Band 3
Die Agenten von Lakton Juni 1992: Die Erde ist mitten in
um in den Besitz einer neuen,
die
Auseinander-
kos...
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Band 3
Die Agenten von Lakton Juni 1992: Die Erde ist mitten in
um in den Besitz einer neuen,
die
Auseinander-
kosmischen Waffe zu kommen.
kosmischer
Aber er muß sich den Weg zum
Rassen hineingeraten. Rex Corda
Terra-Jet hart erkämpfen. Zum
wird
auf
Terra-Jet, der einzigen Chance,
Schritt und Tritt überwacht. Sie
die der Mensch noch hat, wenn
haben erkannt, daß Corda der
die Erde überleben will. Cordas
einzige Mensch ist, der sich ihnen
Aussichten auf Erfolg sind gleich
auf der Erde mit aller Kraft und
Null, aber er gibt nicht auf. An
Entschlossenheit
Weg
seiner Seite kämpfen laktonische
riesiges
Spezialisten. Sie haben schlag-
Vernichtungsprogramm plötzlich
kräftige Waffen und viel Erfah-
gefährdet. Jetzt kennen sie nur
rung
noch ein Ziel: Rex Corda muß
Wesen
sterben! Die Hetzjagd auf Rex
Trumpfkarte die Unerschrocken-
Corda beginnt ausgerechnet zu
heit und ihr Haß auf die Feather-
dem Zeitpunkt, zu dem es den
heads grenzenlos. Verwegen und
Laktonen
zum
gewaltigen
setzungen
stellt.
von
Sie
zweier
den
Orathonen
sehen
in
den
ihr
tatsächlich
gelungen
mit ist
den
Orathonen.
geheimnisvoll,
Letzten
Ihr ihre
entschlossen
ist, erfahrene Sonderagenten auf
stürzen sie sich in den schier
die Erde zu bringen. Rex Corda
aussichtslosen Kampf. Es sind
weiß, daß er alles riskieren muß,
„Die Agenten von Lakton".
Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . provisorischer Präsident der USA, Gegner der Invasoren Sigam Agelon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ein erbitterter Gegner Cordas Nyktlys . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ein Raumschiffkommandant mit Fehlern Percip . . . . . . . . . . . . . . . . Angehöriger eines Himmelfahrtskommandos John Haick . . . . . . . . . . . . . . . . . Cordas Freund mit U-Boot-Kenntnissen
Wie ein Schemen tauchte das Raumschiff zwischen den Asteroiden auf. In halsbrecherischer Fahrt manövrierte es um einige grotesk gezackte Gesteinsbrocken herum, bevor es seine Spitze auf die Erde richtete, deren grüne Konturen in einer bläulich-weißen Korona verschwammen. An Bord dieses kleinen laktonischen Kreuzers herrschte tödliche Ruhe, die nur von dem leichten Knistern der Energieumwandler unterbrochen wurde. Der Pilot saß zusammengekauert in dem eigens auf seine Maße zurechtgeschnittenen Sessel. Es war ein seltsames Schiff. Und der Mann an Bord konnte auch nicht mit gewöhnlichen Maßstäben gemessen werden. Denn er wußte, wie dieser Flug ausgehen würde. Dieser Auftrag führte in den Tod. Es gab kein Entkommen. Zwei gigantische Hantelraumer, die in der Nähe des Mars schwebten, schoben sich plötzlich heran. Zugleich spritzten Dutzende von diskusförmigen Schiffen aus der Gegend des Ceres hervor. Wie selbständige Lebewesen tanzten die Hände des laktonischen Piloten über die Kontrollen. Ein leichtes Lächeln huschte bei dem drohenden Anblick der orathonischen Kreuzer über seine Züge. Aber das konnte keiner sehen. Der Mann war allein. Als sich die Hantelraumer wie eine Zange um das kleine laktonische Schiff schlossen, zog es in einem wahnwitzigen Manöver senkrecht zur Ekliptik nach oben. Mit zusammengepreßten Lippen blickte der Laktone auf die vielen Lichtpunkte, die jetzt sichtbar wurden. Das war die orathonische Flotte. Es mußten Hunderttausende von Raumschiffen sein, die hier auf Warteposition standen.
Jetzt explodierte ein Lichtblitz nur wenige hundert Meter neben dem laktonischen Kreuzer. Das Schiff wurde wie von einer titanischen Faust geschüttelt. Es gab keinen Durchbruch, kein Entkommen! Der kleine laktonische Kreuzer hatte in kurzer Frist die Aufmerksamkeit der gesamten orathonischen Wachflotte auf sich gelenkt. Mit überraschenden Manövern konnte der Pilot wieder ein paar Minuten gewinnen, wichtige Minuten. Die Diskusschiffe gaben ihm den Todesstoß. Im Kreuzfeuer ihrer Energiestrahlen brach der Abwehrschirm des laktonischen Kreuzers zusammen. Systematisch wurde das Schiff zerfetzt. Der Gegner kannte keine Gnade. Manövrierunfähig taumelte das todgeweihte Schiff durch den Raum. Als die schwarze Masse eines orathonischen Hantelraumers auftauchte, senkte sich der Zeigefinger des laktonischen Piloten auf einen roten Knopf. Ein triumphierendes Leuchten stand in seinen Augen. Im nächsten Augenblick existierte der Kreuzer nicht mehr. Aber auch der Hantelraumer war schwer getroffen. Sein Rumpf brannte wie eine Fackel. Drei Diskusraumer zersplitterten in einer vernichtenden Explosion. * Verächtlich kräuselten sich die Lippen des orathonischen Flottenkommandanten, als er die verzweifelten Aktionen des laktonischen Kreuzers auf seinem Bildschirm verfolgte. Sigam Agelon hätte mit einem Wink Hunderte von Schiffen auf das feindliche Schiff hetzen können, aber er glaubte nicht, daß sich der Aufwand lohnte. Dann zerbiß der oberste Kommandant einen Fluch zwischen den Lippen.
Das laktonische Schiff stand kurz vor der Vernichtung, aber es war noch gefährlich und unberechenbar. Plötzlich geschah es! Fassungslos sah Sigam Agelon, wie das mächtige Schiff taumelte, als es von der Explosion des kleinen Laktonen-Kreuzers erfaßt wurde. Drei Diskusraumer wurden in den tödlichen Strudel hineingezogen. Wütend bellte Agelon Befehle, beorderte Admirale zu sich und hetzte Bronzeroboter durch die Gänge. Wenige Augenblicke später waren Strategen und Mathematiker um den Kommandanten versammelt. Das Ergebnis der Untersuchung war eindeutig: Der Rückzug des Hantelraumers war zu spät eingeleitet worden. Agelon nahm sich vor, den Kapitän dieses Hantelraumers, sollte er noch leben, auf das schimpflichste zu degradieren. Es galt keine Entschuldigung! Der oberste Orathone gab gerade den Befehl, daß man den unfähigen Kapitän zu ihm bringen solle, als ihn ein alarmierendes Summen herumfahren ließ. Unterhalb des dreidimensionalen Bildschirmes blinkte eine rote Lampe rhythmisch auf. Ein unbekanntes Flugobjekt raste in wahnwitziger Beschleunigung auf die Erde zu. Es schien, als wäre das Schiff geradewegs aus der Sonne gestürzt. Blitzschnell kamen jetzt präzise Kommandos über die Lippen des obersten Orathonen. Es war ihm klar, welchen Zweck das Auftauchen des ersten laktonischen Kreuzers gehabt hatte. Das war nur ein Himmelfahrtskommando gewesen, das dem zweiten laktonischen Kreuzer den Weg ebnen sollte. Unter allen Umständen schienen die Laktonen zur Erde durchbrechen zu wollen. Das mußte verhindert werden! Koste es, was es wolle ...
* Der Laktone Percip machte sich keine Illusionen. Seine Überlebenschancen standen 100 : 1. Aber der Ausgang seines Vorhabens konnte die Schlacht, die in wenigen Tagen im System Sol toben würde, entscheidend beeinflussen. Das laktonische Raumschiff schoß auf die Erde zu, und es würde nur noch wenige Augenblicke dauern, bis die Umlaufbahn des Mondes erreicht war. Drei Laktonen befanden sich an Bord dieses Schiffes, der Sonderagent Percip, der den Rang eines Obersten hatte, Offizier, Youmey, der die Bordwaffen bediente, und Tellum, der Pilot. Zuvor hatten die Männer kurz an Kamerdane gedacht, der die Aufmerksamkeit der Flotte auf sich gelenkt hatte und in einer Hölle entfesselter Energien vergangen war. Aber für sentimentale Gedanken blieb keine Zeit. Eine Mauer von leichten orathonischen Schiffen, darunter auch einige Hantelraumer, schnitt ihnen den Weg ab. Jetzt kam Leben in den Piloten der „Varnal", dieses modernsten und zugleich ungewöhnlichsten Kreuzers der laktonischen Flotte. „Varnal", das war ein Leitgedanke, der jedem der drei Besatzungsmitglieder hinter der Stirn brannte. „Varnal", ein häufig gebrauchtes Wort der laktonischen Sprache, bedeutete soviel wie Sieg, Angriff, Hoffnung. Aber es gab keine Hoffnung auf einen Durchbruch zur Erde. Das war unmöglich. Kein feindliches Schiff konnte auf diesem Planeten landen, der zur Festung der Orathonen geworden war. „Wenn wir ein Schiff nicht als Ganzes auf die Erde bekommen können", hatten die laktonischen Strategen gesagt, „dann doch wenigs-
tens einen Teil davon!" Man hatte die „Varnal" in fieberhafter Eile umgebaut. Es blieb nur zu hoffen, daß die Sache funktionierte. Eine Erprobung gab es nicht, denn sie schloß automatisch die Zerstörung des Schiffes mit ein. Das Schicksal der „Varnal" war besiegelt. Allerdings anders, als sich das die Orathonen dachten. Die ganze Fläche des Bildschirms wurde von dem gigantischen, in einem leuchtenden Blau blinkenden Ball der Erde eingenommen. Noch war die „Varnal" zu schnell, um gezielt angegriffen zu werden, aber jetzt mußte Tellum die Bremsmanöver einleiten. Vor ihnen erschien etwas, näherte sich dann rasend schnell. Das Ding sah aus wie eine Kugel, aber sie schien aus glühender Materie zu bestehen. Von ihrer Oberfläche schossen kleine Eruptionen in den Weltraum. Eine Superwaffe der Orathonen, von unheimlicher Durchschlagskraft! Oberst Percip wußte, daß diese ferngelenkten Feuerbälle ein Schiff sogar auf einer gekrümmten Bahn verfolgen konnten. Doch das war nur innerhalb weniger Minuten möglich. Die hochaktiven Isotopen verzehrten sich selbst. In wenigen Augenblicken würde die Flammenkugel wie eine ersterbende Sonne in sich zusammenfallen. Tellum zog das Schiff steil nach „oben". Es war grotesk zu sehen, wie die Kugel plötzlich ihre Bahn änderte, herumschwenkte und sich wieder der „Varnal" näherte. Aber sie erreichte den Kreuzer der Laktonen nicht. Wild um ihre eigene Achse rotierend, verpuffte sie zu winzigen glimmenden Energieteilchen. Aus dem jetzt geschlossenen Verband der orathonischen Kreuzer lösten sich weitere Energiekugeln und suchten
nach ihrem Ziel. Die geringste Berührung würde den Schutzschirm rasch zusammenbrechen lassen. Die nächste Energieballung konnte darauf wie eine ansteckende Krankheit ihre Kettenreaktion auf die „Varnal" übertragen. Das Laktonen-Schiff tanzte wie ein Kork auf den Wogen einer stürmischen See. Immer wieder gelang es Tellum, den vorbeiflitzenden tödlichen Bällen auszu weichen. Eine tanzende glühende Wand von Feuerkugeln verdeckte jetzt die Erde. Plötzlich riß Tellum das Schiff steil in die „Tiefe", daß die überbeanspruchten Energieumwandler aufdröhnten. Dann stand die „Varnal" fast bewegungslos im Raum. Zwei Kugeln stießen an der Stelle zusammen, wo sich vor wenigen Mikrosekunden noch das Schiff befunden hatte. Die Druckwelle warf den Kreuzer vorwärts, aber unter dem Energieansturm wankte auch die Reihe der orathonischen Schiffe. Die Kugeln tanzten wie Irrlichter! „Los!" brüllte Oberst Percip, der eine Chance erkannt hatte. Noch immer befanden sie sich zu weit von der Erde entfernt, um ihr Vorhaben auszuführen. Tellum, der Pilot, warf das in seinen Fugen ächzende Schiff voran. Um Haaresbreite streifte es eines der absolut tödlichen Geschosse. Einen Augenblick glaubte Percip, das verräterische Knistern eines zusammenbrechenden Energiefeldes gehört zu haben. Youmey hatte in kürzester Zeit eine Technik an der Strahlkanone entwikkelt, mit deren Hilfe er die tanzenden, nahezu unberechenbaren Glutbälle ablenken konnte. Das stiftete einige Verwirrung unter den orathonischen Schiffen, die ihren eigenen Geschossen ausweichen mußten. Die Erde war zum Greifen nahe. Und dennoch zu weit entfernt!
Ein schmetternder Schlag schleuderte die „Varnal" durch den Raum. Tellum warf sich auf seinem Drehsessel herum, nachdem er die Hände von den nun wirkungslosen Kontrollen genommen hatte. Jetzt war die Zeit zum Handeln gekommen. Die Laktonen schlüpften in ihre Spezialanzüge, während das Schiff sich unter den Stößen aufbäumte. Steuerlos taumelte die „Varnal" auf die Erde zu. Die Orathonen nahmen den Gegner nicht ernst genug. Mit einem einzigen Schlage hätten sie das laktonische Schiff vernichten können. Sie taten es nicht. Sie ließen sich Zeit. Sie machten eine Übung aus der Vernichtung der „Varnal" — und erfüllten damit die Berechnungen der laktonischen Abwehr. Die Schiffe der Orathonen bildeten einen schwärmenden Haufen um den Kreuzer. Wie seltsame blutgierige Raubvögel stießen sie wieder und wieder auf ihr hilfloses Opfer hinab. Zwei grelle Lichtblitze unvorstellbarer Energie ließen die hintere Partie des Schiffes einfach wegschmelzen. An der Außenhülle, dicht neben der Hauptschleuse, wurden drei winzige schwarze Punkte von der Druckwelle fast ins All gerissen. Dann brach die „Varnal" auseinander. Splitter schwirrten nach allen Seiten, glühende Bruchstücke bohrten sich durch Schutzschirme oder fetzten als Querschläger davon. Die drei winzigen schwarzen Punkte hatten sich zuvor von der zerrissenen Masse des Kreuzers gelöst und fielen auf die Erde zu. Mit ihnen ein großes Stück aus dem Mittelteil der „Varnal". Unter ihnen schimmerte in silbrigem Blau der Pazifik. * Mit unbeweglichem Gesicht starrte
Sigam Agelon auf den Bildschirm. Er sah, wie die Bruchstücke des laktonischen Kreuzers auf die Erde stürzten. Das Neuformieren seiner Flotte beachtete er nicht. Kein Muskel zuckte im Gesicht des Gefiederten, als er sich umwandte. Kühl ging sein Blick über die versammelten Generale. Die Tür zum Kommandoraum schwang auf. Zwei Bronceroboter erschienen. Hinter ihnen schritt die massige Gestalt eines orathonischen Raumschiff-Kommandanten. Vor der in seinen roten Mantel gehüllten Gestalt Agelons blieben die Bronzenen stehen. „AGNB-76498", meldete der eine Roboter schnarrend. „Befehlsgemäße Überführung des Kommandanten Nyktlys erfolgt!" Sigam Agelon nickte kurz. Die Roboter traten nach rechts und links heraus. Auf einen Wink des Obersten Orathonen verschwanden sie. Dann wandte sich Agelon dem Kommandanten Nyktlys zu. Der Gefiederte sah aus, als ob er Fesseln trüge, aber das war eine Täuschung. Die Haltung des Mannes war gebückt, ehrerbietig. Seine Lippen zuckten, aber die Augen blickten klar und stolz. Der Orathone zuckte nur kurz zusammen, als Agelon plötzlich auf ihn zutrat und ihm mit einer einzigen Bewegung die Edelsteine von den Schultern riß. Achtlos warf der Oberste Orathone die Rangabzeichen auf den metallenen Boden. „Sie haben versagt, Nyktlys", knurrte er leise, aber ein stählerner, unbarmherziger Unterton lag in der Stimme Agelons. „Sie werden keine Gelegenheit mehr bekommen, ein Raumschiff zu führen!" Eine Bewegung ging durch die Generale, die starr die demütigende Szene betrachtet hatten. Aber keiner wagte
einen Kommentar. „Sie kennen die Strafe, die auf Versagen steht!" donnerte Sigam Agelon. Nyktlys neigte den Kopf. Ein Wort der Verteidigung hätte seinen sofortigen Tod bedeutet. „Lebenslänglicher untergeordneter Dienst auf Ihrem früheren Schiff, sobald die Reparaturen abgeschlossen sind. Den Rest Ihres Lebens werden Sie unwichtige, gefahrlose Aufgaben haben, als geringster Mann an Bord!" Nyktlys biß sich auf die Lippen. Die schlimmste Marter war nichts gegen diese Strafe, die seinen Stolz brechen sollte. Einen langen Augenblick lastete das Schweigen im Kommandoraum. Kein Atemzug war zu hören. „Dennoch", kam es kalt von Agelons Lippen, „werde ich Ihnen Gelegenheit geben, sich wenigstens teilweise zu rehabilitieren. Ab sofort überwachen Sie den Terraner Rex Corda. Über jeden seiner Schritte haben Sie mir persönlich Mitteilung zu machen. In Ihrem Interesse hoffe ich, daß Sie sich hierbei nicht noch einmal einen Schnitzer leisten. Hoffentlich habe ich nicht zuviel verlangt!" Der ätzende nackte Hohn dieser Worte tropfte durch die Stille. Sigam Agelon wandte sich brüsk ab. * NORAD, die teuerste Höhle der Welt, wie sie einmal genannt worden war, früherer Sitz des Nordamerikanischen Luftverteidigungskommandos, wimmelte von den Hilfstruppen der Orathonen. Jeden Winkel hatten die Außerirdischen durchforscht, überall tauchten die Bronceroboter auf. Dennoch ahnte kein Orathone, daß sich unter den 426 Metern soliden Granits einige ihrer erbittertsten Feinde befanden.
Zusammen mit Rex Corda, dem jungen Senator, der Präsident der Vereinigten Staaten geworden war, nachdem in der Gluthölle des untergegangenen Washington die gesamte amerikanische Führungsspitze gestorben war, leiteten der Laktone Fatlo Bekoval und die amerikanischen Generale Jake Dingel und Abel Th. Emerson die Untergrundaktionen gegen die Invasoren. Ein verborgener Raum war durch einen schwenkbaren Maschinenteil vor neugierigen Augen geschützt. Hier standen Menschen und Laktonen über Karten und Konstruktionszeichnungen gebeugt. Nur ihr vereinigtes Wissen machte einen organisierten Widerstand gegen die Orathonen möglich. Erregt wandte sich der Laktone Fatlo Bekoval an seine terranischen Verbündeten und sprudelte hastig einige Worte hervor. Mit einer ungeduldigen Handbewegung forderte er den kleinen Kynother Ga-Venga auf, die eben erhaltene Nachricht zu erklären. Sie war über das kleine Hochleistungsgerät gekommen, das sich bei der Agentenausrüstung des ermordeten Laktonen befunden hatte, dessen Namen keiner kannte. Ga-Venga strich sich über den schreiend roten Brustkeil auf seiner schwarzen Kombination. Er schien sich über die Erregung des massigen Laktonen zu amüsieren. „Bekoval hat eben einen Hilferuf von einigen seiner Freunde bekommen, denen es gelang, auf Rex Cordas Notruf hin zur Erde durchzubrechen. Sie müssen in der Nähe der mexikanischen Grenze gelandet sein." „Ihr scheint das ja ziemlich genau zu wissen!" meinte Rex Corda. Seine blauen Augen leuchteten in verhaltenem Feuer. Ga-Venga blickte ihn aufmerksam an. Der Kynother lächelte. Er wußte, daß sie die Terraner immer wieder mit
ihren genauen Kenntnissen über die Topographie der Erde in Erstaunen versetzten. Wieder stieß Bekoval ein paar Worte hervor. Die fremden Laute grollten in der breiten Brust. „Jetzt geben sie laufend Peilzeichen über die gleiche Frequenz ab. Sie brauchen unbedingt Hilfe!" übersetzte GaVenga. „Die Agenten wurden beim Absturz verletzt und fürchten, daß sie bald entdeckt werden." Rex Corda sprang auf. Seine Augen leuchteten intensiv. „Könnt ihr den Standort genau bestimmen?" Ga-Venga wandte sich an Bekoval, der zu der großen Karte an der Stirnseite des Raumes ging. Sein Finger wies auf eine Stelle etwa 500 Kilometer westlich von Colorado Springs. Eine Gegend, die sich an den südlichen Ausläufern der Rocky Mountains befand, etwa 200 Kilometer von der mexikanischen Grenze entfernt. „Los! Gehen wir!" bellte Fatlo Bekoval. Er atmete tief ein. Die mächtigen Fäuste ballten sich. Die Männer drehten sich überrascht um. Ga-Venga kicherte. „Manchmal", gluckste er, „läßt er sich auch dazu herab, in eurer Sprache zu sprechen. Bildet euch aber nichts darauf ein", fügte der Kynother boshaft hinzu. Rex Corda lächelte kantig. „Sag ihm, daß er nicht gehen wird. Die Gegend wimmelt von Orathonen und ihren Hilfstruppen. Jeder, der hierher ins NORAD kommt oder hinaus will, wird dreimal bis aufs Hemd ausgezogen!" „Wäre doch mal ein Erlebnis!" grinste Ga-Venga. Bekoval knirschte mit den Zähnen. „Er sagte", übersetzte Ga-Venga, „daß man den Agenten unbedingt helfen
muß. Ihre Waffen und Informationen sind lebenswichtig!" „Okay", meinte Rex Corda, „natürlich holen wir sie. Aber ohne Bevokal. Wir, das sind John Haick, Ga-Venga und ich!" Unter dem Tisch ließ sich ein Knurren vernehmen. Dann kam eine dunkle Schnauze hervor. Die intelligenten Augen des Schäferhundes blickten auf Rex Corda. „Und natürlich Nukleon", lächelte Rex Corda. Wieder war ein Knurren zu hören, aber es klang befriedigt. „Ihr seid hier sicher", wandte sich Rex Corda an seine Freunde und an die Laktonen. Dann griff der junge Senator nach der Agententasche auf dem Tisch. Fatlo Bekovals Augen flammten auf. „Sag ihm, Ga-Venga", meinte Rex Corda gleichmütig, „daß wir die Kanone brauchen. Seine Freunde können wir schließlich nicht mit bloßen Händen herausholen!" Über die Fernsehkameras überprüften sie den Gang, an dessen Ende der große schwenkbare Maschinenblock stand. Dank der genialen Konstruktion John Haicks verdeckte er die schräg nach unten verlaufenden Stufen. Der Gang war frei. Die Maschine schwang zur Seite. Aus der dunklen Öffnung im Metall des Bodens schwangen sich drei Gestalten in Uniformen. Der massige Komplex der Maschine drehte sich zurück. Nichts verriet, daß unter ihr das Hauptquartier der terranisch-laktonischen Widerstandsbewegung untergebracht war. Rex Corda mußte unwillkürlich grinsen, als er John Haick und Ga-Venga ansah. Haick war nicht von einem normalen Army-Korporal zu unterscheiden, wenn man davon absah, daß er höchst unmili-
tärisch schmunzelte. Ga-Venga steckte in einer viel zu großen Uniform. Um seine eigenartige Haartracht zu verbergen, hatte man versucht, ihm einen Stahlhelm zu geben. Aber es war kein passender für den kleinen Kynother aufzutreiben. So hatte er sich eine Army-Mütze bis weit über die Ohren gezogen. Die drei „Soldaten" marschierten, gefolgt von Nukleon, die Gänge entlang, stiegen in einen kleinen Jeep und näherten sich der Nordschleuse, die von Militärs und zwei Bronzerobotern überwacht wurde. Hier fanden die Kontrollen statt. Für Rex Corda und seine Freunde eine gefährliche Angelegenheit. Ein orathonischer Bronzeroboter würde sich kaum lange Erklärungen anhören, wenn er einen laktonischen Magnet-Smash und einen Hochleistungsempfänger bei einem Terraner entdeckte. Auch Ga-Venga hatte hier soviel verloren wie eine Schneeflocke in der Gluthölle des Merkur. Die Bronzeroboter würdigten die drei „Soldaten" keines Blickes, aber ein Wachoffizier kam herüber. Er ließ sich von John Haick die Genehmigung zeigen, studierte sie kurz, grüßte und reichte sie zurück. Plötzlich riß er erstaunt die Augen auf. „Sir", würgte er hervor, „Sie sind . .. ich dachte..." Ehrerbietig salutierte er noch einmal. Die Bronzenen blickten bereits herüber. „Kerl", zischte John Haick, „wenn du uns jetzt nicht unauffällig durchläßt, kommst du vor's Kriegsgericht. Meinst du, wir haben uns zum Spaß die Uniformen übergezogen?" Der Soldat kapierte. Das Tor öffnete sich. Während der Jeep voranschoß, blickte Rex Corda zu den Bronzenen hinüber. Sie waren auf-
merksam geworden und setzten sich in Bewegung. Die Tore schlossen sich hinter dem Jeep, aber mit den Männern schwang sich ein Ätzer ins Freie. Anscheinend ziellos flatterte das gefährliche Tier hin und her, während die drei Männer und der Schäferhund in einen Gleiter stiegen. * Kurz vor Colorado Springs sahen sie den dunklen Schatten hinter sich, der rasch aufholte. Es war der Ätzer! Es war undenkbar, daß dieses massige Tier die Höchstgeschwindigkeit von 300 Kilometern pro Stunde mithalten konnte. Aber nicht nur das, das grauenhafte Wesen näherte sich unaufhaltsam! Unmöglich konnte reine Muskelkraft das riesige Geschöpf in der Luft halten und ihm dazu noch diese Geschwindigkeit geben. Jetzt hing er wie ein drohendes Verhängnis über dem dahinjagenden Gleiter. Die Ränder des Ätzers schwangen leicht und scheinbar mühelos wie Quallen im Ozean. Aber die gefährlichste Gift-Qualle der Erde war harmlos gegen die unheimlich schnell wirkende Säure des Ätzers. Der Tag war sonnig und klar. Kleine rötliche Wolken schwebten über dem Horizont, aber sie waren nicht natürlichen Ursprungs. In der Ferne landeten orathonische Raumschiffe. Das Brüllen der aufgewühlten Luftmassen war über Kilometer hinweg zu hören. Als der Schatten verschwand, blickten die Männer nach oben. Der Ätzer raste schräg in den Himmel, blieb jedoch immer über ihnen. Unter dem Gleiter zogen die ersten Vororte von Colorado Springs hinweg. Die Stadt bot ein Bild der Verwü-
stung. Die Straßen waren zu gläserner farbiger Schlacke zerschmolzen. Die Häuser waren verkohlt und eingefallen. An der Stelle versunkener Stadtteile gähnten gigantische Krater. Sie sahen keinen Menschen. Die Welle der plündernden Whims hatte die Stadt überschwemmt und die Reste der Bevölkerung vertrieben. Nukleon bellte plötzlich. Der Ätzer flatterte wieder auf den Gleiter zu. Seine Giftfäden peitschten wild die Luft. „Er will uns abdrängen!" brüllte Haick, der am Steuer saß. „Landen!" befahl Rex Corda. Mit urwelthafter Kraft drückte der Ätzer den Gleiter zu Boden. Sein tonnenschweres Gewicht lastete auf der Oberseite des Sonnengleiters, die Ränder schlugen herum und klatschten gegen die Scheiben. Berstend schlug der Gleiter auf. Die Umklammerung des Tieres löste sich etwas. Eine Tür öffnete sich. Die Männer und der Hund stürzten ins Freie. Auf der anderen Straßenseite befand sich ein äußerlich noch intaktes Gebäude. Eine Großgarage. Die Männer hetzten in den offenen Eingang und warfen sich in Deckung. Der Ätzer löste sich von dem Fahrzeug. Das Tier hatte gemerkt, daß ihm die Menschen entkommen waren. Winzige Stahlnadeln schossen aus der Mündung des Magnet-Smash, bohrten sich in den pelzigen flachen Körper des grauenhaften Lebewesens und explodierten im Innern. Die Wirkung war gleich null! Die Männer und Nukleon zogen sich tiefer in die große Montagehalle zurück, aber einen Schutz vor dem Ätzer gab es nicht. Plötzlich wurde es dunkel. Flatternd drängte sich das außerirdische Lebewesen durch den für ihn viel zu kleinen Eingang. Dann erhob es sich bis zur
Decke und hatte sofort die Männer erspäht. Sie rannten um ihr Leben. Rex Corda drehte sich um, im Laufen feuernd. Der Ätzer,schwang sich um einen Stahlträger herum, wich mit schlafwandlerischer Sicherheit einem Betonpfeiler aus und flog dann auf Corda zu. In diesem Augenblick stolperte der Senator über eine Eisenschwelle und fiel schwer zu Boden. Im Bruchteil einer Sekunde war der Ätzer heran. Corda hörte Ga-Vengas warnenden Schrei. Er machte eine Rolle rückwärts, warf sich hinter einem Pfeiler zur Seite und war für Sekunden in Sicherheit. Es war ein grausames Spiel, das dieses unglaubliche Lebewesen mit ihm trieb. Wirkungslos fuhren die Nadeln in das dunkle behaarte Fleisch. Der Ätzer schien seine Verletzungen überhaupt nicht zu spüren. Das Spiel war jetzt zu Ende. Der Ätzer hatte Corda von den Säulen weggetrieben, und der Senator stand auf der freien Fläche der Halle. Die nächste Säule war zu weit entfernt, über fünf Meter. Der Ätzer hing bewegungslos über ihm. Noch machte er von seiner Säure keinen Gebrauch. Die Unterseite dieses Wesens wies in der Mitte des dunklen Pelzes eine freie Stelle auf, kreisrund, mit einem Radius von einem halben Meter. Die lederartige nackte Haut zeigte an dieser Stelle grünliche und rote Streifen, die ein unregelmäßiges Muster bildeten. Rex Corda erschauerte. Durch das dichte Haar erkannte er die gelben, flammenden Augen des Ätzers und die drohenden Zähne, die als heiße Zackenlinien in dem lautlos zuckenden Maul drohten. Plötzlich zog sich peitschender Schmerz vom Nacken her durch Cordas Kopf. Er stöhnte gepeinigt. Seine Hände fuhren zum Nacken. Er fühlte, wie wil-
der unkontrollierter Haß in ihm aufstieg. Seine Muskeln verkrampften sich. Starr blickte er nach oben. Er fühlte eine Bewegung neben sich. Er wußte sofort, daß es Nukleon war. Etwas Geheimnisvolles verband ihn plötzlich mit dem Hund, der sich neben ihm auf den Boden kauerte und wütend knurrte. Es war ein rasselndes Knurren, das aus der tiefsten Kehle kam. Nukleon bellte und schnellte in die Höhe. Die dunkle Schnauze schnappte furchtlos nach der außerirdischen Bestie. Rex Corda fühlte sich auf einmal leicht und befreit, obwohl der glühende Haß noch immer in ihm tobte und die brennenden Gedanken sein Hirn marterten. Doch in diesem Augenblick übernahm jener geheimnisvolle Sonderteil seines Hirns wieder einmal die Macht. Er drängte sich kraftvoll nach vorn. Es war, als ob eine zweite Persönlichkeit in Rex Corda erwachte, die sogleich mit einem Teil Nukleons verschmolz. Während die gelben Augen des Monsters auf ihn herabstarrten, während der Ätzer zu seinem vernichtenden Angriff ansetzte, potenzierten sich jene geheimnisvollen Kräfte in Cordas Hirn mit denen Nukleons. Die Wirklichkeit versank. Rex Corda vergaß Zeit und Raum. Er wußte sich dem vernichtenden Griff des Ätzers ausgesetzt. Er taumelte unter dem Schrei seines Selbsterhaltungstriebes, der die Macht des mutierten Hirnes nutzte. Ein Strom von Angst, Haß und Überlebenswillen prallte auf das primitive Hirn des Ätzers. Das Monster war diesem Ansturm nicht gewachsen. Es überwand die Impulse seines semibiotischen Conductors. Die Ränder dieses Wesens, das wie ein mächtiger pelzüberzogener Teppich aussah, begannen zu flattern. Der Ätzer verlor die Kontrolle über seine Nervenbahnen.
