Thomas Gerner Denken und Handeln an Finanzmärkten
Thomas Gerner
Denken und Handeln an Finanzmärkten Zwischen Angst u...
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Thomas Gerner Denken und Handeln an Finanzmärkten
Thomas Gerner
Denken und Handeln an Finanzmärkten Zwischen Angst und Gier – Experten beziehen Position
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Guido Notthoff Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1732-4
Geleitworte
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Geleitworte Wie funktionieren die Finanzmärkte in der Realität, welche Kräfte halten sie in Bewegung und in welche Richtung entwickeln sie sich? Das vorliegende Buch gibt Auskunft über die finanzielle Weltsicht von weithin bekannten Anlageprofis, die nachhaltig bewiesen haben, dass sie immer wieder richtige Antworten auf die gestellten Fragen zu geben vermögen. Autor Thomas Gerner hat die ausgewiesenen Kapitalmarktexperten – darunter regelrechte Investmentlegenden wie Felix Zulauf und Jens Ehrhardt – befragt und es dabei glänzend verstanden, den Leserinnen und Lesern die doch recht unterschiedlichen finanziellen Weltanschauungen der Strategen zu erschließen. Anlageerfolg kann in der Praxis offenkundig auf sehr unterschiedlichen Wegen erzielt werden! Das kurzweilige Buch ist unbedingt lesenswert – nicht nur für Praktiker, die von Vorbildern lernen möchten, auch eher kapitalmarkttheoretisch orientierte Leser werden es mit Vergnügen zur Hand nehmen. Prof.WolfWössner LeiterStudiengangBank DualeHochschuleBadenWürttembergMosbach
Kurzanleitungen funktionieren nicht. Mit Kurzanleitungen wird man nicht Popstar, nicht Fußballidol, nicht erfolgreicher Künstler und auch eben auch nicht Millionär. Um erfolgreich zu sein, muss man Talent und die richtige innere Einstellung haben, und man muss von anderen lernen wollen. Die Grundsätze des Investierens und des Vermögensbildens sind einfach aufzuschreiben, es geht sogar in zwei Sätzen, doch braucht es zum Verstehen den großen Zusammenhang. Dafür haben die meisten Medien keine Zeit mehr, und darum lassen sie den lernwilligen Geldanleger meist verwirrt zurück. Dabei gibt es erfolgreiche Vorbilder, von denen man lernen kann. Man muss ihnen zuhören. Es gehört jedoch Geschick dazu, erfolgreiche Menschen von ihrer Arbeit abzuhalten und sie nach den Geheimnissen ihres Erfolgs zu fragen. Weil sie erfolgreich sind, haben sie wenig Zeit für Interviews. Es braucht ein Buch, das sich Zeit nimmt, Fragen zu stellen, den Antworten zuzuhören und sie auszuleuchten. Thomas Gerner hat sich die Zeit genommen: Er hat 12 erfolgreiche und gleichzeitig ganz unterschiedliche Investoren befragt. Während der eine Investor sich Gedanken über die Straße von Hormus macht, beschäftigt sich ein anderer mit dem richtigen Millimeterpapier und ein Dritter mit der Bibel als Lehrbuch zur menschlichen Gier. Jedes Interview verläuft anders und läuft in eine andere Vertiefung hinaus. Allen gemeinsam ist ein tiefes Interesse am Verstehen der Welt. Wer dieses Buch gelesen hat, wird sehen, dass es viele Wege zum Ziel gibt. Er wird feststellen, dass man Geduld braucht, die Bereitschaft zu Fehlern, und dass es keinen schnellen Weg gibt. Er wird aber auch sehen, dass am Ende dieses Weges der finanzielle Erfolg liegt. Dr.HendrikLeber GeschäftsführenderGesellschafter ACATISInvestmentGmbH
Vorwort
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Vorwort „Der Zehnkampf des Portfoliomanagements“ Die richtige Anlage zum richtigen Zeitpunkt zu finden ist eine Herausforderung, der sich Portfoliomanager und Investoren Tag für Tag aufs Neue stellen müssen. Insbesondere nach schwierigen Marktphasen fragen sich viele Anleger, wie sie die Fehler der Vergangenheit vermeiden oder wie sie einen geeigneten Manager für die ganzheitliche Verwaltung ihrer Vermögen finden können. Allerdings sind die Anforderungen der einzelnen Investoren und Anlageklassen dabei sehr unterschiedlich. Aufgrund der sich hieraus ergebenden hohen Komplexität gilt die Verwaltung von gemischten Portfolios als die Königsklasse der Vermögensverwaltung. Dies insbesondere dann, wenn dem Portfoliomanager neben Aktien, Renten und Bargeld auch noch Rohstoffe, Edelmetalle und andere alternative Investments für die Aufteilung des verwalteten Vermögens zur Verfügung stehen. Auf der Suche nach einem geeigneten Vermögensverwalter scheint ein Blick auf die Leistungen des Managers in der Vergangenheit eine gute Möglichkeit für die Auswahl zu sein. Doch gerade bei den gemischten Portfolios ist dies nicht so einfach möglich, da jedes einzelne Portfolio eigene Anlagerichtlinien hat, welche die Vergleichbarkeit der einzelnen Ergebnisse erschweren. Aus diesem Grund sollte die Managementleistung (Wertentwicklung) eines Portfoliomanagers nur als Momentaufnahme dienen, die einem nützliche Hinweise zu dessen Beurteilung geben kann. Anleger sollten insbesondere bei einer außerordentlich guten Wertentwicklung hinterfragen, wie diese erreicht wurde und ob der Manager eine solche Leistung wiederholen kann oder das Ergebnis einfach nur Zufall war beziehungsweise durch die Entwicklung der unterliegenden Märkte zustande kam. Zudem gilt es, die von dem Manager eingegangenen Risiken zu beachten, da die Rendite eines Portfolios in der Regel direkt mit den vom Anleger übernommenen Risiken zusammenhängt. Welche Eigenschaften muss ein guter Manager mitbringen, um erfolgreich an den Kapitalmärkten agieren zu können? Als erstes muss er in der Lage sein, die Finanzmärkte aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten zu können und seine Marktmeinung immer wieder zu hinterfragen, da er neben der Position des Aktienmanagers auch die des Managers der festverzinslichen Wertpapiere und der anderen Portfoliobestandteile einnehmen muss. Gleichzeitig muss er die Attraktivität der einzelnen Anlageklassen zueinander und das Gesamtrisiko des Portfolios bewerten und dies bei seinen Anlageentscheidungen berücksichtigen. Um diese Anforderungen besser darzustellen, kann ein Bild aus dem Sport genutzt werden. Während ein Portfoliomanager, der nur eine Anlageklasse wie zum Beispiel Aktien verwaltet in diesem Gebiet genau so ein Spezialist ist wie ein Kugelstoßer oder ein Sprinter, muss der Manager eines gemischten Portfolios ebenso ein Generalist sein, wie es in der Leichtathletik die Zehnkämpfer sind. Wie im Zehnkampf bedarf es auch zur erfolgreichen Verwaltung von gemischten Portfolios eines hohen Maßes an Disziplin, Können und ausgeprägtem Durchhaltevermögen.
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Vorwort
Was der Sportler durch regelmäßiges Training erreicht, kann der Portfoliomanager durch die Reflektion seiner Transaktionen bei der Umsetzung einer Anlagestrategie an den Finanzmärkten erlernen. Dabei gilt es insbesondere das Timing, aber auch die aufgrund der eigenen Analyse gesetzten Schwellen für den Kauf und Verkauf der einzelnen Titel kritisch zu hinterfragen. Speziell bei einer modellbasierten, sogenannten quantitativen Steuerung des Portfolios, ist diese Form der Analyse unerlässlich, da nur so eventuelle Schwachstellen des Modells aufgedeckt und beseitigt werden können. Anders als in vielen anderen Branchen und entgegen den Erwartungen der meisten Investoren haben nicht alle erfolgreichen Vermögensverwalter eine intensive akademische Ausbildung in der Volks- oder Betriebswirtschaftslehre absolviert. Viele kommen aus fremden Fachgebieten wie den Geisteswissenschaften oder aus naturwissenschaftlichen Fächern wie der Mathematik oder Physik. Was aber alle erfolgreichen Manager verbindet, ist eine gewisse Neugier und ein großes Interesse an den Finanzmärkten. Da sich Kapitalmarktforschung aufgrund der hohen Bedeutung der Finanzmärkte in den letzten Jahrzehnten sehr schnell weiterentwickelt hat, können sich auch junge oder fachfremde Portfoliomanager sehr schnell viel Wissen über die Grundsätze des Portfoliomanagements und das Verhalten von Märkten, insbesondere während Spekulationsblasen und Krisen, durch das Studium entsprechender (Fach-)Bücher aneignen und damit den Wissensvorsprung von erfahrenen Kollegen einholen. Dies insbesondere, da die zunehmende Diversifikation von Anlagemöglichkeiten in einigen Bereichen wirkliches Universalistentum kaum noch zulässt und in der Folge zunehmend mehr spezialisierte Akteure für die jeweiligen Marktsegmente in Erscheinung treten. Für den Mischfondsverwalter kann dies bedeuten, dass er in diesen Segmenten, wie zum Beispiel bei ethischen Investments oder bei dem Einsatz von Derivaten die Expertise Dritter in Anspruch nehmen sollte, um die verschiedenen Anlagemöglichkeiten in ihrer kompletten Breite berücksichtigen zu können. Allerdings zeigt sich die Klasse eines Portfoliomanagers erst, wenn dieser an den Wertpapiermärkten handelt, also sein Wissen in der Praxis anwendet. Wie der Sportler im Wettkampf, wird ein Portfoliomanager durch den Erfolg seiner Transaktionen an den Finanzmärkten mit seinen Konkurrenten verglichen. Die Auswahl der einzelnen Märkte und der entsprechenden Wertpapiere beziehungsweise alternativen Investments basiert bei den meisten Vermögensverwaltern, Fonds- und Hedgefondsmanagern auf einer Analyse der Fundamentaldaten und Beurteilung der Attraktivität der einzelnen Anlageklassen und -instrumente untereinander. Einige Manager folgen bei der Auswahl und der Gewichtung der einzelnen Titel einer rein computergestützten Wertpapieranalyse und -selektion – ein Ansatz bei dem die Vorgaben des Computers exakt unter Berücksichtigung des Anlagerahmens der einzelnen Mandate umgesetzt werden. Letztlich hat auch das Arbeitsumfeld einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Leistung der einzelnen Manager. Während angestellte Portfoliomanager bei ihren Anlageentscheidungen oftmals sehr stark an die Vermögensaufteilung von ihrem Vergleichsmaßstab und an die Vorgaben der generellen Anlagestrategie des Unternehmens gebunden
Vorwort
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sind und ihre Leistung somit außer von den eigenen Fähigkeiten auch von externen Faktoren beeinflusst wird, handeln viele der erfolgreichen Vermögensverwalter als selbständige Unternehmer und sind so in der Lage, ihre Meinung zu einzelnen Märkten oder Marktsegmenten unabhängig umzusetzen. Um ihre Ziele zu erreichen, handeln viele der unabhängigen Manager in der Regel losgelöst von gängigen Marktindizes und versuchen unabhängig von Marktentwicklungen eine positive Wertentwicklung für ihre Anleger zu erreichen. Dazu muss der Portfoliomanager in der Lage sein, sich auch gegen das allgemeine Marktsentiment stellen zu können und seine Positionen trotz vermeintlicher Rückschläge an den Finanzmärkten durchzuhalten. Genau hieran aber scheitern viele Manager, da sie ihre eigene Marktmeinung in schwierigen Situationen nicht durchhalten und eingegangene Positionen zu schnell wieder auflösen, wenn sich der Markt kurzfristig entgegen ihrer Annahmen entwickelt. Auch hier lässt sich ein Vergleich mit dem Sport heranziehen. Während viele der spezialisierten Portfoliomanager daraufhin trainiert werden sich in den einzelnen Anlageklassen schnell wie ein Kurzstreckenläufer zu bewegen, benötigt man für die erfolgreiche Umsetzung einer Vermögensverwaltungsstrategie stattdessen die Ausdauer und den Willen eines Marathonläufers. Gerade bei der Verwaltung von gemischten Portfolios und Hedgefonds ist die Bereitschaft des Managers, auch in einer schwierigen Situation oder unter dem Druck der Märkte Entscheidungen zu treffen, eine Eigenschaft, die gute von schlechten Managern unterscheidet. In einem solchen Umfeld ist es von Vorteil, wenn ein Manager über einen großen Erfahrungsschatz verfügt, auf den er bei seinen Entscheidungen zurückgreifen kann. Da an den Finanzmärkten in der Regel keine Korrektur oder Krise abläuft wie die vorherige, wäre es jedoch fatal, wenn der Portfoliomanager in einem solchen Szenario nur Entscheidungen auf Basis der Vergangenheit treffen würde. Das Umfeld für Multi-Asset-Manager hat sich in den letzten Jahren durch die Einführung neuer gesetzlicher Regelungen und die Entwicklung moderner Finanzinstrumente sowie die Erschließung neuer Märkte deutlich verändert. Während sich die Verwaltung eines gemischten Vermögens früher in der Regel auf Aktien, Anleihen und Bargeld aus den großen Industrienationen beschränkte, kamen in den letzten Jahren neben „neuen“ Märkten wie Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa noch Edelmetalle und Rohstoffe hinzu. Zudem können Portfoliomanager heute mit Hilfe von liquiden Finanzinstrumenten nicht nur auf steigende, sondern auch auf fallende Kurse setzen. Mit dem vorliegenden Buch knüpft der Autor bewusst an eine Reihe von erfolgreichen Büchern im Interviewstil an und gibt dem Anleger mit einer praxisorientierten Darstellung der Strategien und Denkweisen einzelner Manager eine Hilfestellung bei der Formulierung von Anlagestrategien. Für den Leser sind dabei die, aufgrund von langjährigen teils freundschaftlichen Beziehungen, offenen und zum Teil sehr persönlichen Gespräche zwischen dem Autor und seinen Interviewpartnern besonders interessant, da er durch die offene Gesprächsführung tiefe Einblicke in die Gedankenwelt dieser Portfoliomanager erhält. Hinzu kommt, dass der Autor das Buch durch seine Auswahl von profilierten Gesprächspartnern aus den unterschiedlichsten Bereichen des Portfoliomanagements sehr kurzweilig gehalten hat. Insgesamt betrachtet ist dieses Buch aus meiner Sicht sowohl für
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Vorwort
professionelle Anleger als auch für den privaten Gebrauch eine lesenswerte Lektüre, die dem Leser hilft, die Kapitalmärkte aus verschiedenen Blickwinkeln zu reflektieren. Detlef Glow Head of Central, North and Eastern European Research, Lipper Frankfurt am Main, Februar 2010
Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis Geleitworte ......................................................................................................................................... 5 Vorwort ............................................................................................................................................... 7 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................... 13 Einleitung.......................................................................................................................................... 17 1
Ansätze, Stile und Schubladen ............................................................................................. 21
2
Volker Schilling und Dirk Sammüller................................................................................. 31
3
Peter E. Huber......................................................................................................................... 57
4
Luca Pesarini ........................................................................................................................... 85
5
Dr. Jens Ehrhardt.................................................................................................................. 109
6
Dr. Markus Stahl .................................................................................................................. 131
7
Martin Mack.......................................................................................................................... 159
8
Dr. Heinz-Werner Rapp ...................................................................................................... 183
9
Hans-Olov Bornemann........................................................................................................ 215
10
Markus Mezger .................................................................................................................... 241
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Felix Zulauf ........................................................................................................................... 273
12
Christoph Metzger ............................................................................................................... 307
Exkurs: Finanzmärkte und Poker – Lehren für- und voneinander ........................................ 337 Schlusswort .................................................................................................................................... 349
Literaturverzeichnis ...................................................................................................................... 353 Über den Autor .............................................................................................................................. 357 Stichwortverzeichnis ..................................................................................................................... 359
Abbildungsverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis Abbildung1
Ausgewählte Anlagekategorien im Jahre 2008 (Quelle: Feri Finance AG) ............................................................................... 29
Abbildung2.1
Verhalten von Trendfolgestrategien am Beispiel des Greiff Dynamisch Plus OP seit Auflage (Quelle: Lipper Investbase, eigene Darstellung) ......................................... 44
Abbildung2.2
Stop-Loss-Systematik am Beispiel zweier ABS-Fonds, 2006 bis 2008 (Quelle: Lipper Investbase, Greiff Capital Management AG, eigene Darstellung) .......................................................................................... 50
Abbildung2.3
Volatilitätsklassen-Verteilung am Beispiel des GREIFF Dynamisch Plus OP per 12.6.2009 (Quelle: Greiff Capital Management AG, eigene Darstellung) ................. 51
Abbildung2.4
Entwicklung des weltweiten ETF-Markts, 1993 bis 07/2009 (Quelle: Eigene Darstellung nach Barclays Global Investors (2009)) ....... 55
Abbildung3.1
Ölkrise und Aktienbaisse in den Jahren 1973/1974 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung) ........................................ 62
Abbildung3.2
Russischer versus weltweiter Aktienmarkt (entwickelte Länder), 1999 bis 2002 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ............................. 66
Abbildung3.3
Wertentwicklung des Musterportfolios mit dem geringstem Drawdown (Quelle: StarCapital AG) ....................................... 68
Abbildung3.4
Underperformance der Value-Aktien in den Jahren 1998 und 2007/2008 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ................................... 75
Abbildung3.5
Rendite von Staats- und Unternehmensanleihen im Euro-Währungsraum, 1999 bis 2009 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung) ........................................ 80
Abbildung3.6
Baisse am japanischen Aktienmarkt, 1988 bis 2009 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung) ........................................ 83
Abbildung4
Ausgewählte Aktienmärkte im Jahre 2007 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ..................................................... 93
Abbildung5.1
Aktien, Inflation und Leitzinsen von 1965 bis 1982 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ................................................... 111
Abbildung5.2
Entwicklung der Kurs/Gewinn-Verhältnisse in Deutschland, Japan und den USA von 1970 bis 2009 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung) ......................................... 111
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung5.3
„Basarökonomie China“: Wachstum der Im- und Exporte, 1970 bis 2008 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung).............. 116
Abbildung5.4
Entwicklung der Kreditaufnahme durch US-Haushalte und US-Unternehmen, 1952 bis 2009 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ................................................... 121
Abbildung5.5
US-Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe versus Aktienmarktentwicklung, 1970 bis 2008 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung) ........................................ 122
Abbildung6.1
Der Börsencrash 1987 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ............ 142
Abbildung6.2
Niedrige Zinsen trotz hoher Staatsverschuldung in Japan, 1988 bis 2009 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung).............. 149
Abbildung6.3
Der Euro in britischen Pfund und US-Dollar seit Einführung 1999 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ................................................... 152
Abbildung7.1
Russische Staatanleihe in und nach der Russlandkrise, 1998 bis 2005 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ................................................... 166
Abbildung7.2
Die Rio-Tinto-Aktie von 2000 bis 2009 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ................................................... 169
Abbildung7.3
Subjektive Inflationswahrnehmungen und -erwartungen der Verbraucher im Euroraum (Quelle: Feri Data Manager, Europäische Zentralbank, eigene Darstellung) ......................................... 170
Abbildung7.4
Der deutsche Aktienmarkt in den Jahren 2002 und 2003 (Quelle: Bloomberg, eigenen Darstellung) ................................................. 180
Abbildung8.1
„Long Waves“ und ihre Grundcharakteristik (Quelle: Feri Finance AG) ............................................................................. 194
Abbildung8.2
Der „Sudden Death“ am Beispiel des Baltic Dry Index (Quelle: Feri Finance AG) ............................................................................. 196
Abbildung8.3
Grundschema verzögerter Pricing-Mechanismen (Quelle: Feri Finance AG) ............................................................................. 200
Abbildung8.4
Straße von Hormus (Quelle: „Straße von Hormus“ in: Wikipedia, 30. Mai 2009)................... 202
Abbildung8.5
Schema zur systematischen Risiko-Erfassung (Quelle: Feri Finance AG) ............................................................................. 203
Abbildung9.1
Strategie und Aktienmarktvolatilität seit Auflage des SEB Asset Selection Funds (EUR) (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ................................................... 233
Abbildungsverzeichnis
15
Abbildung9.2
Aktienmarktneutrale Hedgefonds-Strategien in den Jahren 2006 bis 2007 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ............................ 235
Abbildung9.3
Nominale versus reale Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe von 1970 bis 2009 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung).................... 237
Abbildung10.1 Der Crash in Russland – Aktien- und Währungsentwicklung von 1995 bis 1999 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ........................... 244 Abbildung10.2 Nasdaq 100 und Zentralbankgeldmenge vor der Jahrtausendwende (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ................................................... 246 Abbildung10.3 Rohölpreisentwicklung ohne (Spot) und mit (Excess) Berücksichtigung von Roll-Erträgen, 1987 bis 2009 (Quelle: Tiberius AG) .................................................................................... 261 Abbildung10.4 Backwardation und Contango am Beispiel der Rohöl-Terminkurve (WTI) (Quelle: Tiberius AG) ..................................... 262 Abbildung10.5 Baumwolle – Entwicklung von Preis und Lagerbeständen von 1995 bis 2009 (Quelle: Tiberius AG)..................................................... 263 Abbildung10.6 Aktien-Positionsmanagement, 10/2008 bis 07/2009 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ................................................... 264 Abbildung11.1 Big Picture und Zyklusmodell, 1980 bis 2009 (Quelle: Zulauf Asset Management AG) .................................................... 287 Abbildung11.2 Abstraktes Zyklusmodell (Quelle: Zulauf Asset Management AG) ...... 288 Abbildung11.3 Verfügbares Einkommen und Sparrate der US-Haushalte, 1960 bis 2009 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ........................... 290 Abbildung11.4 Der laufende Aktienmarktzyklus – ein Minizyklus? (Quelle: Zulauf Asset Management AG, eigene Anmerkungen)............ 293 Abbildung11.5 US-Konsumentenpreisindex, 1871 bis 2009 (Quelle: http://www.econ.yale.edu/~shiller/data.htm, eigene Darstellung) .......................................................................................... 295 Abbildung11.6 Elliot-Wellen-Grundmuster (Quelle: eigene Darstellung nach Murphy, John J. (2004), S. 315, eigene Bezeichnungen)...................................................................... 299 Abbildung12.1 Zinsanstieg und Rentencrash, 1993 bis 1994 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) ................................................... 311 Abbildung12.2 Die Volatilitätsentwicklung am Beispiel des VDAX................................. 328 Abbildung12.3 Aktienmarkthausse trotz drohender Immobilienkrise............................. 330 Abbildung12.4 Der japanische Rentenmarkt am Allzeithoch, 2002 bis 2004 ................... 331
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung12.5 Gold – am Ende eines Megatrends? ............................................................ 333 AbbildungE.1
Rangfolge der Pokerblätter (bei gleicher Kategorie entscheidet die Kartenrangfolge von Ass bis 2) ........................................ 338
AbbildungE.2
Die Prospect Theory und der Dispositionseffekt ...................................... 344
Einleitung
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Einleitung ȱ
„ȱDieWirtschaftwärekeineWirtschaft,wennwirdieBörsenichthätten.” KurtTucholsky
Treffender hätte es Kurt Tucholsky wohl kaum formulieren können. Auch wenn wir diese Tatsache regelmäßig vernachlässigen, vergessen oder möglicherweise nicht wahrhaben wollen. Unser aller Wohlergehen hängt von funktionierenden Finanzmärkten ab. Finanzmärkte sind Einrichtungen an denen Finanzkapital in Form von Geld, Wertpapieren und weiteren Kontrakten gehandelt wird. Ein wesentliches Ziel besteht darin, vorhandenes aber aktuell nicht benötigtes Finanzkapital dahin zu leiten, wo es gebraucht wird, aber aktuell nicht vorhanden ist. Börsen bringen die Anlagewünsche der Kapitalgeber mit den Investitionswünschen der Kapitalnehmer in Einklang. Den Finanzmärkten obliegt damit die volkswirtschaftliche Allokationsfunktion. Der dezentrale Marktmechanismus der Finanzmärkte soll dafür sorgen, dass die Ersparnisse der aussichtsreichsten Verwendung zugeführt werden. Jeder private oder institutionelle Investor nimmt als Kapitalgeber in unserer Wirtschaftsordnung an diesem Allokationsprozess teil, egal ob er sich dessen letzten Endes bewusst ist oder nicht. Er kann sich dem auch nicht entziehen, in dem er den Aktien-, Renten-, Geld- und Devisenmärkten den Rücken zukehrt und sein erspartes Kapital auf dem Tagesgeldkonto seiner Hausbank parkt. Auch in diesem Fall trifft er indirekt eine Allokationsentscheidung. Er finanziert dadurch seine Hausbank, die für ihn die Funktion des Finanzintermediärs übernimmt, indem sie verschiedene Einlagen bündelt und weitervermittelt oder ihrerseits an den Finanzmärkten platziert. Eine andere Form der Entscheidungsdelegation ist die Beauftragung eines Vermögensverwalters, der stellvertretend und auf Rechnung des Kapitalgebers denkt und handelt. Die Allokation des Kapitals kann somit delegiert, aber sie kann in unserer Wirtschaftsordnung nicht vermieden werden. Es ist überaus bedauerlich, dass das Privileg der eigenständigen Kapitalentscheidung häufig nicht als Ausdruck der Freiheit, sondern als notwendiges Übel wahrgenommen wird. Unabhängig davon, ob wir die Kapitalallokation nun als Privileg oder notwendiges Übel erachten, letzten Endes obliegt jedem Anleger, Vermögensverwalter oder Finanzintermediär die Entscheidung, welchemKapitalnehmer erwievielKapital für wielange,zur Verfügung stellt. Um nichts anderes geht an den Finanzmärkten. In welchen Markt soll ein Anleger investieren, in Aktien, in Renten, in Währungen oder in Rohstoffe? Wie soll er sein Vermögen aufteilen? Welchem Unternehmen soll er sein Geld anvertrauen? Oder soll er es doch besser dem Staat leihen? Wann sollte er seine Kapitalallokation ändern? Auf dem Finanzmarkt buhlen die unterschiedlichen Kapitalverwendungen, sprich Anlagealternativen, um das vorhandene und zu investierende Kapital. Aber auf welcher Basis sollte ein Anleger seine Entscheidungen treffen? Welcher Informationen bedarf es dafür? Welche Mechanismen gilt es an den Finanzmärkten zu verstehen, um diese Entscheidungen überhaupt treffen zu können? Welche Theorien helfen einem dabei und welche nicht? Warum sind einige Markteilnehmer trotz gleichem Informationsstand erfolgreicher als andere?
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Einleitung
Wer könnte diese Fragen besser beantworten als professionelle Marktteilnehmer, die sich täglich und seit vielen Jahren mit dem Geschehen an den Finanzmärkten auseinandersetzen. Bücher wie „Market Wizards“ von Jack Schwager, „Inside the house of money“ von Steven Drobny oder „Kampf um Performance“ von Martin Lechner, allesamt im Interviewstil verfasst, lassen den Leser an der Gedankenwelt und der Entscheidungsfindung von erfahrenen und erfolgreichen Händlern, Fonds- und Hedgefonds-Managern teilhaben. Ein Ziel dieses Buches ist es, die Tradition dieser „Interviewbücher“ fortzuführen. Der Grund, warum ich Werken dieser Art einen sehr hohen Stellenwert einräume liegt darin, dass die interviewten Persönlichkeiten die Finanzmärkte nicht nur erforschen und diskutieren, sondern ihre Gedanken auch tatsächlich in der Praxis unter Beweis stellen. Marktmeinungen und -theorien gibt es unendlich viele. Aber was sind diese letztendlich wert, wenn sie in der Praxis nicht umgesetzt werden oder sich nicht umsetzen lassen? Eine mögliche Antwort darauf formulierte einst Marie von Ebner-Eschenbach: „Verstandbestehtnicht nurimWissen,sondernauchinderFähigkeit,WissenindieTatumzusetzen. Insofern habe ich bei der Auswahl meiner Gesprächspartner hohen Wert darauf gelegt, dass die interviewten Personen nicht nur über Finanzmärkte nachdenken, sondern ihre Gedanken vorzugsweise durch konkrete Anlageentscheidungen im Portfolio verwirklichen oder zumindest deren Umsetzung verantworten. In diesem Zusammenhang möchte ich außerdem betonen, dass dieses Buch als Werk der Praxis verstanden werden möchte, und keine Ambitionen im Bereich der akademischen Lehre und Forschung verfolgt. Es soll den Widerstreit der unterschiedlichen Gedankengänge und Meinungen widerspiegeln und sich keinem wissenschaftlichen oder wirtschaftspolitischen Paradigma unterordnen. Neben der Bereitstellung von Wissen und Erfahrungen besteht ein weiteres Ziel dieses Buches in der Schaffung von Transparenz und Verständnis für die Arbeit von Vermögensverwaltern, Fonds- und Hedgefonds-Managern. Das Vermögensverwaltungsgeschäft im deutschsprachigen Raum gilt verglichen mit dem der USA als vergleichsweise junges Gewerbe, was ein noch höheres Maß an Aufklärung und Information notwendig erscheinen lässt. Ich habe mich deshalb dazu entschlossen, ausschließlich Gesprächspartner aus dem deutschsprachigen Raum auszuwählen, die neben den hiesigen Marktgegebenheiten vor allem die Mentalität und Erfahrungen der hiesigen Anlegerschaft besser einschätzen können als ihre überwiegend angelsächsischen Kollegen. Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass auch der heimische Markt über ausreichend Experten verfügt, die sich auf dem internationalen Börsenparkett keinesfalls verstecken müssen. Neben regionalen Aspekten habe ich mich bei der Auswahl meiner Gesprächspartner für Vermögensverwalter, Fonds- und Hedgefonds-Manager entschieden, die über möglichst hohe Freiheitsgrade bei der Allokation von Anlageklassen und der Selektion von Märkten bzw. Einzeltiteln verfügen und diese auch ausschöpfen. Damit scheiden zwangsläufig eine ganze Reihe erfolgreicher und von mir nicht minder geschätzter Spezialisten aus, die sich auf eine bestimmte Anlageklasse oder ein eng abgestecktes Marktsegment konzentrieren. Es lassen sich natürlich diverse Argumente anbringen, die für eine Erweiterung des Personenkreises auf diese spezialisierten Manager gesprochen hätten. Allerdings hätte dies
Einleitung
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aufgrund der Vielzahl an Marktsegmenten und Managementstilen den Rahmen dieses Buches gesprengt. Ein drittes und letztes Auswahlkriterium ergibt sich naturgemäß aus meinen Kontakten sowie aus meinem Arbeitsumfeld. Entsprechend konnte ich nur jene Personen berücksichtigen, die mir persönlich oder über Dritte bekannt sind. Es gibt mit Sicherheit noch andere honorige Persönlichkeiten, die es ebenfalls verdient hätten, in diesem Werk gehört zu werden. Falls Sie also eine ganz bestimmte Person vermissen, dann liegt dies vermutlich daran, dass ich diesen Menschen einfach nicht gut genug kenne. Im ersten Teil des Buches (Kapitel 1) sollen verschiedene Managementansätze und Anlagestile einleitend erläutert und voneinander abgegrenzt werden. Dem Leser soll dadurch ein Bild über die unterschiedlichen Methoden, Denkschulen und Dogmen vermittelt werden, was für die gedankliche Einordnung der Gesprächsinhalte aus den Folgekapiteln hilfreich sein kann. Der zweite Teil des Buches (Kapitel 2-12) besteht aus insgesamt 11 Gesprächen, die ich mit verschiedenen langjährig erfolgreichen Vermögensverwaltern, Fonds- bzw. HedgefondsManagern geführt habe. Die Personen betrachten die Finanzmärkte aus unterschiedlichen Blickwinkeln und unterscheiden sich mitunter grundlegend in ihrer Denk- und Handlungsweise. Die diskutierten Fragen sind teilweise sehr offen und allgemein formuliert, um diese Unterschiede letztlich auch zum Ausdruck zu bringen. Andere Fragen sind individuell auf die Person zugeschnitten oder haben sich direkt aus der Diskussion ergeben, um gewisse Sachverhalte zu vertiefen. Wie in vielen Disziplinen kann es auch im Umgang mit den Finanzmärkten nicht schaden, den eigenen Horizont durch einen Blick über den viel zitierten Tellerrand zu erweitern. Den Finanzmärkten wird häufig vorgeworfen, dass sie mehr oder weniger einem riesengroßen Pokerspiel gleichen. Interessanterweise ziehen auch einige meiner Gesprächspartner den einen oder anderen Vergleich mit einem Karten- bzw. Schachspiel. Vor ein paar Jahren habe ich selbst begonnen, mich erstmals mit dem Pokerspiel auseinanderzusetzen und war erstaunt darüber, wie viele Parallelen sich zwischen Poker und dem Geschehen an den Finanzmärkten herleiten lassen. Ich bat meinen Kollegen David Meyer, ebenfalls Portfoliomanager und Hobby-Pokerspieler, diese Parallelität im Rahmen eines kleinen Exkurses im Anschluss an die Interviews zu untersuchen. Mein besonderer Dank gebührt meinen Gesprächspartnern, die trotz ihrer knapp bemessenen Zeit in einem anspruchsvollen Marktumfeld zu diesem Werk beigetragen haben. Dankbar bin ich auch den Personen aus Wirtschaft und Wissenschaft, die das Buch durch ihre Vor- oder Geleitworte bzw. durch den Exkurs in die Welt des Pokerspiels abrundeten. Ich möchte mich ferner auch bei allen Freunden, Kollegen und Ex-Kollegen bedanken, die mir durch ihre qualifizierten Anregungen und wertvollen Tipps zur Seite standen. Die vielen spannenden Konversationen und Diskussionen waren mir bei der Planung und Verwirklichung dieses Projekts eine wertvolle Hilfe. Mein Dank gilt auch dem GablerVerlag für das Vertrauen, die tatkräftige Unterstützung und das Lektorat sowie der Feri Family Trust GmbH für die Bereitstellung der Informationssysteme. Zu guter Letzt möchte ich mich bei meiner Freundin, meiner Familie und Freunden für ihr Verständnis und den
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Einleitung
Rückhalt bedanken. Die kostbare Zeit, die ich nicht gemeinsam mit Euch verbringen konnte, macht dieses Buch erst richtig wertvoll.
Bad Nauheim, im Februar 2010
Thomas Gerner
Ansätze, Stile und Schubladen
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„Stayflexible.Noassetormethodisforever.” SirJohnTempleton
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Ansätze, Stile und Schubladen
Datenbanken mit Informationen über Fonds und Vermögensverwalter sind ein beliebtes Analyseinstrument beim Aufspüren erfolgreicher Portfoliomanager. Die damit verbundene Möglichkeit, Fonds und Vermögensverwalter ähnlicher Kategorie miteinander zu vergleichen, kommt der Funktionsweise des menschlichen Gehirns entgegen. Ist ein Fonds erst einer bestimmten Kategorie zugeordnet, lässt er sich wunderbar mit ähnlichen Konkurrenzprodukten vergleichen – eine wahre Steilvorlage für Schubladendenken. Allerdings wird man dadurch der Individualität der dahinter stehenden Vermögensverwalter nicht immer gerecht. Schubladendenken ist ein menschliches Phänomen, das auch vor den Finanzmärkten nicht haltmacht. Personen, die sich über eine längere Zeit kritisch über das Geschehen an Finanzmärkten äußern, werden schnell als „Crash-Propheten“ tituliert. Meinungsmacher mit starker Medienpräsenz erlangen Guru-Status, grauhaarige Vermögensverwalter gelten als weise und seriös, Aktienfondsmanager als Bullen, quantitative Anleger als Zahlen-Junkies, Hedgefonds-Manager als Spekulanten und Private-Equity-Investoren als „Heuschrecken“. Die Liste an Schubladen ließe sich problemlos weiter fortsetzen. In vielen Fällen lässt sich das Denken und Handeln der Fondsmanager jedoch nicht auf eine einzige Schublade oder Kategorie reduzieren. Dieses Buches verzichtet daher bewusst auf eine vorgegebene Kategorisierung der interviewten Personen. Natürlich lässt sich Schubladendenken nicht einfach ausschalten, das ist auch nicht die Intention dieses Buches. Stattdessen sollen in diesem ersten Kapitel einige Differenzierungsmöglichkeiten von Vermögensmanagementansätzen und -stilen vorgestellt und abgegrenzt werden. Dies soll dabei helfen, die Investment-Philosophie der in diesem Werk interviewten Personen aus mehreren Perspektiven zu betrachten und eine Einordnung in unterschiedliche Schubladen zu ermöglichen. Die diskutierten Ansätze und Stile werden in der Realität selten dogmatisch in ihrer extremen Form umgesetzt, in der Regel finden sich Mischformen mit Tendenz in die eine oder andere Richtung.
Relativ versus Absolut Das Denken und Handeln von Portfoliomanagern hängt maßgeblich von der Zielsetzung des ihnen erteilten Mandats ab. Vor allem institutionelle Investoren und sehr vermögende Privatanleger haben häufig eigene Vorstellungen, wie die langfristige Aufteilung des Vermögens (Strategische Asset-Allokation) auszusehen hat. Sie formulieren ihre Anlagepolitik
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„Bleiben Sie flexibel, keine Anlage oder Methode ist für ewig.“
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Ansätze, Stile und Schubladen
meist für mehrere Jahre und unabhängig von der aktuellen Einschätzung der Finanzmärkte. Das Gesamtvermögen wird in aller Regel auf verschiedene spezialisierte interne und/oder externe Portfoliomanagement-Einheiten aufgeteilt, die mit der Umsetzung der Anlagepolitik beauftragt werden. Um den Kundenauftrag zu präzisieren, werden Anlagerestriktionen definiert, welche die Handlungsfreiheiten des Portfoliomanagers festlegen. Ein Vergleichsmaßstab (Benchmark, Referenzindex), der im Regelfall die Entwicklung eines oder mehrerer Märkte widerspiegelt, dient als Messlatte für eine objektive und faire Beurteilung der Managementleistung und stellt gleichzeitig die Benchmark-Gewichtung (Neutralposition) dar. Aufgabe des Portfoliomanagers ist es, das Ergebnis der Benchmark im vereinbarten Anlagezeitraum unter Berücksichtigung der Anlagerestriktionen zu übertreffen, indem er im Portfolio gezielte, auf seiner Einschätzung beruhende Abweichungen gegenüber der Benchmark-Zusammensetzung vornimmt, zum Beispiel bei der Gewichtung von Sektoren oder Einzeltiteln. Darin besteht auch gleichzeitig das Risiko des Managers, negativ von der Benchmark abzuweichen (relatives Risiko). Seine Leistung wird stets 2 relativ zur Marktentwicklung beurteilt. Das heißt, er hat sein Ziel auch dann erreicht, wenn der zugrunde liegende Markt eine negative Entwicklung im Berichtszeitraum aufweist, er jedoch die Benchmark übertroffen hat. Die erzielte Rendite hängt somit von zwei Renditequellen ab, der Marktrendite (Beta) und der Fähigkeit des Managers, eine Überrendite gegenüber der Marktentwicklung zu erzielen (Alpha). Absolute Renditeziele sind vor allem bei Hedgefonds anzutreffen. Aber auch Privatkunden sowie Pensionskassen und Stiftungen präferieren häufig eine absolute Zielsetzung bei der Mehrung ihres Vermögens. Dabei sollen positive und möglichst stetige Vermögenszuwächse bei weitgehender Unabhängigkeit von der Marktentwicklung erzielt werden. Dies setzt voraus, dass dem Portfoliomanager ein sehr hohes Maß an Freiheiten bei der Verwaltung der ihm anvertrauten Gelder eingeräumt wird. Er selbst entscheidet über die Aufteilung des Vermögens auf die einzelnen Investitionsmöglichkeiten und agiert dabei 3 losgelöst von einer Markt-Benchmark. Optional kann für einen bestimmten Anlagezeitraum ein Renditeziel formuliert werden, das sich beispielsweise am Geldmarktzinssatz zuzüglich eines angemessenen Aufschlags orientieren kann. Eine ähnliche Zielsetzung kann auch für Vermögensverluste definiert werden, indem der Manager dazu angehalten wird, eine maximale Verlustgrenze nicht zu unterschreiten. Die Leistung des Portfoliomanagers wird folglich unter absoluten Gesichtspunkten beurteilt, und sein Risiko besteht in der Erwirtschaftung eines Vermögensverlustes beziehungsweise in der Unterschreitung des maximal tolerierten Verlustes.
Aktiv versus Passiv Das Ziel aktiver Anlagestrategien besteht darin, die Wertentwicklung einer bestimmten Benchmark zu übertreffen. Der Anspruch von privaten und institutionellen Anlegern, eine besonders gute Wertentwicklung für das eigene oder anvertraute Vermögen zu erzielen,
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Vgl.: Günther, Stefan / Moriabadi, Cyrus (2002), S. 21 ff. Vgl.: Kaiser, Dieter G. (2009), S. 21 ff.
Ansätze, Stile und Schubladen
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begründet das aktive Portfoliomanagement. Der Wunsch, besser zu sein als der Markt, ist darüber hinaus sicherlich auch dem Ehrgeiz geschuldet, besser als „nur“ Durchschnitt sein zu wollen. Die aktive Herangehensweise unterstellt, dass am Markt Bewertungsineffizienzen existieren, die es ermöglichen, Überrenditen zu erzielen. Die Aufgabe des Managers besteht darin, diese Ineffizienzen aufzuspüren und zu heben, was eine besondere Expertise beziehungsweise Informationsvorsprünge voraussetzt. Allerdings agiert an den Finanzmärkten eine große Zahl professioneller Marktteilnehmer, die in der Lage sind, dieselben Informationen zu beziehen und auszuwerten. Sie alle stellen durch ihr Handeln „den Markt“ dar und verfügen über eine bestimmte Preisvorstellung hinsichtlich der jeweiligen Investitionsmöglichkeiten. Unter dem Strich ergibt sich in diesem kompetitiven Umfeld 4 ein Nullsummenspiel. Was ein Marktteilnehmer an Überrenditen erzielt, muss ein anderer verlieren. Die Berücksichtigung von Verwaltungskosten führt dazu, dass es nur weni5 gen Managern langfristig gelingt, „den Markt“ zu schlagen. Unter einer passiven Anlagestrategie versteht man vor allen Dingen das sogenannte Indexing, also das Nachbilden eines Marktindexes. Verfechter dieses Anlagestils gehen davon aus, dass die Märkte risikoeffizient sind und sich alle bewertungsrelevanten Informationen im Preis widerspiegeln. Demzufolge stiftet auch das Analysieren von Informationen keinen Mehrwert. Zu den passiven Investmentstilen zählt auch die sogenannte Buyand-Hold-Strategie, also das Kaufen und langfristige Halten von Einzeltiteln und Anlageklassen, was das Verkraften von Kursverlusten und den Verzicht auf Gewinnmitnahmen einschließt. Da die Kosten für passives Portfoliomanagement wegen geringerer technischer und personeller Anforderungen deutlich geringer ausfallen als beim aktiven Pendant, 6 ergeben sich naturgemäß Kostenvorteile in der Umsetzung. In der Praxis erweist sich die Unterscheidung in aktiv und passiv häufig als missverständlich, da der Anschein erweckt wird, als lasse sich Geld gänzlich ohne eigene Entscheidungen verwalten. Da es jedoch „den Markt“ als solchen nicht gibt, bleibt dem Anleger die Auswahl des Marktes (Asset-Allokation) beziehungsweise der Märkte nicht erspart. Die Frage, ob „ein Markt“ oder Marktsegment aktiv oder passiv verwaltet werden soll, ist somit nachgelagert.
Quantitativ versus Qualitativ Der Unterschied zwischen qualitativer und quantitativer Entscheidungsfindung ist die Art und Weise, wie Informationen verarbeitet werden. Im Rahmen quantitativer Entscheidungsfindung verlässt sich der Portfoliomanager auf eine eher prozessorientierte Informationsauswertung, indem sämtliche entscheidungsrelevanten Einflussfaktoren quantifiziert werden. Fundamentale, markttechnische und/oder stimmungsbasierte Informationen werden mithilfe von mathematischen und statistischen Verfahren verarbeitet. Auf Basis
4 5 6
Vgl.: Günther, Stefan / Moriabadi, Cyrus (2002), S. 24 ff. Vgl.: O’Shaugnessy James P. (2005), S. 2 f. Vgl.: Günther, Stefan / Moriabadi, Cyrus (2002), S. 24 ff.
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Ansätze, Stile und Schubladen
historischer oder künstlich generierter Zeitreihen werden ökonomische Zusammenhänge empirisch überprüft, um daraus vorteilhafte Informationen identifizieren und Handlungsregeln ableiten zu können. Quantitative Methoden unterstellen somit, dass in der Datenhistorie gefundene Ineffizienzen auch zukünftig existieren. Der Nutzen quantitativer Methoden wird einerseits in der systematischen Analyse großer Datenmengen gesehen. Andererseits verspricht man sich eine geringere Anfälligkeit für kognitive Fehlentscheidungen, die nach den Erkenntnissen der Behavioral-Finance-Forschung auf menschlich emotionalem Verhalten beruhen. Die Entscheidungsfindung des Portfoliomanagers soll damit 7 diszipliniert und objektiviert werden. Der qualitativ orientierte Portfoliomanager verlässt sich bei der Auswertung und Einschätzung verschiedener Anlagealternativen auf das menschliche Urteilsvermögen. Die Informationsverarbeitung unterliegt daher subjektiven Einflussfaktoren, bei der die Erfahrungen und Fähigkeiten des Managers im Vordergrund stehen. Neben den emotionalen und häufig irrationalen Verhaltensmustern verfügen Menschen auch über herausragende assoziative Fähigkeiten, die sich durch quantitative Methoden nicht oder nur schwer kopieren und modellieren lassen. Der Mensch als Entscheidungsträger ist nicht unbedingt auf empirische Erkenntnisse angewiesen, sondern verfügt über die Gabe, auch seltene oder einmalige Ereignisse subjektiv und intuitiv zu analysieren, für die es zu wenige Beobachtungen gibt, um daraus statistisch signifikante Ergebnisse zu erlangen und daraus eine Handelsstrategie ableiten zu können. Für den qualitativ agierenden Portfoliomanager sind diese Eigenschaften unverzichtbar, um sich in seiner Entscheidungsfindung flexibel an veränderte Marktbedingungen anpassen zu können.
Makro versus Mikro beziehungsweise Top-Down versus Bottom-Up Vermögensverwalter lassen sich prinzipiell aufgrund ihrer Denkweise entweder in das Lager der „Makro-Leute“ oder der „Mikro-Leute“ einsortieren. Makro-Manager beginnen für gewöhnlich bei der Identifikation von makroökonomischen Trends und Ungleichgewichten. Dazu werden insbesondere realwirtschaftliche und monetäre Daten beziehungsweise Frühindikatoren ausgewertet. Die Analyseinstrumente (zum Beispiel Bewertung, Markttechnik etc.) sind auf die Beurteilung ganzer Märkte oder Marktsegmente ausgerichtet. Im Wesentlichen werden deshalb auch Indizes oder andere Aggregationen von Einzeltiteln beziehungsweise ökonomischen Messgrößen als Analyseobjekt verwendet. Aus den so gewonnenen Erkenntnissen wird schließlich die Asset-Allokation abgeleitet. Neben der Gewichtung von Aktien, Renten, Devisen, Kasse und Rohstoffen erfolgt zudem eine fokussierte Auswahl von Ländern, Sektoren, Stilen (Value versus Growth) oder Marktkapitalisierungen (Large versus Small Cap). Der Titelselektion kommt dabei eine untergeordnete Bedeutung zu, wobei auch hier volkswirtschaftliche Überlegungen eine wesentliche Rolle spielen können (zum Beispiel, wie stark die Gewinne eines Unternehmens von Zinserhöhungen beeinflusst werden). Hauptwerttreiber ist damit ganz klar die Asset-Allokation. In der Literatur wird diese Herangehensweise häufig mit Market-Timing
7
Vgl.: Sauer, Andreas (2002), S. 173 f.
Ansätze, Stile und Schubladen
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gleichgesetzt, was ein eher kurz- bis mittelfristiges Umschichten zwischen einzelnen Märkten suggeriert. Das muss nicht zwangsläufig der Fall sein. Ein Makro-Portfolio kann durchaus auch strategischer Natur sein und auf langfristigen Überlegungen beruhen, wenngleich sie in der gängigen Praxis eher von taktischen Entscheidungen geprägt sind. In seiner „reinsten“ Form findet der Makro-Ansatz sicherlich in Global-Macro-Strategien, einer Hedgefonds-Disziplin, seine Umsetzung. Während die Anhänger des Makro-Ansatzes eher top-down vorgehen, sind die Verfechter des Mikroansatzes eher bottom-up-orientiert. Für sie steht nicht die Überlegung im Vordergrund, welche Marktrisiken es sich lohnt einzugehen, sondern vielmehr, welche Einzeltitel aus einer Vielzahl an Auswahlmöglichkeiten präferiert werden sollen. Mikro-Manager haben sich häufig auf eine bestimmte Anlageklasse festgelegt und versuchen, innerhalb ihres Anlageuniversums vor allem auf Basis der Fundamentalanalyse die attraktivsten Anlagealternativen auszuwählen. Dabei konzentriert sich ihre Analyse auf titelspezifische (vor allem fundamentale) Auswahlkriterien. Am Markt konkurrieren die unterschiedlichsten Strategien um die Erwirtschaftung von Überrenditen. Beispielsweise unterscheidet man bei Aktien für gewöhnlich den wertorientierten (Value) und den wachstumsorientierten (Growth) Stil. Value-Investoren konzentrieren sich auf die Auswahl von Unternehmen, deren Börsenkurs unter dem errechneten inneren Wert einer Aktie notiert. Vereinfacht formuliert: Sie investieren in Unternehmen, die einen Euro wert sind, die es aber für 60 Cent zu kaufen gibt. Growth-Investoren fokussieren sich auf überdurchschnittlich stark wachsende Unternehmen. Sie rechnen damit, dass die Mehrzahl der Marktteilnehmer das zukünftige Wachstum eines selektierten Unternehmens unterschätzt, was weiteres Kurspotenzial rechtfertigt.
Contrarian versus Trendfolger Der Begriff Trendfolger beschreibt einen Handelsansatz (und bezeichnet umgangssprachlich auch jene Anleger, die einen solchen Ansatz verfolgen), der darauf abzielt, Trends zu identifizieren, die sich neu ausgebildet haben, um Positionen in die eingeschlagene Richtung einzugehen. Da es naturgemäß unmöglich ist, einen Trend zu erkennen, bevor er sich ausgebildet hat, reagieren Trendfolger immer erst mit einer gewissen Verzögerung. Sie nehmen also von vornherein bewusst in Kauf, nicht an der gesamten Preisbewegung vom Tief zum Hoch partizipieren zu können, sondern immer nur an einem Teil davon. Die Philosophie des Trendfolgers beruht auf der Grundannahme der technischen Analyse, dass sich Marktpreise in Trends bewegen. Eine Folge dieser Annahme ist, dass sich ein Trend in Bewegung mit größerer Wahrscheinlichkeit fortsetzt, als dass er sich umkehrt. Demgemäß bleibt eine bestehende Position so lange im Portfolio, bis der Trend bricht. Der Trendfolgeansatz widerspricht damit der sogenannten Random-Walk-Theorie, die vereinfacht formuliert davon ausgeht, dass Preisbewegungen zufällig und nicht vorhersagbar 8 sind.
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Vgl.: Murphy, John (2004), S. 22 ff.
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Ansätze, Stile und Schubladen
Die Bezeichnung Contrarian beschreibt einen antizyklischen Investor, der darauf abzielt, Trendwenden zu antizipieren, indem er gegen die Mehrheit der Marktteilnehmer und damit gegen den allgemeinen Markttrend und -konsens handelt. Er geht davon aus, dass Herdenverhalten zu Fehlbewertungen an den Finanzmärkten führt. Sein Ziel ist es, in überkauften und überverkauften Marktsituationen Gegenpositionen zur Konsensmeinung einzunehmen, um sie bei Normalisierung der Marktstimmung profitabel schließen zu können. Eine antizyklische Anlagestrategie kann sich sowohl auf Anlageklassen, auf Regionen oder Sektoren als auch auf Einzeltitel beziehen. Contrarians haben für gewöhnlich eine genaue Vorstellung vom Wert eines Investitionsobjekts, die es ihnen erlaubt, Überoder Unterbewertungen von Anlagealternativen zu beurteilen. Darüber hinaus zeichnet den Contrarian ein hohes Bewusstsein für die Psychologie der Marktteilnehmer aus, um antizyklische Ein- und Ausstiegszeitpunkte überhaupt erst erkennen zu können.
Diversifikation versus Konzentration Grundsätzlich lässt sich die Frage nach dem optimalen Grad an Diversifikation beziehungsweise Konzentration sowohl hinsichtlich der Allokation als auch der Selektion diskutieren. Auf der Ebene der Asset-Allokation geht es zunächst um die Entscheidung, wie viele Anlageklassen überhaupt für Investitionen herangezogen werden. Ein reiner Aktienanleger hat dies für sich bereits implizit beantwortet, da er sich ausschließlich auf die Anlageklasse Aktien konzentriert. Aber auch ein weit gefasstes Anlageuniversum erfordert eine klare Vorstellung darüber, wie konzentriert beziehungsweise diversifiziert ein Portfolio angelegt werden kann. Einige Stiftungen amerikanischer Universitäten (wie zum Beispiel Yale) sind bekannt für ihre extrem breit diversifizierte Vermögensstruktur, die neben liquiden Anlagen auch alternative Investments wie Immobilien, Hedgefonds und Private Equity umfasst. Für sie ist eine möglichst niedrige Korrelation zwischen den einzelnen Anlageklassen wünschenswert, um einen möglichst hohen Diversifikationseffekt und eine stetige Wertentwicklung zu erzielen. Die Asset-Allokation, sprich die Gewichtung der einzelnen Anlageklassen, bleibt dagegen weitestgehend unangetastet und eher statisch. Das andere Extrem bilden Global-Macro-Hedgefonds im traditionellen Sinne. Sie zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie ihre Mittel äußerst opportunistisch auf wenige Alternativen aus ihrem globalen und weit gefassten Anlageuniversum konzentrieren und große Positionen nehmen, um ein bestimmtes ökonomisches Szenario im Portfolio abzubilden. Auch auf Ebene der Titelselektion ist der Widerstreit beider Denkschulen auszumachen, was die Gewichtung und Zahl der investierten Portfoliotitel verrät. Beispielsweise unterscheiden sich viele erfolgreiche Aktieninvestoren in Bezug auf die Anzahl der gehaltenen Werte. Sie reicht vom einstelligen bis in den vierstelligen Bereich. Bei 20 gehaltenen Aktien entspricht dies einem durchschnittlichen Gewicht pro Aktie von 5 Prozent, bei 1000 gehaltenen Aktien von 0,1 Prozent. Beide Lager teilen für gewöhnlich die Auffassung, dass Diversifikation vor allem bei Unwissen und Unsicherheit in der Einschätzung von Anlageklassen oder Einzeltiteln notwendig und sinnvoll erscheint. Einigkeit herrscht auch bei der trivialen, aber nicht weniger bedeutsamen Erkenntnis, dass sich ein konzentriertes Portfolio aus wenigen Positionen
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effizienter überwachen lässt als ein breit diversifiziertes. Uneinigkeit herrscht traditionell bei der Frage, ob und unter welchen Bedingungen ein konzentriertes Portfolio Mehrwert stiften kann.
Long-Only versus Long/Short Unter dem Begriff Long-Only werden alle Strategien zusammengefasst, die sich darauf beschränken, Positionen in Basiswerten (Aktien, Renten, Devisen etc.) am Kassamarkt oder 9 mittels Derivaten am Terminmarkt einzugehen. Investoren, die Long-Positionen eingehen, setzen somit auf Preissteigerungen ihrer erworbenen Werte. Geht ein Investor dagegen von fallenden Notierungen aus, so kann er von einem Wertverlust nicht profitieren, sondern ihn nur vermeiden, indem er seine Wertpapiere veräußert, sprich: seine LongPositionen schließt. 10
Long/Short-Strategien erlauben darüber hinaus auch Short-Positionen, um fallende Preise in Wertsteigerungen umzumünzen. Dabei werden Waren, Währungen oder Wertpapiere veräußert, die der Verkäufer zum Verkaufszeitpunkt noch gar nicht besitzt. Der sogenannte Leerverkäufer (Short Seller) leiht sich hierfür die Werte, um sie dem Käufer am Valuta-Tag zu liefern. Bevor die Leihfrist endet, kauft der Leerverkäufer die Basiswerte über den Markt zurück. Sofern es ihm gelingt, sie für weniger als den Leerverkaufserlös zurückzukaufen, erzielt er einen Gewinn. Auch ein Leerverkauf kann sowohl als Kassageschäft oder als Termingeschäft ausgestaltet sein. Die Möglichkeit, Short-Positionen einzugehen, eröffnet einem Long/Short-Manager ein weites Feld an Handlungsalternativen. Er kann beispielsweise Absicherungsgeschäfte tätigen und seine Long-Positionen durch entsprechende Gegenpositionen ganz oder teilweise absichern (hedgen). Er kann sogenannte Pair Tradesbilden, indem er unterbewertete Positionen kauft und überbewertete Positionen leerverkauft, um aus der relativen Entwicklung beider Werte Profit zu schlagen. Oder er verfolgt eine direktionale Strategie und positioniert sich dabei in bestimmten Märkten 11 mit der Absicht, von der erwarteten Marktrichtung zu profitieren. Da Anlagerestriktionen die meisten Investoren traditionell auf die Long-Seite beschränken, sehen viele Long/Short-Manager vor allem auf der Short-Seite Ineffizienzen und damit ein hohes Po12 tenzial, zusätzliche Renditen zu erzielen. Der größere Handlungsspielraum eines Long/Short-Managers geht natürlich mit höheren Risiken einher. Short-Positionen vergrößern grundsätzlich das Risiko, mit dem ein Portfolio den Marktentwicklungen ausgesetzt ist (Brutto-Exposure). Auch wenn Short-Positionen häufig als Absicherungsgeschäft getätigt werden, so macht es doch einen Unterschied, ob eine Long-Position tatsächlich abge-
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Man bezeichnet zwar den Kauf einer Put-Option auch als Long-Put. Da aber der Inhaber einer PutOption jedoch von fallenden Preisen profitiert, handelt es sich hinsichtlich der Marktrichtung um eine Short-Position. 10 Unter dem Begriff Long/Short sollen an dieser Stelle alle Strategien zusammengefasst werden, die sowohl Long- als auch Short-Positionen erlauben. 11 Vgl.: Kaiser, Dieter G. (2009), S. 80 ff. 12 Vgl.: Grinold, Richard C. / Kahn, Ronald N. (1999), S. 419 ff.
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Ansätze, Stile und Schubladen
baut oder „nur“ durch eine Gegenposition abgesichert wird. Häufig entspricht nämlich die Gegenposition nicht eins zu eins dem abzusichernden Basiswert, sondern unterliegt möglicherweise Ausfall-, Liquiditäts- oder Prozessrisiken. Sollte der Preis eines leerverkauften Wertpapiers entgegen der Erwartung des Leerverkäufers ansteigen, so ist er gemeinsam mit anderen Short Sellern gezwungen, das Wertpapier zurückkaufen, um weitere Verluste zu begrenzen. Dies kann zu einem Nachfrageüberhang führen, der den Preis noch weiter in die Höhe treibt und die Verluste der Leerverkäufer vergrößert (Short Squeeze). Theoretisch ist das Verlustrisiko bei Short-Positionen unendlich groß. Bei Long-Positionen ist es dagegen auf den Kapitaleinsatz begrenzt, da der Basiswert im schlimmsten Falle auf null fallen kann. Aus dieser Erkenntnis resultiert eine wesentliche Charakteristik von Longund Short-Positionen, was das Verhalten von Positionsgrößen angeht. Eine Long-Position wird kleiner, wenn der Preis des zugrunde liegenden Basiswertes wider Erwarten gegen einen läuft. Für den Portfoliomanager ist dieser Umstand erfreulich, da sich das Gewicht von „schlechten“ Investments dadurch automatisch verringert. Eine Short-Position auf einen Basiswert, dessen Preis unerwarteterweise ansteigt, wird jedoch größer. Der Portfoliomanager ist viel stärker gefordert, Verluste zu begrenzen, was zu der eben geschilderten Short-Squeeze-Problematik führen kann. Wie erfolgreich Long/Short-Strategien letztlich sind, hängt extrem von den Fähigkeiten des Managers ab. Seine Qualitäten sind der dominierende Faktor und überragen die Entwick13 lung an den Finanzmärkten. Allerdings hat das Krisenjahr 2008 gezeigt, dass es auch für den reinen Long-Only-Manager einige Anlagethemen gab, mit denen er eine positive Rendite generieren konnte, ohne dabei die Risiken von Short-Positionen eingehen zu müssen. Mit Staatsanleihen, Gold, US-Dollar und japanischem Yen waren beispielsweise ähnliche Erfolge zu verbuchen wie mit Aktienmärkten auf der Short-Seite (siehe Abbildung 1).
13
Vgl.: Kaiser, Dieter G. (2009), S. 22
Ansätze, Stile und Schubladen
Abbildung 1
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Ausgewählte Anlagekategorien im Jahre 2008 (Quelle: Feri Finance AG)
AktienWelt(inEuro)
37,2%
AktienUSA(inEuro)
33,2%
AktienEuropa(inEuro)
43,3%
AktienJapan(inEuro)
25,4%
AktienSchwellenländer(inEuro)
50,8%
RentenEuroraum(inEuro)
9,4%
Rohöl(inUSDollar)
55,5%
Gold(inUSDollar)
4,3%
Hedgefonds(inUSDollar)
21,0%
Rohstoffe(inUSDollar)
35,7%
USDollargegenEuro
5,8%
JapanischerYengegenEuro
30,8% 60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
10%
20%
30%
40%
Trader versus Stratege Umgangssprachlich bezeichnet man einen Marktakteur als Trader, wenn er in seinem Denken und Handeln eher kurzfristig (auf Wochen-, Tagen- oder Stundenbasis) agiert. Er zielt darauf ab, an mehreren kleinen Preisbewegungen zu profitieren. Entsprechend hoch sollte seine Trefferquote (Anzahl der erfolgreichen Trades) ausfallen. Ungeachtet seiner exakten Methode bringt diese Herangehensweise zwangsläufig eine relativ hohe Transaktionshäufigkeit mit sich und erfordert permanentes und ständiges Beobachten des Marktgeschehens, was dem Händler einen gewissen psychologischen Druck auferlegt und ein hohes Maß an Entscheidungsfreudigkeit abverlangt. Die hohe Frequenz an Handelsentscheidungen stellt zudem sehr hohe Anforderungen an die technische Ausstattung. Dies gilt sowohl für die Kursversorgungssysteme als auch für die Geschwindigkeit bei der Ordererteilung. Der Stratege hingegen steht für ein mittel- bis langfristiges Vorgehen (Monate oder Jahre). Er konzentriert sich darauf, die großen Preisbewegungen von Märkten oder Einzeltiteln zu erkennen und in Rendite umzuwandeln, sodass er mit vergleichsweise wenig Transaktionen auskommt. Die niedrigere Handelsfrequenz erlaubt es ihm, sich stärker mit der Identifikation und Analyse länger währender Trends und Zusammenhänge auseinanderzusetzen. Die wenigen Anlageentscheidungen, die seine Anlagepolitik prägen, sind jedoch von weitaus größerer Tragweite als die eines Traders. Sie bestimmen maßgeblich seinen Anla-
30
Ansätze, Stile und Schubladen
geerfolg. Demgemäß kommt es bei ihm weniger auf die Geschwindigkeit seiner technischen Systeme, sondern vielmehr auf die Breite und Tiefe des verfügbaren Datenmaterials 14 an . Ob ein Portfoliomanager eher als Trader oder Stratege an den Märkten agiert, hängt somit in erster Linie von seinen persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften ab. Darüber hinaus spielt jedoch auch die Frage eine bedeutende Rolle, gegen welche Marktteilnehmer er im jeweiligen Laufzeitbereich konkurrieren will. Im kurzfristigen Bereich stellen Eigenhandelsabteilungen der Banken, Hedgefonds und andere professionelle Händler die Marktgegenseite dar. Im längerfristigen Bereich sind es womöglich eher strategische Investoren, Family Offices und Pensionskassen. Insofern muss jeder Investor für sich entscheiden, gegen welche Gruppe von Marktteilnehmern er sich zutraut zu bestehen. Erfolgreichen Portfoliomanagern ist für gewöhnlich bewusst, in welchem Anlagezeitraum und in welcher Taktfrequenz sie selbst am ehesten in der Lage sind, überdurchschnittliche Ergebnisse zu produzieren.
14
Vgl.: Tharp, Van K. (2006), S. 87 ff.
Volker Schilling und Dirk Sammüller
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„[...]mansolltenichtdemjenigenseinGeldanvertrauen, derdiebestePerformancevorzuweisenhat,sondernjemandem, denmanalscharakterlichkorrekteinstuft.“
2
Volker Schilling und Dirk Sammüller
Greiff Capital Management AG Dass junge und kleine Unternehmen nicht zwangsläufig unter einem geringen Bekanntheitsgrad leiden müssen, hat die Greiff Capital Management AG bereits bewiesen. Vorstand und Portfoliomanager Volker Schilling, der das Unternehmen gemeinsam mit Edgar Mitternacht in Freiburg gründete, hat sicherlich großen Anteil daran, dass das Unternehmen nach wenigen Jahren nicht nur unter Branchenkennern als Fonds-Vermögensverwalter und Spezialitätenfonds-Manager ein Begriff ist, sondern durch regelmäßige Medienpräsenz auch bei Privatanlegern ein hohes Maß an Bekanntheit genießt. Schon der Internetauftritt der Greiff AG lässt wenig Zweifel daran aufkommen, was man bei Greiff unter Vermögensverwaltung versteht: Aktive und vor allem risikokontrollierte Vermögensverwaltung. Dies wurde auch in unserem Gespräch sehr deutlich. Hätte man mich unmittelbar nach unserem Gespräch gefragt, welches Wort am häufigsten verwendet wurde, ich hätte spontan und unbeirrbar auf „Stop Loss“ getippt. Zustande kam unser Gespräch durch Dirk Sammüller, der seit 2006 für die Greiff AG als Portfoliomanager arbeitet und seitdem das Management der defensivsten Vermögensverwaltungsstrategie sowie die Verwaltung eines auf Übernahmesituationen spezialisierten Aktienfonds verantwortet. Bei der Feri Institutional Advisors habe ich ihn einst als kompetenten und äußerst umgänglichen Kollegen kennengelernt. Nachdem ich Dirk Sammüller bei einem gemeinsamen Mittagstermin für das Buch gewinnen konnte, erzählte er mir, dass er in der Folgewoche ohnehin gemeinsam mit Volker Schilling in Frankfurt sei, um einen „Funds Award“ für seinen Spezialitätenfonds in Empfang zu nehmen. Wir planten folglich, das Zeitfenster vor der Award-Verleihung zu nutzen, und verabredeten uns in der Lobby eines Frankfurter Hotels. Obwohl wir vollkommen zeitgleich eintrafen, muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich Dirk Sammüller nicht auf den ersten Blick erkannte, was vermutlich an seiner geschmackvollen Lederjacke und der üppig dimensionierten Sonnenbrille im 80er-Jahre Retrolook lag. Da er sich für die Award-Verleihung noch umkleiden musste, gab ich ihm während des Interviews natürlich eine kleine Auszeit, sich diesem Anlass entsprechend fein zu machen. So unverkrampft und natürlich, wie ich die beiden in ihrem Auftreten erlebte, verlief auch unser Gespräch: Locker, lässig und offen. Umso mehr hätte ich es den beiden gegönnt, wenn sich der feine Zwirn und die Reise nach Frankfurt am Ende des Tages doch noch ausgezahlt hätten. Doch am nächsten Tag habe ich erfahren, dass der „Fund Award“ den beiden Portfoliomanagern überraschenderweise verwehrt blieb, da der Preisverleiher offenbar kurzfristig das Reglement änderte.
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Volker Schilling und Dirk Sammüller
SiebeidesindheutehierinFrankfurt,umeinenFundAwardinEmpfangzunehmen. Sehen Sie das als besondere persönliche Auszeichnung, oder nimmt man das eher als nüchternesMarketinginstrumententgegen?
Schilling: Für ein Unternehmen unserer Größenordnung, das erst seit vier Jahren besteht, ist es eine fantastische Gelegenheit, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass wir unser Verspechen bei Auflage des Fonds vor vier Jahren auch eingehalten haben. Letztlich sind solche Auszeichnungen dann der Beweis dafür. Und natürlich ist es auch eine persönliche Auszeichnung für Dirk, weil sein Fonds hier ausgezeichnet wird und seine erbrachte Arbeit dadurch Anerkennung erfährt. Es freut ihn zwar immer, wenn wir hausintern loben, dass er eine tolle Arbeit macht, aber letztlich sollen ja auch die Investoren das Gefühl bekommen, im richtigen Fonds investiert zu sein. Insofern ist es nicht nur für den Fondsmanager und die Greiff AG eine Auszeichnung, sondern auch für alle Investoren, die uns in diesen drei Jahren die Treue gehalten haben. Und das ist dann schon der Sprung zum Marketinginstrument. Natürlich werden wir es auch als Marketinginstrument nutzen, aber jeder der mich kennt, weiß, dass ich kein großer Freund von Auszeichnungen wie „Sternchen, Schirmchen, Mützchen oder Kochlöffelchen“ bin, oder was sich die Fondsindustrie sonst noch alles ausgedacht hat, weil es sich letztlich um eine Verdichtung von Informationen auf Buchstaben und Sternen handelt. So etwas wird gern missbraucht, um gnadenloses Marketing zu betreiben, was beim Anleger falsche Erwartungshaltungen erzeugt, da er oft nicht weiß, wie solche Ratings tatsächlich zustande kommen. Sammüller: Zum Thema „nüchtern“ oder „Freude“ möchte ich ganz klar sagen, dass es zunächst einmal eine Freude ist, einen Preis entgegenzunehmen, vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass wir vor vier Jahren noch nicht sicher sagen konnten, ob man aus einer Idee ein funktionierendes Fondskonzept kreieren kann. Wir haben diesen Fonds von null beginnend aufgebaut, da es weder damals noch heute ein vergleichbares Konzept gab beziehungsweise gibt. Daher war die Anfangsphase natürlich sehr schwierig und mit sehr viel Arbeit verbunden, sodass wir letztendlich auch einen Vorlauf von einem halben Jahr benötigten, bis wir unser Know-how gesammelt hatten und der Fonds in die Live-Phase gehen konnte. Auch nach der Auflegung weiß man zunächst nicht, ob ein solches Konzept erfolgreich sein kann oder nicht. Erst nach einer gewissen Zeit, die nochmals viele Überlegungen, viele Überarbeitungen und Änderungen mit sich bringt, sieht man, inwieweit das Konzept funktioniert. Und deshalb erfüllt mich das nach drei Jahren auch mit einem gewissen Stolz. Die Anerkennung außerhalb der eigenen Firma ist natürlich eine Art Genugtuung. Sicherlich überwiegt dabei ganz klar die Freude, wenngleich ich mir bewusst bin, dass es eine gewisse Verpflichtung mit sich bringt, auch künftig eine gute Arbeit abzuliefern. Wichtiger als ein Award sind zufriedene Kunden, und das steht natürlich eindeutig im Vordergrund.
Volker Schilling und Dirk Sammüller
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Schilling: Abseits von Marketing und persönlichem Stolz möchte ich noch gern ergänzen, dass wir in den letzten drei Jahren nicht nur tolle Börsenjahre hatten, in denen alles, was sinnbildlich schwimmen kann, mit dem Meeresspiegel nach oben gestiegen ist, sondern wir hatten auch durchaus problematische Phasen. Und weil wir den Fonds von Anfang an als Absolute-Return-Produkt lanciert und publiziert haben, kann man sich natürlich immer erst in einem schwierigen Marktumfeld beweisen, was zwischen 2006 und 2008 definitiv der Fall war. Insofern ist es für uns sehr wichtig, sagen zu können, dass wir nicht nur in einer Boom-Phase, sondern auch während der Finanzkrise die Preiswürdigkeit unter Beweis stellen konnten. Das ist auch der Anspruch, den wir an uns selber haben. UndnachderPreisverleihunggehtesfürSiebeidezurücknachFreiburg?
Sammüller: Erst morgen früh. Den Abend verbringen wir noch in Frankfurt, um vielleicht noch ein paar Gespräche zu führen. Da wir beide nicht allzu oft in Frankfurt sind, nutzen wir natürlich gern solche Termine, um mal wieder mit Leuten und Kollegen aus der Branche zu sprechen. Vielleicht trifft man auch den einen oder anderen Investor. Schließlich hat man für die Gespräche etwas Rückenwind, wenn man einen Pokal mit an den Tisch nehmen darf. Was spricht für Freiburg als Firmensitz? Vermissen Sie als Vermögensverwalter nicht dieNähezurFondsindustrieimGroßraumFrankfurt?
Sammüller: Also ich persönlich denke, dass es ziemlich egal ist, von wo aus man Geld verwaltet. Es ist egal, ob ich in der Schweiz auf einem Berg sitze, im Schwimmbad in BadenBaden oder in Frankfurt direkt am Puls des Finanzzentrums. Wichtig ist, dass man mit sich und seiner Arbeit im Reinen ist und sich auf sein Geschäft konzentrieren kann. Ich sehe das auch an vielen erfolgreichen Kollegen, angefangen von Warren Buffet bis hin zu großen Fondsgesellschaften wie Janus, die ihren Firmensitz auch nicht direkt in der Metropole New York haben, sondern irgendwo teilweise in der „Pampa“ sitzen. Wir haben zwei Kollegen, die ihr Büro im Raum Frankfurt haben und Termine vor Ort wahrnehmen können. Ich persönlich kann am konzentriertesten arbeiten, wenn ich einen Raum für mich allein habe. Das funktioniert aber nur, wenn man genau weiß, was man kann, was man machen muss und wie man vor allen Dingen eigenständig seinen Tag organisiert bekommt. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, halte ich es für nahezu optimal, sein Tagesgeschäft allein zu bestreiten. Mit Internet und Telefon kann man von verschiedenen Standorten aus zusammenarbeiten, das ist heutzutage kein Problem mehr. In Frankfurt sitzen die Portfoliomanager dagegen häufig in Großraumbüros zusammen, aber das mag ich eher weniger. Schilling: Davon abgesehen, dass ich Dirk gern mal im Bad in Baden-Baden bei der Arbeit sehen möchte, finde ich natürlich den Vergleich von Omaha mit Freiburg sehr spannend. Freiburg ist ja quasi Norditalien, und insofern geht es natürlich ein Stück weit um Lebensqualität. Unsere Arbeit, Managementdienstleistungen zu erbringen, ist vollkommen unabhängig vom Firmenstandort. Im Gegenteil, ich halte es sogar für einen enorm großen Vor-
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teil, weit weg von Frankfurt zu sitzen, weil wir in der Finanzbranche ein enorm lautes Grundrauschen an Informationen haben, jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde, sodass man kaum noch die wirklich wichtigen Peilsignale wahrnimmt. Insofern ist Freiburg als Firmensitz genau richtig, nämlich weit weg davon. Und wenn Informationen bei uns eintreffen, scheinen sie auch wichtig genug zu sein. Auch einige Kollegen, wie Dr. Jens Ehrhardt, sitzen mit ihrer Firma irgendwo in der Peripherie einer Stadt. Außerdem ist auch die Lebensqualität in Freiburg und Umgebung eine ganz andere, als wenn Sie jetzt mitten in der Metropole ihre Arbeit verrichten. Außerdem haben alle, die bei der Greiff AG tätig und seit Gründung dabei sind, ihre Affinitäten für diese Region. Das war auch der Grund für Freiburg. Die Greiff AG ist ein vergleichsweise junges Unternehmen. Wann haben Sie das Unternehmengegründet,undwieverliefdieGründungsphase?
Schilling: Die Greiff AG wurde am 1. März 2005 durch Edgar Mitternacht und mich gegründet. Zuvor waren wir beide bereits bei anderen Vermögensverwaltern als Gründer, Gesellschafter und Portfoliomanager tätig und haben dort fünf bis zehn Jahre Erfahrung gesammelt. Die Gründungsphase verlief deshalb recht simpel, weil wir genau wussten, was wir wollten und was wir nicht wollten. Diese Erfahrungen waren sicherlich hilfreich. Ein großer Vorteil war es auch, dass wir uns anfangs erst mal schlank aufstellten und uns auf das konzentrierten, was wir können, nämlich Vermögensverwaltung. Unser Unternehmenszweck war somit klar definiert. Ebenfalls vorteilhaft war, dass wir 50 Millionen Euro an verwaltetem Vermögen mit eingebracht hatten. Zur Gründungsphase fällt mir am Rande noch eine kleine Anekdote ein. Als es darum ging, ein Firmenkonto einzurichten, wollte keine Bank ein Konto für uns eröffnen. Edgar und ich haben bei verschiedenen Banken angefragt, und als wir denen erklärten, was genau wir gründen, haben viele gesagt: „Nein, das wollen wir nicht begleiten.“ Es hat sich dann eine Bank erbarmt, aber auch nur, weil an diesem Tag eine Praktikantin die Kontoeröffnungen machte. Die hat das Konto eröffnet, was hinterher nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Und so wurde daraus bis heute unsere Hausbank. Das war die einzige große Hürde, die wir als junges Unternehmen nehmen mussten. Sie sagten, der Grund für eine eigene Vermögensverwaltung war auch, dass Sie nach einigen Jahren Berufserfahrung wussten, was Sie machen wollten und was Sie nicht wollten.WasgenaumeinenSiedamit?
Schilling: Bevor die Entscheidung fiel, eine Vermögensverwaltung aufzubauen, gab es eine Zeit, in der ich dachte, ich könne alles machen, nämlich Kundenberatung, Finanzplanung auf Honorarbasis, die Umsetzung auf Produktebene, Asset-Management, Mitarbeiterschulungen, Presseveranstaltungen, PR-Arbeit und Marketing. Alle Menschen um mich herum haben das schließlich auch von mir erwartet. Schlussendlich habe ich alles, aber nichts mehr richtig, gemacht. Es bedarf eines längeren Prozesses, bis man erkennt, dass man sich eigentlich belügt und man allen anderen nur vorgaukelt, alles im Griff zu haben. Irgend-
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wann muss man zu sich selbst sagen: Ich konzentriere mich auf das, was ich in meiner eigenen beruflichen Laufbahn wirklich gern mache! Das war für mich Asset-Management, also Vermögensverwaltung. Das ist bis heute auch ein ganz großer Unterschied zu vielen Vermögensverwaltern in Deutschland. Viele waren ursprünglich Anlageberater, bis sie plötzlich irgendwann feststellten, auch das Geld der Kunden verwalten zu können. Wir haben uns mit der Gründung der Greiff von Anfang an auf die Verwaltung von Vermögen konzentriert. Wir beraten keine Kunden, wir betreuen keine Kunden, sondern wir managen Fonds. Das halte ich für sehr wichtig, weil man nicht gleichzeitig eine gute Beratung gewährleisten und sich nebenbei um die Gelder der Kunden kümmern kann. Das ist vielleicht ein Unterschied zu anderen Häusern. Was wir nicht machen wollten, ergab sich natürlich aus den Erfahrungen, die Edgar Mitternacht und ich bis dahin in anderen Vermögensverwaltungen gemacht haben: Erstens, nicht allzu euphorisch investieren in der Hoffnung, dass Boom-Phasen ewig weitergehen. Das kommt uns gerade jetzt sehr zugute. Die Greiff AG hat auch im Jahre 2008 ein positives Jahresergebnis abgeliefert, was nicht viele Finanzhäuser von sich behaupten können. Zweitens, nicht mit Fremdkapital arbeiten. Wir sind seit der Gründung rein eigenkapitalfinanziert. Das ist nicht nur in Krisenzeiten ein feiner Unterschied. Man erspart sich dadurch gewisse Abhängigkeiten von Geldgebern, die in der Vermögensverwaltungsverantwortung gegenüber den Investoren nicht gut wären. Drittens, wir wollten immer ein kleines und feines Haus bleiben, was die Anzahl und den Umgang mit Mitarbeitern betrifft. DirkSammüller,SiesindSeniorPortfolioManagerbeiderGreiffAG.WashatfürSie den Ausschlag gegeben, für die Greiff AG zu arbeiten, und beispielsweise nicht für eine„große“renommierteFondsgesellschaft?
Sammüller: Es gibt dafür zwei Gründe, einen persönlichen und einen beruflichen. Als ich noch bei der Feri in Bad Homburg arbeitete, habe ich unter der Woche getrennt von meiner Familie gelebt, was ich auf Dauer aber für einen eher suboptimalen Zustand halte. Also gab es zwei Alternativen, entweder die Familie mit nach Frankfurt oder Bad Homburg zu nehmen oder aber zurück nach Baden-Baden zu gehen. Es hat sich dann abgezeichnet, dass sich Baden-Baden weiterhin als familiärer Lebensmittelpunkt herauskristallisieren sollte. In erster Linie war aber der berufliche Grund dafür ausschlaggebend. Ich hatte schon immer die Idee, ein eigenes Fondskonzept nicht nur zu entwickeln, sondern letztendlich auch auf die Startrampe zu schieben. Aus den persönlichen Kontakten zu Volker Schilling und Edgar Mitternacht ergaben sich dann die ersten Gespräche. Beide waren begeistert, sodass wir zusammen diese Fondsidee angeschoben haben. Mit solchen Ideen muss man sich natürlich an Kollegen wenden, die eine ähnliche Denkweise haben. Es muss zur Philosophie des jeweiligen Hauses passen, was bei einer großen Fondsgesellschaft sicherlich nicht der Fall gewesen wäre. Bei Greiff hat man sehr hohe Freiheitsgrade, und es wird viel Eigeninitiative erwartet. Aber das sind eigentlich genau die Punkte, die ich für mich persönlich in Anspruch nehmen möchte. Und daher fühle ich mich in einer kleinen Einheit deutlich besser aufgehoben als beispielsweise bei einem großen renommierten Haus. Ob wir selbst groß und renommiert werden, das liegt nun wiederum an uns. Und daran arbeiten wir.
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Wie haben Sie Ihre Erfahrungen im Vermögensverwaltungsgeschäft gesammelt, bevor SiefürdieGreifftätigwaren?
Schilling: Ursprünglich komme ich von der Deutschen Bank. Ich habe dort meine Ausbildung gemacht und anschließend im privaten Anlagemanagement gearbeitet – heute heißt das Private Banking oder Wealth Management. Anschließend bin ich nach Mannheim, wo ich elf Jahre lang tätig war. Ich habe dort die heutige Performance AG mitgegründet und das Unternehmen von einer einfachen Fondsberatungsgesellschaft hin zu einer Vermögensverwaltung und Honorarberatung mitaufgebaut. Zehn Jahre Anlageberatung zu machen ist ein Vorteil, den auch Dirk zu schätzen weiß. Wenn man weiß, wie Anleger denken und welche Erwartungshaltung sie an ihre Geldanlage haben, fällt es einem als AssetManager leichter, diese Wünsche und Vorstellungen der Anleger in der Verwaltung von Geldern besser umzusetzen. Es hilft einem zu verstehen, wie der Anleger funktioniert oder tickt. Ich möchte es an einem Beispiel deutlich machen: Ich kann als Vermögensverwalter nach zehn Jahren ein tolles Anlageergebnis erzielt haben, sagen wir 20 Prozent Rendite per annum. Aber wenn ich dies nur mit enormen Volatilitäten erreiche und zwischenzeitlich 70 Prozent der Gelder verliere, dann habe ich am Schluss womöglich nur unglückliche Anleger, trotz guter Durchschnittsrendite. Von einem Vermögensverwalter wird in der Regel erwartet, dass er nicht nur die langfristige Rendite im Blick hat, sondern eben auch die Nerven der Anleger, sprich das Risiko. Wer mal Anlageberatung gemacht hat, weiß, was man sich in schwierigen Marktphasen von den Kunden anhören muss. Diese Erfahrung kann man gut in das Asset-Management miteinbringen. Sammüller: Ich kann das nur bestätigen und würde noch einen kleinen Punkt hinzufügen. Ursprünglich komme ich aus einem genossenschaftlichen Bankhaus und war dort auch in der Anlageberatung tätig, habe das „Depot A“, also die Eigengelder der Bank verwaltet, war im Devisen- und Rentenhandel. Anschließend bin ich ins Dachfondsmanagement gewechselt, und jetzt verwalte ich u. a. auch einen Aktienfonds. Es ist unheimlich wichtig, dass man das Anlagegeschäft durchaus in völlig unterschiedlichen Positionen beruflich begleitet hat, weil man in jedem Bereich sehr viel dazulernen kann. Letztendlich sind es dann die einzelnen Mosaiksteine, die man braucht, um sie zu einem schönen Gesamtbild zusammenzufügen und um letztendlich in unserem Bereich als komplett zu gelten. Es gibt viele Jungs in großen Häusern, die direkt nach der Uni bei einer großen Fondsgesellschaft anfangen. Die sind wahrscheinlich deutlich besser als wir, was ihr theoretisches Hintergrundwissen betrifft. Das Problem ist, sie kennen nur die Welt, in der sie arbeiten. Aber sie vergessen dabei, dass die Welt eigentlich viel größer ist. In dieser Welt leben Leute, die im Prinzip von ihnen abhängig sind, nämlich die Anleger. Und das sind zwei völlig verschiedene Universen. Wenn man über den Erfahrungsschatz verfügt, in mehreren Bereichen gearbeitet zu haben, dann glaube ich, dass man diese beiden Universen schön zusammenführen kann.
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Gibt es bestimmte Finanzmarktbücher, die Sie besonders gern gelesen haben und unbedingtweiterempfehlenwürden?
Schilling: Das ist natürlich eine Knock-out-Frage, weil einem sofort zehn Bücher einfallen, die man alle irgendwie gleichwertig sieht, und man möchte eigentlich keines davon hervorheben. Aber generell finde ich Finanzmarktbücher hochinteressant, weil sie nahtlos an das anknüpfen, worüber wir auch gerade sprechen. Bevor ich aber irgendein Buch nenne, möchte ich noch eine Bemerkung voranstellen. Wenn man als Vermögensverwalter das Geld fremder Leute managt, muss man sich grundsätzlich eine eigene Meinung über den Markt bilden und kann nicht ständig die Meinung eines anderen adaptieren. Man muss verschiedene Meinungen über das gleiche Thema hören, sehen und lesen, um letztlich daraus für sich ein eigenes Bild formen zu können. Ich glaube, man kann von einem mündigen Geldverwalter verlangen, dass er seine eigene Sicht der Dinge entwickelt und nicht nur die Sachverhalte „nachplappert“, die er gerade in der Tageszeitung gelesen oder sonst wo gehört hat. Dazu gehört natürlich auch der Austausch mit Kollegen, auf den Markt zu hören und für meine Begriffe auch Literatur zu diesem Thema zu lesen. Dem Privatanleger würde ich das Buch „Das große Unvermögen“ empfehlen, mit dem Untertitel „Warum wir beim Reichwerden immer wieder scheitern“. Das ist ein wirklich gutes Buch für Privatanleger, was von zwei „Stern“-Redakteuren geschrieben wurde, mit einem Vorwort von Helmut Schmidt. Die Autoren beschreiben mit ganz offenen und ehrlichen Worten, warum wir in Deutschland finanzielle Analphabeten sind und warum das wahrscheinlich auch lange Zeit so bleiben wird. Für die institutionellen Anleger, also für jene, die ein bisschen Ahnung von der Materie haben sollten, gibt es ein wunderbares Buch von Nassim Taleb, es heißt „Narren des Zufalls“. Es würde der gesamten Branche sehr gut tun, wenn das jeder mal lesen würde. WasreiztSieanIhremBeruf?
Sammüller: Ich finde unseren Beruf unheimlich spannend, weil man zum einen täglich gefordert, messbar und transparent ist. Das heißt, jeder Tag ist im Prinzip anders. Man kann oftmals morgens noch nicht sagen, was sich im weiteren Tagesverlauf ergibt. Das erfordert natürlich eine unheimliche mentale Stärke, die mir auf jeden Fall Spaß macht, weil ich gern die Hausforderung suche und mich ihr auch stelle. Zum Zweiten hat Börse oder Geldanlage natürlich auch sehr viel mit dem täglichen Leben zu tun. Wenn man abends die Tagesthemen schaut, ist man irgendwie immer mit den Finanzmärkten verbunden. Man nimmt seine Umwelt aus einem ganz anderen Blickwinkel war, als es vielleicht der Maler oder der Bäcker eben tun, weil man die Bedeutung bestimmter Finanzmarktthemen für das Leben selbst viel näher und greifbarer erlebt. Schilling: Mir fällt dazu noch ein ganz profaner Punkt ein, nämlich Geld zu verdienen. Und das ist auch ein vollkommen legitimer Ansporn. Vielleicht sagt das niemand so direkt, aber ich möchte es mal ganz deutlich formulieren. Das ist ein unheimlich toller Beruf, ein skalierbarer Beruf. Was will ich damit sagen: Ich kann mit dem gleichen Zeit- und Be-
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treuungsaufwand 100 oder 200 Millionen Euros verwalten. Wie viele Berufe können das? Ein Bäcker hat nur begrenzt Zeit und damit eine begrenzte mögliche Anzahl von Brötchen, die er backen kann. Wenn Sie als Vermögensverwalter Ihren Job gut machen, das Geld der Kunden erhalten und vermehren, dann verdienen Sie automatisch auch mehr Geld. Insofern haben sowohl der Anleger als auch der Vermögensverwalter ein gleichgerichtetes Interesse. Geld zu verdienen ist ein wichtiger Faktor, aber Geld allein ist keine Motivation, die über Jahre hinweg hält. Für mich ist der große Reiz dieses Berufs der Kontakt zum Menschen: Der Kontakt zu all den Finanzdienstleistern, die mit unseren Bausteinen arbeiten, zu Anlegern, die man auf Veranstaltungen oder auf Vorträgen kennenlernt, zu Finanzzeitschriften und Fernsehsendern und letztlich zur gesamten Community der Vermögensverwalter, die sich erst in den letzten Jahren allmählich herauskristallisierte. Vor allem den Austausch mit Unternehmen unserer Größenordnung finde ich an unserem Beruf hochinteressant und sehr spannend. Sie schätzen zum einen den Kontakt zum Menschen, zum anderen sagten Sie, man müsse verschiedene Meinungen hören, um sich ein eigenes Bild der Finanzmärkte formen zu können. Von welchen Menschen lassen Sie sich gern in Ihrer Meinung beeinflussen,undinwelchenFällensindSieehervorsichtig?
Schilling: Auf alle Fälle möchte man ehrliche Antworten haben. Man bekommt zu oft nur Hausmeinungen oder Marketingantworten, die in großen Häusern schon im Vorfeld aufbereitet sind, was die „Allerwelt-Baukasten-Antworten-Systematik“ in unserer Branche widerspiegelt – der typische Einheitsbrei eben. Das Phrasenschwein, das dabei herumgereicht wird, ist mittlerweile sehr groß, und dazu gesellen sich dann die jeweiligen Modethemen, die gerade angesagt sind. In Hausse-Phasen wird alle drei Monate eine neue Sau durchs Dorf getrieben, die sich marketingtechnisch gerade gut vertreiben lässt, und in Baisse-Phasen hat die Schwarzmalerei Hochkonjunktur. Deswegen schätzen wir vor allem vermögensverwaltende Kollegen, die gern Dinge hinterfragen, querdenken und nicht daran glauben, dass wir in einer Welt von kausalen Zusammenhängen leben. Es ist viel interessanter, über gewisse Zeiträume hinauszudenken und sich über mögliche Chancen und Risiken im Klaren zu sein. Dagegen macht es überhaupt gar keinen Sinn, beispielsweise einen Long-Only-Manager zu fragen, wie er aktuell sein Marktsegment einschätzt, in dem er stets investiert ist. Was soll er denn sagen? Wenn er im Zweifelsfall mal wirklich ehrlich und entsprechend negativ gestimmt ist, entzieht er sich womöglich seine eigene Existenzgrundlage, nämlich das Geld, das er verwaltet. Also muss er sich möglichst kompliziert ausdrücken, sodass man seine Aussagen wie ein Arbeitszeugnis lesen muss. Am schlimmsten aber sind Fondsmanager, die immer recht haben und dermaßen von sich überzeugt sind und sich selbst nicht mehr hinterfragen. Man sollte nie glauben, alles im Griff zu haben, nur weil man einmal, eine Zeit lang oder für ein Jahr, mit seiner Meinung richtig gelegen ist. Deshalb bevorzugen wir den Austausch mit anderen Vermögensverwaltern, die sich selbst auch tatsächlich infrage stellen.
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Sich selbst infrage stellen ist also eine wesentliche Eigenschaft, um an den Finanz märktenerfolgreichzusein,alsoquasiständigeReflektion?
Schilling: Reflektion ja, aber nicht permanent. Es darf nicht darin münden, dass man sein Fähnchen nach jedem kurzfristigen Trend in den Wind hängt. Man muss natürlich auch den Mut und die Stärke haben, zu seinem Investmentstil zu stehen, gerade wenn man weiß, dass er über einen gewissen Zeitraum Erfolg bringt. Man darf nicht verwechseln: Sich Infragestellen heißt nicht, dass man ständig etwas verändern muss. Aber man muss kritikfähig bleiben und darf auch gegenüber anderen durchaus kritisch sein. Und wer austeilt, muss natürlich auch einstecken können. Welche sonstigen Fähigkeiten oder Charakterzüge halten Sie außerdem für entschei dend,umandenFinanzmärktenerfolgreichzuarbeiten?
Schilling: Gelassenheit, ich finde Gelassenheit extrem wichtig! Ich habe bemerkt, dass viele Fondsmanager, die wir in unseren Dachfonds allokieren, oft ein gewisses Maß an Gelassenheit mitbringen. Ich meine das nicht negativ im Sinne von „Laissez-faire“, sondern man muss sich auch mal zurücklehnen können, und nicht meinen, bei jeder neuen Information eine neue Aktion starten, eine Investition tätigen oder seine komplette Strategie verändern zu müssen. Diese Gelassenheit entdecken wir vor allem bei Fondsmanagern, die genau wissen, was sie können, und vor allem, was sie nicht können. Ich stelle immer wieder fest, dass die guten Fondsmanager über ihre Schwächen in bestimmten Marktsituationen und konstellationen auf Anhieb sprechen können. Das ist für mich immer ein gutes Zeichen, und zeigt, dass der Manager sich mit dem Thema Schwächen beschäftigt hat, und er es offensichtlich auch kommunizieren kann, was ich als menschliche Stärke werten würde. Sammüller: Viele gute Manager sind Querdenker, schon aufgrund der Tatsache, dass die große Masse an der Börse meistens irrt. Oft sind diejenigen erfolgreich, die das Thema Vermögensverwaltung aus ihrer eigenen Sicht angehen. Auch wir versuchen, uns eine eigene Meinung zu bilden, um dabei letztendlich die notwendige Standhaftigkeit zu entwickeln, ohne dabei den Fehler zu machen, sich nicht mehr zu hinterfragen. Das ist ganz klar. Aber darüber hinaus halte ich es durchaus für angebracht, auch mal mit Leuten über ein Thema zu reden, das mit der Branche im Speziellen gar nichts zu tun hat. Man selbst setzt häufig zu sehr diesen Tunnelblick auf. Ich habe auch schon mit anderen Leuten gesprochen, denen ich eine gewisse Grundintelligenz unterstelle, und dabei bekommt man durchaus gute Anregungen, die man wieder in sein Tagesgeschäft übertragen kann. Es ist sehr wichtig, dass man sich ab und zu aus dieser Community herauslöst und seine Denkweise in eine ganz andere Richtung lenkt. Außerdem benötigt man an den Finanzmärkten Disziplin, Disziplin und Disziplin! Das ist ein Beruf, in dem man extrem viel Disziplin braucht, in jeglicher Hinsicht. Das halte ich mit für die elementarste Voraussetzung, um langfristig erfolgreich in unserem Geschäft zu sein.
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Sie berücksichtigen also auch die Meinung von Personen außerhalb der Branche. Mir fällt zu diesem Thema das Buch von Gerd Gigerenzer ein: „Die Intelligenz des Unbe wusstenunddieMachtderIntuition“.Wennichmichrechtentsinne,lauteteineseiner Schlussfolgerungen, dass sich mit komplexen Systemen die Vergangenheit möglichst gut erklären lässt, es für die Prognose der Zukunft dagegen einfacher Faustregeln be 1 darf. LässtsichdasausIhrerSichtaufdieFinanzmärkteübertragen? Sammüller: Man sollte seine Modelle nicht so kompliziert konstruieren, dass man sie am Ende des Tages selbst nicht mehr durchschaut. Je komplexer ein Modell, desto anfälliger ist es. Das habe ich nach 15 Berufsjahren gelernt. Ich weiß nicht, wie viele Nobelpreisträger mittlerweile schon Schiffbruch erlitten haben, nur weil sie geglaubt haben, Außergewöhnliches leisten zu müssen. In aller Regel sind am Markt Produkte erfolgreich, die nach ganz einfachen Maximen gemanagt werden, welche diszipliniert eingehalten werden und die eigentlich auch jeder versteht. Ich glaube auch, dass die Zeit wieder für das einfache und transparente „Keep it simple“-Prinzip spricht. Viele Hedgefonds sind mit riesigem Kredithebel oder Long/Short-Strategien in bestimmte Anlagesegmente gegangen. Die Möglichkeit, Long/Short-Strategien zu verfolgen, hätten wir mit unseren Fonds sicherlich auch gehabt, aber wir haben stattdessen unsere Produkte von vornherein als Long-OnlyProdukt konzipiert. Wir wollten das machen, was wir mit unseren Möglichkeiten, Mitteln und Ressourcen auch beherrschen können. Das ist eine ganz elementare Grundlage, um langfristig erfolgreich zu sein. Und vor allem braucht man ein gewisses Quäntchen Glück. Schilling: Dies hört man übrigens oft von guten Fondsmanagern. Man muss deshalb das Thema Glück auch nicht verheimlichen. Jeder, der sich in der Szene auskennt, weiß, dass es so ist, und wird es folglich auch zugeben. Es hat natürlich nichts damit zu tun, dass hinter Glück keine Arbeit steckt. Auch Glück muss man sich erarbeiten. Erst gilt es, die Anlagethemen aufzubereiten, bevor man sich sozusagen dem Glück aussetzen darf. Sammüller: Das leuchtende Beispiel aus dem Fußball ist der FC Bayern München. Alle sprechen immer vom typischen Bayern-Dusel. Aber am Ende des Tages ist ihnen das Glück auch hold, weil sie es eben ein bisschen mehr erzwingen als andere. Einfachundtransparent:BeschreibendieseAdjektiveletztlichIhreAnlagephilosophie inderVermögensverwaltung?
Schilling: Keep it simple, ja! Ein Asset-Manager muss die Dinge, die er tut, auch jemandem erklären können, der keine Ahnung von unserem Martyrium hat. Eine unserer Fragen an Fondsmanager ist häufig: Wie erklären Sie Ihrer eigenen Großmutter, was Sie beruflich machen? Wenn das jemand kann, dann hat er es auch verstanden. Der eine oder andere Asset-Manager versteckt sich oft hinter Fachbegriffen oder hinter Erklärungen von Anlageprozessen, die sehr komplex und sehr verwirrend klingen, ist aber nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten. Mir drängt sich dabei immer das Gefühl auf, dass er vielleicht
1 Vgl.: Gigerenzer, Gerd (2008), S. 163
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gar nicht genau weiß, was er eigentlich tut, aber weil die gesamte Branche so arbeitet und er es bei seiner Investmentgesellschaft so gelernt hat, tut er es eben auch. Das macht mir immer ein bisschen Angst. Und deshalb versuchen wir, einfach zu arbeiten. Wie würden Sie Ihrer Großmutter erklären, was Ihre Anlagephilosophie außerdem kennzeichnet?
Schilling: Wenn ich es mit einem Satz beschreiben müsste: Wir sind kein Vermögensverwalter, sondern sind ein Vermögenserhalter. Es geht erst mal darum, die einem anvertrauten Gelder zu erhalten. Das heißt nicht, dass es nicht zu Wertschwankungen oder Negativphasen kommen wird. Aber über den vereinbarten oder angestrebten Zeithorizont ist Kapitalerhalt das erste Ziel, die erste Maxime. Die zweite Maxime lautet folglich: Rendite, aber nicht zu jedem Risiko! Im Zweifelsfall wird die zweite Maxime „Rendite, aber nicht zu jedem Risiko“ zurückgestellt, wenn die erste Maxime „Vermögenserhalt“ über den definierten Zeitraum in Gefahr ist. Das klingt einfach, und das müsste eigentlich jeder verstehen. Wir sind nicht der Vermögensverwalter für jenen Anleger, der den Renditemaximierer sucht. Wir sind nicht darauf aus, das Maximum an möglicher Rendite in jeder Marktphase herauszuholen, das ist nicht unser Job! Wenn jemand diese Erwartungshaltung hat, dann sind wir als Vermögensverwalter für ihn auch gar nicht geeignet. Vielleicht gibt es andere, die das können. Haben Ihre Anleger Ihre Philosophie verstanden, oder gab es Phasen, in der das offensichtlichnichtderFallwar?
Schilling: Wir hatten bei der Greiff AG die schwierigste Phase im Jahre 2007. In diesem Jahr sind die Aktienmärkte noch prächtig gelaufen, der DAX verbuchte über 20 Prozent Wertzuwachs, und wir hatten nur leichte einstellige Zuwächse zu verzeichnen, da wir zu diesem Zeitpunkt schon deutlich defensiver und kritischer aufgestellt waren. Daher musste ich mich der Diskussionen stellen: „Herr Schilling, die Märkte boomen, und Sie sind nicht dabei, Sie sind doch der Vermögensverwalter. Sie müssen in solchen Marktphasen doch riesige Erträge erzielen!“ Und wenn ich dann die Frage stellte: „Hätten Sie mich auch angerufen, wenn der Markt zusammengebrochen wäre und Sie nicht investiert gewesen wären?“, dann ist es am anderen Ende oft verstummt: „Natürlich nicht.“ Das allein ist aber nicht schlimm. In diesen Phasen werden einem immer zehn andere Fonds vorgehalten, die 25, 30 oder 40 Prozent Wertzuwachs verzeichnet haben. Unser Ratschlag lautet dann immer: „Kaufen Sie diese vier bis fünf Fonds, aber rechnen Sie damit, dass diese Fonds uns auch auf dem Rückweg von oben nach unten wieder überholen werden!“ Es wird jedes Jahr Investments geben, die besser sind als wir, was bei 14.000 käuflichen Fonds auch nicht sonderlich schwer ist. Das ist genau der Grund, weshalb die meisten Anleger – ketzerisch formuliert – mit ihren Investmentfonds nie Geld verdient haben, obwohl es sich dabei um Fonds handelt, die nachweislich über die letzten zehn oder 20 Jahre im Durchschnitt gute Renditen erzielten. Aber sie haben eben in den dümmsten Momenten diese Investments erworben und sich in den schlechtesten Phasen wieder davon getrennt.
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WaswarderGrund,warumSiesichaufeineFondsVermögensverwaltungspezialisiert habenundnichtaufEinzeltitel?
Schilling: Wir haben mit unserem „Special Situations Fund“ auch einen Fonds, der sich auf Einzeltitel spezialisiert hat, aber sich ausschließlich auf Übernahmesituationen konzentriert. Das ist aber ein Sonderfall. Deswegen heißt dieser Fonds ja auch „Special Situations“. In der Vermögensverwaltung konzentrieren wir uns ausschließlich auf Fonds. Das hat einen ganz simplen Grund. Wir können es nicht mit Einzelaktien! Warum nicht? Weil unsere Vermögensverwaltung global aufgebaut ist, um in den Portfolios eine möglichst sinnvolle und gute Streuung zu gewährleisten. In diesem Punkt bin ich auch ganz ehrlich: Wenn ich mit unseren eigenen Systemen feststelle, dass sich der Markt in Korea wunderbar entwickelt, dann habe ich noch lange keine Ahnung vom koreanischen Markt. Natürlich kann ich Ihnen eine Daewoo oder eine Samsung nennen, die wahrscheinlich alle Anleger in solch einer Phase kaufen würden, aber ich habe überhaupt keine Ahnung, welche Usancen, Gewohnheiten, Gepflogenheiten und Reglementierungen dieser Markt hat. Das alles kann ich nicht leisten! Aber ich kann jemanden finden, der ein absoluter Spezialist in diesem Markt ist, vielleicht sogar einen Koreaner. Meine Aufgabe besteht darin, festzustellen, ob er wirklich ein Spezialist ist und wie er arbeitet. Ich denke, wir haben eine hohe Expertise in der Auswahl, Analyse und Beurteilung von Investmentfonds und Fondsmanagern, aber wir haben keine Expertise in der Auswahl, Bewertung und Gewichtung von Einzelaktien. Das ist der Grund, warum wir uns ausschließlich auf Fonds konzentrieren. InvestierenSieausschließlichinFondsoderauchinZertifikate?
Schilling: Wir investieren in Fonds, wobei wir uns auferlegt haben, keinen Zielfonds auszuwählen, der über weniger als 20 Mio. EUR Volumen verfügt. Abgesehen von der etwas höheren Kostenbelastung, die man im Falle einer guten Arbeit sogar vernachlässigen könnte, würden wir nur dem Fondsmanager wehtun, wenn wir die Gelder wieder abziehen müssten, und würden damit auch anderen Investoren schaden, die in dem „kleinen“ Fonds investiert blieben. Ansonsten fassen wir keine Konstruktionen an, die nur gebaut werden, damit sie ein Dachfonds rechtlich kaufen darf. Ganz derb ausgedrückt: Ich darf keinen Dreck in mein Depot kaufen, packe ich ihn aber in Zellophan, dann darf ich es. Mit anderen Worten, einige Assets dürfen von Dachfonds nicht erworben werden. Macht man daraus aber ein Zertifikat, verlinkt es mit irgendeinem Basket oder einem Index, und packt das Ganze wiederum in ein Anleihepapier, darf man es letztlich doch kaufen. Dies halte ich für vollkommen verfehlt, und deshalb machen wir so etwas auf keinen Fall. Für unsere Zielinvestments gilt: Wir müssen verstehen, was darin passiert, sonst fassen wir es nicht an. InwelcheAnlageklasseninvestierenSie?
Schilling: Prinzipiell stehen uns alle Anlageklassen offen. Wir haben unsere FondsVermögensverwaltung auf Dachfondsbasis organisiert, weil es kostentechnisch, steuerlich und auch von der Überprüfbarkeit des Erfolgs für jeden Investor sehr effizient ist. Dabei
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müssen sie natürlich die gesetzlichen Regelungen für die jeweiligen Asset-Klassen einhalten, was zwar grundsätzlich keine großen Probleme bedeutet, sie aber manchmal an gewissen Anlageentscheidungen hindert. Wir dürfen zum Beispiel nicht in physische Rohstoffe investieren. Das ist auch in Ordnung, weil niemand einen Haufen Öl oder Kohle in seinem Dachfonds sehen möchte. Aber das bedingt auch, dass wir nicht in Zielfonds investieren dürfen, die wiederum physische Rohstoffe handeln. Das kann erschwerend sein, wenn wir direkt an der Wertentwicklung der Rohstoffpreise partizipieren wollen und nicht an der Aktienentwicklung der Rohstoffproduzenten. Aber prinzipiell stehen uns alle Anlageklassen offen, was nicht immer ein Vorteil ist. Auch wenn alles erlaubt ist, muss man nicht alles machen. Fondsmanager, die sich nur auf das Market Timing zweier AssetKlassen wie Aktien und Kasse konzentrieren, haben das häufig besser im Griff als diejenigen, die versuchen, alle Asset-Klassen zu spielen. In der Finanzkrise hat man im Jahre 2008 gesehen, dass man mit jenen Multi-Asset-Fonds, die an einer starren Asset-Allokation festhielten, extreme Verluste erleiden konnte. Der sogenannte Diversifikationseffekt durch eine Streuung über alle Anlageklassen hat letztlich nichts gebracht. StichwortFinanzkrise:WaswarfürIhrHausdiebislangschwierigsteMarktphaseund warum? Schilling: Zu Beginn der Finanzkrise in den Jahren 2007 und 2008 hatten wir sehr schnelle Trendwechsel am Aktienmarkt, die sich als v-förmige Einschnitte im Kursverlauf niederschlugen. Einen ähnlichen Rücksetzer hatten wir zuvor im Mai bis Juli 2006, als sich die Märkte innerhalb kurzer Zeit wieder erholten. Unser System arbeitet auch mit StopSystematiken, um eben genau solche ganz schwierigen Abbrüche abfedern zu können. Wenn es aber zu schnellen Trendwechseln kommt, werden oftmals auch mehrere Stops hintereinander ausgelöst, sodass Ein- und Ausstiegssignale kurzfristig aufeinanderfolgen und dadurch einen Wertrückgang auf Raten produzieren. Zu Beginn einer Abwärtsphase oder eines Crashs ist so etwas häufig zu beobachten. In der Hausse-Phase davor kommen die Volatilitäten an den Märkten häufig zurück, und da wir in unserem eigenen System die Stop-Loss-Marken an der Volatilität ausrichten, hatten wir auch zu Beginn der Finanzkrise die Stop-Marken noch relativ eng am Marktpreis gesetzt. Wir sind daher anfänglich häufiger ausgestoppt worden, bis wir dann endlich komplett aus dem Markt waren. Mit der weiteren Zuspitzung der Finanzkrise hat sich das vollkommen reguliert, da die Volatilität an den Märkten deutlich angestiegen ist, wodurch sich die Schwäche unseres eigenen Systems wieder relativiert hat. (Siehe Abbildung2.1) Sammüller: Es handelt sich bei unserem System ganz grob gesprochen um ein Trendfolgemodell. Trendfolgemodelle haben in gewissen Marktphasen immer Schwächen, vor allen Dingen, wenn die Bewegungen mehr oder weniger volatil seitwärts gehen. Dabei läuft man natürlich immer Gefahr, irgendwo an den Wendepunkten ein- oder ausgestoppt zu werden. Wenn sich dagegen lange Trends etablieren, ist man mit Trendfolgesystemen in aller Regel gut positioniert.
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Abbildung 2.1
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Verhalten von Trendfolgestrategien am Beispiel des Greiff Dynamisch Plus OP seit Auflage (Quelle: Lipper Investbase, eigene Darstellung)
Sie verwenden einen Trendfolgeansatz für die Bestimmung der AssetAllokation in Ihren Portfolios. Ich habe gelesen, dass Sie das Trendverhalten sämtlicher Fonds beziehungsweiseMärkteanalysieren.WiesiehtIhrInvestmentprozessaus? Schilling: Auf der ersten Analyseebene unterscheiden wir Fonds nicht nach klassischem Schema, in Aktien-, Renten-, Immobilien-, Hedge- und Geldmarktfonds, sondern wir unterscheiden sie nach ihren Volatilitätsausprägungen. Wir klassifizieren Fonds anhand ihrer 250-Tage-Volatilität, also der 1-Jahres-Volatilität, wenn man so will. Wir nutzen eine Fondsdatenbank und unterteilen die Fonds in verschiedene Volatilitätsklassen, nämlich 02, 2-5, 5-10, 10-20, 20-30 und größer 30 Prozent. Das Interessante daran ist, dass sie zum Beispiel in einer Volaklasse 10-20 Prozent einen globalen Value-Aktienfonds genauso finden wie einen Emerging-Markets-Anleihenfonds, da sie beide eine ähnliche Volatilität aufweisen. Warum machen wir die Unterscheidung in Volatilitäten überhaupt? Das hat mit der Denke der Anleger zu tun. Dem Investor ist es vollkommen egal, ob er mit einem Aktienfonds oder mit einem Rentenfonds Geld verliert. Es ist ihm Wurst, weil er nämlich überhaupt kein Geld verlieren will. Insofern kommt dem potenziell möglichen Verlust eines Fonds eine sehr hohe Bedeutung zu. Und eben diese Verlustmöglichkeit kann man sehr gut anhand von vergangenen Volatilitäten aufzeigen. Das bedeutet nicht, dass sich die tatsächliche Entwicklung eines Fonds an diese Einteilung halten muss, aber man erhält
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zumindest eine Einschätzung dafür, dass bestimmte Fonds deutlich größere Verluste produzieren können als andere. Ein Fonds aus der Volaklasse 2-5 Prozent ist natürlich nicht so anfällig wie ein Fonds aus der Volaklasse 20-30 Prozent. Wir aktualisieren diese Einteilung übrigens wöchentlich, weil sich Volatilitäten im Zeitablauf verändern. Auf der zweiten Ebene suchen wir in jeder einzelnen Volatilitätsklasse nach Trends, und das funktioniert bei uns relativ simpel: Wir erstellen jede Woche eine 20-Tage-Hitliste, indem wir die Fonds einer Volaklasse nach ihrer Performance in den letzten 20 Tagen sortieren. Da wir nicht alle Fonds in einen Topf gepackt, sondern zuvor unterteilt haben, erkennen wir auch schwächer ausgeprägte Trends in weniger volatilen Marktsegmenten. Wenn wir nach drei bis fünf Wochen realisieren, dass ein Fonds immer wieder zu den besten zehn Prozent seiner Volatilitätsklasse gehört, sprechen wir von einem Trend. Das ist für uns das Alarmsignal, dass sich in diesem Markt etwas tut. Dirk und ich hatten zu Beginn unserer Zusammenarbeit ein interessantes Gespräch. Er fragte mich, warum wir dieses System nicht einfach auf Basis von Indizes laufen lassen. Ich sagte daraufhin lapidar, dass wir 14.000 Indizes zur Verfügung haben, nämlich alle investierbaren Fonds. Wir entdecken dadurch Trends, die wir ansonsten gar nicht entdecken würden, wenn wir nur auf Basis der herkömmlichen Indizes arbeiten würden. Wenn man so will, nutzen wir jeden unserer Fonds als Index. Da die Ergebnisse der meisten Investmentfonds ohnehin ziemlich nahe an ihren Indizes liegen, ist dieser Ansatz gar nicht mal so schlecht. Dann folgt die dritte Analyseebene. In einem Meeting schauen wir uns die Trends genauer an, die Ergebnisse werden entsprechend unserer Aufgabenverteilung aufbereitet. Dabei überprüfen wir, ob es für diesen identifizierten Trend fundamentale Gründe gibt. Da wir keinen reinen Trendfolgeansatz verfolgen, wollen wir einen Trend nicht kaufen, nur weil er existiert, sondern wir suchen nach dem Grund für den Trend: Warum fließt Geld in diesen Markt, was sind die Katalysatoren dafür, welche Anlegergruppen sind am Kaufen, und gibt es wirklich eine fundamentale Unterstützung dafür? Wenn wir keine Gründe sehen, dann ist es für uns eher ein Schritt zurück. Manchmal ärgert man sich im Nachhinein, weil man keinen Grund entdeckt hat, obwohl es vielleicht doch einen gab. Aber es ist noch nie ein Anleger daran gestorben, dass er an einem Anstieg nicht teilgenommen hat. Wenn aber ein fundamentaler Grund gegeben ist, brauchen wir auf der nächsten Ebene einen Fondsmanager. Das muss dann nicht unbedingt der Fonds sein, der uns durch die Trendanalyse auf das jeweilige Thema aufmerksam machte, sondern wir suchen einen Fondsmanager, von dem wir nachweislich wissen, dass er eine gute Arbeit macht. Sobald dann ein Fonds in einem unserer Portfolios landet, bekommt er einen Stop-Kurs, also eine Absicherung nach unten. Dieser Stop-Kurs – und so schließt sich jetzt der Kreis – orientiert sich an der Volatilität des Fonds, die wir ohnehin auf der ersten Analyseebene messen. Das heißt, bei Fonds mit einer geringen Volatilität liegt der Stop in der Regel näher am aktuellen Fondspreis, bei Fonds mit einer größeren Volatilität liegt der Stop weiter weg. Unsere Stops passen wir wöchentlich an. Grundsätzlich gilt, dass man jedem Fondsmanager genügend Freiheiten geben muss, damit er seine Erfolge auch entfalten kann. Und dazu gehört es eben auch, schwierige Marktphasen mal mit ihm durchzustehen.
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IchhabedenEindruck,dassdieZahlderTrendfolgestrategienindenletztenMonaten und Jahren deutlich zugenommen hat, da sie in den Trendmärkten der letzten Jahre besonders gut funktionierten und Anleger darin das neue „Nonplusultra“ der Investmentansätze sehen. Kannibalisieren sich diese Systeme dadurch nicht irgendwann selbst und verändern in zunehmendem Maße die Charakteristik der Märkte: Trends werden länger, Korrekturen schärfer und die Trendwendephasen extremexplosiv?WieistIhreMeinungdazu?
Schilling: Ich denke, in einem vernünftigen Umfeld ohne Euphorie und Depression spielt das sowohl in steigenden als auch in fallenden Märkten wahrscheinlich keine große Rolle. Im Gegenteil, es ist vielleicht sogar ein Vorteil. Je mehr Anleger auf die Trendfolge setzen, desto besser wird sie wahrscheinlich sogar funktionieren – in normalen Phasen, nicht in diesen Extremphasen. Wir beobachten bei anderen erfolgreichen Trendfolgern, dass sie ihre Modelle meistens noch modifiziert und andere Ansätze mit eingebaut haben. Bei uns ist das nicht anders, und wir haben uns ebenfalls dazu entschieden, unseren Trendfolgeansatz zu ergänzen. Wir sind also kein reiner Trendfolger, das möchte ich noch mal ganz klar herausstellen, weil uns die Nachteile von Trendfolgemodellen bewusst sind. Wir haben versucht, durch weitere Modellbausteine einen Teil dieser Nachteile auszugleichen. Sammüller: Ich glaube, im Großen und Ganzen gebe ich Ihnen sogar recht. Ich sehe eine ähnliche Entwicklung. Wahrscheinlich kann man diesen Effekt sogar messen, vielleicht hat es auch schon jemand gemacht. Deshalb würde ich diese Beobachtung mitunterschreiben. Gerade an markanten Wendepunkten ist extreme Vorsicht geboten. Allerdings ist „Trendfolgemodell nicht gleich Trendfolgemodell“. Die Zeiträume, die herangezogen werden, sind unterschiedlich. Wir spielen in unserer Strategie nicht den ganz kurzfristigen Trend, sondern haben ein etwas größeres Zeitfenster. Wie Volker bereits sagte, haben wir auch antizyklische Komponenten in unseren Ansatz mit eingebaut, zum Beispiel über Zielkurse. Das heißt, eine Position wird verkauft, sobald der definierte Zielkurs erreicht wird. Sie suchen Fonds beziehungsweise Fondsmanager, die nachweislich gute Arbeit machen.WassindIhreSelektionskriterien,woraufachtenSiebesonders?
Schilling: Wir machen das, was alle anderen auch tun, und schauen uns zuerst die quantitativen Zahlen zu dem Fonds an. Es ist natürlich schön für einen Manager, wenn er Vergangenheitserfolge vorweisen kann. Dies zeigt, dass er bereits etwas geleistet hat. Aber ich kann dummerweise nicht in seine Vergangenheit investieren, sondern muss in seine Zukunft anlegen. Also stellt sich für uns immer die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für die Wiederholbarkeit seiner Erfolge ist. Um das herauszufinden, hilft kein Blick in einen Prospekt oder in Marketingbroschüren, sondern nur das Gespräch mit dem Fondsmanager: Wie tickt er, wie arbeitet er, wie denkt er, welche Investmentprozesse hat er etabliert, und dann eben auch die vorhin diskutierte Frage nach seinen Schwächen. Wenn wir dann ein hohes Vertrauen in die Wiederholbarkeit seiner Erfolge haben, investieren wir. Das ist letztlich das entscheidende Kriterium.
Volker Schilling und Dirk Sammüller
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VonFondsVermögensverwalternwirdnatürlicherwartet,dasssiestetsjeneFondsma nager finden, die ihre Erfolge wiederholen werden. Was bereitet Ihnen die größten Schwierigkeiten,dieseManagerzufinden?ȱ Schilling: In einem globalen Portfolio haben Sie die Fondsmanager natürlich nicht alle vor Ort in Freiburg, sondern weltweit verstreut. Also können Sie sich nicht gemeinsam an einen Tisch setzen, sondern müssen sich der modernen Medien wie Telefon und Videokonferenzen bedienen. Aber das ist natürlich eine ganz andere Atmosphäre, als wenn man ein persönliches Gespräch führt. Außerdem stellen wir häufig fest, dass Fondsmanager aus großen Häusern – ich möchte das nicht Maulkorb nennen – aber eine gewisse Art von Hausmeinung vertreten müssen und oft nicht frei über ihre Stärken und Schwächen sprechen können. Ein sehr schwerwiegender Nachteil ist, dass Sie schlichtweg belogen werden. Und das ist nicht selten der Fall, um es ganz deutlich zu sagen. Wir nennen das in unserem Hause „Märchenstunde“. Ich möchte es an einem konkreten Beispiel festmachen: Ein Fondsmanager sagt uns, dass er seine Stärken im Stockpicking hat, das heißt, ihm sind Branchen und Länder vollkommen egal, und er schaut sich stattdessen die einzelnen Unternehmen an, besucht sie vor Ort, unterhält sich mit dem Vorstand, prüft die Zahlen, prüft die Mitbewerber und dergleichen mehr – ein Stockpicker eben. Dann stellen Sie aber in der Performancebeitragsrechnung des Fonds fest, dass er mit Stockpicking sogar Geld verloren und stattdessen mit der Branchenauswahl Geld verdient hat. Er hat also die schlechtesten Werte in der richtigen Branche gekauft. Eigentlich müsste man dem Fondsmanager raten: „Hör auf mit Stockpickung, das kannst du gar nicht, konzentriere dich lieber auf die Branchenauswahl.“ Von den Märchenstunden, in denen Sie bewusst und absichtlich belogen werden, möchte ich erst gar nicht sprechen. Das sind jene Fälle, in denen Ihnen der Fondsmanager erzählt, was er im Portfolio gerade macht, und Sie stellen im Nachhinein fest – nachdem es in die Hose gegangen ist –, dass er eigentlich nichts gemacht hat. Das ist natürlich ein extremes Knock-out Kriterium für ein Investment. InvestierenSieinpassiveFonds,undwennja,unterwelchenBedingungen?
Sammüller: Prinzipiell gilt es, nichts von vornherein auszuschließen, egal ob passiv oder aktiv. Insbesondere, wenn man größere Vermögen bewegt, hat das passive Investieren Vorteile. Wenn man die Intention hat, eine Fondsposition in einem bestimmten Markt neu aufzubauen – vor allem bei noch jungen, kurzfristigen Trends –, möchte man keinen aktiven Fondsmanager damit quälen, ihm erst 50 Millionen Euro vor die Füße zu werfen, um ihm drei Wochen später die 50 Millionen wieder abzuziehen. Diesen Punkt weiß ich natürlich umso mehr zu schätzen, seitdem ich auch einen Aktienfonds verwalte. Das heißt, ein Fondsmanger ist davon abhängig, dass seine Investoren an seine Produktidee glauben und idealerweise eine Buy-and-Hold-Strategie verfolgen. Wenn man dies von seinen Investoren verlangt, muss man es natürlich auch anderen Kollegen zubilligen. Von daher ist ein ETF vielleicht eine gute und billige Möglichkeit, an einem kurzfristigen Trend zu partizipieren, von dem wir nicht glauben, dass der über viele Monate trägt.
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Volker Schilling und Dirk Sammüller
Schilling: Wir beschränken uns tatsächlich nicht auf aktive oder passive Fondsmanager. Das ist ja gerade der Vorteil, wenn Sie alle Fonds in dem Universum screenen. Meistens tauchen passive Fonds immer dann auf, wenn die aktiven schlecht sind, und umgekehrt. Ich habe kürzlich die BRIC-Fonds gescreent. Kein aktiver Fondsmanager hat annähernd einen BRIC-Index geschlagen. In diesem Fall ist man deutlich besser bedient, sich gar nicht erst mit den Fondsmanagern zu unterhalten, sondern eine passive Variante zu wählen. Man muss natürlich dahingehend vorsichtig sein, wenn behauptet wird, ETFs oder passive Fonds seien die besseren Investments. In der Kategorie Aktien Deutschland findet man wahlweise den ShortDAX-ETF oder den LevDAX-ETF auf Platz eins. Die Entscheidung, ob ein Anleger in einem Short-Produkt oder in einem gehebelten Long-Produkt investiert ist, kann viel mehr Schaden anrichten, als wenn er im aktiven Aktienfonds A oder B investiert ist. Sammüller: „Besser“ und „schlechter“ ist ohnehin eine Unterscheidung, die relativ gefährlich ist. Ich glaube, man muss eher sagen: geeignet, weniger geeignet oder ungeeignet. Das ist vielleicht treffender, denn letztendlich muss man bei der Selektion immer erst die Philosophie des Fonds verstehen, nämlich Markt, Stil, Fondsmanager und dergleichen. Wenn es das ist, was ich will, greife ich zu, oder lasse eben meine Finger davon. Es geht nicht unbedingt um Performance, Sharpe Ratio oder sonstige Kennzahlen, sondern es gibt bestimmte Marktphasen, für die sich auch Fonds eignen, die keine fünf Sternchen und auch kein ARating haben. Den richtigen Fonds zur richtigen Zeit, das ist letztendlich die Kunst! HandeltessichbeiIhrerStopLossStrategieumeinenValueatRiskAnsatz?
Schilling: Nicht wirklich; was damit zu tun hat, dass ich kein Freund von Value-at-RiskZahlen bin. Aber es geht in diese Richtung. Für uns ist lediglich wichtig, dass ein Fondsmanager die Schwankungen in seinem Fonds weiterhin behalten darf, aber wir wollen eben nicht die großen Marktaussetzer mit ihm mitgehen. Dazu eine kleine Anekdote am Rande: Viele unserer Kunden wollten einmal selbst miterleben, wie wir ein Fondsmanagergespräch führen. Wir haben dann einen Fondsmanager live vor Publikum „gegrillt“. Das Gespräch war übrigens mit dem Aktienfondsmanager Anko Beldsnijder von Mainfirst. Nach einer Weile fragte jemand aus dem Publikum: „Herr Beldsnijder, was halten Sie denn eigentlich von Stop-Kursen.“ Darauf antwortete Herr Beldsnijder sinngemäß: „Das halte ich für vollkommenen Mist! Warum? Ich bin Aktienfondsmanager. Wenn ich eine Firma analysiere, dann schaue ich mir die Bücher, das Produkt, das Management, die Mitbewerber, das Wachstum an, bewerte das Unternehmen und investiere gegebenenfalls. Wenn ich davon überzeugt bin, brauche ich keinen Stop-Kurs, sondern warte eben, bis der Markt die Wertsteigerungspotenziale entdeckt.“ Der fragende Zuhörer schaute mich an, weil er wusste, dass wir mit diesen Stop-Systematiken arbeiten, und sagte dann: „So, Herr Schilling, was sagen Sie denn jetzt dazu? Der große Star-Manager sagt, dass Stop-Kurse vollkommener Mist sind, und Sie arbeiten damit.“ Ich antwortete ihm: „Wissen Sie, das ist genau der Grund, warum wir mit Stop-Kursen arbeiten, weil er es nicht tut. Er ist ein guter Fondsmanager, aber in schwierigen Marktphasen wird er trotzdem Geld verlieren. Wenn der Markt um 60 Prozent fällt, verliert er vielleicht 50 Prozent. Dann gilt er zwar in seiner
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Arbeit als gut, aber ich stelle mir unser Gespräch spannend vor, wenn ich Ihnen sage, dass wir einen richtig guten Job gemacht haben, weil wir 10 Prozent weniger als der Markt verloren haben.“ Das genau ist nochmals der Grund, warum wir mit Stops arbeiten, um letztlich auch die guten Fondsmanager in unserem Portfolio abzusichern. PeterLynchschriebineinemseinerBücher,dassernichtvielvonStopLossStrategien hält,dadieAnlegerdamitmeistensdenVerlusterleiden,dergenaudemAbstandzwi 2 schenKaufpreisundStopLossentspricht. Schilling: Bei einem Asset-Manager wie Peter Lynch oder auch Anko Beldsnijder würde ich gar nicht wollen, dass er mit Stops arbeitet. Warum? Ich kaufe ja seinen Fonds, wenn ich der Meinung bin, dass der europäische Aktienmarkt steigt. Und dann möchte ich bitte auch, dass er an diesem Anstieg teilnimmt. Es macht einen großen Unterschied, ob ich als Fondsmanger ein bestimmtes Marktsegment abbilde oder ob ich einen vermögensverwaltenden werterhaltenden Ansatz pflege, der eben auch die Wünsche und Risikoaversion des Investors berücksichtigt. Deswegen sind Stops für einen Vermögensverwalter, wie wir ihn begreifen, wichtig. Sammüller: Die Erfahrungen sind sicherlich unterschiedlich. Ich begleite bei uns im Hause das Thema „Absolute-Return-Konzepte“. Ein ganz elementarer Punkt ist die Frage der Gewichtung und letztendlich des Risikobudgets, das ich für eine Portfolioposition vergeben kann. Aber um dies überhaupt beherrschbar zu machen, muss ich natürlich an irgendeinem Punkt eine Exit-Strategie festlegen. Auch wenn ich die Gewichtung richtig wähle und vielleicht sogar das Einstiegstiming gelingt, kann es mir dennoch passieren, dass mir die ganze Position aus dem Ruder läuft. Selbst mit einer Stop-Strategie kann sie aus dem Ruder laufen. Aber ich glaube, ein Investor erwartet, dass man sein Möglichstes tut, damit eben genau das nicht passiert. Insofern ist für mich die Stop-Loss-Strategie eine Systematik, die bedingt funktioniert. Es gibt Stop-Marken, an denen man ausgestoppt wird und die sich im Nachhinein exakt als Markttiefpunkt herausstellten. Aber sollte nur ein Fall auftreten, in dem es mich wirklich vor der Katastrophe bewahrt, dann hat mich diese Systematik für hundert andere Fälle entschädigt. Nehmen wir das Beispiel Asset Backed Securities (ABS). Vor drei Jahren waren ABS-Strukturen als Beimischung in defensiven Mandaten durchaus gang und gäbe. Ich hatte in meinem Dachfonds zwei ABS-Fonds im Bestand, beide sind unter ihren Stop-Kurs gefallen, beide wurden sofort verkauft (siehe Abbildung 2.2)! Einen Monat später waren die Produkte geschlossen. Was anschließend passiert ist, brauche ich nicht weiter auszuführen. Ich glaube, man misst einer solchen Systematik aufgrund dieser Erfahrung einen anderen Wert bei als jemand, der nicht damit arbeitet. Uns hat es geholfen, und letztendlich hat es auch dazu geführt, dass gerade dieser betroffene Dachfonds noch ein durchaus erfolgreiches Jahr hatte. Darüber hinaus betrifft das nicht nur unseren Investmentansatz oder unsere Anlagephilosophie, sondern es ist auch eine existenzielle Frage. Wenn ich das Vermögen all unserer Investmentfonds mit dem Markt nach unten fallen lasse, sind die Kunden unzufrieden, die eigene Firma verdient
2
Vgl. Lynch, Peter (1990), S. 313
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weniger Geld, und das kann letztendlich auch zum Ende einer Firma führen. Wir verwalten keine zehn Milliarden Euro wie große Fondsgesellschaften, sondern 200 Millionen Euro. Insofern ist es elementar wichtig, auf das Risiko zu achten. Abbildung 2.2
Stop-Loss-Systematik am Beispiel zweier ABS-Fonds, 2006 bis 2008 (Quelle: Lipper Investbase, Greiff Capital Management AG, eigene Darstellung)
112
110 StopLoss ausgelöst
108
StopLoss ausgelöst
Indexpunkte
106
104 SchließungvonFonds1 durchdieFondsgesellschaft 102 Positionsaufbau 100 Positionsaufbau 98
96
Fonds1
Okt.08
Nov.08 Dez.08
Sep.08
Aug.08
Jun.08 Jul.08
Apr.08 Mai.08
Jan.08
Feb.08 Mrz.08
Nov.07 Dez.07
Sep.07 Okt.07
Aug.07
Jun.07 Jul.07
Apr.07 Mai.07
Jan.07
Feb.07 Mrz.07
Nov.06 Dez.06
Sep.06 Okt.06
Aug.06
Jun.06 Jul.06
Apr.06 Mai.06
Jan.06
Feb.06 Mrz.06
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Fonds2
Wie konstruieren Sie Ihre Portfolios letztlich? Welche Gewichtungen messen Sie den einzelnenFondsideenbei,dieamEndeIhresInvestmentprozessesalsAnlageideeübrig bleiben?
