ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet
Nr. 132 (161)
Der Kriegsplanet von Hans Kneifel
Auf den Stützpunkten der USO, den...
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ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet
Nr. 132 (161)
Der Kriegsplanet von Hans Kneifel
Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Anfang September des Jahres 2843. Die Krise, die von Komouir, dem auf der galaktischen Eastside gelegenen Fundort wertvoller Schwingkristalle, ausging, veranlaßte Lordadmiral Atlan, gemeinsam mit Froom Wirtz, dem Instinkt-Spezialisten, und Terrania Skeller, einem parapsychisch begabten Kind, der Welt der Schatzsucher einen Besuch abzustatten. Dieser Besuch erwies sich, wie schon berichtet, als äußerst folgenschwer, denn Kräfte griffen ein, die, da sie sich weder steuern noch beeinflussen ließen, Menschen zu hilflosen Spielbällen machten. Alles begann in dem Moment, als Atlan und seine Begleiter das »schweigende Raumschiff« entdeckten, dessen Funktion es war, eine »Straße im Kosmos« zu bahnen. Jetzt, nach überstandenen Abenteuern auf der Eiswelt und auf dem Planeten des PSIWahnsinns, wird Atlan von Terrania Skeller, in deren sterbendem Körper sich die letzten Kräfte Skanmanyons konzentriert haben, wieder auf einen anderen Planeten versetzt. Die Welt, die der Lordadmiral und Terrania erreichen, ist DER KRIEGSPLANET ...
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ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan – Der Lordadmiral landet auf einem Geheimplaneten der Akonen. Terrania Skeller – Eine Sterbende mit großen PSI-Kräften. Bortschack Keddeck – Ein USOSpezialist in akonischer Gefangenschaft. Orgettu Ran Taak – Ein Blue spielt falsches Spiel. Fertless-Ton-Svass – Ein Akone mit kriegerischen Ambitionen.
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ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet läge auf einer Ebene und sein Gleichgewichtssinn wäre ebenfalls gestört, dann erkannte er, daß sein Körper auf einer schrägen Fläche zur vorläufigen Ruhe gekommen war. Diese Fläche, ein riesiger Geröllhang aus Steinen, winzigen Sandflächen und verkümmerten Pflanzen, schien riesengroß zu sein und wies eine Neigung von mehr als vierzig Prozent auf. Atlan stemmte sich hoch und bog den Kopf in den Nacken. Das Bild klärte sich langsam. Er blickte auf eine Ebene herab, die mindestens eineinhalb Kilometer von seinem Standort aus gesehen begann. Das Geröllfeld endete unmittelbar am Rand dieser Ebene. Du bist mit Sicherheit auf einem Planeten im Zentrum der Galaxis! sagte der Extrasinn scharf akzentuiert. Diesmal verstand der Arkonide diese blitzschnelle Einflüsterung. Was ist geschehen? fragte er sich erneut. Skanmanyons Transport ist erfolgt. Du leidest noch immer unter dem wahnsinnigen Entzerrungsschmerz, flüsterte der Extrasinn. Langsam, im Verlauf von vielleicht zehn Minuten, wandelten sich die stechenden Schmerzen in ein dumpfes Toben, das den gesamten Körper nur langsam aus einem unbarmherzigen Griff entließ. Atlan kam zu sich. Seine Fähigkeit, klar zu denken, kam ebenso zurück wie seine Erinnerung. Er wußte jetzt, was vor kurzer Zeit geschehen war. Jene rätselhafte und mächtige PSI-Quelle, die sich selbst den Namen Skanmanyon gegeben hatte, war tatsächlich transportiert worden. Vom Planeten Schneeball aus war sie offensichtlich mit einem gigantischen Sprung über den Abgrund der Sterne hinweggesetzt und hatte einen Planeten im Zentrum der Galaxis erreicht. Einen Planeten, der für einen Organismus wie Atlan Lebensmöglichkeiten bot, denn er atmete noch, konnte noch sehen und denken, und die Schwerkraft schien nicht nennenswert die Erdnorm zu überschreiten. Atlan kannte jetzt die Geschichte dieser Konzentration von PSI-Impulsen. Aber nun, im Zentrum der Galaxis, schien Skanmanyon den Kontakt zu den PSI-Strömen anderer Milchstraßen und Universen verloren zu haben. Dies bedeutete das Ende für diesen gewaltigen Eisklotz, in dem die Strahlung eingefroren zu sein schien. Die Ausstrahlung ver-
1. Der furchtbare Schmerz machte ihn nahezu besinnungslos. Es war, als ob er innerlich verbrennen würde und jeder Quadratzentimeter seiner Haut von tiefen Wunden übersät wäre. Die scharfkantigen Steine, die sich durch den dünnen Stoff seiner Kleidung bohrten, waren wie Folterwerkzeuge. Er krümmte sich zusammen, rutschte auf einer schrägen Ebene und rollte, sich überschlagend, über ein kleines Geröllfeld abwärts. Er wußte nicht, wo er war. Aber ein Rest seiner Besinnung schrie in seinen dahinschwindenden Gedanken. Atme durch! Spreize die Arme und die Beine! Halte deinen Fall auf! Atlan kollerte weiter, schlug mit der Hüfte schwer gegen einen mannsgroßen Felsen, dann wurden seine Arme zur Seite gerissen. Das Rollen hörte auf. Aber noch immer lähmte der Entzerrungsschmerz den Körper, und selbst die eindringlichen Mahnungen des Extrasinns schlugen nicht voll in sein gequältes Bewußtsein durch. Jetzt die Beine! Öffne die Augen! schrie der Extrasinn unhörbar in seinen Überlegungen. Atlan rutschte, sich halb drehend, über ein Stück grobkörnigen Sand hinweg und kam wieder auf loses Gestein. Instinktiv spreizte er die Beine, schlitterte trotzdem weiter und krachte in einen dürren, kleinen Busch hinein. Er riß die Augen auf und sah eine helle blaue Wand. Der Himmel! Atlan stöhnte auf. Sein gefolterter Körper ließ ihn nicht klar denken. Dann, als der Arkonide irgendwie merkte, daß der Fall aufgehört hatte, wurde er unmerklich ruhiger. Er begann regelmäßig zu atmen. Er schloß die Augen und öffnete sie wieder. Langsam klärten sich seine Gedanken. Er fand wieder zu sich selbst zurück. Wo bin ich? dachte er in steigender Verzweiflung. Seine Muskeln begannen schlagartig wieder heiße und brennende Schmerzwellen durch seinen Körper zu schicken, als er den Kopf hob. Unterhalb der tiefblauen Fläche – dem Himmel eines unbekannten Planeten! – sah er Steine, Felsen und Kiesel. Zuerst dachte er, er 4
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Ausgang dieses Dramas nichts ändern können. Atlan bewegte sich wie ein Rasender den Hang hinauf, rutschte in Geröll und Sand aus, fiel immer wieder auf Knie und Hände, klammerte sich an größere Felsen, riß sie los und achtete nicht darauf, daß sie kleine Steinlawinen auslösten, die zu Tal ratterten, hinunter in die Ebene, in der er undeutlich Bauwerke und silberglänzende Schiffe gesehen hatte. Schließlich, zitternd und schweißüberströmt, schwang er sich neben dem Mädchen auf den Absatz. Es war tatsächlich so etwas wie ein schmaler Tierpfad, der hier die Schrägfläche auf einer Breite von weniger als zwei Metern unterbrach. »Terrania!« stöhnte Atlan und sah das Mädchen an. Sie wirkte wie eine zerstörte Puppe. Sie stand starr da, sah ihn zwar an, gab aber sonst keinerlei Lebenszeichen von sich. Sie schien unansprechbar zu sein. Sie sind alle tot, und alle werden sterben! sagte der Extrasinn. Kilter Shann, der blinde Raumfahrer mit den riesigen positronischen Sehhilfen – zerschmettert von dem dahinrasenden Schlitten! Froom Wirtz, der kleine, schlanke InstinktSpezialist – im Wahn gestorben! Und jetzt Terrania. Sie ähnelte nicht im entferntesten mehr dem lebenslustigen, aufgeweckten Mädchen, das, etwas altklug zwar, aber immer lebendig und neugierig sie alle eine lange Strecke des Weges begleitet hatte. Sie alle waren Opfer Skanmanyons. Sie alle wurden ununterbrochen manipuliert von einer Macht, die größer war als alle ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten. »Du hast uns auf eine Welt im Zentrum gebracht!« sagte der Arkonide laut. »Sieh nur, dort unten. Gebäude und Raumschiffe. Aber es ist die falsche Welt, Terrie!« Sie sah ihn an, starrte durch ihn hindurch, musterte ihn mit zerstörten Augen. Sie sah ihn nicht und sagte kein Wort. »Terrania! Nur noch eine einzige Anstrengung! Ich bitte dich!« flehte Atlan. »Du mußt uns zu einem terranischen Stützpunkt bringen! Dies hier ist der falsche Planet!« Terrania Skeller reagierte überhaupt nicht. Verzweiflung packte Atlan, aber im Augenblick war er hilflos. Es fiel ihm nichts ein. Langsam drehte er sich um und musterte die
strömte und versiegte schließlich. Nur ein kleiner Rest blieb übrig und sickerte in Terrania Skeller ein. Terrania! Wie ein Blitz traf dieser Gedanke, dieser Name den Arkoniden. Er stöhnte tief auf und stemmte sich hoch, kam zitternd auf die Knie. Er drehte den Kopf und sah sich um. Wo war das Mädchen, das keine Ähnlichkeit mehr hatte mit dem altklugen, langhaarigen Kind, das Froom Wirtz aufgelesen hatte? »Terrie!« schrie Atlan. Seine Stimme kam ihm fremd vor, und der Klang verlor sich ohne Echo auf der Geröllhalde. Terrania schien Skanmanyon geworden zu sein. Sie bedeutete nichts anderes als den letzten Rest dieser Lebensform. Noch immer hatte Atlan die Vorstellung in seinen entsetzten Gedanken, wie die Schneide des Henkersschwerts heruntergezuckt war und ihn der Griff einer eiskalten Hand vom drohenden Ende errettet hatte. Wo war Terrania? Er holte Atem. Seine Lungen stachen und brannten. »Terrania!« rief er ein zweites Mal noch lauter als zuvor. Ein kleiner Stein, der klappernd und krachend über die großen Felsen hüpfte und schließlich liegen blieb, war die einzige Antwort. Atlan stand auf und fühlte seine Knie zittern. Wieder rollte ein Stein. Es gab keinen Wind, keine anderen Geräusche außer seinem eigenen, würgenden Atem. Der Stein war wie ein Signal. Atlan hielt sich mit einer Hand an den dornigen Zweigen des Zwergstrauchs fest und starrte schräg nach oben. Dann sah er Terrania! Sie befand sich hundertfünfzig Meter über ihm auf einer Art Absatz oder Galerie. Er sah sowohl das Mädchen als auch diesen Teil der Halde nur sehr undeutlich, weil er fast in die Sonne starren mußte. »Terrania! Bleib dort! Ich komme zu dir hinauf!« schrie er. Das Mädchen, dessen Körper perspektivisch verzerrt auf dem Felsband stand, sah schweigend und teilnahmslos auf ihn herunter. Sie hatte ihn und sich selbst durch einen Teleportersprung gerettet, aber sie hatte an dem 5
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Atlans Gedanken und Überlegungen, von einem meist berechtigten Mißtrauen gesteuert, beschäftigten sich mit einer betrüblichen Wahrheit. Er mußte erkennen, daß er sich auf einer offiziell nicht bekannten Welt befand. Weder die United Stars Organisation noch der Große Rat der Akonen wußte von diesem Planeten und von dieser Basis. Hier war der Beweis dafür, daß ein kleiner akonischer Herrscher oder Bevollmächtigter versuchte, seine Flotte aufzustellen und auszurüsten. Auf diesem Geheimplaneten wurde aufgerüstet. Das Ziel schien klar zu sein – diese Schiffe würden gegen den eingebildeten Erbfeind der Akonen starten, nämlich gegen Terra und das Solare Imperium! Atlan zuckte die Schultern. Dies war eine bittere Wahrheit. Sie war nicht zu ändern; er hatte sich nach den Gegebenheiten zu richten. Und alle Zeichen standen gegen ihn. »Ich werde dich jetzt in Sicherheit bringen!« sagte er zu Terrania, aber auch dieses Versprechen hatte keinerlei Wirkung. Terrania wirkte entrückt, sie war nicht mehr von dieser Welt. Skanmanyon hatte sich ihrer voll bemächtigt, und die Reaktionen dieses PSIWesens waren unbegreiflich und unberechenbar. »Ich muß nachsehen. Wir müssen hier weg, so schnell es geht!« Du wirst versuchen müssen, ein Schiff zu stehlen und damit zu fliehen! sagte der Extrasinn. Atlan lief langsam geradeaus, wich kleinen Felsbrocken aus und fand nach einigen fünfzig Metern auf dem Pfad auf der linken Seite, schräg in die Geröllhalde hineingeschmiegt, einige Vertiefungen, die sich als Höhlen bezeichnen ließen. Er suchte eine Weile herum, löste abermals einen mittleren Steinschlag aus und fand endlich eine trockene Höhle, die nur einen Eingang hatte. Sie war leer und für eine Weile als Versteck und Zufluchtsort gut geeignet. Atlan lief zurück, hob den starren Körper auf die Arme und setzte das Mädchen in der Höhle ab. Kümmerliches Moos und einige Büschel trockenen Grases boten eine Art Unterlage. Terrania lag da und blickte Atlan aus toten Augen an. Das, was einst ihr Kopf gewesen war, sah aus wie das Haupt der Medusa. »Ich komme zurück, sobald ich kann, Mäd-
Anlagen, die er weit unter sich sehen konnte. Industrieanlagen, Werften, Wohngebäude ... flüsterte der Extrasinn. Während das Mädchen, das von den Eingeborenen – ja, wann war dies eigentlich gewesen? – vor einiger Zeit zur Göttin gemacht worden war, regungslos wie in Stein gehauen neben ihm stand und kein Zeichen gab, von dem aus man auf ihre Verfassung schließen konnte, analysierte der Arkonide die Gebäude dort unten. In der Ebene lag eine kleine Stadt, eine Industrieansammlung. Mit einem einzigen, langen Blick sah Atlan, daß es tatsächlich der falsche Planet war. »Terrania!« sagte er eindringlich. »Du hast uns ins Zentrum gebracht! Dies war richtig, und wir scheinen tatsächlich im Mittelpunkt der Milchstraße zu sein! Aber das ist ein Planet, der den Akonen gehört!« Sie blickte ihn an und schwieg. Keine Antwort! Sie ist nicht ansprechbar! kommentierte der Extrasinn. Während Atlan achselzuckend die Anlagen musterte und neben ihm das schweigende, starre Mädchen stand, erholte er sich zusehends. Noch immer leicht schwindlig und mit Schmerzen in allen Teilen seines Körpers, sah er, daß Terrania Skeller sie beide zwar zu einer raumfahrenden Gruppe gebracht hatte – aber es konnte kein Zweifel bestehen: Dort unten, auf der Ebene, die bis zum Horizont dieses wolkenlosen und dunkelblauen Himmels reichte, erstreckten sich zwischen den Wohnanlagen und den fast blaugrünen Wäldern riesige Landeplätze, die von weißen, spitzen Türmen umstanden waren. Deutlich erkannte der Arkonide, der für solche Einzelheiten ein geschultes Auge hatte, die Industrieanlagen und die Raumschiffe, die teilweise fertig, zum anderen Teil im Bau begriffen waren. Die gesamte Stadt trug unverkennbar akonischen Charakter! »Ausgerechnet auf einem akonischen Planeten hast du uns abgesetzt, Mädchen!« murmelte Atlan. Der Körper, der abgestorben wirkte und dem endgültigen Verfall näher als je zuvor, bewegte sich nicht um einen Millimeter. Eine akonische Geheimwelt, ohne jeden Zweifel! analysierte der Extrasinn. 6
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet len Seiten. Ihm mißfiel so ungefähr alles daran. Er stand, ohne die geringste Hilfe des Mädchens, völlig allein gegen einen Planeten oder zumindest eine Stadt voller Akonen. Er war fest entschlossen, sich nicht wieder in unkontrollierbare Abenteuer verstricken zu lassen. Sein Ziel war, zusammen mit dem Mädchen den Planeten so schnell wie möglich zu verlassen und eine terranische Basis zu erreichen. Er schätzte die Entfernung zu den ersten Gebäuden ab – sie betrug einen Fußmarsch von rund einer Stunde. Also etwa fünf Kilometer, grob gerechnet. Er hatte mit ständiger Entdeckungsgefahr zu rechnen, war so gut wie unbewaffnet und kannte die Anlage nicht. Du hast schon schwierigere Lagen gemeistert! feuerte ihn der Extrasinn an. Atlan nickte, holte tief Luft und ging los. Er folgte zunächst einem breiten, lehmigen Pfad, der von der Wasserstelle in Schlangenlinien durch das immer höher werdende Gras führte. Frische Losung von großen Tieren lag auf dem Boden, zwischen den rauschenden Gräsern hing jetzt, in der Zeit des heißen Mittags, ein stechender Geruch. Tausende von Fliegen und anderen Insekten umschwirrten Atlan, der schnell ausschritt und westliche Richtung eingeschlagen hatte. Hin und wieder raschelten rechts und links des Pfades kleine Tiere, die unsichtbar blieben, manchmal aufschrien und dann flüchteten. Einmal, etwa nach einer Viertelstunde Marsch, betrat Atlan eine Art Lichtung, die, von riesigen wuchernden Moospolstern bedeckt, von kleinen, stacheligen Gewächsen umstanden war. Auf der anderen Seite des freien Platzes sprang ein riesiges Tier auf, eine pechschwarze große Katze mit seltsamen Fühlern auf dem Schädel. Sie bäumte sich auf, sprang hin und her, ohne den wartenden Arkoniden aus den Augen zu lassen. Dann schrie sie markerschütternd auf und schoß wie ein Blitz zwischen den Stachelgewächsen davon. Noch Minuten lang hörte Atlan das Geräusch brechender Äste und des raschelnden Grases. Vorsichtiger ging er weiter und näherte sich mehr und mehr der Stadt. Er versuchte sich vorzustellen, was er finden
chen!« sagte Atlan. Er selbst würde sich durchschlagen können, aber er ahnte, daß es für dieses Kind keine Rettung mehr geben würde. Dann, nach einem langen, schweigenden Augenblick, drehte er sich um und versuchte, schnell und ohne Steinschläge und Geröllawinen den Hang abwärts zu turnen. Sein Ziel war klar: Es war die Stadt der Akonen. * Etwa zwei Stunden später – in seinem photographischen Gedächtnis fand er eine Information, die ihm sagte, daß heute der erste September war – erreichte er den Rand der Ebene. Er hatte nur Insekten gesehen und winzige Vögel, die zwischen den Steinen pickten. Jetzt lief er schnell und leichtfüßig durch Gras, das mit jedem Meter höher und grüner wurde, auf eine kleine Baumgruppe zu. Er roch Nüsse und frisches Wasser. Natürlich konnte er nicht einfach zu den Akonen gehen und sie um einen Gefallen bitten; eine groteske Vorstellung. Er mußte grinsen. Sie würden ihn augenblicklich erkennen, ihm nicht nur nicht helfen, sondern ihn als Waffe verwenden. Vielleicht als Geisel gegen Rhodan. Also blieb nichts anderes übrig als ein Vorgehen in möglichst guter Deckung. Sein linker Fuß trat in morastigen Grund, dann stolperte der Arkonide auf den schmalen Bachlauf zu, der über weiße Kiesel lief. Atlan kühlte sein Gesicht und fühlte, wie die Schwingungen des Zellaktivators seinen geschundenen Körper wieder heilten, die Schmerzen und die Erschöpfung vertrieben, die Zellen anregten, die Wunden und Prellungen vergessen machten. Er kauerte sich nieder, sah einen Augenblick lang das zerrissene Spiegelbild im bewegten Wasser und wusch sich dann mit Sand die Hände und die Unterarme. Er trank ein paar Schlucke des kalten, frischen Wassers und fühlte sich fast schlagartig besser. Solltest du nicht die Nacht abwarten? fragte der Extrasinn. Vielleicht ... Während sich seine Nerven beruhigten, ging er langsam zwischen den Bäumen geradeaus und betrachtete seine Situation von al7
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet zurück nach Westen. Neben und vor ihm verschob sich ständig die Silhouette der Industrieansiedlung. Er sah langgestreckte, halb in die Erde versenkte Fabrikationshallen und Türme für Funkverkehr und zur Beobachtung. Er erkannte rotierende Scharen von Robotern, die an den halbfertigen Raumschiffen arbeiteten. Langsam wanderte die kleine, stechend heiße Sonne über den dunkelblauen Himmel. Nirgendwo gab es größeren Schatten. Der Arkonide rannte und schwitzte und dachte an das Mädchen, das vermutlich in der Höhle im Sterben lag. Er konnte ihr nicht helfen. Nichts konnte er tun. Der Zaun neben ihm war ohne jede Unterbrechung. Er konnte nicht eindringen, ohne einen Alarm auszulösen und sich zu verraten. Bei beginnender Abenddämmerung erreichte er die fragliche Stelle. Zwischen Gräsern, Moos und kargen Büschen robbte Atlan vorsichtig vorwärts und schob seinen Kopf unter einem Busch hervor. Mit halb geschlossenen Augen sah er angestrengt zu der Gruppe von etwa fünfzig oder sechzig Individuen hinüber, die zusammen mit einfachen Robots ein mittelgroßes Gebäude hochzogen. Bereits an den Bewegungen war zu erkennen, daß sie diese Arbeit ohne die geringste Lust verrichteten. Atlan nahm eine weitere Bewegung wahr; drei Akonen mit schweren Zweihandwaffen bewachten diese Männer. Gefangene! Atlan sah einen Blue in seinem Schutzanzug, der irgendwelche Meßarbeiten unter sich zu haben schien. Es gab Springer hier und ... insgesamt sieben Terraner. Das Bild rundete sich. Atemlos und voller Spannung verfolgte der Arkonide, wie die Gefangenen sich von den Maschinen helfen ließen, ein einfaches Gebäude zu errichten. Der Anlage nach schien es viele kleine Räume zu enthalten, wenn es fertig war. Ein ähnliches Bauwerk stand unweit davon, und es war bereits fertig. Vor den Türen und Fensteröffnungen entdeckte Atlan Scheinwerfer und die schweren Projektoren der Energiefelder. Also bauten die Gefangenen ihr eigenes neues Gefängnis,
würde. Wenn es tatsächlich seiner Vermutung entsprach und die Akonen hier geheime Aufrüstung betrieben, dann gab es eine Menge robotischer Anlagen. Atlan blieb stehen, lauschte eine Weile und orientierte sich; er wollte zunächst einmal die Umgebung eines Landefelds erkunden und seine Chancen abwägen. Er wandte sich nach rechts und stieß durch das federnde Gras vor. Etwa zehn Minuten später merkte er, daß er sich der bewohnten Zone genähert hatte. Er duckte sich. Plötzlich hörte er Geräusche und sah, als er vorsichtig die Grashalme zur Seite schob, daß er sich dem Rand eines Raumhafens genähert hatte. Er befand sich dicht vor einem Streifen Land, der von Robotern kontrolliert wurde. Die Maschinen hatten das Gras gemäht und einen etwa ein Dutzend Meter tiefen Streifen frei gemacht, an dem eine schmale Straße mit dunklem Kunststoffbelag entlangführte. Jenseits der Straße sah der Arkonide einen engmaschigen Zaun, an dessen Stützen Scheinwerfer und positronische Warneinrichtungen angebracht waren. Dahinter erstreckte sich der helle Beton des Raumhafens. Atlan zählte mehr als zwei Dutzend kleinere und größere Schiffe. Eine kleine, schnelle Raumjacht stand in vierhundert Metern Entfernung, aber sie war unerreichbar für ihn. Umgehe den Raumhafen! Dort hinten arbeitet eine Gruppe von Akonen! flüsterte der Extrasinn. Atlan zog sich wieder zurück, sah einen schweren Gleiter die Straße entlangschweben und ging in Deckung. Der Gleiter war von vier bewaffneten Akonen besetzt, die offenbar Wächterdienste versahen. Sie entdeckten ihn nicht. Als der Gleiter verschwunden war, richtete sich Atlan auf und übersah das Gelände. Auf der anderen Seite dieses vorgeschobenen Feldes arbeiteten Männer – von hier aus war nicht zu erkennen, ob es sich um Akonen oder Angehörige eines anderen Sternenvolks handelte. Es muß alles sehr schnell gehen! Das Mädchen hat kaum mehr Lebensreserven! warnte eindringlich der Extrasinn. Atlan schüttelte sich und schlug einen leichten Trab an. Er bahnte sich rücksichtslos einen Weg durch die Gewächse und lief nach Norden, dann wieder 8
