Gunnar Mau Die Bedeutung der Emotionen beim Besuch von Online-Shops
GABLER RESEARCH Interaktives Marketing Herausgege...
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Gunnar Mau Die Bedeutung der Emotionen beim Besuch von Online-Shops
GABLER RESEARCH Interaktives Marketing Herausgegeben von Professor Dr. Günter Silberer
Die Schriftenreihe präsentiert wissenschaftliche Beiträge zum Einsatz interaktiver, vor allem multimedialer Systeme im Marketing. Stationäre und portable Applikationen rücken dabei ebenso ins Blickfeld wie Offline- und Online-Anwendungen, insbesondere Internet und interaktives Fernsehen. Als Felder der rechnergestützten Interaktion interessieren vor allem Marktforschung, Produktentwicklung, Electronic Publishing, dialogische Präsentation und Kommunikation von Unternehmen, Programmen und Produkten, Vor- und Nachkauf-Service sowie Verkauf und Vertrieb (Electronic Commerce).
Gunnar Mau
Die Bedeutung der Emotionen beim Besuch von Online-Shops Messung, Determinanten und Wirkungen Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Günter Silberer
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Göttingen, 2009
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Claudia Jeske | Jutta Hinrichsen Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1683-9
Geleitwort
V
Geleitwort
Das Kauferleben ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im Handel und in der Industrie, sofern diese über eigene Läden vertreiben. Deshalb befasst sich die Marketingforschung schon seit geraumer Zeit mit dem Kauferleben, vor allem mit dem Kauferleben der Konsumenten. So gibt es Studien zur Ladenatmosphäre, zur Stimmung beim Einkauf und zum Kauferleben. Dabei sind jedoch die Emotionen viel zu kurz gekommen. Dies gilt für die stationären Geschäfte, und erst recht für die Online-Shops. Um diese Lücke zu schließen befasst sich die Arbeit von Herrn Dr. Mau mit den Emotionen beim Besuch von Online-Shops. Mit der vorgelegten Schrift leistet der Verfasser einen wertvollen Beitrag zur Erfassung, zur Erklärung und Prognose kaufbegleitender Emotionen, auch zur Abschätzung ihrer Folgen. Hervorgehoben seien folgende Schwerpunkte: Erstens die Entwicklung eines Messinstruments mit hohem diagnostischen Wert, das sich sowohl bei Besuchern des stationären Handels als auch bei Besuchern von Online-Shops einsetzen lässt und den bislang entwickelten Instrumenten in vielerlei Hinsicht überlegen ist. Zweitens die Entwicklung einer Theorie der Einkaufsemotionen im Lichte des derzeitigen Forschungsstandes, die auf Ursachen und auf Wirkungen kaufbegleitender Emotionen eingeht und differenziert formuliert ist und umsichtig begründet wird. Drittens die gezielte Überprüfung zentraler Hypothesen in einem gut konzipierten, sorgsam vorbereiteten Experiment, das nicht nur auf die interne Validität, sondern auch auf die externe Validität achtet und somit viele Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung der Theorie der kaufbegleitenden Emotionen liefert. Und viertens die sachgerechte Auswertung und Interpretation der Befunde, auch die Beurteilung ihrer Aussagekraft im Lichte der Theorie und bezüglich der Limitationen der durchgeführten Studie. Im Hinblick auf die sorgsame Arbeit bei der Aufarbeitung des Forschungsstandes, die Entwicklung eines geeigneten Messinstruments, die sorgsame Vorbereitung und Durchführung eines mehrfaktoriellen Experiments, die professionelle Auswertung der Befunde sowie ihrer umsichtigen Interpretation im Lichte der relevanten Theorien möchte ich dieser Studie die verdiente Beachtung der Fachwelt wünschen.
Göttingen, im Mai 2009
Prof. Dr. Günter Silberer
Vorwort
VII
Vorwort
Emotionen beim Einkaufen in Online-Shops sind gleich aus zwei Gründen ein spannendes und lohnendes Forschungsfeld: Zum einen umgeben uns Emotionen jeden Tag. Den meisten Menschen fällt es deshalb nicht schwer, auch im Zusammenhang mit dem Einkaufen Situationen oder Begebenheiten zu berichten, in denen Emotionen eine wichtige Rolle spielen. Zum anderen sind viele Fragen im Zusammenhang mit der Bedeutung der Emotionen für den Einkaufsprozess noch immer unbeantwortet. Vor allem im Kontext von Online-Shops, in dem für Forschung und Management bisher vor allem die Usability im Fokus des Interesses stand, ist über die Determinanten und Wirkungen der Emotionen erstaunlich wenig bekannt. Hierin begründete sich die Motivation für die vorliegende Arbeit, die zugleich als Dissertationsschrift an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Georg-AugustUniversität Göttingen angenommen wurde. Sie entstand während meiner Zeit am Lehrstuhl von Prof. Dr. Günter Silberer, Institut für Marketing und Handel dieser Universität, an dem ich nach meinem Studium der Psychologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Universität Mannheim als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Neben meinem Studium waren es vor allem die fachlichen Gespräche mit meinem Doktorvater Prof. Dr. Günter Silberer, die den Anstoß zu dem Thema dieser Arbeit gaben: Die Bedeutung der Emotionen beim Besuch von Online-Shops. Die Aufarbeitung und Strukturierung des Forschungsstandes in diesem Buch zeichnen zusammen mit den Ergebnissen der hier dargestellten empirischen Studien ein Bild der Determinanten und Wirkungen der Emotionen beim Online-Shopping. Eine besondere Rolle für die Entstehung dieser Arbeit hatte mein Umfeld, dem ich an dieser Stelle sehr herzlich danke! So gilt ein besonderer Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Günter Silberer nicht nur für die Möglichkeit, die vorliegende Dissertation während meiner Zeit an seinem Lehrstuhl anzufertigen, sondern auch für die wertvolle fachliche Unterstützung und Anregungen, die Resultat unserer fruchtbaren wissenschaftlichen Diskussionen waren. Der dieser Arbeit zugrunde liegende interdisziplinäre Ansatz ist nicht zuletzt Ausdruck seines Verständnisses des Marketing und der Konsumentenforschung. Unterstützt wurde diese Perspektive auch von Frau Prof. Dr. Margarete Boos, der ich dafür und für die spontane Übernahme des Zweitgutachtens herzlich danke. Ebenso danke ich Herrn Prof. Dr. Waldemar Toporowski für die Unterstützung als Drittprüfer und seinem Beitrag zu meiner Disputation. Mein besonderer Dank gebührt darüber hinaus meinen Kollegen und Freunden, die mich während dieser Zeit fachlich und menschlich unterstützt haben! Insbesondere danke ich Herrn Sascha Steinmann für die vielen wertvollen fachlichen Gespräche und seine freundschaftliche Unterstützung. Herrn Dr. Oliver Büttner danke ich für viele fruchtbare Diskussionen und
VIII
Vorwort
Anregungen. Herrn Dr. Sebastian Schulz gebührt nicht zuletzt wegen seiner unerlässlichen Unterstützung bei der Entwicklung des Deutschsprachigen Inventars kaufbegleitender Emotionen Dank. Und Frau Dr. Kerstin Weihe danke ich vor allem für unsere Zusammenarbeit in vielen Forschungsprojekten zum Thema Event-Marketing und Sponsoring. Abschließend und besonders danke ich meinen Eltern Ingrid und Joachim Mau sowie meinem Bruder Henrik Mau. Meine Eltern und mein Bruder haben mich während des Studiums und der Promotion nicht nur in jeder Hinsicht vorbehaltlos unterstützt und bekräftigt, sondern auch meine Neugierde und mein Interesse für die als selbstverständlich hingenommenen Alltäglichkeiten geweckt. Vielen Dank!
Hamburg, im Mai 2009
Dr. Gunnar Mau
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis Geleitwort Vorwort
V VII
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis
IX XI XIII
1.
Einleitung
1
2.
Emotionen und Online-Shops
7
3.
4.
2.1 Emotionen 2.1.1 Begriffsverständnis und Abgrenzung zu verwandten Begriffen 2.1.2 Struktur der Emotionen 2.1.3 Theoretische Ansätze in der Emotionsforschung 2.1.4 Emotionen in der Konsumentenforschung
7 7 13 23 35
2.2 Online-Shops und Online-Forschung 2.2.1 Begriff und Wesen der Online-Shops 2.2.2 Themen der Konsumentenforschung in Online-Shops
38 38 41
2.3
44
Bewertung und Bezug auf die folgende Arbeit
Modell der Ursachen und Wirkungen von Emotionen beim Surfen in Online-Shops
48
3.1
Forschungsrahmen und Basismodell
48
3.2
Determinanten der Emotionen
55
3.3
Emotionen im Surfprozess: Das Zusammenspiel mit Kognitionen und Verhalten
67
3.4
Finale Wirkungen der Emotionen
71
3.5
Der moderierende Einfluss der Ladenbesuchsmotivation
75
3.6
Der moderierende Einfluss der kognitiven Beanspruchung
80
3.7
Zusammenfassung: Ein Modell der Ursachen und Wirkungen der Emotionen während des Besuchs in Online-Shops
Die Messung kaufbegleitender Emotionen 4.1
Überblick zu Methoden der Emotionsmessung während des Ladenbesuchs
Entwicklung und Test eines Kategoriensystems zur Messung kaufbegleitender Emotionen 4.2.1 Grundlage und Ziele des Kategoriensystems 4.2.2 Studie 1: Generierung eines Pools relevanter Emotionswörter 4.2.3 Studie 2: Reduktion aufgrund Gebräuchlichkeit und Auftreten während Ladenbesuchen sowie Zusammenfassung aufgrund gemeinsamer Bedeutung 4.2.4 Studie 3: Test des Emotionsinventars und Vergleich mit anderen Instrumenten
85 87 87
4.2
89 89 91
92 95
X
Inhaltsverzeichnis 4.3
5.
Zusammenfassende Diskussion der Studien 1-3
99
Eine empirische Studie zu Ursachen und Wirkungen von Emotionen beim Surfen in Online-Shops
102
5.1
6.
Ziel der Studie und Überblick der Hypothesen
102
5.2 Design der Studie 5.2.1 Überblick des Faktorendesigns 5.2.2 Operationalisierung der Faktoren 5.2.3 Operationalisierung der Determinanten der Emotionen 5.2.4 Operationalisierung abhängigen Variablen 5.2.5 Kontrollvariablen und ihre Operationalisierung
106 107 107 114 116 121
5.3
123
Versuchsdurchführung
5.4 Stichprobe 5.4.1 Rekrutierung 5.4.2 Zusammensetzung der Stichprobe
125 125 126
5.5 Ergebnisse 5.5.1 Manipulation Check 5.5.2 Ergebnisse bezüglich der Emotionsgenese 5.5.3 Ergebnisse bezüglich der Emotionen im Surfprozess 5.5.4 Ergebnisse bezüglich der finalen Wirkungen der Emotionen
128 128 130 145 166
Implikationen und Fazit
189
6.1
Limitationen der vorliegenden Arbeit
189
6.2
Implikationen der Arbeit für Theorie und Forschung
191
6.3
Implikationen der Arbeit für die Praxis
Literatur
196 201
Abbildungsverzeichnis
XI
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2:
Übersicht wichtiger zweidimensionaler Modelle der Emotionen Visualisierung der Beziehungen zwischen den Emotionen bei Richins (1997) als Ergebnis einer MDS Abbildung 3: Nach LeDoux (1996) an der Weiterleitung und Verarbeitung emotionaler Reize beteiligte Strukturen im Gehirn Abbildung 4: Lateralität der Hemisphärenfunktionen nach Hypothese der Hemisphärenasymmetrie Abbildung 5: Modellhafte Veranschaulichung der Aktualgenese der Emotionen nach Barrett et al. (2007) Abbildung 6: Übersicht zentraler Themen der Studien zu Emotionen in der Konsumentenforschung Abbildung 7: Themen wissenschaftlicher Publikationen zur Online-Forschung zwischen 1995 und 2004 Abbildung 8: Themen wissenschaftlicher Publikationen zum Konsumentenverhalten im Internet zwischen 1995 und 2004 Abbildung 9: Kotlers Modell zur Erklärung des Einflusses der Ladenumgebung auf das Konsumentenverhalten Abbildung 10: Schematische Darstellung des umweltpsychologischen
Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21:
Modells Mehrabians & Russells (1974) Eroglus et al. (2001) Modell der Wirkung von Online-Shops auf das Konsumentenerleben und -verhalten Thüring und Mahlkes (2007) Components of User Experience-Modell Das Rahmenmodell dieser Arbeit Zusammenhang zwischen Zielerreichungsprozess und dadurch evozierten Emotionen nach Carver und Scheier (1998) Erweitertes Technology Acceptance Model Zusammenhang zwischen Schema-Diskrepanz der aktuellen Situation und dem emotionalen Erleben in der Situation Ergebnisse Xias (2002) Experiment zum moderierenden Effekt der Besuchsmotivation Nebenbeschäftigung während der Onlinenutzung 1999 (in %) Parallelnutzung von TV und Internet Hypothesensystem dieser Arbeit Vergleichende Prüfung der Abdeckung des Emotionsraums bei Ladenbesuch durch das Emotionsinventar und das DES
Abbildung 22: Screenshots der beiden ausgewählten Online-Shops
15 20 28 29 31 36 42 43 49 49 51 52 54 61 62 65 78 80 81 85 97 113
XII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 23: Interaktionseffekt der Ladenbesuchsmotivation und der kognitiven Beanspruchung auf die Erinnerung an das Szenario Abbildung 24: Interaktionseffekt der Ladenbesuchsmotivation und der kognitiven Beanspruchung auf die Gewissenhaftigkeit der Fragebogenbearbeitung Abbildung 25: Zusammenhänge zwischen Schemadiskrepanz und erlebter Emotionsintensität Abbildung 26: Anzahl aufgerufener Seiten in den inhaltlichen Kategorien von hedonisch und utilitaristisch motivierten Probanden Abbildung 27: Anzahl aufgerufener Seiten in den hierarchischen Kategorien von hedonisch und utilitaristisch motivierten Probanden
127 128 140 149 149
Tabellenverzeichnis
XIII
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22: Tabelle 23: Tabelle 24: Tabelle 25: Tabelle 26: Tabelle 27:
In Defnitionen unterschiedlich häufig postulierte Aspekte von Emotionen Übersicht wichtiger dreidimensionaler Modelle der Emotionen Übersicht wichtiger differentieller Modelle der Emotionen Gegenüberstellung emotionsantezedenter Bewertungskriterien Beispiele für Bewertungmuster, die nach Scherers (1984) Komponenten-Prozess-Ansatz zu verschiedenen Emotionen führen sollen Vor- und Nachteile des Online-Einkaufs aus Konsumentensicht Beispiele für gängige Operationalisierungen der Orientierungsfreundlichkeit und der Usability Emotionskategorien des D-IKE und ihre interne Konsistenz in der Studie 2 Interne Konsistenz der Emotionskategorien des D-IKE und ihre Trennschärfe bzgl. der drei untersuchten Läden Redundanzen zwischen den Messungen: Ergebnisse der kanonischen Korrelationsanalyse Jeweilige Fähigkeit der drei Emotionsmessungen zur Diskriminierung der unterschiedlichen Ladenatmosphären Umschreibung des subjektiven Erlebens, das mit den jeweiligen Emotionswörtern verbunden wird (Ergebnis der qualitativen Befragung) Übersicht der Hypothesen Faktorendesign der Studie Vergleich der beiden ausgewählten Online-Shops Itemkennwerte der Skala zur Erfassung der Informationsrate Itemkennwerte der Skala zur Erfassung der Usability Itemkennwerte der Skala zur Erfassung der positiven Emotionen Itemkennwerte der Skala zur Erfassung der Überraschung und der negativen Emotionen Strukturmatrix der rotierten Faktorlösung der Emotionskategorien Itemkennwerte der Skala zur Erfassung der Einstellung zum Online-Shop Schema des Versuchsablaufs für die acht Experimentalgruppen Stichprobenkennwerte Manipulation Check des Ladenbesuchsmotivs Aufenthaltsdauer im Online-Shop Manipulation Check der höheren kognitiven Beanspruchung Vorhersage der Emotionen auf Grundlage der Informationsrate und der Usability des Online-Shops
8 15 18 24 25 39 60 94 96 98 99 100 102 107 113 114 115 116 117 118 120 124 126 129 129 130 131
XIV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 28: Der moderierende Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf die Vorhersage der Emotionen auf Grundlage der Informationsrate und der Usability Tabelle 29: Der moderierende Effekt der kognitiven Beanspruchung auf die Vorhersage der Emotionen auf Grundlage der Informationsrate und der Usability Tabelle 30: Vorhersage der Emotionen auf Grundlage der wahrgenommenen Unterstützung der Probanden bei der Zielerreichung durch den Online-Shop Tabelle 31: Vorhersage der wahrgenommenen Unterstützung der Probanden bei ihrer Zielerreichung durch den Online-Shop durch die Informationsrate und die Usability Tabelle 32: Aufklärungskraft bei Annahme einer linearen bzw. quadratischen Beziehung zwischen Erwartungsdiskrepanz der Atmosphäre und Emotionen Tabelle 33: Veränderung der psychischen Befindlichkeit nach dem Besuch des Online-Shops Tabelle 34: Erlebte Emotionen während des Ladenbesuchs, auch in Abhängigkeit der beiden Faktoren Ladenbesuchsmotivation und kognitive Beanspruchung Tabelle 35: Korrelationen zwischen den Emotionskategorien des D-IKE und den PAD-Dimensionen Tabelle 36: Kategoriensystem zur Kodierung der aufgerufenen Seiten im Online-Shop Tabelle 37: Beschreibung der drei Cluster anhand ihrer jeweiligen Zentroide Tabelle 38: Beschreibung der drei Cluster anhand ihrer jeweils aggregierten Seitenaufrufe Tabelle 39: Ergebnisse der Diskriminanzanalyse zur Trennung zwischen den Sequenzclustern durch die erlebten Emotionen Tabelle 40: Unterschiede in der Intensität der erlebten Emotionen zwischen den Probanden der drei Sequenzcluster Tabelle 41: Kategoriensystem der Kognitionen zur Kodierung der videogestützt rekonstruierten Gedanken während des Aufenthalts im Online-Shop Tabelle 42: Zusammenhang der Kognitionen während des Ladenbesuchs und der erlebten Emotionen Tabelle 43: Ergebnisse der Diskriminanzanalyse zur Trennung hoch und niedrig intensiv erlebter Emotionen aufgrund der erlebten Kognitionen Tabelle 44: Einfluss der Emotionen auf die Aufenthaltsdauer im Online-Shop Tabelle 45: Einfluss der Emotionen auf die Anzahl besuchter Seiten des Online-Shops Tabelle 46: Einfluss der Emotionen auf die Tendenz ungeplanter Käufe
134
136
137
138
139 145
146 147 148 152 152 154 154
156 158 158 160 161 162
Tabellenverzeichnis Tabelle 47: Einfluss der Emotionen auf die Zufriedenheit mit den drei Aspekten Tabelle 48: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die Zufriedenheiten Tabelle 49: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die Zufriedenheiten Tabelle 50: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die Zufriedenheiten Tabelle 51: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die Zufriedenheiten Tabelle 52: Einfluss der Emotionen auf die utilitaristische und hedonische Komponente der Einstellung zum Online-Shop Tabelle 53: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die Einstellung zum Online-Shop Tabelle 54: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die Einstellung zum Online-Shop Tabelle 55: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die Einstellung zum Online-Shop Tabelle 56: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die Einstellung zum Online-Shop Tabelle 57: Einfluss der Emotionen auf die finalen Verhaltensintentionen Tabelle 58: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die finalen Verhaltensintentionen Tabelle 59: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die finalen Verhaltensintentionen Tabelle 60: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die finalen Verhaltensintentionen Tabelle 61: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die finalen Verhaltensintentionen Tabelle 62: Varianzaufklärung und zusätzliche Varianzaufklärung der Emotionskategorien des D-IKE sowie der PAD-Dimensionen
XV 167 168 169 170 171 173 174 175 175 177 178 179 180 182 183 184
1. Einleitung
1
1. Einleitung „Businessmen…have tended to neglect atmosphere as a marketing tool. This is due to two factors. First, men of business tend to be practical and functional in their thinking; if they were poetic they probably would not be businessmen. Therefore they have tended to neglect the aesthetic factor in consumption. Secondly, atmospheres are a ‘silent language’ in communication. It is only recently that recognition and study has been given to various silent languages such as body language, temporal language, and spatial language” (Kotler 1973 S. 48). Mit diesen Worten beschrieb Philipp Kotler im Jahre 1973 die damalige Haltung vieler Händler zur Berücksichtigung der Ladenatmosphäre in ihren strategischen Planungen: Sie spielte kaum eine Rolle. Der entsprechende Artikel im Journal of Retailing, dem diese Worte vorangestellt waren, führte nicht nur zu einer weiten Verbreitung des Begriffs Ladenatmosphäre (store atmosphere) unter Forschern und Praktikern, sondern sorgte auch dafür, dass die Bedeutung des Ladenbaus und der ästhetischen Aspekte der Ladengestaltung unter Geschäftsleuten zunehmend wahrgenommen wurden 1 (vgl. Oh et al. 2008 S. 237). Bis heute hat sich die Überzeugung, dass die Gestaltung des Ladens und seine Atmosphäre Einfluss auf das Kaufverhalten der Ladenbesucher nimmt, offensichtlich weitläufig durchgesetzt: Davon zeugen nicht nur die vielen populärwissen-schaftlichen Beiträge in Fernsehsendungen zu diesem Thema (bspw. Quarks&Co vom 26. Feb. 2008, WDR; Galileo vom 06. März 2006, Pro7; Schau Dich Schlau, Episode 42, RTL II), sondern auch die zum Teil beträchtlichen Investitionen der Handelsketten in die Planung und Gestaltung ihrer Ladengeschäfte (vgl. Kaltcheva & Weitz 2006 S. 107): So investierte beispielsweise der Spielwarenhändler Toys „R“ Us geschätzte 35 Millionen US-Dollar, um sein Ladengeschäft auf dem New Yorker Time Square zum „ultimate toy store that is the personification of every kids dream“ zu verwandeln (Prior 2001 S. 46). Und aktuell setzt Tchibo mehr als 50 Millionen Euro ein, um ihre 900 Filialen atmosphärischer zu gestalten (Nicolai 2008 S. 2). Diese Entwicklung geht auch nicht an virtuellen Geschäften im Internet vorbei: Nachdem hier lange Zeit vor allem technische Möglichkeiten und Nutzenaspekte beim Design von OnlineShops im Vordergrund standen, wird nun auch hier stärker die Atmosphäre bei der Gestaltung virtueller Läden berücksichtigt (vgl. Schenkman & Jönsson 2000 S. 367-269, Sautter et al. 2004 S. 14, Tractinsky & Hassenzahl 2005 S. 66, Weinberg & Diehl 2006 S. 245-246, Tractinsky & Lowengart 2007 S. 1-3). Auch hier bietet Tchibo ein aktuelles Beispiel, die mit großem Aufwand die Neugestaltung ihrer Online-Shops vorangetrieben haben (vgl. ibusiness.de 2006).
1
Im deutschsprachigen Raum gaben hier sicherlich die Arbeiten Weinbergs, vor allem Weinberg (1986, 1992), ebensolche Anstöße für die Handelspraxis und Wissenschaft.
2
1. Einleitung
Grund für diesen Bedeutungszuwachs der ästhetischen Aspekte der Ladengestaltung seit Kotlers Beitrag aus dem Jahr 1973 ist wohl kaum, dass die Geschäftsleute heute weniger praktisch und funktional denken. Stattdessen konnten Kotler und andere Autoren vor und nach ihm Hinweise dafür erbringen, dass die Ästhetik der Ladengestaltung sowohl auf das Händler-Image einzahlen als auch das Verhalten der Konsumenten beeinflussen kann (vgl. für entsprechende Darstellungen Kotler 1973 S. 50, Donovan & Rossiter 1982, Bost 1987 S. 5779, Turley & Milliman 2000). Schon Kotler machte für diese Wirkungen die emotionalen Reaktionen der Ladenbesucher auf die Ladenumwelt verantwortlich: Die durch eine geeignete Ladengestaltung ausgelösten Emotionen sollen demnach das Verhalten und die Entscheidungen der Kunden beeinflussen (vgl. Kotler 1973 S. 54). Spätestens seit der Arbeit Donovan und Rossiters (1982) sind die durch die (nicht-virtuelle) Ladenumwelt hervorgerufenen Emotionen ein Forschungsthema. Obgleich sich seit dem eine beachtliche Anzahl an Studien mit ihren Determinanten und Wirkungen im Kontext von Besuchen stationärer, nicht-virtueller Läden beschäftigte (vgl. Eroglu et al. 2003 S. 140, Kaltcheva & Weitz 2006 S. 107), bleiben zurzeit immer noch eine Vielzahl an Fragen unbeantwortet (vgl. Cohen et al. 2008 S. 338): So wurden bisher vor allem nur einzelne Dimensionen des emotionalen Erlebens berücksichtigt. Emotionen zeichnen sich aber durch mehr als nur ihre Valenz (positiv vs. negativ) aus. Es ist anzunehmen, dass unterschiedlich erlebte Emotionen (wie bspw. Angst und Ärger) zu unterschiedlichen Reaktionen bei den Ladenbesuchern führen. Die Determinanten und Wirkungen solcher differenzierten Emotionen wurde aber bislang kaum untersucht (vgl. Mano 2004 S. 118-119). Und auch die Forschung zum Einfluss der Motivation der Ladenbesucher auf deren emotionales Erleben steht erst am Anfang (vgl. Kaltcheva & Weitz 2006 S. 107). Noch weit weniger fortgeschritten ist der Erkenntnisstand über die Determinanten und Wirkungen der Emotionen während der Interaktion mit Online-Shops (vgl. Brave & Nass 2003 S. 82, Hassenzahl & Tractinsky 2006 S. 93-94, Weinberg & Diehl 2006 S. 247). Dies liegt zum einen daran, dass die Forschung hier stark auf kognitive Aspekte der Nutzung beschränkt war: Im Vordergrund stand die Frage, ob und wie die Surfer überhaupt OnlineShops bedienen können. Welche Emotionen dabei ausgelöst werden und welche Rolle diese für das Verhalten spielen, wird erst seit kurzem in der Forschung thematisiert (vgl. dazu die Ausführungen im Kapitel 2.2.2 dieser Arbeit). Grewal & Levy (2007 S. 451) sehen dann auch in der Frage, wie das Design der Online-Shops auf das Konsumentenerleben und -verhalten wirkt, eine der nächsten Herausforderungen der Handelsforschung. Der sehr begrenzte Forschungsstand zu diesem Gebiet überrascht, bedenkt man das große Potenzial des Internets für Unternehmen und die damit verbundenen Chancen für dessen Nutzung als Vertriebskanal: 63% der Deutschen ab 14 Jahren nutzen zumindest gelegentlich das Internet (AGOF 2008). Das sind insgesamt fast 41 Millionen Menschen, die zumindest hin und wieder im Internet unterwegs sind. Weit mehr als die Hälfte davon, 62% oder etwa 25
1. Einleitung
3
Millionen Menschen, kaufen häufig oder gelegentlich im Internet ein oder stöbern in OnlineShops (vgl. AGOF 2008 S. 15). Mehr als ein Drittel der Internetnutzer (35%) nutzen das Internet sogar regelmäßig für ihre Einkäufe (vgl. Fitkau&Maaß 2006 S. 18). Übergeordnete Fragestellungen der Arbeit Diese Arbeit soll den Stand der Forschung um die Untersuchung der Determinanten und Wirkungen der während des Online-Shop-Besuchs erlebten Emotionen bereichern. Dabei stehen diese Fragen im Mittelpunkt der Arbeit: 1. Welchen Einfluss hat die Gestaltung des Online-Shops auf die während seines Besuchs durch die Surfer erlebten Emotionen? Insbesondere diese Frage hat in der wissenschaftlichen wie praktischen Auseinandersetzung mit den während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen eine hohe Priorität. Die Betreiber der Online-Shops erhoffen sich von den Antworten auf diese Frage Ansatzpunkte dafür, wie durch die Gestaltung der Online-Shops Ein-fluss auf das emotionale Erleben der Ladenbesucher und dadurch auch auf deren Verhalten genommen werden kann. Und auch für die Theoriebildung und -prüfung ist die Beantwortung dieser Frage von Interesse: Wie die weitere Beschäftigung mit dieser Frage im Verlaufe der Arbeit zeigen wird, liegen hierzu derzeit nur wenige Erkenntnisse vor. Dies liegt zum einen daran, dass bestimmte Emotionen in experimentellen Untersuchungen oftmals vor dem Ladenbesuch gezielt induziert werden (bspw. per Velten-Technik, autobiografischer Erinnerung oder emotional getönten Bildern, vgl. Göritz & Moser 2006). So können zwar die Wirkungen der Emotionen untersucht werden, deren Determinanten bleiben aber ungeklärt. Alternativ dazu werden bestimmte Gestaltungselemente variiert, die dann aber isoliert von ihrer Interaktion mit anderen Elementen der Umwelt auf ihre emotionalen Wirkungen hin untersucht werden. Diese Arbeit ergänzt die so gewonnen Erkenntnisse insofern, dass nicht einzelne Elemente, sondern globale Dimensionen der Umwelt als Determinanten betrachtet werden. Eine dieser, in der vorliegenden Arbeit betrachteten Dimen-sionen, ist die Bewertung der Usability des Online-Shops, die bisher nur äußerst selten auf ihre emotionalen Wirkungen hin untersucht wurde. 2. Wie hängen Emotionen, Kognitionen und Verhalten während des Surfprozesses zusammen? Obgleich der enge Zusammenhang zwischen den erlebten Emotionen, den handlungs- und entscheidungsbezogenen Kognitionen und dem Verhalten während des Online-ShopBesuchs oftmals postuliert wird, lassen sich doch nur wenige Untersuchungen finden, die diesen Zusammenhang auch empirisch überprüfen. In der vorliegenden Abreit soll die Beschäftigung mit dieser Fragestellung erste Aufschlüsse über den Einfluss der Emotionen auf den Prozess der Entscheidungsfindung und deren Umsetzung erbringen. Diese Erkenntnisse sind nicht nur von hoher theoretischer Relevanz, sondern geben Betreibern
4
1. Einleitung wie Konsumenten Hinweise auf die Bedeutung und Wirkungen der Emotionen im Kaufentscheidungsprozess.
3. Welche Wirkungen haben die während des Besuchs des Online-Shops erlebten Emotionen auf finale Größen? Es ist anzunehmen, dass Emotionen nicht nur kurzfristige Wirkungen während des Ladenbesuchs haben. Um auch mittel- und langfristige Wirkungen der während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen abschätzen zu können, aber auch um zukünftiges Verhalten der Konsumenten erklärbar zu machen, werden in der vorliegenden Arbeit auch die Wirkungen der Emotionen auf die finalen Bewertungen und Intentionen zu zukünftigem Verhalten untersucht. Obgleich zu dieser Fragestellung – vor allem im Kontext nichtvirtueller Geschäfte – bereits einige Erkenntnisse vorliegen, wurden auch hier bisher fast ausschließlich die Wirkungen der Emotionsdimensionen Valenz und Aktivierung betrachtet. Ob aber unterschiedlich erlebte Emotionen auch unterschiedliche Wirkungen haben, blieb bisher offen. Erste Erkenntnisse zur Beantwortung dieser Frage soll die vorliegende Arbeit erbringen. 4. Wie moderieren eine hohe kognitive Belastung während des Surfprozesses sowie die Ladenbesuchsmotivation die Zusammenhänge zwischen den Emotionen und ihren Determinanten bzw. Wirkungen? Das emotionale Erleben der Besucher eines Online-Shops wird aber nicht nur durch die Beschaffenheit des Online-Shops bestimmt: Auch die nicht-virtuelle Umgebung, in der die Interaktion mit dem Computer stattfindet, beeinflusst die erlebten Emotionen der Surfer. Wie später ausführlicher dargestellt wird, zeigen aktuelle Untersuchungen zum Mediennutzungsverhalten, dass mehr als die Hälfte der Surfer oftmals parallel andere Medien (vor allem Radio und TV) neben dem Surfen im Internet nutzen. Wie im Verlaufe dieser Arbeit gezeigt wird, ist dadurch eine höhere kognitive Belastung der Surfer zu erwarten. Dieser Umstand besitzt eine hohe praktische wie theoretische Relevanz: Sowohl für die Betreiber als auch für die Nutzer der Online-Shops kann es bedeutsam sein, dass eine höhere kognitive Belastung zu einer Verringerung der für die Entscheidungsfindung und Handlungskontrolle zur Verfügung stehenden kognitiven Ressourcen führen kann. Die vorliegende Arbeit soll klären, welche Auswirkungen dies auf die Genese und Effekte der Emotionen hat. Daneben ist vor allem auch von theoretischem Interesse, wie sich die Verringerung der Einflüsse kognitiver Prozesse auf die Emotionsgenese auswirkt. Von der Beantwortung dieser Frage können Aufschlüsse über die Beteiligung kognitiver Prozesse bei der Emotionsgenese erhofft werden. Neben der kognitiven Belastung soll in dieser Arbeit eine weitere Größe auf ihre moderierenden Wirkungen im Prozess der Emotionsgenese und ihrer Effekte hin untersucht werden: Die Motivation der Surfer zum Aufsuchen des Ladens. Wie im späteren Verlauf gezeigt wird, sprechen erste empirische Ergebnisse wie auch theoretische
1. Einleitung
5
Annahmen für einen Einfluss der Ladenbesuchsmotivation sowohl auf die Genese als auch die Wirkungen der Emotionen. Dieser Aspekt ist vor allem deshalb von Interesse, da – anders als zum Teil vermutet wird – Online-Shops nicht nur zum Kaufen aufgesucht werden, sondern auch zum Zeitvertreib (vgl. Kapitel 3.5 dieser Arbeit). Aufbau der vorliegenden Arbeit Die vorliegende Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Dieses erste Kapitel sollte in die Thematik der Arbeit einführen und die ihr zugrundeliegenden zentralen Fragestellungen aufzeigen. Bevor sich die Arbeit der Beantwortung dieser Fragestellung annähern kann, müssen zunächst zwei zentrale Begriffe dieser Arbeit geklärt werden: Dementsprechend wird im zweiten Kapitel zunächst das dieser Arbeit zugrundeliegende Begriffsverständnis der Emotionen hergeleitet und das so gekennzeichnete Konstrukt von anderen, ähnlichen Phänomenen, wie Kognitionen oder Stimmungen, abgegrenzt. Die anschließende kurze Übersicht theoretischer Ansätze der Emotionsforschung und der bisherigen Beschäftigung der Konsumentenforschung mit Emotionen ist für das Verständnis der späteren Ausführungen hilfreich. Der zweite Aspekt, der im zweiten Kapitel behandelt wird, ist der Begriff des Online-Shops. Dazu werden an dieser Stelle Online-Shops definiert und nicht-virtuellen Läden gegenübergestellt. Die darauf folgende kurze Einführung in die bisherigen Themen der Konsumenten-forschung in Online-Shops soll die Einordnung dieser Arbeit in den Stand der Forschung erleichtern. Im dritten Kapitel wird auf Grundlage geeigneter Theorien und der Durchsicht relevanter empirischer Ergebnisse ein Modell der Ursachen und Wirkungen der während des OnlineShop Besuchs erlebten Emotionen hergeleitet. Dazu wird zunächst ein Forschungsrahmen aufgespannt, in dem die notwendigen Annahmen und Prämissen der folgenden Herleitung diskutiert werden. Anschließend werden sukzessiv Theorien und Befunde zu den Determinanten der Emotionen, dem Einfluss der Emotionen auf die Kognitionen und das Verhalten im Surfprozess, die Wirkungen der Emotionen sowie die moderierenden Wirkungen der kognitiven Beanspruchung und der Ladenbesuchsmotivation dargestellt, diskutiert und entsprechende Hypothesen abgeleitet. Diese Ausführungen münden in eine zusammenfassende Darstellung der Fragestellungen dieser Arbeit. Bevor diese Hypothesen einem empirischen Test unterzogen werden können, musste zunächst ein Kategoriensystem der während Ladenbesuchen erlebten Emotionen entwickelt und getestet werden. Die dazu notwendigen empirischen Studien, ihre Anlage und Ergebnisse, werden im vierten Kapitel dargestellt. Diesen Ausführungen ist ein kurzer Überblick der Methoden zur Emotionsmessung vorangestellt. Im Verlaufe des fünften Kapitels werden Anlage, Durchführung und Ergebnisse einer empirischen Studie und der notwendigen Vorstudien zur empirischen Prüfung der im dritten Kapitel aufgestellten Hypothesen dargestellt und diskutiert. Nach der Darstellung der Ziele
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1. Einleitung
der Studie und einer tabellarischen Zusammenfassung der Hypothesen wird das Studiendesign inklusive der Operationalisierungen der Konstrukte und Faktoren erläutert. Die Gliederung der anschließenden Präsentation der Ergebnisse spiegelt weitestgehend die Struktur der Herleitung der Hypothesen aus dem dritten Kapitel wider: Nacheinander werden die Ergebnisse zu den Determinanten der Emotionen, ihren Wirkungen im Surfprozess auf die Kognitionen und das Verhalten sowie ihre Wirkungen auf die finalen Bewertungen und Intentionen präsentiert. Die jeweiligen moderierenden Effekte der kognitiven Beanspruchung und der Ladenbesuchsmotivation werden innerhalb dieser drei Unterpunkte dargestellt. Nach jedem dieser drei Unterkapitel folgt eine Diskussion der Ergebnisse. Das sechste Kapitel stellt die Implikationen für Theorie und Forschung sowie für die Praxis vor.
2. Emotionen und Online-Shops
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2. Emotionen und Online-Shops Die Beschäftigung mit einem Untersuchungsgegenstand setzt voraus, diesen zumindest grundsätzlich zu beschreiben und abzugrenzen. Dies erleichtert nicht nur die Interpretation der Ergebnisse der Arbeit, sondern ermöglicht erst die Einbettung in den Forschungsstand. Ziel dieses zweiten Kapitels ist es demnach, dem Leser den Gegenstand der vorliegenden Arbeit – das Konstrukt Emotion – näherzubringen. Dieses Unterfangen gestaltet sich bei vielen Konstrukten nicht einfach, doch ist – wie das erste Unterkapitel 2.1 zeigen wird – eine Definition und Abgrenzung des Gegenstands Emotion eine besondere Herausforderung (vgl. Meyer et al. 2001 S. 15-16). Dies liegt nicht zuletzt an der weit zurückreichenden, wechselvollen Geschichte der Emotionsforschung, die immer wieder neue Antworten auf die Frage „What is an Emotion?“ (James 1884 S. 1) findet, aber zugleich auch neue Fragen aufwirft (vgl. Solomon 1993 S. 3-9, Stearns 1993). Der Anspruch des folgenden Unterkapitels kann es deshalb nicht sein, Fragen der Emotionsforschung zu beantworten, die z.T. schon auf Sokrates zurückgehen (vgl. Solomon 1993 S. 3). Vielmehr soll das der Arbeit zugrundeliegende Verständnis des Untersuchungsgegenstandes offengelegt und begründet werden. Das zweite Unterkapitel 2.2 schließt daran an und bezieht die vorherigen, abstrakten Ausführungen konkret auf das Online-Marketing. 2.1
Emotionen
2.1.1 Begriffsverständnis und Abgrenzung zu verwandten Begriffen „Emotion ist ein seltsames Wort. Fast jeder denkt, er versteht was es bedeutet, bis er versucht, es zu definieren. Dann behauptet praktisch niemand mehr, es zu verstehen.“ (Wenger et al. 1962, zitiert nach Schmidt-Atzert 1996 S. 18). Auch wenn dieses Zitat aus dem Jahr 1962 stammt, beschreibt es treffend die Situation, in der sich die Emotionsforschung auch heute noch befindet: Auf der einen Seite sind Emotionen zentrale Phänomene unseres Lebens (vgl. Meyer et al. 2001 S. 11). Wir begegnen ihnen bspw. täglich im Fernsehen, in der Werbung oder im Gespräch mit Freunden. Außerdem vergeht wohl kaum ein Tag, in dessen Verlauf wir nicht selbst Emotionen empfinden (vgl. Faullant 2007 S. 37). Zentral sind Emotionen auch deshalb für unser Leben, weil sie häufig mit persönlich relevanten Ereignissen verbunden sind und zudem offensichtlich Einfluss auf unser Verhalten haben: Gegenüber einer Person, die gerade Auslöser intensiven Ärgers war, verhalten sich die meisten Menschen anders als wäre diese Person der Grund großer Freude gewesen. Auf der anderen Seite offenbart ein Blick in die Emotionsforschung eine große Anzahl unterschiedlicher, oftmals widersprüchlicher und sich gegenseitig ausschließender Auffassungen von dem, was eine Emotion ist (vgl. Rossiter 2001 S. 1-3). Bereits Anfang der 80’er Jahre stellen Kleinginna & Kleinginna (1981) nicht weniger als 92 gängige Definitionen aus der Literatur zur Emotionsforschung zusammen, welche die Autoren in zehn
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2. Emotionen und Online-Shops
unterschiedliche Klassifikationen, die jeweils verschiedene Aspekte der Emotion betonen, einteilen (vgl. Tabelle 1). Wie auch schon Plutchick (1980), der ein Jahr zuvor eine ähnliche Übersicht veröffentlichte, stellen sie größtenteils Unvereinbarkeit zwischen den Definitionen fest (vgl. Kleinginna & Kleinginna 1981 S. 353). Dabei unterscheiden sich diese nicht nur in den inhaltlichen Aspekten, die definitionsgemäß eine Emotion ausmachen (bspw. die Frage, ob eine empfundene physiologische Erregung Teil oder Bedingung für eine Emotion ist), sondern auch in der Abstraktionsebene der Emotion (bspw. die Frage, ob die Motivation Teil der Emotion ist oder beide Konstrukte nebeneinander stehen). Tabelle 1: In Defnitionen unterschiedlich häufig postulierte Aspekte von Emotionen Emotionsaspekt a
Anteil an Definitionen in % b
Aktuelles Beispiel für eine entsprechende Definition
Subjektives Erleben (affective)
78
„…die als angenehm oder unangenehm empfunden werden“ (Fischer & Wiswede 2002 S. 110)
Physiologische Veränderung (physiological)
68
„…tied to high level of arousal of the endocrine and automatic system“ (Derbaix & Pham 1991 S. 328)
Kognitive Beteiligung (cognitive)
57
„…that arises from cognitive appraisals“ (Bagozzi et al. 1999 S. 184)
Ausdrucksverhalten (expressiv behavior)
48
„Diese Zustände gehen mit Veränderungen…der Ausdrucksebene einher“ (Fischer et al. 2002 S. 24)
Multiple Aspekte (multiaspect)
44
”…Veränderungen in den Zuständen aller postulierten Subsysteme“ (Scherer 1990 S. 6-7)
Motivationale Zustände (motivational)
38
„… be characterized as a highly motivated state “ (Leukel 1976)
Externe Reize (external stimuli)
29
„…durch diskrete Ereignisse oder Reize ausgelöst“ (Scherer 1990 S. 6)
Abgrenzend (restrictive)
17
“…the distinction…between motivation and emotion is that…” (Gazzaniga et al. 1979)
Adaptiv (adaptive)
16
„…mental state of readiness“ (Bagozzi et al. 1999 S. 184)
Disruptiv (disruptive)
3
“…führt zur Unterbrechung der üblichen Verhaltensmuster“ (nach Schmidt-Atzert 1996 S. 19)
Quelle: Aspekte und Anteile aus Kleinginna & Kleinginna (1981 S. 354), Quellen der Beispiele s.o.; a Aspekt, der von verschiedenen Definitionen als Bestandteil von Emotionen postuliert wird (in Klammern: englische Begriffe bei Kleinginna & Kleinginna (1981 S. 354)); b Anteil der Definitionen nach 1970, die diesen Aspekt beinhalten (N = 63)
Bedenkt man die zentrale Rolle der Emotionen in unserem Alltag, überrascht die Uneinheitlichkeit des Begriffsverständnisses in der Emotionsforschung. In der Literatur werden einige Gründe für diese Situation diskutiert (vgl. bspw. Kleinginna & Kleinginna 1981, Schmidt-Atzert 1996, Meyer et al. 2001, Winder 2006): Oftmals wird die Komplexität des Gegenstands Emotion als ein wichtiger Grund für die derzeitige Uneinheitlichkeit der Definitionen angeführt (vgl. Plutchik 1962, Meyer et al. 2001 S. 16-18, Winder 2006 S. 27-28, Faullant 2007 S. 38). Insbesondere die Beobachtung, dass emotionale und nicht-emotionale Zustände zumeist nicht alleine, also in ihrer reinen
2. Emotionen und Online-Shops
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qualitativen Ausprägung, auftreten, sondern sich vermischen und gegenseitig beeinflussen, erschwert die Bestimmung des Wesens der Emotionen (vgl. Zillmann 2004 S. 106-107, Barrett et al. 2007 S. 379). Dazu kommt, dass sich in der emotionalen Reaktion auf ein und den selben Stimulus große inter- wie auch intraindividuelle Varianz offenbart (vgl. Lambie & Marcel 2002 S. 229-231, Adolphs 2006 S. 539, Winder 2006 S. 28). Ein zweiter Grund sind methodische und ethische Probleme (Cacioppo & Gardner 1999 S. 192-194, Parrott & Hertel 1999 S. 62-63). Erstere ergeben sich bspw. aus der Natur des subjektiven Erlebens: Große Anteile dessen, was im Alltagsverständnis Emotionen ausmacht, sind innerpsychische Zustände und – zumindest bis heute 2 – nicht durch Dritte beobachtbar. Ethische Probleme treten insbesondere der Untersuchung negativer Emotionen auf. Daneben beschäftigen sich zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen mit Emotionen. Je nach Fragestellung, Methodik und Forschungsverständnis, nehmen diese Disziplinen unterschiedlicher Perspektiven auf den Forschungsgegenstand Emotion ein (vgl. Scherer 1990 S. 3-4). Carlson und Hatfield (1992 S. 5) beobachten bspw., dass jede Teildisziplin3 dazu tendiert, jene Aspekte der Emotion in ihren Definitionen zu betonen, die sie besonders interessieren (und andere auszulassen). Sie umschreiben diese Situation, die zu einer Vielzahl widersprüchlicher Begriffsverständnisse von Emotionen geführt hat, mithilfe einer Metapher, nach der die unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen wie Blinde seien, die sich einem Elefanten nähern: Je nachdem welchen Teil des Elefanten sie ertasten, kommen sie zu unterschiedlichen Vorstellungen von dem, was ein Elefant (oder eben eine Emotion) ist (vgl. auch Schmidt-Atzert 1996 S. 18). Ein weiterer Grund für die Vielzahl und Heterogenität der Begriffsverständnisse in der Literatur ist die Vernachlässigung der Theoriebildung und Begriffsbildung in manchen empirischen Arbeiten zugunsten der Sammlung empirischer Daten und Erkenntnisse (vgl. Meyer et al. 2001 S. 17). So lässt sich eine ganze Reihe von Veröffentlichungen finden, die auf empirischen Untersuchungen dieses Themas basieren, dabei aber ihr Begriffsverständnis von Emotionen nicht explizit offen legen. Auf diese Weise werden die Integration diverser Erkenntnisse und die Interpretation scheinbar unvereinbarer Ergebnisse erschwert (vgl. hierzu Schmidt-Atzert 1996 S. 19).
2 In einigen Veröffentlichungen wird die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass die Analyse der an Emotionen beteiligten Hirnregionen und deren Aktivität, insbesondere durch bildgebende Verfahren der Neurologie, auch die Art und Natur des emotionalen Erlebens aufdecken könnte (vgl. Anderson et al. 2006). Doch ist es zumindest bis heute nicht möglich, subjektiv erlebbare Inhalte und psychische Vorgänge sichtbar zu machen (vgl. Schnabel 2003 S. 55, Könnecker & Ayan 2005 S. 63, Barrett et al. 2007 S. 381-387). Rainer Mausfeld, Leiter der Arbeitseinheit Allgemeine Psychologie II, Wahrnehmung und Kognition, sowie Direktor des dortigen Visual Perception Lab, fasst dies so zusammen: „Die Macht der Hirnscanbilder ist enorm. Viele Zeitgenossen glauben, sie würden psychische Vorgänge sichtbar machen. Das ist aber nicht so.“ (zitiert aus einem Interview mit Könnecker & Ayan 2005 S. 63). 3
Die Autoren beziehen ihr Beispiel auf die Psychologie (vgl. Carlson & Hatfield 1992 S. 5).
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2. Emotionen und Online-Shops
Der fehlende Konsens bei der Definition von Emotionen ist dabei mehr als nur eine Randnotiz, die gerne in wissenschaftlichen Abhandlungen zur Emotionsforschung angemerkt wird. Vielmehr zieht dieser Disput zum Teil erhebliche Konsequenzen nach sich, die Chaplin und Krawiec (1979 S. 422) so zusammenfassen: „…one of the difficulties that has stood in the way of an acceptable theory of emotions has been disagreement over definitions“. Problematisch werden uneinheitliche Begriffsverständnisse nämlich vor allem dann, wenn in Veröffentlichungen auf eine explizite Definition von Emotionen verzichtet wird und diese nur implizit, bspw. durch die Messmethode, erahnbar wird. Dieses Vorgehen erschwert die Integration und Interpretation zahlreicher Forschungsansätze, Ergebnisse und Debatten in der Emotionsforschung (vgl. Meyer et al. 2001 S. 19). Ein Beispiel dafür ist der Disput zwischen Lazarus (1982, 1984) und Zajonc (1980, 1984), deren Diskussion über die funktionale Beziehung zwischen Kognitionen und Emotionen vor allem auch deshalb fruchtlos blieb, weil beide von unterschiedlichen Definitionen der Emotion ausgingen und so aneinander vorbei argumentierten (vgl. Kleinginna & Kleinginna 1985 S. 470, Schmidt-Atzert 1996 S. 19). Dementsprechend soll dieser Arbeit das ihr zugrunde liegende Verständnis von einer Emotion vorangestellt werden. Dabei ist allerdings die Anlehnung an eine allgemein akzeptierte, konsensfähige Definition nicht möglich, weil eine solche bisher in der Literatur nicht existiert (vgl. Bagozzi et al. 1999 S. 184). Vielmehr betonen die vorliegenden Definitionen, wie schon erwähnt, einzelne Aspekte besonders und lassen andere dafür aus (vgl. Carlson & Hatfield 1992 S. 5). Es ist gerade ihre Schnittmenge, die zu einem umfassenderen Bild der Emotionen führt. Eine Arbeitsdefinition sollte demnach möglichst viele Elemente gängiger Definitionen vereinen und gleichzeitig in der Lage sein, Emotion so zu charakterisieren, dass sie von verwandten Konstrukten abgrenzbar ist. Basierend auf den Überblicksarbeiten von Bagozzi et al. (1999), Schmidt-Atzert (1996), Derbaix und Pham (1991), Scherer (1990), Reisenzein (1983) sowie Kleinginna und Kleinginna (1981), vor allem aber mit Bezug auf die aktuelleren Übersichten von Meyer et al. (2001) und Ekman (2000), wurden die folgenden Elemente ausgemacht, die in gängigen Definitionen als Bestandteil einer Emotion aufgeführt werden: 1.
Emotionen sind zeitlich datierte, aktuelle psychische Zustände Dieses Merkmal grenzt Emotionen von emotionalen Dispositionen und Persönlichkeitsmerkmalen ab (vgl. Fischer et al. 2002 S. 24). Während der Begriff emotionale Disposition eine überdauernde, erhöhte Bereitschaft oder Neigung zu einer bestimmten emotionalen Reaktion bezeichnet, verweist Emotion eben nur auf zeitlich begrenzte, psychische Zustände, die aktuell durchlebt werden (vgl. Meyer et al. 2001 S. 28, Kroeber-Riel & Weinberg 2003 S. 54, Planalp 2003 S. 80). Der Unterschied wird deutlich, wenn man sich eine Person vorstellt, die vor einem Hund steht und sagt „Ich habe Angst vor dem Hund“. In diesem Fall wird die Person tatsächlich einen aktuellen psychischen Zustand erleben, der als Emotion gekennzeichnet werden kann. Demgegenüber würde der eher allgemeine Ausspruch „Ich habe Angst vor Hunden“ eine
2. Emotionen und Online-Shops
11
Disputation kennzeichnen. Gemeint wäre damit nicht, dass die Person ständig Angst empfindet, sondern nur bei passender Gelegenheit (bspw. der Anwesenheit eines Hundes). 2.
Emotionen sind durch eine bestimmte Qualität, Intensität und Dauer gekennzeichnet. Jeder Emotion sind zumindest drei Merkmale zuzuordnen: Qualität, Intensität und Dauer (vgl. Trommsdorff 2004 S. 68). Die Qualität einer Emotion umschreibt deren emotionale Färbung. So kann bspw. zwischen positiven und negativen Emotionen oder zwischen dem qualitativ unterschiedlichen Erleben bei Angst und Ärger unterschieden werden (vgl. Meyer et al. 2001 S. 29, Försterling & Spörrle 2005 S. 66). Weiterhin treten Emotionen mit unterschiedlichen Intensitäten auf: So erlebt man bspw. große Angst oder nur wenig Furcht. Schließlich können Emotionen unterschiedlich lange andauern, sind also durch einen Beginn und einen Endzeitpunkt definiert.
3.
Emotionen sind objektgerichtet. Emotionen beziehen sich auf Personen, Ereignisse, Gegenstände oder Gedankeninhalte (vgl. Scherer 1990 S. 3, Bagozzi et al. 1999 S. 184, Fischer & Wiswede 2002 S. 110). So freut man sich bspw. über eine bestandene Prüfung oder ärgert sich über einen anderen Autofahrer (vgl. Silberer & Jaekel 1996 S. 16) Somit ist eine Emotion eine Reaktion auf ein inneres oder äußeres Objekt bzw. Ereignis (vgl. Scherer 1990 S. 6). Dabei ist es nicht unbedingt nötig, dass dieses Objekt bzw. Ereignis auch tatsächlich real existiert (vgl. Brentano 1950 S. 296-302). Es reicht aus, dass ein solches Objekt bzw. Ereignis mit diesen Eigenschaften nach Überzeugung der entsprechenden Person existiert(e) oder möglich ist (vgl. Meyer et al. 2001 S. 31): So empfinden manche Kunden möglicherweise nach dem Kauf eines vermeintlichen Sonderangebotes Stolz und Freude wegen des eingesparten Geldes – unabhängig davon, ob sie nun wirklich Geld eingespart haben oder nicht.
4.
Emotionen gehen mit einem charakteristischen bewussten Erleben einher und sind durch physiologische Veränderungen und Verhaltensweisen gekennzeichnet. Aktuelle Emotionstheorien sehen in Emotionen multidimensionale, komplexe Phänomene. Demnach sind Emotionen Zustände, die durch Veränderungen auf mehreren Ebenen beschrieben werden können (vgl. Kleinginna & Kleinginna 1981 S. 353, Schmidt-Atzert 1996 S. 20-22, Bagozzi et al. 1999 S. 184-185, Fischer et al. 2002 S. 2426). So nennt beispielsweise Izard (1981 S. 153-154) drei Komponenten, die Emotionen auszeichnen: das subjektive Erleben, physiologische Veränderungen und Verhaltensreaktionen. Und auch Lazarus et al. (1970) definieren diese drei Ebenen. Die Autoren bezeichnen Emotionen auch als Reaktionstrias, weil sie davon ausgehen, dass die drei Komponenten eben gerade Teilzustände oder Teilereignisse einer Emotion sind – die Emotion ist also die Gesamtheit der Veränderungen im Erleben, der Physiologie und des
12
2. Emotionen und Online-Shops (Ausdrucks-)Verhaltens. Obwohl keine Einigkeit zwischen den Autoren darin besteht, ob diese drei Komponenten nun die Emotion ausmachen oder nur die Reaktion auf eine Emotion sind (vgl. Gray 2000 S. 97-99, Otto et al. 2000 S. 15, Hamm 2006), gehen dennoch viele Autoren davon aus, dass sich Emotionen zumindest anhand dieser drei Komponenten unterscheiden lassen. Eng verknüpft damit ist die Frage, ob Emotionen immer bewusst ablaufen oder unbewusste Prozesse darstellen können. Tatsächlich hängt die Antwort auf diese Frage von der Definition der Emotionen ab. Die hier vorliegende Arbeit teilt dabei die Auffassung aktueller Theorien der Emotionen (vgl. Thagard & Nerb 2002, Clore et al. 2005, Frijda 2005, Prinz 2005, Winkielman et al. 2005), die zwar unbewusste affektive Prozesse mit Verhaltensrelevanz postulieren (bspw. core affect), das subjektive Erleben aber als Bestandteil der Emotionen ansehen (vgl. für eine Begründung Kapitel 2.1.3, Abschnitt Bewusstseinsgrad der Emotionen). Dabei muss das subjektive Erleben nicht immer im Fokus der Aufmerksamkeit liegen, kann aber – wenn eine Person bspw. nach ihrem emotionalen Zustand befragt wird – bewusst zugänglich gemacht werden (vgl. Bagozzi et al. 1999, Lambie & Marcel 2002 S. 234-237, Berridge & Winkielman 2003 S. 184185, Barrett et al. 2007 S. 377).
Die vorherigen Ausführungen zusammenfassend, beruht diese Arbeit auf folgendem das Begriffsverständnis von Emotionen: Emotionen sind zeitlich datierte, aktuelle psychische Zustände, die…
ᇚ durch eine bestimmte Qualität, Intensität und Dauer gekennzeichnet sind, ᇚ objektgerichtet sind und ᇚ mit einem charakteristischen bewussten Erleben einhergehen sowie durch charakteristische physiologische Veränderungen und Verhaltensweisen gekennzeichnet sind. Auf Grundlage dieser Arbeitsdefinition können Emotionen von verwandten Begriffen abgegrenzt werden. Emotion vs. Gefühl In der Alltagssprache werden die Begriffe Emotionen und Gefühle häufig gleichbedeutend verwendet 4. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Emotion haben sich aber unterschiedliche Bedeutungen für beide Begriffe ergeben: Dabei bezeichnen
4 Hehn (2007 S. 50) weist darauf hin, dass auch in der Marketingforschung oftmals die Begriffe Emotion und Gefühl synonym verwendet würden, „obwohl [die Differenzierung von Gefühl und Emotion] sich als wesentlich sowohl für die Messung von Affekten als auch für die Beschreibung der Konsumentenpsychologie erweist“ (S. 50).
2. Emotionen und Online-Shops
13
Gefühle (oder englisch: feelings) nur den subjektiv erlebbaren Anteil einer Emotion (vgl. Schmidt-Atzert 1996 S. 18, Hansen 2004 S. 1426-1427, Frijda 2005 S. 473, Phelps 2006 S. 36). Diese Trennung ist insofern sinnvoll und auch nötig, als eine Reduktion der Emotionen lediglich auf die Komponente des subjektiven Erlebens (=Gefühl) eben andere Komponenten der Emotionen vernachlässigt, die aber ebenfalls Relevanz bspw. für das Konsumentenverhalten haben (vgl. bspw. Gröppel-Klein & Baun 2001, Möll 2007 S. 218-221) Emotion vs. Affekt vs. affect Das englische Wort affect wird in der Regel als Oberbegriff für alle emotionalen, affektiven Zustände wie bspw. Stimmungen oder auch Emotionen benutzt (vgl. Bagozzi et al. 1999 S. 184). Seltener wird darunter nur die Valenz des Erlebens im Sinne von Lust oder Unlust verstanden (Frijda et al. 1991, Schmidt-Atzert 1996). Anders der deutschsprachige Begriff Affekt, der sich auf eine intensive, sehr kurze, aber heftige Emotion bezieht (vgl. Dorsch et al. 1994 S. 9-10). Der Affekt ist in der Regel kognitiv wenig kontrolliert und inhaltlich kaum differenziert (vgl. Kroeber-Riel & Weinberg 2003 S. 100). In der aktuellen Emotionsforschung findet dieser Begriff nur noch selten Verwendung (vgl. Schmidt-Atzert 1996 S. 26). Emotion vs. Stimmung vs. psychische Befindlichkeit Stimmungen werden in der Regel als ungerichtete Befindlichkeiten definiert (vgl. Derbaix & Pham 1991 S. 328, Silberer & Jaekel 1996 S. 16-21, Bagozzi et al. 1999 S. 184-185). Dabei bezeichnet die psychische Befindlichkeit das aktuelle, bewusste innere Erleben und Empfinden einer Person (vgl. Steyer et al. 1997 S. 4). Anders als Emotionen richten sich Stimmungen also nicht auf innere oder äußere Objekte, sondern sind eher globale affektive Zustände von geringerer Intensität als Emotionen. Emotionen dauern zudem meist länger an (vgl. Scherer 1990 S. 6, Derbaix & Pham 1991 S. 329, Otto et al. 2000 S. 12-13). Dabei sind Stimmungen und Emotionen keineswegs voneinander unabhängig. Beide affektive Zustände können sich gegenseitig beeinflussen (vgl. Silberer & Jaekel 1996 S. 17): So kann bspw. eine schlechte Stimmung dazu führen, dass man sich schneller über ein Ereignis ärgert (Emotion). Und umgekehrt kann das intensive Gefühl der Freude über ein Geschenk zu einer insgesamt besseren Stimmung führen. Wegen dieser sehr engen Verknüpfung beider psychischen Zustände zweifeln einige Autoren an der grundsätzlichen Trennung von Stimmung und Emotion (vgl. Otto et al. 2000 S. 13). Vor allem der Objektbezug der Emotionen legt die getrennte Untersuchung beider Phänomene im Rahmen der Käuferverhaltensforschung nahe. 2.1.2 Struktur der Emotionen Eine Definition der Emotionen, wie sie im vorherigen Abschnitt für diese Arbeit vorgestellt wurde, ermöglicht die Abgrenzung der Emotionen von nicht-emotionalen Zuständen. Daneben erfordert die Untersuchung der Emotionen aber auch eine Identifikation derjenigen Dimensionen (und Beschreibungsmerkmale), die sowohl notwendig als auch ausreichend sind, um Emotionen unterschiedlicher Qualität voneinander zu trennen (vgl. Russell &
14
2. Emotionen und Online-Shops
Mehrabian 1977 S. 273). Ein solches Ordnungssystem, auch Struktur der Emotionen genannt (vgl. Schmidt-Atzert 2000 S. 30), ermöglicht also die Bestimmung der Beziehungen zwischen einzelnen Emotionen, wie bspw. Liebe und Hass. Bereits bei diesem simplen Beispiel wird deutlich, dass die Herleitung und Begründung eines Ordnungssystem für Emotionen nicht einfach ist (vgl. Schmidt-Atzert 2000 S. 30, Faullant 2007 S. 61): Sind Liebe und Hass einander nahestehende Emotionen (worauf der Begriff Hassliebe verweist)? Oder bezeichnen beide Begriffe zwei Emotionen, die sich gegenseitig ausschließen? Und worin unterscheiden sie sich dann? An Antworten auf diese Fragen arbeitete eine ganze Reihe von Autoren, die teilweise sehr abweichende Strukturierungsansätze vorgeschlagen haben. Diese lassen sich grundsätzlich in dimensionale und differentielle Ansätze trennen (vgl. Neibecker 1985 S. 12-15, Batra & Ray 1986 S. 235-249, Ortony & Turner 1990 S. 315, Olney & Holbrook 1991 S. 30). Aus jedem dieser Ansätze folgen andere Anforderungen an die Operationalisierung der Emotionsmessung und der Interpretierbarkeit der Ergebnisse. Deshalb werden im Folgenden die beiden Ansätze kurz vorgestellt und jeweils durch zentrale Arbeiten charakterisiert. Anschließend werden Schlussfolgerungen für die vorliegende Arbeit abgeleitet. Dimensionale Ansätze Dimensionale Ansätze versuchen affektive Zustände auf wenige globale Dimensionen zurückzuführen. Jede Emotion lässt sich demnach als Kombination verschiedener Ausprägungen dieser Dimensionen beschreiben (vgl. Schimmack 1999 S. 92-94). Solche Überlegungen gehen schon auf Wundt (1896) und Osgood et al. (1957) zurück. Wundt (1896) geht davon aus, dass sich alle Emotionen anhand einer spezifischen Ausprägung der Dimensionen Lust-Unlust, Spannung-Lösung sowie Erregung-Beruhigung differenzieren lassen. Osgood et al. (1957) extrahieren die sehr ähnlichen Dimensionen evaluation, potency und activity als Basis des subjektiven Bedeutungsgehalts von affektiven Wörtern. In der Kauferlebnisforschung wird vor allem Mehrabians und Russells (1974) PAD-Modell aufgegriffen (vgl. Russell & Mehrabian 1977, Donovan & Rossiter 1982, Machleit & Eroglu 2000 S. 103). Die Autoren nehmen drei grundlegende Dimensionen an, in denen alle Emotionen abgebildet werden können: pleasure, arousal und dominance. Ein Blick auf den aktuellen Stand der Forschung offenbart zwei Ansätze, die sich in zweiund dreidimensionalen Modellen niederschlagen. Fast immer drückt eine Dimension, die zur Beschreibung der Emotionen herangezogen wird, die Valenz des Erlebens aus 5 (bspw. pleasure-Dimension bei Mehrabian und Russell (1974)). Uneinigkeit besteht über die Natur der Erregung, die als ein- oder als zweidimensional betrachtet wird. Während Russell (1980)
5
Tatsächlich postulieren einige Autoren zwei unabhängige Valenzdimensionen. Diese Sichtweise impliziert, dass Menschen gleichzeitig positive als auch negative emotionale Zustände erfahren können. Für eine Diskussion dieser Ansätze vgl. Carver (2001).
2. Emotionen und Online-Shops
15
eine Erregungsdimension zusammen mit der Valenzdimension als ausreichend für die Beschreibung der Emotionen erachtet (vgl. Abbildung 1), sehen andere Forscher durch empirische Ergebnisse ihre Annahme von zwei Erregungsdimensionen bestätigt 6 (vgl. Schimmack 1999, Schimmack & Reisenzein 2002). Die daraufhin entwickelten dreidimensionalen Modelle postulieren eine Valenz- und zwei Erregungsdimensionen, deren Bezeichnungen zwischen den Modellen differieren (vgl. Tabelle 2). Die jeweiligen Beschreibungen legen aber nahe, dass es sich trotz der divergierenden Bezeichnungen um ähnliche Konstrukte handelt. Die Tabelle 2 stellt wichtige dreidimensionale Modelle als Übersicht zusammen. Tabelle 2: Übersicht wichtiger dreidimensionaler Modelle der Emotionen Osgood et al. (1957) EPA-Modell evaluation
Mehrabian et al. (1974) PAD-Modell pleasure
potency activity
dominance arousal
Sjöberg et al. (1979)
Matthews et al. (1990)
Steyer et al. (1997)
pleasantness
hedonic tone
gut-schlecht
Schimmack (1999) LEW-Modell Lust-Unlust
activasion
energetic arousal
tension
tense arousal
WachheitMüdigkeit Ruhe-Unruhe
WachheitMüdigkeit Erregung-Ruhe
Quelle: Mau (2003 S. 3)
Modelle, nach denen Emotionen anhand von zwei (eine Valenz- und eine Erregungsdimension) statt drei Dimensionen beschrieben werden, werden vor allem in der US-amerikanischen Literatur diskutiert. Ausgangspunkt für die Extraktion der Dimensionen ist in den meisten Fällen die Faktorenanalyse. Im Gegensatz zum Vorgehen bei der Aufdeckung von drei Dimensionen werden die Achsen bei zweidimensionalen Modellen orthogonal rotiert. Dadurch ergeben sich zwei voneinander unabhängige Faktoren. Bei der grafischen Abbildung verschiedener Emotionen in dem so entstandenen zweidimensionalen Raum ordnen sie sich annähernd kreisförmig an. Dieses Phänomen führte zu der geläufigen Bezeichnung Circumplex-Modelle (vgl. Russell 1980, Frey & Loßnitzer 2003). In der Emotionsforschung wird vor allem das pleasure-activation-Modell von Russell (1980, Russell & Pratt 1980) diskutiert. Seinen Annahmen entsprechend sind alle Emotionen als eine Kombination der beiden bipolaren Dimensionen Valenz (pleasure vs. misery) und Aktivierung (sleep vs. arousal) beschreibbar (vgl. Abbildung 1). Die Valenz-Dimension stimmt inhaltlich mit den entsprechenden Dimensionen der dreidimensionalen Modelle überein. Die zweite Dimension entspricht der Vorstellung einer einfaktoriellen Struktur der Erregung. Sie findet sich (inhaltlich) in den ursprünglichen EPA- und PAD-Modellen wieder. Eine Sonderstellung nimmt die von Watson und Tellegen (1985) beschriebene zweidimensionale Struktur des affektiven Erlebens ein (vgl. Abbildung 1). Die Autoren gehen von zwei
6 An dieser Stelle kann die Problematik der Anzahl der Erregungsdimensionen nur angeschnitten werden. Für eine ausführliche Diskussion vgl. Schimmack & Reisenzein (2002). Die Autoren gehen zudem auf biologische Befunde ein und diskutieren den Stand der Forschung in dieser Frage.