Schilling: Das hängt vor allem auch von den Risikobudgets ab. Wir verwalten vier vermögensverwaltende Mandate, beginnend bei einem sehr sicherheitsorientierten Mandat bis hin zu einem dynamischen Mandat. Vor allem in unseren defensiven Mandaten haben wir uns Vorgaben auferlegt, was die maximal zulässigen Jahresverluste angeht. Deshalb aggregieren wir den Abstand zwischen Fondspreis und Stop-Kurs jeder einzelnen Position um den potenziell möglichen Verlust auf Portfolioebene zu ermitteln. Und das mündet in die Gewichtung unserer einzelnen Positionen. Wenn wir uns ein Kuchendiagramm unseres Portfolios anschauen, betrachten wir nicht nur die Aufteilung der Anlageklassen nach Aktien, Renten und Immobilien, sondern uns interessiert vor allem die Aufteilung nach
Volker Schilling und Dirk Sammüller
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unseren Volatilitätsklassen. Dabei versteht es sich von selbst, dass ein sicheres Mandat zu 98 Prozent in der Volaklasse 0-2 und 2-5 Prozent investiert ist, während ein dynamisches Mandat im Idealfall 80-90 Prozent seiner Allokation in den Volaklassen 10-20 beziehungsweise 20-30 Prozent hat. (Siehe Abbildung2.3) Abbildung 2.3
Volatilitätsklassen-Verteilung am Beispiel des GREIFF Dynamisch Plus OP per 12.6.2009 (Quelle: Greiff Capital Management AG, eigene Darstellung)
50% 45% 40,9% 40%
Portfolioanteilin%
35% 30% 25% 19,6%
20%
13,6%
15% 10%
9,5%
8,8% 6,4%
5% 0% 02
25
510
1020
2030
30
Volatilitätsklassen
Sammüller: Die Herangehensweise ist von Mandat zu Mandat verschieden. Es liegt auch im Freiheitsgrad des einzelnen Fondsmanagers, zu entscheiden, wie er dabei letztendlich vorgeht. Wenn ich ein Kaufsignal erhalte, dann achte ich auf die Gewichtung und auf das Risikobudget. In einem ersten Schritt erwerbe ich auf jeden Fall etwa zwei Drittel der angestrebten Zielgewichtung. Der erste Pflock ist damit eingeschlagen, und dann kann es sein, dass ich die Position durch kleinere Zukäufe ergänze. Insofern treffe ich meine Entscheidungen von der Risikomanagementseite ausgehend. Schilling: Ich verwalte das dynamische Mandat, wo es keine Restriktionen auf der Risikoseite gibt. Das hat zur Folge, dass ich erst mal kein Risikobudget einhalten muss. Für mich ist deshalb die Situation eine andere als bei Dirk. Ich bediene mich immer der Trends aus den höchsten Volaklassen. Finde ich dort nichts, dann begebe mich ich in die nächsttiefere Volaklasse. Eine Anfangsgewichtung beträgt in dem dynamischen Mandat in der Regel 3
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Volker Schilling und Dirk Sammüller
Prozent und endet maximal bei 10 Prozent. Und in dieser Spanne bewegen wir uns. Letztlich bekommt man eine Anzahl von maximal 20-25 Fonds im Portfolio. Das gilt übrigens für die defensiven wie für die dynamischen Mandate. Wir screenen wöchentlich 14.000 Fonds, davon identifizieren wir jede Woche ungefähr 300-600 Fonds mit Trends über alle Volaklassen verteilt. Durch den fundamentalen Filter schaffen es 100-120 Fonds. Durch die Fondsmanagerselektion, die permanent stattfindet, egal ob die Märkte gerade laufen oder nicht, finden sich zusätzlich nochmals 50-100 Fonds, mit denen wir dann letztlich die einzelnen Mandate bestücken. SiegehenindenMediensehroffenmitFondsempfehlungenum.BefürchtenSienicht, dass Ihre Analysen von anderen Marktteilnehmern verwendet werden, ohne dass Sie amEndedieVermögensverwaltungmachendürfen?
Schilling: Hoffentlich tun sie das, hoffentlich klauen sie es, um später festzustellen, dass mit der Fondsempfehlung allein überhaupt nichts erreicht ist. Die Fondsempfehlung an sich ist keine Dienstleistung, sondern die Dienstleistung besteht darin, den Fonds zum richtigen Zeitpunkt zu erwerben, zu überwachen und letzterdings auch irgendwann wieder zu veräußern. Letztlich werden Anleger, die mit diesen Fondsempfehlungen den Vermögensverwalter zu ersetzen glauben, mittel- bis langfristig feststellen, dass Empfehlungen gar nicht die Leistung eines Verwalters sind. Und wenn sie das erkannt haben, können sie gern bei uns anfragen. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Fonds, die sogenannte marktneutrale Strategien verfolgen, mit absoluten Renditezielen. Wie ist Ihre Meinung dazu, und inwieweit investierenSieinsolcheStrategien?
Schilling: Das ist die aktuelle Sau, die durchs Dorf getrieben wird, unabhängig von den 3 Märkten positive Renditen zu erzielen, weil in dieser Marktphase niemand mit den Märkten etwas zu tun haben will. Die Anzahl an marktneutralen Fonds ist mittlerweile extrem groß geworden, und die Strategien die darin umgesetzt werden, sind genau so unterschiedlich, wie das bei Mischfonds der Fall ist. Früher hießen einige marktneutrale Fonds oft auch Mischfonds, die sich erst seit Kurzem als marktneutral bezeichnen. Aber es gibt auch neue Techniken wie zum Beispiel Options- oder Volatilitätsstrategien und dergleichen. Wenn uns diese Fonds in unserer Analyse auffallen, schauen wir sie an und führen mit dem Fondsmanager ein Gespräch. Sollten wir nicht verstehen, was er in seinem Fonds macht, lassen wir die Finger davon. Wenn wir es nachvollziehen können, die Strategie plausibel und in einen sauberen Mantel gepackt ist, dann würde ein solcher Fonds auch Geld von uns bekommen. Wir sind in einer Reihe marktneutraler Fonds investiert, viele machen einen guten Job. Natürlich springt auch die Fondsindustrie auf diesen Trend an, und es werden Produkte lanciert, von denen ich lieber die Finger lassen würde. Eine wich-
3
April 2009
Volker Schilling und Dirk Sammüller
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tige Schlussfolgerung dabei ist: Performance gibt nicht recht! Es ist leider in unserer Branche immer noch der Fall, dass Performance anscheinend alles heiligt, weshalb es anscheinend immer wieder Fälle wie Meinl und Madoff geben wird, wo letztlich nur auf die Performance geschaut, aber nicht die Entstehung hinterfragt wird. Das ist ein ganz einfacher Ratschlag, den ich Privatanlegern immer wieder gebe: Wenn ihr wirklich nicht versteht, was in einem bestimmten Fonds passiert, dann lasst die Finger davon, auch wenn die Performance noch so toll und die Renditen noch so verführerisch sind. Und das gilt letztlich auch für uns. WelchemVermögensverwalterwürdenSiedennIhrprivatesGeldanvertrauen?
Sammüller: Ich aus meiner Erfahrung bin jetzt natürlich insofern ein gebranntes Kind, da ich in diesem Metier arbeite. Aber ich glaube, man sollte nicht demjenigen sein Geld anvertrauen, der die beste Performance vorzuweisen hat, sondern jemandem, den man als charakterlich korrekt einstuft. Das halte ich für wesentlicher! Schilling: Wir haben einen Kicker im Büro stehen und „kickern“ mit vielen Fondsmanagern, nicht nur, um Spaß zu haben, sondern man merkt letztlich, was für einen Charakter er hat: Ist er emotional, ist er ehrgeizig, ist er eher ruhig? Man bringt ihn in eine andere Situation und lernt ihn als Menschen kennen. Was glauben Sie, wie wird sich die Fondsindustrie in Zukunft entwickeln? Welche TrendserwartenSie?
Sammüller: Es ist immer eine unheimliche Prozyklik in der Branche. Auf Sicht der nächsten Monate spült es immer solche Ideen in den Vordergrund, die sich in den letzten sechs oder zehn Monaten bewährt haben. Und diese Produkte kommen dann eben neu auf den Markt. Diese Maschinerie hat vor zehn Jahren so funktioniert, sie funktioniert heute so und wird in zehn Jahren genauso funktionieren. Letztendlich wird am Ende des Tages die Qualität darüber entscheiden, wer erfolgreich und wer weniger erfolgreich am Markt ist. Die ganz großen Produktanbieter mit ihren tiefen Taschen können ohnehin in jeder Marktphase mitspielen, allein schon aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung. Aber die haben sich ihren Status auch irgendwann mal erarbeitet und haben in der Regel nicht umsonst so viele Gelder unter Verwaltung. Ich glaube aber auch, dass man nicht immer auf der Suche nach dem Ei des Kolumbus sein muss, auch in der Fondsbranche nicht. „Den Fonds“ wird man sowieso nicht finden, sondern man sollte auf Solidität und Qualität setzen. Denn letztendlich kommt der Erfolg nicht aus der Fondsauswahl, sondern aus der Gewichtung oder Zusammensetzung der einzelnen Bausteine. Und das ist ein Punkt, der wissenschaftlich erwiesen ist. Schilling: Ein Trend hat bereits begonnen, nämlich die Spaltung in passive und aktive Produkte. Allerdings pervertieren die passiven Produkte mittlerweile, was ihnen irgendwann das Genick brechen wird. Sie kreieren nämlich ihre eigenen Indizes und legen speziell dafür ETF-Konstruktionen auf. Die Fondsindustrie bringt alle möglichen Variationen an
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Volker Schilling und Dirk Sammüller
passiven Produkten hervor und tut so, als könne man damit alle möglichen Marktphasen, Themen, Branchen, Richtungen, Regionen und Ideen abbilden. Am Ende werden die Anleger letztendlich wieder feststellen, dass sie auch damit leider wieder Geld verloren haben, weil sie gar nicht in der Lage waren, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Allokation zusammenzubauen. Aber dieser Trend – Spaltung in aktiv und passiv – ist nach wie vor intakt. (Siehe Abbildung2.4) Bedingt durch die Finanzkrise und durch die extreme Verschachtelung von Finanzkonstruktionen wird das Thema Produktwahrheit und Klarheit ein weiterer Trend sein. Fondsgesellschaften werden künftig Fonds auflegen, die von Anlegern vielleicht wieder besser verstanden werden. Fonds werden dann nicht mehr Vanish Oxy Action Growth Fund heißen, um jetzt mal einen Fantasienamen zu bemühen. Für jemanden, der davon keine Ahnung hat, muss sich das wie ein Waschmittel anhören. Insofern wird man sich ein Stück weit zurück zu den Wurzeln begeben, um Klarheit im Fonds zu schaffen. Und wenn dem so ist, ist auch der Fondsindustrie wirklich ein guter Dienst erwiesen.
Siegeszug der ETFs setzt sich fort Mehr Anbieter, mehr Volumen, aber auch zunehmend komplizierte Produkte Weltweit konnten Anleger Ende April in beinahe 1700 börsennotierte Indexfonds (Exchange Traded Funds) investieren. Kaum eine andere Anlageklasse hat in den vergangenen Jahren einen derartigen Zuwachs verzeichnen können wie ETFs: Noch vor zehn Jahren existierten lediglich 33 Stück weltweit, allein in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres starteten 66 neue Produkte. [...] Ein Ende ist nicht abzusehen: Die Emittenten haben im Moment offenbar Pläne für über 750 neue ETFs in der Schublade. Die Möglichkeit, die Performance einer Vielzahl von Indizes und Märkten nicht nur transparent, sondern auch durch niedrige Kosten nachzubilden, überzeugt. Erst recht in Zeiten der Krise, wo viele aktiv gemanagte Fonds Schiffbruch erlitten. Doch ob es angesichts der wachsenden Konkurrenz für ETF-Anbieter bei dieser Transparenz bleibt, ist fraglich. Anstatt sich gegenseitig bei den Gebühren zu unterbieten, entwickeln die Anbieter immer kompliziertere Vehikel, um bestimmte Marktsegmente wie Hedgefonds abzudecken. Neue Konstrukte bieten dabei durchaus Chancen, zum Beispiel, wenn sie Märkte zugänglich machen, die Privatanlegern zuvor verschlossen blieben. Die große Auswahl müssen Anleger sich aber zunehmend mit mehr Mühe bei der Recherche nach dem richtigen ETF-Produkt einkaufen.
Quelle: Groß, Julia (2009), in: Euro am Sonntag, Nr. 22, 30./31. Mai 2009, S. 63
Volker Schilling und Dirk Sammüller
Entwicklung des weltweiten ETF-Markts, 1993 bis 07/2009 (Quelle: Eigene Darstellung nach Barclays Global Investors (2009))
1000
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Stück
Mrd.USDollar
Abbildung 2.4
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0
0 1993
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Anlagesumme(linkeSkala)
2001
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2003
2004
2005
2006
2007
2008
Jul09
AnzahlderProdukte(rechteSkala)
WaswarIhrschlechtesterFondspick,andenSiesicherinnern?
Schilling: Meiner war grauenhaft. Dass ich da mitgemacht habe, ist mir heute noch ein Rätsel, aber ich muss wohl dazu stehen, es war nordasia.com. Man muss sich vielleicht nicht so sehr schämen, wenn man bedenkt, dass Massen an Menschen dabei gewesen sind und der Fonds innerhalb kürzester Zeit fünf Milliarden Euro groß war. Der Fonds war zu diesem Zeitpunkt ein typisches Satelliteninvestment in unseren Portfolios, also eine Beimischung. In der Phase 2000 bis 2002 hatten wir die Satelliten nicht mit Stop-Kursen unterlegt und deshalb zu lange zugesehen. Der Schaden war nicht groß, weil die Gewichtung sehr gering war, aber es ist im Nachhinein betrachtet ein unheimlich ärgerliches Ereignis. Falls es die betroffenen Investoren beruhigt, gebe ich gerne zu, dass ich den Fonds auch in meinem Privatdepot hatte. Sammüller: Das klingt jetzt fast unseriös, weil ich kein Beispiel parat habe. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich meistens nur defensive Produkte gemanagt habe. Die größten Katastrophen sind mir rein fondstechnisch zum Glück erspart geblieben. Schilling: Aber mein Beispiel reicht ja auch für uns beide. Sammüller: Das meine ich auch!
Peter E. Huber
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„FürmichsindantizyklischesInvestieren,GeduldundDisziplin dieKardinaltugendenundGrundvoraussetzungenfürerfolgreichesAnlegen.“
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Peter E. Huber
StarCapital AG Fondsanalysten können gemein sein, besonders wenn sie in einem ihrer zahlreichen Managergespräche keine zufriedenstellenden Aussagen und Informationen von Fondsmanagern oder Vermögensverwaltern erhalten. Die Kollegen legen den Finger dann schon mal ganz gern in die zuvor mit Salz bestreute Wunde und bringen mit ihren spitzfindigen Fragestellungen auch die eloquentesten Investmentprofis gehörig ins Schwitzen. Und so spricht man im Fachjargon unter anderem auch vom „Managergrillen“, wenn man „Manager interviewen“ meint. Gestandene Vermögensverwalter wissen für gewöhnlich mit solchen Situationen umzugehen. Unter meinen Kollegen erinnert man sich noch gern an ein Managergespräch mit Peter Huber. Dem Vermögensverwalter aus Oberursel wurde einige Monate nach dem 11. September 2001 die Frage gestellt, was er denn an dem Tag, als die Börsen infolge der Anschläge ins Bodenlose gefallen sind, unternommen habe, um die Verluste seiner Vermögensanlagen in Grenzen zu halten. Die Fondsanalysten waren sich natürlich darüber im Klaren, dass es in dieser Situation keine „richtige“ oder „falsche“ Antwort geben kann, diese Frage war nur dazu gedacht, Herrn Huber aufs Glatteis zu führen. Nach einer kurzen Denkpause antwortete der Vermögensverwalter trocken: „Ich glaube, da war ich gerade mit dem Hund draußen!“ Kennen Sie die Geschichte mit dem Hund und dem Herrchen, mit der André Kostolany seinen Lesern und Zuhörern die Funktionsweise der Börse erklärte? Sie geht so: „Ein Mann geht auf der Straße spazieren. Er hat seinen Hund dabei. Und wie Hunde sich verhalten, läuft er vor und kommt wieder zu seinem Herrchen zurück. Dann läuft er wieder vor, sieht, dass er zu weit gelaufen ist, und kommt wieder zurück. So geht es die ganze Zeit. Am Ende kommen sie beide am gleichen Ziel an. Doch während der Mann schön langsam einen Kilometer zurückgelegt hat, ist der Hund herumgerast und hat vier Kilometer zu1 rückgelegt. Der Mann ist die Wirtschaft und der Hund ist die Börse.“ Peter Huber erzählt diese Geschichte äußerst gern seinem Publikum, egal ob es sich dabei um private oder institutionelle Anleger handelt. Wer Peter Huber kennt, weiß, dass er niemals versucht, die Börse oder den Weg des Hundes zu prognostizieren, sondern ausschließlich darauf abzielt, die Position des Herrchens und damit den fairen Wert einer Anlage ausfindig zu machen. Wer glaubt, dass sich Peter Huber dabei ausschließlich auf seine Erfahrung verlässt, irrt. Bei StarCapital baut man seit Gründung des Unternehmens
1 Kostolany, André (2007), S. 121
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Peter E. Huber
im Jahre 2000 auf die Kapitalmarktforschung und hat sich seitdem mit Aktien-, Rentenund gemischten Strategien einen Namen gemacht. Die Bewertung einer Anlage spielt bei allen Investitionsentscheidungen stets eine zentrale Rolle, egal ob es sich dabei um Aktien oder Renten handelt. Das wurde auch bei unserem Gespräch im Oberurseler Firmensitz deutlich, zumal Peter Huber nahezu jede Anlageentscheidung anhand von Bewertungsgrafiken und -tabellen untermauerte. Das eine oder andere Mal verschwand er zwischendurch in seinem Büro, um eine weitere Grafik oder Präsentation zu holen. Nicht nur die Selbstverständlichkeit und Offenheit, mit der er seine Sicht der Dinge erläuterte, sondern vor allem seine einfache und anekdotenreiche Sprache empfand ich als sehr angenehm und beeindruckend. Insofern fiel der Entschluss nicht schwer, unser Gespräch bei einem gemeinsamen Abendessen fortzusetzen. ErinnernSiesich,wasIhrerstesBörsengeschäftwar?
Meine ersten Börsengeschäfte waren Aktien von VW und AEG, das war 1968. Wie erfolgreich das war, weiß ich nicht mehr, aber ich glaube, es war nichts Besonderes. Wiekames,dassSieVermögensverwaltergewordensind?
Mit 18 Jahren kam ich durch einen wesentlich älteren Bekannten zu der Materie. Mein Bekannter hatte damals relativ wenig erfolgreich mit gefrorenen Orangensaftkontrakten herumspekuliert. Von ihm habe ich mir ein paar Bücher über Aktienanalyse und Börsenstrategien zugelegt. Ich fand das hochinteressant und habe das Thema dann eben weiterverfolgt und schließlich privat angelegt, damals natürlich mit sehr wenig Geld. Ein halbes Jahr arbeitete ich als Praktikant bei einer Privatbank in Zürich, zuerst in der Börsenabteilung und anschließend in der Fondsabteilung. Dort habe ich gemerkt, dass man bei einer Bank ohne Studium nichts wird. Von 1973 bis 1978 habe ich in Mannheim studiert und für „Das Wertpapier“ und andere Zeitschriften Aktienanalysen erstellt. Nebenbei habe ich schon drei Investmentclubs gemanagt und etwas Geld verwaltet. Es hat mir einfach Spaß gemacht! Mein Studium war ebenfalls auf die Börse ausgerichtet. Ich habe am Banklehrstuhl meine Diplomarbeit geschrieben. Der Titel lautete „Zusammenhänge zwischen Konjunktur und Börse“, eine empirische Arbeit, die damals mit 1,0 bewertet worden ist. Dann gab es von der Zeitschrift „Capital“ die ersten Börsenspiele überhaupt, und dabei hatte ich drei Jahre hintereinander – ich glaube, das war 1973, 1974 und 1975 – immer einen der vorderen Plätze belegt. Und das sind halt alles Dinge, die einen motivieren und die einen auf eine bestimmte Schiene bringen. Nach dem Studium bin ich dann als Wertpapieranalyst zu SMH (Schröder Münchmeyer Hengst) nach Frankfurt und habe dort dreieinhalb Jahre lang Anlagestrategien entwickelt. Wir waren damals mit die Ersten, die von der Börsendatenzentrale die ganzen Datenbanken kauften. Die Daten mussten noch bereinigt werden, beispielsweise um Bezugsrechte, was ein Riesenaufwand war. Und ich glaube, wir waren auch die Ersten, die in Deutschland empirische Tests im quantitativen Bereich durchführten, hauptsächlich Relative Stärke nach Levy und ähnliche Dinge. Diese Analy-
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sewerkzeuge, die in Amerika bereits bekannt waren, haben wir dann eben für den deutschen Markt getestet. Und nach diesen dreieinhalb Jahren – das war Anfang 1981 – habe ich mich schließlich selbstständig gemacht. Als Mensch bin ich nicht unbedingt jemand, der sich an geregelte Arbeitszeiten halten kann. Ich arbeite viel abends und am Wochenende. Damals hatte ich natürlich praktisch keine Kunden. Ab und zu hielt ich mal einen Vortrag vor einem Versicherer, aber ich hatte keinen Kontakt zu Privatkunden, denn ich war ja ursprünglich Analyst. Damit ich mich und meine Familie mit zwei kleinen Kindern finanzieren konnte, habe ich für drei Jahre die Redaktion einer Börsenzeitschrift übernommen: das „Börsen Journal“. Mit dem Verleger vereinbarte ich, dass ich sehr preiswert arbeite, dafür aber dieses Medium nutzen darf, um für meine Vermögensverwaltung zu werben, die wir dann im Jahre 1981 gründeten. Die „Neue Wirtschaftspresse“ und ich waren daran beteiligt. Damals war das ja alles nicht so streng reguliert, heute bräuchten Sie einen Riesenapparat. Ich habe mir ein Zimmer im Keller als Büro eingerichtet, und meine Frau hat Sekretärin gespielt. Zu dieser Zeit war von der BaFin oder sonstigen Institutionen noch keine Rede. Es konnte jeder Vermögensverwalter werden, von daher habe ich einfach losgelegt. Ich habe den Leuten, die mir ihr Geld anvertraut haben, von Anfang an gesagt: „Ich möchte keine Fixgebühr haben, sondern 10 Prozent vom Gewinn, wenn ihr zufrieden seid.“ Es war eben alles individuell, damals gab’s ja noch keine Private-LabelFonds oder ähnliche Dinge. Dann kam durch die Gewinnbeteiligung für mich eine gute Phase. Bereits 1982 hatte ich über eine Million DM Einnahmen aus Gewinnbeteiligungen, und so dämmerte es mir allmählich, dass das auch finanziell eine recht lukrative Sache sein kann. Wobei, es gehen ja viele Menschen in dieses Gewerbe, um möglichst schnell an Geld zu kommen. Das war nie meine Motivation. Ich hatte sehr starke andere Schwerpunkte. Was mich immer fasziniert hat, war die intellektuelle Herausforderung. Sie erhalten zur selben Zeit dieselben Informationen wie tausend andere Marktteilnehmer. Es ist wie ein spannendes Schachspiel. Wer zieht die besseren Schlüsse? Die anderen sind auch nicht blöd, und wenn Sie eine Outperformance erzielen wollen, müssen Sie diese den anderen abnehmen. Denn die Benchmark legt schließlich das Marktgleichgewicht fest, und der Rest ist ein Nullsummenspiel. Das war die eigentliche Herausforderung. Wie ging Ihr Werdegang weiter, nachdem Sie Ihre eigene Vermögensverwaltung gründeten?
Ich habe dann fast 20 Jahre lang die PEH Wertpapier AG aufgebaut, die ich schließlich im Frühjahr 2000 verkaufte. Davor hatte ich einen Partner mit in die Firma genommen, mit dem ich aber strategisch nicht über alles einig war. Und nach den 20 Jahren war ich auch etwas verbrannt, sodass ich letztlich meine Anteile veräußert habe. Damals war das ja eine recht günstige Phase. Ein Jahr später habe ich einen Freund getroffen, Dr. Vogel, der die WFBV Vermögensverwaltung führte und der viele Jahre bei mir Aufsichtsratsvorsitzender war. Er hat mich gefragt, ob ich bei ihm ein bisschen mithelfe, und so bin ich dann wieder in das Geschäft hineingerutscht. Nach seinem Tod im Jahre 2005 habe ich alle seine Anteile übernommen und deswegen bin ich jetzt bei StarCapital.
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GabeszuBeginnIhrerKarrierekonkreteVorbilderoderVermögensverwalter,dieSie besondersbeeindruckthaben?
Also es gibt sicher eine Menge, und ich habe natürlich auch viel gelesen, von Bernard Baruch zum Beispiel. Der war als Anleger sehr erfolgreich. Immer wenn er einen Banker auf der Straße traf, der ihm einen Aktientipp geben wollte, hat er ihn einfach stehen lassen. Oder George Soros, bei dem ich eine Zeit lang relativ viel Geld angelegt hatte, als ihn und seinen Quantum Fonds noch fast niemand kannte. Das war in den Jahren 1985 bis 1990. Ich habe schon gemerkt, dass langfristig recht erfolgreiche Investoren, die zwar nicht in jedem Jahr, aber im Durchschnitt über viele Jahre sehr gute Ergebnisse vorweisen, häufig antizyklische Anlagephilosophien verfolgen, die natürlich relativ viel mit Value-Strategien arbeiten. Das hat mich schon ein bisschen geprägt. Aber ein direktes Vorbild, das ich als Guru bezeichnen würde und dessen Ratschläge ich befolgte, gab es nicht.
Bernard Mannes Baruch Bernard Mannes Baruch (* 19. August 1870 in Camden, South Carolina; † 20. Juni 1965 in New York) war ein Finanzier und Börsenspekulant in den Vereinigten Staaten. Baruch ist heute vor allem für die Lancierung der (in anderem Zusammenhang schon länger bekannten) Formel vom Kalten Krieg zur Charakterisierung des sich als Ergebnis des 2. Weltkrieges aufgetanen Ost-West-Konflikts und als ein Mitbegründer der National Recovery Administration, einem Teil des New Deals, bekannt. Baruch wurde 1870 als zweiter von vier Söhnen einer jüdischen Arztfamilie in Camden, im US-Bundesstaat South Carolina geboren. Nach dem Umzug der Familie nach New York City, 1881, ging Baruch dort zur Schule und besuchte schließlich das stadteigene City College of New York, das er 1889 abschloss. Danach schlug Baruch eine Laufbahn als Börsenbroker ein und wurde schließlich Teilhaber der Firma A. Housman and Company. Seine Einkünfte verschafften ihm schließlich die finanziellen Mittel, um die damals sehr teure Genehmigung zum Spekulieren an der New Yorker Börse zu erwerben. Dort gelang es ihm aufgrund seines händlerischen Geschickes, noch vor seinem 30. Geburtstag ein gewaltiges Vermögen anzuhäufen. 1903 eröffnete Baruch schließlich eine eigene Maklerfirma im New Yorker Börsenviertel. Bis 1910 stieg er zu einem der anerkannt führenden Männer seines Gewerbes auf, so dass er schließlich in dem Ruf stand, der "König der Wall Street" zu sein. Seine Weigerung als Teilhaber in eines der etablierten Finanzhäuser einzutreten, brachte ihm zugleich die Reputation ein, ein "einsamer Wolf" zu sein.
Quelle: „Bernard Baruch“ in: Wikipedia, 18. Juli 2009
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EineKarrierealsBankierkamfürSienieinfrage?
Ich habe als Selbstständiger gern etwas Eigenes aufgebaut und komme ursprünglich auch aus einer Kaufmannsfamilie. Mein Vater hatte einen kleinen Großhandel für chemischtechnische Produkte, und folglich fehlte mir schon immer die Angestelltenmentalität. Ich kann das einfach nicht. Die Zeit bei der Bank war für mich eine Quälerei. WasmachtdiesenBerufsointeressant?
Ich kann mir keinen spannenderen Beruf vorstellen. Sie haben auf der einen Seite eine extrem anspruchsvolle Materie. Auf der anderen Seite haben Sie mit anderen Menschen zu tun. In den ersten zehn Jahren habe ich nur Privatkunden betreut, da Sie als Newcomer nicht an institutionelle Mandate herankommen. Egal, ob die Leute Vermögen geerbt oder es selbst erarbeitet haben, es ist auch von der menschlichen Seite betrachtet eine interessante Klientel mit vielen Persönlichkeiten. Ich weiß noch, als ich den ersten Kunden mit einer Million gewonnen habe, den Inhaber einer Privatklinik in Siegen. Abends bin ich dann mit dem Auto von Siegen nach Frankfurt zurückgefahren und habe vor lauter Freude gesungen. Die Erfolgserlebnisse für das eigene Geschäft sind natürlich schön. GabesMarktphasen,dieSiebesondersgeprägthaben?
Immer die Krisen! Die Jahre 1973/1974 waren sehr prägend, weil ich damals relativ starke Verluste hatte. Das war die Ölkrise und die erste große Baisse, die ich mitgemacht habe. Als es dann auf der Autobahn Fahrverbot gab, titelte, ich glaube die „Wirtschaftswoche“: „Das Ende des industriellen Zeitalters“. Ich machte die Feststellung, dass dies exakt der Börsentiefpunkt war (siehe Abbildung 3.1). Und das habe ich anschließend öfters erlebt, zum Beispiel auch 1987, als ich nach dem Crash immer wieder die Situation analysierte und zu dem Ergebnis kam, dass die Konjunktur im Jahre 1988 eher besser als schlechter laufen wird. Im Markt sah man das vollkommen anders, was wohl an dem Massen- oder Herdenkurzschluss gelegen haben muss. Ich habe dann meinen Kunden geschrieben, dass ich gerne die Aktienquoten aufstocken möchte. Die Reaktionen darauf können Sie sich vorstellen. Die Leute hatten mich damit aber so verunsichert, dass ich auch privat die Aktienquote nicht aufstockte. Das hat mich jahrelang geärgert, denn es ging anschließend ja nur noch nach oben, und das prägte natürlich schon. In den Krisen lernen Sie viel mehr, und sie prägen einen auch viel stärker als normale Marktphasen.
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Ölkrise und Aktienbaisse in den Jahren 1973/1974 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung)
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Rohöhl,Spotprice(rechteSkala)
Was war bislang die schwierigste Marktphase in Ihrem Leben, und was lernten Sie daraus? 2
In der schwierigsten Marktphase befinde ich mich jetzt gerade. So schlecht lag ich noch nie und so viel habe ich noch nie verloren wie in den letzten eineinhalb Jahren. Mein schlechtestes Jahr davor war das Crash-Jahr 1987 mit minus 16,5 Prozent. Aber im Jahr 2008 habe ich wesentlich mehr verloren. Das war schon besonders hart. Ich habe aber kein Problem damit. Erstens lässt sich das anhand der Statistiken nachweisen, und zweitens habe ich persönlich keine Probleme, mir das einzugestehen. Eine Zeitschrift hat mal geschrieben: „Der ehrliche Huber“. Also ich sage, was ich denke. Gab es einen Punkt in Ihrem Leben, an dem Sie wussten, dass Sie mit Vermögens verwaltungerfolgreichwerdenkönnen?
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Als ich mich in der Praxis bewährt habe. Das war im zweiten Jahr meiner Selbstständigkeit, als ich gleich diese Million an Gewinnbeteiligungen erzielt hatte. Zu diesem Zeitpunkt habe ich das schon gemerkt, vielleicht auch vorher schon bei dem Börsenspiel. Man macht sich dann schon die Hoffnung, ein bisschen Gespür dafür zu haben. Wobei man mit dem Thema Kontrollillusion immer vorsichtig sein muss. Es gilt, immer aufzupassen! Immer wenn Sie an der Börse meinen, den Bogen endlich rauszuhaben, „kriegen Sie eine auf den Deckel“. WaskennzeichnetinIhrenAugeneinengutenVermögensverwalter?
Sie können an der Börse nur Geld verdienen, wenn Sie antizyklisch vorgehen und sich in entscheidenden Phasen gegen die Menge stellen, nicht immer – in der Regel müssen Sie irgendwie mit der Masse schwimmen –, aber in entscheidenden Phasen. In Euphoriephasen müssen Sie Aktien abbauen, und in Panikphasen müssen Sie die Hand aufhalten. Und das erfordert eine enorme Kraft. Ich glaube, mein Vorteil ist, dass ich es nicht des Geldes wegen mache, sondern aus einem gewissen Spieltrieb heraus. Wenn Sie es des Geldes wegen machen, dann tut es Ihnen wahnsinnig weh, Verluste zu erleiden. Sie werden dann automatisch zum Prozykliker, weil Sie es nicht ertragen können, wenn die Kurse runtergehen. Im Gegensatz zu meinen Kunden freue ich mich, wenn die Märkte nach unten gehen, weil ich Krisen aktiv nutze, um zusätzliche Positionen aufzubauen. Ich glaube, wer zu stark am Geld hängt oder zu stark unter einem finanziellen Aspekt handelt, bekommt ein antizyklisches Verhalten nicht fertig, weil es zu schmerzhaft für ihn ist. WelcherCharaktereigenschaftenbedarfesdafür?
Sie müssen sich natürlich gegenüber Ihren Kunden behaupten. Man selbst ist auch Teil der Masse, und man wird von den Leuten angesteckt. Meistens sind die Börsen am Tief, wenn mich selbst auch die Panik packt, weil alles noch schlimmer kommen kann, weil man schon hoch investiert ist, und es trotzdem weiter runtergeht. In dieser Situation müssen Sie Ihren eigenen Erfahrungen so weit trauen, dass Sie in Ihrer Meinung nicht umkippen. Es gibt an der Börse drei Anlegergruppen: Die Bullen, das sind die Anleger, die sich an der Wirtschaft beteiligen wollen, die optimistisch sind und eben günstig in Baisse-Phasen Aktien zukaufen wollen, um langfristig vom Wirtschaftswachstum zu profitieren. Dann gibt es noch die Bären. Das sind die Ängstlichen, die mit weiter fallenden Kursen rechnen, und in Baisse-Phasen nichts unternehmen, sondern lediglich ihre Aktien halten und es durchstehen. Die größte Anlegergruppe sind aber die Esel, die in der Panik nämlich alles verkaufen, was sie in der Euphorie teuer gekauft haben. GibtesPersonen,mitdenenSiesichregelmäßigüberdieMärkteaustauschenundvon denenSiesichinIhrerMeinungsfindungbeeinflussenlassen?
Ich unterhalte mich mit sehr vielen Kollegen, aber nur um die Standpunkte anderer Marktteilnehmer kennenzulernen, nicht aber, um mich beeinflussen zu lassen. Es gibt sehr viele
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Kollegen, zum Beispiel Dr. Klaus-Dieter Wild, der den PEH-Empire managt, der durch sein System eine sehr spezielle Sicht der Dinge hat und oft zu anderen Ergebnissen kommt als ich. Und dann hauen wir uns die Argumente um die Ohren, und jeder versucht, den anderen zu überzeugen. Aber das sind Dinge, die auch Spaß machen und wodurch man erfährt, wie andere Anleger ticken. Es ist aber nicht so, dass ich jemanden anrufe und das kaufe, was mir derjenige empfiehlt. Davon gibt es eigentlich niemanden. Ich befolge ganz selten Tipps. Wenn jemand eine wirklich überzeugende Idee hat, dann nehme ich sie vielleicht mal auf die Watchlist und beobachte. Aber eigentlich reagiere ich nicht auf einen Tipp. In den letzten Jahren ist ein rasanter Zuwachs an sogenannten marktneutralen Strategien zu beobachten, die mithilfe von Derivaten versuchen, einen stetigen absoluten Ertrag zu erwirtschaften. Laufen traditionelle Vermögensverwalter Gefahr, davonirgendwannabgelöstzuwerden?
Es gibt verschiedene marktneutrale Strategien. Wenn Sie beispielsweise einen Long/ShortAktienansatz verfolgen, dann haben Sie eine marktneutrale Strategie. Sie können aber beispielsweise auch einen Long-Only-Fonds verwalten und das Marktrisiko über Futures absichern, dann bleibt das Alpha übrig, also die Überrendite des Fonds. Das ist ebenfalls eine marktneutrale Strategie. Ich denke, marktneutrale Strategien ergeben für eine bestimmte Klientel durchaus einen Sinn. Nehmen Sie beispielsweise meinen eigenen Aktienfonds, der im August 2000 aufgelegt wurde. Wenn Sie bei diesem Fonds permanent das Marktrisiko abgesichert hätten, hätten Sie über die gesamte Zeit kein einziges Verlustjahr verbucht und am Ende einen schönen Ertrag eingefahren. Also wenn marktneutral, dann ergibt eine solche Strategie durchaus einen gewissen Sinn. Auch Volatilitätsstrategien können sinnvoll sein. Herr Dr. Leber von Acatis hat so etwas recht erfolgreich umgesetzt. Er hat Volatilität in einer Phase erworben, als sie sehr niedrig war und nicht viel kostete, um dadurch eine Absicherung im Portfolio aufzubauen. In einer starken Krise steigt die Volatilität und lässt sich teuer veräußern. Insofern ist das eine vernünftige Art der Absicherung. In einem Ihrer Monatsberichte habe ich Ihre acht „Erfahrungswerte für erfolgreiches Investieren“gelesen.SinddasdieGrundregeln,nachdenenSiehandeln?
Das sind die Regeln, die ich versuche einzuhalten und zu berücksichtigen, weil ich sie als richtig schätzen gelernt habe.
Erfahrungswerte für erfolgreiches Investieren 1. Asset-Allokation ist wichtiger als Stock-Picking. 2. Diversifikation senkt das Risiko. 3. Sicherheit ist wichtiger als maximale Rendite. 4. Börsenprognosen sind blanker Unsinn.
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5. Nur antizyklisches Investieren bringt Erfolg. 6. Die Börse ist ein Puzzle. Man braucht viele Teile für das Gesamtbild. 7. Value schlägt Growth, Substanz schlägt Wachstum. 8. Gewinne muss man laufen lassen, Verluste begrenzen (Depot-Hygiene). IchwürdegernemitIhnendarübersprechen.DieersteRegellautet:„AssetAllokation istwichtigeralsStockPicking.“
Es gibt ja in diesem Bereich Untersuchungen. Gary Brinson hat anhand der Entwicklung amerikanischer Pensionsvermögen festgestellt, dass 40 Prozent des Anlageerfolgs von der strategischen, 40 Prozent von der taktischen Asset-Allokation und nur 20 Prozent vom Stock Picking abhängen. Das heißt, es ist auf Deutsch gesagt wichtiger, ob Sie in Aktien investiert sind oder nicht, als ob Sie eine BASF oder eine Bayer kaufen. Noch einmal zur Verdeutlichung: Die strategische Asset-Allokation ist die langfristige Aufteilung Ihres Vermögens und wird von drei Faktoren bestimmt: Ihrer Risikomentalität, Ihrer Renditeerwartung und dem eingeplanten Zeithorizont. Davon wird die Strategische AssetAllokation, also der Anteil in Aktien, in Cash, in Gold und dergleichen abgeleitet. Die taktische Asset-Allokation ist die temporäre Über- oder Untergewichtung einzelner Anlageformen. Es ist schließlich nicht immer richtig, seine strategische Aktienquote von 20, 30 oder 40 Prozent zu halten. Manchmal ist es besser, wenig zu haben, manchmal ist es besser, viel zu haben. Diese beiden, strategische und taktische Asset-Allokation, machen ungefähr 80 Prozent vom Anlageerfolg aus. Was versteht man aber bei einem reinen Aktienfonds darunter? Hier haben Sie ja nicht die Möglichkeit, in vielen verschiedenen Anlageklassen zu investieren. Aber wir haben bei Untersuchungen festgestellt, dass ein Anteil in Emerging Markets das Chance-/Risikoverhältnis verbessert. Es erhöht die Rendite Ihres Portefeuilles und verringert gleichzeitig das Risiko. Warum? Weil Emerging Markets mit der Entwicklung an den Hauptbörsen oftmals niedrig korreliert sind. Als wir 1997/1998 die Emerging-Market-Krise hatten, waren die etablierten Märkte kaum betroffen. Nach dem Platzen der Internet-Blase konnten Sie in den Jahren 2000 bis 2003 dagegen mit einer ganzen Reihe von Emerging Markets, wie zum Beispiel Russland, Gewinne machen (siehe Abbildung3.2). Insofern ist es sinnvoll, einen gewissen Anteil Emerging Markets beizumischen. Das Gleiche gilt für Goldminen, die häufig negativ mit den Aktienmärkten korreliert sind und Stabilität ins Depot bringen. Rohstoffe kristallisieren sich zunehmend als eigene Asset-Klasse heraus. Natürlich dürfen Sie in einen Aktienfonds nicht unbedingt Rohstoff-ETFs kaufen, aber Sie können Rohstoffaktien beimischen. Sie können auch in einem Aktienfonds einen gewissen Anteil in Cash halten oder Teile des Portefeuilles absichern. Oder ich kaufe statt der Aktie die Wandelanleihe oder ein Bonuszertifikat, mit dem ich nach oben fast eins zu eins dabei bin, aber nach unten einen gewissen Risikopuffer aufbaue. Auch ein reines Aktienportefeuille muss folglich konstruiert werden und umfasst am Ende verschiedene Anlageformen. Das ist viel wichtiger als die Frage, welche der drei Chemieaktien ich kaufen soll, vor allem wenn sie auch noch ähnlich hoch bewertet sind. Ich weiß im Voraus ohnehin nicht, welche besser laufen wird.
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Abbildung 3.2
Russischer versus weltweiter Aktienmarkt (entwickelte Länder), 1999 bis 2002 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
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„DiversifikationsenktdasRisiko.“ImJahre2008gingenmitAusnahmevonStaatsan leihenundGoldalleAnlageklassenindiegleicheRichtung,nämlichnachunten.Wie diversifiziertmaneffektiv? Es gibt zwei Ebenen der Diversifikation. Auf der Aktienebene sieht es bei uns so aus, dass wir einen Large-Cap-Ansatz fahren, international sehr breit streuen, über Branchen, über etablierte Märkte, über Emerging Markets, und nur kleine Anteile in einem einzelnen Aktientitel gewichten. Sie finden bei uns in keinem Fonds einen Wert mit einer Gewichtung über 2 bis 3 Prozent am Fondsvermögen. Diese Diversifikation auf Einzelwertebene ist sinnvoll, das wissen wir aus Portfolio-Selection-Ansätzen: Wenn Sie eine Aktie haben, der Sie ein Kurspotenzial von 100 Prozent zutrauen, dann haben Sie große Verluste, wenn Sie Ihr Geld darin anlegen und der Aktie etwas widerfährt. Es wird aber nicht nur zwei Aktien geben, die ein Kurspotenzial von 100 Prozent haben und die Sie gut finden. Nehmen wir an, es gibt mindestens zwei. Wenn Sie hälftig in beide Aktien anlegen, die nicht miteinander korreliert sind, weil sie aus unterschiedlichen Branchen oder Regionen stammen, dann haben Sie Ihr Risiko reduziert, ohne vom Gewinnpotenzial etwas abzugeben. Jetzt gibt es natürlich die Meinung aus der Wissenschaft, dass eine zu starke Diversifikation Nachteile mit sich bringt, weil am Ende nur das Marktrisiko übrig bleibt und das Depot unübersichtlich wird. Aufgrund meiner eigenen praktischen Erfahrungen bin ich ein ex-
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tremer Gegner dieser These. Peter Lynch hatte beispielsweise ein- oder zweitausend Werte in seinem Magellan Fonds und hat die Märkte über Jahre deutlich geschlagen. Der Diversifikationseffekt ist also immer positiv, weil man das Einzelwertrisiko massiv reduziert, solange man die Werte im Griff hat. Das gilt natürlich nicht, wenn man das Portefeuille nicht mehr überblicken kann, ansonsten aber schon. Eine andere Ebene der Diversifikation kann natürlich über Asset-Klassen erfolgen. Wir haben in der Finanzkrise verschiedene Dinge beobachten können: Unsere Rentenfonds sind mit nach unten gegangen, weil wir zu früh in Unternehmensanleihen investierten, die nach der Lehmann-Pleite illiquide wurden. In unseren Aktienfonds hatten wir keine Möglichkeit auszuweichen, da Emerging Markets, Rohstoffaktien, Wachstumsaktien und Value-Aktien gleichzeitig zusammengebrochen sind. Wo hat man hier noch die Diversifikation? Aber Diversifikation ist wichtig, weswegen wir ein Allokationsmodell entwickelt haben. Unser Anlageuniversum besteht aus dreißig Asset-Klassen aus den Bereichen Aktien (MSCI World, S&P, EuroStoxx etc.), Anleihen (Emerging Market Bonds, Unternehmensanleihen, REX mit verschiedenen Laufzeiten etc.), Metalle (Kupfer, Gold etc.) und Immobilien. Nach Durchführung extrem umfangreicher Untersuchungen mit der Relativen Stärke haben wir daraus ein rollierendes System entwickelt. Und zwar investieren wir immer in die Asset-Klassen, die nach der Relativen Stärke über einen kurzen Zeitraum die vorderen Plätze einnehmen. Bei unserem System rolliert man alle sechs Wochen. Und was sich in diesem Zeitraum nicht behaupten kann oder nicht steigt, fliegt raus und wird getauscht. Man kann es als rollierendes Allokationsmodell bezeichnen mit relativ interessanten Ergebnissen. MitwelchenErgebnissen?
Die hellgraue Linie zeigt die Wertentwicklung eines Portefeuilles, welches alle AssetKlassen gleichgewichtet enthält, die schwarze Linie ist der MSCI World Total Return Index (siehe Abbildung 3.3). Der Maximalverlust des Allokationsmodells (mittelgraue Linie) beträgt minus 16 Prozent, der des Aktienmarktes dagegen minus 60 Prozent. Die Volatilität ist relativ niedrig, und die Rendite liegt bei 13,6 Prozent per annum. Das klingt nicht schlecht. Das Interessante ist, dass in den Jahren 2000 bis 2003 die Aktienmärkte zugunsten von Gold und verschiedenen Rentenindizes aus dem Portefeuille fielen. Das Gleiche gilt für die Phase ab dem Jahre 2007. Im April 2009 bilden Goldminen, Kupfer, EmergingMarket-Anleihen, die Nasdaq sowie europäische Wandelanleihen die Allokation, also eine ganz solide Mischung. An solchen Dingen forschen und arbeiten wir gerade. Ich stehe zu meinen Thesen. Wenn die Märkte einheitlich fallen, dann muss ich eben die Allokation verändern. Und das versuchen wir mit diesem Modell. Die Herausforderung liegt darin, dass Sie Kupfer und Immobilien abbilden müssen und wir deshalb gezwungen sind, diese Strategie als „Teil 2“-Fonds, das heißt als Fonds, den man nicht bewerben darf, aufzulegen.
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Abbildung 3.3
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Wertentwicklung des Musterportfolios mit dem geringstem Drawdown Erläuterung: RSI26: Relative Stärke Index auf 26 Wochen Basis, WHD: Wochen Haltedauer, TRI: Total Return Index, Datenbasis: wöchentliche Kurse von 25 Total-Return Indizes (Aktien-, Anleihen- und Rohstoffindizes) sowie Euro/USD-Wechselkurs (Quelle: StarCapital AG)
DasklingtnacheinemMultiAssetAnsatz?
Ja, das ist ein Multi-Asset-Ansatz, der relativ viel Sicherheit bietet, weil man die jeweiligen Themen nur über eine kurze Zeit hält. Wenn etwas in die falsche Richtung läuft, kann es sich nicht für lange schlecht entwickeln, weil es gar nicht so lange im Portefeuille bleibt. Diversifikation ist von elementarer Bedeutung. Sie können Ihr Vermögen nämlich nicht sichern, indem Sie sich auf vermeintlich sichere Anlagen konzentrieren. Und wenn Sie alles auf das Sparbuch legen, und es kommt eine Inflation, sind Sie genauso „verratzt“. Sie können Ihr Vermögen nur langfristig über eine vernünftige Diversifikation sichern. Deswegen ist uns das so wichtig und deswegen diese zweite Diversifikationsebene. „SicherheitistwichtigeralsmaximaleRendite.“
Vom Prinzip her muss es immer das Ziel sein, die Kapitalbasis zu sichern. Die Kunst der Kapitalanlage besteht darin, das goldene Dreieck gut zu managen, Rendite, Sicherheit und Zeithorizont. Um nichts anderes geht es. Jetzt können Sie natürlich versuchen, Ihr Vermögen nach der Wertentwicklung oder nach der Werterhaltung zu optimieren. Allerdings ist es wesentlich sinnvoller, den Ansatz des langfristigen Vermögenserhalts zu priorisieren.
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Das heißt, alle Maßnahmen müssen immer unter dem Gesichtspunkt des Kapitalerhalts getroffen werden. Witzigerweise kommt es dabei zu einem gravierenden Widerspruch. Wenn man beispielsweise in fallenden Märkten Aktien aufbaut, muss man erst mal weitere Kursverluste einkalkulieren. Dennoch können Sie Vermögen nur erhalten, wenn Sie antizyklisch operieren und wenn Sie temporäre Rückgänge in Kauf nehmen. Es gibt ein Zeitparadoxon: Aktien sind von den traditionellen Vermögensanlagen kurzfristig eine der riskantesten. Wenn Sie heute Aktien kaufen, kann es sein, dass sie in einem Jahr weniger wert sind. Wir wissen aber, dass wenn Sie über 30 Jahre ein vernünftiges Portefeuille halten, Sie am Ende eine wesentlich bessere reale Rendite erzielen und eine wesentlich sicherere Anlage haben als mit einem Festgeld oder Sparbuch. Ein Sparbuch ist kurzfristig die sicherste Anlage, aber langfristig haben Sie nach Abzug der Steuern auf Zinsen und nach Abzug der Inflation unter Umständen nur Verluste. Also ist es die schlechteste Anlage. Das Paradoxe ist also, dass ich temporäre Risiken eingehen muss, um mein Kapital langfristig zu erhalten und sinnvoll zu mehren. Es geht um den langfristigen Kapitalerhalt und den langfristigen Kapitalzuwachs. Wenn mir jemand eine Aktie als Geheimtipp anpreist, die schnelle 1000 Prozent bringen soll, dann sage ich ihm: „Ja bitte, mach es, aber mit deinem Geld.“ Das kann nicht der Sinn einer vernünftigen Strategie sein. „BörsenprognosensindblankerUnsinn.“HaltenSiedieMärktefüreffizient?
Also die Märkte sind nicht effizient, weil sie zu Übertreibungen neigen. Wenn der NeueMarkt-Index im Jahre 2000 bis auf 9400 Punkte steigt und drei Jahre später auf 300 Punkte fällt, kann man nicht von effizienten Märkten sprechen. Die Märkte übertreiben nach oben oder unten. Aber Sie müssen wissen, dass in den Märkten alles verarbeitet ist, was im Augenblick an Informationen vorhanden ist. Wenn Sie nur Informationen haben, die auch allen anderen Marktteilnehmern vorliegen, dann sind Ihre Informationen auch nicht verwertbar. Ich glaube, das ist die mittelstrenge Effizienzhypothese, und die ist an den Märkten auf jeden Fall gegeben. Was die Anleger aber völlig falsch einschätzen, ist Folgendes: Wir haben in der Schweiz eine Roadshow gemacht. Alle potenziellen Investoren sagen uns, dass die wirtschaftlichen Folgen der Finanzkrise erst noch auf uns zukommen werden. Die Arbeitslosigkeit wird steigen, die Konsumenten halten sich zurück, und deswegen kaufen die Anleger keine Aktien. Die Leute übersehen aber, dass die Kurse an den Wertpapiermärkten nicht durch die Fakten bestimmt werden, die bereits auf dem Tisch liegen, sondern durch die Erwartung hinsichtlich der künftigen Entwicklung. Wenn ein Unternehmen im letzten Jahr zwei Milliarden Euro Gewinn erzielt hat, und wegen des Konjunktureinbruchs in diesem Jahr einen Verlust von einer Milliarde Euro erwirtschaftet – woran orientiert sich wohl der Aktienkurs? Sicher nicht an den zwei Milliarden Euro Gewinn im letzten Jahr. Der Aktienkurs bildet sich aufgrund der erwarteten Milliarde Euro Verlust in diesem Jahr. Deswegen können Sie keine Strategie fahren, indem Sie die schlechte Entwicklung abwarten. Denn wenn die anderen Marktteilnehmer eine ähnliche Erwartung haben, ist es in den Kursen bereits enthalten. Wenn etwas Schlimmes erwartet wird und es schließlich auch eintritt, dann tendieren die Kurse seitwärts. Wenn es nicht ganz so schlimm kommt, steigen die Kurse sogar. Es muss also eine Entwicklung eintreten,
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welche die schlimmen Erwartungen noch übertrifft, damit die Kurse weiter fallen können. Deswegen ist es immer gut, zu kaufen, wenn die Erwartungshaltung insgesamt negativ ist, weil dann die Preise billig sind.
Effizienz des Kapitalmarktes Die Effizienz der Kapitalmärkte bezieht sich auf die Informationsverarbeitung. Man spricht von einem effizienten Kapitalmarkt, wenn die Preise von Wertpapieren stets alle Informationen vollständig reflektieren. Man unterscheidet drei Abstufungen: Schwache Effizienzhypothese: Alle Informationen über vergangene Kursentwicklungen sind vollständig in den Wertpapierpreisen berücksichtigt. Demnach kann sich kein Anleger einen Vorteil verschaffen durch die Kenntnis historischer Kursverlaufsbilder. MittelstrengeEffizienzhypothese: Alle öffentlich verfügbaren Informationen sind vollständig in den Wertpapierpreisen berücksichtigt. Demnach kann sich kein Anleger einen Vorteil verschaffen durch die Kenntnis von wichtigen veröffentlichten Informationen. Strenge Effizienzhypothese: Alle Informationen, auch nicht-öffentliche, sind in den Wertpapierpreisen vollständig berücksichtigt. Demnach sind auch Insiderinformationen im Kurs reflektiert. Quellen: Gabler Wirtschaftslexikon (2004), S. 779; Steiner, Manfred/Bruns, Christoph (2000), S.40 f. UndwarumhaltenSieBörsenprognosenfürunsinnig?
Wir sammeln ja diese Prognosen. Das ist immer witzig! Ich glaube, für das Jahr 2008 sind 8500 Punkte im DAX erwartet worden. Das ist doch völliger Unsinn! Wer versucht, sein Depot nach Börsenprognosen zu fahren, verliert sein Vermögen. Ähnliches gilt für die Gewinnschätzungen. Grundsätzlich ist es so, dass Analysten die Märkte effizienter machen, und umso schwerer wird es natürlich, Ineffizienzen auszunutzen. Wenn ich zu Siemens fahre und mit dem Finanzvorstand spreche, erfahre auch nicht mehr als die 30 Analysten vor mir. Das macht überhaupt keinen Sinn. In Märkten, die von Analysten gut abgedeckt sind, ist es völlig sinnlos, Unternehmen zu besuchen. Wenn Sie jetzt einen Small Cap im Depot haben, der schlecht abgedeckt ist, dann müssen Sie schon genau hinsehen, ob das Management etwas taugt und ob auf dem Betriebshof etwas los ist und dergleichen. Das macht Sinn. Auch hier gilt: Die Märkte sind insofern effizient, als sie alle derzeit verfügbaren Informationen und die daraus resultierenden Erwartungen bereits beinhalten. Sie sind nicht effizient in der Form, dass Sie nach oben oder unten übertreiben. Das heißt, Gewinnschätzungen werden extrapoliert, und in einer Krise oder Panik gehen die Kurse deshalb viel stärker nach unten, als es eigentlich anhand der realen Fakten sinnvoll erscheint. Nach oben gilt genau das Gleiche. Wir haben Bewertungsmodelle entwickelt und arbeiten dabei nur mit gemeldeten und nicht mit erwarteten Zahlen, weil die Schätzfehler so enorm sind. Sie sehen, dass die IBES-Gewinnschätzungen den Aktienkursen nachlaufen
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und nicht umgekehrt. Das heißt, erst fallen die Kurse, dann kommen die schlechten Nachrichten, und dann passen die Analysten ihre Schätzungen an. Was wollen Sie dann mit den Schätzungen? Es ist wirklich völlig unsinnig! Und das gilt übrigens auch für volkswirtschaftliche Daten. Nehmen Sie doch mal diese Prognosen der fünf Wirtschaftsweisen. Nur durch eine permanente Anpassung an die tatsächliche Marktentwicklung kann man die Prognosen einigermaßen halten, sonst würden dazwischen Scheunentore klaffen. Das gilt also auch in diesem Bereich. Würden Sie sagen, dass die sogenannten GlobalMacroStrategien deshalb alle nicht dauerhaft funktionieren und in der Vergangenheit lediglich Glück mit ihren Anlageentscheidungenhatten(Stichwort:SurvivorshipBias)?
Man fragt sich natürlich, ob es bei erfolgreichen Investoren Zufall, Glück oder Können war und ob der Survivorship Bias die Wahrnehmung verzerrt? Erstens: Der Surviorship Bias spielt mit Sicherheit eine Rolle. Das sehen Sie sehr gut an den Hedgefonds. Es werden immer jene herausgestellt, die Riesengewinne erzielen. Aber von den Hunderten von Hedgefonds, die jedes Jahr pleitegehen oder aufgrund von Verlusten schließen, spricht kein Mensch. Zweitens: Wenn Sie einen erfolgreichen Makro-Manager finden wie beispielsweise Soros, der mit seinem Quantum Fonds eine typische Makro-Strategie verfolgte und sehr lange erfolgreich arbeitete, dann schauen Sie sich trotzdem mal seine Wette gegen das Pfund an. Er hatte eine Shortposition von über zehn Milliarden Pfund. Sein Fonds hatte aber nur ein Volumen von drei oder vier Milliarden Pfund. Das heißt, er war nicht nur mit seinem Fondsvolumen short, sondern auch noch massiv auf Kredit. Hätte die englische Notenbank ein bisschen mehr Durchhaltevermögen gezeigt, hätte das total in die Hose gehen können. Solche märchenhaften Erfolge sind häufig Beta-Erfolge, die durch aggressive Wetten auf bestimmte Marktveränderungen zustande kommen. Andererseits ist die Börse natürlich schon der Markt, an dem Erfahrung zählt. Leute, die seit 30 oder 40 Jahren am Markt sind, und dazu zähle ich auch George Soros oder Warren Buffet, haben einiges gelernt und haben auf jeden Fall einen Vorsprung gegenüber Leuten, die neu anfangen und die Gesetze des Marktes erst erfahren müssen.
Survivorship Bias „Als Surviorship Bias I bezeichnet man die Verzerrung, die dadurch entsteht, dass in einer Datenbank lediglich die Hedgefonds vertreten sind, die eine bestimmte Zeit überdauerten und auch weiterhin geschäftstätig sein werden. Dabei werden die historischen Daten der Fonds, die ihre Geschäftstätigkeit einstellten (Dead Fonds), gelöscht. Der Surviorship Bias II bezeichnet die Verfälschung der historischen Renditen, die dadurch entsteht, dass diejenigen Hedgefonds, die aufhören, ihre Daten an die Anbieter zu übermitteln (Defunct Fonds), ebenfalls gelöscht werden. Ein Survivorship Bias resultiert also immer dann, wenn ein Hedgefonds aufhört, seine Daten zu rapportieren und als Folge aus der Datenbank gelöscht wird. So wird der reale Return insgesamt überschätzt, und die Risiken werden gleichzeitig unterschätzt.“
Quelle: Kaiser, Dieter G. (2004), S. 237
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„Nur antizyklisches Investieren bringt Erfolg.“ Man hat das Gefühl, es gibt nur sehr wenigeüberzeugteantizyklischeInvestoren.Woranliegtdas?
Weil wir alle Teil der Herde sind. Wenn die Zeitungen voll mit positiven Nachrichten sind, wird man angesteckt und in seiner Erwartungshaltung eher positiv gestimmt. Wenn die Zeitungen voll sind mit schlechten Nachrichten und eine Katastrophenmeldung nach der anderen eintrifft, sieht man die Zukunft automatisch negativ. Das geht jedem so. Außerdem muss man extrem viel Gegenwind vertragen. Ein institutioneller Fondsmanager wird nicht nach Performance bezahlt, sondern nach dem Tracking Error. Wenn er von seiner Benchmark abweicht und einen schönen Gewinn erzielt, hat er nichts davon, aber wenn er einen schönen Verlust erwirtschaftet, reißt man ihm die Ohren ab. Deshalb sagen viele: „Ich halte mich an die Benchmark, dann kann mir nichts passieren.“ Das ist aber keine antizyklische Strategie. In vielen Finanzunternehmen gibt es Anlageausschüsse. Aus den Diskussionen entsteht immer nur eine Konsensmeinung, die nie antizyklisch sein wird, was sich ohnehin gegenseitig ausschließt. Aus diesem Grund werden immer nur wenige Anleger antizyklisch agieren. Die Menschheit wird sich aber nicht ändern. Es wird immer so sein, dass Sie in Panikphasen billig Aktien kaufen können, weil die Kurse wegen der negativen Erwartungshaltung tiefer als gerechtfertigt notieren. Und es ist immer sinnvoll, in der Euphorie Aktien eher abzubauen oder vorsichtiger zu werden, weil es denselben Effekt auch in die andere Richtung gibt. Daran hat sich nichts geändert. WoherweißeinantizyklischerInvestor,dasserauchwirklichantizyklischhandeltund denZyklusnichtzufrühantizipiert?HelfeneinemdabeidieüblichenStimmungsund Frühindikatoren?
Sie haben natürlich völlig recht, Sie können die Stimmung messen. Es gibt SentimentIndikatoren, die wir verfolgen und anhand derer Sie aktuell feststellen können, dass beispielsweise fundamentale Indikatoren wie Geschäftserwartungen, Einkaufsmanager, Kon3 sumentenklima und dergleichen extrem stark gefallen sind. Insofern erleben wir aktuell eine Phase, in der man kaufen kann. Es gibt Untersuchungen, dass die dritte und letzte Phase einer Rezession die lukrativste an den Märkten ist, weil hier der Antizipationseffekt einsetzt. Das spricht alles für die These, dass man in der Rezession und in der Krise billiger kauft als in der Euphorie. Nur antizyklische Anleger sind eben oft zu früh dran, weil man sich natürlich nicht vorstellen kann, wie stark die Märkte auf beiden Seiten übertreiben können. Sobald Sie merken, dass die Leute negativ gestimmt und die Aktien billig bewertet sind, fangen Sie an, Ihre Positionen zu verstärken. Oftmals bekommen Sie dann noch mal richtig eins auf den Deckel. Ich glaube, einer der amerikanischen Ölmagnaten war es, der gesagt hat: Ich habe immer zu früh gekauft und immer zu früh verkauft, und damit habe ich mein Vermögen gemacht. Für mich sind antizyklisches Investieren, Geduld und
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Disziplin die Kardinaltugenden und Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Anlegen. Sonst können Sie es auch bleiben lassen! „Die Börse ist ein Puzzle. Man braucht viele Teile für das Gesamtbild.“ Ist das ein Plädoyer für ein möglichst komplexes quantitatives Modell, ein neuronales Netz, das man mit möglichst vielen Inputfaktoren füttert, um ein möglichst gutes Gesamtbild und damit eine besonders gute Prognose zu erhalten? Welche Puzzleteile sind die wichtigsten,umdasGesamtbilderkennenzukönnen?
Das Puzzle besteht aus unendlich vielen Teilen, und es ist mit einem quantitativen Modell nicht zu lösen. Auch nicht mit einem neuronalen Netz. Ein quantitatives Modell hat einen Riesennachteil. Wir haben bei uns im Hause auch quantitative Modelle entwickelt. Beispielsweise wird einer unserer Aktienfonds danach gemanagt. Und es gab auch eine Phase, in der diese quantitativen Modelle sehr erfolgreich waren. Aber dann fängt man an, das Denken zu verlernen. Man hinterfragt es nicht mehr kritisch. Warum sind beispielsweise die Bankaktien alle so billig und deshalb so stark gewichtet? Man hinterfragt nicht mehr, man kauft es einfach. Ich halte es für ausgesprochen gefährlich, wenn man an der Börse aufhört zu hinterfragen, weil etwas zu gut läuft. Der Vorteil eines nichtquantitativen Modells ist, dass man Sachverhalte ständig auf ihre Richtigkeit hinterfragen muss. Was meine ich stattdessen mit dem Puzzle und den vielen Teilen? Ich treffe immer wieder Leute, die sagen: „Ich mache nur Bilanzanalyse.“ Andere sagen mir: „Ich mache nur volkswirtschaftliche Analysen.“ Dann gibt es Leute, die schauen sich nur Charts an, die alle kursrelevanten Informationen enthalten. Andere analysieren nur anhand der Stochastik oder mit Elliot-Wellen. Die nächsten konzentrieren sich ausschließlich auf die Anlegerstimmung, hören auf ihren Börsenastrologen oder was auch immer. Da aber die Börse in den ganzen 30 Jahren meiner beruflichen Laufbahn nicht voraussehbar und voraussagbar war und ich noch keinen Menschen gefunden habe, der mir auch nur annähernd sagen konnte, wo der DAX am Jahresende, Gold in zwei Monaten oder Siemens in einem halben Jahr stehen wird, bezweifle ich eben, dass es ein zuverlässiges Instrument der Voraussage gibt. Und deswegen müssen Sie puzzeln, das heißt, Sie müssen sich viele Dinge anschauen: Anlegerstimmung, Behavioral Finance, Bilanzen, Gewinnentwicklung, Notenbankpolitik, monetäre Seite, Charts, also quasi alles. Und mit diesen Puzzleteilen müssen Sie versuchen, ein Bild von der Börse zu basteln. Und dann sehen Sie einen Schatten. Sie kriegen eine grobe Ahnung, und selbst die muss nicht stimmen, sondern kritisch hinterfragt werden. Aber Sie bekommen immerhin einen Schatten, wie es sein könnte, aber nur, wenn Sie alles berücksichtigen. „ValueschlägtGrowth,SubstanzschlägtWachstum.“
Zunächst mal gilt die Aussage „Value schlägt Growth“ nur langfristig. Wenn Sie über Jahrzehnte zurückschauen, stellen Sie fest, dass Value-Investoren besser abschneiden als Growth-Investoren. Das hat einen ganz einfachen Grund. Wenn Sie ein Unternehmen mit 40 Prozent Gewinnwachstum haben, was man beispielsweise vorübergehend in der Solar-
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und Biotechnologiebranche gesehen hat, dann schlägt sich das in der Bewertung nieder. Die Anleger erwarten in der Zukunft weiterhin ein weit überdurchschnittliches Gewinnwachstum. Solche Unternehmen werden auch mit einem höheren Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von zum Beispiel 40, 50 oder mehr gehandelt. Tatsache ist aber, dass sich ein derart überdurchschnittliches Gewinnwachstum in nicht-monopolistischen Märkten nicht dauerhaft aufrechterhalten lässt. Warum? Wenn in einer Branche überdurchschnittliche Margen erzielbar sind, werden Produktionskapazitäten ausgebaut. Es entsteht Konkurrenz, was auf die Margen drückt, und deswegen werden die Erwartungen, die sich in den hohen Bewertungen niederschlagen, enttäuscht. Dies hat einen doppelten Effekt zur Folge. Auf der einen Seite bildet sich das KGV zurück und auf der anderen Seite der Gewinn, und Sie befinden sich inmitten dieser Zange. Bei niedrig bewerteten Unternehmen, von denen kein Wachstum erwartet wird – deswegen ja die niedrige Bewertung –, haben wir den gegenteiligen Effekt. Hier kann es passieren, dass solche Unternehmen aus irgendwelchen Gründen plötzlich wieder Wachstum generieren. Vor 20 oder 30 Jahren galten Gillette oder Coca-Cola als langweilige Konsumgüterbuden mit einem KGV von 7. 20 Jahre später waren es plötzlich wieder Wachstumsunternehmen. Was wissen wir denn, wer in drei, vier, fünf Jahren die großen Wachstumsunternehmen sind, vielleicht sind es Bauunternehmen. Als Gillette und Coca-Cola vor 20 bis 30 Jahren missachtet wurden, waren Computerhersteller die großen Wachstumsunternehmen. Jeder wusste, dass Computern die Zukunft gehört und dass jeder Mensch einen Computer brauchen wird. Später kamen dann noch die Laptops hinzu. Was ist denn mit diesen ganzen High Flyern geworden wie Compaq, Hewlett Packard, Honeywell, Control Data, und was es sonst noch alles gab? Die bekamen alle extreme Schwierigkeiten. Das heißt, es zahlt sich langfristig eher aus, Aktien zu kaufen, die der Markt nicht mag und die niedrig bewertet sind, als Aktien zu kaufen, an die der Markt hohe Wachstumserwartungen hat und die deswegen hoch bewertet sind. Dieser Effekt macht ungefähr drei Prozent per anno aus. Dazu gibt es langfristige Untersuchungen. Drei Prozent klingt wenig, ist aber langfristig eine ganze Menge. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Value-Aktien immer besser laufen als Wachstumsaktien. Es gibt Phasen, in den Value-Aktien besser laufen, und es gibt Phasen, in denen Wachstumsaktien besser laufen. Es ist ebenfalls ein Irrtum zu glauben, dass Value-Aktien mehr Sicherheit bieten, nur weil sie niedrig bewertet sind. Die Value-Aktien sind häufig deswegen billig, weil sie sehr konjunkturzyklisch sind. Wenn die Börse einen Konjunktureinbruch vorwegnimmt, dann können Value-Aktien sogar überdurchschnittlich verlieren. Das war 1998 so und war auch in den Jahren 2007/2008 wieder der Fall (siehe Abbildung3.4). Dieser Effekt gilt also langfristig und nicht kurzfristig. Außerdem schwankt der Abstand zwischen der Bewertung von Aktien sehr stark. Manchmal ist eine riesige Bewertungsdifferenz zwischen den hoch bewerteten und den niedrig bewerteten Aktien zu beobachten. Die Spannweite ist 4 also sehr groß. In der jetzigen Phase , die von einem starken Wachstumspessimismus gekennzeichnet ist, schrumpft dieser Bewertungsunterschied sehr stark, die Spanne ist also sehr eng. Teilweise wissen Sie gar nicht, ob Sie eine Bankaktie den Value-Titeln oder den Wachstumstiteln zuordnen sollen oder ob sie vielleicht schon tot ist.
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Abbildung 3.4
Underperformance der Value-Aktien in den Jahren 1998 und 2007/2008 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
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Indexpunkte
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Under perferformance derValueAktien 100
Under perferformance derValueAktien 80
60
RelativeStärkeIndex:MSCIWorldValueIndex/MSCIWorldGrowthIndex
„Gewinnemussmanlaufenlassen,Verlustebegrenzen(DepotHygiene).“
Man hat in der Behavioral-Finance-Forschung Untersuchungen durchgeführt. Angenommen, Sie kaufen zwei Aktien A und B. Aktie A steigt, was machen Sie? Irgendwann nehmen Sie Gewinne mit. Es kommt auf Ihre Mentalität und auf Ihre Einschätzung an, ob Sie nach 20 oder 30 Prozent dazu neigen, Gewinne mitzunehmen. Andere verkaufen erst nach 100 Prozent Zuwachs, ganz hart Gesottene nach 300 Prozent, aber jeder nimmt irgendwann Gewinne mit. Das bedeutet, selbst wenn Sie eine Microsoft oder eine SAP im absoluten Frühstadium erworben hätten, die in der Folgezeit Tausende von Prozent zulegen konnten, haben Sie nichts davon, weil Sie diese Wertsteigerung auf keinen Fall durchgehalten hätten. Im umgekehrten Fall ist Aktie B gefallen. Sie waren von dem Papier und seinen Aussichten überzeugt, sonst hätten Sie es ja nicht gekauft. Wenn die Aktie fällt, wird sie in diesem Augenblick billiger und damit attraktiver. Unter Umständen kaufen Sie also nach. Damit sich Ihre Überzeugung ändert, muss sie schon sehr stark fallen. Die Einsicht, sich geirrt zu haben, setzt meistens erst bei 30 Prozent Kursverlust ein. Dann jedoch ist der Kursverlust zu hoch, Sie bringen es nicht mehr fertig zu verkaufen und warten stattdessen, bis die Aktie wieder in der Nähe ihres Einstandskurses notiert. Aber diesen Gefallen tun Ihnen die Börsen oft nicht, was zur Folge hat, dass im Laufe der Zeit die guten
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Werte verkauft werden und sich die schlechten im Depot ansammeln. Und irgendwann haben Sie dann ein Schrottdepot. Deswegen habe ich mir folgenden Grundsatz formuliert: Wenn eine Aktie in meinem Bestand fällt, obwohl der breite Markt dagegen steigt, verkaufe ich sie! Dann ist es egal, was ich von der Gesellschaft halte oder welche Überzeugung ich habe. Unter Umständen wissen andere mehr als ich. Verkaufen Sie die Aktie, und zwar so lange Sie es vom Schmerz noch ertragen können. Bei mir sind das minus 15 bis 20 Prozent. Angenommen, ich bin mit 70 Aktien in einem steigenden Markt breit diversifiziert aufgestellt, und es fallen drei Aktien gegen die Marktrichtung. Dann setze ich mir bestimmte Orientierungspunkte, und wenn diese drei Aktien 15 bis 20 Prozent verloren haben, werden sie ein letztes Mal überprüft. Im Extremfall kaufe ich auch mal zu, aber in der Regel fliegen sie raus, um das Depot sauber zu halten. Anders verhält es sich, wenn der Markt in der Breite fällt. Angenommen, wir erleben einen breiten Einbruch, und meine Werte fallen mit, dann verkaufe ich sie nicht. Es liegt nämlich kein unternehmensspezifischer Grund vor, sondern es liegt am Gesamtmarkt. Wenn Sie die stark gefallenen Titel verkaufen, und investieren in die noch stabilen oder steigenden Werte, dann kommen diese Aktien vielleicht in der nächsten Welle unter die Räder. Dadurch kumulieren Sie letztlich Verluste, und das ergibt keinen Sinn! Das ist beispielsweise auch ein Nachteil von trendorientierten Relative-Stärke-Strategien. Was sind aus Ihrer Sicht die gröbsten Fehler, die Sie bei privaten als auch institutionellenAnlegernbeobachten?
Ich denke, man kann es so zusammenfassen: prozyklisches Verhalten, Ungeduld, nach Tipps handeln, kein eigenes Denken, kein eigenes kritisches Hinterfragen, keine eigene Meinung, Herdenverhalten. Das sind die Gründe, warum die meisten Anleger Verluste machen. WürdegegendieseFehlerdiealtbewährte„kaufenundliegenlassen“Strategiehelfen (BuyandHold)?
Fidelity hat beispielsweise immer den Buy-and-Hold-Ansatz vertreten: Wenn man die zehn besten Tage eines Jahres verpasst, erwirtschaftet man am Aktienmarkt keine Rendite. Und weil man im Voraus nicht weiß, wann diese zehn Tage im Jahr auftreten, muss man ein Portefeuille von guten Aktien langfristig halten. Stellen Sie sich mal diesen armen Investor in Amerika vor, der sich vor 30 Jahren ein langfristiges Aktiendepot nach dem Buyand-Hold-Prinzip zusammenstellte. Womöglich wählte er als Aktie den größten Industriekonzern General Electric, den größten Autokonzern General Motors, einen Rohstoffwert wie Alcoa und eine Bank wie die Citibank und dergleichen mehr. Oder noch schlimmer, angenommen er wäre 1989 auf die Idee gekommen, sich ein gutes Depot japanischer Aktien zusammenzustellen. Diese Thesen von Buy and Hold lassen sich nicht aufrechterhalten.
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WirhabenübervieleGrundregelndiskutiert,diemanandenFinanzmärktenbefolgen sollte. Was dagegen ist die „dümmste“ Börsenweisheit, die Anleger aus ihrem Gedächtnisstreichensollten?
Die dümmste Börsenweisheit lautet: „Dieses Mal ist alles anders“. Das führt nämlich irgendwann dazu, dass man auch irrsinnig hohe Bewertungen mit Argumenten rechtfertigt. Das hatten wir beispielsweise in der Neuen-Markt-Phase. Die Unternehmen arbeiteten alle mit Verlust, und je mehr Geld sie verbrannt haben, desto höher wurden sie getrieben. Begründet hat man es mit Investitionen in die Zukunft. In der letzten Zeit hörte man oft die These, man solle Aktien nach Möglichkeit überhaupt nicht mehr in der Vermögensstruktur berücksichtigen, weil sie langfristig keine Perspektiven mehr bieten. Es war sogar zu lesen, dass Versicherungen ihre Aktienquote inzwischen auf deutlich unter fünf Prozent reduziert haben. Anfang 2000, als die Bewertung am höchsten war, waren fast 30 Prozent der Versicherungsgelder in Aktien investiert. Jetzt lesen Sie in Zeitungsberichten, dass beispielsweise die Aktienquote der Munich Re vier Prozent beträgt, wovon die Hälfte nochmals abgesichert ist. 85 Prozent sind dagegen in Anleihen investiert. Da kommt mir die Galle hoch! Gibt es Anlageklassen außer Aktien, Renten und Cash, in die Sie investieren, und welcheInstrumenteverwendenSiedafür?
Das ändert sich immer. Ich investiere eigentlich in alles, was einen Markt hat und was liquide ist. Wir haben zum Beispiel ein Relative-Stärke-basiertes Länderreporting, das kurzfristige Trends misst. Vor einigen Wochen erhielten China und die BRICs ein Kaufsignal. Die BRICs sind auch gut bewertet und haben eine schöne Bodenbildung vollzogen, sodass wir ETFs auf diese Märkte erworben haben. Insgesamt haben wir im Augenblick eine ETF-Quote von 20 Prozent in unserem vermögensverwaltenden Mischfonds. Phasenweise investieren wir auch in Wandelanleihen oder in Bonus- oder Discountzertifikate. Ich bin nicht ausschließlich auf Aktien, Renten und Cash fixiert, sondern ein opportunistischer chancenorientierter Anleger. Was ich aber nicht mache, sind Finanzderivate, die ich nicht verstehe. Auch auf der Rentenseite haben wir nie ein ABS-Papier oder andere synthetische Anlagen gehalten, niemals. WiestellenSiefest,obeinAktienmarkteherbilligodereherteuerist?
Wir ziehen langfristige Bewertungsindikatoren heran, um den langfristigen fairen Wert (Fair Value) eines Marktes zu bestimmen. Das kurzfristig orientierte Kurs/GewinnVerhältnis eignet sich nicht, weil die Gewinne in der Rezession wegbrechen. Wenn Aktien billig sind, weisen Unternehmen Verluste aus und die Kurs/Gewinn-Verhältnisse sind hoch oder sogar negativ. Wenn Aktien teuer sind, verdienen die Unternehmen fett und die Kurs/Gewinn-Verhältnisse sind niedrig. Da sich die Börsen aber ausschließlich an der Gewinnentwicklung orientieren, müssen Sie einen Weg finden, um das zu fassen. Wir machen das mit dem KGV10. Das heißt, wir nehmen die Unternehmensgewinne der letz-
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ten zehn Jahre, bereinigen sie um die Inflation, sodass wir die die realen Gewinne erhalten, bilden den Zehn-Jahres-Durchschnitt und beziehen ihn auf die aktuellen Kurse. Und das Ergebnis nennt man KGV10. Dieses KGV10 gibt es in Amerika für 120 bis 130 Jahre. Es schwankt in diesem Zeitraum zwischen 10 und 20. In neuen Bewertungswelten geht es deutlich über 20, in schlechten Phasen auch mal unter 10. Wir haben den Zusammenhang von KGV10 mit der künftigen Rendite von Aktienmärkten schon gemessen. Wenn wir einen Erwartungshorizont von drei Jahren ansetzen, erhalten wir einen signifikanten Zusammenhang. Je nachdem, ob Sie bei einem KGV10 von 10, 20, unter 10 oder über 20 gekauft haben, stellen Sie über die nächsten drei Jahre sehr starke Unterschiede in der Wert5 entwicklung fest. In Amerika ist beispielsweise das KGV10 aktuell bei 16, also keineswegs extrem billig. Aber es gibt eine ganze Reihe Märkte, wozu auch Deutschland gehört, die inzwischen unter 10 liegen. Deutschland hat aktuell ein KGV10 von 9,7. In dieser niedrigen Bewertung spiegeln sich mehrere Krisen gleichzeitig wider – Finanzkrise, Hypothekenkrise, Vertrauenskrise, Konjunktureinbruch, Liquiditätskrise –, und dadurch ist die Erwartungshaltung der Marktteilnehmer besonders negativ und die Kurse deswegen besonders tief. Als Antizykliker nutzen wir das. WieermittelnSieletztlichdieHöhederAktienquoteinIhremvermögensverwaltenden Mischfonds?
Wir experimentieren sehr viel mit dem Fair Value. Die Über- oder Unterbewertung eines Marktes lässt sich bestimmen, indem man Bewertungskriterien wie das Kurs/GewinnVerhältnis, das Kurs/Cash-Flow-Verhältnis oder das Kurs/Buchwert-Verhältnis ins Verhältnis zu ihren historischen Durchschnittswerten setzt. Entspricht die aktuelle Bewertung des Aktienmarktes seinem Fair Value, beträgt die Aktienquote 50 Prozent. Je stärker der Markt nun unter den Fair-Value fällt, desto höher gewichten wir in unserem StrategyFonds den Aktienanteil. Worüber wir bei uns im Hause noch erhitzte Diskussionen führen, ist die genaue Bestimmung des Fair Values. Die Frage, die wir noch nicht abschließend klären konnten und weshalb wir auch noch keine Fair-Value-Zahlen veröffentlichen, lautet: Zinsbereinigen oder nicht? Von der Logik her müsste es bei einem Kurs/GewinnVerhältnis von zehn einen Unterschied machen, ob das Zinsniveau bei acht oder bei vier Prozent liegt – theoretisch! In unseren Untersuchungen hat sich dieser Zinseinfluss bisher nicht verifizieren lassen. Daran arbeiten wir noch. Inwieweit verwenden Sie neben der Bewertung auch andere Analysemethoden wie TechnischeAnalyseoderSentimentindikatoren?
Spannend sind natürlich Anhaltspunkte, die objektive Hinweise auf eine Über- oder Untertreibung an den Märkten geben. Im Bereich der Sentimentanalyse ist das der Fall, wenn Sie eben ein hohe Anzahl an Bullen oder Bären angezeigt bekommen, was einem starken
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Optimismus oder Pessimismus entspricht. Wir verfolgen zum Beispiel die Indizes von AAII, Investor Intelligence, Sentix oder den Strate-Street-Confidence-Index. Im Bereich der Markttechnik sind vor allem Abweichungen der Märkte von ihrem langfristigen gleitenden Durchschnitt recht interessant, zum Beispiel wie weit ein Markt unter seiner 200-TageLinie liegt. Aber es ist immer ein breites Spektrum an Indikatoren, aus dem sich das Gesamtbild ergibt. Lassen Sie uns über Rentenmanagement sprechen. Wie steuern Sie das Bonitäts und Laufzeitmanagement?
Auch am Rentenmarkt gehen wir antizyklisch vor. Die Spread-Analysen spielen dabei eine sehr große Rolle. Die Spreads, also die Risikoprämien, sind im Zeitablauf nicht konstant, sondern es gibt Phasen, in denen sich Anleger das Risiko fürstlich bezahlen lassen, und es gibt Phasen, in denen Sie kaum einen Mehrertrag erzielen können. Wenn die Spreads zwischen Unternehmens- und Staatsanleihen sehr hoch sind, schichten wir schrittweise in Schwellenländer- und Unternehmensanleihen um. Zuletzt sind wir dabei in eine Finte reingelaufen. Als die Spreads im August und September 2008 bereits sehr hoch waren, haben wir Unternehmensanleihen mit einer Durchschnittsrendite von 7 bis 7,5 Prozent gekauft. Und dann kam Lehman (siehe Abbildung3.5). Es folgte eine Hausse in Staatsanleihen, und unsere Unternehmensanleihen sind abgestürzt, weshalb wir im letzten Jahr einen Rückgang in der Wertentwicklung unserer Renten verbuchen mussten, ohne dass wir echte Ausfälle zu verzeichnen hatten. Aber in der Zwischenzeit hat sich das nicht nur normalisiert, sondern bereits ausgezahlt. Das Laufzeitenmanagement wird sehr stark von den Zinsstrukturkurven beeinflusst. Je steiler die Zinsstrukturkurven, umso attraktiver sind lange Laufzeiten. Die Konjunkturerwartungen und die Zinspolitik der Notenbanken spielen dabei natürlich eine große Rolle. Wir versuchen, uns an den steilsten Stellen auf der Zinsstrukturkurve zu positionieren, weil wir dort den höchsten Roll-Down-Effekt erreichen. Das heißt, wir haben keine konstante Laufzeitenstruktur, sondern wenn die Zinsen hoch und die Zinsstrukturkurven steil sind, gehen wir länger und in allen anderen Fällen kürzer. Wir investieren auch in inflationsgeschützte Anleihen, vor allem wenn die Inflationserwartungen sehr niedrig sind. Sofern die tatsächliche Inflationsrate in den nächsten Jahren höher liegen wird, ist es besser, einen „Linker“ zu kaufen als eine herkömmliche Anleihe.
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Abbildung 3.5
Rendite von Staats- und Unternehmensanleihen im Euro-Währungsraum, 1999 bis 2009 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung)
8 Ausbau von Unternehmensanleihen 7
Renditein%
6
5
4
3
2
RenditevonEurolandUnternehmensanleihenmitBBBRating
RenditevonEurolandStaatsanleihen
WelcheRollespieltdieMarktkapitalisierungbeiderSelektiondereinzelnenTitel?
Auf der Aktienseite bilden wir den Löwenanteil im Large-Cap-Bereich ab, weil wir die Märkte dabei nicht beeinflussen. Es nützt uns nichts, wenn wir mit Small Caps einem Fonds auf das Siegertreppchen helfen, um anschließend mit den zu erwartenden Mittelzuflüssen den Erfolg nicht mehr halten zu können. Das hielte ich für unseriös. Außerdem verfolgen wir einen weltweiten Ansatz und wollen die jeweiligen Märkte abdecken. Insofern macht es keinen Sinn, mit Small Caps anzufangen. Allenfalls haben wir mal kleine Positionen zur Beimischung. Im Augenblick haben wir in unserer Aktienstrategie eine durchschnittliche Börsenkapitalisierung von 4,8 Milliarden Euro pro Titel. Auf der Rentenseite suchen wir uns die Anleihen eigentlich immer auf Verfall aus, es sei denn, es kommt während der Laufzeit zu einer besonders positiven Entwicklung, dann veräußern wir auch mal vorher. Aber wir rechnen bei Kauf damit, dass wir sie bis zum Verfall halten. Das heißt, hier spielt es für uns eine sekundäre Rolle, wie liquide die Titel sind. Dennoch versuche ich nach Möglichkeit, Benchmarkanleihen zu kaufen oder Anleihen mit einem sehr hohen Emissionsvolumen, weil Liquidität zwar eine sekundäre, aber dennoch wichtige Rolle für uns spielt. Auch in der Finanzkrise konnten wir alle Rückflüsse bedienen, obwohl viele Anleihen am Markt illiquide waren. Unsere Anlagestrategie im Rentenbereich hat somit auch in dieser Krise nicht versagt, außer dass wir zu früh die Unternehmensanleihen aufstockten.
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HörenSiezuweilenauchaufIhrBauchgefühl,oderberuhtbeiIhnenletztlichallesauf denErgebnissenIhrerFinanzmarktuntersuchungen?
Wir schauen uns die Bewertungen natürlich sehr genau an und versuchen, möglichst viele Informationen zu gewinnen. Ansonsten bin ich eigentlich ständig am Lesen: Unternehmensanalysen, Barron’s, BCA, Value Line, Financial Times, Handelsblatt, Finanz und Wirtschaft, FAZ und so weiter. Einen Großteil meiner Zeit verbringe ich mit Lesen, und dabei taucht plötzlich irgendwo mal eine Idee auf zu einer bestimmten Branche, zu einem bestimmten Einzelwert oder zu was auch immer. Dann schaue ich mir das genauer an, und es kann durchaus sein, dass ich aus irgendwelchen Gründen, die sich instinktiv ergeben haben, investiere. Das sind nicht die schlechtesten Trades! HabenSieimLaufederJahreetwasanIhremManagementstilverändert?
Wir haben natürlich mit unserer antizyklischen Vorgehensweise über die letzten eineinhalb Jahre Probleme bekommen, weil viele Grundsätze, die sich über Jahrzehnte als richtig erwiesen haben, infrage gestellt werden mussten. Es ist natürlich besser, in Panikphasen als in Euphoriephasen zu kaufen, aber Sie können auch zu früh einsteigen. Der Markt hat 2008/2009 nach unten überschossen, wie er 2000 in der Neuen-Markt-Hausse nach oben überschossen hat, und man selbst steht fassungslos davor. Um an das Beispiel mit dem Herrn und dem Hund zu erinnern: Wenn der Herr den fairen Wert einer Aktie widerspiegelt und der Hund den Preis an der Börse, dann ist der Hund 2008/2009 in der Schlucht verschwunden, und der Herr hatte nicht mal mehr Sichtkontakt. Mit einer Strategie, die den Abstand zwischen Herr und Hund misst, sind sie dann natürlich „verratzt“. Hinzu kommt, dass jene Anleger, die schon 2000 bis 2003 eine schmerzhafte Phase durchgemacht haben, so etwas erneut durchlebten. Deren Risikofähigkeit ist nicht unbedingt kompatibel mit einer antizyklischen Strategie. Deswegen mussten wir unseren Ansatz überdenken und modifizieren. Was machen Sie als überzeugter Antizykliker? Sie fahren einen Teil des Depots auf Sicht! Auf der Finanzmesse in der Schweiz hat das jemand sehr gut ausgedrückt, besser könnte ich es auch nicht machen: „Ich weiß nicht, wie das Wetter in drei Monaten ist. Aber wenn ich aus dem Hause schaue, sehe ich, ob die Sonne scheint oder ob es regnet. Wenn es regnet, spanne ich mir einen Schirm auf. Wenn es aufhört zu regnen, mache ich den Schirm wieder zu.“ Das heißt, wir sind bereits dabei, unsere Strategie zu ergänzen und ein relativ rigides Instrumentarium im Risikomanagementbereich aufzubauen. Es bleibt bei einer Übergewichtung in Aktien in Unterbewertungsphasen, aber nur wenn die kurzfristigen Trends intakt sind. Wenn das Abwärtsmomentum zu stark wird, reduzieren wir die Volatilität, indem wir mithilfe ganz kurzfristiger Indikatoren auch mal Teile des Portfolios über einen Future absichern. Darüber hinaus wollen wir künftig keine Aktien in Depots halten, die nach der Relativen Stärke zu den schwächsten 25 Prozent gehören. Wir wollen damit vermeiden, dass wir zu lange in Einzelwerten bleiben, über die andere offensichtlich mehr wissen als wir.
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Auch im Währungsbereich haben wir einige Modifikationen vorgenommen. Früher sind wir folgendermaßen vorgegangen: Wenn wir eine Währung oder ein Land für aussichtsreich hielten, handelte es sich dabei häufig um Länder oder Währungen mit hohen Zinsen. Ansonsten lohnt es nicht, ein zusätzliches Risiko einzugehen. Wir kauften beispielsweise eine zehnjährige brasilianische Realanleihe und rechneten uns aus, wie weit die Währung über die nächsten zehn Jahre fallen darf, ohne dass wir damit schlechter abschneiden als mit einer vergleichbaren Euro-Anleihe. Und wenn dieses Sicherheitspolster fürstlich groß war, haben wir die Fremdwährungsanleihe gekauft und durchgehalten, ohne dabei die Währung abzusichern. Damit sind wir aber in der Finanzkrise rasiert worden. Dollar und Yen sind hochgeschossen, und der brasilianische Real und alle anderen Währungen wurden verprügelt. Und weil wir uns nicht erlauben wollen, dass Währungen stärker gegen uns laufen, haben wir unser Währungsmanagement gestrafft. Das heißt, wir haben nun auch bei Hochzinswährungen enge Kriterien festgelegt, nach denen das Portfoliorisiko ab einem gewissen Punkt für eine bestimmte Zeit abgesichert wird. Insofern hat sich zwar der Löwenanteil unserer Anlagegrundsätze nicht geändert, aber die Krise hat uns Modifikationen abgefordert. WelchesBildhabenSiegegenwärtigvondenMärkten?
Die Frühindikatoren wie ABC-Konsumentenvertrauen, IFO-Geschäftserwartungen, ZEW, Baltic Dry Index und Kupfer haben zuletzt eigentlich gedreht. Das könnte ein Hinweis sein, dass wahrscheinlich das erste Quartal des Jahres 2009 das schlimmste war, was die Ertragsentwicklung und den Rückgang der Aufträge angeht, und es im weiteren Jahresverlauf tendenziell etwas weniger schlimm wird. Auch die Trendindikatoren, die wir entwickelt haben, sind im Augenblick alle positiv. Deswegen sind wir logischerweise hoch in Aktien investiert. Aber wir haben makroökonomische Trends, wie wir sie noch nie hatten, und die sich auch nicht abschätzen lassen. Wir haben kontraktive Prozesse: Banken, die ihre Kreditportfolios herunterfahren, Unternehmen, die sich schwieriger und teurer refinanzieren müssen, ihre Investitionen herunterfahren, Kosten senken, Mitarbeiter auf die Straße setzen, die wiederum ihren Konsum drosseln. Das ist eine Abwärtsspirale. Nach 50 Jahren Kreditexpansion ist eine solche Spirale nicht in drei Jahren bewältigt. Es kann durchaus sein, dass wir japanische Verhältnisse bekommen. Auf der anderen Seite haben wir aber monetäre Stimulanzen in einem gigantischen Ausmaß, wie wir sie ebenfalls noch nie beobachten konnten. Vielleicht schlägt das Ganze wegen der vielen Liquidität in Reflationierung um. Kein Mensch kann zuverlässig sagen, welche Entwicklung die Oberhand gewinnen wird. Man weiß es einfach nicht. Ohne dabei eine Prognose abzugeben, wie ist Ihre Meinung zu den langfristigen Entwicklungen,mitdenenwirrechnenmüssen?
Ich halte es für möglich, dass wir eine Phase wie in Japan bekommen, nicht überall auf der Welt, aber vielleicht in den etablierten Märkten, wo die Bevölkerung vergreist, viele satt sind und nicht mehr arbeiten wollen. Dieses Szenario ist zumindest nicht auszuschließen.
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Aber grundsätzlich glaube ich, dass die Aktienmärkte von einer solchen Entwicklung profitieren werden. Selbst wenn die extrem lange Prosperitätsphase seit dem Zweiten Weltkrieg überschritten ist und selbst wenn wir vielleicht japanische Verhältnisse bekommen, ein Unternehmen kann mit solch einer Situation immer einfacher umgehen als der Staat. Ein Unternehmen, dessen Absatz zurückgeht, kann seine Kapazitäten reduzieren. Es reduziert seine Kosten, und irgendwann verdient es auch trotz einer geringeren Nachfrage wieder Geld. Das heißt, ein Unternehmen kann sich anpassen, und dann steigt auch der Aktienkurs wieder, obwohl sich die Güternachfrage auf einem wesentlich niedrigeren Niveau eingependelt hat. Das ist ein Riesenvorteil. Der Staat ist inflexibel, er springt zwar ein, um den Nachfrageausfall unter Umständen zu kompensieren. Aber wie will er das jemals finanzieren? Entweder, es gibt eine Währungsreform, oder es gibt eine Inflationierung. Und all die Anleger, die massenweise in Staatsanleihen als vermeintlich sichere Anlage flüchteten, machen genau den Fehler, den wir vorher besprochen hatten. Ich reduziere mein Risiko nicht, indem ich einen Klumpen in einer vermeintlich sicheren Anlage bilde. Unterstellen wir mal, es wird auch am Aktienmarkt ähnlich wie in Japan ablaufen: Der Aktienmarkt ist dort von 40000 auf 7000 Punkte gefallen, und das über eine Phase von 20 Jahren. Aber es war keine homogene Abwärtsbewegung, sondern wir hatten viele Sekundär- und Tertiärzyklen, mit durchaus beträchtlichen prozentualen Erholungen (siehe Abbildung 3.6). Dieses Szenario widerspricht sicherlich dem Konsens, und Sie können daraus nur mit aktiven Strategien Nutzen schlagen. Wer im Falle Japan einen ETF gekauft hätte, was heutzutage jeder „Depp“ in der Zeitung als optimale Anlageform anpreist, der muss sich halt mit Index minus Kosten zufriedengeben. Abbildung 3.6
Baisse am japanischen Aktienmarkt, 1988 bis 2009 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung)
40000
Indexpunkte
20000
30%
+50% 40%
+60%
60%
10000 60% +130%
Dez.87 Jun.88 Dez.88 Jun.89 Dez.89 Jun.90 Dez.90 Jun.91 Dez.91 Jun.92 Dez.92 Jun.93 Dez.93 Jun.94 Dez.94 Jun.95 Dez.95 Jun.96 Dez.96 Jun.97 Dez.97 Jun.98 Dez.98 Jun.99 Dez.99 Jun.00 Dez.00 Jun.01 Dez.01 Jun.02 Dez.02 Jun.03 Dez.03 Jun.04 Dez.04 Jun.05 Dez.05 Jun.06 Dez.06 Jun.07 Dez.07 Jun.08 Dez.08 Jun.09 Dez.09
5000
Nikkei225Index
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Was glauben Sie, wie wird sich Vermögensverwaltung über die nächsten Jahre verändern?
Es ist ganz klar, dass wir vor einer massiven Zäsur stehen. Es wird gravierende Veränderungen geben. Die Anleger sind nicht mehr bereit, für benchmarkorientierte pseudoaktive Fonds entsprechend hohe Gebühren zu bezahlen. Es ist wie in der Gastronomie: Entweder gehen die Leute zum Schnellimbiss, wo sie sich preiswert sättigen können à la McDonalds oder Burger King, oder sie gehen ins gehobene Spezialitätenrestaurant. Aber dieser riesige gutbürgerliche Mittelbauch, wo es das ominöse Zigeunerschnitzel für teilweise happige Preise gibt, wird stark reduziert. Und in der Vermögensverwaltung und in der Fondsindustrie werden wir das Gleiche erleben. Wir werden viele passive Instrumente und ETFs erhalten, mit denen Sie sich kostengünstig in allen möglichen Märkten engagieren können, und wir werden aktive Manager finden, die eben Alpha-, Beta- oder Nischenkonzepte verwalten. Die großen Fondsgesellschaften als klassische Zigeunerschnitzelanbieter werden auf jeden Fall in die Klemme kommen. Wir stehen vor Umwälzungen.
WelchesBuchwürdenSieAnlegernalsauchMitarbeitenaufjedenFallempfehlen?
Es gibt eine ganze Reihe guter Börsenbücher. Aber wenn sich jemand mal mit den Märkten befassen möchte, würde ich ihm raten, ein Buch von Kostolany zu lesen. Der Mann hatte sehr viel Erfahrung, und die hat er weitergegeben. So etwas zu lesen ist immer lehrreich. Darf ich Sie abschließend fragen, ob Sie Ihr eigenes Vermögen selbst verwalten, oder lassenSieeinenTeilvonanderenPersonenmanagen?
Mein Geld habe ich im Huber Strategy angelegt. Ich denke, dass es eine Schweinerei wäre, wenn ich mein eigenes Geld anders als das der Anleger verwalten würde. Insofern setze ich mich bewusst in ein Boot mit den Leuten, die mir ihr Vertrauen schenken. Natürlich verwendet man gutes Know-how von anderen mit. Deshalb sind im Huber Strategy auch ETFs und sonstige Instrumente enthalten, die von anderen konzipiert wurden. Es ist schließlich nicht so, dass ich die Weisheit mit Löffeln gefressen habe.
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„InmeinenAugenistBescheidenheit diegrößteQualitäteinesgutenPortfoliomanagers. Sieistdurchnichtszuübertreffen.“
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Ethna Capital Partners S.A. Der Rat von Kollegen und Bekannten war mir bei der Auswahl der potenziellen Gesprächspartner während der Planungsphase des Buches eine wertvolle Hilfe. Darauf angesprochen, nannten mir drei meiner Kollegen spontan und unabhängig voneinander den Namen Luca Pesarini. Der Fondsmanager und Gründer der Ethna Capital Partners S.A. stand zwar bereits auf meiner Wunschliste, aber ich fand es dennoch bemerkenswert, dass mir gerade sein Name aus drei unterschiedlichen Richtungen zugerufen wurde. Da ich zu diesem Zeitpunkt Luca Pesarini noch nicht persönlich kannte, interessierten mich natürlich deren Beweggründe. Als Antwort erhielt ich zusammengefasst: „Der macht eine gute Arbeit, hat seine eigene Meinung und ist außerdem ein ziemlich cooler Typ.“ Vom schweizerischen Wollerau aus, südlich des Zürichsees im Kanton Schwyz gelegen, konzentriert sich Luca Pesarini gemeinsam mit seinem Kollegen Guido Barthels auf das Management zweier Mischfonds. Das im Jahr 2001 gegründete Unternehmen hat sein Mauerblümchendasein, sofern es solches jemals hatte, längst abgelegt, was in erster Linie sicherlich der überzeugenden und stetigen Wertentwicklung der Fonds zu verdanken ist. Das dürfte letztlich die Erklärung dafür sein, dass Ethna vor allem unter freien Finanzdienstleistern und deren Privatkunden einen guten Ruf genießt. Für unser Gespräch verabredeten wir uns in Zürich. Da mein Zug zur Mittagszeit am Hauptbahnhof ankommen sollte, beschlossen wir, das Gespräch während des Mittagessens in einem Züricher Restaurant zu führen. Da ich als seltener Besucher der Stadt Zürich weder das Restaurant noch den Weg dorthin kannte, bot mir der Fondsmanager an, mich persönlich vom Bahnhof abzuholen: „Wir treffen uns einfach am Hauptbahnhof unter der großen Anzeigetafel.“ Was ich als Ehre empfand, war für ihn anscheinend eine Selbstverständlichkeit. Aber ich glaube, diese offene, unkomplizierte und freundliche Art beschreibt ihn als Person ausgesprochen gut. Ein sehr angenehmer und humorvoller Zeitgenosse, mit dem sich sehr schnell eine gemeinsame Gesprächsebene herstellen lässt, zumindest war das mein Empfinden. Nach jedem meiner Gespräche sind bestimmte Schlüsselerinnerungen im Gedächtnis hängen geblieben. Bei Luca Pesarini hat mich vor allem beeindruckt, wie stark er in seinem Denken und Handeln Wert auf Ethik und Moral legt. Damit meine ich nicht das Auswendiglernen irgendwelcher Phrasen im Nebenfach Wirtschaftsethik, das jeder BWL-Student während des Studiums belegen musste. In seinem Fall gewinnt man tatsächlich den Eindruck, dass es in diesem Geschäft nicht nur um Geld geht und auch nicht gehen sollte. Stattdessen scheint er in seinem Tun bestrebt zu sein, gewisse Tugenden und Werte tatsächlich zu leben und in seine tägliche Arbeit als Fondsmanager einfließen
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zu lassen. Die Story wird noch glaubhafter, wenn man bedenkt, dass Luca Pesarini in seiner Karriere bereits Bankvorstand war, unmittelbar bevor er Ethna gründete. Geld allein kann folglich nicht seine Motivation gewesen sein. WanninIhremLebenkamdasInteressefürdieFinanzmärkteauf,undwaswarenIhre erstenErfahrungen?
Ich befürchte, dass es schon immer da war. Das Interesse ist mir sicherlich schon mit der Muttermilch eingegeben worden. Witzig ist, dass ich sehr gern – und das kann man jetzt zweideutig interpretieren – Dagobert-Duck-Heftchen gelesen habe. Das Schwimmen im Geld in Dagoberts Geldspeicher hat mich besonders interessiert. Insofern glaube ich, schon immer ein natürliches Interesse für diese Sache gehabt zu haben. Ich hatte kein Schlüsselerlebnis, sondern bin sozusagen wach geworden und wusste, dass ich etwas in diese Richtung machen wollte. Schon immer! Ich hatte von Kindesbeinen an nie Zweifel daran, dass ich irgendwann etwas mit Geld mache. Später in meinem Leben habe ich dann angefangen, BWL zu studieren, und danach die klassische Laufbahn in der Bank eingeschlagen. Erzählen Sie mir von Ihrem Werdegang? Was haben Sie gemacht, bevor Sie Ethna CapitalPartnersgründeten?
Als Schüler war ich auf der Deutschen Schule in Rom und habe dort Abitur gemacht. Nach dem Abitur bin ich 1981 nach Deutschland gekommen und habe in Mannheim BWL bei Professor Gerke studiert. Darauf bin ich auch sehr stolz, weil er in meinen Augen ein sehr guter Professor ist. Danach bin ich in die Dresdner Bank eingetreten und habe dort ein Wertpapier-Trainee-Programm absolviert. Nach circa einem Jahr habe ich das Programm abgebrochen und bin direkt in die Sales-Abteilung, also die Verkaufsabteilung, für deutsche Aktien eingestiegen, die Letztere an institutionelle Kunden, Fonds, Versicherungen, Pensionskassen und ähnliche Strukturen verkauft hat. Diesen Job habe ich dort bis 1991 gemacht. Mir ist dann zum ersten Mal bewusst geworden, dass die Dresdner Bank eben keine Investmentbank, sondern eigentlich eine Geschäftsbank ist und deswegen diesen Geschäftsbereich gar nicht so richtig ernst genommen hat. Aus dem Grunde bin ich dann zur Bank in Liechtenstein AG in Frankfurt gewechselt, die neben dem Private Banking ausschließlich dieses Geschäft dezidiert abdeckte. 1994 habe ich als eine neue Herausforderung die Bear Stearns Bank in Deutschland mitbegründet. Dort bin ich sozusagen von „Schalter ein“ bis „Schalter aus“ geblieben und schließlich 1995 zur Julius-Bär-Bank gewechselt, die einerseits das Privatkundengeschäft und andererseits die institutionelle Betreuung dezidiert betrieben haben. Dort hat es mir sehr viel Spaß gemacht. Die Kunden stammten nicht mehr nur aus Deutschland, sondern wurden internationaler. Auch die Produkte wurden internationaler, mit größeren Freiheiten auf der Länderebene. Im Jahre 1998 bin ich dann in den Vorstand berufen worden und war dort primär für die Bereiche Sales, Sales-Trading und Kommissionshandel zuständig und sekundär für das Makro- und Mikro-Research. 2001 habe ich dann gemerkt, dass ich etwas Neues machen musste und habe Ethna Capital Partners gegründet.
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Was war der Grund, weshalb Sie Ihre eigene Firma gegründet und sich für die Selbstständigkeitentschiedenhaben?
Der Hintergrund für die Gründung von Ethna war letztendlich die Tatsache, dass ich zusammen mit meinen Kunden relativ schnell gesehen habe, dass die Anlageentscheidungen der Portfoliomanager nicht dem entsprochen haben, was sie eigentlich machen wollten. Die gesamten Zuflüsse an Kundengeldern wurde von den Beratern in irgendwelche Fonds allokiert. Die Portfoliomanager hatten ja gar nicht mehr die Möglichkeit zu sagen: „Nein, diese Anlage ist mir jetzt zu teuer, die will ich jetzt nicht haben.“ Wenn die Kunden TMT (Technologie, Medien, Telekom) haben wollten, dann haben sie TMT bekommen, während die Portfoliomanager schon längst abgeschaltet und sich in Sicherheit gebracht hatten. Die hatten schon längst nicht mehr an diese hoch bewerteten Aktien geglaubt. Die Einzigen, die noch in dieses Segment reingejagt wurden, waren die Kunden. Letztendlich war es unvermeidbar, dass die Blase irgendwann platzen musste. Und den größten Schaden hatten dann die Leute zu verzeichnen, die in der Asset-Allokation nicht die richtigen Schritte vollzogen hatten. Das war der Hauptgrund, weswegen ich Ethna Capital Partners gegründet habe, weil ich die Asset-Allokation als die weitaus wichtigere Entscheidung gesehen habe als die Wahl der Aktie oder Anleihe. 2001 war ich mit Carmignac zusammen einer der wenigen, die das in einem Fonds entsprechend umgesetzt haben. Alle Produkte, die wir bei Ethna verwalten, sind Asset-Allokation-Fonds. WarenAssetAllokationFondseineMarktlücke?
Im Prinzip ist Asset-Allokation ja nichts Neues. Aber sie ist letztendlich entscheidender für die Performance eines Portfolios als die Auswahl der einzelnen Werte. Meistens überlassen wir diese Aufgabe den Banken. Das heißt, wenn Sie als Kunde in eine Schweizer Großbank marschieren, dann werden Sie erst nach ihrer Risikoklassifizierung gefragt. Dazu dürfen Sie ein Formular ausfüllen, auf dem am Ende geschrieben steht, wie viele Aktien Sie haben möchten oder vertragen können, ob 10, 20, 30, 40 oder 60 Prozent. Das heißt, die Bank delegiert eigentlich ihre ursprüngliche Arbeit an Sie zurück. Sie sagt Ihnen, dass Sie bei Risikoklasse 1 gar keine Aktien haben dürfen, sondern nur Bonds. Wenn Sie dagegen in der Risikoklasse 10 sind, bekommen Sie 100 Prozent Aktien reingeknallt. Über das Timing unterhält sich keiner mit Ihnen. Und ob Sie das für richtig oder falsch halten, auch nicht. Es wird nur die Tatsache betrachtet, für welches Risiko Sie sich letztlich entschieden haben. Wenn Sie diese Entscheidung verändern möchten, müssen Sie selbst auf die Bank zukommen. Und das ist in meinen Augen falsch! Die Bank übernimmt schließlich die Verantwortung und müsste das auch so handhaben. Deswegen habe ich mir zum Ziel gesetzt, die Verantwortung der Asset-Allokation zu übernehmen. Das ist mein Mehrwert. Das ist die Story, warum Ethna überhaupt gegründet worden ist. Die Idee war, dass, wenn ich Gelder einsammle und langfristig einen guten Job mache, die Leute auch langfristig bleiben können. Bei der Unternehmensgründung standen weniger Market-Timing-Fragen im Vordergrund.
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GibtesDingeausIhrerBankenzeit,dieSievermissen?
Gar nichts, aber auch gar nichts! WasreiztSieandiesemBerufammeisten?
Ich glaube, es besteht für Menschen wie mich eine moralische Verpflichtung, eine moralische Aufgabe, ein ehrliches, durchsichtiges Produkt zu bauen, das für die breite Masse geeignet ist. Mein Anspruch ist eben diese moralische Verpflichtung, Kunden ein vernünftiges Produkt zu geben, das sie unter Berücksichtigung der Risikoprofile richtig durch verschiedene Marktsituationen bringt, und in dem ihr Geld niemals groß in Gefahr sein wird. Auf der anderen Seite können und dürfen sie darin aber auch keine Zauberei erwarten. Letztendlich ist es die Dankbarkeit meiner Kunden, die mich mit so viel Stolz und Zufriedenheit erfüllt. Wenn ich Kunden treffe, die mir sagen, „vielen Dank, du machst deine Arbeit genau so, wie wir uns das vorgestellt haben“, dann ist das für mich inzwischen das Schlüsselkriterium geworden. Ich hatte ein einschlägiges Erlebnis, als ich noch bei Julius Bär arbeitete. Als Leiter der Bank wechselte ich damals ins Asset-Management zur KAG. Dort stand eine Riesenpflanze, an der unten ein Spruch angebracht war, und der hieß: „Für die Bären, die zaubern können!“ Eigentlich kann in diesem Geschäft überhaupt niemand zaubern. Das ist hier keine Zauberei. Es geht darum, ein knallhartes Investmentgeschäft zu machen, und dazwischen ist kein Platz für Zauberei. Es ist nur Platz für vernünftige, gezielte und gute Investments. Insofern erfreue ich mich an der Dankbarkeit der Kunden und an der Tatsache, dass ich eben als Portfoliomanager eine gewisse Verantwortung tragen darf, diese auch sehr gerne annehme und immer für das geradestehe, was ich mache. SiehabenEthnaCapitalPartnersinderSchweizgegründet.WaruminderSchweizund nichtinDeutschlandoderItalien?
Das hat leider einen sehr traurigen Hintergrund. In Deutschland ist das, was ich mache, extrem stark reguliert, obwohl ich 2001 im Besitz einer öffentlichen Banklizenz war. Ich war Bankvorstand und hatte sozusagen eine Bewilligung von höchster Stelle, eine Bank zu führen. Etwas Höheres gibt es nicht. Und wenn ich eine solche Institution, eine Vermögensverwaltung oder Ähnliches hätte gründen wollen, dann hätte ich in Deutschland extrem lange bürokratische Wege beschreiten müssen. Das hätte mich sechs bis neun Monate, vielleicht auch ein ganzes Jahr gekostet, was mich natürlich in meiner ganzen Lebensplanung schon sehr stark eingeschränkt hätte. In der Schweiz sind die regulatorischen Rahmenbedingungen unternehmerfreundlich. Ich habe diese Firma unproblematisch und in relativ kurzer Zeit gründen dürfen und bin somit praktisch gezwungen worden, das außerhalb Deutschlands zu tun. Ich habe sie in Lugano gegründet, weil ich eigentlich aufgrund meiner Vergangenheit die Symbiose zwischen Deutschland und Italien wieder suchte. Mein Vater ist Italiener und meine Mutter Deutsche. Also für mich war das perfekt,
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die italienische Lebensqualität kombiniert mit der Schweizer Ordentlichkeit. Insofern fand ich das alles sehr passend. Ich bin dann 2001 dorthin ausgewandert, lebe weiterhin ganz glücklich und fühle mich „sauwohl“. Haben Sie Mentalitätsunterschiede zwischen Schweizern und Deutschen festgestellt, wasihreGeldanlageangeht?
Das ist natürlich schwierig zu sagen. Aber gravierende Unterschiede sehe ich nicht. Die Schweizer verfolgen einen sehr risikoaversen Ansatz, sind vielleicht noch mehr auf Sicherheit bedacht und wollen nicht jede mögliche potenzielle Gewinnchance wahrnehmen, wie es vielleicht andere europäische Bevölkerungsgruppen machen würden. Der Schweizer ist in dieser Hinsicht sehr viel solider, als man sich das vorstellt. Er ist auch sehr offen für neue Produkte. Vielleicht sind die Schweizer in der breiteren Masse einen Tick besser informiert, als es anderswo der Fall ist. Ich glaube, dass ein Hedgefonds in der Schweiz viel besser verstanden wird und auch besser zu verkaufen ist als in Deutschland, Frankreich oder Italien. Der Schweizer tendiert in seinem Wissen eher in die Richtung Engländer, der eben bei Finanzprodukten tiefer in der Materie steckt als die Deutschen. Das kann ich aber nur indirekt beurteilen, weil ich letztendlich keinen direkten Kontakt mit Privatkunden habe, sondern nur über Drittanbieter unsere Fonds vertreibe. In Deutschland finde ich es eben schade, dass man in dieser Branche wenig Platz für unabhängige Dritte findet. Das Geschäft ist stark in der Hand der üblichen Verdächtigen. GabesAkademikeroderPraktikerinIhremLeben,dieIhrDenkenbesondersgeprägt haben?
Ich bin weiterhin ein großer Anhänger meines früheren Professors Gerke, weil ich denke, dass er nicht nur gelehrt, sondern Betriebswirtschafts-„Lehre“ gepflegt hat. Er war damals schon recht innovativ, er akzeptierte Drittmeinungen und hatte in meinen Augen eine wahnsinnig ruhige Hand in dem, was er getan hat, und das hat er auch ausgestrahlt. Man hatte immer den Eindruck, etwas lernen zu können. Man konnte sich als Student akademisch ausbilden lassen. Wenn Sie heutzutage an der Universität studieren, ist das nicht immer selbstverständlich, sondern eher eingeschränkt. Sie lernen zwar, aber Sie können sich selten akademisch weiterbilden in dem Sinne, dass Sie akademische Aufgaben übernehmen und sich in eine bestimmte Richtung entwickeln. An seinem Lehrstuhl erlebte man dagegen eine sehr viel größere Freizügigkeit. Man konnte wirklich auch experimentell arbeiten, und das fand ich natürlich toll. Ich habe zum Beispiel meine Diplomarbeit selbst ausgesucht, weil ein Thema mein Interesse geweckt und letztlich zu meiner Abschlussarbeit geführt hat.
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ÜberwelchesThemahabenSieIhreDiplomarbeitgeschrieben?
Ich habe 1986/1987 über die Bankenkrise in Amerika geschrieben. Damals waren es ja nicht die Geschäftsbanken, sondern es sind reihenweise Sparkassen pleitegegangen, die sich ebenfalls alle auf ihre Art und Weise übernommen hatten. Es war eine regelrechte Sparkassen-Pleitewelle. Ich interessierte mich damals für die Gründe, warum das passierte und welche geschichtlichen Rahmenbedingungen in den 30er-Jahren gelegt wurden, die später dann zu diesen Problemen führten. Für mich ist das ein sehr interessantes Thema gewesen, weil ich natürlich von diesen ganzen Sachen zunächst wenig Ahnung hatte. Und es ermöglichte mir, eine praxisnahe Arbeit zu schreiben, anstatt einen akademischen Abriss über etwas anzufertigen, was bereits existierte.
Savings and Loan Crisis Die „Savings and Loan Crisis“ war eine Bankenkrise in den 1980er-Jahren in den USA. Über 1.000 Sparkassen in den USA brachen im Rahmen der Krise zusammen. Der Gesamtschaden betrug über 150 Milliarden US-Dollar, von denen an die 125 Milliarden durch die öffentliche Hand aufgebracht wurden. Der Schaden trug dadurch zu den hohen Budgetdefiziten der USA in den 1980er-Jahren sowie der Rezession Anfang der 90er-Jahre bei. Hintergrund Seit Anfang des 19. Jahrhunderts bestanden in den USA Sparkassen (englisch Savings and loan associations, kurz: S&Ls). Als meist kommunale Unternehmen unterlagen sie bis Anfang der 1970er-Jahre konsequenten Regulierungsvorschriften. Dies ging so weit, dass selbst die maximale Höhe der Anlagezinsen vorgeschrieben wurde. Nachdem in den 70erJahren die Inflationsrate und damit auch die Zinsen deutlich anstiegen, verloren die Sparkassen umfangreiche Einlagen an Geldmarktfonds, die deutlich höhere Zinsen versprachen. Auf der anderen Seite hatten die Sparkassen umfangreiche Festzinsdarlehen für Baufinanzierungen aufgelegt, die aufgrund der steigenden Zinsen zu Verlusten führten. Die Gewinne und das Eigenkapital der Sparkassen erodierten. Die Wurzeln der strikten Regulierung lagen in der Ära der Great Depression. Angesichts der damaligen Bankenkrise wurden Sparkassen nur wenige Geschäftsfelder erlaubt. Auch das Trennbankensystem trug zu einer Begrenzung der Geschäftsmöglichkeiten bei. Am Ende der Regierungszeit von Präsident Jimmy Carter wurden die Begrenzungen schrittweise aufgehoben. Außerdem wurde die Haftung der amerikanischen Einlagensicherung (Federal Deposit Insurance Corporation, FDIC) von 70 % des Guthabens auf 100 % angehoben. Als Ronald Reagan 1981 sein Amt als Präsident übernahm, schrieben 3.300 von 3.800 Sparkassen rote Zahlen. 1982 wurde daher durch den Kongress der Garn St. Germain Depository Institutions Act erlassen: Ein Bundesgesetz, das die Sparkassen wieder befähigen sollte, wettbewerbsfähig zu werden. Die Regulierung wurde gelockert. Sparkassen durften Ratenkredite und Unternehmenskredite vergeben sowie Kreditkarten ausgeben und wurden von den Beschränkungen der Zinssätze befreit. Weiterhin durften sie im Immobiliengeschäft tätig werden. Lediglich das Investmentbanking blieb ihnen verwehrt.
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DieKrise Aufgrund der Deregulierung expandierten die Sparkassen in hohem Tempo. Die Ausleihungen für Immobilienkredite stiegen deutlich an. Da gleichzeitig die Immobilienpreise stiegen, sanken auch die Risikokosten. Im Vertrauen auf die staatlichen Garantien war die Akquisition der zur Refinanzierung notwendigen Anlagegelder kein Problem mehr. Die Gewinne aus den Geschäften flossen den Sparkassen zu, die Risiken blieben beim FDIC (siehe hierzu: moral hazard). Neben dem Kreditgeschäft betrieben die Sparkassen hochriskante Unternehmensfinanzierungen. Sie gehörten zu den wichtigsten Investoren in sogenannten Junk Bonds, also hochriskanten Unternehmensanleihen. Umgekehrt verkauften die Sparkassen große Teile ihrer Finanzierungen über Kreditverbriefungen. Mit dem Sinken der Inflation (und der Zinsen) und dem Verfall der Immobilienpreise Mitte der 80er-Jahre brach das Geschäftsmodell der Sparkassen zusammen. Die Verluste aus Immobilienkrediten und Spekulationsverlusten trafen die Sparkassen hart. Durch die Verbriefung der Kredite profitierten die Sparkassen hingegen kaum vom Sinken der Zinsen. Im Gegenteil: Die Refinanzierungsmöglichkeiten wurden durch das niedrige Zinsniveau erschwert. Hinzu kam in einigen Fällen, dass Bankvorstände und Manager Finanzgeschäfte in betrügerischer Absicht vorgenommen hatten. Zunächst war es Politik der FHL-Banken und FDIC, Insolvenzen nicht zuzulassen und eine Bankkrise durch Stützungen zu vermeiden. Diese Politik ließ sich aber nicht durchhalten. Im März 1985 musste die Home State Savings Bank aus Cincinnati, Ohio Konkurs anmelden. In der Folge brachen immer mehr Sparkassen zusammen, die Anleger wurden zum größten Teil durch die FDIC entschädigt. ReaktionendesGesetzgebers Mit dem Financial Institutions Reform Recovery and Enforcement Act von 1989 (FIRREA) regelte der Kongress die Abwicklung der bankrotten Sparkassen. Einer der wichtigsten Teile dieses Gesetzes war die Gründung der Resolution Trust Corporation (RTC). Hierbei handelte es sich um staatliche Institute, die für begrenzte Dauer geschaffen wurden, um laut Gesetz „die Aufrechterhaltung, Sanierung und Reform der Finanzinstitutionen“ zu organisieren (siehe Bad Bank). Somit übernahmen sie „faule" Kredite, die von den Gläubigern nicht zuverlässig bedient wurden. Nach 7 Jahren war die Krise größtenteils überwunden, und das RTC ging in der staatlichen Einlagensicherung FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) auf. Der Staat gewährte den Banken einen Kredit in Höhe von 400 Mrd. US-Dollar, von denen 124 Mrd. Dollar letztlich nicht zurückgezahlt wurden. Der Steuerzahler wurde bis 1999 mit insgesamt ungefähr 124 Mrd. US-Dollar belastet.
Quelle: „Sparkassenkrise“ in: Wikipedia, 1. August 2009 GibtesbestimmtefachlicheFähigkeitenoderpersönlicheEigenschaften,aufdieesaus IhrerSichtinbesondershohemMaßeankommt,umandenFinanzmärktenerfolgreich seinzukönnen?
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In meinen Augen ist Bescheidenheit die größte Qualität eines guten Portfoliomanagers. Sie ist durch nichts zu übertreffen. Bescheidenheit ist das Wichtigste, gefolgt von Respekt vor dem Markt an sich. Jedes Mal, wenn man glaubt zu gewinnen, verliert man. Der Markt ist immer größer, stärker und hat immer recht. Als Portfoliomanager muss man seine Arbeit als bescheidenen Beitrag sehen, als eine ganz kleine Komponente in einer ganz großen Welt. Und wer darüber hinaus noch in der Lage ist, die Macht des Marktes richtig einzuschätzen, und sich selbst dabei nicht überschätzt, für den sind die restlichen Bedingungen relativ unspektakulär. Diese beiden Eigenschaften halten einen am Leben und helfen einem dabei, die ganz großen Fehler zu vermeiden. Diese Erkenntnis impliziert eben Stop Losses und sie impliziert, dass man sich jeden Tag Gedanken über seine getroffenen Entscheidungen macht. Natürlich muss man analytisch denken können, aber dabei vor allen Dingen fantasievoll sein. Fantasie ist sehr wichtig, weil sich dadurch Trends erkennen lassen. Buchhalterisch sollte man einigermaßen up to date sein und vielleicht auch ein gewisses Gespür für unternehmerisches Denken entwickeln. Welche Ideen könnten wirklich zu Geld werden, und welche davon führten einfach nur in eine Sackgasse? GibtesMarktphasen,indenenSietraditionellgutliegen?
Ich kann mich grundsätzlich besser in einem Markt bewegen, wenn die Masse der Anleger Geld verliert und ein Markt fällt, egal ob am Aktienmarkt, am Rentenmarkt oder am Devisenmarkt. In einem stetigen Aufwärtsmärkt läuft zu gut Deutsch alles. Wir sagen, da geht Butter, da geht Käse, einfach alles. Deswegen ist es für mich in diesen Phasen auch sehr schwierig, mein Können unter Beweis zu stellen. Wenn die Aktienmärkte kontinuierlich outperformen und sie sozusagen auch mit dem schlechtesten Wert Geld verdienen, dann ist das ehrlich gesagt auch keine Kunst, sondern es ist lediglich wichtig, dabei zu sein. Mir sind Seitwärtsphasen oder fallende Märkte am liebsten, weil man dann richtig gefordert ist. Der Markt erwirtschaftet einem in solchen Phasen keine Rendite, aber deswegen muss man eben selbst in der Lage sein, gegen alle anderen im Markt einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen. Seitwärtsmärkte sind selten, aber sie gefallen mir am besten und machen am meisten Spaß. WelcheMarktphaseempfandenSiealsbesondersschwierig?
2007 war sehr schwierig. Ich würde sagen, es war ein mäßiges Jahr. Aber nicht, weil ich das Jahr im Plus beendete, obwohl viele der europäischen Märkte schon im Minus waren, sondern es war insoweit schwierig, weil meine Kundschaft sehr Deutschland-lastig ist. Viele haben den DAX als Referenz für ihre eigenen Investments herangezogen. Der DAX hat das Jahr 2007 noch mit einem Kurszuwachs von rund 20 Prozent abgeschlossen, und als Vermögensverwalter wird einem dann die Frage gestellt: „Wieso performst du nicht?“ Das sind die üblichen Kritikpunkte, die man sich teilweise dadurch erklären kann, dass die wenigsten der Kritiker das Produkt verstanden haben. Ich verwalte einen AssetAllokation-Fonds und kein DAX-Surrogat. Diese Tatsache in vielen Köpfen zu festigen oder zu zementieren, ist eine relativ schwierige Sache.
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Abbildung 4
Ausgewählte Aktienmärkte im Jahre 2007 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
25,0%
20,0%
15,0%
Veränderungin%
10,0%
5,0%
0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
20,0% Dez.06
Jan.07
Mrz.07
Apr.07
DAX30inEUR
Mai.07
Jun.07
SMIinEUR
Jul.07
Aug.07
Sep.07
S&P500inEUR
Okt.07
Nov.07
Dez.07
NIKKEI225inEUR
UndwiegelingtesIhnen,denAnlegerndasklarzumachen?
Um es ganz klar zu sagen, unser Ansatz beziehungsweise unser System können wir den Leuten nur dadurch erklären, dass wir ihnen sagen: „Wir tun so, also ob wir ihr gesamtes (!) liquides Vermögen übernehmen und es in verschiedene Anlagekategorien investieren.“ Dazu gehört eine Aktienkomponente, die auch mal einen Anteil von null Prozent einnehmen kann. Den wenigsten Menschen ist überhaupt bewusst, was das Aktienrisiko eigentlich für sie bedeutet und welche Schmerzen es ihnen zufügen kann. Ich freue mich für jeden Anleger, der mir sagt: „Ich habe mir ein paar XYZ`-Aktien gekauft und damit Geld verdient.“ Wenn wir diese Aktien aber in sein gesamtes Portfolio einbauen würden, dann wäre die Größenordnung wahrscheinlich vernachlässigbar klein und somit für mich nicht relevant. Für mich ist das gesamte liquide Portfolio eines Menschen relevant, um zu sehen, welchen Aktienanteil dieser Mensch aufgrund seines Risikoprofils überhaupt ertragen kann. Und dementsprechend verhalte ich mich und agiere daher eher defensiv als aggressiv. Wenn ein Portfolio in die richtige Richtung läuft, dann agieren wir auch mal aggressiver. Das liegt in der Natur der Dinge und macht auch Spaß. Aber es ist eben nur eine Komponente der gesamten Philosophie, die sich dahinter verbirgt.
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WaswarendieausIhrerSichtwichtigstenLehren,dieSieimLaufeIhrerKarriereüber die Finanzmärkte gelernt haben? Konnten Sie für sich bestimmte Regeln oder Gesetzmäßigkeitenidentifizieren,nachdenendieMärktefunktionieren?
Gesetzmäßigkeit Nummer eins ist die Gier, und die Gesetzmäßigkeit Nummer zwei ist die Vergesslichkeit. Menschen vergessen sehr schnell die Schmerzen, die sie erlitten haben. Deshalb machen sie auch immer wieder die gleichen Fehler, immer! Sie verkaufen beispielsweise jene Aktien, die nicht gefallen sind, und halten stattdessen Aktien, die besonders stark gefallen sind. Die Leute machen alle Fehler, die man nach dem kleinen „Einmaleins der Börse“ nicht machen sollte. Was mich zusätzlich über viele Marktphasen geprägt hat, ist ein gewisses Misstrauen gegenüber Informationen, die an mich herangetragen werden, zum Beispiel, was Vorstände mir erzählen, was Analysten schreiben, was die Presse schreibt und dergleichen. Ich habe gemerkt, dass viele dieser Menschen die Wahrheit bewusst so drehen, wie sie sie benötigen oder gern haben möchten, ohne dass sich das in der Realität widerspiegelt. Unternehmen erzählen heute A und morgen B, ohne dabei rot zu werden. Aber sie werden ja auch nicht für ihre Lügen bestraft. Diese Tatsachen stimmen mich nachdenklich, vor allem, wenn dabei billigend in Kauf genommen wird, das Schicksal anderer Menschen bewusst zu ruinieren. WieistIhrgegenwärtigesBildvonderWeltunddenMärkten?
Wir wissen, dass wir nichts wissen. Ich glaube, dass die Signale wahnsinnig gegensätzlich sind. Über eines sollten wir uns jedoch im Klaren sein: Es wird noch schlimmer kommen. Wie schlimm, ist eine andere Frage, über die man lange diskutieren kann. Aber es kommt schlimmer, und dabei helfen einem auch keine Basiseffekte. Irgendwo gibt es sicherlich einen Punkt, an dem das Abwärtsdelta weniger wird. Aber ich glaube nicht, dass wir von heute auf morgen eine Umkehrung der Situation sehen werden. Der Weltwirtschaft mangelt es an Kapital. Das Geld ist ausgegeben worden. Die Amerikaner haben es in den letzten zehn Jahren verkonsumiert. Und jetzt geht es darum, zu interpretieren, welche Rolle Unternehmen beziehungsweise Staatsunternehmen dabei ausfüllen können, und ob man durch staatliche Eingriffe einiges an schmerzhafter Entwicklung auf dem Weg nach unten abfedern kann. Es ist durchaus möglich, dass die Maßnahmen eine positive Wirkung entfachen. Nichtsdestotrotz werden wir schwierige Monate bis Jahre vor uns haben. Diese gesamte Entwicklung der letzten fünf bis sechs Jahre muss sich idealerweise in den nächsten drei bis vier Jahren zurückbilden, um das Niveau der Menge an realen Anlagen und der Geldmenge wieder in Einklang zu bringen. Ich bin definitiv nicht der Crash-Prophet, aber ich sehe keinen Grund, euphorisch zu werden. Meine Aufgabe wird es eher sein, innerhalb einer solchen Weltkonstellation jene Unternehmen zu finden, die entweder in der Lage sind, ihre Cashflows zu steigern und sich somit als Schuldner eignen, oder die tolle Produkte auf den Markt bringen können und somit in jeder Phase fähig sind, Mehrwert zu generieren. Insofern ist das für mich eine wahnsinnig spannende Zeit. Ich freue mich auf die nächsten Monate, nicht weil ich Freude daran habe, wenn Leute ihr Geld verlieren, sondern es ist eine Herausforderung für all diejenigen, die für andere Menschen Geldvermögen verwalten.
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VonwelchenlangfristigenEntwicklungengehenSieindennächstenJahrenaus?
Ganz klar in Richtung Japan, eins zu eins. Wir erleben das, was auch die Japaner durchgemacht haben. In meinen Augen wird es zwar kleine Abweichungen davon geben, aber letztendlich ist es genau dieses Szenario. Die Zinsen werden noch tiefer fallen und dort bleiben. Eigentlich müsste Geld einen Wert haben. Aber wenn Sie dem Geld keinen Wert beimessen, weil Sie darauf keine Zinsen bekommen beziehungsweise zahlen müssen, dann ist es in meinen Augen ein struktureller Fehler. Dennoch glaube ich, dass wir uns dorthin entwickeln, weil sich der Staat durch günstiges Geld refinanzieren muss. Natürlich werden wir einen gewissen Negativeffekt haben, durch das Crowding Out, also durch die Verdrängung des Kapitals Richtung Sicherheit zuungunsten der Unsicherheit. Das lässt sich durch die Nullzinspolitik etwas abfedern, da man den Investor vor die Wahl stellt, entweder die Sicherheit zu Nullzinsen oder eben das Risiko zu wählen. Möglicherweise ist das der richtige Ansatz. Und ich glaube auch, dass wir keine Inflation zu befürchten haben, sondern eher Deflation. Der Effekt der Globalisierung wird immer stärker und infolgedessen Arbeit immer billiger. Das sehen wir ja auch in der Bundesrepublik Deutschland: Die Durchschnittsgehälter sind in den letzten zwölf Jahren nominal um durchschnittlich 60 Prozent gestiegen. Im Vergleich dazu hat der Staat seine Dienstleistungen sicherlich um mehr als 60 Prozent verteuert. Insofern trägt der Staat dazu bei, die eigene Bevölkerung zu verarmen. Das ist der letzte Trend, den ich ausmachen kann. Wir werden eine Verarmung, eine Verschiebung von reich zu arm sehen, leider. Und man kann diese Entwicklung in meinen Augen nur durch zwei große Entscheidungen aus dem Weg räumen. Wenn Sie so wollen, ist die erste Entscheidung Voraussetzung für die zweite. Nummer eins lautet: Investieren in Bildung, in Ausbildung, in Weiterbildung. Und wenn die Leute gebildet oder weitergebildet sind, werden sie verstehen, dass aus dieser Krise nur ein einziger Weg herausführt, nämlich das Kreieren eines neuen Steuersystems. Anstatt von immer weniger Menschen immer mehr zu verlangen, sollte man viel mehr Menschen die Chance geben, zu investieren und die Steuern radikal umzustrukturieren. Auf Deutsch gesagt: 25 Prozent flat auf alles! Das ist ein einfaches Konzept und würde super funktionieren. Es ist aber politisch nicht durchsetzbar. Deswegen zuerst Schritt Nummer eins, Investieren in Bildung, damit die Leute auch verstehen, warum Schritt Nummer zwei notwendig ist. StichwortVerarmung,rechnenSiemitamerikanischenVerhältnissen?
