Nr. 119
Der Plasma-Mutant Der Lordadmiral greift ein - das Ende des Mächtigen ist nahe von Kurt Mahr
Auf den Stützpun...
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Nr. 119
Der Plasma-Mutant Der Lordadmiral greift ein - das Ende des Mächtigen ist nahe von Kurt Mahr
Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Mitte November des Jahres 2842 – eines Jahres, dessen erste Hälfte äußerst turbulent verlief, wie die vorangegangenen Ereignisse eindeutig bewiesen. Jetzt herrscht in der Galaxis relative Ruhe. Der Aufbau des Solaren Imperiums geht kontinuierlich voran. Es gibt im Augenblick weder im Bereich des Inneren noch im Bereich des Äußeren Schwierigkeiten von Bedeutung. Kein Wunder daher, daß Perry Rhodan, der Großadministrator, Staatsgeschäfte Staatsgeschäfte sein läßt und zusammen mit seiner Frau Mory Abro, der Regierungschefin von Plophos, zu einer Expedition in ein weit entferntes Sonnensystem aufgebrochen ist. Dabei wäre, wie es sich plötzlich herausstellt, die Anwesenheit des Großadministrators und seiner Frau auf Plophos dringend erforderlich! Denn Plophos, das zu einem Transplantationszentrum ersten Ranges geworden ist, wird durch eine Invasion ganz besonderer Art gefährdet. Doch die USO unter Führung Lordadmiral Atlans hat sich des Plophos-Problems bereits mit Erfolg angenommen. Spezialisten haben diejenigen verfolgt, die für den Terror auf Plophos verantwortlich sind, und die Welt des »Mächtigen« erreicht. Jetzt kommt es zur entscheidenden Konfrontation und zum Kampf! Auf der einen Seite steht die Macht der USO – auf der anderen DER PLASMAMUTANT …
Der Plasma-Mutant
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Die Hautpersonen des Romans: Atlan - Der Lordadmiral erscheint mit einer Kampfflotte. Stuckey Folus und Thow Tanza - Zwei Spezialisten der USO. Kazinger Erfgo - Ein Rebell von Wagtmeron. Amlor Petrefa - Herr eines Zirkusschiffes. Kinke Seiblad - Petrefas Vertrauter. Einstein - Ein Androide verläßt sein Versteck. Der Mächtige - Der Plasma-Mutant wird in die Enge getrieben.
1. »Die Raben sind fort!« Das war das erste, was ihm auffiel, als er an diesem Morgen erwachte. Er sah sich um. Der Rest des Lagers schlief noch, auch »Opa« Thow Tanza. Der Morgen war erst vor ein paar Minuten über den Berg gekrochen. Silberne Nebelschwaden zogen durch den Wald. Bis auf das Gezwitscher der Vögel war es still in der Runde. Stuckey Folus war ein großer, hagerer Mann mit tief in ihren Höhlen verborgenen Augen und kurzgeschnittenem, braunem Haar. Er schob sich aus dem Schlafsack hervor, stand auf und räkelte sich. Er fühlte sich mit der Welt zufrieden. Er hatte gut geschlafen. Die Nacht war ruhig verlaufen, und der frühe Morgen enthielt die Aussicht auf ein handfestes Frühstück, das die Frauen der Gruppe zubereiten würden. Nur das Verschwinden der Raben warf einen kleinen Schatten auf Stuckey Folus' Wohlbefinden. Sie waren bislang sozusagen das Kenn und Markenzeichen der kleinen Gruppe von Unabhängigen gewesen, denen Thow Tanza und Stuckey Folus sich vor ein paar Wochen angeschlossen hatten. Die Tiere waren ungewöhnlich intelligent und wurden als Späher und Kämpfer verwendet. Tagsüber saßen sie zumeist auf den Schultern ihrer Besitzer, und nachts entfernten sie sich nie weiter als ein paar Sprünge vom Lager. Die Raben hießen Cosmidos, und nach ihnen hatten sich auch die Unabhängigen genannt, ursprünglich fast eine halbe Kompanie stark, durch Aufsplitterung und Verluste jetzt jedoch auf eine Stärke von zehn Mann und acht Frauen reduziert.
Folus fragte sich, was das Verschwinden der Vögel zu bedeuten haben mochte. Unweit des Lagers trat ein kleiner Quell aus dem Boden, dessen klares, kaltes Wasser sich zunächst in einem Becken sammelte, bevor es sich zu einem Rinnsal formte, das den Berghang hinablief. Für Stuckey Folus war die Morgenwäsche eine der wichtigsten Verrichtungen des Tages. Während er sich mit Strömen kalten Wassers übergoß, dachte er an die komfortablen Hygienezellen von Quinto-Center, die Knetbäder, Aeromassagen und die ZVs, die durch stimulierende Vibrationen den Blutkreislauf auf Trab brachten. Wie leicht es war, ohne sie auszukommen, schoß es ihm durch den Kopf. Als er von der Quelle zurückkehrte, begann das Lager sich zu regen. Opa Thow Tanza schälte sich aus seinem Schlafsack und starrte grimmig in den treibenden Nebel. Er war ein kleiner, aber stämmiger Mann, über neunzig Jahre alt, mit einem breiten, grob geschnittenen Gesicht und lockigem, schwarzgrauem Haar. »Die Raben sind fort, Opa«, sagte Folus zur Begrüßung. »Das sehe ich selbst«, knurrte Opa. »Das brauchst du mir nicht zu sagen.« Er räkelte sich, daß die Gelenke knackten. Auf der anderen Seite des Lagers erhob sich eine lange, dürre Gestalt mit weißer Haut, weißlichblonden Haaren und den rötlichen Augen des Albinos. Gähnend schlenkerte er durch die Reihen der teils noch Schlafenden, teils Erwachenden und blieb vor Folus und Tanza stehen. Wie jeden Morgen fiel sein Blick zuerst auf das seltsame gemeinsame Merkmal der beiden Männer, den kaum vernarbten Stummel am rechten Vorderarm. Folus und Tanza hatten beide die rechte
4 Hand verloren – oder geopfert, wenn man genau sein wollte. »Es liegt etwas in der Luft«, erklärte er. »Die Raben sind fort!« Opa Tanza schlug sich klatschend auf den Oberschenkel. »Da bin ich doch froh, daß mir das einer sagt«, dröhnte er, »sonst hätte ich es womöglich gar nicht gemerkt!« »Was hat das zu bedeuten, Kazinger?« erkundigte sich Stuckey Folus. Kazinger Erfgo, Sohn eines Terraners und einer Arkonidin, zuckte nach terranischer Manier mit den Schultern. »Kann man nicht sagen«, antwortete er. »Fest steht nur, daß die Welt heute nicht mehr so ruhig ist wie gestern. Wir sollten ein paar Kundschafter ausschicken und nachsehen, was es in der Stadt Neues gibt.« Sverkon, die einzige Stadt der arkonidischen Siedlerwelt Wagtmeron, lag in der Ebene südlich der Bergkette, in denen sich die Cosmidos gegenwärtig versteckt hielten. Sverkon verfügte über einen Raumhafen mittleren Ausmaßes, auf dem seit geraumer Zeit als markanteste Vertreter der interstellaren Raumfahrt die beiden ZirkusRaumschiffe ORBAG MANTEY und COMOTOOMO standen. Folus hielt den Vorschlag für gut. »Opa und ich werden das machen«, entschied er und nickte dazu. Ein ärgerlicher Zug erschien auf dem Gesicht des Albinos. »Ich denke, hier bin ich wieder derjenige, der den Ton angibt!« stieß er hervor. Mit einem Schritt stand Stuckey Folus unmittelbar vor ihm. Unter seinem drohenden Blick wurde Erfgo verlegen. Er senkte die Augen und murmelte: »Nun ja … wenn ihr unbedingt wollt, meinetwegen.« Er wollte sich entfernen, aber Folus hielt ihn an der Schulter fest. »Hör mir gut zu, Rotauge! Kürzlich hast du eine Anzahl deiner Leute bei einer unnötigen Aktion verloren. Warum? Weil du in Wirklichkeit ein lausiger, unfähiger Führer
Kurt Mahr bist, der weiter nichts kennt als seinen eigenen Rachedurst. Das haben dir deine Leute gestern zu verstehen gegeben. Seit gestern ist deine Stimme nicht mehr wert als jede andere im Rat der Cosmidos. Fang also nicht schon wieder an, den starken Mann zu spielen, oder soll Opa dir wieder zeigen, wie wenig du in Wirklichkeit wert bist?« »Ja, schon gut«, maulte Kazinger Erfgo, entwand sich Folus' Griff und stapfte mißmutig davon.
* Nachdem sie sich ein gehöriges Frühstück einverleibt hatten, machten »Pa« Stuckey Folus und Opa sich auf den Weg. Die Cosmidos verfügten nur noch über ein einziges Fahrzeug, einen altmodischen Gleiter. Die Raben waren noch nicht zurückgekehrt. Der Gleiter schoß dicht über die Wipfel des Waldes hinweg, der den Südhang der Bergkette bedeckte, und gewann schließlich die busch und grasbewachsene Ebene, die sich Hunderte von Kilometern weit nach Süden zog. Von links her kam die Straße in Sicht, die zu dem alten, in den Bergen gelegenen Bergwerk führte, das vor wenigen Tagen Zeuge erstaunlicher Aktivität geworden war. Was immer in der alten Mine gelagert hatte, befand sich jetzt an Bord der beiden Zirkus-Raumschiffe COMOTOOMO und ORBAG MANTEY. Im Süden wuchs die Silhouette der Stadt Sverkon aus dem hellen Morgensonnenschein. Sverkon war eine große Stadt; ihre Einwohnerschaft zählte nicht mehr als fünfzigtausend, zumeist Arkoniden, aber auch einige tausend Mitglieder anderer galaktischer Völker. Folus drückte den Gleiter dicht an den Boden und folgte dem Verlauf der Straße, die vom Bergwerk kam. Die Bewohner von Sverkon betrachteten ihn und Opa, ebenso wie Erfgo und seine Cosmidos, als Feinde. Folus' und Tanzas Unternehmen war daher keineswegs ungefährlich. »Wir hätten uns maskieren sollen«, brummte Opa plötzlich.
Der Plasma-Mutant »Was hätte uns das genützt?« fragte Folus. »Dummkopf – die Leute von Sverkon hätten uns nicht sofort erkannt«, lautete die unfreundliche Antwort. »Ja, erst ein paar Sekunden später«, lachte Folus verächtlich. »Ich möchte wissen, wie sie das machen«, knurrte Opa, der seinen Vorschlag schon wieder vergessen zu haben schien. »Woran erkennen sie so rasch, daß wir nicht zu ihnen gehören?« »Daran sind die merkwürdigen Gallerterbsen schuld«, antwortete Folus, »die sie in sich tragen. Die kleinen Einschlüsse aus Protoplasma, mit denen jeder Mann, jede Frau, jedes Kind in Sverkon infiziert ist. Die Leute stehen unter dem Einfluß einer fremden Macht, und die Protoplasmakügelchen sind die Befehls und Informationsübermittler. Das Wissen, das die fremde Macht besitzt, kann sie in Sekundenschnelle an alle Einwohner der Stadt übermitteln. Also auch die Kenntnis, daß wir beide nicht zu denen gehören, die Protoplasmaeinschlüsse in sich tragen.« Er betrachtete den Armstummel mit einem grimmigen Blick. »Wenigstens jetzt nicht mehr«, fügte er hinzu. Der Gleiter näherte sich jetzt den nördlichen Stadtbezirken. Folus hielt von der Straße ab und bugsierte das Fahrzeug hinter ein niedriges Gebüsch. Gespannt starrten die beiden Männer zum Stadtrand hinüber. »Da rührt sich aber auch gar nichts«, sagte Opa nach einiger Zeit. »Sieht wie tot aus«, pflichtete Pa ihm bei. »Ob sie ausgerissen sind?« »Ausgerissen? Wohin?« »Weiß ich's? Vielleicht weg von Wagtmeron, mit den Raumschiffen …?« Stuckey Folus schüttelte den Kopf. »Es gibt in zehn Lichtjahren Umkreis nicht genug Passagierraum um fünfzigtausend Leute fortzuschaffen. Nein, nein, es muß an etwas anderem liegen.« Er hob den Gleiter vom Boden ab und ging auf Ostkurs. »Wo willst du hin?« fragte Thow Tanza
5 neugierig. »Mir die Sache von der anderen Seite her ansehen«, antwortete Folus knapp. Er umrundete die Stadt in weitem Bogen. Östlich von Sverkon zog ein breiter Fluß vorbei, der sich auf der Höhe der Stadt in Dutzende von kleinen Wasserläufen und Kanälen verzweigte und sich mit weiten Sumpf und Marschflächen umgeben hatte. Dort draußen war ein Paradies für Vögel und allerlei sonstiges Getier; aber Menschen wagten sich selten hinaus. Pa Folus ließ alle Vorsicht außer acht, flog in zureichender Höhe und ging wenige Minuten später wieder auf Westkurs, um sich dem südlichen Stadtrand von Osten her zu nähern. Schon aus zwei Kilometern Entfernung sahen Pa und Opa, daß dort merkwürdige Ereignisse im Gange waren. Aus der Stadt wälzte sich ein stetiger Strom von Menschen. Die Straße, die in südlicher Richtung zum Raumhafen führte, war mit Verkehr aller Arten vollgepackt. Privatfahrzeuge, hochbeladene Lastengleiter und Fußgänger mischten sich zu einem bunten Durcheinander, das sich nur zähflüssig dahinbewegte, weil einer dem andern im Wege war. »Siehst du?« frohlockte Opa. »Ich sagte dir doch, sie reißen aus!« Stuckey Folus wußte nicht, was er dazu sagen sollte. »Fragt sich nur, wohin«, bemerkte er schließlich.
* Vor rund einem Monat waren Stuckey Folus und Thow Tanza, beide USOSpezialisten und Mitglieder des Teams, das man »die Familie« nannte, als blinde Passagiere an Bord der COMOTOOMO nach Wagtmeron im System Kargnickan gekommen. Ihr Unternehmen, an dem bis vor kurzem auch das dritte Mitglied der »Familie«, die USO-Spezialistin Nancy Chessare, genannt »Ma«, beteiligt gewesen war, stand im Zusammenhang mit einer Reihe eigenartiger Vorfälle, die sich in den vergangenen Wo-
6 chen auf der Siedlerwelt Plophos abgespielt hatten. Dort war festgestellt worden, daß Patienten der zahlreichen Transplantationskliniken die sich vor kurzem einer TransplantOperation unterzogen hatten, mit Organen ausgestattet worden waren, die im Gewebe winzige Kügelchen aus Protoplasma enthielten. Man hatte die Kügelchen zunächst mit Speichererbsen verglichen, sogenannten Kaschkarits, wie sie für die Speicher von Hybrid-Computern verwendet wurden. Erst später war man darauf gekommen, daß die Protoplasmaeinschlüsse weitaus gefährlicher waren. Die so behandelten Patienten litten unter Tobsuchtsanfällen und entwickelten zerstörerische Tendenzen, die anscheinend von dritter Seite aus gesteuert wurden, und zwar mit Hilfe der winzigen Einschlüsse, die im Gewebe der Transplantorgane verborgen waren. Die Absichten dieser bislang unindentifizierten dritten Partei, die man vage »die Macht« oder »den Mächtigen, der alles vereinen will« nannte, waren völlig unklar. Jedoch kam man bald dahinter, woher die mit Protoplasmaeinschlüssen versehenen Transplantorgane stammten. Es war natürlich ermittelt worden, daß die infizierten Organe ohne Ausnahme früher einmal zu einem Androidenkörper gehört hatten. Androiden gab es auf Plophos von Natur aus nicht, dafür jedoch an Bord der ZirkusRaumschiffe, die in bunter Folge auf Plophos gastierten. Eine Hypothese entstand, so grausig und grotesk wie ein alter Horrorroman. Die Zirkus-Androiden wurden in einer geheimen Klinik, wahrscheinlich im Hauptquartier der Macht, hergestellt und mit Protoplasmakügelchen infiziert. An Bord der ZirkusRaumschiffe gelangten sie nach Plophos, wurden dort wieder auseinandergenommen und die infizierten Organe in den Organbanken plophosischer Transplant-Kliniken untergebracht. Die Eigentümer der ZirkusRaumschiffe und ihre Mitarbeiter fungierten als Agenten der fremden Macht. Stuckey Folus und Thow Tanza, inzwi-
Kurt Mahr schen auf sich gestellt, nachdem »Ma« Nancy Chessare sich auf den Weg nach QuintoCenter gemacht hatte, um dort einige erbeutete Protoplasmakügelchen analysieren zu lassen, setzten sich auf die Spur der ZirkusRaumschiffe. Nach einem verwegenen Einsatz gelang es ihnen, sich an Bord der COMOTOOMO zu verbergen. Auf diese Weise gelangten sie nach Wagtmeron. Sie erkannten bald, daß sämtliche Bewohner dieser Welt von der fremden Macht infiziert waren. Die beiden blinden Passagiere wurden, sobald sie sich unter die Bevölkerung der Stadt Sverkon zu mischen versuchten, als Eindringlinge erkannt und angefeindet. Man jagte sie, fing sie ein und pflanzte ihnen eine Reihe von Protoplasmaeinschlüssen in die rechte Hand. Stuckey Folus erlag dem fremden Einfluß sofort und vollständig. Opa Tanza dagegen besaß von einem früheren Kontakt mit der Protoplasmasubstanz her ein gewisses Maß an Resistenz. In einem wachen Augenblick erkannte er die Größe der Gefahr und handelte ebenso resolut wie rabiat: Er schoß sich die rechte Hand ab. Als er aus der Bewußtlosigkeit erwachte, verarztete er Pa Folus auf dieselbe Weise. Die beiden Spezialisten flohen aus der Stadt und verbargen sich in den Bergen. Dort stießen sie auf die Cosmidos, die letzten unbeeinflußten Bewohner von Wagtmeron. Lediglich Kazinger Erfgo war einstmals mit Plasmakügelchen behandelt worden. Auch ihm waren die gefährlichen Einschlüsse in die Hand operiert worden. Erfgo jedoch besaß eine natürliche Immunität gegen die Einschlüsse. Sein Organismus kapselte sie ab und desaktivierte sie. Seitdem hatte Kazinger Erfgo auf dem Handrücken zwei beulenartige Anschwellungen. Mit Hilfe der Cosmidos gelang es Pa und Opa, in das andere der beiden auf dem Raumhafen stehenden Zirkusschiffe einzudringen und einen Hyperfunkspruch abzustrahlen. Für die beiden Spezialisten bestand kein Zweifel daran, daß Wagtmeron das Hauptquartier der fremden Macht war, wenn sie es bislang auch noch nicht vermocht hat-
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ten, die Macht selbst oder ihre Ziele zu identifizieren.
* Amlor Petrefa, Herr der ORBAG MANTEY, brummte mürrisch, als er das Summen des Kommunikationsmechanismus hörte. Er stand von seinem Arbeitstisch auf und trat vor einen kleinen Wandsafe, dessen Tür sich öffnete. Das Innere des Safes enthielt allerlei elektronisches Gerät und im Hintergrund ein Glassitgefäß, in dem in einer Nährflüssigkeit ein Fladen Protoplasma schwamm. Die Gallertmasse, sonst von unscheinbarem Hellgrau, leuchtete in grellem Orange und glitt mit ruckartigen Bewegungen durch die Flüssigkeit. Das war das Zeichen, daß »die Macht« mit der ORBAG MANTEY Verbindung aufnehmen wollte. Petrefa drückte die Empfangstaste. »Der Feind ist in unmittelbarer Nähe«, sagte eine klanglose, künstlich erzeugte Stimme. »Damit ist es uns vorläufig unmöglich gemacht, diese Welt zu verlassen. Man muß damit rechnen, daß der Feind auf Wagtmeron landet. Es gilt, wichtige Spuren zu beseitigen!« Der Gallertfladen hatte sich beruhigt. Er war wieder unscheinbar grau und schwebte träge in der Nährflüssigkeit. »Sie sprechen von dem Bergwerk?« erkundigte sich Petrefa. Das Stück Protoplasma erwachte zu kurzer Aktivität, als es die elektronischen Impulse in telepathische Signale verwandelte und abstrahlte. Nach wenigen Sekunden kam die Antwort: »Ich meine das Bergwerk und die Klinik.« Und während Amlor Petrefa erstaunt aufhorchte, fuhr sein unsichtbarer Gesprächspartner fort: »Ich weiß, daß Sie die Klinik nicht kennen. Sie befindet sich nordöstlich der Stadt in einem schwer zugänglichen Talkessel. Vom Standort Ihres Schiffes aus beträgt die Kursrichtung genau dreiundvierzig Grad, die Entfernung achtundfünfzig Kilometer. Sie verfügen über ausreichende
Mengen an chemischen und nuklearen Explosivstoffen, um die gesamte Klinik dem Erdboden gleichzumachen. Tun Sie das so rasch wie möglich, und melden Sie den Vollzug dieser Anordnung, sobald Sie hierher zurückgekehrt sind.« »So wird es geschehen«, antwortete Amlor Petrefa. Dann schloß er den Safe. Ein paar Minuten lang ging er unruhig in seinem mit barbarischer Pracht ausgestatteten Arbeitszimmer auf und ab. Er war kein großer Mann, dafür aber um so stämmiger gebaut. Er hatte einen Stiernacken, ein Gesicht mit groben faunischen Zügen und wulstige Lippen. Die Gedanken, die ihm jetzt durch den Kopf gingen, waren unfreundlicher Natur. Er hatte sich mit, »der Macht«, mit »dem Mächtigen, der alles vereint«, auf ein Geschäft eingelassen. Er war darauf eingegangen, weil ihm ein Profit angeboten wurde, den er mit seinem Zirkusunternehmen nicht machen konnte. Er hatte präparierte Androiden, die ihm bei jeder Landung auf Wagtmeron am Raumhafen zugeliefert wurden, nach Plophos gebracht, sie dort von seinen Leuten zerstückeln und die präparierten Organteile in Organbanken unterbringen lassen. Er hatte seinen Geschäftspartner nie zu Gesicht bekommen. Die Verbindung, die ursprünglich von einem präparierten Androiden aufgenommen worden war, wurde mit Hilfe des Gallertfladens unterhalten, der sich dort im Wandsafe befand. Monatelang hatten nicht nur Amlor Petrefa, sondern auch die Besitzer der beiden mit ihm verbündeten Zirkus-Raumschiffe, der COMOTOOMO und der TERKMAS, hohe Profite eingeheimst. Seit kurzem jedoch florierte das Geschäft nicht mehr. Die TERKMAS war vernichtet worden. Die ORBAG MANTEY war auf Plophos nur um Haaresbreite dem Zugriff der Behörden entgangen. Und jetzt, auf Wagtmeron, fühlte sich selbst »die Macht« nicht mehr sicher. Vor wenigen Tagen hatte sie sich an Bord der beiden verbleibenden Zirkus-Raumschiffe begeben und den Befehl gegeben, die Fahrzeuge zum
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Start vorzubereiten. Amlor Petrefa wußte noch immer nicht, was er sich unter der Macht vorzustellen hatte. Nur eines war ihm mittlerweile aufgegangen, menschlich war sie nicht. Amlor Petrefa trug sich ernsthaft mit dem Gedanken, die Geschäftsverbindung zu lösen, seinen bisherigen Partner auszuladen und auf eigene Faust die Flucht zu ergreifen. Denn bei dem Feind, von dem die Macht sprach, handelte es sich ohne Zweifel um die United Stars Organisation, eine Flotte von insgesamt 150 Einheiten, die von den Geräten der ORBAG MANTEY vor wenigen Stunden zum erstenmal geortet worden waren. Noch war es jedoch nicht an der Zeit, die endgültige Entscheidung zu treffen. Der Mächtige hatte recht: Die Zeugen seines Wirkens auf Wagtmeron mußten vernichtet werden, das Bergwerk, in dem der Mächtige sich bis vor kurzem aufgehalten hatte, und die Klinik, von deren Existenz Amlor Petrefa bislang zwar geahnt, die er aber noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Entschlossen drückte er auf den Rufknopf des Interkoms, und als einer seiner Sekretäre sich meldete, befahl er barsch: »Schafft mir Kinke Seiblad herbei!«
2. Ich bin der Mächtige, der alles vereint. In mir ruht die Macht, ich selbst bin die Macht. Um mich herum ist eine Welt, die mit sich selbst zerfallen ist. Es ist meine Pflicht, die Uneinigkeit zu vertilgen. Um mich herum sind Planeten, die von schwerfälligen, viergliedrigen Geschöpfen beherrscht werden, die sich Menschen nennen. Es ist meine Aufgabe, diese Welt von der Herrschaft der Menschen zu befreien und eine universelle Einheit herbeizuführen. Ich bin die Idealform des Lebens, und die Einheit wird durch mich und in mir erzeugt werden. Nach meinem Sieg wird es in der Welt nur noch Leben meiner Art geben, und ich werde der Inbegriff allen Lebens sein.
Ich bin uralt, und in meinem Bewußtsein lebt die Erfahrung von ungezählten Jahrtausenden. Ich bin die Verkörperung der Weisheit, und was mir widersteht, muß vernichtet werden. In mir ist das Wissen aller Völker vereint. Es gibt keine Macht in dieser Welt, die mir an Wissen gleichkommt. Ich habe existiert, bevor die Menschen in dieser Welt erschienen und ich werde noch da sein, wenn die Zeit sie längst verschluckt hat. Mir gebührt die Herrschaft über diese Welt, mir, dem Ewigen. Die Menschen sind störrisch und wehren sich gegen mich. Sie halten ihr erbärmliches, kurzes Leben für so wichtig, daß sie es nicht mit ansehen können, wie ich einige von ihnen für meine Zwecke gebrauche und sie vernichte, wenn sie ihre Funktion vollendet haben. Aus der Angst um ihr lächerliches Leben rührt die Feindschaft der Menschheit, nicht aus höheren Überlegungen wie zum Beispiel der, daß sie es seien, denen die Natur das Recht gegeben hat, die Welt zu beherrschen. Die Menschen sind kleinlich. Sie haben kein Empfinden für Größe. Ich bin ihnen unverständlich. Ich, der Mächtige brauche mich vor solchen Wesen nicht zu fürchten. Sie vermögen nichts gegen mich. Mein erster Angriff wird sie von dieser Welt hinwegfegen. Sie haben keine Waffen, mit denen sie mir etwas anhaben könnten. Ich habe sie in der Hand. Denn jetzt schon befindet sich meine Substanz in Hunderttausenden ihrer Körper, die ich kraft eines einzigen Gedankens vernichten könnte. Gerade die Angst der Menschen um ihr Leben aber bedeutet, daß ich mich vor den Menschen nicht zu fürchten brauche. Welche Berechtigung hat also das Gefühl der Furcht, das ich seit kurzem empfinde …?