Taumelnd, wie ein monströser, unbeschreiblich häßlicher Nachtfalter, glitt der Ätzer aus der Halle, schwebte schräg und unsicher auf ein Haus zu, prallte gegen eine Mauer und schwankte weiter. Er schien plötzlich die Fähigkeit des Fliegens verlernt zu haben. Schwerfällig erhob sich das dunkle Monstrum, stieß einen heiseren Schrei aus und taumelte über die Ruinen, bis es nicht mehr zu sehen war. Rex Corda fuhr geistesabwesend über seine schweißnasse Stirn. Er konnte das eben Geschehene noch nicht fassen. Als die feuchte Zunge Nukleons über seine Hand fuhr, beugte er sich hinunter und klopfte dem Schäferhund das Fell. Die intelligenten Augen des Hundes musterten den Mann aufmerksam. Keuchend näherten sich John Haick und Ga-Venga. Sie wollten Fragen stellen, aber für Erklärungen war jetzt keine Zeit. Sie mußten schnellstens verschwinden. Wenn der Ätzer zu ihrer Bewachung abkommandiert worden war, würden die Orathonen nicht lange auf sich warten lassen. Als die Männer auf die Straße traten, stieß John Haick einen Schrei der Enttäuschung aus. Auch Ga-Venga war der Humor vergangen. Der Gleiter bestand nur noch aus einem wirren Haufen verbogenen Metalls. * Drei winzige Punkte wirbelten durch die Luftmoleküle der irdischen Exosphäre wie tote, fallende Blätter im Herbststurm. Im selben Augenblick, als er zu sich kam, wußte Percip auch, wo er sich befand. Die Luft strich pfeifend an der Sichtplatte seines Helms vorbei. Ab und zu sah der Laktone den grün-blauen Bogen der Erdkrümmung. Er drehte sich in
einer komplizierten Bewegung um sich selbst. Aber diese Bewegung war nicht regelmäßig, da sein Körper von den stürmischen Winden der oberen Luftschichten hin- und hergerissen wurde. Übelkeit übermannte ihn, und Percip schloß die Augen. Gewaltsam konzentrierte er sich, um nicht erneut das Bewußtsein zu verlieren. Er mußte die Verbindung mit den anderen herstellen. In seinem schweren Raumanzug wirkte der Laktone wie ein monströser Roboter. Das Antriebsaggregat auf dem Rücken, dicht unter dem Spezial-Fallschirm, verstärkte noch den grotesken Eindruck. Mit kurzen Stößen der Raketen gelang es Percip, die unerträgliche Drehbewegung auszuschalten. Jetzt raste er wie ein Stein auf die rasch anwachsende Erde zu. Das Gefühl des Fallens, das höllische Zischen der vorbeistreichenden Luft und die Ülbelkeit waren zu ertragen. Nicht aber die Ungewißheit. Oberst Percip drückte die Kommunikationstaste, die sich im Innern der Handschuhe befand. Keine Antwort. Wieder und wieder aktivierte der Laktone den kleinen Sender, der in den Kopfhörern seiner Gefährten ein durchdringendes Pfeifen erzeugte. Dieser schrille Ton war im höchsten Maße quälend, aber es mußte sein! Dann kam die erste Antwort. Youmey schaltete die Sperre aus und meldete sich auf normaler Frequenz. Ein schwaches Stöhnen drang durch Percips Kopfhörer. „Youmey?" brüllte Percip. Wieder das Stöhnen. „Youmey!" schrie Percip, „du mußt deine Fallbewegung korrigieren und unter Kontrolle bringen. Bist du verletzt?" „Nein", kam schwach die Antwort,
„werde es versuchen!" Sekunden später meldete sich Tellum. „Wo seid ihr?" rief er, „ich komme mit dem verdammten Bildschirm nicht klar!" Unterhalb üer Sichtscheibe, im Innern des ungefügen Spezialanzugs, befand sich ein winziger Fernsehschirm, auf dem die drei Laktonen als kleine grüne Punkte erschienen. Die Agenten hatten diesen Teil des Auftrags geprobt, so daß sie sich auch unter extremen Bedingungen schon im Fall einander nähern konnten. Bei diesem Einsatz war die gemeinsame Landung lebenswichtig! „Gut!" sagte Tellum wenige Augenblicke später, „ich ,sehe' euch. Was nun?" „Bremst ab!" befahl Percip. „Stufe drei!" Nach seinen präzisen Anweisungen verringerte sich der Abstand der drei Laktonen zusehends. „Wie geht es der ,Varnal'?" erkundigte sich Youmey plötzlich. „Planmäßig", sagte Tellum, „ich habe sie bis zu diesem Augenblick verfolgt. Kurz über dem Meer arbeiteten die Düsen noch!" Dann war das unglaubliche Experiment gelungen, schoß es Percip durch den Kopf, während er seinen Kurs korrigierte. Die Bremsdüsen, mit denen das kleine Mittelstück zusätzlich versehen war, hatten planmäßig gezündet. Wenige Kilometer über dem Boden wurde die eigentliche Landung eingeleitet. Über den laktonischen Agenten breitete sich eine kleine Metallfläche auseinander, die die Funktion eines Fallschirms erfüllte. Dann begannen die Düsenaggregate zu arbeiten. Die Landung war geglückt! Wenige Sekunden genügten Oberst
Percip, um aus seinem sperrigen Anzug zu klettern. Seine Gefährten waren nach seiner Schätzung im nächsten Tal niedergegangen. Der Laktone eilte die steinige Anhöhe hinauf, die das Tal vor seinem Blick verbarg. Obwohl Percip auf der Erde gute zwei Zentner wog, machte ihm das Steigen nichts aus. Sein junger Körper war durch härtestes Training gestählt. Außerdem war die Gravitation seiner Heimatwelt Lithalon weitaus stärker als die der Erde. Percip kletterte über zwei mächtige Felsen, sprang über einen klaffenden Spalt und befand sich auf dem Gipfel. Sofort hatte er sich orientiert. Seine dunklen Augen weiteten sich entsetzt. In riesigen Sprüngen hetzte er den Abhang hinunter, im Laufen die Waffe entsichernd. * Ein orathonischer Diskus surrte fast lautlos über den vor Hitze flirrenden Himmel. Rex Corda hatte ihn zuerst gesichtet. „Nicht bewegen!" stieß er hervor. Dann war der Schatten über ihnen. Die Männer preßten sich eng in das Dunkel einer versengten Mauer, die Blicke zum Himmel erhoben. Nukleon lief schweifwedelnd einige Schritte weit und drehte sich hechelnd um. Die Gefahr schien vorbei zu sein. Die Druckwelle einer Explosion warf sie zurück. Rauhe Schreie kamen aus der nächsten Seitenstraße, ein Maschinengewehr begann zu rattern. Wieder eine Explosion. Das Maschinengewehr verstummte. Mit langen Sprüngen, Nukleon neben sich, eilte Rex Corda die verbrannte Straßenschlucht entlang. John Haick und Ga-Venga folgten ihnen. Hinter der Straßenbiegung bot sich ein erschreckendes Bild. Die Straße er-
weiterte sich hier zu einem Platz, einer ehemaligen Grünanlage, auf der ein paar verkohlte Bäume die dürren Äste zum Himmel streckten. In der Mitte des Platzes lag ein Sonnengleiter seltsam schräg auf einer Kufe. Zwei leblose Gestalten lagen wie Lumpenbündel davor. Ein dritter Mann hetzte mit langen humpelnden Sprüngen auf die nächsten Häuser zu. Er war der Schütze. Eng an seine Brust preßte er ein Maschinengewehr. Der Mann war verletzt. Vor den Häusern brach er zusammen, taumelte aber wieder auf die Füße. Über ihm erschien ein blendender Lichtfinger, der zischend auf den Boden stieß. Wo er auftraf, kochte der Boden. Der Unbekannte schrie und zuckte zurück. Die Hitze mußte unerträglich sein, denn er ließ das Maschinengewehr fallen und schlug die Hände vor das Gesicht. „Diese Teufel!" stieß John Haick hervor. Der Mann vor den verkohlten Häusern schien an den Boden genagelt zu sein. Als sich der Strahl langsam näherte, machte sein Körper zuckende Verrenkungen, aber er kam keinen Schritt von der Stelle. Dann fraß sich die Energie über ihn hinweg und verschlang den Menschen. Der Diskus senkte sich. Rex Corda schob seine Gefährten in den nächsten Hausflur, als das Schiff der Orathonen bewegungslos über dem Erdboden verharrte. Die Luke an der Unterseite öffnete sich. Die hellen Panzer einiger Bronzeroboter glitzerten im Widerschein des Lichtes, das aus dem Inneren drang. Sie beobachteten den Platz. Fünf Minuten verharrte der Diskus an seiner Stelle, dann schoß er wie ein Pfeil in den Sonnenglast. Als sich nichts regte, gingen die Männer auf den Gleiter zu. Nukleon
durchsuchte die Umgebung. Aber auch er spürte keine Gefahr. Den beiden regungslosen Gestalten am Gleiter war nicht mehr zu helfen. Sie lagen seltsam verdreht auf dem staubigen, dunklen Boden. In ihren Körpern schien jeder Knochen gebrochen zu sein. Der Luftdruck der Explosion hatte sie zerfetzt. Rex Corda sah in die wilden, bärtigen Gesichter. Obwohl sie vom Todeskampf verzerrt waren, drückte sich eine grausame Entschlossenheit in ihnen aus. „Plünderer", stellte Rex Corda fest. Die Ladung des Gleiters bestätigte seine Worte. Alles, was die Einwohner von Colorado Springs auf ihrer überstürzten Flucht in die ruhigeren Landgebiete hatten zurücklassen müssen, fand sich im Laderaum des großen Sonnengleiters. Kleidung, Nahrungsmittel und Wertsachen waren genug vorhanden. Es fanden sich auch zwei Kisten mit Whisky. Durch den Explosionsdruck war der Gleiter mehrere Meter über den Boden geworfen worden. Er stand jetzt schief auf einer Kufe. Zwei Seitenscheiben waren zersplittert, und ein Splitter hatte eine Tür zur Hälfte aufgeschlitzt, aber der Gleiter war noch flugfähig. Die in ihrer Verankerung lockeren Sonnenbatterien klemmte John Haick wieder in ihre Kontakte. Sie starteten unter Aufbietung aller Vorsichtsmaßnahmen. Diesmal saß Rex Corda hinter dem Steuer. „Wie geht es unseren Freunden?" erkundigte sich John Haick beiläufig. GaVenga saß zusammengekauert auf dem Rücksitz, das Ortungsgerät zwischen den Knien. „Sie haben ihren Standpunkt nicht verändert", gab der Kynother bekannt. „Jedenfalls nicht in einem Radius von 300 Metern. Mehr an Genauigkeit gibt das Gerät nicht her!"
„Das läßt mehrere Schlüsse zu", meldete sich Rex Corda. „Entweder, sie sehen keinen Sinn darin, ihren Aufenthaltsort zu verlassen ..." „Oder sie haben Ärger", ergänzte John Haick. „Oder sie sind tot", meinte GaVenga. Ihm schien im Augenblick die Lust vergangen zu sein, über alles zu spotten. * Der Diskus stand ein wenig abseits, verborgen hinter zwei mächtigen Felsblöcken. Aus der Luke an der Unterseite war eine Rampe ausgefahren worden. Scheinbar träge bewegte sich ein monströses Lebewesen darauf. Es glich einer riesigen weißen Raupe. Die Bewegung fand durch Zusammenziehen und Erweitern der Körperglieder statt. Der schwarze glänzende Kopf wirkte fast wie die Karikatur eines Menschengesichts. Aber es war eine teuflische Fratze. Über dem Kopf erhoben sich fünf rote antennenartige Fühler, die nach allen Seiten pulsierten. Voll ausgestreckt hatte das Lebewesen eine Länge von vier Metern. Es war blind. Trotzdem fand es sich in der felsigen, unübersichtlichen Gegend sehr gut zurecht. Oder gerade wegen seiner Blindheit? Dieses Wesen benötigte keine Augen, es konnte etwas weit Besseres vorweisen: Radar! Percip erstarrte und warf sich zurück. Es hatte keinen Sinn, wie ein Wilder in sein Verderben zu rennen. Zuerst hatte der Laktone seinen Kameraden Youmey gesehen, der sich verzweifelt bemühte, aus seinem beschädigten Anzug freizukommen. Tellum war nicht zu sehen. Doch auch er mußte sich hier in der Nähe befinden. Percip kauerte sich hinter einen Felsen und brachte seinen Schockstrahler
in Anschlag. Die Vibrationen, die zusammen mit einem kräftigen Hitzestoß von dieser Waffe ausgingen, wirkten absolut tödlich. Auch ein Bronzeroboter würde davon in seine Bestandteile aufgelöst werden, sofern er keinen Prallschirm errichtete. Mit zusammengebissenen Zähnen beobachtete Percip, wie sich drei weitere dieser monströsen Wesen die Rampe hinunterwälzten. Percip hatte diese Lebensform noch nie gesehen, aber er erinnerte sich an ihren Namen. Das waren Sylper, eine Albinorasse, die sich in den überfluteten Höhlen einer Wasserwelt entwickelt hatte. Bisher hatte man es für unmöglich gehalten, daß es den Orathonen gelingen würde, diese Rasse, die als schwierig und unberechenbar galt, für ihren Kampf zu gewinnen. Percip verfluchte seine Ausbilder, die ihm nicht mehr über diese Monster mitgeteilt hatten. Der dritte Sylper richtete sich auf seinen letzten Gliedern auf, so daß sich der Kopf fast drei Meter über dem Erdboden befand. Der schwarze Schädel mit den roten Fühlern pendelte. Percip duckte sich tiefer in den Schatten des Felsens. Hatte ihn der Sylper bemerkt? Langsam glitt das Wesen wieder zu Boden. Diese Albinorasse schien schwerfällig und ungelenk zu sein, aber das täuschte. Mit ihren langen fließenden Bewegungen erreichten die Sylper eine Geschwindigkeit von fast 15 Kilometern in der Stunde. Das rauhe Gelände schien ihnen nichts auszumachen. Youmey hatte die Gefahr jetzt auch bemerkt. Mit seinem Raumanzug, von dem er sich noch immer nicht gelöst hatte, ließ er sich den Abhang hinunterrollen. Aber er gewann nur Sekunden. Es war unmöglich für Percip, abzudrücken. Er hätte seinen Gefährten mit getötet, denn der zweite Sylper war jetzt heran. Sein Kopf schoß steil in die Höhe,
die Antennen vibrierten so stark, daß sie kaum sichtbar waren. Dort, wo sich der Kopf an das erste Körperglied anschloß, kamen zwei rötliche Klauen zum Vorschein, packten den schweren Raumanzug Youmeys und rissen ihn zur Seite. Als sich das Wesen langsam über die bewegungslose Gestalt Youmeys beugte, krampfte Percip seine breite muskulöse Hand fester um die Waffe. Er atmete keuchend, die Adern an seinem Hals traten vor hilfloser Wut dunkel hervor. Percip legte die Waffe auf den Felsen vor ihm, um genauer zielen zu können. Er wußte, daß sein Vorhaben gefährlich war, aber er konnte seinen Gefährten nicht einfach diesem Ungeheuer überlassen. Bevor Percip abdrücken konnte, blitzte es ihm gegenüber auf. Ein langer, flammender Strahl gleißender Energie stieß zischend durch die Luft und traf auf den Sylper. Einen Augenblick war das Wesen in tosendes Feuer gehüllt. Überrascht senkte Percip wieder die Waffe. Das war Tellum, der gleichfalls in Deckung lag. Percip hätte noch einmal schießen können, aber ein Treffer aus dieser energetischen Vibro-Waffe genügte. Und Munition war kostbar, sehr kostbar! Entsetzt weiteten sich seine Augen. Die tanzenden Flammenzungen ebbten ab, erstarben, aber der Albino schien unversehrt zu sein. Er hatte sich aufgerichtet, seine roten Antennen pulsierten wieder wie rasend. Bläuliche Funken tanzten auf ihren Spitzen, als das unglaubliche Wesen die Energie absorbierte. Die Sylper waren gegen Energiestrahlen immun! Fassungslos vor sich hinfluchend sah Percip, wie die anderen drei sofort ihre Richtung änderten. Sie krochen geradewegs auf den Standplatz Tellums zu.
Percip erkannte, daß er diesen fremden Intelligenzen waffenlos gegenüberstand. Hilflos mußte er zusehen, wie seine Gefährten gemordet wurden. Dem Laktonen brach kalter Schweiß aus. Gleichzeitig verstärkte sich der herbe Geruch seines Körpers. Wütend knirschte Percip mit den Zähnen, der Spalt auf seiner Oberlippe wurde dunkel. Er mußte sich wie ein Feigling hinter seinem schützenden Felsen verkriechen. Sie allein kannten das Geheimnis der „Varnal". Alles war umsonst, wenn keiner durchkam. * Ga-Venga beugte sich über das Peilgerät. Die dünnen Finger einer kleinen Hand drehten an einem Knopf. Zwei Zeiger kreuzten sich. Ein helles Singen stand einen Augenblick in der Kabine, das Rauschen des Antriebs übertönend. „Jetzt", sagte der Kynother, „sie können nicht mehr weit sein!" Nukleon gab ein warnendes hohes Bellen von sich. „Wir landen!" brüllte Rex Corda und riß den Gleiter in rasendem Sturzflug nach unten. Er hatte den aufflammenden Punkt zwischen den Felsen entdeckt. Mündungsfeuer blitzte dort unten auf. Sie hatten ihr Ziel erreicht, vielleicht zu spät. Der Sonnengleiter schwebte dicht über dem felsigen gezackten Boden. Nukleon winselte unaufhörlich. Er witterte Gefahr, und die kam nicht von den laktonischen Agenten. „Hier liegt irgendwo ein orathonisches Schiff!" stieß Rex Corda hervor. „Und unsere Freunde haben Schwierigkeiten!" Klappernd setzte der Gleiter auf. Sofort legte er sich auf die Seite.
Die Männer und der Schäferhund sprangen auf den harten, felsigen Boden. Von ihrem Standpunkt aus war nichts zu sehen. Rex Corda war in einer Geröllhalde gelandet. Sie mündete auf eine Ebene, die offenbar aus erkalteter Lava bestand. „Ist das unsere einzige Waffe?" fragte John Haick. Er wies auf den Magnet-Smash in Rex Cordas Faust. „Im Gleiter liegt noch das Kinderspielzeug", kicherte Ga-Venga. „Damit könntet ihr auf Spatzen schießen, nicht aber auf orathonische Raumschiffe!" Er lachte, doch dann gefror ihm das Grinsen auf den Lippen. Ein Mann schrie, aber der grauenhafte Schrei kam aus keiner menschlichen Kehle. Nukleon bellte und sprang in den Gleiter zurück. Mit den Zähnen zerrte er das Maschinengewehr heraus. Wieder ertönte der grauenhafte Schrei. John Haick nahm die Waffe an sich, dann stürmten die Männer voran. Nach fünf Minuten hatten sie den Schauplatz des Kampfes erreicht. Die Männer duckten sich hinter Felsbrocken und sahen keuchend in das Tal hinunter, das bislang von einem vorspringenden Grat verborgen worden war. Große, seltsam geschichtete Quader nahmen ihnen teilweise die Sicht. Dennoch waren drei Dinge zu sehen. In einer Entfernung von knapp hundert Metern stand ein orathonischer Diskus. Die Laderampe an der Unterseite war ausgefahren. Einen Steinwurf davon entfernt lag eine schlaffe, unregelmäßig geformte Hülle, daneben eine reglose Gestalt, ein Laktone. Unter ihnen, kaum 20 Meter tiefer, bewegten sich drei monströse, raupenartige Lebewesen auf einen pausenlos feuernden Laktonen zu. Er benutzte einen Felsen als Deckung und jagte Schuß auf Schuß aus einer schweren
dunklen Waffe auf die alptraumhaften, sich stetig nähernden Wesen. Den weißlichen riesigen Raupen schienen die Energiegluten nichts anzuhaben. Doch neben ihnen splitterten und schmolzen die Felsen. Rote Antennen pendelten auf schwarzen nickenden Köpfen. Hinter ihnen kroch ein viertes dieser unbegreiflichen Wesen heran. Sie hatten den Laktonen erreicht, und die Menschen hielten den Atem an. Der Laktone stieß einen heiseren Schrei aus und schleuderte mit unheimlicher Gewalt dem nächsten grauenhaften Geschöpf seine Waffe gegen die schwarze runzelige Haut des Kopfes. Die Raupe zuckte zurück. Der Angriff schien ihr Schmerzen zu bereiten. Einer der roten Fühler war abgeknickt und schrumpfte zusehends. Das außerirdische Geschöpf fuhr in die Höhe, stieß dann jäh voran. Zwischen dem Kopf und dem ersten Körperglied erschienen scharfe Zangen. Der Laktone ließ sich zu Boden fallen, als die stählernen Kiefer dicht über seinem Kopf zusammenschnappten. Als sich der Mann wieder aufrichtete, hielt er einen zentnerschweren Stein in seinen Händen. Mit einem gewaltigen Schlag zermalmte er der Raupe den Schädel. Doch der Mann hatte keine Chance mehr. Gleichzeitig schnappten drei stählerne Zangen um seinen Leib. Während der Laktone schreiend die Arme über seinen Kopf hob, konnte sich John Haick nicht mehr beherrschen. Zusammen mit Nukleons heiserem Bellen ratterte sein Maschinengewehr. Ga-Venga sprang vor, um dem Terraner die Waffe aus der Hand zu reißen. Mitten im Sprang warf er sich überrascht zurück. Was er für ein sinnloses Kinderspielzeug gehalten hatte, mit dem man be-
stenfalls nach Spatzen schießen konnte, das spie jetzt Tod und Verderben über die sich zusammenkrümmenden weißlichen Raupenleiber. Die Monster hatten die Richtung des Angriffs blitzschnell geortet, aber John Haick hielt auf die Köpfe, streute einen breiten Strahl sengenden Bleis über die grauenhaften Wesen. In auseinanderfließenden, schleimigen Klumpen bedeckten sie die Felsen und den toten Laktonen. Ga-Venga schrie auf. Der Diskus hob sich empor, die Laderampe schleifte über den Boden. „Verstreuen!" brüllte Rex Corda. Die Männer flitzten auseinander, um dem Feind ein möglichst geringes Ziel zu bieten. Die Chancen standen eins zu tausend, aber noch war es möglich, auf geringe Entfernung die Besatzung zu erledigen, wenn sie der Diskus nicht aus der Luft erreichen konnte. Rex Corda lag hinter einem Felsblock. Seine Gedanken jagten sich fieberhaft. Das Versteckspiel konnte beginnen. Die Bühne war bereit zur Vernichtung! Das Maschinengewehr hatte sie verraten, dennoch war es die einzige Möglichkeit für sie gewesen. War der letzte laktonische Agent tot? Waren sie zu spät gekommen? Was war mit den Waffen, den wertvollen Informationen? Eine brüllende Explosion ließ die Felsen wanken. Splitter zischten durch die Luft, bohrten sich in das harte Gestein oder surrten als Querschläger davon. Rex Corda fühlte etwas heiß und sengend seine Wange streifen, ein Felsbrocken schmetterte gegen seinen Fuß. Die erste Explosion wurde von kleineren, schwächeren gefolgt. Dann herrschte Stille, endgültig. Ein paar Steine kollerten noch den Abhang hinunter, aber auch dieses leise Ge-
räusch verstummte. Ein Mann stöhnte. Es war nicht zu unterscheiden, ob es John Haick oder Ga-Venga war. Benommen rappelte sich Rex Corda hoch und schüttelte verwundert den Kopf, als er nach unten blickte. Das kleine Tal war mit unzähligen Bruchstücken und Splittern besät, rauchende Trümmer lagen konzentriert auf einer Stelle. Der Diskus war abgestürzt. Was war geschehen? Leises Bellen ertönte. Rex Corda sah den buschigen Schwanz Nukleons zwischen den Trümmern auftauchen. Das Tier kam zurückgesprungen, lief dann wieder ein paar Schritte in das Tal hinunter. Ein einsamer Mann kam langsam, als bereite ihm jeder Schritt unendliche Mühe, auf sie zu. Bei den zerfetzten, raupenähnlichen Wesen hielt er kurz inne und betrachtete die sterblichen Überreste seines Kameraden aus vor Grauen geweiteten Augen. Resigniert wandte er sich ab. Der Laktone beschattete seine Augen und gewahrte den grell leuchtenden roten Brustkeil des Kynothers. Müde hob er die Hand. Die letzten Meter mußten ihn die Männer stützen. Der Laktone murmelte ein paar Worte. Ohne daß Ga-Venga übersetzte, wußten Rex Corda und John Haick, daß es Worte des Dankes waren. Langsam legten sie die Strecke bis zum Gleiter zurück. Ga-Venga hüpfte wie ein ausgelassener Junge neben ihnen her. Als sie den schweren Laktonen quer über den Rücksitz des Gleiters gebettet hatten, schlief er augenblicklich ein. Seine gespannten, harten Züge wurden glatt und friedlich. Der laktonische Agent hatte ein offenes, sympathisches Gesicht. Auffallend schimmerte eine Kerbe an seiner Oberlippe in tiefem
Rot. * Einen Augenblick starrte der ehemalige Kommandant eines Hantelraumers, der Orathone Nyktlys, auf den Bildschirm. Sein Schiff kreiste auf einer engen Bahn um den Merkur, wo gigantische Umwandlungsanlagen die Bodenschätze des Planeten rasend schnell verschlangen. Trotz der ungeheuren Entfernung kam das Bild klar und ohne Störung über die hochwertige Funkanlage. „Und hier ist er, Herr", sagte der Bronzeroboter auf dem Bildschirm mit regungslosem Gesicht und gab das Blickfeld frei. Mit geweiteten Augen blickte Nyktlys auf den Ätzer, der am Boden der Halle lag. Er schien wie leblos zu sein, nur manchmal zuckten die Außenränder krampfhaft. „So haben wir ihn in Colorado Springs gefunden, Herr", schnarrte der Bronzene. „Er hatte seinen Auftrag nicht erfüllt, er scheint ihn sogar vergessen zu haben." „War unter den zu überwachenden Personen tatsächlich der Terraner Rex Corda?" fragte Nyktlys. In seiner Stimme lag ein stählerner Unterton. Er wußte, worauf es ankam, was von der Erledigung seines Auftrags für ihn abhing. Der Bronzeroboter zögerte einen Augenblick. „Nach der Auswertung der Filme von den Überwachungskameras am Eingang zeigte sich, daß der Mann zumindest eine große Ähnlichkeit mit der von Ihnen erwähnten Person besaß, Herr." „Geschwätz!" brüllte Nyktlys, „war der Mann Rex Corda?" „Die Liste des Wachsoldaten", fuhr der Bronzene unbeirrt fort, „enthielt
keinen Namen, der auch nur die geringste Ähnlichkeit mit dem von Ihnen erwähnten ..." Eine Ader schwoll am Halse Nyktlys. Mühsam beherrschte er sich, weil Untergebene im Raum anwesend waren. „Besteht die Möglichkeit", preßte der Orathone hervor, „daß es sich um Rex Corda gehandelt hat?" „Durchaus", gab der Bronzeroboter zurück, „sie ist sogar sehr wahrscheinlich. Deswegen haben wir ihm sofort den Ätzer angehängt. Er war mit einer der neuen Spezialausrüstungen versehen." Der Bronzene verschwand von der Bildscheibe. Das Licht auf dem Schirm flackerte, dann sah Nyktlys eine Felsenlandschaft, die schnell vorbeizog. Die eintönige Stimme des Roboters kommentierte den Film, den der Ätzer aufgenommen hatte. Der Streifen war bereits gekürzt, um die Aufmerksamkeit des Orathonen nicht unnötig zu strapazieren. Deutlich sah Nyktlys, wie der Ätzer den Gleiter zur Landung zwang. „Colorado Springs", schnarrte der Roboter, „ein Diskus befand sich in der Nähe. Wir hielten es für sicherer, die Besatzung des sogenannten Gleiters einer eingehenden Prüfung zu unterziehen." „Wurde auch Zeit", knurrte Nyktlys. Wütend streckte sich seine breite Brust, als er tief Atem holte. Die Szene auf dem Bildschirm wechselte. Die Männer und ein Vierbeiners kleines Lebewesen rannten auf eine Hohe Halle zu. An der Art, wie sie die Kamera verfolgte, konnte man die Aktionen des Ätzers erkennen. Dann stand ein Mann allein in der riesigen Halle. Neben ihm hockte das vierbeinige kleine Wesen. Der Mann wirkte aus der Perspektive des Ätzers klein und unbedeutend.
