Das Wolfspärchen � Well, die Fähre über den Rio Grande war zunächst einmal meine Rettung. Doch damit war es wohl noch n...
12 downloads
413 Views
1019KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Das Wolfspärchen � Well, die Fähre über den Rio Grande war zunächst einmal meine Rettung. Doch damit war es wohl noch nicht ausgestanden. Denn meine Feinde würden mich, den GringoPistolero mit den Satteltaschen voller Gold, auch am anderen Ufer, in Texas, nicht ungeschoren lassen. Bevor die Fähre ablegte, kam jemand von dem kleinen Dorf zum Fluß heruntergelaufen. Die schlanke Gestalt war deutlich zu erkennen, denn das Licht der Sterne war stärker geworden. Plötzlich erkannte ich, daß da eine Frau angelaufen kam. »Halt! Nicht abfahren! Wartet noch auf mich!« Dann kam sie schon auf die Fähre. Sie hatte sich beim Laufen völlig verausgabt und konnte vorerst nichts sagen. Sie lehnte sich über das Geländer der Fähre, keuchte und rang nach Luft. Ich wandte mich an den Fährmann. »Na los, Amigo!« Er rief seinem Sohn eine Anweisung zu. Die beiden Maultiere begannen, im Kreis zu wandern und das Gangspill zu drehen. Die Fähre legte ab und wurde langsam hinüber zum anderen Ufer gezogen. Das Wasser war schwer, schlammig, fast wie in einem Sumpf. Der Rio Grande brauchte hier wieder einmal ein reinigendes Hochwasser. Mein Pferd stand ruhig. Der Fährmann kümmerte sich um den ordnungsgemäßen Lauf des endlosen Seiles, an dem die Fähre hing. Ich beobachtete die Frau. Warum war sie gelaufen, als wäre es um ihr Leben gegangen? Der vorliegende Roman erschien in dieser Reihe als Band 191 und im Western-Bestseller als Band 880.
Und was wollte sie dort drüben? Auf der texanischen Seite gab es kein Haus, nicht mal ein Schutzdach. Ohne Pferd war man dort drüben fast verloren. Denn zum nächsten Dorf war es weit. Das Ufer drüben war flacher als hier auf der mexikanischen Seite. Bei Hochwasser trat der Strom drüben bis zu einer Meile über. Was wollte diese noch immer keuchende Frau drüben zu Fuß? Das fragte ich mich, indes ich neben sie an das Geländer trat und sie nun von der Seite besser ansehen konnte. Ich sah gleich, daß sie noch jung war. Doch sie war kein Mädchen mehr. Sie war keine Mexikanerin. Ihr Reisekostüm war gewiß sehr modern und vielleicht sogar der letzte Schrei östlich des Mississippi. Doch das konnte ich nicht beurteilen; ich ahnte es nur. Sie war mehr als hübsch; dies erkannte ich sogar im Sternenschein und dem blassen Licht der Mondsichel. Sie wandte mir ihr Gesicht zu. Ja, sie war auf eine rassige und eigenwillige Weise schön. Sie besaß eine Ausstrahlung, die mich sofort traf und in mich eindrang. Es war von Anfang an etwas zwischen uns. So, als wenn von ihr ein Funke ausgegangen wäre, der tief in meinem Kern ein Feuer entfachte. Im Sternenschein leuchteten ihre Augen grün, und es waren leicht schräggestellte Augen; sie waren katzenhaft und zwingend, ausdrucksvoll und rätselhaft zugleich. Sie hatte hohe Wangenknochen und einen lebendigen Mund, der nun halb geöffnet war, weil sie immer noch schwer atmete. Aber ihre weißen Zahnreihen blitzten. Ihr Haar war dunkel; es schimmerte im Mond- und Sternenlicht. Sie war mittelgroß und wog gewiß nicht mehr als hundertzehn Pfund. Es war also alles richtig an ihr, wie man sich denken kann. Sie betrachtete mich ernst und fest – zugleich aber auch kritisch und hoffnungsvoll. Ja, das spürte ich deutlich.
Inzwischen war sie einigermaßen zu Atem gekommen. Sie sah mich immer noch fest an, als sie sagte: »Bruder, nehmen Sie mich mit. Ich brauche Hilfe. – Nehmen Sie mich mit!« Sie hatte mich mit Bruder angeredet und sich damit gewissermaßen zu meiner Schwester gemacht. Dies schuf von Anfang an etwas Gemeinsames zwischen uns, wie es unter gleichartigen Gefährten vorhanden war. Ich fragte ruhig: »Wo brennt es denn, Schwester?« »Ach«, sagte sie, »das ist eine lange Geschichte. Die läßt sich nicht so einfach erzählen. – Aber eines ist sicher: Ich will den gleichen Leuten entkommen wie Sie. – Ich konnte mir den Weg nicht freischießen, Bruder. Aber als der Weg frei war, da sprang ich aus dem Fenster und lief zur Fähre. Der Mann, den Sie im Zweikampf töten mußten, konnte mir das nicht mehr verbieten. – Ich will nach Texas, wie Sie, Bruder. – Werden Sie mich mitnehmen? Zu Fuß komme ich drüben wohl nicht weiter.« Da wußte ich es nun. Eine reizvolle Frau legte ihr Entkommen in meine Hand. Eine Schöne in Not bat mich um Hilfe. Und ein Texaner ließ niemals eine Frau vergebens um Hilfe bitten. Das gab es nicht bei echten Texanern – niemals! Es gab gar keinen Zweifel und kein Überlegen für mich, daß ich ihr helfen mußte. Und so nickte ich: »Sicher, Schwester, ich nehme Sie mit. – Aber wir haben nur ein Pferd. Ich kann Ihnen keine große Bequemlichkeit bieten.« Da sah ich sie zum ersten Male lächeln. »O Bruder«, sprach sie, »wenn Sie wüßten, wie wenig Bequemlichkeit ich schon auf meinem Weg hatte …« Sie brach ab, schloß ihren so lebendigen Mund auf eine herbe Art. Und dann sah sie nach Mexiko hinüber. Die Fähre war nun mitten im Strom; sie schien sich unsagbar
langsam ans Nordufer zu bewegen. Ich hatte plötzlich Sorge, daß jemand den Sohn des Fährmannes daran hindern könnte, weiterhin mit Hilfe der Maultiere das Gangspill zu drehen. Dann würden wir hier mitten im Strom auf der Fähre gefangen sein. So einfach wäre das. Gewiß, ich würde mich schwimmend retten können. Das traute ich mir zu. Selbst in diesem Schlammwasser würde ich nicht untergehen. Doch mein Pferd, die Ausrüstung und vor allen Dingen das Gold wären verloren. Auch mein Pferd hätte nur ohne jede Last in diesem Schlamm eine Chance. Und die Frau … Ich fragte mich plötzlich, wie sie wohl heißen mochte. Und so sagte ich: »Mein Name ist Starretter, Schwester, Rufus Starretter.« Sie sah mich wieder an. »Ich bin Liz – Liz Longdale«, sprach sie. »Und ich bin Ihnen sehr dankbar, Rufus.« In ihrer Stimme lag etwas; es war nicht zu beschreiben, aber es war irgendwie eine Mischung aus Dankbarkeit, einem Versprechen, Bewunderung und … Ja, was war noch in ihrer Stimme? Ich dachte darüber nach, versuchte es zu ergründen. Aber es gelang mir nicht. Ich wußte nur, daß sie eine Frau war, die längst ihre Lektionen gelernt hatte und genau wußte, daß man nichts geschenkt bekam und für alles einen Preis zahlen mußte. Wir schwiegen nun, und ich war dankbar für jeden Yard, den uns die Fähre zum Nordufer brachte. Drüben gab es keinen Halt. Es war noch niemand da, der das Gangspill stoppte. Meine Verfolger kamen zu spät. Dies war jetzt schon fast völlig sicher. Und endlich stieß die Fähre an Land. Ich gab dem alten Fährmann zwei Dollar. Und dann fragte ich: »Werden Sie Schwierigkeiten bekommen, Señor?« Er schüttelte den verwitterten Kopf. »Jetzt nicht mehr«,
erwiderte er. »Gegen einen Pistolero, gegen den sogar Lopez Juarez keine Chance hatte, hätten mein Sohn und ich nichts ausrichten können. Das weiß jeder. – Nein, man wird uns nicht bestrafen.« »Und wer hätte euch sonst bestraft?« Ich fragte es scheinbar lässig. Doch ich war neugierig. Ja, ich wollte wissen, wem ich mit meinem vielen Gold entkommen war und wer dieses Land beherrschte und sich an jedem Ort einen Statthalter hielt. Aber der Fährmann gab mir keine Antwort. Ich erhielt dennoch eine Antwort. Liz Longdale gab sie mir. Sie sagte ruhig: »Es ist eine Bande, die über das ganze Land verbreitet ist und ein riesiges Netz gespannt hat. Diese Organisation wird von mehreren Männern geleitet. Es ist eine Art Geheimdienst. – Es hat wenig Sinn für uns, jetzt noch Überlegungen anzustellen und zu forschen. – Wir sind entkommen, denke ich. Diesseits des Rio Grande werden Sie auf andere Banditen achten müssen, Rufus, die Ihnen das Gold abnehmen wollen.« Ich staunte, wie selbstverständlich sie annahm, daß ich Gold bei mir hatte. Aber sie war eine Frau, die offensichtlich über viele Dinge Bescheid wußte und sich auch ausgerechnet hatte, warum man mich in diesem Nest dort drüben festhalten und dann sogar erschießen wollte. Es war ja alles so einfach auszurechnen. Ich führte mein Pferd ans Ufer und saß auf. Liz Longdale stand ruhig neben meinem Steigbügel und sah zu mir hoch. Ich hätte jetzt fortreiten können. Doch ich hatte ihr versprochen, sie mitzunehmen. Und überdies war da noch etwas. Wie ich so vom Sattel aus auf sie niederblickte und sie abwartend zu mir hochblickte, da spürte ich, wie furchtlos und einsam sie war – und wie sehr sie sich längst schon daran
gewöhnt hatte, allen Dingen gelassen und ohne Furcht ins Auge zu sehen. Auch jetzt war es so. Ich spürte mit einem Male noch stärker, daß wir artverwandt waren, eine Menge Gemeinsames hatten. Sie war eine Abenteurerin, wie ich ein Abenteurer war. Wenn wir ein Paar wurden, dann würden wir einem Wolfspärchen sehr ähnlich sein. Denn wir würden von der Jagd leben. Wir würden immerzu das Glück jagen und zu erbeuten versuchen. * Die Nacht wurde sehr hell. Wir ritten jetzt mehr in nordöstlicher Richtung auf die Guadalupe Mountains zu. Irgendwo weiter in dieser Richtung mußte es den El Capitan Peak geben. Ich kannte mich einigermaßen aus in diesem Land. Weiter östlich floß der Pecos. Mein Pferd war vorher schon müde gewesen. Nach einigen Meilen war es am Ende seiner Kräfte. Doch ich wußte, daß es an der Basis der Guadalupe Mountains eine kleine Stadt gab, die an der Post- und Frachtlinie zwischen Fort Worth und El Paso lag. Diese Linie führte südlich um den El Capitan herum nach Westen, also nach El Paso. Wenn wir diese Linie erreichten, auf der täglich Expreß-Postkutschen in jeder Richtung verkehrten, hatten wir gewonnen. Deshalb schonte ich mein armes Pferd nicht. Es war lebenswichtig für uns, daß wir die Postlinie erreichten – oder zumindest einen Ort, wo wir frische Tiere bekommen konnten. Es war schon nach Mitternacht, als wir die Lichter in der Nacht erkannten. Sie waren nicht so türkisgrün wie die unirdischen Sterne, sondern gelblich oder gar rötlich. Sie versprachen Wärme, Freundlichkeit, Möglichkeiten der Hilfe und des Weiterkommens. Ja, von dieser Stadt dort an mußte es uns bessergehen.
Ich hielt an und saß ab. Denn bis zu diesen Lichtern dort jenseits einer Ebene, da waren es noch drei oder vier Meilen. Die konnte mein Pferd nicht mehr mit der schweren Last traben. Denn mitsamt dem Gold wog auch diese Liz soviel wie ein Mann. Sie saß ebenfalls ab, rutschte einfach vom Pferd mit einer geschmeidigen Bewegung. Ich hatte längst schon erkannt, daß sie eine gute Reiterin sein mußte. Sie paßte sich geschmeidig jeder Bewegung des Pferdes an. Ihr Rock war ihr bis weit über die Knie gerutscht. Ich sah, daß sie lange und schlanke Beine hatte. Nun strich sie den Rock glatt, richtete sich auf und sah mich an. »Auch ich kann ein Stück laufen«, sagte sie. »Das ist ein gutes Pferd.« Wir gingen nebeneinander auf dem staubigen Pfad daher. Rechts und links von uns war rauhes Büffelgras, waren Büsche und Kakteen, auch verwitterte Felsen und Steine. Es war kein gutes Land, und auf einer einzigen Quadratmeile konnte hier wahrscheinlich nur eine einzige Kuh oder ein Longhorn-Stier leben. Manchmal blickte ich auf Liz nieder. Einmal hob sie den Kopf und sah zu mir empor. Wieder gab sie mir ihr Lächeln, welches so sehr viel ausdrückte. »Wie kamen Sie in diese Situation?« fragte ich, denn ich war mehr als interessiert an dieser schönen Frau, von der ich glaubte, daß sie eine Abenteurerin war. Sie gab mir auf meine Frage nicht gleich eine Antwort. Wir liefen fast eine halbe Meile. Dann mußte sie anhalten und sich auf einen Stein setzen, um Sand oder Staub aus ihren zierlichen Stiefelchen zu schütten. Sie waren sicherlich bald hin, diese zierlichen Stiefelchen. Als sie fertig war, blieb sie noch einen Moment sitzen. »Ich gehörte zu einem Mann«, sagte sie. »Nein, wir waren nicht verheiratet. Aber wir waren Gefährten, Partner – ein Paar
– verstehen Sie, Rufus Starretter?« Ich nickte. »Sicher«, sagte ich. »Ein Paar – so wie auch wir ein Paar werden könnten, welches gemeinsam durch diese Welt zieht und sich umsieht nach Beute. – Liz, ich habe längst erkannt, daß Sie eine besondere Frau sind, die mit den üblichen Maßstäben nicht zu messen ist. – Nun gut, Sie gehörten also zu einem Mann. Was ist mit ihm? Denn Sie sind allein. – Wo ist er?« »Tot«, sagte sie schlicht. »Wir hatten an die große Chance geglaubt. – Aber es war keine. – Er war nicht schnell genug mit dem Colt, als es zuletzt nur noch darauf ankam.« Sie machte eine Pause, erhob sich vom Stein und trat auf mich zu. Sie sah zu mir auf und sagte: »Sie sind schneller mit dem Colt, Rufus Starretter, als er. Ihnen wäre das nicht passiert.« »Was?« fragte ich. Sie strich sich die langen Haare aus dem Gesicht, warf sie dann über die Schulter zurück. Sie drehte sie irgendwie zusammen und machte einen Knoten damit, der dann schwer in ihrem Nacken lag. »Ich sah durch das Fenster«, sprach sie dann. »Wie Sie diesen Lopez Juarez von den Beinen schossen. Ich begriff sofort, daß dies auch meine Chance war, von diesem Ort wegzukommen – über den Strom und nach Texas. Ja, ich begriff es plötzlich. Und ich wußte, daß Sie mich mitnehmen würden, Rufus.« Ihre Stimme bekam einen weicheren Klang und blieb dennoch kehlig. Sie trat dicht an mich heran, stellte sich auf die Zehenspitzen, legte ihre Hände auf meine Schultern und küßte mich. Ja, sie küßte mich auf den Mund. Ich umfaßte sie, hielt sie fest. Es war schon eine tolle Sache, solch eine Frau in den Armen zu halten und zu küssen. Ich hatte noch nie eine solche Frau in
meinen Armen gehabt, nein, noch nie. Das spürte ich sofort. Sie war etwas, von dem die Männer nur träumten, und nur ganz wenige bekamen es eines Tages wirklich. Sie bekamen es, wenn das Schicksal es so wollte. Und unser Schicksal hatte uns am Rio Grande zusammengeführt. Das wußte ich jetzt plötzlich. Wir küßten uns lange. Aber als ich dann spürte, daß sie nicht mehr wollte, gab ich sie frei. Es fiel mir schwer, doch ich gab sie frei. Denn ich wollte nichts verderben zwischen uns, bevor es überhaupt begonnen hatte. Und überdies war ich zwar kein Gentleman, doch aber ein Bursche, der jede Frau respektierte und nie etwas verlangte, was sie nicht freiwillig zu geben bereit war. »Danke«, sagte sie, und ich wußte nicht, ob sie sich für das Mitnehmen außer ihrem Kuß noch wörtlich bedankte oder weil ich sie freigab, als sie das wollte. Wir gingen weiter. Und ich zog das müde Pferd hinter uns her. »Wir hatten etwas Geld«, erzählte sie. »Tom Lane verstand etwas von Minen. Wir kauften eine Mine in Mexiko, die er vorher gründlich geprüft und durchforscht hatte. Wir holten den dreifachen Kaufpreis heraus. – Aber als wir verschwinden wollten, kamen die Banditen. Wir mußten uns ergeben. Sie hätten auch unsere Arbeiter niedergemacht. Wir beschäftigten etwa zwei Dutzend Arbeiter in unserer Mine. Es blieb uns nichts anderes übrig; wir mußten teilen. Aber sie nahmen uns in ihre Organisation auf. Sie brauchten einen schnellen Revolvermann, dem sie die Aufsicht über ein bestimmtes Gebiet übertragen konnten. – Tom Lane wurde also eine Art Statthalter, wie dieser Lopez Juarez einer war dort in dem kleinen Ort bei der Fähre. Doch unsere Stadt war größer. Wir trieben Steuern ein für die Bande.« Wieder verstummte sie, und wir schritten eine Weile
nebeneinander. Die Lichter kamen näher und näher. Ich hielt an, denn wir wollten nun die letzte Meile wieder reiten. Sie kam wieder in meine Arme, und nun küßten wir uns abermals. Ich spürte, daß sie sich nach Geborgenheit sehnte. In meinen Armen fühlte sie sich beschützt. Sicherlich auch wollte sie mir zeigen, was sie mir geben konnte. Sie war mir dankbar und wollte sich zugleich auch unentbehrlich machen. Ja, das war wohl damals ihre Absicht. Wir standen eine Weile beim Pferd und küßten uns. Dieser Kuß war länger als der erste – und er war zärtlicher. Sie ließ mich spüren, daß sie mir vertraute. Ich konnte das ausnutzen, und dann würde sie mich sicherlich in ihrem Kern verachten oder gar hassen. Ich konnte aber auch fair und nobel sein – und dann würde sie mich zumindest achten, wenn schon nicht lieben. Ich saß auf und half ihr wieder hinter mich. Nun erzählte sie mir den Rest der Geschichte: »Tom Lane bekam Streit mit einem unserer mexikanischen Pistoleros, weil dieser mich haben wollte. – Verstehst du, Rufus? Der kam einfach angeritten und sagte, daß er mich haben wolle, weil er es satt hätte, mich immer nur aus der Ferne anzusehen, und es nicht richtig sei, daß ein verdammter Gringo eine solch schöne Frau hätte, während er, Rodolfo Martinez, sich nur mit Putas begnügen müßte. – Nun, sie zogen ihre Colts und schossen es aus. – Tom Lane tötete diesen Verrückten. Aber er wurde selbst dabei schwer verletzt. Ich pflegte ihn noch drei Wochen. Dann war auch er tot. – Ich wollte fort, nur fort. – Ich kam bis zu diesem Nest an der Fähre. – Aber hier war Lopez Juarez. Und auch er wollte mich. Er sagte, daß er mir drei Tage und drei Nächte Zeit ließe. – Heute war die dritte und letzte Nacht. – Du hast ihn zur rechten Zeit getötet, Rufus.« Sie verstummte hinter mir. Ich spürte ihren Atem scharf im Genick. Aber dann schmiegte sie sich von hinten an mich. Ihre
Hände hielten sich nicht mehr an meinem Gürtel fest. Sie umarmte mich von hinten. Ich spürte ihre festen Brüste an meinem Rücken. Ja, ich hatte eine Gefährtin gewonnen. Das wußte ich nun. Ich besaß dreißig Kilo Gold und hatte jetzt eine Gefährtin. Ja, ich war zufrieden damit. Ich hielt es für eine außergewöhnliche Schicksalssträhne. Solch eine Frau zu besitzen, dies war ein besonderes Geschenk des Schicksals. Die Lichter der kleinen Stadt vor uns waren nun schon sehr nahe. Es war mir klar, daß Liz und ich zusammenbleiben würden. Denn sie paßte zu mir wie eine Wölfin zu einem Wolf. Diese Welt hielt gewiß für uns noch eine Menge bereit. Und plötzlich dachte ich auch nicht mehr an eine Ranch, die ich mir für mein Gold all die Tage in meinen Gedanken und Vorstellungen schon kaufte und vorstellte. Nein, es war plötzlich eine Menge anders geworden. Es war mir, als müßte ich aus dem Schatz, den ich mir aus der alten Mine in Mexiko holte, noch eine Menge mehr machen. Also konnte dieser Schatz nur als Einsatz gut sein. * Die Stadt hieß Amaty, und sie war ein mieses Nest. Ich wußte, daß wir hier auf böse Pilger stoßen konnten. Wir hielten bei der Post- und Frachtagentur an. Ich beugte mich aus dem Sattel und konnte auf einer Tafel die Abfahrtszeit der Kutsche nach El Paso entziffern. Sie war mit Kreide aufgeschrieben und fast schon verwischt. Im trüben Laternenschein wurde ein Mann sichtbar, der langsam um die Hausecke kam und sich offenbar im Wagenhof aufgehalten hatte, wo auch die Korrals und der Mietstall waren. »Sie kommt manchmal pünktlich«, sagte der Mann. »Wenn
sie nicht von Banditen aufgehalten wird, hat sie nie mehr als ein bis zwei Stunden Verspätung.« Ich nickte. »Wir fahren mit«, sagte ich. »Zwei Plätze und Gepäck. – Dieses Pferd ist zu verkaufen.« Es fiel mir schwer, die letzten Worte einfach so nüchtern zu sprechen und meiner Stimme nichts anmerken zu lassen. Denn mein Pferd war mir ans Herz gewachsen, wie man es überschwenglich ausdrücken konnte. Jetzt mußte ich dieses Pferd gewissermaßen von meinem Herzen reißen. Ich hatte den Hengst einst mit seiner ganzen Herde eingefangen und zugeritten. Die Herde verkaufte ich, den Hengst aber behielt ich für mich. Anfangs war er eine ständige Herausforderung für mich, denn es war schwer, ihn zu reiten. Doch dann wurden wir allmählich gute Freunde – wie ein Mann und ein Pferd nur gute Freunde werden konnten. Jetzt mußte ich ihn verkaufen. Denn ich konnte und wollte ihn nicht mitnehmen in mein neues Leben mit Liz. Ich mußte mich von ihm trennen. Ja, das fiel mir schwer. Wir saßen ab. Der Posthalter – denn dieser war es – ging um das Tier herum. Er war ein Mann mit Pferdeverstand. In diesem Land mußte ein Mann auf seinem Posten sehr viel von Pferden und Maultieren verstehen. Denn er war ja hier nicht zuletzt auch für die Austausch-Gespanne der Postkutschen und Frachtwagen zuständig. »Es ist ein prächtiger Bursche«, sagte er schließlich fast widerwillig. »Doch er könnte jetzt keine drei Meilen mehr laufen. – Zu was taugt er?« »Er war ein King«, erwiderte ich. »Seine Herde bestand aus besonders guten Tieren. – Alle waren überdurchschnittlich. Wenn er keinen ausgesprochenen Liebhaber findet, der seinen Mut, seine Schnelligkeit und Ausdauer schätzen kann, dann wäre es besser, ihn für die Zucht zu halten. – Er ist kein
Rinderpferd, doch er kann Lassoarbeit verrichten und hat mit Wölfen und Pumas gekämpft. Auch schußfest ist er. Dreihundert Dollar müßte er unter Brüdern wert sein.« Der Postagent schnaubte, als ich ihm den Preis nannte. »Sicher«, sagte er, »vielleicht käme mal jemand, der dreihundert Dollar für ihn zahlt – in einer Woche, in einem Jahr, sicher. – Aber inzwischen frißt er eine Menge und macht auch Arbeit. – Ich biete fünfzig Dollar. Und wenn Sie mit der Postkutsche mitwollen, müssen Sie wohl meinen Preis akzeptieren, nicht wahr?« In seiner Stimme war ein triumphierender Klang. Er wollte mir das Fell über die Ohren ziehen, und er war ein Bursche, der dieses Erfolgserlebnis genießen würde als Sieg. Seine Bewunderung für sich selbst würde steigen. Aber bei mir lag er falsch. Ich hatte keine Lust, mit ihm zu handeln, und sah es fast als Wink des Schicksals an, daß mir dieser Bursche das Fell über die Ohren ziehen wollte, weil er glaubte, daß ich mich in einer Zwangslage befand, die ihn mich erpressen ließ. Aber er wußte noch nicht, daß ich dreißig Kilo Gold besaß und es deshalb leicht für mich war, auf fünfzig Dollar zu verzichten. Ich nahm unser Gepäck und den Sattel vom Pferd, legte alles auf den Plankengehsteig, der an der Hausecke begann und in den Ort führte. Dann nahm ich dem Tier das Zaumzeug ab. »He, läßt der sich ohne Zaumzeug führen?« wollte der Agent wissen. »Nein«, sagte ich. »Mach dir noch ein paar schöne Jahre. Hau ab in die Freiheit!« Ich schlug ihn nochmals – diesmal heftiger. Und weil er ohne Zaumzeug und Sattel war und sich auch daran gewöhnt hatte, den Klang meiner Stimme richtig zu deuten, setzte er sich in Bewegung. Er konnte sogar noch mal ziemlich flott traben. Und so
verschwand er in der Nacht. Sein Wiehern klang wie ein dankbares Abschiednehmen in meine Ohren. Der Postagent fluchte leise. Dann sagte er zu mir: »Sie sind wohl eine ganz harte und konsequente Nummer, Mister?« »Richtig«, erwiderte ich. »Es war ein Dreihundert-DollarHengst. Sie hätten ihn für den halben Preis bekommen. – Wir werden rechtzeitig vor Ankunft der Kutsche oder ihrer Abfahrt zur Stelle sein. – Soll ich die Fahrkarten jetzt schon bezahlen?« »Nein«, sagte er. »Das hat noch Zeit. – Aber wenn in der Kutsche keine Plätze mehr frei sind … Oder wenn hier schon jemand vor Ihnen …« Er sprach mit einem gehässigen Klang in der Stimme. Er ärgerte sich über das Geschäft, welches ihm entgangen war. Nun wollte er mich strafen, zumindest jedoch beunruhigen, mir auch seine Macht als Posthalter zeigen, dem es oblag, Fahrkarten zu verkaufen und Plätze zu vergeben. Aber die Welt war voll von solchen Burschen wie ihm – und sie wurde jedes Jahr voller davon, weil sie sich sozusagen im Quadrat vermehrten. Ich trat zu ihm, und ich grinste ihn im Laternenschein an. Er war ein bulliger Mann, fast einen Kopf kleiner als ich, doch gewiß nicht leichter. Ich sagte: »Freund, es wäre gar nicht gut für Sie, sollten wir nicht mit der nächsten Kutsche wegkommen – gar nicht gut.« Er machte seinen Mund auf, wollte mich wahrscheinlich fragen, ob dies eine Drohung gewesen wäre. Er wollte mir dann gewiß selbst etwas Drohendes sagen. Doch er ließ es bleiben. Denn inzwischen sah er mich lange genug an. Und endlich spürte er auch, was von mir ausging. Es erging ihm jetzt wie einem kläffenden Köter, der plötzlich begreift, daß er sich mit einem Wolf anlegen will. Er hatte endlich Witterung bekommen, spürte, was von mir ausging.
Und so hielt er sein Maul und verschwand um die Ecke des Hauses, dorthin, von wo er gekommen war. Wir nahmen unser Gepäck. Es war ja außer den Satteltaschen, dem Sattel und der Sattelrolle nicht viel. Bis zum Gasthaus war es nicht weit, kaum mehr als hundert Schritte. Liz schwieg die ganze Zeit – und sie schwieg auch später noch, als wir uns das Zimmer nahmen und ich dem Hotelmann sagte, sie sei meine Frau. Aber später dann – als wir nebeneinander im Bett lagen –, da kam sie in meine Arme; sie rollte sich geschmeidig wie eine Katze hinein. Und sie flüsterte in mein Ohr: »Jetzt habe ich keinen Zweifel mehr daran, daß du ein Mann bist, wie ich ihn mir immer gewünscht habe. – Als du deinen Hengst lieber in die Freiheit ließest, statt ihn für fünfzig Dollar zu verkaufen oder um einen höheren Preis zu feilschen, da hab ich dich endgültig erkannt, Rufus Starretter.« »Sooooo«, dehnte ich, »nun, dann sag mir mal, wie ich bin.« »Nobel«, sagte sie. »Und du liebst die Freiheit und gönnst sie auch anderen Lebewesen. – Ich glaube, ich habe mit dir einen guten Fang gemacht.« Ihre letzten Worte sagte sie in einem scherzhaften Tonfall, und dennoch meinte sie es sehr ernst. Ich spürte ihren geschmeidigen und pulsierenden Körper. Sie schmiegte sich in meinen Arm, preßte sich fest an meine Seite. Oha, sie war für mich plötzlich sehr viel wertvoller als die dreißig Kilo Gold, die ich neben meinem Bett liegen hatte. Denn Gold – nun, dies konnte ich sicherlich irgendwo wiederfinden. Doch solch eine Frau … Oha, die gab es gewiß sehr viel seltener. Und dann war sie gewiß auch nicht zufällig so frei wie diese und für mich zu haben. Ich war ein Glücksjunge! Das dachte ich damals. Ich hatte eine Gefährtin gefunden, die zu mir paßte.
