Kuno Lorenz Dialogischer Konstruktivismus
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Dialogischer Konstruktivismus
von
Kuno Lorenz
Walter de Gruyter · Berl...
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Kuno Lorenz Dialogischer Konstruktivismus
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Dialogischer Konstruktivismus
von
Kuno Lorenz
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Mit freundlicher Unterstützung durch die Saarland-Sporttoto GmbH
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 978-3-11-020310-3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2009 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Dialogischer Konstruktivismus (1986) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Artikulation und Prädikation (1996) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3. Rede zwischen Aktion und Kognition (1997) . . . . . . . . . . . . . 72 4. Grammatik zwischen Psychologie und Logik (1999) . . . . . . . . 94 5. Sinnbestimmung und Geltungssicherung (2000) . . . . . . . . . . . . 118 6. Die Wiedervereinigung von theoretischer und praktischer Rationalität in einer dialogischen Philosophie (2002) . . . . . . . . 142 7. Das Vorgefundene und das Hervorgebrachte (2008) . . . . . . . . . 159 Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Einleitung Mit dieser Sammlung von Arbeiten aus den letzten zwanzig Jahren möchte ich die Entwicklung meiner Überlegungen zu einer Philosophie, die nach Methode und Gegenstand dialogisch sein will, nachvollziehbar machen, gehört doch die im Mitdenken wirksame Prüfung eines Gedankengangs zum Kern dialogischen Philosophierens. Im zeitlichen Nacheinander von immergleichen Bemühungen um ein Verständnis von der Art des Zusammenhangs zwischen Ich und Du, der ständig ein Gegenüber von vertrautem Wir in einer als gemeinsam erfahrenen Welt und unvertrautem Ihr in einer unzugänglich bleibenden Welt aus sich entläßt, spiegeln sich die ›Auseinandersetzungen‹ – eben das sind, ganz wörtlich, ›Dialoge‹ – mit Freunden und Kollegen ebenso wie mit schriftlichen Zeugnissen zeitgenössischer und vergangener Autoren. Der so sichtbar werdende ›Dialog mit sich selbst‹ bedarf der Fortsetzung im ›Dialog mit anderen‹, soll dialogische Philosophie, wie ich sie hier im bisher vorliegenden Zusammenhang vorstelle, nicht virtuell bleiben. Dem aufmerksamen Leser wird dabei nicht verborgen bleiben, daß viele Schritte der hier niedergelegten Gedankengänge im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen wurden und sogar zu Änderungen der Terminologie führten, die bewußt nicht überall zu Gunsten einer ›letzten Fassung‹ eliminiert worden sind. Erst im Weiterdenken wird sich zeigen können, welche Schritte an welcher Stelle fruchtbare Fortsetzungen erlauben und welche, zumindest vorläufig und vielleicht nur scheinbar, in eine Sackgasse führen. Von besonderem Gewicht ist die in späteren Aufsätzen vorgenommene Verlagerung der Termini ‘Teilhandlung’ und ‘Zeichenhandlung’ für jeweils die Phasen und Aspekte, wie sie im zweiten Aufsatz Artikulation und Prdikation auftreten, auf jeweils die aus den Phasen und Aspekten entwickelten Vermittlungen und Artikulationen. Erst auf dieser differenzierteren Stufe nämlich werden die semiotischen Funktionen einer Handlung, als (praktisches) Zeigen (pars pro toto) in Vermittlungen einerseits und als (theoretisches) Zeichen (aliquid, i. e. particulare, stat pro aliquo, i. e. universale) in Artikulationen andererseits, vom pragmatischen Charakter einer Handlung als Gegenstand
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ausdrücklich unterschieden. Für die mit den Phasen und Aspekten jeweils vorgenommene Binnengliederung und Außengliederung einer Handlung, nämlich um sie als einen Gegenstand überhaupt erst konstituieren zu können, trifft das noch nicht zu. Von den sieben hier mit wenigen kleinen Korrekturen und Ergänzungen zusammengestellten Aufsätzen, deren Bezug auf den jeweiligen Anlaß ihrer Entstehung um der besseren Verständlichkeit willen nicht getilgt wurde, versucht der titelgebende erste den Beginn einer dialogischen Philosophie, wie er sich in der konstruktiven Philosophie und Wissenschaftstheorie der ›Erlanger Schule‹ herausgebildet hat, vor allem am Beispiel des Unterschieds von Konstruieren und Beschreiben auseinanderzusetzen und dabei zugleich in einen größeren historischen Zusammenhang einzubetten. Die dieses Unternehmen leitenden Gedankengänge, insbesondere und gerade im Rückgriff auf die Anfänge der Philosophie in der Antike, werden im sechsten Aufsatz Die Wiedervereinigung von theoretischer und praktischer Rationalitt in einer dialogischen Philosophie unter dem Gesichtspunkt der die philosophische Tradition und damit auch das Selbstverständnis der westlichen Kultur weithin beherrschenden leidvollen Trennung von theoretischer und praktischer Rationalität weiter ausgeführt und im letzten Aufsatz Das Vorgefundene und das Hervorgebrachte wieder auf die besondere Geschichte der ›Erlanger Schule‹ bezogen. In ihr spielen ein den Aufbau der Einzelwissenschaften leitendes methodisches Prinzip und ein dialogisches Prinzip eine führende Rolle. Dieses ist unentbehrlich, will man begreifen, wie es überhaupt zu wissenschaftlicher Weltaneignung und zugleich auch zu künstlerischer Weltschöpfung kommen kann. Denn dazu bedarf es der Herausbildung des Bewußtseins, als einzelner Mensch sowohl der Welt mitsamt den anderen Menschen gegenüberzustehen als auch ihr anzugehören und dieses Bewußtsein wiederum mit anderen zu teilen. Das aber ist gleichbedeutend damit, Klarheit darüber zu gewinnen, was es heißt, daß Gegenstände – Dinge oder Ereignisse, insbesondere Handlungen – Zeichenfunktionen übernehmen und so die Kluft zwischen Welt und Sprache erzeugen, die sich mit Denken allein nicht mehr schließen läßt. Erst im Tun, im aneignenden Umgang mit Gegenständen, auch Menschen, gehören wir der Welt an, von der wir uns zugleich nur kraft Sprache in einem ganz allgemeinen Sinn, nämlich dem Tun eine Zeichenfunktion verleihend, distanzieren, ihr und den anderen Menschen gegenüberstehen können. Es ist der dialogische Charakter des Handelns selbst, in Ich-Rolle vollziehend und in Du-Rolle erlebend, der es er-
Einleitung
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laubt, die Dialektik von Aneignung und Distanzierung und damit die Differenz von Gegenstand und Zeichen und so auch einer Welt der Natur und einer Welt der Kultur begreifbar zu machen. Eine befriedigende Klärung des Zusammenhangs von methodischem Prinzip und dialogischem Prinzip steht noch aus, muß dazu doch ein bisher in der ›Erlanger Schule‹ vom methodischen Prinzip noch nicht deutlich unterschiedenes begriffliches Prinzip herausgestellt werden, das für das Verstehenkönnen insbesondere methodischer Schritte und ihrer Zusammenhänge maßgeblich ist. Einschlägig dafür sind mittlerweile vor allem die kritischen Diskussionen um den Inferentialismus von Robert Brandom (z. B. in: Articulating Reason. An Introduction to Inferentialism, Cambridge Mass. 2000, dt. Begründen und Begreifen. Eine Einführung in den Inferentialismus, Frankfurt/Main 2001) durch Friedrich Kambartel und Pirmin Stekeler-Weithofer (in: Sprachphilosophie. Probleme und Methoden, Stuttgart 2005). Geht es beim methodischen Aufbau um lehr- und lernbares Können, ein ›knowing-how‹, so hat begriffliche Organisation allgemein verfügbares Wissen, ein ›knowing-that‹, zum Ziel. Aber natürlich sind methodisch aufgebautes Können und begrifflich organisiertes Wissen nicht unabhängig voneinander, und zudem bedarf es noch eines weiteren Schrittes, um über beides verfügen zu können. An dieser Stelle setzt wieder das dialogische Prinzip ein, indem die beiden Verfahren, das der Aneignung durch Einnahme der Ich-Rolle und das der Distanzierung durch Einnahme der Du-Rolle, Können stabilisieren und Wissen objektivieren. Durch Distanzierung erfährt Können eine Stabilisierung in einem sinnlich-symptomatischen Wissen – jemand weiß, was er kann und auch grundsätzlich jedermann in einem Lehr- und Lernprozeß weiterzugeben vermag – , und durch Aneignung wird Wissen in Gestalt eines sprachlich-symbolischen Könnens objektiviert – jemand kann sagen und vermag auch grundsätzlich gegenüber jedermann in einem Argumentationsprozeß zu vertreten, was er weiß. Die hierfür maßgebenden systematischen und historischen Zusammenhänge werden im vierten Aufsatz Grammatik zwischen Psychologie und Logik näher ausgeführt. Sie sollten sich auch dazu eignen, das im sechsten Aufsatz auseinandergesetzte Verständnis dialogischer Philosophie als Zusammenführung des Pragmatismus von C.S. Peirce und des Historismus von W. Dilthey noch deutlicher zu machen. Dann läßt sich auch besser begreifen, daß praktische Rationalität unter dem Primat des methodischen Prinzips steht, während theoretische Rationalität vom Primat des begrifflichen Prinzips lebt, beide Formen der Rationalität
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aber vom dialogischen Prinzip – hier hat das ›Vernunftprinzip‹ der ›Erlanger Schule‹, verstanden als Aufforderung zur Überwindung der eigenen Subjektivität, seinen Ort – zusammengehalten werden und nur theoretisch, im Denken, separierbar sind, nicht jedoch praktisch, im Tun. Wer sich über eine auch in technische Details gehende Darstellung der Verfahrensweise dialogischer Philosophie, wie ich sie verstehe, unterrichten will, ist eingeladen, sich nacheinander mit dem zweiten, dritten und fünften Aufsatz zu befassen, wobei die schon erwähnte älteste Darstellung im zweiten Aufsatz trotz ihrer thematisch erzwungenen Konzentration auf Sprachzeichenhandlungen zugleich die ausführlichste ist. Weiterführende Entwicklungen, konzentriert auf die Handlungsebene, finden sich im dritten Aufsatz Rede zwischen Aktion und Kognition, während deren Konsequenzen vor allem für die Sprachhandlungsebene schließlich im fünften Aufsatz Sinnbestimmung und Geltungssicherung zu finden sind. Bestandteil dieser drei Aufsätze sind zudem eine Reihe von stammbaumartigen Schemata, deren diagrammatische Darstellung wichtiger Züge des Gedankengangs dessen rein verbale Darstellung ergänzen und damit das Verständnis erleichtern soll. Insbesondere lassen sich von diesen Abbildungen einige der im Laufe der Jahre vorgenommenen Veränderungen im Aufbau dialogischer Philosophie besonders einprägsam ablesen. Für die Hilfe beim Zustandekommen dieser Veröffentlichung habe ich Vielen zu danken, ganz besonders aber meinen Freunden Professor Dr. Jürgen Mittelstraß von der Universität Konstanz und Dr. Bernd Michael Scherer vom ›Haus der Kulturen der Welt‹ in Berlin, ohne deren Engagement dieses Buch nie erschienen wäre. Mein Dank gebührt deshalb an dieser Stelle auch der Saarland-Sporttoto GmbH für Ihren großzügigen Druckkostenzuschuß, ohne den es gegenwärtig unmöglich gewesen wäre, diesen Band herauszubringen. Dem Verlag Walter De Gruyter schließlich bin ich zu Dank verpflichtet für die Bereitschaft, mit der bewährten verlegerischen Sorgfalt, für die sein Name steht, die Herausgabe zu übernehmen.
Saarbrücken, im Sommer 2008
Kuno Lorenz
Dialogischer Konstruktivismus Unter den zahllosen Versuchen, den großen Umwälzungen auf allen Gebieten – in den Wissenschaften und Künsten ebenso wie in Technik und Politik –, die an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert stattfanden und deren Erbschaft bis heute noch nicht abgearbeitet ist, auch philosophisch zu begegnen, hat die sprachkritische, von Ludwig Wittgenstein schließlich durchgesetzte, Weise zu philosophieren die nachhaltigste Wirkung gehabt. In diesem Verständnis ist Philosophie nicht selbst eine Wissenschaft mit einem eigenständigen Gegenstandsbereich, den sie, wie die übrigen Wissenschaften den ihren, erforscht und darstellt. Sie hat vielmehr als Bestandteil der Wissenschaften zu gelten, deren Aufbau sie sprachkritisch in der Weise noch einmal rekonstruiert, daß der Zusammenhang der Wissenschaften untereinander und ihr schrittweiser Aufbau aus einer gemeinsamen Welt des Alltags einsehbar wird. Philosophie ist weder eine ›Grundwissenschaft‹, eine Wissenschaft vom Seienden oder von den ersten Gründen oder den allgemeinsten Gesetzen oder wie immer Philosophie einmal bestimmt war und dann das Schicksal erlitt, für unverbindliche oder gar unverständliche Spekulation gehalten zu werden. Sie ist aber auch keine ›Überwissenschaft‹, eine ihrerseits empirisch orientierte Wissenschaftswissenschaft, die andere Wissenschaften als ihren Gegenstand untersucht, könnte sie doch dann die Rekonstruktion wissenschaftlicher Tätigkeit nur noch in Gestalt einer Beschreibung des status quo und damit unter Ausschluß ihrer eigenen Verfahrensweise bewerkstelligen. Erst wenn Wissenschaft auch noch weiß, was sie tut und warum sie es tut, kehrt sie den zu ihr gehörigen philosophischen Aspekt heraus. Philosophie ist nur in der Tätigkeit des Nachdenkens darüber, was man sagt und tut und warum – in der Selbstreflexion –, und im Dieses-selbstsagen-können wirklich. Weil aber ein solches Sagen-können das Darüber-sich-verständigen-können einschließt – woran sollte sich das Sagen-können sonst bewähren –, ist Philosophie eine Einheit von Selbstreflexion und Kommunikation. Damit ist zugleich deutlich, daß Philosophie nicht nur als Bestandteil der Wissenschaften erscheint, auch den anderen menschlichen Handlungs- und Redeweisen, seien sie
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technisch, künstlerisch, politisch oder anders bestimmt, gliedert sich Philosophie in Gestalt von Selbstreflexion und Kommunikation ein. Sie verfährt selbst wissenschaftlich, insofern ihr die wissenschaftstheoretischen Werkzeuge, die für die sprachkritische Rekonstruktion der Einzelwissenschaften benötigt werden – und dazu gehört alles, was die von der Einzelwissenschaft verwendete Sprache und die von ihr eingesetzten Untersuchungsmethoden bereitzustellen und zu beurteilen erlaubt –, in der Selbstreflexion stets sowohl Mittel wie Gegenstand sind. Aber darin erschöpft sich Philosophie nicht. In der Selbstreflexion künstlerischen Handelns etwa tritt auch die Fertigkeit, darüber Verständigungsprozesse in Gang zu setzen und damit die von den Künsten ausgebildeten sinnlichen Zugangsweisen zu Gegenständen ihrerseits vermitteln zu können, als eine philosophische Leistung auf. Der philosophische Aspekt politischer Tätigkeit wiederum – und natürlich darf er nicht mit wissenschaftstheoretischer Arbeit innerhalb einschlägiger Einzelwissenschaften, etwa der Politikwissenschaft oder der Rechtsund Staatswissenschaften verwechselt werden – ist mit dem Hervorkehren von Konsensbildungs- und Entscheidungsprozessen in bezug auf Zielvorstellungen, sowohl im Blick auf ihren Verlauf wie auf ihre Beurteilung, und zwar individuell und institutionell, aufs engste verknüpft. Zunächst allerdings hat die um 1900 einsetzende, von Bertrand Russell und George Edward Moore getragene sprachkritische Wende die analytische Philosophie in einer Gestalt hervorgebracht, die der vollen Radikalität gegenüber leitenden Annahmen sowohl einzelwissenschaftlicher Arbeit wie philosophischer Tradition noch entbehrt. Russell nämlich sah es als eine Hauptaufgabe an, eine für die exakten Wissenschaften – das sind primär Mathematik und Physik, er dachte aber, zum Beispiel, auch an die Psychologie – geeignete Wissenschaftssprache aus der für unproblematisch gehaltenen Umgangssprache zu konstruieren, während Moore sich ganz auf die überlieferte Sprache der Philosophie konzentrierte und versuchte, den in ihr möglicherweise verborgenen Sinn durch Reduktion auf die Umgangssprache freizulegen. Beiden Programmen, dem Konstruktionsprogramm Russells und dem Reduktionsprogramm Moores, liegen zwei Unterscheidungen innerhalb der Gebrauchssprache, also der von den Wissenschaftlern und Philosophen jeweils verwendeten natürlichen Sprache, zugrunde. Zum einen nämlich wird der für die gegenseitige Verständigung unproblematische Kern der Gebrauchssprache, die Umgangssprache, von der nur
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in schriftlichen Zeugnissen zugänglichen und der Interpretation bedürftigen Sprache der philosophischen Tradition, der Bildungssprache, abgehoben, zum anderen wird diese selbe Umgangssprache der von den Wissenschaften verwendeten Fachsprache gegenübergestellt. Für Bildungssprache und Wissenschaftssprache aber gibt es Verständigungsprobleme, die zunächst artikuliert und dann gelöst werden müssen. Russell nun entledigt sich dieser Aufgabe, formuliert als Forderung, die ›logische Form sprachlicher Ausdrücke‹ zu bestimmen, durch die Konstruktion einer wenigstens formal einwandfreien Wissenschaftssprache, nämlich die nur das symbolische Schema einer Sprache bildende künstliche formale Sprache – eine ›Idealsprache‹ – der (zusammen mit Alfred North Whitehead verfaßten) Principia Mathematica. Diese Idealsprache wird in ihrem Aufbau allein dadurch gerechtfertigt, daß sie erstens widerspruchsfrei und zweitens ausreichend ist, alle bereits inhaltlich bewiesenen und damit als wahr geltenden Aussagen der fraglichen Wissenschaft, also der Arithmetik und der Analysis im Falle der Principia Mathematica, nach expliziten Regeln rein syntaktisch abzuleiten. Ein solches Verfahren der Kalkülisierung einer wissenschaftlichen Theorie hat nun mit der Schwierigkeit zu kämpfen, daß einerseits bereits vor der Aufstellung eines Kalküls eine zuverlässige inhaltliche Theorie vorliegen muß, weil sonst nicht kontrolliert werden kann, ob die Kalkülisierung überhaupt angemessen ist, andererseits aber die Kalkülisierung gerade zu dem Zweck vorgenommen wird, eine präzise Theorie zur Verfügung zu haben, die an die Stelle einer nur vage intuitiv begründeten inhaltlichen Theorie treten kann. Dieser Schwierigkeit läßt sich ersichtlich nicht anders begegnen, als den ursprünglichen, mit dem Aufbau einer Wissenschaftssprache verbundenen Anspruch abzuschwächen und die in kalkülisierter Gestalt vorliegende Theorie zu einer Beschreibung der faktisch in den Wissenschaften geübten inhaltlichen Begründungsverfahren zu machen, die sich zu deren Rechtfertigung dann aber nicht mehr heranziehen läßt. Aus dem Programm der der Konstruktion einer Wissenschaftssprache ist aufgrund der Orientierung allein am Verfahren der Kalkülisierung, auch ›Formalisierung‹ genannt, unversehens eine bloße Deskription schon bestehenden Wissenschaftswissens mit den Mitteln einer Idealsprache geworden. Da sich dann aber auch das Russells Überlegungen leitende Ziel, auf dem Weg über eine korrekte Sprache das Wesen der Welt (the nature of the world) sichtbar zu machen, nach dem neugewonnenen sprachkritischen Verfahren gar nicht mehr einwandfrei formulieren läßt – was soll es heißen, von einer ›Natur‹,
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›Struktur‹ oder ›Form‹ der Welt zu reden unabhängig und neben den entsprechenden Eigenschaften der sprachlichen Darstellung –, ist im logischen Empirismus Russells Konstruktionsprogramm konsequent in eine verselbständigte Untersuchung von Art und Leistung formaler Sprachen umgebildet worden. Es kann höchstens ein vorläufiges, gebrauchssprachlich repräsentiertes Wissen über die Welt mit dem in einer formalisierten Wissenschaftssprache aufgehobenen Wissenschaftswissen verglichen werden. Der metaphysische Rest in den Konstruktionen Russells wird dadurch eliminiert, daß man darauf verzichtet, der Idealsprache Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der nichtsprachlichen Wirklichkeit abzuverlangen, und statt dessen fordert, daß die Idealsprache in ihrer Struktur, der logischen Form, mit der Struktur der Umgangssprache übereinstimmt. Aus dem Gegenüber von Sprache und Welt ist ein Gegenüber zweier Sprachen geworden. In der folgerichtigen Fortsetzung, wie sie im logischen Empirismus durch Rudolf Carnap Profil gewann, geht es nunmehr darum, den nichtempirischen Teil der Wissenschaftstheorie als Theorie der Wissenschaftssprache zu entwickeln. Philosophie wird zur ›Wissenschaftslogik‹. Denn erst dann, wenn philosophische Aussagen konsequent auf die logische Syntax der Gebrauchssprache, also die grammatische Syntax der ursprünglich von Russell entworfenen Idealsprache beschränkt werden, läßt sich die grundsätzlich nicht verifizierbare philosophische Rede über das Verhältnis von Sprache und Welt als angeblicher Leitfaden für die Konstruktion der Idealsprache vermeiden. Jede Möglichkeit einer Rechtfertigung der Regeln dieser Idealsprache ist damit vertan. Was bleibt, ist lediglich ein Verfahren der, wie Carnap es nennt, ›rationalen Nachkonstruktion‹,1 nämlich des in der realistischen Gebrauchssprache der Einzelwissenschaften dargestellten Wissens mithilfe einer formalen Sprache. Die sprachkritische Rekonstruktion einer Einzelwissenschaft als philosophische Aufgabe wird auf die Konstruktion einer geeigneten Metasprache beschränkt und erscheint damit als ein Fall allein von ›knowledge by description‹ in der Ausdrucksweise Russells.2 Für die Behandlung der von der Bildungssprache gestellten Verständigungsprobleme hat Moore einen anderen Weg als Russell eingeschlagen, allerdings endet er an einer sehr ähnlich zu charakterisierenden Stelle. Moore hat von Anfang an die Bestimmung der logischen 1 2
Carnap 1961, S. IX. Vgl. dazu etwa Russell 1912.
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Form sprachlicher Ausdrücke im Unterschied zu ihrer grammatischen Form nicht an den Aufbau einer formalen Sprache gebunden, die diese logische Form als grammatische Form zeigt. Vielmehr erlauben bereits die grammatischen Umformungen innerhalb der Gebrauchssprache alle relevanten logischen Unterschiede bei grammatisch gleichartigen Erscheinungen zum Ausdruck zu bringen. Zum Beispiel erlaubt die Aussage ›Einhörner sind unwirklich‹ im Unterschied zur Aussage ›Löwen sind Säugetiere‹ die synonyme Umformung ›es gibt keine Einhörner‹, womit der grundsätzlich von normalen Begriffswörtern verschiedene Status des Wortes ‘unwirklich’ nachgewiesen ist. Es bedarf also keineswegs erst einer Idealsprache, um die logische Form sprachlicher Ausdrücke zu bestimmen, vielmehr genügt dazu bereits die Kenntnis der Umgangssprache. Worauf es bei der logischen Analyse nach Moore ankommt, ist, für den zu analysierenden Ausdruck, der normalerweise einen bildungssprachlichen, der philosophischen Tradition zugehörenden Teil enthält, zum Beispiel das Wort ‘unwirklich’, eine umgangssprachliche Fassung vorzuschlagen und dann zu prüfen, ob diese Fassung dem Alltagswissen oder ›common sense‹ entspricht. Moores philosophische Arbeit galt daher der möglichst sorgfältigen Aufdeckung der in der Umgangssprache inkraft befindlichen inhaltlichen Bestimmungen, und nicht, wie bei Russell, der Angabe des formalen Rahmens einer für wissenschaftliche Zwecke geeigneten Sprache. Die inhaltlichen Bestimmungen der Umgangssprache, die es aufzusuchen gilt und die durch den alltäglichen Gebrauch der jeweiligen Ausdrücke gegeben sind, bedürfen nach Moore auch keiner eigenen Rechtfertigung. In ihnen stellt sich nämlich das Alltagswissen dar, das jeder, der hier weiterfragen wollte, ohnehin bereits in Anspruch nehmen müßte. Für Moore wie für Russell ist es daher richtig zu sagen, daß einerseits das bestehende Alltagswissen und andererseits das bestehende Wissenschaftswissen durch eine sprachphilosophische Reflexion nicht mehr hintergangen werden und nach ihrem eigenen Verständnis auch nicht mehr hintergangen werden können. Die in beiden Fällen leitende Prämisse, nämlich die eindeutig bestimmte Welt der überlieferten Naturphilosophie (natural philosophy) und der überlieferten Moralphilosophie (moral philosophy) sprachlich treu darzustellen, bleibt unausgesprochen und kann daher auch nicht kritisch geprüft werden. Es bleibt bei einem realistisch verkürzten Ideal möglichst vollständiger Beschreibung der einen, als eindeutig bestimmt geltenden Welt.
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In ganz ähnlicher Konsequenz hat daraufhin der linguistische Phänomenalismus, auch ›ordinary language philosophy‹ genannt, die philosophische Aufgabe auf eine selbständig gewordene Untersuchung natürlicher Sprachen eingeschränkt. Diese Untersuchungen dienen nicht mehr bloß dazu, die philosophische Tradition auf der Basis eines von jedem anzuerkennenden Alltagswissens verständlich zu machen. Auch hier war der Einfluß Wittgensteins, nicht durch seinen Tractatus logico-philosophicus, wie für den logischen Empirismus, sondern durch die Vorstudien zu den erst aus dem Nachlaß herausgegebenen Philosophischen Untersuchungen entscheidend. Hatte Wittgenstein doch im Gegenzug zu Russell und Moore im Lauf der dreißiger Jahre eine neue Form der sprachanalytischen Methode zu entwickeln versucht, die durch den Rückgang auf die Praxis menschlichen Lebens, die „gemeinsame menschliche Handlungsweise“,3 wie es bei ihm heißt, jene Sicherheit vermitteln soll, die der bloß theoretische Ansatz auf dem Wege einer Konstruktion formaler Sprachen nicht zu liefern vermag. Die logische Form sprachlicher Ausdrücke kann im Unterschied zu ihrer grammatischen Form nur durch Rückgang auf ihren Gebrauch in der Lebenspraxis aufgefunden werden. So heißt etwa eine Aussage verstehen bei Gilbert Ryle, wissen, unter welchen Bedingungen sie verwendet werden kann, heißt, mit ihr umgehen, heißt, um sie argumentieren können.4 Die philosophische Aufgabe kann sich nicht mit einer bloßen Übersetzung fragwürdiger Aussagen der Tradition in scheinbar unverfängliche umgangssprachliche Ausdrucksweisen begnügen, wie es die ihrer Rede von Bedeutungen sichere Sprachanalyse nach dem Vorbild Moores noch unbedenklich tun konnte, war doch deren Vertrauen in das den ›common sense‹ repräsentierende Alltagswissen noch nicht erschüttert. Im linguistischen Phänomenalismus weiß man, daß Irreführungen in allen Teilen der Gebrauchssprache, auch in der Umgangssprache, auftreten können; sie zu beheben erfordert die Einübung in die Kunst der Argumentation, ein per definitionem umgangssprachlicher oder auch fachsprachlicher Gebrauch. Bildungssprachlicher Gebrauch entsteht zusammen mit den philosophischen Problemen der Tradition erst, „wenn die Sprache feiert“, 5 dem Kontext der Lebenspraxis also entzogen wird. Natürlich dürfen dann zum Beispiel die üblichen philosophischen Debatten, auch viele der Gegenwart, 3 4 5
PU, § 206. Vgl. Ryle 1971. PU, § 38.
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nicht als die gesuchte Kunst der Argumentation zugelassen werden. Der ganze infrage stehende Unterschied zwischen Umgangs- und Bildungssprache würde aufgehoben: der gewöhnliche Sprachgebrauch (ordinary use) muß vor philosophischem Sprachgebrauch (philosopher’s jargon) auf irgendeine Weise ausgezeichnet werden. Das aber geschieht jetzt durch den empirisch feststellbaren Sprachgebrauch (ordinary usage) in einer natürlichen Sprache. Aus der logischen Analyse der Gebrauchssprache wird unversehens doch wieder eine grammatische Analyse ihres Kernbereichs, eben der faktisch verwendeten Umgangssprache. Die Zuverlässigkeit der Umgangssprache läßt sich ohne methodischen Zirkel nicht mehr in Zweifel ziehen, und deshalb verdient die Struktur der Umgangssprache die besondere Aufmerksamkeit auch des Philosophen, allerdings ohne daß er für die Prinzipien seiner Beschreibung noch eigenständig begründete Hilfsmittel mitbringen könnte. In dieser Situation kann der Ansatz der konstruktiven Philosophie und Wissenschaftstheorie, wie er von Wilhelm Kamlah und Paul Lorenzen begonnen und in der von Jürgen Mittelstraß herausgegebenen Enzyklopdie Philosophie und Wissenschaftstheorie in seiner bisherigen Arbeit dokumentiert ist, als ein Versuch verstanden werden, die in der analytischen Philosophie und Wissenschaftstheorie vernachlässigte Rolle des Russellschen ›knowledge by acquaintance‹ wieder in das ihm gebührende Licht zu setzen. Historisch allerdings ist dieser systematische Zusammenhang erst in jüngster Zeit beachtet worden, bedurfte es dazu doch einer Befreiung des ›knowledge by acquaintance‹ aus dem bei Russell vorherrschenden sensualistischen Kontext einer durch ›gegebene Sinnesdaten‹ hervorgerufenen sprachunabhängigen Evidenz. Sie war zwar der konsequent weitergeführten Sprachkritik im logischen Empirismus bereits zum Opfer gefallen, dabei aber gleich derart, daß wegen der an die Stelle der Lehre von der sinnlichen Basis gerückten Theorie der Protokollsätze auch das ›knowledge by acquaintance‹ selber als ein eigenständiges Wissen neben dem ›knowledge by description‹ nicht mehr bemerkt werden konnte. Selbst wenn die von Wittgenstein in seinem Tractatus benützte Unterscheidung zwischen dem, was sich sagen, und dem, was sich nur zeigen läßt, als ein erster Schritt zu einem adäquaten Verständnis dieser beiden Weisen von Wissen aufgefaßt worden wäre – Carnap hat im logischen Empirismus gegen Wittgensteins erklärte Überzeugung die Behauptung durchgesetzt, daß das, was sich zeigen lasse, metasprachlich wiederum gesagt werden könne –, so hätten sich – Carnaps Fehldeutung Vorschub leistend – die internen
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Beziehungen zwischen Sprache und Welt, die sich an Sätzen zeigen lassen, im Unterschied zu den externen Beziehungen, die sich mit Sätzen sagen lassen, auf Übereinstimmungen allein der Form oder Struktur von Sprache und Welt beschränkt. Materielle Teilhabe, Sprechen selbst auch als einen Bestandteil der Gegenstände aufzufassen, von denen gesprochen wird, gehört noch nicht zu den Einsichten des Tractatus. Und übrigens auch noch nicht zu den Einsichten im Werk Moritz Schlicks, obwohl dessen Unterscheidung zwischen Erleben und Erkennen durchaus das Verständnis von der Existenz zweier durch Zwischenstufen miteinander verbundener Weisen von Wissen, einem auf die Sprechsituation bezogenen Wissen um etwas, oder Objektkompetenz, und einem von der Sprechsituation unabhängigen Wissen ber etwas, oder Metakompetenz, hätte vorbereiten können.6 Erst mit der von Wittgenstein in den Philosophischen Untersuchungen vollzogenen pragmatischen Wende, die zu einem neuen Verständnis auch des philosophischen Pragmatismus bei Ch. S. Peirce geführt hat,7 wurde es möglich, im Bereich der Handlungen eine für Sprache und Welt gemeinsame Basis zu sehen. Die Sprachebene ist nicht mehr selbstverständlich die Metaebene gegenüber der Ebene der Gegenstände, vielmehr ist an ihr durchgehend ein symptomatischer, also ›gegenständlicher‹, und ein symbolischer, also ›repräsentierender‹, Zug bestimmbar, nämlich je nachdem, ob Sprache gegenstandskonstituierend, zur Objektkompetenz gehörig, oder gegenstandsbeschreibend, zur Metakompetenz gehörig, eingesetzt wird. Natürlich treten dieselben Verhältnisse auch im Zusammenhang von Objekt- und Metasprache auf und haben dort zu der historisch ersten Auseinandersetzung zwischen konstruktiver und analytischer Wissenschaftstheorie geführt, nämlich angesichts der Frage, ob eine Theorie von Kalkülen operativ oder axiomatisch auszusehen habe. Im Falle des arithmetischen Kalküls Ko :
=> j n => nj
etwa lassen sich unter den Aussagen über den Kalkül – es handelt sich dabei grundsätzlich um Ableitbarkeitsaussagen einschließlich ihrer logischen Zusammensetzungen, z. B. ‘jjj’ ist ableitbar in Ko, symbolisiert: 6 7
Vgl. Schlick 1979. Vgl. Scherer 1984.
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‘Ko jjj, als arithmetische Elementaraussage gelesen: jjj e natürliche Zahl – einige wahre Aussagen als Axiome oder ›erste Sätze‹ in der Weise auszeichnen, daß sich alle übrigen wahren Aussagen durch logisches Schließen gewinnen lassen. Man kann daher Aussagen über den Kalkül entweder ›umweglos‹ beweisen, durch Vorführen der behaupteten Ableitbarkeiten, oder ›mit Umweg‹, indem sie als logische Folgerungen aus den Axiomen gewonnen werden. Es bedarf zusätzlich nur noch einer operativen Deutung auch der logischen Verknüpfungen, etwa so, wie sie Lorenzen in seiner Einfhrung in die operative Logik und Mathematik vorgeschlagen hat. Im axiomatischen Fall werden die konstanten arithmetischen Terme mithilfe eines Operationszeichens ‘’’ für die Nachfolgeroperation, ausgehend vom konstanten Term ‘0’, gebildet: 0, 0’, 0’’ 0’’’, ….. . Die so gebildeten Zeichen gehören sämtlich der Ebene der Sprache ber die arithmetischen Gegenstände an, also ›0’ e natürliche Zahl‹ und nicht ›‘0’ e natürliche Zahl‹ ist eine korrekt gebildete arithmetische Elementaraussage. Im operativen Fall hingegen werden die konstanten arithmetischen Terme unmittelbar durch Aneinanderfügen des Grundzeichens ‘j’ gebildet: j, jj, jjj, jjjj, …… Die Nachfolgeroperation wird nicht bezeichnet sondern ausgeführt, ein eigenes Operationszeichen ist überflüssig. Allerdings bleibt es nicht bei bloßer Ausführung, in Gestalt der Regel ‘n => nj’ tritt zugleich auch noch eine Notation der Ausführung auf, es handelt sich also um eine Vorfhrung der Nachfolgeroperation. Mit der Vorführung wird sowohl der Handlungsaspekt als auch der Sprachaspekt dieser Operation aktualisiert: es wird Objektkompetenz ausgedrückt. Der Term ‘nj’, der deshalb, als Bestandteil der Regel, zur Sprache ber die Konstanten gehört – und das sind in diesem Fall selbst die arithmetischen Gegenstände und nicht bloß ihre Namen, wenn man von dem Abstraktionsschritt, der das Grundzeichen ‘j’ durch ein beliebiges anderes Grundzeichen zu ersetzen erlaubt, der Einfachheit halber einmal absieht –, ist auch Bestandteil der Ebene der arithmetischen Gegenstände: In der Termbildung ‘nj’ wird Sprache auch gegenstandskonstituierend, in der Termbildung ‘n’’ hingegen nur gegenstandsbeschreibend eingesetzt. In diesem besonderen Fall von Gegenstandsbeschreibung allerdings wird auf der Ebene der Namen von genau demjenigen gegenstandskonstituierenden Verfahren Gebrauch gemacht – Strichfolgenbilden –, das die beschriebenen Gegenstände zu charakterisieren erlaubt. Augenfälliger tritt die ›abstrakte‹, d.i. gegenstandsbeschreibende, und ›konkrete‹, d.i. gegenstandskonstituierende, Termbildung etwa im Fall der Additions-
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terme auseinander: Wieder ist die Regel ‘n, m => nm’ zugleich eine Notation der Ausführung der Operation der Addition von zwei Strichfolgen, also der Term ‘nm’ eine Vorführung der Additionsoperation, hingegen ‘n+m’ lediglich eine Beschreibung, deren Berechtigung, nämlich daß genau ein so beschriebener Gegenstand, das Resultat der Addition ›n+m‹, auch existiert, hier sogar eigener theoretischer Überlegungen bedarf. Die operative Theorie tritt auf als System von Aussagen zur Konstruierbarkeit konkreter Modelle für die von der axiomatischen Theorie lediglich durch Beschreibungsmittel unterstellten Gegenstände mit ihren Eigenschaften und Beziehungen. Noch deutlicher, und dabei zugleich der historischen Entwicklung im Zusammenhang der Bemühungen um die Widerspruchsfreiheit der (axiomatisierten) Arithmetik und Analysis näher, läßt sich der Unterschied zwischen konstruktiver und analytischer Wissenschaftstheorie in bezug auf Kalküle auf folgende Weise charakterisieren: Die in der analytischen Wissenschaftstheorie metasprachlichen Konstruktionen, nämlich bei der Untersuchung von Axiomensystemen, werden von der konstruktiven Wissenschaftstheorie objektsprachlich verstanden, und das heißt als vorgefhrte Konstruktionen mit Figuren, die anschließend natürlich auch noch beschrieben werden können. An die Stelle syntaktischer Untersuchungen einer interpretierten oder interpretationsbedürftigen, also mit einer Semantik zu versehenden (axiomatischen) Theorie tritt eine inhaltliche, nicht selbst schon axiomatisierte Theorie syntaktischer Konstruktionen.8 Dieser Schritt hatte mindestens zwei wichtige Folgen. Die erste Konsequenz war, daß die Beschreibungsmittel, also insbesondere die prädikativen Ausdrücke, wieder ausdrücklich an die Verfahren gebunden werden, die zur Konstitution der zu beschreibenden Gegenstände/ Gegenstandsbereiche dienen, ähnlich wie in der Frühphase der analytischen Philosophie bei Bertrand Russell das ›knowledge by description‹ an das ›knowledge by acquaintance‹ anschloß, auch wenn bei Russell, wie bereits erwähnt, die in das ›knowledge by acquaintance‹ eingehenden sprachlichen Hilfsmittel – ihr Einsatz zur Gegenstandskonstitution, nicht zur Beschreibung – noch keine Beachtung fanden. Das ist auch der Grund, warum hier von ›Objektkompetenz‹ und ›Metakompetenz‹ statt von ›knowledge by acquaintance‹ und ›knowledge by description‹ gesprochen wird. Es könnte sonst erneut suggeriert werden, 8
Zur Verwandtschaft mit der Philosophie und Wissenschaftstheorie Gonseths vgl. Heinzmann 1982.
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die zum ›knowledge by acquaintance‹ führende Tätigkeit enthalte ausschließlich Wahrnehmungshandlungen, insbesondere also keine Sprachhandlungen, und weiter, daß sich ›knowledge by description‹ allein auf der Ebene der sprachlichen Repräsentation sichern lasse, ohne den Prozeß, der zu den Repräsentationen führt, miteinzubeziehen. Festhalten aber läßt sich, daß der Reduktionsschritt Russells, nämlich der seine logischen Konstruktionen ursprünglich leitende Gedanke nach vollständiger Eliminierbarkeit sowohl der Mengenterme ÆxA(x) (gelesen: Die Menge der Gegenstände, die die Aussageform A(x) erfüllen) wie der Kennzeichnungsterme ixA(x) (gelesen: derjenige Gegenstand, der die Aussageform A(x) erfüllt) durch geeignete Bedingungen an die beteiligten Aussageformen A(x), von der konstruktiven Wissenschaftstheorie voll übernommen worden ist. Es kommt nunmehr darauf an, über die Verfahren zur Gewinnung von Aussageformen, und zwar in Abhängigkeit von den Verfahren, mit denen die Gegenstandsbereiche, über denen sie erklärt sind, zur Verfügung gestellt werden, Klarheit zu gewinnen. Für die auf dem arithmetischen Kalkül als primärer Praxis aufgebauten Disziplinen Arithmetik und Analysis liegt seit längerem ein ausgearbeiteter Vorschlag vor,9 dessen Durchführung an die Befolgung insbesondere des methodischen Prinzips gebunden ist: Jeder Verfahrensschritt geht aus und bedient sich ausschließlich solcher Unterscheidungen, die als Resultate früherer Schritte gewonnen wurden, wobei solche Elementarsituationen lebensweltlicher Erfahrung – im Fall der Arithmetik die Zählpraxis – den Ausgangspunkt bilden, die gemeinsamer unmittelbarer Vergewisserung zugänglich sind. Damit soll erreicht werden, daß jede Aussage über eine Konstruktion und ihre Ergebnisse durch umgekehrtes Durchlaufen des Konstruktionsverfahrens zirkelfrei begründbar wird. In dieser Zuspitzung bei der Beschreibung des Programms der konstruktiven Philosophie und Wissenschaftstheorie wird nun ein weiteres Problem sichtbar, das mit dem methodischen Prinzip allein nicht gelöst werden kann: Wie lassen sich Konstruktionen vorführen, wenn sie nicht mit Schreibmarken vorgenommen werden, also wenn die am Anfang stehenden Elementarsituationen lebensweltlicher Erfahrung nicht, wie die Zählpraxis, als Kalkülregeln notierbar sind. Hinzu kommt, daß auch die logischen Verknüpfungen von Aussagen, sind Aussagen dann doch nicht mehr auf Ableitbarkeitsaussagen in Kalkülen 9
Vgl. Lorenzen 1965.
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zurückfuhrbar, nicht mehr mit den Mitteln der operativen Logik erklärt werden können. Erst der weitere Schritt, und das war die zweite Konsequenz, der darin bestand, ein die Anwendbarkeit des methodischen Prinzips regierendes dialogisches Prinzip herauszuarbeiten, hat diese Probleme lösbar gemacht: Jede nach dem methodischen Prinzip gewonnene Unterscheidung ist nur dadurch gemeinsam verfügbar, daß sie in einer dialogischen Elementarsituation des Lehrens und Lernens, einer Lehr- und Lernsituation, von beiden Handlungspartnern erworben wird. Angewandt auf die anfänglichen Elementarsituationen lebensweltlicher Erfahrung, die gemeinsamer unmittelbarer Vergewisserung zugänglich sein sollten, wird die unmittelbare Vergewisserung in einen Prozeß der Vermittlung verwandelt und erst damit in einer Praxis, und zwar in einer kommunikativen Praxis, verankert. So wird es möglich, den zunächst auch von der konstruktiven Philosophie wie schon von der analytischen Philosophie Russellscher Prägung geteilten Glauben an die eine, grundsätzlich gemeinsam zugängliche Welt, die es begründet darzustellen gilt – meist als Appell an die einheitliche, kein theoriebetreibendes Subjekt auszeichnende Vernunft formuliert –, als ›metaphysischen Rest‹ aufzugeben, ohne dabei zugleich den Schritt des logischen Empirismus im Sinne Carnaps zu tun, nämlich eine sprachkritische Behandlung des Zusammenhangs zwischen Prozessen der Gegenstandsbeschreibung und Prozessen der Gegenstandskonstitution für undurchführbar zu halten. Vielmehr werden in Anknüpfung an und in Weiterbildung von Wittgensteins Sprachspielverfahren – Sprachspiele sind eigens entworfene Muster und damit ›Maßstäbe‹ menschlicher Sprachverwendung in Handlungszusammenhängen10 – Lehr- und Lernsituationen als methodisches Hilfsmittel eingesetzt, Sprachverwendungshandlungen durch Spracheinführungshandlungen zu rekonstruieren. Dabei ist entscheidend, daß an Sprache der gegenständliche Zug – ihr Handlungscharakter – und an Handlungen der repräsentierende Zug – ihr Sprachcharakter – beachtet wird, soll der Zusammenhang von Gegenstandskonstitution und Gegenstandsbeschreibung, von Objektkompetenz und Metakompetenz, nicht nur postuliert, sondern seinerseits sprachlich artikulierbar werden. Die scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen Sprache und Welt – das Erbe der neuzeitlichen Philosophie –, von der in der analytischen 10 Vgl. insbes. PU, §§ 10 – 23, 130 – 135.
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Philosophie fast durchweg (zu den wichtigen Ausnahmen zählt neben Wittgenstein auch Schlick) behauptet wird, daß sie sich sprachkritisch nicht rekonstruieren lasse und insofern gar nicht existiere, wird durch die zugleich pragmatische und dialogische Verankerung des Philosophierens im dialogischen Konstruktivismus überwindbar: Symbolisieren von Welt – Handlungen ›bezeichnen‹ die Gegenstände, mit denen handelnd umgegangen wird – und Naturalisieren von Sprache – Sprachhandlungen sind ›Bestandteile‹ der Gegenstände, von denen geredet wird – machen Wittgensteins Einsicht, daß der Bereich der Handlungen gemeinsame Basis für Sprache und Welt ist, ihrerseits artikulierbar. Mit einer Lehr- und Lernsituation nämlich kann das Auseinandertreten von Handeln und Sprechen so vorgeführt werden, daß der menschliche Handlungsspielraum zunehmend differenzierter bestimmt, insbesondere die Ausgliederung der Subjekte und der Objekte aus dem Handlungsganzen jeweils selbst als Prozeß begriffen werden kann. Die Handlungssubjekte werden dabei in den voneinander abhängigen Prozessen der Individuation und der Sozialisation ausgebildet; man zählt die differenzierteren unter den daran beteiligten Handlungen zur Praxis der Künste. Entsprechend voneinander abhängige Prozesse zunehmend differenzierterer Feststellung von Identität und Verschiedenheit – jenseits von Handlungen der Alltagspraxis gehören die hier auftretenden Handlungen zu den Wissenschaften – führen zur Bestimmung der Handlungsobjekte. Zu Beginn jedoch ist die dialogische Elementarsituation der Lehrund Lernprozeß (processus d’apprentissage) einer Handlung – der zunächst fehlenden Differenzierungen des Handlungsganzen wegen besser ›Prähandlung‹ genannt – durch Vor- und Nachmachen, also durch Repetition und Imitation. Dabei markieren die beiden beteiligten Personen zwei unterscheidbare Gesichtspunkte – und das ist bereits die erste, aber hier auch einzige Subjektdifferenzierung – gegenüber der als fortsetzbare Folge von Aktualisierungen (singulare ›tokens‹) eines Schemas (universaler ›type‹) auftretenden Prähandlung: Ausfhrung oder Vollzug auf der Seite des gerade Tätigen, und Anfhrung oder Erkennen auf der Seite des gerade ›nichttätigen‹ Gegenübers. Die Ausführung ist dabei nichts anderes als der singulare Aspekt, die Anführung hingegen der universale Aspekt der Prähandlung. Sollte der Ausführende auch die Rolle des Gegenübers übernehmen, Anführen das ›Ziel der Ausführung‹ sein (umgangssprachlich: jemanden wissen machen, um welche Handlung es sich handelt), so
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sprechen wir von Vorfhren: die Handlung ist auch eine Zeichenhandlung, tritt also sowohl gegenständlich wie repräsentierend auf. Wird in einem neuen Schritt die Anführung ausdrücklich als Ausführung einer anderen Prähandlung verstanden, nämlich einer gegenüber der ursprünglichen Handlung als Zeichenhandlung auftretenden Wahrnehmungshandlung, einer ›Wahrnehmungsperspektive‹ – dazu bedarf es einer eigenen Lehr- und Lernsituation –, so läßt sich die unabhängig von immer wieder neu aufgesuchten Lehr- und Lernsituationen bestehende Einheit einer Prähandlung, die Prähandlung als Präobjekt(-Schema), als Invariante ihrer Wahrnehmungsperspektiven, in Fregescher Terminologie: ihrer ›Gegebenheitsweisen‹, begreifen. Von ›Präobjekt‹ und nicht von ›Objekt‹ sprechen wir an dieser Stelle deshalb, weil noch keine Gliederung des Schemas in unterscheidbare Einheiten, die Individuen, vorliegt. In einer Lehr- und Lernsituation höherer Ordnung schließlich, einer ›Prädikation‹, kann ein Artikulator als symbolische Repräsentation eines Präobjekts eingeführt werden. Dabei ist ein Artikulator die (phonische oder graphische) Marke einer als selbständige Sprachhandlung auftretenden ursprünglichen Wahrnehmungsperspektive, die zunächst, als Teil des Präobjekts, nur deren Symptom gewesen ist. So ergibt sich in Verallgemeinerung der oben erläuterten Verhältnisse beim arithmetischen Kalkül, daß ein Artikulator in seiner symptomatischen Rolle gegenstandskonstituierend, in seiner symbolischen Rolle hingegen gegenstandsbeschreibend auftritt. Unter Beachtung beider Prinzipien, des methodischen wie des dialogischen, können im dialogischen Konstruktivismus sowohl die Gegenstandsgemeinschaft, die Teilhabe an einer in einem Kernbereich gemeinsamen Welt – und das schließt die Verfügung über gemeinsame Mittel der Repräsentation ein –, als auch die Sprachgemeinschaft, die Verfügung über einen Kern gemeinsamer Verständigungsmittel – und hier müssen zugleich gewöhnliche Handlungen gemeinsam beherrscht werden –, also sowohl Objektkompetenz wie Metakompetenz, kritisch rekonstruiert werden. Das bedeutet, worauf wir mit Beispielen aufmerksam gemacht haben, daß man faktisch als beherrscht wie als gestört erfahrene Fertigkeiten, zunächst im Alltag, dann auch in dessen Fortsetzung in den Wissenschaften und in den Künsten rekonstruiert, und zwar durch die Konstruktion von Sprachspielmodellen wachsender Komplexität mit dem Ziel, sowohl ein Verstehen des Selbsterzeugten als auch eine Erklärung des Widerfahrenen zu erreichen.
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Historisch allerdings ist das dialogische Prinzip zuerst nur in einem sehr eingeschränkten Bereich, dem der formalen Logik, eingesetzt worden und hat dort bei dem Versuch, die Beschränkungen der operativen Logik zu überwinden, zur Entwicklung der dialogischen Logik geführt: An die Stelle des von der analytischen Philosophie grundsätzlich bevorzugten semantischen Wahrheitsbegriffs zur Charakterisierung sprachlicher Gebilde als Aussagen – mit seiner Hilfe ist eine befriedigende Behandlung des Zusammenhangs von Gegenstandskonstitution und Gegenstandsbeschreibung der strikten Trennung von Objekt- und Metasprache wegen ausgeschlossen – ist in der konstruktiven Philosophie ein pragmatischer Wahrheitsbegriff getreten, expliziert als Gewinnbarkeit in einem für jede logisch zusammengesetzte Aussage erklärten Dialogspiel, dessen Regeln als Argumentationsregeln relativ zum Bereich der logisch einfachen Primaussagen gelten sollten.11 Der anfangs vernachlässigte Unterschied zwischen den Regeln in ihrer Funktion für eine einzelne Partie und den Regeln in ihrer Funktion für die Existenz von Strategien hat dazu geführt, die Spielregeln weitgehend nur in ihrer die Geltung von Aussagen festlegenden Rolle zu betrachten. Die Spielregeln als Argumentationsregeln wurden als Sprachspielmodell für die Begrndung von Aussagen verstanden und so der Anschluß an die platonische Charakterisierung des philosophischen Miteinanderredens als eines argumentierenden Gesprächs hergestellt; die Suche nach einem selbständigen pragmatisch-dialogischen Fundament schon der Bedeutung logisch zusammengesetzter Aussagen, auf das sich die Argumentation zu stützen hätte, unterblieb. Erst der weitere, in der konstruktiven Philosophie und Wissenschaftstheorie bislang umstrittene Schritt,12 die Spielregeln ausschließlich als Bedeutungsregeln aufzufassen, und das heißt, den jeder Aussage kanonisch zugeordneten Artikulator13 im Falle logisch zusammengesetzter Aussagen als Repräsentation eines durch die Spielregeln festgelegten Interaktionsschemas zu lesen, macht es möglich, die Argumentation um die Geltung einer Aussage, also die Existenz einer Gewinnstrategie, auf das die Bedeutung der Aussage festlegende, in Partien aktualisierte Dialogspiel zu beziehen.
11 Eine Übersicht findet sich in Lorenzen/Lorenz 1978. 12 Vgl. etwa die Dokumentation Gethmann 1982. 13 Durch den Stern-Operator in Reichenbach 1947, §48; z. B. gehört zur Aussage ›Sam raucht‹ der Artikulator ›Rauchen von Sam‹.
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Nur so ist beides, Gegenstandsgemeinschaft und Sprachgemeinschaft, auch im Fall logisch zusammengesetzter Aussagen, in gegenseitiger Abhängigkeit auf einer pragmatisch-dialogischen Basis kritisch rekonstruiert. Für das argumentierende Gespräch als Gestalt der Philosophie, wie sie von Platon erstmals bestimmt und im dialogischen Konstruktivismus ausdrücklich wieder aufgegriffen worden ist, hat diese gegenseitige Abhängigkeit zumindest zwei wichtige Folgen: Erstens darf Philosophieren als ein besonderes Reden nicht aus dem Zusammenhang mit den übrigen Handlungsvollzügen, denen es überlegend – sie reflektierend, wie es in der neuzeitlichen Tradition heißt – gegenübersteht, gerissen werden. Es kann diese Handlungsvollzüge nämlich weder ersetzen – das wäre ein Versuch zu einer rein theoretischen Lebensführung und könnte zu den Verirrungen führen, einer Vergeistigung menschlichen Lebens zum Zweck der Überwindung seiner materiellen Abhängigkeiten das Wort zu reden – noch darf es sie sich gleichsetzen – dies wiederum wäre ein Versuch zu einer rein praktischen Lebensführung, der überlegenden Distanzierung unbedürftig, weil im Vollzug schon sich zeige, was nur nachträglich als theoretisch oder praktisch gültig überflüssigerweise noch gesagt werden könne. Zweitens muß im Philosophieren nicht nur jeder geäußerte Geltungsanspruch argumentationsfähig gemacht werden, es müssen sich vielmehr dabei zugleich auch noch die Vorbedingungen für eine Ausbildung dieser Fähigkeit zur Argumentation schaffen lassen, nämlich durch Aufdecken und Überbrücken der Verschiedenheit der Gesprächspartner in den nicht geäußerten und weitgehend auch nicht bewußten Vormeinungen und Erwartungen, den ›Hinterwünschen‹, im Zusammenhang mit den Äußerungen. Von solchen gern als ›offen‹ charakterisierten Dialogen, den argumentierenden Gesprächen, die nicht wirklich vorkommen, sondern nur ein Ideal sind, also bloß sprachlich vorgestellte Situationen, deren Verwirklichung das Ziel geeigneter, natürlich nicht nur sprachlicher Handlungen sein soll, müssen die nichtoffenen oder ›verzerrten‹ wirklichen Dialoge unterschieden werden, die nur in dem Maße als verzerrt, nämlich mit unaufgelösten Standpunktvoraussetzungen belastet, erkennbar sind, als in ihnen das Interesse am offenen Dialog verfolgt wird. Jeder Abbruch eines Dialogs, ob aus Zeitmangel oder aus Resignation oder auch aus zunächst unbekannten Gründen, ist ein Anzeichen dafür, daß Verzerrungen sich nicht haben ausgleichen, vielleicht nicht einmal haben aufdecken lassen.
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Hier nun werden wir erneut der Grenze gewahr, die, historisch gesehen, die Auflösung des zumindest unsere Tradition weithin beherrschenden Glaubens an die eine eindeutig bestimmte Welt der Natur und die ebenso eindeutig bestimmte Welt der Sitten befördert hat. Wir haben gelernt, nicht nur eine Vielzahl gleich berechtigter und dabei durchaus nicht miteinander verträglicher Regelungen von Lebensweisen anzuerkennen, sondern auch gelernt, mit einer Vielzahl ebenso gleich berechtigter und doch nicht durchweg miteinander verträglicher Strukturen von Weltansichten zu rechnen, die als verschiedene ›ways of worldmaking‹ (ein zugleich als Buchtitel verwendeter Ausdruck Nelson Goodmans) uns zur Entdeckung und Ausbildung derzeit noch ganz ungenutzter Fähigkeiten herausfordert. Dazu gehören beispielsweise Wahrnehmungsfähigkeiten gegenüber künstlerischem Handeln ebenso wie das Wahrnehmenkönnen von heute so dringlich gewordenen ökologischen Gleichgewichtszuständen. So wichtig es ist, angesichts der gegenwärtigen Situation zu fragen, wieviel von dem, was man mittlerweile könne, auch zu tun erlaubt sei, so wichtig ist die Mühe um die andere Frage, wieviel von dem, was an Fähigkeiten verschüttet jeder einzelne mit sich führt, wieder auszubilden möglich ist. In diesen zwei Fragen wird auf zwei einander widerstreitende Zielsetzungen angespielt, die in dem Maße sich herausbilden, als die Selbstverständlichkeit eingespielter Lebensweisen und artikulierter Weltansichten verlorengeht: Das eine Ziel, die eine Sozialität erst ermöglichende Gleichheit der Menschen zu befördern – das Prinzip Gerechtigkeit – und das andere Ziel, die eine Individualität erst verwirklichende Verschiedenheit der Menschen zu schützen – das Prinzip Freiheit. Beide Ziele markieren Situationen in der Zukunft beim Versuch, diese Situationen als gegenwärtige festzuhalten. In der Reflexionshaltung, im einfachsten Fall von der als ›Prädikation‹ bezeichneten Lehrund Lernsituation höherer Ordnung rekonstruiert, treten Reden und Handeln auseinander, insofern zugleich mit dem Versuch, sich der gemeinsamen Welt, aus der man kommt, zu vergewissern, diese Gemeinsamkeit verschwindet: Es wird die schon genannte Vielfalt der Lebensweisen und Weltansichten sichtbar, in der die gemeinsame Welt nurmehr als bloße, von vielen Individuen oder auch Gruppen getragene, handlungsleitende Idee zur Wiederherstellung der verlorengegangenen Einheit, der Gegenstandsgemeinschaft und der Sprachgemeinschaft, wiederkehrt.
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Die von den Meinungen dargestellte und von den Wünschen zu verändernde Welt als eine einheitliche Welt jenseits bloß individueller Meinungen und Wünsche auch zu wissen suchen, verwandelt das gesuchte Faktum der gemeinsamen Welt in eine erst zu erfüllende Norm. Und die beiden Aspekte dieser Norm, der soziale und der individuelle, treten als die genannten einander widerstreitenden Prinzipien Gerechtigkeit und Freiheit auf. Die Suche nach Aufrechterhaltung des labilen Gleichgewichts zwischen Gerechtigkeit und Freiheit, und sie spiegelt sich in den dialogischen Elementarsituationen als ein Erzeugen von Übereinstimmung unter Beachtung der Verschiedenheit der Perspektiven, birgt vielleicht die Chance einer neuen Zusammengehörigkeit zwischen den in ihrer Verschiedenartigkeit nun auch anerkannten Lebensweisen und Weltansichten.
Literaturverzeichnis Carnap, Rudolf, 21961: Der logische Aufbau der Welt, Hamburg [Berlin 1928]. EPW = Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, hg. v. Jürgen Mittelstraß, 4 Bände, Mannheim 1980 – 1984. Neubearbeitete u. wesentl. ergänzte Auflage in 8 Bänden, Stuttgart 2005 ff. Gethmann, Carl Friedrich, (Hg.), 1982: Logik und Pragmatik. Zum Rechtfertigungsproblem logischer Sprachregeln, Frankfurt am Main. Heinzmann, Gerhard, 1982: Schematisierte Strukturen. Eine Untersuchung über den Idonëismus Ferdinand Gonseths auf dem Hintergrund eines konstruktivistischen Ansatzes, Bern. Lorenzen, Paul, 1965: Differential und Integral. Eine konstruktive Einführung in die klassische Analysis, Frankfurt am Main. Lorenzen, Paul, 21969: Einführung in die operative Logik und Mathematik, Berlin [1955]. Lorenzen, Paul/Lorenz, Kuno, 1978: Dialogische Logik, Darmstadt. PU = Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, dt./engl., Oxford 1953. Reichenbach, Hans, 1947: Elements of Symbolic Logic, New York. Russell, Bertrand, 1912: The Problems of Philosophy, Oxford [dt. Probleme der Philosophie, Frankfurt 1967]. Russell, Bertrand/Whitehead, Alfred North, 1910 – 13: Principia Mathematica I-III, Cambridge. Ryle, Gilbert, 1971: Categories, in: Gilbert Ryle, Collected Papers, vol. II: Collected Essays 1929 – 1968, London, pp 170 – 184 [Proc. Arist. Society 38, 1938].
