15. 7. 2002
Carnacki the Ghost Finder Nr. 1 "Das Tor des Monsters" von William Hope Hodgson Übersetzung aus Englischen ...
12 downloads
706 Views
379KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
15. 7. 2002
Carnacki the Ghost Finder Nr. 1 "Das Tor des Monsters" von William Hope Hodgson Übersetzung aus Englischen von Martin Clauß
dem
wechselte das Thema und erwähnte, daß ich ein neues Gewehr erworben hatte. Diese Neuigkeit quittierte er mit einem intelligenten Nicken und einem Lächeln, von dem ich denke, daß es eine echte, gutgelaunte Würdigung meines absichtlichen Themenwechsels verriet. Später, als das Dinner beendet war, kuschelte sich Carnacki zusammen mit seiner Pfeife bequem in seinen großen Sessel und begann seine Erzählung ohne Umschweife. "Wie Dodgson gerade bemerkte, war ich nur kurze Zeit unterwegs, und dies aus gutem Grund – ich hielt mich nur unweit von hier entfernt auf. Ich fürchte, die genaue Örtlichkeit darf ich euch nicht nennen, doch sie liegt weniger als zwanzig Meilen von hier. Das wird die Geschichte nicht verderben, abegesehen davon, daß ein Name abgeändert werden muß. Und es ist eine hübsche Geschichte – eines der außergewöhnlichsten Dinge,
Als Antwort auf Carnackis übliche Einladungskarte, mit ihm zu Abend zu essen und mir eine Geschichte anzuhören, traf ich pünktlich im Cheyne Walk 427 ein, um die anderen drei, die stets zu diesen fröhlichen Stunden eingeladen waren, schon dort vorzufinden. Fünf Minuten später waren Carnacki, Arkright, Jessop, Taylor und ich alle beschäftigt mit der “angenehmen Tätigkeit” des Dinierens. "Diesmal warst du nicht lange weg", bemerkte ich, als ich mit meiner Suppe fertig war – für einen Moment vergessend, welche Abneigung Carnacki dagegen hegte, die Gefilde seiner Geschichte auch nur zu streifen, bevor er bereit dazu war. Dann würde er nicht mit Worten geizen. "Genug", erwiderte er knapp, und ich 2
denen ich je begegnet bin. Vor vierzehn Tagen erhielt ich einen Brief von einem Mann, den ich Anderson nennen muß. Er ersuchte mich um ein Treffen. Ich arrangierte einen Termin, und als er kam, erfuhr ich, daß er sich von mir die Untersuchung und Klärung eines nur zu authentischen Falles von – wie er es nannte – “Spuk” erhoffte. Er gab mir alle Einzelheiten, und schließlich – da der Fall etwas Einzigartiges darzustellen schien, entschied ich, ihn anzunehmen. Zwei Tage später fuhr ich am späten Nachmittag zu jenem Haus. Ich fand, daß es ein sehr alter Ort war, alleinstehend auf eigenem Grundstück. Anderson hatte dem Butler einen Brief zurückgelassen, in dem er Entschuldigungen für seine Abwesenheit vorbrachte und mir das Haus vollständig zur Verfügung stellte. Der Butler war offensichtlich über den Zweck meines Besuches unterrichtet, und
ich fragte ihn während des Abendessens gründlich aus, das ich in recht einsamer Stimmung zu mir nahm. Er ist ein alter, ehrwürdiger Diener und hielt die Geschichte des Grauen Zimmers in allen Details parat. Von ihm erfuhr ich mehr Einzelheiten zu zwei Punkten, über die sich Anderson in nur beiläufiger Weise geäußert hatte. Der erste war, daß man die Tür des Grauen Zimmers des Nachts sich öffnen und heftig zuschlagen hörte, und dies, obwohl der Butler wußte, daß sie verschlossen war und der Schlüsselbund im Anrichtezimmer lag. Der zweite Punkt war, daß die Bettwäsche stets in einem Haufen in einer Ecke gefunden wurden – jemand hatte sie vom Bett gerissen. Doch den alten Butler beschäftige vor allem das Zuschlagen der Tür. Oftmals – so erzählte er mir – lag er wach, zitternd vor Furcht, denn manchmal wurde die Tür immer wieder zugeschlagen, so daß 3
an Schlaf nicht zu denken war. Von Anderson wußte ich bereits, daß die Geschichte des Raumes mehr als 150 Jahre zurückreichte. Drei Menschen waren darin erdrosselt worden – einer seiner Vorfahren, dessen Frau und Kind. Dies ist authentisch, wie ich unter großen Mühen herausfand; ihr könnt euch also vorstellen, daß ich nach dem Dinner mit einem besonderen Gefühl die Stufen emporstieg, um einen Blick auf das Graue Zimmer zu werfen. Peter, der alte Butler, war recht aufgeregt über mein Hinaufgehen und versichterte mir in tiefer Feierlichkeit, daß in den zwanzig Jahren, in denen er diente, niemand den Raum nach Einbruch der Dunkelheit betreten hatte. Er ersuchte mich in nahezu väterlicher Weise, bis zum Morgen zu warten, wenn keine Gefahr bestand und er mich persönlich begleiten konnte. Gewiß, warf ich ihm ein kleines Lächeln
zu und bat ihn, sich nicht zu sorgen. Ich erklärte, daß ich mich lediglich ein wenig umsehen und eventuell einige Siegel anbringen würde. Er brauche keine Angst zu haben, ich sei derlei gewohnt. Doch er schüttelte seinen Kopf, als ich das sagte. “Es gibt nicht viele Geister wie den unseren, Sir”, versicherte er mir mit bitterem Stolz. Und bei Gott, er hatte recht, wie ihr sehen werdet. Ich nahm einige Kerzen, und Peter folgte mir mit seinem Schlüsselbund. Er schloß die Tür auf, aber kam nicht mit mir in den Raum. Er hatte zweifellos Angst, und er erneuerte seinen Wunsch, die Untersuchung bis zum Tageslicht zu verschieben. Natürlich lachte ich auch diesmal und sagte ihm, er könne ja bei der Tür Wache stehen und alles schnappen, was herauskam. “Es kommt niemals heraus, Sir”, meinte er in seiner witzigen, alten, feierlichen Art. Irgendwie gelang es ihm, mir erste 4
Anzeichen einer Gänsehaut aufzuhängen. Wißt ihr, IHM war dies völlig gleichgültig. Ich ließ ihn dort zurück und untersuchte das Zimmer. Es ist so groß wie ein Apartment und in großem Stile reich möbliert, mit einem Himmelbett, das mit dem Kopfende zur Wand steht. Auf dem Kamin standen zwei Kerzen, und auf jedem der drei Tische ebenso. Ich zündete sie alle an, und danach verlor der Raum etwas von seiner unmenschlichen Tristheit. Er wirkte frisch und war in jeder Hinsicht gut gepflegt. Nachdem ich mich sorgfältig umgesehen hatte, klebte ich lange Windelstreifen als Siegel quer über die Fenster, auf die Wände, über die Bilder, den Kamin und die Wandschränke. Die ganze Zeit über stand der Butler außerhalb der Tür, und ich konnte ihn nicht zum Eintreten überreden, obwohl ich ihn ein wenig neckte, während ich die Bänder straffte und hier und dort meine