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet daß die Posten im nahen Gefangenenlager sich zu einer Gruppe zusammenstellten und zusahen, wie die buntgewürfelte Versammlung der Gefangenen langsam in das andere Gebäude hinüberschlurfte. Atlan sprang senkrecht nach oben, ergriff eine Kante und rutschte ab. Er fiel auf Hände und Füße und fluchte lautlos. Er versuchte es an einer anderen Stelle, und seine Finger fanden Halt. Er pendelte hin und her und zog sich dann mit einem kurzen, kräftigen Schwung auf das flache Dach und rollte etwa zehn Meter weit, bis er dicht vor der vorderen Kante lag. Er horchte angestrengt, aber auch dieses Dach schien mit keiner Überwachungsanlage versehen zu sein. Er lag flach da, hob den Kopf und blickte senkrecht nach unten. Eine Reihe von schweren Maschinen stand halb unter dem vorspringenden Dach verborgen. Es waren Geräte zur Planierung, Ausschachtungsgeräte und andere Einrichtungen, die halbrobotisch funktionierten. Atlan suchte sich die passende Maschine heraus, dann ließ er sich vom Dach gleiten und landete in der hochgefahrenen Schaufel eines hellgrün lackierten Ladegeräts. Schnell und in der Dunkelheit so gut wie unsichtbar kletterte Atlan hinunter auf den Boden und schlich um das wuchtige Fahrzeug herum. Er kannte die akonische Technik ziemlich gut, und als er sich schwer atmend in der Kabine zusammenkauerte und das Schaltbrett musterte, entdeckte er die bekannten Symbole. Er schaltete den Robot auf Größte Hindernisse, betätigte eine Serie anderer Schaltungen und stellte die Zieleinrichtung genau ein. Diese Maschine verfügte über keine Schutzeinrichtung, die nach bestimmten Kriterien arbeitete. Ein Zaun war für die Detektoren ebenso unbelebte Materie wie eine Mauer oder ein Stück felsiges Land. Atlan überprüfte alles noch einmal, drückte dann die Sicherung hinein und startete das kleine Kraftwerk, das diesen Maschinengiganten mit Energie versorgte. Zunächst summte die Maschine auf, dann ertönte ein dumpfes Brummen, schließlich schalteten sich insgesamt zwölf riesige Scheinwerfer und ein Nachtsichtgerät ein. Atlan riß auf der Seite, auf der er sich direkter Beobachtung am leichtesten entziehen konnte,
oder die Akonen rechneten mit weiteren Gefangenen. Es war Atlan klar, daß er hier eine wichtige Entdeckung gemacht hatte. Diese Gefangenen hatten irgendwie die Lage dieses Werftplaneten herausgefunden und waren festgehalten worden. Sicher hatte sie alle – die Ertruser ebenso wie die Springer und den Blue oder die sieben Terraner – der Zufall hierhergeführt. Du hast ein neues Ziel! sagte entschlossen der Extrasinn. Atlan sah nach dem Stand der Sonne und entschloß sich, noch zwei Stunden zu warten und zu beobachten, ehe er handelte. Er veränderte abermals seinen Standort, denn ein Teil seiner Spur konnte besonders jetzt, weil die Schatten lang waren, aus der Luft leicht gesehen und verfolgt werden. Er fand einen mittelgroßen Baum, den er erkletterte und auf dem er es sich einigermaßen bequem machen konnte. Er wartete. Während er sich entspannte, nahm er das Bild in sich auf, das sich seinen Augen bot. Er entdeckte hundert neue Informationen und Möglichkeiten, und er glaubte auch zu wissen, wie er es anstellen konnte, in das umzäunte und gesicherte Gefangenenlager hineinzukommen. Und wieder hinaus ... * Noch bevor die Scheinwerfer eingeschaltet wurden, genau in der kurzen Phase zwischen tiefster Dämmerung und Anbruch der Nacht, als die Aufmerksamkeit der Posten nachließ, huschte Atlan davon. Er bewegte sich springend von Deckung zu Deckung und rannte über die Straße. Dann warf er sich in den bewachsenen Winkel zwischen dem Rasenstreifen und der Rückwand eines alten Schuppens, der in Fertigteil-Bauweise ausgeführt war. Liegenbleiben! Abwarten! warnte der Extrasinn. Die ersten Sterne erschienen am Firmament. Hinter dem Horizont breitete sich ein flammendrotes Licht aus, wie von einem gigantischen Brand. Keine einzige Warneinrichtung sprach an, soweit dies der Arkonide beurteilen konnte. Er spürte plötzlich einen wütenden Hunger und richtete sich vorsichtig auf. Er sah sich um, aber alles, was er entdeckte, war, 9
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Atlan stob aus der Lichtflut hervor, über und über mit Staub bedeckt, und prallte nach zwanzig weiten Sprüngen mit einem Terraner zusammen. »Halt!« sagte Atlan scharf, aber leise. »Das ist die beste Gelegenheit zur Flucht!« Überraschte Gesichter drehten sich ihm zu. Die Terraner begriffen schlagartig und bildeten einen engen Kreis, in dessen Mitte Atlan verschwand. Plötzlich schrie einer der Männer laut auf. »Atlan! Sir!« sagte er. »Sie werden mich nicht kennen. Ich bin Keddeck, ein Spezialist.« Atlan wirbelte zum Sprecher herum und sah einen etwa sechzigjährigen Mann, der wie eine Gestalt aus einem Sagenbuch wirkte. »Kommen Sie, Keddeck!« sagte er. »Ein fehlender Mann wird nicht auffallen. Wir müssen wieder hinaus. Euch holen wir ab, wenn wir ausgerüstet sind.« »Aber ...« Atlan deutete auf das Fahrzeug, das noch immer mit krachendem Getriebe und rasselnden Ketten über den Hof fuhr, aber jetzt eine andere Richtung nahm. Es steuerte in leichtem Zickzack auf einen weiteren Abschnitt des Zaunes zu, hinter dem ein kleines Wohnhaus zu sehen war. Drei Männer beschäftigten sich jetzt mit der Steuerung. »Hinterher! Wir brauchen Waffen und einen Gleiter!« sagte Atlan scharf. »Kommen Sie, Keddeck!« »In Ordnung!« brummte Keddeck und deutete auf die anderen. »Ihr bleibt hier und täuscht vor, daß ich noch da wäre. Wir holen euch, so wahr ich Bortschack, der Bärtige bin. Und kein Wort! Ihr wißt nichts!« Atlan und Keddeck warteten keine Reaktion mehr ab, sondern rannten in großen Sätzen hinter der Maschine her. Zwischen den Ketten, wieder in der Wolke aus Staub und Erdreich und Fetzen von Pflanzen, rannten sie über den zusammenbrechenden Zaun hinweg und auf die kleine Anlage zu. »Hier wohnen unsere Wächter!« schrie Keddeck durch den Lärm. »Ausgezeichnet!« Als die Maschine langsamer wurde und nach rechts ausscherte – endlich schienen die Pos-
leichtesten entziehen konnte, die Tür auf und kippte den Hauptschalter. Die Gleisketten begannen sich ratternd und rasselnd zu bewegen. Die Rammsporne schoben sich vor. Das Ungetüm kam in Gang und steuerte sich selbst, schneller werdend, auf das eingestellte Ziel zu. Atlan lief geduckt nebenher, dicht neben dem fast mannshohen Kettenantrieb. Auf der harten, steinigen Unterlage machten die stählernen Kettenglieder einen höllischen Lärm. Das Erdbewegungsgerät schob sich quer über den Platz, walzte knirschend einen massiven Drahtzaun nieder und senkte die Ladeschaufel, als die Mauer aus wuchtigen Fertigteilen in Sicht kam. Es schien, als werfe sich die Maschine den Steinen förmlich entgegen. Krachend und in einer riesigen Wolke aus Staub und zerfetzten Materialien fiel die Mauer auf einer Breite von fünfzehn Metern. Die Maschine hob sich nur leicht an, als sie über die Trümmer kletterte und sie zermahlte. Atlan bewegte sich im Schutz der Wolke, des Schattens und des blendenden Scheinwerferlichts. Ein zweiter Zaun kam undeutlich in Sicht. Jetzt war auch eine Sirene zu hören, ein Summer schaltete sich ein, und unzählige Lampen und Tiefstrahler flammten auf. Schneller! Geradeaus! Du schaffst es! flüsterte der Extrasinn. Keuchend und hustend rannte Atlan weiter, sprang über Ziegelbrocken und stolperte über das Netz des am Boden liegenden Drahtzauns, der sich wie eine Schlange zusammenrollte und wand. Der ausgedehnte Hof des Gefängnisses tauchte auf. Die drei Posten rannten auf das Gleiskettenfahrzeug zu, die Gefangenen stoben erschrocken auseinander. Sie alle wurden von den Scheinwerfern des Fahrzeugs geblendet, das unaufhaltsam auf die Mauer des Gefängnisses zusteuerte. Atlan sah aus dem Augenwinkel, daß die Terraner nach rechts flüchteten, in die Richtung, in die er nun rannte. Dort bildeten eine Mauer und das Gefängnis einen Winkel, der nicht voll im Licht lag. Die Sirene, der Staub, die Posten, die ins leere Führerhaus sprangen und verzweifelt versuchten, das Fahrzeug zum Stillstand zu bringen, der Summer und die Schreie – es war ein unbeschreibliches Durcheinander. 10
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Die Maschine heulte auf und schleuderte das Fahrzeug geradezu vorwärts. Beide Männer schwiegen einige Minuten und begannen dann schlagartig zu sprechen, als der Gleiter über die Grasebene dahinraste und direkten Kurs auf die Geröllhalde nahm. Über dem Horizont, weit über der Siedlung, die jetzt ein sternförmiges Gebilde aus Lichtern und den Reflexionen auf glatten Raumschiffhüllen, auf Gebäudefronten und über hellen Straßen und Plätzen war, stand ein Mond am Himmel. Er war riesengroß und feuerrot. Es war das Licht des vermeintlichen Brandes das Atlan vorhin gesehen hatte. Atlan fragte: »Wo sind wir hier eigentlich? Und wie kommt es, daß ich gerade hier einen meiner Spezialisten treffe?« Gleichzeitig sprach der Mann mit dem langen, blauschwarzen Haupthaar und dem wuchtigen, spatenförmigen Bart in derselben Farbe: »Was, beim Zeus, suchen Sie eigentlich hier auf Ametigo-Phart, diesem verrufenen Planeten?« Sie lachten leise und gutgelaunt, aber sie wußten, daß die Schwierigkeiten eben erst richtig angefangen hatten. Die Schwierigkeiten, die sie sich selbst gemacht hatten.
ten den Mechanismus begriffen zu haben –, hechteten Atlan und Keddeck in die sorgfältig gestutzten Büsche der Wohnanlage und duckten sich dahinter. Donnernd krachte die Schaufel des Geräts auf den Boden, und dann erloschen schlagartig sämtliche Scheinwerfer. »Dort drüben finden wir, was wir suchen!« sagte Keddeck. »Gleiter und alles. Sie gehen ziemlich achtlos mit dem Zeug um. Ich bin seit drei Jahren hier, stellen Sie sich das vor. Wie kommen Sie eigentlich hierher?« »Später!« vertröstete ihn Atlan. »Zunächst müssen wir zwischen die Akonen und uns eine gehörige Entfernung legen.« In der Dunkelheit grinste Keddeck. »Svass wird vor Wut detonieren wie ein überkochender Meiler!« Um das Areal des Gefangenenlagers schloß sich ein Ring aus unbeteiligten Akonen, Robotern und Wachen, die eilig aus den Wohnungen gestürzt kamen. Aber Atlan und Keddeck waren außerhalb des Ringes und tasteten sich zwischen Hecken, Mauern und unter robotisch gestutzten Bäumen auf die Reihe der leeren Gleiter zu. Atlan stieß Keddeck an und sagte: »Ich hole den Gleiter. Sie holen Waffen und Ausrüstung. Ich habe furchtbaren Hunger.« »Verstanden!« Sie trennten sich. Atlan huschte von einem Gleiter zum anderen und suchte das beste und schnellste Modell aus. Er öffnete beide Türen, sah sich immer wieder um und konstruierte bereits wieder den Fluchtweg. Niemand kam, niemand sah auch nur zufällig in seine Richtung. Die Akonen, die noch immer aus allen Richtungen auf das Gefangenencamp zurannten, beachteten die freie Fläche vor den Wohnungen der Wachen nicht. Wie ein rollender Felsen brach die hünenhafte Gestalt des Bärtigen aus dem nur schwach erleuchteten Eingang des Apartments hervor. Über der Schulter und unter beiden Armen trug er sackartige Bündel. Er rannte auf den Gleiter zu, aus dem Atlan die Hand hochreckte, warf alles auf die Rücksitze und riß die Tür zu, als Atlan bereits im Rückwärtsgang aus dem Parkplatz ausscherte, wendete und schräg davonraste, ohne Lichter, in geradem Kurs zwischen zwei Gebäuden hindurch und auf die Ringstraße um den Raumhafen.
2. Zwei Stunden später schienen sie sicher zu sein. Der Gleiter befand sich in einer sehr niedrigen Höhle, die dicht hinter dem Eingang rechtwinklig abzweigte. Ein kleines, aber heißes Feuer brannte, der Rauch, der würzig nach trockenen Pflanzen roch, zog durch Ritzen in der Felsendecke ab. Auf drei Decken lag Terrania Skeller mit geschlossenen Augen. Sie waren hundert Kilometer von der Geröllhalde entfernt, mitten in einem niedrigen Gebirge voller Schlupfwinkel und Schluchten. »Sie schläft. Was ist mit ihr los?« fragte der Riese, der sich eben seine zerlumpten Kleider vom Leib riß und in eine große Jacke schlüpfte, die einem Akonen von ähnlicher Statur gehört hatte. »Das ist eine lange Geschichte Bortschack«, erwiderte Atlan. »Ich erzähle sie Ihnen nach dem Essen.« 11
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet assoziierten Gruppen gegen das Solare Imperium.« »Woher hat er die Mittel?« fragte Atlan und sah sich um. Terrania Skeller, die sie wie leblos in der kleinen Höhle am Geröllhang gefunden hatte, schien von dem Geist, der sie vollkommen besaß, freigegeben worden zu sein. Vorübergehend nur, denn sie wirkte im Schlaf gelöst und locker. Aber die wächsernen Gesichtszüge, ihre geborstenen Augäpfel und der Umstand, daß sie ihr die Nahrung – eine heiße Kraftbrühe – fast mit Gewalt hatten einflößen müssen, deuteten auf ein nahes Ende hin. Das Mädchen verlöschte wie eine Kerze, die, hin und wieder aufflackernd, ausbrannte. Beide Männer hatten unabhängig voneinander diesen Eindruck. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Keiner von uns im Lager weiß das. Es muß Unsummen verschlingen. Sie bauen hier mittelgroße Schiffe mit überschwerer Bewaffnung.« Atlan fühlte seinen Hunger stärker, wann immer er den Duft des bratenden Fleisches roch und einen Blick auf die Stücke warf. »Ich habe einen verwegenen Plan«, erklärte der Arkonide. »Er läuft darauf hinaus, daß wir ein kleines Raumschiff stehlen, alle Gefangenen einladen und flüchten. Ich kenne natürlich die üblichen Wenn und Aber – was halten Sie davon?« Bortschack kämmte mit den Fingern seinen blauschwarzen Bart und murmelte: »Ich bin dafür. Die Jahre hier waren eine höllisch langweilige Zeit, Sir.« »Kann ich verstehen!« meinte Atlan. »Wann ist endlich dieses verdammte Fleisch fertig?« »Essen Sie doch diese Suppe hier, oder was immer das ist! Wir bekommen es hin und wieder. Schmeckt ganz gut. In zwei oder drei Minuten!« Ihr Versteck war sicher. So sicher, wie es nur gerade möglich war. Felswände und die ausgeschalteten Maschinen des Gleiters gewährleisteten größte Sicherheit. Selbst wenn die Akonen schnell entdeckten, daß die Lademaschine manipuliert, ein Gleiter gestohlen und ein Gefangener entflohen war, besaßen sie nicht genügend Personen und Maschinen, um den ganzen Planeten abzusuchen. Eine neue Frage drängte sich dem Arkoniden auf, dem die Zeit auf den Nägeln brannte.
»Auch gut. Diese Akonen verpflegen sich ausgezeichnet!« murmelte Keddeck und sah wohlgefällig auf das Sortiment von selbsterhitzenden Konserven herunter, das er aufgebaut hatte. An einem Zweig brieten zwei große Fleischstücke. Waffen, Funkgeräte, allerlei anderer Kram und zwei Kanister, die eine weinartige Flüssigkeit enthielten, standen und lagen herum. Eben schnallte sich Bortschack eine der wuchtigen Mehrzweckwaffen um und sah die Engergiemagazine durch. »Dieser Planet ist der zweite von einem Sieben-Planeten-System, das sich um die gelbe Sonne dreht. Praktisch unauffindbar, und als ich mit meinem Schiff hier ankam, sah ich die Siedlung nicht eher, als mich die Akonenschiffe in die Zange nahmen«, erklärte Bortschack Keddeck. Er war zwei Meter groß, hatte Schultern wie ein Schrank und Muskeln wie ein Tiger. Seine lockere Sprechweise täuschte Atlan keineswegs; der Mann besaß ein kühles Gehirn und Nerven wie Terkonitstahl. »Wie weit sind wir von Terra entfernt?« fragte Atlan mit leichter Unruhe. »Als ich auf meine Instrumente blickte, waren es genau siebenundzwanzigtausend und runde hundertzwanzig Lichtjahre«, erwiderte Keddeck und putzte sich mit den Resten seiner Borduniform, ehe er sie zerriß und ins Feuer warf, die Stiefel. »Wir sind im östlichen Randgebiet des galaktischen Zentrums. Beantwortet das Ihre Frage, Sir?« »Vollkommen. Die Akonen rüsten hier gegen Terra auf, nicht wahr?« »Ja. Und wie! Der größte Eisenfresser arbeitet hier. Ein schwarzhaariger Teufel, wenn Sie mich fragen. Er haßt die Terraner, sich und das Schicksal.« »Ich verstehe. Der Anführer arbeitet mit einiger Sicherheit ohne Wissen des Großen Rates der Akonen?« Vorsichtig wendete und drehte Bortschack die Fleischstücke und schob sie über die weiße Glut, dann grinste er breit und entblößte dabei zwei Reihen weißer Zähne. »Das will ich meinen. Der Freund nennt sich mit vollem akonischen Namen Fertless-TonSvass, und er gilt unter seinen Leuten als einer der unnachgiebigsten und härtesten Verfechter eines neuen Krieges der Akonen und 12
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Atlan in kurzen Zügen die gesamte Geschichte, die in diesem Fall mit seiner Bruchlandung auf einer vorgeblichen »Hohlwelt« begann. Aber er erwähnte den Begriff InstinktSpezialisten nicht ein einziges Mal. Schließlich kam er zum Ende und deutete auf Terrania. »Terrie hat uns gerettet. Aber es sieht aus, als ob Skanmanyons Zeit abgelaufen ist. Leider muß ein unschuldiges, medial begabtes Mädchen die Last dieser Aktionen tragen. Es ist ein Jammer, aber ich sehe seit Wochen nicht die geringste Möglichkeit, ihr zu helfen oder diesen Bann von ihr zu nehmen.« In beinahe ehrfürchtigem Tonfall fragte Bortschack zurück: »Sie glauben, Sir, daß Terrania sterben wird?« »Mir bleibt keine andere Wahl, als dies anzunehmen! Sehen Sie selbst, Keddeck – sie ist mehr tot als lebendig. Und dieser Rest von Skanmanyon, der bereits zwei gute Männer auf dem Gewissen hat und eine unbekannte Zahl von total unschuldigen Eingeborenen verschiedener Planeten ... er ist mit nichts zu fassen. Seine Vorstellungen und seine Reaktionen entziehen sich menschlichem Verstehen.« Er dachte an die vergangenen Abenteuer und an den langen Irrweg, und als er ihr Vorhaben mit seinen Gedanken streifte, wußte er, daß er abermals zuviel riskiert hatte. Niemand jagt dich. Ein Tag oder zwei bedeuten dir nichts. Plane den Fluchtversuch sehr sorgfältig! schaltete sich der Extrasinn ein. »Hmm«, machte der Spezialist, der, wie er berichtet hatte, siebenundfünfzig Jahre alt und Angehöriger einer Kommandogruppe gewesen war. »Ich versuche mir vorzustellen, welch ein Gebirge von Glück wir brauchen, um ein Schiff zu stehlen. Wir können auf die normale Weise keineswegs fliehen. Wir müssen uns, um ungehindert durch die Sperren zu kommen, mindestens als persönliche Beauftragte Ton-Svass' ausgeben. Und dies wird einem Terraner auf dieser Welt nicht ein einziger Akone glauben.« »Das ist auch meine Überlegung. Deswegen werden wir diese Mission sehr genau planen. Zuerst aber befreien wir die anderen. Das geht vermutlich ziemlich einfach und ziemlich
»Ist dies die einzige Siedlung auf AmetigoPhart?« »Soviel wir wissen – ja.« »Wie kamen die anderen Gefangenen hierher?« Bortschack kaute auf seinem Bart und entgegnete: »Ähnlich wie ich. Ihre Schiffe verirrten sich in diesen Sektor, fanden das versteckte System und kamen näher. Und dann zwangen sie drei planetare Forts und die Kampfschiffe der Akonen zur Landung.« »Sie würden auch fliehen?« Bortschack begann schallend zu lachen. Die Höhle dröhnte, aber nach einem Blick auf das Mädchen drosselte er seinen Heiterkeitsausbruch. Terrania lag da wie eine Tote. »Sie würden buchstäblich alles tun, um hier wegzukommen. Nur dem Blue traue ich nicht. Orgettu Ran Taak, so heißt er bei uns, was ein unübersetzbares Schimpfwort für ›Stinker‹ bedeutet, ist ein ausgesprochen schweigsamer Charakter. Er hockt tagein, tagaus in seinem Schutzanzug und läßt wenig deutbare Regungen erkennen.« Atlan beugte sich vor, warf die leere Dose ins Innere der Höhle und nahm den Zweig in die Finger, an dem das Fleischstück schaukelte, das nun durchgebraten war. Atlan zog das Messer, das Bortschack in der Wohnung des Akonen erbeutet hatte, aus der Scheide und machte in das Fleisch eine Serie Einschnitte. »Versuchen wir es?« fragte er und biß in den Rand des Bratenstückes. Es schmeckte so, wie es roch: ausgezeichnet. »Was?« »Die Gefangenen befreien, ein schnelles kleines Schiff erbeuten und fliehen?« »Ich sagte bereits, daß ich dabei bin. Und das Mädchen?« Atlan hob die Schultern und sagte nach einigen Sekunden Schweigen leise und in hoffnungslosem Ton: »Wir nehmen sie natürlich mit. Lebendig oder tot. Ich werde Ihnen jetzt erzählen, was es mit diesem Mädchen auf sich hat. Eine verworrene, merkwürdige Geschichte ...« Während sie aßen, den dünnen rötlichen Wein tranken und immer wieder vor die Höhle hinausgingen und nach etwaigen Verfolgern oder Suchtrupps Ausschau hielten, berichtete 13
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet ten außer Kraft zu setzen, aber es schien am Tag nicht möglich zu sein, ungehindert ins Innere des Camps zu kommen und die vierundfünfzig Gefangenen zu befreien. »Wir kommen nicht darum herum«, sagte der Spezialist bitter. »Wir müssen es in der Nacht versuchen. Sollten wir nicht zuerst das Schiff kapern – irgendein Raumschiff – und mit dem Ding direkt vor der Tür landen?« »Zwei Mann«, erklärte der Lordadmiral, »können kein Schiff kapern und blitzschnell starten.« »Sie haben recht.« Es war früher Morgen. Sie hatten Terrania so gut wie möglich versorgt und in einer kleineren, näher gelegenen Höhle gelassen. Dann waren sie mit dem Gleiter bis an einen Punkt geflogen, von dem aus sie mit Hilfe des schweren Fernglases die Siedlung FertlessCity hervorragend überblicken konnten. Der Zaun um das Lager war neu errichtet worden, und eine Menge Posten patrouillierten dort. Eine fast unmögliche Aufgabe hatte sich ihnen gestellt. »Was tun wir?« fragte Bortschack Keddeck und drehte die Haare seines Bartes zusammen. »Im Augenblick habe ich nicht die geringste Idee!« sagte der Arkonide wahrheitsgemäß. Sie hatten ein Dutzend verschiedener Pläne gemacht und alle verworfen. Es war so gut wie unmöglich, ihren verwegenen Plan in die Tat umzusetzen. »Verdammt!« knurrte der Arkonide. »Ich habe es mir wohl leichter vorgestellt. Es ist jedenfalls sinnlos, einen Überraschungsangriff zu starten. Bei drei oder vier Gefangenen würde es vielleicht gelingen, aber nicht bei dieser Menge.« »So ist es. Ich schlage folgenden Kompromiß vor, der aus unseren vielen Vorschlägen zusammengestellt ist: Wir befreien heute nacht die Gefangenen und rüsten sie mit den Waffen der Wachen aus. Dann starten wir an verschiedenen Stellen der Siedlung Überfälle, um die Wächter abzulenken und zu zerstreuen. Die dadurch entstehenden Unruhen und Verwirrungen benutzen wir, um ein Schiff zu starten.« »Dieser Plan verspricht den meisten Erfolg!« bekräftigte der Arkonide.