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Scherer, Bernd Michael, 1984: Prolegomena zu einer einheitlichen Zeichentheorie. Ch. S. Peirces Einbettung der Semiotik in die Pragmatik, Tübingen. Schlick, Moritz, 1979: Allgemeine Erkenntnislehre, Frankfurt am Main [ND von Berlin 21925, 11918]. T = Wittgenstein, Ludwig: Tractatus Logico-Philosophicus, dt./engl., hg. v. David F. Pears/Brian F. McGuinness, London 21971 [1922].
Artikulation und Prädikation I Artikulation bildet Einheiten als ein Ganzes, ›gegliedert‹ in Teile,1 mit einer Prädikation werden Eigenschaften von einer als unteilbares ›Individuum‹ auftretenden Einheit, unter Umständen relativ zu anderen Individuen, ›ausgesagt‹.2 Die Tätigkeiten des Gliederns und Aussagens sind von jeher Gegenstand des auf Sprechen und Sprache gerichteten Nachdenkens gewesen, auch wenn bis heute über die Natur dieser Tätigkeiten – ihr Material, ihren Zweck, ihren Erwerb, also ganz allgemein ihren Kontext – viele Auffassungen im Streit miteinander liegen, die sich naturgemäß nach keiner schon vorab bereitliegenden Methode entwickeln lassen. So wird gewöhnlich Artikulation allein auf die Sprachebene, lautlich oder schriftlich, bezogen, gehört also zu den Charakteristika von Handlungen, wenn sie als Zeichenhandlungen auftreten,3 während Prädikation ausdrücklich den Zusammenhang von Zeichen und Gegenständen betrifft, wobei die Gegenstände bereits (sprachlich) artikuliert vorliegen. Hinzukommt gewöhnlich ein Bereich ›geistiger‹ Tätigkeiten mit ›abstrakten‹ Gegenständen, etwa den auf Begriffe bezogenen Vorstellungen, die nur vermöge der Zeichenhandlungen mit der Welt der ›konkreten‹ Gegenstände in Verbindung stehen. So spiegelt sich, oder sollte es doch nach Meinung von Wilhelm von Humboldt,4 die ›geistige‹ Gliederung durch Reflexion in der ›körperlichen‹ Gliederung durch Artikulation, mithin der begriffliche Gehalt der Sprache in ihrer sinnlichen Gestalt, und Gottlob Frege verankert die elementare Prädikation in der prädikativen Natur der Begriffe, den ›Bedeutungen‹ prädikativer Ausdrücke beziehungsweise grammatischer Prädikate,5 vermöge der Gegenstände ›unter einen Begriff fallen‹ können. 1 2 3 4 5
Cf. z. B. Kant, KrV, B 861. Cf. z. B. Diogenes Laërtius: FDS, Fragment 861. Cf. etwa die Definition von ‘articulate’ durch ‘finitely differentiated’ in bezug auf Notationssysteme bei Goodman 1976, p 153. Humboldt 1820, p 3. Cf. z. B. Frege 1892, p 168.
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Ohne eine Klärung, aus welchem Grund und auf welche Weise Zeichenhandlungen als Zeichen ›geistige‹ Gegenstände, seien sie subjektiv als Kognitionen (etwa Vorstellungen, auch Urteile) oder objektiv als Begriffe beziehungsweise Propositionen bestimmt, bezeichnen müssen, um sich auf beliebige Gegenstände beziehen zu können, also der Herkunft des ›semiotischen Dreiecks‹, ist kein zureichendes Verständnis weder der Artikulation noch der Prädikation und damit auch kein Verständnis der Welt-Sprache-Differenz zu gewinnen. Einerseits nämlich werden die geistigen Gegenstände oder die Handlungen, die sich auf sie richten oder die sie erzeugen, für die unentbehrliche Brücke zwischen Welt und Sprache gehalten, sie haben den Charakter eines sowohl empirischen, d.i. psychologischen, als auch rationalen, d.i. logischen, Hilfsmittels, dessen es bedarf, um die Zeichenfunktion der Sprache ausüben zu können, andererseits aber müssen sie natürlich selbst als ein Teil sowohl der Welt – dann als ›innere‹, mentale Welt der ›äußeren‹, corporalen Welt gegenübergestellt – als auch der Sprache, die sie subjektiv ausdrückt und objektiv darstellt, betrachtet werden. Ohne Behandlung des eigentümlichen Statuswechsels von Mittel zu Gegenstand und umgekehrt – er steckt auch in der vertrauten Unterscheidung zwischen Verwenden (use) und Erwähnen (mention) speziell von Sprachzeichen – wird ein uneingeschränkter Zugang zum Phänomen Sprache, insbesondere zu den elementaren Sprachhandlungen des Artikulierens und Prädizierens, ausgeschlossen bleiben. Die reflexiven Verfahren der Sprachphilosophie zeichnen sich vor den teils empirischen, teils rationalen Verfahren der Sprachwissenschaft – in ihrem empirischen Teil stehen sie stets in der Gefahr einer Reduktion auf die Untersuchung psychosozialer oder physiologischer Tatbestände,6 in ihrem rationalen Teil laufen sie ganz entsprechend Gefahr, auf rationale Konstruktionen der Logik oder Argumentationstheorie reduziert zu werden7 – dadurch aus, daß der Zusammenhang des Erzeugens von Sprache mit ihrer Beschreibung seinerseits thematisiert wird. Zu den Folgen gehört es, daß Sprachhandlungen stets zugleich 6
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Ein typisches Beispiel liefert Noam Chomskys mentalistischer Ansatz mit einem empirischen Fundament, den partikularen mentalen Repräsentationen einer ›Universalgrammatik‹, auch für rationale Methoden ; cf. insbes. Chomsky 1992. Für diesen Fall ist Karl-Otto Apels ›Transzendentalpragmatik‹ mit ihren rationalen Rechtfertigungen auch für die empirische Ausdifferenzierung von Phänomenen ein typisches Beispiel; cf. insbes. Apel 1973.
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Gegenstand und Mittel sowohl der Forschung als auch der Darstellung sind: sie werden ›nachschaffend erzeugt‹. In dieser systematisch-genetischen Rekonstruktion als der Aufgabe der Sprachphilosophie genügt es nun nicht, gleich mit Sprachhandlungen zu beginnen. Die Differenz von Sprache und Welt wäre bloß unterstellt und nicht ihrerseits systematisch-genetisch rekonstruiert. Erst durch eine Naturalisierung von Sprache auf der einen Seite, eine Radikalisierung der naturalisierten Erkenntnistheorie von Willard Van Orman Quine8 – Sprachhandlungen sind ›Bestandteile‹ der Gegenstände, von denen geredet wird9 – und durch eine Symbolisierung von Welt auf der anderen Seite, eine Radikalisierung der Theorie der symbolischen Formen von Ernst Cassirer10 – Handlungen ›bezeichnen‹ die Gegenstände, mit denen handelnd umgegangen wird – wird ein Bereich sichtbar, der Bereich der Handlungen, von dem sich zeigen läßt, daß er unter dem Gesichtspunkt, einerseits als Mittel und andererseits als Gegenstand auftreten zu können, Anteil an Sprache wie an Welt hat. Charles Sanders Peirce ist der erste gewesen, der diese Einsicht dazu benutzt hat, eine als Semiotik verallgemeinerte Sprachphilosophie aus einer Pragmatik heraus zu entwickeln, wobei er, anders als Ludwig Wittgenstein mit seinem aus derselben Einsicht hervorgegangenen Verfahren der Sprachspiele, sich primär um die Einbeziehung des empirischen Teils sprachwissenschaftlichen Zugriffs, diesen dabei in gewissem Umfang rational machend, in die Semiotik kümmert, während Wittgensteins Sprachspiele vor allem als Alternative zu den als rationale Konstruktionen auftretenden Anteilen der Sprachwissenschaft, diese dadurch ein Stück weit empirisch wendend, entworfen sind. Im folgenden sollen beide Akzentsetzungen zum einen in konsequent reflexiver Einstellung verschärft und zum anderen in der geplanten systematisch-genetischen Rekonstruktion von Sprache auf der reflexiven Ebene als miteinander verbunden vorgestellt werden. Die dank der Handlungs- und Sprachkompetenz bereits mitgebrachte Erfahrung zu verstehen erfordert nämlich eine phnomenologische Reduktion durch Abblenden der vorliegenden Gliederungen vermöge eines Eingriffs und damit einer ausdrücklich hervorgehobenen Gliederung dieser Erfahrung mithilfe zunächst einfacher Handlungen und Sprachhand8 Cf. besonders Quine 1960 u. 1974. 9 Cf. Wittgenstein, PU, §23. 10 Cf. vor allem Cassirer 1923 – 29.
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lungen als Mittel – praktisch geht die Erfahrung ihrer Rekonstruktion voraus – , was bei Peirce von den daraufhin möglichen Konstruktionen, insbesondere in den erklärenden Sequenzen von Interpretanten,11 noch nicht geschieden wird, während dieselbe Erfahrung zu machen erst durch eine dialogische Konstruktion gelingt, in der eine Genese der Handlungsund Sprachkompetenz in Gestalt zunächst einfacher und dann immer differenzierterer Handlungen und Sprachhandlungen als Gegenstand die Orientierung für mögliche Erfahrung bildet – theoretisch wird Erfahrung erst durch ihre Konstruktion möglich – , was bei Wittgenstein wiederum durch die Erklärung, seine Sprachspiel-Konstruktionen seien bloße Beschreibungen,12 mit der Reduktion bereits identifiziert wird. Gleichwohl dürfen sowohl Peirces Insistenz auf dem begrifflichen Charakter seiner Reduktionen – eine absteigende Interpretantensequenz kommt durch ›Gedankenexperimente‹ zustande – als auch Wittgensteins wiederholte Verwendung der Metapher vom ›Maßstab‹ für die Funktion der Sprachspiele13 als Indiz dafür gelesen werden, daß beide Autoren das gegenseitige Angewiesensein von phänomenologischer Reduktion und dialogischer Konstruktion zwar gewußt haben, es aber wegen mangelnder begrifflicher Trennung des Wegs zurück und des Wegs voran – für den Weg zurück werden genau die Handlungen und Sprachhandlungen als Mittel eingesetzt, die im Weg voran jeweils vom Ende eines Wegs zurück als Gegenstände gewonnen werden – nicht wirklich artikulieren konnten. Wer eine Erfahrung macht (und nicht nur erleidet), beschreibt nicht eine ihm gegebene Erfahrung, sondern ist mit der (theoretischen) Handlung der Wiedergabe einer dialogischen Konstruktion befaßt, und zwar eben derjenigen, die für die phänomenologische Reduktion als Mittel eingesetzt wurde; entsprechend steckt jemand, der eine Erfahrung versteht (und nicht nur um sie weiß), nicht in der Vermittlung einer von ihm erzeugten Erfahrung, sondern übt die (praktische) Handlung der Weitergabe einer phänomenologischen Reduktion aus, und zwar diejenige, die bei der dialogischen Konstruktion als Gegenstand gewonnen wurde.
11 Cf. CP, 2.230. 12 Cf. PU, §124. 13 Z.B. PU, §131.
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II 1. Handlung – Zeichenhandlung Unter den gegenwärtigen Forschungen zur Sprachkompetenz und Sprachperformanz auf dem Hintergrund vorausgesetzter menschlicher Fähigkeiten lassen sich insbesondere zwei gegenläufige Strategien unterscheiden, die man mit den Wendungen ›Semantisierung der Pragmatik‹ und ›Pragmatisierung der Semantik‹ charakterisieren kann. Im ersten Fall wird von einem semantischen Ansatz ausgegangen, der die Sprache (langage) als ein System sprachlicher Einheiten (langue) auffaßt, dessen Binnenstruktur sowohl seiner lautlichen und schriftlichen Gestalt nach (Oberflächenstruktur) als auch seiner logischen Form nach (Tiefenstruktur), wobei streitig ist, ob die Tiefenstruktur als universal angesehen werden darf, durch eine satzorientierte Grammatik zunächst adäquat beschrieben und schließlich mithilfe geeigneter psychologischer, soziologischer und physiologischer Theorien auch noch adäquat erklärt werden soll. Insofern es sich bei den sprachlichen Einheiten grundsätzlich um Zeichen handelt, also Zeichenträger von Sprechern und Hörern als Zeichen verwendet werden, muß Grammatik auf mehreren Ebenen, der syntaktischen auf der Ebene der Zeichenträger, der semantischen auf der Ebene der Zeichen und der pragmatischen auf der Ebene der Zeichenverwendung betrieben werden. Der Primat der semantischen Ebene zeigt sich dabei in Versuchen, die Syntax zumindest grundsätzlich, in der Tiefenstruktur, als von der Semantik bestimmt zu erweisen, und die Pragmatik ebenso grundsätzlich durch Hinzufügung von Beschreibungen des Kontextes von Zeichenverwendung, eine Erzeugung von ›Superzeichen‹, in die Semantik einzubetten. Im zweiten Fall wird von einem pragmatischen Ansatz ausgegangen, der die Sprache als Zusammenhang sprachlicher Handlungen und damit grundsätzlich als Rede (parole) auffaßt, deren Aufbau zwar ebenfalls von einer, hier allerdings äußerungsorientierten Grammatik beschrieben werden soll – dazu gehört dann die Sprechakttheorie – , aber nie ohne dabei auch die äußeren (sozialen) und inneren (psychischen) Bedingungen für ihr Auftreten zu berücksichtigen. Sprache besteht aus Äußerungen, und die Semantik ist grundsätzlich auf Handlungseigenschaften, allen voran die Intentionalität, zu gründen. Als besondere Eigenschaft von Rede aber gilt ihre Eignung zur Kommunikation: kommunikatives Handeln ist (zeichen)sprachliches Handeln. Und auch die Eigenschaften von Sprache(n) als System sollten sich als ›historisch
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sedimentierte‹ Eigenschaften kommunikativer Handlungen deuten lassen, Eigenschaften, deren Konservierung in der Sprache Gründe haben muß, die sich sprachgeschichtlich unter Beiziehung weiterer historischer Disziplinen erforschen lassen. Dazu gehören dann so verschiedenartige Phänomene wie die Subjekt-Prädikat-Struktur von (einfachen) Sätzen in ganzen Sprachfamilien und die für die meisten europäischen Sprachen auffällige Familienähnlichkeit zwischen Ausdrücken des Bereichs Wissen und Ausdrücken des Bereichs Sehen. Der Streit zwischen den in ihren Verfahren systemtheoretisch orientierten ›Semantikern‹ und den unter Bezug auf ihre Gegenstände verhaltenstheoretisch orientierten ›Pragmatikern‹ sieht aus wie ein territorialer Konflikt: Lassen sich sprachliche Phänomene, seien es prima facie Eigenschaften der ›langue‹ oder der ›parole‹, wenn es nicht ohnehin feststeht, ob sie zur Sprachstruktur, gleichgültig welchen Abstraktionsniveaus, gehören, oder ob sie von nichtsprachlichen Kontextbedingungen ihrer Verwendung abhängen, der einen oder der anderen Domäne zuschlagen? Am Beispiel von Höflichkeitsregeln14 läßt sich diese Frage verdeutlichen: Gehört es zur Bedeutung des Ausdrucks ‘mögen’ in einer Äußerung des Typs ‘ich möchte dir sagen, daß …’, also bei Hinzufügung zu Verben in grundsätzlich performativer Rolle, daß er in ›Höflichkeitssituationen‹ auftritt, ist also die fragliche Äußerung bei ihrer Verwendung ein Index für eine Höflichkeit erfordernde Situation, oder sind solche Situationen Bedingungen für eine Äußerung solchen Typs? Handelt es sich vielleicht um einander gar nicht ausschließende Möglichkeiten, weil auf verschiedenen Ebenen argumentiert wird, im semantischen Fall auf der Ebene der Äußerungen und Situationen als Typen, im pragmatischen Fall auf der Ebene der Äußerungen und Situationen als Instanzen (token)? Der gegenwärtige, auf einer grundsätzlichen Arbeitsteilung beruhende ›Waffenstillstand‹ zwischen den Konfliktparteien, wobei die Pragmatiker in der Regel dann als Kommunikationswissenschaftler und die Semantiker meist als Kognitionswissenschaftler auftreten, spricht für diesen Verdacht: Satzstrukturen sind das Feld für semantische Untersuchungen mit Alfred Tarskis für formale Sprachen entwickelter Wahrheitstheorie als Paradigma, die Rollen von Satzäußerungen (forces of utterances) hingegen bilden den Bereich für pragmatische Untersuchungen, wobei Argumentationstheorie paradigmatische Funktion hat.15 An die Stelle einer Alternative 14 Cf. Kasher 1980. 15 Cf. Wohlrapp 2008.
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von Sprache als System oder Sprache als Handlung hätte deren gegenseitige Ergänzung zu treten. Das aber läuft auf nichts anderes hinaus, als Sprachhandlungen im ersten Fall als Zeichen und im zweiten Fall als Handlungen zu untersuchen. Hat man sich diese Perspektive zu eigen gemacht, so fällt es nicht schwer, auch schon innerhalb der kommunikationsorientierten Ansätze – Entsprechendes ließe sich unter den kognitionsorientierten Ansätzen herauspräparieren – beide Akzentsetzungen unter den Titeln ›Primat des Verstehens‹ und ›Primat des Handelns‹ wiederzufinden. Der Primat des Verstehens wird zum Beispiel im hermeneutischen Ansatz Hans-Georg Gadamers ausgearbeitet,16 ebenso im analytischen Ansatz zum Beispiel bei Georg Meggle;17 beides zu vereinigen ist Absicht des transzendentalpragmatischen Ansatzes von Karl-Otto Apel beziehungsweise seiner universalpragmatischen Variante bei Jürgen Habermas.18 Der Primat des Handelns wiederum findet sich zum Beispiel im interaktionistischen Ansatz von George Herbert Mead19 und im evolutionistischen Vorgehen zum Beispiel von Eric H. Lenneberg.20 Beide gehen der Sache nach ein zum Beispiel in die naturalistischen Theorien Quines und Jean Piagets.21 Die Komplementarität von Handeln und Verstehen selbst gehört dabei zum kommunikationsorientierten Ansatz zum Beispiel von Georg Henrik von Wright.22 Aber erst die dialogischen Ansätze von Peirce und Wittgenstein erlauben es bei ihrer Radikalisierung und Vereinigung, dasjenige Verständnis von Sprachhandlungen in ihrer Funktion als Zeichen und als Handlung derart auf zwei durch die beiden Dialogpartner ausdrückbare Rollen beim Handeln im allgemeinen, die Schematisierung und die Aktualisierung, zu gründen, daß sowohl ihre kognitive Struktur, ihr Wissensaspekt, als auch ihre interaktive Funktion, ihr Wollensaspekt, im Erwerb eines Könnens sichtbar gemacht wird. Wir beginnen mit einer dialogischen Elementarsituation, in der zwei Akteure ein Können, z. B. Schwimmen oder Bausteinebringen, durch Vor- und Nachmachen, also repetierend und imitierend, ausbilden. Dabei ist es wichtig, sich klarzumachen, daß mit dieser Beschreibung 16 17 18 19 20
Cf. Gadamer 1960. Cf. Meggle 1981. Cf. Habermas 1981. Cf. Mead 1934. Cf. Lenneberg 1967; neuerdings unter Beachtung der Trennung von sprachlicher und begrifflicher Ebene Tomasello 1999. 21 Cf. Piaget 1950. 22 Cf. v. Wright 1971.
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einerseits ein Verfahren, das wie eine Folie auf die gegebene Erfahrung schon vorliegenden Könnens gelegt wird, um einen ersten Ausschnitt von ihr zu verstehen, und andererseits ein Verfahren zur Erzeugung einer elementaren Erfahrung, wiederum nur dargestellt sind, daher ohne Eintritt in eine solche dialogische Elementarsituation ihre gerade beschriebene Aufgabe unerfüllbar bleibt. Insbesondere wird nur so auch deutlich, daß die zwei Personen in der Beschreibung der dialogischen Elementarsituation in der dialogischen Elementarsituation selbst nur als zwei dialogische Rollen, gebunden in einer ›Ich-Du-Dyade‹, vorkommen, beim ›Tun‹ – im Vor- und Nachmachen; dabei entsprechen Repetition und Imitation auf der empirischen Ebene gegebener Erfahrung Piagets ›assimilation‹ und ›accomodation‹, sofern zugleich die Interaktion zweier Person(roll)en zur Interaktion zwischen Mensch und Umwelt verallgemeinert wird23 – und beim ›Erleiden‹, der Rolle des jeweils gerade Nicht-Tätigen, um schon hier die beiden grundlegenden Kategorien poie?m und p²sweim von Aristoteles zu benützen,24 die erst von John Dewey in ähnlich zentraler Rolle mit ›doing‹ und ›suffering‹ wieder aufgegriffen worden sind.25 Die dialogische Elementarsituation ist der an einem Wittgensteinschen Sprachspiel in stilisierter Form herauspräparierte Handlungsanteil, ein ›Handlungsspiel‹, werden doch von Wittgenstein nichtsprachliche Handlungskompetenzen nur zusammen mit Sprachhandlungskompetenzen mithilfe von Sprachspielen ›gemessen‹. Aber nicht nur die Personen, auch alle weiteren, in der Beschreibung nicht ausdrücklich aufgetretenen Situationsbestandteile, z. B. das Wasser beim Schwimmen, die Orte beim Bausteinebringen oder gar dessen Gliederung in Dinge, die gebracht werden, gehören nicht etwa zur dialogischen Elementarsituation, sondern zu den ihr ›unterliegenden‹, von den Akteuren mitgebrachten Situationen, deren Gliederungen bis auf die von der dialogischen Elementarsituation hervorgehobenen Züge dadurch ›abgeblendet‹ werden. Eine dialogische Elementarsituation liefert einen erleuchteten ›Vordergrund‹ vor einem noch dunklen ›Hintergrund‹. Das durch eine dialogische Elementarsituation im ständigen Rollenwechsel von aktivem Tun und passivem Erleiden erzeugte geteilte Können kann sowohl als Ausbilden einer Handlungskompetenz bezeichnet werden – man muß sich nur klar vor Augen halten, daß es hier noch niemanden gibt, dem eine solche 23 Cf. Ros 1983. 24 Top. 103b20 ff. 25 Dewey 1921, p 86.
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Handlungskompetenz zugesprochen werden kann, auch Personen müssen erst noch ›gebildet‹ werden – als auch als das Gewinnen einer Handlungssituation: Schwimmhandlungen und Schwimmsituationen (d. s. Schwimmhandlungen unter Einschluß eines Kontexts), also ›Lebensform‹ und ›Lebensraum‹, sind noch ununterscheidbar. Das ist auch der Grund, warum das durch dialogische Elementarsituationen systematisch-genetisch rekonstruierte Können als Gewinnen beziehungsweise Ausbilden von Prhandlungen und nicht schon von Handlungen bezeichnet werden soll. Immer gibt es in diesem Prozeß zwei dialogische Rollen, die des jeweils Tätigen und die des jeweils dabei gerade Nicht-Tätigen: der Ausfhrende und die Anfhrende. Der Ausführende aktualisiert die Prähandlung, die Anführende schematisiert sie. Daher sind die verkürzten Wendungen ›eine Aktualisierung ausführen‹ (= ›ein Schema aktualisieren‹) und ›ein Schema anführen‹ (= ›eine Aktualisierung schematisieren‹) auf dieser Grundstufe streng synonym und nur von verschiedenen Rollen her formuliert. In einer Aktualisierung (performance) ist die Prähandlung singular,26 in einer Schematisierung (recognition) hingegen universal. 27 Von beiden ›rationalen‹ Gesichtspunkten aus kann eine ›empirische‹, also in den Hintergrund der dialogischen Elementarsituation bereits mitgebrachte Handlung gesehen werden. In diesem Sinne sind Prähandlungen als Mittel und als Gegenstand, beides noch ungeschieden, gewonnen worden. Es ist daher nur eine mißverständliche ›ontologisierende‹ Redeweise, wenn man sagt, daß eine Prähandlung in der dialogischen Elementarsituation als offene Folge von Aktualisierungen eines Schemas vorliegt; weder Aktualisierungen (Singularia) noch Schemata (Universalia) sind ihrerseits Gegenstände, vielmehr Verfahren, über Prähandlungen zu verfügen. Trotzdem ist die Redeweise nützlich, weil die Untrennbarkeit beider Gesichtspunkte klar ausgedrückt ist: Aktualisierungen sind nur im Blick auf ihr Schema ›verstanden‹, und ein Schema ist nur in seinen Aktualisierungen ›vorhanden‹. Der Ausführende erzeugt vom Singularen her das Universale, die Anführende versteht vom Universalen her das Singulare. Diese Janusköpfigkeit der Prähandlungen, ohne die es ›geteiltes‹ Können überhaupt nicht gäbe, ist zugleich der Ansatzpunkt für eine Wiederholung des Verfahrens dialogischer Elementarsituationen durch Selbstanwendung, haben wir doch in den beiden Seiten die Keimzellen für 26 Peirce sagt dafür: ›it exists‹, CP, 6.335. 27 Hierfür sagt Peirce: ›it is real‹, CP, 5.430.
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die Ebene der Handlungen (ein ›Reich des Seins‹) – auf der Seite des Ausführenden – und für die Ebene des Wissens (ein ›Reich des Erkennens‹) – auf der Seite der Anführenden – vor uns, deren Zusammenhang in der Tradition so notorische Schwierigkeiten gemacht hat. Peirce wußte allerdings, daß Ontologie und Epistemologie nur zwei Seiten derselben Medaille sind,28 und wir können daher auch sagen: jede Prähandlung hat eine pragmatische und eine semiotische Seite. Erst nach weiteren Rekonstruktionsschritten endet die für dialogische Elementarsituationen des Ausbildens von Prähandlungskompetenz charakteristische Gleichwertigkeit der zwei Ausdruckspaare für die beiden dialogischen Rollen ›pragmatisch – semiotisch‹: ›aktiv – passiv‹ auf der pragmatischen Seite und ›singular – universal‹ auf der semiotischen Seite. Wir setzen jetzt die Rekonstruktion fort mit dialogischen Elementarsituationen, in der die beiden Seiten einer Prähandlung, die pragmatische und die semiotische, und damit die beiden dialogischen Rollen, ihrerseits mithilfe eigenständiger sekundrer Prhandlungen ausdrücklich bereitgestellt werden. Erst mit diesem Schritt, bei dem in dialogischen Elementarsituationen 2. Ordnung die Ausführrolle in viele mögliche Ausführungsprähandlungen und in einer dialogischen Elementarsituation 2. Stufe die Anführrolle in viele mögliche Anführungsprähandlungen zerfällt, ergeben sich Gliederungen – aber auch diese wiederum noch nicht nach Mittel und Gegenstand geschieden, wie es erst in einem weiteren Schritt unter dem Titel ‘Artikulation’ geschehen wird – einer Prähandlung, die pragmatisch als Phasengliederung durch Ausführungsprähandlungen oder ›Ich-Perspektiven‹ und semiotisch als Aspektegliederung durch Anführungsprähandlungen oder ›Du-Perspektiven‹ auftritt und es erlaubt, Prähandlungen in Probjekte und Prsubjekte zu überführen und so Unabhängigkeit von den ursprünglichen dialogischen Elementarsituationen, also der Ausführung und Anführung einer Prähandlung, zu erreichen. Zunächst nämlich sind zwei dialogische Elementarsituationen unvergleichbar: Erwirbt eine Person A1 mit zwei verschiedenen Personen B1 und B2 eine Prähandlung, so ist zwar die Übereinstimmung der Prähandlung für die Dyade A1 - B1 mit der Prähandlung für die Dyade A1- B2 durch Hintereinanderschalten beider Elementarsituationen in eine dritte zu erreichen, für die B1 und B2 nur als Stadien einer Person B3 auftreten, es gibt aber keine Möglichkeit, auch für die Dyade B1 – B2 28 Cf. CP, 5.257.
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eine Übereinstimmung des Prähandlungserwerbs mit A1 – B1 oder A1 – B2 zu sichern; der Prähandlungserwerb ist nicht komparativ. Es bedarf der ausdrücklichen Heranziehung Dritter zu den dialogischen Elementarsituationen, einer Überführung des ›Beobachters‹ in einen ›Teilnehmer‹, so daß Kompetenzerwerb durch ›Zuschauen‹ dem durch ›Mitmachen‹ angeglichen wird, um Vergleichbarkeit zwischen ihnen durchzusetzen. Am Beispiel Schwimmen etwa geht es darum, auch Prähandlungen wie Arme-eines-Schwimmers-Beobachten neben Schwimmen-Hören und anderen Prähandlungen eines der dialogischen Elementarsituation zum Erwerb der Schwimmkompetenz Gegenüberstehenden in die dialogische Elementarsituation mitaufzunehmen, eben als die in eine eigenständige Anführungsprähandlung überführte Anführrolle der Prähandlung Schwimmen. Das läuft auf nichts anderes hinaus, als die dialogische Elementarsituation in bezug auf die beiden dialogischen Rollen zu schematisieren, also eine dialogische Elementarsituation 2. Stufe mit der Konsequenz des Zerfallens der Anführrolle in viele Anführungsprähandlungen, die Aspekte der Prähandlung, aufzusuchen. Ganz entsprechend wird es erst durch die Auffassung der dialogischen Elementarsituationen als Schematisierung von dialogischen Elementarsituationen 2. Ordnung in bezug auf (Teil-)Prähandlungen möglich, die Ausführrolle in viele Ausführungsprähandlungen zu zerlegen, also etwa Schwimmen in Bewegen-der-Arme-beim-Schwimmen, Bewegen-der-Beine-beim-Schwimmen usw., natürlich unter Einschluß auch suprasegmentaler Gliederungen, um neben der Vergleichbarkeit von dialogischen Elementarsituationen auch ihre Zusammensetzbarkeit durchzusetzen. Der Übergang von vielen dialogischen Elementarsituationen zu einer dialogischen Elementarsituation 2. Stufe und von einer dialogischen Elementarsituation zu dialogischen Elementarsituationen 2. Ordnung sind die reflexiven Entsprechungen zu den sonst allein auf der Sprachebene abgehandelten Verfahren der Abstraktion und der Konkretion. Sie können als Verfahren der Distanzierung (durch ›Naturalisierung‹) und der Aneignung (durch ›Symbolisierung‹) bezeichnet werden. Wir erhalten daher Präobjekte auf der semiotischen Seite durch Identifizierung der Anführungsprähandlungen und auf der pragmatischen Seite durch Summierung der Ausführungsprähandlungen: die Anführungsprähandlungen bezeichnen das Präobjekt und sind insofern Zeichenprhandlungen, die Ausführungsprähandlungen hingegen gliederen das Präobjekt und sind insofern Teilprhandlungen, beide zusammen konstituieren es durch seine Perspektiven. Die Identifizierung macht Präob-
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jekte zu semiotischen Invarianten, die Summierung macht sie zu pragmatischen Ganzheiten: Präobjekte haben stets eine semiotische und eine pragmatische Seite; sie sowohl zu erkennen als auch zu kennen heißt über (mindestens) eine Zugangsweise in einem Aspekt und über (mindestens) eine Gliederungsweise mit einer Phase zu verfügen. Präsubjekte wiederum sind auf der pragmatischen Seite das Ergebnis einer Differenzierung von Ausführungsprähandlungen und auf der semiotischen Seite das Ergebnis einer Fixierung von Anführungsprähandlungen. Die Differenzierung läßt Präsubjekte auf der pragmatischen Seite individuell als Bündel hinreichend differenzierter Schemata von Ausführungsprähandlungen, durch einen Stil, auftreten, während die Fixierung sie auf der semiotischen Seite sozial durch ein System hinreichend, nämlich kraft Konventionen, stabilisierter Aktualisierungen von Anführungsprähandlungen, ihre (gemeinsame) Sprache, charakterisiert. Die Naturalisierung einer Prähandlung bei einer Distanzierung bedient sich daher einer Sprache, ihre Symbolisierung bei einer Aneignung geschieht durch einen Stil.29
2. Zeichen – Sprachzeichen Mit der Verselbständigung von Ausführung und Anführung in eigenen Ausführungs- und Anführungshandlungen, die als Teilprähandlungen und Zeichenprähandlungen die Phasen und Aspekte eines Präobjekts bilden, sind wir auf dem Wege zu einer Rekonstruktion sowohl der Gegenstandsgemeinschaft, also der Teilhabe an einer ein Stück weit gemeinsamen Welt (von Objekten), als auch der Sprachgemeinschaft, also der Verfügung über einen Bereich gemeinsamer Zeichen (für Objekte), aber eben nur auf dem Weg. Für die Bildung zunächst der Präobjekte und dann der Objekte sind weder das Verfahren der Identifikation von Anführungsprähandlungen, die dazu ihrerseits erst zu Anführungspräobjekten, eben den Zeichenhandlungen, gemacht werden müssen, noch das Verfahren der Summierung von Ausführungsprähandlungen, das ebenfalls von deren vorherigen Verselbständigung in Teilhandlungen abhängig ist, bisher selbst systematisch-genetisch rekonstruiert worden. Gleiches gilt für die beiden Verfahren der Ausbildung zunächst der Präsubjekte und dann der Subjekte, nämlich die Differenzierung der Ausführungsprähandlungen in einem Stil und die Fixierung der An29 Cf. Lorenz 1990, Kap. 3.4.
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führungsprähandlungen in einer Sprache. Erst dann können wir sagen, daß Zeichenhandlungen als Handlungen Subjekte ausdrcken und als Zeichen Objekte bezeichnen und außerdem Teilhandlungen als Zeichen Objekte (vermöge der Summierung) anwesend und als Handlungen Subjekte (vermöge der Differenzierung) gegenwrtig sein lassen. Zur Vorbereitung des Schrittes von den Präobjekten und Präsubjekten zu den Objekten und Subjekten, also Einheiten zunächst relativ zu Situationen und dann zu situationsunabhängig bestimmten Einheiten – auf der Ebene der Präobjekte (und Präsubjekte) gibt es wegen der für dialogische Elementarsituationen noch nicht rekonstruierten Unterscheidung von gegenständlichem Vordergrund und situativem Hintergrund keine Gliederung in einzelne identifizierbare Einheiten, erst recht nicht eine Aufspaltung der Ich-Du-Dyaden durch Einbettung von Du in Ich (in der klassischen Gegenüberstellung von ›Ich als Subjekt‹ und ›Ich als Objekt‹ unzulässig verkürzt) – werden wiederum mithilfe dialogischer Elementarsituationen der nächst höheren Ordnung beziehungsweise Stufe zum einen die Ausführrolle und Anführrolle der Anführungsprähandlungen in eigenen Prähandlungen verselbständigt, die auf der pragmatischen Seite (bezüglich des Präobjekts) Vermittlungen und auf der semiotischen Seite (bezüglich des Präobjekts) Wahrnehmungen zu heißen verdienen; zum anderen führt die Verselbständigung der Ausführrolle und Anführrolle der Ausführungsprähandlungen zu Prähandlungen, die (bezüglich des Präobjekts) auf der pragmatischen Seite Hervorbringungen und auf der semiotischen Seite Artikulationen genannt werden sollten. Hier nun ist zu beachten, daß die Verselbständigung auch unter Bezug auf die allein der pragmatischen Ebene zugehörigen dialogischen Rollen ›aktiv – passiv‹ sowie die allein der semiotischen Ebene zugehörigen dialogischen Rollen ›singular – universal‹ formuliert werden kann. Im ersten Fall nämlich wird auf der pragmatischen Seite die zu einer Du-Perspektive entwickelte Anführrolle, i. e. die Anführende als Du, als eine Ich-Perspektive der Anführenden und deshalb als ›passiv‹ dargestellt (ich erleide deine Aktualisierung), auf der semiotischen Seite hingegen die zu einer Ich-Perspektive entwickelte Ausführrolle, i. e. der Ausführende als Ich, als eine ›aktive‹ Du-Perspektive des Gegenübers, i. e. des Ausführenden als Du, behandelt (ich schematisiere dir). Die Ausführrolle auf der pragmatischen Seite und die Anführrolle auf der semiotischen Seite aber bleiben weiter aktiv beziehungsweise passiv: die Zeichen(prä)handlungen und Teil(prä)handlungen treten nur als Handlungen auf. Im zweiten Fall wiederum werden auf der semiotischen Seite die
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Abbildung 1
zu einer Du-Perspektive entwickelte Anführrolle (i. e. die Anführende als Du) als eine Ich-Perspektive der Anführenden und deshalb als ›universal‹ angesehen (ich verstehe dein Schema), während auf der pragmatischen Seite die zu einer Ich-Perspektive entwickelte Ausführrolle (i. e. der Ausführende als Ich) als eine ›singulare‹ Du-Perspektive behandelt wird (ich aktualisieren dir gegenüber). Die Anführrolle auf der pragmatischen Seite und die Ausführrolle auf der semiotischen Seite hingegen bleiben weiter universal beziehungsweise singular: die Zeichen(prä)handlungen und Teil(prä)handlungen treten nur als Zeichen auf. Die erste Abbildung erlaubt es abzulesen, daß in Vermittlungen ein Präobjekt auf seiner pragmatischen Seite, also vermöge der Phasengliederung, unter einem Aspekt, d. i. der Ausführung einer Zeichenhandlung, von Ich an Du ›weitergegeben‹ wird (ich aktualisiere dir gegenüber + ich erleide deine Aktualisierungen), während in Artikulationen einem Präobjekt auf seiner semiotischen Seite, also vermöge der Aspektegliederung, unter Bezug auf eine Phase, d. i. der Anführung einer Teilhandlung, für eine Ich-Du-Dyade ein Zeichen gegeben wird (ich verstehe dein Schema + ich schematisiere dir). Der Aspekt, unter dem die Vermittlung im ersten Fall geschieht, garantiert ebenso wie der Bezug auf die Phase, vermöge der die Artikulation im zweiten Fall erfolgt, die Ich-Du-Rollen-Invarianz von Vermittlung und Artikulation. Denn die allein Ich-bezogene singulare Vermittlung mit einer
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Teilhandlung als Zeichen wird erst durch die singulare Vermittlung mit einer Zeichenhandlung als Zeichen Ich-Du-invariant (das ›ich beabsichtige‹, das mit dem Aktualisieren dir gegenüber auf der varianten ›sinnlichen‹ Ebene geschieht, wird erst durch den Übergang zur ›geistigen‹ Ebene invariant), und entsprechend bedarf die allein Ich-bezogene universale Artikulation mit einer Zeichenhandlung als Zeichen der universalen Artikulation durch eine Teilhandlung als Zeichen, um IchDu-invariant zu werden (das ›ich verstehe‹ bezüglich einer ›begrifflichen‹ Schematisierung muß zum Zwecke der Verständigung ›veranschaulicht‹ werden). Neben diesen ›intersubjektiven‹ Anteilen eines Präobjekts, die zusammengenommen für Ich-Du zum ›Erkennen‹ führen, bleiben Hervorbringungen und Wahrnehmungen seine ›subjektiven‹, gemeinsam die Grundlage für das ›Kennen‹ seitens Ich ausmachenden Anteile. Ehe wir nun das Gleichsetzen von Zeichen(prä)handlungen und das Zusammensetzen von Teil(prä)handlungen ausdrücklich rekonstruieren, ist es dringlich, noch auf einen weiteren Punkt kurz einzugehen. Bisher sind Präobjekte verselbständigte Prähandlungen, die in Aspekten semiotisch und in Phasen pragmatisch zugänglich sind; es scheint aber unter ihnen noch keine Gegenstände zu geben, die sich als Vorstufen einer Rekonstruktion von Dingen, Ereignissen oder anderen Gegenstandsarten eignen, welche man nicht ohne weiteres in Gestalt an- und ausführbarer Handlungen begreifen kann – dazu gehören auch die für Menschen nicht direkt ausführbaren ›Handlungen‹, wie z. B. Fliegen. Wie also läßt sich der Unterschied von, zum Beispiel, Schwimmen und Fliegen methodisch rekonstruiert charakterisieren? Die schlichte Antwort lautet: Schwimmen läßt sich vorfhren, Fliegen nicht. Hier wird unter Vorführen ein Anführen durch Ausführen verstanden, eine Ausdrucksweise dafür, daß Präobjekte nur noch in Perspektiven und nicht mehr ›im Ganzen‹ an- und ausführbar sind. Um daher beliebige Gegenstandsarten als Präobjekte zu gewinnen, ist der radikale Schritt erforderlich, sie aus der Prähandlung Umgehenmit-der-Gegenstandsart hervorgehen zu lassen, ganz in Übereinstimmung mit der schon bei Platon anzutreffenden Charakterisierung der emta als pq²clata (und pq²neir). Auch das Präobjekt Schwimmen ist dann mit der verselbständigten Prähandlung Umgehen-mit-Schwimmen zu identifizieren. Dinge, z. B. Wasser oder Pfeifen, und Ereignisse, z. B. Verkehr oder Fallen-eines-Herbstblatts, sind nur in Phasen, z. B. Wasser-abfüllen, Pfeifen-schnitzen, Verkehrregeln, Fallen-einesHerbstblatts-unterbrechen, pragmatisch, und in Aspekten, z. B. Was-
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serrauschen-hören, Pfeifen-malen, Verkehr-zählen, Auf-Fallen-einesHerbstblatts-aufmerksam-machen, semiotisch zugänglich (die umgangssprachliche Wiedergabe der Teilhandlungen und Zeichenhandlungen bei diesen Beispielen ist natürlich cum grano salis zu nehmen, bedürfte es doch einer auf dieser Stufe noch nicht verfügbaren Rekonstruktion der hochdifferenzierten Struktur einer schon in Gebrauch befindlichen natürlichen Sprache; als Kriterium für die Unterscheidung der pragmatischen von der semiotischen Perspektive dient dabei die Beteiligung am Entstehen, Vergehen und Aufrechterhalten des Präobjekts). Mit der Verselbständigung nun der Phasengliederung zu Teilhandlungen und der Aspektegliederung zu Zeichenhandlungen wird es möglich, die Identifikation der Zeichenhandlungen und die Summierung der Teilhandlungen auf folgende Weise zu bewerkstelligen: Eine ausgewählte Zeichenhandlung im aktiven Aspekt, also eine Artikulation, übernimmt die Funktion der Vertretung beliebiger Zeichenhandlungen, d. h. in einer dialogischen Elementarsituation 3. Stufe, der Schematisierung (der dialogischen Rollen) von Zeichenhandlungen, läßt sich die Variation der Elementarsituationen 2. Stufe zu einer Trennung von konstantem Vordergrund vor variablem Hintergrund einer Situation (zu der als Elementarsituation 2. Stufe die Interaktionspartner jetzt auch als Glieder der Situation und nicht nur als situationsgliedernd gehören) heranziehen, und dabei zerfällt ein Präobjekt kraft der jeweils verschiedenen Situationen, zu denen es gehört, in ›situationsspezifische‹ Einheiten, die (semiotisch bestimmten) Objekte in einer (angefhrten) Situation. Ganz entsprechend werden die (pragmatisch bestimmten) Objekte in einer (ausgefhrten) Situation aufgrund einer dialogischen Elementarsituation 3. Ordnung, deren Schematisierung also zu Teilhandlungen führt, als Einheiten eines variablen Vordergrundes vor konstantem Hintergrund einer Elementarsituation 2. Ordnung gewonnen. Jede Teilhandlung im passiven Aspekt, also eine Vermittlung, übernimmt die Funktion einer Erweiterung durch beliebige Teilhandlungen. Gegenständlicher Vordergrund und situativer Hintergrund, semiotisch als konstanter Vordergrund vor variablem Hintergrund und pragmatisch als variabler Vordergrund vor konstantem Hintergrund, also ein Objekt zusammen mit seiner Umgebung, machen eine Situationseinheit aus. Geht es zum Beispiel um das Präobjekt Schwimmen und beschränken wir uns auf das Umgehen-mit-Schwimmen in Gestalt der beiden Handlungen Im-Wasser-Schwimmen und Mit-den-Armen-
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Schwimmbewegungen-machen, so sind diese, hinsichtlich ihrer pragmatischen und semiotischen Seite noch ungegliederten, Handlungen als Zeichenhandlungen eine Aspektegliederung und als Teilhandlungen eine Phasengliederung von Schwimmen. In der mittlerweile dreifach gegliederten dialogischen Elementarsituation zum Erwerb der Schwimmkompetenz übernehmen Ich ebenso wie Du pragmatisch sowohl eine aktive als auch eine passive Rolle, und semiotisch zeigen sie sowohl die singulare als auch die universale Seite eines Präobjekts. In aktiver Rolle von Ich, bei der Vermittlung von Schwimmen durch Ausführung der Zeichenhandlungen, ist die Anführung von Schwimmen mit Im-Wasser-Schwimmen und Mit-den-Armen-Schwimmbewegungen-machen die Artikulation von Schwimmen (ein ›Schemaabschnitt‹: die Aktualisierungen sind gleich) im Vordergrund der Schwimmsituation, in passiver Rolle von Ich hingegen die Wahrnehmung von Wasser und Armbewegung (eine ›Aktualisierungsvariation‹: die Aktualisierungen gehören zu verschiedenen Wahrnehmungsschemata und sind insofern verschieden) im Hintergrund der Schwimmsituation. Dem entspricht, daß in passiver Rolle von Du die Anführung von Schwimmen mit den beiden Zeichenhandlungen beidemal als Schwimmen (ein Universale) im Vordergrund der Schwimmsituation wahrgenommen sind, während in aktiver Rolle von Du im Hintergrund der Schwimmsituation jeweils die verschiedenen Umgebungen Wasser und Armbewegung artikuliert werden. Komplementär dazu ist in aktiver Rolle von Ich die Ausführung von Schwimmen mit ImWasser-Schwimmen und Mit-den-Armen-Schwimmbewegungen-machen das Hervorbringen von Schwimmen, nämlich jeweils verschiedener (natürlich nicht ›disjunkter‹) Teile im Vordergrund der Schwimmsituation, während sie in passiver Rolle von Ich für den gleichen Hintergrund der Schwimmsituation bei der Vermittlung von Schwimmen sorgen. Wiederum entsprechend ist in passiver Rolle von Du, bei der Artikulation von Schwimmen durch Anführung der Teilhandlungen, die Ausführung von Schwimmen mit Im-WasserSchwimmen und Mit-den-Armen-Schwimmbewegungen-machen die Vermittlung von Schwimmen (durch ›Phasenvielfalt‹: die Schemata sind verschieden) im Vordergrund der Schwimmsituation, hingegen wird in aktiver Rolle von Du ein konstanter Hintergrund der Schwimmsituation, eben Schwimmen (Einbettung der Phasen in dasselbe Schema) hervorgebracht. Am Beispiel sieht man, daß auf der semiotischen Seite die Variation zur Umgebung des Objekts, also ›nach außen‹, gehört, während sie auf
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der pragmatischen Seite ›nach innen‹ gewendet ist: die semiotische Aspektegliederung der Objekte ist eine Außengliederung, ihre pragmatische Phasengliederung eine Binnengliederung. Beide zusammen erst, und dabei werden Transformationen von Außengliederungen in Binnengliederungen und umgekehrt, sogenannte Involutionen, eine wichtige Rolle spielen, bestimmen ein Objekt in einer Situation, und zwar invariant gegenüber einer Vertauschung von Ich und Du. Eine dialogische Elementarsituation 3. Stufe kann daher selbst als Artikulation der Identifikation und damit als symbolische Artikulation von Objekten aufgefaßt werden, während eine dialogische Elementarsituation 3. Ordnung die Vermittlung der Summierung bildet und daher als komprehensive Vermittlung von Objekten bezeichnet werden kann. Es ist üblich zu sagen, daß die Objekte in einer Situation als Einheiten eines Objekttyps auftreten, wobei strenggenommen nur ›unterste‹ Einheiten auch ‘Individuen’ heißen. Die in einer symbolischen Artikulation enthaltenen Übersetzungsregeln von einer Zeichenhandlung in eine andere bewirken eine Dekontextualisierung der Objektbestimmung im Unterschied zu ihrer Kontextualisierung vermöge der mit der komprehensiven Vermittlung gesetzten Aufbauregeln. Noch etwas genauer und zugleich suggestiver kann die doppelte, nämlich semiotische und pragmatische Bestimmung der Objekte so ausgedrückt werden, daß ein Objekt als Kern der Schemata der Zeichenhandlungen ein logisch-semiotisches Abstraktum, hingegen als Hlle der Aktualisierungen der Teilhandlungen ein logisch-pragmatisches Konkretum bildet. Die ›individuellen‹ Objekte in einer Situation sind sowohl abstrakte Invarianten als auch konkrete Ganzheiten. Dabei dienen die (verselbständigten) Aktualisierungen einer Zeichenhandlung, die Artikulationen, der Bezeichnung des abstrakten Objekts; mit den (verselbständigten) Schemata einer Teilhandlung, den Vermittlungen hingegen, wird am konkreten Objekt partizipiert. Sowohl die Relationen zwischen den Singularia, den Zeichenhandlungsvollzügen, und den Universalia (des logisch-semiotischen Abstraktums) als auch die Relationen zwischen den (universalen) Teilen und dem Ganzen (des logisch-pragmatischen Konkretums) sind intern und können nicht als externe Relationen zwischen zuvor schon verfügbaren Gegenständen aufgefaßt werden. Vielmehr sind es die (raumzeitlich charakterisierbaren) ›individuellen‹ Objekteinheiten selbst, die Partikularia, an denen die Rekonstruktion die internen Relationen der Bezeichnung und der Partizipation sichtbar zu machen imstande ist. Was die komplementäre, in diesem Zusammenhang aber nicht en detail auseinanderzusetzende Subjektbestimmung betrifft, so genügt es
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festzuhalten, daß die Artikulation eines Präsubjekts (gen. subj.!) mit der (durch Konvention gewonnenen) symbolischen Artikulation, und damit durch Fixierung, zur Artikulation eines sozialen Subjekts wird, während die Vermittlung innerhalb eines dyadischen Subjekts (des Präsubjekts einer Ich-Du-Dyade) durch Differenzierung, also Eigenständig-werden bei der komprehensiven Vermittlung, eine Vermittlung zwischen individuellen Subjekten entstehen läßt. Im Handlungscharakter der Ausführhandlungen zusammen mit dem Handlungscharakter der Anführhandlungen (›was man [individuell] tut‹ + ›wie man [sozial] spricht‹) haben wir die Lebensweisen (ways of life) von Subjekten im Umgang mit Objekten, im Zeichencharakter der Anführhandlungen zusammen mit dem Zeichencharakter der Ausführhandlungen (›was man [universal] sagt‹ + ›wie man [individuell] handelt‹) ihre Weltansichten (world views) im Bezeichnen und Teilhaben bezüglich Objekten vor uns. Mit der symbolischen Artikulation sind wir bei (verselbständigten) sprachlichen Zeichenhandlungen im engeren Sinne angekommen, die wegen der Gleichsetzung von Umgehen-mit-Sprachzeichen und Sprachzeichen von Sprachzeichen systematisch nicht mehr unterschieden zu werden brauchen. Sie artikulieren die Kompetenz der Gleichbehandlung aller Zeichenhandlungen in bezug auf ein Objekt, also die Kompetenz, mit der Ausführung einer bestimmten Zeichenhandlung zugleich eine beliebige andere Zeichenhandlung in bezug auf dasselbe Objekt anzuführen. Allerdings ist es dabei wichtig, sich klar zu machen, daß mit der Charakterisierung ‘sprachlich’ noch keine Festlegung auf das verbalsprachliche Medium erfolgt ist, symbolische Artikulation könnte durchaus auch zum Beispiel gestisch oder pictural erfolgen. Es gehört zu den Fakten der Entwicklungsgeschichte von homo sapiens, daß grundsätzlich ›vokale Gestern‹ die Rolle symbolischer Artikulation übernommen haben. Und auch umgekehrt ist zu beachten, daß ‘sprachlich’ durchaus auch in einem weiteren Sinn zur Charakterisierung von Zeichenhandlungen dann verwendet wird, wenn sie durch lautliche oder schriftliche Äußerungen aktualisiert werden. Es ist daher damit zu rechnen, daß lautlich oder schriftlich geäußerte Zeichenhandlungen im weiteren und im engeren Sinne eine Sprachhandlung und damit Artikulationen auf zwei verschiedenen logischen Stufen sind, was dazu führt, daß ihre Ausführung dann zugleich sich selbst anführt.
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III 1. Ostension und Prädikation. Gegebenheitsweise und Modus Auch wenn symbolische Artikulation nicht lautlich (oder schriftlich), also verbalsprachlich, vorzuliegen braucht und darüber hinaus von Sprachzeichenhandlungen auch bei einfachen Artikulationen die Rede ist, so sollen im folgenden Schreibmarken, in der Regel Buchstaben, als Notation für grundsätzlich symbolisch gemeinte Artikulationen verwendet werden. Damit ist vorausgesetzt, daß eine Artikulation ihrerseits zu einem Objekttyp verselbständigt worden ist, der Artikulator heißen möge (und in erster Näherung als Rekonstruktion eines hier noch unzusammengesetzten ›signifiant‹ im Sinne de Saussures aufgefaßt werden kann). Er ist damit auf der semiotischen Seite – ein Artikulator als Zeichen(-Handlung) – im üblichen Sinne ›artikuliert‹, nämlich gegliedert, obwohl diese Gliederung auch bei zusammengesetzten Artikulatoren nur in einem beschränkten Umfang als morphematische Binnengliederung die zu jedem (symbolischen) Artikulator gehörige Übersetzungsregel von einer Zeichenhandlung in eine andere explizit wiedergibt; zugleich ist er auf der pragmatischen Seite – ein Artikulator als (Zeichen-)Handlung – phonematisch (oder graphematisch) gegliedert, so daß sich die übliche Charakterisierung der Sprachebene durch ›doppelte Artikulation‹ jedenfalls für (symbolische) Artikulatoren auf eine ganz natürliche Weise ergibt.30 Im übrigen wird von der pragmatischen Seite eines Artikulators in diesem Aufsatz nicht weiter gehandelt werden. Für einen Artikulator als Zeichen gilt jede Artikulatoreinheit als austauschbar mit jeder anderen, so daß Artikulatoren in semiotischer Hinsicht stets als Typen zu gelten haben, die in Sprechsituationen geäußert werden. Will man gleichwohl auf Artikulatoreinheiten (in einer Sprechsituation) zurückgreifen, so genügt es, das Paar (P, s) mit einem Artikulator(typ) ‘P’ und einer Sprechsituationseinheit s als Notation für die Artikulatoreinheit in der Sprechsituation s, also die ußerung von ‘P’ in s, zu nehmen. Wie für jede Handlung, ist auch für Artikulationen als Zeichen in ihrer systematisch-genetischen Rekonstruktion durch dialogische Elementarsituationen eine pragmatische und eine semiotische Seite zu berücksichtigen, die wiederum verselbständigt werden können und 30 Cf. dazu Martinet 1960.
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dann unter Bezug auf das von sozialen Subjekten artikulierte Objekt in einer Situation mit Kommunikation und Signifikation wiederzugeben sind. Es läßt sich hier sehr deutlich der mit der Differenz von pragmatischer und semiotischer Seite einer Artikulation (als Zeichen) verbundene Statuswechsel einer Handlung als Gegenstand und als Mittel ablesen, liegt doch Signifikation, ein Nennen, nur im Vollzug einer Kommunikation, einem Sagen, vor, und deshalb ist Signifikation das Mittel für Kommunikation: was genannt wird, ist ein Gegenstand, der, in ein Mittel verwandelt (d. i. das Umgehen mit ihm), als etwas gesagt (d.i. vermittelt und artikuliert) wird. Unter Berücksichtigung dieser bereits von Platon eingeführten Unterscheidung von ›Sagen‹ (k´ceim) und ›Nennen‹ (amol²feim) als Titel für zwei ausgezeichnete Funktionen von Sprachhandlungen beziehungsweise ›Wörtern‹ (amºlata), die er mit did²sjeim ti !kk¶kour [etwas einander beibringen] und diajq¸meim t± pq²clata [die Sachen unterscheiden] erläutert hat,31 soll unter Kommunikation der Personbezug und unter Signifikation der Sachbezug einer Artikulation als Zeichen verstanden werden. Signifikation kann nur innerhalb einer Kommunikation erfolgen, und Verständigung über ein Objekt ist nur unter Verwendung einer Bezeichnung möglich. Unter erneuter Anwendung des Verselbständigungsschrittes zerfällt Kommunikation in ihre semiotische Seite Prdikation und ihre pragmatische Seite Modus: die Anführung einer Kommunikation geschieht durch eine Prädikation, und die Ausführung einer Kommunikation durch einen Modus. Daher in knapper Formulierung: jede Prädikation findet in einem Modus statt. Ganz entsprechend zerfällt Signifikation in ihre pragmatische Seite Ostension und ihre semiotische Seite Gegebenheitsweise: nur unter Verwendung einer Gegebenheitsweise kann die Ostension auf ein Objekt erfolgen. Werden diese Verhältnisse nicht beachtet und einerseits Prädikation selbst bereits als pragmatisch, andererseits Ostension selbst bereits als semiotisch betrachtet, so entstehen methodisch unlösbare Streitfragen, zum Beispiel um den Status der Prädikation – Ist Prädikation ein eigenständiger Sprechakt oder der ›propositionale Kern‹ beliebiger Sprechakte? – oder um die Entbehrlichkeit von Intensionen – Muß das Hilfsmittel für eine Ostension, die Gegebenheitsweise, in einer Kommunikation zur artikulierten Situation gezählt werden, oder sind Gegebenheitsweisen grundsätzlich extern? 31 Crat. 388b; allerdings mit derr Erklärung, amol²feim sei ein Teil von k´ceim, cf. Crat. 387c.