Und nun waren wir unterwegs, um uns vom dicken Kuchen dieser Welt eine große Scheibe abzuschneiden. Denn die rund zwanzigtausend Dollar, die ich für mein Adergold bekommen würde, waren natürlich nicht genug für ein Pärchen unserer Sorte. Einer Frau wie Liz mußte man was bieten. Und ich war entschlossen dazu. Denn ich bekam ja auch von ihr eine Menge. Durch sie wurde für mich diese Welt zum Paradies. So dachte und fühlte ich damals jedenfalls. Wer kann mir das übelnehmen? * Die Sonne hatte schon längst die Morgenkühle in einen heißen Tag verwandelt, als die Kutsche endlich kam. Es gab keine Schwierigkeiten mit den Plätzen. Hier in Amaty waren wir die einzigen Fahrgäste, welche zustiegen. In der neunsitzigen Kutsche waren wir nun sieben Personen. Der Posthalter schenkte mir noch einen schrägen Blick, als wir losfuhren. An diesen Blick dachte ich immer wieder, und mein Instinkt machte tief in meinem Kern eine ungute Ahnung lebendig, die aus einer nur ruhenden, doch niemals ganz verschwundenen Wachsamkeit stieg. Ich war nun mal immer noch ein zweibeiniger Wolf, der feindliche Strömungen auffangen konnte. Obwohl ich mich jetzt mit Liz wie ein Flitterwöchner fühlte, schlief mein Instinkt für Gefahr nicht. Und der schräge Blick des Posthalters hatte etwas zu bedeuten. – Die beiden Satteltaschen mit dem Gold lagen unter meinem Sitz. Ich konnte sie mit meinen Fersen oder Absätzen berühren. Die Sporen hatte ich abgeschnallt. Nur der Sattel hinten im Gepäckfach der Kutsche ließ noch erkennen, daß ein
Reiter zugestiegen war. Wir kamen etwa zwölf Meilen weit. Dann hielt die Kutsche mit einem Ruck. Zwei Reiter waren hinter einem Felsen hervorgekommen. Sie sperrten den Weg. Es waren maskierte Reiter. Einer hielt seinen Colt schußbereit, der andere hatte sogar eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen unter dem Arm. Es war ein übel aussehendes Ding, mit welchem er den Fahrer und dessen Begleitmann hätte vom hohen Sitz »blasen« können. Aber die beiden maskierten Banditen waren nicht die einzige Gefahr. Vom Felsen tönte eine Stimme. Sie rief: »Seid nun schön brav, Leute! Mit meinem Büffelgewehr schieße ich sonst die ganze Kutsche in Stücke! Habt ihr das auch richtig verstanden?« Nun, das hatten wir. Denn dieser Gewehrschütze auf dem Felsen war ja der große Trick der Straßenräuber. Mit einem Büffelgewehr – es war sicherlich eine Sharps – konnte man bis auf dreihundert Yard noch genau schießen. Die Kutsche würde also eine Menge abbekommen, bevor sie außer Schußweite kam. Nur Narren würden jetzt fliehen oder gar zu den Waffen greifen. Der Bursche auf dem Felsen mit seinem Gewehr beherrschte die Lage völlig. Wir hörten den Fahrer oben vom Bock rufen: »Was soll das denn, Jungens?! Wir haben keinen Geldtransport in der Kiste. Auch Wertsendungen sind nicht in den Postsäcken. Wollt ihr vielleicht unseren Fahrgästen die paar Dollars wegnehmen, die jeder als Reisegeld im Beutel hat? – Das ist doch nicht anständig, Jungens! Ihr werdet doch wohl nicht anfangen, die kleinen Leute auszuplündern? – Das bringt alle kleinen und armen Leute gegen euch auf. – Also, macht Schluß mit der Vorstellung! Ich fahre weiter!« Er wollte das wahrscheinlich wirklich tun.
Doch die harte Stimme des Mannes auf dem Felsen rief: »Halt, Jorge! Fahr nur nicht an mit der Karre!« Der Bandit verstummte einen Moment. Und als er dann weitersprach, wandte er sich an mich. – Jawohl, Leute, ich war dann gemeint. Und das hörte sich so an: »He, du langer Schlurch, du da in der Kutsche! Ja, du, der du fast wie ein zu lang geratener Comanche aussiehst und die schöne Honeybee bei dir hast! Hörst du mich, Bruderherz?« Ja, ich war also gemeint. Und ich wußte, daß sie mein Gold haben wollten. Unser Gold, denn Liz und ich gehörten ja zusammen. Liz sah mich von der Seite an. Gewiß wartete sie nun darauf, daß ich meinen Colt ziehen, aus der Kutsche springen und kämpfen würde. Denn vorstellen, daß ich ihnen kampflos unser Gold geben würde – das Gold, welches unser Einsatz zum großen Spiel sein sollte –, dies konnte sie sich gewiß nicht. Wenn wir das Gold verlieren sollten, waren wir völlig mittellos. Ich hatte dann nicht mal ein Pferd. Und für Liz gab es keine große Wahl. Sie würde sich einen anderen Mann suchen müssen, einen wie mich, der Geld oder Gold besaß. Wenn sie keinen fand … Nun, eine schöne Frau fand in diesem Land immer Arbeit in den großen Saloons, in den Spielhallen. Sie hatte auch schon in früheren Jahren getanzt und gesungen. Das erzählte sie mir in der vergangenen Nacht. Aber ich mußte meine beiden so schweren Satteltaschen herausrücken. Das wußte ich schon, bevor ich dem Sprecher der Banditen durch das offene Fenster des Wagenschlages antwortete. Ich rief: »Ich höre dich, mein Freund! Wahrscheinlich meinst du mich. – Was soll’s denn sein, Bruderherz?!« Nun lachten sie zufrieden. Sie freuten sich wahrscheinlich über meine Gelassenheit. Nun hofften sie, daß es ohne Schießerei abgehen würde.
»Wirf zuerst mal deinen Colt und dann deine beiden schweren Satteltaschen aus dem Fenster, Amigo!« Ich mußte an den schrägen Blick des Postagenten von Amaty denken. Vielleicht hatte er mir diese Suppe eingebrockt. Aber … Nun, ich wollte ihn nicht verdächtigen, einigen Banditen einen Tip gegeben zu haben. Aber ich erinnerte mich an seinen schrägen Blick. Auch Liz, die neben mir saß, sah mich schräg von der Seite her an. In ihren Augen erkannte ich die stumme Frage, den Unglauben – und zugleich auch die Sorge und Furcht, daß wir arm werden könnten. Diese Situation würde zugleich auch für mich eine Bewährung in ihren Augen sein. Konnte ich unser Gold gegen drei Banditen verteidigen, die wahrscheinlich nur zweitklassige Strolche waren? Das war für Liz jetzt die Frage. Ich grinste nur zu ihr nieder. Dann warf ich meinen Colt und danach auch die beiden Satteltaschen durch das Fenster nach draußen. Die Satteltaschen schlugen mit dumpfem Aufprall schwer in den Staub des Wagenweges. Liz atmete neben mir scharf ein, so als spürte sie den Schmerz eines Messerstiches. Ihrer Meinung nach waren wir jetzt das Gold für immer los. Doch sie sagte nichts, sah nur immer schräg zu mir hoch, wartete, prüfte meinen Gesichtsausdruck. Draußen tönten zufriedene Rufe. »Du bist gewiß kein Dummkopf«, sagte die Stimme des Sprechers vom Felsen nieder. »Du weißt genau, daß wir euch alle mitsamt der Kutsche in Stücke schießen könnten. Na gut, fahrt weiter! Los, fahrt weiter!« Die Kutsche fuhr an. Mein Colt und die beiden Satteltaschen mit dem Gold blieben
zurück. Auch die anderen Fahrgäste sahen mich an. Sie wußten jetzt, daß wertvolle Dinge – wahrscheinlich Gold – in meinen Satteltaschen waren. Nun wollten sie sehen, wie ich mit dem Verlust fertig wurde. Würde ich jammern, fluchen, drohen, schimpfen – oder gar zu weinen beginnen, hilflos zusammenbrechen? Das fragten sie sich. Es waren einfache Menschen, die nur wenige Dollars bei sich hatten. Sie würden niemals dreißig Kilo Gold besitzen und das Gefühl spüren, welches ich ihrer Meinung nach spüren mußte. Liz sah mich immer noch von der Seite her an. Ihre Unterlippe zitterte. Sie nahm sie zwischen die Zähne, biß darauf, um nicht schreien zu müssen. Denn für sie war nun alles verloren. Ich hatte ja meine Waffe noch vor dem Gold aus der Kutsche werfen müssen. Nun glaubte sie, daß ich verloren hätte. Gewiß war sie enttäuscht von mir und nahm an, daß auch ich nur ein drittklassiger Bursche war, der am Rio Grande nur pures Glück hatte. Ich ließ die Kutsche etwa fünfzig Yards weit rollen. Dann sprang ich hinaus. Der Fahrer blickte von oben seitlich zu mir nieder. Ich rief zu ihm empor: »Halte nach hundert Yard an!« Ich lief nun einige Schritte weit hinter der Kutsche her, gerade so lange, wie ich brauchte, um hinten den Gepäckkasten zu öffnen. Zwischen anderem Gepäck lag dort mein Sattel, und zu diesem Sattel gehörte auch die Sattelhalfter mit dem Gewehr. Ich zog das Gewehr heraus, und indes ich mich umwandte, lud ich auch schon mit dem Unterhebel durch. Und dann hatte ich die drei Banditen vor mir, denn auch ihr dritter Mann war inzwischen vom Felsen heruntergekommen, auf sein Pferd geklettert und hatte sich zu den anderen Hombres gesellt. Sicherlich hatten diese indes schon den Inhalt
der Satteltaschen überprüft. Als sie endlich noch einmal in Richtung zur Kutsche spähten, war es schon zu spät für sie. Der leichte Wind hatte den aufgewirbelten Staub zur Seite geweht. Ich konnte gut zielen, und ich war auch mit einem Gewehr ein erstklassiger Schütze. Ich hätte auf diese Entfernung noch eine springende Antilope treffen können. Zuerst erschoß ich das Pferd, über dessen Rücken die beiden schweren Taschen mit dem Gold hingen. Denn ich wollte natürlich nicht, daß der Reiter mit meinem Gold fortritt. Er fiel schwer. Die beiden anderen Reiter griffen mich an. Sie hatten gar keine andere Wahl. Wollten sie das Gold aufgreifen und damit entkommen, mußten sie mich erst niederkämpfen. Die beiden Satteltaschen mit dem Gold befanden sich in Reichweite meines Spencer-Karabiners. Und der hatte jetzt noch weitere sechs Kugeln im Magazin. Wahrscheinlich hofften sie, daß ich sie auf ihren sehr schnell galoppierenden Pferden nicht treffen konnte. Sie duckten sich auch hinter die Köpfe und Hälse ihrer Tiere. Und natürlich griffen sie mich mit schußbereiten Colts in den Fäusten an. Sobald sie für ihre Colts nahe genug waren, würden sie zu schießen beginnen. Nun, darauf wollte ich nicht warten. Denn eine Kugel konnte sicherlich allein schon zufällig treffen. Wahrscheinlich aber konnten die Kerle mit ihren Colts so gut umgehen, daß es kein Zufall sein würde. Ich schoß schnell und sicher. Sicherlich war ich ein Narr, daß ich die unschuldigen Pferde tötete, nicht deren Reiter. Denn diese wollten mich töten. Sie hätten es eher verdient gehabt als die Tiere. Dann ging ich zu ihnen hin. Einer lag noch halb unter seinem toten Pferd. Ich half ihm, freizukommen. Aber dann gab ich ihm meine Rechte unter das
Kinn. Der andere Kerl war in einen Dornenbusch gefallen. Er kroch stöhnend heraus. Es war der Kerl, der sich meinen Colt genommen hatte. Er trug ihn im Hosenbund – seine andere Waffe hatte er verloren. Ich nahm ihm den Colt wieder ab und schlug ihm den Lauf quer über die Stirn. Well, ich wollte nicht in den Rücken geschossen oder gestochen werden. Ich hatte keine Zeit, die Kerle nach weiteren Waffen zu durchsuchen. Überdies konnte der letzte vielleicht schnell seinen eigenen Colt wiederfinden. Ich holte meine beiden Goldtaschen. Der Mann, dessen Pferd ich zuerst erschoß, saß noch am Boden. Er war benommen. An seinem Kopf entstand eine dicke Beule. Er starrte mich stumm an. Ich sagte kein Wort. Wozu auch? Ich nahm nur meine Goldtaschen und ging wieder zurück. Die Kutsche wartete. Ich brauchte keine zweihundert Schritte zu gehen. Der Kutscher und dessen Fahrer sahen von oben auf mich nieder. »Sie sind wohl eine ganz harte Nummer?« fragte der Fahrer. Ich grinste nur, aber es war keine Freundlichkeit in meinem Grinsen. Wieder einmal hatte ich kämpfen müssen, um mein Eigentum zu schützen. Als ich in die Kutsche kletterte und die beiden Taschen wieder unter meinen Sitz schob, fuhr die Kutsche an. Die Fahrgäste betrachteten mich staunend. Für sie war ich jetzt eine Art Tiger. In Liz Longdales Augen erkannte ich nun das feste Vertrauen. Sie würde von jetzt an nie mehr an mir zweifeln. Sie schob ihre Hand unter meinen Arm. Es tat gut, ihre Nähe zu spüren. Ich hatte für uns gekämpft, und ich würde noch ganz andere
Dinge tun, um unser Glück zu erhalten. * Wir kamen ohne weitere Zwischenfälle nach El Paso, blieben dort nur eine Nacht und reisten dann weiter nach Santa Fé. Ich hatte keinen einzigen Dollar Bargeld mehr in meinen Taschen. Doch ich schickte Liz schon ins Hotel, indes ich mit dem Gold zur Bank ging. Ich bekam eine halbe Stunde später – es mußte ja alles erst genau geprüft werden – zwanzigtausendsiebenhundertundfünfzig Dollar für mein Gold. Bei der Bank gab es auch sogenannte »Geldgürtel« zu kaufen. Ich ließ mir zwanzigtausend Dollar in großen Scheinen geben, brachte diese auf eine besondere Art zusammengefaltet im Geldgürtel unter und nickte dem Bankmann zu, der mir zusah, wie ich den Geldgürtel umlegte und das Hemd darüber in die Hose stopfte. »Das ist viel Geld – zu viel, um es ständig mit sich herumzutragen«, sagte der Bankmann. Ich nickte. »Aber es ist nicht so schwer wie dreißig Kilo Gold. – Und dann habe ich ja auch ständig meinen Freund bei mir.« »Aha, der steht wohl draußen vor der Tür«, sagte er. Aber ich schüttelte den Kopf. »Nein, dieser ist es, dieser hier«, sagte ich und klopfte mit der Hand gegen meinen Colt. Bevor er etwas erwidern konnte, ging ich hinaus. Im Hotel saß Liz bereits im Speisesaal. Sie hatte sich schon frisch gemacht. »Das Essen kommt gleich«, sprach sie und hatte funkelnde Augen. »Du wirst mir heute noch eine Menge kaufen müssen«, redete sie weiter. »Und auch du kannst nicht länger so abgerissen herumlaufen. – Wir werden uns heute noch in ein nobel aussehendes Paar verwandeln. – Und dann geht’s los!«
Sie sagte nicht, was dann losgehen würde. Das konnte sie nicht, denn sie wußte es ja genausowenig wie ich. Doch wir wußten beide, daß jetzt für uns ein neuer Weg, ein neuer Anfang, ein neues Abenteuer beginnen würde. Wir waren ein Paar, welches man nicht übersehen konnte. Und wir hatten Geld. Wenn wir nicht völlig närrisch waren, mußten wir vorankommen. Denn Chancen gab es überall. Man mußte sie erkennen und zupacken. Darauf kam es an, und wir würden schon aufpassen. Eigentlich gefiel es uns im alten Pueblo Santa Fé recht gut. Fast jeden Tag trafen hier lange Wagenzüge aus Kansas ein. Von Santa Fé aus wurde der ganze Süden versorgt bis zur Grenze hin. Aber wir hielten uns dennoch nicht lange auf. Es konnte ja sein, daß noch ein paar Verfolger auf unserer Fährte waren. Und so war es wohl besser, nicht zu lange in einem Ort zu bleiben. * Einige Tage später waren wir tief in den Rockies von Colorado und kamen als Fahrgäste einer noblen Abbot-&-DowningKutsche zum Deadwater Canyon, der zum Deadwater-Paß hinauf führte. Es war ein enger Canyon, der zur Schneeschmelze oder nach starken Unwettern vom dann angeschwollenen Creek ausgefüllt wurde. Vor uns waren einige lange Frachtzüge. Wir überholten sie alle. Sie mußten einer Expreß-Postkutsche Platz machen. Ich schätzte, daß es mehr als hundert zumeist schwere Frachtwagen waren, zum Teil sogar mit Anhängern. Sie wurden jeweils von acht bis zwölf Maultieren gezogen. Jeder Fahrer hatte noch einen Helfer, der bei steil abfallenden
Strecken den Anhänger zu bremsen hatte. Auf all diesen Wagen befand sich kostbare und lebensnotwendige Fracht. Dazu gehörte auch wichtiges Grubenholz für den Stollenausbau der Minen, Werkzeuge und irgendwelche Ausrüstungen. Ich sah Whisky- und Bierfässer, Klaviere, aber auch eine kleine Dampfmaschine. Unsere Kutsche hatte den Beginn des Paßanstieges geschafft, als das Unwetter losbrach. Es kam unheimlich schnell. Die schwarze Wolkenwand erschien über der West-Elk-Kette, und es kam offenbar aus dem Grand-Mesa-Land. Es war eine gewaltige Sache. Sie begann mit einem Wolkenbruch, und die Blitze schienen überall einzuschlagen. Der Donner krachte, als wollte ein gewaltiger Riese die Berge sprengen. Wir fuhren mit der Kutsche auf einen erhöhten Platz, denn unser Fahrer kannte sich im Deadwater Canyon aus. Auf einer Terrasse des seitlichen Hanges hielten wir an, und dann sahen wir erst mal eine Weile nichts, so dunkel wurde es. Nur wenn die Blitze zuckten, konnten wir das Wasser vom Himmel rauschen sehen. Es war eine solche Menge Wasser, daß man draußen gewiß fast erstickte und sich vorkam wie ein Taucher. Im scharfen, stechenden Licht der Blitze konnten wir auch von der Terrasse auf den Creek niederblicken, und wir sahen, daß er mit jeder Minute um einige Fuß anschwoll und zu einem reißenden Gebirgsfluß wurde, zu einem brüllenden Ungeheuer, welches bald den ganzen Canyon füllen würde. Es war uns Passagieren in der Kutsche klar, daß die meisten Frachtwagen hinter uns im Canyon verloren waren mit Gespannen und Ladung. Viele von ihnen konnten sich nicht so schnell günstigere Standorte suchen oder gar wenden, um aus dem Canyon zu gelangen. Sie waren verloren mitsamt ihren Gespannen und der zumeist wertvollen Fracht. Wir hier in der Kutsche hatten Glück gehabt, daß unser
Fahrer rechtzeitig die Gefahr erkannte und diese höher gelegene Terrasse noch erreichte. Ich saß in der Ecke der Kutsche. Liz lehnte an meiner Schulter. Sie schien zu schlafen. Doch ich erkannte, wie ihre Augenlider zuckten, wie ihr Mund sich bewegte. Wenn sie nicht in diesem Moment einen sehr lebendigen Traum durchlebte, dann mußten sich jetzt in ihrem Kopf sehr intensive Gedanken jagen. Das sah ich ihr an, denn ich hatte inzwischen in ihrem so reizvollen Gesicht zu lesen gelernt. Ich konnte schon viele ihrer Empfindungen deuten. Nun, ich sollte bald erfahren, was Liz gedacht und empfunden hatte, indes der Wolkenbruch auf die Kutsche prasselte wie ein Wasserfall auf eine große Kiste und wir Fahrgäste allmählich feucht wurden, weil ein feiner Sprühschleier in die Kutsche kam. Das Unwetter dauerte kaum länger als eine halbe Stunde. Dann mußten wir noch zwei Stunden warten, bis das Wasser im Creek wieder so weit abgeflossen war, daß wir neben ihm weiterfahren konnten. Das Unwetter hatte überall auf dem Paßweg Schäden angerichtet. Mehrmals mußten wir männlichen Fahrgäste aus der Kutsche, um dem Fahrer und dessen Begleitmann zu helfen, den Paßweg freizumachen. Aber irgendwann kamen wir schließlich doch nach Golden Mesa. Schon von oben her – indes wir die Kehren des Passes niederfuhren – konnte man sehen, daß es in diesem Hochtal viele Minen gab, deren Stollen in die Berge ringsum führten. Längs des Creeks war Claim neben Claim. Aus einem einstigen Goldgräber-Camp war eine Stadt geworden. Ich schätzte, daß in diesem Hochtal an die zehntausend Menschen lebten. Denn das stand auch in Relation zu den vielen Frachten, die über den Paß gebracht werden sollten. Golden Mesa wollte sich eindecken für den Winter. Es wollte
Vorräte sammeln. Doch es war fast alles vernichtet worden. Dessen konnte man sicher sein. Am Eingang der Stadt war ein großer Holzplatz. Als wir wenig später daran vorbeifuhren, steckte Liz ihren Kopf durch das Fenster und sah auf das Holz. Kurz darauf hielt die Kutsche vor dem Hotel. Der Fahrer rief vom Bock nieder: »Es ist alles zum Teufel!« Doch mehr rief er nicht. Er hatte sich nun um das Gespann zu kümmern. Und sein Begleitmann war ohnehin ein Bursche, der seinen Mund nur zum Essen aufmachte. Liz wandte sich draußen sofort an mich. »Geh zum Holzplatz«, sagte sie. »Kaufe alles Holz, ganz gleich, was es kosten wird. – Verstehst du?« Oha, ich verstand sie schnell! Denn es war ja so einfach. – Wenn wir das Holz kaufen konnten, besaßen wir hier in Golden Mesa auch das Recht, die Holzpreise zu bestimmen. Nur allein von uns konnte man dann Holz kaufen. Es gab sonst nirgendwo welches, da so schnell keine neuen Frachtwagenzüge welches bringen konnten. Aber ich mußte schnell sein, bevor andere Leute diese Chance erkannten und mir zuvorkamen. Ich nickte Liz nur zu und machte mich auf den Weg. Als ich den Holzplatz erreichte, kreischte eine Säge, die von einer kleinen Dampfmaschine betrieben wurde. In der offenen Tür des Büros erschien ein dicker Mann. Überall standen noch die Pfützen des Unwetters. Das Holz war naß. Der dicke Mann sah mich an. »Wollen Sie Holz?« fragte er. Ich trat die drei Stufen hinauf zu ihm. Dann nickte ich. »Ja, ich möchte Holz kaufen«, sagte ich. »Wieviel? – Minenholz oder Bauholz? Aaaah, Sie wollen
Möbelholz? Ich habe alles. Jede Sorte.« »Ich will alles«, sagte ich. »Ich kaufe alles zu einem fairen Preis. Und ich zahle auf der Stelle bar. Was kostet alles zusammen?« Sein Blick wurde starr. Er schnappte nach Luft. Dann schielte er auf meinen Colt, den ich trotz meines eleganten Reiseanzugs trug und der unter meiner offenen Jacke gut zu erkennen war. Abermals schnappte er nach Luft. Nun sah er mich an – vorsichtig, wachsam, aber auch deutlich erkennbar besorgt. »Nun …« begann er, »zehntausend Dollar müßte ich schon haben für das ganze Holz. Das wäre ein fairer Preis. – Zehntausend Dollar sofort bar auf die Hand. Dann könnte ich …« Er sprach nicht weiter, aber ich sah ihm an, daß er sich Hoffnung auf etwas machte, was ihm sehr am Herzen lag, er sich bisher aber nicht erlauben konnte. Aber ich bluffte ihn nun. Ich sagte: »Es ist nur sechstausend Dollar wert. Und Sie wissen das genau. – Sechstausend!« »Achttausend«, erwiderte er. »Und dafür mache ich es nur, weil ich weg will von hier! Sicherlich sind Sie ein Freund von Emmet Boro. Sonst würden Sie mir nicht dieses Angebot machen. – Aber Boro müßte wissen, daß dieses Holz unter Brüdern achttausend Dollar wert ist. – Hat er Sie geschickt, um mich …« Er sprach nicht weiter. Denn er hatte Angst, daß ich seine nächsten Worte als Beleidigung auslegen könnte. Er schwieg also und schluckte. Ich aber wußte Bescheid, weil ich mich in solchen Camps und Städten auskannte, in denen es immer einen Bullen gab, der alles frontal machte, und einen Boß, der die Befehle gab und an den Fäden zog. Das war fast überall so. Oder es gab in solchen Städten einen ganzen Verein, der
bestimmte, was getan werden durfte oder nicht. Manchmal tarnte sich solch ein Verein als ehrenwerte Bürgerschaft, saß im Stadtrat und spendete für eine Kirche oder ein Waisenheim. Es gab einige Variationen. Und ich wußte jetzt, warum der Besitzer des Holzplatzes die Nase voll hatte und die Chance erkannte, schnell wegzukommen. Wenn ich das Holz kaufte, so wie Liz es wünschte, dann kaufte ich damit sicherlich auch Verdruß ein. Doch war ich nicht ein solch dicker Frosch wie dieser Mann da vor mir. Ich war Rufus Starretter mit einem verdammt schnellen Colt, und ich war hart genug, um es mit den härtesten Hombres aufzunehmen. Ich nickte und sagte: »Also gut! Siebentausend Dollar jetzt gleich bar auf die Hand. Wir machen einen Vertrag, den Ihre Leute hier als Zeugen unterschreiben. Ich werde den Lohn aufbessern, damit sie bleiben. Wie ist Ihr Vormann?« »Das ist ein erstklassiger Fachmann, was das Holz betrifft, und gut für die Leute. Aber er versteht nichts vom Geschäft.« * Als ich zurückkam, war Liz nicht im Hotel. Doch sie hatte ein Doppelzimmer genommen. Unser Gepäck war schon oben. Ich fragte mich, wo sie wohl sein mochte. Der Hotelmann hinter dem Anmeldepult wußte es auch nicht. Doch da kam ein Junge in die Empfangshalle. Er sagte zu mir: »Sind Sie der Mister, zu dem die schöne Frau gehört, die vorhin mit der Postkutsche kam?« Ich sah auf ihn nieder und nickte. »Sie sollen hinüber zum Store kommen«, sagte der Junge. Ich folgte ihm. Well, ich will es kurz machen. Liz hatte den ganzen Store gekauft. Dazu gehörte ein großes Lager mit
Spirituosen und ein weiteres Lager mit Eisenwaren, also Werkzeugen, Waffen und Baubeschlägen. Liz hatte schon den Übernahme-Vertrag unterschrieben. Ich hatte nur noch zu zahlen. Diesmal runde zehntausend Dollar. Wir hatten uns also hier in Golden Mesa ziemlich eingekauft, und ich war sicher, daß wir auch den Store nur deshalb so günstig bekamen, weil noch ein Haken an der Sache war – ein Haken krummer als ein Hundebein. Der Vorbesitzer des Holzplatzes hatte mir ja schon einen Namen genannt, auf den ich würde achten müssen: Emmet Boro. Wir würden ihn sicherlich bald kennenlernen. Auf dem Holzhof hatte ich unseren Vormann und die Arbeiter schon informiert darüber, daß wir jedes Stück Holz jetzt zum doppelten Preis verkauften. Nun informierte Liz die Angestellten des Store in dieser Hinsicht. Wir hatten keine großen Sorgen, daß uns Arbeiter und Angestellte betrügen würden. Denn der Winter stand vor der Tür. Es würde sehr hart werden hier in den Bergen von Colorado im Goldland. Wer seinen Job verlor, bekam vor dem Frühling so leicht keinen neuen. Überdies hatten wir unseren Leuten besseren Verdienst zugesagt. Es war Abend geworden. Liz und ich hatten gute Arbeit geleistet und die Chancen wahrgenommen. Das war unser gutes Recht, denn Angebot und Nachfrage bestimmten immer die Preise. Nein, wir waren keine Wohltäter. Vielleicht waren wir sogar ein Wolfspärchen. Aber auch uns war bisher nichts geschenkt worden. Wir gingen ins Hotel zum Abendbrot und bekamen einen guten Tisch in der Ecke. Es gab Elchsteaks, Kartoffelklöße, Apfelmus und Kaffee. Wir waren noch nicht fertig mit dem Essen, als ein Mann kam, der sich ruhig einen der beiden noch freien Stühle nahm
und sich zu uns an den Tisch setzte. Zuvor hatte er sich vor Liz wie ein Mann mit Manieren verbeugt. Ich hatte dies schon bei Offizieren gesehen – oder bei anderen Männern, die sich für Gentlemen hielten – oder gar wirklich welche waren. Als er saß, sagte der Bursche: »Ich bin Emmet Boro.« Er sagte es wie ein Mann, der von nun an Ehrfurcht erwartete. Liz lächelte und führte mit der Gabel einen kleinen Bissen zum Mund. »Wie schön«, sagte sie kauend. »Sie sind Emmet Boro. – Wie schön für Sie. Können Sie uns genauer erklären, was es bedeutet, Emmet Boro zu sein? Wir sind neu hier.« »Aber Sie haben sich bereits in der ersten Stunde überall in meinem Interessengebiet eingekauft«, murmelte er. Ich betrachtete ihn eingehend. Er war älter als ich, schwerer, bulliger, massiger. Vielleicht war er früher auch körperlich mal hart gewesen – jetzt war er das nicht mehr. Er war zu schwer, hatte zuviel überflüssiges Fett und würde schnell außer Atem kommen. Körperlich war er nicht mehr hart genug für einen Burschen wie mich, obwohl er gewiß noch fast jeden anderen Mann schlagen konnte. Aber er war ein Boß geworden, der körperliche Arbeit von Handlangern erledigen ließ. Diese mußten hart sein. – Bei ihm genügte jetzt allein der Wille. Er nahm seinen Blick von Liz, die ihn gewiß als schöne Frau sehr interessierte, und sah mich an. Ja, er hatte einen zwingenden Blick, in dem auch eiskalte Härte und Verschlagenheit waren. Ich begriff, in was wir uns eingekauft hatten für siebzehntausend Dollar und warum die beiden Objekte – der Holzhof und der Store – so schnell und billig zu haben waren. Unser Geschäft war vielleicht gar nicht so gut, wenn wir mit diesem Townwolf da teilen mußten.
