Atlan - Die Abenteuer der SOL Nr. 616 Anti-ES - Xiinx-Markant
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Atlan - Die Abenteuer der SOL Nr. 616 Anti-ES - Xiinx-Markant
Das Spinar von Peter Griese Das Geheimnis der Zähler Die Verwirklichung von Atlans Ziel, das schon viele Strapazen und Opfer gekostet hat – das Ziel nämlich, in den Sektor Varnhagher-Ghynnst zu gelangen, um dort den Auftrag der Kosmokraten zu erfüllen –, scheint nun außerhalb der Möglichkeiten des Arkoniden zu liegen. Denn beim entscheidenden Kampf gegen Hidden-X wurde Atlan die Grundlage zur Erfüllung seines Auftrags entzogen: das Wissen um die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst. Doch Atlan gibt nicht auf! Im Bewußtsein, sich die verlorenen Koordinaten wieder besorgen zu müssen, folgt der Arkonide einer vagen Spur, die in die Randgebiete der Galaxis Xiinx-Markant führt, wo die SOL in erbitterte Kämpfe verwickelt wird. Inzwischen herrscht im Umfeld der SOL Ruhe. Dafür aber ist in der SOL selbst der hoffnungslos anmutende Kampf gegen das Manifest C entbrannt, das das Schiff in die Vernichtung zu führen droht. Um sich die Handlungsfähigkeit und die Chance zur Rettung der SOL zu bewahren, verläßt Atlan mit seinen engsten Mitarbeitern das Schiff und dringt in das Zentrum vom Xiinx-Markant ein. Dabei durchlebt der Arkonide wiederum einen »temporären Reinkarnationseffekt«. Seine Vergangenheit in der Namenlosen Zone ersteht vor ihm neu – und er trifft auf DAS SPINAR …
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan - Der Arkonide stößt auf die Heimat der Manifeste. Kik - Der Fünfbeiner gibt Atlan Rätsel auf. Der Dryll - Eine ehemalige Superintelligenz. Ahratonn - Grenzwächter der Namenlosen Zone. Pit und Rico - Roboter der Basis. Wonat-Zount - Der Achte Zähler wird erweckt.
Prolog »Relativ-Einheiten sind Zeiträume, die sich menschlichen Begriffen entziehen.« Laire, Roboter der Kosmokraten.
*
Die Konstellation der Kräfte: 1. Die Kosmokraten oder die Hohen Mächte. Aufenthaltsort unbekannt. Aussehen unbekannt. Denkweise unbekannt. Handlungsweise unbekannt. Ziele unbekannt. Bekannt ist, daß sie nie direkt in dem Lebensraum der Menschen oder in den den Menschen bekannten übergeordneten oder parallelen Räumen wirken. Bekannt ist, daß sie existieren, aber ihre Existenz ist ein größeres Geheimnis, als es der bekannte Kosmos in sich selbst darstellt.
2. Die Superintelligenzen. Ihre Existenz ragt mit Teilen in den Lebensbereich der Menschen oder in den vergleichbarer Völker hinein. Sie wirken direkter, wenngleich sie in der Regel nicht unmittelbar in Erscheinung treten. Sie verfolgen entweder Ziele, die den positiven Kräften dienen und die damit aufbauend wirken, oder aber sie sind negativ und zerstörerisch, um den eigenen Egoismus oder den Machthunger zu befriedigen. ES ist die positive Superintelligenz, in deren Mächtigkeitsballung die Menschheit ihren Sitz hat. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß nicht Teile dieser Menschheit auch außerhalb dieser Mächtigkeitsballung zum Fortschritt der positiven Kräfte wirken. Anti-ES ist die negative Superintelligenz, die die Menschheit zu ihrem willfährigen Werkzeug machen wollte. Wegen der Benutzung unerlaubter Machtmittel wurde Anti-ES von den Hohen Mächten für zehn Relativ-Einheiten in die Namenlose Zone verbannt. Anti-ES ist jedes Mittel recht, diese Gefangenschaft vorzeitig zu beenden, um sich einen neuen Machtbereich aufzubauen. Daneben gab und gibt es zahllose andere Superintelligenzen in allen Bereichen und Dimensionen des Kosmos. Das ganze All ist so gewaltig, daß die Mächtigkeitsballung einer Superintelligenz nur wenig mehr als ein Staubkorn darin darstellt.
3. Auserwählte. Die Superintelligenzen sind bemüht, einige führende Lebewesen aus dem Kreis der Völker mit besonderen Privilegien auszustatten, damit sie ihre Sache vertreten. Bei den positiven Superintelligenzen ist diese Tätigkeit freiwillig, bei den negativen nicht. Perry Rhodan ist der Auserwählte von ES für die Menschheit. Anti-Homunk ist der Auserwählte von Anti-ES. Atlan ist ein
anderer Auserwählter von ES. Und ein Gesandter der Kosmokraten.
4. Die Völker. Es gibt unzählige Völker. Ein Volk ist die Menschheit. Ein anderes Volk, das zum großen Teil daraus hervorging, sind die Solaner. Knapp 100.000 Seelen.
1. Ich war reichlich verwirrt, aber ich ließ es mir nicht anmerken. Unter einem Vorwand verschwand ich in meiner Kabine auf der CHYBRAIN. Als offizieller Kommandant dieses Beiboots der SOL, des Kreuzers MT-1, konnte ich ohne Schwierigkeiten meinem Piloten Uster Brick für eine gewisse Zeit das Kommando übergeben. Die anderen Freunde meines Teams würden ihm in einer neuerlichen Notlage zur Seite stehen. Selbst nach Barleona-Iray verspürte ich in diesen Sekunden keine Sehnsucht, obwohl ich mich an die geheimnisvolle Frau längst mehr als gewöhnt hatte. Sie besaß ein Stück von meinem Herzen, ein verdammt großes Stück. Ich brauchte Ruhe, denn ein paar Dinge machten mir Kummer. Um unsere beiden Schiffe die CHYBRAIN und die FARTULOON, brauchte ich mir nach den Ereignissen auf Uhzwutz keine Sorgen zu machen. Neue Probleme würden schon bald von allein auftauchen, denn ich hatte in einer nur wenig überdachten Entscheidung angeordnet, zuerst die Strahlungsquelle anzufliegen, die Tyari angeblich geortet hatte. Ausschlaggebend für meinen Entschluß war ein höchst merkwürdiges Erlebnis. Ich hatte für Sekunden meine jahrelange Helferin Sanny als eine andere Figur gesehen, als eine, die überhaupt nicht an diesen Ort paßte. Unbemerkt von allen
andern und ohne jede Erklärung hatte sie die Form von Kik, dem Fünfbeiner aus der Namenlosen Zone, angenommen. Ich vermochte nicht zu sagen, ob sie dies tatsächlich gemacht hatte oder ob mir nur etwas vorgegaukelt worden war, denn schließlich besaß die kleine Molaatin derartige Fähigkeiten nicht. Und Sanny war es gewesen, die mir nach einer paramathematischen Berechnung dazu geraten hatte, der Strahlungsquelle zu folgen. Angeblich war diese der Ursprung der kriegserzeugenden Mentalstrahlung, die die Außenzone von XiinxMarkant in ein schauerliches Kampffeld verwandelt hatte. Wieder spürte ich, wie sich aus großer Ferne etwas behutsam in mein Bewußtsein zu tasten versuchte. Ich konnte nichts identifizieren. Als wieder Ruhe herrschte, setzte ich meine Überlegungen fort. Ich hatte Sannys Rat folgen müssen, denn ohne ihre Hilfe hätte ich nie und nimmer das mächtige Wesen Hidden-X besiegen können. Und vor allem nicht ohne Chybrains Hilfe, erinnerte mich der Extrasinn. Ich zog es vor, nicht zu antworten. Rätselhaft und sinnlos war der Kampf auf und um Uhzwutz gewesen, bei dem ich das Manifest J, das wundervolle und mit einer Eigenintelligenz ausgestattete Schiff TAUPRIN, verloren hatte. Ohne erkennbaren Grund war die Auseinandersetzung von der Gegenseite beendet worden. Ich konnte nur vermuten, daß irgendein undurchschaubarer Schachzug an einer anderen Stelle geschehen war, durch den wir vielleicht gerettet worden waren. Das hieß aber auch, daß die Drahtzieher im Hintergrund, Anti-ES oder seine Helfer, einen neuen Zug in der Auseinandersetzung einleiteten. Das weckte mein Mißtrauen. Der Streit zwischen Barleona und Tyari war etwas zur Ruhe gekommen. Die Fremde aus Bars-2-Bars schien eingesehen zu haben, daß ich mich von ihr weder dirigieren ließ, noch bereit war, mich Hals über Kopf zu verlieben. Ein Mann wie ich verliebt sich nicht in zwei Frauen gleichzeitig.
Wieder vernahm ich einen sanften Zug in meinem Kopf. Ich öffnete meine Gedanken, um dem Fremden Einlaß zu gewähren, aber da war das mentale Signal schon wieder erloschen. Wenn ich meine Vergangenheitserlebnisse überdachte, die mir Wöbbeking-Nar'Bon vermittelt hatte, so stieß ich auf eine Merkwürdigkeit, für die ich keine Erklärung hatte. Alle Dinge, die Chybrain oder Kik betrafen, waren trotz der Beseitigung der Mnemo-Löschung bisweilen nur verschwommen in meiner Erinnerung. Oder anders ausgedrückt, ich mußte mich stark konzentrieren, um mir Einzelheiten ins Gedächtnis zu rufen. Der Logiksektor schwieg zu diesen Gedanken. Daraus folgerte ich, daß ihm einige Dinge auch nicht ganz geheuer waren. Diese bisweilen unklare Erinnerung mußte einen Grund haben. Im Fall von Chybrain konnte ich mit ruhigem Gewissen die Ursachen Born oder Wöbbeking zuschreiben. Vielleicht besaß der positive Teil von Anti-ES eine verständliche Scheu, alle Einzelheiten über die Entstehung Chybrains offen darzulegen. Es entsprach durchaus Borns Mentalität, in diesen persönlichen Dingen zurückhaltend zu sein. Eigentlich wußte ich über Chybrains Geburt nur das, was mich der damals vorübergehend abwesende Extrasinn hatte wissen lassen. Diese Übermittlung der Ereignisse war nun aber auch durch Born, der heute Wöbbeking war, geschehen. Ich vertraute dem mächtigen Wesen voll und ganz, aber ich konnte nicht sicher sein, daß es mir stets alles während der Phasen des temporären Reinkarnationseffekts zukommen ließ. Vorläufig mußte ich mich mit dieser Ausdeutung zufriedengeben. Anders sah die Sache mit Kik aus. Zwischen dem Fünfbeiner und Born bestand keine erkennbare Verbindung. Also schied Born als Verursacher meiner ungenauen Erinnerung aus. Ich mußte einfach damit leben, daß sich eventuell hinter dem hilfsbereiten Burschen noch etwas anderes verbarg. Allerdings wagte ich nicht, ihn mit höheren Mächten in Verbindung zu bringen, als sie Anti-ES oder Born darstellten.