16
2. Emotionen und Online-Shops
unabhängigen Faktoren aus, die sie (später) als positive Aktivierung (PA) und negative Aktivierung (NA) bezeichnen (vgl. Tellegen et al. 1999). Watson & Tellegen (1985) nehmen an, dass sich die bei anderen Modellen beschriebene Valenzdimension aus der Kombination von positiver Aktivierung und negativer Aktivierung ergibt. Dieses Modell ist in der Stimmungsforschung und bei der Untersuchung des affektiven Erlebens weit verbreitet. Abbildung 1: Übersicht wichtiger zweidimensionaler Modelle der Emotionen
Quelle: nach Barrett & Russell (1999 S. 11)
Kritisiert wurde oft, dass die Dimensionen PA und NA lediglich für hoch erregende Zustände repräsentativ seien (vgl. Schmidt-Atzert 2000 S. 42). Außerdem deuten einige empirische Studien darauf hin, dass sich die Valenz nicht in jedem Fall als Kombination der PA- und NADimension ergibt (vgl. Patrick & Lavoro 1997, Schimmack 1999 S. 94). Differentielle Ansätze Anders als die dimensionalen Ansätze, die versuchen, Emotionen auf wenige globale Dimensionen zurückzuführen, betonen differentielle Ansätze die unterscheidbaren subjektiv erlebten Emotionsqualitäten (vgl. Izard 1981 S. 63). Die Emotionen werden hier nach komplexen Ähnlichkeiten strukturiert. Es gibt zwei grundlegende Strategien, nach denen diese Ähnlichkeiten bestimmt werden: Zum einen wird, basierend auf theoretischen Überlegungen, das Spektrum der Emotionsqualitäten in Grundemotionen (in der englischsprachigen Literatur basic, primary oder fundamental emotions) zerlegt (vgl. Ortony & Turner 1990). Zum anderen werden Ähnlichkeiten anhand statistischer Verfahren auf Grundlage subjektiver Einschätzungen gebildet. Auf beide Strategien soll hier kurz eingegangen werden. Grundemotionen Die Vertreter dieses Ansatzes gehen von bestimmten Emotionen mit einem besonderen Status aus (die Grund- oder Primäremotionen), von denen alle anderen Emotionen (Sekundäremotionen) abgeleitet werden können (für eine Übersicht gängiger Ansätze vgl. Tabelle 3). Die
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Identifizierung dieser Grundemotionen erfolgt anhand theoretischer Annahmen. Abweichungen innerhalb dieses Ansatzes gehen vor allem auf unterschiedliche Begründungen für die Wahl der Grundemotionen zurück (vgl. Ortony & Turner 1990 S. 315321, Schmidt-Atzert 2000 S. 30-32): So werden bspw. der universelle Gesichtsausdruck (z.B. Ekman et al. 1982), der direkte Bezug zu Verhaltenstendenzen (z.B. Arnold 1960) oder angeborene, unique körperliche und phänomenologische Reaktionen (z.B. Izard 1981) als Identifikationsmerkmal genannt. Daneben werden bspw. attributionstheoretische (z.B. Weiner & Graham 1984), neuroanatomische (z.B. Izard 1981) und evolutionstheoretische (z.B. Plutchik 1980) Kriterien als Basis für die Unterscheidung herangezogen. Im Zusammenhang mit der Untersuchung des Einkaufserlebens erlangte Izards (1981) Differential Emotions Theorie an Bedeutung (vgl. Machleit & Eroglu 2000 S. 102, Huang 2001 S. 240). Dieser Ansatz postuliert zehn fundamentale Emotionen mit jeweils einzigartigen motivationalen Eigenschaften und uniquer Erlebnisqualität (vgl. Izard 1981 S. 108-115). Einen anderen Ansatz wählt Plutchik (1980). Seine psychoevolutionäre Theorie der Emotionen nennt insgesamt acht Primäremotionen, die Ausdruck angeborener Verhaltensdispositionen seien (Plutchik 1980). Tabelle 3 stellt neun gängige Ansätze, die von der Existenz von Grundemotionen ausgehen, gegenüber. Dabei wird die große Heterogenität deutlich: Nicht nur die Anzahl der Grundemotionen variiert (Weiner & Graham (1984) finden bspw. zwei Primäremotionen, bei Izard (1981) sind es zehn), sondern auch die Art und Qualität der postulierten Grundemotionen (vgl. Zillmann 2004 S. 104). Dies trifft sogar auf Modelle zu, die sich bei der Begründung der Grundemotionen auf die gleiche theoretische Basis beziehen (vgl. Schmidt-Atzert 2000 S. 31). Ortony & Turner (1990 S. 315) folgern dann auch nach Durchsicht des Forschungsstandes, dass „the notion of basic emotion will not lead to significant progress in the field [of emotion research].”
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Empirische Ähnlichkeitskategorien Die Ansätze aus dieser Kategorie versuchen, einzelne Emotionen nach der empfundenen, subjektiven Ähnlichkeit oder anhand des gemeinsamen sprachlichen Gebrauchs zu strukturieren. Hier werden also empirische Ähnlichkeiten in der Einschätzung oder im Gebrauch einzelner Bezeichnungen für Emotionen (statt theoretischer Überlegungen) als Grundlage der Bildung von Kategorien verwendet. Zur Bestimmung der Ähnlichkeit werden bspw. Paarvergleiche zwischen jeweils zwei Wörtern, die Emotionen benennen, Einschätzungen der subjektiv erlebten Qualität einzelner Emotionen auf semantischen Differentialen oder das gemeinsame Auftreten von Emotionen im Alltag verwandt. Auf Basis der so ermittelten Distanzen können dann mittels Faktorenanalyse, Multidimensionaler Skalierung oder ähnlicher Verfahren möglichst homogene Gruppen von Emotionen zusammengefasst werden. Ein Beispiel für ein so ermitteltes Kategoriensystem der Emotionen ist Richins’ (1997) Consumption Emotion Set, das vielfach Eingang in die Käuferforschung gefunden hat (vgl. Huang 2001 S. 242). Hier werden Emotionen nach ihrem gemeinsamen Auftreten in Kaufsituationen zu Kategorien zusammengefasst. Anhand des vierstufigen Vorgehens der Autorin soll hier die Ableitung empirischer Ähnlichkeitskategorien verdeutlicht werden (vgl. Richins 1997 S. 130-135): (1) In einer ersten, explorativen Studie sollten Emotionen bzw. die Bezeichnungen dafür ermittelt werden, die für Konsumsituationen typisch sind. Dafür wurden Probanden gebeten, sich in verschiedene Konsumsituationen hineinzuversetzen und jene Wörter aufzuschreiben, die ihren emotionalen Zustand in solchen Situationen am besten beschrieben. Die so ermittelte Liste von Wörtern wurde von zwei Kodierern um jene Wörter bereinigt, die nicht von Richins’ (1997 S. 130) Emotionsdefinition abgedeckt waren. (2) Der zweite Schritt diente der Extinktion nur wenig bekannter oder wenig verwendeter Emotionsbegriffe. Dazu schätzten Probanden die verwendeten Wörter des ersten Schritts nach Häufigkeit ihrer Benutzung ein. Wurde ein Wort von mehr als 5% der Probanden „wahrscheinlich nicht“ im Alltag gebraucht, wurde es von der Liste gelöscht. (3) Während die ersten beiden Schritte ausschließlich mit studentischen Probanden durchgeführt wurden, befragte Richins im dritten Schritt 258 Haushalte auf Basis der verblieben Emotionswörter. Wiederum sollten sich die Befragten in Konsumsituationen hineindenken und angeben, wie häufig sie die entsprechenden Emotionen in diesem Zusammenhang erlebt haben. Als Ergebnis wurden alle Begriffe ausgeschlossen, die von weniger als 10% der Befragten angegeben wurden. (4) Die letztendliche Kategorienbildung erfolgte im vierten Schritt: Hier wurden Studenten erneut gebeten, sich in vorgegebene Konsumsituationen hineinzuversetzen, um dann für jede verbliebene Bezeichnung für eine Emotion aus dem vorherigen Schritt anzugeben, wie intensiv die entsprechende Emotion empfunden wurde. Mittels Multidimensionaler Skalierung (MDS) auf Basis der angegebenen Intensitäten wurden diejenigen Wörter
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identifiziert, die auf Emotionen verwiesen, die häufig gemeinsam, d.h. in Kombination, und in ähnlicher Intensität erlebt wurden. Diese Emotionen lokalisiert die MDS im Ergebnis nahe beieinander (vgl. Abbildung 2). So ergab sich bspw., dass die Emotionen frustrated (in Abbildung 2 mit B gekennzeichnet), irritated (C) und angry (D) häufig gemeinsam erlebt werden. Diese Emotionswörter wurden deshalb in einer Kategorie (anger, Richins 1997 S. 144) zusammengefasst. Abbildung 2: Visualisierung der Beziehungen zwischen den Emotionen bei Richins (1997) als Ergebnis einer MDS
Quelle: Richins (1997 S. 133)
In der Tabelle 3 werden beispielhaft vier so ermittelte Kategorisierungsansätze der Emotionen vorgestellt. Zwei davon, nämlich Richins’ (1997) Consumption Emotion Set und das in dieser Arbeit (in Kapitel 4.2) abgeleitete Deutschsprachige Inventar kaufbegleitender Emotionen (D-IKE), wurden speziell zur Beschreibung von Emotionen entwickelt, die im Kontext des Ladenbesuchs auftreten. Bewertung der Strukturierungsansätze und Bezug auf die folgende Arbeit Die unterschiedlichen Ansätze zur Strukturierung der Emotionen haben jeweils spezifische Stärken aber auch Schwächen. Je nach Fragestellung empfiehlt sich demnach entweder der Rückgriff auf dimensionale Strukturen der Emotionen oder auf differentielle Ordnungssysteme.
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Dimensionale Ansätze reduzieren das sehr komplexe Phänomen Emotion auf zwei bzw. drei Dimensionen. Damit gehen drei Stärken dieser Ansätze einher, die vor allem bei der Messung, Auswertung und Interpretation im Rahmen empirischer Studien zum Tragen kommen: (1) Die Reduktion des emotionalen Erlebens auf wenige Dimensionen vereinfacht die Messung bzw. Quantifizierung der Emotionen. Es muss nicht jede mögliche subjektiv erlebbare Emotionsqualität erfasst werden (z.B. Angst, Trauer, Freude, Liebe usw.), sondern lediglich die Einschätzung des Erlebens auf zwei bzw. drei Dimensionen (z.B. Valenz und Erregung). Hier reichen meist wenige Items aus, um den kompletten, durch diese Ansätze aufgespannten Ereignisraum zu erfassen (vgl. dazu Kapitel 4, S. 87). (2) Die so erfassten emotionalen Zustände werden meist anhand von zwei bzw. drei metrisch skalierten Variablen beschrieben. Dies vereinfacht die Auswertung bspw. mit Methoden des Allgemeinen Linearen Modells. (3) Mit den ersten beiden Punkten verknüpft ist die dritte Stärke dimensionaler Ansätze: Die Interpretation der Ergebnisse wird dank des Bezugs der emotionalen Zustände auf wenige Dimensionen vereinfacht. Das liegt vor allem an der universellen Definition der Dimensionen: Die Valenz ist bspw. durch die Pole positiv/gut und negativ/schlecht definiert. Es ist zu erwarten, dass die meisten Menschen diesen Polen die gleiche Bedeutung zuschreiben. Anders bei differentiellen Strukturierungsansätzen: Hier hat sich gezeigt, dass verschiedene Menschen den unterschiedlichen Emotionen beschreibenden Begriffen (wie bspw. Angst oder Schuld) durchaus differierende Bedeutungen beimessen (vgl. Breugelmans & Poortinga 2006 S. 1111-1112). Das gilt besonders für den interkulturellen Vergleich, bei dem sich zeigte, dass bestimmte Begriffe, die Emotionen benennen, nur schwer oder gar nicht in andere Sprachen zu übersetzen sind. So gibt es bspw. im Spanischen das Wort vergüenza, das eine emotionale Befindlichkeit umschreibt, die in der englischen Sprache mit zwei Wörtern, nämlich mit shame (Scham) und embarrassment (Verlegenheit) ausgedrückt wird (vgl. Iglesias 1996 S. 122). Aber auch innerhalb einer Kultur können die gleichen Begriffe für verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutungen haben 7 (bspw. unterschiedliche Angstbedeutungen bei unterschiedlich ängstlichen Personen, Lazarus-Mainka 1993). Dimensionale Ansätze nehmen für sich in Anspruch, den Raum möglicher Emotionsqualitäten mit den postulierten Dimensionen vollständig abbilden zu können (Russell & Mehrabian 1977 S. 277-279). Zweifel daran lassen aber Ergebnisse aufkommen, nach denen Emotionen, die von Menschen qualitativ deutlich unterschiedlich erlebt werden, sehr ähnliche Werte auf den Dimensionen Valenz und Erregung aufweisen. Schmidt-Atzert (2000 S. 40) zeigt das am Beispiel Angst und Ärger. Ob dimensionale oder differentielle Ansätze die im Zuge eines Ladenbesuches evozierten Emotionen besser beschreiben, untersuchen die beiden Studien von Machleit & Eroglu (2000)
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Für eine intraindividuelle Stabilität der Emotionsbegriffe sprechen hingegen empirischer Befunde (vgl. Devine & Lundberg 1977, Debus 2000 S. 410).
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sowie Richins (1997) . Machleit & Eroglu (2000) vergleichen das von Plutchiks (1980) psychoevolutionärer Theorie abgeleitete Messverfahren, das auf Izards (1977) Differential Emotions Theorie beruhende DES-II und die Mehrabian & Russells (1974) PAD-Skala. Ihren Ergebnissen folgend beschreiben die beiden von differentiellen Ansätzen abgeleiteten Messverfahren die durch Ladenbesuche evozierten Emotionen „considerably better than the Mehrabian-Russell measure; they simply contain more information about the emotional response“ (Machleit & Eroglu 2000 S. 110). In einer zweiten Studie vergleicht Richins (1997) das von ihr entwickelte, auf einem differentiellen, empirischen Ähnlichkeitskonzept beruhende Consumption Emotion Set mit den drei Ansätzen von Plutchik (1980), Izard (1977) und Mehrabian & Russell (1974). Auch in Richins’ Ergebnissen zeigt sich die Überlegenheit der auf differentiellen Ansätzen beruhenden Operationalisierungen gegenüber der dimensionalen Messung von Emotionen bei der Beschreibung von Emotionen in Konsumsituationen. Insbesondere das speziell für Emotionen im Kontext von Konsumerlebnissen entwickelte CES wurde der Diversifität in diesem speziellen Setting sehr viel besser gerecht als die drei anderen Operationalisierungen (vgl. Richins 1997 S. 142-143). Trotz dieser Unzulänglichkeit dimensionaler Ansätze haben wohl ihre erwähnten Vorzüge für empirische Arbeiten dazu geführt, dass sie Grundlage der meisten empirischen Studien zu Emotionen im Marketingkontext sind. Ähnlich wie Richins (1997 S. 142) folgert auch Mano (2004 S. 118-119) nach einer Bestandsaufnahme der Forschung zu „Emotion and Consumption“, dass eine differentielle Betrachtung der Emotionen den Forschungsstand substantiell bereichern würde. Allerdings zeigt eine Studie von Havlena und Holbrook (1986), dass die Überlegenheit differentieller Ansätze vom spezifischen Kontext abhängt. Da die Untersuchung der durch den Besuch von Online-Shops evozierten Emotionen weitgehend auf dimensionalen Ansätzen basiert, liegen für diesen Bereich noch keine Vergleiche der verschiedenen Strukturansätze vor. Es ist aber davon auszugehen, dass die Diversität der online evozierten Emotionen nur wenig von denen in der realen Umgebung unterscheidet (Eroglu et al. 2001). Dementsprechend überträgt diese Arbeit die Erkenntnisse Machleit & Eroglus (2000) sowie Richins’ (1997) auf den Ladenbesuch in Online-Shops und vermutet: H1a: Differentielle Ansätze der Messung von Emotionen beschreiben die durch den Besuch eines Online-Shops evozierten Emotionen vollständiger als dimensionale Ansätze. H1b: Differentielle Emotionskonzepte können Besuch eines Online-Shop evozierten dimensionale Ansätze.
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die Wirkungen der durch den Emotionen besser erklären als
Die Interpretation der Ergebnisse dieser Studien setzt voraus, dass sich die verwendeten Operationalisierungen der Strukturierungsansätzen in ihrer Validität nicht erheblich unterscheiden. Da aber alle angesprochenen Instrumente ihre Güte bereits vielfach in Studien erwiesen haben, soll dies hier als gegeben vorausgesetzt werden.
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2.1.3 Theoretische Ansätze in der Emotionsforschung Nicht nur die Frage nach dem Wesen der Emotionen beschäftigt die Forschung seit Längerem, sondern auch die Überlegung, wie Emotionen entstehen und welche Komponenten daran beteiligt sind. Vertreter mehrerer Forschungstraditionen haben dazu im Verlaufe der Geschichte Vorschläge gemacht (für eine ausführlichere Übersicht vgl. Meyer et al. 2001). Je nachdem, wie diese Fragen aus den jeweiligen Richtungen beantwortet werden, wird ein und dasselbe empirische Ergebnis ganz unterschiedlich interpretiert. Hier sollen deshalb im Folgenden jene theoretischen Ansätze, die im Laufe der Zeit besondere Bedeutung in der Emotionsforschung und speziell in der Konsumentenforschung erlangt haben, kurz erläutert werden. Diese Darstellung mündet in einem integrativen Ansatz, den Barrett et al. (2007) aktuell vorgeschlagen haben und der auch in großen Teilen Grundlage der weiteren Arbeit sein wird. Evolutionspsychologische Ansätze Evolutionspsychologische Ansätze betonen die Entwicklung der Emotionen in der Phylogenese der Menschen: Theorien, die diesem Ansatz folgen, verbindet die zentrale Annahme, dass sich Emotionen in der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Menschen herausgebildet haben, weil sie Funktionen hinsichtlich Überleben und Weitergabe der Gene erfüllen (oder erfüllt haben). Für die meisten Vertreter dieser Ansätze sind Emotionen zum großen Teil angeborene Reaktionsmuster, die eine schnelle Antwort auf spezielle Umweltereignisse ermöglichen. Beispielhaft erwähnt sei hier eine der ersten, noch heute einflussreichen Emotionstheorien, die sich auf das evolutionspsychologische Paradigma beziehen, nämlich jene von Charles Darwin (1872, zitiert nach Meyer et al. 1999 S. 37-80). Gemäß Darwin erfüllen Emotionen und der mit ihnen verbundene Ausdruck zwei Funktionen (vgl. Meyer et al. 1999 S. 55-58): eine organismische (bspw. führt Überraschung automatisch zu einer Öffnung des Mundes und der Augen – so wird die Informationsaufnahme erleichtert und die Adaption an eine neue Situation ermöglicht) und eine kommunikative Funktion (indem durch den Gesichtsausdruck andere Mitglieder der Gruppe auf Wünsche, Motive oder Bedürfnisse der Person aufmerksam gemacht werden). Die mit einer Emotion verbundenen Reaktionen im Ausdruck und Verhalten laufen nach Annahme Darwins automatisch ab und werden von Generation zu Generation vererbt (vgl. Euler 2000 S. 46-47). Interessanterweise greift Darwin hier nicht auf die von ihm entwickelte Theorie der Evolution durch natürliche Selektion zurück, sondern bezieht sich auf Lamarcks Theorie der Vererbung erworbener Eigenschaften (Meyer et al. 1999 S. 200). Ausgelöst werden Emotionen seiner Ansicht nach aber von der kognitiven Bewertung von Situationen, Personen oder Objekten – ein Postulat, dass sich auch in den modernen einschätzungstheoretischen Ansätzen wiederfindet.
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In der Konsumentenforschung wird oft Plutchiks (1980) Psychoevolutionäre Theorie aufgegriffen. Sie postuliert die Entstehung der Emotionen in der Phylogenese durch natürliche Selektion. Emotionen hätten somit eine genetische Grundlage. Im Verlauf der menschlichen Phylogenese hätten sich acht primäre Emotionen herausgebildet, für die es angeborene Reaktionsschemata gebe. Demnach seien Emotionen grundlegende Formen der Anpassung von Reaktionen mit stabilisierenden Rückmeldeschleifen. Auch Plutchik (1980) geht davon aus, dass ein Reiz aus der Umwelt zunächst kognitiv nach den Kategorien nützlich vs. schädlich oder gut vs. schlecht bewertet wird. Das Verdienst der evolutionspsychologischen Ansätze liegt vor allem in der von ihnen angebotenen Erklärung, warum sich Emotionen in der Menschheitsgeschichte entwickelt haben und welche Rolle sie im Alltag spielen könnten. Diese Annahmen werden auch in aktuellen Theorien reflektiert. Daneben findet sich in Darwins und Plutchiks Ansätzen der Grundgedanke, dass eine Situation kognitiv bewertet wird. Eine simple Reiz-EmotionsReaktionskette wird mithin verneint. Kognitions- und einschätzungstheoretische Ansätze Bereits die angeführten evolutionspsychologischen Theorien enthalten den Aspekt der kognitiven Bewertung eines Reizes zur Auslösung einer Emotion. Während Plutchik und Darwin diesen Punkt aber eher am Rande behandeln, stellen kognitions- und einschätzungstheoretischen Ansätze (appraisal theories) die Natur dieser Bewertung in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung (vgl. Reisenzein 2000 S. 117, Bartsch et al. 2008). Tabelle 3: Gegenüberstellung emotionsantezedenter Bewertungskriterien Scherer
Frijda
Novelty Change - Suddenness - Familiarity Familiarity - Predictability Intrinsic Valence Pleasantness Goal Significance - Concern Focality relevance - Outcome Certainty probability - Expectation Presence -Conduciveness Open/Closed Urgency - Urgency Coping Potential - Cause: Agent Intent/Self-Other - Cause: Motive - Control Modifiability - Power Controllability - Adjustment Compatibility Standards - External Value Relevance - Internal Quelle: Scherer (1990 S. 10, 2000 S. 639)
Ortny & Clore
Roseman
Smith & Ellsworth Attention
Unexpectedness Appealingness
Pleasentness
App/Ave Motives Likelihood
Probability
Prospect realiz. Desirability Proximity
Motive consist.
Agency
Agency
Certainty
Goal Obstacle Anticipated Effort Agency Agency
Power Blamewortheness Legitimacy
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Kern dieser Theorien sind Annahmen über die jeweiligen Antezedenzien auf deren Grundlage Emotionen ausgelöst und differenziert werden. Die einzelnen Theorien unterscheiden sich vor allem in der Art und Anzahl der postulierten Bewertungskriterien (vgl. Tabelle 4). Bei aller Heterogenität fällt auf, dass die meisten Ansätze postulieren, dass Personen die Objekte nach deren Bedeutung für die Erreichung der subjektiven Ziele (Goal Significance) bewerten (vgl. Watson & Spence 2007 S. 503). Ob und welche Emotion eine Person erlebt, hängt dabei vom Bewertungsmuster bezüglich dieser Kriterien ab (vgl. Scherer 2000 S. 638-640). Tabelle 5 stellt beispielhaft drei solcher Bewertungsmuster hinsichtlich der von Scherer (1984, zitiert nach Scherer 2000 S. 638-639) postulierten Kriterien vor. Tabelle 4: Beispiele für Bewertungmuster, die nach Scherers (1984) Komponenten-ProzessAnsatz zu verschiedenen Emotionen führen sollen Stimulus evaluation checks Novelty - Suddenness - Familiarity - Predictability Intrinsic Pleasantness Goal Significance - Concern relevance - Outcome probability - Expectation -Conduciveness - Urgency Coping Potential - Cause: Agent - Cause: Motive - Control - Power - Adjustment Compatibility Standards - External - Internal
Anger
Fear
Sadness
High Low Low Open
High Open Low Open
Low Low Open Open
Order Very High Dissonant Obstruct High
Body High Dissonant Obstruct Very high
Open Very high Open Obstruct Low
Other Intent High High High
Other/nature Open Open Very low Low
Open Change/negative Very low Very low Medium
Low Low
Open Open
Open Open
Quelle: Scherer (2000 S. 639)
Kognitions- und einschätzungstheoretische Ansätze haben in den letzten 15 Jahren die Emotionsforschung grundlegend bestimmt (vgl. Reisenzein 2000 S. 132). Das liegt vor allem daran, dass auf Grundlage objektiver Kriterien – allerdings subjektiver Einschätzungen – nachprüfbare Prognosen über die emotionalen Reaktion auf ein Stimulus getätigt werden können (vgl. Bagozzi et al. 1999 S. 185). Durch die Annahme der subjektiven Bewertung anhand der objektiven Kriterien ist es zudem möglich, intra- und interindividuelle Unterschiede bei der emotionalen Reaktion auf dasselbe Ereignis zu erklären. Kritisiert wurde und wird hauptsächlich die sehr große Rolle bei der Aktualgenese der Emotionen, die in diesen Ansätzen den Kognitionen zugeschrieben wird. Vor allem Zajonc (1980, 1984) präsentierte einige gewichtige empirische Ergebnisse, nach denen Emotionen (oder zumindest einfache Präferenzen) offensichtlich ohne kognitive Beteiligung entstehen
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können. Der Einwand, kognitive Prozesse zu stark zu gewichten, wird jedoch durch zwei Prämissen einschätzungstheoretischer Ansätze entkräftet: Zum einen nehmen die meisten Einschätzungstheorien nicht für sich in Anspruch, alle emotionalen Phänomene erklären zu können oder den einzigen Weg der Aktualgenese der Emotionen entdeckt zu haben (vgl. Scherer 2000 S. 654-656). Zum zweiten – und dieser Punkt ist wichtiger – wird von vielen Kritikern die Bewertung der Reize anders interpretiert als von den meisten relevanten Theorien intendiert: Tatsächlich stellt Scherer (2000 S. 654) fest, dass diese Bewertungen auf einem „low level of the central nervous system“ stattfinden. Diese Bewertungen sind also, wie Clore et al. (2005 S. 401-404) konstatieren, nicht unbedingt hochkomplexe kognitive Gedankengänge, über die die betreffenden Personen Auskunft geben können, sondern „these are typically fast, unconscious, and based on simple associations“ (Clore et al. 2005 S. 404). Attributionstheoretische Ansätze Diese Ansätze betonen die Bedeutung der Kausalattributionen, also der Ursachenzuschreibung, für die Entstehung von Emotionen (vgl. Gotlib & Abramson 2000 S. 613-614, Meyer 2000 S. 106). Sie sind, weil Kausalattributionen eine spezielle Klasse der Kognitionen darstellen, eine Variante der kognitions- und einstellungstheoretischen Ansätze. Dennoch weichen ihre Kernannahmen zum Teil deutlich von den oben vorgestellten Theorien ab. Ausgangspunkt der attributionstheoretischen Ansätze ist, dass der vermutete Grund bzw. Auslöser eines internen oder externen Ereignisses bestimmend für die Art der evozierten Emotion ist. Insbesondere Schachters Zwei-Faktoren-Theorie (vgl. Schachter & Singer 1962, Schachter 1964) hat im Marketing Bedeutung erlangt. Basierend auf ihrem vielfach zitierten Experiment (vgl. Schachter & Singer 1962) benennen Schachter und Singer zwei Faktoren, deren Zusammenspiel Grundlage für die Entstehung einer Emotion sei: (1) eine wahrgenommene oder erlebte physiologische Erregung und (2) eine kognitive Komponente. Die Stärke der physiologischen Erregung bestimme demnach die Intensität der erlebten Emotion, sei selbst aber emotionsunspezifisch (vgl. Meyer 2000 S. 107). Die Art der erlebten Emotion hänge vielmehr entscheidend von der kognitiven Bewertung der Situation ab (bspw. ob die Situation gefährlich ist) sowie von der Überzeugung, dass die erlebte physiologische Erregung mit der eingeschätzten Situation zu tun habe. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass eine empfundene Erregung und eine Einschätzung der Situation zusammen nicht für die Entstehung einer Emotion ausreichen. Die Attribution der Erregung auf die Situation ist eine fundamentale Voraussetzung der Emotionsgenese. Neurologische und psychophysiologische Ansätze Neurologische und neurophysiologische Ansätze fokussieren auf die zentralnervösen oder peripher-physiologischen Prozesse und Strukturen, die mit Emotionen zusammenhängen oder diesen zugrunde liegen (vgl. Meyer et al. 2001 S. 47-48). Zumeist basieren diese Theorien auf Beobachtungen physiologischer Reaktionen auf typischerweise emotionsauslösende Stimuli
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(bspw. erhöhte Aktivität im ventromedialen frontalen Kortex, vgl. Adolphs 2006 S. 542-543) oder auf der Analyse neuronaler Strukturen (bspw. axonale Verbindungen der Amygdala mit anderen neuronalen Strukturen, vgl. LeDoux 2000 S. 161-166). Drei Ansätze, die sich auf eine neurologische und neurophysiologische Basis beziehen, hatten und haben großen Einfluss auf die Konsumentenforschung: das Konzept der Emotionslokalisierung im Limbischen System (vgl. MacLean 1949), die Emotionstheorie LeDoux‘ (1996, 2000) sowie die Hypothese der Hemisphärenasymmetrie. Das Modell der Emotionslokalisierung im Limbischen System 9 (vgl. MacLean 1949) ging vor allem deshalb in die Konsumentenforschung ein, weil es eine klare Trennung funktionaler Hirnstrukturen für Emotionen und Kognitionen postuliert: Zentrale Annahme des Modells ist eine lokale Trennung von Kognitionen und Emotionen in dem Sinne, dass „cognition came to be thought as the business of the neocortex and emotions of the limbic system“ (LeDoux 2000 S. 158). Obwohl auch heute noch in manchen Veröffentlichungen aufgegriffen, ließen bereits ab den späten 50er Jahren Erkenntnisse der Neurologie Zweifel an dieser starren Lokalisierung kognitiver und emotionaler Funktionen aufkommen (vgl. Swanson 1983, LeDoux 2000 S. 158). Zwei Meta-Analysen finden keine Anhaltspunkte dafür, dass ausschließlich bestimmte Gehirnstrukturen für die Verarbeitung oder Aktualgenese spezifischer Emotionen verantwortlich sind (Phan et al. 2002, Murphy et al. 2003). Hingegen häufen sich die Belege dafür, dass manche Hirnstrukturen, wie bspw. der netrolaterale präfrontale Kortex, sowohl an der Verarbeitung emotionaler wie auch kognitiver Prozesse beteiligt sind (vgl. Adolphs 2006 S. 542-544, für einen aktuellen Überblick vgl. Phelps 2006, Barrett et al. 2007 S. 381-390). Daneben wurde LeDoux‘ (2000) Emotionstheorie in den letzten Jahren in der Emotionsforschung vielfach aufgegriffen. Auf seine Arbeit wird auch im Marketing vor allem dann verwiesen, wenn die unbewusste Natur von Emotionen und deren Aufgabe der schnellen Reizantwort belegt werden soll (vgl. Clore et al. 2005 S. 400, Winkielman et al. 2005). LeDoux geht von einer subkortikalen Verbindung zwischen dem sensorischen Thalamus und der Amygdala aus (in der Abbildung 3 durch (1) gekennzeichnet), die etwas kürzer ist, als der kortikale Pfad vom Thalamus über kortikale Strukturen zur Amygdala (in der Abbildung 3 durch (2) gekennzeichnet). Im sensorischen Thalamus können die „Inputs“ der Sinnesorgane verarbeitet und weitergeleitet werden. Die Amygdala ist wohl für die Bewertung der Reize und – indirekt – die Auslösung emotionaler Verhaltensweisen und Reaktionen des autonomen Nervensystems verantwortlich (vgl. Schmidt-Atzert 1996 S. 174, LeDoux 2000 S. 161-166, 175). Über den subkortikalen Pfad soll eine schnellere, nicht durch bewusste Prozesse gesteuerte emotionale Reaktion vermittelt werden: So erschrecken wir bspw. noch bevor wir
9 Bereits Papez (1937) hatte im sogenannten Papez Circuit ein Modell der an der Emotionsentstehung beteiligten neuronalen Strukturen aufgestellt, das von MacLean (1949) erweitert und verändert wurde.
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überhaupt bewusst den Grund dafür wahrnehmen. Und auch ein bewusstes Gefühl sei, so LeDoux, nur die Folge der Bewertung durch die Amygdala und somit der emotionalen Reaktion zeitlich nachgelagert: „working memory will become aware of the fact that the fear system of the brain has been activated. This additional information […] could be the condition for the subjective experience of an emotional state of fear” (LeDoux 2000 S. 176). Vor allem aber impliziert der subkortikale Pfad, dass emotionale Reaktionen ohne semantische Verarbeitung erfolgen können mithin ohne kognitive Beteiligung. Abbildung 3: Nach LeDoux (1996) an der Weiterleitung und Verarbeitung emotionaler Reize beteiligte Strukturen im Gehirn
Quelle: nach Fellous et al. (2002 S. 8) (1) kennzeichnet die subkortikale (2) die kortikale Weiterleitung der eingehenden Informationen aus der Umwelt bis zur, von LeDoux (1996) angenommenen emotionalen Verarbeitung in der Amygdala
LeDoux (1996, 2000) erhebt nicht den Anspruch, ein Modell zur Erklärung aller möglichen Emotionen vorgelegt zu haben (vgl. dazu auch Schmidt-Atzert 1996 S. 174). Seine Studien beziehen sich vor allem auf Angst und Furcht-Konditionierungen. Obwohl häufig zitiert, wurde seine Emotionstheorie in letzter Zeit vermehrt kritisiert. Insbesondere die Allgemeingültigkeit der Annahme der subkortikalen Verbindung – und damit verbunden der schnellen, unbewussten Emotionsreaktion – wurde aus verschiedenen Gründen in Zweifel gezogen (vgl. Dolan 2000, Davidson 2003 S. 129-130, Clore et al. 2005 S. 400, Storbeck et al. 2006, Storbeck & Clore 2007 S. 1223-1224):
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(1) Anscheinend können nur sehr einfache Stimuli (z.B. Hell-Dunkel-Kontraste) ohne Einbeziehung des visuellen Kortex verarbeitet werden; die Aktualgenese der Emotionen in komplexen Einkaufssettings sollte also größtenteils nicht subkortikal vermittelt sein; (2) LeDoux (1996) selbst schätzt für die Aktualgenese der Emotionen den kortikalen Pfad bedeutsamer ein als den subkortikalen Pfad. (3) Gegen die zentrale Rolle der Amygdala sprechen Befunde, nach denen Patienten mit Läsionen dieser Struktur von keinen Änderungen in ihrem emotionalen Erleben berichten (Anderson & Phelps 2002). Insgesamt schlussfolgern Clore et al. (2005 S. 400), dass „these facts favor the view that with visual stimuli, semantic processing is necessary for affect retrieval”. Oder mit den Worten Storbecks et al. (2006 S. 41): „the brain must know what something is in order to know whether it is good or bad”. Abbildung 4: Lateralität Hemisphärenasymmetrie
der
Hemisphärenfunktionen
nach
Hypothese
der
Quelle: Schütz (2002 S. 151), dort in Anlehnung an Andreasen & Esch (2001)
Einige, oftmals praxisorientierte Veröffentlichungen im Marketing beziehen sich auf die Hypothese der Hemisphärenasymmetrie, die von einer Links-rechts-Asymmetrie der Gehirnfunktionen bei Entstehung, Verarbeitung und Auswirkung von Emotionen und Kognitionen ausgeht (vgl. Blumenschein & Ehlers 2002, BauerMediaKG 2003 S. 18, Behfeld 2006). So soll die rechte Hemisphäre bei Gefühlen, Intuition, und Kreativität involviert sein. Sie bilde die emotionale Seite des Gehirns. Der linken Hemisphäre seien Funktionen wie analytisches und rationales Denken zuzuschreiben (vgl. Abbildung 4). Von diesen Annahmen wird dann auf Determinanten und Wirkungen von Emotionen geschlossen 10 (vgl. bspw. Andresen & Esch 2001 S. 1082, Schütz 2002). Die Annahme funktionaler Asymmetrien in unserem Gehirn wird insbesondere in Bezug auf verbale Reize von einer ganzen Reihe von Studien gestützt 11. Nicht-sprachliche
10
Reins (2006 S. X) folgert bspw.: "Die emotionale Seite entscheidet früher. Fünf Sekunden bevor unsere rationale Gehirnhälfte überlegt, ob wir aus dem Spaghetti-Soßen-Regal die vierte Soße von rechts kaufen. Weil ihr Etikett in uns Bilder 'echt italienisch, nach Mamas Art und Toskana' wachruft.“ 11
Beispielsweise wurden für sprachliche Funktionen (fast alle Rechtshänder verfügen über eine linkshemisphärische Sprachdominanz, vgl. Jäncke 2006), Händigkeit (vgl. Pritzel 2006) und die Verarbeitung
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2. Emotionen und Online-Shops
psychologische Funktionen scheinen dabei aber nicht bedeutend lateralisiert zu sein. Auch wenn die Befundlage zu dieser Fragestellung insgesamt noch recht dürftig ist, sprechen Ergebnisse aus den letzten Jahren dafür, dass beide Hemisphären an der Entstehung und Kontrolle der Emotionen beteiligt 12 sind (vgl. Vingerhoets et al. 2003, Berckmoes & Vingerhoets 2004, Mandal & Ambady 2004, Killgore & Yurgelun-Todd 2007). Eine strikte Trennung in eine kognitive und eine emotionale Gehirnhälfte, wie sie die Hypothese der Hemisphärenasymmetrie nahelegt, wird so nicht gestützt. Integrativer Ansatz von Barrett et al. (2007) Die Heterogenität der Ansätze in der Emotionsforschung, festzumachen vor allem an den sehr unterschiedlichen Perspektiven auf die Emotionen, steht der Integration der jeweiligen Erkenntnisse und Ergebnisse oftmals im Weg. In ihrem kürzlich vorgeschlagenen Ansatz versuchen deshalb Barrett et al. (2007) einen Forschungsrahmen aufzustellen, der die Standpunkte und Herangehensweise vieler Ansätze in Beziehung zueinander setzt und deren Annahmen aufeinander bezieht. Vor allem die beiden Richtungen, die in den letzten Jahren die Emotionsforschung geprägt hätten, nämlich neurologische und psychophysiologische sowie kognitive und einschätzungstheoretische Ansätze, würden „the mind [with] nothing more than the process that produce it“ erklären (Barrett et al. 2007 S. 374), also auf einer deskriptiven Analyseebene bleiben. So beschrieben die neurologischen Ansätze die hirnphysiologischen Prozesse und die Einschätzungstheoretiker vornehmlich die Bewertungsprozesse, die zu einer Emotion führen. Aber das eigentliche Phänomen, also der Zustand einer Emotion, werde so nicht erklärt. Oder in den Worten von Barrett et al. (2007 S. 374): „While expedient, this scientific approach leaves out an important aspect of reality: people feel something when they experience emotion“. Barrett et al. (2007) stellen deshalb das subjektive Erleben der Emotionen in den Mittelpunkt ihres Modells. Als dessen Grundlage sehen sie die beständige Auseinandersetzung des Individuums mit sich und seiner Umwelt: Das Gehirn empfange zu jedem Zeitpunkt sensorische Informationen über die externe Umwelt, somatoviscerale Informationen des Körpers und gespeichertes Informationen über Situationen und Objekte aus dem Gedächtnis (vgl. LeDoux 2000 S. 161-165, Barrett et al. 2007 S. 386). Die ständige, automatische Bewertung dieser Informationen bildet den core affect. Dieser sei nicht objektgerichtet und
unterschiedlicher Reizklassen bzw. Systeme (z.B. linke Hemisphäre: Wörter, verbales Gedächtnis; rechte Hemisphäre: Gesichter, Farben, visuelles Gedächtnis, vgl. Kroeber-Riel & Weinberg 2003 S. 353, Jäncke 2006 S. 601) unterschiedliche Beteiligungen beider Hemisphären gefunden 12 Ob beide Hemisphären aber unterschiedliche Aufgaben im Rahmen der Emotionsverarbeitung übernehmen, ist dabei unklar: In der Valence-Specific-Hypothesis wird beispielsweise vermutet, dass die Valenz der Emotion den Ort der Verarbeitung bestimmt: Positive Emotionen werden in der rechten Hemisphäre, negative in der linken verarbeitet (vgl. Adolphs et al. 2001). Die empirischen Ergebnisse dazu sind aber widersprüchlich (vgl. Killgore & Yurgelun-Todd 2007).
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nicht zwangsläufig bewusst. Sollte es die Situation erfordern, können seine Inhalte aber in das Bewusstsein aufrücken (vgl. Barrett et al. 2007 S. 388). Obgleich Barrett et al. (2007) von neurologischen Korrelaten des core affect berichten (Strukturen des ventromedialen präfrontalen Kortex und des orbifrontalen Kortex, vgl. Barrett et al. 2007 S. 382-383), kann ihrer Meinung nach auch die mentale Repräsentation dieser emotionalen Reaktion nicht auf die Aktivität einzelner neuronaler Komponenten zurückgeführt werden (vgl. Barrett et al. 2007 S. 383). Abbildung 5: Modellhafte Veranschaulichung der Aktualgenese der Emotionen nach Barrett et al. (2007)
Der core affect sei also eine automatische Grundtönung, die Informationen über die Valenz (positiv vs. negativ) der derzeitigen Situation enthalte. Diese einfache Information sei noch keine erlebte Emotion. Erst durch die Attribution des core affect auf ein Objekt (eine Situation, eine Person oder ein Ereignis) und die Interpretation und Kategorisierung des Kontexts und des core affect werde aus der einfachen Valenz-Einschätzung eine subjektiv erlebte Emotion (vgl. Abbildung 5) (vgl. Barrett et al. 2007 S. 379-381). Hier greifen Barrett et al. (2007) Vorstellungen der Einschätzungstheorien auf, bringen diese aber in einen anderen Kontext: Einschätzungstheoretiker gehen davon aus, dass die Einschätzung einer Situation bspw. als wertekompatibel und neuartig zu einer bestimmten Emotion führe. Dagegen postulieren Barrett et al. (2007 S. 380), dass eine bestimmte Emotion das Erleben der Situation als bspw. wertekompatibel und neuartig beinhaltet. Insofern sind die AppraisalDimensionen der Einschätzungstheorien eher „descriptions rather than causes of situated meanings“ (Barrett et al. 2007 S. 380). Zusammenführung und Basis der vorliegenden Arbeit Dieser Abschnitt erläutert, welchen Standpunkt die vorliegende Arbeit in Bezug auf zentrale Fragen der Emotionsforschung einnimmt. Dazu greifen diese Ausführungen auf die vorherige
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2. Emotionen und Online-Shops
Darstellung zentraler theoretischer Ansätze, insbesondere auch von Barrett et al. (2007), zurück und beziehen sich auf den Stand der empirischen Forschung. Dieser Abschnitt soll nicht als Versuch missverstanden werden, Fragen zu klären, die seit Jahrhunderten unbeantwortet sind. Vielmehr ist es in einem Bereich, in dem der Untersuchungsgegenstand sehr unterschiedlich definiert wird, nach Ansicht des Autors notwendig, das eigene Verständnis offenzulegen und zu begründen. Bewusstseinsgrad der Emotionen Sowohl für die Messung der Emotionen als auch für die Modellierung ihrer Antezedenten und Folgen, ist die Frage nach dem Bewusstseinsgrad der Emotionen von großer Bedeutung. Der Begriff unbewusst hat gemeinhin zwei mögliche Bedeutungen (vgl. Bargh 1994, Gray 2000 S. 91-94, Clore et al. 2005 S. 386-387, Lundquist & Öhmann 2005 S. 98, Gawronski et al. 2006 S. 493): Zum einen können damit Prozesse gemeint sein, die tatsächlich subliminal ablaufen und sich auch unter Aufmerksamkeit dem Bewusstsein nicht erschließen (bspw. Reaktionen des hormonellen Systems). Zugleich werden damit Inhalte und Prozesse bezeichnet, die ohne Aufmerksamkeit und automatisch ablaufen, aber bei entsprechender Lenkung der Aufmerksamkeit in das Bewusstsein rücken können. 13,14 Die alltägliche Erfahrung legt nahe, dass bewusstes subjektives Erleben zu einer Emotion dazugehört (vgl. Meyer et al. 2001 S. 31-32, Lambie & Marcel 2002 S. 219-220): Wenn wir uns ärgern, dann ist es doch gerade die erlebte Empfindung, also der phänomenologische Aspekt der Emotion, der diesen Ärger ausmacht. Und wenn wir uns über ein Geschenk freuen, macht die erlebte Empfindung der Freude die Phänomenologie dieser Emotion aus. Mit anderen Worten: Im Alltagserleben zeichnet sich eine Emotion eben gerade durch das bewusste Gefühl aus (vgl. Newen & Zinck 2008 S. 42). Allerdings zeigen viele empirische Studien, dass menschliches Verhalten und Erleben von emotionalen Prozessen abhängen die vollkommen ohne Bewusstsein ablaufen können (Zajonc 1984, LeDoux 2000, Bargh 2002, Dijksterhuis et al. 2005, Calvo et al. 2007): Personen können sich bspw. vertrauten Menschen gegenüber freundlicher verhalten als Fremden, obwohl weder die Unterschiede im Verhalten noch im Erleben bewusst sein müssen (Zajonc 1980, 1984); oder sie reagieren mit typischem Verhalten der Furcht (Orientierungsreaktion, fight-or-flight) noch bevor die Quelle der Furcht bewusst geworden ist (LeDoux 1995, 2000).
13 Was genau das Bewusstsein ausmacht und wie physiologische Prozesse in psychische, bewusste Inhalte überführt werden bzw. diese darstellen, ist dabei weitestgehend unklar (vgl. bspw. Könnecker & Ayan 2005 S. 63-64). Gray (2000 S. 92) fasst dies so zusammen: „It is at present unknown how the brain gives rise to conscious experiences of any kind; neither is there yet on the horizon any remotely adequate theory of how the trick is done.” 14 Eine andere Auffassung vertrat hingegen Freud (1953), der zwischen unbewussten (dem Bewusstsein nicht zugänglichen) und vorbewussten (dem Bewusstsein prinzipiell zugänglichen, aber derzeit nicht in das Bewusstsein aufgerückten) Inhalten unterschied.
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Beide Aspekte zu integrieren versuchen Dual-Process Modelle der Emotionen (vgl. Smith & Neumann 2005 S. 294-299), denen auch der vorgestellte Ansatz von Barrett et al. (2007) zugeordnet werden kann. Die Modelle dieses Ansatzes postulieren mindestens zwei an der Aktualgenese der Emotionen beteiligte Systeme, aus denen unterschiedlich stark elaborierte sowie in unterschiedlichem Ausmaß bewusste Emotionen hervorgehen (vgl. Keltner & Haidt 1999, Clore & Ortony 2000, Keltner & Haidt 2001, Barrett 2005, Scherer 2005, Barrett et al. 2007): ein assoziatives System, das schnell, automatisch und ohne zwingende Beteiligung des Bewusstseins emotionale Reaktionen hervorbringt und ein komplexeres rule-based System, bei dem Emotionen die Folge einer reflektierten, bewussten Verarbeitung sind. Anhand von Barrett et al. (2007) lassen sich die Unterschiede gut verdeutlichen: Das assoziative System bringt den core affect hervor. Dazu empfängt es kontinuierlich Informationen aus der internen und externen Umwelt der Person. Normalerweise ist der core affect unbewusst. Er kann aber die Aufmerksamkeit der Person lenken und so die zur Verfügung stehenden Ressourcen an die Situation anpassen (vgl. Barrett et al. 2007 S. 388). Wird die Aufmerksamkeit auf den core affect gelenkt, bspw. weil die Situation dies nötig macht, kann der core affect auch bewusst wahrgenommen werden. In diesem Falle wird er direkt als wenig differenziertes Gefühl (angenehm vs. unangenehm) bewusst (vgl. Barrett et al. 2007 S. 388-389). Die Prozesse, die nach Barrett et al. (2007) das subjektive Erleben der Emotion hervorbringen, entsprechen hier dem rule-based-System. Das Ergebnis ist bewusst zugänglich und im Fokus der Aufmerksamkeit. Das Zusammenspiel dieser beiden Systeme kann durch die folgende Metapher beschrieben werden: Während das assoziative System die Umwelt wie einen durchgängigen Film automatisch verarbeitet, fokussiert das rule-based-System auf einzelne, relevante Standbilder (Snapshots) aus diesem Film, die dann zusammen mit der emotionalen Reaktion bewusst werden. Welche Standbilder relevant sind, wird dabei u.a. durch den core affect nahegelegt. Zusammengefasst bedeutet dies: Nicht alle an einer Emotion beteiligten Prozesse sind unmittelbar bewusst. Wird aber die Aufmerksamkeit auf diese Prozesse gelenkt, können sie in das Bewusstsein aufrücken. Diesen Standpunkt macht sich auch die vorliegende Arbeit zu eigen. Emotionen und Kognitionen Im Abschnitt 2.1.1 Begriffsverständnis und Abgrenzung zu verwandten Begriffen wurden Emotionen von anderen mentalen Zuständen abgegrenzt. Ungeklärt blieb aber aus gutem Grund die Beziehung zwischen Emotionen und Kognitionen. Da dieser Aspekt nicht ohne Rückgriff auf die zuvor vorgestellten Ansätze der Emotionsforschung betrachtet werden kann, wird erst hier auf die Beziehung zwischen beiden Konstrukten eingegangen. Abgesehen von behavioristischen Standpunkten, deren Vertreter entweder die Existenz mentaler Zustände wie Kognitionen und Emotionen komplett verneinten oder aber zumindest deren Erklärungskraft für das Verhalten bezweifeln (vgl. Rossiter 2001 S. 1), haben vor allem
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zwei zentrale Hypothesen zur Beziehung zwischen Kognitionen und Emotionen weitreichenden Einfluss auf die Forschung: (1) die affective independence / primacy hypothesis und (2) die affective interdependence hypothesis (vgl. Lazarus 2000 S. 7-10, Storbeck & Clore 2007 S. 1212-1225). Die affective independence/primacy hypothesis bestimmt Kognitionen und Emotionen als „separable, parallel, and partially independent systems“ (Zajonc et al. 1982 S. 211). Obgleich nach dieser Annahme Emotionen und Kognitionen miteinander interagieren können, stellen sie zwei nebeneinander existierende Entitäten dar, die unterschiedlichen (hirnanatomischen) Systemen entspringen (vgl. Muncy 1986 S. 226, Dörner & Stäudel 1990, Zajonc 2000 S. 325326). Hier ist das schon erwähnte Konzept der Emotionslokalisierung im Limbischen System (vgl. MacLean 1949) anzusiedeln, nach dem Kognitionen und Emotionen nach dem Ort ihrer Verarbeitung / Genese getrennt werden können. Dieses Konzept wurde bereits in den 1950’er Jahren kritisiert und seit dem durch zahlreiche hirnanatomische und physiologische Befunde infrage gestellt. 15 Insgesamt sprechen viele Befunde für die hohe, beidseitige Interdependenz von Kognitionen und Emotionen, sowohl was die beteiligten Hirnareale als auch deren Einfluss auf das Verhalten angeht (vgl. Davidson 2003 S. 129-130, Greene et al. 2004, Phelps 2006, Storbeck et al. 2006, Barrett et al. 2007 S. 389-390, Duncan & Barrett 2007 S. 1201, Storbeck & Clore 2007 S. 1214-1217). Davidson (2003 S. 129) schlussfolgert in seinem Überblicksartikel sogar, dass die Annahme separater und unabhängiger Hirnareale zur Verarbeitung von Kognitionen und Emotionen die erste der „seven sins in the study of emotions“ sei. Die affective interdependence hypothesis geht davon aus, dass Emotionen und Kognitionen so eng miteinander verknüpft seien, dass eine klare Trennung beider Konstrukte nicht durch die zugrunde liegenden hirnanatomischen Strukturen und nicht auf Ebene der beteiligten Prozesse erfolgen könne (vgl. Barnard et al. 2007 S. 1178, Duncan & Barrett 2007 S. 1201-1202). Vielmehr seien beide Konstrukte anhand ihrer phänomenologischen Unterschiede zu differenzieren (vgl. Barrett 2005 S. 389-390, Phelps 2006 S. 46-47). Wie oben dargelegt, scheint tatsächlich viel dafür zu sprechen, dass Emotionen und Kognitionen in z. T. den gleichen oder hoch interdependenten Arealen des Gehirns verarbeitet werden (vgl. für eine Übersicht auch Davidson 2003 S. 129-131, Phelps 2006). Dieser Befund deckt sich ebenfalls mit aktuellen Modellen, nach denen Kognitionen emotionale Zustände verbunden mit dem konzeptionellen Wissen über ein Objekt sind (vgl. Barsalou 2008 S. 629). Emotionen und Kognitionen können demnach als zwei unterschiedliche Reflexionen derselben Entität angesehen werden (vgl. Duncan & Barrett 2007 S. 1202), die jeweils einen anderen inhaltlichen Fokus haben: Konzeptionelles Wissen über Ereignisse und die Welt
15 Für eine aktuelle Diskussion zu diesem Problem vgl. LeDoux (2000 S. 157-159). Er fasst seine Übersicht des Forschungsstandes so zusammen: „…the limbic system theory is inadequate as an explanation of the specific brain circuits of emotion…“ (LeDoux 2000 S. 159)
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sowie Problemlöseprozesse werden als Kognitionen erfahren. Affektive Bewertungen der internen und externen Umwelt sowie deren Bedeutungen (wie bspw. der core affect, vgl. Barrett et al. 2007 S. 390, Duncan & Barrett 2007 S. 1202) werden hingegen als Emotionen reflektiert oder evozieren entsprechende Reaktionen (vgl. Pham 2007 S. 170-172, Cohen et al. 2008 S. 297-299). Letztendlich ist die Frage der Unterscheidung von Kognitionen und Emotionen auch immer eine Frage der Breite der Definitionen beider Konstrukte (vgl. Vogel 1996 S. 59-63). Für die Problemstellung der folgenden Arbeit ist aber die Differenzierung von Emotionen und Kognitionen nach ihrem jeweiligen Fokus (Kognitionen: Problemlöseprozesse und Faktenwissen; Emotionen: affektive Bedeutungen und Bewertungen) sinnvoll und zielführend. 2.1.4 Emotionen in der Konsumentenforschung Nach der grundsätzlichen Begriffsklärung, gibt dieser Abschnitt einen Überblick über die Bedeutung der Emotionen in der Konsumentenforschung. Obwohl die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Emotionen und Gefühlen weit in die Antike zurückreicht (vgl. Solomon 1993), haben doch Paradigmen wie bspw. der methodische Behaviorismus dazu geführt, dass mit Beginn der 1980’er Jahre Emotionen häufiger Gegenstand empirischer Untersuchungen wurden (vgl. Cohen & Areni 1991 S. 189, Vogel 1996 S. 9, Schimmack & Crites 2005). Seit dem hat das Interesse an den Ursachen und Wirkungen der Emotionen stetig zugenommen, so dass mittlerweile eine Reihe von empirischen Ergebnissen den bedeutenden Einfluss der Emotionen auf verschiedenste Aspekte des Lebens belegen (für eine Übersicht vgl. bspw. Cacioppo & Gardner 1999, Cohen et al. 2008). Auch die anfangs stark an Kognitionen und Verhalten orientierte Konsumentenforschung wandte sich – allerdings erst Mitte der 1980’er Jahre – dem Feld der Emotionen stärker zu (vgl. Kroeber-Riel & Weinberg 2003 S. 368-370, Johar et al. 2006, Silberer & Büttner 2007 S. 224, Cohen et al. 2008 S. 297-298). Dabei häufig aufgegriffene Themen fasst die Abbildung 6 zusammen. Deutlich wird, dass sowohl die Determinanten der Emotionen als auch ihre Wirkungen Gegenstand empirischer Forschung wurden. Das größte Hindernis bei der Integration der Befunde stellen die z.T. sehr unterschiedlichen Definitionen und Operationalisierungen der Emotionen dar. Nicht immer wird bspw. zwischen Emotionen und Stimmungen klar getrennt (vgl. Hirschman & Stern 1999 S. 5). Dies ist vor allem bei der Betrachtung der Wirkungen von Bedeutung – insbesondere wenn nach der Nachhaltigkeit der Folgen gefragt wird. Auf Seite der emotionsauslösenden Stimuli beschäftigen sich eine Vielzahl von Untersuchungen mit den emotionalen Reaktionen auf Werbung (vgl. Bagozzi et al. 1999 S. 193-195, Kroeber-Riel & Esch 2000 S. 156-161). Im Vordergrund steht dabei die Erfassung des Spektrums der durch Werbung evozierten Emotionen (vgl. bspw. Zeitlin & Westwood 1986, Edell & Burke 1987). Daneben werden emotionale Reaktionen auf einzelne
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2. Emotionen und Online-Shops
Gestaltungsmerkmale untersucht, wie zum Beispiel die Tonalität der Werbung (bspw. argumentative vs. inszenierende vs. narrative Anzeige, Raschka & Schmeißer 2007), das Umfeld der Werbung (bspw. Kirchler & Kapfer 1987), Textappelle (bspw. Arten unterschiedlicher Gefahrenhinweise, Dickinson & Holmes 2008) oder Eigenschaften der Hintergrundmusik (bspw. Gonçalves et al. 2007). Neben klassischer Werbung rücken in letzter Zeit auch neuere Werbeformen in den Fokus der Forschung, bspw. Emotionen, die durch den Besuch von Marketing-Events ausgelöst werden (vgl. Drengner 2004, Mau et al. 2006, Weihe 2008). Abbildung 6: Übersicht zentraler Themen der Studien zu Emotionen in der Konsumentenforschung
Daneben lassen sich Untersuchungen der von bestimmten Konsum- oder Kaufsituationen ausgelösten Emotionen finden (vgl. Holbrook & Hirschman 1982). So analysieren bspw. Derbaix & Pham (1991) emotionale Reaktionen vor, während und nach verschiedenen Konsumsituationen (u.a. Restaurantbesuch und Autofahren, vgl. auch Kapitel 4.2, S. 89). Nach den Ergebnissen dieser Studie lösen Konsumsituationen nur wenige sehr intensive Emotionen aus, generell jedoch mehr positive als negative (vgl. Derbaix & Pham 1991 S. 349-350). Ebenfalls Emotionen in Konsumsituationen untersuchte Richins (1997). Die Autorin verglich dabei die Emotionen beim Gebrauch Produkte, die sentimental aufgeladen sind, beim Gebrauch von Produkten mit Erholungswert und bei der Benutzung von Fahrzeugen. Unterschiedliche Konsumsituationen gehen demnach mit unterschiedlichen emotionalen Reaktionen einher (vgl. Richins 1997 S. 134). Bezüglich der Kaufsituationen werden vor allem emotionale Reaktionen auf einzelne Elemente der Ladenumwelt (bspw. Yalch & Spangenberg 1990, North et al. 1999) oder Verkaufsgespräche (bspw. Puccinelli 2006) untersucht. Daneben gibt es Versuche, die Vielfalt der einzelnen Gestaltungselemente der Ladenumwelt zu reduzieren, indem nach globalen Beschreibungsmerkmalen der Ladenumwelt und deren Wahrnehmung durch die Kunden gefragt wird. Mehrabian und Russell (1974 S. 5) schlugen dafür bspw. die Informationsrate vor, also die Vielfalt und Neuartigkeit der Umweltreize. Andere Autoren erweitern diese Annahme mit zusätzlichen
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Beschreibungsmerkmalen und prüfen deren Relevanz für die Auslösung von Emotionen (wahrgenommene Orientierung, Bost 1987 S. 98, Erwartungskonformität, Machleit & Eroglu 2000 S. 103). Bezüglich der Wirkungen der Emotionen wurden vielfach die Effekte auf Entscheidungsprozesse untersucht (vgl. Bagozzi et al. 1999 S. 195-201, Loken 2006 S. 465-472, Cohen et al. 2008 S. 319-331). Dabei nehmen Emotionen auf diverse Weise Einfluss auf Entscheidungen: So prägen sie die Erinnerungen an bestimmte Gedächtnisinhalte (z.B. werden Informationen, die mit dem aktuellen emotionalem Zustand kongruent sind, leichter erinnert, Isen et al. 1978), sie beeinflussen die Kategorisierung und Integration von Wissen (bspw. erkennen Personen in einem positiven emotionalen Zustand mehr Zusammenhänge zwischen Objekten, Isen & Daubman 1984). Zudem beeinflussen Emotionen die Suche nach kreativen und flexiblen Entscheidungsstrategien (Isen et al. 1987) und die Abwägung von Risiken (bspw. werden in positiven emotionalen Zuständen weniger Risiken in Situationen mit einem möglichen großen Verlust und geringem Gewinn gemieden und umgekehrt, Arkes et al. 1988) sowie die Tiefe und Strategie der Informationsverarbeitung (bspw. führen negativ erlebte Emotionen zu einer tieferen Informationsverarbeitung und der Bevorzugung von Argumenten gegenüber Hinweisreizen, Vries et al. 2008). Auch für das Kauf- und Konsumverhalten sind Emotionen von großer Bedeutung: Emotionen beeinflussen beispielsweise das Impulskaufverhalten (vgl. Weinberg & Gottwald 1982), die Verweildauer im Geschäft (vgl. Bost 1987), das Verhalten im Laden (bspw. Explorationsverhalten, Diehl 2002), die Intention Investitionen zu tätigen (vgl. MacGregor et al. 2000), die Preisbereitschaft (vgl. Lerner et al. 2004) sowie die stringente Verfolgung der Kaufziele (vgl. Bagozzi et al. 1998). Donovan und Rossiter (1982) untersuchten schon Anfang der 1980er Jahre den Einfluss der Emotionen auf das Kaufverhalten während des Ladenbesuchs: Ihre Ergebnisse zeigen, dass Kunden, die während des Einkaufs positive Emotionen erleben, mehr Geld ausgeben, länger im Geschäft bleiben und dabei vermehrt auch im Angebot stöbern, eher in Kontakt mit dem Verkaufspersonal treten sowie das ganze Geschäft positiver beurteilen als Kunden, die negative Emotionen im selben Geschäft erleben. Kaufaktübergreifend scheinen Emotionen die Intention etwas in Zukunft zu kaufen stärker zu beeinflussen, als die kognitiven Überzeugungen der Konsumenten (Martin et al. 2008). Insbesondere die Bedeutung differenzierter Emotionen wie Ärger und Angst für das Konsumverhalten wurde in der letzten Zeit häufiger thematisiert. So konnten Garg et al. (2007) zeigen, dass traurige Menschen eher zu Lebensmitteln mit einer hedonischen Qualität (wie bspw. Eis oder gebuttertes Popcorn) greifen, als glückliche Menschen. Des Weiteren wirken sich Emotionen auf die Kundenzufriedenheit und die Bewertung von Objekten aus. Bezüglich der Kundenzufriedenheit mit einer Urlaubsreise hat kürzlich Faullant (2007) den Einfluss von Freude und Angst auf die Kundenzufriedenheit analysiert. Oliver (1993) konnte zeigen, dass Emotionen, die infolge der Benutzung von Produkten wie Autos
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2. Emotionen und Online-Shops
entstehen, auch die Zufriedenheit mit diesen Produkten bestimmen. Eine Vielzahl von Studien belegt zudem den großen Einfluss von Emotionen auf die Bewertung von Objekten (vgl. Forgas 1995, Gorn et al. 2001). Häufig untersucht wurden u.a. die Wirkungen der emotionalen Reaktion auf eine Werbung auf die Einstellung zu dieser Werbung und zur beworbenen Marke (vgl. Holbrook & Hirschman 1982, Edell & Burke 1987, Burke & Edell 1989). Insgesamt zeigte sich bei vielen Studien ein so starker Zusammenhang zwischen Emotionen und Einstellungen, dass manche Autoren unter beiden Konstrukten das gleiche Phänomen verstanden haben (bspw. Edell & Burke 1987). Diese Ansicht hat sich aber kaum durchgesetzt, sodass in der aktuellen Literatur, gestützt durch empirische Befunde (bspw. Bodur et al. 2000 S. 25), Konsens darüber besteht, unter beiden Begriffen unterschiedliche Konstrukte zu verstehen (vgl. Cohen et al. 2008 S. 313). 2.2
Online-Shops und Online-Forschung
2.2.1
Begriff und Wesen der Online-Shops
Engelhardt (2006 S. 9) versteht unter einem Online-Shop oder e-Shop „eine Einkaufsstätte in einer virtuellen Umgebung…, in der im protokollbasierten Daten-austausch zwischen Kunde und Anbieter gegen Entgelt elektronisch Güter offeriert und bestellt bzw. Dienstleistungen in Anspruch genommen werden.“ Insbesondere zwei konstituierende Eigenschaften der OnlineShops werden in dieser Definition besonders betont: Zum einen ist ein Online-Shop ein virtueller Raum. Da – verein-facht ausgedrückt – virtuell bedeutet, dass bestimmte Objekte zwar nicht physisch, aber dennoch in ihrer Leistungsfähigkeit, Wirkung oder Funktionsweise vorhanden sind (vgl. Ellis 1994 S. 17, Diehl 2002 S. 11), handelt es sich bei einem OnlineShop nicht um einen im Raum-zeitlichen Sinne real existierenden, physisch begehbaren Laden (vgl. Steuer 1992 S. 34-35, Diehl 2002 S. 12, Kroeber-Riel & Weinberg 2003 S. 586), sondern um seine virtuelle Entsprechung, die dennoch die relevanten Eigen-schaften und Funktionsweisen des realen Ladens aufweist. Das zweite von Engelhardt (2006 S. 9) besonders betonte Merkmal der Online-Shops ist das von elektronischen Medien vermittelte Zusammentreffen zwischen Kunden und dem Angebot des Anbieters. Online-Shops ermöglichen demnach die Transaktionsan-bahnung und -verhandlung zwischen medial vernetzten Kunden und Anbietern, ohne dass der Ort, an dem sich die Kunden, der Anbieter und sein Angebot jeweils befin-den, in der physischen Welt näher bestimmt sein muss (vgl. Silberer 2000 S. 281). Innerhalb des durch diese Definition aufgestellten Rahmens sind spezifische Ausgestaltungen der Online-Shops möglich. Engelhardt (2006 S. 23) schlägt zwei Dimensionen vor, anhand derer verschieden gestaltete Online-Shops systematisiert werden können. Demnach unterscheiden sich Online-Shops durch: x
den Einsatz geeigneter Gestaltungselemente, die bei den Besuchern die Illusion einer Einkaufsumgebung erzeugen können (bspw. dreidimensionale Darstellung der Ein-
2. Emotionen und Online-Shops
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kaufsräume oder bildhafte Darstellung der Navigationselemente, Engelhardt 2006 S. 15-17) und x
den Personalisierungsgrad der angebotenen Dienstleistungen (bspw. one-to-many oder one-to-one Dienstleistungen, Engelhardt 2006 S. 21).
Tabelle 5: Vor- und Nachteile des Online-Einkaufs aus Konsumentensicht Wahrgenommene Vorteile von Online-Shops Kann von zu Hause aus shoppen Kann jederzeit shoppen Spart Zeit Kann schwer zu findende Artikel kaufen Gute Preise Lieferservice Kann Artikel kaufen, die es in meiner Umgebung nicht gibt Unkompliziertes Bestellen Einfacher Vergleich von Preisen/Produkten möglich Vermeide Staus/Verkehr Mehr Auswahl Informationen über Produkte sind einfacher zu finden Steuerfrei Guter Kundenservice Sicherheit beim Bezahlen
43,1 35,2 23,1
Wahrgenommene Nachteile von Online-Shops Kann Produkte nicht sehen und anfassen Sicherheitsbedenken
22,0
Benötige Kreditkarte
23,5
20,3 19,2
Retour schwierig Liefergebühren
22,8 17,5
15,5
Lieferzeit zu lang
14,5
15,4
Keine Gespräche mit Verkaufspersonal möglich
10,1
in %
in % 35,7 33,7
14,5
Fehlendes Vertrauen
8,6
14,2 12,4
Falsches Produkt geliefert Finde nicht genug Informationen
5,8 5,3
8,8
Schlechter Kundenservice
4,1
6,1 2,6 2,3
Preise zu hoch Für verderbliche Ware nicht geeignet
3,6 2,5
Quelle: Browne et al. (2004 S. 242), Original in Englisch, Mehrfachnennungen möglich
Online-Shops zeichnen sich durch eine Reihe von besonderen Merkmalen aus, die sie von nicht-virtuellen, physikalisch begehbaren Läden abgrenzen (vgl. Helander & LKhalid 2000, Chaffey et al. 2001 S. 40-44, Burke 2002, Kaufman-Scarborough & Lindquist 2002, Levin et al. 2003, Montoya-Weiss et al. 2003, Browne et al. 2004, Laroche et al. 2005 S. 256-257): x
Möglichkeit des orts- und zeitunabhängigen Einkaufs Browne et al. (2004 S. 242) befragte 18-25-jährige Studierende nach den Vor- und Nachteilen, die sie mit dem Einkaufen in Online-Shops verbinden. Die Möglichkeit, von zu Hause aus einkaufen zu können, wurde von über 40% der Befragten genannt; Unabhängigkeit von Öffnungszeiten von knapp 35% (Mehrfachnennungen möglich, vgl. Tabelle 6). Auch in aktuellen Umfragen im deutschsprachigen Bereich werden neben der Preistransparenz im Internet die Unabhängigkeit von Ladenöffnungszeiten und die Vermeidung des Aufsuchens des Ladengeschäfts als wichtigste Vorteile der OnlineShops genannt (Fitkau&Maaß 2006 S. 46).
