Das Wunder von Kelvedon von Tiff (Alexander Kaiser)
Anmerkung des Autors: Wunder von Kelvedon ist der Name für eine hie...
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Das Wunder von Kelvedon von Tiff (Alexander Kaiser)
Anmerkung des Autors: Wunder von Kelvedon ist der Name für eine hiesige Markerbsensorte eigentlich. In diesem Fall aber ist Kelvedon der Name einer Welt irgendwo dort draußen, denn Wunder... die wirklichen Wunder stecken in den kleinen Dingen! Es herrschte Krieg. Nun, eigentlich war es nur ein Grenzkonflikt zwischen der Republik Hanover und der Republik Llainfarr. Aber das war eine politische Spitzfindigkeit, eine Redewendung, denn wenn zwei Geschwader Raumjäger - Hornets der Josefs und Mjölnirs der Goldielocks - zusammentrafen und von ihren Einsatzkoordinatoren die Erlaubnis zum Feuern bekamen (LlainfarrSoldaten, die Günzburg Space Squadron, nannten es `Erlaubnis zum Abfangen´, HanoverNavies, das Vierte MilizRegiment nannte es `Auf die neue Grenzsetzung durch striktes Kurshalten zu beharren´), dann war es den Piloten, die den Thor-Raketen auswichen, die Treffer der Calenberg RakDarts zählten und die Impulse der Ionen- und Impulskanonen in ihren Schutzschirmen kreischen hörten, völlig egal, was die Admiräle und die Politiker sagten. Für sie war es Krieg, und im Krieg lautete die erste Regel des Soldaten, zu gehorchen, die Zweite, wenn es sich einrichten ließ, zu überleben! „Also, Viertes Geschwader, da kommen sie. Leutnant Krüger, Leutnant Kostanieva, Staffel Rot und Blau brechen aus der Formation aus und fliegen den Zangenangriff. Das wird sie hoffentlich davon überzeugen, daß wir es ernst meinen. Das Letzte, was ich will, ist eine Raumschlacht mitten im Niemandsland, mit Nichts als der HILDESHEIM und der HENRY V im Rücken.“ „Sir, hier Krüger. Sie glauben doch nicht ernsthaft, daß uns das Geschwader Mjölnirs der Goldielocks irgendwelche Probleme bereitet? Nicht mit Ihnen bei uns, Major Vieland!“ Zustimmendes Gemurmel der anderen achtundfünfzig Piloten des Geschwaders erfüllte den offenen Kanal. „Das fehlte noch, daß ich jedem einzelnen von euch den Arsch abwische, was? Nix da, Ihr macht Eure Abschüsse gefälligst selbst!“ sagte Major Kay Vieland laut und versuchte, seine Stimme fröhlich klingen zu lassen. Doch innerlich fröstelte es ihn. Die Mjölnirs waren kleiner, schwächer bewaffnet und schlechter geschützt, aber es waren doppelt so viele, und ihr verdammter Vorteil war ihre Wendigkeit. Ein guter Pilot konnte mit `ner Mjölnir auch ohne die Hilfe eines Flügelmanns einer Hornet gefährlich werden. „Raketenabschüsse beim feindlichen Verband!“ meldete Major Vielands Bordcomputer. Ein Blick auf die Hilfsmonitore offenbarte ihm die ganze Wahrheit. Die Konföderation hatte das Feuer eröffnet, aber kurz zuvor hatte sein Geschwader jenes Territorium betreten, daß seit neuestem die Republik Llainfarr beanspruchte. „Splitten!“ befahl er leise. „Aber bleibt bei Euren Flügelmännern!“ Man kann ein Raumgefecht wie dieses nicht in vollem Umfang beschreiben, denn selbst die Piloten, die es erleben, handeln die meiste Zeit instinktiv, ohne selbst zu merken, was eigentlich gerade geschieht. Ausschnitte, ja, an Ausschnitte würden sie sich erinnern. An die bangen Sekunden, wenn sich ein Feindjäger an das eigene Heck gehängt hatte, und langsam die Schirme durch schmirgelte, bis der eigene Flügelmann eingriff, oder der Feind Erfolg hatte (die Rettungssysteme waren erstklassig)... An den Augenblick des Triumphes, wenn es einem gelungen war, seinerseits einen Feind abzuknallen, was die Jüngeren mit Freudengeheul und die Älteren mit einem Blick nach dem nächsten Gegner beantworteten.... An die Schreckensmeldung, wenn ein Kamerad aussteigen mußte und wieder ein Einheitssymbol vom Display verschwand...
Oder wenn ein Kamerad etwas besonderes leistete. Erst bemerkte es Leutnant Krüger nicht so recht. Eine einzelne Mjölnir, die sich mit einer Hornet angelegt hatte? Sehr ungewöhnlich. Der Pilot mußte entweder ein unglaublich guter Pilot, oder ein unglaublich großer Narr sein. Zumal er sich mit dem Major angelegt hatte, dem besten Piloten des ganzen Regiments. Aber der Mjölnir hielt sich hervorragend. Beide Piloten schwächten sich immer wieder gegenseitig, konnten aber nicht einen wichtigen Treffer landen, stellte der Leutnant fest, der das Gefecht beobachtete, wann immer er Zeit hatte. Das war meist zwischen einem seiner vier Abschüsse. Aber der Mjölnirpilot war wirklich gut - sie waren beide gut! Sie beherrschten Manöver wie die Jupiter-Rolle im Schlaf, Dinge, die über ein Jahr des Trainings erforderten und mehr für eine Flugschau denn ein Gefecht geeignet schienen. Die uralte Figur des Immelmanns, die doppelte kurze Rolle über den linken Flügel... Es schien ganz so, als wäre der Chef an den stärksten Gegner der Goldielocks geraten. Mit einem Grinsen dachte der Leutnant daran, daß der ausgekochte Fuchs das vielleicht sogar geplant hatte. Ein schwerer Treffer im Heck erinnerte den jungen Flieger wieder an seine eigenen Probleme. Er ging in eine Spitzkehre und machte so das Schußfeld für seinen Flügelmann frei, der sich seinen neunten Abschuß holte. Keine zwanzig Meter von Krüger entfernt sauste das Livepod des Feindpiloten an seiner Jet vorbei. Merkwürdig, der Kerl schien gar nicht blond zu sein. Auch die Hautfarbe entsprach mehr einem sanften Braun. Wieso hießen die Kerle dann Goldielocks? *** Zum ersten Mal seit sie die Trondheim-Akademie verlassen hatte fluchte Danah Bassa, daß Steine errötet wären. Hatte dieser verdammte Josef sie doch abgeschossen! Die Tatsache, daß sie ihre Maschine hatte mit der Feind-Hornet kollidieren lassen, was den Gegner wahrscheinlich auch vernichtet hatte, konnte ihre Stimmung nicht ändern. Sie steckte hier in ihrem Livepod und starrte hinaus in die Finsternis des Alls. Warum hatte sie der Medo des Pods noch nicht schlafen geschickt? Das war eigentlich die übliche Vorgehensweise, um Piloten nicht zu sehr zu belasten, bis ihre Pods aufgesammelt werden konnten. „Computer! Was ist los? Warum wurde ich noch nicht narkotisiert?“ „Major Bassa, Ihre Aktivphase wird noch dringenst gebraucht! Das Gefecht hat den Jäger leider bis in das nahe Sonnensystem getragen. Der Livepod wird in neunzig Stunden auf der katalogisierten Sauerstoffwelt Kelvedon landen. Dazu müssen Sie aktiv bleiben, Major!“ „Wieso bleiben wir nicht im Raum? Das Pod würde viel schneller gefunden werden!“ „Die Sauerstoffreserven reichen noch genau hundert Stunden, da wir Tank vier bis neun verloren haben. Damit Sie überleben, müssen wir das Risiko einer Landung eingehen. Doch ohne Sie, Major, wird das nicht durchzuführen sein!“ „Akzeptiert. Senden wir Notsignale?“ „Nein, die Funkanlage wurde beschädigt! Allerdings werden Suchschiffe nach dem Rasterprinzip auch dieses Sonnensystem absuchen!“ Toll! Wenn ein ungünstiger Raster angewandt wurde, dann konnte es unter Umständen Wochen dauern, bis sich die Suchschiffe der Sauerstoffwelt - übrigens einer von neun in diesem Sektor, den Gründen für diesen Konflikt - zuwandten. „Major, ich orte einen zweiten Livepod!“ meldete der Bordcomputer plötzlich. Ein projizierter Rahmen auf der Kuppel ihres Livepod markierte die Stelle im Raum. „Vergrößern!“ Zoomfaktor hundert, ein Livepod, eindeutig. Farbe blau, also einer von denen, vom Feind. Hatte sie den Bastard also doch erwischt! Das mußte passiert sein, als dieser Halunke sie hatte in den Plasmastrom seines Triebwerkes fliegen lassen, was sie die Nase ihrer Maschine gekostet hatte. Dann aber war der Trottel in eine
