Vom künstlichen Wettermachen Ein alter Traum des Menschen ist es, das Wetter, dessen Willkür er von jeher ausgesetzt wa...
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Vom künstlichen Wettermachen Ein alter Traum des Menschen ist es, das Wetter, dessen Willkür er von jeher ausgesetzt war, nach seinen eigenen Wünschen zu gestalten. Wenn lang anhaltende Trockenheit den Boden großer Landgebiete ausdörrt, wenn vernichtender Hagel ganze Ernten zerstört oder dichter Nebel den Verkehr lahmlegt, erwacht immer wieder die Forderung nach Methoden, die geeignet sind, die Witterung künstlich zu beeinflussen. Seit rund einem Jahrzehnt werden – vor allem in den Vereinigten Staaten – in dieser Richtung vielversprechende Experimente unternommen. Man versucht dabei, ausgedehnte Wolken durch künstliche Hilfsmittel zum Regnen zu bringen. Von Flugzeugen aus streut man von oben her große Mengen Trockeneis – z. B. in Form von fester Kohlensäure (bei -78 Grad Celsius) – in die Wolken ein. Aus den Wolken beginnt es alsbald zu schneien, die Schneeflocken verwandeln sich in Wassertropfen und fallen als Regen zur Erde. Neuerdings verwendet man an Stelle von Trockeneis auch feinverteilten Jodsilberstaub. Auf diese Art erzeugte Professor Langmuir über den Wüsten bei Albuquerque in New Mexico bereits in den Jahren 1948/49 starke Regengüsse. 1947 kauften sich amerikanische Farmer für 125 Dollar den lang entbehrten, lebensnotwendigen Regen. Allerdings arbeitet das Verfahren noch nicht absolut sicher. Vor allem müssen zunächst einmal überhaupt Wolken vorhanden sein, wenn man sie zum Regnen bringen will. Es wird noch ein weiter Weg sein, bis man von einer „Beherrschung des Wetters“ durch den Menschen sprechen kann. Daß die künstliche „Wettermacherei“ zudem große Gefahren in sich birgt, zeigen uns die Abenteuer, die Jim Parker im neuesten UTOPIA-Band zu bestehen hat.
Von Alf Tjörnsen Europa schluckte Wasser wie noch nie. „Die längste Regenperiode seit vierzig Jahren“, schrien die Schlagzeilen in den großen Städten. Die Meteorologen hätten sich am liebsten unsichtbar gemacht – noch nie hatte man die armen Wetterfrösche so ausgelästert. Europa duckte sich unter einem unheimlichen Regen. Warm war er und harmlos, wie jeder laue Sommerregen hatte er eingesetzt. Aber das Tief, das sich vom Atlantik langsam über den Westen Europas und Nordafrikas geschoben hatte, schienen böse Geister festzuhalten. Aus dem harmlosen Sommerregen wurde eine kleine Sintflut. So begann der 28. Juni. Über Paris war der Himmel so grau wie über Düsseldorf. In den Parks rauschte es wie im trostlosen Herbst. Die Liebespaare strichen wie verlassene Kinder durch das nimmermüde Geplätscher. In Madrid blitzten Regenschirme. In Rom bestellten überängstliche Leute, die es sich leisten konnten, Flugplätze nach Südamerika, wo es angeblich noch trocken sein sollte. Die 3
Hersteller von Wetterbekleidung kamen nicht mehr zur Ruhe und erwogen die Einrichtung von Filialen in Nordafrika; denn auch die armen Wüstensöhne kamen sich vor wie unter eine himmlische Dauerdusche gestellt. So etwas war noch nie dagewesen! Die Rundfunksprecher murmelten schüchtern etwas von Sonnenflecken und Wetterzyklen und zitierten einen uralten Rauschebart, der es wissen mußte. Die meisten Leute verzichteten aber auf die weisheitsvolle Belehrung. Sie hatten die Nase voll von diesem verunglückten Juni und dem naßgrauen Himmel, der aussah, wie aus schmutzigen Lappen zusammengesetzt. Sie pfiffen auf die hehre Wissenschaft und deuteten die Erscheinung auf ihre Weise. „Das geht nicht mit rechten Dingen zu“, schüttelte an der nordfriesischen Küste der Bürgermeister Klaus Peters den Kopf und stand auf. „Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann stell’ den Quasselkasten ab – ich kann diese Heinis nicht mehr hören.“ „Die können doch auch nichts dafür“, lächelte seine Frau und drehte ab. „Irgend etwas sollen sie doch nur sagen. Vielleicht könnt ihr morgen schon rausfahren.“ Er nahm das Feuerzeug vom Rauchtisch und wollte es an die Pfeife führen. Nun aber hielt er in der Bewegung inne. „Sag das noch einmal, Gretha!“ „Aber Klaus – sei doch nicht so!“ Der Tabak knisterte unter der kleinen Flamme auf. „Rausfahren!“ Die ersten Schwaden einer guten Mischung durchzogen das große Wohnzimmer. „Bei diesem Wetter müßten wir uns Schlauchboote zulegen, um an die Arbeit gehen zu können.“ Er trat an das Fenster, und seine Augen umfaßten das ganze nasse, kalte Bild einer verregneten Sommerlandschaft. Weit dehnte sich die Marsch, aber man konnte nicht sehen, wie ihr
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grüner Grasteppich im Westen gegen den Horizont stieß. Man konnte nicht mehr sehen als die nahe Hofeinfahrt, deren weiße Steinkante leuchtend vor dem Zwielicht stand. „Morgen hole ich die Tiere rein!“ Die Fäuste des Bürgermeisters stemmten sich gegen die Fensterbank, daß er es in den Armmuskeln spürte. „Wenn das Heu schon zum Teufel ist – meine Tiere will ich behalten!“ Die Frau hob den braunen Scheitel von ihrem Nähzeug. „Morgen wird die Sonne scheinen“, sagte sie ruhig. „Ich habe vorhin mit Geesche Möller gesprochen.“ Klaus Peters hielt nicht viel von seiner alten Nachbarin. „Die muß natürlich wieder das letzte Wort behalten“, winkte er verächtlich ab. „Hat sie dir nicht den Weltuntergang für übernächsten Sonntag vorausgesagt?“ „Sie hat damals auch gewußt, daß Carsten Brandt sein Stall abbrennen würde.“ „Wir leben nicht mehr im 15. Jahrhundert, mein Deern.“ Er wandte sich wieder vom Fenster ab und begann, zwischen Ofen und Schreibtisch hin und her zu gehen. „Für solche Spökenkiekereien habe ich kein Verständnis. Was sagt sie denn?“ „Morgen oder in den nächsten Tagen soll der Regen aufhören, und …“ „Und?“ Frau Peters sah etwas unsicher auf ihren Mann. „In acht Tagen sollen große Unwetter über die Erde hereinbrechen, die von einem – einem …“ „Nur immer zu“, lachte Peters, „geniere dich nicht.“ „… einem Mann heraufbeschworen werden – von einem berühmten Gelehrten …“ Es klopfte. Klaus Peters ging an die Tür und öffnete. Der Briefträger stand auf der großen Diele und fischte zwei Karten aus seiner Tasche.
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„Ein Wetter zum Grogtrinken!“ zwinkerte er. „Wie wäre es nachher mit einem kleinen Skat in der ‚Eiche’, Klaus?“ „Habe jetzt andere Sorgen als ihr Beamtenseelen“, knurrte der Bürgermeister unfreundlich und ging in das Zimmer zurück. „Von Sönke und Inge.“ „Zeig her, Klaus.“ Frau Peters legte ihr Nähzeug weg und streckte die Hand aus. Aber er las bereits mit seiner schweren Stimme vor. „Cadiz, den …“ „Wie kommt der Junge nur nach Spanien?“ „Mit Vaters Geld läßt sich das Studentenleben genießen“. lächelte er und fuhr fort: „Liebe Eltern, morgen laufe ich mit meinem neuen Boot, das ich nach unserem Dorf ‚Süderdeich’ getauft habe, nach – Moment mal – nach Habana aus und …“ „Um Gottes willen!“ Sie richtete sich auf, und ihre Augen wurden groß und angstvoll. „Der Junge ist …“ „… übermütig“, ergänzte der Bürgermeister trocken und versuchte, zu verbergen, wie auch ihn eine seltsame Unruhe erfaßte. „Nichts als Dummheiten haben die Brüder im Kopf. In einem Segelboot allein über den Atlantik! Blödsinnige Rekordjägerei!“ „Du mußt sofort ein Telegramm abschicken!“ „Ich werde mich hüten.“ Er gab ihr die Karte hin. „Der Bengel macht ja doch, was er will.“ „Aber das geht doch nicht!“ Dann sah sie auf die andere Karte „Und was schreibt Inge?“ „Sie ist immer noch bei ihrem verrückten Professor.“ * Dieser verrückte Professor hieß Marco Fantin. Als er heute durch die Straßen der schönen Inselstadt ging,
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sahen sie ihm mit gemischten Gefühlen nach, die Männer und Frauen von Santa Cruz de Tenerife. Der kleine Mann mit dem höhnischen Gesicht des abgebrühten Spötters war ihnen schon lange unheimlich. Er hauste in einem kleinen Häuschen draußen an der Küste und befaßte sich angeblich mit Atomversuchen. Ein paarmal waren Wissenschaftler gekommen, und ihre dicken Hubschrauber hatten auf den Felsen geparkt. Aber schon nach wenigen Stunden waren sie wieder abgebraust, und nur zwei von ihnen hatten der örtlichen Presse ihre Meinung über den Professor bekanntgegeben, die nicht sehr freundlich war. Die Inselbewohner machten ihn für alles verantwortlich, was hier an Unerklärlichem geschah. Natürlich auch für den Regen. Regen war sonst für die Kanarischen Inseln eine köstliche Naturerscheinung, die man in inbrünstigen Gebeten vom Himmel herabflehte – aber diesen täglichen Wolkenbrüchen war man auch hier nicht gewachsen. „Seht, da kommt der Zauberer.“ Drei, vier Marktfrauen unterhielten sich unter dem Vorbau eines Kaufhauses. Sie beobachteten den Professor, wie er – die Hände auf dem Rücken – gemächlich über den triefenden Marktplatz schritt. „Er scheint sich wohlzufühlen, der gottlose Mensch.“ „Verflucht ihn – es ist ja auch sein Regen.“ „Nicht doch, Theresa – bedenkt, daß er auch Gutes tun kann.“ „Ach was, er ist mit dem Teufel im Bunde.“ Die Hände hielt er verschränkt auf dem Rücken, und seine Daumen drehten sich. Sein Blick fiel auf die aufgeregten Frauen Um seinen Mund spielte ein amüsiertes Lächeln. ‚Nun hecheln sie mich durch’, dachte er, ‚und wissen nicht, daß sie sich noch mehr aufregen müssen.’ Marco Fantin fühlte sich wohl.
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Der Regen geflel ihm; das muß man sagen. Und noch mehr die Aufregung der entrüsteten Europäer, die sich um ihren Sommer betrogen sahen. Nun würden sie wohl bald wieder kommen, die Herren Fachkollegen Aber diesmal würden sie nicht lächelnd die Köpfe schütteln; nein, mit erhobenen Händen würden sie um gutes Wetter bitten. Vielleicht hat Orion-City schon angerufen! Von einem nahen Kirchturm schlug es fünfmal in den trüben Nachmittag. Als er den Markt überquert hatte, trat ihm aus einer Nebengasse ein hochgewachsener junger Mann entgegen und zog höflich den Hut. Unwillkürlich blieb Fantin stehen. „Sie wünschen mich zu sprechen, mein Herr?“ Der Fremde verneigte sich „Mein Name ist Friedemann; ich bin Vertreter einer deutschen Zeitung und möchte …“ Aber abwehrend schüttelte Fantin den Kopf. „Es ist möglich, daß ich morgen eine Pressekonferenz gebe. Wollen Sie sich bitte bis dahin gedulden?“ Mit einem kurzen Gruß ließ er den Journalisten stehen Seine Schritte beschleunigten sich, und als er am Meer sein palmenumrauschtes kleines Haus liegen sah, wischte er sich den Schweiß von der Stirn. „Guten Tag, Herr Professor!“ Seine Assistentin öffnete. Sie war blond und schlank und hatte den herben, scheuen Liebreiz der Friesinnen. Besorgt führte sie den alten Herrn in die hallenartige Diele, aus deren Halbdunkel asiatische Dämonenmasken grinsten. „Sie sind wieder zu rasch gelaufen, Herr Professor!“ „Die Weltpresse jagt mich bereits“, meckerte er belustigt und knöpfte seinen Regenmantel auf. „War übrigens ein Landsmann von Ihnen, Inge.“ „Ein deutscher Journalist?“ Sie nahm ihm den Mantel ab und hängte ihn weg. Das Dienstmädchen, das herbeieilte, kam zu spät. Sie schienen sich
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gut zu verstehen, der schrullige Sonderling und das frische junge Mädchen. Fantin strich mit einer Hand flüchtig sein Haar glatt. „Mit einem friedvollen Namen – Friedemann oder so.“ Inge Peters hörte den Namen, und ihr Herz wurde unruhig dabei. „Friedemann?“ fragte sie leise und nachdenklich. Fantin wollte in sein Arbeitszimmer gehen – nun stutzte er und wandte sich um. „Wieso – kennen Sie ihn etwa?“ fragte er in seiner abrupten, mißtrauischen Art. „Wenn er es wirklich ist, gewiß“, lächelte sie versonnen. „Wir haben in meiner Heimat gemeinsam die Schule besucht.“ „Erinnerungen an selige Jugendtage“, zwinkerte er verständnisvoll. „Eine Personalbeschreibung kann ich Ihnen leider nicht liefern, aber vielleicht werden Sie ihn auf unserer nächsten Pressebesprechung sehen. Wenn die Amerikaner keine unerwarteten Schwierigkeiten machen, bereits morgen.“ „Ich mache mir Sorgen um unseren Hof“, gestand sie, und die flüchtige Freude wich wieder aus ihrem Gesicht. „Wenn der Regen andauert …“ „Wer weiß es, mein Kind. Wenn man auf meine Forderungen eingeht, kann morgen wieder die Sonne scheinen.“ „Wenn aber der Regen andauert, werden meine Eltern ihre ganze Ernte einbüßen.“ Sie ging neben ihm in das Zimmer. Der Professor schaltete das Licht an, das fahl über seine Züge fiel. „Für ganz Europa kann es furchtbare Folgen haben, wenn das Korn verdirbt.“ Er überhörte absichtlich die schüchterne Mahnung ihrer Worte. Als er sich an seinen Schreibtisch setzen wollte, klopfte hinter ihm jemand an das Fenster. Ruckartig, wandte er sich um und öffnete es. Laut trommelte der Regen. Betäubend war der Duft seiner kostbaren Rosen. Die Gestalt eines jungen Burschen zeichnete sich vor der verschwimmenden Dämmerung ab.
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„Was ist, Ricci?“ zischte der Professor. „Das Haus wird beobachtet, Herr!“ „Polizei?“ Der Junge machte keinen schlechten Eindruck und hatte gutmütige Augen, die nun aber scharf und überwach waren. Unternehmungslustig ließ er seine Armmuskeln spielen. „Unsere Polizei tut nur Verbrechern etwas. Es ist ein Fremder. Er steht drüben neben dem Mangobaum. Sollen wir ihm eine Abreibung geben?“ „Wie sieht er aus?“ „Groß und schlank. Wie ist es, Herr?“ „Dir jucken wohl schon wieder die Finger, du Lausejunge“, lachte Fantin. „Ich bin nicht für Schlägereien auf meinem Grundstück. Es genügt, wenn ihr heute abend aufpaßt, daß mich niemand bei meiner Arbeit stört.“ „Vater ist in Sorge um Sie – aber, wenn Sie es nicht wünschen –“ Der Professor nickte und wartete, bis sich der Junge zögernd entfernt hatte. Dann schloß er das Fenster. „Fernando Salernos Ältester“, amüsierte er sich. „Die Firma Salerno, Weinbau und Weinexport, ist um mein kostbares Leben besorgt. Vorhin marschierte Salernos dicke Privatköchin hinter mir her – ich will wetten, sie hatte den Auftrag, mich mit ihrem Regenschirm zu bewachen.“ Er zündete sich eine Zigarette an. „Aber was ist mit Ihnen, Inge – Sie hören ja gar nicht zu?“ Inge Peters war es im Augenblick furchtbar gleichgültig, daß Salernos dicke Köchin ihren Professor beschützte. Ihre Gedanken waren bei dem Fremden. „Glauben Sie, daß es der deutsche Journalist ist, der das Haus beobachtet?“ fragte sie leise. Fantin hob die Schultern – sein Blick umlauerte sie. „Sie kennen ihn vielleicht, Inge – ich nicht!“ Der Fernsprecher
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schrillte. „Da haben wir die Amerikaner – die Venuskönige – hi, hi –“ Seine Rechte fuhr genießerisch über den schwarzen Preßstoffkasten. „Die Herren Fachkollegen kommen angekrochen!“ Sorgfältig hob er ab. „Fantin!“ Inge ging schweigend zur Zimmertür. Eine unerklärliche Unruhe hatte sie gefaßt. Der Professor grinste wie ein schadenfroher Kobold. „Hier ist das Staatliche Atom-Territorium, Orion City!“ „Mit wem habe ich die Ehre?“ „Kommodore Parker!“ * „Mister Parker – hi, hi – außerordentlich erfreut …“ Jim fühlte sich leicht angegangen, als er diese höhnische Stimme hörte; so durfte man ihm nicht kommen. Er hatte sich auf eine Sessellehne gehockt und schwenkte sein rechtes Bein auf eine jungenhafte Art hin und her. Weiter zurück saß Wernicke und schnitt gottergeben aus einem Berg von Tageszeitungen Berichte aus Europa aus. „Ich habe Ihnen, Herr Professor, mitzuteilen, daß das S.A.T. unter einigen Voraussetzungen bereit ist, die Verhandlungen über ihr Angebot aufzunehmen.“ „Unter welchen Voraussetzungen?“ Wernicke legte aufseufzend die Schere weg und schleppte einen Stapel Zeitungsausschnitte herüber. Schlagzeilen – rot und knallig. Bilder, die einen frieren ließen. Wasser – Wasser! Europa drohte fortzuschwimmen. Jim blätterte ihn flüchtig durch. „Die erste Voraussetzung ist, daß Sie mir einige Fragen beantworten, Sir.“ „Sie stellen seltsame Bedingungen, Kommodore!“
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Jim Parker wollte eine scharfe Antwort geben. Die Bilder aus Europa reizten ihn dazu. Aber er besann sich – wer wußte, was dieser moderne Hexenmeister mit Atomenergie noch alles anstellte, wenn man ihn gleich zu hart anfaßte? „Sie ergeben sich aus der Situation“, erwiderte er ruhig. „Wenn man nämlich die Meldungen aus Europa und Nordafrika verfolgt und daran denkt, daß Sie uns angeboten haben, an der Kultivierung der Sahara mit Ihrem ‚Aktiven Regen’ teilzunehmen, ergeben sich interessante Zusammenhänge – finden Sie nicht auch? Künstlicher Regen ist immerhin nicht mehr so ungewöhnlich – allerdings ist es noch niemand gelungen, einen solchen Wasserzirkus aufzuziehen.“ „Hi, hi – ausgezeichnet kombiniert“, meckerte der Alte. „Ich hoffe aber, Sie werden mir trotzdem persönlich die Ehre geben und sich hier wohlfühlen.“ „Bei Regenwetter komme ich nicht“, lächelte Jim und fuhr dann ernster fort: „Haben Sie schon gelesen, daß in Europa die Ernte vor der Vernichtung steht?“ „Ich lese nur selten Tageszeitungen.“ „Sehr bedauerlich! Vielleicht aber ist Ihnen bekannt, daß der Ausbruch von Viehseuchen droht?“ „Ich bin kein Tierarzt.“ „Trotzdem sollten Sie diese Gefahr nicht unterschätzen. Wenn Sie das Tagesgeschehen so oberflächlich verfolgen, sagt es Ihnen natürlich auch nichts, daß verschiedene große Flüsse in ständigem Steigen begriffen sind?“ „Nicht viel“, erwiderte der Alte mit erstaunlicher Ruhe. „Aber einem verantwortlichen Menschen sagt diese Tatsache allerhand“, bemerkte der Kommodore trocken. „Ich könnte jetzt noch mehr Fragen an Sie richten, deren Beantwortung nur in Ihrem eigenen Interesse liegen würde, aber vielleicht können wir uns morgen weiter unterhalten?“
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„Es wird mir ein großes Vergnügen sein. Und mit welchem Bescheid des S.A.T. kann ich rechnen?“ „Das S.A.T. hat Ihre Vorschläge geprüft“, erwiderte Jim vorsichtig. „Es sind aber noch grundsätzliche Erwägungen notwendig.“ „Sie sind mir willkommen, Kommodore.“ „Ich bitte mir aber gutes Wetter aus, Professor.“ „Hi, hi – das S.A.T. bittet um gutes Wetter – ausgezeichnet –“ Marco Fantin erlebte köstliche Sekunden. „Die Großwetterlage wird in einem bestimmten Verhältnis zur Atmosphäre unserer Verhandlungen stehen, Kommodore!“ * Inge Peters hatte schweigend das Arbeitszimmer verlassen. Die unerklärliche Unruhe, die plötzlich aus der Dämmerung des Regentages über sie gekommen war, wurde noch größer, als sie aus der Tür in den Garten trat und vor sich die wogende Weite des Meeres sah. „Die Großwetterlage wird in einem bestimmten Verhältnis zur Atmosphäre unserer Verhandlungen stehen, Kommodore!“ sagte drinnen gerade der frohlockende Fantin. Sie hörte diese Worte nicht, sie empfand nur das höhnische Lächeln in dem sonst so vertrauten Gesicht ihres Professors als eine furchtbare Drohung. „Inge!“ Durch die Rosenbeete schlich der schwarze Ricci heran. Seine Augen waren flinke Tiere, und der Regen schien ihm Spaß zu machen. „Der Fremde steht immer noch da – kommen Sie.“ Er wollte sie zur Hausecke führen, aber sie hielt ihn zurück. „Wie sieht er aus, Ricci?“ „Groß und schlank, ganz hell im Gesicht und mit einer Narbe unter dem rechten Ohr.“
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„Hör zu, Ricci!“ Das konnte nur Gustav Friedemann sein! Und dieser eifrige Amateurdetektiv mußte verschwinden. Ihre Stimme wurde noch eindringlicher. „Er darf dich nicht sehen …“ „Weshalb nicht?“ „Das sage ich dir später. Du schleichst dich jetzt unten an den Felsen entlang zur Stadt.“ Ricci sah sie hingebungsvoll an. Sie war schön, diese blonde Deutsche, oh, sie war es wert, daß man alles für sie tat. Aber er begriff nicht sogleich, und sie mußte ihre Hand auf seine Schulter legen und es noch zweimal sagen, bis er sich schweigend abwandte. Gleich darauf sah sie ihn hinter den einsamen Felsen verschwinden. „Braver Ricci!“ Inge wartete noch einen Augenblick. Dann lief sie über den durchweichten Boden zur Hausecke. Tatsächlich – jenseits der Landstraße stand unter den Mangobäumen ein Mann. Als er sie sah, trat er einen Schritt vor und hob fassungslos die Arme. „Inge!!!“ Sie schüttelte den Kopf und legte die Finger auf den Mund. Wie gut, daß das Arbeitszimmer des Professors nach der anderen Seite zu lag. Kurz entschlossen lief sie durch den Garten, schloß sorgfältig die Pforte und winkte ihm zu, ihr hinter die Bäume zu folgen. Sehr geistreich sah der Gute nicht aus. „Ich will doch auf den Knien zum Südpol rutschen“, würgte er, „wenn das nicht …“ „… Inge Peters ist“, ergänzte sie lächelnd. „Streng dich nicht an, verschlagener Häuptling der Deichindianer. Sag’ mir lieber ganz rasch, wie du nach Santa Cruz kommst.“ „Inge Peters!“ Seine Augen wurden glänzend, als sähen sie ein Wunder, seine Hände tasteten an ihren Schultern. „Daß ich dich hier treffe! Weißt du noch, wie wir damals am letzten Abend …?“
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„Ja, Gust, ich weiß es.“ Sie durfte sich jetzt nicht in weichen Erinnerungen verlieren. Unruhig sah sie sich um. Wie verlassen lag das kleine Haus im plätschernden Regen da. Hinter ihnen stieg ein mit Farnen bewachsener Hügel an, auf dem in halber Höhe ein mächtiger Drachenbaum stand. „Und nun mußt du mir sagen, was du hier auf den Kanaren machst. Du wolltest doch damals Journalist werden.“ „Bin ich ja auch geworden – und die Kanarischen Inseln sind heute ein lohnendes Objekt“, zwinkerte er. „Wie meinst du das?“ fragte sie mißtrauisch. „Ist es vielleicht nichts, wenn eine sonst so trockene Gegend wie diese Inseln einen noch stärkeren Dauerregen zu verzeichnen hat als Europa?“ Als sie seinem Blick auswich, stutzte er. „Daß so etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann, weiß bereits die halbe Welt – und sie kennt auch den Mann, der dafür verantwortlich zeichnet.“ „Ja?“ sagte sie unsicher. „Professor Fantin heißt dieser Hexenmeister, der es fertigbringt, Europa unter Wasser zu setzen.“ Er machte eine bedeutungsvolle Kopfbewegung. „In dem Hause da drüben wohnt er – in dem Hause, aus dem Sie eben kamen, mein Fräulein.“ „Ich bin seine Assistentin.“ Die Wirkung dieser Worte war furchtbar für sie. Ein hemmungsloser Jubelschrei schmetterte gegen den niedrigen Regenhimmel und hallte an der Hauswand wider. Seine Hände flogen hoch. „Allah – Allah, ich preise dich tausend- und aber tausendmal!“ „Um Gottes willen, Gust – sei ruhig!“ „Inge – hehre Lichtgestalt!“ Seine Begeisterung riß ihn so hin, daß er sie in seine Arme schloß und abküßte. Sie wollte sich entrüstet wehren, aber es gelang ihr nicht so recht. Jeden-