schnell«, antwortete Atlan. »Es wird das Einfachste von allem sein!« pflichtete ihm der Spezialist bei. »Wie halten wir es heute nacht?« »Ich bin ausgeschlafen«, sagte Bortschack. »Schlaf hatten wir in den vergangenen Jahren genug. Ich übernehme die erste Wache.« »Ausgezeichnet.« Sie aßen sich satt, räumten die Reste weg und gingen dann hinaus vor die Höhle. Bortschack bot Atlan einen kurzen, pechschwarzen Stumpen an, und der Arkonide rauchte mit viel Genuß zum erstenmal seit langer Zeit. Über ihnen funkelten die mehr oder weniger bekannten Sterne der inneren Galaxis. Der feuerrote Mond beherrschte mit seinem lodernden Glanz den Himmel, aber ein schwefelgelber, kleinerer Mond begann sich auf seinem Weg hochzuschrauben. Von der Siedlung, die in mehr als hundert Kilometern Entfernung in der Ebene lag, sahen sie nur einen vagen Lichtschimmer. »Ich denke, hier sind wir sicher!« sagte Atlan leise und streifte die Asche des Stumpens am Felsen ab. »Das denke ich auch. Aber ich stelle mir gerade vor, welche Aufregung in der Stadt ohne Namen herrscht.« »Ohne Namen?« »Ja. Wir Gefangene haben sie Fertless-City genannt, aber der akonische Chef hat es wohl bewußt unterlassen, diese Siedlung zu taufen. Das Ganze läuft unter der Bezeichnung Das Projekt.« Atlan bemerkte zynisch: »Es ist merkwürdig, mit wieviel Phantasie einerseits und mit wie wenig Phantasie andererseits die Wesen handeln, wenn es um Krieg, Angriff oder Vernichtung geht.« »Sie haben vollkommen recht!« sagte Bortschack und sog an seinem Stumpen, daß die Glut aufleuchtete. Dieses Licht gab seinen Zügen etwas unbestreitbar Dämonisches. * Sie standen vor einem fast unlösbaren Problem. Zwar war es Atlan ohne weiteres möglich, mit mehreren gut gezielten Schüssen aus dem Paralysatorlauf der schweren Waffe die Pos14
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Der Gleiter schoß los, kam ohne Licht aus der Dunkelheit und überflog den Zaun an einer Stelle, an der die Wachen niemals einen Angriff vermuten konnten. Viermal wurden Warneinrichtungen und Scheinwerfer zerstört. Vier breite Spuren zogen sich durch den Zaun, der seine Spannung verlor und in sich zusammensackte. Krachend und mit langen Stichflammen barsten eingeschaltete Energieprojektoren. Keddeck riß die Maschine in einer gewagten Kurve herum und steuerte hoch in der Finsternis auf das Hauptgebäude zu. Unter ihnen begannen die Wachen und die Roboter zu reagieren und begaben sich in rasender Schnelligkeit an die Stellen, an denen der Alarm ausgelöst worden war. Der Gleiter kam herunter und setzte knirschend und mit krachendem Kiel auf dem flachen Dach des Gefängnisses auf. Die beiden Männer sprangen rechts und links, die Waffen im Anschlag, aus der Maschine und rannten auf die Treppe zu. »Hinter mir her!« rief Bortschack. Hier kannte er jeden Zentimeter. Sie rannten eine schmale Treppe hinunter, die sonst nur von den Wachtposten benutzt wurde. Atlan schaltete im Rennen seine Waffe um und stellte den Paralysatorlauf auf höchste Intensität. Sie erreichten den ersten Absatz. Im Licht der starken Scheinwerfer erkannte Atlan zwei Posten, die auf den gesicherten Eingang des Hauses zurannten. Er blieb stehen, kauerte sich hinter eine halbhohe Mauer und legte den Lauf der schweren Waffe auf die Mauerkrone. Drei Schüsse lösten sich. Es waren nur kurze, gut gezielte Feuerstöße, aber in dem Hagel der paralysierenden Schüsse brachen die beiden Akonen nach wenigen Metern zusammen. »Weiter! Schnell!« Der zweite Treppenabsatz. Sie rannten weiter und kamen in den Hof. Wieder feuerte Atlan auf eine Gruppe heranstürmender Wachen, während der Spezialist mit einer Serie dröhnender Schüsse die Kabel zerschmolz, die Projektoren und die Zuhaltungen der schweren Schlösser vernichtete. Die Türen glitten selbsttätig auf. Die Wachen erwiderten schlecht gezielt das Feuer, aber Atlan warf sich zu Boden und bestrich mit den Lähmstrahlen ein halbkreisförmiges Gebiet. Aber hinter den Wachen sah er jetzt die stahl-
Es ist sinnlos, zu kühn vorzugehen. Die Übermacht ist erdrückend! warnte flüsternd der Extrasinn. »Also warten wir!« sagte Atlan. »Aber keineswegs untätig. Wir können die Siedlung beobachten. Energie genug für mehrere solcher Flüge haben wir.« »Einverstanden.« Es würde wieder ein wolkenloser, strahlender Tag voller Licht und Hitze werden. Während der Gleiter in achtungsvollem Abstand die Siedlung in der Ebene umkreiste, während die Arbeiten an allen Stellen ununterbrochen fortgeführt wurden, beobachteten Atlan und Bortschack die Siedlung und suchten nach schwachen Stellen und nach Punkten, an denen ein einziger Schuß eine deutliche Panik hervorrufen konnte. Sie verbrachten den ganzen Tag damit, sich einen Plan und einen genauen Zeitplan zurechtzulegen. Gegen Mitternacht schlugen sie zu. * Sie drangen ungesehen in die Stadt ein, die ungeschützt war. Nur die wichtigen Zentren waren durch Zäune, Mauern oder Strahlensperren abgeteilt. Der Gleiter, in einem Park versteckt, war unsichtbar, aber die etwa zweihundert Schüsse, die auf die Front des Verwaltungsgebäudes abgegeben wurden, richteten weniger Schaden als Verwirrung an – ein Generalalarm war die Folge. Dann reihte sich der Gleiter in den Strom der anderen Fahrzeuge ein und fuhr zu einer der kleineren Werften. Die beiden Männer hatten den gesamten Tag lang die Nachrichten mit ihren erbeuteten Funkgeräten abgehört, und sie waren auch jetzt hervorragend informiert. Sie begannen mit dem Beschuß des Konstruktionszentrums dieser Werft und fuhren dann quer durch einen Außenbezirk der Stadt bis in die Nähe des Gefangenenlagers. Atlan sagte kurz: »Sie kennen alles. Sie steuern die Maschine, Bortschack. Ich gebe uns Feuerschutz.« »So ähnlich habe ich es mir vorgestellt! Vorwärts!« knurrte der Spezialist. Unterschätzt die Akonen nicht! Sie sind mehr als nur mißtrauisch geworden, sagte der Extrasinn. 15
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet »Das sind langweilige Kerle. Die lange Haft hat ihre Reflexe gelähmt!« rief er. Atlan drehte sich halb herum und warf einen schnellen Blick ins Innere des Raumes. Die Männer hatten ihre Zellen verlassen können. Einigen von ihnen warf Bortschack Waffen zu. Sie rannten auf der spiraligen Treppe aus Metall aufwärts. Von hier aus sah der Arkonide die lichtdurchlässige Kuppel in der Decke, neben der auf dem Dach der Gleiter stand. »Es ist zu spät!« schrie er. Deckung! tobte der Extrasinn. Atlan ließ sich augenblicklich fallen und robbte im Schutz des Türvorsprungs rückwärts in die Halle hinein. In der gleichen Sekunde krachte ein Feuerstrahl, von einem Roboter abgefeuert, in die Wand. Genau an der Stelle, an der sich eben sein Kopf befunden hatte. Mauerwerk und Teile der Schalungsplatten fielen brennend und qualmend herunter. Die ersten Gefangenen hatten jetzt die Kuppel erreicht und sprengten sie auf. Die Zeit wurde knapper, die Situation spitzte sich zu. Noch hatten alle gute Chancen zu entkommen. Aber jede weitere Sekunde verringerte diese Möglichkeit drastisch. Mehr und mehr Roboter waren aktiviert worden und verstärkten den Ring um das Gefängnisgebäude. Außerdem sah Atlan bereits die Scheinwerfer von Gleitern, die hoch in der Luft näher kamen. Es sieht aus, als ob ihr in der Falle wäret! gab der Extrasinn zu bedenken. Plötzlich fuhr der Arkonide herum und brachte sich mit einem weiteren Sprung vor dem Schuß eines Roboters in Sicherheit. Ein Stück der schweren Sicherheitstür flog, sich mehrfach überschlagend, quer durch den Raum und schlug ein schartiges Loch in die gegenüberliegende Wand. Atlan sah den Blue, Orgettu Ran Taak, der in seinem Atmosphäreschutzanzug dastand und den Hebel für den Sonderalarm drückte. Zu spät. In einer Ecke der Halle befanden sich ein Tisch, einige Schalttafeln und ein Sessel, sowie alle anderen Einrichtungen, über die ein Gefangenenwächter verfügen mußte. Unübersehbar glühte dort ein Druckschalter, der einen zusätzlichen Alarm auslöste und die haus-
schimmernden Leiber von Robotern, die in Energiefelder gehüllt waren. »Hinein, Bortschack! Es muß rasend schnell gehen.« Sie hatten noch fünf Energiewaffen übrig. Beide Männer warfen sich durch die Eingänge und kamen in einen hohen, zylinderförmigen Raum, der keine Wände, sondern nur Aussparungen mit Gitterstäben und Projektoren aufwies. Der Spezialist rannte zu einer Schalttafel, sprengte die Sicherheitsschlösser auf und riß einen Hebel herunter. Gleichzeitig erloschen die Schirmfelder, lösten sich sämtliche Schlösser der Zentralverriegelung. Keddeck holte tief Luft und brüllte: »Der Bärtige ist hier! Kommt heraus! So schnell wie möglich! Wir flüchten. Es darf nur Sekunden dauern! Wir haben ein paar Waffen! Schnell, um alles in der Galaxis!« Im Innern des Gebäudes entstand Bewegung. Schreie der Überraschung und des gegenseitigen Anfeuerns waren zu hören. Atlan stand dicht neben dem Eingang, eng an die Wand gedrückt. Er sah, wie sich die Kette der Roboter und der Wachen immer enger um das Gefängnis schloß. Aber noch waren die Maschinen in der Überzahl. Langsam hob Atlan die Waffe und feuerte gezielt und sorgfältig. Schuß um Schuß verließ den Projektor der Waffe und traf einen der heranstürmenden Akonen. Zwischen den Maschinen stolperten die Männer und brachen lautlos zusammen. Ihre Waffen schlitterten kreiselnd über den aufgewühlten Rasen. Atlan drehte sich herum und brüllte, so laut er konnte: »Schneller! Hinauf aufs Dach! Ich gebe euch Feuerschutz!« Keddeck stob an ihm vorbei, rannte hinaus auf den Platz und sprang im Zickzack hin und her, während Atlan jetzt aus dem Strahlerlauf auf die Roboter schoß. Glühende Strahlenbahnen schossen hin und her. Atlan gab dem riesigen Mann, der sich nun blitzschnell und mit der Gewandtheit eines kämpfenden Raubtiers bewegte, Feuerschutz. Bortschack Keddeck sammelte so viele der akonischen Waffen ein, wie er konnte, dann rannte er zwischen den Feuerstrahlen aus Atlans Waffe wieder zurück zum Gefängnis. 16
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet der Scheinwerfer und den ausgefahrenen Lautsprecher des Raumfahrzeugs. »Wir brechen durch! Los!« Der Blue war über dem Tisch des Wachtpostens zusammengebrochen und rührte sich nicht. Etwa ein Dutzend Männer verfügte über Waffen, aber der Arkonide erkannte schon jetzt, daß es aussichtslos war. Eine schwache Hoffnung gab es noch: Vielleicht gelang es im Chaos des zu erwartenden Kampfes, in einem besonders glücklichen Augenblick auszubrechen. Er schoß methodisch, hinter einem Haufen Trümmer schlecht gedeckt, auf die Roboter, die sich darauf konzentrierten, die Eingangsöffnung des Gefängnisses zu vergrößern. Ununterbrochen schossen die Gefangenen aus den Fenstern des ersten Stockes. »Sie bringen sich um, Bortschack!« tobte Atlan, aber der Spezialist sprang neben ihm auf, riß die Waffe in Anschlag und rannte feuernd auf eine schmale Lücke zwischen den Robotern zu. Vor ihm flammte die Erde auf. Rauchwolken brodelten hoch und versperrten den Maschinen die Sicht. Durch den Rauch und die Flammen schossen ununterbrochen die Feuerstrahlen der kleinen Robotgeschütze, trafen die Fassade und zerstörten planmäßig den Eingang. Atlan stand auf und gab dem Spezialisten Feuerschutz. Bortschack Keddeck rannte, tief auf den Boden geduckt und aus der Hüfte schießend, auf die drei Gleiter zu, die sich langsam zwischen den Robots nach vorn schoben. Atlan feuerte in die Windschutzscheiben der Fahrzeuge und versuchte, den Spezialisten zu schützen. Die Männer über ihm und auf den Treppen hatten erkannt, worum es ging. Springer, Arkoniden, Ertruser und Antis bildeten zum erstenmal eine geschlossene Gruppe. Sie erkannten, daß Keddeck flüchten wollte, und vereinigten das Feuer ihrer Waffen auf die nächststehenden Robots. Noch fünfzehn Meter trennten den Terraner von den Gleitern. Rechts und links von ihm verwandelte sich der Boden in eine Reihe winziger Vulkane und in einen Bach aus Lava. Der Rauch ließ nur undeutlich erkennen, was dann passierte. Bortschack strauchelte, fing sich wieder und
internen Sicherheitsmaßnahmen einleitete. Diesen Schalter hatte der »Stinker«, wie er bei seinen Mitgefangenen hieß, ausgelöst. Überall krachten schwere Gitter aus Terkonitstahl herunter. Projektoren schalteten sich ein und überzogen die Decken und die Wände mit einem Netz purpurn glühender Farben. Zusätzliche Lautsprecher schrien unverständliche Worte. Aus verborgenen Düsen strömte Lähmgas. Die Männer, die fast die Kuppel aufgesprengt hatten, machten kehrt und polterten die Treppen wieder hinunter. Atlan feuerte wütend drei Lähmschüsse auf den Blue ab, aber es war tatsächlich zu spät. »Der Blue hat uns verraten!« brüllte jemand. »Bringt ihn um, den Stinker!« kam ein Schrei von oben. Plötzlich stand wieder Bortschack neben Atlan. Sein bärtiges Gesicht war von Schweiß und Staub bedeckt und hatte sich in eine Maske des Zorns verwandelt. »Mist, verdammter!« sagte er. »Was bleibt übrig?« »Wir müssen einen Durchbruch versuchen. In dieselbe Richtung wie gestern. Werden wir es schaffen?« Über ihnen ertönte wütendes Feuer. Die Männer schossen aus den vergitterten Fenstern auf die Maschinen, die das Feuer erwiderten. Teile der Gefängnisfassade verwandelten sich in einen rauchenden und brennenden Trümmerhaufen. Es ist auch für einen Durchbruch zu spät! flüsterte der Extrasinn. »Das ist Selbstmord!« rief Bortschack und deutete nach draußen. Jetzt war die Barriere rund um das Gefängnis vollkommen. Die schimmernden Leiber der Robots redeten eine deutliche Sprache. Dahinter standen die Gleiter. Eine Space-Jet oder ein Raumfahrzeug, das etwa so ähnlich aussah, kreiste in engen Schleifen um den Bezirk und leuchtete ihn mit den Landescheinwerfern aus. Eine mächtige Lautsprecherstimme schallte jetzt durch die Nacht. »Ergebt euch augenblicklich. Wir warten zehn Sekunden, dann eröffnen wir das Wirkungsfeuer!« Bortschack hob die Waffe und gab fluchend einen langen Feuerstoß ab. Er zerstörte drei 17
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Inzwischen wußten sie alle, was passiert war und daß es sich bei ihm um den Lordadmiral der USO handelte. Eine Pause trat ein. Ruhe breitete sich hier drinnen und auch draußen aus, aber jetzt befanden sich die Robots und eine größere Anzahl Gleiter dicht vor dem zerschossenen Eingang. »Sie werden uns bestrafen!« meinte einer der Terraner. »Das ist allemal besser, als erschossen zu werden«, erwiderte Atlan. »Ich kann mir auch Besseres vorstellen als die Haft bei den Akonen. Aber es gibt noch Hoffnung.« In einem Winkel seiner Erinnerung breitete sich vorsichtiger, gedämpfter Optimismus aus. Bisher hatte Terrania Skeller bewiesen, daß in Augenblicken höchster Gefahr sich der Rest von Skanmanyon aus seiner Lethargie riß und zu Aktionen bereit war. Zum letztenmal dann, als die Schneide des Henkersschwertes durch die Luft herabsauste und Atlans Nacken als Ziel gehabt hatte. »Ton-Svass wird sich fürchterlich rächen!« schrie jemand. »Aber er wird es nicht wagen, uns zu töten. Und bei dem Kampf wären wir alle gestorben!« schränkte der Arkonide mit Nachdruck ein. »Sind Sie sicher, Sir?« »Ziemlich sicher«, sagte Atlan und warf seine Waffe auf einen Schutthaufen, der glimmte und rauchte. »Ich sorge dafür. Er wird so froh sein, mich als Gefangenen zu haben, daß er alles andere vergißt.« »Das ist auch ein Gesichtspunkt.« Auch die anderen Männer entledigten sich fluchend der Waffen. Das Haus war nur noch eine Ruine. Überall gab es Löcher und Trichter, kein Stück Glassit war mehr heil, die Wände waren von Rußspuren entstellt, und die meisten Teile der Einrichtung waren hoffnungslos zerstört. »Gehen wir!« schlug Atlan vor. Die Gefangenen bildeten unwillkürlich einen langen Zug und gingen langsam und vorsichtig zwischen brennenden Trümmern aus dem Eingang hinaus und auf die Gleiter zu. Ein Halbkreis von schwer bewaffneten Akonen in Schutzanzügen, die Mündungen der Waffen auf die Gefangenen gerichtet, erwarteten sie.