Arbeit verrichtete. Ab und an meinte er: “Sie werden entschuldigen, Sir, aber ich wünschte mir wirklich, Sie kämen heraus. Ich bin sehr in Unruhe wegen Ihnen.” Ich sagte ihm, er brauche nicht zu warten, aber er war auf seine Weise loyal genug gegenüber seiner Pflicht. Er sagte, er könne nicht weggehen und mich alleine zurücklassen. Er bat um Verzeihung, aber er machte sehr klar, daß ich die Gefahr des Raumes nicht begriff, und ich konnte erkennen, daß er in durch und durch verängstigtem Zustand war. Doch ich mußte den Raum präparieren, um zu wissen, ob etwas Materielles in ihn eindrang, deswegen bat ich ihn, mich nicht zu behelligen, außer er hörte oder sah tatsächlich etwas. Er begann mir auf die Nerven zu gehen, und die Stimmung des Zimmers war schon schlimm genug, wie sie war. Für eine weitere Zeitlang arbeitete ich, spannte Bänder über den Fußboden und 5
versiegelte sie so, daß die leiseste Berührung sie zerreißen würde, falls jemand den Raum im Dunkeln betrat, um den Hanswurst zu spielen. All dies hatte mich länger beansprucht als vorgesehen, und plötzlich hörte ich die Uhr Elf schlagen. Ich hatte meinen Mantel bald abgenommen, nachdem ich mit der Arbeit begonnen hatte, und als ich alle meine Pläne in die Tat umgesetzt hatte, ging ich hinüber zum Sofa und las ihn auf. Ich war im Begriff hineinzuschlüpfen, als die Stimme des alten Butlers (für eine Stunde hatte er kein Wort gesagt) scharf und voller Angst erklang: “Kommen Sie heraus, Sir, schnell! Etwas geschieht!” Gott, fuhr ich zusammen, und im selben Moment verlosch eine der Kerzen auf dem Tisch zur Linken. Ob es der Wind war, wußte ich nicht, aber für einen Moment war ich verschreckt genug, um zur Tür zu stürzen. Ich bin froh sagen zu können, daß ich mich zusammenriß,
bevor ich sie erreichte. Ich konnte nicht einfach türmen, mit dem Butler an der Tür – nicht nachdem ich ihm eine Lektion in Sachen Mut verpaßt hatte! Also wandte ich mich auf der Stelle um, nahm die beiden Kerzen vom Kaminsims und ging hinüber zu dem Tisch neben dem Bett. Nun, ich sah nichts. Ich blies die Kerze aus, die noch brannte, dann wandte ich mich zu den beiden restlichen Tischen und löschte auch die anderen. Der alte Mann rief von außerhalb der Tür: “Oh Sir! Hören Sie auf mich! Hören Sie auch mich!” „In Ordnung, Peter“, sagte ich, und bei Gott, meine Stimme war nicht so fest wie ich es gerne gehabt hätte! Ich bewegte mich zur Tür und hatte mit mir zu kämpfen, um nicht zu rennen. Ich machte einige donnernde große Schritte, wie ihr euch vorstellen könnt. In der Nähe der Tür hatte ich das plötzliche Gefühl, der Raum wäre von einem kalten 6
Wind erfüllt. Es war fast, als wäre das Fenster ein wenig geöffnet worden. Ich erreichte die Tür, und der alte Butler wich wie aus einem Instinkt heraus einen Schritt zurück. “Schnappen Sie sich die Kerzen” stieß ich recht scharf hervor und schob sie in seine Hände. Ich drehte mich, erwischte die Klinke und warf die Tür mit einem lauten Krachen ins Schloß. Als ich dies tat, hatte ich den Eindruck, etwas würde daran zerren, aber es muß Einbildung gewesen sein. Ich drehte den Schlüssel im Schloß, dann noch einmal, die Tür doppelt verriegelnd. Ich fühlte mich erleichtert und machte mich ans Versiegeln der Tür. Außerdem brachte ich meine Karte über dem Schlüsselloch an und befestigte sie mit dem Siegel. Anschließend steckte ich die Schlüssel in die Tasche und ging hinab – mit Peter, der nervös und stumm den Weg wies. Der arme alte Kerl! Bis zu diesem Moment war mir nicht bewußt gewesen,
welche Torturen er in den vergangenen zwei oder drei Stunden erlitten hatte. Gegen Mitternacht ging ich zu Bett. Mein Zimmer lag am anderen Ende des Korridors, in den sich die Tür des Grauen Zimmers öffnet. Ich zählte die Tür zwischen jener und der meinen und fand, daß fünf Räume dazwischen lagen. Und ich bin sicher, ihr versteht, daß ich darüber nicht unglücklich war. Dann, als ich mich eben auszukleiden begann, erwachte eine Idee in mir, und ich nahm meine Kerze und das Siegelwachs und versiegelte die Tür aller fünf Zimmer. Falls eine Tür in der Nacht laut zuschlug, würde ich wissen, welche. Ich kehrte in mein Zimmer zurück, verschloß die Tür und ging zu Bett. Ich wurde plötzlich von einem Lauten Krachen aus tiefem Schlaf geweckt, irgendwo draußen im Durchgang. Ich setzte mich im Bett auf, vernahm jedoch nichts. Dann entzündete ich meine Kerze. 7
Ich war gerade dabei, sie zu entzünden, als der Knall einer heftig zufallenden Tür durch den Korridor klang. Ich sprang aus dem Bett und griff nach meinem Revolver. Ich schloß die Tür auf und ging in den Flur hinaus, meine Kerze hoch haltend, die Pistole bereit. Dann geschah etwas Seltsames. Ich konnte nicht einen Schritt in Richtung des Grauen Zimmers gehen. Ihr wißt, daß ich nicht gerade ein feiger Bursche bin. Ich war in zu viele Fälle mit geisterhaften Dingen verwickelt, als daß man mir dies vorwerfen könnte; aber ich sage euch, ich kniff. Ich kniff einfach wie jedes Gotteskind. In jener Nacht lag etwas höchst Unheiliges in der Luft. Ich rannte zurück zu meinem Schlafraum, schloß und verriegelte die Tür. Schließlich saß ich die ganze Nacht auf dem Bett und lauschte dem grauenvollen Knallen einer Tür im Korridor. Das Geräusch schien durch das gesamte Haus zu hallen.
Irgendwann kam das Tageslicht, und ich wusch mich und kleidete mich an. Die Tür war seit einer Stunde nicht mehr zugefallen, und ich begann meinen Schneid wieder zurückzugewinnen. Ich schämte mich, obwohl dies in gewisser Hinsicht dumm ist. Wenn man sich mit solchen Dingen anlegt, geht die Courage manchmal den Bach hinunter. Und man sitzt still da und schimpft sich einen Feigling. Bisweilen, denke ich, ist es mehr als nur Feigheit. Ich glaube, mitunter ist es etwas, das dich warnt – und an deiner Seite kämpft. Doch ganz gleich, ich fühle mich nach solch einer Erfahrung stets schäbig und elend. Als der Tag da war, öffnete ich meine Tür und ging, mit meinem Revolver griffbereit, ruhig den Flur entlang. Ich kam an dem Treppenabsatz vorbei, und wen sah ich emporkommen – den alten Butler, mit einer Tasse Kaffee. Er hatte sein Nachthemd in seine Hose gesteckt 8
und trug ein altes Paar Filzpantoffeln. “Hallo Peter”, rief ich, plötzlich gut gelaunt. Ich war so glücklich, ein menschliches Wesen in meiner Nähe zu haben, wie ein Kind, das sich verirrt hatte. “Wohin mit den Erfrischungen?” Der alte Mann erschrak und verschüttete etwas Kaffee. Er starrte mich an, und ich erkannte, daß er blaß und geschafft aussah. Er kam die Stufen empor und streckte mit das kleine Tablett entgegen. “Ich bin sehr dankbar, Sir, Sie gesund und munter vorzufinden”, meinte er. “Ich hatte schon befürchtet, Sie könnten das Graue Zimmer aufsuchen, Sir. Ich habe die ganze Nacht wachgelegen, vom Geräusch der Tür. Und als es hell wurde, dachte ich, ich bereite Ihnen eine Tasse Kaffee. Ich wußte, daß Sie nach den Siegeln sehen möchten, und irgendwie fühlte man sich sicherer, wenn man zu zweit ist, Sir.” “Peter”, sagte ich, “Sie sind ein Schatz.
