alles wußte, was auch der Halbgelähmte noch in Erinnerung behalten hatte. Besonders interessant war natürlich Toschmols letzter Bericht, bevor er sich mit seinen beiden Begleitern in Energie auflöste. Erst dann, als Perentok vor Erschöpfung das Bewußtsein verlor, verließ For die Krankenstation und begab sich in seine Kabine, um seinen Bericht zu verfassen. Schon morgen würde er Orbanaschol gegenübertreten und ihm die Erfolgsmeldung überbringen.
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* Der Imperator beachtete den auf einer Bahre liegenden Parentok kaum. Auch die Tatsache, daß Hunderte von Arkoniden bei dem Versuch, Klinsanthor zu finden, umgekommen waren, schien ihn nicht zu berühren. Orbanaschol III. Diktator über das Sternenreich der Arkoniden, stand breitbeinig hinter seinem wuchtigen Tisch, die Daumen in den breiten und mit Juwelen geschmückten Gürtel geschoben. Er sah Admiral For an, der seinen Bericht vorlas. Als er damit fertig war, setzte sich der Imperator. »Also wurde die Welt des Magnortöters gefunden – sehr gut. Die Legenden sind also wahr – auch gut. Ich werde den Archivar Konph El Trajn davon in Kenntnis setzen.« Er hatte eine unangenehm hohe Stimme, die eine gewisse Unsicherheit verriet. »Was ist mit dem da?« Er deutete auf Parentok, der nicht begriff, was um ihn herum geschah. »Ist das dieser Parentok?« »Er ist es. Erhabener. Außer ihm gibt es keinen lebendigen Zeugen der Geschehnisse mehr, der noch zurechnungsfähig wäre. Es handelt sich wahrscheinlich um eine energetische Zerfallserscheinung, die mit rechtsseitiger Lähmung beginnt und dann …« »Er hat seinen Herrscher nicht einmal begrüßt!« fistelte Orbanaschol wütend. »Ich fürchte, er hat Euch nicht erkannt, Erhabener. Er wird bald sterben, denn die Ärzte kennen kein Mittel zur Heilung. Aber bevor er stumm wurde, hat er mir alles berichtet. Ihr braucht Euch nicht mehr um ihn zu kümmern. Ihr solltet ihn nur sehen, darum ist er hier.« »Na schön, dann soll man ihn wieder fortbringen. Ich will ihn nicht mehr sehen.« Als sich die Tür wieder geschlossen hatte, sah Orbanaschol seine um ihn herum versammelten Ratgeber an. »Nun, was sagt ihr dazu? Die Gruft des Magnortöters wurde von Toschmol gefun-
52 den. Wie schade, daß auch er tot ist, ich hätte ihn gern für seinen Mut belohnt. Aber sprecht endlich, ich warte.« Einer der Arkoniden in reich besticktem Gewand trat einen Schritt vor. Seine Haltung war demütig und voller Respeckt – oder auch Furcht. »Die Welt Skärgoth wurde zwar gefunden, Erhabener, aber nicht Klinsanthor. Er hatte die Gruft bereits verlassen.« »Das weiß ich auch, Dummkopf!« fuhr ihn der Imperator zornig an. »Aber wo ist er jetzt?« Admiral For kam einem anderen arkonidischen Edelmann zuvor und sagte: »Soweit ich Parentoks Schilderung entnehmen konnte, hat Toschmol vor seiner Auflösung behauptet, allein der Wille des Imperators genüge, Klinsanthor herbeieilen zu lassen. Aber es gibt niemanden, der ihn jemals gesehen hat. Niemand kann also wissen, wie Klinsanthor aussieht. Er kann demnach bereits mitten unter uns sein …« Orbanaschol wurde weiß im Gesicht. Seine zusammengepreßten Lippen bildeten einen schmalen Strich. Fahrig strich er sich mit den Händen die Haare aus der Stirn. Sein suchender Blick ging von einem Ratgeber zum anderen, bis sein Blick auf Admiral For hängenblieb. »Er kann schon mitten unter uns sein – meinen Sie? Einer von uns vielleicht?« Er streckte abwehrend beide Hände von sich. »Nein, das glaube ich nicht, das ist unmöglich! Wir kennen uns doch alle schon lange genug. Wir wissen, wie wir aussehen und wer wir sind.« »Klinsanthor ist dem Ruf des Imperators gefolgt und nach Arkon gekommen.« Admiral For wunderte sich über seinen Mut, dem Herrscher in Gegenwart seiner Ratgeber zu widersprechen. »Er ist hier! Er muß hier sein! Eines Tages werden wir ihn erkennen …« Orbanaschol starrte ihn lange wortlos an. Sein Gesicht war noch immer sehr blaß, und er war sich darüber im klaren, daß er im Augenblick keine gute Figur abgab. Jeder hatte
Clark Darlton sehen können, wie sehr ihm der Schreck in die Knochen gefahren war. Dieser negative Eindruck mußte revidiert werden, wenn er nicht alle Anwesenden hinrichten lassen wollte, und das wäre unter den gegebenen Umständen unklug gewesen. Seine Stimme war heiser, als er sagte: »Also ist Klinsanthor, der Magnortöter, bereits eingetroffen, auch wenn wir nicht wissen, wer er ist und wie er aussieht. Er ist meiner Bitte gefolgt – das wenigstens müssen wir annehmen. Sein todbringender Schatten ist über jene gefallen, die ihn suchten und fanden, und er wird bald mit seiner Tätigkeit hier am Hofe beginnen. Wir werden sie zu spüren bekommen – vor allem meine Feinde!« Die Ratgeber blieben stumm, denn sie wußten nur zu gut, daß Orbanaschol sich selbst Mut machen wollte. Er versuchte, seine Angst zu verscheuchen, die er seinem schlechten Gewissen zu verdanken hatte. Als es still in dem Versammlungssaal blieb, rief Orbanaschol: »Geht! Laßt mich allein! Ich muß nachdenken …« Sie gingen und ließen ihn allein. Nur Admiral For drehte sich in der Tür noch einmal um und fragte: »Erhabener, Ihr hattet eine Belohnung für denjenigen versprochen, der Euch die Nachricht überbringt …« »Ich habe es nicht vergessen, aber nun geht endlich! Ich will allein sein!« Admiral For verließ den Palast mit gemischten Gefühlen. Mißtrauisch sah er jedem nach, dem er begegnete, selbst dann noch, als er auf der Straße war und ein Lufttaxi herbeirief, das ihn in sein Quartier bringen sollte. Jeder konnte Klinsanthor sein, wenn der Magnortöter sich nach Belieben verwandeln konnte. Selbst der Roboter, der ihn vor dem Gebäude absetzte. Und plötzlich verspürte auch er Angst und Unsicherheit. Hastig sprang er in den Lift und war froh, als sich die Tür seiner Wohn-
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einheit hinter ihm schloß. Hier erst fühlte er sich sicher. Als er sich setzte, achtete er nicht auf das leichte Kribbeln im rechten Arm, und den feinen Schleier vor dem rechten Auge schrieb er seiner Müdigkeit zu. Es wurde Zeit, daß er wieder einmal aus-
schlief.
ENDE
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