Genau! Die Verschiebung der Eigentumsverhältnisse wird noch stärker in Richtung Amerika gehen. Die Schere zwischen „arm“ und „reich“ wird noch weiter aufgehen. Die Massen müssen für die Fehler von wenigen Bankmanagern bluten, ohne dass die Bankmanager dafür eine angemessene Strafe erhalten. WiesehenSiedieEntwicklungspeziellinDeutschland?
Das Umfeld bleibt deflationär. Das Wachstum wird eher gering bleiben, auch weil Deutschland immer nur Exportweltmeister gewesen ist, leider. Das Wort Weltmeister
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verheißt etwas Positives, aber in Wirklichkeit ist das negativ zu sehen, weil man stärker von der Rückführung der Investitionen abhängig ist. Wenn man davon lebt, seine Maschinen nach China zu exportieren, muss man damit rechnen, dass die Chinesen selbst damit anfangen, ihre eigenen Produkte zu kreieren. Und auf einen Schlag sind wir alle arbeitslos. Was dann? Die einfachste Alternative ist, den Konsum anzukurbeln und jedem Bürger einen 500 Euro-Scheck auszustellen. Es wäre stattdessen sinnvoller, die Steuern zu senken, um diesen Effekt zu erreichen. Spannend wird es im Immobilienbereich werden. In bestimmten Lagen sind sehr starke Preisbewegungen nach oben zu beobachten gewesen. Jene, die es sich leisten können, eine Immobilie zu kaufen, suchen sich diese in bester Lage. Und auf diese wenigen Standorte in sehr guter Lage konzentriert sich die Nachfrage. Die restlichen Immobilien verlieren dagegen maßgeblich an Wert. Das bedeutet, dass sich auch mit Immobilien eine ganze Menge Geld verlieren lässt, wenn man den falschen Standort aussucht. Wenn Sie ein Objekt in der falschen Stadt oder in der falschen Straße erwerben, dann wird diese Investition nicht mehr automatisch zu Mehrwert führen, sondern zu weniger Wert. Das Einkaufszentrum auf der grünen Wiese in den neuen Bundesländern wird Sie nicht zu einem reichen Mann machen. WiestellenSiesichalsVermögensverwalterdaraufein?
Wir stellen uns weiterhin extrem darauf ein, dass wir zwar verschiedene Chancen an den Börsen sehen werden, aber „der“ Markt nicht in der Breite steigen wird. Wir wollen weiterhin einen hohen Anteil in festverzinslichen Wertpapieren investieren und zwar eher in Anleihen Cash-Flow-starker Unternehmen und dabei eher in längere Laufzeiten, wo ein höherer Kupon zu holen ist. Wir meiden auf alle Fälle Staatsanleihen, weil die Rendite viel zu gering ist. Im Aktienbereich werden wir uns sehr stark darauf konzentrieren, bestimmte interessante Themen abzuarbeiten. Das kann auf der Rohstoffseite sein, das kann auf der Technologieseite sein, das kann sogar auf der Bankenseite sein. Ziel ist es, unterschiedliche Unternehmen zu identifizieren, die dem Aktionär einen tatsächlichen Mehrwert bieten und nicht dazu dienen, eine Funktion innerhalb der Gesellschaft zu erfüllen. Mit gesellschaftlicher Funktion meine ich solche Unternehmen, die zum Beispiel Autos bauen oder Telefondienstleistungen anbieten, die also primär dafür da sind, Arbeitsplätze zu sichern und Steuern zu bezahlen, aber nur sekundär für den Aktionär arbeiten. Der Sinn dieser Unternehmen liegt eher darin, eine Dienstleistung für den Staat zu erfüllen. Das heißt aber nicht, dass diese Gruppe von Unternehmen für den Zweck der Geldanlage in Form von Schulden nicht das richtige Instrument wäre. Diese Unternehmen generieren sehr starke Cashflows und sind somit in der Lage, ihre Schulden vernünftig zu bezahlen. Deshalb investieren wir nicht in Unternehmensanleihen im Sinne von „Anleihen erwerben“, sondern unterstellen dabei, den Unternehmen „einen Kredit zu gewähren“. Wir wollen „Spekulieren“ gezielt vermeiden, sondern wir leihen beispielsweise einem großen Telekommunikationsdienstleister Geld über drei, vier oder fünf Jahre, erhalten dafür Zinsen und gehen davon aus, dass wir in der Zwischenzeit nicht verkaufen wollen bzw. können und erst nach fünf Jahren unser Geld zurückbekommen.
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Siesagten,mankannnichtdavonausgehen,dass„der“MarktinderBreitesteigt.Heißt das,manmussnochselektivervorgehenalsinderVergangenheit?
Man muss eben Fantasie haben, eine Qualität, die wir schon erwähnt haben. Neben Demut und Bescheidenheit ist auch Fantasie gefragt. Sie müssen in klarer Weise versuchen zu erkennen, was ein Trend und was ein gutes Produkt sein könnte. Ein klassisches, immer gern genommenes Beispiel ist Apple. Das Unternehmen war mal pleite, wurde wieder in Schwung gebracht durch neue Produkte, die sich unabhängig von der Konjunktursituation extrem gut verkauft haben und dem Unternehmen zu einem glanzvollen Comeback verholfen haben. Auch das müssen wir einfach klar sehen. Es wird Unternehmen geben, die im Wert steigen, auch wenn der Markt fällt, weil sie durch ihre Konstellation an Produkten und Fähigkeiten der Manager in der Lage sind, Mehrwert für die Aktionäre zu generieren. Neben Apple und Google gibt es noch verschiedene andere Unternehmen auf dieser Welt, die mit innovativen Produkten in der Lage sind, nachhaltig Mehrwert zu generieren, und zwar nicht mit dem Verkauf von Strom. WiegehenSieindiesemUmfeldmitderAssetAllokationum?
Die Aktienquote wird in der nächsten Zeit sicherlich gering bleiben, unabhängig von den kurzfristigen Aufwärtsphasen, die wir sicherlich haben werden. Wir versuchen, uns stattdessen stärker auf der unternehmerischen Seite zu positionieren. Das heißt wir versuchen, Turnaround Stories zu verstehen, interessante Produkte ausfindig zu machen, Produkttrends- und -entwicklungen aufzuspüren. Insofern ist mehr Analyse und Research in diesem Bereich gefragt. Dort müssen wir unser Können beweisen. Das Timing der Marktrichtung und die Frage ob der DAX nun auf 5000 geht oder nicht, ist dann eigentlich eher Nebensache. WiewürdenSieIhreAnlagephilosophiebzw.IhrenAnlagestilbeschreiben?
Meine Anlagephilosophie ist im Grunde genommen recht einfach. Wir sehen uns als Asset-Allokation-Fondsmanager und verfolgen einen vermögensverwaltenden Anlagestil. Dabei versuchen wir, die wichtigsten globalen Asset-Klassen Aktien, Renten und Geldmarkt abzudecken, einschließlich diverser Satelliteninvestments. Das ist die Hauptfunktion unseres Daseins. Wie ich schon gesagt habe, gehen wir bei der Festlegung der AssetAllokation theoretisch davon aus, dass uns der Kunde sein gesamtes liquides Vermögen anvertraut und wir nicht nur einen Teil seines Vermögens haben. Das bedeutet, wir versuchen, eine gewisse Rendite zu erwirtschaften, ohne dabei absurde oder zu hohe Risiken einzugehen. Die Dimension Risiko ist für uns sehr wichtig. Wir würden eher auf Rendite verzichten, wenn wir wüssten, dass eine Investition mit einem zu hohen Risiko verbunden wäre. Wir gehen bewusst risikoärmere Investments ein, und wenn wir risikoreicher investieren, dann mit einer eher geringen Gewichtung, damit das Portfolio keinesfalls in seiner Grundausrichtung beeinträchtigt wird.
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Dasheißt,SiehabenkeinjährlichesRenditezielvorAugen,sondernmachenesdavon abhängig,wasdieMärkteIhnenbieten?
Nein, das stimmt nicht. Wir wissen, dass wir nicht zaubern können, und dessen sind wir uns sehr sicher. Deswegen möchten wir drei bis fünf Prozent pro Jahr erwirtschaften, und alles, was darüber hinausgeht, ist ein willkommenes Zubrot, eine Kirsche auf der Torte. Es ist nicht schlimm, wenn uns das nicht immer gelingt, allerdings sollte die Performance niemals negativ werden. Wir würden alles dafür unternehmen, ein negatives Ergebnis zu vermeiden. Das ist allerdings nicht immer einfach. In 2008 ist uns das mit einer Performance von minus 3,8 Prozent nicht gelungen. In Anbetracht der damaligen Marktsituation war das sicherlich in Ordnung, aber es ist nun mal unser Ziel, immer mindestens eine Nullrunde zu schaffen. Man kann es auch so formulieren: Alles was wir an Zinsen einnehmen, dürften wir theoretisch auf der Aktienseite verlieren, aber eben nicht mehr. Das ist gewissermaßen unser Risikobudget. Die Nullrunde ist unser erklärtes Minimalziel unter Berücksichtigung einer tiefen Volatilität, was in meinen Augen extrem wenig zur Geltung kommt. In den meisten Publikationen wird immer über Rendite, aber nie über Volatilität gesprochen. Und wir versuchen eben, eine sehr tiefe Volatilität anzustreben, die ungefähr zwischen vier und sechs Prozent liegen sollte. Das entspricht fast dem Rentenmarkt, dessen Volatilität sich in der Regel zwischen drei und fünf Prozent befindet. Eine niedrige Volatilität ist deshalb wichtig, weil der Kunde so wenig Schwankungen wie möglich haben möchte. Was habe ich davon, wenn der Kunde sein Geld halbiert, anschließend wieder verdoppelt und in der Zwischenzeit durch die Hölle gegangen ist? Kleine Steigerungen in entspannter Atmosphäre hat er viel lieber, als wenn er effektiven Risiken ausgesetzt wird, die er nicht einzuschätzen weiß. InvestierenSienebenAktien,RentenundCashauchinWährungen?
In unserer defensiven Strategie investieren wir direkt in Währungen, in dem anderen etwas aktienlastigeren Fonds nur indirekt, zum Beispiel wenn wir gerade eine Position im amerikanischen Markt laufen haben. Die Position notiert in US-Dollar, das heißt, wir sind im nicht-abgesicherten Fall long im US-Dollar. Außerdem tätigen wir auch Investments in Schweizer Franken. In anderen Währungsräumen sind wir dagegen weniger bereit, Währungsrisiken einzugehen. Aber man muss natürlich sehen, dass unser Kunde in Euro denkt. Das ist seine Referenzwährung, und deswegen kann es auch nicht sinnvoll sein, ein US-Dollarexposure von 50 Prozent im Portfolio zu fahren. Ein Dollar-Exposure würde für uns nur in einem gewissen Umfang von 10 bis 15 Prozent Sinn machen, damit man nicht das gesamte Portfolio zerstört, wenn man mit seiner Meinung falsch liegt. Wir versuchen, auch bei Währungen planbare Risiken einzugehen.
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ÜberwelcheInstrumentegehenSieWährungsrisikenein?
Wenn wir gezielt ein Währungsrisiko eingehen wollen, dann würden wir uns eine Anleihe mit besonders guter Bonität und kurzer Restlaufzeit suchen. Wir wollen schließlich nicht die Zinsseite mit dieser Wette oder mit diesem Investment spielen, sondern die Währung. Das heißt, wir würden uns eine Semi-Staatsanleihe oder Staatsanleihe kaufen, und uns dadurch in der gewünschten Referenzwährung bewegen. Die Schweiz hat auf Staatsebene keine Schulden. In diesem Fall würde zum Beispiel ein Kanton oder eine Stadt als Emittent in Frage kommen oder aber auch mal eine Nestlé- oder Novartis-Anleihe. Investieren Sie innerhalb der Anlageklassen ausschließlich in Einzeltitel oder auch in Fonds?
Wir könnten in Fonds investieren, aber wir tun es bewusst nicht. Wenn wir unseren Investoren sagen, dass wir das komplette Management selbst übernehmen und ihnen versprechen, in keine weiteren Produkte zu investieren, die nicht von uns selbst gemanagt werden, dann erwartet man auch, dass wir das so handhaben. Es kann vorübergehend durchaus sein, dass wir einen neuen Fonds aus unserem Hause Seed Money zur Verfügung stellen, aber das ist eher die Ausnahme als die Regel. Aber wir würden jetzt beispielsweise keinen Europafonds ins Portfolio kaufen, um ein gewisses Exposure zu einer bestimmten Region oder zu einem bestimmten Sektor zu erhalten. Haben Sie sich Einschränkungen auferlegt, was Ihr Anlageuniversum angeht, zum BeispielregionaloderhinsichtlichderMarktkapitalisierungvonEinzeltiteln?
Hier müssen wir zwischen zwei unterschiedlichen Strategien bzw. Produkten unterscheiden. Unser etwas aktienlastigerer Fonds investiert maximal bis zu 40 Prozent in Aktien und das primär in Europa. Wir sind der Meinung, dass wir Investitionen im heimischen Markt am besten einschätzen können. Von Pakistan und vielen anderen Ländern haben wir keine Ahnung. Trotzdem muss man sich natürlich der jeweiligen Marktsituation bewusst sein. Die Finanzkrise hat ihren Ursprung in Amerika, und die Amerikaner werden sie auch als Erster meistern. In diesem Falle würden wir das Portfolio stärker auf amerikanische Aktien und Renten ausrichten, um das frühere Ende des Negativzyklus’ besser ausnutzen zu können. Unter den Anlageklassen bieten uns die Kategorien Aktien, Renten und Kasse genügend Diversifikationsmöglichkeiten. An den Rentenmärkten würde das über verschiedene Laufzeiten, über die Duration des Portfolios, über die Bonität der einzelnen Unternehmen und über die Liquidität der einzelnen Titel geregelt. Und auch an den Aktienmärkten könnten wir uns völlig frei bewegen, was die Marktkapitalisierung angeht. Neben Blue Chips sind uns auch Mid Caps, Small Caps oder Micro Caps willkommen, sofern dahinter eine eigene Geschichte steckt. In unserem defensiven Fonds haben wir das Anlageuniversum auf andere OECD-Staaten erweitert. Es umfasst dann einige Länder mehr, wie zum Beispiel die USA, Canada, Japan,
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Australien und Südkorea. In diesen Ländern sind wir auch bereit, Währungen aktiver zu gewichten. Dafür lassen wir es auf der Aktienseite sehr viel ruhiger angehen und haben uns zu einer Aktienquote von maximal zehn Prozent entschieden. Auch auf der Rentenseite investieren wir eher konservativ, um die Volatilität niedrig zu halten. GehörenEmergingMarketszuIhremAnlageuniversum?
Ich denke, dass es einfach eine zu große Herausforderung wäre, auf allen globalen Märkten den absoluten Know-how-Stand erreichen zu können. Deswegen konzentrieren wir uns lieber auf jene Märkte, in denen wir seit 20 Jahren unser Know-how aufgebaut haben. Wir wollen wissen, warum wir Geld verdienen oder verlieren, und belassen es deshalb bei den genannten Ländern. Wir sind der Meinung, dass Unternehmen wie ABB, Novartis oder Nestlé zwar in der Schweiz ansässig sind, aber letztendlich global operieren. Es ist völlig egal, wo der Standort ist, es geht einfach nur darum, dass ein Unternehmen international aufgestellt ist. Insofern haben wir mit diesen Investments auch eine gewisse Chance, in den Emerging Markets mitspielen zu können, ohne dabei das volle Risiko eines Emerging Markets Investments zu spüren. WasliegtIhnenmehr,dieAssetAllokationoderdieTitelselektion?
Ich denke, Selektion ist einfacher, weil sie Hard Facts folgt, wie Bilanz, GuV, Geschäftsmodell, Produkte, Marketing, Mitarbeiter, alles Mögliche. Also insofern ist das sicherlich spannender und lustiger. Anspruchsvoller ist sicherlich die Asset-Allokation, weil Sie einfach mindestens neun bis zwölf Monate vorausschauen müssen. Wenn ein Markt oben angekommen ist, wird Ihnen jeder erzählen, dass es weiter aufwärts geht und die Party kein Ende nimmt. Diesen Moment rechtzeitig zu erkennen ist in meinen Augen extrem anspruchsvoll. Korrekturen sind meistens nicht so heftig, dass sie den Markt nach einer kurzen Zeit bereinigt haben, sondern sie verlaufen häufig in Wellenbewegungen. Und in jeder Gegenbewegung werden Sie an Ihren Möglichkeiten, Ihren Fähigkeiten und Ihren Modellen immer wieder zweifeln. Grundsätzlich hat man mit seiner Meinung häufig recht. Die Kunst dabei ist, durchzuhalten und einfach mal sechs Monate lang gar nichts zu machen. Auch das heißt Portfoliomanagement! WasistletztlichIhrHauptwerttreiber?
Asset-Allokation! Wir verkaufen und verwalten einen Asset-Allokation-Fonds. Titelselektion ist uns zwar sehr wichtig, aber letztendlich spielt es eine untergeordnete Rolle, ob wir im Aufwärtsmarkt eine Siemens, eine Deutsche Bank oder den EuroStoxx50 im Portfolio haben. Wir versuchen natürlich, Alpha Stocks zu kaufen, die schneller steigen als der Markt, aber letztendlich ist es eine reine Gefälligkeit und muss nicht unbedingt sein. Titelselektion erhöht den Erfolg insoweit, als sie mit einer geringeren Aktienquote die gleiche Rendite erwirtschaften können und das Gesamtportfolio dadurch vielleicht eine geringere Volatilität aufweisen kann – wobei das in der Praxis stets zu beweisen wäre.
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WieweitdenkenSievoraus,wasistIhrZeithorizontbeimInvestieren?
Rein theoretisch würde ich gern alle erworbenen Investments für fünf Jahre halten. Ich investiere aber nicht, um fünf Jahre lang in einem Investment bleiben zu müssen. Wenn wir eine Aktie kaufen und ihre Bewertung mit guten Quartalszahlen oder Jahreszahlen untermauert ist, behalten wir sie im Portfolio. Wenn sie zu gut läuft und sich allzu sehr verteuert, wird sie natürlich automatisch irgendwann verkauft. Wenn sie schlecht läuft und ihr Stop reißt oder sie sich schlechter als der Gesamtmarkt entwickelt, wird sie ebenfalls automatisch verkauft. Und wenn es nach einer Woche passiert, dann passiert es eben schon nach einer Woche. Stops sind Ihre Lebensretter, denn auch wir sind keine Götter. Wir machen ebenfalls viele Fehler, man muss sie aber managen können. Wir als institutionelle Anleger haben kein Problem, eine Aktie mit Verlust zu verkaufen. In diesem Punkt bin ich völlig emotionslos und sozusagen kühl in der Sache. Wenn man einen Fehler gemacht und der Markt recht behalten hat, sollte man in Demut zu sich sagen: „Der Markt hat recht und ich habe Unrecht!“ Daraus muss man die Konsequenzen ziehen und seine Stops konsequent umsetzen: „Stop gerissen – raus! Es ist klar, dass Stops atmen müssen, und es hat auch nicht jede Aktie den gleichen Stop. Ein Blue Chip verfügt über einen engeren Stop als ein Small Cap. Grundsätzlich beruhen die meisten Fehler darauf, dass man eine Aktie zu gut findet und auch bei schlechter Entwicklung im Portfolio behält. WieplatzierenSieIhreStopLossMarken?UnterlegenSieauchRentenmiteinemStop odernurAktien?
Wir platzieren unsere Stop-Marken nicht beim Broker, sondern mental. Wenn ein Blue Chip mehr als zehn Prozent fällt, verkaufen wir. Wenn ein Small Cap mehr als 20 bis 25 Prozent fällt, schmeißen wir ihn konsequent raus, egal warum! Bei Bonds prinzipiell auch. Allerdings werden Bonds, wenn ihr Preis fällt, in den meisten Fällen illiquider. Das ist das Hauptproblem. Deshalb versuchen wir, bei Bonds im Vorfeld noch vorsichtiger zu sein, 1 bevor wir investieren. Der Unterschied zwischen einer Thyssen, die Ihnen aktuell eine Rendite von 8,5 Prozent bezahlt und einer EON, die ihnen 3,5 Prozent bezahlt, kommt nicht von ungefähr. Und das hat sich Thyssen auch nicht selbst ausgesucht. Insofern muss man das wissen und berücksichtigen. Was interessiert Sie bei der Zusammenstellung des Portfolios am meisten, worauf achtenSie?
Mich interessiert vor allem die Ausgewogenheit eines Portfolios! Was auch immer an den Märkten passiert, das Portfolio muss in sich schlüssig und ausgewogen sein. Das sagt einem der gesunde Menschenverstand: Wenn Sie Ihre eigenen Ersparnisse investieren,
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dann würden Sie dabei auch keine extreme Positionierung einnehmen, sondern Sie würden immer versuchen, Ihr Portfolio für sich schlüssig und ausgewogen zu halten. Der Fonds wird wie ein Abbild des Vermögens seiner Portfoliomanager geführt und aktiv verwaltet. Ein hohes Bewusstsein für Risiko und eine kontinuierliche Beurteilung von Rendite zu Risiko einer Position ist uns sehr wichtig. Keiner von uns würde sein gesamtes Vermögen im Casino auf eine Karte setzen, oder auf Rot oder Schwarz. Wenn Sie diesen Schritt gegangen sind, haben sie bereits 80 Prozent des Problems erschlagen, und dann tasten Sie sich kontinuierlich an die anderen Aufgabenfelder heran. Asset-Allokation ist ein stetiger Prozess. Es gibt eben keine perfekte Asset-Allokation. Sie bewegen sich immer in einem permanenten Anpassungsprozess. Insofern haben wir allenfalls eine optimale Struktur für den jeweiligen Tag. GibtesirgendwelcheDaten,denenSiebesondereBeachtungschenken,wasdasTiming vonAssetAllokationEntscheidungenangeht?
Es gibt keinen optimalen Zeitpunkt zum Investieren! Jeden Tag steigt am Markt irgendein Titel, es ergeben sich jeden Tag neue Chancen. Die Chance, nie wieder dabei zu sein, gibt es nicht. Es ist die schönste aller Welten, man muss nur Geduld haben. Dieser Zug fährt immer wieder und jeden Tag ab. Er fährt nie ein letztes Mal weg, sondern jeden Tag vom selben Bahnhof. Er heißt vielleicht mal anders. Einmal fährt er am Gleis neuneinhalb und einmal am Gleis eins. Ich möchte stetige drei bis fünf Prozent erwirtschaften, und zwar mit wenig Risiko, Punkt! Wenn sich am Markt mehr Möglichkeiten bieten, verdiene ich mehr, und wenn es sie nicht gibt, verdiene ich weniger. WiegehenSievor,wennSieAktienundRentenpapiereselektieren?
Wir verfolgen den Makro-Ansatz, das heißt, wir interessieren uns zuerst dafür, ob sich die Börse und die Wirtschaft im Abschwung oder im Aufschwung befinden. Sind sie im Abschwung, investieren wir über die Allokation eher in Renten. Hier würden wir auf der Titelebene natürlich keine zyklischen Werte nehmen, sondern eher in Versorger jeglicher Art investieren, die über starke Cashflows verfügen wie Telekommunikationsversorger, Stromversorger, Nahrungsmittelversorger oder Pharmaversorger. Dafür bedarf es keiner besonders tiefen Kenntnisse. Es geht hierbei lediglich darum, ob ein Unternehmen langfristig in der Lage ist, seine Schulden zu bezahlen. Wir achten also nicht auf die Verdienstmöglichkeiten der Aktionäre, sondern nur auf die Fähigkeiten des Unternehmens, die Schulden zu tilgen und die Zinsen zu bezahlen. Die beiden wichtigsten Kennzahlen sind Cashflow und CapEx (engl.: capital expenditure, deutsch: Investitionsaufwand). Bei einem Unternehmen, das sehr viel investieren muss, würden wir eher zurückstecken. Ein Unternehmen, das weniger investieren muss und über sehr gute Cashflows verfügt, idealerweise mit einer geringen Verschuldungsquote, ist ideal für uns. Auf der Aktienseite schauen wir uns natürlich auch die Verschuldung und die Cashflows an, aber eher als Nebenprodukt. Stattdessen sind für uns Fragen relevant wie: „Ist das Produkt der Firma überlebensfähig, hat es einen Marktwert, welchen Investitionsaufwand
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muss ein Unternehmen betreiben und welchen Umsatz muss es erlösen, um Gewinne zu erzielen? Wenn die Firma zum Beispiel 100 Mrd. Euro bewegen muss, um am Ende 2 Mio. Euro zu verdienen, weil ihr Geschäftsmodell so ausgelegt ist, dann sind wir eher vorsichtig. BesuchenSieUnternehmenvorOrt,odersprechenSiemitdemManagement?
Wir versuchen, uns in Gesprächen mit Managern weniger ein Bild über das Unternehmen zu verschaffen, sondern wir versuchen eher herauszufinden, wie viel negative oder positive Psychologie in dem Treffen besteht. Wie viel Realität steckt hinter dem, was mir ein Manager sagt, und wie viel davon ist reines Wunschdenken, sowohl auf der Upside als auch auf der Downside? Welche Einschätzung hat er persönlich zu seinem eigenen Markt, egal ob er eine Fluggesellschaft, ein Ölunternehmen oder eine Maschinenbaufirma führt? Wie deckt sich seine Einschätzung mit unserer eigenen Erwartung? Insofern ist es mehr ein Makroabgleich der Punkte. Ich interessiere mich relativ wenig für Margenfragen, sondern es interessiert mich viel mehr, ob ein Produkt auch noch in zwei Jahren absetzbar ist. Wir versuchen, sehr aktiv auf Unternehmen zuzugehen, reisen zu ihnen oder treffen uns mit deren Vertretern in Zürich, um so viele Informationen wie möglich zu sammeln. LesenSieJahresabschlussberichte?
Nein, ich lese Research. Man muss filtern und verdichten. Die Jahresabschlüsse aller Unternehmen zu lesen, für die wir uns interessieren, ist zeitlich nicht möglich. Das heißt, wir verdichten diese Informationen über Research. Wenn wir uns für einen Sektor interessieren, dann suchen wir uns zwei bis drei Unternehmen, die von Researchhäusern empfohlen werden, und die schauen wir uns dann genauer an. Durch Kontakte zu den Unternehmen oder durch Kontakte zu Analysten versuchen wir, die relevanten Informationen noch weiter zu verdichten. Hinzu kommt auch ein „Touch“ Charttechnik. Wenn das Unternehmen hochgelobt am All-Time-High notiert, dann wird es von uns weniger in Betracht gezogen. Wenn es sich dabei um ein Unternehmen handelt, das von allen verschmäht wird, wir es aber trotzdem gut finden, dann sind wir eher bereit zu investieren. Nicht weil wir grundsätzlich eine gegenteilige Meinung vertreten, sondern mehr wegen der Tatsache, dass, wenn alle Investoren diese Aktie im Portfolio haben, sie ja nur noch fallen kann. Wenn sie keiner hat, kann sie nur noch steigen, sofern die Story hinter der Firma stimmt und die Produkte auch entsprechend gut sind. Siesagten,dassSieauchgerninNebenwerteinvestieren.WassindIhreGründe?
Wie ich schon sagte, viele Großunternehmen haben einfach andere Funktionen zu übernehmen, wie z. B. Arbeitsplätze zu erhalten oder die allgemeine Versorgung für die Bevölkerung zu sichern. Nebenwerte haben eher eine Funktion im Sinne des Unternehmens und des Aktionärs. Insofern ist ein Unternehmen in Unternehmerhand natürlich immer zu präferieren, weil im Regelfall eine Familie dahinter steht, die ein Interesse daran hat, das
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Unternehmen weiterzuführen. Solche Unternehmen sind in meinen Augen auch besser geeignet, Gewinne für die anderen Aktionäre zu erwirtschaften, ganz im Gegensatz zu monopolistischen Großunternehmen ohne festen Aktionärskreis. Dort gibt es keinen Aktionär, der sagt: „Mit meinem Geld nicht!“ Bei kleineren Firmen liegt das häufig in der Natur der Dinge. Idealerweise würde unser optimales Portfolio so aussehen, dass wir mittelfristig ein paar wenige Nebenwerte in relativ großem Umfang halten, mit denen wir unternehmerisch gestalten können. Die beste aller Welten wäre theoretisch, wenn wir zehn Prozent – das ist das Maximum dessen, was wir an einem Unternehmen halten dürfen – in ein Familienunternehmen investieren, um damit Einfluss auf die Unternehmenspolitik zu erhalten, im Sinne des Aktionärs und im Sinne der Fondsanteilseigner. Das wäre sozusagen der Best Case. Eine solche Investition haben wir jetzt beispielsweise bei einem mittelgroßen Champagnerunternehmen getätigt, an dem wir uns mit einem Prozent beteiligt haben. Dieses Unternehmen befindet sich in Familienhand und wird auch seit mehreren Generationen so geführt. Es ist zwar an der Börse gelistet, allerdings ist der Börsenkurs weniger wichtig als der Cashflow dieser Firma. Das Argument, dass Nebenwerte nicht veräußerbar sind, kann ich so nicht akzeptieren. Man kann alles verkaufen, es ist eben nur eine Frage des Preises. Warum wir das besser können als die anderen? Die anderen sind Small Cap Funds, die den Zyklen der Anteilszeichner und somit den Börsenphasen ausgesetzt sind. In Aufwärtsphasen bekommen Sie immer viel Geld und müssen investieren, auch wenn Sie qualitätsmäßig nicht investieren würden. In Schwächephasen müssen Sie verkaufen, auch wenn Sie gar nicht verkaufen wollen. Dieses Problem können wir vermeiden, indem wir nicht 100 Prozent unseres Vermögens in solche Firmen investieren. Aber wenn wir zu einem guten Zeitpunkt drei bis fünf Prozent in dezidiert gute bis sehr gute Nebenwerte investieren, dann denke ich, kreieren wir unseren Fondsanteilseignern einen guten Mehrwert. Und das ist schließlich Ziel der ganzen Veranstaltung. Ich bin froh, dass ich in Small Caps investieren kann und darf. Ich mache das sehr gern, weil ich glaube, dass kleinere familiengeführte Unternehmen mehr Sinn für den Wert einer Investition haben. Und das ist letztlich dafür ausschlaggebend, ob der Aktionär Geld verdient oder nicht. SielegenvielWertaufDiversifikation.KannesdennochSituationengeben,indenen SieeinePositionhochgewichten?
Wir gewichten auf keinen Fall irgendetwas hoch, weil unsere Meinung nicht richtig sein muss. Keine Meinung darf so hoch gewichtet werden, dass das Risiko zu groß wird. Wir möchten auf der Aktienseite mit maximal fünf Prozent in einem Sektor investiert sein, und bei der Einzelwertauswahl würden wir maximal ein bis zwei Prozent des Fondsvermögens auf einen bestimmten Wert setzen. Wir möchten immer breit diversifiziert sein und keine Klumpenrisiken bilden. UndwiesiehtesmitderKassepositionaus?
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In die Kasse gehen wir sehr gerne. Und wenn es sein muss, fahren wir die Quote auch mal sehr hoch. Cash ist eine sehr gute Anlagekategorie, weil man sich dadurch Freiräume verschaffen kann. WiegehenSievor,wennSieeinePortfoliopositionaufbauen?BauenSieIhreZielquote eherscheibchenweiseodereherzügigauf?
Salami-Taktik! Das haben wir uns von Soros abgeschaut, der das schon immer so gemacht hat: Kaufen: „Immer langsam!“ Verkaufen: „Alles auf einmal!“ Das ist „die“ Strategie überhaupt, die ich Gott sei Dank nicht erfunden habe, sondern die aus dem HedgefondsBereich stammt. Wenn du kaufst, immer scheibchenweise. Wenn du verkaufen willst, dann willst du auch verkaufen, und deshalb alles auf einen Schlag. Wenn wir verkaufen, dann reduzieren wir die Position immer sofort um mindestens 50 Prozent, sofern es die Liquidität erlaubt. Wenn am Markt nichts geht, müssen wir entsprechend vorsichtiger an die Sache herangehen. WiewaresIhnenmöglich,sichdasvonSorosabzuschauen?
Ich durfte für ihn handeln. George Soros war ein großer Kunde von Julius Bär. Ich habe sehr viel von ihm gelernt. Das ist ein sehr kluger und cleverer Mensch, der mir damals schon sehr imponierte. Aber auch seine Mitarbeiter waren alle extrem intelligente Leute. 2 Der intelligenteste, den ich je kennengelernt habe, ist Ivan Briery , der inzwischen nicht mehr als Portfoliomanager unter uns weilt, sondern als Privatier. Ivan Briery war in meinen Augen der cleverste Mensch, den ich in diesem Bereich kennengelernt habe. Er war fast schon zu intelligent und mit seinen Gedanken dem Markt immer ein paar Jahre voraus, was aber auch nicht immer richtig ist. WelcheRollespielenbeiIhnenIntuitionundBauchgefühl?
Wenig! Die Intuition spielt höchstens auf der Makroseite eine Rolle. Es kann schon sein, dass ich mal ein schlechtes Gefühl gegenüber dem Markt habe. Aber das ist in meinen Augen keine Intuition, sondern Erfahrung! Es kommt selten vor, dass ich aus reiner Intuition einen Wert kaufe oder verkaufe. Wahrscheinlich mache ich das deshalb so selten, weil ich eben weiß, dass sich jeden Tag eine neue Chance ergibt.
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Ivan Briery arbeitete für JP Morgan und Soros. 1998 gründete er mit dem Bear Stearns Banker Laurent Saglio Voltaire Asset Management. Wohlhabende Personen wie George Soros und einige seiner Freunde zählten zu den Kunden des Hedgefonds, der relativ schnell sein Zielvolumen von 500 Mio. Euro erreichte. Im Alter von 40 Jahren zog sich Briery mit einem stattlichen Vermögen ins Privatleben zurück.
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HabenSieimLaufederJahreetwasanIhremManagementstilverändert?
Eigentlich nur das Risikoprofil. Mein Fonds, der Ethna Aktiv E, wurde einst als „Friends & Family-Fonds“ geboren und war zunächst eher für institutionelle Anleger gedacht, die die Welt ähnlich wie wir gesehen haben. Ich musste aber feststellen, dass institutionelle Anleger ihre Gelder gern selbst verwalten. Sie sind auf Deutsch gesagt unbelehrbar. Deswegen bin ich in der Folgezeit sehr viel stärker auf die Privatkundschaft eingegangen, auf die „kleinen“ bis „sehr kleinen“ Leute, die eine größere Bedürftigkeit nach meinem Produkt haben als Institutionen. Private Anleger können jedoch im Vergleich zu institutionellen Anlegern die Risiken, die sie eingegangen sind, weniger gut abschätzen. Bei ihnen basiert Geldanlage viel stärker auf Vertrauen. Damit sich der Fonds aber nicht nur für wenige Leute, sondern für die Masse der Anleger eignet, haben wir unseren Managementstil im Jahre 2006 verändert. Und weil die Masse der Anleger risikoavers ist, haben wir dezidiert das Risiko um zwei bis drei Stufen heruntergefahren. Seitdem hat sich die Volatilität mehr als halbiert. Wie offen gehen Sie mit Fehlentscheidungen um? Kehrt man das lieber unter den TeppichodersprechenSiesoetwasoffenan?
Ganz offen, Fehler gehören dazu! Ich kann nicht behaupten, dass ich fehlerlos bin, ganz im Gegenteil. Fehler passieren, sind normal und sollten für den Kunden auch akzeptierbar sein, was sie in den meisten Fällen auch sind. Am Ende zählt nur das Gesamtprodukt, das in der Summe keine Fehler haben sollte. Es sollte nicht abfackeln, deswegen haben wir unsere Stop Losses, deswegen haben wir unser Risikolimit, und deswegen sind wir breit diversifiziert. Wir haben eigentlich alles, um große Fehler in ihrer Auswirkung zu vermeiden. Insofern kann ich relativ entspannt damit umgehen. Natürlich macht es keine Freude, Geld zu verlieren, aber ich kann es auch nicht ändern. Wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann muss ich die Schuld auf mich nehmen und dazu stehen, und das tu ich auch. WiesolltedieLeistungeinesVermögensverwaltersfinanziellhonoriertwerden?
Dazu habe ich eine feste Meinung: Auf Resultatsbasis! Allerdings verbietet es sich in meinen Augen, unterjährig Gebühren zum Beispiel im Sechs-Monatsrhythmus zu verlangen, wie das teilweise üblich ist. Die Honorierung sollte auf Basis der Jahresperformance erfolgen. Wenn der Kunde Geld verdient, darf der Verwalter mitverdienen. Und wenn der Kunde kein Geld verdient, sollte der Verwalter auch nur ein Minimum erhalten. Darüber hinaus sollte bei der Honorierung die Schwankungsbreite der Resultate berücksichtigt werden. Je geringer die Schwankung, desto höher kann die fixe Vergütung ausfallen. Je größer die Schwankungsbreite, desto kleiner sollte die fixe Komponente ausfallen, und desto bedeutender sollte eine flexible Komponente sein. Letztendlich geht es aber nicht darum, ob 1,6 oder 1,7 Prozent Verwaltungsgebühren fair sind, sondern ob der Kunde nachhaltig Geld verdient. Wenn wir jetzt mal von der nachhaltigen Leistung eines Vermögensverwalters oder Fondsmanagers ausgehen, dann muss er am Erfolg auch mitverdie-
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nen. Es wäre falsch, wenn er nur dafür existieren würde, für andere Leute Geld zu verdienen, ohne davon selbst etwas zu haben. WelchesBuchsolltejederAnlegergelesenhaben?
Die Bibel sagt vieles über Gier aus! In erster Linie meine ich aber mehr die positiven Charakter- und Verhaltenszüge, über die in der Bibel geschrieben steht. Sie sind Voraussetzung dafür, dass man einerseits nicht glaubt, schlauer oder besser zu sein als der Markt, und dass man sich andererseits auf Augenhöhe mit dem Investor begibt und ihm vernünftig Rede und Antwort steht, ohne ihn dabei zu betrügen. WassindIhreZukunftsplänemitEthnaCapitalPartners?
Ich würde gern moderat wachsen, um irgendwann im mittleren Feld der Player zu landen. Momentan sind wir eher ein kleiner Player. Eines ist klar, Ethna wird immer nur gemischte Produkte anbieten. Das ist mir sehr wichtig! Außerdem würde ich mittelfristig gern eine Firma haben, die nicht nur in Aktien und Renten investiert, um Geld zu verdienen, sondern im Sinne des Anlegers sozusagen als Private-Equity-Firma agiert, die Einfluss nimmt und die auch ethischen Gesichtspunkten gerecht wird. Idealerweise möchte ich bei jeder Investition genau wissen, in welche Art von Unternehmen ich investiere, ob es innovativen Charakter hat, ob es Arbeitsplätze schafft, wie es mit den eigenen Mitarbeitern umgeht und so weiter. Es gibt womöglich Unternehmen, die bei gleicher Qualität einen besseren Umgang mit den Mitarbeitern pflegen als jene Unternehmen, die ich gerade im Portfolio allokiert habe. Damit scheiden Banken schon mal aus! So pauschal sollte man das vielleicht nicht sagen. Aber wenn die Gier im Vordergrund steht, der menschliche Respekt für den Kollegen nicht mehr gegeben ist, sondern einfach nur noch das blanke Raffen zählt, dann hat die Gesellschaft diesen Unternehmen zu viel Freiraum gelassen, sich zu positionieren. Und dann sollte die Gesellschaft diese Fehler eben ausmerzen. Ich fand das sehr sympathisch, auf die Bonuszahlungen der AIG 90 oder 95 Prozent Steuern zu erheben. Das ist die richtige Antwort des Staates auf die Raffgier. Überwassolltenwirunsunbedingtnochunterhalten?
Meine Hoffnung ist, dass gewisse Prinzipien wieder in den Vordergrund rücken: Das Bewusstsein, dass Rendite mit Risiko einhergeht, der Gedanke der Stetigkeit, der Gedanke der Langfristigkeit. Auch der Aspekt der ethischen Betrachtung seines eigenen Tuns sollte eine bedeutendere Rolle spielen. Verhalte ich mich ethisch meinen Kunden und Investoren gegenüber? Erzähle ich Lügen? Mogle ich in meinem Portfolio? Wie ethisch sind meine Investments? Eine Solarfirma muss noch lange keine ethische Firma sein. Das ist nicht zwangsläufig gegeben. In meinen Augen sollten andere Werte im Vordergrund stehen. Ich will damit kein Prophet werden oder Priester sein. Ich möchte nur sagen, dass diese Werte in unserer Gesellschaft mehr Gehör finden sollten.
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„Nachüber40JahrenBerufserfahrungkannichsagen, dassdieKeynes‘scheLiquiditätsfalleeineeherunrealistischeAnnahmeist, vorallenDingen,wenndieZinsenbeinullsind.“
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Dr. Jens Ehrhardt
DJE Kapital AG Jens Ehrhardt vorzustellen ist eigentlich unnötig. Schon zu meiner Schulzeit war mir der Vermögensverwalter und Herausgeber der „Finanzwoche“ ein Begriff und vermutlich eine der ersten Persönlichkeiten aus diesem Metier, die ich namentlich wahrgenommen habe. Im Dezember 2008 ergab sich für mich die Gelegenheit, Jens Ehrhardt persönlich kennenzulernen. Im Rahmen eines Managergesprächs bei der Feri in Bad Homburg gab er meinen Kollegen und mir ein Update zu seiner Fondsstrategie. Dazu gehört naturgemäß die Einschätzung der aktuellen Marktsituation. Ein schlüssiges Bild der weltweiten Finanzmärkte aufzuzeichnen, ist nach wie vor eine seiner Domänen. Fast eine ganze Stunde verging, bis sich ein Teilnehmer der Gesprächsrunde traute, den spannenden Vortrag in eine Diskussionsrunde zu verwandeln. Jens Ehrhardt ließ an diesem Tage keine Zweifel aufkommen, ob und wie lange er noch Lust auf das Vermögensverwaltungsgeschäft hat. Als ihn einer der Fondsanalysten nach seinem Alter fragte, antwortete er schmunzelnd: „13 Jahre jünger als Warren Buffet“, und ergänzte: „Wenn Sie glauben, dass ich mich aus dem Geschäft zurückgezogen habe und meine Freizeit auf einem Mittelmeerschiff verbringe, täuschen Sie sich. Meine Firma ist zu meiner Familie geworden. Häufig bin ich sogar an Samstagen im Büro.“ Davon konnte ich mich ein halbes Jahr später überzeugen. Als ich ihn per Email kontaktierte, um ihn für dieses Buch zu gewinnen, gab er mir zu verstehen, dass er eigentlich darum bemüht sei, seinen Terminkalender möglichst schlank zu gestalten, um das Firmenschiff DJE in stürmischen Zeiten auf Kurs zu halten, er aber dennoch gern für ein Interview zur Verfügung stünde. Wir vereinbarten daher, unser Gespräch in Pullach bei München zu führen, dem Firmensitz der DJE Kapital AG. Beinahe wäre der Gesprächstermin noch geplatzt, da mein Zug mit einer Stunde Verspätung in München eintraf. Die Taxifahrt im Münchner Berufsverkehr vergrößerte das Zeitbudget auch nicht unbedingt. In Pullach angekommen, gab mir Jens Ehrhardt zu verstehen, dass er sogar dankbar für die Verspätung sei, da er an diesem Tag einige Transaktionen in Fonds abzuwickeln hatte. Auch während unseres Interviews kamen einige Anrufe, in denen die eine oder andere Portfolioposition abgestimmt werden musste. Dadurch ergab sich glücklicherweise die Gelegenheit, konkret auf aktuelle und marktbezogene Überlegungen und Gedankengänge des Vermögensverwalters einzugehen, die im Augenblick der Entscheidung eine Rolle spielten.
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ErinnernSiesich,wasIhrallererstesBörsengeschäftwar?
Das weiß ich noch, es muss Anfang der 60er-Jahre gewesen sein. Obwohl ich damals als Student wenig Geld hatte, habe ich für 200 DM Pfandbriefe gekauft, weil ich zu dieser Zeit eine sichere Anlage haben wollte. Generell komme ich eher aus der vorsichtigen Ecke. Ich bin somit kein Kind des Neuen Marktes, sondern der Pfandbriefe. WaswardamalsanderBörselos?
Genau genommen war es damals ein ziemliches Hin und Her. In Deutschland erreichten wir 1960 ein Hoch an den Aktienmärkten, und danach ging es in den 60er-Jahren eher seitwärts, es war also keine Boomzeit. In Amerika ging der Aufschwung noch bis ungefähr 1965 weiter. Dann setzte eine ziemliche Flaute ein, die sich je nach Markt bis 1974 oder 1982 hinzog. Das war eine schwierige Zeit, weil die Inflationsraten hoch waren. Inflationsraten allein sind zwar nicht schädlich für die Börse, aber die Notenbanken, die etwas dagegen unternehmen. 1979 kam Paul Volcker, der als Notenbankchef den Geldhahn zudrehte, und wenn kein Geld da ist, läuft die Börse nicht (siehe Abbildung 5.1). Das hat auch Kostolany immer so schön gesagt: „Das Kapital ist das Blut der Börse“. Da können die Kurs/Gewinn-Verhältnisse so schön oder so niedrig sein, wie sie wollen. Ohne Liquidität geht an der Börse nicht viel. Ich weiß noch, wie ich in den 60er Jahren anfing, mich mit der Börse zu beschäftigen. Damals waren die Kurs/Gewinn-Verhältnisse in Japan alle ganz niedrig einstellig, und 1990 waren sie irgendwo in Richtung 100. Die Märkte steigen oder fallen nicht wegen der Gewinne allein, sondern vor allem auch, weil die Kurs-/GewinnVerhältnisse sich ausdehnen oder schrumpfen (siehe Abbildung5.2).
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Abbildung 5.1
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Aktien, Inflation und Leitzinsen von 1965 bis 1982 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
25 140
20
120
100
80
10
Indexpunkte
Prozent
15
60
40
5 20
0
0
1964 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982
USVerbraucherpreise(linkeSkala)
Abbildung 5.2
FederalFundsEffectiveRate(linkeSkala)
S&P500(rechteSkala)
Entwicklung der Kurs/Gewinn-Verhältnisse in Deutschland, Japan und den USA von 1970 bis 2009 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung)
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10
1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
0
KGV,MSCIUSA
KGV,MSCIGermany
KGV,MSCIJapan
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Dr. Jens Ehrhardt
Wie kam bei Ihnen die Begeisterung für die Finanzmärkte auf, und was hat dazu geführt,dassSieVermögensverwalterwurden?
Im Endeffekt steckte dahinter eine ganz simple Sache: Mein Vater hat mich sehr streng erzogen, und obwohl er als Filmproduzent eigentlich recht begütert war, hat er mir extrem wenig Geld gegeben. Wenn ich mich nicht so verhalten habe, wie er sich das vorstellte, gab es für eine Woche kein Taschengeld. Insoweit bin ich sehr früh schon an kurzen Zügeln geführt worden. So ist in mir die Vorstellung gereift, dass man für Freiheit im Leben zunächst einmal eine vernünftige Menge Geld braucht, um quasi machen zu können, was man will. Der Wunsch nach einem gewissen finanziellen Spielraum war anfangs ein Grund dafür. Gleichzeitig hat mir auch der Journalismus immer viel Spaß gemacht, weil ich ursprünglich mit Börsenbriefen angefangen habe. In meinem ersten Beruf als Partner der Münchner Vermögensverwaltung „Portfolio Management“, der damals größten Vermögensverwaltungsgesellschaft in Deutschland, habe ich als Analyst und Leiter der Abteilung für Publikationen deren Hauspublikationen geschrieben sowie deren „Münchner Börsenbrief“. Das Unternehmen gab also einen eigenen Börsenbrief heraus, so wie ich heute die „Finanzwoche“ habe. Mich journalistisch zu äußern, hat mir von vornherein Spaß gemacht. In der Schule hatte ich in Deutsch zwar öfter eine Fünf, was insofern schon ein Widerspruch war. Doch das lag nach meiner Meinung auch am Deutschlehrer, den ich ziemlich unfähig fand, weswegen ich immer genau das Gegenteil von dem geschrieben habe, was er eigentlich hören wollte. Es ging ihm weniger um den Stil als um die Meinung, die geäußert wurde. Jedenfalls sieht man heute, dass sowohl meine Meinung als auch mein Stil beim Publikum offensichtlich ankommen. Wie gesagt, hat das Journalistische mir immer schon Spaß gemacht. Nach fünf Jahren bin ich bei „Portfolio Management“ ausgestiegen, weil ich dort die Hälfte vom Umsatz und den ganzen Gewinn mit meiner Publikationsabteilung machte und die Vermögensverwaltung nie etwas zustande brachte. Die ganze Gesellschaft war damals schon auf keinem guten Kurs. Anschließend fragte die SPIEGEL-Redaktion bei mir an, ob ich nicht für sie arbeiten wolle, weil ich für den SPIEGEL in den 1960er-Jahren eine Börsenseite schrieb, auf der ich wöchentlich die Tendenzen und Entwicklungen an den Märkten kommentierte. Ich habe dann in Hamburg in der Brandstwiete an Abenden der Redaktionssitzung teilgenommen, die sich meist bis in die Nacht hineinzog. Aber auf Dauer fehlte mir dafür der lange Atem. Das Ganze war mir zu schwierig, obwohl mir der Wirtschaftsjournalismus bis heute Spaß macht – aber lieber in eigener Regie als von einer Redaktion in ein Korsett eingezwängt zu sein. So kam es, dass ich mich schließlich selbstständig machte und die „Finanzwoche“ gründete, aber zuerst noch ohne Vermögensverwaltung. Irgendwann kamen dann die Leute und sagten: „Sie schreiben so gute Sachen in der ‚Finanzwoche’, das hat alles gestimmt, verwalten Sie doch bitte mein Geld.“ So ergab sich zwangsläufig, dass ich auch eine Vermögensverwaltung gründete, so wie ich das bereits von der Gesellschaft „Portfolio Management“ kannte. Zunächst habe ich zur „Finanzwoche“ Privatkunden hinzugenommen, was sich sehr positiv entwickelte, aber immer in recht begrenztem Rahmen. Erst Ende der 90er-Jahre ging es richtig los, sodass dann auch mehr Institutionen zu uns kamen. 2000 stieß Herr Schrieber, unser Vertriebsvorstand und Partner, dazu, den ich damals einstellte und von der Credit Suisse übernahm, und der konnte für uns im Anschluss jede Menge Kunden gewinnen. So
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erstaunlich das auch ist, ein gutes Produkt verkauft sich nicht unbedingt von allein, wenn man keinen guten Verkäufer hat. Zu dieser Zeit erlebten wir einen ziemlichen Aufschwung von unter einer Milliarde auf fast zehn Milliarden Euro. Von da an stand die Vermögensverwaltung immer mehr im Vordergrund, und die „Finanzwoche“ wurde ausgegliedert und geriet eher in den Hintergrund. Sie haben mir mal in Bad Homburg erzählt, dass Sie sich vorbehalten, die erste Seite der„Finanzwoche“immernochselbstzuschreiben.
Ja, das stimmt nach wie vor! Der erste Teil besteht aus einem allgemeinen volkswirtschaftlichen Kommentar von ein paar Seiten, und den schreibe nach Möglichkeit immer noch ich. Den hinteren Teil mit Einzelanalysen und technischen Indikatoren gestaltet die „Finanzwoche“-Redaktion. Ist das für Sie eine Art Spiegel, der Ihnen dabei hilft, Ihre Gedanken zu formulieren undzupräzisieren?
Ja, ich nenne es mein „Financial Jogging“, es gibt einem die Möglichkeit, in regelmäßigen Abständen seine Gedanken zu Papier zu bringen. Ein berühmter Dichter hat mal gesagt: „Die Gedanken kommen beim Reden.“ Und das Diktieren für die „Finanzwoche“ ist sozusagen das „Reden“. Das heißt, ich tippe meinen Kommentar nicht selbst, sondern diktiere ihn nach wie vor in ein Gerät und lasse ihn dann abschreiben. Ich weiß noch, als ich als Werkstudent hier in München damit angefangen habe, musste ich die Bänder der Sekretärin geben. Es fiel mir immer schwer, der Sekretärin zu sagen: „Jetzt schreiben Sie doch mal meine Sachen da ab.“ Eigentlich war ich es gewohnt, meine Sachen selbst zu erledigen, so wie das heute auch die wichtigsten Redakteure wieder selber am Computer machen. Aber damals diktierte man alles auf diese Bänder, diese breiten braunen Folien, die auf so einem komischen großen Gerät abgespult wurden. Insofern habe ich immer schon versucht, gewisse Dinge auch mal nicht zu delegieren. Welche Marktphasen empfanden Sie in Ihrem bisherigen Berufsleben als besonders prägend?
Dazu fallen einem sicherlich eher die negativen Phasen ein als die positiven. Positive Erlebnisse empfindet man als alltäglich und normal, da die Märkte sich meistens über längere Zeiträume nach oben bewegen, die Baissen verlaufen dagegen kürzer und manchmal auch wesentlich heftiger. In den meisten Fällen geht ein Crash nach unten, selten nach oben. Und diese Crashs nach unten bleiben besonders im Gedächtnis hängen. Zwischen März und Mai 2009 hatten wir in den beiden Monaten fast einen Crash nach oben gesehen, aber das ist äußerst selten. Diese Zeit und natürlich die Krise davor war sicherlich eine wichtige Zeit, aber besonders auffallend war für mich rückblickend das Crash-Jahr 1987.
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[Das Telefon im Konferenzraum klingelt, ein interner Anruf für Dr. Jens Ehrhardt. Es geht um Börsenaufträge, die noch erledigt werden müssen.] Ging es in dem Telefonat eben um die letzten Börsenorders für diese Woche? Was machen Sie gerade in Ihren Portfolios, und was sind Ihre dahinterliegenden Überlegungen? 1
Ja, wir sind im Moment ziemlich vollgeladen mit Aktien-Futures. Nach einer so guten Börsenwoche nimmt man gern ein paar Gewinne mit. Deshalb haben wir die Position heute über den ganzen Tag etwas abgebaut. Obwohl ich glaube, dass die gegenwärtige Aufwärtsbewegung noch nicht ganz vorbei ist, rennt der Aktienmarkt doch erst mal in eine technische Widerstandszone hinein. Insofern denke ich, dass nach oben nicht allzu viel Potenzial drin ist. Andererseits gibt es jedoch viele Skeptiker, sodass die Märkte auch nicht völlig zusammenbrechen. Ich habe kürzlich gesagt, dass der DAX in Richtung 5000 Punkte gehen könnte, da die 200-Tages-Linie dort herunterkommt, und die bremst meistens. Aber ich glaube eher an eine Seitwärtskonsolidierung. Vielleicht gibt es im Sommer noch einen Schwung nach oben, im Herbst sollte das Ganze dann aber wieder runterkommen, vielleicht aber auch schon vorher. Das ist meine Strategie für die nächsten Monate. Ich glaube aber nicht, dass das Ganze fundamental untermauert wird. Den grünen Frühlingssprösslingen, die wir im Moment sehen, traue ich nicht. Auch die Arbeitsmarktzahlen zeigen noch keine Besserung. Hier wurden wieder 250.000 Stellen aus der Geburten- und Sterbetabelle einfach hinzuaddiert. Also sind die Stellenrückgänge eigentlich nach wie vor bei 800.000 bis 900.000 pro Monat, und die neuen Arbeitslosenzahlen zeigen noch immer keine Besserung. Ich verfolge auch die Kreditgewährung in den USA sehr genau, und die geht ständig weiter abwärts. Früher habe ich immer versucht, die Börse anhand monetärer Einflussfaktoren vorauszusagen und dabei im Wesentlichen auf die Geldmengenveränderungen geachtet. Meine Doktorarbeit habe ich über dieses Thema geschrieben. Im Moment sind die Geldmengen fast überall auf der Welt durch die Offenmarktpolitik der Notenbanken aufgeblasen. Ob die Geschäftsbanken ihre Staatspapiere an die Notenbank verkaufen und dafür Kasse halten, ist eigentlich ziemlich egal, da sie ohnehin ihre Staatspapiere jederzeit verkaufen könnten. Die perfekte Liquidität ist aus meiner Sicht in beiden Fällen gewährleistet. Früher stieg die Geldmenge, weil die Kredite an Unternehmen und Privatleute wieder zunahmen, was gewissermaßen der erste Frühlingsanstoß war. Die Geldmenge steigt zwar jetzt auch, aber eben wegen dieser Offenmarktoperationen und nicht wegen der wirklichen Kreditgewährung. Die hingegen ist besonders in Amerika, aber auch in Europa, rückläufig. Insofern sehen meine monetären Indikatoren immer noch ziemlich schlecht aus. Unter markttechnischen Gesichtspunkten liegen natürlich riesige Barbestände herum, und deswegen glaube ich, wird es nicht gleich wieder nach unten gehen. Vor allem wenn man sich ansieht, wie hoch der Kassenbestand im Verhältnis zur Börsenkapitalisierung ist, die sich in etwa halbiert hat, kommt man auf Werte, wie wir sie
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Mai 2009
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noch nie hatten. Hinzu kommt, dass sich diese Cash-Salden nicht verzinsen. Früher entstanden Börsenbaissen, weil eben die Notenbanken die Zinsen erhöhten. Wenn Sie dann Ihr Kapital aus fallenden Aktien gegen Geldmarktfonds tauschten, haben Sie immerhin einen guten Zins gekriegt. Dieses Mal haben Sie aber auch in Geldmarktfonds so gut wie keine Verzinsung mehr, vor allem in Amerika. Also sowohl die praktisch unverzinslichen gigantischen Summen in diesen Anlageinstrumenten als auch die niedrige Börsenbewertung ist natürlich eine ziemliche Untermauerung für die Aktienkurse. In solch einem Umfeld suchen die Leute dann doch immer irgendetwas, was sie kaufen können. Deshalb glaube ich nicht so richtig an die Keynes‘sche Liquiditätsfalle. Nach über 40 Jahren Berufserfahrung kann ich sagen, dass die Keynes‘sche Liquiditätsfalle eine eher unrealistische Annahme ist, vor allen Dingen, wenn die Zinsen bei null sind. Es kann passieren, dass die Leute auf ihren Geldmarktanlagen sitzen bleiben, wenn die Zinsen recht hoch sind, aber nicht, wenn sie überhaupt keine Zinsen kriegen. Bei Festgeld bekommen sie momentan ein halbes Prozent, sodass die Leute zumindest teilweise bereit sind, eine Unternehmensanleihe zu kaufen oder sogar mal eine Dividendenaktie. Bei einer RWE-Vorzugsaktie bekommt man momentan eine Dividendenrendite von ca. acht Prozent, und dass man damit total auf den Bauch fällt, halte ich für unwahrscheinlich. Wahrscheinlich wird es für die Aktienmärkte in den nächsten Jahren schwierig werden. Der realistische Fall ist, dass es per saldo seitwärts geht, sodass man wahrscheinlich nicht mehr als eine gute Dividendenrendite erwarten sollte. Eine Rückkehr zu diesen guten Zeiten, die wir einst hatten, ist aus meiner Sicht völlig unrealistisch. Das „Deleveraging“, dieser volkswirtschaftliche Entschuldungsprozess, wird ähnlich wie in Japan ewig dauern, vor allen Dingen in Amerika und etwas abgeschwächt in Europa. Das Einzige, was ich positiv sehe, sind die Schwellenländer, speziell Asien, weil diese noch wenig verschuldet und auch nicht so stark vom Export abhängig sind, wie es den Anschein hat. Gerade die Chinesen haben eine Art Basarökonomie, was Hans-Peter Sinn immer in Sachen Deutschland kritisierte. China importiert ziemlich viele Vorprodukte, die es dann etwas veredelt und als Endprodukte exportiert. Das heißt, der eigentliche Mehrwert ist vergleichsweise gering, und auch die Arbeitsplätze, die diesen Mehrwert schaffen, sind mit circa zehn Prozent weniger, als man vermuten würde. Wenn China mit seiner Exportquote von rund 35 Prozent am Bruttoinlandsprodukt all seine Waren selbst produzieren würde, wäre ein Rückgang der Exporte um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr natürlich deutlich spürbarer und würde einem negativen Wachstumsbeitrag von sieben Prozent entsprechen. Das wäre dann auch mit der Binnenkonjunktur nicht einfach aufzuholen. Durch diesen geringen Unterschied zwischen Import und Export ist China arbeitsplatzmäßig und wertschöpfungsmäßig nicht so stark betroffen, wie ich zunächst dachte (siehe Abbildung 5.3). Insofern ist die Abkopplungstheorie nicht ganz unlogisch, zumal auch die Regierung mit Krediten kräftig nachschiebt. Somit hat China seine weitere Entwicklung eher in der Hand als beispielsweise die Amerikaner, weil sie – bezogen auf die Volkswirtschaft – nur ein Viertel so hoch verschuldet sind, was ihnen weiteren Spielraum einräumt.
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Abbildung 5.3
„Basarökonomie China“: Wachstum der Im- und Exporte, 1970 bis 2008 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung)
100%
80%
60%
40%
20%
0%
Exporte(Veränderungüber12Monate)
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
1979
1978
1977
1976
1975
1974
1973
1972
1971
20%
Importe(Veränderungüber12Monate)
Liquiditätsfalle Als Liquiditätsfalle bezeichnet man die Situation einer Volkswirtschaft, in der die offiziellen Zinssätze so weit gegen null gefallen sind, dass die herkömmliche Geldpolitik nicht mehr wirken kann. Die Erscheinung, dass Geld bei sinkenden Zinssätzen nicht mehr für Investitionen angeboten wird und somit dem Wirtschaftskreislauf tendenziell entzogen wird, wurde von dem Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes beschrieben. Sofort verfügbares flüssiges (liquides) Geld, das in diesem Zustand noch nicht Geldkapital ist, besitzt gegenüber langfristig investiertem Vermögen und gegenüber der Ware a priori einen entscheidenden Vorteil. Liquides Geld bietet die Möglichkeit, sowohl für Kauf als auch für Investition sofort zur Verfügung zu stehen. Bei jederzeitiger Zahlungsbereitschaft und damit rascher Handlungsfähigkeit – auch über einen längeren Zeitraum hinweg – kann der Geldhalter auf „wesentlich bessere“ oder doch zumindest auf „bessere Alternativen“ warten. Den beschriebenen, dem flüssigen Geld immanenten „Liquiditätsvorteil“ gegenüber der Ware identifiziert John Maynard Keynes als Ursache für die „Liquiditätsprämie des Geldes“. Dieser Vorteil lässt sich nach Keynes bei etwa 3 Prozent beziffern. Demnach
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stünde flüssiges Geld grundsätzlich nur dann am Finanzmarkt als Kredit zur Verfügung und könne damit zu Geldkapital werden, wenn der dafür zu erwartende Geldzins diesen Liquiditätsvorteil von etwa 3 % übersteigt oder ihn zumindest ausgleicht. Als Folge der „Liquiditätsprämie des Geldes“ würde für Investitionen, deren Rendite unterhalb dieser „ehernen Grenze“ von etwa 3 % liegt, kein Geld zur Verfügung gestellt werden. Solche Investitionen würden somit nicht getätigt werden. Das gelte für Investitionen in Sachkapital ebenso wie für Anlagen am Kreditmarkt. Da die für Investitionen in Sachkapital zu erwartende Rendite (der „Sachzins“ oder „Realkapitalzins“) bei steigendem Sachkapitalstock, also wachsender Ausstattung mit Produktionsmitteln, stetig abnimmt, unterblieben dann oft langfristig wichtige Investitionen. Flüssiges Geld(vermögen) (Liquidität) steht dem Wirtschaftskreislauf dann verstärkt nur noch kurzfristig zur Verfügung. Es würde – in Folge der Erwartung der Liquiditätsprämie – gehortet. Das Tauschmittel Geld – für den Physiokraten François Quesnay ein „Transportmittel“ im wirtschaftlichen „Blutkreislauf" – wird zum (dem Wirtschaftskreislauf entzogenen) „liquiden“ Schatzmittel, wird also in Wirklichkeit „illiquide“. Zunehmend fehlen dem Wirtschaftskreislauf die notwendigen langfristigen Finanzmittel (Kreditverknappung). Das infolge verbesserter Sachkapitalausstattung eintretende Absinken der Rendite von Sachkapital („Sachzins“) auf unter drei Prozent führt nach Keynes in die „Liquiditätsfalle“: Geld bleibt zunehmend liquide, steht dem Wirtschaftskreislauf nur noch kurzfristig zur Verfügung. Die Folge davon ist eine strukturelle Nachfragelücke und langfristig Deflation, verbunden mit latenter Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit. Es werden damit Krisenerscheinungen virulent, die zunehmende staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsleben hervorrufen. Oft geschieht dies in Form von wiederholten enormen „Finanzspritzen“ und Zinssenkungen der Zentralbank, was wiederum latente Inflationsgefahr bei gleichzeitig steigender Deflationsgefahr bedingt – ein „Tanz auf des Messers Schneide“. Hand in Hand wächst damit die staatliche Reglementierungsbereitschaft. Der andauernde Fluss der Liquiditätsprämie kann nach Keynes zu gewaltigen „Vermögensumverteilungen“ führen. Wenn die Wirtschaftsteilnehmer einen steigenden Zinssatz erwarten, kaufen sie keine zusätzlichen zinsbringenden Wertpapiere, da deren Wert bei einer Zinssteigerung fallen würde und dem Risiko des Wertverlustes keine Aussicht auf Wertsteigerung infolge von wieder fallenden Kreditzinsen entgegensteht. Daher wird Geld weder für Wertpapiere noch für Güter ausgegeben. Es wird dem Wirtschaftskreislauf in spekulativer Absicht entzogen und in der Spekulationskasse gehalten, verschwindet also in der Liquiditätsfalle. Verbunden hiermit ist die Gefahr einer Deflation. Der kritische Zinssatz ist der sogenannte Strike-Zins, der nicht unterschritten wird, weil die Wirtschaftssubjekte trotz der Erhöhung ihres Geldbestandes nicht mehr in Zinstitel investieren. Die Geldpolitik der Zentralbank als Mittel der Nachfragestimulation wird unwirksam, weil auch bei weiter fallenden Zinsen die Nachfrage nach Wertpapieren nicht steigt. In dieser Situation muss der Staat zur Ankurbelung der Wirtschaft aktiv werden, beispielsweise durch eine expansive Fiskalpolitik. Eine solche Situation kann
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eintreten, wenn der Zinssatz nahe oder genau null ist. Eine Ausgabenerhöhung des Staates aufgrund einer Liquiditätsfalle bedeutet, dass der Staat sich wirtschaftsseitig gezwungen sieht zu investieren, um einer Deflation vorzubeugen.
Quelle: „Liquiditätsfalle“ in: Wikipedia, 3. August 2009
Basarökonomie Die Hypothese der Basarökonomie geht zurück auf Hans-Werner Sinn, der den Begriff für die deutsche Wirtschaft prägte. Sie sagt aus, dass der Anteil der inländischen Wertschöpfung an der Industrieproduktion immer weiter zurückgeht, und im Gegenzug der Anteil der aus dem Ausland bezogenen Vorleistungen zunimmt. Dies wird als Folge einer sich verringernden Fertigungstiefe im Inland interpretiert, d. h. immer größere Teile der Wertschöpfungskette werden ins Ausland verlagert. Die Hypothese hat insbesondere in der Diskussion um den Titel Exportweltmeister, den der deutsche Warenhandel für sich proklamiert, öffentliches Interesse erregt.
Quelle: „Basarökonomie“ in: Wikipedia, 24. Juni 2009 Sie leiten aus Ihren Überlegungen ab, dass schwierige Zeiten auf die Aktienmärkte zukommen. Welche langfristigen Erwartungen haben Sie für die anderen Anlageklassen?
Die Aussichten für den Rentenmarkt sind natürlich schwierig abzusehen. Das Vorbild Japan würde bedeuten, dass die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen auch bei uns auf 1,4 Prozent fallen. Aber das glaube ich eben gerade nicht. Die Japaner hatten eine ziemlich hohe Selbstfinanzierungsquote ihrer Anleihen. Gerade die Amerikaner und Europäer kaufen wahrscheinlich nicht in diesen Massen ihre eigenen Anleihen. Woher sollen die Amerikaner diese Tausende von Milliarden US-Dollar nehmen, die Staat und Unternehmen am Bondmarkt aufnehmen wollen? Auch die „Bad Bank“, die gegründet werden soll, wird wahrscheinlich Hunderte von Milliarden kosten, und das soll über Anleihen finanziert werden. Ich denke, das alles wird den Rentenmarkt drücken. Deshalb haben wir über den Bund-Future eine Short-Position in unseren Fonds aufgebaut und im Gegenzug Unternehmensanleihen gekauft. Wegen der schlechten Konjunktur und der Versuche der Notenbanken, mit Anleihekäufen die Zinsen niedrig zu halten, glauben wir zwar nicht, dass die Zinsen durch die Decke gehen. Aber kann man den Rentenmarkt wirklich manipulieren? Im Grunde ist das der weltweit größte Markt überhaupt. Ich vergleiche es gerne mit dem Goldmarkt: Der Goldpreis hat sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert. Er war bei 850 US-Dollar im Jahre 1980, und 29 Jahre später ist er bei etwa 900 US-Dollar. In Mark oder Euro umgerechnet liegt er sogar ein Stück darunter. Damals kostete das Kilo 50.000 Mark, jetzt sind es ungefähr 21.000 Euro. Im Vergleich mit den Anleihemärkten wurde seitdem nicht sehr viel Gold erzeugt, pro Jahr waren es vielleicht 50 Milliarden
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Euro. Auf den Anleihemärkten haben wir manchmal in einem Monat schon ein Volumen von 300-400 Milliarden an Anleiheemissionen, im Moment sogar bei den Unternehmensanleihen. Das ist gigantisch! Im Verhältnis zu Gold hat sich der Bestand an Anleihen und Aktien in diesen 29 Jahren verfünfzehnfacht. Der Markt ist also ziemlich kopflastig in Anleihen überinvestiert. Daher ist unwahrscheinlich, dass Anleihen das allein Seligmachende wie in Japan werden, weil einfach zu viele Emissionen anstehen, die nicht von den Ländern selbst aufgenommen werden können. Angenommen, die Leute halten weiterhin ihre Billionen bereits ausgegebener Altbestände an Staatsanleihen und verkaufen sie nicht aus Inflationsangst, oder weil sie mit einem fallenden Rentenmarkt rechnen. Wer soll die neu zu emittierenden Anleihen kaufen? Meiner Meinung nach kann nur die Notenbank sie kaufen, aber wenn sie es wirklich tut und für Tausende von Milliarden US-Dollar Anleihen erwirbt, erhöht sie damit entsprechend die Geldmenge. Das führt zu Inflationsgefahren und treibt wiederum natürlich auch den Zins irgendwie wieder nach oben, weil die Leute ungern auf ihren Bonds sitzen bleiben möchten. MitanderenWorten:DasBild„InflationoderDeflation“fürdienächstenJahreistnicht richtigklar?
Es ist nicht klar, völlig richtig! Die Notenbanken greifen ein und versuchen, Trends irgendwie umzukehren, aber verschlimmern damit die Situation eher auf Dauer. Das alles ist eine schwierige Sache, auf die die Märkte zusteuern, und könnte im Falle eines schwachen Bondmarktes am Schluss auch wieder die Aktienmärkte drücken, zumal gerade heute die Weltkonjunktur sehr verletzlich ist und höhere Zinsen sehr schaden würden. Die Unternehmen hätten dann schlechtere Refinanzierungsmöglichkeiten, da die Banken im Moment wenig Kredite vergeben. Folglich müssen sie immer über den Bondmarkt gehen. Noch sind die Unternehmen ziemlich fleißig am Emittieren, und es kommen ja zurzeit jeden Tag drei bis vier neue Anleihen hinzu, die im Moment noch sehr gut weggehen. Sind Unternehmensanleihen Ihrer Meinung nach eine Alternative für die nächsten Jahre,oderfavorisierenSieandereAnlageklassen?
Eine Zeit lang dürften Unternehmensanleihen noch eine ganz gute Anlagealternative darstellen. Aber sollte die Konjunktur richtig wegsacken, was ich mir auf Dauer vorstellen könnte, muss man auch bei den Unternehmensanleihen wegen der sich verschlechternden Bonität vorsichtig werden. Sollte sich die Wirtschaft wider Erwarten wesentlich besser entwickeln und sollten alle diese Ankurbelungen greifen, dann wäre man mit Unternehmensanleihen wesentlich besser dran als mit Staatsanleihen, weil die Spreads, sprich Risikoprämien, zurückgehen. In diesem Fall werden die Staatsanleihen kursmäßig nachgeben, die Unternehmensanleihen werden sich besser halten und sind insofern momentan die bessere Alternative. Aber wie die Notenbanken muss man sich auch als Vermögensverwalter eher „durchwursteln“ und höllisch aufpassen, dass man nicht ganz schiefliegt. Auf Dauer könnte ich mir Gold als einziges Investment vorstellen, das man wirklich hinlegen kann und nicht ständig kaufen und verkaufen muss. Ich glaube, es ist eine gute Idee, sich
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etwas Gold in die Ecke zu legen. Sollte die Konjunktur deflationär wegkrachen, bekommen wir wieder Bankenprobleme, sodass die Leute Angst um ihr Festgeld kriegen und es in Gold tauschen werden. Sollten wir wider Erwarten eine bessere Konjunktur haben und die monetären expansiven Maßnahmen inflationär wirken, kommt das ebenfalls positiv auf Gold zurück. Nur wenn es einen Mittelweg geben sollte, bei dem die Banken verstaatlicht werden und es kaum Inflation gibt, könnte ich mir einen nicht steigenden Goldpreis vorstellen. Aber ich denke, dass er auch nicht groß fallen wird. Insofern hat Gold mit das beste Chance-/Risiko-Verhältnis. Sie sagten, man müsse sich als Vermögensverwalter in den nächsten Jahren „durchwursteln“. Worin genau besteht Ihrer Meinung nach die Herausforderung in dieser„neuen“ZeitimGegensatzzufrüher?
Ich habe André Kostolany immer sehr geschätzt, vor allem auch, was seine „Schlaftablettentheorie“ angeht: Aktien möglichst kaufen und langfristig halten – Buy and Hold. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass er in seinem Todesjahr ein bisschen davon abgerückt ist. Vor allem hat er vom Neuen Markt nicht viel gehalten und eher zum Verkauf geraten, anstatt darauf sitzen zu bleiben. Und dieses Buy and Hold stimmt nun leider heute überhaupt nicht mehr. Gerade das Jahr 2008 war sehr schwierig in den Griff zu kriegen, denn es fing nicht wie 2000 mit völlig überbewerteten Aktien an. Das Ganze fing aufgrund der Verschuldungsproblematik völlig untypisch wie eine schleichende Baisse an. Früher hatte man immer die hohen Zinsen, die einem eine vorsichtige Herangehensweise an die Märkte nahelegten. Im Jahre 2007 waren die Leitzinsen aber nicht sonderlich hoch und wurden auch sehr frühzeitig gesenkt, sodass man versucht war, nach der Zinssenkung schon wieder in die Märkte reinzugehen. Das wäre alles zu früh gewesen. Als im Herbst 2008 die Märkte kräftig fielen, waren die Leitzinsen schon ganz unten. Der Zins war also kein guter Ratgeber, die Aktienbewertung auch nicht, denn die Märkte waren nicht völlig überbewertet. Die Bewertung der meisten Aktienmärkte bewegte sich in der Nähe ihres langfristigen Durchschnitts. Hier könnte man sicherlich einwenden, dass bei der Berechnung der Gewinne geschummelt wurde. Wenn man richtig gerechnet hätte, wären die Kurs/GewinnVerhältnisse höher gewesen. Die meisten Kennzahlen und Indikatoren waren aber eigentlich ganz in Ordnung, zumindest war es kein schreiender Verkauf wie im Jahre 2000. Wir hatten in 2008 auch keine Überspekulation. Die Privatleute hatten kaum Aktien, sondern waren in diesen ganzen Garantieprodukten investiert. Die Versicherungen waren schon vor zwei Jahren vorsichtig und hatten nur ein Viertel ihrer erlaubten Aktienquoten, und selbst das haben sie im weiteren Verlauf der Finanzkrise noch verkauft. Die Ausländer waren in Deutschland investiert und haben dann in 2008 massiv verkauft, was die Kurse kräftig nach unten drückte. Ansonsten gab es eigentlich keine klassische Überspekulation, keine hohen Zinsen und keine allzu hohen Aktienbewertungen. Im Grunde genommen war bereits eine neue Zeit angebrochen, und deswegen ist es ja auch so schwierig, die Märkte über Indikatoren in den Griff zu kriegen und die Richtung zu bestimmen. Wie ich schon sagte, achte ich am ehesten auf die Kreditgewährung der Banken, vielleicht noch auf die Auftragseingänge (siehe Abbildung5.4 und 5.5). Wenn man erkennt, dass es bei den Auftragseingängen schlecht aussieht, werden die Anleger wahrscheinlich aus den Aktien
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rausgehen. Das war in den 30er-Jahren auch der Fall, als sie die besten Korrelationen mit den Auftragseingängen hatten und nicht mit monetären Variablen. Die Zinsen waren damals ähnlich wie 2008/2009 im Keller, sodass ein bisschen mehr oder weniger Liquidität völlig egal war. Ich könnte mir vorstellen, dass für die nächsten Jahre eher die fundamentalen Indikatoren im Vordergrund stehen werden. Man muss bei der Auswahl von Regionen und Einzelaktien sehr selektiv vorgehen, und klare Trends werden wahrscheinlich fehlen. Aufwärtsbewegungen an den Aktienmärkten werden wohl generell nicht allzu lange dauern, weil für das konjunkturelle Umfeld keine schnelle Besserung in Sicht ist. Sollten Unternehmen Dividendenkürzungen vornehmen, springen die Leute wieder aus den Aktien. Abbildung 5.4
Entwicklung der Kreditaufnahme durch US-Haushalte und US-Unternehmen, 1952 bis 2009 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
1600 1400 1200 1000
600 400 200 0 200
KreditaufnahmedurchHaushalte
KreditaufnahmedurchUnternehmen
2010
2009
2007
2005
2004
2002
2000
1999
1997
1995
1994
1992
1990
1989
1987
1985
1984
1982
1980
1979
1977
1975
1974
1972
1970
1969
1967
1965
1964
1962
1960
1959
1957
1955
1954
400 1952
Mrd.USD
800
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Abbildung 5.5
US-Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe versus Aktienmarktentwicklung, 1970 bis 2008 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung)
40,0%
20,0%
30,0%
15,0%
20,0%
10,0%
10,0%
5,0%
0,0%
0,0%
10,0%
5,0%
20,0%
10,0%
30,0%
15,0%
40,0%
20,0%
1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007
S&P500(Veränderungüber12Monate,linkeSkala) Auftragseingänge,verarbeitendesGewerbe(Veränderungüber12Monate,rechteSkala)
Erfordert das von den Marktteilnehmern nicht ein weitaus entschlosseneres Handeln alsinderVergangenheit,inderTrendmärktedominierten?Manhataberzuweilenden Eindruck,dassesamMarktimmerwenigerMarktteilnehmergibt,diesicheineeigene Meinungleistenbeziehungsweiseleistenkönnen.WieistIhreMeinungdazu?
Richtig. Auch dieses ganze Indexing, also das passive Investieren in einen Index vor allem über börsengehandelte Fonds (ETFs), kam zuletzt immer mehr auf. Die Auffassung, dass die meisten aktiven Fonds etwas falsch machen und deshalb schlechter als der Index liegen, gab es früher nicht in diesem Ausmaß. Sicherlich gibt es Statistiken der letzten zehn Jahre, nach denen nur acht Prozent der Deutschland-Fonds den Markt schlagen konnten, aber das liegt natürlich auch zum Teil daran, dass die Indizes immer etwas manipuliert werden. Als zum Beispiel im Jahre 2000 der DAX von 5000 auf 8000 stieg, war das im Wesentlichen durch das Heraufsetzen der Deutschen Telekom auf ein Indexgewicht von 24 Prozent bedingt. Kein verantwortungsvoller Vermögensverwalter gewichtet einen einzelnen Titel in dieser Höhe, und der Fondsmanager darf ohnehin die Obergrenze von zehn Prozent pro Einzeltitel nicht überschreiten. Insofern ist es teilweise unmöglich, den Index aufgrund seiner eigenartigen Konstruktion zu schlagen. Darüber hinaus halte ich Indexing in den vor uns liegenden Zeiten für falsch. Bereits 2008 war es völlig falsch, denn man konnte sich vor den brutal abstürzenden Indizes nur einigermaßen retten, indem man wie wir 50 Prozent Cash gehalten hat und damit nur die Hälfte des Indexes verloren hat. Für Privatanleger ist so ein Ergebnis aber immer noch unbefriedigend. Für eine vermögens-
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verwaltende Institution kann das ein gutes Ergebnis sein, weil sie unter Umständen Mittelzuflüsse bekommt. Dennoch trauen sich die meisten keine eigene Meinung zu. Viele Institutionen haben in 2008 die Hälfte ihres Vermögens durch falsche Anlagepolitik oder Indexing verloren und die andere Hälfte nochmals durch Abzüge von Kundengeldern. Das heißt, sie verfügten am Ende noch über ein Viertel ihres ursprünglichen Volumens. Insofern hätte man natürlich besser eine eigene Meinung gehabt. Trotzdem, gerade wegen solch extremer Ereignisse trauen sich viele Anleger nicht mehr, gegen den Markt in irgendeine Richtung zu setzen, weder aufwärts noch abwärts. Der Markt verzeiht es einem natürlich eher, wenn man mit der Masse falsch liegt, als wenn man gegen die Masse falsch liegt. Vor allem zeigen die Kunden weniger Verständnis dafür, bei einer Aufwärtsbewegung nach oben nicht dabei zu sein, als wenn ihr Vermögen für eine gewisse Zeit mit dem Markt nach unten geht, ganz nach dem Motto: „Ist ja nur ein Buchverlust, das erholt sich schon wieder“. Insoweit sorgen sich natürlich viele Vermögensverwalter darum, schneller aus dem Geschäft zu sein, als ihnen lieb ist. WassindIhrerMeinungnachdiewichtigstenFähigkeitenundEigenschaften,dieeinen erfolgreichenVermögensverwalterausmachen?
Ich glaube, man muss einen ausgewogenen Charakter haben, um mit Haussen und Baissen umzugehen. Es gibt Leute, die sind nur in einer Hausse gut, andere nur in einer Baisse. Beides ist zu einseitig. Glaubt man den Pessimisten, kracht immer alles zusammen, und bei den Optimisten geht langfristig immer alles hoch. Man sollte versuchen, eher Realist zu sein und irgendwie diese Nuancen in den Griff zu kriegen. Um sowohl die Baisse als auch die Hausse vorauszusagen, braucht man auch eine gewisse Sensibilität und Anpassungsvermögen an den Markt. Am besten fährt man als Trendfolger, aber man muss natürlich versuchen, die Trendwechsel zu sehen, und wir haben jetzt eine Zeit mit eigentlich relativ klaren Trends hinter uns. Sich gegen diese Trends zu stellen, was viele gemacht haben, führte zu furchtbaren Verlusten. Diejenigen, die im Jahre 2008 zu den Gewinnern zählten, sind fast ausschließlich Leute, die fünf Jahre vorher nichts gewonnen haben. Ich kenne niemanden, der in der Hausse zuvor kräftig dabei war und dann in 2008 nichts verloren hat. Alle haben verloren, die einen mehr, die anderen weniger. Deswegen braucht man einerseits eine gewisse Flexibilität und andererseits Charakter, um auch an diesen Wendepunkten nicht in seiner Meinung umzufallen. In der Übereuphorie 2000 war es schwierig zu verkaufen. Das Gleiche gilt für 1987, was für mich eine der schwersten Börsenphasen war. Die meisten Leute sagen einem, dass die Märkte weiterlaufen, und hielten einen für altmodisch, wenn man die ganzen Neuen-Markt-Aktien rausgeschmissen hat oder die Deutsche Telekom nicht kaufte. Dafür braucht man einen festen Charakter, um sich nicht von allen gegenläufigen Strömungen umreißen zu lassen. Andererseits bedarf es einer gewissen schmiegsamen Anpassungsfähigkeit an den Markt, um nicht stur mit seiner eigenen Meinung gegen den Markt zu spekulieren. Das klingt durchaus widersprüchlich. Man muss sowohl standfest als auch flexibel sein. Beides in den Griff zu kriegen, ist enorm wichtig und macht bei den Anlageergebnissen viel aus! Das ist natürlich nicht immer einfach, denn man möchte schließlich nie falsch liegen und möglichst eine konträre Meinung zur Masse haben. Ich glaube, wir haben das in den letzten Jahren halbwegs richtig ge-
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macht. Auch die Baisse ab dem Sommer 2007 haben wir einigermaßen vorhergesehen. Viele haben uns sogar vorgeworfen, dass wir es exakt vorhergesehen haben, aber nicht durch einen Komplettverkauf unserer Aktien umsetzten, sondern nur zu 50 Prozent. Wenn man aber zu den Marktführern gehört und immerhin ein Milliardenvermögen verwaltet, ist es schlecht, alles zu verkaufen. Nicht weil man den Bestand nicht losbekommt, sondern weil eben auch von einem erwartet wird, an Erholungsbewegungen teilzunehmen. Man kann nie ausschließen, dass ein Markt nach einem Rückgang um 20-25 Prozent wieder nach oben dreht, zumindest vorübergehend, zumal auch die Markttechnik im Jahr 2008 häufig sehr gute Signale dafür lieferte. Dass sich der Aktienmarkt in dieser Baisse halbieren würde, war jedoch nicht unbedingt wahrscheinlich. Und wenn ein Markt bereits die ersten Abschläge hinter sich hat, tut man sich schwer, den Rest auch noch zu verkaufen. Leute, die nur auf die Markttechnik vertrauten, sind dagegen in dem Abwärtsmarkt ziemlich auf den Bauch gefallen, weil sie immer wieder Kaufsignale von ihrer antizyklischen Anlagestrategie erhalten haben. Das war viel zu früh und hat sich in vielen Fällen furchtbar gerächt. Unter uns gesagt glaube ich auch nicht, dass man alleine damit sehr viel anfangen kann. AngenommenSiehättendieMöglichkeit,eineHochschulefürVermögensverwalterzu gründen,aufwelcheInhaltewürdenSiebesonderenWertlegen?
In Augsburg habe ich schon einmal Aktienanalyse gelesen und versuchte, den Leuten auch beizubringen, wie man die Aktienmärkte etwas in den Griff bekommen kann. Ich sage immer: Die Börse heißt nicht „der Börse“ sondern „die Börse“, und verhält sich wie eine Frau, die mit ihren vielen Launen schwierig einzuschätzen ist, nicht immer ganz logisch handelt, sondern mit viel Gefühl. Als Hochschullehrer ist es einerseits wichtig, jemandem beizubringen, dass die Börse sehr viele wissenschaftliche Grundlagen hat, zum Beispiel die Gewinnermittlung und die ganzen volkswirtschaftlichen Faktoren, die dabei mit reinspielen. Volkswirtschaft ist meiner Meinung nach ohnehin eine der besten und interessantesten Wissenschaften, weil man viele Variablen hat und die Annahme „ceteris paribus“ nie funktioniert, sondern alles ineinandergreift. Es ist, ähnlich wie das Gehirn, eine hochinteressante komplexe Geschichte. Aber neben dem volkswirtschaftlichen und dem betriebswirtschaftlichen Bereich haben Sie andererseits an der Börse natürlich auch sehr interessante psychologische Einflüsse. Ein Spiegelbild der Psychologie wären zum Beispiel Stimmungsindikatoren bis hin zum Verhalten von Notenbankpräsidenten. Als Bernanke den Chefsessel bei der Fed übernahm, hoffte ich, dass er bald die Zinsen senkt, damit in Amerika nicht alles zusammenkracht. Stattdessen hat er die Zinsen erst mal erhöht. Sowohl in der „Finanzwoche“ im Jahre 2006 als auch im Fernsehen bei n-tv habe ich dringend eine Zinssenkung angemahnt. Aber es ist nichts passiert, die Fed hat im Endeffekt viel zu lange gewartet, sonst wäre das alles nicht so schlimm geworden. Hätten sie die Leitzinsen von 5,25 Prozent rechtzeitig auf drei Prozent gesenkt, dann hätte man die Entwicklung zwar nicht komplett, aber immerhin etwas auffangen können. Insofern hängt das Marktgeschehen natürlich mit der Psychologie eines Notenbankpräsidenten zusammen, der sich nach seinem Amtsantritt erst mal beweisen musste, wie im Falle von Ben Bernanke. Er hat natürlich die Geldpolitik seines Vorgängers Alan Greenspan zunächst fortgesetzt und den Leitzins weiter angehoben, obwohl er ihn hätte senken müssen. Es gibt also viele psycho-
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logische Fragen, die man an einer Hochschule vermitteln könnte. Börse ist wie das Leben, sie spielt sich nach gewissen Grundsätzen ab. Man darf sich als Mensch nicht schlecht ernähren, sonst geht es einem schlecht. Aber man darf auch nicht ständig negativ denken, sonst geht es einem auch nicht gut. Im Grunde genommen bedarf es des rationalen Unterbaus, aber auch der richtigen Psychologie. An der Börse muss man erraten, was die Börsianer vorhaben, ob sie alle in den Markt reinrasen oder ob sie alle rausrasen. Das alles in den Griff zu kriegen, ist hochinteressant und insofern auch für eine Hochschule ein spannendes Thema. In Deutschland wird das Thema leider immer noch ein bisschen stiefmütterlich behandelt. Als ich in Augsburg gelesen habe, stieß ich auf sehr wenig Interesse bei den Zuhörern, die alle nur ihre Scheine machen wollten. Das war schon ein bisschen deprimierend. Ich habe gehofft, dort ein paar gute Mitarbeiter zu finden, aber auch das war leider nicht der Fall.
Auszug aus der Finanzwoche vom 08.06.2006: Entgegen wirtschaftlicher Vernunft erhöht Bernanke wahrscheinlich Zins, was zu negativer wirtschaftlicher Einschätzung führt – Small- und Mid CapBaisse in Sicht – relative Stärke bei Standardaktien Bereits zu Jahresanfang wurde an dieser Stelle als Hauptrisiko für die Aktienmärkte ein Überspannen des Zinsbogens durch die US-Notenbank genannt. Nachdem sich FedChef Bernanke zuletzt verbal indirekt in Richtung erneute Zinserhöhung orientiert hat, nimmt das Risiko einer Zinsübersteuerung durch die US-Notenbank zu. Damit muss auch die bisherige, im Vertrauen auf eine verantwortliche US-Zinspolitik basierende verhalten positive Markteinschätzung kritisch hinterfragt werden. Um die kurzfristige Entwicklung an den Aktienmärkten in den Griff zu bekommen, nützt es nach aller Erfahrung wenig, sich allein auf die fundamentale Situation (Gewinnentwicklung, Konjunkturtrend etc.) zu verlassen. Viele oberflächlich denkende Börsianer trösten sich zurzeit damit, dass die Börse bisher "liquiditätsgetrieben" und in Zukunft "gewinngetrieben" sein werde. Die Gewinne sind an der Börse aber ein nachlaufender Indikator. Viel wichtiger ist es jetzt, die monetäre und markttechnische Situation richtig zu analysieren. [...] Das jüngste laute indirekte Nachdenken über eine weitere Zinserhöhung durch USNotenbank-Chef Bernanke ist aus mehreren Gründen überraschend. Zunächst steigt die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Baisse mit jeder weiteren Zinserhöhung (angesichts erstmals sich leicht beruhigender US-Inflationsdaten auch höherer Realzins!), und dies, obwohl sich die Notenbanken eine richtige Baisse gar nicht leisten können. Überraschend ist die Andeutung einer erneuten Zinserhöhung auch insofern, als Bernanke erstmals das alte FINANZWOCHE-Argument der starken zeitlichen Verzögerungen (ca. ein Jahr) realwirtschaftlicher Auswirkungen von Zinserhöhungen bemühte. Wenn nicht einmal sicher ist, ob 5 % nicht schon ein zu hoher Zinssatz ist, ist eine Heraufsetzung des Niveaus auf über 5 % äußerst gefährlich und macht entsprechend eine noch defensivere Anlagepolitik erforderlich. Pessimistischenfalls könnten die bisher vorhandenen Inflationsängste sehr schnell von Wachstumsängsten abgelöst werden, was die Börsen unangenehm kommentieren würden.
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Kernbestandteil der bisher verhalten positiven Anlagepolitik war, dass die USNotenbank die Zinsschraube nicht überdreht. Nachdem FED-Chef Bernanke zuletzt aber verbal bereits den Weg für eine weitere Zinserhöhung (29.06.) bereitet hat, erscheint eine defensivere Politik ratsam. Würden Sie Ihren Studenten vor dem HintergrundIhrerlangjährigenMarkterfahrung auch sagen, dass sie an den Finanzmärkten von normalverteilten Renditen ausgehen sollen?
Da ist schon etwas dran. Die Märkte übertreiben in beide Richtungen, pendeln um ihren langfristigen Erwartungswert und kommen immer wieder in die Mitte zurück. Ich weiß, dass im Zuge der Finanzkrise viel Kritik an der Gauß’schen Normalverteilung aufkam, vor allem, was die viel zitierten „schwarzen Schwäne“ angeht. Nach meiner Meinung ist die Behauptung, dass man bestimmte Entwicklungen nicht voraussagen kann, teilweise auch eine Ausrede von manchen Leuten. Schon im Jahr 2000 gab es nicht nur an den Aktienmärkten, sondern auch in der Konjunktur eine Übertreibung. Anstatt eine richtige konjunkturelle Korrektur zuzulassen, hat Greenspan den Immobilienmarkt noch einmal so richtig aufgeputscht, und dann musste es natürlich irgendwann eine heftige Gegenreaktion geben. Also ich glaube nicht so richtig an diese „fat tails“ und „Black-Swan-Theorien“. Man hat sich im Grunde so weit von der Mitte der Gauß’schen Normalverteilung wegbewegt, dass es auch so stark wieder zurückschlagen musste. Deshalb denke ich, dass man sich daran durchaus halten kann. Man muss vorher versuchen, festzustellen, wie weit sich eine Entwicklung von der Mitte wegbewegt hat, und das haben die meisten Leute eben nicht kapiert. Alle dachten, der Markt würde sich irgendwo in der Mitte aufhalten, dabei waren wir bereits weit rechts der Mitte. Sicherlich waren die Kurs-/Gewinn-Verhältnisse normal, die Anlegerstimmung war nicht übertrieben, und der Konjunkturtrend machte einen vernünftigen Eindruck. Was aber schon ewig über den Märkten hing, war diese Riesenverschuldung. Die hatte ich auch seit Jahren gesehen, aber man konnte natürlich auch zehn Jahre zu früh warnen. Ob die amerikanische Verschuldung bei 200, 300 oder 400 Prozent des Bruttoinlandprodukts haltmacht, kann man im Vorfeld schwer sagen. Aber jetzt glaube ich umso mehr, dass sie sich wirklich zurückbildet und deutlich herunterkommt, und das mit einem Momentum, das auf eine längerfristige Entschuldungsphase hindeutet. Sie konzentrieren sich in Ihrer Herangehensweise sowohl auf fundamentale und monetäre wie auf markttechnische Indikatoren. Wie gehen Sie vor, wenn die drei unterschiedlichen Analyseverfahren eine konträre Aussage liefern? Wie kombinieren SiedieMethodenmiteinander?
Idealtypisch ist, dass alle drei Faktoren Kaufsignale geben. Es kann aber auch sein, dass einzelne Indikatoren neutral sind, was die Kaufsituation nicht verändert. Die Schwierigkeit liegt darin, dass bei extremen Abwärtsbewegungen wie im Jahre 2008 die Markttechnik überrollt wird und sie erst dann funktioniert, wenn äußerst extreme Pessimismus-Zahlen
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Kaufsignale liefern. In Zeiten ungewöhnlich niedriger Zinssätze und hoher Liquidität – wie heute – gibt der monetäre Bereich keine Signale, da eine Verschlechterung oder Verbesserung von extrem guter Liquidität noch keinen Einfluss auf die Märkte hat. Bleibt im Wesentlichen heute die Fundamentalanalyse, wobei Auftragseingänge und konjunkturelle Frühindikatoren wichtig sind. InwelcheAnlageklasseninvestierenSie,undinwelcheinvestierenSiebewusstnicht?
Aus dem fundamentalen Blickwinkel versuchen wir, sowohl auf der Makro-, als auch auf der Mikroebene Gesellschaften mit guter Gewinnentwicklung, nicht zu hoher Bewertung und guter Bilanz herauszufiltern. Im Wesentlichen investieren wir direkt in Aktien, weniger in Zertifikate, Wandelanleihen, Optionsscheine usw. Rentenpapiere meiden wir, abgesehen von Unternehmensanleihen im Hinblick auf die bevorstehende Emissionswelle bei Staatsanleihen und langfristigen Inflationsgefahren. Reisen Sie und schauen sich potenzielle Investitionsobjekte vor Ort an, bevor Sie investieren?
Unser Analystenteam von insgesamt zehn Personen und ich versuchen, die Unternehmen zu besuchen. Oft kommen deutsche Managements auch zu uns, da wir als Investor besonders im Bereich der Mid Caps eine relativ hohe Kaufkraft als größte Fondsboutique haben. Bei wichtigen Investitionsobjekten reisen wir auch bis nach China, um uns die Unternehmen vor Ort anzusehen. WasinteressiertSievorOrtbesonders?
Der persönliche Eindruck vom Management ist neben den konkreten Zahlen wichtig. Zwar ist Menschenkenntnis gerade in Asien keine sichere Methode für eine richtige Selektion, aber nach meiner Meinung bekommt man doch einen besseren Eindruck von einer Firma, wenn man das Management kennengelernt und die Produktionsanlagen besichtigt hat. Aber auch Faktoren, wie Infrastruktur, sind wichtig. HabenSieeinkonkretesBeispiel,beidemdieAnalysevorOrtdenAusschlaggegeben hat,eineInvestitionzutätigenodernichtzutätigen?
Als ich vor circa 40 Jahren meine erste Aktiengesellschaft im Busch in Liberia besuchte (ein Eisenerz-Projekt), fiel mir gleich auf, dass die Infrastruktur (Eisenbahn zur Küste) zu teuer sein würde, und ich schrieb das Projekt aus Infrastruktur-Gründen ab. Bei einem Kontakt mit dem Management einer südafrikanischen Goldmine hatte ich keinen guten Eindruck von den Fähigkeiten des Managements. Wir investierten nicht, was sich nachträglich als richtig erwies. Bei meinem ersten Besuch bei K+S 1978 hatte ich dagegen einen positiven Eindruck.
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WashabenSieimLaufederJahreanIhremManagementstilverändert?
Begonnen habe ich mit der Fundamentalanalyse, dann habe ich mich in den 70er-Jahren in die Feinheiten der monetären Analyse herangearbeitet, um ab den 80er-Jahren auch Behavioural Finance und Stimmungsindikatoren mit in den Management- und Analysestil einzubeziehen. Es ist interessant, dass die Literatur über den deutschen Aktienmarkt eine ähnliche Entwicklung zeigt. Nach dem Krieg waren nur Bücher über Aktienanalyse aus fundamentaler Sicht (Gewinnentwicklung) am Markt. In den 70er-Jahren folgten erste Analysen über den Einfluss von Zinsen und Liquidität, und ab den 80er-Jahren gewann die Behavioural-Finance-Schule zusammen mit erstklassigen Stimmungsanalytikern, wie 2
Martin Zweig in New York, die Oberhand. Heute versuche ich, diese Stile in einer Methode zu vereinigen, wobei inzwischen auch die volkswirtschaftliche Verschuldungssituation sehr wichtig ist. Die mikroökonomische Bilanzsituation von Unternehmen war uns schon immer wichtig, da wir uns als Value-Investoren verstehen. FälltIhnenspontanetwasein,wasSieanIhremInvestmentansatznochverbessernoder weiterentwickelnwollen?
Ich habe versucht, verschiedene Ansätze zur Verbesserung unserer Methode heranzuziehen. Dabei habe ich mich auch mit der Charttechnik beschäftigt, bin aber der Meinung, dass entsprechende Analysen nur zur Ergänzung herangezogen werden können. Ausbauen könnte man noch verschiedene Analysemethoden zur Relativen Stärke bei Einzelaktien, bei Länderindizes, zugeordnet zum Gesamtmarkt der Branche oder dem Weltmarkt. Wir versuchen seit einiger Zeit, die Relative-Stärke-Ansätze zu verbessern. Auch Unter-/ Übergewichtung in Fonds ist als antizyklische Strategie ausbaufähig. GibteseinenanderenVermögensverwalter,demSie,ohnemitderWimperzuzucken, IhrprivatesVermögenanvertrauenwürden?
In Geldangelegenheiten bin ich ein äußerst skeptischer Mensch, was wohl auch einer der Gründe ist, dass ich bisher zum Glück noch nie auf ein zu spekulatives oder unseriöses Investment hereingefallen bin. Auch wenn es etwas altmodisch erscheint, ich habe die Zügel lieber allein in der Hand. Was würden Sie einem jungen Vermögensverwalter raten, der in 20 Jahren in Ihre Fußstapfentretenmöchte?
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Martin E. Zweig ist amerikanischer Finanzanalyst und Investor. Er gilt als Erfinder des Put/CallRatios. Im Jahr 1986 verfasste er das Buch „Winning on Wall Street“. Gegenwärtig ist er Vorsitzender der Zweig-DiMenna Associates, Inc. in New York.
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Ich glaube, dass zunächst einmal enorm viel Begeisterung für den Beruf vorhanden sein muss. Ich erinnere mich, dass ich im ersten Jahr meiner Selbstständigkeit immer im Sturmschritt die Treppen zu meinem Büro (einen Fahrstuhl gab es nicht) hinaufgelaufen bin, um mit der Arbeit zu beginnen . Ideal ist es, wenn ein junger Vermögensverwalter in seinem Beruf auch sein Hobby findet. Dann mobilisiert er genügend Energie und Zeit, um den extremen Herausforderungen gerecht zu werden. Man muss charakterlich die richtige Mischung aus Flexibilität – Anschmiegen an den Trend – und im entscheidenden Moment die erforderliche Charakterstärke haben, nicht umzufallen, wenn die Herde der Lemminge in die falsche Richtung stürmt. Je älter man wird, desto eher hat man Vergleiche mit der Vergangenheit, die dann die nötige Standfestigkeit bringen. Am wichtigsten erscheint einem am Anfang wahrscheinlich das Geldverdienen, bald sollte aber die Freude an der richtigen Börseneinschätzung als Erfolgserlebnis überwiegen. Auch die Frustrationstoleranz sollte nicht zu gering sein, denn die Börse ist immer wieder darauf aus, das Ego des Vermögensverwalters arg in Bedrängnis zu bringen. WasmotiviertSie,nachwievorjedenMorgeninsBürozukommen?
Ich habe in den über 40 Jahren Berufstätigkeit als Vermögensverwalter außer bei zwei Krankenhausaufenthalten, abgesehen von privaten und beruflichen Reisen, nie im Büro gefehlt. Auch mit Fieber oder angeschlagener Seele nach Börsenbaissen, wie 1987 (eine Baisse, die ich übrigens vorhergesehen hatte und vor der ich die Kundengelder entsprechend in Sicherheit bringen konnte), habe ich mich immer ins Büro gezwungen. Ich glaube, dass diese enge Bindung an die Arbeit mich über Tiefs im Leben gerettet hat, die sonst wahrscheinlich wesentlich schwieriger zu meistern gewesen wären. Meine Arbeit war und ist mir außerordentlich wichtig.
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„MirsindmeineWiderspenstigkeitundAusdauersehrwichtig, undichstehegernmitmeinerMeinungabseits. AußerdemhinterfrageichprinzipiellalleGlaubenslehrenundDogmen,dieesgibt.“
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Dr. Markus Stahl
Steinhart & Stahl Vermögensverwaltung GmbH Wenn Sie irgendwann in Ihrem Leben an dem Punkt angelangt sind, an dem Sie glauben, die Finanzmärkte verstanden zu haben, empfehle ich Ihnen, sich einen Vortrag von Dr. Markus Stahl anzuhören. Sofern Sie ein einigermaßen offener und lernbereiter Mensch sind, kann ich Ihnen versprechen, dass Sie danach viele Dinge mit anderen Augen sehen oder zumindest darüber nachdenken werden. So erging es beispielsweise einer Dame, die anlässlich einer Podiumsdiskussion in Zürich an Dr. Stahl die Frage richtete, wie sie denn in Anbetracht der Finanzkrise ihr Geld anlegen solle. Nach kurzer Bedenkzeit bekam sie von ihm die Antwort: „Kaufen Sie Schuhe, die werden irgendwann richtig viel wert sein!“ Falls die Aussagen verschiedener Beobachter stimmen, freute sich die Dame sichtlich darüber, von nun an Geldanlage und Einkaufsgewohnheiten kombinieren zu können. Hinter solch ungewöhnlichen Anlagetipps steckt natürlich ein wohlüberlegtes Finanzmarktszenario eines absoluten Querdenkers. Als solchen lernte ich Markus Stahl im Frühsommer 2001 kennen. Damals war ich noch Student und freute mich auf das Praxissemester in der FondsVermögensverwaltung der BW-Bank AG, die der gebürtige Stuttgarter von 1994 bis 2007 leitete. Gespannt klopfte ich an die Tür und betrat den Raum. Ein in Jeans und Pullunder gekleideter Herr begrüßte mich und stellte sich als Markus Stahl vor. Sowohl die großzügig ausgelegte Kleiderordnung als auch der sehr lockere Umgangston mit ihm und seinem Team waren mir von Beginn an sympathisch. Gleich am ersten Tag bot er mir die Mitarbeit am Projekt „Goldfonds“ an. Ich möchte nochmals daran erinnern, das war im Frühsommer 2001, und die meisten Anleger beschäftigten sich zu jener Zeit mit der Frage, ob die Aktientitel des Neuen Marktes in der Lage wären, einen Boden auszubilden. Das Team um Markus Stahl war gerade emsig damit beschäftigt, einen Fonds aufzulegen, der ausschließlich in physisches Gold, Goldkonten und Goldminen investieren sollte. Meine Aufgabe für die nächsten Wochen bestand folglich darin, beim Aufbau einer Goldminendatenbank mitzuwirken und sämtliche Informationssysteme nach Fundamentaldaten zu einzelnen Minengesellschaften zu durchsuchen. Wie sich später herausstellte, waren Goldanlagen nicht die schlechteste Alternative für die nächsten Jahre. Da damals jedoch kaum jemand diese Meinung teilte, habe ich als junger Mensch vor allem auch gelernt, wie schwierig es ist und welcher Überzeugungskraft es bedarf, gegen den Strom anzuschwimmen. Seit 2007 ist Markus Stahl selbstständig und verwaltet gemeinsam mit seinem Partner Karl Steinhart die Vermögen privater und institutioneller Anleger. Wie jedes Gespräch mit Markus Stahl empfand ich auch dieses als zutiefst ehrlich und authentisch. Obwohl ich behaupte, die Thesen und Gedankengänge von Markus Stahl mittlerweile einigermaßen
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zu kennen, kam ich nicht umhin, seine folgenden Ausführungen wieder und wieder zu durchdenken. WanninIhremLebenkamdasInteressefürdieFinanzmärkteauf,undwaswarenIhre erstenErfahrungen?
Drei Einflüsse weckten mein Interesse für die Finanzmärkte. Da gab es ein Buch, das ich als Jugendlicher zufällig in einer Bibliothek entdeckt habe. Dann war es der Bruder meiner damaligen Freundin, der Charts gemalt hat. Und letztlich waren es natürlich die ersten eigenen Aktiengeschäfte, die mich dann motivierten, weiterzumachen. Das Buch handelte von Bernie Cornfeld. Dieser Bernie Cornfeld war letzten Endes ein Dachfondsschwindler, was ich in mehrfacher Hinsicht als faszinierend empfand. Es ist ihm zum einen gelungen, mehr oder weniger die riesige Schwindelorganisation „Investors Overseas Services (IOS)“ aufzubauen, die man heutzutage als ein Schneeballsystem bezeichnen würde. Und zum anderen bediente er sich dabei sogar hochrangiger Politiker, wie beispielsweise des damaligen deutschen Vizekanzlers Erich Mende. Auch Politiker haben für diese IOS-Fonds geworben, und am Ende ist das Ganze, ich glaube, Anfang der 70er-Jahre, mit ungeheuer großen Schäden, vor allem auch in Deutschland, zusammengebrochen. Aufgrund dessen gab es ein Verbot sogenannter Dachfonds und mehrstufiger Fondssysteme. Es ist eigentlich eine Ironie des Schicksals, dass ich dann selbst in meiner Zeit, bevor ich mit Karl Steinhart eine eigene Vermögensverwaltungsgesellschaft gründete, Leiter einer Abteilung war, die eine Fonds-Vermögensverwaltung und einen Dachfonds betrieben hat. Das finde ich eine ganz witzige persönliche Geschichte. Und das war in der Tat das erste Finanzbuch, das ich gelesen habe. Börsenschwindel gehörten und gehören immer noch zu meinen Lieblingslesethemen. Dieses Studium ist ganz zentral, um zu verhindern, dass man selbst Opfer von Schwindeleien wird. Der zweite Einflussfaktor war der Bruder meiner damaligen Freundin, der Kurslinien aufzeichnete. Ich war damals 16 oder 17 Jahre alt und wusste zunächst gar nicht, was das ist. Er hat mir dann erzählt, dass es sich dabei um Aktiencharts handle und er danach Geld investiere. Schließlich habe ich selbst auch angefangen, Aktien zu kaufen. Damals waren Rohstoffaktien schwer in Mode. Eine meiner ersten Aktien war Global Natural Resources, die übrigens eine Hinterlassenschaft aus diesem IOS-Fondsskandal sind. Ein paar Vermögenswerte überlebten, und die Rohstoffaktie Global Natural Resources gehörte unter anderem dazu. Ich erinnere mich noch daran, dass die Aktie, nachdem ich sie erworben hatte, zunächst stark nach oben ging und später fürchterlich abstürzte. Zu meinen ersten Investments gehörte auch die WASAG AG (Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff-Aktiengesellschaft), die Sprengstoffe herstellte. Das Unternehmen hat damals das Wirtschaftsprüfertestat wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Bilanzmanipulationen nicht erhalten, und der Kurs ist darauf massiv von über 400 DM auf 80 DM eingebrochen, wenn ich mich recht entsinne. Ich habe die Aktie dann gekauft und fünf Tage später ist der Kurs bei 160 DM gewesen. Bei diesem Preis habe ich sie wieder veräußert, und danach hat mich die Börse nicht mehr losgelassen. Ich fand das eine ganz faszinierende Welt.
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Bernard („Bernie“) Cornfeld Bernard („Bernie“) Cornfeld (* 17. August 1927 in Istanbul, Türkei; † 27. Februar 1995 in London) war ein rumänisch-US-amerikanischer Unternehmer, der beschuldigt wurde, betrügerische Investments in US-Anlagefonds verkauft zu haben. Cornfeld arbeitete zunächst als Sozialarbeiter, wechselte aber bald zu der Investmentgesellschaft IPC-Fonds von Walter Benedick, um sein Verkaufstalent einzusetzen. 1955 verließ er New York und gründete in Paris mit einigen wenigen Hundert Dollar Ersparnissen eine eigene Gesellschaft für offene Wertpapier-Investmentfonds. Indem er zunächst überwiegend Geschäfte mit Amerikanern machte, die in Europa stationiert waren, konnte Cornfeld geschickt amerikanische und europäische Steuerbestimmungen umgehen. Cornfeld bemerkte schnell, dass er erheblich mehr Geld verdienen könne, wenn er nicht nur Fondsanteile verkaufte, sondern selbst eine eigene Fondsverwaltungsgesellschaft betrieb. So schuf er im folgenden Jahrzehnt eine eigene Fondsgesellschaft, die Investors Overseas Services (IOS), die ab 1960 als Aktiengesellschaft, IOS Ltd., mit Sitz in Panama agierte. Er stellte 25.000 Vertreter ein, die seine 18 Anlagefonds im Telefonverkauf und Haustürgeschäft in Europa, besonders in Deutschland, an Kleinanleger verkauften. Eine bevorzugte Zielgruppe waren US-Auswanderer und -Soldaten, die amerikanische Einkommensteuern umgehen wollten. Cornfeld nannte das „Peoples Capitalism“ (Volkskapitalismus). In den nächsten zehn Jahren wuchs IOS und kontrollierte etwa 2,5 Mrd. Dollar. Durch ein undurchsichtiges Geflecht von weiteren Fonds, in die insbesondere der „Fund of Funds“ investierte, verschwand ein erheblicher Teil des Anlagevermögens. Es gelang Cornfeld auch, Prominente für die Unterstützung seiner „Geschäftsidee“ zu gewinnen. In Deutschland spielte dabei der Politiker Erich Mende eine unrühmliche Rolle. Als eine Periode der Börsenschwäche eintrat und Kunden ihre Anteile verkauften, brach das System zusammen. Eine Gruppe von 300 IOS-Angestellten stellte 1969 in der Schweiz Strafanzeige, da die IOS-Führung sie dazu ermuntert hatte, IOS-Aktien zu erwerben, was viele Mitarbeiter aus den unteren und mittleren Unternehmensebenen, oftmals mit geliehenem Geld, taten. Als Cornfeld kurz danach Genf besuchte, wurde er verhaftet und musste elf Monate Untersuchungshaft ableisten, bevor er gegen eine Kaution von 600.000 Dollar auf freien Fuß gesetzt wurde. Cornfeld beteuerte immer seine Unschuld und beschuldigte sein Management. Der Prozess gegen ihn fand 1979 statt, dauerte drei Wochen und endete mit einem Freispruch.
Quelle: „Bernard Cornfeld“ in: Wikipedia, 7. Juni 2009
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Dr. Markus Stahl
Wiekamesdannletztlichdazu,dassSieVermögensverwalterwurden?
Es war schon immer mein Hobby. Ich habe Literatur über Finanzthemen verschlungen, „Börsenbriefe“ und den „Effektenspiegel“ am Kiosk gekauft und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ abonniert, was in der damaligen Zeit in meiner Generation sehr atypisch war. Während in der Schule die Mehrzahl der Gleichaltrigen eher linksorientiert war oder auch die autonome Szene gut gefunden hat und all diesen Dingen nachgegangen ist, habe ich eben immer die „FAZ“ gelesen. Auch während der Bundeswehr bin ich oftmals raus aus der Kaserne in eine Telefonzelle und habe dann Aktien geordert. In meiner freien Zeit arbeitete ich zunächst sehr viel mit Charttechnik. Die Charts habe ich selbst mit Millimeterpapier erstellt, anfangs unprofessionell mit einem nicht-halblogarithmischen Papier, sondern mit ganz normalem Millimeterpapier, später dann professioneller mit halblogarithmischem Papier, das sehr teuer war. Die Kurse habe ich der Zeitung entnommen und den Kursverlauf eingezeichnet, das war eigentlich eine ganz gute Lernübung, weil das „Selber-Erfahren“ der Kursbewegung durch das Führen des eigenen Stiftes ein Gefühl für den Rhythmus einer Aktie vermittelte. Es ist ein Unterschied, ein Bild zu betrachten oder ein Bild selbst zu malen. Dadurch erschließt sich einem in höherem Maße die Empfindung dieses Bildes. Natürlich sind für mich Kursbilder deswegen nicht mehr das alleinige Informationsmedium, aber sie haben großen Einfluss auf meine Überlegungen. Und weil mich die Börse so sehr interessierte und ich dort arbeiten wollte, war für mich klar, dass ich Wirtschaftswissenschaften studiere. Ich war deshalb auch ein interessierter Student und habe ganz gut abgeschnitten, ohne viel lernen zu müssen. Wenn das Interesse da ist, dann lernt es sich ganz einfach. An der Uni war ich Mitglied in einer Art Börsenclub, was damals noch ein Novum war. Heute ist es Standard, dass von 400 Studenten eines einzigen Jahrgangs durchaus 20 bis 30 Leute in so einem Börsenclub sind. Damals hat das aller zehn Semester bedurft, um ein halbes Dutzend Leute zu finden. Börse- und Finanzmarkt war damals ein Gebiet, wie es heute vielleicht die Schneckenzucht darstellt, ein Nebenfeld, auf dem sich wahrscheinlich nur ein paar Exoten bewegen, aber sicherlich kein Thema für die Allgemeinbevölkerung. Börsengeschäfte waren ohnehin in den 70er-Jahren, Anfang der 80er-Jahre nur einem sehr kleinen Publikum vorbehalten und sicherlich auch kein Thema von Jugendlichen. Es war eben nur eine kleine Gruppe von Liebhabern. GabeseinePhasederErkenntnisinIhremLeben,nachderSiesicherwaren,dassSie nicht nur formal, sondern auch aufgrund Ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten im richtigenBerufgelandetsind?
Ich glaube aus meiner Sicht, vier Eigenschaften zu haben, übrigens auch sehr negative Charaktereigenschaften, die aber an der Börse teilweise ganz gebräuchlich sind. Da ist die Neugier. Ich bin wahnsinnig neugierig, und das ist eigentlich eine negative Charaktereigenschaft, aber sehr wichtig an der Börse, ohne Neugier kann man keine neuen Erkenntnisse gewinnen. Deswegen zwingt es einen immer wieder, Neues auszuprobieren und vor allem neues Denken zu wagen. Außerdem bin ich sehr widerspenstig. Das war schon in der Schule so, wie auch bei der Bundeswehr. Ich ecke bei verschiedenen Dingen an, habe
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meinen eigenen Kopf, und der ist immer neben dem, was die Mehrheit als „richtig“ vorgibt. „Alle sind dafür? Nein nicht alle, ich bin dagegen!“ Und dabei habe ich eine ungewöhnliche Ausdauer und kann dann in gewissen Dingen sehr zäh sein. Das kann an der Börse von Vorteil sein, weil der Druck der Mehrheit einen Kurs unendlich nach oben oder unten treiben kann und immer weiter und verrückter. Hier dagegenzuhalten, erfordert Widerspenstigkeit, um nicht nachzugeben, und vor allem auch Ausdauer, so etwas durchzuhalten. Das sind an der Börse teilweise auch wiederum schwierige Eigenschaften. Ausdauer kann auch schlecht sein, manchmal ist die intelligentere Lösung, gleich umzufallen und mit der Mehrheit zu handeln. Aber das ist eben nicht mein Charakter. Mir sind meine Widerspenstigkeit und Ausdauer sehr wichtig, und ich stehe gern mit meiner Meinung abseits. Außerdem hinterfrage ich prinzipiell alle Glaubenslehren und Dogmen, die es gibt. Alle feststehenden Tatsachen sind für mich niemals feststehend. Allein der Begriff birgt eigentlich schon einen Widerspruch in sich. Um das in einem Bild zu pointieren: Dieses extrem kritische Hinterfragen geht so weit, dass ich Zeitungen immer umgekehrt lese. Umgekehrt heißt nicht „auf den Kopf drehen“, sondern, falls eine Überschrift in der Zeitung lautet „das Unternehmen hat ganz tolle Zahlen gezeigt“, dann denke ich mir, dass es dort wohl ganz schlecht aussehen muss. Es entspricht also meiner Natur, alle öffentlichen Äußerungen geradezu ins Gegenteil zu verkehren. Wenn ich viel über Liquiditätsschwemme lese, dann ist meine erste These, dass Liquidität sehr knapp sein muss. Wenn ich von einer Bankenkrise lese, dann nehme ich stark an, dass wohl in diesem Geschäft sehr gute Gewinnpotenziale liegen. Also ich nehme das, was in der Zeitung steht, nicht für bare Münze, sondern gehe immer vom Gegenteil aus. Anders formuliert, es ist zumindest die erste Mutmaßung da, dass das Gegenteil der Wahrheit eher nahekommt als das, was dort geschrieben steht. Ich halte deshalb alles, was in der Zeitung steht, für ausgemachten Schwindel. Diese Eigenschaften grenzen mich von anderen Anlegertypen ab, die es natürlich auch gibt. Das heißt aber nicht, dass ich unbedingt stolz auf alle Eigenschaften bin, Neugier, Widerspenstigkeit und immer dagegen zu sein. Andere müssen mich für einen wirklich schwierigen Typen halten, was vielleicht auch stimmt. Aber ich glaube, diese Eigenschaften helfen einem tendenziell an der Börse. Nicht immer, aber tendenziell tun sie das. WelcheIhrerEigenschaftenmotiviertSiejedenMorgen,insBürozukommen?
Das ist einfach meine Neugier, neue Theorien oder neue Bilder über den Markt oder seine Verfassung und seine möglichen Änderungen zu entwickeln. Das Schöne und Spannende an der Börse sind die ständigen Neuigkeiten, wechselnde Marktkonstellationen, neue Spieler und Anlageinstrumente, die am Markt auftreten. All diese ständig stattfindenden Marktveränderungen faszinieren mich. Sind Sie als promovierter Wirtschaftswissenschaftler in Ihrem Denken und Handeln eherTheoretiker,oderagierenSieeherpragmatisch,vielleichtsogarintuitiv?
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Ich bin eigentlich nie Theoretiker geworden, weil ich schon in Schülerzeiten, also ohne Wirtschaftswissenschaftsstudium, Börsenpraxis gesammelt habe, und insoweit war ich eigentlich immer Praktiker. Über all die Jahre handle ich stärker intuitiv, weil sowohl die Gewinnung einer neuen Erkenntnis und einer neuen Blickrichtung als auch die Entwicklung einer neuen Theorie über den Zustand des Marktes ein kreativer Akt ist. Dieser kreative Akt kann eigentlich nur intuitiv geschehen. Die Theorien in den verschiedenen Wissenschaftsbereichen helfen möglicherweise, die Erkenntnisse in Worte zu fassen, zu systematisieren oder zu unterfüttern, doch der eigentliche Akt ist eher kreativ und intuitiv getrieben als theoretisch. Hat sich mit zunehmender Erfahrung Ihre Herangehensweise an die Finanzmärkte verändert?
Ich glaube, dass ich in zunehmendem Maße und auch mit großer Freude bereit bin, mich gegen die Mehrheit und gegen allgemeingültige Glaubenslehren zu stellen, Trends und sogenannte Gesetzmäßigkeiten infrage zu stellen. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Beispielen. Man kann hinterfragen, ob Aktien mit hoher Dividendenrendite tatsächlich besser laufen als der breite Markt – das glaube ich einfach nicht. Oder falls der Markt das Gegenteil behaupteten sollte, würde ich fragen, ob es vielleicht nicht doch funktioniert. Gesetzmäßigkeiten verändern sich. Der Markt bringt ständig neue Theorien hervor. Um es an einem weiteren Beispiel zu erläutern: In den 70er-Jahren hat der Markt die Theorie hervorgebracht, dass Rohstoffe knapp seien und bis zum Ende des Jahrtausends ausgehen. Folglich sind die Rohstoffaktien extrem gut gelaufen, und Minenaktien waren der große Renner in dieser Zeit. Im Laufe der 80er- und 90er-Jahre hat man gesagt, es gäbe Butterberge, Milchberge, Überkapazitäten im Stahlbereich, ganze Seen an Öl, welches man ohnehin weniger braucht. Man hatte das Gefühl, dass einem die Rohstoffe „aus den Ohren herauskommen“. Das hat sich dann so weit entwickelt, dass man irgendwann Minen nur noch als Löcher gesehen hat, die von irgendwelchen Lügnern gemanagt werden. Als dies dann zur allgemein anerkannten Wahrheit wurde, gelangte man zu der Ansicht, dass der einzig wichtige und wertvollste Rohstoff die Information sei. Davon können ja nur die Firmen profitieren, die diese Informationen dann effizient verarbeiten, also die Bereiche der damaligen Highflyer Internet, Telekom und Informationstechnologie. Die ganze Zocke am Neuen Markt, den ganzen „Neuer-Markt-Schwindel“ und diesen Irrglauben habe ich kritisch geprüft und mich fortan mit Rohstoffen beschäftigt, was ich dann einige Jahre danach auch wieder hinterfragt habe. Jetzt, wo es wieder heißt, dass die Rohstoffe endlich sind und ausgehen, glaube ich, dass es wiederum der gleiche Irrglaube wie in den 70er-Jahren sein wird. Ob es so ist, weiß ich natürlich dann auch erst immer hinterher. Damit möchte ich einfach nur zeigen, dass mein Ansatz eigentlich immer dem vermeintlich herrschenden Wissen – was gerade als Wirklichkeit gesehen wird – widerspricht. Und diese Herangehensweise nimmt mit zunehmender Erfahrung natürlich zu. GibtessonstnochfachlicheFähigkeitenoderpersönlicheEigenschaften,dieeinguter Vermögensverwalterhabensollte?
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Man sollte sehr viel über Wirtschaftsgeschichte lesen. Die Wirtschaftsgeschichte ist für mich ein ganz zentraler Punkt, weil eigentlich fast alle Fehler in der Menschheitsgeschichte schon gemacht wurden. Ein guter Anleger lebt davon, etwas weniger Fehler als der Marktdurchschnitt zu machen oder die ganz großen Fehler auf jeden Fall nicht zu machen. Aus diesem Grund kann man viel aus dem Studium der Wirtschaftsgeschichte lernen: Über historische Börsenblasen bis hin zu diversen Schwindelgeschichten, die es immer mal wieder in der Wirtschaftsgeschichte gibt, die aber leider zu rasch in Vergessenheit geraten. Dazu muss man nicht Ökonomie studieren, sondern es reicht, einfach Bücher über historische Börsenentwicklungen, Börsenbetrügereien und andere Schwindeleien zu lesen. Alle Betrügereien, die es an der Börse natürlich zuhauf gibt – auch in ganz großem Stil und sogar auf systemischer Ebene –, tauchen im Laufe der Geschichte wieder auf. Nur die Verpackung wechselt. Neue Namen tauchen auf, aber die Mechanismen sind mehr oder weniger dieselben. Was ich auch noch interessant finde, sind Erkenntnisse aus Soziologie und Psychologie, um Phänomene wie individueller Wahn oder, wenn es viele betrifft, kollektiver Massenwahn zu erkennen. Dazu erfordert es ein bisschen Wissen, wie ein Individuum in seinen Gefühlsregungen und wie ein Individuum in der Gruppe, also im sozialen Kontext, funktioniert. Ich glaube, dass das wichtig ist, neben all den fachlichen Dingen über Konjunkturtheorie, Geldpolitik und Unternehmensanalysen. Aus meiner Sicht fokussieren sich sehr viele Börsenteilnehmer zu stark auf Bilanzanalyse, Konjunkturstatistik oder Geldtheorie und beschäftigen sich zu wenig mit der Wirtschaftsgeschichte und der Natur des Menschen und eines Kollektivs. HabenSievonNaturauseineangeboreneFähigkeit,dieIhnensagt,wannsicheinPreis außerhalbdesgerechtfertigtenRahmensbefindet?
Leider nein, aber zuweilen rieche ich den Braten bei vordergründigen Win-WinSituationen oder sogenannten Carry-Strategien. Damit meine ich, dass ich bei Anlagen skeptisch werde, die mir eine Art Belohnung, beispielweise einen Extrazins, eine Zusatzausschüttung oder einen vermeintlichen Sicherheitsfloor versprechen. Dann sage ich mir „Hoppla, hier könnte der Preis überhöht sein“. Interessanterweise können Preise sogar überhöht sein, ohne vorher gestiegen zu sein. Das ist jetzt bei vielen Anleihen der Fall, deren Preise sich je nach Marktsegment irgendwie um die 100 bewegen, aber deren Fundamente bereits um 90 Prozent abgestürzt sind. Bei der Verzehnfachung einer Aktie liegt es nahe, dass man einen Blick darauf wirft und Fragen stellt: Befindet sich der Preis noch im vernünftigen Rahmen? Ist der fundamentale Unterbau entsprechend mitgewachsen? Warum ist der Unterbau so schnell gewachsen? Steht das in Relation zu anderen Größen, und wie weit lässt sich dieses Wachstum fortsetzen? Viel interessanter ist natürlich, und das meinte ich vorhin mit der Vermeidung von Riesenfehlern, dass Preise auch dann extrem überhöht sein können, wenn sich eigentlich die Preise nur stabil gehalten haben. Eine Anlageklasse kann trotzdem um 90 Prozent verfallen, wenn sich einfach fundamentale Dinge ereignet haben, die es gar nicht mehr rechtfertigen, dass sie auf einem historischen Preislevel notiert.
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Currency Carry Trade Als Currency Carry Trade bezeichnet man eine Anlagestrategie auf dem Devisenmarkt. Dabei nimmt der Investor in einer Währung einen Kredit mit vergleichsweise niedrigen Zinsen auf. Das so aufgenommene Geld investiert er gleichzeitig in einer Währung mit vergleichsweise hohen Zinsen. Es handelt sich hier nicht um risikoarme Arbitrage. Der Investor trägt sowohl das Wechselkursrisiko als auch das Zinsänderungsrisiko. Die Rendite der Carry Trades setzt sich entsprechend aus zwei Komponenten zusammen: zum einen die Differenz zwischen Haben- und Sollzins, zum anderen der Ertrag/Verlust aus der Wechselkursentwicklung. Um die genannten Risiken zu reduzieren, können Zinsschwankungen über festverzinsliche Geschäfte eliminiert und das Wechselkursrisiko über Terminmarktgeschäfte reduziert werden. Diese Absicherungen reduzieren jedoch die erwartete Rendite (bei einer vollständigen Absicherung der Risiken wäre der Ertrag Null). Beispiel: Ein Investor leiht sich Geld in Yen, weil er dort nur 0,5 % Zinsen zahlt, und legt in USD an, da er hier 4 % erhält. Solange die Wechselkurse stabil sind oder, sich in schmalen Korridoren bewegen, ist das Geschäft profitabel. Wenn der Yen aber wie im Oktober-Crash 2008 innerhalb weniger Tage um mehr als 10 % steigt, dann verliert der Investor massiv Geld, da er den Kredit in Yen zurückzahlen muss. Der Investor versucht daher möglichst schnell aus dem Geschäft auszusteigen, um seine Verluste zu begrenzen. Dies führt aber dazu, dass er Yen für USD kauft und hierdurch der Yen weiter steigt, und führt daher zu starken Devisenschwankungen.
Quelle: „Currency Carry Trade“ in: Wikipedia, 13. Dezember 2008 Wie würden Sie die deutsche Anlegerschaft und die Entscheidungsträger in der Finanzwirtschafteinschätzen,wasderenVerständnisfürÖkonomieundFinanzmärkte angeht?
Die deutsche Anlegerschaft ist natürlich sehr differenziert zu betrachten. Sie reicht vom Versicherungsvorstand über Vermögensverwalter bis hin zum Milchmädchen. Das ist eine sehr heterogene Gruppe, und jede Gruppe hat ihren eigenen Anlagestil und auch ihre eigenen Anlagepräferenzen und vielfach auch, vor allem in institutionellen Bereichen, ihre eigenen Zwänge. Insoweit ist das natürlich sehr unterschiedlich zu bewerten. Was mir aber auffällt, ist, dass den Deutschen nicht ganz klar zu sein scheint, dass sie bei ihren Anlagen prinzipiell einen Gegner haben. Die Marktgegenseite ist ihr Gegner. Und die Marktgegenseite will ihren Profit dadurch steigern, dass sie dem Anleger, wie auch immer, schlechte Chancen-/Risiko-Verhältnisse unterjubelt. Und dieses nachhaltige Bewusstsein, einen Gegner zu haben, ist nicht verbreitet. Die Deutschen begreifen gar nicht, dass Geldanlage ein Widerstreit zwischen zwei Parteien ist. Das ist ihnen vielfach nicht bewusst. Wäre es ihnen bewusst, egal ob sie einen Sparbrief, einen Versicherungskontrakt, einen Vermögensverwaltungsvertrag unterzeichnen oder einfach nur ein Zertifikat kaufen, wür-
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den sie den Gegner erkennen, der jetzt gerade versucht, ihnen ein schlechtes Risiko zu verkaufen. Ich denke, dass viele Fehler, die der deutschen Anlegerschaft widerfährt, so nicht gemacht werden würden. WelchenWerthabendannAnlegerschutzgesetze?
Es ist auch ein typisch deutsches Phänomen, zu meinen, es gäbe da einen netten „Regulator-Onkel“, der hilft, die bösen Wölfe von der Schafherde fernzuhalten. Das glaube ich nicht! Teilweise ist der Regulator selbst ein böser Wolf, und teilweise ist er auch nicht aufmerksam genug, weil eben nicht dessen eigenes Geld, sondern das der Anleger verloren ginge. Wenn jeder Anleger das Bewusstsein hätte, dass einem niemand hilft, und ihm gleichzeitig klar ist, dass er einen Gegner hat, würde er bei Anlagegeschäften viel besser aufpassen. Außerdem würden verschiedene finanzielle Großschäden, wie sie immer mal vorkommen, nicht mehr in diesem Umfang auftreten. Die Großschäden entstehen dann, wenn die Leute ihren Gegner nicht erkennen und sich darauf verlassen, dass Gesetze und Aufsichtsbehörden den Markt bei aufkommenden Problemen irgendwie rein, sauber und erfolgreich halten. An all das glaube ich überhaupt nicht. Und das ist auch meine Philosophie. Sie haben 2007 zusammen mit Karl Steinhart die Vermögensverwaltung „Steinhart & Stahl“ gegründet. Was war der Grund dafür? War es letztlich der Wunsch nach Unabhängigkeit?