„Ist das Rex Corda?" fragte Nyktlys. Er kannte den Terraner, den er zu überwachen hatte, von Hologrammen her. Auch die Ergebnisse der Untersuchungen während der Gefangenschaft dieses Terraners waren ihm bekannt. Der Mann tat nichts. Er schien keine Furcht zu spüren, aber er startete auch keinen Angriff. Doch das Bild taumelte, irrte ab. Fassungslos sah Nyktlys, wie plötzlich eine hohe Mauer auf den Bildschirm zuschoß. Fast schmerzhaft fühlte er den Aufprall. Dann erlosch das Bild. Der Kopf des Bronzeroboters erschien wieder auf dem Bildschirm. Die metallfarbigen Lippen teilten sich. „Es ist keine äußere Gewalteinwirkung festzustellen. Ein paar Verletzungen, wie sie von Schuß- oder Strahlwaffen herrühren können, aber der Ätzer wurde nicht ernstlich getroffen." Ein tiefes Grollen kam aus der breiten Brust Nyktlys'." „Zerstrahlt ihn!" brüllte er, daß die in dem Raum anwesenden Orathonen überrascht zu ihm herübersahen. Dann hieb die Faust des ehemaligen Raumschiffkommandanten auf die Platte des Holographenschirms. Im Splitterregen der zerberstenden glasartigen Substanz verschwand das Gesicht des Bronzeroboters. Kurz zuvor hatten sich die Lippen des Maschinenmenschen zu einem metallenen Lächeln geöffnet. * Aus dem Bordradio des Gleiters kam leise Musik, aber bald wurde sie von einem häßlichen Geräusch gestört. Der Motor des Gleiters streikte! Spuckend, taumelnd, rasselnd, wie ein verwundetes Insekt, so schleppte sich der Gleiter nur wenige Meter über dem felsigen Boden dahin. Die
Erschütterungen auf dem Lavafeld in den Rocky Mountains hatten mehr Schaden angerichtet als nur ein paar gelockerte Kontakte. Außerdem war der Sonnengleiter stark überlastet. Der Gleiter streifte einen Baumwipfel. In der Dunkelheit konnte man nicht genau erkennen, wie hoch sich das Fahrzeug über dem Boden befand. Rex Corda hatte berechnet, daß sie in der Gegend von South Park — Fair Play waren. Ungefähr 20 Flugminuten vom NORAD entfernt. Das mußte der Gleiter einfach noch hergeben! Aber nach fünf Minuten streikte die Maschine endgültig. Das helle Singen des Antriebsaggregates wurde von einer Sekunde zur anderen dumpf und unregelmäßig. Gleichzeitig senkte der Sonnengleiter die Nase nach unten und bohrte sich mit einem ohrenbetäubenden Krachen in das lose Geröll, das die Waldschneise bedeckte. Der Sturz war nicht schlimm gewesen, aber die Insassen wurden kräftig durcheinandergeschüttelt. Sofort waren die Männer wieder auf den Beinen und entstiegen dem verbeulten, nun völlig schrottreifen Gleiter. Auch der laktonische Agent war sofort hellwach. Bevor sie sich auf ihren gefahrvollen langen Marsch machten, klopfte Rex Corda auf das zerschrammte Blech. „Besten Dank, alter Junge!" * Der Himmel im Osten zeigte schon eine hellgraue Färbung, als die vier Männer auf das massige dunkle Plateau der Colorado Mountains blickten. Sie hatten einen harten Weg hinter sich. Ohne Nukleon wären sie einfach nicht weitergekommen. Immer wieder hatte der Schäferhund sie auf den richtigen Weg aufmerksam gemacht.
Jetzt standen die Männer auf dem Pikes Peak, gedeckt durch eine Gruppe verkrüppelter Bäume. Unter ihnen, noch im Dunkel der Nacht, zog sich eine breite Straße hin, die zum Nordpol des NORAD, dem Haupteingang führte. Ab und zu tauchte ein Lastwagen auf, der nach wenigen Minuten hinter einer Biegung verschwand. Die beiden Terraner wußten, daß wenige hundert Meter hinter dieser Biegung der Haupteingang lag. Dessen 30 Tonnen schwere Stahltore öffneten sich erst nach einer eingehenden Prüfung durch Fernsehkameras. Auch in der Innenschleuse wurden mit Fernsehkameras und Infra-Strahlen Kontrollen durchgeführt. Dazu kamen die Army-Wachen und die Bronzeroboter. Hier begann der gefährlichste Teil ihres Unternehmens. Es war sinnlos, Percip durch einen Handstreich einschmuggeln zu wollen. Dafür war die Übermacht zu groß. Die Bewaffnung der Männer bestand nur aus einem Maschinengewehr und einem MagnetSmash. Das war einfach dürftig. Es gab nur einen Weg, und der führte über die Belüftungsanlage der riesigen Höhle. Auch dort bewachten Fernsehkameras die gewaltigen Rohre, die Frischluft nach unten führten und die verbrauchte Luft absaugten. Die Höhle war unangreifbar. Man mußte schon den ganzen Colorado Mountain in die Luft jagen, wenn man gewaltsam an die unterirdischen Gebäude heranwollte. Rex Corda blickte auf die dunkle schwere Waffe an der Seite des laktonischen Agenten, aber er sparte sich seine Frage für später. „Los!" befahl Rex Corda. „Wir müssen hinüber, ehe es richtig hell wird!" Die anderen stimmten zu. Sie kannten zwar den Plan des Senators nicht, aber sie vertrauten ihm bedingungslos. Dieser Mann verfügte über mehr als ei-
nen klaren, überdurchschnittlichen Verstand. Seine Persönlichkeit hatte etwas Zwingendes. Das empfanden auch Außerirdische. Vorsichtig machten sich die Männer an den Abstieg. Bis zum Fuß des Abhangs waren noch 500 Meter zurückzulegen, die Straße mußte überquert werden. Eine enge tiefe Schlucht im Colorado Mountain war ihr Ziel. Die Männer waren erschöpft. Sie fröstelten in der feuchten Kühle des beginnenden Morgens. Die Kragen der Uniformen waren hochgeschlagen, aber die Kälte kam von innen her. Ein feines Singen über ihren Köpfen ließ die Männer in Deckung springen. Hoch über ihnen summte ein Diskus dahin, glitt tiefer und verschwand hinter dem Bergmassiv. Ein paar Minuten lang gönnte Rex Corda den Männern eine Ruhepause. Trotz seiner Müdigkeit grinsend, holte Ga-Venga eine Flasche aus der Innenseite seiner Jacke hervor. Es war Whisky. John Haick nickte dem kleinen Kynother anerkennend zu. Jeder trank einen kleinen Schluck. Der Laktone nippte zunächst vorsichtig, bevor er einen größeren Schluck wagte. Er schien einen Horror vor fremder Nahrung oder auch Genußmitteln zu haben. Doch das war nur zu vernünftig. Der Alkohol brannte wie Feuer, brachte aber die Männer sofort wieder zu sich. Ein Truck brummte langsam die Straße entlang. Er war mit Gütern beladen, die auf der offenen Ladepritsche unter einer Plane verdeckt waren. Rex Corda konzentrierte sich auf den Mann. Eine grenzenlose Müdigkeit schlug ihm dumpf entgegen. Der junge Präsident sah jetzt das bleiche, angespannte Gesicht des überanstrengten Mannes. Vermutlich würde der Fahrer nie
darauf kommen, was ihn dazu bewegte, abzubremsen und einzuschlafen. Und das nur wenige hundert Meter vom Nordportal entfernt. Rex Corda hatte blitzschnell gehandelt. Der orathonische Diskus war zurückgekehrt und überflog in einer langen Schleife das Bergmassiv. Rex Corda gab ein Zeichen. Sofort glitten die Männer aus ihrer Deckung. Es war unmöglich, die breite Straße zu überqueren. Lautlos schwangen sie sich über die Pritsche des Wagens. Nukleon hechtete mit einem mächtigen Satz hinauf und kauerte sich oben sofort unter der losen Plane zusammen. Als letzter folgte Rex Corda. Ein leichtes Lächeln umspielte seine harten Züge, als der Truck wieder Fahrt aufnahm. Der Lastwagen fuhr jetzt langsam. Kurz vor der Biegung sprangen die Männer ab und verschwanden auf der rechten Seite des breiten Betonbandes. Das niedere Gestrüpp nahm sie sofort auf. Der Erdboden verschluckte sie. Brummend verschwand der Truck hinter der Biegung. * Die getarnten Fernsehkameras hatten sie sehr bald gefunden. Es waren fünf, die das würfelförmige dunkle Gebäude bewachten. Jede Manipulation an diesen Kameras würde sofort in den Überwachungsräumen des NORAD gellende Sirenen aufheulen lassen. „Kannst du sie kurzschließen?" wandte sich Rex Corda an John Haick, doch der junge Wissenschaftler schüttelte den Kopf. „Das hätte keinen Zweck, aber vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit!" Die Männer lagen hinter dichtem Buschwerk am Rande eines Abhangs. Vor ihnen befand sich das kleine Gebäude, unter dem sich der Eingang zur
Lufterneuerungsanlage öffnete. „Ich habe mir eine eigene Theorie über Ga-Vengas Spezial-Empfänger zurechtgelegt, mit dem wir die laktonischen Agenten aufgespürt haben. Ist dir aufgefallen, daß unser Radiogerät und auch das des zweiten Schiffes nicht funktionierten? " „War es überhaupt eingeschaltet?" fragte Rex Corda. Aber er merkte schon, worauf sein Freund hinauswollte. „Du meinst, der Empfänger ..." „Ganz recht", nickte John Haick, „es muß Interferenz-Wellen abgeben, die jeden anderen Wellenempfang in nächster Nähe unmöglich machen!" „Wenn wir also diesen Sender einschalten, funktionieren die Kameras nicht mehr?" „Die Kameras schon. Nur auf den Bildschirmen in der Sicherung gibt es eine Störung. Vermutlich wird sich keiner Gedanken darüber machen, da Wellenüberlagerungen bei der Direktübertragung durchaus vorkommen!" Ga-Venga hatte dem Gespräch zugehört. Er holte den Empfänger aus der Innentasche seiner Kombination. Dann sagte er etwas zu dem laktonischen Agenten. Der nickte, schien aber Einwände zu haben. „Percip sagt", übersetzte Ga-Venga, „daß eure Theorie stimmt, allerdings müssen wir tatsächlich Wellen unserer Spezial-Frequenz auffangen, um diese Übertragung hier stören zu können." Der Laktone, den Ga-Venga mit Percip vorgestellt hatte, hob seinen Kopf. Er lächelte. „Varnal", sagte er, danach ein paar unverständliche Laute. Ga-Venga drehte an den Einstellungen, dann war ein hohes zirpendes Geräusch zu hören, das regelmäßig wiederkehrte. Ein Signal. Ga-Venga legte den Kopf schief und grinste.
„Das Peilzeichen der ,Varnal'." John Haick wollte Fragen stellen, aber jetzt war die Zeit des Handelns gekommen. Sie konnten nur hoffen, daß die Störung intensiv genug war, um die Kameras auszuschalten. Mit wenigen Sätzen waren die Männer und der Schäferhund an der Metalltür des dunklen Würfels. Während John Haick mit einer Metallzunge die Kontakte der Alarmanlage überbrückte, wies Rex Corda auf die Erhebung auf der linken Brustseite des Laktonen. Percip schüttelte den Kopf. „Er sagt", übersetzte Ga-Venga, „daß die Energie nicht mehr ausreicht. Die Zelle konnte sich noch nicht nachladen!" „Er soll das Schloß öffnen. Wir können keine Sekunde mehr verlieren!" Der Laktone nahm eine Einstellung an seiner Waffe vor und richtete den dunklen schweren Gegenstand auf das Schloß der Metalltür. Für eine Sekunde schoß ein nadelfeiner gleißender Strahl aus der Waffe. Rex Corda sah John Haick fragend an. Der nickte. Die Alarmanlage war außer Funktion. Der komplizierte Mechanismus des Schlosses war offenbar zerstört, aber die Tür ließ sich noch immer nicht öffnen. Der Laktone Percip trat ein paar Schritte zurück, dann warf er seine für irdische Verhältnisse ungeheure Körpermasse gegen die Tür. Sofort verschwand er im Innern und stürzte dort schwer zu Boden. Die Männer und Nukleon traten schnell ein. Es war dunkel im Innern des kleinen Hauses. Das Dröhnen des Ventilatorensystems, das von außen nur gedämpft zu hören war, schwoll hier zu einem infernalischen Heulen an. Der Luftzug drängte die Männer auf das Gitter zu,
das die gewaltige, senkrecht in die Tiefe gehende Röhre abschloß. Es war keine Schwierigkeit, das Schloß des Gitters zu öffnen. Zuerst stieg Rex Corda hinunter. Die Metallsprossen an der Innenseite der Röhre schnitten schmerzhaft in seine Hände, da das Gewicht von Nukleon noch auf seinen Schultern ruhte. Dann folgte Percip, der seinen massigen Körper eng an die Wand preßte. Er bot dem sausenden Luftstrom am meisten Angriffsfläche. Als letzter, über John Haick, kletterte Ga-Venga. Weil er am kleinsten war, hatte er verhältnismäßig wenig Schwierigkeiten, sich gegen den reißenden Sog zu stemmen. Einen Augenblick verhielt Rex Corda. Seine Schultern schmerzten vom Gewicht des Schäferhundes. Die ganze Zeit fühlte er das Schuldbewußtsein Nukleons. Das Tier war unglücklich, weil es Corda ein zusätzliches Handicap gab. Der junge Präsident hielt sich mit der Linken an der Metallsprosse und klopfte mit der anderen Nukleon beruhigend das Fell. Dann suchte er nach der kleinen Taschenlampe. Der Strahl drang nadelfein hinunter, aber dennoch war die Streuung zu groß. Das Ende des Schachtes konnte man nur ahnen. Nach einer Stunde waren sie fast am Grunde des Schachtes. Die überanstrengten Muskeln der Männer zitterten. Hände und Füße waren völlig gefühllos. Wieder blitzte Rex Cordas Lampe auf. Der Strahl fiel auf ein Gitter. Dort verzweigte sich der Luftstrom in mehrere Gänge, die in stumpfen Winkeln vom Hauptgang abliefen. An diesem Knotenpunkt mußte sich auch die Tür befinden, die zum Maschinenraum der Lufterneuerungsanlage führte. Plötzlich verstummte das Brausen der Luftmassen. Der Druck wich. Es war
totenstill. Über sich hörte Rex Corda einen warnenden Ruf Ga-Vengas. Der Senator sprang auf das Gitter. Nukleon glitt von seiner Schulter. Neben sich fühlte Rex Corda den Laktonen Percip auf das Gitter prallen. Dann dröhnte die metallene Stimme. Man konnte durch die verzerrende Echowirkung nur einen Teil der Worte verstehen, aber die Aufforderung war unmißverständlich. Dann, als Haick und Ga-Venga am Boden waren, sah Rex Corda auch die winzige, ferne, kreisrunde Öffnung. Mehrere Punkte erschienen am Rande. Es mußten Köpfe sein! Man hatte sie entdeckt! Rex Corda riß die anderen mit sich. Am Knotenpunkt des Schachtes erweiterte er sich zu einer Kugel, die einen Durchmesser von etwa fünf Metern hatte. Als es im Schacht taghell wurde, waren die Männer schon aus der Reichweite des überstarken Scheinwerfers. Neben ihnen fiel ein dunkler Gang schräg nach unten ab. Rex Corda hatte die gesuchte Tür gefunden. Es war eine runde Luke. Durchmesser ein Meter. Aber die Luke war abgeschlossen. Diesmal konnte ihnen auch Percips schwerer Energiestrahler, der sogar einen kleinen Diskusraumer zum Absturz gebracht hatte, nichts helfen. Der Laktone versuchte es, aber nur ein dünner Faden rötlicher Energie verließ die Mündung. Er brachte das Türschloß gerade zum Glühen. „Den Gang nach links hinunter!" entschied Rex Corda. Aber dann sah er, daß auch dort der Weg versperrt war. Licht schimmerte am Ende dieses schräg nach unten verlaufenden Ganges und wurde von den glänzenden Körpern einiger Bronzeroboter reflektiert. Die bronzenen Gestalten kamen rasch näher.
In wenigen Minuten würden sie den Knotenpunkt erreicht haben. Ein gleißender Strahl gebündelter Energie schoß an den Männern vorbei. Sie drückten sich noch enger an die Wand, als die Hitze ihre Augenbrauen versengte. Ein zweiter Schuß peitschte auf. Diesmal hatten die Verfolger oben ihre Taktik geändert. Sie hatten gesehen, daß der erste Schuß nur das Bodengitter weggerissen hatte und wirkungslos in der Fortsetzung des Schachtes verpufft war. Der zweite Schuß traf schräg auf den Boden. Gefährlich nahe glühte das Metall zu den Füßen der Männer. Nukleon winselte. John Haick bückte sich und hob das Tier hoch. Ein weiterer Schuß sengte hinunter. Er war etwas höher angesetzt worden und traf zum Teil in die Wandung über den Köpfen der Männer. Ein Teil aber wurde durch das glatte, widerstandsfähige Metall der Wandung reflektiert und fuhr, den Männern gegenüber, in die Kugelwandung. Metall schmolz. Die verbrennenden Isolierungen entwickelten giftige Dämpfe. Die Männer keuchten. Dann drang Licht in die Dunkelheit des Kugelraumes. Die runde Luke der Tür schwang nach außen und fiel klappernd auf den Boden des Ganges. Vorsichtig schoben sich die Männer die Wand entlang. Die Roboter aus dem schräg nach unten verlaufenden Gang waren schon gefährlich nahe gekommen. Der erste Panzer blitzte keine hundert Meter entfernt. In der runden offenen Luke erschien ein glänzendes Gesicht. Der MagnetSmash in Rex Cordas Faust schickte eines seiner nadelfeinen vernichtenden Geschosse los. Lautlos brach der Bronzene zusammen. Jetzt war keine Zeit zu verlieren. Die Geräusche der Verfolger waren
gefährlich nahe. Von oben hatte man im Augenblick das Feuer eingestellt, wahrscheinlich, um die anderen Bronzeroboter nicht zu gefährden. Außer der bewegungslosen Gestalt des Bronzenen war niemand auf dem Gang zu sehen. Trübe brennende Lampen erhellten den schmalen Korridor nur notdürftig. Nach wenigen Metern erweiterte er sich und führte zu dem Gewölbe, in dem die Generatoren der Lufterneuerungsanlage untergebracht waren. Ein paar Techniker in blauen Overalls blickten erstaunt auf, als die „Soldaten" hineingestürmt kamen. „Waren hier Bronzeroboter?" fragte Rex Corda hastig. „Ja", sagte ein Techniker zögernd. Vor zwei Minuten ging so ein wandelnder Schrotthaufen auf den Knotenpunkt zu. Ihr müßt ihn gesehen haben!" „Danke!" keuchte Rex Corda. Die Männer hetzten weiter. Keiner hielt sie auf. Die Bronzeroboter waren alle bei den Luftschächten. Ein Jeep brachte sie in den ersten Hauptstollen. Mit dem Lift gelangten sie in den Keller eines Bürogebäudes, in dem sich die großen Maschinen der Klimaanlage befanden. Von dort führte ein Verbindungsschacht unter dem zweiten Stollen hindurch zum Sicherungskomplex. Hier, 20 Meter unter dem Maschinengiganten, der das Gebäude mit Kühlung und Frischluft versorgte, lagen die Räume, die jetzt ihr Ziel waren. Nach einem Druck auf den verborgenen Knopf schwang der Maschinengigant geräuschlos zur Seite. Sie waren in Sicherheit! * Will Rimson öffnete die Tür, und ein schwarz-braun gefleckter Blitz sprang an ihm hoch. Einen Augenblick zuckte
der Wissenschaftler zurück, dann hatte er sich wieder gefangen und klopfte Nukleon das Fell. Obwohl er wie toll vor Freude war, gab der Schäferhund keinen verräterischen Laut von sich. In der Tür erschienen Rex Corda, John Haick, Ga-Venga und der Laktone Percip. Die Männer waren versengt und völlig erschöpft. Sie ließen sich sofort in die nächsten Sessel fallen. Nur Percip stand aufrecht, machte eine Ehrenbezeigung vor Fatlo Bekoval und ließ sich dann auch auf einen Wink seines Vorgesetzten in einen Stuhl gleiten. Zwischen den beiden Laktonen entspann sich eine angeregte Unterhaltung. Sofort erhob sich Rex Corda. „Halt", sagte er, während ihn Bekoval unwillig anblickte, „bitte, Ga-Venga, übersetzen Sie. Meine Herren, wir sitzen jetzt im selben Boot. Es hat keinen Sinn, Geheimnisse voreinander zu haben. Darüberhinaus wäre es sogar gefährlich. Nach meiner Schätzung ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Orathonen hinter unser Versteck kommen. Wir müssen gemeinsam vorgehen, auch wenn unsere Ausgangsposition nicht sehr glücklich zu sein scheint. Wenn wir nicht zusammenarbeiten, können wir uns ebensogut den Orathonen gleich stellen!" Bekoval blickte Rex Corda überrascht an. Dann glättete ein leichtes Lächeln seine Züge. Ohne die Hilfe GaVengas in Anspruch nehmen zu müssen, sagte er: „Sie haben recht. Ga-Venga wird übersetzen!" Der kleine Kynother bekam jetzt viel zu tun. Percip gab zunächst einen Bericht von seiner Landung und dem Kampf, den sie gegen die Sylper führen mußten. Rex Corda konnte den Bericht ergänzen, als er erklärte, wie sie die neue Hilfstruppe, die Sylper, erledigt
hatten. „Das war Glück", meinte Bekoval, „beim nächsten Einsatz werden sie die Raupen mit einem zusätzlichen Kraftfeld schützen!" Immer noch war es rätselhaft, wie Percip mit seiner Handwaffe den Diskus herunterholen konnte. „Wir haben die Orathonen genauso überrascht wie sie uns. Besonders der Abschuß der Sylper hat sie wie ein Schlag getroffen. Als sie aufstiegen, war ihr Schutzschirm nicht eingeschaltet. Ich habe die gesamte Ladung meiner Waffe abgefeuert und traf den Umwandler. Ein Glückstreffer!" „Was habt ihr an Waffen mitgebracht?" fragte Bekoval. Als er erfuhr, daß außer dem Strahler, der jetzt wertlos war, und Munition für den MagnetSmash nichts mitgenommen werden konnte, drohte er zu explodieren. „Wie war das möglich?" Jetzt schaltete sich Rex Corda ein. „Sie hatten einen Teil der Ausrüstung zurücklassen müssen, weil sie einfach fliehen mußten, als sie auf den Diskus stießen. Jeden Augenblick konnte Verstärkung kommen." Bekoval beruhigte sich wieder. „Was war mit eurem Schiff?" „Die Orathonen", berichtete Percip, „waren unheimlich schnell. Sie gehen kein Risiko ein. Die Übermacht war zehn zu eins. Wenn Kamerdane nicht gewesen wäre, der freiwillig in den Tod ging, hätten wir es nie geschafft. Wir mußten die letzte gefährlichste Möglichkeit einkalkulieren. Der Hauptteil der ,Varnal' ist im Pazifik niedergegangen. Die Verbindung ist klar! Der Peilsender, der von den Orathonen nicht erfaßt werden kann, läßt sich durch Funkimpulse wie geplant einschalten. Die Gefahr, daß der Feind sich um die ,Varnal' kümmert, besteht praktisch nicht. Weitere Waffen befinden sich an Bord des Terra-Jet!"
