G.F.UNGER
SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Die Gilde der Schmutzigen
Ich trug noch die Hosen und die Stiefel der eins...
17 downloads
607 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
G.F.UNGER
SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Die Gilde der Schmutzigen
Ich trug noch die Hosen und die Stiefel der einstigen Rebellenarmee.
Einen Hut besaß ich nicht.
Mein kostbarster Besitz war ein Colt.
Ein berühmter Waffenschmied hatte ihn gefertigt.
Auch Geld besaß ich keins.
Für die letzten Dollars hatte ich mir in Kansas City eine Fahrkarte nach Denver
gekauft.
Denver in Colorado war damals noch ein wildes Goldgräbercamp, eine
Campstadt inmitten zahlreicher Goldfundgebiete.
Im Goldland, so hoffte ich, würde es eine Chance für mich geben.
Aber so wie ich dachten viele entlassene Kriegsteilnehmer, die in ihrer Heimat
nichts anderes vorgefunden hatten als Armut und Trümmer.
Oft fragte ich mich in diesen Tagen und Nächten, die ich in der ruhelos rollenden
Kutsche saß, was sein würde, wenn ich im Goldland ankam.
Würde ich Glück haben - oder würde ich bald ein Bandit sein, weil sich mir keine
Chance bot, auf redliche Weise ein Auskommen zu finden? Nun, eines Morgens
rollten wir mit der Kutsche nach Colorado hinein und wechselte kurze Zeit später
in einer kleinen Stadt das Sechsergespann.
Jemand stieg zu und setzte sich mir gegenüber.
Es war eine Frau.
Als ich den Kopf hob, sah ich in ihre grünen Augen.
Ich war auf der Stelle hellwach.
Noch nie im Leben war ich einer solchen Frau begegnet! Ich war hingerissen von
ihr, und irgendwie hatte ich das untrügliche Gefühl, dass sie einmal mein
Schicksal werden würde.
Sie hatte eine Ausstrahlung, die ich sofort spürte, und obwohl ich sie nur sitzen sah, wäre ich jede Wette
eingegangen, dass sie makellos gewachsen war.
Weil sie die staunende Bewunderung in meinen Augen erkennen konnte, verzog sie ihren Mund und zeigte mir
damit unmissverständlich, dass sie auf die Bewunderung aller Männer verzichten konnte, ja, dass sie darauf
pfiff, weil sie längst schon herausgefunden hatte, wie wenig Männer etwas taugten.
Da lehnte ich mich wieder in meine Ecke zurück, schloss die Augen und wollte meinen Schlaf fortsetzen.
Doch das Knurren meines leeren Magens konnte ich nicht verhindern.
Und überdies hatte ich auch bei geschlossenen Augen ihr Bild deutlich vor mir.
Heiliger Rauch, was für ein Weib! Dies war fortwährend der Gedanke in mir.
Dann aber hielt die Kutsche plötzlich.
Eine Stimme tönte draußen.
»Bleibt nur ruhig und friedlich! Sonst bekommt ihr mehr Blei, als ihr vertragen könnt!« Die Stimme des
Fahrers erwiderte mürrisch und bitter vom hohen Bock aus: »Aaah, ihr Schlauköpfe, wir haben keine
Geldkisten mit.
In dieser Kutsche gibt es nichts zu holen.
Da habt ihr diesmal aber Pech, ihr verdammten Witwenmacher« Einige der Reiter, die unsere Kutsche
umgaben, lachten nun.
»Das werden wir ja sehen«, sagte einer.
»Steigt ab! Kommt heraus aus der Kutsche.
Und werft vor allen Dingen die Waffen runter!« Der letzte Befehl galt dem Fahrer und dessen Begleitmann.
Denn diese hatten oben zwei Gewehre bei sich.
Das wusste ich.
Wir kletterten aus der Kutsche.
Wir waren sieben Passagiere.
Ich half der Schönen heraus.
Sie nahm tatsächlich meine Hand, so als wäre das selbstverständlich.
Einer der Reiter sagte: »Da ist sie ja«, und er meinte die Schöne.
Ich begriff nun, dass die Kerle es allein auf sie abgesehen hatten.
Ein anderer Reiter sagte: »Also, wir können es ganz kurz machen, schöne Lady.
Wir sollen nur das Geld zurückholen, das Sie in der Stadt den Burschen abgeknöpft haben, die sich für
erstklassige Pokerspieler hielten.
Es müssten so an die dreitausend Dollar sein.
Vielleicht haben Sie dieses Geld im Gepäck, vielleicht aber auch unter Ihren Röcken.
Sollen wir es erst suchen? Oder wollen wir die Angelegenheit gütlich erledigen?« Sie stand neben mir.
Und ich hörte sie heftig atmen.
Dann sagte sie: »Ich gebe euch freiwillig die Hälfte.
« Da lachten die drei Reiter amüsiert.
Und einer sagte: »Lass es gut sein, Honey.
Heraus mit dem Geld! Oder müssen wir rau werden?« »Schon gut«, murmelte sie.
»Ich weiß immer, wann ich verloren habe.
« Sie stand neben mir.
Nun wandte sie sich ab, um den Reitern den Rücken zuzukehren.
Sie hob vorne ihre Röcke hoch.
Es waren mehrere Röcke, wie man sie zurzeit als Lady trug.
Am untersten Rock waren Taschen aufgenäht.
In diesen Taschen war das Geld verteilt.
Es musste Papiergeld sein, denn es klimperte nicht, war auch leicht.
Aber sie holte nicht Geld, sondern einen kleinen Derringer aus einer der Taschen.
Es war ein doppelläufiges, kleines Ding, und sie würde damit gegen die drei Straßenräuber gar keine Chance
haben.
Dennoch versuchte sie es.
Und da konnte ich nicht länger tatenlos danebenstehen und zusehen.
Ich trug meinen Colt nicht in einem Gürtelholster, sondern unter der Jacke hinter Gürtel und Hosenbund
geschoben.
Als sie mit dem Derringer herumwirbelte, um den Kampf mit den Banditen aufzunehmen, da hatte ich meinen
Colt schon in der Hand und wurde mir dieser Tatsache erst bewusst, als die Waffe zu krachen begann.
Auch ihr Derringer krachte.
Und dann war auch schon alles vorbei.
Zwei der Reiter jagten angeschossen davon.
Sie konnten sich nur mühsam in den Sätteln halten.
Der dritte Bandit lag am Boden.
Wir kletterten eilig in die Kutsche, denn der Fahrer und dessen Begleitmann trieben uns mit schnellen Worten
dazu an.
Und dann rollten wir auch schon wieder.
Die Leute der Postlinie wollten nichts anderes als weiter.
So schnell wie möglich.
Das konnte ich gut verstehen.
Die Schöne saß mir wieder gegenüber.
Die anderen fünf Passagiere redeten noch erregt durcheinander.
Wir aber schwiegen.
Nur manchmal sahen wir uns an.
Ich dachte: Sie könnte sich wenigstens bedanken für meine Hilfe.
Aber das tat sie nicht.
Noch nicht.
Erst als wir dreißig Meilen weiter eine Relaisstation erreichten und unser Gespann wechselten, wobei wir uns
alle die Beine vertraten, etwas Kaffee und belegte Brote bekamen in der Station, trat sie zu mir und sagte:
»Danke, Texas, danke.
Und was muss ich dafür zahlen?« Ich grinste und sah auf sie nieder.
Dann sagte ich: »Schwester, es waren meine letzten drei Kugeln im Colt.
Jetzt ist er leer.
Wenn Sie mir einen Dollar leihen könnten, damit ich mir Zündhütchen, Pulver und Blei kaufen kann.
Es könnte ja sein, dass wir unterwegs noch mal.
« »Sicher«, sagte sie.
»Dort im Anbau ist der kleine Stationsstore.
Gehen wir hinein.
Ich denke mir, dass Sie auch eine neue Hose, ein frisches Hemd und ein paar andere Dinge gebrauchen
könnten.
Vielleicht haben die dort im Store etwas für Sie, mal sehen.
Wie ist denn Ihr Name, Texas?« »Ach«, erwiderte ich, »was ist schon ein Name jetzt in dieser Zeit? Aber
warum nicht, ich meine, warum sollte ich mich nicht vorstellen? Ich bin Joshua Taggert.
Und wie heißen Sie, schöne Schwester?« »Nancy Dollar«, sagte sie.
Dann betraten wir den Store.
Als wir wieder herauskamen, wartete schon die abfahrbereite Kutsche auf uns.
Ich trug wahrhaftig eine neue Hose, neue Stiefel, ein neues Hemd und auch neues Unterzeug.
Ich sah nun nicht mehr wie ein entlassener Soldat der Konföderierten, sondern wie ein Cowboy aus.
Andere Kleidung war nicht zu bekommen.
Bevor wir in die Kutsche kletterten hielten wir auf halbem Weg noch einmal an.
Nancy Dollar sah zu mir empor und sagte: »Wollen Sie einen Job, der Ihnen hundert Dollar im Monat und freie
Unterkunft und Verpflegung in den besten Hotels am jeweiligen Ort einbringt?« Es war eine knappe Frage.
Und ich wusste sofort, dass sie meinen Colt mieten wollte.
Sie brauchte einen Beschützer, eine Art Leibwächter.
Denn sie war eine Spielerin, die mit viel Bargeld unterwegs war und wahrscheinlich zumeist gewann.
Wäre ich nicht gewesen, würde sie bettelarm geworden sein.
Und ein Spieler - oder eine Spielerin - ohne Spielkapital hatte keine Chance.
Ja, sie brauchte Schutz in dieser miesen Welt.
Ich aber brauchte die hundert Dollar.
Solch eine Summe schien mir ein riesiger Berg Geld zu sein.
Es war der fünffache Monatslohn eines Cowboys.
Dazu kam noch, dass ich alles sonst frei haben würde.
Sie musste eine sehr erfolgreiche Spielerin sein.
Und so nickte ich.
»Versuchen wir es mal miteinander, Nancy Dollar«, sagte ich.
Ihr Blick wurde fester, funkelnder, härter.
»Aber eines schreib dir hinter die Ohren, Joshua Taggert«, hörte ich sie dann sagen.
Sie holte Luft, um es mir zu sagen.
Vielleicht musste sie auch noch nach den richtigen Worten suchen.
Doch ich kam ihr zuvor.
Ich sagte: »Ich weiß schon Bescheid.
Du mietest nur meinen Colt, nur meinen Schutz.
Sonst darf ich mir nichts herausnehmen.
Denn du hast genug von den Männern.
Für dich sind Männer der letzte Dreck.
Du nimmst ihnen zwar an den Spieltischen das Geld ab - und du lässt dich von einem Mann beschützen.
Doch sonst.
« »Richtig«, unterbrach sie mich herb, »sonst habe ich nicht die Absicht, mich noch einmal mit einem Manne
einzulassen.
Verstanden?« »Genau«, sagte ich.
Dann gingen wir zur Kutsche, stiegen ein - und schon ging die Reise weiter.
Aber als ich dann in meiner Ecke saß, die Augen schloss und mein hagerer Körper sich entspannt dem
Schaukeln und Stoßen der Kutsche anpasste, da dachte ich über diese Nancy Dollar nach.
Sie verachtete die Männer.
Und dennoch lebte sie als Spielerin von ihnen und ließ sich jetzt von einem Mann - nämlich von mir - gegen
Revolverlohn beschützen.
Das war ziemlich widersprüchlich.
Aber was wusste ich von ihr? Nichts! Deshalb sollte ich mir sicherlich kein Urteil über sie anmaßen.
Vielleicht war sie einmal einem Mistkerl in die Hände gefallen - oder mehreren.
Ich wusste, es gab Frauen, die hatten fortwährend Pech mit Männern, obwohl sie schön und begehrenswert
waren.
Das gab es.
Vielleicht gehörte sie zu dieser Sorte.
Wir fuhren den ganzen Tag, wechselten alle dreißig Meilen unser Sechsergespann und überholten Wagenzüge,
die nach dem Goldland oder hinüber nach Santa Fe wollten.
Als die Nacht anbrach, waren wir immer noch unterwegs.
Der Wagenweg stieg stetig an, wand sich in die Berge hinauf.
Stunde um Stunde und Meile um Meile fuhren wir schon.
Die Postkutsche war nun überfüllt.
Alle neun Plätze waren belegt, und sogar oben auf dem Dach hockten zwei Passagiere zwischen dem Gepäck.
Es war zwischen Mitternacht und Morgen, als wir vor einem Hotel in Gushole hielten.
Die Campstadt lärmte, tobte, war voll in Betrieb.
Denn Gushole lag mitten im Canyon.
Und überall im Canyon und auch in den Querschluchten wurde Gold gefunden.
Die rauen Kerle, die tagsüber schufteten auf Claims und in Minen, waren gierig nach allen Sünden und Lastern
der Erde.
Sie wollten Spaß in den Nächten bei Feuerwasser, Kartenspiel, Tanz und bei den käuflichen Mädchen.
Und so kamen sie alle Nacht nach Gushole wie eine Herde zur Schlachtbank oder zumindest zum
Wollescheren.
Wir stiegen aus.
Der Nachtportier des Hotels kam heraus, blieb vor der Eingangstür stehen und sagte laut genug, so dass wir es
alle hören konnten: »Hier ist nichts mehr frei, beim besten Willen nicht.
Hier platzt alles aus den Nähten!« Nach diesen Worten ging er wieder hinein und knallte die Tür hinter sich zu.
Die Passagiere standen da und fluchten.
Ich fluchte nicht, und auch Nancy Dollar wartete schweigend.
Für mich war klar, dass ich ihr jetzt zeigen musste, ob ich meinen Lohn wert war.
Und so nahm ich ihr Gepäck und nickte ihr zu.
Nein, ich versuchte es erst gar nicht durch die Vordertür.
Auch die anderen Fahrgäste zerstreuten sich.
Nancy Dollar folgte mir und sagte plötzlich verächtlich: »He, du willst doch wohl nicht mit mir alle Häuser
abklappern, um vielleicht ein verlaustes Bett zu bekommen? « Ich hielt inne.
In jeder Hand trug ich einen Koffer, und unter dem Arm hielt ich noch eine Reisetasche festgeklemmt.
Auch Nancy Dollar trug eine Reisetasche.
»Nein«, erwiderte ich, »da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.
« Nach diesen Worten ging ich weiter und bog in die Hofeinfahrt ein.
Nancy folgte mir, und ich konnte irgendwie spüren, dass sie nun sehr neugierig war.
Wir gelangten hinter das Hotel, und hier führte eine Außentreppe zu den oberen Stockwerken.
Als ich die Treppe hinaufging, folgte mir Nancy sofort.
Die Außentür war verschlossen.
Ich stellte das Gepäck ab und kletterte vom Treppenabsatz an die Hauswand, wo es eine Art Sims und auch
einige Vorsprünge gab.
Das ganze Hotel war aus Holz gebaut und hastig und grob zusammengenagelt worden.
Als ich ein Fenster erreichte, konnte ich es öffnen und in das Zimmer hinein klettern.
Ich lauschte auf die Atemzüge und Schnarchtöne, aber es war nichts zu hören.
Und so zündete ich eine Lampe an, die auf dem Tisch stand.
Dann sah ich mich um.
Es war ein großes Zimmer, wahrscheinlich das beste im ganzen Hotel.
Das Bett war unberührt, aber ich sah die Sachen eines männlichen Bewohners.
Ich öffnete die Tür zum Gang, erreichte bald schon die verschlossene Hintertür, öffnete diese - denn von innen
konnte man das - und stand Nancy gegenüber.
Als ich das Gepäck aufnahm, sagte sie: »Und du meinst, dass das gut gehen wird?« »Sicher«, sagte ich.
Dann waren wir im Zimmer.
Sie sah mich im Lampenschein an.
»Und wenn hier ein Mann wohnt, der dich zum Mond feuern wird?«, fragte sie ein wenig spöttisch.
Ich grinste.
»Wenn er dich sieht, Partner«, sagte ich, »dann erkennt er vielleicht nicht sofort, dass du - was Männer betrifft
- kalt wie Eis bist.
Dann bietet er dir vielleicht sein Bett an.
Wir werden j a sehen, nicht wahr?« »Ja, wir werden sehen«, sagte sie.
Ohne sich im Geringsten zu zieren, begann sie sich ihres Reisekostüms zu entledigen.
Auch schleuderte sie ihre winzigen Stiefeletten von den Füßen.
Dann schlug sie die Bettdecke zurück und prüfte offensichtlich die Sauberkeit des Bettes.
»Ich hockte vier Tage und vier Nächte fast ohne Pause an einem Spieltisch«, sagte sie müde.
»Und dann fuhr ich lange in dieser verdammten Kutsche.
Ich glaube, dass ich erst nach zwanzig Stunden aufwachen werde.
Nicht mal Hunger verspüre ich, nur Müdigkeit.
« In ihrem Unterkleid streckte sie sich aus und zog die Bettdecke bis unter das Kinn.
Durch das offene Fenster kam die kühle Nachtluft, drang aber auch das lärmende Summen der wilden
Goldgräberstadt.
Nancy Dollar schlief von einem Atemzug zum anderen ein.
So glaubte ich.
Ich staunte nun doch nicht wenig.
Sie vertraute mir so sehr, dass sie sich meinem Schutz anvertraute - und das, obwohl sie von den Männern die
Nase voll hatte.
Oder war sie so erschöpft, dass ihr alles egal war? Sie sagte soeben, dass sie vier Tage und Nächte Poker
spielte.
Das hätte auch einen zähen Mann erschöpft.
Ja sie war erledigt.
Ich hätte jetzt mit ihrem Geld abhauen können.
Was die Banditen nicht geschafft hatten - nämlich ihr das Spielkapital abzunehmen -, hätte ich jetzt leicht
gekonnt.
Einige Atemzüge lang verharrte ich, dachte nach und >lauschte< in meinen innersten Kern hinein.
Verdammt, sie war ein Biest und mochte uns Männer nicht.
Für sie war ich nur eine Art Wachhund.
Wenn ich ihr ein paar Dollar ließ, würde sie sich schon wieder hochkrabbeln.
Bei ihrer Schönheit war das gewiss nicht schwer für sie.
Ich wusste, dass sie mehr als dreitausend Dollar bei sich hatte.
Die Banditen nannten diese Summe.
Und dreitausend Dollar.
ha, das war ein riesiger Berg von Geld für mich.
Ich kämpfte also mit dem >schwarzen Ich< in mir.
Wahrscheinlich war ich noch nie edel und gut gewesen, im besten Falle nur fair, um mir meinen Stolz erhalten
zu können.
Hier in dieser wilden Stadt gab es einige Reine und Gute, aber mit Sicherheit mehr Sünder und Böse.
In solchen Städten wie Gushole herrschte zumeist die Gilde der Schmutzigen.
Und wenn ich dieser Nancy Dollar das Geld wegnahm, dann würde ich zu dieser Gilde gehören.
Oder machte mich schon mein Job bei Nancy zu einem Angehörigen dieser Gilde? Wenn sie eine
Falschspielerin war, die mit schmutzigen Kartentricks arbeitete und wenn ich sie dann mit meinem Colt gegen
die Betrogenen schützte, dann war auch ich ein Schmutziger.
Das war mir klar.
Und so war plötzlich eine Neugierde in mir.
Ich bewegte mich wieder, sammelte die Siebensachen des mir noch fremden Mannes ein, der dieses Zimmer
bewohnte.
Als ich die beiden Reisetaschen zu füllen begann, fand ich in der einen Tasche einige Dutzend
Spielkartenpäckchen.
Ich öffnete einige und obwohl sie versiegelt waren, fand ich dicht unter der Lampe heraus, dass die Karten
gezinkt waren.
Der Mann war also ein Spieler, und er hatte für alle Fälle sorgfältig präparierte Kartenspiele in seinem Gepäck.
Auch einen zweiten Taschencolt fand ich.
Und drei sorgfältig ausgewogene Wurfmesser in einer Nackenscheide.
Der Bursche war also auch ein Messerheld, der seine Wurfmesser hinter dem Nacken hervorholte und mit einer
einzigen Schleuderbewegung zu werfen verstand.
Nun war ich gewarnt.
Ich packte alle Sachen ein und stellte die beiden Reisetaschen neben die Tür.
Dann setzte ich mich in einen Sessel und legte meine langen Beine auf einen anderen Sessel.
Nancy Dollar atmete nun nicht mehr wie eine Schlafende.
Sie sagte vom Bett her: »Du willst mich also doch nicht bestehlen, Partner?« Nun wusste ich erst richtig, wie
erfahren und gefährlich sie war.
Sie hatte gar nicht geschlafen, sondern mich auf die Probe gestellt.
Unter der Decke hielt sie gewiss ihren doppelläufigen Derringer schussbereit.
Sie hätte geschossen, wäre ich mit ihrem Geld durch die Tür aus dem Zimmer gegangen.
Ich trat an das Fußende des Bettes, packte die beiden Messingkugeln des Gestells und sagte: »Ich hätte Lust,
dich mitsamt dem Bett umzukippen.
Dein Misstrauen gegen die Welt ganz allgemein und gegen die Männer besonders ist wie eine böse Krankheit.
- Ich frage mich schon eine Weile, ob du mir Leid tun solltest, Partner.
« »Ja, das sind wir - Partner.
Und jeder macht seinen Job.
Jetzt werde ich wirklich schlafen.
« Das tat sie wahrscheinlich wirklich.
Auch ich fiel in einen kurzen Schlaf.
Mein Magen knurrte zwar, doch es war noch zu ertragen.
Ich konnte mich etwa eine Stunde lang ausruhen.
Mehrmals fiel ich sozusagen in bodenlose Tiefen.
Doch immer wieder machte mich mein Unterbewusstsein wach.
Denn ich wusste, irgendwann würde der Besitzer dieses Zimmers kommen.
Und er war ein gefährlicher Mann.
Schon allein, dass er hier in dieser überfüllten Campstadt im Hotel das beste Zimmer bewohnte, ließ darauf
schließen, dass er ein beachtlicher Bursche sein musste.
Nach einer Stunde etwa kam er.
Mein Instinkt hatte mich schon wach werden lassen.
Man konnte die Tür von innen mit Hilfe eines Drehknopfes öffnen.
Von außen brauchte man dazu einen Schlüssel, dessen Bart die Schlossfalle zurückschob.
Als er den Schlüssel ins Schloss schob, erhob ich mich aus dem Sessel.
Und als er die Tür öffnete, stand ich vor ihm.
»He«, sagte er, »dies ist doch mein Zimmer - oder?« Er war noch etwas unsicher.
Vielleicht war er auch müde oder gar etwas betrunken.
Ich sah, dass er die schwarze und elegante Kleidung eines Berufsspielers trug.
Unter dem Prinz-Albert-Rock trug er eine Brokatweste.
In der Krawatte blinkte ein Brillant.
Und eine dicke Uhrkette hing ihm quer vor der Weste.
Aber er war ein großer, hagerer, sehniger Bursche, an dem kein Gramm zu viel Fett war, ein Mann, der sich
körperlich fit hielt.
Ich sagte: »Freund, da liegt eine Lady im Bett.
Bitte stören Sie nicht.
Ich habe Ihre Siebensachen eingepackt.
Ich sehe, dass Sie ein Gentleman sind, der einer schönen Lady gern das Zimmer überlässt.
Danke, mein Lieber! Wirklich, allerbesten Dank!« Er staunte nicht lange.
Dabei sah er über meine Schulter hinweg auf das Bett.
Er konnte Nancy Dollar gut erkennen.
Und da sagte er scheinbar einsichtig: »Na ja, für eine Lady wie diese muss man wohl.
« Dabei bückte er sich nach den beiden Reisetaschen.
Aber ich war bereit.
Ich wusste, dass er etwas versuchen würde.
Mein Instinkt sagte es mir.
Und auch in seiner Stimme war ein falscher Klang trotz seiner scheinbar einsichtigen Worte.
Als er statt der Reisetaschen meine Kniekehlen umfassen wollte, kam ich ihm um jenen wichtigen
Sekundenbruchteil, auf den es ankam, zuvor.
Ich riss ein Knie hoch und traf sein Kinn.
Er taumelte rückwärts aus der Tür, prallte im Gang gegen die gegenüberliegende Wand und stieß sich von
dieser ab.
Aber ich war ihm gefolgt, und er rannte in meine Faust.
Er war noch von meinem Kniestoß angeschlagen und kam nicht mehr richtig klar.
Ich trieb ihn den Gang entlang.
Es waren ja nur wenige Schritte bis zum Treppenabsatz.
Mit einem Schwinger schlug ich ihn die Treppe hinunter.
Er überschlug sich mehrmals und blieb unten liegen.
Der Nachtportier trat zu ihm, sah erst auf ihn nieder und dann zu mir empor.
»Einen Moment«, sagte ich zum Portier nieder, ging in das Zimmer, holte die beiden Reisetaschen und warf sie
dem Spieler nach.
Sie landeten unten bei ihm, als er sich wieder zu regen begann.
»Was ist das?«, fragte der Nachtportier böse herauf zu mir.
»Der Gentleman hat einer schönen Lady sein Zimmer abgetreten«, erwiderte ich.
Dann ging ich ins Zimmer zurück, schloss die Tür und setzte mich wieder in den Sessel, legte die Beine hoch.
Ich war darauf vorbereitet, dass sie heraufkommen und mir Ärger machen würden.
Doch es blieb still auf der Treppe.
Und so schlief ich wieder ein, diesmal länger und fester.
Nancy Dollar war nicht aufgewacht.
•ü Es war schon ziemlich verrückt, nicht wahr? Ich befand mich mit einer schönen und sehr reizvollen Frau in
einem Zimmer, hörte sie tief im Schlaf atmen, und manchmal murmelte sie im Schlaf irgendwelche Worte, die
ich nicht verstand.
Es war mir aber klar, dass sie keine guten Träume träumte.
Doch wir alle hatten dann und wann unsere bösen Träume.
Ihre Wege waren rau gewesen.
Sicherlich war ihr nichts mehr fremd auf dieser Erde.
Sie war zwar nicht im Krieg gewesen wie ich, doch ihr Kampf ums Überleben und Davonkommen war gewiss
nicht leichter.
Ja, sie hatte manchmal böse Träume wie ich.
Ob ich ihr helfen konnte, wenn ich sie in meine Arme nahm? Dies fragte ich mich damals in jener sterbenden
Nacht, als ich wie ein treuer Wachhund neben der Tür in einem Sessel lag und immer wieder erwachte, um zu
lauschen, wobei ich mir stets bewusst wurde, dass ich mit einer reizvollen Frau im gleichen Zimmer lag.
Ja, es war verrückt, nicht wahr? Doch wir waren Partner.
So jedenfalls sah sie es wohl.
Deshalb konnte sie sich so verhalten, als wären wir geschlechtslose Wesen.
Von ihr ging nichts aus, was jene knisternde Spannung erzeugte, die zwischen Frau und Mann entstehen kann.
Nein, da war alles tot in ihr.
Sollte sie mir Leid tun? Verdammt, was war in ihrer Vergangenheit geschehen, dass sie - eine Frau von solcher
Schönheit und mit diesen Reizen - innerlich so ausgebrannt war? Ich hätte es gerne gewusst.
Und zugleich ärgerte ich mich immer wieder, dass ich als Mann offensichtlich nicht den geringsten Eindruck
auf sie machte.
Denn noch nie zuvor hatte ich es schwer bei Frauen gehabt.
Ich war kein hübscher oder gar schöner Bursche, dazu sah ich zu hart aus.
Dennoch hatte ich bisher jede Frau bekommen, die ich hatte haben wollen.
Ich war im letzten Kriegsjahr Offizier geworden und hatte eine Schwadron in der Texas- Brigade geführt.
Während des Krieges und besonders dann im letzten Jahr bei unseren Rückzügen waren wir immer wieder bei
den reichen Baumwollpflanzern in Quartier gegangen, deren Herrenhäuser voller Reichtum waren, weil sie
einst viele Sklaven besaßen.
Und dort gab es stets Frauen, stolze, schöne, nach Liebe hungrige Frauen, die zu lange auf ihre Männer
warteten - und Witwen, deren Männer längst schon gefallen waren.
Ich bekam sie alle, wenn ich nur wollte.
Aber diese Nancy Dollar würde ich nicht bekommen.
Sie war innerlich tot.
Und so konnte das Verrückte geschehen, dass ich mit ihr in einem Zimmer atmete und nur eine Art Wachhund
für sie war.
Verdammt, das gefiel mir nicht.
Aber ich brauchte die hundert Dollar, die sie mir als Revolverlohn zahlen wollte.
Wenn ich erst die hundert Dollar hatte, konnte ich mir einen Sattel und ein Pferd kaufen, dazu die notwendigste
Ausrüstung für ein längeres Reiten.
Und dann konnte ich nach einer Chance suchen.
Es war schon Mittag, als ich das Zimmer verließ.
Nancy Dollar schlief noch tief und fest den Schlaf der völligen Erschöpfung.
Ich hatte mir aus ihrer Handtasche ein paar Dollar genommen.
Denn mein Magen knurrte schon seit vielen Stunden immer wieder böse.
Auch brauchte ich die Dienste eines Barbiers.
Irgendwo hier würde es auch eine Badeanstalt geben hinter einem Barber-Shop, und überdies musste ich mir
endlich ein Revolverholster kaufen.
Ich trug meine Waffe immer noch hinter Gürtel und Hosenbund.
Gewiss, ich konnte sie auch dort schneller greifen und damit schießen als viele Revolverschwinger, deren
Holster steif und geölt und dazu auch noch am Oberschenkel festgebunden waren.
Aber wenn ich an einen wirklich großen zweibeinigen Tiger geriet, hatte ich keine Chance.
Ich brauchte ein gutes Holster für meine Waffe.
Und so verließ ich also mit einigen Vorhaben unser Zimmer, schloss die Tür ab und steckte den Schlüssel in
die Tasche.
Unten am Anmeldepult hockte ein anderer Mann, der den Nachtportier abgelöst hatte.
Der Mann sah mich an und sagte: »Na schön, dann tragen Sie sich und die Lady hier ein.
Aber gut war die Sache nicht.
Das Zimmer gehörte John Fitssimmons.