* »He, sieh dir das an!« rief Opa und deutete durch das Fenster hinaus. Folus sah sofort, was er meinte. Auf der südlichen Ausfallstraße, die sie seit einer
Der Plasma-Mutant halben Stunde beobachteten, floß der Verkehr nur in einer einzigen Richtung, zum Raumhafen zu. Was Opa entdeckt hatte, war ein Fahrzeug, das dem allgemeinen Trend nicht folgte. Vom Raumhafen kommend, bewegte es sich in geringer Höhe, jedoch mit beachtlicher Geschwindigkeit auf nordöstlichem Kurs. Es handelte sich um einen Hochleistungsgleiter, der in knapp einhundert Metern Höhe mit einem Tempo von wenigstens 500 km/h dahinschoß. »Den müssen wir uns ansehen«, sagte Folus. Er wartete, bis das fremde Fahrzeug die Hälfte des Weges bis zum nordöstlichen Horizont zurückgelegt hatte, dann brachte er den Gleiter in Gang. Er war ein geschickter Pilot. In knapp dreißig Metern Höhe folgte er dem Fremden mit allem, was das Triebwerk hergeben wollte. Die Cosmidos hatten ihr Fahrzeug aus Gründen, die auf der Hand lagen, mit Tarnfärbung versehen. So nahe am Boden würde der Fremde, selbst wenn er rückwärts blickte, den Verfolger nicht ausmachen können. Folus und Tanza dagegen hatten keine Mühe, den Hochleistungsgleiter gegen den blauen, wolkenlosen Himmel im Auge zu behalten. Die Fahrt ging auf die Berge zu. Der Fremde zog sein Fahrzeug in die Höhe, und Stuckey Folus tat es ihm nach, wie das Gelände es erforderte. Die erste, die zweite Kette des Gebirges wurden auf diese Weise überwunden. Aber als Folus' Gleiter sich über den dritten Kamm hinwegschob, da war das fremde Fahrzeug auf einmal verschwunden. »Oh, verdammt!« fluchte Opa. Jenseits des Bergkamms dehnte sich eine dicht bewaldete Hochebene, die in südwestlicher Richtung langsam an Höhe verlor. Folus bemerkte eine Unregelmäßigkeit im Bewuchs der Ebene und lenkte den Gleiter, den er dabei dicht über den Baumwipfeln hielt, dorthin. Aus geringerer Entfernung wurde deutlich, daß sich dort ein Loch im Wald befand. In der Nähe des Loches ließ Folus das Fahrzeug schließlich zwischen den Bäumen
9 hinabsinken. Sie stiegen aus und näherten sich zu Fuß dem Gebilde, das sie zunächst noch für eine Lichtung halten mußten. Dieser Glaube wurde Opa fast zum Verhängnis. In seiner Ungeduld bewegte er sich ein wenig zu hastig und konnte sich gerade noch an den Zweigen eines Strauches festhalten, als er plötzlich den Boden unter den Füßen verlor. Stuckey Folus half ihm wieder auf die Beine. »Ein Mann in deinem Alter«, brummte er, »sollte besser Bescheid wissen, als wie ein Elefant durch den Wald zu trampeln.« »Hör auf mit meinem Alter!« zeterte Thow Tanza. »Sieh dir lieber an, was ich da gefunden habe!« Durch Opas Erfahrung gewarnt, kroch Stuckey Folus mit höchster Vorsicht bis an die Stelle, an der sein Gefährte um ein Haar abgestürzt war. Hinter einer Hecke hervorlugend, erspähte er einen weiten Talkessel, dessen Wände glatt und senkrecht in die Tiefe stürzten. Der Boden des Kessels hatte einen Durchmesser von etwa dreihundert Metern. Dort unten gab es eine Reihe von Bauten, darunter einen von bedeutendem Flächenumfang. Unmittelbar davor stand der Gleiter, den die beiden USO-Spezialisten bis vor wenigen Minuten verfolgt hatten. Der Eingang des großen Gebäudes öffnete sich, und ein Mensch kam daraus hervor. Folus setzte das Glas an die Augen, eines der wertvollsten Geräte, über die die Bande der Cosmidos verfügte. Als er den Mann erkannte, preßte er einen Fluch zwischen den Zähnen hindurch. »Wer ist es?« wollte Opa wissen. »Einer, der uns auf Plophos durch die Lappen gegangen ist«, antwortete Folus. »Ich habe ihn nie zu sehen bekommen; aber der Beschreibung nach muß er es sein. Einer der Leute, die an Bord der ORBAG MANTEY etwas zu sagen haben. Seiblatt oder so ähnlich heißt er.« Er sah den Mann in einem der Nebengebäude verschwinden und gleich darauf wieder zum Vorschein kommen. Er ging zum
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Gleiter, entnahm dem Fahrzeug ein umfangreiches Paket und begab sich damit zu einem anderen Nebengebäude. In jedem Bau hielt er sich nur wenige Augenblicke auf, und jedesmal, wenn er wieder zum Vorschein kam, schien seine Last ein wenig geringer geworden zu sein. Er setzte dieses Unterfangen fort, bis sich das Paket völlig aufgelöst hatte. Dann kehrte er endgültig zu dem Fahrzeug zurück. Wenig später öffnete sich die Tür des Hauptgebäudes ein zweites Mal, und ein weiterer Mann kam zum Vorschein. Stuckey Folus beäugte ihn sorgfältig, konnte ihn jedoch nicht identifizieren. Er war stämmig gebaut und hatte für Folus' Begriffe ein häßliches, aufgedunsenes Gesicht. Der Stämmige kletterte ebenfalls in den Gleiter. Nach wenigen Sekunden hob das Fahrzeug ab, kletterte rasch in die Höhe und verschwand kurze Zeit später über den südwestlichen Rand des Talkessels hinweg. Pa Folus setzte das Glas ab und erhob sich. »Jetzt möchte ich wissen, was es da unten zu sehen gibt«, knurrte er angriffslustig.
* Sie hatten nur ein paar Minuten gebraucht, um den Gleiter vollzuladen. Amlor Petrefa hielt sich nicht mit den klobigen chemischen Sprengmitteln auf. Er lud kleine aber hochwirksame Fissionskapseln jede mit einer Sprengwirkung von mehr als zehn Tonnen herkömmlichen Sprengstoffs und dennoch nicht größer als ein Kinderball. Kinke Seiblad, sein Faktotum und Vertrauter, half ihm mit dem Beladen. Ansonsten hätte Amlor Petrefa sich strikt geweigert, bei dieser Art von Arbeit selbst mit Hand anzulegen. Aber erstens war Eile geboten, und zweitens war dies ein Unternehmen, bei dem er andere nicht ins Vertrauen ziehen durfte. Während sie das Fahrzeug volluden, hatte Petrefa von seinen Absichten zu sprechen begonnen. »Das Geschäft lohnt sich nicht mehr«,
sagte er. »Ich denke, wir setzen uns bald von hier ab.« Seiblad, ein kleines, schmächtiges Männchen mit einem unverhältnismäßig großen, haarlosen Schädel hielt mitten in der Arbeit inne und sah seinen Herrn und Meister verblüfft an. »Einfach so?« fragte er. »Glauben Sie, das läßt Ihr Partner zu?« »Mein Partner!« prustete Petrefa. »Wer ist er? Ein Teil von ihm befindet sich hier an Bord. Er ist auf mich angewiesen.« »Und die USO?« Petrefa fuhr mit der Hand durch die Luft. Die Geste gab zu verstehen, daß er sich die Sache höchst einfach vorstellte. »Wir alle sind zu dieser Partnerschaft gezwungen worden. Wir wollten gar nicht mit der Macht zusammenarbeiten. Wir mußten. Was kann die USO uns da noch anhaben – besonders, da wir unseren Partner kurz vor dem Start ausgeladen und den Truppen der USO hinterlassen haben?« Kinke Seiblad hatte in seinem Herrn schon immer ein höherbegabtes Wesen gesehen, fast eine Art Halbgott. Jetzt jedoch begann er an Petrefas Weisheit zu zweifeln. Stellte der Mann sich die Geschichte nicht ein wenig zu einfach vor? Den seltsamen Behälter, den die ORBAG MANTEY vor einigen Tagen an Bord genommen hatte, einfach wieder ausladen? Aber Petrefa wußte seine Sorgen zu zerstreuen. »Du wirst sehen, wie einfach es ist. Die USO wird uns natürlich nicht einfach davonfliegen lassen. Ein paar Tage peinlichen Verhörs werden wir über uns ergehen lassen müssen. Aber anhaben können uns die Leute im Grunde genommen nichts. Besonders dann nicht, wenn wir auf Wagtmeron rechtzeitig alle Spuren beseitigt haben.« Kurze Zeit später brachen sie auf. Die Wegbeschreibung des Mächtigen war eindeutig und unmißverständlich. Sie überflogen die Straße, auf der sich ein unabsehbarer Menschenstrom auf den Raumhafen zubewegte.
Der Plasma-Mutant »Möchte wissen, was das zu bedeuten hat«, wunderte sich Kinke Seiblad, der das Steuer führte. »Eine Anordnung des Mächtigen, ohne Zweifel«, antwortete Amlor Petrefa sarkastisch. »Ich habe mir abgewöhnt, die Entschlüsse meines Geschäftspartners logisch zu durchleuchten.« Der Hochleistungsgleiter schoß schräg an der Stadt vorbei und kletterte in die Berge hinauf. Ohne Schwierigkeiten fand Seiblad den Talkessel, von dem der Mächtige gesprochen hatte. Er dirigierte das Fahrzeug auf den Boden des Kessels hinab und landete unmittelbar vor dem Haupteingang des größten Gebäudes. Insgesamt acht Gebäude erhoben sich auf dem Grund des Talkessels. Ihre Funktion war nicht unmittelbar offenkundig, jedoch war Amlor Petrefa sicher, daß es sich bei dem zwar nur einstöckigen, aber weitflächigen Hauptgebäude um die eigentliche Klinik handelte, in der die Androiden erzeugt worden waren. Er hatte die ganze Zeit über gewußt, daß es auf Wagtmeron eine solche Einrichtung geben müsse. Aber der Mächtige hatte sein Geheimnis sorgfältig gehütet. Der Eingang des Gebäudes öffnete sich ohne Zögern, als Kinke Seiblad darauf zutrat. Amlor Petrefa entnahm der Ladung des Wagens drei Sprengkörper, die er an geeigneten Stellen im Innern des Gebäudes zu deponieren gedachte. Eine Zeitlang durchstreiften die beiden Männer die weitläufigen Räume, in die der Bau aufgeteilt war, und bestaunten die Vielfalt der technischen Einrichtung. Die Klinik machte den Eindruck, als sei bis vor wenigen Stunden hier noch gearbeitet worden. Jetzt jedoch war alles menschenleer, und die Geräte und Maschinen standen still. »Fast ein Verbrechen, all das zu vernichten«, murmelte Kinke Seiblad ehrfürchtig. »Es muß sein«, antwortete Petrefa unnachgiebig. »Es darf keine Spur übrigbleiben.« Er schickte Seiblad, sich um die Nebengebäude zu kümmern. Dann plazierte er die
11 mitgebrachten Sprengkörper und stellte die Zündung ein. Mit einem letzten, bedauernden Blick auf die wertvolle Einrichtung, die Millionen von Solar gekostet haben mußte, nahm er Abschied von der Brutstätte der Androiden. Inzwischen hatte auch Seiblad seine Arbeit verrichtet. Er saß schon hinter dem Steuer des Gleiters. »Jetzt zum Bergwerk«, befahl Petrefa. Der Gleiter hob ab und schoß in südwestlicher Richtung davon.
* Stuckey Folus fühlte sich nicht sonderlich wohl, als er das alte Fahrzeug auf dem Boden des Talkessels aufsetzte. Er hätte gern gewußt, zu welchem Zweck oder mit welcher Absicht die beiden Männer hierhergekommen waren, deren Gleiter soeben über die Wipfel des Waldes verschwunden war. Er war ziemlich sicher, daß diese Anlage etwas mit dem Komplott zu tun hatte, dem er und Opa seit einigen Wochen auf der Spur waren. War es denkbar, daß der Gegner ein solches Gelände völlig unbewacht ließ? Mit schußbereiten Waffen kletterten die beiden USO-Spezialisten aus dem Fahrzeug, nachdem sie sich ein paar Minuten lang umgesehen und nichts Verdächtiges bemerkt hatten. Es ging mittlerweile auf Mittag. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte unbarmherzig in den Kessel herab. Die Luft schien zu flimmern. Bis auf das Zirpen einiger schläfriger Grillen war kein Geräusch zu vernehmen. Eine unheimliche Stille, fand Stuckey Folus. Sie traten auf den Eingang zu. Das breite Portal spaltete sich in zwei Hälften, die nach rechts und links auseinanderglitten. Aus dem Innern des Gebäudes schlug den beiden Männern kühle, trockene Luft entgegen. Die Klimaanlage war noch in Betrieb. Sie traten in einen breiten, hellerleuchteten Gang, der mitten durch das Gebäude bis zur rückwärtigen Wand führte. Rechts und links lagen Türen, die mit Aufschriften versehen waren. »Oho, hör dir das an!« rief Opa.
12 »Genkomposition.« Er drehte um und las die Aufschrift auf der gegenüberliegenden Tür. »Keimstation. Wonach hört sich das wohl an?« Stuckey Folus dachte an die Androiden, die an Bord der Zirkus-Raumschiffe nach Plophos gebracht und dort gevierteilt worden waren so, daß man die infizierten Körperteile in den Organbanken unterbringen konnte. Von irgendwoher mußten diese unglücklichen Geschöpfe gekommen sein. War diese Anlage hier die Quelle? Er öffnete die Tür, deren Aufschrift Genkomposition lautete, und trat in einen Raum, der eher an ein Rechenzentrum als an ein biochemisches Labor erinnerte. Es gab dort ein kleines Rechengerät und mehrere Trommelspeicher. Auf der einen Seite des Raumes waren Batterien von kleinen Metallschränken aufgebaut, die mit dem Rechner in Verbindung standen. Folus öffnete einen der Schränke und entdeckte einen flachen Glassitbehälter, in dem eine milchigtrübe Flüssigkeit schwamm. Hier war wenig für sie zu holen. Weder Pa noch Opa verstanden genug von der Aufzucht von Androiden, als daß sie an diesem Labor hätten erkennen können, ob sie die geheime Androidenquelle gefunden hatten oder nicht. An weiteren Türen lasen sie weitere nichtssagende Aufschriften wie KEIMPHASE, SELEKTION, NÄHRSTUFE und andere. Erst weiter im Hintergrund des Gebäudes begann die Sache interessant zu werden. »Aufzucht, Phase eins«, las Opa. »Und gleich daneben, Phase zwei!« Stuckey Folus öffnete die Tür. Sie führte in eine kleine Kammer, eine Lichtschleuse, deren innere Tür sich erst öffnen ließ, wenn die äußere geschlossen war. Keiner der beiden führte eine Lampe mit sich. Dennoch öffnete Folus die zweite Tür und sah vor sich, wie er erwartet hatte, undurchdringliche Finsternis. Der Raum war weitaus wärmer als alle anderen, die sie bis jetzt betreten hatten, und die Luft war mit Feuchtigkeit gesättigt.
Kurt Mahr »Na, und was jetzt?« fragte Opa herausfordernd. Folus kehrte in die Schleuse zurück. Er hinderte die innere Tür daran, sich zu schließen. Dann feuerte er eine Energiesalve gegen die äußere Tür, bis sich aus dieser ein Stück der Füllung löste. Jetzt drang vom Gang draußen Licht herein. Es war nicht viel, aber es reichte, um die beiden Männer erkennen zu lassen, welch entsetzlichen Inhalt dieser Raum barg. An den Wänden entlang waren auf Gestellen Hunderte von Glassittanks aufgestellt. Die Tanks waren zylinderförmig und hatten eine Höhe von mehr als einem Meter. Die Tanks waren durch Röhrenleitungen an ein Versorgungssystem angeschlossen und in jedem schwamm in gelblicher Nährlösung ein fast schon zum Menschen entwickelter Embryo. Stuckey Folus fühlte ein trockenes Würgen in der Kehle. Hier also wuchsen sie heran, die Produkte synthetischer, programmierter Keimzellen, die Ausgeburten einer kranken Phantasie. Es drängte ihn dazu, die Behälter von ihren Lagern zu reißen und auf dem Boden zu zerschmettern. Aber damit hätte er nur Unschuldige getroffen. Das keimende Leben in den grotesken Tanks trug keine Schuld. Die Schuldigen waren die, die diese Klinik eingerichtet hatten. »Pfui, wie abscheulich!« sagte Thow Tanza mit tiefer Inbrunst. Da klang aus der Dunkelheit eine Stimme, eine klanglose, monotone Stimme wie die eines mechanischen Sprechgeräts: »Alles geschieht, wie es soll!« Die beiden USO-Spezialisten wirbelten herum. Aus der Finsternis schälte sich eine Gestalt. Zuerst wurden Schädel und Hände sichtbar, die von unnatürlich blasser Haut überzogen wurden. Der Kopf war völlig haarlos, und die Augen des Unbekannten hatten einen eigenartig leeren Ausdruck. Der Mann trug einen grauen Arbeitskittel, und die Arme hingen ihm schlaff an den Seiten herab. Er war unbewaffnet. »Wer bist du?« herrschte Folus ihn an. »Ich bin Rapallo, der Aufseher.«
Der Plasma-Mutant Es war Folus klar, daß er einen Androiden vor sich hatte, ein Produkt dieser Anlage, dem man aufgetragen hatte, über die Maschinen und Geräte zu wachen. »Wem gehört diese Klinik?« wollte Folus wissen. »Dem Mächtigen, der alles vereint«, lautete die monotone Antwort. »Wo ist er?« »Er ist überall.« »Vorzüglich indoktriniert«, spottete Opa. Stuckey Folus wurde ungeduldig. »Es gibt Aufzeichnungen über das, was hier geschieht, nicht wahr?« drängte er. »Ein Büro. Unterlagen, Aktenschränke. Wo sind sie?« Rapallo schien zu wissen, was er meinte. »In meinem Arbeitsraum, am rückwärtigen Ende des Hauptganges.« »Führ uns dorthin!« befahl Folus. »Ich führe euch, obwohl das Projekt abgeschlossen ist«, sagte Rapallo ominös. Er öffnete die letzte Tür auf der linken Gangseite. Dahinter lag ein spartanisch eingerichteter Raum, der von hohen Metallschränken beherrscht wurde. Folus trat auf einen der Schränke zu. Rapallo machte keine Anstalten, ihn zu hindern, als er die Tür öffnete. Das Innere des Schranks war in Dutzende kleiner Fächer unterteilt, von denen jedes eine Lade enthielt, die mit Computerausdrucken vollgepfropft war. Folus zog einen der Ausdrucke hervor und musterte ihn. »Genau, was wir brauchen!« triumphierte er. »Diese Druckfolien besagen, wie viele Androiden hier innerhalb welchen Zeitraums hergestellt worden sind.« Opa Thow Tanza war im Augenblick nicht zu sehen. Er war unter den Schreibtisch getaucht, hinter dem Rapallo sonst wohl seinen Arbeiten als Aufseher nachging. »He, was ist das hier?« rief er erstaunt und tauchte wieder auf, ein rundes Gebilde von der Größe eines Tennisballs auf der flachen Hand haltend. Stuckey Folus fühlte, wie ihm das Blut in den Schläfen zu hämmern begann. »Eine
13 Sprengkapsel!« stieß er hervor.
3. An Bord der Einheiten des 23. Einsatzverbandes der United Stars Organisation herrschte allgemeines Rätselraten. Wer war der Absender des geheimnisvollen Notrufs von Wagtmeron, und warum meldete er sich nicht wieder? Atlan, Kommandeur der USO, hatte auf den Spruch, der nur verstümmelt aufgefangen wurde, sofort reagiert und den Verband, der im südlichen Randsektor des galaktischen Zentrums manövrierte, in das KargnickanSystem beordert. Er selbst hatte sich mit einem schnellen Kreuzer von Quinto-Center aus auf den Weg gemacht und war unterwegs zu dem Verband gestoßen. Er befand sich jetzt an Bord des Flaggschiffs GULLIVER. Der Arkonide war so gut wie sicher, daß es sich bei dem Absender des Funkspruchs um Stuckey Folus oder Thow Tanza handelte – womöglich sogar um beide –, die vor einigen Wochen von Plophos aufgebrochen waren, um Zirkus-Raumschiffe zu jagen, und von denen man bald danach jegliche Spur verloren hatte. Atlan maß dem Spruch höchste Bedeutung bei. Noch zu jung war die Erinnerung an die entsetzlichen Vorgänge, die sich im Innern von Quinto-Center abgespielt hatten, nachdem die von der Spezialistin Nancy Chessare von Plophos mitgebrachten Gallertkügelchen außer Kontrolle geraten waren. Atlan glaubte zu wissen, welches Ziel der Unbekannte verfolgte. Er hielt »den Mächtigen, der alles vereint« für gefährlich und empfand es als selbstverständlich, daß er an diesem Einsatz selbst teilnahm. Der 23. Einsatzverband stand mit seiner Spitze, zu der die GULLIVER gehörte, nur noch zwei Astronomische Einheiten oder knapp siebzehn Lichtminuten von Wagtmeron entfernt. Ohne Zweifel war der Verband von dem Planeten aus längst geortet worden. Atlan befand sich im Kommandostand der GULLIVER. Vor einer halben Stunde war
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eine Bildsonde ausgesandt worden, die über Sverkon, der einzigen Stadt der arkonidischen Siedlerwelt, einen synchronen Orbit bezogen hatte. Die ersten Ergebnisse, über Hyperfunk vermittelt, liefen soeben ein. »Auf dem Raumhafen Sverkon befinden sich zwei Zirkus-Raumschiffe«, wurde dem Arkoniden gemeldet. »Wahrscheinlich handelt es sich um die ORBAG MANTEY und die COMOTOOMO.« »Irgendeine Spur von dem Mann, der uns den geheimnisvollen Funkspruch zugeschickt hat?« erkundigte sich Atlan. »Keine, Sir«, wurde ihm mitgeteilt. »Wir funken seit Stunden auf sämtlichen USO-Frequenzen. Er rührt sich nicht. Dagegen geht aber im Umkreis etwas höchst Merkwürdiges vor sich.« »So …?« »Jawohl, Sir. Die Einwohner verlassen die Stadt und bewegen sich auf den Raumhafen zu. Dort spaltet sich der Zug in zwei Teile, von denen der eine einen Wall um die ORBAG MANTEY, der andere einen ebensolchen um die COMOTOOMO bildet.« »Einen Wall? Wie meinen Sie das?« »Die Leute postieren sich rings um die beiden Raumfahrzeuge herum, Lordadmiral. Als wollten sie den Zugang sperren.« Der Arkonide war noch dabei, sich in Gedanken einen Reim auf die merkwürdige Beobachtung zu machen, als aus dem Empfängerraum eine Ordonnanz mit deutlichen Anzeichen höchster Aufregung herbei sprintete. »Eine neue Meldung, Sir!« stieß der junge Mann hervor. »Fünfzig Kilometer nordöstlich von Sverkon wurde eine nukleare Explosion mittleren Kalibers beobachtet!«
* »Verschwinde!« knurrte Stuckey Folus böse, nachdem er seine Fassung wiedergefunden hatte. »Du und der Androide, raus mit euch!« »Nichts da, mein Junge!« krähte Opa. »Ich bin älter als du, und wenn hier schon einer sein Leben riskieren soll, dann …«
Folus trat an ihn heran und tat, was er noch nie getan hatte, seit er Thow Tanza kannte. Er packte ihn am Kragen und zog ihn so hart zu sich heran, daß Opa auf die Fußzehen zu stehen kam. »Kein Wort mehr!« zischte er ihn an. »Raus!« Opa sah ein, daß er hier nichts ausrichten konnte. Er packte Rapallo am Arm und zog ihn mit sich durch die offene Tür. Stuckey Folus stürzte sich auf die Schränke. Er hatte keine Zeit, ihren Inhalt zu mustern. Er stopfte sich in die Taschen, was hineinpaßte. Der gefährliche Sprengkörper lag auf dem Schreibtisch. Niemand wußte, auf welche Zeit er eingestellt war. Folus wußte plötzlich, was die beiden Männer hier zu suchen gehabt hatten. Sie wollten die Spuren verwischen. Die Klinik sollte gesprengt werden, damit niemand jemals erfuhr, was sich hier abgespielt hatte. Ohne Zweifel gab es in diesem Gebäude und den anderen noch weitere Sprengkörper. Es hätte wenig Zweck gehabt, diesen einen, der dort auf der Platte des Schreibtischs lag, zu entfernen oder zu entschärfen. Als er sich die Taschen vollgestopft hatte, stürmte Folus hinaus auf den Gang und rannte in Richtung der Tür. Seitdem er Opa und den Androiden fortgeschickt hatte, waren kaum drei Minuten vergangen. Opa hatte anscheinend seinem Rat gehorcht. Aber der Androide stand mitten im Gang in der Nähe der Tür und rührte sich nicht. »Was suchst du noch hier?« herrschte Folus ihn an. »Das Gebäude geht in die Luft. Sieh zu, daß du verschwindest!« Rapallo zuckte mit keinem Muskel. »Ich arbeite hier. Mein Platz ist hier«, wies er den Befehl zurück. »Du sagtest, das Projekt sei abgeschlossen«, ereiferte sich Folus. »Was hast du dann noch hier verloren?« Die Tür öffnete sich. Opas kurze stämmige Gestalt wurde sichtbar. »Man hat mich nicht abgelöst«, antwortete der Androide steinern. »Du meine Güte, was quatschst du da her-
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um?« jammerte Opa. »Komm, Mensch, sonst fliegen dir hier die Fetzen um die Ohren.« Folus wandte sich ab. Opa hatte recht. Die Explosion konnte jeden Augenblick stattfinden. »Bring dich in Sicherheit!« rief er dem Androiden noch einmal zu. Dann sprang er durch die offene Tür. Wenige Sekunden später saß er hinter dem Steuer des Gleiters. Mit aufheulendem Motor schoß das Fahrzeug davon. Folus riß es scharf in die Höhe und setzte über den südlichen Rand des Talkessels hinweg. Unwillkürlich atmete er auf. Sie waren in Sicherheit. Die Explosion konnte ihnen nichts mehr anhaben. Wenige Minuten später begann unter dem langsam dahinfliegenden Gleiter der Boden zu zittern. Im Talkessel schien sich ein Vulkan aufzutun. Eine riesige Wolke aus Dampf, Qualm und Schmutz schoß aus dem Tal hervor in die Höhe. Eine Woge brüllenden Donners rollte über das Land, und aufgewirbelte Luftmassen brachten das Fahrzeug zum Schaukeln. Folus sah Opa fragend an. »Ob er sich in Sicherheit gebracht hat?« fragte er unsicher. Opa schüttelte traurig den Kopf. »Der nicht«, brummte er. »Der war zu stur!« Folus änderte den Kurs und hielt nach Westen. »Wohin jetzt?« fragte Opa verwundert. »Ich habe nachgedacht«, antwortete Folus. »Die zwei Kerle sind dabei, ihre Spuren zu verwischen. Mit der Klinik fingen sie an. Als nächstes müßte das Bergwerk an der Reihe sein. Vielleicht erwischen wir sie noch!«
* Kinke Seiblad bugsierte den Gleiter geschickt in den Hauptstollen des Bergwerks hinein. Die Buglampe flammte auf und sandte einen grellweißen Lichtkegel den
Stollen hinab. Seiblad fuhr bis zu einer Stelle, an der sich aus mehreren einander kreuzenden Gängen ein kleiner Platz gebildet hatte, und wendete das Fahrzeug, bevor er es absetzte. Auch von der Existenz des Bergwerks hatte Amlor Petrefa erst vor kurzer Zeit erfahren, als der Mächtige ihm den Auftrag gab, ihn an Bord seines Raumschiffs zu nehmen. Petrefa wußte nicht, was sich früher in diesen Schächten und Stollen abgespielt hatte; aber er war sicher, daß das Bergwerk das eigentliche Hauptquartier des Mächtigen bildete. Hier hatte er selbst gehaust, ein unwirkliches Wesen. Hier waren die Fäden der weltweiten Verschwörung zusammengelaufen, von deren Absichten und Motiven selbst Amlor Petrefa, der engste freiwillige Mitarbeiter des Mächtigen nur eine verschwommene Vorstellung hatte. Das Bergwerk war ihm unheimlich. Während er sich durch die schweigenden Stollen bewegte, um hier und da einen Sprengkörper zu deponieren, leuchtete er mit der Handlampe ständig hinter, vor und über sich, als fürchte er, daß sich aus dem Nichts ein fremdartiges Wesen auf ihn stürzen werde. Als er seine Arbeit beendet hatte, stand ihm der Schweiß auf der Stirn, obwohl es im Innern des alten Bergwerks kühl war. Zu allem Überfluß mußte er noch ein paar Minuten auf Seiblad warten, der mehr zu tun hatte als er. Besorgt musterte er das Chronometer. Die Zündung der Fissionskapseln war auf eine Stunde Laufzeit eingestellt. Zwanzig Minuten davon waren schon abgelaufen. Schließlich zeigte sich im Hintergrund eines der Stollen matter, schwankender Lichtschein. Das mußte Seiblad sein. Amlor Petrefa schwang sich in den Gleiter und machte es sich im Beifahrersitz bequem. Erst als er bemerkte, daß das Licht der Lampe plötzlich verschwunden war, wurde er mißtrauisch. Er schaltete den Bugscheinwerfer ein, aber in dessen grellem Lichtkegel sah er weiter nichts als kahle, schweigende Felswände. Er beugte sich zum offenen Luk hin-
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aus und rief: »He, Seiblad! Wo bleibst du?« Da sagte neben ihm eine halblaute Stimme: »Der kommt vorläufig nicht. Er ist abgehalten.« Entsetzt wirbelte Amlor Petrefa herum. Aus schreckgeweiteten Augen starrte er in das hagere Gesicht eines jüngeren Mannes, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Über die Art seiner Absichten bestand kein Zweifel. Die dunkle Mündung eines handlichen Strahlers war genau auf Petrefas Stirn gerichtet.