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Im hier vorgeschlagenen Aufbau treten Prädikationen ausschließlich als semiotisches Gegenüber zu ›Satzradikalen‹ auf, und Ostensionen werden als zweckmäßiges Instrument zur Unterscheidung des durch Distanzierung gewonnenen gegenständlichen Charakters eines Objekts (extensionaler Gegenstand) und des durch Aneignung gewonnenen intensionalen Charakters eines Objekts (intensionales Mittel) eingesetzt. Berücksichtigt man nun, daß in symbolischer Artikulation ein Artikulator als Übersetzungsregel zur Durchsetzung der Gleichwertigkeit der Aspekte und damit der Invarianz eines Objekts gegenüber seinen Aspekten auftritt (abstrakte Bestimmung), wobei jede Aspektegliederung unter Bezug auf eine Phase vorliegt, so sind durch einen Artikulator einerseits beliebige Aspekte, sowohl Artikulationen als auch Wahrnehmungen, vertreten und andererseits dabei beliebige Phasen als Zeichen eingeschlossen. Wer etwa ‘Wasser’ äußert – ein durch hier nicht näher zu untersuchende Umstände in symbolischer Funktion auftretendes Lautschema als Artikulator – , hat auf der pragmatischen Seite das Lautschema aktualisiert, und auf der semiotischen Seite identifiziert er die Sprechsituation als eine Wassersituation mit einer Wassereinheit im Vordergrund (und u. a. ‘Wasser’ im Hintergrund, während in der ‘Wasser’Situation die Äußerung ‘Wasser’ den Vordergrund bildet), die den (abstrakten) Kern eines offenen Bereichs von Zeichenhandlungen, hervorgegangen durch Distanzierung aus der semiotischen Seite des Umgehens-mit-Wasser, bildet: die Artikulation ‘Wasser’ auf der semiotischen Seite artikuliert als Zeichen und damit für Ich eine (Zeichen-)Handlung – Ich ist in der Sprechsituation und in der besprochenen Situation, einer ‘Wasser’-Situation und einer Wassersituation. Zugleich wird mit ‘Wasser’ ein offener Bereich von Teilhandlungen artikuliert, die an der Wassereinheit im Vordergrund, hervorgegangen durch Aneignung aus der pragmatischen Seite des Umgehens-mitWasser in Gestalt der (konkreten) Hülle der Teilhandlungen, partizipieren: Ich ist in der besprochenen Wassersituation auch noch durch Artikulation einer (Teil-)Handlung. Gegenüber dem Partner in der Sprechsituation nun wird mit der Äußerung ‘Wasser’, also der semiotischen Seite der Artikulation mit ‘Wasser’ als Handlung und damit für Du, gesagt, daß die Sprechsituationseinheit (ihres Schemas für Du und einer Aktualisierung für Ich) eine Wassersituation ›ist‹, nämlich ›war‹ aufgrund einer Zeichenhandlung, z. B. Wassersehen, oder ›sein wird‹ aufgrund einer Teilhandlung, z. B. Ins-Wasser-gehen. Mit dieser Sprechweise ist die Differenz der
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Rollen von Ich und Du in der besprochenen Situation zum Ausdruck gebracht: Äußert Ich ‘Wasser’ etwa im Zusammenhang der Zeichenhandlung Wasser-sehen, so ist es Du, der Wassersehen ausführt, auf den Ich mit ‘Wasser’ ›ant-wortet‹ – da auf der Stufe symbolischer Artikulation bereits Dialogrolleninvarianz, also Ich-Du-Invarianz vorliegt, agieren Ich und Du beide als Subjekte und damit Ich auch als Du und Du auch als Ich32 –, und ganz entsprechend wird dann, wenn Ich ‘Wasser’ etwa im Zusammenhang der Teilhandlung Ins-Wasser-gehen äußert, Du mit der Ausführung von Ins-Wasser-gehen auf diese Äußerung ›antworten‹. Mit den beiden ›Reihenfolgen‹ von Äußerung und Ausführung der Zeichenhandlung beziehungsweise Teilhandlung, von John Searle unter der Bezeichnung ›directional fit‹ eingeführt,33 sind die beiden fundamentalen Arten von Modi einer Äußerung in kommunikativer Funktion bestimmt, nämlich Mitteilen und Auffordern, Mitteilen auf der semiotischen Seite des Modus und Auffordern auf seiner pragmatischen Seite. Die Ostension wiederum, also die pragmatische Seite einer Äußerung in signifikativer Funktion, wird vollzogen unter Verwendung der Gegebenheitsweisen auf der semiotischen Seite, im Beispiel durch eine Zeichenhandlung, ein Beobachten, und eine Teilhandlung, ein Selbertun, die beiden fundamentalen Arten von Gegebenheitsweisen, wobei Beobachten auf die semiotische Seite der Gegebenheitsweise und Selbertun auf deren pragmatische Seite gehört. Symbolische Artikulation auf der semiotischen Seite hat dialogrolleninvariant als (Zeichen-)Handlung die Funktion der Kommunikation und als Zeichen(-Handlung) die Funktion der Signifikation. Die zugehörigen Artikulationen auf der pragmatischen Seite sind die ›Einwortsätze‹, schlichte Äußerungen von Artikulatoren ‘P’. Die zweite Abbildung gibt eine diagrammatische Übersicht über die wesentlichen ersten Schritte im Iterationsprozeß von Aneignung und Distanzierung. Bisher entbehren die Artikulatoren allerdings noch jeder semantischen Komplexität. Zwar sind sie auf der pragmatischen Seite explizit gegliedert, aber auf der semiotischen Seite nur implizit, eben dadurch, daß die Kompetenz symbolischer Artikulation die Kompetenz eines offenen Bereichs von Zeichenhandlungen und Teilhandlungen (auf deren semiotischer Seite) einschließt. Um diese implizite semiotische Gliederung schrittweise in eine explizite und dann semantisch zu nen32 Cf. dazu Meads Konstitution des ›Self‹ aus ›I‹ und ›Me‹ in: Mead 1934, part III (Identity). 33 Cf. Searle 1979, chap. 1.
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Abbildung 2
nende Gliederung überführen zu können, sollen in einem ersten Schritt die beiden Funktionen, die ein Artikulator ‘P’ auf der semiotischen Seite hat, auf unterschiedliche Weise notiert werden. Das heißt, wir führen zwei Operatoren d und e ein, die jeweils eine der beiden
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Funktionen abblenden: der d-Operator oder Demonstrator neutralisiert die kommunikative Funktion eines Artikulators, und der e-Operator oder die Kopula (systematisch besser Attributor genannt) seine signifikative Funktion. Das hat zur Folge, daß ‘dP’ nichts mehr besagt, nur noch benennt, und ‘eP’ nur noch etwas besagt, nicht mehr benennt, also mit ‘dP’ eine Verselbständigung der Signifikation und mit ‘eP’ eine Verselbständigung der Kommunikation artikuliert ist. In der Terminologie von Peirce müssen die ‘dP’ ebenso wie der Demonstrator selbst jeweils zusammen mit der Sprechsituation als (genuine) Indices für P-Ausführungen gelten.34 Da nun, wie stets, die semiotische Seite nur im pragmatischen Vollzug verselbständigt, also als Mittel für die korrespondierende pragmatische Seite, auftritt, werden wir unter Bezug auf die dialogischen Rollen ›singular – universal‹ eine andere Darstellung der signifikativen und kommunikativen Funktion erhalten als unter Bezug auf die dialogischen Rollen ›aktiv – passiv‹. Im ersten Fall ergibt sich eine prädikationsbezogene Darstellung unter dem Titel Aussagen, im zweiten Fall eine ostensionsbezogene Darstellung unter dem Titel Anzeigen. Und die beiden Operatoren d und e gehören, wie sofort klar wird, zur prädikationsbezogenen Darstellung. Die terminologische Festlegung ist damit so erfolgt, daß Sagen das Aussagen und seinen Modus und Nennen das Anzeigen und seine Gegebenheitsweise einschließt. Es wird sich zudem herausstellen, daß mit den beiden Notationen ‘dP’ und ‘eP’ nicht schlicht prädikationsbezogene Verselbständigungen von Signifikation und Kommunikation zum Ausdruck gebracht sind, sondern nur ein erster Schritt auf dem Wege zur Aufspaltung von Signifikation in Gegebenheitsweise und Ostension sowie von Kommunikation in Modus und Prädikation markiert ist. Bei dieser Gelegenheit ist der Hinweis angebracht, daß durchaus verschiedene ›Feinheitsgrade‹ dialogischer Konstruktion vor dem Hintergrund phänomenologischer Reduktion möglich und auch bei früheren Gelegenheiten gewählt worden sind. So lassen sich etwa die einfachen Wittgensteinschen Sprachspiele zu Beginn der Philosophischen Untersuchungen als solche systematisch-genetischen Rekonstruktionen der Handlungs- und Sprachkompetenz verstehen, bei denen schon im ersten Schritt der Zusammenhang (und die Zerlegung) von HandlungsPerformanz und -Kompetenz auf der einen Seite und der Kommunikation und Signifikation von Sprachhandlungen auf der anderen Seite, 34 Cf. Scherer 1984, p 76 f.
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und zwar unter ausdrücklicher Berücksichtigung des Modus, ›rekonstruiert‹, nämlich für sie ein Maßstab bereitgestellt, sind. Auch die Lehrund Lernsituationen meiner eigenen Elemente der Sprachkritik setzen gleich mit dem Erwerb der Sprachkompetenz auf der Basis einer Handlungskompetenz ein, behandeln also die semiotischen Teile der Vermittlung und der Artikulation als nachträgliche Objektivierung einer pragmatischen Basis des Gegenübers von lehren/lernen und sprechen/ hören. Schon die Peirceschen Rekonstruktionen hingegen waren, wie Bernd Scherer in seinen Prolegomena zu einer einheitlichen Zeichentheorie nachweisen konnte, durch ihre iterierten Triaden von erheblich größerer Feinheit. Die prädikationsbezogene Darstellung von signifikativer und kommunikativer Funktion eines Artikulators ‘P’ auf der Basis der Trennung beider Funktionen erfolgt durch Nebeneinanderschreiben (bzw. Nacheinandersprechen): ‘dPeP’, gelesen: ‘dies P ist P’ So wird deutlich, daß in dieser Darstellung eine singulare P-Aktualisierung im Vordergrund der besprochenen Situation auftritt. Natürlich hätten wir ohne Schwierigkeiten auch dual verfahren und mit zwei Operatoren, dem Universalisator s zur Neutralisierung der kommunikativen Funktion und dem Prsentator p zur Neutralisierung der signifikativen Funktion, die Darstellung ‘sPpP’ (gelesen: ‘Schema P ist P-vollzogen’) wählen können, bei der im Vordergrund der besprochenen Situation das universale P-Schema auftritt. Erst, wenn es um die explizite Darstellung auch der Modi Mitteilen und Auffordern geht, lassen sich die relativen Vorzüge beider prädikationsbezogenen Darstellungen, der ›singularen‹ für das Mitteilen und der ›universalen‹ für das Auffordern, angemessen beurteilen. Das kann im Zusammenhang dieses Beitrags nicht näher erörtert werden. Hingegen wird jetzt die auf einer Kombination beider Prädikationsdarstellungen beruhende traditionelle Formulierung ›das Universale/das Allgemeine sP wird durch ‘eP’ von P ausgesagt‹ – es handelt sich um eine Artikulation des Vollzugs des Aussagens – durchaus verständlich, obwohl sie die irreführende Behandlung des ‘P’ in ‘eP’ als ›Namen‹ für sP nahelegt. In der mittelalterlichen Sprachlogik allerdings wird dieser Irreführung durch die Unterscheidung ›nominantur singularia, sed universalia significantur‹ begegnet.35 Für die ostensionsbezogene Darstellung von signifikativer und kommunikativer Funktion eines Artikulators ‘P’ auf der Basis einer Trennung beider Funktionen sind die beiden Operatorenpaare d, e und 35 Cf. Johannes von Salisbury 1991, part II, chap. XX.
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s, p, weil auf die dialogischen Rollen ›singular – universal‹ bezogen, nicht brauchbar. Statt dessen wählen wir unter Bezug auf die dialogischen Rollen ›aktiv – passiv‹ einmal den Demonstrator und einen Operator f, den Partitor, analog zu d und e, und dual dazu machen wir von einem Operator j, dem Totalisator, und einem Operator n, dem Exemplifikator, Gebrauch, diese beiden analog zu s und p. Als Ostensionsdarstellung ergibt sich dann: ‘dPf P’, gelesen: ‘dies P an P’. Tatsächlich tritt in dieser Darstellung P im Vordergrund der besprochenen Situation nur aktiv auf; die duale Darstellung wiederum, die bezüglich P im Vordergrund der besprochenen Situation passiv ist, lautet: ‘jPnP’, (gelesen: ‘das Ganze P ist P-exemplifiziert’). So erhält man eine ähnlich suggestive, beide Darstellungen kombinierende und daher auch zu Mißverständnissen einladende Formulierung, nämlich ›das Ganze jP ist durch ‘dP’ an P angezeigt‹, eine Artikulation des Vollzugs des Anzeigens. Damit haben wir die Grundlage für die oben legitimierte und dabei zugleich Wittgensteins Sagen-(Sich)Zeigen-Differenz im Tractatus in einem größeren Rahmen rekonstruierende Erklärung:36 Die interne Relation der Benennung (eines Objekts hinsichtlich seines semiotischabstrakten Anteils) wird im Aussagen angezeigt, die ebenso interne Relation der Partizipation (eines universalen Teils an einem Ganzen als pragmatisch-konkretem Anteil eines Objekts) wird im Anzeigen ausgesagt. Allerdings ist trotz der Trennung von signifikativer und kommunikativer Funktion eines Artikulators die Stufe der Einwortsätze und damit die Übereinstimmung von Sprechsituation und besprochener Situation, Vertauschung von Vordergrund und Hintergrund unberücksichtigt lassend, weder mit ‘dPeP’ noch mit den drei anderen Versionen verlassen worden. Es bedarf der ausdrücklichen Hervorbringung komplexer Artikulatoren entweder durch Zusammensetzung aus Artikulatoren oder durch ihre Zerlegung in Artikulatoren, sichtbar dann an der grammatischen Struktur, um den Schritt zu Elementaraussagen machen zu können, also diejenige Stufe zu entwickeln, auf der in der Regel das Prädizieren, ›etwas über etwas sagen‹, als Sprachhandlung aufgesucht und untersucht wird.
36 Cf. T, 4.022 ff u. 4.12 ff.
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2. Partikularia – ihre Phasen und Aspekte In der bisherigen Darstellung waren die symbolischen Artikulationen, gleichgültig ob die Trennung ihrer beiden Funktionen, der kommunikativen und der signifikativen, prädikationsbezogen als Aussagen oder ostensionsbezogen als Anzeigen artikuliert wurden, streng situationsabhängig. Sprechsituation mit der Äußerung eines Artikulators ‘P’ im Vordergrund und besprochene Situation mit P im Vordergrund stimmen unter Vertauschung von Vordergrund und Hintergrund, einer Vertauschung der Dialogrollen von Ich und Du, der pragmatischen auf der Gegenstandsebene (Lehrender – Lernender) und der semiotischen auf der Sprachebene (Sprecher – Hörer), überein. Aussagen des Typs dQeP oder Anzeigen des Typs dPf Q können nach Konstruktion nicht vorkommen. Andererseits wissen wir, daß ein Artikulator ‘P’ in einer Sprechsituation eine P-Einheit, d.i. ein P-Objekt, in einer P-Situation dialogrolleninvariant artikuliert, ein P-Objekt aber aus zwei Seiten, einer abstrakten Invarianten und einer konkreten Ganzheit, als Kern der Schemata von Zeichenhandlungen (Handlungen auf der semiotischen Seite von Umgehen-mit-P) und als Hülle der Aktualisierungen von Teilhandlungen (Handlungen auf der pragmatischen Seite von Umgehen-mit-P), besteht mit der Folge, daß ‘P’ beliebige Zeichenhandlungen und beliebige Schemata von Teilhandlungen in bezug auf das PObjekt vertritt. Der Jotaoperator i soll, die übliche Rolle als Kennzeichnungsoperator erweiternd, von nun an dazu benutzt werden, solche zunächst sprechsituationsabhängige Einheiten, die Partikularia, zu artikulieren. Erst ein weiterer Prozeß, der schrittweise zur Unabhängigkeit der Partikularia von der Sprechsituation durch dialogisch konstruierte Trennung von Sprechsituation und besprochener Situation führt, wird den Jotaoperator auch in seiner Funktion als Kennzeichnungsoperator auftreten lassen. Dieser Prozeß führt unter signifikativer Perspektive daher von den deiktischen Kennzeichnungen zu den bestimmten Kennzeichnungen. Die Individuatoren ‘iP’ artikulieren entsprechend zwei Seiten, die abstrakte Invariante s(iP) – ein ›Zwischenschema‹ von P (bzw. sP), den semiotischen Anteil von iP – und die konkrete Ganzheit j(iP) – ein ›Teilganzes‹ von P (bzw. jP), den pragmatischen Anteil von iP – , wodurch deutlich wird, daß Partikularia aus ›halb Denken, halb Handeln‹, in Schematisierung und in Aktualisierung, bestehen: schematisiert durch ihre Aspekte und aktualisiert durch ihre Phasen. Partikularia sind dialogrolleninvariant – Ich auch als Du und Du auch als Ich – bestimmt.
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Wir haben eine systematische Rekonstruktion des traditionellen, auf Aristoteles zurückgehenden, Lehrstücks vor uns, daß Partikularia (bei Aristoteles: 6jasta), darunter die Einzeldinge, aus ›Form‹ (eWdor, i. e. s(iP), obwohl klassisch dabei meistens auf das allgemeinere sP zurückgegriffen wird) und ›Stoff‹ (vkg, i. e. j(iP)) bestehen (bei Alexander von Aphrodisias in seinem Kommentar zu den aristotelischen Metaphysica ausdrücklich ein mixtum compositum, s¼mhetom 1n vkgr ja· eWdour37), wobei sich zwanglos jeweils jP als ›primäre Substanz‹ und die j(iP) als ›sekundäre Substanzen‹ auszeichnen lassen und darüber hinaus die Lehre von den Partikularia als infima species zurückweisen läßt. In einer Aussage ‘iPeP’, wie wir jetzt statt ‘dPeP’ schreiben können, wird das Universale sP durch ‘eP’ von j(iP) ausgesagt, und umgekehrt wird in der Anzeige ‘dPf P’ durch ‘dP’ das Ganze jP an s(iP) angezeigt. Durch beide Darstellungen, der prädikationsbezogenen mit einer Handlung auf der Sprachebene und des ostensionsbezogenen mit einer Handlung auf der Gegenstandsebene, ist die Doppelnatur der Partikularia artikuliert worden. Natürlich gilt Gleiches für die Situationen. Auch sie sind ihrer Dialogrolleninvarianz wegen mixta composita – und hier ist eine Situationseinheit wörtlich ein ›Kompositum‹ aus Ich-Perspektive (Vordergrund) und aus Du-Perspektive (Hintergrund), statt ›komponiert‹ durch Rollenübernahme. Diese Überlegungen eignen sich, um zum Beispiel Wittgensteins, in eine dialogische Situation eingebettete, Betrachtung zum Unterschied von Meldung und Ausruf am Beispiel eines Hasen in der Landschaft, also einer Hasensituation, besser zu verstehen: Ich schaue auf ein Tier; man fragt mich: ›Was siehst du?‹ Ich antworte: ›Einen Hasen.‹ – Ich sehe eine Landschaft; plötzlich läuft ein Hase vorbei. Ich rufe aus: ›Ein Hase!‹ Beides, die Meldung und der Ausruf, ist ein Ausdruck der Wahrnehmung und des Seherlebnisses. Aber der Ausdruck ist es in anderem Sinne, als die Meldung. Er entringt sich uns. – Er verhält sich zum Erlebnis ähnlich, wie der Schrei zum Schmerz. Aber da er die Beschreibung einer Wahrnehmung ist, kann man ihn auch Gedankenausdruck nennen. – Wer den Gegenstand anschaut, muß nicht an ihn denken; wer aber das Seherlebnis hat, dessen Ausdruck der Ausruf ist, der denkt auch an das, was er sieht. Und darum erscheint das Aufleuchten des Aspekts halb Seherlebnis, halb ein Denken.38
37 Cf. CAG I, p. 545, l. 30 ff; p. 497, l. 4 ff. 38 PU, II. XI.
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Hier vertritt Wahrnehmung eine Zeichenhandlung bezüglich Hase (im Schema-Aspekt) und Seherlebnis eine (aktualisierte) Teilhandlung bezüglich Hase. Im Fall des Ausrufs gehört ‘Hase’ auch zum Seherlebnis, im Fall der Meldung liegt nur eine die Wahrnehmung vertretende Zeichenhandlung vor. Im Seherlebnis ist ein semiotischer und ein pragmatischer Anteil ›des Hasen‹ enthalten. Die Aussage ‘iPeP’ übrigens kann sowohl als explizite Version von ‘deP’ – der Demonstrator ist zusammen mit der Sprechsituation ein Index für ein P-Objekt (‘dies ist (ein) Hase’) – als auch von ‘jnP’ – hier ist der (P-exemplifizierte) Totalisator in der Sprechsituation ein Ikon für eine P-Situation (‘es [das Ganze hier] ist (eine) Hasensituation’, mit der Kopula formuliert, entspricht dem mit dem Exemplifikator formulierten ‘das Hasenganze [die ›Hasenheit‹] ist Hase-exemplifiziert’) – gelesen werden, im ersten Fall (dies ist …) wird von einem P-Objekt, im zweiten Fall (es ist …) von einer P-Situation geredet. Ohne Artikulatoren fungiert der Demonstrator als reiner Vollzugsindex (tºde ti) und der Totalisator als reines Ikon für ›die Welt im Ganzen‹ (fkom). Die Trennung von Sprechsituation und besprochener Situation und damit die Verfügung über zunehmend situationsunabhängiger bestimmte Partikularia wird möglich mit der Einführung komplexer Artikulatoren, im einfachsten Fall aus zwei Artikulatoren ‘P’ und ‘Q’. Wir setzen also voraus, daß P-Objekte in P-Situationen und Q-Objekte in Q-Situationen artikuliert werden können und nehmen als Beispiele: P Ð Holz, Q Ð Stuhl und P Ð Rauchen, Q Ð Mensch. Was soll es jetzt heißen, in einer Q-Situation ‘P’ zu äußern – im Beispiel: in einer Stuhlsituation ‘Holz’ oder in einer Menschsituation ‘Rauchen’? Nach Voraussetzung ist die Sprechsituation, eine ‘P’-Situation, zugleich eine Q-Situation. Da sich der Hörer (Du) in der Sprechsituation und der Sprecher (Ich) dabei in der besprochenen Situation befindet, wegen der Dialogrolleninvarianz aber beide – unter Vertauschung von Vordergrund und Hintergrund – in bezug auf P übereinstimmen, ist für Ich ein P-Objekt im Vordergrund der Q-Situation und die Äußerung ‘P’ in ihrem Hintergrund, umgekehrt für Du. Darüber hinaus gehört wegen der gemeinsamen Q-Situation auch ein Q-Objekt für Ich und für Du in den Vordergrund der Q-Situation, Sprechsituation und besprochene Situationen stimmen also nicht überein. Im Vordergrund der besprochenen Situation, artikuliert durch ‘P’, befinden sich jetzt zwei Partikularia, die als ein komplexes Partikulare begriffen werden müssen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: ein Aspekt von P, eine Zeichenhandlung aus s(iP), ›passt zu‹ einer Phase von Q,
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einer Teilhandlung aus j(iQ) (im Beispiel: Auf-dem-Stuhl-aus-Holzsitzen als ›Teilhandlung von Stuhl‹ ist zugleich die ›Zeichenhandlung für Holz‹ Auf-dem-Holz-des-Stuhls-sitzen), prädikativ artikuliert durch ‘ePiQ’ (im Beispiel: ‘ist ein Holz dieses Stuhls’ bzw. ‘ist ein Rauchen dieses Menschen’), oder eine Phase von P, eine Teilhandlung aus j(iP), ›passt zu‹ einem Aspekt von Q, einer Zeichenhandlung aus s(iQ), ostensiv artikuliert durch ‘d(QP)’ (im Beispiel: ‘dieses stuhlförmige Holz’ bzw. ‘dieses ›menschliche‹ [zu einem Menschen gehörende] Rauchen’). Anstelle von ‘dPiQ e PiQ’ schreiben wir ‘iQeP’ und anstelle von ‘d(QP)f(QP)’ entsprechend ‘dPfiQ’ (im Beispiel: unter einem Aspekt von Holz/Rauchen und in einer Phase von Stuhl/Mensch ist dieser Stuhl hölzern bzw. dieser Mensch rauchend; in einer Phase von Holz/ Rauchen und unter einem Aspekt von Stuhl/Mensch gehört ein Vollzug des Umgehens-mit-Holz zu diesem Stuhl bzw. ein Vollzug des Umgehens-mit-Rauchen zu diesem Menschen). Anschaulich gesprochen wird mit der Elementaraussage ‘iQeP’ ausgesagt, daß Vollzüge aus j(iQ) zugleich das Schema sP aktualisieren, d. h. dQeP, und j(iQ) ist Trger des Universale sP und damit der Eigenschaft sP; hingegen wird mit ‘dPfiQ’ angezeigt, daß Schemata aus s(iQ) zugleich das Ganze jP exemplifizieren, d. h. dPf Q, und s(iQ) ist Erscheinung des Ganzen jP und damit der Substanz jP. Etwas sorgfältiger geredet wird im ersten Fall dem j(iQ) P-attribuiert, das Partikulare auf der Seite der konkreten Ganzheit durch ‘eP’ als eine P-Instanz und damit als Träger einer Eigenschaft ausgesagt – deshalb in der Tradition die Charakterisierung der ›Beziehung‹ zwischen Eigenschaft sP und Substanz j(iQ) in wahren Elementaraussagen durch Inhrenz, derjenigen zwischen Substanz und Eigenschaft, also der konversen, durch Subsistenz 39 – im zweiten Fall hingegen wird s(iQ) Ppartitioniert, das Partikulare auf der Seite der abstrakten Invarianten durch ‘dP’ als mit einem P-Teil ausgestattet und damit als Erscheinung einer Substanz angezeigt – deshalb in der Tradition die konkurrierende Charakterisierung der ›Beziehung‹ zwischen s(iQ) und j(iP) durch Identitt, eine pars-pro-toto-Beziehung.40 Der mittelalterliche Streit zwischen einer Inhärenztheorie der Prädikation und einer Identitäts-
39 Cf. Ziehen 1920, §§ 110 f. 40 Cf. z. B. Henry 1972, pp 53 ff.
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theorie der Prädikation41 findet so eine einsichtige Erklärung und zugleich seine Auflösung. Das läßt sich noch besser sichtbar machen, indem die bisherige Darstellung der Partikularia iQ aus Phasen – die Hülle ihrer Aktualisierungen ist j(iQ) – und Aspekten – der Kern ihrer Schemata ist s(iQ) – , die es möglich gemacht hat, eine ›innere‹ Phase durch Attribution einer Eigenschaft und einen ›äußeren‹ Aspekt durch Partition, Ausstattung mit einem Teil, und damit die ›Vereinigung‹ zweier Partikularia wiederzugeben, als explizite Konstruktion einer Transformation von Binnengliederung in Außengliederung und umgekehrt, eine Involution, aufgefaßt wird, bei der ein Teil eines Partikulare in eine seiner Eigenschaften und eine Eigenschaft in einen Teil von ihm umgewandelt werden (im Beispiel: eine ›Teilhandlung von Stuhl‹, eigentlich die verselbständigte pragmatische Seite eines Umgehens-mit-Stuhl, in eine ›Zeichenhandlung für Holz‹, eigentlich die verselbständigte semiotische Seite eines Umgehens-mit-Holz, und umgekehrt). Der Hintergrund einer Q-Situation kann stets als Eigenschaft des Q-Objekts im Vordergrund angesehen oder aber in den Vordergrund als Teil des Q-Objekts übernommen werden.42 Schließlich kann die Anzeige ‘dPfiQ’ aus Symmetriegründen – Vertauschung von Aspekt und Phase – auch prädikationsbezogen wiedergegeben werden durch ‘iPeQ’ (im Beispiel: ‘dieses Holz ist stuhlförmig’ bzw. ‘dieses Rauchen ist ›menschlich‹ [zu einem Menschen gehörend]’) und entsprechend die Aussage ‘iQeP’ ostensionsbezogen durch ‘dQfiP’ (im Beispiel ‘dies [Umgehen mit] Stuhl gehört zu diesem Holz’ bzw. ‘dies [Umgehen mit] Mensch gehört zu diesem Rauchen’). Aber wir werden noch sehen, daß es unvernünftig wäre, auf diese Weise die Vordergrund-HintergrundDifferenzierung wieder rückgängig zu machen, die Identifizierung von Objekten, zum Beispiel Menschen (vor variablem Hintergrund, z. B. Rauchen, Essen), bei gleichzeitiger Berücksichtigung ihres Wandels, zum Beispiel rauchend, essend (vor konstantem Hintergrund, z. B. einer Menschsituation), bliebe situationsgebunden und ließe sich nicht situationsinvariant machen. Eigenschaft sP und Substanz jP sollen nun zusammengenommen die Referenz eines Artikulators ‘P’ bilden, wobei unter Eigenschaft die intensionale Referenz und unter Substanz die extensionale Referenz zu verstehen ist. In entsprechender Weise – und damit werden auch diese 41 Cf. Moody 1953; Pinborg 1972. 42 Zum Nachweis der Eineindeutigkeit dieser Transformation, cf. Lorenz 1977.
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terminologischen Vorschläge im Lichte des bisherigen Sprachgebrauchs, der an Freges nur einfach vorgenommener, aber für alle Sorten sprachlicher Ausdrücke durchgesetzten, Trennung von Sinn und Referenz orientiert bleibt, besser verständlich – kann dann von der Referenz der Individuatoren ‘iP’ gesprochen werden: j(iP) und damit das Partikulare als konkrete Ganzheit – aufgebaut ›von unten‹ – ist die extensionale Referenz, s(iP) hingegen und damit das Partikulare als abstrakte Invariante – aufgebaut ›von oben‹ – die intensionale Referenz. Gottfried Wilhelm Leibniz verfügt mit seiner Monadologie über beide Möglichkeiten, allerdings nicht miteinander verschränkt: eine einfache oder individuelle Substanz (das ist die ›Monade‹ s(iP) und nicht j(iP), ihr ›Körper‹!) ist ein ›vollständiges Seiendes‹ (Estre complet), das einen so ›vollständigen Begriff‹ (notion si accomplie) hat, „qu’elle soit suffisante à comprendre et à en faire déduire tous les prédicats du sujet à qui cette notion est attribuée“,43 eben die zu s(iP) gehörenden Aspekte des Partikulare. Erst die Ersetzung des ›Phänomens‹ j(iP) durch sein ›Fundament‹ s(iP) an Subjektstelle verwandelt ein (empirisch) synthetisches Urteil in ein (rational) analytisches Urteil und begründet es damit nach Leibniz. Der Übergang von ‘dPiQ e PiQ’ zu ‘iQeP’, also die Einführung der (einstelligen) Elementaraussage, verdankt sich der Umkehrung und Präzisierung einer Idee von Hans Reichenbach,44 die übliche ›Dingsprache‹ in eine ›Ereignissprache‹ dadurch zu übersetzen, daß alle prädikativen Anteile des Subjektterms einer einstelligen Elementaraussage in den Prädikatterm überführt werden. Reichenbach benutzt dafür einen ›Sternoperator‹ und verwandelt so, zum Beispiel, ‘dieser Mensch raucht’ in ‘dies ist Rauchen dieses Menschen’ beziehungsweise ‘dieser Stuhl ist hölzern’ in ‘dies ist Holz dieses Stuhls’, also (iQeP)* = PiQ. Jede Elementaraussage – und dann auch jede logisch zusammengesetzte Aussage – kann auf diese Weise auf einen (komplexen) Artikulator zurückgeführt werden, der als Adressat all jener semantischen Erörterungen aufzufassen ist, die bisher unter dem Titel ›Satzsemantik‹ den Aussagen gegolten haben. Aussagen gehören wieder ganz ins Gebiet einer Untersuchung von Zeichengebrauch und nicht von Zeichenbedeutung; sie sind zusammen mit ihren Modi der Gegenstand einer Sprachpragmatik, und nur die Artikulatoren lassen sich sowohl hinsichtlich ihrer kommunikativen als auch ihrer signifikativen Funktion 43 Discours de Métaphysique, §8. 44 Cf. Reichenbach 1947, §48.
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untersuchen. Gleichwohl werden auch weiterhin signifikationsbezogene Erörterungen zu komplexen Artikulatoren schon deshalb nicht unabhängig von kommunikationsbezogenen ablaufen können, weil im Prozeß selbst der Zusammensetzung die auf die signifikative Funktion bezogene Komposition nur unter Bezug auf die kommunikative Funktion bestimmbar ist, wie es in den Fällen ‘PiQ’ und ‘QP’ deutlich geworden ist. Die oberflächengrammatische Realisierung beider Zusammensetzungen ist natürlich vom grammatischen Repertoire natürlicher Sprach(famili)en abhängig; sie erfolgt in indoeuropäischen Sprachen im Fall ‘PiQ’ durch eine Possessivkonstruktion, die Relativierung von ‘P’ etwa zu ‘P von’, einem zweistelligen Artikulator (von P-Objekten in Q-Situationen), und anschließende Einsetzung eines Q-Individuators ‘iQ’ an der zweiten Stelle. Dabei muß man sich klar machen, daß bei dem Übergang von ‘P’ zu ‘P von iQ’ die Artikulationsfunktion von ‘P’ restringiert wird, nämlich von der Artikulation von P-Objekten schlechthin auf P-Objekte in Q-Situationen: der ursprünglich zu P gehörende Q-Anteil ist in ‘P von iQ’ aus P ausgegliedert worden. Im übrigen dient diese grammatische Konstruktion selbstverständlich auch noch anderen Zwecken, zum Beispiel dort, wo sich ‘P’ von Haus aus einer Variablenbindung in ‘P von’ verdankt (z. B. ‘Holz dieses Stuhls’ vs. ‘Vater dieses Menschen’), mit ‘P’ daher nicht P-Objekte artikuliert, sondern bereits artikulierte Objekte klassifiziert werden. Die Unterscheidung von P-Instanzen aufgrund einer P-Attribution und aufgrund einer P-Klassifikation geht auf die weiter unten behandelte Unterscheidung apprädikativer und eigenprädikativer Verwendung von Prädikatoren zurück. Der hier eingeschlagene Weg einer systematisch-genetischen Rekonstruktion von Sprache bis zu den elementaren Sprachhandlungen Artikulation und Prädikation – und darin ist er der Sprachauffassung von, zum Beispiel, Aristoteles und Leibniz verwandt – verläuft zwischen zwei nur formal möglichen Extremen, die sich wie folgt charakterisieren lassen: (a) bei sämtlichen Artikulatoren ‘P’ einschließlich ihrer Zusammensetzungen bleibt die Artikulation der Objekte auf ihren semiotischen Anteil beschränkt, es werden ausschließlich P-Attribute von der ›Welt im Ganzen‹ j ausgesagt – es gibt nur eine ›Substanz‹ mit internen Eigenschaften, die Position zum Beispiel von Baruch de Spinoza, (b) sämtliche Artikulatoren ‘P’ werden auf den Artikulator ‘Gegenstand’ zur Artikulation des ›Universalschemas‹ s (in der Tradition die oberste Gattung ›Sein‹ mit ihren Einheiten ›Seiendes‹) zurückgeführt, von
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dessen ›einfachen‹ Einheiten sich nur noch ihre relationale Struktur, etwa ihre ›Konfiguration‹, aussagen läßt – es gibt viele ›Substanzen‹ mit externen Beziehungen, im Grundsatz die Position des logischen Atomismus, zum Beispiel bei Bertrand Russell während der Diskussionen mit dem jungen Wittgenstein.45 Interne und externe Strukturierung, radikalisiert entweder durch Beschränkung auf Vordergrund oder durch Verzicht auf jede Binnenstruktur des Vordergrunds, sollten jedoch nicht einander konkurrierend sondern einander ergänzend verstanden werden. Die oberflächengrammatische Realisierung der Zusammensetzung ‘PQ’, einer Spezialisierung von ‘Q’, erfolgt durch Modifikation mithilfe eines attributiv hinzugefügten ‘P’ und verdankt sich der Überführung des Prädikatterms einer einstelligen Elementaraussage ‘iQeP’ in den Subjektterm, diesen dabei näher bestimmend. Sowohl Relativierung als auch Spezialisierung lassen sich iterieren: ‘Rauchen dieses Menschen dieser Stadt’ beziehungsweise ‘Pfeife rauchender Mensch’ etc. Deshalb ist es, systematisch gesehen, also innerhalb einer ›logischen‹ Grammatik, unsinnig, obgleich es für empirische Grammatiken oder auch nur Grammatikformen natürlicher Sprachen durchaus praktisch durchführbar sein mag, vorab durch Einführung genügend vieler Variablen zu jedem Artikulator die Anzahl der in Anwendungen nötig werdenden Relativierungsschritte festlegen zu wollen. Aber auch in empirischen Grammatiktheorien wäre es im Lichte des hier vorgetragenen Aufbaus angemessener, Dingartikulatoren von vornherein mit mindestens einer freien Variablen für Handlungen des Umgehens mit Dingen auszustatten – Dingartikulatoren sind ja nichts anderes als eben solche Formen – , statt regelmäßig für Handlungsartikulatoren bereits Variable für Handlungsobjekte vorzusehen.46 Wir waren ausgegangen von der Äußerung ‘P’ in einer Q-Situation und hatten bisher allein die besprochene Situation, also die des Sprechers, erörtert, in der sich der Hörer nicht befindet, von der wir aber sagen wollen, daß er sie, wie der Sprecher natürlich auch, weil nach Voraussetzung über die Artikulationen mit ‘P’ und ‘Q’ und damit auch über die komplexe Artikulation mit ‘PiQ’ verfügend, ›sich vorstellen‹ kann. Es soll sinnvoll sein zu sagen, daß auch der Hörer ›weiß, wovon die Rede ist‹. Wie läßt sich diese Redeweise einlösen? An dieser Stelle hilft es weiter, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Artikulator ‘P’ 45 Cf. etwa Russell 1918. 46 Cf. z. B. Rescher 1967.
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als symbolischer Artikulator die Vertretung beliebiger Zeichenhandlungen, gegebenenfalls unter Einschluß seiner selbst, also von Aspekten in bezug auf P und auch von Schemata von Teilhandlungen von P übernimmt. Mit der Äußerung von ‘P’ in einer Q-Situation werden mindestens eine Zeichenhandlung bezüglich P durch den Sprecher vollzogen und mindestens eine Zeichenhandlung bezüglich P, aber nicht unbedingt dieselben, vom Hörer verstanden (z. B. vollzieht der Sprecher mit ‘P’ zugleich Hinsehen-auf-das-Rauchen in der Menschsituation, der Hörer aber versteht neben dem Schema ‘P’ nur noch Rauchen-skizzieren in derselben Menschsituation). Das Verfügen über die schematische Seite oder ›Schemaverstehen‹ eines Aspekts (oder auch eines Phasenschemas) von einem Objekt soll das Sich-vorstellen des Objekts in einer Situation unter einer Perspektive heißen; dem steht mit der Aktualisierung eines Aspekts (oder auch eines Phasenschemas) das Prsentieren des Objekts in einer Situation unter einer Perspektive gegenüber. Für Sprecher und Hörer braucht beides nicht zusammenzupassen. Die Äußerung ‘P’ in einer Q-Situation tritt dem Hörer gegenüber, also in ihrer kommunikativen Funktion, als ein durch den Modus der Äußerung ausgedrückter Anspruch auf, die Übereinstimmung von Sprechsituation und besprochener Situation erzeugen zu können. Im Modus der Kommunikation findet sich auf der Ebene sprachlichen Handelns die ursprünglich auf der Handlungsebene entwickelte Aufgabe wieder, die für die Bestimmung von PiQ erforderliche Phasengliederung (erneut) vorzunehmen, ganz entsprechend der in der Gegebenheitsweise der Ostension dPiQ auf der Ebene sprachlichen Handelns wiederkehrenden Erfahrung, die sich ursprünglich in der Aspektegliederung von PiQ auf der Zeichenebene niedergeschlagen hat. Der Forderung nach ontologischer Bestimmung der Objekte wird durch die Phasengliederung entsprochen, derjenigen nach ihrer epistemologischen Bestimmung durch ihre Aspektegliederung. In den Gegebenheitsweisen einer Ostension zeigt sich (auf der Metastufe) die Aneignung der naturalisierten Aspekte, sie (und damit die Gegebenheitsweise) wird in Perzeptionen – soweit es Wahrnehmungsaspekte betrifft sind das die Wahrnehmungsurteile der Tradition – auf der kommunikativen Seite artikuliert; mit den Modi einer Prädikation hingegen wird die Distanzierung der symbolisierten Phasen (auf der Metastufe) ausgesagt, sie (und damit der Modus) ist durch Performatoren – darunter die in der Sprechakttheorie geläufigen – auf der signifikativen Ebene artikuliert.
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Der Modus entscheidet über die Art der Einlösung des Anspruchs auf übereinstimmende Situationsgliederung. Der Grenzfall, daß mit der Äußerung ‘P’ in einer Q-Situation allein schon ‘PiQ’ als vom Sprecher vollzogene und vom Hörer verstandene Zeichenhandlung auftritt, unter dieser Perspektive also Sprechsituation und besprochene Situation übereinstimmen – nichts anderes besagt die gemeinsame Verfügbarkeit der komplexen Artikulation mit ‘PiQ’ – ist als Verstndlichkeit der Äußerung ‘P’ in der Q-Situation und damit als Verständlichkeit der geäußerten Aussage ‘iQeP’ ein in jedem Modus enthaltener und mit der Äußerung unter der genannten Voraussetzung bereits eingelöster Anspruch. Übereinstimmende Situationsgliederung und damit Anerkennung der Aussage ‘iQeP’ in bezug auf ihren Modus kann im übrigen nur so erreicht werden, daß man nach Regeln, die den jeweiligen Modus charakterisieren, solche Perspektiven sucht, unter denen Vorstellung und Präsentation einander entsprechen. Im wichtigen Modus des Behauptens, der zur Modusart des Mitteilens gehört, bedeutet Anerkennung die Wahrheit der Aussage. In diesem Fall muß Übereinstimmung unter Perspektiven aller vier Sorten: Hervorbringung, Vermittlung, Artikulation und Wahrnehmung, gelingen. Anschaulich gesprochen geschieht das, indem mit einer Variation der Q-Situation die Phasengliederung von iQ – die Präsentation – und mit der dadurch hervorgerufenen Variation der P-Situation auch die Aspektegliederung von P (‘iP’ darf hier nicht stehen, das P-Objekt ist abhängig von iQ bestimmt!) – die Vorstellung – soweit einander angeglichen werden, daß ein PiQ-Objekt pars-pro-toto die Aussage ‘iQeP’ wahr macht. Für andere Modi hingegen, zum Beispiel den Modus des Erzählens, der ebenfalls zur Modusart Mitteilen gehört, genügt Übereinstimmung allein unter semiotischen Perspektiven, also Artikulationen und (wohl nicht für alle Erzählarten erforderlichen) Wahrnehmungen. Hierbei geht es nicht um Wahrheit sondern um Authentizität. Jeder Geltungsanspruch läßt sich nur unter Bezug auf einen Modus erheben. Daher macht es auch keinen Sinn, von der Wahrheit von Aussagen unabhängig vom Behauptungsmodus ihrer Äußerung zu reden. Der sich aus dem hier vorgetragenen Aufbau ergebende Wahrheitsbegriff ist ein pragmatischer und kein semantischer: „Die Form des Behauptungssatzes ist also eigentlich das, womit wir die Wahrheit aussagen, und wir bedürfen dazu des Wortes ‘wahr’ nicht“.47 Die besondere Bedeutung der Be47 Frege 1969, p 139; cf. dazu Lorenz 1980, p 9 f.
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hauptungen ergibt sich aus den Regeln zur Einlösung des mit ihnen erhobenen Wahrheitsanspruchs: es wird Übereinstimmung von Sprechsituation und besprochener Situation unter allen vier Sorten Perspektiven verlangt. Auf der einen Seite gewinnen wir eine gemeinsame Welt aufgrund einer in begrenztem Umfang übereinstimmenden Sprache: ›Objektivität‹ ist ein Ergebnis symbolischer Artikulation; auf der anderen Seite wird die Verwendbarkeit sprachlicher Äußerungen durch die in begrenztem Umfang tradierbare Dauerhaftigkeit der Gegenstandstypen garantiert: ›Stabilität‹ ist ein Ergebnis komprehensiver Vermittlung. Dem Diagramm der dritten Abbildung läßt sich entnehmen, daß es zu der für den letzten Abschnitt vorgesehenen Untersuchung der Elementaraussagen gehört, noch zwei weitere, auf Formbildung beruhende Abstraktionsprozesse zu behandeln, die es erlauben, zum einen Eigenschaften zu Begriffen zusammenzufassen und zum anderen Substanzen in Elemente einer Klasse zu zerlegen. Erst dann werden wir die systematisch-genetische Rekonstruktion bis zu derjenigen Stufe wenigstens grundsätzlich vorangetrieben haben, auf der die gegenwärtig verbreiteten mengentheoretischen und mereologischen Modellbildungen einsetzen.
3. Die Elementaraussage – Prädikatoren und Nominatoren Die Elementaraussagen ‘iQeP’ und ‘iPeQ’, die wir als zwei mögliche prädikative Darstellungen einer P-Artikulation in einer Q-Situation erhalten haben, ‘iQeP’ aus ‘dPiQ e PiQ’ und ‘iPeQ’ aus ‘d(QP)f(QP)’, und die sich im ersten Fall dem ›Zusammenpassen‹ von s(iP) und j(iQ) (eine ›Zeichenhandlung für Holz‹ ist zugleich eine ›Teilhandlung von Stuhl‹) und im zweiten Fall dem ›Zusammenpassen‹ von s(iQ) und j(iP) (eine ›Zeichenhandlung für Stuhl‹ ist zugleich eine ›Teilhandlung von Holz‹) verdanken – sie gehen durch Involution auseinander hervor und können daher auch als prädikative Darstellung einer Q-Artikulation in einer P-Situation aufgefaßt werden – erlauben zwar jetzt die Redeweise ‘die Eigenschaft sP wird von j(iQ) ausgesagt’ oder ‘j(iQ) ist eine P-Instanz’ beziehungsweise ‘die Substanz jP wird an s(iQ) angezeigt’ oder ‘s(iQ) hat einen P-Teil’, aber noch immer sind situationsunabhängige Identifizierungen der Partikularia, also Identitätsaussagen auf der Basis der Individuatoren allein nicht möglich.
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Abbildung 3
Die jetzt auch artikulierten Perspektiven der Partikularia, seien sie Aspekte oder Phasen, müssen eingesetzt werden, um Partikularia entweder durch Eigenschaften oder durch Teile zu charakterisieren. Als Kandidaten können dabei die wesentlichen Eigenschaften beziehungsweise Substanzen von Q-Partikularia, die sich dadurch auszeichnen lassen, daß sie an allen Q-Partikularia auftreten, als ungeeignet ausgeschieden werden, es sei denn, man möchte sie als Charakteristika des Grenzfalls ›Gesamt-Q‹, bestehend aus seinen zwei Seiten, der einheitlichen Substanz jQ aller Q-Partikularia und der universellen Eigenschaft sQ aller Q-Partikularia, auffassen. Im Falle von ‘Wasser’ für ‘Q’, z. B.,
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wäre jQ das konkrete Ganze allen Wassers und sQ das abstrakte Wasserschema.48 Alle übrigen Artikulatoren für Aspekte beziehungsweise Phasen von Q charakterisieren je nach Auswahl die ›Feinheit‹ der Q-Individuation in Partikularia als Einheiten aus Invarianten und Ganzheiten. Die üblichen Verfahren sind entweder Kennzeichnung der Invarianten oder kennzeichnende Teile der Ganzheiten.49 Genau genommen ist Substanz eine ›Form‹: jP wird durch Handlungsvollzüge dP an Partikularia iQ angezeigt, ist also die streng pragmatische Fassung einer traditionellen ›Anschauungsform‹, eben der ›Anzeigeform‹ ‘jPx’ mit einer Variablen x für Partikularia iQ. Das PTeil von iQ ist eine der Realisierungen dieser Form, nämlich ein Element einer durch Individuation aus der Substanz hervorgegangenen Klasse ÆP: j(i(QP)) als ein Element von ÆP partizipiert an iQ. Mit den Beispielen für ‘P’ und ‘Q’ hätte man zu lesen:‘dies stuhlförmige Holz’, nämlich ein Holz mit ›aufgeprägter‹ Stuhlform – die Q-Attribution aus ‘iPeQ’ ist in ›attributive‹ Stellung von ‘Q’ relativ zu ‘P’ verwandelt, der Fall einer Spezialisierung von ‘P’ – , ist ein Element der Klasse von ›Holzstücken‹, die als Teile beliebiger iQ auftreten. Ersichtlich können Substanzen auf viele Weisen als Klassen von (nicht notwendig disjunkten!) Einheiten auftreten, und in natürlichen Sprachen, den verschiedenen, durch Fachsprachen aufgrund besonderer Handlungskompetenzen angereicherten Umgangssprachen, werden auch verschiedene Normierungen nebeneinander auftreten, z. B. Wasser als Klasse der Wassermoleküle neben Wasser als Klasse von Einheiten, die jeweils durch die Situationen, in denen Wasser auftritt, bestimmt sind. Auf der anderen Seite nun ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, daß im Aussagen einer Eigenschaft sP von iQ natürlich ein Aspekt von P als Gegebenheitsweise von iQ identifiziert wird – wenn etwa von der Eigenschaft Hölzernsein geredet wird, so vertritt ‘hölzern’ eine Tonqualität beim Draufschlagen auf Holz und ein Durchsägenkönnen und eine Maserung und andere ›sinnliche‹ Aspekte von Holz, mithin ist mit ›hölzern‹ die Eigenschaft nur intersensuell charakterisiert, und statt ‘hölzern’ könnte ebensogut ‘durchsägbar‹, ‘gemasert’ oder Ähnliches stehen, d. h. Artikulatoren, die ihrerseits eine intersensuelle Rolle spielen – , es daher einer ›begrifflichen‹ Zusammenfassung aller von ‘P’ vertretenen 48 Cf. die Behandlung von ›mass-terms‹ als ›singular terms‹ bei Quine 1960, §19. 49 Cf. Lorenz 1977.
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Eigenschaften bedarf, die jeweils an einem iQ auftreten können. Die PAttribution erfüllt die als Begriff ¢P auftretende ›Aussageform‹ ‘x¢P’, und die in ‘iQeP’ von iQ ausgesagten Eigenschaften realisieren die Merkmale des Begriffs ¢P, also die ›Teilbegriffe‹: j(iQ) fällt unter den Begriff ¢P, ein interlinguales Abstraktum, realisiert durch die in seinen Merkmalen begrifflich gefaßten Eigenschaften. Das macht deutlich, daß es nur eine einzige begriffliche Charakterisierung von Eigenschaften sP geben kann, diejenige nämlich, deren Merkmale von den wesentlichen Eigenschaften von P-Partikularia realisiert werden. Die Anzeigeform ist als Substanz ein Konkretum, die Aussageform als Begriff – hier handelt es sich um die semiotische Fassung der traditionellen ›Denkformen‹ – ein Abstraktum. Die Realisierungen dieser Formen, im ersten Fall durch Elemente einer die Einheitengliederung der Substanz bildenden Klasse – zweckmäßigerweise ebenfalls als Exemplifikation eines Konkretums bezeichnet – und im zweiten Fall durch Eigenschaften, die den Merkmalen des Begriffs gehorchen – hier sollte man von der Reprsentation eines Abstraktums reden – , führen zu speziellen Fassungen der schon weiter oben erläuterten beiden internen Relationen der (durch Partition ermöglichten) Partizipation und der (durch Attribution ermöglichten) Bezeichnung, diese jetzt unter dem Titel ‘Nomination’ oder ‘Benennung’ weitergeführt. Damit ist auch der Anschluß an die seit Frege geläufige Redeweise, nach der Begriffe, unter die ein Gegenstand fällt, als dessen Eigenschaften bezeichnet werden,50 bis auf die Differenz der logischen Stufe von ‘Begriff’ und ‘Eigenschaft’ erreicht worden. Klasse ÆP und Begriff ¢P zusammengenommen sollen nun wegen ihres prädikativen und damit ›ungesättigten‹ Charakters den Sinn eines Artikulators ‘P’ bilden, und zwar eine Klasse den extensionalen Sinn und der Begriff den intensionalen Sinn. Daraus folgt, daß für die P-Partikularia – sie sind sowohl P-Instanzen als auch P-Elemente – der Begriff ¢P dazu verwendet wird, um Eigenschaften sP aussagen zu können, und auf die Anzeige der Substanz jP zurückgegriffen werden muß, um eine Klasse ÆP zu bilden. Intensional ist der Sinn für die Referenzbestimmung erforderlich – wir befinden uns in der Bewegung vom Zeichen, einer ›mentalen Größe‹, zum Zeichen bezüglich Gegenstand, d.i. dem ›Aussagenmachen‹, extensional hingegen bedarf es der Referenz, um einen Sinn zu bekommen – hier liegt die umgekehrte Bewegung vor, vom Gegenstand, einer ›corporalen Größe‹, zum Gegenstand mit Zeichen, 50 Cf. Frege 1892, p 175.
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d.i. der ›Namengebung‹. Beide Bewegungen können, wie der gesamte Aufbau zeigt, nicht unabhängig voneinander vollzogen werden. Als Bedeutung [meaning] eines Artikulators ‘P’ sollen jetzt Anzeigeform und Aussageform zusammen, Substanz jP und Begriff ¢P, angesehen werden; ihr gegenüber steht, mit einer Eigenschaft sP und einer Klasse ÆP zusammen, die Verwirklichung [realization] eines Artikulators ‘P’, wie im Diagramm der dritten Abbildung veranschaulicht. Werden, wie bisher üblich, einerseits intensionale Referenz und intensionaler Sinn als Intension (oder Sinn) und andererseits extensionale Referenz und extensionaler Sinn als Extension (oder Referenz) jeweils miteinander identifiziert, und auf diese Weise die ontologischen (und deshalb referenzbezogenen) Begriffsbildungen ›Eigenschaft-Substanz‹ von den epistemologischen (und deshalb sinnbezogenen) Begriffsbildungen ›Begriff-Klasse‹ nicht unterschieden, so besteht die ständige, in den sprachphilosophischen Diskussionen nahezu jeder Thematik bis heute virulente Gefahr entweder eines ›Lingualismus‹ (bzw. Mentalismus), wenn Eigenschaften als Begriffsbildungen aufgefaßt und in ihrem Gefolge die Identität zwischen Gegenständen durch Koextensionalität von Begriffen erklärt sind, oder eines ›Partikularismus‹ (bzw. Naturalismus), wenn die Einteilung einer Substanz in Einheiten für mitgegeben gehalten werden. Zum ›Handlungsanteil‹ einer Artikulation, wiedergegeben mithilfe des Demonstrators ‘d’, in signifikativer Funktion als ‘dP’, oder des Exemplifikators ‘n’, in kommunikativer Funktion als ‘nP’, gehören ›Denkanteile‹ stets in zweierlei Gestalt, der Gestalt eines begrifflichen, Merkmale von ¢P repräsentierenden Denkanteils s in Prädikationen (korrespondierend zu ‘dP’ als Zeichen einer sinnlichen Aktualisierung), und der Gestalt eines sinnlichen, in Elementen von ÆP exemplifizierten Denkanteils j in Ostensionen (korrespondierend zu ‘nP’ als begrifflichem Zeichen für das Vollziehen einer Aktualisierung). Und wenn die P-Artikulation in einer Q-Situation auftritt, spielen sich diese Differenzierungen, wie dargestellt, an einem Q-Objekt ab. Das ist die Ausgangsposition für die übliche Behandlung der Prädikation. In einer (einstelligen) Elementaraussage wird von einem QObjekt, benannt durch einen Nominator ‘n’ – bisher war ‘n’eine deiktische Kennzeichnung ‘iQ’, die aber durch hinreichende Spezialisierung von ‘Q’ in eine bestimmte Kennzeichnung ‘i(RQ)’ umgeformt werden kann51 – durch ‘eP’ eine Eigenschaft sP ausgesagt, indem n der (ein51 Die besonderen Probleme bei Eigennamen als Nominatoren, insbesondere im
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stellige) Prdikator ‘P’ zugesprochen wird: neP. Hier ist ein Gegenstandsbereich Q mit Einheiten iQ als Prädikationsbereich für ‘P’ zugrundegelegt, der in dem Sinne ›hinreichend groß‹ bezüglich ‘P’ sein soll, daß für mindestens ein iQ die Aussage ‘iQeP’ im Modus der Behauptung wahr (und im übrigen verständlich) ist. In ‘neP’ mit einem Q-Objekt n ist n eine P-Instanz, und dabei kann n zugleich als mit einem P-Teil ausgestattet begriffen werden. Insofern iP dabei, außer im Fall P = Q, ein echter Teil ist, wird ‘P’ zwar von iQ im Ganzen prädiziert, aber gleichwohl ist iQ keines der P-Objekte. Wir wollen daher sagen, daß in der Aussage ‘iQeP’ der Prädikator ‘P’ apprdikativ verwendet wird. Demgegenüber tritt ‘P’ in einer Aussage ‘iPeP’ an der prädikativen Stelle eigenprdikativ auf, ebenso in Aussagen ‘i(QP)eP’, weil auch i(QP) zu den P-Einheiten iP gehört und damit ein P-Beispiel ist. Da ‘i(QP)eP’ aufgrund der bisherigen Konstruktionen unter den gewählten Voraussetzungen gleichwertig ist mit ‘iPe(QP)’, wird hier auch ‘QP’ im Unterschied zum apprädikativ verwendeten ‘Q’, eigenprädikativ verwendet. Wir wollen sagen, daß ‘QP’ als Klassifikator auf dem Bereich der P-Objekte auftritt und diesen in (QP)Beispiele und (QP)-Gegenbeispiele einteilt.52 Der für die Spezialisierung von ‘P’ verwendete Modifikator ‘Q’ ist der für die Klassifikation herangezogene, einer Unterscheidung dienende, Gesichtspunkt. Wenn daher von Prädikatoren gesagt wird, daß sie relativ zu ihrem Prädikationsbereich der Unterscheidung dienen, statt wie Nominatoren der Benennung,53 so sind die Prädikatoren grundsätzlich als Klassifikatoren, also eigenprädikativ verwendet, zu verstehen. In Aussagen ‘iQeP’ ist stets erst der Übergang von ‘P’ zu ‘PQ’ auszuführen, damit man sagen kann, daß im Bereich der Q-Objekte mit ‘PQ’ eine Unterscheidung getroffen und damit eine Klassifikation vorgenommen worden ist. An diese Stelle gehört die vertraute Redeweise, daß Prädikatoren durch Beispiele und Gegenbeispiele ›exemplarisch bestimmt‹ (ostensively defined) werden können, zumal sich Artikulatoren durchaus auch erst auf dieser Stufe, Zusammenhang der Debatte zwischen den ›Kausaltheoretikern‹ und den ›Kennzeichnungstheoretikern‹, können hier nicht einbezogen werden; cf. für die Verbindung dieser Debatte mit der Prädikationstheorie z. B. die beiden Sammelbände: French/Uehling/Wettstein 1989; Grazer Philosophische Studien 25/26 (1985/86). 52 Bei Strawson treten die Substanzen jP als ›feature-universals‹ und die Substanzen j(QP) bezüglich einer Klasse ÆP als ›sortal universals‹ mit den Eigenschaften sQ dabei als ›characterizing universals‹ auf; cf. Strawson 1959, pp 202, 168. 53 Cf. z. B. Kamlah/Lorenzen 1967.
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also klassifikatorisch, auf schon verfügbaren Objektbereichen und damit ›unselbständig‹ einführen lassen.54 In ihnen drückt sich Metakompetenz (knowledge by description), ein Beschreibenkönnen von schon auf andere Weise artikulierten Objektbereichen, aus, im Unterschied zu der mit der eigenständigen Artikulation von Objekten, dem sie Konstituierenkönnen, einhergehenden Objektkompetenz (knowledge by acquaintance).55 In einer Prädikation ist bei einer Attribution ebenso wie bei einer Klassifikation eine Nomination unterstellt, die aufgrund der Prädikation – durch Überführung des apprädikativ verwendeten Prädikators (bei einem Klassifikator ist er erst als Modifikator ›herauszuziehen‹) in attributive Stellung bezüglich des zur Nomination verwendeten Artikulators – in eine bestimmtere Nomination umgewandelt werden kann: ‘dieser Stuhl ist hölzern’ in ‘dieser hölzerne Stuhl ist …’. Umgekehrt wird bei einer Nomination in einer Prädikation eine Attribution oder Klassifikation, das Rhema (le conçu) offengehalten, während eine andere Attribution, das Thema (le saisi), dabei bereits als vollzogen unterstellt oder ›präsupponiert‹ ist: mit ‘dieser Holzstuhl …’ ist ‘dieser Stuhl ist aus Holz’ präsupponiert. Der letzte Schritt zu einer Vergegenständlichung auch der internen Relationen der Exemplifikation eines Konkretums und der Repräsentation eines Abstraktums ist jetzt vorbereitet. Die Exemplifikation wird externalisiert, indem die Partition durch die Teil-Ganzes-Relation ‘<’ ihrerseits artikuliert wird, also ‘iP < iQ’ anstelle von ‘jP ist durch ‘dP’ an iQ angezeigt’, und die Repräsentation wird gleich zweifach, der eigenprädikativen und der apprädikativen Verwendung von Prädikatoren entsprechend, externalisiert, indem entweder die Klassifikation durch die Element-Klasse-Relation ‘Æ’ oder die Attribution durch die InstanzBegriff-Relation ‘¢’ artikuliert wird, also ‘iQÆ ÆP’ beziehungsweise ‘iQ¢ ¢P’ anstelle von ‘sP ist durch ‘eP’ von iQ ausgesagt’. Aufgrund der Involution zwischen Eigenschaften und Teilen eines Partikulare kann natürlich die Instanz-Begriff-Relation durch die Teil-Ganzes-Relation ersetzt werden. Mit mereologischer und mengentheoretischer Beschreibung, wobei die Mereologie auch noch in die Mengenlehre einbettbar ist,56 läßt sich nach hinreichend vielen Distanzierungsschritten der hier vorliegende Aufbau durchaus ausdrücken. In allen drei 54 Op.cit., p 29. 55 Cf. die Ausführungen in Lorenz 1986 [in diesem Bd. pp 5 – 23]. 56 Cf. Goodman/Leonard 1940.