Das ist sehr aufmerksam von Ihnen.” Und ich trank den Kaffee. “Kommen Sie mit”, sagte ich und gab ihm das Tablett zurück. “Ich werde mir ansehen, was die Kerle angerichtet haben. Ich hatte heute nacht einfach nicht den Mut dazu.“ “Dafür bin ich sehr dankbar, Sir”, erwiderte er. “Fleisch und Blut kann nichts anrichten, Sir, gegen Teufel. Und nichts anderes ist in dem Grauen Zimmer nach der Dämmerung.” Ich nahm mir die Siegel auf allen Türen vor und fand sie intakt. Aber als ich das Graue Zimmer erreichte, war das Siegel zerbrochen, während die Karte über dem Schlüsselloch unberührt war. Ich riß sie herunter und ging hinein, ziemlich vorsichtig, wie ihr euch denken könnt. Doch der ganze Raum war völlig frei von jedem furchteinflößenden Element, und es gab jede Menge Licht. Ich untersuchte alle Siegel, und nicht ein einziges war angerührt. Der alte Butler war mir ins 9
Innere gefolgt, und plötzlich rief er: “Die Bettwäsche, Sir!” Ich lief zum Bett und blickte darüber hinweg – und da lag sie, in der Ecke links vom Bett. Gott, ihr könnt euch denken, wie seltsam mir zumute war. Etwas WAR im Raum gewesen. Ich starrte eine Weile vom Bett zu der Wäsche auf dem Fußboden. Mir war nicht danach, eines von beiden anzufassen. Der alte Peter dagegen schien nicht beeindruckt zu sein. Er ging zu dem Bettzeug hinüber und schickte sich an, es aufzulesen, wie er es zweifellos jeden Tag in den letzten zwanzig Jahren getan hatte. Aber ich hielt ihn zurück. Ich wollte, daß nichts angefaßt wurde, bevor ich meine Untersuchung beendet hatte. Dies dauerte eine volle Stunde, und dann ließ ich Peter das Bett richten; anschließend gingen wir hinaus, und ich schloß die Tür – denn der Raum begann mir auf die Nerven zu gehen.
Ich machte einen kurzen Spaziergang, nach dem ich mich mehr wie ich selbst fühlte. Ich kehrte zum Grauen Zimmer zurück und ließ – mit Hilfe von Peter und eines der Dienstmädchen – alles mit Ausnahme des Bettes hinausbringen, sogar die Bilder. Ich untersuchte die Wände, den Fußboden und die Decke, mit Hämmerchen und Lupe; doch ich fand nichts Verdächtiges. Und ich kann euch versichern, ich begann zu begreifen, daß etwas Unglaubliches während der vergangenen Nacht im Raum gewütet hatte. Ich brachte die Siegel wieder an, ging hinaus, die Tür wie zuvor verschließend und versiegelnd. Nach dem Abendessen packten Peter und ich einiges von meinem Zeug aus, und ich installierte meine Kamera und das Blitzgerät gegenüber der Tür des Grauen Zimmers, mit einem Faden vom Auslöser des Blitzes zur Tür. Falls die Tür tatsächlich geöffnet wurde, würde der 10
Blitz aufflammen, und es würde am nächsten Morgen möglicherweise ein sehr eigenartiges Photo zu begutachten geben. Das letzte, was ich unternahm, bevor ich den Ort verließ, war den Deckel der Linse zu entfernen. Danach suchte ich meinen Schlafraum auf und ging zu Bett. Da ich vorhatte, um Mitternacht aufzustehen, stellte ich meinen kleinen Wecker. Auch meine Kerze ließ ich brennen. Die Uhr weckte mich um Zwölf, und ich erhob mich in meinem Morgenmantel und den Pantoffeln. Meinen Revolver schob ich in meine rechte Seitentasche und öffnete meine Tür. Dann knipste ich meine Dunkelkammer-Lampe an und entfernte die Blende, damit sie klares Licht abgab. Ich trug sie dreißig Fuß den Korridor entlang und stellte sie ab, mit der offenen Seite von mir abgewandt, damit sie mir alles enthüllen würde, was sich durch den dunklen Flur näherte.
Schließlich kehrte ich zurück, setzte mich vor meine Tür, meinen Revolver schußbereit, und starrte den Gang hinab bis zu dem Punkt, wo ich meine Kamera vor der Tür des Grauen Zimmers wußte. Ich vermute, daß ich etwa anderthalb Stunden gewartet hatte, als ich ein schwaches Geräusch vom Ende des Korridors vernahm. Sofort bemerkte ich ein merkwürdiges Prickeln an meinem Hinterkopf, und meine Hände begannen ein wenig feucht zu werden. Im nächsten Augenblick wurde der gesamte hintere Teil des Korridors von dem abrupten Aufflammen des Blitzlichts sichtbar gemacht. Dunkelheit folgte, und ich spähte nervös den Flur entlang, lauschte angestrengt, und versuchte herauszufinden, was jenseits des schwachen Scheins meiner Dunkellampe lag, die nun lächerlich matt schien – im Kontrast zu dem enormen Gleißen des Blitzgeräts... Und dann, als ich mich 11
vorbeugte, starrte, lauschte, kam das krachende Schmettern der Tür des Grauen Zimmers. Das Geräusch schien den gesamten Korridor zu erfüllen und sich in hohlen Echos durch das Haus fortzupflanzen. Ich sage euch, ich fühlte mich schrecklich – als ob meine Knochen aus Wasser wären. Einfach scheußlich. Gott, wie ich starrte, und wie ich lauschte! Und dann kam es wieder – peng, peng, peng, dann eine Stille, die beinahe schlimmer als das Geräusch der Tür war; denn ich bildete mir ein, daß ein grauenvolles Ding sich den Gang herauf zu mir schlich. Und plötzlich wurde meine Lampe gelöscht, und ich konnte kein Yard weit mehr sehen. Mir dämmerte, daß ich etwas sehr Dummes tat, indem ich hier saß, und ich sprang auf. Gerade als ich dies tat, glaubte ich ganz in meiner Nähe ein Geräusch im Flur zu hören. Ich machte einen Satz zurück in mein Zimmer, schlug die Tür zu und verschloß
sie. Ich setzte mich aufs Bett und beobachtete die Tür. Der Revolver lag in meiner Hand, aber er schien unendlich nutzlos. Ich fühlte, daß da etwas auf der anderen Seite der Tür war. Aus irgend einem unbekannten Grund WUSSTE ich, daß es sich gegen die Tür drückte, und das es weich war. Das war alles, was ich dachte. Ein höchst ungewöhnlicher Gedanke. Bald bekam ich mich ein wenig unter Kontrolle, und ich markierte eilig mit Kreide ein Pentagramm auf dem polierten Fußboden. Dort saß ich bis kurz vor Sonnenaufgang. Die ganze Zeit über knallte die Tür am anderen Ende des Korridors zu – in feierlichen, unheimlichen Abständen. Es war eine elende, gnadenlose Nacht. Als der Tag anbrach, endete das Knallen der Tür allmählich, und zuletzt raffte ich meinen Mut zusammen, und ich ging im Zwielicht den Flur entlang, um 12