feuerte nach beiden Seiten. Jetzt hatte er fast die Lücke zwischen zwei Gleitern erreicht, aus denen Akonen sprangen, um sich vor Atlans Schüssen in Sicherheit zu bringen. Einer der Männer, ein schlanker Mann in einer dunklen Uniform, sah und erkannte Bortschack, riß seine Waffe aus der Tasche und zielte flüchtig. Dann sah Atlan, wie ein Feuerstrahl in der Brust des Spezialisten endete und den Mann nach hinten schleuderte. Noch im Fallen – er schlug schwer mit Rücken und Hüften gegen den zweiten Gleiter – löste sich ein langer Schuß aus der Waffe und verwandelte den Akonen förmlich in eine Fackel. Sein Tod war sinnlos! Ihr entkommt nicht! rief der Extrasinn warnend. Atlan mußte einsehen, daß ihre Pläne fehlgeschlagen waren. Aber im Augenblick wurde härter und gnadenloser als je zuvor gekämpft. Das Loch in der Mauer wurde größer und größer. Der gezielte Beschuß durch die Roboter hörte nicht auf. Noch immer dröhnte ein zweiter Lautsprecher des kreisenden Raumfahrzeugs. Die Roboter kamen unaufhaltsam näher. Es war den Verteidigern des Gefängnisses gelungen, rund ein Dutzend der Maschinen zu zerstören, aber andere waren an die Plätze der vernichteten Robotwachen getreten. Atlan ließ seine Waffe sinken und schrie hinauf zu den feuernden Gruppen: »Hört auf! Es ist sinnlos geworden! Stellt das Feuer ein!« Sie hätten entkommen können, wenn die Aktion des Blues nicht den Ausgang auf das Dach unmöglich gemacht hätte. Fast schlagartig hörten die Männer auf zu schießen. Draußen ertönten scharfe, laute Kommandos. Eines der Robotgeschütze nach dem anderen verstummte. »Werft die Waffen weg! Geht mit erhobenen Händen auf die Gleiter zu!« schrie der Lautsprecher aus der Luft. »Es ist vernünftiger, wir tun dies!« rief Atlan. Diejenigen Gefangenen, die sich nicht an dem Kampf beteiligt hatten, weil sie keine Waffen besaßen, stimmten laut zu und kamen langsam aus ihren Verstecken hervor. Die sechs Terraner, die übriggeblieben waren, scharten sich um Atlan. 18
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet von Robotern funktionierten. »Wir suchen uns für unsere Unterhaltung einen gemütlichen Platz aus!« erklärte der Akone, der Herrscher über diese Siedlung. »Sie haben nicht viel Möglichkeiten, nein zu sagen.« »Nein«, sagte Atlan und zwängte sich zwischen die beiden Leibwachen, deren Waffen ununterbrochen auf ihn gerichtet waren. Fertless-Ton-Svass setzte sich ihm gegenüber, schlug die langen Beine übereinander und musterte ihn spöttisch mit der Miene des überlegenen Siegers. Der Gleiter ruckte an, drehte sich schnell und schoß dann davon, der erleuchteten Straße entgegen. »Was haben Sie eigentlich mit dieser Rebellion bezweckt?« erkundigte sich der Chef der Akonen. Seine Stimme besaß die Schärfe schartigen Glases. »Ich wollte die Gefangenen befreien!« erklärte Atlan. »Was sonst?« »Was sonst! Warum sind Sie hier gelandet?« Atlan zuckte die Schultern. Diese Bewegung rief bei seinen beiden Bewachern eine nervöse Reaktion hervor. Sie rammten ihm die Mündungen ihrer beiden Waffen schmerzhaft in die Seiten. »Mehr aus Zufall, aber nicht unvorbereitet!« sagte Atlan und dachte an die Warnungen seines Extrasinns. »Wie meinen Sie das?« »Ich ahnte, daß dieser Planet nicht ganz das ist, als was er auf den ersten Blick erscheinen mag«, erklärte der Arkonide und musterte sein Gegenüber. Der Akone sah tatsächlich so aus, wie Bortschack Keddeck ihn beschrieben hatte. Ein schlanker, gut proportionierter Mann, in dunkle, enganliegende Kleidung gehüllt, mit einer schweren Waffe an der Seite. Die Hände und die Finger waren kennzeichnend: ein wenig zu mager, ein bißchen zu lang, die Hände eines Mannes, der einmal die Macht gespürt hatte und sie niemals wieder verlieren wollte. Dann der Kopf und das Gesicht: Ton-Svass hatte einen langen, mageren Schädel mit tiefen Falten und scharf ausgeprägten Teilen. Die Nase sprang kühn vor wie ein Habichtsschnabel. Die Augen waren dunkel, und in ihnen brannte ein verzehrendes Feuer. Dieser
Einige schwere Lastengleiter mit geöffneten Heckklappen standen hinter den Männern. Ein schlanker Akone mit kurzem Haar, einem haarfeinen Schnurrbart und hageren Gesichtszügen kam auf Atlan zu, der die Schlange anführte. Er starrte ihm mit brennenden Augen ins Gesicht. Die zahllosen Scheinwerfer der Gleiter und die Kopflampen der Robots, die ihre Energiefelder ausgeschaltet hatten, erhellten die Szene. »Ich habe es geahnt!« stieß er hervor. Er sprach ein kristallklares Interkosmo. »Ich auch!« gab Atlan trocken zurück und ließ die Hände sinken. Hinter ihm legten die Akonen den Gefangenen Handfesseln an und stießen jeweils zehn von ihnen in einen der Mannschaftstransporter. »Ich erkenne Sie! Ich habe meinen eigenen Abhöranlagen nicht trauen wollen, aber Sie sind es wirklich!« Atlan schenkte ihm ein sarkastisches Lächeln. »Wer bin ich?« Fordere ihn nicht zu sehr heraus. Es ist ein Mann, der ständig am Rand seiner Beherrschung steht. Er ist hochexplosiv! warnte plötzlich der Extrasinn. »Sie sind dieser verdammte Arkonide. Der Chef der United Stars Organisation. Sie sind an diesem Zwischenfall schuld!« Atlan versuchte, ruhig und kühl zu bleiben. Er erwiderte langsam und wohlüberlegt: »An diesem Zwischenfall und an einigen, die noch folgen, sind Sie selbst schuld. Denn Sie haben diese Männer gefangengenommen und festgehalten, obwohl sie nicht gegen ein einziges Gesetz verstoßen haben.« »Kommen Sie mit. Mit Ihnen habe ich etwas Besonderes vor!« sagte der Mann. »Falls Sie es noch nicht erraten haben sollten – ich bin Fertless-Ton-Svass.« Atlan antwortete höflich: »Ich zweifle nicht daran!« Ein Gleiter schwebte heran. Zwei Akonen nahmen Atlan in die Mitte und dirigierten ihn mit schnellen Bewegungen auf den Hintersitz der Maschine. In ihren Händen trugen sie kurzläufige, blauschimmernde Waffen. Ihr Gesichtsausdruck war der von Befehlsempfängern, die mit der unbedingten Exaktheit 19
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet raste und dem Zentrum zustrebte, das sie vor einigen Stunden beschossen hatten. »Sie haben vor, den Krieg zwischen dem Solaren Imperium und den Akonen wieder zu beginnen?« Atlan war sich voll bewußt, daß diese eben angedeutete Gefahr nicht etwa mit einem kleinen Aufstand gleichzusetzen war, sondern tatsächlich zwischen den Planeten beider Sternenvölker eine ernste Krise auslösen konnte. Die ersten Gefechte zwischen akonischen Schiffen und Raumschiffen der Terraner würden eskalieren. Immer größere Schiffsverbände würden aufeinanderprallen und sich verlustreiche Raumschlachten liefern. Und schließlich drohte die wechselseitige Invasion auf verschiedenen Planeten beider Machtkonzentrationen. Dies war nichts anderes als offener Krieg, als das blutige Schlachten, das weder Rhodan noch der Große Rat der Akonen wollte. Er mußte versuchen, diesem Wahnsinnigen Einhalt zu gebieten. »Sie haben recht«, war die Antwort. Sie wurde in einem Tonfall gegeben, der jeden Zweifel ausschloß. Für Ton-Svass war es eine Selbstverständlichkeit, daß der Kampf bevorstand. Er würde dann beginnen, wenn die erhoffte Anzahl von Schiffen gebaut, die Einheiten bemannt und trainiert und die Energiegeschütze feuerklar waren. Atlan hatte sich, ohne es im geringsten zu wollen, mitten in das außenpolitische Wespennest gesetzt. Vielmehr: Skanmanyon hatte ihn mitten in das Zentrum dieser Keimzelle des Krieges geschleudert. Es war wie eine Kettenreaktion. Er mußte versuchen, sie hier und jetzt zu beenden. »Ich habe tatsächlich recht?« erkundigte sich Atlan in einem Tonfall, als habe er sich verhört. »So ist es. Und Sie sind ein wichtiger Gefangener. Denn Sie verfügen über einen Zellschwingungsaktivator, der Ihnen potentielle Unsterblichkeit verleiht.« Atlan begann zu lachen. »Sind Sie etwa daran interessiert, Svass?« »Ich kann es nicht leugnen!« gab der Akone zu. Der Gleiter fuhr jetzt auf den kreisförmigen Platz, bog nach links ab und näherte sich einem einzeln stehenden, hohen Gebäude,
Mann wurde von seinen eigenen Vorstellungen und Wachträumen getrieben wie von Furien. Der Schnitt des kurz gehaltenen Haares und der dünne Oberlippenbart deuteten ebenfalls auf einen martialischen Charakter hin. Diesem Mann war alles das und noch einiges mehr auf den ersten Blick zuzutrauen, was der gestorbene USO-Spezialist angedeutet hatte. Er war ein erbitterter Gegner der Terraner und somit ein persönlicher Feind Atlans. Er würde nicht nur Atlan selbst bekämpfen, sondern versuchen, die Institution der United Stars Organisation entscheidend zu treffen. Du bist sein persönliches Opfer. Niemand würde ihm im Augenblick willkommener für seine Pläne sein. Das, was sein Extrasinn ihm einflüsterte, stimmte. Es war das Resultat bewußter und unterbewußt ablaufender Denkvorgänge und der Analyse daraus. »Als was erscheint der Planet Ihnen?« Atlan lächelte kurz. »Als verlassene Welt, die harmlos und bisher unentdeckt im östlichen Randgebiet des galaktischen Zentrums liegt.« »Und was haben Sie herausgefunden?« Atlan zuckte die Schultern und meinte flüchtig: »Ich glaube, daß das, was mich interessiert, auch den Großen Rat der Akonen sehr interessieren würde.« Fertless-Ton-Svass lachte schneidend. »Das ist nicht auszuschließen. Sie sind allein hier?« Atlan erwiderte nachdenklich: »Sie scheinen allen Grund zu haben, selbstsicher zu sein. Aber ein kluger Mann – und ich halte Sie für einen klugen Mann! – ist immer vorsichtig. Ich gebe meine Trümpfe nur langsam und ungern aus der Hand. Einstweilen möchte ich darauf nicht antworten. Sie können sich denken, warum!« Die Unterhaltung wurde im leisen, vorsichtigen Ton eines Gesprächs zwischen flüchtigen Bekannten geführt. Aber dieser Tonfall täuschte. Die Fronten waren klar. Beide belauerten einander. Jeder versuchte, die Blößen des Gegners zu erspähen und aufzudecken. Atlan wagte einen kühnen Vorstoß. Ihm entging nicht, daß der Gleiter durch die Siedlung 20
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet dieses von Macht und Kampfeswillen Besessenen, die in dessen luxuriöser Wohnung stattfand, in ein besonderes Gefängnis geworfen zu werden. Er selbst hatte keine Zeit, aber der Akone hatte viel Zeit zur Verfügung. Die Wächter stiegen langsam aus und richteten ununterbrochen ihre Waffen auf Atlan, der alles andere vorhatte als einen selbstmörderischen Fluchtversuch. Nachdem sich der Gleiter geleert hatte, waren sie fünf Personen, die in den Lift stiegen. Atlan, der Akone und drei Wächter, die den Lordadmiral keine Sekunde lang aus den Augen ließen. »Ich werde Ihnen sagen, was ich wirklich vorhabe«, erklärte Ton-Svass. »Sie sind außer Perry Rhodan der prominenteste Gefangene, den ich mir wünschen könnte. Ich werde Sie festsetzen, was praktisch bereits geschehen ist, und ich eigne mir Ihren Zellaktivator an. Das wird Ihr Leben drastisch verkürzen und mein Leben sehr verlängern. Ich gewinne dadurch Zeit, um das Imperium in einen tödlichen Kampf zu verwickeln, und Zeit genug, um hier, von diesem Planeten aus, ein kleineres Imperium zu gründen.« Sie schwebten den Schacht aufwärts, kamen oben an und schwangen sich aus der Öffnung. Die Wachen blieben zurück, während TonSvass Atlan wie einen lieben Besucher am Arm faßte und auf eine breite Tür zu dirigierte. Die Tür glitt auf, sie befanden sich in einem riesigen Wohnraum, der in drei Ebenen gegliedert war. Aus einem tiefen, schweren Sessel erhob sich ein Mädchen oder eine junge Frau, die sich das Programm auf dem Bildschirm eines riesigen Visiphons angesehen hatte. Atlan blieb stehen. Der Akone knöpfte die Schutztasche seiner Waffe auf, legte die Hand auf den Kolben und bedeutete den drei Wächtern, den Raum zu verlassen. Die Tür schloß sich wieder. Die drei Personen befanden sich, vorübergehend schweigend, hoch über der Stadt in der Ebene. Ein tiefes Schweigen, eine gespannte Pause entstand. Die Augen des Mädchens gingen zwischen dem Arkoniden und dem Akonen hin und her, dann sagte der Chef dieses Planeten: »Bringe uns etwas zu trinken, Liebling. Und dann laß uns allein. Wir haben ernste Gesprä-
dessen Dachgeschoß hell erleuchtet war. »Sie werden enttäuscht sein!« warnte Atlan. Er wußte, was in den nächsten Stunden kommen würde. »Dieses Gerät wirkt nur bei mir. Jeden anderen tötet es auf qualvolle Weise. Wenn ich es will. Es gab vor Zeiten Beispiele, da half der Aktivator. Aber nur dann, wenn ich es inbrünstig hoffte. Sie werden nicht derartig naiv sein und annehmen, daß ich in Ihrem Fall meinen eigenen Tod zu besiegeln helfe.« »Ich finde sicher Mittel, Sie dazu zu bringen!« sagte der Akone und lächelte dünn. »Ich zweifle nicht daran«, erklärte Atlan. »Sie wollen also in diesem Raumsektor ohne Wissen und erst recht ohne Genehmigung des Großen Rates ein eigenes Reich errichten?« Sein Gegenüber betrachtete angelegentlich seine Fingernägel und meinte versonnen: »In diese Richtung bewegen sich meine Überlegungen. Ich habe die Unterstützung sehr vieler reicher Akonen. Ihnen allen ist es ein Anliegen, die Vorherrschaft Ihres Imperiums zu brechen.« »Nicht mein Imperium!« beharrte der Arkonide und lehnte sich zurück. Er spürte die Waffenläufe in seinen Seiten und sah, wie der Gleiter eine steile Rampe abwärts fuhr, einige Energieschranken passierte und in eine Art Tiefgarage hineinschwebte. »Das Imperium Ihres hochnäsigen Freundes Perry Rhodan!« »Das trifft die Wahrheit schon eher. Und warum haben Sie mich hier in Ihr eigenes Reich mitgenommen?« Atlan hatte jetzt genügend Zeit gehabt, um seine Strategie zu entwickeln. Er wußte, was seine Taktik in den nächsten Stunden sein würde. Hoffentlich behielt er recht. »Aus einigen Gründen. Ich habe Ihnen schon zuviel gesagt – aber nichts, das Sie nicht selbst auf Ametigo-Phart hätten feststellen können. Sie haben recht. Ich will und werde ein eigenes Reich gründen, ohne daß der Rat es weiß. Ein kleines, aber schlagkräftiges Imperium. Ich brauche nur noch einige Zeit, bis alle meine Pläne reif geworden sind.« »Ich verstehe!« sagte Atlan. Der Gleiter hielt neben der Öffnung eines Antigravlifts. Die Türen schoben sich auf. Atlan erwartete, nach einer langen Ansprache 21
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet zu Zeit gestatte ich mir solche Aufregungen. Sie erhalten jung. Die Mutanten warten nur auf mein Signal, um einzugreifen. Es kann sein, daß einigen von ihnen die Zeit inzwischen zu lang geworden ist. In diesem Fall werden sie handeln, ohne mich zu fragen. Aber ... was soll dieses Erschrecken? Ich war sicher, daß Sie diese Möglichkeit von Anfang an in Ihre Planungen einkalkuliert haben, Fertless-Ton-Svass!« Er sah zu, wie der Akone mit einem Schluck das Glas leerte, dann an das Visiphon rannte und einige Schalter drückte. Der Bluff des Arkoniden hatte offensichtlich Erfolg gehabt. Aber wie lange würde diese Täuschung anhalten ...?
che zu führen.« Atlan fragte sich, während er die Einzelheiten des einfach, aber ausgesprochen künstlerisch und wertvoll eingerichteten Raumes in sich aufnahm, wann dieser Irrsinn ein Ende haben würde. Er steuerte auf einen Sessel zu, von den mißtrauischen Blicken Svass' verfolgt, und setzte sich. »Ich nehme an«, sagte er leise und abschätzend, »Sie werden mir noch einen kurzen Vortrag über die Sinnlosigkeit des Unternehmens halten, ehe ich in Ihrem Kerker verschwinde?« Das Mädchen hantierte an einer Art Bar und füllte drei Gläser mit einem goldgelben, stark aromatischen Getränk. »Etwas Ähnliches hatte ich vor!« bestätigte der Akone. »Wir sind unter uns. Niemand wird das, was ich Ihnen zu sagen habe, an den Großen Rat weitergeben.« Atlan sah das Mädchen an, während er die Hand ausstreckte und das Glas in die Finger nahm. Sie war bildschön, wirkte aber leblos und gezwungen. Wahrscheinlich langweilte sie sich tödlich auf dieser abgeschiedenen Welt der Maschinen, Werften und Roboter. »Ich ganz bestimmt nicht«, sagte Atlan, sah das Mädchen mit seinem schönsten Lächeln an und wußte, wie sehr er auf bestimmte Frauen wirkte. Sie merkte es und war betroffen. Aber dann nahm sie ihr eigenes Glas und verließ lautlos den Raum. Atlan beendete seinen Satz. Er sagte: »Aber möglicherweise einer der Männer aus meinem Team. Sie werden doch nicht so naiv sein, zu glauben, daß ich ganz allein hier gelandet bin, teurer Herrscher eines akonischen Verstecks?« Mit großer Genugtuung sah er, wie sich Betroffenheit und Erschrecken auf dem Gesicht des Akonen abzeichneten. Ton-Svass hatte sich eben in den anderen Sessel niederlassen wollen. Jetzt erstarrte er und blickte Atlan mit erschrockener Miene an. »Nicht allein?« echote er betroffen. Atlan lachte. »Was dachten Sie? Ich bin mit einem Schiff, einer hervorragenden Ausrüstung, einem entschlossenen Team und einem kleinen Mutantenkorps hier gelandet. Lassen Sie sich durch meine Einzelaktion nicht täuschen – von Zeit
3. Jetzt überstürzten sich die Aktionen des Chefs dieser kleinen Siedlung. Während der Fahrt hierher hatte Atlan versucht, die Anzahl der hier lebenden und arbeitenden Akonen abzuschätzen. Sie lag garantiert unter zehntausend. Eher viel weniger. Eine Menge der Gebäude, die wie Wohnhäuser wirkten, waren Werkstätten und Lager und Arbeitsstätten von Robotern. Auf dem Bildschirm erschien der Oberkörper eines anderen Akonen, der mit Svass eine gewisse Ähnlichkeit hatte. »Lassen Sie sofort Peilungen vornehmen und Kontrollen. Der Arkonide ist mit einem Schiff und einer Mannschaft gelandet! Vermutlich halten sie sich im Gebirge versteckt. Und darüber, wie es ihnen gelungen ist, unbemerkt den Planeten anzufliegen, unterhalten wir uns noch später. Schnell, es eilt. Und sollten Sie etwas feststellen, was ich sehr hoffe, dann schicken Sie schwerbewaffnete Kommandos aus! Ich erwarte in Kürze Vollzugsmeldung!« Der andere Mann stutzte, war sichtlich nervös und wartete das Ende des Ausbruchs ab. Dann nickte er und versicherte: »Selbstverständlich, Fertless. Ich leite sofort alles ein!« Der Schirm wurde dunkel. Atlan nahm einen Schluck des vortrefflichen Alkohols und lächelte dünn. »Sie werden nervös, Fertless?« erkundigte er 22
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet rief voller Aufregung: »Der Arkonide hat recht! Wir haben tatsächlich starke PSI-Impulse angemessen. Eben wird ein Kommando zusammengestellt, das die betreffende Stelle ausforschen soll.« Fertless schlug krachend mit der Faust auf das Gerät. Eine knisternde Bildstörung folgte. Dann rief er: »Machen Sie schnell! Finden Sie heraus, wie stark das Team ist. Und bevor wir angreifen, will ich eine genaue Analyse haben.« »Es wird geschehen.« Terrania oder Skanmanyon lebt also noch. Die PSI-Strahlung ist noch wirksam, sagte der Extrasinn. »Sie sehen, ich habe nicht gelogen«, erklärte Atlan. »Was haben Sie jetzt mit mir vor?« »Das werden Sie gleich selbst erleben!« versicherte der Akone und drückte an seinem Minikom einen Knopf. Sekunden später wurden drei Türen aufgerissen, und sechs Wachen stürzten in den Raum. Fertless deutete auf Atlan und schnarrte einen Befehl. »Bringt ihn hinunter in den Lagerraum, und sperrt ihn in eines der leeren Magazine. Er darf nicht entkommen, verstanden?« Sechs Waffen richteten sich auf Atlan. Er wurde zur Eingangstür dirigiert. »Wenn ich Ihr Team erledigt habe, werde ich mich mit Ihnen befassen!« rief ihm der Akone nach. Atlan war wieder handlungsunfähig. Während die Männer mit ihm durch den Antigravschacht nach unten schwebten, sah er ein, daß es im Augenblick keine Möglichkeit gab. Seine einzige Hoffnung war und blieb Skanmanyon. Wie würde das PSI-Wesen im Augenblick der Gefahr reagieren? Türen schoben sich auf und schlossen sich. Es ging über schlecht beleuchtete Treppen und Rampen bis zur Rückwand des hohen Lagergebäudes. Zwischen Kistenstapeln, auf denen Atlan undeutlich Schriften aus allen Teilen der Galaxis erkennen konnte, bewegten sich die Männer auf eine Anzahl schwerer Stahltüren zu, die in die Wand eingelassen waren. Verschiedenfarbige Lichter glühten neben den Handgriffen und Schlössern. Eine der Türen öffnete sich leise. »Dort hinein!« sagte einer der Posten. »Sie kommen hier nicht heraus!«
sich ironisch. »Sie sind Ihrer Sache zu sicher, das ist Ihr Fehler.« Wütend ließ sich der hochgewachsenen Akone in den Sessel fallen und versicherte: »Wenn es stimmt, womit Sie mich ärgerten, Atlan, dann werden wir mit Ihrem Expeditionskorps sehr schnell ein Ende gemacht haben.« »Täuschen Sie sich nicht«, meinte Atlan. »Wir sind ziemlich sicher versteckt und haben überdies noch einige Möglichkeiten, die Sie nicht kennen. Ich glaube, es wäre für Sie sehr gut, wenn Sie sich mit mir einigen würden.« Fertless starrte ihn beunruhigt an, dann brach er in ein kurzes Lachen aus. »Einigen? Mit Ihnen? Mit meiner wertvollsten Geisel und mit dem Besitzer eines Zellaktivators?« »Nein?« »Auf keinen Fall. Meine Geduld wird in der letzten Zeit ohnehin stark strapaziert. Ich sage Ihnen, was ich mit Ihnen vorhabe. Ich warte nur noch das Ergebnis dieser Peilkontrollen ab. Dann handle ich und zerschlage Ihr Team. Sie bleiben mein Gefangener, ich nehme mir Ihren Aktivator und arbeite hier weiter für meinen Plan. Genau das wird geschehen.« Er meinte es bitter ernst. Atlan sah ein, daß er im Augenblick keine Chance hatte. Vor den Türen warteten die bewaffneten Wächter. Er war waffenlos. Und alle seine Hoffnungen konzentrierten sich auf Skanmanyon oder Terrania Skeller, die mit geborstenen Augäpfeln und hervorgequollenem Gehirn in der Höhle lag und langsam starb. »Warten wir es ab!« sagte Atlan kurz. Sie warteten etwa eine halbe Stunde. Noch immer belauerten sie sich gegenseitig. Fertless wollte wissen, was Atlan wirklich dachte und über welche Mittel er tatsächlich verfügte, und Atlan versuchte, die Möglichkeiten des Mannes herauszufinden. Eines war sicher – der Große Rat würde dieses Treiben hier kurzerhand unterbinden. Es lag nicht im Sinn dieser akonischen Regierung, einen Krieg gegen das Imperium zu führen. Sie wußten, wie stark Rhodan war. Dann summte wieder der Interkomschirm. Der Leiter der Suchtruppen zeigte sich und 23
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet sich konzentrierte, erblickte er auch die schöne Gefährtin von Ton-Svass. Die Frauen und Männer bewegten sich wie in Trance. Etwa fünfzig von ihnen beschrieben auf dem Platz, sich langsam um die eigene Achse drehend, einen großen Kreis von mehr als hundert Meter Durchmesser. Sie gingen langsam vorwärts, drehten sich, breiteten die Arme aus und hielten die Augen geschlossen. Eine gespenstische, lautlose Prozession. In der Mitte dieses Kreises stand die junge Akonin, hielt die Arme fast senkrecht zum Himmel hinauf und drehte sich auf der Stelle, aber entgegengesetzt der Richtung, in der sich die Akonen im großen Kreis drehten und wanderten. Dieser große Kreis wurde von mehreren kleineren Kreisen unterbrochen. Da die Frauen und Männer aber die Bewegung dieser ersten, weit ausschwingenden Bahn mitmachten, wurden aus ihren Spuren Schlangenlinien, die immer wieder den Kreis durchschnitten. Eine Darstellung des Planetensystems! durchfuhr es den Arkoniden. Vom anderen Ende des Platzes kamen zwei Männer gerannt, durchbrachen den Kreis und liefen rasend schnell auf das Zentrum, also die Akonin zu. Sie umkreisten die Frau und entfernten sich wieder. Ihre Spuren, wären sie sichtbar gewesen, hätten drei Viertel einer Ellipse gebildet. Diese Männer verschwanden wieder am Rand des Platzes und entfernten sich. PSI-Fieber! sagte der Extrasinn. Jetzt verstand Atlan, was er sah. Skanmanyon hatte sich bedroht gefühlt und abermals zugeschlagen. Er hatte die Gehirne der Akonen verwirrt und sie gezwungen, die Bahnen der vielen kosmischen Körper nachzuvollziehen. Atlan sah die Sonne, die Bahn eines Planeten, die Bahnen mehrerer Monde, und jetzt eben hatte er den Weg eines Kometen mitverfolgt. Niemand wird dich daran hindern, zu fliehen. Handle schnell, denn du weißt nicht, wie lange diese Verwirrung anhält! riet dringend der Extrasinn. Atlan stellte sich vor, daß auch andere kosmische Kräfte hier dargestellt wurden, von Skanmanyon in den Verstand aller Intelligenzwesen hier in der Ebene projiziert. Meteorschwärme und andere Planeten sowie deren
»Das hatte ich auch nicht erwartet«, meinte Atlan. Hinter ihm fiel die Stahltür zu. Aber zu seiner großen Überraschung wurde es nicht völlig dunkel. Er ging langsam, mit vorsichtigen Schritten, geradeaus und hielt den rechten Arm ausgestreckt nach vorn. Der Raum war leer, aber quer über seine gesamte Breite befand sich eine dicke Glasscheibe. Da dieser Teil des Magazins etwa zehn Meter über dem Boden der Ebene lag, konnte Atlan einen Teil der Siedlung erkennen. Als sich seine Augen auf die geringe Helligkeit eingestellt hatten, sah er einige Kisten, Verpackungsmaterial und einen halbierten Roboter. Der Raum war in großer Unordnung. Atlan machte sich eine Art Lager zurecht, betrachtete noch einige Minuten lang das nächtliche Panorama unter dem Licht der beiden stark farbigen Monde und sah, wie sich eine Kette von Gleitern und zwei kleine Raumschiffe in die Richtung von Terranias Versteck bewegten. Aber sie würden sehr lange brauchen, um diese Höhle zu entdecken. Es gab keinerlei Anhaltspunkte, außer der anmeßbaren PSI-Strahlung. Atlan schlief mit dem Gefühl ein, einer Katastrophe entgegenzutreiben, sie aber keineswegs aufhalten zu können. Außerdem war er erschöpft. * Im ersten Morgengrauen, das noch vom feuerroten Licht des Mondes überstrahlt wurde, machten undeutliche Geräusche und auffallende Bewegungen draußen vor der Scheibe Atlan wach. Er fuhr auf, stemmte sich in die Höhe und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Er trat ans Fenster und preßte beide Handflächen dagegen. Das Bild, das er augenblicklich sah, war verblüffend. Sie sind wahnsinnig geworden! kommentierte der Extrasinn. Dadurch, daß der Herrscher dieses Planeten die Suchkommandos ausgeschickt hatte, konnte Atlan eine Frist gewinnen. Jetzt aber hatte sich die Situation abermals geändert. Atlan blickte auf einen kleinen Platz vor den Lagerhallen hinunter. Dort sah er etwa hundertfünfzig Akonen allen Alters, und als er 24