Sie haben ihn ziemlich übel behandelt, wie ich hörte.
Fitssimmons gehört zur Gilde in dieser Stadt.
Und die Gilde schützt alle Mitglieder.
Mann, Sie haben keine Chance, dies alles wieder in Ordnung zu bringen.
Es gibt eigentlich nur eine einzige Chance für euch.
« »Also doch eine Chance.
« Ich grinste.
»Und wie sieht sie aus?« Der Portier war ein bulliger Bursche, dessen linker Arm vom Ellenbogen abwärts
künstlich war und als Stahlhaken endete.
Er deutete damit zur Decke empor.
Dabei sagte er: »Wenn die Lady wirklich so schön ist, wenn sie wahrhaftig was ganz Besonderes ist - nun,
dann sollte sie zu Patrik O 'Hara gehen und diesen.
Nun j a, wenn sie ihm gefällt, dann wird er den Spieler John Fitssimmons dazu bringen, euch nichts
nachzutragen.
Vielleicht! Aber sie musste ihm schon sehr gefallen und auch wirklich entgegenkommend sein zu ihm.
Nicht wahr?« Er verstummte viel sagend und grinste.
Ich nickte scheinbar verständnisvoll und fragte dann: »Und wer ist Patrik O'Hara? « Nun staunte er mich an, als
sei ich ein Kalb mit zwei Köpfen.
Dann stöhnte er mitleidig und schüttelte den Kopf.
»Du lieber Vater im Himmel«, sagte er voller Verachtung über so viel Dummheit, »du lieber Vater im Himmel,
Sie wissen nicht mal, wer Patrik O'Hara ist? Oha, er ist der große Bulle hier im Corral! Er führt die Gilde.
Nichts hier in dieser Stadt geschieht ohne Patrik O'Haras Duldung.
Verstanden? « Ich nickte stumm.
Denn jetzt wusste ich Bescheid.
Wir waren in eine Stadt gekommen, die zwar wild und zügellos war, voller Sünden, Laster und Leidenschaften
- aber dennoch war alles irgendwie geordnet und unter Kontrolle.
Es gab hier eine >Gilde<, und es gab hier einen Mann, der diese >Gilde< anführte.
Um es klarer zu sagen: Ein harter Bursche hatte hier in dieser Stadt all jene Menschen organisiert und zu einer
Macht werden lassen, die der Hammelherde die Wolle scherten.
Es war die alte Geschichte.
Ein Starker und Rücksichtsloser regierte eine wilde Stadt mit Hilfe der Wilden Horde.
Die Spieler, die Barkeeper, die Rauswerfer, die Bordellbesitzer und deren Mädchen, die großen und kleinen
Gauner, Diebe und Betrüger - sie alle schlössen sich zu einer >Gilde< zusammen, zu einer >Gilde der
Schmutzigem, die sich gegenseitig schützte.
Ich wusste also nun Bescheid.
Was sollte ich tun? Der Portier beobachtete mich.
Er konnte sehen, wie ich unsere Situation jetzt endlich zu begreifen begann.
Ich sah zur Treppe hin.
Sie führte hinauf zu unserem Zimmer.
Ich konnte Nancy wecken, und dann konnten wir unseren >Bittgang< zu jenem Patrik O'Hara machen.
Doch ich schüttelte den Kopf und ging hinaus.
Der Hotelmann rief mir nach: »Mut und Stolz können auch schiere Dummheit sein, Taggert.
« Er hatte meinen Namen schon gelesen, während ich Nancy und mich ins Hotelbuch eintrug.
Vielleicht hatte er Recht.
Denn mein Mut und mein Stolz bestimmten stets meine Wege und all mein Tun.
Ein Mann wie ich, der gewiss kein Heiliger war, musste etwas haben, was seine Sünden zudeckte.
Und Mut deckte meine Sünden zu.
Daran glaubte ich.
Ich stand nun vor dem Hotel auf der Straße und sah mich um.
Und da sah ich ihn auch schon.
Ja, das war er, jener Bursche, den ich in der vergangenen Nacht nicht mehr in sein Zimmer ließ und dann sogar
noch die Treppe hinunterschlug.
Da war der Mann, dessen Stolz ich verletzte, weil ich Nancy Dollar zeigen wollte, wie sehr ich meinen Lohn
wert war.
Und gewiss hatte ich ihr auch zeigen wollen, wie groß ich war, wie sehr ich für sie sorgen und sie beschützen
konnte.
Ich wollte ihrer Schönheit mit Stolz und Mut ebenbürtig sein, mit den Tugenden eines Mannes also, wie ich
glaubte.
Vielleicht war ich ein Narr.
Denn dort drüben stand jener John Fitssimmons und wollte Revanche.
Er war nun nüchtern und nicht mehr nervlich so ausgebrannt nach einer Nacht am Spieltisch.
Fahrzeuge, Reiter und Fußgänger bewegten sich.
Doch es standen auch einige Leute herum, scheinbar Müßiggänger - aber ich spürte ihre lauernde Erwartung.
Oha, ich wusste Bescheid, und ich hätte mich umdrehen und ins Hotel zurückgehen können.
Ich hätte den Rat des Portiers befolgen und Nancy zu jenem Patrik O'Hara schicken können.
Doch da war wieder mein Stolz.
Ich hatte die Sache nun mal angefangen, um Nancy ein Zimmer zu beschaffen - und nun musste ich
weitermachen.
John Fitssimmons - so hatte ihn der Hotelmann genannt - wollte Revanche, und er besaß sogar ein Recht
darauf, sah man es von Mann zu Mann.
Nun, er sollte seine Revanche bekommen.
Wie gut war er wohl mit dem Colt? Das war in mir die Frage.
Er kam nun über die Fahrbahn.
Ich schritt ihm entgegen.
Als wir sechs Schritte voreinander verhielten, waren wir sozusagen allein auf dieser Welt.
Wir nahmen gar nicht wahr, dass Reiter, Fahrzeuge und Fußgänger verhielten, dass uns alle Augen
beobachteten, dass es still wurde in unserer Umgebung.
Für jeden von uns existierte nur das Gegenüber.
Es war ein merkwürdiges Gefühl in mir.
Es war ein Gefühl von Kälte und Gnadenlosigkeit.
Es war der unbeugsame Wille zu überleben.
Es gab nur diesen Fitssimmons und mich auf dieser Erde.
Seine Stimme klang hart, kalt und voller Feindschaft: »Ich sehe, du hast deinen Colt bei dir.
Also benutze ihn auch.
Jetzt!« Er war ein Mann, der nicht viele Worte machte.
Es gab ja auch nichts mehr zu sagen zwischen uns.
Als er »Jetzt!« rief - es war mehr ein lautes Zischen -, da bewegte sich seine Schulter.
Und der Colt erschien in seiner Hand.
Er hatte die Waffe aus einem Schulterholster unter der offenen Jacke hervorgezaubert - und dennoch war er
nicht schnell genug für mich.
Noch bevor ich in sein Mündungsfeuer sah, spürte ich den Rückstoß meiner Waffe in der Faust und jetzt erst
begriff ich, dass ich gezogen und geschossen hatte.
Erst in diesem Moment holten meine Gedanken die Reflexe wieder ein.
Meine Kugel stieß ihn halb herum, obwohl er sich gewiss Mühe gab, fest auf dem Boden zu stehen und
aufzufangen, komme, was da wolle.
Seine Kugel traf mich nicht.
Er fiel auf die Knie und schoss noch einmal vor sich in den Staub der zerfurchten Fahrbahn.
Ich wirbelte herum, denn ein Reiter ließ sein Pferd anspringen.
Es war klar, dass er mich niederreiten, zumindest rammen wollte.
Ich schoss wieder, traf das Tier mitten in die Brust.
Es stürmte an mir vorbei, denn ich glitt zur Seite wie ein Torero vor einem Kampf stier.
Doch der Reiter warf sich von seinem stürzenden Pferd auf mich, riss mich zu Boden.
Und dann waren noch andere Männer bei mir.
Ich kämpfte, so gut ich konnte.
Doch gegen vier oder fünf harte Burschen hatte ich am Boden keine Chance.
Sie machten mich klein.
Ein Stiefel traf meinen Kopf.
Sie hatten in Gushole tatsächlich ein Gefängnis, denn als ich erwachte, lag ich auf der harten Pritsche in einem
Gitterkäfig.
Eine Stimme sagte: »Da ist er ja wieder.
Bringen wir ihn also hinüber.
« Ich setzte mich langsam auf.
Zwei Männer standen vor der offenen Zellentür und betrachteten mich.
Beide Männer trugen einen Stern.
Auf einem dieser Blechsterne konnte ich lesen: City Marshal.
Der andere Stern trug die Worte: Sheriff Gushole-Distr.
Ich hatte also die beiden Gesetzesvertreter vor mir.
Wessen Gesetz vertraten sie? Ich betastete die anschwellende Schürfwunde an meiner Schläfe.
Dort hatte mich der Fußtritt getroffen.
»Im Krug ist Wasser«, sagte der Sheriff.
»Mit deinem Halstuch kannst du dir ein wenig Linderung verschaffen.
Dann siehst du auch bei der Gerichtsverhandlung nicht so verprügelt aus.
« »Gerichtsverhandlung?« So fragte ich, indes ich mein Halstuch ins Wasser tauchte und gegen meine Schläfe
hielt.
»Sicher«, sprach der Marshal.
»Bei uns herrscht Ordnung.
Und die Sünder müssen nicht lange auf die gerechte Strafe warten.
Du hast einen hier in Gushole sehr geachteten Mann getötet.
Es gibt Zeugen dafür, dass du zuerst den Colt gezogen hast.
- Man wird dich von einem gelehrten Henker hängen lassen.
Und das sollte dir eine Beruhigung sein.
Der Mann versteht seinen Job.
« Ich staunte nun doch.
Und einen Moment glaubte ich, dass alles nur ein böser Traum war.
Aber dann begriff ich, in was für eine Stadt ich gekommen war und wer hier regierte.
Diese beiden >Gesetzesvertreter< gehörten zur Gilde der Schmutzigen.
Sie waren Handlanger.
Und es gab keine Gnade für einen Außenseiter.
Ich hatte einen Mann der Gilde getötet.
Dass er zuerst nach dem Colt griff, spielte keine Rolle.
An mir musste ein Exempel statuiert werden.
Nur so konnte sich die Wilde Horde der Townwölf e und Goldräuber gegen die große Hammelherde
behaupten.
Ich saß in der Klemme.
Nur weil ich großspurig und eitel einer schönen Frau ein Hotelzimmer in einer überfüllten Stadt verschaffen
wollte, weil ich ihr beweisen wollte, wie großartig ich war, saß ich nun in der Klemme.
Ich Narr! Ich erhob mich langsam, dachte einen Moment daran, es mit den beiden Männern aufzunehmen.
Vielleicht konnte ich sie niederkämpfen und entkommen.
Aber sie zogen ihre Colts, indes ich aus der Zelle trat.
Einer deutete auf die Tür, die in den Nebenraum führte, nicht nach vorne in das Office.
Ich öffnete die Tür - und dann staunte ich abermals.
Denn durch diese Tür konnte man die große Amüsierhalle eines Tingeltangels betreten.
Hinter der Bar aber standen jetzt keine Barmänner, sondern saßen Geschworene.
Und auf dem Podium, wo sonst gewiss in den Nächten eine Kapelle spielte, saß ein dicker, weißhaariger und
weißbärtiger Mann.
Auf dem kleinen Tisch vor sich hatte er ein dickes Buch und einen Holzhammer liegen.
Er war sicherlich der >Richter<.
Der Saloon war ziemlich voll.
Ich sah Frachtfahrer, Goldgräber, Minenleute, Spieler und andere Sorten von Menschen.
Viele von ihnen gehörten gewiss zu jener >Gilde der Schmutzigen<, hatten sich wahrscheinlich auch gut
getarnt.
Ich sah auf die so genannten Geschworenem.
Einige sahen wie Säufer aus, die sonst um Drinks bettelten.
Ich musste mich auf einen Stuhl setzen, der auf dem freien Raum vor der Bar stand.
Die Geschworenen betrachteten mich mitleidlos.
Der so genannte Marshal übernahm nun die Anklage, und er begann mit den Worten: »Mister John
Fitssimmons wurde auf offener Straße niedergeschossen.
Er ist tot.
Wir haben hier seinen Mörder vor uns.
Einige Zeugen, die sich meldeten, sagten übereinstimmend aus, dass dieser Mann dort gegen Mister John
Fitssimmons zuerst den Revolver zog und sofort schoss.
Mister Fitssimmons hatte keine Chance.
Also handelt es sich um Mord.
Es ist nun zu klären, ob der Angeklagte sich für schuldig bekennt und der Gnade des Richters überlässt - oder
ob erst die Geschworenen zu einem Schuldig kommen müssen.
Bitte, Euer Ehrwürden.
« Mit den drei letzten Worten meinte er den weißhaarigen und weißbärtigen Mäfci auf dem Musikpodium.
Und dieser Mann nickte mir zu und fragte: »Nun, mein Sohn, bekennst du dich für schuldig, oder hältst du dich
für nicht schuldig? « »Nicht schuldig«, sagte ich.
»Und das wisst ihr alle ganz genau.
« Einige Stimmen lachten.
Jemand sagte: »Wir werden dich hängen, John Fitssimmons war immer ein prächtiger Bursche.
Der spendierte stets einen Drink, wenn man pleite war.
Der war stets in Ordnung.
« Es wurde wieder still.
Ich betrachtete die Geschworenen.
Doch auch sie sagten nichts.
Niemand sagte etwas.
Und niemand sah mich an.
Da begriff ich endlich.
Es musste hinter mir im Raum etwas geben, was alle Blicke auf sich zog.
Und da sah ich mich endlich um.
Nun staunte ich.
Denn Nancy Dollar war gekommen.
Heiliger Rauch, sie sah noch schöner aus als während der Reise nach Gushole.
Sie trug ein elegantes Kleid, das jedoch ihre Reize nur ahnen ließ.
Es war das Kleid einer schönen Lady, die eine wirkliche Lady ist.
In diesem Kleid hätte sie auch denn Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Besuch abstatten können.
Und dennoch strömte sie geballte Weiblichkeit aus, Schönheit.
Jemand sagte aus dem Hintergrund: »Oooh, seht euch das an! Bruce, kneif mich mal, damit ich weiß, dass ich
nicht träume.
« Nun lachten einige.
Jemand sagte heiser: »Das ist die schönste Lady der Welt! Darauf wette ich!« »Du kennst doch nur alte
Wachteln«, sagte eine andere Stimme.
Und wieder lachten sie.
Der Richter klopfte mit dem Holzhammer und sagte dann würdig: »Einen Stuhl für die Lady.
« Nancy aber schüttelte den Kopf und trat neben mich vor die Geschworenen.
Sie sagte: »Ich wurde Augenzeugin des Revolverkampfes.
Ich sah alles aus dem Fenster meines Hotelzimmers.
Dieser Angeklagte hier griff in Selbstverteidigung zur Waffe.
Der andere Mann, der dann tot war, hat auf ihn gewartet und ihn zum Duell gezwungen.
Ich kann das beeiden, Gentlemen.
Zweifelt jemand an meinen Worten? « Sie sah sich mit blitzenden Augen um.
Und weil ich sie genau beobachtete, indes ich schräg nach oben blickte, konnte ich erkennen, dass ihr Blick
sich besonders auf einen Mann richtete.
Dieser Mann war mir vorher schon aufgefallen.
Denn er ließ mich irgendwie an einen Löwen denken.
Er war groß und blond, bärtig und blauäugig.
Dieser Mann sah wie ein Sieger aus, so als könnte er niemals verlieren und wäre zum Gewinnen geboren
worden.
Dieser Mann sah sie an.
Und dieser Mann staunte noch.
Doch nun erhob er sich plötzlich und breitete die Arme aus wie ein Redner, der wichtige Dinge zu sagen
beabsichtigt und zuvor um größte Aufmerksamkeit bittet.
Als es dann ganz still war, sagte er mit tönender Stimme ruhig und fest: »Ich glaube nicht, dass man an der
Aussage dieser Lady zweifeln sollte - nein, ich glaube es nicht.
« Und dann setzte er sich wieder.
Nun war der Sprecher der Geschworenen an der Reihe.
Er sagte: »Wir glauben es auch nicht, Euer Ehren.
« »Dann ist die Verhandlung beendet und der Angeklagte wegen erwiesener Unschuld freigesprochen.
« Der Richter sprach es würdig und klopfte wieder mit dem Hammer.
Damit war dann die ganze Farce beendet.
Denn es war eine verdammte Farce.
Sie hatten mich hängen wollen.
Aber das Wort eines Mannes hatte mich gerettet.
Dieser Mann musste Patrik O 'Hara sein, wer sonst? Und er hatte Nancy Dollar einen Gefallen tun wollen.
Warum? Weil sie so schön war? Es gab gewiss noch einen anderen Grund, nämlich den, dass sie sich kannten.
Ich spürte das instinktiv.
Dieser löwenhaft wirkende Mann hatte Nancy Dollar auf andere Art angestaunt als alle Anwesenden.
Es war ein ungläubiges Staunen, so als würde er etwas sehen, was eigentlich gar nicht sein konnte.
Ja, sie kannten sich.
Davon war ich überzeugt.
Inzwischen war überall Unruhe, Bewegung, Durcheinander.
Eine Stimme rief: »Die Bar ist wieder geöffnet!« Natürlich drängten nun viele durstige Kehlen zur Bar.
Es stellte sich heraus, dass einige der Geschworenen Barkeeper waren, die sofort ihre Arbeit aufnahmen.
Ein Mann klopfte mir im Vorbeigehen auf die Schulter und sagte: »Glück gehabt, Langer!« Ich nickte, denn so
war es wohl wirklich.
Ich hatte Glück gehabt, dass Nancy Dollar kam und der wichtigste Mann dieser Stadt für sie Partei ergriff.
Dies aber war für die Geschworenen, den Marshal und den Richter wie ein Befehl.
Heiliger Rauch, in was für ein Höllencamp war ich hier hineingeraten? Nancy Dollar trat zu mir.
Sie lächelte seltsam.
Ihre Augen funkelten.
Sie hatte mich vor dem Hängen gerettet, weil die Wilde Horde, die >Gilde der Schmutzigen<, sonst an mir aus
Gründen der Machterhaltung ein Exempel statuiert hätte.
Weil ich ihr in der Nacht ein Zimmer verschafft hatte, geriet ich in diese Klemme, aus der ich nicht wieder
herausgekommen wäre ohne ihr Eingreifen.
Verdammt, ich fühlte mich irgendwie als Versager, als kleiner Pinscher, der mit einer Tigerkatze jagen wollte
und dabei fast von den Wölfen geschnappt worden wäre.
Zwei harte Fäuste und ein schneller Colt waren nicht genug, um hier zu überleben, da brauchte man eine
Menge Verstand.
Dies begriff ich, indes ich zwei Sekunden lang in Nancy Dollars funkelnde Augen sah.
»Gehen wir, Texas«, sagte sie.
Dass sie >Texas< sagte, war ziemlich gemein von ihr, denn es sollte meinen Stolz kitzeln, weil wir Texaner als
besonders stolz galten.
Aber bevor wir gehen konnten, trat ein Mann zu uns, der ganz trocken sagte: »Ihr sollt zu O'Hara kommen.
Folgt mir.
« Er wollte sich abwenden, doch ich hielt ihn an der Schulter in der Bewegung an.
Grollend sah er mich an.
»Hand weg!« Ich nahm zwar die Hand von seiner Schulter, doch ich sagte: »Freund, dies ist eine Lady.
Und eine Lady bittet man.
« Er starrte mich an, böse und gemein.
Ja, er gehörte gewiss zu der miesen Sorte.
Mich ritt der Teufel, jawohl.
Soeben steckte ich noch in der bösesten Klemme meines Lebens - und nun trat ich schon wieder als großer
Unüberwindlicher auf.
Verdammt, warum ließ ich mich von meinem verletzten Stolz so anstacheln? Der Bursche hatte indes in meine
Augen gestarrt.
Wahrscheinlich hatte er darin etwas erkannt, was ihn zum Einlenken bewog.
Denn er nickte Nancy Dollar zu und sagte: »Bitte folgen Sie mir, Lady.
Mister Patrik O'Hara bittet um Ihren Besuch.
Es wäre eine große Ehre für ihn, wenn Sie seiner Bitte entsprechen würden, Lady.
« Nach diesen Worten sah er mich mit glitzernden Augen an und fragte: »Gut so?« Ich nickte nur, und als wir
ihm folgten, da wusste ich, dass er fortan mein Feind sein würde.
Burschen seiner Sorte waren so.
Die konnten nicht anders.
Er führte uns durch eine Tür am Ende der Bar.
Und dann traten wir ein in Patrik O 'Haras Hauptquartier.
Es war ein nobler Raum, in dem auch der Präsident unserer Nation seine Arbeit machen und wichtige Besucher
empfangen konnte.
Patrik O'Hara saß auf der Schreibtischecke, ließ ein Bein baumeln und hatte das andere Bein mit dem Fuß am
Boden.
Er trug maßgearbeitete Alabamas, und wenn man davon absah, dass er zehn Kilo zu viel Gewicht hatte, war er
ein sehr imposant wirkender Mann.
»Hallo, Nancy«, sagte er.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du noch lebst.
« »Das glaube ich«, erwiderte sie, und ihre Stimme klang ganz ruhig und gelassen.
O'Hara deutete auf mich.
»Weiß er Bescheid über uns?« So fragte er.
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein », sagte sie.
»Er beschützt mich nur mit seinem Colt.
Es gibt immer wieder Spieler, die können nicht verlieren.
Und ich muss stets mit meinem Spielkapital reisen.
Er heißt Joshua Taggert.
Und dass er mir in der vergangenen Nacht ein bequemes Zimmer verschaffte, dies nimmst du ihm wohl nicht mehr
übel hier in deiner Stadt, nicht wahr?« »Nein«, sagte Patrik O'Hara.
»Nein, nicht, wenn es dabei um deine Bequemlichkeit geht.
Hast du mich gesucht? Oder führt dich dein Weg zufällig her?« »Für mich warst du tot«, erwiderte sie, und in ihrer
Stimme war ein Klirren.
»Aber ich lebe«, erwiderte er.
»Ich könnte dir eine lange Geschichte erzählen.
« »Lass es lieber«, erwiderte sie kühl.
Er nickte, stand vom Tisch auf und breitete seine Arme aus wie ein freundlicher Gastgeber, der seinen Gästen sagt,
dass sie sich bei ihm wie daheim fühlen mögen.
Dabei sagte er: »Du kannst das Zimmer behalten, Nancy.
Und wenn ihr kein Paar seid, wenn er also wirklich dein Beschützer ist, dann kann er das Nebenzimmer bekommen.
Du bist noch schöner geworden, Nancy.
Das Leben hat dich reifen lassen.
Du bist eine wunderschöne Frau.
« »Ich weiß.
« Sie lächelte.
»Doch ich falle auf keinen Mann mehr rein.
Ich muss dich wohl fragen, ob ich hier einen Spieltisch bekommen kann, nicht wahr? Du bist ja wohl hier der große
Boss.
« »Richtig«, grinste er.
»Ich habe hier alles fest in der Hand.
Wir alle gehören zu einer Gilde.
Wir sind ein Verein.
Die Geschlossenheit gibt uns die Macht.
Ihr müsst der Gilde beitreten, euch allen Anordnungen unterwerfen und ein Drittel eurer Einnahmen abgeben.
Dann schützt euch die Gilde.
« Er deutete auf mich.
»Der da würde jetzt schon hängen, weil er einen von uns getötet hat.
Nur weil ich dir was schuldig bin, kam er davon.
Nancy, ihr werdet es gut haben hier in meiner Stadt.
Im Gushole Canyon wird massenhaft Gold gefunden.
Und wir hier bekommen unseren Teil davon.
« Sie nickte.
»Du bist ein großer Bursche geworden, Patrik«, sagte sie, »ein sehr großer und mächtiger Mann.
Ich staune über dich.
Können wir jetzt gehen?« Er nickte.
Sein blauäugiger Blick richtete sich dann auf mich.
Ich erkannte eine kalte Warnung darin, und ich wusste, dass ich nur am Leben war, weil er Nancy etwas
schuldete.
Was mochte es sein? Wodurch oder warum stand er in Nancy Dollars Schuld? Ich hätte es gern gewusst.
Und noch eines hätte ich gerne gewusst, nämlich, ob Nancy zufällig nach Gushole wollte - oder ob sie wusste,
wer hier war? Ja, das hätte ich gerne gewusst.
Denn mein Instinkt ließ mich ahnen, dass der Verdruss jetzt erst richtig begann.
Wir traten durch die Seitentür in die Gasse hinaus und gingen in ihr bis zur Hauptstraße vor.
An der Ecke hielten wir inne und betrachteten das rege Leben und Treiben dieser wilden Campstadt.
Sie lebte von Goldfunden.
Wenn es diese nicht mehr gab, würde sie bald eine Geisterstadt werden.
Nancy sagte: »Also, Zimmer hätten wir jetzt.
Und geduldet werden wir auch.
Aber vielleicht möchtest du gar nicht mehr mein Partner sein?« Ich grinste schief.
»Eigentlich brauchst du gar keinen Beschützer mehr«, murmelte ich.
»Du stehst ja jetzt unter Patrik O'Haras Schutz.
Du gehörst jetzt zur Gilde.
Aber es ist eine Gilde der Schmutzigen.
Willst du zu ihr gehören?« Sie nickte.
»Warum nicht«, murmelte sie.
»Man hat mir auf meinen Wegen schon einige Male die Haut abgezogen.
Warum sollte ich Schonung üben?« »Hat dir dieser O'Hara auch mal die Haut abgezogen?« So fragte ich.
Sie gab mir darauf keine Antwort.
Ich blickte schräg von der Seite zu ihr nieder und erkannte, wie ihre Lippen sich zusammenpressten.
Und da wusste ich, dass O'Hara ihr einst Schlimmes angetan hatte.
Ich wusste es ganz plötzlich mit instinktiver Sicherheit.
Sie sah zu mir auf.
»Fast hätten sie dich aufgeknüpft«, murmelte sie.
»Möchtest du dich nicht irgendwann bei ihnen revanchieren?« Oha, sie wollte immer noch meinen schnellen
Colt.
Und ich wusste auch instinktiv, wofür.
Sie musste verrückt sein! Und wenn ich weiter ihr Beschützer blieb, dann war ich ebenso verrückt.
Aber zu meiner eigenen Überraschung nickte ich.
Dabei hörte ich mich wie einen Fremden sagen: »Sicher, ich würde mich bei diesen Hurensöhnen gerne
revanchieren.
Und solange wir uns ihnen unterwerfen, also nützliche Mitglieder ihrer Gilde sind, haben wir nichts zu
befürchten.
« »So ist es«, murmelte sie.
Und dann gingen wir über die Fahrbahn zu unserem Hotel hinüber.
Man war gerade dabei, den Gast rauszuwerfen, der für mich sein Zimmer räumen musste.
Die >Gilde der Schmutzigen< hatte hier wirklich das Heft fest in der Hand.
Der Rest des Tages wurde noch recht angenehm für mich, denn ich ging in die Badeanstalt hinter dem
Barbiersalon, mietete mir einen Holzbottich voll heißem Wasser, blieb fast eine Stunde darin, ließ mir also
immer wieder heißes Wasser nachgießen und ließ mir dann die Haare schneiden und den Bartstutzen.
Als ich dann ins Restaurant kam, trug ich auch endlich meinen Colt in einem erstklassigen Holster.
Ich wusste, ich war nun noch schneller mit der Waffe, und es gab mir ein Gefühl von überlegener Sicherheit.
Bei den damaligen Verhältnissen, abseits von Recht und Ordnung und der Zivilisation der Christenheit, da war
ein solches Gefühl schon das halbe Überleben.
In diesem Land hier galten andere Maßstäbe.
Als ich mich nach einem freien Tisch umsah, entdeckte ich Nancy.
Sie winkte mir von ihrem Tisch zu, und so ging ich zu ihr und setzte mich.
Wir sprachen nicht viel.
Es gab Lammrücken, Reis und zum Nachtisch Apfelkuchen.
Als wir beim Kaffee waren, sagte sie: »Ich habe einen Pokertisch im Imperial.
Das ist der nobelste Laden hier.
In die Spielhalle werden nur Leute eingelassen, die über genügend Mittel verfügen.
Du wirst in meiner Nähe sein und aufpassen, dass mir nichts geschieht.
« Ich nickte.
Sie erhob sich.
»In einer Stunde geht es los«, sagte sie.
Dann ging sie nach oben, denn das Restaurant gehörte zum Hotel.
Auch ich erhob mich, um noch einen Gang durch die Stadt zu machen.
Es herrschte Recht und Ordnung in Gushole, nur waren es das Recht und die Ordnung der Gilde.
Dies begriff ich schnell, indes ich durch die Stadt schlenderte, um sie bis in den letzten Winkel kennen zu
lernen.
Dann und wann hielt ich an in der zunehmenden Dämmerung.
Zunehmend wurden Lichter, Lampen und Laternen angezündet.
Die Bratstände waren noch belagert.
Deputy Marshals schlenderten umher.
Es kamen immer noch Wagen mit durstigen Kehlen und Reiter aus dem Canyonland nach Gushole herein, auch
Fußgänger.
Eine Eselskolonne, jedes Tier an den Schwanz des Vordertieres gebunden, trottete die Fahrbahn entlang.
Jedes Tier war mit Holz beladen, zumeist Knüppelholz aus den Bergen.
Denn das Holz war in der näheren Umgebung längst schon knapp geworden.
Ich betrat auch einige Lokale.
Es ging dort laut und lärmend zu, aber überall waren Rauswerfer und Hauspolizisten.
Ich begriff, dass die Gilde die Stadt so wild hielt, wie es nur möglich war, ohne die Kontrolle zu verlieren.
Denn in einer wilden, sündhaften und leichtsinnigen Stadt voller Laster und Leidenschaften rollte der Dollar
schneller und leichter, da wurde der Goldstaub hemmungsloser ausgegeben.
Doch ich sah auch wie Burschen, die über die Stränge schlagen wollten, zurechtgestutzt wurden.