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falls fing Gustav Friedemann in diesen Minuten zwei Fliegen mit einer Klappe. „Inge, weißt du, was der dicke Doktor Lorentz sagte …?“ „Wer ist denn das?“ „Unser Chefredakteur von der ‚Frankfurter Mittagspost’ Mein lieber Friedemann, sagte er zu mir, bringen Sie uns baldmöglichst den tüchtigen Zauberer, der das heulende Unheil über die sündige Menschheit heraufbeschworen hat. Und nun bringe ich ihn!“ „Laß mich los, Gust – nun sei doch vernünftig.“ Sie machte sich endlich frei und wunderte sich, daß ihr Herz so unregelmäßig schlug. „Glaubst du wirklich, daß du ihn bringen wirst?“ „Jetzt, wo ich seine Assistentin schon habe, selbstmurmelnd.“ „Gust, du irrst dich.“ Sie war nun wieder ganz die junge Wissenschaftlerin, die eisern zu ihrem Chef hielt. „Aushorchen lasse ich mich nicht.“ „Das bist du schon der Öffentlichkeit schuldig.“ „Wieso?“ „Na, einer muß diesem komischen Kauz doch sein nasses Handwerk legen. Was dein Herr und Meister vor hat, grenzt an ein Verbrechen. Oder wißt ihr nicht, daß halb Europa schon leise weinend anfängt, materiell und seelisch einzupacken? Hast du noch nicht an euren Hof in Süderdeich gedacht?“ Leise hatte er es gesagt. Wieder war diese Unruhe um sie – wieder geisterten graue Vögel in der fahlen Dämmerung. „Kein Mensch kann mit Gewißheit sagen, daß diese Regenperiode wirklich nur auf die Experimente Fantins zurückgeht …“ „Aha!“ Er schnippte mit den Fingern. „Also einschlägige Experimente macht er? Und um die zu verbergen, umgibt er sich mit einer Privatgarde? Oder glaubst du, ich hätte vorhin diesen komischen Athleten nicht bemerkt, der um mich herumstrolchte und sich verdammt wichtig vorkam?“
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„Das sind Fantins Freunde.“ Gustav schüttelte den Kopf und wollte seine Verwunderung über solch romantische Zustände aussprechen, als sie plötzlich Schritte hörten. Ahnungslose Schritte. Die Gartenpforte knarrte. Fantin trippelte durch den Regen auf sie zu. Inge packte ihren Jugendfreund. „Drück dich eng gegen den Baum, Gust – er darf uns nicht sehen!“ Sie rührten sich nicht, bis er vorbei war und über das Geröll den Hügel hinanstieg. Er hatte sie nicht bemerkt. „Nun hat es ihn wieder gepackt“, flüsterte Inge. „Er hat was vor.“ Gustav Friedemann zog seine Kleinbildkamera, aber Inge hielt ihn zurück. „Laß das“, fuhr sie ihn scharf an. Gustav grinste und sah dem Professor angestrengt nach. „Was will er denn auf dem Hügel?“ Inge zögerte – sie kannte die Geheimnisse des Hügels, und um keinen Preis der Welt wollte sie etwas verraten. Aber neben ihr stand Gustav Friedemann, der lichterloh brannte, um seine erste Sensation unter Dach und Fach zu bringen. Und der Professor – sah er nicht aus wie ein unheimliches, rätselvolles Wesen, wie er nun am Drachenbaum vorbeistieg und hinter hohen Farnkräutern verschwand? „Eine neue Teufelei, Inge?“ Ja, irgend etwas hatte er vor. Sie fröstelte. Wenn gleich eine seiner kleinen Raketen aufschoß, würde es sich schicksalsschwer auswirken – so oder so. „Ich weiß es nicht, Gust.“ Er faßte seine Kamera fester. „Warte hier auf mich, ich will …“ „Nein!“ Verzweifelt hielt sie ihn. „Das darfst du nicht, es ist so gefährlich …“
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„Ach was, Mädel – nun halt mich nicht auf.“ Er stieß sie ärgerlich weg und rannte geduckt den Hügel hinauf. Sie starrte ihm mit angstvollen Augen nach und konnte sich nicht rühren. Als Gustav Friedemann einige Meter vor dem Drachenbaum war, brach es über ihn herein – ein widerliches Zischen – eine schmerzende Helle, die hohnvoll die Dämmerung zerriß – „Verflucht und zugenäht!“ Hell war es – taghell – nein, mehr als das – es war ein Licht von unbekannter Stärke, das sich über das Land ergoß und das Meer aufflammen ließ. Friedemann hob die Hände vor das Gesicht und stolperte. „Gust – zurück – bitte –“ Mühsam richtete er sich wieder auf. Von unten her kamen Schritte – Inge wollte zu ihm. Dann wandte er sich und raste zurück. Hinter ihm schoß eine Rakete gegen den Himmel. „Schneller, Gust, schneller!“ „Teufelsspuk!“ War er feige, hatte er Angst, umgeisterten ihn tausend Gespenster in der grausamen Helle – er wußte es nicht. Er atmete auf, als er mit Inge auf der Landstraße stand. „Du darfst nicht länger hier bleiben, Gust.“ „Und du, Inge?“ „Ich gehe ins Haus zurück – mir kann nichts geschehen.“ * „Morgen wird die Sonne scheinen!“
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Geesche Möller mußte es wissen, sie hatte schon alles Mögliche vorausgesagt und schien unter ihrer unheimlichen Gabe zu leiden. Bei ihrem Schwiegersohn, dem Krötger von der „Eiche“ in Süderdeich, war der Laden gerammelt voll, als sie plötzlich in die Gaststube trat und ihr Sprüchlein herleierte: „Morgen wird die Sonne scheinen!“ Klaus Peters war doch noch in den Krug gegangen. Nicht um Skat zu spielen, wohl aber um Grog zu trinken und sich mit seinen Bauern zu beraten. In solchen Stunden, da es um das Geschick des Dorfes ging, hatte sein Wort doppeltes Gewicht. Und nun kam die alte Hexe dazwischen. Schwerfällig stemmte er sich hoch und knallte auf die Tischplatte, daß die Stöpsel in den Gläsern sprangen. „Verdammich nochmal, Geesche, nun hör doch auf mit deinem Unsinn – das glaubt dir doch keiner …“ „Warum sollten wir ihr nicht glauben?“ reckte sich einer von den kleineren Bauern, die an einem Nebentisch saßen. „Sie ist dir wohl nicht fein genug, weil ihr Mann nichts als Arbeiter ist und …?“ „Maul halten, du Hetzer!“ „Klaus Peters, ich weiß, daß du für mich nichts übrig hast.“ Die alte Frau kam an den Tisch des Bürgermeisters, und Inges Vater, der nach dem fünften Glas immer anfing, seine Lautstärke zu heben, nahm sich zusammen. Geesche Möller lächelte weisheitsvoll und gütig. „Ich wollte, ich könnte nicht das, was mir ein Höherer gab, aber man soll nicht über mich lachen. Und du schon gar nicht.“ Der Bürgermeister verlor allerhand von seiner großspurigen Überlegenheit. So hatte ihn vor vielen Jahren seine Mutter angesehen – so wissend und voller Anteilnahme. „Wie meinst du das, Geesche?“ würgte er. „Ich kann es dir hier nicht sagen.“
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„Dann gehen wir eben raus, zum Donnerwetter!“ Er schob mit breiter Hand sein Glas zurück und ging mit der Frau durch das Schweigen der Neugierde, das plötzlich über den Tischen lastete. An der Theke stellten sie den Empfänger ein. Der Wirt nickte seiner Schwiegermutter flüchtig zu. Dann standen sie auf der dunklen Diele. Geesche Möller wickelte sich fester in ihr altmodisches Umhängetuch. „Hast du Nachricht von deiner Tochter?“ Peters würgte es immer noch im Halse „Heute nachmittag eine Karte. Weshalb fragst du?“ „Deine Tochter ist bei dem Manne, der den Regen macht und die Sonne wieder scheinen lassen wird.“ „Bist du des Teufels?“ Er lief rot an, und es sah aus, als wolle er sich auf die Frau stürzen. Aber sie hatte keine Angst vor ihm. „Ich weiß es, Klaus“, sagte sie ruhig. „Es ist nicht deine Schuld, und Inge wird einsehen, daß sie bei einem solchen Manne nicht bleiben darf …“ „Professor Fantin ein Verbrecher?“ „Nicht ein Verbrecher, Klaus“, wehrte sie ab. „Er ist ein Mann, der auch Gutes schaffen kann, der aber das Maß für seine Arbeit verloren hat. Aber Sönke wird durch ihn in Gefahr geraten.“ Dem Bürgermeister pochte es schwer in der Brust, und das Würgen blieb. „Was weißt du von Sönke?“ „Er will mit einem Boot über den Ozean fahren’.“ „Das hat dir wohl meine Frau erzählt?“ „Deine Frau habe ich seit heute vormittag nicht gesehen“, erwiderte sie gelassen. „Der Professor wird uns mit Sturm und Vernichtung drohen, und Sönke wird mitten auf dem Meer sein …“ Da wurde er so klein, der Bürgermeister Peters, daß er raus mußte aus der dunklen Diele, daß er tief Luft holen mußte, um nicht auf der Stelle umzufallen. Er riß die Haustür auf und stürzte davon.
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Der Regen plätscherte, und der Wind sang vom Deich her unheimlich und eintönig. „Nach Hause!“ dachte der Bürgermeister und stampfte die Dorfstraße entlang. Aber als er das helle Rechteck seines Wohnzimmerfensters schimmern sah und daran dachte, daß dort seine Frau ahnungslos im Sessel saß, wandte er sich und ging über die Felder. Der Grog verflog im Wind, aber die Angst blieb und wuchs, geisterte um ihn und ließ ihn immer rascher ausschreiten. „Sönke!“ sagte er laut vor sich, und alles, was er um seinen Jungen empfand, schwang in diesem Wort mit. Der Wind antwortete ihm. Oder war es wieder die Angst? Nein, es war der Wind, aber er konnte ihn nicht trösten. Er sprach auf den Bürgermeister ein, bis er immer leiser wurde. Klaus Peters fuhr aus seinem Grübeln auf. Er stand auf einem einsamen Feldweg, seine Füße versanken im schweren Boden, und auf der nahen Chaussee glitten die Lichtbalken eines Autos vorüber. Der Bürgermeister stand und wischte sich über die Augen. Es regnete nicht mehr. Es klarte auf! Die tiefhängende Wolkendecke zerriß. Sterne wurden sichtbar – der Große Wagen – ein Planet in unwirklicher Schönheit. Vom Dorf her klangen Rufe. „Geesche Möller hat recht behalten!“ Klaus Peters schob die Fäuste tiefer in die Hosentaschen. Sollte er sich freuen, weil das Wetter nun besser wurde? Wenn aber die Spökenkiekerin auch weiterhin recht behalten würde? Oh, Sönke! Die Wolkendecke war in unwahrscheinlich kurzer Zeit verschwunden. Herrlich still und erhaben war die Nacht. *
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Aus dieser Nacht entstand ein Morgen, der wie eine Erlösung über unzählige Menschen kam. Die Sonne schien! Über den Felsen von Teneriffa blaute der Himmel. Im Garten des Professors dufteten die Rosen so wunderbar, wie schon lange nicht mehr, und reckten sich dem jungen Licht entgegen. „Meine Sonne!“ Marco Fantin stand am Drachenbaum und hatte die Arme erhoben. Lange stand er so da und sah, wie das Licht sich ausbreitete über die Dächer der unter ihm liegenden Stadt, wie es über die Abhänge der Weinberge kroch und der Pik aufleuchtete in goldener Kraft. „Morgen, Professor!“ Eine rauhe Stimme riß ihn aus seiner Versunkenheit. Er ließ die Arme sinken und wandte sich etwas verlegen um. Als er aber den schnaufenden Weinhändler erkannte, und neben ihm Inge Peters, gewann er wieder seine alte Ironie zurück. „Salerno – Herr der guten Geister und Tröster der durstigen Seelen, sei willkommen in meinem Reich.“ Fernando Salerno war durch den Wein groß geworden und gedachte, eines Tages in die himmlischen Gefilde einzugehen mit der beruhigenden Gewißheit, diesem Göttertrank seinen persönlichen Tribut gezahlt zu haben. Er sah aus wie das Urbild eines Kellermeisters, wenn er sich auch mehr in seinen Gaststätten als in der Kellerei bewegte. Salerno war ein mächtiger Mann in Santa Cruz – er wußte es, und er erwartete von seinen Mitmenschen, daß sie es ebenfalls wußten. „Es ist das Reich eines Zauberers“, strahlte er und faltete die Hände Ober seinem ansehnlichen Bäuchlein. „Einen solchen Mann dürfen wir nicht verlieren.“ „Die Gewalt des Menschen über die Natur kennt keine Grenzen mehr“, nickte Fantin und zeigte auf die offenstehende Tür
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des Bunkers, den er sich in den Hügel hineingebaut hatte. „Nur zwei meiner neuen Raketen – und das Wetter änderte sich!“ Salerno sah mit einer Mischung von Scheu und Hochachtung auf den Niedergang und trat sogar näher heran, um die Instrumente in Augenschein zu nehmen, die er im Halbdunkel des unterirdischen Raumes erkennen konnte. Dann aber drehte er sich um. „Das ist nichts für Salerno“, winkte er ab. „Davon verstehe ich doch nichts. Der Grund, weshalb ich komme, ist auch nicht nur das schöne Wetter.“ Fantin hatte mit zusammengekniffenen Augen den Himmel beobachtet und macht« sich einige Notizen. Flüchtig sah er auf seinen Freund. „Sie haben Sorgen, mein Lieber?“ „Um Sie, Professor!“ „Gehen wir in mein Haus.“ Er hakte die auffallend schweigsame Inge und den dicken Weingutsbesitzer unter und stieg mit ihnen den Hügel herab. „Was ist mit Ihnen, Inge – Sie sehen bleich aus?“ Sollte man nicht bleich aussehen, wenn in den letzten Stunden ein so aufrüttelndes Ereignis auf einen hereinstürzte, wie das überraschende Wiedersehen mit Gust? Und wenn man dann noch ein Telegramm von Bruder Sönke erhalten hatte, in dem er sein Kommen ankündigte und seinen waghalsigen Plan mitteilte? „Es ist nichts, Herr Professor“, lächelte sie beruhigend. „Ich bin nur etwas überarbeitet.“ Salerno schielte unter seiner Baskenmütze zu der schönen Assistentin herüber. „Sie überanstrengen das Kind, Fantin“, knurrte er vorwurfsvoll. Fantin sah erstaunt auf. „Aber Inge, so etwas müssen Sie doch sagen.“
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„Es ist wirklich nicht so schlimm, Herr Professor“, beschwichtigte sie ihn. „Aber, wenn Sie erlauben, möchte ich heute doch einmal ausspannen.“ „Selbstverständlich, mein Kind.“ Der Alte war nun wirklich besorgt um Inge und geriet ganz aus dem Häuschen, als seine Hand über ihren blonden Scheitel fuhr und er sah, daß sie verweinte Augen hatte. Bevor er noch etwas sagen konnte, nickte sie den Männern zu und eilte ihnen voraus in das Haus. „Merkwürdig“, schüttelte der Professor den Kopf. „Aber mein großes Experiment war wohl doch etwas zuviel für eine Frau.“ „Nehme ich auch an.“ Salerno hatte es plötzlich nicht mehr so eilig, in das Haus zu kommen. „Es ist gut, Fantin, daß wir allein sind“, meinte er und kramte seinen Tabaksbeutel hervor. „Heute nachmittag wird wohl der große Kommodore aus der amerikanischen Atomstadt eintreffen, wie?“ „Gegen vierzehn Uhr – jedenfalls haben wir noch heute abend die erste Unterredung.“ Fantin bediente sich aus dem Tabaksbeutel und drehte mit großer Routine eine Zigarette. Sorgfältig fuhr er mit dem Blatt die Zungenspitze entlang. „Sie werden wohl in einem Ihrer Hotels Wohnung nehmen?“ „Dafür habe ich bereits gesorgt“, grinste der tüchtige Salerno. „Und aus diesem komischen Mister Wernicke werden wir wohl bei einem guten Wein schon einiges herausholen können. Wie beurteilen Sie Ihre Aussichten?“ „Man wird versuchen, mich irgendwie unter Druck zu setzen.“ Salerno hielt ihm das Feuerzeug hin. „Es ist gut, daß Sie damit rechnen. Ich habe mal in London bei der Weltpolizei herumhorchen lassen.“ Die Zigarette brannte. „Es sieht nicht gerade rosig für Sie aus, Professor.“ In Fantins Gesicht zuckte kein Muskel. „Sie betätigen sich
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als mein Geheimdienst?“ fragte er leise und lauernd. „Das ist mir neu, Salerno.“ „Sehen Sie, Fantin, ich würde Sie nicht gern verlieren.“ Sie spazierten langsam durch den Garten. Die feinen Sträucher der Tamarisken wiegten sich in der frischen Seebrise. Alles war wieder natürlich und hell. „Sie haben vor einigen Jahren so viel für unsere Insel getan – Sie haben uns von der ewigen Trockenheit und die kleinen Landbauern von den harten Wassertaxen befreit, und deshalb würde ich auch alles tun, um Ihnen zu helfen, wenn es sein müßte.“ „Das ist nett von Ihnen“, sagte Fantin warm. „Was hat Ihr Mittelsmann in London erfahren?“ Salerno rauchte hastig. Er druckste herum und mochte es nicht sagen. Schweigend gingen sie weiter. Ihre Schuhe traten tief in den Sand, der nur langsam wieder austrocknete. Erst als sie bei der Kakteenzucht standen, die den Garten nach den Felsen zu abschloß, antwortete er widerwillig. „Sie stehen bei der Weltpolizei auf der Schwarzen Liste. Man hat Ihnen den künstlichen Regen über Europa sehr übel genommen, und in einigen Abteilungen erwägt man bereits, gegen Sie ein Verfahren einzuleiten.“ „Hi, hi – Fantins Anschlag auf die Wohlfahrt der Menschheit“, kicherte der Professor höhnisch. Als er nur betretenes Schweigen erntete, wurde ihm der Ernst seiner Lage bewußt. Trotzdem war er weit davon entfernt, auch nur die Spur einer Furcht in seinem Herzen zu empfinden. „Sie sollen es nur wagen!“ sagte er hart und entschlossen. * „Sie soll es nur wagen!“ Gustav Friedemann hatte seinen ersten dicken Bericht nach
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Frankfurt gekabelt Es war alles dran, was man als Anfang einer spannenden Fortsetzungsreihe gebrauchte. Nun aber stand er mit düsterer Miene an einer Normaluhr in der sonnenüberfluteten Hauptstraße von Santa Cruz und kam sich vor wie ein Siebzehnjähriger. „Sie soll es nur wagen, mich hier zu versetzen“, murrte er. Dann hellten sich seine Züge auf. In einem todschicken Schneiderkostüm kam sie über die Straße. Als sie den Fahrdamm passiert hatte, kam aus einer Nebenstraße heraus ein hellblaues Taxi um die Ecke gesaust und mußte scharf bremsen, um sie nicht zu überfahren. Gustav stürzte bereits vor, aber der Fahrer jonglierte seine Karre noch eben am Unglück vorbei. Inge war ziemlich verdattert und lief rasch zum Bürgersteig herüber. „Verdammte Schweinerei“, fluchte der Journalist unhöflich und nahm ihren Arm. „Diesen Säugling müßte man erst mal im Kinderwagen fahren, bevor …“ Er unterbrach sich und reckte sich hoch. „Täuschen mich meine anerkannt guten Augen oder …“ Inge lehnte sich unwillkürlich an ihn und sah den Wagen langsam vorbeigleiten. Zwei Herren saßen im Fond, und wie um sich zu entschuldigen, verneigte sich einer der beiden. „Das ist doch Jim Parker!“ Neugierig sah Inge hinüber – war das der Kommodore, dieser schmucke, junge Mann mit dem gebräunten, nachdenklichen Gesicht? „Klar ist er das“, sprudelte der aufgeregte Friedemann hervor. „Und nun muß ich ganz schnell wissen, was dieser wichtige Mann in Santa Cruz macht.“ „Er wird doch von Fantin erwartet, Gust“, sagte sie leise. Friedemann schnappte nach Luft, schüttelte den Kopf und brachte ziemlich atemlos hervor: „Und das hast du mir nicht gesagt?“
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„Ich lasse mich nicht aushorchen“, lächelte sie, „das weißt du doch.“ „Als zukünftige Journalistenfrau mußt du noch viel lernen – komm –“ „Was hast du vor?“ Er zog sie einfach durch das Gewimmel von hellen, schulterfreien Sommerkleidern und muskulösen Männerarmen, die die dazugehörenden Schultern vor dem Staub der Straße schützten. Die halbe Stadt war wieder dem Reiz des Bummelns verfallen. Nach langen Regentagen! Allerdings sah man weniger Fremde als sonst. Friedemann ließ das weiterfahrende Taxi nicht aus den Augen. Die Hauptstraße lief hier schnurgerade weiter und stieg etwas an. Friedemann wußte genau, was er wollte. Aber seine löbliche Absicht, sich den Kommodore schon beim Aussteigen vorzunehmen, schlug fehl. Als das große, vornehme „OzeanHotel“, das dem dicken Salerno gehörte, in ihr Blickfeld kam, hielt Inge ihn zurück. „Das ist doch nicht möglich, Gust – sieh mal, dort drüben vor dem Hotel –“ Das Taxi hielt vor der Hotelauffahrt, und ein elegant gekleideter Jüngling kam mit dem Portier aus dem Hause und machte seinen Kotau. „Der Empfangschef natürlich“, knurrte Gustav ärgerlich. „Was ist schon dabei?“ Inge lachte leise auf. „Kennst du ihn denn nicht?“ „Mir ist er noch nicht über den Weg gelaufen.“ „Doch – das ist Ricci, der Athlet, der dich gestern vor unserem Haus gesehen hat.“ „Einer von Fantins Schutzgarde?“ „Ja – und es ist bestimmt das erstemal, daß er sich als Empfangschef betätigt.“
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Er pfiff leise durch die Zähne. „Das werden wir gleich haben. Dich kennt er natürlich – laß mich allein gehen und warte drüben im Cafe auf mich.“ Inge war sofort einverstanden. Gustav ging los und betrat einfach hinter den Ankömmlingen die Hotelhalle. Der schwarze Ricci – übereifrig und mit den Gebärden eines schlechten Schauspielers – geisterte um sie herum, daß alles grinste. Gustav ging geradenwegs auf Wernicke zu und schlug ihm auf die Schulter. „Hallo, alter Abstinenzler!“ sagte er leise. Fritz Wernicke hatte eine Abneigung gegen dieses Wort und fühlte sich auf den Arm genommen. Als er aber den Journalisten sah, stutzte er und hob den Zeigefinger. „Hallo – kommen mir bekannt vor – wo haben wir zum letztenmal Himbeerwasser getrunken?“ „Algier, Landsmann“, zwinkerte Gustav. In dem Steuermann tauchte langsam eine feuchte Erinnerung auf. Dunkle Kneipe in Algier. Tolle Mädchen. Teufelsschnaps. Gefährlicher Betrieb. Der Zeigefinger schoß vor und knallte mit der ganzen Faust gegen die Rippen des Journalisten. „Okay, Friedemann – freue mich, dich wiederzusehen.“ „Kann ich dich und Mister Parker sprechen – möglichst sofort?“ „Beruflich?“ Wernicke wandte sich an Jim, der von dem „Empfangschef“ bei der Anmeldung aufgehalten wurde. „Ich möchte dir den sehr weisen und edlen Herrn Friedemann vorstellen, einen aufsteigenden Stern am internationalen Pressehimmel. Haben wir noch einen Augenblick übrig?“ Jim sah den Journalisten aufmerksam an. Seine Gedanken waren schon bei dem alten Sonderling und Wettermacher. „Es ist nicht beruflich“, versicherte Gustav. Hinter ihnen schielte Ricci mit seinen Detektivaugen.