Er hatte ein massiges Gesicht mit einigen dunklen Linien darin. Unter seinem dunklen Schnurrbart hob er seine Oberlippe und zeigte mir seine Zähne ohne jede Freundlichkeit; es war das warnende Zähnezeigen eines alten Revierwolfes. Dann sagte er: »Ihr habt die Chance schnell erkannt. – Holz und Waren jeder Art werden bald knapp sein in Golden Mesa. Ihr seid mir zuvorgekommen. – Die Nachricht, daß Wagenzüge im Deadwater Canyon zum Teufel gingen, erreichte mich zu spät. – Aber in diesem Camp gebe ich die Befehle. – Habt ihr das verstanden?« »Genau, Mister Boro«, sagte ich höflich. »Ihr müßt euren Gewinn mit mir teilen«, sprach er weiter, und nun wußten wir, daß er wirklich hier der große Bulle im Corral war. Denn sonst hätte er nicht so offen seine Karten auf den Tisch gelegt. Er erhob sich, und er hatte einen Stock bei sich mit einem silbernen Knauf. Er trug einen Revolver in der Schulterhalfter. Vielleicht hatte er sogar noch einen Derringer im Ärmel. Er stand nun vor dem Tisch und verbeugte sich vor Liz. »Ich bin gnädig und nobel zu euch«, murmelte er, »weil ich die Schönheit verehre. Und einer schönen und überaus reizvollen Frau könnte ich keinen Kummer machen.« Er deutete mit dem Stockknauf auf mich. Dabei fragte er Liz: »Ist der da Ihnen auch angemessen? Ist er wirklich groß und gut genug für solch eine schöne Frau? Oder ist es nur sein Colt, den Sie haben müssen?« Ich hatte das Verlangen, aufzustehen und ihm was ins Maul zu hämmern. Doch ich beherrschte mich. Ich konnte warten. Er entging mir nicht. Denn ich ahnte schon, wie es weitergehen würde. Ich hörte Liz sagen: »Mister Boro, machen Sie sich keine Sorgen um uns – auch keine unnötigen Gedanken.«
Sie gab ihm also keine Antwort auf seine Fragen. Aber wir wußten alle, daß wir bald herausfinden würden, ob ich groß und gut genug war für Liz. Sie hatte mich wie eine listige Wölfin in das Revier eines erfahrenen Wolfes geführt und darin schon jagen lassen. Wenn wir die Beute nicht teilten, mußte ich kämpfen. Als Emmet Boro gegangen war, sah Liz mich an. »Ja, es wird auf deinen Colt ankommen, Rufus«, sprach sie. »Doch ich bin ganz sicher, daß er dir mitsamt seinem Rudel nicht gewachsen sein wird. Ich bin da sehr sicher, Rufus.« Ich sagte nichts. Aber wir gingen sehr früh schlafen. Und als ich sie in meinen Armen hielt, da glaubte ich, daß sich alles lohnte, jeder Kampf, jedes Risiko und Wagnis. Denn wir waren ein Wolfspärchen auf der Jagd. Wir wollten reich werden. * Zuerst sah es so aus, als würden wir auf unseren Waren und dem ganzen Holz sitzenbleiben. Denn unsere Preise wollte niemand akzeptieren. Aber dann begannen auch andere Geschäftsleute kräftig aufzuschlagen. Einige Dinge wurden plötzlich knapp, weil man sie aus dem Verkauf nahm und erst einmal hortete. Denn es war sicher, daß die Preise noch mehr steigen würden und im Winter, wenn der Paß gesperrt war und nichts mehr kommen konnte, ihre Spitzen erreichen würden. Es würden Notzeiten kommen. Und die Menschen waren schon von jeher so, daß sie sich in Notzeiten gegenseitig auszuplündern und das Fell über die Ohren zu ziehen versuchten. Golden Mesa besaß keine Moral. Die Menschen hier wollten als reiche Leute heimkehren. Und daheim – nun, daheim würden sie wieder von Moral reden und so tun, als liebten sie
ihren Nächsten und wären echte und ehrenwerte Stützen der menschlichen Gemeinschaft. Liz und ich waren nur ein wenig schneller gewesen. Wir kamen sogar Emmet Boro zuvor. Und den Leuten, denen wir den Holzhof und den großen General Store abkauften, taten wir einen großen Gefallen. Denn diese beiden einstigen Besitzer verschwanden mit dem Erlös bei Nacht und Nebel. Und es war noch gar nicht sicher, ob sie auch entkommen waren. Denn dieser Emmet Boro lief mit zufriedenem Gesicht umher. Der sah nicht so aus wie ein Townwolf, dem eine Beute entkommen ist. Ich hatte sogar bald noch einen anderen Beweis. Denn einige Nächte später saß ich mit ihm im Golden Mesa Palace inmitten einer Poker-Runde. Er warf einige Hundert-Dollar-Noten in den Topf, die mal auf ganz besondere Art gefaltet worden waren. So hatte ich damals mein Geld in der Bank von Santa Fé gefaltet, um es gut im Geldgürtel unterzubringen. Dann hatte ich mit diesem Geld den Holzhof und den Store gekauft. Nun warf Emmet Boro solche Banknoten auf den Pokertisch. Natürlich konnte es auch andere Leute geben, die ihr Papiergeld auf die gleiche Weise falteten wie ich. Aber … Nun, ich wußte jedenfalls Bescheid. Emmet Boros Banditen ließen niemanden hier mit Gewinn entkommen. Wenn Liz und ich hier Gewinn machten, würden wir zumindest teilen müssen. Oder ich mußte diese Bande erst niederkämpfen. * In den nächsten Tagen lief der Verkauf dann besser. Besonders das Holz wurden wir reißend los. Es wurde ja überall gebaut. Viele Hütten und Zelte mußten winterfest gemacht werden. Die
Minen benötigten Grubenholz. Möbel, Kisten, Fahrzeuge – und auch Särge mußten gefertigt werden. Die Handwerker hatten genügend Aufträge. Auch im Store ging alles immer schneller weg. Es war, als würden die Leute mehr und mehr von einer Panik ergriffen. Einer kaufte von uns ein ganzes Faß Hufnägel. Es waren die letzten, und sie waren teuer. Dennoch sagte er uns, daß er mit diesen Hufnägeln im Winter gewiß ein gutes Geschäft machen würde. Er wäre schon mal in einem Camp gewesen, dort hätten sie schließlich einen Dollar das Stück gekostet. Wir verkauften also, beaufsichtigten unsere Angestellten und führten unsere Bücher. Liz war eine tüchtige Geschäftsfrau. Ich kam mit dem Vormann und den Arbeitern auf unserem Holzplatz gut zurecht. Und nach und nach bekamen wir schon mal unseren Einsatz zurück, also die siebzehntausend Dollar. Als wir einmal ein Whiskyfaß – es war das letzte – für tausend Dollar verkauften, sagte Liz später zu mir: »Jetzt machen wir schon Gewinn. Diese tausend Dollar sind jetzt schon Gewinn. Wenn wir etwas Glück haben, können wir von hier fort, bevor der Schnee den Paß zusperrt.« Sie sah mich nach diesen Worten fragend an, und ich wußte, was sie von mir wissen wollte. Sie scheute sich, mich nach diesen Dingen zu fragen, und ich spürte auch die letzten Tage und Nächte schon, daß sie sich Sorgen machte. Ich sagte deshalb: »Keine Bange, mein Mädchen. – Ich kenne jetzt Emmet Boros Revolverschwinger und die meisten seiner Banditen und Townwölfe. Sie sind eine Plage für das ganze Golden-MesaLand. – Sie kennen keine Gnade. Sie rauben Goldgräber aus, überfallen diese in den Hütten auf den Claims – oder unterwegs. Sie lassen niemanden über den Paß, der auch nur mehr als eine Unze Gold bei sich hat. Sie betrügen hier in den Saloons beim Spiel, beuten die Mädchen aus als Zuhälter und
machen aus Golden Mesa ein neues Sodom.« Sie sah mich fest an. »Ohne deinen Colt kommen wir hier nicht weg«, sagte sie dann, »aber das hast du von Anfang an gewußt, ja?« Ich nickte. »Sicher, Honey, sicher«, murmelte ich. »Und es wird nicht ganz so schlimm werden, wie ich am Anfang glaubte. Emmet Boro hat nur einen einzigen wirklich gefährlichen Revolvermann, der mehr ist als ein Revolverschwinger und Strolch. – Das ist dieser Sean Mortimer, er ist Boros Leibwächter. Ich kann mit beiden fertig werden. – Um die anderen brauchen wir uns dann nicht zu kümmern. Die würden dann sogar meine Befehle ausführen, wenn ich ihnen sage, daß ich Emmet Boro abgelöst hätte und alles so wie bisher weiterlaufen soll. – Verstehst du, mein Schatz? – Das Rudel gehorcht immer nur den Leitwölfen. Und die lösen sich manchmal ab.« Sie nickte, sagte nichts mehr. Aber ich sah ihr an, daß sie sich Sorgen machte. Sie mußte mehrmals hart schlucken. Später dann in der Nacht, als ich sie in meinen Armen hielt, da flüsterte sie in mein Ohr: »O Rufus, wir passen so gut zusammen als Paar. Ich möchte dich niemals verlieren, Rufus. Ich würde bitterlich weinen um dich. – Paß nur auf, daß ich dich nicht verliere. – Was wäre diese Welt ohne dich? Und es soll doch erst noch wunderschön werden. So schön es auch jetzt schon zwischen uns ist – es soll noch schöner werden, wenn wir erst sorglos irgendwo in Reichtum leben können, wenn du nicht mehr kämpfen mußt für uns mit deinem Colt – wenn wir nicht mehr jagen müssen wie ein Wolfspärchen, sondern unsere Beute in Frieden und Glück verzehren können. – O Rufus, wir werden uns das Paradies auf Erden geben.« Und dann küßte sie mich zärtlich und verlangend zugleich. Sie war eine Frau, wie es gewiß auf dieser Erde keine zweite gab. Das glaubte ich fest. Ja, ich war glücklich in dieser Nacht wie zuvor schon in all
den anderen Nächten. Es lohnte sich, für Liz ein paar Sterne vom Himmel zu holen – ja, auch mit dem Colt. Daran, daß ich mir einst gewünscht hatte, eine schöne Ranch zu besitzen, daran dachte ich nur dann und wann staunend – ja, staunend darüber, daß ich mir so etwas einmal wünschte. Durch Liz hatte sich alles gewandelt. Liz wollte die Welt sehen. Und ich wollte das auch. * Es wurde immer kälter in Colorados Bergen. Die Bäume und Büsche verloren ihr Laub. Reif lag am Morgen auf allen Dingen. Die Tage wurden immer kürzer, und in den Nächten wurde Golden Mesa immer mehr zu einem Babylon der Berge. Ich bekam einige Male Verdruß mit wilden Burschen, und ich machte sie klein, um keinen Zweifel daran zu lassen, daß es dumm war, sich mit mir anzulegen. Wir verkauften in den nächsten beiden Wochen unser ganzes Holz und zahlten die Leute aus. Wir gaben ihnen eine gute Prämie, so daß sie gut durch den Winter kommen würden. Auch im Store gab es immer weniger Waren. Und schließlich ließen wir den Rest und auch das Gebäude mit dem Magazin und Schuppen unseren Angestellten. Wir waren fertig mit unserem Geschäft. Vielleicht konnte man auch sagen, daß wir abgesahnt hatten. Ja, so war es wohl. Wir machten Kasse. Als Liz den Bleistift hinlegte, mit dem sie gerechnet hatte, sagte sie schlicht: »Neuntausenddreihundertachtzehn Dollar Gewinn nach Abzug aller Unkosten. – Wir hätten die zehntausend Dollar Gewinn auch vollmachen können. Doch ich will weg von hier, raus aus diesem Hochtal – bevor der Winter den Paß mit Schnee füllt. Ich möchte weg von hier, denn Emmet Boro will mich haben.« Sie sagte mir nichts Überraschendes. Ich wußte, daß Emmet Boro sie oft im Store besuchte während meiner Abwesenheit.
Manchmal kam Boro beim Mittag- oder Abendessen zu uns an den Tisch im Restaurant. – Und immer belauerten wir uns. Wenn er Liz ansah, waren seine Wünsche und Absichten leicht zu erkennen. Wir hatten in den wenigen Wochen einen hübschen Gewinn gemacht und besaßen jetzt mehr als dreißigtausend Dollar. Ich nickte Liz zu. »Wir fahren mit der Mitternachtspost«, sagte ich. »Nimm nicht zuviel Gepäck mit, mein Mädchen. Ich gehe jetzt die Fahrkarten kaufen und die Plätze reservieren.« Nach diesen Worten verließ ich sie im kleinen Store-Büro. Draußen war es schon dunkel. Überall brannten Laternen, Lampen, fielen die gelben Lichtbahnen aus den Fenstern und Eingängen, wenn sich Türen öffneten. In einem Laden platzte eine Karbidlampe. Bald brannte die ganze Holzbaracke, in der sich der Laden befand. – Aber erst als die Nachbarhäuser und Hütten in Gefahr kamen, ebenfalls in Brand zu geraten, bekam der Ladenbesitzer Hilfe. Ich ging weiter. In der Postagentur kaufte ich zwei Fahrkarten und ließ die Plätze reservieren. Als ich wieder ging, wußte ich, daß Emmet Boro dies in wenigen Minuten erfahren würde. Aber es gehörte zu meinem Spiel, daß er es erfuhr. Ich wußte, daß ich heute meinen Colt in dieses Spiel bringen mußte. Es ging nicht anders. Sonst kamen wir hier nicht weg. Ich ging die Golden Mesa Street hinunter, als es plötzlich laut wurde. Goldgräber liefen herbei, und immer noch tönten wilde Rufe, holten weitere herbei. Eine Stimme brüllte in meiner Nähe: »Sie haben ihn gefunden, Jungens! Kommt herbei und seht ihn euch an! – Sie haben ihn gefunden, diesen Hundesohn!« Nun waren schon fast hundert Goldgräber versammelt. Sie ballten sich zusammen zu einer dichten Traube. Doch sie
hatten jemanden in ihrer Mitte. Sie taten etwas, was ich nicht genau erkennen konnte. Ich wandte mich an einen der Zuschauer. Er war kein Goldgräber mit eigenem Claim, sondern offensichtlich ein Minenarbeiter. Ich stieß ihn leicht mit dem Ellbogen an. »He, Nachbar, was bedeutet das?« Er betrachtete mich mißtrauisch. Aber dann erwiderte er: »Die Goldgräber suchten einen Claimräuber. Er hat einen von ihnen getötet, ich glaube, den Claimbesitzer. Doch er wurde beim Weglaufen gesehen und erkannt. – Nun haben sie ihn. Sie werden ihn gleich totgeschlagen haben, denke ich. – Was sollten sie auch sonst mit ihm tun? Ein Strick wäre nur unnütze Verschwendung für solch einen Hundesohn.« Er verstummte trotzig und herausfordernd, und vielleicht hielt er mich auch für einen der Townwölfe oder Spieler. Denn ich sah nicht so aus wie ein Mann, der nach Gold gräbt oder in einer Mine arbeitet – nein, wirklich nicht. Ich ging weiter, und ich kümmerte mich nicht um den Krawall. Ja, sie schlugen einen Menschen tot, der einen anderen Menschen getötet hatte, um dessen Claim ausrauben zu können. Wahrscheinlich wollte er sich das Gold aus der Waschanlage holen, bevor es der Claimbesitzer tat, nachdem das Wasser durchgelaufen war. Ich blieb an der nächsten Ecke stehen. Das Durcheinander der Goldgräber löste sich auf. Sie gingen auseinander, verschwanden in den umliegenden Lokalen. Zurück blieb mitten auf der Fahrbahn ein zusammengekrümmter Körper – ein Mensch. Ich fragte mich in diesem Moment, was Liz und mich von diesem Claimräuber unterschied. Denn hatten nicht auch wir Beute gemacht? Sicher, wir taten es nicht so primitiv, böse und gewalttätig – aber … Es blieb ein »Aber«, über welches ich immer noch
nachdachte und keine Antwort fand, als ein Mann zu mir trat. Es war dieser Sean Mortimer, Emmet Boros Leibwächter und einziger Revolvermann in dieser Stadt, den ich für wirklich gefährlich hielt. Er war kleiner als ich, aber gut proportioniert. Auf den ersten Blick wirkte er fast unscheinbar. Man mußte in seine Augen sehen, um gewarnt zu sein. Und dann mußte man seine Hände und die Handgelenke betrachten können – schließlich auch seinen Colt. – Ja, dann bekam man irgendwie die scharfe Witterung eines Tigers in die Nase. Er sah etwas zu mir auf und sagte: »Mister Boro will seinen Anteil. – Sofort! Ihr wollt mit der Mitternachtspost fort. – Aber erst wird abgerechnet. Mister Boro schätzt, daß sein Anteil nicht unter zehntausend Dollar sein kann. – Er wartet im Golden Mesa Saloon, der ihm jetzt völlig gehört. Sein Büro ist nun …« Ich ließ ihn nicht weiter reden. Denn ich gab ihm die Linke auf die Leberpartie und stieß ihm die Rechte voll ins Gesicht. Er fiel wie ein Sack um, und er würde sich dort noch eine Weile verschnaufen müssen. Ich setzte mich in Bewegung. Denn jetzt hatte ich damit begonnen, Liz und mir den Weg freizukämpfen. Natürlich würde dieser Sean Mortimer mir gleich folgen. Doch das wollte ich. Es war mir recht. Ich hatte ihn nur niedergeschlagen und so gereizt, damit er die alles auslösende Figur in unserem harten Spiel werden sollte. Ja, er sollte kommen, mich zu töten. Als ich den Golden Mesa Saloon betrat, war noch nicht sehr viel Betrieb. Emmet Boro hatte den Saloon also übernommen. Vorher war er nur beteiligt gewesen. Ich war sicher, daß er keinen Cent bezahlt hatte. Er saß am Pokertisch in der Ecke und war dabei, eine Patience auszulegen. Er tat es mit der Zufriedenheit eines
Hausherrn, der sich guter Geschäfte sicher weiß. Als ich ohne seinen Leibwächter und Revolvermann Sean Mortimer hereinkam, sah er immer noch zur Tür. Aber Mortimer kam auch nicht in größerem Abstand hinter mir herein. Er kam gar nicht. Da wurde er wachsam. Er witterte die Gefahr, und er schob seine Fingerspitzen wie spielerisch unter die offene Jacke, um so dem Colt in der Schulterhalfter nahe zu sein. Er sah mir jedoch fest entgegen. Nein, Furcht hatte er nicht. Überdies saß er ja in seinem eigenen Saloon, dessen Barmänner, Rauswerfer, Croupiers und Kartenausteiler auf seiner Lohnliste standen – genauso wie die Tanz- und Animiermädchen. Nein, Sorgen machte er sich nicht – noch nicht. Ich trat an seinen Tisch – aber ich tat es seitlich, so daß ich ihn und zugleich auch die Tür, durch welche Mortimer hereinkommen mußte, beobachten konnte. Mortimer mußte bald kommen. Er war gewiß schon auf dem Weg, mich zu töten. Ich hatte ihn in den vergangenen Tagen gut genug studieren können. Mortimer war von mir niedergeschlagen worden auf offener Straße. Er hatte im Staub gelegen und vor Schmerz gestöhnt. Ja, er würde kommen und mich töten wollen. Ich mußte in Sekundenbruchteilen reflexhaft reagieren. Mit der Rechten griff ich in meine Westentasche und holte einen Cent heraus. Ich warf die Münze mitten auf Emmet Boros ausgelegte Karten. Und es war plötzlich still. Die Gäste im Raum waren irgendwie aufmerksam geworden. Sie hatten etwas gespürt. Nun sahen sie meine Bewegung und hörten mich sagen: »Hier ist Ihr Anteil, Boro. Mich können Sie nicht einschüchtern oder mit Drohungen erpressen. – Hier ist Ihr
Anteil – ein Cent. – Mehr nicht! – Verstanden?« Er sagte nichts. Doch er zeigte mir lautlos unter seinem Schnurrbart die Zähne. Ich wußte, daß er nicht kämpfen würde. – Nein, er würde später seinem Rudel den Befehl geben, mich zu jagen und abzuschießen aus dem Hinterhalt. Er würde mich von einem Dutzend Handlanger kleinmachen lassen für immer. Deshalb mußte ich ihn jetzt und hier zum Kampf zwingen, ihn ausschalten, so daß er keine Befehle mehr erteilen konnte. Aber er würde kneifen, dies sah ich ihm an. Er war kein Narr. Dennoch würde ich in dieser Nacht sterben müssen, ginge es nach seinem Willen. »Sie sind ja närrisch, Starretter«, sagte er laut. »Ich glaube, Sie sind betrunken. – Ich …« Weiter sprach er nicht. Denn jetzt kam Sean Mortimer herein. Er hatte einen blutigen Mund, denn ich hatte ihn hart mit meiner Faust erwischt. Doch als er mich sah, brüllte er: »Starretter, du Hundesohn!« Dabei kam er schnell näher. Und dann zog er. Es kam alles so, wie ich es mir ausgerechnet hatte. Mein Colt war plötzlich in meiner Faust. Der Rückschlag stieß. Ich schoß Sean Mortimer eine Kugel in die Brust und wirbelte geduckt herum. Denn Emmet Boro hatte es gewagt. Ja, er rechnete sich eine Chance aus, glaubte vielleicht sogar, mich mit seinem Revolvermann ins Kreuzfeuer nehmen zu können. Durch das Herumwirbeln entkam ich seiner Kugel. Diese brannte nur über meinen Rücken wie ein Peitschenhieb. Dann traf ich ihn. Und damit war es vorbei.
Sein Revolvermann lag am Boden. Er aber fiel über den Tisch. Wer auch auf seiner Lohnliste stand – er würde von ihm keinen Lohn mehr erhalten. Und deshalb kämpfte niemand mehr für ihn. Er war nicht mehr der Leitwolf des Rudels der Townwölfe. Ich ging hinaus. Denn jetzt würden wir aus dem Golden-Mesa-Land fahren können. Wir verließen Golden Mesa mit der Mitternachts-Expreßpost. Unser Ziel war Kansas. Mein Rücken schmerzte etwas von der Streifwunde. Aber ich hielt Liz in meinem Arm. Sie lehnte an meiner Brust. Manchmal hob sie ihr Gesicht. Dann küßten wir uns. Die anderen Mitreisenden schliefen zumeist. Die Nacht draußen war hell. Mond und Sterne leuchteten uns den Weg. Es wurde kalt. Wir hatten Decken über den Knien. In der Kutsche war es dunkel. Ich dachte über meinen Kampf nach. Emmet Boro und sein Revolvermann würden es überleben. Ich bekam diese Nachricht noch vor der Abfahrt. Ich wußte nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. – Denn sie waren zwei Feinde mehr. Ich hatte mir schon eine ganze Menge gemacht. Und vielleicht waren sogar welche noch auf meiner Fährte. Und irgendwann würde mich mal einer einholen, um mich von hinten zu erledigen. Ja, das konnte sein. Deshalb wollte ich jede Stunde meines Lebens besonders intensiv genießen. Das Schicksal hatte mich mit einer schönen und so reizvollen Frau zusammengeführt, wie ich sie mir nicht mal in meinen Träumen erhofft hatte. Nicht nur jede Stunde – nein, sogar jede Minute und jede Sekunde wollte ich voll auskosten. Ich küßte Liz besonders lange in der schaukelnden Kutsche,
in der es so dunkel war, weil wir wegen der Kälte die Ledervorhänge der Fenster herunterließen. Liz und ich wärmten einander. So fuhren wir den Paß hinauf. Oben auf der Wasserscheide, von der aus es dann zum Deadwater Canyon abwärts ging, in dem vor einigen Wochen vom Wasser einige Frachtzüge vernichtet wurden, da hielt die Kutsche an, um das Gespann verschnaufen zu lassen. Ich hatte zuvor schon Liz losgelassen und mir eine Zigarre angesteckt. Als die Kutsche hielt, stieg ich sofort aus und trat zwischen die Felsen. Dann kamen einige Reiter herangeritten. Sie hatten offenbar nicht genau berechnet, wo die Kutsche halten würde. Eine Stimme rief: »Macht nur keine Dummheiten, Leute! Dies ist ein Überfall! Wir wollen mal sehen, was ihr uns aus Golden Mesa mitgebracht habt! Da waren Blinkzeichen unten in Golden Mesa. – Bei euch muß ein fetter Fisch in der Kutsche sitzen. Wer ist es? Er soll sich gleich melden und abliefern. Dann halten wir euch nicht länger auf als nötig.« Die Stimme klang drohend und selbstbewußt, ganz so, als hätte der Sprecher alle Trümpfe in der Hand. Aber wahrscheinlich machte er solch einen Überfall hier oben nicht zum erstenmal. Also war alles für ihn schon Routine. Ich war so schnell ausgestiegen, daß sie mich noch gar nicht bemerkt hatten. Und ich hatte schon längst ein hübsches kleines Ding aus meiner Rocktasche geholt, wo es zwischen einigen anderen Zigarren steckte und sich nicht sehr von diesen unterschied. Nur etwas länger und dicker war es. Es handelte sich um eine Preßpulverstange mit einer sehr kurzen Lunte. Solche Dinger wurden in den Minen verwendet. Wir hatten solche Sprengstoffstangen in unserem Store gehabt. Ich ahnte damals schon, daß es ganz gut sein würde, wenn ich mir einige dieser Dinger für den Eigenbedarf reservierte. Und so war es jetzt ganz einfach.
Ich hielt die Lunte an den Glühpunkt der Zigarre und drehte den Banditen und der Kutsche noch meinen Rücken zu, stand halb verborgen zwischen den Felsen im dunklen Schatten. Dann aber wandte ich mich schnell. Die Lunte sprühte leicht. Die Banditen hielten ein Stück vor der Kutsche. Sie hatten ihre Revolver und Gewehre schußbereit und warteten auf eine Antwort. Aber sie bekamen weder vom Fahrer noch von den Fahrgästen eine Antwort. Ich war es, der nun rief, indes ich das Ding warf: »Ich bin’s! Und ich hab’ was für euch! Da kommt’s!« Es fiel zwischen sie und blies sie mitsamt ihren Pferden um. Sie bildeten ein wildes Durcheinander. Aber auch der Fahrer unserer Postkutsche hatte mit seinem Sechsergespann seine Not. Sein Begleitmann fiel fast vom hohen Bock. Die Pferde der Postkutsche sprangen durcheinander und verwirrten sich mit dem Geschirr. Nur weil die Kutsche voll gebremst war und sich kaum bewegte, der Paßeinschnitt eng war, konnten sie nicht ausbrechen oder gar wenden. Ich lief nach vorn zu den Banditen. Einer kroch am Boden umher und wußte nicht, was oben und unten war. Ein zweiter lag unter seinem Pferd. Der dritte kroch aus dem Durcheinander. Und ein vierter war im Sattel geblieben. Aber nun warf ihn das wie verrückt sich gebärdende Tier gegen einen Felsen. Der fünfte Bandit kniete am Boden und hielt sich den Kopf. Wahrscheinlich konnte mich keiner von ihnen verstehen, als ich zu ihnen sagte: »Nun, Jungens, ihr müßt als Straßenräuber aber noch eine Menge lernen. Wißt ihr denn nicht, daß dies der neue Trick der Wells-Fargo-Detektive ist?« Keiner gab mir eine Antwort. Der Begleitmann und die beiden anderen männlichen
Fahrgäste kamen nun nach vorn. Sie fluchten. Der Begleitmann sagte zu mir: »Mister, Sie sind wohl einer von der ganz rauhen Sorte?« »Nun«, sagte ich, »wenn mir jemand etwas wegnehmen will, dann kann ich wirklich ziemlich rauh werden. – Was hätte ich denn Ihrer Meinung nach tun sollen, mein guter Freund? – Alles herausgeben und auf ein Dankeschön dieser lieben Jungens hoffen? Die hatten Blinkzeichen von Golden Mesa herauf bekommen und wußten, daß ein fetter Fisch von euch heraufgebracht wurde. – Ihr seid mir vielleicht hier ein trauriger Verein von Pfeifen. – Ich habe in Golden Mesa den Boß dieser Bande und seinen gefährlichsten Revolvermann erledigt. Ich habe hier seine Bande umgepustet. – Aber ich wette, ihr alle werdet bald schon wieder von einer neuen Bande ausgeplündert. – Und niemand tut was dagegen, wenn ich wieder weg bin.« »Uns fehlt ein Sheriff«, sagte einer der beiden Männer. »Das ist der Job eines Sheriffs. Wir müßten einen Sheriff haben.« »Ihr seid Narren«, sagte ich nur, »oh, ihr Narren! Ihr seid alle nur ins Goldland gekommen, um schnell reich zu werden. Und jeder hofft, ungeschoren davonzukommen. Ihr seid nicht bereit, eine Gemeinschaft zu bilden. Eigentlich seid ihr schuld daran, daß es hier Banditen gibt und geraubt und gemordet wird. – Wo es doch bisher so leicht war, euch wie eine Hammelherde zu rasieren.« Ich verstummte bitter, und ich war mir bewußt, daß jedes meiner Worte in den Wind gesprochen war. Wir räumten indes die Straße frei. Einer der Banditen fragte: »Wollt ihr uns denn hier liegen lassen?« Aber da grollte der Fahrer, der ebenfalls abgestiegen war, nachdem er das Gespann beruhigt hatte: »Was erwartet ihr denn von uns? Sollen wir euch mitnehmen zum nächsten Sheriff? Oder sollen wir euch um Verzeihung
bitten, daß euer Überfall nicht so ablief, wie ihr euch das dachtet?« Der Bandit gab keine Antwort. Seine Kumpane stöhnten und ächzten. Sie waren wohl auch noch taub und wußten noch nicht, was ihnen widerfahren war. Wir gingen zurück zur Kutsche. Der Fahrer wandte sich an mich. »Mann, jetzt passen Sie mal auf«, sagte er. »Wenn ich diese Kutsche ans Ziel gebracht habe, geb’ ich diesen Job auf – einfach so. Denn in Zukunft werden die Banditen des Goldlandes kein Risiko mehr eingehen. Da schießen sie zuerst. – Kapiert?« Ich nickte nur und verstand seine Bitterkeit. Ja, ich hatte den Banditen eine Niederlage auf die rauhe Weise beigebracht. Damit wurde eine Menge anders im Goldland. Bisher hatten die Banditen fast völlig kampflos die Kutschen ausrauben können. Es genügte, ihnen den Weg zu verlegen, mit den schußbereiten Waffen zu drohen und einige Worte zu reden. Jetzt aber würde zuerst geschossen werden. Die Banditen würden Angst haben, daß es ihnen so ergehen könnte wie heute ihren Vorgängern. Aber ich konnte das alles nicht ändern. Ich hatte unsere dreißigtausend Dollar retten müssen. Nur das allein war für uns wichtig – für Liz und mich. Alles andere sonst kümmerte mich wenig. Denn wir waren ein Wolfspärchen, welches sich nicht die Beute wegnehmen lassen wollte. Und nun waren wir unterwegs nach Kansas City und zum Missouri. Kansas City hatte noch vor nicht langer Zeit Westport geheißen. Und es war auch jetzt noch das große Ausfalltor in den Westen, wo jeder sein Glück machen wollte. Als ich wieder in der Kutsche saß und Liz im Arm hielt, da
flüsterte sie an meiner Brust: »Rufus, dich kann keiner schlagen. Du bist der Größte. Unser Weg führt unaufhaltsam nach oben. Rufus, ich liebe dich. Denn du bist ein Mann, der zum Salz der Erde gehört. – Keiner ist so wie du.« Und dann schlief sie ein. Auch ich war zufrieden mit mir. Ich hatte unsere Beute gerettet. Und es gab dabei keine Toten. Ich selbst war bis auf den letzten Streifschuß am Rücken unverletzt geblieben. Das alles war schon eine gewisse Zufriedenheit wert. * Wir kamen nach einigen Tagen und Nächten nach Kansas City und mieteten uns im Westport-Hotel ein schönes Zimmer. Dann taten wir drei Tage und drei Nächte nichts anderes, als uns auszuruhen und einander zu geben, was sich zwei Menschen an Liebe und Zärtlichkeit geben konnten. Denn es gab wohl keinen Zweifel, daß wir uns mehr als nur körperlich liebten. Am vierten Tag machten wir Einkäufe, wurden noch eleganter. Dann gingen wir in die nobelsten Restaurants zum Essen und besuchten auch eine Theater-Vorstellung. Wir machten einige Bekanntschaften. Letzteres war leicht. Denn mit einer so schönen und eleganten Frau wie Liz wollte jeder bekannt werden, mochten es erfolgreiche Geschäftsleute, Bankdirektoren, Schiffsbesitzer, hohe Offiziere oder sonstige Burschen sein. Wir streckten überallhin unsere Fühler aus, suchten das große Geschäft mit dem großen Gewinn, die Chance, um aus unserem Geld mehr zu machen, sehr viel mehr. Wir galten als sehr wohlhabend, und man machte uns in diesen Tagen viele Angebote.