Da wurde es Zeit, Nancy zum Imperial und dort in die Spielhalle zu begleiten.
Sie würde ihr ganzes Geld bei sich haben.
Aber eigentlich hatte sie doch in Patrik O'Haras Stadt nichts zu befürchten.
Oder? Als ich vor unser Hotel kam, trat Nancy heraus.
Ich bot ihr meinen Arm.
Das konnte ich unbesorgt tun, denn ich trug meinen Colt links.
Ich war mit der Waffe Linkshänder.
Sie fragte: »Nun, hast du dich umgesehen, Partner?« »Dies ist ein wildes Camp, aber die halten es unter
strenger Kontrolle«, erwiderte ich.
»Sie haben hier ein feines System.
Wenn sie mich nicht um ein Haar gehängt hätten, wäre ich noch arglos.
« Wir hatten nun den Eingang zum Imperial erreicht.
Ein grinsender Bursche hielt uns die Schwingtür auf und sagte: »Hoi, Cowboy, verkaufe mir deine Schöne für
eine Nacht, ja? Ich kann es mir leisten, denn ich bin Lucky Bill.
Ich fand die größte Goldader.
Was kostet sie für eine Nacht, Cowboy?« Er war schon ziemlich betrunken und wusste nicht mehr so recht, was
er redete.
Wäre er nüchtern gewesen, hätte ich ihm aufs Maul geschlagen.
Doch so sagte ich freundlich: »Ich habe sie selbst für eine Million gekauft, mein Freund.
Da reicht wohl deine Goldader nicht ganz - oder?« »Neinneinnein«, stotterte er, »dadada mumumuss ich erst
noch eine zweite Ader finden.
Dududu bibibist ein Glücksjunge wie ich, und mich nennt man Lucky Bill.
Wie heißt du denn?« Wir waren schon an ihm vorbei.
Und so rief ich ihm über die Schulter zu: »Lucky Josh! Ich bin Lucky Josh, Bruder! Und viel Glück mit der
zweiten Goldader!« Ich führte Nancy zum Spielsaal hinüber.
Sie sah zu mir hoch und sagte: »Ich bin dir also mehr als eine Million Dollar wert, Partner? Dann pass nur gut
auf mich auf.
« Ein elegant gekleideter Mann trat auf uns zu.
Er sah aus wie ein ehemaliger Offizier von zumindest Majorsrang.
Aber er war jetzt hier der Manager.
Er sagte: »Ich bin Henry Smet und hier der Manager.
Dort drüben ist ihr Tisch, Ma'am.
O'Haras Wünsche sind mir Befehl.
« Er deutete auf mich.
»Den brauchen Sie hier nicht, Lady.
Bei uns sind Sie so sicher wie unter Brüdern.
« »Er wird in meiner Nähe bleiben«, sagte sie fest und nahm ihren Arm aus meinem.
Ich blieb zurück und sah zu, wie sie geradewegs zu dem für sie bestimmten Tisch ging, sich dort setzte und die
Karten probeweise zu mischen begann.
Sie tat Letzteres mit unwahrscheinlicher Leichtigkeit und Geschicklichkeit.
Ein Zauberkünstler hätte nicht vollendeter mit Karten umgehen können.
Dabei blickte sie nicht mal hin, sondern ließ ihre Blicke durch den Spielsaal schweifen.
Wie ich sie dort so sitzen sah, indes ich mir an der kleinen Bar einen Drink geben ließ, spürte ich, dass sie sich
jetzt auf das kommende Spiel konzentrierte wie eine Wildkatze auf die Jagd.
Und solch eine Katze konnte geduldig lauern, warten - und dann zuschlagen.
Was versprach sie sich davon? Was wollte sie erreichen? War sie hergekommen, weil zwischen ihr und diesem
Patrik O'Hara noch eine Rechnung zu begleichen war? Er hatte selbst zugegeben, dass er sich in ihrer Schuld
befand.
Versprach sie sich von mir Hilfe gegen einen so mächtigen Mann wie Patrik O'Hara? Oho, dann überschätzte
sie mich wohl doch sehr.
Mit einem schnellen Colt allein hatte ich hier keine Chance.
Die Macht der Gilde würde mich zertreten wie einen Käfer.
All diese Gedanken gingen durch meinen Kopf, indes ich mit dem Glas in der Hand an der Bar lehnte und alles
beobachtete.
Ich sah dann, wie sich einige Männer an Nancy Dollars Spieltisch begaben, sich höflich verbeugten, fragten, ob
sie Platz nehmen dürften - und wie sie diese Männer fest und kritisch betrachtete und dann jeweils durch
Nicken ihr Einverständnis erkennen ließ.
Auch ich betrachtete diese Männer.
Sie sahen alle beachtlich und seriös aus auf den ersten Blick.
Man konnte sie für Minenbesitzer, Frachtlinienbosse oder erfolgreiche Geschäftsleute halten.
Vielleicht waren sie es auch wirklich.
Ein typischer Kartenhai schien nicht dabei zu sein.
Doch die wirklich erstklassigen Spieler, die es mit jedem Kartenhai aufnehmen konnten, die tarnten sich gut.
Ich wusste das längst.
Wir hatten in der Konföderiertenarmee alle nur denkbaren Typen, und als ich einmal mit einer schweren
Verwundung fast drei Monate in einem Lazarett war, da fand sich dort eine Spielergruppe zusammen, von
denen jeder Einzelne vor dem Krieg durch Kartenspiel seinen Lebensunterhalt verdient hatte.
Damals im Lazarett spielten sie um Knöpfe, um Silber- und Goldknöpfe.
Aber sie verrieten einander alle Tricks, gaben richtige Vorstellungen und profitierten voneinander.
Sie vervollkommneten sich für die Zeit nach dem Krieg.
Ich war ein gelehriger Schüler damals.
Und deshalb wusste ich auch jetzt gut Bescheid und vermochte die Dinge richtig zu deuten.
Und immer dann, wenn ich an diesen Patrik O'Hara dachte, konnte ich mir vorstellen, was dieser vielleicht
versuchen würde, wenn er den Verdacht hatte, dass Nancy Dollar hergekommen war, um Revanche zu nehmen
für etwas.
Denn er stand in ihrer Schuld.
Er staunte, dass sie noch lebte.
Also hatte ihn mit ihr die Vergangenheit wieder eingeholt.
Das war ihm offensichtlich nicht angenehm.
Vielleicht würde er versuchen, sie von ihm ganz und gar abhängig zu machen.
Und wenn das so war, dann musste sie am Spieltisch Niederlagen erleiden.
Vor solchen Niederlagen konnte ich sie mit meinem Colt nicht schützen.
Ich sah mir ihre vier Mitspieler also immer wieder genau an, ließ meinen Instinkt gegen sie strömen.
Die Entfernung von mir an der Bar bis zum Tisch in der Ecke betrug kaum zehn Schritte.
Ich sah, dass Nancy die erste Runde gewann.
Aber es waren kaum mehr als hundert Dollar im Topf.
Das alles hatte noch nichts zu bedeuten.
Die Spieler mussten sich erst noch >beriechen<.
Sie mussten erst noch versuchen, ihre Eigenarten herauszufinden.
Nancy spielte mit vier erfahrenen Strategen.
Das wusste ich bald.
Hatte Patrik O'Hara diese Männer auf sie angesetzt? Hinter der Bar, an der ich lehnte, stand ein Mädchen als
Barkeeperin.
Sie war sehr blond, blauäugig und trug ein rotes Kleid mit tiefem Ausschnitt.
Sie sah nicht wie ein Flittchen oder Tanzmädchen aus.
Irgendwie hatte sie Niveau.
Das spürte man, wenn man in ihre Augen sah.
Diese Spielhalle hier bemühte sich sehr um gehobenes Niveau.
Und das lockte die großen Spieler an.
Ich sah also diese blonde Schönheit an und fragte: »Kennen Sie diese vier Gentlemen, Schwester?« Sie
betrachtete mich prüfend.
Dann erwiderte sie: »Ja, ich gebe Ihnen gern noch einen echten Bourbon.
« Sie nahm ein frisches Glas und füllte es, schob es mir mit einem Lächeln zu.
Ich wusste Bescheid.
Sie hatte mir dennoch eine klare Antwort gegeben, indem sie meine Frage absichtlich falsch verstand.
Diese vier Spieler dort bei Nancy waren getarnte Berufsspieler, Kartenhaie der Gilde.
Und sie sollten Nancy erledigen, blank und arm machen wie eine Kirchenmaus.
Aus welchen Gründen sie auch hergekommen sein mochte, PatrikO'Hara wusste es.
Und er wollte sie abhängig machen von sich.
Dies alles ahnte ich.
Und dort am Spieltisch konnte ich ihr nicht helfen - nicht mit dem Colt, auch nicht mit den Karten.
Ich hatte nur wenige Dollar in der Tasche und war diesen hartgesottenen Spielern gewiss nicht gewachsen,
schon gar nicht, wenn sie insgeheim zusammen gegen Nancy spielten, also nicht jeder für sich.
Nancy war schon so gut wie erledigt.
Das glaubte ich.
Sollte sie mir Leid tun? Oder war sie ihre eigene Hüterin? Was nützte ihr mein Colt, wenn sie am Spieltisch
ihre Selbständigkeit verlor? Ich trank langsam mein zweites Glas Whisky.
Eigentlich nippte ich nur daran.
An der Bar neben mir kamen und gingen die Gäste.
Sie nahmen Drinks, um sich dann wieder den Spieltischen zuzuwenden.
Es wurde alles gespielt - Roulette, Blackjack, Faro; gewürfelt wurde auch, und natürlich wurde auch gepokert.
Die Schöne hinter der Bar goss mir einen dritten Drink ein.
Ich nahm auch eine Zigarre.
»Ich bin Joshua Taggert«, sagte ich.
»Und wie heißen Sie, Schwester?« »Mary«, erwiderte sie.
»Und ich komme aus Texas wie Sie, Joshua Taggert.
« »Das hörte ich schon an Ihrer Sprechweise «, sagte ich.
»Texaner erkennen sich schnell, sobald sie den Mund aufmachen, nicht wahr?« Sie nickte.
Bei uns an der Bar stand im Moment niemand.
Und so sagte sie schnell: »Das sind Spieler der Gilde.
Die haben schon Goldminen gewonnen, Saloons und Frachtwagenzüge voller Ladung.
Sie sollten auf Ihre Frau einwirken, dass sie sofort aufhört.
Sonst seid ihr beide noch vor Morgengrauen arm wie Kirchenmäuse.
« Sie sprach es freundlich lächelnd, indes sie mir das dritte Glas hinsetzte.
Und auch ich lächelte und tat, als würden wir uns nett unterhalten.
Doch ich sagte: »Danke, Mary, danke.
Doch sie ist nicht meine Frau.
Sie hat nur meinen Colt gemietet - mehr nicht.
« Dabei lachte ich leise, so als hätte ich ihr einen Witz erzählt.
Auch sie lachte.
Dann kamen wieder Gäste an die Bar.
Ich wandte mich wieder dem Spieltisch zu, lehnte mit dem Rücken an der Bar, das Glas und die Zigarre in den
Händen.
Nancy Dollar gewann soeben wieder einen Pokertopf.
Diesmal waren es gewiss mehr als dreihundert Dollar, wie ich ungefähr schätzen konnte.
Als sie dann die Karten mischte, sah sie einmal kurz zu mir her.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
Vielleicht verstand sie meine Warnung.
Aber sie reagierte nicht.
Ich konnte ihr nicht helfen.
Verdammt, was sollte ich hier? Wie ein Narr kam ich mir vor.
Jemand trat neben mich.
Ich blickte zur Seite und erkannte Patrik O'Hara.
»Na, Cowboy?« So fragte er und es sollte wohl heißen: Wie geht's.
Ich grinste ihn an.
»Sie ist in guter Gesellschaft, wie ich sehe«, sagte ich.
»Ihre Mitspieler sehen wie wirkliche Gentlemen aus.
« »Andere lassen wir gar nicht an sie heran «, erwiderte er.
»Sie steht unter meinem ganz persönlichen Schutz.
Ich bin ihr noch gewaltig viel schuldig.
Was zahlt sie Ihnen, Cowboy?« »Hundert Dollar und alle Spesen«, erwiderte ich.
»Und sie ist kalt wie Eis trotz aller Schönheit.
« Er grinste und sagte: »Ich zahle Ihnen zweihundert, Cowboy.
Nancy braucht Ihren Schutz nicht mehr.
Aber ich brauche harte Burschen mit schnellen Colts.
John Fitssimmons war ein schneller Revolvermann.
Aber Sie schlugen ihn.
Sie haben auch bei mir hier in dieser Stadt alles frei - sogar Mädchen.
Wollen Sie?« Ich blickte zu Nancy hinüber.
Und ich begriff O'Haras Spiel.
Aus welchen Gründen Nancy Dollar auch hergekommen war, sie sollte allein sein, ganz allein mit ihrer
Schönheit in Patrik O'Haras Stadt.
Wollte er sie klein machen, zerbrechen und von sich abhängig machen? Ich wusste, dass ich ihr nicht mehr
helfen konnte.
Da hatte ich keine Chance gegen die Macht der Gilde.
Und so sah ich Patrik O'Hara an und nickte.
»Also gut, setzen Sie mich auf Ihre Lohnliste.
Soll ich mich bei ihr abmelden? Oder übernehmen Sie das?« »Ich sage ihr Bescheid«, nickte er und wandte
sich an das Mädchen hinter der Bar.
»Gib ihm hundert Dollar, Mary«, sagte er.
»Lass sie dir quittieren als Vorschuss.
« Er wandte sich an mich.
»Drei Tage hast du Zeit, dich umzusehen und heimisch zu werden.
Sieh dir alles gut an.
Im Mietstall bekommst du auch ein Pferd.
Sieh dich auch im Canyon um, so dass du dich sogar in finsterer Nacht darin zurechtfinden könntest.
Und dann melde dich am Nachmittag des vierten Tages bei Henry Smet, der hier im Imperial mein Manager ist.
Er wird dir sagen, was dein Job ist.
« Nach diesen Worten ging er.
Keinen einzigen Blick warf er zu Nancy hinüber.
Ich sah, dass sie wieder gewann.
Einen Moment hatte ich Hoffnung, dass sie den vier Spielern vielleicht doch gewachsen sein könnte.
Aber das war unmöglich.
Und so wandte ich mich wieder Mary zu, die mir hundert Dollar zuschob.
In einem Buch musste ich quittieren.
Mary sagte: »Nun arbeiten wir also beide für den gleichen Boss.
Er kauft jeden, der ihm nützlich sein kann.
Sie haben aber sehr schnell gewechselt, Mister Taggert.
« Sie hatte einen Klang von Verachtung in der Stimme.
»Sicher«, sagte ich.
»Man muss sehen, wo man bleibt.
Ich habe mich um hundert Dollar verbessert.
Und sogar die Mädchen bekomme ich umsonst.
Das ist doch was - oder nicht?« »O ja«, erwiderte sie.
»Das ist eine Menge für einen schnellen Colt.
« Sie hatte wieder einen besonderen Klang in ihrer Stimme.
Es konnte Verachtung oder Mitleid sein.
Ich wollte gehen, aber dann fragte ich: »Warum arbeiten Sie hier, Mary?« »Als ich aus der Postkutsche stieg«,
erwiderte sie, »hatte ich keinen Dollar mehr.
Aber ich hatte Glück, dass ich Patrik O'Hara gefiel.
Er nahm mich eine Weile zu sich.
Vielleicht hat er mir sogar ein Kind gemacht, ich weiß es noch nicht.
Aber ich werde es bald wissen - in spätestens einer Woche.
Als er meiner überdrüssig wurde, gab er mir diesen Job hier.
Er hätte mich auch in ein anderes Haus schicken können, nicht wahr? Er war geradezu nobel zu mir.
Denn hier verdiene ich gut.
Sobald ich das Reisegeld beisammen habe, kehre ich zum Brazos zurück.
Sonst noch Fragen?« Ich schüttelte den Kopf und ging.
Und ich dachte: So einer ist O'Hara also - so einer.
Draußen die klare Nacht tat mir gut.
Gushole lärmte.
Östlich und westlich der Stadt hoben sich die zackigen Ränder des mächtigen Canyons gegen den
Sternenhimmel ab.
Der Canyon verlief von Nord nach Süd - oder auch umgekehrt.
Es kam auf den Standpunkt an.
Ich wusste, dort draußen außerhalb der Stadt, da brannten die Feuer und Lichter bei all den Tausenden von
Claims, besonders zu beiden Seiten des Creek.
Und bei den Minen leuchteten Laternen.
Ich verspürte Lust zum Reiten.
Schon lange war ich nicht geritten.
Zuletzt saß ich auf einem Pferd, als wir am 12.
April 1865 bei Appomattox in die Gefangenschaft gingen.
Da führte ich meine Schwadron zwischen den Reihen der Unionsarmee hindurch.
Wir waren zerlumpt, abgekämpft, halb verhungert, ein trauriger Haufen, ein geschlagener Haufen.
Aber da ließen die Unionstruppen ein Trompetensignal hören.
Und wahrhaftig, ihre Reihen präsentierten die Gewehre vor uns.
Da ging es wie ein Ruck durch unseren geschlagenen Haufen.
Wir rissen unsere Pferde noch einmal hoch, saßen gerade im Sattel, hielten Richtung - und wir Offiziere
senkten unsere Säbel bis zu den Fußspitzen.
So zogen wir noch einmal stolz im Trabe unter unserer Rebellenfahne daher.
Es war die Fahne mit dem großen weißen Feld, das in der oberen Ecke das sternenbesetzte blaue Kreuz auf
rotem Grund trug.
Es war mein letzter Ritt.
Jetzt war es September, also schon fünf Monate später.
Ja, ich hatte das Verlangen zu reiten.
Und so machte ich mich auf den Weg zum Mietstall.
Der Stallmann saß im Vorraum auf der Futterkiste.
Er sah mich an.
Ich sagte: »Mister O'Hara sagte mir, dass ich jederzeit ein Pferd bekommen kann.
« »Sicher«, nickte der Stallmann.
»Der Botenjunge war schon hier - Sie sind doch der Revolvermann, gegen den John Fitssimmons keine Chance
hatte, nicht wahr?« Ich nickte und musste dann etwas mühsam schlucken.
Mir war wieder einmal bewusst, wie alles gekommen war.
Um Nancy ein Zimmer besorgen zu können, legte ich mich mit John Fitssimmons an.
Er zwang mich dann zu einem Revolverkampf.
Sein Stolz ließ ihm keine andere Wahl.
Jetzt war er tot.
Und ich fragte mich immer wieder, ob es das Zimmer wert war, einen Mann dafür zu töten? Verdammt, damit
musste ich erst noch fertig werden.
Und dennoch wusste ich schon, dass dies erst der Anfang war.
Vielleicht sollte ich mit dem Pferd einfach fortreiten? Aber ich wusste, dass ich es nicht können würde.
Denn da war Nancy Dollar.
Sie war jetzt allein.
Ich hatte sie verlassen, war zu O'Hara übergewechselt.
Denn um Nancy helfen und beistehen zu können, musste ich erst mal überleben.
Auf O'Haras Seite konnte ich das.
Ich wusste, er musste Feinde haben.
Ich war noch zu neu hier.
In vier Tagen würde ich besser Bescheid wissen.
Vielleicht hatte er bis dahin Nancy Dollar schon klein gemacht.
Aber vielleicht würde ich ihr erst in vier Wochen, vier Monaten oder gar nicht helfen können.
Der Stallmann brachte das gesattelte Pferd durch den Stallgang nach vorn.
Es war ein hübscher Fuchswallach, stark genug für meine fast neunzig Kilo, die ich trotz sehniger Hagerkeit
besaß.
Ich saß auf und ritt in die Nacht.
Ich ritt nach Norden in den Canyon hinein.
Es tat gut, wieder im Sattel zu sitzen und ein Pferd unter sich zu haben.
Im Grunde war ich vielleicht doch nur ein Cowboy.
Aber es war O'Haras Pferd.
Es war O'Haras Gnade.
Und er wollte Nancy Dollar zerbrechen.
Was mochte sie von mir denken? So wie es aussah, hatte ich sie im Stich gelassen.
Warum war sie hergekommen? Verließ sie sich nur allein auf ihre Schönheit? Glaubte sie, diese Schönheit
wäre eine Waffe? Ich hätte zu gerne ihr Geheimnis gewusst.
Der Wagen weg durch den mächtigen Canyon war leer.
Es war noch nicht die Zeit der Heimkehr zu den Minen und den Claims.
Und die Stunde, zu der alles in die Stadt strömte, um dort alle Sünden zu begehen, war längst schon vorbei.
Überall brannten Feuer, leuchteten Lichter.
Bei einem Claim hockte eine größere Gesellschaft beisammen.
Sie sangen zu Gitarren und einer Mundharmonika.
Die Nacht war hell.
Silberlicht fiel in den Canyon.
Die Feuer leuchteten rötlich, und die Lichter waren gelb.
Ich verließ den Wagenweg und folgte einem schmalen Pfad, der hinüber zu den aufragenden Hängen führte.
Ich kam zwischen Hütten, Zelten und zu Buden umgebauten Wagen hindurch.
Ich war allein in der Nacht in einem von goldgierigen Menschen gefüllten Canyon, ich wusste, ich steckte in
der Klemme.
Sollte ich fortreiten - immer nur nach Norden? Oder sollte ich bleiben? Nancys Bild war vor mir.
Sie war kalt, eiskalt, was Männer betraf.
Dennoch konnte ich sie nicht im Stich lassen.
Das war mir plötzlich klar.
Warum wollte ich ihr helfen? Und war ich bereit, auch mit ihr unterzugehen? Liebte ich sie? Nein, Liebe
konnte es wohl nicht sein.
Sie war eiskalt zu Männern.
Ich hatte lange angehalten.
Rechts und links von mir brannten die Feuer von Claims, beleuchteten Hütten und Zelte.
Eine heisere Stimme brüllte plötzlich durch die Nacht: »Hoiii, du da auf deinem Pferd, hier gibt es nichts zu
spionieren! Hau ab! Sag den verdammten Strolchen in Gushole, dass es hier nichts zu holen gibt! Nur heißes
Blei bekommt ihr schleichenden Hurensöhne! « Die Stimme war kaum verklungen, als sich von den anderen
Claims her andere Stimmen meldeten.
Sie brüllten ähnliche Worte.
Es waren Verwünschungen, Drohungen.
Und ich begriff in diesen Sekunden, dass es im Gushole Canyon Claim- und Goldräuber gab, Banditen, die in
den Nächten herumschlichen und in die Hütten einzelner Goldgräber eindrangen.
Dort machten sie den zumeist schlafenden Besitzer klein und suchten dann nach dessen Goldausbeute.
Diese Überfälle waren wahrscheinlich so häufig geworden, dass die Goldgräber auf ihren Claims nun wachsam
waren und auf alles achteten, was sich in ihrer Nähe bewegte.
Sie selbst erkannten sich als Nachbarn wahrscheinlich schon an ihren Stimmen oder benutzten
Erkennungsworten.
Ich ritt weiter, bevor sie von allen Seiten zu mir streben konnten.
Aber ich wusste nun, es herrschte eine gespannte und gefährliche Stimmung im Gushole Canyon.
Und ich war sicher, dass auch die Goldbanditen zur Gilde der Schmutzigen gehörten.
Ein Mann wie dieser Patrik O 'Hara, der begnügte sich nicht mit einer wilden Campstadt wie Gushole, wenn er
sich den ganzen Canyon nehmen konnte.
Er hatte die Hartgesottenen und Bösen organisiert.
Nun lebten sie wie ein Wolfsrudel von der großen Hammelherde.
Doch sie machten sich fortwährend Feinde.
Noch lebte die Hammelherde in Furcht vor ihnen.
Diese Herde war zwar sehr viel zahlreicher und konnte in einer Stampede alles niedertrampeln, zerstören,
vernichten.
Doch es fehlten die Anführer.
Und es durfte niemals welche geben.
Ich konnte mir denken, dass die Banditen aus Gushole ständig darauf achteten und jeden neuen Anführer
wegputzten wie einen Leithammel.
So einfach war das.
Indes ich durch die silberhelle Nacht ritt, Flüche und Drohungen mir folgten, begriff ich dies alles.
Aber ich sah dennoch keine Chance.
Würde ich mich zum Anführer der Redlichen machen, stünde ich sofort auf der Abschussliste.
Mit Sicherheit hatte es schon Männer gegeben hier im Canyon, die das alles wagten und scheiterten.
Ich würde nur einer mehr auf dieser Liste werden.
Nein, so konnte ich Patrik O'Hara und die Wilde Horde nicht besiegen.
Ich rit t weiter durch die Nacht, und weil es mir gleich war, wohin mein Weg mich führte, folgte ich dem
großen Canyon bis zu einer Querschlucht und bog in diese nach Westen ab.
Hier war es dunkler, aber auch hier sah ich Claimfeuer, blinzelten in Hütten oder Zelten Laternen und Lampen.
Ich hielt nicht an, sondern blieb mit meinem Pferd in Bewegung.
Nicht noch einmal wollte ich Verdacht erregen und Flüche hören.
Ich wollte nicht als Spitzel verdächtigt werden.
Es musste nun schon lange nach Mitternacht sein, wahrscheinlich bereits zwischen Mitternacht und Morgen.
Die Schlucht mündete nach einer Meile in einen fast kreisrunden Talkessel.
Hier bei der Mündung waren keine Claims.
Aber drüben im Kessel, da leuchteten einige Lichter.
Ich erkannte auch einige Hütten und Gebäude.
, Das alles schien eine Mine zu sein.
Ich hielt an, saß ab und lehnte mich an einen Felsen.
Mein Pferd begann an einigen Büschen zu rupfen.
Meine Finger drehten eine Zigarette, während meine Blicke in die Runde schweiften.
Immer noch war die Nacht silberhell und so still wie der verhallte Klang einer Glocke.
Wieder dachte ich an Nancy Dollar.
Nun saß sie schon länger als fünf Stunden am Pokertisch mit vier erfahrenen Spielern.
Hatte sie auch weiterhin wie am Anfang gewinnen können? Oder war sie schon erledigt und ohne Spielkapital?
Das fragte ich mich immer wieder.
Und was für ein Geheimnis gab es zwischen ihr und Patrik O'Hara? Ich trat den Zigarettenstummel aus, saß
wieder auf und ritt zum Hauptcanyon zurück, folgte diesem weiter nach Norden.
Nein, ich wollte in dieser Nacht nicht zurück nach Gushole.
Viele Feuer im Canyon waren jetzt erloschen.
Auch Laternen und andere Lichter brannten nicht mehr so viele.
Der Wagenweg durch den Hauptcanyon war jetzt auch wieder belebter.
Die durstigen Männer, welche am Abend nach Gushole geströmt waren, kehrten nun zu ihren Claims und
Minen zurück - und weil sie so durstig gewesen waren, als sie nach Gushole zogen, kehrten sie jetzt alle mehr
oder weniger betrunken zurück.
Als ich einmal im Mondschatten einiger Felsen verhielt, mir eine Zigarette drehte und den Atem des Canyon
spürte mit all den tausend oder noch mehr Seelen darin, da hörte ich einen singenden Reiter kommen.
Er kam im Schritt geritten und sang mit einer Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkam, obwohl ich sie
gewiss noch niemals singen hörte.
Dann aber erkannte ich den trunkenen Sänger im Mond- und Sternenlicht.
Er ritt nur zwei Dutzend Yards an der Schattengrenze der Felsen an mir vorbei, hielt sich mitten auf dem
Wagenweg.
Es war jener Lucky Bill, der mir Nancy für eine Nacht hatte abkaufen wollen und der von sich sagte, dass er
Besitzer einer Goldader sei.
Ja, er war es.
Ich erkannte ihn nicht nur an der Stimme, sondern auch an seinem großen Hut.
Er schwankte im Sattel und sang ein Lied von einer weißen Rose am Rio Grande, die er küssen wollte trotz
ihrer Dornen.
Er ritt an mir vorbei, ohne mich im Mondschatten der Felsen zu bemerken.
Aber hinter ihm kamen noch zwei Reiter, und diese kamen im Trab, holten ihn also schnell ein.
Kaum einen Steinwurf entfernt von mir, waren sie bei ihm.
Und sie hatten mich ebenfalls nicht bemerkt.
Der Mondschatten zwischen den Felsen musste tief sein.
Sicherlich blendete sie der Silbermond.
Ich hörte Lucky Bills Stimme, und sie klang gar nicht mehr betrunken.
Sie rief mit grimmiger Freude: »Auf euch Drecksäcke habe ich gewartet!« Und dann krachten auch schon die
Schüsse.
Lucky Bill schwankte im Sattel.
Aber er schoss weiter.
Auch einer der Kerle konnte sich nur mühsam im Sattel halten.
Doch der andere Mann rammte nun mit seinem Pferd gegen Lucky Bills Tier.
Er fiel aus dem Sattel.
Ich schwang mich längst schon auf mein Pferd und ritt hinüber.
Und ich sah, wie der Reiter vom Pferd aus auf den sich am Boden wälzenden Lucky Bill schoss.
Ich konnte nicht erkennen, ob er traf, doch Lucky Bill wälzte und rollte sich weiter, lag keinen einzigen
Sekundenbruchteil still.
Der andere Reiter, der zuvor noch im Sattel schwankte, wandte sich gegen mich.
Er rief mir etwas entgegen.
Vielleicht war es eine Art Losungs-oder Erkennungswort.
Ich antwortete nicht, sondern war bei ihm und schlug ihn aus dem Sattel.
Der andere Mann, der nochmals auf Lucky Bill schoss, wandte sich nun ebenfalls gegen mich.
Denn er hatte mich als die größere Gefahr erkannt.
Ich spürte die Kugel, als sein Mündungsfeuer aufleuchtete.
Sie pfiff dicht an meinem Kopf vorbei.
Dann schoss ich - und ich traf besser.
Er wurde still.
Lucky Bill lag stöhnend am Boden.
Er setzte sich langsam auf und hielt sich die linke Schulter.
Sitzend sah er zu mir empor.