Ein anderes und eigentlich viel hautnaheres Problem stellte die SOL dar. Seit sechzehn Tagen raste das Heimatschiff der Solaner unter der Herrschaft des Manifests Erfrin unaufhaltsam dem Untergang entgegen. Ich bezweifelte, daß es Breckcrown Hayes und seinen Getreuen inzwischen gelungen war, Erfrin auszulöschen oder zu beseitigen. Das Manifest beherrschte das Generationenschiff über dessen Herzstück, über die Biopositronik SENECA. Aus der Vergangenheit wußte ich, was das bedeutete. Wer SENECA auf seiner Seite hatte, konnte bestimmen, was mit der SOL geschah. Der augenblickliche Zustand war um ein Vielfaches schlimmer als jener der Zeit, in der ich zur SOL gelangt war. Damals hatte sich SENECA nur abgekapselt und, so dachte ich heute darüber, das aus gutem Grund. Die Hoffnungen der vom Untergang bedrohten Solaner lagen auf mir, meinem Team, der CHYBRAIN und der FARTULOON. Dabei ging es mir nicht nur um die Befreiung der Menschen. Ich war mir absolut darüber im klaren, daß ich meinen Auftrag, mit dem mich die Kosmokraten zurück in mein Universum geschickt hatten, nicht ohne die SOL erfüllen konnte. Das Hantelschiff mit seiner Besatzung war zu einem untrennbaren Bestandteil meines Handelns geworden. Die Solaner hatten das nach einigen Monaten der Wirren verstanden und sich auf meine Seite geschlagen. Der Grund dafür war weniger meine Überzeugungskraft gewesen als die Tatsache, daß ich damals im Jahr 3791 auf ein Völkchen getroffen war, das kein konkretes Lebensziel mehr gesehen hatte. Ich brauchte die SOL so, wie man mich gebraucht hatte, als die Buhrlos mich gefunden hatten. Aber das war nicht alles. Zur Erledigung der Mission der Kosmokraten brauchte ich auch die Koordinaten meines ersten Zieles, die Koordinaten des Raumsektors Varnhagher-Ghynnst. Diese Daten waren ein obligatorischer Bestandteil meines Auftrags. Auf unbegreifliche Weise hatte Hidden-X in der Stunde seiner Vernichtung mit einem letzten Gewaltschlag mir dieses Wissen
geraubt. Und nicht nur das. Es hatte seinen namenlosen Helfer beauftragt, seinen Tod zu rächen. Diese Rache war gleichbedeutend mit der Beseitigung der SOL und mit meinem Tod. Wäre Wöbbeking nicht gewesen, so würde ich heute noch im dunkeln tappen. Durch ihn hatte ich zumindest erfahren, daß die Koordinaten über den namenlosen Helfer an dessen neuen Herrn, Anti-ES, übermittelt worden waren. Daher ergab es sich zwangsläufig für mich, Anti-ES zu suchen, um das verlorengegangene Gut zurückzuerobern. Daß mir in der negativen Superintelligenz eine Wesenheit gegenüberstand, die ich mit meinen Mitteln nie und nimmer besiegen konnte, hielt mich von meiner Zielstrebigkeit nicht ab. Von Wöbbeking wußte ich auch, daß der namenlose Helfer des Hidden-X der heutige Anti-Homunk war. Darüber hinaus drängte sich mir die Vermutung auf, daß der Anti-Homunk, dem ich in den Vergangenheitserlebnissen begegnet war, ebenfalls identisch mit dem jetzigen Anti-Homunk war. Beweise dafür hatte ich nicht. Wöbbeking hatte mir dazu noch keine Erklärungen gegeben, aber ich hoffte, daß dies vielleicht noch geschehen würde. Jedenfalls stand fest, daß mein Weg zu den Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst über Anti-Homunk und Anti-ES führte. Und daß dieser Weg mit gewaltigen Hindernissen gepflastert war, hatten die Solaner und ich schon zu spüren bekommen. Meine Zukunft war so ungewiß wie die der SOL. Mein Ziel Varnhagher-Ghynnst war in weite Ferne gerückt, aber nichts würde mich davon abbringen, es dennoch zu erreichen. Mein Trost war, daß ich diesen Kampf nicht allein zu bestreiten brauchte. Ich hatte Freunde gefunden, nicht nur auf der SOL. Oggar war ein solcher Mitstreiter gewesen, und Wöbbeking, auch wenn ich dessen wahre Absichten nicht durchschaute, war noch jetzt einer. Und Chybrain, das wundervolle Kristallei aus Jenseitsmaterie, ein Teil von mir, er war ein solcher Freund gewesen. Unmittelbar an meiner Seite stritten weitere Freunde für meine
Sache und halten diese zu ihrer eigenen gemacht, allen voran Bjo Breiskoll, dann Sternfeuer und Federspiel, Joscan Hellmut, Sanny, die ich nun insgeheim die Undurchschaubare nannte, und Argan U, Hage Nockemann, der eigenwillige Wissenschaftler mit seinem Gespann aus dem Roboter Blödel und dem Bakwer Wuschel, Cpt'Carch, der noch irgendwo existierte, und der Extra Insider. Auch die ungleichen Zwillinge Uster und Vorlan Brick zählten mittlerweile zu meinen Vertrauten, ganz zu schweigen von Breckcrown Hayes, der sich vom einfachen Solaner zum gestandenen High Sideryt gemausert hatte. Ich war nicht allein in diesem Kampf, der schon kosmische Dimensionen angenommen hatte, wenn ich meine Vergangenheitserlebnisse, die ich jüngst erfahren hatte, mit der aktuellen Wirklichkeit verknüpfte. Irgendwie kam ich mir dennoch nur wie ein winziges Rädchen in einem gigantischen Getriebe vor, dessen Funktion ich niemals bis in die letzten Feinheiten durchschauen würde. Es wurde Zeit, sagte ich mir, daß ich mich wieder um die anstehenden Probleme kümmerte. Das nächste Teilziel lag vor uns, die Quelle der Mentalstrahlung, die den äußeren Bereich dieser Galaxis in einen immerwährenden grausamen Kriegsschauplatz verwandelt hatte. Ich sah ein, daß diesem Treiben ein Ende gesetzt werden mußte. Ein wenig erinnerte ich mich dabei an Flatterfeld und Bumerang, wo wir Hidden-X vertrieben hatten und damit den Grundstock für eine dauerhafte Friedenszelle hatten legen können. In Xiinx-Markant war alles anders und grausamer. Aber das veranlaßte mich nur zu einem kompromißloseren Handeln. Als ich mich erhob, spürte ich wieder das ferne Ziehen in meinem Bewußtsein. Diesmal war es deutlicher und stärker als zuvor. Ich nahm meine Hand wieder von dem Sensorfeld des Interkoms, mit dem ich die Zentrale hatte rufen wollen. »Wöbbeking?« fragte ich leise und lauschte. Ja, erklang es hohl. Es war, als ob das Riesenei aus Jenseitsmaterie
durch eine lange Röhre zu mir sprechen würde. Ich suche dich, Atlan. Aber ich kann nicht nah genug an deinen jetzigen Aufenthaltsort kommen, ohne mich zu gefährden. »Ich glaube, ich verstehe das.« Es ist wohl an der Zeit, mein Freund, daß du mehr über die Manifeste erfährst. Und über die schändlichen Taten von Anti-ES. Du hast TaupZount eine vorübergehende Freiheit beschert. Vielleicht kann er sie sogar bewahren. Damit ist aber nicht gesagt, daß weitere Manifeste deinen jetzigen Weg kreuzen können. Und auch nicht, daß Anti-ES sie mit einer solchen Hilfsbereitschaft ausstattet. »Taup-Zount? Das hört sich an, als ob du von Tauprin sprichst.« Wöbbeking ging nicht auf meinen Einwurf ein, und so wußte ich nicht, ob er ihn überhaupt vernommen hatte. Du hast dir ein Ziel gesetzt, Atlan. Das verstehe ich, obwohl es nicht in allen Belangen mit meinen Zielen harmonisiert. Immerhin kann das Wissen, das ich dir aus der Vergangenheit übermitteln werde, helfen, deinen Weg zu gehen und vor allem kann es dir helfen, die Heimat der Solaner zu bewahren. »Du sprichst von der SOL?« Wieder reagierte Wöbbeking nicht auf meine Frage. Die Zusammenhänge sind komplizierter, als du meinst. Du wirst nun wieder einen Ausflug in die Vergangenheit machen, wenn du dich dem temporären Reinkarnationseffekt nicht verschließen willst. Mein Kontakt zu dir ist diesmal etwas lockerer. Daher bin ich auf deine Mitwirkung angewiesen. Auch wirst du das Nacherleben vielleicht von dir aus einfach unterbrechen können. Wenn du das willst. Ich drückte nun doch die Taste des Interkoms und ließ Bjo und die anderen wissen, daß Wöbbeking Kontakt mit mir aufgenommen hatte. Der Katzer nickte verständnisvoll und bestätigte mir, daß man mit den vorgesehenen Linearetappen warten wolle, bis ich mich melden würde. »Ich bin bereit, Wöbbeking-Nar'Bon«, erklärte ich und sank in einen Sessel nieder. Bevor ich mich vollkommen entspannte,
aktivierte ich die Aufzeichnungsgeräte.
2. Dort stand die stählerne Gestalt des Roboters Rico, der eigentlich Spyk-14 hieß. Den Namen Rico hatte ich ihm vor mehreren Monaten gegeben, als ich noch nach jeder Schlafperiode jegliche Erinnerung an die vorangegangenen Ereignisse in der Namenlosen Zone verloren hatte, um mir selbst ein Zeichen zu setzen, mit dessen Hilfe ich meine mißliche Lage erkennen konnte. Spyk-14 hatte die neue Bezeichnung angenommen, obwohl sie nicht in das Schema der Roboter der Basis des Ersten Zählers paßte. Er war mein Ansprechpartner auf der Basis, denn allein wäre ich niemals in der Lage gewesen, dieses gewaltige Gebilde auch nur in Teilen zu beherrschen. Wir hatten eine Art Pakt geschlossen, die Roboter und ich. Eigentlich handelte es sich bei ihnen um unselbständige und hilflose Maschinen, die trotz ihrer hohen Eigenintelligenz auf einen Herrn angewiesen waren, der ihnen Weisungen erteilte. Dieser Herr, Janv-Zount oder der Erste Zähler, war nicht mehr vorhanden. Ich vermochte nicht einmal zu sagen, ob dieses unbegreifliche Wesen überhaupt noch existierte, denn es war in die Fänge meines Erzfeindes geraten, in die Fänge von Anti-ES. Dieser Umstand und eine merkwürdige Geschichte, die sich um den Namen »Gonozal« rankte, machten uns zu Verbündeten. Rico und seine unzähligen Artgenossen gehorchten meinen Befehlen. Das galt jedoch wohl nur insofern, als diese der Wiederfindung des Ersten Zählers oder der Sicherheit der Basis galten. »Die Spur wird schwächer«, teilte mir Rico mit und deutete auf die vielen Bildschirme in der Hauptzentrale. »Soll ich die alten Werte aufzeichnen lassen?« Ich nickte. »Wonach orientiert ihr euch eigentlich bei diesem
Flug?« fragte ich dann. »Es gibt hier weder Galaxien noch einzelne Gestirne. Es gibt gar nichts.« Ricos Lichter flackerten unruhig und spiegelten so sein Erstaunen oder seine Verwunderung wieder. »Wir orientieren uns nach der zurückgelegten Strecke. Ist das so ungewöhnlich für dich?« Ich hätte tausend Fragen stellen können, aber ich schwieg. Zu oft hatte ich schon versucht, mir ein verständliches Ersatzbild der Namenlosen Zone zu machen, aber stets, war dieser Versuch gescheitert. Ein Orientieren im Nichts war mir einfach zu fremd. Und brauchbare Erklärungen konnten mir die Roboter auch nicht geben. Ihr Wissen war auf die Funktion der Basis ausgerichtet. »Die Spur ist erloschen.« In Ricos Stimme schwang ein fast menschliches Bedauern mit. Damit war der letzte Kontakt zu AntiES abgerissen. Für die Roboter bedeutete das, daß sie ihren Herrn vorerst wieder verloren hatten. Für mich bedeutete es, daß ich mit der Basis in der Namenlosen Zone hing und keinen Schritt vorankam. Im Unterschied zu den Robotern wollte ich nicht unbedingt der verbannten Superintelligenz folgen. Ich trachtete nach zwei anderen Zielen, die ich aus guten Gründen nicht offen äußerte. Eine Möglichkeit bestand darin, doch noch zu den Kosmokraten zu gelangen, um gemäß dem Willen, den diese über ihren Roboter Laire Perry Rhodan und mich hatten wissen lassen, in ihr Reich zu gelangen. Dort hätte ich eine unbestimmte, aber wichtige Aufgabe übernehmen sollen. Allerdings lag der Zeitpunkt, da dies geschehen war, nun über dreizehn Jahre zurück, und von den Kosmokraten hatte ich noch keinen Hauch zu spüren bekommen. So, wie es im Augenblick aussah, würde das auch nicht in nächster Zeit geschehen. Anti-ES hatte mich abgefangen und zu seiner Geisel gemacht, um die Kosmokraten, die es die Hohen Mächte nannte, zu erpressen. Auch das war ohne jegliche Reaktion geblieben. Es schien, als hätten die Hohen Mächte jegliches Interesse an mir und meinem Schicksal
verloren. Vielleicht hatten sie längst einen anderen Mann aus dem Kreis Perry Rhodans für diese Aufgabe ausgewählt. Die andere Möglichkeit, die mir vom Gefühl her sympathischer war, war die Suche nach einem Weg in das heimatliche Universum. Es mußte einen Weg zurück geben, denn schließlich war ich von dort gekommen. Für mich war das logisch, aber ich wußte auch, daß meine Logik nicht unbedingt den unbekannten Gesetzen der Namenlosen Zone folgen mußte. Immerhin machte ich mir gewisse Hoffnung, daß ein befreiter Erster Zähler mir auch behilflich sein könnte. Insofern bemühte ich mich auch um die Absichten der Roboter. »Ist gar nichts mehr auf den Ortungsanzeigen?« Rico verneinte. Eine leichte Erschütterung lief durch den Boden. Mir war, als wäre die etwa eineinhalb Kilometer lange Basis auf ein unsichtbares Hindernis geprallt. »Was war das, Rico?« Der Roboter drehte sein Lichterband von mir weg. Das war ein sicheres Zeichen, daß er mit seinen Artgenossen in Kontakt trat. »Ich weiß es nicht.« Er wandte sich wieder mir zu. »Aber ich werde es in Erfahrung bringen.« »Da!« Ich deutete auf einen Bildschirm, wo sich ein diffuser roter Ball in der unteren linken Ecke bildete. »Warte!« bat der Roboter. Mehrere Maschinen hasteten durch die Zentrale, hantierten hier an unverständlichen Konsolen und lasen dort Werte in Symbolen ab, die ich nicht verstand. »Jemand hat uns geortet«, berichtete Rico dann. »Wir wurden von einer Schockwelle getroffen, die jedoch kein Unheil anrichten konnte. Es sieht so aus, als sei die Basis für andere von Interesse.« »Für welche anderen?« »Das weiß ich nicht. Darum nenne ich sie so. Du würdest vielleicht sagen, es handle sich um Unbekannte.«
»Woher willst du wissen, daß es mehrere sind?« »Ich weiß es nicht. Niemand hat gesagt, daß ich es weiß.« Bisweilen gestalteten sich die Gespräche mit den Robotern so eigenartig. Ich hatte mich daran gewöhnt und damit abgefunden. Mehrere Roboter scharten sich nun vor den Ortungsanzeigen. Sie gestikulierten wie Menschen, aber sie unterhielten sich in ihrer für mich unhörbaren Maschinensprache. Schließlich kam einer aus der Gruppe zu mir. »Ich bin Zcryk-3«, erklärte er. »Darf ich dich Pit nennen?« fragte ich. »Dein richtiger Name ist für mich unaussprechlich.« »Natürlich. Wir haben das Objekt identifizieren können. Die Schockwelle ging von ihm aus.« Pit deutete auf den roten Fleck, der sich leicht bewegte. »Gut. Und was ist es?« »Das ist nicht einfach zu erklären, Atlan, denn es handelt sich ganz eindeutig um etwas, was wir noch nie gesehen haben und was es auch gar nicht geben kann.« »Du sprichst in Rätseln, Pit. Vielleicht kann Rico es mir erklären, wenn du ihm sagst, um was es sich handelt.« Der Roboter trat verlegen von einem Bein auf das andere, und ich wunderte mich wieder, woher sie diese Gestik hatten. Oder paßten sie sich nur äußerlich meinem Verhalten an oder dem, das für mich gewohnt war? »Rico weiß auch nicht mehr als alle anderen«, wehrte die Maschine ab. »Es handelt sich um einen Dryll. Möglicherweise ist es der Dryll.« »Ich verstehe immer noch nichts. Wer oder was ist ein Dryll?« »Du kennst Anti-ES«, sagte Pit. »Es muß zehn Relativ-Einheiten bestehen. Wenn es das Ziel, das wir auch nicht kennen können, das nicht einmal Janv-Zount kennt, nicht erreicht, wird Anti-ES ein Dryll.« »Sehr aufschlußreich.« Ich verbarg meinen Unmut nicht. »Aber
glaubt nicht, daß ich jetzt schlauer bin als zuvor.« »Uns ergeht es nicht anders.« Ricos Augenlichter flackerten bedenklich. »Was Zcryk-3 aber noch sagen sollte, ist dies. Der Dryll ist zu keinen Aktionen mehr fähig. In deinen Worten heißt das, er ist tot. Dieser Dryll jedoch zeigt Aktivität. Etwas muß bei ihm anders verlaufen sein.« »Anders? In welcher Angelegenheit?« »Das wissen wir auch nicht.« Wieder war ich in eine Sackgasse geraten. Da weitere Fragen sinnlos waren, schwieg ich und beschränkte mich auf die Beobachtung der Roboter und der Anzeigen. »Das Objekt bewegt sich«, teilte mir Rico wenig später mit. »Sollen wir ihm folgen?« »Mit der gebotenen Vorsicht.« Es war eigentlich egal, in welche Richtung wir uns weiter bewegten. Ich kümmerte mich nicht mehr um die Roboter und hing meinen Gedanken nach. Etwas fehlte mir, aber ich vermochte nicht zu sagen, was es war. Es mußte etwas mit der Basis und den jüngsten Ereignissen zu tun haben. Mir ergeht es nicht anders, meldete sich der Extrasinn. Es gibt eine Unlogik. Wer hat dich in den vielen Jahren mit Nahrung versorgt? Dein Körper hat keinen Schaden erlitten, und dreizehn Jahre lang kannst du nicht gehungert haben. »Ich habe Appetit«, sagte ich laut und lenkte damit Ricos Aufmerksamkeit auf mich. Der Roboter kam mit schwankenden Schritten auf mich zu. »Wir können in unseren Werkstätten Nahrungskonzentrate für dich produzieren und dir Flüssigkeiten besorgen. Würde das genügen?« Ich bejahte, aber das erklärte nichts. »Wer hat denn bisher dafür gesorgt, daß ich nicht verhungert bin?« Rico zuckte förmlich zusammen. »Das war … das ist …«, stammelte er und schwieg. »Sprich!« forderte ich ihn auf, denn ich fühlte instinktiv, daß dies
etwas mit meiner neuerlichen Wissenslücke zu tun hatte. »Ich weiß es nicht«, antwortete Rico. »Genau gesagt, ich weiß es nicht mehr. Die Angaben wurden in meinem Speicher gelöscht. Bei den anderen Maschinen ist es ebenso. Wir wissen, daß da etwas war, aber nun ist es weg.« Da ich keinen Grund hatte, an den Worten Ricos zu zweifeln, stimmte ich dem Logiksektor zu, der lakonisch bemerkte: Es ergeht ihnen wie dir. Zweifellos ein unbekannter Einfluß. Da er völlig sinnlos ist, kann ich auch keine Vermutungen anstellen, was das zu bedeuten hat. Mich beschlich ein ungutes Gefühl. Es wurde noch stärker, als die Roboter aufgeregt auf ein zweites Echo deuteten, das auf den Schirmen sichtbar wurde.