scharfe Linkskehre gegangen, um sie sich vorzunehmen, hatte ihr seine schwache Seite präsentiert. Danah war ausgestiegen und hatte ihren BordComp auf Kollisionskurs getrimmt... Major Danah Bassa wünschte sich, der Feindpilot wäre jetzt tot! *** Major Vieland fluchte seinen PodComp an, fluchte sich den ganzen Frust von der Seele. Wie hatte er nur so blöd sein können, einen Spitzenpiloten wie seinen Gegner auch nur eine Sekunde zu unterschätzen? Das hatte er jetzt davon, befand sich im Bremsmanöver für den Landeanflug auf Kelvedon, weil die Kollision mit der Mjölnir seinen Livepod beschädigt hatte. Es würde knapp werden. Noch zwanzig Minuten Luft und ein freier Fall von zehn Minuten - wenn alles glatt ging. Na toll, die Möglichkeit, im Dienste der Navy zu sterben, hatte er ja schon lange einkalkuliert, aber in einem Livepod zu sterben war nicht nur peinlich, es war ein Witz. „Perfekt“, brummte er mißmutig, als sein Pod von einem Jetstream in der Stratosphäre erfaßt und weit vom avisierten Landeplatz fortgetragen wurde. Dies konnten die zehn Minuten werden, die ihm zum Verhängnis wurden... Ächzend kletterte Danah Bassa aus ihrem Pod. Neunzehn Stunden in sitzender Position hielt der stabilste Rücken nicht aus. „Bitte bleiben Sie in der Nähe des Livepods, Major Bassa! Die Rettungskräfte werden Sie um so schneller finden!“ ermahnte sie der Comp. „Ja, ja, Mama! Ich werde ein braves Mädchen sein. Wie sieht es mit den Vorräten aus? Noch alles da?“ „Sie haben Vorräte für vier und Wasser für zwei Wochen, Ma´am. Desweiteren einen Schockstab und einen leichten Beaper 4WU!“ „Einen leichten 4WU? Odin, ich will niemanden kitzeln! Ich möchte ihn auch noch treffen, wenn er weiter als zwanzig Meter entfernt ist!“ „Nach den neuesten Konventionen der Moskauer Konferenz sind weitreichende Waffen untersagt, um zu verhindern, daß die Notbewaffnung zu etwas anderem verwendet wird als zu Notfällen!“ „Ich hätte mir doch meine Broaddie einstecken sollen! Schon gut, Comp. Du glaubst doch nicht, daß ich hier einen Krieg führen will? Der Josef ist bestimmt irgendwo auf der anderen Seite des Planeten gelandet, ganz wie es die Moskauer Zusatzkonventionen fordern. Ich werde also jede Menge Zeit haben, über Gott und die Welt nachzudenken, und niemand wird mich in meiner Ruhe stören... Sag mal, Comp, gibt es auf Kelvedon eigentlich `ne Bar?“ „Darüber liegen mir keine Meldungen vor!“ schnarrte die Maschine. „Vergiß es“, seufzte Danah. Im Süden, keine dreißig Kilometer entfernt, stürzte ein Meteor vom Himmel... *** „Was ist Pech?“ rekapitulierte Kay Vieland laut. „Mit einer Hornet mitten in eine Staffel Asgard Valkyries zu geraten? Plötzlich den Befehl bekommen, allein die LHBS TRONDHEIM anzugreifen? Oder auf der ödesten Welt des bekannten Universums notzulanden, dreißig Klicks von der nächsten natürlichen Quelle entfernt? Ah, ich habe es. Einen Stadtbummel durch Londinium zu machen und die Credits sind alle!“ Kay schulterte den Rucksack mit seiner Überlebensausrüstung neu und fixierte das ferne Hügelland. Was hatten auch seine Wasserreserven verloren gehen müssen? Die Wartezeit am Livepod wäre zwar langweilig aber sicher gewesen. Was war ihm geblieben? Ein ganzer Satz Tests für Wasser und Nahrung, einige Mittelchen zur Aufbereitung derselben und Konzentrate für `n knappen Monat. Dazu ein leichter Friedensstifter P9 und seine ganz persönliche Ration frischer
weißer Schokolade. Mann, was hatten die Anderen in der Ausbildung immer über ihn gelacht, daß Kay auf Konzentrate verzichtete, um diese nährstoffreie Süßigkeit unterbringen zu können - aber Kay wußte es besser. Nichts tröstete jemanden so gut und schnell wie etwas ungesundes, egal, ob man nun gerade ein lebendes, fühlendes Wesen getötet, Trouble mit dem Flugleiter gehabt hatte oder ob man auf einer öden Steppenwelt notgelandet war... Der Peilsender des Pods funktionierte noch, wenngleich er nicht sehr weit reichte. Aber Kay hatte eine elektronische Notiz hinterlassen, wo er zu finden war wenn die Suchmannschaften eintrafen... falls sie eintrafen... Kay klappte das Visier seines Pilotenhelmes hoch. Die Intensität der heißen Sonne dieser grünen Wüstenwelt, die irgendein Verrückter für Wert befunden hatte mit einem Eigennamen belegt zu werden, schien nachgelassen zu haben. Er schnalzte mit der Zunge, ein Zeichen für den Helm, das Okular über sein rechtes Auge zu fahren. „Faktor hundert“, ordnete er an. Sorgfältig suchte der erfahrene Pilot seinen weiteren Weg mit der hundertfachen Vergrößerung nach eventuellen Gefahren ab. Kelvedon sollte noch kein tierisches Leben entwickelt haben, aber er wäre nicht der erste Pilot gewesen, der eine neue Spezies auf einem fremden Planeten auf die harte Tour kennenlernte. Als der NavyMajor nach zehn Stunden Fußmarsch endlich die Hügelkuppe erreicht hatte, waren seine spärlichen Restvorräte an Wasser verbraucht. Bei dieser sengenden Hitze um die dreißig Grad aber würde er spätestens nach weiteren zwei Tagen dringenst Wasser brauchen, um nicht zu dehydrieren. Es gab hier Bäume, große, üppige Laubgehölze, also mußte es hier auch Wasser geben, verdammt! Einen Teich, einen See, selbst ein armseliges Bächlein reichte ihm schon. Es war schon etwas dunkel geworden, Kelvedon drehte sich in vielleicht neunzehn Stunden einmal um seine eigene Achse, und der Major war erschöpft und müde vom langen Fußmarsch, deshalb nahm er den einfachsten Weg gerade durch die Baumreihen hindurch. „Yeeoooowh!“ Plötzlich hing er einige Meter in der Luft, kopfüber, versteht sich. Überlebenstaktik Nummer vier, Handbuch für Fortgeschrittene, Kapitel dreißig: Fallen: Absatz vier, die Schlingenfalle und ihre Anwendungen. Kay zog die handliche Friedensstifter aus dem gesicherten Holster, und kaum, daß er richtig ausgependelt hatte, zerschoß er die Schlinge. Sie zersprang mit hellem Singen. Metalldraht!, dachte er sich, während sich der Erdboden wieder näherte. Über die linke Schulter abrollen und ja nicht hängenbleiben, der Rucksack behinderte in diesem Fall enorm. Mit einem mächtigen Satz sprang er in das nächste Gebüsch, durchquerte es und warf sich in die Deckung des nächsten größeren Baumes. Schlingen stellte man nur auf, um etwas zu jagen. Metallschlingen, wenn man auf der entsprechenden Stufe der Entwicklung stand. Und da es auf dieser Welt kein jagdbares Wild gab, folgerte Kay ganz korrekt, daß die Schlinge ihm gegolten hatte. Verdammt, der Jetstream hatte ihn doch weiter fortgetrieben, als er dachte. Er mußte genau in der Landezone des Mjölnir-Piloten gelandet sein, der seine Hornet weggefegt hatte. Und der Bastard hatte gewußt, daß er kam. Kay hörte etwas rascheln, ungefähr aus der Richtung, an der die Schlinge auf ihn gelauert hatte. Er hob den Friedensstifter. Auf die elf, zwölf Meter war sogar dieses Ding tödlich... Ein dumpfer Laut der Überraschung im Halbdunkel, dann wieder ein Rascheln. Scheiße, diese Chance hatte er wohl verpaßt... oder verpassen wollen. Immerhin hatte der Feindpilot auch eine tödliche Falle installieren können, was er nicht getan hatte. `Merkwürdig´, dachte Kay amüsiert. `Für eine Sekunde habe ich doch tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, mich mit meinem Feind zu arrangieren...´. „Möge der Bessere gewinnen, Josef“, kam eine Stimme aus der Dunkelheit, irgendwo aus dem Unterholz. Kay war erschüttert. Er kämpfte hier mit einer Frau!