Aber es waren nicht die großen Sachen, die man sicherlich nur mit Glück und Wagemut machen konnte, mit Härte und Entschlossenheit. Wir wollten diesmal einen großen Coup landen, der unser Vermögen möglichst verdoppeln sollte. In Kansas City war damals eine Menge los. Frachtwagenzüge gingen nach Westen, Siedlertrecks wurden hier zusammengestellt. Die Schiffe an den Landebrücken des nahen Missouri luden Tag und Nacht Frachten aus. Rinderherden aus Texas trafen ein. Aber das alles war nichts gegen die Büffelhäute und die Büffeljäger. Die ganze Kansas-Prärie war offenbar voller Büffel. Es gab mehrere große Herden, welche immer noch nach Süden zogen. Zu Hunderttausenden sollten die Büffel zwischen Cimarron und Arkansas die Prärie bevölkern. Dort krachten immerzu die Büffelflinten, war das große Morden im Gang und fraßen Wölfe, Kojoten und Geier ohne Unterbrechung, bleichten schon die ersten Knochen in Sonne und Wind. In Kansas City rüsteten die Büffeljäger sich aus. Und nach Kansas City an den großen Strom, da brachten sie ihre Büffelhäute. Nicht Tausende oder Zehntausende lagerten hier – nein, es waren schon Hunderttausende, die sogar gegen den Wind stanken. Wir hörten im Restaurant, wie sich am Nebentisch zwei Aufkäufer von Büffelhäuten gegenseitig das Leid klagten. – Das hörte sich etwa so an: »Zum Teufel, jetzt habe ich schon mehr als fünfzigtausend liegen, und sie stinken in der Sonne. Ich muß sie von bewaffneten Wächtern bewachen lassen. Sie kosten mich Geld. Sogar Lagergebühren verlangen diese Ratten jetzt dort unten am Fluß. Aber wenn die Frachtkosten nicht gesenkt werden, mache ich keinen Gewinn. Meine Abnehmer im Seehafen von New Orleans müssen sich nach den Welt-Lederpreisen
orientieren. Die können keine Rücksicht darauf nehmen, daß Missouri und Mississippi von Banditen beherrscht werden, die von jeder Frachtgebühr einen hohen Anteil kassieren. – Man müßte die ganze Bande in die Luft sprengen können. – Sie sollen sogar einige schnelle Dampfboote mit Kanonen auf beiden Strömen unterwegs haben, um auch den letzten freien Eigner und Kapitän unter ihre Kontrolle zu zwingen. – Man müßte ein Schiff mieten und versuchen, die Häute auf eigene Faust nach New Orleans zu bringen.« Der Sprecher verstummte schnaufend und stopfte sich dann eine gefüllte Gabel in den Mund, so als müßte er nach dieser Rede wieder durch gutes Essen zu Kräften kommen. Sein Nachbar am Tisch nickte verdrossen. »Ich habe über sechzigtausend Häute«, sagte er. »Ich würde für jede Büffelhaut einen halben Dollar Fracht bezahlen. Aber diese Schufte verlangen einen Dollar. Und da ist für mich der volle Verdienst weg.« Sie klagten noch weiter. Wir hörten nur noch mit »halbem Ohr« zu, wie man so bezeichnend sagte. Liz und ich sahen uns an, und wir rechneten beide, das sahen wir in unseren Augen. Und die Rechnung war einfach. Einer hatte über fünfzigtausend und der andere Aufkäufer sechzigtausend Büffelhäute zu verladen. Das waren zusammen einhundertundzehntausend stinkende Häute. Jede Haut konnte einen halben Dollar Frachtgeld einbringen. Das waren die Aufkäufer jetzt schon bereit zu zahlen. Vielleicht legten sie sogar noch zehn Cent zu. Schon einhundertzehntausend Büffelhäute brachten fünfundfünfzigtausend Dollar Frachtgeld. Davon aber gingen die Unkosten für das Schiff und die Mannschaft, sowie für die Verlader ab. Aber unsere dreißigtausend Dollar waren sicherlich zu
verdoppeln. Ich wußte nicht, wieviel Büffelhäute auf ein Schiff gingen. Es kam auf das Schiff an, aber hundertzehntausend Büffelhäute mußte meiner Meinung nach fast jedes der an den Anlegebrücken liegenden Schiffe fassen können. Wir waren gestern erst mit einem gemieteten Zweispänner zum Fluß gefahren und hatten uns dort alles angesehen. Auch die Büffelhäute. Es wurden jeden Tag noch mehr herbeigebracht. Und die Büffeljäger waren draußen auf der Prärie pausenlos beim Abschlachten. Liz und ich sahen uns eine Weile an. Wir verständigten uns wortlos. Dann nickte ich ihr zu. Ich erhob mich und trat an den Tisch der beiden Geschäftsmänner. »Mein Name ist Starretter«, sagte ich. Sie sahen zu mir auf, nickten mir zu und nannten ihre Namen. »Nehmen Sie Platz, wenn Sie wollen«, sagte einer. »Natürlich kennen wir schon Ihren Namen. Wer eine solch schöne Frau bei sich hat, der wird schnell bekannt.« Ich lächelte sparsam. Dann sagte ich: »Zufällig hörte ich Ihre bösen Klagelieder wegen der zu hohen Frachtkosten für Büffelhäute. – Ich würde den Transport für siebzig Cent pro Haut übernehmen.« Sie wollten grinsen. Doch dann ließen sie es. Denn ich sah sie jetzt fest an und ließ sie etwas mehr über mich erkennen. Sie erkannten es in meinen Augen – und sie spürten es auch instinktiv, denn sie waren ja selbst clevere Burschen, für deren Geschäfte es oft notwendig war, daß sie ihr Gegenüber richtig beurteilen konnten. Und bei mir witterten sie jetzt, daß ich nicht einfach nur ein harter Bursche mit einer schönen Frau war. – Nein, sie begriffen plötzlich, daß ich ein zweibeiniger Wolf war.
Sie betrachteten mich eine Weile. Dann sahen sie sich an. Sie verständigten sich wortlos und wandten sich wieder an mich. »Sechzig Cent«, sagte jener, der sich Bill Olsen genannt hatte. »Mehr können wir nicht geben – es sei denn, die Lederpreise steigen in der ganzen Welt. Aber das tun sie zur Zeit bestimmt nicht. – Wir könnten Frachtraum für hundertundfünfzigtausend Felle brauchen. – Sechzig Cent für jedes Fell bis Seehafen New Orleans und längsseits des Überseeschiffes.« Ich streckte meine Hand aus. »Ich habe Ihre Option bis morgen mittag. Wenn Sie bis dahin nicht laden können, hat sich unser Geschäft zerschlagen.« Sie schlugen ein. Dann fragte jener, der sich Mike Carter nannte: »Aber Sie wissen doch auf dem beiden Strömen Bescheid, Mister Starretter? Sie sind doch informiert, daß sich ein starker Trust gebildet hat, der die Frachttarife bestimmt und sogenannte Schutzgebühren kassiert, die oft die Hälfte des Frachtgeldes ausmachen? – Von den sechzig Cent bleiben Ihnen höchstens dreißig, und davon müssen Sie alle Unkosten tragen. Es ist eine lange Reise. Weil das Schiff so vollgeladen werden muß, daß kaum noch Platz für die Mannschaft ist, müssen Sie fast bei jedem Holzplatz anlegen, um die Holzbunker zu füllen. Sonst nämlich ist kein Platz an Bord für Holz. – Und je weiter Sie nach Süden kommen, um so teurer wird das Feuerholz. Das kostet ein kleines Vermögen. – Ganz abgesehen von all den anderen Unkosten. Aber Sie wissen ja wohl Bescheid, nicht wahr?« Ich nickte. Denn ich hatte gerechnet. Und wenn wir mit diesem sogenannten »Trust« nicht teilen würden, mußte für uns ein großer Gewinn in diesem Geschäft stecken. Ich erhob mich und ging zu Liz zurück, die inzwischen den Nachtisch gelöffelt hatte.
»Ich werde mir einen Wagen mieten«, sagte ich zu Liz. »Wenn du willst, kannst du gleich mitkommen und mit all unserem Gepäck. Denn wir werden diese Nacht sicherlich schon in der Luxus-Kabine eines dieser großen und schönen Schiffe verbringen. Na, willst du?« Sie nickte sofort. »Und diese Nacht wird es auf diesem Schiff auch noch nicht nach Büffelhäuten stinken«, sagte sie schlicht. »Da wirst du noch mein Parfüm riechen können, Texasmann.« Wir gingen. Die beiden Häuteaufkäufer sahen gewiß auf Liz. Sie zog hier in Kansas alle Blicke auf sich. Ich war stolz darauf, daß sie zu mir gehörte. Und ich spürte, daß für uns bald ein neues Abenteuer begann. Aber würde es vielleicht schon zu groß werden für mich? Konnte ich am Ende auch dieses Spiel mit meinem Colt und ein paar Tricks gewinnen? Nun, wir würden sehen. * Als wir mit unserem Mietwagen die Anlegebrücken erreichten, sahen wir dort eine ganze Anzahl von Dampfschiffen liegen. Sie alle hatten Frachten und Menschen hergebracht und ausgeladen. Nun warteten sie auf Rückfracht. Doch davon gab es nicht allzuviel – eigentlich nur Büffelhäute. Denn die Zeit, da die Kansas-Prärie von wogenden Kornfeldern bedeckt war, die würde erst noch kommen. Noch gab es zu viele Büffel. Kansas mußte erst noch erschlossen und besiedelt werden. Zur Zeit wurden große Rinderherden von Texas nach Kansas getrieben. Und die Büffeljäger vernichteten Millionen von Büffeln. So mancher Siedler würde in den folgenden Jahren bis zu seiner ersten Ernte davon leben, daß er die Knochen der Büffel auf der Prärie sammelte und zu den Aufkäufern der
Düngemittelfabriken brachte. Auf diese Weise ermöglichten die Büffel nach ihrem Tode mit ihren Knochen sehr vielen hungernden Siedlerfamilien das Durchhalten bis zur ersten Ernte und damit auch die rasche Besiedlung der leergewordenen Prärie. Wir verhielten eine Weile in unserem Mietwagen. Liz sah mich schweigend an. Ich erwiderte ihren Blick, sagte ebenfalls nichts. Aber wir wußten beide, daß unser nächster »Fischzug« schwer und hart werden würde. Denn so dumm waren wir nicht, daß wir die Gefahr nicht voll erkannten. Liz sagte schließlich: »Bist du sicher, daß wir uns auch gegen eine mächtige Vereinigung behaupten können? Es soll ein Trust von mächtigen Burschen sein, der alles auf beiden Strömen unter Kontrolle bringt – einfach alles auf dem Wasser und zu beiden Seiten am Ufer der Flüsse. – Sie haben sogar Kanonenboote, und sie zerbrechen jeden Widerstand, ruinieren jeden freien Kapitän und Eigner, der sich ihnen nicht unterwirft. – Rufus, du bist mit deinem Colt ein verdammt mächtiger Bursche, der es mit einer ganzen Mannschaft aufnehmen kann. – Aber wenn du dich jetzt überschätzt, dann könnten wir wieder auf den Nullpunkt zurückgeworfen werden. – Wir besitzen dreißigtausend Dollar und …« »… und können sechzigtausend daraus machen«, unterbrach ich sie. »Ist das kein Risiko wert? Wenn man seinen Einsatz verdoppeln will, dann ist die Chance gewiß niemals besser als fünfzig zu fünfzig. – Oder?« Sie nickte. »Ja, so ist es wohl. – Beim Roulette kann man auf Schwarz oder Rot setzen, auf gerade oder ungerade Zahl. – Du traust dich also, Rufus?« »Yes, Ma’am«, erwiderte ich nur. Dann stieg ich aus und ging zum ersten Schiff hinüber. Es war die Saint Louis Bee, und sie schien mir groß genug für einhundertundfünfzigtausend Büffelhäute, die mir
neunzigtausend Dollar Frachtgeld bringen würden bei Übernahme durch ein Seeschiff im Hafen von New Orleans. Ich sah, daß die Saint Louis Bee einen neuen Anstrich nötig hatte und auch sonst eine Menge an Bord zu erneuern und reparieren war. Dem Eigner fehlte es offenbar an Geld. Das war mir recht. Denn dann konnte ich mit ihm gewiß einen guten Preis aushandeln. Und er würde sich wohl auch nicht gleich in die Hosen machen, wenn es hart werden sollte. An der Gangway empfing mich ein bulliger Mann, dem das Hemd weit offen stand, so daß man die haarige Brust sehen konnte. Er kratzte sich heftig. »Nun, Mister …« sagte er mit Baßstimme und starrte mich unter buschigen Brauen hervor an. »Ich möchte zum Kapitän oder Eigner«, sagte ich. »Bin ich beides«, erwiderte er. »Was soll’s denn sein?« »Ich möchte Ihr Schiff chartern«, sagte ich. »Bis New Orleans. Volle Ladung, wenn hundertundfünfzigtausend Büffelhäute Platz haben. – Was würde mich das kosten, Mister …« »Ned Walker«, sagte er. »Ich befördere jede Büffelhaut für einen Dollar bis nach New Orleans.« Da grinste ich nur. »Falsch«, sagte ich. »Wenn ich Ihr Schiff miete, bin ich der Beförderer von Waren. Ich zahle nur die Schiffsmiete.« Er starrte mich an, musterte mich von Kopf bis Fuß. »He«, sagte er, »was ist das für ein neues Spiel?« »Für Sie ein gutes«, erwiderte ich. »Denn Sie verchartern an mich nur Ihr Schiff. Alle anderen geschäftlichen Dinge gehen nur mich etwas an. – Na? Angst?« Er wußte sofort ganz genau, was ich meinte, als ich »Angst?« fragte. Ich sah es in seinen Augen, und ich erkannte auch, daß er ein Rebell war, der sich nicht so leicht etwas aufzwingen ließ. »Die Tage sind kurz – und die Nächte schwarz«, sagte er.
»Das verlängert die Reise sehr. Wir brauchen zumindest vier Wochen bis New Orleans und müssen noch dreimal Holz übernehmen. – Die Versicherung nimmt einen stolzen Preis, denn das Risiko wurde zwar nicht größer, doch die Versicherungen gehören auch schon alle zum Trust.« Er sprach das letzte Wort etwas zögernd aus und beobachtete mich dabei scharf. Aber ich nickte nur und fragte: »Wie hoch ist der Charterpreis?« »Dreißigtausend Dollar«, sagte er. »Und die Hälfte sofort bei Abschluß des Chartervertrages. Die zweite Hälfte bei Löschung der Ladung.« Ich wandte mich etwas von ihm ab, sah den Strom hinunter zu den anderen Schiffen, die an den benachbarten Landebrücken lagen. Für ihn mußte es so aussehen, als wollte ich erst einmal bei den anderen Schiffen nachfragen. Er lachte kehlig. »Die anderen sind teurer«, sagte er, »müssen teurer sein. Denn ihre Schiffe sind wertvoller. Die müssen der Versicherung mehr bezahlen. – Sie haben sich schon das billigste Schiff ausgesucht. – Es sieht nicht mehr gut aus äußerlich. Doch ich habe neue Kessel und neue Maschinen. Deshalb bin ich auch so knapp bei Kasse. In New Orleans kann ich dann alles andere machen lassen. – Ich gebe Ihnen mein Wort, daß Sie nirgendwo einen besseren Chartervertrag bekommen. Ich kann rechnen, Mister. – He, wie war Ihr Name?« »Starretter«, sagte ich, »Rufus Starretter. – Ich glaube, Kapitän, wir kommen miteinander ins Geschäft. – Haben Sie auch eine schöne Luxuskabine für meine Frau und mich? – Denn wenn wir schon eine solche Menge Geld zahlen, dann wollen wir auch etwas dafür bekommen.« Er starrte an Land, sah Liz im Wagen. Sie stieg jetzt aus, um sich die Beine am Ufer zu vertreten. Er sah sie nun in
Bewegung, und er leckte sich über die Lippen. »He«, sagte er, »jetzt weiß ich, Starretter, daß Sie ein erfolgreicher Geschäftsmann sein müssen. – Bei solch einer Frau … Natürlich haben wir eine besonders noble Kabine an Bord. Sie wäre auch für den Präsidenten der Nation gut genug. Gehen wir also den Vertrag machen.« * Ich traf die beiden Häuteaufkäufer noch vor dem Abendessen. »Wir können die Saint Louis Bee voll mit Ihren Häuten laden«, sagte ich und zeigte ihnen den Chartervertrag, der in Kraft trat, sobald die Ladung an Bord sein würde. »Ich habe nur eine einzige Bedingung«, fügte ich hinzu. Sie sahen mich fragend an, und sie waren jetzt besorgt und fürchteten, daß ich nun etwas verlangen würde, was ihnen unmöglich war zu erfüllen, so daß sie die Büffelhäute doch nicht nach New Orleans schaffen konnten. Ich grinste sie an. »Ich verlange, daß Sie jedem interessierten Frager sagen, daß Sie mir nicht sechzig Cent, sondern einen Dollar Fracht für jede Büffelhaut zahlen. – Geben Sie mir Ihr Wort darauf?« Sie dachten nach. Und sie begriffen schnell, warum ich das von ihnen verlangte. »Oder haben Sie schon verkündet, daß ich es für sechzig Cent mache?« Sie schüttelten den Kopf. Dann dachten sie wieder nach. Nun war ihnen klar, daß ich den Trust reinlegen wollte. Wenn dessen »Kassierer« kommen würden und die »Schutzgebühren« oder wie die Erpressungsgelder auch sonst genannt wurden, kassieren wollten, würde ich nicht zahlen. Ich konnte es gar nicht.
Denn die Rechnung war einfach. Der Trust verlangte fünfzig Cent Gebühr für jede Haut, die verfrachtet wurde. Und er schrieb einen Ein-Dollar-Tarif vor, weil sonst niemand auf seine Kosten kam. Bei einhundertundfünfzigtausend Büffelfellen hätte ich an den Trust fünfundsiebzigtausend Dollar zu zahlen. Da ich aber nur sechzig Cent nahm und deshalb keine einhundertfünfzigtausend Dollar, sondern nur neunzigtausend bekam, würde ich nur fünfzehntausend Dollar für mich behalten. Aber schon das Schiff kostete mich die doppelte Summe. Ich mußte dem Trust also seinen Anteil verweigern. Sonst konnte ich nicht auf meine Kosten kommen. Die beiden Männer starrten mich an. Sie begriffen jetzt erst richtig mein Spiel. Bill Olsen sagte schließlich: »Und wir glaubten, Sie hätten besondere Beziehungen zum Trust und könnten deshalb …« Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. »Aber was geht uns das an«, sagte er heiser. »Der Trust kommt erst kassieren, wenn Sie unseren Scheck eingelöst haben. Und dieser Scheck wird erst eingelöst, wenn die Häute an Bord des Seeschiffes sind. – Es kann uns egal sein, was Sie mit dem Trust haben. – Hey, wir werden sogar schwören, daß wir Ihnen einen Dollar pro Haut Frachtgebühr zahlten! – Ja, wir werden es schwören. – Dann haben Sie ganz allein den Schwarzen Jack.« Ich nickte und grinste sie an. »So ist es«, sagte ich. »Und so will ich es haben.« * Die Ladebäume der Saint Louis Bee hievten die ganze Nacht � die großen Bündel der Büffelhäute an Bord. In jedem Bündel �
waren fünfzig Häute. Sie waren gut zusammengeschnürt und etwa doppelt so groß wie die Baumwollballen im Süden. Die Luxuskabine für Liz und mich war wirklich nobel. So vergammelt der Kahn auch äußerlich aussah – innen war er in Ordnung. Und neue Kessel und neue Maschinen hatte er wirklich. Kapitän Ned Walker kaufte ihn offensichtlich billig und konnte noch ein paar Frachtfahrten mit ihm machen, bevor die Maschinen zum Teufel gingen oder die Kessel explodierten. Mit dem verdienten Geld ließ er dann innen und im Maschinenraum alles überholen. Mit unserem Frachtgeld würde er das Schiff dann äußerlich zu einem Schmuckstück machen. Er gefiel mir irgendwie, dieser bullige Flußkapitän mit der haarigen Brust unter dem stets offenen Hemd. Die Ladebäume knarrten die ganze Nacht. Die Dampfwinden kreischten manchmal, ratterten. Am Ufer brannten zwei Teerfässer. An Bord gab es Laternen, auch einen Karbidscheinwerfer. Liz und ich standen an der Reling des Kabinendecks, als drei Männer an Bord kamen. Wir sahen sie schon auf der Gangway, und der Bootsmann ließ sie sofort durch. Sie kamen dann mit Kapitän Walker herauf. Ich trat ihnen langsam entgegen, so daß Liz im Hintergrund blieb. Auch Kapitän Walker war zurückgeblieben. Er stand beim Niedergang zum Hauptdeck. Aber er verharrte aufmerksam. Die drei Männer verhielten nun vor mir, aber zwei von ihnen waren nur Begleiter, Leibwächter. Wichtig war jener, der vor mir anhielt und mich ansah. Oh, er war ein harter Bursche, ein Mann vom Fluß. Und er war gewiß ein wichtiger Mann hier in Kansas City, ein sogenannter Vertrauensmann des Trusts. Ich dachte bei mir: So ist das also hier. Der Stil und das
System – ah, es ist jetzt überall ähnlich. Es gibt in jedem Korral einen Bullen, und manchmal sind diese Bullen nur Befehlsempfänger von Superbullen, die ein System schufen, eine Organisation. – Ja, es ist überall das gleiche Spiel. Indes ich dies dachte, wartete ich. Der Mann hatte mich indes im Laternenschein betrachtet. Er sagte: »Wir übernehmen die Garantie, daß Ihre Ladung auch in New Orleans ankommt. Sie möchten doch diese Garantie, Mister Starretter? Das ist doch Ihr Name?« Ich nickte. »Ja«, sagte ich nur. Er betrachtete mich wieder hart. »Wir werden in New Orleans unsere Schutzgebühr kassieren kommen. Halten Sie sie bereit. Unsere Tarife sind bekannt, nicht wahr? – Ich gebe Nachricht den Strom hinunter, daß Sie die Mitgliedschaft erworben haben. – Alles andere wird in New Orleans geregelt. – Gute Fahrt.« Er wandte sich um und ging wieder. Seine beiden Leibwächter begleiteten ihn. Und mir selbst wurde nun doch etwas mulmig. Denn es imponierte mir schon, wie lässig dieser Trust agierte. Sie waren sich so sicher, daß ich ihnen nicht würde entweichen können, daß sie nicht mal scharf auf einen Vorschuß waren. – Natürlich machten sie mit mir auch keinen schriftlichen Vertrag. Den hätte ich in New Orleans bei den Behörden gegen sie verwenden können. Schließlich gab es ja in New Orleans Recht und Gesetz – übrigens auch in Kansas City. Nein, sie machten alles nur mündlich ab. Doch sie würden sicherlich viele Mittel besitzen, niemanden entkommen zu lassen. Das wurde mir jetzt besonders eindringlich klar durch ihre lässige Art, wie sie mit mir verhandelten und mich vorbereiteten auf den Abschluß in New Orleans. Zum Glück hatte ich die beiden Häuteaufkäufer darauf vergattert, daß sie den wahren Frachtpreis nicht nannten und
keinem Menschen auf dieser Erde nennen würden. Denn sonst würde der Trust längst schon Verdacht geschöpft haben. Mir wurde also etwas mulmig in meinem Kern, wenn ich an New Orleans dachte. Aber das dauerte nicht lange. Dann gewann mein Selbstvertrauen wieder die Oberhand. Schließlich war ich ein Bursche, der sich sein ganzes Leben lang durch Kühnheit behauptet hatte. Und so würde es auch in New Orleans sein, einer Stadt, die ich nur vom Hörensagen kannte. Ich wandte mich Liz zu, ging langsam zu ihr zurück. Sie sah mich fest an. Aber ich wußte, sie konnte in mir keine Zweifel erkennen, auch keine Furcht. Ich war wieder voller Selbstvertrauen und glaubte an meine Fähigkeiten, auch in New Orleans mit allen Schwierigkeiten fertig zu werden. Sie sah es mir an. Ich spürte, daß sie innerlich aufatmete. Hatte sie Zweifel gehabt? Oder befürchtete sie, daß ich vielleicht doch nicht groß genug sein würde mit meinem schnellen Colt? Denn was in New Orleans auf mich wartete, würde mit einem schnellen Colt gewiß nicht allein zu lösen sein. Ich lächelte sie an. Da nahm sie meinen Arm. Wir drehten auf dem Kabinendeck noch einige Runden. Auch diese Kabinen würden bald gefüllt sein. Bei Sonnenaufgang kamen die Passagiere an Bord. Einige waren es schon. Ja, wir verdienten auch daran noch ein wenig. Schließlich hatte ich das ganze Schiff gechartert. Und wem es nichts ausmachte, auf stinkenden Büffelhäuten zu fahren, der sollte auch dafür bezahlen. Liz und ich gingen dann in unsere Luxuskabine. Ich schlief zum ersten Male in einer solch noblen Schiffskabine, die das nobelste Hotelzimmer bei weitem noch
übertraf. Liz kam in meine Arme. Oh, sie war … Nun, ich gehöre nicht zu den Männern, die sich damit brüsten, was alles sie mit einer Frau anstellen in einer langen Nacht. Ich war nie einer von diesen Typen, die dann ihren Freunden und Bekannten genau beschrieben, was und wie alles lief. Nur soviel sei gesagt: Zwischen Liz und mir brannte es immer noch gewaltig. Und das würde sich wohl auch nicht geben. Davon war ich damals auf der Saint Louis Bee überzeugt. Wir liebten uns eigentlich immer mehr, je länger wir beisammen waren. Aber daß es Notzeiten gab, dies würde ich schon verhindern. Dies dachte ich damals in den Armen von Liz. Und irgendwann zwischen Nacht und Tag fragte ich sie auch: »Und wann heiraten wir richtig, Blauauge?« Sie hatte nur bei Tag eher blaue denn grüne Augen. In der Nacht waren ihre Augen türkisfarben. »Wann …?« Sie fragte es ebenfalls und machte eine lange Pause, bevor sie sich halb über mich legte und erst noch einmal küßte. »Wenn wir in New Orleans davongekommen sind«, sagte sie dann. »Wir müssen wohl dann erst unsere Fährte verwischen und einen sicheren Ort finden, nicht wahr? Ja, dann will ich auch nach dem Gesetz deine Frau werden und deinen Namen tragen, Rufus.« Dagegen gab es nichts zu sagen. Liz konnte manchmal die Dinge sehr einfach und schlicht sehen. Aber gerade das gefiel mir so sehr an ihr. Als die Sonne schon wärmte, legten wir ab. Die beiden Maschinen im Bauch des Schiffes begannen zu arbeiten. Das Schiff erzitterte. Das mächtige Schaufelrad
drehte sich allmählich schneller. Das Schiff ging in den Strom und nahm Fahrt auf. Mit Hilfe der Strömung würden wir sechs bis acht Meilen die Stunde zurücklegen. Bis nach Saint Louis waren es sicherlich sechshundert Meilen; ich wußte es nicht genau, denn ich kannte den Missouri nicht und wußte auch nicht, wie viele Umwege er machte. Da aber die Tage kurz und die Nächte jetzt sehr dunkel waren, konnten wir gewiß nie mehr als hundert Meilen pro Tag schaffen, wahrscheinlich aber waren es weniger. Der Fluß hatte wenig Wasser. Es gab da und dort Untiefen. Unser Schiff aber war schwer beladen. Der Fahrtwind blies den Gestank der Büffelhäute fort. Ich konnte es wagen, das Kabinenfenster zu öffnen. Liz lag in weißen Spitzen. Ihr blauschwarzes Haar glänzte. Heiliger Rauch, was war ich doch für ein Glückspilz! Solch eine Frau und eine Menge Geld, wer bekam das schon auf dieser Erde? Und in New Orleans würde ich mich schon behaupten. * Nun, ich will über unsere Reise von Kansas City nach Saint Louis und von dort auf dem mächtigen Mississippi bis nach New Orleans hinunter nicht viel erzählen, sondern bei den wesentlichen Dingen meiner Geschichte bleiben. Es war eine schöne Reise, und wir fuhren ja dabei dem Winter sozusagen davon. Wir fuhren nach Süden, immer nach Süden, und irgendwann wurden die Bäume und Büsche wieder grün. Wir waren dem Winter sozusagen entkommen. Einige Male mußten wir unterwegs anlegen und Holz für unsere Kessel übernehmen. Es war teuer, dieses Holz, und es wurde immer teurer, je weiter wir nach Süden kamen. Nun begriff ich schon mehr, warum ich das Schiff nur für einen so
hohen Betrag chartern konnte. Kohle gab es damals noch nicht hier am Strom zum Heizen der Schiffskessel. Nun, wir kamen eines Tages – nein, es war ja schon fast Nacht – nach New Orleans. Ich sprach mit Liz in unserer Kabine noch einmal alles durch. Denn Liz mußte mir jetzt bald helfen. Sie mußte wie eine echte Partnerin ihren Anteil an unserem großen und bekannten Spiel übernehmen und ihre Aufgabe erfüllen. Es war ein großes Glück für uns, daß Liz schon mehrmals in New Orleans war und hier als Mitglied einer Theater-Truppe längere Zeit spielen konnte. Sie besaß hier einige Freunde und Bekannte und kannte sich in New Orleans gut aus. »Du gehst also sofort von Bord«, sagte ich, »sobald wir New Orleans erreicht haben. Ich lasse dich mit einem Boot an Land bringen. Du suchst deine alte Freundin auf, die am Theater als Maskenbildnerin tätig ist. – Du verkleidest dich bei ihr und versuchst einen zuverlässigen Mann anzuwerben, der die Leute beobachtet, denen ich das Geld aushändige. – Liz, der Bursche, den du finden sollst, muß absolut zuverlässig und erfahren sein. – Er muß unbedingt herausfinden, wohin das Geld gebracht wird – die fünfundsiebzigtausend Dollar, die der Trust bei mir kassieren wird. – Denn sonst …« »Vielleicht zahlt der Trustbeauftragte sie bei der Bank ein, die dir den Scheck einlöst«, unterbrach sie mich, und ich sah ihr an, daß sie Sorgen hatte. Aber ich schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte ich. »Das werden sie nicht – oder wenn, dann erst später und durch einen völlig anderen Mann. – Liz, ich will das Hauptquartier dieser Banditen finden und uns dort unser Geld zurückholen, wenn sie es am allerwenigsten erwarten und ihre Vorsicht und ihr Mißtrauen gegen mich sich längst gelegt hat. – Du mußt das schaffen, Liz. Ich muß wissen, wohin ich gehen muß. – Und ich selbst kann es nicht herausfinden.«
Sie nickte. »Ich schaffe es«, sagte ich. »Ich kann mich in ein altes Weib verwandeln, welches mit Blumen handelt. Ich kann …« Sie winkte ab. »Vielleicht wird es mir großen Spaß machen«, lächelte sie. Ich nickte nur, nahm sie in meine Arme und küßte sie. Indes fuhren wir in den Seehafen von New Orleans. Rechts und links an den Ufern war die große Stadt, die so französisch sein sollte. Überall leuchteten die Lichter bis hinauf zu den Hügeln. Und überall lagen die Schiffe, die von Übersee kamen. Wir nahmen einen Lotsen an Bord, der uns zu dem Seeschiff bringen würde, welches unsere Ladung übernahm. Indes unser Schiff abstoppte, um den Lotsen zu übernehmen, ließ ich auf der anderen Seite Liz in eines unserer Beiboote klettern und an Land rudern. Sie hatte dort einige Stunden Zeit. Denn es würde ja zumindest die ganze Nacht dauern, bis ich mit dem Scheck zur Bank gehen und mir das Geld dafür geben lassen konnte. Und dann … Ja, dann kam es auf eine Menge Dinge an, die jetzt noch gar nicht erkennbar waren. Das Schicksal mußte uns sicherlich auch gewogen sein und uns Glück spendieren. Und ich würde mich auf meinen Colt verlassen müssen in der Höhle des oder der Löwen, die Liz hoffentlich irgendwie würde auskundschaften können. * Es war am Nachmittag des nächsten Tages, als ich mich mit dem Scheck an Land rudern ließ. Das Seeschiff nach Europa hatte die Ladung übernommen. Die ganze Nacht und den halben Tag war gearbeitet worden, ratterten die Dampfwinden und knarrten die Ladebäume. Alle Übernahmeformalitäten waren erfüllt. Ich mußte die
Papiere mit dem Scheck bei der Bank vorlegen. Denn erst dann wurde das Geld ausgezahlt. Der Kapitän der Saint Louis Bee war bei mir. Diesmal trug er kein offenes Hemd, welches seine haarige Brust frei ließ. Nein, heute war er elegant gekleidet, so daß ich ihn kaum erkannt hätte, wäre er mir auf der Straße begegnet. Es ging alles schnell und reibungslos. Er begleitete mich zur Bank, wartete, bis ich mein Geld erhielt und ich ihm die restlichen fünfzehntausend Dollar ausgehändigt hatte. Er grinste zufrieden und schüttelte mir die Hand. »Viel Glück«, sagte er. »Und grüßen Sie mir Ihre Frau, Rufus Starretter. Für solch eine Frau würde ich sogar mein Schiff hergeben. Sie sind ein Glücksjunge, Starretter. Und Glück werden Sie wohl jetzt ganz besonders brauchen.« Seine letzten Worte sprach er pulvertrocken, und ich erkannte daran, wie sehr er Bescheid wußte und meine Probleme längst schon erraten hatte. Er war kein Dummkopf und hatte sich gewiß schon eine Menge ausgerechnet. Doch das alles ging ihn nichts mehr an. Er ließ mich allein. Ich befand mich in einem kleinen Nebenzimmer des großen Schalterraumes, in dem man mir das Geld vorgezählt hatte. Denn bei solchen Summen wurde man nicht wie die Masse der Kunden abgefertigt an einem der Schalter. Ich hatte mir eine Ledertasche mitgebracht. Sie sah so aus wie eine dieser Arzttaschen. Nun räumte ich das Geld hinein. Es waren noch fünfundsiebzigtausend Dollar, denn von den neunzigtausend, die ich bekam, zahlte ich an Kapitän Ned Walker fünfzehntausend. Unser eigenes Geld hatte Liz mitgenommen. Als ich das Geld in der Tasche verstaut hatte, fühlte ich noch einmal nach meinem Colt. Ich trug ihn jetzt im Hosenbund meines recht eleganten Reiseanzuges. Der Bankangestellte kam herein.