Ga-Venga drehte an den Einstellungen des Empfängers, und das hohe zirpende Geräusch stand im Raum. „Dieser abgesicherte Teil der ,Varnal', fuhr Percip fort, „enthält die Spezialwaffen, darunter auch die Neuentwicklung des Terra-Jet. Wir müssen diesen Schiffsteil finden und die Waffen bergen!" „Stellen wir das für's erste zurück", meinte Bekoval, „wie sieht die Lage auf der Erde aus?" „Unsere Verbände verfügen über nur sehr wenig Informationen. Wir wissen kaum mehr als Sie", antwortete Percip. „Die Orathonen sind augenblicklich die Herren in diesem Sonnensystem. Auf Terra befinden sich noch ein paar unserer Agenten. Aber sie haben keine Möglichkeit, mit uns Kontakt aufzunehmen. Der Nachschub an Waffenmaterial und Proviant fehlt ebenfalls. Wir müssen uns mit ihnen in Verbindung setzen!" „Wie war die Gegenwehr der Erde?" fragte Rex Corda. „Von den USA wurden keine Versuche gemacht, die Invasion abzuwehren. Und bei den anderen Nationen?" Um Bekovals Lippen spielte ein spöttisches gutmütiges Lächeln. „Eure Steinschleudern und Flitzbogen", übersetzte Ga-Venga mit sichtlichem Vergnügen, „wären ziemlich sinnlos gewesen. Das muß schon ein hirnverbrannter Narr sein, der sich gegen eine Zivilisation wendet, die ihm Jahrtausende voraus ist!" Es war kein Hohn in seinen Worten. Der Mensch war gegen die überlegene Technik der beiden Rassen einfach machtlos. Wieder spürte Rex Corda die tiefe Kluft, die zwischen den Menschen und den Außerirdischen lag. Aber dann dachte er an die letzten Stunden. Ja, der Mensch hatte auch ein Wörtchen mitzureden, trotz seiner technischen Unterlegenheit. „Nicht alle", meinte Rex Corda,
„können so vernünftig wie wir gewesen sein. Das liegt auf der Hand. Ich kenne den Menschen und seine Empörung, die sich gegen jede fremde Einmischung richtet!" Nach seinen Worten breitete sich einen Augenblick Schweigen in dem kleinen Raum aus. „Corda hat recht", sagte Percip. „Die Afrikaner starteten eine Gegenaktion. Nichts Bedeutendes, ein sinnloses Unterfangen!" Überrascht schwang sich Fatlo Bekoval auf seinem Sessel herum. Auch die Menschen lauschten gespannt. „Sie verwendeten", fuhr Percip fort, „Raketen mit Atomsprengköpfen!" „Atombomben!" Bekoval spuckte das Wort förmlich aus. „Damit können sie ihren ganzen Planeten verseuchen!" Rex Corda nickte gedankenvoll vor sich hin. Diese Einstellung war typisch für eine so weitentwickelte Rasse. Sie hatten keinen Augenblick gezögert, ganze Landstriche und Städte mit ihren rücksichtslos startenden und landenden Raumschiffen zu verwüsten, aber die Tatsache, daß die Menschen Atombomben verwendeten, um sich zu wehren, zwang ihnen nur Verachtung ab. „Die Bomben sind grausam vergolten worden", meinte Percip. „Die Stadt Kairo wurde mit einem einzigen Energiestoß vernichtet. Der Erdteil Afrika wird unter besonders strenger Kontrolle gehalten. Dort befindet sich die größte Zusammenballung der Orathonen." Rex Cordas Gedanken jagten sich fieberhaft. Er hatte bereits erfahren, daß Afrika den Pakt gebrochen und nicht auf Atombomben verzichtet hatte. Vielleicht hätten die Afrikaner schon längst zum Schlag gegen die gesamte westliche Welt ausgeholt. Doch der Konflikt zwischen den beiden außerirdischen Rassen hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht... Afrika mußte noch mehr Atombom-
ben besitzen! „Wenn Afrika noch Atombomben hat", bemerkte Rex Corda plötzlich, „dann müssen wir uns diese Waffen sichern! Wir können zu keinem ernsthaften Schlag gegen die Orathonen ausholen, wenn wir nichts als unsere leeren Hände und unser bißchen Verstand haben!" Bekoval zuckte zusammen. Corda fuhr fort. „Wir kämpfen auf eurer Seite, aber ihr habt uns bisher keine Mittel in die Hand gegeben, um unseren Kampf zu führen. Wir müssen die Supertransmitter zerschlagen. Dazu brauchen wir Atombomben!" Bekoval nickte schwer. Er kämpfte sichtlich mit sich, aber er sah ein, daß es keine Wahl gab. Jede andere Waffe war gegen die Supertransmitter wirkungslos. Diese gigantischen Maschinen begründeten die Macht der Orathonen auf der Erde. Sie allein lösten das Problem des Nachschubs. Durch ein weitverzweigtes System von kleineren Transmittern, die laufend mit Rohstoffen verschiedenster Art beschickt wurden, bekamen die fünf Supertransmitter ihre Nahrung, die sie an die Flotte im Sonnensystem weitergaben. Hier lag die einzige Möglichkeit, die Macht der Orathonen zu brechen, indem man ihr Versorgungssystem störte. Bekoval wandte sich an Percip. „Bei der Ausrüstung der ,Varnal’ befindet sich auch der Terra-Jet?" Percip nickte. Auf einen Wink Bekoval s wandte er sich erklärend den Menschen zu. „Der Terra-Jet ist die Abwandlung eines bei uns gebräuchlichen Allwegfahrzeugs. Er kann sich mit hoher Geschwindigkeit durch solides Gestein bewegen; eine Ortung ist fast ausgeschlossen. Wir könnten jedes Ziel auf diesem Planeten erreichen. Das wäre die ideale
Lösung, um nach Afrika zu kommen und die Bomben in unmittelbare Nähe der Supertransmitter zu bringen." „Sehr schön", wandte Will Rimson ein, der sich im Hintergrund gehalten hatte. Spöttisch strich er sich über die Stirnglatze. „Irgendwie müssen wir ja an die ,Varnal' herankommen. Können Sie gut schwimmen, Mr. Bekoval?" Der Laktone schnappte sichtlich nach Luft. „Ihr müßt doch Fahrzeuge haben, Unterseeboote, mit denen ihr auf den Grund des Meeres tauchen könnt. Selbst die unterentwickeltste Rasse..." „Sicher haben wir das", spottete der alte Wissenschaftler, „Rex Corda trägt immer eine Taschenausführung bei sich!" Der Laktone lief dunkel an. „Hüten Sie sich!" knurrte Bekoval, „ich vertrage es nicht, verspottet zu werden!" Ga-Venga nickte ernsthaft, dann zuckten seine Mundwinkel. „Meine Herren!" beruhigte Rex Corda, „so kommen wir nicht weiter!" Kopfschüttelnd blickte er von einem zum anderen. Dann ging er zu einem kleinen Wandschrank und verteilte Gläser, die John Haick mit Whisky füllte. Corda war ein sehr guter Politiker. Er wußte genau, wie er vorgehen mußte. „Offensichtlich, meine Herren", begann er, „gibt es für uns folgende Schwierigkeiten: Erstens, wo liegen die Atombomben? Zweitens, wie kommen wir an die ,Varnal' und damit an den Terra-Jet heran? Drittens, wie verständigen wir uns mit den auf der Erde verbliebenen laktonischen Agenten? Zu einer Lösung unserer Probleme kommen wir nicht, wenn wir uns kleinlich streiten. Die Grundlage unserer Zusammenarbeit heißt nach wie vor Vertrauen. Ich schlage folgendes vor: Ich fliege sofort nach New York und setze mich mit den
Vertretungen der einzelnen Regierungen in Verbindung. Meines Wissens befinden sich die Afrikaner noch dort. Von denen brauche ich Informationen über die Restbestände der Atombomben. In spätestens zwei Tagen bin ich zurück. In der Zwischenzeit bitte ich Sie, gemeinsam einen Plan zur Bergung der ,Varnal' auszuarbeiten. Es wird schwer, wenn nicht unmöglich sein, ein U-Boot zu bekommen. Denn wie mir von den Generalen Dingel und Emerson mitgeteilt wurde, sind alle Militärgebiete besetzt worden. Dazu zählen natürlich auch die Kriegshäfen. Meines Wissens befindet sich aber im MarineMuseum von Los Angeles der Aluminaut, das seinerzeit berühmte Versuchsmodell zur Erforschung der Tiefsee. Bitte überprüfen Sie diese Möglichkeit, meine Herren!" Auch die Außerirdischen waren von den präzisen, sachlichen Worten des höchsten Regierungsvertreters der USA überzeugt worden. Aber es waren nicht nur die Worte Rex Cordas gewesen, die eine Einigkeit zwischen diesen verschiedenen Männern herbeigeführt hatten. Es war die bannende Eindringlichkeit der leuchtenden blauen Augen, die Kraft einer mächtigen Persönlichkeit, die ihre Wirkung klug und bewußt einzusetzen verstand. Wieder hatte Rex Corda ein Gefecht gewonnen. * Diesmal hatte es Rex Corda nicht nötig, sich zu verkleiden. Will Rimson begleitete ihn. Natürlich fehlte auch Nukleon nicht. Dieses geheimnisvolle Tier schien so etwas wie eine Lebensversicherung zu sein. Instinkt, Verstand und die durch Mutation entstandenen ParaFähigkeiten waren zu einem einzigartigen Ergebnis verschmolzen. An der Nordschleuse traten zwei Ar-
my-Soldaten auf den Jeep zu. Von der anderen Seite näherte sich ein Bronzeroboter. Die Soldaten salutierten stramm. „Drüben steht Ihr Gleiter, Sir", meldete der eine. Der Jeep setzte sich in Bewegung, von den wachsamen Augen des Bronzeroboters verfolgt. Als Rex Corda, Will Rimson und Nukleon in den Gleiter stiegen, erreichte ein Funkspruch den Exkommandanten Nyktlys. Befriedigt nickte der Orathone und machte es sich vor einem Bildschirm bequem. Einmal war Rex Corda seiner Kontrolle entglitten. Ein zweites Mal würde ihm das nicht gelingen. Davon war Nyktlys fest überzeugt. Mit Höchstgeschwindigkeit schoß der Gleiter durch die Nacht. Will Rimson und Rex Corda nickten sich zu. Die kleine Komödie konnte über die Bühne gehen. Längst hatte Rimson als erfahrener Wissenschaftler den millimetergroßen Fremdkörper am Armaturenbrett entdeckt. Rex Corda ließ sein Gasfeuerzeug unauffällig neben sich auf den Sitz sinken. Plötzlich schoß zwischen den beiden Männern eine Stichflamme in die Höhe. „Verdammt!" stieß Will Rimson hervor, „die Isolierungen brennen!" Nukleon bellte und sprang erschreckt zurück. Rex Corda versuchte, die Flammen zu ersticken, aber das Feuer griff rasch um sich. „Wir stürzen!" schrie Rimson, während Flammen gierig um sich griffen. Der Bildschirm vor Nyktlys wurde dunkel. Überrascht rieb sich der Orathone die Augen. Während Nyktlys immer noch fluchend vor seinem dunklen Bildschirm saß, schüttelten sich Rex Corda und
Will Rimson grinsend die Hände ... * Rex Corda lag auf der hinteren Sitzbank und schlief. Ihm zu Füßen hatte sich Nukleon zusammengerollt. Will Rimson überwachte die Kontrollen. Nur mit Mühe hatte er seinen Freund davon überzeugen können, daß Schlaf das Wichtigste war. Der höchste Repräsentant der USA mußte bei den schwierigen Verhandlungen am nächsten Morgen frisch und ausgeruht sein. Rimson hatte auf Automatik geschaltet. Trotzdem war er wachsam. Nur manchmal blickte er lächelnd auf den dunklen verbrannten Teil des Armaturenbretts, wo sich die winzige orathonische Fersehkamera befunden hatte. Unten glitten die Lichter von Städten und Dörfern vorbei. Aber sie leuchteten nur spärlich. Die Menschen hatten Angst. Die Welt erholte sich nur schwer von dem Schlag, der sie mit explosiver Gewalt getroffen hatte. Rimson schreckte empor, als er ein tiefes Knurren hinter sich hörte, gefolgt von einem kurzen stoßhaften Bellen. Der alte Wissenschaftler schüttelte benommen den Kopf. Für einen Moment war er eingeschlafen. Hinter ihm stand Nukleon auf dem Sitz, den Kopf vorgereckt. Seine glühenden Augen schienen die Dunkelheit durchdringen zu wollen. Rex Corda war ebenfalls hellwach. „Los!" stieß er empor, „reiß den Kasten in die Höhe!" Rimson schaltete die Automatik ab und betätigte das Höhensteuer. Dann überließ er Rex Corda seinen Platz. Neben ihnen schoß ein dunkler Schatten dahin. „Sie versuchten, uns zu rammen", erklärte Rex Corda. In der dunklen dahinjagenden Masse blitzte etwas auf. Eine Kugel schlug
jaulend gegen die Wandung des Gleiters. „Ein Glückstreffer", kommentierte Corda trocken. Jetzt hüllte ein Scheinwerfer den Gleiter Cordas in gleißendes Licht. Der fremde Gleiter näherte sich, und man konnte trotz der blendenden Lichtfülle erkennen, daß es sich um ein bedeutend schwereres Modell handeln mußte. Der Pilot mußte ein absoluter Könner sein, denn mit nachtwandlerischer Sicherheit folgte er den gewagten Manövern Rex Cordas, ohne an Abstand zu verlieren. „Sie versuchen, uns zur Landung zu zwingen!" keuchte Will Rimson. Es war offensichtlich, daß die Fremden den Gleiter nicht beschädigen wollten. Corda lächelte bitter. Er schaltete die Funk-Anlage ein und griff zum Mikrophon. „Was wollen Sie?" Die Antwort ließ nicht auf sich warten. „Sofort landen!" krächzte eine rauhe Stimme, „sonst schießen wir euch ab. Und keine Scherze! Ihr seid im Fadenkreuz!" „Wer sind Sie?" erkundigte sich Rex Corda gelassen. Achselzuckend verringerte er die Geschwindigkeit. Er wußte nun, mit welcher Sorte Mensch er es hier zu tun hatte. Das waren Desperados, Versprengte, Gesetzlose, die im Lande umherirrten und von der Verwirrung der Bürger profitierten. In Colorado Springs war es ähnlich gewesen. „Wir werden die Opfer unserer eigenen Leute", knurrte Rex Corda. „Ein grotesker Witz, an dem Ga-Venga seine wahre Freude hätte." Will Rimson antwortete nicht. Er blickte starr nach vorn. Seine Lippen waren zusammengepreßt. Rex Corda wußte, was der Wissenschaftler fühlte. Scham, unendliche Scham über diese gewissenlosen Burschen, die über ihrer
Habgier das Schicksal der Erde vergaßen. „Wir können nicht mehr weit von den Randgebieten New Yorks sein", sagte Rex Corda. „Wenn wir hier heruntergehen, haben wir keine Chance!" Aber man hatte ihre Verzögerungstaktik durchschaut. Mündungsfeuer blitzte auf. Eine Maschinengewehrgarbe prasselte gegen das Dach. Das Pfeifen der Querschläger klang schmerzhaft laut in der Kabine des Gleiters. „Das war mehr als deutlich", erklärte Corda ruhig. „Die nächste Ladung sitzt im Zentrum!" Der Gleiter Cordas senkte sich in einem sanften Bogen dem Erdboden zu. Wie ein Schatten folgte der größere Gleiter der Verfolger. Es dämmerte im Osten, als die beiden Gleiter nebeneinander auf einer Wiese landeten. Beim Niedergehen hatte Rex Corda einen zweiten rötlichen Lichtschimmer bemerkt. Das mußte New York sein. „Los, 'rauskommen!" Ein greller Scheinwerfer war auf sie gerichtet. Man konnte den Mann dahinter nicht erkennen. „Aussteigen, Endstation!" grölte eine zweite Stimme. Sie war tiefer als die erste. „Sollen wir vielleicht ein bißchen nachhelfen?" Vorsichtig warf Rex Corda einen Blick über die Schulter. Nukleon hatte sich auf dem Boden zusammengekauert. Offenbar hatten die Männer den Schäferhund noch nicht entdeckt. Jetzt konnte sich Will Rimson nicht mehr länger beherrschen. „Seid ihr völlig übergeschnappt?" schrie der weißhaarige Wissenschaftler. „Das hier ist Präsident Rex Corda, der Mann, der die Erde retten kann! Ihr denkt nur an euren eigenen Vorteil, während die Erde von den bestialischen Orathonen beherrscht wird. Es ist eine verdammte Schande! Wir Menschen
müssen doch zusammenhalten!" „Menschen!" knurrte die tiefe Stimme verächtlich, und die hohe fuhr fort: „Wir haben keine Zeit für dein Gewäsch, du alter Schwätzer! Im Himmel kannst du weitere Vorschläge über die Menschlichkeit halten!" Der Schein des Strahlers irrte wie zufällig ab, und die beiden Männer im Gleiter zuckten zurück. Hinter dem Strahler stand ein Mann! Auf seinen breiten Schultern saß ein großer, gedunsener Schädel, während aus seiner Brust ein zweiter kleinerer wuchs. Unter dem Zwang einer Maschinenpistole entriegelte Corda die Tür. Rohe Fäuste zerrten die beidenFreunde die Rampe des fremden Gleiters hinauf. Im Laderaum grinsten ihnen ein paar alptraumhafte Gesichter entgegen. Es waren Negativ-Mutanten, teuflische Ausgeburten des Atomkrieges. Diese Geschöpfe, die man kaum noch als Menschen bezeichnen konnte, waren in sicheren Heilanstalten untergebracht worden. Ihr Geist war verwirrt, ihr Denken bösartig. Offenbar war es diesen Mutanten gelungen, während der Invasion aus ihrer Anstalt auszubrechen. Aber auch ein anderer befand sich unter ihnen! Jedenfalls sah er auf den ersten Blick fast wie ein normaler Mensch aus. Seine Haut wirkte grau, als sei sie mit Lavaasche eingerieben. In diesem unheimlichen Gesicht befand sich keine Nase. Auch das Haar fehlte völlig. Das mußte der Anführer sein! „So, Jungs", knurrte er, „bevor ihr euer Testament macht, wollen wir uns noch mal unterhalten. Wer von euch behauptet, Rex Corda zu sein? Ah, der Lange hier! Hör mal, mein Junge, etwas Dümmeres ist dir wohl nicht eingefallen! Corda wird ausgerechnet hier in
der Gegend herumgondeln. Der sitzt mit den anderen Regierungsfritzen im sicheren Bunker und paßt auf, daß ihm kein Stein auf den Kopf fällt!" Die Mutanten grölten vor Lachen. Ein Stummer verdrehte das eine Auge auf seinem sonst konturlosen Gesicht und bog sich vornüber. Die Augen des Grauen verengten sich. Sein Zeigefinger stieß auf Cordas Brust. „Wenn", fuhr der Anführer leise fort, „wenn du tatsächlich Corda wärest, würden wir dir die Haut bei lebendigem Leibe vom Körper ziehen. Die Regierung hat uns unterdrückt, hat uns in Irrenanstalten gesteckt. Man hat gesagt, wir seien keine Menschen! Man hat uns aus dem Verkehr gezogen, weil wir nicht vor Schönheit strahlen wie ihr!" Der Graue trat auf Corda zu. Seine Hand, an der sich sechs breite Finger befanden, erhob sich. Rex Corda beachtete den Mann überhaupt nicht mehr. Er hörte Rimsons angespannte keuchende Atemzüge neben sich, aber auch das war unwichtig. Alles versank. Als der Graue seine furchtbare Hand dem jungen Präsidenten ins Gesicht schlug, spürte Corda nicht die klatschenden Schläge. Mit einem Mal war alles klar. Die Gefühle der Männer um ihn herum eröffneten sich ihm. Sie waren aufgestachelt, falsch, fehlgeleitet. Rex Corda sah die Eingleisigkeit, das beschränkte, unmenschliche Denken der Mutanten. Zugleich fühlte er die aufgewühlten Emotionen seines Freundes. Wieder schlug der Anführer Corda ins Gesicht. Er mußte sich dazu auf die Zehenspitzen stellen. Grinsend trat er einen Schritt zurück. Aber das Grinsen gefror ihm auf den Lippen. Dieser Fremde mit den gnadenlosen Augen, die wie tiefe blaue Seen
schimmerten, wurde ihm unheimlich. Der Desperado leckte sich über die Lippen. Überrascht stellte er fest, daß die Zunge gefühllos war. Benommen schüttelte der Mutant den Kopf. Seine Gefährten blickten ihn verwundert an. „Los, Dusty!" grölte der Zweiköpfige. „Gib's ihm!" Langsam trat der Graue zurück. Er schwankte. Mit einem Wutschrei stürzte er vorwärts, sein Arm zuckte empor, aber er schien seinem Besitzer nicht mehr zu gehorchen. Auch die Beine versagten. Lallend stürzte der Anführer der Mutanten zu Boden. Sofort brandete ein Stimmengewirr von nichtmenschlichen Lauten auf. Ohne ihren Anführer waren die Mutanten offenbar nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Der Zweiköpfige schlug vor, die beiden Menschen einfach zu töten. Sofort widersprach ihm sein kleinerer Kopf. Er hielt es für besser, die beiden ins Quartier mitzunehmen. Auch die anderen Mutanten stritten sich. Corda sah auf die einzelnen unheimlichen Gesichter. Erst langsam wurde er sich über die letzten Minuten klar, wenn auch nur teilweise. Eines war ganz sicher: Sein Unterbewußtsein verfügte über verblüffende Kräfte, für die die Mutanten offensichtlich besonders empfänglich waren. Die Mutanten kamen zu keinem Ergebnis. Den beiden Männern wurden mit Draht die Handgelenke auf dem Rücken zusammengeschnürt. Dann zuckten zwei Revolverkolben empor. Eine rubinrote Sonne explodierte in Cordas Gehirn. * Rex Corda erwachte, als er heftig gegen eine Stahlwandung geschleudert wurde. Der rasende Schmerz brachte ihn wieder zur Besinnung. Seine Hände
waren völlig gefühllos und wie abgestorben. Als der Präsident erneut über den Boden des Laderaums rollte, schnitt es wie mit glühenden Messern durch seine Handgelenke. Stöhnend wandte er den Kopf. Rimson lag regungslos am Boden, die Augen geschlossen. Er war ohne Besinnung — vielleicht tot. Etwas preßte Corda zurück. Der Andruck verriet, daß der Gleiter der Mutanten schräg nach oben schoß. Corda schlidderte auf seinen Freund zu. Sie lagen jetzt beide in einer Ecke. Indem er Rücken und Beine gegen zwei Metallstreben stemmte, gelang es Corda, weitere unfreiwillige Bewegungen zu verhindern. Ein Maschinengewehr knatterte. Klatschende, schlagende Geräusche waren zu hören. Etwas schlug dröhnend gegen die Wandung des Gleiters. Metall riß kreischend. Plötzlich klaffte ein unregelmäßig gezackter Spalt in der Wandung. Der Motor des Gleiters brummte dumpf und unregelmäßig, ging dann in ein Stottern und Rappeln über. Gleichzeitig schüttelten die Vibrationen des beschädigten Motors die beiden gefesselten Freunde durcheinander. Lautes Fluchen aus der Kabine vorn bewies, daß es den Mutanten genauso ging. Durch den Riß, an dem heulend die Luft vorbeistrich, erblickte Corda einen dunklen Schatten, der rasend schnell vorbeiglitt. Ein orathonischer Diskus? Der Gleiter hatte nur noch wenig Fahrt. Unaufhaltsam senkte er sich dem Boden zu. Der Motor arbeitete nur noch stoßweise. Mit einem gewaltigen Krachen und Bersten setzte der zerschossene Gleiter auf. Das Rattern des Maschinengewehrs riß nicht ab. Aber Rex Corda hörte es nicht mehr. Wie zwei Geschosse flogen die beiden zerschundenen Körper durch
den Raum. Der alte Wissenschaftler knallte schwer auf den zusammengekrümmten Körper seines Freundes. Wieder versank Rex Corda in dunkles Vergessen. * Helles Tageslicht stach schmerzhaft in seine Augen. Unwillig drehte er sich zur Seite, aber die harten Fäuste hielten ihn unerbittlich. Dann zogen sie ihn empor. „Präsident Corda!" drängte eine rauhe besorgte Stimme, „kommen Sie doch zu sich!" Mühsam öffnete Corda wieder die Augen. Vor ihm pendelte eine helle runde Scheibe, in deren Mitte sich eine kleine Öffnung befand. Rex Corda blinzelte. Die Konturen festigten sich. Was er eben noch für ein undefinierbares Etwas gehalten hatte, erwies sich als das kantige Gesicht eines New Yorker Cop. Der Beamte grinste erleichtert. „Wie fühlen Sie sich, Sir?" brummte er. Rex Corda schüttelte benommen den Kopf. Wieder kam der Schmerz. Mit ihm die Erinnerung. „Was ist mit Will Rimson?" „Er schläft", antwortete der Cop. „Hat einen harten Schädel. Genau wie Sie. Alle Achtung!" „Den braucht man auch in der Politik!" grinste Corda schwach. Erst jetzt bemerkte er, daß er sich in einem großen Streifen-Gleiter der New Yorker Polizei befand. Dunstschwaden schwebten an den Sichtluken vorbei. „Wir sind gleich da", bemerkte der Beamte und betätigte einen Schalter, der ein Stück des Fußbodens durchsichtig werden ließ. Unter ihnen lag New York. Jedenfalls das, was von dieser großen Stadt übrig war.
Die glitzernde Wasserfläche mußte der North River sein. Der Gleiter ging tiefer und bewegte sich in südlicher Richtung auf die Upper Bay zu. Dann zog das Polizeifahrzeug eine enge Kurve. „Die Freiheitsstatue", kommentierte der Beamte unnötig. Rex Corda nickte bitter. Der rechte Arm dieses Wahrzeichens der Stadt New York, der die Fackel mit dem Leuchtfeuer getragen hatte, war abgebrochen. Auch der gigantische Sockel war beschädigt. Die Bauwerke auf Liberty Island existierten nicht mehr. Aber auch die Halbinsel Manhattan war verschwunden. An ihrer Stelle gähnte ein riesiger Bombentrichter, eine unübersehbare Wüste von glasiger Schlacke und gezackten Betonquadern, aus denen wie grotesk verzerrte Zeigefinger verbogene Eisenträger ragten. Beide Männer wandten die Augen von diesem grauenhaften Anblick, als sich die Schiebetür langsam öffnete. Pfoten tappten über den mit Plastik bezogenen Boden. „Nukleon!" schrie Corda. Der Schäferhund machte einen mächtigen Satz und erdrückte den Präsidenten fast mit seinem Gewicht. Der Cop lachte. „Gehört er Ihnen?" „Nein, meinem Freund Will Rimson. Wie kommt der Hund hierher?" Der Beamte kratzte sich den Kopf, wobei er die Mütze aus der Stirn schob. „Wir hatten Hinweise aus der Bevölkerung erhalten, daß sich eine Gruppe ausgebrochener Mutanten hier in der Nähe aufhält. Es gibt ein paar Verbrecherbanden, die das Land unsicher machen, aber die Mutanten waren die schlimmsten. Ein gewisser Dusty hat sie geleitet. Ein Teufel, allerdings nicht in Menschengestalt!" Rex Corda winkte ab.
„Wie fanden Sie uns?" „Wir empfingen einen Notruf. Aber keine präzise Meldung, nur Flüche und wildes Bellen. Es war leicht, den Sonnengleiter anzupeilen. Das muß dann Ihr Fahrzeug gewesen sein. Es flog dicht hinter dem Gleiter, in dem sich der Rest der Mutanten befand." Der Officer lachte. „Ihr vierbeiniger Freund hat den beiden Burschen in Ihrem Gleiter ganz schön das Fell über die Ohren gezogen!" „Hören Sie, Officer", sagte Rex Corda in einer plötzlichen Eingebung, „lassen Sie unseren Gleiter verschwinden. Versenken Sie ihn meinetwegen oder lassen Sie ihn abbrennen!" „Warum?" erkundigte sich der Cop erstaunt. Rex Corda lächelte. „Es gibt Leute, die würden sich wundern, daß unser Sonnengleiter noch intakt ist. Diese Leute haben allerdings nette kleine Federn auf dem Kopf, und nur von weitem sehen sie wie Menschen aus. Also, den Gleiter vernichten! Nichts darf davon übrigbleiben!" Der Officer salutierte. „Jawohl, Sir!" * Der Orathone Nyktlys lehnte sich zurück. Seine gestreiften Augenlider zuckten. Mit Grauen dachte er daran, was geschähe, wenn ihn Sigam Agelon zu sich beordern ließ. Nyktlys wußte nicht, wo sich Rex Corda befand. Dieser Terraner gab ihm immer wieder Rätsel auf. Der Mann war ein Problem. Oder waren viele Menschen so? Seufzend beschloß der Exkommandant, die Überwachung Cordas ganz anders aufzuziehen. Dann hieb er wütend auf die Taste. Er, Nyktlys, mußte sich mit kleinen Eingeborenen herumschla-
gen! Aber die Alternative war noch demütigender. Auf seinem eigenen Raumschiff den niedersten Dienst verrichten zu müssen! Jeden hatte er geschunden, und das konnte ihm tausendfach heimgezahlt werden! Der Holographenschirm erhellte sich. Der runde glänzende Kopf eines Bronzeroboters erschien. „XTR-3275", meldete er, „zu Diensten, Herr!" „Habt ihr Rex Cordas Gleiter gefunden?" knurrte Nyktlys. Er konnte nie seinen Widerwillen gegen die Bronzenen verbergen. Ein Widerwillen, den sogar Sigam Agelon teilen sollte! „Nein", kam es blechern vom Bildschirm her, „aber der gesuchte Terraner ist in der Stadt New York." „Was tut er da?" Der Roboter war verwirrt, oder er stellte sich so. „Ich kann Ihnen auf diese Frage keine Antwort geben, Herr!" Nyktlys stöhnte auf. „Er ist mit dem Terraner Will Rimson und dessen Hund aufgebrochen. Sind sie noch zusammen?" „Jawohl, Herr!" meldete der Roboter. „Welchen Zweck hat sein Besuch in New York?" präzisierte der Orathone seine Frage. „Bis jetzt hat er nur ein Telefongespräch geführt. Der diplomatische Vertreter der Organisation Africaine ist von Corda zum Hause eines Freundes dieses Will Rimson eingeladen worden ..." „Gut", unterbrach Nyktlys den Bronzenen. Die Gedanken des Orathonen jagten sich in seinem quadratischen Schädel. Dann gab er seine Anordnungen. Er glaubte jetzt, die sicherste Methode zu kennen. * Lächelnd beobachtete Rex Corda Will Rimson, dessen geschienter Arm
die Abenteuer gut überstanden hatte. Mit überschwenglicher Freude hatte der alte Wissenschaftler seinen ehemaligen Studienkollegen Prof. Bück Hamilton begrüßt. Da Rex Cordas Bungalow in New York vernichtet worden war, kam ihm das Angebot des Wissenschaftlers sehr gelegen, der ihm seine Villa dicht beim UNO-Gebäude zur Verfügung stellte. Der gewaltige Block des UNO-Komplexes war zum großen Teil erhalten geblieben. Zu den unversehrten Häusern in der Nähe gehörte auch die Villa Professor Hamiltons. Der Wissenschaftler warf Rex Corda einen verschmitzten Blick zu. „Ich glaube", sagte Hamilton, „wir stören Sie hier nur. Übrigens habe ich Will eine Menge zu zeigen. Mein Labor ist nur fünf Minuten von hier entfernt." Die beiden Wissenschaftler verschwanden. Nukleon schloß sich ihnen an. Rex Corda sah auf seine Uhr. Es war 13.15 Uhr. In 45 Minuten mußte der Vertreter der Organisation Africaine erscheinen. Er war nicht sehr erbaut von der Einladung gewesen, hatte sich aber schließlich einverstanden erklärt. Gedankenvoll ging Corda in das angrenzende Zimmer. Aus der kleinen Hausbar holte er sich einen Bourbon und schenkte sich einen Drink ein. Dann ließ er sich mit einer Zigarette am Schreibtisch nieder. Es würde nicht leicht werden, den Afrikaner zu überzeugen, daß es jetzt nur eine Menschheit gab. Nationen waren überflüssig geworden. Der Mensch, der sich bisher als der Nabel des Universums gefühlt hatte, mußte erkennen, daß er einer kleinen, unbedeutenden Rasse angehörte. Nur der Zufall hatte sie zu einem Aktionspunkt eines gigantischen kosmischen Geschehens werden lassen. Der Mensch war ein Staubkorn — und wollte es
nicht einsehen! Ein melodischer Gong riß Corda aus seinen Gedanken. Auf dem Fernsehschirm, der den Bereich um den Eingang wiedergab, erkannte er den Sekretär des afrikanischen Gesandten. Ein scharfgeschnittenes dunkles Gesicht, dessen glühende Augen von Intelligenz, aber auch von Fanatismus zeugten. Achselzuckend ging Rex Corda auf die Tür zu. Der offizielle Vertreter der Organisation Africaine schickte seinen Sekretär. Das war eine glatte Absage. Nun gut! Corda öffnete den Eingang. Der Neger machte eine höfliche Verneigung. „Sir!" „Treten Sie bitte ein!" forderte Corda ihn auf. Im Wohnzimmer wies er auf einen Sessel. Der Farbige nahm Platz, nachdem sich auch Rex Corda hinter seinen Schreibtisch gesetzt hatte. „Ich freue mich", eröffnete Rex Corda das Gespräch, „daß Sie meiner Einladung so rasch gefolgt sind!" Sein Gesprächspartner lächelte entschuldigend. „Der Gesandte meines Landes bittet Sie um Verständnis für seine Abwesenheit. Leider ist er im Augenblick nicht in der Lage, Ihrer Einladung zu folgen. Er hat mich beauftragt, das Gespräch in seinem Sinne zu führen." Der Neger neigte den Kopf. Er schien zu horchen. Rex Corda nickte. Im Innern aber war er tief enttäuscht. In dieser Situation der Erde war Separatismus einfach verbrecherisch. Ohne sich seine Enttäuschung anmerken zu lassen, musterte Corda den Sekretär der afrikanischen Gesandtschaft. Das Bemerkenswerteste an diesem Mann waren seine Augen. „Mr. Nembolo, wenn ich mich recht erinnere?" erkundigte sich Rex Corda
höflich. Der Afrikaner deutete sitzend eine leichte Verneigung an. „Entschuldigen Sie bitte, daß ich mich nicht vorgestellt hatte!" Etwas kam Rex Corda an dieser Situation merkwürdig vor. Ein Gefühl sagte ihm, daß hier etwas nicht stimmte. Lächelnd meinte Corda: „Nun, Mr. Nembolo, Sie sind mir gut bekannt, und ich verstehe auch ..." Der Sekretär richtete sich plötzlich auf. In seinen Händen lag eine Waffe, der Größe nach ein Spielzeug, aber sie wirkte ungemein gefährlich. „Nichts verstehen Sie, Corda, aber auch gar nichts!" „Legen Sie die Waffe weg!" befahl Corda. „Haben Sie keine Angst, daß man Sie zur Rechenschaft ziehen wird, wenn mir etwas passiert?" „Angst?" brauste der Neger auf. Die dunkle Waffe war unbeweglich auf die Brust Rex Cordas gerichtet. „Ich weiß sehr wohl, daß ich nach Ihrem Tod keine Chance mehr habe. Das Gebiet hier wimmelt von Geheimdienstlern. Die zweite Kugel ist für mich bestimmt. Aber die erste für Sie, Rex Corda. Und die Welt kann wieder aufatmen!" Eindringlich richtete Corda einen Blick auf den Neger, ohne die erhobene Waffe zu beachten. „Bevor Sie Löcher in die Luft schießen, sollten Sie mir lieber erklären, was dieser Unsinn zu bedeuten hat!" Der Farbige grinste böse. „Sie wollen Zeit gewinnen, was? Stellen sich dumm! Schön, aber bei der geringsten verdächtigen Bewegung drücke ich ab. Ebenso, falls jemand kommt. Egal, wer!" „Nun", bemerkte Rex Corda ruhig, „dann sehen wir ja klar. Sie wollen die Welt retten, Nembolo. Was habe ich eigentlich damit zu tun?" „Wollen Sie leugnen, daß Sie die Menschheit verraten haben?"