Zwei Tage später hatte sich noch nicht viel geändert. Kay hatte wenig geschlafen die letzte Zeit, aber immerhin hatte er seine Wasservorräte ergänzen können. In der Nähe war ein kleiner Bach, der in einer Bodensenke die Ausmaße eines Teiches annahm. Klares, kaltes Gebirgswasser, auch hier noch keine Spur von einer sich entwickelnden Fauna. Oben, auf den Hängen über dem Teich war ein sicherer Platz. Kay würde sich in dem Geäst der großen Bäume festschnallen und versuchen, mal `ne Nacht zu schlafen. Das gegenseitige Belauern mochte er überhaupt nicht. Danah war etwas müde. Seit fünfzig Standardstunden hetzte sie nun schon diesen Josef, aber er wollte einfach nicht aufgeben! Nun, sie wußte zwar noch nicht so recht, was sie mit ihm machen würde, wenn sie ihn erst einmal hatte, aber sie wollte ihn lebend. Deshalb war auch ihre erste Falle nicht tödlich gewesen, deshalb waren auch ihre anderen Fallen nicht tödlich. Aber wenn sie ihn hatte, dann... Ja, was dann? *** Eine Woche später hatten die Suchmannschaften sie noch immer nicht gefunden - es war aber auch noch keine Suchmannschaft der Josefs aufgetaucht, immerhin. Oh, sie haßte diesen Kerl! Mittlerweile machte er sich einen Spaß daraus, ihre mühsam konstruierten Fallen aufzustöbern und zu entschärfen. Was fiel dem eigentlich ein? Sie war ein Günzburg Space Squadron Leader, und dem tanzte man nicht ungestraft auf der Nase herum! Irgendwie kam es ihr in den Sinn, daß sie eigentlich wissen müßte, welchen Rang ihr Gegner hatte, damit sie ihn richtig behandeln konnte... sobald er ihr Gefangener war. Eine Woche Versteckspielen zehrte auch an den Nerven eines kampferprobten Piloten wie Kay... Na ja, was man so kampferprobt nennen konnte. Bei dem Putschversuch auf Calenberg letztes Jahr hatte er seine Staffel damals mit eiserner Hand zusammengehalten und Angriffe auf die Stellungen der Putschisten fliegen lassen. Er war nicht stolz darauf, auch, wenn er im nachhinein richtig gehandelt hatte. Der Putsch war von einem der Nachbarstaaten lanciert worden und hatte vorgesehen, daß `die neugegründete Republik Calenberg ihren großen Freund und Beschützer zu Hilfe ruft´! Oder anders ausgedrückt, sie sollten die Annektion der drittwichtigsten Industriewelt der Republik Hanover durch das Megalon-Commonwealth vorbereiten. Also eine Einmischung in die Innenpolitik, aber trotzdem... Er hatte die Verwüstungen, die sein Geschwader angerichtet hatte, gesehen. Die Toten gezählt und die Liste der Verwundeten durchgesehen. Was fielen da schon die drei Mann ins Gewicht, welche die Flak der Putschisten zu Krüppeln geschossen hatte! Sie hatten hunderte verkrüppelt (Okay, die Medics würden das schon wieder richten, aber das kostete Zeit und Anstrengungen) und Dutzende getötet. Kay sank noch heute einmal die Woche auf die Knie und dankte allen bekannten und unbekannten Sternenengeln und Dämonen dafür, daß sie nicht aus Versehen eine Schule hochgejagt hatten. Oder sonst Zivilisten geschädigt hatten. Er war damals befördert und zum Geschwaderkommandanten ernannt worden, hatte aber nie einen Orden erhalten. Einige, die dabei gewesen waren, fanden das heute noch ungerecht. Was sie nicht wußten war, daß er das Lametta abgelehnt hatte. Ein Gefecht zwischen zwei Piloten war ein faires Duell, in der das Können entschied. Okay, die Ausrüstung spielte auch eine Rolle. Und wenn der Gegner verlor, bestand eine hundert zu eins Chance, daß er von seinem Livepod gerettet wurde. Ein Luftangriff jedoch... Welche Chance, welche wirkliche Chance hatten diese armen Schweine gehabt? Wie viele hatte er persönlich geröstet? Dann waren da noch drei, vier Geplänkel an allen fünf Grenzen gewesen, wo er sich seine Sporen mit vierzig Abschüssen verdient hatte. Jedesmal gefährliche Gefechte, die ihn bis an seine
Grenzen gefordert hatten. Aber dies hier... Noch nie hatte er gegen jemanden kämpfen müssen, Auge in Auge... Dabei fiel ihm ein, daß er rein gar nichts über seinen Gegner wußte, außer, daß er gerne Fallen stellte, und dabei immer besser wurde. Nicht mehr allzu lange, und Kay würde in eine Falle hineinstolpern und sie nicht mehr verlassen. Und Kay haßte es, ungepflegt in eine Falle zu stolpern. *** „Hey, Goldielock, wo immer du bist! Ich habe dir ein Angebot zu machen!“ brüllte Kay in das Unterholz. Irgendwo vor ihm knisterte es, mindestens fünfzig Meter entfernt. Zu weit für die Waffe des Feindes. Der Major grinste. Er war also da. „Um es kurz zu machen, habe ich es satt, daß wir uns gegenseitig belauern. Ich schlage eine Kampfpause vor. Um Schwimmen zu gehen! Du kennst den kleinen Teich am Fuß der Klippe, dreihundert Meter hinter mir? Das Wasser ist kalt, aber gut. Ich schlage Dir folgendes vor: Ich steige auf dem gegenüberliegenden Ufer ins Wasser und bade in Ruhe, und du setzt dich am anderen Ufer hin, wo ich dich sehen kann. Ich bin aus der Reichweite Deiner Waffe, weiß, wo du bist und kann mich endlich waschen!“ „Was ist für mich dabei drin, Josef?“ erklang die Stimme seiner Gegnerin aus dem Unterholz. Er räusperte sich. „Wenn ich fertig bin, bist du dran, okay? Ich lasse mich am Ufer nieder, wo du mich sehen kannst, und du kannst baden gehen!“ Kay begann leise zu beten. Hoffentlich vermutete sie keine Falle oder sonst irgendeine Gemeinheit von ihm, sonst wurde aus der kleinen Erfrischung nichts. Bei Frauen wußte man nie, vor allem nicht bei jenen, die glaubten, noch tougher als die Kerle sein zu müssen... „Okay, Josef, ich bin dabei. Aber Du mußt mir Deinen guten Willen beweisen!“ „Wie?“ Kay glaubte, ein behagliches Seufzen zu hören. „Laß mich bitte anfangen, ja?“ *** Der Major hatte sich einen guten Platz ausgesucht, auf der anderen Seite des steinigen Ufers der kleinen, dreißig Meter breiten Senke, die er dreister weise zum See befördert hatte. Direkt über ihm hingen die Farnwedel eines sehr großen Baumes, womit die Stelle, an der er es sich bequem gemacht hatte, mindestens noch eine Stunde im Halbschatten liegen würde. Heute war es besonders heiß, Kay schätzte, daß sie mindestens vierzig Grad im Schatten hatten. Mit Hilfe seines im Helm eingebauten Displays hätte er die Temperatur garantiert bis auf die neunte Nachkommastelle erfahren können, aber es war einfach zu heiß, um den schweren Helm zu tragen. Mist, als die Goldielock am Ufer erschien, wünschte er sich, nicht auf den Helm verzichtet zu haben. Die Frau auf der anderen Seite sah unerträglich...verschwitzt, müde und mürrisch aus, ihr kurzgeschnittenes schwarzes Haar pappte vor Schweiß an ihrem Kopf und unter ihren Augen lagen tiefe Schatten, ihre Wangen waren eingefallen, aber... da war etwas an ihr, etwas... Ach, sie sah trotzdem gut aus, und das lag nicht nur daran, daß sie die erste Frau war, die er seit dreihundert Stunden zu sehen bekam. Mißtrauisch sah sie zu ihm herüber. „Beweg mal die rechte Hand, Josef!“ Kay winkte ein paarmal und fragte amüsiert: “Glaubst Du wirklich, ich habe mal eben eine Major Vieland-Puppe zusammengebastelt und lauere in Wirklichkeit mit feuerklarer Friedensstifter irgendwo in Deinem Rücken?“ „Nein, nicht wirklich“, erwiderte sie grinsend. „Ich wollte nur wissen, ob Du blöd genug bist, Winke-winke zu machen!“ Okay, besonders freundlich war dieser Bärenbeißer nicht gerade, aber Kay genoß das Gespräch dennoch - war immerhin das erste, seit er hier gestrandet war, wenn man ihre kleine Verhandlung nicht dazu rechnete.
Sie öffnete den Magnetsaum ihrer Fliegerkombi und fragte: „Du heißt Vieland? Der Vieland, der beim Calenberg-Aufstand ein Krankenhaus zerschossen hat?“ „Was, bitte? Aufstand? Krankenhaus? Es war ein Putschversuch! Außerdem habe ich nur Einsätze im Regierungsviertel geflogen, und da stehen keine Krankenhäuser“, blaffte er gereizt. „Schon gut, schon gut“, beschwichtigte sie. „Daß die News aus dem Commonwealth nicht gerade unparteiisch sind, weiß ich selbst. Aber sorry, bei uns daheim erschrecken die Mütter nun mal ihre Kinder damit, daß sie sagen...“ „...Wenn Ihr nicht brav seid, kommt Major Vieland und holt euch in die Hölle?“ riet Kay. „So ungefähr! Nicht sehr schmeichelhaft, ich weiß. Aber vielleicht tröstet es Dich, wenn ich Dir erzähle, was in unseren Geheimdossiers über Dich steht, Kay! Ich darf Dich doch Kay nennen?“ Er machte eine Geste der Gleichgültigkeit. „Es bleibt ja unter uns! Also, was sagen die Akten über mich?“ Sie entledigte sich vollends ihrer Kombi und ihrer Stiefel. Nur mit dem Unterzeug bekleidet sprang sie ins Wasser. Interessiert beugte sich Kay vor. Die Unterwäsche war weiß. „Puh, tut das gut. Also, in den Dossiers steht, daß Du Konfliktloyalitätsvariabel bist. Das bedeutet soviel wie, daß Du bei jedem Einsatz erst einmal Dein Gewissen befragst. Ob es stimmt, weiß ich nicht, aber wenn Dein Gewissen einigermaßen entwickelt ist... bist Du mir fast schon sympathisch, Kay.“ „Danke schön“, knurrte dieser. „Ich gehe mal kurz in den Laden um die Ecke, und kaufe mir dafür eine Tüte Eis!