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2. Emotionen und Online-Shops Senkung der Transaktionskosten Viele transaktionsbezogene Aktivitäten können auf digitaler Basis kostengünstiger vollzogen werden. Für Händler ergibt sich eine schnelle und relativ unkomplizierte Aktualisierbarkeit des Sortiments, der Preise, aber auch der Informationen und Verkaufsförderungsaktionen. Zugleich wird die individuelle Kommunikation mit einer großen Anzahl Kunden mit deutlich weniger Aufwand als in nicht-virtuellen Geschäften möglich. Auf diese Weise erlangte Kostenvorteile können den Preisspielraum der Anbieter in Online-Shops erhöhen. Auf Seiten der Kunden sinken die Transaktionskosten schon dadurch, dass eine geringe oder gar keine räumliche Distanz zur Einkaufsstätte zurückgelegt werden muss, die Kommunikation mit und der Vergleich von verschiedenen Anbietern erleichtert wird und Wartezeiten bspw. an der Kasse vermieden werden.
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Erhöhung der Informationstransparenz Für Kunden ergeben sich Informationsvorteile in Online-Shops primär dank der Möglichkeit, schnell, relativ unkompliziert und orts- wie zeitunabhängig auf Informationen aus vielen Quellen 16 zugreifen zu können. Gleichzeitig können diese Informationen wegen der technischen Gegebenheiten so ausgewählt, kategorisiert und dargeboten werden, dass ihre Aufnahme erleichtert wird. Aber auch für Anbieter ergibt sich eine erhöhte Informationstransparenz: Besucher und Kunden von Online-Shops geben oftmals vielfältige private Daten preis – vor allem während des Bestellprozesses.
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Kein physisches Produkterleben vor und während des Kaufs Als größten Nachteil der Online-Shops nannten die Befragten der Studie Brownes et al. (2004 S. 242) die fehlende Gelegenheit, die Produkte vor dem Kauf anzufassen, auszuprobieren oder auch einfach nur zu sehen (vgl. Tabelle 6). Tatsächlich sind die Möglichkeiten, das Produkt in Online-Shops zu erfahren begrenzt: Taktile oder olfaktorische Informationen können in der Regel nicht an die Besucher von Online-Shops weitergegeben werden. Es gibt allerdings erste Versuche, ein Duftsystem für OnlineShops zu entwickeln (vgl. Diehl 2002 S. 29-30). Je nach Produktgruppe und Kundentyp können gerade diese Informationen kaufentscheidend sein (vgl. Krishna & Morrin 2007).
Für das Konsumentenverhalten in Online-Shops ergeben sich einige Implikationen aus den angeführten Aspekten. Zum einen befindet sich der Besucher von Online-Shops in zwei Umwelten: Er bewegt sich gleichzeitig in der virtuellen Umgebung des Online-Shops wie auch in seiner physikalischen Umwelt. Sautter et al. (2004 S. 14) sprechen in diesem Zusammenhang von den dual environments im Rahmen des Online-Shopping. Anders als im
16 Insbesondere die technischen Möglichkeiten des Web 2.0 und die damit verbundene Etablierung erweiterter Optionen des Austauschs zwischen Konsumenten, die sich nicht persönlich kennen, bieten Kaufinteressierten neue Informationsquellen.
2. Emotionen und Online-Shops
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nicht-virtuellen, begehbaren Ladengeschäft, wird das Konsumentenverhalten in Online-Shops also nicht nur von der Ladenatmosphäre und den Ladenelementen bestimmt, sondern auch von der davon abweichenden Umgebung des Aufenthaltsortes des Konsumenten – wie oben angesprochen, ist dieser Ort oft die eigene häusliche Umgebung. Damit verbunden ist unter anderem häufig eine weniger starke Fokussierung auf den Ladenbesuchsakt beim OnlineShopping. Denn das Internet wird oftmals nicht ausschließlich genutzt: Über die Hälfte aller Internetnutzer hört nebenbei gelegentlich Radio, etwa 40% schauen fern und etwa die Hälfte unterhält sich beim Surfen im Netz häufig mit anderen Menschen (vgl. Eimeren & MaierLesch 1999 S. 596, forsa 2005 S. 22). Folgt man dem Paradigma der begrenzten kognitiven Kapazität (vgl. Kahneman 1973 S. 7-12, Silberer 1979 S. 51-52), steht die durch diese Aktivitäten gebundene Informationsverarbeitungskapazität nicht mehr für Entscheidungsprozesse im Online-Shop zur Verfügung. Daneben können von der häuslichen Umgebung aber auch andere Einflüsse auf den Konsumenten wirken, die normalerweise nicht von der Ladenumgebung ausgehen würden: u.a. die vertraute häusliche Umgebung, die Abwesenheit unbekannter Personen und die größere Anonymität, gleichzeitiger Alkoholgenuss, verkürzte Wege von der Bedarfsgenese bis zum Kauf wegen des direkten Zugang zum Shop. Zugleich, und das ist eine zweite Implikation der oben angesprochenen Aspekte, ist die während des Ladenbesuchs verfügbare Informationsmenge in Online-Umge-bungen ungleich größer als in nicht-virtuellen Läden (vgl. Pachauri 2002 S. 271, Bellman et al. 2006 S. 22). Die ist vor allem auf die erweiterten technischen Mög-lichkeiten innerhalb eines Webangebots sowie auf die unkomplizierte Verfügbarkeit anderer Informationsquellen als jene des Online-Shops im Internet zurückzuführen. Innerhalb eines Shops werden in OnlineUmgebungen oftmals deutlich mehr Produktinformationen dargestellt als in stationären Geschäften. Einer der Gründe dafür ist der Versuch der Anbieter, das fehlende sensorische Produkterleben auszu-gleichen (vgl. Laroche et al. 2005 S. 262). Außerdem ist grundsätzlich eine oftmals unüberschaubare Informationsmenge zu den meisten Produkten nur wenige Maus-Klicks entfernt – und durch spezielle Suchmaschinen zugänglich. 17 2.2.2
Themen der Konsumentenforschung in Online-Shops
Obwohl sich die Marketingforschung schon sehr früh mit dem Internet beschäftigt hat (vgl. Ngai 2003), kam es erst Ende der 1990er Jahre zu einem signifikanten Anstieg der Zahl der entsprechenden Veröffentlichungen: Ngai (2003) findet in einer der ersten Überblicksarbeiten zu Veröffentlichungen im Bereich Internetmarketing insgesamt 270 Artikel, die in den 14 Jahren zwischen 1987 und 2000 veröffentlicht wurden (durchschnittlich etwa 19 Artikel pro Jahr). In diesen wurden vor allem die Auswirkungen und der Nutzen des Internets für das strategische Marketing behandelt (vgl. auch Abbildung 7). Studien zu anderen Aspekten, auch
17 Auch beim Besuch nicht-virtueller Geschäfte erlauben mittlerweile bspw. spezielle mobile Angebote für Handys den Zugriff auf vielfältige weitere Informationsquellen (vgl. Böcker & Quabeck 2002).
42
2. Emotionen und Online-Shops
zum Konsumenten-verhalten, waren zu der Zeit deutlich in der Unterzahl. Mit der steigenden Verbreitung des Internets unter den Konsumenten und seinem damit verbundenen Bedeutungsgewinn wuchs auch die Anzahl der Publikationen. Schibrowsky et al. (2007) berichten in ihrem Überblick von 639 Veröffentlichungen zu diesem Thema in vier Jahren (2001 bis 2004, durchschnittlich etwa 160 Artikel im Jahr). Diese Zahlen bedeuten einen prozentualen Zuwachs von über 840% zwischen den beiden Zeiträumen. Auch die Themen der Veröffentlichungen änderten sich (vgl. Abbildung 7). Das Konsumentenverhalten im Internet und Aspekte der Online-Marketing-kommunikation rückten immer stärker in den Mittelpunkt der Forschung und bildeten 2004 zusammen mit Fragen des strategischen Marketings die drei Themen, zu denen die meisten Publikationen veröffentlicht wurden. Abbildung 7: Themen wissenschaftlicher Publikationen zur Online-Forschung zwischen 1995 und 2004
Quelle: nach Schibrowsky et al. (2007 S. 727-729)
Schlüsselt man die Fragestellungen innerhalb der Online-Konsumentenforschung stärker auf (vgl. Abbildung 8), wird deutlich, dass sich diese vor allem mit der Nutzung von Webseiten und kognitiven Aspekten des Nutzungsverhaltens beschäf-tigen. 18 Relativ spät wandte sich die Forschung auch der Suchmaschinennutzung durch die Konsumenten zu. Das emotionale Konsumentenerleben im Internet sowie dessen Auswirkungen wurden aber bis heute nur relativ selten thematisiert (vgl. Cheung et al. 2005 S. 4, Clark & Wright 2005 S. 5). So waren
18 Einen zusammenfassenden Überblick über die wissenschaftlichen Publikationen zur Online-Kommunikation geben Kim & McMillan (2008), während Publikationen zu strategischen Aspekten des Internet zusätzlich bei Cho & Khang (2006) angesprochen werden. Einen ausführlicheren Überblick über die Publikationen zum Aspekt der Human-Computer-Interaction geben bspw. Olson & Olson (2003).
2. Emotionen und Online-Shops
43 19
bspw. im Mai 2008 in den vier Datenbanken Business Source Premier, PsycARTICLES, Psychology and Behavioral Sciences Collection sowie PsycINFO insgesamt 967 Veröffentlichungen mit peer review zum Thema Konsumentenverhalten in OnlineUmgebungen ab-rufbar. Fast die Hälfte (44%) dieser Publikationen behandelt die Einstellung der Konsumenten, immerhin noch 9% widmeten sich dem Konsumentenvertrauen und 5% thematisierten die Kognitionen der Surfer. Gerade einmal 27 der 967 Artikel (3%) beschäftigten sich mit den Emotionen der Internetnutzer. Dieses Bild bestätigen die theoretischen Ansätze, die die Online-Marketingforschung derzeit dominieren (vgl. Kwong et al. 2002 S. 813, Wiedmann et al. 2004 S. 16-17, Cheung et al. 2005 S. 4): Die meisten empirischen Studien sind entweder rein deskriptiver Natur oder folgen der Theory of reasoned action von Fishbein & Ajzen (1975). Abbildung 8: Themen wissenschaftlicher Publikationen zum Konsumentenverhalten im Internet zwischen 1995 und 2004
Quelle: nach Schibrowsky et al. (2007 S. 727-729)
Die Orientierung der Konsumentenverhaltensforschung in Online-Umgebungen an kognitive und verhaltensbezogene Paradigmen wurde vielfach kritisiert: Jordan (2002 S. 8-10) verweist darauf, dass die Nichtbeachtung emotionaler Reaktionen nur zu einem unvollständigen Bild der Nutzer führen kann und so den Prozess der Nutzung nicht ausreichend abbilde. Er bewertet diesen Zustand so: „This is – by implication if not by intention – dehumanizing” (Jordan 2002 S. 7). Zhang & Li (2005 S. 105) kommen nach Durchsicht der Befunde zu
19
In diesen Datenbanken werden Publikationen eines Großteils der für das Konsumentenverhalten relevanten wissenschaftlichen Journals erfasst.
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2. Emotionen und Online-Shops
einem ähnlichen Urteil: Sie zeigen eine Reihe von Nutzerreaktionen auf, die nicht ohne Berücksichtigung des emotionalen Erlebens der Nutzer erklärt werden können. Erst in den letzten Jahren kam es in der Forschung dann zu einer – wenn gleich immer noch langsamen – Hinwendung zu affektiven Prozessen während der Computernutzung im Allgemeinen und während des Internetsurfens im Speziellen (vgl. Diehl 2002, Menon & Kahn 2002, Eroglu et al. 2003, Sautter et al. 2004, Hassenzahl & Tractinsky 2006 S. 95). Dies belegt auch die eben angesprochene Recherche in den vier erwähnten Datenbanken: Alle 27 Artikel, die sich mit emotionalen Zuständen der Surfer befassten, erschienen nach dem Jahr 2000, 20 dieser Artikel (etwa drei Viertel) sogar erst ab 2005. Dabei können zwei Perspektiven der Emotionsforschung in Online-Umgebungen unterschieden werden: Die eine Forschungsrichtung beschäftigt sich mit der Erfassung affektiver Zustände des Surfers während des Nutzungsprozesses mit dem Ziel, die Interaktionsumgebung adaptiv an den Gemütszustand des Surfers anzupassen (vgl. Klein et al. 2002, Hudlicka 2003). Die zweite Richtung behandelt affektive Zustände der Internetnutzer als Teil des Nutzungserlebens (vgl. Hassenzahl & Tractinsky 2006 S. 93). Neben der Beschreibung der Natur und Dimensionen des Nutzungserlebens rücken hier auch dessen Determinanten und Wirkungen in den Fokus empirischer Studien. Die folgende Arbeit ordnet sich ebenfalls in diesen Bereich der Forschung ein. 2.3
Bewertung und Bezug auf die folgende Arbeit
In seiner Keynote auf der Asia Pacific ACR Conference beschrieb John Rossiter (2001 S. 2) die Rolle der Emotionen in der Konsumentenforschung folgendermaßen: “There is no doubt though, that emotions contribute substantially to the explanation of behaviour and that a purely cognitive account would not be adequate to explain many consumer behaviours.” Im vorhergehenden Kapitel bestätigte sich, dass Emotionen relevant für die Einstellungsbildung, die Kaufentscheidungen sowie das Vor- und Nachkaufverhalten sind. Eine Beschäftigung mit emotionalen Zuständen im Rahmen der Konsumentenforschung erscheint demnach sehr lohnend. Doch hat der Abschnitt 2.2 ebenfalls gezeigt, dass Emotionen nur selten Gegenstand der Konsumentenforschung in Online-Shops waren. Dementsprechend limitiert ist das Wissen, das derzeit zu Determinanten und Wirkungen der Emotionen in Online-Shops vorliegt (vgl. Eroglu et al. 2001 S. 177-178, 2003 S. 140). Die vorliegende Arbeit soll mithin einen Beitrag dazu leisten, die Bedeutung der Emotionen und deren Rolle für das Konsumentenverhalten in Online-Shops besser zu erfassen und so den zur Zeit noch sehr eingeschränkten Erkenntnisstand auf diesem Gebiet bereichern. Folgerungen für die Untersuchung der Determinanten und Wirkungen der Emotionen Die Beschäftigung mit Emotionen im Kontext des Online-Shoppings ist nicht zuletzt interessant, weil Emotionen nicht ohne Objektbezug auftreten. Welche Emotionen ausgelöst werden, hängt also in der Regel unter anderem von der Wahrnehmung der äußeren Umwelt
2. Emotionen und Online-Shops
45
durch den Menschen ab. Diese kann gestaltet werden: im Falle eines Online-Shops bspw. durch das Shop-Design oder das Angebot durch das Marketing. Wie aber die Diskussion aktueller Annahmen zur Aktualgenese der Emotionen zeigte, muss derselbe Reiz bei unterschiedlichen Personen nicht unbedingt die gleiche Emotion auslösen. Was bei der einen Freude hervorruft, wird bei einer anderen möglicherweise Ärger auslösen. Und auch intraindividuell ist die emotionale Reaktion auf ein und denselben Reiz nicht unbedingt stabil: Ein Musikstück kann bei derselben Person manchmal positive und manchmal negative Reaktionen hervorrufen. Welche Emotion durch einen Reiz evoziert wird, hängt stark ab vom Kontext, in dem der Reiz wahrgenommen wurde, und den Erfahrungen und dem Wissen der Person, die den Reiz wahrnimmt. Daraus folgt, dass Reize nicht per se positiv oder negativ sein müssen. Vielmehr bestimmen der Kontext und die Person zu einem nicht unerheblichen Anteil mit, welche Emotion erlebt wird. Als besonders wichtig haben sich dabei zum einen die Erwartungen einer Person an einen spezifischen Stimulus und zum anderen die aktuellen Ziele 20 der Person erwiesen (vgl. Forgas 1995, Bagozzi et al. 1998, Childers et al. 2001 S. 523-526, Carver & Scheier 2002 S. 305-306). Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, den Zielen der Online-Shopper und ihre Bedeutung für die Aktualgenese der Emotionen Rechnung zu tragen, sie somit gebührend zu berücksichtigen. Zudem ist der Kontext, in dem Online-Shops aufgesucht werden, nicht nur bedeutend für die Emotionsgenese, sondern markiert zugleich einen wesentlichen Unterschied zwischen nichtvirtuellen Läden und Online-Shops: Online-Shopping ist durch die Dualität der Umwelt gekennzeichnet. Wie der vorherige Abschnitt aufgezeigt hat, ist eine wichtige Implikation dieser Dualität, dass bei der Untersuchung der Emotionen in Online-Shops auch den Einflüssen der häuslichen Umgebung Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. In diesem Zusammenhang wurden vor allem häusliche Einflüsse angesprochen, die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Kaufvorgang ablenken 21. Die folgende Arbeit und insbesondere die empirische Studie werden sich deshalb den Folgen der Ablenkung während des Surfens für die Emotionsgenese und deren Wirkungen besonders widmen. Bleibt schließlich die Frage, ob und wie Emotionen und Kognitionen in der vorliegenden Arbeit getrennt konzeptionalisiert werden sollen? Im entsprechenden Abschnitt wurde die Auffassung abgeleitet, dass Emotionen und Kognitionen als unterschiedliche Reflexionen derselben Entität angesehen werden können, die in ihrem inhaltlichen Fokus voneinander
20 Im Rahmen dieser Arbeit werden als Ziele einer Person solche Zustände verstanden, die von diesem Individuum angestrebt werden. Nicht alle Ziele müssen dabei zu jeder Zeit der Person tatsächlich bewusst sein. In den Worten Carver und Scheiers (2002 S. 305): „A goal is a reference point (a target) toward which a person wishes or intends to move.“ 21 Auch im Kontext des Besuchs nicht-virtueller Läden kann die Ablenkung vom Kaufvorgang eine Rolle spielen. So wurde bsw. die Wirkungen sogenannter Co-Shopper, also Begleitpersonen während des Einkaufs, oder die Folgen ablenkender Messmethoden während des Kaufvorgangs untersucht (vgl. Otnes et al. 1995, Büttner 2009).
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2. Emotionen und Online-Shops
abweichen: Konzeptionelles Wissen von Ereignissen und der Welt sowie Problemlöseprozesse werden als Kognitionen erfahren. Affektive Bewertungen der internen und externen Umwelt sowie deren Bedeutungen werden hingegen als Emotionen reflektiert oder evozieren entsprechende Reaktionen. Diese Unterscheidung deckt sich weitgehend mit der alltagssprachlichen Verwendung beider Begriffe. Für die Fragestellungen dieser Arbeit, in der es auch um Entscheidungen und Bewertungen geht, erscheint es zwingend, neben den Emotionen auch das konzeptionelle und überlegte Wissen zu betrachten. Dementsprechend soll vor dem Hintergrund, dass beide Konstrukte eng miteinander verwoben sind, ihr Zusammenspiel in der vorliegenden Arbeit thematisiert werden. Folgerungen für die Messung der Emotionen Das vorhergehende zweite Kapitel schafft auch die Grundlage für die spätere Entscheidung über die Operationalisierung der Emotionen im Rahmen der empirischen Studie, die dieser Arbeit zugrunde liegt. Um die Validität 22 der Emotionsmessung sicherzustellen, mussten zunächst das Wesen und die Bestandteile des Konstrukts Emotionen geklärt werden. Wie sich gezeigt hat, werden Emotionen als komplexe Zustände angesehen, an denen eine Vielzahl verschiedener Subsysteme beteiligt ist. Diese Komplexität konnte in vorhergehenden empirischen Arbeiten durch die Zurückführung auf wenige Emotionsdimensionen (wie bspw. Pleasure, Arousal und Dominance, vgl. Mehrabian & Russell 1974) nur selten vollständiger beschrieben werden als mit differentiellen Emotionskonzepten. Der Rückgriff auf differentielle Ansätze ist vor allem dann den dimensionalen Konzepten überlegen, “when the researcher desires a broad assessment of the emotions a consumer might be experiencing” (Richins 1997 S. 142). Diese Aussage trifft für die vorliegende Arbeit zu: Da bisher nur wenig über die differenzierten Emotionen während des Besuchs von Online-Shops bekannt ist, soll ein möglichst vollständiges Bild des emotionalen Erlebens der Surfer gezeichnet werden. Dementsprechend wird in dieser Arbeit ein differentielles Emotionskonzept aufgegriffen. Aus Mangel an deutschsprachigen, auf das Kaufverhalten bezogenen differentiellen Konzepten, muss im Rahmen dieser Arbeit ein geeignetes differentielles Emotionssystem empirisch entwickelt und getestet werden. Neben der Frage des zugrunde liegenden Emotionskonzepts, sind vor allem auch die Annahmen zum Bewusstseinsgrad der Emotionen relevant für deren adäquate Operationalisierung. So führt bspw. die angesprochene Annahme, Emotionen seien komplett unbewusst
22 “Validity is an overall evaluative judgment of the degree to which empirical evidence and theoretical rationales support the adequacy and appropriateness of interpretations and actions on the basis of test scores or other modes of assessment” (Messick 1995 S. 741). Die Validität bezieht sich also auf die Zulässigkeit der entsprechenden Interpretationen der Daten – und ist somit nicht unabhängig von der, der Studie zugrundeliegenden Fragestellung zu bestimmen (vgl. für eine weiterführende Diskussion bspw. Kane 2001, Hartig et al. 2007 S. 136-138). Genau genommen müsste also hier nicht von der Validität der Messung als vielmehr von der Gültigkeit (oder Validität) der Interpretationen und der Schlussfolgerungen auf Basis der erhobenen Daten gesprochen werden.
2. Emotionen und Online-Shops
47
ablaufende Prozesse, von denen lediglich die Interpretation der emotionalen Reaktion bewusst werde (so postuliert bei LeDoux 2000 S. 177), konsequenterweise zu einer weitestgehenden Ablehnung der Befragung als Methode der Emotionserfassung. Vielmehr wird oftmals auf neurophysiologische Methoden oder Beobachtungsmaße zurückgegriffen. Wie bereits dargestellt, folgt diese Arbeit in der Frage, welche Bestandteile der Emotionen bewusst sind, aktuellen Ansätzen der Emotionsforschung. Demnach sind nicht alle an einer Emotion beteiligten Prozesse unmittelbar bewusst. Wird aber die Aufmerksamkeit auf diese Prozesse gelenkt, können sie in das Bewusstsein aufrücken. Dieser Aspekt spricht für die Berücksichtigung verbaler Selbstauskünfte als Erfassungsmethode der Emotionen. Barrett (2007 S. 376) weist zudem darauf hin, dass Selbstauskünfte zu Emotionserfassung nicht nur sinnvoll sind, sondern zur Bestimmung differentieller Gefühle auch notwendig: “It is not possible to measure more easily observable aspects of emotion (e.g., facial movements, vocal acoustics, voluntary behaviors, peripheral physiology) to learn something about its subjective aspect. To know what emotion feels like, it is necessary to ask people what they experience” (vgl. auch Barrett 2004 S. 277). Auch in dieser Arbeit sollen deshalb Emotionen durch Selbstauskünfte erfasst werden. Zusammenfassung Zusammenfassend werden aus dem zweiten Kapitel folgende Implikationen für die folgende Arbeit abgeleitet: x
Der Arbeit liegt ein differentielles Emotionskonzept zugrunde. Es wird zudem in der H1 vermutet, dass ein dimensionales Emotionskonzept das emotionale Erleben während des Besuchs von Online-Shops weniger vollständig abbildet und weniger zur Erklärung der Wirkungen der Emotionen beitragen kann.
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Subjektive Selbstauskünfte sind grundsätzlich zur Erfassung der Emotionen geeignet und zur Erfassung diskreter Gefühle nötig.
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Externe Reize können Emotionen auslösen. Welche Emotion durch welchen Reiz ausgelöst wird, muss weder inter- noch intraindividuell stabil sein.
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Bei der Emotionsgenese während des Besuchs von Online-Shops sind unter anderem Kontext und Ziele der Surfer wichtige Moderatoren.
x
Emotionen und Kognitionen werden in dieser Arbeit durch ihren jeweiligen Fokus definiert.
48
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
3. Modell der Ursachen und Wirkungen von Emotionen beim Surfen in Online-Shops Der Arbeit liegt die zentrale Frage zugrunde, welche Rolle Emotionen für die Konsumenten beim Besuch von und beim Kauf in Online-Shops spielen. Diese eher abstrakte Fragestellung ist zu wenig konkret, um den Ablauf und die Inhalte der weiteren Arbeit zu bestimmen. Im dritten Kapitel soll deshalb ein Modell hergeleitet werden, das geeignet ist, die Beschäftigung mit dieser zentralen Fragestellung zu strukturieren und das Gesamtproblem in konkretere Teilfragestellungen in fassbare Teilaspekte zu zerlegen. Dafür wird im ersten Abschnitt zunächst ein Forschungsrahmen vorgestellt und daraus ein grundsätzliches Modell hergeleitet, das die wesentlichen Teilaspekte der zentralen Fragestellung abbildet. In den folgenden Unterkapiteln 3.2 bis 3.6 werden zu diesen Teilaspekten, basierend auf dem theoretischen und empirischen Stand der Forschung, Hypothesen bzw. Erwartungen formuliert. Diese fließen in ein zusammenfassendes Modell der Ursachen und Wirkungen von Emotionen während des Besuchs in Online-Shops ein, das im abschließenden Unterkapitel des dritten Kapitels vorgestellt wird. 3.1
Forschungsrahmen und Basismodell
Obgleich schon vor 1973 das Konsumentenerleben 23 am Point of Sale und seine Wirkungen sowie Determinanten untersucht wurden (vgl. bspw. Cox 1964, Smith & Curnow 1966, Curhan 1972, Sherman et al. 1997 S. 362-363), fasste zuerst Kotler (1973) in einem Beitrag für das Journal of Retailing systematisch diese Forschung in einem Modell 24 der Einflüsse der Kaufumgebung, genauer: des Geschäfts, auf das Erleben und Verhalten der Ladenbesucher zusammen (vgl. Abbildung 9). Kotlers Grundannahme in diesem Modell ist, dass der Konsument im Geschäft nicht nur auf einzelne Produkte, sondern vor allem auf die gesamte Angebotssituation, das „total product“, reagiert (Kotler 1973 S. 48). Um diese Angebotssituation begrifflich zu fassen, führt er den Begriff der Ladenatmosphäre ein. Darunter versteht er „the quality of the surroundings…by which is meant that the physical surroundings evoke pleasant feelings” (Kotler 1973 S. 50). Kotler (1973 S. 50) stuft dabei die Ladenatmosphäre in manchen Fällen als größeren Einflussfaktor auf die Kaufentscheidung ein als das Produkt selber. Die Ladenatmosphäre wirke vor allem auf die Kaufentscheidung, in dem sie das Wissen und die Emotionen der Ladenbesucher beeinflusse. Dieser Gedanke wird in den Folgejahren vielfach aufgegriffen (vgl. Sherman et al. 1997 S. 363-364, Oh et al. 2008 S. 238-240): So postuliert beispielsweise Oxenfeldt (1974), dass Ladenbesucher sowohl Meinungen als auch Gefühle gegenüber einem
23 Unter dem Konsumentenerleben werden im Rahmen dieser Arbeit alle kognitiven und affektiven Reaktionen des Ladenbesuchers verstanden (vgl. für eine ausführlichere Begründung dieser Position: Mau 2003, vgl. auch Salzmann 2007). 24
Kotler (1973 S. 54) bezeichnet das Modell in seinem Beitrag als eine „kausale Kette“ („causal chain“).
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
49
Geschäft haben, durch die sie sich in ihrer Wahrnehmung des und ihrem Verhalten im Laden beeinflussen lassen. Und auch Belk (1975) stellt in seinem vielbeachteten Beitrag ein Modell vor, in dem die Situation (analog zu Kotlers Vorstellung) und das Objekt (hierunter lässt sich wie bei Kotler das konkrete Produkt fassen) wichtige Einflussgrößen auf den Kunden darstellen. Abbildung 9: Kotlers Modell zur Erklärung des Einflusses der Ladenumgebung auf das Konsumentenverhalten
Quelle: nach Kotler (1973 S. 54)
Etwa zeitgleich mit Kotler (1973), aber ohne auf ihn Bezug zu nehmen, entwickeln Mehrabian und Russell (1974) ein umweltpsychologisches Modell, das in der Konsumentenforschung seither eine überragende Rolle einnimmt (vgl. Donovan & Rossiter 1982 S. 36, Donovan et al. 1994 S. 283-284, Turley & Milliman 2000 S. 193-194). Ihre Intention ist aber sehr viel allgemeiner: Die Umweltpsychologie untersucht, wie die generelle physische (bspw. Umweltverschmutzung oder Straßenschilder) und soziale (menschenleere Plätze oder volle Fußballstadien) Umwelt eines Menschen sein Erleben und Verhalten beeinflusst. Im Kern postuliert das Modell, dass die Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt Reaktionen in seinem Erleben und Verhalten bewirke. Abbildung 10: Schematische Darstellung des umweltpsychologischen Modells Mehrabians & Russells (1974)
Quelle: nach Mehrabian und Russell (1974 S. 8)
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
Wie Belk (1974b, 1974a, 1975) folgen auch Mehrabian und Russell (1974 S. 3-4) dem Stimulus-Organism-Response-Paradigma: Demnach wirken Reize aus der Umwelt (Stimuli) auf den Konsumenten (Organism), was diesen wiederum zu bestimmten Verhaltensreaktionen (Response) veranlasst. Die Autoren formulieren entsprechend in ihrem Modell Annahmen über relevante Umweltreize, intervenierende Variablen aus dem Organismus sowie eine Taxonomie des Reaktionsverhaltens 25 (vgl. Abbildung 10). Auf Seiten der Stimuli beschreiben sie neben der sensorischen Beschaffenheit ein generelles Maß für Umwelteigenschaften: den Informationsgehalt der Umwelt. Dieser löse in den Menschen unterschiedliche emotionale Zustände aus; die intervenierenden Variablen innerhalb des Organismus. Moderiert werde dies durch Variablen der Persönlichkeit, wie bspw. bestimmte Persönlichkeitsmerkmale. Als relevante Reaktionen nennen Mehrabian und Russell (1974) die grundsätzliche Tendenz sich einer Umwelt anzunähern oder diese zu meiden. Mehrabians und Russells umweltpsychologisches Modell wurde zunächst von Donovan und Rossiter (1982) zur Erklärung des Konsumentenverhaltens am Point of Sale herangezogen und einem empirischen Test unterzogen. Die Ergebnisse stützen große Teile des Modells: Das emotionale Erleben der Kunden wurde durch die wahrgenommene Informationsrate der Umwelt beeinflusst. Dieser Zusammenhang fiel mit einem adj. R2 = .25 zwar statistisch signifikant aber dennoch eher gering aus. (Donovan & Rossiter 1982 S. 54). Durch das emotionale Erleben der Kunden wiederum konnte ein substantieller Anteil (44 %) der Varianz des Annäherungs-Vermeidungs-Verhaltens der Kunden erklärt werden (Donovan & Rossiter 1982 S. 49). In der Folgezeit bewährte sich Mehrabians und Russells umweltpsychologisches Modell vielfach in empirischen Studien: Sherman und Smith (1987) replizieren Donovan und Rossiters (1982) Studie mit vergleichbaren Ergebnissen. Bost (1987) befragt statt studentischer Probanden in simulierten Einkaufsvorgängen, wie dies bei den beiden erstgenannten Studien der Fall war, tatsächliche Kunden verschiedener Warenhäuser. Auch er findet Unterstützung sowohl für die Determinanten des emotionalen Erlebens als auch für dessen postulierte Wirkungen. Seitdem wurden eine Vielzahl an Studien veröffentlicht, die dieses Modell testeten und seine Eignung zur Erklärung des Konsumentenerlebens und verhaltens feststellten (vgl. bspw. Baker et al. 1992, Donovan et al. 1994, Spangenberg et al. 1996, Sherman et al. 1997, Gilboa & Rafaeli 2003, Mummalaneni 2005). Neben empirischen Arbeiten folgten auch konzeptionelle Beiträge, die Mehrabians und Russells (1974) Modell ergänzten oder präzisierten. Baker (1986) erweitert die Determinanten des emotionalen Erlebens, in dem sie die Ladenumwelt statt ausschließlich mit der Informationsrate vielmehr anhand von drei Reizklassen beschreibt: soziale Faktoren,
25 An dieser Stelle soll ausschließlich ein Überblick des Modells gegeben werden; in den folgenden Abschnitten geht diese Arbeit jeweils an geeigneter Stelle detaillierter auch auf Mehrabian und Russells (1974) Postulate ein.
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
51
Designfaktoren und Faktoren aus der Umgebung (ambient factors). Bitner (1992) überträgt Mehrabians und Russells Modell auf Service-Umgebungen und fokussiert so bei der Beschreibung der Umwelt auf die atmosphärische Qualität der Umwelt der Dienstleistungserbringung. Auch sie fasst in ihrem Modell diese Umwelt mit Reizen aus drei Kategorien: multisensuale Faktoren der Umgebung, Faktoren des Arrangements des Interieurs sowie Symbole oder Zeichen in der Ladenumgebung. Abbildung 11: Eroglus et al. (2001) Modell der Wirkung von Online-Shops auf das Konsumentenerleben und -verhalten
Quelle: nach Eroglu et al. (2001 S. 179)
Schließlich übertragen Eroglu et al. (2001) Mehrabians und Russells (1974) Modell auf die Erklärung des Erlebens und Verhaltens in Online-Shops. Dabei modifizieren sie das ursprüngliche Modell an zwei wesentlichen Punkten, um es an die Besonderheiten der Online-Umgebung anzupassen (vgl. Abbildung 11): Zum einen ergänzen sie die Reaktion der Ladenbesucher auf die Umwelt, in dem sie die Kognitionen der Konsumenten einbeziehen. Diese Annahme findet sich, wie vorher beschrieben, bereits bei Kotler (1973). Die zweite Modifikation greift allerdings etwas tiefer in das ursprüngliche Modell ein: Aus Sicht der Autoren stellt die Aufgabenrelevanz der Umwelt die wichtigste Determinante des emotionalen und kognitiven Erlebens dar. Hohe Aufgabenrelevanz liege vor, wenn die Umwelt „facilitate and enable the consumer’s shopping goal“ (Eroglu et al. 2001 S. 180). Geringe Aufgabenrelevanz hätten hingegen Informationen und Elemente der Umwelt, die nichts zum Ablauf und Abschluss des Kaufs beitragen. Hier gehen Eroglu et al. (2001) also davon aus, dass Menschen Online-Shops vornehmlich für den Kauf aufsuchen. Wie gut die Umwelt das Stöbern, die Informationssuche oder den Zeitvertreib unterstützt, ist nach diesem Modell irrelevant für die emotionalen und kognitiven Reaktionen auf die Umwelt – und somit auch letztlich für die Wirkungen auf das finale Verhalten. Daneben führen Eroglu et al. (2001 S. 181) mit dem Involvement in die Kaufhandlung eine weitere moderierende Variable der
52
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
Wirkungen der Umwelt auf die emotionalen und kognitiven Zustände ein: Bei hoch involvierten Ladenbesuchern, denen also der Kauf sehr wichtig ist, wird demnach die Aufgabenrelevanz stärkeren Einfluss nehmen. In einem späteren Beitrag unterziehen Eroglu et al. (2003) Teile ihres Modells einem empirischen Test. Dessen Ergebnisse stützen zwar die Vermutung, dass die Online-ShopUmgebung Einfluss auf das emotionale Erleben nimmt, nicht aber das finale Verhalten und die Zufriedenheit mit dem Shop direkt beeinflusst (Eroglu et al. 2003 S. 146-147). Berechnet man allerdings die Varianzaufklärung im emotionalen Erleben durch die postulierte Determinante, die Aufgabenrelevanz der Shop-Elemente, erhält man einen Effekt von sehr geringen 4,7 %. Dieser Befund legt die Vermutung nahe, dass die Aufgabenrelevanz, wie sie von den Autoren in ihrem Modell definiert wird, die Determinanten des emotionalen Erlebens nur unzureichend abbildet. Sautter et al. (2004) greifen die Arbeiten Eroglus et al. (2001, 2003) auf und entwickeln das Modell insbesondere auf Seite der Determinanten weiter. Dazu erweitern die Autoren das Modell vor allem um einen interessanten Aspekt: Sie führen das Konzept der Dualen Umgebung (dual environments, Sautter et al. 2004 S. 15-16) ein. Bewegt sich ein Surfer in einem Online-Shop, dann befindet er sich gleichzeitig in zwei unterschiedlichen Umwelten: Auf der einen Seite ist das die virtuelle Umgebung des Shops, auf der anderen Seite die physikalische Umwelt des Surfers, in der die Mensch-Maschine-Interaktion in dem Moment stattfindet (Sautter et al. 2004 S. 15). Faktoren beider Umwelten, der virtuellen und der physikalischen, beeinflussen gemäß der Annahmen von Sautter et al. (2004) das Erleben und Verhalten der Online-Shop-Besucher. Leider unterziehen die Autoren ihr Modell keiner empirischen Überprüfung. Eine Recherche in den relevanten Datenbanken und Journals offenbarte, dass auch andere Autoren, die sich auf Sautter et al. (2004) beziehen, dem Einfluss der physikalischen Umgebung des Surfers bisher keine Beachtung geschenkt haben. Einen etwas anderen Ansatz, die Umweltdeterminanten des Kundenerlebens abzubilden, wählen Thüring und Mahlke (2007). In ihrem Components of User Experience-Modell (vgl. Abbildung 12), das sich nicht ausschließlich auf Online-Shops, sondern auf alle MenschMaschine-Schnittstellen bezieht, sehen sie zwar ähnlich wie die anderen Ansätze die Systemeigenschaften und Variablen der Person als wesentliche Größen an. Allerdings gehen sie nicht davon aus, dass diese absolute Beschaffenheit der objektiven Realität das emotionale Erleben der Nutzer direkt beeinflusst. Vielmehr steht die Wahrnehmung und Interpretation der instrumentellen (Kontrollierbarkeit und Effektivität der Nutzung) und nichtinstrumentellen (Ästhetik, „look and feel“ des Shops) Qualität dieser Variablen als Mediator dazwischen (Mahlke & Lindgaard 2007 S. 166-167, Thüring & Mahlke 2007 S. 263).
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
53
Abbildung 12: Thüring und Mahlkes (2007) Components of User Experience-Modell
Quelle: nach Thüring und Mahlke (2007 S. 262)
Welche Rolle dabei die jeweiligen Elemente spielen, wird vom Fokus der Surfer bestimmt: Mahlke und Lindgaard (2007 S. 167) definieren einen Goal-mode (aufgaben-orientiert), bei dem die wahrgenommene instrumentelle Qualität die erlebten Emotionen stärker bestimmt, und einen Action-mode (Exploration). Bei Letzterem soll die Wahrnehmung der nichtinstrumentellen Qualität stärkeren Einfluss auf das emotionale Erleben nehmen. In diesem Zusammenhang muss angemerkt werden, dass die beiden Fokusse nicht in jedem Fall eindeutig zu trennen sind: So können auch beim Explorieren (selbstgestellte) Aufgaben den Handlungen der Surfer zugrunde liegen. Zudem merken Carver und Scheier (2002 S. 304306) an, dass auch exploratives Verhalten auf ein Ziel ausgerichtet sei, bspw. auf jenes der Erreichung oder Aufrechterhaltung eines positiven Gefühlszustandes. Tractinsky und Lowengart (2007) betonen in ihrem Ansatz ebenfalls die Bedeutung der subjektiv wahrgenommenen Eigenschaften eines Online-Shops und der Nutzungsintention der Online-Shop-Besucher für deren Reaktionen. Allerdings fügen die Autoren hinzu, dass diese Wahrnehmung nicht unabhängig von der Aufgabe bzw. den Zielen der Surfer sei. Die oben diskutierten Modelle und Überlegungen bilden die Grundlage vorliegender Arbeit. Sie fließen in ein Rahmenmodell ein, das in Abbildung 13 skizziert wird. Deutlich wird dabei, dass auch diese Arbeit auf dem SOR-Paradigma beruht. Ein solches Modell enthält Annahmen über die relevanten Umweltreize und über die intervenierenden Variablen aus dem Organismus sowie eine Taxonomie der daraus resultierenden Reaktionen (vgl. Donovan & Rossiter 1982 S. 36).
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
Abbildung 13: Das Rahmenmodell dieser Arbeit
Hinsichtlich der relevanten Umweltreize folgt diese Arbeit den aktuellen Darstellungen Thüring und Mahlkes (2007) sowie Tractinsky und Lowengarts (2007): Wesentlich für das emotionale Erleben der Online-Shop-Besucher sind nicht unbedingt die objektiven, sondern vielmehr die subjektiv wahrgenommenen, interpretierten Eigenschaften eines Online-Shops (vgl. dazu auch Galan & Gonzales 2001 S. 270-272). Diese Ansicht ist nicht neu. Schon relativ früh in der Geschichte der Markt- und Konsumentenpsychologie hat Spiegel (1961 S. 29) den Ausspruch geprägt: „Nicht die objektive Beschaffenheit eines Produktes oder einer Dienstleistung ist die Realität in der Marktpsychologie, sondern einzig die Verbrauchervorstellung.“ Er folgerte dies nach Prüfung des damaligen empirischen Forschungstandes. Auch aktuelle Theorien der Emotionspsychologie stützen diese Annahme. Die kognitions- und einschätzungstheoretischen Ansätze (Appraisal-Theorien) wie auch der integrative Ansatz von Barrett et al. (2007) (beide vorgestellt in Kapitel 2.1.3) legen eine Bewertung der externen wie internen Reize anhand unterschiedlicher Kriterien nahe, wie bspw. Beitrag zur Erreichung des derzeitigen Ziels, Gefahr usw. Demnach kann also ein und derselbe Reiz bei unterschiedlichen Personen oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche emotionale Reaktionen auslösen, je nachdem wie der Reiz wahrgenommen und subjektiv interpretiert wird. Im folgenden Unterkapitel 3.2 (ab S. 55) werden mögliche Konsequenzen daraus für diese Arbeit diskutiert. Dem Rahmenmodell folgend lösen die wahrgenommenen Eigenschaften Veränderungen in intervenierenden Variablen des Organismus aus. Hier berücksichtigt diese Arbeit sowohl die Emotionen als auch die Kognitionen der Online-Shop-Besucher und folgt damit Kotler (1973) und Eroglu et al. (2001). Die Betrachtung der Kognitionen, obwohl doch die emotionale Reaktion im Zentrum dieser Arbeit steht, wird schon alleine deshalb nötig, weil Emotionen
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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und Kognitionen als zwei unterschiedliche Reflexionen derselben Entität angesehen werden können (vgl. Kapitel 2.1.3). Außerdem sind beide Konstrukte hochgradig interdependent (vgl. Hirschman & Stern 1999, Davidson 2003 S. 129-130, Barrett et al. 2007 S. 389-390, Duncan & Barrett 2007 S. 1201, Storbeck & Clore 2007 S. 1214-1217). Aus den evozierten Emotionen resultieren Verhaltensweisen in der kurzfristigen Interaktion mit dem und der langfristigen Beziehung zum Online-Shop sowie finale Veränderungen in der Einstellung. Die Situation prägt dem zugrunde liegenden Rahmenmodell nach sowohl die Emotionsgenese und die Nutzungssituation als auch den Zusammenhang der Emotionen mit den finalen Größen. Die Situation ist in dieser Arbeit in der physischen Umwelt des Surfers während der Interaktion mit dem Rechner angesiedelt. Somit trägt ihre Aufnahme in das Rahmenmodell der Idee der dualen Umwelt, die Sautter et al. (2004) in die Forschung zum Erleben und Verhalten in Online-Shops eingeführt hat, Rechnung. Wie von fast allen dargestellten Ansätzen postuliert, integriert auch das Rahmenmodell dieser Arbeit Eigenschaften der Person als Moderator der Emotionsgenese und -wirkung. Die folgenden Unterkapitel werden anhand dieses Rahmenmodells detailliertere Hypothesen zu den postulierten Zusammenhängen und Abhängigkeiten herleiten. Zunächst werden im Unterkapitel 3.2 (ab S. 55) die Determinanten der Emotionsgenese erläutert. In Kapitel 3.3 (ab S. 67) wird anschließend das Zusammenspiel zwischen Emotionen, Kognitionen und dem Interaktionsverhalten im Online-Shop ausgeführt. Die finalen Wirkungen der Emotionen werden in Kapitel 3.4 (ab S. 71) diskutiert. anschließend werden die beiden Moderatoren in diesem Modell vorgestellt: der Einfluss der Besuchsmotivation im Kapitel 3.5 (ab S. 75) und der kognitiven Beanspruchung in Kapitel 3.6 (ab S. 80). 3.2
Determinanten der Emotionen
Die erste Frage, zu deren Beantwortung diese Arbeit beitragen soll, ergibt sich also aus dem eben präsentierten Rahmenmodell: Welche Eigenschaften der Umwelt bestimmen die Emotionen, die während des Einkaufs in Online-Shops erlebt werden. Diese Frage wird in dieser Arbeit nicht zum ersten Mal gestellt: Bereits das vorherige Unterkapitel hat gezeigt, dass die Determinanten des emotionalen Erlebens während des Einkaufs in nicht-virtuellen wie virtuellen Umgebungen in der Vergangenheit häufig untersucht wurden. Alleine Turley und Milliman (2000 S. 198-205, Tabelle 2) sammelten 60 Studien, die sich mit denjenigen Eigenschaften der (nicht-virtuellen) Ladenatmosphäre auseinandersetzten, die am Point of Sale Einfluss auf den Ladenbesucher nehmen. Der Großteil dieser Arbeiten versucht die Determinanten der Emotionen empirisch zu fassen: Einzelne Gestaltungsmöglichkeiten der Ladenumwelt, wie z.B. Musik (North et al. 1999), Duft (Spangenberg et al. 1996) oder Farbe (Bellizzi & Hite 1992), werden systematisch variiert und ihre Wirkungen auf den Kunden analysiert.
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
Turley und Milliman (2000) klassifizieren die von ihnen zusammengetragenen nebeneinander stehender Einzelergebnisse in fünf Kategorien. Dabei handelt es sich um Faktoren der äußeren Gebäudegestaltung (bspw. Farbe des Gebäudes, Parkmöglichkeiten und Schaufensterdekoration), Faktoren der generellen Ladenatmosphäre (bspw. Düfte, Musik und Temperatur), Faktoren des Ladendesigns (bspw. Breite der Gänge, Anordnung und Gruppierung der Waren und Kassenstandorte), Faktoren der Flächendekoration (bspw. Aufsteller, Plakate und Preisschilder) sowie um soziale Faktoren (bspw. andere Kunden im Laden, Verkäufer). Ziel der beiden Autoren war es dabei, „to create some organized and logical structure to the study of atmospheric variables” (Turley & Milliman 2000 S. 194). Sie folgten damit Belk (1975 S. 163), der bereits sehr früh proklamierte: „the ultimate problem for all future situational research is the lack of a comprehensive taxonomy of situational characteristics and normal combinations of these characteristics.” Belk (1974b, 1975 S. 159) schlug vor, alle möglichen Faktoren der Umwelt, die irgendeinen Einfluss auf den Menschen nehmen, zusammenzutragen und systematisch auf ihre Wirkungen hin zu untersuchen. Neben Turley und Milliman (2000) schlagen auch andere Autoren entsprechende Klassifikationen vor. Baker (1986) beschreibt soziale Faktoren, Designfaktoren und Faktoren aus der Umgebung („ambient factors“). Bitner (1992) fokussiert speziell auf Service-Umgebungen und stellt drei Kategorien von Umweltreizen vor: multisensuale Faktoren der Umgebung, Faktoren des Arrangements des Interieurs sowie Symbole oder Zeichen in der Ladenumgebung. Sehr ähnliche Kategoriensysteme werden auch von weiteren Autoren beschrieben (Lindquist 1974, Sherman et al. 1997, Baker et al. 2002, Andreu et al. 2006, Bäckström & Johansson 2006). Das Vorgehen, die für das Konsumentenerleben relevanten Umweltreize in Form von Klassifikationssystemen einzelner Gestaltungsmerkmale zu operationalisieren, wird vielfach kritisch gesehen. Zum einen wird ihre Übertragung auf virtuelle Umwelten angezweifelt, denn die gängigen Klassifikationen atmosphärischer Variablen beziehen sich auf nichtvirtuelle Umwelten. Weil hier aber auch Faktoren einbezogen werden, die i.d.R. in OnlineShops nicht vorkommen (bspw. Düfte, Verkäufer oder Schlange-stehen), schlussfolgern Eroglu et al. (2001 S. 179), „that the accepted classifications 26 of the traditional store atmospherics cannot be entirely applicable to the retailing environment, it seems necessary to suggest an alternative taxonomy” (ähnlich auch McKinney 2004 S. 270). Eine zweite, grundsätzlichere Kritik wurde nicht erst in den letzten Jahren laut: Vor allem Russell und Mehrabian (1976 S. 62) bemängeln in einem Diskurs mit Belk (1975), dass diese Systeme „too cumbersome to be usefull“ seien (zu sperrig/unhandlich, um nützlich zu sein). Stattdessen verweisen die beiden Autoren auf Parsimonität als ein wichtiges Kriterium wissenschaftlicher Modelle: Jede Erklärung sollte nur so viele Annahmen und Variablen
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Eroglu et al. (2001 S. 179) beziehen sich hier auf Baker (1986) und Bitner (1992); Turley und Millimans (2000) Klassifikation wurde erst nach Einreichung Eroglu et al.‘s Manuskriptes (01.05.1999) veröffentlicht. Dennoch treffen dieselben Kritikpunkte auch auf diese letztere Klassifikation zu.
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enthalten wie unbedingt nötig (vgl. Schwarz 2008 S. 153). Denn, so argumentieren Russell und Mehrabian (1976 S. 62), jede zusätzliche Variable erhöhe nicht nur den Aufwand der zum Test des Modells betrieben werden müsse, sondern erhöht hier auch die „chances of some effects achieving statistical significance levels on the basis chance alone“. Eine dritte Problematik ergibt sich aus der Betrachtung einzelner Umwelteigenschaften: Wie Besucher auf das Geschäft reagieren, wird nicht nur von einzelnen Elementen bestimmt. Das Einkaufserlebnis der Kunden ist von komplexen Reizkonstellationen und deren Wahrnehmung durch die Kunden abhängig. Es ist aber insbesondere eine Reaktion auf das Gesamtgebilde „Geschäft“, in dem die einzelnen Elemente miteinander interagieren (vgl. Bost 1987 S. 22, Keaveney & Hunt 1992). Galan und Gonzales (2001 S. 271) drücken dies so aus: „All of the elements of Web site design are not perceived in an independent way but rather in a holistic way. Indeed, in a preoccupation with economizing processing resources, the human mind gathers information in dimensions determining the responses to the environment.” Empirische Studien aber, die in der Tradition Belks (1975) die Wirkung einzelner Gestaltungsmerkmale oder Kategoriensysteme auf den Ladenbesucher überprüfen, vernachlässigen diesen Aspekt der holistischen Wahrnehmung der Umwelt (vgl. Andreu et al. 2006 S. 560). So verwundert Bäckströms und Johanssons (2006 S. 417) Resümee kaum, dass trotz ihrer strategischen Bedeutung tatsächlich sehr wenig über emotionsauslösende Faktoren des Point of Sale bekannt sei. Russell und Mehrabian (1976 S. 63) plädieren daher für die Verwendung eines generellen Maßes zur Beschreibung der Umwelteigenschaften. Aus der Informationstheorie entlehnen die beiden Autoren die Informationsrate (vgl. Mehrabian & Russell 1974 S. 77). Dort beschrieb dieses Konstrukt zunächst den objektiven Informationsgehalt eines Events oder Objekts auf einer Dimension von perfekter Regelmäßigkeit und Redundanz der Informationen bis zum anderen Extrem, ihrer extremen Unregelmäßigkeit und Unordnung (vgl. Attneave 1959 S. 503). Während sich dieses Verständnis der Informationsrate auf objektive, physikalische Eigenschaften bezog, betonen Mehrabian und Russell (1974 S. 81) in ihrem Modell statt dessen die Subjektivität der Wahrnehmung der Umwelt. So tragen sie der Adaption an Reizkonstellationen Rechnung: Selbst Umwelten mit einem sehr hohen objektiven Informationsgehalt werden bspw. bei wiederholter Wahrnehmung als weniger informativ wahrgenommen (vgl. Berlyne 1960, 1966). Außerdem werden offensichtlich nicht alle objektiv vorhandenen Reize tatsächlich auch mit Aufmerksamkeit verarbeitet (vgl. bspw. Kahneman 1973 S. 2-7). Mehrabian und Russell (1974 S. 82) folgern entsprechend, dass der subjektiv wahrgenommene Informationsgehalt einer Umwelt umso höher ist, je neuartiger, abwechslungsreicher, überraschender, vielfältiger, komplexer und weniger dissonant die Reizkonstellation für den Wahrnehmenden ist. Mehrabian und Russell (1974 S. 84-88) postulieren in ihrem umweltpsychologischen Modell eine Information rate-Arousal Hypothesis (vgl. Abbildung 10). Demzufolge nimmt die
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
wahrgenommene Informationsrate direkt Einfluss auf das emotionale Erleben der Menschen. Die Autoren berufen sich vor allem auf theoretische Vorarbeiten Berlynes (1960, 1966 S. 2933) und, ihm folgend, de Charms‘ (1968) sowie Fiske und Maddis (1961). Insbesondere Berlynes (1966 S. 126-129) Erklärung betont die unwillkürliche, automatische Verbindung der Neuartigkeit und Komplexität der Reize mit der emotionalen Reaktion. Grundsätzlich strebt demnach der Organismus ein optimales Stimulationsniveau an. Um dieses zu erreichen sucht er Reize aus der Umwelt. Diese Reize aktivieren eine für Orientierungsreaktionen zuständige neurologische Formation, die wiederum von Berlynes (1966 S. 127) so genannte Belohnungssysteme aktiviert. Hieraus resultiert eine positive (oder bei extrem starken Reizen) negative Reaktion (vgl. Berlyne 1966 S. 127-128, Walker 1980 S. 107-110). Für Mehrabian und Russell (1974 S. 84-88) drückt die Informationsrate der Umwelt eben diese Neuartigkeit und Komplexität der Umgebung aus. Demzufolge führt eine höhere Informationsrate zu mehr Aktivierung und positiveren Emotionen. Diese theoretischen Annahmen fanden seither vielfach empirische Unterstützung auch im Kontext des Erlebens und Verhaltens während des Ladenbesuchs: Donovan und Rossiter (1982) finden beispielsweise einen Zusammenhang zwischen der Informationsrate und der wahrgenommenen Aktivierung der Probanden, obgleich dieser mit einer Stärke von R2 = .25 eher gering ausfällt. Auch Roy und Tai (2003) beschreiben die Ladenumwelt durch die Informationsrate. Ihren Ergebnissen zufolge können sie durch dieses Konstrukt sogar 64 % der Varianz des emotionalen Erlebens aufklären. Die Liste empirischer Arbeiten, deren Ergebnisse den Einfluss der Informationsrate auf das emotionale Erleben stützen, ließe sich problemlos fortführen (vgl. bspw. Bost 1987, Spies et al. 1997). Auch im Kontext des Online-Shoppings wurde die Informationsrate, wenn auch nur vereinzelt, zur Beschreibung der Umwelt und als Determinante des emotionalen Erlebens genutzt: Huang (2003) testet ebenfalls den Zusammenhang zwischen der Informationsrate von Online-Shops und dem emotionalen Erleben. Er kann ebenso einen statistisch signifikanten Zusammenhang mit aber wiederum nur geringerer Effektstärke (R2 = .21) aufdecken. Gilboa und Rafaeli (2003) greifen mit der Komplexität der Umwelt auf ein der Informationsrate verwandtes Maß zurück. Wiederum finden die Autoren einen signifikanten, wenn auch nur kleinen Effekt auf das emotionale Erleben in Online-Shops. Basierend auf den hier angesprochenen theoretischen Erklärungen und der empirischen Befundlage folgt für diese Arbeit, dass -
die subjektive Wahrnehmung der Informationsrate als generelles Maß geeignet ist, die wesentlichen Attribute der Umwelt abzubilden, diese einen direkten Einfluss auf das emotionale Erleben der Besucher der OnlineShops haben und Berlynes (1966 S. 126-129) folgend, diese Wirkung insbesondere automatisch und unwillkürlich ausgelöst wird.
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Daraus leitet sich die zweite Hypothese dieser Arbeit ab: H2a: Je stärker (schwächer) die Informationsrate eines Online-Shops wahrgenommen wird, umso intensiver werden positive und weniger intensiv negative (intensiver negative und weniger intensiv positive) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt. Die relativ geringe, obgleich signifikante, Aufklärungskraft der Informationsrate hinsichtlich der emotionalen Reaktionen der Ladenbesucher in bisherigen Studien lässt aber den Schluss zu, dass die Informationsrate nicht die einzige relevante Größe ist für das affektive Erleben ist. Donovan und Rossiter (1982 S. 55) folgerten bereits aus den Ergebnissen ihrer Studie, dass die Informationsrate alleine nicht ausreiche, um die Faktoren aus der Ladenumwelt zu beschreiben, die Einfluss auf das emotionale Erleben nehmen. Als einen weiteren Faktor der Umwelt schlägt Bost (1987 S. 51-53) die Orientierungsfreundlichkeit des Geschäfts zur Erklärung des emotionalen Erlebens während des Einkaufens vor. Insbesondere zwei Überlegungen führen zu diesem Vorschlag: Zum einen sieht Bost (1987 S. 15) in einer orientierungsfreundlichen Struktur der Ladenumwelt eines der wesentlichen Gestaltungsziele des Handels. Gröppel (1991 S. 268) fordert in diesem Sinne gar die Händler auf: „Erhöhen Sie die Orientierungsfreundlichkeit des Geschäftes.“ Und auch Silberer und Jaekel (1996 S. 98) empfehlen mit Blick auf eine stimmungsfördernde Umgebung die Verbesserung der Orientierungsfreundlichkeit. Zum anderen veranlassen Bost (1987 S. 51-53) konzeptionelle Überlegungen zur Berücksichtigung der Orientierungsfreundlichkeit. Basierend auf Berlynes (1960, 1966) Konzept der Präferenz wahrnehmungserleichternder Reizkonstellationen sollten eben gerade orientierungsfreundliche Ladenumwelten positive Reaktionen hervorrufen. Ähnlich vermutet Kaplan (1988 S. 47-49), dass Menschen jene Umwelten bevorzugen, die sie interpretieren können, durch die sie nicht überfordert werden und die sie sinnvoll einordnen können. Und auch Gröppel-Klein (2007 S. 14) führt die durch die Orientierungsfreundlichkeit verbundene Entlastung als Grund für die Relevanz der Orientierungsfreundlichkeit einer Ladenumgebung für das Erleben und Verhalten der Ladenbesucher an. Im Rahmen des Konsumentenverhaltens in Online-Shops kann die Orientierungsfreundlichkeit in ein umfassenderes Konstrukt, nämlich jenes der Usability integriert werden (vgl. Konradt et al. 2003). Unter diesem Begriff wird in der Regel, der ISO Norm 9421-11 folgend, das Ausmaß verstanden, in dem ein technisches System von einem Nutzer so verwendet werden kann, dass er seine Ziele in einem bestimmten Kontext effektiv, effizient und zufriedenstellend erreichen kann. Usability kann also als objektive und subjektive Qualität der Zielerreichung angesehen werden (vgl. Nielsen 1993 S. 26-29, Sarodnick & Brau 2006 S. 17). Orientierungsfreundlichkeit ist dabei, wie angesprochen, nur eine Forderung an Online-Shops mit hoher Usability. Diese setzt sich dementsprechend aus verschiedenen Merkmalen einer Website zusammen. Konradt et al. (2003) extrahieren und prüfen in ihrer Studie sieben Faktoren der Usability: Qualität der Informationen zu den Rahmenbedingungen des Kaufs,
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
Benutzbarkeit der Produktsuche, Handling des Warenkorbs und Kontrolle des Bestellvorgangs, Übersichtlichkeit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Übersichtlichkeit sowie das Merkmal des allgemeinen Usabilityeindrucks, in dem auch die Orientierungsfreundlichkeit eingebettet ist. Dass die Orientierungsfreundlichkeit in das Konzept der Usability integriert werden kann, verdeutlicht auch die Ähnlichkeit der Operationalisierung beider Konstrukte (vgl. Tabelle 7). Deswegen, und wegen des hohen Stellenwerts der Usability in der Evaluation der OnlineShops, wird in dieser Arbeit auf das (im Vergleich zur Orientierungsfreundlichkeit) umfassendere Konstrukt der Usability zurückgegriffen. Tabelle 6: Beispiele für gängige Operationalisierungen der Orientierungsfreundlichkeit und der Usability Operationalisierung der Orientierungsfreundlichkeit bei Bost (1987 S. 101)
Auszug aus der Operationalisierung der Usability bei Konradt et al. (2003 S. 168)
Der Laden hat eine klare Form.
Der Shop ist gut strukturiert.
Die einzelnen Abteilungen sind klar voneinander getrennt.
Die Produkte sind in sinnvoll gewählte Kategorien eingeteilt.
Man kann sich gut merken, wo man etwas findet.
Es ist leicht nach Produkten zu suchen.
Der Laden ist übersichtlich.
Man kann sich schnell einen Überblick über den Shop verschaffen.
Man sieht schon von Weitem, wo man etwas suchen muss.
Die Benennungen sind so gewählt, dass ich gut nach Produkten suchen kann.
Man fühlt sich nie verloren im Laden.
Es ist leicht, sich innerhalb des Shops zu bewegen.
Die Anordnung der verschiedenen Abteilungen oder Waren macht das Einkaufen einfach.
Die Produkte sind sinnvoll angeordnet.
Die Rolle der Usability für die Emotionsgenese wird durch die kognitiven Einschätzungstheorien der Emotionspsychologie gestützt (vgl. Kapitel 2.1.3). Hier wird unter anderem postuliert, dass die Genese einzelner Emotionen von der Bewertung der Situation nach verschiedenen Kriterien abhängt. In vielen aktuellen Ansätzen, die auf dieser Annahme aufbauen, wird das Ausmaß, in dem die Situation geeignet ist, die eigenen Ziele zu erreichen, als ein wesentliches Kriterium angesehen (vgl. auch die Übersicht in Tabelle 4): Ist die Situation der Erreichung der eigenen Ziele förderlich, resultieren positive Emotionen. Behindert die Situation aber dabei, ergeben sich negative Emotionen (vgl. Scherer 2000 S. 638-640). Eine ähnliche Bewertung, wiederum bezüglich der zielerreichungsfördernden Eigenschaft der Situation, nehmen auch Barrett et al. (2007 S. 380) in ihrem integrativem Modell vor. Eine Ladenumgebung mit hoher Usability sollte per definitionem den Kunden helfen, ihre Ziele (Kauf, Unterhaltung, Information, Zeitvertreib usw.) zu erreichen, und so eher positive Emotionen auslösen. Niedrige Usability bewirkt dementsprechend das Gegenteil.
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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Abbildung 14: Zusammenhang zwischen Zielerreichungsprozess und dadurch evozierten Emotionen nach Carver und Scheier (1998) Avoidance process
Approach process Doing well
Elation, eagerness
Doing well
(neutral)
Doing poorly
Sadness, depression
Relief, calmness (neutral)
Doing poorly
Fear, anxiety
Quelle: Carver (2001 S. 347)
Zum gleichen Schluss kommen Carver und Scheier (1998, Carver 2001), die aber eine andere theoretische Erklärung anbieten. Im Rahmen ihres Modells der Handlungsregulation beschreiben sie die Entstehung der Emotionen als Ergebnis eines Soll-Ist-Vergleichs einer Meta-Feedback-Schleife (vgl. Carver & Scheier 2002 S. 305-306). Während in einer Feedback-Schleife der Handelnde die Ergebnisse seines Verhaltens mit Referenzwerten vergleiche und bei wahrgenommenen Diskrepanzen diese aktiv zu vermindern versuche (vgl. Miller et al. 1960, Büttner & Mau 2004 S. 348), werde in der Meta-Feedback-Schleife die Geschwindigkeit dieser Diskrepanzreduktion (Veränderungsraten, Wie schnell nähere ich mich meinem Ziel?) mit der erwarteten Veränderungsrate verglichen. Verringere sich die Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Wert schneller als erwartet (nähert sich der Handelnde also schneller als erwartet dem Ziel), empfinde, so Carver und Scheier, ein positives Gefühl. Sind die Veränderungsraten kleiner als erwartet, resultiere hieraus ein negatives Gefühl (vgl. Abbildung 14). Da eine Ladenumwelt mit niedriger Usability, in der sich die Besucher nur schwer zurechtfinden, den Prozess der Zielerreichung eher verlangsamt, werden sich hier vor allem negative Emotionen ergeben. Für Online-Shops mit hoher Usability gilt dementsprechend das Gegenteil. Trotz der großen Bedeutung sowohl der Usability als auch des emotionalen Erlebens während des Aufenthalts in Online-Shops wurde dem Zusammenhang zwischen beiden Konstrukten in empirischen Studien bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt (vgl. Waiguny et al. 2008 S. 3). Erwähnenswerte Ausnahme sind die Studien von Matzler et al. (2006) und Waiguny et al. (2008), die, jeweils im Kontext von Online-Reisebuchungen, einen direkten positiven Einfluss der wahrgenommenen Usability auf das emotionale Erleben aufdecken (höhere Usability führte zu positiveren Emotionen), obgleich die Stärke der beobachteten Effekte niedrig ist (.03 < R2 < .26 bei Matzler et al. 2006 S. 143, .10 < R2 < .34 bei Waiguny et al. 2008 S. 6). Eine mögliche Erklärung hierfür könnte die eingeschränkte Varianz der Usability
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
der Website gewesen sein, die daraus resultiert haben könnte, dass die Probanden nur auf einer Website surften. Nicht direkt Usability, sondern die Website-Qualität untersuchten Éthier et al.(2006). Sie finden einen Zusammenhang beider Konstrukte, der durch die kognitive Bewertung der Website-Qualität vermittelt wird. In anderen Studien wird ein Zusammenhang der Usability mit einer Form des emotionalen Erlebens, nämlich des Surfvergnügens, im Rahmen eines erweiterten Technology Acceptance Model thematisiert (vgl. Davis et al. 1992, Venkatesh 2000, Koufaris 2003): In der Regel stützen die Ergebnisse die Vermutung, dass das Surfvergnügen umso größer ist, je einfacher eine Website zu bedienen ist 27 (vgl. Abbildung 15, Childers et al. 2001, Liaw 2002 S. 145). Abbildung 15: Erweitertes Technology Acceptance Model
Quelle: modifiziert nach Liaw (2002 S. 141)
Zu beachten ist allerdings, dass das Surfvergnügen nicht mit den in vorliegender Arbeit thematisierten Emotionen gleichzusetzen ist. Bedenkenswert ist hier aber die ausgedrückte positive Valenz des emotionalen Erlebens, das durch die einfache Bedienbarkeit hervorgerufen wird. Eine letzte Studie ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert, obwohl sie nicht im Kontext der Kaufprozesse in Online-Shops, sondern im Rahmen der Nutzung portabler Musikabspieler (wie bspw. mobile MP3-Player) angesiedelt ist. Hier untersuchten
27 Manche Autoren kehren die Kausalität zwischen beiden Konstrukten aber auch um (vgl. Venkatesh 2000 S. 357). In der Tat wurde (und wird) in der Literatur zur Human-Computer-Interaction die Frage, ob Usability die Ästhetik (hier definiert als starkes, positives Gefühl während der Interaktion, Hassenzahl 2004a S. 378) oder Ästhetik die Usability beeinflusst, leidenschaftlich diskutiert (vgl. für eine Übersicht Norman 2004): Während so Tractinsky et al. (2000) ihren Artikel „What is beautiful is usable“ überschreiben, argumentiert bspw. Hassenzahl (2004c S. 344) genau in die entgegengesetzte Richtung. Obwohl die wissenschaftliche Debatte dazu nicht abgeschlossen ist (vgl. Hassenzahl & Tractinsky 2006), geben für diese Arbeit die oben angeführten theoretischen Erklärungen die Richtung des Zusammenhangs vor: Usability erklärt das emotionale Erleben während der Nutzung.
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Mahlke und Lindgaard (2007) die Korrelation zwischen wahrgenommener Usability des Gerätes und der bei dessen Nutzung erlebten Valenz der Emotionen. Dafür simulierten sie verschiedene Gerätevarianten und variierten systematisch deren Bedienbarkeit. Tatsächlich finden die Autoren den vermuteten Zusammenhang: Besser bedienbare Geräte riefen bei ihrer Nutzung positivere Emotionen hervor als weniger gut bedienbare (Mahlke & Lindgaard 2007 S. 171). Basierend auf der hier vorgestellten empirischen Befundlage sowie den präsentierten theoretischen Ansätzen wird in dieser Arbeit angenommen, dass -
die Usability des Online-Shops ein wichtiges Maß zur Beschreibung der Ladenumwelt darstellt, diese einen direkten Einfluss auf das emotionale Erleben der Besucher der OnlineShops haben und den kognitiven Einschätzungstheorien und Barretts et al. (2007) integrativem Ansatz folgend, diese Wirkung insbesondere kognitiv, wenn auch nicht unbedingt bewusst vermittelt, ausgelöst wird. Diese Annahme wird durch die Ergebnisse Éthiers et al. (2006) gestützt.