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet In zwanzig Meter Entfernung stand ein Gleiter, der Boden bestand aus massiven Stücken verglasten Felsens. Er würde sich eine Anzahl Knochen brechen, wenn er hinuntersprang. Atlan atmete tief ein und aus; die Schwierigkeiten schienen erst anzufangen. Er holte die Kisten heran, warf die erste aus dem Fenster und versuchte, ihren Fall vorsichtig zu steuern. Sie landete tatsächlich ziemlich genau unter der Öffnung. Aus breitem Isolierband, das sein Körpergewicht nicht halten würde, drehte er in rasender Eile einen Strick zusammen, knotete ihn an die andere Kiste und hievte sie ebenfalls aus dem Fenster. Sie drehte sich, und im richtigen Augenblick ließ Atlan los. Jetzt standen zwei Kisten aufeinander, zwischen ihnen und dem Fenster waren noch rund sieben Meter Abstand. Diesen Vorgang wiederholte Atlan noch dreimal, dann wickelte er sich den Rest des Isolierbandes um die Handflächen, schwang sich zum Fenster hinaus und ließ sich, die Spitzen der Stiefel an der Mauer scharrend, hinunter. Als er ausgestreckt am Fensterrahmen hing und die scharfen Kanten in seine Handflächen schnitten, ließ er los. Er landete mit federnden Knien auf dem Turm aus Kisten, der sofort gefährlich zu schwanken begann. Atlan stützte sich mit einer Schulter und den geschützten Handflächen an der Mauer ab, balancierte und fiel dann zusammen mit dem in sich einbrechenden Stapel nach unten, bremste seinen Fall und rollte sich auf dem Boden ab. Mit schmerzenden Muskeln stand er wieder auf und wickelte das Band von den Händen. Dann rannte er auf den Gleiter zu. Er warf einen Blick ins Innere – die Maschine war gesichert. Hinter ihm tanzten und drehten sich die Akonen. Beachte sie nicht. Im Innern der Siedlung wirst du mehr solcher Tänze sehen, erklärte der Extrasinn. Er lief weiter. Überall, wo sich freier Platz bot, sah Atlan die Tanzenden. Sie vollzogen alle die Bahnen der verschiedensten Gestirne nach. Jeder Akone bildete sich ein, ein bestimmter Himmelskörper zu sein. Das Bild der dahintorkelnden und
Monde. Andere Sonnen und die Einflüsse der Galaxis ... es war unvorstellbar. Atlan drehte sich um, wandte sich von diesem Schauspiel ab und durchsuchte mit den Augen den Raum, ob er ein Werkzeug finden konnte. Er mußte hier hinaus! Eine einmalige Möglichkeit, zusammen mit den sechs terranischen Gefangenen zu fliehen und mit dem zerfallenden Körper Terranias. Er sah den Robot, sprang in die Ecke und wuchtete die halbe Maschine ächzend in die Höhe. Er nahm einen Anlauf und schleuderte die Masse aus Metall und Kunststoff gegen die Scheibe. Es gab einen furchtbaren Krach, ein Sprung durchzog die Glasfläche diagonal, und der Robot fiel zu Boden. Atlan richtete sich auf und schleppte den Robot an einem unbeweglichen Arm in den hintersten Winkel des Raumes. Er stemmte die schwere Masse abermals hoch und wiederholte den Versuch. Jetzt durchbrach der Kopf der Maschine die Scheibe, blieb stecken, und die Anzahl der Sprünge, die sich nach allen Seiten ausbreiteten, vergrößerte sich. Einige Glassplitter klirrten zu Boden. Atlan sprang vor und zerrte den Robottorso aus der kleinen Öffnung und schleuderte ihn ein drittes Mal nach vorn und durch die Scheibe hindurch. Die Maschine vergrößerte das Loch, hing einen Augenblick in der Schwebe und kippte dann nach außen. Das Geräusch, mit dem die Metallmasse zehn Meter tiefer auf die Platten aufschlug, mußte in der halben Siedlung zu hören sein, aber keiner der Tanzenden und Schreitenden ließ sich stören. Atlan suchte in dem Durcheinander nach einem weiteren Werkzeug. Er fand schließlich eine Art Brecheisen, mit dem die Kisten geöffnet worden waren. Er lief auf die Scheibe zu, hob einen Unterarm schützend vor die Augen und begann, auf das dicke Glas einzuschlagen. Er vergrößerte die Öffnung und achtete darauf, daß er die kleinen Splitter aus dem Rahmen hieb. Schließlich, nach zehn Minuten Schwerstarbeit, befanden sich nur noch an beiden Seiten längere Glassplitter. Atlan warf das Eisen weg und beugte sich nach vorn. Eine glatte Mauer. Zehn Meter Abstand bis zum Boden. 25
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Das PSI-Fieber stieg. Atlan begann sich vor dem nächsten Stadium zu fürchten. Versuche, Terrania zu finden! Und dann das Raumschiff! drängte der Extrasinn. Atlan steuerte langsam weiter und erreichte jetzt das Gelände des zerstörten Gefängnisses. Er hatte einige Gefangene gesehen, scheinbar frei. Sie tanzten, schrien und klatschten mit den anderen. Er vermochte ihnen im Augenblick nicht zu helfen; die Vorbereitungen zur Flucht waren dringender. Er merkte sich, wo die Raumschiffe in der richtigen Größe standen, und trat den Beschleunigungshebel voll herunter. Der Gleiter wurde schneller, glitt höher hinauf und raste wieder in die Richtung der Schlucht, aus der Atlan und Bortschack, der ein weiteres Opfer dieses Skanmanyon-Wesens geworden war, aufgebrochen waren. Der Fahrtwind umheulte den Arkoniden. Er erwartete, Terrania in den letzten Minuten ihres Lebens zu finden. Terrania starb ... Aber was geschah mit dem PSI-Feld, das sie ausfüllte bis zur letzten Zelle? War Skanmanyons Rest ebenfalls zum Tod verurteilt? Atlan zuckte die Schultern und setzte seinen Flug fort. Nach einigen Minuten hörte er aus dem Lautsprecher des eingeschalteten Bordfunkgerätes einen nachhallenden Schuß. Seine Hand schnellte vor und drückte einen Schalter. Die Bildplatte erhellte sich und gab eine Aufnahme wieder, die offensichtlich aus dem Wohnraum oder von der Terrasse Fertless-TonSvass' gemacht worden war. Ein Teil der Siedlung wurde von der langsam schwenkenden Robotkamera erfaßt. Das dritte Stadium! sagte der Extrasinn. Atlan starrte auf die Szenen. Das Bild war klein, die Gestalten darauf noch winziger, aber es war deutlich, daß die Akonen ihre fast rituelle Ordnung der eingebildeten Gestirne aufgegeben hatten und übereinander herfielen. Sie kämpften miteinander. Sie verwendeten dazu jede Art von Waffen, die sich gerade in ihrer Nähe befanden. Die kosmische Ordnung war schlagartig aufgegeben worden. Die Akonen zerstreuten sich, versteckten sich, bildeten Gruppen und sahen in jedem anderen einen persönlichen Feind. Irgendwo dort rannte auch Fertless-
trippelnden Akonen war gespenstisch. Die Eigenrotation von Monden und deren Bahn, die dahintreibenden Sonnen, ein Schwarm großer Meteore, der quer durch das gesamte Bild raste und teilweise mit Wucht gegen die Tanzenden prallte – wie es auch jener übergeordneten Wirklichkeit entsprach –, das alles tobte hier lautlos durch die Siedlung. Atlan sah auch einige der Gefangenen, aber er konnte ihnen nicht helfen. Sie befanden sich ebenso im Bann Skanmanyons wie die Akonen. Nur er war von diesem unheilvollen Zustand völlig frei. Schließlich riß er die Tür eines Wächterhauses auf. Er fand alles das, was er suchte und brauchte. Schnell, aber mit großer Sorgfalt zog er einen schweren Schutzanzug an, rüstete sich mit Waffen und mit Nahrungsmitteln aus. Er nahm die Funkgeräte ebenso mit wie Konserven. Er lud alles in den Gleiter, in dem sich ebenfalls ein schweres Bildfunkgerät befand. Etwa eine Stunde später – er hatte hastig einige Bissen hinuntergewürgt kam er wieder aus dem Haus und startete den Gleiter. Skanmanyon leitete das zweite Stadium der Verwirrung ein. Das PSI-Fieber wütete unter den Akonen. Jetzt begannen sie zu singen und Geräusche zu produzieren. Aus tausend Kehlen erscholl ein langgezogenes Brummen und Summen. Die meisten Akonen klatschten in die Hände und stießen völlig synchron zur gleichen Zeit schrille, kurze Schreie aus. Wieder andere schlugen mit dicken Holzknüppeln oder mit Stücken von Metallrohren gegeneinander. Skanmanyon steuerte alles im Gleichtakt. Jetzt waren es Tausende von Akonen, die sich rücksichtslos über Plätze und durch Straßen wälzten, Gärten niedertrampelten, sich durch leere Hallen bewegten, an einer Seite hinein, an der anderen hinaus. Sämtliche Bewegungen verliefen in riesigen Kreisen oder in Ellipsen. Langsam, um niemanden umzubringen, schwebte Atlans Gleiter aus dem Zentrum der Siedlung heraus. Die Roboter hingegen arbeiteten ununterbrochen weiter, hämmerten und nieteten und schweißten an den halbfertigen Schiffen und an den Bauteilen, die in Hallen in langen Reihen angeordnet waren. 26
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet auf; zuerst die niedrigen Hügel, dann, dahinter gestaffelt, das Vorgebirge und schließlich die schroffen Felsen. Atlan ließ den Gleiter höher klettern und hielt nach den Geländemerkmalen Ausschau, die ihm helfen sollten, die kleine Höhle zu finden. Rechts der fingerähnliche Berg. Durch das Tal links davon! korrigierte der Extrasinn seine Überlegungen. Atlans photographisches Gedächtnis ließ ihn nicht im Stich. Er steuerte die Maschine genau auf den noch unsichtbaren Punkt zu, der hinter den Windungen der Schlucht versteckt lag. Noch lebte Terrania – wenn man den Zustand, in dem sie dem Tod entgegendämmerte, noch Leben nennen durfte. Aber starb mit ihr auch der letzte Rest der verströmten PSI-Energie? Offensichtlich nicht, dachte der Arkonide und lenkte den Gleiter zwischen den Wänden der Schlucht hindurch, stieg abermals höher und verlangsamte die Fahrtgeschwindigkeit. Die riesige Stufe tauchte geradeaus auf; über ihr lagen die Höhlen, in einer davon wartete Terrania Skeller. Rechtzeitig schrie ihm der Extrasinn die Warnung zu. Atlan riß das Steuer herum, bremste ab und gab Sekunden nach dem gewagten Manöver wieder volle Geschwindigkeit. Der Gleiter näherte sich der Felswand auf der rechten Seite, berührte fast den Stein, aber nur das Heck schürfte nach einem weiteren Korrekturmanöver an den Felsen. Der Gleiter verlor rapide an Höhe und sank der Talsohle entgegen. Ein Schwarm Felsenvögel kreiste aufgeregt über dem Tal und schrie gellend. Dann befand sich Atlan außer Sicht der vier Gleiter und der Gruppe von Akonen, die das breite Felsband fast ausfüllten. Terrania ist gefunden worden! sagte der Extrasinn. »Verdammt!« sagte Atlan laut. Der Gleiter schwebte wie ein großer Vogel dicht über der Sohle der Schlucht dahin. Jetzt hielt Atlan die Maschine an, überlegte kurz und drehte den Gleiter. Er wußte, was er zu tun hatte. Prüfend glitten seine Augen über die Felswände, über die Kanten der Schluchten, die Abhänge und die vielen Winkel. Dann hatte er den richtigen Weg gefunden und ließ den Apparat senkrecht hochsteigen.
Ton-Svass herum und feuerte um sich. Knüppel wurden geschwungen und sausten auf Köpfe und Schultern herunter. Männer und Frauen rangen miteinander. Zwischen den Häusern und den Fabrikationsanlagen blitzten Schüsse auf. Flammen züngelten aus trockenem Gebüsch. Rauch strich träge am Boden dahin und hüllte die Kämpfenden ein. Atlan schauderte – diese unbegreifliche Kraft wütete mit der Intensität einer direkt verabreichten Droge. Weniger als zehntausend Akonen – und unter ihnen vierundfünfzig Gefangene – jagten und hetzten einander dort. Natürlich war Terrania-Skanmanyon dafür verantwortlich. Auch dafür, daß bei diesen sinnlosen Auseinandersetzungen wichtige Teile von Fabrikationsanlagen und vielleicht auch Raumschiffe und die unersetzlichen Sender des Planeten Ametigo-Phart zerstört wurden. Atlan zuckte die Schultern; er mußte tun, was er vorhatte. Zuerst kam Terrania, dann die Flucht. Hinter ihm blieben die Kämpfe und der Rauch zurück. Der Gleiter raste gleichmäßig schnell in etwa hundertfünfzig Meter Höhe auf das Gebirge zu. Außer dieser Maschine konnte Atlan keine andere entdecken, auch die kleinen Tastergeräte in seinem Gleiter zeigten keinerlei Echos. Wo waren die Kommandos, die Fertless-TonSvass ausgeschickt hatte? * Seine Stimmung war so schlecht wie selten zuvor. Er sah sich als mehr oder weniger willenlose Figur in einem Spiel, das ihm keineswegs gefiel. Er kämpfte nur in zweiter Linie gegen die Akonen und um seine Freiheit – Skanmanyon hatte ihn ab dem Augenblick, da er nach Wiga-Wigo gestartet war, um nachzusehen, warum der Instinkt-Spezialist ausgefallen war, eindeutig manipuliert und in eine schier endlose Kette von tödlichen und sinnlosen Abenteuern gestürzt. Es war alles so abstrakt und ohne wirklichen Inhalt, denn er war – wie alle menschlichen Wesen – nicht in der Lage, die Gedanken und Überlegungen dieses PSI-Wesens nachzuvollziehen. Wie eine Kulisse tauchte vor ihm das Gebirge 27
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet ken, rannte schnell zurück zu seiner Maschine und startete. Binnen weniger Minuten hatte der Gleiter nach einem schnellen Zickzackflug zwischen Felsen und Berggipfeln genügend Höhe gewonnen. Atlan sah weit voraus mit bloßem Auge die Kette der Gleiter. Auf dem Schirm seines Geräts zeichneten sich die deutlichen Echos ab. Aus dem Lautsprecher kamen die Geräusche der Kämpfe, die noch immer in der Siedlung wüteten. Sie schienen heftiger zu sein als vor Stunden, denn einige Teile der Ebene standen in Flammen. Die Roboter funktionierten offensichtlich mit gewohnter Perfektion, denn sie versuchten einzugreifen, wo es ihnen die Programmierung gestattete. Kopfschüttelnd flog der Arkonide weiter, immer in sicherem Abstand von den vorausfliegenden Einheiten. Sie flogen auf exaktem Nordkurs und kletterten höher und höher. Schließlich, als sich Geschwindigkeit und Höhe stabilisiert hatten, schaltete Atlan auf Automatik und lehnte sich zurück. Er versuchte sich zu entspannen. Wieder reagierte er ... Skanmanyon, der für diesen Transport in irgendeine nördlich gelegene Gegend verantwortlich war, hatte ihn abermals manipuliert. Anstatt Terrania zu holen, ein kleines Schiff zu bemannen und zu starten, mußte er dem Körper des Mädchens nachfliegen.
Langsam schlängelte sich die Maschine um Kanten herum, glitt, einen schwarzen Schatten werfend, einen Hang aufwärts und umrundete einige massive Findlinge. Noch immer konnte Atlan den Felsabsatz nicht sehen. Er flog um einen kleinen Gipfel herum und hielt dann den Gleiter zwischen zwei Felsen an. Schräg gegenüber, auf gleicher Höhe, lag das Felsband. Atlan senkte die Maschine behutsam ab, stieg aus und angelte den schweren Feldstecher von den Rücksitzen. Er ging auf die Felsen zu, stützte beide Arme auf und hob das Doppelokular hoch. Konzentriert spähte er hindurch und sah eine erstaunliche Aktivität. Fünfzehn Akonen beschäftigten sich dort. Sie standen eindeutig ebenfalls im Bann Skanmanyons, aber sie kämpften nicht gegeneinander. Die Ladefläche eines der schwersten Gleiter war frei gemacht worden. Decken und große Kleidungsstücke lagen dort ausgebreitet. Einige Akonen trugen Terrania aus der Höhle und brachten das Mädchen zum Gleiter. Sie gingen mit größter Behutsamkeit vor. Die anderen Männer standen starr da und sahen zu. Niemand sprach. In der Stille, die nur durch die gellenden Schreie der Vögel unterbrochen wurde, konnte der Arkonide nicht ein Geräusch hören. Warte ab! Dort geht etwas Seltsames vor! meldete sich der Extrasinn. Nichts anderes hatte er im Augenblick vor. Er stand regungslos da, lehnte sich gegen die sonnenheißen Felsen und beobachtete. Vorsichtig hoben die sechs Akonen den starren, entstellten Körper auf die Ladefläche und verschlossen den Gleiter. Die einzelnen kleinen Gruppen setzten sich langsam, aber mit der Zielstrebigkeit von Marionetten in Bewegung und gingen auf die verschiedenen Gleiter zu, setzten sich hinein und schlossen die Türen. Dann startete der Gleiter, in dem Skanmanyon lag. Nacheinander hoben die anderen Maschinen ab und folgten dem Gleiter. Sie stiegen schnell höher und kamen, in einer langen Reihe fliegend, gefährlich nahe an dem Versteck Atlans vorbei. Atlan ließ das Glas sin-
* An der Situation, die auf Ametigo-Phart herrschte, änderte sich in den nächsten Stunden nichts. Noch immer verwüsteten die Kämpfe, die Skanmanyon diktierte, Teile der Siedlung und weite Flächen der näheren Umgebung. Die Gleiter rasten mit Höchstgeschwindigkeit ununterbrochen nach Norden. Unter ihnen zog die Landschaft des Planeten vorbei: menschenleer, einsam, ohne jedes Zeichen der Zivilisation. Die Vegetation wurde immer karger, je mehr sie nach Norden kamen. Selbst die Höhe der Berge nahm ab. Hin und wieder tauchten tief eingeschnittene Buchten auf, in denen das Wasser des Ozeans leuchtete. 28
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Atlan schloß den flugfähigen Schutzanzug, ließ aber das Visier des Helmes offen. Er nahm das Glas, stieg aus und schlich geduckt bis an die Eisbarriere heran. Dann betrachtete er das Treiben der marionettenhaften Akonen. Sie arbeiteten fieberhaft unter dem Diktat Skanmanyons. Eine Gruppe von sechs Männern öffnete die Türen des großen Gleiters und hob den Körper des Mädchens vorsichtig heraus. Dann trugen sie ihn mit kleinen Schritten über das Eis, schräg von den Maschinen weg und bis an den Rand des Berges. Die anderen zogen ihre Waffen, feuerten Strahlen in das Eis. Nach einigen Minuten sah der Arkonide den Sinn – sie schnitten mit den Hitzestrahlen würfelförmige Eisblöcke aus der zusammenhängenden Eisdecke. Dampf schoß entlang der Schnittkanten hoch und löste sich augenblicklich wieder auf. Die Akonen wuchteten die Brocken hoch, zerrten und schoben sie über das Eis und schichteten eine Mauer rund um den Körper Terranias auf, der regungslos auf dem blanken Eis lag. Sie mauern Skanmanyon ins Eis ein! kommentierte der Extrasinn. Die Akonen arbeiteten schnell und wie Roboter mit einem sehr genauen Programm. Sie schnitten einen Würfel nach dem anderen aus der Eisplatte, trugen ihn hinüber und schichteten ihn auf die anderen. Langsam entstand ein langgestreckter Iglu rund um Terrania. Also doch, dachte Atlan. Skanmanyon will sich konservieren. Große Kälte erhält den Rest der PSI-Strahlung. Die einzige Möglichkeit, die auf einem Planeten für eine solche Selbstrettung existierte, war einer der beiden Pole. Skanmanyon hatte den näher gelegenen Nordpol gewählt. Die Akonen setzten jetzt oben in der Kuppel des gestreckten Iglus die letzten Eisbrocken ein und verschweißten die Nähte, indem sie mit den glühenden Strahlen ihrer Waffe Eis in Wasser schmolzen, das augenblicklich wieder gefror und die Blöcke aneinanderkittete. Ohne sich aufzuhalten, rutschten die Männer zu ihren Gleitern zurück und starteten die Maschinen. Sie machten nicht einmal den Versuch, nachzusehen, ob sie bei ihren Arbeiten beobachtet worden waren. Die Gleiter schwebten kurz über das Eis dahin, wandten
Wohin? fragte sich Atlan. Zum Nordpol! sagte der Extrasinn lakonisch. Nordpol! Was hatte dies zu bedeuten? Welcher Sinn konnte in einer solchen Aktion liegen? Schlagartig fiel Atlan ein, daß die PSIEnergie Skanmanyons mit Kälte und Eis zu verbinden war. Skanmanyon hatte sich in einem riesigen Eisberg eingefroren, und der Rest dieses Wesens suchte jetzt abermals die Kälte auf. Atlan begriff plötzlich die Taktik Skanmanyons. Wolken zogen auf, aber die Sonne blieb am Himmel. Hier in unmittelbarer Nähe des nördlichen Polarkreises Ametigo-Pharts, herrschte der lange Tag des Nordpols, der rund ein halbes Planetenjahr dauerte. Die ersten Eisflächen tauchten auf. Zuerst waren es nur kleinere und größere Schneeflächen in sonnengeschützten Tälern und driftende Eisstücke und Eisberge im Wasser, dann wuchsen diese kleinen Flecken zusammen und gingen sowohl in der See als auch über Land in eine geschlossene Eisdecke über. Sie wurde dicker und mächtiger, aus einer glatten Oberfläche wuchsen in den nächsten Stunden Berge heraus, die lange Schatten warfen. Auf dem Ortungsschirm sah Atlan, daß die vier Gleiter sich langsam senkten. Der Abstand zum Boden verringerte sich. Skanmanyon schien gefunden zu haben, was er gesucht hatte. Die Sonne verbarg sich hinter Schneewolken, und die Helligkeit nahm ab und machte einem hellen Grau Platz. Atlan begann trotz des dicken Schutzanzugs unwillkürlich zu frösteln. Die Gleiter nahmen sich gegen die helle Fläche wie vier winzige, schwarze Käfer aus, die jetzt über einer Stelle kreisten und nacheinander landeten. Sie bildeten eine Reihe vor einem kleinen, scharfgratigen Berg aus Eis oder zusammengepreßtem Schnee. Heulend rüttelte ein Windstoß an Atlans Gleiter. Atlan entdeckte eine sehr gute Möglichkeit, einen Beobachtungsposten zu beziehen. Er ließ seinen Gleiter schräg kippen, steuerte dem Boden entgegen und setzte nach einigen halsbrecherischen Manövern auf einer winzigen Fläche auf. Sie war gegen den kleinen Berg durch eine scharfzackige Barriere aus aufeinandergetürmten Eisbrocken abgegrenzt. 29
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet dem Eisgrab hinaus und trug ihn zum Gleiter. Er öffnete die Hecktür und schob Terrania hinein. »Ich werde dich mitnehmen!« sagte er laut und deutlich. »Skanmanyon und du – ihr werdet unter der Obhut der USO bleiben. Vielleicht können wir beide Teile getrennt retten. Jetzt geht es zurück zur Siedlung. Und dort nehmen wir ein Schiff und flüchten! Es dauert nicht mehr lange.« Die Hälfte von dem, was er sprach, während er versuchte, es dem Mädchen – oder diesem bereits kaum mehr existenten Rest von Leben – bequem zu machen, glaubte er selbst. Er hoffte nur, daß die Verwirrung im »Projekt« anhalten würde, bis er sich Eingang in eines der kleinen Raumschiffe verschafft hatte. Er öffnete die Heckscheiben des Gleiters, schloß seinen Anzug und fuhr die Heizleistung der Aggregate hoch. Dann startete er die Maschine und flog wieder zurück zur Ebene.
sich wieder nach Süden und waren in kurzer Zeit verschwunden. Aus der Luft fielen winzige Schneekristalle und bildeten einen Schleier vor der Sonne. Wieder heulte der eisige Wind. Sieh nach! Du hast freie Hand! sagte der Extrasinn. Atlan ging zum Gleiter zurück, überflog die Barriere und setzte die Maschine neben der weißen Kuppel auf. Skanmanyons Geschichte ... Ihm fielen eine Menge Einzelheiten ein, die ihm bis vor kurzem unwichtig erschienen waren. Unterkühlung war also die beste und einzige Möglichkeit, diesen kargen Rest der einstmals gigantischen Kraft zu retten. Vermutlich hoffte diese winzige Zelle Skanmanyons, durch den Aufenthalt hier sich wieder vergrößern zu können, indem sie ankommende PSI-Strahlungen auffing und wie in einem riesigen Brennglas bündelte, fokussierte und in den Körper Terranias einleitete. Langsam klappte Atlan die Schutztasche an seiner rechten Seite auf, zog den Strahler und stellte die Trichtermündung auf mittlere Streuwirkung. Dann trat er zwei Schritte zurück, zielte und behielt den Zeigefinger am Abzug. Der Strahl fraß sich durch das dicke Eis. Dampf stieß zischend auf und vermischte sich mit den Schneeflocken und den kleinen Nadeln aus Eis, die von einem immer stärker werdenden Wind herangetragen und über das Eis gefegt wurden. Atlan brannte einen rechteckigen Ausschnitt in das Eis und zerschnitt diesen gläsern wirkenden Ziegel in mehrere Teile. Dann, nachdem er parallel zum Boden einen besonders breiten Einschnitt gelegt hatte, sprang er vor und kippte diese Platte nach vorn. Sie zerbrach in drei Teile. Atlan bückte sich und tauchte in das Innere der Eisgruft hinein. Undeutlich sah er den Körper. Er hatte sich, seit er ihn das letztemal berührt hatte, nicht mehr verändert. Die ausgetretenen Zellwucherungen sahen aus wie Abbildungen aus einem medizinischen Lehrbuch, einer Schautafel für abnormale Vorgänge. Atlan merkte, als er seine Arme unter den dünnen, abgemagerten Körper des Mädchens schob, daß noch Leben in Terrania war. Atlan hob den Körper auf, schleppte ihn aus
4. Der unheimliche Druck, den er seit dem Augenblick in seinem Schädel gespürt hatte, an dem er sich mit gezogenem Strahler dem Eisgrab genähert hatte, ließ noch immer nicht nach. Aber weder seinem normalen Bewußtsein noch dem Extrasinn konnten die drängenden Beschwörungen Skanmanyons etwas anhaben – sie waren zu schwach, um ihn zu beeinflussen. Aber Atlan spürte genau zwei verschiedene Ströme von Gedanken, die ebenfalls beeinflussend gedacht waren: Einmal sagte die schwache PSI-Quelle, daß sie sich diesen Platz ausgesucht habe, um im Zentrum der Milchstraße zu sein. Da die große Kraft verströmt war, sollte der letzte Rest hier bleiben und durch Unterkühlung konserviert werden. Atlan benötigte keinerlei mentale Energie, um diesem ersten Gedankenstrom widerstehen zu können. Die zweite Strömung war voller Hoffnung und jetzt ebenso voll tiefer Enttäuschung. Der Aufenthalt in der Eisgruft am Nordpol hätte dazu dienen sollen, dem Körper neue PSI-Energien zuzuführen. Diese Hoffnung gab es jetzt nicht mehr. Ein erneuter Trans30
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet port Terranias, zurück in die Ebene und dann mit einem Raumschiff irgendwohin, hatte diese Hoffnung des PSI-Wesens zerschlagen. Und es war enttäuscht und erbittert darüber, daß Atlan als einziger Mensch auf AmetigoPhart sich nicht beeinflussen ließ. Atlan drehte sich um und schaltete die Innenbeleuchtung an. Nichts hatte sich verändert. Terrania lag im eisigen Luftzug und starrte ihn aus blinden Augen an. Das, was dem Körper des terranischen Mädchens auf den Tod schadete, nützte Skanmanyon. Atlan ballte in ohnmächtiger Verzweiflung die Hände. Was sollte er tun? Der Gleiter raste mit Höchstgeschwindigkeit durch die Nacht. Das Fernsehbild, das ausgefallen war, und die Lautsprecher, die bisher von atmosphärischen Störungen überlagert gewesen waren, begannen wieder einigermaßen zu funktionieren. Eine Stunde verging. Atlan spürte wieder Hunger und Müdigkeit. Aber als er ein einigermaßen deutliches Fernsehbild empfing und sich die Stimmen im Lautsprecher klärten, erkannte er deutlich, daß sich in der Ebene einiges geändert hatte. Der PSI-Bann ist von ihnen genommen! warf drängend der Extrasinn ein. Atlan fuhr herum. Das konnte nur eines bedeuten! Der Gleiter flog nach den Impulsen der Automatik. Atlan schaltete sämtliche Leuchtkörper der Innenbeleuchtung ein und kletterte über die Sitze nach hinten. Er starrte Terrania an. Sie sah aus wie tot. Sie ist tot! Atlan legte seinen Finger, nachdem er den schweren Handschuh von den Fingern gerissen hatte, an die Halsschlagader des Mädchens. Er spürte nichts als eiskaltes Fleisch. Er hielt inne und horchte in sich hinein. Die inneren Stimmen, die eben noch versucht hatten, ihn zu beeinflussen und zur Rückkehr zu zwingen, schwiegen ebenfalls. »Sie ist tatsächlich tot!« murmelte Atlan gebrochen. Der Weg Skanmanyons war buchstäblich von Leichen und Trümmern gesäumt. Langsam kletterte er wieder zurück und schloß die Fenster. Er starrte eine Weile in das brennend rote Licht des Mondes, und dachte nach.