Ja, weil ich denke, dass man am Markt sehr frei agieren können muss. Hinzu kam die Übernahme meines ehemaligen Arbeitgebers durch eine größere Bank, in der Anlagethemen eher kollektiv gesteuert, teilweise politisiert und teilweise mit einer Riesen-Bürokratie versehen waren. Das ist aus meiner Sicht am Markt nicht ausreichend erfolgversprechend, und war einer der Gründe, dass ich mich selbstständig machte. Und weil die Themen Kollektivierung, Politisierung, Bürokratisierung dummerweise ein Branchenphänomen geworden sind, ist das Problem nicht mehr lösbar durch den Weggang von der einen Bank und das Anheuern bei einer anderen. Das war vielleicht vor 20 Jahren so, als es noch Banken gab, die den Vermögensverwaltern und Portfolio-Managern sehr hohe Autonomiebereiche, sehr geringe Dokumentationsanforderungen und sehr wenig Politisierung auferlegten. Aber mittlerweile ist das aus meiner Sicht bei keiner halbwegs großen Bank mehr gegeben. In Deutschland mag es allerdings noch ein paar ganz wenige Ausnahmen geben. Man sollte also nicht behaupten, dass es überall so ist. Interessanterweise trifft es mitunter sogar bei kleineren Organisationen nicht mehr zu, bei denen man eigentlich vermuten könnte, dass sie es anders als die Großbanken machen. SehenSiesichalsAnhängerderÖsterreichischenSchule?
Die Österreichische Schule hat natürlich viele Aussagen getroffen, aber die grundordnungspolitischen Vorstellungen teile ich in vielen Punkten. Viele Hayek’sche Thesen sto-
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ßen bei mir schon auf fruchtbaren Boden. Allein die Philosophie, was die „Anmaßung von Wissen“ durch zentrale Behörden oder kollektive Führer angeht. Mit diesen Thesen sympathisiere ich grundsätzlich sehr, weil ich glaube, dass kein zentraler Regulator, keine Planbehörde, keine Bürokratie und, wie wir in der Finanzkrise gesehen haben, auch keine Bankenaufsichtsbehörden in der Lage sind, mit der vorhandenen Komplexität und dem raschen Wandel, der aus verschiedenen gesellschaftlichen Entwicklungen, technischen Neuerungen und verschiedenen anderen Dingen hervorgeht, fertigzuwerden. Stattdessen glaube ich nach wie vor, dass es für die Gesellschaft am Ende am besten ist, wenn es dezentrale Marktakteure gibt, die nach eigener Interessenslage handeln. Eine zu große staatliche Machtballung, aber auch eine zu große private Machtballung, lehne ich ab. Die Freiheitsgrade des Bürgertums sind mir sehr wichtig.
Friedrich August von Hayek Friedrich August von Hayek (* 8. Mai 1899 in Wien; † 23. März 1992 in Freiburg im Breisgau) war ein österreichischer Ökonom. Neben Ludwig von Mises war er im 20. Jahrhundert der wichtigste Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und zählt zu den wichtigsten Denkern des Liberalismus im 20. Jahrhundert. 1974 wurde er aufgrund seiner bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Die„AnmaßungvonWissen“ Hayek schloss sich der Meinung der liberalen Klassiker Adam Smith und John Locke an, wonach wirtschaftliche Ordnung das unangestrebte Resultat menschlichen Handelns ist (Prinzip der „unsichtbaren Hand“). Die Zentralverwaltungswirtschaft sei insbesondere wegen der „Nichtzentralisierung allen relevanten Wissens“ über die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Individuen nicht durchführbar, das heißt, die planende Stelle kann niemals über die Informationen verfügen, die sie für eine vernünftige Planung benötigen würde. Nur der freie Markt bilde im Preissystem alle relevanten Informationen ab und führe zu sinnvollen Allokationen. Den „Sozialingenieuren“, die eine Gesellschaft auf dem Reißbrett planen wollen, warf er die Anmaßung von Wissen (pretence of knowledge) vor. So sollte später auch seine Rede zum Empfang des Nobelpreises heißen. Er schrieb zum 20-jährigen Bestehen des Institute of Economic Affairs im Jahre 1977: „Ich bin stets davon überzeugt gewesen, dass wir, so wir unsere wirtschaftliche und politische Freiheit behalten wollen, unsere Bemühungen auf die Bekehrung der Intellektuellen in ihrer Eigenschaft als Meinungsmacher richten müssen.“
Quelle: „Friedrich August von Hayek“ in: Wikipedia, 29. Juli 2009
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GabesAkademikeroderPraktiker,dieSiebesondersgeprägthaben?
Ich muss sagen, dass ich von meinen ersten Aktiengeschäften bis zum heutigen Tag so viele Leute kennengelernt habe, die teilweise auch Wegbegleiter über viele Jahre waren und sich mit den gleichen Fragen beschäftigt haben. Das beginnt bei den Praktika, die ich in amerikanischen Investmentbanken gemacht habe, über das Studium bis heute. Davon einen oder zwei herauszupicken, würde dem nicht gerecht werden. Selbst wenn man, was nicht selten vorkam, aber dazu gehört, völlig unterschiedlicher Meinung war, hat es mich im positiven Sinne beeinflusst, und sei es, dass ich dann noch mehr auf meiner Meinung beharrte und mich in meiner Meinung gestärkt sah. Alles, was ich bislang gesehen und aufgesogen habe, hat mich stark beeinflusst. GabesbestimmteMarktphasenundEreignisse,dieSiebesondersgeprägthaben?
Sicherlich die ersten Börsenjahre 1981, 1982, das war meine Startphase. Eine quälende Baisse, die mich stark prägte. Als prägend empfand ich dann auch die Superhausse bis 1987. Da erst wurde mir klar, wie weit so etwas steigen kann. Dann natürlich der 16. Oktober 1987, als ich hoch investiert war und dann am 19. Oktober empfindlichste Vermögenseinbußen hinnehmen musste (siehe Abbildung 6.1). Allein schon dieses Crash-Erlebnis war eine sehr prägende Erfahrung. Als Fußnote möchte ich noch hinzufügen: Es ist immer ein Unterschied, ob man selbst Geld gesetzt hat oder es nicht gesetzt hat. Es ist leicht, als Außenstehender irgendeine Beurteilung oder Markteinschätzung abzugeben, sich vielleicht gedanklich von der Position zu trennen oder sie zu erhöhen. Auf dem Papier ist das sehr einfach. Aber in der Sekunde, in der man Geld gesetzt hat, verändert sich das, weil dann die eigenen Emotionen und echte Cashflows ins Spiel kommen. Wenn ich aber nur in der Theorie auf dem Papier gesetzt habe, ändert sich für mich nichts. Folglich halte ich auch nichts von Chefs, die irgendeine Anlagepolitik vorgeben. Die sollen selbst eigene „Kohle“ setzen und zwar so, dass es dann auch wehtut, falls es nicht so läuft. Das fühlt sich dann ganz anders an! Für mich auch beeindruckend war der „Neue-MarktSchwindel“, gegen den ich wie ein Don Quichotte angekämpft habe. Ich hielt das, was da passierte, für einen Wahnsinn, der mit Händen zu greifen war, und trotzdem ging es immer weiter hoch.
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Abbildung 6.1
Der Börsencrash 1987 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
340
320
Indexpunkte
300
280
Der Marktverliertauf Schlußkursbasisin4 Handelstagenfast30%
260
240
220
200
Jan.87
Feb.87
Mrz.87
Apr.87
Mai.87
Jun.87
Jul.87
Aug.87
Sep.87
Okt.87
Nov.87
Dez.87
S&P500Index
WasdavonwarIhreschwierigsteMarktphase?
Jede der beschriebenen Börsenphasen, 1981/1982, dann 1982 bis 1987 und danach die 90erJahre mit dem Höhepunkt „Neuer-Markt-Schwindel“ im Jahre 2000, war schwierig. Aktuell ist natürlich die heutige Börsensituation am allerschwierigsten, weil man ja alle historischen Marktphasen irgendwie erarbeitet und verstanden hat. IchwürdegernetwasvonIhrenFehlernerfahrenundwasSiedarauslernten?
Ich habe teilweise Profite, im Nachhinein betrachtet, zu schnell abgeschnitten. Im Umkehrschluss verkauft man ungern eigene Falschpositionen oder vergegenwärtigt sich, dass es Falschpositionen waren, und trennt sich dann manchmal auch zu spät. Einen Profit mental auszusitzen, um nicht nur 100 Prozent zu verdienen, sondern 1000 Prozent, ist extrem schwierig und wird insoweit auch von allen Profis als die größte Schwierigkeit beschrieben. Es sei denn, die 1000 Prozent würden in einer schnellen Über-Nacht-Bewegung kommen, aber selbst dann würde man einen sich verdoppelnden Vermögensgegenstand doch gern schnell verkaufen. Ein Vermögensgegenstand dagegen, der 30 Prozent verliert, wird oftmals mit einem Hoffnungselement gehalten, und am Ende werden 70 Prozent Verlust daraus. Es ist extrem schwierig, diese Fehler zu überwinden, was mir leider auch nicht immer gelingt.
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SiestandeninIhrerKarrieremitIhrerMeinungzuvielenSachverhaltenhäufigallein und haben mit vielen Schlussfolgerungen am Ende recht behalten. Ich denke dabei auch an einige Sonderstudien und Veröffentlichungen, die unter Ihrer Führung publiziertwurden.WaswarendieGrundüberlegungendabei?
Die Kommunikation mit anderen Leuten aus der Finanzbranche ist dabei ganz wichtig. Man muss nämlich wissen, wie andere Profis denken und handeln. Wenn man feststellt, dass viele in die gleiche Richtung denken und handeln, ist natürlich extreme Vorsicht geboten. Wir haben eigentlich in den Studien versucht, uns Themen zu widmen, die entweder nicht im Fokus waren oder bei denen der Markt aus unserer Sicht einseitig positioniert war. In einer medialen Hysterie über den Neuen Markt haben wir die Risiken der New Economy und der Blase dargestellt. Ich habe mit einem Kollegen im Jahre 2000 einen Artikel im Handelsblatt über Alan Greenspan veröffentlicht, der damals gerade frenetisch als Magier der Märkte und als überragender Zentralbanker gefeiert und gehandelt wurde. Der Titel des Artikels lautete: „Ein Alan Greenspan macht keine neue Ära“. Wir haben damit zum Ausdruck gebracht, dass wir wenig von dieser Bubble Economy halten. Eine Position, die erst im Jahre 2008 zum akzeptierten Allgemeingut geworden ist. Oder ich denke an das Thema Gold, als man im Jahre 2000 für die Studie „Gold – ein neuer Megatrend“ beinahe angefeindet worden ist, weil man in so ein altmodisches, unverzinsliches, schlecht rentierliches Vehikel investierte. Erst im Jahre 2008 scheint sich diese damalige Erkenntnis allgemein durchgesetzt zu haben. Entsprechend meiner Gedankenwelt sage ich: Wenn etwas Allgemeingut ist, verkehrt sich der Markt in eine andere Entwicklung. Damit ist gleichzeitig auch schon angedeutet, dass ich von einem derartigen Investment oder einer derartigen Glaubensvorstellung heute überhaupt nichts mehr halte.
Ein Alan Greenspan macht keine neue Ära [...] Wie in den 20er-Jahren hat damit die Notenbank den Auftrag der Wahrung von Preisniveaustabilität bei gleichzeitiger Förderung des Wirtschaftswachstums vordergründig mit Bravour erfüllt. Die expansive Geldpolitik der letzten Jahre hat aber nicht nur die produktiven, sondern eben auch die spekulativen Kräfte der amerikanischen Volkswirtschaft geweckt. Die Notenbankpolitik der verbalen Interventionen erwies sich, nicht zuletzt aufgrund ihres häufigen Gebrauchs durch Alan Greenspan, vorerst als wirkungslos. Darüber hinaus klafften die verbalen Äußerungen und die Handlungen der amerikanischen Notenbank im Herbst 1998 weit auseinander. Angesichts der deflatorischen Wirkungen der Krisen in den Emerging Markets und des starken Kursrückgangs am amerikanischen Aktienmarkt im Herbst 1998 rang sich die Fed zu drei Leitzinssenkungen durch. Die Federal Funds Target Rate wurde jeweils um ein Viertelprozent von 5,5 % auf 4,75 % zurückgenommen.
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Das war das Signal, auf das die Investoren gewartet hatten. Weil diese Aktion die Balance zwischen Risiko- und Ertragserwartungen der Anleger veränderte, ließen sich die Spekulationskräfte und die furiose Entwicklung der Internetaktien auch durch den zwischenzeitlichen Übergang zu einer restriktiveren geldpolitischen Linie bis März 2000 nicht mehr aufhalten. Erst die Erhöhung der Federal Funds Target Rate auf 6% Ende März 2000 zeigte im Verlaufe des April erste Wirkungen an den US-Börsen. Die Rettungsaktionen und die Übertreibungen der jüngsten Vergangenheit haben erneut die Frage aufgeworfen, ob die Notenbanken auf die Entwicklung der Aktienpreise reagieren sollten. Unstrittig ist lediglich, dass Notenbanken Inflationsgefahren, die aus der Höherbewertung des Aktienvermögens und einem entsprechendem Mehrkonsum der privaten Haushalte resultieren, kontrollieren sollten. Empirischen Schätzungen zufolge hat der Anstieg des S&P500 seit Anfang des Jahres 1995 die Konsumgüternachfrage der privaten Haushalte in den USA mehr als 4 % nach oben getrieben. Die permanenten Kursgewinne am amerikanischen Aktienmarkt vermitteln den privaten Haushalten ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Ihr zu Marktkursen bewertetes Vermögen hat sich von 1990 bis 1999 von 24,3 auf 48,9 Bill. USD mehr als verdoppelt. Während der Vermögenszuwachs bei den realen Gütern (Grundstücke, Immobilien) mit durchschnittlich 4 % pro Jahr vergleichsweise moderat ausfiel und ihr Anteil am Gesamtvermögen in den 90er-Jahren von 30 % auf 23 % zurückging, schnellte das Portfoliogewicht des direkten Aktienbesitzes der privaten Haushalte von rund 7 % auf über 16 % nach oben. Der Anteil des in Pensions- und Investmentfonds gehaltenen indirekten Aktienbesitzes konnte von ca. 16 % auf 27,5 % zulegen. Immer mehr Amerikaner wollen auch an dem schnellen Reichtum teilhaben, den der Aktienmarkt verspricht. Im Gegensatz zu deutschen Anlegern, die rund ein Zehntel ihres Vermögens in Aktien angelegt haben, ist der Anteil der US-Haushalte, die über direkten oder indirekten Aktienbesitz verfügen, bis zum Jahre 1998 von etwas mehr als 40 % auf knapp 49 % gestiegen. Damit liegt dieser Wert weit über der Partizipationsrate von schätzungsweise 5 % bis 10 % der Haushalte, die in den 20er-Jahren am Aktienmarkt spekulierten. Welche Auswirkungen hat nun die permanente Höherbewertung des Aktienvermögens? Es war das Verdienst Milton Friedmans, die Grenzlinien zwischen Konsum, Einkommen und Vermögen neu zu ziehen. Demnach verfügen die privaten Haushalte über ein höheres permanentes Einkommen und können sich entsprechend mehr Konsum leisten, wenn sie Vermögenszuwächse als dauerhaft interpretieren. Die kräftige Ausdehnung der Konsumentenkredite von 863 Milliarden Dollar im ersten Quartal 1994 auf 1428 Milliarden Dollar im vierten Quartal 1999 deutet darauf hin, dass die privaten Haushalte auch in Zukunft Erträge am Aktienmarkt erwarten, die die Zinsbelastung der aufgenommenen Kredite decken. Angesichts der ungebrochenen Aufwärtsdynamik des amerikanischen Aktienmarkts haben die Anleger auch die Scheu vor kreditfinanzierter Spekulation wieder verloren. Allein von Februar 1999 bis Februar 2000 haben die Wertpapierkredite um 75 % von 151 Milliarden Dollar auf 265 Milliarden
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Dollar zugelegt. Gemessen an der Marktkapitalisierung der Wall Street von mehr als 16,8 Bill. Dollar sind die Wertpapierkredite mit einem Anteil von 1,6 % aber noch relativ bedeutungslos. Allerdings übertrifft die gesamte Verschuldung der privaten Haushalte heute längst die Größenordnungen der 20er-Jahre. Im Jahre 1929 erreichte die Verschuldung der privaten Haushalte rund 53 % ihres verfügbaren Einkommens. In den 90er-Jahren stieg zwar auch das Nettovermögen der privaten Haushalte dank der permanenten Höherbewertung von Aktien deutlich, die Nettoschulden machen nach 47 % im Jahre 1990 aber heute über 67 % des verfügbaren Einkommens aus. Damit bieten die Privatanleger den Märkten zweifellos eine offene Flanke. Rapide steigt auch die Außenhandelsverschuldung Amerikas. Während die USA in den 20er-Jahren noch von Überschüssen im Außenhandel zehren konnten, sind sie heute mit einem stark wachsenden Defizit konfrontiert. Diese Auslandsverschuldung wird besonders dann virulent, wenn ausländische Kapitalgeber nicht mehr bereit sind, die Defizite über Portfolio- oder Direktinvestitionen zu finanzieren. Hinzu kommt die Verschuldung auf den Derivate-Märkten. So ist der tägliche Umsatz von Zins- und Währungsderivaten im Telefonverkehr in den vergangenen drei Jahren um 85 % gestiegen. An den Derivatemärkten für Aktien wird das zwei- bis dreifache Volumen des physischen Aktienhandels umgesetzt. Die Investmentpools der 20er-Jahre haben in den 90er-Jahren ihre Entsprechung in den ebenfalls in hohem Maße fremdfinanzierten und nahezu unbeaufsichtigten Hedgefonds gefunden. Inwieweit eine ähnlich dramatische Entwicklung wie in den 20er-Jahren in den USA oder in den 90er-Jahren in Japan droht, kann letztlich niemand beantworten. Solange der Glaube an eine "neue Ära" stark genug ist und die Notenbanken die Geldmengenversorgung nicht einbrechen lassen, dürfte auch das Platzen der Kursblase noch eine Weile auf sich warten lassen. Nicht einmal eine weitere Ausdehnung der Kursblase ist ausgeschlossen. Der Aufwärtstrend kann sich allerdings nicht unbegrenzt fortsetzen. Immer mehr Liquidität ist notwendig, um die Preise noch weiter in die Höhe zu treiben. Ob die jüngsten Korrekturen und der Umstand, dass nur noch wenige Aktien die Indizes auf ihren luftigen Höhen halten, Indizien für ein Erlahmen der Aufwärtsspirale sind, bleibt abzuwarten. Die Zukunft wird zeigen, ob der Markt eine für viele Anleger überraschende Schlussabrechnung präsentieren wird. Die bewährten Grundsätze kaufmännischer Kalkulationen und konservativer Vermögensanlagestrategien könnten dann eine Renaissance erleben.
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Quelle: Conrad, Christian / Stahl, Markus (2000), S. 49 f. SiegeltenseitLangemalsEuroKritikerunddiskutierenebensolangedasThemaEuro Krise.HabenwirimJahre2020nocheinenEuro?
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Ich glaube, dass wir im Jahre 2020 einen Euro haben, aber eben einen neuen Euro. Und jener, den wir jetzt haben, wird in eine sehr große Krise kommen. Die sehe ich in diesem Jahr, spätestens im nächsten, weil ich glaube, dass der Euro eine absolute Fehlkonstruktion darstellt. WasgenausindIhreKritikpunkteanderGemeinschaftswährung?
Weil eine Gemeinschaftswährung im Grunde genommen eine gemeinschaftliche Geldpolitik bedeutet. Und dies funktioniert in einem Vielvölkergebilde mit gewaltig unterschiedlichen Interessenslagen, gewaltig unterschiedlichen Strukturen, gewaltig unterschiedlichen Herangehensweisen an Wirtschaftspolitik, unterschiedlichen Präferenzen bei nach wie vor nationalen Haushaltspolitiken nicht. Dieses Experiment ist meines Erachtens zum Scheitern verurteilt. Eine Gemeinschaftswährung setzt voraus, dass alle Beteiligten, wie bei einer gemeinsamen Wanderung, sich über dasselbe Ziel einig sind, und dies ist in Europa überhaupt nicht zu sehen. Alle sollten dabei in ähnlicher Weise in der Lage sein, im gleichen Tempo zu laufen. Das sehe ich einfach nicht, und deshalb glaube ich, die Zielsetzungen, Strukturen, Potenziale und Reaktionsmuster sind zu unterschiedlich. Ich glaube, es wäre besser, wenn auf diese unterschiedlichen Strukturen mit jeweils unterschiedlichen Geldpolitiken reagiert würde, was auch unterschiedliche Währungssubräume miteinschließt. Es mag sein, dass bestimmte Gebiete, die heute vielleicht national sind, eine gemeinsame Währung bilden könnten, zum Beispiel Niederlande mit Deutschland sowie Spanien mit Portugal. Da denke ich schon, dass es Ansätze der Zusammenführung gibt. Aber in diesem weit gespannten Kontext von Finnland bis Malta, rüber nach Griechenland und künftig dann noch die Osterweiterung – diese Spanne ist aus meiner Sicht zu groß, zumindest was das Timing angeht. Deutschland war auch mal ein Flickenteppich, und auch hier ist die Geldpolitik von kleinen Fürstentümern irgendwann in etwas Größerem aufgegangen. Ich schließe natürlich nicht aus, dass das auch in Europa irgendwann mal so sein kann. Aber ich denke, das Zentrale dafür ist das politische Zusammenwachsen. Es ist bislang noch nicht einmal gelungen, eine europäische Verfassung mit Minimum-Standards zu formulieren. Wie kann dann bereits eine einheitliche Geldpolitik für Finnland und Griechenland gleichermaßen funktionieren? Es ist offenkundig, dass es absurd ist und auch scheitern wird. Hinterher wird man sich sagen: „Mensch, das war ja mit Händen zu greifen“, aber vorher kann oder will es noch niemand sehen. Siesagten,dassSieineinbiszweiJahrendieseEuroKriseerwarten.WelchesAuslösers bedarfesdafür?
Das kann in wenigen Tagen sein, und die Morgendämmerung einer solchen Entwicklung wird meines Erachtens nach dadurch eingeläutet, dass der Rentenmarkt in eine starke Baisse eintritt. In diesem Moment wird dem Markt offenkundig, dass der Staat in seinem Bemühen, an Finanzmittel zu kommen, an die Grenze der Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarktes gestoßen ist. Und dann wird es kein Halten mehr geben. Ein zweites Ereignis könnte der Konkurs einer größeren Bank sein. Diese zwei Momente – eine Bankenpleite
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und/oder ein stark rückläufiger Rentenmarkt – werden der Auslöser sein, und dann wird es meines Erachtens sehr schnell gehen. Ein Haus zu bauen dauert viele Monate, es einstürzen zu lassen eine Erdbebennacht. Baisse-Attacken sind auch schon am Aktienmarkt vorgekommen und haben die dreifache Geschwindigkeit von Haussebewegungen. Zusammenbruchereignisse gehen sehr schnell, deshalb wird auch der Niedergang des Euro meines Erachtens nicht so lange wie dessen Einführung dauern. Die technische Einführung dauerte damals zwei Jahre, die Vorbereitungsphasen zogen sich über viele Jahre hin, und wenn man das Europäische Währungssystem (EWS) und die ganzen Vorläufer des Euro einbezieht, dauerten diese Prozesse insgesamt Dekaden. Der Niedergang des Euro dagegen wird in wenigen Wochen geschehen. WarumwirdeinRentencrashdenNiedergangdesEuroauslösen?
Ich glaube, ein Rentencrash ist Ausdruck dafür, dass der Kapitalmarkt keine Staatsanleihen mehr aufnimmt, und dann wird möglicherweise offenkundig, dass die Staaten bislang die Altschulden nur durch weiteres Aufschulden zurückbezahlt haben. Wenn dieser Mechanismus erkennbar nicht mehr funktioniert, bekommt der Markt eine Ahnung, dass auch Staaten Bankrott machen können. In diesem Moment wacht der Markt auf und versucht, aus dem Euro zu fliehen. Er wird das tun, indem er in andere Währungen, vorrangig in den US-Dollar, geht. Und dann ist es passiert. Wenn dann der Außenwert des Euro in hohem Tempo an Wert verliert, ist das ein Alarmsignal für jeden, aus dem Euro herauszugehen. Damit gehen dann auch explodierende Zinsen einher, sowohl die kurzen wie die langen. Explodierende Zinsen bringen das ganze Finanzsystem ins Wanken, also auch die öffentlichen Finanzen. Das ist dann nicht mehr zu halten und wird meines Erachtens in hohem Tempo kommen und die Mehrzahl der Marktteilnehmer völlig unvorbereitet treffen, weil fast alle Geldanleger, sei es der private Anleger, aber auch Institutionen wie Versicherungen und Banken, fast ausschließlich auf den Euro fokussiert sind, somit würde eine Abwertung des Euro zu dramatischen Verlusten führen. Deshalb ist das für mich das wichtigste Ereignis. Man wird, wie nach jeder Krise, die Spekulanten für die Marktverwerfungen verantwortlichmachen.Ihnenwirftmanohnehinvor,Regulierungslückenbewusstfür ihre Zwecke auszunutzen. Sind es letztlich Spekulanten, die dieses Ereignis heraufbeschwören,oderwarenespolitischeFehlentwicklungen?
Ich glaube natürlich, dass es Spekulanten gibt, die Lücken nutzen. Aber es gibt auch Großspekulanten, die Regulationen setzen, beeinflussen oder bewusst für Lücken und Widersprüchlichkeiten sorgen. Das halte ich für das weitaus Gefährlichere. Deshalb denke ich, dass manche Regulierungsfehler, wenn man so will, nicht irgendwie versehentlich geschehen, sondern ganz bewusste Sollbruchstellen sind, die von Großspekulanten im geeigneten Moment genutzt werden. Ein Beispiel ist die gegenwärtige Bankenkrise. Man muss sich fragen, wer denn von einer Umstellung der Bankenregulation profitierte. Wenn man die Finanzkrise heranzieht, so sind im Vorfeld die Anreizmomente ganz stark in Richtung
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eines Leveragings gestellt worden. Die Eigenkapitalanforderungen wurden immer weiter reduziert, gerade auch für die vermeintlich „dreifach-A“ gerateten Papiere. Man konnte mit dem gleichen Eigenkapital im Zuge dieser Regulationsveränderung immer mehr dieser Papiere kaufen. Und die Regulierungsbehörden haben im Gegenzug immer mehr derartiger Papiere toleriert. Das riecht nach Marktteilnehmern, die dafür gesorgt haben, dass sich die Regulation in diese Richtung verändert hat. Ebenfalls viel diskutiert wird die Frage, wohin uns die globalen Rekordgeldmengen führen, die wir in den letzten Jahrzehnten geschaffen haben. Zu immer größeren Blasen,ineineInflationodertiefineineLiquiditätsfalle?
Ich glaube, dass die These von einem globalen Geldvermögen eigentlich den Blick auf die aus meiner Sicht tatsächlich vorliegende sehr differenzierte Entwicklung verstellt. Zwar wird der Eindruck vermittelt, als würde der Prozess, zu viel Geld zu schaffen, global Hand in Hand gehen. Ich glaube aber, dass es tatsächlich sehr differenziert ist, und meinem Erachten nach wird die nächste Bewegung dies offenkundig werden lassen. Deshalb halte ich keine dieser drei Varianten für wahrscheinlich, sondern ich glaube, dass es als Ereignis eine Währungskrise geben wird, und zwar bezüglich des Euro. Warum im Euroraum? Warum nicht in Japan oder den USA, wo in der Vergangenheit ähnlicheGeldmengenundSchuldenangehäuftwurden?
In der Tat, ich glaube, dass alle drei Währungen Achillesfersen haben. Japan ist ebenfalls in einer sehr gefährlichen Situation mit seiner hohen Staatsverschuldung, und auch die bislang noch sehr hohen Exportüberschüsse sind im Zuge der Wirtschaftskrise signifikant eingebrochen. Japan hatte immer den Vorteil, trotz Stagnation im Inland um sich herum eine prosperierende Entwicklung zu haben. Und weil seine Wirtschaft prinzipiell exportorientiert war, war das Land immer in einer Gläubigerposition relativ zum Ausland und konnte folglich immer Überschüsse erzielen. Wenn man sich auf die Binnenverhältnisse konzentriert, hätte diese Währung eigentlich schon eine Währungskrise haben müssen. Ich glaube auch, dass die Exportüberschüsse als treibende Kraft nachlassen. Deshalb denke ich, dass auch der Yen in großer Gefahr schwebt, zumal der japanische Rentenmarkt völlig falsch gepreist ist. In einem Zins gibt es zwei Komponenten, den Realzins und eine Risikoprämie für Inflations- und Ausfallrisiken. Zum einen kann die hohe japanische Geldmenge die Inflationsraten zumindest mittelfristig erhöhen. Zum Zweiten erhöht die gestiegene und sehr hohe Staatsverschuldung schon allein das Ausfallrisiko. Der Preis, also der Zins, befindet sich allerdings auf historischen Tiefstmarken. Und das passt nicht zusammen! Der japanische Bondmarkt ist für mich ein typischer Markt, der, obwohl er sich über die letzte Dekade eigentlich überhaupt nicht bewegt hat, wahrscheinlich eine der ganz großen Blasen darstellt. Deshalb ist seine Fallhöhe auch sehr groß (siehe Abbildung6.2).
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Abbildung 6.2
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Niedrige Zinsen trotz hoher Staatsverschuldung in Japan, 1988 bis 2009 (Quelle: Feri Data Manager, eigene Darstellung)
200%
9,0%
180%
8,0%
160%
7,0%
140% 6,0% 120% 5,0% 100% 4,0% 80% 3,0% 60% 2,0%
40% 20%
1,0%
0%
0,0%
AnteilderBruttoStaatsverschuldung(nominal)amGDP(linkeSkala) Rendite10jährigerStaatsanleihen(rechteSkala)
Ebenso wie der Yen hat der Dollar Achillesfersen: Haushaltsdefizit, Handelsbilanzdefizit, die Politik des Monetary Easing mit der Hereinnahme kritischer Wertpapiere. Insoweit ist die Währung letztendlich auch durch diese Problematik belastet, aber mit dem Charme, dass der Markt die Dollarrisiken seit Jahren kennt und verarbeitet hat. Das ist der entscheidende Unterschied. Die negative Dollarmeinung, die man heutzutage haben kann, war glücklicherweise schon im Jahre 2008, im Jahre 2007 und im Jahre 2006 Jahr vorherrschender Trend. Ich gehe davon aus, dass die Marktakteure bereits das kritische Dollarbild in ihren Portfolios umgesetzt haben. Exporteure haben auf viele Jahre ihre vermuteten Exporterlöse schon über Termingeschäfte verkauft. Investoren haben amerikanische Anlagen wie Aktien und Immobilien, die sie vielleicht halten, kursmäßig über Dollar-Hedges abgesichert. Bis auf ein paar Monate von Ende 2008 bis Anfang 2009 sind die Marktteilnehmer davon ausgegangen, dass der Euro eine sehr sichere Währung darstellt. Das war auch einer der Gründe, warum viele Zentralbanken und institutionelle Anleger bei neu hereinfließenden Geldern weniger den Dollar, sondern eher den Euro präferierten. Zum Startzeitpunkt hatte der Euro eine relativ schlechte Reputation und keine Vorschusslorbeeren. Hätten die Deutschen wie die Schweizer über die Einführung in einer Volksabstimmung selbst bestimmen dürfen, wäre der Euro wahrscheinlich nicht eingeführt worden. Aber auf wundersame Weise ist er dann recht stark geworden. Das bedeutet für mich schlussendlich, dass wir eigentlich drei große Währungen haben, die alle ihre Risiken in
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sich bergen. Aber bezüglich des Euro haben noch keine Prozesse stattgefunden, sich dieser Risiken bewusst zu werden und in die Portfolios einzubauen. Beim Dollar dagegen schon. Alle Marktteilnehmer, die Dollarpositionen halten, haben sich eine Strategie überlegt, um sich gegen einen Verfall des Dollars zu schützen. Und diese Strategie ist in der Regel auch bei allen uns bekannten Adressen umgesetzt worden, in der Industrie und bei PortfolioInvestoren. Allein das Produkt „Quanto“ impliziert, dass man den Dollar nicht unter dem Aspekt der Chance begreift, sondern des Risikos. Und in der Sekunde, in welcher der Markt ein Risiko wahrnimmt und das entsprechend umsetzt, ist es keines mehr. Im Falle des Euro ist das leider umgekehrt. Alle sitzen auf Euro-Positionen, und niemand ist sich bewusst, dass da letzten Endes die gleichen Problemstellungen wie in den Vereinigten Staaten und Japan gegeben sind. Überschuldung der öffentlichen Hände, Bankenprobleme usw. Deshalb glaube ich in letzter Konsequenz, dass der Euro die wahrscheinlich gefährdetste Währung darstellt, und erwarte folglich eine Euro-Währungskrise. Inwieweit teilen Sie die Meinung, dass das Zentralbanksystem einer grundlegenden Reformbedarf,undwiekönnteeinreformiertesZentralbanksystemaussehen?
Ich glaube, dass Zentralbanken prinzipiell Machtballungen sind oder Machtballungsorganisationen darstellen. Stattdessen stelle ich mir einen sehr offenen Markt mit eher kleineren Banken und Institutionen vor, die dem Publikum traditionelle wie innovative Geldkonzepte anbieten. Geld ist ja nur eine Vorstellung, und weil eben die Vorstellungen sehr vielfältig sind und auch ganz verschiedenen Zwecken und Vorhaben dienen sollen, könnte es Banken geben, die ganz unterschiedliche Schmiermittel von Wirtschaftstransaktionen anbieten. Das können ganz neuartige Dinge sein wie elektronische Banken, die elektronisches Geld für Leute produzieren, die Geld für Transferzwecke verwenden wollen. Das können aber auch ganz traditionelle Dinge sein wie möglicherweise Münzgesellschaften, die Silbermünzen für Anleger prägen, die das Geld aufbewahren wollen. Es könnten somit ganz unterschiedliche Plattformen und Systeme sein, und es sollte nicht monopolisiert werden. Geld sollte ein Gut werden wie jedes andere auch, und prinzipiell sollte jeder die Möglichkeit haben, Geld zu produzieren, und der Markt wird entscheiden. Jeder kann sich entscheiden, ein Auto zu bauen und zu verkaufen. Dem einen gelingt es, und dem anderen gelingt es weniger gut. Das können auch ganz unterschiedliche Autokonzepte sein. Eigentlich geht es dabei nicht einmal so sehr um das Auto, sondern um Transportthemen. Und so kann die Lösung auch mal eine Hochschwebebahn sein. Konzepte können sehr unterschiedlich sein, und das sollte auch für Geld gelten. Geld sollte aus meiner Sicht nicht staatlich monopolisiert werden, sondern Geld sollte ein privates Erzeugnis wettbewerblicher Banken sein. Dann entfällt auch das Problem mit der Machtballung und entsprechendem Machtmissbrauch oder auch der Anmaßung von Wissen durch Zentralbanken oder ein kleines Gremium, in welcher Höhe der Leitzins anzusetzen ist. Das muss sich aus meiner Sicht in einem Marktprozess mit mehreren Akteuren bilden. Und wenn der Markt sieht, dass ein Marktteilnehmer viel zu viel Geld produziert und diesem Geld nicht mehr traut, dann wird dieses Geld wieder verschwinden, oder es wird für bestimmte Zwecke
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nicht mehr eingesetzt. Ich weiß, dass das ein bisschen revolutionär ist. Aber stellen wir uns mal die höchst schwierige Frage, was überhaupt Geld ist. Geld ist ungewöhnlich vielfältig, und es kann ständig irgendwie neues Geld entstehen. Heute kommt es einem beinahe normal vor, mit einer Kreditkarte zu bezahlen, was man weltweit tun kann. American Express ist also ganz offenkundig Geld. Vor 50 Jahren wäre das unvorstellbar gewesen, dass eine Plastikkarte Geld ist. Die Natur des Geldes ist unklar, und meines Erachtens sollte es daher auch keine Zentralbanken geben. Zentralbanken haben es nicht vermocht, Ruhe oder Disziplin in das Thema Geld zu bringen. Das System, wie es heute existiert, hat die Erwartung verbreitet, dass Zentralbanken das Ganze steuern können. Ganz offenkundig können sie es nicht, und dann ist es besser, privates Geld zu schaffen, bevor es dann zu einer Machtballung und zu möglichem Missbrauch kommt und infolgedessen zu einem übergeordneten kollektiven Irrtum. Verschiedene Firmen sollten das ausprobieren können und Geld schaffen. Es wird natürlich auch Betrugsfälle geben, aber – und das ist auch das Schöne daran – dem Verbraucher wird klar, dass auch sozusagen im Geld selbst ein Risiko steckt. Wenn Geld privatisiert ist, erkennt der Verbraucher das Risiko und wird es dann für sich individuell steuern. In einer Welt mit verschiedenen Geldern würde ich beispielsweise diversifizieren, also Geld von verschiedenen Anbietern für verschiedene Zwecke nutzen. WashaltenSieindiesemZusammenhangvonGoldalsAlternative?
Gold wäre nur eine mögliche Alternative. Heute denke ich über Gold, dass es auf etwa 200 USD zurückfallen könnte. Meine damalige bullische Minderheitsmeinung ist mittlerweile eine Mehrheitsmeinung geworden, und aus diesem Grunde muss ich mich sofort davon distanzieren. Was der Mehrheitsmeinung entspricht, bedeutet immer ein tendenziell ungünstiges Chance-/Risiko-Verhältnis. Das heißt nicht, dass Gold nicht noch weitersteigen kann, aber ich denke, das Chance-/Risiko-Verhältnis war 2001 wesentlich günstiger als es heute ist. WelchemMarktsegmenttrauenSiemittelfristigdiehöchstenRenditenzu?
Dem britischen Pfund und vor allem dem US-Dollar und nicht Gold, weil ich von einer Euro-Währungskrise ausgehe (siehe Abbildung6.3). GibtesnochandereAnlageklassen,dieSiepräferieren?
Die wichtigste Schlussfolgerung ist das Erkennen des Fremdwährungsrisikos, das ich nicht als Fremdwährungsrisiko, sondern es eben als Euro-Risiko betrachte. Und das muss wegdiversifiziert werden. Aus diesem Grund sollte man sich den Fremdwährungsrisiken zuwenden, die ich folglich nicht als Risiken, sondern als Chancen ansehe.
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Abbildung 6.3
Der Euro in britischen Pfund und US-Dollar seit Einführung 1999 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
1,70
1,00
1,60
0,95 0,90
1,50
0,85 1,40 0,80 0,75
GBP
USD
1,30
1,20 0,70 1,10 0,65 1,00
0,60
0,90
0,55
0,80 1999
0,50 2000
2001
2002
2003
2004
EuroinUSDollar(linkeSkala)
2005
2006
2007
2008
2009
EuroinPfund(rechteSkala)
Wie würden Sie generell Ihren Investmentansatz beziehungsweise Ihre Anlage philosophiebeschreiben?
Eigentlich bin ich volkswirtschaftlich orientiert. Meine Spezialität ist die Einbeziehung von Systemfragestellungen, und meine Vorgehensweise hat eine Vorliebe in Richtung Antizyklik. Das ist auch nicht immer richtig, sondern manchmal muss man auch einen Trend prozyklisch reiten. Aber tendenziell bin ich antizyklisch orientiert. In welche Anlageklassen investieren Sie, und welche Anlageinstrumente verwenden Siedafür?
Vor allem in Direktanlagen, das heißt einzelne Aktien, Anleihen und Währungen. Momentan meide und hüte ich mich vor Produkthüllen wie Zertifikaten, Fonds und Ähnliches. WarumkeineFonds?
Fonds können in einer Zeit kritisch werden, in der einzelne Assets in den Fonds illiquide werden oder nicht mehr richtig bepreisbar sind. Wir haben in der Finanzkrise in den Ren-
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tenmärkten solche Phänomene in einigen Marktsegmenten gesehen. Für bestimmte strukturierte Produkte wie Asset-Backed-Securities gab es keine Liquidität und keinen Kurs mehr. In einem Fonds kann das Nicht-Preisen einer Anlage dazu führen, dass der ganze Fonds nicht mehr gepreist wird und damit nicht mehr liquide ist. Und dann sind alle anderen eigentlich liquiden Instrumente darin gefangen. Aus diesem Grunde denke ich, dass wir künftig noch sehr viele Fondsschließungen und Fondseinfrierungen wie im Immobilienmarkt sehen werden. Dies kann in einer Zeit extrem gefährlich sein, in der AssetAllokation-Entscheidungen innerhalb von einer Woche getroffen werden müssen oder möglicherweise noch schneller. Und das setzt wiederum eine maximale Liquidität der Asset-Klassen voraus, falls sich herausstellt, dass es die falsche ist. Deshalb halte ich es beispielsweise für besser, 30 DAX Aktien direkt zu kaufen als einen DAX-Fonds, falls für ein oder zwei Aktien kein richtiger, realer oder liquider Kurs gestellt werden kann. Wir haben das beispielsweise bereits bei den Turbulenzen um die VW-Aktie im Jahre 2008 angedeutet bekommen. Der Zwang, für die Fondsgesellschaft einen Fonds einzufrieren, der nicht mehr gepreist werden kann, könnte in einem Moment passieren, in dem man eventuell die DAX Aktien ganz verlassen will, um englische Aktien zu kaufen. Dann wäre man mit seinem ganzen Geld gefangen. Wenn man stattdessen einzelne Aktien hält, und davon werden zwei ausgesetzt und nicht mehr notiert, kann man mit den anderen 28 Titeln immer noch auf Reisen gehen. Und das ist der große Unterschied. Eigentlich müssten Fonds mit Liquiditätsabschlägen gehandelt werden, weil sie einen Liquiditätsnachteil haben, aber das werden sie nicht. Die Fondsgesellschaft hat über den Fondsprospekt bestimmte Optionsrechte, welche die Rechte des Endanlegers einschränken. Und das sind die Nachteile als Anleger, weswegen ein DAX-Fonds eigentlich unter der Summe seines Nettoinventarwerts notieren müsste. Er tut dies aber nicht, was regulatorische Gründe hat. Aber für den Anleger macht es keinen Sinn, in Krisenzeiten in solch ein Konstrukt zu gehen. In ruhigeren Marktphasen mag dies für bestimmte Situationen wieder eine ganz gute Lösung sein. Die Vorteile eines Fonds wie Streuung und dergleichen sind ja eigentlich bekannt. In bestimmten Märkten, die man lediglich auf der Makroebene einschätzen kann, aber in denen man sehr wenig Kompetenz in der Einzeltitelselektion hat, mag es dann auch Sinn machen, einen Fonds einzusetzen, zum Beispiel bei der Entscheidung, Emerging Markets oder Korea zu kaufen. Aber ich denke, augenblicklich sollte man um Fonds einen großen Bogen machen. Was ist Ihr Hauptwerttreiber? Womit generieren Sie den meisten Mehrwert im Portfolio?
Eigentlich mit der Allokation. Die Selektion ist insoweit wichtig, als Liquidität in einem zunehmend volatileren und illiquideren Umfeld an oberster Stelle stehen muss. Und deshalb ist momentan auch die Konzentration auf hochliquide Standardtitel aktuell. Michwürdeinteressieren,wieSieIhreIdeengenerierenundvonwelchemZeithorizont SiebeidenAnlageentscheidungenausgehen?
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Die Börse ist aus meiner Sicht nicht berechenbar, insoweit verbietet sich natürlich jeder quantitative Ansatz, und deshalb bilden bei mir auch die qualitativen Urteile die Grundlage der Anlagestrategie. Was den Zeithorizont angeht, versuche ich immer, viele Jahre vorauszudenken, keinesfalls kurze Perioden. Manche Positionen halte ich sogar über viele Jahre. Taktische Positionen tausche ich in etwa im Monatsrhythmus, Tages-Trading gibt es bei uns nicht. Wie aggressiv bilden Sie dabei Ihre Meinung und Ideen im Portfolio ab? Haben Sie eher ein breit diversifiziertes Portfolio, oder suchen Sie lieber nach den großen Bewegungenundgewichtensieentsprechendhoch.
Ein Portfolio muss aus meiner Sicht in den Einzeltiteln sehr gut diversifiziert sein, jedoch konzentriert in der strategischen Ausrichtung, also in der Asset-Allokation. Und deshalb wird das auch in der Praxis sehr aktiv verwaltet. Es muss möglich sein, die Aktieninvestitionsquote mal bei 80 Prozent und mal nur bei 30 Prozent des verfügbaren Depots zu haben. Ich halte nichts von Strategien, die ein Balanced-Depot mit einer Neutralgewichtung von 50 Prozent haben, und ihre Quote zwischen 47 Prozent und 52 Prozent bewegen. Insoweit muss man in der Asset-Allokation konzentriert vorgehen, anders ist eine Outperformance nur schwer zu erreichen. GibtesbeiderFestlegungderAssetAllokationMarktteilnehmer,denenSiebesondere Beachtungschenken?
Wir achten sehr auf Versicherungen, die aus institutionellen Fehlanreizen in der Regel stark prozyklisch agieren. Insofern sind diese Informationen sehr wichtig. Wir versuchen auch zu ergründen, was die sogenannten Milchmädchen, also das breite Börsenpublikum, macht. Diese Gruppe ist sehr stark mode- und themenorientiert, sei es Neuer Markt oder Rohstoffanlagen. Und dazu verhalten wir uns dann ebenfalls entgegengesetzt. Wir beobachten auch ganz stark Banken-Sales-Mitarbeiter, verfolgen die Marktsegmente, in denen Zuflüsse stattfinden, und achten außerdem auf neue Produkte, an deren Bezeichnung man bestimmte Modethemen erkennen kann. Der ganze Sales funktioniert so, dass immer dort am meisten verkauft wird, wo es den geringsten Kaufwiderstand gibt. Überall, wo es den geringsten Kaufwiderstand gibt, sind viele der gleichen Überzeugung, und das spiegelt die größte Mehrheitsmeinung wider. Deshalb reden wir auch mit vielen Leuten und machen regelmäßig eine Rundtour, rufen Versicherungsleute und Banker an, sprechen mit Fondsleuten und mit anderen Vermögensverwaltern und versuchen so, Informationen über die Positionierung zu gewinnen, um daraus ein Bild zu entwickeln. Wenn wir feststellen, dass viele Marktteilnehmer in der elben Ecke hocken, dann sind wir tendenziell bestrebt, uns in die andere Ecke zu setzen. Verwenden Sie ein ausgeklügeltes Risikomanagement, das Ihnen anzeigt, wann Sie einePositionveräußernsollen?
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Das ist auch wieder eine philosophische Frage. Einige denken, Risikomanagement hat mit historischen Korrelationen zu tun, mit historischen Volatilitäten und allen daraus abgeleiteten irrwitzigen statistischen Berechnungen und Kennziffern mit tollen Namen. Das glaube ich eben nicht. Unser Risikomanagement läuft anders. Wir versuchen, eine Theorie oder ein Bild über mögliche denkbare Wirtschaftsszenarien zu entwickeln, und für diese verschiedenen Szenarien versuchen wir dann, im Markt jeweils relativ gute Chance/RisikoVerhältnisse ins Portfolio zu nehmen. Wenn ich beispielsweise der Möglichkeit einer Inflationswelt eine denkbare Wahrscheinlichkeit einräume, dann muss ich genau überlegen, ob ich das beispielsweise über ein Investment in Gold abbilde, was aus meiner Sicht ein schlechtes Chance/Risiko-Verhältnis wäre. Oder ich kaufe mir stattdessen eine Anlage, die auch an einer Inflationswelt partizipieren kann, aber am Markt ein wesentlich besseres Chance/Risiko-Verhältnis bietet als zum Beispiel Gold. Ich würde heutzutage eher bestimmte Aktiensegmente wählen, die in der Lage sind, an einer Inflation zu partizipieren. Wenn es zu hohen Preissteigerungen kommt, dürfen es eben keine Werte sein, die stark zinssensitiv sind. Wenn man im umgekehrten Falle eine Deflationswelt abbilden will, muss man sich natürlich überlegen, ob dafür die Staatsanleihen noch das richtige Investment sind, zumal hier die Deflationswelt bereits eingepreist ist, so, wie das für Gold im Falle der Inflationswelt gilt. Um das Thema Gold noch einmal zu vertiefen, für eine Inflationswelt würde ich nach einer deutlichen Halbierung verschiedener Basismetalle lieber zwei Prozent in Nickel, Kupfer oder Zink investieren, anstatt fünf Prozent Gold ins Depot zu kaufen. Kommt es zu einer Deflationswelt, werden sich Basismetalle und Gold wahrscheinlich halbieren, was mir ein Prozent Verlust einbringt, bei einem Goldanteil von fünf Prozent aber 2,5 Prozent Verlust einbringen würde. Das ist unsere Denke von Risikomanagement. Keine statistischen Pseudokorrelationen, sondern ein Wirtschaftsszenario und Überlegen, was alles passieren kann. Und für diese unterschiedlichen Möglichkeiten versuche ich, aus den verschiedenen Marktsegmenten die interessantesten Wetten herauszupicken und keinesfalls die naheliegenden. WarumhaltenSiesowenigvonquantitativenSystemen?
Nach dem Chaos, das die „Quants“ in den Banken angerichtet haben, erübrigt sich die Frage! WasmachenSie,wenneineIhrergroßenPositionenindieVerlustzonedreht,ohnedass sichdieFundamentaldatenausIhrerSichtändern?
Ich versuche, verschiedene Blickwinkel einzunehmen, um herauszufinden, ob ich einem Irrtum unterlegen sein könnte. Manchmal trenne ich mich dann von der Position, ein anderes Mal sage ich mir: „Jetzt erst recht“ und erhöhe dann. Das ist unterschiedlich und kommt auf den Einzelfall an. Der richtige Schritt ist, sich in solch einem Fall zu hinterfragen. GibtestypischeMarktphasen,dieIhremAnlagestilmehrbzw.wenigerliegen?
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Mir liegen „Friede, Freude, Eierkuchen“-Szenarien mit moderaten Haussebewegungen eher weniger. Ebenso wenig liegen mir quälende Seitwärtstrends. Erfahrungsgemäß sind extremere Bewegungen, also starke Struktursprünge im Sinne von Baissen oder gewaltigen Kursschüben, meine Domänen. Die Normalphasen liegen mir eher weniger, und die sogenannten „Un-Normalphasen“ liegen mir mehr. Mit den Jahren 1998 und 2000 kam ich sehr gut zurecht, ebenfalls mit der Baisse und der anschließenden Trendwende in 2002/2003. Auch das Jahr 2008 hat mir gelegen. Das sind die spannenden Jahre, in denen sehr viel passiert und in denen man die größte Outperformance machen kann, sofern es das Mandat zulässt. In Seitwärtsphasen und gemächlichen Aufschwungphasen ist das deutlich schwieriger. WieoffendiskutierenSiemitKundenFehlentscheidungen?
Fehler gibt natürlich niemand gern zu, obwohl sie ja gerade in diesem Geschäft in Form eines Verlustes ganz offenkundig sind. Insofern sind sie auch nicht wegzureden. WürdenSieAbiturientinnenbeziehungsweiseAbiturientenempfehlen,indieFinanz brancheeinzusteigen?
Absolut würde ich das empfehlen, aber keineswegs, um Geld zu machen, sondern um die Faszination dieses spannenden Marktes zu erleben. Aber dazu muss man natürlich das notwendige Interesse und den richtigen Zugang zum Thema haben. Haben Sie irgendwelche Lieblingsbücher zu den Finanzmärkten, die Sie Mitarbeitern oderKundenempfehlen?
Ich habe viele Bücher verschlungen, aber ich finde das Buch „Das Spiel der Spiele“ von Jesse Livermore, einem Spekulanten der 20er- und 30er-Jahre, besonders gut. Und in der Tat ist die Börse viel spannender und viel komplexer als das vergleichsweise einfache und eintönige Schach. Beim Schach sind die Figuren vorgegeben, an der Börse tauchen ständig neue auf. Beim Schach sind die Felder begrenzt, an der Börse tauchen neue Felder auf. Beim Schach sind die Spielzüge eines Bauern oder eines Springers definiert, an der Börse verändert sich das. Deshalb ist die Börse viel spannender und viel schwieriger. Und deshalb ist nicht Schach das Spiel der Spiele, sondern, wie Jesse Livermore es sagt, das Spiel der Spiele ist ganz eindeutig die Börse.
Jesse Lauriston Livermore Jesse Lauriston Livermore (* 26. Juli 1877 in South Acton, Massachusetts; † 28. November 1940), auch bekannt als "Boy Plunger", war ein bemerkenswerter US-amerikanischer Trader des frühen 20. Jahrhunderts. Er wurde berühmt, als er während der Zusammenbrüche des Börsenmarktes 1907 und 1929 Multi-Millionen-Dollar-Vermögen aufbaute und verlor. Ebenso bekannt ist seine Strategie des Short Selling. Einige halten ihn für den erfolgreichsten Börsenspekulanten aller Zeiten.
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Jesse Livermore wurde in South Acton, Massachusetts geboren. Mit dem Traden begann er im Alter von fünfzehn Jahren. Mit dem Segen seiner Mutter riss er von zu Hause aus, um dem Leben als Farmer zu entkommen, das ihm sein Vater wünschte. Er begann seine erste (und einzige) Arbeit bei der örtlichen Paine Webber-Niederlassung in Boston, wo er Aktienwerte auf die Kreidetafeln schrieb. Während der Arbeit schrieb er einige Vorahnungen zukünftiger Marktpreise auf, um sie später auf Richtigkeit zu überprüfen. Ein Freund überzeugte ihn, Geld in seinen ersten Handel zu stecken. Er riskierte 5 Dollar und machte 3,15 Dollar Profit mit seinem ersten Handel von Burlington-Aktien. Nach diesem Erfolg begann er selbst mit dem Traden. Im Alter von 15 Jahren hatte er bereits einen Gewinn von über 1000 Dollar erwirtschaftet (in den frühen 1890ern eine Menge Geld). In den nächsten Jahren machte er sein Geld in den Bucket Shops. Dort gaben die Leute Trades ab, aber es wurden keine wirklichen Trades ausgeführt -– sie wetteten gegen das Haus. Die meisten Leute verloren jedoch ihr Geld an die Bucket Shops wegen der Schwankungen in den Aktien, die ihre schmalen Gewinne auslöschten. Livermore schlug die Bucket Shops regelmäßig und wurde letzten Endes von ihnen verbannt. Daher konzentrierte er von da an seine Energie in seriösen Märkten. Diese Veränderung brachte ihn dazu, neue Regeln zu erarbeiten, um den Markt zu schlagen. Während seines Lebens erwarb und verlor Livermore mehrere Multi-Millionenvermögen. Am bemerkenswertesten ist, dass er nach dem Börsencrash 1907 noch $3 Millionen besaß beziehungsweise $100 Millionen nach dem Crash von 1929. Er verlor jedoch auch diese Vermögen, und erholte sich nie mehr von den Verlusten. Neben seinem Erfolg als Wertpapierspekulant hinterließ Livermore Tradern seine Arbeitsphilosophie: Wertpapierpositionen erhöhen, wenn sie in die richtige Richtung gehen und Verluste schnell zu begrenzen. Ironischerweise folgte Livermore seinen eigenen Regeln manchmal nicht vollständig. Dieser Mangel an Konsequenz war der Hauptgrund für seine Verluste, nachdem er 1907 und 1929 große Vermögen aufgebaut hatte. Das bekannte Buch Reminiscences of a Stock Operator von Edwin Lefevre erwähnt einige dieser wertvollen Lektionen. Livermore selbst schrieb ein weniger bekanntes Buch: "How to trade in stocks; the Livermore formula for combining time element and price" (Wie man mit Aktien handelt: die Livermore-Formel, um Zeit und Preis zu kombinieren). Es wurde 1940 veröffentlicht, dem Jahr, in dem er Suizid beging.
Quelle: „Jesse Lauriston Livermore“ in: Wikipedia, 10. April 2009
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Was würden Sie verändern wollen, wenn Sie ab morgen den Job des Notenbankchefs beiderEZBübernehmenmüssten?
Das ist eigentlich ein grauenvoller Job: Man steht viel zu sehr in der Öffentlichkeit, kann es niemandem recht machen, wird ständig belogen und darf selber überhaupt nicht mehr die Wahrheit sagen. Und schlimmer noch: Ständig pfuscht einem ein Politiker ins Handwerk rein. Und außerdem, da Sie ja speziell nach der EZB gefragt haben, wird’s den Job in Bälde nicht mehr geben! Darfichfragen,wieSieIhreigenesGeldanlegen?
Ich gebe es aus, solange ich noch etwas dafür bekomme.
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„FüreineUnzeGoldkonntenSiesichüberdieJahrhunderte immereinengutenHerrenanzugkaufen.“
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Mack & Weise GmbH Martin Mack und Herwig Weise lernte ich im Dezember 2008 persönlich kennen. Da die beiden Vermögensverwalter Wert darauf legen, dass mindestens einer von beiden immer das Marktgeschehen und die Portfolios überwacht, vereinbarten wir einen Gesprächstermin im Hamburger Firmensitz. Zur Vorbereitung auf das Gespräch studierte ich unterwegs im Zug die letzten Marktstudien aus dem Hause Mack & Weise. Jede Studie begann mit einem trefflichen Zitat, das einen Vorgeschmack auf den nachfolgenden Inhalt gab. Das Zitat von Hermann Hesse „Jede Zeit hat ihre Flucht aus der Wirklichkeit“ titelte die Ausgabe vom Dezember 2007. Im März 2008 wurde Carl Fürstenberg mit den Worten „Inflation oder Deflation sind nur zwei Fremdwörter für Pleite“ zitiert. Und um es ganz deutlich zu machen, worum es den beiden Vermögensverwaltern geht, bedienten sie sich der Worte von George Bernard Shaw: „Wenn die Regierung das Geld verschlechtert, um alle Gläubiger zu betrügen, so gibt man diesem Verfahren den höflichen Namen Inflation.“ Damals stellte ich mir die Frage, ob die beiden Hamburger wirklich an dieses Szenario glauben oder ob hier lediglich mit Verschwörungstheorien gezündelt wird. In Hamburg angekommen, ließen die beiden Herren keine Zweifel aufkommen, dass sie es ernst damit meinen. „Bücher wie ‚Die Gold-Verschwörung‘ oder ‚Das Greenspan-Dossier‘ sollte man durchaus mal gelesen haben“, geben die beiden zu verstehen. Um diese Gedanken auch wirklich umsetzen zu können, legen sie großen Wert darauf, ein vermögensverwaltergeführtes Unternehmen zu sein, in dem die beiden Herren die alleinige Entscheidungshoheit für das ihnen anvertraute Vermögen innehaben. Ich fragte nach: „Das heißt, Sie dulden auch keine Einmischung Ihrer Mandaten in das Ihnen anvertraute Depot?“ Herr Weise verdeutlicht: „Wir können nur die Verantwortung für das Vermögen übernehmen, wenn wir alle Entscheidungen allein treffen können.“ Und Martin Mack untermauerte unmissverständlich: „Wir haben auch schon mal ein Mandatsverhältnis von uns aus beendet, weil ein Kunde unsere Philosophie offensichtlich nicht mittragen konnte.“ Respekt, meine Herren, für diese Klarheit und Konsequenz! Wer jedoch glaubt, dass sich mit dieser Einstellung keine Geschäfte machen lassen, täuscht sich. Die beiden sind sehr stolz darauf, dass ihnen ihre Gründungsinvestoren über die ganzen Jahre seit 1989 treu geblieben sind. Inzwischen verwalten Martin Mack und Herwig Weise das Vermögen ihrer Kunden ausschließlich in den beiden von ihnen betreuten Investmentfonds. Als ich nach dem Gespräch mit einer Tasse Glühwein und gebrannten Mandeln über den Weihnachtsmarkt in Richtung Bahnhof schlenderte und das Gespräch Revue passieren ließ, hatte ich ein Bild vor Augen, das die beiden aus meiner Sicht sehr gut verkörpern, nämlich das der „Hanseatischen Kaufleute“, geprägt durch Wagemut, Gediegenheit, Verlässlichkeit, Zurückhaltung und Schaffenskraft.
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Ein halbes Jahr später reiste ich erneut nach Hamburg, um mit Martin Mack das folgende Gespräch zu führen. Wennichrichtiginformiertbin,gibtesdieVermögensverwaltung„Mack undWeise“ nunschonseit1989.WiehabenSieundHerrWeisesichkennengelernt?
Herr Weise und ich haben uns während der Banklehre kennengelernt. Währenddessen ist man als Bank-Azubi entweder vom Kreditgeschäft oder vom Wertpapiergeschäft fasziniert. Bei uns beiden war es das Wertpapiergeschäft, und deshalb waren wir von den diversen Ausbildungsstationen, die wir in der Bank durchlaufen mussten, eigentlich die ganze Zeit in der Wertpapierabteilung. Zumindest wussten unsere Ausbildungsleiter, wo sie uns im Zweifelsfall finden würden. Anschließend haben wir zusammen Betriebswirtschaftslehre in Hamburg studiert. Kam das Interesse für die Finanzmärkte mit der Banklehre auf, oder war es bereits vorherda?
Ich weiß noch, dass ich einer der ganz wenigen, wenn nicht sogar der Einzige in meiner Schulklasse war, der damals schon das Studentenabo der Zeitung „Die Welt“ nutzte. Für Studenten oder Schüler war das damals sehr günstig und hochgradig subventioniert. Während des Studiums haben wir die Zeitung sogar kostenfrei bekommen, weil es von Hamburger Unternehmen eine Patenschaft dafür gab. Wo aber letztlich dann der Funke herkam, der das Interesse für den Wirtschaftsteil der Zeitung und die Finanzmärkte auslöste, würde ich vielleicht so zusammenfassen: Ich hatte immer eine gewisse Abneigung gegen die Vorstellung, mich beruflich sehr eng auf eine Sache fokussieren und konzentrieren zu müssen. Die Gefahr, einen begrenzten Radius in seiner Tätigkeit zu haben, ist an den Finanzmärkten nicht gegeben, sondern man muss sich unglaublich weit gefächert seine Gedanken machen. Wie ist der Entschluss gereift, gemeinsam Ihre eigene Vermögensverwaltung aufzubauen?
Bedingt durch die Banklehre und natürlich bedingt durch die Ausbilder vor Ort erhielten wir einen ersten Einblick in die Finanzmärkte. Wir empfanden dafür eine gewisse Faszination, weil man sich mit einer Vielzahl von fundamentalen und volkswirtschaftlichen Einflussfaktoren beschäftigen musste, aber auch mit Psychologie und Massenpsychologie. Das faszinierte uns von Beginn an, und dabei ist es dann in der Folgezeit auch geblieben. Während des Studiums reifte langsam der Entschluss, die Studentenfirma Mack & Weise zu gründen. Es war also eine Garagenfirma, wenn man sie als solche bezeichnen möchte. Mit dazu beigetragen hatte sicherlich unsere Beobachtung, dass in den Banken auch damals schon relativ wenig auf die Ergebnisse von Empfehlungen geachtet wurde. Es gab zwar, verglichen mit der heutigen Zeit, noch nicht diesen extremen Produktverkauf, aber es wurde auch damals bei jedem Geschäft Umsatz generiert. Trotz der fehlenden Messsyste-
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me gab es dennoch gewisse Beobachtungen, ob ein Kunde eher langfristig anlegte und der Bank nur eine Verwahrfunktion oblag, oder ob der Kunde Umsätze generierte und die Bank entsprechende Provisionen verdienen konnte. Im Gegensatz zu der Überwachung von Investoren, wie wir das heutzutage von den Banken kennen, war das rückblickend eher rührig. Aber schon zu dieser Zeit hatten wir uns vor diesem Hintergrund ein anderes Anreizsystem gewünscht. Wir sind dann auf die Idee der erfolgsabhängigen Vergütung gekommen. Das war damals noch sehr außergewöhnlich, zumindest war uns nahezu niemand bekannt, der diese Art der Honorierung anbot und sich also tatsächlich an der Qualität seiner Empfehlung oder seines Managements messen ließ. Die ersten Investoren trafen wir natürlich eher im familiären Umfeld oder im Bekanntenkreis, von denen wir wussten, dass sie sich etwas mit Finanzen auseinandersetzten. Die hörten sich natürlich erst mal an, was wir vorhatten. Aber nachdem sie dann feststellten, dass wir ihnen einige Male etwas sehr Wichtiges richtig prognostizieren konnten, entwickelten sich die Gespräche weiter. Rückblickend war es eigentlich sehr sinnvoll, dass wir die Zeit des Studiums genutzt haben, um uns ein Vertrauensfundament aufzubauen. Mit diesem Fundament konnten wir dann nach dem Studium mit der Firma Mack & Weise durchstarten. Stichwort„Honorierung“,wiesahIhrVergütungsmodellletztendlichaus?
Unser klares Ziel bei der Firmengründung war es, unsere Vermögensverwaltungsdienstleistung jenen Personen anzubieten, von denen wir glaubten, dass sie zu unserem Stil passen. Wir haben uns von Beginn an in keine Richtung verbiegen lassen. Von Anfang an haben wir uns die Freiheit eingefordert, in bestimmten Marktphasen nicht investiert sein zu müssen. Es kann sehr produktiv sein, einfach mal an der Seitenlinie zu stehen und nichts im Portfolio zu bewegen. Man darf aber aufgrund dessen niemals in finanzielle Probleme geraten, sondern der gesamte Fixkostenapparat muss eben durch einen gewissen Teil der Vergütung abgedeckt sein, deshalb die fixe Verwaltungsgebühr einerseits. Andererseits waren insbesondere einige erfahrene Anleger von der Idee einer erfolgsabhängigen Vergütung begeistert. Und sie waren eben auch schnell bereit, uns für unsere „guten Gedanken“ zu honorieren. Deshalb haben wir uns gesagt, dass die Mischkalkulation eigentlich das Vernünftigste ist. WaresfürSienieeinThema,erstmalbeieinerBankoderbeieinerFondsgesellschaft dienotwendigeErfahrungzusammeln?
Ich war schon immer ein Stück weit unternehmerisch geprägt gewesen. Und ich denke, das gilt auch für Herrn Weise. So lange ich zurückdenken kann, wusste ich, dass ich immer selbstständig sein wollte, um irgendetwas Unternehmerisches aufzubauen. Es war allerdings nicht von Anfang an klar, dass es eine Vermögensverwaltung werden soll. Diese Weichenstellung war dann ganz klar durch die Banklehre bedingt. Rückblickend wäre es aus Sicht von Herwig Weise und mir sinnvoller gewesen, wenn wir erst mal drei bis vier Jahre nach London oder New York oder an einen anderen Finanzplatz gegangen wären, um vor allem die erforderlichen Kontakte zu knüpfen. Wir starte-
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ten als absolute No-Names. Verständlicherweise kannte niemand Mack & Weise. Aber wenn man erst mal in diesem System gewesen wäre, dann hätte sich natürlich auch ein ganz anderes Netzwerk an Kontakten ergeben. Eventuell hätte man in diesen Jahren auch schon mal die Verantwortung für den einen oder anderen Fonds bekommen. Deswegen würde ich dem einen oder anderen auch raten, es so zu machen, weil dieser Stamm an Kontakten ein sehr großes Asset ist. Rückblickend können wir natürlich von uns sagen, dass wir es geschafft haben, das Unternehmen von „Null Komma Null“ an persönlich aufzubauen. Aber es ist dadurch natürlich auch ein längerer Weg gewesen. Wie ist die Unternehmensgründung verlaufen? Immerhin waren Sie damals noch blutjung?
Zur Unternehmensgründung 1989 fällt mir eine kleine Anekdote ein: Damals sind Herwig und ich zum Ordnungsamt gegangen. Wir saßen und warteten, bis wir endlich an der Reihe waren. Es war bereits kurz vor eins, und der zuständige Beamte hatte es ohnehin bereits etwas eilig, in die Mittagspause zu kommen. Er fragte uns, wie denn die neu zu gründende Firma heißen soll. Wir hatten mit dieser Frage gar nicht so schnell gerechnet. Ich ging davon aus, wir gründen die Firma erst einmal, und dann können wir uns in Ruhe den Namen überlegen. Konfrontiert mit dieser Frage überlegten wir natürlich, ob die Firma nun „Weise & Mack“ oder „Mack & Weise“ heißen solle. Aber ich konnte Herrn Weise dann davon überzeugen, dass sich Mack & Weise flüssiger spricht als Weise & Mack. Und nachdem ihm das auch im Freundeskreis bestätigt wurde, akzeptierte er es. Das hat nichts damit zu tun, dass die Firma Mack & Weise mir zu 55 Prozent und Herwig Weise zu 45 Prozent gehört, sondern jedem von uns gehören unverändert 50 Prozent. Das ist seit der Gründung bis zum heutigen Tag so geblieben. Wir haben zu keinem Zeitpunkt Anteile an externe Kapitalgeber abgegeben, um unsere Unabhängigkeit nicht einzuschränken. Wir wollten von Anfang an unsere eigenen Vorstellungen umsetzen. Der Gedanke, irgendwann in einer Frühstückskonferenz zu sitzen, um faule Kompromisse bezüglich der Märkte und der Geschäftsstrategie beschließen zu müssen, war uns immer ein Gräuel. Dieser Punkt war uns bereits bei der Unternehmensgründung sehr wichtig, das haben wir bis zum heutigen Tage durchgezogen. Wir waren bereit, eher langfristig und langsam zu wachsen und dafür das Kapital komplett in eigenen Händen zu behalten. Wir wollten und wollen uns nicht in Richtung eines Bauchladens entwickeln und haben deswegen auch niemals Schiffsbeteiligungen, Immobilienbeteiligungen oder Ähnliches angeboten. Wir blieben immer ganz klar auf Vermögensverwaltung im Bereich der internationalen Aktienmärkte fokussiert. Ich denke, dass dieses geschärfte Profil auch von unseren Investoren wahrgenommen wird und sich entsprechend auszahlt. Übrigens, die Gründung der Firma Mack & Weise kostete auf dem Ordnungsamt ganze 5 DM. WiekonntenSiealsjunge,frischgebackeneFirmengründerKundengewinnen?
Die Kundengewinnung gestaltete sich schwierig, denn wir waren junge Leute, die gerade ihre Banklehre absolviert hatten und mitten im Studium standen. Als potenzieller Kunde
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wäre es mir rückblickend wahrscheinlich auch nicht anders ergangen. Mich hätte wahrscheinlich schon interessiert, was die jungen Leute zu erzählen haben, aber ob sie wirklich so gut sind, wie sie behaupten, hätten sie mir erst beweisen müssen. Und dieses Vertrauen mussten wir uns erarbeiten, wofür wir insbesondere unsere Studienzeit nutzten. Durch Gespräche und Angebote wie Vermögensstrukturierung und Depotanalyse hat sich dieses Vertrauen schließlich langsam aufgebaut. Aber Sie haben in den Anfangsjahren Vermögensberatung als weitere Dienstleistung angeboten,oder?
Nein, wir haben uns von Beginn an ganz klar abgegrenzt und deutlich gemacht, dass wir niemals eine Vermögensberatung, sondern ausschließlich Vermögensverwaltung betreiben. Eine Vermögensberatung kann immer nur auf den jetzigen Moment abzielen. Ein unvorhergesehenes Marktereignis kann die Beurteilung der aktuellen Situation aber gewaltig verändern. Was vor dem Ereignis besprochen wurde, kann hinterher Makulatur sein. Wie haben Sie sich Ihr Wissen über die globalen Finanzmärkte aufgebaut? Waren Sie besondersguteStudenten?
Mit den Theorien an der Universität konnten wir relativ wenig anfangen. Mittlerweile hat man auch seitens der Wissenschaft zu vielen Themen eine etwas andere Sichtweise. Damals in den 80er-Jahren und Anfang der 90er-Jahre war alles sehr streng ökonomisch, und alles andere, was die Finanzmärkte real beeinflusste, wurde ausgeblendet. Ich erinnere mich noch an einen Doktoranden, der sein Studium mit 1,0 und allen möglichen Auszeichnungen abschloss. Er konnte uns sämtliche Theorien finanzmathematisch herleiten. Nach seinem Abschluss bekam er von einer renommierten Bank ein Angebot, um dort den Optionshandel zu leiten. Als ich ihn ein halbes Jahr später wieder an der Universität traf, wunderte ich mich natürlich. Allmählich sickerte dann durch, dass er der Bank mit seinen Modellen innerhalb von wenigen Wochen 50 Mio. DM Verlust zugefügt hatte. Ich glaube, er ist ein sehr guter Theoretiker geworden und irgendwann dann auch Professor, aber der Ausflug in die Praxis hatte sich für ihn nach relativ kurzer Zeit erledigt. Und immerhin waren 50 Mio. DM Anfang der 90er-Jahre eine sehr beeindruckende Größenordnung. Wir haben das Studium als notwendig gesehen, um irgendwann unseren „Dipl.Kaufmann“ zu erhalten. Als Rüstzeug für unseren Beruf haben wir es eher als hinderlich empfunden. Aber weil natürlich unglaublich vielen Marktteilnehmern dasselbe Wissen vermittelt wurde, hilft es vielleicht auch ein Stück weit, zu verstehen, warum sich Märkte so verhalten, wie sie es letztlich tun. Aber gerade die Psychologie, die zwischenzeitlich einen deutlich breiteren Raum einnimmt, kam damals in den Wirtschaftswissenschaften überhaupt nicht vor. Ich habe das damals schon für selbstverständlich empfunden, weshalb ich auch Psychologie als Nebenfach belegte. Ich halte es generell für sehr wichtig, sich vor allem mit der Massenpsychologie auseinanderzusetzen. Zu diesem Thema gibt es auch einige alte Bücher wie „Psychologie der Massen“ und Ähnliches. Wenn man in der Ge-
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schichte ein paar Jahrhunderte zurückgeht, versteht man allmählich, wie solche Hypes wie zum Beispiel die Tulpenspekulation entstehen konnten. Wenn man in einigen Jahren die Geschichtsbücher im Zusammenhang mit der jetzigen Krise liest, wird man sich wahrscheinlich auch fragen, wie es denn sein konnte, dass wir mittellosen Menschen Kredite gegeben haben nur in der Hoffnung, dass die Immobilienpreise unendlich weiter steigen. SiesprachendasThemaBücheran.GabesbestimmteLieblingsbücherinIhremLeben, dieIhnengeholfenhaben,dieMechanismenderMärktebesserzuverstehen?
Wir beide sind frühzeitig sehr durch Kostolany geprägt. Es ist auch für Laien sehr amüsant und verständlich, wie er die Finanzmärkte erklärt hat. Viele Leute, die sich vordergründig mit den Finanzmärkten auseinandersetzen, empfinden das als sehr trockene, dröge und uninteressante Materie. Aber umso tiefer man einsteigt, desto faszinierender wird sie. Wenn man Menschen tatsächlich ein bisschen näher an das Thema heranführt, dann erkennen sie, wie spannend das letztlich ist. Kostolany hatte mit seinem Beispiel des Hundes und der Leine sehr gut dargestellt, dass die Finanzmärkte eigentlich immer um die Realwirtschaft pendeln; mal weit vorauslaufend, dann wieder stark zurückbleibend. Es gibt in seinen Büchern eine Vielzahl sehr fokussierter Darstellungen, die die Dinge im Kern benennen. Wie weit Kostolany tatsächlich ein erfolgreicher Spekulant war, kann man seinen Büchern entnehmen. Er sagte auch, dass er mehrfach pleite war, was in seinen Augen zu einem guten Spekulanten dazu gehört. Es ist sicherlich nicht verkehrt, Lehrgeld zu zahlen, um letztlich entsprechend verantwortungsvoll mit Geld umzugehen. Nichts wäre schlimmer, als wenn man sich nur auf der Erfolgsspur bewegen würde, sondern dieser Funken Demut gehört dazu, um die Bodenhaftung zu behalten. SieerwähntenbereitseinigeFähigkeitenundEigenschaften,aufdieesimGeschäftder Vermögensverwaltungankommt.FallenIhnennochandereEigenschaftenein,dieman habensollte?
Es gehört natürlich die Bereitschaft dazu, sich ständig mit den Finanzmärkten auseinanderzusetzen. Zumindest an den Devisenmärkten findet der Handel rund um die Uhr statt. Egal, wann ich abends nach Hause komme, ich schaue mir immer an, wie New York geschlossen hat, um zu wissen, wie entspannt ich am nächsten Tag ins Büro gehen kann. Wenn man nur deshalb im Vermögensverwaltungsgeschäft arbeitet, um ein sehr gutes Einkommen zu generieren, ist man fehl am Platz. Man muss eine gewisse Faszination für diesen Beruf haben, und wie es so schön heißt, intrinsisch für die Sache motiviert sein. Alles andere ist im Endeffekt sekundär. Es zeichnet viele erfolgreiche Menschen aus, dass sie niemals nach der monetären Komponente streben, sondern tatsächlich von der eigentlichen Aufgabe fasziniert sind. Außerdem, ich sagte es bereits, wird die Psychologie an den Finanzmärkten in meinen Augen sehr stark unterschätzt. Die Märkte funktionieren im Endeffekt ausschließlich
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durch Menschen, und die unterliegen nun mal Herdentrieben. Ich habe neulich erst gelesen, warum Mitarbeiter in Großbanken in solchen riesigen Büros sprichwörtlich kaserniert werden. Ein Banker sagte dazu: „Das ist genau der Effekt, den wir bewusst provozieren wollen. Die Menschen im Handelssaal befinden sich permanent im Kontakt mit ihren anderen Kollegen und sollen sich gegenseitig anstecken. Wir versuchen, dadurch Trends auszulösen. Das ist das Ziel eines großen Handelssaales.“ Ich fand das psychologisch höchst interessant. Gibt es darananknüpfend Analysten oder andere Vermögensverwalter, mit denen Sie gerndiskutierenunddiefolglichzuIhrerMeinungsbildungbeitragen?
Das ist bei uns eigentlich überhaupt nicht der Fall. Wir sind überspitzt formuliert Eigenbrötler. Uns ist das auch sehr wichtig, damit man diese Abstraktion oder diesen Abstand zu den Märkten hat. Auch Warren Buffet sitzt schließlich irgendwo in der tiefsten amerikanischen Provinz und gerade nicht in New York. Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen, weil man sich sonst zu sehr von anderen Sichtweisen beeinflussen lässt. Es freut uns immer, wenn der eine oder andere Vermögensverwalter mal bei uns vorbeischaut. Das ist ein gute Gelegenheit, sich auszutauschen. Aber ansonsten halten wir uns doch eher fern. Man hat es auch in der Vergangenheit gesehen, dass wir uns sehr oft vor Trendwenden entsprechend konträr zur Konsensmeinung positionieren. Ansonsten ist uns der Austausch mit anderen eher hilfreich, um jene Marktphasen zu erkennen, in denen ein antizyklisches Timing bzw. Denken angebracht wäre. Wir haben sehr starke Bauchschmerzen bei Mainstream-Investments. Wenn tatsächlich alle das Gleiche denken, wird es interessant, auch mal einen Schritt in die andere Richtung zu machen. Gab es schwierige Marktphasen oder Fehlentscheidungen in Ihrem Berufsleben, aus denenSievielgelernthabenoderdieSievielleichtsogargeprägthaben?
Überspitzt formuliert könnte man sagen, dass wir bis auf 1929 alle Kurszusammenbrüche der letzten 100 Jahre mitgemacht haben. Wir waren bereits 1987 mit unserem eigenen Geld an den Märkten aktiv und fanden es aufgrund unseres jüngeren Alters, positiv formuliert, beeindruckend, wie schnell man tatsächlich Geld verlieren kann. Dieser herbe Einbruch in der Anfangsphase unserer Tätigkeit hat uns nachhaltig geprägt, nicht nur in den Anfangsjahren, sondern bis zum heutigen Tag. Wir legen sehr starken Wert auf Diversifikation. Das zeigt sich darin, dass wir ein Einzelinvestment bei Kauf ganz selten über drei Prozent gewichten, egal wie überzeugt wir davon sind. Es gibt sicherlich Situationen, in denen wir gern eine noch stärkere Position einnehmen würden. Aber das tun wir ganz konsequent nicht, sondern bleiben extrem diversifiziert. KrisenkannmanauchalsChancebegreifen.ErinnernSiesichaneinePosition,dieSie bewusstineinerKrisegetätigthatten?
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Wir hatten die Russlandkrise beispielsweise sehr erfolgreich gehandelt. Noch im Sommer 1998 erhielt man für eine russische Föderationsanleihe ganze zwei Prozent Renditeaufschlag zu einer Bundesanleihe. Das war vollkommen unattraktiv und eigentlich ein ganz klarer Short. Aber bereits ein Vierteljahr später war diese Anleihe der russischen Föderation bis zu ihrem Tief auf 14 Prozent gefallen. Wir gingen davon aus, dass es der Weltgemeinschaft billiger erschien, eher „Multi-Milliarden“ in Russland zu versenken, als dieses Land seinem Schicksal zu überlassen. Wir kauften dann eine Drei-Prozent-Position von einer in US-Dollar notierten russischen Staatsanleihe mit einem Kupon von 8,75 Prozent zu einem Preis von knapp über 20 Prozent ins Portfolio. Wir hatten uns gesagt, wenn sie zwei Jahre durchhalten, hat sich unser Investment schon fast durch die Zinszahlung amortisiert. Also selbst im Falle eines Totalverlustes hätte das Rendite/Risiko-Verhältnis in einem gesunden Verhältnis gestanden. Aber es ging bedeutend schneller. Bereits zu Ostern 2000 verkauften wir zu 78 Prozent. Wir sahen in diesem Investment eine viel größere Chance als in dem einen oder anderen Aktieninvestment. Aber dennoch war die Position nur punktuell gewichtet. Auch in diesem Fall galt immer die Regel, streng zu diversifizieren, egal wie überzeugt wir von einem Investment waren oder sind. (Siehe Abbildung7.1) Abbildung 7.1
Russische Staatanleihe in und nach der Russlandkrise, 1998 bis 2005 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
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Prozent
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60
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20 Kauf
8,75%RussischeFörderation,19982005
EinealteBörsenweisheitlautet:„DerMarkthatimmerrecht!“Haterimmerrecht?
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In der heutigen Zeit kann man das wie folgt beantworten: Wenn der Markt funktionieren würde, dann hätte er immer recht. Aber ich glaube, dass der Markt mittlerweile – positiv formuliert – beeinflusst wird, insbesondere der US-Markt. Nehmen wir zum Beispiel die Zahlen zum US-Bankenstresstest, die im Mai 2009 veröffentlicht wurden. Der Markt wurde darauf regelrecht vorbereitet. Einige Tage zuvor war zu hören, dass keine Bank irgendwelche Rettungsmaßnahmen nötig hätte. Später wurde von Brokern eingeworfen, dass die Bank of America zehn Millarden US-Dollar bräuchte. Und als der Markt das immer noch positiv interpretierte, waren es plötzlich 34 Mrd. US-Dollar. Die Veröffentlichung des Bankenstresstests wurde dann noch garniert mit dem Statement von Finanzminister Geithner, der sich überaus positiv überrascht zeigte, wie fantastisch diese Ergebnisse doch ausgefallen seien. Die Märkte feierten das, obwohl einige Banken bereits im Vorfeld etliche hundert Prozentpunkte gestiegen waren. Über das Wochenende meldeten sich dann sehr kritische Stimmen, vor allem im „Wall Street Journal“ und in der „Financial Times“, die davon sprachen, dass die Ergebnisse wohl extrem verhandelt worden wären. Es war sogar davon die Rede, dass nach Erstpräsentation der Bankzahlen der eine oder andere Zuhörer mehr als schockiert von den Ergebnissen gewesen sei. Die Fed wollte andere Zahlen präsentieren, und das hat sie bereits vor der Veröffentlichung zu verstehen geben. Wir haben schon seit einigen Jahren den Eindruck, dass sich insbesondere die Wirtschaftszahlen der USA teilweise widersprechen. Es gibt Phasen, in denen ein Markt auf der Kippe steht und eigentlich eine Korrektur angesagt wäre. Aber plötzlich wird irgendeine Zahl aus dem Hut gezaubert, die mit der Realität nichts zu tun haben kann und die auch nicht zu den anderen veröffentlichten Zahlen passt. Nach einem Monat wird dann die Vormonatszahl noch einmal bereinigt ausgewiesen, weil dann erst die verlässliche Datengrundlage zur Verfügung steht. Mit schöner Regelmäßigkeit können Sie feststellen, dass diese Zahl bis zu ihrer zweiten Veröffentlichung ins Gegenteil korrigiert worden ist. Und genau diese Zahl verhinderte noch einen Monat vorher, dass der Markt massiv unter Druck kam. Aber die Märkte machen dieses Spiel immer wieder mit, konzentrieren sich auf die aktuellen Zahlen und nicht auf die des Vormonats. Darin sehe ich ein ganz großes Problem, weil man im wahrsten Sinne des Wortes Vertrauenskredite verspielt, aufgrund mangelnder Verlässlichkeit der Zahlen. Diese Gedanken werden natürlich immer sehr schnell als Verschwörungstheorie oder Ähnliches abgestempelt. Aber je mehr man sich damit beschäftigt, desto stärker nähert man sich eigentlich der Realität. Deshalb haben wir zunehmend den Eindruck, dass die Märkte eben nicht „frei“ sind und daher auch nicht recht haben können. WelcheFaktorentreibeninIhrenAugendieMärkte?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es gibt unterschiedliche Marktphasen, die von verschiedenen Faktoren beeinflusst sind. Die Finanzmärkte sind grundsätzlich von Fundamentaldaten geprägt, aber selbst dafür gibt es Gegenbeispiele. Wenn die Kurs/GewinnVerhältnisse am teuersten erscheinen, dann sind die Aktienmärkte oft am billigsten. An
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diesem Punkt kommt eben antizyklisches Denken, also Psychologie, ins Spiel. In Momenten, in denen etwas Überraschendes passiert und die Marktteilnehmer sich mit unerwarteten Dingen auseinandersetzen müssen, sind natürlich Emotionen relevant. Auch die Geldpolitik ist für sich alleine genommen relativ „unerfolgreich“. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich Konjunkturaufschwünge nicht unendlich verlängern lassen. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass es ein Zusammenspiel aller Bereiche ist. WelcheRollespieltdabeidieTechnischeAnalyse?
Man muss ganz klar akzeptieren, unabhängig davon, was man selbst von der Methode hält, dass „Multi-Milliarden“ nach der Charttechnik gemanagt werden. Und gerade im Bereich der Charttechnik spürt man letztlich, dass der Markt dann doch recht hat. Es ist eine Art „self-fullfilling prophecy“. Bei bestimmten Aktienkursen lässt sich beispielweise über eine Entwicklung von zehn Jahren immer wieder eine dreifach oder vierfach Topbildung festzustellen. Fundamental ist das nicht zu erklären, weil ein Unternehmen häufig gar nichts mehr mit dem vor zehn Jahren zu tun hat. InwieweitberücksichtigenSiedieCharttechnikinIhrenAnlageentscheidungen?
Das ist für uns ganz klar ein Entscheidungswerkzeug. Wenn bei uns alle anderen Investmentvoraussetzungen auf Grün stehen, aber das Chartbild unsauber ist oder sich dort zum Beispiel ein Abwärtstrend zeigt, dann stellen wir uns nicht gegen dieses Chartbild. In diesem Fall landet ein solches Investment erst mal in der Warteschleife. Im Endeffekt ist es dann eine permanente Wiedervorlage, die wir uns immer wieder anschauen. FälltIhneneinBeispielfüreinesehrcharttechnischgeprägteAnlageentscheidungein?
Wir haben zum Beispiel im 4. Quartal 2008 eine sehr interessante Position in Rio Tinto aufgebaut. Im Zusammenhang mit der gescheiterten Übernahme von BHP kam die Aktie erheblich unter Druck. Ich schaute mir die Aktie nach einem Kursverlust von über 80 Prozent an. Damals handelten sie in London bei zwölf Pfund. Und weil wir uns aufgrund der herrschenden Geldpolitik ein inflationäres Umfeld vorstellen konnten, fokussierten wir uns unter anderem auch auf Rohstoffwerte. Aus dem Chartbild konnte man ganz klar erkennen, dass die Aktie bei zehn Pfund charttechnisch sauber war. Vor dem Hintergrund hatte ich dann zwar den viel zitierten Fuß in die Tür gestellt und die eine Hälfte der Position bei 12 bis 13 Pfund aufgebaut. Für die andere Hälfte der Position hatte ich an der Londoner Börse ein Kauflimit bei 10,01 GBP platziert. Ich brauchte nur vier Tage zu warten, als die Aktie glücklicherweise massiv unter Druck geriet und relativ schnell auf 9,98 GBP fiel. Das passierte in einer solchen Geschwindigkeit, in der man überhaupt keinen Handel hätte vornehmen können. Erfreulicherweise lag das Limit im Markt, sodass ich die Aktie zum Tiefstkurs ins Portfolio nehmen konnte. Der gleiche Tag endete übrigens noch mit einem Plus von acht Prozent. (Siehe Abbildung7.2)
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Abbildung 7.2
Die Rio-Tinto-Aktie von 2000 bis 2009 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
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Kauflimit bei 10,01GBPausgelöst
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RioTintoplc
LassenSieunsüberGeldpolitiksprechen.IndenletztenMonatenundJahrenwarsehr viel von Rekordgeldmengen zu lesen, mit denen die Notenbanken die Finanzmärkte überschwemmen. Die Auswirkungen dieser Politik werden kontroversdiskutiert. Wie istIhreMeinungdazu?
Wir sind eher Anhänger der Inflationstheorie und glauben, dass wir tatsächlich vor einem gewaltigen Anstieg der Inflation stehen. Wir denken und sehen es ja schon seit langer Zeit in den USA, dass sich der Bevölkerung durch kreative Gestaltung der Inflationsmessung suggerieren lässt, alles das verliefe tatsächlich in guten, verlässlichen und stabilen Bahnen. Beispielsweise zeigt die gefühlte Inflation, die auch von der Bundesbank seit 1948 veröffentlicht wird, dass die deutsche Bevölkerung zu DM-Zeiten die tatsächlich herrschende Inflation exakt nachempfinden konnte, so wie sie letztendlich auch veröffentlicht wurde. Mit Einführung des Euro ist eine auseinandergehende Schere zwischen gefühlter Inflation und tatsächlich veröffentlichter Inflation zu beobachten (siehe Abbildung 7.3). Bei der Messung lassen sich natürlich die Ergebnisse entsprechend „gestalten“, zum Beispiel durch Anpassung des Warenkorbes. Vielleicht besteht die bereinigte Kerninflationsrate irgendwann nur noch aus Wüstensand aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, was sich dann tatsächlich deflationär auswirken würde, während eine Packung „Golden Toast“ und
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andere Dinge schon 129 Euro und nicht mehr 1,29 Euro kosten. Vor diesem Hintergrund sehen wir die Geldmengenausweitung ohne Bezug zur Realwirtschaft sehr kritisch. Schon Ludwig von Mises hat gesagt, dass es eigentlich keine belastungsfreie Bereinigung von Schuldenbooms gibt. Entweder gibt es noch rechtzeitig die freiwillige Abkehr, die Rosskur, die Bereinigung durch Sparen und Gesundschrumpfen, oder es endet letztendlich in einer absoluten Katastrophe des betroffenen Währungssystems. Er hat das, wenn ich es richtig im Kopf habe, 1922 in der „Gemeinwirtschaft“ veröffentlicht, und was dann 1923 passierte, wissen wir ja alle. Es war in der Tat beeindruckend, wie sich die Preise schließlich ihren Weg bahnten. Vor diesem Hintergrund halten wir es nicht für ausgeschlossen, dass wir eine Inflationierung der Aktienkurse erleben. Abbildung 7.3
Subjektive Inflationswahrnehmungen und -erwartungen der Verbraucher im Euroraum (Quelle: Feri Data Manager, Europäische Zentralbank, eigene Darstellung)
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Inflationserwartungen(saisonbereinigt,linkeSkala) Inflationswahrnehmungen(saisonbereinigt,rechteSkala)
Ein anderes Beispiel: Wenn Sie einen Tag vor der Währungsreform 1948 Ihr Vermögen in einem sehr gut aufgestellten Aktienportfolio investiert hatten, verzeichneten Sie in diesen Turbulenzen natürlich erhebliche Buchverluste. Aber nach gut zehn Jahren, also bereits Ende der 50er-Jahre, hatten Sie immerhin 70 Prozent Ihres ursprünglichen realen Vermögens wieder. Derjenige allerdings, der Geldvermögen oder Staatsanleihen hatte, wartet heute noch bei einem Antiquariat auf ein Widererstarken seines damaligen Vermögens. Fazit: Wir sehen diese Liquiditätsschwemme als sehr bedrohlich für die Geldwertstabilität.
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Wir haben den Eindruck, dass man eine solche Entwicklung aufgrund der recht flexibel gestaltbaren Messinstrumente noch eine ganze Weile unter Kontrolle halten kann. Im Allgemeinen aber haben Krisen sehr gut gezeigt, dass es immer nur einem sehr geringen Anteil der Bevölkerung gelang, monetär zu überleben. Deshalb ist es sehr interessant, sich Entwicklungen aus der Vergangenheit anzuschauen.
Ludwig von Mises Ludwig Heinrich Edler von Mises (* 29. September 1881 in Lemberg; † 10. Oktober 1973 in New York) war ein österreichisch-US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und einer der wichtigsten Vertreter der liberalen Österreichischen Schule der Ökonomie im 20. Jahrhundert. DieGemeinwirtschaft(1922)–Socialism In seinem Buch Die Gemeinwirtschaft (später engl. als Socialism) begründete er bereits 1922 theoretisch, dass eine reine Planwirtschaft nicht funktionieren könne, weil es in ihr keinerlei Möglichkeit gebe, Preise zu bestimmen. Den Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaftssysteme im Ostblock 70 Jahre später betrachten seine Anhänger als Bestätigung seiner Voraussage. Von Mises hielt den Kapitalismus für einen Garanten menschlicher Freiheit und das einzig funktionsfähige Wirtschaftssystem. Nur durch freies Wirtschaften sei der moderne Stand der Produktion entstanden und nur damit könne er fortbestehen. Er vertrat die Auffassung, dass staatliche Interventionen immer weitere nach sich ziehen und schließlich zum Sozialismus führen, der wiederum zu einer radikalen Senkung des allgemeinen Wohlstands führe (Ölflecktheorem).
Quelle: „Ludwig von Mises“ in: Wikipedia, 21. Juli 2009 Halten Sie angesichts dieses Szenarios eine Flucht der Anleger in Immobilien für vorstellbar?
Ja, das ist eventuell auch psychologisch zu erklären. Aktuell ist der breite Immobilienmarkt weltweilt schon erheblich unter Druck. Immobilien aus dem extrem hochpreisigen Segment, dem Luxussegment, sind allerdings noch sehr stabil oder legen sogar im Wert noch zu. Dafür gibt es bereits die ersten Erklärungen, nämlich dass gerade diejenigen, die über nennenswertes Geldvermögen verfügen, es ganz bewusst in solche Top-Lagen investieren. Man sieht eine ähnliche Entwicklung auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Luxusgüterindustrie. Obwohl sie auch langsam von der Finanzkrise betroffen sind, ist das Geschäft dieser Anbieter noch relativ stabil. Grundsätzlich sehen wir in einer Investition in Immobilien, auch wieder konträr zu vielen Anlegern, nicht unbedingt die Lösung. Die Entwicklung der Jahre 1929 bis 1932 hat gezeigt, dass Sie im Tiefpunkt für eine Unze Gold Mehrfamilienhäuser hier in Deutschland
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kaufen konnten. Prozentual betrachtet sind Immobilien in diesen Jahren in manchen Gegenden um bis zu 90 Prozent ihres Wertes gefallen. Das Problem der Immobilieninvestments ist nun mal ihre Immobilität. Es kann passieren, dass Ihnen, wie 1948, zwar aus anderen Gründen ein Lastenausgleich auferlegt wird, also eine zusätzliche Belastung auf Ihr Objekt. Ein weiteres Problem sehe ich in der eigentümerfeindlichen deutschen Mietrechtsprechung. Als Eigentümer werden Sie ja förmlich enteignet. Zudem ist zu beachten, dass bei höheren Inflationsraten umgehend ihre Instandhaltungskosten steigen, die Mieten, wenn überhaupt möglich, nur zeitverzögert anzuheben sind. Auch die Gefahr von gesetzlich vorgegebenen Mietpreisbegrenzungen sollte der Investor in seiner Kalkulation berücksichtigen. WassolltesichinIhrenAugenandergegenwärtigenNotenbankpolitikverändern?
Die Fed ist sicherlich anderen Zielen verpflichtet als die Europäische Zentralbank. In Anbetracht der Konstruktion der Fed als private Institution verschiedener Mitgliedsbanken darf man sich hinsichtlich der aktuellen Krisenbewältigung durchaus fragen, warum einige Bankinstitute gerettet, andere nicht und wiederum andere zwangsverehelicht wurden. Man hat darüber hinaus den Eindruck gewonnen, dass weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat eines Großunternehmens tatsächlich das Sagen in ihrem Unternehmen haben, sondern die Herren Geithner und Bernanke vom Finanzministerium bzw. von der Notenbank über Wohl und Wehe entscheiden. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass es heilsamer für die Weltwirtschaft wäre, wenn die amerikanische Notenbank ein wenig mehr wie die europäische Zentralbank konstruiert wäre, die wiederum ihrerseits etwas stärker als die damalige Deutsche Bundesbank konstruiert sein sollte. Die deutsche Industrie hatte wegen der harten DM immer einen immensen Restrukturierungsdruck, sich unglaublich effizient aufzustellen. Der Stempel „Made in Germany“ – mittlerweile etwas verblasst – kam schließlich nicht von ungefähr, sondern man hat ihn sich durch eine unglaubliche Qualität erarbeiten müssen. In den Vereinigten Staaten haben wir jedoch in den letzten Jahren immer wieder gesehen, dass man konjunkturelle Probleme mit inflationärer Geldmengenschwemme lösen wollte, was sich rückblickend als Ursache für die aktuelle Finanzkrise feststellen lässt. Aber es wurde tatsächlich nie eine Bereinigung vorgenommen. Wir befinden uns wirtschaftlich in einer Verschuldungskrise und versuchen, sie mit einer noch höheren Verschuldung zu lösen. Es hat schon etwas von einer Strategie à la Münchhausen, dass wir uns aus einer Überschuldungssituation mit zusätzlicher Verschuldung herausarbeiten wollen. Es fehlt uns jegliches Grundverständnis, wie das funktionieren soll. Im Endeffekt ist es so, als ob Sie dem Alkoholiker weiteren Alkohol geben oder dem Pyromanen weiteres Kerosin. Wenn eine einzelne Person in die Insolvenz geht, weil sie ihre Eigentumswohnung nicht mehr finanzieren kann, dann wird das Verschuldungsproblem dieser Person nicht dadurch gelöst, dass ihr Kredit verdoppelt wird. Aber das erleben wir aktuell letztlich weltweit. Kurz zusammengefasst, halten wir die Inflationierung der Geldmenge für den falschen Weg. Paul Volcker als damaliger Fed-Chef zwang die USA anfangs der 80er-Jahre in eine ganz starke Rosskur mit Zinssätzen von bis zu 18 Prozent, zwischenzeitlich sogar über 20 Prozent. Das führte natürlich zu einer sehr starken Schrumpfung der Wirtschaftsleistung, aber eben auch zu einer Selektion. Nur die wirklich
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starken wettbewerbsfähigen und anpassungsfähigen Unternehmen haben überlebt. Das hat die Grundlagen für den kommenden Aufschwung in Amerika gelegt. Insgesamt ist Amerika gestärkt daraus hervorgegangen. Nehmen wir an, Sie hätten die Möglichkeit, das gegenwärtige Notenbanksystem zu verändern.WelcheMaßnahmenwürdenSievorschlagen? Es wäre natürlich ein bisschen vermessen, wenn ich mich zur Koryphäe des Notenbanksystems aufschwingen würde. Vereinfacht dargestellt, hat man immer wieder beobachten können, dass dort, wo Wettbewerb herrscht, sich immer wieder verschiedene Möglichkeiten für Investitionen bieten. Auch Geld findet irgendwie immer einen Ort, an dem es am sichersten aufgehoben scheint. Ich erinnere mich an die Zeit, als sich die Schweiz Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre erlauben konnte, aufgrund ihres sehr harten Frankens Negativzinsen festzulegen. Das heißt, wenn Sie Geld in Schweizer Franken investierten, erlitten sie allein dadurch schon einen gewissen Wertverlust. Ich weiß nicht mehr genau, was die Leute damals in die Schweiz getrieben hat, ob es der Kalte Krieg oder die höheren Inflationsraten in anderen Ländern dieser Welt waren. Jedenfalls wollte die Schweiz ihre Währung durch diese Maßnahmen unattraktiv für weitere Mittelzuflüsse machen. Aber weil die Menschen trotz Negativzins investierten, war das natürlich ein ganz großes Qualitätssignal für den Schweizer Franken. Möglicherweise wäre es ein Ansatz, mehr Wettbewerb zwischen den Währungen zuzulassen. Auch der Euro ist ja nicht gerade ein Währungswettbewerb. Je mehr man sich auf eine Währung konzentriert, umso tragischer sind letztlich Fehlentscheidungen, die daraus resultieren. Als wir noch die Peseta, Drachme und Lira hatten, mussten die Staaten dieser Währung deutlich höhere Zinsen als Deutschland auf ihre Staatspapiere zahlen. Diese Differenzierung der Zinssätze spiegelte auch ganz klar die Bonität der Staaten wieder. Während der Weltwirtschaftskrise gab es übrigens in Österreich das Geldsystem von Wörgl. Die Stadt Wörgl schuf eine eigene Währung, die von den Einwohnern als viel werthaltiger eingestuft wurde als das allgemein verfügbare Geld. Auch das war im Sinne des Wettbewerbs, da die Menschen eine Alternative hatten. Allerdings würde man mit diesen Maßnahmen das Rad der Geschichte natürlich sehr weit zurückdrehen. Und wahrscheinlich würde es von den meisten Menschen auch als Rückschritt empfunden werden.
Wörgler Geldexperiment Wörgl ist eine Stadt im Inntal des Bezirks Kufstein in Tirol, etwa 55 Kilometer (Luftlinie) östlich der Landeshauptstadt Innsbruck gelegen. In Wörgl war um 1932 die örtliche Zement- und Zellulosefabrikation stark zurückgegangen und die Arbeitslosenquote bedrohlich angestiegen. Die Gemeinde hatte einerseits beträchtliche Steuerausfälle, andererseits hohe Lasten durch Unterstützungsleistungen an Arbeitslose. Die Kasse war leer, und ein Ende war nicht abzusehen. Ab Ende Juli 1932 gab die Gemeindeverwaltung unter Bürgermeister Michael Unterguggenberger als Lohn der Gemeindeangestellten eigene sogenannte Arbeitswertscheine aus, den Wörgler Schilling. Die Scheine gab es in Nennwerten von 1, 2 und 5 Schilling. Bis zum Ende der Aktion im August 1933 waren insgesamt Scheine im Wert von etwa 34.500
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Schilling ausgegeben worden. Maximal wurden 12.000 Schilling gleichzeitig emittiert. Die Arbeitswertscheine waren umlaufgesichertes Freigeld. Ideenlieferant war dabei die Freiwirtschaftslehre Silvio Gesells. Monatlich musste eine Marke zu einem Prozent des Nennwertes der Note gekauft und in ein dafür vorgesehenes Feld auf der Vorderseite des Geldscheins geklebt werden, um ihn gültig zu erhalten. Das Geld war durch Hinterlegung von Schillingen der Gemeinde bei der örtlichen Raiffeisenkasse gedeckt und gleichwertig an Schillinge gekoppelt. Mit diesen Scheinen konnten Gemeindesteuern bezahlt werden. Einheimische Geschäftsleute nahmen das Geld in Zahlung. Das Experiment glückte. Geldkreislauf und Wirtschaftstätigkeit wurden wiederbelebt, während das übrige Land tief in der Wirtschaftskrise steckte. Überall in Wörgl wurde gebaut und investiert. Noch heute zeugt unter anderem eine Straßenbrücke mit der Aufschrift „mit Freigeld erbaut“ davon. In den vierzehn Monaten des Experiments nahm die Arbeitslosenquote in Wörgl von 21 auf 15 Prozent ab, während sie im übrigen Land weiter anstieg. Die positiven Auswirkungen führten dazu, dass der Modellversuch in der Presse als das „Wunder von Wörgl“ gepriesen wurde. Das Interesse daran stieg derart, dass über hundert weitere Gemeinden in Österreich dem Beispiel folgen wollten. Auch im Ausland und in Übersee fand die Aktion starke Beachtung und Nachahmer. Aus Frankreich reiste der Finanzminister und spätere Ministerpräsident Édouard Daladier nach Wörgl, und in den USA schlug der Wirtschaftswissenschaftler Irving Fisher der amerikanischen Regierung – wenn auch vergeblich – vor, ein Wörgl-ähnliches Geld mit Namen Stamp Scrip zur Überwindung der Wirtschaftskrise einzuführen. Allerdings erhob die Oesterreichische Nationalbank gegen die Wörgler Freigeld-Aktion vor Gericht erfolgreich Einspruch, weil allein ihr das Recht auf Ausgabe von Geld zustand. Das Experiment von Wörgl und alle weiteren Planungen wurden verboten. Unter Drohung von Armeeeinsatz beendete Wörgl das Experiment im September 1933. Da bald darauf der Zweite Weltkrieg ausbrach, gerieten das Modell und sein Erfolg weitgehend in Vergessenheit.
Quelle: „Wörgl“ in: Wikipedia, 21. Juli 2009 SiegeltenseitvielenJahrenalsBefürwortervonGold.WannhabenSiezumerstenMal inGoldinvestiert,undwassindIhreGedankendazu?
Wir sind ab 300 USD in Gold eingestiegen. Gold ist eines der wenigen Investments, das nicht mit einer Schuld zu belasten ist und sich damit als Wertaufbewahrungsmittel eignet. Zu der Werthaltigkeit des Goldes gibt es eine nette kleine Anekdote: Für eine Unze Gold konnten Sie sich über die Jahrhunderte immer einen guten Herrenanzug kaufen. Vor langer Zeit war es wahrscheinlich die Tunika, und heute wäre es eben ein sehr guter Herrenanzug. Hätten Sie den entsprechenden Geldbetrag vor hundert Jahren in die jeweilige Landeswährung investiert, würden Sie heute dafür noch nicht einmal ein Einstecktuch
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bekommen. Die Erfahrung über die Jahrhunderte hat gezeigt, dass sich nahezu alle Geldwährungen spätestens nach 80 bis 90 Jahre ihres Bestehens der Nulllinie nähern, dagegen haben Gold oder Edelmetalle immer ihren Wert als Wertaufbewahrungsmittel behalten. Vor dem Hintergrund haben es wahrscheinlich auch die Amerikaner nahezu 40 Jahre lang verboten. Von 1933 bis 1974 war nämlich privater Goldbesitz in Amerika nicht erlaubt und wurde mit bis zu zehn Jahren „Knast“ bestraft. Großbritannien dagegen hat es geschafft, seinen gesamten Goldschatz bei 250 US-Dollar, dem Tiefstkurs des letzten Jahrzehnts, zu veräußern. Der damalige Finanzminister hieß übrigens Gordon Brown, der heutige Premierminister. Die meisten Engländer wissen wahrscheinlich gar nicht, wie viele „MultiMilliarden“ sie dadurch verschenkt haben. Was uns auf Gold immer wieder aufmerksam gemacht hat, waren diese unglaublich negativen Stimmen in den Medien, die den Goldpreis in der ersten Phase des Anstiegs von 250 bis 500 US-Dollar begleiteten. Ein Kursplus im DAX von drei Prozent war eine fantastische Headline, die gefeiert wurde. Ein Anstieg im Goldpreis von 400 auf 440 US-Dollar wurde grundsätzlich negativ kommentiert. Es gab nichts Positives. Dieses Bild hat sich eigentlich erst ab 500 US-Dollar gewandelt, aber eben erst nach einer Verdoppelung des Preises. WasgenauwardamalsIhrGrund,inGoldzuinvestieren?
Es war die Geldmengenentwicklung unter Alan Greenspan und auch das Agreement der Notenbanken, ihre Goldbestände langfristig abzubauen. Das ist zwar eine sehr langfristige Geschichte, die sich über mehrere Jahre hingezogen hat beziehungsweise noch hinziehen wird, aber es zeigt eben auch den Ausverkauf der letzten Assets eines Staates. Seitdem ist Gold für uns ein sehr langfristiges Investment, mit dem wir nicht heute oder morgen recht bekommen wollen, sondern wir betrachten es als eine Säule, einen Baustein unserer Depots, weshalb wir die Position auch über die ganzen Jahre durchgehalten haben. Darüber hinaus haben wir auch immer wieder Goldoptionen gehalten. Daran konnten wir auch beobachten, wie sich dieses Investment mit der Zeit gewandelt hat. Als ich mich Ende der 90er-Jahre damit beschäftigte, Gold-Optionsscheine zu erwerben, gab es in ganz Deutschland genau zwei Stück mit einer Laufzeit bis 2005. Davon haben wir dann, ich glaube knapp ein Prozent, als zusätzliche Absicherung in all unseren Depots aufgebaut. Auf das Portfolio gerechnet hat allein diese kleine Position eine ganze Jahresperformance erwirtschaftet. WiewürdenSieeinemAnlegerletztlichIhreAnlagephilosophiebeschreiben?
Die beiden wesentlichen Bausteine unserer Anlagephilosophie sind Diversifikation und antizyklisches Investieren. Die fundamentale und volkswirtschaftliche Analyse bilden die Basis für unsere Investitionen. Wir achten sehr stark auf Geldmengenentwicklungen bzw. deren Fehlentwicklungen. Davon ausgehend, leiten wir unsere eigentlichen Anlageentscheidungen ab. Wir konzentrieren uns sehr stark auf die Aktienanlage. In einem unserer
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beiden vermögensverwaltenden Fonds haben wir zusätzlich die Möglichkeit, in Edelmetalle und Rohstoffe direkt zu investieren, was bereits seit längerer Zeit unsere Kernausrichtung darstellt. Wir versuchen, unsere Anleger davon zu überzeugen, dass sie sich nicht dem Trugschluss hingeben sollten, durch Geldvermögen langfristig Vermögen aufbauen zu können. Wir haben zwar die Freiheit, im Rentenbereich anzulegen, sehen das aber eher als Zwischenlösung. BetrachtenSieAnleihenalsoeheralsKasseposition?
Ganz genau, sie dienen zur Überbrückung bestimmter Marktphasen. Man hat in dieser Krisenphase gesehen, dass Staatsanleihen erstklassiger Bonität nahezu das beste Investment waren, das man im Portfolio haben konnte. Ich möchte an dieser Stelle allerdings nochmal hervorheben, dass die Investitionen in Geldvermögen – also auch Staatsanleihen – aufgrund des Vorgenannten nur eine kurzfristige Lösung sein können. SpieltLaufzeitenundBonitätsmanagementeineRolle?
Wir gehören ganz klar nicht zu der Gruppe von Investoren, die im Bereich des Anleihemanagements Durations- oder Bonitätsentscheidungen treffen. InvestierenSieinWährungen?
Wir beschäftigen uns natürlich sehr intensiv mit dem Euro-Dollar-Verhältnis. Das spielt dann eine große Rolle, wenn wir uns für das eine oder andere US-Dollar-Investment interessieren. Wenn wir beispielsweise von einem Unternehmen sehr überzeugt sind, nicht aber von der dahinterstehenden Währung, kann es sinnvoll sein, das Investment einzugehen, die Währung jedoch entsprechend abzusichern. Gehen Sie auch LongPositionen in bestimmten Währungen ein, wenn Sie eine starke Meinunghaben?
Ja, das gehört ab und zu dazu. Das Thema Währungen ist bei uns immer im Hinterkopf vorhanden. Es ist zwar kein permanenter Bestandteil unserer Strategie, aber wir sind durchaus bereit, Währungsrisiken einzugehen. So haben wir gegenwärtig neben einer Long-Position in norwegischen Kronen auch den norwegischen Erdölkonzern Statoil im Depot. Investieren Sie ausschließlich in Einzeltitel, oder können es auch mal Fonds oder Zertifikatesein?
Wir haben in der Vergangenheit die Abwärtsbewegung recht erfreulich mit dem Short-
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DAX-ETF gehandelt. Aber ansonsten sind wir ein sehr große Anhänger von Direktinvestments, also Einzeltiteln. Andererseits sind wir nicht so vermessen zu glauben, zum Beispiel Nanotechnologie oder Biotechnologie beurteilen zu können. Falls wir einen derart speziellen Bereich abdecken wollten, würde sich ein entsprechender Fonds in unserem Portfolio wiederfinden. Diese Freiheit haben wir. Dennoch lautet unser Statement, dass wir Einzeltitelinvestoren sind. Sie erwähnten, dass Sie einst in Goldoptionen investierten. Welche Rolle spielen OptionenalsAnlageinstrumentinIhrerStrategie?
Den Bereich Optionen decken wir sehr aktiv ab und setzen uns quasi täglich damit auseinander. Unsere Portfoliostrategie in den letzten Monaten haben wir beispielsweise mit sehr überschaubaren Investments in Verkaufsoptionen ergänzt. Bei Optionen legen wir vor allem Wert auf deren Marktgängigkeit, weshalb wir eigentlich niemals in OTC-Optionen anlegen. GibtesweitereEinschränkungenhinsichtlichIhresAnlageuniversums?
Grundsätzlich ist unser Investmentstil dadurch geprägt, dass wir sehr hohen Wert auf Liquidität legen. Wir sind weniger die Investoren, die sich zum Beispiel ein SDAXPortfolio aufbauen. Die Investments müssen eben tatsächlich alle eine sehr hohe Marktkapitalisierung aufweisen. Das Management unserer Fonds wollen wir nicht nur mit dem aktuellen Volumen umsetzen können, sondern auch mit 500 Mio. Euro. Mit unseren gegenwärtigen Investments hätten wir damit überhaupt keine Probleme. BeziehenSieexternesResearch,umsichIhreMarkmeinungzubilden?
Research war früher vielleicht ein Problem, als man sich noch überlegen musste, woher man welches bekommt. Heutzutage ist eher die Researchverarbeitung ein Problem, weil man damit regelrecht überflutet wird. Wir versuchen, aus den verfügbaren Informationen unser eigenes Weltbild zusammenzustellen. Deshalb verwenden wir dafür auch bewusst eine Vielzahl von Informationsquellen. WiegehenSiebeiderTitelselektionvor?
Auch hier gehen wir Top-down vor. Nachdem wir uns für eine bestimmte Branche entschieden haben, brechen wir das auf die Big Player herunter. Mit diesem fokussierten Anlageuniversum an Unternehmen beschäftigen wir uns dann detaillierter und hinterfragen gewisse Sachverhalte. Um bei dem vorhin genannten Beispiel von Rio Tinto zu bleiben: Wir stellten uns in diesem Fall natürlich die Frage, warum die Fusion mit BHP abgesagt wurde. War es tatsächlich nur eine Schwäche des zu übernehmenden Unternehmens oder womöglich auch des übernehmenden, weil es zum Beispiel die Finanzierung nicht auf die Beine stellen konnte.
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In diesem Moment kam dann auch noch der Faktor Massenpsychologie dazu, sodass Sie einen Branchengiganten wie Rio Tinto plötzlich auf einem Niveau kaufen konnten, das 90 Prozent unter dem Höchstkurs lag. Die drastisch einbrechende Weltwirtschaft in Kombination mit der Absage der Übernahme durch BHP hat diese außergewöhnliche Kaufgelegenheit erst geschaffen. An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig es ist, ein Investment sowohl aus der Makroperspektive als auch auf Unternehmensebene zu betrachten. Insofern ist Titelselektion immer auch im Kontext des jeweiligen Marktumfelds zu sehen. VerwendenSiequantitativeModellefürdieTitelselektionoderAllokation?
Wir sind ganz klar keine Modellinvestoren. Die Welt ist eben komplex und ändert sich ständig, weshalb uns die Freiheit beziehungsweise Flexibilität sehr wichtig ist. Wir wollen nicht streng nach historischen Mustern und Regeln handeln, wie es Trendfolgemodelle oder ähnliche Systeme umsetzen, sondern wir entsprechen in unserem Handeln dem genauen Gegenteil. Uns sind schon viele Modelle mit einer entsprechenden Rückberechnung präsentiert worden. Als man sich dann aber nach drei bis vier Jahren nach diesem Modell erkundigen wollte, gab es sie meistens nicht mehr am Markt, weil die Realität anders ablief und auch das eine oder andere unerwartete Ereignis passierte. Insofern muss man sich bei der Gestaltung eines solchen Produktes natürlich fragen, ob hier jemand so lange an den Stellschrauben dreht, bis irgendwann das Ergebnis passt. Damit haben wir unsere Bauchschmerzen. Nach unseren Beobachtungen gibt es immer mal wieder Phasen, in denen diese statischen Betrachtungsweisen erfolgreich sind, aber langfristig werden sie irgendwann vom Markt liquidiert. Wir sehen unseren Managementansatz tatsächlich eher unternehmerisch geprägt. Auch eine Daimler von 1930 hat nichts mehr mit dem Konzern von heute zu tun. Wir würden uns heute auch nicht mehr mit einer Dampfmaschine beschäftigen, sondern es bedarf einer stetigen Weiterentwicklung und eines Hinterfragens von Sachverhalten und Zusammenhängen. Das bedeutet nicht, dass wir permanent Anpassungen im Portfolio vornehmen, aber es steht eben immer alles auf dem Prüfstand vor dem Hintergrund permanenter Optimierung. LesenSieJahresabschlussberichte?
Wir haben nie verstanden, warum man aus Bilanzen, die vom Ende des Geschäftsjahres an bis zur Veröffentlichung ungefähr eineinhalb Jahre alt sind, irgendwelche Rückschlüsse auf die Unternehmensentwicklung herauslesen kann. Und es heißt ja auch so schön: „Eine gute Bilanz ist besser, als sie tatsächlich ist, und eine schlechte Bilanz ist noch bedeutend schlechter.“ Dem schließen wir uns an. Wenn man sich mal vor Augen hält, dass Banken durch die Gründung von Zweckgesellschaften außerbilanzielles Geschäft vornehmen können, was allerdings nicht nur die Bank, sondern mittlerweile sogar das ganze System gefährdet, erscheint es uns unvorstellbar – oder soll ich sagen aberwitzig –, welche Aussagekraft dann noch eine Bilanz haben kann.
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WasistfürgewöhnlichIhrZeithorizont,aufdenSiedasPortfolioeinstellen?Wieweit denkenSievoraus?
Wenn wir ein Investment eingehen, dann haben wir kein Problem damit, es mindestens ein Jahr oder noch länger zu halten. Ein Beispiel aus der Praxis: Die Allianz-Aktie hat sich von ihrem Hoch in 2000 bis zum Tief in 2003 in etwa geelftelt. Das Hoch war bei rund 440 Euro, das Tief bei rund 40 Euro. Wir haben bei circa 70 Euro angefangen zu kaufen und auf dem Weg nach unten immer weiter nachgekauft, bis wir schließlich unsere im Voraus festgelegte Zielgröße von zwei bis drei Prozent erreicht hatten. Der Mischkurs lag circa bei rund 58 Euro. Kurzfristig lagen wir damit schief. Aber wir trauten der Allianz-Aktie ein Kurspotenzial von mindestens 50 Prozent in den nächsten zwei bis drei Jahren zu. Dieses Kursziel wurde bereits im selben Jahr erreicht, sodass wir unsere Position dann schon früher als geplant glattgestellt haben. Das entspricht in etwa unserer Herangehensweise. WiehochwarIhreAktienquoteindieserMarktphase?
Wir hatten im Frühjahr 2002 eine Aktienquote von gerade mal 20 Prozent. Bis zum Frühjahr 2003 schichteten wir einen Großteil der Liquidität in Aktien um, bis wir letztlich eine Aktienquote von 93 Prozent im Portfolio hatten. Das war für unsere Verhältnisse sehr aggressiv und bislang auch unsere höchste jemals gemessene Investitionsquote. Der absolute Tiefpunkt markierte der DAX damals bei 2180 Punkten (siehe Abbildung 7.4). Wir hatten uns vorgenommen, die restlichen sieben Prozent Liquidität auch noch in Aktien zu investieren, sofern der DAX, stellvertretend natürlich für alle anderen Aktienmärkte, nachhaltig unter 2000 Punkte gegangen wäre. Wir waren zu diesem Zeitpunkt sehr überzeugt, dass Aktien auf Sicht von ein bis zwei Jahren ein hochgradig attraktives Investment darstellen. Verstehe ich das richtig, Ihr Portfolio ist konzentriert in der Allokation, aber diversifiziertinderTitelselektion?
Ja, das haben Sie bestens zusammengefasst! StichwortRisikomanagement:ArbeitenSiemitStopLossMarken?
Wir haben Stop-Loss-Marken im Hinterkopf, aber wir haben sie nicht stoisch an den Märkten platziert. Zu viele Investoren haben eben schon leidvoll erfahren dürfen, wie es ist, wenn in volatilen Märkten solche Marken unglücklich ausgeführt werden. Wenn sich an den Argumenten, die dazu geführt haben, eine bestimmte Position einzunehmen, fundamental etwas geändert hat, dann sind wir unabhängig von Verlusten bereit, die Reißleine zu ziehen. Und dann müssen wir uns eben eingestehen, dass das ein falsches Investment war. Aber aufgrund der Schwankungsanfälligkeit der Märkte fixieren wir keine Stop-LossMarken.
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Abbildung 7.4
Der deutsche Aktienmarkt in den Jahren 2002 und 2003 (Quelle: Bloomberg, eigenen Darstellung)
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Indexpunkte
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60
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DAXIndex
AllianzAG
BayerAG
Dez.03
Nov.03
Okt.03
Sep.03
Aug.03
Jul.03
Jun.03
Apr.03
Mai.03
Mrz.03
Jan.03
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Dez.02
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Lassen Sie uns noch einen Moment im Frühjahr 2003 bleiben. Sie nutzten diese Marktphase, um Ihre Aktienquote deutlich anzuheben. Angenommen, einige Ihrer günstig eingesammelten Aktien wären kurze Zeit später in die Verlustzone gedreht. WiehättenSiesichverhalten?
Diese Marktphase war gemäß unserer Einschätzung eine Art Sell-Off-Situation. Wir gingen davon aus, 70 bis 80 Prozent der Abwärtsbewegung des Marktes gesehen zu haben. Man weiß natürlich nie genau, ob sich ein Markt nicht noch einmal halbieren kann, das ist klar. Aber es war zumindest unser Ziel, irgendwo in die Bodenbildung hineinzukaufen. Und es gab ja nicht nur die Allianz-Aktie für rund 40 Euro zu kaufen. Eine Thyssen wurde im Tief bei circa sieben Euro gehandelt, weil die ganze Welt angeblich keinen Stahl mehr brauchte. Die Bayer-Aktie war im Tief bei circa zehn Euro. Damals waren die Markenrechte am BayerKreuz doppelt so viel wert wie der gesamte Bayer-Konzern an der Börse. Das Ganze hatte in dieser Phase bereits wirklich irrationale Züge angenommen. Wenn in einem solchen Umfeld ein Fondsmanger in New York für weitere 300 Mio. Euro Bayer-Aktien unlimitiert auf den Markt geworfen hätte, dann wäre die Aktie eben nochmal um zwölf Prozent an einem einzigen Tag gefallen. Das ist vielfach zu beobachten gewesen. In Deutschland wurde die Situation noch dadurch verschärft, dass das Bundesaufsichtsamt die Versicherer aufgrund fataler
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Managementergebnisse dazu zwang, ihre Aktienquote zu reduzieren. Damit wurde sozusagen noch mehr Öl ins Feuer gegossen. Das waren für uns die Nachrichten, die auf eine äußerst attraktive Kaufsituation schließen ließen. Das Geschäft war über mehrere Monate vorwiegend massenpsychologisch geprägt. Es hatte nichts mehr mit dem fundamentalen Umfeld zu tun. Deshalb waren wir durchaus bereit, durch das viel zitierte Tal der Tränen zu gehen. Einen Stop Loss in dieser Marktphase zu ziehen, hätten wir für völlig verfehlt erachtet. ErinnernSiesichaneinePosition,beiderSiesehrlangefalschlagen?
Dazu fallen mir gleich zwei Werte ein, Nortel Networks und Lucent Technologies, die Giganten der Informationstechnologie Ende der 90er-Jahre. Selbst nach dem Zusammenbruch der Technologieaktien blieb Informationstechnologie natürlich noch ein Thema der Zukunft. Wir wollten nach dem Platzen der Internetblase keine Experimente eingehen und haben uns deshalb mit diesen Unternehmen für die damaligen Weltmarktführer in ihrem Bereich entschieden. Wir hatten diese Aktien recht lange als Bodensatz im Depot, weil die Unternehmen ein immenses Potenzial für den Fall besaßen, dass sie noch einmal die Kurve kriegen. Aber obwohl beide Unternehmen in der Folgezeit stark restrukturiert wurden, kamen sie nicht mehr auf die Beine, sodass wir sie im Rahmen einer Depotbereinigung schließlich veräußerten. Das sind die beiden Positionen, die mir spontan dazu einfallen – Fallen Angels, die sich nie wieder erholt haben. WiesiehtdieStrukturIhresaktuellenPortfoliosaus? 1
Wir meinen, dass wir uns momentan immer noch in einer leicht deflationären Phase befinden. Deswegen halten wir gegenwärtig Cash bzw. Staatsanleihen und unter anderem Edelmetalle für sehr attraktiv. Die Liquiditätsquote liegt aktuell bei rund 80 Prozent, ergänzt durch Bestände im Rohstoff-, Edelmetall- und Aktienbereich. Bei Liquidität machen wir keine Experimente, sondern haben uns für den Einäugigen unter den Blinden entschieden, sprich deutsche Bundesanleihen und Bundesobligationen mit einer maximalen Laufzeit von einem Jahr. Im Falle einer zunehmenden Inflationserwartung halten wir die Rentenmärkte insgesamt für sehr gefährdet. Daran ändern auch die Ankündigungen der Notenbanken, Staatsanleihen zu kaufen, nichts. Ganz aktuell sind wir dabei, interessante Verkaufsoptionen auf Aktien im Eurex-Bereich aufzubauen, allerdings sind uns die Preise dafür überwiegend noch zu hoch. Wasmusspassieren,damitSieeineaggressivePositionierunginSachwerteneinnehmen?
Auf die heutige Zeit bezogen werden wir eine aggressive Positionierung in Aktien im Bereich der Edelmetalle und Rohstoffe einnehmen, wenn wir weiterhin diese extrem inflationäre Notenbankpolitik beobachten und eventuell auch eine weitere Abschwächung des
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US-Dollars abzusehen ist. Die Zeichen mehren sich, dass sich allmählich eine Verlangsamung des wirtschaftlichen Abschwungs anbahnt. Mussmandamitrechnen,dassSieeinesTagesallesinGoldinvestieren?
Wir sind nicht so vermessen, dass wir meinen, eine Glaskugel oder Ähnliches zu haben. Wir haben sicherlich gute Argumente für jedes einzelne Investment, das wir tätigen. Aber die Vergangenheit hat auch immer wieder gezeigt, dass sich viele Dinge gar nicht vorhererahnen lassen, zum Beispiel Markteingriffe oder Ähnliches. Nehmen wir das ganz drastische Beispiel des bereits erwähnten Goldbesitzverbotes von 1933 bis 1974. Es hat sich zwar über die Jahrhunderte gezeigt, dass Gold ein sehr gutes Wertaufbewahrungsmittel gewesen ist, aber es könnte eben auch passieren, dass Sie im Falle eines Goldbesitzverbots einen staatlich festgelegten Rücknahmepreis von 350 US-Dollar verordnet bekommen. Das würde für einen Investor, der ausschließlich im Goldbereich investiert ist, einen Verlust von weit über 50 Prozent bedeuten. Für viele Anleger gehören diese Annahmen vielleicht in den Bereich der Fantasie, aber wir haben sie dennoch im Hinterkopf, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit dafür nur bei einem Prozent liegen sollte. Außerdem gibt es auch noch das eine oder andere Investment, womit wir unser Portfolio diversifizieren können. Grundsätzlich geht bei unseren Investments Sicherheit ganz klar vor Rendite. GibtesirgendwelcheSonderthemen,dieSiegeradeinteressieren?
Ein Steckenpferd von mir ist, dass ich mir seit langer Zeit den Markt in Vietnam anschaue. Vietnam gehört neben Ländern wie Kambodscha und Laos zu den sogenannten „Next Eleven“-Staaten. Vor einiger Zeit hat alle Welt damit begonnen, Vietnam-Produkte aufzulegen. Seitdem ist der Markt von der Spitze aus um 80 Prozent kollabiert. Gleichzeitig ist Vietnam hochgradig interessant, weil sich die Vietnamesen viele andere asiatische Länder angeschaut haben, um für den Aufbau ihrer eigenen Wirtschaft zu lernen. Sie haben sich insbesondere auf die Fehler in deren Wachstumsstrategie konzentriert, um diese möglichst zu vermeiden. Aber das ist natürlich kein breites Investment, sondern eine Art Steckenpferd, wo ich immer ganz gern mal hinschaue. Darfichfragen,wieSieIhrprivatesVermögenanlegen?
Wir haben beide nennenswertes Kapital in unseren beiden Fonds investiert. Das ist bei freien Vermögensverwaltern sicherlich häufiger anzutreffen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Abgeltungsteuer haben wir uns nochmals stärker auf unsere Fonds konzentriert. Dadurch sitzen wir im wahrsten Sinne des Wortes mit unseren Investoren in einem Boot. Und die wissen natürlich auch, dass es keine Sonderberechnung für die Herren Mack und Weise gibt, falls der Fonds mal fünf oder zehn Prozent Minus macht. Wir sind auf Gedeih und Verderb der Performance mit ausgeliefert, und das finde ich auch gut so. Ich selbst bin in beiden Fonds exakt hälftig gewichtet.
Dr. Heinz-Werner Rapp
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„KaumeinBegriffistirreführender alsdie‚moderneKapitalmarkttheorie‘. WeiterhinbinichderMeinung, dassessichdabeiumeinGedankengebäudehandelt, daskurzvordemEinsturzsteht.“
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Dr. Heinz-Werner Rapp
Feri Finance AG Vielen meiner Gesprächspartner habe ich die Frage nach ihrem Lieblingsbuch gestellt. Man sollte die Bedeutung der Antwort darauf sicherlich nicht überschätzen, aber nach meinem Dafürhalten sagt sie sehr viel über das Wesen eines Anlegers aus. Heinz-Werner Rapp, der als Chief Investment Officer die Anlagestrategie der Feri Finance AG verantwortet, bestätigt diese These eindrucksvoll. Der „offizielle Teil“ unseres Gesprächs war bereits zu Ende, das Diktiergerät verstaut, als mein Blick glücklicherweise noch das Buchregal neben dem Schreibtisch streifte. So ließ sich zu guter Letzt noch die Frage nach der präferierten Finanzmarktlektüre diskutieren. Nach kurzer Durchsicht der gesammelten Werke fiel die Wahl meines Gesprächspartners auf „Manien, Paniken, Crashs“ von Charles P. Kindleberger mit dem Hinweis: „Das ist Pflichtlektüre!“ Bereits der Titel des Buches lässt darauf schließen, dass die Anlegerpsychologie für den Autor einen enorm hohen Stellenwert an den Finanzmärkten einnimmt. Dies gilt unzweifelhaft auch für das Marktverständnis von Heinz-Werner Rapp. Im Jahre 1996 verfasste er seine Dissertation mit dem Titel „Der Markt für Aktien-Neuemissionen. Preisbildung, Preisentwicklung und Marktverhalten bei eingeschränkter Informationseffizienz“ und begab sich damit auf das Terrain der Behavioral-Finance-Forschung. Möglicherweise ist die Auseinandersetzung mit der Anlegerpsychologie auch ein Grund dafür, warum Heinz-Werner Rapp sehr großen Wert auf einen flexiblen, opportunistischen und insbesondere undogmatischen Anlagestil legt. In den letzten Jahren wurden insbesondere in den USA bemerkenswerte Fortschritte auf diesem Forschungsgebiet erzielt. Entsprechende Untersuchungsergebnisse über das Verhalten von Anlegern haben allmählich Einzug in die Kapitalmarktlehre gehalten. Die Tatsache, dass der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften in den letzten Jahren häufig an Wissenschaftler aus diesem Bereich verliehen wurde (zum Beispiel Kahneman, Smith, Akerlof, Spence und Stiglitz), ist ein Indiz dafür. Allerdings ist es noch nicht gelungen, diese Erkenntnisse mit der modernen Kapitalmarkttheorie zu verbinden und in ein ganzheitliches theoretisches Konzept einzubetten. Unter anderem auch mit dieser Thematik setzte sich Heinz-Werner Rapp im Rahmen seines Vortrags „Black Swans, Long Waves und Sudden Deaths – die Bedeutung von Zeit und nichttraditionellen Risikofaktoren im Asset-Management“ auf dem Feri Institutional Forum im März 2009 auseinander. Der Vortrag entwickelt einige Thesen zur institutionellen Sicht der Kapitalmärkte und stellt bestimmte neue oder ungewöhnliche Entwicklungen zur Diskussion. Da ein gesundes
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Maß an theoretischer Auseinandersetzung für das eigene Denken und Handeln an Finanzmärkten überaus hilfreich ist, nahm ich es zum Anlass, mit Heinz-Werner Rapp auch über den Inhalt seines Vortrags sowie seine persönlichen Schlussfolgerungen für den praktischen Umgang mit den Finanzmärkten zu sprechen. Wie kam es, dass Sie aus dem schönen Hohenlohe, in dem einige weltweit führende mittelständischeIndustrieundHandelsunternehmenbeheimatetsind,denWegandie FinanzmärkteeingeschlagenhabenundletztlichinBadHomburggelandetsind?