“ Sie richtete sich im Wasser auf. Ihr weißes Shirt klebte an ihrem Oberkörper und zeichnete ihren Busen nach. Kay wurde rot und hüstelte verlegen, als er merkte, daß er sie anstarrte. „Gleich fallen Dir die Augen raus“, grollte sie. „Hey, tut mir leid! Zufällig hast Du auf diesem Saunaplaneten ein Monopol auf weibliche Attribute! Sag mal, wie heißt Du eigentlich? Oder soll ich Dich weiter `Hey´ rufen?“ „Major Danah Bassa, Günzburg Space Squadron.“ Sie tauchte kurz weg. Als sie wieder an der Wasseroberfläche erschien, meinte Kay: “Hast Du was dagegen, wenn ich Dich Danah nenne? Duzen tun wir uns ja schon.“ „Von mir aus...“ „Über Dich haben wir auch ein paar äußerst interessante Informationen. Es gibt da jede Menge Halbwahrheiten und Gerüchte, angefangen damit, daß Minister Janas Kelvard Dein Vater sein soll - für den Fall, daß Du in Gefangenschaft gerätst, wärst Du ein erstklassiges Druckmittel gegen Llainfarr. Ansonsten strotzt Deine Akte nur so vor Belobigungen und Orden, daß man sich fragt, welche Kontakte Deine Familie haben muß, um Dir so viele Auszeichnungen zu verschaffen.“ Danah kletterte aus dem Wasser. „Hey, so habe ich das nicht gemeint. Das ist das Fazit aus den Akten.“ „Schon gut, Josef. Du bist dran.“ Danah wollte es nicht zeigen, aber die Worte Kays hatten sie verletzt. Ihr halbes Leben hatte man es ihr entweder sauschwer gemacht, damit niemand behaupten konnte, sie wäre bevorzugt worden, oder man hatte versucht, sich bei ihrem alten Herrn einzuschleimen und ihr alles geschenkt. Aber was immer sie sich selbst erarbeitet hatte, das war auch ihr Verdienst, verdammt! Am anderen Ufer schlüpfte Kay aus seiner Kombi und zog auch die Unterwäsche aus. In diesem Punkt schien er keinerlei Hemmungen zu haben. Na, besonders attraktiv war er jedenfalls nicht. Sein Bart wucherte wie wildes Gestrüpp in seinem Gesicht, und die Haare auf seiner Brust waren nicht dazu angetan, ihm eine Entwicklungsstufe höher als die eines Primaten zuzutrauen. Gewiß, er besaß einen trainierten Körper und nicht die Spur von Fett, aber das war bei allen Piloten so, mußte sein, sonst hätten sie nicht fliegen dürfen. Seine natürliche Haarfarbe konnte sie nicht feststellen, aus dem ehemaligen Kurzhaarschnitt war ein dreckigbrauner Mop geworden. Kay schlich sich geradezu ins Wasser, ließ sich behaglich hineingleiten und schnurrte dabei wie ein Kater. Als er kurz untergetaucht war rief sie: “Interessiert Dich meine Akte?“
„Was?“ „Ich fragte, ob Dich meine Akte interessiert?“ „Ja, klar. Immerhin giltst Du als gefährlichste Pilotin in diesem Sektor. Da kann man nicht genug über Dich wissen.“ „Ist es eigentlich schon mal einem Eurer Psychologen aufgefallen, daß Du extrem wankelmütig in Deiner Meinung bist?“ „Doch, schon! Die Psychologen nennen es das Konfliktloyalitätsvariable Prinzip.“ „Seeeeehr komisch.“
Kay grinste zu ihr herüber, während seine Hände den Dreck aus den Haaren beförderten. „Also los, erzähl schon, Danah.“ „Na ja“, druckste sie verlegen, „eigentlich darf ich so was gar nicht erzählen, aber die meisten Auszeichnungen sind der übliche Kram für Anfänger: Das Navigationskreuz, Schützenband in Gold, Taktischer Orden mit Diamanten, was man eben so bekommt, wenn man gut ist und gerade kein Krieg herrscht.“ „Das erklärt aber trotzdem noch nicht die Vielzahl dieser Auszeichnungen. Man muß immerhin was können, um die zu kriegen, oder?“ „War das ein Kompliment?“ „Eine Feststellung! Wenn Du nur halb so gut bist, wie Deine Orden vermuten lassen, dann interessieren Komplimente Dich eher wenig.“ „Hrmpf!“ machte sie. Der einzige Mann auf dieser Welt, ein widerlicher Klugscheißer! „Wie dem auch sei, ich kann mir nicht eine Sekunde vorwerfen, eine der Auszeichnungen nicht verdient zu haben.“ „Teufel, das weiß ich. Kein Nichtskönner holt Oberstleutnant Mathias Langner aus seinem Smash-Hammer - und das mit einer Mjölnir!“ „Das war Langner letzten Mai? Ich habe Langner abgeschossen?“ rief sie aufgeregt. „Wie geht es ihm?“ „Oh, abgesehen von einer Mordswut im Bauch ganz gut. Er hat zwei Wochen in seinem Livepod verbracht, bevor man ihn gefunden hat. Und als man ihn wieder aufgetaut hatte... Nun, mein Repertoire an Flüchen ist um ein gutes Dutzend reicher.“ „Also gesund“, rief sie erleichtert. „Gesund, ja“, bestätigte Kay und ließ sich an die Oberfläche des kleinen Teiches treiben. „Muß das sein?“ beschwerte sie sich. Danah hatte eine sehr gute Erziehung genossen, inklusive einer gehörigen Portion `Anstand´, wie es ihr Vater genannt hatte, und ein nackter Feindoffizier, der vor den Augen einer Feindin auf dem Rücken treibend `Toter Mann´ spielte, wäre gewiß ein Musterbeispiel für `nein´ gewesen. „Was?“ „Na, das da. Mußt Du Dich so präsentieren?“ „Sorry, habe nicht dran gedacht.“ Kay verschwand bis zum Hals wieder im Wasser. „Ich hätte natürlich vorher eine Box aufstellen müssen, in die Du pro Minute einen Credit reinwerfen mußt“, frotzelte er grinsend. „Okay. Für Deine Flugkünste würdest Du jedenfalls keinen Credit bekommen!“ Vor Schreck verlor der Major den Auftrieb und versank mit offenem Mund im klaren Wasser. Prustend kam er wieder hoch. „Was? Wer ist denn in den Abgasstrahl meines Partikelantriebes geflogen?“ „Und wer war so blöd, mir die Flanke seiner Maschine zu präsentieren?“ „Woher sollte ich wissen, daß der Stolz der Llainfarr-Grenze auf Sepukku steht?“ „Seppu-was?“ „Sepukku! Ehrenvoller Selbstmord!“ „Selbstmord? Hey, ich lebe aber noch!“
„Ich lebe auch noch, verdammt! Und trotzdem sitzen wir jetzt schon seit zwei Wochen hier fest. Und warum? Weil Major Danah Bassa von den Llainfarr-Streitkräften einfach nicht verlieren kann.“ „Und? Ist das so schlimm für Dich?“ Kay schlug auf das Wasser, daß es zu allem Seiten gischtete. „Ja, verdammt!“ „Sehr gut!“ giftete Danah. „Genauso will ich es!“ „Ach ja? Ach ja?“ Er kletterte wutschnaubend aus dem Wasser und zog seine Fliegerkombi an. „Weißt Du was, Superpilot? Was hältst Du davon, den ganzen Quatsch hier ein für allemal zu Ende zu bringen? Keine Fallen mehr, kein Belauern mehr, kein Pooooofff! Nur wir beide! Jetzt und hier! Bringen wir es zu Ende, und laß uns herausfinden, wer der Stärkere von uns ist!“ „Das ist mir nur recht, Josef! Dann bin ich Dich Nervensäge ein für allemal los! Los, komm doch, wenn Du Dich traust!“ Kay zog seine Friedensstifter aus einer Tasche der Kombi und warf sie in den Teich. Danah streckte ihm die Zunge heraus; ihre Beaper4WU verschwand ebenfalls in den Fluten. Die beiden gingen die Ufer entlang, einander stetig im Auge behaltend, bis sie zu jener Stelle kamen, an der das Wasser des seeehr kleinen Gebirgssees abfloß, in einem kleinen halbmeterbreiten Rinnsal. `Wer macht den ersten Schritt?´ dachte Danah noch, da kam Kay bereits herübergesprungen und attackierte sie mit einer Geraden. Sie trat schnell zur Seite, um ihn von seinem eigenen Schwung forttragen zu lassen und gedachte ihm dabei ein Andenken in die Nieren zu verpassen, doch sie hatte ihn unterschätzt. Der rechte Unterarm ihres Widerparts traf sie schmerzhaft in der rechten Seite. Erschrocken keuchte sie auf und ging mit dem Schlag mit, um die Wucht zu mildern; dabei wäre sie fast gestürzt. Als Kay das nächste Mal herangestürmt kam, wich sie nicht aus, und hämmerte mit beiden, zusammengefalteten Händen auf seinen Kopf ein. Der NavyMann grunzte, fiel, und wurde von seinem Schwung zurück auf die andere Seite des Flußlaufs getragen. Danah sprang hinterher - mitten in das ausgestreckte Bein dieses Bastards! Sein linker Fuß traf sie zum Glück nur auf den Bauchmuskeln, aber es reichte, um ihr den Atem zu nehmen. Sie warf sich herum, fort von ihm, um Atem zu schöpfen. Diesmal kam er nicht angerannt. Seine Augen versprühten Funken, als er auf sie zuging: Er ließ seinen rechten Arm wie eine Keule auf sie niedersausen, sie wehrte mit einem Tritt ab. Seine linke Faust schlug gegen ihre Abwehr, Danah spürte, wie sich ein schmerzhafter Bluterguß an ihrem rechten Bein bildete. Sein Angriff ließ ihr aber eine Lücke in seiner Abwehr. Ohne zu zögern trat sie zu und traf den Solarplexus ihres Feindes. Kay krächzte etwas Unverständliches, Schmerzerfülltes und krümmte sich. Danah wollte nachsetzen, aber da fuhr bereits der Handrücken seiner Rechten eisenhart über ihr Gesicht. Danah fühlte, wie das Blut in ihre rechte Wange schoß, wie ihre Oberlippe platzte. Obwohl sie es nicht wollte, entglitt ihr ein Schmerzensschrei. Sie hob die Arme zum Block, um seine nächste Attacke zu parieren... Nichts passierte... *** Kay sah seine Gegnerin an - schuldbewußt, dessen war sie sich sicher. Auch er hatte eine gute Erziehung genossen, und einer der wichtigsten Aspekte dieser Erziehung war die Gewalt gegen andere gewesen, vor allem gegen Unterlegene (Frauen waren nicht speziell erwähnt worden). Er hatte von Anfang an gewußt, daß sie im Nahkampf schlechter war als er. Sie war schneller, okay, aber er konnte mehr Kraft und Erfahrung einbringen.