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„Für eine Viertelstunde können wir nach oben gehen“, nickte Jim. * Minuten später rasselte in Fantins Arbeitszimmer der Fernsprecher. Den Professor hatte eine quälende Nervosität gepackt – er war allein in seinem Haus, und das war nicht gut. Der Anruf war wie eine Erlösung. Rasch hob er ab. „Herr – Kommodore Parker und sein Begleiter sind eingetroffen –“ Fantin langte in ein Silberkästchen und steckte sich eine Zigarette in den Mund. „Irgend etwas Besonderes, Ricci?“ „Ja, Herr – der Fremde, der gestern vor Ihrem Haus stand, kennt Mister Wernicke und ist mit ihnen nach oben gegangen.“ „Der Deutsche?“ „Ja – ein Deutscher ist es –“ Die Zigarette wurde wieder aus dem Mund genommen und zwischen unruhigen Fingern breitgerollt. „Hast du etwa auch Inge gesehen?“ „Nein, Herr – sollen wir die Straße kontrollieren?“ Fantin wollte abwinken. Es war scheußlich, daß ein solcher Verdacht in ihm aufspringen konnte, aber Inge schien diesen angeblichen Journalisten zu kennen. Er winkte nicht ab. „Kontrolliert die ganze Umgebung eures Hotels, Ricci – und wenn irgend etwas Besonderes ist, gebt mir bitte Nachricht. Wiederhören!“ Leise klickte der Hörer in die Gabel. Fantins Gesicht war eine Maske. Er war ein aufgeschreckter Kobold im Märchenwald seiner Träume. Nahm man ihm den Regen wirklich so übel? Wieder kam die Zigarette in den Mund, und die Hände bedienten automatisch ein Feuerzeug. Eine Uhr tickte die Se-
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kunden, und ihr Zeiger rundete langsam die Zeit. Fantin stand unbeweglich – das Meer rauschte leise herein, und irgendwo knarrte es. Als die Zigarette halb aufgeraucht war, warf er sie in den Ascher und begann, im Zimmer hin- und herzurasen. Wollten sie ihn etwa über kurz oder lang verhaften? Er war kein Verbrecher, den man einfach hochnehmen konnte, er hatte dem S.A.T. ein sauberes Angebot gemacht, er wollte arbeiten wie andere Wissenschaftler auch. Nur ernst mußte man ihn nehmen – sehr ernst. Die Glocke schrillte. Die Maske fiel von seinem Gesicht, das wieder überlegen und beherrscht wurde. Langsam und selbstbewußt ging er an die Haustür und öffnete. Jim Parkers kühle Augen waren um ihn. Dann verneigte sich der Kommodore. „Willkommen, Mister Parker!“ „Ich hoffe, nicht ungelegen zu kommen, Herr Professor?“ „Sie kommen mir so gelegen wie selten ein Mensch“, grinste Fantin. „Gutes Wetter haben Sie mitgebracht.“ Jim sah ihn aufmerksam an. „Gutes Wetter hatte ich mir ausbedungen“, erwiderte er lächelnd, während sie das Zimmer betraten und der Professor die Tür schloß. „Ich freue mich, daß Sie meine erste Bedingung erfüllt haben.“ „Wollen Sie bitte Platz nehmen?“ Jim legte die Konferenzmappe vor sich auf den Klubtisch und setzte sich dem Alten gegenüber. Der junge Kommodore war erst vor wenigen Tagen vom Mond zurückgekehrt, und mitten in seine Pläne für eine neue große Weltraumexpedition war diese dumme Geschichte gefahren. Er hätte lieber über Marskarten gebrütet, als sich mit diesem Regenmacher auseinanderzusetzen. Aber nun fesselte ihn doch das Antlitz des Sonderlings. „Darf ich Ihnen eine Zigarette anbieten?“
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Jim holte schon sein eigenes Etui aus der Tasche. „Danke – aber vielleicht rauchen Sie eine von meiner Spezialmarke?“ „Die berühmte ‚Maza Blend’ – mit Vergnügen.“ „Ist es Ihnen recht, Herr Professor, wenn ich ohne lange Einleitung auf den Kern der Angelegenheit komme, die wir zu besprechen haben?“ Zigaretten taten ihm gut, stellte Fantin mit einiger Beunruhigung fest. Was war nur mit ihm los? Etwas verkrampft wahrte er seine Ruhe. „Ich bitte darum.“ „Sie hatten dem S.A.T. das Angebot gemacht, an der Erschließung der Westsahara mitzuwirken, indem Sie das erschlossene Kulturland unter die Niederschläge des von Ihnen entwickelten ‚Aktiven Regens’ setzten. Sie beriefen sich dabei auf Herrn Dr. Allahdah. den Weltbeauftragten für das Sahara-Programm …“ „Dr. Allahdah ist mein Freund.“ „Das ist uns bekannt. Sie hatten uns die Unterlagen vor reichlich zwei Monaten eingereicht und um eine Prüfung innerhalb von fünf Wochen gebeten.“ Jim beugte sich vor. „Als diese fünf Wochen herum waren und man in Orion-City eine Entscheidung noch nicht fassen konnte, begannen für Europa und Westafrika die furchtbaren Regenfälle.“ Fantin machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich denke, Sie wollten zum Kern der Dinge kommen?“ „Wir sind mittendrin!“ Jim ließ den anderen nicht mehr los, er zwang ihn, seine Augen auf die Zeitungsausschnitte zu richten, die er aus der Mappe nahm und ihm hinhielt. „Da Sie so selten Tageszeitungen lesen, habe ich mir erlaubt, Ihnen eine kleine Übersicht über die interessantesten Ereignisse der letzten Wochen mitzubringen.“ „Kommodore“, preßte Fantin hervor, „ich habe Sie doch nicht hierhergebeten, um …“
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„Wenn ich nicht gekommen wäre, hätten Sie den Besuch von Männern erhalten, die Ihnen noch unsympathischer sind.“ „Welche Männer – meinen – Sie –?“ „Angehörige der Weltpolizei.“ Der Kommodore legte die Ausschnitte vor Fantin auf den Tisch. „Ich habe mich noch im letzten Augenblick für Sie verwenden können, Herr Professor, aber nun sehe ich, daß Sie Ihre Lage falsch beurteilen. Man macht Sie für das Wetter verantwortlich, und es dürfte Ihnen schwerfallen, diese Vorwürfe zu entkräften.“ Fantin gefiel diese klare Sprache nicht. Er konnte nicht mehr ausweichen, aber er wollte so antworten, daß für ihn alle Möglichkeiten offen blieben. „Ich gebe zu, Kommodore“, sagte er schnell und wieder mit einer erstaunlichen Gelassenheit, „der Urheber dieser Schlechtwetterperiode bin – leider – ich.“ Unwillkürlich atmete Jim auf. Vielleicht ließ sich diese Geschichte noch zurechtbiegen. Fantin war immerhin unermeßlich reich und konnte schon eine Stange Schadenersatz zahlen. „Ihre Antwort war sehr klug, Herr Professor. Wegen der Bedeutung dieses – wenn ich so sagen darf – Experiments vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus brauche ich Ihnen keine langen Komplimente zu machen. Sie haben sich die Bewegungen der Atmosphäre in einem Maße untergeordnet, wie es zuvor noch keinem Menschen gelungen ist. Sie haben aber Ihre Machtmittel mißbraucht …“ „Hat das S.A.T. es noch nie getan?“ unterbrach ihn Fantin lauernd. „Ich glaube nicht.“ Jim richtete sich auf. „Man wird wahrscheinlich von Ihnen die Auslieferung Ihrer Mittel zur Wetterbeeinflussung verlangen …“ „Ich denke nicht daran!“ „Ich fürchte, Sie werden daran denken müssen“, lächelte Jim
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und legte seine Zigarette auf den Ascher. „Was jedoch unsere Verhandlungen anbelangt, so werde ich diese erst fortführen, wenn ich Ihre Zusage habe, daß die Menschheit künftig vor solchen Überraschungen verschont bleibt.“ Fantin hatte sich wieder gefaßt. Abwehrkämpfe waren nicht nach seinem Geschmack. Ruckartig stand er auf und trat an das Fenster. Jim konnte sein Gesicht nicht sehen, und das war gut so. Er ließ ihm Zeit. Endlich wandte sich Fantin wieder um. „Sie stellen Bedingungen, Kommodore“, sagte er ruhig, während er wieder an den Tisch trat. „Seit zwanzig Jahren bin ich meine eigenen Wege gegangen, und man hat mich verlacht. Heute scheint man Angst vor mir zu haben. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich Ihnen morgen meine Bedingungen bekanntgeben.“ * „Ich hoffe doch, von Kommodore Parker im Laufe der nächsten Stunden einen Bericht zu erhalten“, sagte der spitznasige Präsident der Weltpolizei, Lord Clifford, und zog seine Manschetten gerade. „Parker handelt in diesem Falle wieder einmal furchtbar nachsichtig.“ „Dieser Fantin hätte schon längst unsere Gastfreundschaft genießen müssen“, erlaubte sich sein Privatsekretär zu bemerken. „Meine Meinung, Stevens.“ Der Lord zog einen kleinen Spiegel aus der Tasche und prüfte sorgfältig den Sitz seiner tadellos gebundenen Krawatte. Die Weltpolizei hatte einen Präsidenten, der durch seine Eleganz und sein chevalereskes Auftreten bestach, wenn er auch oft recht eigenwillige Ansichten vertrat. „Ich fahre in meine Wohnung – sollte ein Anruf aus Santa Cruz kommen, lassen Sie bitte durchstellen.“
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„Sehr wohl, Mylord!“ Der Privatsekretär öffnete die Tür, und gleich konnte man unten auf der Downing Street den Präsidenten in seine stadtbekannte, hypermoderne Limousine steigen sehen. Lautlos schob sich der Schlag zu, und federnd glitt das blitzende Ding davon. Lord Clifford schaltete den Empfänger ein. „Nach den heute nachmittag eingegangenen Meldungen aus verschiedenen Teilen Westeuropas herrscht überall wieder schönstes Sommerwetter. Die Badeorte haben Hochbetrieb zu verzeichnen. Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft geben jedoch stellenweise zu ernsten Befürchtungen Anlaß. So melden Holland und Norddeutschland, daß weite, tiefliegende Anbaugebiete unter Wasser stehen.“ Für den WP-Präsidenten war das zwar nichts Neues, es veranlaßte ihn aber doch zu dem inbrünstigen Stoßseufzer: „Wenn ich doch erst den Burschen hinter dicken Mauern hätte …“ Er hatte ihn aber noch nicht. Und es sollten noch Dinge geschehen, die aus seinen Stoßseufzern handfeste Flüche werden ließen. Es begann schon in diesen Minuten. Als man linker Hand den Hyde Park liegen hatte, wo sich die Weltverbesserer austobten, sah der Lord zufällig aus dem Fenster und fuhr zurück. Der Himmel war rot. Feuer konnte es nicht sein; denn die unheimliche Färbung verschwamm weit oben, als komme sie aus dem Weltall.. „Halten Sie an!“ Der Fahrer trat automatisch die Bremse, und der Lord schob ungeduldig den Schlag zurück. Dann stand er draußen, reckte den Hals und schnappte mit zahlreichen anderen Passanten benommen nach Luft. „Die Docks brennen!“ wimmerte eine alte Frau auf. Lord Clifford verzog mißgelaunt den Mund und wollte gera-
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de zu einer Erwiderung ansetzen, als das Phänomen noch unheimlicher wurde. Es kam herab. Wie eine riesige glühende Wolke senkte es sich langsam. Dabei war es nicht wärmer als sonst zu dieser Abendstunde, und auch irgend eine andere Veränderung war an der Luft nicht zu bemerken. Unwirklich war alles. Die Menschen schrien auf. Männer fluchten. Der Lord warf sich herum, eilte in den nächsten Buchladen und ging, ohne ein Wort zu sagen, an den Fernsprecher. Gleich darauf meldete sich Scotland Yard. „Wir haben die Erscheinung auch schon bemerkt“, meldete ihm ein höherer Beamter. „Sie konzentriert sich über dem Regierungsviertel und ebbt bereits hinter Charing Cross ab.“ „Die Feuerwehr …?“ „… liegt in Alarmbereitschaft. Ich glaube aber nicht, daß sie heran muß; denn die Erscheinung sieht mir gar nicht so feuergefährlich aus.“ „Es gibt aber noch andere Gefahren!“ * „Das sieht mehr als gefährlich aus“, grinste Fritz Wernicke, als der Kellner mit einem neuen Tablett voll flacher Schalen aufkreuzte, die es in sich hatten. „Es wäre wohl das erstemal, wenn du dieser Gefahr nicht ins Auge sehen könntest.“ Gustav Friedemann lotste den Schwarzbefrackten mit beschwingter Geste heran. Nüchtern waren sie beide nicht mehr, aber die Augen hielten sie trotzdem offen. Auch hier in dem kleinen Tanzlokal am Stadtrand nahe am Meer. „Sieh dir mal die beiden Bengel dort drüben an.“ Friedemann rührte das so harmlos aussehende Zeug mit dem
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Glasstöpsel um und summte die Raspamelodie mit, nach der auf der malerisch erleuchteten Tanzfläche Jim Parker mit der blonden Inge tanzte. Warm und schön war auch die zweite Nacht nach dem großen Regen. „Dort drüben, Gustav.“ „Seh’ die Brüder schon lange“, knurrte der Journalist. „Schon den ganzen Tag. Heute nachmittag als Zeitungsjungen und nun als Zigarettenboys, und immer in unserer Nähe – verdammich nochmal –“ Er wollte aufstehen, aber Wernicke hielt ihn zurück. „Laß sie nicht aufmerksam werden“, zischte er und lachte dann laut auf. „Netter Witz, was?“ Gustav lachte noch lauter. „Prost, Landsmann!“ „Auf recht viele Wochen ohne Wasser – aber nicht ohne dieses herrliche Gesöff!“ Bedächtig tranken sie die Schalen leer. „Anständig“, gluckste Gustav genießerisch. „Morgen steigen wir dem dicken Salerno, diesem geheimnisvollen Gauner mit dem komischen Söhnchen, in den Keller und machen ihm die Weinfässer leer.“ „Horrido!“ Wernicke winkte vergnügt seinem „Genossen Bruder“ zu. „Das ist eine Idee. Aber sag mal, Landsmann, warum sehe ich rot?“ „Rot sollte ich sehen“, zwinkerte Gustav, „weil der Kommodore schon zum drittenmal mit Inge tanzt.“ „Eifersüchtig?“ „Ach wo – nur Spaß. Was ist denn mit dir?“ Wernicke wischte sich über die Augen und schüttelte den Kopf. Er sah plötzlich sehr ruhig aus. „Komisch – da drüben, hinter den Palmen, flammte es auf.“ „Was?“ Gustav Friedemann blickte sich um. „Sternklar ist die Nacht, und silbern fließt des Mondes Licht. Du kannst nichts mehr vertragen, Wernicke!“
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Die Kapelle ließ die Raspa mit einer wilden Kaskade peitschender Rhythmen ausklingen. Händeklatschen flutete flüchtig auf. Inge lachte perlend auf, als Jim Parker sie an den Tisch zurückführte. Als sie sich setzen wollten, kreischte hinter ihnen eine Frauenstimme, so laut und durchdringend, daß alles erschrocken auffuhr. „Der Drachenbaum-Hügel steht in Flammen!“ Ein heller Schein geisterte aus nordöstlicher Richtung herüber. Jim Parker, der Inge noch untergefaßt hatte, spürte, wie sie zitterte. „Haben Sie Angst, Inge?“ fragte er behutsam und nickte den beiden Männern unauffällig zu. Sie erhoben sich. Der Kellner, der herangetreten war, lächelte mit weißen Zähnen. „Das ist doch nichts, meine Herrschaften – der verrückte Professor macht wieder seine Experimente.“ „Es gibt wieder Regen!“ rief vom Nebentisch ein junges Mädchen und fiel ihrem Begleiter um den Hals, daß der beinahe vom Stuhl kippte. „Bangemachen gilt nicht – einen Tusch für den alten Hexenmeister!!“ Bangemachen gilt nicht! Wie rote Geisterhände flammte es am Himmel. Drohend – warnend. Aber der Kapellmeister setzte seine Geige an, und alle ließen ihn hochleben, den tollen Wettermacher. Ob sie in London auch so freundschaftlich für ihn empfanden? Aber das Leben war kurz, und die Nacht war warm – es lebe das Leben! Noch einen Tusch! Der Kellner verneigte sich höflich. „Wollen die Herrschaften nicht wieder Platz nehmen?“ Mit großen Augen sah Inge in den fieberheißen Rummel. „Ich möchte nach Hause“, sagte sie leise. „Gust – bitte.“ Gustav war schon neben ihr, und der Kommodore reckte dem Kellner einen Geldschein hin. Unauffällig machten sich zwei Halbstarke davon.