»Ist alles in Ordnung, Sir?« Ich nickte und ging hinaus. Er hielt mir die Tür auf. »Es ist in New Orleans trotz unserer guten Polizei nicht ungefährlich, mit soviel Geld herumzulaufen, Sir«, sagte er. »Oder haben Sie eine Leibwache vor der Tür?« »Oh, ich kann schon für mich sorgen, mein Freund«, murmelte ich. Ich fragte mich, wann und wo sich die Vertreter des Trusts an mich heranmachen würden. Ich sah mich unauffällig um. Aber die Straße hier im Bankviertel war sehr belebt. Es gab viele Fußgänger. Leute standen vor den Geschäften und besahen sich die Auslagen. Fahrzeuge fast jeder Sorte verkehrten auf der Fahrbahn. Für einen Mann wie mich war hier höllisch viel Betrieb. Ich fragte mich, ob Liz sich bei ihrer alten Freundin – einer Maskenbildnerin beim hiesigen Theater – auch wirklich verkleiden konnte und mich jetzt beobachtete. Und überdies sollte sie auch noch einen erfahrenen Mann anwerben, dem wir vertrauen konnten. – Ob ihr das geglückt war? Und ob er auch wirklich vertrauenswürdig sein würde? Ein Mann ging an mir vorbei. Er sagte: »Gehen Sie in das Café gegenüber! Setzen Sie sich an einen freien Tisch.« Es war ein Befehl. Ich blickte hinüber und las auf einem französisch wirkenden Schild: »Café de la Paix«. Ich konnte kein Französisch, doch ich wußte immerhin, daß dies etwa soviel wie »Café des Friedens« hieß. Und ich mußte grinsen, denn der Name war sinnig gewählt, wenn man bedachte, daß eine Banditenbande, die beide große Ströme beherrschte, mir jetzt gleich das Geld abnehmen würde. Ich ging hinüber, betrat das Café und suchte mir einen freien Tisch in der Ecke, von dem ich durch eines der großen Fenster auf die Straße sehen konnte. Ich bestellte mir einen Kaffee und
einen französischen Kognak. Denn wenn ich schon mal in einem solchen Café war, dann wollte ich auch mal französischen Kaffee und französischen Branntwein trinken. Nachdem ich meine Bestellung bekam, setzte sich ein Mann zu mir an den Tisch. Er sah elegant aus. Sein Spazierstock hatte einen silbernen Knauf. Wahrscheinlich aber war dieser Knauf mit Blei gefüllt, so daß man mit ihm jemandem den Schädel einschlagen konnte. Der Mann sagte zu mir: »Ist das Geld abgezählt – fünfundsiebzigtausend Dollar?« »Wer sind Sie denn?« »Ach«, sagte er, »wir erhielten eine Nachricht aus Kansas. Es ist schon alles in Ordnung. Unser Vertreter in Kansas hat Sie doch an Bord aufgesucht und mit Ihnen alles besprochen. Sie haben mit uns einen Schutzvertrag, nicht wahr? – Ich werde jetzt einen Kaffee trinken und dann Ihre Tasche nehmen. – Und ich kann nur für Sie hoffen, daß nicht ein einziger Dollar zu wenig in der Tasche ist. Denn sonst sind Sie morgen schon tot.« Er sagte es schlicht und sachlich, fast lässig und so, als würde er sagen: »… haben Sie morgen einen Schnupfen.« Aber ich sah in seine Augen und erkannte darin die kalte, erbarmungslose Drohung. Dabei sah er wie ein gebildeter Mann aus, den man zu jeder Zeit bitten konnte, bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung vor den allerersten Bürgern der Stadt eine schöne Rede zu halten. Ich spürte es: Die Macht einer starken Vereinigung stand hinter ihm. Er hatte nichts zu befürchten, gar nichts. Und wieder wurde mir sehr mulmig in der Magengegend. Heiliger Rauch, auf was hatte ich mich da eingelassen? Wenn es mir nicht gelang, diese fünfundsiebzigtausend Dollar zurückzubekommen, hatten Liz und ich nicht nur keinen Gewinn aus unserem Geschäft gemacht, sondern sogar noch verloren.
Indes bekam mein Gegenüber auch seinen Kaffee. Er trank ihn genüßlich. Dann sagte er: »Eigentlich müßten Sie auch die Passagiergelder mit uns teilen. – Doch wir sind in diesen kleinen Dingen nicht so pingelig. Nun, bis zum nächsten Mal.« Er nahm die mit Geld gefüllte Tasche unter dem Tisch hervor und ging. Ich sah ihm nach und hörte, wie meine Zähne knirschten. Er war sehr elegant, nobel, und er schleppte unser Geld weg. Ich kam mir einen Moment wie ein Kalb vor, welches auf einer Wiese staunte, weil es alles zum ersten Mal erlebte und noch nicht wußte, daß es bald geschlachtet würde, weil es ein Bullkalb war. Ich blickte durch das Fenster auf die Straße, sah dort den Mann mit der Tasche und dem Geld gehen. Er überquerte die Fahrbahn und stieg in eine Kutsche, die sofort losfuhr. Nun sah ich auch Liz. Ja, sie war es, obwohl sie sich gut verkleidet hatte als Blumenverkäuferin mit einem Korb am Arm. Sie hatte sich sehr viel älter gemacht und hielt sich auch ganz in der Körperhaltung einer alten Frau. Sie sah dem Wagen nach. Ich fluchte in Gedanken. Denn es sah gar nicht so aus, als würden wir jemals erfahren, wohin der Bursche mit dem Geld nun verschwand. Ich blieb sitzen. Was sollte ich auch sonst jetzt noch tun? Liz kam herein. Sie bot an allen Tischen Blumen an und verkaufte auch welche. Sie war eine gute Schauspielerin, dies erkannte ich jetzt. Ihre Freundin, die Maskenbildnerin, hatte sie auch sehr echt hergerichtet. Ich kaufte Liz ein paar Blumen ab. Wir mußten annehmen, daß man mich noch beobachtete, bis das Geld gezählt worden war. Sie sagte: »Keine Sorge. – Unser Helfer kennt den Kutscher.
– Wir erfahren alles, noch bevor es Nacht geworden ist. – Geh ins Mississippi-Hotel im Hafen. Dort habe ich für uns ein Doppelzimmer gemietet. – Warte dort auf mich. – Soll ich eine Doppelkabine auf einem diese Nacht noch abgehenden Schiff buchen? Du wüßtest dann schon, wohin du nachkommen müßtest.« Ich nickte ihr zu und gab ihr ein Geldstück. Sie ging hinaus. Ich wartete noch eine kleine Weile. Dann ging auch ich. Und mir war immer noch mulmig in meinem Kern. Denn es würde gewiß keine leichte Sache werden, dieser Banditenvereinigung, die auf den beiden mächtigen Strömen herrschte, die Beute wieder abzunehmen. Ich war ganz allein und hatte nur meinen Colt. * Das Hotel war klein und ziemlich mies. Aber Liz hatte das Zimmer schon in ihrer Verkleidung als Blumenfrau gemietet. Der Hotelmann hatte nicht viel Zeit, denn er mußte nebenan im Speiseraum bedienen. Er warf mir den Schlüssel zu und sah mich kaum an. Draußen war es schon fast dunkel. Hier in der kleinen Hoteldiele brannte nur eine einzige Petroleumlampe. Sie verbreitete nicht viel Licht. Der Hotelmann würde mich vielleicht später nicht mal wiedererkennen. Ich ging hinauf, setzte mich ans Fenster und wartete. Ich konnte auf die Landebrücke sehen. Die Schiffe dort waren beleuchtet. Auf einem würden wir wieder den Strom hinauffahren – verkleidet, um der Rache des Trusts zu entkommen. Aber vielleicht gelang es mir gar nicht, unser Geld zurückzuholen. Vielleicht schaffte ich das gar nicht. Ob sie mich immer noch überwachten? Ich grübelte, dachte auch über unser Leben nach, über
unseren Hunger nach Geld, der wie der Hunger eines Wolfspärchens nach Beute war. Wenn wir das Geld zurückbekommen wollten, dann besaßen wir mit den fünfzehntausend Dollar, die Liz noch hatte, neunzigtausend Dollar. – Das war eine mächtig stolze Summe. Ob sie reichte für uns? Dafür konnte ich mir in Texas eine Riesenranch kaufen. Aber für das Leben, welches Liz und ich führen wollten, war es nicht genug Geld. Denn wir wollten große Reisen machen, in Luxus leben, uns die Welt ansehen und später in einem großen Haus mit Dienerschaft und … Ich brach meine Gedanken ab. Denn Liz kam. Sie warf sich zuerst in meine Arme. Wir küßten uns lange. Irgendwie strömte von ihr zu mir etwas über. Ich vergaß das Risiko unseres Vorhabens. Meine alte Kühnheit und das Selbstvertrauen wurden wieder stark und übernahmen die Oberhand, verjagten alle Zweifel. Wir legten uns für eine Weile hin. Später dann sagte sie mir alles, was nötig war. Unser Schiff – die Mississippi Sun – fuhr bei Sonnenaufgang los. Wir hatten bis Saint Louis gebucht und würden als texanisches Rancher-Ehepaar auftreten. Wir würden uns etwas älter machen. Ich mußte mir meinen Schnurrbart abrasieren und eine grauhaarige Perücke aufsetzen, meine Haltung und meinen Gang verändern. Wir hatten das schon auf der Saint Louis Bee in unserer Luxuskabine geübt. Zum Schluß gab Liz mir die Adresse, zu der jener so nobel und elegant aussehende Bursche im Wagen unser Geld brachte. Liz kannte das Haus sogar von früher. Sie beschrieb mir den Weg, das Haus, und sagte mir, daß dort jetzt ein Reeder wohnte. Sicher, dachte ich, warum soll der Generalmanager des Trusts nicht auch ein Reeder mit einigen Schiffen sein. Nur ein
Reeder konnte wohl zuerst auf die Idee kommen, jede Konkurrenz auf den Strömen durch Monopolisierung auszuschalten. Und so wurde eine Banditenbande daraus, die sich nichts entgehen läßt und an jedem Geschäft beteiligt sein will. Liz rollte sich halb über mich, wie es so ihre Art war. Sie küßte mich lange. Dann fragte sie: »Wirst du es schaffen, Rufus? – Es wird schwer sein, sehr, sehr schwer. Du mußt ins Hauptquartier der Bande, in die Höhle des Löwen. Und wenn …« »Ich schaffe das schon«, sagte ich. »Und ich bin morgen mit unserem Geld vor Abfahrt des Schiffes an Bord. – Mach dir keine Sorgen. – Warte ganz ruhig und geduldig. – Und jetzt laß mich noch zwei oder drei Stunden schlafen.« * Ich schlich die Treppe hinunter und durch die Hintertür auf den Hof. Von dort machte ich mich auf den Weg durch die Gassen. Ich kannte die Richtung. Immer wieder verhielt ich, lauerte, lauschte. Aber es folgte mir niemand. Offenbar beobachtete mich niemand mehr. Als der Trust das Geld kassiert hatte, war ich vergessen für ihn. Ich hatte bezahlt, und man hielt mich für einen der vielen Geschäftsleute und Unternehmer, Reeder und Kapitäne, die sich unterworfen hatten und zahlten – weil sie nicht Schaden am eigenen Leibe nehmen oder ihren Besitz nicht vernichtet bekommen wollten. Denn es hatte eine Zeit gegeben, da waren Schiffe explodiert, brach Feuer aus in Lagerhallen, wurden Menschen kleingemacht oder gar im Fluß ertränkt, verschwanden Frauen und Kinder von Männern, die es auf einen Kampf ankommen lassen wollten. Ich erreichte endlich die Straße, die Liz mir genau beschrieb.
Es war schon nach Mitternacht. Ich war als Matrose verkleidet. Dann erreichte ich das Haus. Es lag in einem großen Garten. Ich ging am Eingang vorbei und schwang mich dann über die hohe Mauer, landete zwischen Büschen. Aber da war der Hund. Es war ein Bluthund. Doch er machte den Fehler, daß er vorher zwar leise, doch für mich laut genug knurrte, bevor er mich ansprang. Nun, ich hatte schon mit Wölfen gekämpft, mit Wildpferden – und auch mit Apachen. Ein Bluthund hatte keine Chance gegen mich. Er schnappte nach meiner Kehle, doch er bekam sie nicht zu fassen. Sein Fang schnappte wie eine Metallfalle zusammen, die einem Wolf den Vorderlauf brechen kann. Ich stieß ihm mein Messer zwischen die Rippen, so wie ich es schon bei Wölfen tat, als diese mich einst in der Wüste jagten, weil sie glaubten, ich wäre schon halbtot und fast verdurstet. Ich traf die richtige Stelle, denn ich war ja ein Bursche, der in der Wildnis aufwuchs und Klapperschlangen köpfen konnte mit einem schweren Messer. Der Hund tat mir leid – obwohl es kein braver und lieber Kerl war, sondern darauf dressiert, Menschen an die Gurgel zu springen und zu töten. Aber er war ja nur ein Tier, welches für seine Herren das Beste tun wollte und es nicht anders kannte. Ja, er tat mir leid – doch nicht so leid, daß ich mich von ihm umbringen ließ oder ihm die Möglichkeit gab, Lärm zu machen. Ich glitt auf das Haus zu, in dem unser Geld sein mußte und das das Hauptquartier einer Bande von Banditen war, die viele Morde auf ihrem Gewissen hatte – zwar von Handlangern und Killern ausgeführt, doch von den Bossen hier befohlen. Ich brauchte keine Schonung zu üben – nein. Diese
Drahtzieher hier hatten eine Menge Härte verdient. Als ich das Haus erreichte, glitt ich daran entlang bis zu einer Tür. Aber sie war verschlossen. Ich konnte hier nicht hinein. Es wäre ja auch zu schön und glückhaft gewesen, wenn ich so leicht in das Haus hineingekommen wäre. Ich dachte immer wieder an den Hund. Gab es nur diesen einen? Oder hatte er noch Gefährten? Doch die würden mich schon aufgespürt und angegriffen haben. Aber zu einem Hund allein, da gehörte zumeist auch ein Wächter. Das würde besser zusammenpassen – ein Mann mit einem Bluthund, der den Garten ständig durchstreifte. Ja, es mußte irgendwo einen Mann geben. Ich glitt weiter und kam zu einem Fenster, aus dem Licht fiel. Als ich in den Raum spähte, sah ich den Mann. Er stieg gerade aus einem Bett, in dem ein Mädchen lag. Sie war noch jung, wahrscheinlich eine Dienstbotin, eine Zofe oder Küchenmädchen. Auf einem Stuhl lagen ihre Kleider. Es waren Dienstbotenkleider. Auch ein weißes Spitzenhäubchen hing über der Stuhllehne. Der Mann war ein Diener, und er zog sich die Hosen hoch. Er war groß und bullig und hatte das Gesicht eines Preisboxers – also ein zerschlagenes und narbiges Gesicht. Denn Preiskämpfe fanden ja noch ohne Handschuhe statt. Man kämpfte noch mit bloßen Fäusten. Als der Diener sich nun eine warme Jacke anzog, eine Mütze aufsetzte und eine Schrotflinte ergriff, da wußte ich, daß er gleich in den Garten kommen würde, weil er zu dem Hund gehörte – oder der Hund zu ihm. Denn sie waren das Paar, welches hier für die Sicherheit des Hausherrn sorgen sollte. Zu meinem Glück hatte er nur schnell mal einen Besuch bei dem Mädchen gemacht, welches jetzt mit glücklichem Lächeln die Lampe auf dem Nachttisch löschte und gewiß bald gut schlafen würde.
Ich glitt zurück zur Tür, preßte mich an die Wand und wartete. Da der Mann aus einem erleuchteten Raum kam, war ich im Vorteil, denn seine Augen mußten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Er rief halblaut: »Komm her, Cäsar!« Ich trat hinter ihn und gab ihm was ins Genick. Dann schlug ich nochmals mit dem Revolver zu, denn dieser Bursche war hart. Der konnte etwas vertragen, weil er daran gewöhnt war, Schläge einzustecken. Er fiel lautlos. Ich nahm seine Schrotflinte. Dann trat ich ins Haus. * Ich fand ihn nach einer Weile oben in einem besonders schönen Schlafzimmer, in dem auch ein Fürst mit seiner Geliebten angemessen untergebracht gewesen wäre. Aber bevor ich ihn fand, mußte ich erst noch zwei weitere Leibwächter ausschalten. Ich machte sie klein wie den ersten Mann. Den Koch, die Haushälterin, das Dienstmädchen und einen Neger, der wahrscheinlich der Kutscher war, ließ ich schlafen. Der Dienstbotentrakt war ja ohnehin abgelegen. Der Dicke war noch sehr beschäftigt mit der Schönen. Ich trat zu ihnen und gab ihm was mit dem schweren Doppellauf der Schrotflinte auf den Hintern. Da vergaß er schnell sein Vergnügen. Er wollte unter das Kopfkissen greifen. Doch da zerschlug ich ihm mit dem Gewehrlauf die Hand. Nun wußten sie genau, was die Glocke geschlagen hatte. Er stöhnte nur ein wenig, denn auch er war immer noch ein harter Bursche, obwohl er jetzt ziemlich dick war. Er brüllte nicht um Hilfe, zeterte, stöhnte oder drohte auch nicht. Er wußte sofort,
daß er in der Falle saß, daß ich ihn hatte – und so verstanden wir uns von Anfang an bestens. Ich holte mir erst seinen Colt unter dem Kopfkissen weg. Dann nickte ich der Schönen zu, die sich inzwischen etwas durchsichtig Seidenes angezogen hatte. Sie war wirklich so schön wie die Göttin der Liebe und die reizvolle Verkörperung der ewigen Versuchung. »Verzeihen Sie mir, Ma’am«, sagte ich. »Es ließ sich nicht anders machen. Aber seien Sie versichert, daß ich Ihre Schönheit würdige und verehre und gewiß noch lange von Ihnen träumen werde. – Wenn Sie sich jetzt still und zurückhaltend verhalten, geschieht Ihnen nichts. – Ich habe mit diesem Hombre hier geschäftlich etwas zu regeln. – Wenn das geschehen ist, gehe ich wieder. In Ordnung, Ma’am? Oder haben Sie Angst?« »Ich habe vor keinem Mann Angst«, erwiderte die Schöne mit französischem Akzent. »Oder sehe ich so aus, als müßte ich vor richtigen Männern Angst haben?« »Nein«, grinste ich. Dann wandte ich mich dem Dicken zu, der seine zerschlagene Hand vor der Brust hielt wie ein Baby. »Es geht um fünfundsiebzigtausend Dollar«, sagte ich. »Die möchte ich zurückhaben. Ihr habt diesmal den falschen Mann zu erpressen versucht. – Also!« Er starrte mich an, und ich wußte, er merkte sich mein Aussehen ganz genau. Vielleicht war ich ein Dummkopf, weil ich mich nicht maskiert hatte. Doch ich war ja nicht als Bandit und Einbrecher hier – ich war hier, um mir mein Eigentum zurückzuholen. Ein Texaner von meiner Sorte besaß eben seinen Stolz – auch wenn das manchmal dumm war. Er sah mich also an. »Aha«, nickte er dann. »Sie sind der Bursche aus Kansas City mit der Ladung Büffelhäute, nicht wahr?«
»Richtig«, sagte ich. »Und in einer halben Minute verliere ich die Geduld. – Sie werden sich übrigens einen neuen Hund kaufen müssen. Wenn Sie wollen, geht dieses ganze Haus zum Teufel – und Sie auch.« Ich sprach im Texas-Slang. »Ein Texaner«, sagte er fast tonlos. Seine Lippen waren schmal. Die paßten gar nicht zu dem fleischigen Gesicht mit dem Doppelkinn. »Richtig«, nickte ich, »ein Texaner. Von dieser Sorte habt ihr wohl noch keinen kennengelernt?« Er schüttelte leicht den Kopf. »Starretter, das war der Name, nicht wahr?« Ich grinste. »Die halbe Minute ist gleich um. Und ich habe wirklich nicht viel Zeit. – Ihnen geht es gleich sehr viel schlechter als jetzt.« Er glaubte es mir. Denn er erhob sich. Er war nackt. Um seinen Leib ringelten sich Speckfalten. Er ging zu einem Spiegel, doch er klappte ihn zur Seite wie eine Tür. Dahinter war ein Tresor. Er öffnete ihn. Ich wartete geduldig, denn er trödelte nicht. Aber als er hineingreifen wollte, sagte ich ruhig: »Nicht doch, mein Bester!« Er tat es nicht. Ich tat es – und es lag wahrhaftig ein schußbereiter Colt griffbereit im Tresor. Der Tresor war groß. Er hatte mehrere Fächer. Ich sah eine Menge Geld, auch Goldbarren. Im untersten Fach stand meine Tasche. Ich holte sie heraus und öffnete sie. Das Geld war noch enthalten, aber es war anders sortiert. Sie hatten es also herausgenommen und gezählt, aber dann wieder in die Tasche gepackt und in den Geldschrank gestellt. Sie wollten es wohl mit dem anderen Geld nicht durcheinanderbringen. Vielleicht mußte es erst noch verbucht
werden als Einnahme. Ich schloß die Tasche. »Das wär’s wohl«, sagte ich. »Sie können Ihren Geldschrank wieder schließen, Mister. Ich bin kein Fregattvogel, der anderen Dieben die Beute stiehlt. Ich bin auch kein Richter. – Ich will nur mein Eigentum. Ich hoffe, Sie wissen das zu schätzen, Mister.« Er starrte mich an. Dann sah er auf die Schöne im Bett und erkannte wie ich, daß sie mit großen Augen in den Geldschrank starrte und über das viele andere Geld darinnen staunte. Er ging hin und schloß den Tresor, stellte das Buchstabenund Zahlenschloß ein. Als er sich umwandte, bekam er von mir eins über den Kopf gezogen. Denn mein Vorsprung mußte groß genug sein. Die Schöne sagte zu mir: »Und ich? – Warum ließen Sie ihn den Geldschrank schließen?« »Ihnen zuliebe«, sagte ich. »Ich wollte Sie nicht in Versuchung führen.« »Oh, was für ein Mann …« sagte sie. »Ein Texaner! Ich wollte schon immer mal einen richtigen Texaner kennenlernen. – Darf ich mitkommen? – Ich bin schnell fertig.« »Nein, mein Schatz«, sagte ich und ging. Aber an der Tür wandte ich mich noch einmal um. »Du wärst schon was für mich, Honey!« sagte ich. »Daran liegt es also nicht, daß ich dich nicht mitnehme … Verstehst du?« Sie nickte und warf mir eine Kußhand zu. »Vielleicht ein andermal«, sagte sie. »Du bist gewiß ein anderer Bursche als dieser fette Sack hier. Er hatte keine Chance gegen dich. – Von solchen Männern, wie du einer bist, träumt jede Frau, die auch Salz und Pfeffer in die Suppe tut. – Viel Glück, Texas!« Ich nickte nur.