* »Sie werden so weit wie möglich in das Bergwerk hineingefahren sein«, mutmaßte Opa. Sie beide kannten die alte Mine von ihrem Besuch vor wenigen Tagen her, bei dem sie jeden einzelnen Stollen nach Spuren abgesucht hatten, die ihnen darüber Auskunft geben sollten, was hier vor sich gegangen war. Sie hatten keine Spuren gefunden, sich jedoch eine genaue Ortskenntnis angeeignet. Es gab eine Stelle, an der der Hauptstollen sich mit mehreren Quergängen kreuzte. Dort gab es einen kleinen, runden Platz, wie geeignet zum Parken und Wenden eines Gleiters. Es bestand kaum ein Zweifel daran, daß das Fahrzeug der beiden Männer von der ORBAG MANTEY dort abgestellt war. Folus verbarg den eigenen Gleiter in einem Gestrüpp unweit des Stolleneingangs. Dann drangen sie zu Fuß in das Bergwerk vor. Die Finsternis machte ihnen wenig aus. Sie kannten sich hier aus. Schon nach wenigen Minuten erwies sich, daß sie richtig vermutet hatten: Vor ihnen tauchten die Positionslampen eines Gleiters auf. Sie beobachteten einen kleinen Mann – denselben, den Stuckey Folus schon im Talkessel gesehen und erkannt hatte –, der sich an dem Gleiter zu schaffen machte. Wie im Talkessel belud er sich mit einem Paket und verschwand in einem der Seitenstollen. Sonst war niemand
zu sehen. Das zweite Mitglied der Gruppe war wahrscheinlich schon irgendwo damit beschäftigt, Sprengkörper zu deponieren. Folus und Tanza nahmen die Gelegenheit wahr. Unbemerkt schlichen sie hinter dem Kleinen drein. Infolge der Last, die er zu tragen hatte, bewegte er sich nur langsam. Sie hatten ihn bald eingeholt. Kinke Seiblad ließ vor Entsetzen den Rest seines Pakets fallen, als er plötzlich in die Mündung von zwei Blastern blickte. »Keinen Laut!« befahl Folus. »Auf welche Zeit ist die Zündung eingestellt?« »Eieine Stunde«, stotterte Seiblad. »Wer ist der andere?« »Amlor Petrefa«, stieß der Kleine hervor. »Wer ist das?« »Der Eigentümer der ORBAG MANTEY.« »Ihr habt das Zeug an Bord genommen, das bis vor kurzem hier lagerte?« Kinke Seiblad nickte hastig. »Wir und die COMOTOOMO.« Opa erhielt die Aufgabe, den Gefangenen zu bewachen. Stuckey Folus nahm sich eine von Seiblads beiden Lampen und kehrte zur Stollenkreuzung zurück. Er nahm an, daß Petrefa seine Sprengkörper inzwischen abgeladen und sich auf den Rückweg zum Gleiter gemacht hatte. Wenn er die Lampe sah, würde er annehmen müssen, daß es Seiblad war, der da den Stollen entlanggeschlendert kam. Wenigstens eine Zeitlang. Folus mußte sich hüten, so nahe heranzukommen, daß Petrefa seine Gestalt erkennen konnte, denn er war um ein gutes Stück größer als Seiblad. In der Nähe der Kreuzung löschte er die Lampe. Dann huschte er auf den kleinen Platz hinaus und schlich sich von der Seite her an den Gleiter heran. Petrefa befand sich schon im Innern des Fahrzeugs. Er hatte plötzlich Verdacht geschöpft und schaltete den Bugscheinwerfer ein. Dabei beugte er sich nach rechts aus dem Gleiter heraus und schrie Seiblads Namen. Das war der geeignete Augenblick für Stuckey Folus, auf der Fahrerseite geräuschlos in das Fahrzeug zu
Der Plasma-Mutant steigen. Als er Petrefa ansprach, fuhr dieser entsetzt herum. »Was … was wollen Sie hier?« stammelte er, nachdem er die drohende Blastermündung zur Kenntnis genommen hatte. »Verhindern, daß dieses Bergwerk ebenso vernichtet wird wie die Androiden-Klinik«, antwortete Folus hart. »Ich meine, es sollte der Nachwelt erhalten bleiben.« Er sah die Waffe, die Petrefa trug, und zog sie ihm aus dem Gürtel. »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, stieß Petrefa hervor. »Sie wissen es ganz genau. Sie gehen jetzt denselben Weg zurück, den Sie gekommen sind, und sammeln alle Sprengkörper wieder ein, die Sie eben deponiert haben.« »Aber … sie werden explodieren!« jammerte Petrefa. »Nicht, wenn Sie sie entschärfen«, konterte Folus. Petrefa sah schließlich ein, daß hier alles Jammern und Klagen nicht helfen würde, und machte sich auf den Weg. Stuckey Folus sah ihn in einem der Stollen verschwinden durch den, wie er wußte, kein Weg hinaus ins Freie führte. Er machte sich keine Sorgen um den Mann. Er würde zurückkehren, und zwar mit entschärften Kapseln. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Denn um zu fliehen, hätte er sich an Folus vorbeischleichen müssen, und Pa Folus hatte die Augen offen. Er rechnete damit, durch Petrefas Vermittlung Einblick in Zusammenhänge zu gewinnen, die er bislang noch nicht durchschaute. Er würde Petrefa zwingen, ihn und Opa mit an Bord der ORBAG MANTEY zu nehmen, so daß sie die merkwürdige Ladung, die das Schiff vor kurzem aufgenommen hatte, inspizieren konnte. Außerdem würde er die Gelegenheit benützen, sich mit Quinto-Center in Verbindung zu setzen. Sein erster Hyperfunkspruch war anscheinend nicht empfangen worden. Fünfzehn Minuten vergingen dann kehrte Petrefa zurück. Er schleppte einen Arm voller tennisballgroßer Gebilde. Schweiß stand
17 ihm auf der Stirn, die Angst leuchtete ihm aus den Augen. »Entschärft?« wollte Folus wissen. »Ganz und gar«, stieß Petrefa hervor und entlud seine Last ins Innere des Fahrzeugs. Folus befahl ihm einzusteigen. Er selbst kletterte aus dem Gleiter. Draußen hatte er größere Bewegungsfreiheit und konnte den Gefangenen trotzdem im Auge behalten. Er rechnete in jedem Augenblick mit dem Auftauchen Opas und Seiblads. Er fuhr überrascht herum, als er aus einem der Seitenstollen plötzlich Opas aufgeregte Stimme hörte. »Paß auf!« hörte er Thow Tanza schreien. »Der Kerl ist mir durchgegangen!« Nur eine Sekunde lang war Stuckey Folus über die unerwartete Entwicklung verblüfft. Aber gerade diese Sekunde gab dem Gegner den entscheidenden Vorteil. Folus spürte, wie unter dem Gleiter hervor eine Hand nach seinem Fußgelenk griff. Er versuchte auszuweichen; aber gerade durch seine hastige Bewegung gab er dem Angreifer die Möglichkeit, fester zuzupacken. Er stürzte vornüber und schlug schwer zu Boden. Halb benommen, sah er unter dem Gleiter hervor eine kleine Gestalt auftauchen. »Seiblad!« schoß es ihm durch den Kopf. Im nächsten Augenblick erhielt er einen Schlag auf den Schädel, der sein mitgenommenes Bewußtsein vollends auslöschte.
* Nach kurzer Überlegung hatte der Arkonide beschlossen, daß der 23. Einsatzverband einen engen Ring um die Siedlerwelt Wagtmeron schließen solle. Ziel dieses Unternehmens war, jeglichen Fluchtversuch der auf dem Planeten eingeschlossenen Agenten der fremden Macht zu vereiteln. Schon seit geraumer Zeit wurden die Ausflugkorridore von Wagtmeron aus der Ferne überwacht, daß niemand mehr vom Raumhafen Sverkon hätte unbemerkt entkommen können. Jetzt jedoch wollte Atlan dem Gegner zeigen, daß er nicht einmal mehr den Versuch einer
18 Flucht zu dulden gewillt war. Sobald das Umzingelungsmanöver abgeschlossen war, verließ das Flaggschiff GULLIVER den Verband, der sich in Höhen zwischen zehn und dreißigtausend Kilometern bewegte, und stieß bis auf achthundert Kilometer auf die Oberfläche von Wagtmeron hinab. Dort glich sie ihre Flugbewegung der Eigendrehung des Planeten an und schleuste eine Korvette aus, die sich aus nächster Nähe über den Stand der Dinge auf dem Raumhafen Sverkon informieren sollte. Atlan verfolgte den Verlauf der Dinge vom Kommandostand der GULLIVER aus. Der Auftrag, den die Korvette übernommen hatte, war nicht ungefährlich. Die beiden Zirkus-Raumschiffe waren, um der Gefährdung durch interstellare Piraten begegnen zu können, kräftig bewaffnet. Überdies mochte es sein, daß der unbekannte Gegner Stadt und Hafen Sverkon befestigt hatte. Der Kommandant der Korvette war angewiesen, mit größter Vorsicht zu manövrieren und beim geringsten Anzeichen von Gefahr die Schutzschirme anzufahren. Das Bild, das die Kameras der Korvette erfaßten, wurde auf die Panoramagalerie im Kommandostand der GULLIVER projiziert. Aus zwei Kilometern Höhe waren ohne Mühe die beiden Zirkus-Raumschiffe zu erkennen, die auf langen, schlanken Rümpfen bis zu elfhundert Metern Höhe aufragten. Um den Fuß der beiden Fahrzeuge hatten sich riesige Menschenmassen angesammelt. Sie hatten sich auf dem Landefeld gelagert, als sei es ihre Aufgabe, den Zugang zu den zwei Raumriesen zu versperren. Nachdenklich betrachtete der Arkonide das merkwürdige Bild, als eine Ordonnanz auf ihn zutrat. »Ein Funkspruch, Sir«, erklärte der junge Unteroffizier und reichte dem Lordadmiral ein Stück Druckfolie. Atlan warf einen kurzen Blick darauf und sah überrascht auf. »Wie wurde das empfangen?« »Über herkömmlichen Funk, Sir«, antwortete die Ordonnanz. »Auf einer unserer
Kurt Mahr Frequenzen.« Atlan las den kurzen Text ein zweites Mal durch. Dann stand er auf. »Funken Sie zurück«, befahl er der Ordonnanz, »daß ich so rasch wie möglich einen umfassenden Bericht erwarte!«
4. Heftiges Rütteln brachte Stuckey Folus wieder zu sich. Er öffnete die Augen und nahm zur Kenntnis, daß er sich in völliger Finsternis befand. Irgend jemand hatte ihn unter den Armen gepackt, und zwar mit einem Griff, der heftig schmerzte, und schleifte ihn über unebenes Gelände. Das war das Rütteln, das er spürte. In geringer Entfernung hörte er heftiges Keuchen. »He, laß los!« protestierte er. »Du reißt mir die Arme aus dem Leib!« Die Aufforderung wurde prompt befolgt. Der Griff unter Folus' Armen lockerte sich, und Pa Folus fiel vollends zu Boden. Er schlug mit dem Hinterkopf auf und ein paar Augenblicke lang sah er nichts als bunte Sterne. »Du hättest getrost auch schon ein bißchen früher zu dir kommen können«, hörte er Opas nörgelnde Stimme durch das Dröhnen in seinem Schädel. »Du bist nämlich nicht besonders leicht, weißt du das?« Stöhnend und fluchend richtete Stuckey Folus sich auf. »Was … was ist los?« quetschte er mühsam hervor. »Dein Freund Seiblad oder wie er heißt, gab dir eins über die Rübe«, antwortete Opa Tanza bereitwillig. »Vielleicht hätte er dich auch abgemurkst, aber ich war ihm zu dicht auf den Fersen. Da blieb ihm nichts anderes übrig, als den Gleiter zu starten und abzufahren.« »Und dann …?« »Dann kam ich. Ich war ziemlich sicher, daß Seiblad alle seine Bomben entschärft hatte; aber ich wußte nicht, was aus deiner Seite des Unternehmens geworden war. Deswegen dachte ich mir, ich sollte uns beide so
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rasch wie möglich aus dieser ungesunden Umgebung hinausbefördern. Vielleicht hätte ich es nicht geschafft, denn du bist verdammt schwer. Aber jetzt bist du ja wieder bei dir, und uns bleiben noch etwa sieben Minuten, uns aus dem Staub zu machen.« Stuckey Folus' Erinnerung kehrte zurück. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, sagte er matt. »Auch Petrefa hat seine Kapseln entschärft, und zwar so, daß sie von jetzt an unbrauchbar sind. Das Bergwerk wird nicht in die Luft gehen. Trotzdem möchte ich so schnell wie möglich ins Freie. Ich glaube, mir … wird übel!« Mit der Lampe, die sie von Kinke Seiblad erbeutet hatten, leuchtete Opa Tanza voraus. Stolpernd gelangte Stuckey Folus ins Freie. Die frische Luft schien ihn zu beleben. Er sah sich nach dem Gleiter um und fand ihn unversehrt. »Wie ist das eigentlich passiert?« fragte er. »Wie ist was passiert?« knurrte Opa. »Daß dir Seiblad durch die Lappen ging.« »He, was …?« Opa hielt die Hand ans Ohr und jammerte: »Du weißt, ich höre in letzter Zeit nicht mehr so gut.« Folus winkte ab. Er konnte es sich leisten, Opa die Verlegenheit zu ersparen. Es spielte keine Rolle mehr, wie Seiblad ihm entkommen war. Sie stiegen in den Gleiter. Folus brachte das Fahrzeug auf eine Höhe von zweihundert Metern. Dort wartete er. Als die Stunde vorüber war, nach der die Sprengkapseln hätten explodieren sollen, ohne daß sich am Ausgang des Stollens das geringste Anzeichen einer Explosion bemerkbar gemacht hätte, war er sicher, daß Petrefa und Seiblad tatsächlich alle Sprengladungen entschärft hatten. Der Gleiter ging auf Fahrt. »Wohin jetzt?« erkundigte sich Opa. »Zum Raumhafen«, antwortete Folus knapp. »Vielleicht erwischen wir die beiden doch noch!«
*
Sie näherten sich dem weiten Landefeld von dorther, von wo man sie am wenigstens erwartete, von Süden. Stuckey Folus war in großem Bogen um den Raumhafen herumgeflogen, um sich diesen taktischen Vorteil zu verschaffen. Er suchte das Feld nach einer Spur des Gleiters ab, in dem Petrefa und Seiblad flogen. Bald jedoch wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt. Er sah, was aus den Leuten geworden war, die früher am Tage Sverkon in breitem Strom verlassen hatten. Sie hatten inzwischen den Raumhafen erreicht und sich in zwei dichten Gürteln um die beiden ZirkusRaumschiffe ORBAG MANTEY und COMOTOOMO gelagert. Die Menge machte einen apathischen Eindruck. Die Menschen hockten da und starrten vor sich hin. Sie sprachen nicht miteinander und schienen auf etwas zu warten. Trotz der Apathie wirkten sie feindselig und bedrohlich. »Sieht beinahe so aus, als wollten sie die beiden Raumschiffe beschützen«, meinte Opa, nachdem er die eigenartige Szene eine Zeitlang gemustert hatte. »Jemand den Zugang verwehren«, mutmaßte Stuckey Folus. »Sie bewachen die Fracht der beiden Fahrzeuge.« Von Petrefa und Seiblad war nirgendwo eine Spur zu sehen. Die Menge hatte sie anscheinend anstandslos passieren lassen. Sie waren längst im Innern der ORBAG MANTEY verschwunden. Folus setzte den Gleiter am Rand des Landefeldes ab. Aufmerksam beobachtete er die riesigen Menschenmengen am Fuß der beiden Zirkus-Raumschiffe. Plötzlich huschte ein riesiger Schatten über die weite Fläche. Der Vorgang spielte sich so schnell ab, daß Folus nicht wußte, ob er seinen Augen trauen sollte. Er sah auf und gewahrte zu seiner Überraschung in geringer Höhe ein kugelförmiges Raumschiff. Es trieb mit mäßiger Geschwindigkeit dahin und beschrieb einen weiten Kreis, als habe es die Aufgabe, den Raumhafen zu beobachten. Stuckey Folus konnte keinerlei Markierungen erkennen. Aber er war nahezu sicher, daß es sich um ein USO-Fahrzeug handelte.
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Das konnte nur bedeuten, daß der Hyperfunkspruch doch empfangen worden war. Er machte Thow Tanza auf seine Beobachtung aufmerksam. »Jetzt brauchten wir ein Funkgerät!« stieß Opa hervor. Der Gleiter setzte sich in Bewegung. Er glitt am Rand des Landefelds entlang und nahm Kurs nach Norden, auf die Stadt zu. Stuckey Folus hatte eine Idee, wo ein Funkgerät zu finden sein müsse.
* Der Anblick, der sich ihm beim Anflug auf den Raumhafen bot, flößte Amlor Petrefa Schrecken ein. Vor zwei Stunden, beim Aufbruch, waren die Bewohner der Stadt Sverkon noch unterwegs gewesen. Inzwischen hatten sie ihr Ziel erreicht und lagerten in Form zweier riesiger Menschentrauben rund um den Fuß der beiden ZirkusRaumschiffe. Ohne Zweifel war die Maßnahme von dem Mächtigen angeordnet worden. Er konnte nur dem Zweck dienen, den Zugang zu den beiden Fahrzeugen zu versperren. Petrefa wußte nicht, ob die Sperrung auch für ihn galt. Er machte sich nicht die Mühe, darüber Klarheit zu erhalten. In knapp neunhundert Metern Höhe ließ er Kinke Seiblad den Gleiter in einen der Hangars steuern, die in der Äquatorebene der riesigen Kommandokugel des komplexen Raumschiffes lagen. Von den Verfolgern war bislang nichts zu sehen gewesen. Petrefa wußte jedoch, daß die beiden von Kinke Seiblad seinen Namen und auch seine Funktion erfahren hatten. Über kurz oder lang würden sie hier am Raumhafen auftauchen, um nach ihm zu suchen. Er eilte, von Seiblad begleitet, zu seinem Arbeitszimmer. Auf den großen Bildschirm, der die Stelle eines Fensters vertrat, projizierte er eine Rundsicht des Hafengeländes. Während er noch nachdenklich auf die Menschenmassen starrte, die sich um den Fuß der beiden Raumschiffe gelagert hatten, erschien am Südrand des Landefel-
des ein winziges Fahrzeug. Petrefa schaltete auf Ausschnittsvergrößerung; aber sosehr sich das Gerät auch anstrengte, die Gesichter der beiden Insassen des Gleiters blieben verwaschen und unscharf. Trotzdem zweifelte Petrefa nicht daran, daß es sich um die zwei Männer handelte, mit denen er und Seiblad im Bergwerk zusammengestoßen waren. Sie hatten keine Zeit verloren, sondern waren ihm auf den Fersen gefolgt. Petrefa war zornig. Er hatte den Mann, von dem er überrascht und der dann von Seiblad hinterrücks niedergeschlagen worden war, töten wollen. Aber er hatte keine Waffe in der Hand. Er hätte sie dem Bewußtlosen erst abnehmen müssen, und Kinke Seiblad drängte zur Eile, weil das andere Mitglied der Gruppe, ein älterer Mann, dicht hinter ihm her war. »Sieh dir das an!« sagte er zu dem Kleinen und tippte auf die Stelle des Bildschirms, an der der Gleiter zu sehen war. »Die Klinik haben wir vernichtet, und das Bergwerk werden wir bei anderer Gelegenheit schaffen. Aber da sind immer noch diese beiden, die wissen, daß wir nicht so unschuldig sind, wie wir der USO gerne weismachen möchten. Auch sie sind eine Spur, die ausgelöscht werden muß.« Kinke Seiblad fixierte das Fahrzeug in der Ausschnittvergrößerung und prägte sich seine Merkmale ein. Er verstand Amlor Petrefas Aufforderung, auch ohne daß sie deutlicher formuliert wurde. »Ich hole mir ein paar Leute und erledige die Sache«, bot er an. »Tu das«, empfahl Petrefa. Er starrte wie gebannt auf den Bildschirm. Kinke Seiblad entfernte sich fast geräuschlos. Nach einigen Minuten sah Petrefa den Gleiter abheben und am Rande des Raumhafens entlangschweben. Er wurde rasch schneller und ging schließlich auf Nordkurs. Seiblad würde sich beeilen müssen, wenn er ihn nicht aus den Augen verlieren wollte. Petrefa trat zu seinem Arbeitstisch. Auch hier gab es Spuren zu beseitigen. Aufzeichnungen über die Zahl der Androiden zum
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Beispiel, die im Laufe der Monate von Wagtmeron nach Plophos gebracht worden waren. Er mußte sie vernichten, bevor er sich auf Gedeih und Verderb nur mit einer halbwegs plausiblen Lüge ausgestattet, der USO in die Arme warf. Durch Knopfdruck öffnete er eine der Laden des Tisches. Die Lade schnellte hervor. Ungläubig, voller Entsetzen starrte Petrefa sie an. Sie war leer. Seine Unterlagen waren verschwunden. Dabei wußte nur er allein, wo sie sich befanden. Als er sich von dem Schock erholt hatte, durchsuchte er in aller Hast auch die übrigen Behältnisse des Arbeitstisches. Es waren noch weitere Dinge abhanden gekommen, einige davon ebenso kritisch wie die Unterlagen über den Androidentransport. Amlor Petrefa war bleich geworden.
* Die Stadt war wie ausgestorben. Die Straßen lagen leer, und hinter den Fenstern der Wohnungen, Büros und Geschäfte zeigte sich keine Bewegung. Nur ein paar Haustiere waren noch übriggeblieben, Samliks, die wie eine Kreuzung aus Hund und Gürteltier aussahen. Der alte Gleiter schwebte gemächlich eine breite Geschäftsstraße entlang, auf deren beiden Seiten sich Kaufhaus an Kaufhaus reihte. Die Suche nach einem geeigneten Sendegerät erwies sich als schwieriger, als Folus und Tanza sich gedacht hatten. Die Geschäfte waren offen. Man hatte versäumt, die Türen zu verriegeln. Aber es schien, daß in Sverkon an tragbaren Funkgeräten kein großer Bedarf bestand. Erst im vierten Kaufhaus fand Stuckey Folus ein brauchbares Gerät. Er setzte es sofort in Tätigkeit und schaltete auf eine der USO-Frequenzen. Er meldete sich mit seinem Kodenamen: »Hier Weißer Adler, Weißer Adler. An alle USO-Einheiten innerhalb der Reichweite dieses Senders. Bitte melden Sie sich!« Er mußte den Ruf ein paarmal wiederholen und wollte den Versuch schon enttäuscht
aufgeben, da endlich knackte es im Empfänger, und eine laute, klare Stimme sagte: »Hier Blaue Flagge, Blaue Flagge. Weißer Adler, wir haben lange nichts mehr von Ihnen gehört. Wo stecken Sie?« Opa machte vor Begeisterung einen Luftsprung. Blaue Flagge war die Tarnbezeichnung für das Flaggschiff der USO-Flotte oder ein beliebiges anderes Fahrzeug, das den Lordadmiral und Kommandeur der United Stars Organisation an Bord hatte. »Auf der Oberfläche von Wagtmeron, Blaue Flagge«, antwortete Folus. »Wir hängen seit ein paar Wochen hier fest und haben eine Menge wichtiger Beobachtungen gemacht, die wir gerne an den Mann bringen möchten. Haben Sie meinen Hyperspruch empfangen?« »Deswegen sind wir hier, Junge«, antwortete die Stimme am anderen Ende fröhlich. »Der ganze dreiundzwanzigste Einsatzverband und der Lordadmiral persönlich.« Nach einer kurzen Pause wurde hinzugefügt: »Man hat dem Lordadmiral von Ihrer Funknachricht berichtet. Er fordert Sie auf, Ihre Beobachtungen auf Wagtmeron unverzüglich mitzuteilen. Sind Sie bereit, Weißer Adler?« »Geben Sie mir ein paar Minuten Zeit, Blaue Flagge«, bat Folus. »Ich stehe mitten in einem Warenhaus und fühle mich hier nicht besonders sicher.« »Einverstanden, Weißer Adler«, kam nach kurzer Überlegung die Antwort vom Flaggschiff. »Wir erwarten zweiten Kontakt, sobald Sie sich auf sicherem Gelände befinden.« Stuckey Folus und Thow Tanza kehrten zu ihrem Gleiter zurück, den sie auf der Straße vor dem Kaufhaus geparkt hatten. Kurze Zeit später waren sie in nördlicher Richtung unterwegs.