Daraus leitet sich die dritte Hypothese dieser Arbeit ab: H3a: Je höher (niedriger) die Usability eines Online-Shops eingeschätzt wird, desto intensiver werden positive und weniger intensiv negative (intensiver negative und weniger intensiv positive) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt. In der Literatur wird neben der Usability und der Informationsrate auch darauf verwiesen, dass die Aufgabenrelevanz des Online-Shops wichtig für das emotionale Erleben während des Shop-Besuchs sei (vgl. bspw. Eroglu et al. 2001, 2003, Richard 2005). Unter Aufgabenrelevanz wird in der Regel verstanden, inwieweit ein Online-Shop Elemente enthält, die den Nutzer bei der Erreichung seiner Ziele unterstützen (könnten) (vgl. Eroglu et al. 2001 S. 179, Richard 2005 S. 1633). Wie aber bereits an anderer Stelle erläutert, sind es nicht die objektiven Eigenschaften der Website, die letztendlich die Reaktionen bei den ShopBesuchern auslösen, sondern vielmehr deren subjektive Wahrnehmung und Bewertung der objektiven Realität. Mit anderen Worten: Für die emotionale Reaktion des Online-ShopBesuchers ist es weniger relevant, ob die verschiedenen Elemente der Website objektiv die Zielerreichung unterstützen. Wichtiger ist, zu welcher subjektiven Einschätzung der Surfer kommt. Eine ähnliche Auffassung vertritt unter anderem auch Hassenzahl (2004b S. 47), der argumentiert, dass ein und dasselbe Gestaltungselement einer Website bei unterschiedlichen Personen mit divergierenden Erfahrungen und Fähigkeiten je nach Situation sehr unterschiedliche Reaktionen auslösen könne (vgl. dazu auch Norman 2004 S. 311-312). Während also bspw. für manche Surfer die Navigation über visuelle Metapher (vgl. Engelhardt 2006) hilfreich beim Einkauf sein kann, werden andere Besucher des Online-
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
Shops diese Metapher nicht interpretieren können und dadurch keine Unterstützung bei ihrer Zielerreichung erfahren (vgl. Enschot et al. 2005). Deutlich wird aber auch, dass die subjektive Einschätzung der Unterstützung der Zielerreichung von der Usability und der Informationsrate des Online-Shops abhängt (vgl. Hassenzahl et al. 2003 S. 188, Thüring & Mahlke 2007 S. 262-263): Ist ein Online-Shop nur schwer zu bedienen, wird die gezielte Nutzung der Website erschwert – die Zielerreichung wird, unabhängig vom Ziel, erschwert. Gleichzeitig führt eine Steigerung der Informationsrate (also des subjektiv wahrgenommenen Informationsgehalts, der Komplexität und Neuigkeit der Umwelt), sowohl zu einer Fokussierung auf den Inhalt der Website als auch zu einer positiv erlebten Aktivierung. Beides unterstützt die Site-Besucher bei der Erreichung ihrer unterschiedlichen Nutzungsziele. Dass die subjektiv erfahrene Unterstützung bei der Zielerreichung Einfluss auf das emotionale Erleben nimmt, wird von drei, bereits oben detailliert dargestellten Ansätzen gestützt: den kognitiven Einschätzungstheorien (vgl. Scherer 2000), Barretts et al. (2007 S. 380) integrativem Modell sowie dem Modell der Handlungsregulation von Carver und Scheier (1998, Carver 2001). Diese Ansätze kommen, wenn auch aufgrund unterschiedlicher Annahmen des zugrunde liegenden Mechanismus, zu dem Schluss, dass Reizkonstellationen, die als unterstützend für die Zielerreichung erlebt werden, positive Emotionen verstärken bzw. negativer Emotionen abschwächen. Basierend auf diesen Überlegungen wird in dieser Arbeit angenommen, dass -
die subjektive Einschätzung des Ausmaßes der Unterstützung der Zielerreichung auch von der wahrgenommenen Informationsrate und der Usability des Shops abhängt, die subjektive Einschätzung des Ausmaßes der Unterstützung der Zielerreichung einen direkten Einfluss auf das emotionale Erleben der Shop-Besucher nimmt sowie die Usability und die Informationsrate somit auch einen indirekten, durch diese Einschätzung vermittelten Effekt auf das emotionale Erleben der Surfer haben.
Daraus leiten sich die vierte, fünfte und sechste Hypothese dieser Arbeit ab: H4: Je besser (schlechter) das Ausmaß der Unterstützung der Zielerreichung durch die Ladenumgebung eingeschätzt wird, desto intensiver werden positive und weniger intensiv negative (intensiver negative und weniger intensiv positive) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt H5: Je höher (niedriger) die Informationsrate des Online-Shops eingeschätzt wird, desto größer (geringer) wird das das Ausmaß‘ der Unterstützung der Zielerreichung bewertet. H6: Je besser (schlechter) die Usability des Online-Shops eingeschätzt wird, desto größer (geringer) wird das Ausmaß der Unterstützung der Zielerreichung bewertet.
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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Eine alternative Erklärung zur Wirkung der Ladenumwelt auf Besucher der Online-Shops bieten Schema-Diskrepanz-Modelle (vgl. Nasar 1997 S. 171-172), die bisher allerdings kaum in der Konsumentenforschung rezipiert wurden. Ihnen liegt die Idee zugrunde, dass unser Erleben der Umwelt in Schemata (oder Prototypen) organisiert sei (vgl. Ward et al. 1992 S. 195). Ein Schema bilde sich durch direkte Erfahrung mit der Umwelt und enthalte die prototypischen Eigenschaften der entsprechenden Erlebnisse (vgl. Purcell 1986 S. 3-5, Nasar 1997). Jede neue Konfrontation mit einem entsprechenden Erlebnis führe zu einem Abgleich der neuen Erlebnisse mit den prototypischen Schemata (Purcell 1987, Berkowitz 1993). So haben beispielsweise Besucher eines Fußballstadions eine bestimmte Vorstellung von oder Erwartung an die Atmosphäre und die Erlebnisse, die in diesem Stadion auf sie warten. Herausgebildet wurde dieses sogenannte Schema der Stadionatmosphäre durch vorherige Stadionbesuche. Beim Betreten des Stadions werden nun die neuen Erlebnisse und die aktuelle Wahrnehmung der Stadionatmosphäre mit dem gespeicherten Schema verglichen. Die Schema-Diskrepanz-Modelle postulieren an dieser Stelle, dass das Resultat dieses Vergleichs entscheidend für die Emotionsgenese sei (vgl. Mandler 1984, Purcell 1986, Gaver & Mandler 1987, Nasar 1997 S. 171). Abbildung 16: Zusammenhang zwischen Schema-Diskrepanz der aktuellen Situation und dem emotionalen Erleben in der Situation
Gaver und Mandler (1987) zeichnen hier einen umgekehrt U-förmigen Verlauf der Emotionen auf der Ordinate sowie der Diskrepanz zwischen Schema und aktuellem Erleben auf der Abszisse (vgl. Abbildung 16): Ein völlige Übereinstimmung zwischen neuem Umweltreiz und gespeicherten Schema ist mit einer gewissen Vertrautheit assoziiert, die aber als Langeweile wahrgenommen und vergleichsweise wenig präferiert wird. Nimmt die Diskrepanz zwischen aktuellem Erleben und Schema zu, wird die Situation stärker präferiert und positiver erlebt,
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
bis zu einem Punkt moderater Diskrepanz. Ab dann wird die Diskrepanz zu groß, die Präferenz sinkt wieder und die Situation löst weniger positive und mehr negative Emotionen aus. Und tatsächlich kann Purcell (1986 S. 21-26) empirisch zeigen, dass vor allem solche Situationen präferiert werden, deren Atmosphäre moderat vom prototypischen Schema der Probanden abweicht. Als Erklärung für diesen Verlauf wird oftmals auf Berlyne (1960, 1966) verwiesen. Die Diskrepanz zwischen Schema und aktueller Situation führe zu einer gesteigerten Aktivierung (vgl. Mandler 1984, Nasar 1997). Berlyne erklärt nun den Zusammenhang zwischen der Aktivierung und dem emotionalen Erleben, wie oben beschrieben, mit der Aktivierung von Belohnungs- und Bestrafungszentren. Insbesondere moderate Erregung führt demnach zu positivem Erleben, zu schwache oder zu starke Erregung führt zu negativer Valenz des emotionalen Erlebens. Schema-Diskrepanz-Modelle wurden bislang nur selten in der Konsumentenforschung thematisiert. Zwei Ausnahmen bilden Ward et al. (1992) sowie Machleit und Eroglu (2000). Während Ward et al. (1992) zeigen, dass die Einstellung zu einem bestimmten Fast Food Restaurant von dessen Diskrepanz zum prototypischen Fast Food Restaurant abhängt, testen Machleit und Eroglu (2000) den Einfluss der Diskrepanz zwischen der prototypischen und der aktuellen Ladenatmosphäre auf die Emotionen während des Ladenbesuchs. Die Autoren prüfen allerdings nicht die von diesen Modelle postulierten kurvenlinearen Zusammenhänge, sondern beschränken sich auf lineare Korrelationsanalysen. Machleit und Eroglu (2000 S. 105-107) finden dann auch einen negativen Zusammenhang zwischen der Diskrepanz und der Valenz der Emotionen: Mit zunehmender Diskrepanz werden negative Emotionen stärker erlebt. Obwohl dieser Befund auf den ersten Blick gegen die Annahmen der SchemaDiskrepanz-Modelle zu sprechen scheint, lässt der in Abbildung 16 aufgezeigte kurvenlineare Zusammenhang zwischen Diskrepanz und emotionalem Erleben den Befund mit den Annahmen vereinbaren: Je größer die Diskrepanz ausfällt, desto negativer wird die Valenz des emotionalen Erlebens. Bei größeren Diskrepanzen ergibt sich so also ein negativer linearer Zusammenhang. Basierend auf diesen Überlegungen wird in dieser Arbeit angenommen, dass -
-
die moderaten Abweichungen (in positiver wie negativer Richtung) von der erwarteten Atmosphäre des Online-Shops das emotionale Erleben der Website-Besucher positiv beeinflussen, während starke Abweichungen zu einer negativeren Valenz des emotionalen Erlebens führen.
Daraus leitet sich die siebte Hypothese dieser Arbeit ab: H7: Der Zusammenhang zwischen der Valenz des emotionalen Erlebens und der Diskrepanz der aktuellen und der prototypischen Ladenatmosphäre folgt einem umgekehrt Uförmigen Verlauf: Bis zu einer moderaten Diskrepanz werden mit zunehmender
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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Diskrepanz positive (negative) Emotionen intensiver (weniger intensiv) erlebt. Danach kehrt sich der Zusammenhang um. 3.3
Emotionen im Surfprozess: Das Zusammenspiel mit Kognitionen und Verhalten
Der Abbildung 13 auf Seite 54 folgend, sind Emotionen für den Einkauf in Online-Shops zunächst deshalb von Bedeutung, weil sie Einfluss auf die kaufentscheidungsrelevanten Kognitionen sowie auf das Kaufverhalten während des Ladenbesuchs nehmen. Der folgende Abschnitt soll diese Annahme begründen und in einzelne Hypothesen aufbrechen. Immer wieder wird in empirischen Studien der Einfluss der Emotionen auf Prozesse der Informationsverarbeitung repliziert (aktuelle Übersichten dazu finden sich u.a. bei Phelps 2006 S. 37-40, Clore & Huntsinger 2007, Pham 2007, Watson & Spence 2007, Cohen et al. 2008): Die Studien zeigen, dass sich Emotionen nicht nur auf die Art der verarbeiteten Informationen auswirken (so werden bspw. eher emotionskongruente Gedächtnisinhalte bei der Informationsverarbeitung berücksichtigt, vgl. Eich 1995, Schwarz 2000 S. 433), sondern auch darauf, wie diese Informationen verarbeitet werden. Es wurde beobachtet, dass Menschen, die positive Emotionen oder Stimmungen empfanden, eher von Stereotypen beeinflusst wurden (vgl. Bodenhausen et al. 1994), sich eher auf Heuristiken verließen (vgl. Schneider & Chein 2003), Informationen weniger detailliert verarbeiteten (vgl. Clore & Huntsinger 2007), eher auf generelles Wissen zurückgriffen (vgl. Huber et al. 2004) und anfälliger für Täuschungen im Stroop-Test waren (vgl. Mangold 2001 S. 7). Brown et al. (1998) resümieren mit Blick auf ihre Meta-Analyse zu Effekten der Emotionen auf die Informationsverarbeitung, dass Menschen, die negativere emotionaler Zustände erleben, Informationen stärker elaborieren als Menschen mit positiven Emotionen. Auch andere Autoren kommen aufgrund der vorliegenden empirischen Befundlage zu diesem Schluss (vgl. bspw. Silberer 1999 S. 144-146, Schwarz 2000 S. 434, Isen 2001 S. 77, Clore & Huntsinger 2007 S. 395). Schwarz (2002 S. 147) bezeichnet diesen Effekt als Cognitive Tuning. Eine theoretische Erklärung dieser Befunde bieten Carver und Scheier (2000) in ihrem Modell zum Einfluss emotionaler Vorgänge auf die Selbstregulation. Ihren Vorstellungen entsprechend regulieren die emotionalen Prozesse vor allem die Bereitschaft zu weiteren Anstrengungen. Demnach führen positive Gefühle zu einer Verringerung der Anstrengungen – ähnlich wie bei einem Auto, das zu schnell fährt, nimmt der Handelnde sozusagen den Fuß vom Gaspedal, er lässt die Situation laufen und braucht keine zusätzliche Energie in eine vertiefte Elaboration der Informationen zu investieren. Demgegenüber bewirken negative Gefühle verstärkte Anstrengung – in der Autofahrer-Metapher gesprochen: Der Handelnde „gibt mehr Gas“. In dieser Situation investieren Menschen mehr Energie in die Informationsverarbeitung. Ähnlich argumentiert Schwarz (1986, 2002) sowie Schwarz und Clore (2003) in der Affectas-Information-Hypothese. Demnach informieren emotionale Zustände die erlebende Person
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
über die aktuelle Situation: Negative Emotionen signalisieren eine potenziell gefährliche (oder zumindest zu vermeidende) Umwelt. Um die Situation zu bewältigen, werden automatisch die Wachsamkeit der Person und ihre kognitiven Anstrengungen erhöht (vgl. Pham 2004 S. 362-363). Die mit positiven Emotionen angezeigte sichere, anzustrebende Umgebung, mündet in eine Herabsetzung der Anstrengung und, daraus resultierend, eine Freisetzung kognitiver Ressourcen für andere Aufgaben (vgl. Schwarz 2000 S. 434-435). Basierend auf dem dargelegten Forschungsstand und den vorgestellten theoretischen Erklärungen wird in dieser Arbeit angenommen, dass -
negative Emotionen grundsätzlich die kognitiven Anstrengungen des Online-ShopBesuchers erhöhen, positive Emotionen grundsätzlich zu einer Verringerung der kognitiven Anstrengungen führen und sich diese Effekte der kognitiven Anstrengung insbesondere auf die Erreichung des Ziels des Surfers beziehen.
Daraus leitet sich die achte Hypothese dieser Arbeit ab: H8: Je intensiver negative (positive) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt werden, umso mehr (weniger) handlungssteuernde Gedanken werden erlebt. Die Affect-as-Information Hypothese legt aber noch einen Einfluss der Emotionen auf die Kognitionen nahe, der über den eben dargestellten Zusammenhang hinausgeht: Während die Valenz des emotionalen Erlebens anzeigt, dass irgendetwas nicht stimmt oder die generelle Umwelt sicher ist, beziehen sich die durch Emotionen signalisierten Gefahren auf spezifische Events oder Objekte (vgl. Schwarz 2002 S. 157-158). Zudem enthalten Emotionen mehr Hinweise als nur ein generelles gut vs. problematisch; sie umfassen auch Informationen aus den ihnen zugrundeliegenden Bewertungsprozessen. Auf diese Weise geben sie außerdem Hinweise auf die Art der Gefahr bzw. Sicherheit (vgl. Lerner & Keltner 2000, Schwarz 2000 S. 434-435, Schwarz & Clore 2003 S. 299-300, Mano 2004 S. 107-110). So zeigt uns bspw. die Emotion Ärger nicht nur an, dass etwas in der Umwelt/Situation nicht stimmt, sondern auch: “that another person is responsible for what went wrong because the appraisal pattern underlying anger entails the attribution of responsibility to an actor” (Schwarz 2002 S. 157). Daraus folgt, dass Emotionen gleicher Valenz zu unterschiedlichen kognitiven Reaktionen führen können. Han et al. (2007 S. 159-161) formalisieren den Zusammenhang im AppraisalTendency Framework. Diese Annahme wurde in der letzten Zeit von einigen empirischen Studien aufgegriffen (vgl. Schwarz 2002 S. 157, Shafir & Leboeuf 2002 S. 498-499): Lerner und Keltner (2000) zeigen, dass die beiden negativ erlebten Emotionen Ärger und Furcht unterschiedliche Reaktionen auslösen (Ärger führt zu optimistischen, Furcht zu pessimistischen Entscheidungen). Andere Studien deuten in eine ähnliche Richtung, untersuchen aber ebenfalls ausschließlich die
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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ausgelösten Reaktionen (vgl. Raghunathan & Pham 1999, Tiedens & Linton 2001, Lerner et al. 2003). Das Postulat, dass diesen Reaktionen auch unterschiedliche Kognitionen zugrunde liegen, blieb bisher weitgehend ungeprüft. Schon Lantermann et al. (1992) argumentierten, dass die momentanen Emotionen die handlungsführenden Kognitionen modulieren würden: „Mit einer aktivierten Emotion korrespondierte ein je spezifisches Ensemble von handlungsregulatorischen kognitiven Operationen“ (Lantermann 2000 S. 389). Diese Arbeit folgt der Auffassung und nimmt an, dass -
differenzierte Emotionen, unabhängig von ihrer Valenz, zu jeweils spezifischen kognitiven Reaktionen führen.
Daraus leitet sich die neunte Hypothese dieser Arbeit ab: H9: Unterschiedlich erlebte Emotionen gehen mit einem differenzierten Set an Kognitionen einher. Neben der Informationsverarbeitung wird auch das Verhalten während des Online-ShopBesuchs von Emotionen beeinflusst (vgl. Mehrabian & Russell 1974 S. 96-99, Bagozzi et al. 1998, Eroglu et al. 2001, Carver & Scheier 2002). Insbesondere das bereits vorgestellte, umweltpsychologische Modell Mehrabian und Russells (1974) geht von einer direkten Wirkung des emotionalen Erlebens auf das Verhalten der jeweiligen Person (vgl. Abbildung 10, S. 49). Kurz gesagt: Die Autoren konstatieren, dass positives emotionales Erleben eine Annäherungstendenz, negatives Erleben eine Vermeidungstendenz bewirkt. Hierunter verstehen sie primär (Mehrabian & Russell 1974 S. 96): -
-
die Intention, in einer Umgebung zu verbleiben oder sich einem bestimmten Stimulus zu nähern (Annäherung) bzw. eine Umwelt verlassen zu wollen oder einen bestimmten Stimulus zu vermeiden (Vermeidung) sowie die Intention, eine Umwelt näher zu erkunden (explorieren) und mit ihren Elementen zu interagieren (Annäherung) bzw. soweit wie möglich die Interaktion mit dieser Umwelt und ihren Elementen zu meiden (Vermeidung).
Donovan und Rossiter (1982 S. 37) übertragen diese allgemeinen Tendenzen auf das Verhalten in Läden: Das Annährungsverhalten könne vor allem mit der intensiveren Auseinandersetzung mit dem Laden und seinen Angeboten, der Interaktion mit dem Personal des Ladens sowie mit der im Laden verbrachten Zeit und dem ausgegebenen Geld in Beziehung gesetzt werden. In zwei empirischen Studien finden Donovan und Rossiter (1982 S. 51-53) sowie Donovan et al. (1994 S. 289) Unterstützung für die im Modell postulierten Beziehungen des affektiven Erlebens mit der im Laden verbrachten Zeit sowie ungeplanten Käufen. Weinberg und Gottwald (1982) können empirisch zeigen, dass positive Emotionen zu mehr impulsiven Käufen führen.
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
Eroglu et al. (2001 S. 182) wenden Mehrabians und Russells (1974) Modell auf das Erleben und Verhalten in Online-Shops an. Dabei greifen sie Donovan und Rossiters (1982 S. 37) Interpretation des Annäherungs-/Vermeidungsverhaltens auf. In ihrer empirischen Prüfung dieses Modells verzichten sie allerdings auf eine Differenzierung des Annäherungs/Vermeidungsverhaltens und testen es als ein undifferenziertes Konstrukt: Auch ihre Ergebnisse belegen einen Zusammenhang zwischen der Valenz des emotionalen Erlebens während des Online-Shop-Besuchs und dem Annäherungs-/Vermeidungsverhalten (vgl. Eroglu et al. 2003 S. 146). Statt eines globalen Maßes für Annäherung oder Vermeidung testet Huang (2003) den Einfluss des affektiven Erlebens auf die Intention, den Shop weiter zu explorieren sowie auf die Intention, dort etwas einzukaufen. Den Ergebnissen zufolge wollen Kunden mit positiverem emotionalem Erleben sowohl stärker den Shop explorieren als auch eher dort einkaufen (vgl. Huang 2003 S. 45). Ebenso sprechen die Ergebnisse Menons und Kahns (2002) dafür, dass positives emotionales Erleben zu intensiverer Exploration in einem Online-Shop führt. Mastro et al. (2002) erweitern die vorherigen Studien, indem sie nicht die Valenz des emotionalen Erlebens, sondern mit Stress und Langeweile zwei differenzierte Emotionen unterschiedlicher Qualität auf ihre Prägung des Verhaltens in Online-Umgebungen hin untersuchen. Tatsächlich finden sie heraus, dass gelangweilte Surfer mehr Webseiten besuchten als gestresste (vgl. Mastro et al. 2002 S. 165). Dieses Ergebnis verweist nochmals darauf, dass Emotionen weiter gehende Informationen als nur die Valenz zu eigen sind. Und auch Xia (2002), obwohl wiederum ausschließlich die Valenz des emotionalen Erlebens testend, kann diese Vermutung stützen: Die Ergebnisse ihrer Studie belegen die Bedeutung der Emotionen als Information und als Grundlage des Verhaltens. Xia (2002) kann zeigen, dass die Interpretation der Valenz der Emotion auch vom Verhaltensziel abhängt. Bei Probanden, die in einem Online-Shop Zeit verbringen sollten ohne eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, verlängerten positiv erlebte Emotionen die Aufenthaltsdauer in dem Shop. Bei denjenigen aber, die zur Aufgabe hatten, ein spezielles Produkt zu kaufen, verkürzte sich die Aufenthaltsdauer mit positiveren Emotionen (vgl. Xia 2002 S. 96-97). Sowohl die Ergebnisse Mastros et al. (2002) als auch Xias (2002) sprechen dafür, dass die Wirkungen der Emotionen nicht ausschließlich an ihrer Valenz festgemacht werden können. Aus Mangel an weiteren empirischen Ergebnissen ist das Wissen zu diesem Aspekt aber noch sehr begrenzt. Basierend auf dem dargelegten Forschungsstand und den vorgestellten theoretischen Erklärungen wird in dieser Arbeit angenommen, dass -
die während des Online-Shop-Besuchs erlebten Emotionen das Verhalten der Surfer beeinflussen, die Wirkung der Emotionen vom jeweils angestrebten Ziel abhängt und unterschiedliche Emotionen das Explorationsverhalten und impulsives Kaufverhalten im Online-Shop unterschiedlich beeinflussen.
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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Daraus leiten sich die zehnte, elfte und zwölfte Hypothese dieser Arbeit ab: H10a: Die Dauer des Besuchs im Online-Shop hängt von den während des Besuchsprozesses erlebten Emotionen ab. H11:
Die Anzahl besuchter Seiten im Online-Shop hängt von den während des Besuchsprozesses erlebten Emotionen ab.
H12:
Je intensiver positive (intensiver negative) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt werden, umso größer (geringer) ist die Tendenz, ungeplante Käufe zu tätigen.
3.4
Finale Wirkungen der Emotionen
Die während des Besuchs im Online-Shop erlebten Emotionen haben nicht nur Auswirkungen auf die Kognitionen und das Verhalten auf der Website, sondern beeinflussen darüber hinaus auch finale Größen, wie die Zufriedenheit, die Einstellung sowie zukünftige Verhaltenstendenzen. Diese finalen Wirkungen der Emotionen, wie im Rahmenmodell postuliert (vgl. Abbildung 13, S. 54), werden im Folgenden detaillierter beschrieben und begründet. Zunächst wird angenommen, dass die erlebten Emotionen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit nehmen. Die Zufriedenheit wird allgemein definiert als „the consumer’s fulfillment response. It’s a judgement that a product or service feature, or the product or service itself, provided (or is providing) a pleasurable level of consumption-related fulfillment, including levels of under- or overfulfillment” (Oliver 1997 S. 13). Manche Autoren sehen Zufriedenheit als rein kognitives Konstrukt an, das zudem durch determinierende Kognitionen ausreichend bestimmt werde (vgl. Oliver 1980, Oliver 1993, Bigné et al. 2005 S. 834-835). Mit zunehmendem Interesse an der Rolle der Emotionen für das Konsumentenverhalten ab den 1980’er Jahre wurde aber häufiger eine Bedeutung der Emotionen für die Zufriedenheit angenommen (vgl. Bigné et al. 2005 S. 836, Ladhari 2007 S. 1089). So sieht Westbrook (1987) in seinem Modell die Emotionen als unabhängige Einflussgröße, die sich auf die Zufriedenheit auswirke. Homburg et al. (2006 S. 22) greifen auf theoretische Ansätze der Einstellungsforschung zurück und begründen so ihr Modell, in dem die Zufriedenheit sowohl mit dem kognitiven als auch dem emotionalen Erleben erklärt wird. Schließlich bietet auch hier die Affect-as-Information-Hypothese einen geeigneten Rahmen zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Emotionen und Zufriedenheit: Die während der Nutzung erlebten Emotionen informieren die Person darüber, ob das Objekt, in diesem Fall die Website, „provided … pleasurable level of consumption-related fulfillment“. Mittlerweile legen die Ergebnisse einer ganzen Reihe empirischer Studien den Zusammenhang zwischen der Valenz der erlebten Emotionen und der Zufriedenheit nahe (vgl. Westbrook 1987, Machleit & Mantel 2001, Phillips & Baumgartner 2002, Bigné et al. 2005, Homburg et al. 2006, Ladhari 2007, Martin et al. 2008). Bost (1987 S. 165) folgert aus seiner Studie sogar, dass „ein Zufriedenheitsurteil vor allem auf affektiver Basis gefällt wird.“ Allerdings prüfen die meisten empirischen Studien ausschließlich die Zufriedenheitswirkun-
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
gen der Valenz der erlebten Emotionen oder belegen die Bedeutung einzelner differenzierter Emotionen wie Freude oder Enttäuschung (vgl. für eine Diskussion des Forschungsstandes Ladhari 2007 S. 1089). Die Wirkung des differenzierten Emotionsraums während der Nutzung wird, obwohl ihre Bedeutung durch die Affect-as-Information-Hypothese nahegelegt wird (vgl. Schwarz & Clore 2003 S. 299-300, Bosmans & Baumgartner 2005 S. 425-426), kaum berücksichtigt (vgl. Machleit & Mantel 2001 S. 105). Oftmals wird die Zufriedenheit mit einem Laden als Gesamtheit oder die Zufriedenheit ausschließlich mit dem Surfprozess betrachtet (vgl. Oliver 1980, Bost 1987 S. 110). In vorliegender Arbeit wird aber angenommen, dass die Besucher eines Online-Shops mit unterschiedlichen Aspekten unterschiedlich zufrieden sein können. Diese Aspekte sind der Surfprozess, die Gestaltung des Online-Shops und die Produktentscheidung. Dadurch, dass die erlebten differenzierten Emotionen unterschiedliche Informationen enthalten, sollten sie jeweils unterschiedliche Muster der Zufriedenheit bewirken. So kann bspw. erlebter Stress während des Einkaufs wohl auf den Prozess attribuiert werden (und somit die diesbezügliche Zufriedenheit negativ beeinflussen). Der Stress muss aber nicht zwangsläufig mit der Gestaltung des Shops assoziiert werden. Die Zufriedenheit mit diesem Aspekt bliebe dann unberührt. Dass die Attribution der Emotion Einfluss auf die Zufriedenheitswirkung nimmt, legen die Ergebnisse Machleit und Mantels (2001) nahe. Basierend auf dem dargelegten Forschungsstand und den vorgestellten theoretischen Erklärungen wird in dieser Arbeit angenommen, dass -
die Zufriedenheit der Online-Shop-Besucher von den während des Shop-Besuchs erlebten Emotionen beeinflusst wird, sich die Zufriedenheit des Shops auf die drei nicht voneinander unabhängigen Aspekte Surfprozess, Gestaltung des Online-Shops und Produktentscheidung bezieht sowie unterschiedliche Emotionen differenzierte Muster der Kundenzufriedenheit nach sich ziehen.
Daraus leiten sich die dreizehnte, vierzehnte und fünfzehnte Hypothese dieser Arbeit ab: H13a: Je intensiver positive (negative) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt werden, umso größer (geringer) ist die Zufriedenheit mit dem Surfprozess. H14a: Je intensiver positive (negative) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt werden, desto größer (geringer) ist die Zufriedenheit mit der Gestaltung des OnlineShops. H15a: Je intensiver positive (negative) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt werden, umso größer (geringer) ist die Zufriedenheit mit der Produktentscheidung Neben der Generierung einer umfassenden Zufriedenheit ist es das Ziel vieler Einkaufsstätten, bei den Kunden eine positive Einstellung zum Einkaufsort aufzubauen. Dies geht unter anderem darauf zurück, dass die Einstellung zu einem Geschäft eine bedeutende Rolle u.a. bei
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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der Einkaufsstättenwahl (vgl. Kreller 2000), der Einkaufsstättentreue (vgl. Olbrich & Windbergs 2007) sowie beim Informationsverhalten (vgl. Seock & Norton 2007) spielt. Zudem sind weitere Einflüsse der Einstellung auf das Verhalten und die Informationsverarbeitung in der Literatur gut dokumentiert (vgl. Petty et al. 1997 S. 634-637, Forgas 2003 S. 610-613). Das Evozieren einer positiven Einstellung liegt also durchaus auch im Interesse der Betreiber von Online-Shops. Für die vorliegende Arbeit ist die Berücksichtigung der Einstellung zudem von Interesse, da Emotionen als eine wichtige Determinante der Einstellung gelten 28 (vgl. Zajonc & Markus 1982 S. 123, Schwarz 1997, Bodur et al. 2000, Ajzen 2001 S. 33-35, Forgas 2003, Clore & Schnall 2005 S. 441-449). Ajzen (2001 S. 28) definiert die Einstellung als „a summary evaluation of a psychological object captured in such attribute dimensions as good – bad, harmful – beneficial, pleasant – unpleasant, and likable – dislikable.” Ein Einfluss des emotionalen Erlebens auf die Einstellung wird von einer ganzen Reihe unterschiedlicher Theorien auf verschiedene Weise erklärt (vgl. Petty et al. 1997 S. 615-634, Gorn et al. 2001 S. 44-45, Clore & Schnall 2005 S. 450-478): So folgt der Affect-basedmemory-Ansatz der Idee, dass bei der Einstellungsbildung vor allem Erinnerungsinhalte abgerufen werden, die mit der Valenz der erlebten Emotion kongruent sind und diese folglich in die entsprechende Richtung lenken (vgl. Isen et al. 1978, Eich 1995). Der schon weiter oben aufgeführte Affect-as-Information-Ansatz geht davon aus, dass Personen bei der Einstellungsbildung ihr Gefühl gegenüber dem Einstellungsobjekt als Information in die Einstellungsbildung einfließen lassen. Schließlich erklärt die Dynamic Complexity Hypothesis den Zusammenhang zwischen Emotionen und Einstellung mit einer Komplexitäts-reduktion der Bewertungen durch intensive positive oder negative Gefühle (vgl. PAULHUS & LIM 1994). Batra & Ahtola (1990 S. 159) vermuten, dass sich die globale Einstellung zu einem Objekt aus zwei unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt (vgl. auch Chitturi et al. 2008 S. S. 49): der Bewertung in einer utilitaristischen („how useful or beneficial the object is", Batra & Ahtola 1990 S. 161, zielt auf den Nutzen bzw. die funktionalen Bewertung eines Objekts) und einer hedonischen Dimension („measuring the experiential affect associated with the object”, Batra & Ahtola 1990 S. 161, zielt auf die Bewertung der der Atmosphäre bzw. der Anmutung eines Objekts). Die utilitaristische und hedonische Komponente der Einstellung müssen nicht zwangsläufig unabhängig voneinander sein: So wird möglicherweise die eine oder andere Vorlesung an der Universität von Studierenden sowohl hinsichtlich der utilitaristischen (weil viel Wissen vermittelnd) als auch hedonischen (weil unter-haltend) Ebene positiv bewertet.
28 Fishbein und Middlestadt (1995, 1997) nehmen eine dazu konträre Position ein: Ihrer Meinung nach werden alle affektiven Determinanten der Einstellung durch kognitive Faktoren vermittelt. Diese Ansicht wurde in der Folgezeit vielfach kritisiert und erwies sich als inkongruent mit empirischen Ergebnissen (Haugtvedt 1997, Schwarz 1997).
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
Denkbar ist aber auch der entgegengesetzte Fall: So bewerten manche Personen sicherlich das Rauchen von Zigaretten positiv auf der hedonischen, aber negativ auf der utilitaristischen Komponente. Für die vorlie-gende Arbeit ist diese Trennung besonders interessant, weil Online-Shops sicherlich nicht nur utilitaristischen Motiven (schnell, gut und sicher einkaufen), sondern eben-so gezielt hedonischen Motiven gerecht werden müssen (Surfen im Shop soll positive Emotionen ermitteln). Anhand der Betrachtung beider Komponenten der Ein-stellung soll der (möglicherweise unterschiedliche) Beitrag der Emotionen, der Usa-bility und der Informationsrate für die Erfüllung hedonischer und utilitaristischer Motive aufgedeckt werden. Zudem sprechen die Ergebnisse Ramans & Leckenbys (1998) dafür, auch Websites anhand beider Komponenten zu beurteilen. Babin und Darden (1995 S. 59) testen den Einfluss der Valenz der Emotionen auf die beiden Einstellungskomponenten und belegen die Bedeutung der Valenz sowohl für die hedonische als auch die utilitaristische Bewertung eines Geschäftes. Die schon an anderer Stelle geführte Diskussion über die zusätzlichen Informationen der differenzierten Emotionen gegenüber der Valenz führt auch hier zu der Vermutung, dass unterschiedliche Emotionen die beiden Einstellungskomponenten unterschiedlich beeinflussen. Zudem gibt es bisher keine empirische Untersuchungen des Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Website, den davon hervorgerufenen differenzierten Emotionen und den beiden Einstellungskomponenten (vgl. Galan & Gonzales 2001). Basierend auf dem dargelegten Forschungsstand und den vorgestellten theoretischen Erklärungen wird in dieser Arbeit angenommen, dass -
sich die Einstellung zu einer Website aus deren Beurteilung in der hedonischen und utilitaristischen Dimension ergibt, die beiden Einstellungskomponenten von den während des Online-Shop-Besuchs erlebten Emotionen beeinflusst werden und unterschiedliche Emotionen differenzierte Muster der beiden Einstellungskomponenten bewirken.
Daraus leiten sich die sechzehnte und siebzehnte Hypothese dieser Arbeit ab: H16a: Je intensiver positive (negative) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt werden, desto positiver (negativer) wird die hedonische Komponente der Einstellung zum Online-Shop beurteilt. H17a: Je intensiver positive (negative) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt werden, umso positiver (negativer) wird die utilitaristische Komponente der Einstellung zum Online-Shop beurteilt. Als weitere finale Größen, deren Abhängigkeit von den während des Online-Shop-Besuchs erlebten Emotionen untersucht werden soll, werden in dieser Arbeit -
die Intention, den Shop in Zukunft wieder zu besuchen,
3. Modell der Ursachen und Wirkungen -
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die Intention, zukünftige Käufe in diesem Online-Shop zu tätigen, sowie die Intention, den Shop weiterzuempfehlen (positives Word-of-Mouth)
berücksichtigt. Alle drei Größen sind sowohl für den Online-Händler von großer Relevanz als auch von theoretischer Bedeutung im Rahmen der Untersuchung der Emotionswirkungen. Ein Einfluss der Emotionen auf die Intention, den Shop in Zukunft wieder zu besuchen, und die Intention, zukünftige Käufe in diesem Online-Shop zu tätigen, wird bereits von Mehrabian und Russell (1974 S. 96) nahegelegt, die einen Einfluss des emotionalen Erlebens eben auch auf zukünftiges Annäherungs- bzw. Vermeidungsverhalten postulieren. Allerdings sind die empirischen Belege zu dieser Annahme recht rar – zumeist wird eher das Verhalten bezüglich des entsprechenden aktuellen Besuchs denn zukünftige Intentionen untersucht. Die Wirkung der Emotionen auf die Intention, den Online-Shop nachträglich weiterzuempfehlen (positives Word of Mouth), wird zwar nur selten theoretisch begründet, aber häufiger empirisch untersucht (vgl. Sundaram et al. 1998, Derbaix & Vanhamme 2003, Ladhari 2007). So findet Ladhari (2007 S. 1101) einen direkten Zusammenhang zwischen positivem emotionalem Erleben und der Intention zum Weiterempfehlen. Derbaix und Vanhamme (2003) zeigen den Einfluss der Emotion Überraschung auf die Tendenz zum Weiterempfehlen. Und schließlich können White und Yu (2005) einen starken Effekt positiver Emotionen auf positives Word-of-Mouth und einen negativen Zusammenhang zwischen negativen Emotionen und positivem Word-of-Mouth demonstrieren. Dementsprechend leiten sich die achtzehnte, neunzehnte und zwanzigste Hypothese dieser Arbeit ab: H18a: Je intensiver positive (negative) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt werden, desto größer (niedriger) ist die Intention, den betreffenden Online-Shop in Zukunft wieder zu besuchen. H19a: Je intensiver positive (negative) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt werden, umso größer (niedriger) ist die Intention, in dem betreffenden Online-Shop in Zukunft einzukaufen. H20a: Je intensiver positive (negative) Emotionen während des Ladenbesuchs erlebt werden, desto größer (niedriger) ist die Intention, den Shop in Zukunft weiterzuempfehlen (positives Word-of-Mouth). 3.5
Der moderierende Einfluss der Ladenbesuchsmotivation
Offensichtlich besuchen Menschen Geschäfte nicht nur, um dort etwas zu kaufen: In zumeist empirisch ermittelten Nutzer-Typologien werden unterschiedlichste Motive für den Ladenbesuch ermittelt – angefangen vom Kauf bis hin zur Suche nach Entspannung (vgl. Westbrook & Black 1985, Bloch et al. 1994, Brown et al. 2003). Und obwohl in der Anfangszeit des Online-Shopping viele Autoren vor allem den Schnäppchenjäger
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
beschrieben, der Online-Shops nur für den Kauf aufsucht, hat sich mittlerweile auch hier eine differenziertere Sicht durchgesetzt (vgl. bspw. Schmeißer & Oberg 2006 S. 2): Eine aktuelle w3b-Nutzerbefragung ergab immerhin einen Anteil von über 50 % der Surfer, die öfter im Internet stöbern, ohne etwas zu kaufen (vgl. Fitkau&Maaß 2006 S. 33). Folgerichtig finden Brown et al. (2003 S. 1676-1677) nicht weniger als sieben Motive, die mit einem OnlineShop-Besuch verbunden werden. Obgleich die Motive für den Besuch eines Online-Shops also vielfältig sind, greifen viele Typologien ein hedonisches und ein utilitaristisches Motiv als grundlegende Dimensionen der Besuchsmotive auf 29 (bspw. "information processing vs. experiential", Holbrook & Hirschman 1982 S. 132-133, "utilitarian vs. hedonic shopping", Childers et al. 2001 S. 513514, "Kaufabsicht vs. Explorationsmotiv", Silberer et al. 2003 S. 2, "Versorgungs- vs. Erlebniskauf", Gröppel-Klein 2006 S. 676, "task oriented vs. recreational", Kaltcheva & Weitz 2006 S. 110). Utilitaristisch motivierte Ladenbesucher verfolgen das Ziel, geplante Käufe effizient und effektiv abzuschließen. Dementsprechend orientieren sie sich vornehmlich am Ergebnis ihres Ladenbesuchs, nämlich dem Erwerb der gewünschten Leistung mit möglichst wenig Energie und Aufwand (vgl. Childers et al. 2001 S. 513, Kaltcheva & Weitz 2006 S. 109). Babin et al. (1994 S. 646) zitieren einen ihrer Fokusgruppenteilnehmer als prototypisches Beispiel eines utilitaristisch motivierten Ladenbesuchers: „I like to get in and out with a minimum amount of time wasted … shopping is like a mission, and if I find what I’m looking for, I’m satisfied – mission accomplished!”
Demgegenüber fokussieren hedonisch motivierte Ladenbesucher weniger auf den Kauf eines Produkts und stärker auf den Vorgang des Ladenbesuchs. Für sie stehen emotionale, spielerische und unterhaltende Aspekte im Vordergrund (vgl. Holbrook & Hirschman 1982 S. 135, Hartman et al. 2006 S. 816). Statt nach einem bestimmten Produkt zu suchen, stöbern so motivierte Kunden im Angebot oder bummeln durch den Laden, bestrebt, „Freude und etwas Nicht-Alltägliches“ zu erleben (Gröppel 1991 S. 172). Offensichtlich verfolgen auch diese Ladenbesucher ein Ziel, nämlich die Steigerung ihres Wohlbefindens und das Erleben positiver Emotionen. Aussagen von Fokusgruppenteilnehmern Babins et al. (1994 S. 646) verdeutlichen dies: „I enjoy looking around… [Shopping] is an adventure. I enjoy shopping when it helps me forget my problems.”
29 Utilitaristische und hedonische Motive schließen sich nicht aus: Vielmehr ist es möglich, dass Ladenbesucher beide Motive gleichzeitig – auch zu unterschiedlichen Anteilen – verfolgen (vgl. Holbrook & Hirschman 1982 S. 139, Babin et al. 1994 S. 647).
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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Dass die Motivation der Ladenbesucher die Genese und die Wirkungen der Emotionen während des Einkaufs moderiert, kann aus verschiedenen theoretischen Überlegungen geschlossen werden: Was die Genese der Emotionen angeht, wurde bereits oben auf die Bedeutung der Bewertung eines Umweltreizes hingewiesen (vgl. Reisenzein 2000 S. 117, Bartsch et al. 2008). Dabei werden wahrgenommene Reize automatisch auf ihre Eignung zur Zielerreichung hin bewertet. Wird der Reiz als förderlich für die Zielerreichung eingestuft, folgen daraus positive Emotionen, wird er als hinderlich wahrgenommen, negative Emotionen. Die in der entsprechenden Situation relevanten Ziele der Person beeinflussen also das Ergebnis dieser Bewertung (Bargh 2002 S. 282, Lee & Shavitt 2006 S. 261-262). In dieser Arbeit werden unter anderem zwei Konstrukte betrachtet, die Reizkonstellationen aus der Umwelt abbilden (vgl. Kapitel 3.2): die wahrgenommene Informationsrate und die wahrgenommene Usability eines Online-Shops. Dabei ist der subjektiv wahrgenommene Informationsgehalt einer Umwelt umso höher, je neu-artiger, abwechslungsreicher, überraschender, vielfältiger, komplexer und weniger dissonant die Reizkonstellation für den Wahrnehmenden ist. Diese Attribute erschei-nen geeignet, gerade diejenigen Surfer bei der Zielerreichung zu unterstützen, die Freude, Spaß und etwas Nicht-Alltägliches erleben wollen, also hedonische Moti-ve verfolgen. Ist es aber das Ziel, effizient und effektiv einzukaufen, trägt die Neu-artigkeit und Komplexität der Umgebung kaum zur Zielerreichung bei. Stattdessen unterstützt die wahrgenommene Einfachheit der Bedienung, die Usability, so moti-vierte Ladenbesucher bei der Erreichung ihres Ziels: Je leichter ein Online-Shop zu handhaben ist, desto effizienter und effektiver kann der Kauf abgeschlossen werden. Trotz seiner fundierten theoretischen Begründung wurde der moderierende Effekt der Motivation zum Ladenbesuch auf den Zusammenhang zwischen Ladenatmosphäre und Emotionsgenese bisher kaum empirisch untersucht. Der vorherigen Darstellung folgend, wird in dieser Arbeit angenommen, dass -
-
hedonisch motivierte Online-Shop-Besucher durch die wahrgenommene Informationsrate des Online-Shops besser bei der Zielerreichung unterstützt werden als utilitaristisch motivierte und utilitaristisch motivierte Online-Shop-Besucher durch die wahrgenommene Usability des Online-Shops besser bei der Zielerreichung unterstützt werden als hedonisch motivierte.
Daraus leiten sich die folgenden zwei Ergänzungen zur zweiten und dritten Hypothese dieser Arbeit ab: H2b: Der Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Informationsrate eines OnlineShops und den während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen ist bei hedonisch motivierten Personen stärker als bei utilitaristisch motivierten.
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
H3b: Der Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Usability eines Online-Shops und den während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen ist bei utilitaristisch motivierten Personen stärker als bei hedonisch motivierten. Ebenso kann bei der Wirkung der Emotionen deren Interpretation im Lichte der aktuellen Motivation der Person eine moderierende Rolle einnehmen, wie Xia (2002) zeigt: Sie induzierte bei etwa der Hälfte ihrer Probanden entweder eine positive oder eine negative Emotion. Danach sollten beide Gruppen im Internet surfen, wobei jedem Probanden wiederum zufällig eine von zwei Bedingungen zugeteilt wurde: Unter der BrowsingBedingung sollten die Probanden solange in einem Online-Shop surfen, wie sie wollten. Unter der Buying-Bedingung bekamen sie die Aufgabe, sich ein Produkt herauszusuchen, das sie kaufen würden (vgl. Xia 2002 S. 96). Alle Probanden konnten jederzeit den Versuch beenden. Als abhängige Variable erfasste Xia (2002) die im Online-Shop verbrachte Zeit. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Surfer mit einer positiven Emotion länger surften als Probanden mit negativen Emotionen, wenn sie browsen sollten (vgl. Abbildung 17). Wurde ihnen eine utilitaristische Motivation induziert (Buying), drehte sich dieser Effekt um. Xia (2002) schließt aus ihren Ergebnissen, dass Personen mit einer utilitaristischen Motivation dank ihrer Emo-tionen Informationen darüber erhalten, wie nahe sie der Zielerreichung sind: Positive Emotionen zeigen an, dass sie ihr Ziel (fast) erreicht haben und sie deshalb ihre Auf-gabe beendet haben. Negative Emotionen informieren sie hingegen darüber, dass sie ihr Ziel noch nicht erreicht haben. Mit einer hedonischen Motivation, bei der es das Ziel der Person ist, möglichst positive Emotionen zu erleben, kehrt sich dieser Effekt um. Abbildung 17: Ergebnisse Xias (2002) Experiment zum moderierenden Effekt der Besuchsmotivation Emotion
Time Spent (in seconds)
240
Positive Negative
220 200 180 160 140 120 100 Buying
Browsing Condition Quelle: nach Xia (2002 S. 96)
Diese Erklärung Xias (2002) folgt handlungsregulatorischen Ansätzen (Bagozzi et al. 1998, Carver & Scheier 2002), ebenso wie die Affect-as-Information-Hypothese (Schwarz & Clore
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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2003). Allerdings induziert die Autorin die Emotionen vor dem Besuch des Online-Shops, das emotionale Erleben während der Website-Nutzung bleibt bei ihr unbeachtet. Außerdem prüft sie wiederum nur die Valenz der Emotionen. In der vorliegenden Arbeit wird dieser Aspekt aufgegriffen und angenommen, dass -
Emotionen als Information den Erlebenden über den Grad der Zielerreichung informieren und diese Information abhängig von der jeweiligen Motivation ist.
Daraus leitet sich die folgende Ergänzung zur zehnten Hypothese dieser Arbeit ab: H10b: Je intensiver positive (negative) Emotionen während des Surfens erlebt werden, desto länger verweilen die Probanden mit hedonischer (utilitaristischer) Motivation im Online-Shop. Wie dargelegt, streben hedonisch motivierte Besucher der Online-Shops danach, möglichst positive Emotionen zu erleben. Dementsprechend sind ihre besten Infor-mationsquellen über die Zielerreichung die von ihnen während des Online-Shop-Besuchs erlebten Emotionen (vgl. Pham 1998 S. 146). Diesen kommt demnach bei der Beurteilung des Online-Shops, bei der Bildung zukünftiger Verhaltensintentionen wie auch bei der Beurteilung der Zufriedenheit mit dem Shop eine außerordentliche Rolle zu. Auch utilitaristisch motivierte Besucher werden der Affect-as-Information-Hypothese gemäß ihre Emotionen als Informationsquelle für die Einstellungsbildung, Generierung zukünftiger Verhaltensintentionen sowie die Beurteilung ihrer Zufriedenheit heranziehen. Darüber hinaus gibt es aber noch ein weiteres wichtiges Kriterium: die wahrgenommene Effektivität und Effizienz des Einkaufsvorgangs. Dieser Argumentation folgend, sollte der Einfluss der Emotionen auf die Einstellungsbildung, Generierung zukünftiger Verhaltensintentionen sowie die Beurteilung ihrer Zufriedenheit bei hedonisch motivierten Besuchern der Online-Shops größer sein als bei utilitaristisch motivierten. Eine solche Annahme findet sich bereits bei Babin und Darden (1995 S. 52), die dafür aber keinen empirischen Beleg anbieten können. In dieser Arbeit wird dementsprechend angenommen, dass -
der Einfluss der Emotionen auf die betrachteten finalen Größen bei hedonisch motivierten Online-Shop-Besuchern größer ist als bei utilitaristisch motivierten.
Daraus leiten sich die folgenden Ergänzungen zu den Hypothesen dreizehn bis zwanzig ab: H13b: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der Zufriedenheit mit dem Surfprozess ist bei hedonischer Motivation stärker als bei utilitaristischer Motivation. H14b: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der Zufriedenheit mit der Gestaltung des Online-Shops ist bei hedonischer Motivation stärker als bei utilitaristischer Motivation.
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
H16b: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der hedonischen Komponente der Einstellung zum Online-Shop ist bei hedonischer Motivation stärker als bei utilitaristischer Motivation. H17b: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der utilitaristischen Komponente der Einstellung zum Online-Shop ist bei hedonischer Motivation stärker als bei utilitaristischer Motivation. H18b: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der Intention, den betreffenden Online-Shop in Zukunft wieder zu besuchen ist bei hedonischer Motivation stärker als bei utilitaristischer Motivation. H19b: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der Intention, in dem betreffenden Online-Shop in Zukunft einzukaufen ist bei hedonischer Motivation stärker als bei utilitaristischer Motivation. H20b: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der Intention, den Shop in Zukunft weiterzuempfehlen (positives Word-of-Mouth) ist bei hedonischer Motivation stärker als bei utilitaristischer Motivation. 3.6
Der moderierende Einfluss der kognitiven Beanspruchung
Sautter et al. (2004 S. 15-16) argumentieren, dass sich die Besucher eines Online-Shops gleichzeitig in zwei unterschiedlichen Umwelten aufhalten: Auf der einen Seite ist das die virtuelle Umgebung des Shops, auf der anderen Seite die physikalische Umwelt des Surfers, in der die Mensch-Maschine-Interaktion in diesem Moment stattfindet. Faktoren beider Umwelten, der virtuellen und der physikalischen, beeinflussen nach den Annahmen von Sautter et al. (2004), das Erleben und Verhalten der Online-Shop-Besucher. Bisher fand diese Annahme aber in empirischen Studien weitestgehend keinen Widerhall. Während in den vorherigen Kapiteln dieser Arbeit relevante Eigenschaften des Online-Shops vorgestellt wurden, die Einfluss auf das emotionale Erleben der Besucher haben, soll hier die moderierende Wirkung einer Eigenschaft der physischen Umwelt des Surfers eingeführt werden: die gleichzeitige Nutzung des Internets mit einem anderen Medium und die dadurch, wie später argumentiert wird, gesteigerte kognitive Beanspruchung. Für die Berücksichtigung der gleichzeitigen Nutzung des Internets mit anderen Medien in dieser Arbeit spricht zum einen die hohe praktische Relevanz bei zugleich stark begrenztem Wissenstand. Bereits seit Ende der 1990er Jahre beobachtet die Marktforschung, dass Personen, die im Internet surfen, nebenbei andere Medien konsumieren (vgl. Eimeren & Maier-Lesch 1999 S. 596, Feldmeier 2008 S. 14, Rohm et al. 2008). Dabei überwiegt die parallele Nutzung des Internets mit akustischen Medien, wie Radio oder Musik-CDs (vgl. Abbildung 18).
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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Abbildung 18: Nebenbeschäftigung während der Onlinenutzung 1999 (in %)
Quelle: Eimeren & Maier-Lesch (1999 S. 596)
Aktuelle Studien zeigen einen Anteil von 40 bis 60 Prozent der 14–49-jährigen Internetnutzer, die zumindest manchmal gleichzeitig im Internet surfen und fern sehen (vgl. Abbildung 19). Mehr als die Hälfte der Internetnutzer höre zumindest ab und zu auch Radio, während sie online seien (vgl. IBMConsulting 2005, SevenOneMedia 2005 S. 21). Trotz dieser großen Relevanz lassen sich kaum Erkenntnisse empirischer Studien finden, die sich mit den Auswirkungen der parallelen Nutzung auf das Internetsurfen beschäftigen. Abbildung 19: Parallelnutzung von TV und Internet
Quelle: IBM Consulting (2005 S. 5)
Daneben sprechen für die Berücksichtigung der parallelen Mediennutzung in dieser Arbeit auch theoretische Gründe. Die Nutzung eines Mediums ist ein Vorgang, der kognitive Ressourcen für Wahrnehmung und Verarbeitung der medialen Inhalte sowie für die Regulation möglicherweise folgender Handlungen (bspw. Umschalten des Radiosenders sowie Interaktion mit dem Internet) erfordert. Nimmt man nun an, dass jedem Menschen nur begrenzte kognitive Ressourcen zur Verfügung stehen, würden, durch die gleichzeitige Nutzung mehrerer Medien, die für einzelne Prozesse abrufbaren kognitiven Ressourcen reduziert. Verringert sich aber der kognitive Einfluss, könnte das Folgen für die Rolle der Emotionen haben. Diese Argumentation soll hier zunächst theoretisch begründet, daraus Annahmen abgeleitet und diese später empirisch überprüft werden.
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
Die Idee, dass jedem Menschen nur eine begrenzte Kapazität an kognitiven Ressourcen zur Verfügung steht, basiert nicht zuletzt auf Kahnemans (1973 S. 10) Capacity Model of Attention 30, in dem er zusammenfassend konstatiert: „there is a general limit on man’s capacity to perform mental work… The ability to perform several mental activities concurrently depends, at least in part, on the effort which each of these activities demands when performed in isolation” (Kahneman 1973 S. 8-9). Je mehr kognitive Ressourcen („capacity to perform mental work”) also durch die Bearbeitung einer Aufgabe gebunden sind, desto weniger stehen für andere Aufgaben zur Verfügung (vgl. Engelkamp & Zimmer 2006 S. 348-350). Kahneman steht mit dieser Auffassung nicht alleine: Eine Reihe weiterer Ressourcen- oder Kapazitätsmodelle folgt der gleichen oder einer sehr ähnlichen Grundannahme (vgl. Navon & Gopher 1979, Silberer 1981, Hirst & Kalmar 1987, Chandler & Sweller 1991, Garbarino & Edell 1997). Aus diesen Modellen lässt sich die Annahme ableiten, dass mit steigender Anzahl der Prozesse, die kognitive Ressourcen zur Bearbeitung benötigen, die kognitive Kontrolle der einzelnen Prozesse abnimmt. Diese Annahme wurde in diversen empirischen Untersuchungen getestet: In einer frühen Studie untersuchten bspw. Jacoby et al. (1974), wie sich die Menge der zu verarbeitenden Informationen auf die Produktwahl auswirkte. Die Autoren finden dabei, “that increased package information load tends to produce […] dysfunctional consequences in terms of the consumer’s ability to select that brand which was best for him” (Jacoby et al. 1974 S. 67). Die Verarbeitung der zusätzlichen Informationen überforderte ab einem bestimmten Punkt die kognitiven Ressourcen der Probanden offensichtlich so sehr, dass die Qualität ihrer Entscheidung abnahm. In einer anderen Studie zeigen Hofmann et al. (2007), dass die Menge an verzehrten Süßigkeiten namens M&M‘s in der Regel von den Diätabsichten der Probanden kontrolliert wird. Werden diese aber von einer weiteren Aufgabe abgelenkt, die kog-nitive Ressourcen erfordert, dann haben die Diätvorhaben keinen Einfluss mehr auf die Anzahl gegessener M&Ms. Offensichtlich stehen wegen der Bearbeitung der zu-sätzlichen Aufgabe nicht mehr genug kognitive Ressourcen zur Kontrolle des Scho-koladenkonsums zur Verfügung. Dies trifft sogar dann zu, wenn Aufgabe und Scho-koladenkonsum zeitlich auseinanderfallen. Werden die Probanden zunächst der Aufgabe ausgesetzt, die ihre kognitiven Ressourcen verbraucht, stehen direkt nach Ende der Aufgabe dennoch weniger kognitive Ressourcen zur Selbstkontrolle des Schokoladenkonsums zur Verfügung: Die Probanden essen mehr M&M‘s als sie eigentlich vorhatten. Neben diesen Beispielen lassen sich viele weitere Studien finden (vgl. Garbarino & Edell 1997, Mantel & Kellaris 2003, Shiv & Nowlis 2004, van Merriënboer & Ayres 2005), die
30 Kahneman (1973 S. 8) verwendet in seiner Arbeit die Begrifflichkeiten „exert effort“ (Aufwand erbringen), „invest capacity“ (Kapazität einsetzten) und „pay attention“ (aufmerksam sein) synonym.
3. Modell der Ursachen und Wirkungen
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Folgendes vermuten lassen: Durch die Bearbeitung mehrerer Ressourcen benötigender Prozesse, wird die kognitive Kontrolle der einzelnen Prozesse geringer. Die Frage ist nun aber, ob dadurch der Einfluss der Emotionen während der Prozesse ebenfalls geringer wird oder stabil bleibt und so relativ zu den Kognitionen an Einfluss gewinnt. Shiv & Fedorikhin (1999) untersuchten deshalb den Einfluss von Kognitionen und Emotionen bei der Auswahlentscheidung. Dazu sollten die Probanden zwischen einer Schokoladentorte (die bei den Probanden starke positive Gefühle, aber weniger positive Kognitionen auslöste) und einem Fruchtsalat (der zwar intensive positive Gedanken, aber weniger positive Emotionen evozierte) wählen (vgl. Shiv & Fedorikhin 1999 S. 282-283). Die Hälfte der Probanden bekam zudem eine weitere, kognitive Ressourcen verbrauchende Aufgabe gestellt: Sie sollten sich während der Entscheidung eine siebenstellige Zahl merken. Die andere Hälfte musste sich während der Entscheidung nur zwei Ziffern einprägen. Tatsächlich zeigten die Ergebnisse, dass bei verringerter kognitiver Kontrolle Emotionen einen stärkeren Einfluss auf die Entscheidung nehmen: 63 % der Probanden, die sich sieben Ziffern merkten, wählten die mit positiven Emotionen assoziierte Schokoladentorte; bei den Probanden, die sich nur zwei Ziffern merken mussten, wählten hingegen 59 % den Fruchtsalat (vgl. Shiv & Fedorikhin 1999 S. 285). Die mit der Schokoladentorte assoziierten Emotionen unterschieden sich aber nicht zwischen den beiden Gruppen. Die Autoren folgern aus ihren Ergebnissen, dass „respondents who could allocate more processing resources to the task also experienced affective reactions arising from the chocolate cake but were better able to use their cognitions to avoid giving in to these affective reactions compared to respondents who were unable to allocate sufficient processing resources to the task” (Shiv & Fedorikhin 1999 S. 286). Der Effekt, dass unter kognitiver Beanspruchung der Einfluss der Emotionen auf Entscheidungen und Bewertungen zu Ungunsten der Kognitionen steigt, zeigte sich auch in anderen Kontexten (vgl. Blessum et al. 1998, Siemer & Reisenzein 1998, Richards & Gross 2000, Shiv & Nowlis 2004, Strack et al. 2006, Gibson 2008). Was bedeutet die obige Diskussion nun für die vorliegende Arbeit? Bezüglich der Genese der Emotionen wurde bereits im Kapitel 3.2 hergeleitet, dass der Einfluss der wahrgenommenen Informationsrate automatisch und unwillkürlich erfolgt. Dagegen wird der Einfluss der Usability kognitiv vermittelt. Mit anderen Worten: Die Wirkung der Usability auf die Emotionen erfordert mehr kognitive Ressourcen als die der Informationsrate. Unter zusätzlicher kognitiver Beanspruchung sollte also der Zusammenhang zwischen der emotionalen Reaktion und der Usability schwächer werden. Dementsprechend sollte der Einfluss der Informationsrate zunehmen. Daraus leiten sich die folgenden Ergänzungen zur zweiten und dritten Hypothese dieser Arbeit ab:
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
H2c: Der Einfluss der Informationsrate eines Online-Shops auf die Emotionen während des Ladenbesuchs ist bei zusätzlicher kognitiver Belastung höher als ohne zusätzliche kognitive Belastung. H3c: Der Einfluss der Usability eines Online-Shops auf die Emotionen während des Ladenbesuchs ist bei zusätzlicher kognitiver Belastung niedriger als ohne zusätzliche kognitive Belastung. Bezüglich der Wirkungen der Emotionen auf die Einstellungsbildung, Generierung zukünftiger Verhaltensintentionen sowie die Beurteilung der Zufriedenheit sollte der Argumentation in diesem Kapitel folgend, die Wirkung bei zusätzlicher kognitiver Belastung größer sein als ohne zusätzliche kognitive Belastung. Daraus leiten sich die folgenden Ergänzungen zu den Hypothesen dreizehn bis zwanzig ab: H13c: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen während des Ladenbesuchs und der Zufriedenheit mit dem Surfprozess ist bei zusätzlicher kognitiver Belastung stärker als ohne zusätzliche kognitive Belastung. H14c: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der Zufriedenheit mit der Gestaltung des Online-Shops ist bei zusätzlicher kognitiver Belastung stärker als ohne zusätzliche kognitive Belastung. H15c: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der Zufriedenheit mit der Produktentscheidung ist bei zusätzlicher kognitiver Belastung stärker als ohne zusätzliche kognitive Belastung. H16c: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der hedonischen Komponente der Einstellung zum Online-Shop ist bei zusätzlicher kognitiver Belastung stärker als ohne zusätzliche kognitive Belastung. H17c: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der utilitaristischen Komponente der Einstellung zum Online-Shop ist bei zusätzlicher kognitiver Belastung stärker als ohne zusätzliche kognitive Belastung. H18c: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der Intention, den betreffenden Online-Shop in Zukunft wieder zu besuchen ist bei zusätzlicher kognitiver Belastung stärker als ohne zusätzliche kognitive Belastung. H19c: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen und der Intention, in dem betreffenden Online-Shop in Zukunft einzukaufen ist bei zusätzlicher kognitiver Belastung stärker als ohne zusätzliche kognitive Belastung. H20c: Der Zusammenhang zwischen den Emotionen mit der Intention, den Shop in Zukunft weiterzuempfehlen (positives Word-of-Mouth) ist bei zusätzlicher kognitiver Belastung stärker als ohne zusätzliche kognitive Belastung.
3. Modell der Ursachen und Wirkungen 3.7
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Zusammenfassung: Ein Modell der Ursachen und Wirkungen der Emotionen während des Besuchs in Online-Shops
Basierend auf dem vorgestellten Forschungsrahmen und der Herleitung eines grundsätzlichen Modells der Rolle der Emotionen beim Besuch von Online-Shops, wurden in den vorherigen Abschnitten detaillierte Annahmen zu den Determinanten der Emotionen, die während des Online-Shop-Besuchs erlebt werden, sowie deren unmittelbare und finale Wirkungen erörtert. Dazu wurden relevante Theorien aus der Psychologie, der Konsumentenverhaltensforschung und der Mensch-Computer-Inter-aktion angeführt sowie wichtige empirische Erkenntnisse diskutiert. Das so entwickelte Hypothesensystem wird in der Abbildung 20 grafisch veranschaulicht (in der Tabelle 13 auf S. 102 findet sich eine tabellarische Übersicht). Abbildung 20: Hypothesensystem dieser Arbeit
Auf Seite der Emotionsdeterminanten wurden im Kapitel 3.2 die angenommenen Einflüsse der Informationsrate, der Usability sowie der Diskrepanz zwischen erwar-teter und wahrgenommener Ladenatmosphäre auf die Emotionen begründet. Bezüg-lich der Emotionen wird in dieser Arbeit erwartet, dass die Berücksichtigung diskre-ter Emotionen das emotionale Erleben der Online-Shop-Besucher besser beschreibt und die Wirkungen der Emotionen besser erklärt als dimensionale Ansätze. Als unmittelbare Wirkungen der Emotionen (Kapitel 3.3) wurden deren Einflüsse auf die Kognitionen und das Verhalten während des Besuchs des Online-Shops betrachtet. Schließlich werden in Kapitel 3.4 die finalen Wirkungen der Emotionen auf die Einstellung
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3. Modell der Ursachen und Wirkungen
zum Shop, die Zufriedenheit sowie zukünftige Verhaltensintentionen diskutiert. Als zwei wesentliche Moderatoren werden in dieser Arbeit die Motivation des Ladenbesuchs (utilitaristisch vs. hedonisch, Kapitel 3.5) sowie – im Sinne der Dualen Umwelt – die kognitive Beanspruchung während der Interaktion mit dem Online-Shop (Kapitel 3.6) berücksichtigt. Im Folgenden werden zunächst im vierten Kapitel die Grundlagen für eine empirische Prüfung dieses Hypothesensystems gelegt, indem ein Instrument zur Erfassung der während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen in zwei Studien empirisch entwickelt und in einer abschließenden dritten Studie auf seine Eignung hin überprüft wird. Im anschließenden fünften Kapitel werden Anlage, Durchführung und Ergebnisse des empirischen Tests der vorgestellten Hypothesen erläutert.