»He«, sagte er, »bist du keiner von diesen Goldräubern? Und überhaupt.
Kennen wir uns nicht?« »Sicher«, grinste ich grimmig vom Sattel nieder und hielt meinen rauchenden Colt
noch in der Hand.
»Wir kennen uns, Bruder.
Ich bin der Mann, dem du die Frau abkaufen wolltest.
Und dann war dir eine Million zu viel.
« »Ach ja, du bist ja der Lange mit der Schönen«, sagte er und kam endlich auf die Beine.
Seine Stimme klang nicht mehr betrunken.
»Ich wollte mal die Goldräuber reinlegen, stellte mich betrunken und ließ in der Stadt einen Beutel mit
Goldstaub sehen «, sagte er grimmig und gepresst vor Schmerz und Bitterkeit.
»Aber nun hätte ich fast den Löffel abgeben müssen.
Warum hast du mir eigentlich geholfen? Gehörst du nicht zu dieser Gilde der Schmutzigen? « • »Nein, noch
nicht«, erwiderte ich.
»Aber du bist kein Goldgräber, sondern läufst in Gushole mit einem tief geschnallten Colt und einer Schönen
am Arm herum.
« Er verstummte misstrauisch und trat schwankend zu seinem Pferd.
Gewiss verlor er viel Blut.
Er wusste nicht, wie er in den Sattel kommen sollte.
Ihm war offenbar übel.
Ich saß wortlos ab und half ihm hinauf in den Sattel.
»Mir ist ganz schwarz vor den Augen«, knirschte er.
»Was ist mit den beiden Drecksäcken? « Ich ging hin und untersuchte die beiden Straßenräuber.
Jener, den ich vom Pferd schoss, war tot.
Der andere, den ich vom Pferd geschlagen hatte, lebte, war jedoch bewusstlos.
Ich sagte es Lucky Bill und fragte dann: »Wohin muss ich dich bringen? Du verlierst Blut.
Ich denke mir, dass dein Ausschussloch verdammt groß ist.
Du wirst bald vom Pferd kippen.
Also los, wohin?« Er deutete auf ein Licht, keine Viertelmeile von uns entfernt.
»Dort hat Barney seinen Claim«, knirschte er.
»Sie alle im Canyon hier haben die Schüsse gehört.
Aber keiner wagt sich aus dem Bau.
Nur Barney wird kommen, wenn du ihm zurufst, dass ich Hilfe brauche.
« »Also los«, sagte ich, »dann reiten wir zu Barney.
« Es war wirklich nicht weit.
Wir mussten nur auf die andere Seite des Creek und dann ein kleines Stück weiter.
Barney stand mit dem Gewehr vor seiner Hütte.
Es waren auch noch andere Hütten in der Umgebung.
Überall standen dort bewaffnete Männer.
Sie warteten und schwiegen.
Ich rief Barney zu, dass sich Lucky Bill bald nicht mehr länger im Sattel halten könnte.
Und da kam er.
Lucky Bill fiel auch keine Sekunde später in Barneys Arme.
Barney war ein Riese.
Er fing Lucky Bill schnaufend auf.
Ich folgte den beiden in die Hütte.
Dort bekamen wir zu tun.
Denn Lucky Bill blutete wirklich aus einer Ausschusswunde, die so groß war, dass man eine Faust
hineinstecken konnte.
Indes wir ihn versorgten, sein Loch zustopften und Schnaps draufgossen, damit sich nichts entzünden konnte,
kamen noch zwei Männer herein, so dass wir nur noch wenig Platz hatten in der kleinen Hütte.
Im Lampenschein betrachteten mich dann die drei Männer.
»Warum hast du ihm geholfen?« So fragte Barney schließlich.
»Sollte ich nicht?« So fragte ich zurück.
Ihr scharfes, wachsames Misstrauen strömte gegen mich wie ein heißer Atem.
Inzwischen erwachte Lucky Bill aus seiner Bewusstlosigkeit.
Zuerst irrte sein Blick verwundert umher - aber dann kam schnell die Erinnerung.
Er sagte: »Seid nett zu ihm - auch wenn er wie einer von O 'Haras Revolverschwingern aussieht.
Ohne ihn wäre ich tot.
Ich überschätzte mich, glaubte, ich könnte den verdammten Goldräubern eine Falle stellen - mit mir als Köder.
Ich stellte mich betrunken, zeigte einen Beutel Goldstaub in Gushole und wusste, dass mir Goldwölfe folgen
würden.
Aber meine erste Kugel ging fehl - und ihre erste traf mich.
Einer von ihnen ist nur bewusstlos.
Der andere ist tot - von ihm erschossen.
Er hätte mir nicht helfen müssen.
« Wieder starrten sie mich an.
Dann sagte einer der beiden, die später kamen: »Sooo, einer der Goldräuber ist nur bewusstlos?« Sie
verständigten sich mit einem Blick.
Dann gingen sie alle drei hinaus.
Ich blieb allein bei Lucky Bill zurück, hockte auf dem Rand seiner Schlafpritsche und sah auf ihn nieder.
Wir schwiegen.
Lucky Bill hatte eine für seinen Zustand sehr lange Rede gehalten.
Er musste erst wieder Kraft sammeln.
Draußen tönten überall Rufe.
Lucky Bill grinste verzerrt und sagte dann heiser und mühsam: »Den hängen sie auf.
Ich meine den Bewusstlosen.
Den hängen sie auf! Jetzt erst laufen sie von allen Claims auf einer halben Meile in der Runde zusammen.
Jetzt erst wissen sie, dass wir einen der Goldwölfe aus Gushole lebend haben.
Sie werden ihn schnell hängen.
Denn er ist ein auf frischer Tat ertappter Goldräuber.
Der Zorn der Redlichen wird jetzt böse und gnadenlos.
Warum hast du mir geholfen?« »Das wäre eine lange Geschichte«, murmelte ich.
»Vielleicht erzähle ich sie dir mal, wenn ich selbst mit mir klar gekommen bin.
Hast du es noch weit zu deiner Goldader? Kannst du hier bei Barney bleiben? Ich will nämlich weiter« Er
grinste verzerrt.
»Ich habe keine Goldader«, sagte er dann.
»Doch sie haben vor einer Woche meinen Freund und Partner überfallen und ausgeraubt.
Wir holten nur für etwa zehn Dollar Goldstaub pro Tag aus unserem Claim - mehr nicht.
Aber ich dachte mir, dass sie auch mich überfallen würden, wenn ich in Gushole genug Wind mach.
Ich wollte es den Hurensöhnen geben.
Mein Partner war ein guter Bursche.
Daheim hat er eine Frau und zwei Kinder.
Er glaubte an sein Glück und wollte hier seine Farm schuldenfrei machen können.
Jetzt ist er tot, und ich weiß nicht, was ich seiner Familie schreiben soll.
Diese verdammten Mörder und Banditen.
Ich dachte - als ich dich mit der Schönen sah -, du gehörst zu dieser dreckigen Gilde.
« »Ich bin erst die zweite Nacht hier im Gushole Canyon«, erwiderte ich und erhob mich.
Er hatte mir auf meine Frage, wo seine Goldader wäre, keine richtige Antwort gegeben.
Denn wenn er auch keine Goldader hatte, so doch einen Claim.
Nun sagte er: »Es sind nur hundert Schritte weiter den Creek aufwärts.
Barney und die anderen werden mich hinbringen, sobald ich mich etwas ausgeruht habe.
Ich danke dir.
Ohne dein Eingreifen wäre ich jetzt tot.
Und wenn ich wirklich eine Goldader finden sollte, dann mache ich dich zu meinem Partner.
Gut so?« »Und die Familie deines toten Partners«, sagte ich.
»Ja, das wäre gut so.
Nur findet man wohl so schnell keine Goldader- oder?« »Leider nicht«, grinste er müde und schlapp.
Ich nickte ihm zu und ging hinaus.
Nicht weit entfernt brannte jetzt ein großes Feuer.
Die Flammen beleuchteten eine mächtige Burreiche.
Sie trug keine Blätter, war also abgestorben.
Ihr Holz musste hart wie Stein sein.
Nur deshalb stand sie noch und war nicht zersägt, zerhackt und verfeuert worden.
Man hätte sich jedes Werkzeug an ihr stumpf gemacht.
Ein Männerhaufen hatte sich versammelt.
Ich schätzte drei Dutzend Männer.
Es waren gewiss alle Claimbesitzer auf eine halbe Meile in der Runde oder canyonaufwärts und -abwärts.
Ich ritt daran vorbei, kaum mehr als einen Steinwurf weit entfernt.
Ja, sie würden den Banditen hängen, das war klar.
Wer sollte sie davon abhalten? Nein, ich in keinem Fall! Denn ich hatte begriffen, dass im Gushole Canyon
Krieg herrschte, richtiger unbarmherziger Krieg.
Patrik O'Hara hatte die Stadt noch fest in der Hand.
Und die Goldwölfe der Gilde waren im Canyon auch noch da und dort erfolgreich an der Arbeit.
Doch der Zorn der Redlichen war schon wie ein Feuer, welches jeden Moment zum Ausbruch kommen konnte
in der Stunde des Zorns.
Wenn diese Stunde kam, dann würde die Hölle ausbrechen.
Ich ritt weiter nach Norden durch den Canyon.
Wenn es Tag war, dann würde ich vielleicht das Ende erreichen.
Hinter mir hörte ich johlendes Geschrei.
Ich wusste, sie hatten ihn aufgeknüpft.
Sie begriffen jetzt gewiss, wie stark sie als Masse waren.
Dabei waren sie nur etwa drei Dutzend.
Aber wenn sie dreihundert oder gar tausend sein würden.
Die Sonne wärmte schon ein wenig, als ich das Ende das Gushole Canyons erreichte.
Vor mir war eine Siedlung.
Vielleicht würde eine Campstadt daraus werden wie Gushole.
Als ich zwischen die Hütten, Zelte und Wagen ritt, da sah ich, dass es schon einen Saloon, einen Store, ein
Restaurant und ein Hotel gab.
Aber alles war hastig zusammengenagelt, halb Zelt, halb Baracke.
Doch es war ein Anfang.
Ein Mann trat mir in den Weg.
Er warf einen Blick auf das Brandzeichen meines Pferdes und fragte: »Na, schickt O'Hara dich, um nachsehen
zu lassen, wie weit wir hier sind?« Ich nickte nur.
Da grinste er breit und machte eine umfassende Handbewegung.
»Es geht gut voran.
Bald haben wir auch hier einen Pfropfen sitzen und kontrollieren die Zu- und Ausgänge des Canyons.
Hier kommt keiner mehr durch, den wir nicht kontrollieren können.
Wer bist du? Ich bin Jake Jonnyson.
« Ich nannte ihm meinen Namen.
»Steig ab«, sagte er.
»Gehen wir frühstücken.
Ich bin heute spät aufgestanden.
Wir bekommen jetzt auch hier in Canyon City ein Nachtleben.
Die dicke Ella kam mit einem Dutzend Honeybees her.
Das sind vielleicht Biester.
« Ich saß ab und band mein Pferd vor dem Restaurant an, folgt ihm dann hinein.
Und ich wusste nun, dass diese Siedlung schon einen stolzen Namen hatte.
Er nannte ihn soeben: Canyon City.
Und es würde ebenfalls Patrik O'Haras Stadt sein.
Mit beiden sperrte er den Canyon, Gushole ist am Südende.
Canyon City lag am Nordende.
Und dazwischen war der Canyon mit einigen tausend Goldgräbern und Minenleuten.
Sie saßen in der Falle.
Keiner von ihnen konnte sich dann noch mit seiner Goldausbeute davonschleichen.
Patrik O'Hara kontrollierte dann auch jeden Nachschub, jede Fracht, welche herangeschafft werden musste.
Ich begriff das alles, indes ich mich drinnen zu Jake Jonnyson an den Tisch setzte und wir Steaks und
Bratkartoffeln und Apfelmus bekamen.
»Ich habe hier alles im Griff«, sagte Jake Jonnyson.
»Du kannst O'Hara nur Gutes melden.
Die dicke Ella hat ihr Bordell bis spätestens morgen etabliert.
Dann kassieren wir bald nicht nur Steuern, sondern erfahren auch, welcher Goldgräber den Beutel voller
Goldstaub und Nuggets hat.
Den Mädchen gegenüber werden sie alle redselig.
Wir kommen auch hier ins Geschäft.
Ich habe gestern eine kleine Rinderherde beschlagnahmt.
Die beiden Cowboys, die hier ihre Rinder als Frischfleisch verkaufen wollten, trieben ihre kleine Herde mitten
durch unsere Siedlung, diese Narren.
Eines der Tiere stieß einen Mann nieder, verletzte ihn mit der Hornspitze an der Hüfte.
Die Herde - es sind siebenundzwanzig Tiere - wird uns pro Kilo einen Dollar bringen.
Die beiden Cowboys jagte ich davon.
Die kommen nicht wieder.
Du kannst Patrik O'Hara also berichten, dass er hier den richtigen Mann am richtigen Platz hat.
Auch meine Mannschaft ist jetzt fast komplett.
Wir sind neun Mann, und jeder ist ein haariger Bursche, schnell mit dem Colt und von der Sorte die sich durch
Kühnheit behauptet.
Es läuft alles bestens.
« Er lehnte sich kauend zufrieden und selbstbewusst zurück.
Ich betrachtete ihn.
Ja, er war ein harter Bursche.
Aber weil ich ein Pferd mit dem Brandzeichen der Gilde ritt, hatte er in mir sofort einen Kontrolleur vermutet,
den O'Hara sandte.
Er war also ein Mann, der auch Fehler machte.
Oder sah ich so hart aus wie die meisten von O'Haras Leuten? Unterschied ich mich äußerlich.
nur wenig oder gar nicht von den Hartgesottenen der Wilden Horde? Wir unterhielten uns dann noch eine all
seiner zweibeinigen Gold- und Townwolfe Es war eine hinterhältige Frage.
Denn er wollte vor allen Dingen wissen, ob ich länger bleiben wollte oder dies nur ein kurzer Besuch war.
»Ich reite wieder«, sagte ich.
Da war er zufrieden.
Denn er wollte hier keinen Aufpasser, sondern der uneingeschränkte Boss sein.
Aber er war ein Dummkopf.
Wenn Patrik O'Hara ihn überwachen ließ, dann würde sich dieser Mann gewiss nicht zu erkennen geben und
auch nicht auf einem Pferd mit dem Brandzeichen der Gilde angeritten kommen.
O'Hara würde ihn von einem unerkannt bleibenden Mann überwachen lassen.
Ich ließ mich nachher noch durch die Siedlung führen.
Überall wurde gearbeitet, gesägt, gegraben, gehämmert.
Diese Siedlung, welche noch halb ein Camp aus Zelten war, würde bald eine Stadt wie Gushole sein.
Ich fragte mich, wie die paar tausend Goldgräber und Minenleute sich damit abfinden würden, eingekeilt zu
sein von der Gilde der Schmutzigen, von der Wilden Horde goldgieriger Banditen, gnadenlosen Spielern,
schlechten Mädchen - und mit steigenden Preisen für alle notwendigen Dinge des täglichen Lebens? Als ich
Canyon City verließ, war es schon fast Mittag.
Und ich wollte noch zwei weitere Tage umherreiten und mich umsehen im großen Canyon und seinen
Querschluchten.
Patrik O'Hara wollte ja, dass ich mich in finsteren Nächten zurechtfinden konnte wie ein Wolf in seinem
Jagdrevier.
Das war wahrscheinlich auch das Basiswissen 30 Als ich wieder nach Gushole kam, war es später Nachmittag.
Die Stadt bereitete sich langsam auf den Feierabend vor und bei Anbruch der Dunkelheit würde es sie sich
verändern in ein Babylon der Berge, voller Sünden, Schwächen und Leidenschaften, Begierden und Laster.
Ich hatte immer wieder an Nancy Dollar gedacht in den vergangenen Tagen und Nächten des Reitens,
Erkundens und Informieren.
Was war inzwischen mit ihr geschehen? Hatte sie als Spielerin gewonnen? Oder wurde sie am Spieltisch
geschlagen, klein gemacht, so dass sie von Patrik O'Hara abhängig war? Das war ständig die Frage in mir.
Ich brachte das Pferd in den Mietstall zurück und ging zu unserem Hotel.
Als der Portier mir den Zimmerschlüssel über das Anmeldepult reichte, da fragte ich: »Ist die Lady oben auf
ihrem Zimmer? « Der Portier lachte, und dieses Lachen klang schrill, neidvoll und hatte zugleich auch noch
einen Beiklang von Respekt.
»Die.
«, so dehnte er dann und leckte sich über die Lippen.
»Oh, die hat es nicht mehr nötig, hier in diesem Hotel zu wohnen.
Der gehört doch jetzt das ganze Imperial.
« Ich staunte.
Hatte ich sie so sehr unterschätzt? War sie eine Zauberin mit den Karten? Konnte sie hellsehen beim Poker?
Dies fragte ich mich, denn es war mir von Anfang an klar, dass sie die Imperial- Amüsier- und Spielhalle nur
beim Poker gewonnen haben konnte.
Wie sonst hätte sie in den Besitz dieses Amüsier- und Spielbetriebes kommen können? Und so fragte ich: »Wie
wurde das möglich? « Der Portier hob seine Schultern und ließ sie wieder sinken.
»Sie gewann immer wieder gegen die erfolgreichsten und erfahrensten Pokerspieler des Gushole Canyons.
Wie sie es machte, darüber gibt es viele Meinungen.
Aber sie schaffte es irgendwie.
Manche sagen, dass sie eine Hellseherin wäre.
Andere behaupten, sie beherrsche Kartentricks in einer Vollendung, wie selbst Zauberkünstler sie nicht
besäßen.
Sie machte die männlichen Gegenspieler binnen zweier Nächte blank.
Und in der vergangenen Nacht setzte sich sogar Patrik O'Hara zu ihnen an den Pokertisch.
Er brachte Geld ins Spiel, eine Menge Geld, da es den Männern ausgegangen war.
Denn die Schöne wollte nur Bargeld, keine Chips, kein Gold, nur bares Geld.
Und davon gibt es nicht allzu viel in Gushole.
Gold gibt es genug in jeder Form, also Goldstaub, Nuggets und losgebrochenes Adergold.
Gold- und Geldtransporte werden zumeist von den Banditen geschnappt.
Deshalb transportiert schon lange niemand mehr diese Dinge.
Und deshalb ist Bargeld knapp.
Aber sie akzeptierte nur Bargeld.
Und so ließ Patrik O'Hara alles zusammenholen.
Aus ganz Gushole kratzten sie Bargeld zusammen - mehr als hunderttausend Dollar.
Es war ein ganzer Sack voller Papier - und ein zweiter Sack voller Hartgeld.
Mehr als hunderttausend Dollar.
Patrik O'Hara hätte sehr viel mehr in Gold aufbringen können, doch.
« Er winkte ab, weil er wahrscheinlich sonst wiederholt hätte, was er schon sagte, nämlich, dass Nancy Dollar
nur Dollars wollte.
Wie treffend war ihr Nachname.
Wahrscheinlich war es nicht mal ihr wirklicher Name.
Wie mochte der wohl lauten? Der Portier hatte nun wieder Luft geholt.
In seinen Augen funkelte es vor Begeisterung.
»Sie gewann das ganze Geld«, sprach er weiter.
»Sogar Patrik O'Hara konnte nicht mehr im Spiel bleiben, weil er nichts mehr zum Einsatz bringen konnte.
Da bot er das Imperial als Einsatz an.
Denn er glaubte, dass seine drei Asse nicht zu schlagen wären, dass die Schöne diesmal nur bluffte, weil sie
sich das mit dem vielen Geld erlauben konnte.
Sie nahm das Angebot an.
Sie setzte all ihr gewonnenes Geld gegen den Amüsier- und Spielbetrieb.
Und sie gewann mit vier Dreiern.
Vier Dreier gegen drei Asse.
Patrik O'Hara war hin.
« Er verstummte schnaufend.
Ich aber verharrte still.
Und ich wusste, dass Nancy Dollar zwar das ganze Imperial gewonnen hatte, aber dennoch in der Klemme saß.
Patrik O'Hara konnte es ihr leicht wieder wegnehmen.
Dass er es ihr ließ, konnte nur mit einer Laune zusammenhängen - oder mit jenem Geheimnis, das zwischen
ihnen war.
Es fand offenbar ein anderes Spiel noch zwischen ihnen statt.
Ich ging hinauf in mein Zimmer, legte dort meine Siebensachen ab und zog mir anderes Zeug an.
Es war Zeug, das Nancy mir kaufte, als ich noch ihr Beschützer war.
Am Abend würde ich hinüber ins Imperial gehen und sie sehen.
Würde ich ihre Verachtung zu spüren bekommen? Ich hatte sie verlassen, meine Seite gewechselt.
So jedenfalls musste es für sie aussehen.
Wie würde sie sich mir gegenüber verhalten? Das fragte ich mich, indes ich wieder auf die Straße trat.
Einer der Deputies kam vorbei, sah mich an und nickte leicht.
Ich fragte: »Wo finde ich O'Hara jetzt? Oder hat er immer noch im Imperial seit Hauptquartier?« »Nein, diese
grünäugige Katze hat ihn rausgeworfen, noch bevor es Tag wurde.
Er residiert jetzt im Big Nugget.
« Der Deputy ging weiter.
Ich aber machte mich auf den Weg zu O'Hara.
Er hockte hinter einem Schreibtisch und in einem Raum, welcher längst nicht so nobel war wie sein bisheriges
Hauptquartier im Imperial.
Zwei Leibwächter waren bei ihm.
»Was willst du?« So fragte er mürrisch.
Ich sagte ihm, dass ich bis Canyon City geritten sei, und berichtete ihm von den Fortschritten dort.
Aber er winkte bald schon ab und sagte: »Ich weiß, ich weiß.
Sonst noch was?« »Sie haben vor drei Nächten einen Banditen aufgeknüpft«, sagte ich.
»Als es passierte, kam ich gerade vorbei.
Ein Bandit ist erschossen worden.
Den anderen bekamen sie lebend.
Sie knüpften ihn auf.
« »Das weiß ich auch«, sagte er mürrisch.
»Na gut, Boss«, erwiderte ich.
»Sie haben mir hundert Dollar Vorschuss gezahlt.
Ich sollte mich umsehen und Bescheid wissen im Canyon.
Ja, Sie sagten mir, dass ich mich bei meiner Rückkehr beim Manager des Imperial melden sollte.
Aber wie ich hörte, hat Nancy Dollar dort nun das Sagen.
« Er grinste und nickte.
»Vielleicht möchtest du mit deinem Colt wieder zu ihr zurück?« Ich schüttelte den Kopf.
»Die vertraut mir nicht mehr«, sagte ich.
»Das glaube ich auch, wenn sie dir überhaupt jemals vertraut hat.
« Er grinste.
Dann deutete er zur Tür: »Geh hin zu ihr.
Sie soll die Postkutsche nehmen, die in einer Stunde abfährt.
Wenn sie das nicht tut - nun, ich komme in einer Stunde und werfe sie raus.
Sie ist wegen Falschspiels in Gushole nicht mehr duldbar.
Der Richter wird sie ausweisen.
Sag ihr das.
Wenn du willst, kannst du mit ihr gehen.
« Er war in übelster Laune.
Wahrscheinlich hatte er schon viele Stunden über seine Niederlage nachgedacht.
Dabei war er noch rücksichtsloser und bösartiger geworden, als er es ohnehin schon war.
»Ich will nicht mit ihr gehen«, erwiderte ich und ging.
Meine Gedanken jagten sich.
O'Hara hatte versucht, Nancy Dollar am Spieltisch klein zu machen, und das war ihm nicht gelungen.
Durch diese Niederlage war sein Selbstgefühl verletzt wie durch einen Lanzenstich.
Er hatte aber dennoch einen ganzen Tag lang nachdenken müssen, bis er sich jetzt entschloss, alles wieder mit
Gewalt rückgängig zu machen.
Er war von einer Frau geschlagen worden.
Aber er war ein schlechter Verlierer.
Er würde sich als unehrenhafter Verlierer und Schuft entlarven.
Ich begann zu ahnen, dass Nancy Dollar dies vielleicht sogar wollte.
Denn sie hätte das sicherlich voraussehen müssen.
Ich erreichte das Imperial und ging hinein.
Es war noch nicht viel Betrieb, denn die Sonne stand noch zwei Fingerbreit im Westen.
Man konnte sie in der Querschlucht leuchten sehen.
Der Canyon selbst lag bereits im Schatten.
Nur aus der Querschlucht fiel das Sonnenlicht, legte eine gewaltige Barriere quer durch den dunkel
gewordenen Canyon.
Vom Himmel aber sickerte noch Licht hernieder.
Der Manager Henry Smet lehnte an der langen Bar und rauchte eine Zigarre.
Hinter ihm putzten vier Barmänner Gläser.
Henry Smet sah mich an.
»O'Hara schickt mich zu Nancy Dollar «, sagte ich.
»Der soll ich sagen, dass sie mit der Postkutsche abhauen soll.
Wenn sie das nicht tut, wird sie aus der Stadt gejagt.
Ich soll ihr das ausrichten.
« Er grinste.
Dann deutete er auf die Treppe, welche nach oben führte.
»Die letzte Tür rechts«, sagte er knapp.
Und er fügte hinzu: »Du hast dich aber lange herumgetrieben, Taggert.
« Ich nickte.
»Das sollte ich auch«, sagte ich und ging nach oben.
Als ich an die Tür klopfte, war mir gar nicht besonders wohl.
Denn ich wusste, dass ich in Nancy Dollars Augen die ganze Verachtung der Welt erkennen können würde.
Ich durfte eintreten, schloss die Tür hinter mir und lehnte mich mit einer Schulter dagegen.
Der Raum war eine Art kombiniertes Wohn-Schlaf zimmer.
Und er war nobel eingerichtet.
Dieser Patrik O'Hara hatte Geschmack.
Doch jetzt gehörte alles Nancy Dollar, wenn auch nicht mehr lange.
Sie sah mich an, hatte vor dem großen Spiegel gestanden und sich mir dann zugewandt.
»Dass du dich noch hertraust.
«, sagte sie langsam.
»Was bist du für ein Bursche, Joshua Taggert? Hat O'Hara dir so viel Angst eingejagt, dass du auf seine Seite hüpfst?
Sieh mich an! Ich habe keine Angst!« »Aber was nützt das schon?« So fragte ich und näherte mich ihr, bis wir
unseren Atem spüren konnten.
»Fast hätten sie dich am Hals aufgehängt «, sprach sie verächtlich.
»Und dennoch bist du zu ihnen übergelaufen.
Für hundert Dollar mehr.
Es gibt keine stolzen Männer mehr auf dieser Erde.
« Ich grinste auf sie nieder.
»Du sollst in einer knappen Stunde die Nachtpost nehmen«, sagte ich.
»Sonst wirst du wegen Falschspiels aus der Stadt gejagt.
O'Hara ist wirklich kein stolzer Mann.
Aber er hat einen langen Tag nachdenken müssen, ob er ein fairer Verlierer sein oder dich davonjagen soll.
Er schickt mich dir zu sagen, dass du verschwinden sollst, wenn du mit heiler Haut davonkommen möchtest.
« Indes ich sprach, sah sie fortwährend in meine Augen.
Und ihre Nasenflügel vibrierten, so als könnte sie irgendeine Witterung nehmen von etwas.
Ich grinste immer noch und fügte leiser hinzu: »Ich musste zu O'Hara überlaufen, um mich in aller Ruhe umsehen zu
können in Gushole und dem ganzen Gold Canyon.
Nein, ich habe nicht vergessen, dass man mich hier beinahe aufknüpfte.
Was ist oder war zwischen dir und O'Ha ra? Willst du mir nicht endlich klaren Wein einschenken?« Sie erwiderte
noch nichts, sondern ging langsam im Kreis um mich herum, betrachtete mich von allen Seiten und hielt schließlich
wieder vor mir an.
Sie sah fest mit ihren grünen Katzenaugen zu mir empor.
Und wieder waren wir uns so nahe, das wir gegenseitig unseren Atem spürten.
Nach einigen Atemzügen wandte sie siel von mir ab, ging zu einem Armlehnstuh und setzte sich.
Dann nickte sie: »Ja, ich will dir reiner Wein einschenken und dich in das Geheimnis zwischen mir und O'Hara
einweihen
Er ist mein Mann.
Wir sind immer noch miteinander verheiratet.
Ich heiße Nancy O'Hara, geborene Dollar aus Boston.
Es ist nun schon fast acht Jahre her, da waren wir beide in einer Postkutsche von Tueson nach El Paso unterwegs.
« Nach diesen einleitenden Worter machte sie eine Pause.
Ich sah ihr an, das; sie nicht nur Atem holen musste - nein, in ihrem Kern brannte nun ein Feuer.
Es mussten böse Erinnerungen sein, die ihr den Atem zu nehmen drohten.
Sie schloss sogar ihre Augen.
Und ihre wunderschönen Hände ballten sich zu Fäusten.
Ja, sie hob sogar ihre Fäuste drückte sie vor den Mund, biss hinein in die Knöchel.
Dann aber hatte sie es überwunden.
Sie war plötzlich wieder ganz ruhig, eigentlich zu ruhig, zu kühl und beherrscht, Ihre grünen Augen blickten
ausdruckslos.
Dann sprach sie weiter: »Apachen jagten unsere Kutsche.
Wir erreichten eine Station, deren Leute schon von Apachen getötet worden waren.
Wir konnten nicht weiter, verschanzten uns auf der Station.
Wir waren fünf Männer und drei Frauen.
Wir hofften, dass eine Armeepatrouille oder ein Aufgebot kommen würde, wenn die Postkutsche zu lange überfällig
war.
« Wieder machte sie eine Pause.
Aber diesmal blieb sie ganz ruhig.
Ihre Augen blickten ins Leere.
»Wir kämpften eine Nacht und einen langen Tag«, sagte sie.
»Und ich gebar in diesen Stunden einen Sohn.
Denn ich war hochschwanger.
Durch die Erregung kam das Kind zu früh.
Ich gebar einen Sohn, Joshua Taggert, verstehst du? Sein Schreien klang zwischen den Schüssen und dem
Geheul und den Flüchen der Kämpfer.