* Die Mannschaft der ORBAG MANTEY bestand dieser Tage nur noch aus einer
22 Kernbesatzung von insgesamt dreiundvierzig Mann. Bei diesen handelte es sich um das Team der Eingeweihten, die von Amlor Petrefas Geschäftsverbindung mit »der Macht« wußten und aktiv am AndroidenSchmuggel nach Plophos teilgenommen hatten. Kinke Seiblad holte sich davon fünf Mann, auf die er sich verlassen zu können glaubte, und nahm die Verfolgung des unbekannten Gegners auf. Als Seiblads Gleiter aus dem Fahrzeughangar des Zirkus-Raumschiffes schoß, war von den beiden Fremden keine Spur mehr zu sehen. Auf Seiblads Anweisung war jedoch das feindliche Fahrzeug von der Zentrale aus beobachtet worden. Es hatte sich Richtung Sverkon gewandt, und dorthin folgte ihm Seiblad mit seiner Gruppe. Inzwischen war von der ORBAG MANTEY aus auch das einzelne Raumschiff ausgemacht worden, das seit einiger Zeit über dem Raumhafen kreuzte. Man hatte sich gehütet es anzusprechen, und das Fahrzeug als einen BeibootAufklärer vom terranischen Typ »Korvette« identifiziert. Obwohl das fremde Raumschiff keinerlei Erkennungszeichen trug, ließ sich unschwer erraten, daß es sich um eine Vorauseinheit des USOFlottenverbandes handeln mußte, der schon in der vergangenen Nacht von der Hyperortung erfaßt worden war. Kinke Seiblad hatte mit seiner Suche nach den beiden Fremden zunächst keinen rechten Erfolg. Vergeblich hatte er aus einer Höhe von neunhundert Metern deren Fahrzeug auszumachen versucht. Es war nirgendwo im Umkreis der Stadt zu sehen. Also lag die Vermutung nahe, daß sich die Gesuchten in der Stadt selbst aufhielten. Dadurch wurde Seiblad gezwungen, mühselig eine Straße nach der andern abzusuchen. Und selbst dabei, das war ihm klar, würde ihm der Erfolg versagt bleiben, wenn etwa die Verfolger ihr Fahrzeug in einem Innenhof oder einer unterirdischen Garage abgestellt hatten. Schließlich kam ihm der Zufall zu Hilfe. Beim Einbiegen in eine Straße, die hauptsächlich von Kaufhäusern und Ladenge-
Kurt Mahr schäften gesäumt wurde, entdeckte Seiblad wenige Häuserblocks vorab das gesuchte Fahrzeug. Der Pilot stoppte den Gleiter sofort und bugsierte ihn in die Seitenstraße zurück, aus der er soeben gekommen war. Seiblad stieg aus und spähte vorsichtig um die Gebäudeecke. Er sah die beiden Gesuchten aus einem Warenhaus kommen und in ihr Fahrzeug klettern. Der Größere trug ein Paket, das Seiblad aus der Entfernung nicht identifizieren konnte. Der Gleiter, ein uraltes Modell, setzte sich in Bewegung und verließ die Stadt in nördlicher Richtung. Seiblad setzte die Verfolgung unverzüglich fort. Die Fremden schienen von seiner Anwesenheit nichts zu ahnen. Sie bewegten sich in mäßiger Höhe und schienen es nicht besonders eilig zu haben. Ihr Fahrzeug glitt auf die Berge zu, die sich unweit nördlich der Stadt erhoben. Seiblads Gleiter dagegen hielt sich dicht über dem Boden und war aus der Höhe, in der die Fremden flogen, fast unmöglich auszumachen. Fast wollte Seiblad schon glauben, die Verfolgten würden vor den Bergen nicht mehr haltmachen, da verlor ihr Fahrzeug plötzlich an Höhe und ging im Schutz eines kleinen Wäldchens zu Boden. Seiblads Gleiter hielt auf den Südrand des Hains zu und ging dort auf Warteposition. Kinke Seiblad war plötzlich eine Idee gekommen. Er glaubte nicht, daß die Verfolgten alleine auf sich gestellt agierten. Er erinnerte sich des Überfalls, der vor kurzem auf den Raumhafen Sverkon verübt worden war, und hielt es für mehr als wahrscheinlich, daß die Fremden zu der Gruppe gehörten, die für den Überfall verantwortlich zeichnete. War seine Vermutung richtig, dann wollte er sich nicht damit begnügen, nur die zwei Männer zu beseitigen, die drüben am anderen Rand des Wäldchens lagerten. Er wollte die ganze Gruppe haben, und die beiden Verfolgten würden ihn zu ihr führen.
* Der Bericht der beiden Spezialisten nahm
Der Plasma-Mutant über eine Stunde in Anspruch. Der Arkonide war selbst zugegen, als er empfangen und aufgezeichnet wurde. Nach Folus' und Tanzas Beobachtungen konnte es keinen Zweifel mehr daran geben, daß Wagtmeron in der Tat das Hauptquartier jener rätselhaften Macht war, die auf so unmenschliche, widernatürliche Weise mit infizierten Androiden Handel getrieben und deren Organe in den Organbanken plophosischer TransplantKliniken untergeschoben hatte. Über die Ziele der fremden Macht glaubte man seit den erschreckenden Vorgängen auf QuintoCenter im klaren zu sein. Die winzigen Protoplasma-Einschlüsse, die sich in den infizierten Organen befanden, hatten ein unüberwindliches Verlangen, sich miteinander zu vereinen. Aus dem Zusammenschluß vieler Kügelchen entstand ein formloses Gebilde aus Protoplasma, dessen Streben nun danach ging, sich weitere Zellmaterie zu assimilieren. Lebewesen und organische Materialien verschwanden spurlos in dem unförmigen Plasmaklumpen, der infolge seiner Gefräßigkeit immer größer und gleichzeitig immer hungriger wurde. Beweglichen Geistern fiel es nicht schwer, sich auszumalen, wie aus dem Zusammenschluß nur weniger Plasma-Kügelchen ein Riesengebilde entstand, das in wenigen Wochen eine ganzen Planeten entvölkerte. Alles organische Leben in sich aufzusaugen, zu vernichten – das also war der Plan der unheimlichen Macht. Das glaubte man zu wissen. In wem sich aber diese Macht verkörperte, wen man sich unter dem gräßlichen Feind vorzustellen hatte, darüber herrschte nach wie vor Unklarheit. Auch die beiden Spezialisten auf Wagtmeron konnten diese Frage nicht beantworten. Sie mutmaßten lediglich, daß sich der Unheimliche bis vor kurzem im Innern eines Bergwerks aufgehalten hatte, das von zwei Besatzungsmitgliedern der ORBAG MANTEY vor wenigen Stunden hatte in die Luft gesprengt werden sollen. Von dort aus hatte man ihn an Bord der beiden ZirkusRaumschiffe gebracht, die auf dem Raumhafen Sverkon standen. Mit Ausnahme der
23 Cosmidos waren sämtliche Bewohner des Planeten Wagtmeron infiziert und damit willenlose Werkzeuge »der Macht«. Ihre Anwesenheit auf dem Raumhafen konnte demnach nur den einen Zweck haben, den Zugang zu den ZirkusRaumschiffen zu sperren und den Unheimlichen vor dem Zugriff seiner Gegner zu schützen. Zweifellos verfügte der 23. Einsatzverband, dessen Einheiten inzwischen einen engen Ring um Wagtmeron gebildet hatten, über genügend militärische Macht, um die etwa fünfzigtausend Einwohner von Sverkon von den Zugängen zu den beiden Raumschiffen abzuräumen und sich den Zutritt zu der ORBAG MANTEY und der COMOTOOMO zu erzwingen. Dabei mußte es jedoch zu Blutvergießen kommen. Atlan entschied sich für eine andere Taktik. Die Korvette, die zur Beobachtung des Raumhafens Sverkon ausgesandt worden war, wurde zurückgerufen. Aus dem Ring um Wagtmeron wurden zwei Schwere Kreuzer abgezogen, die sich zur GULLIVER gesellten. Mit diesen drei Einheiten stieß der Arkonide auf die Oberfläche des Planeten hinab. An Bord des Flaggschiffs waren zwei schwere Narkosegeschütze in Feuerbereitschaft. An Bord aller drei Einheiten machte sich ein Gemisch aus regulären Truppen und Wissenschaftlern bereit zur Ausschiffung.
5. Ich bin uralt, und das Wissen um meine Herkunft liegt vor mir selbst im dunkeln. Ich, der Mächtige, bin nicht das Produkt irgendeines Planeten dieser Galaxis. Ich stamme von einem Punkt inmitten der Leere zwischen den Milchstraßen. Ich bin nur ein Teil des Ganzen, von dem ich abstamme. Aber ich allein bin der Mächtige, der zu vollbringen vermag, wonach das Ganze sich sehnt. Ich existierte schon seit undenkbaren Zeiten, als ich vom Ganzen getrennt wurde und hierhergelangte. Ich befand mich im Besitz eines lächerlichen Menschleins, das glaubte, mit meiner Hilfe
24 zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gelangen zu können. Er setzte mich Temperaturen aus die ich noch nie zuvor erfahren hatte, blähte mich im Vakuum auf und preßte mich unter ungeheuren Drücken zusammen. Er bombardierte mich mit gefährlichen Strahlen, und schließlich begann mein inneres Gefüge, sich zu verändern. Aus der Veränderung erwuchs mir die Macht. Meine Hilflosigkeit wich. Ich besaß die Fähigkeit, andere Materie von meiner Art in mich einzuverleiben. Ich, der kleine Fladen, wuchs zu einem ungeheuren Gebilde. Aber auch auf andere Weise vermochte ich zu wirken. Kleine Teile meiner Substanz, in das Gewebe anderer Wesen eingebettet, erlaubten mir, diese Wesen zu beherrschen. Als erstes übernahm ich die Macht über das Menschlein, das mich zu dem gemacht hatte, was ich bin. Ich zwang es, mir zu dienen. Auf seine Art war das Menschlein klug und besaß ein großes Maß an Wissen, das ich mir aneignete. Ich begann, ein System zu bauen, das es mir ermöglichte, Substanz von meinem Körper in infizierten Organen über die ganze Milchstraße zu verstreuen. Die Menschen hängen mit solcher Inbrunst an ihrem armseligen Leben, daß sie, wenn es durch den Zerfall eines Organs bedroht wird, sich lieber ein neues Organ einpflanzen lassen als den Tod als eine willkommene Erlösung aus der Erbärmlichkeit ihres Daseins zu empfangen. Ihre Todesfurcht gab mir die Möglichkeit, infizierte Körperteile dort einzuschmuggeln, wo sie am ehesten weiterverwendet werden würden: in den Organbanken der Transplant-Kliniken. Bereits jetzt gibt es Zehntausende von Menschen, die aufgrund meiner in ihrem Gewebe eingebauten Körpersubstanz mir willenlos untertan sind. Sie leben auf Hunderten verschiedener Welten. Bald wird die Zeit zum entscheidenden Schlag reif sein. Ich, der Mächtige, werde alles vereinen. Meine Substanz wird sich aus den Muskeln, aus den Herzen, den Armen, Beinen, Nieren, Lebern der Infizierten befreien und Hunderte von neuen Körpern bil-
Kurt Mahr den, dem meinen gleich, die die Vereinigung vollziehen, indem sie die widerliche Spezies Mensch von den Oberflächen der Planeten verschwinden lassen und sich ihre Substanz einverleiben, bis es zum Schluß nur noch ein einziges intelligentes Wesen in dieser riesigen Galaxis gibt: mich, den Mächtigen, der alles vereint hat. Die Zeit ist nahe. Bald werde ich die einzige Macht, diese Milchstraße beherrschen. Und dennoch empfinde ich Furcht …
* Die Anweisung des Lordadmirals an Pa Folus und Opa Tanza lautete, im Hintergrund bleiben und weiter beobachten. Atlan wünschte nicht, daß die beiden Spezialisten sich an dem bevorstehenden Einsatz der USO-Truppen auf Wagtmeron beteiligten. Für Folus, Tanza und die Cosmidos schienen die Tage des Versteckspiels vorüber. Der 23. Einsatzverband würde der Herrschaft des Mächtigen auf Wagtmeron in Kürze ein Ende machen. »Ich wollte, ich könnte das glauben«, murmelte Opa, als sie sich endgültig auf den Heimweg zum Versteck der Cosmidos machten. »Aber irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl. Es wird nicht alles so einfach gehen.« »Du und deine Gefühle«, spottete Folus. »Ich sage dir, es ist alles vorüber. Wir brauchen uns nicht mehr in den Wäldern zu verstecken. Wir können endlich wieder mal in einem anständigen Bett schlafen.« Opa winkte ab. »Abwarten«, brummte er. Der Abend dämmerte, als sie das Lager am Berghang erreichten. Kazinger Erfgo kam ihnen entgegen, als sie den alten Gleiter im Gebüsch versteckten. »Ihr wart lange fort«, begrüßte er sie nicht sonderlich freundlich. »Wir dachten schon, es wäre euch vielleicht etwas zugestoßen.« Folus schilderte die wichtigsten Ereignisse des Tages in knappen Zügen. Er sprach von dem Marsch der Bewohner von Sverkon
Der Plasma-Mutant zum Raumhafen und der Begegnung mit Petrefa und Seiblad. Erfgo hörte nachdenklich zu. »Der Mächtige hat den Leuten in Sverkon den Befehl gegeben, sich um die Raumschiffe herum aufzustellen und die Eingänge zu bewachen«, meinte er, als Folus geendet hatte. »Die Stimme seiner Gedanken schwang im Äther. Das muß es sein, was die Raben unruhig gemacht und sie verscheucht hat.« Stuckey Folus war bereit, diese Erklärung zu akzeptieren – um so mehr, als ihn nicht wirklich kümmerte, was aus den Raben geworden war. Man brauchte sie nicht mehr. Die Zeiten, in denen sie als Helfer eine wichtige Rolle spielten, würden in wenigen Stunden vorbei sein. Als die Sonne sich zum Untergehen anschickte, wurden hoch im dunkelnden Firmament die glitzernden Körper dreier Kugelraumschiffe sichtbar. Eines der Fahrzeuge war ein Riesenschiff der Ultra-Klasse, ein Raumgigant von 2500 Metern Durchmesser. Die beiden anderen besaßen nur ein Fünftel dieser Größe und wirkten wie Pendants zu dem gewaltigen Flaggschiff. Das ganze Lager war auf den Beinen, um diese Demonstration technischer Macht der USO zu beobachten. Rufe der Begeisterung begleiteten den Flug der drei Raumschiffe, die mit leise singenden Feldtriebwerken fast geräuschlos der Oberfläche des Planeten entgegensanken. Ihr Ziel war der Raumhafen von Sverkon. In wenigen Stunden, so schien es, würde es den Mächtigen nicht mehr geben, der dieser Welt bislang seinen Willen aufgezwungen hatte. Plötzlich spürte Stuckey Folus eine Hand auf seiner Schulter. Überrascht blickte er sich um und sah das aufgeregte Gesicht eines der Wachtposten, die Kazinger Erfgo aufgestellt hatte, um die Zugänge zum Lager zu sichern. »Jemand ist euch auf der Spur«, stieß der Posten hastig hervor. »Ein Gleiter mit wenigstens fünf Mann an Bord.« Folus dachte an Amlor Petrefa. Petrefa hatte die Spuren der Tätigkeit des Mächtigen tilgen wollen. Wahrscheinlich nicht aus pu-
25 rer Nächstenliebe, sondern weil er selbst in die Umtriebe der Macht verwickelt war. Die beiden USO-Spezialisten waren ihm in die Quere gekommen. Damit wurden sie zu weiteren Zeugen der Verbindung zwischen Petrefa und dem Mächtigen. Hatte er sich vorgenommen, die Zeugen zu beseitigen? »Wie weit noch?« erkundigte sich Folus. »Vielleicht zwei Kilometer. Sie sind sehr vorsichtig. Nutzen jede Deckung aus.« Folus wandte sich an Erfgo. »Gefahr!« sagte er nur.
* Amlor Petrefas Bestürzung wich bald; der analytische Verstand gewann wieder die Oberhand. Die Besatzung des Raumschiffs bestand nur noch aus dreiundvierzig Mann, ihn selbst und Kinke Seiblad nicht eingerechnet. Einer dieser dreiundvierzig, vielleicht auch Seiblad selbst, mußte es gewesen sein, der die Akten aus seinem Arbeitstisch entwendet hatte. Wie er in den mehrfach abgesicherten Raum hereingekommen war, würde erst klarwerden, wenn man den Täter gefaßt hatte. Es stand außer Zweifel, was hier zu tun war. Amlor Petrefas Zukunft hing an dem Wohlwollen, das die USO ihm entgegenbringen würde, sobald sie auf Wagtmeron gelandet war, und dieses wiederum hing davon ab, wie plausibel er darstellen konnte, daß er in die Geschäfte des Mächtigen, der alles vereint, entweder gar nicht oder nur infolge äußeren Zwanges verwickelt war. Die verschwundenen Dokumente mußten vernichtet werden. Sonst war Amlor Petrefas Rolle ausgespielt. Der einzige verbleibende Arzt an Bord der ORBAG MANTEY war ein Mann, dem Amlor Petrefa vertraute. Er rief ihn zu sich und trug ihm auf, ohne weiteres Aufsehen ein hypnotisches Verhör für jedes einzelne Mannschaftsmitglied vorzubereiten. Der Arzt gehorchte, ohne Fragen zu stellen. Um die Männer zu verhören, würde er mehrere Stunden brauchen. Petrefa hatte ihm aufge-
26 tragen, die Angelegenheit so rasch wie möglich abzuwickeln. Denn rings um Sverkon begann die Lage allmählich kritisch zu werden. Die Korvette, die bis vor kurzem dicht über dem Raumschiff zu sehen gewesen war, hatte sich zurückgezogen. Ohne Zweifel hatte sie dem Befehlshaber der USO-Flotte Bericht erstattet, und der nächste Schritt des Flottenkommandeurs stand unmittelbar bevor. Petrefa beabsichtigte, seinen unwillkommenen Passagier noch vor der Landung der Flotte von Bord zu bringen und, wenn möglich, von Wagtmeron zu starten. Er würde nicht weit kommen. Die Einheiten der USO würden ihn anhalten. Damit rechnete er. Er fürchtete sich vor der USO weniger als vor dem unheimlichen Fahrgast, der auf den untersten Decks der ORBAG MANTEY Quartier bezogen hatte. Allerdings mußte er mit seiner Ausschiffung warten, bis Kinke Seiblad zurückkehrte. Seiblad war der einzige, der die Zusammenhänge in ihrer Gesamtheit kannte. Nur mit ihm wollte Petrefa sich an das Wagnis machen, das ihm um so gefährlicher vorkam je näher der Zeitpunkt des Handelns heranrückte. Über Funk setzte er sich mit Seiblad in Verbindung. Nach langer, vergeblicher Suche hatte Seiblad die Spur der beiden Fremden in Sverkon schließlich wiedergefunden und folgte ihnen in das Bergversteck der Gruppe, zu der sie gehörten. Seiblads Angriff auf das Lager der Gruppe stand unmittelbar bevor. Petrefa beschwor ihn, nach Beendigung des Einsatzes auf dem schnellsten Wege zur ORBAG MANTEY zurückzukehren, und Seiblad war zuversichtlich, daß er in spätestens zwei Stunden wieder an Bord sein werde. Diese Auskunft beruhigte Amlor Petrefa. Aber die Beruhigung hielt nur eine Zeitlang an. Dann kam die Nachricht, daß im Himmel über dem Raumhafen von Sverkon drei Raumschiffe aufgetaucht seien, darunter ein Ultrariese terranischer Fabrikation mit einem Durchmesser von zweieinhalb Kilometern. Die Fahrzeuge befanden sich ohne
Kurt Mahr Zweifel im Anflug auf den Raumhafen. Sie hatten bislang noch keines der auf dem Hafen liegenden Raumschiffe angesprochen. Über ihre Absichten bestand völlige Unklarheit. Amlor Petrefa hielt es nicht mehr in der Einsamkeit seines kostbar ausgestatteten Arbeitsraumes. Er stürzte hinab in die Zentrale, um dem Geschehen so nahe wie möglich zu sein. Auch in ihm lebte die Gewißheit, daß die Stunde der Entscheidung nun endgültig gekommen sei.
* Es dunkelte, als die Männer und vier der acht Frauen das Lager verließen, um dem unbekannten Angreifer entgegenzuschleichen. Südlich des Lagers verlief quer durch den Berghang ein tief eingeschnittener Hohlweg, den der Gleiter der Cosmidos normalerweise als Einflugschneise benützte, wenn er aus der Gegend von Sverkon zurückkehrte. Auch Folus und Tanza waren am späten Nachmittag auf diesem Weg zurückgekommen. Es bestand der Verdacht, daß sie der unbekannte Verfolger dabei beobachtet hatte. In diesem Falle würde auch er womöglich den Hohlweg benützen, um sich dem Lager zu nähern. Die Cosmidos kannten den Wald. Geräuschlos bewegten sie sich vorwärts und erreichten nach wenigen Minuten das obere Ende des Hohlwegs. Ein paar Minuten lang lauerten sie dort. Aus dem Halbdunkel vor ihnen kamen nur die Geräusche, die der Wind im Blätterdach des Waldes verursachte, und die Laute der Tierwelt. Unter Stuckey Folus' Führung drang die kleine Gruppe, die sich jetzt in zwei Teile spaltete, am Rand des Hohlwegs entlang weiter bergabwärts vor. Kazinger Erfgo hatte das Kommando über eine der beiden Teilgruppen übernommen. Die beiden Abteilungen hatten den Hohlweg zwischen sich. Sie konnten sich durch halblaute Rufe miteinander verständigen und auch, solange die Dunkelheit noch nicht vollkommen war, durch Winke.
Der Plasma-Mutant Sie waren noch nicht weit gekommen, da drang von unten den Hohlweg herauf das verhaltene Geräusch eines Motors. Die Männer und Frauen zu beiden Seiten des Hohlwegs gingen sofort in Deckung. Das Summen des Motors erlosch nach kurzer Zeit. Eine Weile waren nur die Geräusche des Waldes zu hören. Dann jedoch näherten sich leise, tapsende Schritte. Im Dämmerlicht wurden die Gestalten von sechs Männern sichtbar. Geduckt schlichen sie den Hohlweg herauf. Stuckey Folus erkannte die Umrisse eines kleinen Mannes, der einen unverhältnismäßig großen Schädel auf den Schultern trug, und erkannte ihn sofort: Kinke Seiblad, Amlor Petrefas rechte Hand. Die einsetzende Dunkelheit schien den Männern ein Gefühl zusätzlicher Sicherheit zu verleihen. Sie richteten sich auf und schritten weniger vorsichtig aus. Unmittelbar unter der Stelle, an der Pa Folus und Opa Tanza oben am Rand des Hohlwegs kauerten, hielt der vorderste an und sah sich um. Man konnte ihn deutlich sagen hören: »Ich glaube, man erwartet uns nicht. Die Kerle sind sorgloser, als ich gedacht hätte.« »Erst müssen wir wissen, ob wir wirklich eine ganze Gruppe vor uns haben«, meldete sich Kinke Seiblad vom rückwärtigen Ende der Gruppe. »Vielleicht sind es doch nur die zwei, die wir von Sverkon aus verfolgt haben.« »Ach was«, konterte der erste Sprecher, »nach Ihrer Beschreibung erkenne ich den kleineren der beiden, den kleinen Kraushaarigen. Er war damals dabei. Vor ein paar Tagen, wissen Sie, bei dem Getümmel am Raumhafen.« »Ja, ich erinnere mich«, knurrte Seiblad. »Und der andere ist wahrscheinlich das zweite Mitglied der Truppe«, meldete sich ein dritter zu Wort. »Die beiden scheinen zusammenzuarbeiten.« »Nicht soviel Geschwätz«, mahnte Seiblad. »Vorwärts! Weiter!« Stuckey Folus erhob sich, ohne daß es die Männer unten im Hohlweg bemerkten. Auf der anderen Seite des Weges sah man ihn.