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Fällen wird die Externalisierung der betroffenen internen Relationen aber nur um den Preis einer Verlagerung des Attributors, d.i. der Kopula, beziehungsweise des Partitors auf die Metaebene bewerkstelligt, ablesbar an der Standardnotation: ‘iP, iQ e <’, ‘iQ, ÆP e Æ’ und ‘iQ, iP e ¢’ beziehungsweise ihren ostensionsbezogenen Äquivalenten; eliminieren lassen sich die internen Relationen niemals. Nun kann über die Externalisierung des Anzeigens durch ‘<’ und des Aussagens durch ‘Æ’ hinaus anstelle einer Einbettung der Mereologie in die Mengenlehre auch umgekehrt durch eine mereologische, nämlich ›termlogische‹ Fassung der Mengenlehre eine logische Stufen übergreifende Darstellung im Rahmen der Argument-Funktion-Terminologie gegeben werden – Freges Weg – , bei der unter Benutzung von Gleichungen ‘t(x) = y’ mit einer ›Objektform‹ ‘t(x)’ als Repräsentation einer Funktion sowohl die Element-Klasse-Relation als auch die TeilGanzes-Relation als Spezialfälle behandelt werden: t1 (a, P) Ð a Æ P und t2 (a, b) Ð a < b. Aussagen und damit die Kopula treten nur noch ›ganz oben‹ in Gestalt von Gleichheitsaussagen auf; der systematische Aufbau ist einer größtmöglichen Einheitlichkeit, nämlich außer bei den Gleichheitsaussagen ausschließlich bezeichnungsorientierten Darstellung geopfert worden. Die grundlegende Rolle der Sprachhandlung Artikulation mit ihrer kommunikativen Funktion, inhaltlich in Prädikationen dargestellt, und ihrer signifikativen Funktion, formal in Ostensionen vollzogen, läßt sich aber selbst in diesem Gewand einer mathematischen Sprache nicht verleugnen. Es bleibt bei der alten Einsicht Platons im Sophistes, daß in einem kºcor ›eine Sache mit einer Handlung vereinigt‹ (sumhe·r pq÷cla pq²nei) 57 wird.
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Rede zwischen Aktion und Kognition I Es gehört zu den fest verwurzelten Überzeugungen, daß es mentaler Gegenstände und darüber hinaus besonderer ›innerer‹ Handlungen, die sich auf sie richten oder sie gar erzeugen, bedarf, um die Kluft zwischen Welt und Sprache und damit zwischen Gegenständen und Zeichen für Gegenstände überbrücken zu können. Selbst die radikalen Strategien, entweder alles in Zeichen zu verwandeln, wie einst im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Topos vom ›Buch der Natur‹, das es zu lesen gelte, unterstellt, oder Zeichen durchweg als eine besondere Art von Gegenständen zu behandeln, wie es gegenwärtig dem durch Charles W. Morris ins Leben gerufenen Programm einer Wissenschaft von empirischen Zeichenprozessen zugrunde liegt, können keine Abhilfe versprechen, gehört doch im ersten Fall die ›Bedeutung‹ der Zeichen nicht ohne weiteres selbst zum Reich der Zeichen und bleiben im zweiten Fall die von einer Wissenschaft eingesetzten Hilfsmittel, solange sie eingesetzt und nicht zu Gegenständen einer empirischen Forschung höherer Stufe gemacht werden, jenseits des Reichs bloßer Gegenstände. Auch in den beiden radikalen Varianten erscheinen mentale Gegenstände (bei der Bestimmung von Bedeutungen) beziehungsweise mentale Handlungen (als Hilfsmittel einer Untersuchung) als unentbehrlich. Die mentalen Gegenstände oder Handlungen haben auf der einen Seite ihrerseits den Charakter eines sowohl empirischen, d.i. psychologischen, als auch rationalen, d.i. logischen, Hilfsmittels, dessen es anscheinend bedarf, um die Zeichenfunktion der Sprache ausüben zu können, während sie auf der anderen Seite dann natürlich selbst sowohl als ein Teil der Welt, nämlich als ›innere‹ gegenüber der ›äußeren‹, als auch als ein Teil der Sprache, die sie subjektiv ausdrückt und objektiv darstellt, angesehen werden müssen. In der Sprache als Gegenstand verfügen wir über eine Verkörperung der mentalen Welt, des ›Geistes‹, rational als sinnliche Gestalt eines begrifflichen Gehalts, empirisch (psychologisch) als Ausdruck, und zwar Wirkung (eigener) und Verursachung (fremder), psychischer Phänomene, mit der Sprache als Zeichen hingegen bauen wir vor der corporalen Welt, der ›Natur‹, eine
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trennende Schranke auf, rational durch Darstellung und empirisch (kausal und/oder intentional), indem sie Eingriffe in natürliche Prozesse steuert und diese so stört. Mit der Gegenüberstellung von Gegenstand und Zeichen für Gegenstand ist offensichtlich weder eine (ontologische) Einteilung des Universalbereichs aller Gegenstände vorgenommen worden noch eine (epistemologische) Unterscheidung verschiedener Weisen, sich ihnen zuzuwenden. Vielmehr geht es um die Unterscheidung ‘ontologischepistemologisch’ selbst, also darum, die Bestimmung der Gegenstände und die Bestimmung des Zugangs zu ihnen als korrelative Unternehmungen zu verstehen, eine Einsicht, die Charles S. Peirce als erster begrifflich scharf im Zusammenhang seiner Methodologie des Pragmatismus herausgestellt hat.1 Wovon ich handle oder rede und womit ich handle oder rede müssen in der Darstellung unterschieden, dürfen aber sachlich nicht als getrennt angesehen werden; deshalb auch Ludwig Wittgensteins in seinem Tractatus gegen Gottlob Frege gewendetes Beharren auf dem verschiedenen Status von Namen und Aussagen,2 wie es schon von Platon im Kratylos mit der Unterscheidung einer signifikativen und einer kommunikativen Funktion der Sprachzeichen, dem (Be-)Nennen (amol²feim) und dem (Aus-)Sagen (k´ceim), fixiert worden ist.3 Aber natürlich reicht es nicht, die Korrelation von Gegenstand und Mittel je bei Handlungen und bei Zeichenhandlungen, zu denen neben den verbalen auch die nicht-verbalen Sprachhandlungen gehören, zu thematisieren, der Übergang von Handlungen zu Zeichenhandlungen selbst ist das Problem, wobei zugleich eine Klärung des Zusammenhangs zwischen Handlungen und Handlungen an Gegenständen einerseits und Zeichenhandlungen und Zeichen fr Gegenstände andererseits ansteht. Wieder sind wir mit zwei Reduktionsstrategien konfrontiert, die bis heute die einschlägigen Debatten bestimmen, einer behavioristischen und einer mentalistischen. In der behavioristischen Reduktion soll die mentale Welt des Geistes auf Sprachverhalten, aber natürlich unter Einschluß auch nicht-verbalen Sprachverhaltens, zurückgeführt werden: die Unterscheidung von Innenwelt und Außenwelt ist dann nichts anderes als die infrage stehende Unterscheidung von Sprache und Welt; 1 2 3
Cf. CP, 5.257. Cf. T, 3.143. Cf. Crat. 388b, wobei Platon allerdings Namen für spezielle Aussagen hält (Crat. 387c), während bei Frege Aussagen spezielle Namen sind.
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umgekehrt hingegen soll in der mentalistischen Reduktion eine Sprache bloßer Ausdruck einer Sprache der mentalen Repräsentationen ihrer Bedeutung, der ›Kognitionen‹, sein: die Unterscheidung von Sprache und Welt erscheint hier als eine Unterscheidung von (erkennendem) Geist und (erkannter) Natur. In den Debatten des 17. Jahrhunderts um den Zusammenhang von Denken und Sprechen war der das Sprechen auf Denken zurückführende Mentalismus communis opinio, als Kognitivismus ist er in den Debatten dieses Jahrhunderts hingegen beweispflichtig. Umgekehrt verhält es sich mit dem Behaviorismus, dessen schwache Form in Gestalt der schon auf Platon zurückgehenden These, daß Denken stilles Sprechen sei, vom 18. bis zum 19. Jahrhundert sich allmählich durchsetzte, während seine mit dem Ersetzen von Selbstbeobachtung durch Fremdbeobachtung einhergehende starke Form, wie sie seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Oberhand gewinnt, in diesem Jahrhundert die Gegenbewegung des Kognitivismus provoziert hat.4 Offensichtlich ist wiederum nichts gewonnen. In beiden Fällen bleibt die Differenz von Gegenstand und Zeichen für Gegenstand unüberbrückt, entweder in Gestalt von ›Welt und Sprache‹ oder in der Gestalt von ›Natur und Geist‹, zweier Weisen, die Korrelation von Gegenstand und Mittel – Substanz und Funktion in der Sprache Ernst Cassirers – als Gegenüberstellung zweier Gegenstandsbereiche, unter Umständen auch unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen logischen Stufe, mißzuverstehen. Was bleibt, ist die Frage nach einer Stelle, an der Gegenstände zugleich mit Zeichen für sie auftreten, so daß weder ›real‹ erzeugte und damit (empirisch) gegebene Gegenstände noch ›ideal‹ eingesetzte und damit vergegenständlicht als (rational) erzeugte Mittel auftretende Gegenstände und erst recht nicht beide unabhängig voneinander in ihrem anschließend thematisierbaren Zusammenwirken den Anfang bilden. Eine positive Antwort findet sich in der auf Peirce und Wittgenstein zurückgehenden Idee, mit dem Erwerb von Gegenständen zu beginnen, und zwar in Gestalt einer systematisch-genetischen Rekonstruktion des bereits verfügbaren Handelns und Handelnkönnens mithilfe phänomenologischer Reduktion und dialogischer Konstruktion. Erst durch Kombination beider Programme, einer Fortsetzung von Willard V. O. Quines naturalisierter Erkenntnistheorie in konsequenter Naturalisierung der Sprache und einer Erweiterung von Cassirers Theorie der 4
Cf. Dascal 1995.
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symbolischen Formen in konsequenter Symbolisierung der Welt läßt sich deutlich machen, daß Handlungen im Prozeß ihres Erwerbs eine doppelte Rolle spielen: eine gegenständliche in distanzierender Betrachtung und eine funktionale in aneignendem Vollzug, und es ist ihre gegenständliche Rolle, die ›vermittelt‹ auftritt, im Unterschied zu ihrem unvermittelten Vollzug. Um nämlich eine bereits gegebene Kompetenz, ein Können, zu verstehen, bedarf es einer Folge von Eingriffen in Gestalt von Handlungsvollzügen, um durch sukzessiv aneignendes Hervorheben einfacher Gliederungen die (gegenständlich) vorliegende komplexe Gliederung zugunsten ihrer schrittweisen Rekonstruktion abzublenden. Die ›phänomenologische Reduktion von Komplexität‹ – bei Peirce für Zeichenhandlungen in Gestalt erklärender Sequenzen von Interpretanten5 – belegt, daß in praktischer Hinsicht eine Kompetenz ihrer Rekonstruktion voraufgeht. Um auf der anderen Seite wiederum über eine gewünschte komplexe Kompetenz verfügen zu können, ist es erforderlich, für sie durch einen Aufbau aus einfachen Kompetenzen ein (gegenständliches) Modell zu bilden. Die ›dialogische Konstruktion von Komplexität‹ – bei Wittgenstein für Sprachhandlungen in Gestalt von Beschreibungen komplexer werdender Sprachspiele6 – belegt, daß in theoretischer Hinsicht eine Kompetenz ihrer Konstruktion nachfolgt. Bei der phänomenologischen Reduktion werden genau diejenigen Kompetenzen ausgeübt (Mittel!), die im Zuge der dialogischen Konstruktion gewonnen werden (Gegenstände!); Reduktion und Konstruktion können begrifflich (und damit gegenständlich erfaßt) nur korrelativ zueinander auftreten, auch wenn sie faktisch (und damit darstellend realisiert) in unterschiedlichem Grade explizit gemacht sind. Das Modell des Kompetenzerwerbs bedient sich einer dialogischen Elementarsituation, in der zwei Akteure ein Können durch Vor- und Nachmachen, also repetierend und imitierend, ausbilden. Die empirische Entsprechung von Repetition und Imitation, und das heißt wegen der dann fehlenden Unterscheidung von Modellieren und Modelliertem zugleich, daß die beiden Akteure durch einen Akteur und seine Umwelt (zu ihr gehört der andere Akteur) ersetzt sind, tritt in J. Piagets Theorie kognitiver Entwicklung in Gestalt von Assimilation und Akkomodation auf.7 5 6 7
Cf. CP, 2.230. Cf. PU, §124. Cf. Ros 1983.
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Dabei ist es wichtig, sich klarzumachen, daß mit der gewählten Beschreibung des Modells einerseits ein Verfahren, das wie eine Folie auf die gegebene Erfahrung schon vorliegenden Könnens gelegt wird, um einen ersten Ausschnitt von ihr zu verstehen, und andererseits ein Verfahren zur Erzeugung einer elementaren Erfahrung, wiederum nur dargestellt sind, daher ohne Eintritt in eine solche dialogische Elementarsituation ihre gerade beschriebene Aufgabe unerfüllt bleibt. Insbesondere wird nur so auch deutlich, daß die zwei Personen in der Beschreibung der dialogischen Elementarsituation in ihr selbst nur als zwei dialogische Rollen, gebunden in einer ›Ich-Du-Dyade‹, vorkommen, aktiv beim ›Tun‹ und passiv beim ›Erleiden‹, zwei Rollen, die auch durch Aktualisierung, auf der Seite des gerade Tätigen oder Ausführenden, und Schematisierung, auf der Seite der gerade NichtTätigen oder Anführenden, bezeichnet werden können, und im ersten Fall den Wollensaspekt, d. h. die interaktive Funktion, und im zweiten Fall den Wissensaspekt, d. h. den kognitiven Gehalt, einer Handlung im Erwerb ihrer Kompetenz modellieren. Die dialogische Elementarsituation ist der an einem Wittgensteinschen Sprachspiel in stilisierter Form herauspräparierte Handlungsanteil, ein ›Handlungsspiel‹, werden doch von Wittgenstein nichtsprachliche Handlungskompetenzen nur zusammen mit Sprachhandlungskompetenzen mithilfe von Sprachspielen ›gemessen‹. Aber nicht nur die Personen, auch alle weiteren, in der Beschreibung einer dialogischen Elementarsituation nicht ausdrücklich auftretenden Situationsbestandteile, etwa Handlungsobjekte oder Orte einer Handlung, gehören nicht zu ihr, sondern zu den ihr unterliegenden, von den Akteuren mitgebrachten Situationen, deren Gliederungen bis auf die von der dialogischen Elementarsituation hervorgehobenen Züge abgeblendet sind. Eine dialogische Elementarsituation liefert einen erleuchteten ›Vordergrund‹ vor einem noch dunklen ›Hintergrund‹. Der durch eine dialogische Elementarsituation im ständigen Rollenwechsel von aktivem Tun und passivem Erleiden modellierte Erwerb eines geteilten Könnens kann sowohl als Ausbilden einer Handlungskompetenz bezeichnet werden – man muß sich nur klar vor Augen halten, daß es hier offiziell, nämlich rekonstruiert, noch niemanden gibt, dem eine solche Handlungkompetenz zugesprochen werden kann, auch Personen müssen erst noch ›gebildet‹ werden – als auch als das Gewinnen einer Handlungssituation: Handlungen sind von ihrem Kontext und damit von Handlungssituationen, dem Ensemble aus einer Handlung und ihrem Kontext, noch ununterscheidbar. Aus diesem Grund soll das durch dialo-
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gische Elementarsituationen systematisch-genetisch rekonstruierte Können als Gewinnen beziehungsweise Ausbilden von Prhandlungen und nicht schon von Handlungen bezeichnet werden. In einer Aktualisierung liegt die Prähandlung singular vor, in einer Schematisierung hingegen universal, und unter beiden ›rationalen‹ Gesichtspunkten kann eine ›empirische‹, also in den Hintergrund der dialogischen Elementarsituation bereits mitgebrachte partikulare Handlung auch ›gesehen‹ werden; Aktualisierungen und Schemata sind nicht ihrerseits Gegenstände sondern Prähandlungen als Verfahren, tätig im Handlungsvollzug und dabei das Handlungsbild schauend. Beide Gesichtspunkte lassen sich nicht voneinander trennen: Aktualisierungen sind nur im Blick auf ihr Schema (epistemologisch) ›verstanden‹ und ein Schema ist nur in seinen Aktualisierungen (praxeologisch) ›vorhanden‹. Die Zusammengehörigkeit von pragmatischer und semiotischer Seite einer Prähandlung im Modell ihres Erwerbs dokumentiert die Korrelativität der Unterscheidung ›praxeologisch-epistemologisch‹ als Basis der Ontologie. Die pragmatisch-semiotische Polarität eines Verfahrens wird zur Grundlage für die, Gegenstände und den Zugang zu ihnen betreffende, Unterscheidung ›ontologisch-epistemologisch‹, wie sie im Zusammenhang der Problemskizze zu Beginn eingefordert worden war.
II Diese Janusköpfigkeit der Prähandlungen, ohne die es ›geteiltes‹ Können überhaupt nicht gäbe, ist zugleich der Ansatzpunkt für eine Wiederholung des Verfahrens dialogischer Elementarsituationen durch Selbstanwendung, was als Befolgen eines Prinzips der Selbsthnlichkeit angesehen werden kann. Die Rekonstruktion wird fortgesetzt, indem mit dialogischen Elementarsituationen die beiden Seiten einer Prähandlung, die pragmatische und die semiotische, als Situationen für den Erwerb eigenständiger sekundrer Prhandlungen modelliert werden. Mit diesem Schritt, bei dem in dialogischen Elementarsituationen 2. Ordnung die Ausführrolle in viele mögliche Ausführungsprähandlungen und in einer dialogischen Elementarsituation 2. Stufe die Anführrolle in viele mögliche Anführungsprähandlungen zerfallen, ergeben sich Gliederungen einer Prähandlung, die pragmatisch als Phasengliederung durch Ausführungsprähandlungen oder ›Ich‹-Perspektiven und semiotisch als Aspektegliederung durch Anführungsprähandlungen oder ›Du‹-Perspektiven auf-
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treten. Der Schritt macht es möglich, das Verfügen über Prähandlungen als Verfahren unabhängig vom Eintreten in ihren Erwerb mithilfe der primären dialogischen Elementarsituationen zu machen, wobei Prähandlungen in Probjekte überführt werden und sich dabei zugleich Prsubjekte ausbilden. Die sekundären Modellierungen ergeben sich dadurch, daß die dialogische Elementarsituation schematisiert, also unter einer Er/SiePerspektive die Ich-Du-Situation als Aktualisierung eines Schemas sowohl verstanden als auch vollzogen wird. Dazu muß Er/Sie gegenüber Ich eine (sekundäre) Du-Perspektive und gegenüber Du eine (sekundäre) Ich-Perspektive einnehmen. Einerseits wird so die dialogische Rolle der Anführung, die Du-Rolle, schematisiert und das heißt, mithilfe einer dialogischen Elementarsituationen 2. Stufe die Modellierung von Aspekte-Handlungen gewonnen – Er/Sie hat betrachtende Distanz zu der in ein Präobjekt verwandelten Prähandlung, indem er/sie über eine Aspekte-Handlung, eine ›Außensicht der Sache‹, verfügt – , während andererseits die dialogische Rolle der Ausführung, die Ich-Rolle, in Gestalt von dialogischen Elementarsituationen 2. Ordnung für die Modellierungen von Phasen-Handlungen aktualisiert wird – Er/Sie hat an der in ein Präobjekt verwandelten Prähandlung tätigen Anteil, indem er/sie über eine Phasen-Handlung, eine ›Binnensicht der Sache‹, verfügt. Die Aspekte-Handlungen sind in – objektiver, durch die Ich-Du-Invarianz der Er/Sie-Rolle charakterisierter – aktiver Perspektive Zeichenhandlungen oder Artikulationen, die Phasen-Handlungen hingegen in – ebenfalls objektiver, durch Ich-Du-Invarianz charakterisierter – passiver Perspektive Teilhandlungen oder Vermittlungen. Dabei konstituieren Aspekte-Handlungen in subjektiver (Du-Rolle!) passiver Perspektive, den Wahrnehmungen, zusammen mit Phasen-Handlungen in subjektiver (Ich-Rolle!) aktiver Perspektive, den Hervorbringungen, ein Präobjekt durch Identifizierung der Wahrnehmungen miteinander und Summierung der Hervorbringungen, so daß ein Präobjekt aktiv durch eine Zeichenhandlung bezeichnet und an ihm passiv durch eine Teilhandlung partizipiert wird. In Bezug auf die Präsubjekte findet im Bezeichnen ein Fixierungsprozeß und im Partizipieren ein Differenzierungsprozeß statt, zwei aneinander gekoppelte Prozesse, in deren Verlauf die Präsubjekte ausgebildet werden und zugleich sich ausbilden. Die Identifizierung macht Präobjekte zu semiotischen Invarianten, die Summierung macht sie zu pragmatischen Ganzheiten; beide befinden sich unter Bezug auf die sekundären dialogischen Elementarsituationen in einer, das Präobjekt zu einem Objekt individuierenden
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Situation derart, daß die Invarianten als Kerne der Aspekte-Handlungsschemata, der ›Universalia‹, und die Ganzheiten als Hllen der Aktualisierungen der Phasen-Handlungen, der ›Singularia‹, bezeichnet werden können. Ein Objekt als Vordergrund vor einer Umgebung als Hintergrund ist semiotisch ein konstanter Vordergrund vor einem variablen Hintergrund und pragmatisch ein variabler Vordergrund vor einem konstanten Hintergrund. Kern und Hülle zusammen, ›Form‹ und ›Stoff‹ in traditioneller Terminologie, machen ein Objekt in einer Situation aus: die Partikularia als mixta composita aus Schematisierungen und Aktualisierungen, den schematischen (Anteilen von) Aspekten und den singularen (Anteilen von) Phasen sind in Gestalt von ›halb Denken‹ und ›halb Tun‹ rekonstruiert. Allerdings fehlt noch die ausdrückliche Modellierung des Erwerbs von Identifikation und Summierung. Erst dann läßt sich sowohl für die externe (semiotische) Struktur, charakterisiert durch dasselbe Partikulare in verschiedenen Umgebungen, als auch für die interne (pragmatische) Struktur, charakterisiert durch verschiedene Partikularia in derselben Umgebung, Unabhängigkeit des Vordergrunds vom Hintergrund und damit einerseits die semiotische Bestimmung eines Partikulare in einer ›angeführten‹ Situation und andererseits seine pragmatische Bestimmung in einer ›ausgeführten‹ Situation durchsetzen. Zu diesem Zweck übernimmt eine ausgewählte Artikulation die Funktion der Vertretung beliebiger Aspekte-Handlungen unter Bezug jeweils auf eine Teilhandlung, also der semiotischen Seite einer PhasenHandlung – die Vertretungsfunktion der ausgewählten Artikulation ist durch Übersetzungsregeln zwischen Aspekten artikulierbar – , indem in einer dialogischen Elementarsituation 3. Stufe die Variation der durch Elementarsituationen 2. Stufe modellierten Aspekte unter Bezug auf eine Teilhandlung zu einer Trennung von konstantem Vordergrund und variablem Hintergrund einer Situation – zu ihr als einer Situation 2. Stufe gehören jetzt die Akteure auch als Glieder der Situation und damit als Subjekte und nicht mehr nur als Präsubjekte in situationsgliedernden Ich-Du-Dyaden – herangezogen wird: das Präobjekt zerfällt kraft der jeweils verschiedenen Situationen, zu denen es gehört, in situationsspezifische Einheiten, eben die Objekte in ihrem semiotischen Anteil. Die ausgewählte Artikulation wird zu einer symbolischen Artikulation. Ganz entsprechend werden die Phasen-Handlungen als Ergebnis einer Schematisierung dialogischer Elementarsituationen 3. Ordnung unter Bezug jeweils auf eine Zeichenhandlung, also der pragmatischen Seite einer Aspekte-Handlung, verstanden, so daß die Variation der
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Phasen-Handlungen die verschieden strukturierten Objekte vor konstantem Hintergrund in einer Situation 2. Ordnung liefert, und jede Phase in ihrer passiven Rolle, also als eine Vermittlung, übernimmt die Funktion einer Erweiterung durch beliebige Phasen-Handlungen unter Bezug jeweils auf eine Zeichenhandlung – die Erweiterungsfunktion einer Vermittlung ist durch Aufbauregeln für Phasen artikulierbar – mit dem Ergebnis, daß die Objekte als situationsspezifische Einheiten in ihrem pragmatischen Anteil gewonnen sind: eine Vermittlung tritt als komprehensive Vermittlung auf. Gegenständlicher Vordergrund und situativer Hintergrund, ein Objekt und seine Umgebung, machen eine Situationseinheit aus; dabei ist die (semiotische) Aspektegliederung der Objekte eine Außengliederung, ihre (pragmatische) Phasengliederung eine Binnengliederung, und beide zusammen erst bestimmen, aufgrund des Bezugs jeweils auf eine Teilhandlung bei der Aspektegliederung und des Bezugs jeweils auf eine Zeichenhandlung bei der Phasengliederung invariant gegenüber einer Vertauschung von Ich und Du, ein Objekt in einer Situation. Damit ist auch klar, wie Subjekte aus den Ich-Du-Dyaden als den beiden dialogischen Rollen in einer dialogischen Elementarsituation und deren Iterierung durch zwei Prozesse, den der Individuation und den der Sozialisation, schrittweise und unabgeschlossen herausgebildet werden. So wie die Objekte sich aus dem Umgehen mit ihnen, dieses in Zeichen für sie verwandelnd, gewonnen werden – der Kern der semiotischen Seite von Aspekte-Handlungen wird symbolisch bezeichnet (durch die semiotische Seite einer symbolischen Artikulation, also mit einer Handlung der nächst höheren Stufe) und an der Hülle der pragmatischen Seite von Phasen-Handlungen wird komprehensiv partizipiert (durch die pragmatische Seite einer komprehensiven Vermittlung, also mit einer Handlung der nächst höheren Ordnung), oder kurz: das Objekt wird symbolisch bezeichnet und es ist symptomatisch anwesend – , so werden die Subjekte von der pragmatischen Seite einer Artikulation ausgedrückt, wobei dieser Ausdruck im Falle symbolischer Artikulation sozial fixiert, in einer Sprache nämlich, auftritt, während sie durch die semiotische Seite einer Vermittlung gegenwärtig sind, und zwar im Falle komprehensiver Vermittlung in Gestalt eines individuell differenzierten Teilhandlungsschemas, dem Stil des Subjekts: die Aneignung von Zeichen, sie als Resultat einer Handlung begreifend, macht Subjekte aus.
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Dabei ist es nützlich, sich klarzumachen, daß ohne die situationsbezogenen Abgrenzungen der Ich-Du-Dyade die voll entwickelte IchRolle von der Du-Rolle her im Ganzen als ›objektiver Geist‹ – als Fülle der Phasen-Handlungsschemata – und die voll entwickelte Du-Rolle von der Ich-Rolle her im Ganzen als ›transzendentales Ich‹ – als Einerleiheit der Aspekte-Handlungsaktualisierungen – erscheint. Im Handlungscharakter der Teilhandlungen (›was man tut‹) zusammen mit dem Handlungscharakter der Zeichenhandlungen (›wie man spricht‹) haben wir die Lebensweisen von Subjekten im Umgang mit Objekten, ihren Stil und ihre Sprache, im Zeichencharakter der Zeichenhandlungen (›was man sagt‹) zusammen mit dem Zeichencharakter der Teilhandlungen (›wie man handelt‹) haben wir ihre Weltansichten in Gestalt des Bezeichnens und der Teilhabe bezüglich der Objekte vor uns. Wird im dialogischen Spielraum der Handlungs- und Redezusammenhänge zunächst einmal der Handlungsanteil als verbindend und der Redeanteil als trennend erfahren, und bleibt man bei einer derartigen Gegenüberstellung von ›objektiver Außenansicht‹ und ›subjektiver Innenansicht‹ stehen, so wird der Handlungsanteil auf Verhalten (behavior) und der Redeanteil auf Ausdruck (expression) eingeschränkt verstanden. Geht man indessen weiter, so treten, insofern auch jedes Handeln sich verstehen läßt und daher ›beredt‹ ist, ebenso wie jedes Reden als ein Handeln von Absichten geleitet und mit Wirkungen ausgestattet verläuft, im Redeanteil auch die verbindenden und im Handlungsanteil auch die trennenden Momente hervor – die ›objektive Bedeutung‹ einer Rede und der ›subjektive Sinn‹ einer Handlung – , und es wird deutlich, daß es Abgrenzung und Verbundenheit zwischen den Subjekten einer Ich-Du-Dyade nur jeweils auf der Folie von Übereinstimmung und Unterschiedenheit zwischen ihnen geben kann. Subjekte sind zunächst nicht als besondere Objekte zu begreifen, vielmehr haben sie als Funktionen auf Objekten zu gelten, nämlich in Gestalt der (rationalen) Verfahren Aktualisierung und Schematisierung gegenüber den (empirisch) mitgebrachten Gegenständen des Wollens und Wissens auf den verschiedenen Ebenen der vorgeschlagenen Modellierung.
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III Insofern das Modell des Kompetenzerwerbs mithilfe dialogischer Elementarsituationen und ihrer Iterierung gemäß einem Prinzip der Selbstähnlichkeit die (empirisch) mitgebrachten Gegenstände als semiotische Einheiten aus aktiver Form und passivem Stoff, die Präobjekte, und die (rationalen) Verfahren als Prozesse einer pragmatischen Fixierung und Differenzierung von Präsubjekten rekonstruiert, erlauben die einander gegenläufigen Schritte der Aneignung (von Objekten in Gestalt von Handlungsvollzügen mit ihnen) und der Distanzierung (von Verfahren durch ihre Vergegenständlichung) sowohl eine ›subjektive‹ Behandlung der Objekte als auch eine ›objektive‹ Behandlung der Subjekte. Dabei geht der erste Schritt der Subjektivierung, die Aneignung einer (primären) Handlung durch Aktualisierung – das ›objektive‹ Handeln besteht geradezu im ›subjektiven‹ Vollzug eines Schemas – , dem zweiten epistemologischen Schritt einer subjektbezogenen Behandlung der Objekte – hier ist die primäre Handlung zu einem Objekt der gliedernden Phasen-Handlungen und Aspekte-Handlungen geworden – in der dialogischen Konstruktion voraus. Ganz entsprechend geht der erste Schritt der Objektivierung, die Distanzierung einer (primären) Handlung durch Schematisierung – das ›subjektive‹ Handeln gerinnt gleichsam zum ›objektiven‹ Schema eines Vollzugs – , dem zweiten ontologischen Schritt einer objektbezogenen Behandlung der Subjekte – hier ist die Ich-Du-Dyade des primären Handlungserwerbs in getrennte Ich-Du-Dyaden sekundärer Handlungen für Ich-Rolle und Du-Rolle aufgelöst – in der dialogischen Konstruktion voraus. In der phänomenologischen Reduktion hingegen wird in beiden Hinsichten von der Gegenüberstellung der einem Subjekt zugeschriebenen ›Erkenntniskräfte‹ zu den sowohl inneren als auch äußeren Gliederungen eines Objekts, nämlich in Teile und Eigenschaften, ausgegangen, um die Gegenüberstellung entweder primär ontologisch – nach dem aristotelischen Modell der Wirklichkeit als Zusammenspiel von 1m´qceia (Akt) und d¼malir (Potenz) – oder primär epistemologisch – nach dem kantischen Modell der Erfahrung als Zusammenspiel von (begrifflichem) Denken und (sinnlicher) Anschauung – aufzulösen. Etwas genauer betrachtet läßt sich folgendes festhalten: Die subjektbezogene Behandlung der Objekte besteht in der Thematisierung (Vergegenständlichung!) sowohl der individuellen Perspektiven oder Ich-Rolle, wie sie in der Verselbständigung eines differenzierenden Teilhandlungsschemas durch eine komprehensive – Handlungen der
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inneren Wahrnehmung, ein Ergebnis der Artikulation sich selbst gegenüber, einschließende – Handlungskompetenz und ihre Performanz mit einem Objekt greifbar ist, als auch der sozialen Perspektiven oder Du-Rolle, wie sie in der Verselbständigung einer fixierenden Zeichenhandlungsaktualisierung durch eine symbolische – Handlungen der virtuellen Hervorbringung, ein Ergebnis der Vermittlung sich selbst gegenüber, einschließende – Zeichenrezeption und ihre Produktion gegenüber einem Objekt auftritt. Entsprechend dokumentiert sich die objektbezogene Behandlung der Subjekte in der Thematisierung sowohl der universalen Perspektiven oder Du-Rolle, wie sie in der Verselbständigung eines symbolischen Zeichenhandlungsschemas – durch einen Artikulator markiert – mithilfe von Kommunikation (Satzrolle des Artikulators) und Signifikation (Wortrolle des Artikulators) unter Mitwirkung von ußerer Wahrnehmung erscheint, als auch der individuellen Perspektiven oder Ich-Rolle, wie sie in der Verselbständigung einer symptomatischen Teilhandlungsaktualisierung mithilfe von Lehren und Lernen unter Mitwirkung von reeller Hervorbringung greifbar ist. Beide Rollen, Ich-Rolle und Du-Rolle, treten in doppelter Hinsicht auf, je nachdem ob die Lebensweisen oder die Weltansichten eines Subjekts, also die Polarität ›individuell-sozial‹ oder die Polarität ›universal-individuell‹ betroffen sind. Darüber hinaus ist es gerade für das hier behandelte Problem des Zusammenhangs von Zeichen- und Gegenstandsebene von größter Bedeutung, sich sowohl beim Übergang von Artikulation zu symbolischer Artikulation als auch beim Übergang von Vermittlung zu komprehensiver Vermittlung die mit der Trennung von Bezeichnen und Bezeichnetem beziehungsweise von Partizipieren und Partizipiertem – wiedergegeben mit der semiotischen Qualifikation ›symbolisch‹ bezüglich Bezeichnen und ›symptomatisch‹ bezüglich Partizipieren – einhergehende Beteiligung von Hervorbringung, der aktiven Seite von Phasen-Handlungen, und Wahrnehmung, der passiven Seite von Aspekte-Handlungen, an der subjektbezogenen Behandlung der Objekte und an der objektbezogenen Behandlung der Subjekte klarzumachen. Erst durch die Berücksichtigung dieser beiden Handlungsperspektiven, Hervorbringung und Wahrnehmung, läßt sich, für Differenzierung und Fixierung einerseits wie für Identifizierung und Summierung andererseits, der verlorengegangene Zusammenhang des Bezeichnens und des Partizipierens mit ihrem jeweiligen Objekt wiedergewinnen, indem gleichsam spiegelbildlich von einer zu eigenständigen Hand-
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lungssubjekten führenden Ausgliederung der Akteure des Bezeichnens und Partizipierens aus diesen beiden Handlungen Gebrauch gemacht wird. Um nämlich die semiotische Rolle einer symbolischen Artikulation, deren Funktion in der Vertretung beliebiger Aspekte-Handlungen unter Bezug jeweils auf eine Teilhandlung besteht (also derjenigen einer einfachen Artikulation logisch übergeordnet ist), und damit das symbolische Bezeichnen als eine auf ein Objekt bezogene Handlung eines Subjekts charakterisieren zu können, müssen die von einer symbolischen Artikulation in einer Redesituation vertretenen Aspekte-Handlungen – ihre Schemata gehören zum invarianten Kern des Objekts, seiner ›Form‹ – ohne ihren pragmatischen, in der Redesituation in der Regel gerade nicht aktualisierten Anteil, wie er in einfachen Artikulationen vorliegt, verstanden werden: sie sind subjektive, bloße äußere Wahrnehmungshandlungen. Und auch für diese gilt, daß sie nicht, in Wahrnehmungs-Akten, vollzogen zu sein brauchen; allein ihre Schemata, die Wahrnehmungs-Inhalte, auf der aktiven Seite verselbständigt in Gestalt von Vorstellungen oder Imaginationen, und zwar unter Einschluß der ›Sensationen‹ oder Empfindungen auf der passiven Seite, lassen sich zur Bildung einer (Teil-)Invariante Vorgestelltes Objekt heranziehen. In kantischer Terminologie müßte ›Vorstellung‹ durch ›Form einer Vorstellung‹ oder ›reine Vorstellung‹ ersetzt werden, die ihrerseits in ›reine Anschauung‹ und ›reinen Begriff‹ zerfällt. Alles Empirische ist bei Kant aus der Behandlung der Formen, seien sie aktiv, als Formgebung, oder passiv, als gewonnene Form, bestimmt, ausgeschieden, eine methodologische Folge seines empirische Subjekte von vornherein nur als Verkörperungen des transzendentalen Subjekts zulassenden Ansatzes. Liegt gleichwohl auch ein pragmatischer Anteil der von der symbolischen Artikulation vertretenen Aspekte-Handlung vor, z. B. eine Zeichnung, so spricht man von einem Reprsentierten Objekt, das dabei bloß vorgestellt oder auch darüber hinaus empfunden sein mag. Vorstellungen sollen als Bestandteile eines Subjekts verständlich machen, wie es sich mit einer Handlung des symbolischen Bezeichnens auf ein durch Vorstellungen zugängliches Objekt beziehen kann. Dabei ist der aktive (bzw. pragmatische) Anteil wiederum der Vorstellungen, auch im Kontext von Empfindungen oder von Artikulationen, unter dem Titel ›empirische Vorstellung‹ oder ›mentale Repräsentation‹, Gegenstand mittlerweile ausgedehnter empirischer Untersuchungen der Kognitionswissenschaft (ihrer psychologischen Komponente, wenn Artikulationen, z. B. sprachliche Äußerungen, beteiligt sind, ihrer [neuro-]bio-
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logischen Komponente, wenn Empfindungen beteiligt sind), während ihr passiver (bzw. semiotischer) Anteil unter dem Titel ›rationale Vorstellung‹ oder ›Kognition‹ zur Domäne rationaler Erforschung gehört, wie sie ebenfalls von der Kognitionswissenschaft in Gestalt der ›philosophy of mind‹ betrieben wird. Dabei verwandeln sich Kognitionen in propositionales Wissen (›Erkenntnis‹ oder ›Metakompetenz‹) erst durch das Hinzutreten symbolischer Artikulation, wie sie in Gestalt von Kommunikation und Signifikation mithilfe von Zeichenproduktion und Zeichenrezeption auftritt. Hinzukommt, daß bei der subjektbezogenen Behandlung der Objekte an die Stelle der, zur Erklärung des symbolischen Bezeichnens und des symptomatischen Partizipierens, für die objektbezogene Behandlung der Subjekte erforderlichen Ersetzung des Objekts durch Vorgestelltes Objekt bzw. Hergestelltes Objekt (s.u.) eine Ersetzung des Subjekts durch ein (individuelle) Ich-Rolle und (soziale) Du-Rolle zugleich verkörperndes Subjekt, G. H. Meads ›verallgemeinerten Anderen‹, tritt, damit sowohl – in differenzierenden Teilhandlungsschemata – Individualität präsentiert als auch – in fixierenden Zeichenhandlungsaktualisierungen – Sozialität ausgedrückt werden können. Genau darin besteht die Rolle des Bezugs zum einen auf eine Zeichenhandlung bei der Erweiterung durch beliebige Phasen-Handlungen in der komprehensiven Vermittlung, und zum anderen auf eine Teilhandlung bei der Vertretung durch beliebige Aspekte-Handlungen in der symbolischen Artikulation. Denn weder braucht die Zeichenhandlung aktualisiert noch die Teilhandlung schematisiert zu sein. Es genügt, eine Zeichenhandlung als Artikulation sich selbst gegenüber (das Subjekt in IchRolle und in Du-Rolle, eine ›Selbstrepräsentation‹ durch Verinnerlichung der zuvor aufgespaltenen Ich-Du-Dyade) und damit als ›innere Wahrnehmung‹ aufzufassen, ebenso wie es genügt, eine Teilhandlung als Vermittlung sich selbst gegenüber, eine ›Selbstexemplifikation‹, und damit als ›virtuelle Hervorbringung‹ aufzufassen, um der Redeweise, daß im Handelnkönnen Individualität präsentierbar und im Redenkönnen Sozialität ausdrückbar ist, einen intersubjektiven Sinn zu geben. Mit diesen Vorbereitungen läßt sich jetzt der auf die aristotelische Tradition zurückgehende Topos vom Denken, das sich auf Allgemeines richtet, und vom Wahrnehmen, das auf Partikulares geht, sinnvoll rekonstruieren und darüber hinaus auch die von Platon bis heute vertretene Auffassung, daß Denken ein Reden mit sich selbst sei, verstehen. Allerdings bedarf es dazu zuvor noch einer ausdrücklichen Klärung auch der pragmatischen Rolle komprehensiver Vermittlung, deren Funktion
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in der Erweiterung durch beliebige Phasen-Handlungen unter Bezug jeweils auf eine Zeichenhandlung besteht (also derjenigen einer einfachen Vermittlung logisch übergeordnet ist). Erst dann wird deutlich, wie ein Objekt, an dem komprehensiv partizipiert wird, für ein Subjekt symptomatisch anwesend sein kann. Auch hier nämlich ist eine erweiternde Phasen-Handlung – ihre Aktualisierungen gehören zu der ein Ganzes bildenden Hülle des Objekts, seiner ›Substanz‹ – in der Handlungssituation einer komprehensiven Vermittlung in Gestalt einer subjektiven Differenzierung zwar hervorgebracht, aber nicht selbst in jedem Falle vermittelt: sie ist eine bloße reelle Hervorbringung. Und auch hier wieder ist es nur erforderlich, daß sie, als HervorbringungsVersuch, vollzogen wird, nicht aber unbedingt auch ein Hervorbringungs-Erfolg vorzuliegen hat. (Es erscheint systematisch angemessener, nicht Versuche in nichtgelungene und gelungene, also Fehlschläge und Erfolge, einzuteilen, weil sonst der passive Anteil an Hervorbringungen, eben das Widerfahrnis des Erfolgs, zu einer Eigenschaft des aktiven Anteils gemacht und damit von der Konstitutionsebene auf die Beschreibungsebene verlagert wird.) Die verselbständigten passiven Seiten von Versuchen lassen sich in Gestalt von Herstellungen, und zwar unter Einschluß der motorischen Tätigkeit auf der aktiven Seite, zur Bildung eines (Teil-)Ganzen Hergestelltes Objekt heranziehen. Behandelt man jetzt die Herstellungen oder corporalen Exemplifikationen als Bestandteile eines Subjekts, so ist es, getreu der kantischen Einsicht, „daß die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurfe hervorbringt“,8 verständlich, wie ein Subjekt an einem durch Herstellungen realisierbaren Objekt symptomatisch partizipieren kann. Es wäre die Aufgabe einer gegenwärtig nur in Bruchstücken – etwa innerhalb von Produktionstheorien der Kunstwissenschaft, in der Kulturtheorie oder in Theorien des Experimentierens in den Naturwissenschaften – sichtbaren ›Aktionswissenschaft‹, sowohl die empirischpragmatische Seite von Herstellungen als auch ihre rational-semiotische Seite, wie sie sich durch die mit Herstellungen verbundenen ›Ideen‹ oder ›Intentionen‹ fassen läßt, genauer zu untersuchen. Dabei verwandeln sich die Ideen in operationales Wissen (›Kenntnis‹ oder ›Objektkompetenz‹) erst durch das Hinzutreten sowohl von komprehensiver Vermittlung, wie sie in Gestalt einer lehr- und lernbaren Handlungs8
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kompetenz und Handlungsperformanz auftritt, als auch von deren Artikulation.
IV Die in der Modellierung gewonnene objektbezogene Behandlung der Subjekte hat dazu geführt, die Subjekte und damit die auf den Objekten operierenden Verfahren, die in der subjektbezogenen Behandlung der Objekte durch komprehensive Handlungs-Kompetenz samt HandlungPerformanz unter Beteiligung innerer Wahrnehmung und durch symbolische Zeichen-Rezeption samt Zeichen-Produktion unter Beteiligung virtueller Hervorbringung charakterisiert sind, zu einem Ensemble aus Einheiten zu objektivieren, die einerseits Vorgestellte Objekte und andererseits Hergestellte Objekte sind, die Welt des (individuellen) ›Bewußtseins‹ (›Seele‹) und die Welt der (sozialen) ›Kultur‹. Diese Einheiten sind aus Anteilen der Rekonstruktionshandlungen gewonnen, bei einem Vorgestellten Objekt nur aus der passiven Seite der Wahrnehmung, bei einem Hergestellten Objekt aus der aktiven Seite der Hervorbringung, so daß der ausgeschlossene Rest, also Wahrnehmungs-Akt und Hervorbringungs-Erfolg, den Schluß auf eine den Subjekten gegenüberstehende Welt zu erlauben scheint. Vergessen wird dann, daß eben diese Welt der Partikularia von vornherein als ein Bereich von mixta composita aus Stoff und Form, dem Hervorbringungsanteil von Phasen und dem Wahrnehmungsanteil von Aspekten, konstituiert waren, an denen in einer komprehensiven Vermittlung symptomatisch partizipiert wird und die durch eine symbolische Artikulation symbolisch bezeichnet werden. Die Abtrennung des subjektiven und zugleich passiven Anteils, des Vorgestellten Objekts, auf der semiotischen Seite verweist auf eine noch fehlende Vermittlung ebenso, wie die Abtrennung des subjektiven und zugleich aktiven Anteils, des Hergestellten Objekts, auf der pragmatischen Seite auf eine noch fehlende Artikulation verweist. Anders wäre operationales Wissen, also Kenntnis oder Objektkompetenz, und propositionales Wissen, also Erkenntnis oder Metakompetenz, die im übrigen unabhängig voneinander nicht zu haben sind, unmöglich, wie man sich sofort anhand einer dialogischen Situation klarmachen kann: Ohne Vermittlung und Artikulation kann ein Subjekt in Du-Rolle nicht wissen, ob ein Subjekt in Ich-Rolle wahrnimmt oder hervorbringt, also etwas erlebt oder etwas erschafft, weil andernfalls eine Wahrnehmung nur als ein natürliches
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(sensorisches) Ereignis und eine Hervorbringung nur als ein natürliches (motorisches) Ereignis bestimmt werden können. Nur indem ein Subjekt zugleich Ich-Rolle und Du-Rolle verkörpert, kann es sich ein Erlebnis und sich ein Werk zusprechen. Es sind die semiotischen Anteile von Kenntnis, die für den Inhalt angeeigneter Erlebnisse gehalten werden, ebenso wie es die pragmatischen Anteile von Erkenntnis sind, die als Form distanzierter Werke gelten. Es ist daher verständlich, daß häufig sowohl innere Wahrnehmung mit Vorstellung als auch virtuelle Hervorbringung, nämlich als bloß ›gedachte‹ Erfolge, mit Herstellung verwechselt werden können. Aber bei innerer Wahrnehmung handelt es sich um einen Fall von Artikulation, die Selbstrepräsentation (›ich erlebe mich‹), wie sie als subjektiv artikulierter Anteil auf der semiotischen Seite des Kennens – in Handlungskompetenz und Handlungsperformanz – auftritt, während in der Vorstellung nur einfache Repräsentation vorliegt, die bei hinzugetretener Empfindung durch ›ich erlebe etwas‹ artikuliert werden kann. Ganz entsprechend handelt es sich bei virtueller Hervorbringung um einen Fall von Vermittlung, die Selbstexemplifikation (›ich erschaffe mich‹), wie sie als subjektiv vermittelter Anteil auf der pragmatischen Seite des Erkennens – in Zeichenrezeption und Zeichenproduktion – auftritt, während in der Herstellung nur einfache Exemplifikation geschieht, die bei hinzutretender motorischer Tätigkeit durch ›ich erschaffe etwas‹ artikulierbar ist. Dies alles ist eine Folge des aufgetretenen Subjekt-Objekt-Dualismus. Er ist unvermeidlich, wenn die nur funktional, durch den Prozeß der Umwandlung von Gegenständen in Zeichen(-Gegenstände) charakterisierten Subjekte – aktualisierend erzeugen sie (auf der nächsten Ebene) Symptome, schematisierend hingegen (auf der nächsten Ebene) Symbole – ihrerseits zu in (symptomatischen) Zeichen (für Hergestellte Objekte) präsentierten und zu durch (symbolische) Zeichen (für Vorgestellte Objekte) ausgedrückten Gegenständen objektiviert werden. Der Dualismus ist aber kein ontologischer, wie bei Descartes, sondern wegen der Ebenendifferenz von Subjekt und Objekt ein Bild der Differenz ›epistemologisch-ontologisch‹ selbst, und er entspricht daher der schon von Gottfried Wilhelm Leibniz gegen René Descartes entwickelten Unterscheidung zwischen Monaden (›Reich der Gnade [=Zweck-Mittel-Zusammenhänge]‹) und Körper von Monaden (›Reich der Natur [=Ursache-Wirkung-Zusammenhänge]‹). Allerdings behandelt Leibniz noch keine Übergänge zwischen den beiden Reichen. Es besteht zwischen ihnen allein eine strukturelle Übereinstim-
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mung: Es gibt eine Isomorphie der ›Körpersprache‹, also der Physik als der durch Wirkursachen geordneten Theorie von den Bewegungen der Körper, und der ›Seelensprache‹, also der Ethik in Gestalt einer Teleologie als der durch Zweckursachen geordneten Theorie von den Handlungen der Seelen, von Leibniz durch das Lehrstück von der ›prästabilierten Harmonie‹ ausgedrückt.9 Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß bei den Objekten die Verknüpfung des Denkanteils mit dem Handlungsanteil so geschieht, daß der Denkanteil in Gestalt bloßer Schemata (von Aspekten) und der Handlungsanteil in Gestalt allein von Aktualisierungen (von Phasen) auftreten, während bei den Subjekten ihr Denkanteil in Gestalt von Vorstellungen (empirisch und rational) und ihr Handlungsanteil in Gestalt von Herstellungen (empirisch und rational) erscheinen, die treu der funktionalen Herkunft der Subjekte als Verfahren gegenüber Objekten auf Erfüllung angewiesen bleiben: die Vorstellungen auf Erfüllung durch innere Wahrnehmungen in Vermittlungen (›das meine ich [mit der Vorstellung]‹) und die Herstellungen auf Erfüllung durch virtuelle Hervorbringungen in Artikulationen (›das intendiere ich [mit der Herstellung]‹). Es gehört nun zu den Eigentümlichkeiten der empirisch als Zeichenhandlungen, also als verbale oder nichtverbale Sprachhandlungen, angesehenen Handlungen – man erinnere sich, daß in der Modellierung jede Handlung einen pragmatischen und einen semiotischen Anteil hat – , seien es Reden, Zeichnen, Tanzen oder andere, daß sie sowohl als gewöhnliche Artikulationen, also ohne den Anspruch, andere Aspekte-Handlungen zu vertreten, als auch als symbolische Artikulationen und damit unter Einschluß eines Vertretungsanspruchs rekonstruierbar sind. In der Rolle als gewöhnliche Artikulationen hat dies zur Folge, daß sie sich unter Handlungsperspektive auch als Teilhandlungen auffassen lassen – Wörter als Bestandteile der Gegenstände, die sie bezeichnen, im Falle magischen Sprachgebrauchs sind typische Beispiele – und damit einer in Bezug auf die Objekte symptomatischen Sprachverwendung zur Verfügung stehen. Natürlich kann auch umgekehrt eine Teilhandlung, solange sie nicht komprehensiver Vermittlung dient, als eine Zeichenhandlung angesehen werden und in symbolische Sprachverwendung Eingang finden. Diese Zusammenhänge sind für eine innerhalb der vorgeschlagenen Modellierung mögliche Rekon9
Cf. Leibniz 1714, §§ 78 – 81.
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struktion der Unterscheidung von Kunst und Wissenschaft wichtig und können hier nicht weiter verfolgt werden.10 In der folgenden abschließenden Überlegung soll Reden paradigmatisch für symbolisches und einfaches Artikulieren eintreten, allerdings ohne auf die nach demselben Verfahren, also unter Anwendung des Prinzips der Selbstähnlichkeit, rekonstruierbare Außen- und Binnengliederung des Artikulierens einzugehen.11 Im einfachsten Fall, und nur dieser soll noch erörtert werden, ist Reden die Äußerung eines Artikulators, der sowohl eine einfache und daraufhin als Teilhandlung eine symptomatische als auch eine symbolische Funktion haben kann. In symptomatischer Funktion ist Reden vom Denken in Gestalt innerer Wahrnehmung begleitet, bei der symbolischen Funktion von Reden hingegen tritt Denken wegen der mit der Äußerung des Artikulators verbundenen Vertretung anderer Aspekte-Handlungen in zwei Gestalten auf, als zur vertretenen AspekteHandlung gehörige Vorstellung und als virtuelle Hervorbringung im Zusammenhang der Äußerung des Artikulators (redend ein [gedankliches] Werk hervorbringen). Im Denken als innerer Wahrnehmung liegt eine besondere Aspekte-Handlung vor, die zusammen mit dem Reden als Teilhandlung eben das Reden als Teilhandlung zu verstehen erlaubt und deshalb auch als innerer Sinn den äußeren Sinnen an die Seite gestellt werden kann, vorausgesetzt, man beachtet, daß in diesem Fall neben einer Wahrnehmung noch eine Artikulation sich selbst gegenüber vorliegt. Man beschränkt dann Denken als inneren Sinn gern auf eine ›stille‹ Artikulation, nämlich die für sich selbst vorgenommene Aktualisierung des Schemas einer Aspekte-Handlung, eben einer zum Reden als Teilhandlung gehörenden Wahrnehmung; und man verlangt darüber hinaus gelegentlich Intersensualität. Die stille Artikulation kann dann durch ›stilles Reden‹ ebenso realisiert werden wie durch ›stilles Zeichnen‹, ›stilles Singen‹ oder anders. Wird Denken als innerer Sinn jedoch derart intersensual verstanden, so muß man beachten, daß zwar ein Nursehen-können, und entsprechend bei den anderen äußeren Sinnen, möglich ist – wer etwas sieht, braucht es nicht zu denken, wohl aber muß, wer etwas zeichnet oder äußert, dies auch denken – , nicht jedoch ein Nur-denken-können. Vielmehr bekommt Denken als innerer Sinn dann die Funktion intersensualer Koordination. 10 Cf. Lorenz 1996. 11 Cf. für Einzelheiten dazu: Lorenz 1995 [in diesem Band pp 24 – 71].
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Der Fall des Denkens als Vorstellung liegt anders. Hier wird ausdrücklich Invarianz gegenüber spezifischen sensualen Vorstellungen, eben den empirischen Vorstellungen, verlangt, um von Denken in einem durch die philosophische Tradition vertrauten Sinne sprechen zu können. Erst das Schema empirischer Vorstellungen, das nach dem Vollzug des Übergangs von einer Vorstellung von Partikularem zur rationalen Vorstellung von etwas Allgemeinem vorliegt, ist in seinen Vollzügen Denken und war deshalb schon früher ›Gedanke‹ genannt worden. Von Begriffsbildung sollte aber an dieser Stelle im Unterschied zu einer weit verbreiteten Tradition gleichwohl erst dann gesprochen werden, wenn die symbolische Artikulation hinzugezogen ist. Ein propositionales Wissen, die Metakompetenz, läßt sich dann auch als begriffliche Erkenntnis dem durch Denken als innerem Sinn vermittelten operationalen Wissen, der Objektkompetenz, als sinnliche Erkenntnis gegenüberstellen. Aktionen dürfen nicht nur ›von außen‹ oder ›objektiv‹ gesehen werden, sie wären bloßes Verhalten, ebensowenig wie Kognitionen nur ›von innen‹ oder ›subjektiv‹ gesehen werden dürfen, Reden wäre nur ihr Ausdruck. Vielmehr haben Aktionen auch ihre Innenseite, wenn das objektive Verhalten in eine sinnstiftende Vermittlung der Hervorbringungen als Erfüllung von Vorstellungen durch innere Wahrnehmungen (›schauendes Denken‹) verwandelt wird, und Kognitionen haben ihre Außenseite, wenn das Reden als bloßer subjektiver Ausdruck sich in Sprachgebrauch im Sinne einer sozial geteilten Artikulation der Wahrnehmungen als Erfüllung von Herstellungen durch virtuelle Hervorbringungen (›tätiges Denken‹) verwandelt.
Literaturverzeichnis CP, = Collected Papers of Charles Sanders Peirce I-VI, ed. by Charles Hartshorne and Paul Weiss, Cambridge, Mass. 1931 – 1935. Dascal, Marcelo, 1995: The dispute on the primacy of thinking or speaking, in: HSP 2, pp 1024 – 1041. HSP, = Sprachphilosophie/Philosophy of Language/La philosophie du langage. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung/An International Handbook of Contemporary Research/Manuel international des recherches contemporaines, hg. v. Marcelo Dascal, Dietfried Gerhardus, Kuno Lorenz, Georg Meggle, Berlin/New York Bd.1 1992, Bd.2 1995.
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KrV, = Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft, hg. v. Raymund Schmidt, Hamburg 1956 [Riga 1781 (= A), 21787 (= B)]. Leibniz, Gottfried Wilhelm, 1714: Principes de la philosophie ou Monadologie, in: Gottfried Wilhelm Leibniz. Kleine Schriften zur Metaphysik, lat./ frz.-dt. Ausgabe, hg. u. übers. v. Hans Heinz Holz, Darmstadt 1965, pp 438 – 483. Lorenz, Kuno, 1995: Artikulation und Prädikation, in: HSP 2, pp 1098 – 1122. Lorenz, Kuno, 1996: Sinnliche Erkenntnis als Kunst und begriffliche Erkenntnis als Wissenschaft, in: Philosophie in Literatur, hg. v. Christiane Schildknecht/Dieter Teichert, Frankfurt am Main, pp 55 – 68. PU, = Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, dt./engl., Oxford 1953. Ros, Arno, 1983: Die Genetische Epistemologie Jean Piagets. Resultate und offene Probleme [Philosophische Rundschau, Beiheft 9], Tübingen. T, = Wittgenstein, Ludwig: Tractatus Logico-Philosophicus, dt./engl., ed. by David F. Pears and Brian F. McGuinness, London 21971 [1922].