Rex Corda schnappte nach Luft. „Ich bin überrascht", meinte er dann. „Wie kommen Sie darauf?" „Sie haben einen Pakt mit den Invasoren getroffen. Sie haben die Welt hereingelegt. Alles ging zu glatt und reibungslos. Kairo ist gefallen, trotz unserer erbitterten Gegenwehr!" „Atombomben!" schnaubte Corda verächtlich. „Allerdings!" schrie Nembolo. „Wir haben das Recht, uns unserer Haut zu wehren!" Verzweifelt versuchte Rex Corda, die wahren Emotionen dieses Mannes zu erkennen. Aber er stieß gegen eine Mauer. Er konnte nur Haß sehen, blinden Haß, Vernichtung, Gewalt. Aber es war unmöglich, tiefer zu dringen. Überrascht sah der Farbige, wie der starre Blick Cordas zum Fenster wanderte. Nembolo hob die Pistole und blickte sich in einer raschen Bewegung um. Gleichzeitig verschwand Rex Corda hinter dem massigen Schreibtisch. Mit ihm ein schwerer bronzener Briefbeschwerer. Mit einer einzigen fließenden Bewegung erhob sich Nembolo. Links vom Schreibtisch zeigte sich etwas. Der gedämpfte Knall der kleinen Präzisionswaffe zerriß die Stille. Der Neger trat einen Schritt auf den Schreibtisch zu. Aus dem Augenwinkel erhaschte er eine weitere Bewegung. Wie ein Schatten war Corda eine Zehntelsekunde nach dem Schuß aufgetaucht. Der zweite Schuß irrte ab, als der Neger durch den Aufprall des Briefbeschwerers zurückgeworfen wurde. Dann war Corda über ihm. Ein Schlag fegte die Waffe weg. Der nächste richtete sich gegen die Kinnspitze des Sekretärs. Doch Nembolo warf sich herum, als hätte er die Gedanken des Gegners gelesen. Die
Faust Cordas knallte hart gegen den Boden. Beide Männer waren in Sekunden auf den Beinen. Ihr Atem ging stoßweise und keuchend. Nembolo lachte. Es war ein grausiges, verzerrtes Lachen. Ein langes Schnappmesser sprang in seine Hand. Die Klinge blitzte. Der Neger ging auf Rex Corda zu. * John Haick deutete auf die große Karte, die den gesamten Boden bedeckte. Das Papier knisterte, als er es glattstrich. Im Raum befanden sich vier Laktonen. Fatlo Bekoval mit seinen beiden Begleitern Vlamyd und Zerestal, ferner der Agent Percip. Ga-Venga hockte wie üblich auf einem Tisch und blickte amüsiert von einem zum anderen. Hinter John Haick stand der rotgesichtige Oberst Polley. „Das Marinemuseum", erklärte Oberst Polley gerade, liegt dicht neben dem militärischen Sperrgebiet auf der Südspitze von Los Angeles. Das ist der Stadtteil San Pedro. Im Main Channel befindet sich ein Militärhafen, nichts Besonderes, ein paar Zerstörer, ein Kreuzer. Ältere Modelle, soviel ich weiß!" „Dann ist die Gegend sicher scharf bewacht?" „Kann man wohl sagen!" knurrte der Oberst und strich sich über das rote, kurzgeschnittene Haar. „Das Museum liegt nur einen halben Kilometer entfernt. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, daß sie es auch bewachen, aber wir sind verdammt nahe am Schuß!" „Also von Westen?" fragte John Haick. „Genau", brummte der Oberst. „Und zwar über den Paseo del Mar. Wir können zwar auch von Süden über das Meer, aber daran haben die Orathonen
sicher gedacht. Wir fliegen verhältnismäßig langsam. Und über dem Meer haben wir keine Deckung!" Alle Möglichkeiten wurden erwogen. Vom Gelingen des Plans hing einiges ab. Zum Beispiel die Rettung der Erde ... * Ruhig wartete Rex Corda den Angriff ab. Als das Messer auf ihn zustieß, änderte sein Gegner gedankenschnell die Stoßrichtung. Obwohl Corda mit der linken Hand dagegenhebelte, konnte er nicht verhindern, daß ihm die spitze Klinge in den rechten Oberarm fuhr. Mit einem Schrei, der tief und grimmig aus seiner Brust kam, warf er sich auf den dunklen Fanatiker, der unter dem Anprall des schweren Körpers zu Boden ging. Mit dem rechten Knie hielt Corda die Brust des Gegners am Boden. Verzweifelt ruderten die Beine des Afrikaners. Zwei, drei Stöße ließen Corda fast seinen Halt verlieren. Er packte den Kopf des Farbigen, hieb ihn einmal, zweimal auf den Boden. Die Bewegungen seines Gegners wurden matter, das Messer entglitt der nun kraftlosen Hand. Der Mann war besiegt. Heftig atmend richtete sich Corda auf. Er preßte die linke Hand gegen die Schnittwunde. Das schnell fließende Blut hatte den Ärmel seiner Jacke durchtränkt und tropfte auf den Boden. Rex Corda war gerade dabei, einen Streifen Stoff von seinem Hemd abzureißen, um die Blutung notdürftig zu stillen. Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Ungläubig beobachtete er, wie sich der Neger krampfhaft bewegte. Die Augen des Mannes waren weit aufgerissen und verdreht. Man konnte nur das Weiße der Augäpfel sehen. Die Brust Nem-
bolos hob sich kaum. Der Sekretär war offensichtlich immer noch bewußtlos. Trotzdem stellte er sich auf seine schwankenden Beine und ging wie ein Schlafwandler auf Rex Corda zu. Der Senator wich zurück. Entsetzt beobachtete er, wie Nembolo, jetzt aschfahl im Gesicht, sich auf den Boden niederließ. Mit weit auseinandergebreiteten Armen suchte er nach der verlorenen Waffe. Mit einem Satz war Rex Corda heran und schleuderte das Messer mit dem Fuß in eine entlegende Ecke des Raumes. Horchend hob Nembolo den Kopf. Der Neger stolperte wieder auf die Beine. Ein paar kurze ungeschickte Schritte brachten ihn näher an Corda heran. Dieser schob sich lautlos hinter den Schreibtisch. Das verzerrte Gesicht des Farbigen bot einen gespenstischen Anblick. Die Ahnung in Corda verdichtete sich zur Gewißheit. Dieser Mann stand unter fremdem Einfluß! Die Empfindungen des Farbigen pulsten verwirrt durch ein von ihm unkontrolliertes Hirn. Der Mann war bewußtlos, das Unterbewußtsein fehlte. An seiner Stelle saß etwas anderes, unsagbar Fremdes. Rex Corda schauderte vor diesem gnadenlosen unmenschlichen Willen. Er empfand jetzt Mitleid mit dem Mann, der von einem fremden Willen beeinflußt durch den Raum irrte, gegen die Wände tappte, mit Kopf und Gliedmaßen gegen Kanten und Möbelstücke stieß. Es war ein grauenhaftes unmenschliches Versteckspiel. Corda wußte, daß er diesem Mann jetzt nicht in die Hände fallen durfte. Offensichtlich war der Neger am Ende seiner Kräfte. Trotzdem würde der fremde Willen die letzten Reserven bis zur völligen Aufzehrung einsetzen. Es war wie ein Todeskampf. Auch da entwickelt ein Mensch Energien, die über ein normales Maß weit hinausgehen.
Wieder kam Nembolo auf ihn zu. Wie ein Schlafwandler stolperte er hinter den Schreibtisch. Zitternde Hände griffen nach Corda. Der Senator duckte sich. In einem blitzartigen Entschluß stemmte er den schweren Schreibtisch gegen die Wand. Nembolo war eingeklemmt. Gegen die Schwere des Tisches und Rex Cordas Kräfte kam er nicht mehr an. Mit einer endgültigen, letzten Kraftanspannung versuchte der Mann freizukommen. Seine Muskeln waren bis zum Bersten angespannt. Ein tierhaftes Stöhnen kam über die Lippen des Farbigen. Sein Oberkörper knickte ab und schlug auf die Schreibtischplatte. Die Hände zuckten konvulsivisch, dann kündigte der gequälte Körper seinem unmenschlichen Beherrscher den Dienst auf. In diesem Augenblick hörte Rex Corda den Gong. Das Geräusch mußte schon eine ganze Zeit im Raum geklungen haben. Jetzt erst wurde er sich dessen bewußt. Müde, mit schleppenden Schritten ging er auf die Tür zu. Er wollte die Hand nach der Klinke ausstrecken, als die Tür unter schmetternden Schlägen erdröhnte. Mit schmalem Lächeln trat der junge Präsident zurück und beobachtete, wie die Türfüllung nach wenigen Sekunden barst. Das Schloß gab nach. Die Angeln brachen weg. Gleichzeitig schrillte die Alarmanlage. Müde ging Rex Corda zurück und drehte am Sicherungskasten die Hauptsicherung aus. Das Klingeln verstummte. Über die zusammenbrechende Tür hinweg stürmten mehrere Sicherheitsbeamte, gefolgt von Will Rimson, Professor Hamilton, Nukleon und dem Gesandten der Organisation Africaine. „Bitte, meine Herren", meinte Rex Corda mit dem Anflug eines Lächelns, „hier geht es zum Gesellschaftsraum. Wenn Sie bitte Platz nehmen wollen ..."
Überrascht wandten sich die Gesichter ihm zu. In wenigen Sätzen berichtete Rex Corda. Fortwährend strich Nukleon um seine Beine, glücklich, daß sein Freund noch am Leben war. Die Beamten legten einen Notverband an, während Hastrobal Mgama, der afrikanische Gesandte, mit hängenden Schultern ins Arbeitszimmer ging. * Schrilles Klingeln stand einen Augenblick schmerzhaft im Raum. Staras glitten herbei und überprüften aufgeregt die Kontrollorgane. Diese amphibische Rasse wurde von den Orathonen zur Ausführung von Reparaturen an den komplizierten elektronischen Anlagen benutzt. Inmitten dieses Wirrwarrs stand der Orathone Nyktlys. Auch ohne die Erklärungen, die von allen Seiten auf ihn zuschwirrten, konnte er sich vorstellen, was geschehen war. Der semibiotische Conductor, mit dem sie den Sekretär des afrikanischen Gesandten präpariert hatten, mußte versagt haben! Oder war er durch diesen rätselhaften Terraner Rex Corda außer Gefecht gesetzt worden? Das war kaum denkbar. Dennoch war es die einzige mögliche Alternative! Vor wenigen Tagen hatte Corda sich selbst befreit! Nyktlys mußte seinen Plan umstürzen. Es war höchste Zeit. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als auf der Erde selbst die Sache in die Hand zu nehmen. Er mußte Rex Corda ausschalten oder ihn gefangennehmen. Aber der Tod war das Sicherste. Natürlich mußte es wie ein Unglücksfall aussehen. „Ich brauche einen Kreuzer!" befahl er, „Zur Erde. Nach New York!" Einen Augenblick besann sich der Orathone. „Nein, nach Cheyenne, NORAD!" Wenig später befand er sich in der
Kommandozentrale des tropfenförmigen Raumschiffs. Den Piloten drängte er zur Seite und übernahm selbst die Kontrollen. Es war herrlich, wieder ein Schiff führen zu können! * „Entschuldigen Sie, mein Bester", meinte Rex Corda mit einem Anflug von Ironie, „daß wir uns unter solch turbulenten Umständen treffen mußten. Mir ist die Sache sehr wichtig." Aufmerksam sah er dem afrikanischen Gesandten in die dunklen Augen. „Im Interesse der ganzen Welt", fügte er ernst hinzu. Der inzwischen herbeigerufene Arzt hatte den Notverband durch feste Binden ersetzt. Jetzt stand er in der Tür. „Ja, Doktor?" erkundigte sich Corda. „Was gibt's noch?" „Sir", meinte der Arzt bestimmt, „mit dieser Wunde müssen Sie ruhen. Die Sehne ist leicht verletzt. Sie hatten Glück, daß sie nicht durchschnitten wurde." „Ruhen?" lächelte Corda. „Wird sich sicher machen lassen, Doktor, in ein, zwei Jahren vielleicht!" Kopfschüttelnd ging der Arzt hinaus. Der Afrikaner blickte zu Boden. „Mr. Präsident", begann er leise, „mir ist die Sache ungeheuer peinlich. Mein Land ..." Corda wehrte ab. „Für diesen Vorfall können weder Sie noch Ihr Sekretär. Der Mann wurde offensichtlich von den Orathonen präpariert. Sein Fanatismus war nur Maske. Im Hintergrund saß die Teufelsmaschine der Orathonen, aber diesmal haben sie sich verrechnet!" Der Afrikaner hob langsam den Kopf. „Nembolo", sagte Corda, „wurde von den Orathonen zu meiner Überwachung
eingesetzt. Er trug im Gehirn einen semibiotischen Conducter, einen Parasiten, der Ihren Sekretär zur Marionette eines fremden Willens werden ließ. Vielleicht wurde in den letzten Tagen jeder Ihrer Schritte an die Orathonen übermittelt!" Der dunkelhäutige Mann schüttelte sich. „Die Orathonen", fuhr Rex Corda fort, „sind unsere schlimmsten Feinde. Ich traf mit den Gefiederten eine Vereinbarung, doch das geschah nur zum Schein. Sie machen ohnehin, was sie wollen. Vergessen Sie nicht, Mr. Mgama, daß wir für die Featherheads nur ein kleiner unbedeutender Planet sind. Ein willkommener Rohstofflieferant, nichts weiter. Wir werden hoffnungslos ausgebeutet. Überall stehen ihre Transmitter, die alle benötigten Produkte für die fünf gigantischen Supertransmitter heranbringen. In kurzer Zeit wird die Welt eine entvölkerte Wüste sein. Wir müssen kämpfen. Mit allen Mitteln!" Rex Corda beugte sich vor. Seine leuchtenden Augen schienen den afrikanischen Gesandten zu durchdringen. „Mit allen Mitteln, Mr. Mgama, notfalls auch mit Atombomben!" Der Gesandte schwitzte plötzlich. Nervös knetete er die weißen Innenflächen seiner manikürten Hände. „Was wollen Sie damit sagen, Sir?" „Ganz einfach. Wir brauchen die Atombomben der Organisation Africaine!" Wie eine Mauer stand das Schweigen zwischen den beiden Männern. Rex Corda fühlte, wie Hastrobal Mgama mit sich rang. Dann war der Afrikaner zu einem Entschluß gekommen. „Sir", sagte er gepreßt, „ich vertraue Ihnen. Wir müssen wie Terraner denken und handeln. Sie wissen, daß wir Atombomben haben. Das war von unserer Seite ein Verrat. Ja, wir wollten mit diesen Bomben die Weltherrschaft an
uns reißen. Aber das ist jetzt alles vorbei!" Der Gesandte stützte seinen Kopf schwer auf die gefalteten Hände. „Wo befinden sich diese Bomben?" erkundigte sich Rex Corda. „Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Nach der Vernichtung von Kairo blieb nur Leopoldville. Mir ist nur dieser Ort bekannt. Möglicherweise gibt es noch andere verborgene Lager im Dschungel." „Wieviel?" Die Frage kam knapp und präzise. „Auch das weiß ich nicht. Fünf vielleicht — oder fünfhundert. Wieviel braucht man, um sich eine Welt Untertan zu machen?" „Manchmal genügt schon ein Gedanke", bemerkte Rex Corda. * Die geöffneten stählernen Tore des Nordportals wirkten wie der gähnende Rachen eines urwelthaften Ungeheuers. Zwei Bronzeroboter kamen auf den Gleiter zu. Rex Corda reichte die Identifikationskarten heraus. „Was gibt es Neues?" erkundigte er sich. Die seelenlosen Augen blickten ihn einen Augenblick prüfend an. Breite, metallene Lippen öffneten sich. „Wir sind nicht befugt, Ihnen Auskünfte irgendwelcher Art zu geben", kam es blechern über den Translator. Will Rimson grinste. „Okay, Boy!" rief er, „dann mach mal Platz! Wir haben heute noch bessere Dinge vor, als dein schönes Gesicht zu bewundern." Die bronzene Gestalt erstarrte. Auf einen Wink öffnete sich die Innenschleuse. Die Männer bekamen ihre Pässe zurück. Der Sonnengleiter setzte sich in Bewegung. Sie waren im NORAD.
Kurze Zeit später standen sie vor dem Maschinengiganten, der sich über den verborgenen Räumen befand. Plötzlich knurrte Nukleon. Die beiden Männer fuhren herum. Sie hatten gelernt, auf jedes Zeichen des Hundes zu achten. Der Schäferhund hatte sie durch seinen untrüglichen Instinkt und seine Parafähigkeiten schon oft aus kritischen Situationen gerettet. Geschrei schallte den Gang entlang. Ein kleiner Haufen von Trops erschien hinter der Biegung. Ein Angehöriger des grillenähnlichen Hilfsvolks der Orathonen, ein Whim, folgte den kleinen Lebewesen. Ruhig warteten die Männer ab, bis der Haufen heran war. Die kleinen affenähnlichen Tiere nahmen keine Notiz von ihnen. Wie spielende Kinder tollten sie vorbei. Die Grille jedoch blieb stehen. Sie überragte Rimson, war aber nicht so groß wie Rex Corda. Das Insektengesicht war starr. Facettenaugen blickten auf die beiden Männer, die den starren Blick ruhig erwiderten. Es war eine seltsame Begegnung. Das Lebewesen aus einer anderen Welt schien sehr wohl zu wissen, wem es gegenüberstand. Rex Corda sprach die Grille nicht an. Auf der Brust des Fremden befand sich kein Translator. Der Whim gab einen schrillen Pfeifton von sich, der im Gang ein schauerliches Echo fand. Dann wandte er sich ab und folgte seinen Schützlingen, die längst verschwunden waren. Der Blick der kalten Augen schien noch Minuten später spürbar zu sein. Rex Corda betätigte den roten Knopf. Aufmerksam beobachteten die Männer, wie der gewaltige Metallklotz zurückschwang. Nach einem vorsichtigen Blick verschwanden die Männer und der Hund.
* Eine Stunde später brachen sie auf. Oberst Polley hatte die Uniformen bereitgehalten. Es waren die größten Nummern, die in der Kleiderkammer zu finden waren. Trotzdem wirkten die beiden Laktonen wie Erwachsene in Kinderkleidern. Bekoval platzte fast aus den Nähten, auch Ga-Venga sah merkwürdig aus. Wieder hatte er die Army-Mütze bis weit über die Ohren gezogen. Die Patrouille, mit Oberst Polley an der Spitze, bestand aus acht Mann. Der rothaarige Oberst ließ seine Leute antreten, wobei er sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Neben den beiden Laktonen nahmen sich Rex Corda und John Haick wie Zwerge aus. Praktisch eine Etage liefer stand Ga-Venga, der nur widerwillig die unscheinbare Uniform über seinen geliebten Anzug mit dem roten Brustkeil gezogen hatte. Will Rimson und Nukleon ließ Rex Corda zurück. Der alte Wissenschaftler hatte in den letzten Tagen genug durchgemacht, sein verletzter Arm mußte geschont werden. Auch Nukleon hätte eine Ruhepause nötig. Nach einem halblauten Kommando Polleys setzten sich die Männer in Bewegung. Unangefochten erreichten sie die Zwischenschleusen. Die Wachrobots ahnten nicht, daß sich unter den Uniformen ihre schlimmsten Feinde verbargen. Auf dem Wege zum Südportal passierte es. Mehrmals hatten sich Ätzer der Gruppe genähert, waren aber wieder abgebogen. Dann tauchten einige Whims auf, begleitet von einem Haufen der känguruhartigen Jumper. Die Männer marschierten jetzt über einen freien Platz. Dreihundert Meter
weiter lag der Hangar mit den ArmyGleitern. Fatlo Bekoval schielte zu der Gruppe der hüpfenden Lebewesen hinüber. Er biß die Zähne zusammen. Er wußte, daß der charakteristische Körpergeruch der Laktonen auf die Jumper wirkte wie das bekannte rote Tuch auf einen irdischen Stier. Noch hatten die kleinen Lebewesen nichts bemerkt. Auch Percip wurde unruhig. Die Jumper stellten eine weitaus größere Gefahr dar als die Ätzer über ihnen. Rex Corda flüsterte Oberst Polley etwas zu. Sofort ließ der Oberst die Truppe abschwenken. Die Täuschung mußte unbedingt aufrechterhalten werden. Von rechts tauchten zwei Bronzeroboter auf. Ihre Strahlpistolen hingen den pendelnden metallenen Händen gefährlich nahe. Immer noch waren die Ätzer in der Nähe. Da geschah es! Ruckartig, wie ein einziges Lebewesen, hielt die Gruppe der Jumper an. Der Whim an der Spitze lief noch ein paar Schritte weiter, dann blickte er sich um. Sofort übersah die nichtmenschliche Intelligenz die Sachlage. Ein hohes, durchdringendes Pfeifen alarmierte die Bronzeroboter. Ein Ätzer näherte sich, senkte sich tiefer. Die Fransen an seinen Rändern peitschten erregt die Luft. Die Männer hatten begriffen, daß man die Täuschung nicht länger mehr aufrechterhalten konnte. Jetzt kam es nur auf Schnelligkeit an. Geduckt, in langen Sprüngen, hetzten die Männer über die freie Fläche auf den Hangar zu. Im Laufen drehte sich Bekoval um und gab einen Schuß auf die Verfolger ab. Die Bronzeroboter holten unheimlich schnell auf. Dennoch hätten die Männer den Hangar vor ihnen erreicht und damit wenigstens eine Deckung gehabt, wenn
nicht von links weitere Whims aufgetaucht wären. Es war ein seltsames, groteskes Bild, wie diese riesigen Insekten auf ihren, langen, dünnen Gliedmaßen pfeifend voranstakten. Sie wirkten wie eine ins Monströse verzerrte Karikatur einer irdischen Grille. Die Whims schnitten den Männern den Weg ab. Dunkle Klauen, die glänzende tödliche Waffen umklammerten, richteten sich auf die Fliehenden. Die einzige Möglichkeit war, nach rechts abzuschwenken. Rex Corda rief seinen Leuten eine Weisung zu. Oberst Polley nickte heftig und wich ebenfalls nach rechts aus. Sein ohnehin schon rotes Gesicht glich einer reifen Tomate. Ein Energiestrahl fegte über die ebene Fläche. Mit einem Schrei warf Syman, ein Sergeant aus dem Stab Polleys, die Arme in die Luft. Er knickte kurz zusammen, richtete sich aber wieder auf und schleppte sich weiter. Bede, ein anderer Sergeant, der zu Polley gehörte, packte im Laufen GaVenga, der keuchend zurückgeblieben war, und riß den kleinen Kynother weiter. Sie hatten den rechten Teil des Hangars erreicht. Die Tore standen offen. Aber kein Gleiter war zu sehen. Vor ihnen drohte die dunkle Masse eines orathonischen Diskus. Das flache Gebilde wurde hier offenbar überholt. Ein paar Staras klebten an den Seitenwänden und besserten den Kunststoffüberzug aus. Sie hatten gar nicht begriffen, daß sich draußen ein Kampf abspielte. Verstörte Augen richteten sich auf die Gruppe der Männer, die sich sofort in der Halle verteilte. Hinter der Deckung der Stützpfeiler feuerten Terraner und Laktonen auf die Verfolger. Ein Bronzeroboter brach zusammen, als ein Geschoß des Magnet-Smash in
seinem Schädel explodierte. Die massierte Verteidigung warf die Verfolger einen Augenblick zurück. Rex Corda blickte sich um und sah, wie Bekoval über die Rampe des orathonischen Diskus stürmte und im Innern verschwand. Die Männer rannten hinterher. Ängstlich spritzten die Staras auseinander. Als letzter stolperte Syman auf die Rampe. Er hatte die linke Hand auf seine Brust gepreßt. Dann drehte er sich bedächtig um und gab einen gezielten Schuß auf die durch die Seitentore hereinquellende Masse der Verfolger ab. Langsam zog er sich zurück, Schuß um Schuß abgebend. Ein orangeroter Feuerball explodierte direkt vor ihm und ließ das Metall der Rampe in strahlender Weißglut aufglühen. Wie eine Fackel lodernd stürzte der Sergeant auf den Betonboden der Halle. Energiestrahlen zischten durch die offene Schleuse in das Innere des Diskus. Plötzlich lag ein feines hohes Singen in der Luft. Funken tanzten um das Schiff, als der Energieschirm aktiviert wurde. Wirkungslos prallten die Geschosse ab. Die Energiestrahlen schlugen teilweise auf die Bronzeroboter zurück. Für einen Augenblick sah es so aus, als hätten die Männer im Diskus einen Sieg errungen. Aber dann rollten vier Bronzeroboter eine seltsame Maschine über den Betonboden der Halle. Eine große glänzende Spirale rotierte um eine nadelfeine dunkle Spitze. Die Maschine wurde langsam auf den Diskus gerichtet. * Unter Wolkenschleiern schimmerte die Erde. Der Exkommandant Nyktlys hatte die Steuerung wieder dem Piloten
überlassen und starrte auf die majestätisch um ihre Achse schwingende Masse der Erde. Für Nyktlys war dieser Planet nur ein Himmelskörper, der ausgebeutet werden mußte. Völlig gleichgültig betrachtete er die bunten Flecken der Kontinente, die durch Löcher in der Wolkendecke sichtbar wurden. Der Ora-thone hatte Tausende von Planeten gesehen. Er hatte keinen Sinn für landschaftliche Schönheiten. Nur ein Gedanke brannte in dem ehemaligen Raumschiffkommandanten. Auf diesem Planeten befand sich ein für ihn völlig uninteressanter Eingeborenenführer mit Namen Rex Corda. Von diesem primitiven Halbwilden aber hing die Zukunft Nyktlys' ab. Das quadratische Gesicht des Gefiederten wandte sich vom Sichtschirm ab, als das Signal vom Bildschirm kam. Ein Bronzeroboter erschien dort. „BV-320", meldete er mit einer selbst für einen Bronzeroboter unwahrscheinlichen Schnelligkeit. „Dringende Durchsage, Herr! Ein Diskusraumer ist in der Hand von aufständischen Eingeborenen!" „Und?" schnappte Nyktlys. „Schießt sie zusammen!" „Es wird angenommen", gab der Bronzene zurück, „daß sich der Terraner Rex Corda darunter befindet. Sollen wir sie vernichten?" „Macht sie unschädlich! Schießt den Diskus flugunfähig! Tötet die Terraner!" Aber laßt Rex Corda am Leben!" Ein bösartiges Grinsen verzerrte das breite Gesicht des Orathonen Nyktlys. „Oder liefert mir seine unversehrte Leiche. Der Mann muß identifizierbar bleiben! Das ist ein Befehl!" „Alles dazu ist vorbereitet!" meldete der Bronzeroboter. Sein Gesicht blieb auf dem Bildschirm. „Was ist noch?" brüllte Nyktlys. „Wir befinden uns im NORAD,
ungefähr in der geographischen Mitte der USA. Sie kennen ..." „Wo genau?" „Südschleuse. Aber..." Der Roboter zögerte einen Augenblick. „Noch etwas?" „An Bord des Diskus befindet sich der Orathone Gli Varrai!" Nyktlys überlegte kurz. „Varrai? Der junge Bursche? Das ist jetzt seine Sache. Er soll kämpfen oder untergehen!" „Jawohl", betonte der Bronzene, „sagten Sie ‚untergehen', Herr?" Der Bildschirm wurde dunkel. Wütend mahlten die Zähne des Orathonen aufeinander. „Wann sind wir unten?" wandte er sich an den Piloten. * Die Eroberung des Schiffes war schnell gegangen. Zwei Bronzeroboter waren von Bekoval, Percip und Bede glatt überrollt worden. Der junge Orathone im Kommandoraum hatte ebenfalls keine Chance. Jetzt saß er, gut verschnürt, auf einem Sessel und bedachte die Terraner und Laktonen mit haßerfüllten Blicken. Die Techniker, die sich an Bord des Diskus befunden hatten, waren in einem engen Raum zusammengedrängt worden. Percip hatte sie mit einem Nervengas für kurze Zeit betäubt. Sie würden keine Schwierigkeiten machen. Bekoval und Percip saßen an den Kontrollen. Sie kannten sich in einem orathonischen Diskus aus. Die Laktonen überprüften dennoch jede Einstellung. Rex Corda stand daneben. Sein Blick fiel auf den jungen Orathonen. Der Gefiederte schäumte vor Wut. Trotzdem kam kein Laut über seine Lippen. „Können wir ihn als Geisel gebrauchen?" fragte Corda. Percip drehte sich um.