den Deckel auf meine Kamera zu setzen. Ich kann euch sagen, es brauchte einiges, um dies zu tun, aber hätte ich es unterlassen, wäre mein Photo verdorben gewesen, und ich war enorm scharf darauf, es zu retten. Wieder zurück in meinem Zimmer, machte ich mich daran, den fünfzackigen Stern auszuwischen, in dem ich gesessen hatte. Eine halbe Stunde später pochte es an meine Tür. Es war Peter mit dem Kaffee. Als ich ihn getrunken hatte, gingen wir beide zusammen zu dem Grauen Zimmer. Im Vorübergehen warf ich Blicke auf die Siegel auf den anderen Türen, doch sie waren unberührt. Das Siegel auf der Tür des Grauen Zimmers war zerbrochen, und auch der Faden zum Auslöser des Blitzgerätes war zerrissen. Aber die Karte auf dem Schlüsselloch war noch immer am Platz. Ich riß sie ab und öffnete die Tür. Nichts Ungewöhnliches war zu entdecken, bis wir zum Bett
kamen. Dort sah ich, daß die Bettwäsche wie am vorigen Tag heruntergerissen und zusammengeknüllt in die linke Ecke geworfen waren, genau wie wir es zuvor gesehen hatten. Ich fühlte mich sehr seltsam, vergaß jedoch nicht, nach allen Siegeln zu sehen. Keines davon war zerbrochen. Ich wandte mich um, sah den alten Peter an, und er sah mich an und nickte. “Gehen wir hinaus”, sagte ich. “Dies ist kein Ort für einen lebendigen Menschen ohne angemessenen Schutz.” Wir gingen hinaus, und wieder verschloß und versiegelte ich die Tür. Nach dem Frühstück entwickelte ich das Negativ, doch es zeigte nichts als die Tür des Grauen Zimmers, halb geöffnet. Ich verließ das Haus, denn ich wollte bestimmte Materialen und Gerätschaften besorgen, die für das Leben und vielleicht für den Geist wichtig sein mochten. Ich hatte tatsächlich vor, die kommende 13
Nacht im Grauen Zimmer zu verbringen. Ich kehrte gegen halb sechs in einer Droschke mit meiner Ausrüstung zurück, und diese trungen Peter und ich in das Graue Zimmer, wo ich sie vorsichtig in der Mitte des Fußbodens auftürmte. Als alles im Raum war (inklusive einer Katze, die ich mitgebracht hatte), verschloß und versiegelte ich die Tür, wandte mich zu meinem Schlafraum und teilte Peter mit, daß ich nicht zum Abendessen hinunterkommen würde. Er erwiderte “Ja, Sir” und ging hinab, wohl annehmend, daß ich mich zurückzog – und genau das sollte er denken, denn ich wußte: ich hätte nur ihn und mich belastet, wenn ich ihn wissen ließ, was ich plante. Ich holte lediglich meine Kamera und den Blitz aus meinen Schlafraum und eilte zurück zum Grauen Zimmer. Ich schloß mich ein, versiegelte die Tür von innen und machte mich an die Arbeit, denn ich hatte viel zu tun, bevor es
dunkel wurde. Zunächst entfernte ich alle Bänder vom Boden. Daraufhin trug ich die Katze – noch immer in ihrem Korb eingesperrt – zu der entfernten Wand hinüber und setzte sie dort ab. Zurück im Zentrum des Raumes maß ich einen Durchmesser von 21 Fuß ab, den ich mit einem YsopBesen kehrte. Um diesen herum zog ich mit Kreide einen Kreis und achtete darauf, den Kreis nie zu übertreten. Ich schmierte mit einem Büschel Knoblauch einen breiten Gürtel um den Kreidekreis, und als dieser komplett war, nahm ich aus meinem Vorrat im Zentrum ein kleines Glas mit einem bestimmten Wasser darin. Ich zerriß das Pergament und zog den Pfropfen heraus. Dann tauchte ich meinen linken Zeigefinger in das Gläschen, ging noch einmal um den Kreis herum und zeichnete auf den Fußboden knapp innerhalb des Kreidekreises das zweite Zeichen des 14
Rituals von Saaamaaa. Ich verband jedes Zeichen sorgfältig mit dem linksgerichteten Halbmond. Ich kann euch sagen, ich fühlte mich besser, als dies erledigt und der “Kreis des Wassers” vollständig war. Anschließend packte ich noch mehr von den Sachen aus, die ich mitgebracht hatte, und plazierte eine brennende Kerze in das “Tal” jedes Halbmondes. Danach zeichnete ich ein Pentagramm so, daß jeder der fünf Eckpunkte des schützenden Sterns den Kreis aus Kreide berührte. In den fünf Zacken platzierte ich fünf Portionen des Brotes, jede davon in Leinen eingeschlagen, und in den fünf “Tälern” fünf offene Gläser von dem Wasser, das ich für den “Kreis des Wassers” verwendet hatte. Nun war meine erste Schutzbarriere komplett. Jeder außer euch, die ihr ein wenig über meine Untersuchungsmethoden Bescheid wißt, würde all dies für ein
Stück nutzlosen, närrischen Aberglaubens halten. Aber ich erinnere euch alle an den Fall des Schwarzen Schleiers, als mein Leben durch eine sehr ähnliche Form des Schutzes gerettet wurde, während Aster, der die Nase darüber rümpfte und nicht hereinkommen wollte, mit dem Tod bezahlte. Ich habe die Idee aus dem Sigsand MS., das soweit ich weiß im 14. Jahrhundert geschrieben wurde. Anfangs hielt ich es freilich für nichts als einen Ausdruck des Aberglaubens dieser Zeit, und erst ein Jahr später kam mir der Gedanke, es als Schutz auszuprobieren, was ich auch tat, wie gesagt, in dieser furchtbaren Angelegenheit mit dem Schwarzen Schleier. Ihr wißt, wie das ausging. Später benutzte ich es mehrmals und kam stets mit heiler Haut davon, bis zu dieser Sache mit dem sich bewegenden Fell. Es erwies sich als nur teilweiser Schutz, und ich starb beinahe im Pentagramm. Danach stolperte ich 15
über Professor Garders “Experimente mit einem Medium”. Als sie ein Medium mit einem elektrischen Strom umgaben, im Vakuum, verlor es seine Kräfte – beinahe, als ob sie es vom Immateriellen abschnitten. Das gab mir zu denken, und auf diese Weise kam ich dazu, ein Elektrisches Pentagramm zu bauen, das eine wundervolle Waffe gegen mancherlei Manifestationen ist. Ich benutzte für diese Verteidigung die Form des schützenden Sterns, weil ich für meinen Teil keinerlei Zweifel habe, daß eine außergewöhnliche Bedeutung in dieser alten magischen Form steckt. Merkwürdig, daß ein Mensch des 20. Jahrhunderts dies zugibt, nicht wahr? Doch wie ihr wißt, habe ich mich nie – und werde mich nie – von einem kleinen billigen Lachen blenden lassen. Ich stelle Fragen und halte meine Augen offen. In diesem letzten Fall hatte ich wenig Zweifel, daß ich gegen ein
übernatürliches Monster anrennen würde, und ich wollte jede mögliche Vorsicht walten lassen; die Gefahr ist schrecklich. Ich begann nun das Elektrische Pentagramm so zu setzen, daß jede seiner Spitzen und jedes seiner Täler exakt mit den Spitzen und Tälern des gezeichneten Pentagramms auf dem Fußboden übereinstimmte. Dann schloß ich die Batterie an, und im nächsten Moment leuchtete das blasse blaue Glimmen aus den verschlungenen Vakuumröhren auf. Jetzt sah ich mich um, mit einer Art Seufzer der Erleichterung, und plötzlich wurde ich der Dämmerung gewahr, die mich einhüllte, denn das Fenster war grau und unfreundlich. Dann hinüber zu dem großen, leeren Raum, über die doppelte Barriere aus elektrischem und Kerzenlicht. Ich hatte das abrupte, außergewöhnliche Gefühl von etwas Unheimlichem, das mir 16