Um so mehr erschütterte es ihn, sie plötzlich bluten zu sehen, ihr Blut auf seinem Handrücken zu sehen. „Das... das wollte ich nicht“, stammelte er und vermied ihren Blick. „Bin Schlimmeres gewohnt“, nuschelte sie undeutlich und tastete ihre Lippe ab. „AU!!“ „Laß mich mal“, Kay zauberte aus seiner Kombi etwas Bioplast hervor, reinigte die aufgeplatzte Oberlippe und drückte einen Streifen des organischen Verbandes auf die Wunde. „Tut mir wirklich, wirklich leid“, beteuerte er. „Weiß auch nicht, was mit mir war. Plötzlich wollte ich Dir weh tun. Ich...“ „Das hast Du ja jetzt auch getan“, erwiderte sie undeutlich. „Bist Du zufrieden?“ „Nein...“ „Siehst Du, ich wollte Dich töten! Was meinst Du, wie unzufrieden ich gewesen wäre, wenn ich es geschafft hätte...“ Sie sah Kay an, der schon wieder vermied, ihr in die Augen zu sehen. „Danke für den Verband, Kay.“ „Hey, wir sind zwei einfache Spitzenpiloten, gestrandet weitab der üblichen Gefechte. Wenn wir uns nicht arrangieren können, wie dann unsere Kameraden da draußen?!“ Einladend deutete Kay auf den Schatten eines nahen Baumes. Nachdem sie sich dort niedergelassen hatten, nestelte er wieder an seiner Fliegerkombi und förderte eine Tafel Weiße Schokolade zutage. Er brach sich einen Streifen ab und bot Danah den Rest an. Mit wahrem Heißhunger verschlang sie die Süßigkeit. Als sie die Hälfte gegessen hatte, sah sie ihn schuldbewußt an. „Iß nur“, sagte er lachend. „Ich habe noch zwei Tafeln. Nimm es als kleine Entschuldigung.“ „Danke“, murmelte sie mit vollem Mund und lächelte glücklich. Das Zeug schmeckte sooo gut... *** „Es ist im Prinzip vollkommen banal. Weder die Republik Llainfarr noch die Föderation Hanover haben die Möglichkeit, die neun Sauerstoffwelten in diesem Sektor innerhalb der nächsten vierzig Jahre zu besiedeln. Hanover hat erst kürzlich den CELLER ZIRKEL eingeweiht, der Lebensraum für eine halbe Milliarde Menschen bietet. Also, Platzmangel haben wir nicht.“ „Vom Zirkel habe ich schon gehört. Er muß ein phantastisches Kunstwerk sein“, sagte Danah und sah Kay mit dem `Los, erzähle mir mehr´- Blick an. „Er ist an sich ganz einfach konstruiert. Vor vierzig Jahren hat man entdeckt, daß der Mond Olympus im System der Antares innen von Kavernen und Wölbungen durchzogen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man lediglich die Oberfläche des Mondes für einen Außenposten der Fünften Flotte genutzt, aber durch diese Entdeckung hat man eine phantastische Idee verwirklicht. Der Innenraum des Mondes wurde bis auf eine Mantelstärke von achtzig Kilometern ausgehöhlt, mit einer künstlichen Sonne versehen und im Laufe dreier Jahrzehnte kultiviert. Sauerstoff hat man vom im System umhertreibenden Eis bekommen, Erde aus dem Abraummaterial. Dann wurde das ganze Ding noch mehrfach versiegelt und mit Schleusen versehen, auf der Oberfläche wurden noch riesige Kollektoren aufgebaut, die das Licht von Antares einfangen, um die Energieversorgung zu sichern. Fertig ist das größte Wunder des Universums!“ Danah lächelte. „Das würde ich gerne mal sehen.“ Danach wurde sie still und schwieg lange Zeit. Schließlich sagte sie: “Kay, Du hast recht. Auch wir haben weder Platzprobleme noch einen Bedarf für diese Welten - im Moment jedenfalls. Soweit ich weiß, war das Erkundungsprojekt für diesen Sektor sogar eine Gemeinschaftsarbeit unserer beiden Republiken, um die Ressourcen für das nächste Jahrtausend zu sichern. Aber irgend etwas ist dazwischen gekommen. Als die Gefechte auf Calenberg begannen, hat meine Regierung Deiner wohl nicht mehr so recht getraut.“ „Und die Moral von der Geschichte: Plötzlich traut keiner mehr dem anderen, und schon beanspruchen beide Reiche die erkundeten Systeme für sich alleine. Und lächerliche zwölf Monate später attackieren wir einander! Hm, würde mich nicht weiter wundern, wenn gerade in diesem Moment in diesem System eine große Raumschlacht stattfindet. In spätestens elf Stunden, wenn
uns das Licht vom Systemrand erreicht, werden wir es wissen...“ *** Zur gleichen Zeit, irgendwo außerhalb des Sonnensystems, stürzten zwei Fregatten auf Hilfsmission aus dem Hyperraum. Sie befanden sich in einer Entfernung von zwei Millionen Kilometern zueinander, was nach kosmischen Maßstäben ein Katzensprung war. Auf der HLF CANTERBURY gellten die Alarmsirenen, die Überschweren Schiffskampfpartikelprojektoren wurden besetzt, ebenso die Schaltstationen der Torpedobunker, die Staffel SmashHammer, die alle Fregatten der LONDINIUM-Klasse an Bord hatten, wurden bemannt und im Alarmstart ausgeschleust. Klar Schiff zum Gefecht in dreißig Sekunden. Auf der LLF OSLO herrschte eine ganz ähnliche Stimmung, auch hier befahl der Kapitän den Alarmstart für die Staffel Ragnaröks, Torpedosilos nahmen eine erste Zielpeilung vor und hinter den Visieren der Laserbatterien lauerten die Bordschützen auf die Chance, eine SmashHammer beharken zu können. *** Die mittlere Entfernung für ein Schiff zu Schiff - Gefecht betrug zirka sechs Lichtsekunden, also nicht ganz zwei Millionen Kilometer, aus dem einfachen Grund, weil die meisten Waffen an Bord lediglich lichtschnell waren und bei einer solchen Distanz auch ihre sechs Sekunden bis zum Ziel brauchten. Das Motto hieß, je näher, desto besser, vor allem für die LLF OSLO, die als Schiff der VALKYRIE-Klasse einer Fregatte der LONDINIUM-Klasse im Faktor vier zu fünf überlegen war. Dennoch bemühten sich beide Schiffe, Raum zwischen sich zu bringen. Dies war das Ende eines Gefechtes, daß nie begonnen hatte. „Anruf von der CANTERBURY, Kapitän!“ FregattenKapitän Nakamo nickte leicht. Der Funkoffizier legte den Anruf auf einen der großen Schirme der Zentrale. Eine kleine Frau mittleren Alters mit pechschwarzen Haaren erschien auf dem Schirm. Auf ihrem Kragen prangte das Zeichen eines Fregattenkapitäns. Sie musterte Nakamo amüsiert, vielleicht, weil er asiatischer Abstammung war und sie das nicht an Bord eines Schiffes der Goldielocks erwartet hatte. „Also kein Gefecht!“ stellte sie trocken fest. „Ich grüße Sie, Sir! FregattenKapitän Marcani von der CANTERBURY!“ Nakamo verneigte sich leicht. „Ich grüße Sie ebenfalls, Ma´am. FregattenKapitän Nakamo von der OSLO! Sie haben recht, wir wünschen kein Gefecht. Wir sind auf der Suche nach dem Livepod eines unserer Piloten. Unser Suchraster hat uns in dieses Gebiet getragen. Es ist ein enorm wichtiger Pilot, müssen Sie wissen.“ Marcani zuckte leicht zusammen. „Sie werden es schon erraten haben, auch wir sind auf der Suche nach einem unserer Piloten. Und auch er ist wichtig genug, daß deswegen eine Fregatte in Marsch gesetzt wurde. Was machen wir jetzt, Sir?“ „Nun, ich denke, da unsere Nationen sich noch immer nicht im Krieg befinden und ich - wie Sie, Ma´am wahrscheinlich auch - den Befehl habe, Gefechte zu vermeiden, können wir uns sicher arrangieren.“ „Das Beste wird sein, wir gehen unseren Suchraster durch, und Sie den Ihren. Und sollten wir zufällig auf Ihren Piloten stoßen, bringen wir ihn bei Ihnen vorbei!“ „Das Gleiche gilt auch für uns, Ma´am. Ich denke aber, wir sollten nicht stur unseren Suchrastern folgen. Teilen wir die Sektoren unter uns auf, dann sind wir schneller fertig.“ „Hm, eine gute Idee. Ich muß aber darauf bestehen, daß CANTERBURY und OSLO die Planeten dieses Systems gemeinsam erkunden. Das ist kein Mißtrauen gegen Sie, Sir. Meine Admiräle würden mich nur kielholen lassen, wenn sie davon erführen!“ Wieder verneigte sich der schlanke Asiat. „Ich bin einverstanden, Ma´am! Wenn Sie es wün-