* Rico vergrößerte das neue Echo auf einem anderen Sichtschirm. Grüne Strähnen unterschiedlicher Stärke zogen sich auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt zu. Die Bahnen waren unterschiedlich dick und leuchteten auch in verschiedenen Farbnuancen. Zwischen ihnen verliefen dünnere Linien quer zu den dicken Strängen. Mein fotografisches Gedächtnis sprach sofort an. Bevor ich einen Gedanken formulieren konnte, meldete sich mein Extrasinn. Das Energiemuster eines Grenzwächters. Ich erinnerte mich an meine erste Flucht von dem Planetoiden, den Anti-ES wohl unfreiwillig als seinen Stammsitz hatte auswählen müssen. Mit der ÜBERZONE, einem höchst seltsamen Raumgefährt, und an der Stelle von Anti-Homunk hatte ich mich damals auf die Suche nach einem Weg zu den Kosmokraten gemacht. Meine selbstgewählte Mission war letztlich gescheitert, aber ich hatte doch einige wesentliche Fakten über die Namenlose Zone in Erfahrung
bringen können. Aus der damaligen Sicht bedeutete das – und daran hatte sich eigentlich wenig geändert –, daß es in diesem fremdartigen Raum fast nichts gab. Fast, das war der Ausdruck für die Ausnahme, denn ich war in die Fänge der Grenzwächter geraten, deren Aufgabe mir jedoch unklar blieb. Der eine Grenzwächter hieß Ahratonn, der andere Eppletonn. Ahratonn war der Zweig Eppletonns, was so etwas wie Ableger oder Nachkomme oder Helfer bedeutete. Ich wußte nicht, wie viele dieser ominösen Grenzwächter es gab. Ihre Aufgabe hatte ich damals so verstanden, daß sie dafür sorgten, daß Verbannte nicht den ihnen zugewiesenen Sektor verließen oder Helfer nach draußen sandten. Das konnte richtig sein oder falsch. Bei der Unendlichkeit, in der sich die Namenlose Zone präsentierte, war es wahrscheinlich, daß die Zahl der Grenzwächter für meine bescheidenen Begriffe auch unendlich war. Ich konnte also Ahratonn und Eppletonn getrost vergessen. »Wir drehen besser ab.« Rico deutete mit seinen stählernen Armen auf die Bildschirme. »Der Dryll nimmt Kurs auf den anderen.« »Du drückst dich wieder unwahrscheinlich klar aus, Spyk-14.« Ich wählte absichtlich die offizielle Bezeichnung meines Ansprechpartners, um mehr aus ihm herauszulocken. Zu meinem Erstaunen stieß Rico einen menschlichen Seufzer aus. »Ich muß mich wirklich bemühen«, klagte er, »mich noch mehr in deiner Sprache auszudrücken, Atlan. Mit der Gestik klappt es ja wohl, aber das liegt nur daran, daß Janv-Zount immer große Bedeutung auf Gesten gelegt hat.« »Sprach er auch in Gesten?« fragte ich sofort, denn seine Bereitschaft ließ mich wieder einmal hoffen. »Woher soll ich das wissen?« Rico war empört. »Ich habe den Ersten Zähler nie gesehen, und niemand kann ihn sehen. Es sei denn, er will das.« »Gut, gut«, lenkte ich ein. »Du wolltest etwas anderes sagen.« »Stimmt. Ich bewundere die Schärfe deines organischen Gehirns.
Wir glauben fast, du wärst ein guter Zähler geworden. Doch zur Sache. Das Gebilde, das der Dryll ansteuert, ist uns unbekannt. Es gibt nicht einmal Informationen aus der untersten Ebene darüber. Daher ist Vorsicht geboten. Du mußt die Basis schützen, weil wir ohne sie den Herrn nie finden können. Deshalb mein Rat, diesen Ort zu verlassen.« Bevor ich antworten konnte, lief eine erneute Erschütterung durch die Basis. »Das war nicht der Dryll«, rief einer der Roboter. Ein anderer kam in den Raum und reichte mir einen Becher mit einem Getränk und mehrere Konzentratwürfel. Kik! durchzuckte mich ein Gedanke, aber ich wußte nichts mit diesem Wort anzufangen. Der Roboter kam in einem denkbar ungünstigen Augenblick, denn ich konzentrierte mich ganz auf das Gespräch mit Rico. »Das grüne Echo ist ein Grenzwächter«, erklärte ich. »Ich kenne sie. Die Fäden sind energetische Bahnen des Hauptkörpers im Zentrum. Es gibt viele Grenzwächter in der Namenlosen Zone.« Die Roboter erstarrten zu Salzsäulen. Pit löste sich zuerst aus dem Schock, den ich weder beabsichtigt noch erwartet hatte. »Du weißt mehr als wir?« Es war eindeutig eine Frage. Ich beschloß, bei der Wahrheit zu bleiben. »Mehr weiß ich wohl nicht. Aber ich kenne die Grenzwächter.« »Was du sagst, Atlan, ist unmöglich.« Auch Rico war wieder zu normalen Reaktionen erwacht. »Es gibt keine Grenzen in der Namenlosen Zone.« Unsinn, meldete sich der Extrasinn. Hau dazwischen! »Ihr seid nette Kerle, Spyk-14 und Knirsch-3, oder wie ihr euch nennt. Aber ein paar wesentliche Erfahrungswerte fehlen euch. Überlaßt also das Denken dem vorläufigen Kommandanten der Basis. Einverstanden?« Ich sah nur hellblaue Lichter auf den Köpfchen der verwirrten Roboter, und die bedeuteten Zustimmung.
»Wir sind mit allem einverstanden«, erklärte Pit schließlich, »was der Wiederfindung von Janv-Zount dient.« »Dann hört zu! Wer hat uns soeben angemessen?« »Das grüne Ding, das du einen Grenzwächter nennst.« »Was will der Grenzwächter?« »Von uns nichts. Er hat versucht, den Dryll abzuweisen, und die Basis geriet in seinen Energiestrahl.« »Natürlich.« Ich verstand, und ich wollte meine vage Führungsrolle nicht abgeben. »Es ist also so, daß wir versehentlich in diesen Strahl geraten sind.« Rico und Pit blickten sich kurz an. »Du hast es erkannt«, sagten sie dann beide gleichzeitig und in perfektem Synchronismus. »Wichtig ist, daß der Dryll den Energiestoß verschluckt hat. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?« Erst jetzt merkten die eifrigen Roboter, daß sie zugleich gesprochen hatten. Sie warfen sich Leuchtimpulse der Verlegenheit zu. Wer gegen wen oder was? fragte ich mich. Und warum? Du kennst die Namenlose Zone und ihre Wesen und Gesetze so wenig, wie ein ungeborenes Kind seinen Urgroßvater kennt! Er hatte recht, der Extrasinn. »Ich habe verstanden«, antwortete ich den Robotern. »Es ist der eigentlich nicht mehr existierende und tote Dryll, der euch Kummer bereitet. Er ist stärker, als ihr gedacht habt.« »Er ist tot und nicht vorhanden«, entgegnete Rico. »Und er lebt und ist da. Verstehst du das?« »Ja.« Das Schweigen, das mir entgegenschlug, wertete ich als einen neuen Teilerfolg meines Frontalangriffs gegen die Roboter. Ich mußte nachhaken. »Ihr kennt eure begrenzte Welt, die Basis. Ihr wißt nicht, was die Namenlose Zone noch verbirgt. Es ist ein Jammer, daß Janv-Zount
jetzt nicht hier ist. Er würde euch sagen, wie begrenzt ihr seid. Irgendwie erinnert ihr mich an zweibeinige Lebewesen meines Aussehens, die ich vor vielen Zeiten und für lange Zeiten einmal erleben mußte. Habt ihr den Namen Terra oder Erde schon einmal gehört?« »Sind das die Bezeichnungen der Grenzwächter?« fragte Rico. Wenn meine Lage nicht so voller Unsinnigkeit und Verzweiflung gewesen wäre, hätte ich laut gelacht. Meine Handbewegung zeigte den Robotern, daß sie sich geirrt hätten. »Die Namenlose Zone, die Basis und Janv-Zount, der Dryll und die Grenzwächter, all das ist mir fremder und unverständlicher, als ihr es verstehen könnt. Der Unterschied zwischen euch und mir besteht nur darin, daß ich lerne; ich lerne aus dem, was ich erlebe. Ihr jedoch bleibt verwurzelt auf dem einmal erreichten Punkt.« Rico kratzte sich auf der blanken Schädeldecke. »Und so waren die Zweibeiner in deiner Vergangenheit auch?« »Nicht alle. Aber zu viele von ihnen.« »Und in dieser Welt gab es Wesen«, bohrte nun Pit weiter, »die tot waren und noch lebten?« »So kann man sagen.« Ich ließ die Ortungsreflexe nicht aus den Augen und dachte zur gleichen Zeit an Nero, Mozart und Rasputin. »Sie leben noch heute. Und sie beeinflussen selbst jetzt noch Menschen.« »Wie lange ist das her?« Rico trat einen Schritt auf mich zu. »Ein Millionenfaches der Zeit, Spyk-14, die du brauchst, um mir zu sagen, was die beiden Echos auf den Ortungsanzeigen beabsichtigen.« Die beiden Hände des Roboters veränderten sich in einfingrige Glieder, die auf die Signale der Ortung deuteten. Pit schwankte leicht, als sich seine Optiken von mir abwandten. Die anderen Roboter, bestimmt über zwanzig, blieben starr, aber ihre Lichter funkelten unruhig.
»Der Dryll«, sagte Rico. »Der Grenzwächter. Sie nähern sich. Nein; der Dryll rast auf den Grünen zu. Der Dryll wird kleiner und damit stärker. Er konzentriert seine abgestorbene Macht. Ich frage mich, woher er die Energie hat, denn er ist ja tot.« Von Anti-ES, sagte der Extrasinn. Dein Feind hat dich auf die falsche Fährte gelockt. Du hast sie so begierig aufgegriffen wie die Robots. »Du magst recht haben«, antwortete ich leise und mit einem leichten Lachen. »Es wäre sogar gut, wenn es stimmt, denn dann hätte ich wirklich Anti-ES einen Schlag versetzt. Anderenfalls würde es nicht versuchen, mich abzuhängen.« Nicht nur dich, auch die Basis! »Wir müssen fort von hier«, erklang Ricos Stimme. »Janv-Zount wartet auf seine Rettung und Befreiung.« Ich beobachtete, wie der rote Schemen auf das grüne Netz zuraste, wie die Energiebahnen des Grenzwächters zu vibrieren begannen. Meine eigenen Ziele, die ausgesprochenen und die unausgesprochenen, mischten sich blitzartig in meine Gedanken. Bevor mein zweites Ich mir sagen konnte, daß ich nur ein von Nässe durchtränktes Streichholz in einem Ozean aus Ammoniak, geistigem Gift, bösem Egoismus, niederträchtiger Selbstsucht und totaler Fremde war, überraschten mich die äußeren Ereignisse. Der Ruck, der diesmal durch die Basis ging, warf die Roboter zu Boden. Mich jedoch nicht. Ich spürte die tobenden Gewalten nur in meinem Schädel. Es waren zwei Stimmen. Ihr Klang war gleich. Auch die Lautstärke. Aber dennoch ließen sie sich leicht unterscheiden, und durch die Gedankenblitze meines Extrasinns wußte ich auch, wer sprach. Und durch den Namen, der fiel. Krüppelschiff der Verlogenen! Du Verlassenes ohne Herr, ohne Zähler! Du mußt wissen, daß ich auch einmal »gezählt« wurde. Ich sage dir, entferne dich, wenn ein Erstarkter nach neuen Ufern trachtet! Das war die eine Stimme, der Dryll, eine verkommene oder abgelebte Superintelligenz.