Terrania ist tot. Aber Skanmanyon ist nicht tot. Er lebt in den verwesenden Zellen dieses Körpers. Er würde vermutlich auch in einem Stein oder einem Baum leben können, wenn es genügend kalt ist, sagte der Extrasinn. Atlan wußte nichts ... er war völlig überfordert. Gab es tatsächlich noch einen Überrest von Skanmanyon? Er fühlte sich nutzlos. In allen Aktionen seit langen Wochen gab es weder einen erkennbaren Sinn noch die Spur einer Logik. Es war eine Kette von Auseinandersetzungen, hinter denen der Arkonide selbst mit angestrengter Phantasie kein Schema erkennen konnte. Noch bevor er die Siedlung erreichte, war er mitten in den Gefahren, hatte nicht das geringste erreicht, war seinem Ziel nicht einen Schritt näher gekommen, obwohl er ununterbrochen gekämpft und gehandelt hatte. Seine Laune sank abermals in einen Abgrund. Er konzentrierte sich auf die Stimmen und die Bilder des Geräts vor ihm. Im Gebiet des »Projekts« herrschte noch immer Chaos, aber die Akonen waren wieder Herr ihres Verstandes und begannen, die Folgen ihrer unkontrollierten Ausbrüche mit Hilfe der Roboter zu beseitigen. Die Stimme Fertless-Ton-Svass' war deutlich zu erkennen. Atlan hatte diesen Mann niemals unterschätzt, aber jetzt stellte er durch das bloße Abhören der Anordnungen und Befehle fest, daß der Akone ein ausgezeichneter Organisator war. Robotkommandos wurden ausgeschickt, um die Brände zu löschen. Die offensichtlich eingespielte Organisation der Akonen lief auf Hochtouren, um die Schäden des rätselhaften Zwischenfalls zu beseitigen. Aber noch immer herrschte Chaos, wie schon gesagt. Die Akonen waren ob des Verhängnisses, das über ihre ruhige, kleine Welt hereingebrochen war, derartig entsetzt und kopflos, daß sie die Anordnungen und Befehle nur unvollkommen und augenscheinlich zu langsam befolgten. Das Bild auf dem Fernsehschirm gab, da es tiefste Nacht war und nur die Scheinwerfer der Siedlung leuchteten und ein paar Brände flammten und rauchten, das Chaos nicht richtig wieder – die akustischen Informationen waren deutlicher und schilder31
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet »Das waren Sie selbst?« Atlan erwiderte: »Das war nicht ich selbst, das waren meine Leute. Sie befinden sich inzwischen in einer unangreifbaren Position im Weltraum. Um mich mit ihnen zu treffen, brauche ich das Schiff.« Der Akone machte eine Pause. Er schien fieberhaft zu überlegen. »Oder brauchen Sie etwa eine zweite Demonstration unserer Kräfte und meiner Möglichkeiten?« erkundigte sich Atlan. Der Akone ächzte: »Ich verzichte gern darauf.« »Das würde Sie den Rest Ihrer Produktionsanlagen kosten und neun Zehntel Ihrer hochfliegenden Pläne!« warnte Atlan. »Geben Sie mir Zeit!« Atlan sah auf die Uhr und rechnete rasend schnell nach. Dann meinte er nachdenklich: »Sie haben zwei Stunden Zeit Svass. Ich verlange folgendes: Auf dem Raumhafen oder dem Landefeld in der Nähe des zerstörten Gefängnisses steht ein kleines Raumschiff. Vor dem Schiff sind die überlebenden terranischen Gefangenen aufgestellt. Die Frachtluke des Schiffes steht offen.« »Sie stellen mir Bedingungen?« schrie der Akone. Er schien nicht zu begreifen, daß alles gegen ihn sprach und er sich – scheinbar – in einer hoffnungslosen Lage befand. »Ich stelle sie!« erwiderte Atlan hart. »Die Alternative ist ein neues PSI-Fieber. Dieses Mal in gesteigerter Stärke. Dann wird der Rest Ihrer Siedlung in Trümmern aufgehen, und Ihre Akonen werden sich gegenseitig abschlachten. Ich warne Sie – ich habe nicht vor, lange mit Ihnen zu verhandeln.« Wieder entstand eine Pause. Atlan wußte, daß Svass überlegte und sich seine Chancen ausrechnete. Es sah so aus, als ob er diesmal sein Ziel erreichen würde. Er, Atlan, nicht der Akone. »Wie lange soll ich noch warten?« fragte er schneidend. »Oder möchten Sie mitten in der Nacht noch eine neue Kostprobe von den Angriffen meiner Mutanten haben? Ich warne Sie jetzt zum letztenmal, Svass!« Sein Tonfall ließ keinerlei Zweifel offen. Er meinte es ernst. »Gut. Sie haben gewonnen, Arkonide. Sie
ten die Situation treffender. Atlan schaltete das Bild aus und konzentrierte sich auf die Durchsagen. Langsam kristallisierte sich in ihm ein Plan heraus. Er sah wieder eine Möglichkeit, zusammen mit den terranischen Flüchtlingen diesen Planeten verlassen zu können. Es würde noch Stunden dauern, bis Atlan die Siedlung erreichte. Nachdem er eine Zeitlang den Durchsagen und den Antworten gelauscht hatte, drückte Atlan kurz entschlossen den Knopf, der sein Gerät in die allgemeine Kommunikation einschaltete, und nahm das Mikrofon in die Hand. »Hier spricht Atlan, der Arkonide. Lordadmiral Atlan!« sagte er schroff. »Ich möchte mit Fertless-Ton-Svass sprechen.« Einige der Unterhaltungen und eine Vielzahl von Meldungen und Hilferufen hörten schlagartig auf. »Ich wiederhole: Hier spricht Lordadmiral Atlan. Ich habe nicht mehr viel Geduld. Ich muß mit dem Chef der Siedlung sprechen. Hören Sie mit Ihren privaten Unterhaltungen auf!« Atlan lächelte kalt. Er bluffte, aber er war überzeugt, daß es niemanden auf AmetigoPhart gab, der diesen Bluff zu durchschauen vermochte. Seine Müdigkeit verließ ihn, und er dachte auch nicht mehr an Ruhe und Essen. Schließlich dröhnte die vertraute Stimme aus dem Lautsprecher. »Hier Svass. Was wollen Sie, Arkonide?« Atlan sagte kurz angebunden: »Ein kleines, schnelles Raumschiff. Und die terranischen Gefangenen.« Auch der letzte Rest der Gespräche hörte auf. Die Akonen merkten schlagartig, daß sich eine neue Entwicklung abzuzeichnen begann. »Sie sind wahnsinnig! Das kann ich nicht!« war die Antwort. Atlan spielte gewagt und hoch. Er setzte alles auf eine Karte. Das Chaos, das in den verschiedenen Fabrikationszentren herrschte, kam seinem Plan entgegen. Die Verwirrung mußte er ausnutzen. »Sie haben selbst erlebt, welches Chaos ich auslösen kann. Das war meine Antwort auf Ihr tollkühnes Unternehmen, mich einzusperren!« sagte Atlan. 32
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet schien selbstmörderisch, sich in so großer Nähe der Siedlung zu verstecken. Atlan packte einige der Spezialrationen aus, verließ den Gleiter und suchte sich zwischen stacheligen Büschen, die er in der Finsternis erkannte, einen Platz. Dort aß er, versteckte sich und schlief, bis das erste Licht des Tages ihn weckte.
bekommen die Gefangenen und das Schiff. Es steht angeleuchtet auf dem kleinen Landefeld nahe dem Gefängnis. Ich hoffe, ich sehe Sie niemals wieder.« Atlan grinste in sich hinein. Inzwischen wurde fieberhaft nach ihm gesucht. Es war offensichtlich, daß er sich eines Geräts bediente, das in einem der vielen Gleiter eingebaut war. Die Ortungsanlagen der Akonen spielten bereits. Vermutlich würden sie ihn suchen, finden und abschießen. Er kannte diese Tricks und erwiderte leise, aber mit unverhüllter Drohung: »Die Nacht hilft Ihnen, Svass, aber nicht mir. Ich werde den Raumhafen in den ersten Morgenstunden anfliegen. Sie suchen doch nur eine Möglichkeit, mich überlisten zu können.« Der Akone lachte kurz. »Ist das so unverständlich?« »Nein. Aber ich habe einen Mutanten bei mir. Beim ersten Verdacht gibt er seinen Kollegen ein Signal, und Ihr Projekt versinkt endgültig im Terror und in der Vernichtung.« »Ich verstehe. Sie gehen kein Risiko ein!« »Nicht, wenn es auch anders geht!« erwiderte Atlan. »Ich schalte mich jetzt aus dem Funkverkehr, verstecke mich und tauche irgendwann bei Tageslicht auf. Und ich schlage augenblicklich wieder zu, wenn Sie meine Wünsche nicht voll respektiert haben oder mir eine Falle stellten.« Er drückte den Schalter und steckte das Mikrofon wieder zurück. Dann ließ er den Gleiter in einem rasenden Sturzflug nach unten kippen und fing ihn fünfzig Meter über dem Boden wieder ab. Auf einem Planeten, der völlig unberührt war, sah man eine Ansiedlung und deren Lichter schon, noch ehe man die Gebäude direkt erkennen konnte: Am Horizont zeichnete sich eine haloförmige, vage Helligkeit ab. Atlan nutzte das Chaos aus, dessen Wirkungen er nach wie vor durch den Lautsprecher verfolgen konnte. Er flog so nahe an die Siedlung heran, wie er es verantworten konnte. Dann verließ er sich auf den Rest Glück, den er haben mochte, und steuerte den Gleiter mit der Leiche des Mädchens auf der Ladefläche bis nahe an den Zaun um das vorgeschobene Landefeld heran. Hier würden sie ihn am wenigsten suchen – es
* Fertless-Ton-Svass schätzte die Situation, in der er sich befand, richtig ein. Sie war niederschmetternd schlecht. »Ich weiß nicht, was ich tun soll!« sagte er laut. Er saß, ein halb geleertes Glas in der Hand, in seinem Arbeitszimmer. Rund um seinen Schreibtisch flimmerten die Visiphone. Er wußte, daß die Schäden an Menschen und Material beträchtlich waren, ebenso beträchtlich wie das Chaos und das Durcheinander, die noch immer in weiten Gebieten der Siedlung herrschten. »Du hast, ohne es zu wollen, die Bekanntschaft mit einem der besten Kämpfer der Galaxis gemacht«, sagte seine Gefährtin. Sie war, abgesehen von einigen leichten Abschürfungen und einer schweren Erschütterung ihres Selbstbewußtseins, aus den drei Phasen des PSI-Fiebers unbeschädigt hervorgegangen. »Du hast recht. Ich muß dem Arkoniden eine Falle stellen, die er auf keinen Fall erkennt.« Der Lordadmiral der USO hatte nicht geblufft. Nachdem er festgesetzt worden war, handelten seine Mutanten mit furchtbarer Kraft. Sie verwandelten das Gebiet des »Projekts« in ein gefährliches Tollhaus. Bis jetzt waren die Schäden noch nicht abzusehen. Mehrere Männer waren gestorben, es gab eine Unmenge von Verletzten. Der Terminplan des »Projekts« war um beträchtliche Zeit, vielleicht um Jahre, zurückgeworfen worden. Einen zweiten Sturm dieser Art würden sie nicht ohne Schäden überstehen können, die alles in Frage stellten. Svass biß sich auf die Lippen. Diese Entscheidung mußte er selbst fällen. Er sah auf die Uhr. Es blieben ihm noch zwei bis drei Stunden bis zum Morgengrauen. 33
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet »In spätestens zwei Stunden!« sagte Svass. Dann, nach einer kurzen Pause, schloß er: »Die Terraner, die wir festgesetzt haben, kennen uns. Sie werden mißtrauisch sein. Sie sind alles andere als dumm. Dazu kommt der Arkonide, der bis jetzt überleben konnte, weil er ein gerissener Fuchs ist. Können Sie mir folgen? Niemand darf etwas merken. Weder bei der Sabotage noch nach dem Betreten des Schiffes. Es muß absolut hervorragend sein. Und völlig unauffällig. Der Arkonide merkt sogar an der Stimmung derjenigen, die den Raumhafen umstehen, daß das Schiff präpariert ist.« »Wir werden unser Bestes tun!« versprach der Abteilungschef. »Gut. Ich verlasse mich auf Sie.« Svass lehnte sich zurück. Hatte er etwas falsch gemacht? Er überlegte minutenlang. Nein! Im Rahmen seiner eng begrenzten Möglichkeiten war alles angeordnet worden, was er tun konnte. Irgendwo hier versteckte sich der Arkonide. Fraglich, ob er tatsächlich einen Helfer hatte, aber seine Verbindung zu den Mutanten war schnell und funktionierte hervorragend. Das hatte sich erwiesen, als er im Gefängnis gewesen war. Auch die Gefangenen waren zum größten Teil frei und trieben sich im Gebiet der Siedlung herum. Fertless stöhnte auf und machte sich wieder daran, das Chaos zu ordnen. Für ihn verging die Zeit viel zu schnell. Er fieberte dem Augenblick entgegen, an dem der verwünschte Arkonide endlich mit den anderen Terranern das Raumschiff besteigen, starten und sich in einer Glutwolke aus atomaren Partikeln auflösen würde. Er haßte Atlan mehr denn je. Der Arkonide war dafür verantwortlich, daß alle seine Vorstellungen von einem Kampf gegen die Terraner und von der Position, die er erringen würde, ins Wanken geraten waren.
Er drückte einen Knopf und schob einen Lautstärkeregler nach vorn. »Ortungsabteilung!« »Haben Sie den Arkoniden noch immer nicht gefunden? Er muß sich in einem Gleiter befinden – die Art des Funkverkehrs deutete darauf hin!« »Wir hatten ein schwaches Echo aus dem Norden, Fertless, aber in dem allgemeinen Durcheinander wurde nicht genügend darauf geachtet. Kurz zuvor kamen unsere Leute aus derselben Richtung und konnten sich an nichts erinnern.« »Wie stehen die Chancen?« »Schlecht«, war die niedergeschlagene Antwort. »Der Arkonidenhäuptling kann sich überall verstecken. Es ist nicht möglich, ihn zu finden.« »Verdammt!« sagte der Akone und hämmerte mit der Faust wütend auf den Schreibtisch. »Wenn er den Planeten verläßt, sind wir verloren. Ich kenne ihn! Er wird dem Großen Rat genaue Hinweise geben.« Er schaltete nach einem kurzen Nicken diese Verbindung ab und wählte eine andere Station. »Sie haben mitgehört, was der Arkonide verlangt hat?« fragte er statt einer Anrede seinen Gesprächspartner. Es war derjenige Abteilungsleiter, der seit Stunden versuchte, einigermaßen Ordnung in die Mannschaften der flugbereiten Raumschiffe zu bringen. »Ja. Es sieht böse aus. Was werden Sie tun?« Ton-Swass' Augen funkelten kurz, als er erwiderte: »Ich werde ihm ein Raumschiff geben. Suchen Sie eines der ältesten Kleinraumschiffe aus, und fliegen Sie es in die Mitte des Landefeldes Zwei.« »Sie wollen tatsächlich ...?« »Unterbrechen Sie mich nicht. Tun Sie, was ich gesagt habe. In der Nähe dieses Schiffes sollen ab Morgengrauen die terranischen Gefangenen warten. Dieses Schiff – es muß den freien Weltraum erreichen, aber es darf das System nicht verlassen. Auf keinen Fall. Haben Sie mich verstanden?« Der andere Akone nickte. »Ich werde unser Sabotagekommando sofort zusammenrufen. Wann muß das Schiff präpariert sein?«
* Ein Gefühl gesteigerter Unruhe, ein deutliches Vorzeichen der Gefahr, weckten Atlan. Die beiden Monde hatten sich in neunzig Grad Abstand dem Horizont genähert und 34
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet rere Akonen aus einem schweren Gleiter stiegen und den übrigen Insassen bedeuteten, sie sollten aussteigen und sich vor der Schiffsschleuse aufstellen. Die Gefangenen. Sie sollen zusammen mit dir sterben! sagte der Extrasinn in deutlicher Warnung. Langsam drehte Atlan den Kopf. Das starke Glas vermittelte ihm einen deutlichen Eindruck. Rund um diesen Platz schien bereits einigermaßen Ordnung zu herrschen. Die Roboter arbeiteten schon wieder an den Schiffsrümpfen. In unmittelbarer Nähe eines Gebäudes, das ein Konstruktionsbüro sein konnte, entdeckte Atlan eine kleine Versammlung von Akonen. Als er die Vergrößerung des Glases höher schraubte, glaubte er Fertless-Ton-Svass erkennen zu können, aber die Möglichkeit der Täuschung war gegeben. Vielleicht wollte der Akone sich persönlich davon überzeugen, daß Atlan mit dem Schiff startete – in den Tod. Ein einzelner Akone löste sich von der Gruppe, die neben dem Schiff stand. Er verschwand in dem kleinen Raumschiff. Einige Zeit verging, die Monde sanken unter den Horizont, es wurde zusehends heller. Noch während Atlan wartete und unschlüssig darüber nachdachte, was er zuerst versuchen sollte, hörte er Schüsse und berstendes Krachen. Es kam aus dem Innern der Siedlung. Aber nicht nur er wurde unruhig; sämtliche Akonen im Blickfeld seines Feldstechers drehten sich herum und blickten in die Richtung der Lärmquelle. Sie hielten ihre Armbandfunkgeräte hoch, sprachen aufgeregt hinein und lauschten an den Lautsprechern. Mit einem Satz war Atlan im Gras, riß die Tür auf und schaltete das Funkgerät ein. »... Gefangenen. Sie haben die Halle angezündet. Sie brechen durch. Wir schicken ihnen Roboter entgegen ...« »... wo eigentlich?« Wortfetzen, Schreie und die verstärkten Geräusche von knisternden Flammen und Schüssen kamen aus dem Lautsprecher. Die anderen Gefangenen schienen ausgebrochen zu sein. »... kommen auf das Zentrum zu!« »Los! Eingreifen! Sie dürfen nicht zum Raumhafen vordringen!«
mischten ihr schwefelgelbes und blutrotes Licht mit dem ersten Morgengrauen. Feuchtigkeit und Staub in der Atmosphäre vergrößerten zusammen mit der Luftbrechung die Monde. Sie wirkten drohend und riesengroß. Atlan rechnete eigentlich damit, von einem Kommando bewaffneter Akonen umstellt zu sein, aber als er sich vorsichtig zwischen den Büschen aufrichtete und langsam um sich spähte, sah er nicht die geringsten Anzeichen. Licht flutete vom Landeplatz herüber. Das Geräusch, das ihn geweckt hatte, stammte von dem kleinen Raumschiff in der charakteristischen Form der akonischen Schiffe, das gestartet und sofort wieder in der Mitte des Platzes gelandet war. Atlan lächelte grimmig. Er witterte die Falle. An der Stelle von Ton-Svass hätte er kaum anders gehandelt, aber er wäre raffinierter vorgegangen. Das Schiff ist präpariert! flüsterte der Extrasinn. Atlan schob sich langsam auf den Gleiter zu. In diesem Augenblick begann ein sehr gefährliches Spiel, dessen Regeln ihm zwar geläufig waren, aber er mußte sie zu seinen Gunsten verändern. Er sah hinüber zum Landeplatz. Tiefstrahler und Scheinwerfer strahlten das Schiff an, das mit offenen Luken dastand. Mehr konnte er von seinem Platz aus nicht erkennen. Atlan blieb gespannt und unruhig. Er schlug einen großen Bogen und ging leise und gebückt durch das taunasse Gras, ehe er sich von hinten dem Gleiter näherte. Die Waffe war schußbereit in seiner Hand, aber er sah und hörte nichts. Als er durch die großen Scheiben ins Innere der Maschine spähte, erkannte er nur leere Sitze und den ausgestreckten Körper des Mädchens. Nein. Nicht mehr das Mädchen, sondern nur noch Skanmanyon. Ein unbegreiflicher Rest dieses Wesens schien den Körper zu konservieren. Er hatte sich nicht verändert. Alle Anzeichen, die eine Leiche normalerweise aufwies, fehlten. Atlan kletterte vorsichtig auf die Motorhaube des Fahrzeugs und spähte durch das Glas hinüber zum Schiff. Die Lichtverhältnisse waren schlecht – der Grauschimmer der Dämmerung überzog alles. Aber er konnte sehen, wie meh35
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Ton-Svass sprang zur Seite, Atlan warf sich aus dem Gleiter und hob die Waffe. Ihre Mündung zeigte auf den Akonen, ehe dieser erkannte, daß Atlan im Gleiter gewesen war. »Keine Bewegung!« sagte Atlan und lief näher. Zwischen dem Gleiter und der Hausmauer waren weniger als zwölf Meter Abstand. Der Akone, der der Tür ausgewichen war, erstarrte mitten in der Bewegung. Er riß den Kopf herum und blickte Atlan an. Seine Zunge fuhr nervös über die Lippen. »Schon wieder Sie! Was wollen Sie noch?« stieß er hervor. Er wollte nach der Waffe greifen, aber Atlan feuerte dicht neben der Hand in die Mauer. Wieder machte der Akone einen Satz zur Seite. »Mit Ihnen verhandeln!« sagte Atlan und kam näher. Er richtete den Strahler auf die Stirn des Akonen, streckte die Hand aus und riß die Waffe des Akonen aus dessen Schutztasche. »Wir haben verhandelt! Dort ist Ihr Schiff!« schrie Fertless und deutete auf den Platz hinaus. »Ein Schiff«, sagte Atlan, »das seine ganz besonderen Einbauten hat. Kommen Sie!« Er winkte mit der Waffe und ging aus dem Weg. »Wohin?« »Ins Schiff. Sie kommen mit an Bord!« Der Akone hob beide Hände und rief unterdrückt: »Sie sind wahnsinnig, Arkonide! Ich habe hierzubleiben und weiterzuarbeiten. Das alles hier hängt von mir ab. Hören Sie nur, was Sie schon wieder angerichtet haben!« Der Lärm, die Schüsse, das Heulen von Sirenen und eine donnernde Lautsprecherstimme waren deutlicher und lauter geworden. »Ich?« erkundigte sich Atlan leise. »Was habe ich mit dem Lärm zu schaffen. Keine Ausflüchte. Sie kommen mit!« Der Akone machte einige zögernde Schritte und blieb stehen. Er war sichtlich nervös geworden. Sein Gesicht zeigte eine ungesunde Farbe. Atlan glaubte, die Finger zittern zu sehen. Er steckte die Waffe des anderen ein und wiederholte seine Aufforderung. »Sie gehen mit mir und den Gefangenen an Bord. Sie werden das Schiff steuern, bis meine Leute mich übernommen haben.« Zornerfüllt schrie Fertless:
Das war Svass' Stimme. Atlan wußte jetzt, wie er vorzugehen hatte. Er setzte sich in den Gleiter, aktivierte die Maschinen und hörte den Stimmen zu, die von einem neuen Ausbruch der Panik berichteten. Die Gefangenen, rund fünfzig Personen, angeführt von dem Blue, schienen sich langsam von dem gegenüberliegenden Rand der Siedlung hierher durchkämpfen zu wollen. Roboter und Akonen stellten sich ihnen entgegen, aber der Widerstand war nicht organisiert. Der Gleiter stieg zehn Meter hoch. Atlan hielt die Maschinen an, hob wieder das Glas an die Augen und sah, daß er sich nicht geirrt hatte. Im Halbdunkel unter einem vorspringenden Dach stand der »Herrscher« von Ametigo-Phart und wartete, sichtlich nervös. Die Akonen seiner Gruppe, mit einiger Sicherheit seine Leibwache, rannten zu den Gleitern. Sie greifen in den Kampf gegen die Gefangenen ein! gab der Extrasinn zu bedenken. Atlan war entschlossen. Die Zweifel fielen von ihm ab. Er trat den Beschleunigungsregler tief hinein, der Gleiter machte einen Satz und raste geradeaus los. Atlan überflog den Rasenstreifen, die Straße und den Zaun. Er steuerte nach links und blieb so lange wie möglich in der Deckung des Raumschiffs. Er sah, wie der einzelne Akone das Schiff wieder verließ, und in dem Augenblick, da er den Gleiter hob und über die obere Polrundung des Schiffes hinwegflog, glaubte er das Brummen der Schiffsmaschinen zu hören, die leer liefen. Dann raste der Gleiter wie ein Pfeil auf die Stelle zu, an der Fertless-TonSvass wartete. Versuche, ihn zu überraschen! In einer langen, flachen Kurve näherte sich der Gleiter der bewußten Stelle und ging gleichzeitig tiefer. Dann fegte er eine Handbreit über dem Beton dahin, in eine Staubwolke gehüllt. Atlan duckte sich tief hinter das Steuer und zog seine Waffe vom Nebensitz zu sich herüber. Dann trat er hart aufs Bremspedal, nahm die Waffe in die Hand und öffnete gleichzeitig die Tür. Sie schwang krachend nach vorn, löste sich aus den Scharnieren und kreiselte auf den Akonen zu. 36
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet zu wollen«, sagte er. »Jedenfalls ist mein Aufenthalt hier in kurzer Zeit beendet. Ihrer übrigens auch, so oder so.« »Meinen Sie?« »Ich bin fest überzeugt!« Mit jedem Schritt, den er weiter in die Richtung des Raumschiffs machte, wurde der Akone unsicherer und nervöser. Sein ganzer Körper drückte aus, daß er in kurzer Zeit einen Ausbruchsversuch oder etwas ähnlich Unsinniges unternehmen würde. Er barst geradezu vor Spannung. Noch etwa dreihundert Meter trennten sie vom Einstieg unterhalb des Schiffsrumpfs. Die Terraner – es waren übrigens nur noch fünf – sahen bereits neugierig zu ihnen her. Die ersten Sonnenstrahlen trafen den Planeten an dieser Stelle und ließen den Schiffsrumpf aufleuchten. Lange Schatten bildeten sich. Atlan hatte, im Gleiter gewissermaßen abgeschirmt, nicht so sehr darauf geachtet, aber jetzt war der Lärm am größten. Er drehte einen Augenblick lang den Kopf zu den Gebäudefronten hin. Dort sah er Gleiter und Akonen, die sich langsam zurückzogen. Auch sie kamen auf das Schiff zu. Hinter ihnen stürmten die anderen Gefangenen auf den Raumhafen zu. Sie bildeten einen schlanken Keil. Die Spitze bildete der Blue, der hinter dem Schild einer Planierraupe saß und das Ungetüm mit einer Hand steuerte. In der anderen Hand hielt er, auf den Rand der Fahrerkabine aufgestützt, eine schwere Waffe. Alle Männer feuerten ununterbrochen. Sie trieben das Häuflein der Akonen vor sich her. Ihr Ziel ist das Schiff! schrie der Extrasinn. Im gleichen Augenblick handelte der Akone. Er spurtete los und rannte vor der Schnauze des Gleiters nach links, auf seine Männer zu. Atlan schickte ihm einen Schuß nach, der aber einen halben Meter weit von dem Akonen entfernt in den Beton fuhr. Dann rannte Fertless davon, von Todesangst gejagt, Zickzack laufend und sich immer wieder duckend. Atlan beschleunigte den Gleiter und raste auf die Gruppe der Gefangenen zu. Die fünf Terraner in ihrer zerlumpten, schmutzigen Kleidung waren völlig desorientiert. Sie schienen schlagartig erleichtert, als sie ihn sahen. Atlan hielt den Gleiter neben ihnen an.