27 Die Männer und Frauen kamen hinter ihren Deckungen hervor. Die Läufe der Waffen richteten sich nach unten in den Einschnitt, wo Kinke Seiblad und seine Leute weiter bergauf schritten. »Halt, das ist weit genug!« rief Stuckey Folus mit Stentorstimme. Die Wirkung dieses Kommandos war unvorhersehbar. Der kleine Mann mit dem großen Schädel warf sich flach zu Boden, bevor Folus noch das erste Wort vollends über die Lippen gebracht hatte. Im Fallen noch schrie er: »Deckung! Feuer!« Seine Leute gehorchten ihm aufs Wort. Stuckey Folus hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da brandete ihm aus der Tiefe des Hohlwegs Blasterfeuer entgegen. Er ging in Deckung. Die energiereichen Schußbahnen fuhren hoch über ihn hinweg und verloren sich zischend im feuchten Laub des Waldes. Von der anderen Seite des Hohlwegs wurde ebenfalls gefeuert. Unten aus dem Einschnitt gellten schmerzhafte Schreie. Stuckey Folus erkannte blitzschnell die Absicht des Kleinen. Er robbte zur Seite, am Rand des Hohlwegs entlang den Berg hinab. Zehn Meter weiter richtete er sich wieder auf. Weiter oben am Hang tobte noch immer heftiger Schußwechsel. Unten im Hohlweg jedoch bewegte sich wieselflink eine kleine Gestalt: Folus hatte zuviel Zeit damit verschwendet, in Deckung zu bleiben. Seiblad war aufgesprungen, sobald er bemerkte, daß er mit seinen Leuten in eine Falle geraten war, und lief den Hohlweg entlang in Richtung des Gleiters. Folus feuerte wütend eine Salve hinter ihm drein. Aber er war zu aufgeregt. Der gleißende Energiestrahl verfehlte sein Ziel. Seiblad schlug einen Haken und lief weiter. Sekunden später war er um eine Krümmung des Weges verschwunden. Folus folgte ihm nicht. Er wußte, daß er ihn nicht mehr einholen würde, bevor er den abgestellten Gleiter erreichte. Kinke Seiblad war ihm ein weiteres Mal entkommen. Weiter oben hatte das Gefecht anschei-
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nend ein Ende gefunden. Die Waffen schwiegen. Als Folus den Kampfplatz erreichte, sah er, daß die Cosmidos inzwischen in den Hohlweg abgestiegen waren. Auf ihrer Seite hatte es ein paar Leichtverletzte gegeben. Von den Angreifern dagegen waren zwei tödlich verwundet, und ein dritter hatte schwere Brandverletzungen davongetragen. Opa Tanza hatte einen der Unverletzten vorgenommen und hielt ihn beim Kragen. Indem er ihn heftig hin und her schüttelte, schrie er ihn in höchstem Zorn an: »Kraushaarig soll ich sein? Ich werde dir beibringen, du Halunke, was der Unterschied zwischen welligen Locken und Kraushaar ist!«
* Seiblad hatte die beiden Fremden mühelos verfolgen können. Er war nur wenige hundert Meter hinter ihnen, als ihr Gleiter in das Gestrüpp des Waldes eindrang, und entdeckte ohne Schwierigkeiten den Hohlweg, der zum Lager der Cosmidos hinaufführte. Von diesem Lager wußte er freilich nichts; aber er nahm an, daß die beiden Verfolgten nicht ausgerechnet hier mit ihrem Fahrzeug in dem unübersichtlichen Wald untergetaucht wären, wenn sich nicht auch ihr Versteck in unmittelbarer Nähe befände. Er ließ den Gleiter ein paar Meter weit den Hohlweg emporgleiten, dann befahl er, das Fahrzeug abzusetzen. Er hätte gerne einen Scout ausgesandt, um die Lage zu erkunden. Aber erstens wurde es rasch dunkel, und zweitens hatte er erst vor wenigen Minuten von der ORBAG MANTEY Amlor Petrefas Anruf erreicht, der ihn aufforderte, so rasch wie möglich an Bord des Zirkus-Raumschiffs zurückzukehren. Die Zuversicht, mit der Kinke Seiblad geantwortet hatte, war nicht echt empfunden. In Wirklichkeit erfüllte ihn ein merkwürdiges Unbehagen, das er sich nicht recht erklären konnte. Der Hohlweg erschien ihm viel zu unsicher. Er hätte seine Leute viel lieber im Wald vorrücken lassen. Aber da
befürchtete er, daß sie sich verirrten und dem Feind, wenn er wirklich wachsam war, noch viel leichter zum Opfer fielen als unten auf dem Grund des Einschnitts. Sie waren durch den Hohlweg emporgerückt, und eine Zeitlang hatte Kinke Seiblad sich wieder einigermaßen sicher gefühlt. Da gellte die Stimme von der Höhe herab: »Halt, das ist weit genug!« Instinktiv warf der kleine Mann sich zu Boden und rief seinen Leuten zu, sie sollten sich wehren. Er war oft in solchen Lagen gewesen und wußte, wie er sich zu verhalten hatte. Als das Gefecht entbrannte, begann er rückwärts zu kriechen. Sobald er aus der Feuerzone war, erhob er sich und rannte, so rasch er konnte, den Hohlweg hinab. Eine einzige Salve wurde hinter ihm hergefeuert. Sie kam nahe. Heiße Luft schlug ihm ins Gesicht; aber er wurde nicht wirklich verletzt. Wenige Augenblicke später erreichte er den Gleiter. Mit einem Satz schwang er sich in den Sitz des Piloten. Ein Druck auf den Schaltknopf erweckte den Motor zum Leben. Seiblad riß das Fahrzeug in die Höhe, schwenkte es herum und steuerte es mit mörderischer Geschwindigkeit den Hohlweg hinab. Über der Stadt lag eine Glocke aus milchigem Licht. Die Straßenbeleuchtungen hatten sich selbsttätig eingeschaltet und erfüllten die öden, verlassenen Verkehrswege mit tagesgleicher Helligkeit. Jenseits von Sverkon, im Süden, kennzeichneten einzelne Lichter den Rand des Raumhafens. Die Positions und Warnsignale der ORBAG MANTEY und der COMOTOOMO schwebten hoch in der Finsternis. Plötzlich jedoch änderte sich das vertraute Bild. Aus der Höhe brach ein dicker Kegel grellweißer Helligkeit, traf auf die weite Landefläche und füllte sie mit Licht. Wie weiße Schemen tauchten die riesigen Gestalten der beiden ZirkusRaumschiffe aus dem Nichts auf. Die Menschenmassen, die zu ihren Füßen lagerten, wurden sichtbar. Über dem Raumhafen Sverkon war ein neuer, künstlicher Tag angebrochen. Der Kontrast zwischen Licht und
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Dunkel machte den Luftraum oberhalb des grellen Lichtkegels noch finsterer, noch undurchdringlicher. Die Kugelleiber der drei Raumschiffe, die sich im Laufe der vergangenen Stunde fast geräuschlos aus der Höhe herabgesenkt hatten, wurden unsichtbar. Von panischer Angst gepeitscht ließ Kinke Seiblad den Gleiter mit Höchstgeschwindigkeit auf die Silhouette der ORBAG MANTEY zurasen. Er tauchte in den Lichtkegel ein und schloß eine halbe Sekunde lang geblendet die Augen. Auf ein Kodesignal hin öffnete sich eines der Hangarschotte. Der Gleiter schoß durch die Öffnung hindurch. Seiblad setzte ihn schwer zu Boden. Sekunden später war er auf dem Weg zum Kommandostand. Er wußte, wo er Amlor Petrefa um diese Zeit finden würde. Bevor er die große Halle betrat, die das Nervenzentrum des Zirkus-Raumschiffes bildete, zwang er sich mit Gewalt zur Ruhe. Es war von Nachteil, wenn man sich in einer Lage wie dieser die Panik anmerken ließ. Äußerlich gefaßt betrat er das weite Rund. Der größte Teil der Besatzung war hier versammelt und beobachtete auf dem Panoramaschirm die Vorgänge auf und über dem Raumhafen. Kinke Seiblad drängte sich an Amlor Petrefa heran und sagte leise, so daß nur Petrefa es hören konnte: »Fehlanzeige! Die beiden Zeugen leben noch. Aber das spielt jetzt wohl kaum mehr eine Rolle, oder …?«
6. Der Angriff auf die letzten Bastionen »des Mächtigen, der alles vereint« begann kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Es war eine merkwürdige Offensive, unter ungewöhnlichen Umständen mit unkonventionellen Waffen vorgetragen. Zunächst übergossen die Bordscheinwerfer der GULLIVER aus knapp einem Kilometer Höhe, am Südpolende des Riesenschiffs befestigt, den Raumhafen von Sverkon mit einer ungeheuren Lichtflut, die auch den hintersten Winkel grell beleuchtete. Die Menschenmassen, die
die beiden Zirkus-Raumschiffe umlagerten, schirmten die Augen mit den Händen ab, um sie vor der Helligkeit zu schützen; sonst taten sie nichts. Minuten vergingen, in denen die Offiziere im Kommandostand der GULLIVER die Lage analysierten und die beiden Schweren Kreuzer sich in ihre Ausgangspositionen dicht über dem Landefeld, unmittelbar am scharf gezeichneten Rand des Lichtkegels begaben. Zehn Minuten nach dem Einschalten der Scheinwerfer trat das schwere Narkosegeschütz der GULLIVER in Tätigkeit. Unsichtbar waberte lähmende Strahlung auf die fünfzigtausend Bürger von Sverkon hinab und versenkte sie in Sekundenschnelle in tiefe Bewußtlosigkeit. Das Kaliber der Narkosesalve war so berechnet, daß die Bewußtlosen erst nach Ablauf von mehreren Stunden wieder zu sich kommen würden. Die Wirkung der Salve war für jeden erkennbar: Die Menschenmasse geriet für kurze Zeit in wogende Bewegung wie ein Ährenfeld, über das in sanften Intervallen der Wind strich. Die Körper sanken in sich zusammen. Die, die auf ihren Beinen gestanden hatten, wankten und stürzten in die Menge ihrer Mitmenschen. Arme wurden schlaff, Köpfe neigten sich zur Seite, Augen schlossen sich unter dem Zwang der Ohnmacht. Für die Einsatzkommandos an Bord der beiden Schweren Kreuzer war dies das Signal zum Angriff. In schwebefähigen Kampfanzügen regneten sie aus den Bodenschleusen der Raumschiffe. Hunderte von USO-Soldaten, Spezialisten und Wissenschaftlern landeten innerhalb weniger Minuten auf dem Landefeld unweit des Standorts der beiden Zirkus-Raumschiffe. Sie formierten sich zu zwei Gruppen, die sich in Richtung ORBAG MANTEY und COMOTOOMO in Bewegung setzten. An Bord der GULLIVER hatte Atlan in dem Augenblick, als der Erfolg der Narkosesalve feststand, ein kleines Gleitboot bestiegen und sich ausgeschleust. Er landete zwischen der Masse bewußtloser Menschen, die um den Fuß der ORBAG MANTEY la-
30 gerte, und der Einsatzgruppe, die sich auf dieses Fahrzeug zubewegte. Aus der Höhe drang das Singen der Feldtriebwerke der drei USO-Raumschiffe. Sonst herrschte auf dem weiten Landefeld bis auf die Schritte der Soldaten und Wissenschaftler Totenstille. Hoch über dem Arkoniden schimmerte die fünfhundert Meter durchmessende Kommandokugel der ORBAG MANTEY. Auch dort rührte sich nichts. Die lähmende Strahlung war, wenn auch durch die Wandung des Schiffskörpers gemildert, auch ins Innere des Raumfahrzeugs gedrungen und hatte die Besatzung in Bewußtlosigkeit versetzt. Die beiden Einsatztrupps begannen, sich einen Weg durch die Masse der reglosen Leiber zu bahnen, die die Zugänge zu den Zirkus-Raumschiffen verbarrikadierten. Sie gingen behutsam vor. Die Bewußtlosen waren nicht der Feind. Der hielt sich im Innern der beiden Raumschiffe verborgen. Die Männer, Frauen und Kinder, deren Körper sich vor den Zugängen der ORBAG MANTEY und zur COMOTOOMO stapelten, waren hilflose Opfer einer unmenschlichen Macht, die sie in frivoler Skrupellosigkeit zu ihren Sklaven gemacht hatte. Langsam wurde eine schmale Gasse geräumt. Immer näher rückte die Spitze des Einsatztrupps an eines der großen Tore heran, durch die sonst die Zuschauermengen in den Riesenzirkus der ORBAG MANTEY fluteten. Gebannt, als beobachte er ein nie gesehenes Schauspiel, folgte Atlans Blick den Bewegungen der Soldaten und Wissenschaftler. Eine seltsame Erregung hatte sich seiner bemächtigt. Eine riesige Gefahr schien unsichtbar über der Szene zu schweben. Er glaubte, ihre Drohung zu spüren und wußte doch nicht, woher sie kam und von wem sie ausging. Wenn der Unheimliche ein bewußtseinsbegabtes Geschöpf war, dann mußte er jetzt ebenso ohnmächtig sein wie die Menschen hier draußen vor den Eingängen des Raumschiffes oder die Besatzung im Innern der ORBAG MANTEY. Wie sollte er jetzt noch gefährlich werden können? Und doch wurde Atlans Ahnung in Minu-
Kurt Mahr tenschnelle zu grausiger Wirklichkeit. Ein harter, trockener Knall erschütterte die Luft. Der Arkonide wirbelte herum. Sein Blick erfaßte eine Fontäne von Körperteilen, die von der Gewalt der Explosion in die Höhe gewirbelt worden waren. Mit ungläubigem Entsetzen starrte er auf einen Knäuel verstümmelter Körper, wo vor wenigen Augenblicken noch bewußtlose, aber heile Menschen gelegen hatten. Der Unheimliche hatte zugeschlagen. Er war nicht wehrlos, wie die Angreifer erwartet hatten. Er wehrte sich nicht, indem er gegen die Angreifer selbst vorging. Er tötete Unschuldige, um den Feind von seinem Vorhaben abzubringen. In Bruchteilen von Sekunden wurde es dem Arkoniden deutlich, daß der Mächtige ein tiefes Verständnis der menschlichen Mentalität besitzen müsse. Sein Befehl gellte über das weite Landefeld: »Einsatztruppen – sofort zurück!«
* »Ein riesiger Tank voll Gelee, wie?« knurrte Opa mißtrauisch. »Hör zu, Kerl, wenn du mich anschwindelst, dann verarbeite ich dich selbst zu Gelee!« Der Gefangene starrte Thow Tanza ängstlich an. »Ich lüge nicht!« stieß er hervor. »Und es sind zwei Tanks, einer an Bord der ORBAG MANTEY, der andere an Bord der COMOTOOMO.« Unweit des Ortes, an dem Thow Tanza das Verhör durchführte, flackerte ein kleines Feuer. Die überlebenden Gefangenen waren gefesselt worden. Es waren nur noch zwei. Der Verletzte war inzwischen seinen Wunden erlegen. Opa sah auf und warf einen fragenden Blick in Richtung Stuckey Folus, der sich den anderen Gefangenen vorgenommen hatte. Folus nickte. »Meiner hier behauptet dasselbe«, beantwortete er die unausgesprochene Frage. »Und was hältst du davon? Der unheimliche Mächtige, dem wir seit Wochen und
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Monaten nachstellen … zwei Eimer voll Gallertmasse?« »Warum nicht? Dieselbe Substanz nehme ich an, aus der die winzigen Einschlüsse in den infizierten Organen bestehen.« Opas Zweifel wichen nur zögernd. Inzwischen hatte Stuckey Folus das kleine Sende und Empfangsgerät aktiviert und rief das USO-Flaggschiff. Es dauerte eine Zeitlang, bis er Antwort bekam, ein Zeichen, daß beim 23. Einsatzverband nicht alles zum besten stand. »Weißer Adler an Blaue Flagge«, meldete er sich, als die Verbindung endlich zustande kam. »Ich habe weitere Informationen bezüglich des Mächtigen.« »Sprechen Sie auf Band, Weißer Adler«, wurde ihm von der GULLIVER geantwortet. »Hier kann sich im Augenblick niemand um Sie kümmern. Da unten ist der Teufel los!« Weitere Auskünfte konnte Stuckey Folus nicht erhalten. Er rasselte in aller Eile herunter, was er und Tanza von den beiden Gefangenen erfahren hatten. Dann sprang er auf. »Ich fliege zum Raumhafen«, kündete er an. »Etwas ist schiefgegangen.« »Du nicht allein«, meldete sich Opa. »Ich muß mit, um auf dich aufzupassen.« Auch Kazinger Erfgo ließ sich nicht zurückweisen. Sie liefen zum Versteck des Gleiters und kletterten hastig in das Fahrzeug. Kurze Zeit später waren sie unterwegs in Richtung Raumhafen.
* Trotz der Panik, die sich an Bord der ORBAG MANTEY auszubreiten begann, gab es noch einen Mann, der mit unerschütterlicher Ruhe seiner Arbeit nachging: den Bordarzt, der von Amlor Petrefa den Auftrag erhalten hatte, die Mitglieder der Besatzung unter Hypnose nach dem Verbleib der gestohlenen Dokumente auszufragen. Als draußen die beiden Schweren Kreuzer der USO an der Mantelfläche des Lichtkegels herabglitten und offenbar wurde, daß die
nächste Phase des merkwürdigen Geschehens in wenigen Minuten beginnen würde, hatte er bereits zwanzig Mann verhört. Das war, da Kinke Seiblad bei seinem mißglückten Unternehmen fünf Mann verloren hatte, mehr als die Hälfte der verbleibenden Besatzung. Ein angemessener Zeitpunkt, fand der Arzt, um Amlor Petrefa einen Zwischenbericht abzustatten. Er begab sich vom Labor zum Kommandoraum, wo um diese Zeit schon alles drunter und drüber ging. Nur mit Mühe gelang es ihm, Amlor Petrefas Aufmerksamkeit zu gewinnen. Der Mann war so nervös, daß er, selbst während der Arzt mit ihm sprach, den Blick keine Sekunde lang von dem großen Bildschirm wenden konnte, auf dem die Silhouetten der beiden Schweren Kreuzer am Rande des Scheinwerferlichtkegels zu sehen waren. »Ich habe bei keinem der Männer ein Anzeichen dafür finden können, Sir«, berichtete der Arzt, »daß sie auch nur eine Ahnung hatten, um was für Dokumente es sich eigentlich handelt, geschweige denn, wo sie aufbewahrt wurden.« »So?« machte Petrefa fahrig. »Nun, dann machen Sie weiter, bis Sie den Kerl gefunden haben, der in meinen Sachen herumgewühlt hat.« Der Arzt schien zu zögern. »Nun …?« bellte Petrefa ihn an. »Worauf warten Sie noch?« »Sir, die Männer sind aufgeregt«, gab der Arzt zu bedenken. »Sie werden es nicht verstehen, daß man sie von ihren Posten wegholt. Außerdem ist die hypnotische Befragung eine schwierige Angelegenheit, wenn man es mit erregten …« »Halten Sie keine langen Reden!« schnitt ihm Petrefa herrisch das Wort ab. »Über die Männer machen Sie sich keine Sorgen, und die Schwierigkeiten bei der Hypnose, das ist ein Problem, mit dem Sie selber am besten fertig werden.« Der Arzt wandte sich ab. Amlor Petrefa aber war mit schmerzhafter Deutlichkeit vor Augen gerufen worden, daß es für ihn noch andere Schwierigkeiten gab als nur die drei
32 Raumschiffe der USO, die anscheinend beabsichtigten, den Raumhafen Sverkon mit ihren Leuten zu besetzen. Sein Blick suchte Kinke Seiblad. Die ersten zwanzig Mann, die der Arzt befragt hatte, waren diejenigen, die Petrefa nicht nur für schlau, sondern auch für selbständig genug hielt, daß ihnen der Diebstahl der Dokumente zuzutrauen war. Aber ein nagendes Gefühl der Unruhe ließ den Herrn der ORBAG MANTEY nicht los, das ihm einzuflüstern versuchte, daß eigentlich auch Kinke Seiblad recht gut der Schuldige sein könne. Ergriff ihn die USO, so war er nach Amlor Petrefa der gefährdetste Mann. Hatte er im Sinn, sich dieser Rolle zu entziehen, indem er der United Stars Organisation die Unterlagen in die Hände spielte, in denen jede Phase des Unternehmens genau aufgezeichnet war? Wollte er der Kronzeuge sein, der schließlich straffrei ausging, weil man es nur ihm zu verdanken hatte, daß in die ganze Angelegenheit überhaupt Klarheit gebracht worden war? Amlor Petrefa schob sich auf Seiblad zu, der wie die andern gebannt auf den großen Bildschirm starrte. Er tippte ihm auf die Schulter. Seiblad fuhr herum. »Sämtliche Unterlagen über den Androiden-Transport sind verschwunden«, zischte Petrefa. Er betrachtete das Gesicht des Kleinen genau. Was er sah, war Bestürzung, dann Schreck und Furcht. Kinke Seiblad war entweder der beste Schauspieler, den das Universum je gesehen hatte, oder er hatte am Verschwinden der Dokumente tatsächlich keinen Anteil. »Das ist … nicht möglich!« stieß er hervor. »Das wäre entsetzlich!« Er hatte große, schreckgeweitete Augen. Amlor Petrefa begrub seinen Verdacht. Der Mann, den er suchte, war nicht Kinke Seiblad. »Wir müssen sie wiederfinden«, knurrte er. »Und zwar innerhalb der nächsten Stunde, sonst …« Er kam nicht weiter. Draußen hatte das große Narkosegeschütz der GULLIVER zu
Kurt Mahr sprechen begonnen. Die Schiffswände der ORBAG MANTEY fingen einen Teil der Wirkung ab; aber was durchkam, reichte aus, um die Männer im Kommandostand des Zirkus-Raumschiffes von den Beinen zu reißen und in Dunkelheit zu versenken.
* Das scharfe, trockene Knallen der Explosionen wurde zu einem Trommelwirbel des Todes. Überall bäumten sich schlaffe Körper auf, wurden von der Gewalt innerer Detonationen zu Fetzen zerrissen. Die Männer der Einsatzgruppen hatten Atlans Befehl verstanden. So rasch sie konnten, zogen sie sich aus dem Menschenwall, der die ORBAG MANTEY und die COMOTOOMO umgab, zurück. Sie setzten die Gleitgeräte ihrer Kampfmonturen in Tätigkeit und schwebten in die Höhe. Atlan eilte zu seinem Boot und schwang sich hinter das Steuer. Da endlich schien der Unheimliche zu bemerken, daß man seine Warnung verstanden hatte. Die Explosionen wurden seltener, hörten schließlich ganz auf. Die Fläche des Landefeldes rings um den Fuß der beiden Zirkus-Raumschiffe war zu einer Stätte des namenlosen Grauens geworden. Mehrere hundert Bürger von Sverkon hatten in den Explosionen ihrer infizierten Körper den Tod gefunden. Wilder Zorn packte den Arkoniden beim Anblick der verstümmelten Toten. Welch ein Bewußtsein mochte das sein, das eine solche Tat zu vollbringen vermochte? Mit schweren Bewegungen brachte Atlan das Boot in Gang. In aller Gemächlichkeit ließ er es am Rande des Lichtkegels entlang zu der riesigen Rundung der GULLIVER hinaufschweben. Auf einmal gab es keinen Grund mehr zur Eile. Die Partie stand remis. Keiner der beiden Opponenten konnte sich mehr rühren. Ein neuer Plan war erforderlich, eine neue Strategie. Von der GULLIVER aus hatte man die grausigen Vorgänge auf dem Landefeld beobachtet. Als Atlan den Kommandostand
Der Plasma-Mutant betrat, grüßten ihn bleiche, verbissene Gesichter. Wortlos schritt er an seinen Offizieren vorbei bis zu dem Arbeitspult, das man für ihn hergerichtet hatte. Auf dem kleinen Bildschirm leuchtete eine Schrift, die besagte, daß Nachrichten für ihn eingetroffen seien. Achtlos hieb er auf die Abruftaste. Aber gleich danach sah er gespannt auf. Der Kodename WEISSER ADLER war auf der Bildfläche erschienen. Stuckey Folus' Bericht rollte ab. Lange Zeit danach starrte der Arkonide nachdenklich vor sich hin. Der Mächtige ein riesiger Fladen aus Protoplasma? Oder vielmehr zwei Fladen, da ja sowohl die COMOTOOMO als auch die ORBAG MANTEY je einen Riesentank an Bord genommen hatten? Auf Quinto-Center war ähnliches gemutmaßt worden – damals, als Nancy Chessare, genannt »Ma«, die gefährliche kleine Sammlung von Protoplasma-Kügelchen von Plophos mitbrachte und diese sich in einem unbeobachteten Augenblick miteinander vereinten, auf Wanderschaft zogen und alles in sich aufschlangen, was ihnen über den Weg lief. Damals hatten manche den Verdacht geäußert, daß die Kügelchen Substanz von der Substanz des Mächtigen selbst sein müßten. Es war ein plausibler Verdacht gewesen. Er hatte den Arkoniden nie losgelassen. Und jetzt schien er endlich seine Bestätigung zu finden. Aber was nützte die Erkenntnis? Wozu war sie gut? Dort unten, in den Laderäumen der beiden Zirkus-Raumschiffe, lagen die Tanks mit der Substanz des Mächtigen. Um die Schiffe herum lagerten die Bürger von Sverkon, ohne eigenen Willen dem Befehl ihres unmenschlichen Herrschers gehorchend, jetzt noch bewußtlos, Hunderte von ihnen tot. Ein einziges Geschütz der GULLIVER reichte aus, um die COMOTOOMO und die ORBAG MANTEY in glühende Schwaden metallischen Dampfes zu verwandeln. Der Unheimliche würde dabei den Tod finden, aber ebenso auch die Besatzungen der beiden Raumschiffe und – schlimmer noch – die fünfzigtausend Unschuldigen,
33 hinter denen sich der »Mächtige« verbarrikadierte. Er duldete keine Annäherung. Er kannte die Mentalität des Gegners und wußte, daß dieser zurückweichen würde, um unschuldiges Menschenleben nicht in Gefahr zu bringen. Mit einer Skrupellosigkeit, die deshalb um so furchtbarer war, weil sie nicht auf Mißachtung moralischer Grundsätze, sondern auf deren absoluter Unkenntnis beruhte, bediente er sich seiner Untertanen als Geiseln. Die Protoplasma-Einschlüsse im menschlichen Gewebe waren chemisch höchst aktiv, wie sich in der Vergangenheit herausgestellt hatte. Die ihnen innewohnende Energie konnte durch ein telepathisches Kommando freigesetzt werden. Man kannte mehrere Beispiele, bei denen infizierte Personen durch eine grauenvolle Explosion förmlich in Stücke zerrissen wurden. Der spektakulärste Fall dieser Art bis jetzt hatte sich vor wenigen Wochen auf Plophos zugetragen, als ein Androide, der der Polizei Angaben über die geheimnisvollen Vorgänge an Bord der ORBAG MANTEY hatte machen wollen, vor den Augen des Polizisten in Fetzen gerissen wurde, bevor er ein einziges wesentliches Wort sagen konnte. Was konnte man gegen ein solches Ungeheuer ausrichten? Verschiedene Gedanken schossen Atlan durch den Kopf. Er verwarf sie alle wieder. Er war bereit, mit dem Mächtigen zu verhandeln – wenn er nur gewußt hätte, wie man Verbindung mit einem Monstrum aus Protoplasma aufnahm. Schließlich rief er resigniert die Kommunikationszentrale an und befahl: »Bringen Sie den Weißen Adler an den Apparat. Ich habe mit ihm zu sprechen!«
7. Der »Weiße Adler« erhielt Atlans Botschaft, als er den alten Gleiter der Cosmidos gerade am nordwestlichen Rand des Raumhafens Sverkon absetzte. Er hatte das Funkgerät mitgenommen, um sich jederzeit mit der GULLIVER in Verbindung setzen zu
34 können. Es überraschte ihn, daß der Lordadmiral selbst sich die Mühe machte, mit ihm zu sprechen. »Ich brauche Ihre Hilfe, Folus«, eröffnete Atlan die Unterhaltung. »Die Dinge entwickeln sich nicht so, wie ich es gerne hätte.« Er gab eine kurze Schilderung der entsetzlichen Vorgänge, die sich vor kurzem auf der Landefläche abgespielt hatten. Er machte keinen Hehl daraus, daß er einen zweiten Vorstoß dieser Art nicht zu unternehmen gedenke. »Wir müssen mit dem Ding in Kontakt kommen«, hörte Stuckey Folus den Lordadmiral sagen. »Es liegt auf dem Raumhafen fest und kann sich nicht bewegen. Auf der anderen Seite hängen wir hier fest und können uns keinen weiteren Zug erlauben. Es ist eine Patt-Situation. Das Plasma muß an Verhandlungen ebenso interessiert sein wie wir.« Stuckey Folus blickte auf die weite Landefläche hinaus. Hinter den Wällen der Menschenleiber gähnten dunkel die portalähnlichen Eingänge zu den Arenen der Zirkus-Raumschiffe. »Es muß irgendeine Vorrichtung geben«, fuhr der Arkonide fort, »mit deren Hilfe wenigstens der Kommandant eines Zirkusschiffs von dem Mächtigen Befehle entgegennehmen oder ihm Informationen zukommen lassen kann. Ihre Aufgabe ist, diesen Mechanismus zu finden. Machen Sie dem Ding klar, daß ich zu verhandeln wünsche. Setzen Sie ihm auseinander, daß ich es nicht bedrohe. Mir geht es im Augenblick in erster Linie um die Sicherheit der Galaxis.« Brummend, ärgerlich fügte er hinzu: »Aber das brauchen Sie ihm nicht zu erklären.« Folus hatte Bedenken. »Gesetzt den Fall, Sir, es kommt wieder zu Explosionen, wenn wir uns einem der beiden Raumschiffe nähern?« »Dann ziehen Sie sich sofort zurück!« befahl Atlan scharf. »Diese Menschen dort draußen sind auf uns angewiesen. Ihr Leben liegt in unserer Hand.«
Kurt Mahr »Verstanden, Sir«, bestätigte Folus und schaltete ab. Er hängte sich das kleine Gerät um die Schulter. Dann wandte er sich an Opa Tanza und Kazinger Erfgo. »Ihr habt gehört, was der Mann sagte. Also …?« Er schob das Luk auf und kletterte hinaus. Opa und Erfgo folgten ihm dichtauf. Zu dritt traten sie auf die glatte Landefläche hinaus. Es waren rund zwei Kilometer bis zum Landeplatz der ORBAG MANTEY, drei bis zur COMOTOOMO. In dem Augenblick, in dem die drei Männer das Landefeld betraten, erloschen in der Höhe die Bordscheinwerfer der GULLIVER. Finsternis breitete sich aus. Die geblendeten Augen hatten es schwer, sich an das Dunkel zu gewöhnen. Anfangs nahmen sie nicht einmal die Lichtpunkte der Lampen wahr, die sich am Rand des Raumhafens erhoben. Mit einem Gefühl der Beklommenheit richtete Stuckey Folus seine Schritte in Richtung der ORBAG MANTEY.