Schade. Das war die andere Stimme. Ich habe Eppletonns Aufgabe mit allen guten Absichten angetreten. Meine Zeit war kurz, weniger als ein Pulsschlag der Namenlosen Zone. Ich bin wohl zu jung. Die Namenlose Zone ist leer. Die Schlafenden Mächte zeigen sich nicht. Ich muß wohl untergehen, denn der Dryll ist erwacht. Ich weiß nicht einmal, wer oder was ihm Kraft gab. Ein kurzes Dasein im Zentralknoten. Und jetzt das Ende. Es wird niemand auf mich hören, wenn ich meine Gedanken schreie. Aber ich schreie sie, und wenn es nur Verzweiflung ist. Helft mir! Bitte! Helft mir! (Ich weiß, daß da nichts und niemand ist. Nichts kann mich hören. Die Schlafenden Mächte soll es geben. Aber selbst wenn es sie gibt, können sie mich nicht hören, denn sie schlafen, für immer.) Hilfe! Der Dryll. Ich, Ahratonn, werde schreien, bis ich in meinem Versagen vergehe. Ich hörte den Dryll lachen. Ich sah die umgefallenen Roboter. Ich wußte nicht, was ich tun sollte, aber der Extrasinn zeigte sich sehr loyal. Bau eine Gedankenkette auf: Dryll – Ahratonn – Helfer – Informationsgewinnung – Daten über die Materiequelle oder über die Rückkehr nach Arkon oder Terra oder Perry Rhodan – Handle! – Wissen und Probieren sind nicht Macht, sie sind die Grundlage des eigenen Bestands. Die Schreie Ahratonns klangen in meinen Ohren, nein, in meinem Bewußtsein weiter. Sie machten mich hellwach. »Rico! Pit! Wir haben eine gute Chance, den Ersten Zähler zu finden.« »Ja?« »Ja?« Die Frage war vielstimmig. »Kurs auf den Grenzwächter«, gab ich zur Antwort. Die Veränderungen der Positionen auf den Bildschirmen zeigten mir, daß die Roboter der Basis mir vertrauten.
3. Übergangslos wechselte die Basis ihren Standort. Ich würde das Prinzip des Ego-Transmitters nie verstehen, sagte ich mir, denn bei dem »Flug« war nichts spürbar. Nur an den nun viel größeren Ortungsanzeigen ließ sich erkennen, daß die Roboter die Heimstatt des Ersten Zählers bewegt hatten. Das Energienetz des Grenzwächters füllte den Hauptschirm vollkommen aus. Sogar das Vibrieren der Stränge war nun deutlich erkennbar. Mehr jedoch in Atem schlug mich die Art, in der der Dryll agierte. Er selbst stellte nur einen verwaschenen roten Fleck dar. Von diesem gingen dünne Bahnen durch die Schwärze. Wo sie auf die Energiestrukturen des Grenzwächters trafen, fädelten sie sich ein und färbten sie um. Für mich bedeutete das, daß der Dryll damit begonnen hatte, von Ahratonn Besitz zu nehmen. Es konnte eigentlich nur ein Zufall sein, daß unser Weg uns genau zu dem Grenzwächter geführt hatte, bei dem ich schon einmal gewesen war. Ahratonn hatte sich damals als Zweig des alten Grenzwächterstamms Eppletonn bezeichnet. Vom äußeren Bild her konnte ich allerdings keine Ähnlichkeit zwischen dem damaligen Ahratonn und dem jetzigen feststellen. Da inzwischen an die dreizehn Jahre vergangen waren, mußte sich Ahratonn entweder verändert haben, oder es handelte sich doch um einen anderen Grenzwächter. Vielleicht würde ich erfahren, welches die Hintergründe waren. Automatisch schlug ich mich auf die Seite Ahratonns, denn in dem Dryll sah ich so etwas wie Anti-ES. Es paßte zudem in meine Überlegungen, daß in der Namenlosen Zone nicht nur eine negative Superintelligenz verbannt gewesen war. Einen bestimmten Zweck mußte diese unwirkliche Dimension doch haben. Nur für Anti-ES konnte sie wohl kaum erschaffen worden sein. »Unerklärliche Vorgänge«, teilte mir Rico mit. »Für euch unerklärlich«, korrigierte ich ihn sanft. »Du wirst es mir
nicht glauben, aber ich bin in diesem Grenzwächter schon gewesen.« Da der Roboter nichts antwortete, fuhr ich fort: »Und ich beabsichtige, ihn noch einmal aufzusuchen. Der Dryll darf ihn nicht besiegen. Ihr habt die Schreie Ahratonns gehört. Wir müssen ihm helfen.« »Aus welchem Grund?« Rico war mißtrauisch. »Ich sagte es doch schon. Es geht um Janv-Zount. Die Grenzwächter sind mächtige Einheiten der Namenlosen Zone. Wenn wir Ahratonn helfen, wird er uns sagen, wo wir euren Herrn finden können.« »Das bezweifeln wir«, erklärte Pit. »Die Zweifel sind verständlich. Da ihr aber über die Grenzwächter nichts wißt, könnt ihr auch nicht beurteilen, wie der Sachverhalt ist. Ich brauche ein Beiboot und starke Waffen, um den Dryll zu vertreiben.« Die Roboter wurden unruhig. Ich hatte das Gefühl, daß ihnen mein Plan nicht gefiel. Sie führten eine lautlose Diskussion. Schließlich wandte sich Pit an mich: »Willst du allein zu Ahratonn?« »Ich habe nichts gegen ein paar Begleiter, die mir helfen.« »Dann sind wir grundsätzlich einverstanden. Ich werde mit dir gehen. Besondere Waffen wirst du daher nicht benötigen.« Das gefiel mir weniger, aber ich widersprach nicht. »Können wir uns mit Ahratonn in Verbindung setzen?« fragte ich. »Es kommt auf einen Versuch an.« Pit winkte Rico, der sich an einer Konsole zu schaffen machte, deren Funktion ich auch nicht kannte. Nach einer Weile wandten sich seine leuchtenden Augen wieder mir zu. »Der Grenzwächter hört uns, aber er hat sich abgekapselt. Er hat nur eine Antwort gegeben. Sie lautete: Sollte Kik doch recht haben?« Kik!
Schlagartig wurde die Erinnerung wieder frei. Der Fünfbeinige war es gewesen, der mich in all den Jahren mit Nahrung versorgt hatte. Er hatte sich auch sonst in mancherlei Hinsicht als nützlicher Freund und Helfer erwiesen. Wie konnte es geschehen, daß ich das vergessen hatte? Zweifellos eine Beeinflussung. Vermutlich ging sie sogar von Kik selbst aus. Er spielt eine undurchschaubare Rolle. Finde dich damit vorerst ab. Es stimmte, was der Extrasinn sagte. »Komm!« Pit deutete auf den Ausgang. »Wir transportieren uns direkt in das Beiboot und starten.« Ich verließ die Zentrale an der Seite des Roboters. Die Umgebung wechselte so plötzlich, daß ich überrascht war. Von einem Gedanken zu anderen stand ich an einem anderen Ort. »Ein Beiboot für kurze Distanzen«, erläuterte Pit. »Für dein Vorhaben reicht es aus. Ich werde es steuern.« Ich sank in eine Liegeschale. Automatisch schlossen sich Sicherheitsgurte um meinen Körper. Durch ein transparentes Energiefeld glitt das Gefährt ins Freie. Über uns schwebte die Basis, die nun schnell zurückfiel. »Nenne das Ziel, Atlan!« Ich deutete auf den dicken Körper in der Mitte des Energienetzes. Das mußte der Sitz der Intelligenz Ahratonns sein, wenngleich auch die umgebenden Strukturen zu ihm gehörten. Fast befürchtete ich, daß wir zu spät kommen würden, denn über die Hälfte der grünen Stränge war bereits rot eingefärbt worden. Der verschwommene Fleck des Drylls stand abseits. »Basis an Zcryk-3 und Atlan«, hörte ich plötzlich. Das mußte Rico sein. »Wir messen energetische Aktivitäten des Drylls an. Er hat uns und euch ausgemacht. Vorsicht!« Keine Sekunde später wurde das Innere des kleinen Raumschiffs in rotes Licht getaucht. Ich spürte den Hauch von verwirrten Gedanken, konnte aber nichts klar entziffern. Allein die rote Farbe verriet den Urheber.
Pit reagierte schnell. Seine metallenen Finger huschten über die Konsolen. Das Boot machte einen Satz nach vorn, den ich deutlich zu spüren bekam. Dann war der rötliche Lichtschimmer wieder verschwunden. »Knapp«, bemerkte der Roboter. Ich sah durch die Kanzel, wie sich in unserer Nähe erneut ein diffuser Strang bildete. Der Dryll versuchte, weiter mit seinen unbegreiflichen Mitteln nach uns zu fassen. Pit flog haarsträubende Ausweichmanöver, um der energetischen Peitsche auszuweichen, und es gelang ihm sogar. Wir näherten uns dem Zentralkörper des Grenzwächters. Als ich zurück in Richtung der Basis blickte, bemerkte ich, daß auch diese in ein rotes Glühen gehüllt war. Dünne Fäden zogen sich von dort zum Leib des Drylls. Ich machte Pit darauf aufmerksam. »Er kann der Basis nichts anhaben« tröstete mich der Roboter. »Soll er sich ruhig an ihr verzetteln. Das verbessert unsere Möglichkeiten, mit Ahratonn in Kontakt zu treten.« Der Zentralleib des Grenzwächters war annähernd kugelförmig und durchmaß etwa drei Kilometer. Er leuchtete nur schwach im Vergleich zu den Energiebahnen, die sich in der Ferne verliefen. Ich entdeckte eine lichtlose Stelle; vielleicht war das eine Öffnung. Sie wies ich Pit als Ziel zu. »Rico! Kannst du mich hören?« rief ich dann, denn ich machte mir doch Sorgen um die Basis. »Natürlich, Atlan«, kam sogleich die Entgegnung. »Wie sieht es bei euch aus? Was macht der Dryll? Könnt ihr ihn abwehren?« »Für uns besteht keine Gefahr. Der Dryll wird bald einsehen, daß er nichts ausrichten kann. Dann wird er sich wieder auf euch und den Grenzwächter stürzen. Er braucht Energie, denn er ist fast tot. Es ist überhaupt ein Rätsel, wie er zu neuer Aktivität erwachen konnte.« »Das kann nur Anti-ES gewesen sein«, vermutete ich erneut.
»Anti-ES hat diesen Burschen unseren Weg kreuzen lassen, um ungestört seine Pläne verfolgen zu können. Könnt ihr den Dryll nicht einfach vernichten? Ihr habt doch die Jenseitsenergieschleuder.« »Diese ist für andere Aufgaben vorgesehen«, kam die kühle Ablehnung. »Abgesehen davon tötet man keine toten Existenzen.« Offensichtlich weigerten sich die Roboter noch immer, in dem Dryll eine Gefahr zu sehen. Ich konzentrierte mich wieder auf meine Situation, denn Pit lenkte das Beiboot in den Leib des Grenzwächters. »Ahratonn!« rief ich. »Kannst du mich hören?« Ich mußte den Ruf mehrmals wiederholen. Der Roboter steuerte unterdessen das Gefährt durch gewundene Röhren, die wie überdimensionale Därme aussahen und aus sich heraus hell leuchteten. »Atlan! Bist du es wirklich?« Das war der Grenzwächter, und er hatte mich erkannt. »Ja. Ich bin es, und ich bin bereits in dir. Meine Freunde und ich wollen dir helfen, aber wir wissen nicht wie. Der Dryll ist auch unser Feind.« Mit einem Ruck wurde das Boot angehalten. Pit teilte mir mit, daß er das nicht verursacht hatte. »Ich bin verloren«, klagte Ahratonn. »Es gäbe nur einen Weg, etwas gegen den Dryll zu unternehmen. Man müßte einen seiner drei Zounts ausfindig machen. Das ist jedoch unmöglich, denn keiner seiner Zounts existiert mehr.« Natürlich verstand ich den Sinn dieser Worte nicht. Auch Pit blickte mich unsicher an. »Warum verwendest du deine Energien nicht«, fragte ich Ahratonn, »um den Dryll zu vertreiben?« »Unzulässig. Nicht einmal Eppletonn hätte das gewagt. Du hast sicher gemerkt, daß ich an seine Stelle als Stamm getreten bin.« »Dann gib mir die Möglichkeit, deine Energien nach meinem
Willen zu verwenden. Ich bin an derartige Verbote nicht gebunden.« »Ein kühner Plan«, staunte Ahratonn. »Du weißt sicher, daß du dafür bestraft werden wirst.« »Das Risiko nehme ich in Kauf.« Plötzlich beschleunigte das Beiboot wieder. Es raste mit wahnsinniger Geschwindigkeit durch die Röhre und landete dann in einem größeren Hohlraum. »Du kannst aussteigen«, ließ mich Ahratonn wissen. Pit öffnete die Schleuse, und kletterte hinaus. Der unregelmäßig geformte Raum war etwa fünfzig mal fünfzig Meter groß. Die Wände machten den Eindruck von organischer Substanz, besaßen viele Falten und dunkle Winkel. Der Boden war teigig. Er gab unter meinen Schritten nach. Die Luft war frisch und ozonreich. »Nach deiner Zeitrechnung hast du noch etwa zehn Minuten, um etwas zu tun, Atlan. Ich darf nun nichts mehr sagen, sonst verstoße ich gegen die Gesetze.« Ich blickte mich um. Nirgends entdeckte ich etwas Besonderes, was mir bei meinem Vorhaben behilflich sein könnte. Pit stand ratlos neben mir. Auch er schien am Ende seiner Weisheit angekommen zu sein. »Ahratonn!« rief ich, aber ich bekam keine Antwort mehr. »Da!« Pit deutete zur Seite. Eine der hellgrünen Wände begann sich rötlich zu verfärben. Der Dryll begann bereits, das Innere des Grenzwächters in seinen Besitz zu nehmen. Eine kleine Figur wieselte aus einer dunklen Ecke auf mich zu. Ihr folgten mehrere andere Gestalten. Unmöglich! dachte ich, als ich den Fünfbeiner erkannte. Es war Kik.