„Das wäre sinnlos. Die Orathonen würden noch wesentlich mehr ihrer Leute opfern, wenn sie uns in die Hände bekämen. Das weiß dieser Gefiederte hier auch. So oder so, es gibt für ihn nur den Tod. Selbst wenn wir ihn freiließen, könnte er nicht weiterleben. Das ließe sein Stolz nicht zu. Er würde Selbstmord begehen!" Ein schmetternder Schlag erfüllte den Raumer. Bekoval stieß einen unartikulierten Schrei aus. Er hatte die plumpe Maschine erblickt, deren seltsame Spitze auf das Schiff gerichtet war. Der Laktone war mit der Überprüfung der Kontrollen so beschäftigt gewesen, daß er einen Augenblick nicht auf den Bildschirm gesehen hatte. Auch Rex Corda und Polley hatten nicht auf die Außenwelt geachtet. Sie hatten sich um Ga-Venga gekümmert, der einen Streifschuß abbekommen hatte. Mit unheimlicher Schnelligkeit glitten die Hände Fatlo Bekovals über das Schaltpult. Maschinen heulten auf, während das Schiff unter weiteren Schlägen erzitterte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte der junge Orathone auf den Bildschirm. Er kannte sein Schicksal. Dennoch schien er es nicht fassen zu können, daß die Bronzeroboter vorhatten, das Schiff durch die unausgesetzten Stöße der seltsamen Maschine zu zerstören. Die Männer taumelten. Die Schläge, die gegen die Schiffswandung dröhnten, würden den Diskus in kurzer Zeit zu einem Wrack machen. Aber schlimmer wirkten die Vibrationen, die gleichzeitig auftraten. Die Männer drohten besinnungslos zu werden. Percip hieb wie ein Wahnsinniger auf den verschiedensten Schalthebeln herum, bis ihn Bekoval hart zurückstieß. „Die Bordwaffen funktionieren
nicht!" schrie der massige Laktone. „Ich kann die Sperre nicht finden!" Dann hebelten seine gewaltigen Pranken über die Kontrollen. Das Schiff dröhnte, als es sich langsam auf eine Kante erhob. Es tanzte. Auf der Unterseite des Diskus begannen die Düsen zu feuern. Lange Flammenzungen leckten durch die weite Halle. Stahlträger wurden rot, dann weiß und bogen sich. Beton bröckelte. „Was soll der Unsinn?" brüllte Oberst Polley. Seine roten Haare standen steil vom Kopf ab. Er verlor seinen Halt und rutschte fluchend mehrere Meter weit über den Boden. Es gelang ihm, eine Verstrebung zu packen und sich daran emporzuziehen. Schwankend stand der Diskus auf einer Kante. Die andere Seite tanzte drei bis vier Meter über dem Boden. Fauchend arbeiteten die Düsen. Ga-Venga hob den Kopf. Trotz der Schmerzen, die ihm seine Brandwunde bereitete, grinste er. „Schlechte Zeiten für Soldaten, wenn die Waffen nicht funktionieren!" Mit grimmigem Gesicht betätigte Fatlo Bekoval die Kontrollen. Ungeheure Geschicklichkeit war dazu notwendig, den Diskus in dieser Lage zu halten. Mitsamt ihrer Vernichtungsmaschine waren die Bronzeroboter vom ersten Feuerstoß weggeblasen worden. Jetzt krochen sie wieder heran. Ihre schwarzen zerrissenen Körper boten einen jämmerlichen Anblick. Aber das täuschte. Sie waren gefährlich wie zuvor. Bekoval landete seinen entscheidenden Schlag, als er mit einer entschlossenen Handbewegung die Düsen für den Bruchteil einer Sekunde auf volle Kraft stellte. Der Energieschwall fegte die Roboter mehrere hundert Meter weit über den freien Platz.
Aber auch der Diskus wurde vom Rückstoß gegen die Wand geschleudert. Ein dröhnendes Bersten erfüllte die Halle, als das Raumschiff gegen die Stahlträger schlug. Sie knickten wie Streichhölzer. Die Männer im Kommandoraum wurden durcheinandergewirbelt. Besinnungslos brach der gefesselte Orathone in seinem Sessel zusammen. Nur die Fesseln verhinderten, daß er zu Boden fiel. Die Männer rappelten sich hoch. Der Schirm war dunkel. Die Sicherungen waren anscheinend ausgefallen. Dann aber sahen die Männer, daß der Sichtschirm nach wie vor funktionierte. Es herrschte nur um den Diskus herum vollkommene Dunkelheit. Kein Licht brannte im Hangar und in der Halle. In der Kommandozentrale des orathonischen Diskus flammten Leuchtröhren auf. Die Männer grinsten sich an. „Los, 'raus hier!" befahl Rex Corda. Fatlo Bekoval hatte seine Worte verstanden. Nicht aber ihren Sinn begriffen. „Was soll das?" knurrte er. „Es ist sicherer, wenn wir jetzt einen Gleiter nehmen", meinte Rex Corda. Auch Percip nickte. Bekoval sah das schließlich ein. Aber es fiel ihm schwer, auf den Triumph zu verzichten, die Feinde in einem ihrer eigenen Raumschiffe hinters Licht zu führen. „Okay, und was ist mit diesem Burschen hier?" knurrte Oberst Polley. Er rieb sich seinen rothaarigen Schädel. Über der rechten Augenbraue hatte er eine Platzwunde. Wütend wischte sich der Oberst das Blut aus dem Gesicht. Bekoval hatte schon seine Waffe auf den Feind gerichtet, aber Rex Corda trat dazwischen. „Hält man es bei euch für tapfer, auf einen wehrlosen Feind zu schießen?" erkundigte er sich.
Bekoval starrte einen Augenblick zu Boden, bevor er die Waffe senkte. „Sie haben recht, Rex Corda", übersetzte Ga-Venga, „er wird ohnehin nichts zu lachen haben, wenn ihn seine Leute finden!" * Ein dünner Lichtfinger tastete sich durch die Dunkelheit des Hangars. Die Männer hörten ein Stöhnen aus einer nichtmenschlichen Kehle. Ein harter Panzer kratzte über den Beton. Lautlos schlichen die Verbündeten weiter. Die dunklen Umrisse eines Truppengleiters tauchten vor ihnen auf. Es handelte sich um einen besonders schweren Typ. Er konnte 30 Männer und etwa zwei Tonnen Ladung transportieren. Geräuschlos schoben die Männer sich in das Innere des Sonnengleiters. John Haick setzte sich hinter das Steuer. An der Innenschleuse des Südportals standen keine Wachen mehr. Percip und Rex Corda stiegen aus und aktivierten den Öffnungsmechanismus der Schleuse. Sie sprangen in den Sonnengleiter zurück. Das Fahrzeug hob sich leicht vom Boden ab, bis es einen halben Meter über dem Beton der Halle schwebte. Schlagartig setzte die Beleuchtung der Halle wieder ein. Jeeps mit ArmySoldaten rasten über die freie Fläche des Platzes. Ätzer schossen heran. Aber ihr Ziel war nicht die Schleuse, sondern der Hangar mit dem orathonischen Diskus. „Los, fahren Sie!" dröhnte Bekovals Stimme. Mit vor Schreck geweiteten Augen wies John Haick zum Hangar hinüber. Atemlos sahen die Männer, wie die Soldaten plötzlich in wilder Panik zurückprallten. Jeeps wendeten quiet-
schend auf zwei Rädern und brachten sich vor den hervorschießenden Flammen in Sicherheit. Langsam manövrierte der orathonische Diskus aus dem Hangar. Wer saß an den Kontrollen? Hatte sich der junge Kommandant aus seinen Fesseln befreit? Fragen waren jetzt bedeutungslos. Als der Diskus wie ein brüllendes Ungeheuer aus dem Hangar schoß, aktivierte auch John Haick den Antrieb. Der Gleiter nahm Fahrt auf und verschwand in der Schleuse. Die Flügel des zweiten Tores öffneten sich, ließen das Fahrzeug hindurch und schlossen sich automatisch hinter ihm. „Dicht am Boden bleiben!" rief Rex Corda. Der Sonnengleiter strich dicht über den Wipfeln einiger Bäume dahin. John Haick konnte jetzt nicht auf volle Fahrt schalten. In den nächsten Sekunden war es erforderlich, zwischen den Bäumen und Felsen zu verschwinden. Das Gebiet der Colorado Mountains bot gute Möglichkeiten, einem Gleiter Schutz zu sichern. Aber würde dieser Schutz ausreichen? Außer John Haick, der den Gleiter so tief wie möglich dahinschweben ließ, starrten alle durch die Heckfenster. Deshalb bemerkte keiner den Schatten über ihnen. Plötzlich taumelte der Sonnengleiter. Gedankenschnell änderte John Haick den Kurs. Eine mächtige Blautanne wuchs vor ihnen auf, aber der Gleiter schwang wieder hoch. Gebannt sahen Terraner und Laktonen auf das Südportal des NORAD. Die gewaltigen Tore leuchteten in unerträglicher Weißglut auf. Dann fielen sie von einem Augenblick zum anderen zusammen. Durch die entstandene Öffnung manövrierte der orathonische Diskus, stand einen Augenblick regungslos in der Luft
und schoß dann steil nach oben. John Haick ließ den Sonnengleiter absacken. Das Fahrzeug der Verbündeten schwebte über dem Boden, von Felsblöcken und Tannen geschützt. Eine optische Ortung war jetzt unmöglich. Aber dem Orathonen standen andere Möglichkeiten zur Verfügung. Der Diskus tauchte am Himmel auf. Seine ganze Oberfläche war verbrannt. Die zurückschlagenden Flammen hatten ihn mit voller Wucht getroffen. Ein langer gezackter Riß lief über die Unterseite des Raumschiffes. Es war unglaublich, daß sich der Diskus überhaupt vom Boden hatte abheben können. Das feindliche Schiff näherte sich. Noch hatte der junge Kommandant den Sonnengleiter nicht entdeckt. Plötzlich jagte es auf den Gleiter zu. Es war zu spät, um auszusteigen und sich in den Wald zu retten. Ein Schatten fiel auf die dunkle Oberfläche des Diskus. Ein größeres, tropfenförmiges Schiff war erschienen und stand genau über dem kleineren Raumschiff. Das Folgende konnten die Männer kaum fassen. Ein langer Flammenstrahl, eine Säule reinsten Feuers stand über dem Diskus. Von ihrem Ende löste sich eine glühende Energiekugel, die direkt auf den Diskus zuglitt. In letzter Sekunde mußte der orathonische Kommandant etwas von dieser Gefahr bemerkt haben, denn der Diskus machte ein verzweifeltes Ausweichmanöver. Aber es war schon zu spät. Zwei Scheiben Panzerglas barsten im Gleiter, als die Druckwelle der Explosion über das Land fegte. Bäume knickten um. Eine Kiefer fiel majestätisch langsam über den Sonnengleiter. Ihr dichter Wipfel kratzte über die Oberfläche des Metalls und drückte das
Dach nach unten. Der Gleiter schlug zu Boden. Die Sicht war jetzt völlig genommen. „'raus! Schnell!" befahl Rex Corda. „Wir lassen den Gleiter zurück!" In rasender Eile verließen die Männer das Fahrzeug. Ga-Venga warf sich einen Doppeltank-Feuerlöscher über die Schulter, mit dem er die zu erwartende Glut zurückschlagen wollte. Als sie den Gleiter verlassen hatten, fegte das tropfenförmige Raumschiff den Diskus mit einem mächtigen Feuerschlag aus der Luft. Krachend schlugen die lodernden Bruchstücke in den Wald, der sofort Feuer fing. Der Diskus existierte nicht mehr. Mit angehaltenem Atem sah Rex Corda das mächtige tropfenförmige Raumschiff zurückkehren. Ein feiner weißlicher Nebel senkte sich von seiner Unterseite und fiel dem Boden entgegen. * Die schrägen Strahlen der untergehenden Sonne ließen den Gleiter über der Mohave Desert wie einen silbernen Fisch glitzern. In der Ferne breitete sich eine weiße, pilzförmige Staubwolke aus. Etwas schoß gedankenschnell gen Himmel. Ein orathonisches Raumschiff war gestartet. John Haick verringerte die Flughöhe. Kaum 20 Meter über dem Hochplateau schoß der Gleiter dahin, oft in gefährlicher Nähe der spitzen Felsnadeln, die wie suchende Finger nach ihnen zu greifen schienen. Sie näherten sich Los Angeles. „Es wird nicht möglich sein, mit dem Gleiter nach Los Angeles zu kommen", bemerkte der Laktone Percip. Es war erstaunlich, wie schnell der junge Agent Englisch gelernt hatte. „Die Stadt", fuhr er fort, „wird von zwei großen Hantelraumern zangenför-
mig eingefaßt. Mehrere Diskusschiffe patrouillieren laufend die Gegend ab. Los Angeles ist militärisches Sperrgebiet," „Eben", bemerkte John Haick. „Unser Plan ist aus diesem Grund variabel. Wir wissen nicht, wo die Falle zuschnappen kann. Auf jeden Fall sind wir auf dem Boden sicherer!" Er verlangsamte die Fahrtgeschwindigkeit. Keine Sekunde zu früh! Von Süden, aus der Gegend der Colorado Desert, schoß ein orathonischer Diskus heran. John Haick steuerte im Tiefflug auf eine Schlucht zu und setzte den Gleiter am Boden auf . Die Männer beobachteten angespannt, wie der Diskus über den schon dunkler werdenden Himmel zog und am Horizont verschwand. Suchte man bereits nach ihnen? Dann mußten die Orathonen herausgefunden haben, daß sie das falsche Schiff abgeschossen hatten. Oder hatte es sich um einen Patrouillenflug gehandelt? Vorsichtig flogen sie weiter. Ein paar Kilometer südwestlich vom Cajon Paß begannen die ersten Vororte von Los Angeles. Gleichzeitig konnten sie in der Dämmerung, halb hinter einem Bergmassiv versteckt, den massigen, dunklen Schatten eines orathonischen Hantelraumers sehen. Die Größe des Raumschiffes war erschreckend. Es mußte ganze Stadtteile unter seiner Masse begraben haben. Nach Percips Informationen lag der andere Hantelraumer an der Küste. Er ragte über die große Fläche des L. A. International Airport hinaus bis nach El Segundo. Das änderte den Plan. Die Verbündeten mußten sich nun von Süden der Stadt nähern. Das brachte sie zugleich in eine gute Ausgangsposition, um das Marinemuseum in San Pedro notfalls zu
Fuß zu erreichen. Der Sonnengleiter ging im Schutz der Dunkelheit am Bluff Park nieder. Tintenfarbene Schatten lagen über dem Wasser der San Pedro Bay. Die Wellen klatschten gegen die Mole. Weiß glänzten Schaumkronen im diffusen Licht. Der Ocean Boulevard, einst eine Bummelstraße verwöhnter Touristen, war wie ausgestorben. Kein Fahrzeug war auf dem breiten hellen Betonband zu sehen. Nur wenige Lichtpunkte zeigten an, daß in den Wolkenkratzern von Long Beach und Signal Hill das Leben nicht gänzlich erloschen war. Die Verbündeten befanden sich in der Nähe eines großen Bootshauses. Den Gleiter deponierten sie im Schatten einer großen Mauer. Ein Geräusch ließ die Männer herumfahren. Ein scharfes Klicken ertönte, gleich darauf blendete ein großer Scheinwerfer auf. Er tauchte den Gleiter und seine Besatzung in grelles Licht. „Hände hoch, Herrschaften!" krächzte eine rauhe Stimme. Fast erleichtert atmete Rex Corda auf. Das waren keine Orathonen. Dann klang die Stimme im höchsten Maße erstaunt. „Menschen und Laktonen! Was soll das?" „Das würden wir auch gern wissen", äußerte Rex Corda. Er ging einen Schritt auf die Lichtquelle zu. „Bleiben Sie stehen!" warnte ihn die Stimme hastig, „meine Schrotflinte geht ziemlich leicht los! Plünderer haben bei mir nichts zu lachen!" „Wir sind keine Plünderer", sagte Rex Corda, ohne die Stimme zu heben. „He!" krächzte der Fremde, „Sie sind Senator Corda!" „Ganz recht", meinte Corda, „wenn Sie jetzt so gut sein würden und Ihre Festbeleuchtung ausschalten ..."
Das Licht erstarb. Nach einigen Sekunden hatten sich die Männer wieder an die Dunkelheit gewöhnt. Der Fremde war ein alter Mann. John Haick ließ seine Taschenlampe aufblitzen. Rot entzündete, in dunklen Höhlen liegende Augen blickten ihnen entgegen. Der Mann hatte eine altertümliche Schrotflinte in den Händen. Damit winkte er den Männern, ihm zu folgen. „Mein Name ist Poul McDivern", sagte der Alte zu Corda, „freue mich, daß ich Sie mal persönlich kennenlerne. Ihre Reden vor der Vollversammlung haben mir am besten gefallen. Sie haben die Burschen vielleicht manchmal fertiggemacht!" Rex Corda lächelte. Seine Zeit als Politiker schien Jahrzehnte zurückzuliegen. „Ich kann mir vorstellen", sagte der Alte plötzlich, „daß Sie hier mit Ihren Freunden nicht zu Ihrem Vergnügen herumwandeln." „Was wollen Sie damit sagen?" „Auch ich habe allen Grund, gegen die Orathonen zu kämpfen", grinste der Alte. Seine Hand wies auf einen Hügel in einer Entfernung von 20 Metern. Gleichmütig deutete McDivern auf den Hügel. Dort ragten Mauerstümpfe und verbogene Stahlträger in die Dunkelheit der Nacht. „Mein Haus", sagte er ruhig, „ich war gerade im Bootsschuppen, als die Bruchstücke eines Raumschiffes hier herunterkamen. Von meiner Familie lebt keiner mehr." Er wendete sich zu Rex Corda. Das hagere Gesicht mit den tiefen Falten zuckte. „Wenig später strichen Schiffe der Orathonen hier entlang. Das Haus brannte; meine Frau lebte noch, war zwischen Gesteinstrümmern eingeklemmt. Ich bekam sie nicht allein her-
aus. Ich schrie, winkte. Die Schiffe senkten sich. Bronzeroboter grinsten heraus. Keiner half!" Wieder ging McDivern ein paar Schritte. Die Männer folgten ihm. Die Laktonen hielten sich zurück, blieben wachsam im Hintergrund. Sie waren jetzt um das Bootshaus herumgegangen. Die andere Seite war völlig offen. Verkohlte Balken ragten in die Dunkelheit. In einer Ecke stand ein uralter Station-Gar. Er schien jedoch gut instand zu sein. Der Lack schimmerte in der Dunkelheit. „Ich wußte, daß er in irgendeiner Situation noch einmal sehr nützlich sein würde!" McDivern wies auf den Wagen. Dann wandte er sich ernst an Rex Corda. „Sie werden bei Ihrem Unternehmen Schwierigkeiten haben!" In Rex Corda wirbelten die Gedanken. Der Alte mußte eine latente ParaEigenschaft haben. Das spürte Corda ganz deutlich. Er wußte, daß der Alte jedes Wort, das er sagte, ernst meinte. Man konnte ihm vertrauen. Daneben war noch etwas anderes. Etwas, das Rex Corda im Augenblick noch nicht begriff. Aber das war nichts Bösartiges oder Falsches. „Ich weiß nicht, was Sie vorhaben", meinte McDivern, „aber ich möchte mich Ihnen anschließen. Ich glaube, ich kann Ihnen nützlich sein. Wenn Sie also meinen Wagen wollen, dazu noch einen guten Chauffeur ..." * Der Alte erwies sich als ein vorzüglicher Fahrer. Während der Station-Gar langsam, fast lautlos die Straße entlangrollte, erfuhr Rex Corda einiges aus dem Leben McDiverns. Ein Leben, das nur von Ahnungen, Gefühlen und unbewußten Kenntnissen bestimmt war. Der Mann war parapsychologisch veranlagt. Aber er wußte es nicht. Auch die An-
kunft des Gleiters hatte er gespürt. Meile um Meile verschlang der langgestreckte altmodische Wagen. Kein Fahrzeug ließ sich auf dem Ocean Boulevard sehen. Links dröhnte die Brandung gegen das Ufer. Das Meer drohte wie ein dunkles sprungbereites Ungeheuer. Bekoval ließ den Fahrer nicht aus den Augen. Er saß zusammen mit Polley hinter McDivern und Rex Corda. Auf der dritten Sitzreihe drängten sich Percip, Bede und Ga-Venga zusammen. Wenn Tonder Part sich umsah, konnte er nur die dunklen Silhouetten sehen. Der Station-Gar hielt vor der Landzunge, die zwei Kilometer östlich von Palos Verdes ins Meer ragte. Fern schimmerten die Scheinwerfer, die das militärische Sperrgebiet säumten. „Wir müssen so dicht wie möglich heran", sagte Rex Corda. McDivern steuerte den Wagen durch die engen Straßen des Küstenbezirks. „Endstation", brummte er schließlich. Aber das war auch den anderen klar. Die Straße machte einen scharfen Knick. Dahinter wurde sie durch Scheinwerfer taghell erleuchtet. An einem Schlagbaum sah man die Gestalten mehrerer Bronzeroboter. Hier begann das Sperrgebiet. Bekoval blickte sich unruhig um. Der Wagen stand jetzt im Schatten eines hohen Gebäudes. Er war in der Dunkelheit nicht zu erkennen, aber den Bronzerobotern standen auch andere Möglichkeiten der Ortung zur Verfügung. „Was nun?" fragte der gewaltige Laktone. Seine breiten Schultern hoben sich. Die Fäuste umklammerten das Polster der Lehne vor ihm. John Haick hatte die ganze Zeit geschwiegen. Jetzt meinte er: „Durch das Sperrgebiet kommen wir nie. Hier liegen die Atombomben. Sprengstoff dürfte hier auch genügend vorhanden sein.
Die Bewachung ist hundertprozentig. Das Marinemuseum liegt auf der anderen Seite. Vielleicht wird es nicht kontrolliert. Aber die Orathonen befinden sich in unmittelbarer Nähe. McDivern kicherte plötzlich vor sich hin. „Der Ausflug führt also ins Museum! Wir kommen hin, aber wir müßten schwimmen!" Wieder lachte er glucksend. „Wenn wir nach links abbiegen, kommen wir auf eine Landzunge, östlich von Palos Verdes. Von der Spitze, die nicht zum Sperrgebiet gehört, müssen wir über das Wasser. Das sind gut 500 Meter. Wir kämen dann fast direkt zum kleinen Park, in dem sich das Museum befindet. Das ist zwar nicht der bequemste Weg, aber der sicherste." Wieder erkannten sie, wie nutzlos hier der Gleiter gewesen wäre. Jedes fliegende Objekt würde sich über der Fläche des Wassers deutlich auf den Schirmen der Raumschiffe abzeichnen. Bei einer zweifelhaften Identifikation gingen die Orathonen nie ein Risiko ein. Das hatte ihr Verhalten beim NORAD überdeutlich bewiesen. Nach wenigen Metern hörte die Straße auf. Die Männer kletterten aus dem Wagen. Die Landzunge war künstlich aufgeschüttet worden. Vor einigen Jahrzehnten hatte sie zum Hafen gehört. Jetzt wurde sie nur noch selten von einer Privatgesellschaft benutzt. Wie ein Steg zog sich der schmale Streifen Land in die Dunkelheit. Die undeutlichen Umrisse einiger Verladekräne hoben sich vor den Männern ab. Von dem hellerleuchteten Sperrgebiet hinter ihnen tönten Kommandos und Maschinengeräusche. Ein eisiger Wind wehte in kurzen Stößen von Westen und ließ die Männer erschauern. Der Himmel war dunkel. Sterne konnte man nicht sehen.
Sie näherten sich den Kränen. Dort begannen Schienen. Es war John Haick, der die Draisine entdeckte. Sie bestand nur aus einer Plattform mit Rädern und wurde von einem altertümlichen Verbrennungsmotor angetrieben. Die Männer machten gar nicht erst den Versuch, den Motor in Gang zu bekommen. Das Geräusch hätte sie sofort verraten. Es war keine Steigung zu überwinden. Die Verbündeten nahmen auf der Plattform Platz. Einer schob immer. Sie wechselten sich dabei ab. Aber es war keine anstrengende Tätigkeit. Ruckartig stoppte die Draisine, als Rex Corda die Bremse anzog. Bekoval, der mit gewaltigen Stößen das leichte Gefährt angetrieben hatte, prallte fluchend gegen die Kante. Vor ihnen tauchten die großen Puffer auf, die das Ende der Mole bezeichneten. Das Meer gluckste gegen die Mole. Palos Verdes war zum Greifen nahe, aber der Küstenstreifen war 500 Meter entfernt. Die Wellen schienen jetzt höher zu sein. In den Wind hatte sich ein feiner Regen gemischt, der die Männer frösteln ließ. Dann peitschten Schauer über das Wasser. Das Wasser war eisig. Rex Corda hörte das Schnaufen Bekovals neben sich. Beide zogen zusammen das kleine Boot, das sie umgedreht neben den Schienen gefunden hatten. Es reichte nicht aus, auch nur zwei der Männer zu tragen, aber man konnte die Waffen darin unterbringen. Während Corda von einer Woge überspült wurde, fühlte er, wie der Grund unter seinen Füßen verschwand. Es war ein hartes, gnadenloses Ringen. Wie ein tröstliches, vertrautes Zeichen glänzten die Lampen der Uferpromenade von Palos Verdes. Aber immer wieder nahmen peitschende Schauer den Männern die Sicht. Etwas zerrte am Boot. Rex Corda
drehte sich um. Er erkannte den Kopf McDiverns. Der Alte schien am Ende seiner Kräfte zu sein. „Klettern Sie hinein!" schrie Corda. Aber er fühlte, wie der Alte das ablehnte. McDivern klammerte sich eine Minute ans Boot. Dann schien er wieder Kräfte gesammelt zu haben. Keuchend schwamm er weiter. Die Lichter waren jetzt nahe. Rex Corda stieß auf Grund. Er arbeitete sich unaufhaltsam voran. Neben ihm drängte Bekoval vorwärts. Das kleine Boot zogen sie sicher an Land. Nichts regte sich. Man hatte ihr Kommen nicht entdeckt. Nach kurzer Zeit kamen die anderen. Zuletzt Ga-Venga. Der kleine Kynother halte sich von der schweren Uniform befreit. Jetzt trug er wieder seinen schwarzen Anzug. Der rote Brustkeil schimmerte matt. Grinsend hüpfte GaVenga von einem Bein auf das andere. Er schien keine großen Schwierigkeiten mit dem nassen Element Terras gehabt zu haben. Fröstelnd stiegen die Männer die Böschung zur verlassenen Promenade empor. Die Bogenlampen warfen schwankenden Lichtschein auf das feuchte Laub der Kastanien, die zu Seiten der Promenade standen. Die Orientierung war jetzt einfach. Hinweistafeln zeigten deutlich den Weg zum Museum. Außer dem Rauschen des Meeres war kein Laut zu hören, als sich die Männer nach links wandten und einen schmalen, mit Platten belegten Weg entlanggingen. Rex Corda fühlte eine Bewegung über sich. McDivern stieß einen leisen Schrei aus und warf sich im nächsten Augenblick zu Boden. Erstaunt wandten die anderen die Köpfe. Auf ein Zeichen Cordas warfen sie sich ebenfalls in Deckung. Ein paar Sekunden später war ein lei-
ses surrendes Geräusch zu hören. Die Konturen eines Diskus glommen matt im Widerschein der Bogenlampen auf. Das feindliche Schiff schwebte langsam über die Verbündeten hinweg. Jetzt sahen die Männer auch die glühenden Düsenöffnungen. Der Diskus war verschwunden, doch immer noch klang in den Ohren der Männer das trügerisch leise Geräusch des gedrosselten Antriebs. Rex Corda und Poul McDivern nickten sich zu. Sie erhoben sich vom feuchten Boden. Die anderen folgten ihrem Beispiel. In der Dunkelheit tappten sie über den Rasen, stiegen über Betonbrüstungen, krochen Wege entlang, sich immer in Deckung haltend. Die zackigen Doppelschritte zweier Bronzeroboter ließ sie erstarren. Kurze Zeit später schlurften nichtmenschliche Schritte über den Kies. Nur ein Whim konnte solche Geräusche verursachen. Die Information hatte sich als richtig erwiesen. Diese Seite des Sperrgebiets war nur wenig bewacht. Aber der Feind war dennoch überall! Plötzlich zuckte Rex Corda zurück Der massige Körper Oberst Polleys prallte gegen ihn. Ein gezischter Befehl kam von Bekoval. Die Männer hielten an, schwärmten aus, um bei der geringsten verdächtigen Bewegung das Feuer eröffnen zu können. Vor ihnen lag die dunkle Fläche eines Bassins. Stufen führten, den Männern gegenüber, in die Höhe. Eine Fahne flatterte gegen ihren Mast. Die Männer hielten den Atem an. Das Bassin war mit Wasser gefüllt. Darin bewegte sich etwas. Es gluckste. Ein gespenstischer Kopf erschien. Neben Rex Corda lag McDivern. Der Alte lachte plötzlich leise. Er schien sich gar nicht beruhigen zu können. Aus der dunklen, sich teilenden
Oberfläche ragte wieder etwas heraus, verschwand für den Bruchteil einer Sekunde und sprang erschreckend plötzlich in die Luft, um dann klatschend auf die Wasseroberfläche zurückzufallen. Delphine! McDivern hatte sich beruhigt. Es war offensichtlich, wie sehr die Nerven der Männer gespannt waren. Rex Corda ging näher an das Becken heran. Die kleine Taschenlampe blitzte in seiner Hand auf. Aus einer Entfernung von nur einem halben Meter blickten ihn große lidlose Augen stetig an. Es war ein Delphin, der größte, den Corda jemals gesehen hatte. Hinter sich hörte er einen unterdrückten Ausruf Bekovals. Aber er kümmerte sich nicht darum. Starr blickte er das Tier an, das seinen Blick unbewegt erwiderte. Es war etwas in den Augen dieses großen Lebewesens,- das Rex Corda sehr aufmerksam werden ließ. Außer bei Nukleon hatte er diesen Ausdruck bei keinem Tier gesehen. Die Delphine, eine Attraktion des Vergnügungsparks, waren am Ende. Sie hatten in letzter Zeit keine ausreichende Nahrung mehr bekommen. Sie drohten zu verhungern. Rex Corda überlegte sich kurz, wie er auf diesen Gedanken gekommen sein konnte. Es gab keine Erklärung. Nur das Gefühl, daß diese Lebewesen in höchster Not waren. Dann sah Corda den dunklen Körper. Aufgebläht trieb er auf der Oberfläche des Wassers. Ein toter Delphin! McDivern trat an seine Seite. „Wabash", sagte er, „ja, Sir, so heißt er. Wabash! Noch nie von ihm gehört? Das intelligenteste Vieh weit und breit!" „Sie sterben!" bemerkte Rex Corda. Er fühlte den rasselnden Atem des Alten an seiner Seite. Flüchtig wunderte
er sich, wie der Mann die Überquerung des Wassers überhaupt hatte aushalten können. „Ja, Sir", kam es heiser, „wenn ihnen keiner hilft, gehen sie ein!" Mit der Taschenlampe inspizierte Rex Corda das Becken. Dann hatte er die Lösung. Unter der Oberfläche befand sich ein mit einem Gitter verschlossener Schacht. Diese Röhre führte direkt zum Meer und versorgte das Becken mit frischem Salzwasser. Kurz entschlossen sprang Corda in das Wasser. Es war eisig. Das Gitter war mit einem Vorhängeschloß gesichert. Ein einfacher Riegel hatte offenbar nicht genügt. Die intelligenten Tiere hätten sich sofort den Weg zur Freiheit gebahnt. Rex Corda stemmte die Beine gegen die Betonwandung. Mit einem kurzen kräftigen Ruck riß er das Gitter aus seinen Angeln. Sofort fühlte er die Masse der glatten Körper um sich herum. Die Delphine hatten gleich begriffen, was geschehen war. Mit einem Schwimmstoß gelangte er zur Oberfläche empor. Dort schnappte er kräftig nach Luft. Er war fast zwei Minuten unter Wasser gewesen. Kräftige Arme zogen Corda an Land. Er blickte in das wütende Gesicht Fatlo Bekovals. Aber er achtete nicht darauf. Etwas anderes war jetzt wichtiger. Er vernahm Stimmen, hoch und seltsam. Was sie sagten war nicht in Worte zu kleiden. Es waren mehr Gefühle, die Corda umschwebten und ihn wie mit feuchten freundlichen Schnauzen anstießen. Was sie ausdrückten war klar, klarer, als Worte es vermochten: Dank! Der weiße Delphin schwamm noch einmal rund um das Bassin. Der letzte seiner Gefährten verschwand in der runden Öffnung. Wieder schnellte Wabash aus dem Wasser. Dann glitt auch er in den Schacht.