Bad Homburg ist vielleicht eher ein Zufall gewesen, wobei der Name Feri sicherlich eine Rolle gespielt hat. Feri war ein Unternehmen, das ich lange beobachtet hatte und das mich schon in der Endphase meines Studiums reizte. Deswegen war es vielleicht auch logisch, dort eines Tages aufzuschlagen. Aber dass ich aus dem beengten Hohenloher Raum etwas weiter in die Welt hinausgehe, zeichnete sich früh ab. Im Prinzip habe ich das während der Studienzeit dadurch unterstrichen, dass ich im Ausland war und mich in Amerika umschaute. Dort habe ich versucht, verschiedene Dinge aus der größeren Perspektive zu sehen und aufzunehmen, um letztlich irgendwo in Deutschland Fuß zu fassen. Frankfurt war als erste berufliche Station sicherlich naheliegend, und über die bin ich dann nach Bad Homburg gekommen. Das waren eigentlich die Beweggründe. Ich glaube, was ich heute beruflich mache, hätte ich im Hohenloher Raum nicht verwirklichen können. BadHomburgistzwareineschöneStadt,aberwäreIhnenFrankfurtaufgrunddernoch größerenNähezurFinanzindustrienichtlieber?
Ein klares und definitives Nein! Ich habe in meinen Anfangsjahren Frankfurt zwar als interessante und spannende Stadt erlebt und kenne die Perspektive aus Frankfurt. Man hat kurze Wege, wenn man sich in der Finanzszene erst einmal etwas zurechtfinden will, aber der große Nachteil ist sicherlich, dass man irgendwo in einem großen Fischteich unterwegs ist. In diesem Fischteich entsteht ein Mainstream, mit dem man nicht immer schwimmen sollte. Bad Homburg dagegen ist der perfekte Kompromiss. Man ist nahe genug an Frankfurt, um immer noch kurze Wege zu haben, aber man ist weit genug weg, um eben nicht mitten in diesem Mainstream dabei zu sein. Und weil ich in meinem Beruf den Luxus habe, etwas mehr über die größeren Linien der Welt nachdenken zu können, schätze ich es, etwas aus dem Getriebe heraus zu sein und einen gewissen Abstand zu haben. Insofern ist Bad Homburg kein Zufall, sondern bewusst ausgewählt. WiesammeltenSieIhreerstenErfahrungenandenFinanzmärkten?
Ich war jemand, der sich schon sehr früh mit Dingen wie Sammeln und Wertanlagen beschäftigt hat. Als Kind habe ich Briefmarken und Münzen gesammelt. Das machen viele Kinder, und es ist nicht unbedingt wegweisend, um später in der Finanzindustrie zu handeln. Ich aber bin von dort aus sehr konsequent weitergegangen und habe mit 14 Jahren mein erstes Investment aus eigenem Geld getätigt. Dabei schließt sich für mich ein gewis-
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ser Kreislauf, es war nämlich ein Goldinvestment. Damals kaufte ich mir die ersten Krügerrand. Und weil ich sie natürlich in den 70er-Jahren erworben hatte, genau in der Phase der richtig hohen Goldpreise, stiegen die Dinger natürlich, ohne dass ich damals den Grund richtig verstand. Aber es war ein positives Erlebnis, das mein Interesse weckte, mich mehr mit den Finanzmärkten zu beschäftigen. Von da an ging es über die Aktienmärkte weiter bis zum Studium in Mannheim, wo ich mich professionell unter anderem auch durch Börsenvereinsgründung und dergleichen mit dem Thema auseinandersetzte. Ab diesem Moment war es dann quasi programmiert. Wie haben Sie sich Ihr Wissen über die Märkte erarbeitet? Durch das Studium, das LesenvonBüchern,wareswirklichdaseigenständigeHandelnodereineKombination ausallem?
Ganz klar die Kombination. Es waren letztlich drei parallele Schienen. Zum einen hatte ich schon mit 14 Jahren mit eigenen Investments begonnen und das in der Folgezeit immer irgendwie weiter betrieben. Heute glaube ich sagen zu können, dass ich jeden Fehler, den man an den Finanzmärkten machen kann, selbst schon einmal gemacht habe. Das halte ich für ausgesprochen wichtig. Nur so kann man bestimmte Dinge auch wirklich verstehen, wie sie sich an den Märkten entwickeln. Damit hat man aber die Chance, aus irgendeinem Fehler, den man an den Märkten gemacht hat, eine Lehre zu ziehen und zu lernen. Das war eigentlich für mich der zweite Punkt. Ich habe aus diesem persönlichen Interesse heraus immer versucht, mir das notwendige Wissen im Studium und in der Ausbildung weiter anzueignen. Damit meine ich jene Aspekte, die mir an den Märkten nicht klar waren und die bei der eigenen Anlage vielleicht auch mal zu Missverständnissen geführt haben. Das wollte ich sozusagen wissenschaftlich noch ein bisschen stärker ergründen. Folglich habe ich Wirtschaft studiert und meine Schwerpunkte beim Thema Börse gesetzt. Allerdings habe ich im Studium eine große Distanz zu den Inhalten empfunden, die dort vermittelt wurden. Das kam mir alles sehr weltfremd und unplausibel vor. Das hat mich eigentlich erst motiviert, noch sehr viel weiterzugehen. Ich besorgte mir im Studium schon amerikanische Literatur zu den entsprechenden Themen und beschäftigte mich mit den unterschiedlichsten Büchern, die der Normalstudent vielleicht nicht gelesen hat. Dadurch versuchte ich weiterzukommen, um auch neue Verständniswege zu bestreiten. Ich denke, das war sehr wichtig und prägend. Der dritte Punkt war sicherlich, dass ich mich parallel immer auch mit Menschen beschäftigt habe. Das heißt, ich habe versucht, die Menschen zu treffen, zu verstehen, kennenzulernen oder Bücher von ihnen oder über sie zu lesen, denen ich ein besseres Verständnis in der Welt der Finanzmärkte unterstellte, egal, ob das Kostolany war, George Soros ist oder ob es andere Leute sind, die sich in den Finanzmärkten bewegt haben. Das waren sozusagen die drei Elemente. Durch den Abgleich der Erfahrungen von erfolgreichen Leuten mit dem, was ich selbst im Studium und neben dem Studium gelernt und erarbeitet hatte, fing das Bild allmählich an, sich abzurunden. Als ich dann noch etwas tiefer gegraben habe bis hin zur Promotion, entdeckte ich den einen oder anderen Aspekt, den ich bis dahin noch nicht so richtig durchdacht und verstanden hatte, weil er im Studium überhaupt keine Rolle spielte und von den Professoren nicht vermittelt wurde, aber dennoch von Bedeutung ist. Und das waren dann eigentlich die Motive, die
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dazu geführt haben, mich sehr viel stärker mit den Themen zu beschäftigen. Wenn man dann nebenher noch eigene Investments tätigt, kommen die praktischen Erfahrungen noch hinzu. Und am Ende hat dann man ein relativ rundes und geschlossenes Bild. GabesMarktereignisse,dieSiebesondersstarkgeprägthaben?
Definitiv! Das erste hatte ich angesprochen. Das war sozusagen der erste schnelle Dollar, der mit diesem starken Ansteigen des Goldpreises verdient wurde. Da man in den 70erJahren in eine sehr schnelle, sehr heftige Goldhausse reingelaufen ist, musste man natürlich hinterher erst einmal verstehen und verarbeiten, was das überhaupt für eine Marktphase war. Insofern war das damals schon prägend. Den Crash 1987 habe ich sehr bewusst erlebt. Er war sozusagen das erste große Ereignis, das mich zum Nachdenken brachte. Damals war ich Student und habe auch schon größere Beträge hin und her bewegt, selbst kurz vor dem Crash. Und weil ich drei Tage vorher in Urlaub gefahren bin und mein Depot vorher glattstellen wollte, bin ich eigentlich durch Zufall vom Crash weitgehend verschont geblieben. Im Urlaub las ich dann am Kiosk die Schlagzeilen, die ich am Anfang gar nicht glauben wollte. Allmählich wurde transparent, was an diesen Tagen eigentlich passiert ist. Das spornte mich sicherlich an, mich hinterher sehr viel stärker mit diesem Ereignis zu beschäftigten: Es gab Anzeichen, die eigentlich im Vorfeld sehr deutlich zu erkennen waren. In der Folgezeit konnte man sie besser einordnen und verstehen. Man hat sie durch eine psychologische Brille stärker betrachten und erklären können. Sicherlich konnte man auch besser begreifen, wie so ein Crash zustande kommt, wie schnell und brutal er sich abspielt. Ich glaube, das hat einen sehr großen Beitrag dazu geleistet, die realen Märkte und die reale Welt besser zu verstehen. Von da an gab es sicherlich noch ein paar Folgeereignisse. Der Zusammenbruch in Japan im Jahr 1990 hat mich vielleicht auch geprägt, aber eher weil ich vorher in der Lage war, eine ziemlich gute Prognose abzugeben, dass es passieren wird. Insofern war das die erste Bestätigung, dass man etwas aus dem gelernt hat, was in der Welt zuvor passierte und dem, was man sich an Wissen aneignete. Man konnte das Gelernte anwenden und eine richtige Prognose abgeben und musste dabei gegen den Mainstream argumentieren. Insofern war das sicherlich auch ein prägendes Erlebnis. Auch als die Ost-Euphorie nach dem Mauerfall im Jahre 1989 aufkam, konnte ich die Begeisterung des Mainstreams nicht nachvollziehen. Dieser Unsinn war sozusagen Psychologie live, die man in den Märkten erlebte. Man hat gemerkt, dass an der Börse nicht immer die vernünftige Meinung recht bekommt, sondern dass eben auch sehr viel Überschwang und Irrationalität stattfindet. Die nächsten Ereignisse waren LTCM- und Asienkrise. In diesen Krisen war es besonders wichtig, die Reaktionsmechanismen der Notenbanken zu verstehen. Es waren die Phasen, in denen man Alan Greenspan ins Spiel einbeziehen musste. Man merkte, wie sozusagen veränderte Rahmenbedingungen greifen, wie die Geldpolitik Krisenbereinigung betreibt, indem sie nämlich Geld schöpft. Das waren Ereignisse, die heute noch ihren Nachhall haben und heute wieder extrem virulent sind. Es war eine Lektion, um zu verstehen, dass Notenbanken und Geldpolitik eine weitaus stärkere Rolle für Börse und Wirtschaft spielen, als man es im Allgemeinen und speziell natürlich im Studium jemals vermittelt bekommen hat. Insofern waren das alles Leitlinien, die mein Weltbild nochmals sehr stark gefestigt und damit auch geprägt haben.
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Gab es in diesen Marktphasen oder zu Beginn Ihrer Karrierekonkrete Vorbilder oder Vermögensverwalter,dieSiebeeindruckthaben?
Vorbilder wahrscheinlich nicht im Sinne von „da will man beruflich hin“. In der damaligen Zeit hatte ich teilweise noch etwas andere Berufsleitbilder, aber es gab Leute, die mich sehr stark interessiert und auch beeindruckt haben. In jungen Jahren, beim Studium insbesondere, habe ich mich sehr stark mit Kostolany beschäftigt und alle seine Bücher gelesen. Ich lernte ihn dann auch persönlich kennen und habe aus dem, was er an Wissen vermittelte, viel gelernt. Das Paradoxe daran ist: Vieles was er als Lebensweisheit und gebündelte Erfahrung aus seinem sehr langen Börsianerleben hinterlassen hat, konnte man hinterher mit wissenschaftlichen und psychologisch fundierten Ansätzen und Modellen wiederum ganz gut erklären. Das fand ich sehr spannend, aber in der damaligen Zeit wusste ich das natürlich noch nicht. Ihn kennengelernt zu haben, mit ihm zu diskutieren, ihn zu verstehen und aus seinen Erfahrungen Lehren zu ziehen, war wichtig und spannend. Er war sicherlich eine Leitfigur. Jens Ehrhardt habe ich als junger Student kennengelernt. Auch er war eine Art Leitbild, mit dem man sich sehr intelligent unterhalten konnte. Später kam Felix Zulauf noch hinzu, den man sicherlich mit in dieser Reihe nennen muss. Durch Bücher beeindruckte mich sicherlich ein George Soros, den ich immer als sehr lehrreich empfand und der mir Botschaften vermittelt hat, die mich bis heute prägen. Gibt es bestimmte fachliche Fähigkeiten und persönliche Eigenschaften, die aus Ihrer SichtfüreinengutenAnlagestrategenentscheidendsind?
Ja, die gibt es mit Sicherheit. Ich glaube, die eben genannten Vorbilder zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht von der Analystenseite kommen und wie ein Peter Lynch einfach nur verstanden haben, wie unterschiedliche Unternehmensmodelle funktionieren. Ich glaube, ein Anlagestratege muss ein unglaublich breites und gleichzeitig tiefes Wissen mitbringen. Breit heißt: Links und rechts von den Finanzmärkten gibt es noch soziale Phänomene. Er sollte soziologisch geprägt sein und ein psychologisches Grundverständnis haben. Er muss definitiv ein historisches und politisches Verständnis mitbringen, um Dinge, die auf der geopolitischen Landkarte geschrieben werden, richtig einordnen und einschätzen zu können. Er muss vernetzt und zukunftsorientiert denken können und in der Lage sein, „einsame“ und „frühe“ Visionen zu bilden, auch gegenüber einem Mainstream, der vielleicht eine ganz andere Meinung vertritt. Er darf sich nicht scheuen, solche Visionen zu formulieren und ihnen nachzugehen. Gleichzeitig muss er akzeptieren können, dass von zehn interessanten Visionen hinterher vielleicht nur sieben richtig sind. Die anderen drei waren eben falsch. Er darf sich nie schockieren lassen von falschen Erwartungen und falschen Prognosen. Und ich glaube, ein ganz wichtiger Punkt ist: Er muss immer bereit sein, getroffene Aussagen jederzeit und auch vorbehaltlos zurückzunehmen. Härter formuliert: Er muss Fehler eingestehen können, ohne dabei auf der psychologischen Bremse zu stehen. Und er muss sie emotionslos korrigieren, um neu nachdenken zu können – auch wenn sich Dinge teilweise sehr subtil verändert haben. Es geht darum, das große Bild und die Details gleichzeitig im Auge zu behalten und daraus ständig ein bewegtes Bild der
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Welt zu entwickeln, was dann eben mehr oder weniger deutlich von den Finanzmärkten auch reflektiert wird. Ich glaube, das ist das große Geheimnis, zumindest das Leitmotiv. SieerstelltenIhreDissertationüberBehavioralFinance.Daswarbereits1995.Zudieser Zeit gab es in Deutschland noch recht wenig Kenntnis darüber. Was hat Sie damals veranlasst,indasThemaeinzusteigen?
Es war im Prinzip von zwei Erfahrungen getrieben. Ich hatte das Gefühl, dass einige Dinge, die man im Studium über Finanzmärkte, teilweise auch Wirtschaftspolitik oder Volkswirtschaft gelernt hat, so nicht stimmen können. Vieles war mit den realen Erfahrungen nicht kompatibel. Den homooeconomicus, den man im Studium kennenlernte, gab es in der Realität nicht. Diese Erfahrung in Kombination mit den eigenen Erfahrungen, Stichwort Crash 1987, war eigentlich das Motiv dafür, tiefer in die Materie einzusteigen und sie zu ergründen. Mir wurde relativ schnell klar, dass man dabei in die psychologische und sozialwissenschaftliche Fachebene einsteigen muss. Gott sei Dank gab es in den 20er- und 30er-Jahren sowohl in Amerika als auch in Deutschland sehr interessante Lektüre hierzu. In den späten 70er- und 80er-Jahren wurde das Thema dann in Amerika von mehreren Wissenschaftlern aufgebracht, aber damals noch sehr punktuell. Mit anderen Worten, es wurden immer nur kleine Teile im Entscheidungsverhalten wissenschaftlich analysiert. Ich habe immer versucht, diese Erkenntnisse in einen etwas größeren Kontext zu bringen, um damit letztlich auch das Thema Börse etwas besser zu erschließen. Deshalb war das zu dieser Zeit sicherlich das Hauptmotiv, vielleicht auch, weil das Thema neu war. Zu dieser Zeit war in Deutschland fast gar keine Literatur verfügbar. Im Studium war de facto nichts vorhanden, insofern war es dann wirklich notwendig, Neuland zu erschließen. Ich habe bei mir zu Hause heute noch etliche laufende Regalmeter mit Artikeln, die zu 90 Prozent aus Amerika stammen. WennSieunterIhrerworbenesWissenundIhreErfahrungeneinenStrichziehen–was waren Ihre wesentlichen Erkenntnisse, und welche Schlussfolgerungen und Regeln konnten Sie daraus für Ihren persönlichen Umgang mit den globalen Finanzmärkten ableiten?
Die wichtigen Regeln, die man kennen muss, klingen teilweise relativ einfach, sind aber kompliziert zu verstehen. Was man beispielsweise definitiv erst einmal lernen und begreifen muss, ist die Tatsache, wie stark die Börse, insbesondere der Aktienmarkt, den realen Dingen wirklich vorausläuft und wie stark sie eben bereit ist, Wetten auf die Zukunft einzugehen. Nicht, was heute in der Zeitung steht und was heute als Nachricht über den Ticker läuft, bewegt die Börse, sondern nur das, was gegenüber dem überraschend ist, das die Finanzmärkte ohnehin schon antizipiert haben. Das klingt sehr simpel, und man hört es auch sehr oft. Aber ich glaube, in der Praxis ist es immer wieder verblüffend festzustellen, wie weit Finanzmärkte schon nach vorne schauen und wie wenig laufende Information tatsächlich dazu beiträgt, die Finanzmärkte zu verändern. Das ist wichtig und ein Grundthema! Das muss man verstehen und richtig einordnen können, sonst hat man an
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der Börse eigentlich nichts verloren. Dann gibt es noch zwei persönliche Regeln, die ich aus dem akademischen Bereich und der Dissertation abgeleitet habe und die ich in ihrer Wichtigkeit sehr hoch ansetzen würde, nämlich den Faktor „Psychologie“ einerseits und den Faktor „monetäre Elemente“ andererseits. Finanzmärkte und die reale Wirtschaft funktionieren eben nicht komplett rational wie ein Uhrwerk, sondern beide sind vielfach von Übertreibungen und übergroßem Pessimismus getrieben. Leute wie Keynes haben das schon früher verstanden. Der zweite wichtige Punkt, der dazu gehört, ist eben, dass die Psychologie in der Regel nicht von allein Kapriolen schlägt, sondern dass dabei der monetäre Aspekt fast immer eine große Rolle spielt. Das heißt, immer dann, wenn Notenbanken oder das Banksystem in großem Stil Liquidität schöpfen, Finanzinnovationen generieren und eine großzügige Kreditversorgung gewährleisten, sind in der Regel die Bedingungen dafür erfüllt, dass psychologische Übertreibungen zustande kommen können. Die Internetblase der Jahre 1995 bis 2000 war sicherlich ein extrem starkes Beispiel dafür. Die heutige Immobilienkrise, die wir noch zu erdulden haben, kommt aus einem solchen Umfeld. Das normale realwirtschaftliche Umfeld ist also immer durch Psychologie und monetäre Faktoren in ihren beiden Ausprägungen zu ergänzen. Wenn man dann noch ein paar Indikatoren bilden kann, um das Ganze besser einordnen und verstehen zu können, hat man die wichtigsten Aspekte begriffen. Das sind für mich die wichtigsten Regeln, die geblieben sind. SiehieltenaufdemdiesjährigenFeriInstitutionalForumeinenVortragmitdemTitel „Black Swans, Long Waves und Sudden Death. Die Bedeutung von Zeit und nichttraditionellen Risikofaktoren im AssetManagement“. Ich würde gern mit Ihnen darüber sprechen. Was verbirgt sich hinter den drei Begriffen „Black Swans, Long WavesundSuddenDeaths“?
Es hat nichts mit Zoologie, Rundfunktechnologie oder Eishockey zu tun, wo man die drei Begriffe ansonsten vielleicht wiederfinden würde. Diese Stichworte wurden natürlich, wie vieles andere, im Angelsächsischen geprägt. Aber letztlich dienen alle drei dem Grundverständnis, wie die Welt und die Finanzmärkte im Speziellen funktionieren, nämlich mit Ereignissen, die häufig eben sehr überraschend passieren, mit Trends, die vielleicht sehr viel länger laufen, als manch ein Anleger glaubt, und mit der überraschenden Beendigung von Trends bis hin zum Crash. Der „Black Swan“ oder „Schwarze Schwan“ wurde durch den Buchautor Nassim Taleb populär. In der normalen Lektüre gab es ihn vorher nicht. Ein „Black Swan“ steht für Dinge, die man mit seinem begrenzten Wissen nicht wirklich prognostizieren und dementsprechend auch nicht antizipieren kann, egal ob es sich dabei um die reale Welt, die Politik, die Wirtschaft oder eben die Finanzmärkte handelt. Dadurch kommt implizit der Fehler zum Ausdruck, dass man dennoch so tut, als könne man gewisse Dinge prognostizieren. Das ist ein zutiefst menschliches Phänomen. Der Mensch hält sich für das intelligenteste Lebewesen auf dem Planeten. Er missversteht aber, dass er eben nur mit seinen begrenzten Erfahrungen versuchen kann, zukünftige Erwartungen abzubilden. Die These der „Black Swans“ besagt folglich, dass immer wieder Dinge passieren können, die völlig unerwartet sind und wie ein Blitzschlag zum Tragen kommen, weil man sie mit dem zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Erfahrungswissen nicht wirklich vorhersagen kann.
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Die „Long Waves“ sind ein anderes Thema und passen sehr gut in mein durchaus psychologisch geprägtes Weltbild. Man kann damit sehr gut erklären, warum bestimmte Themen manchmal auch völlig zu Unrecht eine sehr lange Persistenz an den Finanzmärkten haben und Trends ausbilden. In der klassischen Ausbildung hat man gelernt, dass es eigentlich keine Trends gibt. Stattdessen gibt es eine Art „Random Walk“, was die Märkte nicht prognostizierbar macht. „Long Waves“ behaupten das Gegenteil. Die Existenz von „Long Waves“ bedeutet, dass Trendbildung nicht nur möglich ist, sondern auch tatsächlich beobachtet werden kann. Wenn man früh genug einen Trend erkennt und die ihm zugrunde liegenden Faktoren identifiziert, ergibt es für den Investor durchaus Sinn, längerfristig in einem solchen Trend investiert zu bleiben. Dadurch gelangt man automatisch zum dritten Begriff, zu den „Sudden Deaths“, dem Ende von Trends. Wenn ein Trend lange gelaufen ist, über eine gewisse Stärke verfügt und eine große öffentliche Wahrnehmbarkeit genießt, läuft er selten harmlos aus, sondern endet vielfach mit einem Paukenschlag. Er endet häufig durch spektakuläre Abwärtsbewegungen bis hin zum echten Crash, weil Märkte zu Übertreibungen neigen, die sich auf dem Weg nach oben aufgebaut haben. Das kann eine Form vom „Sudden Death“ sein. Andere Formen von „Sudden Deaths“ beschreiben das nicht immer sehr rationale Verhalten von Märkten entlang der Zeitachse. Finanzmärkte berücksichtigen häufig manche heute schon erkennbaren Entwicklungen nicht, sondern legen sie stattdessen erst einmal zur Seite und ignorieren sie. Wenn dieses zukünftige Problem oder Risiko dann so sichtbar wird, dass sie es nicht mehr ignorieren können, findet schlagartig die Auseinandersetzung mit diesem Thema statt. Eine Realität, die man vielleicht vor fünf Jahren schon hätte kommen sehen können, wird plötzlich in einer Sekunde am Markt eingepreist und beendet dadurch möglicherweise einen bestehenden Trend auf eine sehr schnelle, sehr harte Art und Weise. Das ist mit „Sudden Death“ gemeint. Lassen Sie uns mit den „Schwarzen Schwänen“ beginnen. Ich habe gelesen, es gibt auch„GraueSchwäne“.WasistdarunterzuverstehenundworinistderUnterschiedzu sehen?
Also erst mal natürlich in der Farbe. Ich habe mich natürlich mit dem Buch von Nassim Taleb auseinandergesetzt. In diesem Werk steckt viel Wissenswertes und Lernenswertes. Wenn man sich aber mit der Realität beschäftigt, kommt man zum Ergebnis, dass es an den Finanzmärkten nur sehr wenige Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit gibt, die echte „Black Swans“ sind. Ein über Nacht auftretender Meteoriteneinschlag in Tokio wäre ein echter „Black Swan“. Ein solches Ereignis wäre nicht prognostizierbar gewesen und hätte gravierende Auswirkungen nicht nur, aber gerade auch auf die Finanzmärkte. Doch gibt es in der Realität auch Dinge, wie zum Beispiel die Finanzkrise, von denen man nicht behaupten kann, man habe sie nicht wirklich kommen sehen. Für den unbefangenen Betrachter mögen Entwicklungen wie Bankpleiten und Verstaatlichungen extrem überraschend gekommen sein. Gerade im Falle der Finanzkrise kann das aber niemand für sich in Anspruch nehmen, der sich mit der Realität und den Märkten beschäftigt hat, auch wenn es die Politik heute gern etwas anders darstellt. Viele Entwicklungen, die sich im
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Vorfeld aufgebaut haben, konnte man sehen, interpretieren und mit einem Risiko belegen. Damit verdienen sie eben das Etikett „Grey Swans“ und sind folglich nicht schwarz, sondern nur grau. Sie haben aber immer noch einen sehr starken „Impact“ und erfüllen damit ein definitorisches Merkmal von „Black Swans“, nicht den Überraschungseffekt, aber die Stärke des Einschlags und die Stärke der Konsequenzen. Das ist der große Unterschied. Insofern ist es eher die Tragweite der Finanzkrise, mit der man sich heute in der Realität beschäftigt. Niemand hätte wahrscheinlich vor zwei Jahren wirklich damit gerechnet, dass Großbanken verstaatlicht werden oder pleitegehen. „GraueSchwäne“kündigensichalsodurchausinderTendenzan.Warumgelingtesin der Praxis überwiegend nicht, diese „Grauen Schwäne“ vorherzusagen? Zumindest bestätigen Studien aus der BehavioralFinanceForschung, dass es Volkswirten und Finanzanalystenhäufignichtgelingt,nachhaltigePrognosenabzugeben?
Es gibt natürlich ein ganzes Bündel von Ursachen und institutionellen Mechanismen, die dabei wahrscheinlich eine Rolle spielen. Polemisch formuliert könnte eine Ursache genau darin liegen, dass viele Menschen in dieser Branche möglicherweise gar nicht das geistige Rüstzeug mitbringen, um ernsthaft Ereignisse interpretieren und prognostizieren zu können, die außerhalb des normalen Erfahrungshintergrundes liegen. Das knüpft an den Punkt an, den ich vorhin schon einmal erwähnte, dass das Studium einem eigentlich eine sehr orthodoxe Sicht der Welt vermittelt. Das gilt vor allem für das volkswirtschaftliche Studium, das eine Vielzahl der Analysten und Prognostiker durchlaufen haben. Ich habe mich damit beschäftigt und weiß, wie die Ausbildung erfolgt, welche Regeln, welche Aussagen und welche Theoreme dort aufgestellt werden. Ich glaube auch, sagen zu können, wie weltfremd diese teilweise sind. Wenn man diese Inhalte übernimmt und damit die echte Wahrheit abzubilden glaubt, hat man nie das offene Fenster im Kopf, um die Realität so wahrzunehmen, wie sie nun mal ist. Stattdessen geht man mit falschen Instrumenten der Prognose an die Arbeit. Ein typisches Fehlurteil ist die Annahme, dass Märkte effizient sind und es somit keine Übertreibung geben kann, kein Marktversagen, keinen Marktzusammenbruch, weil der Markt das alles angeblich regelt. Ein zweiter Punkt mag sein, dass man viele Dinge, die sich in der Zukunft abspielen, mit solidem historischen Wissen ein bisschen besser einschätzen könnte. Hat man dieses historische Wissen nicht, weil man sich vielleicht nur in den letzten fünf Jahren bewegte, dann fehlt eben wieder ein Stück Grundverständnis. Der dritte Punkt ist sicherlich ein Stück weit das institutionelle Element. Man braucht in Phasen, in denen sich große Marktbewegungen („Grey Swans“) abzeichnen, Mut zur Eigenständigkeit, zum eigenständigen Denken. Regelmäßig sind die Phasen vor einem „Grey Swan“ durch einen gewissen Mainstream im Denken gekennzeichnet. Außenseitermeinungen werden in der Regel ignoriert oder noch nicht mal ignoriert, sondern einfach lächerlich gemacht. Auch das ist eben erst passiert und lässt sich in der Zeit vor der Finanzkrise auch nachweisen. Nouriel
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Roubini ist beispielsweise ein exzellenter Prognostiker des gesamten Ablaufs gewesen, der die ganzen Mechanismen bis ins Detail prognostizierte. Er hat früh genug gewarnt, wurde aber von der etablierten Welt nicht wahrgenommen, weil eben „nicht sein konnte, was nicht sein durfte“. Es gibt sozusagen Regelwerke, die dafür sorgen, dass Individuen mit der Fähigkeit, einen „Grey Swan“ zu prognostizieren und auch zu antizipieren, von der etablierten Welt nicht wahrgenommen, totgeschwiegen oder niedergemacht werden, sodass diese Meinung nie wirklich öffentlich wird. Insofern ist dieses Regelwerk letztlich auch die zwingende Voraussetzung dafür, dass sich der „Grey Swan“ überhaupt erst abspielt, denn er muss am Ende des Tages für die Mehrheit der Marktteilnehmer überraschend kommen. WelcheAnzeichenkönnenSiefüreinehohesystemischeWahrscheinlichkeitvon„Grey Swan“Ereignissenerkennen?
Ich glaube, es gibt eine ganze Menge Indizien: Zum einen steuern wir zunehmend deutlich in eine Welt, die nach etwas anderen Regeln funktioniert als in den letzten 20 Jahren. Ein Stichwort dabei ist sicherlich die aggressive monetäre Expansion in der Geldpolitik, die schon in der Greenspan-Zeit wirkte und sich gegenwärtig fortsetzt. Diese Geldpolitik führt zu anderen Reaktionsweisen und Mechanismen im Finanzsystem, die mit traditionellen Denkmustern wahrscheinlich nicht mehr gut zu erklären sind. Diejenigen, die in der Finanzindustrie mit diesen traditionellen Denkmustern unterwegs sind, haben natürlich ein Problem, das wahrzunehmen, und damit haben wir genau das Symptom eines „Grey Swans“. Außerdem gibt es weitere Details, die eine Rolle spielen und die man auch rückblickend erkennen kann. Die Schaffung von Finanzinnovationen, wie die Verbriefung von Hypothekendarlehen, führte zu Komplexitäten, die wahrscheinlich nicht einmal mehr ein Mathematiker oder Physiker wirklich verstanden hat. Man erfand Konstruktionen, die nicht mehr beherrschbar waren. Damit ist man sozusagen wie der Zauberlehrling unterwegs und geht Risiken ein, die man nicht wirklich verstehen und vorhersagen kann. Solange Finanzinnovationen ein prägendes Element unserer Finanzarchitektur sind, solange die Notenbanken und Banksysteme mit großem Leverage und großer Liquidität fungieren und ein prägendes Element unserer Finanzsysteme darstellen, hat man eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es immer wieder zu derartigen Überraschungen kommt. Darüber hinaus gibt es noch ein paar andere Punkte, die ich immer als die nichttraditionellen Risikofaktoren bezeichne. Damit meine ich Risiken, die man vielleicht mit einem bisherigen Welt- und Marktbild nicht richtig versteht, wie zum Beispiel Demografie, Ressourcenverknappung oder Klimawandel. Diese Themen hat man in den letzten 50 Jahren
1 Der US-amerikanische Nationalökonom ist Professor an der Stern School of Business der New York University. Gleichzeitig betreibt er als Gründer und Vorsitzender der Roubini Global Economics LLC eine Firma für Kapitalmarkt- und Wirtschaftsinformationen. Vor seiner heutigen Tätigkeit war er Berater des U.S. Treasury Departments. Trotz vieler Anfeindungen und Verspottungen aus der Fachwelt prognostizierte er schon seit 2004 eine weltweite Wirtschaftskrise, ausgehend vom Platzen der sich abzeichnenden Immobilienblase.
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wahrscheinlich an den Finanzmärkten nirgendwo wahrgenommen und erfahren. Wenn diese Dinge in der Zukunft sichtbar werden und sich entwickeln, ist damit zu rechnen, dass ein Großteil der Markteilnehmer diese Risiken nicht richtig oder erst zu spät erkennt. Damit sind wir wiederum im typischen Umfeld für „Black“ oder „Grey Swans“, also für Ereignisse, die die Mehrheit der Markteilnehmer überrascht. Fazit: Wenn man diese Punkte zusammen betrachtet, gibt es durchaus eine steigende Wahrscheinlichkeit für „Grey Swans“ in der Zukunft. Kommenwirzuden„LongWaves“.WassinddieVoraussetzungenfür„LongWaves“, undwassindderenKennzeichen?
Man muss zunächst eine Unterscheidung treffen zwischen der „Long Wave“ als gesundem, lang anhaltendem Trend mit einer sehr individuellen Investmentcharakteristik und dem, was ich als „pathologische Long Wave“ bezeichnen würde. „Long Waves“ resultieren aus fundamental geprägten, realwirtschaftlich untermauerten und teilweise auch demografischen Entwicklungen. Sie kennzeichnen unser Leben durch eine langjährige Verweildauer und prägen letztlich unsere Welt und damit die Finanzmärkte. Eine „pathologische Long Wave“ beschreibt Trends, die irgendwann in eine klare und massive Übertreibung hineinlaufen, und letztlich in einem Unglück, einem Crash enden. Häufig kann man die Tragweite eines Trends erst in seinem Verlauf wirklich abschätzen. Zu Beginn eines Trends sind es Hoffnungswerte und Entwicklungen im Frühstadium, die sich dann über eine gewisse Zeit, teilweise auch Jahrzehnte, hinweg ausprägen. Beispiele kommen sicherlich aus technologisch getriebenen Entwicklungen. Im Jahre 1890 hätte wahrscheinlich kaum ein Investor gedacht, dass die Automobilindustrie irgendwann eine „Long Wave“ werden könnte. Sie wurde es über mehrere Jahrzehnte hinweg und hat viele Entwicklungen geprägt, unter anderem auch das Rohstoffthema in der heutigen Zeit, was aus meiner Sicht eben auch „Long Wave“-Charakteristik hat. Wenn Trends über eine längere Zeit laufen, werden sie durch ihre Öffentlichkeitswirksamkeit auch zu einem populären Investmentthema. An dieser Stelle gelangt man sehr schnell in den Bereich der „pathologischen Long Waves“, die durch psychologische Übertreibung und/oder liquiditätsgetriebene Aufblähung gekennzeichnet sind. Ein Beispiel dafür ist sicherlich die Internet-Euphorie der späten 90er Jahre, die dann am Ende sozusagen auf heißer Luft gebaut war und mit einem Crash endete. Fazit: Man braucht starke fundamentale Trends, die aus wirtschaftlichen Entwicklungen, aus Innovationsprozessen, aus Technologien, aus geopolitischen Veränderungen hervorgehen können. Kanada als Fundort von Rohstoffen ist eine „Long Wave“-Geschichte, wenn man so will, genauso wie Australien. China ist möglicherweise eine „Long Wave“, weil es eine langjährig angelegte wirtschaftliche Transformation durchläuft. Bestimmte Entwicklungen im Technologiebereich, möglicherweise im Bereich der alternativen Energien, werden wahrscheinlich „Long Wave“-Charakter haben, weil sie eben langjährig unser Leben begleiten werden. Die Quintessenz ist das Vorhandensein eines fundamentalen Faktors. Bestimmte Themen sind in der Realität sehr schnelllebig, und bestimmte andere Themen haben längere Verweildauer und bauen sich in der Regel wie eine Art „S-Kurve“ auf. Das sind eigentlich jene Entwicklungen hinter einer Long Wave (siehe Abbildung8.1).
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Abbildung 8.1
„Long Waves“ und ihre Grundcharakteristik (Quelle: Feri Finance AG)
Übertreibung / Euphorie („Double discounting“) C: „Sudden Death“
pathologisch gesund
Level
Investment noch möglich, aber starke Risikozunahme B: Übertreibung
D: „Crash“
Sehr attraktives Anlageumfeld / hohe Risk/Reward-Ratios
Neues InvestmentThema
Untertreibung / Aversion („Neglect“)
A-3: „Regression to the Mean““
A-2: „Long Wave“
Basistrend
A-1: „Neglect Effect“ Zeit
Spricht das nicht für Trendfolgestrategien, die mehr oder weniger konsequent auf Trendsaufspringenunddiesesolange„mitreiten“,bissieletztlichbrechen?
Es ist mit Sicherheit ein System, dem man nicht per Definition ablehnend gegenüberstehen sollte, ganz im Gegenteil. Es ergibt Sinn, in einen Trend zu investieren, wenn man bereit ist, zuzugestehen, dass die Welt nicht nur mit „Random Walk“ funktioniert, sondern dass auch Trends existieren. Man muss ferner bereit sein zu akzeptieren, dass nicht jeder Trend automatisch ein Irrtum der Marktteilnehmer sein muss, sondern es eben auch vielfach ernsthafte und echte fundamentale Kräfte dahinter gibt. Mit einem Trendfolgemechanismus hat man letztlich ein Instrumentarium, mit dem man quantifizierbar in einen Trend bis auf Widerruf investiert bleiben kann. Gefährlich wird es eben nur dann, wenn die „Long Wave“ pathologisch wird. Dann wird daraus ein sehr gefährliches Spiel, insbesondere wenn man als Investor relativ spät in eine solche Strategie eingestiegen ist. Es kann am Ende passieren, dass der Trend bricht, man möglicherweise in einen „Sudden Death“ oder in einen Crash reinläuft und hohe Verluste hinnehmen muss. Auch ein Trendfolgemodell kann in der Regel diese Verluste nicht völlig wegpuffern, ganz im Gegenteil. Stattdessen macht sich eine gewisse Trägheit von Trendfolgestrategien bemerkbar. Aber in dieses Risiko laufen Trendfolgestrategien per Definition immer. Das wäre mein einziger Vorbehalt gegenüber Trendfolgeansätzen, weshalb man die Strategie aber nicht verwerfen sollte. Denn obwohl es sie gemäß der orthodoxen Kapitalmarkttheorie eigentlich nicht geben dürfte, kann sie anscheinend trotzdem funktionieren.
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WodurchistderletztederdreiBegriffe,der„SuddenDeath“,gekennzeichnet,undwie lässtsichdiesergedanklicheinordnen?
„Sudden Deaths“ können in zwei Formen stattfinden, nämlich zum einen als echter Crash, was sozusagen das Synonym für den Begriff wäre. Bei einem Crash haben wir es mit einem regelrechten Marktzusammenbruch zu tun, mit einem Absturz von vielleicht 20 oder 30 Prozent in sehr kurzer Zeit. In der anderen Variante wird ein über längere Zeit entstandener Trend – Stichwort „Long Wave“ – schlagartig neu bewertet, da er nicht mehr das bisherige Bild in der Welt der Finanzmärkte repräsentiert. Meistens ist es jedoch so, dass die Finanzmarktteilnehmer bestehende Signale über eine längere Zeit hinweg ignoriert haben und zu lange in eine Richtung fokussiert waren. Nach einem schlagartigen Weckruf stellen sie dann fest, dass die schöne These, die in der Vergangenheit gegolten hat oder an die sie zumindest geglaubt haben, möglicherweise nicht mehr gilt, und sie dementsprechend eine schlagartige Neubewertung vornehmen. Neubewertungen müssen nicht zwangsläufig mit einem Crash identisch sein! Gemäß meiner Interpretation müssen Neubewertungen nur in ganz wenigen Fällen wirklich über Nacht vorgenommen werden. Das kann zu einem regelrechten Trendabbruch führen, der wie gesagt ein bisschen anders abläuft als ein Crash, aber dennoch dazu führt, dass ein bestehender Trend je nach Anlageklasse 30 bis 40 Prozent innerhalb von acht oder zehn Wochen verlieren kann, oder am Beispiel des Baltic Dry Index auch mal 95 Prozent (siehe Abbildung 8.2). Das ist das eigentlich Erschreckende. Wenn man weiß, wie eine solche Entwicklung ablaufen kann, dann muss man sich als Investor absolut davor hüten, in einen solchen „Sudden Death“ hineinzulaufen.
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Abbildung 8.2
Der „Sudden Death“ am Beispiel des Baltic Dry Index (Quelle: Feri Finance AG)
Baltic Dry Index 200 Day & Short-term Trend
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Deviation from 200 Day Trend
Baltic Dry Index
(logarithmisch)
Long Wave „Globalisierung“
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500% 3.200
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„Sudden Death“: Einbruch über 94 % in 6 Monaten
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Baltic Dry Index Der Baltic Dry Index (BDI) wird seit 1985 täglich um 13:00 Uhr Ortszeit (14:00 Uhr MEZ) von der Baltic Exchange, 1744 in London gegründet, veröffentlicht. Es handelt sich dabei um einen Preisindex für das weltweite Verschiffen von Hauptfrachtgütern (hauptsächlich Kohle, Eisenerz und Getreide) auf Standardrouten und gliedert sich in folgende Indizes: Baltic Capesize Index (BCI), Baltic Panamax Index (BPI), Baltic Supramax Index (BSI) und Baltic Handysize Index (BHSI). Untergruppen des Index berücksichtigen 26 Hauptschifffahrtsrouten und erfassen die Kosten für Zeitcharter und Reisecharter für vier Schiffsklassen (Capesize, Panamax, Supramax und Handysize) im Trockenschüttgutverkehr. Die Indexentwicklung beeinflussen neben den Schwankungen des zur Verfügung stehenden Schiffsladeraums auch Hafenkapazitäten sowie saisonale Schwankungen wie Erntezyklen und Jahreszeiten. Der Index wird an der Baltic Exchange nicht gehandelt. Anders als die Märkte für Aktien und verzinsliche Wertpapiere ist der BDI frei von Spekulation. Zwischen den Forward Freight Agreements (FFAs) auf den BDI und dem Index selbst ist keine Arbitrage möglich. FFAs sind Frachtderivate und können nicht an der Börse gehandelt werden. Die Frachtraten werden ausschließlich aus den Angaben von Maklern, Reedern und Charterern ermittelt. In den Preis fließen nur die reale Nachfrage und das reale Angebot für den Transport von Rohstoffen auf Standardrouten ein. Im Gegensatz zu den Wirt-
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schaftsdaten unterliegen die Daten des BDI keinen nachträglichen Änderungen. Mit der Methode, wie der Baltic Dry Index ermittelt wird, sind Manipulationen nicht möglich. Die täglichen Aktualisierungen erfolgen in Realzeit.
Quelle: „Baltic Dry Index“ in: Wikipedia, 31. Juli 2009 SiediskutierteninIhremVortragfernerdieFrage„GibteseinRisikoParadoxon?“,eine 2 These,dieaufProf.Dr.AvinashPersaud zurückgeht.Wasistdarunterzuverstehen?
Das ist eine sehr spannende Frage, die aber mit dem normalen Verstand auch sehr gut begreifbar ist und wahrscheinlich auch sehr nahe an der Realität liegt. Die These besagt, dass Märkte ein zyklisches Grundmuster haben, das durch ein gewisses Herdenverhalten der Marktteilnehmer zu ganz bestimmten Themen gekennzeichnet ist. Dieses führt auf eine paradoxe Art und Weise zum umgekehrten Ergebnis dessen, was die Marktteilnehmer ursprünglich beabsichtigten. Wie ist das gemeint? Ein Beispiel: Es gibt irgendwo eine Anlagekategorie, die nach statistischen und sonstigen quantitativen Verfahren als sehr risikoarm angesehen werden kann. Diese Anlageklasse hat im quantitativen Bereich ausgesprochen gute Werte. Sie verfügt über eine niedrige Volatilität, niedrige Maximalverlustparameter und eine vorbildlich hohe Sharpe-Ratio. Man kann sich ja solch eine Anlageklasse für eine Sekunde lang zusammenträumen. Was würde passieren, wenn diese Anlageklasse tatsächlich existiert? Eine Vielzahl von Investoren würde aufgrund der vorteilhaften Charakteristik investieren. Sie würde damit gemäß der Theorie dazu beitragen, dass mehr und mehr vielleicht auch ungesundes Investment in dieser Anlageklasse stattfindet. Durch das letztlich überhöhte Investment in diese Anlageklasse würde die vorteilhafte Charakteristik verschwinden. Die Tatsache, dass es anfangs eine besonders risikoarme Anlageklasse zu sein schien, führte am Ende dazu, dass zu viel Geld investiert wurde. Dieses Geld hat sich sozusagen auf die historische Wahrnehmung gestützt. In der Endstufe würde es dazu führen, dass diese Anlageklasse übermäßig riskant würde, weil sich Bewertung und Reaktionsmuster der Anlageklasse verändert haben. Ein Beispiel der letzten paar Jahre sind vielleicht die Hedgefonds. Ein anderes Beispiel sind sicherlich die angeblich sehr guten Risiko-Return-Eigenschaften von Mortgage Backed Securities (MBS), die nicht nur deshalb, aber unter anderem deshalb zusammengebrochen sind, weil immer mehr Geld in diese sehr risikoarme Anlageklasse geflossen ist. Das ist ein grundlegender Mechanismus, den man sich über ein paar Jahre zurechtlegen muss. Es hat auch damit zu tun, dass viele Investoren in der Regel zu sehr nach hinten schauen. Sie berücksichtigen dabei aber häufig nicht die Tatsache, dass sich Märkte in Wellen bewegen, und bewerten deshalb Investments nach zurückliegenden Ergebnissen, weil sie zu wenige Instrumente haben,
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Der diplomierte Nationalökonom gilt als einer der einflussreichsten Vordenker auf dem Gebiet der Kapitalmarktforschung. Mit seiner Londoner Firma Intelligence Capital berät er Unternehmen und Regierungen. Daneben engagiert sich der Wirtschaftsprofessor an der London School of Economics sowie bei internationalen Organisationen wie der UN, der OECD und dem IWF.
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um eine Anlage nach vorne adäquat zu bewerten. Das ist die Aussage, die hinter dieser These steckt, die man vor allem im Umgang mit scheinbar risikoarmen Investments akzeptieren sollte. Letztlich sucht die ganze Welt risikoarme Investments oder zumindest Investments mit einer sehr attraktiven Chance/Risiko-Relation. Gemäß diesem Paradoxon hätte man nach einer gewissen Investitionszeit genau das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich vorhatte. Insofern ist das eine sehr bedenkenswerte These, und die sollte manchen Investor eigentlich um seinen Schlaf bringen. Sie nannten bereits den einen oder anderen Kritikpunkt an der „modernen Kapitalmarkttheorie“. An welchen Stellen sind Modifikationen bzw. gedankliche Erweiterungennotwendig,undwiekönntendieseAnpassungenaussehen?
Kaum ein Begriff ist irreführender als „die moderne Kapitalmarkttheorie“. Weiterhin bin ich der Meinung, dass es sich dabei um ein Gedankengebäude handelt, das kurz vor dem Einsturz steht. Schon während meiner Studienzeit – und das liegt nun auch schon über 20 Jahre zurück – war eigentlich relativ klar, dass dieses Gedankengebäude auf tönernen Füßen steht. Es ignoriert eben ganz bestimmte Realitäten oder rechnet sie sich schön. Mit anderen Worten: Sowohl die soziale Komponente – also die Interaktion von Marktteilnehmern – als auch die psychologische Komponente – das Entscheidungsverhalten von einzelnen Marktteilnehmern – wurde komplett ausgeblendet. Vielfach geschah dies aus Gründen der wissenschaftlichen Eleganz, obwohl man diese Erkenntnisse schon in den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts wissenschaftlich sehr gut ausformuliert hatte. Man hat sie ignoriert und verworfen zugunsten des Konstrukts vom homo oeconomicus. Und wenn dieses Konstrukt nicht mehr getragen hat, berief man sich darauf, dass Fehlverhalten und Fehlurteil des Einzelnen keine Rolle spielt. Man unterstellte, dass sich dies an Märkten angesichts der großen Zahl an Marktteilnehmern ausgleichen wird. Dementsprechend seien Märkte immer in der Lage, solche Irrtümer zu korrigieren, und führten folglich immer zum richtigen Ergebnis. Dafür steht die sogenannte Chicago School, die in den 80er-Jahren sehr populär geworden ist. Diese Sichtweise ist im Moment im Begriff zusammenzubrechen. Interessanterweise gibt es noch kein neues Konzept, das wirklich geschlossen ist und das man dem gegenüberstellen könnte. Es gibt aber Ansätze in diese Richtung, die insbesondere aus der Behavioral Finance kommen. Kein Zufall ist es, dass Nobelpreise in den letzten Jahren eigentlich immer in diese Richtung gegangen sind. Es gibt nun mal Märkte, die entweder nur eingeschränkten Zugang zur Information oder eingeschränkte Fähigkeiten zur Informationsverarbeitung haben, und es gibt auch Märkte, die sehr stark durch psychologische oder soziale Ineffizienzen oder Besonderheiten gekennzeichnet sind. Damit sind das Umfeld und das Spielfeld definiert. Mit anderen Worten: Es müssen bestimmte Elemente in den Marktkontext einbezogen werden wie das Entscheidungsverhalten von Individuen und ihre Tendenz zum Herdenverhalten. Es gibt aus der Biologie das Beispiel der sozialen Infektion, wie sich Informationen oder wie sich Entscheidungsmuster in einer Population ausbreiten. Wenn man es dann noch schafft, die Tatsache einzuarbeiten, dass Informationsverarbeitung nicht kostenlos, nicht vollständig und ineffizient ist, so wie es die Kapitalmarkttheorie unterstellt, dann hat man ein realitätsnahes Modell der Finanzmärkte. Mit diesem Modell lassen sich sehr viel realere An-
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nahmen über den Verlauf von Finanzmärkten ableiten, und das ist an sich genau mein Dissertationsthema gewesen. Sie sprachen in Ihren Ausführungen vor allem auch den Faktor Zeit an. Welche Rolle spieltZeitbeimVerständnisvonMärkten?
Es schließt direkt an die Punkte an, die wir vorhin schon diskutiert haben. Den kurzfristigen zeitlichen Aspekt lasse ich mal außen vor. Ich glaube, was in den kürzeren Taktfrequenzen an den Märkten passiert, kann sowieso kaum ein Mensch verstehen. Es geht mehr um die längerfristige Informationsverarbeitung entlang der Zeitachse, was aus meiner Sicht eine Ineffizienz der Märkte darstellt. Damit sind alle Informationen gemeint, die über Dauer von ein bis zwei Jahren hinausgehen. Märkte sind erwiesenermaßen relativ effizient, wenn es darum geht, neu an den Markt kommende präzise kurzfrequente Informationen zu verarbeiten, also zum Beispiel, ob eine Dividende erhöht worden ist oder ob ein Manager gekündigt hat. Solche Dinge werden in den Finanzmärkten sehr schnell und sehr effizient verarbeitet. Ganz anders verhält es sich mit der Frage, ob vielleicht der Klimawandel dazu führt, dass manche Unternehmen in fünf Jahren ein völlig anderes Geschäftsmodell haben müssten oder mit völlig anderen Kosten und Erlösstrukturen zu rechnen haben, oder Klimaschäden mit einem anderem Pricing zu versehen sind. Das sind die typischen Themen, denen man zugestehen muss, dass es für sie keine perfekte Prognose gibt. Aber es gibt Trends, die sich ganz klar in eine bestimmte Richtung abzeichnen. Ich habe immer wieder festgestellt, dass längerfristige Entwicklungen in zwei, drei, vier oder fünf Jahren häufig von den Märkten ignoriert werden. Man geht davon aus, es ohnehin nicht prognostizieren zu können, also versucht man es gar nicht erst, legt das Thema zur Seite und tut so, als gäbe es den Faktor nicht. Das spielt eine ganz entscheidende Rolle, weil uns das wieder zum Punkt eines „Sudden Death“ zurückbringt. Wenn vorhandene Information nicht vernünftig und zeitstetig – so impliziert es ja auch die Kapitalmarkttheorie – in die Marktpreise eingeht, dann besteht das Risiko eines „Sudden Death“, oder einer sehr spontanen und abrupten Neubewertung irgendwann in der Zukunft (siehe Abbil dung 8.3). Als Investor sollte man versuchen, das zu vermeiden. In umgekehrtem Sinne ergeben sich daraus sehr große Chancen, sofern es sich dabei tatsächlich um eine Ineffizienz der Märkte handelt. Mit anderen Worten, bestimmte Anlagen wären unterbewertet, weil sie eben den Wert dieser zukünftigen Entwicklung und die zukünftige Information nicht oder unvollständig einbeziehen. Insofern kann ein Investor, der sich auf diese längerfristigen Themen spezialisiert, wahrscheinlich Überrenditen gegenüber dem „normalen“ Investor erwirtschaften. Folglich ist das eine sehr spannende Dimension, die natürlich die Frage aufwirft, wie man die Effizienz der Märkte im Umgang mit Informationen messen oder definieren kann, also auf welchen Zeithorizont sich die Ineffizienz eigentlich bezieht.
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Abbildung 8.3
Grundschema verzögerter Pricing-Mechanismen Erläuterung: NTR: Nichttraditioneller Risikofaktor (Quelle: Feri Finance AG)
D: „Sudden Death“
C: Übertreibung Übertreibung („Double discounting“)
Level
Untertreibung („Neglect“)
B: „Sudden Impact“
Pricing / Market Trend
A: „Neglect Effect“
Plötzliche, aber zeitverzögerte Preisanpassung („Sudden Impact“)
„Maximum Portfolio Risk“ Zeit
Sie sprachen bereits den Begriff nichttraditionelle Risikofaktoren an. Fassen Sie unter diesem Begriff die Risiken zusammen, die aus den vom Markt vernachlässigten Entwicklungen resultieren? Welche Entwicklungen haben Sie als nichttraditionelle Risikofaktorenidentifiziert?
Mit diesem Begriff sind Themen angesprochen, die aus heutiger Sicht eine enorme Tragweite haben und die die Märkte vielleicht etwas leichtfertig ignorieren oder nicht hinreichend bewerten: Klimawandel, Demografie, geopolitische Veränderungen – also Veränderungen auf der Weltkräfteskala –, die vielleicht dadurch definiert werden, dass bestimmte Länder über ein großes Rohstoffvorkommen verfügen, andere dagegen einen großen Rohstoffbedarf haben, aber nicht über Rohstoffe verfügen. Viele Rohstoffe, insbesondere strategische, konzentrieren sich häufig in Ländern, die sich etwas abseits unserer „normalen“ Landkarte befinden. Oder man stelle sich folgendes Gedankenexperiment vor, das der eine oder andere vielleicht schon einmal für sich durchgespielt hat: Was wäre denn morgen in der Welt los, wenn ein Supertanker in der Straße von Hormus unterginge und die Schifffahrtspassage dadurch nicht mehr befahrbar wäre? Oder was wäre, wenn ein großes ÖlTerminal in Saudi-Arabien – was Gott verhüten mögen – von Terroristen in die Luft gesprengt würde oder wenn irgendwo ein Atomkraftwerk in die Luft fliegt und andere solche Dinge? Man muss aber gar nicht so exotisch sein. Es gibt auch Themen im Bereich des Finanzsystems. Eines davon haben wir kürzlich erlebt. Das Finanzsystem ist eben nicht
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mehr so stabil, wie man sich das als Finanzmarktteilnehmer wünscht, sondern es repräsentiert eigene und durchaus gravierende Risiken. Ein weiteres Stichwort: Demografie. Ein Thema, das in verschiedenen Ländern die sozialen Sicherungssysteme und die Staatsfinanzen nach vorne ganz erheblich verändern wird, gerade auch in Europa. Das sind für mich typische Faktoren, die man heute in vielen Fällen – und das ist die Ironie daran – schon sehr konkret vorhersehen kann. Es geht dabei nur noch um die Frage: Wann werden sie zum ersten Mal zubeißen, und wann werden sich die Finanzmärkte mit diesen Faktoren beschäftigen? Insofern sollte ein Investor diese Thesen zumindest kennen, um eine Vorstellung davon zu haben. Idealerweise sollte er im Portfolio Vorkehrungen treffen, zumindest im Sinne von „What if“-Analysen, damit er sein Risiko abschätzen kann, sobald einer oder mehrere dieser Risikofaktoren zuschlagen. Außerdem sollte er natürlich auch die dazugehörige Zeitachse analysieren, um erahnen zu können, wann welcher Risikofaktor wirklich ernsthaft ins Spiel kommen kann. Das sind für mich Themen, die nach meiner Erfahrung weder beim Privatinvestor noch beim institutionellen Investor hinreichend Berücksichtigung finden. Ausnahmen sind vielleicht typische Family Offices, die gewohnt sind, in Generationenzeiträumen zu denken, und die sich sehr viel mehr als der „normale“ Investor Gedanken machen, was in fünf oder zehn Jahren passiert. Ich halte das für eine sehr wesentliche Risikobeurteilung, die in vielen Fällen unterbleibt. Und das halte ich für einen großen Fehler!
Straße von Hormus Die Straße von Hormus ist eine an der schmalsten Stelle 21 Seemeilen (38,89 km) breite Meerenge, die den Persischen Golf im Osten mit dem Golf von Oman, dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean verbindet. Sie liegt zwischen Iran und Oman. Seit der Antike ist die Straße von Hormus eine wichtige Schifffahrtsstraße. Durch sie verläuft der gesamte Schiffsverkehr von und zu den Ölhäfen Kuwaits, Bahrains, des Irak, der Vereinigten Arabischen Emirate und des Iran, dazu der größte Teil des saudi-arabischen Verkehrs. Da eine Sperre der Straße die Lieferungen von bedeutenden Teilen der Erdölgebiete im Nahen Osten blockieren würde, ist sie von weltweiter strategischer Bedeutung (ca. ein Viertel der globalen Ölversorgung). Quelle: „Straße von Hormus“ in: Wikipedia, 30. Mai 2009
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Abbildung 8.4
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Straße von Hormus (Quelle: „Straße von Hormus“ in: Wikipedia, 30. Mai 2009)
Welche Schlussfolgerungen sollten Anleger und Vermögensverwalter aus den gewon nenenErkenntnissenziehen?
Ich glaube nicht, dass man alles, was man weiß und in der Branche gelernt hat, über Bord werfen muss. Aber man sollte das Gelernte um die Dimension zukünftiger nichttraditioneller Risikofaktoren erweitern und den Themenblock „Black Swan“ sowie das psychologisch-charakteristische Verhalten von Finanzmärkten einbeziehen. Wenn man davon ausgehen muss, dass Risikofaktoren längerfristiger Natur systematisch vom Markt ausgeblendet werden, man aber gleichzeitig von bestimmten Risikofaktoren relativ sicher ausgehen kann, dann sollte man solche Themen sich selbst als Anleger oder Vermögensverwalter transparent machen. Es empfiehlt sich, sie im Sinne einer Landkarte vor sich zu haben, um ein Verständnis für den Zeitpunkt und die Intensität zu entwickeln und gezielt auf den jeweiligen Faktor eingehen zu können (siehe Abbildung8.5). Aber die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass man irgendwann beginnt, diese Themen im Portfolio abzubilden. Damit nimmt man zum einen bestimmten Risiken ihren größten Schrecken, und zum anderen ermöglicht es, an Chancen zu partizipieren. Wann sollte ein Investor auf bestimmte Trends reagieren und sie in sein Portfolio aufnehmen? Es muss nicht alles auf einen Schlag passieren. Wenn man stattdessen graduell vorgeht, erhält man sich die Chance, sein Portfolio mit der Fortentwicklung dieser Trends zu definieren und weiter zu verfeinern.
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Dadurch hat man letztlich die Chance, besser abzuschneiden als der „normale“ Investor, der sich nicht mit diesen Fragen beschäftigt. Abbildung 8.5
Schema zur systematischen Risiko-Erfassung (Quelle: Feri Finance AG)
Risk Map ZeitHorizont lang
B
Größe = Impact
E
Farbe = Risikostufe
mittel
C D
kurz
Akute Risiken F
A
gering
mittel
hoch
EintrittsWahrscheinlichkeit
Wäre aus Ihrer Sicht die Schlussfolgerung berechtigt, dass kein Computermodell der Welt in der Lage ist, den Menschen in seiner Urteilsfähigkeit als Vermögensverwalter zu ersetzen? Oder bedeutet es das Gegenteil, und wir müssten den ultimativen SupercomputermitmöglichstvielenInformationenfüttern?
Auf diese Frage gibt es sicherlich zwei Antworten. Die eine, die der persönlichen Eitelkeit schmeicheln würde, lautet: Ein Computer kann so etwas nicht, man braucht den Menschen. Wir haben darüber gesprochen, welche Komplexität in den Märkten steckt und in welchen historischen, sozialen und politischen Dimensionen man eigentlich denken muss, um einigermaßen ein Gespür für das Geschehen in der Welt zu bekommen. Es gibt aber, und dahinter stehe ich, wahrscheinlich auch die zweite Antwort, dass nämlich genau das Gegenteil richtig sein kann: Ein entsprechend kalibriertes Computermodell, das wahrscheinlich gar nicht mal so hochkomplex sein muss, kann den Menschen nicht ersetzen im Sinne von „diese ganzen Schlussfolgerungen abzubilden und diese ganzen Querverbindungen zu ziehen“. Der entscheidende Punkt ist aber, dass ein Computermodell das gar nicht muss. Schließlich muss man nicht in den Computer reinschauen, um sich damit die Welt erklären zu lassen. Das wird sicherlich in irgendeiner fernen Zukunft mal möglich sein. Es reicht, wenn man als Investor das Computermodell einsetzt, in dem man sagt: „Lieber Computer, lass mich an den positiven Trends hinreichend partizipieren und
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schütze mich vor Trends, die in einen „Sudden Death“, in einen Crash oder irgendetwas Schlimmes reinlaufen, indem du mich rechtzeitig aus dem Markt nimmst.“ Wenn man es so formuliert, ist ein Computer mit dieser Aufgabenstellung durchaus nicht überfordert. Er muss nicht in der Lage sein, mir Prognosen über den Stand von China in zehn Jahren oder über die Rohstoffkapazitäten in Saudi-Arabien abzugeben, sondern er muss nur die Übersetzung all dieser Dinge in den Märkten abbilden. Ein Computer kann kalibriert werden, um die charakteristischen Eigenschaften, die Märkte nach meiner Interpretation aufweisen, nämlich Übertreibungen in beide Richtungen, Wellenmuster, der Aufbau von Trends, das Verlassen von Trends, das Brechen von Trends, die damit verbundenen Übertreibungen und Fehlinterpretationen, zu erfassen. Das erachte ich als wichtigen Punkt. Es geht ein Stück weit in die Richtung Trendfolgemodell, kombiniert mit einer antizyklischen Komponente. Ein richtig kalibriertes Modell ist in der Lage, auch an langlaufenden positiven Trends zu partizipieren, was der Mensch häufig nicht kann, weil er irgendwann daran denkt, Kasse zu machen. Der Computer dagegen ist emotionslos und läuft weiter. Damit sollte man schon eine hinreichend gute Trefferquote haben, aber zumindest ein Navigationssystem, das helfen kann, große Verluste und große Überraschungen zu vermeiden. Es gibt in der Hedgefonds-Welt ein paar rein quantitative Systeme, die nachweislich sehr überzeugende Ergebnisse geliefert haben, und das gilt auch für die letzten beiden Jahre. Mit anderen Worten, das gibt es heute schon! Der Computer muss nicht die Welt erklären, sondern er muss nur die Verläufe der Finanzmärkte eingrenzbar machen, um positive Trends einzufangen und negative Entwicklungen hinreichend vermeiden zu können. Das kann ein Computer durchaus. SiegeltenseitvielenJahrenalsAnhängerdesMultiAssetKonzepts,wasgrundsätzlich auf der Anlagephilosophie unter anderem der YaleStiftung basiert. Die Finanzmarkt krise im Jahre 2008 hat selbst breit diversifizierte MultiAssetKonzepte schwer getroffen.HatdasYaleKonzeptversagt,oderistdaslediglicheinBeispielfürdasoben beschriebeneRisikoParadoxon?
Das ist wahrscheinlich nicht ganz so einfach zu beantworten, weil das Jahr 2008 in gewissem Sinne eine Besonderheit ist. Man muss sich das Ganze wie eine Badewanne vorstellen. Die Badewanne repräsentiert den gesamten Topf der Multi-Asset-Anlagewelt. Seit ungefähr zehn Jahren ist eine extreme Expansion der Geld- und Kreditschöpfung im Finanzsystem zu beobachten. Dadurch ist die Badewanne sinnbildlich immer voller geworden und bezog sich letzten Endes auf alle verfügbaren Anlagekategorien. Das heißt, selbst ein relativ statischer Ansatz wie Yale konnte profitieren, weil alle Anlageklassen von dem steigenden Wasserspiegel in der Badewanne profitiert haben. Im Jahr 2008 hat jemand abrupt den Stöpsel aus der Badewanne gezogen und Wasser aus der Wanne gelassen. Das war ein sehr großer Stöpsel, weswegen praktisch alle Anlageklassen gefallen sind, auch jene, die in dieser Phase eigentlich nicht hätten fallen dürfen. Die Welt hat unter einem spontanen und abrupten Liquiditätsentzug gelitten. Konzepte wie Yale hatten ein Problem, weil sie sehr stark auf relativ illiquiden Anlageklassen aufgesetzt sind, mit denen man praktisch über keine Reaktionsgeschwindigkeit verfügt. Und so kam es dann zu diesem fürchterlichen Ergebnis. Das ist mal ein erstes Fazit. Ob das Konzept per se falsch ist, hängt davon ab, ob
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ein solches Event sich alle paar Jahre wiederholt. Wenn man daran glaubt, ist es sicherlich falsch. Hält man es aber für ein Jahrhundertereignis, das sich so schnell nicht wiederholt, ist das Konzept per se noch nicht falsch. Aber ich möchte etwas Wichtiges ergänzen: Ich würde immer in Anspruch nehmen, dass wir das Multi-Asset-Konzept etwas anders als Yale definiert haben. Yale hat fast schon ein Dogma daraus gemacht, dass es ein relativ statischer Ansatz war. Die Anlagen in verschiedenen Asset-Klassen wurden relativ konstant über die Zeit durchgefahren. Die Diversifikation sollte dann im Prinzip den Risikoschutz bringen. In normalen Zeiten funktioniert das vielleicht. In schwierigen Zeiten funktioniert es nicht oder nur sehr eingeschränkt. Deswegen vertreten wir einen sehr viel pragmatischeren und dynamischeren Ansatz von Multi-Asset-Management. Der besagt, dass man nicht zu jeder Zeit in allen verfügbaren Anlagekategorien investiert sein muss, sondern geht vom Gegenteil aus. Man sollte die Vielfalt unterschiedlicher Anlagekategorien bewusst einsetzen, um Positionen in denjenigen Anlageklassen beziehen zu können, die zum Zeitpunkt des jeweiligen Anlageszenarios auch wirklich Sinn ergeben und passen. Das ist eine ganz wichtige Grundvoraussetzung. Mit anderen Worten: Die Positionen in den unterschiedlichen Anlagekategorien können über die Zeit hinweg durchaus sehr variabel sein. Wenn man große Teile in illiquiden Anlagekategorien hält, besteht natürlich ein gewisser Zielkonflikt. Und wenn es stimmt, dass „Black Swan“-Events und „Sudden Death“-Events in der Zukunft eher häufiger vorkommen, dann ist Reaktionsmöglichkeit und Reaktionsgeschwindigkeit ein Wert an sich. Auf diesen Wert sollte man als Investor nicht verzichten. Deswegen ist eine der Botschaften für die kommenden Jahre, dass man illiquide Anlagekategorien nur bis zu einer Schmerzgrenze investiert haben sollte. Das heißt im Klartext: Investments in wenig liquiden Anlageklassen sollten wohlüberlegt und wohldosiert erfolgen, auch im Rahmen eines Multi-Asset-Ansatzes. Es gilt die Faustregel: Man muss nicht zu jeder Zeit in allen Anlagekategorien gleichzeitig mit konstanten Investmentquoten vertreten sein. Man sollte sein Vermögen bewusster, flexibler und damit auch ein bisschen dynamischer verwalten. Sind die meisten größeren Organisationen nicht zu statisch für ein flexibles Portfoliomanagement, allein schon durch die Tatsache, dass Anlageentscheidungen in Ausschusssitzungen getroffen werden? Wie sollte aus Ihrer Sicht ein optimaler Investmentprozessaussehen?HabenInvestmentboutiquenhierVorbildfunktion?
Das ist wahrscheinlich alles richtig. Größere Organisationen haben die Tendenz, unflexibel zu sein. Es werden Ausschussentscheidungen und Gremienentscheidungen getroffen. Das bedeutet allein schon, dass daraus zum einen häufig der kleinste gemeinsame Nenner resultiert und zum anderen Entscheidungen nicht mit der gebotenen Geschwindigkeit getroffen werden. Denn bis ein Gremium zum nächsten Mal planmäßig tagt, hat sich die Welt vielleicht schon wieder vier Wochen weiterbewegt. In einer Welt, wie wir sie in den letzten zwölf Monaten hatten, ist das natürlich sehr gefährlich. Deshalb sind solche Entscheidungen auch nur sehr begrenzt erfolgversprechend. Der zweite Punkt ist vielleicht sehr viel wichtiger, ich mache ihn auch ein Stück weit zu meinem persönlichen Punkt: Ich denke, dass die Asset-Management-Industrie sehr stark durch Gradualisten geprägt ist. Die Mehrzahl der Entscheidungen wird nicht wirklich überzeugend getroffen, sondern es
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wird eine Politik der sehr kleinen Schritte, manchmal nur der Trippelschritte, vollzogen. Das dient natürlich ganz klar dem Schutz vor Irrtum und dem Schutz vor Fehlentscheidungen entgegen der Marktrichtung. Darin steckt eine gewisse Tragik: Beides ist richtig! Sowohl die Politik der konsequenten Schritte als auch die Politik der graduellen Portfolioveränderung haben ihre Meriten. Ich glaube, der Trick der erfolgreichen Manager ist es, dass sie es über viele Jahre hinweg schaffen, in den wenigen entscheidenden Phasen nicht graduell, sondern extrem konsequent zu handeln. Diese Manager sind in der Lage, ein hälftig in Renten und Aktien investiertes Portfolio nicht nur graduell in Richtung 55/45 Prozent anzupassen, sondern tatsächlich eine Allokation von 80/20 Prozent oder gar 90/10 Prozent herzustellen. Voraussetzung dafür ist großer Mut zur Entscheidung und Eigenverantwortung. Das setzt voraus, dass man sich aus typischen institutionellen, marketinggetriebenen und gremiengetriebenen Verantwortlichkeiten herausbewegen kann. Das wiederum ist charakteristisch für Boutiquen und eben nicht charakteristisch für große Organisationen. Ich glaube, das macht den entscheidenden Punkt aus. Das Erfolgsrezept besteht darin, dass man in entscheidenden Marktphasen extrem schnell und konsequent große Veränderungen des Portfolios umsetzen kann. Das ist sicherlich ein Ziel, dem nachzueifern man immer nur versuchen kann, man wird es nie perfekt beherrschen. Vielfach ist eben auch die Kunden- und die Organisationskultur so, dass man es nie wirklich wird realisieren können. Sie stehen als ChefAnlagestratege der Feri für einen fondsbasierten Vermögensver waltungsansatz.WassinddieGründedafür,undwarumhabenSiesichbewusstgegen eineVermögensverwaltungaufEinzeltitelbasisentschieden?
Das ist eine Frage, die mich auch beschäftigt! Zu diesem Thema ist wesentlich mehr Offenheit angebracht, und man sollte keinesfalls dogmatisch damit umgehen. In der Vergangenheit war das Kernargument sicherlich, dass man bestimmte Arten von Entscheidungen nicht treffen oder sich mit ihnen nicht abmühen sollte, weil man im Tagesgestrüpp der vielen einzeltitelorientierten Entscheidungen Gefahr laufen würde, sich darin zu verlieren. Wichtiger war es eigentlich, die große Linie im Blickfeld zu behalten. Das ist nach wie vor das entscheidende Argument, auch für einen fondsbasierten Ansatz. Nicht weil die Fondslösung per se immer die beste ist, sondern weil man sich damit seine Anlagetätigkeit wesentlich erleichtert. Man kann sich mit den großen Linien und mit den großen Blöcken des Portfolios beschäftigen, weil man eben Zeit dafür hat. Für den Part der Einzeltitelentscheidung hat man im Idealfall einen sehr guten Manager im Fonds, der vielleicht noch ein paar Prozentpunkte Mehrrendite erwirtschaftet, indem er seinen Job besser macht als der Durchschnitt. Wenn man beides intelligent kombiniert, hat man den idealtypischen FeriAnsatz beschrieben. Ich mache jetzt aber bewusst ein paar Ergänzungen: Zum einen glaube ich daran, dass es nach vorne immer schwerer sein wird, wirklich überdurchschnittlich gute Manager zu finden. Ich wage die These, dass es in den 80er- und 90er-Jahren, als Märkte eine ganz bestimmte Grundcharakteristik hatten, für einen Manager sehr viel einfacher war, eine Outperformance über mehrere Jahre hinweg zu generieren. Die Märkte waren berechenbarer, sie hatten klarere Muster und Charakteristika. Das konnte man als Fondsmanager einsetzen und entsprechend Outperformance generieren. In einer Welt, die
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mehr wie eine Achterbahn laufen könnte, wird nur der extrem gute Manager eine Chance haben, eine überlegene Leistung zu zeigen. Wir sprechen dann eher vom Ein-Prozent-Fall und nicht mehr vom Zwanzig-Prozent-Fall. Insofern ist das ein schwieriger Job, diesen Manager im Vorfeld zu finden. Deshalb ist es durchaus angebracht, selbstkritisch und mit Realismus an diese Frage heranzugehen. Eine zweite Ergänzung ist natürlich, dass man „Fonds“ auch gleichsetzen kann mit „ETF“, also mit einem passiven Vehikel. Ein ETF bietet einem den gleichen Vorteil. Nachdem man die große Linie im Portfolio definiert hat, kann man ETFs als Bausteine relativ effizient einsetzen, und man muss sich auch in diesem Fall nicht um die Einzeltitelentscheidungen kümmern. Insofern wird das mit Sicherheit eine neue Komponente sein, die auch bei uns genau aus diesem Grunde schon zum Tragen kommt. Die dritte Ergänzung, die ich hier vornehmen würde, basiert auf einem anderen Argument. Wenn man sich an Q4/2008 und Q1/2009 erinnert, dann juckt es natürlich in den Fingern, ab und zu auch mal in Einzeltiteln zu investieren. Im Prinzip kann man relativ sicher sagen, dass bestimmte Entwicklungen in gewissen Extremsituationen mit einem Fonds nur unterproportional abgebildet werden können. Mit der Freiheit, den einen oder anderen Einzeltitel dann doch mal zu allokieren, ließen sich noch stärkere Performanceeffekte erzielen. Deswegen sollte man zumindest für solche Extremsituationen nicht dogmatisch sein und durchaus die eine oder andere Einzeltitelentscheidung zulassen, falls man sich hinreichend sicher fühlt. Um ein reales Beispiel zu geben: Die Deutsche-Bank-Aktie, die in dieser Phase bei 18 Euro notierte, war eine relativ sichere Wette darauf, dass sie nicht ewig bei 18 Euro stehen bleiben wird, sondern wieder in Richtung 40 Euro zurückkommt. Das macht ein Potenzial von über 100 Prozent. Nicht jeder Bankenfonds hat in der gleichen Zeit dieses Potenzial realisiert. Das sind genau die Punkte, die man durchaus mal bedenken muss. Dennoch würde ich für mich nach wie vor in Anspruch nehmen, im Tagesgeschäft keine Einzeltitelselektion zu betreiben. Letztlich zeigen auch die quantitativen Auswertungen, dass die Asset-Allokation im Portfolio weitaus dominanter für die Performance ist als die Frage, ob man Einzeltitel A oder B kauft. HaltenSieMakroLeutefürdiebesserenAktienanalysten?
Absolut, das war auch in diesem Zyklus so. Die Gewinnschätzungen der traditionellen Aktienanalysten lagen Monate lang völlig neben der Realität, während die „Makro“ und „Big Picture“-Leute schon viel früher sagten, dass der Gewinntrend nicht nur fallen, sondern zusammenbrechen wird. Damit hat man zwar nicht unbedingt ein Argument für Stock-Picking. Aber man hat zumindest ein realistisches Bild für den Verlauf der Aktiengewinne, während der Analyst in seiner eigenen Zahlenwelt gefangen und mangels Einbezug des „Big Pictures“ überoptimistisch geblieben ist. Das ist ein ewiges Grundproblem. Ich denke, ein gutes Modell beginnt beim „Big Picture“, weil man dann prinzipiell die Trends und Charakteristika von Aktien vor sich hat. Ein Beispiel: Die Weltkonjunktur durchläuft eine Rezession und fängt an, sich zu erholen. Welche Titel fangen an zu laufen? Logischerweise jene aus dem frühzyklischen Bereich: Manufacturing- und rohstofforientierte Aktien. Dadurch erhält man schon mal ein relativ klares Bild davon, welchen Typus Aktie man im jeweiligen Umfeld braucht. Wenn man dann noch eine Ebene tiefer geht und feststellt, dass es auf der Welt 200 hochqualitative Manufacturing-Unternehmen gibt, dann
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braucht man den Stock-Picker, der in der Lage ist, diese Titel zu sortieren und auszuwerten, um die besten zehn zu selektieren. Aus diesen zehn Aktien könnte man dann wiederum drei auswählen und investieren. Das wäre ein gelungene Kombination von „Big Picture“, makrogetriebenem Entscheidungsansatz und einer sehr disziplinierten Umsetzung über die Einzeltitelebene. Wenn so etwas eingespielt funktioniert, kann das am Ende auch besser sein, als einen Fondsmanager anzuheuern. Unsere Arbeitshypothese ist aber, genau für diese Einzeltitelentscheidungen den guten Fondsmanager zu finden. Gott sei Dank gibt es hinreichend viele Fonds bis runter zu Sektoren und Branchen, die eigentlich alles abbilden, was man braucht. Insofern muss das kein Widerspruch sein. WiegehenSiemitderProblematikum,dassSieeinenFondsimPortfoliohaben,dessen Manager die künftige Marktentwicklung völlig konträr zu Ihrer eigenen Meinung einschätzt, und damit Ihre eigentlich beabsichtigte PortfolioPositionierung konterkariert?
Ich denke, es hängt immer davon ab, ob man es im Vorfeld schon ein Stück weit erahnen kann. Weiß man vorher, auf welchen Fonds man sich einlässt, oder stellt man hinterher völlig überraschend fest, dass der Fondsmanager offenbar etwas ganz anderes gemacht hat, als eigentlich zu erwarten war? Im ersten Fall gibt es wiederum zwei Varianten. Die erste: Hat man eine hohe Meinung vom Fondsmanager und sollte vielleicht seine eigene Entscheidung nochmals hinterfragen? Wenn der Fondsmanager in Richtung A marschiert, und ich will in Richtung B, hinterfrage ich vielleicht noch einmal meinen Denkansatz und komme eventuell zu einem anderen Ergebnis. Die zweite: Man setzt den Fondsmanager möglicherweise bewusst als Hedging-Element ein und baut dadurch einen Risikoschutz auf. Wenn sich meine These von Richtung B als falsch erweist, dann habe ich zumindest noch einen Manager, der in Richtung A gegangen ist. Ich denke, mit beiden Varianten lässt sich relativ gut umgehen. Schlimm wird es eigentlich erst dann, wenn man die Marschrichtung des Fondsmanagers ex ante noch nicht einmal schwach wahrgenommen hat. Angenommen, man möchte mitten in einer Markterholung volles Exposure im Aktienmarkt haben und stellt hinterher ernüchtert fest, dass der Fondsmanager sich nicht in den Markt getraut hat und stattdessen 50 Prozent seiner Aktien abgesichert ließ. Dann hat man ein Problem. Dieses Problem muss man nach vorne korrigieren, in dem man in kritischen Fällen vorher mit dem Manager seine Sicht der Welt klärt, um einen möglichen Zielkonflikt zumindest transparent zu machen und vielleicht auch vermeiden zu können. Ich glaube, das sind die Möglichkeiten, die man hat. Was sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Kriterien in der Fonds und Managerselektion,dienichtunbedingtoffensichtlichundinderBreiteverstandensind, aufdieesaberletztenEndesankommt?
Ich denke, die meisten Punkte verteilen sich auf die Themen, die wir bereits angesprochen haben. Mit welchem Fondsmanager hat man am Ende wirklich Spaß? Ich würde die These aufstellen, dass es sich dabei hauptsächlich um Manager handelt, die sich zum jeweiligen
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Zeitpunkt nicht immer in der absoluten Spitzengruppe bewegen, sondern die über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg Konstanz und Kontinuität beweisen. Es müssen Manager sein, die auch mehr als einen Börsenzyklus durchlaufen haben, damit sie eben nicht nur Zufallstreffer landen. Sie müssen also durchaus Erfahrungswissen gesammelt haben. Das sollte man überprüfen. Es sollten Manager sein – und das ist jetzt ein sehr subjektiver Punkt –, die möglichst über den Tellerrand hinausschauen und auf der „Big Picture“Ebene denken können. Auf diese Eigenschaft würde ich persönlich immer Wert legen. Ich muss mich mit ihnen an den Tisch setzen und den Lauf der Welt diskutieren können, ohne dass ich das Gefühl habe, dass sie nach zehn Minuten nicht mehr mitreden können. Sie sollten keine reinen Detailexperten in einem sehr reduzierten Feld sein, sondern möglichst auch in der Lage sein, die Welt in den großen Linien, in der großen Dimension zu verstehen. Ich glaube, nur dann hat man eine Chance, wirklich über längere Zeit hinweg ein sehr erfolgreicher Fondsmanager zu sein. Jemand, der alle Details in der Einzeltitelaktienselektion versteht und die tollsten Geschäftsmodelle identifizieren kann, ist sicherlich sehr hilfreich und kann ein sehr guter und sehr erfolgreicher Manager sein. Der Typus Peter Lynch von Fidelity war dafür ein gutes Beispiel. Aber auch von einem solchen Typus würde ich mir wünschen, dass er über ein hinreichendes historisches und sozialwissenschaftlich abgesichertes Wissen verfügt und ein Bild von den geopolitischen und technologischen Trends und Entwicklungen hat. Zu diesen Eigenschaften gesellt sich noch eine weitere. Ein guter Manager muss in der Lage sein, große, harte und konsequente Entscheidungen umzusetzen. Er darf nicht immer nur der Gradualist sein. Die wirklich erfolgreichen Leute haben sich teilweise dafür schlagen lassen, dass sie in wichtigen Wendephasen des Marktes komplett gegen den Mainstream gehandelt haben. Der eine oder andere hat sogar seinen Job deswegen verloren, was das eigentlich Fatale daran ist. Das zeigt einem, wo die Probleme für einen richtig guten Manager liegen. Er kann möglicherweise das nicht umsetzen, was er leisten könnte, weil ihm eine Marketingabteilung im Genick sitzt. Ich glaube, wirklich gute Manager besitzen diese Eigenschaften. Man findet diese Manager nur teilweise durch quantitative Analysen, schon eher, wenn man mit solchen Personen zu tun hat und sie als Mensch kennenlernt. Insofern gilt es, nach den „soft skills“ und „soft knowledges“ zu suchen, sie offenzulegen und transparent zu machen, um erfolgreiche Manager herausfiltern zu können. Haben Sie im Laufe der Jahre etwas an Ihrem Managementstil verändert, und für welcheVeränderungensolltemansichauchmitBlicknachvornöffnen?
Ja, ein paar der Themen haben wir schon berührt. Unser Feri-Credo hat immer gelautet, dass wir aus einem hinreichend großen Pool an sehr guten Managern in der Lage sind, die qualitativ besten zu identifizieren, mit denen sich letztlich sämtliche Anlageprobleme lösen lassen. Ich glaube aufgrund der Diskussion, die wir derzeit führen, man muss an dieser Stelle die Veränderung akzeptieren. Es ist damit zu rechnen, dass auch manche sehr guten Manager von den heutigen Zeiten einfach überfordert sind. Man muss akzeptieren, dass der Pool der nachhaltig sehr guten Manager vielleicht kleiner geworden ist – ebenso, dass auch ein ETF als passiver Fonds durchaus sehr intelligent sein kann, um seine eigenen Anlageziele zu realisieren. Es muss nicht immer der aktive Fondsmanager sein. Der kann
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manchmal auch kontraproduktiv wirken. Zudem muss man akzeptieren, dass die MultiAsset-Logik an bestimmten Teilbereichen überprüft werden muss. Ein offensichtliches 3 Beispiel dafür sind die offenen Immobilienfonds, die im Moment eben nicht mehr offen sind, was bestimmte Implikationen nach sich zieht. Die Hypothese, dass die Asset-Klasse Hedgefonds automatisch Wert kreiert und eine sinnvolle Diversifikation darstellt, ist eine der Thesen, die ich im Moment sehr kritisch prüfe. Die Überprüfung solcher Thesen hat dann auch schon mal zu Veränderungen im Managementstil geführt. Auch die Tatsache, dass bestimmte Anlagethemen neu in den Vordergrund gerückt sind, kann zu einer Veränderung des Managementstils gegenüber früheren Jahren führen. Zum Beispiel treibe ich seit Jahren sehr stark die Themen Rohstoffe und Emerging Markets voran, die man folglich sehr viel bewusster, sehr viel stärker in das eigene Management einbezieht. Ein Punkt, den ich sehr kritisch hinterfragen würde, ist die These, dass das Finanzsystem automatisch immer einer schön gemähten Wiese entspricht, auf der sich alle leicht und locker bewegen können. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass im Finanzsystem stets für ausreichend Liquidität gesorgt ist. Diese These habe ich vor drei Jahren schon zu problematisieren begonnen und sie nicht für selbstverständlich erachtet. Die Situation, wie wir sie in den letzten Monaten erlebten, hat diese Problematik bewiesen. Es braucht an dieser Stelle eine gesunde Skepsis, und man muss dementsprechend seinen Managementstil anpassen. Es geht darum, eine noch höhere Entscheidungs- und Reaktionsgeschwindigkeit zu erreichen, und es bedarf möglicherweise des Einsatzes stärkerer Restriktionen in den liquiden Anlageklassen. Dabei gilt es, einige Dinge zu überdenken wie zum Beispiel: Gibt es ein Kontrahenten- oder Systemrisiko in der Abwicklung? Ein anderes Thema, das in den nächsten Jahren vielleicht eine ähnliche Bedeutung erhalten wird, ist die Qualität von Währungen und Staatsanleihen. Wenn man diese Dinge nicht in der Definition seines Managementstils verändern würde, wäre das wahrscheinlich ein Fehler. Das sind die Punkte, die wir stilistisch und inhaltlich modifizieren, teilweise auch schon verändert haben, um den wichtigsten Entwicklungen gerecht zu werden. Aber sicherlich schafft man nicht alle Punkte. WiewirdsichdasGeschäftVermögensverwaltungüberdienächstenJahreverändern?
Wenn man es etwas flapsig ausrücken würde, müsste man lediglich einen kleinen Buchstabendreher vornehmen und sagen: Aus Vermögensverwaltung wird Vermögenserhaltung! Das wird per se im Vordergrund stehen. Von vielen Lehrsätzen und Erfahrungen, die man als Anleger oder Vermögensverwalter aus der Vergangenheit hat, wird man sich verabschieden müssen. Dazu gehört auch die Erfahrung, mit relativ kleinem Risiko stetige zehn Prozent oder gar 15 Prozent Rendite per annum zu erwirtschaften, wie das mal in den 80er-Jahren möglich war. Temporär hat man sich bereits davon verabschieden müssen, möglicherweise muss das auch endgültig passieren. Stattdessen müssen wir uns auf stärkere Marktverwerfungen einstellen. Die Stabilität der Märkte und die Stabilität des Systems als Arbeitshypothesen der letzten 20 oder 30 Jahre wird man stärker hinterfragen müssen. Oder das System selbst wird beweisen, dass man sie hinterfragen muss. Das heißt,
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es ist weitaus mehr Vorsicht und Umsicht in den Märkten erforderlich als früher, als man sich angesichts stabiler Märkte und solider Aufwärtstendenzen zumindest etwas zurücklehnen konnte. Eine wesentliche Rolle wird in den nächsten Jahren das Thema „exzessive Geldpolitik“ spielen, mit neuen staatlichen und notenbankbetriebenen Eingriffen ins Finanzsystem, deren Tragweite wir derzeit noch nicht kennen, aber abschätzen können. Diese Eingriffe werden möglicherweise zu gravierenden Veränderungen im Prozess der Vermögensverwaltung und auch im Ergebnis der verschiedenen Anlageklassen zu Konsequenzen führen. Ich rechne damit, dass es sehr viel schwieriger, komplizierter und anspruchsvoller wird, in den Märkten der nächsten fünf bis zehn Jahre ordentliche Ergebnisse zu erwirtschaften. Man wird mit Sicherheit – und das wird irgendwann auch für den Mainstream gelten – verstärkt auf die sogenannten alternativen Anlagen wie strategische Rohstoffe, Edelmetalle, möglicherweise alternative Energien aufspringen und diese sehr viel stärker einsetzen müssen als in der Vergangenheit. Auch geopolitische und strukturelle Faktoren gilt es, in der Anlage zu berücksichtigen. Irgendwann wird man höchst wahrscheinlich auch Mainstream-Entwicklungen in diesen Anlagethemen beobachten können. Auch wenn das immer so banal klingt, aber die große Herausforderung der Industrie wird darin bestehen, für den Kunden über die Verwaltungskosten hinaus tatsächlich Mehrwert zu schaffen mit dem Minimumziel, zumindest das Vermögen zu erhalten. Die letzten beiden Jahre haben gezeigt, dass Vermögenserhalt keine Selbstverständlichkeit ist und man teilweise extrem hart dafür arbeiten muss. Sollte einem das nicht gelingen, hat man im Markt möglicherweise ein Problem. Vor allem glaube ich, wird es ein strukturelles Problem in der Industrie werden, was zu durchaus unschönen Entwicklungen führen könnte. Aber wer die Zeichen der Zeit erkennt, die richtigen Schlussfolgerungen zieht und sich vor allem früh genug in die richtige Richtung positioniert, für den wird Vermögensverwaltung sehr spannend werden. Möglicherweise wird man auch interessante Erfolgserlebnisse erzielen können, aber in der Breite des Marktes rechne ich mit einem schwierigen Umfeld. Darfichfragen,wieSieIhrprivatesVermögenanlegen?
Es überrascht vielleicht etwas, wenn ich sage, dass es sich etwas davon unterscheidet, wie es die Kunden eigentlich von uns gewohnt sind. Wir haben vorhin über Einzeltitel gesprochen. Zum einen nehme ich mir durchaus die Freiheit, einen Einzeltitel mal ganz gezielt zu spielen. Ich bin also kein reinrassiger Fondsinvestor. Zum Zweiten kann ich mit etwas weniger Grundsicherheit ganz gut leben. Das heißt im Klartext, dass ich in bestimmten Phasen eine ausgesprochen aggressive Investmentstrategie habe und auch mal gehebelte Instrumente, Optionen, Futures und dergleichen ganz gezielt einsetze, wenn ich von einer Idee überzeugt bin. In vielen Bereichen verfolge ich eine Eins-Null-Investmentphilosophie. Das Portfolio ist also nicht immer schön diversifiziert, sondern auch mal eine Zeit lang komplett in Kasse, wenn ich nicht mehr an die Märkte glaube. Wenn ich sehr konfident bin, gehe ich auch mal gezielt und gehebelt in Einzelsektoren. Das klingt etwas unorthodox, setzt aber voraus, dass man seine Risikotragfähigkeit wirklich einschätzen kann. Um mir den Luxus einer solchen Anlagepolitik leisten zu können, habe ich natürlich auch solche Grundpositionen, die z. B. um das Thema Gold aufgebaut sind. Diese Investition habe ich in den letzten Jahren auch nicht bereut. Auch wenn es keine Zinsen dafür gibt,
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trägt es einen doch ganz gut durch schönes und stürmisches Wetter. Ich bin davon überzeugt, dass Gold auch langfristig sinnvoll ist. Um diese Grundposition herum sind alle Ideen offen. Das kann ein Öl-Short-Future im Juli 2008 oder auch eine Yen-Short-Option in den letzten Monaten gewesen sein oder das Thema Rohstoffe in allen möglichen Schattierungen. Im Prinzip versuche ich, das umzusetzen, über das wir bislang gesprochen haben: Märkte sind vielfach irrational und neigen zu Übertreibungen, sie zeigen vielfach spontane Brüche und eine ausgesprochen hohe Dynamik. Sofern man das einmal erkannt und für sich ausformuliert hat, wäre man ja dumm, dieses Wissen nicht konsequent in einer nichtstetigen Anlagelogik einzusetzen. Das versuche ich mit dieser ON-OFF-Logik in beide Richtungen und eben auch mit gehebelten Instrumenten. Das Ganze natürlich nicht so, dass es Hemd und Hose kostet, aber so, dass es auch Spaß machen kann. Jeder Anleger sollte gelernt haben, dass man nie sein ganzes Geld verwetten, sondern immer von einer stabilen Basis aus agieren sollte. Meine private Anlagephilosophie würde ich einem Kunden nicht unbedingt zumuten wollen. Aber mir macht sie Spaß, und ich fühle mich damit wohl. Stichwort EinsNull oder ONOFFInvestmentphilosophie: Wie gehen Sie vor, wenn SieeinePortfoliopositionaufbauen?
Man sollte sicherlich bereit sein, graduell vorzugehen, weil ich gelernt habe, dass man eigentlich nie den richtigen Zeitpunkt trifft, gerade wenn große Bewegungen anstehen. Ich war im Dezember 1999 schon sehr davon überzeugt, dass die Märkte drehen, und habe dann eben auch erlebt, dass es noch drei Monate länger dauerte. Solche Dinge muss man akzeptieren und verarbeiten. Man muss bereit sein, der These zu folgen, dass Trendmärkte noch mehr übertreiben können, als man das selbst für möglich hält. Bei der Umsetzung einer Anlage-Idee sollte man stets ein paar Euro zu Seite legen, um gegebenenfalls noch etwas preiswerter nachkaufen zu können. Man kann es durchaus als Cost-Averaging bezeichnen, aber eben in einer anderen Variante, als der normale Investor Cost-Averaging betreibt. WelcheZielefallenIhnenspontanein,dieSiegernnocherreichenmöchten?
Ein wichtiges berufliches Ziel wäre es, jene Dinge, die für meine Denke charakteristisch sind und die ich für richtig und zielführend im Umgang mit Märkten halte, so gut wie möglich im professionellen Kontext praktisch umzusetzen. Je größer eine Organisation eines Tages geworden ist, desto schwieriger ist es letztlich, solche Themen dann auch wirklich umzusetzen. Mit anderen Worten, wenn man oben in den Trichter 100 reinschüttet und es kommen unten nur 20 raus, ist man unzufrieden. An dieser Stelle ist also die stärkere Sichtbarkeit, die stärkere Akzentuierung und Konturierung der Ideen notwendig, um sie stimmiger und auch kommunizierbarer zu machen. Letztlich soll auch der Kunde, den man betreut, klar wissen, wie man denkt, was man tut, was man mit ihm vorhat und wie man es umsetzen kann. Das wäre mein Ziel im professionellen Bereich. Im sonstigen Bereich hätte ich Spaß, noch einmal etwas im Ausland zu machen, vielleicht
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auch um konkret das Thema Rohstoffe noch direkter anzugehen. Ich glaube daran, dass das für die nächsten Jahre ein sehr spannendes Thema sein wird. Auch das Thema Gold hätte eigentlich eine ganz andere Behandlung verdient. Vor allem in der öffentlichen Diskussion wäre mir wichtig, dass dazu etwas mehr Seriosität an die Öffentlichkeit gelangt. Wenn ich dazu beitragen könnte, würde ich das gern machen. Das Gleiche gilt für das Thema Währungen. Ich glaube, dass hier enorme Risiken für den unbedarften Zeitgenossen schlummern und Aufklärung vonnöten ist. Vielleicht gelingt es mir, die Risiken zumindest für die Menschen im unmittelbaren Umfeld so klein wie möglich zu halten. Das ist mit Sicherheit ein Ziel. Ansonsten bin ich eigentlich sehr zufrieden. GibtesDinge,fürdieSiegernbekanntwären?
Viele Themen, über die wir gesprochen haben, sind bei mir schriftlich niedergelegt, und man hätte sie mit etwas mehr Arbeit und mit etwas mehr Konsequenz ein bisschen populärer aufziehen können. Ich finde es schade, dass das nicht geschehen ist. Darüber hätte ich längst ein Buch schreiben können. Dann wären diese Themen auch mal öffentlich dokumentiert. Ich glaube schon, dass ein paar Dinge, aus dem Kontext der Dissertation und dem, was anschließend noch dazugekommen ist, durchaus einen Stellenwert haben und im Markt eher weniger bekannt sind. Wenn man in aller Bescheidenheit seinen Platz im Geschichtsbuch hätte als jemand, der sehr früh und relativ weit in die richtige Richtung blickte, dann würde man sich zumindest darüber freuen. Die Geschichte gibt mir an verschiedenen Punkten sicherlich ein bisschen recht, zumal auch die Nobelpreisträger in letzter Zeit alle aus dieser Richtung kamen. Ich würde mich freuen, wenn diese Themen stärker in die akademische Diskussion eingehen würden und man das selbst mit anschieben könnte. Als Geburtshelfer für bestimmte Trends zu gelten, die dann mal wegweisend sein könnten, würde mir sicherlich viel Spaß bereiten.
Hans-Olov Bornemann
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„IlliquiditätistfüreinenFondsmanagerdasSchlimmsteüberhaupt.“
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Hans-Olov Bornemann
SEB Asset Management „Hans-Olov klingt schwedisch, Bornemann klingt deutsch, wahrscheinlich hatte er einen deutschen Vater.“ Stimmt! Bis vor nicht allzu langer Zeit musste man sich mit dieser Antwort begnügen, wenn man in der Fondsindustrie nach Hans-Olov Bornemann gefragt hat. Selbst Branchenkenner konnten seinen Namen nicht auf Anhieb einem Fonds oder einer Gesellschaft zuordnen. Das dürfte sich mittlerweile geändert haben. Die Finanzkrise war für viele Fondsmanager und Vermögensverwalter „die“ Bewährungsprobe, und HansOlov Bornemann hat sie mit Bravour bestanden. Von Stockholm aus verwaltet Hans-Olov Bornemann zusammen mit dem Global Quant Team den SEB Asset Selection Fund. Der Fonds wird auf Basis eines eigenentwickelten quantitativen Modells verwaltet. Investiert wird in vier Asset-Klassen – Aktien, Anleihen, Währungen und Rohstoffe –, wobei sowohl Long- als auch Short-Positionen eingegangen werden können. Der Fondsmanager verfolgt eine Absolute-Return-Strategie mit dem Ziel, den Geldmarkt langfristig um fünf Prozentpunkte pro Jahr zu übertreffen. Das klingt sportlich, hat aber bislang recht erfolgreich funktioniert. Möglicherweise ist das auch eine Erklärung dafür, dass der Fonds in Schweden fast schon zu einer Art Volksfonds geworden ist. Während der Planungsphase des Buches las ich zufällig einen Artikel über Hans-Olov Bornemann und seinen Fonds. Ich fand sofort großen Gefallen an der Idee, einen quantitativ orientierten Multi-Asset-Manager in das Buch aufzunehmen. Als mein Kollege Ingo Klamroth einen Temin mit Lars Albert, dem Sales Manager der SEB in Frankfurt organisierte, heftete ich mich an seine Fersen in der Hoffnung, etwas über Hans-Olov Bornemann zu erfahren, den ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht persönlich kannte. Herr Albert versicherte mir, dass auf Hans-Olov Bornemann weder das Klischee eines „ZahlenJunkies“ noch das eines „Computer-Freaks“ zuträfe. Nur wenige Wochen später konnte ich mich davon selbst überzeugen. Insgeheim hatte ich mich schon auf ein verlängertes Wochenende in Stockholm eingestellt, als sich doch noch die Gelegenheit ergab, den Fondsmanager in Deutschland zu sprechen. Hans-Olov Bornemann war gerade auf dem Weg nach Stockholm mit Zwischenstopp in Frankfurt, sodass wir uns in der SEB-Filiale am Frankfurter Flughafen verabredeten. Was zunächst nach einem stressigen Gespräch zwischen Check-in und Boarding klang, entpuppte sich nach wenigen Minuten als eine sehr lebhafte und konstruktive Diskussionsrunde, an der außer Hans-Olov Bornemann und mir auch Lars Albert und Ingo Klamroth teilnahmen. Der Fondsmanager aus Stockholm hinterließ beileibe nicht den Eindruck eines „Zahlen-Junkies“, der sich ausschließlich mit Kurszeitreihen und Wirtschaftsdaten beschäftigt. Stattdessen lernte ich einen sympathischen und erfahrenen Experten mit einem hohen Maß an Besonnenheit kennen, der offensichtlich auch gern über den Tellerrand des eigenen Modells hinausblickt.
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Hans-Olov Bornemann
HerrBornemann,wiekames,dassSieinStockholmgelandetsind?
Dazu muss ich zeitlich etwas weiter zurückgehen. Als mein Vater ungefähr 20 Jahre alt war, ist er nach Schweden gezogen. Er arbeitete für eine Tochtergesellschaft in Hannover, bis man ihm eines Tages die Frage stellte, ob er nicht in die Zentrale wechseln wolle. Er ist dann nach Schweden gegangen, hat dort meine Mutter kennengelernt, und seitdem wohnen wir eben in Schweden. Dazwischen lebte ich für ein paar Jahre, von der vierten bis zur neunten Klasse, in Deutschland. Irgendwann später war ich für ein paar Jahre in den USA und ein halbes Jahr in England. Aber die meiste Zeit verbrachte ich in Schweden oder bin – wie heute – eben unterwegs. Siesindzweisprachigaufgewachsen?
Bis zur vierten Klasse bin ich einsprachig aufgewachsen, und durch den Aufenthalt in Deutschland wurde es dann zweisprachig. Außerdem habe ich auch eine deutsche Frau gefunden. Unsere Kinder sind damit zu drei Vierteln deutsch und nur zu einem Viertel schwedisch. Haben Sie Mentalitätsunterschiede zwischen Schweden und Deutschen festgestellt, wasdieGeldanlageangeht?
Ich würde schon sagen, dass es Unterschiede gibt. Die Leute in Deutschland und auch in Frankreich sparen und investieren ihr Geld eher konservativ in Renteninstrumenten, wohingegen die Leute im nordischen und angelsächsischen Raum mehr auf Aktien setzen. Das hat man auch historisch beobachten können. In Schweden ist es zum Teil auch dadurch bedingt, dass man frühzeitig das eigenständige Sparen für die Rente förderte, indem für solche Investitionen steuerliche Vorteile eingeräumt wurden. Das kam zu einem Zeitpunkt, als die Aktienbörsen gerade anfingen, sich gut zu entwickeln. Deshalb sind die Schweden im Allgemeinen Aktien gegenüber positiv eingestellt. Ich denke, die Aktienkultur ist in Deutschland ein bisschen später entstanden, leider erst zu dem Zeitpunkt, als die Deutsche Telekom an die Börse ging. Die damit verbundene Werbung, in Aktien einzusteigen, kam rückblickend zum falschen Zeitpunkt. Das hat wahrscheinlich mit zu einer konservativen Haltung beigetragen, die auch heute noch gilt. Was ist längerfristig besser, wenn es um Ersparnisse für die eigene Rente geht? Ich bin der Auffassung, dass man für diesen Zweck eigentlich keine zu hohen Risiken eingehen sollte. In den letzten Jahren hat man global gemerkt, dass man einen allzu hohen Aktienanteil in den Portfolios allokierte. Wenigstens bei einer so wichtigen Sache wie der Altersrente sollte man eigentlich kein zu großes Risiko fahren, sondern besser sicherstellen, dass für die Rente letztlich noch etwas übrig ist. Von daher würde ich sagen, dass die deutschen Investoren besser durch die Finanzkrise gekommen sind. Man hat auch gesehen, dass der Immobilienmarkt in Deutschland eine stabilere und daher längerfristig gesündere Entwicklung gehabt hat. In Schweden ist leider eine Spekulationsblase im Immobilienmarkt entstanden. Ich weiß nicht genau, woran es gelegen hat. Vielleicht durfte man sich weniger Geld für diesen Zweck
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leihen, oder es war eben kulturell bedingt. Aber sowohl der private als auch der kommerzielle Immobilienmarkt sind in den letzten fünf bis zehn Jahren nicht so kräftig gestiegen wie zum Beispiel in England, in den USA und im nordischen Raum. Der Vorteil dabei ist natürlich, dass man einen weniger starken Immobilienpreiseinbruch sehen wird. Von daher gilt: Stabiler ist besser! WaswarenIhreerstenErfahrungenandenFinanzmärkten?
Ich war natürlich mal ein ganz normaler Mensch. Jetzt bin ich kein normaler Mensch mehr, sondern benutze eine quantitative Methode, um Geld anzulegen. Damals war ich noch normal und bin immer fundamental oder emotional vorgegangen. Man glaubt immer, fundamental und objektiv analytisch zu arbeiten, aber im Endeffekt spielen Emotionen eine sehr große Rolle. Als ich zum ersten Mal Aktienkäufe tätigte, investierte ich in Titel, die billig aussahen, weil sie nämlich zuvor einen großen Kurseinsturz erlebt hatten und in der Folgezeit ja nur noch steigen konnten. Aber ich musste dann leider die Erfahrung machen, dass auch eine abgestürzte Aktie noch weiter fallen kann. WelcheAktiewardas?
Die Aktie hieß STC. Das war zum Teil eine Tochtergesellschaft von Volvo, die im Energiebereich tätig war. Die Aktie war billig und ist natürlich dann noch billiger geworden. Zum Schluss bin ich dann trotzdem gerettet worden, weil entweder Volvo oder eine andere Firma am Ende ein Übernahmeangebot abgab, sodass ich einen Teil meines Geldes wieder zurückbekommen habe. Von daher war es finanziell noch o.k. Aber ich lernte daraus: Was billig ist, kann immer noch billiger werden. Erzählen Sie mir von Ihrem Werdegang. Wie sind Sie Bankier und letztlich Fonds managergeworden?
Zum Teil war es sicherlich privates Interesse. Aber ich würde sagen, dass ein guter Freund von mir auch dazu beigetragen hat oder daran schuld ist. Er hat schon während des Studiums sehr viel Geld investiert und das auch mit großem Erfolg gemacht. Er wohnt jetzt in Monaco und hat im Prinzip seit der Studienzeit ein Rendite von 40 Prozent per annum im geometrischen Durchschnitt erzielt, was wahrscheinlich nicht viele andere Leute geschafft haben. Natürlich ist er auch ziemlich große Risiken eingegangen, das muss man auch sagen, hat es aber immer verstanden, die Risiken an den wichtigsten Punkten zu reduzieren. Deshalb hat er trotz Finanzmarktkrise immer noch ein gutes Vermögen. Das machte jedenfalls schon zu Studienzeiten einen guten Eindruck auf mich, vielleicht nicht, was das Risiko angeht, sondern eher die Möglichkeit, eine gute Rendite zu erzielen. Mit dieser Erfahrung bin ich dann ins Bankengeschäft eingestiegen. Anfangs war ich auf der Sell-Side einer kleinen Bankier-Firma, Hägglöf & Ponsbach, in Schweden beschäftigt. Das war zwischen 1991 und 1993. Anschließend ging ich zur S.G. Warburg, heute ein Teil der UBS, und blieb dort bis 1995. Zu dieser Zeit hatte sich die Deutsche Bank entschieden, eine neue Invest-
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mentbank von Grund auf aufzubauen. Meine Kollegen und ich – wir waren zwölf Leute bei Warburg in Stockholm – wurden gefragt, ob wir Interesse hätten, das gleiche Geschäft für die Deutsche Bank im nordischen Raum zu machen. Das haben wir dann zwischen 1995 und 2003 auch gemacht. Bei der Deutschen Bank war ich anfangs als Aktienanalyst, dann als Head of Nordic Research und später als Head of Nordic Equity Business tätig. Am Ende hatte ich dann Verantwortung für 60 Leute: 30 in Stockholm, 20 in Finnland und zehn in London. Im Jahre 2003 rief mich dann ein guter Freund an und fragte, ob ich nicht meine Flügel testen wolle, um nach über zehn Jahren in der Ratgeberrolle die Seiten zu wechseln. Daran hatte ich schon etliche Jahre Interesse, es war einfach die Zeit gekommen, Neues auszuprobieren. So bin ich dann bei der SEB gelandet. Meine erste Station war im globalen Aktienmanagement, wo ich einige globale Aktienportfolios übernahm. Diese Portfolios mit ungefähr 1,5 Milliarden Euro verwalten wir nach wie vor mithilfe eines quantitativen Modells. Im März 2005 ist dann auf einer Zugfahrt die Idee für den AssetSelection-Fonds entstanden, zu dem wir anschließend das Modell entwickelten. Gab es Marktphasen oder Ereignisse in Ihrem Leben, aus denen Sie besonders viel lernenkonnten?
Ich hatte den Vorteil, dass ich beruflich ab 1991 mit den Märkten zu tun hatte. Zu dieser Zeit konnte ich sehen, wie sich die Aktienmärkte nach unten begaben und die damalige Krise viel größer war, als es alle dachten. Neben der skandinavischen Krise erlebten wir eigentlich überall in der Welt eine Konjunkturflaute. In den USA „berappelte“ sich die Situation dann wieder ziemlich schnell. Im nordischen Raum hatten wir dagegen eine Bankenkrise, die sich von 1990 bis 1993 hinzog. Es ist immer dieselbe Geschichte: Man dachte wieder mal, dass alles so sicher wäre, vor allem Immobilienanlagen. Damals hieß es, dass Immobilien in Schweden nicht so schlecht aussehen würden wie in England, weil der schwedische im Gegensatz zum freien englischen Markt reguliert sei. Man glaubte also, dass die schwedischen Immobilien ihren Wert behalten könnten. Das hat natürlich nicht gestimmt, und die Banken haben das ziemlich treffsicher erfahren dürfen. Es sind etliche Banken pleitegegangen, die SEB ist beinahe pleitegegangen, und es war im Prinzip dieselbe Geschichte wie 2007/2008, nur war es zwischen 1990 und 1993 für die schwedischen Banken bedeutend schlimmer als dieses Mal. Wer diese Krise damals schon erlebte, konnte sich auch vorstellen, dass der Aktienmarkt nach dem Internetboom kräftig nach unten gehen kann. Das Gleiche gilt für 2007/2008. Auch hier stiegen die Immobilienpreise im Vorfeld kräftig an. Also hätte man die gleiche Entwicklung wie 1990 bis 1993 erwarten können. Viele Leute haben entweder eine zu kurze Erfahrung, haben schon vergessen oder wollen einfach nicht einsehen, dass sich Preise auch nach unten entwickeln können. Eine typische Eigenschaft des Menschen ist ein allzu großer Optimismus. Ich denke, viele erfolgreiche Anleger schaffen es entweder durch Zahlen, objektiv zu bleiben – so wie wir das machen –, oder es gelingt ihnen wie meinem alten Freund, aus anderen Gründen irgendwie objektiv zu bleiben. Wie er es macht, weiß ich nicht genau, aber er schafft es. Im Endeffekt geht es darum, die Zukunft vorherzusagen. Und wenn man dabei immer ein bisschen zu optimistisch ist, dann wird sich das in den schlechten Phasen rächen. Ich denke, das ist eine sehr wichtige Eigenschaft.
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Heißtdas,SiegehöreneherzudemTypusAnleger,derversucht,vorrangigdiegroßen RückschlägeundRisikenzumeiden,undandenAufwärtsmärktenohnehinirgendwie partizipiert?
So ungefähr. Ich würde es differenzieren. Es ist eine Utopie zu glauben, dass man alle Downsiderisiken eliminieren und die guten Eigenschaften des Marktes behalten kann. Ganz so einfach ist es nicht. Aber wenn einem im Voraus bewusst ist, dass der Markt ab und zu auch mal nach unten geht, muss man sich darauf vorbereiten. Man sollte möglichst die Zeichen erkennen, die einem eine schlechte Entwicklung der Märkte aufzeigen. Natürlich tritt diese Entwicklung genau dann ein, wenn der Markt eine sehr gute Phase durchlaufen hat und die Marktteilnehmer davon ausgehen, dass es so weitergeht. Dass die Zukunft anders aussieht, können sich in diesem Moment nicht viele Leute vorstellen. WarumkönnensichdassowenigeLeutevorstellen?
Es ist wieder mal eine menschliche Eigenschaft. Menschen benutzen beim Erstellen von Prognosen eine sehr einfache Methode, nämlich die Extrapolation. Die letzte Entwicklung wird einfach in die Zukunft fortgeschrieben. Warum das? Weil das meistens ganz o.k. ist und gut funktioniert. Allerdings funktioniert es nicht immer. Aber wenn man die Schwäche dieser Prognosemethode kennt und entsprechende Erfahrungen gesammelt hat, dann versteht man einerseits, warum das Ende häufig schon ziemlich nahe ist, obwohl die Aussichten gerade sehr rosig sind, und andererseits, warum der Frühling bald wieder zurückkehrt, obwohl doch alles so schwarz erscheint. Wenn man das ein paarmal miterlebt hat, entwickelt man ein gewisses Vorstellungsvermögen und kann sich darauf vorbereiten. Wie kam es, dass Sie ein „Quant“ geworden sind, sich also für eine quantitative Herangehensweise entschieden haben, um an den globalen Finanzmärkten zu bestehen?
Als ich Mitte 2003 zur SEB wechselte, wurde mir nach ein paar Monaten angeboten, das globale Aktienteam der SEB Asset Management zu übernehmen. Das war ein Team von zehn Leuten. Ich sagte dann zu meinem Chef Peder Hasslev, der mich ursprünglich zur SEB gelockt hatte und gleichzeitig ein guter Freund von mir ist: „Peder, du weißt doch, ich habe keine Erfahrung von Asset-Management. Ich bin zehn Jahre lang nur ein Ratgeber gewesen, und jetzt bin ich erst ein paar Monate hier und du fragst mich, ob ich ein Anlegerteam übernehmen möchte.“ Aber die Lage war die, dass das alte Team einen sehr schlechten Track Record hingelegt hatte, und er meinte nur: „Es kann nicht schlimmer werden. Also bitte schön, ich vertraue dir. Mach einfach, was du machen musst und dann ist das schon o.k!“ In meiner alten Rolle als Aktienanalyst war ich zu 90 Prozent fundamental und traditionell orientiert. Bei der SEB musste ich dann einsehen, dass sich das bisherige Team mit diesem fundamentalen Ansatz global nicht behaupten konnte. Warum? Angenommen wir überlegen uns, ob wir Aktien der Deutschen Bank kaufen wollen. Dann müssen wir uns folgende Fragen stellen: Was wissen wir, was die anderen globalen Aktien- oder Portfoliomanager nicht
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wissen? Was wissen wir, was die anderen europäischen Portfoliomanager nicht wissen. Was wissen wir, was die anderen deutschen Portfoliomanager nicht wissen? Was wissen wir, was die anderen Bankportfolio-Asset-Manager nicht wissen oder was die Trader bei den Investmentbanken Seite nicht wissen? Folglich sahen wir relativ schnell ein, dass wir selbst mit zehn Leuten die ganze Welt auf diese Art und Weise nicht bewachen und analysieren konnten. Mit einem schlechteren Fokus die Konkurrenten zu schlagen hätte wahrscheinlich nicht geklappt. Also mussten wir es anders probieren und neue Wege gehen. Wir haben uns dann gefragt, ob wir die ganze Welt entziffern, umfassen und umfangen können. Das trauten wir uns zu, denn mit Datenanalyse kann man schon ziemlich viel erreichen. Damit änderte sich aber auch unsere Zielsetzung: Statt mit jeder einzelnen konzentrierten Position recht haben zu müssen, versuchten wir, mit deutlich mehr Werten im Durchschnitt die richtigen Investitionen einzugehen. Es war also nicht mehr unser Ziel, spezifische Firmenwerte zu beurteilen, sondern Eigenschaften von Firmen. Diese Eigenschaften haben wir durch Zahlen beurteilen können, und so gelangten wir schließlich vom fundamental traditionellen auf den quantitativen Pfad. Als sich dann der Erfolg einstellte, fragten wir uns, ob wir nach dem StockpickingModell vielleicht auch ein Asset-Allokation-Modell mit quantitativem Ansatz entwickeln können. So kamen wir dazu, uns quantitativ mit Asset-Allokation zu beschäftigen. Das ist das Schöne am quantitativen Ansatz, man kann seine Ideen in der Historie testen. Es muss nicht alles zu 100 Prozent auf Erfahrung basieren in der Hoffnung, dass die Erfahrung groß genug war und man möglichst alles Wichtige im Gedächtnis behalten hat. Das ist eben der große Vorteil. Mit Backtests lassen sich gewisse Zusammenhänge identifizieren. Teilweise entpuppen sich diese auch als Zufall. Aber wenn man etwas Erfahrung mit Backtests sammelt, dann lassen sich durchaus einige Erkenntnisse gewinnen, die systematisch und nicht nur durch den Zufall entstanden sind. Würden Sie so weit gehen und sagen, dass eine rein quantitative modellbasierte Herangehensweise an die Finanzmärkte erfolgversprechender ist als eine traditionelle fundamentalorientierteEntscheidungsfindung?
Grundsätzlich würde ich nicht sagen, dass Quantitativ besser ist als Traditionell. Ich denke, dass man auch mit traditionellem Ansatz gewisse Überschussrenditen erzielen kann. Es kommt immer auf die Person an, die diese Entscheidungen trifft. Es gibt etliche quantitative Fondsmanager, die gut sind. Es gibt aber auch welche, die nicht so erfolgreich gewesen sind. Im traditionellen Bereich gibt es ebenfalls gute und schlechte Fondsmanager. Auf den Ansatz kommt es wahrscheinlich weniger an als auf die handelnden Personen. Ein Beispiel: Wer sind die besten Anleger der Welt? Für mich gibt es zwei Personen. Einmal Warren Buffet, der sich natürlich die Zahlen ansieht, aber er schaut sich auch vor allem das Management der Firmen an, die Branche und vieles mehr. Er ist für mich der ultimative traditionelle Anleger. Der andere Portfoliomanager, den ich für genauso gut halte oder vielleicht noch besser – das kommt darauf an, über welche Periode man die Ergebnisse misst –, ist Jim Simons, und der ist total quantitativ! Das sind zwei völlig unterschiedliche Ansätze, und beide sind supererfolgreich. Ich denke, das hängt mit der Person zusammen und nicht mit dem Ansatz. Man kann gut oder schlecht in beiden Disziplinen sein.
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James Simons James „Jim“ Harris Simons (* 1938 in Newton, Massachusetts) ist ein US-amerikanischer Mathematiker, Milliardär und Hedgefonds-Manager. Simons studierte am MIT (Bachelor 1958) und wurde 1962 an der University of California, Berkeley bei Bertram Kostant promoviert (On the transitivity of holonomy systems). 1961 bis 1964 unterrichtete er an der Harvard University und war dann bis 1968 Wissenschaftler bei der Communications Research Division des Institute for Defense Analyses (IDA), für die er Codes während des Vietnamkrieges knackte. 1968 wurde er Chairman des Mathematik Departments der State University of New York at Stony Brook, wohin er u. a. James Ax holte. Simons ist für seine Arbeit über Minimalflächen und für die Chern-Simons-Formen bekannt, die er mit Shiing-Shen Chern 1974 einführte und die Anwendungen z. B. in der Stringtheorie, Knotentheorie und topologischen Quantenfeldtheorie haben (ChernSimons-Theorie). 1976 gewann er den Oswald-Veblen-Preis in Geometrie der American Mathematical Society. 1978 wandte er sich von der Mathematik ab und ging in die Finanzindustrie, in der er eine Vorreiterrolle in der Anwendung fortgeschrittener mathematischer Methoden hatte und hat. 1982 gründete er Renaissance Technologies Operations, einen Hedgefonds in New York, mit ihrem Flaggschiff Medaillon Fund, in der er auch eine Gesellschaft von James Ax 1988 verschmolz, und dessen Vorsitzender er nach wie vor ist. Er gehört über die Jahre zu den erfolgreichsten Hedgefonds mit einem Vermögen von zeitweise über 10 Milliarden Dollar. 2005 gründete er für institutionelle Investoren Renaissance Institutional Equity Fund. 2006 wurde Simons von Forbes Magazine als Nr. 57 in der Liste der reichsten US-Amerikaner geführt. 2006 war er Finanzingenieur des Jahres der IAFE (International Association of Financial Engineers).
Quelle: „James Simons“ in: Wikipedia, 31. Juli 2009 Auf welche fachlichen wie auch persönlichen Fähigkeiten achten Sie, wenn Sie Mitarbeitereinstellen?
Ich suche nach drei Eigenschaften: Die erste Eigenschaft ist „Attitude“. Das heißt, ich stelle nur Personen ein, die willig sind, hart zu arbeiten, denn faule Leute verdienen nicht das Extra-Geld. Potenzielle Mitarbeiter sollten ein großes Interesse für unser Aufgabengebiet mitbringen, das sich bei uns sehr umfassend gestaltet. Für uns ist einerseits wichtig, Erfahrung am Aktienmarkt, am Rentenmarkt und den anderen verschiedenen Kapitalmärkten zu haben und andererseits über ein gewisses Modellinteresse zu verfügen. Damit meine ich ein gewisses theoretisches Interesse, die Wirklichkeit mit einem Modell abbilden zu wollen, und darüber hinaus natürlich ein gewisses Interesse für Programmieren. Denn
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ohne Programmieren läuft es in unserem Geschäft nicht. Glücklicherweise mögen sich viele Leute nicht mit dem Programmieren beschäftigen, denn das kann ab und zu ziemlich frustrierend sein. Je weniger Leute sich damit auseinandersetzen, umso größer sind die Chancen, einen Unterschied herstellen zu können, sprich ein bisschen besser zu sein. Aber das Wichtigste ist, eine Passion für Finanzmärkte zu haben, ob das jetzt quantitativ ist oder traditionell oder fundamental oder was auch immer. Die Passion muss einfach da sein! Die zweite Eigenschaft ist die Gabe, Erkenntnisse aus Ziffern gewinnen zu können, also eine gewisse analytische Kompetenz. Ohne die läuft es im Kapitalmarkt überhaupt nicht. Man muss schon mit Ziffern umgehen können, um daraus gewisse Dinge lesen und verstehen zu können. Das ist sehr wichtig. Bei der ersten und zweiten Eigenschaft scheiden bereits ziemlich viele Leute aus. Und die dritte Eigenschaft ist ein bestimmtes Maß an sozialer Kompetenz. Warum ist die soziale Kompetenz wichtig? Wir sind in unserem Team fünf Leute. Im alten Team mit zehn Leuten waren die Arbeitseinteilung und die Zusammenarbeit nicht so optimal. Es gab zu viele Fondsmanager und zu wenig Analysten. Leider hat das dazu geführt, dass Investitionsentscheidungen auf Basis von Gefühlen gemacht wurden, statt aufgrund einsichtsvoller Analysen. Als ich Teamleiter wurde, musste ich das alte Team umstrukturieren und die Arbeitsweise und Arbeitsteilung grundlegend verändern. Ich sagte, dass ich alle großen Entscheidungen treffe, die das Modell angehen, zum Beispiel, welche Faktoren im Modell berücksichtigt werden, welche nicht berücksichtigt werden, also alles, was auf die Positionierung einwirken kann. Das heißt aber, dass alle zusammen versuchen müssen, das gemeinsame Ziel zu erreichen. Statt mit zehn Leuten zu arbeiten, von denen fünf in verschiedene Richtungen laufen und nicht zusammenarbeiten, haben wir ein Team mit fünf Leuten gebildet, mit dem wir viel mehr erreichen und bessere Resultate erzielen, als es vorher der Fall war. Die soziale Kompetenz ist wichtig, um überhaupt zusammenarbeiten zu können. Außerdem muss man natürlich auch zusehen, wie man an gute Informationen herankommt. Wenn man beispielsweise im fundamentalen Umfeld als traditioneller Stockpicker arbeitet und mit verschiedenen Unternehmensmanagern zusammentrifft, sollte man soziale Kompetenz haben, um eine gute Konversation führen zu können. Es geht schließlich darum, in dieser Konversation gute Informationen zu erhalten, keine Insider-Informationen, aber solche, die in der Analyse behilflich sein können, um die richtige Entscheidung zu treffen. Für mich als ehemaliger Aktienanalyst war das eine wichtige Eigenschaft. Wenn ein Unternehmensmanager auf die Frage eines Analysten antwortet, dann kann ein guter Analyst schon an den Nuancen hören und erkennen, ob es in dem Unternehmen eher gut oder eher schlechter aussieht. Die Körpersprache zu interpretieren, kann eine sehr wichtige Information sein. Ein letzter Punkt, warum soziale Kompetenz wichtig ist: Man kann noch so gut sein, aber wenn man nicht erklären kann, was man macht, wie man es macht und warum man es so macht, dann kann man auch keine Kunden gewinnen. Das gilt auf der Sell-Side wie auf der Buy-Side. Auf diese drei wichtigen Eigenschaften achte ich. Um letztlich dauerhaft Überschussrenditen zu erzielen, muss man natürlich Erfahrungen sammeln. Die meisten Anleger sammeln Erfahrung, indem sie selbst ins Marktgeschehen involviert sind. Daneben gibt es aber auch ein paar Anleger, die sich eingestehen, dass sie nicht alles wissen können, aber so viel wie möglich lernen wollen. Solche Leute suchen sich ein paar Bücher, die ihnen etwas über Geschichte erzählen und aus denen sie neue Einsichten gewinnen können. Diese Leute
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sind vielleicht nicht bei den tiefen Konjunkturflauten dabei gewesen, aber sie haben Bücher darüber gelesen und können sich vorstellen, wie es gewesen sein könnte. Auch so lassen sich Erfahrungen sammeln, Erfahrungen einsehen, und letztlich gilt es dann, diese Muster zu erkennen, sobald sie auftauchen. Das Interesse für Geschichte und vor allem die „Attitude“ (ich werde nie alles wissen, das heißt, ich muss immer wieder was Neues dazu lernen) ist superwichtig! Wie würden Sie einem Anleger den Investmentansatz Ihrer AssetSelectionStrategie beschreiben?
Im Prinzip benutzen wir nur Ziffern und Zahlen, um herauszufinden, ob wir auf eine steigende oder fallende Marktphase setzen sollen. Und wenn ich jetzt Marktphase sage, dann kann das im Aktienmarkt, im Rentenmarkt, im Rohstoffmarkt oder auch im Währungsmarkt sein. Wir versuchen, durch verschiedene Indikatoren oder Faktoren, wie wir sie nennen, die Wahrscheinlichkeit herauszufinden, ob sich zum Beispiel der Aktienmarkt in den nächsten vier bis zwölf Wochen nach oben oder nach unten entwickelt. Das heißt, wir haben einen ziemlich kurzen Anlagehorizont. Welche Faktoren können uns dabei behilflich sein? Es können fundamentale Faktoren sein, wie Bewertung oder Gewinnzuwächse. Es können markttechnische Faktoren sein, wie Momentum und Reversals oder Trend und Antitrend. Und es können Faktoren aus dem Bereich der Behavioral Finance sein, wie die Positionierung der Investoren im Allgemeinen, Flows oder Marktsentiment. Mit vielen dieser Faktoren versuchen wir herauszufinden, welche Richtung ein Markt einschlagen wird. Es ist natürlich sehr wichtig, dass man jede Idee, aus der ein neuer Modellfaktor entspringt, erst einmal testet, bevor man ihn mit Geld bestückt. Deshalb testen wir diese Ideen im historischen Raum und gehen dabei meistens bis 1990 zurück, um zu sehen, ob sie wenigstens in der Historie Überschussrenditen erzielt hätten. Und wenn das der Fall ist, können wir uns durchaus denken, dass daraus auch in der Zukunft Überschussrenditen entstehen. Im Endeffekt gilt es, so viele Faktoren wie möglich herauszufinden, die uns in der Prognose behilflich sein können. Siesagten,dieIdeefürIhrModellseiaufeinerZugfahrtentstanden?Wiekamesdazu?
Ich war mit meinem Team auf einer Konferenzreise. Wir hatten uns zum Skifahren in Åre entschlossen, das ist ein Skiort in Nordschweden. Die Zugfahrt von Stockholm nach Åre dauert etwa sieben Stunden. Als wir in den Zug einstiegen, hatten wir noch keine Ahnung davon, dass wir mit einem neuen Produkt aus dem Zug aussteigen würden. Ziel der Konferenzreise war es lediglich, mal aus dem Büro zu kommen, um einfach frei nachdenken zu können. Wir wollten nicht nur Ski fahren, sondern wir wollten auch neue Einsichten gewinnen, und deshalb haben wir uns zwei einfache Fragen gestellt. Fragen zu stellen ist ohnehin eine supergute Art und Weise, Neues zu lernen. Die erste Frage lautete: „Wie sieht der ultimative Fonds aus?“ Natürlich war das eine Fantasieaufgabe. Wir glaubten nicht unbedingt, eine Antwort auf die Frage zu finden. Die zweite Frage klang noch einfacher: „Was ist wichtig, wenn man Geld anlegt?“ Um mit der zweiten Frage zu beginnen,
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das Wichtigste beim Geldanlegen ist, einzusehen, dass es zwei verschiedene Arten von Investitionsentscheidungen gibt: Zum einen die Asset-Allokation zwischen den verschiedenen Asset-Klassen und zum Zweiten die Wertpapierwahl, also die Entscheidung, zwischen Aktie A oder Aktie B auszuwählen oder zwischen Anleihe A oder Anleihe B. Man kann feststellen, dass ungefähr 80 bis 95 Prozent der Endrendite eines jeden Portfolios auf die Asset-Allokation-Entscheidungen zurückzuführen sind und nur fünf bis 20 Prozent auf die gesamte Wertpapierwahl. Für uns war das insofern eine wichtige und gleichzeitig witzige Einsicht, dass im traditionellen Fondsmarkt prinzipiell niemand einen Fonds hat, der sich auf Allokationsentscheidungen spezialisierte. 99 Prozent der Fonds konzentrierten sich auf die Wertpapierwahl und versuchten, relative Renditen zu erwirtschaften, das heißt einen Vergleichsindex zu schlagen. Für den Endkunden ist es aber nicht unbedingt sinnvoll, einen Vergleichsindex zu schlagen. In 2008 hat ein guter Fondsmanager den Vergleichsindex, zum Beispiel den DAX, um fünf Prozentpunkte geschlagen. Das heißt, der Fonds ist nicht um 42 Prozent gefallen, sondern nur um 37 Prozent. Es geht aber nicht darum, reicher zu werden als der Nachbar, denn beide wären in diesem Jahr arm geworden. Der eine mehr, der andere weniger. Davon wird keiner happy. Im Endeffekt möchten alle Investoren, große wie kleine, private wie institutionelle, absolute Returns haben. Absolute Returns heißt nicht, in jeder Phase positive Renditen zu erzielen, sondern es geht darum, zu einem späteren Zeitpunkt mehr Geld zu haben als heute. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Allokationsentscheidungen eben die wichtigen Entscheidungen. Wir haben uns anschließend überlegt, wie der ultimative Fonds aussehen könnte. Als Ergebnis haben wir eine Mischform aus Hedgefonds und „normalen“ Investmentfonds geschaffen. Aus dem Hedgefonds-Bereich haben wir drei Eigenschaften übernommen: Unser Ziel ist es erstens, morgen mehr Geld zu haben als heute. Das ist die Interpretation von Absolute Return, wie wir sie verstehen. Wir möchten zweitens die Möglichkeit haben, nicht nur mit Long-Positionen auf steigende Märkte, sondern auch mit Short-Positionen auf fallende Märkte zu setzen. Und drittens war es unser Ziel, ein möglichst hohes „Alignment of Interests“ zu erreichen. Das heißt, wir haben uns für eine niedrigere fixe Gebühr von 1,1 Prozent und eine erfolgsabhängige Gebühr von 20 Prozent über dem risikolosen Zins entschieden. Neben dem Hedgefonds-Bereich haben wir auch drei Eigenschaften aus dem traditionellen Investmentfonds-Bereich ausgewählt: Zum einen die tägliche Bewertung, was bei Hedgefonds unüblich ist. Zum Zweiten die Möglichkeit, den Fonds täglich zu kaufen und zu verkaufen. Auch das haben wir in 2008 erlebt: Die Liquidität war bei vielen Hedgefonds nicht gegeben, sondern es konnte teilweise nicht einmal eine monatliche Liquidität geschaffen werden, was vielen Anlegern Probleme bereitete. Und zum Dritten haben wir es immer für gut erachtet, ein Gesetz zu haben, an dem sich der Portfoliomanager orientieren muss. Wir haben uns für das UCITS-III-Gesetz entschieden. Aus meiner Sicht ist das ein phänomenales Gesetz und sehr durchdacht. Damit darf der Fonds nun auch in Europa, Asien und Lateinamerika vertrieben werden. Als wir aus dem Zug ausstiegen, hatten wir ein Produkt erfunden, das wir nirgendwo anders finden konnten. Und wir sagten uns: „Wenn wir an dieses Produkt glauben und die Eigenschaften gut finden, dann finden andere es bestimmt auch gut. Und wenn es dieses Produkt nirgends gibt, müssen wir es selber auf die Beine stellen“, was wir eineinhalb Jahre später, das heißt im Oktober 2006, auch taten. Die Zugfahrt hat sich also auf jeden Fall gelohnt.