*
»Atlan! Ich habe gewußt, daß du kommst, um Ahratonn und uns zu retten, nicht wahr?« Wie, zum Teufel, fragte ich mich, kam dieser kleine Kerl, der meine Erinnerung trübte, hierher? Schließlich war Kik noch vor wenigen Stunden auf der Basis gewesen. »Du bist mir ein Rätsel«, entgegnete ich und drückte damit genau das aus, was mich bewegte. »Du erinnerst dich also an mich«, stellte der etwa ein Meter große Seestern fest. »Wahrscheinlich hat Ahratonn mich unbewußt verraten. Es wäre besser gewesen, wenn du dich nicht erinnert hättest, denn nun erwartest du sicher von mir, daß ich dir helfe. Das werde ich aber nicht tun. Eher lassen wir uns alle von den Energien des Drylls verschlingen.« »Du bist mir ein Rätsel«, sagte ich noch einmal. Dann betrachtete ich die anderen Gestalten im Hintergrund. Ich entdeckte Duusnorz, den überdimensionalen Wassertropfen und fast all die anderen Fremdwesen, die ich damals in Eppletonn gesehen hatte. Nur Beyl Transot fehlte natürlich, denn der Haluter war auf unerklärliche Weise auf die Basis gelangt, wo ihn Janvrin getötet hatte. Ich erinnerte mich an das Versprechen, das ich diesen Gefangenen des Grenzwächters gegeben hatte, sie aus ihrem unwürdigen Gefängnis zu befreien. Nun lebten sie in Ahratonn weiter. »Deine Zeit ist knapp«, erinnerte mich Kik. Er hatte recht. So war es wenig sinnvoll, über die merkwürdigen Rätsel nachzugrübeln, denn die Zusammenhänge gehörten einer Logik und einem. Zusammenspiel an, das mir einfach fremd war. »Ich brauche etwas«, sagte ich zu mir selbst. »Etwas, das meinem Vermögen entspricht. Ortungssysteme, Zielvorrichtungen. Steueranlagen, eine Hilfspositronik.« Der Boden wölbte sich vor meinen Füßen auf. Die braune Masse schoß in die Höhe, veränderte ihre Farbe und ihre Formen. Gedankensteuerung! erklärte mir der Logiksektor. Keine zehn Sekunden später hatte sich vor mir die
Feuerleitzentrale eines terranischen Schweren Kreuzers aufgebaut. Die Kontrollen zeigten normale Werte. Die Energiespeicher waren gefüllt. Auf den Ortungsschirmen erblickte ich den Dryll und unweit davon die Basis des Ersten Zählers. »Positronik einsatzbereit«, erklang aus dem Nichts eine Stimme. »Ich erwarte deine Befehle.« Ich handelte wie im Traum. Alles war zu unwahrscheinlich, aber es war auch zu real. »Defensivschirme auf 80 Prozent«, hörte ich mich sagen. »Strukturlückenautomatik in Sektor B. Zielobjekt steht auf 026.984.113. Hypnosestrahler Feuer frei.« Es entsprach meiner natürlichen Einstellung, nicht mit den stärksten Waffen auf den Dryll zu feuern. Die Positronik, von der ich nicht einmal wußte, wo sie war, meldete die Durchführung. Die Anzeigen bestätigten dies. Bist du verrückt geworden? brandete im selben Moment eine mentale Stimme in mir auf. Wie kannst du es wagen, auf mich zu schießen? »Mentalsensor berichtet«, sagte die Positronik, »daß der Feind Kontakt sucht.« »Übermittle ihm diese Nachricht«, wies ich die Positronik an. »Der Dryll soll sofort von dem Grenzwächter ablassen und verschwinden.« »Ausgeführt.« Die Antwort war diesmal nicht mentaler Natur. Dafür verstand ich sie um so besser. Auf allen Schirmen wogte plötzlich rote Energie. Der Boden unter meinen Füßen begann zu zittern und zu schwanken. Ein Dröhnen erfüllte das Innere des Grenzwächters. Die Anzeigen der Defensivschirmbelastung schnellten in die Höhe. Der Dryll schleuderte seine Energien auf uns. »Schutzschirme Vollast.« Mich erfüllte Grimm. »Nun werden wir dir einmal zeigen, daß wir diese Sprache auch beherrschen.«
Ich justierte die Automatik der Transformbomben selbst. Dann wartete ich die wenigen Sekunden ab, die die Positronik für die Umsetzung benötigte. Meine Hände ruhten auf den Feuerknöpfen und ruckten nach unten, als die programmierten Daten mit dem Ziel übereinstimmten. Für Sekundenbruchteile entstanden die Strukturlücken in den Abwehrschirmen. Vier schwere Transformgeschosse explodierten im gleichen Augenblick inmitten des roten Waberns des Drylls. Ich mußte meine Sinne abblocken, als ein mentaler Schrei in mir gellte. Rasch verebbte das Tosen, und ich fand wieder zu mir. Auf den Ortungsschirmen war der Dryll verschwunden. Die rötlichen Energiefasern des Grenzwächters schlugen wieder in ein sattes Grün um. Die kümmerlichen Reste einer längst vergangenen Superintelligenz existierten nicht mehr. »Saubere Arbeit«, meldete sich nun wieder Ahratonn. »Ich hoffe, daß du dafür nicht bestraft werden wirst, Atlan. Ich stehe tief in deiner Schuld.« Die Feuerleitzentrale löste sich wieder auf. Die Materie verwandelte sich und verschwand im Boden der Halle. Kik und seine Begleiter standen oder hingen schweigend neben mir. Auch Pit sagte nichts, aber seine Lämpchen verrieten mir, daß er in Kontakt mit der Basis stand. »Ahratonn«, rief ich laut. »Ich habe dir gern geholfen. Ich hoffe aber auch, daß du mir mit einer Gegenleistung behilflich bist.« »Sprich, Arkonide. Wenn ich dir helfen kann, so werde ich es auch tun.« »Mein Begehren besteht aus zwei Teilen. Zunächst möchte ich, daß du diesen Kreaturen ihre volle Freiheit gibst.« Ich deutete auf Kik, Duusnorz und die anderen. »Erfüllt«, antwortete Ahratonn sogleich. »Jeder kann seinen Weg gehen oder hier bleiben als mein Geistespartner. Da ich im Unterschied zu Eppletonn keinen schlecht behandelt habe, hoffe ich,
daß sie mich nicht ganz allein lassen. Und deine zweite Bitte?« »Da draußen steht die Basis des Ersten Zählers Janv-Zount. Dieser ist verschwunden, von der verbannten Superintelligenz Anti-ES entführt und versklavt. Ich habe den Robotern der Basis versprochen, alles zu tun, um ihren Herrn zu finden. Allerdings haben wir jede Spur verloren.« »Ich verstehe.« Dann schwieg Ahratonn lange Zeit. »Es handelt sich also um einen Zount eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens. Das ist heikel. Es gibt mir kaum eine Möglichkeit, dir einen Rat zu geben, weil ich nichts wissen kann und auch nichts weiß. Außerdem ist ein Eingreifen in die Aktualität verboten und unmöglich. Nicht einmal die Schlafenden Mächte würden das können. Eins kann ich dir jedoch sagen. Anti-ES muß mehrere Zounts haben, und diese befinden sich nicht im Einsatz. Sie ruhen also noch in ihrer eigentlichen Heimstatt. Diese ist das Spinar.« »Das Spinar?« »Ja, das Spinar. Du kommst sicher einen Schritt weiter, wenn du es findest. Vielleicht entdeckst du dort sogar den vermißten JanvZount. Das ist alles, was ich dir sagen kann und darf.« »Das heißt, daß du mehr weißt?« So schnell wollte ich mich nicht geschlagen geben. »Das heißt es nicht, Arkonide. Denn was ich nicht wissen darf, weiß ich auch nicht.« Logik der Namenlosen Zone, kommentierte der Extrasinn. »Also gut, Ahratonn. Und wie finde ich das Spinar?« »Das ist dein Problem. Ich weiß nur, daß es aus magnetischer Energie bestehen muß, die eine feste Form als Materie angenommen hat. Und nun lebe wohl!« Als ich mit Pit das Beiboot bestieg, schloß sich Kik uns wie selbstverständlich an. Er winkte den anderen noch einmal zu, die ihre Gefühle des Dankes zu mir abstrahlten. »Was ist das Spinar?« fragte ich den Roboter, während wir auf die Basis zusteuerten.
»Wir wissen es nicht«, antwortete Pit. »Aber wenn es tatsächlich aus magnetischer Energie besteht, werden wir es finden. Spyk-14 hat die Sensoren schon in Betrieb genommen.« »Schön, Atlan. Nicht wahr?« sagte Kik, und seine Augen starrten mich zwischen den Haarbüscheln an. »Du bist mir ein Rätsel«, wiederholte ich noch einmal und hoffte, daß Kik etwas über sich sagen würde. »Ich mir auch, nicht wahr?« lautete seine wenig aufschlußreiche Antwort. Die Basis nahm das Beiboot wieder auf.
4. »Wir haben eine Menge aus den mentalen Äußerungen des Drylls herausfiltern können«, begrüßte mich Rico in der Zentrale. »Interessiert es dich? Wir haben noch Zeit, bis die ersten Auswertungen der Ortung vorliegen.« »Mich interessiert alles, was sich in der Namenlosen Zone abspielt.« »Deine Vermutung, daß der Dryll künstlich mit Lebensenergien versorgt wurde, war richtig. Auch besteht kein Zweifel mehr darüber, daß Anti-ES dies verursacht hat. Wir wollten das zunächst nicht glauben, weil das einen ungeheuerlichen Verstoß darstellt. Der Dryll war das Wrack eines Verbannten, der zu drei RelativEinheiten verurteilt war. Das Wesen, das er einmal war, hatte diese Zeit nicht überstanden. So dachte der Dryll. Was das bedeutet, wissen wir nicht.« »Das ist alles?« »Nein. Ahratonn erwähnte eine Bestrafung, weil du mit rohen Waffen gekämpft hast. Wir glauben nicht daran, denn du hast eine Unordnung beseitigt, die durch eine noch größere Unordnung entstanden war.«
»Wer sollte mich bestrafen, Rico?« »Das wissen wir nicht.« Ich konnte mir zwar ungefähr vorstellen, was der Roboter wirklich meinte, aber ich merkte nun, daß dieses Gespräch wieder in der schon bekannten Sackgasse geendet war. »Gibt es schon eine Spur von dem Spinar?« Es war wohl zweckmäßiger, wieder die aktuellen Probleme anzufassen. »Wir haben mehrere verdächtige Echos gefunden.« Rico deutete auf eine Tafel, die mit Leuchtsymbolen bedeckt war. »Welches das Spinar ist, wissen wir jedoch nicht.« »Ihr müßt die verlorengegangene Spur von Anti-ES in die Berechnungen einbeziehen«, erklärte ich, wobei ich einem vagen Verdacht folgte. »Aus ihrer Richtung muß sich ein Hinweis ergeben, welches das von uns gesuchte Objekt ist.« »Oh!« staunte der Roboter. »Ein guter Hinweis. Du nimmst an, daß Anti-ES in Richtung des Spinars floh?« Noch bevor ich seine Frage bejahen konnte, erloschen alle Symbole, eins ausgenommen. »Das muß das Spinar sein«, behauptete Rico und deutete auf das Zeichen, das einer dicken Münze glich. »Sollen wir starten?« »Natürlich. Wir folgen der Spur des Ersten Zählers.« Und der zu den Kosmokraten oder der ins heimatliche Universum, fügte ich in meinen Gedanken hinzu.
* Nach drei Flugetappen des Ego-Transmitters machte mich Rico darauf aufmerksam, daß wir nun in die unmittelbare Nähe des georteten Objekts geraten würden. Meine Neugier war auch dadurch geweckt, daß ich nun endlich etwas anderes der Namenlosen Zone kennenlernen würde. Mir erschien diese Dimension oder was immer es war, völlig sinnlos wegen ihrer Leere.