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
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4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen 4.1
Überblick zu Methoden der Emotionsmessung während des Ladenbesuchs
Zur Messung der Emotionen während Ladenbesuchen wird in der Regel auf Verfahren zurückgegriffen, die entweder verbale Selbstauskünfte, das Ausdrucksverhalten (z. B. Mimik, Gestik) und/oder physiologische Veränderungen (z. B. Hautleitfähigkeit) analysieren. In vielen Fällen werden emotionale Vorgänge mittels verbaler Selbstauskünfte erhoben (vgl. Debus 2000). Die dafür verwendeten Methoden greifen oftmals auf Instrumente der prozessbegleitenden Erfassung von Kognitionen zurück. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang eine an die schon angesprochenen Protokolle lauten Denkens angelehnte Methode (vgl. Silberer 2005): Statt der bewussten Gedanken müssten die Probanden hier ihre Emotionen verbalisieren. Anwendung bei der prozessbegleitenden Emotionsmessung hat die Methode der videogestützten Rekonstruktion gefunden: Mangold et al. (2000) erhoben so die emotionalen Vorgänge während des Surfens im Internet. Sie spielten den Probanden ein Video ihres Surfvorgangs vor und baten sie, die von ihnen empfundenen Emotionen zu verbalisieren. Um eine zusätzliche Stütze zur Rekonstruktion zu geben, unterbrachen sie das Video immer dann, wenn ein externer Beobachter beim vorherigen Surfvorgang eine auf Emotionen hindeutende mimische Reaktion registrierte. In der Unterbrechung „einigten“ sich dann Probanden und Interviewer über die Emotion der Probanden in der entsprechenden Situation („konsensuale Validierung“, vgl. Scheele & Groeben 1988, Mangold 2001 S. 10). In Vorstudien des Autors dieser Arbeit zeigte sich, dass die Probanden bei nachträglichen Protokollen nur selten frei über ihre erlebten Emotionen sprechen. Ein Ausweg könnte der Einsatz der konsensualen Validierung sein. Fast alle Studien wählen hier allerdings einen anderen Weg: Normalerweise werden die Probanden nach dem Ladenbesuch mittels standardisierter Fragebögen, wie der bereits angesprochenen Differential Emotions Scale sowie Mehrabian und Russells (1974 S. 216-217) Semantic Differential Measures of Emotional State oder kurz: PAD-Skalen, befragt. Die Erhebung emotionaler Vorgänge durch Selbstauskünfte impliziert, dass wesentliche Komponenten des affektiven Erlebens bewusst zugänglich sind und ausgedrückt werden können. Ob aber tatsächlich jeder Mensch fähig und gewillt ist, seine Gefühle zu ergründen und (fremden) Versuchsleitern mitzuteilen, ist Gegenstand einer fortlaufenden wissenschaftlichen Diskussion (vgl. Abschnitt Bewusstseinsgrad der Emotionen im Kapitel 2.1.3). In diesem Zusammenhang wurde zudem die Gefahr von Verfälschungen kritisiert: Vor allem die „Übersetzung“ des wahrgenommenen Gefühls in verbale Codes und mögliche unterschiedliche Wortverständnisse der Beteiligten wurden als Fehlerquellen ausgemacht (zu Verfälschungstendenzen vgl. Bente & Vorderer 1997 S. 128-129, Debus 2000 S. 416). Schimmack et al. (2002 S. 461) finden aber in ihren Ergebnissen zu dieser Fragestellung
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4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
Hinweise darauf, dass der Einfluss der von ihnen untersuchten Verfälschungstendenzen auf die Validität der Emotionsmessung vernachlässigbar klein ist. Eine andere Möglichkeit zur prozessbegleitenden Erfassung von Emotionen bietet die Beobachtung des Ausdrucks (Mimik, Gestik, Sprache etc.) von Probanden. Grundlage der dafür entwickelten Methoden ist die Annahme eines Zusammenhangs zwischen dem Ausdruck der Menschen und ihren affektiven Zuständen (vgl. Ekman et al. 1982, Ellgring 2000). Am weitesten verbreitet sind in diesem Zusammenhang Verfahren zur Analyse der Mimik (bspw. das Facial Action Coding System von Ekman & Friesen 1978). Grundsätzlich kann an diesen Methoden kritisiert werden, dass ein Großteil des Ausdrucksverhaltens offensichtlich nichts mit emotionalen Zuständen zu tun hat, sondern gezielt der Kommunikation anderer Inhalte dient (vgl. Kaiser & Wehrle 2000 S. 420-421). Zudem scheint nicht jeder gezeigte Ausdruck auch tatsächlich auf ein von der Person erlebtes Gefühl zu deuten. Ein drittes Vorgehen hat in die Konsumentenforschung Eingang gefunden: die Erfassung physiologischer Prozesse während der Kaufhandlung. Hier sei vor allem auf Studien von Gröppel-Klein verwiesen, in denen sie die bei Kunden von Ladengeschäften gemessene elektrodermale Aktivität (EDA) mit der (physischen) Aktivierung der Kunden in Zusammenhang bringt (Gröppel-Klein & Baun 2001). Neben der EDA werden in einigen Untersuchungen auch Herzfrequenz und Puls-volumenamplitude mit konsumrelevanten Variablen in Verbindung gebracht (bspw. de Castro & Petersen 2002). Bezüglich der Aussagekraft physiologischer Maße ist derzeit unklar, ob tatsächlich spezifische emotionale Zustände daraus ableitbar sind: Deutet ein Anstieg der Herzfrequenz auf empfundenes Vergnügen oder ist es eher ein Indikator für Angst? Verschiedene Metaanalysen zu dieser Frage deuten auf eine Unspezifität der physiologischen Maße (vgl. Cacioppo et al. 1993, Stemmler 1996). Dementsprechend werden physiologische Messwerte vor allem als Indikatoren für die Intensität emotionaler Zustände betrachtet. Eine Ausnahme bildet hier die Ableitung der neuralen Erregungspotenziale an der Kopfhaut per Elektroencephalogram (EEG). Hier folgen die entsprechenden Autoren (bspw. Pleszczynska & Ohme 2008) der in dieser Arbeit im Kapitel 2.1.3 angesprochenen ValenceSpecific-Hypothesis der Lateralität der Gehirnfunktionen. Diese Hypothese postuliert, dass die Valenz der Emotion den Ort der Verarbeitung bestimmt: positive Emotionen werden in der rechten Hemisphäre, negative in der linken verarbeitet (Adolphs et al. 2001). Die empirischen Ergebnisse dazu sind aber widersprüchlich (vgl. Killgore & Yurgelun-Todd 2007). Zudem ist so ebenfalls nur die Valenz der erlebten Emotione, nicht ihre Erlebnisqualität erfassbar. Abschließend sei eine Methodenklasse der Emotionsmessung angesprochen, die in anderen Kontexten dem Erleben während Ladenbesuchen Verwendung findet: die (funktionelle) Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT). Durch diese Verfahren werden Stoffwechselprozesse im Gehirn abgebildet (vgl. Anderson et al. 2006). Durch die Identifizierung der an der Verarbeitung einer bestimmten Reizkonstellation beteiligten
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
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Gehirnstrukturen werden Schlussfolgerungen über die Emotionalität der Situation bzw. der Beteiligung emotionaler Prozesse an der Informationsverarbeitung gezogen (vgl. Kenning & Ahlert 2004). Die Beschaffenheit der dafür notwendigen Hardware ist aber für einen Einsatz während eines Ladenbesuchs in der Regel ungeeignet. Eine abschließende Diskussion der Verfahren kann hier nicht geleistet werden (vgl. dafür bspw. Woltman Elpers 2003 S. 55-61, Mau 2004, Weinberg & Salzmann 2004, Möll 2007 S. 65-93). Verbale Selbstauskünfte sind allerdings die einzige Quelle für die Messung tatsächlich bewusst erlebter Emotionsqualitäten: „It is not possible to measure more easily observable aspects of emotion (e.g., facial movements, vocal acoustics, voluntary behaviors, peripheral physiology) to learn something about its subjective aspect. To know what emotion feels like, it is necessary to ask people what they experience” (Barrett et al. 2007 S. 376). Sollen also qualitativ unterschiedlich erlebte Emotionen erfasst werden, kann daher auf die Verwendung verbaler Selbstauskünfte nicht verzichtet werden. 4.2
Entwicklung und Test eines Kategoriensystems zur Messung kaufbegleitender Emotionen
In diesem Abschnitt wird ein deutschsprachiges Inventar von Emotionswörtern empirisch hergeleitet, das dazu geeignet sein soll, die Bandbreite an Emotionen während des Ladenbesuchs vollständig zu erfassen. Das Vorgehen wurde dabei bewusst so gewählt, dass dieses Inventar das emotionale Erleben sowohl in virtuellen wie nicht-virtuellen Geschäften erfassen kann. Bevor die drei empirischen Studien zur Entwicklung, Reduktion und Prüfung des Inventars beschrieben werden, stellt der folgende Abschnitt kurz Grundlagen und Ziele des Inventars vor. 4.2.1
Grundlage und Ziele des Kategoriensystems
Schon an anderer Stelle dieser Arbeit wurde darauf verwiesen, dass bei der Untersuchung der Emotionen, die während des Ladenbesuchs erlebt werden, nicht auf Selbstauskünfte verzichtet werden kann. Für deren Erfassung werden in der Forschung zum Konsumentenerleben vor allem Izards (1977) Differential Emotions Scale 31 sowie Mehrabian und Russells (1974 S. 216-217) Semantic Differential Measures of Emotional State oder kurz: PAD-Skalen 32 verwendet (vgl. Machleit & Eroglu 2000 S. 102). Die Differentielle Affekt Skala erfasst die von Izard (1977) postulierten zehn Grundemotionen durch jeweils drei Adjektive. Die PAD-Skalen orientieren sich hingegen an Mehrabian und Russells (1974 S. 216-217) Vorstellung, dass das emotionale Erlben in die drei Dimensionen Pleasure (Valenz), Arousal (Erregung) und Dominance
31 Deutsche Übersetzung von Merten & Krause (1993) unter dem Namen Differentielle Affekt Skala (DAS) veröffentlicht 32 Deutschsprachige Übersetzung von Hamm & Vaitl (1993); als nichtsprachliche Bilderskala unter den Namen Self-Assessment Manikin entwickelt von Lang (1993).
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4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
(Dominanz) zerlegt werden können. In dem Instrument wird jede Dimension durch sechs Adjektivpaare erfasst. Beide Instrumente waren in der Vergangenheit öfter Gegenstand der Kritik (vgl. Richins 1997, Machleit & Eroglu 2000). An den PAD-Skalen wurde bspw. bemängelt, dass die Adjektivpaare nicht immer aus eindeutigen Gegensatzpaaren zusammengesetzt sind (bspw. bored vs. relaxed). Und auch die Erfassung differen-zierter Emotionen ist auf diese Weise nicht möglich. Zudem testeten Machleit und Eroglu (2000) die PAD-Skalen und die Differential Emotions Scale auf ihre Eignung zur Beschreibung des emotionalen Erlebens im Kontext von Ladenbesuchen. Dabei zeigte sich, dass differentielle Messverfahren, also jene Skalen, die einzelne Emotionen erfassen, der dimensionalen Skala überlegen waren: „they simply contain more information about the emotional response“ (Machleit & Eroglu 2000 S. 110). Richins (1997) Befunde stützen diese Interpretation. Darüber hinaus bemängelt sie an der Anwendung der Differential Emotions Scale in der Konsumentenforschung, dass dieses Instrument für die Erfassung möglicher Emotionen im Alltag zwar geeignet sei, aber die spezifischen Emotionen während Ladenbesuchen nicht detailliert genug erfassen könne: Die Emotionen, die Menschen in intimen Bezieh-ungen erleben, weichen aber in Intensität, Qualität und Charakter von den Emotionen ab, die beim Schuhkauf erlebt werden (vgl. Richins 1997 S. 129). Deutlich wird dies auch an einer starken Schieflage der DAS: Mit acht Emotionen negativer und nur zwei Emotionen positiver Valenz ist dieses Instrument kaum geeignet, den positiven Erlebnisraum detailliert zu erfassen (vgl. Renaud & Unz 2006 S. 71). Richins (1997 S. 129) geht daher davon aus, dass die allgemeinen Skalen der Emotionsmessung die beim Ladenbesuch erlebten Emotionen schlechter erfassen können als eine speziell für diesen Kontext entwickelte Skala. Basierend auf dieser Argumentation entwickelt sie in mehreren empirischen Schritten das Consumption Emotion Set (CES, vgl. Abbildung 2). Tatsächlich findet die Autorin in ihren Studien Bestätigung für die Annahme, dass ein auf den Kontext abgestimmtes Instrument die erlebten Emotionen besser erfassen kann (für eine detailliertere Beschreibung Richins Vorgehens vgl. Kapitel 2.1.2). Leider steht ein solches Instrument für die Erfassung der Emotionen, die während des Ladenbesuchs erlebt werden, im deutschsprachigen Raum noch nicht zur Verfügung. Eine einfache Übersetzung des Consumption Emotion Sets ins Deutsche erscheint ebenfalls nicht zielführend: Zum einen gibt es nicht für jedes englische Emotionswort der Skala eine inhaltsgleiche deutschsprachige Übersetzung. Zum anderen ließ ein Blick auf die Emotionswörter des CES vermuten, dass das emotionale Erleben US-amerikanischer und deutscher Ladenbesucher möglicher-weise nicht deckungsgleich ist (bspw. findet sich im CES die Emotion Romantic Love). Aus diesem Grund wurde im Rahmen vorliegender Arbeit ein deutschsprachiges Inventar kaufbegleitender Emotionen entwickelt, das vor allem folgende Funktionen erfüllen sollte (vgl. Howarth & Schokman-Gates 1981 S. 421):
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen -
91
Erfassung der vollständigen Bandbreite erlebter positiver bis negativer Emotionen während Ladenbesuchen, Verständlichkeit der Wörter für den Großteil der deutschsprachigen Muttersprachler.
In drei empirischen Studien wurde schrittweise zunächst ein Pool Emotionswörter gesammelt, die für Ladenbesuche relevant sind. Dann wurde der Pool anhand der Relevanz der Emotion für das Erleben während eines Ladenbesuchs, der Gebräuchlichkeit des Emotionswortes und möglicher Redundanzen reduziert. In der dritten Studie wurde das so ermittelte Emotionsinventar auf seine Eignung zur Beschreibung der während Ladenbesuchen erlebter Emotionen getestet und mit den PAD-Skalen und dem DAS verglichen. Die folgenden drei Unterkapitel beschreiben das Vorgehen in aller Kürze. 4.2.2
Studie 1: Generierung eines Pools relevanter Emotionswörter
Ziel der Studie Eine erste Studie sollte Aufschluss darüber geben, welche Wörter die Besucher verschiedener virtueller und nicht-virtueller Läden benutzen, um ihr emotionales Erleben während des ShopBesuchs zu umschreiben. Diese Wörter dienen als Grund-lage der Entwicklung des Emotionsinventars. Mit diesem Vorgehen sollte sicher-gestellt werden, dass tatsächlich nur Begriffe in das Inventar aufgenommen werden, die von Ladenbesuchern tatsächlich verwendet werden.
Anlage und Vorgehen Auch Richins (1997 S. 130) erste Studie diente der Sammlung verschiedener Wörter, die solche Emotionen umschreiben, die während Ladenbesuchen erlebt werden. Anders aber als Richins (1997 S. 130), die Studierende bat, sich in eine Konsumsituation zu versetzen, wurden in dieser Studie Probanden direkt im Anschluss an ihren Ladenbesuch noch im Laden befragt. Die Datenerhebung fand sowohl in drei nicht-virtuellen Geschäften unterschiedlicher Branchen (Textileinzelhandel, Bucheinzelhandel und Elektronikeinzelhandel) sowie in einem Online-Shop (Elektronikeinzelhandel) statt. Die Teilnehmer sollten vornehmlich diese beiden offenen Fragen nach ihren erlebten Emotionen beantworten: (1) Bitte denken Sie an den eben abgeschlossenen Besuch in diesem Geschäft zurück: Welche Worte beschreiben die von Ihnen während des Ladenbesuchs erlebten Gefühle am besten? (2) Bitte denken Sie an die Besuche in diesem Geschäft in den letzten sechs Monaten zurück: Welche Worte beschreiben die von Ihnen während dieser Ladenbesuche erlebten Gefühle am besten? Sowohl durch den Ort der Befragung als auch durch die beiden unterschiedlichen Fragen sollte gewährleistet werden, dass eine möglichst breite, umfassende Sammlung relevanter
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4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
Emotionswörter erfasst werden konnte. Zusätzlich wurden zur Kontrolle Geschlecht und Alter der Probanden, sowie deren Produkt-Involvement (mittels Skala entwickelt durch Mittal 1989) und ihre Ausprägung auf der Persönlichkeitsdimension Extraversion (mittels Skala entwickelt durch Rammstedt & John 2005) erfasst. Ergebnisse Insgesamt beantworteten N = 584 (nicht-virtueller Textileinzelhandel n = 66, nicht-virtueller Bucheinzelhandel n = 105, nicht-virtueller Elektronikeinzelhandel n = 127, virtueller Elektronikeinzelhandel n = 286) Ladenbesucher den Fragebogen vollständig. Alle Teilnehmer gaben an, als Muttersprache deutsch zu sprechen. Insgesamt wurden von den Probanden 1859 Wörter angegeben (im Durchschnitt 3,2 Wörter pro Proband). Ladenbesucher virtueller und nicht-virtueller Geschäfte unterschieden sich dabei nicht in der Anzahl der genannten Wörter. Diese Angaben enthielten aber auch Wörter, die offensichtlich keine Emotionen um-schrieben (bspw. „mir war kalt“). Deshalb mussten zunächst alle Wörter ausge-schlossen werden, die keine Emotionen beschrieben. Dafür schätzten drei Rater unabhängig voneinander jedes Wort dahingehend ein, ob es eine Emotion beschreibt. Die Rater orientierten sich dafür an den in Kapitel 2.1.1 hergeleiteten definitorischen Eigenschaften der Emotionen (bestimmte Qualität, Intensität und Dauer, objektgerichtet und mit einem charakteristischen, bewussten Erleben einhergehend sowie durch charakteristische physiologische Veränderungen und Verhaltensweisen gekennzeichnet). Begriffe, die nicht auf Emotionen verwiesen, wurden gestrichen. Anschließend wurden verbliebe Emotionswörter, die inhaltlich die gleiche Emotion umschrieben, in einem Wort zusammengefasst (bspw. Freude + freudig). Übrig blieb eine Liste mit 73 Wörtern, die unterschiedliche Emotionen bezeichneten. Abschließend wurde kontrolliert, in wie weit die Anzahl der genannten Wörter mit den Eigenschaften der Probanden zusammenhingen: Dabei zeigte weder die Extraversion noch das Alter oder das Geschlecht einen Zusammenhang mit der Anzahl der genannten Emotionswörter. Dieser Befund ist kongruent zu Derbaix & Pham (1991 S. 339-340). Lediglich das Produkt-Involvement beeinflusste die Anzahl der genannten Begriffe: Je höher das Involvement, desto weniger Emotionswörter nannten die Befragten (r = -.154, p < .01). Möglicherweise erhöht das Involvement die Bereitschaft, sich mit dem Laden und seinen Produkten kognitiv auseinanderzusetzen (vgl. Petty & Cacioppo 1981) – dann ständen Emotionen während des Ladenbesuchs eher im Hintergrund, würden weniger deutlich wahrgenommen und weniger gut nach dem Einkauf erinnert. 4.2.3 Studie 2: Reduktion aufgrund Gebräuchlichkeit und Auftreten während Ladenbesuchen sowie Zusammenfassung aufgrund gemeinsamer Bedeutung Ziel der Studie Die erste Studie war so angelegt, um eine möglichst breite, umfassende Liste derjenigen Emotionen zu erhalten, die während Ladenbesuchen erlebt werden. Die resultierende Liste
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
93
aus 73 Wörtern sollte nun anhand der Gebräuchlichkeit der Wörter im Alltag und der Häufigkeit des Auftretens der jeweiligen Emotion während Ladenbesuchen reduziert werden. Anlage und Vorgehen Für diese Studie wurde ein Online-Fragebogen erstellt, in dem den Probanden zunächst eine Liste der Wörter aus der ersten Studie angezeigt wurde. Dazu sollten sie auf zwei Fragen antworten: wie gebräuchlich das Wort für sie im Alltag ist und wie klar dessen Bedeutung für sie ist. Anschließend wurden die Probanden gebeten, sich an einen beliebigen Ladenbesuch zu erinnern und diesen kurz mit eigenen Worten in einem offenen Textfeld zu beschreiben, um die Erinnerung an die Situation zu unterstützen. Nachdem sich die Probanden wieder in die Situation versetzt hatten, wurde ihnen die Liste der Emotionswörter aus der ersten Studie ein weiteres Mal angezeigt. Diesmal sollten sie auf einer sieben-stufigen Skala von gar nicht bis sehr intensiv angeben, wie intensiv die entsprechende Emotion in der betreffenden Situation tatsächlich aufgetreten war. Um Reihenfolgeneffekte zu vermeiden, wurde die Reihenfolge der Emotionen in den Listen zufällig variiert. Die Probanden wurden in Kursen der Universität Göttingen aus dem Marketing- und Medizin-Studium rekrutiert. Außerdem wurde der Online-Fragebogen unter Ehema-ligen eines Gymnasiums verteilt. Alle Teilnehmer wurden gebeten, den Link per Email auch an Bekannte weiterzuleiten. Ergebnisse Insgesamt nahmen N = 509 Probanden an der Befragung teil. Alle Teilnehmer gaben an, als Muttersprache deutsch zu sprechen. Zunächst wurde die Liste der Emotionen um diejenigen Wörter bereinigt, die nur selten verwendet werden, oder deren Bedeutung den Probanden unklar war. Ein Wort wurde dann ausgeschlossen, wenn mehr als 5% der Probanden die Bedeutung des Wortes unklar war und/oder wenn weniger als 11% der Probanden dieses Emotionswort im Alltag verwendeten. Auf diese Weise wurde die Liste um 19 Wörter reduziert. Anschließend wurden jene Worte ausgeschlossen, die Emotionen bezeichneten, welche von den Probanden nur sehr wenig intensiv oder gar nicht während Ladenbesuchen erlebt werden (Stufe 7 und 6 auf der sieben-stufigen Skala von gar nicht bis sehr intensiv). So wurde die Liste um weitere 17 Wörter reduziert. Die resultierende Liste von 37 Wörtern soll die während Ladenbesuchen erlebten Emotionen möglichst vollständig abdecken. Zugleich sollte dieses Vorgehen sicherstellen, dass die verwendeten Bezeichnungen der Emotionen für alle Menschen verständlich sind und sie sich eine Emotion darunter vorstellen können. In einem letzten Schritt sollten nun diejenigen Emotionswörter in jeweils derselben Kategorie zusammengefasst werden, die im Erlebensraum (bzw. Wahrnehmungsraum) der Probanden eine sehr ähnliche Position einnahmen und die inhaltlich gleichen Gefühlszustände umschrieben. Dafür wurden durch eine Multidimensionale Skalierung mit euklidischem Distanzmodell die Emotionen nach
94
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
ihrer Intensität des Erlebens beim erinnerten Ladenbesuch nach ihrer Ähnlichkeit skaliert 33. Sowohl Kruskals Stress (= .087) als auch das Bestimmtheitsmaß (R2 = .96), das die durch die Konfigurationen aufgeklärten Varianzen ausdrückt, sprechen für eine zufriedenstellende Anpassung der Konfiguration an die empirisch ermittelten Ähnlichkeiten zwischen den Emotionswörtern (vgl. Kruskal 1964, Janssen & Laatz 2007 S. 607). Tabelle 7: Emotionskategorien des D-IKE und ihre interne Konsistenz in der Studie 2 Cronbach's Alpha
Kategorie
Emotionswörter
.858
Begeisterung
toll
begeistert
heiter
.906
Glück
froh
gut
glücklich
.802
Zufriedenheit
zufrieden
erfolgreich
befriedigt
Genuss
gemütlich
genüsslich
r = .541
r = .616
Sicherheit
sicher
Erleichterung
erleichtert
Überraschung
überrascht erstaunt
erfreut
.709
Angst
ängstlich
traurig
einsam
unsicher
.771
Hilflosigkeit
ratlos
hilflos
verwirrt
überfordert
.829
Enttäuschung
wütend
verzweifelt
irritiert
enttäuscht
.856
Ärger
frustriert
ärgerlich
unzufrieden unruhig
Stress
hektisch
genervt
gestresst
Zweifel
zweifelnd
.866
besorgt
Die Emotionswörter wurden dann in einer Kategorie zusammengefasst, wenn sie eine ähnliche Position in der resultierenden Konfiguration einnahmen und durch drei Rater unabhängig voneinander als inhaltlich sehr ähnlich bewertet wurden. Die sich ergebenden Kategorien wurden jeweils nach dem gebräuchlichsten Emotionswort benannt. Die Gebräuchlichkeit war wie beschrieben zuvor mit der zweiten Frage ermittelt worden. Aus diesem Vorgehen resultierten 13 Kategorien, die in der Tabelle 8 dargestellt sind. Die Kategorie Begeisterung ergibt sich bspw. aus den Einschätzungen toll, begeistert und heiter, die jeweils in der MDS sehr ähnliche Positionen einnehmen, also in den selben Situationen während des Ladenbesuchs ähnlich intensiv empfunden wurden. Für alle Kategorien, bei denen mehr als zwei Emotionswörter zusammengefasst wur-den, ist in der Tabelle 8 ebenfalls die interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) angege-ben. Alle Werte sind .709 und erfüllen damit die Anforderungen nach Nunnally (1978). Für die beiden Kategorien,
33 Andere Autoren schlagen hier zur Reduktion der Emotionswörter die Faktorenanalyse vor. Konsequenterweise finden sich bei vielen Studien, die diesen Weg gehen, mindestens zwei Faktoren, die die Valenz der Emotion widerspiegeln. Richins (1997) bemerkt zu diesem Vorgehen, dass eine einfache Index- oder Summenbildung über die positiven und negativen Faktoren „does not capture the nuance, diversity, and patterning of emotions needed fully to fully understand the nature of the consumption experience“ (Richins 1997). Darüberhinaus sollen in dieser Arbeit ja auch die Einflüsse auf und Wirkungen der differenzierten Emotionen betrachtet werden.
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
95
die durch zwei Items gebildet werden, wurde stattdessen die Korrelation beider Items berechnet; mit einem R2 LVW DXFK GLHVHU :HUW ]XIULHGHQVWHOOHQG Das so ermittelte Kategoriensystem wird im Folgen-den der Übersicht wegen mit D-IKE (als Akronym für Deutschsprachiges Inventar kaufbegleitender Emotionen). In der folgenden Studie wird dieses Inventar auf seine Eignung hin überprüft. 4.2.4 Studie 3: Test des Emotionsinventars und Vergleich mit anderen Instrumenten Ziel der Studie In den ersten beiden Studien wurde das D-IKE entwickelt, ein Kategoriensystem derjenigen Emotionen, die während Ladenbesuchen empfunden werden. Ziel der dritten Studie war es nun, die Güte dieses Kategoriensystems zu prüfen und Hin-weise auf seine Eignung zur Beschreibung der Emotionen während des Laden-besuchs im Vergleich zu zwei anderen, sonst oft in diesem Kontext verwendeten Verfahren zu ermitteln. Anlage und Vorgehen Für diese Studie wurden Besucher dreier nicht-virtueller Geschäfte (Elektroeinzelhändler, Lebensmittelmarkt, Einkaufszentrum) kurz vor dem Verlassen des Geschäfts angesprochen. Der Fragebogen enthielt zunächst drei verschiedene Instrumente, die zur Emotionsmessung verwendet werden: das in den ersten beiden Studien ermittelte D-IKE, Mertens und Krauses (1993) deutschsprachige Übersetzung Izards (1977) Differential Emotions Scale (DES)34 sowie Hamm und Vaitls (1993) deutschsprachige Übersetzung Mehrabians und Russells (1974 S. 216-217) PAD-Skalen. Um Reihenfolgeeffekte der drei Instrumente zu vermeiden, wurde ihre Abfolge im Fragebogen bei jedem Probanden zufällig bestimmt. Ergebnisse Insgesamt nahmen N = 380 (Elektroeinzelhändler n = 135; Lebensmittelmarkt n = 124; Einkaufszentrum n = 121) Probanden an der Befragung teil. Alle Teilnehmer gaben an, als Muttersprache deutsch zu sprechen. Die Stichproben in den drei Geschäften unterschieden sich weder im Alter noch im Geschlecht signifikant. Zunächst zeigen die Ergebnisse in Tabelle 9, dass die interne Konsistenz der Kate-gorien des D-IKE zufriedenstellend ist: Alle Werte für Cronbach’s Alpha sindXQGHUIOOHQGDPLW die Anforderungen nach Nunnally (1978). Für die beiden Kate-gorien, die durch zwei Items gebildet werden, wurde die Korrelation beider Items berechnet; mit einem R2 LVWDXFK dieser Wert zufriedenstellend. Der Befund spricht für die Reliabilität der D-IKE-Skalen. Auch für die Kategorien des DES und der PAD-Skalen ergaben sich Werte für Cronbach’s Alpha .754.
34 Die Differential Emotions Scale erfasst diese zehn Emotionen: Interesse, Freude, Überraschung, Trauer, Wut, Ekel, Verachtung, Angst, Scham und Schuld.
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4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
Wichtiges Ziel der Entwicklung des D-IKE war es, das emotionale Erleben während des Ladenbesuchs möglichst vollständig zu erfassen. Ob dieses Ziel erreicht wurde, wird hier auf drei Wegen geprüft: Zum einen wird, dem Vorgehen Richins (1997 S. 136-138) folgend, die Verteilung der Emotionen des D-IKE im Erlebens- bzw. Wahrnehmungsraum der Probanden mit der Verteilung des DES verglichen. Zweitens werden, wie bei Machleit und Eroglu (2000 S. 107) sowie Havlena und Holbrook (1986 S. 394-396) vorgeschlagen, die Redundanzen innerhalb der drei Verfahren berechnet. Und drittens wird die Trennschärfe der drei Verfahren bzgl. der drei erhobenen Geschäftstypen geprüft. In einem ersten Schritt wurde die Verteilung der durch das D-IKE sowie durch das DES erfassten Emotionen im Erlebensraum der Probanden analysiert. Dafür wurden getrennte Multidimensionale Skalierungen mit euklidischem Distanzmodell berechnet (vgl. Abbildung 21). Tabelle 8: Interne Konsistenz der Emotionskategorien des D-IKE und ihre Trennschärfe bzgl. der drei untersuchten Läden Cronbach's Alpha
Kategorie
Elektroeinzelhandel
Lebensmittelmarkt
Einkaufszentrum
.914
Begeisterung
3,11
a
2,51
3,05
.891
Glück
3,43
2,98
3,31
.784
Zufriedenheit
3,91
3,60
3,57
Genuss
2,52
2,72
2,74
Sicherheit
3,52
3,92
3,51
Erleichterung
3,39
2,72
3,32
Überraschung
2,35
1,98
2,45
.901
Angst
1,42
1,35
1,71
.920
Hilflosigkeit
1,57
1,37
1,83
.876
Enttäuschung
1,47
1,44
1,84
.878
Ärger
1,70
1,68
2,15
.879
Stress
2,22
2,19
2,69
Zweifel
2,40
2,08
2,66
r = .636
r = .789
a
Mittelwerte der befragten Besucher der jeweiligen Emotionskategorie des D-IKE in dem jeweiligen Geschäft; erfasst auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 6 (sehr intensiv)
Für die PAD-Skalen ist eine solche Berechnung wenig sinnvoll, weil sie ja Dimensionen des Erlebnisraums definieren; sie würden also durch Vektoren abgebildet. Ein Vergleich mit dem D-IKE oder dem DES ist so aber kaum möglich. Beide Skalierungen weisen Werte für Kruskals Stress .18 auf; somit erzielen beide Konfigurationen befriedigende Anpassungen der Distanzen an die empirischen Ähnlichkeitsmaße (vgl. Kruskal 1964, Janssen & Laatz 2007 S. 607). Und auch die Bestimmtheitsmaße, also die von den Konfigurationen aufgeklärten Varianzen, sind mit 89 % und 96 % zufriedenstellend.
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
97
Abbildung 21: Vergleichende Prüfung der Abdeckung des Emotionsraums bei Ladenbesuch durch das Emotionsinventar und das DES
D-IKE (Stress = .179 | R2 = .888)
DES (Stress = .156 | R2 = .961)
98
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
Bei beiden Koordinatensystemen scheint die erste Dimension, die Abszisse, die Valenz der Emotionen widerzuspiegeln. Die Interpretation der zweiten Dimension, der Ordinate, ist weniger eindeutig: Beim D-IKE könnte die zweite Dimension das Ausmaß der Klarheit der Situation abbilden (mit den Extremen Sicherheit vs. Überraschung, Zweifel, vgl. auch Tabelle 12). Beim DES scheint sich hier die Erregung auszudrücken (Überraschung vs. Schuld, eine Ausnahme bildet hier allerdings die Lokalisierung der Trauer). Betrachtet man zunächst die Verortung der durch das DES gemessenen Emotionen, wird die schon angesprochene Fokussierung auf negative Emotionen deutlich: Im negativen Bereich der Abszisse (im II. und III. Quadranten des Koordinatensystems) sind fast alle sieben der zehn erfassten Emotionen versammelt, denen eine negative Valenz zugesprochen werden kann. Lediglich zwei (zählt man Überraschung hinzu drei) Emotionen werden im positiven Bereich der Abszisse lokalisiert: Auf diese Weise können positive Emotionen weniger gut differenziert werden. Die Verortung der durch das D-IKE erfassten Emotionen deckt einen größeren Bereich des multi-dimensionalen Raums ab und differenziert augenscheinlich die positiven Emotionen besser als das DES. Dieser Befund spricht dafür, dass das Ziel, die Emotionen während des Ladenbesuchs möglichst vollständig zu erfassen, mit dem D-IKE besser erreicht werden kann, als durch das DES. Machleit und Eroglu (2000 S. 107) sowie Havlena und Holbrook (1986 S. 394-396) schlagen zum Vergleich der Eignung verschiedener Messverfahren die Berück-sichtigung der gegenseitigen Redundanzen vor. Darunter wird der Anteil der Varianz eines Verfahrens verstanden, der vollständig durch die Varianz eines anderen Ver-fahrens erklärt wird. Hierbei gelingt der größte Informationsgewinn mit dem Verfahren, das am meisten Varianz in den anderen Verfahren aufklärt, dessen Vari-anz aber selbst nur zu einem kleineren Anteil von den anderen Verfahren erklärt wird (Machleit & Eroglu 2000). Die Redundanzen wurden in dieser Studie mittels kanonischer Korrelation ermittelt. Tabelle 9: Redundanzen zwischen den Messungen: Ergebnisse der kanonischen Korrelationsanalyse Redundanzkoeffizienten
a
Erstes / zweites Verfahren
Kanonische Dimensionen
Anteil der Varianz im ersten Verfahren erklärt durch das zweite
Anteil der Varianz im zweiten Verfahren erklärt durch das erste
D-IKE Ù PAD
2
.354
.769a
D-IKE Ù DES
5
.632
.706
DES Ù PAD
2
.443
.765
Bedeutet, dass 76,9 % der Varianz der PAD-Messung durch das D-IKE erklärt werden
Die Ergebnisse in der Tabelle 10 verdeutlichen, dass sowohl das D-IKE (76,9 %) als auch das DES (76,5 %) jeweils einen Großteil der Varianz der PAD-Skalen erklären. Die PAD-Skalen wiederum können nur einen deutlich geringeren Varianzanteil des D-IKE (35,4 %) und des
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
99
DES (44,3 %) erklären. Mit anderen Worten: Fast 77 % der durch die PAD-Skalen gewonnenen Informationen, werden ebenso durch das D-IKE erfasst. Umgekehrt beinhalten die PAD-Skalen aber nur etwa 35 % der Informa-tionen des D-IKE. Mit der Verwendung des D-IKE oder des DES können also deutlich mehr Informationen gewonnen werden als mit dem Einsatz der PAD-Skalen. Dieses Ergebnis ergänzt jenes von Machleit und Eroglu (2000), die eine Überlegen-heit des DES gegenüber den PAD-Skalen fanden. Betrachtet man die gegenseitigen Redundanzen des D-IKE und des DES, stellt sich das D-IKE als das Instrument heraus, mit dem sich mehr Informationen generieren lassen (70,6 % vs. 63,2 %). Tabelle 10: Jeweilige Fähigkeit der drei Emotionsmessungen zur Diskriminierung der unterschiedlichen Ladenatmosphären Prädiktor
Anzahl sign. Diskriminanzfkt.
Kanonisches R2
Anteil korrekt Klassifizierter Fälle
D-IKE
2
.234
56,3 %
DES
2
.189
50,8 %
PAD
1
.037
41,4 %
Schließlich kann aufgrund der unterschiedlichen Atmosphären der untersuchten Geschäfte (Elektrofachgeschäft, Lebensmittelmarkt und Einkaufszentrum) ange-nommen werden, dass diese jeweils verschiedene emotionale Reaktionen bei den Ladenbesuchern hervorgerufen haben. In einem letzten Schritt wird geprüft, wie gut die durch die drei Verfahren erfassten Emotionen zwischen den drei Geschäften differenzieren können. Dazu wurden separate Diskriminanzanalysen für jedes der drei Verfahren zur Messung der Emotionen berechnet (vgl. Tabelle 11). Sowohl für die Verwendung der Messungen des D-IKE als auch des DES als Prädiktoren werden zwei Diskriminanzfunktionen signifikant (p < .05). Die PAD-Skalen resultieren hingegen nur in einer signifikanten Funktion. Dieses Bild zeichnet sich auch im kanonischen R2 ab, einem Effektstärkemaß der Diskriminanzanalyse, das die Stärke der Varianzaufklärung durch die Diskriminanzfunktionen ausdrückt: Hier führt die Anwendung sowohl des D-IKE als auch DES zu deutlich höheren Werten, wobei die durch das D-IKE erfassten Emotionen noch einmal etwas besser zwischen den drei Geschäften trennen als die mit dem DES erfassten Emotionen. Auch beim Anteil korrekt klassifizierter Fälle ist das DIKE den beiden anderen Verfahren überlegen. Hier können auf Grundlage der PADMesswerte die wenigsten Fälle korrekt klassifiziert werden. 4.3
Zusammenfassende Diskussion der Studien 1-3
In diesem Abschnitt wurde anhand zweier empirischer Studien ein Erhebungsinstrument diskreter Emotionen entwickelt – das D-IKE. Es besteht aus insgesamt 37 Adjektiven, durch die 13 Emotionen, sechs positive und sieben negative, erfasst werden können (vgl. Tabelle 12). Eine dritte Studie konnte Hinweise auf die Eignung des D-IKE zur Erfassung der Emotionen, die während des Ladenbesuchs erlebt werden, geben. Dabei zeigte das D-IKE eine bessere Abdeckung des multidimensionalen Raums des Emotionserlebens als das DES.
100
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
Außerdem ist der Informationsgehalt des D-IKE bzgl. der erlebten Emotionen größer als der des DES und der PAD-Skalen. Schließlich kann anhand der Emotionen, die mit dem D-IKE erfasst wurden, besser zwischen drei unterschiedlichen Ladenatmos-phären differenziert werden, als durch die Messungen der beiden anderen Verfahren. Tabelle 11: Umschreibung des subjektiven Erlebens, das mit den jeweiligen Emotionswörtern verbunden wird (Ergebnis der qualitativen Befragung) Emotion Begeisterung
Valenz der Emotion
Aussagen bzgl. des jeweiligen subjektiven Erlebens
positiv
„mitreißend, „mit fiebern“, „Jubel“ , „klatschen“
Genuss
positiv
„gutes Gefühl, man fühlt sich entspannt“, „Wohlbefinden“, „Geborgenheit“, „frei von allen Problemen“
Glück
positiv
„etwas tolles entdeckt/erlebt“, „Leichtigkeit“, „bekommen, was ich wirklich wollte“, „setzt Energie frei“
Zufriedenheit
positiv
„hüpfend“, „man rennt aufgeregt durch die Gegend“, „schmiede Zukunftspläne“, „gedanklich unbeschwert und frei“
Erleichterung
positiv
„Anspannung lässt schlagartig nach“, „befreit“, „Freiheit“, „ruhig“
Sicherheit
positiv
„Unabhängigkeit“, „Vertrautheit mit meiner Umgebung“, „Stärke“,
Überraschung
positiv / negativ
„häufig angenehm…aber auch irgendwie negativ“, „man muss sich schnell an die Veränderung anpassen“, „man weiß gar nicht, was man tun oder sagen soll, weil man so perplex ist“, „Gefühl von Wertschätzung, weil sich Anderer die Mühe gegeben hat, um zu überraschen“
Zweifel
negativ
„Zögern“, „bindet die Gedanken“, „Unisicherheit“, „unbehagliches Gefühl“, „Schwanken im Kopf: soll ich – oder soll ich lieber nicht?“, „Magenschmerzen“
Enttäuschung
negativ
„Resignation“, „Selbstzweifel“, „Bedauern“, „‘Drücken‘ im Bauch“, „Erwartungen nicht erfüllt“
Ärger
negativ
„wenn etwas nicht nach meinen Vorstellungen oder Wünschen läuft“, „entfesselt neue Kraft“, „werde eventuell rot“, „anstauendes Gefühl im Magen“
Hilflosigkeit
negativ
„Gefühl der Leere“, „Gelähmtheit“, „allein gelassen“, „überfordert“, „schwach“
Angst
negativ
„man will ganz schnell dieser Situation entkommen“, „Zittern und Schweiß“, „man will sofort weg“, „Verlust der Macht über das eigene Geschehen“
negativ
„schnell gereizt“, „empfindlich“, „mein Handeln wird hektischer und unüberlegter“, „finde keine Entspannung“, „…rast einem der Kopf, kein klarer Gedanke“, „Körper wird aktiviert“
Stress
Interessant sind die Ergebnisse bzgl. der PAD-Skalen, die bis heute oftmals für die Messung u.a. kaufrelevanter Emotionen Verwendung finden: Wie schon bei Machleit und Eroglu
4. Die Messung kaufbegleitender Emotionen
101
(2000) sowie bei Richins (1997) sprechen die Ergebnisse auch dieser Studie dafür, dass dieses Verfahren die während des Ladenbesuchs erlebten Emo-tionen schlechter abbildet als die beiden Messverfahren differenzierter Emotionen (DES und D-IKE), obgleich die PAD-Skalen in anderen Zusammen-hängen besser zur Erfassung des emotionalen Erlebens geeignet waren als Methoden der differenzierten Emotionsmessung (vgl. Havlena & Holbrook 1986). Möglicherweise ist die Vielfältigkeit und Verschiedenheit der während Ladenbesuchen erlebten Emotionen größer als in anderen Kontexten, so dass hier differenzierte Messverfahren einen größeren Informationsgewinn versprechen. Unabhängig davon, war das speziell für die Erfassung in diesem Kontext entwickelte D-IKE auch dem DES in den hier untersuchten Kriterien überlegen. Diese Ergebnisse sprechen für die in der Hypothese 1a postulierte bessere Erfassung der Emotionen während eines Ladenbesuchs durch differentielle Ansätze der Emotionsmessung als durch dimensionale. Dementsprechend soll das D-IKE in der folgenden Hauptstudie Verwendung finden. Dort sollen Determinanten und Wirkungen des emotionalen Erlebens, operatio-nalisiert durch das D-IKE, ermittelt werden. Die Interpretation der Effekte bzgl. einzelner differenzierter Emotionen würde dabei durch das Verständnis des mit dem jeweiligen Emotionswort verbundenen subjektiven Erlebens erleichtert: Ist bspw. be-kannt, welches Erleben die Probanden mit dem Emotionswort Begeisterung ver-binden, können die Wirkungen dieser Emotion auf finale Größen leichter interpretiert werden. Deshalb sollte eine abschließende qualitative Befragung Aufschluss über die subjektive Qualität des Erlebens geben, das hinter dem jeweiligen Emotionswort steht. Dazu wurden N = 20 zufällig ausgewählte Studierende der Universität Göttingen auf dem Campus angesprochen. Erklärten sie sich bereit, an einem kurzen Interview teilzunehmen, wurden ihnen zwei zufällig ausgewählte Emotionswörter mit der Bitte präsentiert, sich an jeweils eine Situation während eines Ladenbesuchs zu erinnern, in der sie diese Emotion empfanden. Anschließend sollten die Befragten das entsprechende Gefühl in wenigen Stichpunkten umschreiben. Insbesondere wurden sie gebeten anzugeben, was das Besondere an der entsprechenden Empfindung ist und wie sie sich normalerweise bei ihnen ausdrückt (Interviewleitfaden im Anhang). Tabelle 12 fasst die wesentlichen Aussagen der Befragten zusammen.
102
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
5. Eine empirische Studie zu Ursachen und Wirkungen von Emotionen beim Surfen in Online-Shops 5.1
Ziel der Studie und Überblick der Hypothesen
In den vorherigen Abschnitten wurden Emotionen sowie ihre Ursachen und Wirkungen beim Besuch von Online-Shops theoretisch-konzeptionell diskutiert. Daraus resultierte ein Hypothesensystem, das in der Abbildung 20 auf Seite 85 grafisch und in der folgenden Tabelle 13 als Übersicht präsentiert wird. Tabelle 12: Übersicht der Hypothesen
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen (Tabelle 13, fortgesetzt)
103
104 (Tabelle 13, fortgesetzt)
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
105
(Tabelle 13, fortgesetzt)
In den kommenden Abschnitten werden Anlage, Durchführung und Ergebnisse eines Experiments berichtet, mittels dessen die hergeleiteten Hypothesen einem kontrollierten, empirischen Test unterzogen werden sollen. Dazu wird zunächst im Kapitel 0 das Design der Studie mit ihrer Faktorenstruktur und der Operationalisierungen der abhängigen und unabhängigen Variablen sowie der Kontrollgrößen präsentiert. In den anschließenden Kapiteln 5.3 und 5.4 werden Rekrutierung und Zusammensetzung der Stichprobe besprochen sowie die Versuchsdurchführung vorgestellt. Das Kapitel 5.5 widmet sich dann der Präsentation der Ergebnisse.
106 5.2
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen Design der Studie
Dieser Studie liegt ein 2 (Besuchsmotivation) x 2 (kognitive Beanspruchung) x 2 (OnlineShop)-faktorielles Design zugrunde. Die Studie ist als Experiment angelegt, also als „test under controlled conditions that is made to demonstrate a known truth” (Shadish et al. 2001 S. 1). Experimente können die ökologische Validität der Ergebnisse insofern beeinträchtigen, dass dynamische Prozesse oder offene Systeme, die naturgemäß nicht unter „controlled conditions“ ablaufen, statt unter ”natürlichen” Bedingungen nun im Labor simuliert werden (vgl. Musahl & Schwennen 2001). Die vorliegende Studie greift in die natürlichen Prozesse vor allem dadurch ein, dass (1) die Probanden nicht im privaten Umfeld surften, sondern im Labor, (2) sich die Probanden den Online-Shop nicht selbst wählten sowie (3) sie den OnlineShop nicht aus selbst gewählten Motiven besuchten, sondern eine Aufgabe gestellt bekamen. Trotz der Gefahren für die ökologische Validität, die mit Experimenten verbunden ist, wiegt für die, der vorliegenden Untersuchung zugrundeliegenden Fragestellungen, der Informationsgewinn durch den Einsatz eines Experiments dessen Gefahren auf (vgl. für eine weitergehende Diskussion auch Eveland Jr. & Dunwoody 2001 S. 48-53): So war es durch die Versuchsdurchführung im Labor möglich, die kognitive Beanspruchung sowie das Besuchsmotiv systematisch und unter kontrollierten Bedingungen zu variieren. Im Aufbau des Experiments sowie in seiner Auswertung wurden deshalb Anstrengungen unternommen, um den Einfluss dieser „unnatürlichen“ Aspekte des Surfprozesses möglichst gering zu halten oder zu kontrollieren (für eine ausführlichere Diskussion möglicher Strategien vgl. Sedlmeier & Renkewitz 2008 S. 146-150). Vor allem waren dies: (1) Aufbau des Labors und Ablauf der Untersuchung: Sowohl das Labor als auch der Versuchsablauf wurden bewusst persönlich und möglichst wenig steril gehalten. So wurden die Probanden in einer standardisierten aber lockeren Atmosphäre empfangen, sie konnten sich an Getränken und Süßigkeiten bedienen und hatten stets die Möglichkeit, über den Kontakt mir dem Versuchsleiter Kontrolle über das Umfeld auszuüben. (2) Alle Treatments (Online-Shops, Induktion des Besuchsmotivs, Induktion der kognitiven Beanspruchung) wurden in Vorstudien auf ihre Natürlichkeit und Akzeptanz hin getestet. (3) Statt wie in anderen Studien auf nicht-reale, weil selbst erstellte Online-Shops zurückzugreifen, sollten die Probanden dieser Studie auf realen, tatsächlich im Markt befindlichen Online-Shops surfen (vgl. bspw. Eroglu et al. 2003). (4) Die Probanden surften nicht nur auf einem Shop sondern auf zwei, die sich in ihrer Machart und Atmosphäre unterschieden. Auf diese Weise sollen mögliche Effekte, die spezifisch auf einen Shop zurückzuführen sind, aufgefangen werden. (5) Im Fragebogen sowie im abschließenden Gespräch mit dem Versuchsleiter wurden die Probanden nach der Natürlichkeit der Situation und ihres Verhaltens sowie nach der Gewissenhaftigkeit der Fragebeantwortung befragt (vgl. Jacoby et al. 1974 S. 65).
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
107
5.2.1 Überblick des Faktorendesigns Die Studie ist als 2 (Besuchsmotivation) x 2 (kognitive Beanspruchung) x 2 (Online-Shop)faktorielles Design angelegt (vgl. Tabelle 14). Tabelle 13: Faktorendesign der Studie Faktor 1: Besuchsmotivation
Faktor 2: Kogn. Beansp.
Utilitaristisch
höher
Faktor 3: Shop 1Æ2
Hedonisch Shop 1Æ2 Shop 2Æ1
Shop 2Æ1 niedriger
Shop 1Æ2
Shop 1Æ2 Shop 2Æ1
Shop 2Æ1
Bzgl. des ersten Faktors Motivation zum Ladenbesuch wurden bereits im Kapitel 3.5 zwei Abstufungen abgeleitet: ein hedonisches und ein utilitaristisches Motiv. Darauf aufbauend, leitete diese Arbeit Hypothesen zu den moderierenden Auswirkungen dieser beiden Stufen ab. Dementsprechend werden diese beiden Ausprägungen der Ladenbesuchsmotivation als Faktorstufen operationalisiert. Der Faktor wird als Intersubjektfaktor angelegt: Jeder Proband folgt entweder dem hedonischen oder dem utilitaristischen Motiv. In vorliegender Arbeit wurde zudem der Einfluss der unterschiedlich hohen kognitiven Beanspruchung für die Genese und Wirkungen der Emotionen diskutiert (vgl. Kapitel 3.6). Um die daraus resultierenden Hypothesen prüfen zu können, werden zwei Abstufungen des Faktors operationalisiert: höhere vs. niedrigere kognitive Beanspruchung. Der Faktor wird als Innersubjektfaktor angelegt: Jeder Proband kann während unterschiedlicher Phasen des Versuchs beide Faktorstufen durchlaufen. Bereits angesprochen wurde, dass die Probanden nicht nur einen Online-Shop besuchen. Dadurch soll die Generalisierbarkeit der Ergebnisse verbessert und die Varianz der Wahrnehmung der Online-Shops erhöht werden. Dementsprechend wird der dritte Faktor hier in zwei Stufen operationalisiert, mit zwei möglichst unterschiedlich designten Online-Shops. Auch dieser Faktor wird als Inner-subjektfaktor angelegt: Jeder Proband wird nacheinander beide Shops besuchen. 5.2.2 Operationalisierung der Faktoren Faktor 1: Besuchsmotivation Die Operationalisierung der beiden Stufen des Faktors Besuchsmotivation, hedonisches und utilitaristisches Motiv, wurde an das Vorgehen vorheriger Studien angelehnt (vgl. Xia 2002 S. 96, Eroglu et al. 2003 S. 144-145, Kaltcheva & Weitz 2006 S. 111): Die Probanden wurden gebeten, sich in ein hypothetisches Szenario hineinzuversetzen, das eine fiktive aber typische Situation beschreibt in der (je nach Faktorstufe) entweder ein utilitaristisches oder ein
108
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
hedonisches Besuchsmotiv vorliegt. An die Szenarien wurden zudem folgende Anforderungen gestellt: -
sie sollten möglichst lebensnah für die Stichprobe sein, also eine Situation, beschreiben, die den Probanden der Studie tatsächlich passieren könnte, sie mussten plausibel erklären, warum auf einem Weinshop gesurft werden soll, sie mussten plausibel erklären, warum auf zwei Shops nacheinander gesurft werden soll und sie sollten keine Zeit vorgeben, dennoch aber zeitliche Grenzen setzen 35.
Diese Kriterien wurden in folgenden Szenarien zur Induktion des utilitaristischen Motivs beim Besuch des ersten Online-Shops umgesetzt: Stellen Sie sich bitte vor, Sie kommen gerade von zu Hause an die Uni, weil Sie sich mit Freunden zum Essen treffen wollen. Am Treffpunkt in der SUB angekommen fällt Ihnen auf, dass Sie etwas zu früh da sind (ca. 10 Min). Zum Glück haben Sie sich in der SUB verabredet und können sich so an einem der Internetrechner die Zeit vertreiben. Als Sie sich an den Rechner setzen, fällt Ihnen auf, dass sich der Benutzer vor Ihnen nicht ausgeloggt hat und immer noch die Seite eines Online-Weinshops geöffnet ist. Das passt ja super, denn Sie wollten sowieso noch ein Geschenk für Ihren Vater besorgen – und der mag ja sehr gerne Wein und hat bald Geburtstag. Von Ihrer Mutter wissen Sie, dass Ihr Vater gerne italienische Rotweine trinkt. Besonders die Weine aus der Toskana haben es ihm angetan. Vor allem wenn entweder die Traubensorte Sangiovese und/oder Merlot Bestandteil des Weins ist. Besonders gut sollen da die Jahrgänge zwischen (einschließlich) 1999 und (einschließlich) 2003 gewesen sein. Sie beschließen deshalb einen Wein aus diesen Jahrgängen zu kaufen. Einen Wein für mehr als 30 Euro lässt Ihr geschundenes Guthaben auf der Bank leider nicht zu. Ihr Vater kennt sich aber mit Weinen aus und würde erkennen, wenn Sie einen billigen Wein kaufen. Deshalb wollen Sie auch nicht weniger als 15 Euro ausgeben (jeweils ohne Versandkosten). Ihre Aufgabe ist nun, in diesem Weinshop einen entsprechenden Wein zu kaufen. Schauen Sie sich in Ruhe um und verschaffen Sie sich einen Überblick. Vergessen Sie aber nicht, dass Ihre Freunde in etwa 10 Minuten kommen werden. Suchen Sie das gewünschte Produkt aus und legen Sie es in den Warenkorb. Bitte beachten Sie: Sie surfen auf den Webseiten eines realen Weinhändlers! Der Auftrag ist beendet, wenn Sie sich für einen Wein entschieden haben und diesen in den Warenkorb gelegt haben! Bitte geben Sie dann dem Versuchsleiter Bescheid! Beim folgenden Besuch des zweiten Shops wurde das utilitaristische Motiv folgendermaßen umgesetzt:
35 Da die Ladenbesuchszeit abhängige Variable in dieser Studie ist, mussten das Szenario so angelegt sein, dass die Probanden selbst bestimmen konnten, wie lange sie im jeweiligen Shop bleiben wollen. Sowohl im Interesse der Probanden als auch für die Terminvergabe für nachfolgende Probanden war es nötig, den Versuch auf insg. 60 Minuten zu begrenzen.
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
109
Sie haben eben eine SMS von Ihren Freunden erhalten: Sie wurden aufgehalten und kommen doch etwas später (ca. 10 Min). Sie beschließen daher, die Zeit sinnvoll nutzen, um gleich Ihrer Mutter auch noch einen Wein mitzubringen. Die hat zwar keinen Geburtstag, aber kocht immer so aufwändig wenn Sie zu Besuch kommen. Da würden Sie sich über einen Wein als Präsent sicher freuen! Den Weinshop von vorhin kennen Sie ja nun, deshalb beschließen Sie, noch mal einen anderen Weinshop auszuprobieren. Von Ihrer Mutter wissen Sie, dass sie gerne deutsche Weißweine trinkt. Besonders die Weine aus der Region Mosel-Saar-Ruwer haben es ihr angetan. Vor allem wenn die Traubensorte Riesling Bestandteil des Weins ist. Besonders gut sollen da die Jahrgänge zwischen (einschließlich) 2002 und (einschließlich) 2005 gewesen sein. Sie beschließen deshalb einen Wein aus diesen Jahrgängen zu kaufen. Ihr Budget ist durch den Kauf des Geschenks für Ihren Vater jetzt etwas knapper: Sie können jetzt nur noch maximal 17 Euro ausgeben. Weniger als 7 Euro soll das Geschenk für Ihre Mutter aber auch nicht kosten (jeweils ohne Versandkosten)! Ihre Aufgabe ist nun, in diesem Weinshop einen entsprechenden Wein zu kaufen. Schauen Sie sich in Ruhe um und verschaffen Sie sich einen Überblick. Vergessen Sie aber nicht, dass Ihre Freunde in etwa 10 Minuten kommen werden. Suchen Sie das gewünschte Produkt aus und legen Sie es in den Warenkorb. Bitte beachten Sie: Sie surfen auf den Webseiten eines realen Weinhändlers! Der Auftrag ist beendet, wenn Sie sich für einen Wein entschieden haben und diesen in den Warenkorb gelegt haben! Bitte geben Sie dann dem Versuchsleiter Bescheid! Das hedonische Motiv beim Besuch des ersten Shops wurde auf diese Weise umgesetzt: Stellen Sie sich bitte vor, Sie kommen gerade von zu Hause an die Uni, weil Sie sich mit Freunden zum Essen treffen wollen. Am Treffpunkt in der SUB angekommen fällt Ihnen auf, dass Sie etwas zu früh da sind (ca. 10 Min). Zum Glück haben Sie sich in der SUB verabredet und können sich so an einem der Internetrechner die Zeit vertreiben. Als Sie sich an den Rechner setzen, fällt Ihnen auf, dass sich der Benutzer vor Ihnen nicht ausgeloggt hat und immer noch die Seite eines Online-Weinshops geöffnet ist. Weil Sie den Shop noch nicht kennen, nutzen Sie die Gelegenheit und sehen sich im Shop um. Ihre Aufgabe ist nun, sich in diesem Weinshop umzusehen und die Zeit zu vertreiben. Schauen Sie sich in Ruhe um und verschaffen Sie sich einen Überblick. Bleiben Sie solange in diesem Shop, wie Sie wollen. Sie können jederzeit abbrechen, um beispielsweise auf einer anderen Seite zu surfen oder um das Internet ganz zu verlassen. Geben Sie in beiden Fällen sofort dem Versuchsleiter Bescheid. Vergessen Sie aber in jedem Fall nicht, dass Ihre Freunde in etwa 10 Minuten kommen werden. Bitte beachten Sie: Sie surfen auf den Webseiten eines realen Weinhändlers! Sollten Sie Produkte bestellen, kaufen Sie diese tatsächlich real! Der Auftrag ist beendet, sobald Sie aus eigenen Stücken abbrechen! Bitte geben Sie dann dem Versuchsleiter Bescheid! Beim folgenden Besuch des zweiten Shops wurde das hedonische Motiv folgendermaßen umgesetzt: Sie haben eben eine SMS von Ihren Freunden erhalten: Sie wurden aufgehalten und kommen doch etwas später (ca. 10 Min).
110
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen Sie sitzen ja immer noch vor dem Rechner und überlegen sich, die Zeit im Internet zu überbrücken. Den Weinshop von vorhin kennen Sie ja nun, deshalb beschließen Sie, noch mal einen anderen Weinshop auszuprobieren. Ihre Aufgabe ist nun, sich auch in diesem Weinshop umzusehen und die Zeit zu vertreiben. Schauen Sie sich in Ruhe um und verschaffen Sie sich einen Überblick. Bleiben Sie solange in diesem Shop, wie Sie wollen. Sie können jederzeit abbrechen, um beispielsweise auf einer anderen Seite zu surfen oder um das Internet ganz zu verlassen. Geben Sie in beiden Fällen sofort dem Versuchsleiter Bescheid. Vergessen Sie aber in jedem Fall nicht, dass Ihre Freunde in etwa 10 Minuten kommen werden. Bitte beachten Sie: Sie surfen auf den Webseiten eines realen Weinhändlers! Sollten Sie Produkte bestellen, kaufen Sie diese tatsächlich real! Der Auftrag ist beendet, sobald Sie aus eigenen Stücken abbrechen! Bitte geben Sie dann dem Versuchsleiter Bescheid!
Sowohl bei der Operationalisierung des hedonischen als auch utilitaristischen Motivs wurde nach 9 Minuten im Online-Shop durch den Versuchsleiter bemerkt: „Bitte denke daran: in etwa einer Minute werden deine Freunde kommen.“ Nach weiteren zwei Minuten bemerkte der Versuchsleiter: „Deine Freunde kommen gerade um die Ecke. Sie warten jetzt auf Dich.“ Die Probanden konnte frei entscheiden, ob und wann sie den Online-Shop verließen. Tatsächlich blieben die Probanden bis zu 13,5 Minuten im Online-Shop (vgl. Tabelle 25, S. 129). In einer Vorstudie mit N = 28 Probanden, die aus derselben Grundgesamtheit wie die Stichprobe der Hauptstudie rekrutiert wurden, wurde das Szenario beider Faktorstufen auf Verständlichkeit, Realitätsnähe (beide auf einer Skala von 1 (sehr leicht zu verständlich/realistisch) vs. 6 (sehr schwer zu verständlich/sehr unrealistisch) sowie dem mit ihnen verbundenen hedonischen Wert 36 (erfasst auf einer Skala von Babin et al. 1994) hin überprüft. Beide Szenarien wurden als verständlich (Mutil = 1,3 vs. Mhed = 1,5) sowie realitätsnah (Mutil = 2,1 vs. Mhed = 1,9) beurteilt. Bezüglich ihres hedonischen Wertes unterschieden sich beide Szenarien signifikant in die erwartete Richtung (Mutil = 1,9 vs. Mhed = 4,4, T (df = 27) = 16,42, p < .001). Faktor 2: Kognitive Beanspruchung Eine zusätzliche kognitive Beanspruchung wird üblicherweise mittels einer Zweitaufgabe (Dual oder Second Task) operationalisiert (vgl. Barrett et al. 2004 S. 559). In den meisten Studien wird diese Zweitaufgabe durch eine Lernaufgabe umge-setzt: Die Probanden werden gebeten, sich während der Hauptaufgabe eine sechs- bis neunstellige Zahl zu merken (vgl. Logan 1979, Gilbert et al. 1988, Siemer & Reisenzein 1998, Shiv & Nowlis 2004, Scarabis et al. 2006). Das Erlernen bzw. Merken von Ziffern ist allerdings eine Aufgabe, die nur in den wenigsten Fällen auch in der Realität während der Besuche von Online-Shops auftritt. Um die ökologische Validität der vorliegenden Studie zu erhöhen, wurde daher eine Zweitaufgabe
36
Erfasst auf einer Skala von 1 (hoher utilitaristischer Wert) vs. 6 (hoher hedonischer Wert).
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
111
ent-wickelt, die jene Begebenheiten simuliert, die auch im Alltag die kognitive Belastung der Besucher von Online-Shops erhöht: In Kapitel 3.6 wurde gezeigt, dass die gleich-zeitige Nutzung anderer Medien (vor allem des Radios) während des Surfens im Internet tatsächlich auch im Alltag auftritt. Dementsprechend wurde die kognitive Beschäftigung mit sekundären, durch andere Modalitäten als dem Internet vermittel-ten Inhalten in dieser Studie als Zweitaufgabe genutzt. Hierzu wurde den Probanden in der Bedingung höhere kognitive Beanspruchung folgendes zusätzliches Szenario vorgelegt: Bevor Sie gleich mit dem Surfen anfangen, hier noch ein Hinweis: In der SUB ist es oft sehr laut. Direkt neben Ihnen erzählt jemand einer anderen Person eine Geschichte. Sie hören zuerst nur mit einem Ohr hin, finden sie aber so interessant, dass Sie weiter zuhören wollen. Ihre Aufgabe: Während des Shop-Besuchs wird ein Hörspiel laufen. Es ist wichtig, dass Sie konzentriert zuhören, um anschließend den Inhalt wiedergeben zu können. Nach dem Surfen werden wir Sie über das Hörspiel befragen! Den Probanden wurden während des gesamten Besuchs des Online-Shops die ersten Minuten des Hörspiels „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ von Jan Weiler (Autor und Sprecher) vorgespielt. Dieses Hörspiel war zum Zeitpunkt des Versuchs noch nicht käuflich erhältlich und war den Probanden noch unbekannt. Das Hörspiel stellt eine zusätzliche kognitive Beanspruchung der Probanden dar, weil Wahrnehmung, Speicherung und Verarbeitung der Informationen im Hörspiel zusätzlicher kognitiver Ressourcen bedarf (vgl. Mayer & Moreno 2003 S. 47). In der Bedingung niedrigere kognitive Beanspruchung bekamen die Probanden kein zusätzliches Szenario; ihnen wurde kein Hörspiel vorgespielt. Dieses Vorgehen wurde in einer Vorstudie mit N = 92 Probanden (aus derselben Grundgesamtheit wie die Stichprobe der Hauptstudie rekrutiert) getestet. Die Vorstudie sollte klären, ob ein Hörspiel eine ausreichend starke kognitive Beanspruchung während des Surfens darstellt. Außerdem sollte die kognitive Bean-spruchung durch das Hörspiel mit der sonst üblichen Methode des Zahlenmerkens verglichen werden. Die Teilnehmer an der Studie surften zunächst auf einem Shop ohne, danach auf einem anderen Shop mit zusätzlicher kognitiver Beanspruchung (Gruppe 1: Nummern merken, Gruppe 2: Hörspiel). Erfasst wurde die subjektiv wahrgenommene kognitive Beanspruchung mittels Items von Kruglanski und Thompson (1999 S. 99) auf einer Skala von 1 (hohe) bis 6 (niedrige kognitive Beanspruchung). Ohne zusätzliche Beanspruchung durch Hörspiel oder Zahlenmerken lag die wahrgenommen kognitive Beanspruchung bei M = 4,7. Probanden mit Hörspiel schätzten die Beanspruchung mit M = 1,8 und die Probanden in der Bedingung Zahlen merken mit M = 2,4 ein. Eine Varianzanalyse (signifikanter Haupteffekt, F (2,89) = 75,62, p < .001, ڦ2 = .63) mit anschließendem Scheffé-Post-Hoc Test zeigte signifikant Unterschiede zwischen der wahrgenommenen Beanspruchung beim Surfen ohne zusätzliche Belastung und dem Surfen mit zusätzlichem Zahlenmerken (p < .001) sowie mit zusätzlichem Hörspiel (p < .001). Der
112
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Unterschied zwischen der kognitiven Beanspruchung beim Surfen mit Hörspiel und beim Surfen mit Zahlenmerken ist tendenziell signifikant (p = .07). Die kognitive Beanspruchung ist also beim Surfen mit Hörspiel am höchsten und ohne zusätzliche Aufgabe am geringsten. Faktor 3: Online-Shop Durch die Variation des dritten Faktors sollten zwei Aspekte sichergestellt werden: Zum einen sind so nicht nur die Besonderheiten eines Online-Shops ausschlaggebend für die Ergebnisse der Studie. Zum anderen wird auf diese Weise die Varianz in der Wahrnehmung der Online-Shops vergrößert. Aus forschungsökonomischen Gründen und, um die Belastung der Probanden erträglich zu halten, wird dieser Faktor durch zwei unterschiedliche OnlineShops operationalisiert. Alle Probanden besuchen zwei real existierende Online-Shops. Wären die Online-Shops speziell für die Untersuchung erstellt worden, hätte die Gefahr bestanden, dass die Probanden den nicht-realen Shop erkennen. Die beiden auszuwählenden Online-Shops sollten möglichst unterschiedlich in ihrem Aufbau, ihrem Design und ihrer hedonischen Qualität (Zusatzangebote, Bilder außerhalb des eigentlichen Produktangebots, Zusatzinformationen, usw., vgl. Eroglu et al. 2003 S. 144) sein. Um dennoch keine ungewünschten, systematischen Interaktionseffekte der Gestaltungselemente mit anderen Eigenschaften der Online-Shops in Kauf zu nehmen, sollten beide OnlineShops in möglichst allen anderen Aspekten vergleichbar sein: Dies betraf insbesondere das Preisniveau, die angebotenen Produkte, Gütesiegel sowie Liefer- und Zahlungsbedingungen. Bezüglich der angebotenen Produkte des Online-Shops fiel die Wahl auf Weinfachgeschäfte (Online-Shops, die vor allem Weine verkaufen). Diese geschah vor allem aus drei Gründen: (1) Während in vielen anderen Produktbereichen entweder Shops mit ausschließlich hoher hedonischer Qualität (Schokolade, Parfüm…) oder niedriger hedonischer Qualität (Bücher, DVDs…) zu finden sind, gibt es eine vergleichsweise große Varietät der hedonischen Qualität bei Online-Weinshops (vgl. Pan et al. 2008 S. 106-108). (2) Die meisten Online-Weinshops sind den Probanden vor der Untersuchung noch nicht bekannt. Dadurch kann verhindert werden, dass auf Grund der Kenntnis der Weinshops Unterschiede zwischen den Gruppen auftreten. (3) Für die Studierenden der später beschriebenen Vorstudien ist Wein ein interessantes Produkt, mit dem sie auch hedonische Aspekte verbinden: Wein wird nicht nebenbei konsumiert, sondern vielmehr im Kontext feierlicher Anlässe, gutem Essen oder als Geschenk genutzt. Anders als viele andere Produkte steht hier für die Studierenden nicht nur der Gebrauchswert im Vordergrund, sondern auch die Befriedigung hedonischer Motive. In einer Internetrecherche wurden sechs Online-Weinshops ermittelt. Eine Vorstudie diente dazu, aus diesen sechs zwei Online-Shops für die Hauptstudie auszuwählen. Daneben sollte die Studie klären, ob das Thema Wein für Studierende interessant ist und ob Online-
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
113
Weinshops von diesen zum Stöbern genutzt werden. Insgesamt nahmen N = 34 Probanden an der Vorstudie teil (wiederum aus derselben Grundgesamtheit rekrutiert, wie die Stichprobe der Hauptstudie). Allen Teilnehmern wurde eine Seite mit Links zu den sechs Online-Shops präsentiert. Gleichzeitig erhielten sie für jeden Shop einen einseitigen Fragebogen, auf dem sie die hedonische und utilitaristische Qualität des Online-Shops (erfasst mittels Skala nach Batra & Ahtola 1990 S. 167, auf einer sechs-stufigen Skala von 1 (sehr niedrig) bis 6 (sehr hoch)) und dessen Preiswürdigkeit erfasst wurde (vgl. Zielke 2006). Abbildung 22: Screenshots der beiden ausgewählten Online-Shops a) hawesko.de
b) vivinum.de
Quelle: a) www.hawesko.de, b) www.vivinum.de
Außerdem wurden die Probanden gebeten, die sechs Online-Shops in eine Rangreihe bezüglich ihrer Eignung für Einkäufe und in eine Rangreihe bezüglich ihrer Eignung, sich die Zeit zu vertreiben, zu bringen. Abschließend wurde erfragt, ob die Teilnehmer die betreffenden Online-Shops bereits kannten und wie interessant sie das Thema Wein finden. Die Probanden konnten gleichzeitig die Fragebogen ausfüllen und die Online-Shops begutachten. Sie entschieden selbständig, wie lange, in welcher Reihenfolge und wie oft die einzelnen Online-Shop aufgesucht wurden. Tabelle 14: Vergleich der beiden ausgewählten Online-Shops
hedonische Qualität1 utilitaristische Qualität Preiswürdigkeit1 1
1
hawesko.de
vivinum.de
4,1 (1,0)
2,8 (0,9)
T (33) = 5,59, p < .001
4,3 (0,9)
3,7 (0,8)
T (33) = 3,94, p < .001
3,2 (1,1)
3,7 (1,3)
T (16) = 1,19, NS
auf einer Skala von 1 (sehr niedrig) bis 6 (sehr hoch), NS QLFKWVLJQLILNDQWĮ
Als Resultat wurden die beiden Shops ausgewählt, denen die höchste bzw. geringste hedonische Qualität zugesprochen wurde: hawesko.de sowie vivinum.de (vgl. Abbildung 22, Beschreibungen der Online-Shops im Anhang). Beide Shops unterschieden sich nicht in der eingeschätzten Preiswürdigkeit (vgl. Tabelle 15). Bezüglich der Rangreihe zur Eignung des Kaufs war der Median für hawesko.de der beste Rang, für vivinum.de der Vorletzte.