entgegengeschleudert wurde – in der Luft, wißt ihr – das Gefühl von etwas Unmenschlichem, Drohendem. Der Raum war voll von dem Gestank zerdrückten Knoblauchs, ein Geruch, den ich hasse. Ich wandte mich nun zur Kamera und sah, daß sie und das Blitzgerät in Ordnung waren. Dann testete ich meinen Revolver, behutsam, wenngleich ich kaum annahm, daß er vonnöten sein würde. Doch bis zum welchem Grad die Materialisierung einer unnatürlichen Kreatur unter günstigen Umständen möglich ist, läßt sich nicht sagen, und ich hatte keine Vorstellung davon, welch ein schreckliches Ding ich zu sehen oder zu spüren bekommen würde. Letztendlich würde ich möglicherweise mit einem materialisierten Monstrum zu kämpfen haben. Ich wußte es nicht und konnte mich nur vorbereiten. Wißt ihr, ich vergaß niemals, daß in dem Bett neben mir diese drei anderen Leute erwürgt worden
waren, und auch nicht das heftige Zuknallen der Tür, das ich selbst gehört hatte. Ich hegte keinen Zweifel, daß ich einen gefährlichen und häßlichen Fall untersuchte. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen, obwohl der Raum von den brennenden Kerzen sehr hell erleuchtet war, und ich ertappte mich dabei, wie ich hinter mich sah, unablässig, und meine Blicke durch den Raum schweifen ließ. Es war Nervenarbeit, auf das Kommen dieses Dings zu warten. Dann, plötzlich, wurde ich eines schwachen kalten Windes gewahr, der von hinten über mich hinwegstrich. Ein prickelndes Gefühl lief über meinen Hinterkopf. Ich wuchtete mich mit einem steifen Ruck herum und starrte diesem merkwürdigen Luftzug entgegen. Er schien aus der Ecke links neben dem Bett zu kommen – dem Ort, wo ich beide Male den Haufen zerknüllter 17
Bettlaken gefunden hatte. Allerdings konnte ich nichts Ungewöhnliches erkennen, keine Öffnung – nichts! Mit einem Mal bemerkte ich, daß alle Kerzen in diesem unnatürlichen Wind flackerten. Ich glaube, ich kauerte nur dort und fixierte sie in verängstigter, erstarrter Pose für einige Minuten. Niemals werdet ihr verstehen, wie abscheulich es war, in diesem widerwärtigen kalten Zug zu sitzen. Und dann – flickflickflick – verloschen alle Kerzen der äußeren Barriere, und da war ich, eingeschlossen und versiegelt in diesem Raum, ohne Licht außer dem schwächlichen blauen Glühen des Elektrischen Pentagramms. Eine Zeitspanne entsetzlicher Dichte verstrich, und noch immer traf mich dieser Wind; und dann, plötzlich, wußte ich, daß etwas sich in der Ecke links vom Bett rührte. Ich wurde dessen eher durch einen inneren, nie gebrauchten Sinn
gewahr als durch etwas, das ich sah oder hörte; denn das blasse, in seinem Radius beschränkte Glimmen des Pentagramms schenkte mir nur wenig Licht zum Sehen. Als ich jedoch darauf starrte, wuchs allmählich etwas in meine Sicht – ein sich bewegender Schatten, ein wenig dunkler als die ihn umgebenden Schatten. Ich verlor das Ding im verschwommenen Licht, und für ein oder zwei Augenblicke warf ich rasche Blicke von einer Seite zur anderen, mit einem erneuten Gefühl drohender Gefahr. Dann wurde meine Aufmerksamkeit auf das Bett gezogen. Alle Laken wurden in aller Ruhe herabgezogen, mit einer abscheulichen, verstohlenen Bewegung. Ich hörte das langsame, schleppende Gleiten der Bettwäsche; ich konnte nichts von dem Ding erkennen, das daran zog. Mir war auf eine seltsame, unterbewußte, mich selbst beobachtende Weise bewußt, daß ein Schaudern mich erfaßt hatte; 18
dennoch war ich nun geistig kühler als ich es in den letzten Minuten gewesen war; kühl genug, um festzustellen, daß meine Hände von kaltem Schweiß bedeckt waren, und um meinen Revolver halb bewußt abzulegen und meine rechte Hand an meinem Knie trockenzureiben; doch keinen Augenblick lang löste ich meinen Blick oder meine Aufmerksamkeit von dem sich bewegenden Laken. Die schwachen Geräusch aus der Richtung des Bettes verstummten, und eine tiefe Stille entstand – nur das Blut pochte in meinem Kopf. Kurz darauf allerdings vernahm ich erneut das Schleifen der Bettwäsche, die vom Bett herabgezerrt wurde. Inmitten dieser nervlichen Anspannung entsann ich mich der Kamera und griff danach; doch ohne den Blick vom Bett zu nehmen. In diesem Moment, wißt ihr, wurden die Bettlaken mit außergewöhnlicher Gewalt weggerissen, und ich hörte das
Plumpsen, als sie in die Ecke geschleudert wurden. Einige Minuten lang folgte absolute Stille; und ihr könnt euch vorstellen, wie furchtbar mir zumute war. Die Bettwäsche war mit solcher Wildheit geschleudert worden! Und dazu noch die brutale Widernatürlichkeit dessen, was vor meinen Augen geschehen war! Unvermittelt vernahm ich drüben bei der Tür ein leises Geräusch – eine Art Knistern, und dann ein Trippeln auf dem Fußboden. Eine gewaltige nervliche Erschütterung durchfuhr mich, schien meine Wirbelsäule empor zu huschen und über meinen Hinterkopf; denn das Siegel, das die Tür sicherte, war eben gebrochen worden. Etwas befand sich dort. Ich konnte die Tür nicht erkennen; zumindest ist es unmöglich zu sagen, wieviel ich tatsächlich sah und wieviel meine Phantasie dazu beitrug. Ich nahm sie nur als Fortsetzung der grauen Wände 19
wahr... Und dann erschien es mir, als schwanke etwas Dunkles und Undeutliches durch die Schatten. Mir fiel auf, daß die Tür sich zu öffnen begann, und mit großer Mühe griff ich nach meiner Kamera; doch bevor ich sie ausrichten konnte, wurde die Tür mit einem wahnwitzigen Knall zugeschlagen, der den ganzen Raum mit einer Art hohlem Donner füllte. Ich sprang in die Höhe wie ein verschrecktes Kind. Eine solche Kraft schien hinter diesem Lärm zu stehen; als ob eine gewaltige, zügellose Macht außer Kontrolle geraten wäre. Versteht ihr? Die Tür wurde nicht wieder angerührt; doch unmittelbar danach hörte ich den Korb knarren, in dem die Katze lag. Ich sage euch, es lief mir eiskalt über den ganzen Rücken. Ich wußte, was immer auch unterwegs war, ich würde nun erfahren, ob es lebensgefährlich war. Denn die Katze sprang plötzlich mit