Und sie starben alle nacheinander.
Als es dann Nacht wurde, lebten nur noch wir drei - nämlich mein Sohn, mein Mann und ich.
In dieser Nacht verließ er mich.
Er schlich sich davon, indes mein Sohn krähte.
Er entkam den Apachen.
Ich nicht.
Denn sie kamen noch vor Mitternacht zu mir.
Und sie nahmen mich mit.
Auch meinen Sohn.
« Als sie verstummte, wusste ich Bescheid.
Apachen taten alles, um sich zu vermehren.
Kinder, die noch klein genug waren, um Apachen aus ihnen machen zu können, die nahmen sie mit.
Und auch Frauen, von denen sie Kinder erwarten konnten, ließen sie am Leben.
Nancy war dunkelhaarig.
Das gab sicherlich den Ausschlag.
Von ihr konnte man auch dunkelhaarige Kinder erwarten.
Ich wusste nichts zu sagen.
Was hätte.
ich auch sagen sollen? Nancy zu trösten, dies wäre dumm gewesen, geradezu dämlich, albern und
oberflächlich.
Eine Frau, die durchmachte, was Nancy durchmachen musste, die brauchte keinen Trost mehr.
Die hatte sich aufgrund ihrer Lebenskraft behaupten können.
Solch eine Frau war groß und stark geworden.
Und hart! Hart wie Stein! Sie sah mich an.
»Jetzt verstehe ich dich besser«, sagte ich schließlich.
»Bist du nach Gushole gekommen, um mit O'Hara abzurechnen?« Sie nickte langsam.
»Aber ich wusste nicht, dass er so mächtig wurde.
Ich glaubte, dass er hier nur ein Spieler wäre, ein Kartenhai.
Ich ließ ihn suchen.
Viele Jahre schon.
Als ich von ihm hörte, war er wohl hier noch nicht der große Bulle im Corral.
Ich kam her, um ihn als Spieler klein zu machen.
Ich wusste, dass er auch diesmal nicht verlieren können würde.
Und deshalb brauchte ich den Schutz eines Revolvermannes und machte dich zu meinem Partner.
Aber ich sehe ein, dass O'Hara zu groß und zu mächtig wurde.
Gegen einen solchen Riesen konntest du mich nicht beschützen, So blieb mir wenigstens die Genugtuung, dass
ich ihn am Spieltisch klein machte und er wieder mal nicht verlieren konnte.
Damals, da schlich er sich davon, ließ mich in der Not zurück mit meinem kaum geborenen Baby.
Jetzt wird er kommen, weil er nicht fair verlieren kann.
Er wird mir wieder nehmen, was ich ihm beim Poker abnahm.
Die Selbsterkenntnis, ein Schuft zu sein, die wird seinen Stolz zerfressen.
Was er damals tat, dies konnte er in all den Jahren sicherlich verdrängen.
Weil er hier ein großer Bursche wurde, war er gewiss sehr zufrieden mit sich.
Doch als ich kam, holte ihn die Erinnerung wieder ein.
Und nun jagt er mich davon, weil ich ihn an seine Feigheit erinnere, weil ich ihn besiegt habe beim Poker - und
weil er weiß, dass er für mich der letzte Dreck ist.
Ich kann es nicht besser sagen.
Aber wenn ich hier fortgehe, dann mit dem Gefühl des Triumphes.
Denn ich habe ihn zerbrochen.
Seine Pose hier mag noch so großartig wirken.
Er selbst wird stets fühlen, was für ein Dreckskerl er ist.
Nun gut.
« Wieder sahen wir uns an.
»Was wirst du tun?« So fragte ich.
Sie lächelte herb.
»Er hat die Macht«, sagte sie.
»Fast hätte er dich hängen lassen.
Nur aus einem Schuldgefühl mir gegenüber ließ er dich am Leben.
Doch er brachte dich dann dazu, von mir zu ihm überzulaufen.
Er war sich noch nicht klar über mein für ihn so plötzliches Auftauchen.
Ich muss fort.
Sie würden mich sonst mit Gewalt in die Postkutsche schleppen.
Was könnte ich anderes tun, als mich fügen?« Sie sah mich verächtlich an, doch die Verachtung galt nicht mir,
sondern der ganzen Welt - oder auch ihrem Schicksal.
Ich fragte: »Du hast eine Menge Geld gewonnen.
- Wo ist es?« Nun lächelte sie spöttisch.
»Im Geldschrank unten im Büro«, sagte sie.
»Es war zu viel, um es mit heraufzunehmen und unter das Kopfkissen legen zu können.
Der Geldschrank unten ist voller Geld.
Ich habe die Zahlenkombination neu eingestellt.
Aber selbst wenn ich sie O'Hara nicht verrate, würden sie das Ding gewiss irgendwie aufbekommen.
Ich habe fast das ganze Bargeld von Gushole eingesammelt und unten im Geldschrank.
« Nun lachte sie leise.
Aber dann trat sie zu einer Kommode und öffnete dort eine auf dieser stehende Reisetasche.
»Ich habe hier noch etwa dreitausend Dollar«, sagte sie.
»Vielleicht lässt O'Hara sie mir.
Denn damit kam ich her.
« Ich nickte.
Und meine Gedanken eilten indes tausend Meilen in der Sekunde.
In mir waren viele Gefühle.
Ich hatte niemals aufgegeben, ihr helfen zu wollen.
Dass ich scheinbar zu Patrik O'Hara überlief, sollte mir nur Zeit geben, mich mit den Verhältnissen vertraut zu
machen.
Ich dachte an die Goldwölfe, an den Zorn der Goldgräber.
Und ich wusste, dass all diese Dinge sozusagen eskalieren würden.
Auch hier in der wilden Stadt Gushole würde und konnte nicht alles so bleiben.
Es geschah zu viel Unrecht.
Der Stadtmarshal, der weißköpf ige Richter, die Geschworenen - alle waren sie Patrik O'Haras Handlanger.
Er würde irgendwann den Bogen überspannen.
Seine Gilde der Schmutzigen würde eines Tages von einer Stampede der Zornigen hinweggefegt werden.
Man musste dies alles beschleunigen.
Aber das vermochte ich nur draußen inmitten der Goldgräber.
Ich musste einer der ihren werden.
Lucky Bill und jener Barney würden mir gewiss dabei helfen.
Da war ich sicher.
Ich sagte zu Nancy: »Willst du bleiben und kämpfen? Ich meine nicht hier in der Stadt.
Doch draußen im Canyon.
Die Goldgräber sind böse und gereizt wie Hornissen.
Sie knüpften vor drei Nächten einen Goldräuber auf.
Den anderen tötete ich.
Ich mach mir Freunde.
Wir könnten Helfer und Verbündete bekommen.
Gib mir Geld.
Ich besorge zwei Pferde und eine Ausrüstung für uns.
Eine Meile hinter der Stadt lässt du die Postkutsche anhalten und steigst aus.
Ich komme dann mit den Pferden.
Und wir reiten zu Lucky Bill, dem ich das Leben rettete.
Mitten unter den Goldgräbern sind wir einigermaßen sicher.
Und dann bringen wir etwas in Gang.
Willst du?« Sie starrte mich staunend an, leckte sich über ihre trocken gewordenen Lippen.
»Und warum bist du auf meiner Seite? « So fragte sie schließlich.
Ich hob die Schultern, ließ sie wieder sinken und grinste.
»Es wäre schade um dich«, sagte ich.
»O'Hara darf nicht der Gewinner sein, nur weil er rücksichtslos und mächtig ist.
Und vielleicht bricht dann der harte Kern in dir auf und kommt etwas wieder zum Vorschein, was du für tot
hältst.
Wir werden sehen.
Setze ein paar Chips auf mich, Nancy.
Vielleicht gewinnst du damit das Spiel.
« Sie sah mich immer noch an und nickte schließlich.
Dann griff sie in die Reisetasche und holte eine Rolle Geldscheine hervor.
Sie warf mir die Rolle zu.
Es mussten fast tausend Dollar sein.
Damit ging ich zur Tür.
Doch dort fiel mir noch etwas ein, und so wandte ich mich noch einmal Nancy zu.
»Kannst du wirklich so gut Poker spielen - oder wandtest du irgendwelche Kartentricks an?« So fragte ich sie.
Da lächelte sie ernst.
»Instinkt«, erwiderte sie.
»Ich verfeinerte bei den Apachen meinen Instinkt.
« Nun kehrte ich einige Schritte zu ihr zurück.
Vorhin wagte ich keine weiteren Fragen, doch jetzt fragte ich: »Wie lange warst du bei den Apachen?« »Fast
zwei Jahre«, erwiderte sie.
»Ich wurde die Dienerin ihrer Medizinfrau.
Und mein Baby gedieh prächtig.
Das war mein einziger Trost.
« »Und dann?« Ich fragte es ahnungsvoll, denn ich spürte, dass noch etwas auf Nancy Dollar lastete.
Sie hob die Hand und strich über Augen und Stirn, so als könnte sie irgendwelche Bilder aus ihrer Erinnerung
streichen.
Dann klirrte ihre Stimme leise: »Dann überfiel Bürgermiliz das Dorf der Apachen.
Sie wurde angeführt von Skalpjägern.
Sie töteten alle, auch meinen kleinen Sohn.
Denn sie hielten ihn für ein Apachenkind.
Sie hätten auch mich fast getötet.
Nur weil ich sie in ihrer Sprache verfluchte, erkannten sie, dass ich eine Weiße war.
Es gibt wohl auch keine Apachensquaw mit grünen Augen.
Die verdammten Mörder ließen mich am Leben und nahmen mich mit nach Tucson.
Ich arbeitete dort eine Weile in einem Saloon.
Dann kam ein alt gewordener Spieler, der nahm mich mit in eine andere Welt.
Jetzt weißt du fast alles, Joshua.
« Sie sprach es wie jemand, der nun nichts mehr sagen will.
Und so ging ich.
Unten lehnte Henry Smet, der Manager des Imperial, noch immer an der Bar.
Aber in der Amüsierhalle wurde es inzwischen etwas voller und lebhafter.
Draußen war die Abenddämmerung in die Nacht übergegangen.
Smet fragte: »Nun?« »Sie nimmt die Postkutsche«, erwiderte ich.
»Aber sie meinte, dass es sich im Gushole Canyon herumsprechen wird, wie O'Hara reagiert, wenn er beim
Poker verliert.
Sie meint, es wird ihm schaden.
« »Das mag sein«, murmelte Henry Smet.
Ich griff in die Tasche und holte hundert Dollar hervor, gab sie ihm.
»Die bekam ich vor drei Tagen als Vorschuss «, sagte ich.
»Mary, die in der Spielhalle hinter der Bar steht, gab sie mir.
Ich musste das in ihrem Buch quittieren.
Nun gebe ich das Geld zurück.
Denn ich möchte lieber im Canyon nach Gold suchen, als hier in Gushole für O'Hara zu arbeiten.
« Nach diesen Worten ging ich.
Ich brauchte einige Zeit, um zwei Pferde zu kaufen und auch die notwendigste Ausrüstung zu beschaffen.
Als ich die Stadt eine Meile hinter mir gelassen hatte, sah ich Nancy am Weg hocken.
Sie erhob sich von einem Stein.
Neben ihr standen zwei pralle Reisetaschen.
Ich hätte wahrscheinlich noch ein Packpferd kaufen sollen.
Doch es würde schwer genug sein, zwei Tiere durch den Winter zu bringen.
Bei drei Tieren wäre es noch mühsamer geworden.
Sie sagte schlicht: »Du hast mich lange warten lassen, Joshua.
« »Es ging nicht schneller«, erwiderte ich.
»Ich wollte es nicht zu auffällig machen.
Das gab mir die Chance, aus der Stadt herauskommen zu können, bevor es O'Hara zu Ohren kam.
Jetzt wird er es wahrscheinlich schon wissen.
« Ich saß ab, ging zu ihr hin und nahm die beiden Reisetaschen.
An den Sattelhörnern hingen schon Säcke mit allerlei Dingen.
Ich musste die Reisetaschen an den großen Gepäckrollen hinter den Sätteln festbinden.
Dann sah ich zu, wie Nancy in den Sattel kletterte.
Sie trug einen geteilten Hosenrock, der ihr gestattete, wie ein Mann zu reiten.
Ich sah, dass sie eine erfahrene Reiterin war.
Schon am Aufsitzen erkannte ich es.
Wenig später ritten wir weiter.
Mond und Sterne warfen silbernes Licht in den Canyon.
Überall brannten Feuer, leuchteten Lichter.
Der Canyon war voller Goldgräber.
Und unter ihnen waren die Banditen, die gierigen Goldwölfe, die zur >Gilde der Schmutzigem gehörten, deren
Boss Patrik O'Hara war.
Als wir gegen Mitternacht vom Hauptweg abbogen und jenem schmalen Pfad folgten, der sich zwischen den Claims
hindurchschlängelte, da wurden wir mehrmals angerufen.
Ich gab immer wieder ruhig Antwort, rief zurück: »Wir sind zu Barney und Lucky Bill unterwegs.
Ich reite hier mit einer Frau.
« Es folgten uns keine Flüche und Drohungen.
Offenbar war es im Canyon üblich geworden, dass man nicht unerkannt umherreiten durfte.
Die Goldgräber auf ihren Claims besaßen alle mehr oder weniger Gold.
Und je mehr Gold sie herausgeholt hatten, umso besorgter waren sie um ihre Sicherheit.
Es hatte wohl zu viele Überfälle gegeben.
Gold- und Geldtransporte wurden schon sehr lange nicht mehr durchgeführt.
Man konnte also das Gold nicht wegschicken, loswerden.
Man musste es verstecken und auf bessere Zeiten warten.
Die Goldgräber hatten Probleme damit.
Daheim wartete so manche Familie auf Unterstützung.
Aber es kam nichts heraus aus dem Gushole Canyon.
Es war dann gar nicht so leicht für mich, Barneys Hütte zu finden.
Aber als ich dann seinen Namen rief, da antwortete eine Stimme: »Drei Claims weiter müsst ihr reiten.
Wer seid ihr?« »Aaah, ich bin der Bursche, der vor drei Nächten Lucky Bill beistand.
Ich will nachsehen, wie es ihm geht!« Wir ritten weiter, und dann hielten wir vor ihm an.
Er stand mit dem Gewehr im Hüftanschlag vor seiner Hütte und senkte die Waffe erst, als er mich wirklich erkannt
hatte.
»Hoiii, liegt Lucky Bill noch bei dir in der Hütte, Barney?« So fragte ich.
»Nein, wir haben ihn heute gegen Mittag in seine Hütte gebracht«, erwiderte Barney, trat einen Schritt vor, starrte zu
Nancy empor und sagte: »Aaah, sitzt da eine Frau im Sattel?« »Richtig« ^nickte ich.
»Sie gehört zu mir.
Wir sind Partner.
Und wir wollen uns jeder einen Claim abstecken und nach Gold suchen.
In eurer Nachbarschaft würden wir uns wohl fühlen.
Oder habt ihr was dagegen?« »Nein.
« Barney lachte.
»Und es wäre wohl auch recht erfreulich für uns alle, wenn wir eine Frau sehen könnten, nicht nur unsere unrasierten
Gesichter.
Sie scheint sehr schön zu sein.
Ihr könnt sicherlich bei Lucky Bill übernachten.
Dessen Hütte war ja für zwei Bewohner gebaut.
Und morgen werden wir sehen.
Ich komme mit euch zu Lucky Bill.
« Er setzte sich in Bewegung.
Als wir vor Lucky Bills Claimhütte hielten, rief dieser heraus: »Hey, was ist denn da die ganze Zeit für ein Lärm dort
draußen?! « »Du bekommst Besuch, Lucky Bill«, rief Barney in die Hütte.
Er ging hinein, zündete drinnen eine Lampe an, und dann traten auch wir ein.
Lucky Bill lag auf seinem Lager und staunte Nancy an.
»Hey, die ist so schön, dass ihr mich kneifen müsst«, sagte er.
Auch Barney staunte ungläubig.
Plötzlich fiel ihm etwas ein.
Er klatschte sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und sagte: »Hey, jetzt weiß ich es! Es kann im ganzen Canyon
nur eine einzige Frau von solcher Schönheit geben.
Lady, sind Sie die Spielerin, an die Patrik O'Hara seine Imperial Hall verlor?« »Und weil er nicht nobel verlieren
kann, jagte er mich aus der Stadt«, erwiderte Nancy- Im Lampenschein starrten die beiden Goldgräber sie an.
Dann sagte Barney: »Eines Tages werden wir alle nach Gushole marschieren und dort aufräumen.
Aber dann wird wohl auch vom Imperial nichts mehr übrig bleiben.
« »Wenn nur O'Hara zum Teufel geht«, erwiderte sie.
Einige Atemzüge lang schwiegen wir.
Die beiden Goldgräber dachten noch nach.
Dann sagte Lucky Bill: »Macht es euch bequem.
Ihr könnt morgen eure Claims anschließend an meinen abstecken.
Und wenn ich eine Goldader finde, so verläuft diese vielleicht dann auch über eure Claims.
Das wäre was, nicht wahr?« Wir lachten alle.
Und es war ein gutes Einvernehmen zwischen uns.
Wir alle ahnten und spürten Dinge, über die wir gar nicht erst zu reden brauchten.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück steckten Nancy und ich uns je einen Claim ab.
Als es sich herumgesprochen hatte, kamen bald schon die Nachbarn der näheren und auch etwas weiteren
Umgebung, um uns zu begutachten.
Einige, die auf ihren Claims kaum Ausbeute hatten, boten uns für ein paar Dollar ihre Hilfe an.
Denn wir mussten Hütten haben, einen Corral für die Pferde.
Am Creekuf er musste eine Waschanlage errichtet werden.
Zwei Tage und Nächte vergingen.
Dann hatten wir eine primitive Hütte über dem Kopf.
Wir galten als Paar, und all meine Nachbarn waren neidisch auf mich, weil ich mit einer schönen Frau unter
einem Dach schlief.
Oha, wenn sie gewusst hätten, wie wenig wir ein Pärchen waren.
Doch ich konnte Nancy nun besser verstehen.
Deshalb verhielt ich mich so, als wäre sie meine Schwester.
Und dennoch hoffte ich, dass sich irgendwann etwas in ihr verändern würde.
Wir sprachen wenig.
Es gab zu tun.
Am Abend des dritten Tages verließen uns unsere Helfer.
Sie hatten sich dringend benötigte Dollars verdient.
Einer von ihnen war mit seinem Wagen sogar in Canyon City gewesen, um Bretter und Bauholz zu holen.
Als Nancy und ich beim Abendbrot vor der Hütte hockten und der Feuerschein sich gegen die zunehmende
Dunkelheit ausbreitete, da sagte ich: »Inzwischen weiß Patrik O'Hara längst Bescheid über uns.
Sein Nachrichtensystem ist erstklassig.
Es kann sein, dass seine Revolverschwinger schon in dieser Nacht kommen.
Er kann sich ausrechnen, warum wir uns hier in dieser Nachbarschaft unsere Claims absteckten und was wir in
Gang bringen könnten.
Wir werden heute nicht in der Hütte schlafen, obwohl sie jetzt fertig ist und die Nächte ziemlich kalt sind.
Aber es wäre zu gefährlich in der Hütte.
« Nancy nickte: »Du hast außer dem anderen Zeug auch noch zwei Gewehre gekauft «, sagte sie.
»Ich werde mit meinem Gewehr schießen.
Darauf kannst du wetten.
« Ich erhob mich, ging von Claim zu Claim und sprach mit den Männern.
Als ich zu Nancy zurückkam, war es zwei Stunden vor Mitternacht.
Die Banditen würden gewiss erst kurz vor Morgengrauen kommen.
Wir legten uns mit unseren Zeltplanen und Decken dicht beim Creek in eine Kuhle, die zurückgeblieben war,
als jemand hier nach Gold suchte und das Erdreich zum Creek schleppte, um es in einer Pfanne nach Gold
auszuwaschen.
Wir hatten auch unsere Gewehre bei uns.
Meinen Colt legte ich griffbereit neben mich.
Wir lagen ziemlich nahe beieinander.
Ich spürte Nancy dicht neben mir.
Oh, ich hätte sie gerne in meine Arme genommen.
Lange schwiegen wir, lauschten in die Nacht.
Da und dort brannten noch die Feuer, leuchteten die Lichter vor oder in den Hütten.
In der Ferne sang eine wunderschöne Stimme.
Der Sänger - das wusste ich inzwischen - war ein junger Bursche, der sich zum Opernsänger ausbilden lassen
wollte.
Doch es fehlte ihm das Geld.
Deshalb kam er ins Goldland.
Nun hoffte er, so viel Gold zu finden, dass er damit zu einem berühmten Lehrer nach New York gehen konnte.
Ich dachte: So haben wir wohl alle hier unsere Hoffnungen.
Nancy sagte leise neben mir: »Es tut mir Leid, Joshua, sehr Leid.
« »Was?« So fragte ich und wusste dennoch, was sie meinte.
»Dass ich keinen Mann mehr lieben kann«, murmelte sie.
»Und dennoch hoffe ich, dass ich durch dich wieder eine normale Frau werden kann.
Ich wünsche mir so sehr, dass ich durch dich wieder an einen Mann zu glauben vermag.
Und dies würde der Anfang sein.
Joshua, ich muss dir das sagen.
« »Ja, so sehe und hoffe ich das auch«, murmelte ich und nahm ihre Hand.
Nach kurzem Widerstreben ließ sie ihre Hand in der meinen.
»Diese Welt ist mies«, murmelte ich, »doch so mies auch wieder nicht, dass es keine guten Dinge gibt wie
Sterne in der dunklen Nacht.
Sieh zum Himmel! Du kannst die Sterne dort oben nicht mal zählen, so viele sind es.
« Sie seufzte ein wenig.
Dann rollte sie sich dichter an mich.
Die Nachtkühle war jetzt stärker.
Nancy legte ihren Kopf auf meine Schulter, und ihr Haar kitzelte meine Nase.
Es musste eine Stunde vor Morgengrauen sein, als ich sie kommen hörte.
Sie kamen leise.
Am Himmel war jetzt Dunst.
Aus dem Creek stieg Nebel.
Die Nacht war nicht mehr hell und klar.
Sie führten ihre Pferde und gaben sich Mühe, leise zu sein.
Dann aber saßen sie auf und kamen im Galopp das letzte Stück.
Als sie unsere Hütte erreichten, ritten sie einen Kreis.
Sie begannen zu schießen, und einer von ihnen hielt etwas außerhalb ihres schießenden Kreises an, um eine
Sprengpulverstange anzuzünden, deren Lunte sehr kurz gehalten war.
Er warf das Ding auf das Dach unserer gerade erst fertigen Hütte.
Es krachte schlimm.
Unsere Hütte flog auseinander und begann zu brennen.
Dann aber brach die Hölle los.
Nicht nur Nancy und ich schössen.
Die Reiter versuchten am Creek entlang zu flüchten.
Aber sie bekamen Feuer von allen Claims, aus allen Hütten oder aus Richtung dieser Hütten.
Und dann wurde es still.
Nur drei sattellose Pferde flüchteten.
Zwei andere Tiere lagen tot im Creek.
Nun würde es überall Pferdefleischbraten geben.
Denn das Frischfleisch war hier knapp und teuer.
Wir holten fünf Kerle zusammen.
Zwei waren tot.
Einer starb, indes wir ihn aus dem Creek trugen.
Und zwei lebten noch.
Sie waren zwar angeschossen, doch sie würden es überleben.
Jemand sagte: »Hängen wir sie auf wie jenen vor vier Nächten! Ja, hängen wir sie an die gute alte Burreiche
dort drüben!« Der Sprecher erhielt Zustimmung.
Aber ich sagte laut genug: »Halt! Lasst uns mal überlegen!« Sie hielten inne, doch eine mürrische Stimme
fragte: »Was gibt es da noch zu überlegen? Wie sollten wir uns gegen diese Strolche schützen, diese Banditen
und Mörder? He, wie denn?« Sie waren wieder in jener gefährlichen Stimmung wie damals, als sie den Bandit
hängten.
Ich konnte sie gut verstehen.
Denn jeder von ihnen lebte in Angst vor den Goldwölfen, bangte um seine manchmal sehr kleine Ausbeute, mit
der er einmal heimkehren wollte.
Es herrschte Unsicherheit im Canyon.
Ja, sie misstrauten sogar einander.
Jetzt aber als Menge spürten sie ihre Macht.
Es war keine Furcht mehr in ihnen.
Nun wollten sie Vergeltung.
Sie umgaben mich im Morgengrauen.
Einer sagte: »Also hören wir ihn an.
Er ist gewiss kein Dummkopf.
Durch ihn erlitten die Goldwölfe nun schon zwei Niederlagen.
Also gut, Nachbar, was gibt es zu überlegen?« Ich spürte ihre ungeduldige Erwartung.
Aber ich beeilte mich nicht.
Ich versuchte meine Ruhe auf sie zu übertragen.
Langsam sagte ich: »Das waren und sind nur Handlanger, Burschen ohne viel Hirn, die nur ausführen, was
ihnen andere auftragen.
Selbst wenn wir sie alle niederkämpfen oder aufhängen, so gibt es für sie schnell wieder Ersatz.
Doch die Drahtzieher, die Leute, die das alles organisieren - angefangen von dem Spitzel- und
Nachrichtensystem bis zu den Überfällen -, diese Leute sind nicht so schnell zu ersetzen.
Wenn wir sie erwischen und erledigen, dann zerbricht eine Organisation, eine geschlossene >Gilde der
Schmutzigen<, versteht ihr? Wir sollten eine richtige Gerichtsverhandlung stattfinden lassen.
Ein so genanntes >Goldgräbergericht<, und wenn sie geständig sind, wenn sie uns verraten, von wem sie die
Befehle bekommen, wo ihr Hauptquartier ist - nun, dann sollten wir sie davonkommen lassen.
Es bringt nichts ein, nur die kleinen Handlanger zu erledigen.
Wir müssen an die Leitwölfe heran.
« Ich sprach langsam und eindringlich, damit sie überlegen konnten.
Und inzwischen waren es auch noch mehr geworden.
Was hier geschah - die Schüsse waren ja im Canyon meilenweit zu hören -, sprach sich wie ein Lauffeuer
herum.
Es mussten jetzt schon mehr als hundert Goldgräber hier bei uns versammelt sein.
Immer noch kamen welche herbei, zunehmend nun auf Reittieren, aber auch schon auf Wagen.
Barney, der neben mir stand brüllte: »Ja, veranstalten wir ein Goldgräbergerieht, und wählen wir einen Richter
und Geschworene! Jetzt auf der Stelle! He, da sind zwei Wagen gekommen! Nehmen wir die beiden Wagen als
erhöhte Plattformen für Richter, Geschworene, Angeklagte, Verteidiger und Ankläger.
Wählen wir! Ich schlage Oldman Peters als Richter vor! Joshua Taggert soll Ankläger sein! Wer will die
Verteidigung übernehmen? Und wen wählen wir zu.
« Es kam nun alles in Gang.
Nun, liebe Leser meiner Geschichte, ich möchte hier nicht die ganze Verhandlung ausführlich schildern.
Denn darauf kommt es ja nicht so sehr an.
Nur so viel soll gesagt werden: Im Morgengrauen ging alles sehr schnell vonstatten.
Ich sprach die Anklage.
Es handelte sich um einen Mordversuch.
Und weil im Canyon schon mehrere Goldgräber bei Überfällen ermordet wurden, war anzunehmen, dass dies
diesen nun auf frischer Tat gefassten Banditen anzulasten war.
Ich machte dann als Ankläger den Vorschlag, Gnade walten zu lassen, wenn die Kerle uns ihre Auftraggeber
nannten und uns auch sagten, wo diese zu finden waren.
Die Jury und der Richter erklärten sich einverstanden.
Wir fragten die beiden verwundeten und vor Schmerz stöhnenden Gefangenen, ob sie hängen wollten oder
bereit wären, uns zu ihren Auftraggebern zu führen.
Sie wollten Letzteres, und sie standen, als sie dieses Einverständnis äußerten, auf einem der beiden Wagen.
Inzwischen war es grauer Tag geworden.
Die Sonne war außerhalb des Canyons gewiss schon zu sehen.
Bald würde sie über dem östlichen Rand auftauchen.
Es herrschte also bereits Büchsenlicht.
Und in diesem Moment zeigten uns die Banditen und Goldwölfe das Gushole Canyons, zu was sie fähig waren.
Bis zu den aufsteigenden Hängen der Ostseite des Canyons waren es fast dreihundert Yards, und das war
deshalb für Gewehrschüsse eine gewaltige Entfernung.
Es gab eigentlich nur eine einzige Sorte von Gewehren, mit denen man auf diese Entfernung noch sicher und
genau schießen konnte.
Das waren die Sharpsgewehre, die man auch für die Büffeljagd verwendete.
Solche Sharps mit Zielfernrohren gab es in Kansas City zu kaufen, denn dort rüsteten sich die
Büffeljägermannschaften aus, um auf der Kansasprärie die Büffel abzuschlachten.
Wir hörten das Krachen zweier solcher Sharps erst, als unsere beiden Gefangenen wie von unsichtbaren
Riesenfäusten von der Wagenplattform gestoßen wurden.
Dann wurde uns schnell alles klar.
Aber es war nichts mehr zu machen.
Die Goldwölfe hatten zugeschlagen.
Ihre Bosse hatten dafür gesorgt, dass niemand sie verraten konnte.
Mit einer Sharps konnte man noch auf dreihundert Yards einen Büffelbullen töten.
Wenn man aufgelegt schoss, konnte man die Kugel auf einen Fleck platzieren, der kaum größer war als zwei
Hände.
Und so hatten die beiden geständigen Gefangenen keine Chance.
Mir war klar, dass die heimtückischen Schützen aus unserer Menge ein Zeichen bekommen hatten, dass es jetzt
höchste Zeit geworden war.
Und so schössen sie gleichzeitig.
Es war vorbei.
Einige Atemzüge lang stand die ganze Menge still und erstarrt da.
Dann aber brüllte sie tobend los.