114
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Bezüglich des Zeitvertreibs war der Median von hawesko.de Rang zwei und von vivinum.de war der Median der letzte Rang. Zudem wurde das Thema Wein von der Mehrzahl der Teilnehmer als sehr interessant oder interessant eingestuft. 5.2.3 Operationalisierung der Determinanten der Emotionen Als Determinanten der Emotionen während des Besuchs der Online-Shops werden in dieser Studie die wahrgenommene Informationsrate, die eingeschätzte Usability, die eingeschätzte Unterstützung durch den Online-Shop bei der Zielerreichung sowie die Diskrepanz der aktuellen und der prototypischen Ladenatmosphäre erfasst. Wo immer es möglich war, wurde auf deutschsprachige, bereits in anderen Studien verwendete Skalen zurückgegriffen. Auf diese Weise wurde sicher gestellt, dass die eingesetzten Instrumente ihre Güte bereits bewiesen haben. Zudem werden die Ergebnisse dieser Studie mit denen anderer vergleichbar. Tabelle 15: Itemkennwerte der Skala zur Erfassung der Informationsrate Itemtext
M (SD) des Items1
Trennschärfe2
Crombach’s Alpha
Ich empfand diesen Online-Shop als… …veraltet (1) vs. neuartig (6)
3,6 (1,3)
.812
…alltäglich (1) vs. ungewöhnlich (6)
2,7 (1,2)
.674
…immer das Gleiche (1) vs. voller Überraschungen (6)
2,8 (1,2)
.816
…uninteressant (1) vs. interessant (6)
3,7 (1,5)
.871
…lässt mich kalt (1) vs. ist beeindruckend (6)
3,0 (1,3)
.843
Gesamtskala Informationsrate 1
3,1 (1,0)
Mittelwert (Standardabweichung) des Items in der Gesamtstichprobe, Skalenmittelwert
.86 2
Korrelation des Items mit dem
Wahrgenommene Informationsrate Zur Messung der wahrgenommenen Informationsrate, deren Definition und Wesen bereits im Kapitel 3.2 vorgestellt wurde, kam eine von Bost (1987 S. 100) entwickelte Skala zur Verwendung. Die einzelnen Items sowie deren Kennwerte sind in der Tabelle 16 dargestellt. Der errechnete Wert für Cronbach’s Alpha von .86 spricht für die interne Konsistenz der Skala (vgl. Nunnally 1978). Die Faktoren-analyse extrahierte wie erwartet einen Faktor nach dem Kaiser-Guttman-Kriterium, der zufriedenstellende 65 % der Gesamtvarianz erklärte. Usability Zur Messung der wahrgenommenen Usability der Online-Shops wurde die von Konradt et al. (2003) entwickelte UFO-Skala verwendet (vgl. Tabelle 17). Die Itemkennwerte, Cronbach’s Alpha, und das Ergebnis der explorativen Faktoren-analyse (ein Faktor, 67,2 % erklärte Varianz), sprechen für die Güte der Skala.
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
115
Tabelle 16: Itemkennwerte der Skala zur Erfassung der Usability M (SD) des Items1
Trennschärfe2
Dieser Shop macht das Einkaufen im Netz leicht3
4,7 (1,7)
.816
Es ist mir zu kompliziert, diesen Shop zu benutzen (-)
4,6 (1,6)
.714
Man kann sich schnell einen Überblick über den Shop verschaffen
4,6 (1,8)
.838
Der Umgang mit dem Shop ist leicht zu erlernen
5,4 (1,5)
.817
In diesem Shop kann ein Einkauf zügig erledigt werden
5,0 (1,7)
.824
Insgesamt bin ich mit der Benutzerfreundlichkeit dieses Shops zufrieden
4,7 (1,8)
.900
4,7 (1,7)
.867
Itemtext
Ich kann den Shop so benutzen, wie ich es erwarte Gesamtskala Usability
4,8 (1,4)
Crombach’ s Alpha
.92
1
Mittelwert (Standardabweichung) des Items in der Gesamtstichprobe, 2 Korrelation des Items mit dem Skalenmittelwert, 3 Skala: (1) schlechte Usability bis (6) gute Usability, (-) Item reverse kodiert
Diskrepanz zwischen aktueller und der erwarteter Ladenatmosphäre Zur Messung der Diskrepanz zwischen aktueller und der erwarteter Ladenatmos-phäre wurde die Skala von Machleit und Eroglu (2000 S. 103) verwendet: Bevor sie ein Geschäft betreten, haben viele Menschen bestimme Erwartungen und Vorstellungen vom Geschäft und seiner „Ladenatmosphäre“ – die Gestaltung, die Bilder, die Präsentation der Produkte, die Farben etc. Bitte denken Sie an die „Atmosphäre“ im Geschäft während ihres Einkaufs zurück und vergleichen Sie diese mit Ihren Erwartungen und Vorstellungen an das Geschäft und seiner Atmosphäre, die Sie vor Betreten des Geschäfts hatten. Würden Sie sagen, das Geschäft und seine Atmosphäre waren… Skala: (1) überhaupt nicht erwartet vs. (6) genauso wie erwartet (eigene Übersetzung) Der Mittelwert (Standardabweichung) in der Gesamtstichprobe lautete M = 3,3 (1,3). Unterstützung bei der Zielerreichung In dieser Studie sollten die Probanden, abhängig von ihrer Zuordnung zur jeweiligen Bedingung der Ladenbesuchsmotivation, zwei unterschiedliche Ziele verfolgen: Entweder sollten sie ein bestimmtes Produkt kaufen oder sie sollten sich im Online-Shop die Zeit vertreiben. Dementsprechend wurde die Unterstützung bei der Zielerreichung mit den beiden Fragen: Wie gut eignet sich Ihrer Meinung nach dieser Shop zum Einkaufen von Wein? Wie gut eignet sich Ihrer Meinung nach dieser Shop, um sich die Zeit zu vertreiben? operationalisiert. Den Probanden stand dafür eine Antwortskala von (1) sehr schlecht bis (6) sehr gut zur Verfügung. Der Mittelwerte (Standardabweichung) der beiden Items in der Gesamtstichprobe lautete M = 4,3 (1,3) bzgl. der Eignung zum Einkauf; M = 3,0 (1,5) bzgl. der Eignung zum Zeitvertreib.
116
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
5.2.4 Operationalisierung abhängigen Variablen Emotionen Die Emotionen wurden mittels des in Kapitel 4.2 empirisch entwickelten Deutschsprachigen Inventars kaufbegleitender Emotionen erfasst. Die Probanden bekamen dafür folgende Anweisung: Versuchen Sie sich jetzt bitte noch einmal an Ihren Besuch im Online-Shop zu erinnern. Die folgenden Adjektive auf dieser Seite beschreiben mögliche Gefühle, die Sie während der Nutzung der Website empfunden haben könnten. Bitte geben Sie für jedes der Adjektive an, wie intensiv Sie diesen Zustand während des Surfens im Webshop erlebt haben. Nutzen Sie dafür die Skala von 1 = "gar nicht" bis 6 = "sehr intensiv". Anschließend folgte eine Lister der 37 Adjektive (vgl. Tabelle 18 für die positiven und Tabelle 19 für die negativen Emotionen). Um Reihenfolgeneffekte zu vermeiden, wurde die Abfolge der Adjektive zufällig bestimmt. Die präsentierten Itemkennwerte sowie die Werte für die interne Konsistenz erfüllen die Anforderungen. Tabelle 17: Itemkennwerte der Skala zur Erfassung der positiven Emotionen M (SD) des Items1
Trennschärfe2
toll3
3,1 (1,2)
.91
begeistert
3,0 (1,2)
.89
heiter
3,4 (1,1)
.76
Itemtext
Gesamtskala Begeisterung
3,2 (1,0)
.82
froh
3,5 (1,1)
.88
gut
4,1 (1,0)
.84
glücklich
3,6 (1,1)
.87
erfreut
3,7 (1,2)
.85
Gesamtskala Glück zufrieden
3,7 (0,9)
.88
3,9 (1,3)
.74
erfolgreich
3,7 (1,4)
.90
befriedigt
3,4 (1,3)
.89
Gesamtskala Zufriedenheit gemütlich genüsslich Gesamtskala Genuss sicher
3,6 (1,1)
.80
3,5 (1,3)
.87
3,0 (1,3)
.86
3,2 (1,1)
r = .49
4,1 (1,2) Gesamtskala Sicherheit
4,1 (1,2)
Gesamtskala Erleichterung
3,4 (1,1)
erleichtert 1
Crombach’ s Alpha
3,4 (1,1)
Mittelwert (Standardabweichung) des Items in der Gesamtstichprobe, Skalenmittelwert, 3 Skala: (1) gar nicht bis (6) sehr intensiv empfunden
2
Korrelation des Items mit dem
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
117
Tabelle 18: Itemkennwerte der Skala zur Erfassung der Überraschung und der negativen Emotionen M (SD) des Items1
Trennschärfe2
überrascht3
3,0 (1,3)
.93
erstaunt
3,0 (1,3)
.93
Itemtext
Gesamtskala Überraschung
3,0 (1,2)
r = .73
ängstlich
1,4 (0,7)
traurig
1,3 (0,7)
.66
einsam
1,3 (0,6)
.57
unsicher
2,2 (1,3)
.81
besorgt
1,6 (0,9)
.73
Gesamtskala Angst
.68
1,5 (0,6)
.71
ratlos
2,3 (1,4)
hilflos
1,8 (2,2)
.90
verwirrt
2,3 (1,5)
.90
2,2 (1,4)
.85
überfordert Gesamtskala Hilflosigkeit
.88
2,1 (1,2)
.90
wütend
1,3 (0,8)
.74
verzweifelt
1,5 (0,9)
.74
irritiert
2,2 (1,3)
.82
enttäuscht
2,0 (1,4)
.82
Gesamtskala Enttäuschung
1,8 (0,9)
.77
frustriert
1,6 (1,1)
.85
ärgerlich
1,5 (1,0)
.83
unzufrieden
2,2 (1,3)
.86
unruhig
1,9 (1,1)
.65
Gesamtskala Ärger
1,8 (0,9)
.80
hektisch
1,8 (1,1)
.85
genervt
1,9 (1,1)
.85
1,9 (1,2)
.80
gestresst Gesamtskala Stress zweifelnd
1,8 (1,0)
.83
2,4 (1,3) Gesamtskala Zweifel
1
Crombach’s Alpha
2,4 (1,3)
Mittelwert (Standardabweichung) des Items in der Gesamtstichprobe, Skalenmittelwert, 3 Skala: (1) gar nicht bis (6) sehr intensiv empfunden
2
Korrelation des Items mit dem
Mittels einer Faktorenanalyse wurde die Struktur der 13 differenzierten Emotionskategorien ermittelt. Dabei wurden nach dem Kaiser-Guttman-Kriterium drei Faktoren extrahiert, die zusammen 67,3 % der Gesamtvarianz erklären (vgl. Tabelle 20): Wie erwartet laden nach obliquer Rotation, die positiven als auch die negativen Emotionen auf jeweils einem Faktor
118
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
(vgl. Tabelle 12). Eine Ausnahme bildet die Emotion Überraschung, die auf einem dritten Faktor lädt. Wie schon in der qualitativen Vorstudie (vgl. Tabelle 12) zeigt sich hier offensichtlich die kontextabhängige Valenz der Überraschung: Sie kann als positiv wie auch negativ erlebt werden. Eine oblique Rotation war angezeigt, weil wegen der möglichen Zusammenhänge der Emotionen unterschiedlicher Valenz von nicht-orthogonalen Vektoren ausgegangen werden muss. Gleichzeitig wurde ein dimensionaler Messansatz des emotionalen Erlebens berücksichtigt. Dafür wurde das Self-Assessment Manikin von Lang (1980) verwendet, die auf drei Bilderreihen mit jeweils fünf Abstufungen die Dimensionen Pleasure, Arousal und Dominance erfasst. Die Stichprobenmittelwerte auf einer Skala von 1 (gut/erregt/nicht dominant) bis 5 (schlecht/nicht erregt/dominant) für die drei Dimensionen sind: Pleasure M = 2,3 (0,78), M = 3,9 (0,90); M = 2,9 (0,91). Tabelle 19: Strukturmatrix der rotierten Faktorlösung der Emotionskategorien Faktor 1: negative Emot.
Faktor 2: positive Emot.
Faktor 3: Überraschung
Begeisterung
-,422
,773
-,369
Glück
-,540
,806
-,309
Zufriedenheit
-,370
,873
,079 -,219
Genuss
-,349
,599
Sicherheit
-,615
,453
,243
Erleichterung
-,235
,783
,170
Überraschung
,119
,024
-,878
Angst
,827
-,265
-,053
Hilflosigkeit
,859
-,515
-,063 -,041
Enttäuschung
,814
-,461
Ärger
,868
-,472
,071
Stress
,807
-,283
,188
Zweifel
,709
-,209
-,103
Eigenwert des Faktors
5,86
1,79
1,103
Erklärter Varianzanteil
45,0 %
13,8 %
8,5 %
Rotationsmethode: Oblimin mit Kaiser-Normalisierung
Prozessbezogene Kognitionen Die Kognitionen während des Ladenbesuchs wurden mit dem von Silberer (2005) sowie Silberer et al. (2003) vorgeschlagenem Verfahren der videogestützten Gedankenrekonstruktion erhoben. Anders als bei Protokollen lauten Denkens, bei denen die Probanden bereits während des Ladenbesuchs Auskunft über ihre Gedanken geben (vgl. Bettman & Park 1980 S. 239-240), werden hier die Probanden nach dem eigentlichen Shop-Besuch Auskunft über
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
119
ihre Gedanken während des Surfens befragt (vgl. Silberer et al. 2003 S. 11). Zentraler Nachteile der Protokolle Lauten Denkens im Kontext der Besuche von Online-Shops ist, dass die Bearbeitung der Aufgabe durch die Verbalisierung gestört werden kann (Fidler 1983). Dieser Fakt fällt bei den relativ schnellen und kompakten Handlungen innerhalb von OnlineShops noch stärker ins Gewicht. Aber auch nachträglich rekonstruierte Gedanken-protokolle, die üblicherweise – bspw. als Thought Listings (vgl. Cacioppo & Petty 1981) – ohne Stütze eingesetzt werden, sind in der Regel mit dem Problem konfrontiert, dass sich die Probanden nur selektiv an einzelne Vorgänge erinnern (vgl. Russo et al. 1989, van den Haak et al. 2003, Silberer 2005). Um dem entgegenzuwirken, schlagen Silberer (2005) sowie Silberer et al. (2003) vor, ein Video des Ladenbesuchs als Gedankenstütze zu nutzen. Die Probanden werden gebeten, sich an die im Video gezeigten Situationen zu erinnern und zu berichten, was ihnen dabei durch den Kopf gegangen ist. Büttner (2009) konnte zeigen, dass dieses Vorgehen den Protokollen lauten Denkens vorzuziehen ist, wenn das emotionale Erleben während des Ladenbesuchs nicht beeinträchtigt werden soll. In der vorliegenden Arbeit wurde dieses Vorgehen analog zu Büttner et al. (2006) umgesetzt: Mittels einer Screen Capturing Software, die fortlaufend den Bildschirminhalt speichert, wurde ein Video des gesamten Online-Shop-Besuchs aufgenommen. Nach Beendigung des Surfvorgangs wurde den Probanden das Video mit folgender Anweisung vorgespielt: Während Sie sich gleich das Video Ihres Shopbesuchs ansehen, bitten wir Sie, immer, wenn Sie sich erinnern können, diese drei Fragen zu beantworten: - Was ist Ihnen auf den Seiten besonders aufgefallen? - Was haben Sie dabei gedacht? - Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Bitte teilen Sie uns alles mit, woran Sie sich erinnern können. Wenn Ihnen mal nichts dazu einfällt, sagen Sie einfach nichts. Die Äußerungen der Probanden wurden synchron mit der Videospur aufgenommen,. Abschließend lag ein Video des Shop-Besuchs mit den videogestützt-rekonstruierten Gedanken der Probanden vor. Verhalten Das Verhalten der Probanden im Online-Shop wurde ebenfalls anhand des beschrie-ben Videos des Shop-Besuchs erfasst: Auf dem Video waren dabei neben den aufge-rufenen Seiten des Online-Shops auch die Klicks der Probanden zu erkennen. Einstellung zum Online-Shop Die utilitaristische und hedonische Einstellung zum Online-Shop wurde jeweils mittels 4 Items der Skala von Batra & Ahtola (1990) erfasst. Die einzelnen Items sowie deren Kennwerte sind in der Tabelle 21 zusammengefasst. Die errechneten Werte für Cronbach’s Alpha von .87 bzw. .90 sprechen für die interne Konsistenz der Skala (vgl. Nunnally 1978). Die Faktorenanalyse extrahierte wie erwartet zwei Faktor nach dem Kaiser-Guttman-
120
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Kriterium, die zusammen zufriedenstellende 76 % der Gesamtvarianz erklärten. Die oblique rotierte Faktorlösung zeigte die erwartete Ladungsmatrix. Eine oblique Rotation ist in diesem Fall angemessen, um Zusammenhänge auch zwischen den Faktoren abzudecken. Tabelle 20: Itemkennwerte der Skala zur Erfassung der Einstellung zum Online-Shop M (SD) des Items1
Trennschärfe2
hässlich (1) vs. schön (6)
3,8 (1,3)
.86
unerfreulich (1) vs. erfreulich (6)
3,9 (1,1)
.88
unangenehm (1) vs. angenehm (6)
4,1 (1,1)
.89
unglücklich (1) vs. glücklich (6)
3,7 (0,9)
.79
Itemtext
Gesamtskala hedonische Komponente nutzlos (1) vs. nützlich (6)
3,9 (0,9)
.87
4,3 (1,3)
.90
wertlos (1) vs. wertvoll (6)
3,8 (1,1)
.89
ungeeignet (1) vs. geeignet (6)
4,2 (1,4)
.87
4,3 (1,1)
.85
sinnlos (1) vs. sinnvoll (6) Gesamtskala utilitaristische Komponente
Crombach’ s Alpha
4,1 (1,1)
1
Mittelwert (Standardabweichung) des Items in der Gesamtstichprobe, Skalenmittelwert,
.90 2
Korrelation des Items mit dem
Zufriedenheit Die Zufriedenheit mit dem Surfprozess, der Gestaltung des Online-Shops und der Produktentscheidung wurde wie bei Jacoby et al. (1974 S. 64) mit diesen Items erfasst: Wie zufrieden waren Sie mit … …dem Surfprozess?, …der Gestaltung des Online-Shops?, …mit Ihrer Produktentscheidung? (1) sehr unzufrieden vs. (6) sehr zufrieden
Die Mittelwerte (Standardabweichung) der drei Items in der Gesamtstichprobe sind: Zufriedenheit mit dem Surfprozess: M = 4,1 (1,2); …mit der Gestaltung: M = 3,8 (1,4); ...mit der Produktentscheidung M = 4,5 (1,2). Verhaltensintentionen Donovan und Rossiter (1982 S. 45) folgend wurde die Tendenz, ungeplante Käufe während des Online-Shop-Besuchs zu tätigen, mittels des Items Hätten Sie gerne während des Besuchs des Online-Shops auch Produkte gekauft, die Sie vorher gar nicht geplant hatten? (1) nein, auf keinen Fall vs. (6) ja, ganz sicher
erfasst. Der Mittelwert (SD) des Items in der Gesamtstichprobe ist: M = 2,6 (1,5). Die Intentionen des zukünftigen Verhaltens wurde analog zu Eroglu et al. (2001, 2003) mittels der drei Items Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diesen Online-Shop wieder besuchen?
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
121
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie den Weinshop weiterempfehlen? Wenn Sie demnächst Wein in einem Online-Shop kaufen, wie wahrscheinlich ist es dann, dass Sie ihn in diesem Online-Shop kaufen? Skala: (1) sehr unwahrscheinlich vs. (6) sehr wahrscheinlich erfasst. Mittelwerte (Standardabweichung) der drei Items in der Gesamtstichprobe: Intention wieder zu besuchen: M = 2,4 (1,4); …weiterzuempfehlen: M = 2,5 (1,4); ...zukünftige Käufe: M = 2,9 (1,4). 5.2.5
Kontrollvariablen und ihre Operationalisierung
Obwohl die Probanden randomisiert den Experimentalgruppen zugeordnet wurden und somit die Einflüsse potenzieller Störvariablen reduziert werden sollten, wurden im Fragebogen zentrale Kontrollgrößen erfasst. So wird eine Prüfung wichtiger Störgrößen möglich und die erfolgreiche Randomisierung überprüft. Psychische Befindlichkeit vor und nach dem Besuch des Online-Shops Die psychische Befindlichkeit beschreibt das aktuelle, bewusste innere Erleben und Empfinden einer Person (Steyer et al. 1997 S. 4). Um zu kontrollieren, ob die psychische Befindlichkeit vor dem Laborbesuch oder die unterschiedlichen emotionalen Reaktionen auf die Fragebögen Einfluss auf die Emotionen während des Ladenbesuchs nehmen, wurde direkt vor dem Beginn des Besuchs des Online-Shops und direkt danach die psychische Befindlichkeit mittels des Mehrdimensionalen Befindlichkeitsfragebogen von Steyer et al. (1997) auf den Dimensionen tonische und phasische Aktivierung sowie Valenz des Befindens erfasst. Ein Vorteil dieser Skala für die vorliegende Studie ist das Vorliegen zweier paralleler Versionen. Dadurch können auch bei Abfrae vor und nach dem Online-Shop-Besuch Erinnerungseffekte verhindert werden. Zudem zeigen Steyer et al. (1997), dass der Fragebogen auch für kurzfristige Änderungen der Befindlichkeit sensibel ist. Need for Cognition (NFC) Mit Need for Cognition (NFC) wird die „tendency for an individual to engage in and enjoy thinking” (Cacioppo & Petty 1982 S. 116) bezeichnet. Bereits Cohen et al. (1955 S. 291) haben das Bedürfnis, die Umwelt zu verstehen und gedanklich zu durchdringen, als Persönlichkeitseigenschaft beschrieben. Menschen, die ein hohes NFC aufweisen, tendieren demnach zu mehr Gedanken über ihre Umwelt und die darin stattfindenden Ereignisse. Personen mit niedrigem NC vermeiden eher aufwendiges Nachdenken. Das Ausmaß des NFC nimmt auch Einfluss auf die Informationsverarbeitung: Cacioppo et al. (1983) zeigen, dass Personen mit einem hohen NFC Informationen eher auf dem zentralen Weg des ElaborationLikelihood-Modells verarbeiten, während Personen mit niedrigem NFC Umweltreize eher auf dem peripheren Weg verarbeiten. Daraus lässt sich folgern, dass bei Personen mit hohem NFC die Kognitionen einen stärkeren Einfluss auf die Einstellungsbildung ausüben. Mit geringer werdendem NFC steigt demzufolge der Einfluss der Emotionen auf die Bildung der
122
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Einstellungen (vgl. Cacioppo & Petty 1984 S. 674, Haugtvedt 1997 S. 241-244, Lin et al. 2006 S. 49-50). Dementsprechend wird NFC in dieser Arbeit als Kontrollgröße berücksichtigt. Erfasst wurde es durch die von Bless et al. (1991) übersetzte und validierte deutschsprachige Fassung der Skala von Cacioppo & Petty (1982). Sowohl Cronbach’s Alpha von .82 als auch das Ergebnis der explorativen Faktorenanalyse (ein extrahierter Faktor, 58,0 % aufgeklärte Varianz) sprechen für die Güte der Skala. Optimum Stimulation Level (OSL) Wie schon dargestellt, wird mittlere Stimulierung durch die Umwelt positiv erlebt, während sehr starke oder sehr schwache Stimulierung negatives Erleben nach sich zieht (vgl. Berlyne 1960 S. 19). Innerhalb dieses Rahmens gibt es interindividuelle Unterschiede (vgl. Berlyne 1974 S. 268-270): Während manche Menschen eine vielfältigere, lautere, reizstärkere Umwelt bevorzugen, suchen andere lieber Ruhe und Abgeschiedenheit. Jede Person empfindet ein bestimmtes Level der Stimulation als positiv; das so genannte Optimum Stimulation Level (vgl. Berlyne 1960 S. 200, Steenkamp & Baumgartner 1992 S. 434-435, Gierl et al. 1999 S. 217). Um einen Einfluss unterschiedlicher Optima im Stimulationsniveau zu kontrollieren, wurde mittels Gierls et al. (1999) Skala das optimale Stimulationsniveau als Kontrollgröße erfasst. Für die Skala wurde ein zufriedenstellendes Cronbach’s Alpha von .78 ermittelt. Die explorative Faktorenanalyse ergab einen Faktor der 54,5 % der Gesamtvarianz erklärte. Erinnerung an das Szenario und das Hörspiel sowie die Gewissenhaftigkeit der Fragebogenbearbeitung Das Commitment der Probanden ist eine unerlässliche Größe bei fast allen empirischen Studien. Wenn die Befragten den Fragebogen wenig Gewissenhaft ausfüllen oder den Szenarien der Versuchsbedingungen nicht folgen, stellt dies eine Gefahr für die Ergebnisse dar. In vorliegender Studie wurden zwei Wege gewählt, um mögliche Verzerrungen aufgrund fehlendem Commitments zu kontrollieren: Zum einen wurden die Probanden in einer späten Phase der Befragung gebeten, Angaben zu ihrer Erinnerung der Aufgabe und (in der Bedingung höhere kognitive Beanspruchung) des Hörspiels zu machen. Daneben sollten sie auf einer sechs-stufigen Skala die Güte ihrer Erinnerung an Aufgabe und Hörspiel einschätzen. Einen anderen Weg schlagen Jacoby et al. (1974 S. 65) vor, die ihren Probanden folgende Frage vorgaben: „How sincere were you in filling out this questionnaire?“ Die vorliegende Arbeit schließt sich diesem Vorgehen an und setzte die Frage folgendermaßen um: Wie gewissenhaft haben Sie den Fragebogen ausgefüllt? Bitte seien Sie hier unbedingt sehr ehrlich - Ihre Antwort hat selbstverständlich keinen Einfluss auf Ihre Belohnung für Ihre Teilnahme! Wir möchten durch Ihre Antwort sicherstellen, dass die Ergebnisse nicht durch weniger gewissenhafte Antworten verfälscht werden. Danke!
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
123
Die Probanden konnten diese Frage auf folgender Skala beantworten: (1) gar nicht gewissenhaft, ich habe nur durchgeklickt bis (6) sehr gewissenhaft, ich habe versucht, die Fragen so ehrlich wie möglich zu beantworten. Hedonische vs. utilitaristische Ausrichtung des Ladenbesuchs Im Kapitel 3.5 wurde gezeigt, dass die Motive für den Besuch eines Online-Shops vielfältig sind, viele Typologien aber ein hedonisches und ein utilitaristisches Motiv als grundlegende Dimensionen der Besuchsmotive aufgreifen. Babin et al. (1994) entwickelten und validierten eine Skala, um die Ausprägung der hedonis-tischen und utilitaristischen Ausrichtung des Ladenbesuchs zu erfassen. In der vorliegenden Studie wird diese verwendet, um den Erfolg der Induktion der Faktorstufen der Ladenbeschuchsmotivation zu testen. Für die Items errechneten sich Werte für Cronbach’s Alpha von .87 (hedonische Ausrichtung) und .77 (utilitaristische Ausrichtung). Auf Grundlage der Faktorenanalyse konnte jeweils ein Faktor nach dem Kaiser-Guttman-Kriterium extrahiert werden, die 71,6 % (hedonisch) bzw. 67,0 % (utilitaristisch) der Gesamtvarianz aufklärten. Wahrgenommene kognitive Beanspruchung Die subjektive erlebte kognitive Beanspruchung wurde, wie bereits in der Vorstudie, mittels Skala von Kruglanski & Thompson (1999 S. 99) mit den Extremen 1 (hohe kognitive Beanspruchung) bis 6 (niedrige kognitive Beanspruchung) von den Probanden direkt nach dem Besuch des Online-Shops erfragt. Sie diente in der Hauptstudie dem Test der Induktion der höheren kognitiven Beanspruchung. 5.3
Versuchsdurchführung
Aus den drei Faktoren der Studie ergeben sich acht Gruppen, die sich im Versuchsablauf in der Abfolge der Treatments unterschieden (vgl. Tabelle 22): Der Faktor Ladenbesuchsmotivation wurde als Intersubjektfaktor operationalisiert; die Gruppen I-IV erhielt bei beiden ShopBesuchen das Szenario für die utilitaristische, die Gruppen V-VIII für die hedonische Motivation. Der Intersubjekt-Faktor Online-Shop wurde alternierend angelegt; die Hälfte der Gruppen (I, III, V, VII) surfte zuerst im Online-Shop 1 (hawesko.de) und danach im Shop 2 (vivnum.de), die anderen vier Gruppe (II, IV, VI, VIII) surften zuerst im Shop 2 (vivinum.de) und danach im Shop 1 (hawesko.de). Der Faktor kognitive Beanspruchung war ebenfalls als Intrasubjekt-Faktor angelegt; allerdings mit der Besonderheit, dass die Bedingung höhere kognitive Beanspruch-ung ausschließlich im zweiten Surfvorgang induziert wurde. Damit wird Befunden Rechnung getragen, die einen nachhaltigen Effekt der kognitiven Bean-spruchung nahe legen: Auch wenn die Zweitaufgabe bereits wieder beendet wurde, werden die durch diese Aufgabe ursprünglich gebundenen kognitiven Ressourcen offensichtlich nicht sofort wieder freigegeben (vgl. DeWitte et al. 2006). Deshalb wurde bei den Gruppen III, IV, VII, VIII die Faktorstufe höhere kognitive Beanspruchung im zweiten Durchgang umgesetzt. Beim ersten
124
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Durchgang wurde, wie bei allen anderen Gruppen in beiden Durchgängen, keine höhere kognitive Beanspruchung induziert. Tabelle 21: Schema des Versuchsablaufs für die acht Experimentalgruppen
Der Versuchsablauf stellte sich im Detail so dar: Nach einer kurzen Erläuterung der Studie wurde ein erster kurzer Online-Fragebogen dargeboten, der im Wesentlichen Soziodemographika und Moderatorvariablen erfasste. Dann wurde das Szenario der jeweiligen Motivationsbedingung präsentiert und die psychische Befindlichkeit vor dem Ladenbesuch erfragt. Im Anschluss surften die Probanden im jeweiligen Shop. Sie konnten dabei immer wieder das Szenario anschauen; so sollte vermieden werden, dass individuelle Unterschiede in der Merkfähigkeit ausschlaggebend für das Verhalten im Ladenbesuch waren. Die Probanden bestimmten selbst, wann sie den Shop-Besuch beendeten. Lediglich zwei Hinweise wurden den Probanden gegeben: Nach 9 Minuten kündigte der Versuchsleiter an, dass die Freunde nun gleich kommen werden. Und nach 11 Minuten gab der Versuchsleiter Bescheid, dass die Freunde nun da seien. Anschließend wurden die erlebten Emotionen, die finalen Größen und die Kontrollvariablen per Online-Fragebogen erfasst. Darauf folgte eine Neutralisierungsaufgabe, um die Probanden vom ersten Shop-Besuch und der ersten Aufgabe abzulenken. Dafür wurde eine Zeitschrift ausgelegt und die Probanden gebeten, ihr Horoskop zu lesen und zu bewerten.
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
125
Darauf folgte die Vorlage des Szenarios der zweiten Aufgabe. Wiederum wurde die psychische Befindlichkeit direkt vor dem Shop-Besuch erfasst. Im zweiten Durchgang wurde in den entsprechenden Gruppen das Treatment der Stufe höhere kognitive Beanspruchung induziert. Dafür wurde den Probanden das Hörspiel vorgespielt, mit der Aufgabe, möglichst viel vom Inhalt zu behalten. Im An-schluss füllten die Probanden wiederum denselben Fragebogen wie nach dem ersten Shop-Besuch aus. Danach wurden in allen Gruppen die Kognitionen während des Surfens mittels videogestützter Gedankenrekonstruktion erhoben. Mit einem Abschlussgespräch wurde der Versuch beendet. 5.4 5.4.1
Stichprobe Rekrutierung
Die Stichprobe der Hauptstudie wurde aus der Gesamtheit der Göttinger Studierenden ausgewählt. In der Natur studentischer Stichproben liegt eine Eingeschränktheit bezüglich der Repräsentativität. Da es in dieser Studie aber um die Untersuchung kausaler Zusammenhänge zwischen Variablen ging, für die sich bei anderen Studien in ähnlichen Kontexten keine grundlegenden Unterschiede zwischen Studierenden und anderen Ausschnitten der Gesamtbevölkerung zeigten 37 (vgl. Donovan & Rossiter 1982, Sherman & Smith 1987, Donovan et al. 1994, Richins 1997, Sherman et al. 1997, Bergen et al. 2005), erscheint hier die Wahl studentischer Probanden angemessen (vgl. Sedlmeier & Renkewitz 2008 S. 148149). Für eine studentische Stichprobe sprachen vor allem forschungsökonomische Gründe: Nicht-Studierende sind seltener bereit, eine Stunde ihrer Zeit zu opfern und erwarten unter Umständen eine höhere Incentivierung. Die Studierenden wurden in Veranstaltungen der Human-Medizin, der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, der Statistik sowie der Psychologie der Universität Göttingen, auf deren Campus sowie in den Mensen und Cafeterien angesprochen. Dabei wurde eine Internetadresse kommuniziert, auf der sich die Studierenden für einen frei gewählten Termin zwischen Montag und Samstag für das Experiment anmelden konnten. Als Thema der Studie wurde bei allen Gelegenheiten „Einkaufen und Emotionen“ kommuniziert. Alle Probanden erhielten für ihre Teilnahme einen Gutschein im Wert von € 5,- für ein Kino. Gleichzeitig nahmen die Teilnehmer an einer Verlosung dreier Zeitschrif-tenabonnements der Spektrum Gehirn & Geist, der TV Spielfilm und der werben & verkaufen teil, die freundlicherweise durch die Verlage zur Verfügung gestellt wurden. Studierende der Psychologie erhielten zudem eine Versuchspersonenstunde.
37 Hier könnte eingewendet werden, dass insbesondere die Operationalisierung der kognitiven Beanspruchung unterschiedliche Reaktionen bei jüngeren und älteren Personen nahelegt. Diesen Einwand entkräften Bergen et al. (2005), die feststellen, dass Jüngere keine effektivere Ressourcenallokation unter kognitiver Beanspruchung zeigen als Ältere.
126
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
5.4.2 Zusammensetzung der Stichprobe Insgesamt nahmen an der Studie N = 122 Probanden teil. Sie wurden zufällig auf die Versuchsbedingungen verteilt. Mittels der zufälligen Zuweisung zu den Versuchsbedingungen ergab sich eine gleichmäßige Verteilung auf die jeweiligen Faktorstufen (vgl. Tabelle 23). Tabelle 22: Stichprobenkennwerte Faktor 1: Ladenbesuchsmotivation
Faktor 2: kognitive Beanspruchung
گ
Faktor 3: Reihenfolge Online-Shops
Utilitaris -tisch
Hedonistisch
höher
niedriger
haweskoÆ vivinum
vivinumÆ hawesko
N
122
60 (49 %)
62 (51 %)
60 (49 %)
62 (51 %)
62 (51 %)
60 (49 %)
Alter in Jahren
24,0 (2,8)1
23,7 (2,6)
24,4 (3,0)
23,8 (3,2)
24,2 (3,2)
23,9 (2,4)
23,7 (1,9)
NS2
Anteil Frauen in %
73,0
73,3
72,6
73,3
72,6
74,2
71,7
NS3
Schon mal Wein online gekauft in %
0
0
0
0
0
0
0
NS3
Kennen einen der Weinshops in %
0
0
0
0
0
0
0
NS3
NFC4
4,6 (0,7)
4,5 (0,7)
4,7 (0,7)
4,5 (0,7)
4,7 (0,7)
4,7 (0,7)
4,5 (0,7)
NS2
OSL4
4,4 (0,9)
4,4 (0,8)
4,4 (0,9)
4,3 (0,9)
4,4 (0,8)
4,4 (0,8)
4,3 (0,9)
NS2
Befindlichkeit5: Valenz
5,0 (0,7)
5,0 (0,7)
5,1 (0,8)
5,0 (0,6)
5,1 (0,8)
5,1 (0,7)
5,0 (0,8)
NS2
Befindlichkeit5: phasische Aktivierung
2,3 (0,9)
2,5 (0,9)
2,1 (0,8)
2,3 (0,8)
2,3 (0,9)
2,3 (0,7)
2,4 (1,0)
NS2
Befindlichkeit5: tonische Aktivierung
4,0 (1,1)
4,0 (1,1)
4,1 (1,0)
4,0 (1,1)
4,0 (1,1)
3,9 (1,1)
4,1 (1,0)
NS2
Erinnerung an das Szenario4
5,3 (0,8)
5,2 (0,9)
5,3 (0,8)
5,1 (0,9)
5,4 (0,7)
5,2 (0,8)
5,3 (0,8)
F2 F1 x F26
Erinnerung an das Hörspiel4
3,3 (1,2)
3,0 (1,1)
3,5 (1,3)
3,3 (1,2)
3,3 (1,2)
3,4 (1,2)
NS2
Gewissenhaftigkeit der FragebogenBearbeitung4
5,6 (0,5)
5,6 (0,5)
5,7 (0,5)
5,7 (0,5)
5,6 (0,5)
5,7 (0,5)
F1 x F27
5,6 (0,5)
Mittelwert (Standardabweichung); 2 NS QLFKW VLJQLILNDQW DXI GHP 1LYHDX Į (UJHEQLV GHU multifaktoriellen Varianzanalyse: Signifikanz der Haupteffekte der drei Faktoren sowie aller möglichen Interaktionseffekte; 3 NS QLFKWVLJQLILNDQWDXIGHP1LYHDXĮ (UJHEQLVHLQHVȤ2-Tests; 4 auf einer Skala von (1) niedrig bis (6) hoch; 5 Vor dem Besuch des ersten Online-Shops; auf einer Skala von (1) negativ/ruhig/müde bis (6) positiv/unruhig/wach; 6 signifikante Effekte durch Faktor 2 und der Interaktion zwischen Faktoren 1 und 2, Erläuterung im Text; 7 signifikanter Interaktionseffekt zwischen Faktoren 1 und 2, Erläuterung im Text 1
Keiner der Probanden hatte zuvor Wein im Internet gekauft. Und auch die in der Studie verwendeten Online-Shops waren ihnen unbekannt. Außerdem waren alle Probanden vor dem
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
127
Besuch des ersten Online-Shops, aber nach der Induktion des Motivationstreatments, in einer ähnlichen psychischen Befindlichkeit: Sie waren positiv gestimmt, schwach phasisch aktiviert (fühlten sich eher ruhig) dafür stärker tonisch aktiviert (wacher). Die geringen Unterschiede zwischen den Faktorstufen und den Faktoren waren auf einem Niveau von Į nicht signifikant. Für die erfolgreiche Randomisierung spricht, dass sich bezüglich der Kontroll-variablen keine signifikanten Unterschiede ergaben – mit zwei Ausnahmen: De Bedingung höhere kognitive Beanspruchung führte dazu, dass die Probanden sich am Ende des Experiments schlechter an das zuvor vorgegebene Szenario erinnerten als die Probanden in der Bedingung niedrigere kognitive Beanspruchung (F (1, 112) = 6,54; p = .012). Hier war auch die Interaktion mit dem Ladenbesuchsmotiv signifikant (F(1, 112) = 5,63; p =.003): Der negative Einfluss der erhöhten kognitiven Beanspruchung auf die Erinnerung an das Szenario war bei Probanden mit utilitaristischer Ladenbesuchs-motivation größer (vgl. Abbildung 23). Dies ist insofern plausibel, da das Szenario für die Induktion des utilitaristischen Motivs mehr Details enthielt. Abbildung 23: Interaktionseffekt der Ladenbesuchsmotivation und der kognitiven Beanspruchung auf die Erinnerung an das Szenario
Ein zweiter Interaktionseffekt zeigte sich bei der eingeschätzten Gewissenhaftigkeit der Fragebogenbearbeitung (F(1, 112) = 7,23; p = .008): Die Werte für die gewissenhafte Bearbeitung waren über alle Probanden hinweg sehr hoch. Die Probanden in der Bedingung utilitaristisches Motiv und höhere kognitive Bean-spruchung gaben an, weniger Gewissenhaft
128
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
den Fragebogen ausgefüllt zu haben, als die Probanden in den anderen drei Faktorstufenkombinationen (vgl. Abbildung 24). Beide Ergebnisse deuten in die Richtung, dass die Kombination utilitaristisches Motiv und höhere kognitive Beanspruchung sehr hohe Anforderungen an die Probanden stellten – und so ihr Commitment beeinträchtigten. Dennoch bleicbt festzuhalten, dass die Unterschiede in der Relation zu den anderen Faktorstufen signifikant sind – absolut gesehen gaben auch die Probanden in der niedrigsten Ausprägung noch sehr hohe Werte für die Erinnerung und die gewissenhafte Fragebogenbearbeitung an (vgl. Abbildung 23 und Abbildung 24). Abbildung 24: Interaktionseffekt der Ladenbesuchsmotivation und der kognitiven Beanspruchung auf die Gewissenhaftigkeit der Fragebogenbearbeitung
Dennoch wird in dieser Arbeit auf die signifikanten Unterschiede reagiert, in dem die gewissenhafte Fragebogenbearbeitung und die Erinnerung an das Szenario als Kovariate in allen relevanten Berechnungen geprüft werden. Sofern nicht explizit anders angegeben, war der Einfluss der Kovariaten nicht signifikant. 5.5
Ergebnisse
5.5.1 Manipulation Check Faktor 1: Motivation des Ladenbesuchs Ob die Treatments zur Induktion der utilitaristischen bzw. hedonischen Besuchs-motivation mittels Szenario erfolgreich war, wurde jeweils nach jedem Besuchs-durchgang mittels der Skala von Babin et al. (1994) erfasst. Auf diese Weise wird ermittelt, in welchem Ausmaß der Ladenbesuch hedonisch und utilitaristisch Ausgeprägt war. Der besseren Übersicht wegen
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
129
wurden beide Ladenbesuche zusammengefasst. Die Tabelle 24 zeigt die entsprechenden Werte für die beiden Faktorstufen. Demnach geben die Probanden in der Bedingung utilitaristisches Motiv an, dass der Besuch signifikant stärker utilitaristisch als hedonisch ausgerichtet gewesen sei (4,7 vs. 2,3). In der Bedingung hedonisches Motiv gaben die Probanden an, während des Ladenbesuchs signifikant stärker hedonisch als utilitaristisch ausgerichtet gewesen zu sein (2,7 vs. 4,6). Der Einschluss der beiden Kovariaten gewissenhafte Fragebogenbearbeitung und Erinnerung an das Szenario erbrachte nur bei der letzteren Variable einen signifikanten Einfluss (utilitaristisches Motiv: F (1, 244) = 10,34, p = .001; hedonisches Motiv: F (1, 244) = 18,26, p < .001). Die Unterschiede zwischen den erfassten Dimensionen nach Babin et al. (1994) in den beiden Faktorstufen blieben auch bei Einschluss beider Kovariaten signifikant (utilitaristisches Motiv: F (1, 244) = 308,60, p < .001; hedonisches Motiv: F (1, 244) = 322,00, p < .001). Tabelle 23: Manipulation Check des Ladenbesuchsmotivs
Faktor: Besuchsmotiv
Erfasste Dimension nach Babin et al. (1994)
1
utilitaristische Ausrichtung1
hedonische Ausrichtung1
T-Test für gepaarte Stichproben
utilitaristisches Motiv
4,7 (0,8)2
2,3 (1,0)
T (df = 127) = 20,06 p < .001
hedonisches Motiv
2,7 (1,1)
4,6 (1,0)
T (df = 119) = 11,17 p < .001
erfasst auf einer Skala von (1) schwach bis (6) stark ausgeprägt; 2 Mittelwert (Standardabweichung)
Die Szenarien gaben vor, dass die Probanden selbst entscheiden konnte, wann die den Besuch im Online-Shop beenden. Deshalb wurde überprüft, wie lange die Probanden tatsächlich im Online-Shop blieben. In der Tabelle 25 werden die mittlere, die minimale und die maximale Aufenthaltsdauern der Probanden aufgeführt. Die Probanden blieben in beiden Motivations-Bedingungen etwa gleich lange im OnlineShop, obgleich der Range bei den hedonisch motivierten Probanden größer ist als bei den utilitaristisch motivierten. Tabelle 24: Aufenthaltsdauer im Online-Shop Minimum1
Maximum1
Mittelwert (Standardabweichung)1
Erster Shop
0,6
12,4
5,9 (2,8)
Zweiter Shop
0,3
13,5
5,7 (2,7)
Hedonisches Motiv
0,3
13,5
5,9 (2,9)
Utilitaristisches Motiv
1,7
11,6
5,8 (2,4)
1
in Minuten
130
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Die Induktion beider Stufen des Faktors Ladenbesuchsmotiv, sowohl der hedonis-tischen als auch der utilitaristischen Motivation, war offensichtlich erfolgreich. Faktor 2: Kognitive Beanspruchung Um den Erfolg der Induktion einer höheren kognitiven Beanspruchung zu testen, wurden die Probanden direkt nach dem Besuch des zweiten Online-Shops mittels Skala von Kruglanski & Thompson (1999 S. 99) nach ihrer, während des Surfens subjektiv erlebten kognitiven Beanspruchung gefragt. Die Ergebnisse (vgl. Tabelle 26) zeigen einen Effekt in die erwartete Richtung: Diejenigen Probanden, die dem Hörspiel folgen mussten, empfanden sich signifikant stärker kognitiv beansprucht als diejenigen, die ohne Zweitaufgabe surften. Dahingegen hatte weder der Faktor Ladenbesuchsmotiv (F(1, 109) = 3,40, p = .068) noch der jeweilige Online-Shop (F(1, 109) = 2,20 , p = .141) einen signifikanten Effekt auf die subjektiv erlebte kognitive Beanspruchung der Probanden. Tabelle 25: Manipulation Check der höheren kognitiven Beanspruchung Faktor: Kognitive Beanspruchung
Subjektiv erlebte kognitive Beanspruchung1 1
niedriger (ohne Hörspiel)
höher (mit Hörspiel)
ANOVA
2,0 (1,4)
4,7 (1,0)
F (df = 1, 109) = 126,08 p < .001
auf einer Skala von (1) niedrig bis (6) hoch
Der Einschluss der beiden Kovariaten gewissenhafte Fragebogenbearbeitung und Erinnerung an das Szenario erbrachte bei der letzteren Variable einen signifikanten Einfluss (F (1, 109) = 6,88, p = .010). Dies änderte an der Signifikanz des Haupteffekts nichts. Dieses Ergebnis deutet auf die erfolgreiche Induktion einer höheren kognitiven Beanspruchung durch das Hörspiel. 5.5.2 Ergebnisse bezüglich der Emotionsgenese Überblick Bezüglich der Emotionsgenese wurden im Kapitel 3.2 Annahmen über den Einfluss vier verschiedener Determinanten hergeleitet: Demnach werden die während des Online-Shop Besuchs erlebten Emotionen von der Informationsrate und der Usability des Online-Shops, der Unterstützung bei Zielerreichung sowie (nichtlinear) von der Erwartungskonformität der Atmosphäre des Online-Shops beeinflusst. Außerdem wurden in den Kapiteln 3.5 und 3.6 die moderierenden Einflüsse der Ladenbesuch-smotivation und der kognitiven Beanspruchung diskutiert. Dieser Abschnitt prüft die abgeleiteten Hypothesen. Soweit nicht anders angegeben, werden alle inferenzstatis-tischen Analysen auf dem üblichen Signifikanz-Niveau YRQĮ GXUFK-geführt. Die beiden Variablen Gewissenhaftigkeit der Fragebogenbearbeitung und Erinn-erung an das Szenario wurden bei allen Regressionsanalysen zusätzlich
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
131
eingeschlos-sen. Sofern nicht anders berichtet, hatten sie allerdings keinen signifikanten Einfluss. H2 und H3: Einfluss der Informationsrate und Usability des Online-Shops Der Einfluss der Informationsrate und Usability des Online-Shops auf die während des Online-Shop Besuchs erlebten Emotionen wurde mittels Regressionsanalyse überprüft. Die Mittelwerte der Informationsrate und der Usability bildeten die Prädiktoren (unabhängigen Variablen), die einzelnen Emotionskategorien des D-IKE, seine beiden Dimensionen sowie die drei Dimensionen des PAD-Modells jeweils das Kriterium (abhängige Variablen) der Regressionsgleichung. Modellannahmen der Regressionsanalyse sind fehlende Multikollinearität der Prädik-toren sowie fehlende Autokorrelation der Residualwerte (vgl. Skiera & Albers 2008 S. 478-479). Mulitkollinearität bedeutet, dass sich ein Prädiktor als lineare Funktion der anderen Prädiktoren darstellen lässt und führt zu unzuverlässigen Parameter-schätzungen. Überprüfen lässt sich Mulitkollinearität anhand der Werte für die Toleranz (T) und des Variance Inflation Factor (VIF). Liegt keine Multikollinearität vor, nehmen beide Maße einen Wert nahe 1 an, umso ausgeprägter Multikollinearität vorliegt, desto kleiner wird der Wert für die Toleranz und größer der Wert für den VIF. Autokorrelation, also systematische Muster in den Residuen, drücken sich in fehlerhaften T- und F-Statistiken der Modellprüfung aus. Geprüft wird die Verletzung dieser Modellannahme durch die Durbon-Watson-Statistik: Umso schwächer die Korrelation der Residuen ausgeprägt ist, desto näher liegt die Statistik bei 2 (vgl. Janssen & Laatz 2007 S. 434). Für diese Regressionsanalysen wurde eine Toleranz von .921 und ein VIF von 1,09 errechnet. Die Durbon-Watson-Statistik nimmt Werte zwischen 1,82 und 1,94 an. Die Modellbedingungen sind ausreichend erfüllt. Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sind in Tabelle 27 dargestellt. Betrachtet man die Bestimmtheitsmaße der Regressionen wird deutlich, dass die wahrge-nommene Informationsrate und die eingeschätzte Usability des Online-Shops zusammen bei allen erfassten Emotionen einen signifikanten Varianzanteil erklären. Dabei zeigen sich große Unterschiede in der Stärke dieses Zusammenhangs: Während die Informationsrate und die Usability einen großen Effekt 38 (R2 = .324) auf die erlebte Begeisterung nehmen, ist ihr statistisch signifikanter Einfluss auf den erlebten Zweifel nur klein (R2 = .037). Offensichtlich hängt das Erleben der Emotionen Zweifel, Stress, Sicherheit und Erleichterung nur in geringem Maße von diesen beiden Dimensionen der Gestaltung der Online-Shops ab. Dahingegen können vor allem erlebte Begeisterung, aber auch die Emotionen Glück, Zufriedenheit, Enttäuschung und Hilflosigkeit durch die Informationsrate und die Usability
38 Bortz und Döring (2006 S. 606) sprechen von einem großen Effekt ab einem R2 .25, einem mittleren Effekt ab einem R2 XQGHLQHPNOHLQHQ(IIHNWDEHLQHPR2
132
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
vorhergesagt werden. Insgesamt werden positive Emotionen besser durch die beiden Determinanten erklärt als negative. Tabelle 26: Vorhersage der Emotionen auf Grundlage der Informationsrate und der Usability des Online-Shops
Auch die Analyse der jeweiligen Effekte der einzelnen Determinanten offenbart Unterschiede: In H2a wurde postuliert, dass die Wahrnehmung einer höheren Informationsrate eines Online-Shops zu intensiver erlebten positiven und weniger intensiv erlebten negativen Emotionen während des Ladenbesuchs führt. Die Ergebnisse zeigen: Neun der dreizehn Emotionen werden tatsächlich signifikant von der Informationsrate in die erwartete Richtung beeinflusst. Bzgl. des Gefühls der Sicherheit ist der Einfluss tendenziell (p signifikant und das Erleben von Angst und Stress hängt nicht signifikant von der Informationsrate des Online-Shops ab. Die stärksten Zusammenhänge gibt es mit den Emotionen Begeisterung und Überraschung. Diese Ergebnisse stützen die Hypothese H2a. Nach H3a wird ein Einfluss der Usability auf die erlebten Emotionen erwartet: Je besser die Usability wahrgenommen wird, desto intensiver werden positive und weniger intensiv
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
133
negative Emotionen erlebt. Tatsächlich trifft diese Annahme auf fast alle erfassten Emotionen zu. Lediglich das Erleben von Zweifel wird nicht durch die wahrgenommene Usability erklärt. Diese Ergebnisse stützen die Hypothese H3a. Auffällig ist die unterschiedliche Stärke des Einflusses der Informationsrate und der Usability auf die Emotionen: So hängt das Erleben der Begeisterung vor allem von der Informationsrate des Online-Shops ab; der Einfluss der Usability ist hier nur halb so groß (17,6 % vs. 8,5 % erklärte Varianz). Und auch die Emotionen Genuss und Überraschung werden stärker von der Informationsrate beeinflusst. Anders das Erleben von Angst und Stress: Hier hat die Informationsrate keinen signifikanten Einfluss. Wie intensiv diese beiden Emotionen erlebt werden, hängt hingegen substantiell von der Usability ab. Vergleicht man die Koeffizienten aller Regres-sionsgleichungen der Tabelle 27 fällt auf, dass vor allem die positiven Emotionen gemeinsam von der Informationsrate und der Usability beeinflusst werden. Das Erleben negativer Emotionen hängt dahingegen nur schwach mit der Infor-mationsrate zusammen. Negative Emotionen können besser durch die Usability erklärt werden. Bezüglich der Dimensionen des emotionalen Erlebens zeigt sich eine nur geringe Aufklärungskraft der Informationsrate. Wie bei Donovan und Rossiter (1982 S. 53) oder Huang (2003 S. 45), die maximal 25 % der Varianz der einzelnen Dimensionen des emotionalen Erlebens durch die Informationsrate aufklären konnten, erklärt die Informationsrate das von den Dimensionen abgebildete emotionale Erleben auch hier nur unzureichend. Die Usability hingegen kann einen erheblichen Anteil der Dimensionen erklären. In den Hypothesen H2b und H3b wird angenommen, dass die Ladenbesuchsmotivation den Einfluss der Informationsrate sowie der Usability auf die Emotionen moderieren. Diese Annahmen wurden, wie von Baron und Kenney (1986 S. 1174) sowie Richter (2007 S. 118) vorgeschlagen, mittels moderierter Regressionsanalyse geprüft. Dazu wurde in einer hierarchischen Regressionsanalyse die Informationsrate, Usability und Ladenbesuchsmotivation (Dummy Variable, 0 = utilitaristisches, 1 = hedonisches Motiv) aufgenommen. Im zweiten Schritt wurde die Interaktionen des Ladenbesuchsmotivs mit der Informationsrate und der Usability als Produkte der jeweiligen Variablen hinzugefügt. Wie von Jaccard et al. (1990 S. 473) vorgeschlagen, wurden die entsprechenden Variablen zuvor z-standardisiert und dann multipliziert. Dieses Vorgehen wurde der oft verwendeten Methodik der Dichotomisierung der metrischen Variablen per Mediansplit und anschließender Varianzanalyse vorgezogen. Gründe dafür waren die mit letzterem Vorgehen verbundenen Nachteile einer geringeren Teststärke sowie der Gefahr verzerrter Schätzungen bei Interaktionsanalysen (für eine ausführlichere Diskussion vgl. Richter 2007 S. 117). Die Ergebnisse des zweiten Schritts der Regressionsanalyse (1,71 Durban-Watson Statistik 2,23, T VIF ZHUGHQLQTabelle 28 zusammengefasst.
134
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Tabelle 27: Der moderierende Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf die Vorhersage der Emotionen auf Grundlage der Informationsrate und der Usability
In den Ergebnissen ist der direkte Einfluss des Ladenbesuchsmotivs auf die Emotionen erkennbar. Obwohl hierzu im konzeptionellen Teil dieser Arbeit keine Erwartungen formuliert wurden, beeinflusst das Motiv des Online-Shop-Besuchs die erlebten Emotionen: Die Ergebnisse zeigen den direkten Effekt der hedonischen Motivation im Vergleich zur utilitaristischen Motivation auf die Emotion. Hedonisch motivierte Probanden erleben sowohl Begeisterung als auch Zufriedenheit, Erleichterung, Stress und Zweifel weniger intensiv als utilitaristisch motivierte Besucher des Online-Shops. Lediglich die Emotion Überraschung wird bei hedonisch Motivierten intensiver erlebt. Allerdings hängt das Erleben der Emotionen
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
135
Ärger, Enttäuschung, Hilflosigkeit, Sicherheit, Genuss und Glück nicht mit der Ladenbesuchsmotivation zusammen. In H2b wird angenommen, dass der Einfluss der Informationsrate auf die erlebten Emotionen bei hedonisch motivierten Ladenbesuchern größer ist als bei utilitaristisch motivierten. Wird der entsprechende Interaktionseffekt (in der Tabelle als IxM gekennzeichnet) signifikant, ergibt sich der Einfluss der Informationsrate auf die Emotion bei utilitaristisch motivierten Ladenbesuchern aus dem standardisierten Regressionskoeffizienten der Informationsrate (so ist der Effekt der Informationsrate auf die Begeisterung bei utilitaristisch Motivierten = .293). Bei hedonisch Motivierten ergibt sich die Stärke des Einfluss aus der Summe des Regressions-koeffizienten des Interaktionseffekts und der Informationsrate (so ist der Effekt der Informationsrate auf die Begeisterung bei hedonisch Motivierten = .293 + .178 = .471; der Einfluss der Informationsrate auf die Begeisterung bei hedonisch motivierten Besuchern (.471) ist signifikant stärker als bei utilitaristisch motivierten (.293)) 39. Deutlich wird, dass die Ladenbesuchsmotivation den Einfluss der Informationsrate nur auf vier Emotionen signifikant (und auf eine tendenziell signifikant) moderiert. Diese Effekte deuten in die erwartete Richtung. Am stärksten moderiert die Ladenbesuchsmotivation den Einfluss der Informationsrate auf die Intensität des erlebten Ärgers und der Zufriedenheit: Bei hedonisch motivierten Besuchern der Online-Shops werden das Erleben beider Emotionen stärker von der Informationsrate beeinflusst als bei utilitaristisch motivierten. Die Hypothese H2b wird durch diese Ergebnisse nur partiell gestützt. Die Hypothese H3b erwartet einen geringeren Einfluss der Usability auf die erlebten Emotionen bei hedonisch motivierten Probanden. Die entsprechende Interaktion (in der Tabelle als UxM gekennzeichnet) zeigt sich nur bei zwei Emotionen, nämlich Ärger und Stress, und ist dort auch nur tendenziell signifikant. Die Hypothese H3b muss demnach verworfen werden. Den Hypothesen H2c und H3c folgend, wird erwartet, dass die kognitive Beanspruchung den Einfluss der Informationsrate und der Usability auf die Intensität der erlebten Emotionen moderiert. Zur Prüfung dieser Annahme wurde wiederum eine hierarchische Regression gerechnet, diesmal aber mit dem Einschluss der Interaktionsterme der kognitiven Beanspruchung und der Informationsrate (IxB) sowie der Usability (UxB). Tabelle 29 fasst die entsprechenden Ergebnisse zusammen (1,52 Durban-Watson Statistik T VIF 1,60). Die Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass der in H2c erwartete moderierende Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Informationsrate nicht gestützt wird: kein Interaktionsterm wird signifikant. Lediglich die Dimensionen Aktivierung und Dominanz
39 Zur Interpretation der Interaktionseffekte zwischen kontinuierlichen und kategorialen Variablen vgl. Richter (2007 S. 118-122) oder Aiken und West (1991 S. 116-138).
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
weisen einen solchen Interaktionseffekt auf: Unter höherer kognitiver Beanspruchung hat die Informationsrate einen stärkeren positiven Einfluss auf die erlebte Aktivierung, aber einen negativen auf die erlebte Dominanz. Dennoch muss die Hypothese H2c verworfen werden. Tabelle 28: Der moderierende Effekt der kognitiven Beanspruchung auf die Vorhersage der Emotionen auf Grundlage der Informationsrate und der Usability
Anders als in H3c erwartet, moderiert die kognitive Beanspruchung den Einfluss der Usability auf die Intensität der negativen Emotionen nicht signifikant. Lediglich tendenziell signifikante, moderierende Effekte können bezüglich des Zusammenhangs der Usability mit der Intensität der erlebten Angst, Hilflosigkeit und Ärger aufgedeckt werden. Statistisch signifikant ist hingegen der moderierende Einfluss der Usability auf die erlebte Sicherheit:
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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Bei höherer kognitiver Beanspruchung ist dieser Zusammenhang signifikant kleiner. Die Hypothese H3c kann auf Basis dieser Ergebnisse nur partiell bestätigt werden. Dennoch findet sich auch ein signifikanter moderierender Einfluss der kognitiven Beanspruchung auf den Zusammenhang der Usability mit den Dimensionen Valenz und Aktivierung: Bei Probanden mit höherer kognitiver Beanspruchung wirkt sich die Usability weniger stark auf beide Dimensionen aus. Interessanterweise deckte die hierarchische Regressionsanalyse zwei direkte Effekte der kognitiven Beanspruchung auf die erlebten Emotionen auf: Genuss wird bei höherer kognitiver Beanspruchung weniger intensiv, Stress intensiver erlebt. H4, H5 und H6: Einfluss der Unterstützung bei der Zielerreichung Hypothese H4 postuliert einen positiven Zusammenhang zwischen dem Ausmaß, in dem der Online-Shop den Besucher bei der Erreichung seiner Ziele unterstützt und der Intensität der positiven Emotionen. Tabelle 29: Vorhersage der Emotionen auf Grundlage der wahrgenommenen Unterstützung der Probanden bei der Zielerreichung durch den Online-Shop
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Diese Annahme wurde mittels Regressions-analyse überprüft: Die Intensität des Erlebens der jeweiligen Emotion war das Kriterium; die eingeschätzte Unterstützung bei der Zielerreichung der Prädiktor. In der Bedingung hedonisches Motiv, in dem das Ziel der Probanden darin bestand, sich die Zeit zu vertreiben, wurde als Prädiktor das Maß für die wahrgenommene Eignung des Online-Shops zum Stöbern und Zeitvertreib genutzt. Bei utilitaristisch motivierten Probanden, die ja ein bestimmtes Produkt kaufen sollten, wurde dafür die eingeschätzte Eignung des Online-Shops zum Einkaufen in die Regression aufgenommen. Die Ergebnisse der Regressionsanalysen (1,87 Durban-Watson Statistik 2,04) sind in der Tabelle 30 dargestellt. Wie erwartet wird das Erleben der meisten Emotionen durch die wahrgenommene Eignung der Online-Shops vorhergesagt, seine Besucher bei der Erfüllung ihrer Ziele zu unterstützen. Vor allem bei utilitaristisch motivierten Probanden konnten die Emotionen durch diese Größe erklärt werden. Hier war lediglich die Intensität der Überraschung nicht davon abhängig. Die Emotionen hedonisch motivierter Probanden können so hingegen weniger gut vorhergesagt werden. Auch hier werden vor allem positive Emotionen von der Eignung des Online-Shops beeinflusst, die Erreichung der Ziele der Besucher zu unterstützen. Interessanterweise wird das Erleben der Überraschung nicht signifikant durch diese Größe bestimmt. Auf Grundlage dieser Ergebnisse kann die Hypothese H4 partiell bestätigt werden. In H5 und H6 wird angenommen, dass die wahrgenommene Unterstützung bei der Zielerreichung von der Informationsrate und der Usability des Online-Shops beeinflusst wird. Zur Überprüfung dieser Hypothesen wurde für jede Stufe des Faktors Ladenbesuchsmotivation eine Regressionsanalyse mit der Eignung zum Zeitvertreib (hedonisch Motivierte) bzw. zum Einkaufen (utilitaristisch Motivierte) als Kriterium und der Informationsrate sowie der Usability als Prädiktoren gerechnet. Die entsprechenden Ergebnisse sind in der Tabelle 31 dargestellt. Tabelle 30: Vorhersage der wahrgenommenen Unterstützung der Probanden bei ihrer Zielerreichung durch den Online-Shop durch die Informationsrate und die Usability
Wie in H5 erwartet, wird die wahrgenommene Unterstützung der Beuscher bei ihrer Zielerreichung durch den Online-Shop sowohl bei hedonisch wie auch bei utilitaristisch motivierten Ladenbesuchern von der Informationsrate bestimmt. Diese hat vor allem dann Einfluss auf die Einschätzung der Unterstützung, wenn die Probanden hedonische Motive verfolgten. In diesem Falle hat die Usability, anders als in H6 behauptet, keinen signifikanten Einfluss auf das Kriterium. Bei utilita-ristisch motivierten Probanden hingegen konnte das
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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Ausmaß der wahrgenommenen Unterstützung vor allem durch die Usability erklärt werden. Die Informationsrate hat ebenfalls einen signifikanten, obgleich deutlich geringeren Einfluss. Dement-sprechend stützen die Ergebnisse Hypothese H5. H6 wird nur partiell gestützt. H7: Nicht-linearer Einfluss der Erwartungskonformität der Atmosphäre In Hypothese H7 wird ein nichtlinearer Zusammenhang zwischen der Diskrepanz der Ladenatmosphäre und den erlebten Emotion postuliert: mittlere Abweichungen der tatsächlichen Ladenatmosphäre von der Erwartung bewirken positivere Reaktionen als sehr geringe oder sehr große Abweichungen. Tabelle 31: Aufklärungskraft bei Annahme einer linearen bzw. quadratischen Beziehung zwischen Erwartungsdiskrepanz der Atmosphäre und Emotionen
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Abbildung 25: Zusammenhänge zwischen Schemadiskrepanz und erlebter Emotionsintensität Kriterium: Glück sehr intensiv
sehr intensiv
4,00
5,00
Glück 3,00
6,0 ganz anders als erwartet
Positive Emotionen
5,00
wenig intensiv
3,00
2,00
1,00 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 wie erwartet Erwartungsdiskrepanz der Atmosphäre des Online-Shops
6,0 ganz anders als erwartet
1,00 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 wie erwartet Erwartungsdiskrepanz der Atmosphäre des Online-Shops
6,0 ganz anders als erwartet
5,00
4,00
3,00
2,00 1,00 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 wie erwartet Erwartungsdiskrepanz der Atmosphäre des Online-Shops
6,0 ganz anders als erwartet
Kriterium: Enttäuschung sehr intensiv
Kriterium: Hilflosigkeit sehr intensiv
2,00
Kriterium: Positive Emotionen sehr intensiv
sehr intensiv
4,00
wenig intensiv
Zufriedenheit
Kriterium: Zufriedenheit 6,00
4,00
3,00
2,00
1,00 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 wie erwartet Erwartungsdiskrepanz der Atmosphäre des Online-Shops
6,00
5,00
wenig intensiv
wenig intensiv
6,00
Begeisterung
Kriterium: Begeisterung
5,00
4,00
Enttäuschung
Hilflosigkeit
4,00
3,00
3,00
1,00 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 wie erwartet Erwartungsdiskrepanz der Atmosphäre des Online-Shops
wenig intensiv
wenig intensiv
2,00 2,00
6,0 ganz anders als erwartet
6,0 ganz anders als erwartet
Kriterium: Stress sehr intensiv
sehr intensiv
Kriterium: Ärger
1,00 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 wie erwartet Erwartungsdiskrepanz der Atmosphäre des Online-Shops
4,00
5,00
4,00
Ärger
Stress
3,00
3,00
1,00 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 wie erwartet Erwartungsdiskrepanz der Atmosphäre des Online-Shops
wenig intensiv
wenig intensiv
2,00
6,0 ganz anders als erwartet
2,00
1,00 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 wie erwartet Erwartungsdiskrepanz der Atmosphäre des Online-Shops
6,0 ganz anders als erwartet
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
141
Um diese Annahme zu testen, wurde das Bestimmtheitsmaß der linearen Regressionsgleichen zwischen der wahrgenommenen Diskrepanz (Prädiktor) und der jeweiligen Emotion (Kriterium) mit dem Bestimmtheitsmaß einer entsprechenden quadratischen Regression verglichen. Die Ergebnisse für die Gesamtstichprobe (vgl. Tabelle 32) können die Erwartung nicht stützen. Ein substantieller Informationsgewinn kann nur bei der Dimension Valenz erzielt werden: Hier verdoppelt sich allerdings fast die Varianzaufklärung (linear: .018 vs. quadratisch .032). Beim Abgleich zwischen prototypischem Schema und tatsächlicher Ladenatmosphäre wird angenommen, dass es sich um einen, kognitiven Prozessen vorgelagerten, automatischen Vorgang handelt, der selbst nur wenige kognitive Ressourcen verbraucht (vgl. Purcell 1986 S. 7-9). Eine mögliche Erklärung für die fehlenden oder nur geringen Zusammenhänge der Schemadiskrepanz und den erlebten Emotionen könnte darin begründet sein, dass kognitive Prozesse, wie zum Beispiel Bewertungen, ebenfalls zur Emotionsgenese beitragen und dadurch den automatischen Abgleich überlagern. Um diese Vermutung zu prüfen, wurde die nicht-lineare und lineare Regressionsanalyse getrennt für die beiden Gruppen niedrigere und höhere kognitive Beanspruchung wiederholt. Sollten höhere kognitive Prozesse den automatischen Abgleich überlagern, so stehen diesen bei höherer kognitiver Beanspruchung weniger Ressourcen zur Verfügung. Deshalb sollten Prozesse, die mehr kognitive Ressourcen verbrauchen, einen geringeren Einfluss haben und die vermuteten nicht-linearen Zusammenhänge stärker ausfallen. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse (vgl. Tabelle 32, Abbildung 25), dass bei den Probanden mit niedriger kognitiver Beanspruchung kein Zusammenhang zwischen der Schemadiskrepanz und den Emotionen gefunden werden konnte. Demgegenüber wird das Erleben vieler Emotionen bei den Probanden mit höherer kognitiver Beanspruchung durch eben diese Diskrepanz erklärt (bei mittleren bis großen Effektstärken). Und wie erwartet, führen quadratische Zusammenhänge zu höheren Varianzaufklärungen. Die Abbildungen veranschaulichen die Zusammenhänge grafisch: Bei mittleren Diskrepanzen zwischen erwarteter und tatsächlicher Atmosphäre ist die Intensität der positiven Emotionen ab höchsten und die der negativen am niedrigsten. Diese Ergebnisse stützen die Hypothese H7 partiell: der erwartete Zusammenhang wird nur bei den Probanden aufgedeckt, deren kognitive Ressourcen durch eine Zweitaufgabe gebunden sind. Diskussion der Befunde zur Emotionsgenese In diesem Abschnitt wurden vier Variablen betrachtet, von denen zuvor ein Einfluss auf die erlebten Emotionen theoretisch begründet wurde: Informationsrate, Usability, Unterstützung bei der Zielerreichung und Schemadiskrepanz des Online-Shops. Außerdem wurden die moderierenden Effekte der Ladenbesuchsmotivation und der höheren kognitiven Beanspruchung untersucht.