* Es war hell, als Amlor Petrefa die Augen aufschlug. Er hatte ein pochendes Dröhnen im Schädel und wußte im ersten Augenblick nicht, was geschehen war. Dann fiel sein Blick auf den Bildschirm. Es war finster draußen. Die USO hatte angegriffen, nicht wahr? Wann war das gewesen? Sein Blick suchte das Chronometer. Er stellte fest, daß er über zwei Stunden lang bewußtlos gelegen hatte. Was war geschehen? Die Bewußtlosigkeit verdankte er einer Schocksalve, soviel wußte er. Wahrscheinlich hatte eines der USO-Raumschiffe ein Narkosegeschütz abgefeuert. Die Leute von Sverkon! Das mußte es sein! Die Menschenwälle versperrten den USO-Truppen den Zugang zu den beiden Raumschiffen. Sie hatten sie betäubt, um das Hindernis leichter aus dem Weg räumen zu können. Was aber war danach gekommen? Amlor Petrefa sah sich um und entdeckte die reglosen Körper der Besat-
Der Plasma-Mutant zungsmitglieder. Nichts bewegte sich im Kommandostand der ORBAG MANTEY. Er horchte. Es war still ringsum bis auf das unaufhörliche Summen der Geräte. Hatte die USO das Schiff besetzt? War der Kampf vorüber? Er erhob sich. Die Bewegung verursachte ihm unerträgliche Kopfschmerzen. Petrefa jedoch hielt sie aus. Die Ungewißheit war schlimmer als selbst der häßlichste Schmerz. Er wankte auf die Schaltkonsole des Piloten zu. Die Geräte funktionierten einwandfrei. Auf dem Orterschirm waren drei fette, leuchtende Reflexe zu sehen, einer davon fünfmal so groß wie jeder der beiden andern. Die drei USO-Schiffe waren also noch da. Sie hatten ihre Position nicht geändert. Er schaltete einen Außenbordscheinwerfer an und beleuchtete einen Sektor des Landefeldes. Die Menschenwälle lagen nach wie vor um den Fuß der ORBAG MANTEY. Die USO hatte sie also nicht beiseite geräumt. Die Leute waren bewußtlos, also war dieser Teil seiner Hypothese richtig. Es gab Anzeichen, daß sich jemand kurzzeitig mit dem Wall von Menschenleibern beschäftigt hatte. Eine schmale Gasse war ausgeräumt worden, wenigstens teilweise. Und dicht daneben … Amlor Petrefa stockte das Blut in den Adern, als er den grausigen Anblick gewahrte. Er holte den Ausschnitt des Bildes durch eine Vergrößerung näher heran und starrte voll ungläubigen Entsetzens auf den Haufen verstümmelter Leiber. Er wußte sofort, was er vor sich hatte. Er kannte bis ins letzte Detail die Macht, die der Mächtige über seine Untertanen besaß. Ein telepathischer Impuls aus seinem nichtmenschlichen Bewußtsein, und die Protoplasma-Kügelchen im Zellgewebe der Unglücklichen explodierten. Der Mächtige hatte sich gegen die USO gewehrt. Er hatte sich von den Truppen der USO bedroht gefühlt und ein Dutzend, ein Hundert, zwei Hunderte seiner Untertanen einfach explodieren lassen. Was machte es ihm aus? Ihm galt menschliches Leben gleich nichts. Aber er kannte die Mentalität
35 der Angreifer. Sie hatten begriffen, daß der Unheimliche notfalls alle fünfzigtausend Sverkonen töten würde, wenn sie nicht von ihrem Vorhaben abließen. So mußte es gewesen sein, dachte Amlor Petrefa, und wenn er lange genug am Leben geblieben wäre, hätte er erfahren, daß sich seine Hypothese mit der Wirklichkeit deckte. So jedoch nahm er nur zur Kenntnis, daß das Schicksal ihm noch einmal – ein letztes Mal vielleicht! – eine Verschnaufpause gönnte. Die USO hatte zu rasch angegriffen. Er war nicht mehr dazu gekommen, seinen Plan auszuführen. Jetzt bot sich ihm noch einmal Gelegenheit dazu. Aber er brauchte einen Helfer. Allein war er hilflos. Er sah sich um. Kinke Seiblad lag inmitten eines Knäuels regloser Körper. Amlor Petrefa zerrte ihn in die Höhe. Einer der Bewußtlosen rührte sich und wälzte sich knurrend auf die andere Seite. Nicht lange, und sie würden alle zu sich kommen. Petrefa schüttelte Seiblad bei den Schultern. Der Kleine öffnete träge die Augen. Als das Licht sie traf, schien er Schmerz zu empfinden und verzog das Gesicht. »Was … was ist?« lallte er. »Komm zu dir!« herrschte Petrefa ihn an. »Es gibt eine Menge Arbeit zu tun!« Er schleppte den Widerstrebenden zu einem Getränkespender und goß ihm einen Becher eiskalten Mineralwassers in den Nacken. Das half. Seiblad schnappte hechelnd nach Luft. »Klar?« knurrte Petrefa. Seiblad nickte und prustete. »Zum Ladedeck!« befahl Petrefa. »Los, rühr dich!« Seiblad stolperte vor ihm her bis zu der dicken Röhre des Antigravschachts, der die Nabe des kreisrunden Kommandostands bildete. Seiblad schwang sich hinein. Wie er das tat, zeigte, daß er die Folgen der Bewußtlosigkeit überwunden hatte. Er bewegte sich rasch und zielsicher. Dicht hintereinander glitten die beiden Männer durch den Schacht hinab. Überall im Innern des mächtigen Fahrzeugs herrschte tiefste Stille.
36 Die Fahrt durch den Schacht dauerte Petrefa viel zu lange. Immer wieder griff er nach einer der Haltestangen und stieß sich daran ab, um schneller vorwärts zu kommen. Jedesmal leuchtete eine Sekunde später an den Wänden des Schachtes die rote Warnschrift auf: PASSAGIER MIT ZU HOHER GESCHWINDIGKEIT. Das sich selbst regulierende künstliche Schwerkraftfeld bremste seinen Fall. Er fragte sich, ob der Mächtige über irgendeine Möglichkeit verfüge, seine und Kinke Seiblads Annäherung zu bemerken. Er hatte keine Augen, wenigstens hatte Petrefa in den wenigen Augenblicken, die er vor dem durchsichtigen Tank auszuharren vermochte, keine Sehorgane bemerkt. Normalerweise nahm das unheimliche Wesen Eindrücke aus der Umwelt nur auf dem Weg über infizierte Personen auf. Er sah mit ihren Augen, hörte mit ihren Ohren. Weder Petrefa noch Seiblad waren infiziert. Der Mächtige hatte frühzeitig eingesehen, daß, während es besser war, auf Wagtmeron alles unter seiner Kontrolle zu haben, in der Weite des Weltalls solche Mitarbeiter den höchsten Wirkungsgrad erzielten, die noch über ihre eigene Initiative verfügten. War es also möglich, daß der Unheimliche wirklich keine Ahnung hatte, was da auf ihn zukam? Auf einem der untersten Decks, nur wenige Etagen über dem Gelände der Zirkusarena und der Anlagen, die unmittelbar mit den Zirkusvorführungen im Zusammenhang standen, schwangen sich die beiden Männer aus dem Antigravschacht. Durch einen mattbeleuchteten Gang bewegten sie sich auf das große Schott des Laderaumes zu. Kurz davor zögerte Kinke Seiblad. Er wandte sich um und musterte Amlor Petrefa ängstlich. »Sind Sie sicher, daß wir das Richtige tun?« wollte er wissen. Petrefa war seiner Sache selbst nicht ganz sicher. Aber es war gefährlich, in diesem kritischen Augenblick in seinem Helfer Zweifel aufkommen zu lassen. »Ich weiß immer, was ich tue!« behauptete er.
Kurt Mahr »Wenn er aber merkt, was wir …« »Er merkt es nicht!« donnerte Petrefa. »Und selbst wenn er es merkte, könnte er uns nichts tun. Allein ist er hilflos. Er handelt nur durch die Menschen, die unter seinem Einfluß stehen. Und die, die draußen liegen, sind bewußtlos. Bevor er sich's versieht, haben wir den Tank mit dem Robotkran geschnappt und lassen ihn durch den Lastschacht auf die Ebene der Manege hinunter.« Er lachte gehässig, als ihm plötzlich ein Gedanke kam. »Und wenn wir dann starten, dann soll er zusehen, wie er mit dem Plasmadampf aus den Triebwerksdüsen fertig wird. Vielleicht machen ihm ein paar hunderttausend Grad nichts aus!« Kinke Seiblad trat auf das Schott zu. Es öffnete sich selbsttätig. Dahinter lag ein gewaltiger Raum, dämmrig beleuchtet, und in der Mitte wölbte sich ein riesiger, runder Tank mit transparenten Wänden. Hinter den Wänden aber wallte und wogte es, bleich und formlos, eine gigantische Masse aus gestaltlosem Protoplasma. Seiblad lief ein Schauer über den Rücken.
* »Weißer Adler an Blaue Flagge! Wir stehen fünf Meter vor dem Beginn der Menschenmauer. Rücken vorsichtig weiter vor.« Ohne auf Bestätigung zu warten, schob Stuckey Folus das Funkgerät wieder an die Seite zurück. Sie hatten über eine halbe Stunde gebraucht, um die ORBAG MANTEY zu erreichen. Sie hatten vorsichtig einen Fuß vor den andern gesetzt, um sich sofort herumzuwerfen und davoneilen zu können, wenn der Unheimliche ihnen zu verstehen gab, daß ihr Besuch nicht erwünscht sei. Wie um dieselbe Zeit an anderer Stelle Amlor Petrefa, so zerbrach sich auch Stuckey Folus den Kopf über die Möglichkeiten, die der Mächtige zur Wahrnehmung seiner Umgebung besaß. Wenn es sich wirklich um eine konturlose Masse aus Protoplasma handelte, dann war er darauf angewiesen, sich durch seine Kreaturen, die Infi-
Der Plasma-Mutant zierten, über die Umwelt informieren zu lassen. Die Infizierten aber waren bewußtlos. Ihre Augen, ihre Ohren und sonstige Sinneswerkzeuge funktionierten nicht. Woher also hatte der Unheimliche gewußt, daß die USO-Einsatztrupps sich näherten? Und wußte er auch jetzt, daß eine kleinere Gruppe von neuem versuchte, in die ORBAG MANTEY einzudringen? Vor einiger Zeit war an dem zylindrischen Rumpfteil des Zirkus-Raumschiffs, das das Mittelstück des Schiffskörpers bildete, für wenige Minuten die Außenbordbeleuchtung aufgeflammt. Das bedeutete, daß an Bord des Schiffes wenigstens eines der Besatzungsmitglieder wieder bei Bewußtsein sein mußte. Die Beleuchtung war gleich darauf wieder ausgeschaltet worden. Der Mann hatte sich nur umsehen wollen. Die Augen hatten sich mittlerweile so an die Dunkelheit gewöhnt, daß das matte Sternenlicht ihnen genügte, die Umgebung einigermaßen deutlich zu erkennen. In dem Wall der Menschen, die sich hier gebettet hatten, um gemäß dem Willen ihres Herrschers die ORBAG MANTEY und die COMOTOOMO vor dem Feind zu schützen, war es noch immer still. Die Ohnmacht würde noch wenigstens eine Stunde anhalten. Folus schauderte, als er an einem Knäuel zerrissener Leiber vorüberkam. Hinter ihm gab Opa einen schnaufenden, wütenden Laut von sich. Schritt für Schritt rückten sie durch die enge Gasse vor, die eines der Einsatzkommandos gebahnt hatte. Es stank. Der Befehl des Mächtigen hatte die Bürger von Sverkon an ihren Platz gebannt. Seit mehr als einem halben Tag warteten sie hier. Der Unheimliche war nicht gewillt, selbst den primitivsten Belangen der Hygiene Rechnung zu tragen. Als die Gasse aufhörte, kletterten Stuckey Folus und seine Begleiter über die reglosen Körper hinweg. Sie hatten keine Zeit, sie aus dem Weg zu räumen. Sie waren einem der riesenhohen Eingänge zur Zirkusarena bis auf fünfzig Meter nahe gekommen. Die nächsten zwei oder drei Minuten würden darüber entscheiden, ob ihrem
37 Unternehmen Erfolg beschieden war oder nicht. Immer näher rückte das gewaltige Tor. Dahinter war es finster. Kazinger Erfgo trug eine Lampe, die sie benützen würden, um sich weiter zurechtzufinden. Schritt um Schritt, Körper um Körper, Meter um Meter. Hoch gähnte die finstere Öffnung. Stuckey Folus blieb stehen und horchte. Nichts! Kein Laut kam aus dem Innern des mächtigen Raumschiffs. Er glitt von dem Körper des Bewußtlosen herab auf den ebenen Boden. Mit mechanischer Bewegung schob er das Funkgerät nach vorne, so daß das Mikrophon seine Stimme mühelos erfassen konnte. »Weißer Adler an Blaue Flagge – wir haben den Eingang erreicht!« Dann trat er in die Finsternis. Erfgos Lampe flammte auf und schnitt einen weißen, hellen Kegel aus dem Dunkel. Staubteilchen schwirrten im Strahl der Lampe. Plötzlich begann der Reflex des Lichtkegels auf dem Boden zu tanzen. Kazinger Erfgo fluchte verhalten. »Was ist?« fragte Folus. »Meine Hand«, beschwerte sich der Führer der Cosmidos. »Sie fängt auf einmal an zu kribbeln.« Stuckey Folus hätte dazu noch einiges zu sagen gehabt. Er kam jedoch nicht dazu. Ein Laut durchbrach plötzlich die Stille, nicht grell und gellend, sondern so, als ob er aus weiter Ferne komme. Es war ein Laut, der den drei Männern das Blut in den Adern stocken machte, der langgezogene Todesschrei eines Menschen …
* An der Wand des Lagerraums befand sich die Konsole, von der aus der Robotkran betätigt wurde. Eigentlich handelte es sich nur um einen Halbrobot. Um sich regen zu können, bedurfte er der Steuerung durch eine Serie elektronischer Befehle. Amlor Petrefa drückte ein paar Tasten. In der Höhe des mächtigen Lagerraums begann es zu rumo-
38 ren. Petrefa wandte sich um und musterte aus sicherer Entfernung den Tank. Er war von gewaltigen Ausmaßen, dem Umfang des Unheimlichen angepaßt, der im Innern des riesigen Gefäßes ständig wallte und wogte. An den Seitenwänden des Tanks waren Gruppen von Zusatzgeräten angebracht, die die Temperatur die Zusammensetzung der Nährlauge, den Luftdruck und andere Parameter kontrollierten und, wenn nötig, korrigierten, so daß die Lebensbedingungen im Innern des Tanks für den Mächtigen stets optimal waren. Während der Kran sich langsam herabsenkte, betrachtete Amlor Petrefa seinen ehemaligen Geschäftspartner mit frisch erwachter Neugierde. Bisher hatte er nur Furcht und, wenn er vor dem durchsichtigen Tank stand, Abscheu empfunden. Jetzt, da er im Begriff stand, das gefährliche Monstrum von Bord zu befördern, konnte er es sich leisten Angst und Widerwillen zu vergessen. Er fragte sich, wie es in dem fremdartigen Bewußtsein zugehen mochte. Amlor Petrefa selbst war ein Mann, der nur wenige Skrupel kannte. Erst der Mächtige hatte ihn jedoch gelehrt, was wahre Skrupellosigkeit bedeutete. Der Sinn des abscheulichen AndroidenHandels war Petrefa immer noch verborgen. Er konnte nur ahnen, nur spekulieren, was das unmenschliche, formlose Gebilde aus Protoplasma plante. Wie gefühllos, wie erbarmungslos hatte er, um diesen Plan zu verwirklichen, Hunderte, Tausende von Androiden einfach »verbraucht«, zerstückeln lassen, damit die infizierten Organe der künstlichen Menschen in den Organbanken von Plophos untergebracht werden konnten. Androiden – das waren künstlich, unter Laboratoriumsbedingungen erzeugte Menschen, das Produkt zweier synthetischer Keimzellen, deren Genzusammensetzung von Computern gesteuert und nach einem Rechenprogramm bestimmt wurde. Aber dennoch Menschen von Fleisch und Blut, nicht etwa Roboter, auch wenn sie nicht die Fähigkeit besaßen, Emotionen zu empfinden. Zu Tausenden hatte das Monstrum sie
Kurt Mahr in seiner geheimen Klinik erzeugt, nur um sie gleich darauf wieder in den Tod zu jagen! Summend näherten sich die Greifer des riesigen Krans. Es gab leise, dumpfe Geräusche, als sie den Tank packten und mehrere Male daran ruckten, um die Verläßlichkeit des Zugriffs zu prüfen. Amlor Petrefa trat ein zweites Mal zur Konsole und betätigte den Schalter, der das Öffnen und Schließen des mächtigen Lastenschachts besorgte. Unmittelbar neben dem Tank, in dem eine Hälfte des Mächtigen ruhte, teilte sich der Boden des Lagerraumes. Zwei bewegliche Bodenplatten glitten zur Seite und schufen eine Öffnung, die groß genug war, um den Behälter passieren zu lassen. Der Schacht führte bis hinunter zur Landefläche und endete auf der Ebene der Zirkusmanege, die in diesem Augenblick, da die ORBAG MANTEY sich in Startkonfiguration befand, in Segmenten hochgeklappt an den Innenwänden des Heckkonus ruhte. Im Innern des Heckkonus würden sich beim Start die entfesselten Energien der Triebwerke austoben. Der Tank würde sich, wenn der Kran ihn losließ, unmittelbar im Strom der sonnenheißen Plasma-Abgase befinden, die aus den Triebwerksdüsen strömten. Der Mächtige mochte hunderttausend Kunststücke beherrschen, aber der Glut des Plasmastroms würde er nicht widerstehen können. Ein ungewohntes Geräusch ließ Petrefa aufhorchen. Es schien von dem Tank zu kommen; aber er konnte nicht sehen, was es verursacht hatte. Kinke Seiblad hatte inzwischen einiges von seinem Mut zurückgewonnen und stand unmittelbar neben dem riesigen Gefäß, um sich keine Phase des Abtransports entgehen zu lassen. Auch er hatte das Geräusch gehört und sah überrascht auf. Amlor Petrefa zögerte, dem Kran den endgültigen Befehl zum Ausladen des Tanks zu geben. Und diese zwei Sekunden, die er unschlüssig verstreichen ließ, reichten aus, über Kinke Seiblads Schicksal zu entscheiden.
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Das Geräusch wiederholte sich, stärker, lauter als zuvor. Es klang wie ein gedämpfter Gongschlag. Petrefas Blick wanderte an der durchsichtigen Tankwand hinauf. Da sah er es! Der Tank hatte einen Riß bekommen. Durch den klaffenden Spalt rann zähe Nährflüssigkeit, und hinterher schob sich ein Fladen Protoplasma, der sich so dünn gemacht hatte, daß er mühelos durch die Öffnung paßte. Ein widerlicher Tentakel, der sich mit unvorstellbarer Geschwindigkeit an der Wand des Tanks herabtastete. Petrefa wollte schrien, aber das Grauen verschlug ihm die Stimme. Er konnte sich nicht rühren. Seiblad, der dicht vor dem Tank stand, hatte die Gefahr jetzt ebenfalls bemerkt. Er warf sich herum. Er wollte davonlaufen, aber der abscheuliche Tentakel war schneller. Mit schmatzendem Geräusch verließ er die Unterlage der Tankwand und schlug baumelnd zur Seite. Seiblad wurde am Kopf getroffen und stürzte. Mit teuflischer Geschicktheit wickelte sich der bleiche Greifarm um den Körper des Hilflosen. Seiblad zappelte, schlug mit Armen und Beinen um sich, bis ihn der Tentakel so verschnürt hatte, daß er sich kaum mehr rühren konnte. Inzwischen hatte der Spalt im Tank sich weiter verbreitert. Immer mehr Protoplasmamasse quoll aus der Öffnung hervor und dem Boden entgegen. Kinke Seiblad wurde emporgehoben. Wie der Rüssel eines Elefanten führte der Tentakel die Beute dem unheimlichen Plasmakörper zu. Seiblad schrie auf. Es war ein langgezogener, gellender Todesschrei, dessen Echo von den glatten Wänden des Lagerraums hallte. Da erwachte Amlor Petrefa aus seiner Starre. Als er Seiblad in den wallenden Plasmamassen verschwinden sah, gewann er die Kontrolle über seine Muskeln zurück. Mit einem halberstickten Schrei fuhr er herum und schoß aus dem Lagerraum hinaus, als seien ihm die Furien auf den Fersen.
8. Sie sind gekommen, um zu verhandeln.
Sie, die armseligen Menschlein, die so sehr um das Leben ihrer Mitmenschlein bangen, daß sie sich nicht an mir zu vergreifen wagen, solange ich das Leben der anderen bedrohe, die draußen vor den Eingängen zu den beiden Raumschiffen lagern. Sie haben mit einem schweren Geschütz auf mich geschossen. Sie dachten, sie könnten mich lähmen. Sie wissen nicht, daß mein Bewußtsein nicht von der Struktur ihres Bewußtseins ist und daß ihre lächerlichen Strahlengeschütze mir nichts anzuhaben vermögen. Doch ich werde mit ihnen verhandeln. Verrat umgibt mich von allen Seiten. Ein Teil meiner Substanz sollte vernichtet werden – von zwei Kreaturen, die von mir bisher nur Wohltaten erfahren haben. Sie dachten, sie könnten mich heimlich von Bord bringen, weil alle meine Untertanen bewußtlos sind und mich nicht darüber informieren können, was in der Welt vorgeht. Sie dachten, ich könne sie nicht wahrnehmen. Sie kennen die Sensibilität meiner Körpersubstanz nicht, die auf feinste Erschütterungen reagiert und sie zu deuten weiß. Ich spürte die beiden Verräter sich nähern. Ich fühlte das Zittern, das von dem Werkzeug ausging, mit dem sie meinen Behälter aufheben und hinausschaffen wollten. Ich ließ sie gewähren, bis es an der Zeit war, sie zu bestrafen. Einer fand den Tod, vor dem die Menschen sich so sehr fürchten. Sein Wissen ist jetzt mit meinem Wissen vereint, seine Substanz ist zu meiner Substanz geworden. Der andere entkam. Vorläufig. Auch er wird seiner Strafe nicht entgehen. Ich aber will mit den Menschen verhandeln. Da kommt einer, den ich mit meinen Gedanken erreichen kann. Wie ist das möglich? Ich kann ihn erreichen, aber er beugt sich meinem Zwang nicht! Er muß meine Substanz in sich tragen, aber trotzdem beugt er sich meinem Willen nicht? Ich werde zu ihm sprechen. Ich werde Bedingungen stellen. Ich muß von hier fort. Diese Welt ist nicht mehr sicher für mich. Ich muß die Nähe der Menschen meiden; denn so erbärmlich sie sind, so entwickeln
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sie manchmal doch einen Einfallsreichtum, der mir gefährlich werden kann. Ich muß verhandeln, um endlich die Furcht zu besänftigen, die in mir wohnt …
* Stuckey Folus war der erste, der sich in den Antigravschacht schwang. Mit der freien Linken griff er nach einer Haltestange und stieß sich daran ab, daß er wie ein Torpedo in die Höhe schoß. Ein kurzer Blick nach hinten belehrte ihn, daß Thow Tanza und Kazinger Erfgo ihm dichtauf folgten. Er wußte nicht, woher der entsetzliche Schrei gekommen war. Er hatte auch keine Zeit, nach dem Ort zu suchen, an dem vor wenigen Augenblicken ein Mensch seine Todesangst hinausgebrüllt hatte. Die Besatzung des Raumschiffs war dabei, aus der Narkose zu erwachen. Sein erstes Bemühen mußte dahin gehen, die ORBAG MANTEY fluguntauglich zu machen. Die Konstruktion der Zirkus-Raumschiffe war ihm vertraut, seitdem er an Bord der COMOTOOMO zusammen mit Opa eine wahre Weltraumodyssee absolviert hatte. Auf der Höhe des zentralen Eingangs zum Kommandostand schwang er sich aus dem Schacht. Aus dem breiten Gang, der zum Kommandozentrum führte, lag stöhnend ein Mann mit den Rangabzeichen eines Arztes. Er schien eben wieder zu sich zu kommen. Stuckey Folus half ihm auf. »Sie sind der Bordarzt?« herrschte er ihn an. Der Mann bedachte ihn mit einem verwirrten, erschrockenen Blick. Dann nickte er zögernd. »Wieviel Mann im Kommandostand?« »Alle, bis auf …« »Wieviel sind alle?« Der Arzt überlegte eine Sekunde. »Siebenunddreißig Mann«, antwortete er. »Zwei sind bei mir im Labor.« Stuckey Folus winkte Opa heran. »Bring den Mann in sein Labor«, trug er ihm auf, nachdem er sich vergewissert hatte,
daß der Arzt nicht bewaffnet war. »Er hat dort zwei Leute. Sieh zu, daß er ein Dutzend Injektoren mit Nervtötern füllt. Er soll sich die zwei Mann zuerst vornehmen. Dann kommt ihr beide zum Kommandostand, klar?« Opa grinste. »So gefällst du mir, Junge, wenn du einem Mann, der dein Vater sein könnte, Befehle gibst.« Folus reagierte nicht darauf. Mit Kazinger Erfgo zusammen rückte er gegen den Kommandostand vor. Das Schott öffnete sich willig. Folus überflog die Lage mit einem Blick. Der Arzt hatte sich verrechnet. Er zählte nur fünfunddreißig Mann. Sie befanden sich in verschiedenen Phasen des Wiederzusichkommens. Aber so benebelt sie auch sein mochten, die Drohung der beiden Blasterläufe, die sich vom Eingang her auf sie richteten, verstanden sie sofort. Erfgo und Folus hielten die Leute im Schach, bis Opa mit dem Arzt zurückkehrte. Thow Tanza nickte Folus beruhigend zu, als er eintrat. Die beiden Leute, die sich im Labor des Arztes befunden hatten, bedeuteten keine Gefahr mehr. »Rufen Sie die Leute einen nach dem andern auf«, befahl Folus dem Arzt »und geben Sie ihnen eine Injektion, die sie wenigstens zwei Stunden lang ausschaltet.« Es kam ihm ein Gedanke, und er fügte hinzu: »Und finden sie raus, wer die beiden Leute sind, die hier fehlen, und wo sie stecken.« »Da brauche ich nicht lange zu fragen«, reagierte der Arzt mürrisch. »Die beiden Leute sind Petrefa und Seiblad. Und wohin sie verschwunden sind, weiß kein Mensch. Sie sehen ja, daß die Leute erst zu sich kommen.« Stuckey Folus nickte zustimmend. Der Herr des Schiffes und sein Faktotum fehlten. Folus hatte Grund zu glauben, daß nur noch einer von beiden am Leben war. Der Arzt begann jetzt, den Männern die Injektionen zu verabreichen. Sie murrten, aber angesichts der drohenden Waffenmündungen gaben sie klein bei. Sie waren kaum aus der
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Bewußtlosigkeit erwacht, da lagen sie schon wieder reglos am Boden. Als letzter kam der Arzt selbst an die Reihe. Folus nahm ihm den Injektor ab und jagte ihm das narkotische Medikament vermittels einer Hochdruckspritze durch den Ärmel der Montur in die Schulter. Damit hatte er sich Rückenfreiheit geschaffen. Die Mannschaft war ausgeschaltet. Zwei Stunden lang würde er Herr dieses Raumschiffs sein. Nur ein Mann konnte noch gefährlich werden: Amlor Petrefa oder Kinke Seiblad, je nachdem, wer den Todesschrei ausgestoßen hatte. Allein konnte er kaum gefährlich werden. Stuckey Folus trat zum Schaltpult des Piloten und vergewisserte sich, daß die Notstartschaltung nicht benutzt werden konnte. Er wollte sich sofort auf die Suche nach dem letzten Besatzungsmitglied machen. Aber er kam nicht dazu. Plötzlich, ohne vorherige Warnung, brach Kazinger Erfgo zusammen. Er beugte sich einfach vornüber und stürzte zu Boden. Folus und Tanza waren gleichzeitig an seiner Seite. Erfgo war bei Bewußtsein. Mit fremdem Blick schien er durch die beiden Männer hindurchzustarren. »… muß … muß sprechen!« stammelte er. »In mir … Macht … will reden … verhandeln … hört!« Das letzte Wort stieß er so schrill und ängstlich hervor, daß es wie eine flehende Bitte klang. »Sprich!« befahl ihm Folus, der zu ahnen begann, was sich hier abspielte.