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Grammatik zwischen Psychologie und Logik I Ursprünglich wurde unter Grammatik ganz allgemein ein Wissen von der Sprache verstanden, wobei dieses Wissen in einer Fertigkeit bestand – zunächst das Lesenkönnen – , die nicht ihrerseits noch einer sprachlichen Artikulation bedurfte: Das als Grammatik tradierbare Sprachwissen war operational und nicht propositional. Damit gehörte sie zu den poietischen Disziplinen, die in der Einteilung von Aristoteles gegenüber den theoretischen und den praktischen Disziplinen von minderem Rang war. Sie war weder eine auf Wahrheitsermittlung gerichtete Lehre – theoretische ›Philosophie‹ oder Wissenschaft im engeren Sinn – noch eine mit dem Gut-Lebenkönnen befaßte Lehre – praktische ›Philosophie‹ oder Wissenschaft im weiteren Sinn – mit der Folge, daß Sprache als Gegenstand einer theoretischen oder auch einer praktischen Wissenschaft im Sinne von Aristoteles nicht so ohne weiteres in Frage kam. Die Grammatik hatte nicht, wie eine theoretische Disziplin, die Aufgabe, nach Gründen (für die Geltung von Sätzen) zu suchen, und genau so wenig hatte sie die den praktischen Disziplinen gestellte Aufgabe zu lösen, (die für die Güte von Handlungen maßgebenden) Ziele zu bestimmen. Als eine sprachliche Fertigkeit teilte sie diesen Status mit den beiden anderen sprachlichen Fertigkeiten, der Dialektik bzw. Logik und der Rhetorik, die seit dem 4. Jahrhundert die ersten drei, das ›Trivium‹, der sieben artes liberales in der Erziehung eines ›Freien‹ bildeten. Sie unterschied sich jedoch von diesen beiden dadurch, daß ausdrücklich zwar die logischen Fertigkeiten im Rahmen der Geltungssicherung von den theoretischen Wissenschaften in Anspruch genommen und die rhetorischen Fertigkeiten von den praktischen Wissenschaften für die Anerkennung der Ziele benötigt werden, aber für die grammatischen Fertigkeiten keine besondere Rolle in den Wissenschaften vorgesehen war. Diese besondere Rolle erhielt die Grammatik stattdessen nach dem Vorbild der Poetik des Aristoteles in den (sprachlichen) Künsten. In allen drei Fällen sind es durch Übung zu Fertigkeiten ausgebildete sprachliche Fähigkeiten, die in den Wissenschaften und Künsten in jeweils besonderer Weise zur Geltung kommen. Unter Verwendung
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einer gegenwärtig üblichen Terminologie kann man davon sprechen, daß bei den logischen Fertigkeiten die semantische Kompetenz, bei den rhetorischen Fertigkeiten die pragmatische Kompetenz, bei den grammatischen Fertigkeiten hingegen die syntaktische Kompetenz eingesetzt wird; alle drei Kompetenzen zusammen erst machen die Sprachkompetenz aus. Wenn daher von Grammatik als Sprachwissen die Rede ist, so ist auf eine Zweideutigkeit zu achten. Sprachwissen bezieht sich als grammatische Fertigkeit weder auf ein Wissen über die beabsichtigte oder eintretende (praktische) Wirkung von Sprachhandlungen noch auf ein Wissen über die erwartete oder bestehende (theoretische) Zuverlässigkeit von Sprachzeichen, auch wenn für diese beiden Wissensformen, auf die man sich unter anderem beim Erwerb von Weltwissen stützt, grammatische Fertigkeiten ebenfalls in Anspruch genommen werden: im ersten Fall beim Aufbau einer Kommunikationstheorie, im zweiten Fall beim Aufbau einer Beweistheorie, zweier Hilfsdisziplinen, die dem Erwerb von (praktischem und theoretischem) Weltwissen dienen. Wird hingegen Sprachwissen als ein (sprachlich artikuliertes) Wissen über die (allgemeine) Sprachkompetenz beziehungsweise ihre (besondere) Realisierung in einer Sprachperformanz angesehen, so sind sämtliche sprachliche Fertigkeiten der Gegenstand dieses (propositionalen) Wissens; die sprachlichen Fertigkeiten treten in diesem Fall nicht selbst schon als (operationales) Wissen auf. Die genannte Zweideutigkeit läßt sich terminologisch mit der Unterscheidung von Grammatik und Linguistik leicht beheben. Es ist dann auch verständlich, inwiefern Grammatiktheorie nur als Bestandteil der Linguistik erscheint, als ein Wissen allein über die grammatischen, nicht aber die übrigen sprachlichen Fertigkeiten. Schwieriger ist es, der mit dem Übergang vom operationalen Wissen der Grammatik zum propositionalen Wissen der Linguistik einhergehenden Bedeutungsverschiebung des Ausdrucks ‘Sprache’ in ‘Sprachwissen’ gerecht zu werden. In welchem Sinne sind die von der grammatischen Fertigkeit und damit der syntaktischen Kompetenz unterschiedenen sprachlichen Fertigkeiten, traditionell also die rhetorischen und die logischen Fertigkeiten als Ausdruck pragmatischer und semantischer Kompetenz, überhaupt sprachspezifisch, setzen also die Sprache nicht nur als ein bloßes Hilfsmittel ein – für ein Wissen über die Wirkungen von Sprachhandlungen beziehungsweise ein Wissen über die Zuverlässigkeit von Sprachzeichen?
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An dieser Stelle ist es unerläßlich, auf eine eigentümliche Doppelrolle der Sprache einzugehen, was helfen wird, auch die titelgebende Zwischenstellung der Grammatik zwischen Psychologie und Logik aufzuklären. Auf der einen Seite nämlich gehört Sprache als ein Zeichensystem, wird es verwendet, zu den Hilfsmitteln, die Welt der (äußeren) Gegenstände, der Partikularia, zugänglich zu machen, während sie auf der anderen Seite selbst einen Bereich (erzeugter) Gegenstände oder Artefakte bildet, die sich ihrerseits untersuchen lassen. Aber damit nicht genug! Die Zeichenfunktion der Sprache wird auf die Ausübung besonderer ›mentaler Handlungen‹ zurückgeführt, die als ›Denken‹ gegenwärtig sowohl in (empirisch) psychologischer Hinsicht zum Gegenstand der Kognitionswissenschaft als auch in (rational) logischer Hinsicht zum Gegenstand der Philosophie des Geistes gemacht werden, aber selbstverständlich die philosophische Tradition schon seit langem begleiten. Die Sprache als Gegenstand wiederum wird ebenfalls seit langem als Verkörperung des Geistes angesehen, also besonderer ›mentaler Gegenstände‹, die in traditioneller Redeweise rational als ›sinnliche Gestalt‹ eines ›begrifflichen Gehalts‹ und empirisch als Ausdruck psychischer Phänomene gelten; diese aber werden von der Logik beziehungsweise von der Psychologie untersucht. Es sieht daher so aus, als stehe die Sprache als Gegenstand zwischen der ›inneren‹ Welt des Geistes oder der Seele und der ›äußeren‹ Welt der Partikularia, indem sie die innere Welt versinnlicht und die äußere Welt versprachlicht, während die Sprache in ihrer Verwendung, zum Beispiel in der Rede, sich zwischen Kognition und Aktion befindet: Als Zeichenhandlung repräsentiert sie eine innere Welt, als Zeichenhandlung greift sie in die äußere Welt ein.1 Zeichenhandlungen gehören zu den Handlungen, Zeichenhandlungen gehören zu den Zeichen. Es bedarf einer diese mittlere Stellung zwischen Gegenständen auf der einen Seite und Zeichen für Gegenstände auf der anderen Seite zur Geltung bringenden Rekonstruktion des Begriffs einer Zeichenhandlung, speziell einer verbalen Zeichenhandlung oder Sprachhandlung, um unter den sprachlichen Fertigkeiten die grammatischen Fertigkeiten als im engeren Sinne sprachspezifisch begreifen zu können. Erst dann wird sich auch einsehen lassen, daß unter dem üblichen Verständnis der semantischen Kompetenz, die hauptsächlich von den beiden großen Theoriesorten thematisiert wird, einer Theorie des Verstehens oder Bedeutungstheorie und einer Theorie des Anerkennens 1
Vgl. Lorenz 1997 [in diesem Band pp 72 – 93].
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oder Wahrheitstheorie – ihre Verallgemeinerungen in Theorien der Bedeutsamkeit einerseits und Theorien der Geltung andererseits können hier nicht mit einbezogen werden – , das operationale Sprachwissen der Grammatik und damit die syntaktische Kompetenz lediglich Hilfsfunktion hat. Denn in einer (von Aussagen handelnden) Wahrheitstheorie ist mit der Ausnahme des Falles formaler Wahrheit, die tatsächlich ein Fall bloß ›grammatischer Geltung‹ zu sein scheint, allein der gegenständliche Bezug maßgebend, wie es sich an Verfahren des Beweisenkönnens von Aussagen (über Gegenstände) ablesen läßt. Die für den gegenständlichen Bezug wiederum erforderlichen Hilfsmittel werden in einer Bedeutungstheorie (von prädikativen Ausdrücken) behandelt, und zwar in der Regel in Gestalt einer Untersuchung der Beziehung zwischen Zeichen und Gegenständen entweder als Beziehung zwischen zwei Sorten von ›Sachen‹ oder als Beziehung zwischen zwei Sorten von ›Namen‹ mit den jeweiligen Konsequenzen für den Typ der entstehenden Bedeutungstheorie. Dazu gehört dann auch die Bestimmung des Status der selbst gegenständlich aufgefaßten Hilfsmittel, etwa der Vorstellungen (und Begriffe) als psychologischer Mittel oder der Klassen (und Begriffe) als logischer Mittel. Der eigenständige Beitrag der (speziell verbalen) Zeichen selbst, den sie für die Bestimmung der bezeichneten Gegenstände spielen, ihr ›grammatischer Sinn‹, bleibt regelmäßig außerhalb der Fragestellung. Grundsätzlich wird von der Grammatik bei der Untersuchung semantischer Kompetenz nur hilfsweise Gebrauch gemacht. Nicht viel anders liegen die Verhältnisse bei der pragmatischen Kompetenz, wie sie etwa in der Sprechakttheorie zum Gegenstand wird. Es ist diese reine Hilfsfunktion der Grammatik, also der syntaktischen Kompetenz, für Untersuchungen anscheinend rein außersprachlicher Problemfelder, seien diese theoretisch mit Zeicheninhalten und Gegenstandsformen oder praktisch mit deren kausalen und intentionalen Wirkungen befaßt, die es so schwer macht, das Sprachwissen oder auch das Wissen um andere Zeichensysteme in seiner eigenständigen Rolle gegenüber einem sprachlich oder semiotisch nur vermittelten Wissen über eine innere oder eine äußere Welt – Geist und Natur – zu bestimmen.
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II Im Kosmos der Wissenschaften, wie ihn Charles Sanders Peirce konzipiert hat, ist die ›Wissenschaft von den allgemeinen Zeichengesetzen‹ als Verallgemeinerung der bei John Locke auch schon als ‘Semiotik (sgleiytijµ [t´wmg])’ bezeichneten Logik2 eine der drei normativen Disziplinen – neben Ethik und Ästhetik – und ihrerseits in drei Teile gegliedert: eine ›spekulative Grammatik‹, die für eine allgemeine Theorie von der Natur und der Bedeutung der Zeichen zu sorgen hat, eine ›Kritik‹, die sich um die Klassifikation und die Gültigkeitsfestlegungen von Argumenten kümmert, und eine ›Methodeutik‹, in der es um eine Untersuchung der Methoden für Forschung, Darstellung und Anwendung der Wahrheit geht.3 Es ist dabei wesentlich, daß die Semiotik in ihrem doppelten Status ernstgenommen wird, als eine Erfahrungswissenschaft und als eine Erkenntnistheorie. Wird empirisch verfahren, so gelten Zeichenprozesse, die ›Semiosen‹, als natürlich ablaufende Prozesse in Natur und Gesellschaft; sie werden im speziellen Fall von Prozessen des ›Informationstransfers‹ von der Teildisziplin Informationswissenschaft behandelt. Im reflexiven Verständnis der Semiotik hingegen werden die Semiosen nicht beobachtet und beschrieben, eventuell auch noch erklärt, sondern mit dem Ziel der Wissensgewinnung und der Wissensvermittlung methodisch erzeugt; sofern es dabei um wissenschaftliche Erzeugungsverfahren oder rationale Rekonstruktion geht, soll begriffliches Wissen gewonnen und vermittelt werden, im Falle künstlerischer Erzeugungsverfahren ist sinnliches Wissen und dessen Vermittlung das Ziel. Dieses reflexive Verständnis von Zeichenprozessen findet sich bereits explizit in der Stoa formuliert. Überliefert ist bei Sextus Empiricus die mittlerweile klassische Erklärung, nach der ein Zeichen (sgle?om) etwas sinnlich Gegenwärtiges ist, das dazu dient, etwas nicht Gegenwärtiges zu offenbaren (dgkoOm).4 Eine Erläuterung dazu findet sich beim selben Autor: „die offenkundigen Sachen (pqºdgka) bedürfen keines Zeichens, sie können nämlich aus sich selbst heraus erkannt werden. Aber auch die schlechthin verborgenen Sachen (%dgka) bedürfen keines Zeichens, weil sie natürlich prinzipiell nicht erkannt werden. Doch die temporär verborgenen und die natürlicherweise 2 3 4
Locke 1961, bk. IV, ch. 21, §4. Peirce 1903, p 257. Vgl. Adv. math. VIII.
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verborgenen Sachen werden durch Zeichen erkannt“.5 Die zugehörige ›semiotische Kunst‹ (sgleiytijµ t´wmg) ist eine Lehre von den Symptomen: Man erinnert sich anhand eines Zeichens daran, was bei anderer Gelegenheit mit ihm (kausal oder intentional) verknüpft auftrat. Da es bei den Sprachzeichen offensichtlich keine solche symptomatische Verknüpfung mit den Gegenständen, auf die sie sich beziehen, gibt, muß es andere Gegenstände geben, deren Symptom sie sind – andernfalls ließe sich der Zeichencharakter der Sprachzeichen bezweifeln. Damit haben die mentalen Gegenstände, als ›Ideen‹ (Platon, Locke), ›Begriffe‹ (Aristoteles, de Saussure) oder ›Vorstellungen‹ (Hegel, Wundt) Eingang in unsere Tradition gefunden, und schon die ›Eindrücke in der Seele‹ (pah¶lata t/r xuw/r) des Aristoteles6 wurden rückblickend derart gegenständlich aufgefaßt. Wieder war es die Stoa, die daraufhin ein Sprachzeichen (sgla?mom) terminologisch von einem gewöhnlichen Zeichen unterschied: Mit einem Sprachzeichen ist stets auch das von ihm implizierte ›Bedeutete‹, ein unkörperliches ›Lekton‹ – lateinisch ›dictum‹ – verfügbar, mit dessen Hilfe der Bezug zum äußeren (körperlichen) Gegenstand (tucw²mom) hergestellt wird. Seither haben Sprachzeichen eine doppelte Bedeutung: ihren Sinn und ihre über den Sinn vermittelte Referenz. Nachdem diese Lehre von Gottlob Frege auf grundsätzlich alle Sorten von Sprachzeichen verallgemeinert und bis in die jüngste Zeit faktisch kanonisiert worden war, bedurfte es großer Anstrengungen, den kritischen Einwänden, die insbesondere Ludwig Wittgenstein an dieser Stelle gegen Frege erhob – benennende Ausdrücke oder ›Nominatoren‹ haben nur eine Referenz, keinen Sinn, Aussagen hingegen haben nur einen Sinn, keine Referenz7 – , unter Bezug auf entsprechende Überlegungen auch schon in der philosophischen Tradition Gehör zu verschaffen. Bereits Peirce hatte auf einschneidende Weise die im semiotischen Dreieck veranschaulichte Dreidimensionalität der Sprachzeichen – Zeichen, ausgedrückter Sinn und bedeuteter Gegenstand – umgebildet. Diese Umbildung beruht auf der Verankerung der zweipolig, empirisch und reflexiv, organisierten Semiotik in einer entsprechend zweipolig organisierten Pragmatik. Auch Handlungen nämlich sind dadurch ausgezeichnet, daß sie einerseits als bereits gegebener Gegenstand einer Disziplin, zugleich aber auch als eines ihrer erst 5 6 7
Pyrrh. hypot. II. Vgl. De int. 16a3 – 8. Vgl. T 3.143 und 3.3.
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zu beschaffenden Hilfsmittel auftreten. Natürlich verschärft sich dadurch das Abgrenzungsproblem, weil die Semiotik sowohl mit ihrer Spezialisierung, der Linguistik, als auch mit ihrer Generalisierung, der Pragmatik, in reflexiver Einstellung – wir sprechen dann zur Verdeutlichung von Zeichenphilosophie, Sprachphilosophie und Handlungsphilosophie – das Phänomen möglichen unmittelbaren Selbstbezugs teilt. Hinzukommt, daß auf der einen Seite Linguistik bei Einschluß nicht-wortsprachlicher Zeichensysteme grundsätzlich gleichwertig mit Semiotik ausfällt, und daß auf der anderen Seite auch Pragmatik angesichts der Tatsache, grundsätzlich jede Handlung auch als Zeichenhandlung auffassen zu können, von Semiotik nicht mehr unterscheidbar zu sein scheint. Aber natürlich sollte der richtige Satz ›Jeder Gegenstand kann zum Zeichen [gemacht] werden‹ nicht unversehens in den falschen Satz ›Jeder Gegenstand ist [auch] ein Zeichen‹ umgewandelt werden, auch wenn ehrwürdige Topoi, wie zum Beispiel der vom ›Buch der Natur‹, solche Schritte zu erlauben scheinen. Noch eine weitere Unterscheidung ist allerdings zu berücksichtigen, will man die fraglichen Disziplinen im reflexiven Fall trennscharf voneinander unterscheiden, damit sich die Verankerung der Semiotik in der Pragmatik, wie sie Peirce vorgenommen hat, nicht als ein Reduktionsverfahren mißverstehen läßt. Es handelt sich um die für Kunst und Wissenschaft in gleicher Weise konstitutive Unterscheidung des Wissens in Kennen und Erkennen,8 die sich als Objektkompetenz (knowledge by acquaintance) und Metakompetenz (knowledge by description) wiedergeben läßt.9 Denn im ersten Fall geht es um die Konstitution der Objekte, ihr Kennenlernen mit dem Ergebnis eines Wissens um etwas oder ›Kennerschaft‹ – ein typischer Fall: das Erzählenkönnen. Im zweiten Fall hingegen geht es um das Beschreibenkönnen schon bekannter Objekte oder Situationen mit dem Ergebnis eines Wissens ber etwas. Natürlich sind dabei Kennen und Erkennen derart voneinander abhängig, daß Beschreibungen ›rationaler‹ Anlaß zu einer Neubestimmung der Objekte werden und Konstitutionen sich an ›empirisch‹ vorausgehenden Beschreibungen orientieren. Solange allerdings Zeichen und Gegenstand nicht als unterschieden begriffen sind, das Wissen nur vollzogen und nicht seinerseits ›gewußt‹ ist, kann auch von der 8 9
Vgl. Schlick 1918. Russell 1912, chap. 5.
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Unterscheidung zwischen Objekt- und Metakompetenz noch kein Gebrauch gemacht werden. Wir beziehen uns in diesem Fall mit Hilfe der Zeichen auf Gegenstände, ohne die Zeichen zu bemerken, wie bei einer Brille, die wir nur benutzen und dabei selbst nicht sehen. Wir haben es mit vorwissenschaftlichem und vorkünstlerischem Wissen, dem natürlichen bzw. mythischen Weltverständnis zu tun. Von Kunst und Wissenschaft kann daher erst die Rede sein, wenn die Unterscheidung zwischen Kennen und Erkennen ihrerseits thematisiert wird. Die künstlerische Tätigkeit ist Ausbildung reflektierten Kennens ganz entsprechend zur wissenschaftlichen Tätigkeit, die in der Ausbildung reflektierter Erkenntnis besteht. Reflektiertes Kennen oder Objektkompetenz zweiter Stufe zeigt sich im Kennen des Kennens und Erkennens: Im Kennen des Kennens führt man vor, daß man Gegenstände kennt. Es zählt das Zeigen dessen, was man an und mit Zeichengegenständen, den Elementen von Bildern, Musikstücken, Texten, usw., tut, und es geht nicht darum zu zeigen, was die Zeichengegenstände bezeichnen. In diesem Aspekt ist künstlerische Tätigkeit Poiesis. Führt man hingegen vor, daß man Gegenstände erkennt, also über Kenntnis des Erkennens verfügt, so handelt es sich, einen Terminus der antiken Tradition nutzend, um Mimesis. In diesem Fall geht es darum, zeigen zu können, was Zeichengegenstände bezeichnen, man denke etwa an ein Portrait. Im engeren Sinne allerdings sprechen wir von künstlerischer Tätigkeit nur insoweit, als Mimesis allein durch Poiesis erreicht wird. Dann nämlich wird mit Mitteln der Syntax des Zeichensystems, das dabei selbst erst in einem gewissen Maß bereitzustellen ist und nur im Grenzfall der Tradition einfach entnommen wird, das Bezeichnete bestimmt. Dazu mehr im nächsten Abschnitt. An dieser Stelle nur so viel, daß es bei künstlerischer Tätigkeit um operationales Zeichenwissen, eine nicht auf das verbale Medium beschränkte ›grammatische‹ Kompetenz geht, deren Ergebnisse, die künstlerisch gewonnenen Orientierungsleistungen, ein durch Poiesis erzeugtes symptomatisches Weltwissen bilden. Betrachtet man den anderen Fall der Metakompetenz zweiter Stufe oder reflektierter Erkenntnis, so kann man die beiden Aspekte eines Erkennens des Kennens und eines Erkennens des Erkennens ebenfalls bereits in einer Unterscheidung der Tradition wiederfinden. Es handelt sich um die beiden im Anschluß an eine bis in die Antike zurückreichende Tradition von Gottfried Wilhelm Leibniz erörterten ›artes‹, die ›ars inveniendi‹ und die ›ars iudicandi‹, die wir heute als Wissenschaft im
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Aspekt der Forschung und als Wissenschaft im Aspekt der Darstellung auseinanderhalten.10 Das Kennen erkennen und damit beschreiben können, ist offensichtlich nichts anderes, als in der Lage sein, das Wissen vom Kennenlernen der Gegenstände auszuarbeiten: Es geht um die Verfahren, Zeichen für Bezeichnetes in ihren Zusammenhängen zu entwickeln, im Fall verbalsprachlicher Ausdrücke also um die Bestimmung von deren referentieller Funktion. Soll hingegen das Beschreibenkönnen erkannt, also beschrieben werden können, so geht es um die Darstellung der Aussagezusammenhänge, weil es die prädikativen Ausdrücke sind, die als Beschreibungsmittel (auf beiden Stufen) auftreten. Auch hier ist es ein engeres Verständnis vom wissenschaftlichen Charakter der zu reflektierter Erkenntnis führenden Tätigkeit, das sich durch eine den Zusammenhang von Mimesis und Poiesis im Falle künstlerischer Tätigkeit spiegelnde Bedingung an den Zusammenhang von Forschung und Darstellung bei wissenschaftlicher Tätigkeit charakterisieren läßt: Darstellung darf nur auf Forschung beruhen. Etwas genauer können wir sagen: Wir nennen das handelnd und zeichenhandelnd erworbene Wissen nur insoweit wissenschaftlich, als die Darstellung der Aussagezusammenhänge über Gegenstände, d.i. die Theoriebildung, allein von der Forschung abhängt, also von den Verfahren, Bezeichnungen für die Gegenstände zu entwickeln, über die etwas ausgesagt wird. In der wissenschaftlichen Tätigkeit geht es um propositionales Zeichenwissen, das auf eine Referenzsemantik angewiesen ist und daher nicht allein auf eine grammatische Kompetenz gegründet werden kann. Der künstlerische Weg ist ein Weg vom Zeichen (= bezeichnenden Gegenstand) zum Gegenstand (= bezeichneten Gegenstand), während der wissenschaftliche Weg ein Weg vom bezeichneten Gegenstand zum bezeichnenden Gegenstand ist: Die wissenschaftlich gewonnenen Orientierungsleistungen sind durch Forschung fundiertes symbolisches Weltwissen. Die innerhalb der Wissenschaft vorgenommene Unterscheidung von ontologisch orientierter Forschung und epistemologisch orientierter Darstellung erlaubt es nun, die reflexiv vorgehenden Wissenschaften Sprachphilosophie, Zeichenphilosophie und Handlungsphilosophie auf folgende Weise voneinander zu sondern: In der Sprachphilosophie sind Zeichen zugleich Mittel und Gegenstand der Darstellung – über sie als Gegenstände werden Sätze bewiesen. In sprachphilosophischer For10 Vgl. dazu Lorenz 1979.
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schung hingegen treten sie nur als Gegenstand auf und nicht als Mittel. Genau umgekehrt sind in der Handlungsphilosophie Handlungen zugleich Gegenstand und Mittel der Forschung – sie werden als Gegenstände beschafft – , hingegen spielen sie in der Darstellung nur als Gegenstand, nicht jedoch als Mittel eine Rolle. Allein in der Zeichenphilosophie, also einer reflexiv vorgehenden Semiotik, sind Zeichen und Zeichenprozesse stets zugleich Gegenstand und Mittel sowohl der Forschung als auch der Darstellung. Mit dieser Vorbereitung läßt sich die Umbildung des semiotischen Dreiecks bei Peirce, die auf der Verankerung der Semiotik in einer Pragmatik beruht und in gewisser Weise die beiden gegenläufigen Antworten auf Lockes Sprach- und Zeichenlehre im Essay Concerning Human Understanding bei Leibniz (Nouveaux Essais sur l’Entendement Humain) und bei Étienne B. de Condillac (Essai sur l’Origine des Connoissances Humaines) miteinander zu vereinigen vermag, angemessen würdigen. Als erstes erweitert Peirce das semiotische Dreieck – statt ‘Zeichen’ steht meist ‘representamen’, statt ‘ausgedrückter Sinn’ im allgemeinen ‘interpretant’ und statt ‘bedeuteter Gegenstand’ steht ‘object’ – um Sprecher und Hörer: „signs require at least two quasi-minds, a quasi-utterer and a quasi-interpreter; and although these two are at one (i. e. are one mind [d.i. das allgemeine, dialogisch und nicht monologisch konstituierte Subjekt, K. L.]) in the sign itself, they must nevertheless be distinct. In the sign they are, so to say, welded“;11 dazu ergänzend: „a sign is a representamen of which some interpretant is a cognition of a mind“.12 Noch weiter ergänzend sollte hinzugefügt werden, daß in einer differenzierteren Ausdrucksweise von Peirce das Representamen den Interpretanten reprsentiert und so auf das Objekt referiert, nämlich in einer Hinsicht (respect), also einem schematischen Aspekt des Objekts, das Objekt als etwas, z. B. einen Menschen. Hier ist also bereits klar zum Ausdruck gebracht, daß Zeichen und Gegenstand derart miteinander verbunden sind, daß ein Zeichen, also etwa ein (Allgemein-) Name (nomen appellativum), als schematischer Zug, ein Zeichenschema also, an einem individuellen Gegenstand, diesen schematisierend, behandelt wird: Die Beziehung zwischen Sprache und Welt ist eine interne und keine externe zwischen zwei vorab bereitliegenden individuellen Gegenständen wie bei gewöhnlichen Relationen. 11 CP 4.551. 12 CP 2.242.
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Als zweites bettet Peirce das semiotische Dreieck derart in einen offenen Zeichenprozeß ein, daß der Interpretant jeweils selbst wieder ein Zeichen mit einem weiteren Interpretanten in Bezug auf dasselbe Objekt wird: „a sign or representamen […] stands in such a genuine triadic relation to […] its object, as to be capable of determining […] its interpretant to assume the same triadic relation to its object in which it stands itself to the same object“.13 Die so generierte Interpretantensequenz kann als wachsendes Verständnis des Objekts kraft immer differenzierter Bestimmungen gelesen werden. Dabei darf man nicht vergessen, daß wegen des dialogisch konstituierten Subjekts der Durchgang durch immer wieder (begrifflich, nicht empirisch) neue Zeichenverwender vorgesehen ist. Das immer differenzierter bezeichnete Objekt wird auf diesem Wege erst konstituiert. Endgültige Klarheit über die Verankerung eines Zeichens in einem Handlungszusammenhang, die, umgekehrt gelesen, die Darstellung des Loslösungsprozesses eines Zeichens von seinem Gegenstand ist, gewinnt man aus dem späten Aufsatz Meaning von 1910. In ihm findet sich die Beschreibung einer erklärenden Sequenz von Interpretanten, die in umgekehrter Richtung eine genetische Sequenz bildet: If a Sign is other than its Object there must exist, either in thought or in expression some explication or argument or other context, showing how – upon what system or for what reason the Sign represents the Object or set of Objects that it does. Now the Sign and the Explanation together make up another Sign and since the Explanation will be a Sign it will probably require an additional Explanation which taken together with the already enlarged Sign will make up a still larger Sign; and proceeding in the same way, we shall, or should, ultimately reach a Sign of itself, containing its own Explanation and those of all its significant parts; and according to this Explanation each such part has some other part as its Object. According to this every Sign has, actually or virtually, what we may call a precept of Explanation, according to which it is to be understood as a sort of emanation, so to speak, of its Object.14
Die absteigende Interpretantensequenz endet bei Peirce ausdrücklich bei einem letzten Interpretanten (ultimate logical interpretant),15 der kein mentales Zeichen mehr ist. Er wird als ›habit-change‹ bestimmt, worunter der Erwerb einer zuvor nicht verfügbaren Handlungskompetenz zu verstehen ist, die daher zugleich eine Gegenstandsrolle und 13 CP 2.274. 14 CP 2.230. 15 CP 5.476.
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eine Zeichenrolle spielt. In ihr sind alle Umgangsweisen mit dem Gegenstand in der Hinsicht, in der ihn das Zeichen bezeichnet, zusammengefaßt. Damit wird die Pragmatische Maxime eingelöst, nach der die Bedeutungsbestimmung eines sprachlichen Ausdrucks mit handlungstheoretischen Mitteln vorzunehmen ist. Und das ist auch möglich, weil jede Handlung unter Bezug auf das dialogisch konstituierte Subjekt im aneignenden Ausführen (Ich-Rolle) über einen pragmatischen Anteil und im distanzierenden Anführen, z. B. sie beobachtend (Du-Rolle), über einen semiotischen Anteil verfügt. Man kann sagen, daß die Bedeutung eines Sprachzeichens letztlich in einem Bereich von Handlungsmöglichkeiten mit dem bezeichneten Gegenstand besteht. Um das berühmte Beispiel von Peirce aus seinem frühen Aufsatz How to Make Our Ideas Clear zu nehmen:16 Das Sprachzeichen ‘hart’ referiert auf einen Diamanten in der Hinsicht Härte und bezeichnet als letzten Interpretanten das Schema der härterelevanten Handlungsmöglichkeiten mit einem Diamanten.
III Das Programm von Peirce zeigt den Weg vom Gegenstand zum Zeichen, wie ihn die Wissenschaften beschreiten. Ihm lassen sich auch wichtige Gesichtspunkte für den umgekehrten Weg der Künste vom Zeichen zum Gegenstand entnehmen. Beginnt man wie Peirce mit dem Erwerb von Handlungskompetenzen unter Bezug auf ein dialogisch konstituiertes Subjekt, so läßt sich daraus das Modell einer dialogischen Elementarsituation ableiten, das als Darstellung dafür auftritt, wie Handlungen sich zugleich als (einfache) Gegenstände und als (einfache) Zeichen zur Verfügung stellen lassen: Handlungen werden in Ich-Rolle ausgeführt und in Du-Rolle angeführt. In Ausführungsperspektive liegt die Handlung pragmatisch (angeeignet) vor, in Anführungsperspektive semiotisch (distanziert). Gegenständlich ist in diesem elementaren Verständnis nur der Vollzug: Die Handlung ist in Gestalt einer Aktualisierung ›vorhanden‹, allerdings noch nicht als etwas ›Gegenüberstehendes‹; in Gestalt ihres Schemas wiederum ist sie ›verstanden‹, aber auch hier heißt dies noch nicht, daß es ein Zeichen von etwas Bezeichnetem gibt. Erst dadurch, daß in einem Iterationsprozeß durch 16 CP 5.388 – 5.410.
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Selbstanwendung, was als Befolgen eines Prinzips der ›Selbstähnlichkeit‹ verstanden werden kann, die beiden dialogischen Perspektiven in eigenständige Handlungen überführt werden, die dann ihrerseits beiden Perspektiven unterworfen sind, lassen sich nacheinander die für den Weg zur Sprache erforderlichen Verfeinerungen in die Modellbildung einbringen. Es ist hier nicht der Ort, die Einzelheiten dieses Verfahrens darzustellen.17 Stattdessen sollen Grundzüge der Anwendung dieses Modells auseinandergesetzt werden. Es geht dann um die Überführung des dargestellten Erwerbs einer Handlungskompetenz in ein (rationales) Hilfsmittel der Forschung und damit des Kennenlernens der (empirisch) bereitliegenden individuellen Gegenstände, der Partikularia. Nur so auch lassen sich die Schritte der Modellentwicklung motivieren, die dann ihrerseits Neues für die Anwendung des Modells liefern. Dialogische Konstruktion und phänomenologische Reduktion bleiben aufeinander angewiesen. Die beiden dialogischen Perspektiven einer Handlung lassen sich auf der Seite der Ausführung als ihr pragmatischer Zweig und auf der Seite der Anführung als ihr semiotischer Zweig entwickeln. Singulares Aktualisieren in der Ausführung und universales Schematisieren in der Anführung sind nicht Gegenstände sondern Verfahren, mit deren Hilfe Gegenstände einerseits angeeignet und andererseits distanziert, also ganz wörtlich ›vergegenständlicht‹ werden. Dabei führt die Aneignung in der phänomenologischen Reduktion zu einer ›Auflösung‹ des für ›sinnlich gegeben‹ gehalte nen Partikulare auf dem Wege von Ausführungen des Umgehens mit ihm, deren Schematisierungen als Formen hergestellter Teile des Partikulare auftreten; in der dialogischen Konstruktion wird dabei das aus ›allen seinen Teilen‹ als ein Ganzes, die ›Vereinigung‹ seiner Teile, für erzeugt gehaltene Partikulare durch aktive Teilhabe, seine ›Pragmatisierung‹, wiedergewonnen: Das Partikulare als ein Ganzes ist ausschließlich in Gestalt von Aktualisierungen, also ein Ausführen der pragmatischen Seite des Umgehens mit ihm, ›symptomatisch vorhanden‹. Auf der anderen Seite führt die Distanzierung in der dialogischen Konstruktion zu einer ›Einwicklung‹ des für ›gedanklich erfaßt‹ gehaltenen Partikulare in die Gestalt von Anführungen des Umgehens mit ihm, deren Aktualisierungen als Instanzen wahrge17 Vgl. dazu andere Aufsätze in diesem Band, neben der Frühfassung Artikulation und Prdikation insbes. Rede zwischen Aktion und Kognition sowie Sinnbestimmung und Geltungssicherung.
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nommener Eigenschaften des Partikulare auftreten; in der phänomenologischen Reduktion wiederum wird dabei das durch ›alle seine Eigenschaften‹ für bestimmt gehaltene Partikulare in passivem Gegenüberstehen wegen seiner ›Semiotisierung‹ als eine Invariante, der ›Durchschnitt‹ seiner Eigenschaften, begriffen: Das Partikulare als eine Invariante ist ausschließlich in Gestalt von Schematisierungen, also ein Anführen der semiotischen Seite des Umgehens mit ihm, ›symbolisch verstanden‹. Die für sinnlich gegeben und gedanklich erfaßt gehaltenen Partikularia, die Gegenstände der Erfahrung also im Sinne einer seit Kant vertrauten philosophischen Tradition, treten in dieser pragmatisch-semiotischen Rekonstruktion am Leitfaden vor allem der Ideen von Peirce zum einen als Gegenstände auf, die aus einem Ganzen ihrer Teile und einer Invariante ihrer Eigenschaften, ›Stoff‹ und ›Form‹ in aristotelischer Terminologie, bestehen. Zum anderen aber sind sie im Teilhaben und Gegenüberstehen kraft Aneignung und Distanzierung auch in Verfahren verwandelt: Sie sind sowohl symptomatisch als auch symbolisch zugänglich. Dabei wird der symbolische Zugang traditionell als ein zugleich auch symptomatischer Zugang zu eigenständigen mentalen Gegenständen aufgefaßt, die den Partikularia, als deren ›Vorstellungen‹ oder ›Ideen‹ etwa, entsprechen. Der symptomatische Zugang wiederum wird auch als ein symbolischer verstanden, aber in diesem Fall zu eigenständigen mentalen Gegenständen, die nicht kognitiver sondern volitiver Art sind, den ›Intentionen‹ oder ›Wünschen‹. Zur genaueren Bestimmung der Unterscheidung zwischen symptomatischer und symbolischer Zugänglichkeit und damit dann auch symptomatischen und symbolischen Wissens in seinen verfahrensbezogenen Hochstilisierungen in Kunst und Wissenschaft, wobei wissenschaftliche Darstellung von Kunst und künstlerische Poiesis von Wissenschaft durchaus dazugehören, bedarf es noch der Aufmerksamkeit auf einige weitere Schritte in der Entwicklung der beiden dialogischen Perspektiven von Handlungen. Die Vergegenständlichung des Ausführens und damit seine Verselbständigung in eigenständigen Handlungen, deren Vielfalt zur pragmatischen Binnengliederung eines Partikulare in Phasen führt und gleichgültig, ob das Partikulare dabei als eine Dingeinheit, eine Ereigniseinheit oder auch eine Handlungseinheit bestimmt ist, verlangt erneut die Unterscheidung in eine aneignend pragmatische und eine distanzierend semiotische Seite dieser (inneren) Gliederungshandlun-
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gen. Sie lassen sich auf der Ausführungsseite, wiederum vergegenständlicht, als Hervorbringungen und auf der Anführungsseite, ebenfalls vergegenständlicht, als Teilhandlungen (oder praktische Vermittlungen) auffassen. Ganz entsprechend führt die Vergegenständlichung des Anführens in eigenständigen Handlungen zu einer Vielfalt semiotischer Außengliederung eines Partikulare in Aspekte. Jede zur (äußeren) Gliederung des Partikulare gehörige Aspektehandlung erscheint dabei auf der aneignend pragmatischen Seite, wird sie ihrerseits vergegenständlicht, als eine Zeichenhandlung (oder, der theoretischen Vermittlung dienende, Artikulation) und auf der distanzierend semiotischen Seite, wiederum vergegenständlicht, als eine Wahrnehmung. Entscheidend aber ist auf dieser Stufe, daß Teilhandlungen als Semiotisierung einer Pragmatisierung und Zeichenhandlungen als Pragmatisierung einer Semiotisierung ihre Rolle tauschen können, so daß in einem weiteren Sinn zu den Zeichenhandlungen auch die Teilhandlungen und in einem weiteren Sinn zu den Teilhandlungen auch die Zeichenhandlungen zu zählen sind. In der Darstellung dieses Verfahrens nämlich läßt sich nachweisen, daß jede Teilbestimmung eines Partikulare in eine Eigenschaftsbestimmung desselben Partikulare überführbar ist und umgekehrt; zum Beispiel gehört zum Kopf als einem Teil eines Menschen seine Eigenschaft Kopfhaben und zur Eigenschaft Blondsein des Haars das Ganze aus den Blondinstanzen dieses Haars als ein (Farb-)Teil des Haars.18 Es ist dieser weitere, Teilhandlungen und Zeichenhandlungen im engeren Sinne einschließende Bereich, über den in einem gewissen Umfang zu verfügen (einfache) Objektkompetenz ausmacht. Die Zeichenhandlungen oder Teilhandlungen in Bezug auf die derart in Aspekte und Phasen gegliederten Partikularia übernehmen im Unterschied zu gewöhnlichen Handlungen, die nicht in größere Zusammenhänge eingebettet sind, was sie ersichtlich auch als Aspektierung des größeren Zusammenhangs aufzufassen erlauben würde, eine Kommunikationsfunktion. Sie haben noch keine Signifikationsfunktion, weder eine symbolische wie bei der sprachlichen Verkörperung begrifflichen Denkens noch eine symptomatische wie bei der sprachlichen Verkörperung sinnlichen Denkens. Natürlich ist hier auch mit sprachlichen Verkörperungen in Zeichensystemen zu rechnen, die in einem anderen als dem verbalen Medium realisiert sind. Jedoch ist es keineswegs so, daß verbalsprachliche Zeichenhandlungen grundsätzlich als Verkörperungen 18 Vgl. dazu Lorenz 1977.
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begrifflichen Denkens zu gelten hätten, Poesie etwa als eine Gestalt ›sinnlichen‹ Denkens genauso wie Malerei, Musik oder Tanz wären ausgeschlossen. Ausübung von Objektkompetenz dient deshalb allein der Kommunikation und noch nicht der Signifikation, weil es auf dieser Ebene erst um das Kennenlernen der Objekte mit Hilfe ihrer Bestimmungsstücke, der Teile und der Eigenschaften, geht; sie sind noch nicht unabhängig von Ausführung und Anführung der beteiligten Teilhandlungen und Zeichenhandlungen derart fixiert, daß auf ›dieselben‹ Objekte bei anderer Gelegenheit, etwa um sie genauer zu beschreiben, zurückgegriffen werden könnte. Und genau deshalb, weil dieses Kennenlernen in einer dialogischen Situation des Anführens und Ausführens der Teil- und Zeichenhandlungen stattfindet, befinden wir uns in einer Kommunikationssituation. Da unter Bezug auf Teilhandlungen diese Kommunikation ›praktisch‹ ist, haben wir auch von praktischen Vermittlungen gesprochen, deren Ausführung ein (praktisches) Lehren und Lernen (der Formen) der Teile ist. Unter Bezug auf Zeichenhandlungen ist diese Kommunikation ›theoretisch‹, so daß es angemessen ist, die Zeichenhandlungen Artikulationen oder theoretische Vermittlungen zu nennen; sie sind in ihrer Anführung ein (theoretisches) Lehren und Lernen (der Inhalte) der Zeichen. Einfache Artikulationen im weiteren Sinn, also unter Einschluß der einfachen praktischen Vermittlungen, als Verselbständigung der pragmatischen Seite der (verselbständigten) Schematisierung im Verbund mit der verselbständigten semiotischen Seite der (verselbständigten) Aktualisierung können also verbal, piktoral, gestisch oder anders auftreten und sind auf der pragmatischen Seite begleitet von (aktiven) Hervorbringungen, auf der semiotischen Seite von (passiven) Wahrnehmungen. Im Wechselspiel von Teilhabe am Gegenstand und einem ihm Gegenüberstehen im Prozeß des Konstituiertwerdens und Sichkonstituierens (des Gegenstands) durch einfache Artikulationen im weiteren Sinn in Begleitung von Hervorbringungen und Wahrnehmungen wird auch magischer Zeichengebrauch begreifbar: Die Ablösung des Gegenstands vom Handlungskontext der einfachen Artikulationen ist noch nicht geschehen. Dazu bedarf es des entscheidenden weiteren Schritts von der einfachen Artikulation oder theoretischen Vermittlung zur symbolischen Artikulation, dem ›knowing-that‹ oder begrifflich organisierten, d. h. allgemein verfügbaren Wissen, und der einfachen praktischen Vermittlung zur komprehensiven Vermittlung, dem ›knowing-how‹ oder methodisch aufge-
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bauten, d. h. lehr- und lernbaren Können. Dabei wird die symbolische Artikulation ihrerseits in sprachlich-symbolischem Können angeeignet und die komprehensive Vermittlung in sinnlich-symptomatischem Wissen distanziert. Der Übergang von der einfachen Artikulation zur symbolischen Artikulation kommt dadurch zustande, daß eine besondere einfache Artikulation mit der begleitenden Wahrnehmung, in der Regel das verbale Zeichenhandeln, als Aspekt die Funktion übernimmt, beliebige andere Aspekte zu vertreten, die in Wahrnehmungen erfahren werden. Auf diese Weise erst werden die artikulierten Objekte zu Invarianten der semiotischen Seite ihrer Aspekte, d. h. zu Objekten der Wahrnehmung als gemeinsamer ›Kern‹ aller (schematischen) Eigenschaften. Mit Übersetzungsregeln zwischen den verschiedenen einfachen, von Wahrnehmungen begleiteten Artikulationen, also sprachlichen Ausdrücken oder ›Artikulatoren‹, Gesten, Bildern usw., läßt sich die normalerweise von (verbalen) Artikulatoren übernommene Vertretungsfunktion ihrerseits artikulieren und für die (logische) Begriffsbildung nutzen. Mit der symbolischen Artikulation ist die Ebene der Metakompetenz erreicht: Die Artikulatoren haben einen gegenstandsbeschreibenden Charakter und verkörpern symbolisches Weltwissen. Wer sie verwendet, unterstellt die Verfügbarkeit (im Sinne der Übersetzungsregeln) ›gleichwertiger‹ Aspekte, etwa Anführungen mit den Augen – pragmatisch zum Beispiel als Zeichnung und semiotisch als (etwas) Sehen – oder mit anderen Artikulatoren im Verbund mit derselben (Art) Wahrnehmung oder einer verschiedenartigen Wahrnehmung, oder noch anders. Die symbolischen Artikulationen sind es auch, die häufig den Ausgangspunkt der Überlegungen in (empirischer) Linguistik und (reflexiver) Sprachphilosophie bilden, obgleich für das Verständnis gerade der Umgangssprache, aber auch ihrer Fortsetzungen in Fachsprachen, speziell den Wissenschaftssprachen, der ständig auftretende Wechsel zwischen einfacher und symbolischer Artikulation eine wichtige Rolle spielt. Dieser Wechsel wird zum Beispiel in dem von der hermeneutischen Methode bestimmten Nachdenken über Sprache dazu benutzt,19 unter dem Titel der ›welterschließenden Kraft der Sprache‹ die hermeneutische Sprachanalyse häufig gegen die von der logischen Sprachanalyse beherrschten Sprachtheorien auszuspielen. 19 Paradigmatisch in Gadamer 1960.
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Der Übergang von einfacher praktischer Vermittlung zu komprehensiver Vermittlung nun beruht auf der Übernahme nicht einer deskriptiven Funktion, sondern einer normativen: Mit einer beliebigen Phase, deren semiotische Seite in der einfachen praktischen Vermittlung besteht, wird der Anspruch verbunden, beliebige andere Phasen, die in Hervorbringungen zustandegebracht werden, sukzessive zu integrieren. Auf diese Weise werden die vermittelten Objekte zu Ganzheiten der pragmatischen Seite der Phasen, d. h. zu hervorgebrachten Objekten als ›Hülle‹ aller Aktualisierungen von Phasen, die zu Schematisierungen der Phasen in Gestalt der (Formen der) Teile gehören. Mit Aufbauregeln für die verschiedenen, von Hervorbringungen begleiteten einfachen Teilhandlungen oder Vermittlungen läßt sich diese Erzeugung einer immer differenzierteren Binnengliederung des vermittelten Objekts ihrerseits vermitteln. Mit der komprehensiven Vermittlung ist die Ebene eines methodisch aufgebauten Könnens erreicht, die zur Unterscheidung von der Metakompetenz symbolischer Artikulation, auf der es möglich ist, Gegenstände zu beschreiben, die Ebene der ›Parakompetenz‹ heißen soll. Die Parakompetenz macht es möglich, Gegenstände aus Gegenständen, diese in dessen Teile verwandelnd, aufzubauen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, daß die einzelnen Gegenstände, die Partikularia, stets vom Kern der semiotischen Seite der Aspekte zusammen mit der Hülle der pragmatischen Seite der Phasen gebildet sind: Form als eine Invariante und Stoff als ein Ganzes. Die Metakompetenz symbolischer Artikulation ist ausschließlich formbezogen, die Parakompetenz komprehensiver Vermittlung hingegen ausschließlich stoffbezogen. Durch Darstellung der Parakompetenz schließlich, ihre Artikulation in einem geeigneten Zeichensystem, zum Beispiel verbalsprachlich, gewinnen wir eine Verkörperung symptomatischen Weltwissens. Wenn in der üblichen Behandlung (verbaler) symbolischer Artikulationen als einfachstem Fall (verbaler) Sprachhandlungen die Unterscheidung zwischen ›type‹ und ›token‹ gemacht wird, so handelt es sich nicht um einen Fall der ‘universal-singular’-Unterscheidung. Vielmehr handelt es sich bei den Äußerungen, den ›tokens‹, jeweils um individuelle Einheiten, die als Partikularia auf der Zeichenebene zu den Ereignissen gehören und als Artefakte produziert werden. Sie werden jedoch ihrerseits unter einem zweifach schematischen Gesichtspunkt von Sprecher und Hörer ›verstanden‹, also im Modell des Sprachhandlungskompetenzerwerbs angeführt: als Instanz eines Sprachhandlungstyps zur Artikulation eines schematischen Zugs, d.i. eines Aspekts,
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eines Partikulare. Nur mit der Übernahme dieser Rolle wird ein Partikulare der Zeichenebene tatsächlich zu einem Zeichen, also zu einem ausschließlich schematisch fungierenden Gegenstand, der zur Artikulation schematischer Züge beliebiger Gegenstände dienen kann. Dadurch, daß sich die semiotische Seite des Umgangs mit Gegenständen ihrerseits aktiv-pragmatisch in einer verbalen, piktoralen, gestischen oder anders realisierten Artikulation und passiv-semiotisch in einer mentalen, optischen, kinetischen oder anders den Gegenstand auffassenden Wahrnehmung ausdifferenziert, verschwindet auch das seit den Anfängen des Nachdenkens über Sprache wie ein Vexierbild auftretende Problem, den Zusammenhang von Sprache und Welt oder aber von Denken und Sprechen angemessen zu artikulieren. Einerseits scheint Sprache mit der ihr durch das Denken zukommenden Kraft der Erfindung die Welt zu verhüllen, andererseits jedoch scheint ohne Sprache die durch sie erst zugänglich gemachte Welt zu einer bloßen Chimäre des Gedankens zu verblassen. Die ontologische Frage nach den Gegenständen und die epistemologische Frage nach dem Zugang zu ihnen sind spätestens seit Willard V. O. Quine mit dem von ihm skizzierten Programm einer ›Naturalisierung der Sprache‹ und dem von Ernst Cassirer komplementär dazu entwickelten Programm einer ›Symbolisierung der Welt‹ als korrelativ und dadurch nur gleichzeitig lösbar begriffen. Die beiden Hauptfragen einer das Verhältnis von Sprache und Welt thematisierenden philosophischen Semantik, die ontologische ›Was sind Bedeutungen?‹ und die epistemologische ›Wie bedeuten Zeichen [etwas]?’, müssen daher ebenfalls im Verbund behandelt werden. Das geschieht im Rahmen einer Frage nach der Relation zwischen ›Namen‹ und ›Sachen‹, für deren Beantwortung es im wesentlichen drei Optionen gibt: (1) Namen werden wie Sachen behandelt, die Zeichen also mit den partikularen Zeichenträgern identifiziert, so daß in derart ›realistischen‹ Semantiken die Bedeutungsrelation eine externe Relation zwischen Individuen zweier Gegenstandssorten ist (gegebenenfalls wird nur die davon induzierte Relation zwischen den jeweiligen Zeichentypen und Gegenstandstypen – letztere intensional als Schema oder extensional als Klasse – für relevant erachtet); (2) Sachen werden wie Namen behandelt, treten also in Gestalt ihrer mentalen Repräsentationen auf, was ebenfalls eine externe Bedeutungsrelation zur Folge hat, aber in diesem Fall ›mentalistischer‹ Semantiken zwischen Individuen zweier Zeichensorten oder gleich zwischen deren Typen. Die Probleme beider Ansätze und auch von deren Verknüpfung in der kanonischen Fassung
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von der doppelten Bedeutung sprachlicher Ausdrücke sind bekannt. Was bleibt ist die Option: (3) Namen werden von vornherein als (universale) Züge an individuellen Gegenständen, wie sie durch schematisierenden Umgang mit ihnen gewonnen werden, und Sachen als zugänglich in (singular) aneignenden Aktualisierungen eines Umgangs mit ihnen behandelt. Bei dieser Option, die dem skizzierten Modell dialogischen Handlungskompetenzerwerbs zugrundeliegt, geht es bereits auf beiden Seiten, der Namenseite und der Sachenseite, um den Zusammenhang von Zeichen und Bezeichnetem: auf der Namenseite in der Bewegung vom bloß unterstellten Zeichen zum gegenstandsbezogenen Zeichen und auf der Sachenseite vom bloß unterstellten Gegenstand zum bezeichneten Gegenstand. Die Bedeutungsrelation ist eine interne, weil jeweils eines der Relata vom anderen durch die Relation erst aufgebaut wird. Die beiden Bewegungen, vom Zeichen zum Gegenstand (des Zeichens) und vom Gegenstand zum Zeichen (für den Gegenstand), liegen in der Artikulation verknüpft vor, wenn man sich ihre beiden Seiten klar vor Augen führt. Die pragmatische Seite einer (verbalen) Artikulation findet sich in ihrem ihrerseits pragmatischen Zweig als Sprechen oder Schreiben wieder, in ihrem semiotischen Zweig hingegen als Hören oder Lesen. Die semiotische Seite einer (verbalen) Artikulation wiederum ist pragmatisch Kommunikation – etwas [aus]sagen – und semiotisch Signifikation – etwas [be]nennen – , wobei die Kommunikation als Prädikation in einem Modus, d. h. als Satz, und die Signifikation als Ostension in einer Gegebenheitsweise, d. h. als Wort, auftritt. Solange allerdings keine grammatisch realisierte Trennung der Satzrolle und der Wortrolle vorliegt und damit in der Artikulation das, wovon etwas gesagt wird, und das, womit etwas gesagt wird, stets zugleich auftreten, läßt sich allein grammatisch bestimmtes Sprachwissen aus dem symptomatischen oder symbolischen Weltwissen nicht herauslösen. Ein in vielen Sprachen verwendetes grammatischen Hilfsmittel, Wort-und Satzrolle eines Artikulators zu unterscheiden, ist die Aufspaltung der semiotischen Seite eines Artikulators in einen ›Nominator‹ mit rein benennender Funktion und einen ›Prädikator‹ mit rein aussagender Funktion unter Verwendung der beiden jeweils eine der beiden Funktionen löschenden Operatoren ›Demonstrator‹ (‘dies’) und ›Kopula‹, z. B. ‘dies Haus’ versus ‘dies ist ein Haus’.
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In der kanonischen, mit einer doppelten Bedeutung, Sinn und Referenz, für alle sprachlichen Ausdrücke arbeitenden Semantik, ergibt sich die Konsequenz, daß für Nominatoren ein in ihnen explizit oder implizit vorkommender prädikativer Ausdruck für die Bestimmung des Sinnes und damit für das sprachbezogene Verstehen eines Nominators verantwortlich ist – man weiß, ›womit‹ benannt wird. Das weltbezogene Verstehen allerdings – ›wovon‹ die Rede ist – hängt davon ab, ob man auch den Gegenstand kennt, dem der prädikative Ausdruck zukommt. Dabei bezieht sich das sprachbezogene Verstehen stets auf den Nominatorentyp, während sich das weltbezogene Verstehen von Äußerung zu Äußerung desselben Nominators ändern kann, z. B. bei Indikatoren wie ‘hier’ oder deiktischen Kennzeichnungen wie ‘dies Haus’. Auch Aussagen sind in der kanonischen Semantik Nominatoren, deren Sinn bei Frege als Gedanke bezeichnet wird und das sprachbezogene Verstehen der Aussage regiert. Der Gedanke wird benötigt, um die weltbezogene Geltung oder Nicht-Geltung der Aussage und damit ihre Referenz, nämlich ihren Wahrheitswert, in Gestalt einer Beurteilung des Gedankens feststellen zu können. Prädikatoren werden als Ausdrücke für Aussagefunktionen aufgefaßt, deren Werte Sinn oder Referenz einer Aussage sein sollen. Zu diesem Zweck müssen die Aussagefunktionen einerseits sinnbezogen oder ›intensional‹ und andererseits referenzbezogen oder ›extensional‹ bestimmt werden. Diese Forderung läßt sich durch Abstraktion in Bezug auf zwei verschiedene Äquivalenzrelationen zwischen prädikativen Ausdrücken erfüllen: die weder rational-logische noch empirisch-psychologische sondern grammatische Relation der Synonymie im intensionalen Fall und die empirische Relation der generellen (materialen) Äquivalenz im extensionalen Fall. Als Sinn der Prädikatoren erhält man die Begriffe und als ihre Referenz die Klassen. Läßt sich die Geltungsfrage für eine Aussage begrifflich beantworten, weil nur vom sprachbezogenen Verstehen des Nominators Gebrauch gemacht wird (z. B. ›Pegasus ist ein geflügeltes Pferd‹), so liegt ein Fall reinen Sprachwissens vor, wird auch das weltbezogene Verstehen des Nominators benötigt (z. B. ›dieses Pferd ist ein Schimmel‹), so erhalten wir Weltwissen. Symbolisches und symptomatisches Weltwissen wiederum läßt sich daran unterscheiden, daß wir es im symbolischen Fall mit einer Aussage zu tun haben, bei der (im einstelligen Fall) ein Partikulare als ein Ganzes der Träger einer Eigenschaft ist, z. B. ‘dies ist braun’ zu lesen etwa als ‘dieser [Zweig-Stoff, den ich, ihn durch Aktualisierung eines Umgehens mit ihm aneignend, hervorbringe] ist ein (stofflicher) Träger der Ei-
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genschaft Braunsein’; im symptomatischen Fall hingegen beruht dieselbe Aussage auf dem Anzeigen von Braun als einem Ganzen – also der ›Substanz‹ Braun in traditioneller Terminologie – an einem Partikulare als einer Invariante, wiederum etwa einem Zweig, also: ‘diese [ZweigForm, die ich, mich durch Schematisierung eines Umgehens mit ihm distanzierend, wahrnehme] ist eine Erscheinung der Substanz Braun’. Die Möglichkeit von Prädikation und Ostension beruht darauf, daß sich die (inneren) Phasen eines Partikulare durch Attribution einer Eigenschaft und seine (äußeren) Aspekte durch Ausstattung mit einem Teil wiedergeben lassen.
IV Wendet man diese Überlegungen abschließend auf den besonderen Fall künstlerischer und wissenschaftlicher Tätigkeit an, so ergibt sich das folgende Bild. In der dritten behandelten Option der Bedeutungsrelation sind Sachen in singular aneignenden Aktualisierungen eines Umgangs mit ihnen zugänglich. Da es bei künstlerischer Tätigkeit jedoch um reflektierte Kenntnis geht, handelt es sich bei den Sachen bereits um Zeichen. Sie derart zugänglich zu machen, daß Mimesis durch Poiesis erreicht wird, bedeutet daher, sowohl die partikularen Zeichenträger als auch die für sie maßgebende symptomatische Zeichenfunktion herzustellen, um so die Bezeichneten als Ganzheiten über die Formen ihrer Teile kennenzulernen. Dabei ist die Herstellung der Zeichenfunktion in Gestalt der komprehensiven Vermittlung eine Aufgabe, die nur über eine pragmatisch fundierte Syntax, also die als Aufbauregeln auftretenden Verwendungsregeln für die Zeichenträger, im verbalen Fall die Artikulatoren, und deren Komposition gelöst werden kann. Werden nur die Zeichenträger, nicht aber die Zeichenfunktionen hergestellt, letztere vielmehr als gegeben angesehen, so liegt Mimesis der Bezeichneten als Invarianten ohne Vermittlung durch Poiesis vor. Aus der umgekehrten Bestimmung der Bedeutungsrelation, bei der Namen als universale Züge an individuellen Gegenständen auftreten, folgt für den Fall wissenschaftlicher Tätigkeit, der es um reflektierte Erkenntnis geht, daß die Namengebung selbst bereits der Gegenstand ist, dessen universale Züge zu artikulieren sind. In der Erforschung der für die Namengebung verantwortlichen Termzusammenhänge geht es um die Bestimmung der Gegenstände als Träger ihrer Eigenschaften und damit um den Aufbau einer referentiellen Semantik. Soll diese
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Forschung Grundlage für die Darstellung sein, so werden im Aussagezusammenhang die Bezeichneten als Invarianten ihrer Eigenschaften nur über den Termzusammenhang erkannt. Geschieht hingegen Darstellung unabhängig von Forschung, so ist die referentielle Semantik lediglich unterstellt, wie zum Beispiel bei formalsprachlicher Darstellung wissenschaftlicher Theorien. Grammatische Kompetenz als operationales Wissen vom Bau und der Verwendung der Syntax von Zeichensystemen spielt in der Wissenschaft wegen des durch Forschung fundierten symbolischen Charakters wissenschaftlichen Wissens grundsätzlich nur die Rolle einer Hilfsdisziplin, während sie für die Künste, ganz im Einklang mit einer klassischen Tradition, wegen des durch Poiesis erzeugten symptomatischen Charakters künstlerischen Wissens das wesentliche Instrument darstellt. Das erklärt, warum sich in wissenschaftlicher Perspektive die Grammatik zwischen Logik und Psychologie nur so schwer behaupten kann, sie jedoch in künstlerischer Perspektive eine so zentrale Rolle spielt.
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Lorenz, Kuno, 1997: Rede zwischen Aktion und Kognition, in: Sprache und Denken. Language and Thought, hg. v. Alex Burri, Berlin/New York, pp 139 – 156. Peirce, Charles Sanders, 1903: What Makes a Reasoning Sound?, in: The Essential Peirce. Selected Philosophical Writings, vol. 2 (1893 – 1913), ed. by the Peirce Edition Project, Bloomington/Indianapolis 1998, pp 242 – 257. Russell, Bertrand, 1912: The Problems of Philosophy. London. Schlick, Moritz, 1918: Allgemeine Erkenntnislehre. Berlin. Sextus Empiricus I-IV (griech./engl.), 1933 – 1949, ed. by R. G. Bury, London. T, = Wittgenstein, Ludwig: Tractatus Logico-Philosophicus, dt./engl., ed. by David F. Pears and Brian F. McGuinness, London 21971 [1922].