Denn ich hatte es jetzt sehr eilig. Als ich aus dem Haus glitt, richtete sich der Mann vor der Tür gerade wieder auf. Ich gab ihm noch mal was mit dem dicken Schrotflintenlauf ins Genick. Und so legte er sich wieder hin. Ich kannte den Weg über die Mauer schon. * Der Decksmann an der Gangway war ziemlich verschlafen. Ich hatte von Liz zwei Fahrkarten bekommen, eine einfache Deckpassage bis zum nächsten Anlegeplatz etwa hundert Meilen stromauf und die Kabinenpassage bis nach Saint Louis. Ich zeigte dem Gangway-Posten meine Deckpassagenkarte. Er grinste: »Ja, die besten Plätze an Deck sind bald weg. Der Kahn wird ziemlich voll. Geh nur nach achtern, Bruder. Dort ist es hinter den Aufbauten windstill und nicht so voll. Du kannst dir auch Kaffee in der Kantine geben lassen.« Er hielt mich in meiner Verkleidung für einen Mann seiner eigenen Zunft. Ich tat auch alles, um mich so zu benehmen. Und ich verschwand wortlos. Aber ich ging dann achtern auf die andere Seite des Schiffes, stieg hinauf zum Kabinendeck und fand dann auch bald die Kabine mit unserer Nummer. Ich klopfte unser Signal. Liz öffnete, und sie hatte wieder solch ein durchsichtiges Seidending an. Die Lampe hinter ihr ließ mich deutlich ihren wunderschönen Körper erkennen. Ich drückte die Kabinentür hinter mir zu, ließ die Tasche mit dem Geld fallen und fing Liz auf. Denn sie warf sich mit einem Jauchzen in meine Arme. Sie war die beste Sache auf dieser Erde. Ich hob sie hoch und trug sie zum breiten Luxusbett. Denn wir glaubten, daß wir gewonnen hatten und nun Entspannung verdienten, daß wir jetzt gewissermaßen Urlaub
machen konnten, ja, daß wir einem frisch getrauten Ehepaar glichen, welches in die Flitterwochen ging. Und bei der nächsten Gelegenheit würden wir auch endlich heiraten. Wieder war uns ein großer Coup gelungen. Wir hatten uns jetzt schon ein stolzes Vermögen erworben. Nun konnten wir erstmal eine Weile die schöne Welt genießen und uns gegenseitig das ganze Glück schenken, welches Liebende sich nur schenken konnten, wenn sie glaubten, einer sorglosen Zukunft entgegenzufahren. Irgendwann war dann die Nacht zu Ende. Wir hörten das Dampfhorn des Schiffes und spürten, wie es erzitterte und dann von der Landebrücke ablegte. Das leichte Vibrieren in der Strömung, gegen die das Schiff nun ankämpfen mußte, war bis in die Kabine zu spüren. Aber es schläferte zugleich auch ein. * Am zweiten Tag stand ich mit einem Drink in der Hand am Kabinenfenster und kratzte mir mit der anderen Hand die haarige Brust. Der Kabinen-Steward hatte vorhin geklopft und gefragt, ob wir besondere Wünsche hätten und in der Kabine oder im Speisesaal essen wollten. Vielleicht wollte er aber auch nur herausfinden, ob wir noch in der Kabine und am Leben waren. Ich grinste bei diesem Gedanken. »Wir kommen zum Mittagessen. Und wir möchten einen Tisch, an dem wir nicht auf dem Präsentierteller sitzen«, hatte ich durch die Tür erwidert, diese dann jedoch geöffnet und eine Zwanzigdollarnote hinausgereicht. Der Steward war ein Schwarzer, und er grinste zufrieden. Als ich die Tür schloß, klagte Liz vom Bett her:
»Und ich muß mich wirklich anziehen und unter die Leute gehen?« »Du kannst auch so gehen wie du bist«, grinste ich. Doch dann wurde ich ernst. Ich sagte nach einer Weile: »Wir spielen ein älteres Ehepaar aus Texas«, sagte ich. »Wir dürfen uns nicht dadurch verdächtig machen, indem wir uns in unserer Kabine verborgen halten. – Dann hätten wir ein junges Flitterwöchnerpaar spielen müssen. – Wir müssen unter die Leute und uns ganz normal benehmen.« Das sah Liz sofort ein. Ich dachte an all diese Dinge, indes ich jetzt am Kabinenfenster stand und mir die Brust kratzte, dann und wann einen Schluck aus dem Glas nahm und über den Strom spähte. Der Mississippi war hier sehr breit. Es gab einige Schiffe und Boote zu sehen. An den Ufern waren manchmal Orte, deren Namen ich nicht kannte. Rinder und Pferde weideten da und dort, Wagen und Reiter verkehrten auf der Wagenstraße, die dem Strom folgte. Ich wollte mich schon abwenden, da sah ich etwas. Ich trat näher an das Kabinenfenster heran. Nun wurde der Blickwinkel über den Strom breiter. Und da sah ich es besser. Es war ein kleines Dampfboot, kaum größer als einer der Hafenschlepper, mit denen man die Segelschiffe von der See heraufholte, wenn der Wind zu ungünstig war und man im vollen Flußhafen keine Segelmanöver fahren konnte. Denn New Orleans lag ja nicht an der See, sondern genau einhundertundsieben Meilen vor der Mississippimündung, also landeinwärts. Das Flußschnellboot hatte eine starke Maschine und über dem Hauptdeck nur noch ein einziges Deck, auf dem das Ruderhaus stand. Geladen hatte es nur Brennholz. Und da war noch etwas unschwer zu erkennen. Vorn und auch achtern war je eine Kanone montiert. Sie
waren zwar beide mit Segeltuchplanen zugedeckt, doch es waren Kanonen, daran hatte ich keinen Zweifel. Nun, es war nicht ungewöhnlich, daß Schiffe, die bis zum oberen Missouri fuhren, also durch Indianerland mußten, Kanonen an Bord hatten. Es gab am oberen Mississippi und auch besonders am oberen Missouri noch Flußpiraten. Doch ich hatte plötzlich ein ungutes Gefühl. Ich dachte an den dicken Burschen in der schönen Villa inmitten des Parks, aus dessen Geldschrank ich unser Geld geholt hatte. Ich dachte an diese Banditenorganisation, die man »Trust« nannte, weil sie alles kontrollierte und monopolisiert hatte mit Gewalt, mit Mord, Terror und Erpressung. Dieser Manager von verbrecherischer Macht hatte gewiß noch nicht aufgegeben, mich zu finden. Dem kam es nicht auf das Geld an, welches ich mir zurückholte, nein, nein, nein. Der wollte Rache. – Denn ich hatte ihn mit der Schönen im Bett gestört. Ich hatte ihn kleingemacht, und er mußte notgedrungen eine unwürdige Rolle spielen. Der würde die ganze Welt nach mir absuchen lassen. Plötzlich – beim Anblick dieses schnellen Flußbootes, welches uns langsam überholte – wurde mir das klar. Nur Liz hatte mich das alles vergessen lassen. Die schönen Stunden mit ihr verdrängten alles andere. Wir glichen vielleicht auch in dieser Hinsicht einem Wolfspärchen, welches sich nach guter Jagd vollgefressen in eine Höhle zurückgezogen hatte, nichts sah und nichts hörte und ganz vergaß, daß Jäger nach ihm suchten. Ich konnte den Namen des Schnellbootes erkennen. Eagle, so stand da zu lesen. Wohin mochte es fahren? Und wenn wir es weiter stromaufwärts wiedersehen sollten – war das dann Zufall oder warteten die Killer des Trusts dann auf uns? Würden sie uns erkennen? Die Eagle wurde nun etwas langsamer, ließ unser Schiff
wieder aufkommen und kam selbst näher heran. Einige Gestalten standen auf der Eagle. Sie spähten herüber. Zwei oder drei taten das mit Ferngläsern, die sie dann jedoch absetzten, weil das Dampfboot nun so nahe bei uns war, daß wir hätten Steine hinüberwerfen können. Nun erkannte ich einige der Gestalten dort drüben. Da war die Schöne, die bei dem dicken Boß im Bett gelegen hatte. Da war auch der Bursche, dem ich im Kaffeehaus die Tasche mit dem Geld übergab. Und da war auch der Hotelmann unseres letzten Hotels in der Hafenstraße. Es waren alles Leute, die mich wiedererkennen konnten, und besonders die Schöne würde mich wiedererkennen. Mir war klar, daß die Eagle alle Leute an Bord hatte, mit denen wir in New Orleans irgendwie zu tun bekamen. Sie sollten uns identifizieren. Die Macht des Trusts war schnell wirksam geworden. Ich trank den Rest aus dem Glas, und ich beschloß, Liz noch nichts zu sagen. Aber ich ahnte schon bitter, daß es bald auf meinen Colt ankommen würde. * Andere Passagiere kamen an Bord. Ich beobachtete sie, sah sie mir genau an. Doch niemand von der Eagle, den ich kannte, war unter diesen neuen Fahrgästen. Ich war etwas erleichtert – doch das ungute Gefühl in meinem Kern blieb. Wir legten bald wieder ab, und bis zur nächsten Anlegestelle konnten wir uns wahrscheinlich sicher fühlen. Ja, das glaubte ich. Ich schenkte Liz in den nächsten Tagen und Nächten wieder meine ganze Aufmerksamkeit. Wir spielten mit Geschick ein etwa vierzig Jahre altes Ehepaar aus Texas, welches nach Saint
Louis wollte. Bei Tag hielten wir uns zumeist in unserer Kabine auf. Erst wenn die Räume des Schiffes beleuchtet wurden und man unsere Maskierung nicht so erkennen konnte, gingen wir unter die Menschen. Wir spielten Roulette, besuchten eine Theatervorstellung und einen Klavierabend und drehten auf dem Kabinendeck unsere Runden, um das gute Essen an Bord nicht zu sehr in Leibesfülle umzusetzen. Da die Nacht hell war – der Mond war eine blanke Silberscheibe, und die Sterne leuchteten in unirdischer Kälte –, fuhr unser Schiff weiter den Strom hinauf und legte nicht an. Wenn die Nächte so hell blieben, würde die Reise sehr viel schneller vonstatten gehen. Doch am nächsten Tag legten wir bei einer kleinen Stadt an. Wir luden Frachten aus. Einige Passagiere verließen das Schiff. Besonders Deckpassagiere waren es, also Fahrgäste, die die ganze Zeit an Deck blieben, zum Glück aber gutes Wetter hatten. Ich selbst tat in der Kabine – wenn nur Liz mir zusehen konnte – noch eine Menge anderer Dinge. Ich hielt mich in Form durch allerlei Übungen. Und ich übte jeden Tag länger als eine Stunde mit dem Colt das schnelle Ziehen aus fast jeder Körperhaltung. Die Mississippi Sun kam gut vorwärts. Sie fuhr auch die beiden folgenden Nächte durch, denn das Wetter blieb klar. Mond und Sterne warfen ihr bleiches Licht nieder und verwandelten den Strom in ein breites Silberband. Zweimal noch legten wir an – und niemals sah ich Leute an Bord kommen, die ich in New Orleans schon sah. Ich fühlte mich wieder sicherer. Liz und ich machten Pläne. Wir würden von Saint Louis aus nach Osten reisen bis zur Küste, wahrscheinlich nach Bosten. Und von Boston aus würden wir ein Seeschiff nach Europa nehmen. Liz wollte es so, und mir war es recht. Ich dachte schon lange nicht mehr an eine Rinderranch in
Texas. An Bord wurde es allmählich leerer. Denn fast alle Deckpassagiere waren nun ausgestiegen. Wir kamen nun allmählich so weit nach Norden hinauf, daß wir jetzt mehr und mehr dem Winter entgegen fuhren. Bei dieser zunehmenden Kühle, die bald Kälte werden würde, und dem ständigen Fahrtwind war eine Reise an Oberdeck nicht mehr so einfach und so leicht zu ertragen. Und wer reiste um diese Jahreszeit schon nach Norden dem Winter entgegen? Das taten nur die Geschäftsleute oder die Reisenden in den Kabinen. Die hatten es gut an Bord. Viele Geschäftsreisende – hauptsächlich Handelsvertreter – reisten in den billigeren Innenbordkabinen. Sie hatten es wenigstens warm. Wieder legten wir einmal an – diesmal kurz nach Mitternacht. Der Ort hieß Bettyville. Wir waren aus dem Spielsaal auf das Deck hinausgetreten und sahen die an Bord kommenden Passage über die Gangway kommen. Dann wandten wir uns ab, denn wir wollten schlafen gehen. Ich schloß die Kabine auf. Drinnen brannte die Lampe sehr schwach. Unser Kabinensteward hatte sicherlich den Docht zu sehr heruntergedreht. Ich ging hin, um den Docht heller zu drehen. Liz schloß indes die Kabinentür. Da bekam ich das Ding an den Kopf, daß ich glaubte, er platze wie eine mit Wasser gefüllte Schweineblase. Ich wollte nicht zu Boden – aber ich mußte. Es blieb mir nichts anderes übrig. Mir wurde schwarz vor Augen. Für eine Weile wußte ich nichts mehr. * Sie hatten mich. Irgendwie waren sie an Bord gekommen – � vielleicht schon vor zwei oder drei Tagen, als wir zum ersten �
Male anlegten. Sie waren wahrscheinlich nicht über die Landebrücke, sondern von ihrem kleinen Dampfboot auf der Flußseite zu uns übergestiegen. Sie hatten uns auch erkannt trotz unserer guten Maskerade. Das alles wurde mir klar, nachdem jemand einen Wasserkrug über meinem Kopf leerte und ich erwachte. Ich setzte mich auf, nahm meinen Kopf in beide Hände und befühlte ihn sorgfältig. Wahrhaftig, er war noch aus einem Stück. Nur eine aufgeplatzte Beule schwoll immer noch an. Ich dachte jetzt endlich an Liz, öffnete die Augen und sah mich um. Aber vorerst sah ich nur Sterne und feurige Kreise. Dann sah ich Liz zweimal – aber halt, es war nicht nur Liz. Ich sah sie nicht zweimal. Denn die zweite Frau war jene Schöne aus New Orleans. Sie trug jetzt ein elegantes Reisekostüm und sah wie eine Lady aus. Aber es war jene Honeybee, die der dicke Manager des Trusts bei sich im Bett hatte, als ich mir mein Geld zurückholte. Sie sah mich an und lächelte bittend. »Tut mir leid, Texas«, sagte sie. »Aber jeder Mensch ist sich wohl selbst am nächsten, nicht wahr? Sie haben mich schon gestern an Bord gebracht, damit ich mir die Passagiere ansehe. Sie wußten, daß es ein Paar sein mußte. – Sie ist sehr hübsch, diese da. Ich kann verstehen, daß du mich nicht mitnehmen wolltest. Du bist ja schon gut versorgt. – Aber wenn du mich jetzt für schlecht halten solltet … Nun, diese da wird auch nicht besser sein. Auch diese da würde dich verraten.« Nach diesen zuletzt etwas trotzig klingenden Worten ging sie hinaus. Sie hatte dem Trust einen guten Dienst erwiesen, hatte genau das getan, was man von ihr verlangt hatte. Nun konnte sie sicher sein, daß ihr nichts geschah. Wahrscheinlich bekam sie sogar noch eine gute Belohnung.
Ich konnte ihr nicht mal böse sein. Denn die Kerle waren hart. Die hätten aus ihr eine häßliche Hexe gemacht für immer, was ihre äußerliche Erscheinung betraf, die doch wahrhaftig eine Augenweide war. Ich sah Liz an. Sie lehnte an der Wand, hatte neben sich einen Kerl stehen, der sie bewachte und ihr gewiß eine reinhauen würde, sollte sie etwas tun, was ihnen nicht gefiel. In Liz Longdales Augen war ein Ausdruck bitterer Resignation. Sie sah aus wie waidwund geschossen oder als hätte sie ein Messer im Bauch. Es mußte soeben schlimm für sie gewesen sein, als die Erkenntnis kam, daß sie uns erwischt hatten und mir auch mein schneller Colt nichts mehr nützte. Es war alles vorbei. Das schöne Leben war aus, bevor es richtig begonnen hatte. Wir konnten dem Trust nicht entkommen. Auch auf Straßen und Wegen wäre uns das sicherlich nicht geglückt. Vielleicht hätten wir uns irgendwo an einem sicheren Ort einige Wochen verstecken müssen, bis sie die Jagd auf uns abgeblasen hätten. Es waren noch zwei weitere Kerle da – und einer war jener, dem ich im Café die Tasche mit dem Geld gab. Sein Spazierstockknauf war wirklich mit Blei gefüllt, wie ich schon vermutet hatte. Die Beule an meinem Kopf bewies es schmerzhaft. Liz und ich tauschten nur einen Blick. Wir sagten nichts. Es gab nichts mehr zu sagen. Wir hatten verloren. Es war aus mit mir. Ich war zu angeschlagen. Vielleicht ließen sie Liz davonkommen. Sie war zu schön, um erledigt zu werden. Mit ihr konnten sie gewiß noch eine Menge Geld verdienen, und wenn sie schlau war, ließ sie sich auch darauf ein. Einer der Kerle trat mir zwischen die Rippen. Ich kippte aus meiner Sitzhaltung wieder zur Seite, krümmte mich vor Schmerz und bekam noch ein paar solch böser Tritte.
Ich wußte, sie wollten mich tottreten, erschlagen, völlig erledigen. Ihrem Boß hatte ich mit dem Schrotflintenlauf nur die Hand gebrochen. Und seine Dienerschaft und Wächter schlug ich nieder, um sie auszuschalten. Aber nun bekam ich alles mit Zinsen und Zinseszinsen zurück. Da konnte ich nicht mal klagen darüber – nein, nein, nein! Wer rauh war so wie ich und sich dann erwischen ließ, der hatte nichts anderes verdient. Ich erinnerte mich an den Ausspruch meines Großvaters, der einmal zu einem anderen Großvater, mit dem er sich stritt, gesagt hatte: »O Bill, o Bill! Wenn du so lang wärst, wie du dumm bist, dann könntest du den Mond am Hintern lecken. Verstanden?« So dumm kam ich mir vor. Also klagte ich nicht. Nur das schmerzvolle Stöhnen konnte ich nicht ganz unterdrücken, und trotz meiner Not dachte ich daran, daß Liz dies alles mit ansehen mußte. Das war beschämend für mich. Es erging ihr jetzt wie einer Wölfin, deren männlicher Gefährte in der Stahlfalle saß. Sie konnte nichts für ihn tun – höchstens seinen Lauf zerbeißen, damit er aus der Falle freikam. Aber was machte solch eine Wölfin dann mit einem dreibeinigen Wolf, der nicht mehr jagen konnte? Die Kerle ließen erst nach einer Weile von mir ab. Einer riß mir Jacke und Hemd auf, nahm mir den prallen Geldgürtel ab. »Und jetzt?« fragte er keuchend. Der Bursche mit dem bleigefüllten Silberknaufstock sagte: »Hier wollen wir ihn nicht töten, bevor wir ihn über Bord werfen – hier nicht. – Also bringt ihn hinaus an die Reling. – Aber seht nach, ob jemand von den Passagieren draußen steht.« Sie rissen mich hoch. Was ich soeben hörte, drang langsam
bis in den Kern meines Bewußtseins. Ich begriff endlich. Sie würden mich draußen mit einem Messer erledigen und dann über Bord werfen wollen. Ich konnte mich nicht um Liz kümmern. – Das war vorbei. Aber ich war ziemlich sicher, daß sie auf ihre Art für sich würde sorgen können. Sie war zu schön, und sie konnte alles auf mich schieben und sich den Kerlen nur als Flittchen darstellen, welches mir für eine Weile gehörte und nun wieder einem anderen Kerl gehören würde. Ja, das war ihre Chance. Sie brachten mich hinaus zur Reling. Ich ließ mich hängen, so daß sie mich schleifen mußten. Ich tat so, als wäre ich bewußtlos, und ich wog gewiß mehr als hundertachtzig Pfund. Sie hatten an mir zu schleppen. Sie fluchten und waren sicherlich schon froh, daß es jetzt gleich vorbei sein würde mit der schweren Arbeit. Als sie mit mir verhielten und ich schon damit rechnen mußte, daß mir der dritte Mann von hinten das Messer geben würde, da raffte ich noch einmal alles zusammen, was ich noch bringen und geben konnte in höchster Not. Denn es ging um mein Leben. Da zählten Rippen- und Knochenbrüche nichts mehr, Beulen, Schmerzen und was sonst noch war an körperlicher Not. Ich stieß die Kerle rechts und links von mir und sprang kopfüber über die Reling in den Fluß hinunter. Das Kabinendeck befand sich etwa vier Yard über Wasser. Da ich aber noch über die Reling hechten mußte, fiel ich fast fünf Yard. Dann nahm mich der Fluß auf. Ich tauchte tief. Die Schmerzen wurden noch böser, und wahrscheinlich verhinderte nur der Schock des kalten Wassers, daß ich die Besinnung verlor. Der Wirbel des Wassers wurde schlimm, als neben mir das Schaufelrad vorbeiklatschte. Ich glaubte ertrinken zu müssen.
Aber dann wurde alles besser. Es gelang mir, mich auf den Rücken zu legen und mich mit möglichst sparsamen Bewegungen an der Oberfläche zu halten. Der Mississippi war kein sanfter Fluß. Selbst wenn er glatt aussah, waren die Wellen noch einen halben Yard hoch. Es wehte immer ein Wind auf dem Strom, der diese Wellen jagte. Manchmal schluckte ich Wasser. Aber die Strömung würde mich schon irgendwo bei einer Landzunge ausspucken. Richtig schwimmen konnte ich nicht. Ich war zu krank. Nur über Wasser konnte ich mich halten mit knapper Not. Es war seltsam – trotz meiner Not gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Das Wasser war kalt. Es überspülte auch oft mein Gesicht, kam mir in die Augen. Aber dann sah ich doch wieder die Sterne über mir. Ich mußte an Liz denken, die ich verlassen hatte, um mich zu retten. Aber ich hatte wirklich keine andere Wahl. Hätte ich nur eine Sekunde gezögert, so hätte ich ein Messer in den Rücken bekommen und wäre tot in den Fluß geworfen worden. Ich mußte mich retten und Liz verlassen. Was würden sie mit Liz machen? Würden sie ihre Schönheit zerstören und sie somit für das ganze Leben strafen? Oder würden sie aus ihrer Schönheit Kapital schlagen und sie in ihre Dienste nehmen. Schöne Frauen, die aufs Wort gehorchten, konnten einer solchen mächtigen Verbrecherorganisation gewiß sehr nützlich sein. Ich trieb immer noch in der Strömung und hielt mich mit sparsamen Bewegungen in der Rückenlage an der Oberfläche. Aber selbst dann noch waren böse Schmerzen in mir. Meine Rippen mußten gebrochen und angeknickt sein. Ich durfte nur ganz flach atmen, wollte ich meine Schmerzen erträglich halten, aber ich mußte in meiner Rückenlage auf dem Wasser tief atmen. Das war notwendig, denn nur eine gutgefüllte Lunge konnte mir helfen, mich an der Oberfläche zu halten. Mein Kopf schmerzte. Mir wurde mehrmals übel.