* Amlor Petrefas erste Handlungen, nachdem er den Lagerraum verlassen hatte, waren reflexbedingt. Er wußte später nicht mehr, was er in diesen ersten Sekunden des Schocks getan hatte – nicht einmal, ob das Schott des Lagerraums wieder verschlossen war oder nicht. Erst als er durch den Antigravschacht nach oben trieb, begannen sich wieder bewußte Gedanken zu bilden. Die Erinnerung an das gräßliche Erlebnis tauchte
vor ihm auf. Er nahm zur Kenntnis, daß er seinen verläßlichsten Mitarbeiter verloren hatte und daß es ihm nicht gelingen würde, seinen unheimlichen Fahrgast gegen dessen Willen von Bord zu schaffen. Trotzdem weigerte er sich, sich geschlagen zu geben. Die USO war hinter dem Unheimlichen her. Wer mit ihm zusammen gefangen wurde, dem war sicher, daß er die nächsten zwanzig oder dreißig Jahre auf Eis liegen würde. Der unerlaubte Handel mit Androiden wurde nach interstellarem Gesetz streng bestraft; und Amlor Petrefa war nicht einmal sicher, ob sich die USO bei der Bezeichnung seiner Aktivitäten mit dem Begriff »unerlaubter Handel« zufriedengeben würde. Ein Gedanke tauchte vor ihm auf den er zuvor schon in anderem Zusammenhang gehabt hatte. Ein Kronzeuge! Wie würde die USO einen Kronzeugen behandeln? Wie würde die United Stars Organisation darauf reagieren, wenn er ihr rückhaltlose Mitarbeit und die Überlassung aller Unterlagen anbot? Die Originale besaß er nicht mehr. Aber der weitaus größte Teil der Information war ebenso im Bordrechner der ORBAG MANTEY gespeichert. Die Sache war einen Versuch wert. Er war auf dem absoluten Tiefpunkt seiner Laufbahn angelangt. Er vergab sich nichts, wenn er der USO Zusammenarbeit anbot – selbst dann nicht, wenn sein Angebot abgelehnt würde. Ja, genau das mußte er tun! Er würde eines der drei USO-Raumschiffe anrufen, sobald er sein Arbeitszimmer erreichte. Der Vorsatz gab ihm neue Zuversicht, neuen Auftrieb. Man darf sich nie zu früh verloren geben, schoß es ihm durch den Kopf. Er trieb an dem Deck vorbei, auf dem der Haupteingang zum Kommandostand lag. Er hätte auch von dort aus die Verbindung mit der USO herstellen können. Aber es lag ihm nichts daran, jetzt mit dem Rest seiner Besatzung zusammenzutreffen. Ein paar Decks weiter schwang er sich aus dem Schacht. Ein Hauptgang, zwei Seitengänge, und er stand vor der Tür zu sei-
42 nem Allerheiligsten, das nur von ihm und solchen Leuten, die er gerufen hatte, betreten werden konnte. Wenigstens hatte er das bis vor kurzem geglaubt. Seitdem die Dokumente verschwunden waren, wußte er, daß es Leute gab, die seine Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen wußten. Das Schott öffnete sich, nachdem der Servo ihn identifiziert hatte. Petrefa durchschritt einen kleinen, länglichen Vorraum. Erst dann gelangte er in sein eigentliches Arbeitszimmer. Er besaß sein eigenes Kommunikationszentrum. Von diesem Raum aus war er mit sämtlichen Sendern und Empfängern seines Raumschiffs verbunden. Er konnte den Hypersender von hier aus aktivieren, ohne daß die Leute in der eigentlichen Kommunikationszentrale es merkten. Amlor Petrefa hatte von jeher darauf Wert gelegt, daß seine Verbindung mit der Umwelt nie abriß. Er fühlte sich nur dann sicher, wenn es zur Öffnung der Informationskanäle nur eines einzigen Handgriffs bedurfte, den er von seinem Schreibtisch aus tun konnte. Um die drei USO-Raumschiffe zu erreichen, brauchte er den Hypersender nicht. Konventioneller Radiofunk genügte. Er würde eine der allgemeinen Rundsprechfrequenzen benützen. Ohne Zweifel wurde sie von den USO-Leuten überwacht. In wenigen Minuten würde er die Verbindung hergestellt haben. Der Eifer hatte ihn gepackt. Seine Hände zitterten vor Aufregung, als er sich anschickte, das Gerät in Betrieb zu nehmen. Da hörte er das Räuspern eines Mannes. Er fuhr herum und gewahrte die Gestalt eines Fremden, der neben seinem Schreibtisch stand. Er hatte die blasse albinotische Haut der Androiden und deren rötliche Augen. Aber er trug Kopfhaar, was Androiden sonst nicht taten, und aus seinen Augen blitzte ein ganz und gar menschliches Feuer. »Was … was wollen Sie hier?« stammelte Petrefa entsetzt. »Wer sind Sie?« Der Unbekannte zeigte ein kühles Lächeln. »Es wundert mich nicht, daß Sie mich nicht mehr kennen«, antwortete er. »Es ist
Kurt Mahr immerhin schon fünf Jahre her. Ich bin einer Ihrer Androiden, fehlprogrammiert allerdings, sonst hätte ich keine Initiative. Ich bin der einzige, der sich in Sicherheit bringen konnte, nachdem Sie sich mit dem Mächtigen, der alles vereint, eingelassen hatten.« Er lächelte freier, als er an Petrefas Miene erkannte, wie diesem die Erinnerung allmählich zurückkehrte. »Ah, jetzt fällt es Ihnen ein. Ich sehe es!« Mit bebenden Lippen versuchte Amlor Petrefa, einen Namen zu formen. »Ein … Einstein?« »Natürlich!« strahlte der Androide. »Ich bin Einstein. Der Androide, der entkam. Das Geschöpf, das seinem bedauernswerten Artgenossen Algo auf Plophos zur Flucht verhalf. Ich hätte es besser wissen sollen.« Plötzlich wurde er ernst. »Ich schickte ihn in den Tod!«
* Stuckey Folus hatte das Funkgerät eingeschaltet. Auf der GULLIVER hörte der Arkonide fassungslos die Worte, die aus Kazinger Erfgos Mund quollen, Worte, die nicht er selbst formulierte, sondern der Unheimliche, der tief unten in den Laderäumen der beiden Zirkus-Raumschiffe ruhte. »Uralt …«, stöhnte Erfgo. »… ewig und mächtig. Muttersubstanz … draußen im Leerraum, zwischen den Milchstraßen. Nur ein Teil der Muttersubstanz … nach Wagtmeron gebracht von einem arkonidischen Wissenschaftler, Carten Schantool. Versuche mit Hoch und Niederdrücken, hohen und tiefen Temperaturen, gefährlichen Strahlungen. Mutation. Entwicklung eigener Initiative, Telepathie, hypnotischer Kräfte. Erstes Opfer Schantool. Danach andere. Sie waren leicht zu gewinnen. Kügelchen … in ihrem Gewebe … machten sie zu Sklaven …« Der Unheimliche, der Mächtige, erzählte seine Lebensgeschichte. Er war Stoff vom Stoff des Zentralplasmas auf der Hundertsonnenwelt, denn nur so konnte die Beschrei-
Der Plasma-Mutant bung seiner Herkunft gedeutet werden. Als kleinen Fladen hatte ihn vor zwanzig Jahren ein arkonidischer Wissenschaftler namens Schantool an sich und nach Wagtmeron gebracht, um hier mit der Masse zu experimentieren. Die Experimente waren ihm übel zu stehen gekommen. Carten Schantool beendete sein Leben als Sklave seines Experimentierguts. Der Unheimliche aber hatte seinen Siegeszug angetreten. Er verschlang Menschen und vergrößerte dadurch sein Volumen. Das Wissen der Verschlungenen nahm er in sich auf und akkumulierte damit ein Wissensgut, dessen Umfang die Kapazität eines menschlichen Gehirns um ein Tausendfaches übertraf. Er wußte über alles Bescheid. Seine Untergebenen pflanzten winzige Portionen seiner Substanz in das Gewebe immer neuer Menschenkörper und machten die Besitzer dieser Körper dadurch zu seinen Sklaven. Bald war ganz Wagtmeron in seiner Gewalt. Aber damit war sein Appetit auf Macht erst zu sich gekommen. Wagtmeron war ihm nicht genug. Er wollte die Galaxis. Er begann, eine Klinik zu bauen, in der Androiden erzeugt wurden. Die Androiden infizierte er mit seiner Körpersubstanz und verschickte sie dorthin, wo es TransplantKliniken gab. Die Leute, die ihm gehorchten, brachten die infizierten Androiden auf die Welten, auf denen die Kliniken standen – die meisten befanden sich auf Plophos –, zerstückelten die unglücklichen Kunstmenschen und tauschten deren infizierte Organe gegen die in den Organbanken gelagerten aus. Eines Tages, wenn genug Menschen von seiner Körpersubstanz infiziert waren, würde der Unheimliche zuschlagen. Die zahllosen Protoplasma-Kügelchen, die im Gewebe zahlloser Menschenkörper ruhten, würden sich befreien und miteinander vereinen. Im Handumdrehen würde auf jeder befallenen Welt ein Plasma-Körper entstehen, der die Kraft besaß, sämtliche Bewohner dieser Welt in sich aufzunehmen. Auf diese Weise würde der Mächtige alles vereinen und die Herrschaft über diese Galaxis an sich reißen.
43 All das stammelte Kazinger Erfgo hervor, während er unter dem hypnotischen Einfluß des Unheimlichen stand. Und zum Schluß, nachdem der Mächtige nicht nur seine Lebensgeschichte sondern auch seine Pläne in allen Einzelheiten dargelegt hatte, nannte Erfgo die Bedingungen, die das Ungeheuer »den Menschlein« zu stellen hatte: Freier Abzug der ORBAG MANTEY und der COMOTOOMO. Verzicht auf jegliche Verfolgung der beiden Fahrzeuge, einschließlich der Halbraumspürung. Dann schwieg das Medium. Der Unheimliche wartete auf Antwort. »Folus …!« sprach Atlan ins Mikrophon. »Hier, Sir!« »Treten Sie zur Seite, so daß Erfgo Sie nicht hören kann – falls er überhaupt noch hört.« Sekunden später meldete sich Folus wieder. »Ich bin zehn Meter entfernt, Sir.« »Folus, Sie haben das gehört«, sagte der Arkonide ernst. »Das Monstrum ist wahnsinnig. Die Bedingungen sind unannehmbar.« »Ich erkannte das, Sir«, meldete sich Stuckey Folus. »Versuchen Sie, ob Sie durch Ihren Freund auch in der anderen Richtung Verbindung herstellen können«, drängte Atlan. »Lassen Sie das Ungeheuer wissen, daß wir Bedenkzeit haben wollen, mindestens drei Tage!« Während Folus versuchte, die Botschaft an den Mann zu bringen, starrte der Arkonide finster vor sich hin. Er wußte, daß sein Gegenangebot nicht akzeptiert werden würde, wenigstens nicht in dieser Form. Er hatte nicht lange Zeit, um mit einer Idee aufzuwarten, mit deren Hilfe sich dieses Problem lösen ließ. »Sir …?« drang Folus' Stimme aus dem Empfänger. »Hier. Sprechen Sie!« »Wir haben Verbindung aufgenommen. Der Mächtige lehnt Ihr Angebot ab. Er bietet Ihnen statt drei Tagen einen Tag Bedenkzeit.
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Eine Achsendrehung des Planeten Wagtmeron.« Atlan nickte müde. »So etwa habe ich mir's vorgestellt«, seufzte er.
9. Amlor Petrefa war ein in vielen Nöten erfahrener Mann. Ein Leben außerhalb des Gesetzes brachte das so mit sich. Er erholte sich rasch von dem Schock, den das unerwartete Auftauchen des Androiden ihm verursacht hatte. Er erkannte, daß auch diese Lage noch Hoffnung für ihn barg. Dieser Raum, der nach seinen eigenen Plänen eingerichtet worden war, starrte von geheimen Einrichtungen und Waffen. Er brauchte nur bis zu seinem Schreibtisch zu gelangen, dann war das Problem gelöst. »Was wollen Sie?« fragte er seinen unerwarteten Besucher. Das war ein geeigneter Anknüpfungspunkt. Und indem er dem Androiden gegenüber die formelle Anrede gebrauchte, gab er ihm das Gefühl der Überlegenheit, das sein Mißtrauen einschläfern sollte. »Ich bin gekommen«, antwortete Einstein, »um Ihnen mitzuteilen, daß Ihr Spiel aus ist.« Auf Petrefas feistem Gesicht erschien ein grimmiges Lächeln. »Da kommen Sie zu spät«, höhnte er. »Diese Neuigkeit ist mir schon auf andere Weise beigebracht worden. Ich stand eben im Begriff, der USO die bedingungslose Kapitulation anzubieten.« »Das wird Ihnen und der USO wenig nützen«, konterte Einstein, »solange Sie den fremdartigen Passagier noch an Bord haben. Im übrigen kommen Sie nach meiner Ansicht bei der Kapitulation, wie Sie sie geplant haben, zu billig weg.« Unauffällig, als ergebe es sich aus der Unterhaltung, hatte Amlor Petrefa begonnen, sich dem Schreibtisch zu nähern. »Wie meinen Sie das?« fragte er verwirrt. »Sie wollten Ihre Unterlagen beseitigen.
Ohne diese Unterlagen hätten Sie der USO plausibel machen können, daß Sie nur gezwungenermaßen am Androidengeschäft beteiligt waren. Man hätte Sie womöglich als Kronzeugen anerkannt und Sie straffrei ausgehen lassen.« Petrefa wurde blaß. Der Androide kannte seine Gedankengänge so genau, als sei er ein geborener Telepath. »Ich habe dafür gesorgt«, fuhr Einstein fort, »daß dieser Plan nicht verwirklicht werden kann. Sie haben ohne Zweifel schon bemerkt, daß die wichtigsten Ihrer Unterlagen verschwunden sind, nicht wahr?« »Sie …?« schnappte Petrefa. Wie unter der Wirkung eines Schlages trat er einen Schritt weiter auf den Schreibtisch zu. »Ja, ich. Seit mehr als fünf Jahren hause ich im Innern dieses Raumschiffs. Im eigentlichen Innern, in der Welt der Kabelstollen und Belüftungsschächte. Ich kenne fast jeden einzelnen Kabelstrang. Der Speicherinhalt Ihrer Rechner ist mir kein Geheimnis. Ich bin über jede Phase Ihres Unternehmens informiert. Und ich habe dafür gesorgt, daß diese Information in die Hände der zuständigen Behörden gelangen wird.« Amlor Petrefa stand dicht vor dem Ziel. Einsteins Eröffnung hatte ihn nicht wirklich erschüttert. In dem Augenblick, in dem er den Androiden erkannt hatte, war ihm klargeworden, wem er das Abhandenkommen der Dokumente verdankte. Die Details blieben ungeklärt. Es war nicht wichtig zu wissen, wie Einstein den Diebstahl zuwege gebracht hatte. Wichtig war, daß er beseitigt wurde. »Ich warne Sie!« sagte der Androide plötzlich. Amlor Petrefa sah auf. »Wovor …?« »Vor dem, was Sie jetzt tun wollen«, antwortete Einstein. »Ich möchte nicht, daß Sie …« Weiter kam er nicht. Amlor Petrefa hatte gehandelt. Mit einer blitzschnellen Bewegung des Armes war die Hand zu der Schalt-
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leiste geschnellt, die die Tischplatte des Arbeitstisches zierte. Mit derselben Geschwindigkeit warf der Androide sich beiseite. Der nadeldünne Energiestrahl des eingebauten Blasters fauchte dicht an ihm vorbei. Einstein war nicht als Wehrloser gekommen. Bevor Petrefa zum zweitenmal feuern konnte, hatte er die Waffe in der Hand. Fauchend entlud sich der Schuß. Er traf den Herrn der ORBAG MANTEY am Halsansatz. Petrefa wurde zurückgeschleudert. Sein gurgelnder Schrei erstarb rasch. Es polterte, als Amlor Petrefa hinter seinem Schreibtisch zu Boden stürzte. Der Androide raffte sich auf. Petrefa war tot, das sah er auf den ersten Blick. Einstein aber, der Androide mit dem menschlichen Herzen, empfand den uralten Gefühlskonflikt des Menschen: Obwohl der Mann, der vor ihm lag, den Tod mehrfach verdient hatte, obwohl Einstein ihn aus Notwehr und nicht aus Rachsucht getötet hatte, empfand er weder Befriedigung noch Genugtuung, sondern nur Leere.
* Nachdem Atlan hatte übermitteln lassen, daß er mit dem Angebot eines Tages Bedenkzeit einverstanden sei, schwieg der telepathische Verkehr mit dem Monstrum. Kazinger Erfgo, von seiner Rolle als Medium ausgelaugt und erschöpft, erwachte nicht erst aus seinen Trancezustand, sondern schlief gleich weiter. Man bettete ihn behutsam. Er war plötzlich zum wichtigsten Mann des Teams geworden. Der Mechanismus, dessen sich der Unheimliche bediente, um sich mit seiner Umwelt in Verbindung zu setzen, war klar. Erfgo war vor einigen Jahren mit ProtoplasmaEinschlüssen infiziert worden. Die heimtückischen Kügelchen waren ihm in die Hand operiert worden. Erfgos Körper besaß jedoch eine natürliche Immunität, der erste Fall dieser Art, der bislang bekanntgeworden war. Abwehrstoffe isolierten die Kügelchen. Sie wurden desaktiviert und mit einer
schützenden Gewebeschicht umgeben, die sie daran hinderte, mit dem übrigen Körper in Austausch zu treten. Kazinger Erfgo war keine Kreatur des Unheimlichen. Immerhin aber schien in den desaktivierten Einschlüssen noch so viel Leben zu sein, daß sie als telepathische Relais zu dienen vermochten. Auf dem Umweg über die Kügelchen in Erfgos Hand offenbarte der Unheimliche in seinem Bewußtsein. Daß der Cosmido dadurch zu einer potentiellen Gefahrenquelle wurde, darüber waren sich Pa Folus und Opa Tanza von Anfang an im klaren. Als Medium stand Erfgo unter dem Einfluß des Unheimlichen. In Erfgos Nähe durfte nichts gesagt werden, was darauf hindeutete, daß die USO nicht die Absicht hatte, auf seine Bedingungen einzugehen. An Bord der ORBAG MANTEY herrschte die Ruhe vor dem Sturm. Niemand wußte, wie es drüben bei der COMOTOOMO aussah. Wahrscheinlich hatte der Unheimliche der Besatzung entsprechende Anweisungen erteilt. Die beiden USO-Spezialisten, denen der Lordadmiral befohlen hatte, unbedingt an Bord des Zirkus-Raumschiffs zu bleiben, hielten sich sorgfältig den unteren Decks fern. Das Plasma-Monstrum mußte in Sicherheit gewiegt werden. Jede Bewegung, die der Unheimliche als bedrohlich interpretieren konnte, mußte unterbleiben. Dafür wurde auf den oberen Decks die Suche um so intensiver betrieben. Noch immer war unklar, wer den Todesschrei ausgestoßen hatte, der von Stuckey Folus und seinen beiden Begleitern beim Einstieg gehört worden war. Einer der beiden wichtigsten Männer der Besatzung, entweder Amlor Petrefa oder Kinke Seiblad, trieb sich offenbar noch im Schiff herum. Inzwischen waren die durch Drogen betäubten Mitglieder der Besatzung in mühseliger Arbeit in einen sicheren Raum gebracht worden. Draußen erwachte der junge Tag. Die Menschen, die den Fuß der beiden Zirkus-Raumschiffe umsäumten, waren längst zu sich gekommen. Sie hockten, standen oder lagen und starrten stumpfsinnig vor sich hin, wie gestern. Die
46 Knäuel zerrissener Leiber schienen ihnen nichts zu bedeuten. Sie rückten nicht einmal von ihnen ab. Die Durchsuchung der oberen Decks war keineswegs ungefährlich. Das letzte freie Mitglied der Besatzung, ob es nun Petrefa oder Seiblad war, hatte womöglich erfahren, daß die ORBAG MANTEY von zwei USOSpezialisten besetzt und die restliche Mannschaft gefangengesetzt worden war. Bei dem Versteckspiel mit dem Gegner konnte er seine größere Ortskenntnis in Anwendung bringen und Unheil stiften, bevor Folus und Tanza sich's versahen. Während Kazinger Erfgo schlief, begannen die beiden Spezialisten mit der Suche. Ein Deck nach dem andern wurde inspiziert. Die riesige Kommandokugel der ORBAG MANTEY, fünfhundert Meter im Durchmesser, barg eine verwirrende Vielfalt von Gängen, Hallen, Rampen, Schächten und Räumen. Es wurde den beiden Suchern bald klar, daß der Mann, hinter dem sie her waren sich ein ganzes Leben lang hier verstecken konnte, ohne daß er Angst vor Entdeckung zu haben brauchte. Nach der Durchsuchung des 76. Decks blieben die beiden Männer vor dem Einstieg des Antigravschachts stehen – unschlüssig, ob sie resignieren oder die Suche fortsetzen sollten. »Wir sollten aufgeben«, seufzte Opa Tanza. »Es hat keinen Zweck, und wer weiß, was Erfgo anstellt, wenn er wieder zu sich kommt.« Stuckey Folus war willens, sich dieser Ansicht anzuschließen, und wollte sich dementsprechend äußern. Da glitt aus der Höhe eine Gestalt durch den Schacht herab, ein mittelgroßer Mann von merkwürdig bleicher Hautfarbe, wie sie nur Androiden gewöhnlich trugen. Folus griff nach der Waffe; aber der Mann machte eine beruhigende Geste und schwang sich elegant aus dem Schacht. Er kam unmittelbar vor Stuckey Folus zu stehen. »Ich komme als Freund«, erklärte er mit sanfter Stimme. »Ich bin einer der Andro-
Kurt Mahr iden, die einst an Bord dieses Raumschiffs wie Schlachtvieh transportiert wurden. Ich lebe seit über fünf Jahren in den Eingeweiden dieses Fahrzeugs und weiß viel, wofür Sie sich interessieren dürften.« Stuckey Folus blieb vor Staunen der Mund offenstehen. »Sie … ein Androide?« würgte er schließlich hervor. »Sie sehen …« »… gar nicht wie einer aus, wie?« ergänzte der Blasse lachend. »Das ist richtig. Ich bin meiner Sache nicht völlig sicher, aber ich nehme an, daß bei der Programmierung meiner Genkombination ein paar Fehler unterlaufen sind. Ich bin, ohne daß ich mir darauf etwas einbilden wollte, mehr Mensch als Androide. Ich heiße Einstein.« Stuckey Folus nannte linkisch seinen Namen. Wie alle Menschen war er gewohnt, Androiden als minderwertige Geschöpfe zu betrachten. Sich einem Androiden vorstellen zu müssen, versetzte ihn in Verlegenheit. »Sie suchen Seiblad und Petrefa, nehme ich an«, setzte Einstein die Unterhaltung fort. »Nur einen von beiden«, antwortete Folus. »Der andere ist tot.« »Da irren Sie sich«, entgegnete der Androide. »Sie sind beide tot.«
* War das wirklich die Wahl, entweder das Ungeheuer unverfolgt entkommen zu lassen, so daß er auf einer anderen Welt an der Verwirklichung seiner Pläne weiterarbeiten konnte, oder fünfzigtausend Menschen zu opfern, damit das Monstrum vernichtet werden konnte? Es mußte noch eine dritte Alternative geben. Es konnte nicht sein, daß ihm das Schicksal nur diese beiden Möglichkeiten ließ, von denen die erste die Galaxis in Gefahr bringen und die zweite sein Gewissen bis in alle Ewigkeit belasten würde. Vor einer Stunde hatte er über Stuckey Folus' Sender erfahren, daß der Unheimliche sich auf eine Bedenkzeit von nur einem Tag
Der Plasma-Mutant einlassen wolle. Seitdem grübelte er in der Abgeschiedenheit seines privaten Arbeitsraumes über mögliche Lösungen. Gedanken zogen ihm in bunter Fülle durch den Kopf. Aber keiner war brauchbar. Nur einer davon kehrte mit einer Hartnäckigkeit immer von neuem zurück. Der Unheimliche war Substanz von der Substanz des Zentralplasmas. Er kam von der Hundertsonnenwelt, weit außerhalb der Grenzen der Milchstraße gelegen. Durch Mutation und durch das Verschlingen zahlloser Menschenkörper hatte er seine derzeitige Form und geistige Verfassung gewonnen. Sein Verstand hatte sich verschleiert. Er hing Ideen nach, deren Verwirklichung eine galaxienweite Katastrophe auslösen würde, und hielt es für sein naturgegebenes Recht, entsprechende Pläne zu entwickeln. Er kannte weder moralische, noch sonstwelche Bedenken und sah die Bedeutung seiner Existenz in einer völlig verzerrten Perspektive, die nichts mit der Wirklichkeit gemein hatte. Und da war er plötzlich, der Folgegedanke! Kein Mensch vermochte, die Gedankengänge des Unheimlichen zu beeinflussen, ihm darzulegen, daß seine Pläne gegen das Gesetz der Natur verstießen. Kein Mensch – aber vielleicht das Zentralplasma? Die Muttersubstanz, aus der das Monstrum hervorgegangen war? Nach kurzer Überlegung erwies sich auch dieser Gedanke als nutzlos. Es gab nur einen Tag Bedenkzeit. Die USO verfügte über Raumschiffe, die ohne sonderliche Schwierigkeit die Hunderttausende von Lichtjahren entfernte Heimatwelt des Zentralplasmas zu erreichen. Aber der Flug dorthin würde etliche Tage in Anspruch nehmen, und dann galt es immer noch, das Zentralplasma zu einer Zusammenarbeit zu überreden und mit einer zu selbständigen Handlungen befähigten Menge der Plasmasubstanz nach Wagtmeron zurückzukehren. Nein, damit ließ sich nichts anfangen. Und dennoch. Säuglingsschwestern, meldete sich plötzlich das Extrahirn des Arkoniden.