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UCITS / OGAW OGAW ist die Abkürzung für „Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren" englisch: UCITS - Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities. Die OGAW-Richtlinie (Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) - 85/611/EWG) definiert die speziellen Anforderungen an Fonds und ihre Verwaltungsgesellschaften. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die Regelung der zulässigen Vermögensgegenstände, in die ein OGAW investieren darf (englisch: eligible assets). Detaillierte Vorschriften zu diesem Thema sind in der Durchführungsrichtlinie 2007/16/EG der EU-Kommission enthalten. OGAW unterliegen der Zulassungspflicht und werden von der Finanzaufsicht (in Deutschland von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin) überwacht. Die OGAW-Richtlinie schreibt ferner eine Reihe von Pflichtinformationen für Anleger vor. Hierzu gehören der ausführliche und der vereinfachte Verkaufsprospekt sowie die Jahres- und Halbjahresberichte. Auf diese Weise sollen einheitliche Standards beim Anlegerschutz gewährleistet und das grenzüberschreitende Angebot von Investmentfonds erleichtert werden. OGAW profitieren vom „Europa-Pass", der es ihnen gestattet, vorbehaltlich einer Anzeige in allen EWR-Staaten (EU plus Norwegen, Liechtenstein und Island) öffentlich angeboten zu werden, sofern sie über eine Zulassung in ihrem Herkunftsland verfügen.
Quelle: „OGAW-Richtlinie“ in: Wikipedia, 10. April 2009 Welche Anlageklassen berücksichtigen Sie, beziehungsweise in was dürfen Sie anle gen?
Unser Portfolio ist ständig in Schatzbriefen, also in kurzfristigen Staatsanleihen, investiert. Über dieses Basisportfolio legen wir Future-Kontrakte, um in den unterschiedlichsten Märkten Geld zu verdienen. Wir beschränken uns dabei ausschließlich auf liquide Anlageklassen wie Aktien, Renten, Währungen und Rohstoffe. Die übrigen Asset-Klassen wie Immobilien, Private Equity, Kunst oder was auch immer sind nicht liquide und bleiben deshalb unberücksichtigt. In diesen liquiden Asset-Klassen verwenden wir nur liquide Instrumente. Sie merken schon, der Fokus ist ganz klar auf Liquidität gerichtet. Warum? Wir haben im Jahr 2005 eine Studie durchgeführt und uns die besten, aber auch die schlechtesten Hedgefonds der Welt angeschaut. Unter die Rubrik „schlechteste Hedgefonds“ fallen im Prinzip alle, die pleitegegangen sind. Wir haben anfangs gedacht, dass wir sehr viel von den Besten lernen würden. Im Endeffekt haben wir aber nicht so viel gelernt, weil sie ihr Know-how eben nicht verraten. Von den Schlechtesten haben wir hingegen eine ganze Menge gelernt. Das Management konnte uns zwar nichts mehr erzählen, weil die Fonds bereits pleite waren. Aber es gibt Leute, die über diese Pleiten berichtet haben, Journalisten und Buchautoren. Damit kommen wir auf den Punkt „stetiges Lernen“
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zurück: Wir haben uns in der Folgezeit auf das Lernen von den schlechtesten Hedgefonds konzentriert und entdeckt, dass Hedgefonds nicht nur wegen Risikokonzentration pleitegegangen sind. Viele glauben, dass sie lediglich wegen eines allzu großen Hebels scheitern. Ein zu großer Hebel trägt sicherlich dazu bei, ist aber nicht der Hauptgrund für das Scheitern der Hedgefonds gewesen. Der wichtigste Grund von allen ist die Investition in illiquide Instrumente. Das Problem besteht darin, dass sie illiquide Positionen nicht wunschgemäß reduzieren können, wenn es der Markt nicht zulässt, und deshalb gehen sie letztendlich pleite. Das gilt auch für Long-Term Capital Management (LTCM). Der Fonds hatte ziemlich schnell 50 Prozent seines Werts verloren. Hätten die Fondsmanager in liquide Instrumente investiert, wäre am Ende immer noch das halbe Fondsvermögen übrig geblieben. Das wurde nicht gemacht. Folglich mussten sie warten, bis der Markt den Abbau der Positionen zuließ. Natürlich passierte, was passieren musste. Alle anderen Marktteilnehmer, wie Hedgefonds und Trading Desks bei den Investmentbanken, hatten entdeckt, dass LTCM in einer sehr heiklen Lage war. Deshalb versuchten sie, das genaue Gegenteil von dem zu machen, was LTCM geholfen hätte. Das ist im Prinzip einfach: Als informierter Marktteilnehmer wissen Sie, dass ein Hedgefonds wie LTCM seine Position letztendlich reduzieren muss, was zu einer großen Marktbewegung führen würde. Deshalb shorten Sie alle Marktsegmente, in denen LTCM Long-Positionen hat, und Sie gehen in jenen Segmenten long, in denen LTCM short ist. Im Prinzip ist das ein nahezu risikofreies Geschäft, was die Lage für einen schief liegenden Hedgefonds noch weiter verschlimmert. Wenn große Investoren im Kapitalmarkt Probleme bekommen, dann werden sich diese Probleme verdoppeln, weil es andere Marktteilnehmer bemerken und daraus Geld schlagen können.
Long-Term Capital Management (LTCM) LTCM war ein Projekt, hinter dem viele Persönlichkeiten der Finanzwirtschaft standen. Angeführt von dem renommierten Bond-Trader der Wall Street, John W. Meriwether, gelang es diesem, einige seiner früheren Mitarbeiter bei Salomon Brothers von LTCM zu begeistern. So wurden Eric Rosenfeld, Victor Haghani, Greg Hawkins und James McEnte Gründungsmitglieder von LTCM. Ebenfalls unter den Mitgründern waren Robert C. Merton und Myron Scholes, welche für ihre Theorien zur Optionspreisbestimmung später den Nobelpreis erhalten würden. Ein besonderer Clou gelang Meriwether, indem er David W. Mullins Jr., Vice Chairman des Federal Reserves Boards, als Partner bei LTCM einband. Der Fonds startete mit einem Vermögen von 1,25 Milliarden USDollar und soll zu seiner Blütezeit über 130 Milliarden US-Dollar gehabt und 120 Prozent des Fondsvermögens als Fremdkapital geliehen haben. Außerdem sollen sie über ein Derivateportfolio verfügt haben, das buchmäßig dem gesamten Staatshaushalt der Vereinigten Staaten von Amerika entsprach. Auf Grund der Mindestanlage von 10 Millionen US-Dollar und einer Mindestanlagedauer von drei Jahren gehörten vorwiegend die größten Banken der Welt zum Klientel von LTCM. So konnte der Hedgefonds in den Jahren 1994, 1995 und 1996 eine Jahresrendite von rund 35 Prozent vorweisen. Nach
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immerhin noch stattlichen 17 Prozent im Jahr der Asienkrise 1997 kam das Fiasko 1998, als der Fonds von Jahresbeginn an über 90 Prozenz seines Wertes einbüßte. Verlgeicht man die Verluste der Geschäfte von LTCM vom Januar 1998 bis zu ihrer Rettung, kommt man zu einem interessanten Ergebnis: Q
Russland und andere Emerging Markets: 430 Mio. US-Dollar
Q
Directional Trades in entwickelten Ländern: 371 Mio. US-Dollar
Q
Pair Trades: 286 Mio. US-Dollar
Q
Zinskurven-Arbitrage: 215 Mio. US-Dollar
Q
S&P 500-Aktien: 203 Mio. US-Dollar
Q
High Yield Arbitrage: 100 Mio. US-Dollar
Q
Merger Arbitrage: ungefähr gleich
Q
Swaps 1,6 Mrd. US-Dollar
Q
Aktien-Volatilität: 1,3 Mrd. US-Dollar
Die Verluste in den ersten sieben Kategorien addieren sich bereits zu einem katastrophalen Verlust von 1,6 Mrd. US-Dollar. Trotzdem hätte LTCM diese Verluste ertragen können. Das meiste Geld wurde durch Geschäfte mit Swaps und Aktienpositionen, die auf starke Schwankungsbreiten setzen, vernichtet. LTCM wurde in diesen Märkten so groß, dass sie die Effizienz dieser Märkte, auf die sie sich verließen, selbst beeinflussten. In diesen beiden Kategorien hebelte LTCM außerdem ihre Position mit dem 30-fachen Eigenkapital als Fremdkapital. So verließ sich das Management von LTCM in einem illiquiden und fremdfinanzierten Markt auf die Kapitalmarkteffizienz und vergaß dabei das politische Risiko. Ausschlaggebend für den Fall von LTCM waren die auf die Russland-Krise (Moratorium auf deren Rubel-Schulden) folgenden Panikreaktionen an den Wertpapiermärkten und die darauffolgende Illiquidität im Emerging-Markets-Bereich. Dies war so problematisch für LTCM, dass, um Margin Calls einiger Positionen bedienen zu können, andere Positionen mit starken Abschlägen aufgelöst werden mussten. Im Normalfall wären diese Verlust durch die Swaps kompensiert worden, aber am Ende dieser Finanzkontrakte standen jeweils russische Banken, welche die Swaps nicht mehr bedienten und dadurch LTCM der Hedge wegbrach. Gerettet wurde LTCM durch das Einschießen von 3,5 Milliarden US-Dollar durch 14 der Gläubigerbanken. Die New Yorker Fed unter der Leitung von Bill McDonough hatte sich für diese Rettungsaktion stark gemacht, um eine Katastrophe bei den involvierten Gegenparteien des Fonds zu vermeiden, die durch dessen Auflösung hätte eintreten können. Dieses Geld wurde bereits ein Jahr später fast vollständig an die Gläubiger zurückbezahlt, und LTCM wurde im Dezember 1999 liquidiert. Quelle: Kaiser, Dieter G. (2004), S. 63 f.
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KönntenSieskizzenhaftdieFunktionsweiseIhresModellserläutern?
Es geht im Prinzip darum, kurzfristige Schwankungen in den verschiedenen Märkten vorherzusagen. Wir haben mit unserem Fonds eine positive Korrelation zu einer bestimmten Kategorie im Hedgefonds-Bereich, den Managed Futures und CTAs (Commodity Trading Advisor). Was machen Managed Futures und CTAs? Sie versuchen im Prinzip, Informationen aus dem Markt zu ziehen, die auf kurzfristige Schwankungen hindeuten. Das können Schwankungen entweder in Form eines Trends oder in Form eines Reversals sein. Im Nachhinein ist es immer einfach, einen Trend zu identifizieren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiß man aber nicht genau, in welche Richtung sich der Markt entwickelt. So einfach, wie es im Nachhinein ausschaut, ist es im Moment der Entscheidung nicht. Das sind die Aufgaben, die wir versuchen zu lösen, indem wir uns markttechnische Faktoren, Faktoren aus der Behavioral Finance und teilweise natürlich auch fundamentale Faktoren systematisch anschauen. Letztendlich geht es darum, viele kleine Entscheidungen zu treffen, um hoffentlich im Durchschnitt mehr recht als unrecht zu haben und dadurch das entsprechende Geld zu verdienen. Wir wollen nicht zu gierig sein und in unserer Strategie nicht alles auf eine Karte setzen. Damit wären vielleicht die Kunden und wir selbst temporär happy, aber ab und zu würde es auch mal schiefgehen. Die Kunden würden das als böse Überraschung auffassen und den Fonds verkaufen. Das ist nicht unser Ziel, sondern wir wollen genau das Gegenteil erreichen. Es gibt das Gesetz vom Active Return, das prinzipiell Folgendes besagt: Solange man denkt, mehr recht als unrecht zu haben, sollte man in so vielen verschiedenen Instrumenten wie möglich investieren, um die Schwankungen im Wert des Portfolios ausgleichen zu können. Natürlich ist da ein Trade-off! Je mehr Märkte man zu überwachen und zu analysieren versucht, umso schwieriger ist es, hohe Qualität zu gewährleisten. Für einen fundamentalen Anleger ist es wahrscheinlich relativ schwierig, sich vorzustellen, dass man wie wir in vier verschiedenen Anlageklassen tätig sein kann. Aber da wir alles mit Zahlen einfangen und analysieren können, ist es für uns etwas einfacher, ein breites Anlagespektrum abzudecken. Das hilft natürlich bei der Diversifikation, und es verhilft dem Fonds auch zu einer besseren längerfristigen Entwicklung. Verwenden Sie ein einziges Modell, oder sind es mehrere Modelle, deren Ergebnisse beiderPortfoliokonstruktionaggregiertwerden?
Wir haben nur ein Modell, denn es müssen alle Informationen und Faktoren integriert werden, um das Endresultat des gesamten Portfolios zu optimieren. Deshalb dürfen wir nur ein Modell haben. Aber wir haben etliche Faktoren, die für verschiedene Märkte und Instrumente unterschiedlich aussehen können. Wir versuchen nicht, jeden Markt mit einem Faktor vorherzusagen, sondern wir passen das entsprechend an. Einige Faktoren beziehen sich zum Beispiel nur auf den Währungsblock, ohne direkten Einfluss auf andere Anlageklassen zu haben.
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Schaffen Sie es, in allen vier Anlageklassen zufriedenstellende Ergebnisse zu erwirtschaften,oderhabenSiegravierendeUnterschiedefestgestellt?
In unseren Backtests haben wir als Resultat herausgefunden, dass wir prinzipiell in allen Anlageklassen gleich hohe risikoadjustierte Renditen erwirtschaften können. Also die Sharpe Ratios in den vier Asset-Klassen sind grundsätzlich sehr ähnlich. Anfangs dachten wir nicht, dass das der Fall sein würde, sondern wir gingen davon aus, dass wir zum Beispiel im Rentenbereich, in dem Zentralbanken aktiv sind, etwas mehr Geld verdienen könnten als beispielsweise im Aktienmarkt oder im Währungsmarkt. Insofern sind für uns alle vier Anlageklassen gleich interessant. Dennoch fällt das Risikobudget bei Rohstoffen mit durchschnittlich zehn Prozent am gesamten Risikobudget etwas geringer aus. Die anderen drei Anlageklassen haben mit einem Anteil von 30 Prozent etwas größere Risikobudgets. Der Grund dafür ist, dass wir im Rohstoffbereich etwas eingeschränkt sind. Wir dürfen keine einzelnen Rohstoffterminkontrakte einsetzen, sondern nur breite Indizes oder Subindizes. NehmenSieüberIhrModellauchPositioneninsPortfolio,diezwardieDiversifikation verbessern,aberkeinepositiveRenditeerwartungmitsichbringen?
Wir haben diese Frage im Team diskutiert. Bisher haben wir uns aber immer dafür ausgesprochen, dass wir beides sehen wollen, Überschussrenditen und Diversifikation. Das gilt nicht nur für die vier Asset-Klassen. Jedes Instrument, das wir spielen, muss genau diese Eigenschaften erfüllen. Und jeder Faktor, den wir verwenden, muss diesen Anspruch gleichermaßen erfüllen. Wir beziehen keinen Faktor ins Modell ein, der nur eine bessere Diversifikation, aber keine Überschussrenditen mit sich bringt. Theoretisch könnte man das natürlich tun, aber wir sind in einem Geschäft, in dem wir Überschussrenditen für unsere Kunden erzielen sollen. Deshalb möchten wir lieber beides haben. Es gibt auch eine interessante menschliche Eigenschaft, die ganz gut zu dieser Frage passt: „Wenn ich möchte, dass du einen Meter hoch springst, dann trainierst du so lange, bis du einen Meter hoch springen kannst und bist damit zufrieden. Wenn ich aber verlange, dass du 1,5 Meter hoch springst, dann musst du dich zwar ranhalten, aber du wirst letztendlich auch 1,5 Meter schaffen.“ Natürlich kann man das jetzt nicht unendlich weiterführen und 2,5 Meter hoch springen wollen. Das geht nicht, irgendwo gibt es Grenzen. Aber der Mensch ist von Natur aus faul. Das muss man berücksichtigen und es bedeutet gleichzeitig, dass man auch eine höhere Ambition ansetzen muss, um bestimmte Fortschritte zu erzielen. Man muss sich nicht mit der erstbesten Investition zufriedengeben, sondern es kann durchaus noch bessere Investitionen geben. Wer suchet, der findet! Es gibt noch eine weitere Anekdote, die dazu passt: Schwedische Firmen hatten – historisch gesehen – vor einigen Jahren eine ziemlich gute Marktentwicklung. Warum war deren Entwicklung viel besser als zum Beispiel die der japanischen Firmen? Bei den schwedischen Unternehmen handelte es sich vielfach um multinationale Firmen mit Hauptsitz in Schweden. Dort war die Inflation vor ein paar Jahrzehnten ziemlich hoch. Für die Berechnung der fundamentalen Kennzahl Cost-of-Capital verwendeten die schwedischen Unternehmen die Kosten und Inflationsda-
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ten aus ihrem Heimatland Schweden. Durch die Inflation war die schwedische Cost-ofCapital höher als die internationale. Der höhere Wert dieser Zahl ließ folglich nur Investitionen zu, die eine entsprechend hohe Rendite erwarten ließen. Dadurch war der durch die schwedischen Unternehmen geschaffene Mehrwert am Ende des Tages viel größer als zum Beispiel in Japan. Dort war das Zinsniveau vergleichsweise niedrig, und nahezu jedes Investitionsobjekt oder Projekt, das sie analysierten, erfüllte die Investitionsbedingungen. Das beschreibt im Prinzip genau diesen Effekt. Wenn man weiter sucht und tiefer gräbt, findet man interessante Sachen. Aber man muss es eben auch machen. Man darf dieses Prinzip natürlich nicht zu hart vorantreiben, sonst fangen die Leute irgendwann an, andere Dinge zu tun, was längerfristig wiederum negativ zu sehen wäre. Wir halten fest: Der Mensch ist von Natur aus faul. Als gebürtiger Baden Württemberger würde ich diese Feststellung natürlich leugnen. Wie groß sind die PositionenineinemMarkt,dieSieeingehen,wiekonzentriertistIhrPortfolio?
Wir haben für jede Anlageklasse einen Maximalwert für das Netto-Exposure festgelegt. Hinzukommt, dass wir eine Anlageklasse nicht marktkapitalisierungsgewichtet abbilden, sondern unser Exposure lieber gleichmäßiger auf die selektierten Märkte verteilen. Da wir immer in einer Vielzahl verschiedener Marktsegmente investiert sind, kann eine einzelne Position auf Fondsebene nicht wirklich groß werden. Das entspricht genau unserer Herangehensweise. Wir wollen in vielen Märkten und vielen Instrumenten, in denen sich Überschussrenditen erzielen lassen, ein bisschen Geld verdienen und keine konzentrierte Position einnehmen. Für ein paar Jahre würde so etwas vielleicht funktionieren, aber auf einmal klappt es nicht mehr, und dann wäre die Geschichte des Fonds zu Ende. InwelchemRhythmuserhaltenSieModellsignale,undwieoftändertsichdadurchdie PortfolioZusammensetzung?
Täglich! Jeden Tag werden neue Informationen verarbeitet. Das heißt zwar nicht, dass das Portfolio morgen total anders ausschaut als heute, aber jeden Tag werden existierende Positionen irgendwie verändert, vergrößert oder verkleinert. Bei uns wird jeden Tag gehandelt. Wir setzen über ein Jahr gesehen ein Vielfaches unseres Derivateexposures um, was im Vergleich mit anderen Strategien ein ziemlich aktiver Ansatz ist. Warum ist das möglich? Es ist möglich, weil wir in liquiden Futures-Märkten aktiv sind. Dort sind die Spreads mit circa drei Basispunkten (0,03 Prozent) sehr gering. Deshalb ist es für uns viel wichtiger, auf der richtigen Seite zu sein – entweder long oder short, als die Transaktionskosten zu minimieren. Mit illiquiden Instrumenten wäre unser Ansatz überhaupt nicht durchführbar. Aber Dank unserer Aversion gegen Illiquidität können wir es uns auch leisten, sehr aktiv zu sein. Gibt es neben Ihrem Modell eine Art nachgelagertes Risikomanagement, das in Ihren Anlageprozesseingreifenkann?
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Das Risikomanagementsystem ist total integriert. An jedem Tag entsteht bei uns ein gewisser Umsatz durch das Risikomanagementsystem. Angenommen, unser Allokationsmodell geht mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit davon aus, dass ein Markt nach oben oder nach unten geht, und möchte folglich ein bestimmtes Marktrisiko eingehen. Sobald aber die Volatilität des Marktes ansteigt, muss die Position verkleinert werden, um das erwünschte Portfoliorisiko beibehalten zu können. Das gleiche Prinzip gilt auch in die andere Richtung. Wenn die Marktvolatilität nach unten geht, müssen die Positionen etwas angehoben werden, um genau das Risiko zu erhalten, welches das Modell haben möchte. Das Modell passt sich also der Marktlage an. Es kann aber auch passieren, dass das Modell eine größere Position eingehen möchte, obwohl die Volatilität steigt. Möglicherweise ergibt sich durch den Anstieg der Volatilität eine hohe Wahrscheinlichkeit, in bestimmten Märkten Extra-Renditen zu erzielen. Dann würden wir die Long- oder Short-Positionen entsprechend aufstocken. Letztendlich geht es darum, mehr Risiko auf sich zu nehmen, wenn die Renditechancen gut sind und weniger oder gar kein Risiko im Portfolio zu haben, wenn die Gewinnchancen nicht so groß sind. Das Modell verfügt über eine weitere Eigenschaft: Es reduziert grundsätzlich das Risiko, wenn wir mit einer Position anfangen, Geld zu verlieren. Zu Beginn einer neu aufgebauten Position ist das noch nicht weiter schlimm. Vergrößern sich aber die Verluste, geht das Modell davon aus, die falsche Richtung eingeschlagen zu haben. Die ursprüngliche Wahrscheinlichkeit, mit der das Modell einen Markt in eine bestimmte Richtung prognostizierte, lässt sich nicht aufrechterhalten, und dann müssen wir unsere Position verkleinern. Wenn die Prognose letztlich überhaupt nicht stimmen sollte, wird die Position eliminiert. Trotz Risikomanagements entstehen für den Fonds ab und zu auch Perioden mit einer negativen Renditeentwicklung. Kurseinbrüche von zehn Prozent innerhalb eines Jahres sind nichts Außergewöhnliches. Bisher hat der Fonds zwar einen größten Drawdown von nur acht bis neun Prozent gesehen, aber man sollte schon damit rechnen, dass der Fonds Kurseinbrüche von zehn bis 15 Prozent über zwölf Monate erleben kann. Es heißt nicht, dass man das Jahr mit solchen Zahlen beenden muss, aber dass der Fonds innerhalb eines Jahres Schwankungen in der Größe erleben kann. Sollte der Fonds anfangen, Geld zu verlieren, werden die Positionen automatisch gekürzt. Das Modell wartet dann auf neue Informationen, um neue Prognosen zu berechnen und neue Positionen zu nehmen. Das ist eben der Vorteil eines solchen Modells. Als Mensch hofft man natürlich immer, die richtige Prognose gemacht zu haben. Aber man kann natürlich auch falsch liegen und durch zu langes Festhalten an einer Position Geld verlieren. Auch wenn sich die eigene Prognose als richtig erweist, kann es sein, dass der Markt in der Zwischenzeit aus nicht nachvollziehbaren Gründen in die falsche Richtung gelaufen ist. Das kann ebenfalls teuer werden. Aber selbst wenn es für einen bereits zu teuer geworden ist, muss man dennoch in der Lage sein auszusteigen. Ein Modell bringt diese Disziplin mit sich, und die wird auch streng eingehalten. Wenn eine Position nicht gut läuft, fliegt sie raus, und man fängt wieder von vorne an. Heißt das, dass Sie jeder einzelnen Position ein Risikobudget zuweisen und sobald diesesBudgetaufgezehrtist,wirdsieautomatischverkauft?
Ich würde es nicht als Risikobudget betrachten. Es gibt verschiedene Methoden der Risikobegrenzung: Stop Loss und Trailing Stops und dergleichen mehr. Solche Methoden
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werden bei uns natürlich auch auf Instrumentenebene eingesetzt. Im Prinzip erfüllt das dann die Eigenschaft von Risikobudgets. Aber es kann auch nicht jeden Tag gut laufen. Die Schwierigkeit besteht darin abzuwägen, bis zu welchem „Punkt X“ ein Verlust noch akzeptabel ist und ab welchem „Punkt X“ nicht mehr. Die Kunst ist letztlich, das optimale X herauszufinden. GibtesSituationen,indenenSiesichvorbehalten,indasModelleinzugreifen?
Das machen wir durchaus, aber sehr sehr selten. In den letzten drei Jahren ist das nur einmal vorgekommen, nämlich Ende 2008. Damals war die Situation extrem. Das Modell hatte ziemlich große Long-Positionen im Renten- und im Währungsmarkt, mit denen wir bis Anfang Dezember auch viel Geld verdienen konnten. Aber inzwischen war im Kapitalmarkt eine immense Angst zu registrieren. Alle sind in die sicheren Häfen geflüchtet, nämlich Dollar und Staatsanleihen. Aktien und Rohstoffe dagegen wurden verkauft. Speziell am Rentenmarkt hatte sich eine gigantische Blase entwickelt. Man muss bedenken, dass zum Beispiel die Rendite für eine zehnjährige amerikanische Staatsanleihe im Jahre 1981 bei 15 Prozent lag. Ende 2008 lag sie nur noch bei zwei Prozent. Das ist ein ziemlich großer Unterschied. Im Jahr 1981 konnte man eher davon ausgehen, dass dem Rentenmarkt eine gute Entwicklung bevorsteht, weil fallende Renditen wahrscheinlich waren. Als im Dezember 2008 die Rendite bei zwei Prozent lag, war in unseren Augen das Risiko eines gigantischen Reversals sehr hoch. Dies hätte dazu geführt, dass wir die im Oktober/November erwirtschafteten Überschussrenditen verloren hätten. Deshalb haben wir selbst eingegriffen und das Risikolevel proportional reduziert. Wir wollten nicht selektiv bei verschiedenen Instrumenten oder Anleiheklassen eingreifen, sondern haben stattdessen das gesamte Exposure proportional in allen Instrumenten reduziert. Später hat sich das Modell dann genau so verhalten, wie wir uns das gewünscht haben, und von sich aus das Risiko reduziert. Aber wir waren eben etwas nervös und haben deshalb frühzeitig manuell adjustiert. Würden Sie sagen, Ihr Modell reagiert positiv auf „Finanzmarktstress“ und profitiert damittendenziellinPhasenhöhererVolatilität?
Ein klares „Ja“ zum ersten Teil der Frage! Die Volatilitäten in der Marktphase von Ende 2006 bis Mitte 2007 waren sehr niedrig. Wir haben von All-Time-Low-Volatilitäten gesprochen. Die Volatilität eines globalen Aktienfonds lag beispielsweise zwischen zehn und zwölf Prozent, und das ist sehr niedrig. Auch in dieser Phase haben wir gute Renditen generieren können. Allerdings waren die Resultate von September bis Dezember 2008 noch besser. Wir brauchen nicht unbedingt Volatilität, um Überschussrenditen zu erwirtschaften. Aber wenn die Volatilität ansteigt oder sehr hoch ist, dann gibt es, nicht immer, aber oft, noch mehr Möglichkeiten, Überschussrenditen zu heben (siehe Abbildung 9.1). Die Investitionsentscheidungen der anderen Investoren sind dann noch stärker emotional bedingt und daher irrational. Eine solche Situation kann das Modell erkennen und auch ausnutzen. Wenn man sich die Strategie des Modells längerfristig anschaut, dann ist sie prinzipiell positiv mit der Volatilität korreliert. In solchen Phasen ist sie mit dem Aktien-
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markt meistens negativ korreliert. Diese Eigenschaften sind natürlich für traditionelle Investoren von Interesse, da die Beimischung eines solchen Produkts ein Portfolio aus Aktien und Renten stabilisiert. Man muss diese Eigenschaften aber längerfristig betrachten, deshalb macht ein kurzfristiges Timing unserer Strategie auch keinen Sinn. Denn wir wollen ja keine Risikoprämien erwirtschaften, was die meisten versuchen, sondern unser Ziel ist es, Ineffizienzen in einer kurzen Perspektive auszunutzen. Abbildung 9.1
Strategie und Aktienmarktvolatilität seit Auflage des SEB Asset Selection Funds (EUR) Erläuterung: Der VSTOXX-Index misst die implizite 30-Tage-Volatilität des Dow Jones Euro Stoxx 50 Index und basiert auf den an der Eurex gehandelten Optionen auf den Dow Jones Euro Stoxx 50. (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
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SEBAssetSelectionFundEUR(linkeSkala)
VSTOXX(rechteSkala)
EntwickelnSieIhrModellständigweiter?
Zu diesem Punkt gibt es zwei Denkweisen. Die eine lautet: Wenn man den „Heiligen Gral“ schon gefunden hat, warum soll man das Modell dann noch verändern? Wir sind eher Anhänger der anderen Denkweise und glauben nicht, dass es irgendwo einen „Heiligen Gral“ gibt, sondern dass man weiterhin am Ball bleiben muss, um längerfristig Überschussrenditen zu erzielen. Man muss neue Faktoren suchen, neue Ineffizienzen identifi-
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zieren und diese ins Modell einbeziehen, um es zu optimieren. Wird man im Laufe der Zeit ein noch besseres Modell entwickeln können? Das ist die große Frage! Dabei spielen verschiedene Kräfte eine Rolle. Aber wenn man sein Research gut erledigt, dann wird das auch zu einem besseren Modell führen. Ich bin überzeugt davon, dass man vieles, wenn nicht sogar alles, verbessern kann. Wenn wir nicht dieser Auffassung wären, würden unsere Chancen wahrscheinlich ziemlich schlecht aussehen. Denn man muss damit rechnen, dass unsere Konkurrenten diese Ineffizienzen früher oder später auch identifizieren werden. Je mehr Marktteilnehmer das gleiche Spiel spielen, umso weniger bekommt jeder Teilnehmer von der Alphaquelle. Für uns heißt das nichts anderes als weniger Überschussrenditen. Also müssen wir mindestens genauso schnell laufen wie unsere Konkurrenten und gern noch etwas zügiger. Wir müssen neue Einsichten schneller gewinnen und sollten nicht dieselben potenziellen Fehler wie unsere Konkurrenten machen. Ist das auch der Hauptgrund dafür, die Details zu einem Modell Ihrer Art geheim zu halten?
Genau, das ist ein wichtiger Grund. Aber es gibt noch einen zweiten wichtigen Grund, den wir im Sommer 2007 erleben durften. Wir haben etliche Konkurrenten im quantitativen Bereich gesehen, die im Laufe des Monats August einen Wertverlust von 20 bis 25 Prozent hinnehmen mussten (siehe Abbildung9.2). Was war passiert? Sie hatten ein marktneutrales quantitatives Modell entwickelt, das in Long- und Short-Positionen im globalen Aktienuniversum investierte. Das Modellportfolio versahen sie mit einem fünf- bis siebenfachen Hebel, damit die Renditen auch ordentlich aussehen. Diese Modelle haben sie dann auch entsprechend „gut“ an ihre Consultants kommuniziert. Dadurch wussten aber auch die Konkurrenten, wie das Modell funktioniert, und haben es kopiert. Diese Strategien waren letztlich Bestandteil in vielen Multi-Strategy-Funds, die in 2007 von der SubprimeKrise den ersten Schlag abbekommen hatten. Durch diesen externen Faktor und durch den Anstieg der Volatilität waren sie gezwungen, Volatilität in ihren Zielfonds abzubauen. Volatilität reduzieren bedeutet auch für einen marktneutralen Fonds letztlich nichts anderes, als Positionen zu kürzen, sowohl die Longs als auch die Shorts. Alle mussten genau dasselbe zur gleichen Zeit machen. Und weil am Ende jeder mit dem gleichen Modell am Markt unterwegs war, hatte auch jeder die gleichen Aktien im Portfolio. Das heißt, es gab einen massiven Druck, die Long-Positionen zu verkaufen und die Short-Positionen zu kaufen, mit der Auswirkung, dass die Aktienkurse der Longs abstürzten und die Aktienkurse der Shorts nach oben schossen. Dann wurde den Leuten klar, dass sie zu viel Geld in dieser einen Strategie eingesetzt oder akzeptiert hatten. Bei dem Versuch, die schlechte Wertentwicklung zu vermeiden, entzogen Anleger diesen Strategien Kapital, sodass sich daraus prinzipiell ein gigantischer Schneeball entwickelte. Als die Investmentbanken dann ziemlich schnell erfuhren, dass diese quantitativen Manager Probleme hatten, beteiligten sie sich an dem Spiel. Die Trader der Investmentbanken verstärkten die Marktbewegungen in den betroffenen Aktien, sodass die Fonds gezwungen waren, noch mehr Positionen abzubauen. Höchstwahrscheinlich ist das so auch passiert. Natürlich kann ich dafür keine Beweise präsentieren, aber so funktioniert es im Kapitalmarkt. Ein Fondsanbieter hat dadurch letztlich 80 Prozent des Fondsvolumens verloren, zum Teil durch schlechte Perfor-
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mance, und den Rest durch Mittelabflüsse. Interessanterweise war auch die durchschnittliche Positionsgröße enorm, und es hätte über einen Monat gedauert, die komplette Position zu veräußern. In dieser Zeit kann die Welt an den Finanzmärkten untergehen und wieder auferstehen. Das ist kein Risikomanagement! Wenn man sich in einer Strategie nicht mehr bewegen kann, hat man auch kein Risikomanagement. Wie will dieser Fonds jemals wieder neues Vertrauen bei den Kunden aufbauen? Solche Fehler darf man nicht machen. Abbildung 9.2
Aktienmarktneutrale Hedgefonds-Strategien in den Jahren 2006 bis 2007 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
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HFRXEquityMarketNeutralIndex(EUR)
Eine Schlussfolgerung aus der Finanzkrise könnte lauten, dass Trendfolgestrategien undHedgefondsfürdieschwerenMarktverwerfungenmitverantwortlichwaren.Teilen Sie die Einschätzung, dass eine Zunahme an Trendfolgestrategien die Charakteristik der Märkte verändern wird und beispielsweise Marktwendephasen dadurch noch explosiverablaufen?
Die Marktwendephasen sind natürlich aggressiv, das haben wir vor allem auch im Frühjahr 2009 gesehen. Um auf die erste Aussage zurückzukommen, wer ist verantwortlich für diese Krise? Historisch gesehen werden in allen Krisen immer die Leute für schuldig gehalten, die es in einer solchen Phase geschafft haben, Geld zu verdienen. Im Nachhinein findet man immer eine Erklärung dafür, wer die Krise zu verantworten hat. Meistens sind
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die Hedgefonds schuld und jetzt höre ich zum ersten Mal, dass die Trendfolger daran schuld seien. Ich würde gern noch mal einen Schritt zurückgehen und eine Frage voranstellen: Warum sind wir in diese Finanzkrise geraten? Die Krise wurde durch viele verschiedene Parteien verursacht. Durch den globalisierten Handel mit China und anderen Staaten ist die Inflation in der westlichen Welt auf ein sehr niedriges Niveau gefallen. Das hat den Zentralbanken, die für den Preis des Geldes, den Leitzins, zuständig sind, die Flexibilität gegeben, das Zinsniveau auf ein sehr niedriges Niveau herunterzunehmen. Das Problem an einer solchen Zinspolitik ist Folgendes: Die Theoretiker gehen davon aus, dass die Leute beim Investieren nur auf die realen Renditen achten. Als grauhaariger Investor würde ich sagen, dass sich die Leute nicht bei niedrigen Realzinsen verschulden, sondern bei niedrigen Nominalzinsen. Viele Menschen hatten den legitimen Wunsch zu konsumieren, den Wunsch nach einer größeren Wohnung oder nach einem größeren Haus. Andere suchten nach einem Renditeobjekt und bauten bewusst einen Kredithebel in die Kalkulation ein. Die meisten waren dabei vielleicht auch gierig und dachten zu kurzfristig. Aber das sind ganz normale menschliche Eigenschaften, und daran ist auch nichts falsch. Man muss es nur akzeptieren, dass es so ist. Plötzlich wurde es möglich, diesen Traum zu verwirklichen, weil die Nominalzinsen historisch niedrig waren. Mit anderen Worten, die Zentralbanken haben gut dazu beigetragen, diese Krise zu verursachen! Aber der Preis des Geldes war nicht der einzige entscheidende Faktor. Auch die verfügbare Geldmenge spielte eine Rolle. Hätten sich die Leute kein billiges Geld leihen können, dann hätten sie ihre Investition auch nicht durchführen können. Welche Leute sind dafür zuständig, Geld auszuleihen? Die Banken! Die Banken hatten jede Menge Geld, und sie haben es auch gern verliehen. Bei der Beleihung der Immobilien beließ man es nicht bei 80 Prozent, sondern 110 Prozent waren durchaus üblich, aber auch 130 Prozent sind vorgekommen. Die Publikumsfonds und die Pensionsfonds investierten in strukturierte Produkte, aber nur deshalb, weil diese von Ratinginstituten als AAA oder AA bewertet wurden. Wahrscheinlich haben die Ratingagenturen auch geglaubt, dass die Papiere stabil und sicher seien. Allerdings konnten Ratinginstitute auch sehr viel Geld damit verdienen, gute Ratings zu vergeben. Die Investmentbanken waren mit von der Partie und haben kräftig Papiere strukturiert und sie an die Pensionsfonds und andere Anleger weiterverkauft. Am Ende wussten sie zwar, dass die Papiere nicht viel wert sind, aber sie hofften dennoch, die Ware weiterverkaufen zu können. Irgendwann wollte auch der Markt diese Papiere nicht mehr abnehmen, sodass die Investmentbanken auf ihrer schlechten Ware sitzen blieben. Auch die Hedgefonds sind natürlich mit dabei gewesen. Anfangs hatten sie das Spiel noch mitgespielt. Aber sie erkannten immer noch früh genug, dass am Ende jemand für die Party bezahlen muss. Als das Spiel begann, in die andere Richtung zu laufen, shorteten viele Hedgefonds das betroffene Marktsegment. Und deshalb bekommen sie die Schuld an der Finanzkrise? Nur weil sie ein bisschen schlauer waren als die anderen? Nur weil sie die Einsicht als Erste gewonnen hatten? So sieht die Wirklichkeit aus! Jetzt werden die Hedgefonds reguliert. Man darf nicht vergessen, dass die Hedgefonds vollkommen unreguliert waren und viele mit großen Problemen zu kämpfen hatten. Aber die allergrößten Probleme waren nicht bei den Hedgefonds zu sehen, sondern bei den
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Banken. Und die sind bekanntlich am stärksten reguliert! An diesem Punkt versuchen wir, mit demselben Rezept, das nicht funktioniert hat, die nächste Krise zu vermeiden. Das wird nicht klappen! Was man stattdessen unternehmen müsste, ist, die Kurzfristigkeit aus dem Menschen zu schlagen. Das gegenwärtige Bankgeschäft ist auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgelegt. Man muss also die Anreize langfristiger setzen. Die Geschäftsführer sollten beispielsweise ihre Aktien erst nach einer Haltedauer von zehn oder 15 Jahren verkaufen dürfen. Damit werden sie dazu veranlasst, auch an die Krisen zu denken, die es in der Zwischenzeit zu überstehen gilt. Und was das Thema Zentralbanken angeht: Alle Leute sagen, dass auch Alan Greenspan eine Mitschuld an der Krise trägt. Die meisten Leute haben damals aber nichts gesagt. Mittlerweile sind wir alle ein bisschen schlauer geworden. Deshalb würde ich sagen, Alan Greenspan hat einen guten Job gemacht, so wie wir die Welt damals gesehen haben. Jetzt haben wir eine größere Einsicht, und Alan Greenspan würde seine damalige Geldpolitik nicht wiederholen. Gegenwärtig versuchen wir durch niedrige Zinsniveaus das Finanzsystem und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Wir pusten die Blase noch einmal auf, und dann müssen wir sie langsam platzen lassen. Abbildung 9.3
Nominale versus reale Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe von 1970 bis 2009 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
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Renditeder10jährigenUSStaatsanleihe(real)
Renditeder10jährigenUSStaatsanleihe(nominal)
WürdeeineZunahmeantrendorientiertenStrategienamMarktIhremModellschaden?
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Je mehr Leute versuchen, die gleiche Strategie am Markt umzusetzen, desto schwieriger wird es. Es ist immer schwer zu sagen, wie groß die Kapazität in diesem Strategiesegment ist. Ich glaube, sie ist viel größer, als man denkt. Es gibt so viele andere Markteilnehmer, die in den Futures-Märkten mitmischen. Es sind nicht nur CTA- und Managed Futures dabei, sondern auch traditionelle Fonds und Arbitrageure, die Preisdifferenzen zwischen dem Cash-Markt und dem Derivatemarkt ausnutzen. Dadurch sind die Futures-Märkte mit dem unterliegenden Markt verknüpft. Das heißt, man darf nicht nur die FuturesMärkte, sondern muss den ganz Markt betrachten inklusive der Basiswerte. Aber ich stimme dahingehend zu, dass es irgendwann zu diesen Problemen kommen könnte. Ich weiß nur nicht, wann dieses Level erreicht sein wird. Mankannimmerwiederbeobachten,dassviele„QuantManager“,dieJahrelangsehr guteErgebnisseerzielthaben,plötzlichinexorbitanteSchwierigkeitengeraten.Welche GründesehenSiehinterdieserEntwicklung?
Die quantitativen Manager, die exorbitante Probleme bekommen haben, sind die QuantManager, die Illiquidität total verpasst hatten. Illiquidität ist, wie gesagt, für einen Fondsmanager das Schlimmste überhaupt. Zum Beispiel hat die Illiquidität bei Small Caps dazu geführt, dass Small-Cap-Manager oder Value-Manager, die in den Small Caps investiert waren, in den Phasen der Illiquidität schwer gelitten haben. Diesen Fehler konnte man bei sehr vielen Fondsmanagern beobachten, und daraus müssen sie jetzt lernen. Es gilt dann, eine Strategie zu entwerfen, die stärker auf liquide Instrumente setzt. Es gibt aber auch eine andere Kategorie von Quant-Managern, die immer in liquiden Instrumenten geblieben sind und damit sehr gute Ergebnisse erwirtschaften konnten. Man muss folglich zwischen den Quant-Strategien unterscheiden und darauf achten, in welchem Segment sie sich aufhalten und welches Spiel sie letztlich spielen. Viele Vermögensverwalter legen ihr privates Vermögen in ihrem eigenen Fonds an. Würden Sie Ihr gesamtes privates Vermögen Ihrem modellbasierten Fonds anver trauen?
Das private Vermögen besteht aus verschiedenen Teilen. Ich würde unser Haus nicht verkaufen, um es anschließend zu mieten und das gesamte Geld in den eigenen Fonds zu stecken. Das eigene Haus ist für mich eine unantastbare Investition. Aber was ich neben dem Haus an liquiden Mitteln habe, über die ich bestimmen kann, ist alles im Asset Selection Fund investiert. Meine Frau als Deutsche ist da konservativer eingestellt. Ich bin ja nur halbdeutsch. Sie bleibt eher bei den Staatsanleihen. Matratze oder Staatsanleihen sind für sie die richtigen Anlagen. Meinerseits habe ich keine Bedenken, alles in den Fonds zu geben. Ich bin schließlich der Manager und darf entscheiden. Einem Kunden würde ich nie empfehlen, sein gesamtes Vermögen einem Manager anzuvertrauen. Er hat schließlich die Möglichkeit, verschiedene Manager auszuwählen, und es gibt auch einen guten Grund, verschiedene Manager zu beauftragen, nämlich Diversifikation. Aus der Kundenperspektive würde ich nie mehr als 20 Prozent des Vermögens in ein Produkt investieren oder
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einem einzigen Manager anvertrauen. Ich glaube auch, dass die meisten Kunden durch die langfristige strategische Asset-Allokation ein viel zu großes Marktrisiko eingehen. Es macht sicherlich Sinn, Risikoprämien zu verdienen, aber man sollte die aktiven Renditen nicht vergessen. In meinen Augen erhöht sich der Nutzen, wenn man das Marktrisiko etwas reduziert und stattdessen aktiv gemanagte Absolute Return oder Total Return Fonds einbezieht. Damit erhält man auch eine gewisse Diversifikation zwischen aktiven und passiven Strategien. Was glauben Sie, wie werden sich Vermögensverwaltung und Fondsmanagement in Zukunftverändern?
Vermögensverwaltung heißt für mich prinzipiell, auf der Seite des Kunden zu stehen und von da aus die Produktpalette der ganzen Welt zu betrachten, um die besten Instrumente und Fonds auszuwählen. Das erfordert natürlich eine gute Kenntnis über das Risikoprofil des Kunden im Sinne von: Welche Möglichkeiten und welche Bereitschaft hat der Kunde, Risiko auf sich zu nehmen? Den Blick auf die Zusammensetzung des Portfolios aus der Kundenperspektive halte ich für sehr wichtig. Wenn man als guter Vermögensverwalter diese Perspektive einnehmen möchte, dann sollte man am besten seine Unabhängigkeit bewahren. Viele Banken behaupten von sich, ein total unabhängiger Ratgeber zu sein, obwohl sie gleichzeitig eigene Produkte anbieten. Das funktioniert natürlich nicht. Die Unabhängigkeit ist sehr wichtig, um die besten Entscheidungen für einen Kunden treffen zu können. Das ist die eine Seite. Andererseits konzentrieren sich Fondsmanager oder Fondsmanagement-Firmen natürlich auf verschiedene Produkte, um die interessantesten auf den Markt zu bringen. Diese Produkte sollen zum einen Überschussrenditen erzielen, zum Zweiten sollen sie dem Vermögensverwalter ein größeres Diversifikationspotenzial bieten. Wir glauben natürlich, dass wir mit unserem Produkt diese Eigenschaften bieten, zumal wir uns mit der Strategie in einem Segment bewegen, in dem sonst noch nicht so viele Anbieter unterwegs sind. In der idealen Welt sieht es so aus, dass Ratgeber unabhängig von den verkauften Produkten ihr Geld verdienen müssen. Das heißt, sie sollen eine jährliche Gebühr vom Kunden nehmen und sich prinzipiell nicht von den Lieferanten bezahlen lassen, durch die Retrozessionen und dergleichen. Die unterschiedlich hohen Retrozessionen gefährden die Unabhängigkeit dieser Ratgeber. Sie versuchen dadurch nicht, den besten Nutzen für den Kunden zu erzeugen, sondern ihre eigene GuV (Gewinn- und Verlustrechnung) zu optimieren. Ich wünsche mir, dass man ein Gesetz einführt, welches die Unabhängigkeit regelt. Das wäre für den Endkunden viel besser. Bevor Sie in den Flieger nach Stockholm steigen, hätte ich noch zwei kleine Schluss fragen: WelcheRegelsolltejederAnlegerbeimInvestierenunbedingtbeherzigen?
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Es gibt zwei Regeln: Einmal sollte man nicht glauben, dass die sogenannten Experten alles wissen und alles können, sondern man muss einsehen, dass auch gute Fondsmanager ab und zu schlechte Resultate erzielen werden. Diese Tatsache sollte man in seinem Risikobudget berücksichtigen. Zum Zweiten sollte man sich über die eigene Risikobereitschaft und Risikotragfähigkeit im Klaren sein. Wie viel Geld ist man bereit, im schlimmsten Fall zu verlieren, und wie viel Geld kann man im schlimmsten Fall verlieren? Man kann sagen: „Ich habe eine ganz Stange Geld und könnte damit ein hohes Risiko eingehen, aber ich mache es trotzdem nicht.“ Man kann aber nicht sagen: „Ich kann es mir nicht leisten, viel Geld zu verlieren, aber ich hätte gerne ein hohes Risiko im Portfolio.“ Das geht nicht! Im Grunde genommen sollte man eher etwas konservativer agieren als zu aggressiv. HabenSieeinLieblingsbuch,dasSiejedemAnlegerempfehlenwürden?
Auf jeden Fall: „When Genius Failed – The Rise and Fall of Long-Term Capital Management” von Roger Lowenstein. Das müsste als obligatorische Literatur für alle Fondsmanager gelten. Im Prinzip sollten sie einen Test darüber schreiben, was sie dabei alles gelernt haben. Aber auch das würde zukünftige Krisen nicht total vermeiden. Es wird immer Leute geben, die mit großem Risiko eine Strategie verfolgen, mit dem Ziel, ein paar Jahre lang Performance-Fee zu verdienen und möglichst viel Geld zu kassieren. Streng nach dem Prinzip, wenn es gut läuft, gewinne ich, und wenn es schlecht läuft, verlieren meine Kunden. Es gibt Leute, die diese negative Absicht haben, aber für die meisten gilt das sicherlich nicht. Und für die gilt es, noch etwas mehr hinzuzulernen. Das Buch „When Genius Failed“ ist dafür ein ausgezeichneter Anfang, um genau jene Risiken zu erkennen, auf die man speziell achten oder die man besser nicht eingehen sollte. Es gibt drei Risiken, die supergefährlich sind: Erstens: Illiquidität. Zweitens: Short-Volatilität. Und drittens: Long-Kredite. In kleinem Ausmaß ist nichts gegen Short-Volatilität und Long-Kredite einzuwenden. Damit kann man längerfristig Geld verdienen, keine Frage. Aber wenn man diese Strategien mit zu viel Hebel versieht, dann geht es den Bach runter. Das sind die schwerwiegendsten Risiken. In guten Zeiten zeigen einem die Kennzahlen ein sehr kleines Risiko, aber die real existierenden Risiken sehen vollkommen anders aus und können explosionsartig auftreten. So etwas haben wir nicht nur einmal, sondern etliche Male in der Geschichte erlebt. Es gibt viele Leute, die über ihr Scheitern eine Geschichte erzählen können.
Markus Mezger
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„Kapitalmärktesindunendlichlangsam.“
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Markus Mezger
Tiberius AG / Magma Capital AG Wer vor einigen Jahren über „Tiberius“ gesprochen hat, der kann wohl nur den Namen „Flussgott“ aus der römischen Antike gemeint haben, der sich von Italiens drittlängstem Fluss, dem Tiber, ableitet. Nach Gründung der Tiberius Asset Management AG im Jahre 2005 durch Markus Mezger und seinen Partner Christoph Eibl muss dies nicht mehr zwangsläufig der Fall sein. Das in der Schweiz gegründete Unternehmen kümmert sich in den drei Niederlassungen Zug, Stuttgart und Genf um das aktive Management diverser Rohstoff- und Anleiheportfolios. Man würde Markus Mezger und seinem Team jedoch nicht gerecht, wenn man den eingefleischten Schwaben und seine Truppe auf bloße Rohstoffkompetenz reduzierte. In seiner früheren Funktion wirkte er als Makro-Stratege bei der Baden-Württembergischen Bank AG, wo er sich analytisch mit nahezu allen liquiden Anlageklassen auseinandersetzte und außerdem mit Dr. Bernd Früh nun einen erfahrenen Rentenmann an seiner Seite hat. Als er mir im Jahre 2008 bei einem Besuch in seinem Stuttgarter Büro die Auflegung eines Global-Macro-Hedgefonds über die neu gegründete Tochtergesellschaft Magma Capital mitteilte, war diese Information für mich zwar neu, aber alles andere als überraschend. Da wir uns bereits aus Zeiten der BadenWürttembergischen-Bank AG kennen und uns seitdem regelmäßig über die Märkte austauschen, war mir (und wahrscheinlich auch vielen Lesern seines monatlichen Marktkommentars) insgeheim klar, dass Markus Mezger sich nicht auf Dauer auf das Rohstoffsegment beschränken wird, sondern sein Anlagespektrum irgendwann in Richtung Aktien, Anleihen und Währungen erweitern würde. Das folgende Gespräch führten wir an einem späten Freitagnachmittag in den Stuttgarter Büroräumen des Unternehmens. Die Stuttgarter Villa, in der das Unternehmen die Gründung sowie die ersten Monate erlebte, war längst zu klein geworden. Auch das nächste Domizil, ein Büro in der Marienstraße mit einem Handy-Laden im Erdgeschoss und einem Erotik-Shop auf der gegenüberliegenden Straßenseite, stieß schnell an seine räumlichen Grenzen. Daher wurde ein weiterer Umzug erforderlich. Doch eines hatte sich in den Jahren offensichtlich nicht verändert: Mir ist in keinem der Büroräume jeweils ein Krawattenträger über den Weg gelaufen (den Chef selbst eingeschlossen), was zu der äußerst entspannt wirkenden Arbeitsatmosphäre passt. Auf diese deutet auch ein besonderes Utensil hin, auf das man im Büro des Vermögensverwalters zwangsläufig stößt: Ein großer von der Decke herabhängender schwarzer Box-Sack. Wenn er auf diesen angesprochen wird, verweist Markus Mezger dabei sofort auf seine Kollegen, die angeblich weitaus regelmäßiger darauf einschlagen als er selbst. Vor unserem offiziellen Gespräch verging erst eine gute Stunde, in der wir kurz, aber allumfassend die globalen Finanzmärkte diskutierten. Mit Markus Mezger fällt dies besonders leicht, da er trotz überzeugender Argumente im
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Gegensatz zu vielen Leuten aus der Branche nicht oberlehrerhaft wirkt, sondern als unkomplizierter und bescheidener Gesprächspartner seine Sicht der Dinge erläutert. Insofern fiel uns die Entscheidung leicht, unser Gespräch nach dem Interview bei einem gepflegten schwäbischen Abendessen fortzusetzen. WelcheFunktionhatderBoxSackinIhremBüro,Stressabbau,Dekoration,oderplanen SieeineKarriereimSchwergewicht?
Also: Schwergewicht bezieht sich wahrscheinlich eher auf mich als auf den Box-Sack, aber die Frage ist natürlich völlig berechtigt und wurde auch von fast jedem gestellt, der hier war. Wer mich kennt, weiß, dass ich Niederlagen hasse. Ich habe früher sehr viel Sport getrieben, Fußball und Tennis gespielt. Im Tennis ging schon der eine oder andere Schläger drauf. Und wenn wir beim Fußball am Sonntagnachmittag verloren hatten, war die Wut im Mannschaftstraining am darauffolgenden Dienstag Abend noch nicht verraucht. Das bezieht sich auch teilweise auf die Finanzmärkte, wenn man dort verliert. Im Unterschied zum Fußball oder Sport ist Wut an den Finanzmärkten nicht immer sinnvoll und zielführend. Dennoch glaube ich, dass Wut im Fußball auch Kräfte freisetzt. Diese aus meiner Sicht archaische Urkraft sollte man sinnvoll nutzen, und man muss sie in Bahnen lenken. Diese können ein Box-Sack sein, aber auch prinzipiell der Anspruch, sich selbst zu behaupten. Und dieser Selbstbehauptungswille ist immer gefragt, egal ob im Sport oder an den Finanzmärkten. Sie scheinen in der Tat sportliche Herausforderungen zu mögen, zumal Sie Ihren HedgefondsausgerechnetimOktober2008aufgelegthaben.WaswarderGrunddafür undwarumausgerechnetindieserturbulentenMarktphase?
Es ist eine sportliche Herausforderung in dem Sinne, dass wir eigentlich keine Marktphase fürchten. Der Anspruch besteht darin, in jeder Marktphase Geld zu verdienen. Der Magma-Fonds war ursprünglich als Short-Biased-Fonds geplant, weil wir die Ansicht vertreten haben, dass es noch zwei große Blasen gibt, eine im Aktienbereich und eine im Rohstoffbereich, die man von der Short-Seite her anstechen kann. Wir sind dann mit diesem Konzept um die Häuser gezogen, haben das vielen institutionellen Anlegern vorgestellt, aber kaum jemand sprang darauf an, weil zu diesem Zeitpunkt in den Augen der Anleger schlichtweg keine Short-Produkte gefragt waren. Obwohl wir mit dem Ziel angetreten sind, eigentlich auf der Short-Seite Geld zu verdienen, haben wir den Fonds im Oktober 2008 aufgelegt. Als dann aber die Aktienmarktblase bereits geplatzt und die Luft aus der Rohstoffmarktblase bereits zu einem großen Teil entwichen war, fanden wir uns unverhofft bei der einen oder anderen Anlageklasse auf der Long-Seite wieder. Wenn wir von „Short-Biased“ reden, dann gilt das immer nur für eine Phase und nicht generell. Der Anspruch besteht eigentlich darin, dass wir mit keiner Marktphase verheiratet sind, sondern in beide Richtungen, egal in welche, Geld verdienen wollen.
Markus Mezger
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Und das Ganze geht von Stuttgart aus? Sie haben keine Büros in Frankfurt, London oderZürich,sondernverwaltensowohldieRohstofffondsalsauchdenGlobalMacro FondsvonZugbzw.Stuttgartaus.WelcheVorteilesehenSiedarin?
Der Vorteil ist, dass wir bewusst ein bisschen offline sind. Wenn man jeden Tag mit Leuten zu Mittag isst, die im Grunde genommen sehr stark von Nachrichten und Kapitalströmen getrieben sind, wie es in den Metropolen der Fall ist, dann besteht schon die Gefahr, dass in das eigene Unterbewusstsein Dinge hineinkriechen, die man in Stuttgart nicht so leicht antrifft. Die Schwaben haben ja auch die Tradition, dass sie erst mal von Natur aus ein bisschen skeptisch sind und gerne „bruddeln“, also etwas vor sich hin schimpfen. Insofern findet man wahrscheinlich im Schwabenland überproportional viele Bären. Ich persönlich habe meine ersten Berufsschritte bei der BW-Bank im Portfoliomanagement getan, wo auch sehr viele Bären anzutreffen waren. Insofern passt die Lokation nun auch wieder zum Produkt, und natürlich auch die langfristige Orientierung, ohne dabei gezwungen zu sein, zwischen Mittagessen und Abendessen Profit machen zu müssen. ErzählenSiemiretwasvonIhremWerdegang.WaswarenIhreerstenErfahrungenmit den Finanzmärkten, und was war der Grund, sich beruflich an die Finanzmärkte zu begeben?
Die allererste Erfahrung machte ich im Alter von 16 Jahren. Damals ist mein Vater bei einem Unfall gestorben, und damit ging die Pflicht, das Vermögen und das Geld zu verwalten, auf meine Mutter über, die aber von Natur aus nie Interesse hatte, mit Gelddingen umzugehen. Damit wurde ich in Bezug auf Geld sozusagen mit 16 Jahren schlagartig erwachsen, was mich bis dahin überhaupt nicht interessiert hatte. In dieser Phase, das waren die Jahre 1983 bis 1985, hatten wir das Vermögen bei verschiedenen Banken deponiert. Dort gab es diverse Bankberater, die uns in den höchsten Tönen vorschwärmten, was man alles Schönes mit dem Geld tun kann. Diese Bullenmarkt-Phase der 80er-Jahre hat man sehr stark mitbekommen, und ich war damals immer schon skeptisch und habe mich gewundert, was die einem alles erzählten. Man solle unbedingt long im US-Dollar sein, long CAN-Dollar, long Aktien. Dann kam der Crash 1987, und nach diesem Crash waren urplötzlich die Bankberater, die uns zu diesem Zeitpunkt beraten hatten, verschwunden. Ich fragte mich immer, wo die bloß alle hin sind. Dieser erste Crash, also der Zusammenbruch dessen, was zuvor marktschreierisch angepriesen wurde, und das anschließende Verschwinden der Bankberater waren eigentlich die ersten prägenden Erfahrungen. Man stellt dabei auch fest, in welche Gattung man selbst gehört, und ich war immer relativ wenig zu begeistern für Aufwärtsphasen, sondern verstand die Abwärtsphasen viel besser. Das war die erste Phase, dadurch war natürlich mein Interesse geweckt. Studiert habe ich dann Volkswirtschaftslehre mit speziellen russischen Sprachergänzungsstudien und regionalen Studiengängen, vor allen Dingen die Geschichte Russlands und Osteuropas. Fertig war ich im Jahre 1996, bin dann in den Arbeitsmarkt eingetreten und habe sofort die GKO-Blase im Jahre 1997 voll miterlebt. Das waren diese russischen Staatsschuldverschreibungen, die mit 30 bis 40 Prozent rentierten. Jeder, der sich für Emerging Markets interessierte, musste diese Dinger haben. Wenn man überlegt, warum der
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russische Staat 30-40 Prozent Rendite bieten musste, konnte das gar nicht gut gehen. Tatsächlich ist dieses System über Nacht zusammengebrochen, der russische Staat war pleite, und eine ganze zart entstandene Mittelschicht russischer Händler war arbeitslos. Diese Blase, die enorme Ausmaße hatte und auch den russischen Aktienmarkt einbezog, der anschließend in den Jahren 1997/1998 um rund 95 Prozent fiel, war prägend für meinen Start ins Berufsleben (siehe Abbildung 10.1). Dieser Crash weitete sich dann später auf den LTCM-Hedgefonds aus und zeigte deutlich, dass die Abwärtsbewegung in vielerlei Hinsicht die gerechte Strafe für vorangehende Exzesse war. Diese beiden Ereignisse prägten mich, und seither fühle ich mich am wohlsten, wenn es irgendwo ganz klare Blasen gibt, die man auf der Gegenseite spielen kann. Die Übertreibung der anderen Marktteilnehmer spürt man in der Regel doch sehr stark. Der Crash in Russland – Aktien- und Währungsentwicklung von 1995 bis 1999 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
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Abbildung 10.1
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SindSienachdemVWLStudiumgleichzurBWBankgegangenoderhabenSiedavor nochetwasanderesgemacht?
Ich habe verschiedentlich versucht, Ländern, die aus der ehemaligen Sowjetunion entstanden waren, als freiberuflicher Trainer in „Train the Trainer“-Programmen Marktwirtschaft beizubringen. Die Lehrinhalte zielten darauf ab, in diesen ehemaligen Sowjetstaaten Ver-
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ständnis für Märkte und Produkte zu schaffen, warum beispielsweise Marketing erforderlich ist und viele andere solcher Dinge. Das waren sehr schöne Programme, durch die man viel herumkam. Ich war in Kirgistan, Kasachstan und auch in Teilen Russlands. Zwar hatte ich die Möglichkeit, in diesem Bereich weiterzuarbeiten, aber da hatten die Finanzmärkte dann doch den größeren Magnetismus. UnddanngingeszurBWBank?
Ja, das muss Ende 1996 oder Anfang 1997 gewesen sein, und dort habe ich dann begonnen, die Emerging Markets zu analysieren, speziell Osteuropa. Später kam dann Lateinamerika dazu, und noch später wurden es dann alle Aktienmärkte. Die Emerging Markets sind dann relativ zügig in eine Blase hineingewachsen, die sich in den Jahren 1997/1998 aufgeblasen hatte und dann irrwitzigerweise in den Industriestaaten nochmals aufgeflackert ist. 1999 gab es eine Situation, an die ich mich sehr gut erinnere. Im Herbst 1999 waren die Börsen kurzzeitig rückläufig unterwegs, und man machte sich sehr viele Gedanken, wie die Computerumstellung für das Jahr 2000 letztlich wirken würde. Man hielt es für möglich, dass Klärwerke Städte überschwemmen würden, und andere Katastrophen geschähen. Damals hatte ich schon vermutet, dass wir dort in der Nähe einer Korrektur stehen würden. Was dann aber kam, waren nochmals 200 bis 300 Prozent im Nasdaq, weil über den Jahreswechsel 2000 Unmengen von Zentralbankgeld emittiert wurde, um diese vermeintlichen Computereffekte abzufedern, mit der Wirkung dass man eine Blase, die im Grunde genommen schon reif für einen Crash war, zusätzlich angeheizt hat. (Siehe Abbildung10.2) WaswardieMarktphase,dieSieamstärkstengeprägthat?
Das waren sicher die Erfahrungen und Leute aus den Jahren 1985 bis 1987. Und wenn man feststellt, dass es 12 bis 13 Jahre später wieder Leute gibt, die im Grunde genommen einen Optimismus an den Tag legen und bei Kursen kaufen, die man nur noch als Wahnsinn bezeichnen kann, stellt man sich selbstverständlich auf die andere Seite. Was geholfen hat, war der Erfolg, recht gehabt zu haben, sowohl im Jahr 2000 als dann auch später auf der Long-Seite 2002/2003.
Gab es in der ganzen Zeit Akademiker oder Praktiker, die Sie besonders beeinflusst haben? Einzelne eigentlich nicht, eher die Stimmung. Die BW-Bank war zu dieser Zeit ein Sammelsurium von Querdenkern, weil im Gegensatz zu anderen Banken dort Research nicht unter der Maßgabe, irgendetwas verkaufen zu wollen, betrieben wurde, sondern es durften die Meinungen veröffentlicht werden, die tatsächlich fundamental gerechtfertigt waren. Ob jemand anschließend noch einen Aktien- oder Neuen-Markt-Fonds verkaufen konnte, nachdem eine entsprechend negative Strategiemeinung kundgetan wurde, war von geringerer Bedeutung. Es gab relativ wenig Einschleifen auf eine offizielle Bankmeinung, und diese Atmosphäre tat allen Beteiligten sehr gut, unter anderem auch mir. Prä-
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gend für mich waren natürlich die Vermögensverwalter, die schon lange ihren Job machten und einiges erlebt hatten und entsprechend negativ eingestellt waren. Damals waren die führenden Köpfe in der Vermögensverwaltung Karl-Heinz Walz und Karl Steinhart. In der Fonds-Vermögensverwaltung, mit der ich sehr eng verlinkt war und wo auch die Rohstoff-Themen aufgelegt wurden, war es Markus Stahl, der auch ein ausgesprochener Querdenker ist. Alle drei haben sich heute als Vermögensverwalter selbstständig gemacht und stehen für einen eher antizyklischen Anlagestil. Die Tradition, dass solche Leute in einer Bank weiterleben und arbeiten können, empfand ich immer als sehr gut, leider endete das abrupt mit der Übernahme der BW-Bank durch die Landesbank. Abbildung 10.2
Nasdaq 100 und Zentralbankgeldmenge vor der Jahrtausendwende (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
5000
20%
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Indexpunkte
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Nasdaq100StockIndex(linkeSkala) JährlicheVeränderungsratederUSZentralbankgeldmenge(rechteSkala)
GibtesLeute,mitdenenSiesichregelmäßigüberdieFinanzmärkteaustauschen?
Sehr eng verbunden ist noch immer der Kreis derer, mit denen ich studiert habe. Davon sind einige im Finanzbereich an ganz unterschiedlichen Stellen gelandet. Wir tauschen uns auch deswegen aus, weil Einzelne auch zu offiziellen, also staatlichen Stellen gegangen sind, und andere zu privaten Adressen. Es ist auch immer wieder schön zu sehen, wie sich
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die Meinungen unterscheiden, je nachdem, wo man im Finanzsystem gelandet ist. Das hat glücklicherweise gehalten, und ich genieße es auch sehr. Natürlich hat auch die BW-Bank zu dieser Zeit sehr viele Leute hervorgebracht, die heute in anderen Positionen tätig sind, insbesondere im Rohstoffbereich. Die ursprüngliche Truppe ist weit verstreut in Deutschland, und zu denen wird der Kontakt natürlich auch gehalten. Bei aller Diskussion bevorzuge ich es jedoch, wenn jemand zuerst mit seinen eigenen Gedanken ins Reine kommt. Erst dann sollte man den Austausch suchen. IchwürdegernetwasvonIhrenFehlernhörenundwasSiedarauslernten.
Da fallen mir jede Menge ein. Es gibt ja konkrete Fehler im Sinne von Fehleinschätzungen, und es gibt Dinge, die man charakterlich lernen muss. Damit meine ich zum Beispiel meine Ungeduld. Also ich bin einerseits jemand, der die Dinge gern reifen lässt, bin aber andererseits ungeduldig in dem Sinne, dass, wenn ich selber etwas verstanden habe, davon ausgehe, dass es alle anderen auch sofort verstehen müssten. Das ist natürlich nicht so, insbesondere nicht beim Thema Kapitalmärkte. Kapitalmärkte sind unendlich langsam, das musste ich mehrfach lernen. Ein Beispiel aus dem Jahr 2001 nach dem 11. September habe ich noch in Erinnerung. Die Börsen sind nach dem Anschlag noch elf oder zwölf Tage massiv gefallen, obwohl die Implikationen des 11. September eigentlich relativ schnell zu übersetzen waren. Für mich war klar, dass dieser 11. September eher zu einer Trotzreaktion als zu einer fortgesetzten Baisse führen wird, zumindest zu einer technischen Gegenreaktion. Es passiert immer wieder, dass man für sich etwas verstanden hat, dann aber versuchen muss, sich auf die etwas niedrigere Frequenz des Median-Anlegers einzulassen, um lange genug abzuwarten, bis viele Leute ebenfalls die Entwicklung erkennen, die man selber schon gesehen hat. Mangelnde Disziplinierung führt in der Regel dazu, dass man zu früh short und zu früh wieder long ist und deshalb in diesen Marktphasen kurz vor den Wendepunkten Geld verliert, was man sich aber später zurückholt. Die Performance ist dann zwar positiv, aber nicht so positiv wie sie mit etwas mehr Geduld hätte sein können. WaskennzeichneteinenMedianAnleger?
Der Median-Anleger muss zwei Dinge mitbringen: 1. Er ist beeinflussbar in dem Sinne, dass er sich wohlfühlt, wenn er mit der Masse geht. 2. Er hat genügend finanzielle Mittel und kann zumindest im Aggregat für Trendbewegungen an den Märkten sorgen. Viele Menschen, die Verantwortung für Geld haben – wie Vermögensverwalter und institutionelle Anleger –, führen keine originären Wendepunkte an den Märkten herbei, sondern warten einen erfolgten Wendepunkt ab, bevor Sie investieren oder verkaufen. Diese Leute sorgen im Grunde genommen für die langen Trendphasen zwischen den Wendepunkten. Die Contrarians sind dagegen Leute, die sich gegen die Masse stellen können und folglich die Wendepunkte an den Märkten machen. Insofern sind beide Anlegertypen aufeinander angewiesen. Aber viele Contrarians fühlen sich dann nicht mehr wohl, wenn viele Leute das Boot besteigen, in dem sie bereits sitzen. Ein Contrarian ist dann immer versucht, zu schnell aus einem fahrenden Boot auszusteigen. Der Median-Anleger dagegen hört von
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vielen Seiten Argumente, die er verarbeiten und abwägen muss. Das passiert langsam und dauert seine Zeit. Jemand, der diese Argumente blitzschnell durchdacht hat, muss einfach verstehen, dass die Börse oft sehr viel langsamer tickt, bis dann alle Aspekte durch Anlageaussschüsse und andere Dinge diffundiert sind. Ein gutes Beispiel für diesen Prozess ist der Film „Die 12 Geschworenen“. Die Mehrzahl der Leute, die dort in dem Geschworenensaal sitzen, sind im übertragenen Sinne typische Median-Anleger. Sie sind offen für die Argumente, aber gleichzeitig etwas schwerfällig, und brauchen Zeit, um das Ganze zu verstehen. Manche sind auch bewusst dagegen, weil sie bestimmte Erfahrungen gesammelt haben. Es braucht aber auch Leute, die versuchen, die eigentlich richtige Meinung durchzusetzen. Die würde ich als Contrarians bezeichnen. Der Contrarian muss akzeptieren, dass es einfach Zeit braucht, bis seine Argumente überzeugen. Und dafür ist bei vielen die Ungeduld zu groß, bei mir insbesondere auch, was vielleicht mein größter Fehler ist.
Die zwölf Geschworenen Die zwölf Geschworenen ist das Spielfilmdebüt des US-amerikanischen Regisseurs Sidney Lumet aus dem Jahr 1957 und wurde von der Produktionsfirma Orion-Nova Productions für den Filmverleih United Artists produziert. Das kammerspielartige Justizdrama ist eine Kinoadaption des gleichnamigen Fernsehspiels von Reginald Rose, das am 20. September 1954 ebenfalls unter der Regie Lumets im Rahmen der Fernsehserie Studio One ausgestrahlt wurde. Der Film in seiner Original-Kinofassung von 1957 gilt bei Soziologen und Psychologen bis heute als ein Musterbeispiel zur Anschauung von Rollenverhalten, Gruppenverhalten und gruppendynamischen Prozessen. Handlung Sechs Tage nach Beginn eines Mordprozesses, in dem ein 18-jähriger Puertoricaner aus den Slums des kaltblütigen Mordes an seinem Vater beschuldigt wird, ziehen sich die zwölf Geschworenen in das Geschworenenzimmer des Gerichts zurück, um über das Urteil zu beraten. Der Prozess scheint durch zwei Zeugenaussagen eindeutig gegen den Angeklagten entschieden zu werden, doch im ersten Wahlgang enthält sich der Geschworene Nr. 8 als einziger der zwölf Geschworenen der Stimme, während die anderen elf den Jungen für schuldig erklären. Geschworener Nr. 8, im wahren Leben Architekt und Vater dreier Kinder, kann nicht sagen, ob der Angeklagte unschuldig ist, kann aber auch nicht eine eindeutige Schuld bei dem vermeintlichen Mörder erkennen, der seinen Tod auf dem elektrischen Stuhl finden wird, sollte es zu einem einstimmigen Schuldspruch kommen. Im Verlauf des Films rekonstruiert Geschworener Nr. 8 – zunehmend unterstützt von denjenigen, die sich nach und nach auf seine Seite schlagen – den angeblichen Tathergang und deckt Ungereimtheiten in der Beweisführung der Staatsanwaltschaft auf. Es gelingt ihm, in hitzigen Auseinandersetzungen nach und nach die Argumente und Vorurteile der Mitgeschworenen zu entkräften und sie vom Schuldspruch abzubringen. Als Geschworener Nr. 8 auch die zwei belastenden Zeugenaussagen erfolgreich in Zweifel gezogen hat, steht das Votum elf zu eins für „unschul-
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dig“ und nur der aufbrausende und befangene Geschworene Nr. 3, der unter der langjährigen Trennung von seinem eigenen 22-jährigen Sohn leidet und seinen Hass auf den Angeklagten projiziert, ist von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Er bricht jedoch in der letzten Szene unter dem Druck der anderen elf Geschworenen zusammen und schließt sich dem Freispruch des Angeklagten an. Der tatsächliche Tathergang kann jedoch auch nicht aufgeklärt werden und der Angeklagte wird nur aufgrund der Zweifel an seiner Schuld freigesprochen.
Quelle: „Die zwölf Geschworenen“ in: Wikipedia, 24. Juli 2009 Welche fachlichen Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften sind für einen guten GlobalMacroManagerentscheidend?
Fachlich sollte jemand Freude daran haben, Dinge zu durchdenken. Dies zeigt sich üblicherweise daran, ob jemand gerne Strategiespiele spielt oder etwas mit Mathematik anfangen kann. Aus meiner Sicht sollte ein Portfolio- oder Global-Macro-Manager Spaß daran haben, eine Problemstellung auch quantitativ zu formulieren, also ein ökonomisches Problem in Form einer Gleichung hinzuschreiben. Das ist schon mal das eine, dass man die Welt quantifiziert, misst, wiegt, rational durchdenkt und zu einer Lösung kommt. Außerdem sollte man in der Lage sein, aus der Vielzahl an erbetenen und ungebetenen Informationen jene ein bis zwei Faktoren auszuwählen, die für die jeweilige Marktphase entscheidend sind. Es ist wichtig, dass jemand Argumente priorisieren kann. Wir arbeiten sehr viel mit Modellen. Sie sind eine Möglichkeit aufzuzeigen, welche quantitativen Entscheidungsregeln es gibt. Am Ende muss jedoch konkret entschieden werden, was in dieser einen Phase wichtig ist und was nicht. Und diese Entscheidung findet in aller Regel diskretionär statt bzw. muss in der Diskussion herausgearbeitet werden. Ich glaube, dass gute GlobalMacro-Manager diese entscheidenden Argumente einfach treffen. Das heißt, die Abwägung der Argumente nach ihrer Wichtigkeit sollte unbedingt diskretionärentschiedenundkeinemModellüberlassenwerden?
Zumindest gibt es aus meiner Sicht keine Möglichkeit, dies mechanisch tun zu lassen. Es gibt natürlich immer Leute, die sagen, dass wenn „Faktor 1“ positiv ist, „Faktor 2“ überzogen negativ ist, und „Faktor 3“ neutral, dann wird so lange „hinoptimiert“ bis das gewünschte Ergebnis am Ende herauskommt. Es gibt dazu dieses berühmte Beispiel: Uwe Seeler schießt links am Tor vorbei, Uwe Seeler schießt rechts am Tor vorbei, und im Durchschnitt hat er zwei Mal ein Tor erzielt. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, bestimmten Punkten einfach Vorrang einzuräumen. Das heißt, wenn ich ein extremes ProArgument und ein extremes Contra-Argument habe, dann ist der Manager gefragt zu entscheiden, was denn nun das Wichtige in dieser Situation ist. Das kann die Maschine in der Regel nicht leisten. Diese Tendenz nimmt trotzdem immer mehr zu, denn der Traum für jeden Eigner einer Asset-Management-Firma ist es natürlich, dass so wenig wie möglich vom Manager abhängt und so viel wie möglich von einer Maschine, falls ein Manager
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ausfällt oder die Firma verlässt. Aber das wird wahrscheinlich auf absehbare Zeit ein Traum bleiben. WasistmitCharaktereigenschaften?WelcheEigenschaftensindentscheidend,spieltes überhaupteineRolle,oderwirddasThemaunterschätzt?
Das Thema wird aus meiner Sicht eher unterschätzt. Es ist immer wieder auffällig, wie wenig Erfolg Akademiker haben, wenn sie aus der Universität, dem Elfenbeinturm, in die Praxis der Finanzmärkte überwechseln. Die ersten ein bis zwei Jahre brauchen sie, um ein bisschen von dem zu vergessen, was sie an der Uni gelernt haben, und sich auf das zu konzentrieren, was die Finanzmärkte von ihnen fordern. Ganz wichtig ist die Fähigkeit, selbstständig zu denken. Ein typisches Beispiel ist die Kaufkraftparitätentheorie. Sie wird heute noch an allen Universitäten als eine Möglichkeit gelehrt, einen fairen Wert von Wechselkursen zu bestimmen. In der Praxis hat die Kaufkraftparitätentheorie nie eine Rolle gespielt. Wer versucht hat, auf der Kaufkraftparitätentheorie Wechselkurse zu handeln, wäre immer auf die Nase gefallen. Die Professoren, die die Kaufkraftparitätentheorie lehren, mussten keine Wechselkurse handeln. Deswegen konnte ihnen das reichlich egal sein. Diejenigen die tatsächlich Wechselkurse handeln, mussten für so etwas alternative Konzepte entwickeln. Dementsprechend glaube ich, dass jemand selbstständig sein und sich seine eigenen Gedanken zu diesem Thema machen muss, damit er auch in der Lage ist, sich gegen eine herrschende Marktmeinung zu stellen. Sehr viele Menschen sind nicht in der Lage, etwas anderes zu sagen, als was bereits vor ihnen gesagt wurde, insbesondere dann, wenn andere es mehrfach wiederholt haben. Das ist für mich eine sehr wichtige Charaktereigenschaft, um später eine Risikodiversifikation zu haben gegenüber den Gedanken von anderen. Jemand, der fremden Gedanken folgt, zahlt immer einen bestimmten Preis. Denn falls die Gedanken des anderen nicht richtig sind, hängt man am Ende wegen der Gedanken anderer am Baum. Und ich denke eben, wenn man schon am Baum aufgehängt wird, dann doch möglichst nur für eigene Gedanken. Insofern ist der Wille, sich durchzusetzen, sich gegen eine Masse zu behaupten und das auch auszuhalten, ein Schlüssel zum Erfolg.
Kaufkraftparitätentheorie Die Kaufkraftparitätentheorie besagt, dass die Wechselkurse zwischen zwei Währungen hauptsächlich deshalb schwanken, um Preisniveauunterschiede auszugleichen. Sie basiert auf dem Grundsatz des Gesetzes vom einheitlichen Preis. Demnach müsste sich ein Gut überall auf der Welt zum gleichen Preis verkaufen. Andernfalls gäbe es ArbitrageMöglichkeiten. Nach der Theorie muss eine Geldeinheit in allen Ländern die gleiche Kaufkraft haben, sie muss überall den gleichen realen Wert besitzen. Die Kaufkraftparitätentheorie stammt ursprünglich aus der monetären Außenwirtschaftstheorie. Es wird dabei berechnet, wie viel Einheiten der jeweiligen Währung notwendig sind, um den gleichen repräsentativen Güterkorb zu kaufen, den man für 1 US-Dollar in den USA erhalten könnte. Kurzfristig kann der Wechselkurs von der Kaufkraftparität abweichen, insbesondere da monetäre Störungen schnelle Änderungen des
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Wechselkurses verursachen können, während sich das Preisniveau nur relativ langsam ändert. Langfristig jedoch sollte er aber um diesen Wert schwanken.
Quelle: „Kaufkraftparität“ in: Wikipedia, 10. August 2009 WürdenSiesagen,esgibtUnterschiedezwischeneinemgutenPortfoliomanager,einem gutenAnalystenundeinemgutenHändler?
Ja, wie Tag und Nacht. Ich beginne mal mit dem Thema Händler, weil das für mich leichter zu greifen ist. Ich beschreibe es an einem Beispiel aus meiner eigenen Praxis. In einer bestimmten Größenordnung möchte ich eine Goldmine kaufen, die nicht sonderlich liquide ist, sagen wir mal für 200 TEUR. Das ist ein größerer Auftrag, und ich will deshalb diesen Auftrag mit einem Limit versehen. Dann gebe ich dieses Limit weiter an den Händler. In der Regel gebe ich dem Händler zwei bis drei Prozent Marge ans Limit. Der Händler wiederum versucht mit diesem Auftrag über ein bis zwei Tage, drei, vier oder fünf Prozentpunkte für sich herauszuschneiden. Mir persönlich ist das gar nicht so sehr wichtig, ob der Einstand in diese Aktie etwas höher oder tiefer liegt, weil ich die Aktie aus einem ganz anderen Motiv kaufe. Mit ihr will ich 50, 60 oder 70 Prozent verdienen, und dann lasse ich dem Händler gern den drei- bis vierprozentigen Profit. Der Portfoliomanager trifft die Entscheidung aus einem langfristigen Motiv heraus. Die kurzfristige Entscheidung, wie man sich geschickt in Märkten bewegt, ist üblicherweise Sache des Händlers, und so wird er auch gemessen. Dementsprechend gibt es gar nicht wenige Geschäfte, die zunächst mal eine Woche lang gegen den Portfoliomanager laufen, der das aber auch viel eher aushalten kann als der Händler. Nach einem halben Jahr stellt man dann aber oftmals fest, dass der Portfoliomanager das bessere Geschäft gemacht hat. Insofern sind das wegen der Fristigkeit zwei völlig verschiedene Dinge. Kurzfristiges Timing ist etwas, auf das ich nicht sehr viel Gehirnschmalz verschwende, weil das aus meiner Sicht schlichtweg verlorene Zeit ist. Das wiederum dürfen und sollen die Händler machen. UndderAnalyst?
Das ist bei Tiberius etwas sehr Wichtiges. Bei uns gibt es keine Analysten und Portfoliomanager. Bei uns gibt es immer nur beides! Ich habe bei der BW-Bank erlebt, dass ein Analyst fröhlich pfeifend im Jahre 2001 oder 2002 bei extrem großen Aktienkursverlusten die Bank verlassen hat, und der Portfoliomanager durfte den „Scheiß“ ausbaden, den der Analyst tagsüber verzapft hat, schwitzend und unter größtem Druck seiner Geldgeber. Im Grunde genommen bedruckt der eine Papier und der andere trägt die Verantwortung gegenüber dem Kunden, den Geldgebern und unter Umständen gegenüber dem eigenen Geld. Insofern gibt es eigentlich keine bessere Möglichkeit, als jedem Analysten sofort Geld zu geben, möglichst viel, damit er den „Mist“, der aus der Analyse herauskommt, auch selbst durchleidet. Dementsprechend haben wir diese beiden Funktionen immer in Personalunion.
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In der Hedgefonds und Finanzindustrie arbeiten viele hochintelligente Wirtschafts wissenschaftler und Finanzmathematiker. Warum sind die Anlageergebnisse dennoch invielenFällensoenttäuschend?
Die berühmte „Jahrhundertflut“ ist während der letzten 15 Jahre schon in 13 Jahren aufgetreten. Ich glaube, viele Modelle funktionieren auch deswegen nicht, weil erstens die modell-endogenen Faktoren exogene Ereignisse wie Krieg oder andere Dinge erst gar nicht zulassen. Die treten aber in schöner Regelmäßigkeit auf. Zweitens sind die Historien viel zu kurz. Vielfach findet man Modelle über Bondrenditen oder über Aktienrenditen, die im Jahre 1982 beginnen und dann nur die Bullenmarktphase berücksichtigen, die 70er-Jahre hingegen gar nicht. Das, was in der Regel in so einer Modellhistorie verarbeitet wird, übrigens auch in Risikomanagementsystemen, greift nicht genügend in die Historie zurück. Und die meisten Wissenschaftler arbeiten mit diesen Modellen in einer Art von Wissenschaftsgläubigkeit, dass sie die historischen Fehler, die andere Leute in ähnlicher Funktion begangen haben, für sich in der Form gar nicht als relevant erachten. Das ist schon der nächste Fehler, also eine gewisse Form der Selbstüberschätzung. Über das dritte Thema sprachen wir anfangs bereits, über das Verlieren. Jemand muss in seinem Leben auch mal gelernt haben zu verlieren. Die meisten dieser Leute treffen zum ersten Mal überhaupt auf reale Verluste, nachdem sie sich zuvor nur mit Computern in wissenschaftlichen Räumen bewegt haben. Aber irgendwann muss man selbstverständlich Maßnahmen ergreifen, um Verluste zu begrenzen. Das wiederum gibt es nicht auf der Uni, sondern nur im realen Leben zu lernen. Was nicht heißt, dass aus diesen Wissenschaftlern keine guten Portfoliooder Macro-Manager werden. Aber sie können davon ausgehen, dass sie nach dem Abgang von der Uni gerade mal die Eintrittskarte gelöst haben. Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie als MakroStratege bei der Baden WürttembergischenBankAGmaßgeblichanmehrerenSonderstudienmitgewirkt:Die Risiken der New Economy (April 2000), Gold – ein neuer Megatrend (2000), Die Entzauberung des USDollars (2002). Und bei Tiberius gab es im Frühjahr 2007 eine Sonderpublikation über die drohende Rezession. Das waren alles Volltreffer – was warendiejeweiligenHauptargumentefürIhrePrognosen?
„Die Risiken der New Economy“ war auf diese Querdenkeratmosphäre innerhalb der BWBank zurückzuführen. Alle waren damals der Meinung, dass man die Menschen nicht sehenden Auges in eine solche Blase schicken könne. Ich erinnere mich noch gut an die Anlegermesse „Invest“ im Mai 2000, auf der wir „Risiken der New Economy“ vorstellten. Dort war eine unheimliche Marktschreierei, und die TMT-Blase war auf ihrem Höhepunkt. Insofern war klar, dass wir eine bärische Studie schreiben würden. Diese Studie war ein Auszug aus einem Artikel aus dem Buch „Risikomanagement an internationalen Finanzmärkten“, das bereits 1999 erschienen ist. In diesem Buch waren sehr viele Menschen versammelt, die mehr oder minder alle sagten, dass es sich um eine Übertreibung handelt. Das war also nichts Spezifisches, was ich erarbeitet habe, sondern etwas, das der gesunde Menschenverstand einem einflüsterte. Anders war es beim Dollar, wo es tatsächlich auch
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eine Blase gab. Anfang 2002 habe ich versucht, Ansätze für die Bewertung von Währungen zusammenzuführen. Das Erstaunliche war, dass neun von zehn oder sogar zehn von zehn Argumenten ganz klar gegen den Dollar sprachen. Trotzdem sprachen neun von zehn Marktbeobachter ganz klar für den Dollar. Diese Diskrepanz zwischen der rationalen Betrachtung und der Markmeinung war so groß, dass ich unbedingt diese Dollarstudie schreiben wollte. Ebenfalls unpopulär war das Kursziel von 1,30 USD pro Euro, das wir bei einem Stand von 0,90 USD ausgegeben hatten. Und das war eigentlich das Minimum, zu dem der Markt aus rationaler Sicht hinlaufen sollte. Im Frühjahr 2002 wurde man für diese Meinung fast gesteinigt. Das andere Thema, das wir im Team entwickelt hatten, war Gold. Ich habe begonnen, das Thema auszuarbeiten und sowohl die Terminmärkte als auch die physische Marktbalance untersucht. Und auch hier sprachen neun von zehn Faktoren für das Thema Gold. Wir haben die Ergebnisse als erste Goldstudie unter dem Namen „Gold – eine neuer Megatrend?“ im Dezember 2000 veröffentlicht, und es gab die gleichen Marktreaktionen wie später beim US-Dollar. Das machte einen dann auch ein Stück weit sicher, auf dem richtigen Pferd zu sitzen. Erstaunlicherweise war dagegen die Meinung zum US-Immobilienmarkt im Jahre 2007 nicht besonders originell. Es war nicht etwas, das keiner ausrechnen konnte, ganz im Gegenteil. Uns erschien es 2007 normal, dass die durch expansive Geldpolitik völlig aufgeblähte Häuserpreisblase im Rahmen einer restriktiven Geldpolitik irgendwann platzen würde. Und wenn diese Blase platzen sollte, dann würde sie niemals auf das Thema Subprime beschränkt bleiben, sondern sich auf die gesamte Volkswirtschaft der USA auswirken, da die Konsumentenfinanzen zerrüttet sind. Das war eine ganz klare Gedankenkette, die offenkundig vor einem lag. Und das soll niemand so gesehen haben? Das kann eigentlich nur daran liegen, dass viele Menschen in der Analyse sehr kurz springen oder nicht mehr in der Lage sind, die große Bewegung zu prognostizieren oder sich gegen die Meinung des Hauses oder der Masse zu stellen, weil sie auch aufgrund ihres Jobs wochenweise, monatsweise oder quartalsweise gemessen werden. Ich glaube, dass es sehr viele Leute gegeben hat, die schon im Jahre 2007 die Faust in der Tasche geballt haben, sich aber nicht trauten, ihre Bedenken zu Papier zu bringen. Aufgrund meiner Tradition, solche Dinge immer schon aufzuschreiben, haben wir uns wieder nach draußen gewagt. Bei Tiberius herrscht in diesem Punkt sowieso völlige Freiheit. Auch völlig konträre Meinungen können und sollen artikuliert werden. In bin ohnehin der Meinung, falls jemand für sich eine starke Meinung und ein in sich stimmiges Gedankengebäude hat, muss er damit raus und es erzählen. Der Erfolg gibt diesen Leuten dann in der Regel auch recht. Es gibt nichts Schlimmeres, als aus Feigheit oder Unfähigkeit, etwas zu Ende zu denken, die Mehrheitsmeinung anzunehmen. Das führt in der Regel zu Depressionen, wenn das jemand im Finanzbereich zu lange macht. Siesagten,dassIhreMeinungennichtbesondersoriginellwaren.WoraufführenSiees zurück, dass es trotzdem nur wenige Marktteilnehmer gab, die diese Themen identifizierten. Hat das mit dem Glauben an effiziente Märkte zu tun, oder haben Sie eineangeboreneFähigkeit,dieanderenichthaben?
Ich glaube, das Thema „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ spielt eine große Rolle, auch in der Analyse. Wenn man sich Mitte oder Ende des Jahres 2007 ansah, welche Schät-
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zungen die Banken für den DAX im Jahre 2008 ausgegeben haben, fragt man sich, wie es zu so einer Schätzung kommen kann. Da ist einfach auch viel Wunschdenken dabei. Die Vorstellung „es wird schon alles gut gehen und wird mich unter Umständen gar nicht betreffen“ und dann die Augen zu schließen, ist ein typisches Anlegerthema. Wir hatten damals verschiedene Kursziele ausgegeben, unter anderem, dass die US-Leitzinsen bei einem Stand von damals 5,25 Prozent auf 1,75 Prozent fallen und dass der DAX von seinem Hoch bei 8200 Punkten auf 5400 fällt. Heute wissen wir, dass selbst das zu kurz gesprungen war. Ich weiß noch, wie ich mit meinem Kollegen Bernd Früh kurz nach dem Verfassen dieser Studie im Café saß und wir nochmals alle Argumente durchgegangen sind. Ich konnte es mir in meiner Ungeduld nicht erklären, warum der Markt diese Meinung zunächst nicht umsetzen wollte, obwohl die klare Mehrheit der Argumente dafür sprach. Dennoch glaube ich, dass viele Menschen, die diese Gedanken hatten, sich „Par ordre de Mufti“ nicht artikulieren durften. Deshalb beanspruche ich für uns auch nicht, dass nur wir diesen originären Gedanken hatten. Aber Gott sei Dank hatten wir die unternehmerische Freiheit, es zu publizieren. AberwieerklärenSiesich,dassselbsteinigeunabhängigeInstitutionenundAnalyse häuserdieAuswirkungenderImmobilienmärkteoffensichtlichmassivunterschätzten?
Es kam natürlich noch ein Aspekt hinzu, der das Phänomen teilweise erklärt. Als ich noch bei der BW-Bank war, hat sich die US-Wirtschaft schon während der Asienkrise 1997/1998 extrem robust gezeigt. Überall knallte es auf der Welt, nur die USA ließen sich in ihrem Optimismus nicht erschüttern, und dementsprechend ging dann die Börsenhausse noch bis ins Jahr 2000 weiter. Auch in den Jahren 2002 und 2003 kam der amerikanische Konsument relativ schnell wieder aus den Startlöchern. Ich habe immer gesagt: „Mensch, lass uns doch mal nach Amerika fliegen und dort vier bis fünf Amerikaner holen, die wir dann hier in einem Glaskasten ausstellen, um zu verstehen, woher dieser unerschütterliche Optimismus kommt.“ Gegen den amerikanischen Konsumenten zu wetten, war ein Sport, der eventuell schon seit dem Jahr 1997 rational angezeigt war, der aber bis zum Jahr 2007 immer schiefging. Wenn man auf die niedrige Sparquote, die notwendigen Anpassungen im Konsum und dementsprechend geringes Wirtschaftswachstum hingewiesen hat, hörte einem schon niemand mehr zu, weil man sich diese Geschichte schon seit 30 Jahren in abgewandelter Form erzählte und sie deswegen nicht wahr sein konnte. Und das war natürlich mit ein Punkt, dass viele schon desavouiert waren und gedanklich aufgegeben hatten, obwohl es die wahrscheinlichste Lösung war. Aber wenn ein Argument richtig ist, dann wird es auch nicht dadurch falsch, dass es oft vorgetragen wird. Das Argument war eventuell 2005 schon richtig und 2007 umso mehr. Siesagtenvorhin,dassesinjederMarktphaseeinpaarentscheidendeHauptargumente gäbe, über die man im Idealfall diskretionär entscheiden müsse? Was sind für Sie die wichtigstenInformationen,aufdieesankommt?WieidentifizierenSiedieseFaktoren? IstdasBauchgefühl?
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Ich sehe folgendes Bild. Im Grunde genommen muss man sich zwei Parteien vorstellen, die miteinander Karten spielen. Jedem werden zehn Karten gegeben, der eine hat die ProSeite mit sieben Trumpfkarten, der andere die Contra-Seite mit drei Trümpfen. Und jetzt kommt es darauf an, wie diese Karten gespielt werden. Es kann durchaus sein, dass die Contra-Seite ihre drei Argumente vorneweg spielt, sodass es den Anschein hat, der Markt ginge eine ganz Zeit in die Richtung des Contra-Mannes geht. Für mich ist entscheidend, ob ein Argument, das für etwas Bestimmtes spricht, schon gespielt wurde oder nicht. Ich gebe mal ein Beispiel aus dem Jahre 2001: Das Leistungsbilanzdefizit der USA in den Jahren 1998 bis 2001 war immer da, und zwar in einer Größenordnung von vier Prozent des Bruttoinlandprodukts. Es spielte nur in der Diskussion überhaupt keine Rolle. Das gleiche Argument wurde dann in den Jahren 2002 bis 2004 als Grund herangezogen, warum der US-Dollar abwerten muss. Diese Karte, das Leistungsbilanzdefizit der USA, war noch nicht gespielt. Ein Trumpf, der für eine Abwertung des US-Dollar sprach. Danach war sie gespielt und sozusagen verbraucht. Pro- und Contra Argumente gibt es immer, es kommt natürlich darauf an, zu entscheiden, welche Karte jetzt gerade gespielt wird. WennSieheuteeineneueSonderstudieveröffentlichenwürdenunddamitentscheiden müssten,welcheKartenwirüberdienächstenMonateoderJahrespielen,wiewürdeihr Titellauten?
Das ist insofern schwer, weil es meines Erachtens kein Anlagethema gibt, das Jahre überdauern wird. Das grundlegende Thema, oder was sich dahinter verbirgt, würde in etwa lauten: „Das Ende der traditionellen Geldpolitik“ oder irgendetwas in diese Richtung. Wir sehen heute vor allem im Bond-Markt, dass immer mehr Laufzeitsegmente staatlich manipuliert sind, durch die Notenbanken in Form von direkten Kaufprogrammen. Insofern ist der Preis, der dort ausgehandelt wird, kein Marktpreis mehr, sondern ein künstlicher Preis. Die große Frage wird sein, ob die Notenbanken diesen Zustand auf Dauer aufrecht erhalten können oder ob es Situationen geben kann, in denen selbst der Geldmarkt den Notenbanken entgleitet, in Verbindung mit der Monetisierung von Staatsschulden. Die Frage ist, wie weit können die Notenbanken diesen Prozess treiben, bis entsprechende Anlegerreaktionen einsetzen. Momentan haben diese Anlegerreaktionen noch nicht eingesetzt, und wir kommen auch aus einer Zeit, in der die Notenbanken immer als Deus ex machina erschienen sind, mit Greenspan als Hohepriester des Geldes. Es herrschte ein fast kindliches Vertrauen in die Fähigkeiten der Notenbanken, mit allen Problemen fertigzuwerden, die der Welt jemals begegnen könnten. Dieses Vertrauen hat in den letzten vier bis fünf Jahren schon sehr gelitten, und die Notenbanken verspielen im Moment den Kredit, den sie sich über viele Jahrzehnte erarbeitet haben. Insofern würde ich darüber schreiben, was es bedeuten würde, wenn der Restkredit der Notenbanken auch noch verspielt wäre. Dies hätte gewisse Implikationen und würde am ehesten dafür sprechen, dass man einen strukturellen Bärenmarkt bei Bonds sehen würden, den die Notenbanken unter Umständen nicht mehr verhindern könnten. Mit anderen Worten, die Fähigkeit der Notenbanken zur Seniorage, also Geld zu emittieren, ist auf Dauer begrenzt, weil es Situationen geben kann, in denen die anderen Marktteilnehmer dieses Zentralbankgeld nicht mehr halten wollen.
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Wie stellt sich ein Vermögensverwalter oder Hedgefondsmanager auf solch eine Situationein?
Möglichst flexibel! Ich glaube, es wird eine „Stop and Go“-Marktphase geben, die von Aktion und Reaktion geprägt ist, auch aus der Wirtschaftspolitik heraus, und die man möglichst ohne große und feste Erwartung betreten sollte. Im März 2009 lautet der kurzfristig begreifbare Trade „Aktien-Long“, weil angesichts der eingeschlagenen Geldpolitik Aktien schlichtweg völlig unterbewertet sind gegenüber festverzinslichen Alternativen, die zuvor als Zuflucht dienten. Viele Marktteilnehmer sitzen auf Bergen von Cash, das vermutlich in irgendeiner Form den Weg zurück in die Aktien finden wird. Diese Bewegung dauert aus meiner Sicht aber nicht so lange, dass man jetzt mit einem Trend über mehrere Jahre rechnen darf. Unter Umständen dauert diese Bewegung nur sechs, neun oder zwölf Monate und ist dann so schnell vorüber, wie sie gekommen ist. WelcheMeinunghabenSiezuRohstoffen?JimRogerssiehtdenRohstoffsuperzyklus nochlangenichtamEnde.TeilenSieseineEinschätzung?
Also ich halte von Begrifflichkeiten wie Superzyklen oder Superzyklus immer wenig. Festzustellen ist jedoch, dass ein Rohstoffzyklus im Jahr 2008 zu Ende ging. Wir haben einen kompletten Zyklus durchlaufen mit dem Aufschwung in den Jahren 2003 bis 2007, gewissen Überreaktionen nach oben im Jahre 2008 und einem kräftigen Commodity-Crash in der zweiten Jahreshälfte 2008. Es fällt mir schwer zu sagen, dass ein Superzyklus andauert, nachdem einzelne Rohstoffpreise um 75 Prozent gefallen sind. Auch für den Anleger wäre das nur schwer nachzuvollziehen. Rohstoffe sind ein zyklisches Geschäft, und wir werden den nächsten Zyklus nach oben aus meiner Sicht schon im Jahre 2009 sehen, zunächst liquiditätsgetrieben, später auch fundamental getrieben mit einem neuen Konjunkturaufschwung. Nur wird dieser Konjunkturaufschwung meiner Meinung nach nicht sehr lange halten, da er nur politisch induziert ist. Dementsprechend wird man sehen, wie lange die Rohstoffpreise dann steigen dürfen. Absehbar ist, dass die Rohstoffpreise sehr kräftig steigen werden, weil die strukturellen Probleme der Rohstoffe nicht gelöst wurden. Insbesondere sind die Angebotsprobleme in den Bereichen Energie und Metalle noch offen. Sie sind vermutlich lösbar bei Agrarrohstoffen, aber auch dort wird man sich strecken müssen, um bei abnehmenden Flächen eine stetig wachsende Anzahl Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Das heißt, wir haben ein strukturelles Thema. Viele Agrarpreise, beispielsweise für Getreide, sind von den 70er-Jahren bis weit in die 1990er und teilweise auch in diesem Jahrzehnt seitwärts gegangen. Ich denke schon, dass es eines höheren Preisniveaus bedarf, um langfristig wieder Anreize zur Bereitstellung eines genügenden Angebotes zu bekommen. Ich sehe kein Ende des Ölzeitalters oder andere Dinge, aber ein höherer Preis ist erforderlich, um das Angebot zu gewährleisten. Demgemäß glaube ich, dass die Preise wegen der derzeitigen extremen Angebotsreduktionen stark steigen werden, bis dieses Angebot zurückkommt. Dafür reicht schon ein kleiner Konjunkturaufschwung. Viele Märkte sind bereits jetzt nahe am oder auch schon im Defizit, und das bei einer katastrophalen Nachfragesituation. Sofern sich die Nachfrage nur leicht erholt, könn-
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te es ein Blutbad bei Rohstoffpreisen geben. Außerdem würde auch die Geldpolitik steigende Rohstoffpreise nicht verhindern wollen, sondern sogar freudig begrüßen. Steigende Preise würden nämlich dafür sorgen, dass sich die Inflationsraten und Inflationserwartungen im positiven Bereich stabilisieren. Ich rechne nicht damit, dass wir schnell steigende Zinsen aufgrund der Rohstoffpreisentwicklung bekommen. Inwieweitspieltdie„MoralHazard“ProblematikdabeieineRolle?
Es ist nicht auszuschließen, dass es Marktteilnehmer gibt, die mit 180 km/h durch den Nebel fahren, sämtliche Gewinne auf der Fahrt mitnehmen und im Falle eines Unfalls aussteigen und den Schaden anderen überlassen. Das erinnert mich doch stark an die anfangs geschilderten Probleme mit den Bankmanagern, die in den 80er-Jahren über Nacht nicht mehr da waren. So etwas gibt es immer wieder. Ich glaube aber, dass viele Menschen nicht so denken, sondern dass die Probleme, die wir im Finanzbereich heute haben, eher mit dem Thema Dummheit als mit dem Thema „Moral Hazard“ zu tun haben. Viele Menschen sind Risiken eingegangen, die sie überhaupt nicht überschauen konnten und aus heutiger Sicht wahrscheinlich nicht mehr eingehen würden, wenn sie nochmals die Chance dazu hätten. Es ist eher fehlendes Risikobewusstsein, eventuell Eitelkeit kombiniert mit Dummheit, was dazu geführt hat, dass gewisse Entscheidungen getroffen wurden. „Moral Hazard“ wäre demgegenüber ethisch gesehen weitaus schwerwiegender, wovon ich persönlich aber nicht ausgehe. Stattdessen kann man jemandem eher zuschreiben, dass er etwas aus Unkenntnis gemacht hat, anstatt willentlich und in Kenntnis der Sachlage den Scherbenhaufen jemand anderen beseitigen zu lassen. WoherrührendieseDummheitunddieseEitelkeit?
Erstens ist dieses Thema natürlich teilweise damit verbunden gewesen, dass viele Menschen gern Renditeziele verfolgen, für die sie gar nicht die erforderlichen Kenntnisse mitbringen. Es ist schön und gut, wenn jemand ein bestimmtes Rendite- oder Eigenkapitalrenditeziel postuliert. Dazu muss man aber auch die entsprechenden Erfahrungen und das nötige Know-how mitbringen. Viele Finanzinstitute haben Ziele ausgegeben, angesichts derer man sich die Frage stellt, mit welchen Leuten und Geschäftsmodellen sie diese Ziele denn eigentlich erreichen wollen und können. Das war die erste Diskrepanz. Die Lebensweisheit „Schuster bleib bei deinem Leisten“ wurde sehr oft missachtet. Zweitens hat man viele Leute einfach gewähren lassen. Die Notenbanken und die Politik haben sich auf den Grundsatz gestellt, dass man im Prinzip die Wall Street die Welt managen lassen könne. Das ist natürlich nicht möglich! Ich war schon erschüttert über die Aussagen der Notenbanken, als im Jahre 1997 die Frage aufkam, ob die Geldpolitik auf Blasenbildung im Finanzbereich reagieren soll. Die Notenbanken haben sich immer mit dem Argument herausgeredet, dass eine Blase gar nicht zweifelsfrei zu erkennen sei, und dementsprechend können die Notenbanken auch nicht agieren. Mein Job als Global-Macro-Manager war es, das zu erkennen. Die Notenbanken haben sich immer wie die drei Affen „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ aus der Verantwortung gezogen. Stattdessen hätten sie den
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einen oder anderen Anleger vor gewissen Dummheiten bewahren können, vielleicht sogar müssen. Und insofern ist auch das Thema „Moral Hazard“ eher ein Regulierungsthema. WasistIhreAnlagephilosophie,undmitwelchemZeithorizontgehenSieandieMärkte heran?
Wir wollen auf Sicht von einem Jahr recht haben. Die Sicht über drei Monate halten wir für zu kurz und auch wenig prognostizierbar. Und alle, die innerhalb von einer Woche recht haben müssen, kann ich nur bemitleiden. Man hat natürlich auch ein Problem, wenn jemand auf ein Jahr recht haben will, aber monatlich berichten muss. Wir beobachten auch immer mehr Anleger, die auf Basis von Monatsdaten Anlageentscheidungen treffen. Ich persönlich versuche, mir die Ruhe zu bewahren, um die fundamentalen Bewegungen auf ein Jahr richtig zu treffen. Und zweitens fühle ich mich unwohl, wenn Märkte sehr reif sind und das Sentiment einseitig in eine bestimmte Richtung tendiert. Diese Märkte meide ich eher. Wohler fühle ich mich, wenn ich in einem Markt tätig bin, in dem nicht viele unterwegs sind oder der gar von vielen prozyklischen Akteuren gemieden wird. Dort gibt es aus meiner Sicht die größten Chancen. In welche Anlageklassen investieren Sie in Ihrem GlobalMacroFonds, und welche AnlageinstrumenteverwendenSie?
Wir investieren zum einen in Rohstoffe, wobei Rohstoffe nicht eine, sondern mindestens fünf Anlageklassen bilden, nämlich Energie, Industriemetalle, Edelmetalle, Getreide und Lebendvieh – diese alle haben ganz unterschiedliche Ausprägungen. Wir sind überwiegend in Futures investiert, schließen aber auch Rohstoffaktien nicht aus, da wir oftmals dazu eine Meinung haben, ob bestimmte Aktien teuer oder billig im Vergleich zu Rohstoffen sind. Dieses Thema spielen wir aktiv. Dann investieren wir insgesamt in die Anlageklasse Aktien, wobei ich als Macro-Mann nichts mit Stock Picking anfangen kann, sondern mich eigentlich immer auf Ebene der Länder- oder Branchenindizes bewege. Auch hierbei stellt der Future das gängige Investment dar. Allerdings sind wir in allen Märkten auch in Optionen aktiv, wobei wir Optionen auf Basis eines ganz einfachen Modells handhaben. Wir wollen sehen, dass zwei Bedingungen zusammentreffen: 1. Die Märkte sind sehr stark überkauft oder überverkauft, und 2. Die implizite Volatilität steht weit über der tatsächlichen, das heißt, die Angstprämie muss entsprechend hoch oder tief sein. Dann werden wir tätig. Wir wollen unsere Optionsstrategien auch noch erweitern, weil wir uns vorstellen, dass die Terminstrukturkurve der Volatilitäten ein interessantes Thema ist, nachdem wir bei Rohstoffen in den Jahren 2004 und folgende bereits festgestellt haben, dass die Terminstrukturen der Futures-Preise ein maßgeblicher Renditetreiber sind. Ein weiteres Thema, das wir gegenwärtig untersuchen und umsetzen wollen, möchte ich kurz an einem Beispiel erläutern. Angenommen, ein Öl-Future wäre sehr stark mit einem Aluminium-Future korreliert. Falls dann die Öl-Volatilität um 10 bis 15 Prozentpunkte an-
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steigt, die Aluminium-Volatilität aber nicht, könnte man in solch einem Fall die ÖlVolatilität verkaufen, also short gehen, und die Aluminium-Volatilität kaufen, also long gehen. Solche Sachen werden zunehmend kommen, aber auch mit dem uns gemäßen langfristigen Anlagehorizont. Unsere Signale halten in der Regel Monate, manchmal sogar Jahre. VolatilitätistalsoeineTeilstrategie?
Ja, und sie ist natürlich schwer in eine Anlageklasse zu fassen. Die Dimension FutureRenditen und Volatilität ist eine eigene nicht korrelierte Dimension, wenn man so will. O.K.,dannhabenwirVolatilität,Aktien,RohstoffealsAssetKlassen...
Die Renten dürfen wir dabei natürlich auch nicht vergessen, da wir mit Bernd Früh einen ausgewiesenen Rentenmann haben, der seit Jahrzehnten nichts anderes macht als Durations- und Währungsmanagement von internationalen Staatsanleihen-Portefeuilles. Auch beim Thema Rohstoffe kommt man in der Analyse nicht ohne Währungen aus. Insofern investieren wir auch in Währungen als Anlageklasse. Wir selektieren jedoch keine einzelnen Unternehmensanleihen, strukturierten Anleihen oder dergleichen. Auch hier würden wir einen Index nehmen und mittels Future oder Option abbilden. Wenn ich den Spread zwischen Unternehmensanleihen und Staatsanleihen spielen will, könnte ich auch mal einen aktiv gemanagten Unternehmensanleihefonds nehmen und den entsprechenden Staatsanleihen-Future dagegen verkaufen. Dasheißt,IhrHauptwerttreiberisteindeutigdieAllokation?
Ja, und bei Rohstoffen natürlich auch die Selektion. Dabei spielen sowohl detaillierte Mikroüberlegungen eine Rolle, wie beispielsweise die Marktbalance eines Rohstoffs, aber natürlich auch Makroüberlegungen, wie zum Beispiel Konjunkturentwicklung oder Zyklik eines Rohstoffs. WasistmomentanIhreLieblingspositionimPortfolio? 1
Bei den Rohstoffen haben wir keine echte Lieblingsposition, weil wir aktuell vier bis fünf Spreads am Laufen haben, die wir alle für aussichtsreich halten. Gegenwärtig sind wir die Soft-Commodities long, also Baumwolle und Kaffee. Baumwolle hat sehr stark unter der Rezession gelitten. Wir haben den stärksten Nachfrageeinbruch bei Baumwolle seit dem Zweiten Weltkrieg beobachten können und entsprechend stark ist der Preis unter Druck gekommen. Andererseits zeigt Baumwolle seit Jahren Angebotsreaktionen, die dazu ge-
1
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führt haben, dass der Baumwollmarkt seit mehreren Jahren global im Defizit ist und die globalen Lagerbestände tendenziell im Fallen begriffen sind. Für das Jahr 2009 wird man eine sehr starke Angebotsreaktion feststellen, weil die Hauptkonkurrenten um Ackerfläche, nämlich Mais, Sojabohnen und Weizen relativ hoch gepreist sind. Sollte sich die Konjunktur nur stabilisieren, wird das Defizit groß genug ausfallen, damit die Lagerbestände in den USA fallen oder unter Umständen sogar sehr stark fallen. Die Terminkurve, die bisher in den letzten Jahren notorisch in Contango war, könnte dann auf Backwardation drehen und der Baumwollmarkt in der zweiten Jahreshälfte von dem gegenwärtigen Niveau bei etwa 43 Cent auf 90 Cent gehen. Das heißt, es kann eine Bewegung sein, die im Spotmarkt gemessen mehr als hundert Prozent bringt. Das halten wir für die wahrscheinlichste Variante (siehe Abbildung 10.5). Bei Kaffee sieht es ähnlich aus, hier haben wir normalerweise einen zweijährigen Erntezyklus. Die starke Ernte wurde gerade erst eingefahren, und die nächste Ernte fällt zyklisch etwas schwächer aus. Die Lagerbestände, insbesondere in Brasilien, dem Hauptexporteur von Kaffee, sind schon relativ niedrig, sodass wir auch hier eine Möglichkeit sehen, dass die Terminkurve von Contango in Backwardation geht. Das heißt, wir können diesen Trade von zwei Seiten spielen. Entweder wir spielen die Long-Seite und finden eine entsprechende Short-Seite dazu oder spielen den Trade über die Terminkurve. Das heißt, wir gehen in die vorderen Kontrakte mit kurzer Restlaufzeit long und die hinteren Kontrakt mit längerer Restlaufzeit entsprechend short. Außerdem sind wir sehr bullisch für das Thema Erdöl gestimmt. Wir glauben, dass der Markt jetzt schon in der noch rezessiven Phase, die wir Ende des ersten Quartals 2009 haben, im Defizit ist. Die Verknappung durch die OPEC reicht offensichtlich aus, um die Lagerbestände bereits wieder zu reduzieren. Auch da werden wir sehen, dass die Kurve von Contango auf Backwardation drehen wird. Sehr viele Marktteilnehmer sind in die hinteren Kontrakte geflüchtet mit Restlaufzeit bis 2010 bzw. 2011, um die Roll-Verluste möglichst klein zu halten. Die Erfahrungen des Jahres 2007 zeigen, dass wenn der Markt ins Defizit geht und die Lagerbestände fallen, man unter Umständen einen sehr schnellen und gewaltigen Dreh der Kurve nach oben sehen kann. Auch hier kann man aus meiner Sicht im Dezemberkontrakt 2009 long sein und im Dezemberkontrakt 2011 short. Dieser Trade wird aus unserer Sicht funktionieren. Aber auch absolut hat Öl Perspektiven, sehr weit zu laufen, weil meines Erachtens das Angebot, das die OPEC jetzt vom Markt genommen hat, erst bei deutlich höheren Kursen wieder zurückkommen wird. Der Rohstoff ist von der zyklischen Seite durch die OPEC-Reaktionen abgesichert, bekommt aber im Grunde genommen den vollen „Swing“, wenn sich die Konjunktur etwas stabilisiert. Dann kann es durchaus noch bis zum Ende des Jahres 2009 in Regionen von 70-80 USD pro Barrel zurückgehen. Das sind unsere Positionen auf der Long-Seite. Auf der Short-Seite ist es etwas schwieriger. Unsere Portfoliopositionen sind auf der Long-Seite immer noch durch entsprechende Short-Positionen abgesichert. Die Nettoinvestitionsquote ist noch null, wird sich aber in der zweiten Jahreshälfte 2009 vermutlich deutlich nach oben bewegen, sowohl im Rahmen unseres Macro-Fonds als auch im Absolute-Return-Fonds. Auf der Aktienseite sind wir long Aktien. Zuletzt haben wir immer wieder versucht, Long-Positionen aufzubauen, wurden aber mehrfach ausgestoppt, weil wir den Stop Loss eher eng handhabten. Wir versuchen lieber fünf Mal zu oft eine Position aufzubauen, als einmal zu wenig. Die letzte Long-Position im DAX wurde bei 4000 ausgestoppt. Der Markt fiel dann auf 3600
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Punkte und drehte dann nach oben, sodass wir bei 3800 die Position wieder neu aufmachten. Zuletzt wurde die Position noch einmal verdoppelt, weil der Markt in unsere Richtung gelaufen ist. Sie wird nochmals deutlich erhöht werden, wenn die Annahme stimmt, dass es eine liquiditätsgetriebene Rallye gibt. Dazu müsste sich der Markt nachhaltig über der 4200 etablieren. Sollte er sich dort halten können, sind wir der Überzeugung, dass es eine sehr schnelle und steile Aufwärtsbewegung gibt, weil die meisten Anleger ihre Aktien untergewichtet haben. Und auf die warten wir! (Siehe Abbildung10.6)
Die Rolle der Terminkurven bei Rohstoffen Rohstoffinvestments werden in aller Regel über Termingeschäfte dargestellt. Die Rohstoffterminbörsen weisen im Vergleich zu anderen Financial Futures jedoch eine große Besonderheit auf. Normalerweise notiert der Terminkurs über dem Kassakurs (im Fachjargon als Contango bezeichnet). Ein Verkäufer, der die Wahl zwischen beiden Segmenten hat, wird beispielsweise dann den Kassamarkt bevorzugen und die Verkaufserlöse zinsbringend anlegen, wenn er nicht durch einen entsprechend höheren Terminkurs für entgangene Zinserträge und Lagerkosten (Cost of Carry) kompensiert wird. Bei Rohstoffen gilt dieser Zusammenhang jedoch nicht. Regelmäßig liegen die Terminkurse unter den Spotmarktpreisen, im Fachjargon als Backwardation bekannt. Mit anderen Worten: Investoren können auf Termin nicht nur billiger einkaufen und sogenannte Roll-Erträge erzielen, sondern können die für das Termingeschäft geforderten Sicherheiten (Margin bei Rohstoffen ca. 10 % des Kontraktwerts) und die restliche Überschussliquidität in der Zwischenzeit noch zinsbringend anlegen. Abbildung 10.3
Rohölpreisentwicklung ohne (Spot) und mit (Excess) Berücksichtigung von Roll-Erträgen, 1987 bis 2009 (Quelle: Tiberius AG)
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Indexpunkte
ExcessReturn SpotReturn 512
256
RollErträge 128
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Was sind die Gründe, dass Investoren über große Zeiträume Roll-Erträge erzielen können? Die klassische Erklärung stammt von dem berühmten englischen Nationalökonomen John Maynard Keynes. Demnach streben die Rohstoffproduzenten danach, Preisrisiken durch Terminverkäufe abzusichern. Investoren sind dann bereit, in den Markt einzutreten, wenn sie für ihre Risikoübernahme durch einen tieferen Einstandspreis an den Terminmärkten entlohnt werden. Halten sie die Kontrakte bis zur Fälligkeit, haben sie bei unveränderten Kassapreisen die Backwardation für sich eingenommen, was in die Literatur unter „Normal Backwardation“ eingegangen ist. Eine weitere Erklärung für Backwardation ist die Erwartung vieler Marktteilnehmer, dass die Preise am Kassamarkt überhöht sind und deswegen zurückkommen müssten. Sind diese Erwartungen rational, können Investoren an den Rohstoffterminmärkten keine Rendite erzielen, da die Roll-Erträge durch den erwarteten Rückgang der Kassapreise aufgezehrt werden. Lohnen kann sich hingegen ein Engagement, wenn sich ein irrationaler Marktkonsens ausgebildet hat. Abbildung 10.4
Backwardation und Contango am Beispiel der Rohöl-Terminkurve (WTI) (Quelle: Tiberius AG)
76 75
2.
74
2. 1.
2. 1. l 73 e rr a /B 72 1. D S U 71
1.
2.
27.Juli 2007
70
1.
2.
13. Juli 2007 25. Juni 2007
69 68
Restlaufzeit in Monaten
1. 2.
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Backwardation kann aber auch von einer unerwarteten Verknappung des Rohstoffangebots auf Grund exogener Ereignisse (Streik, politische Unruhen, Naturkatastrophen etc.) ausgehen. Sind diese Versorgungsengpässe vorübergehender Natur, beruhigen sich die Kassapreise schnell wieder. Profitabel wird es für Investoren dann, wenn eine wachsende Nachfrage über einen längeren Zeitraum nicht durch eine entsprechende Ausweitung des Angebots befriedigt werden kann. Verzögerte Angebotsreaktionen sind insbesondere dann zu beobachten, wenn in die Erschließung und Förderung neuer Projekte zu wenig investiert wurde. Neben den zu erwarteten Roll-Erträgen bei unveränderter Terminkurvenstruktur ist ebenfalls sehr wichtig, die Drehung und Schattierungen der Terminkurve im Zeitablauf richtig zu prognostizieren. Die empirische Analyse hat gezeigt, dass die Lagerbestände am Erfüllungsort des Rohstoffkontrakts eine zentrale Rolle für die Drehung der Terminkurve spielen. Exemplarisch der Sommer 2007, als die Angebotskürzungen der OPEC schließlich zu einem Rückgang der Lagerbestände am WTI Erfüllungsort Cushing und schließlich zu einer Drehung der Terminkurve von Contango auf Backwardation geführt haben. Bis Sommer 2008 war die Teminkurve dann immer wieder backwardated. Quelle: Tiberius AG Abbildung 10.5
Baumwolle – Entwicklung von Preis und Lagerbeständen von 1995 bis 2009 (Quelle: Tiberius AG) 16.000
40
4.000
20
2.000
USDproPfund
8.000
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Baumwollpreis(linkeSkala)
USDA:AbschlusslagerbeständefürBaumwolle(rechteSkala)
Tausend480PfundBallen
80
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Abbildung 10.6
Aktien-Positionsmanagement, 10/2008 bis 07/2009 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung) 7000
35% Interview
30%
6500
25% 6000 20%
5000
Indexpunkte
5500 15%
10% 4500 5% 4000
0%
3500
5% Okt.08
Nov.08
Dez.08
Jan.09
Feb.09
Mrz.09
Aktieninvestitionsquote(linkeSkala)
Apr.09
Mai.09
Jun.09
Jul.09
DAXIndex(rechteSkala)
Mich interessiert, wie Sie Ihre Ideen generieren. Arbeiten Sie überwiegend modellgetrieben,odererlaubenSiesichdiskretionäreEntscheidungen?
Die Modelle sind eigentlich nur Spiegel der eigenen Gedanken und beschreiben, wie man ein Thema letztlich angeht. Insofern helfen einem die Modelle, Disziplin zu halten und ein möglichst breites Spektrum von Faktoren zu berücksichtigen. Aber am Ende braucht es dann, wie gesagt, die Zusammenführung und Gewichtung dieser Faktoren, und das findet jenseits von quantitativen Faktoren statt. Dabei geht es auch sehr stark um die Einschätzung, wie andere Marktteilnehmer gewichtet sind. Erst dann wird die Entscheidung getroffen und entsprechend umgesetzt. Aber die Grundidee ist natürlich schon, dass man beispielsweise im Fall von Aktien zunächst deren Attraktivität feststellen muss: Wie attraktiv sind im Vergleich festverzinsliche Papiere bei der eingeschlagenen Geldpolitik, wie sieht die Anlageklasse von der zyklischen Seite aus, welche Risikoprämien werden bezahlt und was sagt das Stimmungsbild, also das Sentiment. Das sind die klassischen Modelle, die man durchspielt. Mittlerweile wird Aktien vielfach die Eigenschaft des Frühindikators abgesprochen. Wir sind jedoch der Auffassung, dass die Aktienmärkte in 50 Jahren praktisch alle Konjunkturaufschwünge richtig getroffen haben, und zwar mit einem Vorlauf von drei bis sechs Monaten. Deshalb sehen wir keinen Grund, warum es dieses Mal nicht
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so sein sollte. Üblicherweise sind die nachlaufenden Indikatoren am Tief der Aktienmärkte am stärksten ausgeprägt. Nachlaufende Indikatoren sind aus meiner Sicht beispielsweise ganz klar der Arbeitsmarkt, und folglich ist es überhaupt nicht überraschend, wenn die schlechtesten Arbeitsmarktdaten genau mit dem Aktientief zusammenfallen. Das scheint auch jetzt, im März 2009, wieder der Fall zu sein. ArbeitenSieaufBasisvonPreisprognosen,oderwiegenSieeherChancenundRisiken einerIdeeab?
Ich versuche, Chancen und Risiken qualitativ abzuwägen. Preisprognosen sind für mich sehr schwierig, weil sie natürlich auch von gewissen Grundannahmen abhängen. Viel leichter ist es, mit relativen Prognosen zu arbeiten, beispielsweise mit der Prognose, dass Aktien sich auf Sicht von zwölf Monaten deutlich besser entwickeln werden als Unternehmensanleihen, dass Aktien sich deutlich besser entwickeln werden als Staatsanleihen. Oder die Prognose, dass Rohstoffe dem Aktienzyklus mit einer Verzögerung von etwa vier bis sechs Monaten hinterherlaufen. Solche Dinge fallen uns leichter als absolute Prognosen, bei denen man immer auch ein Zeitpunktproblem hat. Üblicherweise misst man die Entwicklung von Anlagen immer von Jahresanfang bis zum Jahresende, und weil sich jeder dafür interessiert, geben wir dann auch eine Preisprognose ab. Aber wir sind eher an der Richtung und am Verlauf interessiert, als ob ein Markt am Ende 20 Prozent oder 25 Prozent gemacht hat. Es wäre schlecht, wenn man +25 Prozent prognostiziert und dann kommen -7 Prozent heraus. Aber wenn man +25 Prozent prognostiziert und es werden +17 Prozent, dann haben wir im Rahmen der Streuungsbreite einigermaßen richtig gelegen. Übrigens, alle Prognosen die einen Zeitraum von einem Jahr übersteigen, halte ich für hochgradig unseriös, zum Beispiel Leute, die den Ölmarkt in 30 Jahren prognostizieren. Ich glaube, ein Jahr stellt das Maximum dessen dar, was man für den Kapitalmarkt prognostizieren kann. Längere Zeiträume ergeben keinen Sinn, was nicht heißt, dass man keine strukturellen Prognosen machen darf, wie zum Beispiel, dass Menschen lernen werden, zum Mond zu fliegen oder sich ohne Auto fortzubewegen oder anderes. Die großen technischen revolutionären Umbrüche sind in der Tat sehr wichtig, aber in der Regel für Preisprognosen oder für die Arbeit von Geldmanagern nicht brauchbar umzusetzen. Wer also in Kondratjew-Zyklen argumentiert und daraus ableitet, dass ein Markt nun 10 oder 15 Jahre hoch oder runter geht, kann allein genommen kein Geld verdienen. Ich glaube zwar, dass diese Zyklen als Hintergrund für eine Entscheidung ihre Berechtigung haben, aber es muss natürlich durch Feintuning-Instrumente ergänzt werden. Für die Analyse und Bewertung von Minengesellschaften werden beispielsweise Dividend-Discount-Modelle herangezogen, in denen man den langfristigen Kupferpreis als erklärenden Faktor verarbeitet. Über den Kupferpreis in zehn Jahren und die Frage, ob der Kupfer-Future für diese Preisprognosen hilfreich sein kann, wird unter Analysten teilweise ewig lange diskutiert. So etwas hat aus meiner Sicht schon gewisse groteske Züge. Der Kupferpreis in fünf Jahren ist absolut unbekannt!
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WieaggressivbildenSieIhreMeinungundIdeenimPortfolioab?HabenSieeherein breit diversifiziertes Portfolio, oder suchen Sie lieber nach den großen Marktbe wegungenundgewichtensieentsprechendhoch?
Ich würde sagen, sowohl als auch. Generell bin ich eher ein vorsichtiger Mensch und überlege mir, was im Portfolio eventuell schiefgehen könnte. Ich suche eigentlich immer für jede Position einen Hedge, also ein Instrument, mit dem ich mich gegen bestimmte Risiken absichern kann, ohne dass die Grundidee des Trades zu stark verwässert wird. Diese beiden Überlegungen stehen immer im Vordergrund. Wenn wir aber eine zentrale Marktbewegung erwarten, dann wollen wir die am Ende auch in der Rendite des Fonds spüren und die sollte sich nicht nur in der Nachkommastelle bewegen. Entsprechend hoch sollte dann auch die Gewichtung einer Position sein. Wenn wir also eine gewisse Bewegung erwarten, beginnen wir beispielsweise mit einem Portfoliogewicht von zehn Prozent, und das maximale Gewicht läge vielleicht bei 40 Prozent, und würden dann in drei Stufen bis zum maximalen Gewicht von 40 Prozent hochleveragen, also stufenweise die Gewichtung anheben. Weiter würden wir aber nicht gehen, sondern stattdessen mit der Marktentwicklung segeln und noch in der Aufwärtsbewegung oder Abwärtsbewegung wieder ein bisschen Dampf herausnehmen, je nachdem, ob wir long oder short sind. Grundsätzlich ist unser Portfolio eher diversifiziert und enthält nichtkorrelierende Anlageideen. Das Ziel dahinter ist, dass die Erträge des Fonds nicht allzu stark schwanken sollen. Wir haben für unsere Fonds bestimmte Volatilitätsziele definiert, die sich aber nicht halten lassen würden, wenn wir nur einen einzigen Markt hoch gewichtet hätten. Naturgegebenerweise steigt die Volatilität wenn man das Marktrisiko erhöht. In unserem Magma-Fonds können wir dagegen etwas aggressiver spielen. HebelnSieeinPortfoliodurchKreditaufnahme?
Ja, unsere Bruttoposition kann über 100 Prozent betragen, was aber nicht für die Nettoposition gilt, die ist eigentlich per Default in jedem Markt null, weil wir eher die relativen Marktbewegungen spielen. Wenn wir mal eine direktionale Position nehmen, dann wird die nicht mehr als 30 bis 40 Prozent umfassen, falls wir beispielsweise eine Aktienrallye erwarten. Größer wird die Position dann aber nicht sein. Ähnlich sieht das auf der Rohstoffseite aus. Auch hier könnte es sein, dass wir mal mit 30 Prozent Netto-Long sind und zusammen mit der Aktienposition dann auf eine Netto-Long-Quote von 60 bis 70 Prozent kämen, maximal 80 Prozent. Das heißt, zusammen mit unseren Spread-Positionen würden die Face Values etwa 250 Prozent des Portfoliovolumens ausmachen. KönntenSiedenBegriffFaceValuebitteerläutern?
Face Value ist eigentlich der absolute Kontraktwert einer Position. Man saldiert die Longund Short-Positionen nicht, sondern addiert ihre Kontraktwerte, folglich wird das Bruttogewicht gezählt. Ein Kontraktwert von 100.000 EUR in einem Bond-Future ist jedoch nicht vergleichbar mit einem Kontraktwert von 100.000 EUR in einem Aktienfuture, weil es sich
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um unterschiedliche Anlageinstrumente mit ganz anderen Volatilitäten und auch Renditen handelt. Aber wir steuern unser Portfolio eher konservativ. Ein Hebel von 2,5 wäre für uns eher viel, üblicherweise arbeiten wir mit einem Hebel von 1,5 bis 2, und das ist im Vergleich zu anderen Hedgefonds eher wenig. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass wir in der Regel zehn Positionen im Portfolio haben, beträgt das Durchschnittsgewicht einer typischen Long/Short-Wette etwa 15 bis 20 Prozent, also auf jeder Seite 7,5 bis 10 Prozent. DasklingtaberdennochnacheinemrechtkonzentriertenAnsatz!?
Wir versuchen schon aus den 20 bis 30 Trades, die uns die Modellwelt vorschlägt, jene sechs bis sieben Ideen mit den stärksten Argumenten zu filtern. Das heißt, wir befolgen nicht alle Modellempfehlungen. Ich halte wenig davon, einen Trade umzusetzen, bei dem die Long- und Short-Position eine Gewichtung von jeweils 0,5 Prozent haben soll. Das bringt nichts, es würde sich in der Rendite nicht bemerkbar machen. Das Modellsignal und auch die Meinung müssen so stark ausgeprägt sein, dass es eine gewisse Größe rechtfertigt. In der jetzigen Zeit sind die Spreads in den Rohstoffmärkten recht volatil, und auch die Aktienmarktvolatilität ist noch relativ hoch, sodass wir mit unseren gegenwärtigen Positionsgrößen durchaus vernünftige Renditen erzielen können, bei durchaus nicht ungefährdeten Volatilitätszielen. Wenn sich die Märkte beruhigen, werden wir die Face Values etwas anheben müssen, um die gleichen Rendite-/Risikoziele zu erreichen. Wie sieht bei Ihnen das Risikomanagement aus? Ist es nachgelagert oder Bestandteil desInvestmentprozesses?