Vielleicht fehlte mir aber einfach nur der seit Jahrtausenden gewohnte Anblick der Sterne und Galaxien. Die bei den Zwischenstopps durchgeführten Ortungen hatten das anfängliche Aussehen des Spinars bestätigt. Das Gebilde besaß die Form einer dicken Scheibe. Über seine wirkliche Größe konnte oder wollte Rico noch keine Aussage machen. Ich konnte mir nach den Ortungsbildern auch kein Bild darüber machen. Dann aber war es soweit. Nach einer letzten Aktivierung des EgoTransmitters überwand die Basis die Entfernung zu dem Objekt. Übergangslos tauchte die Scheibe auf den Sichtschirmen auf. »Entfernung zum Spinar«, meldete ein Roboter laut, »4 800 Kilometer. Größe wird vermessen.« Die Helfer der Basis hatten es sich angewöhnt, Maße in den mir bekannten Systemen anzugeben. »Die Scheibe besitzt einen Durchmesser von 5 422 Metern und eine Dicke von 1 063 Metern.« Das war ein wahrhaft gewaltiges Ding da draußen, und es war um einiges größer als die Basis des Ersten Zählers. Ich betrachtete das Bild genauer. Das Spinar – ich nahm an, daß dies das gesuchte Objekt war, von dem Ahratonn gesprochen hatte – wies keine Besonderheiten auf. Wenn ich es mit einer dicken, großen Münze verglich, so stimmte eins nicht. Die Kanten an den Rundungen waren gewölbt und nicht scharf. Insofern ähnelte das Spinar in seiner Form eher einem Topfkuchen. Die Außenhaut wies eine Vielzahl von Farben auf, die ständig in Bewegung waren. Es überwogen stumpfe Grautöne, aber dazwischen bildeten sich Flächen und Schlieren in allen Farben des Regenbogens. Ich gewann aus dem langsamen Wandern der Farbfelder und den damit verbundenen Veränderungen des Aussehens den Eindruck, als ob es sich um ein lebendes Objekt handle. Die Roboter arbeiteten unterdessen an den Ortungsanlagen, um mehr in Erfahrung zu bringen. Rico vertröstete meine Neugier. »Sollte man es nicht anfunken?« fragte ich. »Vielleicht hält man
uns für Feinde.« »Das ist undenkbar«, wehrte Pit ab. »In der Namenlosen Zone gibt es keine Feinde, zumindest normalerweise nicht.« »Woher willst du das wissen?« »Wir wissen es einfach durch Janv-Zount. Du kannst hier kaum etwas mit den Welten vergleichen, die du aus deiner Heimat kennst. Im übrigen sorgen die Schlafenden Mächte dafür, daß hier keine Feinde sind.« »Wer sind die Schlafenden Mächte, Pit?« »Das wissen wir nicht. Es ist auch nicht wichtig.« Die berühmte Sackgasse, dachte ich und formulierte eine andere Frage: »Ist Anti-ES etwa kein Feind? Schließlich hat es euren Herrn mißbraucht und entführt. Es hat den Dryll zu neuem Leben geweckt und auf uns gehetzt.« »Du kannst darin wahrscheinlich nur einen Feind sehen, Atlan. Für uns ist Anti-ES nur eine Notwendigkeit, die aus ihrem eigenen Dasein und Hiersein entstand. Deine Wertmaßstäbe müssen hier nicht unbedingt Gültigkeit besitzen.« Ich zog es vor zu schweigen. Rico kam mit einer Folie zu mir, die voller unverständlicher Symbole war. Er hielt mir den Bogen vors Gesicht, als ob ich ihn verstehen könne. »In der Tat ein sonderbares Ding, das Spinar«, erläuterte er. »Es besteht zu etwa 90 Prozent aus magnetischer Energie, die so hoch verdichtet ist, daß sie materielle Form angenommen hat. Nach unseren Messungen muß es im Innern aber auch andere, also normale Materie geben. Diese können wir jedoch nicht genau erfassen. Nur ein Teil ist deutlich. Genau in der Mitte befindet sich ein zylinderförmiges Stück. Dabei könnte es sich um die Anlage handeln, die ständig die magnetische Energie erzeugt. Vielleicht ist dieser Projektor ein Magnomon.« »Was ist ein Magnomon, Rico?« »Eine Maschine zur Erzeugung hypermagnetischer Dichten. Janv-
Zount hat das einmal erwähnt. Mehr wissen wir darüber nicht.« »Ich möchte das Spinar aus der Nähe sehen.« »Du kannst ein Beiboot haben«, antwortete Rico. »Wenn du keine Einwände hast, werde ich dich begleiten. Die Basis darf jedenfalls nicht näher heran, weil dann der Einsatz der Defensivschirme gefährdet wäre.« »Einverstanden.« »Ich komme natürlich auch mit«, meldete sich Kik aus einem hinteren Winkel der Zentrale. Langsam kam er auf vier Beinen auf mich zu. Das fünfte benutzte er als Hand. Er hielt mir ein Päckchen Konzentratwürfel entgegen. »Wer ist das?« fragte ich Rico und zeigte auf den Fünfbeiner. »Das ist Kik«, entgegnete der Roboter verdutzt. »Was weißt du über ihn?« »Ich?« Nun staunte der Roboter erst richtig. »Schließlich hast du ihn doch mitgebracht und nicht wir.« Kik tat so, als habe er nichts gehört.
* Schon bei der Annäherung an das Spinar geschah mit diesem eine Veränderung. Ich vermochte nicht zu sagen, ob diese durch uns ausgelöst worden war oder eine andere Ursache hatte. Die farbige Masse schrumpfte in Sekunden ein Stück in sich zusammen. Sie sank nach innen und gab einen metallischen Ring an der Außenkante frei. Auch wurden verschiedene spitze Formen sichtbar, zweifellos Antennen oder etwas Ähnliches, sowie Tore, Projektoren und andere technische Einrichtungen. Jetzt erst zeigte das Spinar sein wahres Aussehen. Es stand fest, daß es sich hierbei um ein technisches Instrument handeln mußte. Da es, wie alles in der Namenlosen Zone, mir völlig unbekannt war, konnte ich verborgene Gefahren nicht ausschließen.
Ich dachte aber nicht daran, das begonnene Vorhaben abzubrechen. »Dort befindet sich nun also Anti-ES«, sagte Kik mit dem Brustton der Überzeugung. »Das weißt du?« fragte ich mißtrauisch zurück. »Ich vermute es, nicht wahr?« Der Fünfbeinige schien sich zu amüsieren. »Ganz kann es ja nicht hier sein, denn es ist ja an seine Verbannung gebunden. So siehst du die Sache doch auch, Atlan, nicht wahr?« Er konnte recht haben. Oder auch nicht. Rico steuerte das kleine Beiboot auf eins der Tore zu, die am Außenrand erkennbar waren. Ich fragte mich, was die Veränderungen des Spinars zu bedeuten hatten. Man hat unser Kommen bemerkt, behauptete der Extrasinn. Das Zurückweichen der magnetischen Massen ist eine Art Einladung. Als der Roboter das Schiff etwas in die Höhe zog, konnte ich von einer Seite auf die Scheibe blicken. Die abgeflossene Masse war teilweise transparent. Im Innern des Spinars erkannte ich verschiedene unregelmäßige Muster, kantige Gebilde, die sich über den ganzen Raum verteilten, und die durch dünne Bahnen mit dem Zentrumskern und der Außenkante verbunden waren. Ich zählte genau zehn dieser eckigen Formen. Zehn, sagte der Logiksektor. Das gibt mir zu denken. Anti-ES wurde für zehn Relativ-Einheiten verbannt. Allmählich erkenne ich den Sinn. »Ich verstehe nichts«, gab ich zurück. Noch ist es für eine logische Schlußfolgerung zu früh. Eine Erkundung des Spinars wird aber neue Erkenntnisse bringen. »Wenn uns niemand daran hindert.« Tatsächlich öffnete sich das Tor, das Rico anflog. Man erwartete uns tatsächlich. Ich wunderte mich, daß der Extrasinn nichts gegen mein Vorhaben einzuwenden hatte, denn es war ja denkbar, daß wir haargenau in eine Falle flogen. Strahlende Lichter waren in der Halle erkennbar, in die wir steuerten.
»Künstliche Schwerkraft«, meldete Rico, als wir die Schleuse passierten. »Sie entspricht den gewohnten Werten. Auch herrscht hier eine Atmosphäre vor, die der der Basis gleicht.« Wir landeten auf einer freien Fläche. Hinter uns schloß sich die Öffnung nach draußen. »Ich habe keinen Kontakt mehr zu Pit.« Rico wirkte wieder einmal beunruhigt. »Selbst die Impulse der Gesamtsteuerung erreichen mich nicht mehr. Wir sind abgeschnitten.« »Wenn wir Janv-Zount finden wollen«, entgegnete ich, »müssen wir etwas riskieren. Bitte, öffne den Ausgang.« Wenige Sekunden später stand ich mit Kik neben dem Beiboot. Rico zog es vor, dieses nicht zu verlassen. Ich betrachtete die Umgebung. Die hellen Lichter an allen Seiten blendeten mich stark, so daß ich viele Einzelheiten nicht erkennen konnte. Die Wände waren glatt. Verschiedene dunkle Öffnungen ließen mich ahnen, daß von hier Wege in das Innere führten. Der Boden fühlte sich warm und weich an, aber er war hart, wie ich schnell feststellte. Das Material war ähnlich wie Metall, aber unbekannt. Magnetische Energie, die fest geworden ist, meinte der Extrasinn. »Vorsicht!« rief Rico aus dem Innern des Beiboots. Im gleichen Augenblick schlug das Schott zu. Zunächst glaubte ich, daß sich der Boden vor mir aufwölbte. Dann erkannte ich, daß sich etwas durch diesen hindurch in die Höhe drängte. Das Wesen, und zweifellos handelte es sich um ein solches, durchquerte die Spinarmaterie ohne erkennbare Wirkung. Es kam einfach aus dem Boden, als sei dieser nicht vorhanden. Drei weitere folgten ihm. Schließlich waren Kik und ich von vier dieser Gestalten umringt, die sich nur in ihren groben äußeren Formen glichen. Sie besaßen einen kugelförmigen Rumpf, der bei dem kleinsten Wesen etwa 40 Zentimeter durchmaß, bei dem größten fast 70 Zentimeter. Der Kugelleib schwebte eine Handbreit über dem Boden. Auf der Oberseite wuchsen zwei Extremitäten in die Höhe. Sie erinnerten mich an lange Keulen, an deren Enden kleine
Auswüchse zuckten, die vielleicht Finger darstellen sollten. Diese Arme waren ein Stück länger als die Körper dick waren. Rumpf und Extremitäten waren seltsam und ohne Prinzip gemustert und gefärbt und von zahllosen Warzen, Ausbuchtungen und kleinen Mulden überzogen. Während bei dem größten Wesen die Blautöne überwiegten, waren die drei anderen rötlich bis orangefarben. Der Blaue ruckte ein Stück auf mich zu. »Du verstehst diese Sprache, Atlan?« fragte er mich. Irgendwo auf dem Kugelleib wogte eine Warze. Sie schien ein Stimmorgan zu sein. »Ich verstehe dich«, antwortete ich. »Und ich sehe, daß du mich kennst.« »Ich kenne dich nicht. Deinen Namen hat mir der neue Herr verraten. Nenne mich Jio.« »In Ordnung, Jio.« Ich atmete tief durch, denn ich wußte, daß ein falsches Wort von meiner Seite alles verderben konnte. »Ich bin in friedlicher Absicht hier. Wer ist dein neuer Herr? Wer war dein alter Herr?« »Du sprichst die Unwahrheit«, antwortete Jio. »Du bist gekommen, um Janv-Zount zu befreien. Darin können wir Neutralschweber keine friedliche Absicht erkennen. Und mein neuer Herr auch nicht. Betrachte dich als Gefangenen. Das gilt auch für deine Begleiter.« »Dann nennt sich dein neuer Herr wohl Anti-ES?« vermutete ich laut. »So ist es.« Der Kugelleib des Neutralschwebers blähte sich kurz auf und verfärbte sich grün. »Folgt mir!« »Kik folgt nur dem, den er sich selbst aussucht, nicht wahr?« schrillte mein fünfbeiniger Begleiter. »Ich weiß nicht«, sagte ich schnell zu dem Kleinen, »ob es viel Sinn hat, sich zu widersetzen.« Meine Worte nützten nichts mehr. Die vier Neutralschweber
hielten plötzlich schlanke Metallstäbe in ihren Händen, die sie aus ihren Körperfalten gezogen hatten. Flammenbahnen zuckten durch die Halle. Das erste Ziel war das Beiboot, das in tausend Fetzen gerissen wurde. Rico taumelte aus den Trümmern. Auch ihn erwischte ein Treffer, und er sank mit zerschmolzenem Leib zusammen. Als die Waffen der Neutralschweber zu Kik herumschwenkten, war dieser verschwunden. Ich hatte nicht mitbekommen, ob er sich irgendwo versteckt hatte. Er war einfach nicht mehr da. Die Neutralschweber stellten das Feuer ein. »Du siehst, Atlan«, donnerte mich Jio an, »daß es wirklich keinen Sinn hat, sich gegen uns zu wehren. Ich rate dir, uns ohne Widerspruch zu folgen. Den Fünfbeinigen erwischen wir auch noch. Dann wird er beseitigt.« »Was hat er getan?« begehrte ich auf. »Nichts«, lautete die Antwort. »Der Herr kann ihn nur nicht gebrauchen.« »Und mich braucht er, he?« »So ist es.« »Dann lasse Anti-ES wissen, daß sein Plan, mich als Geisel gegen die Hohen Mächte zu verwenden, vollkommen unsinnig ist.« Die Neutralschweber zögerten einen Moment. Ich vermutete, daß sie auf eine mir nicht bekannte Weise mit Anti-ES in Kontakt standen und nun mit diesem kommunizierten. »Anti-ES verfolgt diesen Weg schon längst nicht mehr«, teilte mir Jio mit. »Es hat eine ganz andere Absicht vor.« »Darf man erfahren, welche das ist?« »Natürlich. Aber komm jetzt, denn dies ist nicht der Ort, an dem die Veränderung durchgeführt werden soll.« Zwei Neutralschweber glitten voraus. Die beiden anderen nahmen mich in ihre Mitte. »Du hast meine Frage nicht beantwortet, Jio.« »Du bist sehr ungeduldig, Atlan. Aber das wird sich ändern. Anti-