Sie begriffen alle, wie sehr wir reingelegt wurden.
Die Wilde Horde des Gushole Canyons hatte blitzschnell reagiert.
Ihr Nachrichtensystem war erstklassig.
Wo das Hauptquartier der Goldwölfe auch sein mochte, man war dort über alles genau informiert und hatte
sofort gehandelt.
Wir hatten verloren.
Unsere Hütte musste neu errichtet werden.
Wir mussten abermals Bauholz heranschaffen lassen und unsere Helfer bezahlen.
Doch das schöne Spätherbstwetter hielt noch an.
Nur die Nächte waren kalt.
Lucky Bill wurde in diesen Tagen gesund.
Immer wieder machten Nachrichten die Runde.
Die Banditen schlugen überall zu.
Besonders die abgelegenen Claims wurden immer wieder überfallen.
Die Goldwölfe des Gushole Canyons erfuhren sehr bald, wo es was zu holen gab.
Viele Goldgräber waren zu leichtsinnig.
Immer dann, wenn sie fündig wurden, mussten sie den Erfolg feiern, sich für all die Mühe und Entbehrung
entschädigen.
Sie gingen nach Gushole, um sich zu betrinken, Einkäufe zu machen.
Sie wollten sich lang entbehrte Dinge leisten - zum Beispiel auch eine Frau.
Und diesen leichten Frauen erzählten sie dann in ihrer Trunkenheit prahlerisch von ihren Erfolgen, ihrem
Glück.
Es war menschlich alles sehr verständlich, wenn es auch dumm war.
Wir hörten in diesen Tagen auch Nachrichten von Überfällen auf abziehende Goldgräbermannschaften.
Denn immer wieder taten sich Goldgräber zusammen, um gemeinsam heimzuziehen.
So glaubten sie, sich gegenseitig Schutz zu geben und aus der Falle entkommen zu können.
Doch das gelang ihnen zumeist nicht.
Die Banditen lauerten auch außerhalb des Gushole Canyons auf sie, stellten ihnen Fallen, ließen sie in
Hinterhalte reiten oder fahren.
Die Stimmung unter den Goldgräbern des Gushole Canyons wurde in diesen Tagen und Nächten noch böser.
Es fehlte sozusagen nur ein winziger Funke, dann würde es eine Explosion geben, eine Stampede der Zornigen.
Und dann musste alles in wilder Gewalttat untergehen.
Dies alles war nicht schwer vorauszusehen.
Deshalb wunderte ich mich über die Banditen, die Gold- und Townwölfe.
Sie mussten doch begreifen, dass sie ihren Untergang herbeiführten, wenn sie immer schlimmer wurden.
Ich konnte noch weniger diesen Patrik O'Hara verstehen.
Wenn er wirklich der große Boss war, der die >Gilde der Schmutzigen< organisiert hatte und kontrollierte,
wenn nichts ohne sein Wissen geschah, dann war er verrückt.
Indes die Tage vergingen, unsere Hütte zum zweiten Male fertig wurde, wir uns einrichteten und auch damit
begannen, auf unserem Claim nach Gold zu suchen, da dachte ich fortwährend darüber nach, wie wir
weiterkommen konnten.
Immer wieder erhielten wir Besuch von Nachbarn.
Es kamen auch die Vormänner von Claimgemeinschaften, auch Besitzer kleinerer Minen.
Immer wieder berieten wir, was zu geschehen hatte.
Man wollte Vigilantenmannschaf ten bilden und diese reiten lassen.
Aber ich war dagegen.
Denn ich wusste, dass Vigilanten auch einige Unschuldige vernichten würden.
Und es würde Vigilantenkomitees geben, deren Anführer vielleicht ihr eigenes Süppchen kochen wollten.
Nein, Vigilanten waren genau das entgegengesetzte Extrem.
Zwischen mir und Nancy Dollar war immer noch nichts.
Wir lebten wie Schwester und Bruder.
Sie war immer noch kalt und ohne Verlangen nach Zärtlichkeit.
Aber ich spürte irgendwie, dass sie mich stets aufmerksam beobachtete, so als würde sie mich fortwährend
misstrauisch prüfen.
Sie zeigte also Interesse für alles, was ich tat und sagte.
Wenn wir Besuch bekamen, saß sie schweigend dabei.
Aber sie achtete auf jedes meiner Worte.
Das alles machte mir Hoffnung.
Vielleicht würde sie irgendwann tief in ihrem hart gewordenen Kern zu der Erkenntnis kommen, dass ich
anders war als die Männer bisher in ihrem Leben.
Denn wenn ich das nicht schaffte, dann würde sie verdorren trotz ihrer reizvollen Schönheit.
Aber ich drängte sie nicht.
Ich ließ sie zwar spüren, wie sehr ich sie mochte und ihr helfen wollte, den Weg aus der Kälte und Einsamkeit
zurück zu Hoffnung und Wärme zu finden - doch ich tat nichts, was sie hätte abweisen müssen.
Was ich mir wünschte, musste von ihr aus kommen.
So vergingen also fünf Tage.
Dann kam unser Nachbar Lucky Bill aus der Hütte.
Es war ein kalter, doch klarer und heller Morgen.
Lucky Bill, der sich während der letzten Tage schon wieder selbst versorgt hatte, trug eine Spitzhacke über der
Schulter.
Er ging zur südöstlichen Ecke seines Claims, die an die nordöstliche Ecke unseres Claims grenzte.
Er sah, dass wir ihn beobachteten, und so winkte er uns zu und rief herüber: »Wollt ihr sehen, wie ich eine
Goldader freilege?« Wir lachten.
Auch Lucky Bill lachte.
Denn er rief diese Worte natürlich nur so zum Spaß.
Er hätte ebenso gut auch rufen können: »Wollt ihr sehen, wie ich ein Loch abteufe, das unten in Australien
herauskommt?« Und wir hätten ebenso gelacht, weil wir uns freuten, dass er wieder auf den Beinen war und
das Arbeiten ausprobieren wollte - und wenn auch nur für eine halbe Stunde.
Er nahm die Spitzhacke von der Schulter und schlug sie in den Boden.
In dieser Ecke des Claims war noch nicht gegraben worden.
Es wuchsen dort sogar noch einige Dornenbüsche, die als Pferdefutter nichts taugten und auch nicht für ein
Feuer verwendbar waren.
Es waren kaum kniehohe Büsche.
Er schlug die Spitzhacke mitten hinein, riss dann damit ein paar Büsche mit den Wurzeln heraus und schlug sie
noch einmal und dann zum dritten Mal ein.
Als er sie fallen ließ, da dachten wir, dass er vor Anstrengung genug hätte, aber er fiel auf die Knie und begann
mit den Händen in dem kleinen Loch zu arbeiten.
Er riss noch einige locker gewordene Wurzeln heraus, warf sie hinter sich und wühlte wieder mit den Händen.
Dann kniete er eine Weile unbeweglich.
Und dann hob er wie betend die Hände vor die Brust, so dass die Fingerspitzen sein Kinn berührten.
Wir hörten ihn laut und feierlich voll Dankbarkeit sagen: »Du lieber Vater im Himmel, jetzt endlich weiß ich,
warum sie mich schon als kleinen Jungen Lucky Bill nannten.
Damals taten sie es, weil ich stets lachte und immer vergnügt war.
Aber j etzt, jetzt hast du mich wahrhaftig zu einem Lucky Bill gemacht.
Du lieber Vater im Himmel, ich danke dir.
Nur schade, dass mein Partner, den die verdammten Goldwölfe wegen einer Hand voll Goldstaub umbrachten,
dies nicht mehr erleben konnte.
Verdammt, was mache ich jetzt nur?« Wir hörten es und konnten es nicht glauben.
Einen Moment dachte ich sogar, Lucky Bill machte sich einen Scherz mit uns.
Aber dann begriff ich, dass es wirklicher Ernst war.
Lucky Bill, den sie als kleines Kind schon >Glücklicher Bill< nannten, weil er stets lachte und ein sonniges
Gemüt hatte, musste dort drüben seine Spitzhacke in eine Goldader geschlagen haben.
Wir gingen hinüber.
Und auch Barney, der auf der anderen Seite seinen Claim hatte, kam herbeigelaufen.
Wir knieten dann alle bei Lucky Bill und dem Loch.
Und dann sahen wir es.
Das Erdreich war nur knapp einen Fuß tief.
Darunter war Felsgestein, da lag die Goldader wie ein erstarrter Blitz.
Wir sahen uns an.
Dann sagte Lucky Bill heiser: »Wenn das die Wilde Horde - diese verdammte >Gilde der Schmutzigem -
erfährt, dann finden sie einen Weg, mich zu erledigen und dies hier an sich zu bringen.
Heiliger Rauch, was machen wir?« Er sah uns an.
»Ihr seid mit drinnen«, sprach er heiser weiter.
»Seht, die Goldader setzt sich nach beiden Richtungen fort.
Ich habe zwar nach Claimrecht, das Recht, ihr auch über alle Nachbarclaims folgen zu können als Entdecker,
aber von meiner Grenze an muss ich mit euch teilen.
- Und wenn die Ader bei euch dicker ist als bei mir, dann kann es sogar sein, dass euer Anteil mehr bringt als
hier mein volles Recht.
Ihr seid mit drinnen.
Also müssen wir uns was einfallen lassen.
Wie kommen wir an die Köpfe der Banditen heran?« Als er die Frage stellte, dachte ich wieder an Patrik
O'Hara.
Ich dachte auch wieder daran, wie Nancy in der Spielhalle pokerte.
Und plötzlich erinnerte ich mich auch wieder an jene Mary, die in der Spielhalle die Bar bediente.
Sie hatte mir auf O 'Haras Anweisung hundert Dollar Vorschuss ausgezahlt.
Ich hatte das in einem Buch bei ihr quittieren müssen.
Letzteres hing nur mit ihrem Kassenbestand zusammen, den sie dem Manager abrechnen musste.
Mary hatte mir erzählt, dass sie einst Patrik O'Haras Favoritin war.
Sie wusste noch nicht, ob er sie geschwängert hatte.
Doch vielleicht wusste sie es jetzt.
Sollte sie ein Kind von ihm erwarten, dann würde sie weiterhin zu ihm halten und damit zufrieden sein, dass er
sie die Bar bedienen ließ und nicht zu den Tanzund Animiermädchen steckte.
Ja, sie würde sich sogar ausrechnen, dass er sie als die Mutter seines Kindes bevorzugt behandelte, dass er sie
vielleicht sogar mit viel Geld abfand, damit es seinem Kind an nichts mangelte.
Aber wenn sie nicht schwanger war.
Nun, da gab es viele Möglichkeiten.
Ich erhob mich zuerst aus der knienden Haltung, in der wir alle vier noch verharrten.
Und ich sagte: »Ich reite heute nach Anbruch der Dunkelheit nach Gushole.
Ich werde dort versuchen, einen wichtigen Bundesgenossen zu bekommen.
« »Wen?« Sie fragten alle drei im Chor.
Aber dann sah Nancy mich scharf an und sagte: »Diese blonde Texanerin, welche in der Spielhalle für Getränke
sorgt, nicht wahr? Ich unterhielt mich damals in den Spielpausen an ihrer Bar bei einem Drink mit ihr.
Sie wollte eine Menge über dich wissen.
Und sie hat Patrik O'Hara eine Weile ganz und gar gehört.
Ist es die?« Ich nickte nur.
Ich staunte über Nancy Dollars Beobachtungsgabe.
Nun fand ich es schon erklärlicher, dass sie Patrik O'Hara die ganze Imperial Hall abgewinnen konnte.
Es wurde mir auch klar, dass Nancy über mich mehr wusste, als ich bisher glaubte.
Denn sie forschte ja schon lange an mir herum mit ihrem Instinkt und ihrer scharfen Beobachtungsgabe.
Es war schon nach Mitternacht, als ich nach Gushole kam.
Die wilde Campstadt war voll in Betrieb.
In den Lokalen und draußen auf der Straße lärmte alles.
Die Anreißer vor den Tingeltangels rissen Zoten und versprachen das Paradies der Sünden.
Denn nach Sünden dürstete es allen, die um diese Zeit noch in Gushole waren.
Ich war mir sicher, dass man mich nicht so leicht erkennen konnte.
Denn ich war jetzt wie ein Goldgräber gekleidet und hatte mir auch einen Vollbart stehen lassen.
Auch den Colt trug ich nicht wie ein Revolvermann.
Man sah mir nicht mehr den ehemaligen Texas-Cowboy an, der ich ja einst vor dem Krieg gewesen war.
Von Patrik O'Haras Männern hatten mich ohnehin nur wenige kurz gesehen.
Nur der Manager Henry Smet, einige Hauspolizisten und Rauswerfer - und natürlich O'Hara - würden mich
erkennen.
Ich lenkte mein Pferd in eine Lücke zwischen den Reihen von Pferden, die überall an den Haltebalken standen.
Als ich absaß, versuchte ich dies plump und ungelenk zu tun, wie einer der Goldgräber, von denen die meisten nicht
wie Cowboys ritten.
Ich bewegte mich dann linkisch, ganz und gar wie ein Digger, der jeden Tag hart schuftete.
Und natürlich spielte ich auch der Angetrunkenen.
Ich verschwand in einer Gasse, die, wie ich wusste zur Seitentür der Spielhalle führte.
Drinnen stand ein Aufpasser an der Tür, der niemanden einließ, der nicht bekannt war oder genügend Geld
vorweisen konnte.
Ich verharrte draußen an der Tür.
Nach einigen Minuten kam jemand heraus, stellte sich in der Gasse an die gegenüberliegende Hauswand und begann
sein Wasser abzulassen.
Ich trat in der Dunkelheit neben den Mann, sah, dass es ein Goldgräber sein musste, und fragte: »Bruder, bist du
nüchtern genug, um mir einen Gefallen tun zu können?« »Wenn du einen Dollar erbetteln möchtest.
«, begann der Mann grollend und knöpfte sich den Hosenschlitz zu und wandte sich wieder zur Tür.
»Nein, ich bin kein Bettler«, unterbrach ich ihn.
»Es geht um die blonde Goldie hinter der Bar.
Sie lassen mich nicht rein zu ihr, haben Angst, dass ich sie dann mit mir auf meinen Claim nehme.
Aber ich möchte sie sprechen.
Ich muss ihr sagen, dass ich genug für uns beide habe und sie gerne mitnehmen würde auf meine Farm in Texas.
Weißt du, wir waren Nachbarskinder am Brazos.
Sag ihr nur, dass der alte Texas-Josh im Hof auf sie wartet.
Sie soll mal auf die Toilette gehen.
Willst du das für mich tun, Bruder?« Er staunte.
»Junge«, sagte er, »wenn du bei der Chancen hast, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.
Ich dachte immer, man müsste erst eine Goldader finden, um bei der Chancen zu haben und mit ihr etwas anfangen
zu können.
Bildest du dir nicht vielleicht nur was ein? Wird sie mich nicht auslachen, wenn ich mit deinem Ansinnen zu ihr
komme?« »Nein, Bruder«, versprach ich feierlich.
»Na gut«, nickte er in der Dunkelheit der Gasse.
»Ich habe mal das Ding von Romeo und Julia gelesen.
Die konnten auch nicht zueinanderkommen.
Und weil mich das so gedauert hat, will ich euch helfen.
« Er ging wieder hinein.
Aus der dunklen Gasse heraus konnte ich sehen, dass der Türwächter ihn kontrollierte.
Und ich konnte schräg durch die Spielhalle blicken und jene Mary hinter der Bar in der Ecke erkennen.
Sie war also da.
Und sie bediente soeben drei durstige Spieler, die mal Pause machten.
Ich ging zum Ende der Gasse und bog in den Hof ein.
Hier gab es Toiletten - aber es waren stinkende Aborte, kaum mehr als Latrinen.
Sie standen ganz und gar im Gegensatz zu dem noblen Inneren der Spielhalle und der Tanz- und Amüsierhalle.
Männer kamen immer wieder auf den Hof.
Die meisten suchten gar nicht erst die Stillen Örtchen auf, sondern stellten sich einfach an die Schuppenwände.
Die Lady-Örtchen waren etwas abseits von denen der Gents.
Und hier wartete ich auf jene Mary vom Brazos.
Sie kam durch eine andere Tür als die Männer.
Unter der Lampe hielt sie einen Moment inne und sah sich um.
Ich machte »Pssst«, und da kam sie.
Wir verschwanden hinter das kleine Bretterhäuschen.
Sie sagte: »He, Texas-Cowboy, wenn du das bist, dann musst du verrückt sein!« »Du erinnerst dich also noch
gut an mich«, sagte ich.
»Aber ich gab dir ja damals für die hundert Dollar auch ein Autogramm in dein schlaues Buch.
Gab Smet dir die hundert Dollar zurück?« »Nein«, sagte sie.
»Aber hast du mich herausholen lassen, damit wir uns über diese hundert Dollar unterhalten?« .
»Nein«, sagte ich.
»Eigentlich wollte ich von dir wissen, ob du von Patrik O'Hara geschwängert worden bist.
Vor etwa zehn Tagen wusstest du es noch nicht.
Weiß du es jetzt?« Sie schnappte nach Luft vor Überraschung.
Dann begann sie: »Du hast vielleicht Nerven.
« Doch inzwischen hatte ihr Verstand zu arbeiten begonnen.
Und sie war nicht dumm.
Nein, sie war keine blöde Gans.
Deshalb fragte sie nun ruhig: »Und wenn ich kein Kind von ihm erwarten sollte, was dann?« »Dann hilf mir, ihn und
seine ganze Gilde zu erledigen«, sagte ich hart.
»Dann brauchst du ihn nicht länger mehr zu schonen.
Er hat dich benutzt und weggeworfen.
Ich kenne eine Frau, die hat er mit ihrem Kind in der Not gelassen.
Damals lief er fort, weil Apachen kamen.
Du hast Glück gehabt, Mary.
Denn es hätte ihm nichts ausgemacht, dich mitsamt dem Kind zum Teufel zu jagen.
Er ist einer der Anführer, einer der führenden Köpf e jener Gilde der Schmutzigen.
Mary, wir haben eine Goldader gefunden.
Von uns bekommst du was für deine Hilfe.
Du kannst zum Brazos zurück und wirst dir was schaffen können - ein kleines Hotel, ein Restaurant, einen Laden.
Hilf uns.
« Sie dachte eine lange Minute nach.
Dann murmelte sie: »Dir höre ich nur zu, weil du Texaner bist.
Sonst.
« Sie verstummte.
Ich aber fragte: »Es müssen irgendwo im Gushole Canyon oder gar hier in der Stadt Zusammenkünfte stattfinden.
Die ganze Organisation ist zu groß für Patrik O'Hara.
Es muss noch andere Bosse geben.
Er leitet diese Stadt.
Aber wer führt die Goldwölfe? Und wer hat die Spione und Spitzel unter Kontrolle? Wer führt die starke Bande
außerhalb des Gushole Canyons? Die Anführer müssen sich dann und wann treffen, sich miteinander abstimmen.
Mary, ich will von dir wissen, wann und wo solch eine Zusammenkunft stattfindet.
Du warst O'Haras Geliebte.
Er ging mit dir ins Bett.
Also hast du auch eine Menge mitbekommen.
Und er hat dir den Job hier an der Spielhallenbar nur gegeben, damit er dich unter Kontrolle halten kann.
Sag mir was.
Denn erledigen wir ihn und die ganze Bande.
Dann bist du frei und gehst mit einem Batzen Geld nach Brazos zurück.
Na?« Wieder dachte sie nach.
Die Zeit brannte ihr jetzt schon unter den Füßen.
Sie konnte gewiss nicht lange wegbleiben.
Vielleicht würde bald ein Hauspolizist herauskommen und nach ihr rufen.
Aber sie dachte nach.
Ich wartete.
Dann sagte sie: »Es ist Sullivan, der fahrende Händler.
Er ist ständig mit drei Frachtwagen unterwegs, die als fahrende Stores eingerichtet sind.
Immer wenn er Station macht bei der Aurora- Mine für einen Tag und eine Nacht, dann treffen sie sich alle.
Dann reitet auch O'Hara hin.
Aber ihr werdet sie niemals überrumpeln können.
Unter euch sind Spione, Verräter.
Keiner von euch ist sicher.
Und wenn du jemandem erzählen solltest, was ich dir soeben sagte - wenn du meinen Namen nennst, dann bin
ich so gut wie tot.
Verstehst du?« Sie fragte es hart und herb.
.
»Niemand wird es erfahren«, erwiderte ich.
Kaum hatte ich ausgesprochen, als von der Hintertür eine scharfe Stimme über den Hof rief: »He, Mary, muss
ich mit einer Schere kommen? Verdammt, die Bar ist schon lange außer Betrieb.
« »Ich komme« , rief Mary zurück und verließ mich.
Ich verhielt noch.
Und in mir war eine grimmige Zufriedenheit.
Wenn alles stimmte, was sie mir gesagt hatte, dann konnten wir mit einem Schlage die Organisation sozusagen
kopflos machen.
Ich verließ den Hof, ging zu meinem Pferd, saß auf und verließ Gushole.
In mir war ein grimmiger Triumph.
Diesmal durften wir keine Fehler machen.
Indes ich heimritt, zwischen Mitternacht und Morgen, überlegte ich die ganze Sache immer wieder neu von
allen Seiten.
Und stets kam ich zu der Erkenntnis, dass wir niemanden einweihen durften.
Auf Lucky Bill und Barney konnte ich mich verlassen.
Doch auf wen sonst noch? Mary hatte mich gewarnt, aber dieser Warnung hätte es gar nicht bedurft.
Ich wusste, dass wir Verräter unter uns hatten.
Dass man unsere beiden Gefangenen erschoss, bevor diese etwas sagen konnten, geschah gewiss auf ein
Zeichen der Menge.
Vielleicht warf jemand seinen Hut hoch oder schwenkte ein rotes Schnupftuch.
Die Wölfe mussten überall ihre Spione sitzen haben, die sich als Goldgräber getarnt hatten und tagsüber auf
Claims arbeiteten, Kontakte suchten und Vertrauen erwarben.
So erfuhren sie alles.
Auch vom Fund der neuen Goldader auf Lucky Bills Claim hatten sie längst schon erfahren, da war ich sicher.
Wir konnten also niemanden ins Vertrauen ziehen.
Und deshalb würde es hart und gefährlich für uns werden.
Als ich dann den Hauptweg des Gushole Canyons verließ und dem schmalen Pfad folgte, erlebte ich wieder,
wie wachsam sie jetzt alle waren.
Denn obwohl es lange nach Mitternacht war, wurde ich da und dort angerufen.
Alle in den Hütten und auf den Claims lagen auf der Lauer.
Und schon der Hufschlag eines Pferdes machte sie nervös.
Ich gab immer wieder Antwort.
Und endlich erreichte ich unsere Hütte.
Lucky Bill und Barney waren bei NanBarney sattelte mein Pferd ab.
Wir sprachen draußen beim Corral kein Wort.
Erst drinnen in der Hütte fragten sie dreistimmig, so als hätten sie es einstudiert: »Na, was ist?« Ich erklärte
ihnen alles.
Dann pfiff Barney leise durch die Zähne.
»Ja, diesen Elroy Sullivan kennt jeder hier im Canyon«, sagte er dann.
»Der ist für alle der gute Onkel.
Er zieht mit drei Verkaufswagen durch den Canyon, versorgt alle, die ihre Claims nicht verlassen möchten.
Auch einige Minen und größere Claimgemeinschaften versorgt er.
Und alle mögen ihn.
Denn er flößt Vertrauen ein.
Die Aurora-Mine liegt keine Reitstunde von uns entfernt.
Wenn man nach Gushole reitet, liegt sie auf halbem Weg an der Westseite des Canyons.
Der Stollen führt in den Berg hinein.
Man sagt, es wäre eine sehr ergiebige Mine.
Sie hat eine eigene Schmelze und auch eine eigene Erzmühle.
Dort also ist die Höhle der Wölfe.
Nun gut.
« Er verstummte etwas ratlos, und ich wusste, er hatte jetzt die gleichen Gedanken, die auch mich
beschäftigten.
Auch Lucky Bill hatte sie.
Denn er fragte seufzend: »Ja, wem können wir trauen? Wen können wir einweihen und mitnehmen?«
»Keinen«, sagte Nancy hart, »keinen.
« Sie nickten.
Lucky Bill seufzte.
Dann sagte er knirschend: »Es hat gar keinen Sinn für uns, dass wir die Goldader ausbeuten.
Denn wenn uns die Banditen überfallen, können sie das Gold schnell schnappen und wegbringen.
Heraushacken aus der Ader aber können sie es nicht.
Dazu fehlt die Zeit.
Dazu braucht man Wochen.
Wir müssen sie also erst erledigen, bevor wir unser Gold herausholen.
Als Ader in der Erde ist es sicherer, nicht wahr?« »Solange du lebst und dir dieser Claim gehört«, sagte ich
langsam Wort für Wort.
Sie starrten mich an.
Denn sie verstanden sofort, was ich meinte.
»Ja, solange ich lebe und mir dieser Claim gehört«, wiederholte Lucky Bill trotzig.
Und dann fügte er hinzu: »Ich werde nicht so dumm sein, dass ich nach Gushole gehe.
Es würde eine Falle für mich werden.
Sie würden schon irgendein Mittel finden, ja, das würden sie.
« »So ist es«, murmelte ich.
Aber dann grinste ich scharf, und dieses Grinsen erwiderten Barney und Lucky Bill plötzlich, so als hätte ich
sie angesteckt.
Jetzt waren wir plötzlich drei Burschen, die sich durch Kühnheit behaupten wollten.
Wir waren ohne jedes weitere Wort bereit, alles auf eine Karte zu setzen.
Nancy sagte, so als hätte sie unsere Gedanken und Gefühle lesen können: »In diesem Spiel sind wir drei Asse
und eine Dame.
Und damit kann man gewiss einen Topf gewinnen - oder? Kaum eine Karte ist besser.
« »Einige schon«, sagte ich.
»Doch nicht viele.
Und überdies kommt es auch noch auf gutes Bluffen an, nicht wahr? Also, lasst uns herausfinden, wann der
gute Onkel Elroy Sullivan bei der Aurora-Mine Station macht.
« Sie nickten.
Lucky Bill und Barney gingen dann hinüber in ihre Hütten.
Ich war mit Nancy allein.
Im Lampenschein betrachteten wir uns.
Nach einer Weile fragte ich sie: »Du weißt doch, dass ich dich haben will?« Sie nickte.
»Das wollen alle Männer, die mich sehen «, erwiderte sie.
»Vom ersten Moment an wollen sie das.
Und deshalb kann das nichts mit dem Herzen zu tun haben.
Josh, bei dir könnte es sein, dass dein Herz dabei ist.
Aber das macht es für mich so schwer.
Denn fair wäre es nur, wenn auch ich mit dem Herzen dabei wäre.
Aber ich habe kein Herz mehr, das Gefühle aufbringen kann für einen Mann.
« »Das glaube ich nicht«, erwiderte ich, hob meine Hand und strich ihr mit der Spitze meines Zeigefingers an
der Wange entlang bis unter das Kinn.
Sie hielt still und sah mir dabei fest in die Augen.
»Wo ist dein Mut, Grünauge?« Dies fragte ich sie.
»He, wo ist dein Mut? Was kann dir schon passieren bei mir oder mit mir? Vergiss alles und fange neu an.
« Sie schluckte etwas mühsam, und sie glich jetzt einem Menschen, der sich anschickte, ein Wagnis zu
versuchen, und erst noch seinen ganzen Mut sammeln muss.
Ich strich ihr übers Haar und murmelte: »Versuche es! Sei nicht feige.
Versuche es einfach.
« Da trat sie dicht an mich, so dass unsere Körper aneinander lehnten.
Sie umschlang meinen Körper und legte ihre Wange gegen meine Schulter.
Ich legte meine Arme um sie und hielt sie fest.
»Ja, halte mich fest«, flüsterte sie.
»Lass mich das Gefühl spüren, geborgen zu sein und vertrauen zu können.
Es ist ein so schönes und gutes Gefühl.
Ich kam her, um mich an O'Hara zu rächen.
Ich glaubte, dass er nur ein Spieler wäre, den ich erledigen könnte.
Aber er wurde zu groß.
Und ich will ihn auch gar nicht mehr am Boden sehen.
Ich möchte eigentlich nur fort.
« »Doch nicht ohne unseren Anteil an der Goldader«, erwiderte ich.
Sie sah nun zu mir auf.
Und da erkannte ich, dass ich sie küssen konnte.
Jetzt wollte sie es.
Ich ließ sie nicht eine einzige Sekunde darauf warten.
Ihr KUSS war zögernd, abwartend, passiv zuerst.
Doch dann spürte ich, wie ihr Kern aufbrach und etwas hochkommen ließ.
Nun ließ sie mich fühlen, wie sehr sie sich nach etwas gesehnt hatte, an das sie nicht mehr glauben konnte.
Indes draußen die Nacht starb - und indes im Gushole Canyon und in der Campstadt selbst die Menschen die
alten Sünden begingen, indes dort betrogen, geraubt, verraten und gelogen wurde, fanden wir zueinander,
wurden wir in unserer Hütte endlich ein Paar.
Irgendwie hatte ich es geschafft, Nancy wieder den Glauben an Liebe und Treue zurückzugeben.
Wir mussten nach Elroy Sullivan und dessen drei Verkaufswagen gar nicht lange suchen.
Denn schon zwei Tage später - es war schon Abend - rollten sie heran und hielten ganz in unserer Nähe am
Creek.
Von überall auf einer Viertelmeile in der Runde strömten die Goldgräber herbei, um einzukaufen.
Barney aber sagte zu uns, indes wir vor unserer Hütte eine Gruppe bildeten und zu dem kaum einen Steinwurf
entfernten Camp blickten: »Der hat noch nie mit seinen Wagen hier in unserer Nähe gehalten.
Das tut er jetzt zum ersten Mal.
Und ich sage euch, dass es mit der Goldader auf Lucky Bills Claim zusammenhängt.
Da würde ich wetten.
« Wir gingen hinüber.
Die Laternen brannten schon.
Die Seiten der drei Wagen waren hochgeklappt und von Pfosten gestützt.