„Verrückt!" grunzte Bekoval. Der Laktone war ungemein erregt. Nur mit Mühe konnte er sich beherrschen. Er sah einfach keinen Sinn in dieser Handlung. Corda fühlte das. Aber er konnte seine Handlung auch nicht erklären. Denn es war nicht nur Mitleid mit einer zum Sterben verurteilten Kreatur. Links von ihnen erhob sich der gewaltige dunkle Block des Marinemuseums. Nur ein paar Scheinwerfer auf der Frontseite, am Palos River Drive, erhellten die imponierende Fassade. Vorsichtig näherten sich die Männer dem Museum. Das Ziel ihrer Anstrengung lag in greifbarer Nähe. Trotzdem verhielten sie und gingen hinter einigen Büschen in Deckung. Kurz darauf knallten Schritte auf das Pflaster. Zwei Bronzeroboter marschierten um die Ecke des Museums. Regelmäßig tönten ihre Schritte zu den Männern hinüber. Nach etwa einer Minute hatten sie den Bau abgeschritten und verschwanden um die nächste Ecke. Die Verbündeten befanden sich auf der Hinterseite des Museumkomplexes. Nur ein paar trübe, im Wind leicht schwankende Laternen erhellten die Nacht. Nach drei Minuten erschienen wieder die beiden Roboter. Ihre Schritte klangen mit monotoner Regelmäßigkeit. Also kontrollierte nur ein Doppelposten von Bronzerobots das Gebäude. John Haick holte ein kleines Gerät aus seiner Tasche hervor. Nachdem die Maschinen ihre dritte Runde zurückgelegt hatten, löste er sich von der im Gebüsch liegenden Gruppe und schlich auf den Hintereingang zu. Es war nur eine kleine Tür, die sich innerhalb eines großen Doppelportals befand. Hier wurden die großen Ausstellungsstücke ins Innere des Museums transportiert. Binnen weniger Sekunden schnappte das Schloß auf. Mit seinem Spezialgerät
tastete der junge Wissenschaftler die Türfüllung ab. Als er die Kontakte der Alarmanlage entdeckt hatte, fuhr eine metallene Zunge aus dem elektronischen Gerät. Der Kontakt war hergestellt, die Pole waren überbrückt. Hastig schlich John Haick zurück, denn wieder näherten sich die knallenden Schritte der seelenlosen Mechanismen. Sie hatten nichts bemerkt. Die Bronzeroboter marschierten weiter. Als sie verschwunden waren, schlüpften die Männer durch die kleine Tür. Sorgfältig zog John Haick die Pforte zu. Die kleinste Erschütterung würde genügen, um die Alarmanlage zu aktivieren. Außer der trübe brennenden Notbeleuchtung war es im Museum dunkel. Die matt leuchtenden Lampen warfen gespentische Schatten. Ausgestopfte Seeungeheuer, Schiffsmodelle der verschiedensten Typen wirkten in diesem Licht wie lebendige bösartige Wesen. Die Männer machten kein Geräusch, als sie über die Gänge schritten. Vorsichtig wichen sie Glaskästen und Vitrinen aus. Man mußte die Möglichkeit miteinbeziehen, daß sich Wächter im Museum befanden. Sie fanden den Aluminauten erst nach über einer halben Stunde. Das Fahrzeug nahm einen ganzen Raum des Museums für sich ein. Ihm gegenüber waren kleinere Modelle der verschiedensten Vorläufer dieses Forschungsbootes ausgestellt. Das Batyskop der Gebrüder Piccard, ein deutsches Kleinst-U-Boot, verschiedene Taucheranzüge waren Marksteine der Entwicklung, deren Krönung der Aluminaut bildete. Im Schein der Taschenlampen inspizierten die Verbündeten das Boot. Es ruhte auf einem Plastikgestell. Ein Steg, dessen Geländer armdicke Taue bildeten, reichte bis über die Mitte. Die Be-
sucher des Museums hatten so die Möglichkeit, einen Blick in die geöffnete Luke zu werfen. Aber wie bekam man dieses Ungetüm aus Aluminium und Stahl aus dem Museum? * Lautlos bewegten sich die vier Männer durch die Dunkelheit. Der matte Schein der nächsten Laterne enthüllte Rex Cordas gespanntes, aufmerksames Gesicht. Hinter ihm schlich Percip, der sich stets im Schatten der Büsche bewegte. Sergeant Bede blieb immer in Deckung. Nur McDivern ging unbekümmert in der Mitte der Straße. Einmal pfiff er sogar gut gelaunt vor sich hin, bis ihn ein gezischter Befehl zum Schweigen brachte. Sie hatten die Doppelstreife der Roboter vor dem Museum ungesehen passiert. McDivern war es gewesen, der zu wissen schien, wann die Automaten wieder auftauchten. Seine Vermutung hatte sich als richtig erwiesen. Oder war es keine Vermutung gewesen? Der Alte schien genau zu wissen, wohin er sich wenden mußte. Sie hatten in einem großen Bogen das Gelände des Museums hinter sich gelassen. Fern schimmerten die Bogenlampen des Parks. Die Männer befanden sich am Ufer des Meeres. Sie bogen in einen kleinen Weg, eigentlich mehr ein Pfad, ein. Nach hundert Metern befanden sie sich hinter einer großen Halle, die von einem geschwungenen Dach aus Spannbeton bedeckt wurde. Vor der Halle lag ein betonierter Platz, der sich dem Meer entgegensenkte. Es war eine Werft, die hauptsächlich Jachten in Spezialanfertigungen für Liebhaber hergestellt hatte. Das große Gelände war verlassen. Sonst patrouil-
lierten hier Wachtposten, um die kostbaren Boote und Maschinen zu bewachen, aber jetzt regte sich nichts. An der Mauer, die die Werft zum nächsten Grundstück abgrenzte, stand ein Tieflader. Es war ein Sattelschlepper, dessen langer Ladeteil sich bis zur Erde senken konnte. Die Männer eilten über den Platz. McDivern setzte sich hinter das Steuer und bemühte sich, die Zündung des Motors zu überbrücken. Suchend blickte sich Rex Corda um. Dann fiel ihm ein hoher Lattenverschlag ins Auge. Dort lagen einfache Konstruktionen aus schweren Balken, roh dem Winkel eines Bootskörpers angepaßt und mit gewaltigen Ballonreifen versehen. McDivern hatte inzwischen sein Kunststück erfolgreich beendet. Auf einen Hebeldruck senkte sich die Ladepritsche. Mit Rex Corda rollten die Laktonen zwei der Gestelle herauf. Irgendwie mußte man den Aluminauten innerhalb des großen Raumes bewegen. Auch mit diesen Hilfsmitteln würde es schwierig genug werden. Rex Corda dachte an die beiden Wachrobots. Man konnte ihre regelmäßigen Kontrollgänge vorausberechnen, aber es war unmöglich, den Aluminauten unter ihren Augen aus dem Museum zu bekommen. Sie mußten ausgeschaltet werden. „Jetzt brauchen wir noch die Sauerstoffflaschen", flüsterte Rex Corda, doch McDivern kicherte als Antwort. „Nicht mehr nötig, Chef. Wir haben Sauerstoff genug. Sogar einen Schweißbrenner!" Der Alte wies grinsend durch die kleine Heckscheibe auf die Ladefläche des Transporters. Säuberlich in einer Reihe lagen da 20 Sauerstoffflaschen, daneben ein Schweißgerät, dessen farbige Schläuche sich wie Schlangen wanden.
Als er Rex Cordas zweifelnden Blick bemerkte, nickte McDivern nur heftig. Seine Augen strahlten. „Ich hab's ausprobiert! Ist tatsächlich Oxygen! So wahr ich hier sitze!" Der Motor des schweren Wagens heulte auf. Aber Rex Corda wies den Alten mit einer Handbewegung an, noch nicht zu fahren. Er sprang noch einmal aus dem Fahrerhaus. Die Laktonen folgten ihm. In der hinteren Ecke des Hofes standen zwei Zapfsäulen, daneben mehrere Fässer. Dieselöl! In kurzer Zeit hatten die Laktonen den Laster mit allen Fässern beladen, die aufzutreiben waren. Röhrend startete der Sattelschlepper. Diesmal war es nicht möglich, die Bronzenen zu täuschen oder zu umgehen. Das Geräusch des Sattelschleppers allein hatte genügt, um sie aufmerksam zu machen. Jetzt entschied das Überraschungsmoment. Der Sattelschlepper war über den Hof gekurvt und rangierte mit der Ladepritsche an die Hinterseite des Museums. Zwei schimmernde Gestalten standen an der Pforte des Hintereingangs. Die bronzenen Köpfe spähten starr auf das Fahrzeug. Ehe Rex Corda ihn daran hindern konnte, glitt McDivern aus dem Führerhaus. Furchtlos näherte sich der Alte den Robotern. Metallene Hände richteten schwere Waffen auf den Terraner. Die Waffendrehkränze an der Oberseite der Metallköpfe zeigten Schußbereitschaft an. „Bleiben Sie stehen!" dröhnte eine metallische Stimme. „Dieser Bezirk ist gesperrt!" Der Alte schnauzte sich. Er beachtete die Waffen nicht, die auf seine Brust deuteten. Niemand nahm den abgrundtiefen Haß in seiner Stimme wahr, der ihn beherrschte. Er trat einen weiteren
Schritt auf die Roboter zu. „Antworten Sie!" Zögernd blieb McDivern stehen. Er drehte sich zu Rex Corda um, dessen schattenhafte Gestalt er durch die Scheiben des Lasters erkannte. „Wir müssen hier durch!" schnarrte der Alte mit ärgerlicher Stimme. „Wir..." „Dieses Gebiet ist gesperrt!" wiederholte der Bronzene. Währenddessen umkreiste Percip lautlos den Lastwagen. In seiner Hand schimmerte der Magnet-Smash, die wichtigste Spezialwaffe zur Robotbekämpfung, die selbst dann wirksam blieb, wenn die Roboter sich mit Energieschirmen einhüllten. Noch konnte der Laktone nicht schießen. Der Abstand war zu groß. Die Treffsicherheit war noch zu klein bei dieser Distanz. Wenn die Roboter nicht schlagartig ausgeschaltet werden konnten, dann würden sie einen Notruf absetzen, der einen Alarm auslösen würde. Das Risiko konnten sie auf gar keinen Fall eingehen. „Wir haben einen schriftlichen Auftrag!" log McDivern laut. Seine Stimme hallte schaurig auf dem Platz wider. „Zeigen!" befahl eine Robotstimme. Der Alte drehte sich um und wies auf das Führerhaus. Rex Corda biß sich auf die Lippen. Im Schatten des Museums erkannte er eine gebückte Gestalt, die auf die Roboter zuschlich. In diesem Augenblick jedoch wurden die Roboter aufmerksam. Sie fuhren gleichzeitig herum. Ihre Arme zuckten hoch. Corda hörte ein leises, bösartiges Zischen, dann schlug es in die Köpfe der Bronzenen ein. Percip hatte gut gezielt. Die Roboter brachen auf der Stelle zusammen. Der Schatten an der Wand zog sich eilig zurück und verschwand im Museum. Jetzt war Eile geboten. Einem reüssierten Angriff
konnten die Verbündeten nicht standhalten. Ihre spärliche Bewaffnung wurde zwar durch die Strahler der Bronzerobots ergänzt, trotzdem mußten sie in einem größeren Feuergefecht unterliegen. Alles hing davon ab, ob die Männer im Museum gute Arbeit geleistet hatten. Bekoval grinste, als Rex Corda bei ihm erschien. Das bewies Corda, daß der Laktone es gewesen war, der sich den Robotern genähert hatte. Bekoval verlor keine Worte darüber, wie knapp er dem Tod entgangen war. Er sah Percip nicht einmal an. Ein Geräusch ließ sie herumfahren. Waffen blinkten in ihren verkrampften Fäusten. Aber es war nur Ga-Venga. Der kleine Kynother hatte festgestellt, daß die Monturen der monegassischen Matrosen aus dem Jahre 1980 durch einen roten Brustkeil verziert waren. Das Sprachengenie hatte demnach nichts Eiligeres zu tun, als sich eine solche Uniform überzustreifen. Seinen Anzug, der immer noch feucht war, hatte er über die Heizung gelegt. Bekoval gab ihm einen energischen Wink. Der Kynother übersetzte. „Das U-Boot ist mehr als primitiv. Ich habe große Bedenken! Glauben Sie wirklich, daß wir damit in größere Meerestiefen vordringen können? Wir benötigen Treibstoff ..." „Wir haben Dieselöl", fiel ihm Mac Divern ins Wort. Der Alte war unversehrt aus dem kleinen Gefecht mit den Bronzenen hervorgegangen. „Sauerstoff haben wir ebenfalls genug. Was wollen Sie eigentlich?" Fatlo Bekovals Augen sprühten Funken. Mühsam beherrschte er sich. Der Mann war in einer Welt vollendeter Technisierung aufgewachsen. Jetzt mußte er sich mit Hilfsmitteln zufriedengeben, die nach seinen Begriffen wirklich primitiv waren. Es gab keine
andere Möglichkeit. „Wir fanden Flaschenzüge im Keller. Ebenso Konstruktionspläne für den Aluminauten!" Die Laktonen hatten unterdessen die Rollgestelle hereingeholt. Trotz der Gummireifen verliefen die Aktionen nicht ganz so leise, wie Rex Corda es gern gesehen hätte. Er schickte den Sergeanten Bede nach draußen. Bede kehrte wenig später mit der Meldung zurück, daß außerhalb der Gebäude kaum Geräusche wahrzunehmen seien. Die Männer leisteten Präzisionsarbeit, als sie die Plastikstelzen, auf denen der Aluminaut ruhte, wegschoben. Der Fußboden wankte, als das Tonnengewicht des Aluminauten auf die gepolsterten Schrägen der Gestelle glitt, mit denen die Männer das U-Boot abtransportieren wollten. Percip und Sergeant Bede hoben das Fenster aus seinen Angeln. Ga-Venga eilte ins nächsthöhere Stockwerk, um den Galgen zu justieren, der die Masse des U-Boots tragen sollte. Karabinerhaken schnappten leise ein. Langsam senkte sich die Masse des Aluminauten dem Boden entgegen. Die Männer hielten den Atem an. Bei jedem Geräusch zuckten sie zusammen. Sie befürchteten, jeden Augenblick ein waffenstarrendes Aufgebot von Orathonen und Bronzerobotern anrücken zu sehen. Noch blieb die Nacht ruhig. Der Aluminaut glitt auf die Ladefläche des Trucks. John Haick sprang in das Führerhaus. Rex Corda stöhnte auf, als der Motor des Lasters ansprang. Der Lärm dröhnte durch die Nacht. Im Schrittempo rollte der Lastwagen mit dem Aluminauten auf die Mole zu. Und da kamen sie auch schon! Rex Corda zerbiß einen Fluch auf den Lippen. Vier Roboter näherten sich ihnen mit
knallenden Schritten. Ihre schimmernden Köpfe waren deutlich zu erkennen. Rex Corda und die anderen blieben im Sichtschatten des Trucks. Doch das half nicht viel. In wenigen Sekunden mußten die Bronzenen eingreifen. Jetzt blieben sie stehen. Der Lastwagen rollte tuckernd auf sie zu. Knirschend schwankte das U-Boot in den Halterungen. „Ich werde sie ablenken!" flüsterte Corda. Er löste sich aus dem Schatten des Lasters, bevor Bekoval oder Percip noch protestieren konnten. Mit entschlossenen Schritten ging er auf die Roboter zu. Sie richteten ihre Waffen auf ihn. Ein scharfer Befehl peitschte durch die Nacht. John Haick stoppte den Lastwagen. Jetzt trat Rex Corda energisch an die Roboter heran. „Weshalb halten Sie uns auf?" donnerte er in gespielter Entrüstung. Die Roboter antworteten nicht. Einer von ihnen ging an das Führerhaus des Trucks heran, riß es auf und starrte hinein. Ein zweiter schwang sich auf den Hänger des Lastwagens und schnellte sich auf das U-Boot hinauf. Rex Corda erkannte Percip, der sich unglaublich schnell von der anderen Seite zum U-Boot emporarbeitete. Einen Atemzug später zischte das Projektil eines MAS durch die Nacht. Knallende blaue Blitze fauchten aus dem Kopf des Roboters. Langsam kippte er ab und stürzte schwer auf den Boden, direkt vor die Füße Cordas. Der Präsident sprang mit einem weiten Satz zur Seite. Fast im gleichen Augenblick blitzte es bei den beiden Robotern auf, die sich dem Truck nicht genähert hatten. Zwei glutende Strahlen zuckten fingerdicht an Corda vorbei. Die nächsten Schüsse mußten tödlich sein. Da brach auch der Roboter am Füh-
rerhaus zusammen. Bekoval bellte einen Befehl. Die Büchse McDiverns krachte. Der Alte schnellte sich an Rex Corda vorbei. Im Widerschein einer aufblitzenden Robotwaffe sah Corda das verzerrte Gesicht des Alten. McDivern war wie wahnsinnig. Er hielt seine Flinte in der Hand. Heisere Schreie ausstoßend, raste er auf die Roboter zu. Wieder bellte das Gewehr auf. Die Roboter glitten in den Schatten zurück. Ein leuchtend roter Strahl zischte auf den Alten zu. Dennoch hetzte McDivern weiter. Zum zweitenmal blitzte die Waffe der Bronzenen auf. Stöhnend sank McDivern in die Knie, aber Rex Corda hatte jetzt den Standort der Roboter erkannt. Er versuchte, eine Deckung zu finden, während der Motor des Lasters laut aufheulte und die Räder sich in Bewegung setzten. McDivern bewegte sich nicht mehr. Gefährlich nah zuckte ein Energiestrahl an Rex Corda vorbei. Im gleichen Augenblick jedoch knallte der MAS. Blaue Blitze zuckten in der Dunkelheit. Dann war Stille. Bekoval kam mit schnellen Schritten zu Corda. „Schnell!" keuchte er. „Es wird bald Verstärkung kommen! Bis dahin müssen wir es geschafft haben!" Er riß Rex Corda in die Höhe. Gemeinsam hetzten sie hinter dem Laster her, der mit schneller Fahrt zum Ufer rollte. Sie konnten sich jetzt nicht mehr um den toten McDivern kümmern. Die Plattform des Trucks senkte sich, als sie ihn erreichten. John Haick hatte den schweren Wagen geschickt herumgezogen. Das Heck des Aluminauten zeigte auf die schäumende Brandung. Ein Schrei gellte über die Lippen Percips. Das U-Boot polterte von den Gestellen herunter. Platschend rutschte es ins Wasser. Die Männer sprangen hin-
terher. Wieder wurden sie bis auf die Haut durchnäßt. Aber sie fühlten das eisige Wasser nicht mehr. Sie hörten nur auf das gräßliche Jaulen der orathonischen Alarmsirenen, das schrill durch die Nacht kam. Sie schwangen sich durch die geöffneten Schotts. Doch der Aluminaut war noch nicht frei. Die Motoren brummten auf, aber die Schrauben wühlten im Schlick. Rex Corda hörte einen erregten Schrei neben sich. Sergeant Bede sprudelte Worte hervor, die niemand verstand. Doch dann begriff Corda. Siedendheiß fiel es ihm ein! Die Sauerstoffflaschen! Sie lagen noch immer auf der Ladefläche des Trucks, während die Dieselfässer verladen worden waren! Bede turnte als erster wieder hinaus. Danach folgten Rex Corda, Bekoval und Percip! Mit wenigen Sätzen schnellte sich Bede zum Laster hinüber. Die Männer bildeten eine Kette. Es dauerte nur einige Sekunden, bis die Sauerstoffflaschen im Inneren der Luke verschwanden, aber diese wenigen Augenblicke wären fast zum Verhängnis für die Verbündeten geworden. Ein Schatten tauchte über ihnen auf, ein schwarzer Fleck am dunklen Himmel. Doch der Diskus schoß über sie hinweg. Bede sprang ins Wasser. Er arbeitete sich zum Aluminauten hinüber. Bekoval rutschte durch die Luke. Er stieß Rex Corda vor sich her. Percip folgte ihm. Er wollte Sergeant Bede mit sich zerren, doch Bede rutschte ab und fiel zurück. Ein gleißender Strahl fegte durch die Dunkelheit. Bede zog sich auf die Oberseite des sinkenden Bootes und arbeitete sich bis zur noch offenen Luke vor. Eine Flamme erwischte ihn am Bein und ließ ihn herumwirbeln. Der Sergeant brüllte auf und warf die Arme in die Luft. Auf dem glatten Deck verlor er
den Halt und stürzte ins Wasser. Dessen Oberfläche hatte sich in kochenden, zischenden Dampf verwandelt. Augenblicklich verschwand Bede. Bekoval hieb auf den Hebel, der den Schließvorgang der Schleuse einleitete. Gleichzeitig beschleunigte John Haick auf volle Fahrt. Der Aluminaut kam frei. Das Fahrzeug sank tiefer. Das Ufer fiel hier steil ab. Im gleichen Augenblick wurde das Unterseeboot wie von einer Riesenfaust geschüttelt. Es knallte gegen die steinerne Böschung, wirbelte dann dem Grund entgegen. Einen Augenblick verlor John Haick die Gewalt über sein Fahrzeug. Die Orathonen setzten Waffen ein, denen das kleine Schiff völlig schutzlos gegenüberstand. Aber die Energiestöße waren schlecht gezielt. Sie rissen zwar mit furchtbarer Gewalt an dem Aluminauten, trafen aber nicht. Das Wasser war in eine brausende, kochende Hölle verwandelt worden. Ein Riß zog sich über die Wand des Kommandoraums. Es tropfte von der Decke, dann glitt ein Rinnsal über den Boden. Der Aluminaut sank jetzt unaufhaltsam. Das Fahrzeug schwankte schwer, aber John Haick hatte es unter Kontrolle. Plötzlich hörten die gedämpften Explosionen auf. „Sie haben es aufgegeben!" meinte Oberst Polley überrascht. Er ließ das Rohr los, an das er sich geklammert hatte. „Orathonen geben nie auf!" sagte Bekoval bestimmt. „Sie haben einen neuen Plan. Sie jagen uns. Sie wollen uns lebend!" * Nyktlys fuhr auf, als er den Mann
eintreten sah. Sigam Agelon warf seinen roten Mantel um die Schultern und blickte den ehemaligen Kommandanten spöttisch an. „Komme ich ungelegen?" Der beißende Hohn in der Stimme des Gefiederten war nicht zu verkennen. Er blickte an Nyktlys vorbei auf den Bildschirm. Man sah den weißen Schaum des durch die Strahler aufgewühlten Meeres. „Sie haben versagt, Nyktlys", kam es scharf aus dem Munde Agelons. Der degradierte Kommandant öffnete den Mund, aber Agelon fuhr ihm ins Wort. „Ich habe jede Ihrer Aktionen genau verfolgt. Ich weiß alles. Sie wollten Rex Corda töten, weil Ihnen der Auftrag unbequem war." Ein stählerner Ausdruck trat in die Augen des Featherhead. Die gemusterten Lider senkten sich kurz, öffneten sich zu einem Spalt. „Sie wollten den Terraner töten; statt dessen haben Sie Ihre eigenen Leute abgeknallt. Was war mit Gli Varrai?" Nyktlys wußte, daß jede Verteidigung sinnlos war. Resignierend blickte er zu Boden. „Sie kamen bald darauf, daß sich im Diskus nur einer unseres Volkes und mehrere Staras befanden. Jetzt haben Sie herausgefunden, daß der Terraner Corda ein Tauch-Boot auftreiben konnte. Hören Sie doch auf, Sie Narr!" schrie Agelon plötzlich. Er trat zum Kommandostand und zog ein Mikrophon zu sich herein. „Feuer einstellen!" kommandierte er ruhig. Der rotgekleidete Orathone wandte sich wieder dem Mann vor ihm zu. „Sie sind unfähig, Nyktlys", sagte er. „Ich bedaure es, daß Sie jemals ein Schiff fliegen durften." Die Schultern des anderen strafften sich. „Ich habe immer meine Pflicht er-
füllt", kam seine gepreßte Stimme. Überrascht hob Sigam Agelon eine gemusterte Augenbraue. „Das sind große Worte", meinte er schließlich belustigt. „Leider sieht die Wirklichkeit ein wenig anders aus. Ihnen habe ich es zu verdanken, daß ein Spezialschiff für längere Zeit ausgefallen ist!" „Aber", flehte jetzt der stolze Orathone, „es sind doch Tausende ..." Ein eiskalter Blick des Oberbefehlshabers ließ ihn erstarren. „Sie bringen mir Rex Corda. Lebendig. Der Mann ist ein Phänomen. Er ist der Schlüssel zu diesem überraschenden Volk." Wieder tropfte Hohn beißend durch den Kommandoraum. „Eine Chance noch. Nyktlys! Sie genießen bei mir Sonderbehandlung! Vielleicht verschwende ich aber nur meine Zeit. Das wird sich herausstellen. Sie geben ein feines Bild ab, Nyktlys! Ein Orathone jagt hinter einem Eingeborenen her. Ein Orathone läßt sich über's Ohr hauen!" Das kantige breite Gesicht lächelte grausam. „Denken Sie an Gli Varrai, den jungen Piloten, den Sie zerstrahlt haben. Sollten Sie versagen, Nyktlys, dann werden Sie sich wünschen, so leicht und schnell sterben zu dürfen. Das aber wird ein vergeblicher Wunsch sein." * Mit Polleys Hilfe schweißte Rex Corda eine Metallplatte über den feinen Riß. Kostbarer Sauerstoff wurde verbraucht, aber es ging jetzt nicht anders. Langsam versiegte der feuchte Strom. Der Aluminaut tauchte unaufhaltsam tiefer. Theoretisch war es möglich, ohne noch einmal aufzutauchen, ihr Ziel zu erreichen. Aber der Sauerstoff würde nicht reichen. Noch immer wußten sie nicht, in wel-
cher Tiefe das wichtige Teilruder der „Varnal" lag. Es war jetzt fünf Uhr morgens. Im Osten färbte sich das Wasser hell, leuchtete dann rot auf. Ein Sonnenaufgang unter Wasser! Aus diesem Grunde bemerkten sie auch die drei dunklen unförmigen Gebilde, die geradewegs auf das Schiff zustrebten. Zunächst waren es Flecken, und die sich schnell nähernden Wesen sahen aus wie riesenhafte Quallen oder Algenfelder, aber dann blickte Bekoval durch die Okulare des Spezialglases. Gespannt sahen die Männer zu ihm hinüber. Sie wußten, daß von diesen dunklen Gebilden draußen Gefahr ausging. In wenigen Minuten mußten sie den Aluminauten erreicht haben, der mit Höchstgeschwindigkeit durch das Wasser pflügte. Der Aluminaut war allein für Forschungszwecke gebaut. Er besaß keine Waffe außer einer Harpune, in deren Spitze sich ein kleiner Sprengkopf befand. Doch ihr Bereich war zu begrenzt. Außerdem mußte zwischen jedem Schuß eine Pause von fünf Minuten verstreichen. Die elektrische Winde holte die Harpune wieder ein. Metallene Klammern hielten die Beute fest. Bekoval wandte seinen Blick ab. Die Männer starrten ihn an. „Cuttles", übersetzte Ga-Venga die Worte des Laktonen. „Kraken oder wie Sie die Tiere sonst nennen wollen. Gefährlich! Ein paar von ihnen können den Aluminauten glatt erdrücken!" Percip wandte sich seinem Vorgesetzten zu. Sein Gesicht war eine einzige Frage. „Wir haben zwei Möglichkeiten", sagte Rex Corda, „beide sehen nicht sehr attraktiv aus. Entweder tauchen wir schnellstens auf maximale Tiefe. Vielleicht können sie den Druck nicht aushalten. Die Harpune könnte uns behilf-
lich sein, aber im Grunde können wir nur einen Schuß abfeuern. Mehr Zeit bleibt uns nicht." John Haicks Hand schwebte über dem Steuer, bereit, das Schiff in die Tiefe zu jagen. „Und die zweite Möglichkeit?" „Wir tauchen auf und machen sie mit unseren Waffen fertig." „Darauf warten die Orathonen nur", bemerkte Bekoval bitter. „Das ist mir klar", meinte Rex Corda, „also: Tauchen!" John Haick riß das Tiefensteuer in Maximalstellung. Die Turbinen heulten auf. Aber die Cuttles waren jetzt heran. Sie kreisten das Schiff ein. Lange, biegsame Arme streckten sich nach dem kleinen Fahrzeug aus. Das unerwartete rasche Absinken ließ die Arme ins Leere tasten. Die Tiere hatten sich schnell orientiert. Mit nach hinten angelegten Armen schossen sie pfeilschnell hinter dem sinkenden Aluminauten her. Nach fünf Minuten dröhnte der erste Schlag gegen die Metallwandung. Es klang wie im Innern einer mächtigen Glocke. Irritiert blickte Rex Corda zur Seite. Neben ihm saß Ga-Venga und summte eine seltsame Melodie vor sich hin. Sein spöttisches Grinsen, das er bei jeder Gelegenheit zur Schau trug, war völlig verschwunden. Mit leeren Augen starrte der kleine Kynother geradeaus, während die Töne abgerissen und halblaut aus seiner Kehle kamen. Die Wandungen des Aluminauten knackten. Es war, als hätten sich schwere Fesseln um das Schiff gelegt. „Sie ziehen uns hoch!" schrie John Haick. Verbissen hieb er auf die Schalter, aber das Schiff gehorchte ihm nicht mehr. Die urwelthafte Gewalt der unirdischen Monster zerrte das kämpfende Schiff zur Oberfläche empor. Die Gedanken jagten in Rex Cordas
Gehirn. „Was sind das für Wesen, diese Cuttles?" keuchte er. „Halbintelligent", knurrte Bekoval, als sei es ein Schimpfwort. Er hielt sich krampfhaft fest. Der Aluminaut vollführte jetzt schlingernde überraschende Bewegungen. Es schien, als stritten sich die Riesenkraken um ihre Beute. „Intelligenz ähnlich wie bei den Ätzern", brummte der Laktone. „Werden durch Impulse beeinflußt. Unsere Wissenschaftler arbeiten an einer Entwicklung, die diese Impulse stört und ins Gegenteil verkehrt!" „Hochinteressant", murmelte John Haick wütend, „das wird uns jetzt eine Menge nützen!" Er sprang auf, erhob sich von seinen nutzlosen Kontrollen und drängte in den hinteren Raum. Die Maschine stampfte, aber es war kein Antrieb vorhanden. Die Cuttles schleppten den Aluminauten unaufhaltsam nach oben. Der junge Wissenschaftler kletterte gerade in einen Tauchanzug, als er eine Hand auf seiner Schulter fühlte. „Willst du mich etwa daran hindern, rauszugehen?" knurrte Haick Rex Corda an. „Einer muß dir ja schließlich den Reißverschluß zumachen", grinste der Freund. Er hatte sich ebenfalls einen Anzug hervorgesucht. Auch die Taucheranzüge stammten aus dem Museum. Teilweise waren sie veraltet, aber sie würden ihren Zweck erfüllen. Aus einer der großen Flaschen strömte Preßluft in die kleinen Stahlbehälter auf den Rücken der Anzüge. Kostbare Sekunden gingen verloren. Währenddessen näherte sich der Aluminaut weiter der Wasseroberfläche. Das runde rote Gesicht Oberst Polleys erschien in der stählernen Schiebetür. „Was zum Teufel ist los?"