einem grauenvollen Kreischen auf, das abrupt abbrach; und dann – zu spät – ich zündete das Blitzlicht. In dem hellen Gleißen sah ich, daß der Korb umgestoßen und der Deckel aufgebrochen worden war, mit der Katze halb im Inneren, halb auf dem Boden. Nichts sonst sah ich, aber nun war ich von dem Wissen erfüllt, daß ich mich in der Gesellschaft eines Wesens oder Dings befand, das die Kraft zum Zerstören besaß. Während der folgenden zwei oder drei Minuten lag eine seltsame, spürbare Stille im Raum, und ihr werdet euch erinnern, daß ich zu dieser Zeit von dem Blitzlicht halb geblendet war; dieser ganze Ort jenseits des leuchtenden Pentagramms schien stockfinster. Ich sage euch, es war höchst grauenhaft. Ich kniete nur inmitten des Sterns und versuchte zu erkennen, ob etwas auf mich zukam. Meine Sehkraft kam allmählich zurück, 20
ich bekam mich etwas unter Kontrolle; und mit einem Mal sah ich das Ding, nach dem ich Ausschau hielt, ganz in der Nähe des „Kreises des Wassers“. Es war groß und undeutlich und schwankte eigenartig, als hinge der Schatten einer gigantischen Spinne frei in der Luft, gerade eben außerhalb der Barriere. Es huschte rasch um den Kreis und schien sich mir dabei beständig zu nähern, doch nur, um mit krampfartigen Bewegungen zurückzuzucken, wie eine lebende Person dies bei der Berührung eines heißen Kaminrostes getan hätte. Es bewegte sich kreisend, und im Kreis drehte ich mich ebenso. Dann schien es genau gegenüber einem der „Ventile“ zu verharren, als bereite es sich auf eine gewaltige Anstrengung vor. Es zog sich fast bis außerhalb des Vakuumscheins zurück und kam dann direkt auf mich zu, wobei es an Form und Masse zu gewinnen schien. In seinen Bewegungen
lag eine gewaltige, bösartige Entschlossenheit, die nur zum Sieg führen konnte. Ich war auf den Knien, ruckte zurück, fiel auf meine linke Hand und meine Hüfte in dem wilden Versuch, dem vorpreschenden Ding auszuweichen. Mit meiner Rechten griff ich wie von Sinnen nach meinem Revolver, den ich losgelassen hatte. Das unmenschliche Ding kam mit einem gewaltigen Schwung geradewegs über den Knoblauch und den „Kreis des Wassers“, fast bis zum Tal des Pentagramms. Ich muß geschrieen haben. Dann wurde es – so schnell es herübergekommen war – von einer gewaltigen unsichtbaren Macht wieder zurückgeworfen. Es dauerte einige Zeit, bis ich begriff, daß ich gerettet war; und dann sammelte ich mich in der Mitte der Pentagramm, entsetzlich benommen und erschüttert, und warf Blicke in alle Richtungen der Barriere; doch das Ding war 21
verschwunden. Und doch hatte ich etwas Wichtiges erfahren, denn ich wußte nun, daß das Graue Zimmer von einer monströsen Hand heimgesucht wurde. Plötzlich, als ich dort kauerte, erkannte ich, was dem Monster beinahe eine Öffnung in der Barriere geschaffen hätte. Bei meinen Bewegungen innerhalb des Pentagramms mußte ich eines der Wassergläser berührt haben, denn genau an der Stelle, an der das Ding attackiert hatte, war das Glas, welches das „Tal“ geschützt hatte, zur Seite verschoben, und dies hatte einen der „fünf Durchgänge“ unbewacht gelassen. Ich stellte es eilig an seinen Platz zurück und fühlte mich beinahe wieder sicher, denn ich hatte die Ursache gefunden, und die „Verteidigung“ war noch immer intakt. Ich schöpfte erneut Hoffnung, daß ich den Morgen erleben würde. Als ich gesehen hatte, wie das Ding beinahe triumphierte, hatte mich ein so
furchtbares, überwältigendes Gefühl der Schwäche überfallen, als könnten mich die „Barrieren“ niemals sicher durch die Nacht bringen. Ihr könnt das nachempfinden? Lange Zeit konnte ich die Hand nicht ausmachen; doch bald nahm ich ein oder zwei Mal ein seltsames Schwanken unter den Schatten bei der Tür wahr. Ein wenig später wurde der tote Körper der Katze emporgehoben und wie unter einem plötzlichen Anfall bestialischen Zornes mit dumpfen, Übelkeit erregenden Schlägen gegen den massiven Boden geschlagen. Eine bizarre Szenerie. Eine Minute später wurde die Tür mit titanischer Macht zweimal geöffnet und zugeschlagen. Im nächsten Augenblick schoß das Ding mit teuflischer Geschwindigkeit auf mich zu, aus den Schatten heraus. Instinktiv warf ich mich zur Seite und riß meine Hand von der Stelle auf dem elektrischen Pentagramm, 22
wo ich sie einen entsetzlich unachtsamen Moment lang plaziert hatte. Das Monster wurde aus dem Bereich der Pentagramme geschleudert, obzwar es – durch meine unglaubliche Dummheit – ein zweites Mal durch die äußeren Barrieren hatte dringen können. Ich kann euch sagen, ich zitterte für geraume Zeit vor schierer Angst. Ich kehrte zurück ins Zentrum der Pentagramme und kniete dort nieder, machte mich so klein und kompakt wie nur möglich. Als ich dort kniete, begann ich mich vage über die beiden „Unfälle“ zu wundern, die mir die Bestie beinahe auf den Hals gejagt hätten. Wurde ich zu unbewußten, willkürlichen Handlungen getrieben, die mich der Gefahr aussetzten? Der Gedanke beherrschte mich, und ich beobachtete jede meiner Bewegungen. Ansatzlos streckte ich ein ermüdetes Bein aus und kippte eines der Wassergläser um. Ein wenig Wasser
wurde verschüttet; doch dank meiner skeptischen Aufmerksamkeit hatte ich es wieder aufgerichtet und in dem Tal plaziert, solange noch Wasser darin war. Noch während ich die Handlung ausführte, schoß die zyklopische, schwarze, halb-materialisierte Hand aus den Schatten auf mich zu und schien mir beinahe gegen das Gesicht zu prallen, so nahe kam sie mir; doch zum dritten Mal wurde sie von einer ungeheuerlichen, übermächtigen Kraft zurückgeworfen. Neben der lähmenden Furcht, die der Angriff in mir zurückließ, überkam mich für einen Augenblick das Gefühl einer geistigen Übelkeit, als wäre ein feiner, erhabener, innerer Sinn verletzt worden, wie dies nur bei einer zu großen Annäherungen an das Unmenschliche geschieht – auf eine seltsame Weise ist dies erschreckender als jede körperliche Pein, die ein Mensch erleiden kann. Daraus konnte ich das Ausmaß und die 23