»Ich kann das Schiff nicht steuern! Ich gebe Ihnen einen anderen Mann mit!« Atlan schenkte ihm ein mitleidiges Lächeln. »Vorwärts! Es geht um das Leben der Gefangenen und mein Leben. Ausgerechnet Sie, der Chef dieses Projekts, können kein Schiff steuern? Das ist lächerlich. Ich gehe kein Risiko ein – kommen Sie mit. Gehen Sie langsam vor meinem Gleiter her!« Deine Befürchtungen bestanden zu Recht. Das Schiff ist eine Bombe. Seine Angst davor, an Bord zu gehen ist der sicherste Beweis. Der Extrasinn sprach aus, was Atlan auch bewußt dachte. Er rammte dem Akonen die Waffe in den Rücken und trieb ihn vor sich her zum Gleiter. Er rechnete nicht damit, daß sie das Schiff erreichen würden. Svass konnte es nicht riskieren, das Kleinstraumschiff zu besteigen. Atlan setzte sich langsam in den Fahrersitz, die Waffe nach wie vor auf den Akonen gerichtet, dann sagte er in gefährlich leisem Tonfall: »Drei Schritte vor mir her. Direkte Richtung auf die Gefangenen und das Schiff. Los!« »Das war nicht unsere Abmachung! Sie können mich nicht zwingen ...!« »Ich kann. Mit dieser Waffe!« Atlan feuerte einmal dicht hinter den Absätzen des Mannes in den Beton. Der Akone ging schneller. Atlan steuerte mit der rechten Hand und hielt die Waffe in der Linken. Fertless hielt sich einige Schritte vor dem Gleiter und sah immer wieder über die Schulter zurück zu Atlan, der ihn bewußt provozierte. »Warum wollen Sie eigentlich nicht an Bord dieses Schiffes?« fragte er laut. »Weil es sinnlos ist!« »Für die Gefangenen und für mich ist es keineswegs sinnlos«, sagte Atlan. »Ich vermute stark, daß Sie das Schiff präpariert haben. Die Genugtuung, den Chef der USO im Weltraum detonieren zu lassen, müßte Ihnen eigentlich dieses Risiko wert sein.« Der Akone fuhr auf: »Halten Sie mich für einen Wortbrüchigen? Ich kann nicht leugnen, daß ich Sie lieber tot als lebend wissen würde, aber schließlich habe ich die Ehre der Akonen.« Atlan räusperte sich sarkastisch. »Ich ziehe es vor, diesen Punkt nicht erörtern 37
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Körpern jaulten und fauchten die Schüsse vorbei. Sie sprangen hoch, rannten weiter und machten für den Gegner überraschende Wendungen und Bewegungen. Sie ließen sich fallen, schossen vom Boden aus und achteten auf nichts. Der Kampf tobte unentschieden.
»Freunde!« rief er und sprang hinaus. Sie rannten auf ihn zu und umringten ihn. »Dieses Mädchen dort hinten und wir müssen ein anderes Schiff finden. Der Blue hat uns geholfen, ohne es zu wissen. Das Schiff ist mit Sicherheit eine Falle, die im Weltraum detoniert. Spielt mit! Ich muß dem Akonenchef nach. Nichts riskieren ... wir benutzen das Chaos. Sucht ein Schiff aus und geht dorthin!« »Aber ...« »Was sollen wir ...?« Atlan ignorierte die Fragen und spurtete davon. Er lief in einem Winkel von fünfundvierzig Grad zu der Linie, die sich zwischen dem Bulldozer und dem Schiff spannte. Fertless-Ton-Svass erreichte eben die letzten der Akonen, schrie einen seiner Männer an und entriß ihm die Waffe. Dann drehte er sich um, zielte auf den heranstürmenden Atlan und feuerte. Atlan sah die Bewegung, warf sich mitten im Lauf zu Boden und rollte über die linke Schulter ab. Noch ehe er wieder auf den Beinen war und die Hitze der Feuerstrahlen spürte, die an ihm vorbeipfiffen, schoß er zurück. Neben dem Akonen barst der Beton und verstreute glühende Fetzen und Tropfen. Ton-Svass rannte auf ihn zu. Er haßt dich und will dich umbringen! Er ist blind vor Wut! schrie der Extrasinn. Atlan begriff und richtete sich danach. Er machte sich auf einen selbstmörderischen Angriff gefaßt und sah sich nach einer Deckungsmöglichkeit um. Aber in hundert Meter Umgebung gab es keinerlei Deckung. Atlan wich seitlich aus – es ließ sich nicht vermeiden, daß er die Richtung auf das Schiff einschlug. Aber er feuerte Schuß um Schuß ab. Jetzt bewies, trotz des falschen Eindrucks, den er in den letzten Minuten gemacht hatte, der Akone das Format eines SamuraiKämpfers. Die hohe Schulung der akonischen Edelleute wurde sichtbar. Atlan wich zur Seite aus. Fertless-Ton-Svass griff in direkter Linie an. Beide Männer feuerten aufeinander, aber ebenso schienen beide Männer mit der mathematischen Sicherheit von Computern zu erraten, wohin der Schuß gehen sollte. Sie wichen blitzschnell aus. Rechts und links von ihren
* Die Planierraupe erreichte jetzt den Rand des betonierten Feldes. Schlagartig vervielfachten sich die Geräusche. Die Gleisketten schepperten und rasselten klirrend über die ebene Fläche. Die wütenden Schreie der rund fünfzig Gefangenen, die Geräusche ihrer Stiefel, die fauchenden Schüsse und die Sirenen der akonischen Gleiter bildeten eine schauerliche Begleitmusik zu dem Kampf der beiden Männer, der offensichtlich völlig unbeachtet ablief. Der Keil der anderen Gefangenen wälzte sich auf das Raumschiff zu. Die fünf Terraner enterten den Gleiter und schwebten mit Terranias Leiche langsam davon, nach links zu den anderen Schiffen. Schreiend, in eine lodernde Fackel verwandelt, starb abermals ein Akone. Ein Gleiter detonierte mit einem schmetternden Krach. Glühende Fetzen der Schale und Teile der Maschinen flogen nach allen Seiten. Eine Gruppe von zwanzig Akonen flüchtete in panischer Hast quer über das Landefeld. Die Planierraupe krachte weiter, bis sie dicht vor dem Schiff anhielt und sich rasselnd um neunzig Grad drehte. Die Gefangenen, die Ertruser Springer und der Blue, stürmten in das Schiff und verschwanden in hektischer Eile im Rahmen des Einstiegs. Schüsse, die von den Angreifern in alle Richtungen abgegeben wurden, töteten und verwundeten die letzten Akonen, die noch versuchten, die Massenflucht und den bevorstehenden Start zu verhindern. Auch diese Akonen wußten nichts von den tödlichen Plänen ihres Chefs. Der letzte Gefangene, ein hünenhafter Springer, verschwand im Schiff. Sekunden später schlossen sich sämtliche Luken. 38
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet den, gaben lange Funkenbündel ab. Das Schiff hob sich und stieg langsam höher. Die Bewegung wurde immer schneller, je höher das Schiff kam, desto schneller raste es in den morgendlichen Himmel. Der Schatten jagte über den Beton und erreichte Atlan und seinen Verfolger, die gerade zwischen den ersten kleineren Gebäuden verschwanden. Der Schußwechsel dauerte an. Atlans Schutzanzug qualmte an drei verschiedenen Stellen. Während das Schiff aufstieg, während mit einem gewaltigen Krach das Wrack der Planierraupe zur Ruhe kam, während der Gleiter mit Terrania und den Gefangenen unter einem Raumschiff abgebremst wurde, das zur Flucht geeignet schien, verschwand der Arkonide in einem schmalen Durchgang zwischen zwei langgestreckten Gebäuden. Er drehte sich, am Ende dieses schmalen Pfades zwischen Unkraut und Abfällen angekommen, ruckartig um. Augenblicklich hob er die Waffe, zielte und feuerte. Fertless war am anderen Ende aufgetaucht. Plötzlich war der Akone verschwunden. Atlan rannte weiter und entdeckte einen kleinen Platz, der zufällig dadurch entstanden war, daß sich die vier Rückfronten von Lagerhallen hier trafen. An einer Halle führte eine Treppe aufwärts und mündete in einen Beobachtungsturm, der aus stählernen Streben, durch Schellen verbunden, und einer überdachten Plattform bestand. Atlan rannte durch das Gras und auf die Treppe zu. Immer wieder wandte er sich um, aber der Akone blieb außer Sicht. Atlan erreichte die Treppe, schwang sich hinauf und rannte dreißig Stufen aufwärts, ohne anzuhalten. Dann warf er sich auf dem kleinen Absatz zu Boden und wartete schweigend. Zwischen den Gebäuden war es noch dunkel. Die Sonne ging eben auf und tauchte die höchsten Punkte der Siedlung in helles Licht. Atlan warf einen Blick aufwärts. Das Raumschiff mußte inzwischen den Rand der Atmosphäre erreicht haben und in den Weltraum vorstoßen. Plötzlich wurde das Sonnenlicht von einem stechenden Glutfleck hoch über dem Planeten überstrahlt. Sekundenlang zitterte die Hellig-
Die Terraner in Atlans Gleiter hatten inzwischen den Rand des Feldes erreicht und schwebten zwischen den abgestellten kleinen Raumschiffen hin und her. Zwischen den Landestützen arbeiteten Roboter, deren Programm von den Ereignissen rundum keineswegs beeinflußt wurde. Ein Schuß, der dicht an seinem Ohr vorbeiging, ließ Atlans Haar aufknistern und eine dicke Strähne zu weißer Asche verbrennen. Er rannte weiter. Weg vom Schiff! Sie starten in einigen Sekunden! schrie der Extrasinn. Während er feuerte und auswich und seinerseits versuchte, auf den Rand des Landeplatzes zuzulaufen, merkte er, daß die anderen Gefangenen die akonischen Wachen vertrieben und das Schiff bemannt hatten. Seit mehr als dreißig Minuten stand dieses Schiff mit hochgefahrenen Meilern da und war startklar. Atlan konnte nichts mehr tun. Er rannte weiter und wich einigen Schüssen aus. Dann holte er im Laufen tief Luft und setzte zu einem rasenden Spurt an. Er näherte sich den Gebäuden und somit den Deckungsmöglichkeiten. Hinter ihm rannte der Akone, der ebenfalls sein Letztes hergab. Er wollte den Arkoniden umbringen. In diesem Augenblick startete das Schiff ... 5. Die Gefangenen, die sich innerhalb des Schiffes befanden, schwankten ebenfalls zwischen der Euphorie, endlich einer Fluchtmöglichkeit habhaft geworden zu sein, und der Wut auf die Akonen. Auf alle Fälle waren sie bestrebt, so schnell wie irgend möglich zwischen sich und den Planeten eine möglichst große Distanz zu bringen. Das Kleinstraumschiff startete mit auf volle Leistung gefahrenen Maschinen. Antigravtriebwerke und Partikeltriebwerke heulten auf und begannen mit Höchstwerten zu arbeiten. Die Planierraupe, von der vollen Wucht dreier Triebwerke getroffen, kippte langsam, krachte zu Boden und wurde dann zur Seite geschoben. Ihre stählernen Teile, die mit äußerster Wucht über den Beton geschoben und gedrückt wur39
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Waffe ein. Eine verwegene Idee machte sich in ihm breit. Er würde das Chaos abermals verstärken und dann handeln. Er schaltete die Funkanlage des Anzugs ein und sagte laut und deutlich ins Mikrofon: »An alle! Fertless-Ton-Svass ist tot! Er liegt irgendwo in der Siedlung, hat aber den Arkoniden schwer verletzt. Der Arkonide versucht, mit einem Gleiter in südlicher Richtung zu fliehen. Sucht den Arkoniden, und feuert auf alles, was sich dort bewegt!« Aufgeregte Stimmen waren die Antwort. Atlan schaltete das Mikrofon ab, und während er mit einigen schnellen Griffen die Flugaggregate des Anzugs aktivierte, lauschte er der Anlage. Abermals wußten die Akonen nicht, was geschehen war. Sie befanden sich seit dem ersten Ausbruch des PSI-Fiebers ununterbrochen in einem Zustand der Unorganisiertheit und der Verwirrung. Daran hatten auch die gezielten Einsätze der letzten Stunden nicht viel ändern können. Während sich einige geschulte Gruppen um einen vagen Rest von Ordnung kümmerten, hatte die Arbeiter und die Techniker eine Lähmung befallen. Sie waren handlungsunfähig. Nur die Roboteinrichtungen arbeiteten ununterbrochen weiter, als sei nicht das geringste geschehen. Atlan schwebte entlang der oberen Gebäudeteile, immer sorgfältig auf Deckung achtend, auf das Zentrum zu. Er sah ganz in der Nähe des Bauwerks, in dem er gefangengehalten worden war, die riesige Antenne des Hypersenders. Dort befand sich auch die Wohnung des toten Akonen. Schnell umrundete Atlan die Gebäude huschte lautlos zwischen Baumwipfeln entlang und sicherte immer wieder nach allen Seiten. In südlicher Richtung schien sich ein Gefecht zu entwickeln. In diesem Teil der Siedlung suchten ihn die Akonen. Vergiß Terrania und die Gefangenen nicht! mahnte der Extrasinn. Er hatte sie ebenso wenig vergessen wie sein anderes Vorhaben. Er steuerte, dicht über einem riesigen Flachdach dahinschwebend, auf das würfelförmige Gebäude neben dem Sender zu, ging tiefer und blieb offensichtlich
keit zwischen den Gebäuden, dann verging sie ebenso plötzlich. Das Schiff ist detoniert! sagte der Extrasinn. Atlan feuerte schräg nach unten, als der Akone aus der schmalen Gasse hervorkam und kurz stutzte, als ihn die zweite Lichtflut traf. Mit einem Hechtsprung wich Ton-Svass aus, den ein Geräusch gewarnt hatte. »Geben Sie es auf!« rief Atlan und verfolgte den Mann mit seinen Schüssen quer über den Platz. Immer wieder entging der Akone durch unglaubliche Körperbeherrschung einem Treffer. »Ich bringe Sie um!« war die Antwort. Atlan faßte an den Gürtel, schaltete das Abwehrfeld des akonischen Kampfanzugs an und stand auf. Augenblicklich umhüllte ein unsichtbares Feld seinen Körper. Er stand breitbeinig auf dem Treppenabsatz, schickte dem Akonen Schuß um Schuß entgegen und wurde voll getroffen. Das Feld loderte auf, Atlan taumelte nach hinten und schlug gegen die Wand des Gebäudes. Er schob seinen Strahler durch eine Strukturöffnung und schoß auf den Akonen, der den Fuß der Treppe erreicht hatte. »Sie haben das Schiff detonieren lassen! Fünfzig unschuldige Wesen sind umgekommen!« schrie Atlan. Fertless, der eben die Treppe hinaufstürmen wollte, wurde voll in die Brust getroffen. Die Wucht des fauchenden Schusses warf ihn rückwärts wieder hinunter; er überschlug sich und blieb ausgestreckt liegen. Der Arkonide stob die Treppe hinunter, sprang auf den Chef der Akonen zu und trat ihm die Waffe aus der Hand. Sie überschlug sich und flog in hohem Bogen in die Unkrautbüsche. »Ich wollte Sie nicht unbedingt töten!« sagte Atlan. »Aber Sie haben es nicht anders gewollt.« »Gehen Sie«, ächzte Fertless mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Alles war umsonst. Die ganzen Jahre ...« Sein Gesicht entspannte sich. Er starb. Atlan blickte einige Sekunden schweigend auf ihn nieder, dann murmelte er: »Irgendwie hat Skanmanyon auch ihn auf dem Gewissen.« Er schaltete das Schutzfeld ab und steckte die 40
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Daten sind ...« Er sprach auf Band, was er wußte, fügte die Beschreibung der beiden Monde hinzu und wußte, als er diesen Satz beendet hatte, daß selbst ein schlechter Raumfahrer aus diesen Angaben die genaue Lage des Planeten herausfinden konnte. Dann sprach er weiter. »Die Botschaft an den Großen Rat von Akon lautet: Der Akone Fertless-Ton-Svass hat mit der Unterstützung unbekannter Geldgeber und zumindest inoffizieller Unterstützung aus Kreisen der hohen Akonenfamilien hier ein Zentrum für die Herstellung von schwerbewaffneten Raumschiffen mittlerer Größe aufgebaut. Bis heute sind rund hundert Einheiten im Bau oder teilweise fertig. Sein erklärtes Ziel ist es, einen Krieg gegen Terra zu provozieren.« Verschiedene Lämpchen begannen zu blinken. Die Lichter befanden sich alle in dem Sektor, dessen Schaltungen Atlan durcheinandergewirbelt hatte. Schneller! Du kannst sie nicht lange aufhalten! drängte der Extrasinn. Atlan sprach weiter. »Svass wollte mit seinen Schiffen und ausgebildeten Mannschaften terranische Schiffe und Kolonien des Solaren Imperiums überfallen und zerstören. Er rechnete damit, daß Terra zurückschlagen würde. Die Folge wären eskalierende Schritte gewesen, immer größere Gefechte, bis schließlich Raumschlachten zwischen Akon und dem Imperium entbrannt wären. Ich weiß, daß dies nicht den Plänen des Großen Rates entspricht. Das Imperium seinerseits, im Augenblick von mir vertreten, ist jedenfalls am Frieden mehr interessiert als an allem anderen. Ich muß die Akonen warnen, den Kriegstreibern in ihrem großen und mächtigen Volk weiterhin derart leichtsinnig freie Hand zu geben. Sie werden am Beispiel AmetigoPharts erkennen müssen, wozu das führt. Gefangene aus vielen raumfahrenden Völkern, die diesen Planeten entdeckt haben, sind beim Fluchtversuch mit ihrem Schiff explodiert, das Fertless in eine Zeitbombe verwandelte. Andere Gefangene haben sich gegen Akonen gewehrt und viele Tote und Verwundete hin-
unentdeckt. Niemand schoß auf ihn, niemand stand am Erdboden und deutete schreiend auf die Gestalt im Fluganzug. Aber die Zeit wurde immer knapper. Vielleicht war es den Gefangenen geglückt, ein Schiff zu besetzen und sich dort zu verschanzen. Die Planetenforts fielen Atlan ein und die vermutlich startbereiten Schiffe, von denen damals die Gefangenen aus dem Orbit geholt worden waren. Er landete und lief geduckt zum Eingang. Die Tür stand offen. Ein Posten saß vor dem Instrumentenbrett und schaltete. Einige Bildschirme leuchteten und zeigten Szenen aus verschiedenen Teilen der Ebene. Auf einem Schirm erkannte Atlan flüchtig den Raumhafen, der völlig leer war, bis auf Roboter, unfertige Schiffe, Formen und Schatten. Atlan riß seinen Strahler heraus, packte ihn am Lauf und schwang ihn in die Höhe. Er machte einen riesigen Satz in den Raum hinein, holte aus und traf den Posten mit dem Kolben an der Schläfe. Mit einem gurgelnden Schrei bäumte sich der Mann auf und fiel zurück, halb über das Instrumentenpaneel. Atlan fing den Körper auf und fühlte, wie das Bewußtsein schwand. Der schwere Körper knickte in sich zusammen, Atlan ließ ihn zu Boden gleiten. Dann musterte er genau das Instrumentarium. Er schaltete hier, drehte dort einen Schalter herum und aktivierte ein schweres Bandgerät. Dann entdeckte er drei Bildschirme, die mit der Zielerfassung der Planetenforts zusammenhingen. Einige Sekunden lang blieb er starr stehen und versuchte die Zusammenhänge der Schaltungsmöglichkeiten zu erkennen. Dann begriff er einige der Verbindungen. Er drückte nacheinander einige Serien von Schaltern und Tasten herunter. Er unterbrach Verbindungen, störte die Geräte und kappte die Verbindungen zwischen den Abwehrforts und diesem Schaltzentrum hier und untereinander. Dann öffnete er den Helm und bog das Mikrofon zurecht. »Hier spricht Lordadmiral Atlan, der Chef der United Stars Organisation. Diese Botschaft ist für den Großen Rat der Akonen bestimmt. Ich befinde mich in diesem Augenblick auf dem Planeten Ametigo-Phart. Seine ungefähren 41
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet dem Landeplatz näherte. Gleiter, Robotkommandos und laufende Männer drängten sich über die Wege und Fahrbahnen. Wo waren die Gefangenen? Mit summenden Aggregaten verharrte Atlan auf der Stelle. Seine Sorge wuchs. Er starrte eines der Schiffe nach dem anderen an. Seit dem Augenblick, in dem das erste Schiff gestartet war, konnte nicht mehr als eine gute halbe Stunde vergangen sein. Plötzlich gab es eine Bewegung. Atlan sah, wie im mittleren von drei eng beieinanderstehenden Schiffen die oberste Luke geöffnet wurde. Er starrte auf den breiter werdenden Spalt. Eine Gestalt erschien, und in dem Augenblick, in dem Atlan die zerlumpte Kleidung eines terranischen Gefangenen erkannte, packte seine Hand den Kontrollschalter und bewegte ihn blitzschnell. Das Flugaggregat brummte auf und riß den Arkoniden nach vorn. Er flog in einer Geraden auf die Luke zu, schaltete das Gerät ab und landete neben dem Gefangenen. Er sagte keuchend: »Wir müssen sofort starten. Ist das Schiff bereit?« »Ja. Wir sind alle in der Zentrale. Ich habe die Funkunterhaltungen mitgehört. Die Akonen sind wahnsinnig vor Angst und Wut.« Sie warteten nicht ab, bis sich die Schleuse wieder geschlossen hatte, sondern rannten durch einen Ringkorridor auf die Zentrale zu. »Ist der Gleiter an Bord?« »Ja, Sir. Diese Leiche ...« »Alles Weitere später. Wir müssen hinaus in den Weltraum!« »Geht in Ordnung.« Sie kamen in die Zentrale. Atlan brauchte nicht zu fragen, ob ein Pilot unter den Männern war, denn ein breitschultriger Terraner mit rostrotem Haar saß bereits im Pilotensessel. »Start! So schnell wie möglich und mit einem ungewöhnlichen Kurs. Vermutlich schießen sie auf uns!« rief Atlan. Das Schiff war alt, aber Atlan hoffte, daß er zumindest den nächsten Stützpunkt der USO damit erreichen konnte oder wenigstens nahe genug herankam, um in Funkkontakt treten zu können. Das harte Klicken von Schaltern und das Brummen der Meiler waren zu hören. Der