Sinnbestimmung und Geltungssicherung I Im Titel wird von einer Unterscheidung Gebrauch gemacht, deren epistemologisches Gegenstück traditionell in Gestalt einer Entgegensetzung zweier Arten von Erkenntnis auftritt, einer ›rechtmäßigen‹ ›aus Gründen‹ und einer ›tatsächlichen‹ ›aus Erfahrung‹. Im übrigen gehört die Unterscheidung von Sinn und Geltung zu einer ganzen Familie verwandter Unterscheidungen, die seit jeher Kopfzerbrechen bereiten. In der Grammatik ist es die problematische Unterscheidung zwischen Wort und Satz, in der Psychologie die zwischen Verstehen und Anerkennen. Aber auch die noch grundsätzlichere Differenz zwischen Theorie und Praxis ist dabei im Spiel. Es handelt sich nämlich beim Verstehen von Sinn um eine primär kognitive Leistung, die auch in ihrer individuellen Besonderheit eine Rolle spielt, während die primär in einem pragmatischen Kontext auftretende Anerkennung von Geltung nur sozial ihre Funktion vollständig erfüllen kann. Will man an dieser Stelle eine weiterführende begriffliche Klärung erreichen, so empfiehlt es sich, die Quelle dieser auf Gegenstände mit Zeichenfunktion bezogenen Unterscheidung aufzusuchen. Man findet diese Quelle dort, wo Zeichenfunktionen erst eingeführt und nicht schon verwendet werden; schließlich kommen Zeichen nicht schlicht vor, vielmehr muß Gegenständen ausdrücklich eine Zeichenfunktion und das heißt, ein ›Sinn‹, verliehen werden. Der Einfachheit halber und weil für Untersuchungen, die zur Philosophie der Logik gehören, der Bezug auf verbalsprachliche Zeichen ausreicht, soll hier mit verbalen Artikulatoren als kanonischen Repräsentanten beliebiger anderer Produkte der Artikulationen von Umgangsweisen mit Partikularia, wie zum Beispiel Gesten oder Zeichnungen, begonnen werden. Ein verbaler Artikulator, zum Beispiel ‘rauchen’, also ein Sprachhandlungsschema zur Artikulation des rauchenden Umgangs mit Zigaretten oder anderen Rauchwaren, aber auch mit den aktiv oder passiv am Rauchen beteiligten Personen und anderen Objekten, liegt grundsätzlich nur in Gestalt einer Aktualisierung vor, etwa einer Äußerung von ‘rauchen’. Dabei ist an dieser Stelle noch davon abgesehen, daß Aktualisierungen als streng einmalig zu behandeln sind, so daß auf
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›dieselbe‹ nicht wiederholt zugegriffen werden kann – ‘identisch’ ist kein auf (singulare) Aktualisierungen, wohl aber auf (individuelle) Äußerungen anwendbarer prädikativer Ausdruck. Gleichwohl kann man über einen Artikulator nur verfügen, wenn man ihn als Handlungsschema oder Typ beherrscht, also auch weitere Aktualisierungen zu produzieren vermag. Dieses Können nun ist von zweifacher Art: Pragmatisch hat es die Gestalt einer einfachen Handlungskompetenz, es besteht im Sprechen- und Hörenkönnen, aber semiotisch liegt eine darüber hinausgehende Sprachhandlungskompetenz vor, man vermag sprechend etwas zu sagen und hörend etwas zu verstehen, man verfügt über den ›Sinn‹ von ‘rauchen’. In dieser Beschreibung schon wird ansatzweise deutlich, daß eine Handlungskompetenz auf der einen Seite, will man die mit ihr mögliche Erfahrung auch real machen (und nicht nur sich vorstellen), zur Orientierung einer dialogischen Konstruktion des Erwerbs der Handlungskompetenz bedarf; zugleich ist man auf der anderen Seite, will man die bei Ausübung der Handlungskompetenz wirkliche Erfahrung auch recht verstehen (und nicht nur hinnehmen), darauf angewiesen, eine phänomenologische Reduktion der in Ausübung der Kompetenz vorgenommenen vielfältigen Gliederungen vorzunehmen, um die gerade betroffene Kompetenz zu isolieren. Mit der dialogischen Konstruktion wird der Aufbau unserer Erfahrung theoretisch modelliert, in der phänomenologischen Reduktion wird der Abbau derselben Erfahrung praktisch erlebt. Wer eine Erfahrung macht und nicht nur erleidet, beschreibt nicht eine ihm gegebene Erfahrung, sondern ist mit der theoretischen Handlung der Artikulation einer dialogischen Konstruktion befaßt, und zwar derjenigen, die für die phänomenologische Reduktion als Mittel eingesetzt wird; entsprechend befindet sich jemand, der eine Erfahrung versteht und nicht nur um sie weiß, nicht im mentalen Zustand, eine Erfahrung erzeugt zu haben, sondern übt die praktische Handlung der Vermittlung einer phänomenologischen Reduktion aus, und zwar diejenige, die bei der dialogischen Konstruktion als Gegenstand gewonnen wird. Theoretische Distanzierung durch Artikulation und praktische Aneignung durch Vermittlung sind dabei natürlich ihrerseits die dialogischen Modi von Kompetenzen logisch höherer Stufe. In der an anderer Stelle im einzelnen auseinandergesetzten Konstruktion des Erwerbs von Handlungskompetenzen mithilfe dialogischer
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Elementarsituationen1 sind die beiden Agenten des dialogischen Erwerbsprozesses nichts anderes als die ›subjektiven‹ Rollen zur Darstellung der beiden ›objektiven‹ Seiten einer Handlung, ihrer pragmatischen in der Ausführung oder dem Vollzug und ihrer semiotischen in der Anführung oder dem Auffassen. In pragmatischer Hinsicht, nämlich praktisch angeeignet, ist die Handlung in der Ausführung aktiv und in der Anführung passiv; in semiotischer Hinsicht jedoch, also theoretisch distanziert, liegt die Handlung in der Ausführung singular und in der Anführung universal vor. Handlungsvollzüge und Handlungsbilder, gleichgültig ob angeeignet (im Fall von Vollzügen) oder distanziert (im Fall von Bildern), sind nur in semiotischer Hinsicht, nämlich von ihnen redend, voneinander gesondert, in pragmatischer Hinsicht und damit als Gegenstände der Rede, bleiben sie untrennbar aufeinander bezogen. Die weiteren Schritte der dialogischen Konstruktion folgen einem Prinzip der Selbsthnlichkeit. Jede der beiden Seiten einer Handlung und damit auch jede der beiden Rollen, des ›Agenten‹ (Ich-Rolle) und des ›Patienten‹ (Du-Rolle), wird ihrerseits ausdrücklich einer Konstruktion des Erwerbs einer Handlungskompetenz mithilfe dialogischer Elementarsituationen unterworfen, und dieses Verfahren einer Überführung der beiden Rollen bzw. Seiten einer Handlung in ihrerseits eigenständige Handlungen mit zwei Rollen bzw. Seiten wird fortgesetzt. Auf diese Weise läßt sich die pragmatische Seite einer Handlung zu einem Zweig weiterentwickeln, bei dem Teilhandlungen, die der Vermittlung der ursprünglichen Handlung dienen, schließlich für die grundsätzliche Tradierbarkeit der mit der Handlung vorgenommenen Gliederung unserer Erfahrung und so für deren Stabilitt verantwortlich sind. Die semiotische Seite einer Handlung wiederum wird zu einem Zweig fortentwickelt, bei dem Zeichenhandlungen, die der Artikulation der ursprünglichen Handlung dienen, schließlich für die grundsätzliche Zugänglichkeit der mit der Handlung vorgenommenen Gliederung unserer Erfahrung und so für deren Objektivitt sorgen. Binnengliederung und Außengliederung einer Handlung im Verbund erst sichern Stabilität und Objektivität der in ihr verkörperten Erfahrung. Zunächst jedoch spielen Handlungen kraft der dialogischen Konstruktion ihres Erwerbs selbst eine zugleich pragmatische und semiotische Rolle. Erst die Verselbständigung sowohl ihrer semiotischen Seite in eigenständigen Handlungen des Auffassens, nämlich den verschiedenen Aspekten oder ›Sichtweisen‹, unter denen sie zugänglich sein 1
Vgl. Lorenz 1995 und 1997 [in diesem Band pp 24 – 71 und pp 72 – 93].
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kann – ihrer Außengliederung – , als auch ihrer pragmatischen Seite in eigenständigen Handlungen des Vollziehens, nämlich den verschiedenen Phasen oder ›Gliederungsweisen‹, mit denen sie sich ›im Tun‹ realisieren läßt – ihrer Binnengliederung – , macht den Weg frei, in einem weiteren Schritt neben den (ausführenden) Hervorbringungen auch die (anführenden) Teilhandlungen auf der pragmatischen Seite und dazu noch auf der semiotischen Seite neben den (anführenden) Wahrnehmungen auch die (ausführenden) Zeichenhandlungen zu gewinnen. Die semiotisch universale und zugleich pragmatisch aktive Seite eines Aspekts zusammen mit der universalen Seite einer Phase führt verselbständigt zu einer eigenständigen Zeichenhandlung, während sich die semiotisch singulare und zugleich pragmatisch passive Seite einer Phase zusammen mit der singularen Seite eines Aspekts zu einer eigenständigen Teilhandlung entwickeln läßt. Eine mimische Darstellung des Rauchens etwa ist als Zeichenhandlung sowohl auf der gegenständlichen Ebene die Schematisierung einer Phase des Rauchens – etwa des Anzündens ›pars pro toto‹ – als auch auf der Zeichenebene der Vollzug eines Aspekts des Rauchens (›ich schematisiere dir mit dem Anzünden das Rauchen‹) und das dadurch vollzogene Auffassen des Rauchens (›du verstehst das Anzünden als Zeichen für Rauchen‹); zugleich gilt ›dieselbe‹ Mimik als Teilhandlung, und zwar auf der Zeichenebene als Aktualisierung eines Aspekts des Rauchens – des Anzündens als Zeichen für Rauchen – sowie auf der Gegenstandsebene als Erleiden einer Phase des Rauchens (›mir widerfährt deine Aktualisierung des Rauchens in
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Gestalt des Anzündens‹) und des dadurch begriffenen Tätigseins (›du aktualisierst mir gegenüber Rauchen mithilfe von Anzünden‹). Eine Trennung der beiden möglichen Lesarten einer Handlung als Zeichenhandlung und als Teilhandlung kommt erst dadurch zustande, daß von den der Artikulation dienenden Zeichenhandlungen – sie verfahren produzierend und rezipierend – zu symbolischen Artikulationen und von den der Vermittlung dienenden Teilhandlungen – diese verfahren lehrend und lernend – zu komprehensiven Vermittlungen übergegangen wird. Nur so auch können Zeichenhandlungen tatsächlich eine Handlung ›bezeichnen‹ und Teilhandlungen ›als Teil‹ einer Handlung auftreten, weil erst mit diesem Übergang sich die ursprüngliche Handlung wirklich ›objektiv‹ als Invariante ihrer subjektiven Aspekte und wirklich ›stabil‹ als Ganzes aus ihren wechselnden Phasen bestimmen läßt. Eine Artikulation wird zu einer symbolischen Artikulation, wenn der zugehörige Aspekt beliebige andere Aspekte der artikulierten Handlung, die in Wahrnehmungen erfahren werden, vertritt, also wenn anstelle etwa des verbalen Artikulators ‘rauchen’ eine mimische Darstellung des Rauchens ebenso wie eine seiner zeichnerischen Darstellungen oder solche in anderen Medien verwendet werden darf. Ganz entsprechend wird eine Vermittlung zu einer komprehensiven Vermittlung, wenn die zugehörige Phase mit dem einlösbaren Anspruch auftritt, beliebige andere Phasen, die in Hervorbringungen zustandegebracht werden, sukzessiv integrieren zu können. Die Vertretungsrolle einer Artikulation, durch die sie zu einer symbolischen wird, läßt sich mithilfe eines offenen Systems von Übersetzungsregeln zwischen Zeichenhandlungen ihrerseits artikulieren. Ganz entsprechend kann man auch die Integrationsrolle einer Vermittlung, durch die sie zu einer komprehensiven wird, mithilfe von Aufbauregeln für den offenen Bereich von Teilhandlungen ausdrücklich artikulieren. Mit der symbolischen Artikulation steht ›begrifflich‹ organisiertes Wissen zur Verfügung, mit der komprehensiven Vermittlung hingegen ›methodisch‹ produziertes Können, das sich natürlich seinerseits artikulieren läßt.2 Wird etwa der Artikulator ‘rauchen’ nicht nur ›theoretisch‹ zur Artikulation der Handlung des Rauchens verwendet – Ich weiß [‘rauchen’ angesichts eines Du-Vollzugs von Rauchen äußernd], daß Du 2
Zu weiteren Einzelheiten sowie den Folgen für den Zusammenhang von Kunst und Wissenschaft, vgl. Lorenz 1999 [in diesem Bd. pp 94 – 117] sowie Lorenz 1997, pp 143 – 151 [in diesem Bd. pp 77 – 86].
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raucht – , sondern anstelle des präziseren Artikulators ‘rauchenkönnen’ auch ›praktisch‹ zur Artikulation der methodisch aufgebauten ›Rauchkompetenz‹ – Ich weiß [‘rauchen’ im Vorgriff auf den kommenden DuVollzug von Rauchen äußernd], wie Rauchen geht, d. h. daß Du rauchen kann – , so wird eine Zweideutigkeit sichtbar, die sich als Grund für die immer wieder aufs Neue gemachte Beobachtung identifizieren läßt, daß prädikative Ausdrücke einer natürlichen Sprache in der Regel nicht rein deskriptiv verwendet werden. Unberücksichtigt ist dabei, daß sich auf der Stufe der in der dialogischen Rekonstruktion bisher nur situationsabhängig verfügbaren ›Einwortsätze‹ zwar, wie im Beispiel angegeben, theoretisches Wissen von praktischem Wissen, der Artikulation eines Könnens, unterscheiden läßt, aber weder theoretisches Wissen mit propositionalem und in diesem Sinne deskriptivem Wissen gleichgesetzt werden darf – die Objekte der Rede sind nämlich noch nicht unabhängig von dem, was man sagt, bestimmt, so daß mit dem Reden auch noch keine Ansprüche verbunden werden können – , noch praktisches und daher operationales Wissen als ein besonders einfacher Fall normativen Wissens gelten kann, weil die Subjekte der Rede ihrerseits noch nicht unabhängig von den Handlungs- und Sprachhandlungsrollen bestimmt sind und deshalb Ansprüche weder erheben noch beurteilen können. Was symbolische Artikulatoren auf dieser Entwicklungsstufe bezeichnen, sind die Handlungen und, unter Umständen unmarkiert, die Handlungskompetenzen, die sie artikulieren. Ein Dingtyp ist dabei mit der Handlung beliebigen Umgehens mit Dingen dieses Typs zu identifizieren. Bisher ist es weder möglich, in der vertrauten Weise zwischen Sinn und Referenz eines Artikulators zu unterscheiden – er artikuliert eine Handlung bzw. eine Handlungskompetenz, und in diesem Sinne liegt eine ›Sinnbestimmung‹ für ihn vor – noch läßt sich der Rede von der Wahrheit oder Falschheit des unter Verwendung des Artikulators geäußerten Einwortsatzes irgendein Sinn geben – er ist ›nach Konstruktion‹ wahr. Erst, wenn sich die Sprechsituation von der besprochenen Situation unterscheiden läßt, die besprochene Situation also unabhängig von der Sprechsituation bestimmbar ist – genau darin besteht die von der Sprechsituation unabhängige Bestimmtheit der Objekte, über die geredet wird – , lassen sich redend Ansprüche (im Sprechen etwas sagend) erheben und (im Hören etwas verstehend) befragen, nämlich auf ein ›Zusammenstimmen‹ von Sprechsituation und besprochener Situation. Es handelt sich in diesen Fällen um theoretische Ansprüche.
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Die Möglichkeit praktischer Ansprüche, die allein handelnd erhoben werden, ist natürlich unabhängig von der Unterscheidbarkeit dieser beiden Situationen, sie muß jedoch gegeben sein, damit sich auch theoretische Ansprüche erheben lassen. Die Möglichkeit praktischer Ansprüche beruht nämlich darauf, daß sich die Subjekte unabhängig von den Handlungsrollen bestimmen lassen, sie also ›als Personen‹ auftreten können, die individuell schon über beide Rollen verfügen; und Sprachhandlungsrollen sind natürlich stets auch Handlungsrollen. Ein bloß handelnd erhobener Anspruch, nämlich auf das Verfügen über eine Handlungskompetenz, macht nur Sinn und läßt sich damit infragestellen, wenn sich individuelle Kompetenzen vergleichen und das heißt, an einer immer wieder aufs Neue sozial eigens ausgezeichneten komprehensiven Vermittlung der Handlung im Prozeß des Erwerbs einer Handlungskompetenz, also an einer (sozialen) ›Handlungsnorm‹, messen lassen. Ein solcher Vergleich wird sich – das müßte anhand des Modells dialogischer Rekonstruktion noch im einzelnen nachgewiesen werden – ohne eine ausdrückliche Artikulation der Handlungskompetenzen vermutlich nicht vornehmen lassen. Zur Vorbereitung der Trennung von Sprechsituation und besprochener Situation ist es erforderlich, daß auch die beiden Seiten einer – nunmehr stets symbolisch zu verstehenden – Artikulationshandlung, ihre pragmatische und ihre semiotische, in eigenständige Handlungen überführt werden. Dabei soll die pragmatische Seite einer Artikulation als bloßes Sprechen und Hören im Sinne einer Zeichenproduktion und Zeichenrezeption hier nicht weiter behandelt werden, wohl aber ihre semiotische, die in eben der Funktion der Artikulation besteht, Objekte zu bezeichnen. Wird nun dieses Bezeichnen von Objekten seinerseits in eigenständigen Handlungen verselbständigt, so erhalten wir auf der pragmatischen Seite – in Verselbständigung der Ausführungsperspektive von Artikulationen in semiotischer Rolle – Kommunikationshandlungen, mit deren Hilfe man etwas (sprechend) ›sagt‹. Auf der semiotischen Seite hingegen, in Verselbständigung der Anführungsperspektive des Bezeichnens, des ›Sich-zeigens‹, sind Artikulationen in semiotischer Rolle Signifikationshandlungen. Mit ihnen ist das ›passive‹ Sich-zeigen in die eigenständige Handlung ›Zeigen‹ verwandelt worden.3 Als eigenstän-
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Diesen Schritt hatte Wittgenstein beim Übergang vom Tractatus zu den Philosophischen Untersuchungen gemacht, insofern die Sprachspiele der Philosophischen Untersuchungen der rationalen Rekonstruktion dessen dienen, was im Tractatus
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dige Handlung hat natürlich auch ›Zeigen‹ seine beiden Seiten, eine aktive oder den ›Versuch-zu-zeigen‹ und eine passive, das ›Gelingendes-Zeigens‹. Schon Platon hatte, wenngleich unter Vernachlässigung der systematisch bedeutsamen Unterscheidung zwischen Zeigen und Nennen, weil er Nennen für einen Sonderfall von Sagen hielt, an einfachen Sprachhandlungen die beiden Funktionen der Kommunikation und der Signifikation unterschieden. Er sprach davon, daß ›Namen‹ einerseits dazu dienen, ›einander etwas beizubringen‹, d. h. ›auszusagen‹, und andererseits dazu, ›die Sachen zu unterscheiden‹, d. h. ›zu benennen‹.4 Eine Kommunikationshandlung wiederum ist semiotisch eine Prdikation, die pragmatisch in einem als Sprechakt geläufigen Modus ausgeführt wird, während auf der anderen Seite eine Signifikationshandlung semiotisch in einer auf Wahrnehmung angewiesenen Gegebenheitsweise vorliegt, die pragmatisch als Ostension vollzogen wird. Bezug eines Sprechakts, sein ›Inhalt‹, ist eine Prädikation; Träger einer Ostension, ihr ›Mittel‹, ist eine Gegebenheitsweise. Es liegen vertraute sprachliche Hilfsmittel bereit, an einem Artikulator, dem Produkt einer Artikulationshandlung, seine beiden (semiotischen) Funktionen, die kommunikative und die signifikative, theoretisch voneinander zu sondern. Auf der einen Seite hat die Kopula ‘e’ die Funktion eines Operators, der, angewendet auf einen Artikulator, dessen signifikative Funktion abblendet und allein die kommunikative Funktion aufrecht erhält. Die Kopula überführt einen Artikulator ‘P’ in einen Ausdruck mit rein kommunikativer Funktion, einen Prdikator ‘eP’, und damit in einen Ausdruck, der in der ausgebildeten Sprache in prädikativer Position auftritt. Mit ‘eP’ wird P ›ausgesagt‹, ‘eP’ stellt also in üblicher Terminologie eine Aussageform und damit einen ungesättigten Ausdruck im Sinne Freges dar: noch ist nicht durch Benennung (= Nomination) angezeigt, wovon [etwas] ausgesagt wird. Auf der anderen Seite dient der Demonstrator ‘d’ umgekehrt dazu, aus einem Artikulator ‘P’ einen Ausdruck ‘dP’ mit rein signifikativer Funktion zu machen. In semiotischer Terminologie ist der Ausdruck ‘dP’, mit dem P ›angezeigt‹ wird, ein Index für eine in der Sprechsituation vollzogene Aktualisierung der durch ‘P’ artikulierten Handlung und noch kein Nominator im Sinne der vertrauten logischen Grammatik; es geht noch um ›zeigen‹ im Unterschied zu ›sagen‹ und nicht um ›nennen‹, ‘dP’ ist
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›sich zeigt‹ und nicht gesagt werden kann, nämlich die interne Beziehung zwischen Sprache und Welt; vgl. Lorenz 1990. Vgl. Crat 387 b/c – 388b.
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eine Anzeigeform: noch ist die Teilhabe (= Partizipation) an dem, woran [etwas] angezeigt wird, nicht ausgesagt. Das Gezeigte, im Sinne einer Aktualisierung hingegen, läßt sich nur vollziehen oder tun, nicht nennen – es ist ein Handlungsvollzug. Ganz entsprechend übrigens läßt sich das Gesagte, ein Schema, nur auffassen oder denken, an ihm aber nicht teilhaben – es ist ein Handlungsbild. Mit den Sprachhandlungen des Aussagens und des Anzeigens, mit Prädikation und Ostension, wird eine eigenständige sprachliche Welt erzeugt, in der sich die Subjekte ebenso wie die Objekte allein in ihren semiotischen Anteilen wiederfinden, und zwar aufgrund einer objektiven Behandlung der Subjekte und einer subjektiven Behandlung der
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Objekte.5 Die objektiv behandelten Subjekte treten in Gestalt der Aussageformen ‘eP’ auf, die als zeitgenössische Fassung der traditionellen ›Denkformen‹ zu gelten haben; die subjektiv behandelten Objekte wiederum liegen vor in Gestalt der Anzeigeformen ‘dP’, die an die Stelle der traditionellen ›Anschauungsformen‹ treten. Die so charakterisierte sprachliche Welt bleibt auf die immer wieder zu erneuernde Anstrengung angewiesen, die eigentümliche Zwischenstellung der sprachlichen Welt zwischen ›Innenwelt‹ und ›Außenwelt‹ eigens zu reflektieren. Macht man sich nun klar, daß in der Sprechsituation die artikulierte Handlung bzw. der artikulierte Objekttyp durch die jeweilige Handlungs- und Sprechsituation – beide stimmen wegen der noch fehlenden Trennung von Sprechsituation und besprochener Situation überein – auf natürliche Weise in situationsspezifische Einheiten gegliedert ist – auch Sprechersituation (›Ich‹ befindet sich in der besprochenen Situation) und Hörersituation (›Du‹ befindet sich in der Sprechsituation) unterscheiden sich noch nicht – so haben diese Einheiten Ich-Du-invariant einerseits als ›Zwischenschemata‹ des artikulierten Objekt(typ)s und andererseits als ›Teilganzheiten‹ aus den jeweils in der Situation vollzogenen Aktualisierungen des Zwischenschemas zu gelten. Jede solche Einzelhandlung oder jedes solche Einzelding kommt durch ›Identifizierung‹ der Schemata aller seiner Aspekte(handlungen) und durch ›Summierung‹ der Aktualisierungen aller seiner Phasen(handlungen) zustande. Wegen der Indefinitheit des ›alle‹ in beiden Fällen ist ein Partikulare niemals ›fertig‹, es bleibt in Übereinstimmung mit dem überlieferten Dictum individuum est ineffabile ›unausschöpfbar‹. Jeder hat ›seine‹ Sicht auf ›denselben‹ Gegenstand und bedient sich ihrer, um den Gegenstand Ich-Du-invariant symbolisch zu artikulieren, und genauso trägt jeder durch ›seinen‹ Handlungsanteil zu ›demselben‹ Gegenstand bei und kann diesen Beitrag Ich-Du-invariant komprehensiv vermitteln. Die Einzelhandlungen oder Einzeldinge bzw. Einzelereignisse in ihrer dialogischen Bestimmtheit durch situationsbezogene und damit raumzeitlich eingegrenzte Aktualisierung und Schematisierung, also als ›Hülle‹ von Hervorbringungshandlungen auf der Aktualisierungs-Seite der Phasen und als ›Kern‹ von Wahrnehmungshandlungen auf der Schema-Seite der Aspekte, sind die vertrauten, seit alters aus ›Stoff‹ und
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Vgl. dazu Lorenz 1997, pp 147 – 151 [in diesem Band pp 82 – 86].
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›Form‹ zusammengesetzten Partikularia unserer Erfahrungswelt.6 Sie erst, weil Ganzheiten und Invarianten und daher weder singular noch universal und auch nicht aktiv oder passiv, lassen sich als Ganzheiten nennen und an ihnen als Invarianten läßt sich teilhaben. Man kann daher ein Partikulare, insofern es sich als Ganzes seiner Teile benennen läßt, unter Verwendung einer Phase aktualisieren, also aneignen, und man kann es auch, insofern sich an ihm als Invariante seiner Eigenschaften teilhaben läßt, unter Verwendung eines Aspekts schematisieren, also distanzieren. In der neuzeitlichen Tradition wird die ontologische Redeweise vom Stoff- und Formanteil der Partikularia in eine epistemologische verwandelt: Sie gelten von da an als sinnlich gegeben und gedanklich erfaßt. Beide Auffassungen sind hier konsequent in Verfahren verwandelt, schrittweise die Partikularia als Ganzheiten und als Invarianten zu gewinnen und Ganzheiten nicht nur zu nennen bzw. an Invarianten nicht nur teilzuhaben. In der phänomenologischen Reduktion wird ein für sinnlich gegeben gehaltenes Partikulare in (Handlungs-)Vollzüge des Umgehens mit ihm derart ›aufgelöst‹, daß die Schemata des Umgehens als Formen hervorgebrachter Teile des Partikulare auftreten. In der parallel verlaufenden dialogischen Konstruktion wird dabei das als eine Ganzheit durch Vereinigung aller seiner Teile für erzeugt gehaltene Partikulare in den (Handlungs-)Vollzügen des Umgehens mit ihm pragmatisch wiedergewonnen: Das Partikulare ist pragmatisch stabilisiert, also symptomatisch vorhanden. Auf der anderen Seite wird ein für gedanklich erfaßt gehaltenes Partikulare in der dialogischen Konstruktion in (Handlungs-) Bilder des Umgehens mit ihm derart ›eingewickelt‹, daß die Aktualisierungen des Umgehens als Instanzen wahrgenommener Eigenschaften des Partikulare auftreten. In der parallel verlaufenden phänomenologischen Reduktion wiederum wird dabei das durch alle seine Eigenschaften für bestimmt gehaltene Partikulare in den (Handlungs-)Bildern des Umgehens mit ihm als eine Invariante, den ›Durchschnitt‹ seiner Eigenschaften, semiotisch wiedergewonnen: Das Partikulare ist semiotisch zugänglich, also symbolisch verstanden. In diesem Sinne schließlich mag man von Partikularia sagen, daß sie ›halb Tun, halb Denken‹ sind.
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Vgl. zu Einzelheiten der dialogischen Rekonstruktion: Lorenz 1997, pp 143 – 147 [in diesem Band pp 77 – 81], sowie Lorenz 1995, pp 1112 – 1115 [in diesem Band pp 51 – 56].
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II Benennung und Teilhabe nun lassen sich auf kanonische Weise unter Verwendung der auf die jeweilige Sprechsituation bezogenen Individuatoren ‘iP’ sprachlich wiedergeben, und zwar auf der einen Seite im Zuge der uneigentlichen Eigenaussage ‘iPeP’ (= dieses P-Objekt ist [ein] P; beschrieben durch: ›von diesem P-Objekt wird P ausgesagt‹) und auf der anderen Seite im Zuge der ebenso uneigentlichen Eigenanzeige ‘dPiP’ (= dies P gehörend zu diesem P-Objekt; beschrieben durch: ›an diesem P-Objekt P anzeigend‹). Der Individuator ‘iP’ dient einerseits dazu, die Benennung des Partikulare, also der von der Sprechsituation bestimmten Teilganzheit von P in Gestalt der ›konkreten‹ Ganzheit j(iP), im Zuge des Aussagens anzuzeigen, und er dient andererseits auch dazu, im Zuge des Anzeigens die Teilhabe am Partikulare, also an dem von der Sprechsituation bestimmten invarianten Zwischenschema von P in Gestalt der ›abstrakten‹ Invariante s(iP), auszusagen. Nur im Zusammenhang des Aussagens macht Benennung einer konkreten Ganzheit (von der ausgesagt wird) mithilfe der Individuatoren – sie heißen in dieser Funktion Nominatoren – Sinn; ganz entsprechend können Individuatoren nur im Zusammenhang des Anzeigens Teilhabe an einer abstrakten Invariante (an der angezeigt wird) wiedergeben. Beide, Invariante und Ganzheit, sind als Grenzbestimmungen zweier grundsätzlich offener Prozesse nur in der gewählten Notation und damit allein von der Sprachebene aus verfügbar; auf der Ebene der ihrerseits noch nicht zu (partikularen) Gegenständen geronnenen Handlungen bleibt es bei den aufeinander bezogenen Handlungsvollzügen und Handlungsbildern. Die Schritte im Prozeß der Invariantenbildung s(iP) lassen sich daher ihrerseits durch ‘iP schematisieren’ artikulieren, was auf nichts anderes hinausläuft, als iP jeweils unter einem Aspekt zu distanzieren, nämlich die allein semiotisch – im Anzeigen der Benennung von j(iP) mithilfe von ‘iP’ – bereits vorgenommene (unterstellte) Distanzierung, auch pragmatisch zu vollziehen. Ganz entsprechend artikuliert ‘iP aktualisieren’ die Schritte im Prozeß der Bildung der Ganzheit j(iP), und das heißt, iP jeweils mittels einer Phase anzueignen, mithin auch in diesem Fall die nur semiotisch, im Aussagen der Teilhabe an s(iP), schon vorgenommene (fingierte) Aneignung auch pragmatisch zu vollziehen. Wir verständigen uns, auch jeder mit sich selbst, schematisierend, also mithilfe von Handlungsbildern, und wir zeigen, was wir verstanden haben, jeder auf seine Weise,
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aktualisierend, also mithilfe von Handlungsvollzügen. Aber man muß sich dabei klar vor Augen halten, daß Kommunizieren und Signifizieren Sprachhandlungen und nicht etwa gewöhnliche Handlungen sind. Im Aussagen, also ‘P’ in kommunikativer Funktion (= ‘eP’) äußernd, sage ich etwas; dieses ›Etwas‹, der ›Inhalt‹ der Prädikation (= content of predication), die pragmatisch in einem Modus geschieht, ist, wie stets auf der semiotischen Seite einer Handlung, schematisch. Man hält das Sagen gern für den ›Ausdruck‹ des Denkens und unterstellt ›hinter‹ der Sprachhandlung des Kommunizierens überflüssigerweise noch eine mentale Handlung, statt sich darüber klar zu sein, daß bei einer symbolischen Artikulation natürlich noch die Vertretungsrolle für beliebige andere Aspekte der artikulierten Handlung hinzukommt, die mentale Leistung in diesem Falle also darin besteht, ›dieselbe‹ Handlung unter beliebigen Aspekten zu ›identifizieren‹. Denken ist kein Vorgang oder Ereignis ›im Inneren‹ eines Ich, es sei denn, ‘Denken’ wird äquivok auch für bestimmte Phänomene der empirischen Psychologie verwendet, vielmehr ist es ein Mittel der ›Entäußerung‹, nämlich zur Herstellung von Ich-Du-Invarianz. Nur unter dieser Einschränkung ist es vertretbar, im Modell dialogischer Konstruktion unserer Erfahrung das treffende überlieferte Kategorienpaar ›passio-actio‹ zur Charakterisierung der (schematisierenden und deshalb distanzierenden) Du-Rolle und der (aktualisierenden und deshalb aneignenden) Ich-Rolle im Erwerbsprozeß einer Handlungskompetenz auch durch das Paar ›Denken-Tun‹ zu ersetzen. Dem Aussagen korrespondierend wird im Anzeigen, also ‘P’ in signifikativer Funktion (= ‘dP’) äußernd und damit das Verstehen von ‘P’ artikulierend, von mir etwas gezeigt. Und dieses pragmatische Zeigen – oder auch, weil bei Singularia zwischen Vollzug und Ergebnis nicht unterschieden werden kann, das ›Etwas‹ oder das ›Gemeinte‹ der Ostension dP (= intent of ostension) – funktioniert nur kraft der semiotischen Seite der Signifikation, der in der Wahl von ‘P’ unter Inanspruchnahme der Vertretungsrolle des symbolischen Artikulators ‘P’ für andere Aspekte von P sich niederschlagenden Gegebenheitsweise der Ostension dP. In der Gegebenheitsweise findet sich der schematische (Wahrnehmungs)-Anteil mindestens eines Aspekts von P wieder. Es gibt keine eigenständige Bezugnahme auf Aktualisierungen; jede Artikulation einer Handlung realisiert sich auf der semiotischen Seite, nämlich als ›Bezeichnen‹, ihrerseits stets polar, semiotisch im Signifizieren und pragmatisch im Kommunizieren.
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Zugleich wird deutlich, wie Benennung und Teilhabe es erlauben, die Partikularia von den Situationen zu trennen, in denen sie sich befinden. Zunächst nämlich läßt sich innerhalb des Modells für den Erwerb von Können und Wissen mithilfe dialogischer Elementarsituationen keinerlei Abgrenzung zwischen dem Erwerb einer Handlungskompetenz und dem Erwerb einer Situationskompetenz vornehmen; die Umstände der Handlungsvollzüge und Handlungsbilder sind anfangs von der Handlung selbst nicht ablösbar. P-Objekte als Vordergrund und ihr Kontext als Hintergrund einer P-Situation lassen sich erst mit der Verwendung der Individuatoren ‘iP’ auszeichnen. P-Aussagen mit ‘eP’ und P-Anzeigen mit ‘dP’, beide Handlungen ohne Angabe des P-Objekts, von dem P ausgesagt oder an dem P angezeigt wird, sind Aussagen beziehungsweise Anzeigen in Bezug auf die Situation, in der sich Sprecher und Hörer befinden, also eine P-Situation. Im Sagen liegt die P-Situation distanziert vor, im Verstehen hingegen ist sie angeeignet, und in der Artikulation des Verstehens wiederum ist die Aneignung distanziert. Im Deutschen läßt sich der Unterschied zwischen objektbezogener und situationsbezogener Eigenprädikation, etwa im Falle ‘donnern’, ausdrücken durch ‘dies[es Donnern] ist Donnern’ und ‘es donnert’. Die für das Entstehen von Geltungsansprüchen entscheidende Trennung der Sprechsituation, in der man spricht, und damit der Situation des Sprechers in Du-Rolle und des Hörers in Ich-Rolle, von der besprochenen Situation, ber die man spricht, also der Situation des Sprechers in Ich-Rolle – dadurch, daß er etwas sagt – und des Hörers in Du-Rolle – dadurch, daß dieser dabei etwas versteht – , tritt als Folge der Verknüpfung von Artikulatoren zu komplexen Artikulatoren auf. Mit dieser Verknüpfung lassen sich nämlich die von den Phasen – und zwar ihren Aktualisierungen – gebildete Binnengliederung (durch Teile) und die von den Aspekten – und zwar ihren Schemata – gebildete Außengliederung (durch Eigenschaften) der artikulierten Objekte schrittweise explizit machen. Dadurch wird es möglich, ebenfalls schrittweise die Benennung der Partikularia von der Sprechsituation zu lösen, an die der Gebrauch der Individuatoren in ihrer benennenden Funktion gebunden ist. Erst dann lassen sich auch Sprachwissen, wie es in Gestalt einer (Ich-Du-invarianten) Antwort auf die Frage ›was meinst du mit dem, was du sagst?‹ auftritt, und Weltwissen, das aus den (Ich-Du-invarianten) Antworten auf die Frage ›gibt es das, was du nennst?‹ besteht, gesondert voneinander erwerben. Die sprachlogische Aufgabe, den Sinn komplexer
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Artikulatoren zu definieren, und die Aufgabe der einzelnen Wissenschaften, die Existenz den Artikulatoren entsprechender Partikularia nachzuweisen, sind verschiedene Aufgaben, die gleichwohl nur abhängig voneinander gelöst werden können. Mit Sprachspielen für Artikulatoren – die Funktionen des Sagens und Zeigens in der Verwendung der sprachlichen Ausdrücke sind grundsätzlich beide betroffen – hatte Wittgenstein ursprünglich Maßstäbe für die Sprachkompetenz ungeschieden von der zugehörigen Handlungskompetenz entworfen, so daß ›der Witz‹ seines Verfahrens, mit ihm eine Sinnbestimmung von Artikulatoren im Rahmen bloß ›möglicher Geltung‹ vornehmen zu können,7 nicht ungestört zum Tragen kam. Gleichwohl läßt sich das hier skizzierte Verfahren dialogischer Konstruktion unter anderem als eine verallgemeinerte Weiterentwicklung des Wittgensteinschen Sprachspielverfahrens ansehen.8 Die Aufgabe, komplexe Artikulatoren einzuführen, muß spätestens dann gelöst werden, wenn die für die Schematisierung eines Objekt(typ)s eingesetzten Aspekthandlungen ebenso wie die für seine Aktualisierung eingesetzten Phasenhandlungen als eigenständige Handlungen auftreten, die ihrerseits unter Aspekten zugänglich und mittels Phasen tradierbar sind. Ist etwa die durch ‘P’ artikulierte Handlung (z. B. Rauchen) bereits ein Aspekt oder eine Phase eines auch unter anderen Aspekten zugänglichen bzw. mittels anderer Phasen tradierbaren Objekt(typ)s Q (z. B. Mensch) und befindet sich der Sprecher in einer Q-Situation, also der besprochenen Situation, so schematisiert die P-Handlung als Aspekthandlung das durch die QSituation bestimmte Partikulare iQ (= dieser Mensch), und das wird dadurch wiedergegeben, daß der Schematisierende (d.i. der Sprecher in Ich-Rolle) von iQ, unter Verwendung von ‘eP’, P aussagt (= dieser Mensch raucht): Eine Schematisierung von iQ verwandelt die Prädikation eQ (= ist [ein] Mensch) dadurch, daß ein Aspekt P von Q herangezogen wird, in die Aussage iQeP; der fragliche Mensch wird ›als Rauchender‹ zugänglich. Durch die P-Handlung als Phasenhandlung wiederum wird iQ aktualisiert, was der Aktualisierende (d.i. der Sprecher in Du-Rolle) seinerseits so wiedergeben kann, daß an iQ, unter Verwendung von ‘dP’, P angezeigt ist (= dies Rauchen gehörend zu 7 8
Vgl. PU, §§ 353, 520 – 531. Zur gründlichen Darstellung von Wittgensteins Sprachspielverfahren und einer systematischen Auseinandersetzung mit diesem sowie mit dem Verfahren dialogischer Konstruktion, vgl. Buchholz 1998, Kap. 5 und 6.
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diesem Menschen). In diesem Fall wird durch die Aktualisierung von iQ, wegen der dadurch herangezogenen Phase P von Q, die Ostension dQ (= dies [Umgehen mit] Mensch) in die Anzeige dPiQ verwandelt; der fragliche Mensch ist durch ›sein Rauchen‹ charakterisierbar. Wenngleich angesichts der dingbasierten indoeuropäischen Sprachen in der Wiedergabe bei dem gewählten deutschen Beispielpaar etwas schwerfällig, ließe sich natürlich auch die umgekehrte Verbindung von P und Q erörtern: Ist der durch ‘Q’ artikulierte Objekttyp bereits ein Aspekt oder eine Phase des Objekttyps P, so schematisiert Q als Aspekt das der besprochenen P-Situation angehörende Partikulare iP (= dieses Rauchen); es ergibt sich für den Schematisierenden die Aussage iPeQ (= dieses Rauchen ist zu [Umgehen mit] Mensch gehörend). Q als Phase hingegen aktualisiert iP, und der Aktualisierende macht die Anzeige dQiP (= dies [Umgehen mit] Mensch gehörend zu diesem Rauchen). Wer mit der Prädikation eP vom Partikulare iQ P aussagt (auch: die [situativ uneingeschränkte] Invariante oder Eigenschaft sP von iQ aussagt), weiß, daß ein Aspekt eines von der Sprechsituation bestimmten PObjekts mit einer Phase des der besprochenen Situation angehörenden iQ übereinstimmt, und wer mit der Ostension dP an iQ P anzeigt (auch: die [situativ uneingeschränkte] Ganzheit oder Substanz jP an iQ anzeigt), der weiß, daß eine Phase des P-Objekts mit einem Aspekt von iQ übereinstimmt, er also mit P-Aktualisierungen einen P-Teil von s(iQ) bilden kann. Eine eigenständige Handlung P, also etwa ›Rauchen‹, in ihrer Rolle als Aspekthandlung von Q, also etwa von ›Mensch‹, und damit als Bestandteil der Außengliederung von Q, zieht die Analyse von ‘eP’ als eine Spezialisierung nach sich, und zwar in Gestalt der Relativierung ‘ePQ’ (= ist [ein] Rauchen von [einem] Mensch[en]). Da in diesem Fall ein Aspekt von P, z. B. Rauchen-[einer-Zigarette-von-einem-Menschen]Beobachten, mit einer Phase von Q übereinstimmt, nämlich [einen]Mensch[en-beim-Zigarette-Rauchen]-Beobachten, kann auch umgekehrt die eigenständige Handlung Q – im Beispiel ›Umgehen mit Mensch[en]‹ – als Phasenhandlung von P angesehen werden: Q ist Bestandteil der Binnengliederung von P. Für die Analyse von ‘dQ’ ergibt sich wieder die Konsequenz einer Spezialisierung, jetzt aber in Gestalt der Modifizierung ‘d(PQ)’ (= dies Umgehen mit rauchendem Mensch). Die Verhältnisse mit vertauschten Rollen von P und Q, also bei Übereinstimmung einer Phase von P mit einem Aspekt von Q, lassen
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sich ganz entsprechend formulieren. Allerdings sollte man sich über den Unterschied beider Darstellungen, die man auch durch eine Vordergrund-Hintergrund-Spiegelung ausdrücken kann, im Klaren sein. Im Falle des P-Aussagens in einer Q-Situation (und des Q-Anzeigens in einer P-Situation als ›Antwort‹) geht es um eine Artikulation der Konstruktion von Identität eines Q-Objekts unter verschiedenen PAspekten und damit in wechselnden P-Situationen – derselbe Mensch in Situationen des Rauchens, des Essens, des Grüßens, usw. – , im umgekehrten Fall des P-Anzeigens in einer Q-Situation (als ›Antwort‹ auf ein Q-Aussagen in einer P-Situation) jedoch liegt eine Artikulation des in Gestalt von Handlungsbildern auftretenden Erlebens jeweils durch P-Phasen unterschiedener Q-Objekte in derselben Q-Situation vor – im Beispiel eines sich durch Rauchen, Essen, Grüßen, oder andere Anteile wandelnden Menschen, nämlich in derselben Situation eines Umgehens mit Menschen. Die Weiterentwicklung der Unterscheidung von Situation und Objekt, wobei die jeweiligen Kompetenzen immer nur relativ zu einem Einzelfall bestimmt sind – Situationskompetenz bezüglich einzelner Situationen und Handlungskompetenz gegenüber einem partikularen Objekt in einer Situation – , hat zu einer Gegenüberstellung von objektbezogenem Vordergrund und situativem Hintergrund geführt, so daß sowohl Selbigkeit eines Partikulare vor wechselndem Hintergrund als auch Variabilität eines Partikulare bei gleichbleibendem Hintergrund artikulierbar werden. Dies ist der entscheidende Schritt zu einer unabhängigen Bestimmung von besprochener Situation und Sprechsituation, die es auch möglich macht, das Verhältnis beider Situationen noch einer Beurteilung zu unterwerfen. Solange nur einfache oder unanalysierte Artikulatoren zur Verfügung stehen, sind die Sprechsituationen stets auch die besprochenen Situationen. Mit der Sprechsituation verbundener Sinn und mit der besprochenen Situation verbundene Geltung fallen dann zusammen beziehungsweise lassen sich nicht auseinanderhalten, wie man es bereits dem ›tautologischen‹ Charakter der Eigenaussagen und Eigenanzeigen entnehmen konnte. Die von der Sprechsituation und damit von den Mitteln, mit denen man redet, unabhängige Bestimmtheit der Partikularia, von denen man redet, macht es nunmehr möglich, die Sinnbestimmung von Artikulatoren, die auf ihrem Sachbezug beruht, von der in einer Ostension als reiner Sprachhandlung vollzogenen bloßen Unterstellung des Sachbezugs abzugrenzen. Und in entsprechender Weise läßt sich der in einer Prädikation als reiner Sprachhandlung ausgedrückte bloße Anspruch auf
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Geltung unter Ausnutzung des Personbezugs der Artikulatoren einem ausdrücklichen Verfahren ihrer Geltungssicherung gegenüberstellen. Es darf dabei natürlich nicht übersehen werden, daß der Sinn eines Artikulators in einer Ostension dP, also das, was er dabei an einem Partikulare anzeigt und wie er das tut, stets die Verwendung einer Gegebenheitsweise einschließt. Damit daher in einer Ostension dP wirklich der Sinn von ‘P’ getroffen, also die Unterstellung des Sachbezugs von ‘P’ einlösbar wird, muß ausdrücklich Invarianz gegenüber der in Anspruch genommenen Gegebenheitsweise gesichert werden. Der Sinn von ‘rauchen’ in einer Menschsituation etwa muß unabhängig sein von den durch die einschlägigen Aspekte von Rauchen, z. B. Rauchen-[eines-Menschen]-Sehen, Rauchen-[einer-Zigarette]-Riechen, Umgehen-mit-Menschen-beim-Rauchen u. a., induzierten Gegebenheitsweisen der Ostension ›dies Rauchen‹, damit sich die mit dieser Ostension unterstellte Anzeige der Substanz jP (= das Ganze ›aller‹ Rauchvollzüge) an einem Menschen auch einlösen läßt. Das schließt ebenso die Unabhängigkeit von den Phasen von Rauchen ein. Die Sinnbestimmung eines Artikulators ‘P’ läuft daher, wie sich im einzelnen zeigen läßt,9 auf nichts anderes hinaus, als eine Begriffsbestimmung des Universale (= Eigenschaft) sP vorzunehmen, um neben der Substanz jP als der extensionalen Bedeutung von ‘P’ (= das ›Was‹ der Anzeige oder die ›Referenz‹) auch über den Begriff ¢P als der intensionalen Bedeutung von ‘P’ (= das ›Wie‹ der Anzeige oder der ›Sinn‹ im engeren Sinn) zu verfügen. Bei der Begriffsbestimmung geht es darum, das durch ‘¢P’ bezeichnete Abstraktum in Bezug auf die Äquivalenzrelation zu bilden, die durch die Übersetzungsregeln zwischen den von dem symbolischen Artikulator ‘P’ vertretenen alternativen Artikulationen desselben Gegenstand(typ)s P bestimmt ist. Des weiteren ist es unerläßlich, sich darüber im Klaren zu sein, daß die als Erfülltsein oder Verwirklichung seiner Bedeutung bestimmte Geltung eines Artikulators in einer Prädikation, also bezogen darauf, was und in welcher Stückelung von Einheiten dabei von einem Partikulare ausgesagt wird – das Was ist die Eigenschaft als Realisierung des Begriffs, und die Stückelung ist eine vom Partikulare induzierte (evtl. nur partielle) Klasseneinteilung der Substanz in Teilganzheiten als ihren Elementen – , noch vom Modus der Prädikation abhängt. Geltung und damit auch das Erheben eines Anspruchs auf Geltung seitens des Sprechers lassen sich nur unter Bezug auf einen Modus erklären. Der 9
Vgl. Lorenz 1995, p 1120 f [in diesem Band pp 64 f].
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Modus entscheidet demzufolge auch über die Art der Einlösung des Anspruchs auf Geltung. Dabei besteht dieser Anspruch, der besagt, die ›bloß mögliche‹ Geltung in eine ›wirkliche‹ überführen zu können, gerade darin, die für den Sprecher bereits wirkliche Übereinstimmung von Sprechsituation und besprochener Situation auch dem Hörer zugänglich zu machen, um so Anerkennung für das Gesagte zu erwirken. Der Sprecher erhebt, indem er von einem Q-Objekt iQ die Aussage eP macht – und das ist gleichwertig damit, in einer Q-Situation, also der besprochenen Situation mit iQ im Vordergrund, ePQ auszusagen – , gegenüber dem Hörer von ‘eP’, der sich in der Sprechsituation mit ‘eP’ (und dem Nominator ‘iQ’) im Vordergrund befindet, in einem Modus den Anspruch auf (vom Modus abhängige) Übereinstimmung von Sprechsituation und besprochener Situation. Dieser so, mit der P-Prädikation von iQ, erhobene Anspruch läßt sich pragmatisch durch eine P-Wahrnehmung an iQ und semiotisch durch eine P-Ostension an iQ, dem ›Nachweis‹ der P-Wahrnehmung, einlösen; dabei ist zu berücksichtigen, daß die P-Ostension an iQ ihrerseits solange eine Unterstellung bleibt, bis pragmatisch eine P-Hervorbringung an iQ (d. h.ein Vollzug der Handlung des Umgehens mit P in Q-Situationen) und semiotisch eine das P-an-Q-Hervorbringen-Können ›nachweisende‹ PVermittlung in Q-Situationen gelingt. Mit der gesonderten Beherrschung von Sinn und Geltung bei komplexen (symbolischen) Artikulatoren wird das mit ihnen verfügbare begrifflich organisierte Wissen von einem methodisch aufgebauten Können abhängig, das sich seinerseits des Wissens bedient, über das man mit den beteiligten einfachen Artikulatoren verfügt. Der in der Prädikation ePQ enthaltene Anspruch des Sprechers läßt sich im Modus des Behauptens, der für den Geltungsanspruch als Wahrheitsanspruch maßgebend ist, auch so formulieren: Der Sprecher behauptet, es lasse sich ein PQ-Objekt iPQ erfinden, also die Existenz eines speziellen Partikulare iP (= eine Rauchen-Einheit an einem Menschen) nachweisen, dessen Stoff aus dem Stoff von iQ gebildet ist. Der Sprecher verfügt über ein solches iP, weil er über iQ unter dem PAspekt verfügt, der Hörer hingegen nicht ohne weiteres, weil er im allgemeinen über iQ unter einem anderen Aspekt verfügen wird. Hingegen versteht der Hörer ‘ePQ’, wenn er in der Lage ist, diese Äußerung, also das Erheben des Anspruchs, selbst schon als inhaltliche Erfüllung anzusehen und damit die sprachliche Form zu einem besonderen Inhalt, dem semiotischen Inhalt, zu machen. Das Verstehen von ‘ePQ’ oder auch der (relative) Sinn von ‘PQ’, also Substanz und Begriff
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des komplexen Artikulators relativ zu Substanz und Begriff der einfachen Bestandteile, sind als semiotische Geltung ein besonderer Fall der Verwirklichung von Bedeutung, nämlich im von jedem möglichen Modus implizierten Modus des bloßen (sinnvollen) Redens. Dieses Verstehen kann der Hörer seinerseits artikulieren durch die mit der Äußerung der Ostension d(PQ) allein schon für eingelöst erklärten Unterstellung, ein (PQ)-Objekt i(PQ) gefunden zu haben, nämlich ein spezielles Partikulare iQ (= eine Rauchender-Mensch-Einheit), dessen Form eine Invariante von P-Eigenschaften ist. Es handelt sich um einen Fall rein semiotischer Existenz. Das Verstehen eines komplexen Artikulators ist daher unabhängig von der Handlungskompetenz, mit dem artikulierten Objekt(typ) auch umgehen zu können, zumal es möglich ist, daß ein entsprechendes komplexes Partikulare, abgesehen von seiner semiotischen Existenz, gar nicht existiert oder existieren kann. Von dem in komplexen Artikulatoren verfügbaren begrifflich organisierten Wissen läßt sich jetzt das für ihr bloßes Verstehen maßgebende Wissen als Sprachwissen abtrennen. Es steht damit dem übrigen Weltwissen gegenüber, das auf den Nachweis einer nicht bloß semiotischen Existenz entsprechender komplexer Partikularia angewiesen ist, der durch Beurteilungshandlungen, speziell also Begründungshandlungen, wenn es um Geltungsansprüche als Wahrheitsansprüche geht, erbracht wird. Beurteilungshandlungen aber, die Paradigmata für reflexive Sprachhandlungen, weil es in ihnen um die Wiederherstellung einer nicht mehr bloß semiotischen Einheit von Gegenstand und Darstellung bzw. von besprochener Situation und Sprechsituation geht, gehören nicht mehr nur dem Bereich der Sprache an. Zu ihren Hilfsmitteln zählen nämlich methodisch aufgebautes Können im Umgang mit den sprachlichen Gegenständen, darunter die Argumentationen, ebenso, wie methodisch aufgebautes Können im Umgang mit den besprochenen Gegenständen, zum Beispiel Experimente. Es lassen sich daher die reinen, für die Syntax einer Sprache maßgeblichen Sprachhandlungskompetenzen von den Handlungskompetenzen auf der Gegenstandsebene einerseits und auf der Beurteilungsebene, insbesondere der Begründungsebene, andererseits unterscheiden: Mit der Einführung komplexer Artikulatoren wird die Eigenständigkeit der Sprachebene zwischen Gegenstandsebene und Beurteilungs- bzw. Begründungsebene konstituiert. Diese Einführung, etwa des aus den Artikulatoren ‘Q’ und ‘P’ aufgrund der Aussage iQeP und der Anzeige dQiP zusammengesetzten komplexen Artikulators ‘Q*P’, bei dem eine Phase von iQ und ein
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Dialogischer Konstruktivismus
Aspekt von iP übereinstimmen, läßt sich wie folgt zusammenfassend notieren: (iQeP)* = (dQiP)* = Q*P
und
e(Q*P) = ePQ d(Q*P) = d(PQ)
Der komplexe Artikulator ‘Q*P’ erlaubt, wie sich hat zeigen lassen, das Aussagen und Anzeigen auch als reine Sprachhandlungen, vorausgesetzt, die einfachen Bestandteile stehen Ich-Du-invariant bereits zur Verfügung. Das Aussagen einer Schematisierung eines iQ durch P läßt sich verstehen und dies Verstehen seinerseits durch das Anzeigen einer Aktualisierung eines iP durch Q artikulieren, ohne dabei mehr als nur die semiotische Existenz eines iPQ, d.i. eines speziellen iP durch Relativierung, oder eines mit ihm gleichwertigen i(PQ), d.i. eines speziellen iQ durch Modifizierung, in Anspruch zu nehmen. Das komplexe Partikulare i(Q*P) ist in einstelliger Projektion als relativiertes iP und als modifiziertes iQ darstellbar: i(Q*P)ePQ und d(PQ)i(Q*P), wegen iPQeP und dPiPQ sowie i(PQ)eQ und dQi(PQ). Mit den Beispielen ‘Stuhl’ für ‘Q’ und ‘Holz’ für ‘P’ hätte man i(Q*P), i(P*Q), iPQ , iQP , i(PQ), i(QP) nacheinander wiederzugeben durch: dieses Stuhlholz, dieser Holzstuhl, dieses Holz eines Stuhls, dieser Stuhl von Holz, dieser hölzerne Stuhl, dieses stuhlförmige Holz. Leider werden in den gegenwärtig üblichen sprachphilosophischen Darstellungen Sprachhandlungen unter ihren pragmatischen Aspekten und damit in ihrer kommunikativen Funktion häufig gleich auf die Beurteilungsebene bezogen – die Sprachpragmatik als Disziplin ist gleichsam ›zu hoch‹ angesiedelt – , während Sprachhandlungen unter ihren semiotischen Aspekten, also in ihrer signifikativen Funktion, umstandslos auf die Gegenstandsebene bezogen werden – die Sprachsemantik ist als Disziplin entsprechend ›zu tief‹ plaziert.10 So bleibt für die Sprachsyntaktik – und die Logik hat als eine syntaktische Disziplin, nämlich von der sprachlichen Rolle der logischen Partikeln, genau dieses Schicksal seit Frege erlitten – nur noch eine Theorie vom Aufbau der Sprachzeichen, wobei diese bloß als Gegenstände behandelt werden und nicht mehr als ausdrücklich sprachliche Gegenstände, deren gegen10 Eine repräsentative Auswahl von Bearbeitungen sprachphilosophischer Themen mit dem mittlerweile klassisch gewordenen Verständnis von Syntax, Semantik und Pragmatik im Hintergrund findet sich in den beiden Teilbänden des HSP.
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ständlicher Aufbau natürlich von ihren pragmatischen, i. e. kommunikativen, und semantischen, i. e. signifikativen, Funktionen regiert wird. Läßt man dies wie üblich außer acht, wird Sprachsyntaktik zu einem bloßen Teilgebiet der Theorie der Kalküle. Recht verstanden jedoch – und das wurde am Beispiel der Verknüpfung Q*P vorgeführt – kann Sprachsyntaktik und damit die Grammatik bei der Untersuchung der Aufbauregeln für Zeichengegenstände ohne den Bezug auf deren Zeichencharakter nicht auskommen: Syntax unter Ausschluß von Pragmatik und Semantik ist ein Unding. Mit der hier skizzierten Synthese komplexer Artikulatoren aus einfachen bzw. der Analyse einfacher Artikulatoren als komplexe sind einstellige Elementaraussagen vom Typ ‘iQeP’ derart jeweils einem komplexen Artikulator zugeordnet, daß der Sinn einer Aussage A durch den Sinn des zugeordneten Artikulators A* erklärt wird, während die modusbezogene Geltung von A, also die Wahrheit von A im Behauptungsmodus, mit der in ihrer Art vom Modus bestimmten Existenz eines A* erfüllenden Partikulare (im Modus des Erzählens etwa seine fiktive Existenz) gleichwertig ist, im Fall von A Ð iQeP also mit der Existenz eines iPQ , d.i. eines besonderen, auf Relativierung beruhenden P-Objekts, oder alternativ eines i(PQ), d.i. eines besonderen, auf Modifizierung beruhenden Q-Objekts. Die in der dialogischen Logik vorgenommene Sinnbestimmung der logischen Partikeln durch Spielregeln für Dialoge um logisch zusammengesetzte Aussagen kann nun als ein weiterer Fall komplexer Artikulation und der Festlegung ihres (relativen) Sinnes im Rahmen dialogischer Konstruktion und phänomenologischer Reduktion verstanden werden. Die ursprüngliche Deutung der Spielregeln als Regeln der Argumentation um Aussagen und damit geltungsbezogen statt sinnbezogen war schon bald von der Kritik als in mehrfacher Hinsicht inadäquat erkannt worden und hat bis heute die Auseinandersetzung um die Stärken und Schwächen des dialogischen Ansatzes in der Logik behindert.11 Die lokale Spielregel etwa für die Subjunktion A!B, die den sie Äußernden zur Verteidigung von A!B mit B auf den Angriff A gegen A!B verpflichtet, wobei globale Spielregeln die Bedingungen für das Aktuellwerden der Verpflichtung festlegen, ist nichts anderes als eine Sinnbestimmung für den Artikulator (A!B)*; mit ihm wird die Handlung bzw. Handlungskompetenz einer Dialogführung nach der 11 Vgl. etwa den Sammelband Gethmann 1982.