ES hat uns den Auftrag erteilt, dich in eins seiner Manifeste zu verwandeln. Du wirst helfen, seinen Urplan zur Erfüllung zu bringen.«
5. Mein Gefängnis war eine würfelförmige Zelle. Ich schritt die knappen fünf Meter, die mir zur Verfügung standen, mehrmals auf und ab, dann hockte ich mich in eine Ecke und überlegte. An eine Fluchtmöglichkeit war überhaupt nicht zu denken, denn die Öffnung hatte sich wieder so vollkommen verschlossen, daß sie überhaupt nicht mehr erkennbar war. Alle Wände bestanden aus dem merkwürdigen Material des Spinars. An der Decke sorgte ein kleiner Ring für eine dürftige Beleuchtung. Andere Besonderheiten wies der Raum nicht auf. Da die Neutralschweber mir keine weiteren Informationen gegeben hatten, war meine Lage reichlich unklar. Fest stand für mich jedoch, daß Anti-ES mich hier bereits erwartet hatte. Das wiederum bedeutete, daß es vor mir an diesen Ort gelangt war. Unklar war weiter, wieso die verbannte Superintelligenz einen so großen Freiraum für ihre hinterhältigen Aktionen besaß und was das Spinar eigentlich darstellte. Diesbezügliche Fragen hatte Jio mir auch nicht beantwortet. Was bedeutete es, daß ich ein Manifest werden sollte? Der Extrasinn konnte mir diese Frage auch nicht beantworten, aber er ging davon aus, daß es sich um einen gehorsamen Diener von AntiES handeln müsse. Mein Gegner hatte also seine Pläne geändert, da der Erpressungsversuch gescheitert war. Das war ein schwacher Trost, denn das bedeutete auch, daß sich die Kosmokraten gar nicht um mich kümmerten. Mit dem Urplan von Anti-ES konnte nur gemeint sein, daß dieses weiterhin seine völlige Befreiung aus der Gefangenschaft der
Namenlosen Zone anstrebte. Da ich aus der Vergangenheit wußte, mit welchen brutalen Mitteln Anti-ES versucht hatte, die Menschheit zu geißeln und sich zu unterwerfen, war ich bereit, alles zu tun, um zu verhindern, daß es neue Macht bekam. Im Augenblick, das mußte ich nüchtern einsehen, waren meine Möglichkeiten jedoch total unbefriedigend. Ohne fremde Hilfe war ich in einer hoffnungslosen Situation. Ich dachte an Kik, der trotz seiner scheinbaren Einfalt über mir nicht näher bekannte Möglichkeiten zu verfügen schien. Die ersehnte Unterstützung kam von einer ganz anderen Seite, und zunächst erkannte ich sie auch gar nicht. Durch eine Wand drang einer der Neutralschweber in meine Zelle. An seinen Farbschattierungen erkannte ich, daß es sich um keinen der vier handelte, die mich in dieses Gefängnis gesteckt hatten. Das Kugelwesen glitt schweigend eine Weile vor mir auf und ab. Ich merkte mir seine Muster und seine grüne Farbe. Schließlich ließ es sich vor mir auf dem Boden nieder. »Knautz.« Es deutete mit einem Arm auf seinen Leib. »Du meinst, das ist dein Name?« Statt einer klaren Antwort wiederholte der Neutralschweber das Wort. Es könnte sein, machte mich der Extrasinn auf meinen Irrtum aufmerksam, daß dieser Knautz deine Sprache nicht versteht. »Ich heiße Atlan. Und du bist Knautz«, sagte ich daher. »Kannst du mich verstehen?« Der Neutralschweber antwortete nicht. Statt dessen holte er aus einer Körperfalte ein kleines Gerät und reichte es mir. Ich betrachtete es prüfend, ohne seine Funktion zu verstehen. Dann aber begann das Kästchen zu sprechen. Ich erkannte, daß es einen bestimmten Satz in verschiedenen Sprachen an mich richtete, und schließlich verstand ich auf halutisch: »Ich bin ein Translator. Bitte, identifiziere eine der angebotenen Sprachen, damit ich deine erlernen kann.«
Damit war klar, was Knautz beabsichtigte. Wenige Minuten später konnte ich mich mit ihm einwandfrei verständigen. »Die Abtrünnigen haben dich an diesen Ort gebracht«, stellte Knautz fest. »Es geschehen seltsame Dinge in dem Spinar, die ich nicht verstehe. Und nun bist auch noch du hier. Berichte mir, was du weißt.« Ich fand mich schnell mit der Erkenntnis ab, daß dieser Neutralschweber nichts mit denen gemeinsam hatte, die mich aufgegriffen hatten. So sah ich auch keinen Grund, vor ihm Geheimnisse zu haben. Ich erzählte ihm von Anti-ES, der Basis und von Janv-Zount, den die Roboter und ich hier vermuteten. »Wir haben so etwas befürchtet«, antwortete Knautz bereitwillig. »Leider kenne ich die Zusammenhänge nicht. Auch weiß ich nicht, was mit einem Manifest gemeint ist. Es würde auch meine Befugnisse überschreiten, dir mein Wissen zu geben. Das muß von berufener Seite geschehen.« »Du sprichst in Rätseln, Knautz. Wer oder was ist die berufene Seite?« »Es müßte einer der Zähler sein«, lautete die Antwort. »Alle Zähler von Anti-ES befinden sich hier im Spinar, aber natürlich ruhen sie. Ich gehöre zu Wonat-Zount, dem Achten Zähler, aber dessen Zeit ist noch lange nicht gekommen. Ich denke, du sprichst am besten mit Taup-Zount, dem Zehnten und Letzten Zähler. Ich weiß allerdings nicht, ob es gelingt, ihn zu erwecken. Ferner mußt du auf die abtrünnigen Neutralschweber achten, denn die gehorchen nunmehr der gefangenen Macht, die du Anti-ES nennst.« »Kannst du mich zu diesem Taup-Zount bringen, Knautz?« »Ich werde es zumindest versuchen«, antwortete das Kugelwesen. »Warte!« Ohne weitere Erklärung verschwand es durch den Boden.
*
Wenige Minuten später drangen mehrere Neutralschweber in meine Zelle. Ich erkannte unter ihnen auch Knautz. Das Gros der Kugelwesen begann damit, eine Wand aufzulösen. Die Instrumente, die dabei benutzt wurden, waren mir unbekannt. Schließlich entstand aber eine große Öffnung, und Knautz bat mich, ihm und seinen Artgenossen auf diesem Weg zu folgen. Die voranschwebenden Kugelwesen bauten diesen Stollen immer weiter aus, bis wir auf einen eher natürlichen Korridor stießen. Hier wartete eine Gruppe anderer Neutralschweber auf uns. Sie trugen die Trümmer von Rico in ihrer Mitte. »Wir haben deinen Roboter nur teilweise reparieren können«, erklärte mir Knautz. »Sein Gedächtnis funktioniert wieder, aber er kann nicht selbst laufen. Drei von uns werden ihn tragen. Er muß später auf der Basis wieder instand gesetzt werden.« »Hallo, Atlan«, sagte Rico. Seine Lichter am demolierten Kopf blieben dunkel. »Was ist geschehen?« »Ich weiß es nicht. Diese Neutralschweber sind auf unserer Seite. Sie wollen uns zu Taup-Zount bringen, von dem ich mehr zu erfahren hoffe.« »Taup-Zount?« zweifelte Rico. »Den kenne ich nicht. Wir müssen zu Janv-Zount.« »Das ist unmöglich«, mischte sich Knautz ein. »Janv-Zount ist nicht mehr Herr seines eigenen Willens. Auch Perv-Zount und ErfZount wurden bereits von Anti-ES geweckt und in Manifeste verwandelt. Nur die schlafenden Zounts können euch und uns jetzt noch helfen.« Meine Vermutung war richtig, wisperte der Extrasinn. Die Zounts sind die Zähler, und es gibt deren zehn, denn Anti-ES wurde für zehn Relativ-Einheiten verbannt. Mir war das noch etwas schleierhaft, und so gab ich keine Antwort. »Kommt!« drängte Knautz.
Ein Teil der Neutralschweber glitt durch den Korridor voran. Mit Knautz folgte ich diesen. Den Schluß bildeten die Träger von Ricos Körper. Auch hier bestanden die Wände aus der Spinarmaterie. Wir passierten eine leicht geschwungene Metallwand. »Das Magnomon mit den Projektoren«, erklärte mir Knautz. »Das ist das Kernstück des Spinars, in dem aus dem Magna-Flux die magnetische Masse erzeugt wird, die die schlafenden Zounts brauchen.« Die Neutralschweber bogen in einen anderen Gang ab und hielten plötzlich an. »Deckungen aufbauen!« brüllte Knautz. Vor uns waren andere Neutralschweber aufgetaucht. Ich täuschte mich nicht, als ich Jio in dieser Gruppe erkannte. Sofort entbrannte ein wilder und unwirklicher Kampf. Da sich mehrere von Knautz' Begleitern schützend vor Rico und mir aufbauten, wurden wir von den gleißenden Energiebahnen verschont. Mehrere Neutralschweber wurden auf beiden Seiten getroffen, aber sie vergingen dadurch nicht. Sie lösten sich zwar teilweise auf oder sie wurden zumindest transparent, kaum war das Feuer jedoch verebbt, vervollständigten sich die Körper wieder. Ich erkannte, daß es sich bei den Neutralschwebern um gar keine Lebewesen in meinem Sinn handeln konnte. Die Gruppe um Knautz war eindeutig in der Überzahl. Sie drängte die Abtrünnigen rasch zurück. Dann wurde eine Wand aus Spinarmaterie aufgebaut. »Verhärtete Substanz«, erklärte mir Knautz hastig. »Sie ist aus der gleichen Form, aus der dein Gefängnis war. Ohne weiteres kann man sie nicht durchdringen. Das gibt uns einen Vorsprung, um zu Taup-Zount zu gelangen. Komm!« Wir eilten weiter durch die fremdartigen Gänge, bis wir an ein Tor gelangten. »Die Wohnstatt des Zehnten Zählers.« Knautz machte sich an
einer Vorrichtung zu schaffen, die entfernt einem Kombinationsschloß ähnelte. »Du wirst mich allein begleiten, Atlan. Die anderen werden uns den Rücken decken.« Ich hatte keine andere Wahl, als mein Einverständnis zu geben. Das Tor schwang zur Seite und gab den Blick auf verwirrende technische Einrichtungen frei. Knautz glitt voran und winkte mir. Ich kletterte über Gestänge und Öffnungen hinter dem Neutralschweber her. Schließlich stand ich neben dem Kugelwesen vor einer transparenten Wand, hinter der ein gelbes Gas wogte. »Hier ruht Taup-Zount«, erklärte Knautz. »So wird es bleiben, bis seine Relativ-Einheit beginnt, es sei denn, daß Anti-ES ihn in seiner Ruhe stört.« »Wie kann ich mit ihm sprechen?« »Ich werde versuchen, ihn zu wecken. Warte bitte.« Was Knautz nun tat, blieb mir unklar. Er bewegte seine beiden Arme langsam hin und her, berührte jedoch nichts und gab auch keine Laute von sich. »Er sträubt sich«, bemerkte er nur einmal. »Ich bleibe jedoch hartnäckig.« Dann nahmen die Dinge einen ganz anderen Lauf. Hinter mir drängten plötzlich mehrere Neutralschweber in den Raum. Es mußte sich wieder um die beiden Parteien handeln, denn nun schlugen die Kugelwesen mit ihren Keulenarmen aufeinander ein. »Ich muß abbrechen«, rief Knautz mir zu und stürzte sich in das Getümmel. »Taup-Zount verweigert jeden Kontakt. Und jetzt wird er wütend werden, weil wir ihn in seiner Wohnung belästigen.« Die transparente Wand wich plötzlich zur Seite, und die gelben Gaswolken strömten heraus. Sie formten sich zu gewaltigen Armen, die für sich allein schwebten. Einen Körper konnte ich nicht erkennen. Ich fühlte mich gepackt, ohne daß ich mich wehren konnte. Den Neutralschwebern erging es nicht anders. Das Durcheinander währte keine Minute, dann hatten die körperlosen Arme alles aus
der Heimstatt Taup-Zounts hinausbefördert. Das Tor schloß sich wieder. Die streitenden Parteien kämpften weiter. Sie setzten jetzt auch wieder ihre Energiewaffen ein, die jedoch höchstens mir gefährlich werden konnten. Knautz versetzte einem Neutralschweber einen Stoß und glitt auf mich zu. »Wir müssen weg von hier, Atlan«, brüllte er durch das Getümmel. Zusammen mit zwei seiner Artgenossen wurde ich fortgezerrt. Dunkelheit nahm mich auf, aber die Neutralschweber rasten immer weiter, bis ich wieder ein Licht erblickte. Ich wurde auf dem Boden abgesetzt. »Es bleibt nur noch eine Möglichkeit«, erklärte mir Knautz. »Wir müssen es bei einem unserer Zähler versuchen. Diese beiden gehören zu Kayt-Zount. Ich selbst diene Wonat-Zount, dem Achten Zähler.« Die Neutralschweber unterhielten sich lautlos. Dann teilte mir Knautz mit, daß man sich darauf geeinigt hatte, Wonat-Zount zu wecken. Wir setzten unseren Weg durch das Spinar fort, bis wir an ein Bullauge gelangten. »Die Wohnung des Achten Zählers, meines Herrn«, erläuterte Knautz. »Wir können nur hoffen, daß wir von den Abtrünnigen nicht gestört werden, bevor der Zount erwacht ist. Ich werde ihn nun rufen.« Wieder konnte ich nicht feststellen, was der Neutralschweber machte. Ich vermutete nur, daß er auf mentaler Ebene mit seinem Herrn in Kontakt trat. Es geschah zunächst nichts, aber ich hörte wieder Kampflärm aus der Richtung, aus der wir gekommen waren. Plötzlich weitete sich das Bullauge, hinter dem ich bislang nur einen schwachen Lichtschimmer bemerkt hatte. »Wonat-Zount ist erwacht«, teilte mir Knautz mit. »Er ist bereit, mit dir zu sprechen. Tritt durch den Eingang.« Als ich mich bewegen wollte, packte eine unsichtbare Kraft nach mir. Ich wurde durch das inzwischen mannsgroße Tor gezerrt und