„Setzen Sie sich hinter die Harpune, Polley!" brüllte Rex Corda. „Und geben Sie uns die Magnet-Smash! Wir müssen raus, ehe es zu spät ist!" Kopfschüttelnd verschwand der Oberst. Er war alles andere als ein Feigling, aber er hatte sich schon damit abgefunden, gefangengenommen zu werden. Die Luke Öffnete sich. Die Männer kletterten in den Zwischenraum. Unter ihnen glitt das Schott zusammen. Dann strömte Wasser durch das Ventil. Schnell stieg es, reichte den Männern bis zum Bauch und schlug nach wenigen Minuten über ihren Köpfen zusammen. Langsam öffnete sich der Einstieg. Sie blickten in eine dunkle Hölle. Das Wasser war in quirlender Bewegung. Überall glitten fast meterdicke schwarze Arme herum. Das Schiff war in einer festen Umklammerung. Über den Köpfen der Männer schimmerte es hell. Es ließ sich nicht einmal schätzen, wie tief sie sich noch befanden. Licht flammte auf. Polley hatte den starken Scheinwerfer eingestellt. Er beleuchtete ein gelbes Auge, darunter zuckte ein Papageienschnabel. Rex Corda und John Haick klammerten sich an die Aufbauten. Dicht neben ihnen lief ein dicker schwarzer Arm um den Aluminauten herum. Wo sich die Körpermasse des Tieres befand, konnte man von ihrem Standplatz aus nicht entdecken. Ein suchender Arm schlängelte sich auf sie zu, irrte aber kurz vor ihnen ab. Er holte weit aus, dann schlug er gegen den Scheinwerfer: Aber die starke Lichtquelle befand sich hinter dickem Panzerglas. Das Schiff dröhnte auf und erzitterte unter diesem gewaltigen Schlag. Jetzt sah Rex Corda deutlich das Tier an der Spitze des Schiffes. Vier seiner Arme hatte es um die Nase des
Aluminauten gelegt, die anderen peitschten das Wasser. Deutlich war das Gesicht des Monsters zu erkennen. Es lag auf der großen Fläche des Körpers. Zwei verhältnismäßig kleine Augen lagen hinter tiefen Wülsten. Der Schnabel öffnete sich rhythmisch. Eine Nadel löste sich aus dem MAS Percips und fuhr unter die Hornschicht des Auges. Eine dunkle Flüssigkeit spritzte heraus und färbte das Wasser. Es war nicht zu erkennen, ob es sich um eine Tarnsubstanz oder um Blut handelte. Aber das Tier war offenbar verletzt. Seine Bewegungen wurden zuckend. Das explodierende Geschoß mußte es an seiner empfindlichsten Stelle getroffen haben. Das Gehirn war klein und unter einer dicken Schicht knochenartiger Substanz verborgen, aber die Schmerzen machten das Tier wild. Es schlug wahllos um sich. Zweimal traf es das Schiff, aber die meisten Schläge knallten auf seinen Gefährten, der rein reflexiv zurückschlug. Der Aluminaut ruckte in seiner Verankerung. Die Arme packten fester zu. Dicke schwarze Schlangen glitten suchend über die Oberfläche des Aluminauten. Jeden Augenblick konnten die beiden Freunde entdeckt werden. Hastig löste Rex Corda die Plastikleine an seiner Hüfte. Ein Karabinerhaken schnappte, gleichzeitig griff ein langer Arm nach ihm. Die Cuttles hatten die Menschen entdeckt. Der Verletzte hatte sich gelöst. Stöße von schwarzer Flüssigkeit färbten das Wasser tintig. Die Arme nach hinten zusammengelegt, schoß der Riesenkrake auf sie zu. Kaltblütig wartete Rex Corda ab. Erst als ihn schon die Masse des Körpers zu überholen drohte, drückte er ab. Gleichzeitig ging er in die Knie und
stieß mit aller Macht gegen die Hülle des Aluminauten. Wie ein Geschoß schnellte er von dem Tauchboot weg. Der Krake hatte ihn verfehlt. John Haick war nicht zu sehen. Dann tauchte sein Kopf hoch. Er hatte sich gegen das hintere Ende gezogen und sich in der Deckung der Aufbauten dem anderen Cuttle genähert. Seine Waffe blitzte auf. Die winzige Nadel löste sich. Der Riesenkrake verhielt in seinen fließenden kraftvollen Bewegungen, mit denen er das Boot zur Oberfläche empordrückte. Ein langer Arm peitschte auf den jungen Wissenschaftler zu. Aus dem Augenwinkel sah Corda, wie sich sein Gegner näherte. Das dunkle Monster war schwer angeschlagen und hatte seine Bewegungen nicht mehr unter Kontrolle. Es mußte auch völlig blind sein. Dennoch konnten seine tastenden langen Arme immer noch höchst gefährlich werden. Rex Corda zog sich an der Schnur zurück, als er seinen Freund in der Umklammerung sah. Schuß auf Schuß feuerte der Wissenschaftler auf den Riesenkraken ab. Jetzt hatte ihn der Tentakel fest im Griff. Ein zweiter schob sich heran. Der junge Wissenschaftler bäumte sich auf. Rex Corda jagte das ganze Magazin seiner Waffe in das teuflische Gesicht in der Mitte des massigen Körpers. Verzweifelt fühlte er die Qualen seines Freundes, der sich unter der stählernen Klammer wand. Wie mit einem Hammer schlug der Schmerz nach Rex Corda. Sein Stöhnen hallte in der Glokke des Helmes wider. Dicht vor ihm befand sich das krakengleiche Wesen. Das Monster schien den Feind genau zu sehen, aber es machte keine Anstalten, nach ihm zu greifen. Vielleicht ahnte das halbintelligente Tier, daß beide Gegner im Au-
genblick nicht fähig waren, den Kampf fortzusetzen. Die Aufwärtsbewegung des Aluminauten war jetzt zum Stillstand gekommen. Das Schiff zerrte und ruckte an seiner lebenden Umklammerung, aber die Antriebskraft reichte nur für ein Unentschieden. Über ihnen war das Wasser hell. Sie konnten nicht mehr als fünfzig Meter unter der Wasseroberfläche sein. Und darüber warteten weitere Feinde. Das wußten sie. Rex Corda krampfte die Hände zusammen. Die Schmerzen wurden unerträglich. Er fühlte die stählerne Klammer, als läge sie um seinen Leib. Pfeifend entwich die Luft aus seinen Lungen. Er drohte ohnmächtig zu werden. Genauso mußte es auch seinem Freund ergehen. Rex Corda versuchte immer wieder vergeblich jenen eigenwilligen Sonderteil seines Hirnes zu aktivieren, der ihn bisher schon mehrfach aus fast aussichtslosen Situationen gerettet hatte. Es wollte nicht gelingen. Er fühlte das heiße Pulsieren in seinem Kopf, doch er fühlte die emphatische Kraft nicht, mit der er den heimtückischen Gegner schlagen konnte. Verzweifelt hob er die Waffe, um abermals zu feuern. Die blitzenden Nadeln des Magnet-Smash zischten durch das Wasser und schlugen in die massigen Körper der Kraken. Doch vergeblich — wie bisher. Der MagnetSmash war eine Spezialwaffe gegen die Roboter. Er konnte deshalb auch nur bedingt wirksam gegen Monster wie diese Kraken sein. Das Klopfen in seinem Kopf wurde heftiger. Rex Corda fühlte, daß sein Sonderhirn, erwachte. Er empfing die emotionellen Wellen, die von Haick ausgingen, ausgeprägter als zuvor. Er versuchte, die Wellen des Schmerzes an die Kraken weiterzuleiten, doch er erzielte keine spürbare Wirkung.
Da erschien Percip in dem offenen Schott. Er trug einen Taucheranzug. Das transparente Material des Helmes verzerrte sein kantiges Gesicht. In seiner Faust glitzerte die Strahlwaffe eines Bronzeroboters! Unwillkürlich schrie Rex Corda auf! Niemand wußte, wie die Waffe im Wasser arbeitete. Percip schoß! Ein Blitz von ungeheurer Helligkeit raste durch das grüne Wasser und verwandelte es in brodelnden, tosenden Gischt. Rex Corda vernahm den gräßlichen Schrei einer sterbenden Kreatur in seinem Inneren. Das Grauen schnürte ihm die Kehle zu. Wieder blitzte es auf. Etwas Dunkles wirbelte durch den kochenden Gischt. Der Aluminaut taumelte. Rex Corda erkannte einen Krakenarm, der dicht an seinem Kopf vorbeiraste. An den Saugnäpfen hing die Robotwaffe Percips! Rex Corda schlug wie von Sinnen um sich. Plötzlich war er frei. Er schnellte sich zu John hinüber, der bewußtlos durch das trübe Wasser taumelte. Er zerrte ihn in die Schleuse. Percip war verschwunden. Die Schotts schlossen sich. Gurgelnd versackte das Wasser. Corda fühlte, daß der Aluminaut sich wieder senkte. Das Schiff war frei! Nervige Hände zerrten die beiden Gestalten ins Boot. Die schlaffen Anzüge wurden ihnen von den Leibern gerissen. Corda erkannte Percip, der sofort mit Wiederbelebungsversuchen bei John Haick begann. Der junge Wissenschaftler rührte sich nicht. Aber sein Herz schlug. Unablässig rang Percip um das Leben Haicks. Ein Blick zur Sichtscheibe ließ Rex Corda einen Schrei der Enttäuschung ausstoßen. Wieder schossen dunkle Schatten auf sie zu. Es mußten fünf der Riesenkraken sein. Diesmal gab es kein Entkommen! Aber dann sah es so aus, als wären
die Cuttles nicht allein gekommen! Die Kraken hatten sich festgesaugt und rissen das Schiff nach oben. Doch etwas behinderte sie. Die Männer waren völlig wehrlos. Sie erhielten Hilfe von außen! Die Retter waren flink, unheimlich schnell. Sie schossen blitzschnell um das Schiff herum. Die peitschenden Arme der Cuttles erreichten sie nie. Zähne bissen zu, packten die lederartige Haut der Kraken. Es waren Hunderte, die halfen. Corda sah einen großen Lichtfleck. Und jetzt erkannte er auch, was er da vor sich hatte. Das waren Delphine, die nur durch den Winkel des abgeknickten Periskops und durch die Spiegelung der eingedrückten Scheibe verzerrt wurden. Delphine! Etwas tastete in Cordas Gehirn. Gefühle tauchten auf, aber sie gehörten nicht dem Senator. Eine fremde freundliche Intelligenz versuchte einen Kontakt. „Wabash!" brüllte Rex Corda. Die Männer zuckten erschrocken zusammen. Die Verbindung wurde stärker. Gleichzeitig fühlte er die Verwirrung der Riesenkraken, die einen pausenlosen Angriff über sich ergehen lassen mußten. Es waren Hunderte. In dichten Schwärmen drängten sich die Delphine um den Aluminauten. der mit den Cuttles zu einer monströsen Masse verschmolzen war. Überall schoß der große weiße Delphin herum, als ob er Befehle erteilte. Ein seltsamer, unwirklicher Feldherr einer alptraumhaften Schlacht. Die Verwirrung der Kraken wurde immer stärker. Sie waren schwer verwundet. Wehren konnten sie sich kaum. oder sie hätten das Schiff fahren lassen müssen. Das war aber mit ihren Befehlen nicht vereinbar. Oberst Polley saß jetzt an den Kontrollen. Er hatte eine Technik entwik-
kelt, die den Riesenkraken schwer zu schaffen machte. Er stellte die Maschinen aus und dann wieder auf volle Fahrt. Jedesmal glitten die Arme der Monster ab, schlangen sich aber Sekunden darauf beharrlich um das gequälte Schiff. Noch hielt der Aluminaut. Aber er war schon schwer beschädigt. Die Schläge bedrohten den Tauchkörper tödlich. Ihr Selbsterhaltungstrieb befahl den Cuttles, das Schiff loszulassen, aber die Impulse der Orathonen ließen das nicht zu. Die Cuttles befanden sich in einem Konflikt. Vor Schmerzen vollführten sie sinnlose Bewegungen. Aber pausenlos kamen die befehlenden Impulse, die sie hinderten, ihrem Selbsterhaltungstrieb zu folgen. Die Cuttles drehten einfach durch! Diese Situation konnten sie nicht mit heilem Gehirn überstehen. Sie wurden wahnsinnig, auf eine seltsame, grauenhafte Art. Treibend, blind, zerfetzt, mit allen Gliedern sinnlos zuckend, wurden sie von den Fluten umhergeworfen. Dann schienen sie etwas zu sich zu kommen. Die Bewegungen wurden klarer. Die fünf Riesenkraken formierten sich. Regungslos schwebten sie sich gegenüber. Plötzlich machte der größte eine Bewegung. Er glitt auf seinen nächsten Gefährten zu und begann, einen Arm zu verschlingen. Der riesige gekrümmte Schnabel mahlte seine zuckende Beute hinunter. Dann wurden die Cuttles zu einem sich verschlingenden, grauenhaften Knäuel. Die Gefühle der gequälten Gehirne waren unerträglich. Corda griff sich an den Kopf, der zu zerspringen drohte. Schlagartig setzte der Schmerz aus. Gleichzeitig kamen die warmen, freundlichen Emotionen der Delphine, die klingenden wortlosen Stimmen. Es
war ein Gruß, ein Dank. Langsam wurde er schwächer, als sich der Schwärm der Delphine entfernte. Wie Kinder tollten sie durch das Wasser. Nur der weiße Delphin blieb noch ein paar Minuten. Er kreiste ruhig um das Schiff. Mit Interesse betrachtete Wabash den Aluminauten. Dann drückte sich sein großes Gesicht gegen die Panzerluke. Die dunklen Augen blitzten in das Innere der Kabine. Dann verschwand der Kopf. „Danke", murmelte Rex Corda. „Wir sehen uns wieder, Wabash. Ganz bestimmt!" * Die zirpenden Töne aus dem kleinen Gerät waren zu einem dröhnenden Summen angeschwollen. Bekoval richtete seinen massigen Kopf empor. „Wir befinden uns über dem Punkt, an dem der Mittelteil der ,Varnal' auf dem Grund liegt", stellte er fest. John Haick wandte sich um. Seine Hände blieben auf den Kontrollen. „Viel Vergnügen!" meinte er. Der junge Wissenschaftler aktivierte das Echolot. „Unser Ziel befindet sich in einer Tiefe von 5000 Metern", stellte er mit gepreßter Stimme fest. „Die ,Varnal' liegt in einem gigantischen Trichter. Genau hier befindet sich der Mittelpunkt!" Haick hatte sich erholt. Sein widerstandsfähiger junger Körper hatte den ungeheuren Belastungen getrotzt. Doch die Sorge um das Gelingen des Unternehmens drückte ihn jetzt nieder. Er allein hatte eine genaue Vorstellung davon, was das angeschlagene Unterseeboot noch zu leisten vermochte. Rex Corda steckte seinen Kopf in den Kommandoraum. Hinter ihm erschien
der Laktone Percip. „Die Risse sind abgedichtet", knurrte Corda, „aber die Hülle des Aluminauten ist angeknackt. Die letzten Sauerstoffflaschen sind angeschlossen. Soweit sind wir fertig. Was gibt es?" „Die ‚Varnal' liegt in 5000 Meter Tiefe", flüsterte Haick. Die Zahl kam ihm ungeheuerlich vor. Aber das Echolot arbeitete einwandfrei. „Tauchen", entschied Rex Corda. Es war die einzige Möglichkeit. Die Männer hatten es nicht gewagt, an die Oberfläche emporzusteigen. Seit Tagen hatten sie nichts mehr gegessen. Sie waren erschöpft, aber in ihrem Innern brannte ein unbeugsamer Willen. Nach einer letzten Überprüfung des gesamten Aluminauten sank das Schiff waagerecht dem Boden des Meeres zu. Sie hatten sich geeinigt, nicht zu schnell zu tauchen. Das Material durfte nicht überbelastet werden. 2 000 Meter. Die Luft war stickig geworden. Rex Corda hatte den Druck erhöht und ließ gleichzeitig den Sauerstoffanteil steigen. 4 000 Meter. Ein Schlag dröhnte gegen das Schiff. Ein haushoher Schatten glitt vorbei. John Haick streckte langsam die Hand aus. Seine Finger senkten sich auf den Schalter, der den großen Scheinwerfer aktivierte. Ihnen genau gegenüber ruderte träge ein Ungeheuer. Es schien blind zu sein. Eine Lichtquelle glomm dunkelrot über einem weitgeöffneten, mit unzähligen spitzen Zähnen bewehrten Rachen. Der Aluminaut schob sich zurück. Es knisterte in den Wandungen. Mit einer schnellen Drehung verschwand das Ungeheuer. Oberst Polley hatte die Augen geschlossen. Er stöhnte. Sein Gesicht war feuerrot, fast ging die Farbe ins Violette über. Der Atem ging schnell und rasselnd. Aber die breite Brust des rothaarigen Mannes hob sich kaum. Zu stark lastete der quälende
Druck auf ihr. Es gab ein helles Klingen. Rex Corda wandte mit Mühe seinen Kopf. Im Gang war die Wandung eingedrückt. Das elastische Material, aus dem die Hülle des Aluminauten bestand, hatte nachgegeben. John Haick regte sich. Schotts rasselten vor und unterstützten die schwache Wand. Dann sank der Kopf des jungen Wissenschaftlers auf seine Hände. Schwer dröhnte sein Körper auf den Boden, als Haick aus dem Sessel glitt. Rex Corda richtete sich in eine sitzende Stellung empor. Das Blut pochte schwer in seinen Adern. Langsam wandte er seinen Kopf. Er allein war noch bei Bewußtsein! Eine zitternde Bewegung ging durch den Aluminauten. Das Boot tanzte und legte sich auf die Seite. Sie hatten den Grund erreicht. Mühsam kroch Corda auf Händen und Füßen voran. Seine Augen brannten. In seinen Ohren dröhnte es. Die Luft war kaum noch zu atmen. Corda kroch zum Ventil und ließ einen Teil der Luft ab. Dann zischte Sauerstoff in die Kabine. Wenigstens für Minuten würde es helfen. Er schleppte sich durch den engen Gang. Als er zufällig an die Rohre kam, zuckte er zurück. Sie waren glühendheiß! Langsam ließ er aus dem Wassertank einen Plastikbehälter vollaufen. Er schüttete die lauwarme Brühe über die Gesichter seiner Gefährten. Stöhnend kamen die Männer wieder zu sich. Verzerrt grinste John Haick. „Okay, wir sind unten!" keuchte er. „Was nun,?" Bekoval aktivierte den kleinen Empfänger. Dann rieb er sich den Kopf, schluckte mehrmals, bis er wieder hören konnte. Der gekoppelte Kompaß zeigte die Richtung. Der kleine Elektronenrechner gab die Entfernungen an.
Der Aluminaut war vor der „Varnal" angelangt. Nur wenige Meter trennten das Unterseeboot von dem mächtigen Metallklotz. „Wie kommen wir hinein?" flüsterte Oberst Polley. Er schüttelte den Kopf. Er sah das alles nicht als Realität an. Die Männer waren nahe daran, im Sauerstoffrausch wahnsinnig zu werden. Aber es war das einzige, das sie aufrecht hielt. Rex Corda wandte sich Bekoval zu. Der schüttelte den Kopf. Die Gedanken wälzten sich träge dahin. „Unmöglich, auszusteigen!" keuchte John Haick. „Keiner unserer Taucheranzüge ..." Seine Stimme brach ab. Rex Corda ging auf ihn zu. Der Scheinwerfer wanderte über die glatte Wand des Raumschiffteiles. Ga-Venga kam langsam hoch. Ein paar Worte des Laktonen Bekoval veranlaßten ihn, ein mechanisches Grinsen hervorzubringen. Es fiel reichlich kläglich aus. „An der Außenseite befindet sich ein Hebel. Es war geplant, das Schiff von außen zu öffnen! Wir wußten nur nicht, daß es so schwierig werden würde, sich zu nähern!" erklärte Percip. Der Scheinwerfer blieb zitternd stehen. In einer Einbuchtung am glatten Metall der „Varnal" glänzte ein farbiger Knopf. „Er muß hineingeschlagen werden", keuchte Ga-Venga. „Das wäre mit bloßen Händen möglich gewesen!" Rex Corda schob John Haick zur Seite. Resignierend blickte der junge Wissenschaftler seinen Freund an. Rex Corda lächelte mühsam. Er richtete die Zieleinrichtung der Harpune auf den farbigen Knopf. Dann schlug er sich gegen die Stirn.
Die Sprengladung mußte entfernt werden. Bekoval hatte erraten, was der Terraner beabsichtigte. „Schießen!" sagte er erregt. Rex Corda begriff. Die Sprengladung war relativ gering und würde dem Schalter sowie der Schleuse keinen Schaden zufügen. Luftblasen wirbelten aus dem Rohr. Die Harpune zischte heraus. Der Druck schlug gegen die Wandung des Aluminauten. Wieder ertönte das verdächtige Knacken. Hinter sich hörten die Männer ein
brausendes Geräusch. Die Wand hatte nicht mehr gehalten. Ein Schott schnappte vor, aber das Wasser drang tröpfelnd in die Kabine. Ein Rinnsal zeichnete eine verräterische Spur über den glatten Boden. Wieder heulten die Turbinen auf. Ein Leuchten stand triumphierend in Rex Cordas hellen Augen. Langsam schwang die Luftschleuse auf. Wassermassen stürzten brüllend in den eckigen großen Metallraum. Der Aluminaut schob sich vorwärts. Die „Varnal" war erreicht!
ENDE
Laurin: Kleingranate, Sprengkraft 10 kg TNT. Durchmesser 20 mm, Höhe 5 mm, münzförmig. Besteht aus einem in der Mitte angebrachten Laurin-Polarisator, der ein Polarisationsfeld ausstrahlt. Die Kleingranate wird dadurch zu 98 Prozent unsichtbar und kann weder durch einen Masse- noch durch einen Elektronik-Orter ausgemacht werden. Die Sprengladung ist ringförmig um den Polarisator angebracht. Laurins können nur in horizontaler Lage verwendet werden, da sonst der Polarisator ungenau arbeitet. Geballte Ladungen bis zu 10 Stück sind möglich. Cracker: Russische Weiterentwicklung des Ultraschall-Apparates zur Entfernung von Gallenund Nierensteinen. Prinzip: Schall in Ultraform erwärmt elastisches und weiches Zellgewebe nur schwach. Starre und weniger elastische Körperteile werden zersplittert. Das hat bei Menschen zum Beispiel die Auflösung der Knochen zur Folge, ohne daß Haut oder Muskulatur verletzt werden. Die Reichweite des Crackers: bis zu 80 Metern. Die Form der Waffe ist mit der UZi-Maschinenpistole zu vergleichen. Verwendungsbereich: nur innerhalb der Atmosphäre. Es existieren nur 12 Geräte. UVAK: Ultravakuumgeschoß in Verbindung mit einer Kleinrakete. Länge 50 mm, Durchmesser 10 mm, zylinderförmig mit einer Plastikscheibenschutzkappe am Kopf mit der Normalfarbe rot-violett. Prinzip: Der Spürkopf unter der Schutzkappe spricht z. B. auf die grüne Hautfarbe der Orathonen an. Er ist ringförmig um eine Öffnung angebracht. Dahinter befinden sich die Ultravakuumkammer und eine Getterionenpumpe, d. h. Einsaugpumpe mit gasaufnehmenden Mineralien. Der UVAK wird wie eine Handgranate in die Luft geworfen und sucht sich dann automatisch sein Ziel. Beim Aufschlag auf die Haut eines Orathonen entsteht der sogenannte UVAKEffekt: Nervenschock, Amoklauf des Betroffenen, der sich aber nur gegen Gleichartige richtet. Eintritt des Todes nach etwa 2 Minuten. Kumulator: Zünder für thermonukleare Waffen im Kleinformat. Größe etwas kleiner als ein Golfball. Der Kumulator macht die Verwendung von Atombombenzündern bei Wasserstoffbomben und -minen überflüssig. Prinzip: elektrische Explosion durch Konzentration an einem Punkt. Verwendetes Material für Brennspiegel: Martensit. Milkassem: Spezial-Fotoapparat in Geldstückgröße. Kapazität: 12 Aufnahmen. Prinzip: nach der Auslösung speichern elektrisch unterschiedlich geladene Säurenäpfe alle Außeneindrücke wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Luftzusammensetzung, Bodenzusammensetzung und chemische Struktur im Aufnahmebereich. Die Entwicklung der Aufnahmen geschieht elektronisch mit einem tragbaren KryogenKaltspeicher. ; Kryogen-Kaltspeicher: Tragbares Entwicklungsgerät für Aufnahmen mit der Milkassem. Prinzip: assoziatives Speicherwerk mit filmähnlich auftragenden Blei- und Zinnschichten. Ist durch einen sehr kurzen Stromfluß, der aus einer Eigenbatterie kommt, den herkömmlichen Magnetspeichern weit überlegen. Aus den Angaben des Milkassem kann der Kaltspeicher dreidimensionale, absolut originalgetreue Bildspots (mit Lichtwerten, Gerüchen und Geräuschen) von zwei Sekunden Länge liefern.