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Dabei stützen diese Ergebnisse die von Mehrabian und Russell (1974) vorhergesagte Bedeutung der Informationsrate der Umwelt für die Emotionsgenese. Dieses Konstrukt wurde bereits im Kontext der Ladenbesuche untersucht (vgl. Donovan & Rossiter 1982, Huang 2003), konnte aber keine zufrieden stellenden Varianzanteile an den PAD-Dimensionen des emotionalen Erlebens aufklären. Auch in dieser Studie beeinflusst die Informationsrate nur eine Dimension der Messung, nämlich die Valenz, und kann nur 5,7 % der Varianz dieser Dimension erklären. Interessanterweise fällt aber ihr Einfluss auf einzelne differenzierte Emotionen zum Teil sehr viel größer aus: So erklärt die Informationsrate einen bedeutenden Anteil an der Intensität der Begeisterung und der Überraschung. Insgesamt zeigt sich in den Ergebnissen dieser Studie, dass vor allem das Erleben positiver Emotionen von der Informationsrate beeinflusst wird, während ihr Zusammenhang mit negativen Emotionen eher schwach ist. Dieses differenzierte Bild des Zusammenhangs der Informationsrate mit dem emotionalen Erleben kann nicht durch eine dimensionale Erfassung der Emotionen erfasst werden. Da aber bisherige Studien zum Einfluss der Informationsrate ausschließlich dimensionale Ansätze verfolgten, liegt es nahe, dass der Einfluss der Informationsrate der Umwelt auf das emotionale Erleben während Ladenbesuchen bisher unterschätzt wurde. Daneben wurde in dieser Arbeit mit der Usability des Online-Shops eine Determinante der Emotionen berücksichtigt, die bisher in empirischen Studien kaum beachtet wurde. Dabei zeigte sich, dass vor allem das Erleben der negativen Emotionen Enttäuschung und Ärger durch die Usability des Online-Shops erklärt werden können. Betrachtet man die unterschiedlichen Einflüsse der Informationsrate und der Usability auf die einzelnen, differenzierten Emotionen, ergeben sich plausible Muster, die durch das besprochene Appraisal Tendency Framework (vgl. Han et al. 2007), durch handlungstheoretische Ansätze (vgl. Bagozzi et al. 1998) und durch den Affect-as-Information Ansatz (vgl. Schwarz & Clore 2003) erklärt werden können: Offensichtlich beinhalten Emotionen mehr Informationen als nur die, ob eine Situation als gut oder schlecht zu bewerten ist. So bewirkt eine hohe Informationsrate eines Online-Shops, die dessen Neuartigkeit, Komplexität und Unterhaltungswert ausdrückt, vor allem das Erleben von Begeisterung und Überraschung. Dem-gegenüber wird das Erleben von Hilflosigkeit und Ärger vor allem durch die Usability beeinflusst. Es ist leicht vorstellbar, dass die Leichtigkeit der Bedienung eines Online-Shops eben Einfluss gerade darauf hat, die hilflos oder verärgert sich die Besucher fühlen. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass das Erleben der Emotionen Zweifel, Stress, Sicherheit und Erleichterung nur in geringem Maße von den beiden Dimensionen der Gestaltung der Online-Shops abhängen. Das sie verbindende Element könnte eine wahrgenommene Unsicherheit der Situation sein (vgl. Abbildung 21, S. 97), die nicht durch die Usability oder die Informationsrate abgebildet wird. Diese differenzierten Effekte der Eigenschaften der Ladenumwelt auf das emotionale Erleben wurden bisher noch nicht untersucht.
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
143
Der Einfluss der Usability und der Informationsrate auf das Erleben der Emotionen wird zum Teil von der Ladenbesuchsmotivation und der kognitiven Beanspruchung moderiert. Während die Motivation nur die Wirkungen der Informationsrate moderiert, beeinflusst die kognitive Beanspruchung vor allem die Einflüsse der Usability. So hat die Informationsrate bei hedonisch motivierten Ladenbesuchen einen stärkeren Einfluss auf das Erleben der Begeisterung, Zufriedenheit, Ärger und Enttäuschung als bei Ladenbesuchern, die etwas bestimmtes kaufen wollen. Das ist insofern plausibel, als das diese vier Emotionen bei utilitaristisch motivierten Kunden stärker mit dem Kaufziel zusammenhängen: Ob ein Ladenbesucher, der etwas kaufen will, zufrieden oder enttäuscht ist, hängt wahrscheinlich weniger mit der Neuartigkeit und Komplexität der Ladengestaltung zusammen als vielmehr mit dem Erfolg des Kaufs. Interessanterweise ist der Einfluss der Usability auf fast alle Emotionen unabhängig vom Ladenbesuchsmotiv: Offensichtlich ist die Bedien-barkeit des Online-Shops sowohl für hedonisch wie utilitaristisch motivierte Besucher von ähnlich großer Bedeutung. Lediglich der Einfluss der Usability auf das Erleben von Ärger und Stress ist bei Besuchern mit Kaufziel größer. Anders als erwartet, verstärkt eine höhere kognitive Beanspruchung nicht den Zusammenhang der Informationsrate des Online-Shops mit den erlebten Emotionen. Allerdings beeinflusst die wahrgenommene Usability bei Probanden mit höherer kognitiver Beanspruchung weniger stark ihre Angst, Sicherheit, Hilflosigkeit und Ärger. Dennoch erleben Ladenbesucher mit höherer kognitiver Beanspruchung diese vier Emotionen genauso intensiv wie die Besucher mit niedrigerer kognitiver Beanspruchung. Obgleich der moderierende Einfluss der höheren kognitiven Beanspruchung nur für den Einfluss der Usability auf die erlebte Sicherheit signifikant wird und für Angst, Hilflosigkeit und Ärger nur eine tendenziell signifikante Bestätigung finden, stützen diese Ergebnisse doch die Annahme vorliegender Arbeit, dass die Bewertung der Usability, anders als die der Informationsrate, kognitive Ressourcen verbraucht. Sowohl die kognitive Beanspruchung als auch das Ladenbesuchsmotiv haben auch direkte Einflüsse auf das emotionale Erleben (für die Mittelwerte in den Gruppen vgl. Tabelle 34, S. 146): Während eine höhere kognitive Beanspruchung zu weniger erlebten Genuss und intensiverem Stress als bei niedriger Beanspruchung führt, erleben hedonisch motivierte Ladenbesucher die Emotionen Stress, Zweifel, Angst, Begeisterung, Zufriedenheit und Erleichterung weniger intensiv als utilitaristisch motivierte. Dieser direkte Effekt ist insofern plausibel, als dass diese Emotionen stärker mit Entscheidungen und Verlust zusammenhängen – zwei Dinge, die bei hedonisch motivierten Ladenbesuchern üblicherweise nicht mit Besuchen in Online-Shops verbunden sind (vgl. Dawson et al. 1990 S. 411-414). Die Ergebnisse dieser Studie zeigen zudem, dass die erlebten Emotionen auch davon abhängen, wie geeignet der Laden für die Erreichung der eigenen Ziele ist. Dieser Zusammenhang findet sich bei beiden untersuchten Stufen der Ladenbesuchs-motivation, fällt
144
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
aber utilitaristisch motivierte Probanden stärker aus. Möglicher-weise hat die Ladenumwelt bei Probanden, die ein bestimmtes Produkt kaufen wollen, einen stärkeren Einfluss auf die Zielerreichung als bei hedonisch motivierten Probanden, die nicht vollkommen auf die Ladenumgebung angewiesen sind, um ihr Ziel zu erreichen (sie können sich die Zeit ja auch mit anderen Dingen vertreiben, wie Gedanken an das Abendessen). Wie gut eine Ladenumgebung geeignet ist, utilitaristisch und hedonisch motivierte Besucher bei ihren Zielen zu unterstützen, hängt substantiell von der Informationsrate und – bei utilitaristisch motivierten Probanden – der Usability des Online-Shops ab: Während die Eignung des Ladens zum Zeitvertreib sehr stark von dessen Komplexität, Neuartigkeit und Informationsreichtum abhängt, ist die einfache Bedienung des Online-Shops wesentlich für die Eignung zum Einkaufen. Diese hängt in geringerem Maße auch von der Informationsrate ab. Dies spricht dafür, dass eine informations- und reizarme Umwelt ebenso wie schlechte Usability beim Einkaufen hinderlich sein kann. Bezüglich der Wirkung der Diskrepanz zwischen erwarteter und wahrgenommener Ladenatmosphäre zeigen die Ergebnisse dieser Studie den erwarteten umgekehrt u-förmigen Zusammenhang nur bei Ladenbesuchern, die einer höheren kognitiven Beanspruchung ausgesetzt waren. Möglicherweise wird der automatische frühe Abgleich zwischen erwarteter und wahrgenommener Ladenatmosphäre durch andere, kognitive Prozesse überlagert. Nichts desto trotz stützen die Ergebnisse die Erkennt-nisse aus anderen Kontexten (oftmals aus der Architektur), dass zumindest bei den Probanden, die nicht ihre gesamten kognitiven Ressourcen auf den Ladenbesuch lenken (bspw. weil sie sich nebenbei unterhalten oder an das wichtige Treffen am Abend denken), mittlere Abweichung der tatsächlichen Ladenatmosphäre von der Erwartung mehr Zufriedenheit, Begeisterung und Glück, aber weniger Ärger und Enttäuschung auslösen. Zusammenfassung x
Emotionen werden sowohl durch die wahrgenommene Informationsrate der OnlineShops als auch durch deren Usability beeinflusst.
x
Unterschiedlich erlebte Emotionen werden dabei zum Teil in unterschiedlichem Ausmaß durch die beiden Größen beeinflusst: So hängt die erlebte Begeisterung stärker von der Informationsrate des Online-Shops ab, während bspw. Angst nur von dessen Usability signifikant beeinflusst wird.
x
Diese Zusammenhänge werden von der Ladenbesuchsmotivation moderiert (bei hedonisch Motivierten hängen die Emotionen stärker von der Informationsrate ab; unter höherer kognitiver Beanspruchung ist der Einfluss der Usability geringer).
x
Je größer die wahrgenommene Unterstützung der Probanden bei ihrer Zielerreichung durch den Online-Shop, desto intensiver werden positivere Emotionen erlebt.
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen x
145
Die Erwartungs-Diskrepanz der wahrgenommenen Atmosphäre des Online-Shops hat nur in der Bedingung höhere kognitive Beanspruchung einen Einfluss auf die erlebten Emotionen.
x
Dieser Einfluss ist nicht-linear und folgt einem umgekehrt u-förmigen Verlauf.
5.5.3 Ergebnisse bezüglich der Emotionen im Surfprozess Erlebte Emotionen während des Besuchs in Online-Shops Zunächst wird geprüft, wie sich das allgemeine psychische Befinden während des Besuchs des Online-Shops änderte. Dazu werden die Werte für die Valenz (gut-schlecht) des Befindens, die tonische (wach-müde) und die phasische (unruhig-ruhig) Aktivierung vor und nach dem Besuch des Online-Shops mittels gepaarter T-Tests verglichen (vgl. Tabelle 33). Tabelle 32: Veränderung der psychischen Befindlichkeit nach dem Besuch des Online-Shops Vor dem OnlineShop Besuch
Nach dem OnlineShop Besuch
Valenz des Befindens1
5,05 (0,74)
4,67 (0,58)
T (256) = 10,55 p < .001
tonische Aktivierung1
4,08 (1,04)
3,99 (0,72)
T (256) = 2,18 p = .031
phasische Aktivierung1
2,28 (0,86)
2,54 (0,85)
T (256) = 6,66 p < .001
in den Zellen: Mittelwert (Standardabweichung) positiv/wach/unruhig;
1
auf einer Skala von (1) negativ/müde/ruhig bis (6)
Deutlich wird, dass sich die Valenz des Befindens durch den Besuch des Online-Shops auf hohem Niveau verschlechtert. Diese Verschlechterung des allgemeinen Befindens ist dabei unabhängig von der Ladenbesuchsmotivation (Varianzanalyse mit Messwiederholung, Hotteling’s Trace F (1, 245) = 1,31, p = .253) und unabhängig von der kognitiven Belastung (Hotteling’s Trace F (1, 237) < 1). Mit anderen Worten: Nach dem Besuch des Online-Shops wurde die allgemeine psychische Befindlichkeit der Probanden schlechter, obgleich die Probanden immer noch positiv gestimmt war, unabhängig davon, ob der Besuch hedonisch oder utilitaristisch motiviert war oder, wie stark die Probanden während des Besuchs kognitiv beansprucht waren. Betrachtet man die während des Besuchs des Online-Shops erlebten Emotionen (vgl. Tabelle 34), fällt auf, dass die Ladenbesucher positive Emotionen intensiver verspürten als negative. Das emotionale Erleben wird vor allem durch Sicherheit, Zufriedenheit und Glück dominiert. Die am intensivsten erlebten negativen Emotionen sind Zweifel und Hilflosigkeit. Insgesamt am wenigsten intensiv wird während des Experiments Angst erlebt. Die PAD-Dimension Valenz ergibt dazu im Gegensatz eine mittlere durchschnittliche Ausprägung von 2,3 (auf einer fünfstufigen Skala).
146
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Tabelle 33: Erlebte Emotionen während des Ladenbesuchs, auch in Abhängigkeit der beiden Faktoren Ladenbesuchsmotivation und kognitive Beanspruchung
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
147
Aufgrund der signifikanten Änderung der Valenz allgemeinen Befindlichkeit wurden die Intensitäten aller erlebten Emotionen derjenigen Probanden, deren Valenz der allgemeinen Befindlichkeit vor und nach dem Shop-Besuch gleich geblieben ist oder sich verbessert (22,2 %) hat mit denjenigen Probanden verglichen, deren Valenz der psychischen Befindlichkeit nach dem Shop-Besuch schlechter wurde (77,8 %). Hier ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen im Erleben der Emotionen während des Besuchs des Online-Shops (T (df = 255) p H1a: PAD-Dimensionen und D-IKE-Kategorien In der Hypothese H1a wird angenommen, dass differentielle Ansätze der Messung von Emotionen die durch den Besuch eines Online-Shops evozierten Emotionen vollständiger beschreiben als dimensionale Ansätze. Erste Ergebnisse, die diese Vermutung stützen, erbrachte bereits die Studie 3 der Entwicklung des Kategorien-systems der Emotionen beim Ladenbesuch (vgl. Kapitel 4.2.4, S. 95). Dort wird der Vergleich der gegenseitigen Redundanz beider Ansätze beschrieben, mit dem Ergeb-nis, dass die D-IKE Kategorien mehr Informationen der PAD-Skalen erfassen als umgekehrt. Tabelle 34: Korrelationen zwischen den Emotionskategorien des D-IKE und den PADDimensionen PAD: Valenz1 Begeisterung2
.516***
Glück
.538***
Zufriedenheit
.499***
Genuss
PAD: Aktivierung1
PAD: Dominanz1 .339***
-.182***
.306***
.383***
-.141***
.203***
Sicherheit
.381***
-.328***
.404***
Erleichterung
.321***
Positive Emotionen
.595***
-.207***
.476***
Angst
-.461***
.438***
-.251***
Hilflosigkeit
-.586***
.382***
-.392***
Enttäuschung
-.545***
.317***
-.272***
Ärger
-.552***
.426***
-.272***
Stress
-.525***
.532***
-.210***
Zweifel
-.287***
.413***
-.233***
Negative Emotionen
-.553***
.506***
-.324***
.415***
.359***
Überraschung
***p dargestellt sind nur signifikante Koeffizienten; 1auf einer Skala von 1 (schlecht/nicht erregt/nicht dominant) bis 5 (gut/erregt/dominant); 2D-IKE Kategorien erfasst auf einer Skala von (1) gar nicht bis (6) sehr intensiv
148
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Eine entsprechende Redundanzanalyse wurde auch für die Daten der Hauptstudiedurchgeführt. Die kanonische Korrelation erbrachte einen durch die PADDimensionen erklärten Varianzanteil des D-IKE von 35,9 %. Andersherum konnte durch die D-IKE Kategorien ein Varianzanteil der PAD-Dimensionen von 75,9 % erklärt werden (jeweils zwei signifikante kanonische Dimensionen). Diese Ergebnisse entsprechen denen der angesprochenen Studie. Zu bedenken ist dabei, dass in dieser Hauptstudie eine alternative Operationalisierung der PAD-Dimen-sionen verwendet wurde, nämlich das Self-Assessment Manikin von Lang (1980). Offensichtlich ist die Überlegenheit der D-IKE Kategorien ein stabiles Ergebnis. Zieht man in die Überlegungen auch die Befunde zur Emotionsgenese ein, die zeigen, dass – unabhängig von ihrer Valenz, Aktivierung oder Dominanz – unterschiedliche differenzierte Emotionen aus verschiedenen Reizkonstellationen resultieren, kann der Schluss gezogen werden, dass Emotionen mehr Informationen enthalten als die drei Dimensionen abbilden können. Die referierten Ergebnisse beider Studien ergeben zusammengenommen ein in sich schlüssiges Bild und stützen so die Hypothese H1a. Die Redundanzanalyse zeigt, dass die D-IKE Kategorien und die PAD-Dimensionen nicht unabhängig voneinander sind. Die Zusammenhänge zwischen den differenzierten Emotionen und den PAD-Dimensionen sind in Tabelle 35 dargestellt. Auffällig dabei ist, dass intensiver erlebte negative Emotionen mit stärkerer erlebter Aktivierung einhergehen. Das Erleben positiver Emotionen ist eher mit weniger Aktivierung verbunden. Die Emotion, die am stärksten mit der Valenzdimension zusammenhängt, ist Hilflosigkeit. Stress hängt am stärksten mit der Aktivierungsdimension und Zufriedenheit mit der Dominanzdimension zusammen. Kodierung des Verhaltens während des Ladenbesuchs Das Verhalten im Online-Shop wurde auf Basis der Videos des Surfprozesses erfasst. Durch diese Videoaufnahmen konnte eindeutig rekapituliert werden, welche Seiten in welcher Reihenfolge aufgerufen wurden. Um das Verhalten der Probanden für die Zwecke dieser Arbeit auswerten zu können, musste das relevante Verhalten durch Zuordnung in ein geeignetes Kategoriensystem quantifiziert werden. Diese Aufgabe übernahm eine – nicht mit den Hypothesen der Arbeit vertraute – Kodiererin. Gezählt wurden ausschließlich die Anzahl aufgerufener Seiten und ihre Reihenfolge. Um das Verhalten detaillierter Analysieren zu können, wurde die Struktur der beiden Online-Shops in zwei Dimensionen zerlegt (vgl. Tabelle 36): eine hierarchische Dimension und inhaltliche Dimension. Die inhaltliche Dimension teilte alle Seiten der Online-Shops in vier inhaltliche Kategorien. Die Kategorie Wein umfasste alle Seiten, die sich mit den angebotenen Weinen beschäftigten; die Kategorie Mehrwert umfasst Zusatzinformationen wie bspw. die Geschichte des Korks oder eine kleine Weinkunde, die nicht produktbezogen oder kaufrelevant sind. Unter der Kategorie Service wurden diejenigen Seiten zusammengefasst, die kaufbezogene
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
149
Zusatzinformationen enthielten, wie bspw. Lieferbedingungen oder Kontaktadresse. Und die Kategorie Suche umfasste die Suchfunktion der Online-Shops. Tabelle 35: Kategoriensystem zur Kodierung der aufgerufenen Seiten im Online-Shop
Diese inhaltlichen Kategorien konnten in drei hierarchische Ebenen gegliedert werden (mit Ausnahme der Kategorie Suche): Es gab für jede Kategorie eine Übersichtsseite, die als Startseite der Kategorie diente und grobe Inhalte in dieser Kategorie auflistete (bspw. wurde in der Kategorie Mehrwert auf die Bereiche Geschichte des Korks und Weinkunde aufmerksam gemacht). In der mittleren Hierarchieebene wurden Listen des jeweiligen Inhalts detaillierter präsentiert (bspw. in der Kategorie MehrwertÆWeinkunde wurde eine Liste vieler Weinsorten dargestellt). Abbildung 26: Anzahl aufgerufener Seiten in den inhaltlichen Kategorien von hedonisch und utilitaristisch motivierten Probanden
Die unterste Hierarchieebene bildeten Detailinformationen (bspw. wurden hier zu einer Weinsorte detailliertere Informationen wie Herkunft usw. gegeben). Diese letzte Ebene gab es bei der Suchfunktion nicht: Hier konnte die Suchfunktion aufgerufen werden – dies wurde als
150
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Aufruf der Übersichtsseite Suche kodiert. Nach Eingabe der Suchwörter erschien eine Liste, die auf Detailseiten mit passenden Informationen verwies. Diese wurde als Inhaltsliste Suche kodiert. Abbildung 26 und Abbildung 27 stellen die durchschnittliche Anzahl aufgerufener Seiten in den inhaltlichen und den hierarchischen Kategorien dar. Die jeweilige Anzahl aufgerufener Seiten wurde dabei für jeden Probanden an seiner im Online-Shop verbrachten Zeit relativiert, dargestellt sind also die entsprechenden Seitenaufrufe je Minute. Dies ist nötig, um in folgenden Auswertungen Verzerrungen aufgrund der unterschiedlichen Ladenbesuchszeit zu vermeiden. Abbildung 27: Anzahl aufgerufener Seiten in den hierarchischen Kategorien von hedonisch und utilitaristisch motivierten Probanden
Gruppierung der Ladenbesucher aufgrund ihrer Verhaltenssequenzen und ihre Deskription anhand der erlebten Emotionen (Sequenzclusterung) Das Konsumentenverhalten in (virtuellen wie nicht-virtuellen) Läden wird in der Regel über die Zeit aggregiert analysiert: In die Auswertungen gehen dann nicht die Sequenzen, also die zeitliche Abfolge der einzelnen Verhaltensweisen ein, sondern lediglich die kumulierte Häufigkeit der gezeigten Verhaltenskategorien, zusammengefasst über die gesamte Dauer des Ladenbesuchs (vgl. Abbott 1995 S. 94). Dabei gehen Informationen über die Abfolge der Verhaltensweisen verloren, die aber zu einem tieferen Verständnis des Verhaltens und Erlebens der Konsumenten beitragen können (vgl. Steinmann & Silberer 2008 S. 4).
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
151
So analysierten Larson et al. (2005) die Wege der Kunden durch einen Supermarkt. Auf Grundlage dieser Sequenzen waren die Autoren in der Lage, unterschiedliche Kundengruppen mit verschiedenen Kundenlaufsequenzen durch den Laden zu identifizieren, deren Gruppenmitglieder sich in ihrem Weg durch den Supermarkt einander sehr ähnelten. Da sich diese Kundengruppen nicht notwendigerweise in der Summe der von ihnen aufgesuchten Regale im Markt unterscheiden, häte eine nicht-sequenzanalytische Betrachtung diese unterschiedlichen Kundengruppen nicht identifizieren können. Silberer et al. (2006) nutzen die Sequenzen der Kontakte zwischen Kunden und einem Händler, um Kundengruppen zu identifizieren, die sich auf Basis der Abfolge der Kontakte unterschieden. Auch sie finden Kundengruppen, die sich vor allem nicht in der Aggregation der einzelnen Verhaltensweisen, sondern in der Abfolge der Kontakte unterschieden. Auch für das emotionale Erleben könnte die Abfolge der Besuchten Seiten eine Rolle spielen. So könnte es bspw. das Erleben des Gefühls Sicherheit beeinflussen, ob die Proband vor oder nachdem sie einen teuren Wein in ihre Entscheidung einbeziehen, auf den Service-Seiten vom vollen Umtauschrecht erfahren haben. Genauso wäre aber auch der umgekehrte Fall denkbar – die erlebten Emotionen beeinflussen die Abfolge der aufgerufenen Seiten: Probanden die das Gefühl Sicherheit erleben, würden demnach möglicherweise nach der Seite mit dem teuren Wein nicht gleich nach den Versandbedingungen suchen. Dementsprechend soll an dieser Stelle geprüft werden, ob die Abfolge der Seitenaufrufe einen Einfluss auf das Erleben der Emotionen nimmt. Das Vorgehen dieser Arbeit lehnt sich an Silberer et al. (2006) an: Aufgrund der Ähnlichkeit der Reihenfolge der Seitenaufrufe werden mittels Clusteranalyse in sich homogene, untereinander aber heterogene Probandengruppen gebildet, deren erlebte Emotionen miteinander verglichen werden. Die Ähnlichkeit der Abfolge aufgerufener Seiten wird anhand einer von Levenshtein (1966) vorgeschlagenen Metrik bestimmt: Die Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit zweier Zeichenketten (Abfolge von Events, wie bspw. die Abfolge von Seitenabrufen) wird mittels Anzahl minimal nötiger Operationen (löschen, einfügen und ersetzen eines Events) bemessen: Für jede nötige Operation wird ein Strafpunkt vergeben. So würde bspw. die Unähnlichkeit der beiden folgenden Surfprozesse eins ergeben, weil in der Zeichenkette a) genau ein Event (der dritte Seitenaufruf, hier Mehrwert) durch ein anderes Event (Aufruf einer Seite aus der Kategorie Weine) ausgetauscht werden müsste, damit beide Surfprozesse identisch sind: a) Mehrwert Æ Weine Æ Mehrwert b) Mehrwert Æ Weine Æ Weine Die Berechnung dieser Metrik kann durch verschiedene Computerprogramme übernommen werden. In dieser Arbeit wurde für diesen Zweck der SequenceAnalyser 40 verwendet.
40
Der SequenceAnalyser wurde am Institut für Marketing und Handel der Universität Göttingen, Abteilung Marketing, Prof. Dr. Günter Silberer, von Herrn Alexander Gorbach unter fachlicher Betreuung von Prof. Dr.
152
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Datengrundlage war die Reihenfolge der Seiten-abrufe. Jeder Seitenaufruf war kodiert als Kombination der Ausprägung auf der inhaltlichen Dimension (bspw. Wein) und der hierarchischen Dimension (bspw. Detailinformationen). Die resultierende Distanz-Matrix wurde zunächst mittels Single-Linkage-Methode, um eventuelle Ausreißer zu identifizieren, und anschließend mittels Ward-Methode zu Clustern verdichtet. Auf Basis der SingleLinkage Methode wurden 6 Probanden, die jeweils einzelne Cluster bildeten, aus der weiteren Sequenzanalyse ausgeschlossen. Die verbleibenden 116 Probanden wurden mittels der WardMethode in drei Clustern (n1 = 35, n2 = 56, n3 = 25) zusammengefasst. Eine drei Clusterlösung wurde durch visuelle Inspektion des Dendogramms nahegelegt. Tabelle 36: Beschreibung der drei Cluster anhand ihrer jeweiligen Zentroide Abfolge der Seitenbesuche des jeweiligen Cluster-Zentroiden1 Zentroid Cluster 1
1 Wein [2] -> Mehrwert [1] -> Wein [3] -> Suche [2] -> Wein [1]
Zentroid Cluster 2
Wein [1] -> Mehrwert [1] -> Service [2] -> Wein [3] -> Mehrwert [8]-> Wein [1]
Zentroid Cluster 1
Wein [7] -> Suche [2] -> Wein [2] -> Service [3] -> Wein [8] -> Mehrwert [3] -> Wein [9]
1
Bei dieser Darstellung wurden alle aufeinanderfolgenden Seitenaufrufe in einer inhaltlichen Kategorie (unabhängig von der Hierarchieebene) unter der einmaligen Angabe dieser Kategorie zusammengefasst. In Klammern wird jeweils die Anzahl der so zusammengefassten Seitenaufrufe vermerkt.
In Tabelle 37 werden die drei gebildeten Cluster anhand der Seitenabrufsequenzen ihrer jeweiligen Zentroide beschrieben. Alle drei Zentriode starten in der Kategorie Wein. Der Proband, der den Zentrioden des ersten Clusters stellt, wechselt nach dem Abruf der zweiten Seite aus der Kategorie Wein in die Kategorie Mehrwert, um dann nach einer Seite sofort wieder in die Kategorie Wein zu wechseln. Schließlich surft der Proband auf zwei Seiten der Kategorie Suche, um dann schließlich nach dem Besuch einer Seite aus der Kategorie Wein den Besuch des Online-Shops zu beenden. Die Probandin, die den Zentroiden des zweiten Clusters stellt, wechselt ebenfalls am Anfang ihres Besuches bereits nach nur wenigen Seitenaufrufen einer Kategorie die Inhalte. Nach der siebenten aufgerufenen Seite bleibt sie aber für insgesamt acht Seitenwechsel in der Kategorie Mehrwert. Auch sie beendet ihren Online-Shop Besuch auf einer Seite der Kategorie Wein. Die Probandin, deren Seitenaufrufreihenfolge den Zentroiden des dritten Clusters bilden, bleibt größtenteils innerhalb der Kategorie Wein, wechselt nur für jeweils wenige Seitenaufrufe in die Kategorien Suche, Service und Mehrwert.
Günter Silberer programmiert. Der Autor dankt Herrn Prof. Dr. Günter Silberer und Dipl.-Soz. Alexander Gorbach für die freundliche Überlassung zur Anwendung im Rahmen dieser Studie!
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
153
Tabelle 37: Beschreibung der drei Cluster anhand ihrer jeweils aggregierten Seitenaufrufe sign. Gruppenunterschiede1
Cluster 1
Cluster 2
Cluster 3
3,8 (2,4)
6,2 (2,4)
7,4 (1,8)
F (df = 2, 113) = 21,0 p < .001
1 vs. 3 1 vs. 2
Anzahl besuchter Seiten in den hierarchischen Kategorien: 0,5 1,3 - Übersichten (0,9) (1,9)
1,9 (3,0)
F (df = 2, 113) = 3,9 p = .023
1 vs. 3
10,2 (3,1)
18,0 (6,1)
F (df = 2, 112) = 118,0 p < .001
1 vs. 3 1 vs. 2 2 vs. 3
2,6 (2,1)
7,1 (3,5)
F (df = 2, 112) = 45,9 p < .001
1 vs. 3 2 vs. 3
4,9 (6,9)
8,4 (12,8)
F (df = 2, 113) = 6,4 p = .002
1 vs. 3
Dauer des Ladenbesuchs in Minuten
- Inhaltslisten
3,3 (1,5)
1,4 (1,5) Anzahl besuchter Seiten in den inhaltlichen Kategorien: 1,2 - Mehrwert (2,1) - Details
- Service
0,3 (0,8)
0,4 (1,0)
0,5 (0,9)
F (df = 2, 112) < 1 NS
1 vs. 3 1 vs. 2 2 vs. 3
- Suche
0,4 (0,8)
0,6 (1,8)
1,8 (2,8)
F (df = 2, 112) = 5,9 p < .004
1 vs. 3 2 vs. 3
- Wein
3,3 (1,5)
8,2 (2,9)
16,3 (5,4)
F (df = 2, 112) = 41,4 p < .001
1 vs. 3 1 vs. 2 2 vs. 3
Probanden mit höherer kognitiver Beanspr. (%)
51,4
55,4
36,0
Ȥ2 (df = 2) = 2,6 NS
Probanden mit utili. Motivation (%)
60,0
41,1
52,0
Ȥ2 (df = 2) = 3,2 NS
Probanden in Hawesko.de (%)
42,9
50,0
60,0
Ȥ2 (df = 2) = 3,2 NS
1
Als Ergebniss eines Scheffé-Post-Hoc Tests
Deutlich wird, dass sich die drei Cluster offensichtlich nicht nur in der Reihenfolge der aufgerufenen Seiten unterscheiden, sondern auch in der Anzahl der besuchten Seiten. In der Tabelle 38 werden die drei Cluster anhand weiterer Variablen gekennzeichnet.
154
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Tabelle 38: Ergebnisse der Diskriminanzanalyse zur Trennung zwischen den Sequenzclustern durch die erlebten Emotionen Strukturmarix Funktion I Begeisterung
Funktion II
,490
Glück
,386
Zufriedenheit
,366
Genuss
,360
Sicherheit
,357
Erleichterung
,312
Überraschung
-,215
Angst
-,200
Hilflosigkeit
,006
Enttäuschung
-,341
Ärger
,211
Stress
-,152
Zweifel
-,054 Gruppenzentroide Cluster 1
,490
-,064
Cluster 2
,386
,194
Cluster 3
,366
,347
60,9 % korrekt klassifizierte Fälle; Wilk’s Ȝ = .643 (Ȥ2 (df = 26) = 46,8; p = .007)
Bleibt die Frage, in wie weit sich die Sequenzcluster in den während des Online-ShopBesuchs erlebten Emotionen unterscheiden. Um dies zu testen, wurde eine Diskriminanzanalyse mit der Clusterzugehörigkeit als abhängige und die Emotions-kategorien als unabhängige Variable durchgeführt. Die in Tabelle 39 dargestellten Ergebnisse zeigen, dass aufgrund der Emotionskategorien signifikant zwischen der Zugehörigkeit zu den drei Clustern unterschieden werden kann (auf Basis der erlebten Emotionen korrekt in die Cluster klassifizierte Fälle: 60,9 %). Deutlich wird durch die Strukturmatrix zudem, dass Begeisterung die höchste Aufklärungskraft zwischen den drei Clustern besitzt. Die negativen Emotionen tragen hingegen nur wenig zur entsprechenden Klassifikation bei. Eine anschließende Prüfung der Unterschiede der Intensität der erlebten Emotionen zwischen den drei Clustern bestätigt das Bild der Strukturmatrix (vgl. Tabelle 40). Die Probanden der Cluster unterscheiden sich vor allem in den von ihnen erlebten Emotionen Begeisterung, Glück Sicherheit und Überraschung: Die Probanden im dritten Cluster erlebten diese Emotionen signifikant intensiver als die Probanden im ersten Cluster. Das zweite und dritte Cluster unterscheidet sich vor allem in der Intensität des erlebten Glücks.
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
155
Tabelle 39: Unterschiede in der Intensität der erlebten Emotionen zwischen den Probanden der drei Sequenzcluster sign. Gruppenunterschiede1
Cluster 1
Cluster 2
Cluster 3
Begeisterung2
3,0 (1,1)
3,3 (1,0)
3,8 (1,1)
F (df = 2, 112) = 4,76 p = .010
1 vs. 3
Glück
3,5 (1,1)
3,6 (1,0)
4,1 (1,0)
F (df = 2, 112) = 3,16 p = .046
1 vs. 3 2 vs. 3
Zufriedenheit
3,5 (1,1)
3,6 (1,1)
4,1 (1,2)
F (df = 2, 112) = 2,66 p = .074
Genuss
3,1 (1,3)
3,0 (1,1)
3,3 (1,4)
F (df = 2, 112) < 1
Sicherheit
3,7 (1,3)
4,3 (1,0)
4,4 (1,4)
F (df = 2, 112) = 3,65 p = .029
Erleichterung
3,3 (1,1)
3,3 (0,9)
3,8 (1,3)
F (df = 2, 112) = 2,40 p = .095
Überraschung
2,6 (1,0)
3,1 (1,4)
3,4 (1,1)
F (df = 2, 112) = 3,25 p = .042
1,5 (0,6) 2,3 (1,3) 1,8 (0,9) 1,8 (0,9) 1,9 (1,1) 2,3 (1,3)
1,5 (0,6) 2,1 (1,1) 1,8 (0,8) 1,8 (0,8) 2,0 (1,1) 2,1 (1,1)
1,3 (0,5) 1,9 (1,0) 1,8 (0,8) 1,8 (0,9) 1,7 (0,9) 2,5 (1,1)
Angst Hilflosigkeit Enttäuschung Ärger Stress Zweifel 1
Als Ergebniss eines Scheffé-Post-Hoc Tests; bis (6) sehr intensiv
2
1 vs. 2 1 vs. 3
1 vs. 3
F (df = 2, 112) < 1 F (df = 2, 112) < 1 F (df = 2, 112) < 1 F (df = 2, 112) < 1 F (df = 2, 112) < 1 F (df = 2, 112) < 1
alle D-IKE Kategorien erfasst auf einer Skala von (1) gar nicht
Kodierung der Gedanken während des Ladenbesuchs Die Kognitionen der Ladenbesucher wurden, wie schon vorgestellt, mittels videogestützter Gedankenrekonstruktion erfasst. Als Resultat dieser Methode lagen schließlich 62 Videos mit Gedankenprotokollen aller Probanden vor. Um diese verbalen Protokolle in quantitativ auswertbare Größen zu überführen, wurden die Aussagen der Probanden anhand eines Kategoriensystems kodiert. Das hier verwendete Kategoriensystem wurde Silberer & Büttner
156
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
(2004) entlehnt, die sich ihrerseits auf Silberer et al. (2003) beziehen. Die Kategorien dieses Systems umfassen neben Äußerungen, die offensichtlich Verhaltensbeschreibungen darstellen (Artefakte), vor allem entscheidungsrelevante und handlungssteuernde Kognitionen. Für die Prüfung der Hypothesen der vorliegenden Arbeit war die Erfassung gerade dieser Kognitionen wichtig. Andere mögliche Gedanken, die sich beispielsweise auf die Person des Käufers und deren Umfeld beziehen, waren für diese Arbeit nicht von Bedeutung und wurden deshalb nicht dem Kategoriensystem hinzugefügt. Die Tabelle 41 stellt das verwendete Kategoriensystem zusammen mit jeweils einem Beispiel aus den Gedankenprotokollen dieser Studie vor. Tabelle 40: Kategoriensystem der Kognitionen zur Kodierung der videogestützt rekonstruierten Gedanken während des Aufenthalts im Online-Shop
Die relevanten Kodiereinheiten bildeten einzelne, zusammenhängende Gedanken-einheiten (vgl. Rössler 2005 S. 40). Sie konnten aus nur wenigen Worten bestehen („echt zu teuer“) oder mehrere Sätze umfassen. Dabei konnte ein Satz auch aus mehreren Kodiereinheiten bestehen („die Flasche sah toll aus [Alternativenwahrnehmung, -suche, -vergleich und beurteilung], da hab ich gleich zugegriffen [Alternativenauswahl]“). Um Verzerrungen der Kodierung der Gedanken zu minimieren, erfolgte die Auswertung durch eine Kodiererin, die nicht mit den Hypothesen der Arbeit vertraut war. Außerdem wurden, um die Objektivität der Kodierung zu testen, Videos von 20 Probanden zusätzlich von einem zweiten Kodierer ausgewertet. Die Übereinstimmung der Kodierer wurde als Maß für die Objektivität der Kodierung genutzt (vgl. Wright 1980 S. 160): Hier konnte eine zufriedenstellende Übereinstimmung in den kodierten Kategorien von 72,3 % erzielt werden. Auf diese Weise wurden Gedankenprotokolle mit einer Gesamtlänge von 14,9 Stunden kodiert. Die Tabelle 41
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
157
zeigt zudem, dass sich die meisten Gedanken während des Besuchs im Online-Shop auf die Alternativenwahrnehmung, -suche, -vergleich und -beurteilung sowie auf die Zielverfolgung und damit verbundene Probleme beziehen. H8, H9: Der Einfluss der Emotionen auf die Anzahl und Art der Kognitionen In Hypothese H8 wurde angenommen, dass intensivere negative (positive) Emotionen während des Ladenbesuchs mit mehr (weniger) handlungssteuernden Gedanken einhergehen. Um diese Hypothese zu testen, wurden Korrelationen aller Emotionskategorien des D-IKE mit den kodierten Kognitionskategorien sowie der Summe aller Kognitionen (exklusive der Artefakte) ermittelt (vgl. Tabelle 42). Die Anzahl der Kognitionen wurde zuvor für jeden Probanden an der Dauer seines Ladenbesuchs relativiert, um Verzerrungen aufgrund unterschiedlich langer Zeiten im Online-Shop auszuschließen. Als Ergebnis zeigt sich, dass der pauschale Zusammenhang: intensivere positive Emotionen = weniger Gedanken, intensivere negative Emotionen = mehr Gedanken nicht durch die Ergebnisse gestützt wird. Tatsächlich führen alle positiven Emotionen, außer Genuss, zu weniger Kognitionen bzgl. der Bildung von Intentionen und der Bewertung der Zielerreichung. Gleichzeitig geht das Erleben der Zufriedenheit, des Genusses und der Erleichterung aber auch mit mehr Kognitionen zur Alternativenwahrnehmung, -suche, vergleich und -beurteilung sowie zur Alternativenauswahl und zur Zielverfolgung einher. Und auch bei den negativen Emotionen zeigt sich ein differenziertes Bild: Während Hilflosigkeit mit einer geringeren Anzahl der Gedanken zur Zielverfolgung verbun-den ist, steigt deren Anzahl mit zunehmendem Zweifel. Lediglich Enttäuschung und Zweifel steigern auch die Gesamtzahl der handlungssteuernden Kognitionen signifikant. Offensichtlich zeigt sich der in Hypothese H8 behauptete Zusammen-hang nicht bei allen Kognitionskategorien, sondern lässt sich in den Ergebnissen dieser Studie vor allem bei der Kategorie Intentionen und Ziele sowie, für die positiven Emotionen, für die Kategorie Bewertung der Zielerreichung nachweisen. Nur bei den beiden negativen Emotionen Enttäuschung und Zweifel kann zudem der erwartete Zusammenhang über alle handlungssteuernden Kognitionskategorien gezeigt werden. Die Hypothese H8 kann also nur partiell bestätigt werden. Aus der Tabelle 42 lassen sich auch Schlüsse für die Prüfung der Hypothese H9 ziehen: Dort wird postuliert, dass unterschiedlich erlebte Emotionen mit einem differenzierten Set an erlebten Kognitionen einhergehen. Auffällig ist, dass sich die linearen Zusammenhänge zwischen der Intensität einzelner Emotionen und der Häufigkeit der Gedanken bestimmter Kategorien zwischen den Emotionskategorien unterscheiden: So ist intensiver erlebte Begeisterung mit weniger Gedanken zu Intentionen und Zielen und zur Bewertung der Zielerreichung verbunden. Zufriedenheit führt darüber hinaus zu mehr Gedanken über die Alternativenauswahl und zur Zielverfolgung. Erleichterung zeigt das gleiche Muster, hat aber
158
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
weniger Einfluss auf die Gedanken zur Alternativenauswahl. Tatsächlich scheinen unterschiedlich erlebte Emotionen zu unterschiedlichen Gedanken zu führen. Tabelle 41: Zusammenhang der Kognitionen während des Ladenbesuchs und der erlebten Emotionen
Orientierung1
Begeisterung2
Intentionen & Ziele
Alternativenwahrnehmung
Alternativenauswahl
Zielverfolgung
-.342**
Glück
-.182*
Zufriedenheit
-.493***
Genuss
Bewertung Zielerreichung
Artefakte
Summe der Kognitionen
-.235* -.211* .298**
.277**
.237*
.280*
-.238**
.178*
Sicherheit
-.185*
Erleichterung
-.455***
Positive Emotionen
-.367***
Überraschung
-.180* -.255* -.253* -.176*
-.218*
Angst Hilflosigkeit Enttäuschung
.216* .174*
-.174*
.299**
.166*
Ärger Stress Zweifel
.174*
.183*
.218*
Negative Emotionen * p
p
p dargestellt sind nur signifikante Koeffizienten; 1 relative Anzahl je Proband je Minute im Laden; 2 alle D-IKE Kategorien erfasst auf einer Skala von (1) gar nicht bis (6) sehr intensiv
Um diese Vermutung zu testen, wurde per logistischer Regression geprüft, wie gut die Kognitionen zwischen dem Erleben der einzelnen Emotionen trennen können.Dahinter stand die Frage, ob unterschiedliche Kognitionen in der Lage waren, zwischen jenen Probanden zu unterscheiden, die entsprechende Emotion intensiv bzw. wenig intensiv erlebten. Die Ergebnisse in Tabelle 43 zeigen, dass die Kognitionskategorien bei sechs der 13 Kategorien signifikant zwischen der den beiden Gruppen der Intensität der Emotionen trennen können (korrekt Klassifizierte Fälle 'D QLFKW IU DOOH (PRWLRQHQ HLQH VLJQLILNDQWH Vorhersage möglich ist, stützen diese Ergebnisse die Hypothese H9 partiell.
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
159
Tabelle 42: Ergebnisse der Diskriminanzanalyse zur Trennung hoch und niedrig intensiv erlebter Emotionen aufgrund der erlebten Kognitionen
Begeisterung2
Nagelkerkes R2
Signifikanz der Modellkoeffizienten
korrekt Klassifizierte Fälle auf Grundlage der Kognitionen
.232
p < .022
66,7 %
.306
p < .003
67,5 %
Glück Zufriedenheit Genuss Sicherheit Erleichterung
.402
p < .009
81,1 %
Überraschung
.227
p < .030
72,0 %
.151
p < .096
65,4 %
.229
p < .050
69,7 %
Angst Hilflosigkeit Enttäuschung Ärger Stress Zweifel
Dargestellt sind nur signifikante Ergebnisse
H10a,b: Der Einfluss der Emotionen auf die Besuchsdauer des Online-Shops Die zehnte Hypothese postulierte, dass die im Online-Shop verbrachte Zeit mit den während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen zusammenhängt – und zwar abhängig von der Ladenbesuchsmotivation: Demnach sollten hedonisch motivierte Besucher umso länger im Online-Shop verweilen, je intensiver sie positive Emotionen erleben. Bei utilitaristisch motivierten Kunden sollten intensiver erlebte negative Emotionen die Länge des Ladenbesuchs verlängern. Diese Hypothese wurde durch zwei schrittweise Regressionsanalysen, je eine für jede Faktorstufe der Ladenbesuchsmotivation, getestet (Durban-Watson Statistik = 1,47 (utilitaristische Motivation) bzw. 1,89 (hedonische Motivation)). Die Ergebnisse in Um diese Vermutung zu testen, wurde per logistischer Regression geprüft, wie gut die Kognitionen zwischen dem Erleben der einzelnen Emotionen trennen können. stützen die beiden Hypothesen H10a und H10b: Tatsächlich üben die Emotionen einen mittelstarken Effekt auf die Ladenbesuchszeit aus (etwa 19 % Varianzaufklärung bei utilitaristisch und 23,5 % Aufklärung bei hedonisch motivierten Ladenbesuchern). Gleichzeitig verlängert sich bei hedonisch motivierten Besuchern erwartungsgemäß die Aufenthaltsdauer im Online-Shop mit der zunehmenden Intensität einer positiven Emotion. Dagegen hängt die Aufenthaltsdauer bei jenen Probanden, die das Ziel haben etwas zu kaufen, von der Intensität des Erlebens einer negativen Emotion ab. Diese Ergebnisse stützen die Hypothesen H10a und H10b.
160
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Tabelle 43: Einfluss der Emotionen auf die Aufenthaltsdauer im Online-Shop
H11: Der Einfluss der Emotionen auf die besuchten Seiten des Online-Shops Die Hypothese H11 behauptet, dass die Anzahl besuchter Seiten des Online-Shops von den während des Besuchs erlebten Emotionen abhängt. Da in anderen Studien bereits gezeigt wurde, dass das Ausmaß der hedonischen und utilitaristischen Ladenbesuchsmotivation Einfluss auf die Anzahl der besuchten Seiten nimmt (vgl. Silberer et al. 2003 S. 16), wurde der Einfluss der Emotionen hier getrennt für die beiden Faktorstufen der Ladenbesuchsmotivation per schrittweiser Regressions-analyse (die Emotionskategorien als Prädiktoren, 1,79 Durban-Watson Statistik T VIF JHSUIW. Zusätzlich zur Gesamtzahl der besuchten Seiten wurde zur weiteren Analyse die Anzahl besuchter Seiten auf den drei Ebenen Übersichten, Produktlisten, Produktdetails als Kriterium einzelner schrittweiser Regressionsanalysen einbezogen. Die Anzahl der besuchten Seiten wurde wiederum an der Dauer des Ladenbesuchs relativiert, um den Einfluss des längeren Aufenthalts im OnlineShop zu neutralisieren. Die Ergebnisse in Tabelle 45 machen deutlich, dass die Anzahl insgesamt besuchter Seiten nur schwach von den erlebten Emotionen abhängt. In der Bedingung utilitaristisches Motiv werden nur etwa 9 % der Varianz des Kriteriums durch eine Emotion aufgeklärt: Je intensiver die Probanden mit Kaufziel Überraschung empfanden, desto mehr Seiten haben sie besucht. In der Bedingung hedonische Motivation ist der Einfluss der Emotionen auf die Anzahl besuchter Seiten noch geringer: Nur 6 % der Varianz der Seitenaufrufe werden durch
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
161
Emotionen erklärt: Je intensiver die hedonisch motivierten Probanden Sicherheit empfanden, desto weniger Seiten besuchten sie insgesamt. Tabelle 44: Einfluss der Emotionen auf die Anzahl besuchter Seiten des Online-Shops
Betrachtet man die Einflüsse der Emotionen auf die Ebenen des Online-Shops, so fällt auf, dass die Anzahl besuchter Seiten in der höchsten Ebene, den Übersichtsseiten, nur bei hedonisch motivierten Probanden durch die Emotionen beeinflusst wurden: Je begeisterter die Besucher waren, desto weniger Seiten auf der höchsten Ebene haben sie besucht. Während bei diesen Probanden die Seitenaufrufe der mittleren Ebene (Inhaltslisten) nicht durch die Emotionen beeinflusst wurden, hängt die Anzahl aufgerufener Seiten in der tiefsten Ebene, den Detailinformationen, wieder mit den Emotionen zusammen: Umso verärgerter und weniger enttäuscht die Probanden waren, desto mehr Seiten mit Detailinformationen haben sie aufgerufen. Interessanterweise bewirkt eine intensivere Enttäuschung bei utilitaristisch motivierten Probanden genau den umgekehrten Effekt: Je enttäuschter, desto mehr Seiten mit Detailinformationen wurden angeklickt. Auch wenn die hier aufgezeigten Effekte nur schwach sind, stützen diese Ergebnisse die Hypothese H11. H12: Einfluss der Emotionen auf die Tendenz, ungeplante Käufe zu tätigen In der Hypothese H12 wird angenommen, dass die Tendenz, während des Besuchs des Online-Shops ungeplante Käufe zu tätigen, von den erlebten Emotionen abhängt. Diese
162
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Vermutung wurde mittels schrittweiser Regressionsanalyse getestet (1,80 Durban-Watson Statistik Tabelle 45: Einfluss der Emotionen auf die Tendenz ungeplanter Käufe
In der Tabelle 46 ist das Ergebnis der Regression dargestellt. Die Tendenz zu ungeplanten Käufen wird demnach durch die empfundene Begeisterung beeinflusst: Je begeisterter die Probanden waren, umso größer war die Tendenz ausgeprägt, auch ungeplante Käufe zu tätigen. Diese Ergebnisse stützen die Hypothese H12. Zur detaillierteren Analyse wurden zwei weitere schrittweise Regressionen in den Bedingungen niedrigere bzw. höhere kognitive Beanspruchung gerechnet. Die höhere kognitive Beanspruchung bewirkt wie erwartet einen stärkeren Einfluss der Emotionen auf die Tendenz zu ungeplanten Käufen: Stehen den Probanden durch die Zweitaufgabe weniger kognitive Ressourcen zur Verfügung, klärt Begeisterung 28,4% der Varianz der Tendenz zu ungeplanten Käufen auf. Ohne Zweitaufgabe können mehr kognitive Ressourcen zur Handlungskontrolle aufgebracht werden: Begeisterung klärt in dieser Bedingung nur noch 17,2% der Varianz der Tendenz zu ungeplanten Käufen auf. Diskussion der Befunde zu den Emotionen und ihren Wirkungen im Surfverlauf In diesem Abschnitt wurden ausgewählte, zentrale Aspekte des Erlebens der Emotionen
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
163
während des Online-Shop-Besuchs sowie deren Wirkungen auf die Interaktion der Besucher mit ihrer Umwelt sowie anderen Verlaufsgrößen untersucht. Zunächst wurde festgestellt, dass sich die Valenz der emotionalen Befindlichkeit der OnlineShop-Besucher während des Ladenbesuchs verschlechterte: Die Stimmung von über drei Viertel der Online-Shopper ist vor dem Ladenbesuch besser als danach, nur bei einem Viertel der Surfer bleibt die Stimmung gleich oder verbessert sich während des Besuchs der OnlineShops. Dieses Ergebnis deckt sich mit denen Bosts (1987 S. 128), der ebenfalls einen ähnlichen Verlauf der Stimmung ermittelt. Diese Ähnlichkeit ist insofern bemerkenswert, da sich die beiden Studien sowohl in den untersuchten Ladenumwelten (Bost untersuchte Besuche in nicht-virtuellen Geschäften) als auch in der Versuchsanordnung (Bost: Feldstudie) unterscheiden. Leider liegen insgesamt nur wenige Studien vor, die tatsächlich die Stimmungsänderung durch den Ladenbesuch untersuchen. Ob die in dieser Studie und bei Bost (1987 S. 128) gefundene Tendenz zur Verschlechterung der Valenz des psychischen Befindens ein über verschiedene Einkaufsituationen und -kontexten stabiler Effekt ist, müssen weitere Untersuchungen klären. Hier bleibt festzuhalten, dass weder die Ladenbesuchsmotivation noch – wie zu erwarten gewesen wäre – die kognitive Beanspruchung Einfluss auf die Änderung der Valenz der aktuellen Befindlichkeit nehmen. Obwohl sich offensichtlich die psychische Befindlichkeit während des Aufenthalts im OnlineShop verschlechtert, dominieren dennoch positive Emotionen das Erleben der Ladenbesucher. Dieses ist vor allem durch Sicherheit, Glück und Zufriedenheit gekennzeichnet, während eine negative Emotion wie Angst nur wenig intensiv erlebt wird. Hier ist es denkbar, dass vor allem das Erleben negativer Emotionen auch vom Involvement in die Produktkategorie abhängt: So könnte der Kauf von Medikamenten in einer Online-Apotheke, bei dem Fehler gesundheitliche Schäden nach sich ziehen können, intensivere negative Emotionen evozieren als es hier der die Beschäftigung mit dem Genussmittel Wein tat. Auch die Analyse des Zusammenhangs zwischen den erlebten Emotionen und der Kundengruppen, die auf Basis der Verhaltenssequenzen im Online-Shop gebildet wurden, erbrachte interessante Ergebnisse. Tatsächlich scheinen sich Online-Shop-Besucher, die in der Reihenfolge der von ihnen besuchten Seiten verschieden sind, auch in den von ihnen erlebten Emotionen zu unterscheiden: So deuten die Ergebnisse an, dass Surfer, die positivere Emotionen erleben, länger in einer inhaltlichen Kategorie verweilen und diese weniger häufig wechseln als Online-Shop-Besucher, die weniger intensive positive Emotionen erleben. Möglicherweise nutzen die Besucher der Online-Shops die intensiveren positiven Emotionen, hier vor allem die Begeisterung, als Informationsquelle über die Nützlichkeit des Themas für ihre Zwecke. Werden positive Emotionen weniger intensiv erlebt wechseln die Surfer eher die Kategorie auf der Suche nach „besseren“ Seiten. Diese Sichtweise deckt sich mit Annahmen handlungstheoretischer Ansätze, nach denen positive Emotionen eine Aufrechterhaltung der derzeitigen Handlungsstrategie und negative Emotionen eine Veränderung dieser Strategie
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
nahelegen (vgl. Carver & Scheier 2002 S. 304-305, Mees & Schmitt 2003 S. 15-18). Möglicherweise wirkte hier das Ausbleiben der positiven Emotionen in eine ähnliche Richtung. Diese Vermutung wird auch durch die Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen den Emotionskategorien und den Kognitionen gestützt. Das Erleben fast aller positiven Emotionen korreliert negativ mit den Gedanken zur Intentions- und Zielegenese: Offensichtlich führen positive Emotionen tatsächlich zu weniger Anstrengung, die eingeschlagene (Handlungs-)Richtung zu verlassen. Sie forcieren vielmehr die Verfolgung des eingeschlagenen Ziels (Gedanken zur Zielverfolgung steigen mit zunehmend intensiver erlebten positiven Emotionen). Das Ausbleiben positiver und das Erleben negativer Emotionen regen während dessen die Online-Shop-Besucher an, neue Ziele und Wege zu suchen. Die pauschale Annahme: intensivere positive Emotionen = weniger Kognitionen, intensivere negative Emotionen = mehr Kognitionen lässt sich allerdings nach den Ergebnissen dieses Experiments nicht halten. Stattdessen gehen verschieden erlebte Emotionen tatsächlich mit einem unterschiedlichen Muster der Kognitionen einher. Die gefundenen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Emotionen und den Kognitionen sind in vielen Fällen plausibel: So geht erlebte Hilflosigkeit mit weniger Gedanken zur Zielverfolgung einher. Stattdessen machen sich hilflose Probanden mehr Gedanken über neue Ziele und Intentionen. Dieses Muster passt zum Konzept der Hilflosigkeit, das Seligman (1999) zeichnet: Demnach ist Hilflosigkeit durch die Tendenz gekennzeichnet, das eigene Verhalten als irrelevant für die Zielerreichung wahrzunehmen. Die Emotion Genuss evoziert hingegen mit mehr Gedanken über die wahrgenommenen Alternativen. Neben einem Zusammenhang mit den besuchsbegleitenden Kognitionen zeigen die Ergebnisse auch einen Einfluss der Emotionen auf das Surfverhalten: Sie beeinflussen die Zeit im Online-Shop, die Anzahl aufgerufener Seiten (obgleich dieser Zusammenhang in dieser Studie nur sehr schwach ausfällt) und die Tendenz, ungeplante Käufe zu tätigen. Beim Einfluss der Emotionen auf die im Online-Shop verbachten Zeit, zeigt sich der erwartete moderierende Einfluss der Ladenbesuchsmotivation: hedonisch motivierte Besucher des Online-Shops bleiben länger, umso intensiver eine positive Emotion erlebt wird. Bei utilitaristisch motivierten Besuchern hat eine negative Emotion diesen Effekt. Diese Ergebnisse stützen die im konzeptionellen Teil der Arbeit begründete Vermutung, Emotionen beinhalten Informationen über eine Situation, deren Interpretation und Verhaltensrelevanz auch vom angestrebten Ziel der Person abhängt. Unterstützung findet diese Erklärung auch in den Qualitäten der beiden Emotionen, die Einfluss auf die Dauer des Besuchs nehmen: Genuss und Enttäuschung. Umso intensiver hedonisch motivierte Besucher eines OnlineShops Genuss erleben, desto länger bleiben sie im Online-Shop. Dass das Erleben von Genuss Online-Shop Besucher darüber informiert, dass sie ihre hedonischen Ziele auf dieser Website
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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erfüllen können, ist plausibel. Genauso kann erklärt werden, warum Enttäuschung die Aufenthaltsdauer bei utilitaristisch motivierten Probanden verlängert: Dieses Gefühl könnte die Kunden darüber informieren, dass das gewünschte Ziel, nämlich der Kauf, noch nicht erreicht wurde. Während die Anzahl aufgerufener Seiten offensichtlich nur sehr schwach mit den erlebten Emotionen zusammenhängt, beeinflussen Emotionen erwartungsgemäß die Tendenz, ungeplante Käufe zu tätigen: Umso begeisterter die Besucher sind, desto größer ist die entsprechende Tendenz. Hier sprechen zudem die Befunde der moderierenden Wirkung der höheren kognitiven Beanspruchung für die Annahme einer kognitiven Kontrolle der Kaufhandlungen: Werden die Ressourcen, die einer solchen Kontrolle zur Verfügung stehen, durch das Hörspiel gebunden, steigt der Einfluss der Emotionen auf die Tendenz, auch ungeplante Käufe zu tätigen. Neben den Erkenntnissen zu den Determinanten und Wirkungen der Emotionen ist es ebenfalls Ziel dieser diese Arbeit, empirische Hinweise zur Beantwortung einer methodischen Frage zu finden: Wie unterscheiden sich differentielle und dimensionale Ansätze der Emotionsmessung? Im konzeptionellen Teil dieser Arbeit wurde vermutet, dass die differentiellen Ansätze das emotionale Erleben im Zusammenhang mit Ladenbesuchen vollständiger abbilden als dimensionale Ansätze. Die Ergebnisse der Studie 3 als auch die der Hauptstudie stützen diese Ver-mutung im Sinne des größeren Informationsgewinns durch den differentiellen Ansatz. In beiden Studien erklärten die Emotionsdimensionen lediglich 36 % der Varianz der differentiellen Emotionen, während umgekehrt 77 % (Studie 3) bzw. 76 % (Hauptstudie) der Informationen der Emotionsdimensionen auch in den differentiellen Emotionen enthalten ist. Bemerkenswert ist, dass dieses Ergebnis bei Verwendung unterschiedlicher Operationalisierungen dimensionaler und differentieller Emotionskonzepte stabil bleibt. Differentielle Emotionen enthalten mehr Informationen als die Dimensionen Valenz, Aktivierung und Dominanz. Das dies auch von Relevanz für die Emotionsforschung ist, zeigt sich nicht zuletzt an den Ergebnissen zur Emotionsgenese: So wirken die hier untersuchten Determinanten der Emotionen sehr unterschiedlich auf das Erleben der Emotionen, selbst wenn diese die gleiche Valenz besitzen. Eine ausschließliche Betrachtung der drei Dimensionen hätte diese Unterschiede nicht aufdecken können. Ein weiteres Beispiel sind die Zusammenhänge zwischen den Kognitionen und Emotionen: Obwohl sich hier bei Betrachtung der differentiellen Emotionen unterschiedliche, inhaltlich schlüssige Zusammenhänge zeigen, korrelieren weder die Valenz- noch die Aktivierungsdimensionen der Emotion signifikant mit einer der Kognitionskategorien (|r| < .175, p Und auch der Zusammenhang zwischen den erlebten Emotionen und der Aufenthaltsdauer im OnlineShop kann durch dimensionale Ansätze nur teilweise aufgedeckt werden (Zusammenhang
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Valenzdimension und Aufenthaltsdauer: utilitaristische Motivation r = .107, NS; hedonische Motivation r = .262, p = .045). Zusammenfassung x
Obwohl der Besuch des Online-Shops die Valenz des psychischen Befindens verschlechtert, werden positive Emotionen während des Aufenthalts im Online-Shop intensiver erlebt als negative.
x
Online-Shop-Besucher, die sich in der Sequenz ihrer Seitenabrufe unterscheiden, differieren auch in den von ihnen erlebten Emotionen während des Aufenthalts im Online-Shop: Offensichtlich wechseln Surfer, die positive Emotionen intensiver erleben weniger häufig die Inhalts-Kategorien der Website.
x
Die Emotionen während des Online-Shop Besuchs hängen mit den prozessbezogenen Kognitionen zusammen: Insgesamt betrachtet gehen mit positiveren Emotionen weniger Gedanken zur Bildung von Intentionen und Zielen einher.
x
Die Anzahl aufgerufener Seiten im Online-Shop wird nur schwach durch die erlebten Emotionen vorhergesagt.
x
Die Aufenthaltsdauer hängt aber von den Emotionen ab – und zwar je nach Ladenbesuchsmotivation: Bei utilitaristisch Motivierten verlängert eine negative Emotion die Aufenthaltsdauer, bei hedonisch Motivierten wird dies durch eine positiv erlebte Emotion bewirkt.
5.5.4 Ergebnisse bezüglich der finalen Wirkungen der Emotionen H13/14/15a, b, c: Der Einfluss der Emotionen auf die Zufriedenheit In den Hypothesen H13, H14 und H15 wurde der Einfluss der Emotionen auf die Zufriedenheit mit den drei Aspekten Gestaltung des Online-Shops, Surfprozess und Produktentscheidung postuliert. Diese Hypothesen wurden für jeden der drei Aspekte der Zufriedenheit (Kriterium) mithilfe jeweils drei schrittweiser Regress-ionen geprüft (1,77 Durban-Watson Statistik T VIF LQ GHU HUVWHQ 5HJUHVVLRQ VWHOOWHQ GLH Emotionskategorien die Prädiktoren, in der zweiten die Mittelwerte über alle positiven bzw. negativen Emotionen der D-IKE Kategorien und in der dritten Regression wurden die drei PAD-Dimensionen als Prädiktoren aufgenommen. Die Ergebnisse der Analyse sind in Tabelle 47 dargestellt. Die Bestimmtheitsmaße der Regressionsgleichungen zeigen, dass die während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen alle drei Aspekte der Zufriedenheit der Besucher in Online-Shops beeinflussen. Dieser statistisch hochsignifikante Effekt nimmt, je nach Operationalisierung der Emotionen, mittlere bis große Stärken an: Insbesondere die Emotionskategorien des D-IKE klären 39 % der Varianz der Zufriedenheit mit dem Surfprozess, 34 % der Varianz der Zufriedenheit mit der Produktentscheidung und immer
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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noch mehr als ein Viertel der Varianz der Zufriedenheit mit der Gestaltung des Online-Shops auf. Tabelle 46: Einfluss der Emotionen auf die Zufriedenheit mit den drei Aspekten
Auch die Emotionsdimensionen können mittlere (bzgl. der Gestaltung des Online-Shops und der Produktentscheidung) bzw. große (bzgl. des Surfprozesses) Varianzanteile der Zufriedenheit aufklären. Auffällig ist dabei, dass hier ausschließlich die Valenz-, nicht aber die beiden anderen beiden Dimensionen zur Aufklärung beitragen. Betrachtet man die Einflüsse der differenzierten Emotionen, beeinflusst vor allem Begeisterung positiv die Zufriedenheit zum Surfprozess und zur Gestaltung mit dem Online-Shop. Nur die Zufriedenheit mit der Produktentscheidung wird signifikant von der erlebten Emotion Zufriedenheit beeinflusst. Enttäuschung mindert zudem die Zufriedenheit der Besucher der Online-Shops. Überraschenderweise hängt Hilflosigkeit positiv mit der Zufriedenheit mit dem Surfprozess zusammen: Je intensiver Hilflosigkeit beim Besuch des Online-Shops erlebt wird,
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
desto zufriedener ist die Person mit dem Surfprozess. Diese Ergebnisse stützen die Annahmen der drei Hypothesen H13a, 14a und 15a. Tabelle 47: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die Zufriedenheiten
In der Hypothesen H13b, H14b, H15b wird ein moderierender Einfluss der Motivation des Ladenbesuchers angenommen: Demnach sollten die Emotionen einen größeren Einfluss in der Bedingung hedonisches Motiv als bei utilitaristisch motivierten Probanden haben. Die Prüfung dieser Hypothesen folgte dem beschriebenen Vorgehen bei der Prüfung der Hypothesen H2b,c und H3b,c: Wiederum wurden die zentrierten Emotionskategorien in eine hierarchischen Regressionsanalyse zusammen mit der Ladenbesuchsmotivation (als Dummy
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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Variable, 0 = utilitaristisches, 1 = hedonis-tisches Motiv) aufgenommen. Im zweiten Schritt wurde die Interaktionen des Ladenbesuchsmotivs mit den Emotionen als Produkte der jeweiligen Variablen hinzugefügt. Die Ergebnisse des zweiten Schritts (1,89 DurbanWatson Statistik T VIF VLQGLQGHUTabelle 48 (für die Emotionskategorien des D-IKE) und in der Tabelle 49 (für die Emotionsdimensionen) zusammengefasst. Tabelle 48:Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die Zufriedenheiten
Die Ergebnisse stützen die Vermutung, dass die Zufriedenheit mit dem Surfprozess und der Gestaltung des Online-Shops bei hedonisch motivierten Probanden stärker von Emotionen beeinflusst wird als bei utilitaristisch motivierten: Der Vergleich der durch die Prädiktoren aufgeklärten Varianz zwischen den Bedingungen macht diesen Effekt deutlich. Dieser Unterschied ist vor allem bei der Zufriedenheit mit der Gestaltung des Online-Shops auffällig: Während die D-IKE Kategorien in der Bedingung utilitaristische Motivation (signifikante) 13,8 % der entsprechenden Varianz aufklären (eine mittlere Effektstärke), vergrößert sich dieser Effekt bei utilitaristisch motivierten Probanden auf über das Doppelte. Zudem wird in der Bedingung hedonische Motivation fast die Hälfte der Varianz der Zufriedenheit mit dem Surfprozess durch die Emotionen erklärt, vor allem durch Begeisterung und Hilflosigkeit.