schen, werde ich meinen Navigator nun mit Ihrem kommunizieren lassen, um die Aufteilung der Raster festzulegen.“ „Danke, Sir! Ich bin einverstanden! Übrigens, die CANTERBURY hat die Gefechtsbereitschaft beendet.“ Nakamo verneigte sich erneut. „Auch die OSLO beendet die Gefechtsbereitschaft, Ma´am. OSLO Ende!“ *** „Im Namen der Moskauer Zusatzerklärung muß ich Sie darüber informieren, Major Bassa, daß....“ „Schon gut, Blechkasten“, unterbrach sie den Computer ihres Livepods. „Ich habe Major Vieland nicht gefangengenommen, und er hat mich nicht gefangengenommen. Gemäß der Moskauer Erklärung haben wir uns auf eine friedliche Koexistenz geeinigt! Leg Deine Sachen da ab, Kay. Der Boden ist eben und mit einem Schlafsack zu ertragen. So, wie Du aussiehst, hast Du Dich die letzten beiden Wochen wohl zum Schlafen immer eingegraben.“ „Oder in einem Baum festgeschnallt! Das mußt Du doch gemerkt haben. Wenn ich schnarche, fälle ich ganze Wälder“, scherzte er und ließ den Rucksack von der Schulter rutschen. Danah warf ihm ein paar Nüsse zu. „Hier, hat mein Pod als ungefährlich klassifiziert. Enthält pro Fruchtkörper einen Sechstel Deines Bedarfs an Vitamin A und C. Ist besser als diese ewigen Kapseln!“ „Danke!“ Die Dinger waren hart, aber genießbar. Geschmack hatten sie auch keinen, aber es war wirklich mal was anderes. Schade, daß er sein Livepod mit seinen Analysemöglichkeiten hatte zurücklassen müssen. Kay ließ sich auf den Boden fallen und benutzte seinen Rucksack als Kopfkissen. „Weißt Du, was ich mache, wenn ich zu Hause bin? Ich beantrage Urlaub und fliege drei Wochen nach Dehli. Da werde ich mich erst einmal ausgiebig regenerieren! Und Du?“ „In etwa das Gleiche. Nur heißt mein Ziel Parkinson.“ „Parkinson, Parkinson... Subtropisches Klima, keine Kontinente... Aber hunderttausende mehr oder weniger größere Inseln, nicht?“ „Woher weißt Du das?“ wunderte sich Danah. „Die Republik hat immerhin zweihundert Systeme!“ „Woher? Na ja, ich habe mal einen Angriff auf diese Welt geflogen. Im Simulator! Nur im Simulator, ehrlich. Ziel war es übrigens, den Brückenkopf eines gelandeten Feindes zu bombardieren.“ „Ah, ja. Das muß ich mir für unsere Propaganda-Abteilung merken: Feindpiloten trainieren Angriff auf Urlaubswelten!“ Sie grinste zu ihm herüber. „Ach komm, Kay, Du wirst doch wohl Spaß verstehen?“ Kay nickte. Irgendwie war ihm plötzlich zum Weinen zumute. „Wieso haben wir uns nur kennengelernt? Welcher schlechten Laune eines Sternengottes verdanken wir es, daß wir derart bestraft werden?“ „Bestraft? Also, bis auf unser kleines Duell habe ich unsere Begegnung nicht gerade als...“ „Es ist eine Strafe!“ murmelte Kay müde. „Da wir uns jetzt geeinigt haben, werde ich mit einem meiner Schiffe fortgebracht und Du fliegst mit Deinen Leuten nach Hause. Man wird uns eine Woche testen, verhören und untersuchen, und anschließend bekommen wir vielleicht jeder zwei Wochen Urlaub. Danach geht es zurück zu unseren Einheiten... Und wenn dieser Konflikt weiter kollabiert, dann... dann stehen wir einander bald wieder gegenüber, in unseren Jägern... als Feinde!“ Danah hockte sich auf den Boden. Sie dachte an ihre schmerzende Lippe. In einer ihrer Taschen knirschte die Folie der weißen Schokolade. „Ich will nicht mit Dir kämpfen müssen!“ Einen Moment glaubte sie, sie selbst hätte dies gesagt, aber es waren Kays Worte. „Ich habe Dich kennengelernt und ich mag Dich!“ „Ich... ich will auch nicht mit Dir kämpfen. Eigentlich bist Du ganz okay, obwohl Du ein Josef
bist...!“ *** „Sir, ich denke, wenn unsere beiden Piloten in diesem System sind, dann finden wir sie nicht auf den Standartplätzen wie zum Beispiel im Exosphäre-Orbit um einen Trabanten mit Atmosphäre. Meine Fachleute sagen, daß der Livepod von Major Vieland vielleicht beschädigt war und er deshalb auf Kelvedon notlanden mußte. Da diese Schäden von Ihrer Pilotin, Major Bassa verursacht worden sind, können wir davon ausgehen, daß auch ihr Livepod beschädigt wurde. Wir finden sie wahrscheinlich auf zwei einander gegenüberliegenden Punkten auf diesem Planeten“, sagte FregattenKapitän Marcani von der CANTERBURY. Der Kapitän der OSLO, Nakamo, widersprach: “Das glaube ich nicht, Ma´am. Auch meine Analytiker geben der Theorie, beide Piloten auf Kelvedon zu finden, sehr gute Chancen, aber ich bezweifle, daß wir die beiden auf der planetaren Antipode des anderen finden werden. Kennen Sie die Chaos-Doktrin? Leitsatz eins: Wenn irgend etwas schiefgehen kann, dann geht es früher oder später auch schief! Ich wette mit Ihnen um tausend Credits, daß wir die beiden in einem Radius von dreißig Kilometern finden werden!“ Marcani begann zu grinsen. „Dreißig Kilometer? Die Wette nehme ich an! Wollen Sie wissen, wohin Sie das Geld überweisen sollen, Sir?“ „Das wird nicht nötig sein. Ich werde es bar annehmen, wenn unsere Aufträge erledigt sind“, sagte der Asiat und verneigte sich lächelnd. Der Bildschirm an Bord der CANTERBURY erlosch. „Kann mir mal einer sagen“, rief FregattenKapitän Marcani ihrer Brückenbesatzung zu, „warum ich das Gefühl habe, gerade einen Batzen Geld verloren zu haben?“ *** Drei Tage waren seit ihrem Friedensschluß vergangen - natürlich Standarttage. Nach KelvedonRechnung wären dies fast vier Tage gewesen. Es war nicht besonders viel zu tun für zwei Piloten, die auf einer einsamen Welt gestrandet waren und nun auf Rettung warteten. Meistens spielten sie Schach oder eines dieser modernen Terasquel-Spiele. Oder sie unterhielten sich über ihre Arbeit, über Antriebssysteme, Waffen, Livepod-Fähigkeiten und dergleichen. Da sie aber beide die Fähigkeiten der Feindmaschinen längst kannten, ging es bei den Gesprächen längst nur noch um Meinungen und um besondere Piloten. Wenn es sich irgendwie einrichten ließ, schliefen sie, aber bei den vielen Möglichkeiten, sich auszuruhen wurde das schnell langweilig. Ab und an trainierten sie zusammen. Danah hatte den Zweiten Dan in Karate, Kay war Vierter Meister in Telos. Es wurden sehr ergiebige - unblutige - Trainingsrunden, in denen sie beide lernen konnten. Aber immer bestimmten sie selbst, was gerade geschehen sollte. Irgendwann fragte Danah einmal: “Was meinst Du, Kay, regnet es niemals auf dieser Welt?“ Als hätte der hiesige Wettergott sie erhört, öffnete Kelvedons Himmel seine Schleusen und entließ einen wahren Wolkenbruch, der sie binnen weniger Augenblicke bis auf die Knochen durchweichte. Ihre Fliegerkombis waren wasserdicht, aber ihre Krägen standen weit offen. Pech. Sofort flüchteten sich die beiden unter den Pod, wo es für wenige Sekunden noch eine trockene Stelle gab, und Kay fragte: „Warum verstecken wir uns eigentlich? Der Regen ist warm! Hast Du Lust auf eine Dusche, Danah?“ Er schlüpfte aus seiner vollkommen durchgeweichten Kombi und stellte sich in den strömenden Regen. Sein Lachen hallte zu ihr herüber; Danah zögerte nur eine Sekunde, dann sprang sie auch hinaus in diese warme Gratisdusche. „Ist das herrlich!“ rief sie und streckte ihre Hände gen Himmel. Dabei lief sie Kay direkt in die Arme. „Hoppala!“ Sie sahen sich an, grinsend, einfach happy über diese wundervolle Gelegenheit. Kays Miene wurde ernst, fast traurig. Auch Danahs Grinsen wich etwas wehmütigem. „Verdammt!“ fluchte Kay.
Danahs Hände lagen plötzlich auf seinen Wangen, hielten seine Augen auf sie gerichtet. „Nein, kämpfe nicht dagegen“, hauchte sie. „Ich kämpfe nicht. Ich habe schon verloren“, stieß er gequält hervor. Zögernd näherten sich ihre Gesichter, ihre Lippen einander, unendlich langsam, unendlich widerstrebend und wollend zugleich. Die Lippen berührten sich zu einem Kuß, und die Vergangenheit wurde unwichtig... *** „Es ist Kelvedon, Ma´am! Es muß Kelvedon sein!“ „Ich gebe Ihnen Recht, Sir. Moment, Mr. Nakamo, meine Spezialisten melden gerade, daß sie die Impulse beider Livepods aufgefangen haben. Verdammt, verdammt, verdammt. Tausend Sternenteufel und dazu einhundert schleimschleckende Stellarschiffer. Wann soll ich Ihnen das Geld `rüberbringen lassen?“ „Ich habe gewonnen? Wie weit sind die Livepods auseinander?“ „Lächerliche neunundzwanzig Komma vier Kilometer! Sch...! Aber egal, wir haben einen Job zu erledigen. Ich schlage vor, wir landen mit zwei Barkassen genau zwischen den beiden Pods, nehmen jeder unseren Piloten auf, sammeln anschließend die Pods ein und...“ „Ja... Mir tut es auch leid, Ma´am. Ich hätte unsere Begegnung gerne noch ein wenig vertieft... Ich schlage für den Abflug für null-neunhundert Standartzeit vor.“ „Ich bin einverstanden. CANTERBURY Ende!“ *** „Major Bassa, ich orte zwei anfliegende Barkassen. Infanterie-Tender. Die Signatur kommt herein, Moment... Es handelt sich um einen Tender der Fregatte LLF OSLO, Republik Llainfarr und um einen Tender der Fregatte HLF CANTERBURY, Republik Hanover. Geplante Ankunftzeit vier Minuten, geplanter Ankunftsort ungefähr in fünfzehn Kilometern Entfernung. Die Tender werden nebeneinander landen!“ Danah sah Kay an. „Sie wollen, daß wir zu ihnen kommen!“ Der HanoverNavy begann, seine Habseligkeiten zu verstauen. „Gehen wir, Danah!“ „Und was ist, wenn wir ein Codewort vereinbaren?“ „Zwecklos! Unsere Psychologen würden das herausfinden. Und das Schlimme ist: sie würden es uns nicht übelnehmen, daß wir mit Hilfe des Codeworts vermeiden wollen, gegeneinander kämpfen zu müssen, sie würden davon ausgehen, daß man uns beeinflußt hat“, sagte Kay traurig. „So können wir es auch nicht vermeiden, wieder gegeneinander antreten zu müssen.“ „Aber wie dann?“ fragte sie traurig. „Ich will nicht und ich kann nicht!“ „Ach, das beste wäre, es würde überhaupt keinen Krieg geben. Aber soviel Glück haben wir wohl nicht... Moment!“ Er sah nach vorne. Zweihundert Meter voraus sah er über den Rand einer Senke hinweg die beiden Barkassen. Die Infanteristen beider Parteien standen um die Boote herum und hielten Abstand zueinander, aber es schien so, als unterhielten sie sich. Links stand die Barkasse der OSLO. „Einen Weg gibt es noch. Dir würde es wegen Deines Vaters vermutlich als Hochverrat ausgelegt werden, wenn Du mit mir kämst, aber ich... Ich gehe einfach mit Dir!“ Sie sah ihn erschrocken an. „Das würdest Du tun?“ „Das werde ich tun!“ sagte er fest. „Aber Deine Leute werden glauben, daß Du desertiert bist! Du wirst Deine Heimat, Deine Freunde und Deinen Rang verlieren und...“ Kay zog sie sanft in seine Arme. „Danah, in meinem ganzen Leben war ich mir nie so sicher wie jetzt. Ich liebe Dich. Mit Dir wäre selbst die Hölle ein angenehmer Ort!“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie wollte nicht weinen, oh nein, tough genug war sie auch,