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genannten Regel artikuliert, also ein besonderer Interaktionstyp bzw. eine Interaktionskompetenz. Der Sinn der sprachlichen Wenn-dannVerknüpfung ist auf der Sprachebene und damit eigenständig grammatisch bestimmt, also weder ›technisch‹ durch Rückbezug auf die Gegenstandsebene, etwa auf den Zusammenhang von Handlungen durch ihr Nacheinander, wie im Fall der operativen Deutung des ‘wenndann’, noch ›argumentativ‹ unter Inanspruchnahme der Begründungsebene, etwa in Gestalt der Kompetenz, Beweise (für die Wahrheit) von B aus Beweisen (für die Wahrheit) von A bilden zu können, wie im Fall der beweistheoretischen Deutung des ‘wenn-dann’. Die operative Deutung ist ersichtlich deshalb unbefriedigend, weil nicht alle Aussagen Ableitbarkeitsaussagen sind, man auf einen Gegenstandszusammenhang durch schematisches Operieren bei beliebigen Aussagen aber wohl kaum wird zurückgreifen können. Die beweistheoretische Deutung ist ebenfalls nicht generell brauchbar, weil nicht alle Aussagen auf Kerne von Behauptungen zurückgeführt werden können, Aussagen sich also in solchen Fällen, obwohl sinnvoll, keiner Beurteilung auf Wahrheit unterwerfen lassen. Aus dem letztgenannten Grund scheitert auch das spezielle gegenstandsorientierte Vorgehen, den Sinn logischer Verknüpfungen in allen Fällen durch Wahrheitsbedingungen festzulegen. Eine weitere Alternative, den Sinn logischer Verknüpfungen doch noch mithilfe argumentativer Handlungen zu erklären und so die ursprüngliche Idee der dialogischen Logik, ihre Spielregeln als Argumentationsregeln zu konzipieren, in veränderter Gestalt, nämlich als Argumentationslogik, wieder in ihr Recht einzusetzen, scheitert daran, daß logisch verknüpfte Aussagen auch außerhalb jeder argumentativen Praxis, zum Beispiel beim Erzählen, eine sinnvolle Rolle spielen. All das mindert selbstverständlich nicht die Eignung dieser Alternativen für spezielle Zwecke, die operative Deutung etwa für die Theorie von Kalkülen. Hat man sich klar gemacht, daß in der dialogischen Logik auf der Partieebene Sinnzusammenhnge und erst auf der Strategieebene, etwa relativ zum Modus des Behauptens für alle während einer Dialogpartie auftretenden Aussagen, Geltungsprobleme, ganz wörtlich, ›zur Sprache‹ kommen, so lassen sich Argumentationen als Hilfsmittel identifizieren, die Überzeugung, über eine Gewinnstrategie zu verfügen, z. B. für die Wahrheit einer Aussage, zu sichern oder zu erschüttern. Argumentationen haben nichts damit zu tun, primär zu solchen Überzeugungen zu kommen; sie dienen vielmehr ihrer kritischen Überprüfung, indem sie ›Beweise‹ oder ›Widerlegungen‹ für die Existenz von Gewinnstrategien
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erzeugen. Und derselbe Charakter eines Hilfsmittels kommt auch den Hochstilisierungen der Argumentationspraxis zu Regeln des logischen Schließens zu. Der Begriff der Geltung, insbesondere der Begriff der Wahrheit, ist durchaus unabhängig von der ihrem Nachweis dienenden Argumentationspraxis. Damit läßt sich auch die verbreitete Forderung, Wahrheit und Beweisbarkeit begrifflich auseinanderzuhalten, als berechtigt einsehen. Aber das hat angesichts der hier vorgetragenen Zusammenhänge ersichtlich nichts mit einem Votum für eine sogenannte ›realistische‹ Bedeutungstheorie zu tun.
Literaturverzeichnis Buchholz, Kai, 1998: Sprachspiel und Semantik, München. Gethmann, Carl Friedrich, (Hg.), 1982: Logik und Pragmatik. Zum Rechtfertigungsproblem logischer Sprachregeln, Frankfurt am Main. HSP, = Sprachphilosophie/Philosophy of Language/La philosophie du langage. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung/An International Handbook of Contemporary Research/Manuel international des recherches contemporaines, hg. v. Marcelo Dascal/Dietfried Gerhardus/Kuno Lorenz/Georg Meggle, Berlin/New York Bd.1 1992, Bd.2 1995. Lorenz, Kuno, 1990: ›Sehen‹ – Wittgensteins Umgang mit der Bildmetapher, Grazer Philosophische Studien 38, pp 35 – 45. Lorenz, Kuno, 1995: Artikulation und Prädikation, in: HSP 2, pp 1098 – 1122. Lorenz, Kuno, 1997: Rede zwischen Aktion und Kognition, in: Sprache und Denken. Language and Thought, hg. v. Alex Burri, Berlin/New York, pp 139 – 156. Lorenz, Kuno, 1999: Grammatik zwischen Psychologie und Logik, in: Sprache und Sprachen in den Wissenschaften. Geschichte und Gegenwart, hg. v. Herbert Ernst Wiegand, Berlin/New York, pp 27 – 47. PU, = Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, dt./engl., Oxford 1953.
Die Wiedervereinigung von theoretischer und praktischer Rationalität in einer dialogischen Philosophie Es gehörte zu den Grundüberzeugungen Platons, daß es sich bei der Philosophie nicht um ein besonderes Wissen sondern um eine besondere Umgangsform mit Wissen und natürlich auch Nichtwissen handelt, und es blieb seither eine der Aufgaben der Philosophie, dieser Selbstreflexion immer wieder eine überzeugende zeitgenössische Gestalt zu geben. Damit dies auch in der gegenwärtigen Situation gelingen kann, bedarf es unter anderem eines wesentlich radikaleren Verständnisses von Rationalität, als es in der Nachfolge von Platons Begriff des kºcom didºmai, nämlich des ›Rechenschaft ablegen‹, in unserer westlichen Tradition bis heute vorherrscht. In einem ersten Schritt versuche ich zu zeigen, daß man es hauptsächlich der auf die Antike zurückgehenden Verkürzung von Rationalität auf theoretische Rationalität verdankt, daß wir dem wachsenden Irrationalismus in der Gegenwart derart ausgeliefert erscheinen, wie es ständig beobachtet wird. Der zweite Schritt skizziert anschließend Entwicklungen der Philosophie der letzten hundert Jahre, die sich als Folgen der Ausgliederung der Praxis aus dem Bereich der Gegenstände, die der Vernunft zugänglich sind, verstehen lassen. Damit ist dann zugleich der dritte und letzte Schritt vorbereitet, der eine dialogische Philosophie in ihren Umrissen vorstellt, die sich in ihren Verfahren und in ihren Gegenständen nicht mehr auf nur sprachliche Auseinandersetzungen zwischen Menschen stützt. Dergleichen verallgemeinerte ›Dialoge‹ bilden das Medium einer Bestimmung von ›eigenem‹ Ich und ›fremdem‹ Du, die wegen der Unabgeschlossenheit der in ihr ›praktisch‹ vollzogenen und ›theoretisch‹ dargestellten Selbstreflexion ihrerseits niemals beendet ist. Dialogische Philosophie als dargestellte Selbstreflexion aber bleibt unablösbar von vollzogener, bei der die dialogischen Auseinandersetzungen sich als ein Voneinander-Lernen erweisen. Aus diesem Grunde sind verallgemeinerte Dialoge sowohl der Gegenstand als auch das Verfahren einer Selbstbesinnung, in der Selbstbestimmung
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nur zusammen mit dem Gewahrwerden eines Bestimmtwerdens auftreten kann. Jeder, der mit unserer Kulturgeschichte auch nur in Grundzügen vertraut ist, kennt die überlieferten beiden antiken Definitionen des Menschen: Der Mensch ist ein animal rationale (f`om kºcom 5wom), und er ist ein animal sociale (f`om pokitijºm). Geht es dann aber darum, einigermaßen präzise anzugeben, was diese Bestimmungen besagen und welchem Zweck sie dienten, so entsteht in der Regel Verlegenheit. Denn an dieser Stelle wird es unausweichlich, in einem Dickicht von Auseinandersetzungen, die darüber bereits geführt wurden, selbst eine Position zu beziehen und zu versuchen, sie zu verteidigen. Es ist hier nicht der Ort, solches auch nur ansatzweise zu tun. Ich beziehe mich stattdessen ohne weitere Begründung unmittelbar auf eine schon vor fast einem halben Jahrhundert von Hannah Arendt vorgetragene Analyse der historischen Folgen, die durch die Übersetzung des griechischen ‘pokitijºm’ durch das lateinische ‘sociale’ in der zweiten der beiden genannten Definitionen ausgelöst worden sind. Hannah Arendt konnte überzeugend belegen,1 daß mit dieser Übersetzung eine Bedeutungsverschiebung einherging, die den im aristotelischen Verständnis wichtigen Unterschied zwischen dem öffentlichen Raum der politischen Praxis und dem privaten Raum gesellschaftlichen, z. B. wirtschaftlichen, Handelns einebnete. Fortan wurde – und das gilt grundsätzlich bis heute – der Bereich des Politischen als zugehörig dem nach Analogie des ›Haushalts‹ (oWjor) aufgefaßten Gesellschaftlichen bzw. Sozialen aufgefaßt. Man konnte sich dabei sogar noch auf Platon stützen, der, anders als Aristoteles, in Bezug auf das Regieren ein Hauswesen und ein Staatswesen als gleichartig ansah.2 Das allerdings lag daran, daß die Regierenden und die Regierten bei Platon in einem Staatswesen ebensowenig gleichberechtigt waren wie in einem Hauswesen: Die Regierenden setzen die Ziele, weil sie über Einsicht (cm_sir) in die Bestimmung des Menschen verfügen, die Regierten aber handeln lediglich nach diesen Zielen. Und dieser Unterschied zwischen ZieleSetzen und Zielgerichtet-Handeln, der überall in der griechischen Philosophie, nicht nur bei Platon, wichtig ist, geht nach den Analysen Hannah Arendts bei der Übersetzung von ‘pokitijºm’ in ‘sociale’ verloren. Es kann dann die nach griechischer Überzeugung den Menschen ausmachende Fähigkeit, sich Ziele für sein Handeln zu setzen, nicht 1 2
Cf. Arendt 1958, chap. II. Politikos 259b.
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mehr unterschieden werden von der auch anderen Lebewesen eigenen Fähigkeit, sich angesichts bereits vorgegebener Ziele ›zweckmäßig‹ zu verhalten. Die heute mehrheitlich als Prototyp für Rationalität geltende ›Zweckrationalität‹, also das Vermögen, zu einem gegebenen Ziel einen innerhalb gewisser empirischer Grenzen optimalen Weg zu wählen, gilt im berühmten Kulturentstehungsmythos des Protagoras, von dem uns Platon im gleichnamigen Dialog berichtet,3 als noch vorrational und deshalb nicht spezifisch menschlich. In diesem Mythos stehen auf der ersten Stufe Fähigkeiten zur Ausbildung ›technischer‹ Fertigkeiten als Kompensation für natürliche Mängel zur Verfügung. Diese dem Ziel der Kompensation und damit dem kollektiven Überleben dienenden Fähigkeiten kommen jedem Individuum der ganzen Spezies zu und sind daher Eigenschaften der Spezies. Werden sie ausgebildet, so führen sie zu Fertigkeiten, einem Können, das von Platon ›praktisches Wissen‹ genannt wird – operationales Wissen würden wir heute sagen – und das erst von Aristoteles umbenannt wird: Das Können macht den Bereich der Poiesis aus – man tut etwas, um etwas anderes zu erreichen – und gehört nicht zur Praxis, wo das Tun um seiner selbst willen geschieht. Der Bereich der Poiesis aber bleibt in der Antike wegen seines angeblich bloß vorrationalen Charakters durchweg minderen Ranges. Im Mythos des Protagoras kommt erst auf der zweiten Stufe die Fähigkeit zur Rationalität hinzu. Sie ist das Vermögen, einen Logos anzugeben (kºcom didºmai), den man braucht, um sich selbst ›regieren‹ zu können – heute würden wir dafür lieber von der Fähigkeit zur ›Selbsterziehung‹ sprechen. Bei Platon umfaßt das Vermögen des kºcom didºmai oder ›einsehenden Wissens‹ (1pist¶lg cmystij¶), wie er sich auch ausdrückt, sowohl das Gründegeben-Können für das, was man sagt – man hat (theoretisches) Urteilsvermögen – , als auch das ZielesetzenKönnen für das, was man tut – man hat (praktisches) Urteilsvermögen und vermag zu gebieten. In diesem logosbezogenen Wissen ist daher die Trennung von Theorie und Praxis in der neuen aristotelischen Bedeutung durchaus angelegt. Die Logosbezogenheit wird aber von Aristoteles gleich so ausgelegt, daß bis heute der Logos ein Urteil ist: Theoretische Urteile sind Urteile übers Reden, nämlich ob eine Rede begründet und damit ›wahr‹ ist, und praktische Urteile sind Urteile übers Handeln, nämlich ob eine Handlung als ihr eigenes Ziel auftreten darf und damit ›gut‹ ist. Das logosbezogene Wissen Platons, das im 3
Protagoras 320c8 – 323c2.
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Mythos von Protagoras zum operationalen Wissen hinzutritt, ist in der Lesart des Aristoteles propositionales Wissen. Die Bestimmungen des Menschen als animal rationale und als animal sociale betreffen beide das sprachliche Urteilsvermögen, dessen Ausbildung zur Fertigkeit der sprachlichen Auseinandersetzung führt. Der Dialog als das Verfahren der Philosophie ist seither etabliert und trotz aller Verzerrungen nie mehr preisgegeben worden. Allerdings herrschte fast durchgehend – und auch in diesem Fall bis heute – ein eingeschränktes Verständnis von Dialog. Einen Dialog zu führen hieß und heißt zu argumentieren. Dabei hat eine Argumentation das Ziel, Ansprüche auf die Geltung von SeinsAussagen und von Sollens-Aussagen einzulösen; heute sprechen wir von deskriptiven und von normativen Aussagen, deren Geltungsansprüche es einzulösen gilt. Weder werden die als Voraussetzung für eine Geltungssicherung von Aussagen notwendigen Sinnbestimmungen der sprachlichen Teile von Aussagen dialogisch ermittelt, noch sind Dialoge durchgehend zum Gegenstand der Philosophie geworden. Das ebenfalls von Platon zum kºcom didºmai gehörende ›dialektische‹ Verfahren einer begrifflichen Bestimmung der Bedeutung prädikativer Ausdrücke mit Hilfe von Dihairesen wurde von Aristoteles aus dialogischen Verfahrenszusammenhängen gänzlich herausgelöst. Er verwandelte es in die künftig in der philosophischen Tradition herrschende Definitionslehre: Ein Gegenstandstyp, z. B. Mensch (homo), wird definiert durch Angabe von genus proximum, z. B. Lebewesen (animal), und differentia specifica, z. B. vernünftig (rationale). Gleichwohl ist die Selbstbestimmung des Menschen im Unterschied zur Definition anderer Gegenstandstypen gerade von Aristoteles als ein Sonderfall verstanden worden, der mit der Auszeichnung des Menschen durch sein Sprachvermögen verbunden ist. Kein anderes Lebewesen, geschweige denn Nicht-Lebendiges, verfügt über Selbstbestimmung. Die Entdeckung des Logos als eine Anlage und zugleich Aufgabe ist gleichwertig mit der Selbstentdeckung und Selbsterfindung des Menschen. In den Worten Ernst Cassirers kann man die Entdeckung des Logos auch auffassen als die Entdeckung, Zeichen sowohl erzeugen als auch erfassen zu können.4 Wer sich etwas vor Augen stellt und damit vergegenständlicht, kann dies nur tun, indem er von einer Zugangsweise zu diesem Gegenstand Gebrauch macht, und das heißt, indem er etwas als Zeichen für diesen Gegenstand verwendet. 4
Cf. Cassirer 1944, chap. II (A clue to the nature of man: the symbol) und chap. VI (The definition of man in terms of human culture).
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In unserer eigenen Tradition war es Platon, der diese Entdeckung – ›Die Entdeckung der Vernunft in der Antike‹ nennen wir es heute – zugleich als eine Erfindung begriff, die sich durch ein eigenes lehr- und lernbares Verfahren, eben das diak´ceshai oder ›dialogische Philosophieren‹, wiederholbar und daher auch tradierbar machen läßt. Nur so kann man von ihr auch wissen. Rationalität ist nicht einfach da, sie muß ausdrücklich erworben werden, was man als Selbstanwendung der Rationalität begreifen kann. Diese Selbstanwendung der Rationalität kann dann als Vernunft auch noch von Rationalität oder Verstand terminologisch unterschieden werden. Derart Denken zu lernen heißt, sich das Verfahren der Distanzierung (= Objektivierung) ausdrücklich anzueignen: Man muß lernen, Erfahrungen, die schon gemacht sind, auch zu artikulieren, gleichgültig ob das verbal, pictoral oder anders geschieht. Das aber gelingt nur dann, wenn man sich zugleich vom bloßen Vollzug der Aneignung seinerseits zu distanzieren vermag. Nur so gewinnt man auch ein Verfahren der Aneignung: Man muß ebenfalls lernen, Erfahrungen, die schon artikuliert sind, auch zu machen, wiederum gleichgültig, welche der fünf äußeren Sinne und des einen inneren Sinns in der üblichen Zählung man dabei einsetzt. Der ›Semiotisierung‹ im Zuge der Distanzierung korrespondiert eine ›Pragmatisierung‹ im Zuge der Aneignung. Keines der beiden Verfahren ist ohne das andere zu haben: Denken lernen schließt Leben lernen ein. Wir sagen dafür heutzutage meistens, daß es darum gehe, bewußt leben zu lernen, und haben vergessen, daß damit kein das Leben begleitender innerer Vorgang gemeint ist, sondern ein Leben, das man auch mit den Augen seines Gegenübers zu sehen lernt. Ohne diese Selbstanwendung ist Rationalität nicht verfügbar, allenfalls ein Ereignis, von dem man dann aber nichts wissen kann. Der in dieser Selbstanwendung von Rationalität zum Ausdruck kommende dialogische Charakter der Vernunft ist vor allem dank des Einflusses von Aristoteles leider nur für die Geltungsfrage sichtbar gemacht worden. Zeichenbildung jenseits der Aussagen, oder, noch radikaler, jenseits verbaler Sprache, geriet aus dem Blickfeld oder hatte allenfalls propädeutischen Charakter. Vernünftigsein und Vernünftigreden besagten grundsätzlich dasselbe. Daher gab es auch vor der Übersetzung ins Lateinische keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Selbstbestimmungen des Menschen als animal sociale und als animal rationale. Angesichts der ›Dialektik‹ von Distanzierung und Aneignung, die Denkenlernen und Lebenlernen unauflöslich zusammenbindet, läßt sich jetzt genauer sagen, daß mit der Sozialität oder praktischen Rationalitt die
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Verfügung über das Verfahren der Aneignung, mit der Rationalität im engeren Sinn oder theoretischen Rationalitt die Verfügung über das Verfahren der Distanzierung artikuliert wird. Nur das Vermögen theoretischer Rationalität – das Denkenkönnen – ist mit dem Sprachvermögen gleichwertig. Gleichgültig jedoch, ob für die Unterscheidung zwischen praktischer und theoretischer Rationalität in der hier vorgeschlagenen Radikalität die Unterscheidung zwischen operationalem Wissen und propositionalem, d. h. in Aussagen verkörpertem, Wissen paradigmatisch sein soll, oder ob man, wie in der Antike und meistens auch in der Tradition, diese Unterscheidung allein auf der Sprachebene durch die Unterscheidung zwischen normativem Wissen und deskriptivem Wissen für paradigmatisch realisiert hält, in beiden Fällen handelt es sich um Selbstzuschreibungen und nicht um gewöhnliche Eigenschaften des Menschen. Zu gewöhnlichen Eigenschaften oder ›positiven‹ Bestimmungen werden diese Selbstzuschreibungen – man nennt sie traditionell auch Reflexionsbestimmungen – ebenfalls erst durch Distanzierung. Genau das ist bei der Übersetzung ins Lateinische geschehen, und zwar nicht nur bei der Übersetzung des griechischen ‘pokitijºm’ ins lateinische ‘sociale’ in der Weise, wie es Hannah Arendt auseinandergesetzt hat, sondern auch bei der Übersetzung des griechischen ‘kºcom 5wom’ ins lateinische ‘rationale’. Nur so konnte es dazu kommen, daß man darüber debattierte und noch immer debattiert, ob praktische und/oder theoretische Rationalität vielleicht empirische, auf Beobachtungen fußende, Bestimmungen sind, die dem Menschen, etwa im Zuge der Evolution, zukommen; entsprechend hatte man früher darüber diskutiert, ob dieselben Rationalitäten vielleicht das ›Wesen‹ des Menschen ausmachen, was man mit reinem Denken zu ermitteln hätte. Unterschlagen war dann, daß ohne eine vorangegangene Selbstzuschreibung dergleichen Debatten sinnlos bleiben müssen. Praktische Rationalität oder Sozialität im reflexiven Verständnis artikuliert Verbundenheit, also ein Sich-im-anderen-Erkennen, wie es wirklich wird, wenn die eigenen Handlungsvollzüge als dem Typ nach mit fremden Handlungsvollzügen übereinstimmend begriffen sind. Entsprechend artikuliert theoretische Rationalität im reflexiven Verständnis die in einzelnen Lebensvollzügen wirklich werdende Selbstbestimmung, in der gegenseitige Abgrenzung durch Ausbildung von Individualität erfahren wird. Erst auf der Grundlage einer solchen Selbstzuschreibung, die zugleich ›Ich‹ und ›Du‹ hinsichtlich Übereinstimmung und Differenz betreffen, lassen sich dieselben Bestimmungen
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auch in der gewöhnlichen positiven Lesart, nämlich vergegenständlicht, verstehen. Positiv beschreibt praktische Rationalität die ›empirische‹ Eingebundenheit der einzelnen Menschen sowohl in kausale UrsacheWirkungs-Zusammenhänge als auch in intentionale Mittel-ZweckZusammenhänge, wie sie jeweils von naturwissenschaftlichen beziehungsweise kulturwissenschaftlichen anthropologischen Disziplinen untersucht werden. Theoretische Rationalität wiederum beschreibt im positiven Verständnis das ›rationale‹ Vermögen der einzelnen Menschen, im Handeln und Reden Unabhängigkeit von der jeweils individuellen Perspektive des eigenen Standorts ausbilden zu können. Diese Fähigkeit, als allgemeines Ich oder transsubjektiv aufzutreten, war von Max Scheler als das Vermögen zu „vollendeter Sachlichkeit“ bezeichnet worden.5 Empiristen und Rationalisten in Bezug auf den Menschen als wissenschaftlichen Gegenstand haben beide recht. Ohne die Fundierung des Zusammenhangs von praktischer und theoretischer Rationalität in der Dialektik von Aneignung und Distanzierung läßt sich dieses Ergebnis schwerlich gewinnen. Faktisch hat sich das platonische Ideal einer von der heyq¸a geleiteten Lebensführung in der philosophischen Tradition durchgesetzt, und das geschah trotz der von Aristoteles, wenn auch nur auf der Ebene von Geltungsfragen, vertretenen salomonischen Lösung im Streit um den Vorrang von Denken und Leben, als er die platonische heyq¸a in theoretische und praktische Philosophie schied: Dem Ziel nach hat das Leben Vorrang vor dem Denken im Sinne eines Nachdenkens über das Leben – es geht nämlich um Gut-Leben ; dem Grund nach aber hat das Denken Vorrang vor dem Leben im Sinne eines Lebens, das sich nach dem Denken richtet – in diesem Fall geht es um Wahres-Denken. In der alternativen Formulierung, daß praktisch die Erfahrung ihrer Artikulation vorausgeht – Ich versuche, eine von Du schon gemachte Erfahrung meinerseits zu verstehen – , während theoretisch die Erfahrung der Artikulation nachfolgt – Ich versuche, eine von Du schon artikulierte Erfahrung selbst zu machen – in dieser Formulierung erkennt man ohne Mühe das Wechselspiel von Distanzierung und Aneignung, von dem nun schon mehrfach die Rede war und das auf den dialogischen Charakter der Vernunft verweist. Dabei ist in dieser neuen Formulierung der dialogische Charakter nicht mehr, wie bei Aristoteles und der ihm folgenden Tradition, auf die Ebene der Geltungsfragen beschränkt. 5
Scheler 1928, p 39.
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Nur solange man sich nicht darüber klar ist, daß der dialogische Charakter der Vernunft Reden und Handeln und damit Denken und Leben durchdringt, bleibt man bei der unsere Tradition beherrschenden Gewohnheit, der Philosophie die folgenden Aufgaben zuzuweisen: Mit Rücksicht auf eine Beurteilung von etwas als ›wahr‹ soll sie der Frage nach dem ›Sein‹ und mit Rücksicht auf eine Beurteilung von etwas als ›gut‹ soll sie der Frage nach dem ›Sollen‹ nachgehen. Und damit hätte es dann sein Bewenden.Tatsächlich hat bis heute poietische Philosophie als Frage nach dem ›Können‹ und seinem Erwerb neben theoretischer Philosophie und praktischer Philosophie eine untergeordnete Stellung. Das bloß Besondere, das sich keiner allgemeinen Regel zu fügen scheint, bleibt schutzlos der Usurpation durch Wortführer vieler Arten von Irrationalismus ausgeliefert. Ja, so ein Ausdruck wie ‘sinnliches Wissen’ hört sich für jemanden, der an Hegel geschult ist und erst zufrieden sein kann, wenn er etwas auf den Begriff gebracht hat, als eine, philosophisch jedenfalls, unzulässige Begriffsbildung an. Sie ist allenfalls verständlich als Ausdruck der Schutzsuche vor den Überfällen des Irrationalismus. Dabei ist sinnliches Wissen nichts anderes als ein Sonderfall operationalen Wissens, wie es zum Beispiel auftritt, wenn ein Maler beim Ausüben seines ›Handwerks‹ von seinen visuellen Fertigkeiten Gebrauch macht. Und dem operationalen Wissen neben dem propositionalen Wissen wieder einen gleichberechtigten Platz zu geben ist, ganz unabhängig von einer dialogischen Fundierung des Umgangs mit Wissen und der zentralen Rolle operationalen Wissens in den mathematischen und technischen Disziplinen, von vielen Schulen gegenwärtiger Philosophie als eine überfällige Aufgabe erkannt worden.6 Mit diesen Vorbereitungen lassen sich jetzt besser die Folgen der unsere philosophische Tradition beherrschenden Verkürzung von Rationalität auf theoretische Rationalität sichtbar machen, auf die im nächsten Schritt in gebotener Kürze eingegangen werden soll. Ich beschränke mich darauf, gerade soviel auseinanderzusetzen, daß die Motive für meine eigenen, dem philosophischen Konstruktivismus verpflichteten Vorschläge zu einer dialogischen Philosophie deutlich
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Diese Einsicht findet sich bereits im philosophischen Pragmatismus, und zwar in besonders prägnanter Form bei John Dewey in vielen seiner Werke, z. B. unter dem Titel eines Kampfes gegen „the depreciation of action, of doing and making“ in seinen Gifford Lectures 1929: Dewey 1930, p 8.
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werden, von denen im letzten Schritt noch die Rede sein soll.7 Diese Vorschläge bestehen aus dem Entwurf einer konsequenten dialogischen Konstruktion der Erfahrung im Verbund mit einer phänomenologischen Reduktion derselben Erfahrung. Dabei hat dialogische Konstruktion Distanzierung als Verfahren zu entwickeln, um Aneignung zu ermöglichen, während phänomenologische Reduktion wiederum Aneignung als Verfahren auszubilden hat, um auch Distanzierung zu ermöglichen. Beides zusammen geschieht mit der jede philosophische Arbeit leitenden Absicht, eine Orientierung im Reden und im Handeln zu gewinnen. Die Situation der Philosophie um den Beginn des 20. Jahrhunderts läßt sich unter dem hier gewählten Aspekt der Dissoziation von Praxis und Theorie durch das Aufkommen zweier methodologisch orientierter Protestbewegungen gegen diesen Zustand charakterisieren. Auf der einen Seite steht die beginnende Analytische Philosophie, meist mit den Namen Bertrand Russell und George Edward Moore verknüpft, die der Tradition vorwirft, versäumt zu haben, das Hilfsmittel für die Behandlung von Sachproblemen auch auf seine Eignung für diese Aufgabe zu überprüfen. Dieses Hilfsmittel wissenschaftlicher und philosophischer Darstellung ist natürlich die Sprache; daher die Aufforderung zur logischen Analyse sprachlicher Ausdrcke. Den Maßstab für die Sprachanalyse bilden die Sachen selbst. Wir begegnen einem auf die Gegenstandsebene bezogenen Realismus, der sich in traditioneller Redeweise auch als ein ›Realismus der Natur‹ bezeichnen läßt. Auf der anderen Seite steht die Phänomenologie, von Edmund Husserl begonnen, die der Tradition, spiegelbildlich zum Vorgehen der Analytischen Philosophie, vorwirft, die Sachen selbst und die sie betreffenden Probleme aus den Augen verloren zu haben. So kommt es zu dem berühmten Aufruf: Zurck zu den Sachen selbst! In diesem Fall fehlt jeder Zweifel an der Tauglichkeit des Hilfsmittels Sprache, die Sachen auch identifizieren zu können. Wir sind mit einem auf die Zeichenebene bezogenen Realismus konfrontiert. In traditioneller Redeweise, bei der die Zeichenebene durch ihre ›geistige Funktion‹ charakterisiert wird, kann man den Realismus der Hilfsmittel auch einen ›Funktionalismus des Geistes‹ nennen. 7
Cf. zum historischen Kontext das Vorwort zu: Lorenz 1990; zum ›dialogischen Prinzip‹ im Zusammenhang des philosophischen Konstruktivismus: Lorenz 1992.
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Es lag nahe, diese beiden einflußreichsten ›Richtungen‹ des mittlerweile verflossenen Jahrhunderts derart miteinander zu verbinden, daß ihre Einseitigkeiten aufgehoben werden. Es muß als fahrlässig gelten, weiterhin entweder den Sachen oder den Mitteln, die uns die Sachen zugänglich machen, irgendeinen Vorrang in dem Sinne einzuräumen, daß sie fraglos zur Verfügung ständen. Beide, Welt und Sprache, haben als gleichursprünglich zu gelten. Wo aber gab es schon Ansätze zu einem solchen Vorgehen? Wir finden sie bei zwei weiteren, sich ebenfalls methodologisch verstehenden, philosophischen Richtungen, die am Beginn von Analytischer Philosophie und Phänomenologie bereits auf ihrem Höhepunkt waren, ihren Protest gegen die philosophische Tradition jedoch weniger publikumswirksam formulierten und erst viel später für die Weiterentwicklung von Analytischer Philosophie und Phänomenologie einflußreich wurden. Es sind der Pragmatismus von Charles Sanders Peirce und der Historismus von Wilhelm Dilthey. Die Methode des Pragmatismus kristallisierte sich in einer pragmatischen Maxime, nach der die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke, auch wissenschaftlicher und gerade dieser, letztlich in Handlungszusammenhängen zu suchen ist, während die Methode des Historismus ihre Gestalt im Durchlaufen des hermeneutischen Zirkels fand, der darauf beruht, daß jedes sprachlich artikulierte Verstehen seinerseits bereits ein sinnvoller Lebensvollzug ist, weil das Denken nicht hinter das Leben zurück kann. Beide Richtungen versuchen die Gleichursprünglichkeit von Sprache und Welt, deren gegenseitige Abhängigkeit bereits genau begriffen ist, dadurch zu sichern, daß eine der beiden Seiten in der anderen aufgeht, allerdings nicht ganz konsequent. Es werden nämlich Sprache und andere Zeichensysteme zwar auf Zeichenhandlungen zurückgeführt, nicht aber die Gegenstandswelt auf die Welt gewöhnlicher Handlungen. Die Differenz von Welt und Sprache ist dann durch die Differenz von Handlungswelt und Welt der Zeichenhandlungen ersetzt, sofern man davon absieht, daß im Hintergrund eine Welt der Gegenstände bestehen bleibt, gleichsam eine ›Welt an sich‹, die für unabhängig vom handelnden Umgang mit den Gegenständen gehalten wird. Mit der Differenz von Handlungswelt und Welt der Zeichenhandlungen gehen Pragmatismus und Historismus nun verschieden um: Im Pragmatismus wird alles Zeichenhandeln als ein Handeln und nichts sonst verstanden, im Historismus hingegen umgekehrt alles Handeln als ein Zeichenhandeln. Die Differenz zwischen Handeln und Zeichen-
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handeln ist damit verschwunden. Hinzukommt, daß dabei das Handeln im Pragmatismus von der Ich-Rolle her, dem ›aktiven‹ Tun, gesehen wird, während das Zeichenhandeln im Historismus von der Du-Rolle her gesehen wird, dem ›passiven‹ Verstehen, also dem sinnerfassenden Hören im Fall der Sprachhandlungen. Das läßt sich daran ablesen, daß bei Peirce, dem modernen Schöpfer des Pragmatismus, das Tätigsein im Zentrum steht – selbst das Denken versteht er als ein Experimentieren –; bei Dilthey hingegen, der den Historismus zum Höhepunkt geführt hat, steht das Erlebnis im Mittelpunkt, also ein ›Sinngeschehen‹, das man nicht herbeigeführt hat, sondern das einem widerfährt. Es bedurfte einer Reihe weiterer Schritte, um dem dialogischen Charakter der Vernunft auf beiden Ebenen, der Gegenstandsebene und der Zeichenebene, wirklich zum Durchbruch zu verhelfen. Zum einen galt es, analog zu der Zurückführung der Zeichen auf Zeichenhandlungen, auch die Gegenstände auf Handlungen zurückzuführen, nämlich jeden partikularen Gegenstand, sei es ein Ding, ein Ereignis oder ein Partikulare einer anderen Kategorie, auf den offenen Bereich aller Handlungen des Umgangs mit ihm. Genau das ist, wenn auch nicht so explizit wie eben, bei den beiden bedeutendsten geistigen Erben jeweils von Peirce und Dilthey geschehen. Es sind der späte Ludwig Wittgenstein, also der Verfasser der nachgelassenen Philosophischen Untersuchungen, als Erbe von Peirce und Martin Buber als der Erbe von Dilthey – de facto war Buber sogar ein Schüler Diltheys. Beide sind auch noch einen Schritt weiter gegangen: Sie haben die bei Peirce und Dilthey jeweils mangelhaft behandelte Dialogrolle in ihr methodisches Recht eingesetzt. Wittgenstein berücksichtigt über die Ich-Rolle des Tuns hinaus auch die Du-Rolle im Handeln, das ›passive‹ Erleiden, wie es vom Gegenüber des gerade Tätigen verkörpert wird. Buber wiederum erörtert mit gleichem Gewicht neben der Du-Rolle des Verstehens auch die Ich-Rolle im Zeichenhandeln, das ›aktive‹ Meinen, also das sinnerfüllte Sprechen im Fall der Sprachhandlungen. Beiden Autoren ist die Zusammengehörigkeit beider Dialogrollen jeweils auf der Handlungsebene beziehungsweise auf der Zeichenhandlungsebene voll bewußt. Das konkretisiert sich bei Wittgenstein im Verfahren der Sprachspiele, die als dialogische Modelle für den Erwerb von Handlungskompetenzen auftreten. Allerdings sind sie dabei ungeschieden von Sprachhandlungskompetenzen, beide bilden eine nicht mehr gegliederte Einheit: „[…] eine
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Sprache vorstellen heißt, sich eine Lebensform vorstellen“, erklärt Wittgenstein.8 Bei Buber wird die Zusammengehörigkeit der beiden Dialogrollen explizit im ›dialogischen Prinzip‹ formuliert, durch das im Kern die Forderung nach gegenseitiger Anerkennung von Ich und Du im sinnerfüllten Sprechen und sinnerfassenden Hören artikuliert wird; so explizit im Nachwort von 1957 zum Sammelband Das dialogische Prinzip. 9 Allerdings haben weder Wittgenstein noch Buber den von Peirce und Dilthey vollzogenen Schritt einer Aufhebung der Differenz zwischen Handlungen und Zeichenhandlungen wieder zurückgenommen. Auch bei Wittgenstein ist jedes Zeichenhandeln grundsätzlich nur ein Handeln und bei Buber jedes Handeln grundsätzlich schon ein Zeichenhandeln. So kann es zu keiner völligen Klarheit über den Unterschied des dialogischen Charakters der Vernunft auf der Handlungsebene einerseits und auf der Sprachhandlungsebene andererseits kommen. Die Ich-Rolle und Du-Rolle im Handeln, wie sie vom aristotelischen Kategorienpaar Tun (poie?m – actio) und Leiden (p²sweim – passio) erfaßt sind,10 Kategorien, die erst wieder im Pragmatismus (bei John Dewey) mit den Ausdrücken ‘doing’ und ‘suffering’ zu neuem philosophischen Leben erweckt wurden, ist verschieden von Ich-Rolle und Du-Rolle im sprachlichen Handeln, dem sinnvollen Reden, nämlich wenn Reden nicht bloß als Handeln sondern in seiner Zeichenfunktion thematisiert wird. Auf der Ebene der Sprachhandlungen treten die dialogischen Rollen zweifach auf: handelnd als Tun und Leiden, also sprechend und hörend bloß im akustischen Sinn, sinnvoll redend hingegen als sinnerfülltes Sprechen und sinnerfassendes Hören. Die mangelnde Klarheit über die Natur des Unterschieds zwischen Handeln und Zeichenhandeln führt bei beiden Autoren zu Vereinfachungen, die für den beabsichtigten Wiedergewinn der Einsicht in die bei aller Verschiedenheit sachlich unaufhebbare Zusammengehörigkeit von Denken und Leben, von Reden und Handeln, also allgemein von Theorie und Praxis, nicht förderlich sind. Bei einer Reduktion des Zeichenhandelns auf bloßes Handeln, wie z. B. bei Wittgenstein, wird die Vergegenständlichung des eigenen Tätigseins durch Distanzierung gleich als Versprachlichung aufgefaßt, obgleich doch nur der Übergang von der Ich-Rolle zur Du-Rolle im Handeln vorliegt. Im andern Fall 8 Wittgenstein 1953, § 19. 9 Buber 1979, pp 122 – 136. 10 Cf. dazu: Lorenz 2001, p 351 f.
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einer Höherstufung schon des Handelns in Zeichenhandeln, wie z. B. bei Buber, geht die Eigenständigkeit von Tun und Leiden gegenüber Sprechen und Hören ganz verloren. Die Verlebendigung der aus der Sicht von Ich vergegenständlichten Tätigkeit von Du mit Hilfe von Aneignung ist nur noch ein Verstehen dessen, was Du ›damit sagen wollte‹: Eine bloß als Sprachhandlung aufgefaßte Handlung von Du wird in eine bloß mentale Handlung von Ich überführt. Bei Wittgenstein haben wir es mit einer Reduktion der Theorie auf Praxis zu tun, bei Buber mit einer Theoretisierung der Praxis. Aber weder ein der Sprache oder dem Geist geltendes ›Naturalisierungsprogramm‹ noch ein der Welt oder der Natur geltendes ›Spiritualisierungsprogramm‹ sind hilfreich. Sie täuschen beide eine Einheitlichkeit nur vor, nämlich die Einheitlichkeit der Welt und unseres handelnden und redenden Umgangs mit ihr, der stets eingebettet ist in unseren Umgang miteinander. Damit ist der letzte, für diesen Beitrag geplante Schritt vorbereitet, der darin besteht, die Strategien Wittgensteins und Bubers in eine beide Strategien vereinigende Strategie zu verwandeln. Es sollte gelingen, die Naturalisierung der Sprache ›zugleich‹ mit einer Spiritualisierung der Welt zustande zu bringen, also an Zeichen auf ihren Handlungscharakter zu achten – das wurde durch Einbettung der Sprache in das Reich der Sprachhandlungen bereits getan – und zugleich an Handlungen auch auf ihren Zeichencharakter. Man kann jede Handlung nämlich auch als ein Zeichen verwenden, zum Beispiel als ein Zeichen für sich selbst, wie es im Theater oder ganz pointiert in der Pantomime ständig geschieht. Dann aber ist das anfangs bereits skizzierte Wechselspiel von Distanzierung und Aneignung als Formen der theoretischen und der praktischen Rationalität eine Antwort auf die Frage, wie sowohl Naturalisierung als auch Spiritualisierung verbunden miteinander durchgesetzt werden können: Naturalisierung der Sprache in Gestalt der Pragmatisierung beim Verfahren der Aneignung und Spiritualisierung der Welt in Gestalt der Semiotisierung beim Verfahren der Distanzierung. Der Gefahr einer unzulässigen Vereinfachung entgeht man jetzt durch sorgfältige Beachtung der beiden Dialogrollen im Handeln und im Zeichenhandeln. Dieser Gefahr waren sowohl Wittgenstein als auch Buber erlegen, weil sie jeweils nur eine Strategie verfolgt hatten und sie sich daher mit Hilfe der gegenläufigen Strategie nicht korrigieren konnten.
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Im Verfahren der Aneignung geschieht etwas genauer Bestimmbares als nur eine Überführung der Sprache in Sprachhandlungen, wie es das Naturalisierungsprogramm verlangt. Aneignen heißt Einnahme der IchRolle, geschieht bei Sprachhandlungen also zweifach, im bloßen Sprechen und im sinnerfüllten Sprechen, dem Zu-verstehen-Geben; bei gewöhnlichen Handlungen tritt Aneignung einfach auf, im Tun. Und ganz entsprechend ist auch das Verfahren der Distanzierung genauer bestimmbar als bloß durch Überführung der Welt der partikularen Gegenstände in sinnvolle Handlungen des Umgangs mit ihnen, bei denen es nur darauf ankommt, etwas zu ›verstehen‹ oder ›verstehen zu geben‹. Distanzieren heißt Einnahme der Du-Rolle. Das geschieht bei gewöhnlichen Handlungen im Erleiden, bei Sprachhandlungen hingegen ebenfalls zweifach, im bloßen Hören und im sinnerfassenden Hören, dem Verstehen. Das in der dialogischen Philosophie, wie ich sie als eine weitergeführte Synthese von Pragmatismus und Historismus vorschlage, wiederum nur dargestellte Wechselspiel von Aneignung und Distanzierung, also von praktischer und theoretischer Rationalität, ist im Detail von hoher Komplexität, die an anderer Stelle genauer auseinandergesetzt ist.11 Es hängt alles davon ab, im Reden und Antworten ebenso wie im Agieren und Reagieren auf die beiden dialogischen Rollen zu achten, die an jeder dieser vier Handlungsarten beteiligt sind: die Ich-Rolle und die Du-Rolle. Reaktion auf eine Aktion wäre nämlich nicht möglich, würde man zuvor nicht wissen, was der Agierende tut; ganz entsprechend würde eine Antwort nicht als Antwort gelten, ginge nicht irgendein Wissen davon voraus, was der Redende gesagt hat. Bei jedem Handeln, sei es gewöhnliches Handeln oder Zeichenhandeln, z. B. Reden, erscheint die Ich-Rolle in Gestalt einer Aktualisierung der Handlung, ihrem pragmatischen Anteil, und die Du-Rolle in Gestalt der zugehörigen Schematisierung derselben Handlung, ihrem semiotischen Anteil. Jeder Handelnde verfügt im Vollzug auch über ein ›Bild‹ seiner Handlung ebenso wie jeder Redende beim Reden auch darüber verfügt, was er damit ›meint‹. Dann nämlich ist die Konfrontation mit dem regelmäßig davon verschiedenen Verstehen des Handelns und Redens seitens der handelnd und redend darauf Reagierenden überhaupt erst artikulierbar. Das aber ermöglicht einen Prozeß des Voneinander-Lernens, in dem die Konfrontation in eine Folge immer 11 Zuletzt in den beiden Aufsätzen Lorenz 1997 [in diesem Band pp 72 – 93] und Lorenz 2000 [in diesem Band pp 118 – 141].
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wieder neuer Auseinandersetzungen im Sinne verallgemeinerter Dialoge, auf der Sprach- und auf der Handlungsebene, verwandelt wird. Aktualisierungen als sowohl aktive als auch singulare Handlungsvollzüge, und Schematisierungen als sowohl passive als auch universale Handlungsbilder im Sinne eines ›wissen, was man tut‹ sind nicht selbst Gegenstände sondern Verfahren, mit deren Hilfe partikulare Gegenstände, z. B. Dinge oder Ereignisse, zugänglich werden. Sie werden unmittelbar zugänglich im aneignenden Umgang, der Pragmatisierung durch einen Handlungsvollzug, z. B. indem man das fragliche Ding anfaßt, und sie werden mittelbar zugänglich im distanzierenden Auffassen, der Semiotisierung durch ein Handlungsbild, z. B. indem man eine Zeichnung des fraglichen Dings anfertigt. Aktualisierungen sind nur im Blick auf ihr Schema, und das heißt als etwas, verstanden; entsprechend ist ein Schema nur in seinen Aktualisierungen vorhanden, und das heißt, es wird durch etwas realisiert. Wenn sowohl in Aktion und Reaktion als auch in Rede und Antwort jeder der Beteiligten in seinen beiden dialogischen Rollen beachtet wird, die man zusammengefaßt als eine Ich-Du-Dyade bezeichnen kann, bleibt der dialogische Charakter der menschlichen Existenz, das Vermögen zu praktischer und theoretischer Rationalität, nicht mehr verborgen. Der Agierende ebenso wie der Reagierende ist in seiner Ich-Rolle jemand, der etwas tut, und in seiner Du-Rolle jemand, der dabei weiß, was er tut. Die Realisierung des Vermögens zur Rationalität im Prozeß des Voneinander-Lernens, der als Bildungsprozeß für die dialogische Dyade Ich-Du begriffen werden kann, ist nichts anderes als die Überführung des von der dialogischen Philosophie nur dargestellten komplexen Wechselspiels von Aneignung und Distanzierung in Lebenszusammenhänge, also eine Aneignung logisch höherer Stufe. In ihr findet ›gegenseitige‹ Selbsterziehung statt, während der beide Seiten der dialogischen Dyade durch Übernahme der Rolle des Gegenübers im Zuge der Ausbildung einer weiteren Stufe von Individuation und Sozialisation ihre Lebensweisen und Weltbilder neu bestimmen. Mit der Übernahme der Rolle des Gegenübers erwerben beide Seiten der dialogischen Dyade ein ›Selbstverhältnis‹, lernen also – und das ist die Pointe der Selbsterziehung – , mit der Ich-Du-Dyade selbst umzugehen. Die Übernahme selbst ist nichts anderes als die aneignende Gestalt des Selbstverhältnisses, wie es aus der Ich-Perspektive erscheint: Ich wird durch Aneignung von Ich-Du zu einem ›Subjekt‹. Ein Subjekt oder – in älterer Terminologie – eine Person zeichnet sich dadurch aus,
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daß ihm beide dialogische Rollen zur Verfügung stehen. Es vermag daher sowohl als individuelles Subjekt als auch als soziales Subjekt gegenwärtig zu sein. Zugleich aber findet das Selbstverhältnis auch aus der Du-Perspektive statt. In diesem Fall ist seine Gestalt distanzierend: Du wird durch Distanzierung von Ich-Du zur ›dritten Person‹. Im so zu einem ›Objekt‹ gewordenen Gegenüber treten auch die beiden dialogischen Rollen vergegenständlicht auf, die Ich-Rolle als Präferenzen oder Lebensweisen und die Du-Rolle als Überzeugungen (engl. beliefs) oder Weltansichten. In der Selbsterziehung werden daher die Lebensweisen und Weltansichten nicht schlicht gebildet, sondern in einer reflexiven Wendung zugleich einem Prozeß ständiger Wandlung unterworfen. Abschließend mag es nützlich sein, noch darauf aufmerksam zu machen, daß das Voneinander-Lernen bloß ›objektiv‹ beobachtend nicht von der Selbstaufgabe beziehungsweise der Selbstdurchsetzung eines der beiden Subjekte unterschieden werden kann. In der Beobachtung, also distanziert, sind nämlich auch die Subjekte nur Objekte, wenn auch besondere, nämlich die von den Humanwissenschaften untersuchten. Um seitens eines Dritten vom Voneinander-Lernen etwas zu wissen, bedarf es des Durchgangs durch subjektive Aneignung auch auf seiten des Dritten, gleichgültig ob er ›nur‹ beobachtet oder auch teilnimmt, und damit muß er sich eingestehen, ebenfalls in einen Prozeß des Voneinander-Lernens eingetreten zu sein. Die Entdeckung von etwas Fremdem im anderen ist nur im Finden von etwas Fremdem in sich selbst immun gegen voreiliges Verstehen oder eilfertiges Sich-ihmHingeben. Die lernend vollzogene Aneignung von etwas Fremdem hat stets ihr Gegenbild in der dabei durch Distanzierung vollzogenen Verfremdung von etwas Eigenem. Man kann dies auch so ausdrücken, daß im Wechselspiel von Aneignung im Vollzug und von Distanzierung beim Sich-ein-Bild-Machen das Voneinander-Lernen seinerseits begreifbar wird; in einfachen Worten: Wir können lernen, ›aufmerksam‹ zu leben. Dann wissen wir wieder, daß bewußt zu leben heißt, den Prozeß unabschließbarer Auseinandersetzung, in dem wir uns befinden, nicht zu verleugnen.
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Literaturverzeichnis Arendt, Hannah, 1958: The Human Condition, Chicago. Buber, Martin, 41979: Das dialogische Pinzip, Heidelberg. Cassirer, Ernst, 1944: An Essay on Man. An Introduction to a Philosophy of Human Culture, New Haven. Dewey, John, 1930: The Quest for Certainty. A Study of the Relation of Knowledge and Action, London. Lorenz, Kuno, 1990: Einführung in die philosophische Anthropologie, Darmstadt. Lorenz, Kuno, 1992: Das dialogische Prinzip in der Philosophie. Ein Beitrag zur Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung, in: Entwicklungen der methodischen Philosophie, hg. v. Peter Janich, Frankfurt am Main, pp 47 – 53. Lorenz, Kuno, 1997: Rede zwischen Aktion und Kognition, in: Sprache und Denken/Language and Thought, hg. v. Alex Burri, Berlin/New York, pp 139 – 156. Lorenz, Kuno, 2000: Sinnbestimmung und Geltungssicherung. Ein Beitrag zur Sprachlogik, in: Formen der Argumentation, hg. v. Geert-Lueke Lueken, Leipzig, pp 87 – 106. Lorenz, Kuno, 2001: Dynamis und Energeia. Zur Aktualität eines begrifflichen Werkzeugs von Aristoteles, in: Potentialität und Possibilität. Modalaussagen in der Geschichte der Metaphysik, hg. v. Thomas Buchheim/Corneille H. Kneepkens/Kuno Lorenz, Stuttgart-Bad Cannstatt. PU, = Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, dt./engl., Oxford 1953. Scheler, Max, 1928: Die Stellung des Menschen im Kosmos, Darmstadt.
Das Vorgefundene und das Hervorgebrachte Mit den beiden Schlüsselbegriffen des Titels, ›hervorgebracht‹ und ›vorgefunden‹, möchte ich auf zwei leitende Interessen schon der beiden Begründer der Erlanger Schule des Konstruktivismus aufmerksam machen. Wilhelm Kamlah und Paul Lorenzen haben sie, genauso wie deren erste Schüler, Jürgen Mittelstraß und ich selbst, mit unterschiedlichem Gewicht verfolgt, ohne daß in den ersten Jahren, und wohl weithin auch heute noch, deren dualer Charakter klar begriffen worden wäre. Zwar war und ist allen Beteiligten einsichtig, daß man auf der einen Seite zum Verstehen von Vorgefundenem, etwa wissenschaftlichem Wissen, unentrinnbar auf eigene Anstrengungen, ein erneutes Hervorbringen, angewiesen ist, und daß es auf der anderen Seite gleichwohl anmaßend wäre zu glauben, man könnte etwas grundsätzlich besser verstehen als diejenigen, die sich vor uns – und neben uns – denselben Anstrengungen unterzogen haben. Aber daß in dieser Einsicht, gerade aufgrund ihres scheinbar widersprüchlichen Charakters, selbst ein theoretisches Problem verborgen ist, dessen Bearbeitung, selbst dann, wenn man sich dessen nicht bewußt ist, die maßgebliche Triebfeder jeder Art Entwicklung bildet, auch die der Erlanger Schule, das möchte ich mit den folgenden Überlegungen deutlicher zu machen versuchen. Wenn wir beginnen, unseren eigenen Weg zu bahnen, zum Wissen und von dort weiter zum wissenschaftlichen, also begründeten Wissen, so bemerken wir zugleich, daß schon längst Wege da sind und offensichtlich mehr oder weniger erfolgreich begangen werden. Unversehens wird dem Theoretiker der eigene Weg zu einem Weg logisch zweiter Ordnung, zum ›kritischen‹ Weg, auf dem mit eigens hervorgebrachten und als zuverlässig erkannten Instrumenten untersucht wird, welche der bereits vorgefundenen Wege in Sackgassen enden und welche nicht, beziehungsweise welche Strategien einzuschlagen sind, um an möglichen Abzweigungen Kriterien für die ›richtige‹ Wahl zu haben. Denken Sie nur an die Anstrengungen Kants, den Aporien zu entgehen, in die dogmatischer Rationalismus und skeptischer Empirismus in der Erkenntnistheorie führen. Der Weg des Theoretikers wird zu einem Weg hin zum Wissen des bereits Vorgefundenen, und auch der vermeintliche
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Befreiungsschlag, nicht dem vorgefundenen Wissen gegenüber sich kritisch zu verhalten, sondern die vorgefundene Welt der unbearbeiteten Natur oder die der bereits bearbeiteten, in Kultur überführten Natur, zum Gegenstand des eigenen Wegs zu machen, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Don-Quijoterie, ist doch die Welt, in der wir leben, längst eine bereits vielfältig erschlossene, in Kategorien unserer Altvorderen erfaßte, derer auch wir uns unvermeidlich bedienen, wenn wir beginnen. Der bloß theoretische Weg bleibt vorgefundenem Wissen ausgeliefert, gleichgültig, wie ›kritisch‹ man dabei verfährt. In der Logischen Propdeutik, der von Wilhelm Kamlah und Paul Lorenzen verfaßten Programmschrift der Erlanger Schule, war auf diese Diagnose so reagiert worden, daß selbstverständlich nur wissenschaftliches Wissen noch einmal ab ovo hervorzubringen, nämlich zu ›konstruieren‹, sei, was für das vorgefundene wissenschaftliche Wissen bedeutet, es zu rekonstruieren, und zwar durchaus in dem von Rudolf Carnap einst in seinem Der logische Aufbau der Welt erläuterten Sinn einer „rationalen Nachkonstruktion“,1 nur eben ausdrücklich beschränkt auf das wissenschaftliche Wissen. Die Verwurzelung wissenschaftlichen Wissens in einer längst sprachlich erschlossenen Welt – und übrigens auch handelnd erschlossenen, obwohl anfangs das in Erlangen noch nicht deutlich unterschieden wurde, man ähnlich wie auch Wittgenstein Handlungen und Sprachhandlungen als ein begrifflich nicht voneinander zu trennendes Geflecht angesehen hatte – ist unhintergehbar: Die Konstruktivisten der Erlanger Schule treten in den Worten Kamlahs nicht als ›Anfänger‹ sondern als ›enttäuschte Kenner‹ auf; sie beginnen „inmitten und mit Hilfe unserer Umgangssprache“.2 Lorenzen hatte für dieselbe Einsicht den berühmten Vergleich von Otto Neurath am Ende von dessen Aufsatz Foundations of the social sciences, daß die Arbeit an wissenschaftlichem Wissen dem Umbau eines Schiffes auf hoher See gleiche,3 radikalisiert und erklärt, daß sogar das ursprüngliche Schiff gänzlich auf hoher See gebaut worden sein müsse, schwimmend Treibholz und damit unsere lebensweltlichen Fertigkeiten nutzend, da es ein Trockendock offensichtlich nirgends gebe. Die Arbeit an einer für die Hochstilisierung zu Wissenschaftssprachen tauglichen elementaren Sprache sei es, mit der sich das zur Alltagswelt gehörige Können auch jenseits seiner Ausübung und damit situationsunabhängig artikulieren 1 2 3
Carnap 1928, p IX. Kamlah/Lorenzen 1973, p 27. Cf. Neurath 1944, p 47.
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lasse, und mit dieser Arbeit an einer als Normierung – bei Willard V. O. Quine in Word and Object „regimentation“4 – der Umgangssprache deutbaren ›Orthosprache‹ habe die Konstruktion wissenschaftlichen Wissens zu beginnen. Hier wird eine Differenz in der Sichtweise Kamlahs und Lorenzens gegenüber ihrer als ein philosophischer Dialog begriffenen Zusammenarbeit deutlich, die nach meiner Überzeugung zugleich die Quelle sowohl für die Fruchtbarkeit als auch für die Grenzen dieser Zusammenarbeit gewesen ist. Ich spiele natürlich an auf die eher verschleiernd als erhellend in das Vorwort zur 2. Auflage der Logischen Propdeutik eingefügten Sätze über die Schritte zu einer ›praktischen Hauptschule‹, die nach der ›logischen Vorschule‹ gegangen wurden, von Kamlah in seiner sprachkritische Grundlegung und Ethik umfassenden Philosophischen Anthropologie und von Lorenzen in der zusammen mit Oswald Schwemmer verfaßten Konstruktiven Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie. Kamlah läßt einer normativen Pflichtethik, wie sie Lorenzen allein für begründbar und damit vernünftig hält, noch eine eudämonistische Güterethik als ars vitae folgen, die Lorenzen wiederum für nicht mehr im strengen Sinn begründbar hielt, was offenbar auch den Dialog zwischen Kamlah und Lorenzen zunehmend behindert hat. So erklärt Lorenzen, daß nach seinem Verständnis des Konstruktivismus nur das an der Geschichte der Beantwortung einer Frage als vernünftig gelten kann, was sich einer logischen Genese der Antwort auf die betreffende Frage erschließt, also einer systematisch einsichtigen Schrittfolge unabhängig von eventuellen historischen Um- und Irrwegen. Kamlah wiederum würde darauf insistieren, daß schon zum Verständnis einer historisch überlieferten Fragestellung die Kenntnis der faktischen Schritte eines Versuchs ihrer Beantwortung zumeist unerläßlich ist. Selbst vermeintlich neue Fragen haben einen in diesem Fall noch verborgen gebliebenen geschichtlichen Hintergrund, den es aufzudecken gelte, wäre es doch eine unzulässige Vereinfachung, die Lebenswelt als eine zeitlich ungegliederte bloße Gegenwart aufzufassen. Kamlah ist primär am Rekonstruktionscharakter einer Konstruktion wissenschaftlichen Wissens interessiert, also wie sich die Tradition verstehen läßt, in der wir mit unserem Wissen stehen, wie es die Naturwissenschaften und die Kulturwissenschaften in historischer Perspektive quasi organisch – also mit den unvermeidlichen Abänderungen oder gar Brüchen – hervorgebracht haben, und er sieht dieses so ge4
Quine 1960, chap. V.