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„Wir lassen Sie jetzt nicht allein nach Hause gehen, Inge.“ Friedemann zog sie an sich. „Ausgeschlossen!“ „Wer weiß, was der Alte vorhat!“ meinte Wernicke. Inge nahm ihr Täschchen, und sie gingen durch den Lärm dem Ausgang zu. Der kleine Flitzer, den die Freunde sich gemietet hatten, stand ziemlich in der Mitte der parkenden Wagenschlange. Der schwarze Parkwächter döste auf einer Bank durch die Langeweile – seine Zigarette lag vor ihm im Sand. Jim wollte den Wagen herausbugsieren, aber es blieb bei der Absicht. Er war noch nicht vom Bürgersteig runter, als ein Schatten durch die unruhige Dunkelheit flog – eine menschliche Gestalt, die sich einfach gegen Gustav Friedemann warf und ihm die Faust in die Magengrube hieb. „Gust – Gust –“ Aber der gute Friedemann ächzte mit kindlich erstauntem Gesicht und ging langsam vornüber zu Boden. Inge konnte ihn nicht halten. Wernicke sprang hinzu, und Jim wirbelte herum – der Spuk war verschwunden. Schritte verloren sich. „Meine Brieftasche – verflucht – meine Brieftasche!“ „Dort drüben, Jim!“ „Ich sehe ihn schon!“ Inge und der untröstliche Parkwächter bemühten sich um den armen Gustav. Der Schatten floh durch die Nacht – ein schöner Schatten – ein schwarzer, schmächtiger Bursche, der am liebsten alles wieder ungeschehen gemacht hätte und Angst vor seiner eigenen Courage bekam, als er sich verfolgt sah. Die Brieftasche hielt er verkrampft in der Hand. Er rannte, daß ihm der Schweiß über die pochenden Schläfen rann. Aber da vorn kam schon der Waldstreifen, der aus der Stadt herausführte. „Na warte, mein Junge!“ Jim hatte eine Abneigung gegen Straßenräuber. Er federte über den beginnenden Waldboden. Etwas weiter zurück lag
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Wernicke im Rennen. Der Bursche wurde immer deutlicher sichtbar, der Abstand verringerte sich, er konnte nicht mehr, der Dunkelmann. Noch hundert Meter – sechzig – dreißig – zehn – – „Atomstrahler raus, Jim!“ „Doch nicht gegen Ungeziefer“, lachte Jim. Er hätte es lieber tun sollen. Zehn Meter. Der Bursche trug einen schwarzen Trainingsanzug und Sportschuhe. Er war fertig. Als Jim sich vorwarf und ihn packte, knickte er zusammen. Riß sich aber wieder hoch und wollte einen Judogriff anbringen. Dabei stieß er einen Pfiff aus. Jim duckte sich und wollte mit einem Haken antworten. Seine Bewegung blieb unvollendet. Ein schwerer Gegenstand traf ihn am Rücken, daß er taumelte und wegrutschte. Der Mann im Trainingsanzug warf sich rückwärts in die Schatten der ersten Bäume und blieb verschwunden. „Bei allen Mondschlangen, die noch viel zu human für dieses Gesindel sind“, schimpfte Wernicke, als er herankeuchte und Jim fallen sah. „Ich wollte dich noch warnen …“ Der Kommodore war schon wieder hoch. Wütend sah er sich um. Hinter ihm lag ein ansehnlicher Holzklotz. „In die Falle gegangen“, stellte er lakonisch fest. „Dafür habe ich dem Burschen den Schal abgerissen.“ „Zeig mal her.“ Jim winkte ab. Die Schlappe traf ihn doch mehr, als er zugeben wollte. Niederlagen waren immer beschämend. „Gehen wir zur Polizei, mein Alter. Friedemann muß seine Brieftasche wiederhaben.“ * „Man hat Herrn Friedemann gestern abend die Brieftasche gestohlen?“ erkundigte sich am nächsten Vormittag der Professor
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teilnahmsvoll, während seine Feder über die Seiten seines Tagebuches glitt. „Señor Salerno berichtete mir davon.“ Inge Peters hatte der arbeitsfreie Tag nicht viel genützt, sie wirkte noch angegriffener als gestern. „Wir wollten gerade aufbrechen“, berichtete sie und legte Morgenpost und Zeitungen auf den Schreibtisch. „Vor dem Parkplatz des Lokals stürzte sich plötzlich ein Unbekannter auf ihn und gab ihm einen Faustschlag in die Magengrube.“ Fantin legte den Füllhalter weg und runzelte die Stirn. „Eine unsanfte Behandlung, das muß man schon sagen. Ich hoffe, sie ist ohne Folgen geblieben?“ Unwillkürlich mußte Inge lachen. „Mit einigen Kognaks haben wir ihn wieder auf die Beine gestellt.“ „Aber die Brieftasche ist weg?“ „Wir waren noch auf dem Polizeipräsidium, man will dort alle Hebel in Bewegung setzen …“ Fantin schien die örtliche Polizei nicht hoch einzuschätzen. Er machte nur eine wegwerfende Handbewegung. In diesem Augenblick klingelte es an der Haustür. Rasch löschte der Professor seine Eintragungen ab und klappte das Buch zu. „Das wird Mister Parker sein. Inge – öffnen Sie doch bitte.“ Er stand auf und schloß das Buch in sein Wandsafe ein. Inge wartete, bis er die kleine Tapetentür wieder geschlossen hatte. Dann ließ sie den Kommodore in die Diele eintreten. „Guten Morgen, Inge – den kleinen Schreck gut überstanden?“ Jim würgte immer noch an der Schlappe, aber er konnte schon wieder lachen und sah überhaupt recht unternehmungslustig aus. Kameradschaftlich schüttelten sie sich die Hände. „Aber gefährlich sind eure Straßenräuber hier in Santa Cruz – das heißt, wenn es wirklich nur Galgenvögel dieser Sorte waren.“
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Sie verstand ihn sofort. „Wer sollte denn sonst dahinterstecken?“ Aber Jim legte die Finger auf den Mund und ließ sich von ihr anmelden. Gleich darauf stand er wieder dem Wettermacher gegenüber. Fantin grinste – ein hohnvoller Sonderling. „Sie bringen mir Neues, Kommodore?“ Jim begrüßte ihn ausgesprochen zurückhaltend. „Die Neuigkeiten liegen auf Ihrem Schreibtisch, Sir. Wie ich sehe, fangen Sie an, die Tagespresse zu lesen?“ Fantin schielte belustigt auf die dicken Schlagzeilen der Blätter. „Das kommt darauf an, was sie zu bieten hat. Heute steht wirklich etwas Interessantes auf der ersten Seite. Aber wollen Sie nicht Platz nehmen?“ „Ich möchte Sie nicht lange aufhalten.“ Der Professor stutzte und räusperte sich. „Ahem – wie Sie wünschen. Eine Zigarette?“ „Danke.“ Jim ging an den Schreibtisch und nahm eine der Zeitungen zur Hand. „Glühwolken über Londons Regierungsviertel. Panik im Victoria-Bahnhof. Der Wettermacher von Teneriffa für das Phänomen verantwortlich?“ las er laut vor und sah den Professor fest an. „Sie treiben seltsame Scherze mit Ihren Mitmenschen, Sir.“ Fantin hob die Schultern. „Das Phänomen hat nur einige Stunden gedauert, es ist niemand zu Schaden gekommen, und auch in der Victoria-Station ist es bei einem Durcheinander geblieben – das Ganze war ein kleiner privater Spaß.“ „Solche Späße können ins Zuchthaus führen“, erwiderte Jim scharf. „Oder in die – verzeihen Sie – Anstalt eines Nervenspezialisten.“ Sorgfältig legte er die Zeitung zurück. „Nun, Herr Professor, warum antworten Sie nicht?“ „Ich verzichte auf eine Antwort!“ Als er aufsah, war Fantin verschwunden. Die Tür zum Ne-
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benzimmer stand offen. Inge, die am Fenster stand, sah ihn bedeutungsvoll an und schüttelte den Kopf. Sie war sehr bleich. „Habe ich ihn mit meinen Worten getroffen?“ fragte er leise. „Wie schon lange kein Mensch“, sagte sie und preßte ihre Hand auf das wild schlagende Herz. „Ich weiß nicht, was er nun tun wird.“ Schritte waren im Nebenzimmer. Ratlose Schritte. Jemand ging hin und her und wurde mit sich selber nicht einig. Das Schweigen lastete über den komfortablen Möbeln, und das Ticken der Uhr hob es nicht auf, sondern unterstrich es noch. „Wollen Sie nicht zu ihm gehen?“ „Es mußte einmal gesagt werden.“ Jim reckte sich in den Schultern. „Wie der Professor damit fertig wird, ist seine Sache.“ Inge seufzte tief und sah auf das Meer hinaus, das sich vor dem Fenster weit, weit im Halbkreis dehnte. Ein Punkt wurde im Nordosten sichtbar. Ein Segelboot, das die Insel anlief. Sönke? Sie stieß einen kleinen Schrei aus und nahm das Marineglas vom Fensterbrett. „Mein Schatz, der fährt zur See“, lächelte er, um sie aufzumuntern, und trat neben sie. Glücklicher Friedemann! Sie sah wunderschön aus, wie sie so ernsthaft dastand mit dem Glas vor den Augen. „Sönke!“ sagte sie leise und inbrünstig. „Das ist Sönke – ich kann schon die deutsche Flagge ausmachen.“ Aus dem Sonnenglast des hohen Vormittags heraus schob sich der rasante Schnitt einer weißen Rennjacht und rauschte in der frischen Seebrise unter vollen Segeln heran. „Ein packender Anblick! Kommt der etwa von der offenen See her?“ „Aus Spanien!“ rief sie aufgeregt und vergaß alles, was um sie war. „Es ist mein Bruder – er will allein nach Habana.“ Jim Parkers Gesicht leuchtete auf. solche Jungen imponierten
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ihm. „Eine sportliche Leistung, die sich sehen lassen kann – auch heute noch.“ „Meine Eltern sind so in Sorge um ihn.“ „Ich kann sie verstehen, aber Ihren Bruder noch mehr.“ „Natürlich können Sie ihn verstehen“, sagte sie etwas unwillig. „Für euch ist ja kein Wasser zu breit und …“ „… kein Stern zu weit“, ergänzte er trocken Die Tür zum Nebenzimmer wurde fast lautlos geschlossen. Fantin war eingetreten Jim wandte sich rasch um. Der Professor sah verändert aus, der Hohn war aus seinem Gesicht gewichen, eine kalte, aber in sich gefestigte Gelassenheit prägte seine Züge. Er hielt ein versiegeltes Kuvert in der Hand. „Ich habe mir erlaubt, dem S.A.T weitere Bedingungen zu stellen“, sagte er sachlich, aber in der unverkennbaren Absicht, den Kommodore zu ignorieren. „Eine Antwort erwarte ich – erwarte ich! – innerhalb von zwei Wochen. Meine neuen Bedingungen sind: Offizielle Anerkennung meiner Theorien durch ein zu bildendes internationales Gremium. Übertragung eines Amtes als stellvertretender Weltbeauftragter für das SaharaProgramm. Die genauen Formulierungen und weitere Einzelheiten finden die Herren in diesem Schreiben.“ Mit einer leichten Verneigung nahm Jim Parker das längliche Kuvert entgegen. „Ich werde das Schreiben übermitteln, Sir. und darf mich nun wohl verabschieden?“ „Ich danke für Ihre Bemühungen, Kommodore.“ Jim verneigte sich abermals und verließ dann das Zimmer. Inge, die sich nur zögernd von dem Anblick der heranrauschenden Jacht mit ihrem Bruder am Steuer freigemacht hatte, wurde von dem Professor mit einer herrischen Handbewegung daran gehindert, ihn hinauszugeleiten. Aber als er draußen vor der Gartenpforte in seinen Flitzer steigen wollte, kam sie atemlos hinterhergejagt.
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„Nehmen Sie mich bitte mit!“ „Nanu?“ Er trat zurück und öffnete den Schlag. „Sind Sie ausgekniffen?“ „Ich darf in die Stadt.“ Sie war noch nicht einmal dazu gekommen, das Jackett überzuziehen, und er mußte ihr dabei helfen. „Der Professor erlaubte es mir, als ich ihm von Sönke erzählte. Können Sie mich zum Hafen fahren?“ „Wenn Sie es wünschen, nehmen wir einen Hubschrauber und sausen Ihrem Bruder entgegen“, lachte er und schaltete. Aufheulend schoß der Flitzer davon. „Ich wundere mich, daß Fantin es Ihnen überhaupt gestattet, mit mir zu fahren.“ „Er ist immer sehr gut und zuvorkommend“, sagte sie, und eine unbestimmte Traurigkeit schwang in ihrer Stimme mit; nachdenklich sah sie auf die vorbeifliegenden Bäume. „Ich glaube, er ist sehr einsam, und man hat ihn oft gekränkt.“ „Das ist aber kein Grund, seinen lieben Mitmenschen den Sommer zu verderben und ihnen mit glühenden Wolken einen unheimlichen Spuk vorzuzaubern.“ „Sie urteilen zu hart.“ „Ich glaube nicht, Inge. Die ultimative Form seiner Forderungen ist vom menschlichen Standpunkt aus verständlich – man hat ihn verlacht, und er will nun unbedingt beweisen, daß er etwas ist; aber ich fürchte, dahinter stecken wieder Drohungen.“ „Das wäre furchtbar, Jim.“ „Ich weiß, daß Fantin seine ‚Wetterraketen’ benutzt, und ich könnte mir gut vorstellen, daß es möglich wäre, mit einem solchen Verfahren noch schlimmere Dinge als Regen hervorzurufen – Stürme, Schneefälle mitten im Sommer …“ Schlich wirklich eine neue Gefahr heran? Inge war oft genug mit Fantin im Hügelbunker gewesen und hatte die kleinen bulligen Raketen gesehen. Aber er hatte immer nur von Regen gesprochen, immer nur von seiner „nassen Rache“.
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Als sie die große Felsenschleife hinter sich hatten, stand Gustav Friedemann am Straßenrand und winkte. Er sah aus, als wäre er schon stundenlang in der Sonnenglut herumgelaufen und musterte die beiden nicht sehr freundlich. Inge öffnete den Schlag. „Steig ein. Gust – wir fahren zum Hafen.“ Mit mürrischem Gruß ließ er sich in das Polster fallen. „Hallo, Friedemann“, nickte Jim ihm kameradschaftlich zu. „Haben Sie Ihre Brieftasche schon wiederbekommen?“ Friedemann schüttelte den Kopf. * Die Brieftasche lag auf einem altmodischen Schreibtisch zwischen Briefpapier und Radiergummi. Der dicke Fernando Salerno starrte sie an, und in seine Augen trat ein gefährliches Flackern. „Wie kommt das Ding hierher?“ Ricci grinste verlegen; er hatte seinen eleganten Zweireiher abgelegt und fühlte sich hemdsärmelig viel menschlicher. „Die habe ich ihm abgenommen.“ Salerno glaubte, der Schlag müsse ihn treffen. Er beugte sich über die Tischplatte, daß Ricci im Drehstuhl zurückfuhr. „Weißt du denn nicht, daß die Polizei danach sucht? Sie stimmt haargenau mit der Beschreibung überein, die in allen Zeitungen steht.“ „Das kann ich mir denken.“ Der mächtigste Mann von Santa Cruz sah sich scheu um. Das konnte ja einen entsetzlichen Skandal geben. Aber sie waren allein im Hotelbüro. Ricci schien seine Rolle als Empfangschef nicht schlecht zu spielen – die gehaltvollen Flaschen, die halbgeleert neben dem Schreibtisch standen, waren ein Beweis
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dafür, wie ernst er seine Aufgabe nahm. Nun allerdings griff er vergnügt nach dem Strafgesetzbuch. „Ich habe schon mal nachgesehen, was auf Straßenraub steht …“ „Laß das!“ verwies ihn der aufgebrachte Vater. „O, ihr Heiligen, mein Sohn stiehlt Brieftaschen – es ist entsetzlich!“ „Ein kleines Schnäpschen gefällig?“ „Und verhöhnen tut er mich auch noch.“ Vernichtet sank er auf einen wackeligen Stuhl. Nachdem er dreimal tief Luft geholt hatte, drohte einer seiner gefürchteten Wutanfälle, aber das kühne Nachtgespenst kam ihm zuvor. Ricci nahm die Brieftasche und steckte sie ein. „So – die erhält Señor Friedemann nachher ohne Absenderangabe zurückgesandt, damit du beruhigt bist.“ „Und anschließend gehst du zum Arzt und läßt dich untersuchen.“ „Überflüssig – wenn ich gestern den bösen Straßenräuber markierte, so geschah es aus strategischen Gründen …“ „Aus strategischen Gründen?“ schnappte der Alte und riß sich den Kragen auf. „Stell doch den Ventilator an, zum Donnerwetter!“ Ricci wollte aufstehen, aber der Fernsprecher schrillte dazwischen. Mit der Lässigkeit eines Weltmannes hob er ab und reichte den Hörer rüber. „Der Professor, Vater.“ „Salerno – Professor, kann ich etwas für Sie tun?“ „Ich fürchte, ich muß Sie beim Wort nehmen, mein Lieber.“ Salerno ruckte hoch. „Bedroht man Sie etwa?“ „Noch nicht.“ Man konnte hören, wie Fantin sein Feuerzeug aufklicken ließ. „Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß ich bald in eine gefährliche Situation gerate. Können Sie nachher nochmal rüberkommen – wenn möglich mit Ricci …?“ Der Dicke schielte seinen Sprößling böse an. „Ich komme allein“, knurrte er, „meinen Sohn werde ich eigenhändig …“
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Ricci lachte hell auf. „Denk’ dir noch keinen Foltertod für mich aus, Vater, ich werde dir alles erklären. Selbstverständlich komme ich mit.“ „Also gut, wir kommen beide.“ „Sagen wir, in zwei Stunden?“ „Wir werden Sie nicht warten lassen. Bis nachher, Fantin.“ Er warf Ricci den Hörer zu und dieser legte wieder auf. „Darf ich dich jetzt höflich um eine Erklärung bitten?“ „Selbstverständlich.“ Ricci schwankte zwischen einem ahnungsvollen Gefühl, sich eine böse Geschichte eingebrockt zu haben, und einer nicht recht angebrachten Heiterkeit. „Ich habe diesen Zwischenfall mit voller Überlegung angezettelt, um den Kommodore und seine Freunde daran zu hindern, zum Drachenbaum-Hügel zu gehen und …“ „Sei still!“ Es klopfte an der Tür, und Salerno erhob sich. „Herein!“ Ein Angestellter trat ein. „Verzeihung, Señores – es ist ein neuer Gast eingetroffen.“ „Das ist doch Sache des Hauptbüros“, brauste der Weinbauer auf. „Wie kommen Sie dazu, uns zu stören?“ „Ich bitte vielmals um Verzeihung, aber es ist kein gewöhnlicher Gast, sondern der bekannte deutsche Segler Sönke Peters, der mit seinem Boot allein den Atlantik überqueren will; es ist doch üblich, daß in einem solchen Fall einer der Herren persönlich die Begrüßung übernimmt.“ „Ist Kommodore Parker schon zurück?“ fragte Ricci. „Nein, Señor – noch nicht.“ * „Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt“, beteuerte der kleine quicklebendige Polizeipräsident noch einmal und rang
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beschwörend die Hände. „Und wir haben auch bereits eine Spur gefunden, Señor Parker.“ Jim hatte bisher nur mit halbem Ohr zugehört. Er wartete auf einen WP-Anruf aus London und war deshalb zum Präsidium gefahren. Nun aber wurde er aufmerksam. „Wohin führt diese Spur, wenn ich fragen darf?“ Der Beamte wand sich in furchtbarer Verlegenheit. Er wünschte diesen Überfall zu allen Teufeln. Ohne es zu wissen, nahm er das Federmesser und spielte damit. „Sie zögern, Senior?“ „Durchaus nicht, Kommodore“, fuhr der andere auf. „Nur muß ich Sie bitten, sich noch einige Tage zu gedulden.“ „Sie sind sehr rücksichtsvoll gegenüber einem Straßenräuber“, bemerkte Jim ironisch. „Oder handelt es sich um einen der ortsüblichen Gauner?“ „Ah – selbstverständlich – nur –“ Jim erhob sich und sah auf seine Armbanduhr. Der WPAllmächtige durfte sich melden! „Strengen Sie sich nicht an, Herr Major – ich kann Ihnen den Namen des Täters sagen …“ Das Messer klirrte auf den Tisch. „Da bin ich doch gespannt.“ „Ricci Salerno, der tüchtige Empfangschef des ‚OzeanHotels’!“ Im Nebenzimmer schrillte der Fernsprecher. Der Verantwortliche der örtlichen Polizei schluckte und sah ziemlich käsig aus. Langsam stand er ebenfalls auf und machte eine hilflose Bewegung. „Ich fürchte, Sie haben recht.“ „Wenn man sich solchen Abenteuern hingibt, sollte man keinen Schal tragen, den man sonst so offen zu zeigen pflegt“, lächelte Jim. „Ich nehme an, er tat es, damit wir Fantins neues Experiment nicht stören sollten.“ „Ich nehme es auch an“, seufzte der Major. „Trotz seiner an-
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fechtbaren Wetterbeeinflussung hat der Professor noch viele Anhänger.“ „Zu denen auch Sie gehören?“ „Mit gewissen Einschränkungen – gewiß.“ Das war also so etwas wie eine Absteckung der Fronten. Die Kanarischen Inseln boten dem Professor viele Möglichkeiten – auch wenn die WP ihn suchen sollte, „Vielleicht sind Sie so freundlich und nehmen sich den jungen Mann einmal vor?“ Gleich darauf hatte er die Ehre, sich mit dem sehr ehrenwerten Lord Clifford unterhalten zu dürfen. Hinter ihm stand der Major, der ihm nicht mehr von den Fersen wich. „Mylord, ist die Weltpolizei befugt, Professor Fantin festzunehmen, nachdem er seine Verantwortung für den Regen zugegeben hat?“ Der Major trat unwillkürlich einen Schritt vor, als wollte er Jim am Weitersprechen hindern. Aus London antwortete die näselnde Stimme: „No! Ich habe beim Weltgerichtshof angefragt, und man hat mir zu verstehen gegeben, daß eine Festnahme nicht zu rechtfertigen wäre. Ich freue mich übrigens, daß Sie Ihre persönliche Einstellung anscheinend geändert haben.“ „Ich fürchte, daß Fantin zu noch gefährlicheren Mitteln greifen wird, wenn das S.A.T seine neuen Bedingungen ablehnen sollte.“ „Wurde soeben aus Orion-City von seiner ‚Note’ unterrichtet.“ „Welche Möglichkeiten bestehen bereits heute, Fantin an neuen Attentaten zu hindern?“ „Keine!“ bedauerte der WP-Präsident. „Der ‚Weltbund der freien Nationen’ wird ihm ein schriftliches Verbot weiterer Experimente dieser Art überreichen lassen.“ Jim lachte auf. „Damit steckt er sich seine Zigaretten an.“ „Meine Meinung. Wenn irgend etwas passieren sollte, müßten wir auf eigene Faust handeln …“
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„Dann dürfte es zu spät sein“, unterbrach Jim ihn schroff und verwünschte die ganze Bürokratie. „Wir müssen zupacken, sobald das S.A.T. seine Bedingungen abgelehnt hat. Aus OrionCity werde ich natürlich auf dem Laufenden gehalten.“ „Rechnen Sie mit einer Ablehnung?“ „Seine Chancen stehen fünfzig zu fünfzig“, erwiderte der Kommodore vorsichtig. „Seine Vorschläge sind nicht von vornherein undiskutabel; andererseits kann man in der Atomstadt nicht auf ultimative Forderungen eingehen, die nur einer persönlichen Genugtuung gelten sollen.“ * „Es war mir ein großes Vergnügen, Herr Major“, sagte Jim, als er sich wenige Minuten später verabschiedete. Der Major verneigte sich und sah ihm nach, bis er die breiten Marmorstufen herabgestiegen war. Dann schnippte er mit den Fingern und ging in das Gebäude zurück. Die vornehme Straße herauf kam ein grauer Wagen. Jim beachtete ihn nicht. Langsam trat er an seinen Flitzer und öffnete den Schlag. Er wurde erst auf ihn aufmerksam, als es schon zu spät war. Neben dem Fahrer saß ein braunhäutiger schmächtiger Mann, der einen Revolver zum Fenster hinaushielt und feuerte. „Bei allen Planeten!“ Blitzschnell warf Jim sich hinter seinen braven Renner, der den heimtückischen Kugelsegen auffing. Der Wagen raste davon. Stille. Aus ihr brodelte wilde Aufregung hoch. Die Straße schrie auf. Drei Polizisten der Präsidiumswache kamen gerannt – einer hielt sich den blutenden Arm. Wie ein wütendes Raubtier federte Jim hoch und stieß mit einem breitschultrigen Sergeanten zusammen. Von allen Seiten fluteten aufgeschreckte Passanten mit bleichen Gesichtern heran.