aber... bei dem, was sie tat, kamen ihr die Tränen! Vor Wut! Vor Enttäuschung! Als ihr Schockstab Kays bloße Haut berührte, sank dieser zitternd und zuckend zu Boden. Ungläubig, mit unstetem Blick versuchte er zu ihr hochzusehen. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und küßte ihn. Dabei liefen ihre Tränen auf Kays Wangen. „Ich liebe Dich doch auch...“ Sie drehte sich um und rannte davon, so schnell sie konnte. Die Tränen wurden weggeweht oder trockneten auf ihren Wangen und die Barkasse der OSLO kam immer näher. Nein, niemals hätte sie es ertragen können, daß Kay für sie alles aufgab, was er besaß, was er war... Schneller! Lange würde die Lähmung nicht mehr anhalten. Noch schneller! Sie erreichte den ersten Infanteristen, huschte an ihm vorbei und befahl: „Sofort starten!“ Die Soldaten eilten an Bord, kurz darauf hob der Tender ab. Danah suchte durch ein Sichtfenster den schnell unter ihnen verschwindenden Boden nach Kay ab, während sich ihre Augen erneut mit Tränen füllten. Da! Das mußte er sein. Langsam, als hätte er eine schwere Last zu tragen, schlurfte er auf `seine´ Barkasse zu. So, als hätte er etwas kostbares verloren und suche jetzt danach... *** FregattenKapitän Marcani salutierte. „Ich bedanke mich für die erfolgreiche Kooperation, Sir! Ich werde sie nachdrücklich in meinen Berichten erwähnen!“ FregattenKapitän Nakamo salutierte ebenfalls. „Auch ich werde in meinem Bericht mit der Wahrheit nicht geizen, Ma´am.“ „Unsere Aufträge sind hiermit erledigt. Ich hoffe, ich muß die OSLO niemals wiedersehen! CANTERBURY Ende!“ Der Schirm erlosch. „So `ne Ziege!“ rief jemand. „Erst bedankt sie sich bei uns, und dann will sie uns nie wiedersehen!“ Nakamos Miene blieb vollkommen unbewegt, als er sagte: „Schweigen Sie, Narr! Es war das größte Kompliment, daß dieses Schiff jemals bekommen hat. Sollten wir die CANTERBURY jemals wiedersehen, stehen die Chancen nicht schlecht, daß dies im Krieg sein wird. Und genau das wollte FregattenKapitän Marcani nicht..“ *** Das Büro lag im oberen Drittel des Calenberg Tower. Man hatte von hier eine wundervolle Sicht auf Londinium, die Metropole dieser Welt. Die Stadt schmiegte sich sanft zwischen die Hügel des Leineberglandes, der Fluß selbst teilte die Stadt in drei unregelmäßig große Teile. Die einzelnen Gebäude standen weit verstreut über das Tal. Zwischen ihnen befanden sich ausgedehnte Parks und große Rasenflächen, auf denen zu dieser Zeit, es war früher Nachmittag, Kinder und Erwachsene die sanfte Frühlingssonne genossen, picknickten oder eines der weitverbreiteten Ballspiele spielten. Es war ein friedliches Bild, ein Bild, für das Kay immer gekämpft hatte. Sein Blick glitt von der Penny Lane, die beide Flußarme überquerte und dabei die Celler Straße kreuzte, entlang, bis er zum Fuß des Gebäudes gelangte, in dem er war. Rund um den Tower hatte man neue junge Bäume gepflanzt, vereinzelt sah man auch Grabzeichen oder Blumenkränze. Hier hatte seine Staffel die Angriffe geflogen, mit der Präzision von Chirurgen das Gelände rund um den belagerten Tower dreifach durchgepflügt und Tod und Verderben über die Putschisten gebracht. Unter ihm patrouillierten Leichte Panzer und Infanteristen, das einzige Zeichen, daß der Krieg bevorstand. Noch einmal sollte solch eine Attacke auf das Hauptquartier der Admiralität nicht mehr gelingen. Dafür hatte er nicht gekämpft... „Sir? Können wir weitermachen?“ Kay sah hinter sich. „Natürlich, Doktor Giotti! Wo waren wir stehengeblieben?“
„Wir haben gerade über die Sache im Regen gesprochen!“ Der Major setzte sich wieder. „Oh, ja, ja. Was wollen Sie wissen, Doc?“ „Hm, Sie hatten also Sex mit Major...“ „Wir hatten keinen Sex, verdammt!“ unterbrach Kay den Psychologen. „Es war... kein Sex. Es war einfach etwas anderes. Es war...“ „Liebe?“ Kay knurrte wie ein angriffslustiger Hund. „Möglich!“ „Hm. Seit Freud´schen Zeiten ein beliebtes Thema für uns Psychologen, Sir. Lassen Sie uns ein Experiment machen. Gehen wir davon aus, daß Sie Major Bassa wirklich lieben... Oder geliebt haben. Könnte es möglich sein, daß Major Bassa Sie nicht liebt?“ Der Spezialist legte nachdenklich die Hände ans Gesicht. „Könnte es nicht doch Berechnung sein? Seien Sie ehrlich zu sich selbst, Major!“ „Verdammt!“ brüllte Kay und schlug mit der Faust auf den Schreibtisch des Arztes. „Hören Sie, Doc, ich werde mir von Ihnen keinen kleinen Mann ins Ohr setzen lassen, der mir immer wieder erzählt, daß mit mir da draußen auf Kelvedon nichts passiert ist. Das mit uns nichts passiert ist! Das da etwas besonderes zwischen uns war, obwohl wir als... Feinde begonnen hatten! Die Unterredung ist beendet!“ Kay sprang auf und eilte aus dem Büro. Die Stimme des Arztes ließ ihn kurz noch verharren. „Unter diesen Umständen kann ich Ihnen keine Flugerlaubnis erteilen, Herr Major! Ich verschreibe Ihnen drei Wochen Urlaub. Dann werden wir uns noch mal unterhalten. Vor allem über Ihre Desertion!“ Kay schmiß die Tür mit all seiner Kraft hinter sich zu. Giotti zuckte kurz , dann öffnete er eine neue Datei auf seinem Arbeitscomputer. „Memo: Ist es möglich, daß sich Major Bassa und Major Vieland wirklich verliebt haben, oder war es die Einsamkeit? Und wieso hat Major Bassa das Angebot Major Vielands, mit ihr zu kommen, ausgeschlagen? Auch wenn er nicht übergelaufen wäre, hätte es einen enormen Prestigeverlust bedeutet, ihn zu verlieren. Gibt es denn Liebe? Und ist sie diesen beiden widerfahren? Memo Ende!“ Der Psychologe schloß die Sequenz und saß noch eine halbe Stunde sehr nachdenklich auf seinem Platz... *** Auf der MONTANA hatte man einen wundervollen Blick auf Trondheim, die Welt, die das regionale Gouvernat Llainfarrs beheimatete. Vor allem von hier, der Beobachtungskuppel. Die spindelförmige Raumstation hatte sich extra so gedreht, daß man sehen konnte, wie die schwarze, von vereinzelten Lichtern durchbrochene Nacht auf Trondheim langsam dem Tag wich. Man konnte dieses Schauspiel zweimal in der Stunde genießen, manchmal auch dreimal, wenn der natürliche Tag-Nachtzyklus des Planeten gut mit der Umlaufbahn der in tausend Kilometern Höhe fliegenden MONTANA harmonierte. Wie oft hatte Danah dieses Schauspiel nun schon gesehen? Dies war ihr hundertster Sonnenaufgang. Vor einer Stunde hatte ihr letztes Verhör geendet, man hatte sie gelobt für ihre Fallentaktik, man hatte sie gelobt für die Einhaltung der Moskauer Erklärung, man hatte sie gerügt, sich nicht mit Feindpiloten zu verbrüdern und man hatte sie getadelt, Major Vielands Angebot nicht angenommen zu haben, mit in die Republik Llainfarr zu kommen. Und dann hatte sie KonterAdmiral Andersen beiseite genommen und ihr erzählt, daß eine Computeranalyse ergeben hätte, wie richtig ihre Entscheidung gewesen war, Kay nicht mitzunehmen. Man ging in der Psychologischen Abteilung davon aus, daß der Major geplant hatte, sich in die Streitkräfte der Republik einzuschleichen, sie mit falschen Informationen zu füttern und dergleichen mehr. Das der Admiral ihr eine Beförderung in nächster Zeit in Aussicht gestellt hatte, das war ihr nur unbewußt im Gedächtnis geblieben. Nach den Verhören hatte sie wieder ihren Lieblingsplatz, hier in der Beobachtungskuppel der MONTANA aufgesucht. Seit vier Sonnenaufgängen saß sie hier und dachte nach. Sie hatte sogar schon mit dem Gedanken gespielt, ihren Dienst zu quittieren. Oder sich versetzen zu lassen, weit