Und eine tiefe Resignation wollte völlig von mir Besitz ergreifen. Liz und ich hatten uns schon als Gewinner gefühlt. Wir waren wohlhabend gewesen für ein paar Tage und Nächte. Jetzt war alles verloren. Und ich fragte mich, was sein würde, wenn der Strom mich irgendwann an Land warf. Würde ich dann irgendwo verrecken? Es schien mir eine Ewigkeit zu dauern. Der Mississippi trug mich sicherlich einige Meilen abwärts. Aber irgendwann spürte ich endlich, daß ich nicht mehr von der starken Strömung getragen wurde, sondern in ruhigeres Wasser geriet. Es mußte hier eine Bucht sein hinter einer Landzunge. Die Strömung hatte mich gewissermaßen ausgespuckt. Ich machte stärkere Schwimmbewegungen. Einmal versuchte ich es in der Brustlage. Doch die Rippen schmerzten zu stark, so daß ich mich wieder auf den Rücken rollte. Aber ich hatte bei diesem Herumrollen im Wasser das Land gesehen. Es war schon ganz nahe. Der weiße Sandstrand leuchtete vor den dunklen Schatten der Bäume und Büsche, die das Ufer säumten. Ich kroch wenig später auf diesen weißen Sand. Aber ich konnte mich nicht mehr erheben. Mir wurde schwarz vor Augen. Ich verlor das Bewußtsein. * Die gnädige Ohnmacht hielt sicherlich eine lange Zeit an. Es konnte nicht anders sein. Aber irgendwann erwachte ich. Sofort spürte ich die Schmerzen. Und dann staunte ich. Denn ein Feuer brannte, spendete Wärme. Aber eine große Überraschung stand mir erst noch bevor. Liz hockte bei mir am Feuer. Ja, es war Liz. Es gab keinen Irrtum, und ich sah sie nicht
etwa nur in einem Fiebertraum – nein, sie war wirklich bei mir und hatte Feuer angemacht. Sie beugte sich über mich. Wir sahen uns schweigend an. Die Niederlage war wie ein lähmendes Gift in uns. Liz sagte nichts. Aber ich fragte nach einer Weile: »Wie hast du das Feuer …« »Dein Feuerzeug in der Tasche …« sagte sie, und auch sie beendete den angefangenen Satz nicht. Auch sie war zu müde und deprimiert. »Bist du auch über Bord?« fragte ich nach einer Weile. Sie nickte. »Was blieb mir sonst übrig?« Wieder schwiegen wir. »Du kannst wohl nicht laufen?« Sie fragte es nach einer Weile. »Wir müssen wohl wenigstens vom Fluß weg, nicht wahr? Es muß eine Straße geben dort drüben, einen Wagenweg. Etwa eine Meile müßtest du laufen. – Kannst du das?« Ich erwiderte nichts, sah sie nur an – lange. Nein, heute und jetzt küßten wir uns nicht. Sonst hatten wir das bei jeder Gelegenheit getan, ganz und gar wie ein sich liebendes Paar. Aber jetzt war keinem von uns danach. Nicht mal gegenseitigen Trost hatten wir uns zu geben. Ich murmelte: »Liz, verzeih mir – bitte, vergib mir, weil ich nicht besser für uns sorgen konnte. Ich habe versagt. Ich war nicht groß genug für diesen Coup. Bitte, verzeih mir, Liz!« »Es gibt nichts zu verzeihen«, erwiderte sie. »Wir haben zwar gut gejagt, doch dann hat uns stärkeres Raubwild die Beute wieder abgenommen. So muß man es wohl sehen. Wir haben hoch gespielt und hoch verloren. – Aber man verliert wohl immer hoch, wenn man hoch spielt, nicht wahr?« Ihre Stimme war kühl, herb, sachlich. Ich begriff, daß sie sich nur auf diese Weise unter Kontrolle behalten konnte. Wir sagten nichts mehr, wärmten uns nur noch eine Weile am
Feuer, bis unsere Kleider einigermaßen trocken waren. Dabei machten wir auch Inventur, sahen nach, was alles wir noch besaßen. Liz trug einige Ringe, ein Armband und eine Halskette, die zusammen an die fünftausend Dollar gekostet hatten. Vielleicht würden wir tausend oder zweitausend Dollar dafür bekommen – mehr gewiß nicht. Denn wer in der Not rasch verkaufen muß, dem zieht man möglichst noch die Haut mit ab für ein paar Dollar. Ich selbst hatte außer meinem Feuerzeug eine goldene Uhr, eine Handvoll Golddollar und etwas Papiergeld in der Tasche. Das Papiergeld glätteten wir sorgfältig und ließen es auf einem heißen Stein trocknen. In meinem seidenen, kunstvoll geschlungenen Halstuch – einem schlipsähnlichen Ding – steckte immer noch die Brillantnadel. Es war ein Einkaräter, und er würde auch einige Dollar bringen. Das war alles, was wir gerettet hatten. Als wir einigermaßen trocken waren, erhob ich mich mit Liz’ Hilfe. Es ging mir schlecht. Aber eine oder zwei Meilen weit würde ich laufen können, wenn es nicht zu schnell sein mußte und ich nicht außer Atem kam. Wir machten uns auf den Weg. Die Nacht war bald um. Mond und Sterne verblaßten schon. Obwohl wir uns am Feuer getrocknet hatten, fröstelten wir. Es wurde kühl, fast schon kalt. Aber bald brach mir der Schweiß aus. Die Schmerzen bei jedem Schritt heizten mir ein, und ich dachte an den Trust, an den Boß und dessen Handlanger. Ob die Kerle, die uns auf der Mississippi Sun überrumpelt hatten, nun schon die Suche nach uns in Gang brachten? Daran dachte ich immer wieder. Aber es war wohl klar, daß sie die Suche nach uns erst dann in Gang bringen konnten, wenn die Mississippi Sun irgendwo anlegte oder diese Bande auf eine
andere Art aussteigen und wieder auf die Eagle gelangen konnte. Vielleicht hatten wir eine gute Chance. Mehrmals mußte ich unterwegs anhalten, ausruhen, zu Atem kommen. Es war mir klar, daß ich zu einem Arzt mußte, der sich vor allen Dingen um meine Rippen kümmerte. Irgendwann beim ersten Tageslicht erreichten wir eine Wagenstraße. Wir hatten sofort Glück, denn es kam ein Farmer angefahren, der seinen Wagen voller Kartoffeln hatte, die er zu einer kleinen Stadt bringen wollte. Wir sagten ihm, daß unser kleines Dampfboot gegen einen treibenden Baumstamm gestoßen und untergegangen wäre. Aber das interessierte ihn nicht sehr. Er redete immer nur von den Kartoffelpreisen in der Stadt und rechnete uns vor, was seine Fuhre einbringen müßte, damit er für den Erlös alle benötigten Dinge einkaufen und heimbringen könnte. »Meine Frau«, sagte er, »macht mir die Hölle heiß und spricht vier Wochen lang nicht mit mir, wenn ich mich ihrer Meinung nach übers Ohr hauen lasse beim Kartoffelverkauf.« Aber das wieder interessierte uns nicht besonders. Und so hatten wir uns auf dem Kartoffelwagen nicht viel zu sagen. Als die Sonne zu wärmen begann, sahen wir die Stadt vor uns. Und eine Stunde später wurde ich vom Doc versorgt. * Ich war verdammt krank. Sie hatten mir innere Verletzungen beigebracht und nicht nur meine Rippen gebrochen. Leber, Nieren und wer weiß noch was hatten Schäden erlitten. Vielleicht würde ich nie wieder gesund werden. Verdammt, ich hatte nicht nur eine Niederlage erlitten. Ich
hatte schwer bezahlt. Manchmal dachte ich an den Boß in New Orleans – dem ich mit dem Schrotflintenlauf die Hand brach. Oha, was war ich mir großartig vorgekommen! Doch nun büßte ich dafür. Wir wohnten in einem kleinen, billigen Gasthaus. Liz kümmerte sich um alles. Ich konnte es nicht. Tagelang hatte ich Fieber. Der Doc kam täglich, und er nahm eine Menge Geld. Liz brachte es fertig, all ihren Schmuck, meine goldene Uhr und die Krawattennadel zu verkaufen. Eine Woche verging. Wir machten uns Sorgen, daß die Killer des Trusts uns aufspüren und endgültig erledigen würden. Wenn sie uns hier in dieser kleinen Stadt erwischten, konnten wir nicht in den Fluß springen – nicht mal weglaufen würden wir können. Aber sie kamen nicht. Fanden sie uns nicht? Oder hatten sie es aufgegeben, nach uns zu suchen? Genügte ihnen die Bestrafung, die sie uns verabreichten? Diese Fragen konnten wir nicht beantworten. Aber als es mir nach einer Woche etwas besser ging, setzten wir uns in eine Postkutsche. Ich hielt es ganze fünf Pferdewechselstationen aus. Dann konnte ich nicht mehr. Wir mußten aussteigen und gingen in das erste beste Hotel. Doch der kleine Ort hatte nur dieses eine Hotel. Wir waren hier in Arkansas. Überall waren Baumwollfelder. Wir waren vom Mississippi nach Westen gefahren. Die kleine Stadt lag am Saline River. Wieder brauchte ich einen Doc, und einige Tage lang lag ich im Fieber. Als ich endlich wieder aufstehen und im Zimmer umherhinken konnte, erschrak ich vor meinem Spiegelbild. Oha, ich war nur noch ein Schatten von mir – ein jämmerlicher Schatten. Ob ich jemals wieder gesund werden konnte? Doch an diesem Tag hatte ich kein Blut mehr im Urin. Auch
die Schmerzen im Brustkorb beim Atmen schienen nachzulassen. Ich schöpfte ein wenig Hoffnung. Am Abend dieses Tages geschah noch mehr. Liz kam zu mir in unser Zimmer. Ich saß am Fenster, und sie schien sich zu freuen, daß ich aufgestanden war. Aber sie kam nicht zu mir, um mich zu berühren, anzufassen oder gar zu küssen. Nein, diese Zeit war wohl vorbei. – Und ich konnte sie nicht um Zärtlichkeit bitten. Wahrscheinlich wollte ich auch gar keine. Die Bitterkeit der Niederlage war auch in mir noch zu stark. Liz hatte sich auf den Bettrand gesetzt. »Ich habe das Hotel gekauft«, sagte sie. »Es traf sich gut. Die Frau des Eigentümers starb vor einigen Wochen. Er wollte nicht mehr allein weitermachen, sondern zu seiner Tochter nach Little Rock. – Jetzt kann er das. Wir haben fast unser ganzes Geld für das Hotel hergeben müssen. – Doch wir nehmen ja jetzt auch täglich ein paar Dollar ein. Das Hotel hat siebzehn Betten. Ein Speiserestaurant gehört dazu. Der Koch, die Bedienung im Restaurant und das Zimmermädchen bleiben. Aber ich werde nicht viel Zeit für dich haben, Rufus. – Es muß eine Menge getan werden, denn die letzten Besitzer waren zu alt. – Dieses Hotel wäre in ein oder zwei Jahren völlig verkommen.« Ich sah sie an – und ich staunte. Liz, die sich die ganze Welt ansehen wollte, die in Luxus leben und sich tausend anspruchsvolle Wünsche erfüllen wollte – diese Liz hatte ein heruntergekommenes Hotel gekauft und wollte sich in die Arbeit stürzen. »Warum tust du das?« fragte ich sie, und sie wußte, was ich alles mit meinen vier Worten meinte – und wie ich es meinte. Denn sie hätte auch abhauen können mit unserem Geld. Nachdem ich so sehr versagt hatte, hätte sie mich verlassen
können, wie jede Wölfin den Wolf verläßt, wenn er nicht mehr jagen kann. Nun lächelte sie – aber es war ein ernstes und festes Lächeln. »Du kannst vorerst nicht reisen«, sagte sie schließlich. »Und wenn ich dieses Hotel wieder hochbringe, kann ich es sicherlich mit Gewinn verkaufen. – Dann haben wir hier nicht nur umsonst gelebt, sondern auch noch etwas verdient! – Ich kann in diesem Nest nicht tatenlos herumsitzen. Ich muß etwas tun. – Sonst werde ich verrückt.« Als sie die letzten Worte sprach, da war etwas in ihrer Stimme. Ich begriff, wie sie alle Illusionen begraben hatte und wie resigniert sie war. Also wollte sie sich geradezu verzweifelt in die Arbeit stürzen. »Du bist frei, Liz«, sagte ich zu ihr. »Du hast doch nie daran gezweifelt, daß du frei bist? – Es gibt keinen Grund für dich, hier bei mir auszuhalten. Wenn du in eine große Stadt gehen würdest – nach Saint Louis oder hinüber an die Westküste nach San Franzisko –, dann hättest du mit deiner Schönheit bald schon wieder alle Chancen. – Vielleicht findest du diesmal einen wirklich großen Burschen, der keine Niederlagen kennt.« »Oh, halt deinen Mund«, sagte sie. »Ich werde nicht von hier fortgehen, solange du mich brauchst. Das bin ich auch meiner eigenen Selbstachtung schuldig. Ich verlasse einen Gefährten nicht in der Not.« Nach diesen Worten ging sie wieder hinaus. Und ich wußte, daß unsere Liebe vorbei war. Sollte ich traurig sein? Sollte ich fluchen? Sollte ich Liz vielleicht sogar Vorwürfe machen? Nein! Wir waren ein Wolfspärchen. – Und solange die Jagd gut war, blieb eine Wölfin beim Wolf. Das war so von der Natur bestimmt. Ich war geschlagen worden, ich hatte versagt. Ich war nicht so groß, daß ich mich mit einer Verbrechervereinigung anlegen
konnte, die zwei mächtige Ströme beherrschte und dort fast alles unter Kontrolle brachte. Ich hatte kein Recht zu klagen und zu jammern. * Eine Woche später ging ich zum ersten Mal durch die kleine Stadt, und die Leute kannten mich schon; sie hatten von mir gehört und wußten sofort, wer ich war. Eine weitere Woche später kaufte ich mir einen Colt. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mir einen Colt kaufen zu müssen. Denn mein eigener Colt ging damals verloren. Nun wollte ich wieder einen haben. Das schien mir ein Zeichen dafür zu sein, daß ich mich endlich auf dem Weg zur Genesung befand. Ich kümmerte mich in diesen Tagen wenig um Liz und das Hotel. Ich ging meiner Wege, saß oft am Fluß und übte manchmal mit dem Colt. Allmählich bekam ich wieder etwas Kraft – auch in meine Revolverhand. Ich kaufte mir eine Feile und feilte den Abzugshahn der Waffe ab, ebenso auch das Korn vorn über der Mündung. Innen veränderte ich die Einrastung des Hammers so, daß er sofort zuschnappte, wenn ich ihn mit dem Daumen losließ. Nun war der Colt die Waffe eines Revolvermannes, der schon beim Ziehen den Hammer mit dem Daumen zurücklegte. Er brauchte dann nicht erst mit dem Zeigefinger den Abzug zu ziehen, sondern nur noch den Hammer loszulassen. Dann schlug dieser auf das Zündhütchen. Der Schuß löste sich ohne jede Verzögerung über den Abzugsmechanismus. Als ich an einem Abend heimkam ins Hotel, saß Liz mit einem Fremden im Saloon. Ich hörte zum ersten Male seit langer Zeit wieder ihr Lachen. Ja, sie lachte, und ich erinnerte mich gut an dieses Lachen. Denn so hatte sie oft gelacht, als
wir uns kennengelernt hatten und beisammen blieben. Dieses Lachen gehörte zu ihr, denn es machte ihre Schönheit lebendig; es war ein Geschenk für jeden, der es hörte. Liz und der Fremde legten gemeinsam eine Patience aus, und sie flüsterten dabei, lachten immer wieder. Vielleicht sagten sie sich aus den Karten ihre Zukunft voraus, so wie sie sich diese wünschten. Ich war in der offenen Tür stehengeblieben. Liz schenkte mir nur einen einzigen Seitenblick. Nein, sie bat mich nicht an den Tisch. Sie machte mich mit dem Fremden, mit dem sie sich offenbar so gut verstand, nicht bekannt. Ich ging hinauf. Liz und ich wohnten schon längst nicht mehr in einem Doppelzimmer. Sie war in die Privaträume des einstigen Besitzers gezogen. Nein, es gab nichts mehr zwischen Liz und mir. Oben setzte ich mich ans Fenster. Es war Abend geworden. Ich war den Weg vom Fluß langsam heraufgegangen. Und nun fragte ich mich, was werden sollte. Der Fremde dort unten bei Liz sah aus wie ein Bursche, der gut auf dieser Welt zurechtkam. Auf eine männliche Art war er hübsch. Er sah besser aus als ich und war etwa in meinem Alter. Liz hatte nicht in eine große Stadt gehen müssen, um einen neuen Wolf kennenzulernen, mit dem die Jagd wieder gut werden konnte. In einem Hotel war selbst in solch einer kleinen Stadt Gelegenheit – wenn diese Stadt nur an einem Reiseweg lag. Hier kamen sie alle durch, die in die vier Himmelsrichtungen wollten. Hatte Liz damit gerechnet? Ich fragte es mich, indes ich am Fenster saß und in die Nacht blickte. Der Tag hatte mich müde gemacht.
* � Es war schon nach Mitternacht, als Liz zu mir ins Zimmer kam. Ich lag angekleidet auf dem Bett. Und ich hatte auf Liz gewartet. Sie drehte die Lampe nicht heller, verharrte neben der Tür an der Zimmerwand. Mond- und Sternenlicht schienen ins Zimmer. Wir konnten einander ziemlich gut erkennen. Ihre Augen funkelten türkisfarben. Es war kalt im Zimmer. Weiter im Norden mußte jetzt schon Winter sein. Liz sagte: »Die Postkutsche kommt in einer knappen Stunde. – Ich verlasse dich jetzt gleich, Rufus. – Ich fahre mit John McKay weiter. – Verstehst du?« »Hat er auch dreißig Kilo Gold bei sich, so wie ich damals?« So fragte ich, und im selben Moment bedauerte ich schon meine Worte. Ich fügte deshalb sofort hinzu: »Verzeih mir, Liz. – Es war dumm, dies eben zu sagen. – Vergiß es bitte. Ich wünsche dir Glück – viel Glück. – Hoffentlich ist dieser John McKay ein Stück größer als ich. – Ich wünsche dir, daß er es schafft oder ihr einfach nur mehr Glück habt.« »Danke«, murmelte sie, und in ihrer Stimme war ein Ton, als schnürte es ihr den Hals zu. Vielleicht weinte sie jetzt sogar lautlos und ohne Tränen. Es gibt ja solch ein Weinen, nicht wahr? Ich mußte ihr plötzlich noch etwas sagen. Es war mir, als müßte ich ihr in all der Ungewißheit eine Basis geben, etwas, an dem sie sich würde festhalten können. Und so sagte ich: »Paß auf, Blauauge. – Ich weiß jetzt, daß ich gesund werde. In einigen Wochen bin ich wieder in Ordnung. Ich spüre es deutlich. – Und ich werde dieses Hotel verkaufen und heim nach Texas gehen. – Ich gehe heim auf
meine alte Heimatweide. Du weißt, wo das ist. Ich erzählte dir ja viel aus meiner Jugendzeit. – Ich werde eine kleine Ranch kaufen und versuchen, in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren eine große Ranch daraus zu machen. – Komm nach, solltest du mal ein Nest brauchen, einen festen Platz, eine Zuflucht. – Hast du mich verstanden, Liz? – Du kannst immer nach Texas zu mir auf die Ranch kommen.« »Danke«, sagte sie. Und dann ging sie hinaus. Nein, sie kam nicht ans Bett, um mich zum Abschied zu küssen. Ich war allein – und ich lag bewegungslos auf dem Bett. Die Bilder zogen noch einmal an mir vorbei – von jener Stunde an, als Liz zu mir auf die Fähre kam und über den Rio Grande wollte – als wir zu einem Wolfspärchen wurden. Irgendwann hörte ich dann die Postkutsche kommen. Sie hielt gleich neben dem Hotel, denn dort war die Posthalterei. Dann fuhr sie mit einem neuen Gespann weiter. Liz war fort. Ich verspürte den Wunsch, mich zu betrinken. Doch ich kämpfte dagegen an. Ich wollte keine Pfeife sein, die ihren Kummer in Schnaps ertränkte. Nein, ich wollte wieder der alte Rufus Starretter werden. Und ich wollte zwar geschlagen, doch aber stolz nach Texas heimreiten. * Die Leute der Stadt bemitleideten mich, weil sie glaubten, daß meine Frau mich verließ mit einem neuen Liebhaber. Ich stellte noch eine Frau ein, die Liz’ Arbeit übernahm. Ich machte auch bekannt, daß ich das Hotel verkaufen wollte. Aber so schnell ging das nicht. Vielleicht mußte ich noch Wochen
auf ein gutes Angebot warten. Ich ging jeden Tag zum Fluß. Oft fischte ich dicht bei der Fähre und unterhielt mich manchmal mit dem Fährmann. Als ich an einem Vormittag wieder einmal zur Fähre kam, sah ich auf der Wagenstraße zwei Reiter, die mit der Fähre herübergekommen sein mußten. Ich selbst hatte einen kleinen Abkürzungspfad benutzt. Bei der Fähre erwartete mich der alte Fährmann. »Rufus, haben Sie die beiden Reiter gesehen?« fragte er mich sofort und fügte hinzu: »Die haben nach Ihnen gefragt und Sie genau beschrieben. – Das waren zwei harte Pilger.« Er sprach die letzten Worte warnend, und er war ein Mann, der in jüngeren Jahren viel herumgekommen war und sich auskannte. Sein Blick betrachtete mich forschend. Und ich wußte, daß der Trust nicht aufgegeben hatte, Liz und mich zu suchen. Offenbar hatte man mich nun gefunden. Denn wer sonst würde zwei harte Pilger zu mir gesandt haben? Ich dachte an den Boß in der schönen Villa im Park, dem ich die Hand zerschlug. Dieser Bursche wollte also meinen Skalp. Nun, seine zwei Killer würden ihn nicht bekommen. Ich bedankte mich beim Fährmann. Dann ging ich den Weg zurück, betrat das Hotel durch die Hintertür und holte mir meinen Colt. Ich legte die Halfter um und schob die Waffe hinein. Dann ging ich schräg über die Straße zum River Saloon, wo die Pferde der beiden Ankömmlinge an der Haltestange standen. Ich trat ein und sah sie an der Bar stehen. »Hier bin ich«, sagte ich. »Ihr sucht mich doch, nicht wahr? – Also?« Es waren zwei Revolverschwinger. Sie fühlten sich gestellt,
und sie befürchteten vielleicht sogar, daß sie sich die ausgesetzte Prämie nicht würden verdienen können. Vielleicht aber auch hatten sie glasklare Befehle, mich umzulegen, sobald sie mich zu sehen bekamen. Sie zogen beide. Aber ich war schneller als sie. Ja, ich war schon fast wieder so schnell wie in meiner besten Zeit. Ich schoß sie von den Beinen. * Zwei Stunden später kam die Abordnung der Bürgerschaft zu mir. Es waren drei redliche Männer, Handwerker und Geschäftsleute, die im Stadtrat saßen. Der Storehalter überstürzte nichts. Er und seine beiden Begleiter ließen sich von mir zum Drink einladen, den die Bedienung schnell brachte. Wir waren allein im Saloon des Hotels. Die drei Männer tranken mir zu; sie zeigten mir damit, daß sie nichts persönlich gegen mich hatten. Aber dann sagte ihr Wortführer: »Mister Starretter, dies ist eine sehr friedliche Stadt. Schießereien kamen hier schon viele Jahre nicht mehr vor. – Unser Marshal hat die Augenzeugen schon vernommen. Man kann Ihnen, Mister Starretter, keinen Vorwurf machen. Sie handelten in Selbstverteidigung. Diese beiden Revolverschwinger wurden vermutlich von jemandem geschickt, der Sie tot sehen möchte. – Sie handelten in Notwehr. – Aber …« Er verstummte, zögerte, sah mich erst noch einmal vorsichtig an. Und ich verstand ihn und die beiden anderen Abgesandten der Bürgerschaft zu gut. Ich sagte: »Aber Sie alle befürchten, daß weitere Revolverschwinger kommen, Killer, die meiner Fährte folgen. Sie sind zu der Erkenntnis gekommen, daß ich ein Mann bin
mit Schatten auf meiner Fährte. – Ist es so?« Sie nickten alle drei. »Ja, so ist es«, sagte der Storehalter. »Wir möchten das nicht noch einmal erleben. Denn wir alle kommen dadurch in Gefahr. – Unser Marshal wäre solchen Schießereien auch nicht gewachsen. Wir müßten die Bürgerwehr aufbieten. – Unsere Stadt könnte sehr schnell einen Ruf bekommen, den …« »Schon gut«, unterbrach ich ihn, denn ich wollte es ihnen leichtmachen. »Ich will ja weg von hier, sobald ich das Hotel verkauft habe. Ich will diese Stadt gewiß nicht in Schwierigkeiten bringen, dazu mag ich sie zu sehr. Es ist eine nette, friedliche Stadt. – Ich will nicht daran schuld sein, wenn es hier noch weitere Schießereien mit Toten gibt. – Ich will ja weg. – Aber …« »Wir kaufen das Hotel«, unterbrach er mich. »Wir alle legen zusammen und übernehmen das Hotel zu einem fairen Preis. – Dann können Sie weg von hier. Das müßte doch auch Ihnen recht sein – oder? Denn dann können Sie Ihre Fährte wieder verwischen und den Schatten, die Ihnen folgen, vielleicht entkommen. – Können Sie uns verraten, warum Sie so in Schwierigkeiten sind? Wir halten Sie nicht für einen Bösen.« Nun sahen sie mich gespannt an. Ich grinste bitter. »Habt ihr hier schon mal was vom Syndikat oder vom sogenannten Trust gehört, der den Mississippi und Missouri beherrscht und ein Monopol auf alle Geschäfte und auf jeden Handel und Wandel dort besitzt?« Sie nickten. »Gewiß«, sagte ihr Sprecher. »Darunter leiden auch wir, wenn wir unsere Baumwollernte zum Strom bringen, um sie dort zum Seehafen zu verschiffen. Wir müssen solch hohe Frachtgelder bezahlen, daß uns kaum noch ein Gewinn bleibt. Und wir haben uns auch schon an die Regierung gewandt.« Er machte eine Pause. Ich nickte ihnen zu. »Mit diesem Trust habe ich mich
angelegt«, sagte ich und erklärte ihnen alles einigermaßen. Und sie glaubten mir. Aber ihre Furcht um ihre Stadt wurde nun noch größer. »Dann sind Sie hier bei uns noch längst nicht in Sicherheit«, sagte der Storehalter. »Dann müßten Sie möglichst noch tausend Meilen zwischen sich und den Mississippi bringen. – Denn vorerst sind es keine hundertfünfzig Meilen.« Ich nickte. »Wenn ich für das Hotel einen fairen Preis bekomme, reise ich eine Postkutsche später auch schon ab.« * Nun, ich bestieg bereits die Mittagskutsche nach Westen. Und ich hatte dreitausendeinhundertundsiebenundfünfzig Dollar bei mir. Das war ein fairer Preis für das kleine Hotel. Mehr hatten wir auch nicht dafür bezahlt als dreitausend Dollar. Nur hatte Liz inzwischen eine Menge in Ordnung gebracht und renoviert. Aber ich war zufrieden mit dem Preis. Ich fuhr nach Westen in Richtung Texas. Ja, ich wollte auf meine Heimatweide, und ich blieb in der Kutsche sitzen, bis wir nach vielen Gespannwechseln und nach einer langen Nachtfahrt endlich den Red River erreichten. Die Station drüben auf der anderen Seite gehörte zu einer kleinen Siedlung. Am Fluß saßen einige Angler. Ich stieg aus der Kutsche, um erst mal wieder auszuruhen und eine Nacht im Bett zu schlafen. Die Fahrt hatte mich mehr angestrengt, als ich angenommen hatte. Ich war also doch noch nicht wieder voll bei Kräften. Aber ich hatte Zeit. Bis ich daheim war, würde ich alles aufgeholt haben, was mir körperlich noch fehlte. Und die letzten zweihundert Meilen wollte ich im Sattel auf einem guten Pferd reiten, welches ich mir noch kaufen würde.
Denn natürlich wollte ich im Sattel heimgeritten kommen. Einst war ich ausgezogen, um in der Welt nach einer Chance zu suchen. Oh, ich hatte viele Chancen gehabt, da und dort. Auch die dreißig Kilo Gold, welche ich jenseits des Rio Grande fand, waren solch eine Chance – doch dann traf ich auf Liz, und sie wollte mehr, sehr viel mehr. Sie machte mich hungrig, und so wurden wir ein Wolfspärchen, welches nach reicher Beute jagte. Jetzt kehrte ich heim. Ich besaß nicht viel – nur dreitausend und ein paar Dollar. Vielleicht waren sie mehr wert als hunderttausend, wenn ich langfristig plante und all meinen Fleiß, meine Energie und die Erkenntnis hinter sie setzte, daß man auf dieser Erde nichts geschenkt bekommt und für alles einen ehrlichen Preis bezahlen muß. * Meine Heimkehr nach Signal verlief ganz normal. Signal war eine kleine Rinderstadt nördlich des Edwards Plateau und fast in der Mitte zwischen dem Pecos und dem texanischen Colorado, etwa auf der Linie El Paso – Fort Worth. Ich fand ein paar alte Freunde wieder, und nach ein paar Wochen kaufte ich eine kleine Ranch am Spanish Creek, dessen Wasserrechte ich mir mit drei anderen Anliegern teilte. Es war dann schon Frühsommer, als wir mit dreitausend Rindern aufbrachen. Wir hatten unsere Ranch bei der Bank als Sicherheit verpfändet und einen Kredit aufgenommen, Rinder gekauft und eine Treibherde zusammengestellt – meine drei Nachbarn und ich. Wir trieben damals die dreitausend Rinder nach Dodge City. Als wir im Herbst zurück nach Texas kamen, besaß jeder von uns neuntausend Dollar, und nachdem wir unsere Schulden bei
der Bank zurückbezahlt hatten, waren wir fein heraus. Denn wir besaßen genügend Bargeld. Ich konnte einen meiner Nachbarn aufkaufen und war nun schon doppelt so groß wie am Anfang. Im nächsten Jahr brach ich mit einer eigenen Treibherde auf. Wieder waren es dreitausend Rinder. Ich brachte auch diese Herde heil nach Dodge City und kam im Herbst mit mehr als dreißigtausend Dollar heim. Mein Vormann, den ich auf der Ranch ließ, hatte inzwischen gute Arbeit verrichtet. Ich kaufte auch noch meine beiden anderen Nachbarn auf und besaß nun die ganze Weide zu beiden Seiten des Spanish Creek. Nun konnte mir nichts mehr passieren. Ich besaß nun genügend Weideland und Wasserrechte für zehntausend Rinder. Nun galt es, diese zehntausend Rinder heranzuzüchten. Und das war eigentlich nur eine Frage der Zeit. In einigen Jahren mußte ich ganz zwangsläufig eine solch große Herde besitzen. Ich durfte nur nicht zu viele Rinder verkaufen. Auch eine gute Pferdezucht fingen wir an. Mein Brandzeichen war ein großes S-im-Kreis. Natürlich gab es auch manchmal Ärger. Denn es gab dann und wann Vieh- und Pferdediebe im Land. Strolche und Banditen, die durch das Land zogen. Als einmal die Bank in Signal überfallen und ausgeraubt wurde, erschossen die Banditen auch unseren Sheriff, der sich ihnen auf der Straße entgegenstellte. Ich führte dann das Aufgebot, welches sich an die Verfolgung machte. Wir jagten die Banditen länger als eine Woche. Dann stellten wir sie. Es gab einen blutigen Kampf, denn die Bande ergab sich nicht. Unser Aufgebot war zahlenmäßig nicht stärker als die Banditenbande. Denn einige unserer Reiter hatten nicht durchhalten können mit ihren Pferden. Aber wir gewannen den Kampf und brachten der Bank das
Geld zurück. Da wir fast alle unser Geld auf dieser Bank hatten, wären wir wahrscheinlich sehr in Druck gekommen, hätte die Bank Pleite gemacht. Nun, das Leben ging weiter. Ich war ein erfolgreicher Rancher geworden, und mein Weg mußte zwangsläufig nach oben führen, denn ich war fleißig, hatte eine gute Mannschaft – und die Longhorns brachten immer noch guten Gewinn. Dennoch stellte ich einen Teil meiner Zucht schon auf Shorthorns und Herefords um, denn ich sah die Zeit kommen, da das zähe und sehnige Fleisch der Longhorns nicht mehr gut genug war. * Manchmal dachte ich an Liz Longdale, die ich wahrscheinlich immer noch liebte. Zu dieser Erkenntnis kam ich dann und wann, wenn ich es mit anderen Mädchen und Frauen versuchte. Es waren reizende Honeybees darunter – aber es klappte niemals richtig zwischen ihnen und mir. Das Herz war niemals von meiner Seite aus dabei. Ich sah stets Liz Longdale vor mir. – Und so begriff ich allmählich, daß ich keine andere lieben konnte. Aber ich wollte eine Frau, die mir Söhne und Töchter schenken sollte. Und ich wollte die Mutter meiner Kinder von Herzen lieben. Sonst hatte das doch alles keinen Sinn. Würde ich also unverheiratet bleiben müssen, weil ich keine fand, die mich Liz vergessen ließ? Manchmal dachte ich auch an die Rache des Trusts. War ich ihr entkommen? Hatte jener dicke Boß in New Orleans, den ich so übel behandelt hatte, aufgegeben, meinen Skalp haben zu wollen? Hatten mich seine Spürhunde noch nicht gefunden? Oder wagten sich seine Killer nicht nach Texas auf meine
Weide? War ich vielleicht die ersten zwei Jahre für sie zu schlecht zu erwischen gewesen, weil ich mit den Treibherden unterwegs war oder fast immer einige meiner Reiter bei mir hatte? Es waren viele Fragen, auf die ich gern eine Antwort bekommen hätte. Nach Signal kamen immer wieder Fremde. Den neuen Sheriff hatte ich eingeweiht, denn er war ein Freund aus meiner Jugendzeit. Dieser Sheriff achtete besonders auf Fremde, die vielleicht vom Trust geschickt worden sein konnten. * Es war an einem Herbstnachmittag. Ich war allein auf der Ranch. Der Koch war zur Mannschaft hinausgefahren, die beim Round-up war. Wir hatten eine ganze Menge Rinder zu branden, denn das Jahr war gut gewesen. Weder zweibeiniges noch vierbeiniges Raubwild hatte uns Kälber stehlen oder töten können. Diese Kälber waren jetzt herangewachsen. Würden wir sie nicht mit Brandzeichen versehen, konnten sie als Mavericks angesehen werden. Und ein Maverick war ein herrenloses Rind. Es mußte dem Muttertier entwöhnt sein und durfte kein Brandzeichen tragen. Wir hatten also in diesem Herbst eine Menge Arbeit auf der Weide. Unser Pferdepfleger, der ständig auf der Ranch blieb, war heute in die Stadt gefahren, um Vorräte und andere Dinge einzukaufen. Ich trat aus dem kleinen Ranchbüro, in dem ich einige schriftliche Arbeiten erledigt hatte, und ich blinzelte gegen die Nachmittagssonne. Dann sah ich den Reiter kommen. Er kam nicht auf einem der Wege und Pfade geritten, nein, er
kam von einem der Hügel herunter und ritt quer über die Weide. Ich sah ihm entgegen. Dann wandte ich mich um, trat ins Büro zurück und legte mir dort den Waffengürtel mit dem Colt um. Es war ein seltsames Gefühl in mir – eine sichere Gewißheit. Oftmals schon hatte ich mir vorzustellen versucht, wie es sein würde, wenn der lange Arm des Trusts mich einholen würde, um neue Rache zu versuchen. Ich konnte es mir nie so richtig vorstellen. Denn es gab ja so sehr viele Möglichkeiten. Man konnte mir überall Hinterhalte legen. Es gab weitreichende Gewehre und Zielfernrohre. Der Trust konnte sogar eine starke Bande anwerben, die nicht nur mich erledigte, sondern auch die ganze Ranch kleinmachte. Ah, es gab sehr viele Möglichkeiten. Aber nie hatte ich mir konkret eine vorstellen können. Jetzt aber, da ich den Reiter kommen sah, war in mir eine gnadenlose Gewißheit, eine erbarmungslose Erkenntnis. Ja, es war wieder einmal so weit, daß ich würde zum Colt greifen müssen. Von diesem Reiter da strömte schon über die Entfernung hinweg etwas zu mir herüber. Es war nicht zu beschreiben, aber es traf mich wie ein Atem. Da kam Unheil angeritten. Das spürte ich stark. Das Pferd war ein Rappe. Der Reiter war gleichfalls dunkel gekleidet. Er war mittelgroß und hager wie ein Comanche. Sein schwarzer Hut hatte keinen Kniff, keinen Schwung in der Krempe, und saß ganz gerade auf seinem Kopf – ganz und gar ein Symbol von Starrheit, Unnachgiebigkeit. Langsam kam er heran. Bei den Wassertrögen am Brunnen hielt er an, saß ab und ließ sein Pferd saufen. Er sah zu mir herüber. Uns trennten etwa dreißig Schritte. Ich wartete. Er sah sich nicht um, blickte nur auf mich, und ich wußte,
daß er diese Ranch von dem Hügel aus vielleicht schon den ganzen Tag beobachtet hatte. Er war in der vergangenen Nacht dort hinaufgeritten und hatte es sich bequem gemacht. Nun, da er sicher war, daß ich mich allein auf der Ranch befand, kam er herunter vom Hügel. Er setzte sich nun in Bewegung, kam näher und näher. Ich wußte jetzt, daß er kein Killer war, der aus dem Hinterhalt tötete. Er mußte ein Großer der Gilde sein – jener Gilde, die sich für Samurais mit dem Colt hielt. Und so kam er offen, mich zu töten. Der Dicke in New Orleans, dessen Namen ich nicht mal kannte, hatte diesmal einen ganz Großen angeworben, um mich von dieser Erde zu jagen. Er hielt an. »Ich bin Jack Caddo«, sagte er knapp. »Ich bin gekommen, um dich zu töten, Rufus Starretter. Vielleicht schaffe ich es.« »Vielleicht«, sagte ich knapp. Doch dann fügte ich hinzu: »Es hat wohl keinen Sinn, wenn ich dich bitte, Abstand zu nehmen von deinem Vorhaben? – Du kommst als stolzer Mann daher. – Doch eigentlich bist du doch auch nur ein bezahlter Killer. Worauf also kannst du stolz sein?« »Daß ich offen komme«, erwiderte er, »und dich zum Kämpfen auffordere. Ist das nichts, auf das ein Mann stolz sein kann? Auf einen ehrlichen Kampf kann man immer stolz sein. – Du wirst doch kämpfen?« »Und wenn nicht?« Er zuckte die Achseln. Dann sagte er: »Wenn mein Pferd genug Wasser genommen hat, wird es schnauben. Dann ziehe ich. Denn das ist unser Zeichen.« Ich sah ihn an, und nichts regte sich in seinem hageren Comanchen-Gesicht. Er hatte sich Caddo genannt. Das war ein Indianerstamm.