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„Ein Motorrad, Mann – schnell –“ „Drüben, Senior.“ Sie rannten zur Bereitschaft, wo drei Krads standen. Einige Uniformierte waren damit beschäftigt, die Anlasser zu treten, ließen sich aber verdammt viel Zeit dabei. Jim warf einen von ihnen einfach weg. „Los, Sergeant!“ Durchtreten – die schwere deutsche Maschine heulte auf – dann war er schon auf der Straße. Hinter ihm der Sergeant. Von rechts kam ein Polizeijeep und bog mit wimmernden Pneus ein. Jemand winkte ihm zu, die Straße für den Jeep freizumachen. Jim scherte sich den Teufel darum. Er hatte eine Mordswut im Leibe. Spielte man hier denn „Hasch’ mich, Liebling“ mit ihnen? Tiefschläge. Feuerüberfälle. Eine reizende Gegend! Weit vorn beendete eine Palmengruppe die stille Straße. Noch gut vierhundert Meter. Dahinter wogte das Meer in flimmernder Hitze. Rechtsab ging es zum Strand, links durch einen Park zum Stadtzentrum. Der graue Wagen bog links ab. Wie eine Rakete raste Jim die plötzlich abschießende Straße hinunter. Die Beine weit gespreizt. Hinter ihm der Sergeant und der Jeep auf gleicher Höhe. Sie fegten die Straße leer. Linkerhand der Park mit breiten Wegen. Vorbei. Jim riß seine Maschine scharf herum. Als er in die Küstenstraße einbog, schoß ihm der graue Wagen im Rückwärtsgang entgegen. Ausweichen? Unmöglich! Augen zu und draufgehen? Aber eine Sekunde gab noch genug Spielraum, um reagieren zu können. Und Jim reagierte richtig. Jeden Muskel seines Körpers spürte er – wie immer, wenn Freund Hein schon winkte. Er gab Gas. Raste auf das Heck des Wagens zu. Bremste kurz vorher scharf ab, daß die Maschine sich aufbäumte. Seine Hände tasteten das glatte Wagendach ab, hielten sich an einer Ausbuchtung fest.
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Der Fahrer schaltete wie ein wildgewordener Cowboy. Für einen Augenblick drehte sich alles, und der Himmel war unten. Dann wurde die Straße wieder an ihnen vorbeigerissen. „Jupiter, Mars und Venus!“ Der Kommodore rutschte auf dem Dach entlang. Hinter ihnen brauste die Polizeimeute, die aufgeholt hatte. Der Sergeant fuhr freihändig und hielt fragend seine MP hoch. Jim schüttelte den Kopf. „Ich werde ihnen den Spaß schon verderben“, grinste er wütend, freute sich flüchtig über die entsetzten Augen eines hübschen, jungen Mädchens am Straßenrand und tastete langsam nach seiner Hosentasche. Seinen kleinen Atombrenner mußte er haben. Ob die da drinnen wirklich nichts gemerkt hatten? Grün war der feine Strahl, der aus der Düse des Brenners kam, und kaum sichtbar in der Helle des Tages. Aber er wirkte. Er schnitt sich durch die Motorhaube – er umschmeichelte den Motor und würgte ihn langsam ab. Im Wagen stierten sie mit verdrehten Augen. Im Leerlauf glitt der Wagen sachte in den Stand. Links heulte der Jeep vorbei und sperrte von vorn die Straße ab. Rechterhand bremste der Sergeant sein Krad. Jim richtete sich benommen auf. Unten kletterten die Revolverhelden in die Arme der vergnügt dreinschauenden Polizisten. Sie wurden klein und häßlich, als Jim vor ihnen stand. „Schlechte Arbeit haben Sie geleistet, Gentlemen“, sagte er spöttisch und nahm sich eine Zigarette aus dem Etui. „Wer hat Ihnen denn sein gutes Geld für diese Schießsportveranstaltung gegeben?“ „Doktor Mendoza“, knurrte einer der beiden widerwillig. Der Sergeant trat mit einer jähen Bewegung vor und packte ihn. „Bist du des Teufels, Mensch – willst du ehrbare Bürger beleidigen?“ Er wandte sich an Jim. „Ich bitte um Verzeihung, Sir –
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aber Doktor Mendoza ist der angesehenste Rechtsanwalt der Stadt.“ Der Verbrecher wehrte sich und begehrte auf. „Fragen Sie doch den feinen Herrn – fragen Sie ihn doch, Sergeant!“ * „Ich habe gestern mit Doktor Mendoza gesprochen“, berichtete der Wettermacher, als er seinen besten Freunden – dem immer aufgeregten, schnaufenden Vater und seinem lässigüberlegenen Sohn – einen echten türkischen Mokka vorgesetzt hatte. Salernos Augen strahlten auf. „Mendoza ist Ihr glühender Bewunderer“, sagte er warm, „und er ist entschlossen, alles für Sie zu tun.“ Salerno war ein guter Kerl, nur über viel Menschenkenntnis verfügte er nicht. Fantin lächelte verächtlich. „Ich fürchte, Sie schätzen ihn zu hoch ein, er ist durchaus nicht so selbstlos, wie Sie denken.“ Der Weinbauer ließ seine Tasse sinken „Das verstehe ich nicht, Professor, er weiß doch, was wir Ihnen alles zu danken haben; die fruchtbaren Regenfälle, die unseren Feldern zugute kamen, das neue Hospital …“ Der Professor winkte ab. „Reden Sie bitte nicht über seine Person. Mich interessiert er nur, weil er ein hervorragender Anwalt ist.“ „Ich mag ihn nicht“, ergänzte Ricci, um auch zu Wort zu kommen. „Er ist ein hinterhältiger, verschlagener Bursche.“ „Jedenfalls würde er niemals solche Dummheiten begehen wie du, mein Sohn“, verwies ihn sein Vater streng. „Sie haben ihn in Ihre Pläne eingeweiht?“ Fantin lehnte sich zurück und entzündete genießerisch eine Zigarette. „O, durchaus nicht, es handelte sich nur um die Klä-
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rung einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung, nämlich die, ob man es mir verbieten kann, auf meinem Grundstück wissenschaftliche Experimente durchzuführen.“ Salerno beugte sich vor. „Man hat es Ihnen verboten?“ „Noch nicht, aber ich rechne damit“, erwiderte Fantin ahnungsvoll. „Und da ich nicht die Absicht habe, auf eine Erzwingung meiner persönlichen Genugtuung zu verzichten, wenn es sein müßte, ist eine solche Klarstellung für mich von großer Bedeutung.“ „Und wie ist sie ausgefallen?“ „Um nichts günstiger als ich befürchtete.“ Noch einmal schenkte er seinen Vertrauten ein. Ruhig waren seine Bewegungen, so ruhig und verändert, wie seine Stimme und alles an ihm. „Es ist durchaus möglich, daß man mich behindern kann, wenn meine Experimente eine Gefährdung der Allgemeinheit darstellen.“ Er lächelte Salerno zu, der ihn erschrocken ansah. „Und wenn man mir schon wegen einiger verregneter Wochen Vorwürfe macht, was wird man dann wohl eist sagen, wenn aus dem Nichts Stürme gegen Europas Küsten rasen, daß alle Deiche in größte Gefahr geraten, und mitten im Sommer Schneefälle chaotische Verwirrungen anrichten?“ „Das haben Sie vor?“ keuchte Ricci, während sein Vater die Zähne zusammenpreßte, um nicht irgend etwas Unvernünftiges zu antworten. „Ihr seid entsetzt?“ Salerno schwebte zwischen Furcht und Hochachtung, wie so oft, wenn er den dämonischen Willen dieses Mannes spürte. „Sie haben die Möglichkeiten, um so – so etwas – zu tun –?“ „Ich bin weder ein Zauberer noch ein Mörder.“ Fantin erhob sich. Die erste Dämmerung nahm den Dingen im Zimmer ihre Schärfe. Alles zerfloß in einem ungewissen Licht, nur Fantin war noch da. Er trat an das Fenster. „Die Beeinflussung der
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Großwetterlage ist für einen Atomwissenschaftler denkbar einfach, und wenn meine Herren Fachkollegen bisher nicht dahintergekommen sind, so tun sie mir leid.“ „Aber werden Sie wirklich solche Unwetter heraufbeschwören?“ „Nur dann, wenn man mich dazu zwingt“, erwiderte der unheimliche Mann gelassen. „Und auch dann nur für einige Tage. Ich will keinen Weltuntergang. Ich bin nicht so verantwortungslos, wie andere gerne sagen.“ Er ging zum Schreibtisch und knipste die Lampe an. „Aber zeigen werde ich Ihnen, daß man nicht ungestraft über Fantin lacht.“ Ricci sah in sein bleiches Gesicht; er war ergriffen – auf eine ganz eigene, unsentimentale Art. Mit der Klarheit eines guten Herzens wurde ihm bewußt, wie dieser Mensch in seiner großen Einsamkeit gelitten hatte. „Wenn man Sie aber daran hindert, Herr?“ „Selbstverständlich wird man Sie daran hindern“, warf Salerno rauh dazwischen, und er unterdrückte den ketzerischen Gedanken, daß es ganz vernünftig wäre, ihn daran zu hindern. „Man wird es nicht zulassen, daß ich meine Wetterraketen von hier aus starte“, bestätigte Fantin gelassen. „Deshalb müssen sie von einem anderen Punkt der Erde aufsteigen.“ „Man wird Sie hier nicht rauslassen, Herr“, gab Ricci zu bedenken. Ihre Blicke trafen sich. „Dann muß es ein anderer für mich tun, die Raketen sind leicht zu bedienen – auch für einen Laien.“ Den alten Salerno würgte es im Halse, er mußte schlucken; er ahnte, wer dieser andere sein sollte. Aber er brachte es nicht über sich, seinen Sohn vor einer Tollkühnheit zurückzuhalten. „Der andere bin ich, Herr!“ Ricci sprang auf und trat vor
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Fantin. War es die eisige, traurige Macht dieses Mannes, der sein Wesen zu verändern schien? Jede Lässigkeit und Unfertigkeit wich von ihm. „Ich tue es.“ „Nur, wenn dein Vater damit einverstanden ist.“ „Vater – ich tue es!“ Salerno dachte an das Versprechen, das er Fantin gegeben hatte. Konnte es aber in dieser unbegreiflichen Stunde eines gotteslästerlichen Wollens noch Gültigkeit haben? „Nein, Ricci – nein, Fantin!“ „Es ist gut.“ Fantin erfaßte eine große, tiefe Traurigkeit. Nun würde es ihm nicht möglich sein, seine Genugtuung zu erzwingen. „Es ist gut, Salerno, dann werde ich mich in mein Schicksal fügen.“ Salerno senkte den Kopf. „Wenn es denn sein muß, wenn Sie glauben, daß es notwendig ist, die Welt auf eine so gefährliche Art von der Richtigkeit Ihrer Theorien zu überzeugen …!“ „Wenn das SAT. nein sagt, wird es für mich keine andere Wahl geben.“ Ricci fieberte. „Man müßte die Raketen von einem Punkt aus hochjagen, der möglichst abseits liegt, an den niemand denkt. Aber die Erde wimmelt von Menschen. Wo findet man zwischen Europa und Amerika noch eine solche Stelle?“ Fantin nahm eine Zeitung vom Tisch. Sie zeigte auf der ersten Seite eine Aufnahme des „bekannten deutschen Sportseglers Sönke Peters“. Ein lachendes, sorgloses Gesicht. Lange sah der Professor darauf, dann sagte er entschlossen: „Auf dem Meer.“ * „Morgen um diese Zelt schwimme ich schon wieder auf hoher See.“ Sönke Peters rekelte sich. „Kinder, so ein Landbummel
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ist ja ganz nett, aber es fällt mir nicht schwer, von diesem herrlichen Gestade zu scheiden.“ Sie fuhren durch die nun ganz hereingebrochene Dunkelheit dem Drachenbaum-Hügel zu. Inge saß neben ihrem Bruder; es war schön gewesen, ihn wiederzusehen. „Und in Süderdeich ist alles beim alten, Sönke?“ „Wenigstens noch, als ich vor einem Vierteljahr dort war.“ Er stopfte sich sorgfältig seine rassige Shagpfeife. „Die alte Geesche Möller riecht immer noch in den Wind und kann einem genau sagen, wann der Kaiser von Hinterindien Kopfschmerzen hat. Vater hat natürlich viel Arbeit, seit er sich hat wählen lassen. Als wenn es nichts Wichtigeres gäbe, als Bürgermeister von Süderdeich zu sein!“ In seiner Stimme schwang wieder seine alte Abneigung gegen alles, was nach Erde und Tieren, nach saftigen, grünen Weiden und stillen Dorfabenden roch. Inge sah auf die vorbeihuschenden Lichter. Es tat ihr weh, ihren Bruder so reden zu hören. „Warum sollte Süderdeich unwichtiger sein als sonst irgend etwas auf der Welt?“ fragte sie unwillig. Der Tabak war richtig verpackt – recht locker, wie es sich gehörte. „Ach laß doch – ich weiß ja, daß du mir am liebsten den Pflug der Väter in die Hand drücken würdest.“ Er legte mit einer schnoddrigen Zärtlichkeit seinen Arm um Inge. „Ich danke für Obst …“ „Tob’ dich erst einmal aus“, rief ihm Gustav Friedemann, der vorn am Steuer saß, über die Schulter zu. „Wenn du zwei Dutzend Silberpokale im Glasschrank hast, wirst du schon anders denken.“ Vorsichtig lenkte er den Wagen auf die schlechte, holperige Landstraße, die zu Fantins Grundstück führte. Ein anderer Wagen kam ihnen entgegen und raste mit glosenden Scheinwerfern vorbei. Inge ruckte hoch und sah ihm nach.
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„Das war doch der alte Salerno mit Ricci; er sah aus, als wenn er ein schlechtes Gewissen hätte.“ „Er hat uns gar nicht bemerkt“, meinte Sönke. . „Doch, er sah uns an“, widersprach Friedemann. „Wer weiß, was man in der Zwischenzeit dort oben wieder ausgebrütet hat. Dem dicken Weinbauer traue ich ebensowenig über den Weg wie deinem verehrten Professor. Hier ist überhaupt manches nicht ganz stubenrein.“ „Den Eindruck habe ich auch gewonnen“, lachte Sönke. „Scheinmanöver mit Brieftaschendiebstählen. Feuerüberfälle auf offener Straße und noch dazu vor dem Polizeipräsidium. Ein wüster Betrieb.“ „Und alles nur, um den großen Retter der Insel vor der Weltpolizei zu behüten.“ Inge schüttelte den Kopf. „Fantin ist ein einsamer alter Mann und kein böser Zauberer.“ „Typisch Inge Peters. Gutmütig und gutgläubig und immer auf der Seite der angeblich Schwachen. Na, nichts für ungut, mein Deern. Dort drüben liegt wohl schon das alte Raubritternest deines Sturm- und Nebelpiraten.“ „Daß du immer lästern mußt!“ „Entschuldige, es liegt so in meiner Natur. Wie weit können wir hier fahren, Gustav?“ „Bis an die Gartenpforte“, antwortete Inge für ihn. „Wäre es dir nicht angenehmer, wenn wir schon vor der Kieferngruppe anhalten würden?“ meinte der Journalist und sah geradeaus. Das kleine Häuschen Fantins blinzelte mit erleuchteten Dielenfenstern zu ihnen herüber. „Ja, das wäre wohl besser, Gust – Fantin hat eine Abneigung gegen nächtliche Besucher.“ Sönke unterdrückte ein Grinsen. Der Wagen knirschte durch tiefen Sand und hielt an. Als Gustav den Schlag öffnete, schüt-
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telte es sie kurz, von unten her, als wenn unterirdische Kobolde das Land bewegten. „Was war das?“ „Ein Erdstoß.“ Inge stieg aus. Sie war sehr bleich geworden, und alles, was sie an abergläubischen, düsteren Prophezeiungen gehört hatte, wenn ein harmloser Erdstoß das Land rüttelte, fiel ihr ein. „Sönke?“ Er nahm ihre Hände und spürte, wie sie zitterten. „Tja, Inge – so bald sehen wir uns nicht wieder – vielleicht im nächsten Jahr, wenn Vater sechzig wird.“ „Sönke – Sönke – ich habe solche Angst um dich“, brach es aus ihr heraus, und sie packte ihn, als sollte sie ihn niemals wiedersehen. „Ich habe solche Angst – ich wollte, du würdest es nicht tun …“ „Aber Inge, was andere fertiggebracht haben, kann ich auch.“ Alles an ihr war hemmungslose Furcht, er könnte draußen bleiben und niemals wiederkommen. „Bleibe doch hier“, schluchzte sie „Ist es denn nötig, daß du über den Ozean segelst?“ „Selbstverständlich – meine Fahrt ist beim I.Y.R.U. in London gemeldet – soll ich mich blamieren?“ „Sei bloß vorsichtig!“ „Ich habe ja meinen Verbandskasten mit“, witzelte er unbeholfen. Sie preßte ihr Gesicht gegen seine Brust. „Du mußt immer an den Hof denken, Sönke – immer – und daran, daß Mutter es mit dem Herzen hat und sich sorgt, wenn …“ „Schon gut“, unterbrach er sie rauh. „Ich werde schon aufpassen. Und wenn ich drüben bin, schreibe ich sofort nach Süderdeich.“ Er nahm sie in seine Arme und küßte sie. „Tjüs, Inge.“ „Mach’ es gut“, sagte sie in ihrem heimatlichen Platt. „Mach’ es gut.“ Dann riß sie sich los und rannte die Straße ent-
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lang. Man konnte ihre Schritte hören, bis sie an der Gartenpforte war. Sönke biß die Zähne zusammen. Sie würde nun wieder Heimweh haben, wie schon lange nicht mehr – so waren die Frauen nun einmal. „Können wir zurückfahren?“ fragte Friedemann. „Der Kommodore wartet.“ „Bist du eingeschnappt, weil sie sich nicht von dir verabschiedet hat?“ „Quatsch – ich kann sie sogar verstehen.“ * Sie fuhren zurück, aber nicht in die Stadt, sondern bogen nach gut einem Kilometer rechts ab in ein unwegsames Felsengelände, wo nichts war als das verlorene Singen des Windes – und das mit abgeblendeten Scheinwerfern, Friedemann fluchte nicht schlecht dabei. „Gustav – dort drüben.“ Ein Taschenscheinwerfer warf ihnen schnelles, grelles Licht entgegen. Dreimal kurz – zweimal lang. Hinter einem wild riechenden Gebüsch nelkenartiger Pflanzen trat eine Gestalt in Shorts und Polohemd hervor: Jim Parker. Hinter ihm – ebenso leicht bekleidet und eine Flasche schwingend – der unternehmungslustige Steuermann. „Parole: Whisky!“ „Gib schon her, du Menschheitsverderber!“ Friedemann schaltete die Scheinwerfer nun ganz ab. Sie stiegen aus. „Alles in Ordnung, Parker – am besten, wir warten noch einige Minuten und gehen dann los.“ „Okay!“ Jim trug einen kleinen Koffer bei sich, aus dem er zwei Maskenhauben nahm, die über den Kopf gezogen wurden, bis zur
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Nasenwurzel reichten und nur zwei Sehlöcher freiließen. Kein Anblick für nervenschwache Leute. Dann zwei elegante, aber ziemlich zerknitterte Straßenanzüge, die sie sofort anziehen mußten. Und zum Schluß einen der kleinen wertvollen Taschensprecher, von denen es beim S.A.T. keine dreißig gab. „Den nehmen Sie, Peters.“ Sönke schloß seine Hand um das kleine schwarze Ding. „Hören Sie zu: Sprechverbindung gibt es heute abend nicht, wir verständigen uns mit Zeichen. Wenn ihr in Gefahr seid: zweimal kurz, zweimal lang. Wenn wir euch brauchen: zweimal kurz, dreimal lang. Wenn ihr euch zurückziehen könnt: dreimal kurz, dreimal lang. Treffpunkt diese Schlucht.“ „In Ordnung!“ „Ich danke euch beiden, daß Ihr uns helfen wollt“, sagte Jim warm. „Haltet den Professor in Schach, damit wir uns den Hügelbunker ansehen können. Wenn ich es könnte, würde ich den Professor einfach mitnehmen, aber er darf weder Wernicke noch mich sehen.“ „Kann ich verstehen – Sie handeln ganz auf eigene Gefahr.“ „Ich muß es.“ Jim nahm Fritz die Flasche aus der Hand und reichte sie ihm. „Für jeden einen Schluck, mehr nicht.“ „Warum müssen wir Fantin mit zwei Mann überraschen?“ „Es ist besser so – wir kennen seine Sicherheitsanlagen nicht.“ „Wie sollen wir uns ihm gegenüber verhalten?“ „Korrekt und höflich selbstverständlich. Lassen Sie nicht durchblicken, daß Sie Deutsche sind, das könnte ihn auf die richtige Spur führen. Schwindeln Sie ihm irgend etwas vor.“ Der Kommodore schloß den Koffer und verbarg ihn im Wagen. „Es tut mir leid, daß wir dem alten Herrn einen solchen Schreck einjagen müssen, aber es geht nicht anders. Ich muß wissen, welche Geheimnisse sein Bunker verbirgt.“
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Als er seinen Atombrenner aus der Tasche zog und einstellte, grollte es zum zweitenmal aus der Tiefe heran und schüttelte sie kurz. „Da kündet sich was an“, stellte Jim besorgt fest. „Wenn zu Fantins Tollheiten auch noch ein größeres Erdbeben über die Inseln hereinbricht – besten Dank!“ „Ich glaube, wir können gehen.“ Friedemann sah auf seine grünlich schimmernde Armbanduhr. „Es ist gleich elf.“ „Hals- und Beinbruch!“ * „Hals- und Beinbruch, Ricci!“ Marco Fantin hatte sich entschlossen. Und er hatte seinen Entschluß bereits zur Tat werden lassen. Ricci Salerno war unterwegs. „Ich werde es ihnen zeigen – ich werde es ihnen zeigen!“ Ruhelos ging er in seinem Zimmer auf und ab. Die Schreibtischlampe erleuchtete nur einen Kreis, der bis zur Zimmermitte reichte. Dahinter war ungewisses Halbdunkel. Fantin liebte solche Stimmungen, wenn er allein war. Dann kamen die Geister, die ihn trieben, dann hörte er Stimmen, die seit Jahren tröstend in seine Einsamkeit gedrungen waren. „Ich werde es ihnen zeigen!“ Wie draußen der Wind gegen die Fenster sang! Es war nicht sein Wind – seine Stürme schlummerten in unscheinbaren Wetterraketen. „Vielleicht werdet ihr mich noch brauchen können, ihr klugen Herren in aller Welt?“ Die Uhr zeigte auf Elf. Vor zehn Minuten war Inge Peters zurückgekommen. Sie hatte sich wohl von ihrem Bruder verabschiedet, der morgen auf große Fahrt ging. Gute Reise, Sönke Peters!