Man konnte darunter dicht an die auf dieser Seite nun offenen Wagen treten und sehen, was es alles zu kaufen
gab.
Die Goldgräber drängten sich.
Manche kauften nur Tabak oder Arbeitsgerät, andere aber auch Lebensmittel vor allen Dingen Räucherspeck,
Mehl, Hülsenfrüchte, Zucker und Salz.
Ich kaufte mir Tabak und Zigarettenpapier.
Außer den angebotenen Waren sah ich mir Sullivans drei Gehilfen an, die zugleich auch seine Fahrer waren.
Es waren hartgesottene Burschen, erfahren, zäh und wachsam.
Dass sie als Fahrer und Verkäufer arbeiteten, geschah gewiss nicht für üblichen Lohn - nicht bei diesen
Burschen.
Diese Sorte gab sich sonst für solche Arbeiten nicht her, die war mehr für schnelles Geldverdienen mit dem
Colt.
Also erhielten sie besondere Prämien.
Ein dicker Mann trat an meine Seite.
Er war fast fett, glatzköpfig und trug einen Seehundsbart.
Seine Augen quollen stark hervor.
Er schien ständig zu schwitzen, obwohl es ziemlich kalt war.
Denn er hielt ein rotes Schnupftuch in der Hand, mit dem er sich fortwährend Gesicht und Nacken rieb.
»Sie kenne ich gar nicht, mein junger Freund«, sagte er zu mir.
Und stolz fügte er hinzu: »Hier im Gushole Canyon sind mehr als dreitausend Goldgräber, die Minenarbeiter
nicht mitgezählt.
Die Goldgräber auf den Claims kenne ich zumindest vom Sehen.
Sie sind neu, junger Freund.
- Ich bin Elroy Sullivan.
Wie geht's?« Er streckte mir die Hand hin.
Als ich sie drückte, spürte ich, dass es keine fette und schwammige Hand war; sie war kräftig.
Ich dachte bei mir: Der sollte keinem Mann die Hand geben, dem er den feisten Onkel vorspielen will.
Und ich erwiderte: »Ja, wir sind hier ziemlich neu.
Ich meine damit auch meine Frau.
« »Ich hörte von ihr«, sagte er sanft.
»Sie soll sehr schön sein.
Das hat sich im ganzen Canyon herumgesprochen.
Und sie soll dem sonst so erfolgreichen Patrik O'Hara die Imperial Hall abgewonnen haben beim Poker
allerdings, wie man sich erzählt, mit Kartentricks.
Nun gut, das geht mich alles nichts an.
« »Nein!« Ich grinste, und er grinste zurück.
»Ihr Nachbar«, sprach er dann, »dieser Lucky Bill, soll auf den Knien gelegen und gebetet haben.
Und vorher hat er ein Loch in die Erde gemacht.
Ihr aber seid zu ihm gelaufen.
Man spricht davon, dass ihr eine Goldader zutage gebracht habt?« »Das sind Gerüchte«, erwiderte ich grinsend
und wandte mich ab.
Ich spürte, wie seine Blicke mir folgten.
Er war ein gefährlicher Bursche.
Ich hatte das stark und bedrückend gespürt.
Dieser Elroy Sullivan war Patrik O 'Hara sicherlich gleichberechtigt.
Sein starker Wille hatte mich bedrängt.
Und seine direkten Fragen waren die eines Mannes, der sicher ist, dass sein starker Wille den Befragten zu
Antworten zwingt - wenn der Befragte ein durchschnittlicher Mann ist.
Alles wäre leicht gewesen, wenn wir schon absolute Sicherheit gehabt hätten.
Um diese zu erhalten, durften die führenden Köpfe der Banditen nicht gewarnt werden.
Und deshalb durften wir niemandem vertrauen.
Deshalb würden wir auch stark in der Minderzahl sein.
Wir waren nur drei Männer und eine Frau.
In den nächsten drei Tagen und Nächten beobachtete stets einer von uns die fahrenden Storeläden.
Am Nachmittag des dritten Tages erreichten die Wagen die Aurora- Mine.
Sie würden bis zum nächsten Morgen dort bleiben.
Deshalb mussten wir in der kommenden Nacht handeln.
Und das taten wir auch.
Für unsere Nachbarn musste es so aussehen, als ritten wir nach Gushole.
Das war ja nicht ungewöhnlich.
Irgendwann ritten oder fuhren sie alle mal in die Stadt.
Warum sollten wir das nicht auch tun? Wir waren noch nicht lange unterwegs, als die Dunkelheit in den
Canyon fiel und man sich nur noch an den Lichtern orientieren konnte.
Ein kalter Wind blies von Norden her durch den Canyon, traf unsere Rücken.
Barney führte.
Er war am längsten im Canyon und hatte hier überall nach Gold gesucht und sich umgesehen, bevor er seinen
Claim absteckte.
Wir ritten auf Pfaden, abseits der Wege.
Manchmal wurden wir angerufen.
Und weil wir uns nicht zu erkennen gaben, folgten uns Flüche.
Alle Reiter, die sich auf Zurufe nicht zu erkennen gaben, wurden für Banditen gehalten.
Irgendwann dann hielten wir an in der Nacht.
Barney sagte: »Seht ihr die Lichter da vor uns? Das ist die Mine.
« Wir sahen hinüber.
Bis zur Mine und dem steil aufsteigenden Hang, in den man den Stollen getrieben hatte, war es keine
Viertelmeile mehr.
Wir erkannten einige Laternen.
Und aus zwei Hütten oder Baracken fielen Lichtbahnen.
Daneben befanden sich Erzhalden, Corrals, standen Erzwagen und befanden sich auch die Erzmühle und die
Schmelze.
Vom Berg war eine Wasserleitung gelegt, die zu der komplizierten Waschanlage führte.
Dies alles war zwischen und bei den Lichtern mehr zu ahnen als zu sehen.
Wir saßen ab.
Nancy war bei uns.
Wir brauchten sie zum Pferdehalten.
Denn es konnte wichtig werden für uns, dass wir schnell wieder in die Sättel kamen.
Wir führten die Pferde noch ein Stück näher heran.
Rechts von uns, dicht beim Pfad, standen einige Felsen.
Zwischen ihnen waren die Schatten tief.
Wir führten unsere Pferde hinein.
Dann sagte ich zu Nancy: »Also, du wirst alles hören können.
Denn die Nacht hier ist still.
Wenn Reiter vorbeikommen sollten, dann sieh zu, dass unsere Pferde nicht schnauben.
Verhalte dich ruhig.
Riskiere nichts.
« »All right«, sagte sie nur.
Wir aber machten uns auf den Weg.
Und als wir nahe genug waren, da erkannten wir bei den Wassertrögen am Corral die drei Frachtwagen und
einige Sattelpferde.
Die Mine hatte also Besuch von Reitern.
Ich hätte gern gewusst, ob Patrik O'Hara schon gekommen war - oder ob die Sattelpferde nur jenen Banditen
und Goldwölfen gehörten, die neue Aufträge erhielten.
Ich ging als erster Mann.
Als ich ein Fenster erreichte, warf ich einen Blick ins Innere.
Der Raum war erleuchtet.
Zwei Männer saßen an einem Tisch und spielten Halma.
Wir gingen zur zweiten Baracke hinüber.
Auch hier brannte innen eine Lampe, verbreitete trüben Schein.
Diese Baracke war offenbar das Magazin.
Hier gab es Werkzeuge, Proviant, allerlei Geräte - und in der Ecke standen einige Kisten.
Solche Kisten kannte ich.
Sie enthielten Presspulverstangen mit Lunten.
Letztere konnte man beliebig kürzen.
Ein Mann lag auf einem Feldbett.
Er war angekleidet.
Ich hörte plötzlich rechts von mir leises Grollen.
Barney und Lucky Bill fluchten fast lautlos.
Denn das Grollen kam von einem Hund.
Es war ein Tier, größer als ein Büffelwolf.
Und er stand vor mir und beschnüffelte mich grollend.
Ich wusste, es gab Hunde, die bellten nie, sondern grollten nur.
Aber sie waren gefährlicher als die Beller.
Sie bissen zumeist ohne Warnung zu, gingen einem blitzschnell an die Kehle.
Zum Glück war es so mit mir, dass mich selbst die bösesten und wütendsten Hunde nicht bissen.
Vielleicht war ich in meinem früheren Leben mal ein Hund gewesen, oder es gab andere Gründe.
Ich kam jedenfalls mit jedem Tier zurecht, besonders mit Hunden.
Als ich diesem Tier meine Hand zwischen die Ohren legen wollte, schnappte er zu.
Er nahm mein Handgelenk in seinen Fang.
Wenn er zugebissen hätte, würde er mir die Knochen zermalmt haben.
Aber er biss nicht zu.
Ich hatte auch nicht gezuckt.
Im Gegenteil, ich sagte: »Schon gut, Buddy.
Wir verstehen uns, nicht wahr? Wir sind zwei artverwandte Seelen.
Lass mich wieder aus und sei freundlich.
« Er gab mein Handgelenk wirklich wieder frei, so als hätte er jedes Wort verstanden, und schnüffelte noch
einmal an mir herum.
Dazu stellte er sich sogar auf die Hinterbeine und berührte mit seiner Nase mein Gesicht.
Jawohl, so groß war er.
Dann trollte er sich.
Meine Begleiter beachtete er gar nicht.
Ich hörte sie schnaufend ausatmen, denn sie hatten die Luft angehalten voller Anspannung.
Barney sagte: »Mann, das gibt es doch gar nicht? War das wirklich ein großer Hund, oder habe ich geträumt?«
»Das war ein Riesenwolf«, ächzte Lucky Bill.
»He, warum hat er dir nichts getan, Josh? Und warum hat er uns nicht beachtet? « »Weil ich ein Hundesohn
bin«, schnaufte ich und blickte wieder durch das Fenster.
Ich wusste nun Bescheid.
Der Mann dort drinnen war der Wächter.
Und er verließ sich ganz und gar aufweinen Hund.
Denn der würde Laut geben, wenn etwas hier draußen nicht stimmte.
Aber er hatte keinen Laut gegeben.
Ich sagte zu Barney und Bill: »Ich gehe jetzt hinein und frage ihn aus.
Bleibt nur hier draußen und passt gut auf.
« Ich wartete nicht auf eine Antwort.
Aber als ich sie verließ, da hörte ich sie leise fluchen.
Ich erreichte die Tür und trat ein, so als gehörte ich hierher.
Doch ich hielt meinen Colt schussbereit.
Der Wächter öffnete auf seinem Lager die Augen und starrte auf mich, dann auf den Colt und wieder auf mich.
»Was hast du mit dem Beißer gemacht? Ihm Gift gegeben? Ihn mit einer Keule gleich richtig getroffen?«
Während er das fragte, setzte er sich auf.
Sein Waffengürtel lag neben ihm auf der Sitzbank.
Er brauchte nur den Arm auszustrecken.
Aber ich sagte: »Beißer liebt mich.
Denn ich war früher mal ein Hundesohn.
Und wenn du dein Maul zu laut aufmachen solltest, dann bist du zum Weiterleben zu dumm.
Verstanden?« Er schluckte mühsam und nickte.
Ich fragte: »Wo sind sie? Wo ist die Zusammenkunft? Sag es.
« Er grinste.
»Ach, die sind alle in der Mine«, sagte er.
»Auch O'Hara?« Er hob seine Schultern.
»Was weiß ich? Es kamen einige Reiter, die das Losungswort kannten.
Ich habe nicht jedem unter die Hutkrempe geblickt.
Was weiß ich?« »Und wie ist das Losungswort?« Ich fragte es sanft, aber er roch, dass es eine trügerische
Sanftheit war.
»Ach, ich bin doch kein Narr«, knirschte er.
»Wenn du mit Beißer zurechtgekommen bist, dann hast du eine ganze Menge auf dem Kasten.
Die Losung heißt Gushole- Gold.
Und was nun?« Ich winkte mit dem gekrümmten Zeigefinger.
Und ich wusste nun, dass er zu den Goldwölfen des Canyons gehörte.
Er kam zu mir.
Als er mir nahe genug war, da gab ich es ihm.
Ja, ich machte ihn klein, so dass er uns nicht stören würde.
Als ich mich zur Tür wandte, fiel mein Blick auf die Sprengstoffkisten.
Mit Presspulverstangen hatten sie vor Tagen unsere erste Hütte zerstört und geglaubt, dass wir drinnen wären.
Ich trat zu den Kisten, öffnete eine und stopfte mir einige dieser Presspulverstangen hinter den Gürtel und
Hosenbund, auch in die Stiefelschäfte.
Dann ging ich wieder hinaus.
Barney und Bill fluchten erleichtert.
»Du verrückter Hund«, keuchte Barney, »du musst wohl alles allein machen, ja?« Ich grinste in der Dunkelheit
und erwiderte dann: »Nun gut, wenn ihr auch was machen wollt, dann lasst uns mal zu den Halmaspielern
gehen, damit die uns nicht stören können.
« Wir gingen zur anderen Baracke zurück.
Der große Hund kam wieder zu uns, schnüffelte an mir und lief wieder fort.
»Ich frage mich, ob dieser Hund nicht einfach dämlich oder aber so schlau ist, wie wir es nicht für möglich
halten?« Barney sprach diese Worte.
Dann traten wir ein, so als gehörten wir zu den Leuten der Mine.
Die Halmaspieler blickten zu uns her, und sie waren immer noch arglos.
Einer fragte: »Wer seid ihr denn? Wie ist das Losungswort? « »Gushole-Gold«, erwiderte ich und trat näher.
Weil ich ihnen das Losungswort genannt hatte, blieben sie sitzen und blickten mir nur entgegen.
Als ich bei ihnen am Tisch war, deutete ich auf das Halmaspiel und fragte: »Wie steht's denn? Wer gewinnt?«
»Das siehst du doch! Kannst du nicht Halma spielen? Der hat mir doch schon fast alle Steine rausgeworfen.
« Einer der beiden Männer knurrte es.
Und beide sahen auf das Halmaspiel.
Ich griff beidhändig zu und fasste sie im Nacken.
Ich knallte ihre Köpfe zusammen.
Es bumste dumpf.
Barney und Bill schnauften.
»Der macht ja immer noch alles allein«, sagte Bill bitter.
»Wozu hat der uns mitgenommen? « »Damit ihr sie fesselt und knebelt«, sagte ich.
Sie taten es.
Dann gingen wir hinüber zum Stolleneingang.
Die Bande war recht sorglos.
Denn am Stolleneingang stand nicht mal ein Wächter.
Einige Grubenlampen brannten.
Sie wurden mit Karbid gefüllt.
Es gab ja hier in solchen Minen keine Schlagwetter wie in Kohleminen.
Langsam gingen wir in den Stollen.
Dann hörten wir Gemurmel.
Es gab kaum zwei Dutzend Schritte hinter dem Stolleneingang einen Querschlag.
Lichtschein fiel heraus, und dieser Lichtschein war heller als der im Hauptstollen, Wir bewegten uns so leise wie
Schatten.
Als ich um die Ecke sah, erblickte ich die Versammlung.
Der Querschlag war eigentlich nur ein großer, länglicher Raum, gut ausgebaut und fast wie eine Wohnung
eingerichtet.
Es gab Tische, Bänke, Schränke, Regale, Schlafpritschen.
Offenbar funktionierte auch eine gute Wetterführung durch eine Spalte nach oben.
Denn die Luft war gut, obwohl einige der Versammelten rauchten.
Es waren mehr als zwei Dutzend Männer.
Auch Elroy Sullivan und seine drei Gehilfen waren dabei.
Ich wusste, wir hatten hier die Goldwölfe, die Banditen des Gushole Canyons, also die Wilde Horde und deren
Spione und Zuträger beisammen.
Sie alle hier hatten führende Positionen der Vereinigung übernommen.
Dies hier waren die maßgebenden Schurken.
Aber wo war Patrik O'Hara? Wo war er mit seinen Handlangern aus Gushole? Durch den Tabakrauch, der so
manchen Kopf umhüllte, versuchte ich ihn zu erkennen.
Aber er war nicht da.
Also konnte er noch gar nicht aus Gushole gekommen sein.
Vielleicht kam er noch? Bei diesem Gedanken spürte ich Unruhe.
Denn wenn er noch kam und zuerst in eine der Baracken ging, indes wir hier im Stollen waren, dann war er gewarnt,
bevor wir ihn zu Gesicht bekamen.
Ja, es konnte möglich sein, dass er schon wieder auf der Flucht war.
Also mussten wir jetzt schnell handeln.
Wir durften keine Sekunde mehr verlieren.
Ich wandte mich meinen beiden Begleitern zu und gab ihnen durch Handbewegungen das Zeichen zum Rückzug.
Am Stolleneingang hielt ich inne.
»Wir sprengen dies hier zu«, sagte ich und holte die Presspulverstangen hervor, zog sie also aus den
Stiefelschäften und hinter dem Hosenbund und Gürtel heraus.
Wir verbanden die Lunten.
Der Stollen war abgestützt durch Stempel.
Also war das Hangende darüber nicht fest.
Wenn wir die Stempel wegsprengten, würde sicherlich genug Hangendes nachrutschen, niederbrechen und den
Stollen hier am Ein- und Ausgang zuschütten.
Dann konnte die Bande nicht mehr raus.
Ja, dann hatten wir sie in der Falle.
Und dann würden tausend Goldgräber hier versammelt sein, die zwar den Stollen wieder freimachten - aber
nur, um die Kerle herauszuholen und aufzuhängen.
Ja, es würde eine Hängepartie geben.
Die Banditen im Gushole Canyon hat ten zu viel gemordet.
^ Die Furcht der Goldgräber würde in wilden Zorn umschlagen.
Wir waren schnell fertig.
Ich zündete dann schnell die Hauptlunte an.
Wir liefen hinaus und bis hinter eine Steinhalde.
Das Krachen war dann im Canyon gewiss meilenweit zu hören - vielleicht sogar bis nach Gushole selbst, wenn
dort nicht zu viel Lärm herrschte.
Wir liefen dann sofort durch den Staub zum Stollen, um zu sehen, ob alles in unserem Sinne geklappt hatte.
Wir hielten auch unsere Waffen bereit für den Fall, dass der Eingang nicht verschüttet war und die Kerle
herausgekrochen kamen.
Aber es war alles zu.
Wir hatten es ohne Kampf geschafft.
Die Anführer der großen Banditen-Organisation saßen in der Falle.
Eine Weile standen wir da und überlegten.
Dann sagte ich bitter: »Aber Patrik O'Hara war nicht dabei.
Den konnte ich dort drinnen nicht entdecken.
Ich gehe Nancy holen.
Seht ihr noch mal nach unseren Gefangenen in den Baracken.
« Ich lief los, um Nancy zu holen.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, zu Nancy laufen zu müssen.
Als ich mich der Felsengruppe näherte, rief ich schon aus einiger Entfernung: »Nancy! Hoi, Nancy! Komm,
Nancy! Es ist alles in Ordnung! Du kannst kommen!« Indes ich näher an die Felsen kam, hoffte ich, dass sie
mit den Pferden zum Vorschein kommen würde.
Doch sie kam nicht.
Ich erreichte die Felsen.
Sie war fort.
Nur drei Sattelpferde waren da.
.
Das Vierte fehlte.
Wohin mochte sie geritten sein? Verdammt, was war das? Es war zu dunkel in der Nacht, um vielleicht Spuren
erkennen zu können, was geschehen war.
Wohin mochte sie geritten sein? War jemand gekommen, der beim Krachen der Explosion umgekehrt war und
dem sie dann folgte? Irgendwas musste geschehen sein.
Was sollte ich tun? Ob sie nach Gushole geritten war? Oder war Patrik O'Hara gekommen? Und wenn, was war
dann geschehen? Ich wusste eine Weile nicht, was ich tun sollte.
Nancy mochte überallhin geritten sein aus irgendwelchen Gründen.
Es konnte aber auch sein dass man sie entdeckt hatte und entführte.
Indes ich noch verharrte, überlegte und zu keinem Entschluss kommen konnte, weil jedes Handeln völlig falsch
sein konnte, da hörte ich sie kommen.
Sie kamen von überall her.
Sie kamen zu Pferd, in Fahrzeugen - aber auch zu Fuß gelaufen.
Denn das Krachen der Sprengung war meilenweit zu hören gewesen.
Und niemals wurde in der Nacht in Minen gesprengt.
Wahrscheinlich glaubten sie alle an ein Unglück und kamen als Nachbarn, um zu helfen zu retten.
Vielleicht glaubten sie, dass das Sprengstofflager der Mine explodiert war infolge Unvorsichtigkeiten.
Ich musste zu Barney und Bill zurück, und so schwang ich mich auf mein Pferd, nahm die Zügelleinen der
beiden anderen Tiere in die Hand und ritt die Viertelmeile zur Mine zurück.
Als ich dort ankam, waren schon einige andere Männer vor mir angekommen.
Es waren die nächsten Nachbarn, und Barney war gerade dabei, ihnen zu erklären, wen wir da drinnen in der
Mine gefangen hatten.
Es kamen immer mehr Goldgräber herbei.
Was die zuerst Angekommenen gehört hatten, gaben sie weiter an die Neuankömmlinge.
Und allen wurde klar, was für ein großer Fang da gemacht worden war.
Die Anführer der Goldwölfe, Claimräuber, Mordbanditen, deren Spitzel und Spione, all das zweibeinige
Raubwild des Gushole Canyons, sie alle saßen dort in der Mine fest.
Auf solch eine Erfolgsnachricht hatten sie alle schon gewartet.
Dies hatten sie sich gewünscht, weil jeder sich sagte, dass ein Krug nur so lange zum Wasser getragen werden
konnte, bis er eines Tages zerbrach.
Und so hatten sie alle gehofft, dass mal was passieren würde, was den Banditen den Untergang brachte.
Zuerst waren es nur knapp zwei Dutzend.
Doch es wurden immer mehr.
Und einige Reiter ritten wieder fort, um die Nachricht in der weiteren Umgebung zu verbreiten.
Es war sicher, dass sich diese Nachricht noch schneller im Gushole Canyon verbreiten würde als ein
Präriefeuer - von Claim zu Claim, von Mine zu Mine - bis nach Gushole im Süden des Canyons und nach
Canyon City im Norden.
Als es Tag wurde, waren mehr als tausend Mann versammelt.
Sie begannen dann den Stolleneingang frei zu machen.
Wahrscheinlich hatten das die Eingeschlossenen auch von innen her schon in Gang gebracht.
Aber es würde noch viele Stunden dauern.
Ich setzte mich auf mein Pferd und ritt zu jener Felsengruppe zurück.
Was hier bei der Mine geschehen würde, war mir klar.
Es würde wieder ein Goldgräbergerichtshof gebildet werden.
Und wie man die Kerle aus der Mine holte, so kamen sie hier vor Gericht.
Dass man drinnen in der Mine Beweise finden würde, darin war ich mir sicher.
Denn ich glaubte nicht mehr daran, dass in der Mine Gold gefunden wurde.
Man arbeitete hier nur zum Schein, tat so, als wäre man redlich bei der Arbeit.
Auch die Erzmühle arbeitete dann nur zum Schein, zerkleinerte Gestein, welches überhaupt nicht goldhaltig
war.
Es war eine längst schon unrentable Mine.
Doch wenn man in ihr geschmolzenes Gold fand, dann konnte es nicht in der Mine gewonnen worden sein.
Dann wurde die Schmelze nur dazu benutzt, all das geraubte Gold einzuschmelzen.
Vielleicht würde man aber auch noch andere Beweise finden.
Den überfallenen Goldgräbern waren j a nicht nur Gold, sondern auch andere Dinge gestohlen worden, Uhren
und Waffen zum Beispiel.
- Es musste sich in der Mine oder in den Baracken einiges finden lassen.
Aber um dies alles kümmerte ich mich jetzt nicht.
Ich musste herausfinden, was mit Nancy geschehen war.
Es war nicht einfach, denn es gab viele Hufspuren.
Doch ich war schon in meiner Jugend daheim in Texas ein guter Fährtenleser gewesen.
Es war ein Reiter aus Gushole gekommen, der dann hier vor den Felsen sein Pferd jäh zurückriss au£ die
Hinterhand.
Das konnte im Moment der Explosion geschehen sein.
Vielleicht war das Tier auch vor Schreck mit der Vorderhand aufgebäumt.
Nancy war dann zu Fuß aus den Felsen hervorgekommen, wahrscheinlich mit einem schussbereiten Gewehr im
Hüftanschlag.
Sie hatte den Reiter zum Absitzen gezwungen.
Vielleicht war es aber auch schon vor der Explosion geschehen, so dass der Bursche sie überrumpeln konnte,
als es dann im Stolleneingang der Mine so schrecklich loskrachte.
Jedenfalls hatte der Kerl Nancy überrumpelt.
Es konnte sogar sein, dass sie geschossen hatte im Moment der Explosion, jedoch nicht traf und nicht mehr
durchrepetieren konnte.
Der Bursche setzte sie dann auf ihr Pferd.
Vielleicht hatte er sie auch quer über den Sattel gelegt, weil er sie bewusstlos schlug.
Er ritt mit ihr in Richtung Gushole.
Ja, es konnte Patrik O'Hara gewesen sein, der verspätet zur Versammlung der Goldwölfe kam.
Jetzt hatte er Nancy.
Was sollte ich tun? Allein nach Gushole reiten? Er würde mich mit seiner Bande erwarten.
Selbst mit Barney und Bill hatte ich keine Chance.
Gushole war fest in O'Haras Hand.
Und er hatte Nancy.
Immer wieder wurde ich mir dessen bewusst.
Was also konnte und sollte ich tun? Ich ritt zur Mine hinüber.
Sie hatten den Eingang der Mine so weit freigemacht, dass die Eingeschlossenen herauskriechen konnten.
Doch sie kamen nicht heraus.
Sie schössen in wilder und gewiss auch in verzweifelter Wut durch das Loch aus der Mine, und es hatte am
Anfang gleich deshalb einen Toten und zwei Verwundete unter den Goldgräbern gegeben, weil sie sich nicht
rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, als sich das Loch plötzlich auftat.
Nun war die Menge wild und böse wie ein Schwärm gereizter Hornissen.
Es war aber klar, dass die Eingeschlossenen nicht herauskommen und sich ergeben wollten.
Das riefen sie laut genug durch das Loch.
Sie wollten lieber in der Mine umkommen, als draußen aufgeknüpft werden.
Und dass sie nicht herauskommen wollten, war für alle ein Eingeständnis ihrer Schuld.
Nun waren auch die letzten Zweifler sicher, dass es sich tatsächlich um Banditen und Goldwölfe handelte.
Inzwischen waren auch die Baracken durchsucht worden.
Dort hatte man weitere Beweise gefunden.
Es waren gestohlene Dinge, die man aus Claimhütten mitgehen ließ oder aus den Taschen Überfallener holte.
Es waren Uhren, Ringe, Waffen, eine recht wertvolle Schnupftabakdose, j a sogar eine Brille.
Die Banditen hatten außer Gold mitgenommen, was sie gebrauchen konnten und sonst nicht in Gushole oder
Canyon City zu bekommen war.
Inzwischen waren auch die drei fahrenden Storeläden von Elroy Sullivan geplündert worden.
Man hatte in doppelten Böden weiteres Gold gefunden.
Dies war noch in Form von Goldstaub oder Nuggets in den Originalverpackungen*.
Das waren Büchsen, selbstgenähte Ledersäckchen, alte Tabaksbeutel.
Und auch hier erkannten einige Goldgräber, die erst vor kurzer Zeit überfallenwurden, ihre Goldbehälter
wieder.
Fast jeder hatte seinen Namen und die Heimatanschrift aufgemalt oder eingekratzt, in der Hoffnung, dass -
wenn ihm etwas zustoßen sollte - seine Angehörigen das Gold bekommen würden.
Elroy Sullivan war mit seinem fahrenden Store also auch der Beuteeinsammler.
Er brachte dann alles hier zur Schmelze, wo es zu Barren gegossen wurde, so als wäre die Mine sehr
ertragreich.
Man hatte auch unsere Gefangenen längst aus den Baracken geholt und verhört.
Sie waren arg misshandelt und halb totgeschlagen worden.
Zum Glück waren sie geständig.
Einige andere Burschen dieser Minenmannschaft waren in Gushole gewesen, um sich dort zu amüsieren.
Sie waren nicht zurückgekommen und würden sich gewiss auch nicht mehr blicken lassen.
Die Goldgräber kannten keine Gnade.
Man war schon dabei, die Männer zu wählen, welche innerhalb des sich bildenden Goldgräbergerichtshofs
Funktionen ausüben sollten, also einen Richter, Geschworene, Ankläger, Verteidiger - und Henker.
Ich bekam das alles sozusagen nur noch am Rande mit.
Es kümmerte mich nun eigentlich wenig.
Was ich hier in Gang gebracht hatte, konnten andere Leute leicht zu Ende bringen und besser erledigen.
Meine Gedanken kreisten ständig um Nancys Verschwinden.
Barney und Lucky Bill kamen zu mir.
»Jemand hat sie nach Gushole mitgenommen «, sagte ich.
»Es kann nicht anders sein.
Ich glaube, dass es Patrik O'Hara war.
Er kam wahrscheinlich noch vor der Sprengung.
Er hätte uns überrascht.
Nancy hielt ihn auf.
Ich fand eine Patronenhülse, Sie hatte ihn vor dem Gewehr.
Dann krachte die Sprengung.
Da drückte auch sie ab.
Deshalb hörten wir keinen Schuss.
Aber sie traf ihn nicht.
Sie kam zwar noch zum Durchrepetieren, doch dann war er bei ihr.
Ja, ich glaube, dass es O'Hara war.
Nun hat er sie.
« Sie standen vor mir und starrten mich an.
Dabei erkannten sie, wie es um mich stand.
»Es ist ganz einfach«, sagte Barney dann.
»Wir suchen hundert Mann aus und gehen mit ihnen nach Gushole.
Wir können auch zweihundert zum Mitkommen bewegen.
Oder noch mehr.
Wir könnten ganz Gushole klein machen, auseinandernehmen.
Es ist doch ganz einfach.
« Ich schüttelte den Kopf.
»Er hat Nancy«, sagte ich langsam.