Wir haben für jeden Fonds einen persönlich verantwortlichen Portfoliomanager, der die Risiken, die er eingeht, überschaut. Für mich persönlich steht die Frage „Was kann schiefgehen?“ immer im Vordergrund. Ich definiere für jede Position einen qualitativen Stop Loss und halte zu jedem Trade stichpunktartig fest, warum er gemacht wurde und unter welchen Umständen die Begründung für diesen Trade nicht mehr gegeben ist, soweit man das absehen kann. Angenommen man ist in Öl aus irgendwelchen Gründen short. Dann definiert man gleichzeitig mit dem Aufbau der Position identifizierbare Risiken, bei deren Eintritt man die Position eindeckt, zum Beispiel ein exogenes Ereignis, ein Hurricane, der zum Beispiel das Angebot reduziert. Das ist der eine Teil des Risikomanagements. Außerdem legen wir auch schon immer a priori fest, wie viel eine Position auf das Portfolio gerechnet maximal verlieren darf. Das hängt natürlich von der Positionsgröße ab und wie weit entfernt der Stop Loss liegt. Bei einem Spread-Trade kann natürlich immer von zwei Seiten etwas schief gehen, von der LongSeite oder von der Short-Seite. Es kann auch passieren, dass nur eine Seite des Trades funktioniert und dann kombiniert mit einer anderen Gegenposition in einem anderen Trade Aufnahme findet. Obwohl wir eine klare Vorstellung haben, was jeder Trade kosten darf, wird der Stop Loss bei uns nicht mechanisch ausgelöst, das heißt, bei uns schreibt nicht der Computer die Order, sondern der Computer zeigt lediglich an, dass ein Limit verletzt ist, und fordert mich auf, etwas zu unternehmen. Und dann wird die Situation diskutiert! Wir haben mit rein mechanischen Stop Losses eigentlich immer schlechte Erfahrungen gemacht.
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Angenommen,eineIhrergroßenPositionendrehtindieVerlustzone,ohnedasssichdie Fundamentaldaten aus Ihrer Sicht geändert haben. Wovon hängt es ab, ob Sie nachkaufenoderdenStopLossausführen?
„Wir kaufen nach“ gibt es nie. Die Frage lautet nur, halten wir die ursprüngliche Position, oder ziehen wir den Stop Loss. Beides hat seine Vorteile. Der Vorteil bei einem Stop Loss ist, dass man sich mit Positionen nicht verheiratet. Viele Menschen nehmen eine bestimmte Position ein und suchen dann nur noch nach Argumenten, die für diese Position sprechen. Allen diesen Menschen rate ich, sie sollen den Trade einfach komplett herumdrehen und die Gegenseite einnehmen. Dann werden ihnen plötzlich all die Argumente der anderen Seite einfallen. Damit das nicht passiert und man sich nicht mit einer Position verheiratet, bin ich eher dafür, sich in die Neutralität zu begeben. Selbst wenn es Performance kostet und man den Trade erst später wieder aufsetzt. Sollte die Position danach wieder für einen laufen, hat man in der Regel nur die Performance verloren, die durch den Stop Loss entstanden ist. Das liegt in der Natur der Sache und lässt sich auch nicht vermeiden. Die Neutralität ist eigentlich eine Situation, in der man den Kopf am besten frei kriegt. Wenn ich feststelle, dass Positionen nur Geld kosten, dann werden sie gestoppt, und ich denke neu nach. WelcheGründeführennochdazu,dassSiesichvoneinerPositiontrennen?
Es kann durchaus sein, dass eine Position läuft und Profite bringt, aber aus anderen Gründen, als ich eigentlich dachte. In diesem Falle trenne ich mich auch von dieser Position, weil ich den Markt offensichtlich nicht verstanden habe. Er ist zwar für mich gelaufen, aber aus einem Grund, der gar nicht meiner war. Ich brauche schon das Gefühl, dass die entscheidenden Faktoren in diesem Trade richtig interpretiert wurden, ansonsten hat das irgendwie den Charakter eines unverdienten Lottogewinns. Den nimmt man zwar gern mit, aber man darf danach nicht auf die Idee kommen, gleich noch mal zu spielen, sondern man würde versuchen zu verstehen, warum die Marktbewegung passiert ist, und sie mit dem eigenen fundamentalen Szenario abgleichen. Es gibt noch einen zweiten Grund. Das Trennen von einer Position kann auch stattfinden, wenn die Kursziele erreicht sind. In der Regel haben wir eine bestimmte Vorstellung, welche Rendite eine bestimmte Position oder ein Spread-Trade bringen soll. Wenn wir feststellen, dass es klare Übertreibungskennzeichen gibt, lassen wir die Gewinne laufen und ziehen den Stop Loss eng nach, da wir nicht bereit sind, einen großen Teil des Gewinns wieder abzugeben. Ein typisches Beispiel dafür war eine Long-Position in Unternehmensanleihen, die wir im November 2008 eingegangen sind. Der Trade war sehr profitabel, da wir relativ schnell zehn bis zwölf Prozent in diesem Trade verdient hatten. Wir stellten dann fest, dass es klare Kennzeichen für eine Übertreibung gab, da sehr viele Marktteilnehmer in diesen Bereich geflüchtet sind, und haben deshalb die Stops entsprechend eng gesetzt. Als sich die Spreads wieder ausweiteten, wurde die Position relativ weit oben ausgestoppt.
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GibtesMarktteilnehmeroderInstitutionen,denenSiebesondereBeachtungschenken unddiesichvielleichtals(Contra)Indikatoreignen?
Wenn die Volkswirte ihren Hut an der Universität nehmen, dann geht eine Hälfte unter Umständen zu internationalen Organisationen, staatlichen Stellen und anderen offiziellen Institutionen. Und für mich gibt es schon eine ganz klare Trennung zwischen den Leuten, die mit ihren Makro-Prognosen richtig hantieren müssen, um „Geld zu verdienen“, und den Leuten, die in irgendeiner Form politische Prognosen von sich geben, also denen nicht nachgewiesen werden darf, dass sie auch mal irren. Von jedem Global-Macro-Manager weiß man, dass er von zehn Trades sechs erfolgreich bestreitet, vielleicht auch mal sieben. Das ist dann ist schon eine gute Leistung, aber es gibt eben auch die anderen drei Trades. Eine staatliche Stelle darf sich per Definition nicht irren, was dazu führt, dass sie sich eigentlich immer irrt. Sie nimmt nämlich nur Bewegungen wahr, die längst an den Finanzmärkten gespielt sind und sich dann in den offiziellen Zahlen widerspiegeln. Dementsprechend gibt es für mich eine Vierteilung: Wir haben zuerst die Marktteilnehmer, die versuchen, Geld zu verdienen, Makro-Manager, Vermögensverwalter und andere Geldmanager, die mit ihren Makro-Prognosen in den Wettstreit treten. Derjenige, der aus dieser Gruppe die richtige Prognose erstellt, wird auch Geld verdienen. Die zweite Gruppe sind diejenigen, die keine Makro-Meinung haben und auch keine fundamentale Analyse betreiben, aber ihr Fähnchen als Trittbrettfahrer in den Wind hängen und mit prozyklischen schnell drehenden technischen Modellen die Märkte zu erraten versuchen. Das sind üblicherweise Handelsabteilungen in Banken, die technische Analyse und andere Dinge betreiben. Dann gibt es die dritte Gruppe, Volkswirte, die irgendetwas veröffentlichen, wie nationale Wirtschaftsforschungsinstitute, zum Beispiel DIW, IFO und dergleichen. Die brauchen im Grunde genommen Zahlen und harte Fakten, da sie davon ausgehen, dass ein Konjunkturaufschwung nicht von den Aktienmärkten prognostiziert werden kann, sondern erst dann da ist, wenn sie es in ihren eigenen Instrumenten sehen können. Damit laufen sie der Aktienmarktentwicklung hinterher. Wenn diese Gruppe Aktienfutures handeln müsste, käme eine Funktion heraus, die nicht mehr sehr erfolgreich wäre. Ganz am Ende dieser Nahrungskette stehen internationale Organisationen, die die Daten der nationalen Institute sammeln. Die schaffen es mit ihrer Prognose eigentlich regelmäßig, den absoluten Tiefpunkt oder Hochpunkt an den Märkten zu treffen. Deswegen veranlasst uns der Zeitpunkt der Veröffentlichung immer zu einem gewissen Schmunzeln. Wir können uns nicht vorstellen, dass irgendjemand unter den Marktteilnehmern, die Geld verdienen müssen, einen Pfifferling auf diese Meinung gibt. SiegeheninIhrenMonatsberichtensehroffenmitIhrerMarktmeinungumundgehen auch auf Fehlentscheidungen ein. Welche Rolle spielt das für Sie in der Kunden kommunikation?
Am allermeisten hasse ich beim Lesen von Analysen, wenn ich auf der linken Seite des Papiers fünf Pro-, und auf der rechten Seite fünf Contra-Argumente sehe. Und als Fazit ist darunter zu lesen: „Es könnte hoch-, aber es könnte auch runtergehen.“ Das ist im Prinzip
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eine gewisse Art der Arbeitsverweigerung. Selbstverständlich muss man die Meinung, die man hat, auch anbieten, und ich selbst habe mich immer als Dienstleister begriffen. Das rührt noch aus meiner Bankenzeit, wo ich unter anderem den Job hatte, Musterportfolios aufzustellen und die dahinterstehenden Meinungen zu kommunizieren. Nie würde ich auf die Idee kommen, dass außer mir jemand anderes diese Meinung umsetzen muss, sondern ich biete meine Meinung als eine Alternative an und bin dann auch dankbar für Feedback und Gegenmeinungen. Ich versuche, meine eigene Sichtweise darzulegen, wohlwissend, dass diese Sichtweise nicht immer richtig sein kann. Das kann gar nicht sein! Hier fängt die zweite Form der Unehrlichkeit an, die ich häufig bei vielen Leuten beobachte. Es gibt Menschen, die müssen immer recht haben, meistens sind es Schreiber von Börsenbriefen und anderen Veröffentlichungen. In deren Publikationen darf nicht stehen, dass die Verfasser unrecht hatten, sonst denken sie, es bricht ihnen vor den Abonnenten ein Zacken aus der Krone. Dieses Gefühl habe ich überhaupt nicht, sondern ich denke, es ist wichtig zu begründen, warum eine Entscheidung getroffen wird, sie muss transparent und nachvollziehbar sein. Wenn eine Entscheidung entsprechend schlecht gelaufen ist, dann muss das auch kommentiert werden und kann nicht weggelassen werden. Das halte ich schon für ein Gebot der Ehrlichkeit gegenüber dem Kunden. Selbstverständlich ist es nicht erfreulich, wenn etwas nicht so läuft, wie man sich das vorgestellt hat. Die einzige Frage lautet immer: „Kann man etwas daraus lernen?“ Wenn jemand diese Themen nicht diskutiert, entweder für sich oder auch mit anderen, dann wird er die selbe Situation immer wieder und wahrscheinlich nicht erfolgreich durchleben. Insofern glaube ich, dass man seine Entwicklungsschritte durchaus kommunizieren sollte, um anderen die Möglichkeit zu geben, daran teilzuhaben. Es freut mich natürlich, wenn ich eine positive Rückmeldung bekomme. Das Schreiben eines Marktberichts kostet auch immer Kraft. Ich persönlich habe es immer als Aufgabe erachtet, den Marktbericht nicht in einen festen Rahmen zu pressen, sondern habe versucht, über aktuelle und wichtige Themen zu schreiben und das Format möglichst flexibel zu gestalten. Aber so etwas strengt natürlich an. Nach zwei bis drei Tagen Arbeit am Marktkommentar, an dem auch meine Kollegen kräftig mitschreiben, fühlt man sich innerlich immer ein bisschen leer. Dementsprechend ist eine gute Rückmeldung dann auch erfreulich und gibt einem Motivation. WelchenRatwürdenSieeinemjungenVermögensverwaltergeben,derinzehnJahren inIhreFußstapfentretenmöchte?
Zum einen entwickle ich mich auch immer noch weiter. Also ich sehe noch gar nicht, wo ich in zehn Jahren stehen werde. Außerdem glaube ich, dass jeder Mensch seinen ganz eigenen Weg an den Finanzmärkten findet. Die für mich entscheidende Fragestellung, das Grundthema, das sich immer wiederholt, ist das Thema Geduld und Durchhaltevermögen. Ich persönlich bin ein ungeduldiger Mensch und muss mich zwingen, Geduld zu entwickeln, dementsprechend glaube ich, dass unter den „Kostolany‘schen Gs“ das Thema Geduld mit Abstand das wichtigste ist. Dinge geschehen lassen und warten, bis sie reif sind, ist eine Eigenschaft, die man lernen muss. Wenn jemand dazu in der Lage ist, dann kann er jederzeit in meine Fußstapfen treten.
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Die vier „Gs“ von André Kostolany [...] „Ich habe die Börsianer deshalb in zwei Kategorien eingeteilt: die Hartgesottenen und die Zittrigen. Die Hartgesottenen sind Anleger und Spekulanten in dem Sinne, wie ich die Worte verstehe. Sie gehören langfristig zu den Gewinnern der Börse. Ihre Gewinne bezahlen die Zittrigen, zu denen ich vor allem die Börsenspieler zähle. Was unterscheidet die Hartgesottenen von den Zittrigen? Der Hartgesottene verfügt über die vier G, die der preußische Generalfeldmarschall von Moltke auch für eine erfolgreiche Kriegsführung als unerlässlich betrachtete: Geld, Gedanken, Geduld – und natürlich auch Glück.“
Quelle: Kostolany, André (2007), S. 121 WasmachtMarkusMezger,wennermalnichtüberMärktenachdenkt?
Früher habe ich sehr viel Sport getrieben, vor allem Fußball und Tennis, immer noch Skifahren, wenngleich auf reduzierter Flamme mit der Familie. Ansonsten ist die Familie eigentlich das wichtigste Thema. Ich freue mich, wenn ich mit meinen Kindern zusammen sein und sehen kann, wie sie sich entwickeln und mit großer Freude Dinge tun, die mit den Finanzmärkten rein gar nichts zu tun haben. Gibtesetwas,dasSieJimRogersgernsagenwürden? Ich würde mich jetzt niemals auf die gleiche Stufe stellen wie Jimmy Rogers. Er hat seine Schlachten erfolgreich geschlagen und ist ein ganz alter Hase im Geschäft. Dementsprechend darf er auch viele Dinge sagen, inklusive des Superzyklus’. Ein Paul Breitner darf die deutsche Fußball-Nationalmannschaft kritisieren, Lieschen Müller hingegen nicht. Da er alle diese Dinge in der Praxis erlebt hat, besteht nicht die Gefahr, dass er von Dingen redet, von denen er nichts weiß. Ich habe höchsten Respekt davor, wie er das Thema Rohstoffe im Jahr 1998 etabliert hat, zu einem Zeitpunkt, zu dem niemand diese Anlageklasse haben wollte. Dies spricht für seinen Instinkt, günstige Marktlokationen zu erkennen. Insofern ziehe ich davor meinen Hut und bemühe mich, mit Rohstoffen, die er in seinem Superzyklus sieht, möglichst Geld zu verdienen. Schließlich treten wir ja in einem unserer aktiven Fonds gegen den Jimmy Rogers Index an und haben momentan auf etwa zweieinhalb Jahre eine Überrendite von sieben bis acht Prozent zu dem Rogers International Commodity Total Return Index erzielt, worauf wir ganz stolz sind.
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„Ichweißheutenatürlichsehrvielbesser, dassichvielesnichtweiß,wasicheigentlichwissenmüsste, vondemichfrühergeglaubthabe,dassichesweiß.“
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Zulauf Asset Management AG Es gibt zahlreiche US-amerikanische Investoren, Analysten, Hedgefondsmanager und Meinungsmacher, die unter Anlegern im deutschsprachigen Raum einen sehr hohen Bekanntheitsgrad und einen ausgezeichneten Ruf genießen. Im umgekehrten Falle lässt sich das sicherlich nicht ohne Weiteres behaupten, wenngleich mein nächster Gesprächspartner zweifelsohne eine rühmliche Ausnahme darstellt. Felix Zulauf ist bereits seit 1986 ein gern gesehener Gast am berühmten Barron‘s Roundtable, an dem unzählige Investment-Legenden bereits Platz genommen haben. Er ist im Übrigen der erste Ausländer, dem diese Ehre zuteil wurde. Seine Prognosen und Leistungen als Hedgefondsmanager haben sicherlich einen hohen Anteil daran, dass er auch heute noch in dieser erlauchten Runde vertreten ist. Seine Bekanntheit dürfte vor allem auch auf das Jahr 1987 zurückzuführen sein, als Felix Zulauf noch die institutionelle Vermögensverwaltung bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) leitete und im Vorfeld des Crashs die Aktienquote sämtlicher Kundendepots auf null senkte. Im Jahre 1990 gründete er die Zulauf Asset Management AG und verantwortete dort mehrere Hedgefonds, unter anderem auch das Firmenflaggschiff, den Zulauf Europe Fund. Vor einigen Jahren zog sich der Schweizer aus privaten Gründen vorübergehend als Fondsmanager zurück und fungierte nur noch als Berater für sein Unternehmen. Seit März 2007 hat er erneut das Ruder seines neu aufgelegten Cronus Funds übernommen. Seinem Ansatz ist Felix Zulauf stets treu geblieben. Er ist und bleibt ein überzeugter Verfechter der Global-Makro-Strategie. Das hat sich auch nach fast 40 Jahren Erfahrung an den Finanzmärkten nicht geändert. Bei meinen Planungsarbeiten für das Buch war Felix Zulauf natürlich ein Wunschkandidat. Dank seiner Kommentierung auf der Rückseite des Buches „Inside the house of money“ von Steven Drobny wusste ich zumindest, dass er Bücher dieser Art offenbar sehr gern liest: „Drobny’s book ist not only fun reading but also offers unique insight into how 1 financial movers think and act. [...]“ Umso mehr habe ich mich über seine Zusage gefreut. Als ich einem Bekannten aus der Branche von dem anstehenden Gespräch mit Felix Zulauf erzählte, bekam ich von ihm folgende Analogie als Antwort: „Felix Zulauf gehört zu der Gruppe von Leuten, die in der Lage sind, aus einem Tal über den nächsten Berg ins dahinterliegende Tal zu blicken, oder zumindest mal eine grobe Vorstellung von dem zu entwickeln, was uns hinter dem Berg erwarten könnte.“ Wo ließe sich diese Theorie wohl
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Vgl. Drobny, Steven (2006), Buchrückseite
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besser testen, wenn nicht in der Schweiz. Ich besuchte Felix Zulauf in seinem Büro im schweizerischen Zug, das er aufgrund der familiären Atmosphäre als sein Family Office bezeichnet. Spätestens, als wir uns ausgiebig über Zyklen unterhalten haben und anhand verschiedener Grafiken diskutierten, war klar, dass der Vergleich mit Bergen und Tälern gar nicht so weit hergeholt war. KönnenSiesichnochanIhreerstenBörsengeschäfteerinnern?
Das kann ich! Ich kann mich noch sehr genau an die ersten drei Schritte erinnern. Die erste Aktie, die ich kaufte, war Philips Glühlampen im Jahre 1968. Ich wusste über diese Firma überhaupt nichts und verstand von Aktien nur wenig. Stattdessen suchte ich einfach die wertmäßig billigste Aktie am schweizer Börsentableau heraus und kaufte sie. Das ging überraschenderweise gut. Als zweite Aktie kaufte ich danach Litton, ein Konglomerat in Amerika. Die Zeit um das Jahr 1968 war die Spitze der großen Konglomerate, die in den darauf folgenden Jahren mehr oder weniger zusammenbrachen. Irgendwann später ist der Kurs der Litton-Aktie dann um bis zu 90 Prozent gefallen. Ich erlitt dabei einen kleinen Verlust, den ich relativ schnell mitgenommen habe. Und die dritte Aktie war De Beers, der Diamantenproduzent. De Beers war damals noch an der Börse kotiert und machte neben Diamanten auch Geschäfte mit Gold. Glücklicherweise geriet ich mit dem Kauf der Aktie genau in die Phase, als Gold das erste Mal gegen den US-Dollar aufwertete. Das regte dann natürlich meinen Appetit an. Aber ich hatte von Kapitalanlagen zu jenem Zeitpunkt nur ein sehr bescheidenes Wissen, sofern man das überhaupt Wissen nennen konnte. Eigentlich war überhaupt kein Wissen vorhanden, es war reine Lotterie, die ich damals betrieb. Es waren meine ersten Gehversuche. Ichhabegelesen,dassSiealsSchülermit18JahreneigentlicheineKlassewiederholen sollten, aber stattdessen lieber eine Banklehre begannen. War Ihre Faszination für die Finanzmärktedamalsschonsogroß?
Nein, das war es eigentlich nicht. Meine Schulzeit war für mich immer recht einfach, weil ich kaum etwas lernen musste. Alles funktionierte wie von selbst bis zu dem Zeitpunkt, an dem das nicht mehr klappte. Wenn man in die Pubertät kommt, entdeckt man die Welt der Erwachsenen. Von dieser habe ich alles versucht und bis zum Exzess ausprobiert. Da blieb die Schule einfach auf der Strecke. Plötzlich stand ich vor dem Problem, dass es ohne Arbeiten nicht mehr für das Weiterkommen gereicht hätte. Dann sollte ich die letzte Klasse vor der Matura wiederholen, was mich in meiner Ehre derart kränkte, dass ich mich letztlich nicht dazu durchringen konnte. Andererseits wusste ich aber auch nicht, was ich stattdessen werden wollte. Keine Ahnung! Weil ich sehr sportlich war, spielte ich mit dem Gedanken, Sportlehrer zu werden. Aber die sportärztlichen Untersuchungen zeigten, dass meine Gelenke als Sportlehrer nicht bis zum Alter von 65 Jahren durchhalten würden. Deshalb war ich völlig orientierungslos und befand mich seelisch in einem Loch. Meine Eltern hielten mich zu Recht dazu an, zumindest etwas Vernünftiges zu lernen, sodass ich mich schließlich für eine Banklehre entschlossen habe. Weil ich praktisch schon in der Maturaklasse war, ist mir die Bank
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mit einer verkürzten Banklehre entgegengekommen. Die Ausbildungszeit war für mich rückblickend eine Art Überbrückung von der Gymnasialzeit in eine bürgerliche Welt. Anfangs fand ich das Bankgeschäft nicht sehr spannend. Es war die Zeit der „alten Banken“ im Jahre 1968. An jeder Ecke roch es nach Plüsch, alles wirkte etwas verstaubt und langweilig auf mich. Das Bankgeschäft an sich war auch nicht schwierig zu begreifen. Es war ein einfaches Geschäft. Während meines Rundgangs als Lehrling landete ich irgendwann in der Anlageabteilung, wo zum ersten Mal etwas Leben in die Bude kam. Dort bewegte sich was, Kurse stiegen und fielen. So wurde ich langsam an die Anlagewelt herangeführt und konnte mich schließlich immer mehr dafür begeistern. Ich versuchte zu lernen, warum es an den Märkten rauf- und runterging. Aber wen ich auch fragte, jeder gab mir eine andere Antwort, selbst die großen Direktoren. Dabei wurde mir relativ schnell klar, dass es eigentlich niemand wusste. Das ist vergleichbar mit einem Besuch bei zehn verschiedenen Ärzten. Sie wollen wissen, warum Ihnen etwas wehtut, und Sie erhalten von jedem eine andere Diagnose. Am Ende trauen Sie keinem mehr. Aber ich blieb am Thema dran und wollte herausfinden, warum sich die Märkte so bewegen, und suchte deshalb nach Meinungsmachern. In Europa gab es damals noch keine Meinungsmacher, weil das Geschäft noch zu wenig entwickelt war. Aber es gab sie an der Wall Street. Dort schrieben Strategen und Analysten tägliche oder wöchentliche Kommentare, die ich intensiv las. Diese Leute hatten zumindest eine Begründung, warum der Markt nach oben oder nach unten ging. Ob die Begründung immer richtig war, bezweifle ich aus heutiger Sicht natürlich, aber sie hatten zumindest eine. Ich versuchte, zu lernen und zu verstehen, warum ein Markt rauf- oder runterging, um selbst Marktentwicklungen besser vorherzusehen. Von da an war klar, dass ich – damals 20 Jahre alt – diesen Weg gehen wollte, und ich habe dann zielgerichtet darauf hingearbeitet. InwelcherAbteilungsindSienachIhrerAusbildunggelandet?
Ich dachte, in der Börsenhandelsabteilung zu arbeiten wäre das Richtige, weil die Banken im Eigenhandel Geld verdienten. Aber ich sah schnell ein, dass in diesem Geschäft damals primär mit Kursschnitten Geld verdient wurde. Angenommen ein Händler handelte die Nestlé-Aktie, dann ergaben sich über den Tag vielleicht 20 oder 30 Abschlusskurse. Und auf Basis dieser Kurse wurde die Aktie am Ende des Tages gegenüber den Kunden abgerechnet. Es wurde aber nirgendwo publiziert, wie viele Aktien zu welchem Kurs umgesetzt wurden. Die Banken haben die Aktie immer so abgerechnet, dass zwischen dem Abrechnungspreis gegenüber dem Kunden und dem tatsächlich gehandelten Preis eine Marge übrig blieb. So haben die Banken damals Geld verdient. Ich war enttäuscht, dass die Börsenhändler keine eigenen Entscheidungen trafen, sondern es waren deren Auftraggeber. Deshalb ging ich in die Anlageberatung und musste einsehen, dass die Anlageberater diese Entscheidungen auch nicht fällten, sondern auf das Research hörten und nur das umsetzten, was ihnen in Finanzstudien vorgegeben wurde. Also ging ich in die Finanzstudienabteilung und glaubte, der Sache näherzukommen. Dort entschieden aber in der Regel auch nur ein bis zwei Leute, in welche Richtung die Reise geht, und der Rest musste einfach in diese Richtung Analysen schreiben. Mein Wunsch war natürlich, einer von jenen zu sein, der sagt, wohin die Reise geht. So verlief im Prinzip meine Entwicklungsphase, die sich natürlich über viele Jahre und Etappen hinzog.
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Erzählen Sie mir von Ihren beruflichen Stationen. Wie wurde aus dem BankAzubi letztlichderVermögensverwalterFelixZulauf?
Ich war ein Jahr in Paris bei einem Börsenmarkler. Dort war ich eigentlich als Trainee vorgesehen. Aber nach zwei Monaten sagte mir der Inhaber, ich solle doch in der Verkaufsabteilung versuchen, Kunden aus dem deutschsprachigen Raum zu gewinnen, um ihnen französische Aktien zu verkaufen. Das machte ich dann auch, wurde fortan auf Provisionsbasis bezahlt und verdiente dadurch etwa zehnmal mehr als jeder andere Schweizer Trainee in Paris. Gleichzeitig schrieb ich als Korrespondent für Finanz und Wirtschaft ab und zu Artikel über französische Aktien. Dazu musste ich mich in die Fundamentaldaten hineinknien. Das notwendige Wissen dafür brachte ich mir selbst bei, autodidaktisch sozusagen. Ich habe Bücher gelesen und mich mit älteren Analysten unterhalten. Es war alles „Training on the Job“. Nach meiner Zeit in Paris ging es zurück nach Zürich in die Kapitalanlagevermögensverwaltung. Kurze Zeit später hatte ich den Wunsch, nach Amerika zu gehen, weil es in Europa damals keine Möglichkeit gab, sich im Bereich Investments ausbilden zu lassen. Das gab es einfach noch nicht. Es gab aber in New York das Institute of Finance. Dort konnte man verschiedenste Kurse belegen und sich fachlich weiterbilden. Ich sagte meinen Vorgesetzten, dass ich ins Herz unserer Branche will, nämlich an die Wall Street. Die Bank bewilligte mir diesen Aufenthalt. Aber ich wollte nicht zu einer Niederlassung unserer Bank, sondern stellte mir mein eigenes Ausbildungsprogramm bei Korrespondenten, Investmentbanken und Brokern zusammen. Meine Vorgesetzten ließen mich gewähren, sodass ich am Ende das wohl beste Ausbildungsprogramm hatte, das es je gab. 2 Ich suchte mir einige Koryphäen heraus, wie zum Beispiel Bob Farrell , den damaligen Markttechniker und Strategen von Merrill Lynch. Für den Handel ging ich zu Stanley 3 Shopkorn , der damals Chef des Aktienhandels bei Salomon Brothers war. Für Energie4 analysen ging ich zu Charley Maxwell bei C. J. Lawrence. Für Economics schaute ich bei 5 Ed Hyman vorbei, der heute für ISI arbeitet. Das sind auch heute noch alles gute Freunde von mir. Eineinhalb Jahre – so lange dauerte mein Programm – marschierte ich so durch Wall Street. Ich fühlte mich wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal einen „Schleckstän-
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Robert Farrell war bei Merrill Lynch ein halbes Jahrhundert für die Technische Marktanalyse zuständig. Er gilt als ein Nestor dieser Disziplin. Außerdem ist er Gründer und erster Vorsitzender der Market Technicans Association. 2004 zog sich Bob Farrell aus dem Berufsleben zurück. 3 Stanley Shopkorn ist heute Partner bei Hilltop Park Fund LP, einem in New York ansässigen Hedgefonds. In seinen früheren Stationen war er Head of Equities Trading bei Louis Bacon’s Moore Capital Management LLC. Davor verwaltete er den Ethos Capital LP Hedgefonds und leitete als stellvertretender Vorsitzender bei Salomon Brothers u.a. den Aktienhandel. 4 Charles T. Maxwell begann seine berufliche Laufbahn in der Ölindustrie und arbeitete 12 Jahre lang für Mobil Oil in den USA, Europa, dem mittleren Osten und Afrika. 1968 stieg er bei C.J. Lawrence als Ölanalyst ein. Seit 1999 ist Charley Maxwell als Senior Energy Analyst für Weeden & Co. L.P. tätig. 5 Ed Hyman ist Vorsitzender von ISI (International Strategy & Investment), die er 1991 gründete. Zuvor war der Wirtschaftswissenschaftler ab 1972 für C.J. Lawrence tätig, u. a. als stellvertretender Vorsitzender und Vorstandsmitglied.
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gel“ bekommt. Es war für mich das Paradies auf Erden. Zwar verdiente ich sehr wenig Geld, aber es war dennoch fantastisch, was ich dort alles an Wissen und Erfahrung aufsaugen konnte. Parallel dazu besuchte ich abends und an Wochenenden Kurse am New York Institute of Finance. Rückblickend betrachtet war das die Zeit in meinem Leben, in der ich am meisten von anderen Leuten gelernt habe. Danach ging es für mich zurück in die Schweiz, wo ich das Gelernte natürlich anwenden wollte. Aber dann musste ich erleben, wie schwierig das war. Damals galt auf der Karriereleiter noch das Altersprinzip: Nicht derjenige bekam den Job, der am besten qualifiziert war, sondern derjenige, der davor schon am längsten auf dem Stuhl gesessen hatte. Es war alles ziemlich träge, und ich war vielleicht auch ein bisschen „pushy“. Aber ich habe mich dann entschlossen, die Seiten zu wechseln und bin vom Schweizerischen Bankverein (SBV) zur Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG). Dort habe ich im Fondsmanagement angeheuert, wo ich nach einem Jahr als Assistent sehr bald als verantwortlicher Manager für den USAktienfonds der SBG zuständig war. Später kamen globale Aktien-, Energie- und Rohstofffonds dazu. Parallel dazu übernahm ich nach zwei Jahren die entsprechende Rolle im Research, weil Research und Fondsmanagement fusioniert wurden. Ich war dann einerseits Fondsmanager und andererseits Analyst für einige Branchen in den USA. Später hat mich der oberste Chef zu seinem engsten Mitarbeiter gemacht und mir im Wesentlichen die Anlagepolitik der Bank übertragen. Ich war Sachbearbeiter für globale Anlagepolitik der Bank, habe diese formuliert, geschrieben und im Anlageausschuss vertreten. Ursprünglich war mein Chef der Meinung, dass ich die administrativen Tätigkeiten erledigen solle und er sich um die Märkte kümmert. Nach sechs Monaten hat sich unsere Aufgabenverteilung gedreht, sodass ich die Märkte und die Anlagepolitik betreute, und er übernahm die Administration, Führung und Leitung des ganzen Apparates. Er hatte die Größe, mich gewähren zu lassen. Und auch darüber hinaus war es ein großes Glück, ihn als Vorgesetzten gehabt zu haben. Fachlich habe ich sehr viel von ihm gelernt. Er war ein Zykliker, sodass ich vieles über Business Cycles erfahren konnte. Diese zyklische Sichtweise hat mir geholfen, die Welt besser zu verstehen. So entwickelte ich mich letztlich zum Sprecher der Anlagepolitik der SBG und konnte in dieser Rolle an den damit verbundenen Aufgaben wachsen. Später übernahm ich die institutionelle Vermögensverwaltung, also die institutionellen PortfoliomanagementMandate. Dann kam das vielsagende Jahr 1987. Ich entdeckte dabei, dass meine Vorstellung von Vermögensverwaltung nicht identisch waren mit der einer Bank: In jungen Jahren habe ich mir am Markt ein gewisses Kapital verdient, indem ich Risiken eingegangen bin. Ich bin in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und war deshalb auch sehr verlustscheu. Ich bin immer schon jemand gewesen, der Verluste sehr schnell realisiert, weil ich nicht gern von einem Level zurückfalle, das ich mir bereits erarbeitet habe. Daraus hat sich bei mir diese Absolute-Return-Philosophie entwickelt, lange bevor ich wusste, was Hedgefonds und Absolute Returns überhaupt sind. Es war mir in Fleisch und Blut übergegangen. Diese Philosophie hätte ich eigentlich auch gern für die Kunden der Bank umgesetzt. Aber das war damals unmöglich. Ein Kunde, der damals einer Bank ein Mandat erteilte, war prinzipiell im Markt investiert. Die Bank konnte ihre Kunden auch nicht aus dem Markt herausnehmen. Es war gar nicht vorstellbar. Und ich habe das
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dann im Jahre 1987 wahrscheinlich als Erster und vielleicht auch als Letzter für eine ganze Abteilung eines großen Instituts gemacht. In den frühen 80er-Jahren war ich außerordentlich bullisch auf die Aktienmärkte. Ich bin in der Bank rumgegangen, habe Vorträge gehalten und gesagt: „Ihr müsst jetzt Aktien kaufen!“ 1981 und 1982 konnten Sie Blue-Chip-Aktien kaufen wie beispielsweise eine Unilever, die eine höhere Dividendenrendite als Kurs/Gewinn-Verhältnis hatten. Die Dividendenrendite lag bei neun oder zehn Prozent, und das Kurs/Gewinn-Verhältnis war bei fünf. Es war alles geschenkt! Und es brauchte nur noch den ominösen Funken, um die große Hausse auszulösen. Ich war sehr bullisch, und ich glaube, dass mein Anstoß für eine hohe Aktienallokation dazu führte, dass die Portfolios der SBG über eine Aktienquote von 65 Prozent verfügten, was zur damaligen Zeit in ganz Kontinentaleuropa wahrscheinlich einzigartig war. So aggressiv optimistisch war sonst niemand. Diese Aktienhausse kam dann tatsächlich auch. 1987 wollte ich im Anlageausschuss der Bank die Aktienquote zurückfahren. Der Anlageausschuss war einverstanden und beschloss das auch so. Aber die Generaldirektion machte diesen Beschluss rückgängig. Das hat mich sehr geärgert, weil die Generaldirektion überhaupt nicht wissen konnte, ob das richtig oder falsch war. Das habe ich den Leuten auch gesagt: „Ihr macht einen Entscheid auf einem Gebiet, auf dem ihr die Sachkompetenz überhaupt nicht habt.“ So verärgert war ich. Ich wusste nicht, dass ein Crash kommt. Ich ging lediglich davon aus, dass wir in den nächsten sechs Monaten ein Kursrisiko von 25 Prozent haben werden. Als Verantwortlicher des institutionellen Portfoliomanagements begann ich, Aktien zu verkaufen und hielt meine Portfoliomanager an, mit der Quote auf null zu gehen. Wir verkauften jeden Tag Aktien! Man hat mich als „mad man“ bezeichnet. Es hieß überall: „Der Zulauf dreht durch und verkauft alles.“ Aber wir haben das durchgezogen. Im September fand das UBS International Finance Seminar statt, auf dem jedes Jahr eine Auswahl an Chief Financial Officers der Fortune Five Hundred Companies anwesend war. Dort bestritt ich das Thema Portfoliomanagement und referierte eine Stunde lang über die Theorie unseres Ansatzes und anschließend eine Stunde lang über die aktuelle Situation. Dort habe ich natürlich Klartext gesprochen und bin dafür anschließend gerügt worden. Sehr bald darauf kam dieser ominöse Crash, den ich natürlich in dieser Form auch nicht kommen sah, vor allem nicht, dass es an einem einzigen Tag passieren würde. Und als es passierte, wusste ich natürlich auch, dass meine Karriere bei der SBG beendet war. Warum war damit Ihre Karriere bei der SBG zu Ende? Hatten Sie mit Ihrer richtigen PrognosenichtalleTrümpfeinderHand?
Man hatte mich gerügt und dennoch habe ich am Ende recht behalten. Damit macht man sich keine Freunde. In Großunternehmen muss man das Corporate-Spiel spielen, wenn man Karriere machen will. Dabei kann man die Interessen der Kunden nicht vornan stellen. Das geht nicht! Sonst bleibt man selbst irgendwo auf der Strecke liegen. Das ist ja gerade das Dilemma.
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SiesindseitvielenJahreneingerngesehenerGastamberühmtenBarron’sRoundtable. Wiekamesdazu?
Mitte der 80er-Jahre machte die Geschäftsleitung unserer Abteilung „Finanzstudien und Fondsverwaltung“ den Vorwurf: „Überall wird immer nur Vontobel zitiert und nie die SBG, ihr müsst mehr Profil zeigen.“ Der Chef meiner Abteilung wandte sich an eine Werbeagentur, die uns den Rat gab: „Ihr müsst personifizieren. Wenn ihr schreibt ‚die SBG sagt ...‘ bringt das nichts, ihr müsst sagen ‚der Müller von der SBG sagt ...‘ und ‚der Meyer von der SBG sagt ...‘.“ Im Anschluss daran wurden die verschiedenen Sektionsleiter, zum Beispiel für Aktien Europa, für Nordamerika, für Festverzinsliche usw. mit den Medien bekannt gemacht. Ich selbst war der Verantwortliche für globale Anlagepolitik. Durch meine amerikanische Schule blieb ich zwar im Denken europäisch, aber mein Auftreten war sehr amerikanisch, sehr direkt, klar und präzise. Ich scheute mich auch nicht vor Prognosen. Man sagte mir dann, ich müsse ein bisschen in die weite Welt hinaus, nach Amerika, wo ich zu verschiedenen Zeitungen geführt wurde. Meine erste Begegnung mit Barron‘s war zu Beginn des Jahres 1986, mit einem Journalisten, der für Internationales zuständig war. Über das, was ich ihm erzählte, schrieb er schließlich eine ganze Seite. Der Titel des Artikels lautete: „Traders Paradise, Investors Hell“ was meine Aussage widerspiegelte, dass es nämlich an den Aktienmärkten das ganze Jahr über seitwärts gehen werde. Und das traf dann tatsächlich auch so ein. In diesem Artikel machte ich außerdem eine politische Äußerung, indem ich sagte, dass die Sowjetunion im Grunde genommen pleite sei. Ich argumentierte, dass Reagan mit seiner Rüstungspolitik die Sowjetunion derart an die Wand drücke, dass sie dadurch pleitegehen könne. Das wiederum führe dazu, dass die Zinsen weiter zurückkämen, was à la long sehr bullisch für die Märkte sei, aber eben nicht 1986. Als ich eine Woche später nach Hause kam, hatte Barron’s den Artikel bereits publiziert. Mein neuer Vorgesetzter war wütend und sagte zu mir: „Wie kann man nur sagen, die Sowjetunion sei pleite? Geht’s Ihnen eigentlich noch gut? Wie kann man nur so etwas in die Welt setzen?“ Drei Jahre später war die Sowjetunion tatsächlich pleite. Als ich schon nicht mehr bei der SBG war, schrieb mir der oberste Chef zum Jahreswechsel einen Brief: „Er kenne keinen einzigen Menschen außer mir, der darauf hingewiesen hat, dass die Sowjetunion pleitegehen könnte.“ Das war ein sehr feiner Zug von ihm. Auch Alan Abelson, dem damaligen Herausgeber von Barron’s, ist das aufgefallen. Daraufhin hat er mich zum Barron’s Roundtable eingeladen. Zuerst für den internationalen Roundtable, der erstmalig 1986 stattfand, mit Barton Biggs, zwei anderen Amerikanern und mir. Im Jahr drauf kam Marc Faber noch dazu. Nach dem Oktobercrash 1987 wurde ich dann im Januar 1988 erstmals zum amerikanischen Roundtable eingeladen. Es war eine sehr große Ehre für mich. Damals war ich der erste Ausländer in dieser Runde, und seit etwa fünf oder sechs Jahren ist nun auch Marc Faber dabei. Im Laufe der Jahre durfte ich verschiedene Koryphäen erleben wie Peter Lynch oder Paul Tudor Jones. Die Diskussionen mit diesen Leuten haben mir immer Spaß gemacht. Vor einigen Jahren wollte ich eigentlich aufhören. Aber die Leute von Barron’s baten mich, dabeizubleiben. Und an sich habe ich ja auch noch Spaß daran. Ich machte jahrelang keine Medienauftritte mehr. Erst als wir wieder ein Produkt lancierten, bin ich wieder in die Medien gegangen. Lediglich Barron‘s bin ich immer treu geblieben. Vor drei Jahren startete Barron’s eine Konferenz, die immer im Oktober stattfindet, zu der sie mich auch immer einladen. Man wird dort von
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einem Journalisten interviewt, und im Anschluss können einem die Teilnehmer 20 Minuten lang Fragen stellen. Für mich ist das so eine Art Barron’s Family Happening, das mir jede Menge Spaß bereitet. Gab es in Ihrer Karriere konkrete Vorbilder oder Vermögensverwalter, die Sie besondersbeeindrucktenundvondenenSiedaseineoderanderelernenkonnten?
Ja, das gab es schon. In puncto Konjunkturzyklen war das sicherlich mein damaliger Chef bei der SBG, Dr. Clerici. Er hat über das Thema Zyklen promoviert und mich auf diesem Gebiet sehr stark beeinflusst. Von ihm und seinem Wissen habe ich sicherlich sehr profitiert. Sehr stark beeindruckt und geprägt hat mich auch Bob Farrell. Er war eigentlich der erste anerkannte Markttechniker an der Wall Street. Die meisten Markttechniker wurden an der Wall Street eher in schmuddeligen Hinterzimmern gehalten. Man hat sie nie wirklich ernst genommen. Bob Farrell dagegen wurde respektiert, weil er über die Jahre hinweg fantastische Meinungen abgegeben und praktisch alle großen Trends richtig gesehen hatte. Noch heute ist er ein guter persönlicher Freund von mir und hat mich sicherlich geprägt. Er hat die Technische Analyse nicht dogmatisch umgesetzt, sondern immer auf das jeweilige Marktumfeld bezogen, und beispielsweise auch das Sentiment einbezogen. Er hat damit wirklich Kunst betrieben, nicht nur Wissenschaft. Als agierender Vermögensverwalter hat mich natürlich George Soros am meisten beeindruckt. Ich kenne ihn persönlich nicht besonders gut, sondern bin ihm nur wenige Male begegnet. Sowohl seine Denke, die den klassischen Makro-Ansatz verkörpert, als auch sein Handeln haben mich immer fasziniert. Wenn es ein Vorbild gab, dann war es nie Warren Buffet, sondern es war eigentlich George Soros mit seinem Denkansatz. Ich habe kürzlich die Performance von George Soros im Vergleich mit der von Warren Buffet gesehen. George Soros hat in diesen 35 oder fast 40 Jahren etwa doppelt so viel Return erzielt wie Warren Buffet. Ich ziehe natürlich meinen Hut vor der Leistung von Warren Buffet. Er hat eine ausgezeichnete Leistung vollbracht, die man nicht hoch genug werten kann. Aber er ist eben ein Mikro-Mann, der mit der Zeit spielt. Timing ist bei ihm untergeordnet. George Soros kann Mikro und Makro kombinieren und die Zeitachse dazu nehmen. Das ist in meinen Augen einfach eine Stufe höher und auf der künstlerischen Ebene eine andere Liga. Es hat mich sehr beeindruckt, wie er im Jahre 2008 mit seinen 75 Jahren gesagt hat: „Meine internen und externen Portfoliomanager sind im Großen und Ganzen falsch aufgestellt. Die sehen nicht was auf uns zukommt.“ Und er selbst hat im Prinzip nochmals das Ruder übernommen, einen eigenen Fonds über die übrigen Portfolios gestülpt, und das Geld schlussendlich so investiert, dass er das Jahr 2008 mit plus 20 Prozent abgeschlossen hat. Für einen Mann Mitte 70 ist das einfach phänomenal. Es ist absolut faszinierend und eine Welt für sich.
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Als Investmentphilosoph schätze ich Richard Russel sehr. Richard Russell ist DowTheorie-Analytiker, und bereits 84 Jahre alt. Seit 50 Jahren schreibt er jeden Tag etwas über den Markt, zunächst alle 14 Tage und seit es das Internet gibt, täglich, und das trotz seines mittlerweile hohen Alters. Das ist eine hervorragende Leistung, die von außerordentlicher Disziplin zeugt. Er ist als Investmentphilosoph sehr überzeugend und steht dafür, dass man sich als Investor auf das Wesentliche konzentrieren sollte, um nicht vor lauter Bäumen den Wald zu übersehen, ein wirklich großer Investmentdenker. 7
Ned Davis hat mich immer durch seine disziplinierte Haltung überzeugt. Er gießt alle Informationen in Formeln oder Indikatoren und geht dabei sehr diszipliniert vor. Er ist nie extrem in die eine oder andere Richtung, sondern er geht schrittweise vor und hat mit seiner Herangehensweise im Laufe seiner ganzen Karriere hervorragende Arbeit geleistet. Das sind so ein paar Typen, die mich sehr beeindrucken und von denen ich natürlich auch dieses oder jenes abgekupfert habe. WiehabenSiesichIhrWissenüberdieFinanzmärkteerarbeitet?
Es gibt kistenweise Bücher, die ich gelesen habe. Ich hatte ja eigentlich den Nachteil, kein Hochschulstudium zu haben, sondern war der klassische Praktiker. Aber durch das Studium der Fachliteratur habe ich das nachgeholt. Ich studierte Wirtschaft durch Bücher und handelte die verschiedensten Investmentthemen ab. Es war mein großer Vorteil, dass ich als junger Mann frühzeitig begonnen hatte, mit eigenem Geld zu spekulieren. Als Praktiker erhielt ich in der Bank relativ früh Verantwortung für Vermögen und eignete mir parallel dazu die Theorie an. Ich war damals vielleicht 26 oder 27 Jahre alt und den Hochschulabsolventen, die relativ wenig Erfahrung hatten, meilenweit voraus. Die Verantwortung, die ich in jungen Jahren gegenüber Alterskollegen hatte, machte einen großen Unterschied aus. Mein ursprüngliches Manko war somit letzten Endes ein Plus für mich, weil ich das fehlende Hochschulstudium irgendwie wettmachen musste. Das gehört zu meinem Lebenslauf, dazu stehe ich. GabesunterdenvielenBücherneinige,vondenenSiebesondersprofitierenkonnten?
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Richard Russell begann mit der Veröffentlichung der Dow Theory Letters im Jahre 1958. Er schrieb jede Ausgabe, ohne auch nur eine davon auszulassen. Dow Theory Letters ist damit der älteste von einer Person geschriebene Börsenbrief. 7 Ned Davis ist Vorstandsvorsitzender und Senior Investment Stratege seines im Jahre 1980 gegründeten Unternehmens Ned Davis Research, Inc. Das Unternehmen gilt in der Branche als eine der weltweit führenden Research–Agenturen für antizyklische Marktdaten und Finanzanalysen. Der Schwerpunkt des Unternehmens liegt bis heute in den Bereichen Risikomanagement und Trendidentizierung.
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Es gab natürlich verschiedene. „Cycles“ von Dewey ist sicher ein Buch, das mir die Augen für Zyklen öffnete, weit über den Konjunkturzyklus hinaus. Es zeigte mir, dass zyklische Kräfte auf uns wirken, die wir nicht alle orten können, die aber in der Lage sind, massenpsychologische Phänomene loszutreten. Das ist für mich sicherlich ein sehr wichtiges Buch.
Ein anderes wichtiges Buch heißt „The Tao Jones Index“, in Anlehnung an den Taoismus. Das Buch gab mir einst Laszlo Birinyi bei Salomon Brothers. Er wertete die Märkte quantitativ primär für das eigene Trading aus. Heute hat er eine Beratungsfirma in Amerika, Birinyi Associates. Das Buch öffnete mir die Augen dahingehend, dass man jedes Problem nicht nur von der konventionellen Seite angehen darf. Manchmal sehen gewisse Sachverhalte aus einer neuen Perspektive völlig anders aus. Mit anderen Worten, das Buch hat mir gedanklich eine weitere Dimension geöffnet. Dann natürlich der Klassiker über Jesse Livermore, „Reminiscences of a Stock Operator“. Sein Auf und Ab an der Börse, das ich in jungen Jahren auch mitgemacht habe, gehört offensichtlich zum Stahlbad, das jeder durchlaufen muss. Jesse Livermore war ein hervorragender Trader, aber schlussendlich hat er versagt. Er hat eigentlich versagt wegen des fehlenden Risikomanagements. Er war zwei Mal bankrott, und beim dritten Mal hat er sich das Leben genommen. Das war so tragisch, dass Risikomanagement als Schlussfolgerung daraus essenziell sein muss. Auch in dieser Hinsicht hat mich das Buch bestätigt. Wenn ich mir in meiner Karriere etwas vorwerfen muss, dann, dass ich nicht alle Chancen an den Märkten so wahrgenommen habe, wie ich es hätte tun wollen. Aber ich muss mir nie vorwerfen lassen, dass ich für Kunden in hohem Maße Geld verloren habe.
Edward R. Dewey Edward Russel Dewey (1895-1978) war Wirtschaftswissenschaftler. Er setzte sich intensiv mit Zyklen in der Wirtschaft und anderen Bereichen auseinander. Seine Ansichten gelten im Allgemeinen als unvereinbar mit den traditionellen Wirtschaftswissenschaften. Dewey war Ökonom und Chefanalyst für Wirtschaft beim U.S. Department of Commerce. Er begann sich für Zyklen zu interessieren, als der damalige Präsident Hoover ihn und seine Abteilung damit beauftragte, nach den Gründen für die Große Depression zu suchen. Aber die Ökonomen hatten in den Augen Deweys keine einheitlichen Antworten für den Grund der Depression. Langsam verlor er das Vertrauen in wirtschaftliche Standarderklärungen. Er begann daraufhin mit ausgedehnten Studien über zyklische Phänomene, mit denen er sich bis zum Endes seines Lebens beschäftigte. 1947 veröffentlichten Edward R. Dewey und Edwin F. Dakin ihr Buch “Cycles: The Science of Prediction”.1973, fünf Jahre vor seinem Tod, verfasste Dewey gemeinsam mit Og Mandino ein Buch über seine bisherigen Forschungen unter dem Titel „Cycles: The Mysterious Forces That Trigger Events.“ Er isolierte tausende scheinbar nicht miteinander in Verbindung stehende Zyklen, die hunderte und sogar tausende von Jahren um-
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fassten, zum Beispiel den 9,6-Jahre-Zyklus des Lachsreichtums im Atlantik, den durchschnittlichen Zyklus von 11,11 Jahren der Sonnenflecken seit 1527, den durchschnittlichen Zyklus der Sonnenfleckaktivität, den 22,20-Jahre-Zyklus internationaler Konflikte zwischen 1415 und 1930,. Außerdem entdeckte er mehrere Wirtschaftszyklen, einen 18,33-Jahre-Zyklus in Immobilienaktivitäten und einen 9,2-Jahre-Börsenzyklus. Dewey diskutiert zwei überraschende Schlussfolgerungen. Im Rahmen seiner ersten Entdeckung stellte er fest, dass viele Zyklen von scheinbar unabhängigen Phänomenen häufig ähnliche zyklische Perioden aufweisen. Zum Beispiel fand er 37 verschiedene Beispiele für den 9,6-Jahre-Zyklus, darunter Raupenplagen in New Jersey, das massenhafte Auftauchen von Kojoten in Kanada und die Baumwollpreise in den USA. Warum sollen solche nicht in Beziehung stehende Bereiche den gleichen Zyklus haben? Darüber hinaus bestand seine zweite Schlussfolgerung darin, dass diese ähnlichen Zyklen synchron stattfinden. Für den 18,2-Jahreszyklus trifft das z.B. auf Eheschließungen, Einwanderungen und Aktienkurse in den USA zu. Deweys folgerte daraus, dass es irgendetwas "dort draußen" im Universum geben müsse, was diese Zyklen verursacht. Es scheint, als ob es eine Art universalen Puls für Zyklen in vielen Bereichen des menschlichen Daseins gäbe. 1941 gründete Dewey die Foundation for the Study of Cycles. Diese Stiftung widmet sich der Erforschung zyklischer Phänomene und gilt anerkanntermaßen als älteste und führende Institution auf diesem Gebiet. Sie veröffentlicht u.a. das Cycles Magazine, das Studien aus den verschiedensten Wissenschaftsbereichen veröffentlicht. Außerdem ist sie Herausgeber des Monatsreports „Cycle Projections“, in dem die Zyklusanalyse auf die Finanzmärkte angewendet wird.
Quellen: „Edward R. Dewey“ in: Wikipedia, 9. August 2009; Murphy, John J. (2004), S. 338 ff. Was war rückblickend betrachtet Ihre schwierigste Marktphase, und welche Erkennt nissekonntenSiedarausfürsichgewinnen?
Es gab zwei schwierige Phasen. Die erste Marktphase war nach 1987. Ich hatte damals einfach nicht verstanden, warum der japanische Aktienmarkt so schnell wieder auf neue Höchststände schießen konnte. Der Markt ist immer weitergelaufen, und ich hatte damals für meine Mandanten keine Engagements in Japan, weshalb ich in Japan bis zur Spitze Ende 1989 kein Geld verdiente. Mir wurden in diesem Zusammenhang Vorwürfe gemacht, die ich mir auch gefallen lassen musste. Das ist klar. Aber später shortete ich Japan praktisch von der Spitze an und machte damit in der Baisse sehr viel mehr Geld als andere in der Hausse. Die zweite schwierige Marktphase war noch sehr viel schwerwiegender als die erste. Das war 1999. Klar war, dass Telekommunikations- und Technologieaktien völlig überzahlt waren, aber da war beispielsweise die Aktie der Deutschen Telekom schon bei 60 Euro
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und dennoch ging sie auf über 100 Euro. Es war rational einfach nicht mehr nachvollziehbar, warum Telekommunikationsunternehmen, die im Prinzip einen Versorgungscharakter haben, mit Kurs/Gewinn-Verhältnissen von 70 bis 80 bezahlt werden mussten. Damals war ich sehr frustriert, dass dieses Marktsegment einfach immer weiterlief und ich zu wenig dabei war. Für meine Klientel hatte ich solche Aktien überhaupt nicht im Bestand. Nebenbei managte ich damals noch einen europäischen Long-Only-Aktienfonds für ein größeres amerikanisches Investmenthaus, mit dem ich natürlich weit hinter den Benchmarks zurücklag, weil ich in diesen überteuerten Aktien massiv untergewichtet war. Ich konnte diesen Unsinn einfach nicht mitmachen. Es war eine sehr frustrierende Zeit, die dazu führte, dass dieses Investmenthaus, nachdem das Management gewechselt hatte, mir das Mandat ein Jahr später kündigte, weil sie angeblich unzufrieden waren. Sie lancierten dann eigene Fonds, vor allem im Bereich Telekommunikation und Technologie, und zogen aus meinem ursprünglichen Fonds, der in der Spitze etwa eine Milliarde Schweizer Franken groß war, schrittweise Gelder ab und legten sie in die neu aufgelegten Fonds an. Jene Fonds verloren dann in den nachfolgenden zwei Jahren zwischen 80 und 90 Prozent ihres Wertes. Das war für mich eine schwierige Zeit, und sie zeigt eben auch, wie wichtig der Faktor Timing für den Erfolg ist. Manchmal ist es Glück, manchmal ist es Können, manchmal auch die Kombination aus beidem. Aber Timing spielt überall im Leben eine bedeutende Rolle. Stichwort Glück: Welche fachlichen Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften machen den Unterschied zwischen einem erfolgreichen und einem weniger erfolg reichenAnlegeraus?
Glück gehört natürlich dazu. Man kann nicht erfolgreich sein, wenn man kein Glück hat. Aber man kann natürlich auch das Glück zu einem gewissen Grade zwingen. Die Ausgangsbasis ist harte Arbeit. Die andere wichtige Eigenschaft ist Talent. Man muss harte Arbeit mit Talent paaren. Nur Talent oder nur harte Arbeit alleine führen zu einer guten, aber nicht zu einer überdurchschnittlichen Leistung. Was natürlich ganz wichtig ist, wie bei vielen Dingen im Leben: Disziplin! Ein Anleger, der von seiner disziplinierten Vorgehensweise abrückt, begibt sich auf dünnes Eis, und dann wird es schwierig. Wenn man die Disziplin verliert, hat man keine Bodenhaftung mehr. Man gerät in die Verlustzone, weist rote Zahlen aus, die Kunden bedrängen einen, und plötzlich ist man in seiner Entscheidung nicht mehr frei. Und wenn man nicht mehr frei ist, kann man auch keine guten Entscheide fällen. Deshalb ist es für mich so wichtig, keine großen Verluste auflaufen zu lassen, um in meiner Entscheidung frei zu bleiben. Wenn man diese Freiheit verliert, ist man „mentally off balance“. Man könnte unterstellen, dass viele Hedgefondsmanager, Finanzmathematiker und WirtschaftswissenschaftlerdieseEigenschaftenhaben.AnwelchenEigenschaftenoder FähigkeitenmangeltesdagegenausIhrerSichthäufig?
Finanzmärkte sind zyklisch und nicht linear. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Manchmal
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ist das eine Frage der Zeit. Diese Leute müssen wissen, dass ein Down-Cycle unter Umständen länger dauern kann, als das ihre Theorie erlaubt und als ihre Kunden oder Verantwortlichen Disziplin haben, mit ihnen und ihrer Theorie durch das Tal der Tränen zu gehen. Es gab in den Jahren 2002 und 2003 einen Finanzchef einer großen Versicherungsgesellschaft in der Schweiz, der das Unternehmen praktisch gegen die Wand gefahren hat, weil er einfach viel zu viele Aktien im Bestand hielt. Das Portfolio verlor dann massiv an Wert, er musste die Aktienquote reduzieren, und heute ist die Gesellschaft ein Schatten dessen, was sie einmal war. Als sich die Aktienmärkte später erholten, veröffentlichte der Finanzchef große Artikel in den Medien und sagte – überspitzt formuliert: „Ich wusste, dass ich recht habe, aber die Buchhaltungspraxis war falsch. Man hat uns gezwungen, zu Marktwerten Buchhaltung zu führen und zu bewerten.“ Das ist ein klassischer Fall, in dem ein Verantwortlicher die Kriterien vorher genau kannte. Er wusste, dass der Aktienmarkt tief nach unten gehen kann, und dass der Markt sich später wieder erholen würde. Aber aufgrund seines Umfeldes konnte er das nicht umsetzen. Das ist das Problem mit vielen Theorien. Wenn das Tal länger dauert und tiefer geht, als es die Risikofähigkeit der Kunden erträgt, taugt die ganze Theorie nichts, weil sie unter diesen Umständen nicht anwendbar ist. Dann ist sie theoretisch interessant und theoretisch erfolgreich, aber praxisfremd. Schlussendlich müssen sie natürlich mit Theorien und Disziplinen arbeiten, die praxisorientiert sind. Man kann der Wissenschaft durchaus vorwerfen, dass sie immer wieder Theorien entwickelt, die aber in der Praxis nicht anwendbar sind. Sie sind so lange anwendbar, bis man schwer unter Druck gerät, zum Beispiel Fondsmanager, deren Kunden ihre Gelder aus dem Fonds abziehen, Versicherungsgesellschaften, die von den Aufsichtsbehörden gezwungen werden zu verkaufen und dergleichen mehr. Das weiß man vorher, aber dem trägt die Wissenschaft zu wenig Rechnung. Viele Theorien sind aus meiner Sicht außerordentlich interessant, aber leider nicht anwendbar, weil sie nicht durchzuhalten sind. Das ist das Problem! Finanzmathematik dominiert heutzutage an den Finanzmärkten. Mein Sohn hat in St. Gallen Banking & Finance studiert. Ich war erschüttert, als ich gesehen habe, dass Studenten der Betriebswirtschaftslehre nicht einmal mehr lernen, wie ein Konjunkturzyklus abläuft. Das wird nur noch mathematisch erfasst. Die ganze dahinterstehende Psychologie, die ganzen Entscheide, die Wirtschaftssubjekte im Laufe eines Zyklus’ treffen, werden gar nicht mehr behandelt. Er wollte dann seine Masterarbeit über den letzten und vorletzten Konjunkturzyklus schreiben und sie mit den jeweiligen Zyklen an den Finanzmärkten vergleichen, hatte aber Schwierigkeiten, überhaupt einen Professor zu finden, bei dem er diese Arbeit abgeben konnte. Meines Erachtens hat die Wissenschaft sehr viel zu den Problemen beigetragen, die wir heute im Finanzbereich haben, weil sie praxisfremd ist. Deshalb verstehen auch viele Marktteilnehmer die zyklischen Bewegungen nicht mehr. Ich kann mich an ein Mittagessen mit Josef Ackermann im Jahre 1999 erinnern. Er war kurz zuvor Chef der Deutschen Bank geworden. Bei einem Sales-Pitch vor einer kleinen Runde von Zuhörern berichtete er, wie fantastisch die Märkte aussehen und wie die Deutsche Bank ihre Gewinne zu steigern plane. Irgendwann habe ich dann mal dazwischengeredet und gesagt: „Aber, Herr Ackermann, Sie und ich sind doch beide alt genug, um zu sehen, dass wir uns in der Endphase eines Zyklus’ befinden. Und nach einem solchen UpCycle kommt ein Down-Cycle. Aber was Sie uns erzählen, setzt voraus, dass es keinen
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Down-Cycle gibt.“ Er wusste, wer ich bin. Er hat dann kurz innegehalten, hat mich angeschaut und gesagt: „Sie haben völlig recht, vergessen Sie alles, was ich in den letzten fünf bis zehn Minuten gesagt habe. Das ist der klassische Sales-Pitch unserer MarketingAbteilung. Aber Sie haben recht. Wir können jetzt darüber diskutieren, wie sich ein CEO eines solch großen Instituts verhalten sollte. Wenn er zu früh bremst, verliert sein Institut Marktanteile, er selbst wird überall kritisiert und verliert vielleicht seinen Job. Wenn er das Institut voll in den Wind dreht und die Welle bis zum Schluss reitet, dann riskiert er, dass sein Institut großen Schaden nimmt.“ Und dann haben wir dieses Thema eine Weile diskutiert. Er war sich durchaus bewusst, dass es ein zyklisches Geschäft ist. Dieses Beispiel zeigt das Dilemma von Unternehmensführern. Auch die müssen Timing-Entscheidungen treffen. Wenn sie strategische Entscheide im falschen Moment fällen, riskieren sie das Unternehmen und eventuell auch ihren eigenen Stuhl. Das gilt sowohl für eine zu vorsichtige Haltung im Aufschwung als auch für eine zu aggressive Haltung am Ende des Aufschwungs. Insofern spielt das Timing von Zyklen nicht nur im Money Management eine Rolle, sondern eigentlich überall. VoreinigerZeithabeicheinZitatvonIhnengelesen.SiezitiertenausdemSong„The Gambler“vonKennyRogersausden70erJahrendieZeile:„Youhavetoknowwhento hold them, when to fold them, when to run away“ – Du musst wissen, wann du die Karten halten musst, wann du sie aufgeben musst und wann du dich vom Tisch verabschieden musst. Was hat Denken und Handeln an Finanzmärkten mit Poker zu tun?
Ich bin kein passionierter Kartenspieler. Aber beim Poker müssen Sie auch wissen, wann Sie Ihre Karten ablegen, wann Sie den anderen Spielern am Tisch das Spiel überlassen, wann Sie mitgehen und wann Sie aggressiv setzen müssen, um den Entscheid zu forcieren. Das ist im Prinzip ein Timing-Entscheid. Sie müssen erkennen, wann das Spiel für Sie läuft. Wenn die Rahmenbedingungen gut für Sie sind, dann gehen Sie natürlich mit. Auch beim Pokerspiel machen Sie vor jeder Entscheidung eine Analyse, indem Sie herauszufinden versuchen, welche Karten die anderen Spieler haben könnten, um Ihre eigene Position daraus abzuleiten. Wenn Sie feststellen, dass Sie sich in einer schwachen Position befinden und es gefährlich werden kann, dann legen Sie die Karten besser zur Seite. Und Sie sollten auch wissen, wann es besser ist, aufzustehen und den Tisch zu verlassen. An den Märkten verhält es sich prinzipiell genauso. Sie müssen wissen, wann Sie ein Portfolio aggressiver gestalten und wann Sie es defensiver gestalten müssen. Und Sie müssen wissen, wann Sie komplett aus dem Markt auszusteigen haben. Das ist Timing! WirhabenvielüberZyklengesprochen.WelcheRollespieltdieZyklenTheorie,wenn SiesicheineMeinungüberdieFinanzmärktebilden? Wenn ich mir eine Meinung über die Märkte bilde, dann gehe ich stufenweise vom ganz „großen Bild“ bis zum „kleinen Bild“ herunter. Ich beginne in meiner Meinungsbildung beim säkularen Trend. Das ist ein Trend, der sich über 10 bis 20 Jahre erstreckt. 1980 bis
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2000 hatten wir einen säkularen oder strukturellen Bullenmarkt. Seit 2000 haben wir dagegen einen strukturellen Bärenmarkt (siehe Abbildung 11.1). Von den säkularen Trends unterscheide ich die zyklischen Swings, die von Tief zu Tief etwa zwischen drei und vier Jahre dauern. Das ist für mich ein Marktzyklus (siehe Abbildung11.2). Diesen Marktzyklus breche ich dann auf mittelfristige Trends herunter, die sich in Trendrichtung über eine Zeitdauer von drei bis sechs Monaten und gegen die Trendrichtung über eine Zeitdauer von zwei bis vier Monaten erstrecken (Nummerierung 1 bis 11). Ein Zyklus in einem kräftigen säkularen Bull-Market kann fünf oder sogar sechs mittelfristige Avancen haben. In der Grafik ist das nur schematisch dargestellt. In einem säkularen Bull-Market gibt es oft nur zwei mittelfristige Trends, und der dritte entpuppt sich häufig als „failure“ (Nr. 6), bevor die Marktentwicklung wieder abbricht. Prinzipiell kann man diese mittelfristigen Bewegungen in noch kurzfristigere Swings unterteilen, die eine Zeitspanne von zwei bis vier Wochen umfassen. Darüber hinaus begebe ich mich dann noch tiefer bis in das stündliche Handelsgeschäft hinein. Ich schaue mir also verschiedene Zeitebenen an. Diese Vorgehensweise hat vielen Mitarbeitern von mir immer wieder Schwierigkeiten bereitet, weil ich zur gleichen Zeit auf einer Ebene bullisch und der anderen Ebene bärisch sein kann, was eben nur auf den ersten Blick nach einem Widerspruch aussieht. Abbildung 11.1
Big Picture und Zyklusmodell, 1980 bis 2009 (Quelle: Zulauf Asset Management AG)
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Abbildung 11.2
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Abstraktes Zyklusmodell (Quelle: Zulauf Asset Management AG)
ImMärz2009wurdenSieimBarron’smitdemSatzzitiert:„Peopleneedtounderstand it is a different world today. We will not go back to the world as we knew it.“ Von welchenEntwicklungengehenSieindennächstenJahrenaus?
Mit diesem Zitat sind natürlich die Entwicklungen auf der obersten Zeitebene gemeint. Wir haben in der jüngsten Vergangenheit Strukturbrüche erlebt. Die Welt hatte ein Wachstumsmodell, bei dem der Überkonsum Amerikas und die Überproduktion Asiens in einem labilen Gleichgewicht waren, was in Summe aber einem Ungleichgewicht entsprach. Der amerikanische Konsument hat sich dabei derart verausgabt, dass seine Bilanz nun zerschlagen ist. Er kann das Spiel nicht mehr spielen und ist für mindestens fünf Jahre aus dem Rennen. Das alte Modell ist kaputt, und die Welt muss ein neues finden, mit dem sie weiterwachsen kann. Man kann es auch anders formulieren: Wir haben ein Uhrwerk Weltwirtschaft, das aus kleinen und großen Zahnrädern besteht, die direkt oder indirekt miteinander verzahnt sind. Das Schwungrad ist der amerikanische Konsument gewesen. Infolgedessen haben sich einige Zahnräder schneller gedreht und andere langsamer. Jetzt dreht der amerikanische Konsument rückwärts, und die Welt muss damit zurechtkommen. Aber wir haben keine Antwort darauf. Die Amerikaner kommen mit der Antwort, dass der Staat einspringen muss, um diese Entwicklung zu kompensieren. Aber das wird nicht reichen, das Ausmaß ist zu gering. Die Europäer machen das Gleiche in kleinerem Umfang. Das wird erst recht nicht reichen, um wieder die früheren Wachstumsraten zu
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erreichen. Die Asiaten, oder zumindest die Chinesen, gehen voll in die Offensive, indem sie einfach mal auf Halde produzieren und intern versuchen, genügend Nachfrage zu schaffen, um das Konjunkturtal der Weltwirtschaft zu überbrücken. Sie gehen davon aus, dass die weltweite Nachfrage irgendwann wieder einsetzt und den Export wieder in Gang bringt. Das ist ein gefährliches Unterfangen und eine sehr schwierige Ausgangslage für die Weltwirtschaft. Wenn man sich die Zeit seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs anschaut, dann stellt man fest, dass wir eine solche Situation noch nie hatten. Das ist eine neue Welt, die dazu führt, dass die Konjunkturmodelle der Ökonomen versagen werden, weil sie auf die neuen Gegebenheiten nicht ausgerichtet sind. Deshalb sind alle Konjunkturprognosen aus konventioneller Hand und Küche mit großer Vorsicht zu genießen, weil diese veränderten Rahmenbedingungen größtenteils nicht berücksichtigt sind. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Die Beschäftigung beispielsweise ist in einer Volkswirtschaft ein nachlaufender Indikator. Niemand schaut auf die Beschäftigung, um Trends für die Zukunft zu identifizieren. Als Frühindikatoren für die Zukunft verwendet man stattdessen monetäre Indikatoren wie den Aktienmarkt, die Zinskurve und dergleichen mehr. In einer Welt, in welcher der Transmissionsmechanismus von Zentralbankgeld in die Wirtschaft gebrochen ist – das Bankensystem ist aufgrund des geringen Eigenkapitals der Institute gar nicht in der Lage, Kredite in der gewünschten Höhe auszuleihen – können monetäre Indikatoren völlig falsche Signale liefern. Die Beschäftigung in Amerika wird sich höchstwahrscheinlich nicht verbessern, sondern sich über die nächsten Jahre weiter verschlechtern. Das wird dazu führen, dass der Konsument in seiner ganzen Psyche tangiert wird. Auch in den vergangenen Zyklen haben die amerikanischen Privathaushalte in schweren Rezessionen über das Jahr gerechnet fünf Prozent Vermögensverlust erlitten. Diesmal waren es allerdings 25 Prozent, also praktisch vier- bis fünfmal mehr als in den schwersten vorangegangenen Rezessionen. Das hat die Psyche des amerikanischen Verbrauchers zerstört. Er wird sich nicht mehr so verhalten, wie das in vergangenen Zyklen der Fall war, sondern für eine längere Zeit viel vorsichtiger sein. Die jüngsten Zahlen zum verfügbaren Einkommen des amerikanischen Verbrauchers waren mit plus zwei oder drei Prozent im Monatsvergleich positiv, aber er gibt das Geld nicht aus, sondern spart es. Die Sparrate ist in kurzer Zeit von null auf über sechs Prozent im Monat Mai hochgeschnellt (siehe Abbildung11.3). Das Einkommen der amerikanischen Privathaushalte kommt zu 18 Prozent vom Staat. Offensichtlich merkt der Amerikaner, dass dieses Geld nicht für immer da sein wird, sondern nur temporär. Und aus all diesen Bedingungen heraus wird er sich anders als in der Vergangenheit verhalten, weshalb er über Jahre hinweg nicht das Schwungrad für die Weltwirtschaft sein kann. In meiner Analyse komme ich zu dem Schluss, dass die amerikanischen Haushalte noch etwa vier bis sechs Billionen Dollar an Krediten abbauen müssen, bis sie sich wieder in einem vernünftigen Rahmen bewegen. Das sind Riesenbeträge! Deshalb wird die Welt in den nächsten fünf Jahren nicht mehr so sein, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten gekannt haben.
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Abbildung 11.3
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Verfügbares Einkommen und Sparrate der US-Haushalte, 1960 bis 2009 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
Welche Erwartungen würden Sie daraus für die Finanzmärkte und die wichtigsten AnlageklassenmitSichtaufdienächstenJahreableiten?
Auf der übergeordneten Ebene ist zu sehen, dass es sich bei strukturellen Bullen- und Bärenmärkten um nichts anderes als Bewertungszyklen handelt. Ein Markt geht aus der Unterbewertung in die Überbewertung und wieder zurück in die Unterbewertung. Es gibt in der Historie, zumindest so lange das Datenmaterial zurückreicht, kein einziges Beispiel dafür, dass ein Markt in seiner Entwicklung von einem zum anderen Extrem in der Mitte der Bewertungsbandbreite anhält und umkehrt, sondern er pendelt von einem Extrem ins andere. Der Aktienmarkt ist nun etwa zehn Jahre lang von der Überbewertung in Richtung Unterbewertung gegangen. Wir haben also bereits einen langen Weg hinter uns. Die strukturellen Bärenmärkte dauern in der Regel zwischen 12 und 16 Jahre. Ich erwarte, dass wir den gegenwärtigen strukturellen Bärenmarkt in den nächsten fünf Jahren abschließen. Wir werden in Unterbewertung enden, weil die Anleger aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen sich immer konservativer verhalten und Aktien immer tiefer gewichten werden, was zu immer tieferen Preisen führen wird. Die Unternehmen werden ihrerseits, nicht zuletzt aus den unlängst gewonnenen Erfahrungen, ihre Eigenkapitalbasis verstärken und Fremdkapital reduzieren, also eine viel konservativere Finanzstruktur anstreben. Der Einbruch des Bruttoin-
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landsprodukts in den Industrieländern von der Spitze bis zum Boden wird je nach Land zwischen fünf und zehn Prozent betragen. Das ist mindestens dreimal so viel wie in den schlimmsten Rezessionen davor. Die Erholung wird ganz gemächlich ablaufen. Bis wir wieder konjunkturell den alten Hochpunkt erreichen, werden mindestens fünf, wenn nicht sogar acht Jahre vergehen. Entsprechend werden sich auch die Einnahmen der Unternehmen mit dem Bruttoinlandsprodukt nach unten entwickeln. Die Kombination aus diesen Entwicklungen sollte am Ende des säkularen Bärenmarktes zu exzessiv tiefen Bewertungen der Aktienmärkte führen, viel tiefer, als sich die meisten Experten heute vorstellen können. Ich denke, dass wir im Laufe der nächsten Jahre einen Tiefpunkt erreichen werden, der eine fantastische Kaufgelegenheit für die nächsten 15 Jahre darstellen sollte. Dann kann man auch wieder eine Buy-and-Hold-Strategie verfolgen. Bis dahin wird Buy-and-Hold völlig diskreditiert sein. So lange sehe ich Aktien als Trading-Objekt und nicht als Anlageobjekt. Ich sehe aber auch Anleihen nur als Trading-Objekt. Als Anlageobjekt eignen sich Anleihen nur, wenn man Cash in Form von kurzen bis mittleren Anleihen erster Qualität hält. Daraus wird sich zwar nur eine bescheidene Rendite ergeben, aber Gleiches wird für alle Anlageklassen gelten. Von den Rohstoffen glaube ich, dass sie per saldo etwas besser abschneiden werden als Aktien, weil sie von dem Versuch, die Währungen zu schwächen, profitieren sollten. Wir haben eigentlich in allen Ländern ein deflationäres Umfeld als Ausgangslage. Wir haben zu viele Produktionskapazitäten, eine strukturell geschwächte Nachfrage und einen zu hohen Kreditberg. Daraus resultiert ein deflationärer Druck auf das System. In einem solchen Umfeld sind die Reflationierungsbemühungen der Notenbanken und Regierungen meines Erachtens viel zu gering, um in den nächsten Jahren wirklich deutlich höhere Inflationsraten zu erzeugen. Das schaffen sie nur, wenn sie ihre eigene Währung um 20 oder mehr Prozent abwerten können. In Ländern, in denen das gelingt, erhalten Sie Inflation. Aber in den anderen Ländern eben nicht. Und weil alle ihre Währung abwerten wollen, ist das gar nicht so einfach. Muss man sich in dem aktuellen Marktzyklus angesichts der Inflationsbemühungen und versuchten Währungsabwertungen nicht mehr Sorgen um die Anleihemärkte machen.ErwartenSieeinenEinbruchderRenten?
Das ist ein Thema, aber nicht für die nächsten drei Jahre. Eine solche Entwicklung wird aus meiner Sicht in vier bis fünf Jahren und danach auf uns zukommen. Ich gehe davon aus, dass die Konjunktur sehr holprig bleiben wird und wir keine anderen Antworten darauf finden werden, als den Staat einzuspannen und Konjunkturprogramme aufzulegen. Das führt dazu, dass die Staatsverschuldung rasant anwachsen wird. Die Verzinsung der Schulden wird bei den Industrieländern wahrscheinlich in extremen Fällen Niveaus von über 20 Prozent der Steuereinnahmen erreichen. Wenn es tatsächlich über 20 Prozent hinausgeht, wird es gefährlich. Daraus werden sehr schnell 25 oder 30 Prozent und dann macht der private Kapitalmarkt bei der Finanzierung des Staatshaushalts nicht mehr mit. Die Notenbank muss einspringen und die Schulden finanzieren, und dann ist der Sündenfall perfekt. Zu diesem Zeitpunkt müssen Sie sich schon längst von jener Währung und den Staatsanleihen getrennt haben. Wenn es in diese Richtung geht, wird es von den Märkten vorher bereits antizipiert. Aber im Moment hat die Angst vor Inflation ein Ausmaß erreicht, sodass wir eine sehr hohe Realverzinsung haben, was für die Volkswirtschaft
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schon wieder ein Problem darstellt. Deshalb ist die Inflationsangst für die nächsten zwei Jahre völlig verfrüht. Ich glaube, dass die meisten Asset-Klassen in Minizyklen pendeln werden. LassenSieunskurzaufBasisderZyklusTheoriespekulieren,wiesichbeispielsweise der Aktienmarkt in diesem Minizyklus weiterentwickeln könnte. Wie lange wird der ausIhrerSichtandauern?
Wir haben in diesem Marktzyklus bereits eine erste Rallye seit dem März-Tief gesehen. Wenn die Avance in kontinuierlichen Bahnen abläuft, dann können demnächst Rückschläge kommen, wobei die Tiefs seit März aber nicht mehr erreicht werden sollten. Wir könnten die Hälfte des Anstiegs verlieren und würden dann im Herbst eine nächste Welle nach oben starten, die mindestens nochmal so stark ist wie die erste Welle. Dann könnten wir gegen Mitte 2010 den Höchstpunkt erreichen. Bei einer letzten Welle in den Herbst 2010 könnte ich mir eine „Failure“ vorstellen. Ab Herbst 2010 würden die Aktienmärkte dann wieder sehr verwundbar für eine erneute Baisse bis zu einem Tiefstpunkt in 2011 oder 2012. Die „Leaders“ in diesem Markt sind die Emerging Markets und die Rohstoff-basierten Märkte und Marktsegmente. Alternativ zu diesem Szenario könnte es sein, dass es eine Monster-Rallye gibt ohne tiefgreifende Korrekturen dazwischen. Das würde bedeuten, dass die Rallye vermutlich kürzer, also nur ca. zwölf Monate dauern würde, aber sehr kräftig wäre und Anlegern nie mehr eine zweite Chance zum Einstieg mit tiefen Risiken geben würde. Wir hatten eine ähnliche Entwicklung in den USA 1938 und in Japan 1995/96. In diesem Fall würden wir sehr wahrscheinlich damit rechnen müssen, dass im Frühjahr 2010 alles vorbei wäre und danach eine erneute Baisse einsetzen könnte, selbst wenn die Volkswirtschaften nicht mehr in eine tiefe Rezession zurückfallen, sondern lediglich mehr oder weniger stagnieren würden. Ein nächster Tiefpunkt 2011 oder 2012 könnte den säkularen Bear-Market beenden. Aber vermutlich werden wir bis dorthin nochmals Probleme im Finanzsystem sehen. Bevor ein neuer säkularer Bull-Market beginnt, müssen wir jedoch die Ungleichgewichte im Finanzsystem und bei den privaten Haushalten in den strukturellen Etragsbilanz-Defizitländern wie USA, England, Spanien, etc. bereinigen. Außerdem glaube ich, dass die Ungleichgewichte, die sich nun in Asien aufbauen, ebenfalls noch zu einem gewissen Grad bereinigt werden müssen. Dies ist aktuell meine Denke. Deshalb bin ich der Meinung, dass die nächsten Jahre nach wie vor einen absoluten Trading-Markt bringen werden und dass es zu früh ist für eine langfristige „Buy-and-Hold-Investment-Strategie“ (siehe Abbildung11.4).
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Abbildung 11.4
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Der laufende Aktienmarktzyklus – ein Minizyklus? (Quelle: Zulauf Asset Management AG, eigene Anmerkungen)
WassindIhreGedankenzuChina?
Es hängt viel davon ab, ob sich in China eine Bubble bildet oder nicht. Ich tendiere dazu, dass China aktuell in eine Bubble hineinläuft. In allen Ländern geht das Wachstum der Bankenkredite nach unten, nur in China geht es senkrecht nach oben, weil die Regierung natürlich Angst vor sozialen Unruhen hat. Der Exportsektor ist zusammengebrochen, und jetzt will man die Leute beschäftigen, indem man sie auf Halde produzieren lässt. Die Infrastruktur wird weiter ausgebaut, Immobilien werden errichtet und dergleichen mehr, in einer Welt, die ohnehin schon über zu viele Kapazitäten verfügt. Wenn Sie eine der größten chinesischen Städte besuchen, dann finden Sie wahrscheinlich sehr viele Bürotürme, die nahezu leer stehen und sich eigentlich nicht rechnen. Aber die chinesischen Banken können ihre Hypotheken zur Finanzierung dieser Gebäude natürlich zu 100 Prozent in der Bilanz stehen lassen, weil es eben staatskontrollierte Unternehmen sind. Das wird von oben einfach angeordnet, und dann sieht das auch perfekt aus. Aber viel davon ist Schall und Rauch. Vieles ist nicht so solide, wie wir glauben. Deshalb habe ich da meine Bedenken. Ich kann mir vorstellen, dass die chinesische Blase am Ende des seit März 2009 laufenden Minizyklus´ platzt. WieistIhreMeinungzuGold?
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Ich glaube, Gold spielt eine wichtige Rolle. Gold löst sich allmählich von den anderen Asset-Klassen. Natürlich kann Gold noch einmal auf 850 oder 750 US-Dollar zurückkommen. Aber es gibt für die politischen Entscheidungsträger in dieser Welt keinen anderen Ausweg, als mit der Staatsverschuldung nach oben zu gehen. Das Kapital wird über diese Entwicklung zunehmend unruhiger. Das Vertrauen in die Währungen und in die Regierungen nimmt stetig ab. Entsprechend wächst die Bereitschaft, einen Teil des Vermögens in Gold als stabile Währung, als Versicherungspolice, zu investieren. Diese Entwicklung kommt, weshalb ich in den nächsten Jahren per saldo mit einem steigenden Goldpreis rechne, und zwar in allen Währungen. Sie sagten, dass Sie in den nächsten Jahren von einem TradingMarkt ausgehen. Wie solltensichAnlegerundFondsmanagerindiesemMarktumfeldbewegen?
Ich denke, ein Anleger sollte vor allem schauen, dass er bis zu dem Zeitpunkt, an dem es wieder einen strukturellen Bull-Market gibt, nichts verliert. In der Baisse nichts zu verlieren, ist das Entscheidende. Mit einem gewissen Teil der Gelder kann man den Minizyklus mitspielen. Ein Fondsmanager oder Hedgefondsmanager muss diese Zyklen natürlich voll mitmachen. Ich stelle mich auf eine „Jo-Jo-Börse“ ein, weil wir darunterliegend eine Wellblechkonjunktur haben. Die mittelfristigen Trader sollten im Umfeld der nächsten Jahre am besten abschneiden. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass auch Trendfolgemodelle und dergleichen sehr gut abschneiden werden. Buy-and-Hold- oder reine Value-Strategien werden weiterhin schwierige Jahre vor sich haben, Wachstumsstrategien sogar sehr schwierige Jahre. Das wären meine Schlussfolgerungen. Angenommen, Sie hätten die Möglichkeit, an der Architektur eines neuen Weltfinanzsystems mitzuarbeiten. Fallen Ihnen zentrale Elemente ein, die aus Ihrer Sichtnichtfehlendürfen?
Ich glaube natürlich, dass ich nie in diese Situation kommen werde. Aber die Probleme und Exzesse, die wir nicht nur im Finanzsystem, sondern in allen damit verbundenen Bereichen haben, wie zum Beispiel im Konsum, resultieren aus einer seit Jahrzehnten viel zu lockeren Geldpolitik. Das ist die eigentliche Quintessenz. Wenn man sich den Konsumentenpreisindex der USA seit 1871 vor Augen führt, dann stellt man fest, dass wir bis 1960 praktisch keine Inflation und keinen Geldwertschwund hatten. Wir hatten unsere Zyklen, hatten Kriege, Prosperitätsphasen und anderes, aber der Geldwert blieb eigentlich für eine lange Zeit stabil. Das änderte sich erst, als die Amerikaner in den 60er-Jahren ihre Sozialprogramme ausbauten und gleichzeitig einen Krieg führten. Sie druckten dafür einfach Dollars, was schlussendlich Anfang der 70er-Jahre in der Abschaffung des Goldstandards endete (siehe Abbildung 11.5). Und seit wir diese monetäre Disziplin nicht mehr haben, erleben wir einen unglaublichen Geldwertschwund. In den letzten 100 Jahren hat der Dollar über 95 Prozent an Kaufkraft verloren, der Schweizer Franken als stärkste Währung 85 Prozent. Das resultiert aus der Geldschöpfung. Seit wir den Goldstandard nicht mehr haben, versuchen wir, jedes Wirtschaftsproblem durch Neuschöpfung von Geld zu behe-
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ben. Und das führt zu immer größeren Problemen. Deshalb würde ich in einem Finanzoder Währungssystem dafür plädieren, dass wir irgendwo einen Anker haben, wodurch das Geldschöpfen beschränkt wird. Außerdem bedarf es einiger klarer Regeln, deren Einhaltung von Aufsichten zu überwachen ist: Zum einen müssen Banken, die Zentralbankgeld weitergeben, Kredite schöpfen und dadurch zum volkwirtschaftlichen Multiplikatoreffekt beitragen, über einen sehr viel höheren Eigenkapitalgrad verfügen, als das bislang der Fall war. Zum anderen müssen diejenigen, die in Politik und Wirtschaft Entscheidungen treffen, letztlich auch dafür haften. Politiker dürfen nicht einfach entscheiden und am Ende muss es dann das Volk ausbaden. Entscheidungshoheit und Haftung müssen zusammengeführt werden, wenn möglich auf der gleichen Ebene, damit die Entscheide besser werden. Andernfalls werden auch weiterhin nur kurzfristige Entscheide gefällt, welche die Schmerzen vorübergehend lindern aber langfristig verschlimmern. Es sollte genau umgekehrt sein. Aber die Demokratie neigt nun mal dazu, Entscheide zu fällen, die kurzfristig angenehm und langfristig unangenehm sind. Abbildung 11.5
US-Konsumentenpreisindex, 1871 bis 2009 (Quelle: http://www.econ.yale.edu/~shiller/data.htm, eigene Darstellung)
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Indexpunkte
200
150
100
50
0 1871
1881
1891
1901
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1951
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1971
1981
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Konsumentenpreisindex(USA)
Sie verwalten mit dem Cronus Fund einen Hedgefonds. Wie würden Sie Ihre Anlagephilosophiebeschreiben?
Das ist ein konservativer Hedgefonds, der meiner Philosophie entspricht. Ich will in erster Linie kein Geld verlieren und in zweiter Linie Chancen wahrnehmen. Bislang habe ich das aber nicht so gut gemacht. Ich bin jetzt faktisch wieder dort, wo ich vor zwei Jahren ange-
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fangen habe. Für viele Anleger wäre das vielleicht erfolgreich, wenn sie in den letzten zwei Jahren kein Geld verloren hätten. Aber ich bin natürlich nicht zufrieden und stelle mir andere Renditen vor. Es hatte auch mit verschiedenen internen Gründen zu tun, die inzwischen bereinigt sind. Jetzt läuft es besser, und wir haben noch Spielraum, uns weiter zu verbessern. InwelcheAnlageklasseninvestierenSie?
Die für uns wichtigste Anlageklasse sind Aktien. Dann kommen Rohstoffe und festverzinsliche Wertpapiere und in sehr kleinem Umfang Währungen, weil ich der Meinung bin, dass Währungen in den nächsten Jahren sehr schwer greifbar sein werden. Sie werden viel stärker von politischen Entscheidungen manipuliert als von natürlichen Kräften der Economy beeinflusst. Deshalb halte ich allzu große Währungswetten eher für gefährlich, weshalb sie bei uns nur einen kleinen Stellenwert einnehmen. Bei Aktien konzentrieren wir uns darauf, die Ups and Downs zu traden, so wie ich das bereits geschildert habe. Dasselbe machen wir mit Commodities, deren Gewicht im Vergleich zu Aktien aber kleiner ausfällt. Auf der Rentenseite investieren wir primär in Staatsanleihen. Das alles machen wir in beide Richtungen, sowohl long als auch short. Ich bin ein direktionaler Investor. Ich tätige also keine Spread Trades, sondern aus meiner Analyse resultiert eine These, die mir die Marktrichtung vorgibt. Und in diese Richtung investiere ich. InwelcheSegmenteinvestierenSieundwelcheInstrumentesetzenSiedafürein?
Wir investieren ausschließlich in liquide Assets. Das Portfolio muss im Prinzip innerhalb einer Stunde liquidierbar sein. Und das ist es auch! Im Aktienbereich investieren wir hauptsächlich in Marktindizes, sei es über Futures oder über ETFs. Auch Sektoren wie zum Beispiel Energie, Technologie, Versorger und Financials berücksichtigen wir gezielt. Über festverzinsliche Wertpapiere haben wir zu wenig Know-how, um damit irgendwelche raffinierten Dinge anzustellen. Wir spielen vor allem die Renditetrends am langen Ende und vielleicht auch mal die Zinskurve. Aber das ist dann auch schon alles. Das machen wir mit Staatsanleihen oder über die entsprechenden Futures. Seit dem Ausbruch im Sommer 2008 habe ich die Cash-Salden von Banken und Prime Brokern abgezogen und in Bundesanleihen gesteckt. Diesen Bestand verwalte ich seitdem aktiv über Terminkontrakte. Rohstoffe decken wir ausschließlich über Futures ab. Wir kaufen die Rohstoffe nicht in physischer Form, weil ich nicht will, dass mir plötzlich vor der Tür ein paar Tonnen Kakao abgeladen werden. Bei den Währungen konzentrieren wir uns auf die Hauptwährungen: Dollar, Euro, Yen, Schweizer Franken, Pfund und ab und zu kommt auch mal eine Emerging-Market-Währung dazu. Zeitweise habe ich mal den US-Dollar gegen den ungarischen Forint gespielt. Aber das ist die Ausnahme und nicht die Regel. GibteseineGrundregel,dieSiebeiderVerwaltungIhresFondsbeachten?
Wenn uns jemand Geld anvertraut, dann bin ich der Meinung, dass es niemals mehr als
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ein Drittel seines gesamten Vermögens sein darf. Es wäre falsch, wenn uns jemand sein ganzes Vermögen anvertrauen würde. Ich bin gern bereit, für ein ganzes Vermögen meine Meinung abzugeben, um in der Formulierung der Anlagestrategie zu helfen. Aber ein ganzes Wertpapiervermögen einem einzigen Vermögensverwalter zu geben, ist unseriös. Das darf man nicht machen. Deshalb sage ich allen meinen Kunden, noch bevor sie Kunden werden, dass sie mir maximal ein Drittel ihres Vermögens anvertrauen sollen. WielangehaltenSiefürgewöhnlicheinePosition?WasistIhrAnlagehorizont?
Das kommt einerseits sehr auf die Marktphase an. Andererseits hängt es davon ab, wie gut mein Timing beim Einstieg in eine Position gewesen ist. Wenn ich am Punkt 1 eingestiegen bin (siehe Abbildung11.2), kann ich die Position im Prinzip bis zum Punkt 6 durchhalten, ohne etwas daran zu ändern. Dann bedarf es auch keines großen Risikomanagements, weil es auf dem Weg zu Punkt 6 nur zu Gegentrendkorrekturen kommt, die sofort nach oben wieder ausgeglichen werden. Wenn ich aber erst in der Nähe von Punkt 2 einsteige, habe ich ein ganz anderes Risiko, das kurzfristig gemanagt werden muss. Kurzfristig kann bedeuten, dass ich Gegenpositionen zur Absicherung aufbaue, die einige Tage oder auch zwei bis drei Wochen im Portfolio verbleiben. Die Grundposition bleibt dagegen die ganze Zeit über im Portfolio bestehen. Wenn ich der Meinung bin, dass wir vor einem Superzyklus stehen, der mehrere Jahre dauert, dann nehme ich auch Investments mit diesem langen Zeithorizont ins Portfolio. Aber dann wird die Position an Punkt 2 und 4 zu hundert Prozent gehedgt, wenn nicht sogar überhedgt. Die Haltedauer einer Position kann also sehr unterschiedlich ausfallen und kommt auf meine jeweilige Denke an. Im Moment habe ich zu wenig klare Themen, die einen längeren Zyklus durchlaufen. WieentstehenIhreIdeen?WiekommenSiezurIhrerMeinung?GreifenSieaufexter nesResearchzurück,oderverwendenSiequantitativeFinanzmarktmodelle?
Das ist eine gute Frage. Zuerst mache ich mir ein Bild über die langen, die säkularen Trends. Eine Ebene tiefer geht es darum, den Marktzyklus zu analysieren. Dabei helfen mir vor allem zyklische Marktindikatoren, um die Wendepunkte greifbar zu machen. Ich schaue mir grosso modo vier Bereiche von verschiedenen Seiten an, die zu meiner Meinungsbildung beitragen. Das sind erstens monetäre Indikatoren, zweitens Trends, drittens Bewertungen und viertens Stimmungen. Darüber hinaus arbeite ich sehr viel mit Markttechnik. Ich habe eine Datenbank, die alles enthält, was auf dieser Welt irgendwo gehandelt wird, alle Aktien, Indizes, Währungen, Commodities und Renten. Mithilfe dieser Datenbank schaue ich mir jedes Wochenende etwa 1000 verschiedene Chartbilder an. Darin sind praktisch alle Aktienindizes dieser Welt enthalten, sämtliche Sektorindizes, kurze und lange Zinsen, alle börsengehandelten Rohstoffe, viele Währungen und rund 500 Einzelaktien der größten Unternehmen in Amerika, Europa und Asien. Diese Zeitreihen gebe ich in ein Zyklusmodell. Und dieses Modell
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muss mir dann bestätigen, ob meine Denke hinsichtlich des Standorts im gegenwärtigen Zyklus stimmig ist oder nicht. Solange meine Denke mit dem Modell überstimmt, fühle ich mich wohl. Und wenn es plötzlich komische Entwicklungen gibt, die nicht mehr zusammen passen, dann werde ich vorsichtig. Darüber hinaus lese ich Zeitungen auch anders. Es geht mir nicht unbedingt nur um den Inhalt und die Schlagzeile, sondern auch darum, wie ich Sachverhalte in den zyklischen Verlauf einzuordnen habe. Was bedeutet es beispielsweise für den Zyklus, wenn plötzlich Lehman Bankrott macht? Auf diese Art und Weise lese ich einige Tageszeitungen. Außerdem schaue ich mir externes Research an, weniger Mikro- sondern eher MakroResearch, zum Beispiel von ISI, das ist die Makroresearch-Bude von Ed Hyman in New York. ISI zeichnet die wirtschaftlichen Entwicklungen grafisch auf und entwickelt daraus unter anderem fundamentale Modelle. Von denen erhalte ich jeden Tag viel Research, das ich mir ansehe. Deshalb hat für mich der Tag auch viel zu wenig Stunden, um das alles zu verarbeiten. Aber das externe Research hilft mir dabei, die vielen Entwicklungen in der Welt aufzunehmen und einzuordnen. Seit ich in diesem Metier bin, lese ich zu Hause jeden Abend Research-Material. Wenn ich mal ausgebrannt bin, dann merkt man das in der Regel daran, dass ich abends nichts mehr vom Geschäft lese. Aber ansonsten ist das mein Hobby. Hinzu kommen noch verschiedene Studien wie zum Beispiel von Ned Davis. Er ist sehr quantitativ orientiert und beleuchtet auch mal ein Problem von einer völlig anderen Seite. Seine Herangehensweise hilft mir, mich für neue Argumente zu öffnen. Man hat schließlich nicht die Wahrheit gepachtet, sondern liegt in seinen Schlussfolgerungen auch häufig falsch. Deshalb diskutiere ich auch ab und zu mit ein paar wenigen Leuten auf der Welt. Ich brauche das eigentlich nicht sehr intensiv, aber periodisch. Mit Herrn Dr. Rapp spreche ich vielleicht zwei bis drei Mal im Jahr. Auch Herrn Mezger treffe ich ein oder zwei Mal im Jahr. Dann gibt es natürlich in Amerika einige Leute, mit denen ich verkehre und mich bespreche, Bob Farrell beispielsweise. Ich schaue mir auch etwas esoterischere Sachen an. Darüber spricht niemand gern, aber ich interessiere mich zum Beispiel auch für Elliott-Wellen. 1977 war ich bei Bob Farrell und saß 8 dort direkt neben Bob Prechter am Desk. Als er mir von irgendwelchen Wellen erzählte, dachte ich zuerst, dass er nicht ganz beieinander sei. Damals war er noch ein kleiner Angestellter. Wir freundeten uns an und sind seitdem in Kontakt geblieben. Im Laufe der Zeit hat er mir die Elliott-Wellen erklärt und mich in diese Theorie eingeführt. Eine Zeit lang sah ich nur noch 5er-Wellen und 3er-Korrekturen. Und das ist sehr gefährlich! Man muss Elliott-Wellen mit etwas Abstand betrachten. Ich verwende sie nicht dogmatisch, sondern
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Robert R. Prechter, Jr. ist Gründer und Präsident von Elliott Wave International. Der Finanzmarktanalyst ist bekannt für seine Finanzmarktprognosen nach der Elliott-Wellen-Theorie. Als Autor hat er bislang 14 Finanzbücher veröffentlicht. Seit einigen Jahren unterstützt Prechter die SocionomicsForschung.
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versuche, bestimmte Marktentwicklungen in ein Gesamtbild einzuordnen. Aber es gibt natürlich in der Massenpsychologie gewisse Phänomene, die sich mit Elliott-Wellen ganz gut einfangen lassen. Die Stimmung aus den Medien kann man einordnen in „Disbelieve“, „Believe“ und „Overbelieve“ (siehe Abbildung11.6). So verwende ich Elliott-Wellen. Zusammenfassend sind es verschiedene Analysemethoden, die ich mir als Hilfe heranziehe, um mehr Sicherheit bei der Standortbestimmung im Zyklus und dessen weiteren Verlauf zu gewinnen. Abbildung 11.6
Elliot-Wellen-Grundmuster (Quelle: eigene Darstellung nach Murphy, John J. (2004), S. 315, eigene Bezeichnungen)
5 „Overbelieve“ b 3 „Believe“
a
1 4
c
„Disbelieve“ 2
Elliott-Wellen-Theorie Die Elliott-Wellen sind ein Mittel der technischen Analyse zur Vorhersage von Trends in Finanzmärkten. Die Theorie wurde in den späten 1920ern von dem US-Amerikaner Ralph Nelson Elliott entwickelt. Elliott versuchte damit, psychologische Aspekte des Käuferverhaltens zu berücksichtigen. Bedeutend zur Weiterentwicklung und Verbreitung der Elliott-Wellen-Theorie haben die US-Amerikaner Alfred Frost und Robert Prechter beigetragen. Die Elliott-Wellen-Theorie ist insbesondere eine Analyse massenpsychologisch bedingter Marktbewegungen des Aktienmarktes. GrundlegendesKonzept Die Wellentheorie von Elliott besteht aus zwei Bereichen, dem Erkennen von WellenFormationen und der Verwendung von Fibonacci-Zahlen. Die Aufgabe der Wellen-
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Theorie ist es, das Verhalten des Marktes zu beschreiben und nur sekundär Aussagen über die zukünftige Entwicklung zu machen. Die Kernaussage der Theorie basiert auf der Annahme, dass sich die Kurse aufgrund von massenpsychologischem Verhalten verändern und sich daraus selbstähnliche Formationen in den Charts ableiten lassen. Die Märkte sollen sich nach dieser Theorie mit fünf Wellen in die Trendrichtung bewegen und anschließend in drei Wellen korrigieren. Hieraus ergibt sich eine 5-3-Sequenz. Die Theorie geht zudem davon aus, dass diese sich wie Fraktale wieder selbstähnlich enthalten. Die fünf sich aufwärts bewegenden Wellen werden als Motive-Wellen bezeichnet, die drei sich abwärts bewegenden Wellen als Korrekturwellen. Wieso sich die Kurse in einer 5-3-Sequenz bewegen sollen, darüber wurde von Elliot nie spekuliert. Die Annahme erfolgte alleine aufgrund seiner Beobachtungen. FibonacciZahlen Die Wellentheorie von Elliott behauptet, dass die Aktienpreise durch Zyklen gelenkt werden, die auf der Reihenfolge der Fibonacci-Zahlen beruhen: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, …. Demnach bewegen sich die Märkte in einer vorherbestimmten Anzahl von Höhen und Tiefen, den Wellen. Die Marktpreise bewegen sich in fünf Wellen nach oben und in drei Wellen wieder nach unten (5-3-Sequenz). Bei einer Hausse gilt diese einfache Beobachtung als gesichert. Die erste, dritte und fünfte Welle werden Impulswellen genannt. Bei einer Baisse verhält sich der Markt umgekehrt, dann gehen fünf Wellen nach unten und drei Korrekturen nach oben. Rezeption In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ist diese Wellentheorie gleichwohl sehr umstritten, da offensichtlich ein linearer Mechanismus der Preisentwicklung nicht mit dieser Eindeutigkeit zu belegen ist. Unbestritten ist dagegen der psychologische Faktor des Käuferverhaltens. Eine wissenschaftliche Wiederbelebung erfuhr die Elliott-Wellen-Theorie durch die Entdeckung des mathematischen Phänomens der Fraktale Ende der 1970er-Jahre. Auch hier stellt sich die Frage, ob erneut ein verkürzender Analogieschluss von mathematischen Regelmäßigkeiten auf soziale Phänomene vorliegt. Vor allem die zutreffende Prognose des Aktienhändlers Robert Prechter von 1978 für eine allgemeine Aktienhausse bis zur Mitte der 80er und der anschließende Crash von 1987 konnte zumindest bei einem Teil der Börsianer und Wirtschaftsjournalisten das Ansehen dieser Theorie mehren. Neuere Forschungen ergaben Hinweise darauf, dass Marktfraktale von Aktienindizes als Messinstrumente für die gesellschaftliche und historische Entwicklung eines Landes dienen können. Historische Entwicklungen und Ereignisse repräsentieren demnach endogene, durch äußere Ereignisse nicht zu beeinflussende Stimmungsschwankungen von Gesellschaften im massenpsychologischen Sinne. In gewissen Grenzen soll es möglich sein, bei korrekter Auswertung der Elliott-Wellen Voraussagen über die weitere ge-
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schichtliche, gesellschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes zu ermöglichen. Dieser Teilbereich der Geschichts- oder Gesellschaftswissenschaft wird Socionomics genannt.
Quelle: „Elliott-Wellen“ in: Wikipedia, 10. August 2009 Sie bevorzugen also die pragmatische gegenüber der dogmatischen Anwendung einer Theorie?
Es gibt viele Theorien aus den unterschiedlichsten Bereichen. Die haben alle ihre Stärken, aber jede hat auch grausame Schwächen. Und die Folgen einer falschen Anwendung können verheerend sein. Der größte Wert, den man in den nächsten Jahren in einer völlig anderen Welt haben kann, ist, einen offenen Geist zu haben und sich nicht dogmatisch an irgendwelchen Modellen der Vergangenheit zu orientieren. Das ist ganz wichtig und das „A und O“ für die nächsten Jahre. WieaggressivbildenSieIhreMeinungundIdeenimPortfolioab?HabenSieeherein breit diversifiziertes Portfolio, oder suchen Sie lieber nach den großen Marktbewe gungenundgewichtensieentsprechendhoch?
Ich verstehe natürlich, dass Diversifikation Risiken mindert. Diese Theorie trifft durchaus zu. Aber Diversifikation als einziges Risikomanagementtool reicht nicht aus. Das hat der letzte Zyklus deutlich bewiesen. Alles war miteinander korreliert, und alles ist nach unten gegangen. Ich versuche, mein Portfolio nicht zu diversifizieren, weil: Wenn Sie sich als Macro-Player die großen Trends anschauen, werden Sie feststellen, dass die im Prinzip alle miteinander korreliert sind. Entweder Sie liegen mit Ihrer Positionierung richtig oder falsch. Ob Sie jetzt beispielsweise Bonds long oder Aktien short sind, ist völlig egal. Das ist in einem deflationären Umfeld eigentlich der gleiche Trade. Das gilt gleichermaßen auch für US-Dollar long und Rohstoffe short. Deshalb hat Diversifikation in einem MakroPortfolio eine andere Bedeutung als in einem Aktienportfolio. In einem Aktienportfolio können Sie über viele einzelne Branchen und Unternehmen diversifizieren. Wenn Sie im Makro-Bereich die richtige Richtung eingeschlagen haben, dann stimmen eigentlich alle ihre Trades. Und umgekehrt gilt das natürlich auch! Sie können das ein bisschen dämpfen, indem Sie Ihr Portfolio breiter aufstellen. Wenn sie bärisch auf dem Aktienmarkt sind, können Sie beispielsweise in den Sektoren, die besonders gut gelaufen sind, short gehen, zum Beispiel Financials oder Natural Resources und in den defensiveren Sektoren wie Telecom, Pharma und Household Products gehen Sie long. Aber das ist prinzipiell wieder der gleiche Trade. Sie verbreitern lediglich die Basis ihrer Engagements. Wie gehen Sie vor, wenn Sie eine Portfolioposition aufbauen? Stellen Sie die Zielgewichtung eher zügig her, oder bauen Sie die Position graduell über mehrere Tranchenauf?
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Stanley Druckenmiller hat mir einmal gesagt: „Bevor ich einen Trade in eine Richtung ansetze, mache ich einen kleinen Trade in die andere Richtung, nur um zu spüren, wie sich das anfühlt.“ Diese Vorgehensweise hat etwas für sich. Aber ich bin der Anlegertyp, der eher schnell eine größere Position nimmt. Wenn ich die Überzeugung für einen Trade habe, dann gehe ich gern sofort die volle Position ein. Läuft die Position dann in die richtige Richtung, versuche ich, sie noch vor der ersten Korrektur etwas zu verkleinern. In der Korrektur gehe ich wieder auf die ursprüngliche Positionsgröße zurück, was mir eine gewisse Sicherheit gibt. Das beschreibt in etwa meine Vorgehensweise. In dem Umfeld, das ich in den nächsten Jahren erwarte, werden wir sehr kräftige Trends in beide Richtungen sehen, die man traden muss. Falls Sie aber Ihre Position in einem Tradingmarkt langsam aufbauen, dann haben Sie Ihre Vollposition erst dann erreicht, wenn Sie eigentlich schon wieder abbauen wollen. Meines Erachtens ist das in den nächsten Jahren ein Nachteil. WannschließenSieeinePosition?
In der Regel schließe ich eine Position immer zu früh. Ich fahre sie nicht voll aus, weil ich irgendwo auch ein Angsthase bin. Das hat wahrscheinlich mit meinem Werdegang zu tun. Ich habe an den Märkten im Jahre 1968 begonnen. Von 1968 bis 1982 ging der Aktienmarkt 14 Jahre lang immer nur hoch und runter und kam per saldo nicht vom Fleck. Man musste also seine Verluste in jeder Abwärtsphase sofort realisieren, bevor sie größer wurden. Hinzu kommt, dass ich aus einem bescheidenen Hause komme und mit nur wenig Kapital ausgestattet war, das ich mir vorher selbst erarbeiten musste. Deshalb war die Absicherung des Kapitals für mich immer entscheidend. Ich glaube, auch bei Soros ist das ein wichtiger Faktor gewesen. Deshalb schließe ich Positionen eher zu früh als zu spät. Ich habe in meiner Karriere auch schon Positionen über zwei bis drei Jahre durchgezogen, aber nur wenn ich sie früh im Zyklus aufbauen konnte. Das kann ich schon! Aber ich lasse die Verluste nicht auflaufen, sondern stelle solche Positionen vorher konsequent glatt. Bei Verlusten bin ich brutal! ÜbereinenStop?
Der Stop ist eigentlich kein intelligenter, sondern ein dummer Verlustbegrenzungsmechanismus. Aber er verhindert große Unfälle. Der erste Hinweis, dass am Markt etwas nicht stimmt, ist die nicht mehr angemessene Reaktion auf Nachrichten. Wenn bullische Nachrichten eintreffen, der Markt daraufhin nicht ansteigt, Trend- und Momentumindikatoren in einem fortgeschrittenen Stadium bereits an Kraft verlieren, dann will ich aus diesem Markt raus. Dann ist mir auch egal, wo der Kurs gerade steht. Im umgekehrten Falle gilt das Gleiche für den Einstieg. Ein auslaufender Bärenmarkt, der langsam nach oben zu
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Stanley Druckenmiller arbeitete von 1988 bis zum Jahre 2000 für George Soros und ist heute Vorsitzender der in Pittsburgh beheimateten und bereits 1981 gegründeten Duquesne Capital Management.
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drehen beginnt und der auf schlechte Nachrichten nicht mehr weiter fällt, zeigt mir, dass auf dem Weg nach unten etwas nicht mehr stimmig ist. Das ist eine Opportunität, in den Markt einzusteigen, und dann geht das bei mir relativ schnell. Auch beim Einstieg sind Einstandspreise für mich eher zweitrangig. Für mich ist viel entscheidender, ob ich eine Position haben will oder nicht. AngenommenSiesindinvestiertundeinigePositionendrehenindieVerlustzone,ohne dass sich aus Ihrer Sicht der ursprüngliche Grund Ihrer Investmententscheidung geänderthat.WasmachenSie?
Dann schaue ich mir die Markttechnik an und überlege, wie hoch die Chancen dafür sind, dass es sich lediglich um eine korrektive Bewegung gegen den Trend handelt. Wenn das Handelsvolumen in der Korrektur abnimmt, die Trend- und Momentumindikatoren noch auf Grün stehen und das Bild an sich noch stimmig ist, dann warte ich häufig noch einen Tag und gebe der Position eine letzte Chance, in die richtige Richtung zu laufen. Aber meine Stop-Vorrichtung wird dann natürlich enger gefasst. Es gilt dann, verstärkt auf diese Position aufzupassen. Wenn aber der Markt dann weiter abbröckelt, gehe ich raus und schneide den Verlust ab. Der Markt weiß oft mehr als ich. Da bin ich sehr bescheiden. 10
WassinddiewichtigstenPositionen,dieSiegegenwärtig imPortfoliohaben?
Kurzfristig sind wir netto etwa 25 Prozent short im EuroStoxx50. Das ist ein Deflationstrade, den wir so lange beibehalten wollen, bis die Korrektur beendet ist. Dann schwenken wir wieder auf Reflationstrades um. Unser maximales Nettoexposure auf der Short-Seite beträgt 40 bis 50 Prozent und mindestens fünf bis zehn Prozent. In dieser Bandbreite versuchen wir uns aufzuhalten, je nachdem, wie stark wir die kurzen Swings erwarten. Eine andere Position haben wir im Bund-Future offen. Hier sind wir momentan etwa 35 Prozent netto long. Unser kurzfristiges Ziel liegt bei etwa 121,50 bis 122 im Future. Wir sind jetzt in diesem Bereich angekommen. Die Indikatoren sind im kurzfristigen Bereich überhitzt und werden etwas wacklig, weshalb wir die Position vielleicht etwas zurückfahren. HabenSieimLaufederJahreetwasanIhremManagementstilverändert?
Ich glaube schon, dass sich jede Person im Laufe der Zeit ändert. Ich bin jetzt 59 Jahre alt und nicht mehr so aggressiv, wie ich das mit 35 oder 40 Jahren war. Damals war ich sehr viel aggressiver, auch im Umgang mit dem eigenen Kapital. Das zeigt sich auch in den Kundenportfolios. Ich nehme nicht mehr die gleichen Risiken, wie ich sie früher genommen habe, sondern bin etwas bedächtiger geworden. Bestimmt bin ich auch nicht mehr ganz so hungrig, wie ich damals war. Das hat sicher mit dem Alter zu tun. Man gibt das nicht gern zu, aber es ist so. Ich halte das auch für keinen Nachteil, sondern es macht mich
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etwas entspannter. Früher war ich wirtschaftlich vom Arbeitgeber und von Kunden abhängig. Heute bin ich völlig unabhängig. Ich kann also im Prinzip machen, was ich für richtig halte. Das ist ein großes Privileg und ein großer Luxus und macht mich wesentlich relaxter. Ich will nicht mehr die Welt erobern, sondern ich will für jene Kunden eine Dienstleistung erbringen, die das Risiko ihres Kapitals gut gemanagt und eine entsprechende Rendite erzielt haben wollen. Das ist mein Ziel. Ich verwalte in diesem Sinne also keinen klassischen Hedgefonds, mit dem ein junger Manager jedes Jahr 40 Prozent Return erzielen will, um den Laden dann steinreich nach fünf Jahren dichtzumachen. Ich überzeichne jetzt natürlich, aber das ist nicht meine Ausgangslage. Schließlich verwalte ich auch mein eigenes Geld in meinem Fonds. Insofern bin ich mit mir voll im Reinen. Auf der anderen Seite bin ich im Laufe der Zeit vielleicht sogar etwas ungeduldiger im Umgang mit den Märkten geworden. Eigentlich hätte sich meine Ungeduld mit dem Alter etwas legen sollen. Das sagt mir zumindest meine Frau. Außerdem bin ich in der Diversifikation sehr viel weniger breit als früher. Heute betreibe ich mehr Pure Play, weil ich mit der Zeit gelernt habe, dass man seine originäre Meinung umsetzen muss und nicht die zweite Ableitung davon. Also mit anderen Worten, wenn ich beispielsweise bullisch auf Kupfer bin, dann kaufe ich Kupfer und nicht irgendeinen kleinen Kupferproduzenten in Australien. Das meine ich mit Pure Play. Früher habe ich dann immer noch nach Alternativen gesucht, bei denen vielleicht der Hebel noch ein bisschen größer gewesen ist usw. Das schaue ich mir heute wesentlich entspannter und genügsamer an, vermutlich weil ich mittlerweile auch die Risiken kenne. Ich weiß heute natürlich sehr viel besser, dass ich vieles nicht weiß, was ich wissen müsste, von dem ich früher geglaubt habe, dass ich es weiß. Das ist einfach so! Darfichfragen,wieSieihrprivatesVermögenanlegen?Siesagten,dassSieihreigenes GeldinIhremFondsanlegen?
Ich bin der größte Investor im Fonds. Darüber hinaus habe ich noch andere Wertpapieranlagen und ein paar kommerzielle Immobilien. Zudem wohne ich an drei verschiedenen Orten, wo mir jeweils die Wohnimmobilie gehört. Ich lebe quasi abwechselnd in drei verschiedenen Klimazonen: Hier in Zug, auf Sylt und in Florida. Außerdem besitze ich viel physisches Gold, das ich am Terminmarkt bewirtschafte. Ich glaube, dass Gold eine wichtige Funktion im Laufe der nächsten zehn oder 20 Jahre erfüllen wird. Ich bin mir aber bewusst, dass Gold nochmals auf 750 USD zurückkommen kann. Eine solche Korrektur will ich nicht einfach aussitzen, sondern ich versuche, mich mit Terminkontrakten dagegen abzusichern. Sobald ich das Gefühl habe, dass die Korrektur vorbei sein könnte, schließe ich die Position. So bewirtschafte ich das. Zu guter Letzt habe ich Direktbeteiligungen an anderen Unternehmen. Einige Beteiligungen veräußere ich wieder, andere betrachte ich als langfristige Investitionen, bei denen ich einen schönen Einkommensstrom in der Zukunft sehe. Ich bin also breit diversifiziert.
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Mit welchen Themenfeldern sollten sich Anleger auseinandersetzen, um die Mecha nismenderFinanzmärktenochbesserzuverstehen?
Man sollte Wirtschaftsgeschichte prinzipiell verstehen und sich über die wirtschaftliche Entwicklung der letzten 100 oder 150 Jahre ins Bild setzen. Dann sollte man etwas über den Konjunkturzyklus wissen, vor allem, wie er abläuft und funktioniert. Ferner sollte man etwas von Massenpsychologie und den daraus resultierenden Phänomenen an den Märkten verstehen. In der Wirtschaft wird von einem Gut, das teurer wird, immer weniger gekauft. An den Finanzmärkten hingegen ist es genau umkehrt: Je teurer der Preis, desto mehr Anleger kaufen! Diese Phänomene muss man zunächst einmal verstehen. Letztendlich sollte man auch über die markttechnische Analyse Bescheid wissen. Mit was beschäftigt sich Felix Zulauf, wenn er gerade nicht über die Finanzmärkte nachdenkt?
Ich bin gern mit der Familie und mit Freunden zusammen. Massenaufläufe habe ich nicht so gerne, aber im kleinen Kreis unterhalte ich mich gern über Gott und die Welt und genieße einfach die Freundschaft. Dann treibe ich zu wenig Sport. Ich mache ein bisschen was, aber zu wenig. Ich spiele gern mal Golf, aber das frustriert mich häufig mehr als die Finanzmärkte. Außerdem gehe ich heutzutage sehr viel mehr als früher in die Natur hinaus. Hier in Zug ist das eher selten, weil ich von morgens bis abends im Büro arbeite und zu Hause auch noch verschiedene Dinge lese. Aber in Florida oder auf Sylt bin ich gern mal tagsüber zwei oder drei Stunden weg, um Strandspaziergänge oder Radtouren zu machen. Nicht um mich zu schinden, sondern einfach zur Entspannung, um den Kopf zu durchlüften und um die Schönheiten der Erde zu genießen. Wir haben hier schließlich alle nur ein Gastrecht. Und wenn man älter wird, wird man sich dessen immer mehr bewusst. Dann saugt man die Schönheiten der Natur ganz anders auf als in jungen Jahren. In jungen Jahren wanderte ich auch mal auf einen Berg hinauf, aber an sich interessierten mich die hübschen Mädchen, die schnellen Autos oder ein spannendes Buch viel mehr als die schöne Natur. Und außerdem schätze ich sehr die Zeit, die ich mit meiner Frau verbringen kann.
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„Derjenige,deresschafftandenzweigroßenUmverteilungsspielen desJahrhundertsaufderrichtigenSeitedabeizusein, wird,über100Jahrehinwegbetrachtet,denbestenErtragmachen.“
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Sotrada AG Die sogenannte Rekognitionsheuristik ist eine Art geistiges Werkzeug, das es Menschen ermöglicht, intuitive Urteile für Schlussfolgerungen und persönliche Entscheidungen zu fällen. Das Wiedererkennungsgedächtnis spielt dabei eine entscheidende Rolle: „Wenn du ein Objekt wiedererkennst, aber das andere nicht, ziehe den Schluss, dass das wiederer1 kannte Objekt einen höheren Wert hat.“ Es ist gut möglich, dass diese Art der Entscheidungsfindung auch bei der Frage funktioniert, ob wir einer Person eine hohe Finanzmarktkompetenz und -intelligenz zutrauen oder nicht. Folgen wir allein der Rekognitionsheuristik, dann hätte Christoph Metzger wahrlich schlechte Karten. Den Vorstand und Eigenhändler der im Jahre 2005 gegründeten Sotrada AG zieht es nicht in die Öffentlichkeit, sodass Anleger und Investoren im Falle seiner Person wahrscheinlich nicht von einer hohen Wiedererkennung sprechen können. Aber wie jede Faustregel führt auch die 2 Rekognitionheuristik nicht immer zur richtigen Antwort, worauf auch das folgende Zitat vom Juni 2007 hindeuten könnte: „Wirglauben,dassdiederzeitigenBewertungenvonVermögenswertenaufgrundeinerexpansiven Geldpolitik,denAuswirkungenderGlobalisierungundeinemextremenLeverageimFinanzsystem einNiveauerreichthaben,dasimhistorischenVergleichundinRelationzuGrößenderRealwirt schaft eine massive Übertreibung darstellt. Eine Anpassung wird aufgrund des Leverages nicht geordneterfolgenkönnen. EineUmkehrdesTrendssteigenderAssetPreisewirdsehrwahrscheinlichmiteinerErhöhungder Risikoprämien (vor allem bei Optionsvolatilitäten und Credit Spreads) einhergehen. Auch hier erwartenwir,dasseineTrendumkehrnurplötzlichundungeordneterfolgenkann,daeineVielzahl von Marktteilnehmern einseitig positioniert ist und Eindeckungen von Positionen weitere Stops auslösenwerden. WirerwartenindiesemSzenarioeinestarkreduzierteLiquiditätinheutehochliquidenProdukten. DieswirdzurFolgenhaben,dassGlattstellungenvonPositionenentwedergarnichtodernurzu ruinösenPreisenmöglichseinwerden. InErwartungeinesCrashSzenariospositionierenwirunsshortinallenwichtigenAssetKlassen.“
1 Vgl.: Gigerenzer, Gerd (2008), S. 117 ff. 2
Vgl.: Gigerenzer, Gerd (2008), S. 125
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Dieses Zitat stammt aus der Strategiepräsentation, in der Christoph Metzger in nahezu erschreckender Genauigkeit jene Entwicklungen beschreibt, die wir heute als Finanzmarktkrise bezeichnen. Damit soll natürlich keinesfalls zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht auch andere Anleger und Investoren zu dieser Prognose in der Lage gewesen sind. Doch der bodenständige und sympathische Schwabe weist in aller Bescheidenheit darauf hin, dass seine Präsentation und seine Argumente im Juni 2007 von den Zuhörern ohnehin weniger als Warnung, sondern vielmehr als Provokation verstanden worden seien. Seine strategische Sichtweise ist sicherlich nicht der einzige Grund, warum ich mich freue, mit Christoph Metzger das folgende Gespräch geführt zu haben. Sein Job als global agierender Händler versetzt ihn in die Lage, die Finanzmärkte aus einem speziellen Blickwinkel zu betrachten, eine überaus interessante Perspektive, wie sich im Laufe des Gesprächs herausstellte. Wir verabredeten uns in seinem Stuttgarter Firmensitz, der neben einem Besprechungsraum vor allem aus dem Handelsraum und den schnellsten Rechnern besteht, die es für Geld zu kaufen gibt. An seinem Arbeitsplatz, von dem aus man auf neun sehr große Bildschirme blickt, ergab sich schließlich noch die Möglichkeit, den einen oder anderen Trade am Monitor zu besprechen. Das Ganze war so spannend, dass es leicht fiel, das Gespräch in einem Stuttgarter Biergarten fortzusetzen. WiekambeiIhnendasInteressefürdieFinanzmärkteauf?
Das hat schon ganz früh in meiner Kindheit angefangen. Als Kind habe ich sehr viel mit Zahlen angestellt. Ich habe Zahlen geliebt und mir zum Beispiel Hausnummern gemerkt. Meine Großmutter musste mit mir zum Juwelier gehen, weil es dort große Zahlen gab. Wenn ein Collier 25.000 Mark kostete, hat mich das gefreut, weil ich so eine Riesenzahl sehen durfte. Außerdem habe ich immer viel und gern gerechnet, was sich bis heute nicht geändert hat. Ich versuche eigentlich immer, viel im Kopf zu rechnen. Im Alter von sechs Jahren fing ich an, mit Bundesligatabellen zu rechnen, und irgendwann stellte ich fest, dass es in der Zeitung ganze Seiten voller Zahlen gab, nämlich die Kurstabellen. Das fand ich natürlich wunderbar, und ich habe mir überlegt, was das denn sein könnte. Meine Eltern erklärten mir dann, dass es sich dabei um Anteile an Firmen handle, die man kaufen könne. Dass sich diese Zahlen jeden Tag veränderten, fand ich unheimlich spannend. Und so kam es, dass ich mich als Kind schon sehr früh mit dem Thema beschäftigen durfte. Wenn wir irgendwo im Urlaub waren, egal wo, sind wir immer in die Börse gegangen, ob zur Metal Exchange in London oder zur Diamantenbörse in Antwerpen. Wenn es eine Börse gab, dann war das immer ein Pflichttermin. So kam es, dass ich schon sehr früh eigene Charts erstellt habe. Ich wusste gar nicht, dass es Chart heißt, sondern habe einfach die Kurse auf Karopapier aufgemalt, ohne irgendwelche Regeln dabei zu beachten. Ich wusste gar nicht, dass es Millimeterpapier gibt. Irgendwann später habe ich meine ersten Werte gekauft. Zeiss Ikon, das weiß ich noch, war meine allererste Aktie. Und so habe ich mich langsam an das Thema herangepirscht und natürlich gehofft, dass ich das beruflich irgendwie umsetzen kann. Es hat mich derart fasziniert, dass ich schon sehr früh wusste, dass ich es irgendwann zu meinem Beruf machen wollte. Wo andere in ihrem Jugendzim-
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mer das Bild einer Fußballmannschaft hängen hatten, hing bei mir der Handelsraum von Barclays. Im Zeit-Magazin gab es mal das Doppelbild von diesem riesigen Trading Floor. Es hat mich einfach fasziniert und war sozusagen mein Anfang an den Finanzmärkten. WiewirdmanletztlichGlobalMakroHändler?
Ich habe bei der BW-Bank als Bond-Händler begonnen. Anfangs arbitrierte ich zwischen Bundesanleihen und Lieferbaskets und handelte Bundesanleihen auf der Zinsstrukturkurve. Das lief eigentlich ganz gut. Irgendwann bin ich dann zu meinem Chef gegangen und sagte ihm, dass ich gern etwas im Goldmarkt machen möchte, als Hedge gegen meine Bond-Wetten. Ich begründete es mit dem gegenläufigen Verhalten des Goldmarktes, der eine sehr stark negative Korrelation zum Rentenmarkt aufwies bei gleichzeitig höchst unterschiedlichen Volatilitäten. Der Spread zwischen den beiden Volatilitäten war zu diesem Zeitpunkt historisch tief, und deshalb wollte ich lieber Gold-Call-Optionen anstelle von Bund-Put-Optionen kaufen. Das schien mir billiger zu sein. So erweiterte sich erstmals mein Anlageuniversum. Irgendwann Ende der 90er-Jahre sind dann die Aktien hochgeschossen, allen voran der Neue Markt. Ich hielt das für total irrational und wollte unbedingt gegen den Neuen Markt spekulieren. Natürlich habe ich viel zu früh angefangen, den Neuen Markt zu shorten, und habe zunächst mal viel verloren, sodass sich der Trade erst nach ein paar Jahren ausgezahlt hat. So kam ich dann zur Aktie. Mit jeder neuen Asset-Klasse habe ich natürlich auch den Vorteil erkannt, der darin liegt, verschiedene AssetKlassen zu handeln. Man realisiert, dass ein Ereignis von einem Markt bereits als wichtig erachtet wird, während ein anderer Markt es noch vernachlässigt. So etwas ergibt natürlich keinen Sinn, entweder ist eine bestimmte Entwicklung wichtig oder nicht. Dabei habe ich festgestellt, dass manche Märkte schneller sind als andere. Der Bondmarkt ist aus meiner Sicht einer der schnellsten. In seiner Gesamtheit halte ich den Aktienmarkt immer für etwas langsamer als den Bondmarkt. So kam es, dass ich dann auch mal Aktien gegen Bonds gehandelt habe. Dabei habe ich im Laufe der Zeit für mich selbst erkannt, wie hilfreich es ist, ein Big Picture, also ein langfristiges strategisches Bild von der Welt zu haben. Und so bin ich Händler geworden. Gab es für Sie Vorbilder wie George Soros, Jim Rogers, Julian Robertson oder der gleichen?
Vorbilder gab es bei mir eigentlich nicht. Aber das Buch von George Soros „The Alchemy of Finance“ habe ich von allen Büchern am häufigsten gelesen, und es hat mich am meisten beeindruckt, und davon vor allem sein Tagebuch. Zum einen das Prinzip der Reflexivität, also das Prinzip, dass der Markt am Ende des Weges auch die reale Wirtschaft beeinflussen kann. Die Finanzmärkte hängen nicht nur von der realen Wirtschaft ab, sondern es läuft auch in die andere Richtung. Wenn der Markt lange genug nach unten getrieben wird, löst man dadurch auch tatsächlich reale Veränderungen aus. Und das wiederum kann demjenigen zu Profit verhelfen, der bereits ursprünglich durch seinen Short den Markt in die gewünschte Richtung getrieben hat. Zum anderen beeindruckte mich eben
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dieses Tagebuch, das er in der Zeit vor dem Crash 1987 führte. Er beschreibt darin, wie er seine Positionen vergrößert und verkleinert hat. Julien Robertson hat deshalb mein Interesse geweckt, weil er mit dem Yen innerhalb von drei Tagen alles verloren hat. Es hat mich sehr beeindruckt, wie ein über viele Jahre so erfolgreicher Mann in drei bis fünf Tagen richtig unter Druck kommen kann. Deswegen ist er jemand, der mich interessiert hat, aber kein Vorbild. Erzählen Sie mir etwas von Ihrem Werdegang. Welche Ausbildung haben Sie durch laufen,undwaswarenIhreerstenberuflichenStationen?
Ich habe bei der BW-Bank ein Studium an der Berufsakademie absolviert und bin vom ersten Tag an sofort in den Handel gekommen. Meine gesamte Ausbildung verbrachte ich an einer einzigen Station. Ich bin in keiner Auslandsabteilung gewesen, habe keinen Bankschalter gesehen, sondern ich war nur dort, und durfte netterweise auch sofort aktiv mitmachen. Mit dem Handeln von Bundesanleihen hatte ich vom ersten Tag an Verantwortung. Nach dem schwierigen Jahr am Rentenmarkt im Jahre 1994 musste der eine oder andere Händler die Bank verlassen, sodass ich direkt nach dem BA-Studium als Händler eingestiegen bin und fortan das gesamte Bundesanleihenbuch bei mir hatte. Den Zinsanstieg in diesem Jahr hatte ich recht gut erwischt und daran super verdient, mehr als jeder andere Händler der Bank (siehe Abbildung 12.1). Das war mein erstes Berufsjahr, was letztlich ganz gut lief. Nach und nach kamen immer mehr Bereiche zu mir, Swaps und Derivate, strukturierte Aktienemissionen, und später haben wir den Rohstoffhandel aufgebaut. Irgendwann hat man meinen Bereich „Hedge und Arbitrage“ genannt. Das war eine Gruppe von Leuten, die Eigenhandel betrieb und diese ganze Zinsthemen mit abdeckte. Bei der Fusion der LBBW und der BW-Bank bin ich dann nicht mit fusioniert, sondern zu Sotrada gewechselt. Wie haben Sie sich all das Wissen über die globalen Finanzmärkte angeeignet? Kann mandiesesWissenüberhauptstudieren?
Man muss sich im Laufe der Zeit eine unglaubliche Menge von Dingen aneignen. Es ist kein Lernen nach Lehrplan, sondern man hat eine konkrete Fragestellung und stellt eine Hypothese auf. Um diese zu validieren, braucht es irgendeine Methodik. Diese Methodik muss ich mir von irgendjemandem aneignen, manchmal auch aus einem Buch. Das können Themen sein aus der Mathematik, aus der Volkswirtschaft, aus der Spieltheorie oder auch aus dem Bereich des Marktes. Häufig bin ich auf verschiedene Leuten zugegangen und habe sie um ihre Hilfe gebeten. Im Team hatte ich immer gute Mathematiker, gute Physiker und gute Volkswirte. Ein bisschen rechnen konnte ich auch. Und so habe ich mir konsequent im Laufe der Jahre ein recht breites Wissen über alle möglichen Arten von Arbitragemodellen, technischen Modellen, neuronalen Netzen usw. beigebracht, aber immer bezogen auf konkrete Handelsfragestellungen. Ich hatte nie eine komplette Handelsausbildung durchlaufen, um mir anschließend zu überlegen, was davon ich wie bei mir einsetzen kann, sondern ich wollte irgendetwas handeln und habe mir davon ausge-
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hend überlegt, was ich dafür brauche. Ich habe das Gefühl, dass dieser Weg nicht vollkommen schlecht war. Es gab auch eine Zeit, in der man meinte, die Welt mit neuronalen Netzen erklären zu können. Auch dazu haben wir uns einen Experten geholt, der uns erklären sollte, wie das funktioniert. Wir hatten sogar mal ein Neuronal-Netz zu Testzwecken im Einsatz. Das Backtesting ist immer gut gewesen, aber man erhält eben keine exante-Funktion, sondern es ist letztlich nur eine Optimierung der Vergangenheit. Abbildung 12.1
Zinsanstieg und Rentencrash, 1993 bis 1994 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
8
7,5
7
Prozent
6,5
6
5,5
5
4,5
4 Dez.92
Mrz.93
Jul.93
Okt.93
Renditeder10jährigendt.Staatsanleihe
Jan.94
Apr.94
Jul.94
Okt.94
Renditeder2jährigendt.Staatsanleihe
Also„learningbydoing“?