Nähe der Gefahr ersehen, und für lange Zeit war ich einfach nur eingeschüchtert durch die brutale Attacke dieser Kraft auf meinen Geist. Anders vermag ich es nicht auszudrücken. Ich kniete erneut im Zentrum des Pentagramms und beobachtete mich selbst beinahe mit größerer Furcht als ich das Monster beobachtete; denn nun wußte ich, daß ich, so ich mich nicht vor jedem plötzlichen Impuls schützte, meine eigene Vernichtung bewirken mochte. Seht ihr, wie schrecklich das ganze war? Ich verbrachte den Rest der Nacht in einem Nebel kranker Furcht und war so angespannt, daß ich mich nicht regen konnte. Ich befürchtete, daß jeder Wunsch nach Handlung mir von dem Einfluß suggeriert sein mochte, der auf mich einwirkte. Und außerhalb der Barriere bewegte sich das scheußliche Ding im Kreis und versuchte mich zu packen. Zwei weitere Male wurde der
Körper der toten Katze malträtiert. Beim zweiten Mal konnte ich jeden Knochen schaben und knacken hören. Die ganze Zeit über wehte mir der grauenvolle Wind aus der Ecke des Zimmers, links neben dem Bett, entgegen. Schließlich, als eben das erste Licht des Morgengrauens am Himmel erschien, legte sich der unnatürliche Wind mit einem Mal; und ich konnte keine Spur mehr von der Hand entdecken. Der Morgen kam langsam, und bald füllte das fahle Licht das gesamte Zimmer und ließ das bleiche Glühen des Elektrischen Pentagramms noch unirdischer erscheinen. Dennoch überschritt ich die Barriere erst, als der Tag vollständig gekommen war, denn ich wußte nicht, ob das plötzliche Ersterben des Windes ein Trick der Gegenseite war, um mich aus den Pentagrammen herauszulocken. Ich sah mich ein letztes Mal um, als der Schein des Morgens hell und kraftvoll 24
geworden war, und rannte zur Tür. Ich entriegelte sie nervös und ungeschickt, schloß sie eilig hinter mir und begab mich in mein Schlafzimmer, wo ich auf dem Bett lag und meine Nerven zu beruhigen versuchte. Peter kam bald mit dem Kaffee, und als ich die Tasse geleert hatte, teilte ich ihm mit, ich beabsichtige zu schlafen, da ich die ganze Nacht wach gewesen war. Er nahm das Tablett und verließ das Zimmer stumm; und nachdem ich die Tür verschlossen hatte, entkleidete ich mich und schlief schließlich ein. Gegen Mittag erwachte ich und suchte, nach einem kleinen Mittagessen, das Graue Zimmer auf. Ich schaltete den Strom des Pentagramms ab, den ich in meiner Eile eingeschaltet gelassen hatte; den Körper der Katze räumte ich weg. Ihr werdet verstehen, daß ich nicht wollte, daß jemand das arme Tier zu Gesicht bekam. Nach alldem untersuchte ich
äußerst sorgfältig die Ecke, in der das Bettzeug lag. Ich bohrte einige Löcher, fuhr mit dem Draht hinein und fand nichts. Dann kam mir der Gedanke, es mit meinen Instrumenten unter der Fußleiste zu versuchen. Ich tat es und hörte, wie mein Draht auf Metall stieß. Ich drehte den Haken und fischte nach dem Ding. Beim zweiten Versuch hatte ich es. Es war ein kleiner Gegenstand, und ich trug ihn ans Fenster. Ich stellte fest, daß es ein merkwürdiger Ring war, aus einem ergrauten Material. Das Seltsame daran war, daß er die Form eines Fünfecks hatte, also dieselbe Form wie das Innere eines Pentagramms, ohne dessen Erhebungen, die die Spitzen des schützenden Sterns bilden. Er war frei von jeglicher Ziselierung oder Gravur. Ihr werdet nachempfinden können, daß ich erregt war, wenn ich euch sage, daß ich überzeugt davon war, den berühmten Glücksring der Familie Anderson in der 25
Hand zu halten, der von allem am dichtesten mit der Geschichte des Spuks verbunden war. Der Ring wurde über die Generationen vom Vater an den Sohn weitergegeben, und stets mußte – in Übereinstimmung mit einer alten Familientradition – jeder Sohn das Versprechen abgeben, den Ring niemals zu tragen. Der Ring wurde nach meiner Vermutung von einem der Kreuzritter nach Hause gebracht, unter sehr besonderen Umständen; aber die Geschichte ist zu lang, um hier darauf einzugehen. Es scheint, der junge Sir Hulbert, ein Ahne der Andersons, schloß eine Wette ab, im Suff, ihr versteht, daß er den Ring in dieser Nacht tragen würde. Er tat es, und am Morgen fand man seine Frau und sein Kind erwürgt im Bett, in demselben Raum, in dem ich stand. Viele Leute, so schien es, glaubten, der junge Sir Hulbert hätte die Tat in betrunkener Wut verübt;
und um seine Umschuld zu beweisen, schlief er eine zweite Nacht in jenem Raum. Er wurde ebenfalls erwürgt. Seither hat – wie ihr euch vorstellen könnt – niemand mehr eine Nacht im Grauen Zimmer verbracht, bis ich es tat. Der Ring war seit langer Zeit verschollen gewesen und hatte sich beinahe in einen Mythos verwandelt; es war ein außergewöhnliches Gefühl, dort zu stehen, mit dem authentischen Gegenstand in der Hand, wie ihr gewiß verstehen werdet. Während ich dort stand und den Ring betrachtete, hatte ich eine Idee. Angenommen, er war auf gewisse Weise ein Durchgang – versteht ihr? Eine Art Lücke im Schutzwall der Welt. Es war eine bizarre Idee, ich weiß, und sie kommt möglicherweise nicht von mir, sondern von außerhalb. Ihr müßt verstehen: der Wind kam aus dem Teil des Raumes, wo der Ring lag. Ich dachte 26
viel darüber nach. Dann diese Form – das Innere eines Pentagramms. Es hatte keine Erhebungen, und ohne die „Berge“ galt, wie das Sigsand MS. schreibt: „Deyne Berge, die da synd die Fynf Hygel der Obhut. So sy felen, geben deynem Daemon sy Krafft; und nyzen dem boshafften Dynge.“ Ihr seht, die Form des Gegenstands hatte eine Bedeutung; und ich war entschlossen, sie auf die Probe zu stellen. Ich zerlegte das Pentagramm, denn es muß frisch und um denjenigen herum errichtet sein, den es schützen soll. Dann ging ich hinaus und verschloß die Tür; anschließend verließ ich das Haus, um einige Dinge zu besorgen, denn weder „Fyre noch Eysen“ darf ein zweites Mal benutzt werden. Gegen sieben Uhr dreißig kehrte ich zurück, und sobald meine Besorgungen in das Graue Zimmer hinaufgetragen waren, entließ ich Peter zur Nacht, wie ich es am Abend zuvor