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Tabelle 49: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die Zufriedenheiten
Interessanterweise lässt sich der positive Einfluss der Hilflosigkeit auf die Zufriedenheit mit dem Surfprozess nur bei hedonisch motivierten Probanden aufdecken: In der Bedingung utilitaristisches Motiv hat die erlebte Hilflosigkeit keinen Einfluss auf die entsprechende Zufriedenheit. In keiner der Regressions-gleichung hatte die Ladenbesuchsmotivation einen direkten Einfluss auf die Zufriedenheit. Diese Ergebnisse stützen die Annahmen der Hypothesen H13b und 14b.
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
171
Tabelle 50: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die Zufriedenheiten
Auch der in den Hypothesen H13c, H14c und H15c postulierte moderierende Einfluss der kognitiven Beanspruchung wurde mittels hierarchischem Regressionsmodell geprüft (1,56 Durban-Watson Statistik T VIF :LHLQGHQYRUKHULJHQ$QDO\VHQZXUGH hier die Interaktion der Emotionen und der kognitiven Beanspruchung als Produkt der zentrierten Variablen in die hierarchische Regression aufgenommen. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 50 (für die Emotionskategorien des D-IKE als Prädiktoren) sowie Tabelle 51 (für die Emotionsdimensionen als Prädiktoren) zusammengefasst. Deutlich wird der größere Einfluss der Emotionen bei höherer kognitiver Belastung vor allem bei den Effekten auf die Zufriedenheit mit dem Surfprozess. Hier klären in der Bedingung höhere kognitive Beanspruchung die Emotionskategorien des D-IKE einen über 10 % größeren Varianzanteil auf als in der Bedingung niedrigere kognitive Beanspruchung. Auch die PAD-Dimensionen klären bei höherer kognitiver Beanspruchung deutlich mehr Varianzanteile der Zufriedenheit mit dem Surfprozess auf als bei niedrigerer Beanspruchung. Der moderierende Einfluss der kognitiven Beanspruchung fällt deutlich geringer für den Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Gestaltung des Online-Shops aus. Auffällig ist, dass sich der Einfluss der Begeisterung zwischen beiden Bedingungen nicht unterscheidet. Anders
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Überraschung: Sie hat nur bei Probanden mit höherer kognitiver Beanspruchung Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Gestaltung des Online-Shops. Anders als erwartet kehrt sich der moderierende Effekt der kognitiven Beanspruch-ung bzgl. der Vorhersage der Zufriedenheit mit der Produktentscheidung aufgrund der Emotionen um: Bei Probanden mit höherer kognitiver Beanspruchung beein-flussen die Emotionen die Zufriedenheit mit der Produktentscheidung nicht statistisch signifikant. Dieses Muster trifft sowohl auf den Einfluss der Emotions-kategorien als auch auf Emotionsdimensionen zu. Diese Ergebnisse stützen die Hypothesen H13c und H14c. H15c muss auf Basis der Befunde verworfen werden. H16/17a, b, c: Der Einfluss der Emotionen auf die Einstellung zum Online-Shop In den Hypothesen H16a und H17a wird behauptet, dass Emotionen die Einstellung der Ladenbesucher zum jeweiligen Online-Shop beeinflussen. Zusätzlich wurde im konzeptionellen Teil dieser Arbeit argumentiert, dass die Einstellung zum Online-Shop aus zwei unterschiedlichen Komponenten besteht: einer utilitaristischen und einer hedonischen Komponenten. Um die beiden Hypothesen zu testen, wurden deshalb je Kriterium (utilitaristische bzw. hedonische Komponente der Einstellung) drei unterschiedliche schrittweise Regressionsanalysen gerechnet (1,97 Durban-Watson Statistik T VIF $OV3UlGLNWRUHQ dienten bei der ersten Regressionsanalyse die einzelnen Emotionskategorien des D-IKE, in der zweiten die über die positiven bzw. negativen Emotionen des D-IKE gemittelten Emotionsdimensionen sowie die PAD-Emotionsdimensionen. Die Ergebnisse der insgesamt sechs Analysen werden in der Tabelle 52 dargestellt. Die Bestimmtheitsmaße aller Regressionen sind signifikant von Null verschieden: Die während des Besuchs der Online-Shops erlebten Emotionen beeinflussen beide Komponenten der Einstellung zum Online-Shop. Dennoch ist der Einfluss der Emotionen auf die hedonische Komponente (also die Einschätzung der Anmutung bzw. Atmosphäre) größer als auf die utilitaristische Komponente (also die Einschätzung der Nützlichkeit). Bezüglich der differenzierten Emotionen ist es vor allem Begeisterung die mit einer positiveren Einstellung zum Online-Shop einhergeht. Sie beeinflusst, genauso wie Überraschung und Enttäuschung, sowohl die utilitaristische als auch die hedonische Komponente der Einstellung. Das Erleben von Genuss beeinflusst lediglich die hedonische Komponente und Stress die utilitaristische Komponente. Überraschenderweise zeigt sich bei der Wirkung von Stress ein positiver Zusammenhang mit der Einstellung: Je intensiver Stress erlebt wird, desto positiver wird die utilitaristische Komponente des Online-Shops eingeschätzt. Auf Basis dieser Ergebnisse werden die Hypothesen H16a und H17a gestützt.
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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Tabelle 51: Einfluss der Emotionen auf die utilitaristische und hedonische Komponente der Einstellung zum Online-Shop
Auch bzgl. der Wirkung der Emotionen auf die Einstellung zum Online-Shop wurde ein moderierender Einfluss der Ladenbesuchsmotivation in den Hypothesen H16b und H17b hergeleitet: Dabei wurde vermutet, dass Emotionen bei hedonisch motivierten Probanden einen größeren Einfluss auf die Einstellungsbildung nehmen als bei utilitaristisch motivierten Probanden. Die zur Hypothesenprüfung verwendete Methodik entspricht dem bereits zuvor beschriebenen Vorgehen der hierarchischen Regression mit der Aufnahme der relevanten Interaktionsterme. Die Ergebnisse der entsprechenden Regressionsanalysen werden in der Fehler! Ungültiger Eigenverweis auf Textmarke. (für die D-IKE Emotionskategorien) sowie in der Tabelle 54 (für die Emotionsdimensionen) dargestellt (1,97 Durban-Watson 2,07, T VIF
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Tabelle 52: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die Einstellung zum Online-Shop
Bereits die Bestimmtheitsmaße deuten in die postulierte Tendenz: Tatsächlich wird Einstellung zum Online-Shop bei hedonisch motivierten Ladenbesuchern stärker von den Emotionen beeinflusst. Dieser Effekt zeigt sich sowohl bzgl. der utilitaristischen als auch der hedonischen Komponente der Einstellung. Auf Ebene der differenzierten Emotionen wird mittels des hier gewählten Vorgehens die Signifikanz des moderierenden Effektes ermittelt:
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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Bei hedonischer Motivation ist der Einfluss der Begeisterung, Sicherheit, Überraschung und Enttäuschung auf die Komponenten der Einstellung zum Online-Shop größer als bei utilitaristischer. Tabelle 53: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die Einstellung zum Online-Shop
Die beschriebenen Effekte lassen sich auch bei Verwendung der Emotionsdimensionen als Prädiktoren finden, obgleich hier die Aufklärung der Varianz der entsprechenden Einstellungen geringer ausfällt. Die Ergebnisse dieser Arbeit stützen die Annahmen der Hypothesen H16b und H17b. Ein moderierender Einfluss der kognitiven Beanspruchung auf die Einstellungswirkungen der Emotionen wird in H16c und H17c postuliert. Eine Überprüfung erfolgt wie zuvor durch hierarchische Regressionsanalysen unter Einbe-zug der relevanten Interaktionsterme. Tabelle 55 (Emotionskategorien) und Tabelle 56 (Emotionsdimensionen) präsentieren die entsprechenden Ergebnisse. Wiederum ist hier zunächst der Vergleich der Bestimmtheitsmaße, also die in der jeweiligen Bedingung erklärten Varianzanteile des Kriteriums durch die Emotionen, für die Hypothesenprüfung relevant: Dieser Vergleich deutet an, dass die utilitaristische Komponente der Einstellung unter höherer kognitiver Belastung stärker von den Emotionen beeinflusst
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
wird als unter niedrigerer Beanspruchung (41,7 % vs. 31,0 %). Jener Effekt lässt sich bei den D-IKE Emotionskategorien aufdecken, nicht aber bei den PAD-Dimensionen. Tabelle 54: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die Einstellung zum Online-Shop
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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Vor allem die Emotionen Begeisterung, Sicherheit, Enttäuschung und Stress nehmen bei Probanden mit höherer kognitiver Beanspruchung signifikant größeren Einfluss auf die utilitaristische Komponente der Einstellung zum Online-Shop. Tabelle 55: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die Einstellung zum Online-Shop
Anders als erwartet lassen sich die moderierenden Effekte der kognitiven Beanspruchung nicht für den Einfluss der Emotionen auf die hedonische Komponente nachweisen: Hier gibt es keinen signifikanten Unterschied im Einfluss der Emotionen zwischen den beiden Bedingungen der kognitiven Beanspruchung. In der späteren Diskussion dieser Ergebnisse ist aber zu bedenken, dass die Varianzauf-klärung der hedonischen Komponente der Einstellung mittels der Emotionen sehr viel größer ist als die bei der utilitaristischen Komponente. Diese Ergebnisse sprechen für die Annahme der Hypothese H16c, stützen aber nicht die Hypothese H17c. H18, 19, 20a, b, c: Einfluss der Emotionen auf die Verhaltensintentionen In den Hypothesen H18a, H19a und H20a wird postuliert, dass die während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen die finalen Verhaltensintentionen beeinflussen. Im Detail wurde ein Einfluss auf die Intention, den Online-Shop in Zukunft wieder zu besuchen,
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
zukünftige Einkäufe dort zu tätigen und die Intention, den Online-Shop anderen Menschen zu empfehlen hergeleitet. Wiederum wurden diese Hypothesen mit je drei Regressionsanalysen (Kriterium: die jeweilige Intention, Prädiktoren: entweder die D-IKE Emotionskategorien, die aus deren positiven bzw. negativen Emotionen gebildeten Emotionsdimensionen oder die PADDimensionen). Die Ergebnisse der resultierenden neun Regressionsgleichungen sind in der Tabelle 57 dargestellt (1,95 Durban-Watson Statistik T VIF Tabelle 56: Einfluss der Emotionen auf die finalen Verhaltensintentionen
Die Bestimmtheitsmaße der jeweiligen Regressionen zeigen an, dass die D-IKE Emotionskategorien etwa ein Viertel der Varianz aller drei untersuchten Intentionen aufklären. Die Effektstärke der Emotionsdimensionen ist etwas geringer; sie erklären aber immer noch einen statistisch signifikanten Anteil der Varianz der Kriterien von mindestens 11 %. Auffällig ist, das vor allem die Begeisterung Einfluss auf die finalen Verhaltensintentionen
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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nimmt: Je intensiver die Besucher der Online-Shops Begeisterung erleben, desto eher wollen sie wieder kommen, hier wieder einkaufen oder diesen Shop weiter empfehlen. Tabelle 57: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die finalen Verhaltensintentionen
Daneben führt Überraschung dazu, dass die Probanden in Zukunft diesen Online-Shop wieder besuchen wollen und ihn weiter empfehlen. Einen signifikanten Einfluss auf die Intention in
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
diesem Online-Shop in Zukunft einzukaufen, hat das Erleben von Überraschung aber nicht. Anders als erwartet ist hingegen das Ergebnis des Zusammenhangs zwischen Angst und der Intention, den Online-Shop weiterzuempfehlen: Je intensiver Angst während des Besuchs erlebt wird, desto eher wollen die Probanden den Online-Shop weiterempfehlen. Die dargestellten Ergebnisse stützen die Annahmen aller drei Hypothesen H18, H19 und H20. In den Hypothesen H18b, H19b und H20b wird behauptet, dass die Einflüsse der Emotionen auf die finalen Verhaltensintentionen durch die Ladenbesuchsmotivation moderiert werden: Bei hedonisch motivierte Besuchern sollen die Emotionen einen größeren Einfluss auf die Intentionen zum zukünftigen Verhalten haben als bei utilitaristisch motivierten Besuchern. Tabelle 58: Moderierender Effekt der Ladenbesuchsmotivation auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die finalen Verhaltensintentionen
Das Vorgehen zur Prüfung dieser Hypothesen entspricht der schon beschriebenen hierarchischen Regression mit Aufnahme der relevanten Interaktionsterme, in diesem Fall also der Produkte der standardisierten Emotionskategorien bzw. Dimensionen mit dem dummy kodierten Faktor (0 = utilitaristische, 1 = hedonische Bedingung). Wie bei den anderen bisherigen Analysen wurden insgesamt neun Regressions-analysen nach diesem Muster durchgeführt: Als Kriterium wurde je eine der drei untersuchten Intentionen eingeschlossen. Als Prädiktoren jedes Kriteriums dienten die Emotionskategorien des D-IKE,
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die aus deren positiven bzw. negativen Emotionen gebildeten Emotionsdimensionen und die PAD-Dimensionen. Die Ergebnisse der entsprechenden Analysen sind in der Tabelle 58 (für die Emotionskategorien) und Tabelle 59 (für die Dimensionen) dargestellt (1,99 DurbanWatson Statistik T VIF Tatsächlich zeigt ein Vergleich der aufgeklärten Varianz zwischen den Bedingungen utilitaristische vs. hedonische Ladenbesuchsmotivation, dass bei allen Intentionen und bei allen Prädiktoren in der Bedingung hedonische Ladenbesuchsmotivation mehr Varianz erklärt wird. Besonders deutlich fällt dieser Unterschied beim Einfluss auf die Intention zum Wiederbesuch aus: Hier klären in der Bedingung hedonische Motivation die Emotionskategorien des D-IKE etwa 32 % der Varianz des Kriteriums auf, während in der Bedingung utilitaristische Motivation mit 16 % nur etwa halb soviel Varianz durch die selben Prädiktoren aufgeklärt wird. Wird die Signifikanz der unterschiedlichen Einflüsse auf Ebene der einzelnen Emotionen betrachtet, zeigen sich weitere Zusammenhänge: So hat Begeisterung nur unter hedonischer Motivation eine Wirkung auf die finalen Verhaltensintentionen. Bei utilitaristisch motivierten Probanden sind alle drei Intentionen unabhängig von der Begeisterung. Andersherum verhält sich der Einfluss der Hilflosigkeit: Diese beeinflusst nur die Intentionen utilitaristisch motivierter Probanden. Auf Grundlage dieser Ergebnisse können die Annahmen der Hypothesen H18b, H19b und H20b gestützt werden. In den drei Hypothesen H18c, H19c und H20c wurde darüber hinaus ein moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung postuliert: Eine höhere kognitive Beanspruchung soll demnach zu einem größeren Einfluss der Emotionen auf die Intentionen führen als niedrigerer Beanspruchung. Die Hypothesenprüfung entspricht wieder dem eben vorgestellten Vorgehen der hierarchischen Regressionsanalyse. Die relevanten Interaktionsterme, die in die Regressionsgleichungen eingeschlossen wurden, sind die Produkte der standardisierten jeweiligen Emotionskategorien bzw. Dimensionen mit der dummy kodierten Faktorstufe (0 = niedrigere kognitive Beanspruchung, 1 = höhere kognitive Beanspruchung). Die Ergebnisse der resultierenden Regressionsmodelle sind in der Tabelle 60 (für die Emotionskategorien) und der Tabelle 61 (für die Dimensionen) dargestellt (4,10 Durban-Watson Statistik , T VIF Bereits der Vergleich der Bestimmtheitsmaße zwischen den Bedingungen niedrigere und höhere kognitive Beanspruchung zeigt, dass die Intentionen unter höherer kognitiver Beanspruchung nicht bzw. nur marginal stärker von den während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen erklärt werden. Eine Ausnahme bildet die Vorhersage der Intentionen auf Grundlage der aus den positiven respektive negativen Emotionen des D-IKE gebildeten Emotionsdimensionen: Hier werden bis zu 10 % mehr Varianz in der Bedingung höhere kognitive Beanspruchung erklärt aus in der Bedingung niedrigere kognitive Beanspruchung.
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Die Tests auf statistische Signifikanz dieser Einflüsse auf Ebene der einzelnen Prädiktoren belegen einen signifikant größeren Einfluss der positiven Emotionen in der Bedingung höhere kognitive Beanspruchung. Tabelle 59: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionskategorien des D-IKE auf die finalen Verhaltensintentionen
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Tabelle 60: Moderierender Effekt der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionsdimensionen auf die finalen Verhaltensintentionen
Dieser moderierende Effekt lässt sich aber weder bei den PAD-Dimensionen noch systematisch bei den einzelnen Emotionskategorien des D-IKE nachweisen. Die letzteren zeigen zwar zum Teil stärkeren Einfluss bei Probanden mit höherer kognitiver Beanspruchung (bspw. beim Einfluss der Begeisterung auf die Intention, zukünftige Käufe in diesem Online-Shop zu tätigen), aber zum Teil auch schwächeren Einfluss (bspw. beim Einfluss der Enttäuschung auf die Intention, zukünftige Käufe in diesem Online-Shop zu tätigen). Dementsprechend können die Annahmen der Hypothesen H18c, H19c und H20c auf Grundlage dieser Ergebnisse nur partiell gestützt werden. H1b: Die Varianzaufklärung der Emotionskategorien vs. Emotionsdimensionen Abschließend bleibt eine methodische Fragestellung zu klären: Unterscheiden sich differenzielle und dimensionale Ansätze der Emotionsmessung bzgl. ihrer Erklärungskraft der Emotionswirkungen? Und wenn ja, welcher Ansatz erklärt mehr Varianz in den abhängigen Größen? Im konzeptionellen Teil der Arbeit wurde dazu in der Hypothese H1b angenommen, dass differenzielle Ansätze die Wirkungen der Emotionen besser erklären als dimensionale Ansätze.
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Tabelle 61: Varianzaufklärung und zusätzliche Varianzaufklärung der Emotionskategorien des D-IKE sowie der PAD-Dimensionen Erster Block
Zweiter Block
Varianzaufklärung durch 1. Block
Zusätzliche Varianzaufklärung durch 2. Block
Kriterium: Zufriedenheit mit dem Surfprozess
Prädiktoren: D-IKE
PAD-Dimensionen
42,6 %
+ 2,4 % *
PAD-Dimensionen
D-IKE
27,2 %
+ 17,9 % ***
Kriterium: Zufriedenheit mit der Gestaltung des Shops
Prädiktoren: D-IKE
PAD-Dimensionen
30,7 %
+ 4,1 % *
PAD-Dimensionen
D-IKE
21,6 %
+ 13,3 % ***
Kriterium: Zufriedenheit mit der Produktentscheidung
Prädiktoren: D-IKE
PAD-Dimensionen
42,6 %
+ 3,6 % *
PAD-Dimensionen
D-IKE
18,5 %
+ 27,7 % ***
Kriterium: Einstellung zum Online-Shops (hedonisch)
Prädiktoren: D-IKE
PAD-Dimensionen
48,3 % ***
+ 3,6 % **
PAD-Dimensionen
D-IKE
33,2 % ***
+ 18,7 % ***
Kriterium: Einstellung zum Online-Shops (utilitaristisch)
Prädiktoren: D-IKE
PAD-Dimensionen
37,3 % ***
+ 5,1 % ***
PAD-Dimensionen
D-IKE
29,7 % ***
+ 13,1 % ***
Kriterium: Intention zum Wiederbesuch
Prädiktoren: D-IKE
PAD-Dimensionen
27,1 % ***
+ 2,1 % NS
PAD-Dimensionen
D-IKE
13,2 % ***
+ 16,0 % ***
Kriterium: Intention zum zukünftigen Einkauf
Prädiktoren: D-IKE
PAD-Dimensionen
27,6 % ***
+ 3,1 % *
PAD-Dimensionen
D-IKE
19,9 % ***
+ 10,8 % ***
Kriterium: Intention zum Weiterempfehlen
Prädiktoren: D-IKE
PAD-Dimensionen
27,7 % ***
+ 0 % NS
PAD-Dimensionen
D-IKE
12,5 % ***
+ 15,7 % ***
Um diese Hypothese zu testen, wurden für jede Wirkung der Emotionen zwei hierarchische Regressionen gerechnet: Den ersten Block der hierarchischen Regression stellten abwechselnd die Emotionskategorien des D-IKE bzw. die PAD-Dimensionen. Im zweiten Block wurde dann die jeweils nicht im ersten Block berücksichtigte Operationalisierung eingeschlossen. Erfasst wurde die durch den ersten Block aufgeklärte Varianz an der
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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jeweiligen abhängigen Variablen, sowie die zusätzliche Varianzaufklärung durch den zweiten Block. Um die Hypothese zu stützen, sollten bei allen Kriterien die D-IKE Emotionen im zweiten Block zu einer signifikanten Steigerung der Varianzaufklärung der PADDimensionen im ersten Block beitragen. Außerdem sollte die zusätzliche Varianzaufklärung größer sein als eine zusätzliche Varianzaufklärung der PAD-Dimensionen. Die Ergebnisse dieser Analysen sind in der Tabelle 62 dargestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass für alle von Emotionen abhängigen Größen der mittels den Emotionskategorien des D-IKE erklärte Varianzanteil größer ist als der Anteil der von den PAD-Dimensionen erklärt wird. Nur bei der utilitaristischen Komponente der Einstellung zum Online-Shop können die PAD-Dimensionen die aufgeklärte Varianz der Kriterien um mehr als 5 % steigern. Demgegenüber kann durch die Aufnahme der D-IKE Kategorien ein substantieller Informationsgewinn erzielt werden: Der zusätzlich aufgeklärte Varianzanteil beträgt 10 % bis 28 %. Offensichtlich können die D-IKE Kategorien mehr Varianz in den Kriterien erklären. Eine zusätzliche Varianzaufklärung durch die PAD-Dimensionen ist vergleichsweise klein. Wie in der Hypothese H1b vermutet, können durch den Rückgriff auf differentielle Ansätze der Emotionsmessung die gewonnen Informationen über die Kriterien gesteigert werden. Somit stützen diese Ergebnisse die Hypothese H1b. Diskussion der Befunde zu den finalen Wirkungen der Emotionen Im konzeptionellen Teil dieser Arbeit wurden ausgewählte finale Wirkungen der Emotionen theoretisch begründet: die Zufriedenheit mit drei Aspekten des Besuchs, die hedonische und die utilitaristische Komponente der Einstellungen der Besucher zum Online-Shop sowie die Intentionen zu zukünftigem Verhalten. Außerdem wurden die moderierenden Effekte der Ladenbesuchsmotivation und der erhöhten kognitiven Beanspruchung postuliert. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass die Zufriedenheit der Ladenbesucher mit dem Surfprozess, der Gestaltung des Online-Shops sowie ihrer Kaufentscheidung der von den während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen abhängt. Dieser Befund repliziert die Ergebnisse anderer Studien, die einen solchen Einfluss im Kontext nicht-virtueller Ladenbesuche finden konnten (Westbrook 1987, Machleit & Mantel 2001, Phillips & Baumgartner 2002, Bigné et al. 2005, Homburg et al. 2006, Ladhari 2007, Martin et al. 2008). Die Folgerung von Bost (1987 S. 165), nach der durch emotionale Prozesse der Hauptteil des Zufriedenheitsurteils der Ladenbesucher erklärt wird, kann auf Basis der Ergebnisse dieser Arbeit allerdings nicht gefolgt werden: Die D-IKE Emotionskategorien erklären im höchsten Fall 40 % der Varianz der Zufriedenheitsurteile auf. Interessanterweise ist der Einfluss der Emotionen auf Zufriedenheit mit dem Surfprozess größer als deren Einfluss auf die Zufriedenheit mit den beiden anderen Aspekten. Dieses Ergebnis ist insbesondere aus Perspektive der Affect-as-Information Perspektive schlüssig:
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
Emotionen, die während des Surfprozesses erlebt werden, sollten auch am ehesten für dessen Bewertung relevant sein. Demgegenüber wird die Zufriedenheit mit der Gestaltung des Online-Shops und der Produktentscheidung von weiteren Aspekten beeinflusst, wie die nachträgliche Bewertung der eigenen Entscheidung. Auch der Befund, dass die Emotionen bei hedonisch motivierten Ladenbesuchern größeren Einfluss auf deren Zufriedenheit nimmt, lässt sich mit diesem Ansatz erklären: Ladenbesucher, deren Ziel vor allem der Zeitvertreib ist, werden die Erfüllung ihrer Erwartungen zu einem größeren Teil an den Emotionen festmachen als die Ladenbesucher, die etwas bestimmtes kaufen wollen. Bei Letzteren sollte demgegenüber bspw. die nachträgliche Bewertung der eigenen Entscheidung eine größere Rolle spielen. Folgerichtig spielen Emotionen bei zwei der drei Aspekten bei Ladenbesuchern, die höherer kognitiver Beanspruchung ausgesetzt sind, eine größere Rolle. Interessanterweise wird aber bei diesen Ladenbesuchern gerade die Zufriedenheit mit der Produktentscheidung weniger stark von den Emotionen beeinflusst. Möglicherweise hat hier die Operationalisierung der kognitiven Beanspruchung (Beachten des Hörspiels) Einfluss auf die nachträgliche Bewertung genommen, so dass die Erwartungen an die Güte der eigenen Produktentscheidung durch die Zweitaufgabe bereits während des Surfprozesses gesenkt wurden („Wenn ich noch eine weitere Aufgabe erfüllen muss, kann meine Entscheidung ja gar nicht so gut sein“). Auf die Erwartungen bzgl. der Gestaltung des Online-Shops oder des Surfprozesses sollte die Zweitaufgabe hingegen weniger Einfluss haben. Wie erwartet beeinflussen die Emotionen auch die Einstellung der Surfer zum Online-Shop. Dabei wird vor allem die hedonische Komponente der Einstellung, also die Bewertung der Anmutung/der Atmosphäre des Online-Shops von den erlebten Emotionen beeinflusst. Offensichtlich verlassen sich die Online-Shop-Besucher bei der Beurteilung der Anmutung eines Online-Shops vor allem auf ihre Gefühl: Fast die Hälfte der Varianz der hedonischen Komponente der Einstellung werden von den Emotionen erklärt. Aber auch auf die utilitaristische Komponente haben die Emotionen großen Einfluss. Wiederum ist der Einfluss der Emotionen bei hedonisch motivierten Ladenbesuchern größer als bei utilitaristisch motivierten. Anders als erwartet, hat die höhere kognitive Beanspruchung hingegen nur einen Effekt auf den Einfluss der Emotionen auf die Bewertung der Nützlichkeit bzw. Brauchbarkeit (utilitaristische Komponente) des Online-Shops: Emotionen haben dann einen größeren Einfluss auf diese Komponente, wenn mehr kognitive Ressourcen durch die Zweitaufgabe gebunden werden. Eine mögliche Erklärung für dieses Ergebnis wäre es, dass die Bewertung dieser Komponente auch von kognitiven Prozessen abhängt, die bei höherer kognitiver Beanspruchung einen weniger starken Einfluss ausüben. Folgt man dieser Erklärung, dann müsste folgerichtig aus dem fehlenden moderierenden Einfluss der kognitiven Beanspruchung auf den Einfluss der Emotionen auf die hedonische Komponente der Einstellung geschlussfolgert werden, dass diese Bewertung auch ohne zusätzlicher kognitiver Beanspruchung weniger stark kognitiv kontrolliert wird. Mit anderen Worten: Die
5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen
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Bewertung der Anmutung bzw. der Atmosphäre eines Online-Shops wird weniger stark kognitiv kontrolliert als bspw. die Bewertung seiner Brauchbarkeit. Schließlich werden auch zukünftige Verhaltensintentionen durch die während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen beeinflusst, obgleich hier ihr Einfluss deutlich geringer ausfällt als bei der Zufriedenheit oder der Einstellung. Dieses Ergebnis erscheitn insofern plausibel, als dass sich diese beiden Größen unmittelbar auf den Surfprozess beziehen und Einschätzungen sind, die direkt nach einem Ladenbesuch beurteilt werden können. Zukünftiges Verhalten wird aber von einer Reihe weiterer Variablen beeinflusst, wie bspw. die Intention, anderen Personen diesen Online-Shop weiterzuempfehlen eben nicht nur von dem emotionalen Erleben abhängt, sondern auch davon, ob die Bekannten des Ladenbesuchers überhaupt Interesse an einer solchen Empfehlung haben. Dennoch agieren Emotionen hier im Sinne einer Informationsquelle der Folgeabschätzung bei zukünftigen Verhalten (vgl. Schwarz 1986, 1987): Positive Emotionen zeigen an, dass zukünftiges Annährungsverhalten erstrebsam ist, negative Emotionen weisen auf das Gegenteil. Während die Ladenbesuchsmotivation den Einfluss der Emotionen wiederum in die erwartete Richtung moderiert, hat eine höhere kognitive Beanspruchung praktisch keinen Effekt. Mögliche Erklärung ist, dass selbst bei weniger kognitiver Kontrolle der Intentionsbildung Emotionen ebne nur zu einem geringen Anteil als Information für zukünftige Intentionen angesehen wird: Die Einflussgrößen, wie bspw. die Frage, ob die Bekannten des Ladenbesuchers Interesse an einer Empfehlung haben, wirken unabhängig der kognitiven Kontrolle. Schließlich wurde der Beitrag differenzierter und dimensionaler Ansätze der Emotionen an den finalen Größen untersucht: Obwohl auch dimensionale Ansätze einen signifikanten Erklärungsbeitrag an der Varianz der finalen Größen liefern, zeigt sich hier ein deutlicher Informationsgewinn durch die Verwendung differenzierter Ansätze. Dieses Ergebnis stützt die zuvor referierten Befunde, nach denen differenzierte Ansätze das emotionale Erleben während des Online-Shop Besuchs besser abbilden als dimensionale Ansätze. Dementsprechend führt diese vollständigere Abdeckung des emotionalen Erlebens auch zu einer besseren Aufklärung seiner Wirkungen. Zusammenfassung x
Die während des Online-Shop-Besuchs erlebten Emotionen beeinflussen die Zufriedenheit der Besucher.
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Auch die Einstellung zum Online-Shop wird durch das emotionale Erleben während des Shop-Besuchs beeinflusst: Vor allem die hedonische Komponente der Einstellung (Einschätzung der Anmutung/Atmosphäre des Online-Shops) wird von den erlebten Emotionen beeinflusst.
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Schließlich werden zu einem geringeren Maße auch Intentionen zu zukünftigem Verhalten durch die Emotionen beeinflusst: In der Regel führen positive Emotionen zu
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5. Empirische Studie zu Emotionen beim Surfen einer stärkeren Intention, den Online-Shop wieder aufzusuchen, zukünftige Einkäufe in ihm zu erledigen oder ihn weiterzuempfehlen. x
Die Wirkungen der Emotionen auf die finalen Größen sind wie erwartet bei hedonisch motivierten Online-Shop-Besuchern größer als bei utilitaristisch motivierten.
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Der moderierende Einfluss der kognitiven Beanspruchung ist weniger eindeutig: Einzelne Emotionen haben bei Online-Shop-Besuchern mit höherer kognitiver Beanspruchung einen größeren Einfluss auf finale Größen, andere Emotionen haben unter höherer kognitiver Beanspruchung weniger Einfluss.
x
Differenzierte Emotionen erklären deutlich mehr Varianz der finalen Größen als die Emotionsdimensionen Valenz, Aktivierung und Dominanz.
6. Implikationen und Fazit
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6. Implikationen und Fazit Ziel dieser Arbeit war es, die Bedeutung der Emotionen beim Besuch von Online-Shops zu untersuchen. Dazu sollten wichtige Determinanten herausgearbeitet, der Einfluss der Emotionen auf den Surfprozess näher beleuchtet sowie der Einfluss der Emotionen auf finale Bewertungen und Verhaltenstendenzen analysiert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden im konzeptionellen Teil vorliegender Arbeit theoretische Überlegungen und Modelle auf den Kontext des Verhaltens und Erlebens in Online-Shops übertragen. Zudem wurden Ergebnisse anderer empirischer Arbeiten zu diesem Bereich zusammengefasst und kritisch beleuchtet. Auf dieser Basis wurden Hypothesen bzgl. wichtiger Determinanten der während des Online-Shop-Besuchs erlebten Emotionen, ihrem Zusammenspiel mit den Kognitionen und dem Verhalten während des Surfprozesses sowie wichtiger finaler Wirkungen hergeleitet. Ein anschließendes 2x2x2-faktorielles Experiment, an dem N = 122 Probanden teilnahmen, unterzog die im konzeptionellen Teil dieser Arbeit entwickelten Hypothesen einem empirischen Test. Dafür war es zunächst nötig, einen geeigneten Ansatz zur Messung der während Ladenbesuchen erlebten Emotionen zu entwickeln. Hierfür wurden in drei der Hauptstudie vorgelagerten empirischen Studien ein Kategoriensystem derjenigen Emotionen ermittelt, die während Ladenbesuchen erlebt werden, deren kennzeichnende Wörter gut verstanden werden und die das emotionale Erleben der Ladenbesucher möglichst vollständig abdecken. In drei weiteren Vorstudien wurden die Operationalisierungen der Faktorstufen getestet. Die Hauptstudie selbst ergab ein differenziertes Bild der Emotionsgenese und ihrer Wirkungen, dessen Ergebnisse in dieser Arbeit in drei Unterkapiteln dargestellt wurden. Eine Diskussion dieser Ergebnisse fand jeweils zum Abschluss des jeweiligen Unterkapitels statt. Im folgenden abschließenden Kapitel werden die Implikationen für Forschung und Praxis vorgestellt, die aus den konzeptionell sowie empirisch hergeleiteten Erkennt-nissen dieser Arbeit geschlussfolgert werden können. Grundlage dafür muss eine Betrachtung der Limitationen der Arbeit sein, die zunächst besprochen werden. 6.1
Limitationen der vorliegenden Arbeit
Wie die meisten empirischen Arbeiten ist auch die vorliegende Arbeit nicht frei von Limitationen, die bei der Interpretation ihrer Ergebnisse bedacht werden müssen. Zudem fußen die konzeptionell wie empirisch gewonnen Erkenntnisse auf wesentlichen Annahmen, die ebenfalls bei der Interpretation der Ergebnisse Berücksichtigung finden müssen. Im Detail wurde auf diese Punkte an entsprechender Stelle im Text dieser Arbeit eingegangen. Hier soll deshalb lediglich ein Überblick der wichtigsten Aspekte gegeben werden. Zunächst muss bei der Interpretation der Ergebnisse die dieser Arbeit zugrunde liegende Definition der Emotionen Berücksichtigung finden. Das Verständnis der Emotionen, auf dem
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6. Implikationen und Fazit
diese Arbeit basiert, wird von einem Großteil der Literatur zu diesem Thema geteilt. Dabei werden bestimmte Annahmen getroffen, die hier nicht empirisch geprüft werden, sondern Grundlage dieser Studie sind: So geht diese Arbeit bspw. davon aus, dass Emotionen zwar während des Handlungsablaufs nicht immer bewusst sein müssen, aber durch entsprechende Lenkung der Aufmerksamkeit bewusst gemacht werden können. Daraus folgt aber auch, dass mögliche emotionale Reaktionen, die vollkommen ohne bewusste Beteiligung ablaufen und auch nicht durch Lenkung der Aufmerksamkeit bewusst gemacht werden können, in dieser Arbeit keine Berücksichtigung finden. Dies erscheint aus zwei Gründen angemessen: Zum einen wurde, wie schon diskutiert, diese Annahme aus der aktuellen Diskussion zum Bewusstseinsgrad der Emotionen abgeleitet und deckt sich mit der Auffassung vieler Autoren zu diesem Aspekt. Zum anderen werden zur Messung möglicher unbewusster Anteile der Emotionen vor allem neurophysiologische Methoden vorgeschlagen (vgl. Anderson et al. 2006). Die Verwendung der meisten dieser Methoden würde dem Anspruch dieser Arbeit, ein möglichst reales Abbild des natürlichen Surfprozesses zu erstellen, kaum gerecht werden. Eine Limitation der empirischen Studie bezieht sich auf die Verwendung ausschließlich studentischer Probanden. Hier wurde bereits an anderer Stelle argumentiert, dass eine solche Reduzierung der Stichprobe dann angemessen ist, wenn nicht deskriptive Populationsparameter, sondern Zusammenhänge zwischen Konstrukten untersucht werden sollen. Außerdem wurden bei dieser Gelegenheit Studien angeführt, die darauf deuten, dass Studierende sich in wesentlichen in dieser Arbeit untersuchten Zusammenhängen nicht entscheidend von der Gesamtpopulation der Online-Shop-Besucher unterscheiden. Eine wichtige Limitation der Ergebnisse ergibt sich aus der Operationalisierung der Faktorstufen im vorliegenden Experiment. Obgleich durch Anlehnung an bewährte Verfahren, der Annährung an realistische Szenarien, durch die beschriebenen Vorstudien sowie durch Manipulation Checks in der Hauptstudie in dieser Arbeit Bemühungen unternommen wurden, die Ladenbesuchsmotivation und die kognitive Beanspruchung möglichst angemessen (realistisch und trennscharf) umzusetzen, ist nicht auszuschließen, dass sich die induzierte Ladenbesuchsmotivation und kognitive Beanspruchung von denjenigen unterschieden hat, die bei einem realen Online-Shop-Besuch auftreten: So werden bspw. in der Realität nicht nur ausschließlich hedonisch oder utilitaristisch motivierte Probanden den Online-Shop besuchen, sondern z.B. auch Probanden, bei denen beide Motivationen etwa gleich stark ausgeprägt sind. Dieser und verwandte Aspekte wurden mit Rücksicht auf die Realisierbarkeit des Faktorendesigns in dieser Arbeit ausgeklammert. Schließlich ist zu bedenken, dass in der vorliegenden experimentellen Studie ausschließlich auf Online-Shops gesurft wurde, die Wein verkaufen. Obgleich die Gründe hierfür bereits diskutiert wurden, ist nicht auszuschließen, dass in anderen Online-Shops, die Produkte verkaufen, die für die Studierenden einen stärkeren utilitaristischen Wert aufweisen (bspw. Schreibmaterialien) oder bei wiederholtem Websitebesuch, andere Mechanismen greifen.
6. Implikationen und Fazit 6.2
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Implikationen der Arbeit für Theorie und Forschung
Aus den Ergebnissen dieser Arbeit können Implikationen für Forschung und Theorie bzgl. der Determinanten der Emotionen, ihrer Wirkungen während des Surfprozesses sowie ihrer Wirkungen auf finale Bewertungen und Verhaltensintentionen gezogen werden. Was folgt aus dieser Arbeit für die Theorie bzgl. der Emotionsgenese? Bezüglich der Emotionsgenese wird zunächst deutlich, dass mittels globaler Maße der Ladenumwelt die während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen vorhergesagt werden können. In dieser Studie erklärte die wahrgenommene Informationsrate und die eingeschätzte Usability des Online-Shops bis zu ein Drittel der Varianz der erlebten Emotionen. Globale Maße zur Beschreibung der Umwelt sind vor allem deshalb interessant, weil mit ihnen nicht die Wirkung einzelner, losgelöster Gestaltungselemente, wie bspw. Farben oder Licht als Determinanten betrachtet werden. Globale Maße der Umwelt bilden das Zusammenspiel der einzelnen Gestaltungselemente ab und reduzieren die spezifischen Gegebenheiten einer untersuchten Umwelt auf wenige abstrakte Dimensionen. Die so gewonnenen Erkenntnisse lassen sich einfacher und sicherer auf andere Kontexte und Zusammenhänge übertragen. Insofern stützen diese Ergebnisse Russell & Mehrabians (1976 S. 62) Annahme der Nützlichkeit abstrakter Dimensionen zur Beschreibung der Umwelt. In diesem Zusammenhang ergänzt die vorliegende Arbeit den bisherigen Forschungsstand um die Betrachtung des Zusammenhangs zwischen der Bewertung der Usability des OnlineShops und den währen des Ladenbesuchs erlebten Emotionen. Die Ergebnisse vorliegender Arbeit zeigen, dass vor allem bei utilitaristischer Motivation der Ladenbesucher die Usability einen starken Einfluss auf das emotionale Erleben der Probanden nimmt: So erleben Besucher eines Online-Shops mit geringer Usability vermehrt Enttäuschung, Hilflosigkeit und Ärger. Hohe Usability ruft hingegen ein Gefühl von Zufriedenheit hervor. Die Bedeutung der Usability für die Emotionsgenese belegen dabei die durch sie erklärten Varianzanteile an einzelnen erlebten Emotionen von z.T. über 20 %. Diese Werte machen deutlich, dass bei der Forschung zu den Determinanten der Emotionen die Usability eines Online-Shops – aber auch die, eines nicht-virtuellen Ladens – nicht vernachlässigt werden sollte. Im konzeptionellen Teil vorliegender Arbeit wurde darauf verwiesen, dass aktuelle Emotionstheorien die subjektive Bewertung der Umwelt als Auslöser des emotionalen Erlebens betrachten. Die empirischen Ergebnisse stützen diese Vermutung: Dabei zeigt sich ein differenziertes Wirkungsmuster, das die Postulate des Appraisal Tendency Framework (vgl. Han et al. 2007) und des Affect-as-Information Ansatz (vgl. Schwarz & Clore 2003) stützt: Emotionen enthalten neben einer globalen Bewertung der Situation weitere Informationen, wie bspw. ihren Auslöser und den Grund für die Bewertung. So informiert, den Ergebnissen vorliegender Arbeit zufolge, das Erleben von Begeisterung, Genuss, Überraschung aber auch Zweifel die Besucher von Online-Shops über eine neuartige, komplexe Umwelt. Läuft der Online-Shop-Besucher Gefahr, die Kontrolle über den
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Ladenbesuch zu verlieren, resultieren Angst und Hilflosigkeit. Diese Ergebnisse zeigen, dass die während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen komplexer sind als es ein dreidimensionaler Ansatz, wie die häufig in der Konsumentenforschung verwendeten PAD-Dimensionen, fassen kann. Eine Herausforderung der zukünftigen Forschung ist es demnach, die dimensionale Betrachtung der Emotionen um die Analyse differenzierter Emotionsqualitäten zu erweitern. Auch das Ergebnis, dass die Motivation der Ladenbesucher den Einfluss der Informationsrate und – zu einem deutlich geringerem Teil – der Usability auf die Emotionen moderiert, stütz die Bedeutung der Bewertungsprozesse für die Emotionsgenese: Das emotionale Erleben hängt demnach stärker von der Gestaltung der Umwelt ab, wenn die Ladenbesucher hedonisch (vs. utilitaristisch) motiviert sind. Dieses Ergebnis belegt, dass bei utilitaristisch motivierten Ladenbesuchern andere Prozesse und Reize Einfluss auf die Emotionsgenese nehmen als bei hedonisch motivierten. Hier ist bspw. an die Wahrnehmung der Sortimentsgüte und des Preisniveaus zu denken. Zukünftige Studien könnten klären, welche Aspekte im Detail Einfluss auf das Erleben utilitaristisch motivierter Besucher von Online-Shops nehmen. Die vorliegende Arbeit berücksichtigt nicht nur den Einfluss der virtuellen Umgebung des Online-Shop-Besuchers, sondern untersuchte auch den Einfluss eines Aspekts der nichtvirtuellen Umwelt: das Ausmaß der kognitiven Beanspruchung durch gleichzeitigen Medienkonsum. Hierfür wurde den Probanden während des Ladenbesuchs ein Hörspiel vorgespielt, dem sie aufmerksam zuhören sollten. Dieser, bisher in der Forschung nicht berücksichtigte Aspekt der nicht-virtuellen Umwelt des Surfers, nimmt tatsächlich Einfluss auf die erleben Emotionen während des Ladenbesuchs: Die höhere kognitive Beanspruchung führte zu schwächer erlebtem Genuss und stärker erlebtem Stress. Der von Sautter et al. (2004 S. 14) eingebrachte Aspekt der Dualen Umwelt kann also einen Beitrag zu einem besseren Verständnis der Genese der Emotionen während des Ladenbesuchs führen. Diese Befunde lassen die Vermutung zu, dass eine weitere Beschäftigung mit dem Einfluss der Dualen Umwelt auf das Erleben und Verhalten der Besucher von Online-Shops fruchtbare Erkenntnisse erbringen kann. Durch die Manipulation der kognitiven Beanspruchung der Probanden können die Ergebnisse dieser Arbeit auch Einblicke in die kognitive Kontrolle der emotions-auslösenden Prozesse liefern. Dabei können die Ergebnisse vorliegender Arbeit die Vermutung anderer Autoren bestätigen, dass der Einfluss der Usability auf die Emotionen, anders als der Einfluss der Informationsrate, einen Prozess darstellt, der kognitive Ressourcen benötigt. Nicht erwartet wurde hingegen, dass auch der Einfluss der Diskrepanz zwischen erwarteter und tatsächlicher Atmosphäre des Online-Shops durch kognitive Prozesse überlagert wird: Der postulierte Zusammenhang zwischen der Schema-Diskrepanz und dem emotionalen Erleben zeigte sich nur unter höherer kognitiver Beanspruchung.
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Was folgt aus dieser Arbeit für die Theorie bzgl. der Wirkungen der Emotionen innerhalb des Surfprozesses? Zunächst kann festgehalten werden, dass die Ladenbesucher in dieser Studie positive Emotionen intensiver erlebten als negative. Dieses trifft zu, obwohl sich das allgemeine psychische Befinden während des Ladenbesuchs verschlechterte. Hier zeigt sich, dass Emotionen durch einzelne Objekte oder Reize ausgelöst werden: Selbst wenn sich die allgemeine psychische Befindlichkeit durch den Ladenbesuch verschlechtert, erleben die Probanden offensichtlich dennoch positive Emotionen bzgl. einzelner Reizkonstellationen. In vorliegender Arbeit wurde postuliert, dass die während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen Einfluss auf das kognitive Erleben und das Verhalten während des Surfprozesses haben: Bezüglich des Surfprozesses haben die Emotionen zwar einen statistisch signifikanten, aber dennoch nur schwachen Einfluss auf die Anzahl der besuchten Seiten. Offensichtlich wird die Gesamtzahl der aufgerufenen Seiten (relativiert an der Ladenbesuchszeit) während eines Ladenbesuchs nur schwach durch Emotionen beeinflusst. Die Analyse der Verhaltenssequenzen deutet aber darauf hin, dass positivere Emotionen mit selteneren Wechseln der Inhaltskategorie einhergehen und negative Emotionen zu häufigeren Wechseln der Kategorien führen. Dieses Ergebnis folgen der von Handlungstheorien vorhergesagten Tendenz, wonach Emotionen Indikator für zukünftiges Verhalten sind: Negative Emotionen informieren die Ladenbesucher darüber, dass die bisherigen Inhalte nicht ausreichend der Verfolgung der eigenen Ziele dienen – und führen so zu einem Wechsel der inhaltlichen Kategorie. Positive Emotionen zeigen hingegen an, dass keine weiteren Anstrengungen betrieben werden müssen. Diese Deutung wird eindrucksvoll durch den Zusammenhang zwischen den Emotionen und den prozessbezogenen Kognitionen gestützt: Zwar beeinflussen die Emotionen auch hier nicht die Gesamtzahl der handlungsbezogenen Emotionen, wohl aber deren Inhalte: Negativere Emotionen führen zu mehr Gedanken bezüglich einer Neuorientierung oder dem Wechsel der bisherigen Handlungsstrategie, während positive Emotionen stärker mit der Umsetzung der eingeschlagenen Strategie und der Verfolgung der zuvor gesetzten Ziele einhergehen. Damit kann die vorliegende Arbeit den von verschiedenen Handlungstheorien (vgl. Bagozzi et al. 1998) vorhergesagten Einfluss der Emotionen auf die handlungsbezogenen Kognitionen stützen. Interessanterweise zeigen sich differenzierte Effekte verschie-den erlebter Emotionen: So führt Genuss zu einer intensiveren gedanklichen Ausein-andersetzung mit den angebotenen Alternativen, während Überraschung zu weniger Kognitionen zu diesem Aspekt führt. Schließlich belegen die Ergebnisse vorliegender Studie auch, dass Emotionen Einfluss auf die Dauer des Aufenthalts im Online-Shop nehmen: Ladenbesucher, die etwas kaufen wollen, bleiben länger im Online-Shop, wenn sie negativere Emotionen erleben, in dieser Studie Enttäuschung. Bei hedonisch motivierten Besuchern führt dagegen die positive Emotion
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Genuss zu einer längeren Aufenthaltsdauer. Auch hier spiegelt sich wider, dass Emotionen mehr Informationen als nur die Valenz der Bewertung einer Situation enthalten und Kognitionen und Verhalten der Surfer modulieren. Diese Deutung ist konform mit dem gefunden Zusammenhang zwischen der erlebten Begeisterung und der Tendenz zu ungeplanten Käufen. Hier zeigen die Ergebnisse zudem, dass durch eine zusätzliche kognitive Beanspruchung die kognitive Kontrolle des Kaufverhaltens vermindert wird: Ladenbesucher, deren kognitive Ressourcen vermindert sind, machen ihre Kaufentscheidung zunehmend von den erlebten Emotionen abhängig. In diesem Befund spiegeln sich nicht nur die Annahmen von Kahneman (1973) wider, der eine begrenzte kognitive Kapazität postulierte, sondern auch, dass der Einfluss der Emotionen auf das Verhalten auch von kognitiven Prozessen moderiert wird. Was folgt aus dieser Arbeit für die Theorie bzgl. finaler Wirkungen von Emotionen? Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass die während des Ladenbesuchs erlebten Emotionen starken Einfluss auf finale Bewertungen und Verhaltensintentionen nehmen: So werden etwa ein Viertel bis ein Drittel der Varianz der finalen Größen durch die Emotionen aufgeklärt. Offensichtlich verlassen sich die Ladenbesucher zu einem großen Teil auf ihr Gefühl, wenn sie die Zufriedenheit und die Einstellung zum Online-Shop einschätzen. Und auch die Intentionen zu zukünftigem Verhalten sind zu einem erheblichen Anteil von Emotionen beeinflusst. Bezüglich der Zufriedenheit zeigt sich der erwartete große Einfluss der Emotionen: Vor allem die Zufriedenheit mit dem Surfprozess und der Produktentscheidung wird stark von den erlebten Emotionen beeinflusst. Hier nehmen insbesondere Begeisterung und Enttäuschung großen Einfluss. Offensichtlich dienen die Emotionen den Surfern als Information über die Erfüllung ihrer Erwartungen: Empfinden die Kunden Begeisterung, dient dies möglicherweise als Hinweis, dass die Erwartungen der Ladenbesucher übererfüllt wurden. Erlebte Enttäuschung deutet hingegen auf das Gegenteil. Bei der Beurteilung der Zufriedenheit mit der Gestaltung des Online-Shops verlassen sich die Ladenbesucher allerdings weniger stark auf ihre Emotionen. Möglicherweise spielen hier andere Aspekte, wie die Aufmerksamkeit gegenüber dem Online-Shop oder die Erfahrung mit anderen Online-Shops eine moderierende Rolle. Wie erwartet wird auch die Einstellung der Besucher zum Online-Shop stark durch die Emotionen beeinflusst. Vor allem die hedonische Komponente, also die Bewertung der Anmutung bzw. Atmosphäre des Online-Shops, hängt von den erlebten Emotionen ab. Aber auch die Einschätzung der Nützlichkeit des Online-Shops hängt stark mit den Emotionen zusammen. Bei diesen Ergebnissen ist allerdings zu berücksichtigen, dass den Probanden in dieser Studie die Online-Shops zuvor gänzlich unbekannt waren: Dementsprechend konnte sich vor dem aktuellen Besuch des Shops keine stabile Einstellung zum Online-Shop bilden.
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In wie weit Emotionen bestehende stabile Einstellungen beeinflussen können oder ob umgekehrt die Emotionen von den gespeicherten Einstellungen beeinflusst werden, ist unklar. Auch die Intentionen zu zukünftigem Verhalten hängen stark mit den Emotionen zusammen. Gerade hier wäre zu erwarten gewesen, dass andere Faktoren, wie die persönliche Situation oder höher stehende Wünsche und Motive, Einfluss auf die Verhaltensintentionen nehmen. Bis hierhin decken die Ergebnisse sich mit den theoretischen Annahmen, nach denen Emotionen die Person über den Nutzen und die Güte eines Objekts bzw. einer Situation informieren. Diese Deutung wird zudem gestützt durch die Befunde zur moderierenden Wirkung der Ladenbesuchsmotivation: Insbesondere hedonisch motivierte Ladenbesucher lassen sich durch ihre Emotionen auch bei den finalen Bewertungen und Intentionen leiten. Zu vermuten ist, dass utilitaristisch motivierte Ladenbesucher stärker auch andere Informationen, wie bspw. die Güte ihrer Entscheidung oder das Produktangebot, bei ihrer Einstellungs- und Intentionsbildung sowie der Bewertung ihrer Zufriedenheit einfließen lassen. Weniger Eindeutig ist der moderierende Einfluss der höheren kognitiven Beanspruchung zu interpretieren. Während manche finalen Größen, wie bspw. die Zufriedenheit mit dem Surfprozess, wie erwartet stärker unter höherer kognitiver Beanspruchung von Emotionen beeinflusst werden, trifft dies auf einen anderen Teil der finalen Größen nicht zu. Auffällig ist der moderierende Effekt bzgl. der utilitaristischen Komponente der Einstellung: Die Bewertung der Nützlichkeit des Online-Shops hängt unter höherer kognitiver Beanspruchung stärker mit den Emotionen zusammen als bei niedrigerer Beanspruchung. Betrachtet man die Intentionen zukünftigen Verhaltens zeigt sich ein uneinheitliches Bild: Manche Emotionen haben einen stärkeren Einfluss bei höherer kognitiver Beanspruchung, andere einen niedrigeren. So vergrößert sich unter höherer kognitiver Beanspruchung der Einfluss der Überraschung auf die Intention zum Weiterempfehlen, der Einfluss der Angst nimmt aber gleichzeitig ab. Auf diese Weise können durch die Emotionen, insgesamt betrachtet, keine größeren Varianzanteile der Intentionen unter höherer kognitiver Beanspruchung aufgeklärt werden. Warum aber die höhere kognitive Beanspruchung so unterschiedliche moderierende Effekte bzgl. der Wirkungen einzelner Emotionen hat, bleibt unklar. Möglicherweise attribuierten manchen Probanden einige Emotionen nicht mit dem Online-Shop, sondern mit dem Hörspiel (dem Treatment der höheren kognitiven Beanspruchung). In diesem Fall würde die so attribuierten Emotionen weniger Einfluss auf die finalen Größen bzgl. des Online-Shops nehmen. Inwieweit diese Vermutung zutrifft, kann aber auf Basis der Daten dieser Studie nicht geklärt werden. Diese Befunde belegen nochmals die schon angesprochene Notwendigkeit einer Theorie, die Annahmen über die Wirkungen differenzierter Emotionen trifft.
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6. Implikationen und Fazit
Was folgt aus dieser Arbeit für die Messung der Emotionen? Die Ergebnisse dieser Arbeit stützen stringent eine Annahme: differentielle Ansätze der Emotionsmessung können die erlebten Emotionen während des Online-Shop-Besuchs vollständiger erfassen als dimensionale Ansätze. Mit anderen Worten: Emotionen sind durch komplexeres Erleben gekennzeichnet als es durch die Dimensionen Valenz, Aktivierung und Dominanz umfassend abgebildet werden kann. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass durch die Kenntnis der differenzierten Emotionen die finalen Zufriedenheiten der Ladenbesucher, ihre Einstellung zum Online-Shop und ihre zukünftigen Verhaltensintentionen besser vorhergesagt werden können als durch die PADDimensionen. Diese Argumentation soll aber nicht als eine pauschale Ablehnung der Verwendung dimensionaler Ansätze der Emotionsmessung verstanden werden. Der Einsatz der Methoden muss sich nach der Fragestellung richten: Reicht für deren Beantwortung ein grobes Bild des emotionalen Erlebens während des Ladenbesuchs aus, dann ist die Verwendung dimensionaler Ansätze, für die zum Teil ökonomische Operatio-nalisierungen (bspw. in Form des Self Assessment Manekins) vorliegen, angebracht. Ist es aber das Ziel, die während eines Ladenbesuchs erlebten Emotionen und ihre Wirkungen möglichst umfassend zu beschreiben, kann auf die Messung der unterschiedlich erlebten Emotionsqualitäten nicht verzichtet werden. 6.3
Implikationen der Arbeit für die Praxis
Aus den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit können Implikationen für die Praxis geschlossen werden. Zunächst zeigen sie die große Bedeutung der Emotionen für das Verhalten sowie die finalen Bewertungen und Intentionen der Besucher von Online-Shops auf. Das emotionale Erleben der Besucher eines Online-Shops beeinflusst dabei nicht nur die Einstellung zu diesem Geschäft oder die zukünftigen Verhaltensintentionen, sondern auch das Verhalten, die Entscheidungen und die Kognitionen während des Ladenbesuchs. Insofern liegt es im Interesse der Betreiber von Online-Shops, die Emotionen der Ladenbesucher zu kennen und idealerweise gezielt zu beeinflussen. Bereits das Wissen, welche Emotionen während des Online-Shop-Besuchs von den Surfern erlebt werden, zeichnet ein differenziertes Bild des Surfprozesses, das über ein eindimensionales gut vs. schlecht bzw. die in der Praxis weit verbreitet Erfassung der Usability weit hinausgeht. Mittels Erfassung der Emotionen können Probleme und Verbesserungspotenziale der Online-Shop-Gestaltung aufgedeckt werden: Fühlen sich die Besucher des Online-Shops während des Surfprozesses bspw. hilflos, können Maßnahmen getroffen werden, damit die Surfer die Kontrolle über den Prozess zurückgewinnen (bspw. einfachere Navigation, Standortanzeiger, klarere bzw. einfachere Strukturen beim Seiten- bzw. Kategorienaufbau). Zweifel könnte reduziert werden, indem Informationen zur Unsicherheitsreduktion angeboten
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werden (bspw. Herausstellung der Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten, TrustSiegel oder aussagefähige FAQs). Soll die Wirkung der Gestaltung eines Online-Shops auf dessen Besucher abgeschätzt werden, so sind globale Maße der Beschreibung der Wahrnehmung des Shops durch die potenziellen Ladenbesucher hilfreiche Indikatoren. Anders als die Betrachtung einzelner Gestaltungselemente (wie Licht, Farben oder Flash-Animation) geben diese globalen Maße Aufschluss über das Zusammenwirken dieser einzelnen Elemente in den Augen der Besucher. Außerdem kann durch sie auch die Dynamik der Wirkungen einzelner Instrumente abgeschätzt werden. Relevant ist dabei weniger die Realität der Online-Shop-Gestaltung, sondern deren Wahrnehmung durch die Ladenbesucher. Hassenzahl (2004b S. 47) fasst dies so zusammen: „Designers can shape, but they cannot determine. They can create possibilities but they cannot create certainties…Promising that a certain set of design recommendations…will always result in a particular set of emotions, may be promising more than can be delivered.” Die Wahrnehmung der Gestaltung des Online-Shops durch dessen Besucher sollte also im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. In vorliegender Arbeit konnte hierzu gezeigt werden, dass durch das Wissen der wahrgenommenen Informationsrate und der eingeschätzten Usability ein großer Anteil des emotionalen Erlebens der Online-Shop-Besucher vorhergesagt werden konnte. Beide Determinanten haben unterschiedlichen Einfluss auf einzelne Emotionen. Wird der OnlineShop als neuartig, komplex und abwechslungseich wahrgenommen (hohe Informationsrate), dann steigert dies vor allem die Intensität der erlebten positiven Emotionen, insbesondere der Begeisterung, Überraschung und des Genusses. Hier zeigt sich, dass eben nicht nur ein einzelnes Element, wie bspw. ein Avatar, die Ladenbesucher begeistert, sondern die Wahrnehmung des gesamten Online-Shops. Wird die Website trotz Avatar beim zweiten Besuch als weniger neuartig und abwechslungsreich wahrgenommen (weil sich die Besucher bspw. an den Avatar gewöhnt haben), erleben die Besucher wahrscheinlich weniger Begeisterung. Der starke Einfluss der Informationsrate führt hier zu der Empfehlung, Vorkehrungen dahingehend zu treffen, auch über einen längeren Zeitraum als neuartig und abwechslungsreich wahrgenommen zu werden. Dies kann bspw. durch die Integration der Besucher in die Gestaltung der Inhalte der Website geschehen, wie es im Web 2.0 umgesetzt wird. Hier lassen sich bereits Beispiele aus der Praxis finden, in denen Online-Shops Web 2.0-Elemente in Form von Communities oder Blogs einsetzen: So können bei einigen Online-Shops die Besucher Listen derjenigen Produkte zusammenstellen, die sie anderen Kunden empfehlen oder Kommentare und Bewertungen zu einzelnen Produkten verfassen. Andere Online-Shops sind nahe an soziale Netzwerke angelehnt: In diesen Fällen steht das Profil des einzelnen Nutzers im Vordergrund, in dem ebenfalls verzeichnet wird, welche Produkte er im Shop gekauft hat. Auf dieser Basis finden sich dann „Shopping-Freunde“, die sich gegenseitig
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6. Implikationen und Fazit
Vorschläge aus dem Produktangebot machen. Neben anderen, absatzfördernden Wirkungen kann so, bei angemessener Beteiligung der Nutzer, sichergestellt werden, dass der OnlineShop abwechslungsreich und neuartig bleibt. Neben der Informationsrate belegen die Ergebnisse dieser Arbeit den großen Einfluss der Usability auf das emotionale Erleben während der Ladenbesuche. Je besser der Online-Shop durch dessen Besucher benutzt bzw. bedient werden kann, desto weniger intensiv werden Angst, Ärger, Stress und Enttäuschung, allerdings auch Überraschung erlebt. Im Gegensatz zur Informationsrate, die insbesondere das Erleben der positiven Emotionen beeinflusst, bewirkt eine schlechte Usability weniger positive als auch intensivere negative Gefühle. Somit ist die Sicherstellung der Usability ein wesentliches Erfolgskriterium eines OnlineShops. Auch wenn diese Erkenntnis an sich nicht neu ist, konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass sich die Usability direkt im emotionalen Erleben widerspiegelt. Die Erfassung der Emotionen während des Ladenbesuchs kann also auch als Indikator für die Usability genutzt werden. Daneben hat sich gezeigt, dass Online-Shop-Besucher mit klaren Erwartungen auf die Website kommen (vgl. Coyle & Gould 2002). Aus den Ergebnissen dieser Arbeit lässt sich ableiten, dass es nicht immer von Vorteil sein muss, diese Erwartungen der Besucher genau zu treffen: Ist der Online-Shop ein wenig anders als erwartet aufgebaut, ruft dies bei Besucher, die sich mit den Surfprozess weniger stark gedank-lich beschäftigen, positivere Emotionen hervor. Es kann also durchaus eine nützliche Strategie der Online-ShopGestaltung sein, die Erwartungen der Besucher leicht zu verletzen. Auf diese Weise hebt sich der Online-Shop positiv von anderen Shops ab. Ist die Abweichung zu groß, können allerdings negativere Emotionen die Folge sein. Die Ergebnisse vorliegender Arbeit deuten zudem an, dass die Gestaltung der Online-Shops nicht unabhängig von der Motivation der Ladenbesucher wirkt: Hedonisch motivierte Besucher reagieren positiver auf eine hohe Informationsrate als utilitaristisch motivierte. Darauf kann bei der Gestaltung des Online-Shops in vielfacher Weise reagiert werden: Zum einen kann mittels der Navigation und Site-Struktur sichergestellt werden, dass utilitaristisch und hedonisch motivierte Surfer unterschiedliche Bereiche anwählen können, die auf ihre jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Daneben kann bereits aufgrund der ersten Klicks die Motivation der Ladenbesucher ermittelt werden. Die Struktur bzw. Inhalte der folgenden Seiten könnte dann entsprechend angepasst werden. Auf den Angeboten für hedonisch motivierte Surfer ist es ratsam, die Informationsrate durch zusätzliche Bilder, Animationen, Farben, nicht-kaufrelevante Informationen oder einer höheren Komplexität der dargestellten Elemente zu erhöhen. Die Seiten, die vor allem durch utilitaristisch motivierte Surfer aufgesucht werden, sollten sich stattdessen durch klare Strukturen, nützliche Elemente und Einfachheit (vs. Komplexität) auszeichnen.
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Schließlich sollten Betreiber der Online-Shops die Situation berücksichtigen, in denen ihr Online-Shop aufgerufen wird: Die Ergebnisse vorliegender Arbeit zeigen, dass die nichtvirtuelle Umgebung des Surfers einen Einfluss auf dessen Erleben und Verhalten hat. In dieser Studie wurde durch die Zweitaufgabe in der nicht-virtuellen Umwelt die für den Surfprozess zur Verfügung stehende kognitive Kapazität der Online-Shop-Besucher gesenkt. Dieses wirkte sich unter anderem in intensiver erlebten Stress und weniger Genuss aus. Es ist denkbar, dass zu bestimmten Zeiten die Besucher der Online-Shops stärkerer kognitiver Belastung ausgesetzt sind, bspw. in den Vormittagsstunden in einer kurzen Pause während der Arbeit. Umgekehrt sind die Besucher der Online-Shops möglicherweise am Wochenende ausgeruht und werden nicht abgelenkt. Darauf könnte bei der Gestaltung der Online-Shops Rück-sicht genommen werden, in dem stressreduzierende Elemente (bspw. einfachere Strukturen, weniger tiefe Hierarchien, weniger hohe Informationsrate) insbesondere zu den Zeiten eingesetzt werden, in denen zu erwarten ist, dass die Ladenbesucher stärker abgelenkt werden. In diesem Zusammenhang sind weitere Erkenntnisse nötig, um die Einflussfaktoren der nicht-virtuellen Umwelt auf den Surfprozess detailierter zu analysieren. Viele der hier gesammelten Erkenntnisse zu den Determinanten der Emotionen sowie ihren Wirkungen im Handlungsverlauf und auf finale Bewertungen müssen nicht nur auf den Kontext der Online-Shops und des Internets beschränkt bleiben: Es ist anzunehmen, dass die grundsätzlichen Prinzipien des Konsumentenverhaltens und -erlebens in virtuellen Geschäften keine anderen sind als in nicht-virtuellen Läden (vgl. Bauer 2004 S. 91). Darin liegt einer der Vorteile, wenn nicht einzelne Gestaltungselemente, sondern die Wahrnehmung der Umwelt auf globalen Dimensionen wie der Informationsrate oder der Usability betrachtet werden. Für die Übertragbarkeit der Ergebnisse auch auf nicht-virtuelle Einkaufsstätten spricht zudem, dass in dieser Studie einige Ergebnisse, die in Untersuchungen zum Erleben und Verhalten in nicht-virtuellen Geschäften gefunden wurden, repliziert werden konnten.
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