Ja, Learning by doing. Aber auch die Theorie muss man sich dabei auf Basis eines konkreten aktuellen Problems aneignen. Kein theoretischer Fall, den irgendjemand für ein MBAProgramm konstruiert hat, sondern anhand eines ganz konkreten Trades, von dem man weiß, dass er Verluste bringt, wenn er schiefgeht. So lief das bei mir! Für mich ist es eher ein dauerndes Lernen, ein ständiger Kampf herauszufinden, was die besten Trends, die besten Datenbanken, die besten Algorithmusmaschinen sind, mit welchen Oberflächen arbeiten diese Maschinen, mit welchen Handelssystemen, mit welchen Brokern, mit welchen Cash-Management-Systemen und so weiter. Dieses ständige Lernen halte ich in diesem Beruf für ein entscheidendes Kriterium, denn es geht jeden Tag darum: Wer ist in der
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Lage, am breitesten zu lernen? Auch juristische Fragestellungen können gravierende Auswirkungen haben, zum Beispiel Bestimmungen für Hedgefonds. Wenn ein Hedgefondsmanager nur noch ein bestimmtes Gehalt verdienen darf, dann wird er keinen Anreiz mehr haben, eine Wette einzugehen, mit der er viel verdient. Das heißt, er wird eher Volatilität verkaufen. Das bedeutet, wenn eines Tages eine solche Regel käme, könnte es sehr wohl sein, dass wir kurzfristig Druck auf Volatilitäten sehen werden. Das ist nur ein Bespiel dafür, warum man ständig versuchen sollte, neue Sachen zu lernen. Insofern versuche ich, mich immer breit auf allen Gebieten fortzubilden. Welche fachlichen oder persönlichen Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach absolut erforderlich,umalsGlobalMakroHändlererfolgreichzusein.
Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man in der Lage ist, Thesen zu formulieren. Damit man Thesen formulieren kann, sollte man als Person ein gewisses positives Grundnaturell haben. Das heißt, man sollte das Glas immer halb voll anstelle von halb leer sehen. Man muss eine leicht positive Meinung dazu haben, dass eine These aufgeht. Das halte ich für sehr wesentlich. Wenn man glaubt, dass die eigenen kleinen Thesen aus Stuttgart ohnehin alle grottenschlecht sind, dann funktioniert das nicht. Eine zweite Eigenschaft ist Fleiß. Man sollte diszipliniert um acht Uhr vor Börseneröffnung am Arbeitsplatz sein, immer bei der Veröffentlichung von wichtigen Zahlen vor dem Bildschirm sitzen und wissen, welche technischen Marken am Markt gesprochen werden. Das halte ich für total wichtig! Außerdem sollte man drittens die Eigenschaft besitzen, mehr über die Inkonsequenz des eigenen Tuns enttäuscht zu sein als über Verluste. Das heißt, man sollte sich in seiner Stimmung nicht von Gewinnen oder Verlusten treiben lassen, sondern konsequent agieren. Es ist unglaublich wichtig, dass man sich ständig diesem selbstkritischen Prozess unterzieht und sich immer wieder vornimmt, diszipliniert seine Sachen zu erledigen. AlsoFähigkeitzurSelbstkritik?
Fähigkeit zur Selbstkritik und die Fähigkeit, seine Stimmung nicht zu sehr von einem Verlust beeinflussen zu lassen. Ein Beispiel dazu: Man erwartet eine Marktbewegung, mit der man 100 Punkte verdienen kann. Aus irgendeinem Grund geht man zu früh aus dem Markt und realisiert nur 50 Punkte, weil man sich über den schnellen Gewinn freut oder weil man zum Mittagessen gehen möchte. Bis zum Abend ist dann tatsächlich die Marktbewegung von 100 Punkten eingetreten. Aus meiner Sicht sollte man über diesen Gewinn nicht happy sein, sondern sich darüber ärgern. Wenn man dagegen einen guten Trade aufsetzt, und durch eine Erdbebenmeldung unheimlich viel Geld verliert, dann würde ich sagen, es war Schicksal. Ich glaube, sehr viele Händler lassen sich sehr stark in ihrem Agieren von der P&L, also ihrem Gewinn- und Verlustkonto, „treiben“ und zu wenig davon, wie konsequent sie tatsächlich in ihrem Tun sind. Das ist für mich eine ganz wichtige Fähigkeit.
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WasreiztSiepersönlichsosehr,andenglobalenFinanzmärktenzuhandeln?
Zum einen gefällt mir diese Zahlengeschichte, weil man mit sehr vielen Themen integriert arbeitet. Es ist reizvoll, hat etwas mit unserer Zukunft zu tun und ist von keinem Menschen am Ende vorherzusehen. Das heißt, an den Finanzmärkten zu arbeiten ist eine Disziplin, die nicht wie eine Formel aufgelöst werden kann, sondern es bleibt immer ein Unsicherheitsmoment übrig. Und jede Unsicherheit hat natürlich einen gewissen Reiz. Auf der anderen Seite weiß man natürlich recht gut, dass man mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen die Allerbesten auf diesem Erdball kontrahiert – der sportliche Ehrgeiz also. Wer gut ist, bleibt im Spiel, wer schlecht ist, wird aussortiert, und es kommen Neue nach. So funktioniert das System. Es ist ein sehr harter Selektionsmechanismus, der an den Finanzmärkten stattfindet. Und wenn man das irgendwie überlebt, dann ist das tendenziell ein gutes Gefühl und reizt einen. Sie sagten, man kann den Markt nicht nach einer Formel auflösen. Ist das ein Grund dafür,warumvieleMarktteilnehmerscheitern?
Viele Leute akzeptieren nicht, dass die Vorhersage des Marktes über zwei Jahre genauso problematisch ist, wie das Wetter für zwei Jahre vorherzusehen. In gewisser Weise ist es vielleicht nicht ganz so extrem. Einige Dinge kann man vielleicht etwas genauer vorhersagen. Aber wenn ich beim kleinsten Elementarteilchen anfange, kann ich nicht vorhersehen, wo dieses Teilchen zu einem bestimmten Zeitpunkt sein wird – Heisenberg'sche Unschärferelation. Der Mensch besteht aus 10²³ Elementen. Deswegen kann ich den einzelnen Menschen schon mal rein philosophisch nicht vorhersehen. Vielleicht graduell in einem Modell, aber als Gesamtheit werde ich ihn nie vorhersehen können. Das Kollektiv von vielen Menschen, beeinflusst von vielen zufälligen Faktoren und Ereignissen wie zum Beispiel Wettereinflüssen, ist per Definition, per Heisenberg'scher Unschärferelation nie vorherzusehen. Wenn man sich all die Unschärfen vergegenwärtigt, die aus den stochastischen Verkettungen resultieren, wird offensichtlich, dass die Zukunft völlig unklar ist. Der Versuch, diese Sicht zu beruhigen, indem man ein Modell schafft, das die Vergangenheit komplett erklärt, ist natürlich möglich. Man muss dafür nur ausreichend viele Parameter entsprechend anordnen, dann kann man die Vergangenheit tatsächlich erklären. Nur dieses perfekte für die Vergangenheit geltende Modell eins zu eins auf die Zukunft anzuwenden, ist für mich eine Art – ich will nicht sagen Selbstbetrug –, aber es ist für mich eine Art Beruhigungspille. Ich glaube, diese Leute scheitern daran, dass sie eben nicht wahrhaben wollen, dass die Zukunft unsicher ist. Und man muss sich einfach klarmachen, es bleibt unsicher. Deswegen kann faktisch auch alles passieren.
Heisenberg'sche Unschärferelation Die Heisenberg'sche Unschärferelation oder Unbestimmtheitsrelation ist die Aussage der Quantenphysik, dass zwei Messgrößen eines Teilchens nicht immer gleichzeitig be-
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liebig genau bestimmbar sind. Das bekannteste Beispiel für ein Paar solcher Messgrößen sind Ort und Impuls. Die Unschärferelation ist nicht die Folge von Unzulänglichkeiten eines entsprechenden Messvorgangs. Vielmehr zeigt Sie die prinzipiellen Grenzen, die klassischen Begriffen in der Mikrowelt gezogen sind. Sie wurde 1927 von Werner Heisenberg im Rahmen der Quantenmechanik formuliert. Es gibt bis heute kein Experiment und keine nachprüfbare Theorie, die diese Grenzen überwunden hätte. Unter dem Begriff des Unschärfeprinzips werden die folgenden drei Aussagen zusammengefasst, die zwar miteinander verwandt sind, jedoch physikalisch unterschiedliche Bedeutung haben. Sie sind hier beispielhaft für das Paar Ortsmessung und Impulsmessung notiert: 1.
Es ist nicht möglich, ein Quantenobjekt in einem Zustand zu präparieren, bei dem die Position und der Impuls beliebig genau definiert sind. Diese Unschärfe lässt sich als unmittelbare Konsequenz der Wellennatur der Materie in der Quantenphysik interpretieren.
2.
Es ist nicht möglich, die Position und den Impuls eines Quantenobjektes gleichzeitig exakt zu messen.
3.
Die Messung der Position eines Quantenobjektes ist zwangsläufig mit einer Störung seines Impulses verbunden, und umgekehrt.
Jedes dieser drei „no-go“-Theoreme lässt sich quantitativ in Form sogenannter Unschärfe-Relationen formulieren, die eine untere Grenze für die minimale erreichbare Unschärfe der Präparation bzw. Messung angeben. Folgende Analogie verdeutlicht die Unbestimmtheit: Nehmen wir an, dass wir ein zeitveränderliches Signal, zum Beispiel eine Schallwelle, haben und wir die genaue Frequenz dieses Signals zu einem bestimmten Zeitpunkt messen wollen. Das ist unmöglich, denn um die Frequenz exakt zu ermitteln, müssen wir das Signal über eine gewisse Zeitspanne beobachten, und dadurch verlieren wir Zeitpräzision. Das heißt, ein Ton kann nicht innerhalb nur einer beliebig kurzen Zeitspanne da sein, wie etwa ein kurzer Impuls, und gleichzeitig eine exakte Frequenz besitzen, wie sie etwa ein ununterbrochener reiner Ton hat. Die Dauer und die Frequenz der Welle sind analog zum Ort und Impuls eines Teilchens zu betrachten.
Quellen: „Heisenberg'sche Unschärferelation“ in: Wikipedia, 9. August 2009; Bader, Franz / Dorn: Friedrich (1986), S. 317 ff.
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Wie gut muss ein GlobalMakroHändler seine Computersysteme kennen und verstehen?Musservielleichtsogarselbstprogrammierenkönnen,oderhatmandafür MathematikerundProgrammierer?
Sehr gut, sehr sehr gut! Das ist natürlich das „A und O“. Ein Computersystem hat mehrere Funktionen: 1. Es ist natürlich dazu da, um Informationen zu generieren, die dem Händler helfen, statistische Anomalien herauszufinden. 2. Er muss aus seinem Computersystem entnehmen können, wie die Orderbücher angeordnet sind. 3. Es soll dem Händler auffällige Umsätze anzeigen. 4. Es soll ihm einfache Zins- und Volatilitätsgebirge ausrechnen, damit er erkennt, wo er seine Bid und Offers, also seine Angebots- und Nachfragepreise platzieren muss. Und 5., was natürlich am allerwichtigsten ist: Der Händler muss seine Handelsmaschine verstehen, um zu wissen, wie er Orders in den Markt gibt, und welche Kontraktzahl er mit einem Klick aufgibt. Programmieren halte ich nicht für so notwendig. Man sollte jedoch in der Lage sein, mit dem Programmierer eine Konversationsebene zu schaffen. Insgesamt ist das ist für mich ein entscheidender Punkt. Wer den nicht im Griff hat, wird aus meiner Sicht in der Vielzahl der Daten untergehen. Beschreiben Sie mir Ihre Anlagephilosophie. Wie gehen Sie an die globalen Finanzmärkteheran?
Ich glaube, dass derjenige, der es schafft, an den zwei großen Umverteilungsspielen des Jahrhunderts auf der richtigen Seite dabei zu sein, über 100 Jahre hinweg betrachtet den besten Ertrag machen wird. Wer 1923 und 1945 die richtigen Portfolios hatte, verzeichnete von 1900 bis 2000 die beste Wertentwicklung. Jemand der zwischen diesen Ereignissen ein hervorragender Stock-Picker in alle Richtungen ist, aber diese beiden entscheidenden Situationen „versenkt“, wird danach nicht mehr das Kapital haben, um sich von diesem Niedergang wieder zu erholen. Deswegen beginnt mein Denken immer bei diesen beiden Events, und ich überlege mir dabei sehr genau, wo ein großes Umverteilungsspiel stattfinden könnte. Das ist ein Punkt meiner Anlagephilosophie und entscheidend für den langfristigen Erfolg. Der zweite Punkt betrifft den kurzfristigen Erfolg. Ich glaube, es ist wichtig, gegen die Herde zu gehen. Tendenziell ist es für die meisten Menschen unmöglich, manche Dinge als Erste zu wissen, seien es volkswirtschaftliche Größen oder Unternehmensdaten. Entweder es gibt Leute in Firmen, die schon zu einem früheren Zeitpunkt etwas wissen, oder es gibt Analysten, die bereits bessere Gespräche hatten, oder was auch immer. Rein stochastisch
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ist es aber so, dass, wenn ich mit dem Trend gehe, jemand mit Sicherheit schon vor mir in diese Richtung gegangen ist. Wenn ich gegen den Trend gehe, habe ich eine Wahrscheinlichkeit, dass ich zufällig mit demjenigen gehe, der gerade als Allererster auf die andere Seite wechselt. Ich habe also stochastisch das bessere Moment. Wenn ich also auf statistisch signifikanten Levels gegen die Herde gehe, dann habe ich aus meiner Sicht einen guten Portfolio-Mix: Unsere langfristige Makroposition ist immer auf dieses Großevent im Jahrhundert ausgerichtet, und kurzfristig sind wir immer gegen den Trend positioniert, also Trend Bucking. Das ist natürlich nur die grobe Philosophie. Es kann trotzdem sein, dass ich mal Trendfolger bin, zum Beispiel, weil gerade viele Trend-Bucking-Spekulanten im Markt sind, und somit das Trendfolgen gerade eher einer Trend-Bucking-Strategie entspräche. Schließlich gibt es Phasen, in denen alle Anleger die Zeitung lesen und die dort publizierte Marktmeinung für dummes Zeug halten, um dann genau das Gegenteil zu machen. In solchen Fällen ist es fast schon Contrarian oder Trend Bucking, wenn man mit der Zeitung geht! Kein professioneller Anleger will gern mit der Herde gehen, weil grundsätzlich alle davon ausgehen, dass die Herde falsch liegt. Sie sagten, dass Sie grundsätzlich keine Trendfolgestrategie verfolgen. Allerdings konnten solche Strategien in den letzten Jahren von starken Trends profitieren. Wie beurteilenSiediesenPunkt?
Wenn ich einfach nur dem Trend folge, heißt das aus meiner Sicht, dass ich eigentlich keine Ahnung habe, warum eine Kapital-Allokation in eine bestimmte Richtung erfolgt, aber es handelt sich scheinbar um große Kräfte, denen ich einfach mal blind hinterher renne. Das halte ich als Kapital-Allokierer per se für falsch und methodisch für verfehlt. Die Trendfolgestrategie ist nicht sinnvoll, weil sie den Kapitalmarkt gar nicht richtig allokiert. Wenn man das Ziel unseres Tuns darin sieht, Güter und Dienstleistungen zum richtigen Preis zu allokieren, dann macht es keinen Sinn, wenn alle Marktteilnehmer nur Trends folgen. Ansonsten würde es irgendwann nur noch zwei oder drei Leute geben, die den Trend vorgeben, und der Rest rennt hinterher. Aber dann würde das Kapital ja nur von diesen zwei oder drei Leuten allokiert werden! Als Kapital-Allokierer sollte man immer wissen, warum man in eine Richtung rennt. In diesem Punkt bin ich sehr kritisch eingestellt. Aber auch auf der Marktseite habe ich in meiner Berufskarriere keinen einzigen Händler erlebt, der als Trendfolger nachhaltig Geld verdient hat. Es werden natürlich in der Presse immer Trendfolgestrategien genannt, die gerade eine erfolgreiche Phase durchlebten. Von der Vielzahl an Trendfolgestrategien, die katastrophal gelaufen sind, hört man dagegen nichts. Ich selbst glaube nicht daran, dass man dauerhaft Erfolg hat, wenn man einem anderen hinterherrennt und noch nicht einmal weiß, warum er rennt. Ich weiß, viele Lehrbücher lehren einen genau das. Aber eigentlich handelt es sich dabei grundsätzlich um das Prinzip des Kettenbriefes: Den Letzten beißen die Hunde. Eine Trendfolgestrategie ist in letzter Konsequenz das Hoffen darauf, dass hinter einem noch irgendein Dümmerer steht, und das entspricht genau der Philosophie eines Kettenbriefes. Insofern gibt es zwischen einer Trendfolgestrategie und einem Kettenbrief intellektuell gesehen keinen großen Unterschied. Aber auch mit Kettenbriefen lässt sich eine Zeit lang Geld machen. Mit Madoff haben Leute 30 Jahre lang Geld gemacht. Aber als ernst zu nehmende Strategie,
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um Geld zu verdienen, halte ich sie für verfehlt. Ich halte sie, wie gesagt, auch als Strategie zum Allokieren von Gütern und Dienstleistungen für verfehlt, was ich immer als wichtig erachte. Dann unterstelle ich, dass Sie nicht daran glauben, dass sich der Mensch als GeldverwalterdurcheinquantitativesModellersetzenlässt?
Nein, gar nicht, weil es natürlich in der Allokation von Waren und Dienstleistungen in der letzten Konsequenz um Nutzenfunktionen von Bedürfnisstrukturen der Menschen geht. Am Ende des Weges muss antizipiert werden, welche Bedürfnisstrukturen die Menschen zum Zeitpunkt T1 haben werden unter Berücksichtigung der Ressourcen, die ihnen zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stehen. Eine Maschine, also ein rein quantitatives Modell, bei dem Bedürfnisse und Änderungen von Bedürfnissen keine Inputparameter sind, weil sich diese nicht ohne Weiteres messen lassen, kann das per se nicht allein leisten. Ein quantitatives Modell kann den Kapital-Allokierer am Markt identifizieren und ihm hinterherrennen. Aber die eigentliche Allokation von Geld, die eigentliche Allokation von Waren und Dienstleistungen wird die Maschine auf absehbare Zukunft, solange sie noch nicht in der Lage ist, menschliche Gefühle abzubilden, nicht gewährleisten können. WelcheMärktedeckenSieab,undwelcheInstrumentehandelnSie?
Die ganze Welt! Wir handeln eigentlich alle Märkte, zu denen wir einen gescheiten Marktzutritt haben. Gescheiter Marktzutritt heißt: Die Transaktionskosten sind niedrig, der Markt ist ausreichend reguliert, und die Art des Settlements ist für uns umsetzbar. Das sind die drei entscheidenden Komponenten. Im Augenblick versuche ich, einen gescheiten Marktzutritt nach Afrika zu finden, aber das bereitet noch Probleme, und bislang sind wir noch nicht fündig geworden. Mittelfristig habe ich eine positive Meinung zu Afrika, weil ich glaube, dass Afrika auf dem Weg zur Kleinfamilie ist und den Weg der Urbanisierung beschreiten wird. Ich denke, dass Afrika wirklich dabei ist, auf Sicht von 20 bis 30 Jahren eine positivere Entwicklung zu durchlaufen, und all die Warlords, die einst alles beherrschten, letztlich nicht mehr so entscheidend sein werden. Habe ich das vorhin richtig verstanden, dass Sie eine langfristige Strategie mit Kurzfristhandelkombinieren?
Die Strategie ist, dass ich die langfristige Positionierung, die eben immer auf die großen Umverteilungspunkte ausgerichtet ist, mit Kurzfristhandel kombiniere. Ich habe gelesen, dass Sie Kurzfristhandel in drei Teilbereiche untergliedern: „Ereignishandel“,„Eröffnungshandel“und„Orderbuch“.WürdenSiejeweilsaneinem Beispielerläutern,wassichdahinterverbirgt?
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Ein Beispiel zum Ereignishandel: Trichet sagt, dass der Leitzins nicht unter ein Prozent gehen wird. Dann versuche ich, so schnell wie möglich einen geeigneten Trade durchzuführen. Die meisten Marktteilnehmer versuchen in diesem Moment, in Zins-Futures long oder short zu gehen. Ich dagegen versuche eigentlich immer, eine Strategie zu handeln, also eine Kombination von Geschäften, die sich erwartungsgemäß bewegen sollte. Zum Beispiel handele ich direktional den Bund-Future gegen den Bobl-Future, oder vielleicht halte ich in diesem Moment Bund-Future long, Schatz-Future long und Bobl-Future short für das Richtige. Ich rechne also damit, dass die Aussage von Trichet eine Auswirkung auf die Zinsstrukturkurve hat, zum Beispiel auf die Krümmung. Auch wenn ich nicht so schnell bin in der Ausführung – wir sind aber auch nicht ganz langsam –, kann ich eine Strategie noch schnell genug umsetzen und habe damit eine Chance, von diesem Ereignis zu profitieren. Dann das Thema Eröffnungshandel: Eine Börse ist morgens um 8 Uhr für mich immer interessant, weil die Börse davor zehn Stunden geschlossen war, zum Beispiel bei der Eurex von 22 Uhr bis 8 Uhr. Das heißt, am Kapitalmarkt sind zehn Stunden vergangen, ohne dass eine infinitesimale Anpassung an die neuen Informationen stattfinden konnte. Folglich muss die Anpassung der nächtlichen Information in dem Eröffnungskurs oder den ersten Kursen eines Tages erst einmal stattfinden. Dabei kann es natürlich passieren, dass sich Ineffizienzen bilden und die Zinskurven, der Bund, der Bobl, der Schatz, der DAX und die Euribor-Futures keine logische Konsistenz haben, die zu den Kursen des Vorabends und den Veränderungen der Nacht passt. Daraus ergeben sich immer sehr gute Handelsmöglichkeiten. Es gibt keinen Morgen, an dem ich nicht um 8 Uhr handele! Und„Orderbuch“?
Mithilfe von Datenbankanwendungen screenen wir ständig die Orderbücher und leiten daraus Marktdirektionsbewegungen ab. Auf Basis eines Orderbuchs sieht man zum Beispiel, ob an gewissen Preislevels große Briefseiten reinkommen, oder man realisiert, dass das Orderbuch in einem Produkt sehr dünn ist und in einem anderen sehr dick. Aus solchen Informationen leiten wir Wahrscheinlichkeiten ab, dass es in einem Markt in Kürze zu einem Durchbruch kommt. Und dann machen wir einen Trade. Macht Ihr Kurzfristhandel damit die Märkte für langfristig orientierte Anleger erst effizient?
Absolut, so verstehe ich auch den Beruf. Es ist letztendlich nicht nur ein Zocken, um kurzfristig Geld zu machen, sondern es ist immer der Kampf um eine effiziente Zinskurve oder um ein effizientes Volatilitätsgebirge. Auf der Basis dieser effizienten Zinskurve und der sehr engen Geld-Brief-Spannen, die daraus erst entstehen, sind Treasury-Abteilungen oder Industrieunternehmen in der Lage, irgendwelche Finanzierungen recht günstig durchzuführen. Deswegen glaube ich, dass durch diese kurzfristige Arbitrage letztendlich auch ein „Häuslebauer“ oder ein Mittelständler profitieren, auch wenn sie vielleicht gar nicht wissen, dass es davon indirekt abhängt. Das ist schon auch mein Glaube.
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Ich könnte mir vorstellen, dass der Kurzfristhandel eine extrem leistungsfähige Informationstechnologieerfordert.Aufwaskommtesdabeian–aufGeschwindigkeit?
Ja, Geschwindigkeit entlang der ganzen Kette! Zum einen benötigt man Geschwindigkeit, um die Daten in die Datenbank zu lesen. Und im Anschluss benötigt man gute Algorithmen, um die Datenbank auszuwerten und in eine Handelsentscheidung umzumünzen. Diese Handelsentscheidung muss dann möglichst schnell an den jeweiligen Märkten platziert werden und am besten mit einer sehr schnell funktionierenden Orderlogik. Das sind die Elemente, die es zu optimieren und beschleunigen gilt. Deswegen arbeiten wir mit der aus unserer Sicht gerade schnellsten Datenbank der Welt, wofür wir unsere teuersten Rechner einsetzen. Geschwindigkeit ist das „A und O“! Lassen Sie uns über Ihre strategische Positionierung reden. Welches Bild haben Sie gegenwärtigvonderWeltunddenglobalenFinanzmärkten?
Ich denke sehr stark in Machtaspekten. Das heißt, ich überlege mir immer, wer im Augenblick auf diesem Erdball Macht hat, und welche Szenarien diese Machtposition inwiefern verändern würden. Im Augenblick habe ich folgendes Szenario vor Augen: Wenn China als gesamte Volkswirtschaft tatsächlich so unglaublich viele US-Dollars hätte und die Amerikaner tatsächlich diese Defizite sowohl auf der Leistungsbilanzebene als auch auf der Haushaltsebene hätten, dann würde es irgendwann zu einem riesigen Dollar-Problem kommen. Dazu bräuchte man lediglich eins und eins zusammenzuzählen. Wenn ich von chinesischen US-Dollars spreche, dann meine ich nicht nur die Bestände der Zentralbank, sondern beispielsweise auch die Dollar-Shorts der Exporteure, also die gesamte Devisenposition der China AG ... ...undderUSDollarwürdeeinProblembekommen,wenndieChinaAGihreDollars verkaufenwürde?
Die China AG würde ihre US-Dollars verkaufen. Aber auch die anderen Länder würden diese Dollars nicht haben wollen, weil sie nicht bereit wären, den Wohlstand der USA zu finanzieren. Wenn sich die Datenlage, wie sie sich jedem Marktteilnehmer präsentiert, in dieser Form materialisieren würde, dann wird es am Ende des Weges sehr schwierig sein, den Dollar als Weltwährung zu behalten. Und mit der Sekunde würde ein wichtiger Teil der amerikanischen Macht, nämlich der Besitz der Weltwährung, verloren gehen. Ich glaube nicht, dass dies im Interesse Amerikas ist, und deswegen glaube ich auch nicht, dass die Datenlage der Realität entspricht. Deshalb mein Picture Eins: Ich glaube an einen starken Dollar! Ich glaube, dass die ganze Welt Dollars short ist. In Deutschland haben wir 50 Jahre lang Güter in diese Welt exportiert. Wir haben irgendwelche Güter verkauft und dafür Dollars erhalten. Einen Teil der Dollars haben wir natürlich umgetauscht, um Löhne und andere Dinge zu bezahlen. Aber man könnte annehmen, dass wir immer einen gewissen Teil der Dollars zurücklegten, sodass sich nach 50 Jahren recht viele Dollars angesammelt haben müssten. Wenn man folglich zu einer Bank ginge, um sich nach deren Dollar-
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Position zu erkundigen, müsste man als Antwort erwarten: „Wir sind unglaublich viele Dollars long.“ Die gleiche Antwort würde man von einem Industriekonzern erwarten. Aber was bekommt man stattdessen zu hören: „Nein, wir sind Dollars short.“ Man würde das natürlich nicht verstehen und nachfragen: „Wie geht das, warum seid ihr denn Dollars short?“ Als Antwort erhält man stets: „Wir sind Dollars short, weil wir die zukünftigen Produktionen und Exporte schon mal absichern mussten, also den Gegenwert der Autos und Maschinen, die in den nächsten Jahren verkauft werden sollen.“ Ist das nicht komisch? Wir sind seit Ewigkeiten Exportweltmeister, und die großen Exportunternehmen sind alle Dollars short. Aber vielleicht liegen die ganzen Dollars bei den deutschen Portfoliomanagern. Man fragt dort nach: „Habt ihr viele Treasuries? Und die Antwort lautet: Treasuries haben wir überhaupt keine.“ Man will es natürlich genau wissen und hakt nochmals nach: „Habt ihr denn überhaupt irgendwelche Dollars?“, „Ja, ein paar Aktien und ein paar amerikanische Immobilien.“ Das sind aber keine Dollars, das sind Häuser und Unternehmen in einem Land, in dem der US-Dollar die Währung darstellt. Ich habe noch nie mit einem Vermögensverwalter gesprochen, der mir bestätigen konnte, dass er wirklich viele Treasuries hat. Letztlich stellt man fest, dass jeder netto-short auf den USDollar ist. Ein sehr komisches Bild. Niemand hat die Währung, von der jeder behauptet, es gäbe unendlich viel davon auf diesem Erdball. In Europa scheint es folglich strategische Shorts im Markt zu geben. Aber was ist mit Asien? Bis vor einiger Zeit wertete der USDollar jedes Jahr sechs Prozent gegen den Yuan ab, jedes Jahr! Ein Chinese musste es nur irgendwie schaffen, den Dollar short zu gehen und den Yuan long. Mithilfe der Zentralbank schaffte er es, jedes Jahr sechs Prozent zu verdienen. Es gibt also in einem Land, in dem die Zockerkultur riesig ist, einen Trade, der quasi kein Risiko hat und jedes Jahr sechs Prozent abwirft. Was müsste ein Chinese unternehmen, um diesen Trade machen zu dürfen? Er bräuchte eigentlich nur einen Bruder in Deutschland, der bei ihm in China T-Shirts bestellt, und dann hat er das Recht, das Geschäft gegen Währungsrisiken abzusichern und den Dollar zu shorten. Für den normalen Chinesen und für viele andere auf dem Erdball besteht ein unglaublicher Anreiz, Dollars zu shorten und Yuan zu kaufen. Natürlich muss ich die Zentralbankdollars dagegen saldieren. Aber der Anreizmechanismus in China ist so gigantisch, diesen Trade zu machen, dass er sicher in riesiger „Size“ irgendwo auf den Büchern liegt. Und deshalb glaube ich, dass die Chinesen unterm Strich nicht so viele Dollars auf dem Buch haben, wie allgemein behauptet wird. Jetzt stellt sich natürlich die alles entscheidende Frage: „Wer um Gottes willen hat denn die ganzen Dollars?“ Ich weiß nicht, wo sie liegen, aber irgendetwas passt hier nicht zusammen! Durch die Finanzkrise wurde aber noch ein anderer Punkt offenkundig: Europäische Banken gründeten in den letzten Jahren Zweckgesellschaften, sogenannte SPVs (Special Purpose Vehicles), und haben damit in Amerika irgendwelche Kredite über, sagen wir, 15 Milliarden US-Dollar gekauft, Subprimes und solche Sachen. Diese Gesellschaften hatten dann Papiere für 15 Milliarden US-Dollar auf der Aktivseite der Bilanz. Auf der Passivseite stehen 15 Milliarden US-Dollar Schulden, die bei einer amerikanischen Bank aufgenommen wurden. In der Finanzkrise wurden die Kreditpapiere auf drei Milliarden US-Dollar abgewertet, ein Verlust von zwölf Milliarden US-Dollar. Bilanziell wird das natürlich nicht ausgewiesen, sonst würde man zu wenig Eigenkapital zeigen. Aber unabhängig davon, ob die Assets werthaltig sind oder nicht, die Schulden betragen weiterhin 15 Milliarden US-
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Dollar, die irgendwann zurückgezahlt werden müssen. Das heißt, die europäischen Banken sind gewaltig Dollars short. Man erkennt das auch an den Kreditlinien, die zwischen den Zentralbanken eingeräumt wurden. Die Fed hat der EZB eine Dollarlinie eingeräumt, und das sind Riesenbeträge! Neben den europäischen Industrieunternehmen sind also auch europäische Banken Dollars short. In letzter Konsequenz heißt das für mich: Die Wahrscheinlichkeit, dass es an einem bestimmten Punkt einen Dollar-Engpass geben könnte, ist für mich sehr hoch. Das geht natürlich auch wieder mit der Machtposition Amerikas einher. Es gibt keine bessere Situation, in der sich jeder gegen den US-Dollar absichert, Short-Positionen in einer riesigen Größenordnung generiert und das in einem Produkt, das niemand produzieren kann. Auf einmal geht der US-Dollar fest, und es gibt weder für die Chinesen noch für die Europäer die Möglichkeit, Dollars zu drucken. Die Amerikaner werden dann kein Interesse daran haben, den Dollar schwach werden zu lassen, und in dieser Sekunde könnte es zu einer Panik kommen, die höchstwahrscheinlich die Europäer an ihrem Euro zweifeln lassen wird. Am Ende des Weges wäre dann der Euro geschwächt, was aus Dollar-Interessen nicht schlecht sein muss. Das ist mein Picture Eins, der US-Dollar geht unglaublich fest! Picture Zwei: Die sicheren Häfen, die alle für sich proklamieren, nämlich kurze Staatsanleihen und Gold, sind beide fragwürdig. Die kurzen Staatsanleihen sehe ich als das Toxischste an, was es überhaupt gibt, weil mit dem Versprechen von Angela Merkel, das Geld jedes Sparers zu retten, der Staat Bundesrepublik Deutschland faktisch auch implizit für jede Sparkasse, jede Landesbank und jedes Land die Garantie übernommen hat. Dabei geht es aber um Beträge, die am Ende des Weges nicht finanzierbar sind. Es ist für mich recht klar, dass am Ende des Weges die Staatsbonität und die Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig in Probleme geraten werden. UndGold?
Ich glaube, dass Gold in seiner letztendlichen Konsequenz erfolgreich wäre, wenn man wirklich die Hoffnung haben könnte, dass es irgendwann wieder eine goldunterlegte Währung gäbe. Das setzt voraus, dass das Vertrauen in Währungen global zerstört ist. Diese Wahrscheinlichkeit sehe ich deutlich niedriger, als es die meisten Marktteilnehmer sehen, weil natürlich kein Staat Interesse hat, das Papiergeld abzuschaffen. Ein zweiter Punkt, der mich beim Gold extrem skeptisch stimmt, sind die Zahlen. Es wird behauptet, dass jedes Jahr zwischen 3000 und 4000 Tonnen Gold produziert werden. Gleichzeitig sollen sich auf diesem Erdball 150.000 Tonnen Gold befinden. Wenn man nur mal rechnet: Seit wann wird Gold eigentlich abgebaut? Seit Tausenden von Jahren. Und seit wann wird es industriell abgebaut? Sagen wir mal seit 120 Jahren. Also lautet die Rechnung: 120 mal 3000 oder 4000 Tonnen, dann bin ich ja schon bei 360.000 bis 480.000 Tonnen, deutlich mehr als die 150.000 Tonnen. Die Zahlen vom World Gold Council scheinen mir viel zu niedrig, wenn ich mit einfachsten Überlegungen an die Frage herangehe. Das ist mal das eine. Dann gibt es irgendwo in Südafrika eine Mine, aus der man im Jahr zehn Tonnen Gold fördert. Wird die Mine nun melden, dass sie zehn Tonnen gefördert hat? Wenn sie nur fünf Tonnen angibt, hat sie geringere Forderungen der Gewerkschaften, muss weniger
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Steuern zahlen und weniger an ihre Aktionäre ausschütten. Der Anreiz ist dermaßen hoch, es so zu machen. Insofern muss man mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass in Wirklichkeit 5000 oder 6000 Tonnen im Jahr gefördert werden. Damit käme ich in meiner Hochrechnung auf noch höhere Zahlen. Es könnte sein, dass der Goldhandel auf der letzten Ebene wie der Diamantenhandel organisiert ist. Das bedeutet, dass es auf diesem Erdball gewisse Leute gibt, die über eine lange Zeit große Mengen an Gold aufbauen. Irgendwann gibt es eine Phase, in der sie ihr Gold richtig in die Masse abladen können. Die Masse muss in diesem Moment nur das Gefühl haben, dass es knapp sei. Wenn das gegeben ist, lässt sich eine riesige „Size“ abladen. Deshalb ist meine Prognose, dass Gold vor einem kompletten Crash steht. In dem Moment, in dem die Leute erkennen, dass Gold nicht der sichere Hafen ist, werden sie versuchen, aus dem Zeug herauszukommen. Aber es wird keine Käufer geben. Ich glaube, Gold wird einen Crash erleben, und zwar einen substanziellen Crash, der den Preis wirklich unter die Entstehungskosten drücken wird. Meine Prognose ist 250 US-Dollar in den nächsten 18 Monaten. Ich bin komplett bärisch auf Gold. ÜberAktienhabenwirnochnichtgesprochen!
Bei Aktien ist mein View analog 1923. Wenn ich mir die großen Umverteilungsspiele anschaue, dann war es am Ende immer gut, Aktien gehabt zu haben. Auch 1923 war es gut! In Brotlaiben gemessen waren sie natürlich schlecht. Vor der Krise konnte man mit einer Aktie mehr Brotlaibe kaufen als nach der Krise. Aber es hat sich bewiesen, dass man mit Aktien 3 den geringsten Verlust aller Asset-Klassen erlebte. Momentan halten die Anleger nur sehr wenige Aktien. Aber es wird eine Zeit geben, in der die Menschen die Aktien kaufen, nicht um damit Geld zu machen, sondern weil sie aus den Staatsanleihen flüchten. Die Staatsanleihen werden aus meiner Sicht nicht zurückgezahlt oder nicht in der Form zurückgezahlt, wie es sich die Leute erhoffen. Entweder wird es eine inflationäre Bewegung geben oder der Staat wird irgendeinen Besserungsschein ausstellen und erst mal nur 50 Prozent auszahlen. In dem Moment, in dem die Leute verstehen, dass der Staat die Anleihen nicht bedienen kann und Staatsanleihen sich letztlich als die falsche Wahl herausstellen, werden sie panikartig versuchen, etwas anderes zu kaufen, und deswegen glaube ich an eine Flucht in Aktien. Ich glaube an einen kompletten Rentencrash, eine totale Dollar-Stärke, eine extreme DollarStärke, ich bin „ultra-ultra-ultra-ultra-Dollar-Bulle“. Die Chinesen haben ihre Währung zuletzt nicht weiter aufgewertet, die Notenbanken flutendieWeltmitZentralbankgeld.Mankönnteaberdochauchargumentieren,dass in der Finanzmarktkrise von 2007 bis 2009 bereits vieles bereinigt wurde. Ihren Ausführungen zufolge scheint die große Korrekturbewegung an den Märkten aber nochbevorzustehen.
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Die Hauptbewegung in Amerika liegt, glaube ich, hinter uns. Und die Hauptbewegung in Europa steht noch vor uns. Nahezu allen Modellen liegt die Annahme zugrunde, dass die Entwicklungen in Amerika und Europa Hand in Hand gehen. Grundsätzlich war das in den letzten hundert Jahren auch der Fall, aber witzigerweise eben nicht in diesen extremen Umverteilungsphasen. Ich glaube an eine extreme Inflation in Europa und eine Deflation in Amerika. In dem Moment, in dem der Dollar seine Stärke erlebt, wird bei uns in Europa eine unheimliche Panik ausbrechen. In dieser Phase werden dann die Argumente der Euro-Kritiker bei Einführung der Einheitswährung am Markt gespielt. Da viele Anleger ausschließlich Euros haben, werden sie panikartig nach Sicherheit suchen. Und ich glaube, dass Europa dann die ganze Bankenproblematik auch ins Haus steht. Wenn man sich lediglich anschaut, welcher Anteil ihrer Bilanzsumme von amerikanischen Banken bereinigt wurde und welcher Anteil dagegen in Deutschland bereinigt wurde, kann das nicht die Realität widerspiegeln. In Deutschland wurde signifikant weniger abgeschrieben als in den anderen Ländern. An irgendeinem Punkt werden diese Dinge hochkommen. Ich gehe davon aus, dass in Amerika das meiste verarbeitet ist, und in Deutschland von allen Ländern das wenigste. Auch in Asien rechne ich damit, dass die Probleme noch hochkommen. Deutschland, China und Japan werden in der nächsten Stufe dieser Finanzkrise nach unten gezogen werden. Die Schocks, die von diesen Ländern ausgelöst werden, wird Amerika als sekundäre Welle erleben und dadurch in einen deflationären Prozess getrieben – und wir machen einen inflationären Prozess durch. Deswegen mag ich gerade alle Trades, mit denen ich billig gegen die Konvergenz Europa-Amerika wetten kann. HabenSieeinaktuellesBeispielfüreinesolcheWette?
Amerikanische Zinsversteilerung gegen Europäische Zinsverflachung, das ist aus meiner Sicht ein billiger Trade. Die Levels sind attraktiv. Das heißt, Sie rechnen damit, dass die USZinsen am kurzen Ende unten bleiben und amlangenEndeoben?
Genau! Die gesamte Zinskurve bleibt dort steil, weil ich diesen deflationären Prozess unterstellte. In den Staaten bin ich weiterhin auf Versteilerung und in Europa auf Verflachung der Zinsstrukturkurve aus. Wenn der Euro an irgendeinem Moment richtig schwach wird, ist die EZB gezwungen zu handeln, um die Währung zu stabilisieren, dann werden wir kurzfristig sogar eine inverse Kurve bekommen. Das erwarte ich zumindest. Siesagten,derTradeistbillig.Wiebillig? 4
Wer heute beispielsweise davon ausgeht, dass der Kurzfristzins in Euroland im Dezember 2009 über 3,5 Prozent liegt, der zahlt dafür im Augenblick optional einen halben Tick.
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Das heißt, der Break Even liegt bei 3,505 Prozent. Wenn der Kurzfristzins auf fünf Prozent geht, bedeutet das eine Verdreihundertfachung des Kapitals. Ich sehe die Wahrscheinlichkeit, dass wir bis dahin Zinsen von über drei Prozent haben als deutlich höher an, als es der Markt gegenwärtig einpreist. Auf welchen Zeithorizont würden Sie diese Bewegungen sehen, die doch relativ gravierendsind?
Ich formuliere es mal so: Das Feld ist aus meiner Sicht dafür bereit. Alle Fehlpositionierungen in allen Büchern sind gegeben. Das wird einen „Komplettdamage“ in allen Büchern auslösen. Die Versicherungen haben nur Euro-Anleihen, Government-Bonds oder anderes staatsgesichertes Zeug. Von dieser Seite betrachtet kann es jeden Tag passieren. Es wird irgendeinen Auslöser brauchen, welchen Auslöser auch immer, zum Beispiel ein großes Problem einer europäischen Bank, ein plötzlicher Verfall des Euro-Dollars, der wiederum ausgelöst wird durch das Schließen einer Hedging-Position irgendeiner Industrieadresse, was weiß ich. Es kann sofort passieren, und es kann in den nächsten zwei Jahren passieren. Aber der Ausgang der Krise dürfte für Europa und Amerika einen komplett unterschiedlichen Weg bereiten. Tendenziell bedeutet das, dass Amerika die Weltmacht bleibt und man am Ende der Krise feststellen wird, dass Amerika am schnellsten aus der Krise gelernt hat. Ich glaube, das wird das Ergebnis der Krise sein. Auf welchem Weg gelangen Sie zu diesen strategischen Einschätzungen? Sie sagten eingangs,dassMachtüberlegungendabeieineRollespielen.
Auf einem Blatt Papier male ich mir auf, wer auf diesem Erdball Macht hat, welche Instrumente er zur Verfügung hat, um seine Macht auszuspielen, und wie sich die aktuellen Kapitalmarktdinge im Zuge dieser Machtkonstellation interpretieren lassen. Ich unterstelle: Wenn einer der starken Machtblöcke im Begriff ist, seine Macht zu verlieren, sofern der Markt in eine bestimmte Richtung weiterlaufen würde, wird er versuchen, etwas dagegen zu unternehmen. Dieser Machtblock ist natürlich auch in der Lage, die drohende Machtverschiebung zu erkennen. Amerika lebt davon, dass wir ihnen unsere Güter schicken und sie uns ihr bunt bedrucktes Papier. Es kann für Amerika langfristig nicht positiv sein, wenn wir das bunt bedruckte Papier plötzlich als ganz schlecht empfinden. Stattdessen ist es viel besser, wenn wir uns wie 1920 über den Onkel in Amerika freuen, der uns ein paar Dollars schickt. Kapitalmarktbewegungen, die Machtkonstellationen auf diesem Erdball verändern, werden häufig nicht zu Ende gedacht. Und im Augenblick gibt es eine wunderschöne Diskrepanz: Die ganze Welt setzt implizit darauf, dass Amerika als Weltmacht abgelöst wird, und daran glaube ich nicht und setze deshalb dagegen. Das ist mein Ansatz, wie ich an die Märkte herangehe. Und auf dieser strategischen Grundeinschätzung laufen dann lauter finanzmathematische Optimierungen, um letztlich die billigsten Wetten zu finden.
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Es gibt aber auch Marktteilnehmer, die von einer Machtverschiebung ausgehen und von neuen Kraftlinien sprechen. Immerhin sind die Amerikaner knapp an Rohstoffen wiezumBeispielÖl.WirdsichdeshalbnichtdieMachtinRichtungderRohstoffprodu zentenländerverlagern?
Es gibt von jedem Element auf diesem Erdball unendlich viel. Demzufolge gibt es keine Knappheit, sondern von allem genug. Tendenziell sind Rohstoffpreise das Ergebnis von zwei Inputfaktoren. Die erste Frage lautet: Verfügen wir über genug technisches Knowhow und Verfahrens-Know-how, um aus den Elementen der Erde Rohstoffe zu gewinnen? – Eine Frage des technologischen Fortschritts. Die zweite Frage: Ist genug Energie vorhanden, um die Elemente kostengünstig aus der Erde zu buddeln. Das heißt, wenn es möglich wird, Energie unglaublich billig werden zu lassen, wird es per se ganz einfach sein, Rohstoffe ganz billig zu fördern. Deshalb landet man über die Rohstofffrage sehr schnell bei der Energiefrage. Diese Kraftlinien sind dann entscheidend, wenn Energie sehr teuer und der technische Fortschritt nicht so hoch ist. Aber ich halte die Behauptung für absurd, dass Energie knapp ist. Wir leben auf einem Planeten, der die ganze Zeit von der Sonne bestrahlt wird, wir sitzen auf heißem Magma, es gibt den Wind, der die ganze Zeit bläst, und es gibt ein Meerwasser, das die ganze Zeit unruhig ist. Außerdem gibt es noch chemische Energie in irgendwelchen Stoffen, Öl und dergleichen. Eigentlich gibt es unglaublich viel Energie, und wir befinden uns im Augenblick in einem unheimlichen technischen Fortschritt auf allen Ebenen der Energieerzeugung. Der technische Fortschritt ist gigantisch, die Menschheit wächst deutlich langsamer als der Fortschritt, der auf den verschiedensten Energiefeldern erwirtschaftet wird. Ich glaube fest daran, dass in zehn bis 20 Jahren Energie quasi Null kostet. Mit einem großen Solarfeld in der Sahara mit der Fläche 300 mal 300 Kilometern könnte man alle Energie der Welt erzeugen. Das ist ein Faktum! Als wir vor über zweitausend Jahren noch keine Autos hatten, bauten wir Pyramiden und etwas später das Ulmer Münster. Insofern ist das für die Menschheit kein Projekt, über das ich mir jetzt ganz große Sorgen mache, dass wir es nicht hinkriegen ein 300 mal 300 Kilometer großes Solarfeld zu bauen. Wenn wir für Elektroautos neue Stromspeicher entwickeln und folglich jedes Auto einen eigenen Stromspeicher hätte, bräuchten wir weniger Kraftwerkskapazität, weil wir auch weniger Spitzen übertünchen müssten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir viel mehr Energie zu viel günstigeren Preisen erzeugen können. Und damit können wir natürlich viel leichter an jedem Punkt auf diesem Erdball Rohstoffe aus dem Boden herausholen, sodass sich das Rohstoffthema lösen wird. Ich glaube, es wurden im Zuge übertrieben pessimistischer Prognosen für neue Energiegewinnung zu viele Löcher auf diesem Erdball gebuddelt, aus denen Kupfer, Nickel und dergleichen gefördert wird. Ich gehe davon aus, dass es mittelfristig ein unglaubliches Überangebot geben wird ... ...trotzStilllegungvielerMinenimZugederFinanzmarktkrise?
Trotz Finanzmarktkrise! Die Löcher sind gebuddelt. Wenn so ein Loch mal gebuddelt ist und die ganzen Straßen vorhanden sind, dann ist einfach nur der Betrieb notwendig. Deswegen bin ich dezidiert bärisch für Rohstoffe und Energiepreise. Aber ich bin für ein Gut
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auf diesem Erdball unglaublich bullisch, und das ist menschliche Kreativität, menschliche Leistung, zwischenmenschliche Nähe, und auf alles, was den Menschen ausmacht und was man bis heute eben noch nicht einer Maschine übermitteln konnte. Dafür bin ich unglaublich bullisch! Deswegen bin ich, so blöd es klingt, bullisch für viele Neue-MarktUnternehmer, die sich von den vielen Jahren fallender Kurse nicht haben entmutigen lassen, die trotzdem noch jeden Tag in ihrer Firma arbeiten, obwohl sie schon längst Multimillionäre sind. Und ich glaube eben, dass die Leute augenblicklich High Tech komplett unterschätzen. In den Portfolios steckt viel zu wenig Innovation. ZuwenigTechnologieaktien?
Technologieaktien oder Patente – es gibt ja auch Patentfonds –, Seed Money, Venture Capital. Wenn jemand mit einer Idee zu mir kommt und einen guten Studienabschluss hat, dann sage ich: „Super!“ Es macht Sinn, in Venture Funds zu investieren und es entspricht meinem Weltbild. Also Rohstoffe raus und High Tech rein, aber wirkliches High Tech, neue Ideen und diese wirklich global auf diesem Erdball einkaufen. SiepräferierenalsoeherdiekleinenundinnovativenUnternehmungen?
Genau, oder wenn man es noch auf einer höheren Ebene formulieren möchte. Ich glaube, die „schwarzen Schwäne“ werden sterben! Es gibt viele Leute, die ständig nach neuen schwarzen Schwänen suchen. Dieses Thema wird mittelfristig sterben. Und das Zweite, woran ich glaube: Makro ist „out“, Mikro wird wieder „in“ sein. Über viele Jahre hinweg war es so viel wichtiger, sich über die ganz großen Linien Gedanken zu machen. Welche Aktie man dann im Kleinen kaufte, war egal. Ein ganz großer Trend wird sein, wieder im Kleinen nachzusehen. Hat die Firma eine gute Idee, oder hat sie eine schlechte Idee. Hat sie einen guten Businessplan, oder hat sie einen schlechten Businessplan. In den letzten Jahren war es viel wichtiger, die Frage zu beantworten: Habe ich Gold, Aktien oder Staatsanleihen, also die richtigen Makroüberlegungen? Davon werden wir wieder wegkommen, und man muss stattdessen wieder am Fundament arbeiten. Das ist eigentlich für eine Firma wie uns eher eine Herausforderung, weil wir eben nur wenig Leute sind. Ich denke, wir müssen uns mittelfristig ganz neu organisieren. Der Mut von den Leuten, die sich trotz allen Spotts und aller Enttäuschungen mit dem Neuen Markt identifizieren, wird sich eines Tages wieder auszahlen. Ich glaube nicht daran, dass das Hauptproblem der Menschheit sein wird, ein bisschen Kupfer aus der Erde herauszukrümeln. Das ist mein View! WelcheMarktkonstellationenmüssengegebensein,damitSiepositivbeziehungsweise negativaufeineAssetKlassegestimmtsind?
Erstens muss ich ein fundamentales Modell entwickeln können, um eine Anlage zu beurteilen. Zweitens mag ich ein Thema umso mehr, wenn ich erkenne, dass es die Mehrheit eher nicht mag. Drittens mag ich es, wenn ein Trade nach statistischen Kriterien am Extrempunkt ist, weil er dann ein Mean-Reversion-Potenzial hat und ich eben nicht gerne
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einem Trend folge. Viertens, ich muss ein Gefühl dafür haben, bei wem im Markt die großen Positionen liegen. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Leute zu einseitig in einer Asset-Klasse positioniert sind, dann handele ich sehr gern dagegen. Wenn alle irgendwie gleichgewichtig sind, interessiert es mich nicht so sehr, als wenn ich beispielsweise weiß, dass Versicherungen zu 95 Prozent in Renten investiert sind. Es ist für mich deshalb interessant, weil, wenn sich das Szenario ändern sollte, eine riesige Herde in Bewegung gesetzt werden muss, und das wird natürlich eine viel größere Preisbewegung auslösen, als wenn alle nur um eine Benchmark herum handeln. Wie reagieren Sie, wenn Sie sehen, dass eine strategische Position gegen Sie läuft? ArbeitenSiemitStopLoss?
Ich arbeite mit Stop Loss im Sinne von Money-Management. „Surviving comes first, making money comes second.“ Das ist meine Stop-Loss-Philosophie. Aber ich habe keinen Stop Loss in dem Sinne, dass ich eine Position unbedingt zehn Ticks unter dem aktuellen Level schließen muss. Ich muss überleben können. Dieser Punkt kann schnell erreicht sein oder eben später. Aber wenn die Annahmen, die ich bei dem Trade unterstellt habe, nicht mehr zu dem Trade passen, dann stoppe ich ihn, egal wie. Würde ich sagen, ich ziehe regelgebunden einen Stop nach, der fünf oder zehn Ticks weitweg liegt, bin ich letztendlich Opfer von irgendwelchen Sculpern, die den Markt mal kurz in eine Richtung zum Auswaschen bringen. Damit würde ich einem anderen Marktteilnehmer einen Algorithmus geben, mit dem er mich ausarbitrieren kann. Und genau das will ich eben nicht, sondern ich versuche, beim Stop Loss vollkommen unberechenbar zu sein. Ichhabegelesen,dassSiestrategischimmerGammaLongsind?
Ja, tendenziell versuche ich, für die Extremwetten immer Gamma-Long zu sein. GammaLong heißt für mich, dass ich von einer extremen Bewegung profitiere. Es darf nie passieren, dass mein Szenario über Nacht eintritt, ich irgendwelche Optionen geschrieben habe und dadurch im Verlust liege. Das darf nie passieren! Wenn es irgendwie möglich ist, versuche ich, diese „fat tails“ einzufangen. Wenn in meinem Szeanrio der Euro-Dollar mittelfristig auf 0,50 EUR/USD geht, dann versuche ich natürlich, immer viele PutOptionen auf Euro-Dollar in meinem Buch zu haben, um Gamma-Long zu sein. Andererseits würde ich nie sagen, dass ich immer Vola-Long oder Vola-Short bin. In der aktuellen Situation bin ich eben der Meinung, dass zu viele „Black-Swan-Leute“ im Aktienmarkt unterwegs sind, deshalb meine ich tendenziell, dass die Volatilität aus dem Markt raus gehen wird, weil die Leute überhaupt kein Geld mehr haben, um ständig Optionsprämien zu finanzieren. Der Markt wird sich mittelfristig beruhigen und die Volatilitäten gehen runter (siehe Abbildung12.2). Aber im Regelfall bin ich in meinen extremen Wetten long in Out-of-the-money-Optionen. At-the-money-Optionen sind bei mir ganz normale MeanReversion-Punkte, an denen ich long oder short sein kann. Aber in Out-of-the-moneyOptionen bin ich entweder gar nicht positioniert oder ausschließlich long, niemals short.
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Christoph Metzger
Gamma Unter Gamma versteht man die zweite Ableitung des Optionspreises. Es beschreibt die Veränderungsrate des Deltas (der ersten Ableitung), welche die Beziehung zwischen dem Optionspreis und der Preisbewegung des zugrundeliegenden Basiswerts darstellt. Bei einer „at-the-money“-Option (der Preis des Basiswertes befindet sich in der Nähe des Basispreises) ist das Gamma hoch. Befindet sich eine Option „deep in-the-money“ oder „deep out-of-the-money“ (also weit im Geld oder weit aus dem Geld) ist das Gamma niedrig. Aus dem Besitz einer Option resultiert eine Gamma-Long-Position, wohingegen das Schreiben einer Position einer Gamma-Short-Position entspricht.
Quelle: Drobny, Steven (2006), S. 79 Abbildung 12.2
Die Volatilitätsentwicklung am Beispiel des VDAX (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
90
80
70
Prozent
60
50
40
30
20
10
0 Jan.08
Apr.08
Jul.08
Okt.08
Jan.09
Apr.09
VDAXIndex
Was liegt Ihnen mehr, der Kurzfristhandel oder die strategische Positionierung? Oder andersgefragt:SindSieeherHändleroderStratege?
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Sagen wir so: Es sind zwei vollkommen unterschiedliche Disziplinen. Aber der Kurzfristhandel hilft mir dabei, ständig über die strategische Positionierung nachzudenken. Wenn ich im Schatz-Future short und im Bund-Future long bin und merke, dass im Schatz riesige Käufer tätig sind, beginnt natürlich das Nachdenken: Warum kauft er so viele Schätze? Was treibt ihn dazu? Ist mein Szenario, dass mittelfristig die kurzfristigen Zinsen gigantisch steigen, noch richtig? Denn wenn ein Marktteilnehmer richtig große Positionen abarbeitet, ist er im Regelfall auch schlau, denn nur Schlaue haben es mit richtig großen Positionen zu tun. Das heißt, der Kurzfristhandel ist notwendig für die strategische Positionierung, weil es mir hilft zu reflektieren. Zum anderen ist er natürlich ein sehr guter Indikator, um festzustellen, ob man selber noch gut ist. Denn wenn ich pro Tag 100 Trades mache, habe ich natürlich 100 Ereignisse. Wenn ich dabei die ganze Zeit Verluste mache, dann bin ich nicht mehr gut. Wenn ich aber Profit mache, bin ich noch einigermaßen o.k. Das heißt: Kurzfristhandel ist auch ein sehr gutes Barometer für einen selbst. Vielleicht muss man mal wieder ein paar „PS“ nachlegen, oder man muss wieder mehr über sich nachdenken, oder ich bin eben ganz o.k. Die Frage, ob ich eher Händler oder Stratege bin, würde ich letztlich beantworten mit: „Ich fürchte, eher ein besserer Händler, obwohl ich lieber ein besserer Stratege wäre.“ Ich verbringe mehr Zeit des Tages mit Händler-Trades als mit strategischen Trades. Aber wenn ich nicht diese strategische Positionierung hätte, wäre es unmöglich, als Händler aktiv zu sein, weil mir das eine Art Korsett gibt. Das heißt, meine Grundphilosophie gibt mir im Tagesgeschäft eine gute Sicherheit. Es leitet einen. WaswarIhreschwierigsteMarktphase?
Die schwierigste Marktphase, die ich hatte, war der Anstieg des Aktienmarktes in 2006 und 2007. Robert Shiller und eine Vielzahl von Leuten haben die Immobilienkrise und ihre Folgen vorhergesehen. Am Ende gab es eigentlich niemanden, der dieses Problem nicht gesehen hat. Das Problem war, man hat es bei 5000 Punkten im DAX gesehen, und trotzdem ging der DAX auf 8000 (siehe Abbildung 12.3). Und in dieser Klarheit, dass es irgendwann so kommt, wie es kommen musste, war ich vielleicht ein wenig zu sehr bereit, große Wetten auf der Short-Seite zu platzieren und habe dabei vielleicht die Größe der Position nicht optimal angepasst. Bis heute ist mir nicht ganz klar, wer eigentlich die treibenden Kräfte waren, die den Markt auf 8000 Punkte hochgetrieben haben. Ich habe eigentlich nur Leute gekannt, die unterinvestiert waren, und ich habe in der ganzen Phase niemanden gekannt, der überinvestiert war, und trotzdem ist es passiert. Das war meine schwierigste Marktphase.
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Christoph Metzger
Abbildung 12.3
Aktienmarkthausse trotz drohender Immobilienkrise (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
9000
400
8000
350
7000 300
?
6000
5000 200 4000
Indexpunkte
Indexpunkte
250
150 3000
100 2000
50
1000
0
0
Feb.00
Feb.01
Feb.02
Feb.03
DAXIndex(linkeSkala)
Feb.04
Feb.05
Feb.06
Feb.07
Feb.08
Feb.09
S&P/CaseShillerHauspreisindex(rechteSkala)
GibteseinenLieblingstrade,andenSiesichbesondersgernerinnern?
Das war der Japan-Trade 2003. Man hatte die Chance, zum tiefsten Zinssatz der Weltgeschichte, zur flachsten Zinskurve, die es bei so tiefen Zinssätzen wohl je gab, und zum niedrigsten Volatilitäts-Niveau Out-of-the-money-Optionen in riesigen Mengen zu kaufen. Diese Optionen haben sich dann im Preis verhundertfacht. Es war eine Idealkonstellation, nicht weil der Trade so gut gelaufen ist und profitabel war, sondern weil er alle Kriterien erfüllte. Die Aktien waren im März 2003 weltweit am Tief gewesen, die Aktien begannen zu steigen, und man hatte das Gefühl, dass das Schlimmste hinter uns liegen könnte. Gleichzeitig waren die Zinsen in Japan bei null und die Zinskurve total flach. Die zehnjährigen Zinsen waren bei 0,5 Prozent und die kurzen bei null Prozent. Die Volatilität auf PutOptionen war so tief wie nie. Diese Konstellation war ein Riesengeschenk. ... mit anderen Worten, Sie kauften PutOptionen auf das lange Ende am japanischen Rentenmarkt?
Christoph Metzger
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Ganz genau! Es war am absoluten Hoch des JGB-Zins-Futures, der flachsten Zinskurve und dem tiefsten Vola-Niveau. Und es musste natürlich auch einen geben, der blöd genug war, diese Riesenmenge an Optionen zu verkaufen. Das passiert wie eine Sonnenfinsternis einmal in 100 Jahren. Es war natürlich etwas Besonderes, diesen Trade miterleben zu dürfen. (Siehe Abbildung12.4) Abbildung 12.4
Der japanische Rentenmarkt am Allzeithoch, 2002 bis 2004 (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
146 Short 144
142
Prozentpunkte
140
138
136
134
132 Close
Nov.04 Dez.04
Sep.04 Okt.04
Aug.04
Jun.04 Jul.04
Apr.04 Mai.04
Jan.04
Feb.04 Mrz.04
Nov.03 Dez.03
Sep.03 Okt.03
Aug.03
Jun.03 Jul.03
Apr.03 Mai.03
Jan.03
Feb.03 Mrz.03
Nov.02 Dez.02
Sep.02 Okt.02
Aug.02
Jun.02 Jul.02
Apr.02 Mai.02
Jan.02
Feb.02 Mrz.02
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JGBFutureKontrakt(10year,generic)
Viele Hedgefondsmanager sind mit ihrem privaten Geld im eigenen Fonds investiert. Und weil sie langfristig von steigenden Hauptanlagemärkten ausgehen, sind sie strategischeher„long“positioniert.HaltenSiediesengenerellenLongBiasfürfalsch?
Mit dem eigenen Geld in den eigenen Fonds zu investieren, ergibt deswegen Sinn, weil man natürlich die eigene Anlagestrategie am besten kennt und weil man am besten eingreifen kann, wenn es schlecht läuft. Wir legen das Geld in unserem Fonds immer in Treasuries an, also immer im sichersten Instrument. Wir haben nie einen Leverage. Es kann oder wird irgendwann mal sein, dass wir alles in Aktien anlegen, wenn wir das als die sicherste Asset-Klasse sehen werden. Im Augenblick haben wir alles in Treasuries. Und alle anderen Wetten werden nur derivativ darüber gelegt. Ich sehe das nicht so, dass man
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immer long sein muss, man kann auch strategisch short sein. Ich halte das Argument, dass die Märkte langfristig immer nach oben gehen, nicht für zwingend. Die Märkte können auch immer runtergehen, und deshalb setze ich eben auf meinen Fonds, weil er netto immer short ist. Darfichfragen,wieSieIhrprivatesGeldanlegen?
Mein privates Geld lege ich zum einen konsequent in Venture Capital an. Wenn Leute zu mir kommen und eine gute Idee haben, gebe ich ihnen Geld. Das ist bei mir etwas, das ich immer mache, weil ich positiv für Innovationen eingestellt bin. Einen anderen Teil meines Geldes lege ich immer in sehr spekulative und hochriskante Wetten an, also in super, super gehebelte Instrumente, und das sehr kurzfristig. Washeißtkurzfristig?
Ein bis zwei Tage. Ich setze ganz häufig einen großen Betrag für zwei Tage. Entweder verliere ich alles und mache minus 100 Prozent oder eben plus 300 Prozent. Den übrigen 5 Teil lege ich konservativ an. Im Augenblick sind für mich Aktien konservativ. Renten halte ich aktuell für nicht konservativ. Ich würde es so definieren: Ich versuche immer, die Asset-Klasse, die mir am wenigsten Verlustpotenzial bietet, zu identifizieren, und in die lege ich an. Zurzeit sehe ich Aktien als die niedrigste mittelfristige Verlustanlage, also habe ich eine hohe Aktienquote. AndereAnlegerwürdenAktiensicherlichalsAnlagemithohemRisikoeinstufen.
Diese Kategorien habe ich für mich nicht. Ich überlege mir stattdessen, wo ich am sichersten aufgehoben bin, wenn alles schiefläuft und die Banken alle umfallen. Das kann auch mal Gold sein, 1997 hatte ich alles in Gold, absolut alles! Aber das wechselt eben. Im Augenblick halte ich Gold für total toxisch, taktisch vielleicht nicht sofort. Vielleicht gibt es noch einmal einen letzten Rutsch nach oben (siehe Abbildung 12.5). Aber ansonsten hat Gold versagt. Jeder ist zuletzt in Gold reingerannt, und es ist trotzdem nicht gestiegen. Es scheint also große Kräfte zu geben, die verkaufen. Viele Investoren haben nun Gold als Asset-Klasse entdeckt und mit fünf bis zehn Prozent in den Portfolios gewichtet. Das wird desaströs!
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April 2009
Christoph Metzger
Abbildung 12.5
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Gold – am Ende eines Megatrends? (Quelle: Bloomberg, eigene Darstellung)
USD
800
100%inGold 400
200 1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
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Gold
Händler und Hedgefondsmanager werden häufig als Spekulanten bezeichnet, die das WeltfinanzsystemunddasWohlderVolkswirtschaftengefährden.Inwieweitistdieser Vorwurfethischundmoralischgerechtfertigt,undwieistIhreMeinungdazu?
Wenn man unter Strafe stehende Handelsmissbräuche, wie Cornering, Insiderhandel und Regelübertretungen mal herausnimmt, dann glaube ich persönlich daran, dass es für die Menschheit hilfreich ist, wenn am Kapitalmarkt über die verschiedenen Varianten der Bedürfnisbefriedigung diskutiert wird. Fahren wir in Zukunft mehr Auto, oder werden wir in Zukunft mehr Turnschuhe anziehen? Ich halte es für wichtig, dass jeden Tag sehr detaillierte Wetten, sprich Auseinandersetzungen mit großem Geld geführt werden, um die tatsächliche Wahrheit auszuhandeln. Die Hedgefondsmanager oder die Spekulanten sind aus meiner Sicht ein Teil dieses Systems, die richtige Waren- und DienstleistungsAllokation der Zukunft zu entwickeln. Wenn es keine Spekulanten gäbe, würde es eben die Möglichkeit eröffnen, dass irgendwelche Menschen in irgendwelchen Amtsstuben in der Lage wären, anderen Menschen ihre Bedürfnisse vorzuschreiben. Ich bin der Meinung, dass das ein Zeichen für Freiheit ist. Ich denke, der Hass oder die Abneigung gegen Spekulanten rührt vor allem daher, dass die Leute die Ergebnisse von Allokationsprozessen zum Teil aus ideologischen Gründen nicht mögen. Aber der Spekulant ist mehr der Verkünder
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Christoph Metzger
als der Produzent von schlechten Nachrichten. Das ist meine Meinung, aber ich spreche natürlich auch prodomo. Aber der Markt funktioniert nun mal nach festen Regeln, wo eben auch immer einer gewinnt und einer verliert. Das muss man auch sagen. Die ganzen Future-Märkte, über die immer so viel geklagt wird, sind ein Nullsummenspiel. Es gibt genauso viele Spekulanten, die gewinnen, wie Spekulanten, die verlieren. Insofern ist die Implikation des Wortes „Spekulant“ mit „Gewinn“ eben falsch. Spekulant bedeutet, dass ein Marktteilnehmer sich an einem Allokationsprozess beteiligt, und dabei kann er gewinnen oder verlieren. Es gibt niemanden, der immer gewinnt oder immer verliert.
Cornering Unter Cornering („corner the market“) versteht man das Hochtreiben der Kurse durch den Kauf einer großen Menge eines Wertpapiers mit dem Ziel, letztlich alle Anteile zu erwerben. Der Käufer ist dabei auch bereit, für die letzten Stücke einen vollkommen irrealen Preis zu bezahlen, damit die Verkäufer gezwungen werden, ihre Positionen zu veräußern. Die Verkäufer sollen dadurch in die Ecke (Corner) getrieben werden. Mit dem Gewinn kann potentiell ein Großteil der gesamten Investition finanziert werden. In Deutschland sind Corner illegal, gemäß § 20a Wertpapierhandelsgesetz WpHG: Verbot der Marktmanipulation. Welches Buch sollte jeder, der sich ernsthaft mit den globalen Finanzmärkten auseinandersetzenmöchte,gelesenhaben.
Jesse Livermore – „Das Spiel der Spiele“. Das ist das beste Buch. Es gibt viele gute Finanzbücher, aber das ist mit Abstand mein liebstes Buch. Warum?
Weil dort eigentlich alle Aspekte behandelt werden, das Cornering, das Verlassen auf Tipps von anderen; die Art und Weise, wie ein normaler Mensch eigentlich anlegt, wird durchexerziert und dargestellt. Das Schöne daran ist, dass das alles schon vor hundert Jahren passiert ist und man dadurch erkennt, dass sich seitdem gar nicht so viel geändert hat. Bei aller Finanzinnovation – auch damals wurde schon mit Futures und Optionen gehandelt – wird einem irgendwie klar, dass wir heute nicht so viel weiter sind als vor 100 Jahren. Und das hilft einem dabei, sich nicht all zu wichtig zu nehmen. Trotz Ihrer immensen Erfahrung meiden Sie im Gegensatz zu vielen aus den Medien bekanntenGuruseherdieÖffentlichkeit.Woranliegtdas?
Erstens mal ist für mich immer vieles am Markt eher unklar als klar. Also insofern bin ich gar kein guter Ansprechpartner, weil ich eigentlich häufig mehr Fragezeichen setze, als Antworten auf Fragen geben kann.
Christoph Metzger
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Das Zweite ist natürlich, dass Aussagen häufig isoliert wiedergegeben werden. Wenn ich sage, der Euro geht schwach gegen den US-Dollar, dann liest das womöglich jemand in der Zeitung, kauft einen Euro-Dollar-Put und verliert damit Geld. Und ich sage, man müsste diese Aussage detaillierter darstellen und in eine Portfoliostruktur einbetten. Und drittens habe ich das Gefühl, dass man sehr schnell einer Kategorie zugeordnet wird, zum Beispiel als Doom-Prophet oder als großer Quant. Um diesem in der Öffentlichkeit bestehenden Bild dann irgendwie gerecht zu werden, beginnt man womöglich, unbewusst sein Denken einzugrenzen. Und ich glaube, dass es nicht gesund ist, sein Denken einzugrenzen. Man muss jeden Tag seine These und Strategie hinterfragen. Und wenn man über mich sagen würde, dass ich derjenige bin, der immer auf diese großen „Zwei-mal-inhundert-Jahren-Events“ setzt, dann muss ich das als Paradigma in mein Denken einbauen, was ich schade fände. Außerdem glaube ich, dass es sich im Anonymen tendenziell besser lebt. Was macht Christoph Metzger, wenn er gerade mal nicht an den Finanzmärkten handelt?
Ich fühle mich immer etwas dem Humboldt'schen Bildungsideal verpflichtet und versuche, mich in alle möglichen Richtungen zu bilden. Nicht um schlau „rausschwätzen“ zu können, sondern um das Denken aus verschiedensten Bereichen zu verstehen. Mich interessiert, wie ein Mediziner denkt, mich interessiert wie ein Literaturkritiker denkt, und darum lese ich sehr viel, und zwar unterschiedlichste Genres. Ich treibe auch etwas Sport, Ausdauersport – oder sagen wir „ein bisschen Laufen“ –, und ich fahre ganz gern Ski. Aber meine Hauptbeschäftigung ist eigentlich das Lesen von Dingen, die mit dem Handel nichts zu tun haben.
Exkurs: Finanzmärkte und Poker (von David Meyer)
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Exkurs: Finanzmärkte und Poker – Lehren für- und voneinander (von David Meyer) In den voran gegangenen Kapiteln durften wir an der Gedankenwelt einiger äußerst erfolgreicher Vermögensverwalter teilhaben und einen Einblick in ihre tägliche Arbeit erhalten. Bemerkenswert war dabei in meinen Augen, welch große Rolle das Thema Psychologie gespielt hat. Immerhin vereint viele der Experten die Einsicht, dass sich nachhaltiger Erfolg an den Kapitalmärkten nur erzielen lässt, wenn man sich nicht immer der Masse anschließt und statt dessen deren kumulierten „Herdentrieb“ nutzt, um antizyklisch Erfolg zu erzielen. Eine eigenständige Disziplin der Kapitalmarktforschung, die „Behavioral Finance“ setzt sich akademisch mit solchen börsenpsychologischen Phänomenen auseinander. Allerdings lässt sich dieser Fokus durchaus über die Börse und ihre Teilnehmer hinaus erweitern. Denn die zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen gelten für viele zwischenmenschliche Situationen, vor allem wenn sie von unvollständiger Information geprägt sind. Interessant sind zum Beispiel Analogien zu verschiedenen Strategiespielen, bei denen der Faktor Glück zumindest auf kurze Frist relevant ist. Ich möchte dies anhand eines konkreten Beispiels, dem Kartenspiel „Poker“ analysieren und auf Basis der Gemeinsamkeiten zwischen Poker und Investieren aufzeigen, dass viele erfolgreiche Akteure in beiden Bereichen ähnliche Eigenschaften auf sich vereinen. Sollte man gar aus einem Kartenspiel Lehren für den Umgang mit den Finanzmärkten ziehen können? Und gilt dies auch im umgekehrten Sinn? Das werde ich im Folgenden beleuchten.
Poker im Detail Poker ist eines der beliebtesten Kartenspiele der Welt. Seine Wurzeln gehen mehr als ein Jahrtausend zurück und lassen sich zu diversen Spielen in unterschiedlichen Ländern zurück verfolgen. Unter anderem standen das chinesische „domino cards“ aus dem 10. Jahrhundert, das französische „Poque“ und das deutsche „Pochen“ aus dem 17. und 18. Jahrhundert für das Spielkonzept Modell. Erstmals berühmt und berüchtigt wurde Poker im „Wilden Westen“ der USA, als es sich ausgehend von französischen Kolonisten in New Orleans entlang des Mississippi auf den sogenannten „river boats“ verbreitete. Betrügereien und Kartenspielertricks waren damals noch an der Tagesordnung. Seitdem hat Poker seinen Siegeszug über die Vereinigten Staaten und die ganze Welt fortgesetzt. Dank verschiedenster Spielvarianten und nicht zuletzt breiterem Medieninteresse wurde ein immer größeres Publikum angezogen. Auch das Image von Poker hat sich deutlich verbessert, da Betrügereien in den Kasinos und auf den vielfrequentierten Online-Plattformen quasi ausgeschlossen sind. Und im Gegensatz zu den meisten Glücksspielen tritt man nicht gegen das „Haus“, sondern für eine Spielgebühr gegen andere Mitspieler an, wodurch langfristig Chancengleichheit besteht. Somit darf sich Poker mit Fug und Recht Strategiespiel nennen, was auch daran zu erkennen ist, dass es professionelle Poker-Spieler gibt, sich also langfristig ein positiver Erwartungswert bei gegebener Spielerqualität erwirtschaften lässt.
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Exkurs: Finanzmärkte und Poker (von David Meyer)
Die berühmteste und meistgespielte Pokervariation ist zweifelsohne „Texas Hold’em No Limit“, bei der jeder Spieler zwei Karten verdeckt ausgeteilt bekommt und anschließend erst 3 („Flop“), dann 1 weitere („Turn“) und zuletzt nochmal eine Karte („River“) offen für alle Spieler aufgedeckt werden. Vor und nach dem Flop sowie nach Turn und River erfolgen Bietrunden, wobei jeder Spieler schieben („check“), setzen („bet“), erhöhen („raise“) oder aufgeben („fold“) kann. Gewonnen hat der Spieler, welcher durch sein Bietverhalten alle anderen Spieler zum Aufgeben zwingt oder nach dem Ende aller Bietrunden das beste Blatt aus 5 Karten (beliebig zusammengesetzt aus seinen 2 verdeckten und den 5 offenen Karten) vorweist. Abbildung E.1
Rangfolge der Pokerblätter (bei gleicher Kategorie entscheidet die Kartenrangfolge von Ass bis 2) (Quelle: eigene Darstellung)
Die Kombination aus Einfachheit des Spielkonzeptes und Höhe der Gewinnsummen, die vor allem bei der Mutter aller Pokerturniere, der „World Series of Poker“ (WSOP) in Las Vegas jährlich ausgespielt werden, führte im neuen Jahrtausend zu einem nie dagewesenen weltweiten Interesse für das Spiel. Insbesondere der Sieg von Chris Moneymaker (sein echter Name!) bei der Hauptveranstaltung der WSOP im Jahre 2003, dotiert mit einer Siegesprämie von 2,5 Mio. $, begeisterte die Menschen. War er doch vor diesem Erfolg ein „einfacher“ Buchhalter, der als Hobby Online-Poker spielte und sich mit einem Einsatz von 39 $ online über mehrere Runden für das Live Turnier mit einem Einsatz von 10.000 $ qualifizierte und sich anschließend in Las Vegas gegen 838 vorwiegend professionelle Spieler durchsetzte. Die anschließende Botschaft der Medien, jeder könne mit winzigem Einsatz Poker-Millionär werden, führte zu einem Ansturm auf die etablierten Online-Portale und Kasinos, der bis heute anhält. Nicht wenige haben seitdem ihre bisherige Karriere aufgegeben, um ein neues Leben als Poker-Profi zu beginnen. Aber ein geflügeltes Wort unter Profis sei jedem eine Warnung: „Poker spielen kann jeder, nachhaltig erfolgreich Poker spielen die wenigsten!“
Exkurs: Finanzmärkte und Poker (von David Meyer)
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Wieso bietet sich Poker als Vergleichsmaßstab für die Geldanlage an? Zum einen verweise ich diesbezüglich auf die Aussage der Investment-Legende Peter Lynch, der einmal feststellte, dass von allen Spielen Poker die meisten Gemeinsamkeiten mit dem Investieren (von Aktien) aufweist. Auch gesellen sich an seine Seite eine Reihe anderer prominenter Geldverwalter, die eine gelegentliche Partie Poker zu schätzen wissen und über die Analogien zwischen dem Kartenspiel und ihrem Job philosophiert haben. Unter ihnen sind u.a. Bill Gross, Manager des PIMCO Total Return Funds (eines der größten Investmentfonds weltweit) und Bill Miller, dem es mit seinem Legg Mason Value Trust (Aktienfonds) gelang, 15 Jahre in Folge den S&P 500 zu schlagen. Zum anderen gleicht sich das Entscheidungsumfeld beim Investieren und beim Poker in vielerlei Hinsicht. In beiden Fällen müssen die Akteure in einem Umfeld unvollständiger Information Entscheidungen treffen, die für jeden Teilnehmer mit gewaltigem Gewinn- aber auch Verlustpotential verbunden sind. Auch tritt jeder einzelne Akteur beim Pokern wie beim Investieren gegen eine Vielzahl anderer Menschen an, welche die gleiche Ausgangssituation haben und von den gleichen psychologischen Einflussfaktoren gesteuert werden. Resultierend aus dem ähnlichen Entscheidungsumfeld gleichen sich auch wesentliche Anforderungen an erfolgreiche „Spieler“ in beiden Metiers. Allen voran sind Geduld und Disziplin zu nennen, aber auch Money Management, psychologisches und mathematisches Verständnis und die Fähigkeit in Szenarien zu denken. Kurz und knackig wurde dies einmal vom verstorbenen Pokerprofi „Puggy“ Pearson zusammengefasst, welcher von Fondsmanager Bill Miller zu einem der „Giganten der Investment-Welt“ ernannt wurde. Und das obwohl ersterer niemals irgendetwas mit Geldanlage zu tun hatte. Pearson prägte den Satz: „Ain’t only three things to gambling: knowing the 60-40 end of the proposition, money management and knowin‘ yourself.“ Dies bedeutet sinngemäß: Man muss erkennen welche Entscheidung mehr Chancen als Risiken birgt, muss nachhaltig mit seinem verfügbaren Kapital arbeiten und sich der psychologischen Fallstricke bewusst sein, denen der menschliche Geist unterliegt. Diese von einem Poker-Profi formulierte Aussage findet in Bezug auf erfolgreiches Investieren sicher ebenfalls breite Zustimmung. Es gibt also anscheinend mehr Gemeinsamkeiten zwischen Poker und Geldanlage, als im ersten Moment zu erwarten war. Lassen Sie uns auf die genannten vermeintlichen Analogien etwas genauer eingehen und den Aussagen tiefer „auf den Zahn fühlen“. Nehmen wir zum Beispiel die „60-40 rule“ von Puggy Pearson. Wie lässt sich diese beim Pokern und Investieren umsetzen? Poker wird mit einem Kartendeck von 52 Karten gespielt. Bei der beliebtesten Spielvariante, Texas Hold’em No Limit, werden nach dem Bezahlen der Mindesteinsätze von 2 Spielern in der Runde („Small Blind“ und „Big Blind“) jedem Spieler 2 Karten verdeckt ausgeteilt und danach eine Bietrunde absolviert. Darauf folgen 5 offene Gemeinschaftskarten in 3 Etappen, unterbrochen von weiteren Bietrunden (siehe auch Spieldetails Poker). Nehmen wir an, ein Spieler bekommt vom Dealer zwei hohe Karten einer Farbe ausgeteilt und entschließt sich vor dem Flop, diese Karten auch zu spielen. Zwei weitere Spieler vor ihm haben sich ebenfalls dazu entschieden, wobei der erste von beiden Spielern den Mindesteinsatz von 20 Euro auf 60 Euro erhöht hat („raise“) und der zweite wie auch unser Spieler mitgegangen („call“) sind. Auf dem Flop erscheinen zwei weitere Karten mit der Farbe der Karten unseres Spielers sowie eine ungefährliche dritte. Nun ist der erste Spieler an der Reihe, der vor dem Flop erhöht hat und bietet einen
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Exkurs: Finanzmärkte und Poker (von David Meyer)
Betrag von 70 Euro auf den bestehenden Pot von 210 Euro (3 mal 60 Euro plus 10 Euro Small und 20 Euro Big Blind). Der zweite Spieler muss mindestens die gebotenen 70 Euro bringen und tut dies auch. Was macht unser Spieler nun mit seinem „Flush Draw“, also einer fehlenden Karte zum Flush? Natürlich kann er sich Gedanken über das Image der beiden anderen Spieler und deren Bietverhalten machen oder „auf seinen Bauch hören“. Aber im Grundsatz handelt es sich hier um ein relativ einfaches statistisches Problem, das mit dem Berechnen von Erwartungswerten zusammenhängt. Beim Poker nennt man dieses Problem auch Abgleichen von „Odds & Outs“. Jedes Kartenspiel von 52 Karten enthält 13 Karten einer Farbe. Unserem Spieler sind insgesamt 5 Karten bekannt (seine 2 Karten und der Flop) und es gibt noch 47 andere Karten, welche in den Folgerunden ausgeteilt werden können. Die jeweils 2 Karten der Mitspieler werden nicht von den 47 Karten abgezogen, da sie dem Spieler unbekannt sind. 4 Karten in der eigenen Farbe sind bereits aus dem Spiel, verbleiben also 9 Karten, die seinen Flush komplettieren und ihn wahrscheinlich die Runde gewinnen lassen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit des Komplettierens bei der nächsten Karte liegt demnach bei 9/47, also bei knapp 20%. Durch die beiden Einzahlungen der anderen Spieler ist der Pot auf 350 Euro gewachsen und unser Spieler muss 70 Euro zahlen, um dabei zu bleiben. Dieser Einsatz bedeutet 20% des Pots, was ziemlich genau der Eintrittswahrscheinlichkeit seines Flushs entspricht. Demnach ist sein Erwartungswert nahe null, es ist also statistisch nahezu gleichwertig, ob er bezahlt oder seine Karten wegwirft. Berücksichtigt man aber, dass unser Spieler im Falle des Komplettierens seines Flushs noch weiteres Geld der anderen Spieler in den Pot ziehen kann, beim NichtKomplettieren hingegen mitschiebt („checkt“) oder bei erneutem Setzen der anderen Spieler wegwirft und somit kein weiteres Geld ausgibt, steigt sein Erwartungswert in den positiven Bereich. Seine Investition ist also lohnenswert und sein Dabeibleiben damit statistisch richtig. Erfolgreiche Pokerspieler durchlaufen diesen Entscheidungsprozess instinktiv und wissen zu jedem Zeitpunkt während einer gespielten Hand, ob ihnen eher das 60er oder das 40er Ende der Wette angeboten wird, sprich welche Entscheidung ihren Erwartungswert maximiert. Bei der Geldanlage ist die Umsetzung der „60-40 rule“ weniger berechenbar. In der Vielzahl aller Investitionsentscheidungen lässt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit aller möglichen Szenarien sowie der potentielle Gewinn bzw. Verlust nicht genau vorauskalkulieren. Eine prominente Ausnahme bilden Arbitrage-Geschäfte. Dabei handelt es sich um den Kauf eines Investitionsobjektes und gleichzeitigen Verkauf anderer Investitionsobjekte. Die Kombination letzterer soll das Auszahlungsprofil des gekauften Objektes möglichst genau widerspiegeln, ihr Verkauf aber mehr erlösen als für den Kauf des ersten Objektes benötigt wird. Analog kann so ein Geschäft auch spiegelverkehrt durchgeführt werden, wenn die Preisverhältnisse umgekehrt sind. Als Beispiel sei die sogenannte „convertible arbitrage“ Strategie genannt, welche auf Bewertungsdifferenzen zwischen Aktien und Wandelanleihen eines Unternehmens abzielt. Die Wandelanleihe der Firma, deren Aktienkomponente oft aufgrund von Illiquidität „zu billig“ ist, wird gekauft und im Gegenzug die Aktie verkauft. Über die Tauschoption der Wandelanleihe profitiert man vom steigenden Aktienkurs, bei fallenden Aktienkursen verliert die Wandelanleihe aber normalerweise weniger aufgrund ihrer Bondkomponente und der ansteigenden Volatilität. Da sich das Aktienmarktrisiko auf beiden Seiten des Arbitrage-Geschäfts ausgleicht, erreicht man Marktneut-
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ralität. Eine Vielzahl von Hedgefonds-Managern haben sich Arbitrage-Strategien verschrieben und machen so den Kapitalmarkt und dessen Preisfindungsfunktion effizienter. Grund für diesen Dienst an der Markteffizienz ist aber kein Altruismus, sondern die Zielstellung, mit den ungerechtfertigten Preisdifferenzen Geld zu verdienen. Die Manager suchen mittels mathematischen Modellen und viel Rechenpower in den Kurstickern der Weltbörsen im Endeffekt nach denselben 60-40 Konstellationen, die auch beim Pokern heiß begehrt sind. Für die meisten Investoren spielen Arbitrage-Geschäfte aber in ihren Anlageentscheidungen keine Rolle, vielmehr bewerten sie einzelne Investitionsobjekte auf Basis ihrer individuellen Attraktivität oder im Kontext anderer Anlagealternativen. Dabei lässt sich nicht genau berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Investment einen Gewinn erzielt und wie hoch dieser ausfallen wird. Dennoch ist es wichtig, aus den unendlichen an den Kapitalmärkten verfügbaren Anlageobjekten diejenigen Investments zu filtern, welche analog zum Pokern die erstrebenswerte 60-40 Konstellation zwischen Chance und Risiko bieten. Ein viel verwendetes Vorgehen zu diesem Zweck ist das Denken in Szenarien, welches analog der Ermittlung von Erwartungswerten, z.B. beim Poker abläuft. Ziel ist es dabei, auf Basis der verfügbaren Informationen abzuschätzen, welche verschiedenen Entwicklungen ein Investment von jetzt an nehmen kann und wie wahrscheinlich es ist, dass diese Entwicklungen eintreten. Beispielsweise kommt es bei einer Pharma-Aktie entscheidend auf die Produktpipeline des Unternehmens an. Wenn ein neu entwickeltes Medikament kurz vor der Serienreife steht, aber noch von den Gesundheitsbehörden genehmigt werden muss, stellt man 2 Szenarien für die Aktie auf. Im ersten Schritt ermittelt man das Umsatz- und Gewinnpotential für die Firma im Falle einer Genehmigung bzw. Ablehnung des Produktes. Mit den gängigen Diskontierungsverfahren lässt sich dann der „faire“ Wert der Aktie mit oder ohne Medikament abschätzen und somit auch der Unterschied in der Wertentwicklung beim Eintreten beider Szenarien vom aktuellen Kurs aus. Jetzt gilt es die Eintrittswahrscheinlichkeit der Genehmigung seitens der Behörden zu beurteilen. Hierbei handelt es sich nicht um exakt zu errechnende statistische Werte wie beim Poker. Vielmehr gilt es, subjektive Wertungen des Behördenvorgehens in der Prüfung des Medikamentes bis dato, der Ergebnisse und der Konsistenz der klinischen Studien und der Genehmigungsverfahren bei ähnlich gelagerten Fällen abzugeben. Wenn man nun die ermittelte Wahrscheinlichkeit der beiden Szenarien mit dem jeweils resultierenden Aktienkurs multipliziert und dann beide Werte addiert, erhält man einen Erwartungswert für den Aktienkurs. Liegt dieser über dem aktuellen Kurs, erscheint eine Investition sinnvoll et vice versa. Die Ermittlung von Chancen und Risiken eines Investments, verdichtet im Erwartungswert auf Basis von Szenarien, ist also ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Geldanlage wie auch beim Pokern. Allerdings ist die Anzahl der Inputfaktoren für diese Analyse an den Finanzmärkten deutlich umfangreicher und deren Beurteilung subjektiver geprägt. Die zweite entscheidende Qualität, die laut Herrn Pearson einen guten Pokerspieler und laut Herrn Miller auch einen guten Investor ausmacht, ist Money Management. Was bedeutet das konkret? Vor allem muss man sich beim Pokern und an den Finanzmärkten jederzeit bewusst sein, dass man in einem Umfeld unvollständiger Information agiert. Deshalb kann man sich nie 100%ig sicher sein, dass man eine Hand gewinnt oder ein Investment mit Gewinn abschließt. Im Poker ist vor dem Flop die Wahrscheinlichkeit, dass man mit dem besten Pokerblatt (einem Pärchen Asse) gegen das schlechteste Pokerblatt (7
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Exkurs: Finanzmärkte und Poker (von David Meyer)
und 2 in unterschiedlicher Farbe) gewinnt, nicht etwa 100% sondern nur 88%. In einem von neun Fällen verliert man also die Hand trotz der überlegenen Karten. Und die Siegesquote schmilzt trotz einem Ass Pärchen auf der Hand noch weiter, wenn man sich mehreren Gegnern gegenüber sieht. An den Börsen ist das Finden eines „sicheren Gewinners“ noch aussichtsloser, da viel mehr Faktoren Einfluss auf die Kurse nehmen und die wenigsten davon mit hoher Prognosegüte vorhersagbar sind. Und wer dennoch ein subjektives oder gar objektives Mispricing an den Börsen entdeckt hat und auf dessen Ausgleich spekuliert, dem seien die Worte von John Maynard Keynes eine Warnung: „Die Märkte können länger irrational bleiben, als du solvent.“ Was ist also die Lösung des Problems? Allen voran sei hier das Prinzip der Diversifikation genannt, oder umgangssprachlich formuliert „nicht alles auf eine Karte setzen“. Beim Poker und bei der Geldanlage geht es darum, langfristig erfolgreich zu sein. Jedes einzelne Investment und jede gespielte Hand haben eine Vielzahl von Entwicklungsmöglichkeiten. Aber mit einer erfolgreichen Strategie und vor allem Geduld und Disziplin in deren Umsetzung kann man über längere Frist einen Zugewinn erwirtschaften. Voraussetzung dafür ist aber, dass man für diese längere Frist auch solvent bleibt, um auftretende Chancen nutzen zu können. Dieser Zielstellung dient Money Management. Dabei geht es im engeren Sinne um die Bestimmung der Größe von Einsätzen im Vergleich zum verfügbaren Kapital zur Steuerung des Risikos. Beim Poker verwirklicht man dies, indem man im ersten Schritt nicht an Spieltischen und Turnieren teilnimmt, deren Mindesteinsätze das eigene Budget übersteigen, sondern möglichst nur einen einstelligen Prozentsatz des Gesamtkapitals ausmachen. Denn man mag noch so ein guter Spieler sein, es gibt immer wieder Tage, an denen einem das Glück nicht hold ist und man auch mit den besten Blättern verliert. Wenn dadurch zu viel des eigenen Kapitals verloren geht, vernichtet man das Ergebnis von vielen disziplinierten Spielrunden mit einem Schlag. Gegebenenfalls muss man anschließend notgedrungen auf noch niedrigere Einsatzniveaus zurückkehren, um nicht bei einer Fortsetzung der „Pechsträhne“ sein gesamtes Kapital aufzubrauchen. Im zweiten Schritt muss man die Größe seiner Setzbeträge dem eigenen Chipstapel als auch dem Chipstapel der Gegner anpassen, um nicht in marginalen Händen zu viel Geld zu verlieren und dann bei den wenigen großen Händen nicht mehr genug Kapital verfügbar zu haben. Konkret heißt das, man sollte den Pot bei mäßigen Händen mit Entwicklungspotential möglichst klein halten, während man bei starken Händen tendenziell stärker bieten sollte. Dies dient zum einen dazu, die gute Hand auch gut bezahlt zu bekommen und zum anderen dazu, Mitspielern mit mäßigen Händen keine billige Möglichkeit zu bieten, noch eine bessere Hand als die eigene zu bekommen. Money Management im Poker beruht also auf zwei wesentlichen Grundsätzen: nicht zu viel Geld auf ein einzelnes Spiel oder gar eine einzige Hand zu setzen, um auch danach noch auf dem gleichen Einsatz-Niveau teilnehmen zu können und die Bieteinsätze analog der relativen Stärke der eigenen Hand zu steuern. Vergleichbare Grundsätze lassen sich auch an den Finanzmärkten anwenden. Harry Markowitz, der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften und einer der Begründer der modernen Portfoliotheorie, beschrieb in seinem Werk „Portfolio Selection“ den Nutzen von Diversifikation bei der Kapitalanlage. Der Nutzen der Streuung des Kapitals auf mehrere Wertpapiere geht dabei deutlich über das Argument hinaus, dass man nicht alles auf eine Karte setzt. Vielmehr zeigte er auf, dass unterschiedliche Wertpapiere von unter-
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schiedlichen Faktoren beeinflusst werden und sich daher nicht in jedem Marktumfeld gleich verhalten. Daher senkt die Aufnahme zusätzlicher Wertpapiere in einem Portfolio dessen Gesamtrisiko gemessen an der Schwankungsbreite oder Volatilität umso mehr, je weniger Gleichlauf die Wertpapiere untereinander haben. Es ist also für die Geldanlage wesentlich, sein Kapital auf verschiedene Wertpapiere zu verteilen, möglichst mit jeweils unterschiedlichen Werttreibern. Darüber hinaus spielt beim Investieren das sogenannte „position sizing“, also die Skalierung der Einzelpositionsgröße in Relation zum Gesamtkapital eine entscheidende Rolle. Hier gibt es unter Anlageexperten unterschiedliche Auffassungen, welche im Wesentlichen zwei Lagern zuzuordnen sind. Auf der einen Seite sind diejenigen, die für eine möglichst hohe Anzahl von Wertpapieren mit vergleichbaren Investitionssummen plädieren, um den Diversifikationseffekt zu maximieren und die Auswirkung einer einzelnen Fehlentscheidung auf das Gesamtportfolio zu begrenzen. Auf der anderen Seite gibt es Anleger wie die Investmentlegende Warren Buffett, der für konzentrierte Portfolios, also große Positionsgrößen eintritt. Sein Erklärungsansatz ähnelt dabei dem Grundsatz beim Pokern, umso mehr zu setzen, je sicherer man sich seiner Gewinnchancen ist. Denn Buffett investiert nur in Unternehmen, die er sehr genau prüft, deren Geschäftsmodelle er bis ins Detail versteht und deren Bewertung an der Börse einen signifikanten Abschlag zum „fairen Wert“ des Unternehmens bietet. Aufgrund dieser Faktoren ist seine Konfidenz bezüglich seiner Investments, auch aufgrund seines langen Anlagehorizonts, sehr hoch und dementsprechend auch seine Positionsgrößen. Mit der Konfidenz als Stellgröße lassen sich beide Lager bezüglich der sinnvollen Positionsgröße überein bringen. Für einen „durchschnittlichen“ Investor, der nur über einen begrenzten Zugang zu Informationsquellen und knappe zeitliche Ressourcen für die Geldanlage verfügt, sollte Diversifikation Trumpf sein. Denn seine Konfidenz kann objektiv betrachtet nur begrenzt hoch sein, da er weniger Einflußfaktoren in seiner Analyse berücksichtigt. Alternativ kann er Outsourcing betreiben, indem er von der Konfidenz professioneller Anleger mittels Fonds oder Vermögensverwaltungsmandaten profitiert. Letztere haben in der Regel deutlich größere zeitliche Kapazitäten und eine bessere Infrastruktur für ihre Investitionsentscheidungen zur Verfügung. Deshalb sollten ihre Entscheidungen auch mehr Einflußfaktoren reflektieren und somit auch mit mehr Konfidenz versehen sein. Dies rechtfertigt dann auch höhere Positionsgrößen gemessen am Gesamtkapital. Man kann also festhalten, dass ein nachhaltiger Umgang mit dem eigenen Kapital, oder neudeutsch „Money Management“, für den Geldanleger ebenso essentiell ist wie für den Pokerspieler. Das Hauptaugenmerk sollte darauf liegen, nicht alles Kapital auf eine Hand bzw. Investition zu setzen, jedoch in vorteilhafteren Situationen mehr zu investieren als in jenen mit weniger Konfidenz. Wenn wir „Puggy“ Pearsons Leitspruch weiter folgen, sollte ein Spieler ebenso wie ein Investor neben der 60-40 Regel und Money Management auch sich selbst kennen. Dies führt uns in das Feld der Psychologie. Da Anleger als auch Pokerspieler Menschen sind und demnach typische Verhaltensmuster aufweisen, die ihre Entscheidungen beeinflussen, ist es wichtig sich mit der menschlichen Psyche auseinander zu setzen. Denn schon André Kostolany stellte fest: „Die Börse reagiert gerade mal zu zehn Prozent auf Fakten. Alles andere ist Psychologie“. Mit dem Thema Kapitalmarktpsychologie beschäftigt sich ein eigenständiger Zweig der Wirtschaftswissenschaften, die sogenannte „Behavioral
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Exkurs: Finanzmärkte und Poker (von David Meyer)
Finance“. Wesentliche Abgrenzung der Behavioral Finance zur modernen Kapitalmarkttheorie ist, dass man nicht vom rational entscheidenden HomoOeconomicus und effizienten Märkten ausgeht. Stattdessen betrachtet man die Kapitalmärkte als die Summe ihrer menschlichen Teilnehmer, mit all ihren charakteristischen Verhaltensmustern und emotionalen Prägungen. Einen wesentlichen Einfluss auf unsere Entscheidungen hat zum Beispiel die menschliche Nutzenbewertung. Daniel Kahneman und Amos Tversky beschrieben 1979 in ihrer „Prospect Theory“, dass Entscheider entgegen einem rationalen Verhalten Gewinne und Verluste gleicher Höhe unterschiedlich bewerten. Wir tendieren dazu, Entscheidungen relativ zu einem Referenzpunkt, z.B. dem Kaufkurs einer Aktie, zu betrachten. Sind Gewinne aufgelaufen, werden wir risikoavers, begrenzen also unsere Gewinne durch Verkäufe, denn „am Gewinne mitnehmen ist noch niemand gestorben“. Sind eigene Investments hingegen im Verlust, werden Anleger risikofreudig, weil sie wieder aufholen wollen. Sie halten verlustreiche Investments deshalb zu lange und vergrößern so ihre Einbußen oder verzichten auf aussichtsreichere Anlagen. Dieses Verhaltensmuster nennt man Dispositionseffekt. Das Befolgen der simplen Börsenweisheit: „Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen“ wirkt dem entgegen. Die nötige Disziplin zum Befolgen des Leitsatzes verlangt in der Praxis aber enorme mentale Kraft ab, wirkt sie doch dem Dispositionseffekt diametral entgegen. Abbildung E.2
Die Prospect Theory und der Dispositionseffekt (Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Valuefun.jpg)
Neben dem oben beschriebenen Mechanismus gibt es viele weitere Phänomene bei der menschlichen Entscheidungsfindung, die sich auf Anlageentscheidungen auswirken, beispielsweise Heuristiken und „Overconfidence“. Bei Heuristiken handelt es sich um „Abkürzungen“ bei der Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn. Diese dienen dazu, in komplexen Situationen wesentliche Dinge schnell zu verarbeiten, was in der Evolution des Menschen lebensnotwendig war. Bei Geldanlageentscheidungen führen Heurist-
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iken aber mitunter dazu, dass aufgrund der subjektiven Einordnung der Informationen in den eigenen Erfahrungsschatz falsche Schlüsse aus ihnen gezogen. Beispielsweise wird die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses signifikant überschätzt, wenn ein solches Ereignis kürzlich eingetreten ist oder prominent in den Medien dargestellt wurde (Verfügbarkeitsheuristik). Jeder Anleger kann sich z.B. noch an seine erfolgreichsten Trades erinnern. Auch die Berichterstattung über die Börse ist voll von erstaunlichen Anlageerfolgen. Die Vielzahl von missglückten Investitionen wird jedoch selten thematisiert. Das führt getreu dem Motto „zweistellige Renditen sind doch nichts Besonderes“ zu unrealistischen Erwartungen bezogen auf das eigene Anlageergebnis mit dem resultierenden Enttäuschungspotential. Auch besteht die Gefahr, das mit der Kapitalanlage verbundene Risiko aufgrund der optimistischen Erwartungshaltung zu unterschätzen. Ein probates Mittel im Umgang mit diesem Problem ist zum einen Ehrlichkeit und eine kritische Einstellung sich selbst und Anlageergebnissen anderer gegenüber und zum anderen der Blick in das Geschichtsbuch der Finanzmärkte. Wenn man die eigenen und die Ergebnisse anderer als Ganzes und nicht nur einzelne Erfolgstrades losgelöst betrachtet, erhält man ein deutlich realistischeres Bild von den Verdienstmöglichkeiten am Kapitalmarkt. Gleiches gilt, wenn man den Langfristverlauf repräsentativer Indizes für investierbare Assetklassen nachvollzieht. Man stellt fest, dass zweistellige Renditen über längere Zeiträume die Ausnahme und nicht die Regel sind und vor allem, dass man zur Erzielung höherer Renditen immer höhere Risiken in Kauf nehmen muss („There’s no free lunch!“). Ähnliche Probleme wie Heuristiken verursacht das Phänomen der „Overconfidence“, also des übersteigerten Selbstbewusstseins. Menschen tendieren dazu, sich bezüglich der Richtigkeit ihrer Erkenntnisse zu sicher zu sein, obwohl ihnen der nötige Einblick in den Sachverhalt und der Einfluss auf den Erfolg ihrer Entscheidung fehlen. Es wurde nachgewiesen, das Overconfidence bei Anlegern zu verstärkter Transaktionshäufigkeit führt. Aufgrund der verbundenen Kosten und des Timing-Risikos resultieren oft unterdurchschnittliche Ergebnisse bei der Geldanlage. Ursächlich für Overconfidence könnte neben dem „Blick in den Rückspiegel“ beim Einordnen von Informationen (historische Zusammenhänge stehen fest, zukünftige aber noch nicht!) der menschliche Wunsch sein, das eigene Umfeld zu verstehen und zu steuern, um sich wohl zu fühlen. Wir wollen Recht haben, auch wenn unser Einfluss auf den Erfolg einer Entscheidung gering ist („Kontrollillusion“). An den Kapitalmärkten existiert ein solches Umfeld mit geringem Einfluss auf das weitere Geschehen. In dieser Situation versuchen Anleger ihre Kontrollillusion aufrecht zu erhalten, indem sie selektiv vorwiegend Informationen aufnehmen, die mit ihrer Meinung bzw. Positionierung übereinstimmen. Auch halten sie zu lange an getroffenen Fehlentscheidungen fest, um sich keine Fehler eingestehen zu müssen, während sie Gewinner zu früh abschneiden, um „echten“ Erfolg vorweisen zu können. Zum Schutz vor diesem Verhalten ist die bereits erwähnte Maxime „Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen“ nützlich. In der Praxis bieten sich zu diesem Zweck sogenannte Stop Loss-Orders an, Verkaufsorders die automatisch ausgeführt werden, wenn sich das betreffende Wertpapier unter eine vorher definierte Kursschwelle bewegt. Bei der Informationsverarbeitung kann man Overconfidence und Kontrollillusion vorbeugen, indem man möglichst viele Informationen in die eigenen Entscheidungen einbezieht und gezielt nach Gründen sucht, die der
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eigenen Meinung und Positionierung entgegen sprechen. Ein gewisses Maß an Bescheidenheit bei der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten ist ebenfalls empfehlenswert. Einem Pokerspieler mögen die Fachbegriffe der Behavioral Finance nicht geläufig sein, die beschriebenen Verhaltensmuster sind ihm aber nur zu gut bekannt. Denn beim Poker findet man sich in einem ähnlich unvollständig informierten Entscheidungsumfeld wieder, wenn auch die Anzahl der Variablen überschaubarer ist. Und aufgrund der menschlichen Natur der Spieler existieren die gleichen Probleme bei der Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung am Pokertisch. Viele Pokerspieler kennen das Phänomen, dass sie schneller bereit sind, eine erfolgreiche Pokerrunde zu beenden als eine verlustreiche. Immerhin will man ja seinen Gewinn nicht wieder hergeben, fühlt sich im Gegenzug aber genötigt, aufgelaufene Verluste wieder aufholen zu müssen. Hier kommt der bereits beschriebene Dispositionseffekt zum Tragen. Money Management als Schutzmechanismus ist deshalb sehr wichtig. Es bietet sich wie an den Börsen eine Art Stop LossSystem an, um die Gewinne laufen zu lassen, die Verluste aber zu begrenzen. Man sollte, bevor man am Pokertisch Platz nimmt, festgelegt haben, wie viel man maximal verlieren will und kann bei auflaufenden Gewinnen diesen Maximalverlust einfach „mitziehen“, also den Verlust immer vom maximal erreichten Chipstapel rechnen. Damit gewährleistet man, dass man bei einer „Erfolgssträhne“ nicht zu früh aufhört, aber nach einigen ungünstigen Händen nicht wieder alle Gewinne hergibt. Am wichtigsten ist bei diesem Vorgehen aber wie an der Börse nicht das Aufstellen der Regel, sondern deren diszipliniertes Befolgen! Auch die Verfügbarkeitsheuristik ereilt den Pokerspieler. Viele Spieler können sich sehr genau an das letzte Mal erinnern, als sie ihre zwei gleichfarbigen Karten mit den Gemeinschaftskarten zu einem Flush komplettieren konnten und einen großen Pot damit gewannen. Dabei ignorieren sie aber die vielen Male, als sie mit gleichfarbigen Karten keinen Flush bekamen und lediglich andere Spieler mit ihren Chips gefüttert haben. Sie überschätzen einfach die statistische Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses aufgrund der präsenten Erfolgserinnerung. Nüchtern betrachtet liegt die Chance für einen Flush auf dem Flop mit zwei gleichfarbigen Karten bei unter 1%. Und selbst die Chance für einen Flush Draw auf dem Flop, dessen Komplettierung auf Turn und River nur in knapp einem von drei Fällen eintritt und weiteren Geldeinsatz verlangt, da die Gegner selten Gratiskarten zulassen, liegt bei mageren 11%. Das Studieren der Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Pokerereignisse sei deshalb jedem Spieler empfohlen. Overconfidence ist ebenfalls unter Pokerspielern zu beobachten. Sie ist die Lebensgrundlage vieler professioneller Spieler, die aus der Selbstüberschätzung ihrer Gegner den eigenen Unterhalt bestreiten. Vor allem auf Online-Portalen, wo Verlieren aufgrund der Anonymität weniger peinlich ist, werden unerfahrenen Spielern immer wieder teure Lektionen erteilt. Diese Spieler haben nicht selten auf niedrigen Einsatzniveaus oder gar an Spielgeldtischen einigen Erfolg verbucht und setzen sich mit ihrem gestärkten Selbstbewusstsein an Tische mit höheren Einsätzen. Dort erwarten sie aber deutlich stärkere und besser kapitalisierte Gegner, was oft dazu führt, dass die vorher mühselig erarbeiteten Gewinne in einer zu teuren Runde aufgebraucht werden. Auch hier helfen nur Bescheidenheit und diszipliniertes Money Management.
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Auf den vorangegangenen Seiten habe ich anhand verschiedenster praktischer Beispiele demonstriert, wie viele Gemeinsamkeiten zwischen Poker und Kapitalanlage bestehen und dass erfolgreiche Akteure in beiden Metiers ähnliche Qualifikationen vorweisen sollten. Allen voran seien noch einmal Geduld und Disziplin hervorzuheben. Denn wie ein Pokerspieler einmal resümierte: „Beim Pokern ist es wie an der Börse. Jeden Tag geht es auf und ab. Aber unser Ziel muss es sein, auf lange Frist erfolgreich zu sein!“. Man sollte zudem noch ein gesundes Maß an Bescheidenheit und Eigenreflektion mitbringen und akzeptieren, dass man weder an der Börse noch am Pokertisch immer Recht behalten kann und sein finanzielles Risiko entsprechend steuern. Dann stehen die Chancen gut, dass man auf lange Frist beim Pokern und Investieren zu den erfolgreicheren Teilnehmern gehört. Weiterführende Ratschläge zum erfolgreichen Agieren an den Finanzmärkten und darüber hinaus bietet das vorliegende Buch mit seinen Experten-Interviews in reichhaltiger Fülle.
Schlusswort
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Schlusswort „I’mmoreconcernedaboutthereturn‘of’mymoneythanthereturn‘on’mymoney.”1
WillRogers,USamerikanischerEntertainer(18791935)
Kennen Sie den italienisch-australischen Thriller „The Bank“? Er handelt von einem Computergenie, dem es angeblich gelungen ist, den Verlauf der Börse vorherzusagen. Er schafft es tatsächlich, sein Programm an einen skrupellosen und gierigen Investor zu veräußern, bis dieser am Ende des Films leidvoll erfahren muss, dass er hinters Licht geführt wurde. Eine Botschaft des Films erschließt sich relativ leicht: Es gibt nicht „die eine“ allgemeingültige Geheimformel, mit der sich die Finanzmärkte ausrechnen lassen. (Bitte verzeihen Sie die Vorwegnahme des Filmausgangs!) Jede der in diesem Buch vorgestellten Persönlichkeiten steht für ihre eigene individuelle Methode im Umgang mit den Finanzmärkten. Ihre Herangehensweise hat sich im Laufe der Jahre aus unterschiedlichen Markterfahrungen, gesammeltem Wissen und charakterlichen Wesenszügen entwickelt. Es scheint also letzten Endes nicht am Managementansatz an sich zu liegen, ob jemand ein erfolgreicher Vermögensverwalter ist oder nicht, sondern vielmehr an der Person selbst mit all ihren Fähigkeiten und Eigenschaften. Dennoch lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen, von denen mir einige besonders erwähnenswert scheinen: Eine wesentliche Voraussetzung um an den Finanzmärkten langfristig bestehen zu können, ist die Bildung einer eigenen Meinung. Sie ist Grundlage dafür, dass überhaupt ein Lernprozess in Gang gesetzt wird, aus dem sich letztlich der eigene Anlagestil entwickeln kann. Darüber hinaus schützt sie zumindest ein Stück weit vor massenpsychologischen Irrtümern, was, wie wir gehört haben, einen wesentlichen Erfolgsfaktor darstellt. Zwar pflegen auch die hier interviewten Experten den Austausch mit anderen Marktteilnehmern und stehen auch neuen Argumenten offen gegenüber, allerdings übernehmen sie andere Meinungen nicht unverarbeitet, sondern fügen sie als Mosaikstein in ihr eigenes Meinungsbild ein. Was die erforderlichen Fähigkeiten angeht, legt man neben einem Mindestmaß an wirtschaftlichem und quantitativem Wissen hohen Wert auf Grundkenntnisse in Geschichte, Psychologie und Soziologie. Dagegen werden viele wissenschaftlich anerkannte Theorien, welche angeblich die Mechanismen der Finanzmärkte erklären, ernsthaft in Frage gestellt, weil sie sich in der Realität schlichtweg nicht belegen oder umsetzen lassen. Insofern scheint es durchaus angebracht, gewissen Lehrmeinungen und -inhalten mit einem gesunden Maß an Skepsis gegenüberzutreten. Vor allem wenn sie den Anspruch erheben als unumstößliche Wahrheiten zu gelten und „den“ vermeintlichen Wissensstandard definie-
1
„Ich mache mir mehr Sorgen über mein Geld selbst als über die Rendite meines Geldes.“
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Schlusswort
ren wollen. Doch neben dem reinen Fachwissen schätzt man vor allen Dingen bestimmte persönliche Wesenszüge. Tugenden wie Disziplin, Bescheidenheit, Demut, Ausdauer, Geduld, Charakterstärke und Flexibilität gelten als Eigenschaften, die nicht nur in anderen Lebensbereichen wünschenswert oder gar unabdingbar sind, sondern vor allem auch an den Finanzmärkten. Aber wie zahlreiche Geschehnisse an den Finanzmärkten belegen, mangelt es an diesen Tugenden dort womöglich mit am meisten. Gemeinsamkeiten lassen sich vor allem auch im Umgang mit Risiken und Verlusten feststellen. Alle Vermögensverwalter legen einen sehr hohen Stellenwert auf Risikomanagement, auch wenn die Beurteilung und Verwendung der eingesetzten Verlustbegrenzungsmechanismen höchst unterschiedlich ist. Finanzielles Überleben kommt zuerst, Rendite maximieren steht an zweiter Stelle. Das klingt zwar trivial, ist aber wahrscheinlich eine der wichtigsten Grundregeln überhaupt. Wichtig scheint mir auch die viel gehörte Aussage, dass Geld nicht das alles entscheidende Argument darstellt, warum sich die Geldverwalter für dieses Metier entschieden haben. Es ist ein wichtiges Motiv, aber nicht das ausschlaggebende. Stattdessen sind das Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen, die Affinität für Zahlen, der Wunsch nach einem breit gefächerten Aufgabengebiet oder der sportliche Ehrgeiz die eigentlichen persönlichen Antriebskräfte. Diese Feststellung gewinnt an Glaubwürdigkeit, wenn man bedenkt, dass sich viele bereits als Jugendliche mit der Materie auseinandersetzten und ihre ersten prägenden Erfahrungen sammelten. Auch das wiederum dürfte ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein. Was die konkrete Entwicklung der Finanzmärkte angeht, gehen meine Gesprächspartner überwiegend davon aus, dass die Jahre nach 2009 weitere gravierende (finanz-) wirtschaftliche Veränderungen mit sich bringen werden, auf die es sich einzustellen gilt. Wie diese im konkreten Fall aussehen könnten, darüber herrscht naturgemäß Uneinigkeit. Über eine Tatsache ist man sich jedoch weitestgehend im Klaren: Die Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 ist nicht gelöst, sondern die Probleme wurden mit der gleichen Medizin betäubt, welche die Krise einst verursachte. Insofern sind die strukturellen Probleme wie Überschuldung in vielen Volkswirtschaften und weltweite Überkapazitäten wieder mal in die Zukunft verschoben. Mit der Nullzinspolitik der Zentralbanken sehen einige Verwalter die Grenzen der traditionellen Geldpolitik erreicht. Es herrscht überwiegend Einigkeit, dass einer ewigen Fortsetzung der „Bubble Economy“, finanziert durch Geld, das quasi nichts kostet, Einhalt geboten werden muss, vor allem wenn die Kapitalnehmer und Entscheidungsträger hinsichtlich der Mittelverwendung am Ende nicht selbst für ihre eigenen Entscheidungen haften (müssen). Ob Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft ein 2 Interesse daran haben, diese Moral Hazard-Problematik zeitnah anzugehen, darf zumindest angezweifelt werden.
2
Moral Hazard wird häufig als moralisches Wagnis übersetzt. Der Begriff beschreibt das Problem einer unmoralischen oder unachtsamen Verhaltensänderung, weil eine Versicherung gegen das eingegangene Risiko durch eine höhere oder kollektive Instanz (z.B. Staat, Zentralbank, Versicherung) besteht.
Schlusswort
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Dem Anleger und Geldverwalter bleibt immerhin die Möglichkeit, sich auf gewisse Marktentwicklungen einzustellen. Nahezu alle Gesprächspartner präferieren für die nächsten Jahre einen sehr aktiven und flexiblen Managementstil. Das passive „Durchhalten“ (Buy and Hold) eines diversifizierten Portfolios hält man für unzureichend. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen man in Staatsanleihen das Allheilmittel gesehen hat. Die Verwalter halten sie mehrheitlich für unattraktiv oder im schlimmsten Falle für ausfallgefährdet. Vor diesem Hintergrund wird vereinzelt auch die Stabilität von Währungen in Frage gestellt. Die Mehrzahl der Verwalter sieht daher Gold als mögliches Basisinvestment. Andere sprechen sich dagegen eindeutig für den US-Dollar aus oder befürworten ein höheres Maß an Wettbewerb zwischen den Währungen – eine Forderung die Europapolitiker und Zentralbankiers sicherlich nicht gerne hören. „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen,“ bemerkte einst Niels Bohr. Doch Prognosen standen in diesem Buch auch nicht im Vordergrund. Die Frage, wie jemand zu seiner Anlageentscheidung gelangt, ist letztlich viel spannender und wichtiger als das bloße Ergebnis der Entscheidung. Ich hoffe, dass Ihnen die Interviews mit den hier versammelten Vermögensverwaltern, Fonds- und Hedgefonds-Managern dabei geholfen haben, Verständnis für deren Gedankenwelt zu entwickeln und wünsche Ihnen, dass Sie einige wertvolle und lehrreiche Informationen für Ihr eigenes Denken und Handeln an den Finanzmärkten gewinnen konnten.
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Über den Autor
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Über den Autor
THOMAS GERNER studierte Betriebswirtschaftslehre an der Dualen Hochschule BadenWürttemberg und spezialisierte sich dabei auf das Bankwesen. Bereits während des Studiums war er für die Baden-Württembergische Bank AG (seit 2005 Teil der Landesbank Baden-Württemberg) tätig. Bei dem Stuttgarter Unternehmen stieg er nach dem Abschluss zum Diplom-Betriebswirt (BA) im Jahre 2002 direkt als Vermögensmanager ein. 2004 wechselte er ins Portfoliomanagement der Feri Family Trust GmbH nach Bad Homburg, einem führenden unabhängigen Beratungsunternehmen für große Familien- und Stiftungsvermögen. Seitdem betreut der Vermögensverwalter und stellvertretende Direktor mehrere Kundenportfolios, Dach- und Spezialfonds. Er verfolgt dabei eine flexible MultiAsset-Strategie, in deren Rahmen neben Aktien, Renten und Währungen auch liquide alternative Anlagekategorien wie Rohstoffe und Hedgefonds eingesetzt werden.
Stichwortverzeichnis
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Stichwortverzeichnis Abkopplungstheorie 115 Absolute Return 21 f., 49, 224, 277, 139 Aktiv 22 f., 54, 351 Alpha 22, 64 Analyse, technische 25, 78 f., 168, 269, 280 Analyst 70 f., 191, 207 f., 222, 251 Anlagehorizont 101, 153 f., 179, 223, 258 f., 297 Anlageinstrument 77, 99, 152, 225 f., 258, 296, 317 Anlagephilosophie 41 f., 97, 152, 175, 204 f., 211 f., 223, 258, 295, 315 Anlagerestriktion 22, 27 Anlagestrategie, antizyklische 26 Anlageuniversum 25 f., 67, 99 f., 177 Anlegerschutzgesetz 139 Arbitrage 196, 227, 238, 318, 340 f. Asset Backed Securities (ABS) 49 Asset-Allokation 23 f., 44, 64 f., 87, 97, 100, 102, 153 f., 207, 224 Asset-Allokation, strategische 21, 65, 239 Asset-Allokation, taktische 65 Asset-Backed-Securities 153 Attitude 221 Auftragseingang 120 ff. Ausfallrisiko 148
Backwardation 260 ff. Bad Bank 91, 118 Baltic Dry Index 195 f. Bankenregulation 147 Bankenstresstest 167 Bär 63, 243 Barron’s Roundtable 278 f. Baruch, Bernard 60 Basarökonomie 115, 118 Basismetall 155 Bauchgefühl 81, 105
Baumwolle 259 Behavioral Finance 24, 75, 188, 191, 198, 223, 337, 344 Benchmark 22, 59, 72 Bernanke, Ben 124 ff., 172 Bescheidenheit 92, 346 f. Beta 22 Bewertungszyklus 290 Black Swan 126, 189 ff. Bonitätsmanagement 79, 176 Börsenprognose 64, 69 f. Börsenschwindel 132 Bottom-Up 24 f. BRIC 48, 77 Briery, Ivan 105 Brutto-Exposure 27 Bubble Economy 143 Buffet, Warren 71, 165, 220, 280 Bulle 63 Buy and Hold 23, 47, 76, 120, 291, 294, 351
CapEx 102 Carry Trade 137 f. Cashflow 102 Charaktereigenschaft 63, 134 f., 250 Charakterzug 39 Charttechnik 103, 134, 168 Chicago School 198 China 115, 193, 293, 319 f. Computersystem 315 Contango 260 ff. Contrarian 25, 26, 247, 248 Cornering 333, 334 Cornfeld, Bernard („Bernie“) 132 f. Crowding Out 95 CTA (Commodity Trading Advisor 228
Dachfonds 42 Davis, Ned 281, 298
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Deflation 95, 117 ff., 155, 323 Deleveraging 115 Demografie 201 Depot-Hygiene 65, 75 Dewey, Edward R. 281 ff. Die 12 Geschworenen 248 Die zwölf Geschworenen 248 Disziplin 39, 284342 ff. Diversifikation 26, 64, 66 ff., 104, 165, 229, 238 Dummheit 257 f.
Effizienzhypothese 69 f. Eigenschaft, persönliche 91 f., 136 f., 187 f., 249 Eitelkeit 257 Elliott-Wellen 298 ff. Emerging Market 65, 100, 243, 245 Energie 256, 325 Erdöl 201, 260, 325 Esel 63 ETF 47 f., 53 ff., 83 f., 122, 207 Euro-Krise 145 ff., 148 ff. Extrapolation 219 EZB (Europäische Zentralbank) 157 f., 172, 323
Face Value 266 Fähigkeit 39, 91, 123 f., 134 ff., 164 f., 187 f., 221 f., 249 f., 284 ff., 312 Fair Value 77 f. Farrell, Bob 276 fat tail 126 fat tails 327 Fehlentscheidung 24, 106, 156, 165, 269 f., 345 Finanzinnovation 192 Finanzkrise 43, 69, 78, 99, 147 f., 152 f., 172, 236, 320, 322 f. Finanzmarktbuch ĺ Lieblingsbuch Finanzmarktstress 232 Finanzwoche 112 f., 125 f. Fonds- und Managerselektion 52, 208 f.
Stichwortverzeichnis
Fondsempfehlung 52 Fonds-Vermögensverwaltung 43, 132 Fremdwährungsrisiko 99, 151 Frühindikator 82, 289 Fundamentalanalyse 25, 127 f.
Gamma 327, 328 Gelassenheit 39 Geld 150 f., 173 Geldexperiment, Wörgler 173 f. Geldmenge 94, 114, 119, 145, 148, 169 f., 172, 175, 236, 246, Geldpolitik 116 f., 124, 146, 150 f., 168 f., 186 f., 207, 211, 255, 257, 294 Gewinnschätzung 70 Gier 94, 107 GKO-Blase 243 Global-Macro 25 Glück 40, 71, 271, 284, 337 Gold 118 ff., 151, 155, 171, 174 f., 182, 293 f., 304, 309, 321 f., 332 Goldbesitzverbot 182 Goldstandard 294 Greenspan, Alan 124, 126, 143, 175, 186, 192, 237, 255 Grey Swan 191 ff. Growth 25, 65, 73
Handelsbilanzdefizit 149 Händler 29 f., 251, 275, 309 ff., 315 f., 328 f., 333 Hauptwerttreiber 24, 100, 153, 259 Haushaltsdefizit 149 Hedgefonds 22, 26, 40, 71, 105, 204, 210, 221, 224 ff., 235 f., 267, 295, 312, 333 High Tech 326 Honorierung 106, 161 Hyman, Ed 276, 298
Illiquidität 238 Immobilie 96, 171 f. Indexing 23, 122 f.
Stichwortverzeichnis
Ineffizienz 23 f., 27, 70, 199, 234, 318 Inflation 95, 110 f., 119 f., 155, 169 f., 291, 294, 323 Inflation, gefühlte 169 Intuition 105, 135 f. Investieren, antizyklisches 65, 72 Investment, alternatives 26 Investmentansatz ĺ Anlagephilosophie Investmentboutique 205 Investmentprozess 44, 205, 267 Investors Overseas Service (IOS) 132 f.
Jahresabschlussbericht 103, 178 Japan 82 f., 95, 110 f., 118 f., 148 f., 229 f., 283, 292, 330 Jo-Jo-Börse 294
Kaffee 259 f. Kapitalmarkttheorie, moderne 198 Kaufkraftparitätentheorie 250 Kettenbrief 316 KGV10 77 f. Kompetenz, analytische 222 Kompetenz, soziale 222 Konjunkturzyklus 285 Konsumentenpreisindex 294 Konzentration 26 f. Kostolany, André 57, 84, 110, 120, 164, 187 Kostolany, André, 4 "Gs" 270 f. Krise, skandinavische 218 Kundengewinnung 162 Kurs/Buchwert-Verhältnis 78 Kurs/Cash-Flow-Verhältnis 78 Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) 74, 78 f., 110 f., 167 f., 278 Kursschnitt 275 Kurzfristhandel 317 ff.
Laufzeitenmanagement 79 Laufzeitmanagement 79 Leerverkauf 27
361
Lieblingsbuch 37, 84, 107, 156, 164, 183, 240, 281 f., 334 Liquiditätsfalle, Keynes‘sche 115 ff. Livermore, Jesse 156 f., 282, 334 Long 64 Long Bias 331 Long Wave 189 f., 193 f. Long/Short 27 f. Long-Only 27 f., 64 Long-Position 27 f. Long-Term Capital Management (LTCM) 226 f., 244 Lynch, Peter 49, 67, 187, 209, 279, 339
Macht 324 f. Makro 24 f., 326 Managed Futures 228 Managementstil 81, 106, 128, 209 f., 303 f., 351 Market-Timing 24 f., 43, 87, 102, 165, 251, 284, 286, 297, 345 Marktgegenseite 30, 138 Marktkapitalisierung 24, 80, 99 Markttechnik 79, 124, 297, 303 Marktzutritt 317 Massenpsychologie 163 f., 299, 305 Maxwell, Charley 276 Median-Anleger 247 f. Mentalitätsunterschied 89, 216 Mikro 24 f., 326 Milchmädchen 138, 154 Minizyklus 292 ff. Modell, quantitatives 73, 178, 234, 317 Monetary Easing 149 Moral Hazard 257 f., 350 Multi-Asset 43, 68, 204 f.
Nebenwert 80, 103 f. Nettoinventarwert 153 Netz, neuronales 73, 310 f. Neuer Markt 77, 154 Neuer-Markt-Schwindel 136, 141 f. Neugier 134 f.
362
Neutralposition 22 Normalverteilung, Gauß’sche 126 Notenbank 79, 110, 114 f., 118 f., 125 f., 143 ff., 150 f., 169 f., 172, 186, 189, 192, 255, 257, 291, 322 Notenbanksystem 150, 173 Nullsummenspiel 23, 59, 334 Nullzinspolitik 95
OGAW 225 Ölkrise 61 OPEC 260, 263
Stichwortverzeichnis
Risikomanagement 154 f., 179, 230 f., 267 Risiko-Paradoxon 197 f. Risikotragfähigkeit 240 Robertson, Julian 309 f. Rogers, Jim 256, 271 Rohstoff 256 f., 325 f. Rohstoffsuperzyklus 256 Roll-Down-Effekt 79 Roubini, Nouriel 192 f. Russel, Richard 281 Russlandkrise 166
Pair Trades 27, 267 f.
Savings and Loan Crisis 90 f.
Passiv 22 f., 47 f., 54 f., 122 Persaud, Avinash 197 Poker 286, 337 ff. Portfoliomanager 251 Positionsgröße 28, 267, 302, 343 Praktiker 136, 245 f., 281 Prechter, Robert R. 298 ff. Prognose 191 f., 265, 351 Psychologie 124, 137, 163, 189, 343 f.
Schneeballsystem 132 Schubladendenken 21 Schule, Österreichische 139 f. Schwäche 39 Schwan, grauer 191 ff. Schwan, schwarzer 126, 189 ff., 326 Schwindelei 137 Selbstkritik 312 Sentimentindikator 78 Shopkorn, Stanley 276 Short Squeeze 28 Short-Biased-Fonds 242 Short-Position 27 f. Simons, James 220 f. Small Caps Nebenwerte Soros, George 60, 71, 105, 187, 280, 309 Sowjetunion 279 Soziologie 137 Spekulant 147, 333 f. Spread-Analyse 79 Spread-Trade Pair Trade SPV (Special Purpose Vehicle) 320 Staatsverschuldung 148, 291 Stärke, Relative 58, 67 Stock-Picking 64 f. Stop Loss 43, 48 f., 92, 101, 179, 267 f., 327 Straße von Hormus 200 f.
Qualitativ 23 f., 265 Quantitativ 23 f., 73, 155, 178, 204, 214 ff., 317 Quanto 150 Querdenker 39, 245 f., 252
Random Walk 25, 190 Rating 32, 48 Ratingagentur 236 Referenzindex 22 Reflexivität 309 Relativ 21 f. Rentencrash 147 Risiko, relatives 22 Risikobereitschaft 240 Risikobudget 49 ff., 231 f. Risikofaktor, nichttraditioneller 200
Stichwortverzeichnis
Stratege 29 f., 187, 328 f. Strategie, direktionale 27 Strategie, marktneutrale 52, 64 Sudden Death 190, 195, 199 Sudden Deaths 189 Superzyklus 297 Survivorship Bias 71
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Vermögensberatung 163 Verschuldungskrise 172 Vietnam 182 Volatilitätsklasse 44 f. von Hayek, Friedrich August 140 von Mises, Ludwig 170, 171 Vorbild 187, 309
Taleb, Nassim 37, 189 f.
Währungskrise 148 ff.
Talent 284 Terminkurve 260 ff. Theoretiker 135 f. Tipp 64, 69 Titelselektion 24, 26, 100, 153, 177 f. TMT (Technologie, Medien, Telekom) 87, 252 Top-Down 24 f. Trader Händler Transmissionsmechanismus 289 Trend Bucking 316 Trendfolgemodell 43, 46, 294 Trendfolger 25 Trendfolgestrategie 46, 194, 235, 316
Währungsmanagement 82 Währungsrisiko Fremdwährungsrisiko Währungssystem, Europäisches (EWS) 147 Wellblechkonjunktur 294 Weltfinanzsystem 294, 333 Widerspenstigkeit 135 Wirtschaftsgeschichte 137, 304 World Gold Council 321
Überschussrendite 229 UCITS OGAW Umverteilung 323 Umverteilungsspiel 315 Ungeduld 247 f. Unschärferelation, Heisenberg'sche 313 f. Unternehmensanleihen 79, 96, 119 Unternehmensgründung 34, 87, 162 USA 148, 167, 172, 253 ff., 294 US-Dollar 149 ff., 252 f., 294 f., 319 ff.
Value 25, 65, 73 f. Value-at-Risk 48 Verarmung 95 Vergesslichkeit 94 Vergütung 106 Vergütung, erfolgsabhängige 161
Yale-Stiftung 26, 204 Yen 148
Zauberei 88 Zeithorizont Anlagehorizont Zentralbank Notenbank Zentralbanksystem Notenbanksystem Zertifikat 42 Zinsstrukturkurve 79, 318, 323 Zyklus-Theorie 286, 292