terlassen. Ein PSI-Fieber hat die Besatzung dieser Siedlung ergriffen und viele Opfer gefordert. Diese Aufnahme ist auf Band gesprochen und wird über den Hypersender des Planeten mehrmals abgestrahlt. Gleichzeitig werde ich nach Verlassen dieser Welt einige andere Maßnahmen einleiten. Ende des Berichts an den Großen Rat von Akon.« Atlan hantierte weiter an Hebeln und Schaltern, ließ das Band anlaufen, kontrollierte die Sendeenergie und war sicher, daß diese Botschaft in den nächsten Stunden ununterbrochen mit aller verfügbaren Energie abgestrahlt werden würde. Er packte den Körper des besinnungslosen Akonen am Gürtel, wuchtete ihn hoch und schleppte ihn aus dem Raum hinaus. Atlan schmetterte die Tür zu, zog die Waffe und schmolz das Schloß mit einem kurzen Schuß zu einem Klumpen kochenden Metalls zusammen. Das gab ihm und der Botschaft eine größere Chance. Er aktivierte das Flugaggregat, stieg entlang einer Mauer in die Höhe, noch immer den schweren Körper schleppend. Dann setzte er den Mann auf dem Dach ab, schwang sich höher und schaltete das Aggregat auf höchste Leistung. Mit viel Glück wirst du den Planeten verlassen können! sagte der Extrasinn. Atlan nahm keine Rücksicht darauf, ob man ihn bemerkte oder nicht. Er flog nach Osten, direkt ins Sonnenlicht hinein. In einer flachen, langgezogenen Kurve näherte er sich dem westlichen Rand des Landefelds und suchte aus der Luft die Stelle, an der er zum letztenmal den Gleiter mit Skanmanyon und den Gefangenen gesehen hatte. Er zuckte die Schultern und bremste seine Geschwindigkeit ab. Jetzt befand er sich einige Meter über einem der unfertigen Schiffe, an dem die Maschinen schweißten und schraubten. Der Platz war leer. Atlans Blick wanderte zu der kurzen Reihe der Kleinstraumschiffe hinüber. Gleichzeitig sah er, daß die Masse der aufgescheuchten Akonen aus dem südlichen Teil des »Projekts« wieder zurückflutete und sich 42
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet tobte. Ein dumpfes, zuverlässig klingendes Brummen. Atlan beobachtete die Schirme und die Leuchtzahlen des Bodenabstandmessers. Sie veränderten sich unaufhörlich. Das Schiff tanzte schräg, aber nicht in einer gleichmäßigen Bewegung immer höher, befand sich jetzt bereits außerhalb der Siedlung und glitt auf den Berghang voller Geröll zu, auf dem Atlan vor einigen Tagen sich die Haut aufgeschürft hatte. 240 ... 270 ... 260 ... 300 ... 500 ... 470 ... 550 ... Ununterbrochen wechselten die Zahlen. Aber dann begannen sie förmlich zu rasen und bildeten immer höhere Werte. Eintausend Meter! Zweieinhalbtausend Meter! Und schließlich, nach Minuten, in denen sie alle verkrampft und mit bleichen Gesichtern gewartet hatten, zeigte der Entfernungsmesser die Zahl 10 080 an. Das Schiff wurde schneller. Fauchend zogen sich die Landestützen ein und verschwanden mit scharfem Klappern in den Vertiefungen des Rumpfes. Der Leckanzeiger summte, die dazugehörige Warnlampe leuchtete auf. »Der Kasten verliert Atemluft. Und nicht gerade wenig!« stellte einer der Terraner fest. Atlan stand auf und fühlte deutlich die Erleichterung. Er ging zum Sitz des Piloten und nahm einen zerknitterten Block hoch, der seit langer Zeit hier lag. »Meinen Sie, daß wir einen längeren Transitionssprung riskieren können?« fragte er halblaut. »Ich denke schon. Aber geben Sie mir drei Stunden für einen totalen Check der Anlagen.« Atlan notierte aus seinem photographischen Gedächtnis eine Zahlenfolge und warf den Block zurück. »Das sind die Koordinaten. Es ist ein kleiner, hochindustrialisierter Planet, auf dem sich ein halboffizieller USO-Stützpunkt befindet. Es sind dreitausend Lichtjahre. Was meinen Sie?« Der Pilot drehte den Kopf und sah Atlan von unten her an. »Ich riskiere es auf alle Fälle. Aber zuerst werde ich diese Fähre der Hoffnung aus dem
Mann schien in den Jahren der Gefangenschaft nichts verlernt zu haben, denn er handelte mit sicheren Fingern, schnell schaltete er volle Kraft auf sämtliche Aggregate. »Alles in Ordnung, Pilot?« fragte Atlan und setzte sich in einen der abgenutzten Kontursessel. »Mit mir schon, Sir, aber diese Mühle ist nicht mehr die beste.« Atlan blickte hinauf auf die Bildschirme, deren Anordnung an eine Panoramagalerie erinnerte. Die Akonen hatten an mehreren Stellen den Platz erreicht, merkten aber offensichtlich noch nicht, daß ein Start unmittelbar bevorstand. »Noch fünfzehn Sekunden!« sagte der Pilot. Die anderen Männer schwiegen. Zwei von ihnen assistierten dem Piloten, die beiden anderen kauerten vor den Schirmen der Nahortung. »Ich verlasse mich auf Sie!« sagte Atlan. Der Schiffsrumpf zitterte und bebte, als sämtliche Antriebselemente gleichzeitig zu arbeiten begannen. Dann setzte langsam die Aufwärtsbewegung ein. Die Bildschirme zeigten, daß die Akonen jetzt aufmerksam geworden waren. Sie gestikulierten und deuteten auf das Schiff. Einige von ihnen hoben schwere Waffen und zielten. Wieder klirrten die Glasteile, und die Zelle des kleinen Schiffes ächzte in den Verstrebungen. Die Andruckabsorber wimmerten überlastet auf, als sich das Schiff um zehn Meter hob, weiterkletterte und dann plötzlich nach unten sackte. Donnernd schlugen die ersten Schüsse gegen die Wandungen. Maschinen und Triebwerke heulten laut auf, als der Pilot eine seitliche Bewegung einleitete. Trotzdem erhob sich das Kleinstraumschiff. Meter um Meter. Gleichzeitig driftete es schaukelnd und schlingernd über den Platz, wandte sich in östliche Richtung und kletterte abermals mit einem Satz um hundert Meter höher. Die Maschinen taugten nichts mehr. Alles war veraltet und funktionierte nicht vollkommen. Der Pilot fluchte laut und hantierte wie ein Verzweifelter an seinen Schaltungen. Dann, ganz plötzlich, kam ein neuer Ton in die Geräuschkulisse, die sich im Schiffsinnern aus43
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Atlan setzte die künstliche Schwerkraft außer Betrieb, und als der Körper des Mädchens zu schweben begann, hakte er das Sicherheitsseil an den Gurt des Anzugs. Dann betätigte er abermals einen Schalter, die äußere Schleusentür glitt auf. Vor sich sah der Arkonide die Sterne. Atlan packte mit beiden Händen den Körper und stieß ihn von sich. Langsam trieb der Körper vom Schiff weg, verharrte noch einige Sekunden im Lichtschein, begann sich anschließend zu drehen und driftete den Sternen entgegen. Weltraumkälte konserviert ebenfalls! dachte der Arkonide wehmütig. Dies war das Ende von Skanmanyon. Bist du sicher, daß es das Ende ist? Wirklich? fragte der Extrasinn. Atlan stutzte. Noch immer befand sich in diesem Körper ein Rest Skanmanyons. Die PSI-Kraft würde nicht völlig verströmen. Vielleicht sammelte dieser Behälter im Laufe einer kürzeren oder längeren Irrfahrt durch die Sterne auch mehr und mehr frei umherschwirrende PSI-Energie ein und wurde abermals zu einem großen, mächtigen Skanmanyon.
Sonnensystem hinausbugsieren.« Ein Teil der Geräusche hatte aufgehört. Das Schiff befand sich im Weltraum und steuerte einen geraden Kurs, der es schräg über die Ebene der Ekliptik aus dem System hinausbrachte. Die Maschinen arbeiteten mit neunzig Prozent ihrer normalen Leistung und schienen alle gute Betriebswerte anzuzeigen. Abstand und Geschwindigkeit wuchsen – zwar nicht in atemberaubend schneller Zeit, aber in einem beruhigenden Gleichmaß. Die Spannung wich von den sechs Menschen. Atlan behielt den Kampfanzug an; er brauchte ihn noch. »Meine Freunde«, sagte er, »ich habe noch etwas zu erledigen. Dann werde ich mich freiwillig in die Bordküche stellen und uns ein Essen zusammenstellen. Das ist dann die Zeit, in der wir uns kennenlernen können. Fliegen Sie weiter den Kurs auf die angegebenen Koordinaten zu, Pilot, und vielleicht achtet jemand darauf, ob uns ein Akone verfolgt.« Die Stimmen der fünf Männer klangen bereits wieder zuversichtlich und freudig erregt. Sie waren frei! Atlan verließ die Zentrale, nachdem er sich erkundigt hatte, wo sich der Gleiter befand. Langsam ging er durch das kleine Schiff und näherte sich dem bezeichneten kleinen Laderaum. Er schloß sorgfältig das Sicherheitsschott hinter sich und schaltete die volle Beleuchtung ein. Der Gleiter stand hier, mit der Spitze dem Schiffszentrum zugewandt. Atlan sah auf der Ladefläche den mageren, entstellten Körper des Mädchens, dessen körperlichen und geistigen Verfall er in allen Stationen miterlebt hatte. »Arme Terrania Skeller«, murmelte er und öffnete die Ladetür der Maschine. »Du bist ebenso ein Opfer wie wir alle.« Er ging zur Ladeluke und drückte auf einen Schalter. Die innere Schleusentür glitt auf, die Beleuchtung in der Schleusenkammer schaltete sich ein. Atlan schloß seinen Helm, schaltete die Innenversorgung des Anzugs an und hob dann Terrania oder vielmehr Skanmanyon auf seine Arme. Langsam ging er in die Schleuse hinein und betätigte den Schalter mit dem Ellbogen. Die innere Schleusentür schloß sich.
* Der Körper, steifgefroren und wie eine Skulptur aus Eis oder hellem Stein, wanderte in einer ewigen Eigenbewegung durch den Weltraum. Er drehte sich wie ein Geschoß, gleichzeitig überschlug er sich langsam, trieb durch den kosmischen Staub und durch die abwechselnden Hagelstürme von energetischen Partikeln. Langsam, wie ein Komet, schwebte er an Sonnen vorbei, kreuzte die Bahnen von Planeten und deren Monden. Der Kurs wirkte wie zufällig, aber er folgte den Gesetzen des Weltraums und den sich ständig wandelnden und gegenseitig beeinflussenden Schwerkraftzentren. Tagelang, über Wochen hinweg, in Monaten und in Jahren. Oder, wenn nicht die Anziehungskraft einer Sonne zu mächtig wurde, in Jahrzehnten oder Jahrhunderten, wurde der Körper Terrania-Skanmanyons schneller und langsamer und wirkte wie ein Schwamm, der 44
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet »Vorzüglich. Ich glaube, wir sollten uns zusammensetzen und einander bekannt machen.« »Ein guter Vorschlag, Sir!« Sie hatten den Schiffsmechanismus im Griff. Das Leck war gefunden und mit Bordmitteln abgedichtet worden. Das Schiff flog mehr als zwei Drittel Lichtgeschwindigkeit und steigerte das Tempo von Minute zu Minute. Die Terraner versammelten sich um den leeren Kartentisch, verteilten das Essen und Getränke und stellten sich vor. Ein Pilot, ein Handelskapitän, zwei Ortungsfachleute, ein Geologe mit einigen Sonderkenntnissen. Derjenige von ihnen, der unter allen Terranern am längsten auf AmetigoPhart gefangengehalten worden war, hatte dreieinhalb Jahre dort verbracht. Sie alle waren heilfroh, mit jeder Minute näher an Terra oder einen Posten des Solaren Imperiums heranzukommen. »Nach dem Sprung sind wir in unmittelbarer Nähe einer USO-Station. Dort finden wir alles, was wir brauchen und nötig haben.« »Verstehe. Ich bin Bandos Keratan, Sir. Wie kamen Sie eigentlich auf den Planeten, Sir? Hängt es mit der Leiche zusammen, die im Gleiter liegt?« »Im Gleiter lag«, korrigierte der Arkonide. »Ich werde es Ihnen erzählen. Das Ganze begann eigentlich mit einem verblüffenden Vorkommnis. Es fing auf einem Kolonialplaneten an, dessen Bewohner sich unerklärlicherweise einbildeten, in einer Hohlwelt zu leben.« Während sie aßen und tranken, erzählte ihnen Atlan die Geschichte Skanmanyons. Die Teile, die nur für ihn und die USO wichtig waren, ließ er aus, blieb aber im übrigen wahrheitsgetreu. »Das ist eine unglaubliche Geschichte!« sagte Keratan, der Pilot, und trank den letzten Rest aus seinem Becher. »Und Sie meinen, daß dieser Körper noch in der Lage ist, PSIStrahlung zu sammeln?« »Möglich!« sagte Atlan. »Oder auch nicht!« Minuten später ging das Schiff mit einem Ruck in den Hyperraumsprung. Die Erscheinungen des Sprunges packten die Männer und schüttelten sie. Das Raumschiff ächzte in sämtlichen Fugen. Die Männer taumelten zurück in ihre Sitze, dann erschienen die Sterne
jeden PSI-Impuls aufsaugte und speicherte. Oder war tatsächlich alle Energie bereits auf Ametigo-Phart ausgeströmt und für immer verloren? Wie lange Skanmanyon wachsen und speichern mußte, ob Jahrhunderte oder Jahrmillionen vergehen mußten, das wußte niemand. Es war auch unvorstellbar. Ob Skanmanyon jemals wieder Einfluß auf das Geschick von Planeten oder Planetenvölkern nehmen konnte, war fraglich. Theoretisch und in der Phantasie, schloß Atlan seine Gedanken ab, war jedoch alles möglich ... Der Körper war zwischen den Sternen verschwunden, die wie eine gigantische Kulisse den Weg des dahinrasenden Schiffes umgaben. Für den Arkoniden war dieses Bild das Symbol der endgültigen Heimkehr. Er wandte sich um. * Die äußere Schleusentür schloß sich, die innere öffnete sich und schloß sich wieder. Atlan betrat die künstliche Schwerkraft des Laderaums und öffnete den Helm des eiskalten Anzugs. Dann verließ er den Laderaum und suchte nach der Kombüse. Seit einer Stunde arbeiteten die Schiffsmaschinen zuverlässig und beschleunigten das kleine Raumschiff unaufhörlich. Kurz vor Erreichen der Lichtgeschwindigkeit würde der Pilot einen Transitionssprung einleiten. Atlan sah die Vorräte in der Kombüse durch und entschied sich für ein einfaches, schnell zuzubereitendes Essen. Er kochte eine riesige Kanne eines Getränkes, das mit terranischem Kaffee schwache Ähnlichkeit hatte, dann schaltete er einen Roboter ein und ließ ihn das Geschirr und die Töpfe in die Zentrale transportieren. Dort befanden sich nur der Pilot und ein Ortungsfachmann vor den Geräten. Atlan warf sich in einen Sessel und rief: »Ich glaube, Freunde, wir haben Glück gehabt. Funktionieren die Maschinen, Pilot?« »Nicht besonders gut, Sir, aber zufriedenstellend. Für einen ersten Transitionssprung kann ich garantieren.« 45
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Verbindungen nach, die von dieser Station aus bestanden, und sagte langsam und wohlüberlegt: »Ich brauche eine Flotte von eineinhalbtausend Einheiten. Sie sollen sich auf dem schnellsten Weg sammeln und das PhartSystem anfliegen. Sie haben folgenden Auftrag: Auf dem Planeten Ametigo-Phart befindet sich eine akonische Werft. Sie ist zu besetzen, die Akonen sind zu verhaften und auf einen akonischen Außenplaneten zu bringen. Dort werden sie abgesetzt, der Rat von Akon wird verständigt. Die Schiffe, die Roboter und die Werften werden gesprengt und unbrauchbar gemacht. Eine entsprechende Dokumentation hat zu erfolgen, die das Solare Imperium dem Rat von Akon überreichen wird. Es ist jedoch zu vermuten, daß die dort arbeitenden Akonen bereits mit den fertigen Schiffen und durch vermutlich vorhandene Transmitter geflohen sind oder gegenwärtig fliehen.« »Verstanden. Weitere Instruktionen? Die Befehle werden gegenwärtig weitergeleitet. Darf ich um den Kode des heutigen Tages bitten?« Atlan nannte ihn; er hatte bereits auf diese Aufforderung gewartet. »Falls die Besetzung dieses Planeten mit Gewaltaktionen verbunden ist, muß darauf geachtet werden«, fuhr er fort, »daß es möglichst wenig Verluste gibt. Die gesamte Aktion soll schlagartig erfolgen.« »In Ordnung. Ich empfange eben die Bestätigung, daß die Nachricht auf den üblichen Wegen weitergegangen ist und bestätigt wurde. Darf ich Sie unterbrechen, Sir?« »Ich bin fertig. Was gibt es?« »Eben starten drei Schiffe des Planeten. Sie werden zusammen mit meiner Einheit Ihnen entgegenfliegen und Ihr Schiff zum Raumhafen eskortieren. Treffpunkt in dreißig Minuten.« »Danke. Gute Idee. Wir sind ziemlich mitgenommen und sehnen uns nach den Annehmlichkeiten der Zivilisation.« »Wir haben genügend Möglichkeiten, Ihre Wünsche zu erfüllen.« »Wir hoffen es.« Die Mannschaft war wieder einsatzfähig. Dabei hatte dieses veraltete Transitionsfahrzeug
wieder auf den Bildschirmen. Keuchend stand der Pilot auf. »Wir sind durch, Sir!« sagte er. »Mehr als dreitausend Lichtjahre.« Atlan stand mit zitternden Knien auf und ging hinüber zum Funkpult. Er ließ sich schwer in den Sessel fallen und schaltete die Anlage ein. Aus den Lautsprechern kamen undeutliche Zeichen und Wortfetzen, aber es war eindeutig, daß sie aus den Funkunterhaltungen terranischer Schiffe herrührten. Atlan drehte die Kapazität des Senders hoch und rief: »Achtung, Funkstille! Hier spricht Lordadmiral Atlan. Ich bitte die nächstgelegene USOStation oder jedes USO-Schiff, das diesen Funkruf hört, sich sofort zu melden.« Die anderen Männer kamen schweigend und mit schmerzverzerrten Gesichtern wieder zu sich und hörten zu. Einige Sekunden lang veränderte sich nichts. Dann hörte das Brodeln der Unterhaltungen langsam auf. Einige Störungen krachten und knisterten, dann kam eine scharfe, deutliche Stimme: »Hier USO-Kreuzer PHARAO DELTA! Bitte, identifizieren Sie sich. Haben Sie den Namen des Lordadmirals genannt?« Atlan wandte sich grinsend zu seinen neuen Kameraden um und sagte dann ins Mikrofon: »Hier spricht die Schiffsführung eines namenlosen kleinen akonischen Raumschiffes. Dieses Schiff wurde den Akonen gestohlen und diente als Fluchtfahrzeug. Sprecher in der Funkstation ist Lordadmiral Atlan.« Wieder eine kleine Pause. Der Pilot schaltete die Zahlen aus dem Bordcomputer auf einen Bildschirm in der Nähe des Arkoniden. »Ich glaube, Ihre Stimme zu kennen, Sir. Bitte die Koordinaten Ihres Schiffes.« Atlan las sie ab und gab sie durch, dann sagte er: »Ich schätze, wir sind ziemlich nahe bei Ihnen. Haben Sie die Möglichkeit, die nächste USO-Relaisstation anzufunken?« »Die Möglichkeit besteht. Bitte, sprechen Sie. Neunzig Lichtminuten in Ihrer Flugrichtung liegt die Sonne eines Systems, aus dem wir gerade ausfliegen. Dort ist die Station Nummer ...« Atlan erinnerte sich. Sein Gedächtnis besaß auch diese Information. Er ging im Geist die 46
ATLAN 132 (161) – Der Kriegsplanet Extrasinn. Atlan nickte langsam. Vielleicht war es zu Ende, vielleicht gab es für diese rätselhafte Lebensform noch eine Chance. Für eine lange Reihe von Menschen und Planetariern aber hatte der Sprung einer psionischen Energieballung aus dem Leerraum ins Zentrum der Galaxis den Tod bedeutet. Und letzten Endes vermochte Atlan noch immer keinen logischen Sinn in dem Versuch Skanmanyons zu sehen. Aber das würde er wohl niemals schaffen. Er öffnete die Augen und widmete sich wieder den Landevorbereitungen. Das Solare Imperium hatte ihn wieder. Ihn und die fünf Männer.
sie fast umgebracht. Auf den Bildschirmen zeichneten sich jetzt die Echos der Planeten und der Monde ab. Das Sonnenlicht begann heller zu werden, und die vier Schiffe kamen in Sicht. Der Pilot tauschte mit dem Schiffsführer der PHARAO DELTA Informationen aus. Sie waren in unmittelbarer Nähe einer kleinen, aber hervorragend ausgerüsteten Kolonialwelt herausgekommen und drosselten langsam ihre fast lichtschnelle Fahrt. Die Schiffe näherten sich schnell, die vier modernen Raumschiffe flogen ein exaktes Manöver und setzten sich an den vier Eckpunkten eines Vierecks neben das winzige, alte Schiff. Atlan sah auf die Schirme und schloß die Augen. Das Abenteuer Skanmanyon ist, zumindest für dich und alle Beteiligten, zu Ende, sagte der
ENDE
Weiter geht es in Band 133 (163) der ATLAN-ebooks mit:
Das Geheimnis von Gostacker von Kurt Mahr
Impressum: © Copyright der Originalausgabe by Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt Chefredaktion: Klaus N. Frick © Copyright der eBook-Ausgabe by readersplanet GmbH, Passau, 2005, eine Lizenzausgabe mit Genehmigung der Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt 47