weg, an die Commonwealth-Grenze vielleicht... Zwecklos, im Falle eines Krieges würde man sie hierher zurückholen. Militärattaché vielleicht? Irgendwo in der Konföderation, zehntausend Lichtjahre weit weg von hier... „Major Bassa!“ „Major Bassa!“ „Ma´am, würden Sie bitte...“ „Ma´am! Hier...“ Einen Moment glaubte sie, eine Horde Blutläuse hätte sie attackiert, aber es war weit schlimmer - Reporter! Dazu gleich ein volles Dutzend! Weiß der Henker, wen sie alles bestochen hatten, damit sie auf die MONTANA hatten kommen dürfen, und wen noch, um sie überfallen zu können! „Bitte, Ma´am, Sie waren drei Wochen lang auf Kelvedon verschollen, zusammen mit dem Schlächter von Calenberg! Was ist diese Bestie für ein Mensch?“ „Major, bitte, wie haben Sie es geschafft, in all der Zeit diesem Monster nicht in die Hände zu fallen?“ „Stimmt es, daß Sie Major Kay Vieland persönlich abgeschossen haben?“ „Was ist dran an dem Gerücht, daß Vieland einem genetischen Zuchtprogramm entstammt, daß den vollkommen gefühllosen Killer erschaffen sollte?“ „Ma´am, wir sind live auf Sendung für Trondheim Network! Bitte erzählen Sie uns doch von Ihrer Zeit dort!“ „Ma´am...“ „Major Bassa, ich...“ „Hier bitte hineinsehen!“ „Ma´am!“ Es war nicht das Verhör, es war nicht das Durcheinander der vielen Fragen, es war nicht, daß sie in ihrer Ruhe gestört worden war, es war von allem ein wenig! Der Wutschrei, den sie ausstieß, ließ das Stimmengewirr, das Herumwirbeln von Fragen enden. Stumm sahen sie Major Bassa an. Ihre Augen blitzten vor Wut und Zorn, daß die erste Reihe der Reporter unwillkürlich zurückwich. „Wenn ich noch einmal jemanden `Schlächter von Calenberg´ sagen höre, werfe ich ihn aus der nächsten Luftschleuse!“ „Sie... Sie nehmen diese Bestie in Schutz?“ stotterte einer der Reporter. Danah sah ihn an, in etwa wie eine Schlange, die ihr Frühstück hypnotisieren wollte. „Es tut mir ja soooo leid, Ihnen Ihr Spielzeug wegzunehmen, aber Major Kay Vieland ist keine Bestie. Im Gegensatz zu mir hat er sich die gesamte Zeit auf Kelvedon devensiv verhalten. Wenn dies der grausame Mann gewesen sein soll, der beim Calenberg-Putsch ein Krankenhaus zerschossen haben soll, dann kann der Bericht nicht stimmen! Aber anstatt ein klein wenig zu recherchieren, haben Sie alle es sich mächtig leicht gemacht und bedenkenlos die Berichte des Commonwealths übernommen! Pah! Lassen Sie mich durch! Rückgratlose Sensationsjäger!“ „Trondheim Network, es ist neun Uhr. Wir beginnen mit einer Richtigstellung. Unser Bericht vom Vierten Zehnten des Vorjahres über die Calenberg-Revolte stimmte so nicht. Es handelte sich, wie uns unsere Botschaft auf Calenberg bestätigte, um keinen Aufstand, sondern um einen Putsch. Desweiteren hat unsere Recherche in diesem Fall ergeben, daß Hauptmann Kay Vieland, der bei den Gefechten während des Putsches ein Krankenhaus versehentlich zerstört haben soll, zu unrecht Schlächter von Calenberg genannt wurde. Tatsächlich wurden nur leichte Waffen von den Jagdfliegern eingesetzt. Zivilpersonen kamen beim Putsch nicht ums Leben! Trondheim Network entschuldigt sich offiziell dafür, ein falsches Bild vom mittlerweile zum Major beförderten Kay Vieland verbreitet zu haben! Zu den Nachrichten. Mendos, Nordkontinent...!“
*** Eine Woche später im Kelvedon-System verließ ein überschwerer Flottenverband der Republik Hanover den Hyperraum. Angeführt wurde die Flotte von der HHC PLYMOUTH, begleitet wurde der schwere Träger von elf Fregatten der LONDINIUM-Klasse, unter ihnen die HLF CANTERBURY und die HHF HILDESHEIM. Zwanzig schnelle Zerstörer der MESSERSCHMIDTSerie sicherten den Verband, die HHC BREMEN, ein Schwesterschiff der PLYMOUTH war als Verstärkung zum Verband befohlen worden. Drei leichte Träger, die HLC EMDEN, die HLC HAMBURG und die HLC YORK rundeten das Bild ab. Dazu kamen noch die vier Schlachtschiffe HBS BSIMARCK, die HBS CALIFORNIA, die HBS HOOD und die HBS DEHLI. Die Zerstörer schwärmten schnell aus und sicherten das Terrain, die Fregatten begannen, die Schweren Träger mit ihren eigenen Schiffen zu decken. Die Schlachtschiffe nahmen Positionen ein, aus denen am ehesten ein Feindangriff zu erwarten war. Dann begann die Warterei. In allen fünf Trägern saßen die Piloten in ihren Maschinen bereit und warteten mit schwitzigen Händen auf den Befehl zum Start. In einer Milliarde Kilometer Entfernung stürzte ein Kampfverband der Republik Llainfarr aus dem Hyperraum. Angeführt wurde er vom überschweren Schlachtschiff LSBS BERGEN. Den Schutz dieses Giganten hatten die Schweren Träger LHC LOKI, LHC TOKIO und die LHC HOUSTON übernommen. Neun Fregatten der VALKYRIE-Klasse, unter ihnen die LLF OSLO, übernahmen die Flankendeckung. Zwei leichte Träger, die LLC SPITZBERGEN und die LLC AKAGI halfen aus. Dreißig Zerstörer der THOR-Klasse schwärmten weiträumig aus. Drei Schlachtschiffe der WOTAN-Reihe beendeten die Aufzählung der Llainfarr-Schiffe. Es waren die LBS OSAKA, die LBS NOWGOROD und die LBS ADMIRAL CLARK JANSSEN. Auf allen Schiffen erschollen die Alarmsirenen. Erhöhte Wachsamkeit war befohlen worden, aber noch kein Gefechtszustand. Die Jagdflieger blieben auf ihren Trägern - noch!!! Die beiden Verbände waren ungefähr gleich stark. Sollte es zum Kampf kommen, hätte dies die Auslöschung der einen und die fast vollständige Vernichtung der anderen zur Folge. Doch im Moment belauerten sie einander nur. Sie spielten mit ihren Muskeln, ja, aber das war es auch schon. Den meisten an Bord schauderte bei dem Gedanken, es könnte wirklich zum Kampf kommen... Plötzlich fiel ein weiteres Schiff aus dem Hyperraum. Es handelte sich um einen wahren Giganten, der die LSBS BERGEN an Volumen locker überbot. Das Schiff nahm eine Position ein, die der ungefähren Mitte zwischen den beiden Flotten entsprach. Beim Giganten handelte es sich um die KPL C´EST LA VIE, eines von fünf Schiffen, die in der Konföderation Freier Planeten produziert worden waren, um die Galaxis friedlich zu bereisen. Oder um es banal auszudrücken, die C´EST LA VIE war ein Kreuzfahrtschiff, ein riesiger Vergnügungsdampfer. Doch im Moment war das Konföderationsschiff nicht auf Vergnügungsreise. Sie sollte den Admirälen beider Flottenverbände einen neutralen Ort für Verhandlungen anbieten... Kurz nachdem die C`EST LA VIE erschienen war, lösten sich zwei Barkassen von der OSLO und der CANTERBURY und dockten auf den jeweils gegenüberliegenden Seiten des Schiffes an. In der ungefähren Mitte hatte man für sie einen großen Saal komplett geräumt. Die Delegation der Republik Hanover führte VizeAdmiral Stein an, die Delegation der Republik Llainfarr unterstand KonterAdmiral Andersen. Die Delegationen erreichten den Saal zugleich. Militärische Grüße wurden ausgetauscht, höfliche Worte gewechselt. Doch was immer die Herren Admiräle für diese Konferenz geplant hatten, es wurde von zweien ihrer Leute zunichte gemacht. Major Kay Vieland und Major Danah Bassa gingen aufeinander zu, quer durch den als neutral markierten Bereich in der Mitte des Raumes. Als sie nur noch eine Armeslänge trennte, plapperten beide zugleich los. „...Tut mir leid... ich das mit dem.. gerne mit Dir gekommen... Trondheim Network... mir egal, ob... Dich so, wie Du...!“ Dann verstummten sie plötzlich. Das die Blicke aller Anwesenden auf sie gerichtet waren, nahmen sie gar nicht wahr. Sie begannen beide zu lachen,
umarmten sich, küßten sich und verließen schließlich laut miteinander schwatzend den Saal. „Mein lieber Kollege Stein“, sagte KonterAdmiral Andersen schließlich, „heute sind wir nur Statisten, wie mir scheint!“ „Teufel auch, es scheint zu klappen! Was ist, Ole, verträgst Du immer noch einen guten Scotch? Ich habe gehört, die C´EST LA VIE hat ein paar echte Sorten von Terra an Bord!“ Ihrer beiden Delegationsführer beraubt standen die anderen Offiziere noch unschlüssig herum (während Reporter das ganze Geschehen aufnahmen und die unglaublichen Vorgänge in der gesamten Galaxis verbreiteten, obwohl sie selbst nicht so recht glauben konnten, was hier geschah), bis schließlich die Fregattenkapitäne Marcani und Nakamo einander die Hände schüttelten. Es war, als wäre ein Bann gebrochen worden. Die Delegationen mischten sich, Hände wurden geschüttelt, Witze und kleine Späße machten die Runde. Man lud sich gegenseitig zu Drinks oder kleinen Snacks ein, und nach wenigen Minuten war der Saal bis auf ein paar Reporter leer. Wo doch das Schiff so viele Möglichkeiten, sich zu vergnügen, bot.
Epilog: „Hier Martens. Streichen Sie den vorbereiteten Artikel total. `Krieg bricht aus´ ist gestorben. Statt dessen heißt der Aufhänger `Liebe siegt über Unvernunft´!“
Eine Anekdote am Rande: Ein Reporter hatte KonterAdmiral Andersen einmal gefragt, welches der größte Feind des Friedens sei, und der Admiral hatte nur gesagt, das wisse er nicht. Er kenne aber den größten Feind des Krieges. „Der größte Feind des Krieges“, hatte er gesagt, „ist die Kommunikation untereinander! Sie verhindert den Aufbau von kriegswichtigen Vorurteilen“
ENDE