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Hatte er eigentlich die Tür zum Nebenzimmer geschlossen? Eine Unruhe fiel über ihn her. Er ging zur Tür und trat in den grellen Lichtkreis. In diesem Augenblick klirrte hinter ihm die Fensterscheibe und ein Mann sprang in das Zimmer. „Hände hoch, Herr Professor?“ Gustav Friedemann war nicht sonderlich aufgeregt, aber er fluchte innerlich, weil er sich den Daumen am Fensterglas aufgerissen hatte. Fantin starrte den Mann an, der wie ein Wesen aus einer anderen Welt vor ihm stand. „Sie haben sich verletzt“, lächelte er freundlich und hob langsam die Hände. „Wollen Sie der Polizei ein Charakteristikum für einen Steckbrief liefern?“ „Setzen Sie sich bitte in den Sessel.“ Fantins Gesicht blieb unbewegt, aber er überlegte fieberhaft und war gar nicht so gelassen, wie er sich gab – er witterte eine Gefahr, die er bisher nicht ernst genommen hatte. „Kommen Sie von Doktor Mendoza?“ „Vielleicht – wollen Sie sich nun bitte setzen?“ Der Mann mit der Maskenhaube stand dicht vor ihm und folgte ihm auf jeden Zentimeter. Der Wind stieß durch das offene Fenster und ließ die Vorhänge schräg stehen. Fantin spürte, wie sein Herz auszusetzen drohte, als er hinter dem zerbrochenen Fenster eine zweite Maskengestalt erblickte. Was bedeutete das? Zögernd setzte er sich in einen Sessel. „Sie sollten Ihre Wunde verbinden lassen“, höhnte er verkrampft. „Wie leicht könnte eine Infektion die Sache verschlimmern. Gestatten Sie, daß ich meine Assistentin rufe’“ „Ich kann es Ihnen leider nicht gestatten.“ Der Professor lehnte sich zurück und wandte seine Augen ab von der leblosen grauen Maske. Zum erstenmal in seinem Leben fühlte er sich ernstlich beunruhigt. Vielleicht ahnte er, daß vor seinem Hügelbunker zwei andere Männer hockten und da-
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mit beschäftigt waren, die Sicherungen mit ihren Spezialinstrumenten zu lösen. Minuten vergingen. Seine Hände machten sinnlose Bewegungen und sanken auf die Sessellehne. Der Mann mit der Maskenhaube verfolgte genau seine Bewegungen und rührte sich nicht. Fantin hielt es nicht länger aus. „Sie kommen gewiß von Mendoza“, stieß er hervor. „Möglich?“ erwiderte der andere belustigt. Wenn ich jetzt aufspringe, knallt er mich ab. „Was will Mendoza?“ „Nichts von Bedeutung“, grinste Friedemann freundlich. „Er sieht sich nur ein wenig in Ihrem Bunker um.“ Fantin ruckte hoch, aber die Revolvermündung war schwarz und drohend vor ihm. „Regen Sie sich doch nicht auf, Sir, es dauert nur noch einige Minuten.“ Fantin blieb in dieser Stellung sitzen. Von draußen kam ein Pfiff. Rückwärts und mit erhobener Waffe ging Friedemann auf das Fenster zu. Als er es erreicht hatte, warf er sich mit einer jähen Bewegung herum und sprang hinaus. Hinter ihm rutschte ein Sessel weg. „Rasch – mach zu!“ Vor ihm hastete Sönke Peters durch den Garten, über den Zaun. Friedemann hinterher. Im Arbeitszimmer blitzten nun alle Lampen auf. „Wo sind Parker und Wernicke?“ Sie rannten über die Straße hinter die Mangobäume. An ihren Köpfen vorbei sang es durch die Luft – einmal – zweimal. „Der Alte schießt.“ Friedemann riß sich im Laufen die scheußliche Maske ab. „Unsinn – das kam von rechts!“ „Was?“ Sönke Peters sah sich um. „Wer knallt hier denn sonst noch durch die Gegend?“
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„Ruf schnell mal eure Geesche Möller in Süderdeich an, vielleicht kann sie, es dir sagen. Sind die beiden eigentlich im Bunker gewesen?“ „Ja doch, aber ich glaube, ohne Erfolg.“ Als sie atemlos in der Schlucht ankamen, sahen sie den Kommodore – die Hände in den Hosentaschen – an der Motorhaube lehnen und verbissen vor sich hinstarren. Wernicke öffnete bereits wieder seine Flasche. Als sie heran waren, lächelte Jim trübe. „Dem alten Herrn hätten wir den nächtlichen Schreck ersparen können – er war schneller als wir.“ „Ohne Erfolg?“ fragte Sönke teilnahmsvoll. „Ohne – der Bunker ist leer –“ * „Der Bunker ist leer …“ Eine gute Stunde später wiederholte Jim seine Worte, und seine Stimme war um nichts freundlicher geworden. Das Ozeankabel verband ihn mit dem Generaldirektor des Staatlichen Atom-Territoriums in Orion-City. Ted S. Cunningham wuchtete hinter seinem Schreibtisch und zerdrückte eine Havanna zwischen den Fingern. Sein markantes Gesicht drückte allerhöchstes Mißvergnügen aus. „Das war sehr unvorsichtig von Ihnen gehandelt, mein lieber Parker!“ „Machen Sie es besser“, gab der junge Kommodore respektlos zurück. „Wenn die Weltpolizei so sehr am Gängelband gehalten wird, daß sie immer erst zuschlagen darf, wenn es zu spät ist, können Sie bald ganz auf mich verzichten.“ „Menschenskind, Parker“, stöhnte der Verantwortliche und spürte ein Kribbeln in den Schläfen, „wenn man Sie erwischt
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hätte, wäre ein heilloser Krach dagewesen, und ich hätte Sie nicht einmal decken können.“ „Weiß ich ja alles, Cunningham.“ Jim langte es – er dachte gar nicht daran, sich noch lange Vorwürfe machen zu lassen. „Also gut, mein Lieber – mit dem nächsten Stratosphärenkreuzer kehren wir zurück und legen uns in Miami auf die faule Haut, bis in Europa die letzte Maus ersoffen ist …“ „Um Himmels willen, Jim!“ Cunningham richtete sich unwillkürlich auf, was nicht ganz einfach war, da der Junitag seine 40 Grad hatte und die Atomstadt in der Hitze kochte. „So habe ich es nicht gemeint. Es war schon gut und richtig, was Sie mit Ihren Freunden getan haben. Ich dachte nur daran, was geschehen wäre, wenn Fantin Sie überrumpelt hätte.“ „Denken Sie lieber an Wichtigeres“, antwortete Jim scharf. „Ich wünsche, daß die A-Staffel des Einsatzkorps für vier Tage unter mein Kommando gestellt wird.“ Die Havanna wurde in den klotzigen Ascher befördert, und eine breite Hand wischte über die Tischplatte. „Sie werden Ihre Gründe haben, Kommodore“, sagte Cunningham bedächtig. „Ich werde Oberstleutnant Mortimer ersuchen, eine entsprechende Order zu geben. Glauben Sie aber wirklich, daß es nötig sein wird, gegen neue Tollheiten des Professors vorzugehen?“ „Ich fürchte es.“ „Auch dann, wenn das S.A.T. bereit wäre, auf seine Bedingungen teilweise einzugehen?“ „Was – scherzen Sie?“ Cunningham konnte ordentlich hören, wie sein bester Mann dreimal tief Luft holte. „Ist es Ihr Ernst?“ „Grundsätzlich wohl“, schmunzelte Cunningham, holte seine Zigarre wieder heran und hielt sie gegen das Tischfeuerzeug. „Der S.A.T.-Rat hat sich zwar noch nicht endgültig entschieden, aber fest steht bereits, daß manche seiner Vorschläge – beispielsweise für die Kultivierung der Sahara, für den Kampf
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gegen die Eisberggefahr – durchaus brauchbar sind. Es ist gewiß nicht unsere Schuld, daß andere Institutionen sie vor Jahren abgelehnt hatten.“ „Hm – und seine persönlichen Bedingungen?“ fragte Jim zweifelnd. Cunningham machte den ersten Zug und paffte den Rauch gegen die Muschel „So richtig schmeckt mir die Havanna noch nicht, Jim. Seine persönlichen Bedingungen sind ein anderes Kapitel, über das wir nicht allein entscheiden können.“ Er stutzte und lauschte angestrengt. „Was plätschert denn bei Ihnen ins Glas?“ „Whisky“, erwiderte Jim trocken. „Wernicke ist wieder einmal sehr besorgt um mich.“ „Sie werden ihn nötig haben“, grinste der Generaldirektor. „Das habe ich allerdings“, lachte Jim und goß das edle Naß hinunter. Draußen vor den Fenstern ihres Hotelzimmers verfärbte sich der Himmel in der Erwartung des wachsenden Lichtes. Sie hatten kaum geschlafen und fühlten sich ziemlich groggy. „Prost, Cunningham!“ „Auf daß Sie mir nicht mehr böse sind, Jim. Um auf Fantins Bedingungen zurückzukommen – würden Sie sich den Professor als stellvertretenden Weltbeauftragten für das SaharaProgramm vorstellen können?“ „Kaum“, mußte Jim zugeben. „Er ist nicht der Mann, der planmäßig und nach dem Terminkalender arbeiten kann.“ „Meine Meinung. Das wäre also der schwächste Punkt der ganzen Angelegenheit.“ Jim schob Wernicke, der neben ihm stand und dafür sorgte, daß sein großer Bruder nicht vor Erschöpfung umfiel, sein Glas wieder zu. „Und der erste Dämpfer auf meine Freude, Boß!“ „Abwarten, Jim!“ polterte Cunningham wieder los. „Wir müssen einen Weg finden, der auch dem alten Regenmacher gefällt …“
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„Sie kennen Fantin nicht“, schüttelte Jim den Kopf. „Das einzige, was wir tun können, ist, den Professor hinzuhalten.“ „Aber das können wir auch mit reinem Gewissen tun“, sagte Cunningham eifrig. „Schon die Annahme seiner Vorschläge wäre doch eine Anerkennung seiner Arbeit. Fahren Sie doch bitte zu ihm, und teilen Sie ihm ganz offiziell mit, daß er mit einem positiven Bescheid aus der Atomstadt rechnen könnte.“ „Okay – ich werde gegen zehn rausfahren und gebe Ihnen dann Nachricht.“ „Einverstanden, Jim.“ „So long, Boß!“ Der Kommodore legte den Hörer auf und pfiff nachdenklich irgend eine alberne Schlagermelodie vor sich hin. „Dein Whisky ist zu gut, Fritz, wir müssen aufhören. Das gilt auch für Sie, Friedemann.“ Gustav Friedemann, der weiter zurück saß und dem Gespräch gespannt gefolgt war – er fühlte sich bei den Freunden schon ganz heimisch und baute einen bombigen Sensationsbericht für die „Frankfurter Mittagspost“ zusammen –, schob gehorsam sein Glas zurück. „Nehmen Sie mich mit zu Fantin?“ „Lieber nicht“, lächelte Jim. „Der Professor würde sehr erfreut sein, den beschädigten Daumen wieder zu sehen.“ „Verflixt nochmal!“ „Sie sitzen ja trotzdem an der Quelle.“ Jim stand auf und strich über sein unrasiertes Kinn. „Ich möchte nur wissen, wo Fantin seine schweren Sachen hat.“ „Die Sturmraketen?“ „Du sagst es, mein Freund.“ Er trat an den Radiotisch, nahm eine Zigarettenpackung und riß sie auf. „In Santa Cruz sind sie bestimmt nicht mehr.“ „Vielleicht bei dem dicken Salerno?“ meinte Fritz und stellte seufzend die Flasche weg.
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„Im Weinkeller, wie?“ grinste Jim. „Dann würde ich dich gewiß nicht auf die Spur setzen.“ Es klopfte, und er wandte sich um. „Herein!“ Der Polizeipräsident trat ein. Ebenso bleich, übernächtigt und recht erfrischungsbedürftig. Wernicke holte stillvergnügt die Flasche wieder raus. „Guten Morgen, Señores“, verneigte sich der Major. „Ich bitte, die ungewöhnliche Stunde meines Besuches zu entschuldigen.“ „Wir haben auch durchgearbeitet“, lächelte Jim. „Sie stören also durchaus nicht. Dürfen wir Ihnen einen schottischen Whisky anbieten?“ „Das Beste, was wir vor unserer Abreise auftreiben konnten“, fügte Fritz diensteifrig hinzu und schenkte bereits mit gekonnten Griffen ein. Der Major war kein Kostverächter. Er atmete hörbar auf, als er so freundlich empfangen wurde. „Ich muß mich zunächst, im Namen unserer Stadt, bei Ihnen entschuldigen“, begann er etwas verlegen. „Der Feuerüberfall von gestern mittag ist eine Blamage für uns.“ „Sie übertreiben, Herr Major“, erwiderte der Kommodore höflich. „Solche kleinen Abenteuer erledigen wir nebenbei. Eine Frage nur: bei der Festnahme der beiden Revolverhelden war von einem gewissen Doktor Mendoza die Rede?“ „Doktor Alfons Mendoza – gewiß –“, nickte der andere eifrig. „Wir konnten seiner heute nacht habhaft werden.“ „In der Nähe von Fantins Grundstück?“ Der Major stellte sein Glas hin. „Allerdings. Vermuteten Sie ihn dort?“ Diese Gegenfrage barg Gefahren, aber Jim Parker hatte nie harmloser ausgesehen. „Ich nehme doch an, daß diese Knallerei in irgendeinem Zusammenhang zu der Fantin-Affäre steht.“ „Gewiß – Mendoza gestand ohne weiteres, den Feuerüberfall inszeniert zu haben.“
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„Und das Motiv?“ Der Major lehnte sich zurück und sah den Kommodore fest an. „Es wird Sie überraschen, wenn ich Ihnen sage, daß Mendoza den Überfall angeblich im Auftrage von Professor Fantin angestiftet hat.“ „Da biste platt“, ächzte Wernicke und goß sich rasch wieder einen ein, um diesem Zustand vorzubeugen. Friedemann dagegen vergaß das Trinken. Jim Parker aber hielt dem Blick seines Gastes gelassen stand. „Das überrascht mich allerdings“, antwortete er ruhig und hielt ihm die Zigarettenpackung hin. „Ich halte Fantin nicht für einen Meuchelmörder.“ „Ich auch nicht“, schüttelte der Major den Kopf. „Ich werde jedoch nachher zu dem Professor fahren müssen.“ „Warten Sie bitte noch damit.“ Jim richtete sich auf und legte seine langen Beine übereinander. „Ich habe heute vormittag dem Professor, im Auftrage des S.A.T., eine wichtige Mitteilung zu überbringen. Er ist sehr sensibel, und Sie könnten ihn mit einem Verhör leicht in eine ungünstige Stimmung versetzen.“ „Sie sind sehr rücksichtsvoll zu dem alten Herrn“, meinte der Major etwas spöttisch. „Eine solche Verzögerung würde den sonst üblichen Gang einer Ermittlung stören, aber weil Sie es sind …“ „Um elf können Sie zu ihm fahren.“ „Gut.“ Er nickte Wernicke zu, der ihm abermals einschenkte. „Und warnen Sie bitte den Professor.“ Der Kommodore zog die Augenbrauen hoch. „Hat Fantin Feinde, die zu etwas Spitzerem als Worte greifen könnten?“ „Ich nehme es an.“ Bedächtig leerte er sein Glas; ein vollendeter Feinschmecker. „Dieser Mendoza ist nicht nur ein hervorragender Anwalt, sondern auch ein recht finsterer Geselle mit
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anrüchiger Vergangenheit. Ich möchte den Gedanken nicht von der Hand weisen, daß er im Dienste ausländischer Kreise steht. Seit heute nacht hetzen seine Leute das Volk gegen den Wettermacher auf.“ „Sie bringen wirklich erstaunliche Neuigkeiten – ich denke, der Professor ist hier so angesehen, daß man ihn sogar vor der Weltpolizei schützen würde?“ Sorgfältig strich der Major seine ‚Maza-Blend’ ab. Die Sonne war höher gestiegen und warf schon schräge Lichtbalken in das Zimmer. Langsam wichen die letzten Geister der Nacht, aber es war schwül und drückend. „Sie dürfen eine Gruppe von Persönlichkeiten unserer Stadt, die in aufrichtiger Bewunderung – Fantin hat wirklich sehr viel für die Inseln getan – hinter dem Professor steht, nicht mit der allgemeinen Bevölkerung identifizieren. Man ist hier noch sehr abergläubisch, und der Professor erscheint den meisten als ein Zauberer mit übernatürlichen Fähigkeiten – schon seit der Regenperiode und erst recht seit heute nacht …“ „Weshalb das?“ „Die beiden kurzen Erdstöße deuten Unheil an. Ein geschickter Aufwiegler kann eine solche Stimmung ausnutzen; und das wird seit heute nacht getan – gehen Sie nur einmal durch die Vororte …“ „So ist das also!“ Jim drückte seine Zigarette aus, stand auf und begann, hin- und herzugehen. Es lag eine unerträgliche Spannung über diesem Morgen, und irgendwie würde sie zur Entladung kommen. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, betrachtete er sich anscheinend das grelle Teppichmuster. „Zu dieser Gruppe von Bewunderern gehört auch Salerno“, sagte er grübelnd. „Sein Sohn veranstaltete sogar, um den Professor zu decken, komische Scheinmanöver. Haben Sie sich den jungen Mann schon einmal gekauft?“
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Dem Polizeipräsidenten war es außerordentlich peinlich, eine solche Frage hören zu müssen. „Dazu hat er mir leider noch keine Gelegenheit gegeben“, erwiderte er bedauernd. Jim blieb stehen. „Ricci Salerno ist …?“ „… flüchtig“, ergänzte der Major lächelnd. „Wahrscheinlich ist der Ausdruck zu scharf für sein Verhalten, aber immerhin kann uns kein Mensch sagen, wo er sich aufhält – und sein Vater will es uns offenbar nicht sagen.“ „Die Polizei mißt dieser Tatsache natürlich keinerlei Bedeutung bei“, fuhr Jim mit so scharfer Ironie fort, daß der andere auffuhr. „Wieso – was der junge Salerno tut, kann man doch als dumme Jungenstreiche bewerten.“ „Ich fürchte, seine Streiche werden viel an Harmlosigkeit verlieren.“ Da also war der rote Faden! „Warum haben Sie ihn gestern nicht festsetzen lassen?“ Der Major fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung über die Stirn. „Meine Mitarbeiter hatten seine Vorführung für gestern abend angeordnet und fanden ihn weder hier im Hotel noch in der Villa der Salernos. Es wurde uns berichtet, daß er mit seinem Vater bei Fantin gewesen sei, was auch nichts Ungewöhnliches war. Anschließend hat man ihn im Hafenviertel gesehen.“ „Im Hafenviertel?“ Wieder mußte eine ‚Maza Blend’ daran glauben. Wohin lief der rote Faden? Was wollte Salerno in der Nähe von Schiffen? Wohin – wohin lief der rote Faden? Als das Streichholz vor seinen Augen flammte, kam es plötzlich über ihn. „Heiliger Jupiter!!“ War das der rote Faden: Ricci – Fantin – Sturmraketen – leerer Bunker – Hafenviertel – Sönke Peters? Der geplagte Polizeipräsident fuhr zusammen. Vor ihm sauste
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ein brennendes Streichholz nieder. Jim stand schon am Fernsprecher und drehte die Nummernscheibe. Summen. Besetzt. Verflixt nochmal! Endlich ein rollender Seemannsbaß. „Hafenamt!“ „Parker. Würden Sie mir bitte mitteilen, ob die Privatjacht ‚Süderdeich’ bereits ausgelaufen ist?“ „Aber gern, Senior – Augenblick – Augenblick – ja, hier haben wir die Eintragung: Ausgelaufen um drei Uhr zwölf –“ Jim schnippte mit den Fingern. „Wurde die Jacht vor ihrem Auslaufen hafenpolizeilich kontrolliert?“ „Selbstverständlich, Senior, ein netter Kerl, der junge Deutsche –“ „Sie haben nichts Verdächtiges festgestellt?“ „Aber Senior, ich bitte Sie, wir können …“ „Ich danke Ihnen.“ Langsam legte er auf. Seine Augen winkten Wernicke heran. „Du bleibst hier. Rufe sofort die A-Staffel ab mit Kurs: Kanarische Inseln. Wenn ich unser Zeichen gebe, alarmierst du sämtliche Wetterstationen bis hinauf nach Island. Die Polizei muß dir dabei behilflich sein.“ Und zum Polizeipräsidenten: „Stellen Sie bitte Ihren größten Hubschrauber für mich bereit.“ Der Major erhob sich. „Ich verstehe nicht recht, was …“ „Nachher, Major. Ich muß jetzt erst zu Fantin. Was hast du, Wernicke?“ Fritz Wernicke schlug sich gegen die Stirn. „Endlich erleuchtet sich mein Geist, und eine furchtbare Ahnung durchzittert meine Seele. Welch ein Glück für Europa, daß ich Peters meinen Taschensprecher mitgegeben habe.“ „Was hast du?“ Wernicke rieb sich die Hände. „Ich konnte den guten Sönke doch nicht ohne jede Sicherung mit seiner Schönwetterkiste über den Atlantik seilen lassen. Er hat ja aus lauter Ehrgeiz nicht einmal eine Funkanlage an Bord.“
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Jim schlug ihm auf die Schulter. „Und?“ „Deshalb habe ich ihm den T-Sprecher in die Tasche geschmuggelt. Ich werde mich gleich mal bemerkbar machen.“ „Fritz, du bist ein Goldjunge!“ * Sönke Peters war glücklich. Eine recht steife Brise wölbte die bauchigen Spinnaker, daß sie prall vor dem Wind standen, und vorn, weit vorn, hinter der silbrig verschwimmenden Kimm lockte das freie Meer. „Gut so, gut so, alter Kasten.“ Und die „Süderdeich“ jauchzte auf unter den Händen des einsamen Jungen. Möwen waren über ihr und gaben das Ehrengeleit. Die sollten noch ihre handfesten Brocken vom Frühstück haben, und dann würden sie sich auf den nächsten Ausfahrer stürzen. Lebt wohl, ihr schönen Inseln, leb wohl, kleine Inge, macht es gut, ihr beiden Sternenfahrer vom S.A.T.; seht zu, daß ihr mit dem Wettermacher klarkommt. Die Taue jankten leise. Die Ferne wiegte sich heran. Sönke schnüffelte in die Luft. Der Wind würde sich drehen, und dann konnte die See noch schön kabbelig werden. Viel Spaß! „Verflucht nochmal!“ Unwillkürlich sprang er beiseite, und seine Rechte knallte auf die Leinenjacke, die neben ihm auf einer Kiste lag. War dieses lächerliche Stück Textil denn verrückt geworden? Was summte da so auf? Die Möwen über ihm schrien dazu. Ob sie wirklich alle Emma hießen, wie Morgenstern es meinte? Her mit dem Rock! Was steckte da in der Tasche? Bei allen Wasserjungfrauen – wie kam er zu einem T-Sprecher? Das war doch der kleine