getan hatte. Als er nach unten gegangen war, verschaffte ich mir Eintritt zu dem Zimmer, verschloß und versiegelte die Tür. Ich ging zu der Stelle in der Mitte des Zimmer, wo alles noch eingepackt lag, und machte mich mit aller Eile daran, eine Barriere um mich und den Ring zu errichten. Ich erinnere mich nicht, ob ich es euch erklärt habe, aber ich war der Meinung, daß wenn der Ring in irgend einer Weise ein „Mittel des Zugangs“ war und wenn ich ihn mit mir innerhalb des Elektrischen Pentagramms einschloß, daß er dann, um es einfach auszudrücken, isoliert war. Versteht ihr? Die Macht, die in der Form der Hand ihren sichtbaren Ausdruck hatte, würde jenseits der Schranke bleiben müssen, die das Ab- von dem Normalen trennt; denn der „Durchgang“ würde nicht mehr zugänglich sein. Wie ich sagte, arbeitete ich in großer Eile daran, die Barriere um mich und den 27
Ring fertigzustellen, denn es war bereits später als ich in diesem Raum ungeschützt zubringen wollte. Darüberhinaus hatte ich die Ahnung, daß in dieser Nacht eine gewaltige Anstrengung unternommen würde, um den Ring wieder verfügbar zu machen. Ich war fest davon überzeugt, daß der Ring für die Materialisierung unabdingbar war. Ihr werdet bald erfahren, ob ich recht hatte. Ich stellte die Schranken in etwa einer Stunde fertig, und ihr könnt euch ansatzweise meine Erleichterung vorstellen, als der fahle Schein des Elektrischen Pentagramms ein weiteres Mal auf mir lag. Von diesem Moment an saß ich für zwei Stunden still, der Ecke zugewandt, aus der der Wind gekommen war. Gegen elf Uhr überkam mich das Gefühl, etwas befinde sich in meiner Nähe; doch noch eine volle Stunde danach hatte sich nichts ereignet. Dann
spürte ich plötzlich das Wehen dieses seltsamen Windes. Zu meiner Überraschung schien er nun von hinter mir zu rühren, und ich wirbelte herum, vor Angst zusammenfahrend. Der Wind blies mir ins Gesicht. Er kam aus dem Fußboden unmittelbar vor mir. Ich starrte in einem irrwitzigen Wirbel neuer Ängste hinab. Was hatte ich nur getan! Der Ring war hier, gleich neben mir, wo ich ihn abgelegt hatte. Mit einem Mal bemerkte ich etwas Eigentümliches an dem Ring – seltsame schattenhafte Bewegungen und Zuckungen. Ich starrte benommen darauf. Und dann wußte ich plötzlich, daß der Wind mir aus dem Ring heraus entgegenblies. Ein unnatürlicher verschwommener Rauch wurde sichtbar, der durch den Ring aufzusteigen schien und sich mit den wirbelnden Schatten vermischte. Im nächsten Augenblick wurde mir bewußt, daß ich mich in höchster Lebensgefahr befand, denn die 28
zuckenden Schatten um den Ring nahmen Form an, und die tödliche Hand bildete sich innerhalb des Pentagramms. Meine Güte! Ist euch das klar? Ich hatte den „Durchgang“ ins Innere der Pentagramme gebracht, und die Bestie kam hindurch – ergoß sich in die materielle Welt, wie Gas aus der Öffnung eines Rohres schoß. Vermutlich erstarrte ich für einen Moment in sinnenbetäubender Furcht. Dann griff ich mit einer wahnsinnigen, linkischen Bewegung nach dem Ring, in der Absicht, ihn aus dem Pentagramm hinauszuschleudern. Doch er entkam mir, als risse ein unsichtbares Lebewesen ihn hin und her. Schließlich erwischte ich ihn, doch er wurde mir mit unglaublicher, brutaler Kraft wieder entrissen. Ein großer schwarzer Schatten lag über ihm, erhob sich in die Luft und kam auf mich zu. Ich erkannte, daß es die Hand war, gigantisch und nahezu vollständig
geformt. Ich stieß einen irren Schrei aus und sprang über das Pentagramm und den Ring aus brennenden Kerzen und rann verweifelt in Richtung Tür. Ich fingerte iditiotisch und erfolglos mit dem Schlüssel herum, und die ganze Zeit über starrte ich mit einer an Wahnsinn grenzenden Furcht zu den Barrieren hinüber. Die Hand schoß in meine Richtung; doch ganz so, wie sie nicht in der Lage gewesen war, ins Innere der Schranken vorzudringen, solange der Ring sich außerhalb davon befand, so hatte sie nun, da der Ring im Inneren lag, nicht die Kraft, sie zu verlassen. Das Monster war angekettet, so fest, als wären die Ketten an seinen Körper genietet. Selbst damals wurde ich mir blitzartig dieser Tatsache bewußt; doch ich war zu erschüttert, um nachzudenken; und in dem Moment, in dem es mir gelang, den Schlüssel herumzudrehen, stürzte ich 29
hinaus und schlug die Tür hinter mir mit einem Knall zu. Ich verschloß sie und gelangte irgendwie in mein Zimmer; ich zitterte so sehr, daß ich kaum stehen konnte, wie ihr euch denken könnt. Ich schloß mich ein und schaffte es, eine Kerze zu entzünden; dann legte ich mich aufs Bett und rührte mich zwei Stunden lang nicht; so kam ich zur Besinnung. Später fand ich ein wenig Schlaf, doch ich erwachte, als Peter meinen Kaffee brachte. Als ich ihn getrunken hatte, fühlte ich mich viel besser und nahm den alten Mann mit mir, um einen Blick in das Graue Zimmer zu werfen. Ich öffnete die Tür und spähte hinein. Die Kerzen brannten noch immer, fahl gegen das Tageslicht; und hinter ihnen wartete der blasse, glimmende Stern des Elektrischen Pentagramms. Und dort, in der Mitte, lag der Ring... das Tor des Monsters, und wirkte brav und gewöhnlich. Nichts in dem Raum war angerührt
worden, und ich wußte, daß es der Bestie niemals gelungen war, die Pentagramme zu überwinden. Ich ging hinaus und verschloß die Tür. Nach einigen Stunden des Schlafes verließ ich das Haus. Ich kehrte am Nachmittag in einer Droschke zurück. Bei mir trug ich einen SauerstoffWasserstoff-Brenner und zwei Zylinder, die die Gase enthielten. Ich trug die Dinge in das Graue Zimmer und errichtete dort im Zentrum des Elektrischen Pentagramms einen kleinen Schmelzofen. Fünf Minuten später war der Glücksring, einst das „Glück“, nun der „Ruin“ der Familie Anderson, nicht mehr als ein kleiner, massiver Batzen heißen Metalls.“ Carnacki kramte in seiner Tasche und nahm etwas hervor, das in ein Papiertuch eingeschlagen war. Er reichte es mir. Ich öffnete es und fand ein kleines rundes Stück gräulichen Metalls, wie Blei, nur 30
härter und etwas heller. „Und?“ fragte ich schließlich, nachdem ich es untersucht und an die anderen weitergegeben hatte. „Nahm der Spuk damit ein Ende?“ Carnacki nickte. „Ja“, sagte er. „Ich schlief drei Nächte in dem Grauen Zimmer, bevor ich abreiste. Der alte Peter fiel beinahe in Ohnmacht, als er begriff, was ich vorhatte; in der dritten Nacht aber wurde ihm klar, daß es nun ein sicheres und ganz gewöhnliches Haus geworden war. Und wißt ihr, was? Ich vermute beinahe, tief in seinem Inneren gefiel es ihm nicht.“ Carnacki erhob sich und begann unsere Hände zu schütteln. „Geht!“ sagte er freundlich. Und wir machten uns nachdenklich auf unsere unterschiedlichen Heimwege.
31