»Versteht ihr? Er hat Nancy! Und was wir auch unternehmen könnten, wir dürfen es nicht wegen Nancy.
Er hat sie.
« Nun begriffen sie endlich.
Wir konnten nicht losschlagen mit hundert oder noch mehr hartbeinigen Burschen.
»Hölle, was können wir tun?« So fragte Bill.
Ich hob etwas mutlos die Schultern und ließ sie wieder sinken.
»Wir müssen bei Nacht nach Gushole«, murmelte ich schließlich.
»Wir müssen herausfinden, wo er Nancy festhält.
In der Imperial Hall wird das bestimmt nicht sein.
Das wäre ihm zu gefährlich.
Er wird sie irgendwo versteckt halten und hat mich deshalb in der Hand.
Wir müssen warten und nach Anbruch der Nacht in die Stadt einsickern.
Was anderes fällt mir nicht ein.
Wir können ihm nicht beweisen, dass er Nancy hat.
Aber dennoch kann er uns damit erpressen.
« Sie nickten.
Als ich sie ansah, verspürte ich ein gutes Gefühl der Dankbarkeit.
Wir waren mehr als nur Claimnachbarn und wahrscheinlich bald Partner bei der Ausbeutung einer Goldader.
Wir waren Freunde geworden.
Es gab keinen Zweifel daran, dass sie mit mir nach Gushole gehen würden, um dort vielleicht gegen eine
Übermacht zu kämpfen.
Wir waren müde und ausgebrannt.
Deshalb sagte ich: »Vielleicht sollten wir ein oder zwei Stunden zu schlafen versuchen - dort in einer der
Baracken.
Wenn wir uns die kommende Nacht um die Ohren schlagen sollten, müssen wir Schlaf bekommen.
Sonst sind wir bald übermüdete Nervenbündel.
« Wir gingen in eine Baracke und legten uns dort auf die Schlafpritschen.
Und obwohl ich fortwährend an Nancy dachte, schlief ich bald schon ein.
Die Müdigkeit war stärker als alle Sorgen.
Als wir erwachten, war es Nachmittag.
Wir hatten mehrere Stunden geschlafen.
Mit uns waren noch andere Männer in der Baracke.
Manche schliefen, andere saßen an einem langen Tisch und aßen Suppe.
Man hatte einen Kessel voll Suppe gekocht.
Eine Stimme sagte zu uns: »He, ihr seid doch die Jungs, die alles in Gang brachten.
Ihr könnt Essen haben.
Alle hier, die weiter als drei Meilen bis zu ihrem Claim haben, bekommen Essen.
« Wir nickten und erhoben uns.
Die Suppe war gut.
Man hatte offenbar reichlich Vorräte gefunden.
Den Banditen hier war es gewiss nicht schlecht gegangen.
Später dann gingen wir hinaus.
Und nun sahen wir, was die Goldgräber in Gang brachten.
Man war dabei, die Wasserleitung oben vom Berg umzuleiten.
Das Wasser würde in das Loch und damit in die Mine laufen.
Diese Wasserleitung bestand aus Brettern, die im rechten Winkel zusammengenagelt waren.
In diesen Rinnen kam das Wasser von den Bergen den steilen Hang herunter.
Nun lenkte man das alles etwas um.
Einer der arbeitenden Goldgräber grinste uns an und sagte: »Wir ertränken sie in der Mine wie Ratten.
Die alte Mine hat keinen Abfluss.
Ausräuchern konnten wir sie nicht, weil eine gute Wetterführung nach oben alles wegzieht.
Aber ersäufen werden wir sie.
Und das gefällt uns allen sehr.
« Er arbeitete weiter.
Wir sahen uns an.
Nein, wir hatten keine Rachegefühle.
Was wir gewollt hatten, war ein Beenden der Überfälle, der Morde.
Jetzt saßen die Anführer der großen Bande in der Klemme.
Wir aber dachten an Nancy.
Und die Zeit verging uns viel zu langsam.
Es war fast schon Abend, als wir einen jungen Burschen auf einem Maulesel heranreiten sahen.
Er kam von den Baracken herüber und hielt genau auf uns zu.
Als er das Tier anhielt, sah er mich an und fragte: »Sind Sie Taggert? Der Beschreibung nach, die man mir
soeben in der Baracke gab, müssten Sie es sein, ja?« Ich nickte.
Er zögerte, blickte auf Barney und Bill, und ich begriff, dass er etwas sagen oder ausrichten sollte, wobei er
keine Zeugen dabei haben wollte.
Aber ich sagte: »Was willst du, Junge?« Er schluckte hart, leckte sich dann über die trockenen Lippen und
sagte: »Ich bin nur ein Bote.
Was ich auch sagen werde, ich bin nur ein Bote, der sich ein paar Dollar verdienen will.
Verstehen Sie, Mister Taggert?« Ich nickte und wusste plötzlich, dass er von Patrik O'Hara kam und mir dessen
Bedingungen überbrachte.
Er rutschte auf seinem Maultier herum, so als wäre ihm der Sattel so heiß geworden wie eine glühende
Ofenplatte.
Dann sagte er: »Mich schickt ein Mann, der etwas von Ihnen hat, was Ihnen sehr kostbar ist.
So meint dieser Mann wenigstens.
Ich selbst weiß nicht, was es ist.
Ich bin nur ein Bote.
Der Mann lässt ausrichten, dass Sie lieber nicht auf die Idee kommen sollten, mit tausend Mann nach Gushole
zu kommen.
Denn dann.
« »Schon gut, mein Junge«, unterbrach ich ihn.
Er hielt erleichtert inne, war froh, die Drohung nicht aussprechen zu müssen.
»Dann kann ich ja wieder nach Gushole zurück, nicht wahr?« So fragte er und wollte sein Maultier wenden.
Aber dann fiel ihm ein, dass er ja eine Antwort nach Gushole bringen sollte.
Und so fragte er: »Was soll ich meinem Auftraggeber als Antwort überbringen?« Barney und Bill knurrten
neben mir, knirschten vor Grimm mit den Zähnen, so sehr bissen sie diese aufeinander.
Sie waren jetzt gefährlich und böse wie zwei gereizte Tiger.
Ich sagte: »Pass gut auf, mein Junge.
Es ist wichtig, dass du es deinem Auftraggeber genau erklären kannst.
Denn es hängt viel davon ab, dass er alles genau begreift und du sehr überzeugend bist.
Denn es wird ums Überleben von ganz Gushole gehen.
Verstehst du? Ganz Gushole wird entweder überleben oder ein Trümmerhaufen werden.
« Ich machte eine Pause, damit er alles gut begreifen und in sich verwahren konnte.
»Yes, Sir, ich verstehe«, sagte er dann heiser.
Er war ein Junge von vielleicht siebzehn Jahren, noch kein richtiger Mann also, aber doch schon vom Leben
gebeutelt und deshalb erfahren.
Er war verschlagen, listig und clever, denn er hatte längst schon alle Schlechtigkeit der Welt kennen gelernt.
Ja, ich traute ihm zu, dass er Patrik O'Hara wirklich überzeugend alles mitteilen konnte, was ich ihm jetzt
gleich begreiflich machen würde.
Ich hob den Zeigefinger.
»Also gut«, sagte ich.
»Sage ihm und der ganzen Stadt dass ich nicht mit tausend Mann nach Gushole kommen werde, sondern ganz
allein.
Ich werde ganz allein kommen, um es mit ihm auszutragen und mir zurückzuholen, was er mir stahl.
Gushole hat damit die Chance zum Überleben, zum Davonkommen.
Aber wenn die Stadt Partei ergreifen sollte, wenn sich diese verdammte >Gilde der Schmutzigem einmischen
sollte und ihm Hilfe gibt - wenn ich also verlieren sollte, weil er Hilfe bekommt - von euch allen oder auch nur
von wenigen -, nun, dann kommen meine beiden Freunde hier mit tausend Mann.
Hast du verstanden? Dann kommen sie und machen Gushole klein und jagen euch aus dem Canyon, euch alle!
Du musst der Stadt klar machen, dass sie nur überleben kann, wenn sie neutral bleibt.
Jetzt reite.
Ich komme bei Anbruch der Nacht.
Reite, Junge!« Er schluckte wieder hart.
Dann nickte er.
»Yes, Sir, ich werde alles so ausrichten - und ich werde auch von Haus zu Haus und von Laden zu Laden
gehen.
Ja, ich werde das tun.
« Er wandte das Maultier und ritt zurück.
Barney aber sagte knurrig neben mir: »Du bist ja verrückt, Josh! Und du willst schon wieder alles alleine
machen.
Diesmal kannst du es jedoch nicht schaffen, denn die verdammte Bande wird nicht neutral bleiben.
Die werden nicht zusehen, wie du es mit O'Hara Mann gegen Mann austrägst.
« »Doch«, sagte ich.
»Die >Gilde der Schmutzigen< hat längst schon Nachrichten darüber erhalten, was hier geschieht.
Und sie wird bald erfahren, dass wir die dort in der Mine gefangene Bande wie Ratten ertränken wollen.
Man wird also in Gushole nicht daran zweifeln, dass wir mit tausend wütenden Goldgräbern in die Stadt
kommen können.
Und da wird es so sein wie auf einem sinkenden Schiff.
Jeder will sich retten und davonkommen.
Auch die Ratten verlassen höllisch schnell ein sinkendes Schiff, wenn sie nur eine Chance bekommen.
So wird es sein, wenn der Junge nur überzeugend genug ist.
Dieser Junge will hochkommen.
Er wird sich unter den Geschäftsleuten Freunde machen wollen.
Er weiß, dass O'Hara so oder so verloren ist.
Deshalb glaube ich, dass Patrik O'Hara verdammt allein sein wird.
« Sie sahen mich zweifelnd an.
»Du setzt großes Vertrauen in diesen pickelgesichtigen Jungen«, sagte Lucky Bill schließlich zweifelnd.
Ich grinste.
»Ihr könnt ja immer noch kommen, um mich zu rächen«, sagte ich.
Da grinsten auch sie.
»Schöner Trost«, knurrte Barney.
»Er ist der große Alleinmacher«, seufzte Bill.
Wir blickten nun wieder zum zusammengebrochenen Stolleneingang.
Durch das oben frei geräumte Loch ragte nun die Wasserleitung in den Stollen hinein.
Und da der Stollen bergeinwärts Gefalle hatte, würde die Mine voll Wasser laufen.
Das konnte noch Tage dauern, obwohl das Wasser in der Bretterleitung reichlich strömte.
Es ging jedoch unterwegs eine Menge verloren, weil die zusammengenagelten Bretter ja nicht so dicht waren
wie eine Baumröhrenleitung.
Aber so viel, wie in einem Bachbett abwärts floss, sprudelte doch noch in die Mine hinein.
»Ja, sie werden sie ertränken wie die 'Ratten«, sagte Barney »Wenn sie nicht herauskommen, um sich hängen
zu lassen, werden sie ersaufen.
Was ist wohl der leichtere Tod, ertränkt oder gehängt werden?« Er fragte es bitter.
Lucky Bill sagte: »Die Goldgräber hatten auch hier einen Toten und zwei Verwundete, als die Banditen durch
das frei gemachte Loch schössen.
Diese Narren.
Sie hätten sich ergeben sollen.
Vielleicht hätte man dann doch irgendwie Gnade walten lassen.
Aber jetzt.
Nun, ich glaube nicht, dass wir Mühe hätten, tausend Mann zum Mitkommen nach Gushole zu bewegen.
Aber es würden ja auch schon zweihundert genügen - oder?« Ich nickte, sagte dann: »Ich will noch ein wenig
schlafen, bevor ich mich auf den Weg nach Gushole zu O'Hara mache.
Der Junge muss auch noch Zeit bekommen für seine Mission.
Ja, er hat wahrhaftig eine Mission zu erfüllen.
Er kann Gushole retten, wenn er die Leute dort überzeugt, dass sie mit O'Hara untergehen würden.
Das hat dieser Junge begriffen.
« Ich ging wieder zur Baracke hinüber.
Als ich in den Sattel stieg, standen Barney und Bill neben mir und dem Pferd.
Sie fluchten leise, und Barney sagte, dass ich ein Verrückter sei.
Es waren noch einige Goldgräber da, Mitglieder des Goldgräbergerichtes, die gewählt worden waren.
*
Sie waren die maßgebenden Männer unter den Goldgräbern im Gushole Canyon.
Der weißhaarige und weißbärtige Richter sagte: »Taggert, was Sie tun, kann ein großes Blutvergießen und eine
wilde Gewalttat verhindern.
Es kann die Stadt Gushole verändern, fairer machen.
Anständig wird sie niemals werden, solange wir im Canyon Gold finden.
Wenn Sie es nicht schaffen sollten, den Boss von Gushole zu erledigen, wenn er sich nicht stellen sollte zum
Duell Mann gegen Mann - nun, dann kommen wir.
Viel Glück.
« »Danke«, sagte ich und ritt los.
Die Nacht war schon gekommen.
Es war kalt.
Der Wind kam wieder von Norden, traf meinen Rücken.
Es würde bald Winter sein.
Ich dachte an Nancy, an Taggert - und an jene Mary, die mir den Tipp gegeben hatte, wo die Zusammenkunft
der Banditen stets stattfand.
Ob O'Hara sie jetzt verdächtigte? Denn natürlich würde er jetzt Überlegungen anstellen, wer verraten haben
konnte, was es mit der Aurora-Mine wirklich für eine Bewandtnis hatte.
Es war eine klare Nacht.
Die Himmelsgestirne warfen bleiches Licht in den Canyon.
Als ich die Lichter von Gushole in Sicht bekam, hielt ich an.
Der Canyon beschrieb hier eine Biegung.
Als ich sie umritten hatte, sah ich die Lichter von Gushole.
Es waren sehr viel weniger als sonst.
Und auch schon unterwegs gab es in dieser Nacht bei all den Claims kaum Feuer oder Lichter.
Ich wurde auch nicht angerufen, wie es sonst üblich war, wenn man in der Nacht abseits des Hauptweges ritt.
Die Goldgräber und Minenleute waren alle bei der Aurora-Mine, gewiss nicht in der Stadt.
Schon das allein musste für die Leute von Gushole eine Warnung sein.
Ich ritt weiter und verhielt noch einmal am Stadteingang.
Hier standen rechts .
und links des Hauptweges nur Zelte, primitive Hütten, Wagen, in denen man hauste.
Eine laute Stimme rief von irgendwoher aus diesem Gewirr von Hütten, Wagen und Zelten zu mir herüber:
»Hoi, hol dir den Skalp dieses Hurensohnes! Hol ihn dir! Dann wird es besser in Gushole!« Vielleicht gehörte
sie einem Mann, den man beim Spiel betrogen oder auf andere Weise ausgeplündert hatte.
Ich wusste, es gab viele solche Leute in der Stadt.
Sie hatten sich ducken müssen.
Ich schluckte ein wenig.
Was erwartete mich in der Stadt? Lauerte O'Haras Bande schon auf mich? Wollten sie es darauf ankommen lassen,
ob die tausend Goldgräber wirklich wie eine Stampede kommen würden? Es konnte durchaus sein, dass ich in ein
Kreuzfeuer geriet und in wenigen Minuten tot war, sobald ich mich weit genug nach Gushole hineingewagt hatte.
Aber wenn sie alle Furcht bekommen hatten, wenn Patrik O'Hara ein stolzer Mann war, der meine Herausforderung
annahm, nun, dann hatte ich gewisse Chancen.
Ich ritt im Schritt weiter.
Es war still in der sonst so wilden Stadt.
Um diese Zeit war sie sonst voll in Betrieb.
Jetzt aber war sie still.
Der Huf schlag meines Pferdes war deutlich zu hören.
In einigen Hütten und Häusern, aus deren Fenstern noch etwas Lichtschein fiel, gingen auch diese Lichtquellen aus.
Dunkelheit war auf der Hauptstraße.
Es war, als würde der Hufschlag meines Pferdes das Zeichen zum Licht löschen sein.
Ich wagte es plötzlich nicht länger mehr, hoch im Sattel zu bleiben.
Vom Himmel fiel das blasse Licht der Gestirne nieder.
Man konnte die Umrisse meiner Gestalt gewiss erkennen.
Und aus jedem Fenster, jeder Hauslücke, jeder Nische, aus den abgestellten Wagen und von den Dächern konnten
jede Sekunde Schüsse krachen.
Es wäre dumm von mir gewesen, wäre ich weiter so stolz im Sattel nach Gushole hineingeritten.
Denn ich wusste immer noch nicht, was die >Gilde der Schmutzigen< tun würde.
Hielt sie weiter zu O'Hara, der mir die Frau raubte? War er immer noch der Boss, dessen Befehle sie blindlings
ausführten? Oder fürchteten sie sich vor dem Zorn der Goldgräber, die kommen würden, wenn es kein faires Duell
gab zwischen mir und O'Hara? Das alles waren die Fragen, die mich ständig beschäftigten.
Ich hielt also mein Pferd an und saß ab.
Nun verschmolz ich mehr mit dem Tier, hob mich nicht mehr gegen den mondhellen Himmel ab.
Langsam ging ich weiter.
Sporen trug ich nicht.
Es war nur der Huf schlag meines Pferdes dumpf im Staube der Hauptstraße zu hören.
Überall gingen die Lichter aus - nun schon weit voraus.
Nur die Lichter der Imperial Hall blieben.
Die herausfallenden Lichtbahnen warfen goldene Barrieren über die Fahrbahn bis hinüber zum Labor des
Erzprüfers und des Sattlergeschäftes, hinter dem sich die Werkstatt befand.
Nirgendwo waren Sattelpferde angebunden.
Ein paar Wagen standen da und dort ohne Gespanne.
Ich hielt an.
Ein Dutzend Schritte vor mir war die erste Lichtbahn von Patrik O'Haras Imperial Hall.
Wartete er drinnen auf mich? Wollte er es offen und fair mit mir austragen, nachdem er begriff, dass er allein
war, weil die Drohung - es würden tausend Goldgräber kommen und alles klein machen - eine für ihn so
verheerende Wirkung zeigte? Ich ließ mein Pferd einfach stehen und ging hinüber zur Häuswand.
Mit dem schussbereiten Colt in der Hand verharrte ich, witterte zur gegenüberliegenden Seite hinüber.
Denn von dort hatte man ein gutes Ziel, sobald ich die Lichtbahnen durchquerte oder mich im Eingang zeigte.
Gewehrschützen konnten mich mit Leichtigkeit abknallen.
Ich spürte, wie mir ein wenig heiß wurde.
Mein Verstand und mein Instinkt sagten mir, dass die erleuchtete Imperial Hall Falle und Herausforderung
zugleich war.
Es war eine Einladung zum Sterben gewissermaßen.
Ich entschloss mich, nicht dort hineinzugehen.
Und so bog ich in die schmale Gasse ein, die zum Hof führte, in dem ich mich mit jener Mary traf, die aus
Texas stammte wie ich und die einmal O'Haras Geliebte war, bis er ihrer überdrüssig wurde.
Mir fiel in diesem Moment ein, dass ich nicht mal Marys Nachnamen kannte.
Wie mochte sie heißen? Und nach Texas an den Brazos wollte sie zurück, wenn sie nur genügend Reisegeld
zusammenbekommen konnte.
Ich erreichte die Hinterseite der Imperial Hall.
Es war hier dunkel.
Die große Amüsier- und Spielhalle bestand aus mehreren Bauten, die man erst später miteinander verband.
Es gab deshalb mehrere Eingänge.
Welchen sollte ich nehmen? Bisher war mir noch niemand begegnet.
Keinen Menschen hatte ich bemerkt.
Hielten sie sich wirklich alle heraus? Oder lauerten sie auf mich? Ich ging weiter, bis ich den Hintereingang zur
großen Tanz- und Amüsierhalle erreicht zu haben glaubte.
Und dann zuckte ich zusammen.
Denn drinnen begann ein Klavier zu spielen.
Ja, verdammt, da spielte ein Klavier.
Und ich kannte diese Melodie.
Damit hatte es eine besondere Bewandtnis.
Damals, als Texas gegen den Diktator und General Santa Anna um seine Freiheit kämpfte, als die Verteidiger
von Alamo eingeschlossen waren von siebentausend Mexikanern, als sie diese Mexikanerarmee so lange
aufhielten, bis General Houston eine Texanerarmee sammeln konnte, mit der er dann die Mexikaner besiegte,
da ließ General Santa Anna während der Belagerung Tag und Nacht den Deguello spielen.
Und die Texaner in der zur Festung umgebauten Mission >E1 Alamo< wussten, dass dies ihre Todesmelodie
werden würde.
Jetzt hörte ich sie auf einem Klavier.
Wer mochte der Spieler sein? Wollte Patrik O'Hara mich nervlich schwächen? Er wusste ja, dass ich Texaner
war und die Bedeutung dieser Melodie kennen musste.
Dieser Hurensohn, dachte ich, versucht es mit allen Mitteln.
Wer spielte da wohl für ihn? Ich öffnete langsam die Tür.
Als ich den leisen Luftzug spürte, da erkannte ich auch schon den Trick.
Er hatte irgendwo eine Tür oder ein Fenster angelehnt.
Durch das Öffnen der Tür entstand ein Durchzug.
Und irgendwo im Haus klappte nun diese Tür oder dieses Fenster.
Das Klavier spielte immer noch den Deguello.
Es waren leichte Hände - vielleicht Frauenhände.
Oder es musste ein Spieler sein, der einst eine Ausbildung als Pianist erhielt.
Denn es war kein primitives Gehämmer auf den Tasten.
Ich ging den schwach beleuchteten Gang entlang.
Rechts und links waren Türen.
Ich glitt mit schussbereiter Waffe an ihnen vorbei.
Ich erreichte jetzt endlich die Tür zum großen Vergnügungssaal.
Sie befand sich neben dem einen Barende.
An dieser Bar standen die durstigen Kehlen sonst drei oder vier Glieder tief.
Und ein Dutzend Barkeeper schenkte immer wieder ein.
Jetzt war alles leer.
Nur das Klavier drüben neben der Bühne spielte immer noch.
Ich sah jetzt, dass es Mary war, die da spielte.
Sie war wie eines der Tingeltangel-Girls gekleidet, sehr offenherzig also, und zeigte viel nackte Haut.
Als ich eintrat, blickte sie über die Schulter.
Unsere Blicke trafen sich über eine Entfernung von mehr als zwei Dutzend Schritten.
Und dennoch erkannte ich ihre Not.
Ja, sie spielte mühelos, aber sie war in Not.
Warum? Ich sah sonst niemanden in der Tanzhalle.
Aber dann erkannte ich ihre Kopfbewegung und war gewarnt.
Mitten im Spiel sprang sie plötzlich auf und wich zur Seite.
Und da sah ich ihn.
Er hatte hinter der Ecke des Klaviers gekauert.
Mary hatte sich genau in der Schusslinie befunden.
Jetzt aber war alles frei, denn sie hatte Nerven genug gehabt, sich mit einer raschen Bewegung aus der
Schusslinie zu bringen.
Es war aber nicht Patrik O'Hara, der zum Vorschein kam.
Der Mann war Henry Smet, der Manager der Imperial Hall.
Ja, er war der Mann, der es mit mir aufnahm.
Und vielleicht war er der einzige Mann der Gilde, der noch für Patrik O'Hara kämpfte.
Nun starb er für ihn, denn ich sah zwar sein Mündungsfeuer, doch ich war in rascher Bewegung.
Seine Kugel streifte mich nur.
Mary war jetzt weit genug weg von ihm.
Sie warf sich über einen Spieltisch, dass die Kartenpäckchen nur so flogen.
Ich schoss durch den Pulverrauch mir gegenüber, und ich war nahe genug herangekommen.
Henry Smet fiel hinter dem Klavier krachend zu Boden.
Mary aber saß jetzt auf dem Tisch.
Und sie sah zur Treppe hin, die nach oben führte.
Ich wusste, O'Hara war dort oben.
Da rief ich hinauf: »Hoi, O'Hara, wenn du Nancy auch nur ein Haar gekrümmt hast, zieh ich dir bei lebendigem
Leib die Haut ab! Darauf kannst du wetten! Henry Smet ist erledigt! Wer kämpft denn noch für dich! Komm
herunter, du Hurensohn, wenn du nicht wieder so feige sein willst wie damals, als du deine Frau mit dem Baby
den Apachen überließest! Oha, Patrik O 'Hara, was bist du für ein Schuft! Komm schon! Ich warte nicht mehr
lange! Dann hole ich dich!« In meiner Stimme war kalte Wut.
Ja, ich wollte ihn töten.
»Er ist dort oben«, sagte Mary zu mir.
»Und er hat Nancy bei sich.
Er hat Henry Smet versprochen, ihn zu seinem Partner zu machen, wenn er dich aufhält.
Er ist feige.
Das hätte ich nicht geglaubt.
Denn er wirkt doch wie ein Sieger, wenn man ihn ansieht.
« Ich hörte kaum hin, sondern ging die Treppe hinauf.
Fortwährend war ich in lauernder Bereitschaft für schnelle Reflexe.
Aber es geschah nichts, gar nichts.
Ich begann die Zimmer zu durchsuchen.
Hier wohnten sonst die Tingeltangelmädchen des Hauses.
Aber sie waren fort.
Wohin mochten sie sein? Und dann endlich fand ich Nancy.
Sie lag gefesselt auf dem Bett.
Der Mund war mit einem Handtuch geknebelt, so dass sie nicht den geringsten Laut ausstoßen konnte.
Nur schnauben durch die Nase vermochte sie noch, aber das waren keine Laute.
Das Fenster des Zimmers stand offen.
Ich schloss die Tür hinter mir, so dass mich niemand überrumpeln konnte.
Dann ging ich zum Fenster und sah vorsichtig hinaus.
Nancy schnaufte jetzt fauchend durch die Nase.
Gewiss war sie wütend, dass ich nicht sofort zu ihr kam.
Ich befreite sie zuerst vom Handtuchknebel.
Und da fauchte sie auch schon: »Willst du mich ersticken lassen? Wie kannst du nur so unvorsichtig sein,
deinen Kopf aus dem Fenster zu halten? Wenn er dort unten gestanden hätte mit seiner verkürzten Schrotflinte.
« »Hat er eine?« So fragte ich.
»Ach, jetzt ist er weg«, sagte sie, indes ich mit meinem Messer, das ich aus dem Stiefelschaft holte, ihre
Fesseln zerschnitt.
Sie rieb sich die Handgelenke und sprach dann mit einem Klang in der Stimme, der eine Mischung aus Mitleid
und Verachtung zu sein schien: »Er ist abgehauen, so wie damals, als es um sein Leben ging.
Diesmal wollte er durchhalten, aber das schaffte er nicht.
Als du unten riefst, dass du ihm die Haut abziehen würdest, da zerbrach er wie damals, als wir in der
Poststation auf die Apachen warteten.
Es war ein schrecklicher Schock für ihn, als niemand für ihn kämpfen wollte, weil sie Angst hatten vor der
Rache der Goldgräber.
Er hatte zuvor gedroht, mich zu töten, wenn du dich nicht ergeben würdest.
Aber als er dann zu begreifen begann, dass es dir ernst war, da zerbrach sein Bluff.
Er war immer nur ein feiger Bluffer.
Zur Hölle mit ihm! Lass ihn doch davonkommen.
Er ist nur ein Wurm!« • Ich staunte sie an.
Und j e länger ich nachdachte, umso mehr kam ich zu der Erkenntnis, dass sie Recht hatte.
Er war nur ein feiger Bluffer.
Wenn es darauf ankam, dann kniff er.
Das hatte er damals schon getan.
Als wir auf die Straße traten, brannten in Gushole fast überall wieder die Lichter.
Die wilde Stadt war zwar noch zahm und ruhig, doch sie hatte mitbekommen, dass ihr scheinbar so harter und
rücksichtsloser Boss feige geflüchtet war.
Es regte sich überall wieder Leben.
Und wahrscheinlich würde es jetzt erneut blutige Machtkämpfe geben unter jener >Gilde der Schmutzigem.
Bald würde die Campstadt wieder neue Bosse haben - vielleicht sogar wieder nur einen.
Aber sie alle würden vorsichtiger sein müssen.
Denn die >Stampede< der Goldgräber würde nun ständig drohen.
Die Digger und Minenleute des Gushole Canyons ließen sich nichts mehr gefallen.
Nancy und ich, wir kehrten heim zu unserem Claim und unserer Goldader.
Wir begannen in den nächsten Tagen mit dem Abbau.
Gold- und Geldtransporte fanden statt.
Viele Goldgräber reisten heim mit der Goldausbeute.
Und die gefangenen Banditen in der Aurora Mine? Nein, sie wurden nicht ertränkt wie Ratten.
Als die Mine voll gelaufen war und das Wasser aus ihr lief, da räumten die Goldgräber schließlich doch den
zusammengebrochenen Stollenausgang frei.
Das Wasser floss ab.
Sie fanden keinen einzigen Ertränkten, dafür aber einen schmalen Luftschacht nach oben, durch den die
Wetterführung aus dem Querschlag lief.
Die Banditen hatten in tage- und nächtelanger Arbeit die Felsspalte, die den Luftschacht bildete, verbreitert.
Und sie waren daraus entwichen, hatten sich verkrümelt.
Die Bösen waren wieder einmal entkommen.
Doch das geschah ja schon oft genug auf dieser Erde.
Nun, Barney, Bill, Nancy und ich, wir beuteten unsere Goldader aus.
Auf die Imperial Hall legten wir keinen Wert.
Die würde an die Stadt fallen, von dieser verpachtet werden.
Jetzt, da ich die Geschichte schreibe, haben wir eine wunderschöne Ranch in Texas.
Und in unserer Countystadt besitzt jene Mary - sie heißt übrigens Scottfisher - ein kleines Hotel mit Restaurant.
Auch sie ist verheiratet.
Nancy wurde in Abwesenheit ihres Mannes geschieden.
So war das also alles.
Und weil es wohl eine spannende Geschichte war, schrieb ich sie für unsere Nachkommen auf.
Wir haben drei, zwei Buben und ein Mädchen.
So long, Leute! Joshua Taggert, Southern Star Ranch, Brazos County, Texas.
ENDE