Aber er war gewiß ein Weißer. Vielleicht war er mal als Kind von Indianern gefunden und aufgezogen worden. Deshalb hieß er jetzt Caddo und kannte seinen richtigen Namen nicht. Wir konnten keine weiteren Worte wechseln. Denn sein Pferd schnaubte plötzlich, als es seine Nase aus dem Wassertrog nahm. Und dann zogen wir. Er war schneller als ich, ja, ja, ja! Es gab immer einen schnelleren Mann. Das hatte ich immer gewußt. Bisher war mir keiner begegnet, und deshalb konnte ich alle Revolverkämpfe gewinnen. Doch dieser Jack Caddo war der schnellste Revolvermann, mit dem ich es bisher zu tun hatte. Er schlug mich. Und er traf mich im Moment des Abdrückens. Doch ich stand fest. Als seine Kugel in mich schlug, schwankte ich kaum. Ich hatte mich darauf vorbereitet, eine Kugel auffangen zu müssen. Ich schoß einen Sekundenbruchteil später. Und ich traf ihn besser – und noch bevor er zum zweiten Male abdrücken konnte. Meine Kugel stieß ihn halb herum. Er bekam sie ins Herz. Er schoß vor sich in den Boden. Dann fiel er in sich zusammen, als hätte er plötzlich keine Knochen mehr in seinem Körper. Auch ich fiel. Der Boden kam mir plötzlich entgegen. * Nun, ich überstand die Sache. Drei Tage später war ich einigermaßen fieberfrei. Der Doc aus der Stadt war jeden Tag herausgekommen und hatte sich um mich gekümmert. Am dritten Tag war ich endlich so weit, daß ich den Brief lesen konnte, den unser Pferdepfleger mit anderer Post und
Zeitungen noch am selben Tag aus der Stadt mitgebracht hatte, an dem der Revolvermann Jack Caddo kam, mich zu töten. Der Brief war von Liz Longdale. Nach einer so langen Zeit kam endlich ein Lebenszeichen von ihr. Ich konnte zuerst nicht richtig lesen. Die Buchstaben verschwammen mir vor den Augen. Und mein Herz klopfte schneller. Aber das lag gewiß nicht an meiner Verwundung, meiner Schwäche und dem immer noch vorhandenen Fieber. Liz hatte geschrieben. Liz meldete sich. Ich las dann: »Mein Lieber! Paß auf Dich auf, denn er will immer noch Deinen Skalp. Er hat schon mehrmals harte Burschen nach Dir ausgesandt. – Manche kamen zurück oder gaben auf, weil es ihnen zu schwer erschien, Dich zu erwischen. Du hattest fast immer Deine Reiter bei dir. – Andere Killer ließen nichts mehr von sich hören. Der Dicke in New Orleans, der Dich so sehr haßt – Arch D. Kendall heißt er übrigens –, hat einen Vertrauensmann bei Euch in Signal. Der würde ihm Deinen Tod melden. Dieser Vertrauensmann heißt Jenkins. – Vielleicht kennst Du ihn. Jetzt hat Arch D. Kendall einen besonderen Mann angeworben. Er soll ein Revolvermann der ganz seltenen Gilde sein, ein Mann, den vielleicht selbst Du nicht schlagen kannst. – Jack Caddo heißt er. Ich kann ihn Dir nicht beschreiben, denn ich sah ihn nicht. – Paß also auf Dich auf, Rufus. Ich kann Dir nicht helfen außer dieser Warnung. Du wirst dich sicherlich fragen, was aus mir wurde und wie es sein kann, daß ich so gut Bescheid weiß und Dich warnen kann. Aber das ist eine sehr lange Geschichte. – Vielleicht würdest Du sie nicht mal verstehen.
Liz.« Das war alles, verdammt, das war alles. Der Brief hatte mich um wenige Stunden zu spät erreicht. Jack Caddo war schon vorher bei mir eingetroffen. Aber das alles war ja schon vorbei. Ich fragte mich, wie es sein konnte, daß Liz so gut Bescheid wußte und mich warnen konnte. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich wußte es plötzlich mit untrüglicher Sicherheit. Liz mußte bei ihm sein. Es war nicht anders möglich. Wie konnte sie sonst so gut Bescheid wissen? Ich dachte an die Schöne, mit der ich damals Arch D. Kendall im Bett überraschte, als ich zu ihm kam, unser Geld zurückzuholen. Ja, er war empfänglich für schöne Frauen. Aber wie mochte Liz zu ihm gelangt sein? Wahrscheinlich hatte er sie sich bringen lassen, um sie zu bestrafen. Und dieser John McKay, mit dem sie mich verlassen hatte, konnte sie gegen Kendalls Männer nicht beschützen. Der war auch nicht groß genug. Und dann …? Oh, was mußte dann in New Orleans vorgefallen sein? Wie hatte Liz es dann ausgehalten – und wie geschafft, nicht bestraft, sondern die Geliebte des Dicken zu werden? Denn anders konnte es nicht gewesen sein. Ich spürte, daß ich es richtig ahnte. Aber sie hatte mich gewarnt. Sie dachte noch an mich. Wenn ich damals gesund gewesen wäre, hätte ich mich auf den Weg nach New Orleans gemacht. Doch ich war angeschossen. Ich konnte das Bett gewiß erst in zwei Wochen verlassen. Und dieser Jenkins in Signal würde schon nach New Orleans gemeldet haben, daß ich noch am Leben war, dieser Jack
Caddo es nicht schaffte. Ich kannte diesen Jenkins. Er war Stall-und Platzmeister auf dem Wagenhof der Post- und Frachtlinie, ein schweigsamer Bursche, der früher als Frachtfahrer die Route fuhr. Ich ließ meinen Vormann kommen. »Schafft mir diesen Jenkins vom Wagenhof her«, sagte ich. »Wenn es sein muß, dann zieht ihn an einem Lasso aus der Stadt.« Mein Vormann war ein untersetzter Bursche mit einem Indianergesicht und grauen Schläfen. Aber er war nicht viel älter als ich. Er war schweigsam und zuverlässig, und er nickte nur. Als es Abend war, brachten sie Ralph Jenkins. Sie stießen ihn bis zum Fußende des Bettes, in dem ich lag. Ihm war gar nicht gut. Er schwitzte. Aber er hatte jenen Trotz in den Augen, den auch Maultiere erkennen lassen, wenn sie sich trotz Schlägen nicht vom Fleck rühren. Ich sagte: »Paß auf, Jenkins. – Ich weiß jetzt Bescheid über dich. Denn ich bekam Nachricht aus New Orleans. – Du läßt dich von Leuten, die meinen Tod wollen, für Nachrichten über mich bezahlen.« »Na und?« fragte er zurück. »Ich berichte lediglich, was Sie so machen, Starretter – ob Sie gesund oder tot sind. – Ist es verboten, einem interessierten Menschen einen Bericht zu geben, wie es einem anderen Menschen geht?« Er grinste trotzig. »Und überhaupt«, sprach er weiter, »was Ihre Reiter mit mir machen, dies ist Freiheitsberaubung. Ich werde beim Sheriff Anzeige erstatten. Denn ich wurde mit Gewalt aus Signal hier auf diese Ranch gebracht. – Wer sind Sie eigentlich, Starretter? Glauben Sie denn, daß Sie sich als größter Rancher in diesem Land einfach alles erlauben können?« Ich grinste. »Paß gut auf, Mister«, sagte ich. »Ab morgen dürfen die
Postkutschen und Frachtwagen deiner Gesellschaft nicht mehr über mein Land fahren. – Ein Vertreter der Gesellschaft wird zu mir kommen und mich fragen, warum sie jetzt zu Umwegen von fast zwanzig Meilen gezwungen sind. – Dem werde ich von dir erzählen. Du bist hier erledigt, Jenkins. – Du kannst gehen. – Hau ab!« Er stand da und wußte, daß er nun seinen guten Job los war. Aber ich kannte kein Erbarmen. Er arbeitete für einen Mann, der meinen Tod wollte. Und er war bis zuletzt uneinsichtig geblieben und hatte mir sogar noch frech gedroht. Mein Vormann stieß ihn hinaus. Er wollte noch etwas sagen, vielleicht sogar einlenken oder gar bitten. Doch er hatte hier seine Chance gehabt. Er war hier erledigt. Denn ich war hier auf meiner Heimat-Weide. Und ich war kein kleiner Mann hier. Ja, es bereitete mir eine gewisse Befriedigung, daß ich wenigstens auf diese Art zurückschlagen konnte. Doch das Problem war in New Orleans. Der Boß dort, dessen Namen ich jetzt kannte, wollte meinen Tod. Wahrscheinlich mußte ich nach New Orleans und ihn töten. Erst dann würde ich sicher sein vor seinen Handlangern. * Die Tage vergingen, reihten sich zu Wochen. Nach zwei Wochen war ich wieder auf den Beinen. Zwei weitere Tage später fuhr ich nach Signal. Ich lenkte den Wagen selbst, und ich hatte außer meinem Colt auch hoch ein Gewehr in Reichweite. In mir war Bitterkeit. Denn es war eine Menge Zeit inzwischen verstrichen. Bald mußte ich gewiß mit weiteren Killern rechnen, die von Arch D. Kendall kamen, mich zu
töten. Er war ein Mann, dessen Haß beständig war und der nie vergaß. Ich hatte seinen Stolz damals zu sehr verletzt, und ich lebte schon zu lange. Er hatte schon zu oft vergeblich versucht, mich durch Handlanger erledigen zu lassen. Das alles mußte für ihn noch mehr zu einer Herausforderung geworden sein. Ich stellte den Wagen im Wagenhof ein. Der Nachfolger von Jenkins bediente mich höflich. Seine Gesellschaft durfte inzwischen wieder über mein Land fahren. Langsam ging ich zum Post Office. Und was ich insgeheim hoffte und zugleich auch in einem anderen Sinne befürchtete, war nun da. Es war ein neuer Brief von Liz aus New Orleans. Ich riß ihn auf und konnte lesen: »Lieber Rufus, wie froh bin ich, daß Jack Caddo Dich nicht umbringen konnte. Diese Nachricht kam heute nach New Orleans. Aber Arch D. Kendall hat sofort zwei neue Killer losgeschickt. Es sind die Brüder Paul und Ernest Newman. Es sind Killer, die aus dem Hinterhalt töten. Sie treten als Handelsreisende auf und führen die neuesten Revolvermodelle vor. Sie sind als Brüder leicht zu erkennen. – Arch D. Kendall, den ich bei der Unterhaltung mit ihnen belauschte, hat sie selbst am Anfang verwechselt. Paß auf Dich auf, Rufus! Liz.« Wieder sandte sie mir keinen Kuß, nicht mal liebe Grüße. Und sie mußte in diesem schönen Haus bei diesem Dicken leben. Es konnte gar nicht anders sein. Wie sonst hätte sie ihn belauschen können? Ich wurde ganz krank bei dem Gedanken, daß Liz diesem Burschen gehörte mit ihrer ganzen Schönheit. Doch wahrscheinlich war das damals ihre einzige Chance
zum Überleben gewesen. Und sicherlich hatte sie ihm und seiner Macht dann nicht entkommen können. Ich faltete den Brief zusammen, denn mir war klar, was zu tun war. Es gab gar keine andere Möglichkeit. Der Dicke wußte, wo ich zu finden war. Ich hatte hier meinen festen Platz und wollte und konnte auch nicht mehr weg. Seine angeworbenen Killer konnten mich hier immer wieder finden. Auf die Dauer konnte ich ihnen nicht immer wieder entkommen. Liz würde mich auch nicht immer warnen können. Ja, mir war klar, was zu tun war. Ich fragte den Posthalter, wann der Brief gekommen war. »Vor einer guten Stunde mit der Expreßpost von Osten«, erwiderte er und sah mich fragend an. »Und was für Passagiere kamen mit? – Waren welche dabei, die wie Brüder aussahen?« Er nickte sofort. »Wie Zwillingsbrüder«, sagte er. »Sie nehmen Bestellungen auf für die neuesten Revolvermodelle. Sie haben eine Menge Vorführwaffen dabei – zwei Koffer voll und auch neumodische Munition. – Da gibt es jetzt Colts, die mit fertigen Patronen geladen werden können. Die Trommel ist ausklinkbar. Man schiebt …« »Wo sind sie jetzt?« fragte ich ungeduldig. »Nun – wahrscheinlich im Hotel«, erwiderte er. »Sie haben eine lange Reise hinter sich.« Ich ging. Und die Newman-Brüder hatten gleich darauf scheußliches Pech. Denn ich traf sie vor dem Hotel-Eingang. Sie hatten das Hotel soeben verlassen. Wahrscheinlich wollten sie sich die Stadt ansehen und sich nebenbei ein wenig nach mir umhören. Ich sagte kein Wort. Denn sie waren ja gekommen, um mich
letztlich irgendwie und irgendwann zu töten. Es kam für sie nur noch darauf an, eine gute Gelegenheit ausfindig zu machen und die örtlichen Verhältnisse zu erkunden und eine rasche Flucht vorzubereiten. Ich griff sie wortlos an und besorgte es ihnen. Ein paar Leute fanden sich ein, bildeten einen Kreis von Zuschauern. Jemand fragte: »Rufus, sollen wir dir helfen?« Ja, ich hatte hier in diesem Land keine Feinde, nur Freunde und gute Bekannte. Ich war geachtet und von jedermann gut gelitten. Auch der Sheriff, der mein Jugendfreund war, kam herbei. Aber ich war schon fertig mit meiner rauhen Arbeit. Natürlich mußte er mich fragen: »Rufus, was bedeutet das?« Ich nahm den Brief von Liz aus der Tasche und gab ihn dem Sheriff. Dann ging ich davon. Ich mußte noch einmal zurück auf die Ranch, um meinem Vormann genaue Anweisungen zu hinterlassen. Denn ich mußte nach New Orleans, und vielleicht mußte ich eine Weile wegbleiben oder kam überhaupt nicht wieder. – Wer konnte das wissen? * Ich hätte niemals geglaubt, New Orleans wiederzusehen. Da ich wußte, wie sehr der Trust alle Schiffs- und Landwege kontrollieren und beobachten ließ, machte ich einen großen Bogen, so daß ich mit der Postkutsche – Richtung Atlanta – also aus Georgia, nach New Orleans kam, nicht aus dem Westen, sondern vom Osten her. Dieser Umweg kostete mich einige Tage.
Doch ich fühlte mich sicherer so. Ich war glattrasiert und trug einen eleganten hellen Anzug aus Rohseide, wie ihn die reichen Pflanzer und Plantagenbesitzer bevorzugten, dazu einen weißen Sombrero. Ich kam ganz offen in die Stadt, und ich war sicher, daß man mich nicht erkennen und auch niemals damit rechnen würde, daß ich mich noch einmal in den unmittelbaren Machtbereich des Trusts wagte. Ich benahm mich völlig normal, also wie einer dieser reichen Pflanzer, die nach New Orleans kommen, um sich zu amüsieren. Ich sah mich um und informierte mich über Fluchtmöglichkeiten. Aber als die dritte Nacht anbrach, da traf ich meine Vorbereitungen. Nach Mitternacht ging ich dann aus dem Hotel – ich schlich über die Hintertreppe, und ich hatte jetzt dunkles Zeug an. Oh, ich kannte den Weg noch ganz genau. Ich nahm mir Zeit, verhielt in dunklen Winkeln und überzeugte mich, daß niemand mich verfolgte. Endlich erreichte ich die Villa am Park, die ich schon einmal aufgesucht hatte. Wieder schwang ich mich über die Mauer. Auch diesmal kam sofort ein Hund, ein Bluthund. Er knurrte nicht einmal. Er sprang mich sofort an, und es war eine schreckliche Konsequenz in seinem Tun. Er war dazu abgerichtet, jedem Fremden die Kehle durchzubeißen – und wahrscheinlich hatte er dies auch schon mehrmals getan. Denn er sprang selbstverständlich und ohne zu zögern. Diesmal hatte ich mich noch besser gewappnet. Meine Linke war mit einem Sack umwickelt. Ich schob ihm den so geschützten Unterarm in den zuschnappenden Fang. Seine Pfoten lagen auf meinen Schultern. Mit der Rechten stieß ich ihm das Messer zwischen die Rippen. Er winselte nur einmal
leise. Ich zog ihn in den Schatten der Bäume. Denn nun mußte bald auch der Wächter kommen. Ich konnte nicht hoffen, daß er auch heute wieder bei dem Mädchen war, so wie damals. Und er kam auch bald. Es war der gleiche Mann mit der gleichen Schrotflinte. »Beißer, wo bist du?« fragte er. »Komm her, Beißer! Verdammt noch mal, wo steckst du?« Er war im Sternenlicht gut zu erkennen. Doch mich konnte er hinter dem Baumstamm im tiefen Schatten gewiß nicht entdecken. Ich imitierte das böse Fauchen einer Katze. Er hätte vor Schreck fast die Flinte abgedrückt. Aber dann lachte er leise. »Hast du eine Katze aus dem Baum gejagt, Beißer? Aaaaaah, du kannst mir ja keine Antwort geben.« Er kam näher, und ich wußte nun, warum der Bluthund nicht mal geknurrt hatte. Er gehörte zu diesen Tieren, denen man die Stimme nahm, die also keine funktionierenden Stimmbänder mehr hatten, wie der Laie wohl sagt. Sie konnten nicht bellen, mußten also leise jagen. Der Mann kam, um den Hund vom Baum wegzuholen. Ich gab es ihm mit meinem Colt, und weil es diesmal etwas länger dauern konnte, fesselte und knebelte ich ihn und band ihn auch noch am Baum fest. In seiner Tasche fand ich auch einen Schlüsselbund. Ich machte mich auf den Weg ins Haus. In diesem Haus kannte ich mich ja schon einigermaßen aus. Ich wußte, wo sich die anderen Wächter aufhielten und wo die Dienerschaft ihre Quartiere hatte. Ich mußte erst die anderen Wächter ausschalten, bevor ich mich mit Arch D. Kendall beschäftigen konnte. Damals lag er mit einer Schönen im Bett. Und diesmal … Ich wollte nicht weiterdenken. Denn diesmal
würde es wahrscheinlich Liz sein. Es war doch gar nicht anders möglich. Ich erreichte durch einen Gang die Tür zu dem Raum der Wächter. Als ich sie vorsichtig öffnete und eintrat, verhielt ich, um auf die Atemzüge zu lauschen. Doch ich hörte keine Atemzüge oder gar ein Schnarchen von Schläfern. Ich hörte nichts – gar nichts. Und nun endlich witterte ich eine Falle. Ich konnte nur hoffen, daß die anderen Wächter des Hauses – die sich ja gewiß alle paar Stunden mit dem Kollegen draußen ablösten – nun in einem anderen Raum schliefen. Denn daß nur der Bursche, den ich draußen überwältigt hatte, Wache hielt im Park, daran mochte ich nicht glauben. Oder wohnte der Dicke gar nicht mehr hier? Hatte er eine schönere Villa bezogen in einem anderen Teil der Stadt? All diese Fragen schossen mir durch den Kopf. Ich lauschte den Gang entlang, stand ja immer noch halb in der von mir geöffneten Tür. Aber im Gang regte sich nichts. Durch die Fenster kam ein wenig Sternenlicht. Ich trat noch einen Schritt ins Zimmer, um mich zu vergewissern. Mein Schuh stieß gegen etwas, das am Boden lag. Ich hob ihn höher und setzte ihn vorsichtig auf. Und da bekam ich es. Es war fürchterlich. Denn es war eine Wolfsfalle. Und sie schnappte gnadenlos zu, schlug über meinen Fußknöchel um mein Bein, brach es fast. Ich konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. Nein, der Schrecken und der wilde und böse Schmerz unmittelbar danach waren zu schlimm. Sie hatten mich mit einem Fangeisen gefangen. Ich versuchte, freizukommen. Ich dachte an nichts anderes, als dieses verdammte Eisen vom Bein zu bekommen. Denn der
Schmerz war immer noch höllisch. Er ließ mich nach Luft schnappen wie einen Ertrinkenden. Vor meinen Augen wurde alles schwarz und dann wieder zu feurigen Kreisen. Zum Glück verstand ich mich auf Fangeisen. Ich hatte selbst schon Wolfsfallen ausgelegt. Ich hockte stöhnend am Boden, hielt einen Bügel mit beiden Händen und trat mit dem Absatz des anderen und noch freien Fußes gegen den zweiten Bügel. Ich mußte mit aller Kraft treten, um die Federkraft zu überwinden – aber ich kam frei. Keuchend, schwitzend und vor Schmerz mich am Boden krümmend, kam ich frei. Aber verloren hatte ich dennoch. Ich kam nur aus der Wolfsfalle frei. Dafür war eine andere Falle endgültig zugeschnappt. Denn Arch D. Kendall war da. Er zielte mit einem Colt auf mich und hielt eine Karbidlampe in der Hand, die einen Spiegel besaß, so daß das Licht mich wie ein Scheinwerfer blendete. Er ging an mir vorbei in das Zimmer hinein bis zum Tisch. Dort zündete er eine Petroleumlampe an. Nun war es noch heller. Und die ganze Zeit zielte er mit dem Colt auf mich. Ich saß noch am Boden und erholte mich langsam. Die Schmerzwellen wurden allmählich erträglicher. Ich bekam wieder besser Luft. Die feurigen Kreise vor meinen Augen lösten sich nicht mehr mit Schatten ab. Kendall kam zu mir und nahm mir den Colt weg. Dann rief er nach der Treppe hin, die nach oben führte: »Du kannst herunterkommen, Honey! Komm schon, ma chere!« Sie kam. Es war Liz, ja, ja, ja, es war Liz! Und dies traf mich fast ebenso böse wie die Wolfsfalle. Der Schmerz war im Zentrum meines Herzens. Ja, Liz war bei ihm. Er hatte sie sich geholt.
Sie war schöner denn je – oder vielleicht kam mir das nur so vor, weil ich sie lange nicht gesehen hatte. Sie trug einen blutroten Seidenmantel, der nur ihre zierlichen Seidenpantöffelchen frei ließ. Und sie kam folgsam, willig, gehorsam – doch nicht eifrig. Sie sah mich an im Lampenschein, trat langsam an mir vorbei ins Zimmer, bis sie ziemlich dicht neben Arch D. Kendall stand. Sie verhielt neben ihm, als gehörte sie zu ihm. »Warum bist du bei ihm?« fragte ich knirschend. Man konnte mir ansehen, daß mich dies schlimmer zu schmerzen schien als der böse Schmerz im mißhandelten Bein. Kendall sagte: »Du Narr. Ich erfuhr schon bald, daß du in die Stadt gekommen bist. Ich bekam auch Nachricht, daß es die Newman-Brüder bei euch in Texas nicht schafften, dich zu töten. – Du hast nur Freunde dort in Texas. Du bist dort ein großer und beliebter Bursche. – Aber ich dachte mir, daß du nun kommen würdest, weil du dir ausrechnen konntest, daß ich nicht aufgeben, sondern immer wieder neue Killer schicken würde. – Ich habe auf dich gewartet. – Wir sind allein. Nur der Wächter draußen war noch da. Den mußte ich draußen lassen, weil du sonst Verdacht geschöpft hättest. – Du bist wie ein Wolf gekommen, der in einem Stall schon einmal Erfolg hatte und nun den gleichen Weg nimmt. – Ich will Liz zeigen, daß ich dich ganz allein erwischen und erledigen kann. – Denn ich hab all die lange Zeit gespürt, daß sie dich nicht vergessen konnte. – Sie war nur bei mir, weil sie mir nicht entkommen wäre. – Ich hätte sie einfangen und in einem Bordell arbeiten lassen. Und so mußte sie sich mit mir arrangieren. – Verstehst du? – Aber jetzt wird sie endlich begreifen, daß ich von uns beiden der größere und bessere Wolf bin. – Sie ist eine Wölfin, wie wir zwei Burschen Wölfe sind. – Und die Wölfin geht zuletzt immer mit dem stärkeren Wolf. – Hast du noch etwas zu sagen?« Ich schüttelte den Kopf. Dann sah ich auf Liz. »Tut mir leid«,
sagte ich. »Ich wollte dich hier herausholen und heimbringen auf unsere Ranch nach Texas. – Es tut mir leid, Liz.« Sie stand still da und bewegte sich nicht. Ich sah auf Kendall. Der zielte mit dem Colt auf mich. Doch nun sah er auf Liz, wollte vielleicht etwas in ihrem Gesicht erkennen – einen Ausdruck, der ihm etwas sagen konnte über ihre Gefühle und Gedanken. Sein Colt zielte nun nicht mehr so genau auf mich. Und da schoß Liz. Sie schoß durch die Tasche ihres seidenen Mantels, der so rot wie Blut war. Und sie stand Kendall so nahe, daß sogar die Kugeln ihres kleinen Derringers fast soviel Wirkung hatten wie die Kugeln eines Colts. Sie traf ihn voll. Er schoß fast im selben Moment seinen Colt ab. Doch die Mündung zielte ja nicht mehr so genau auf mich. Die Kugel fuhr dicht über meinen Kopf hinweg in die Wand des Zimmers. Arch D. Kendall fluchte bitter. Er fiel auf die Knie und dann auf das Gesicht. Ich kroch über den Boden und griff mir den Colt, der ihm entfallen war. Ich holte mir auch den Colt, den er mir abgenommen hatte. Dabei stöhnte ich vor Schmerz. Und Liz stand immer noch dort, rührte Sich nicht. Doch sie sagte: »Rufus, du brauchst dich nicht zu sorgen. Wir sind wirklich allein im Haus. Kendall wollte seinen Triumph über dich ganz allein auskosten. Er wollte mir zeigen, daß er dich allein besiegen kann. – Er hat alle Leute weggeschickt.« Ich nickte. »Dann kümmere dich um mein Bein«, sagte ich. »Unsere Postkutsche geht in einer Stunde. – Mit Hilfe einer Krücke werde ich sie gewiß besteigen können. – Es ist nichts gebrochen. Nur Blut verliere ich eine Menge. Mein Schuh ist schon voll Blut. – Willst du mir helfen, Liz, damit wir noch in
die Postkutsche nach Texas kommen?« Sie sah mich an. Und dann geriet sie in Bewegung. Ja, nun beeilte sie sich sehr. * Nun, wir schafften es damals, kamen ungeschoren aus New Orleans heraus und fuhren heim nach Texas. Auch mein Bein überstand die Sache, ja, es wurde sogar unterwegs schon besser und begann zu heilen in den schwankenden Kutschen. Liz sprach nicht viel in jenen Tagen und Nächten. Ich bedrängte sie nicht. Aber ich ließ sie immer wieder spüren, daß wir heimfuhren. Ich erzählte ihr von unserer Ranch, von unseren Freunden und machte ihr klar, daß alles gut werden würde mit der Zeit. Später dann – als wir schon verheiratet waren, als Liz wieder lachen und mich küssen konnte so wie früher, als wir über unsere Weide ritten und das Leben schön war für uns – nun, da bekamen wir manchmal Nachrichten vom Mississippi und aus New Orleans. Man hatte den toten Arch D. Kendall nie gefunden. Liz und ich vermuteten, daß ihn seine eigenen Leute fortgeschafft hatten. Ein neuer Boß war an Kendalls Stelle getreten. ENDE
Auch Unger-Western 704, der in acht Tagen erscheint, erfüllt höchste Leseransprüche!
Nur einer reitet � noch � Der Untergang der Sunhill Ranch schien besiegelt. Doch einer nahm gegen den Mann, der sie vernichten wollte, den Kampf auf: Jack Starlight, der Sunhill-Vormann …