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schwarze Kasten, mit dem er heute nacht herummanöveriert hatte! Zweimal kurz – dreimal lang. Sönke Peters hatte noch nie heftiger nach Luft geschnappt. Da gab doch irgendwer Signale. Für ihn? Zweimal kurz – dreimal lang. ‚Wir brauchen dich’. Das konnte doch nur einer von den beiden Boys sein! Wie im Traum bediente er das kleine prächtige Gerät. „Hallo, Peters – hier ist Wernicke!“ „Nun soll mich doch der alte Rasmus über Bord pfeifen“, stöhnte Sönke gerührt. „Sag’ mal, du listige Mondschlange, hast du mir das Ding etwa beim Packen in die Tasche gezaubert?“ „Dreimal darfst du raten.“ „Das ist ja nett von dir, aber eigentlich wollte ich bis Habana von der schlechten Welt nichts sehen und hören.“ „Bist du allein an Bord?“ „Nanu“, horchte Sönke auf, „das sagst du ja mächtig komisch. Natürlich bin ich allein – das heißt, bis auf Emma.“ „Wer ist denn das, du alter Sünder?“ „Die Möwe, die du eben schreien hörtest.“ * „Nun will er mich auch noch auf den Arm nehmen“, schüttelte Wernicke betrübt den Kopf. „Das hat man davon. Aber er scheint wirklich allein an Bord zu sein.“ Mit leisem Klicken schaltete sich der T-Sprecher aus. Jim Parker wandte sich ab. Er gönnte dem Deutschen von Herzen eine gute Überfahrt, aber er glaubte nicht daran. Der rote Faden war schon zu deutlich zu erkennen. Entschlossen rief er bei Fantin an und bat, ihn besuchen zu dürfen. Inge Pe-
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ters war am Apparat. Ihre Stimme war matt und doch wieder erregt, als sie von dem nächtlichen Einbruch berichtete. Gleich darauf sauste er im Fahrstuhl nach unten. Es war wirklich sehr schwül und dumpfig, und die wenigen Leute, die neben ihm standen, hielten mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. „Es geht wieder los“, sagte der alte Fahrstuhlführer mit zittriger Stimme und wischte sich mit dem blauen Kittelärmel die feuchte Stirn. „Haben Sie gehört, wie heute nacht die Erde grollte?“ „Solange der Wettermacher auf dem Drachenbaum-Hügel sitzt, wird noch mehr Unheil über die Inseln kommen“, erwiderte eine ältere, elegante Dame erregt. „Glauben Sie mir, Señores – ich werde nicht aufhören, dafür zu beten, daß die Erde ihn verschlingen möge.“ „Oder die See“, fügte der Fahrstuhlführer düster hinzu. Wirklich, es war sehr schwül und dumpf, und in den Augen dieser Menschen loderte der offene Haß. Professorlein, Professorlein, du hast Geister gerufen, die nun über dich zu kommen drohen. Wer trug hier Schuld? „Wir werden ein Gewitter bekommen“, sagte Jim freundlich. „Ein Gewitter – ein schweres Gewitter“, flüsterte die zittrige Stimme angstvoll. „Möge der Himmel dann bei uns sein.“ „Es wird vorübergehen, Señor.“ Jim klopfte dem alten Mann aufmunternd auf die Schulter und war als erster draußen, als der Fahrstuhl aufsetzte. Die Dame sah ihm vorwurfsvoll nach. In der Halle war die Stimmung nicht besser. Geduckte, unruhige Menschen. Fantin, du großer Zauberer, du hast schon die Wolken heraufbeschworen, und nun verpestet dein Teufelsatem die Luft und will uns ersticken. Jim raste durch die Straßen. Menschengruppen. Staubwolken unter heranbrodelnden Ge-
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witterwolken. Dazwischen Hetzer mit salbungsvollen Bewegungen und grinsenden Gesichtern. Wer bezahlt euch traurige Gestalten dafür, daß ihr die dumpfe Furcht einer abergläubischen Masse zu offenem Haß aufpeitscht? Weiter vorn winkte ein Polizist ab. „Sie fahren zu rasch, Señor.“ Jim hielt ihm, ohne Rücksicht auf Verluste, seinen Ausweis der Weltpolizei unter die Nase. Jetzt mußte er handeln, und wenn der ganze Weltgerichtshof noch über seinen Gesetzbüchern schlief. Der Uniformierte salutierte. „Danke, Señor. Zum Drachenbaum-Hügel? Räumen Sie nur ordentlich auf!“ Also auch schon die Polizei! Was war nur los mit diesem schwülen, gewitterschwangeren Morgen, daß er die Menschen halb irrsinnig machte? Weiter! Schon drehte sich die miserable Landstraße heran, die zum Meer führte. Jims Gedanken aber waren bei dem schneidigen Sönke Peters und seiner „Süderdeich“. * Sönke Peters steckte das kleine schwarze Ding wieder ein und widmete sich nun ganz seinem Boot. Die „Süderdeich“ wurde unruhiger. Der Wind drehte sich und ging auf Südwest. Die See wurde kabbelig. Hände ans Ruder und Augen geradeaus, das war besser als alles Grübeln über den geheimnisvollen T-Anruf. „Habana, ich komme!“ Nein, er kam nicht nach Habana. Er war auch nicht allein an Bord. Eine schlanke, kraftvolle Gestalt lag hinter dem Niedergang. Ricci Salerno hoffte ernstlich, noch einige Tage so liegen zu bleiben. Ungesehen und mit zusammengebissenen Zähnen, denn gemütlich war das natürlich nicht. Aber er beherrschte
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sich schlecht, und als seine Rechte eine unkontrollierte Bewegung machte, stieß sie gegen eine Kiste, die umfiel und alles andere als leise dabei war. Sönke Peters fuhr herum. Sein Mund öffnete sich, ohne ein Wort hervorzubringen, aber er sah alles und begriff alles. „Den also hat Wernicke gemeint.“ Mit einer kurzen Bewegung sicherte er das Ruder und ging langsam auf den anderen zu. Ricci Salerno hatte gewiß nichts gegen Sönke; er war Sportsmann und bewunderte seinen Wagemut. „Früher warf man blinde Passagiere über Bord, Salerno.“ Ricci richtete sich auf und grinste freundlich. Er wußte nicht, was er tun sollte. Es würde wohl nichts schaden, sich gut mit dem Käpten zu stellen. „Möchte nach Amerika auswandern. Dachte mir, Sie könnten unterwegs einen starken Mann gebrauchen. Woher kennen Sie mich übrigens, Señor Peters?“ „Sie reden zuviel auf einmal“, stoppte Sönke ihn. „Was haben Sie dort in der Lederröhre?“ „Ach nichts“, ruckte Ricci zurück. „Nur mein Gepäck.“ „Ein merkwürdiges Gepäck für den Sohn eines reichen Vaters. Zeigen Sie mal her.“ „Nur alte Klamotten – wirklich.“ Sönke griff zu, aber Ricci bremste seine Bewegung mit beiden Händen. „Loslassen, ich warne Sie!“ Sönke Peters dachte nicht daran. * Inge Peters stand bereits vor der Gartenpforte, als Jim seinen Renner eine scharfe Bremsspur durch den Sand reißen ließ. Weiter vorn parkte ein älterer Ford – Salernos Wagen.
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„Der Herr Professor erwartet Sie bereits, Jim“, empfing sie ihn. „Es ist plötzlich alles so schrecklich für den alten Herrn.“ „Ist Außergewöhnliches geschehen?“ erkundigte er sich teilnahmsvoll, während sie auf die Haustür zugingen. Inge sah ihn scheu von der Seite an. Das war ein anderer Jim Parker als der lachende, große Junge, mit dem sie vorgestern noch getanzt hatte – das war ein brutales, witterndes Raubtier, das zuspringen wollte. „Sie erwähnten einen nächtlichen Überfall?“ „Denken Sie nur“, berichtete sie eifrig, „man ist heute nacht in den Bunker eingedrungen – zum Glück ohne Erfolg.“ „Die Burschen werden die neuen Sturmraketen gesucht haben“, meinte er ernsthaft. „Neue Sturmraketen?“ stutzte sie, warf ihm einen schnellen Blick zu und wich sofort aus. „Aber noch furchtbarer sind die drohenden Anrufe, die wir seit den frühen Vormittagsstunden erhalten. Es ist, als wenn mit einem Schlag die halbe Welt gegen uns aufstände.“ „Sie sind sehr besorgt um den Professor?“ „Das wissen Sie doch, Jim. Nun erst recht, wo Gefahren um ihn sind, von denen ich bisher nichts wußte. Er hat doch sonst niemand.“ „Tapfer sind Sie auch“, stellte er anerkennend fest. „Gustav Friedemann ist um sein Glück zu beneiden.“ „Ich habe ihn seit gestern abend nicht gesehen“, seufzte sie. „Glücklicher Gust!“ * „Loslassen!“ Aber Sönke Peters war es, der sich von dem zähen Ricci Salerno losriß. Er taumelte einige Schritte zurück, fing sich und
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warf sich mit einem Haken gegen den schlanken Jungen aus Santa Cruz. Aber Ricci hatte boxen gelernt und konnte auch noch mehr. Er fing den mörderischen Schlag ab und versuchte es mit einem Judogriff. „Das ist unfair, mein Lieber!“ „Nur eine neue Taktik. Passen Sie auf.“ Vom Judo hatte Sönke keine Ahnung. Er sah plötzlich die Segel und den Himmel unter sich wegdrehen und knallte auf den Planken auf. Bevor Ricci über ihm war, schnellte er schon wieder in den Stand. „Achtung, Salerno!“ Aber der andere war raffinierter. Er ließ sich aus der Hocke fallen und riß dem Friesen die Beine weg. Sönke rutschte mit dem Rücken über die Kante und glitt kopfüber in die See. Schaum gurgelte auf. Ricci atmete schwer. Er sah aus, als wolle er nachspringen, aber dann warf er sich herum und riß mit verzerrtem Gesicht die Lederröhre auf. „Professor – ich – muß es – schon – tun!“ „Pfui Deubel nochmal“, schimpfte hinter ihm Sönke Peters, der sich wieder hochgekämpft hatte und sich an Bord zog. „Dabei hätte man ja zu Neptun schwimmen können. Was machen Sie da?“ In wilder Verzweiflung riß Ricci einen Hebel herum. * Professor Fantin hatte sich vorgenommen, mit dem Kommodore nur das Notwendigste zu reden, aber als Jim sich höflich vor ihm verneigte, atmete er fast auf. Marco Fantin wußte nicht mehr weiter. „Ich begrüße Sie in einer trüben Stunde“, lächelte er traurig. „Mir sind Menschen in den Rücken gefallen, denen ich zwar
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nie recht vertraute, die ich aber niemals einer solchen heimtückischen Handlungsweise für fähig gehalten hätte.“ „Doktor Mendoza?“ „Der Name ist Gift für mich“, preßte der Wettermacher verbissen hervor. „Ich habe nur noch meinen guten Salerno.“ Fernando Salerno allerdings sah recht zusammengefallen aus. Sein volles Gesicht war schlaff und wirkte beinahe weichlich. Er brachte schweigend seinen Händedruck an und setzte sich wieder. Jim schoß unverzüglich auf das Ziel los. * „Zu einer trüben Stunde gehört eine gute Nachricht“, sagte er freundlich. „Und die kann ich Ihnen bringen.“ Fantin war am Schreibtisch in seiner gewohnten Haltung – mit verschränkten Armen – stehen geblieben. Nun trat er ungläubig einen Schritt vor und drückte die Fäuste gegen die Brust. „Sie scherzen nicht?“ „Ich würde mir niemals einen solchen schlechten Scherz erlauben“, erwiderte Jim gelassen. „Im Auftrage des S.A.T habe ich Ihnen mitzuteilen, daß Sie mit einem positiven Bescheid rechnen können.“ Wie aus der Pistole geschossen kam die entscheidende Frage: „Man wird meine Bedingungen erfüllen?“ Fantin verstand die Welt nicht mehr. Jahrzehntelang hatte man nichts von ihm wissen wollen. Man hatte ihn verlacht. Er hatte gearbeitet. Man hatte ihn verhöhnt. Er hatte gewarnt. Man hatte ihn weiter verhöhnt. Er hatte den Kanarischen Inseln ihre große Fruchtbarkeit gegeben. Man hatte abgewinkt. Er hatte Europa unter einen furchtbaren Regen gesetzt. Man hatte ihm gedroht. Nun hatte er seinen Mann ausgesandt, um
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den großen Sturm zu entfesseln, wenn er das Zeichen geben würde. „Kommodore – wenn Sie lügen – erwürge ich Sie …“ Jim stand auf. „Herr Professor, das S.A.T. wird sich für eine Anerkennung Ihrer Bedingungen einsetzen.“ „Kommodore – warum hat man mir – oh, ich weiß nicht –“ Seine Fäuste fielen kraftlos herunter und öffneten sich. Jim sprang hinzu. Bleich erhob sich der dicke Salerno. In einem befreienden Aufschluchzen taumelte Fantin in sich zusammen. „Warum hat man mir nicht schon früher ein gutes Wort gegönnt – warum nur?“ Erschüttert hielt Jim Parker den Wettermacher. Er spürte, wie das Leben in ihm von der übergroßen Freude zerhämmert wurde. Schweigend ging Salerno und holte Inge Peters. „Alle Bedingungen wird man anerkennen?“ Augen waren auf ihn gerichtet – Augen, die er nie vergessen würde. So klar und rein und fest. Das also war der Mann, der die Natur zu unterjochen begann, weil die Menschen ihn nicht haben wollten. Wer trug hier Schuld – wer – wer –? „Man wird alle Ihre Bedingungen anerkennen“, sagte er fest. „Dann ist es gut!“ Mehr wollte Marco Fantin nicht. Auf den Armen des jungen Sternenfahrers wurde er zum Ruhesofa getragen, und als noch einmal die große Dämmerung wich, die aus seinem Herzen kam und sich wie eine Wolke um ihn ausbreitete, hielten Inge Peters und Fernando Salerno fassungslos seine Hände. Ein verschwimmendes Lächeln glitt über sein spitzes Gesicht – so ganz einsam war er ja doch nicht gewesen. Jim Parker trat an das Fenster und sah auf das Meer. Er zitterte in der brütenden Schwüle. Plötzlich biß er sich auf die Unterlippe, daß sie blutete. Im Südosten stand ein fremder, großer,
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schwarzer Strich am Himmel, der unheimlich rasch näher kam und sich ausbreitete. Hinter ihm schrie Inge leise auf und kam weinend heran. „Jim – Jim – er hat noch etwas gesagt!“ Der Kommodore wandte sich um. Die tödliche Gefahr war da – sie wirkte weiter als ihr Schöpfer … „Wir sollen sofort die ‚Süderdeich’ zurückrufen.“ Das war am 1. Juli um 11 Uhr 12 Minuten. * Bürgermeister Klaus Peters stand in seinem Wohnzimmer und hörte die außerordentliche Sturmwarnung, die der Rundfunk durchgab. Schweigend trat er an den Schrank und zog seine feste Joppe an. Seine Frau ließ den Kopf sinken. „Wo Sönke wohl ist?“ sagte sie leise. „Mach’ dir doch nicht gleich Gedanken um den Jungen, verdammich nochmal“, polterte er los, und dabei würgte es ihm schon selber im Hals. „Das muß doch ein furchtbarer Sturm werden.“ „Wenn dieser Fantin dahintersteckt, schon.“ „Aber dann müssen wir Sönke helfen“, fuhr sie auf. „Er wird schon durchkommen“, knurrte Peters ratlos und verließ sein Haus. Draußen stieß er auf den örtlichen Feuerwehrführer und einige andere Männer. Ein fremdartiger, böser harter Wind raste in steifen Böen heran. „Nette Schweinerei“, schimpfte der Feuerwehrführer. „Unserem Deich kann er nicht viel anhaben, aber es wird auch so genug in die Binsen gehen. Nicht nur bei uns.“ Klaus Peters antwortete nicht. Wortkarg und mit abwesenden Gedanken ging er neben den Männern her. Er sah Sönke vor sich …
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* Europa hielt den Atem an. Duckte sich unter einer unbegreiflichen Gefahr, die schwarz am südwestlichen Himmel heranwuchs und ihre Vorboten böig und novemberkalt durch die sommerlichen westlichen Länder jagte. War das das Ende? Europa duckte sich. Was nützte es, daß man in Nordfriesland auf die Deiche ging, daß in französische Hafenstädte Rettungskolonnen vorsorglich in gefährdete Viertel gelegt wurden, daß in den Großstädten Lautsprecherwagen die Menschen vor einer Panik zurückzuhalten versuchten. Der Himmel war bleiern und schob sich hinter dem gigantischen schwarzen Strich zurück. Gegen zwölf Uhr reichte er von den Kanarischen Inseln bis nach Südfrankreich hinein. In den französischen Nordprovinzen heulten die Alarmsirenen. Belgien jagte alles an die Sammelplätze, was zur Polizei, Feuerwehr und technischem Notkorps gehörte. Von Köln und Hamburg aus warnte der Rundfunk die deutsche Bevölkerung davor, noch auf die Felder zu gehen oder über Land zu fahren. Die Autobahnen verödeten. Der kalte, drohende Wind stieß über verlassene Betonbahnen vor. Die Meteorologen machten ernste Gesichter. Wenn sich der Sturmkeil entladen würde – und es konnte jede Sekunde losbrechen –, würde Westdeutschland neben Frankreich und den Beneluxländern den ersten Stoß aufzufangen haben. Und dieser Stoß würde furchtbar sein. *
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„Die ‚Süderdeich’ meldet sich!“ Jim Parker war in das Zimmer gerast, riß alles an sich, was er brauchte. Wernicke und Friedemann waren schon fertig. Der Steuermann rannte in voller Kombination zwischen Fernsprecher, T-Sprecher und Landkarten hin und her. „Die Wetterstationen sind alarmiert. Die A-Staffel steht über den Bermudas.“ Atombrenner her! Schutzmasken gegen aktive Strahlungen. Meßinstrumente. Whisky. Rein in die Tasche! Schon wieder der Fernsprecher. Polizeipräsidium. „Hubschrauber von der Luftwaffe gestellt.“ Jim hörte nur halb hin. „Was meldet Peters?“ drängte er. „Peters bittet um sofortige Hilfe. Ricci will alle Sturmraketen hochjagen, um den Sturmkeil auseinanderzureißen. Er hält ihn in Schach.“ „Wir kommen!“ Genau sechs Minuten später waren sie schon unterwegs. Versinkend drehte sich die Stadt unter ihnen weg. Ein junger Fliegerleutnant am Steuerknüppel. Hinein in den schwarzen Sturmkeil – in den Höllenschlund, der ihnen entgegengähnte. Jim Parker zerdrückte eine kalte ‚Maza-Blend’ zwischen den Lippen. * Als sie Palmas überflogen hatten, brüllten sie in wilder Enttäuschung auf. Vor ihnen, aus dem Brodeln des Meeres, fuhr ein grellroter, widerlich leuchtender Strahl in die Schwärze des Sturmkeils und riß sie knallend auseinander. Die Hölle brach los. Jim griff mit in den Steuerknüppel. „Verdammte Kiste!“
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schimpfte der Leutnant und sauste mit dem Kopf gegen die Sichtscheibe. Es war 12 Uhr 1 Minute. „Halten Sie den Kurs“, sagte Jim leise und eindringlich. Die Dunkelheit fiel über sie her. Eine rasende, entfesselte, mörderische Dunkelheit. Warf sie zu Boden. Scheinwerfer geisterten nach unten, kreisten und suchten. Wernicke klammerte sich an den Griffen der Einstiegluke fest Friedemann rief verzweifelt durch den T-Sprecher die „Süderdeich“ an – immer wieder: „Aushalten, Sönke – wir kommen – halte den Burschen fest – denke an Inge – an Süderdeich – aushalten!“ Keine Antwort. Nur ein Ächzen und Stöhnen. Rangen Sie dort unten auf dem kraftlos gewordenen Boot miteinander – der eine gegen den Wahnsinn, der andere in blinder Wut? „Wir kommen!“ Die Lichtbalken der Scheinwerfer stemmten sich der tanzenden Maschine voran. Gebannt folgten ihnen die kalten,
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entschlossenen Augen des Kommodores. Plötzlich ruckte er hoch und stieß dem Leutnant gegen die Schulter. „Da haben wir sie! Gehen Sie auf vierzig Meter herab.“ Der Leutnant schaffte das waghalsige Manöver, sich in diesem Hexenkessel herunterzuschrauben. Da unten war die „Süderdeich“. Ihre Segel hingen in Fetzen. Zwei Männer rollten ineinander verkrampft über das Deck. „Luke auf!“ Und dann kümmerte sich Jim Parker wieder einmal nicht um Tod und Teufel. Durch die Hölle sprang eine geschmeidige Gestalt in genau berechnetem Sprunge. Warf sich zwischen die Männer. Einer von ihnen, blutend und verletzt, taumelte hoch. „Jim!“ „Okay, Sönke!“ * Wochen später. Über Süderdeich leuchtete es vom klaren Sommerhimmel herab, daß sich das weite, grüne Marschenland der Wärme entgegendehnte. Europa hatte bereits vergessen, was einmal für Stunden ein furchtbarer Alpdruck gewesen war. „Ich kann Ihnen den Augenblick nicht schildern, als am Südhimmel der Sturmkeil zerbarst.“ Klaus Peters ging mit Jim Parker. Fritz Wernicke und dem noch ziemlich geschwächten „Süderdeich“-Käpten den Außendeich entlang. Die Freunde hatten Sönke in sein Dorf gebracht, und der Bürgermeister ließ sie unter vier Tagen nicht wieder fort. Inge und Gustav Friedemann waren im Hause geblieben. Die Männer aber ließen noch einmal die Ereignisse der letzten Wochen an sich vorüberziehen. Nun endlich konnte Jim seine ‚Maza-Blend’ in Ruhe rauchen. Bis zum nächsten Abenteuer. Nachdenklich sah er über das Land.