47 Säuglingsschwestern? Ja, du weißt doch! So nennen sie sich … Atlan sprang auf. Die Idee hatte gezündet. Das war die Lösung! Auch sie würde mehr als einen Tag in Anspruch nehmen; aber vielleicht nur ein paar Stunden mehr, und vielleicht gelang es, den Unheimlichen so lange hinzuhalten. Atlan rief die Kommunikationszentrale. Innerhalb weniger Minuten war eine Verbindung nach dem wenige tausend Lichtjahre entfernten Hauptquartier der USO, QuintoCenter, hergestellt. Binnen kürzester Zeit hatte der Arkonide seinen Stellvertreter auf dem Bildschirm. »Unsere beiden Besucher, Linky und Dorky«, erkundigte er sich hastig, »wie geht es ihnen?« Der Oberst war überrascht. »Ausgezeichnet, soweit ich weiß«, antwortete er. »Sie fühlen sich hier wohl.« »Hören Sie gut zu!« drängte Atlan. »Wir haben hier folgende Situation …« Er beschrieb, so konzentriert er konnte, die Lage auf Wagtmeron. Er erklärte, welche Rolle er den beiden Besuchern Linky und Dorky zugedacht hatte, und endete: »Unterhalten Sie sich mit den beiden! Erzählen Sie ihnen, was ich Ihnen eben erzählt habe, und bitten Sie sie um Hilfe. Sind sie einverstanden, dann schicken Sie sie auf dem schnellsten Wege hierher. Hören Sie? Auf dem schnellsten Wege …«
* Der Tag verstrich. Der Androide hatte sich den beiden USO-Spezialisten zugesellt und bedeutete ihnen eine wertvolle Hilfe. Sie hatten Amlor Petrefas Arbeitszimmer aufgesucht und dort die Leiche des Androiden-Händlers gefunden. Einstein kannte dieses Raumschiff wie die Linien seiner Hand. Aber eines wußte auch er nicht, wie dem unheimlichen Fahrgast beizukommen sei, der sich auf dem Ladedeck eingenistet hatte. Den gefangenen Besatzungsmitgliedern
48 wurde zweimal im Lauf des Tages Nahrung gereicht. Sie erfuhren von Amlor Petrefas Tod. Petrefa war zeit seines Lebens kein beliebter Mann gewesen. Er hatte diese Mannschaft geführt wie ein absoluter Herrscher seine Untertanen. Eben aus diesem Grund waren die Leute jetzt vollends hilflos und hörten auf, eine Gefahr zu bedeuten. Ihnen fehlte der Anführer. Kazinger Erfgo war gekräftigt aus einem fast zehnstündigen Schlaf erwacht. Von seiner Rolle als Medium wußte er nichts. Er erschrak, als er erfuhr, daß er zeitweilig unter dem Einfluß des Unheimlichen gestanden hatte. Je länger er jedoch darüber nachdachte, desto mehr schien ihm die neue Rolle zu gefallen. Er war plötzlich wichtig geworden. Man brauchte ihn. Man konnte ohne ihn nicht auskommen. Diese Einsicht stärkte sein Selbstvertrauen. Manchmal machte er den Eindruck; er könne es gar nicht abwarten, bis der Plasma-Mutant wieder durch ihn zu sprechen begann. Stuckey Folus und Thow Tanza machten es sich im Laufe des Tages zur Gewohnheit über wichtige Dinge nur dann zu sprechen, wenn Erfgo ganz zweifelsohne außer Hörweite war. Von der GULLIVER hatte sich inzwischen Atlan gemeldet und den beiden seinen Plan mitgeteilt. Sie wußten nicht, was sie davon zu halten hatten. Sie waren mit Wesen wie Linky und Dorky noch nie zusammengetroffen. Es blieb ihnen nichts anderes, als auf die Weisheit des Arkoniden zu vertrauen, der diesen Plan nicht ausgeheckt haben würde, wenn er sich keinen Erfolg versprochen hätte. An diesem Tag schliefen Thow Tanza und Stuckey Folus abwechselnd. Sie hatten die ganze Nacht über keine Ruhe bekommen und brauchten die Entspannung dringend. Andererseits durfte Kazinger Erfgo nicht aus den Augen gelassen werden. Einstein jedoch, obwohl Pa Folus und Opa Tanza ihn für völlig vertrauenswürdig hielten, war nicht der Mann, dem diese Verantwortung aufgebürdet werden durfte. Der Abend rückte heran. Die gelbe Sonne sank. Dunkelheit breitete sich über den
Kurt Mahr Raumhafen. Die beiden USO-Spezialisten Kazinger Erfgo und der Androide hatten sich aus den Vorräten des Raumschiffs ein Abendessen zubereitet. Sie aßen schweigend. Nur Erfgo öffnete bisweilen den Mund, aber es war, von geringfügigen Abwandlungen abgesehen, immer dasselbe, was er zu sagen hatte: »Bin gespannt, was er heute nacht von uns wollen wird!« Er das war das Ungeheuer, das mutierte Protoplasma, das in den Tiefen der ORBAG MANTEY in seinem durchsichtigen Tank ruhte. Erfgos Enthusiasmus war nicht ungefährlich. In seiner Vorstellung schien das Monstrum allmählich die Rolle eines geheimnisvollen Mächtigen anzunehmen, mit dem der Cosmido sich mehr identifizierte als mit den beiden Männern von der USO. Unsichtbar für die Augen des Uneingeweihten bildeten sich hier zwei Gruppen: Erfgo und der Unheimliche gegen zwei USOSpezialisten. Mitternacht verstrich. Es waren nur noch wenige Minuten bis zum Ablauf der Frist, die das Ungeheuer seinem Gegner zugebilligt hatte. In seinen kühnsten Wachträumen wagte Folus zu hoffen, daß einfach nichts geschehen würde. Daß das Monstrum nicht zu ihnen sprach, daß es seine unsinnige Forderung einfach vergessen hatte. Die vier Männer – es hatte sich eingebürgert, auch von Einstein als von einem »Mann« zu sprechen – saßen im Kommandostand der ORBAG MANTEY. Es war still ringsum bis auf das Summen der Geräte. Das Funkgerät war eingeschaltet, so daß den Beobachtern auf der GULLIVER kein Wort entging, das in diesem großen, öden Raum gesprochen wurde. In den letzten Augenblicken vor Ablauf der Frist konnte Stuckey Folus die Augen nicht mehr von seinem Chronometer lösen. Wie gebannt verfolgte der Blick das Klicken der Ziffern, eine Sekunde nach der andern, sechzig Sekunden machen eine Minute … Ein heiserer Schrei ließ ihn auffahren. Neben ihm war Kazinger Erfgo in die Höhe ge-
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schossen und stand stocksteif vor ihm, mit blutunterlaufenen Augen, die aus den Höhlen zu quellen drohten. Das ohnehin nicht besonders angenehme Gesicht hatte sich zu einer häßlichen Grimasse verzerrt. Aus geiferndem Mund stieß der Cosmido die Worte hervor: »Eure Zeit ist um! Wie habt ihr euch entschieden?«
10. Der junge Offizier stieß einen triumphierenden Schrei aus, als er den zunächst nur winzig kleinen Reflex auf dem Orterschirm materialisieren sah. Sekunden später lief vom Bordrechner die Identifizierung ein: LEICHTER KREUZER SURABAJA – STANDORT QUINTO-CENTER – FLUGZIEL WAGTMERON – MAJOR ALSGUTT Der Diensthabende riß den Druckstreifen ab und schwenkte ihn wie eine Fahne über dem Kopf, als er seine Kabine verließ und den Kommandostand betrat, in dem der Lordadmiral und die höchsten Offiziere der GULLIVER über Funk die Ereignisse auf dem Raumhafen Sverkon mitverfolgten. Atlan sah ihn kommen. Aus dem Empfänger drang verworrenes Stimmengewirr, aus dem der junge Offizier nicht schlau wurde. Der Arkonide las die Botschaft. Unmittelbar danach stand er auf und stellte eine Verbindung mit der Kommunikationszentrale her. Es dauerte kaum eine Minute, da hatte er Hyperfunkkontakt mit dem Leichten Kreuzer. Major Alsgutt war ein Mann Anfang der mittleren Jahre mit einem konstant fröhlichen Gesicht. Es ging das Gerücht, er sei am Rande irgendeines obskuren Raumhafens einmal von sieben Strauchdieben überfallen worden und, nachdem er vier der Angreifer krankenhausreif geschlagen hatte, unter den wütenden Hieben der verbleibenden drei immer noch grinsend zu Boden gegangen. »Major Alsgutt, Sir«, meldete er sich korrekt, als er den Lordadmiral erkannte. »Sowie Linky und Dorky.« Der Arkonide atmete auf.
»Wie lange noch, Alsgutt?« fragte er. »Ich stehe fünf Lichtminuten vor den äußersten Grenzen des Kargnickan-Systems, Sir«, antwortete der Major. »Mit Landeanflug und allem … etwa achtzig Minuten.« Atlan nickte. »Tun Sie Ihr Bestes!« bat er. »Die Lage fängt an, kritisch zu werden.« »Ich komme auf dem schnellsten Wege, Lordadmiral!« Der Arkonide kehrte zu der Gruppe von Leuten zurück, die mit atemloser Spannung den Worten lauschten, die aus dem Empfänger drangen. Er hatte Alsgutt gegenüber nicht übertrieben. Das Ungeheuer war am Ende seiner Geduld angelangt, wie es durch Kazinger Erfgo verkünden ließ. Es drohte mit Vergeltungsmaßnahmen, falls seine Bedingungen nicht unverzüglich erfüllt würden. »Wir brauchen nicht mehr als anderthalb Stunden!« rief Atlan in das Mikrophon. »Machen Sie ihm das klar, Folus!«
* Stuckey Folus zwang sich zur Ruhe. Kazinger Erfgo starrte ihn an, als wolle er ihn auffressen, wenn er die Frage nicht befriedigend beantwortete. »Wir haben uns noch nicht entschieden«, sagte er. »Wir brauchen mehr Bedenkzeit!« In Erfgos Gesicht begann es zu arbeiten. Die Muskeln zuckten unkontrolliert. Die Augen öffneten und schlossen sich. Der Cosmido bot den Anblick eines vom Teufel Besessenen. »Ihr wollt mich betrügen!« würgte er hervor. »Ihr habt Zeit genug gehabt, um eine Antwort auf eine einfache Frage zu finden. Ich verlange den Abzug eurer Flotte. Ich verlange, daß man mir gestattet, Wagtmeron zu verlassen, und daß man auf eine Verfolgung verzichtet. Wie stellt ihr euch dazu?« »Das sagte ich schon«, antwortete Folus geduldig. »Wir stellen uns gar nicht. Wir brauchen mehr Zeit zum Nachdenken.« Wieder begann Kazinger Erfgo zu
50 zucken, als die telepathischen Impulse des Ungeheuers auf ihn einströmten. Diesmal jedoch kam es nicht zu Worten. Wie von der Sehne geschnellt, flog der Cosmido plötzlich auf Stuckey Folus zu. Der Angriff traf den USO-Spezialisten völlig unvorbereitet. Er nahm den ersten Schlag hart gegen die Wange und stürzte hintenüber. Sofort war Erfgo über ihm. Aber Folus, der sich rasch von der Überraschung erholte, war ein durchtrainierter Agent. Er wirbelte auf dem Boden herum und entging dadurch Erfgos nächstem Schlag. Er stieß sich ab, kam federnd auf die Beine und deckte den Cosmido mit einem mörderischen Hagel von Hieben ein, als der sich nach ihm umwandte. Kazinger Erfgo ging zu Boden. Ein trockener, harter Haken setzte ihn vorübergehend außer Gefecht. Der Kampf hatte sich so schnell abgewickelt, daß es Opa Tanza unmöglich gewesen war einzugreifen. Stuckey Folus klopfte sich imaginären Staub von den Ärmeln und wischte sich das Blut von einer Platzwunde auf der Wange. »Das brauchte ich«, grinste er Opa an. »Der Kerl ging mir schon seit Stunden auf die Nerven!« Er musterte Erfgo, der das Bewußtsein verloren hatte, und fragte sich, wie es jetzt weitergehen werde. Die Verbindung mit dem Ungeheuer war unterbrochen. Was würde nun geschehen? Er gab einen knappen Bericht über den merkwürdigen Zwischenfall an die GULLIVER durch. Das war der Augenblick, in dem der Arkonide ihm zurief, daß er nicht mehr als anderthalb Stunden brauche. Sie warteten. Einstein war die Szene nicht recht geheuer. Er hatte sich in den hintersten Winkel des Kommandostands verkrochen. Stuckey Folus und Thow Tanza ließen den Cosmido nicht aus den Augen. Nach wenigen Minuten kam er wieder zu sich. Er sah sich um. Ein paar Augenblicke lang schien er der alte Kazinger Erfgo zu sein, mit dem man auskommen konnte, wenn man nicht besonders empfindlich war. Dann jedoch bekamen seine Augen von neuem den starren
Kurt Mahr Blick. Sie quollen weit aus ihren Höhlen und richteten sich mit dem Ausdruck unbeherrschter Wut auf Folus. »Betrug also!« stieß er hervor. »Ihr wollt mich betrügen! Ich gebe euch die Zeit, die ihr fünf Minuten nennt. Beginnt ihr bis dahin nicht mit dem Abzug eurer Flotte, vernichte ich die Menschen draußen auf dem Raumhafen einen nach dem andern.« Das war es – das Ultimatum, vor dem sich jeder fürchtete. Stuckey Folus wurde blaß. An dieser Stelle endete seine Verantwortung. Von hier an mußte ein anderer die Entscheidungen treffen. Er trat zum Kontrollpult des Piloten und aktivierte den leistungsfähigen Radiosender der ORBAG MANTEY. Als die Verbindung mit der GULLIVER hergestellt war, erschien Atlan auf dem Bildschirm. Kazinger Erfgo war dicht hinter Folus getreten, um sich kein Wort der Unterhaltung entgehen zu lassen. »Ich habe alles gehört«, erklärte der Arkonide. »Er soll dem Ungeheuer mitteilen, daß der Befehl zum Abzug soeben an sämtliche Einheiten der Flotte ergangen ist. Die Bewegung der Einheiten wird in wenigen Augenblicken auf dem Orterschirm zu erkennen sein.«
* Als die SURABAJA auf dem Raumhafen Sverkon landete, da hatten sich Linky und Dorky schon fast eine Stunde lang mit dem Arkoniden über Funk unterhalten. Sie wußten, worauf es ankam. Über eine Feldbrücke verließen sie den Leichten Kreuzer, zwei fladenförmige Stücke aus Gallertmasse, bar jeder Menschenähnlichkeit, mit unzähligen, kleinen Füßchen ausgestattet, die den formlosen Körper mit großer Geschwindigkeit transportierten. Matten-Willys hatte man diese Geschöpfe einst genannt, nach ihrer natürlichen Erscheinungsform, die an einen Fladen oder eine Matte erinnerte. Auf der Hundertsonnenwelt lebten sie zu Millionen und hatten dort die Aufgabe, über das Wohl und Wehe
Der Plasma-Mutant der riesigen Masse des Zentralplasmas zu wachen. Jung nachwachsenden Teilen der Plasmasubstanz widmeten sie besondere Aufmerksamkeit. Wenn sie ihre Funktion beschrieben, dann kam ein Begriff heraus, der sich am besten als »Säuglingsschwester« übersetzen ließ. Die Matten-Willys waren keine Geschöpfe von der Muttersubstanz des Zentralplasmas. Aber sie waren ihm in Struktur und Charakter verwandt. Die Verbindung untereinander und mit dem Zentralplasma erfolgte auf telepathischem Wege. Als einzige Sinnesorgane im herkömmlichen Sinn verfügten die Matten-Willys über mehrere Augen, die sie beliebig an Stielen aus der Körpermaterie ausfahren konnten. Matten-Willys waren polymorph. Ihr Körper war in der Lage, jede Gestalt anzunehmen, die das Bewußtsein sich vorstellen konnte. Ein MattenWilly konnte sich in einen Menschen verwandeln, der dann auch über menschliche Sinnesorgane verfügte und sich der Sprache als Kommunikationsmittel bediente. Es gab Biophysiker, die die Art der Matten-Willys wegen ihrer Flexibilität als die höchstenwickelte Lebensform des Kosmos bezeichneten. Was der Arkonide mit Linky und Dorky im Sinn hatte, lag auf der Hand. Ihre Mentalität entsprach der des Zentralplasmas. Das Ungeheuer in den Lagerräumen der COMOTOOMO und der ORBAG MANTEY war ein Abkömmling des Zentralplasmas. Wie sehr sich seine Mentalität infolge der Behandlung durch Carten Schantool auch gewandelt haben mochte – es mußte immer noch eine Ähnlichkeit der Denkweise der beiden Matten-Willys mit der des Ungeheuers geben. Diesen Vorteil gedachte Atlan auszunützen. Linky und Dorky waren hier, um dem Ungeheuer »gut zuzureden«, wie es ihrer Funktion als Säuglingsschwestern entsprach. Der Unheimliche mußte durch Wesen seiner Art zur Vernunft gebracht werden. Das war die dritte Alternative, die der Lordadmiral schließlich gefunden hatte. Ohne Zögern näherten sich die beiden fremdartigen Geschöpfe der ORBAG MAN-
51 TEY. Breiten, schimmernden Fladen gleich, glitten sie über den Wall der Bürger von Sverkon hinweg. Diese, in der Apathie versunken, gaben sich keine Mühe, der Berührung auszuweichen. Unangefochten erreichten Linky und Dorky einen der riesigen Eingänge zur Zirkusarena. Dort hielten sie an. Inzwischen hatten sich die Einheiten des 23. Einsatzverbandes in Bewegung gesetzt. Auf dem großen Orterschirm im Kommandostand der ORBAG MANTEY war deutlich zu sehen, wie der Ring um Wagtmeron sich löste und die Raumschiffe sich zum Abflug formierten. Durch Kazinger Erfgos Augen nahm das Ungeheuer diesen Vorgang wahr und zeigte sich befriedigt. Es hatte die armseligen Menschlein überlistet, unter seinen Willen gezwungen. In Kürze würde es aller Bedrohung ledig sein, auf dem Weg zu einer neuen, fremden Welt, auf der es seine Pläne zur Unterjochung der Galaxis, zur »Vereinigung allen Lebens«, fortsetzen konnte. Plötzlich jedoch drang ein fremder Gedanke in diese Hochstimmung des Triumphs. Das Ungeheuer stutzte. Wer war da noch außer den Menschlein …?
* Wer spricht zu mir? Wir zwei, Helfer des Großen, Diener der Urmutter, von der auch du ein Teil bist. Wir klagen dich an der Verletzung des ewigen Gesetzes. Ich bin verwirrt. Was ist das ewige Gesetz? Das ewige Gesetz besagt, daß die Natur jedem Geschöpf seinen Platz in den Rängen des Lebens anweist und daß nur die Natur selbst einen Platz zuteilen, wegnehmen oder ändern kann. Ich kenne dieses Gesetz nicht. Ich bin der Mächtige … Nur die Natur ist mächtig. Deine Macht ist ein Produkt deines Wahns. Die Kräfte des Irrsinns gaukeln dir vor, daß du berufen seist, die Rolle der Natur zu übernehmen.
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Aber die Natur wird dich vernichten, wenn du dich gegen sie erhebst. Die Natur …? Die Schöpferin der Dinge. Sie, der alles Leben gehorcht. Auch das deinige. Du wußtest es einst. Damals, als du noch ein Teil des Großen, ein Stück der Urmutter warst. Ich … ich … Erinnere dich! Du begannst als kleines Stück Ursubstanz … Ich erinnere mich. Damals ruhte die Kenntnis des ewigen Gesetzes noch in deinem Bewußtsein. Ich erinnere mich. Durch die Behandlung, die dir zuteil wurde, ging diese Kenntnis verloren. Aber das Gesetz existiert, ob du dich daran erinnerst oder nicht. Wehe …! Du hast Unheil über die Geschöpfe der Natur gebracht. Du hast sie geschändet und gemordet. Dein Weg wurde der Weg des Wahnsinns … Wehe … Du hast gegen das ewige Gesetz verstoßen. Die Kräfte der Natur werden dich bestrafen. Wehe …! Dann herrschte Schweigen.
der Natur, und in meinem Wahn erachtete ich dies als mein Recht. Die Konsequenz kann nur von mir selbst gezogen werden. Die Gefahr, die von mir ausgeht, muß ein für allemal beseitigt werden. Die Bedrohung, die ich für das Gleichgewicht der Natur bedeute, muß aufhören zu existieren. Ich selbst muß aufhören zu sein – die Substanz meines Körpers muß sterben, hier und in den unzählbaren winzigen Bruchstücken, die ich in die Körper von Menschen gepflanzt habe. Zu den Kräften, mit denen die Natur mich ausgestattet hat, gehört diejenige, meiner Existenz ein Ende zu setzen. Ich wende sie an. Mein Bewußtsein beginnt zu kontrahieren. Es flieht von der Peripherie meines Körpers und zieht sich auf den Mittelpunkt zurück. In wenigen Augenblicken wird es nur noch ein winziger Fleck sein und Sekunden darauf gänzlich erloschen. Ich tue meine Pflicht nach dem ewigen Gesetz. Ich unterordne mich der Allmacht der Natur. Die Furcht ist gewichen. Ich bin heimgekehrt. Die Erkenntnis kam spät, aber nun, da ich sie besitze, zögere ich nicht, nach ihr zu handeln. Ich sterbe …
*
»Das Ungeheuer ist tot!« Linky und Dorky hatten menschliche Gestalt angenommen und standen im Kommandostand der ORBAG MANTEY. Sie sahen aus wie zwei eineiige Zwillinge. Der eine war vom andern nicht zu unterscheiden. Das lag an der Eile, mit der sie die Verwandlung vollzogen hatten. Unter anderen Umständen hätten sie sich mehr Mühe gegeben, individuelle Züge zu entwickeln. »Tot …?« wiederholte Stuckey Folus ungläubig. »Ja, tot. Es war uns von vornherein klar, daß in der Plasma-Substanz noch ein unterbewußter Rest von Erinnerung von der Herkunft und an die Gesetzmäßigkeiten vorhanden sein mußte, denen auch das Zentralplasma sich unterwirft. Unsere Aufgabe bestand
Ich hielt mich für den Mächtigen. Ich hielt mich dafür berufen, der Herrscher des Weltalls zu sein, und vergaß darüber, daß es diesen Herrscher schon gibt, die Natur. Meine Furcht rührte von der unterbewußten Erkenntnis, daß meine Verhaltensweise falsch war, weil sie gegen das ewige Gesetz verstieß. Nicht vor den Menschen fürchtete ich mich, die ich verachte, sondern vor der Allmacht der Natur, die mich eines Tages zur Rechenschaft ziehen würde. Die Natur hatte mich mit Kräften ausgestattet, wie sie kaum einem anderen Wesen zustehen. Ich mißbrauchte diese Kräfte, um meinen frevelhaften Plänen nachzugehen. Ich brachte Elend über andere Geschöpfe
*
Der Plasma-Mutant also darin, diese unterbewußte Erinnerung wieder an die Oberfläche zu bringen. Das gelang uns. Das Ungeheuer erkannte, daß es falsch gehandelt hatte, und zog daraus die Konsequenzen. Es beging Selbstmord.« Draußen dämmerte der Morgen – der zweite Morgen, den Stuckey Folus und Thow Tanza an Bord des ZirkusRaumschiffs erlebten. Aber diesmal bot sich den Blicken eine neue Szene dar. Die GULLIVER und die zwei Schweren Kreuzer, die sie begleiteten, waren gelandet. Und am Fuß der beiden Zirkus-Raumriesen waren die Bürger von Sverkon in Bewegung geraten. Von einer Minute zur andern schienen sie sich auf einmal der merkwürdigen Lage bewußt geworden zu sein, in der sie sich befanden. Sie entdeckten die verstümmelten Körper und den Unrat, der sich im Laufe der vergangenen Tage in ihrer Mitte aufgehäuft hatte, und schraken davor zurück. Nach wenigen Minuten der Ratlosigkeit marschierten die ersten in Richtung der Stadt davon. Die anderen folgten ihrem Beispiel. Bald ergoß sich ein mächtiger Menschenstrom vom Raumhafen her zurück in die Stadt. Die Besatzungen der COMOTOOMO und der ORBAG MANTEY wurden von der GULLIVER in Gewahrsam genommen. Man würde sie vor ein interstellares Gericht bringen und die Frage untersuchen, in welchem Umfang sie an dem Androidenschmuggel der beiden Kapitäne mitbeteiligt und mitschuldig waren. Die Schuldigen sollten der Strafe nicht entgehen. Beim Durchsuchen der beiden Zirkus-Raumschiffe wurde jeweils auf dem tiefsten Ladedeck ein riesiger Behälter mit der Substanz des Ungeheuers gefunden. Die Plasmamassen machten einen leblosen Eindruck und waren zum Teil schon in das Stadium der Zersetzung übergegangen. Der Behälter an Bord der ORBAG MANTEY hatte einen Sprung. Ein Teil der Protoplasma-Substanz war ausgelaufen und hatte sich auf dem Boden verbreitet – ein Zeichen dafür, daß der Unheimliche die Lebensbedingungen innerhalb des Tanks geschaffen hatte, weil er sie angenehm fand, nicht aber, weil
53 er unbedingt darauf angewiesen war. Er vermochte in mannigfach verschiedenen Umgebungen zu leben. Probestücke der Substanz wurden abgetrennt und klinisch aufbewahrt. Die Wissenschaftler der United Stars Organisation würden sich beizeiten mit ihnen beschäftigen und das Rätsel des »Mächtigen, der alles vereint« restlos zu lösen suchen. Denn vieles blieb vorläufig noch ein Geheimnis. Das alte Bergwerk war von den Helfern des Ungeheuers so sorgfältig ausgeräumt worden, daß keine Spur mehr von den Vorgängen verblieb, die sich in den vergangenen Jahren hier abgespielt hatten. Aus den Unterlagen, die Einstein vorsichtshalber entwendet hatte, und den Computerberichten, die aus der Androiden-Klinik stammten, konnte die Geschäftstätigkeit der Androiden-Händler lückenlos rekonstruiert werden. Die Zahl der unglücklichen Kunstwesen, die im Laufe der Jahre der Machtgier des Ungeheuers und der Skrupellosigkeit seiner Geschäftspartner zum Opfer gefallen waren, überstieg zehntausend. Die Ungewißheit, was aus den Menschen werden würde, die mit Protoplasma-Kügelchen infiziert worden waren, konnte bald beseitigt werden. Man untersuchte einzelne Bürger von Sverkon und stellte fest, daß die Einschlüsse sich aufzulösen begannen und Milligramm um Milligramm von dem Metabolismus der Betroffenen als Fremd oder Giftstoffe ausgeschieden wurden. Ähnliche Beobachtungen wurden auch von Plophos gemeldet, so daß man hoffen durfte, daß in wenigen Tagen alle Infizierten – auch die, deren Identität man bislang noch nicht kannte und die über Hunderte von Welten in der Milchstraße verstreut lebten – von den merkwürdigen Fremdkörpern befreit sein würden. Die Befallenen gewannen ihre Normalität zurück. Sie waren wieder Herren ihrer selbst. Die Jahre der Unterjochung lebten in ihren Gehirnen als dumpfe, unerfreuliche Erinnerung weiter, die jedoch nicht intensiv genug war, um ernsthafte Probleme zu ver-
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ursachen. Kazinger Erfgo kehrte zu den Cosmidos zurück; aber die Bande der Rebellen existierte nicht mehr lange. Die früheren Abtrünnigen gliederten sich jetzt, da das Leben wieder normal geworden war, rasch wieder in die Gesellschaft ein. Die beiden Zirkus-Raumschiffe und der Androide Einstein gingen in den Besitz der USO über. Dem Androiden wurde kurze Zeit später von einem interstellaren Gericht unbeschadet seiner Herkunft bestätigt, daß er das Recht habe, sich als Mensch zu bezeichnen. Als freier Mann verblieb er daraufhin im Dienste der United Stars Organisation. Stuckey Folus und Thow Tanza waren an Bord der GULLIVER übersiedelt. Ihr erster und dringendster Wunsch war der nach ausgiebiger Ruhe. Man wies ihnen Privatquartiere an und sorgte dafür, daß sie zwanzig Stunden lang von niemand gestört wurden. Als sie aus tiefem Schlaf erwachten, hatte das Flaggschiff schon mehr als die Hälfte der Distanz von Wagtmeron nach QuintoCenter zurückgelegt. Als bekannt wurde, daß die beiden Spezialisten »wieder zu sich gekommen waren«, ließ der Lordadmiral sie
zu sich rufen. »Man hat Ihnen viel zu verdanken«, begrüßte er sie. »Ich möchte Ihnen hiermit zu verstehen geben, daß Sie sich Ihrer Aufgabe in vorbildlicher Weise entledigt haben.« Er musterte die beiden schmunzelnd. »Für einen von Ihnen habe ich eine erfreuliche Nachricht«, sagte er. »Sozusagen eine Belohnung.« Er sah Thow Tanza an. »Wenn ich nur wüßte, was ich Ihnen anbieten könnte.« »Danke, Sir, ich brauche nur eine neue rechte Hand«, antwortete Opa in seiner knurrigen Art. »Was ist es, Sir?« erkundigte sich Stuckey Folus aufgeregt. Der Arkonide verzog das Gesicht zu einem fast jungenhaften Grinsen. »Ma läßt Ihnen ausrichten, daß sie mit Ungeduld auf Sie wartet.« »Da geht die verdammte Schmuserei schon wieder los«, brummte Opa abfällig. ENDE
ENDE