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wonnene Verständnis, das den Inhalt des b¸or heyqgtijºr ausmacht, ganz aristotelisch im Dienst praktischer Lebensführung, der ars vitae, wie er es nennt. Für Lorenzen hingegen ist die Rekonstruktionsleistung eher ein willkommenes und auch nützliches super additum, das Konstruieren wissenschaftlichen Wissens selbst steht für ihn im Mittelpunkt, und zwar idealiter im vernünftigen Gespräch und auf der Grundlage einer als gemeinsam unterstellten Lebenswelt des Sprechens und Tuns mit dem Ziel, für beide Bereiche wissenschaftliche Hochstilisierungen zu gewinnen, die eben diese Lebenswelt allgemein lebenswerter machen. Es wäre Lorenzen nicht in den Sinn gekommen, in der Unterstellung einer gemeinsamen Lebenswelt selbst ein begründbarer Auflösung zugängliches Problem zu sehen. In beiden Fällen aber, und das ist charakteristisch für die Erlanger Schule, ist der b¸or heyqgtijºr um einen b¸or pqajtijºr ergänzt worden, jedoch auf verschiedene Weise: bei Kamlah soll wissenschaftliches Wissen primär dem je individuellen Lebenkönnen dienen, bei Lorenzen primär dem sozialen Zusammenlebenkönnen. Darüber hinaus baut das wissenschaftliche Wissen bei Lorenzen auf einer Praxis auf der Darstellungsebene auf – es sind ja nicht die Konstruktionen selbst, die zum Gegenstand des Wissens werden, sondern die Konstruktionsverfahren beziehungsweise Konstruktionsmçglichkeiten, wie sie etwa in Regeln notiert werden, z. B. bei der Konstruktion der Grundzahlen. Erst kraft Darstellung kommt es zu einer schematischen Allgemeinheit des Dargestellten, partikulare Konstruktionsschritte wären uninteressant. Bei Kamlah wiederum hat das wissenschaftliche Wissen vorgefundenes Wissen zum Gegenstand, das man mit dem Mittel von Rekonstruktionen versteht. Die Vernunft wird bei Lorenzen als eine primär tätige Vernunft verstanden, bei Kamlah hingegen als eine primär vernehmende Vernunft. Es ist auffällig, wie sich in der Geschichte der Erlanger Schule eine Polarität ihrer Gründer wiederholt, die ganz ähnlich bereits in der Analytischen Philosophie in der Polarität von Bertrand Russell und George Edward Moore bestand und auch dort die Triebfeder für die weitere Entwicklung bildete. Auch Russell ging es primär um die Konstruktion einer für die Einzelwissenschaften – zunächst Mathematik und Physik – tauglichen Wissenschaftssprache aus der Umgangssprache, während sich Moore ganz auf die Sprache der philosophischen Tradition konzentrierte und deren Bedeutung mit den Mitteln der Umgangssprache zu explizieren suchte. Das Mittel einer logischen Analyse der Sprache, entwickelt in der Analytischen Philosophie nach dem
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Vorbild Gottlob Freges, bleibt das entscheidende Instrument auch in der Erlanger Schule. Der Unterschied zwischen dem Konstruktivismus in der Analytischen Philosophie und dem Konstruktivismus in der Erlanger Schule wird erst sichtbar, wenn man die leitenden philosophischen Prämissen aufsucht, die im Falle der Analytischen Philosophie vor ihrem Rückzug auf formalistische Positionen von einem erkenntnistheoretischen Realismus gespeist werden – es gilt, die nicht-sprachliche Welt der überlieferten natural philosophy und moral philosophy zuverlässig, nämlich mit dem Mittel einer logisch gereinigten Sprache, zu beschreiben – , während die Erlanger Schule mit Kant davon überzeugt ist, daß „die Vernunft nur das ein[sieht], was sie selbst nach ihrem Entwurfe hervorbringt“.5 Das aber kann als ein erkenntnistheoretischer Pragmatismus bezeichnet werden, dem in der Zeit zwischen Kant und der Erlanger Schule am Konsequentesten Charles Sanders Peirce gefolgt ist, und zwar nicht nur auf der Darstellungsebene, sondern auch auf der Objektebene und damit ohne die für den Anfang der Erlanger Schule charakteristische Beschränkung des Wissens auf wissenschaftliches Wissen, das mit keiner Infragestellung des Alltagswissens verbunden ist. Natürlich kann dann das Alltagswissen auch mit keinerlei Geltungsansprüchen verbunden werden. Die Polaritäten sind gleichwohl in beiden Fällen von der gleichen Art. Wenn Lorenzen die Vernunft als eine tätige versteht, so bringt sie etwas in Gestalt von Konstruktionen hervor; bei Kamlah hingegen ist sie eine Vorgefundenes vernehmende. Bei Russell sollte man davon sprechen, daß die Vernunft (sprachliche) Formen hervorbringt, während sie bei Moore damit befaßt ist, (sprachliche) Inhalte vorzufinden. Es ist dann nur noch ein kurzer Schritt hin zu der Einsicht, daß wir es bei beiden Polaritäten mit der dialogischen Polarität von ›Agent‹ und ›Patient‹ zu tun haben, eine Polarität, die auch der Differenz von Praxis und Theorie, ebenso wie der von Können und Erkennen (und nicht der von Anschauung und Begriff, die beide nur der Erkenntnis, also theoretischen Erfahrung, und nicht dem Können oder der praktischen Erfahrung dienen), zugrundeliegt. Die technischen Ausdrücke ›Agent‹ und ›Patient‹ habe ich gewählt, zum einen um klar zu machen, daß es nicht nur um verbale Dialoge geht, die sich in Frage und Antwort, Reden und Verstehen, Behaupten und Bestreiten usw. abspielen, sondern auch um non-verbale Dialoge, 5
KrV, B XIII.
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etwa des Agierens und Reagierens, des Lehrens und Lernens, des Angreifens und Verteidigens usw., zum anderen aber, um ebenfalls klar zu machen, daß es dabei um zwei dialogische Rollen im Handeln und nicht um zwei Personen geht. Es läßt sich sogar relativ leicht klar machen, daß es, um eine Person zu sein, entscheidend ist, über beide Rollen verfügen zu können. Die Rolle des Agenten ist aktiv, ich nenne sie die Ich-Rolle – hier hat das Hervorbringen seinen Ursprung: die Handlung wird vollzogen – , während die Rolle des Patienten passiv ist, ich nenne sie deshalb die Du-Rolle – hier wiederum hat das Vorfinden seinen Ursprung: dieselbe Handlung wird erlebt – , und es entspricht durchaus meiner Absicht, wenn man bei dem Ausdruck ›erleben‹ einen terminologischen Bezug herstellt sowohl zu Wilhelm Dilthey als auch zu Moritz Schlick, der sich bei seiner Gegenüberstellung von Erleben und Erkennen auf Dilthey berufen hat. Man darf aber die Unterscheidung zwischen Vollziehen und Erleben, die sich mit dem Unterschied von ›singular‹ und ›universal‹ erfassen läßt, nicht mit der Gegenüberstellung von Instanz (token) und Schema (type) verwechseln, die ein empirisches Partikulare von einem rationalen Partikulare sondern. Diese beiden Sorten von Partikularia gehen durch die Operationen der Abstraktion bzw. Konkretion auseinander hervor. Wir haben damit den systematischen Ort für das dialogische Prinzip gefunden, das relativ spät erst neben dem methodischen Prinzip als Charakteristikum für das Vorgehen der Erlanger Schule des Konstruktivismus formuliert worden ist, wobei gerade das relative Gewicht der beiden Prinzipien in der konkreten philosophischen Arbeit über die besondere Ausprägung des vertretenen Konstruktivismus entscheidet. Die derzeit noch immer kanonische Formulierung des Dialogprinzips im Artikel Konstruktivismus des 2. Bandes der Enzyklopdie Philosophie und Wissenschaftstheorie lautet: Im Falle des Primats des dialogischen Prinzips soll das Auseinandertreten von Handeln und Sprechen [d.h. Zeichenhandeln] in Gestalt einer logischen (also weder faktisch historischen noch normativen, vielmehr allein (Handlungs-)Möglichkeiten aufzeigenden) Genese aus dialogischen Elementarsituationen […] so vorgeführt werden, daß der menschliche Handlungsspielraum zunehmend differenzierter bestimmbar wird […].6
Es hat noch Jahre gedauert, bis das systematische Gewicht des dialogischen Prinzips erkennbar wurde. Schließlich war zunächst einmal die 6
Thiel 1984, p 451.
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Zurückführung des theoretischen Geltungsproblems – im Zusammenhang der Fragen nach dem Sein und nach dem Sollen – auf technisches Können und praktisches Wollen für die Behandlung wissenschaftstheoretischer Fragestellungen im Erlanger Konstruktivismus charakteristisch und hat eine Fülle von zu bewältigenden Aufgaben beschert, die sich unter dem Primat des methodischen Prinzips auch gut bearbeiten ließen. So kommt es, daß zum Beispiel noch immer unterschätzt wird, welche Einschränkung es darstellt, die Unterscheidung theoretischer und praktischer Vernunft in grundsätzlicher Übereinstimmung mit den Gründern der Erlanger Schule allein auf der Sprachebene anzusiedeln, nämlich anhand der Unterscheidung deskriptiver von normativen Sätzen; sie wird dann nur für die Unterscheidung der Naturwissenschaften von den Kulturwissenschaften relevant, nicht aber für die Unterscheidung Natur-Kultur. Um auch dafür die Mittel an die Hand zu bekommen, ist es notwendig, über die Unterscheidung zwischen [bezeichnetem] Gegenstand und Zeichen [für einen Gegenstand] zu verfügen, und zwar ausgehend von der besonderen Unterscheidung zwischen Handlungen und Zeichenhandlungen. Gerade an Zeichenhandlungen, aber sogar an gewöhnlichen Handlungen, läßt sich klar machen, daß sie als Zeichen einen theoretischen Status, als Handlungen hingegen einen praktischen Status haben: als Handlungen nämlich greifen sie in ein Geschehen ein, als Zeichen hingegen tun sie das nicht, sondern spielen eine kommunikative Rolle. Wer Kommunikation ebenfalls als eingreifendes Handeln versteht – auf der kognitiven Ebene und nicht auf der behavioralen, sagt man dann, und weiß vermutlich nicht, was man eigentlich gesagt hat – , hat strategisches Handeln mit kommunikativem Handeln verwechselt. Leider ist das heutzutage an der Tagesordnung. Um auch dieses Problem im Geiste des Erlanger Konstruktivismus zu behandeln, jetzt aber unter Ausnutzung der gesamten Kraft des dialogischen Prinzips, darf die Verläßlichkeit der Lebenswelt nicht wie zu Beginn der Erlanger Schule einfach hingenommen werden. Die allgemeine Ich-Du-Invarianz, unter der gewöhnlich von Handlungen und Zeichenhandlungen und natürlich erst recht von Gegenständen im allgemeinen die Rede ist, sollte infragegestellt werden. Es ist philosophischer Leichtsinn, die Annahme für unhintergehbar zu halten, Gegenstände – und mit ihnen die Handlungen und Zeichenhandlungen – seien unabhängig von der Zugangsweise zu ihnen wohlbestimmt. Wenn jemand über etwas spricht oder etwas tut, so wird zwar unterstellt, daß das, worüber er spricht und was er tut, sich von jedem anderen als dasselbe identifizieren läßt, aber jedes Mißverständnis belegt, daß diese
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Unterstellung nichts anderes als eine Unterstellung ist, die ausdrücklicher Maßnahmen bedarf, um sie als berechtigt nachweisen zu können. Weder läßt sich ohne weiteres vertreten, die Gegenstände seien jedem Menschen als ›dieselben‹ gegeben, noch dürfen die Handlungsmittel, die wir jeweils einsetzen, um mit ihrer Hilfe Erfahrungen zu sammeln, ohne weiteres für von jedem als ›dieselben‹ erzeugt gehalten werden. Die Erfahrungen, die ich im Umgang mit Gegenständen und über sie sprechend mache, sind zunächst ›meine‹ Erfahrungen, es sei denn, es gelingt, sie derart in ›deine‹ Erfahrungen zu überführen, daß in beiden Fällen es ›gleichartige‹ Erfahrungen mit ›denselben‹ Gegenständen sind. Und dazu bedarf es wiederum geeigneter Handlungsmittel, die sich auf das Erfahrungen-Machen selbst richten, und zwar so, daß IchDu-Invarianz von vornherein gesichert ist. Es ist dieses reflektierende Handeln, das es aus seiner mentalen Gefangenschaft zu befreien und dialogisch zu verankern gilt, um es schließlich allgemein verfügbar machen zu können. Ganz nebenher wird sich so auch das methodologische Problem des Selbstbezugs auflösen lassen. Die Aufgabe lautet, einen Aufbauprozeß so zu entwerfen, daß er sich als Modell dafür eignet, wie schrittweise zunehmend komplexere Handlungen und Sprachhandlungen gewonnen werden, mit denen man zeigen kann, was es heißt, Erfahrungen einerseits zu machen und andererseits zu teilen. Das schließt praktische Erfahrungen, die sich in einem Können niederschlagen und sowohl Ich-Erfahrungen (z. B. Fahrradfahren) als auch Wir-Erfahrungen (z. B. Chorsingen) betreffen, ebenso ein wie grundsätzlich nur als Ich-Erfahrungen auftretende theoretische Erfahrungen, die zu einem Wissen führen. Der Aufbauprozeß ist deshalb von vornherein als ein rationales Modell dialogischer Konstruktion von Handlungen und Sprachhandlungen in Gestalt eigenständiger Gegenstände konzipiert, und zwar so, daß sie als Mittel dafür taugen, die grundsätzlich nicht nur individuell sondern auch sozial bereits verfügbare und dabei sich in einem Prozeß ständiger Erweiterung befindende Erfahrung von einer ihrerseits durch Erfahrung, also ›empirisch‹, für gegeben gehaltenen Gegenstandswelt nachschaffend in ihren Grundzügen noch einmal zu machen. Ein solches, dem ursprünglichen Erlanger Konstruktivismus grundsätzlich folgendes Unternehmen auf der Darstellungsebene – darum handelt es sich jetzt bei dem Modell dialogischer Konstruktion, auch wenn dies wegen Vernachlässigung des dialogischen Charakters der vorgeschlagenen Konstruktionen anfangs selten begrifflich sorgfältig artikuliert worden ist – hat erst dann Aussicht auf Erfolg, wenn man
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jeweils beurteilen kann, in welchem Maß die mögliche Wiederholung bereits gemachter Erfahrung mit dieser übereinstimmt oder von ihr abweicht, die dialogische Konstruktion daher als ein Maßstab für das Erfahrungen-Machen taugt. Das aber setzt wiederum voraus, über ein ausdrückliches Verständnis von den Schritten zu verfügen, mit denen das längst von jedem im Alltag und nicht nur dort vollzogene Erfahrungen-Machen vonstatten geht, was wiederum ohne eine Rekonstruktion auch des Erfahrungen-Teilens unmöglich ist. Es müßte andernfalls offenbleiben, ob überhaupt Erfahrungen vorliegen und nicht etwa bloß für Erfahrung Gehaltenes. Es bedarf als Komplement des Aufbauprozesses auf der Darstellungsebene eines Abbauprozesses auf der Gegenstandsebene mittels Handlungen und Zeichenhandlungen, insbesondere den verbalen Sprachhandlungen, deren Ausübung die Fülle der bereits vorliegenden und als allgemein Ich-Du-invariant unterstellten Gliederungen der Gegenstandswelt schrittweise aufhebt. Mit jedem dieser Schritte in Gestalt zunächst einfacher Handlungen als Mittel – anschließend treten mit komplexeren Handlungsmitteln auch die Sprachhandlungen hinzu – wird jeweils eine in den Vordergrund gebrachte Gliederung in einen Erfahrungsschritt verwandelt, um so diese Schritte je für sich und dann in ihrem Zusammenwirken für Ich und für Du und schließlich für jeden verständlich werden zu lassen. Der Abbauprozeß tritt als ein rationales Verfahren phnomenologischer Reduktion auf, der sich genau derjenigen Handlungen und Sprachhandlungen als Mittel bedienen muß, die in der dialogischen Konstruktion als Gegenstände dargestellt sind, soll das Modell dialogischer Konstruktion zu einer Rekonstruktion der Erfahrung von Objekten für Subjekte führen. Die im Aufbauprozeß möglicher Erfahrung auftretenden elementaren Bausteine müssen, verwandelt in Verfahrensschritte, im Abbauprozeß derselben Erfahrung als einer bereits wirklichen wiederkehren. Es ist daher entscheidend, auf den eigentümlichen Statuswechsel zu achten, dem die Bausteine unterworfen sind: Handlungen als Gegenstände im Aufbauprozeß und Handlungen als Mittel und damit funktional im Abbauprozeß. Begrifflich wird Erfahrung erst durch ihre Konstruktion möglich, sachlich aber geht Erfahrung ihrer Rekonstruktion voraus: Lorenzen besteht darauf, daß etwas erst dann als wissenschaftliches Wissen identifizierbar ist, wenn sich dafür eine Konstruktion angeben läßt, während Kamlah es wünscht, für bereits gemachte (wissenschaftsfähige, nämlich als allgemein nachweisbare)
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Erfahrungen eine wissenschaftlich zuverlässige Rekonstruktion zu gewinnen. Vor allem Peirce ist es zu verdanken, daß anstelle der die neuzeitliche Philosophie beherrschenden Subjekt-Objekt-Differenz, die eine Folge des Übergangs von primär ontologischen Fragestellungen zu primär epistemologischen gewesen ist, die weder allein Subjekten noch allein Objekten zuzurechnenden Handlungen ins Zentrum der Bemühungen um eine Rekonstruktion der Erfahrung gerückt sind. Handlungen gänzlich Subjekten zuzuschreiben, würde ihre Ausübung der Verfügbarkeit des Handelnden überantworten und die Bedingungen unterschlagen, unter denen allein sich Handlungen in einer Situation ausüben lassen. Will man gleichwohl eine Handlung allein Subjekten zuschreiben, so haben wir es nicht mit einer Handlung zu tun, sondern mit einer ›Handlungskompetenz‹, und man spricht vom AusübenKçnnen. Realisierungen eines Könnens aber stehen unter Bedingungen, über die ein Subjekt regelmäßig nicht mehr verfügt. Ganz entsprechend würde eine umstandslose Eingliederung der Handlungen in den Bereich der Objekte von der Beteiligung der Subjekte an ihrem Entstehen absehen. In diesem Fall wäre von einer ›Handlungsausübung‹ oder einem Akt ausschließlich im Sinne des gegenständlichen Resultats einer Handlung und nicht in statu agendi die Rede. Die ›Ausübung einer Handlungskompetenz‹ hat einen Objekt- und einen Subjektanteil jeweils in Gestalt eines Aktes und der Kompetenz, weitere gleichartige Akte erzeugen zu können. So fraglos man Handlungen daher als Gegenstände ansehen kann, denen man sich zuwendet, wie anderen Gegenständen auch – Akte lassen sich wahrnehmen, photographieren, klassifizieren oder anders wissenschaftlich untersuchen – , so unerläßlich ist es dann, sie als Gegenstände eigenständiger sprachlicher und nichtsprachlicher Handlungen an Objekten zu begreifen. Diese Handlungen an Objekten treten jedoch im Zuge ihrer Verwendung keineswegs gegenständlich auf, sie sind vielmehr Mittel, um etwas über Gegenstände in Erfahrung zu bringen beziehungsweise mit Gegenständen Erfahrungen zu machen. Jeder tut dies von seiner Seite und auf seine Weise, und nur so sind Gegenstände verfügbar. Als Handlungen an Objekten treten Handlungen funktional auf und haben eine epistemische Rolle, sie treten hingegen als Handlungen mit Objekten auf und spielen eine eingreifende Rolle, wenn sie ihrerseits gegenständlich verstanden sind. Jeder Mensch ist auf beide Rollen von Handlungen angewiesen, will er Erfahrungen mit Gegenständen sowohl machen und teilen als auch sich daraufhin
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ihrer als Mittel für einen Zweck bedienen. Als Mittel für einen Zweck und damit eingreifend treten Handlungsmittel gegenständlich auf; sie dürfen daher keinesfalls mit Handlungen als ›Erkenntnismitteln‹ verwechselt werden, was Handlungen in epistemischer Rolle voraussetzt, mithin ihren funktionalen Charakter hervorzukehren verlangt. Gegenstand und Funktion beziehungsweise Mittel – das Mittel im Einsatz und nicht als Gegenstand – sind korrelative Begriffe, mit denen sich das Zusammenspiel charakterisieren läßt, das zwischen dem Modell dialogischer Konstruktion, dem Aufbauprozeß, und dem Verfahren phänomenologischer Reduktion, dem Abbauprozeß, besteht. Innerhalb der Mathematik ist auf diese Korrelation von Gegenstand und Funktion als Dualität von objet und opration bereits von Gilles Granger im Anschluß an Jean Cavaillès ausführlich hingewiesen worden7. Man muß sich nur davor hüten, von vornherein Funktionen ihrerseits als Gegenstände, nämlich Gegenstände logisch zweiter Stufe, einzuführen, wie es in einem streng theoretischen Aufbau der Mathematik geschieht, für den die mathematische Praxis extern bleibt. Nun sind Aufbau- und Abbauprozeß, also dialogische Konstruktion und phänomenologische Reduktion, aufs Engste voneinander abhängig und gehören zusammen. Es gibt nicht die Alternative, mit Handlungen entweder gegenständlich oder funktional zu beginnen, und so ist auch die Wahl gegenstandslos, entweder mit Handlungen logisch grundstufig als (partikularen) Akten oder mit Handlungen logisch metastufig als (partikularen) Kompetenzen den Prozeß einer Rekonstruktion der Erfahrung, und zwar nicht mehr beschränkt auf wissenschaftliche Erfahrung, anfangen zu lassen. Beiden Reduktionsstrategien im gegenständlichen Fall, der behavioristischen und der mentalistischen, ist die methodische Grundlage entzogen; im funktionalen Fall bliebe zudem der Zirkel unauflösbar, einerseits mit den beiden Handlungsrollen zwar funktional beginnen zu wollen, andererseits jedoch darauf angewiesen zu bleiben, mangels eines Gegenstandes, dem gegenüber die Funktion aufzutreten hätte, das Funktionsein irreduzibel mittels (sprachlicher) Darstellung seinerseits zu vergegenständlichen. Was übrig bleibt, ist ein Versuch, uns der Herkunft von Handlungen zuzuwenden. Sie stehen weder in Gestalt von Akten ›objektiv‹ und ›aktuell‹ noch in Gestalt von Kompetenzen ›subjektiv‹ und ›potentiell‹ bereits zur Verfügung, sie werden vielmehr gelernt. Und mit der systematischen Rekonstruktion des Lernens einer Handlung mithilfe 7
Cf. z. B. Granger 1983, Postface (pp 181 – 193).
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einer dialogischen Elementarsituation wird, methodologisch verwandt dem Sprachspielverfahren Wittgensteins, ein Maßstab bereitgestellt, der es zu beurteilen erlaubt, wann und wo tatsächlich Lernprozesse stattfinden – und nicht etwa nur behavioristische, also ›externe‹, Dressur oder mentalistischer, also ›interner‹, Wissenstransfer. Eine dialogische Elementarsituation zum Ausbilden einer Handlungskompetenz, wobei zugleich eine Handlungssituation gewonnen wird, erlaubt es, eine Handlung sowohl gegenständlich als auch funktional auftreten zu lassen. Der gegenständliche oder ›ontische‹ Charakter einer Handlung, gleichgültig ob dabei noch zwischen corporal-externem Gegenstand, dem ›individual act‹ abzüglich seiner Bestimmung als Instanz eines Handlungsschemas, und mental-internem Gegenstand, der mit dem ›generic act‹ gleichwertigen Handlungskompetenz, unterschieden wird, oder ob beide, (partikulare) Instanz und (generelles) Schema, als zusammengehörig begriffen werden, ist dabei mit der dialogischen Polarität ihres funktionalen Charakters, also der pragmatischen Seite einer Handlung im Vollzug und ihrer semiotischen Seite im Erleben – ich nenne das dialogische Gegenüber eines Handlungsvollzugs auch gern das Handlungsbild – , allein durch den Wechsel der Blickrichtung verbunden: vom Aufbauprozeß (einer Handlung als ›idealem‹ Maßstab) zum Abbauprozeß (einer Handlung als ›realem‹ Akt bzw. ›realer‹ Kompetenz) oder umgekehrt. Es läßt sich dann zeigen, wie Ontologie, selbst dann, wenn sie in der Neuzeit seit Descartes in physikalisch-naturalistischer oder psychologisch-mentalistischer Einschränkung auftritt, auch in historischer Perspektive als ein Zusammenspiel von Praxeologie und Epistemologie bzw. Pragmatik und Semiotik begriffen werden kann, und zwar sowohl auf der Ebene der Handlungen als auch auf der Ebene der Sprachhandlungen, die sich als ein eigenständiger Gegenstandsbereich demselben Zusammenspiel von Pragmatik und Semiotik auf logisch höherer Stufe verdanken. Aber erst wenn die reale dialogische Elementarsituation und mit ihr das ausgebildete situationsgebundene Können, die Kompetenz ebenso wie die Akte, dem Abbauprozeß phänomenologischer Reduktion unterworfen werden, läßt sich der ideale Maßstabcharakter der in einem ersten Schritt dialogischer Konstruktion gewonnenen Handlung sichtbar machen. Dies wird erreicht, wenn man sowohl die Akteure als auch die Situationsbedingungen nicht mehr als bereits vorliegende Gliederungen der dialogischen Elementarsituation gelten läßt, man sie vielmehr als noch vollständig verschmolzen mit der in der Elementarsi-
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tuation und dabei mit deren Hilfe gewonnenen Handlung ›sieht‹, besser eben: nicht mehr sieht. Eine Handlung wird ausgeübt und nichts sonst. Dann aber kann die Ausübung der Handlung auch nicht mehr als ein Erzeugen von Akten verstanden werden, wären Akte doch partikulare Gegenstände, die sowohl von den Akteuren als auch von ihrem situativen Kontext abgetrennt aufträten; ebenso wenig läßt sich in Anbetracht der nach der Reduktion von der Elementarsituation nicht mehr unterschiedenen Akteure noch von zwei übereinstimmenden (partikularen) Handlungskompetenzen reden. In der phänomenologischen Reduktion werden nicht nur den Bezug des Bewußtseins zur Außenwelt betreffende ›Geltungen‹ eingeklammert wie bei Husserl, vielmehr werden auch alle in der realen Lernsituation als bereits vollzogen auftretenden Gliederungsleistungen des Bewußtseins selbst suspendiert, so daß nur diejenige ausgenommen bleibt, die mit dem Lernen einer Handlung gerade erworben wird. In der phänomenologisch reduzierten Elementarsituation erscheint die dialogisch konstruierte Handlung in Gestalt des Vollziehens auf Seiten des jeweils gerade Tätigen, des ›Agenten‹, wie er bereits genannt wurde, und des Erlebens des dabei jeweils gerade Nicht-Tätigen, des ›Patienten‹, und damit in ihrer Funktion, die reale Situation zu reduzieren, und nicht als ein gewöhnlicher partikularer Gegenstand, weder logisch erster Stufe als ein partikularer Akt noch logisch zweiter Stufe als eine partikulare Kompetenz. Handeln in seiner dialogischen Polarität von Vollziehen und Erleben findet unvermittelt statt und bedarf keiner weiteren Handlungen, um verfügbar zu sein. Es ist deshalb auch nicht möglich, beides, das Vollziehen und das Erleben, näher zu bestimmen, insbesondere auch nicht raumzeitlich: singulares Vollziehen und universales Erleben bleiben ortlos und zeitlos. An die Stelle des Erzeugenkönnens eines Aktes in der realen Elementarsituation tritt in der reduzierten Elementarsituation das Ausführen einer Handlung im Handlungsvollzug, und entsprechend an die Stelle des Wiederholenkönnens eines Aktes das Anführen einer Handlung, was sich im Erleben des Handlungsbildes zeigt. Dabei dürfen die sprachlichen Wendungen ›Ausführen einer Handlung‹ anstelle ›Vollziehen‹, und ›Anführen einer Handlung‹ anstelle ›Erleben‹, nicht dazu verführen, Handlungen doch für (erzeugte/erzeugbare) Gegenstände für jedermann zu halten, die sich (insbesondere) zum Zweck des Ausführens oder Anführens als Mittel einsetzen ließen. Der Doppelcharakter von Handlungen als Gegenstand und als Funktion wäre dann zugunsten des Primats des partikularen Gegenstandes erster oder zweiter Stufe vor der Funktion in der dialo-
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gischen Gestalt von singularem Handlungsvollzug und universalem Handlungsbild gerade unterschlagen worden. Vielmehr zieht die Dualität von Gegenstand und Funktion den polaren Charakter von Vorgefunden und Hervorgebracht auf der Gegenstandsseite nach sich, während sie auf der Funktionsseite in der dialogischen Gestalt von Erleben und Vollziehen einer Handlung verankert ist. Die gegenständliche, in der cartesischen Zweireichelehre von res extensa und res cogitans schließlich kulminierende Potenz-Akt-Polarität der realen dialogischen Elementarsituation – die ›Wirklichkeit‹ der Potenzen macht geradezu die Wirklichkeit des Mentalen aus, wobei deren logisch höherstufiger Charakter traditionell regelmäßig unerkannt bleibt – hat ihr Gegenbild in der funktionalen Dialektik einer im Vollzug einer Reduktion als ideale Konstruktion erlebten dialogischen Elementarsituation und damit des rekonstruierenden Handelns. Das Werkzeug rekonstruierenden Handelns in Gestalt dialogischer Elementarsituationen, wie es seit seinem ersten, wenngleich noch unentwickelten systematischen Einsatz in der Logischen Propdeutik vertraut ist, darf kraft seines selbst sowohl gegenständlichen als auch funktionalen Charakters angesichts der mit ihrer Hilfe gelernten und dabei demselben Doppelcharakter unterworfenen Handlungen als der Prototyp reflexiven Handelns jenseits jeder Unterscheidung zwischen sprachlichem und nichtsprachlichem Handeln gelten. Die wissenschaftliche Erfahrung rekonstruierenden Konstruktionen der Erlanger Schule unter dem Primat des methodischen Prinzips lassen sich um das Erfahrung im allgemeinen rekonstruierende Ineinandergreifen dialogischer Konstruktion und phänomenologischer Reduktion unter dem Primat des dialogischen Prinzips erweitern. Dann erst wird durchsichtig, wie Denken und Tun in einer ihrerseits theoretisch und praktisch wirklichen Reflexion auf jeder (gegenständlichen) Ebene, der des gewöhnlichen Handelns mit dem Denken als Mittel im Einsatz ebenso wie der des Zeichenhandelns mit dem Denken auch als Gegenstand, einem für den Einsatz lediglich bereitstehenden Mittel, aufeinander angewiesen bleiben.
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Literaturverzeichnis Carnap, Rudolf, 1961: Der logische Aufbau der Welt, Hamburg [Berlin 1928]. EPW, = Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, hg. v. Jürgen Mittelstraß, 4 Bände, Mannheim 1980 – 1984. Neubearbeitete u. wesentl. ergänzte Auflage in 8 Bänden, Stuttgart 2005 ff. Granger, Gilles, 1983: Formal Thought and the Sciences of Man, Dordrecht [engl. Übers. v. Pensée formelle et science de l’homme, Paris 1968]. Kamlah, Wilhelm, 21973: Philosophische Anthropologie. Sprachliche Grundlegung und Ethik, Mannheim [1972]. Kamlah, Wilhelm/Lorenzen, Paul, 21973: Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens, Mannheim [1967]. KrV, = Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft, hg. v. Raymund Schmidt, Hamburg 1956 [Riga 1781, 21787]. Lorenzen, Paul/Schwemmer, Oswald, 21975: Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie, Mannheim [1973]. Neurath, Otto, 1944: Foundations of the Social Sciences (= International Encyclopedia of Unified Science II,1), in: Foundations of the Unity of Science. Toward an International Encyclopedia of Unified Science, hg. v. Otto Neurath/Rudolf Carnap/Charles Morris, Volume 2, Chicago 1970, pp 1 – 51. Quine, Willard Van Orman, 1960: Word and Object, New York. Thiel, Christian, 1984: Konstruktivismus, in: EPW, Band 2, pp 449 – 453.
Nachweise 1. Dialogischer Konstruktivismus. Erstveröffentlichung in: Kurt Salamun (Hg.), Was ist Philosophie? [UTB 1000], Tübingen 42001, pp 335 – 352; Wiederabdruck mit freundlicher Erlaubnis der Mohr Siebeck GmbH & Co. KG, Tübingen. 2. Artikulation und Prdikation. Erstveröffentlichung in: M. Dascal/D. Gerhardus/K. Lorenz/G. Meggle (Hg.), Sprachphilosophie. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung, 2. Halbband [HSK 7.2], Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1996, pp 1098 – 1122. 3. Rede zwischen Aktion und Kognition. Erstveröffentlichung in: Alex Burri (Hg.), Sprache und Denken, Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1997, pp 139 – 156. 4. Grammatik zwischen Psychologie und Logik. Erstveröffentlichung mit dem Untertitel ›Überlegungen zur Genese der Sprachkompetenz‹ in: H.E. Wiegand (Hg.), Sprache und Sprachen in den Wissenschaften. Geschichte und Gegenwart, Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1999, pp 27 – 47. 5. Sinnbestimmung und Geltungssicherung. Erstveröffentlichung mit dem Untertitel ›Ein Beitrag zur Sprachlogik‹ in: G.-L. Lueken (Hg.), Formen der Argumentation, Leipzig 2000, pp 87 – 106; Wiederabdruck mit freundlicher Erlaubnis der Leipziger Universitätsverlag GmbH – Akademische Verlagsanstalt AVA, Leipzig. 6. Die Wiedervereinigung von theoretischer und praktischer Rationalitt in einer dialogischen Philosophie. Erstveröffentlichung in: M. Gutmann/D. Hartmann/ M. Weingarten/W. Zitterbarth (Hg.), Kultur-Handlung-Wissenschaft. Für Peter Janich, Weilerswist 2002, pp 201 – 215; Wiederabdruck mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Velbrück Wissenschaft, Frankfurt am Main. 7. Das Vorgefundene und das Hervorgebrachte. Erstveröffentlichung mit dem Untertitel ›Zum Hintergrund der ,Erlanger Schule‘ des Konstruktivismus‹ in: J. Mittelstraß (Hg.), Der Konstruktivismus in der Philosophie im Ausgang von Wilhelm Kamlah und Paul Lorenzen, Paderborn 2008, pp 19 – 31; Wiederabdruck mit freundlicher Erlaubnis der mentis Verlag GmbH, Paderborn.
Personenregister Apel, K.-O. 25, 30, 68 Aphrodisias, A. v. 52 Arendt, H. 143, 147, 158 Aristoteles, 31, 52, 57, 68, 94, 99, 116, 143-146, 148, 158 Brandom, R. 3 Buber, M. 152–154, 158 Buchholz, K. 132, 141 Carnap, R. 8, 11, 22, 16, 160, 173 Cassirer, E. 26, 69, 74, 112, 145, 158 Cavaillès, J. 169 Chomsky, N. 25, 69 Condillac, É. B. de 103 Dascal, M. 74, 91, 116, 141 Descartes, R. 88, 170 Dewey, J. 31, 69, 149, 153, 158 Dilthey, W. 3, 151–153, 164 Diogenes Laërtius 24 Frege, G. 24, 56, 60, 64, 68f., 73, 99, 114, 125, 138, 163 Gadamer, H.-G. 30, 69, 110, 116 Geach, P. T. 69 Gethmann, C. F. 19, 22, 139, 141 Goodman, N. 21, 24, 67, 69 Granger, G. 169, 173 Habermas, J. 30, 69 Hegel, G. W. F. 99, 149 Hegselmann, R. 69 Heinzmann, G. 14, 22 Henry, P. D. 54, 69 Humboldt, W. v. 24, 69 Husserl, E. 150, 171
Kambartel, F. 3 Kamlah, W. 11, 66, 69, 159–163, 167, 173 Kant, I. 24, 69, 84, 91, 107, 159, 163, 173 Kasher, A. 29, 69 Körner, S. 69 Leibniz, G. W. 56f., 69, 88f., 92, 101, 103 Lenneberg, E. H. 30, 69 Leonard, H. 67, 69 Locke, J. 98f., 103, 116 Lorenz, K. 11, 13, 15, 19, 22, 35, 55, 60, 63, 67, 69f., 90-92, 96, 102, 108, 116f., 120, 122, 125, 127f., 135, 141, 150, 153, 155, 158 Lorenzen, P. 11, 13, 15, 19, 22, 66, 69, 159-163, 167, 173 Martinet, A. 43, 70 Mead, G. H. 30, 46, 85, 70 Meggle, G. 30, 70, 91, 116, 141 Mittelstraß, J. 4, 11, 22, 159, 173 Moody, E. A. 55, 70 Moore, G. E. 6, 8–10, 150, 162f. Morris, C. W. 70, 72, 173 Neurath, O.
160, 173
Peirce, C. S. 3, 12, 23, 26f., 30, 32f., 48, 69, 73–75, 91, 98–100, 103–105, 107, 116f., 151–153, 163, 168 Piaget, J. 30f., 70, 75, 92 Pinborg, J. 55, 70 Platon 20, 38, 44, 68, 73f., 85, 99, 125, 142-146 Protagoras 144f.
176 Quine, W. V. O. 112, 161
Personenregister
26, 30, 63, 70, 74,
Reichenbach, H. 19, 22, 56, 70 Rescher, N. 58, 70 Ros, A. 31, 70, 75, 92 Russell, B. 6–11, 14f., 22, 58, 70, 100, 117, 150, 162f. Ryle, G. 10, 22 Salisbury, J. v. 49, 69 Saussure, F. de 43, 99 Scheler, M. 148, 158 Scherer, B. M. 4, 12, 23, 48f., 70 Schlick, M. 12, 23, 17, 100, 117, 164 Schneider, H. J. 70 Schwemmer, O. 161, 173 Searle, J. R. 46, 70
Sextus Empiricus, 98, 117 Spinoza, B. de 57 Stekeler-Weithofer, P. 3 Strawson, P. F. 66, 70 Tarski, A. 29 Thiel, Ch. 164, 173 Tomasello, M. 30, 71 Whitehead, A. N. 7, 22 Wittgenstein, L. 5, 10–12, 16f., 22f., 26f., 30f., 50, 52, 58, 73–76, 92, 99, 117, 124, 132, 141, 152–154, 158, 160, 170 Wohlrapp, H. 29, 71 Wright, G. H. v. 30, 71 Wundt, W. 99 Ziehen, Th.
54, 71
Sachregister Abstraktum 41, 64, 67, 135 Aktualisierung/aktualisieren 17, 30, 32, 40f., 51, 76-79, 88, 105f., 109, 111, 119, 126f., 128f., 155f. Aneignung/aneignen 2f., 34f., 45f., 59, 80, 82, 105-108, 113, 119, 128-130, 146–148, 150, 154–157 Anerkennung/anerkennen 60, 96, 118,136, 153 Anführung/anführen 17f., 32-38, 44, 78, 105f., 108, 120, 124, 171 Anzeige/anzeigen 48, 50–52, 55, 64, 68, 126, 129f., 133-135, 137f. Anzeigeform/Anschauungsform 6365, 126f. Artikulation 24f., 33, 36–39, 41-46, 49–51, 57f., 60, 65, 67f., 78-80, 83–85, 87–91, 94, 108–113, 122–125, 131, 134f., 139, 148 – symbolische ~ 41–43, 45f., 51, 61, 79f., 83–85, 87, 89, 91, 109–111, 122, 130 Artikulator 18f., 43, 45–51, 53, 55–59, 63–67, 83, 90, 110, 113, 115, 118f., 123, 125, 130–132, 134f., 139 – Bedeutung eines ~s 65 – gegenstandsbeschreibender ~ 18, 110 – gegenstandskonstituierender ~ 18 – Geltung eines ~s 135 – komplexer ~ 50, 53, 56f., 131f., 136-139 – Satzrolle eines ~s 113 – verbaler ~ 110, 115, 118 – Verwirklichung eines ~s 65 – Wortrolle eines ~s 113 Aspekt 1f., 17, 22, 34f., 37–39, 45, 51, 53, 55f.,59, 62f., 79, 87, 89, 103, 108, 110f., 115, 120–122, 127–135, 138
Aspektegliederung 33, 37, 39–41, 45, 59f., 77, 80 Aspektehandlung siehe Handlung Atomismus, logischer 58 Attribution 55, 57, 63f., 67, 115 Attributor 48, 68 Ausführung/ausführen 13f., 17f., 32-38, 44, 77f., 105–109, 120, 124, 171 Aussage/aussagen 12–15, 19f., 24, 48f., 50f., 56, 58, 60f., 68, 73, 99, 113f. 126, 129f., 138–140, 145–147 Aussageform/Denkform 15, 64f., 127 Äußerung 28f., 46, 51, 53, 59f., 90, 111, 114, 119 Ausüben/Ausübung 25, 72, 96, 109, 119, 149, 160, 167f., 171 Bedeutung, 19, 24, 29, 56, 60, 65, 72, 74, 81, 99, 105, 112–114, 135, 137, 141, 151, 162 – extensionale ~ 135 – intensionale ~ 135 Begriff 24f., 56, 61, 64f., 67, 84, 91, 114, 135–137, 163 Benennung/benennen 50, 64, 66, 99, 113, 125, 128f., 131 Bezeichnung/bezeichnen 17, 25f., 34, 36, 41f., 44, 64, 78, 81, 83–85, 89, 102, 122, 124, 130 Bildungssprache 7f., 11 Darstellung 26, 48–50, 52,, 61, 73, 98, 102f., 107f., 111, 116, 137, 150, 162f., 166f. Demonstrator 48, 50, 53, 65, 113, 125 Denken 2, 51f., 74, 79, 82, 85, 90f., 96, 108f., 112, 128, 130, 146–149, 151–153, 172
178
Sachregister
– begriffliches ~ 82, 108f. – sinnliches ~ 108f. dialogische Elementarsituation 16f., 22, 30–34, 36, 39-41, 43, 75–80, 82, 105, 120, 131, 164, 170-172 – reale ~ 170-172 – reduzierte ~ 171 Dialogrollen/dialogische Rollen 31–34, 36, 39, 48, 50f., 75f., 78, 80, 152–154, 164 – Ich-Rolle/Du-Rolle 2f., 78, 81–83, 85, 87f., 105, 120, 130–132, 152f., 155–157, 164 – ~invarianz/Ich-Du-Invarianz 37f., 46, 51-53, 78, 127, 130f., 138, 165-167 Distanzierung/distanzieren 2f., 20, 34f., 45f., 59, 67,82, 105-108, 119, 128-130, 146–148, 150, 153–157 Dreieck, semiotisches 25, 99, 103f. Du-Rolle siehe Dialogrollen Eigenanzeige 129, 134 Eigenaussage 129, 134 Eigenschaft 14, 24, 28f., 54f., 57, 61–67, 82, 107, 109f., 114–116, 128, 131, 133, 135, 137 – Invariante von ~en siehe Kern – wesentliche ~ 62, 64 Elementaraussage 13, 50, 54, 56, 58, 61, 65, 139 Erkenntnis/erkennen 12, 17, 35, 38, 74, 85, 87f., 100–102, 115, 118, 163f., 169 – begriffliche ~ 91f. – sinnliche ~ 91f. Erleben/Erlebnis 2, 12, 52f., 88, 134, 152, 164, 170–172 Exemplifikation, 64, 67, 85f., – Selbst~ 88 Exemplifikator 50, 53, 65 Existenz 19, 132, 136, 139f. – fiktive ~ 139 – semiotische ~ 137f. Formalsprache/formale Sprache 7–10, 29
Form eines Partikulare 52, 63, 79, 82, 84, 87, 107, 111, 128 Forschung 26, 98, 102f., 106, 116 Funktion 1f., 30, 39, 44–49, 57, 68, 74, 76, 79–81, 84f., 90, 102, 110f., 113, 124f., 150, 169, 171f. – kommunikative ~ 46, 48–51, 57, 59, 65, 68, 73, 108, 125, 130, 138 – signifikative ~ 46, 48-51, 56f., 65, 68, 108, 125, 130, 138 Ganzes/Ganzheit 24, 35, 41, 51, 54, 56, 63, 67f., 78f., 86, 106, 111, 114f., 122, 127-129, 133, 135 – ~ aus Teilen siehe Hülle Gebrauchssprache 6, 8–11 Gegenstand 2f., 6, 12f., 26f., 32f., 44f., 57, 73f., 99f., 102f., 105, 113, 152, 169, 171f. Gegebenheitsweise 18, 44, 46, 48, 59, 63, 113, 125, 130, 135 Gegenstandsbeschreibung 13, 16, 19 Gegenstandskonstitution 14, 16, 19 Geltung 19, 94, 114, 118, 132, 134–136, 139, 141, 145, 165, 171 – Anspruch auf ~ 20, 60, 131, 135137, 145, 163 – semiotische ~ 137 – grammatische ~ 97 Grammatik 25, 28, 94f., 97, 116 – empirische ~ 58 – logische ~ 58, 125 – spekulative ~ 98 Handeln 2, 6, 17, 21, 26, 30, 51, 74, 81f., 143f., 148–155, 164, 166, 171f. – eingreifendes ~ 165 – kommunikatives ~ 28, 69, 165 – reflektierendes/reflexives ~ 137, 166, 172 – rekonstruierendes ~ 172 – sprachliches ~ 28, 59, 153 – strategisches ~ 165 Handlung 2, 5, 12, 16–18, 20, 24–30, 43, 45f., 48, 51f., 58, 68, 72f., 75–77, 82, 87, 89f., 94, 96, 103, 105–108, 119, 122, 124,
Sachregister
127–133, 136, 139f., 144, 151–155, 160, 164–172 – ~ als Mittel 44 – ~ als Gegenstand 1, 27, 44, 171 – ~ an Objekten 168 – Aspekte~ 78-80, 82-85, 89f., 132f. – Beurteilungs~ 137 – mentale ~ 72, 96, 130, 154 – ~ mit Objekten 168 – Phasen~ 78-80, 82f., 85f., 132f. – ~sbild 77, 120, 126, 128f., 131, 155f., 170-172 – Sprach~ 17f., 25–27, 30, 42, 44, 48, 50, 57, 68, 73, 75, 89, 95f., 111, 118, 125f., 130, 134, 137f., 152–155, 160, 166f., 170 – ~sspielraum 17, 164 – ~svollzug 77, 126, 128, 130f., 156, 170–172 – Teil~ 1, 35–41, 45f., 51, 53–55, 59, 61, 78–81, 84f., 89f., 108f., 111, 120–122 – Wahrnehmungs~ 15, 18, 84, 127 – Zeichen~ 1, 18, 24f., 28, 35–43, 45f., 51, 53–55, 59–61, 73, 75, 78–81, 83, 85f., 89, 96, 100, 108110, 120–122, 151–155, 165, 167 Handlungsschema 79f., 82f., 85, 118f., 170 Herstellung 86, 88f., 91, 115, 130 Hervorbringung 36, 38, 60, 78, 83, 86–88, 91, 108f., 111, 121f., 127, 136 – reelle ~ 83, 86 – virtuelle ~ 83, 85, 87–91 Hintergrund 31f., 36, 39f., 50-53, 55, 76f., 79f., 131, 134 Historismus 3, 151f., 155 Hülle 41, 45, 51, 55, 79f., 86, 111, 127 Ich und Du 41, 46, 51, 80, 153 Ich-Du-Dyade 31, 36f., 42, 76, 79–82, 85, 156f. Ich-Rolle siehe Dialogrollen Idealsprache 7–9
179
Identifizierung/identifizieren 34, 38, 55, 61, 78, 83, 123, 127, 130 Identität/identisch 17, 65, 119, 134 Identitätstheorie der Prädikation 55 Ikon 53 Index 48, 53, 125 Individuation 17, 63, 80, 156 Individuator 51, 56f., 61, 129, 131 Individuum 18, 24 Inhärenztheorie der Prädikation 54 Instanz 29, 54, 57, 61, 64, 66f., 106, 111, 128, 164, 170 Intention/intentional 86, 97, 99, 107, 148 Interpretant 27, 75, 103–105 Interpretantensequenz 27, 104 Invariante 18, 35, 41, 51, 54, 56, 63, 78f., 84, 107, 110f., 115f., 122, 128f., 131, 133, 137 Involution 41, 55, 61, 67 Kalkül/kalkülisieren 7, 12–15, 18, 139f. Kenntnis/kennen 35, 38, 86–88, 100–102, 106, 115f., Kern 41, 44f., 51, 55, 79f., 84, 110f., 127 Klasse 61, 63–68, 97, 112, 114, 136 Klassifikation 57, 66f. Klassifikator 66f. knowledge by acquaintance/Objektkompetenz 11-14, 16, 18, 67, 86f., 91, 100, 108f. knowledge by description/Metakompetenz 8, 11f., 14, 16, 18, 67, 85, 91, 100f., 110f. Kommunikation 5f., 28, 44, 46, 48, 59, 83, 85, 108f., 113, 124f., 130, 165 Kompetenz/Handlungskompetenz 27f., 31–34, 42, 46, 48f., 63, 75f., 82f., 87f., 95-97, 101f., 104–106, 111, 113, 116, 119f., 123f., 130–132, 134, 137, 139f., 152, 168–171 Konkretum 41, 64, 67
180
Sachregister
Können 30-32,67,74-77, 85, 100, 119, 131, 147, 149, 160, 163, 166, 168 – methodisch aufgebautes ~ 3, 109, 111, 122, 136f. – sprachlich-symbolisches ~ 3, 110 Konstruktion 7f., 10, 14f., 18, 27, 33, 43,75, 77, 160–163, 167, 172 – dialogische ~ 27, 48, 74f., 82, 106, 119f., 123f., 130, 139, 150, 166f., 169f., 172 Kopula 48, 53, 68, 113, 125 Lebensweisen 21f., 42, 81, 83, 156f. Lehr- und Lernsituation 16–18, 21, 49, 109f. Leiden/Erleiden 31, 76, 152-155 Logik, dialogische 19, 139f. Mereologie 67f. Metakompetenz/Objektkompetenz 12, 14, 16, 18, 67, 85-87, 91, 100f., 108-111 Metasprache 8, 12, 19 Mimesis 101f., 115 Mittel 6, 25-27, 32f., 44f., 73-75, 102f., 167-169, 172 Modifikator 66f. Modifizierung 133, 138f. Modus 43f., 46, 48f., 59f., 66, 113, 125, 130, 135–137, 139f. Monade 56, 88 Nominator 61, 65f., 99, 113f., 125, 129, 136 Objekt 17–19, 35f., 39–45, 50f., 53, 55, 57, 59f., 65–67, 78–89, 100, 103, 109–111, 118, 124, 126f., 129, 131–134, 136f., 139, 157, 167f. – hergestelltes ~ 85-88 – repräsentiertes ~ 84 – vorgestelltes ~ 84f., 87. Objektform 68 objektiver Geist 81
Objektivität/objektivieren 3, 61, 87, 120 Ostension 43–46, 48-52, 59, 65, 68, 113, 115, 125f., 130, 133–137 Parakompetenz 111 partikular 53–56, 67, 77, 79, 85, 91, 112, 115, 129, 133f., 152, 155f., 169–171 Partikulare/Partikularia 1, 41, 51–56, 61–64, 79, 87, 96, 106–108, 111f., 115, 118, 127f., 131-134, 137, 152, 164 – ~ als Ganzheiten 56, 106, 114, 128 – ~ als Invarianten 56, 107, 115 – empirische ~ 164 – rationale ~ 164 Partition 54f., 64, 67 Partitor 50, 68 Partizipation/partizipieren 41, 45, 50, 64, 78, 83–86, 126 Performator 59 Perzeption 59 Phänomenologie 150f. Phase 1f., 33, 35, 37f., 40, 45, 51, 53–55, 59, 62f., 78–83, 85–87, 89, 107f., 111, 115, 121f., 127–129, 131–134, 137 Phasengliederung 33, 37, 39–41, 59f., 77, 80 Phasenhandlung siehe Handlung Philosophie 5f., 20, 142f., 148f. – analytische ~ 6, 11, 14, 16f., 19, 150f., 162f. – dialogische ~ 1–4, 142, 149, 155f. – konstruktive ~ 2, 11, 15f., 19 Poiesis 101f., 107, 115f., 144 Prädikation/prädizieren 18, 21, 24f., 44f., 48-52, 55, 57, 59, 65-68, 106, 113, 115, 125f., 130, 132–136 Prädikator 66f., 113f., 125 – apprädikative Verwendung eines ~s 57, 67 – eigenprädikative Verwendung eines ~s 57, 67
Sachregister
Pragmatisierung 28, 106, 108, 146, 154, 156 Pragmatismus 3, 12, 73, 149, 151–153, 155, 163 Prähandlung 17f., 32–36, 38, 77f. Präobjekt 18, 33–40, 78f., 82 Präsentator 49 Präsubjekt 33, 35f., 42, 78f., 82 Prinzip – begriffliches ~ 3 – ~ der Selbstähnlichkeit 77, 82, 90, 106, 120 – dialogisches ~ 2–4, 16, 18f., 153, 164f., 172 – ~ Freiheit 21f. – ~ Gerechtigkeit 21f. – methodisches ~ 2f., 15f., 18, 164f., 172 – Vernunft~ 4 Rationalität 142, 144, 146, 149, 156 – praktische ~ 2f., 146–148, 154156 – theoretische ~ 3, 142, 147–149, 154-156 – Zweck~ 144 Reduktion 6, 15, 25, 27, 73, 100, 153f. – behavioristische ~ 73, 169 – mentalistische ~ 74, 169 – phänomenologische ~ 26f., 48, 74f., 82, 106f., 119, 128, 139, 150, 167, 169–172 Referenz 55f., 64f., 99, 102, 114, 123, 135 – extensionale ~ 55f., 65 – intensionale ~ 55f., 65 Reflexionsbestimmungen 147 Rekonstruktion/rekonstruieren 5f., 8, 16f., 26f., 33, 35, 38, 41, 43, 48f., 52, 57, 61, 74f., 77, 85, 87, 96, 98, 107, 123f., 161f., 167–169, 172 Relativierung 57f., 133, 138f. Repräsentation 15, 18f., 67f., 88 – mentale ~ 25, 74, 84, 112 – Selbst~ 85, 88 – symbolische ~ 18
181
Schema 17-19, 32, 35, 37, 41, 45, 49, 51, 54f., 59, 77f., 80-82, 84, 89-91, 105, 112, 126f., 156, 164, 170 – Handlungs~ siehe Handlungsschema – Universal~ 57 – Zeichen~ siehe Zeichenschema Schematisieren/Schematisierung 30, 32, 34, 38f., 51, 76-79, 81f., 106f., 109, 111, 113, 115, 121, 127–129, 132, 138, 155f. Seinsaussage 145 Selbstbestimmung 142, 145–147 Selbsterziehung 144, 156f. Selbstreflexion 5f., 142 Selbstverhältnis 156f. Semantik 14, 28f., 56, 102, 112, 114–116, 138f. Semiotik 26, 98–100, 103, 170 Semiotisierung 107f., 146, 154, 156 Signifikation 44, 46, 48, 68, 83, 85, 109, 113, 125, 130 singular 17, 32f., 36–38, 40, 48–50, 63, 77, 79, 106, 111, 113, 115, 119–121, 128, 156, 164, 171f. Singulare/Singularia 32, 41, 49, 79, 130 Sinn 56, 64f., 81, 99, 103, 114, 118f., 131, 135f., 139f., 151-153 – äußerer ~ 90, 146 – extensionaler ~ 64f. – grammatischer ~ 97 – innerer ~ 90f., 146 – intensionaler ~ 64f. Situation 29, 31f., 36, 39, 41, 44, 51–53, 55, 57–61, 65, 76–80, 87, 100, 109, 131, 134, 170f. – besprochene ~ 45f., 49–51, 53, 58–61, 123f., 127, 131–134, 136f. – Hörer~ 127 – Sprech~ 12, 43, 45, 48, 50f., 53, 59–61, 123–125, 127, 129, 131, 133f., 136f. – Sprecher~ 127 – ~ und Objekt 41, 54, 79, 134 Sollensaussage 145
182
Sachregister
Sozialisation 17, 80, 156 Spezialisierung 58, 63, 65f., 100, 133 Sprache 2, 8, 11-13, 16f., 25f., 28–30, 35f., 39, 56-58, 63, 72–74, 80f., 94–96, 103, 112, 125, 133, 146, 150f., 162f. – Bildungs~ siehe Bildungssprache – Formal~ siehe Formalsprache – Gebrauchs~ siehe Gebrauchssprache – ~handlung siehe Handlung – Meta~ siehe Metasprache – Umgangs~ siehe Umgangssprache – Wissenschafts~ siehe Wissenschaftssprache Sprachspiel 16, 26f., 26f., 31, 48, 75f., 124, 132, 152, 170 Stabilität/stabilisieren 3, 61, 120 Stoff eines Partikulare 52, 79, 82, 107, 111, 127f. Subjekt 16f., 35f., 42, 44, 46, 79–89, 103–105, 124, 126f., 156f., 167f. Subjekt-Objekt-Differenz/SubjektObjekt-Spaltung 158, 168 Subjekt-Objekt-Dualismus 88 Substanz 54–58, 61–66, 86, 115, 133, 135–137 – primäre ~ 52 – sekundäre ~ 52 Summierung 34–36, 39, 41, 78f., 83, 127 Symbolisierung 26, 34f., 75, 112 Syntax 28, 101, 115f., 137-139 – grammatische ~ 8 – logische ~ 8 Teil 18, 24, 41, 50, 54f., 57, 62, 67, 82, 84, 107, 109, 115, 128 – Ganzes aus ~en siehe Hülle – ~handlung siehe Handlung Teilganzheit 127, 129, 135 Teilhabe/teilhaben 42, 81, 106f., 126, 128f., 131 token 17, 29, 111, 164 Totalisator 50, 53 transzendentales Ich 81
Tun 2, 31, 76, 79, 128, 130, 152-154, 172 type 17, 29, 43, 61, 111f., 145, 164 Umgangssprache 6–11, 63, 110, 161f. universal 17, 32f., 36–38, 40–42, 48–50, 77, 83, 106, 111, 113, 115, 120f., 128, 156, 164, 171f. Universale/Universalia 1, 32, 41, 49, 52, 54, 79, 135 – characterizing universal 66 – feature universal 66 – sortal universal 66 Universalisator 49 Vermittlung 1, 16, 27, 36–39, 49, 60, 78, 80, 83, 85–89, 91, 108f., 111, 119f., 122 – komprehensive ~ 41f., 61, 80, 83, 85–87, 89, 109–111, 115, 122, 124 – praktische ~ 108f., 111 – theoretische ~ 108f. Vollzug/vollziehen 2, 48, 50, 53, 65, 75, 77, 82, 121, 126, 129-131, 146, 164, 170-172 Vordergrund 31, 36, 39, 49-53, 55, 58, 76, 79f., 131, 134, 136, 167 Vorführen 13, 15, 18, 38 Vorstellung 84, 88–91, 97, 107 – empirische ~ 84, 91 – rationale ~ 85, 91 Wahrheitsanspruch 61, 136 Wahrheitsbegriff – pragmatischer ~ 19, 60 – semantischer ~ 19, 60 Wahrnehmung 15, 18, 36, 38, 40, 45, 60, 78, 83f., 87, 90f., 108–110, 112, 121f., 125, 130, 136 – äußere ~ 83 – innere ~ 83, 85, 87–91 Wahrnehmungsurteil 59 Weltansichten 21f., 42, 81, 83, 157 Wissen 3, 8, 10–12, 17, 22, 29, 33, 51, 81, 87, 91, 94f., 97f.,
Sachregister
– – – – – – – – – – – – –
100–102, 107, 109f., 116, 122f., 131, 136f., 142, 166 Alltags~ 9f., 163 begriffliches/begrifflich organisiertes ~ 3, 98, 109, 122, 136f. deskriptives ~ 123, 147 normatives ~ 123, 144f., 147 operationales ~ 86f., 91, 95, 101, 116, 123, 144f., 147, 149 praktisches ~ 123, 144 propositionales ~ 85, 87, 91, 95, 123, 145 sinnliches ~ 98, 110, 149 Sprach~ 94f., 97, 113, 131, 137 symbolisches ~ 107 symptomatisches ~ 3, 107, 110 theoretisches ~ 123 Welt~ 95, 114, 131, 137 – symbolisches ~ 102, 110, 113
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– symptomatisches ~ 101, 111, 113f. – wissenschaftliches ~ 102, 159163, 167 Wissenschaftssprache 6–8, 110, 160, 162 Wissenschaftstheorie 2, 8, 11 – analytische ~ 12, 14 – konstruktive ~ 14f., 19 Zeichen 1-3, 13, 24f., 28, 30, 35–38, 43–46, 56, 64f., 72–74, 80, 83, 87f., 96–105, 109, 112f., 115, 118, 145, 151f., 154, 165 – ~schema 83, 103 – Sprach~ 25, 35, 42, 73, 95, 99, 105, 138 Zeigen 1, 11f., 26, 50, 101, 124f., 129f., 132 Zwischenschema 51, 127, 129