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„Es sah schlimm genug aus für Europa“, nickte er. „Wenn Sönke sich nicht so verbissen gegen den tollgewordenen Salerno gewehrt hätte, wäre nicht mehr viel zu retten gewesen.“ „Alles nur halb so wild“, wehrte der Junge ab „Ich mußte immer an euch hier in Süderdeich denken.“ „Jedenfalls sollte der Mensch nicht mit den Naturgewalten spielen“, sagte der Bauer bedächtig. „Es gibt Dinge, an denen wir nicht leichtfertig rühren dürfen. Zu ihnen gehören der Wind und der Regen.“ Jim Parker hatte dem nichts hinzuzufügen. ENDE
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UTOPIA-BRIEFKASTEN Liebe UTOPIA-Freunde! Weltraumfahrt, Raketentechnik, Astronomie. In diese drei Gruppen kann man die Fragen gliedern, die uns täglich aus den Kreisen unserer Leser, und besonders der Jugendlichen unter ihnen, erreichen. Neben dem spannenden Abenteuer die sachliche Aufklärung – das soll auch weiterhin das Leitmotiv unserer Arbeit sein. Horst T. in Karlsruhe. Der Mars kommt im Juni 1954 wieder in die Nähe der Erde. Im British Experimental Pile zu Harwell wird ein Teil der gewonnenen Atomenergie zur Heizung der Laborgebäude verwendet. Im Experimental Breeding Reactor in Arco (USA) werden die Anlagen mit Strom aus einem Generator beleuchtet, dessen Dampfturbine mit Atomenergie gespeist wird. – Daneben erzeugen fast alle Atomreaktoren der Welt als Nebenprodukte radioaktive Isotope, die in der modernen Medizin Verwendung finden. Wenden Sie sich bitte an die ‚Gesellschaft für Weltraumforschung e. V.’, Stuttgart-W, Reinsburgstr. 54. Es gibt Modellraketen, deren Hersteller und Lieferanten wir Ihnen gern nachweisen. Jan B. in Hamburg 23. Die Frage nach den Entfernungen im Sonnensystem haben wir im Band Nr. 16 unserer Serie, auf der 2. inneren Umschlagseite, ausführlich besprochen.
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Ihre Frage „Warum zerbirst ein Mensch?“ wurde bereits im Briefkasten, Band Nr. 14, beantwortet. Schwere auf dem Mond = 0,165 der Erdschwere. Künstlicher Mond: Höhe z. B. 1730 km bei einer Geschwindigkeit von 25 400 km/Std Richard Sch. in Landshut/Bayern. Für Modellraketen feste Treibstoffe (Pulver) verwenden. Aber äußerste Vorsicht!!! Es sind bereits schwere Unfälle durch unsachgemäßen Umgang mit ihnen entstanden. Wenden Sie sich bitte an die ‚Gesellschaft für Weltraumforschung’. (Anschrift siehe oben.) Sie meinen vermutlich die Zeitschrift „Weltraumfahrt“, die im Umschau-Verlag, Frankfurt/M., erscheint. Sie können diese durch Buchhandlungen oder Bestellung beim Postamt beziehen. Jährlich erscheinen 4 Hefte à 2.40, zzgl Postgebühren. Für Mitglieder der obengenannten Vereinigung ist der Bezug kostenlos. Wir wünschen Ihnen alles Gute! Noch einmal unsere Anschrift: Pabel-Verlag (UTOPIABriefkasten) Rastatt/Baden. Freundliche Grüße! Ihre UTOPIA-Schriftleitung
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All die Fragen der Atomphysik, Raketentechnik, Weltraumschiffahrt und Weltstationen behandelt im Rahmen einer spannungsgeladenen Handlung
Jim Parkers Abenteuer im Weltraum Die für Deutschland ganz neue Zukunftsserie erscheint 14tägig und ist überall im Zeitschriftenhandel oder direkt durch den Verlag Erich Pabel, Rastatt/Baden, erhältlich. Bisher sind 17 UTOPIA-Bände erschienen, die noch alle lieferbar sind. * Band 1: Strafkolonie Mond Das „Staatliche Atom-Territorium“ läßt die gefährlichen, bei der Gewinnung von Atomenergie anfallenden radioaktiven Nebenprodukte auf Anraten des Raumschiffkommodore Jim Parker nach dem Mond verfrachten. Die „Gelbe Union“ versucht, die Anlagen des S.A.T. auf dem Mond zu vernichten. Band 2: Die Macht des Unheimlichen Alarm und Schrecken in der Atomstadt. Die „Gelbe Union“ hat ihren Großangriff eröffnet. Eine geheimnisvolle, lenkbare Raumstation erscheint über Orion-City. Jim Parker wird als Geisel entführt. Man droht, ihn zu ermorden, falls Orion-City nicht seine geheimen Forschungsanlagen ausliefert.
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Band 3: Panik im Weltall Ein interplanetarisches Verkehrsunternehmen rüstet in Detroit zur ersten „Vergnügungsfahrt“ in den Weltraum. Mit dreißig dollarschweren, abenteuerlustigen Passagieren an Bord startet das Raumschiff „Globetrotter“ zu einer „Spritztour ins Weltall“. Eine Reihe dramatischer Zwischenfälle bringt Raumschiff und Fahrgäste in eine äußerst gefährliche Situation. Band 4: Auf dem künstlichen Mond Jenseits der Grenzen der irdischen Atmosphäre entsteht eine kosmische Außenstation. Jim Parker und seine Männer müssen nicht nur mit den technischen Schwierigkeiten fertig werden, sondern sie haben es darüber hinaus mit geheimnisvollen Gegnern zu tun, die den künstlichen Mond in den Dienst zerstörerischer Pläne stellen wollen. Band 5: Kurierflug nach Orion-City Tim Wendler soll als Kurier die geheimen Forschungsergebnisse des mexikanischen Atomphysikers, Professor Varras, von der „Varras-Insel“ im Südatlantik nach der „Atomstadt“ OrionCity schaffen. Als er zusammen mit Iris Varras, der Tochter des Gelehrten, in seiner Kuriermaschine startet, ahnt er noch nichts von den verhängnisvollen Abenteuern, die auf ihn warten, und von dem schweren Verdacht, in den er geraten soll. Band 6: Kameraden zwischen Erde und Venus In ihm rüstet das Staatliche Atom-Territorium zur ersten Fernexpedition zu unserem Nachbarplaneten Venus. Unter Kommo-
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dore Jim Parker startet das modernste Weltraumschiff von der künstlichen Raumstation aus zu seiner abenteuerlichen Fahrt, die von der gesamten Menschheit mit Spannung verfolgt wird. Band 7: Kampf um den Vulkan Ein großes technisches Projekt – die Gewinnung von Energie aus dem heißen inneren der Erde – soll verwirklicht werden. In Mexiko, dem Land der Vulkane, begibt sich der junge Geologe Harry Hilton an die Arbeit: Jim Parker, der Raumschiffkommodore, und sein treuer Gefährte Fritz Wernicke stürzen bei der Erprobung eines heuen Raketenflugzeugtyps über Mexiko ab und stoßen ebenfalls zu Hiltons Expedition. Die Männer haben eine Kette aufregender Abenteuer zu bestehen. Band 8: Das lautlose Grauen Im Gebiet der gigantischen Werkanlagen, die das „Staatliche Atom-Territorium“ der USA auf der Suche nach Uranerzen auf der Rückseite des Mondes angelegt hat, dreht eine Filmgesellschaft Außenaufnahmen für einen Raumfahrtfilm. Durch Bohrungen in einer neuen Schachtanlage aufgeschreckt, verlassen Schlangen unbekannter Art, die in unerforschten Höhlen unter der Mondoberfläche hausen Ihre Schlupf-Winkel und überfluten in großer Zahl das Werkgebiet von „Luna IV“. Band 9: Flucht vor dem Kometen Aus den Tiefen des Weltalls nähert sich ein mächtiger Komet. Die Astronomen rechnen aus, daß er die Erdbahn kreuzen und mit der Erde zusammenstoßen wird. Falsche Propheten kündigen bereits den Weltuntergang an. Der gewaltige Schweifstern
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kann zwar der Erde nichts anhaben, da sie durch ihren dichten Luftmantel geschützt ist, aber der kosmischen Außenstation und den Anlagen auf dem Mond droht Vernichtung durch einen Hagel von Meteorsteinen aus dem Kometenkopf. Band 10: Abenteuer in Alaska Ein gewaltiger Meteorstein stürzt vom Himmel herab und schlägt in eine Hügelkette im Inneren von Alaska ein. Aus dem Einsturzkrater dringt eine unbekannte radioaktive Strahlung hervor, die sich über das Land ausbreitet und die Bewohner in höchste Gefahr bringt. Während skrupellose Gangster versuchen, die strahlende Materie zur Verwirklichung egoistischer Machtpläne in ihre Hand zu bekommen, setzt Jim Parker mit seinen Gefährten das Leben ein, um die geheimnisvolle Strahlung unmöglich zu machen und die furchtbare Gefahr zu bannen. Band 11: Wettflug zum Abendstern Das Staatliche Atom-Territorium der USA entsendet eine Raumschiffexpedition unter Kommodore Parker zum Planeten Venus, um Bodenschätze auszubeuten und die Möglichkeit einer Besiedlung des Planeten zu erkunden. Vor dem Start von der kosmischen Außenstation wird jedoch bekannt, daß ein Konkurrenzunternehmen ebenfalls zwei Raumschiffe auf die Reise geschickt hat, um den Plänen des S.A.T. zuvorzukommen und Besitz von dem Planeten zu ergreifen; Kommodore Parker versucht den Vorsprung der anderen einzuholen. Es kommt zu einem rasenden Wettflug durch 40 Millionen Kilometer Nichts, auf dem Jim Parker mit seinen Gefährten die aufregendsten Abenteuer zu bestehen hat.
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Band 12: In den Dschungeln der Venus Die Raumschiffexpeditionen des Staatlichen Atom-Territoriums der USA und der Australian Industrial Company sind gleichzeitig auf Venus gelandet. Getrennt begeben sie sich an die Erforschung der feindlichen, unbekannten Welt des Planeten. Vor den Forschern und Wissenschaftlern eröffnen sich die Geheimnisse einer Umwelt, wie sie vor Jahrmillionen auch auf der Erde geherrscht hat. Im Augenblick größter Gefahr finden sich die Expeditionen der beiden rivalisierenden Mächtegruppen unwillkürlich zusammen. Band 13: Entscheidung in Sydney Nach seiner Rückkehr von der großen Venus-Expedition fliegt Kommodore Parker nach Australien, um an den Verhandlungen des Staatlichen Atom-Territoriums der USA mit der Australian Industrial Company teilzunehmen. Es geht um die Besiedlung und Erschließung des fernen Planeten, auf dessen Besitz beide Mächtegruppen Anspruch erheben. In Sydney und in den Raketenwerken in der großen Sandwüste wird Jim Parker mit seinen Gefährten in eine Kette rätselhafter Anschläge und aufregender Abenteuer verwickelt. Wird es ihnen gelingen, alle Gefahren zu besiegen, um eine Einigung zwischen den rivalisierenden Gruppen herbeiführen zu können? Band 14: Siedler auf fremdem Stern Mit dem rasend schnellen Anwachsen der Menschheit drohen der Erde ständig Gefahren durch Übervölkerung. Auf der Suche nach neuem Lebensraum beschließt das Staatliche AtomTerritorium der USA, auf dem Planeten Venus Land urbar zu
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machen. Kommodore Jim Parker geleitet den ersten Transport freiwilliger Siedler in zwei Raumschiffen zum Nachbarplaneten der Erde. Nach menschlichem Ermessen sind alle Vorkehrungen für ein Gelingen des kühnen Plans getroffen worden – aber das ganze Unternehmen gerät in höchste Gefahr, als nach der Landung auf der Venus Gold entdeckt wird. Band 15: Das Rennen der Raketenfahrer An der Küste von Florida rüstet man zum ersten Raketenautorennen der Welt. Der junge Raketenwagen-Konstrukteur Dieter Helling, der auch ein Raketentriebwerk für Unterwasserfahrten erfunden hat, wird mitten aus den Vorbereitungen heraus auf geheimnisvolle Weise entführt. Seine Freunde Jim Parker und Fritz Wernicke setzen ihr Leben ein, um ihn selbst und seine Erfindung zu retten und seinem Wagen bei dem größten Rennen, das die Menschheit je erlebte, zum Siege zu verhelfen. Band 16: Planetoid Luzifer Eine Flotte von zwölf mächtigen Planetenschiffen startet zur Venus, um Kolonisten in ihre neue Heimat zu befördern. Unterwegs im Weltraum erleidet eines von ihnen eine schwere Havarie und muß auf einem Planetoiden notlanden. Unbekannte Krankheitserreger, die auf dem kleinen Planeten gefunden werden, rufen eine Seuche unter den Passagieren hervor. Die Rückkehr zur Erde wird unmöglich. In einem rasenden Wettlauf zwischen dem neuesten Raumschiff „Meteor“ und dem Planetoiden, der sich den vernichtenden Strahlen der Sonne nähert, versucht Kommodore Jim Parker, den Bedrohten Rettung zu bringen.
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Band 17: Bazillus L 13 Im tiefsten Asien rüstet der Diktator eines kriegerischen Staates zum Angriff auf seine Nachbarvölker. Mit Hilfe eines von seiner Idee besessenen Wissenschaftlers gelingt es ihm, eine neue, furchtbare Geheimwaffe zu entwickeln. Millionen friedlicher Menschen erleben die lähmende Drohung des bevorstehenden Bakterienkrieges. In der Stunde höchster Gefahr für die Menschheit schaltet sich Kommodore Parker ein und versucht, auf eigene Faust mit seinen Kameraden vom Staatlichen AtomTerritorium die verbrecherischen Pläne des Gegners zunichte zu machen. Band 18: Verräter im Mondwerk Im Norden des Schwarzen Erdteils wird ein gigantisches Projekt vorbereitet: Durch künstliche Bewässerung der Wüste Sahara soll neues Kulturland für die Menschheit erschlossen werden. Während jedoch die ersten Versuchsbohrungen in Nordafrika ausgeführt weiden, ereignen sich eine Reihe geheimnisvoller Attentate. Ihre Spur weist nach einem Laboratorium des Mordwerks „Luna IV“, in dem an der Erprobung eines gefährlichen Giftstoffes gearbeitet wird. Jim Parker schaltet sich ein, um die Hintergründe der rätselhaften Verbrechen aufzuklären. Band 19: Spione vom Mars? Über verschiedenen Städten der Welt, vor allem über den geheimen Atomforschungszentren der USA, werden scheibenförmige Flugkörper unbekannter Herkunft gesichtet. Die Furcht vor den „Fliegenden Untertassen“, die schon einmal die Menschheit ängstigten, lebt wieder auf und verursacht Unruhe
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und Panik in aller Welt. Was verbirgt sich hinter den geheimnisvollen Wahrnehmungen? Sind es harmlose Naturerscheinungen, optische Täuschungen, oder aber – Raumschiffe von anderen Planeten? Im Verein mit seinen Kameraden vom Staatlichen Atom-Territorium der USA und mit den tüchtigen Journalisten des „Chicago Star“ nimmt Kommodore Parker die schwierige Aufgabe in Angriff, das Rätsel der „Untertassen“ zu lösen und die Welt von einem Alptraum zu befreien.
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Lesen Sie im nächsten (21.) UTOPIA-Band: Im Ringen um die Erforschung und Erschließung des Weltraums ist dem Staatlichen Atom-Territorium der USA ein neuer Konkurrent entstanden. Unter strengster Geheimhaltung arbeitet die fremde Nation an dem Projekt, eine eigene künstliche Weltraumstation zu bauen. Als der Plan mit einer furchtbaren Katastrophe scheitert, scheint die Natur selbst einen Fingerzeit zu geben: Ein neuer, winziger Erdmond wird entdeckt, der wie geschaffen für eine „natürliche“ Raumstation erscheint. – Doch mit diesem Mond hat es eine besondere Bewandtnis, und wieder einmal muß Kommodore Parker mit seinen Kameraden vom S.A.T. als Retter in der höchsten Not erscheinen. Sollten Sie die vorhergehenden UTOPIA-Bände 1 bis 19 bei ihrem Zeitschriftenhändler nicht mehr erhalten, dann wenden Sie sich bitte direkt an den Verlag Erich Pabel, Rastatt (Baden). Senden Sie dabei den Geldbetrag (je Band 50 Pfg.) auf das Postscheckkonto Karlsruhe 224 46 ein. Aber hierbei nicht vergessen, die gewünschten Nummern auf der Rückseite des linken Zahlkartenabschnittes anzugeben. Auch können Sie den Geldbetrag in bar sofort Ihrer Bestellung beifügen.
Auf dem Wege zur Weltraumfahrt 20) Unser äußerer Nachbar: Mars Sehr viel mehr als über Venus, läßt sich über unseren anderen Nachbarn im Raum sagen – über den rötlich leuchtenden Planeten Mars. Von jeher hat er die Phantasie der Menschen angeregt, und trotz seiner wesentlich größeren Entfernung von uns – Mars kreist im mittleren Abstand von 277,7 Millionen Kilometer um die Sonne und kann der Erde günstigstenfalls bis auf ca. 60 Millionen Kilometer nahe kommen – wird auch er zu den ersten Planeten gehören, denen eine interplanetarische Forschungsreise gilt. Nächst Merkur ist Mars der kleinste unter den Großen Planeten. Sein Rauminhalt erreicht nur knapp ein Sechstel des irdischen, und seine Masse beträgt sogar nur 11 Prozent der Masse unserer Erde. Die Tageslänge auf Mars liegt mit 24 Stunden, 37 Minuten und 23 Sekunden nur wenig über der des Erdentages. Sein Jahr ist jedoch fast doppelt so lang wie ein irdisches: 687 Tage braucht der Planet, um einen Umlauf um die Sonne zu vollenden. Über die Atmosphäre des Mars und die Beschaffenheit seiner Oberfläche wird in den nächsten Fortsetzungen noch einiges zu sagen sein. Bemerkenswert ist, daß er von zwei winzigen Monden, Phobos und Deimos, umkreist wird, die erst 1877 von Hall entdeckt worden sind. (Fortsetzung folgt) Verlag und Druck: Erich Pabel, Rastatt in Baden, 1954 (Mitglied des Verbandes deutscher Zeitschriftenverleger e. V.) Die Bände dieser Serie dürfen nicht in Leihbüchereien verliehen, in Lesezirkeln nicht geführt und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Scan by Brrazo 08/2010