landete nach dem kurzen unfreiwilligen Flug in einem fünfeckigen Raum, der mit dicken Polstern ausgelegt war. Hinter mir schloß sich geräuschlos die Wand. »Du mußt einen wichtigen Grund haben«, sagte neben mir eine weiche und freundliche Stimme, »daß Knautz meine Ruhe unterbricht. Ich bin Wonat-Zount, der Achte Zähler. Was führt dich zu mir, Atlan?« »Ich sehe dich nicht«, erwiderte ich automatisch. Ein leises Lachen war die Antwort. »Ich ruhe. Und deshalb ist es unnötig, eine bestimmte Gestalt anzunehmen. Meine Einheit ist noch lange nicht reif. Du mußt dich damit begnügen, mit einem Schlafenden zu sprechen, den du nicht siehst. Mehr als ein Gespräch kann ich dir sowieso nicht anbieten, denn noch bin ich zur Handlungsunfähigkeit verdammt. Ich kann dich beraten, mehr nicht.« Nach den jüngsten merkwürdigen Ereignissen fand ich mich auch damit ab, hier eine Unterhaltung mit einem Unsichtbaren zu führen. Ich berichtete, was ich über die Geschehnisse wußte. Wonat-Zount stellte gelegentlich Zwischenfragen, die zeigten, daß er mir aufmerksam zuhörte. Dann stellte ich meine Fragen, bis ich unterbrochen wurde. »An deinen ehrlichen Absichten«, sagte der unsichtbare Zähler, »habe ich keine Zweifel. Es ist jedoch so, daß du alles nur in wenigen Bruchstücken siehst. Daher ist es wohl besser, wenn ich dir zunächst ein paar grundsätzliche Dinge über das Spinar und die Zähler vermittle. Dann wirst du einiges in einem anderen Licht sehen. Ohne Beseitigung dieser Wissenslücken bist du dazu verdammt, nur Fehler zu machen.« »Ich höre, Wonat-Zount. Und ich gebe zu, daß ich neugierig bin.«
*
Die Namenlose Zone war eine Dimension, die abseits meines Universums lag. Was unter »abseits« zu verstehen war, erklärte mir Wonat-Zount nicht. Er ließ jedoch keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie meiner Welt näher war als der der Hohen Mächte. Wieder einmal wurde mir bewußt, wie sehr ich mein Ziel, die Kosmokraten, verfehlt hatte. Irgendwo in der Namenlosen Zone stand das Spinar, das auch die Heimat der Zähler oder deren Wohnstatt genannt wurde. Dieses Spinar war nur zu einem Zweck erzeugt worden, nämlich die zehn Zähler, die Zounts, zu beherbergen. Wie mein Logiksektor schon vermutet hatte, standen diese zehn Zähler in einem ursächlichen Zusammenhang mit den zehn Relativ-Einheiten der Verbannung von Anti-ES. Ich erfuhr, daß diese Verbannung etwas ganz anderes war, als ich es mir vorgestellt hatte. In jeder der zehn Relativ-Einheiten war einer der Zähler der »Partner«, des Verbannten, in diesem Fall also der »Partner« von Anti-ES. Die Relativ-Einheit würde enden, wenn in der Läuterung des Verbannten ein Teilerfolg erzielt wäre. In Sachen Anti-ES zeichnete sich ein solcher Erfolg bislang noch nicht ab, denn die bösartige Superintelligenz hatte sich von Anfang an rebellisch benommen, ihre eingeräumten Freiheiten nur für sich ausgenutzt und damit den ursprünglich wohl geplanten Ablauf der ersten Relativ-Einheit völlig auf den Kopf gestellt. An meiner eigenen Entführung und dem gescheiterten Erpressungsversuch hatte ich das selbst deutlich gemerkt. Merkwürdigerweise schien dies den Achten Zähler nicht zu beunruhigen. »Wir kennen die Pläne der Hohen Mächte nicht«, erklärte er mir dazu. »Wir können aber davon ausgehen, daß alles seinen Sinn hat, auch dein Hiersein, sei es zufällig oder auch nicht.« Das Spinar, so erklärte mir der Unsichtbare bereitwillig, sorgte durch seine magnetischen Energien dafür, daß die Zähler existieren konnten, bis ihre eigentliche Aufgabe begann. Bislang konnte nur
Janv-Zount, der Erste Zähler, handeln. Er hatte die Basis, um damit wirkungsvoll seinen Verbannten zu betreuen, zur Besinnung zu bringen und zu läutern. Damit würde Janv-Zount auch die Länge der ersten Relativ-Einheit festlegen. »Der Plan der Kosmokraten klingt sehr vernünftig«, warf ich ein, als Wonat-Zount kurz schwieg. »Ich habe mir gedacht, daß sie keine sinnlose Bestrafung einer negativen Superintelligenz verfolgen, sondern letztlich eine Besserung. Ich sehe jedoch auch, daß dieser Plan zur Gänze gescheitert ist. Anti-ES hat den Ersten Zähler unterjocht. Janv-Zount hat auf der ganzen Linie versagt. Anti-ES hat sogar von dem Spinar Besitz ergriffen und hier Neutralschweber unter seine Kontrolle gebracht. Wie soll das alles enden?« Wieder lachte der Unsichtbare. »Du hast nur einen kleinen Teil verstanden, Atlan. Es ist so, wie du sagst, nein, es ist sogar noch anders. Anti-ES hat nicht nur JanvZount in seiner Gewalt. Auch der Zweite und der Dritte Zähler, Perv-Zount und Erf-Zount, wurden von ihm gewaltsam geweckt und in Manifeste verwandelt. Ich zweifle auch nicht daran, daß es die anderen Zähler, also Tremt-Zount, Sank-Zount, Lasse-Zount, Pay-Zount, mich, Kayt-Zount und Taup-Zount in Manifeste verwandeln wird, um sich so eine Schar williger Helfer zuzulegen.« »Und keiner tut etwas dagegen?« »Warum sollte das geschehen? Ich kenne die Pläne der Hohen Mächte nicht. Ihre Denkweise verläuft in anderen Bahnen. Sie sind und bleiben unbegreiflich. Ich weiß nur, daß sie stets DAS RICHTIGE verfolgen.« »Ich verstehe dich nicht. Es gibt doch positive und negative Kräfte. Anti-ES gehört eindeutig zu den negativen. Diese muß man verändern oder eliminieren.« »Ich weiß nicht«, antwortete Wonat-Zount nachdenklich, »ob Eliminieren die richtige Methode wäre. Und was das Verändern betrifft, so ist es wohl das, was zur Zeit mit Anti-ES geschieht.« »Ja. Es wird immer stärker. Es gewinnt immer mehr Einfluß. Es
baut die Zähler zu Manifesten um, und damit schlägt es den Kosmokraten ein Schnippchen nach dem anderen.« »So siehst du es, Atlan, weil du unvollkommen bist.« Ich gab keine Antwort
6. »Janv-Zount«, fuhr der Achte Zähler fort, »hatte zu bestimmen, welche Freiheiten Anti-ES eingeräumt wurden und zu welchen Zeiten dies geschah. Du nimmst sicher an, daß Janv-Zount damit zu großzügig war, aber das trifft nicht zu. Anti-ES war für lange Perioden auf seinem Löcherplanetoiden völlig isoliert. Es durfte ab und zu einen Fühler in deine Dimension stecken. So hat es damals davon erfahren, daß du mit Laire zu den Hohen Mächten gehen solltest. Es hat diese Chance genutzt, um dich zu entführen. Damit gerieten die Dinge erst in Bewegung. Wärst du nicht gekommen, dann säße es jetzt vielleicht noch verkümmert auf einem schäbigen Brocken lebloser Materie. Was wäre daran positiv oder ein Fortschritt? Nichts! Du vergißt, was zehn Relativ-Einheiten bedeuten. Du kannst dir nicht vorstellen, was noch geschehen kann.« »Die Dinge liegen doch wohl so«, widersprach ich, »daß Anti-ES seine Zähler nicht nur ausschaltet. Es macht sie zu seinen eigenen Sklaven. Das würde bedeuten, daß die erste Relativ-Einheit nie endet.« »Aus deiner Sicht eine durchaus richtige Schlußfolgerung. Nur übersiehst du die Absichten der Hohen Mächte.« »Ich kenne ihre Absichten nicht. Und du auch nicht.« »Das ist richtig. Und deshalb können wir beide sie nicht beurteilen.« »Das verstehe, wer wolle. Was sind die Manifeste?« »Das gesamte Manifest ist der Plan an sich. Anti-ES arbeitet mit
einzelnen Manifesten. Es benutzt die Wesenheiten der Zähler, macht sie sich willfährig und gibt ihnen einen neuen Körper. Diese Manifeste können dann sogar die Namenlose Zone verlassen, natürlich nicht in Richtung der Hohen Mächte. Es könnte jedoch sein, daß diese Manifeste einmal in deinem Universum auftauchen und dort für Anti-ES oder seinen Anti-Homunk Aufgaben erfüllen, die seinem Gesamtplan dienen.« »Dieser Gesamtplan ist die vorzeitige Beendung der Verbannungszeit.« »Richtig. Das ist ein Teil davon. Der andere ist der Aufbau einer neuen Mächtigkeitsballung, die Beseitigung der Superintelligenz ES und unter anderem die Unterjochung der Völker der Galaxis, aus der du stammst.« »Du sprichst darüber«, begehrte ich auf, »als würdest du über das Wetter reden.« Wonat-Zount lachte leise. »Es wird alles seinen Sinn haben, sonst hätten die Hohen Mächte nicht diese Weichen gestellt.« »Ich erschaudere, wenn ich daran denke, daß es einmal so kommen könnte. Bereits einmal hat Anti-ES die Völker der Milchstraße an den Rand des Untergangs gebracht. Wie können die Kosmokraten dulden, daß so etwas wieder geschieht?« »Es ist völlig sinnlos zu versuchen, die Pläne der Hohen Mächte zu verstehen, Atlan. Ich versuche es gar nicht. Und du solltest dich auch lieber auf die Dinge konzentrieren, die im Augenblick für dich wichtig sind.« »Weiß ich, ob ich mein Heimatuniversum je wieder sehe?« »Du kannst es nicht wissen, also ist es müßig, darüber zu grübeln. Hier kannst du viel lernen. Und du mußt dich nach deinem Willen gegen Anti-ES behaupten. Ich fälle kein Urteil darüber, ob dein Tun richtig ist. Knautz ließ mich wissen, daß die Neutralschweber der unterjochten Zounts dich für eine Verwandlung in ein Manifest zur Verfügung halten sollen. Deine Chancen, diesem Schicksal auszuweichen, sind gering.«
»Für mich ist es unvorstellbar, ein Werkzeug des Bösen zu sein.« »Manifeste sind nicht unbesiegbar. Man kann den in ihnen steckenden Zount zwar nicht töten, wenn seine Relativ-Einheit noch nicht passiert ist, aber der Körper des Manifests und damit dessen Existenz ist leicht auszuschalten. Hier im Spinar brauchen die Zähler die magnetische Energie, um erhalten zu bleiben. Würde diese magnetische Energie jedoch von Positronenströmen erzeugt werden, also zur Herstellung einer Posimagno-Energie führen, so wäre das Manifest verloren. Wie dies bei dir wirkt, wenn du einmal ein Manifest bist, weiß ich allerdings nicht. Auch rate ich dir, nicht mit deinem zukünftigen Herrn Anti-ES über diese Dinge zu sprechen, denn es weiß nichts von dieser Schwäche der Manifeste. Wenn es davon erführe, würde es diese womöglich dagegen härten.« »Ich werde alles in meinen Kräften Stehende tun, um kein Knecht von Anti-ES zu werden.« »Das glaube ich dir.« Wonat-Zount schien amüsiert zu sein. »Aber welche Möglichkeiten hast du?« »Ich rechne mit deiner Hilfe und mit der der noch nicht beeinflußten Neutralschweber. Und dann habe ich noch die Basis des Ersten Zählers.« »Oh!« Nun war der Unsichtbare erstaunt. »Die Basis ist hier? Lebt die Lichtquelle denn noch?« »Sie ist zwar nicht sehr zugänglich, aber sie ist vorhanden.« »Dann hast du tatsächlich ein Instrument in der Hand, das dir zur Flucht vom Spinar gereichen könnte. Es ist die Frage, wie Anti-ES reagiert. Auf die Neutralschweber solltest du nicht zählen. Sie sind eine Existenz zwischen Traum und Realität. Sie funktionieren nur nach dem Willen ihrer Zähler. Wenn diese in der Gewalt von AntiES sind, sind ihre kümmerlichen Helfer es auch.« »Und wie sieht es mit deiner Hilfe aus, Wonat-Zount?« »Du vergißt, daß ich nicht handeln kann, denn jetzt ist nicht meine Zeit. Aber helfen dir meine Auskünfte nicht?«
»Doch, und ich danke dir. Ich sehe aber das Ende der augenblicklichen Entwicklung. Anti-ES wird immer mehr Einfluß gewinnen, und es wird nie ein Ende der Ersten Relativ-Einheit geben.« »Das würde bedeuten, daß es als Dryll endet. Ich halte das für ausgeschlossen, denn dann hätten die Hohen Mächte eine Verbannung von nur einer Relativ-Einheit verhängt.« »Ich habe einen Dryll getroffen, der für drei Einheiten verbannt war.« »Das ist mir bekannt. Ich gelange gerade an weitere Informationen über dich. Dieser Dryll scheiterte aus gänzlich anderen Gründen. Und wie du selbst erfahren hast, war er nicht vollkommen ausgelöscht.« »Deine Logik ist mir fremd.« »Unwichtig, Atlan. Was ich eben erfahren habe, ergibt für mich ein neues Bild. Wenn Janv-Zount handlungsfähig wäre, könnte er die erste Relativ-Einheit beenden.« »Was?« Zu mehr als diesem Ausruf war ich nicht fähig. »So ist es, und du weißt es selbst. Allerdings hast du das Geschehen in eine andere Bahn gelenkt. Es hatte sich ein winziger und positiver Kern in Anti-ES gebildet, aber du hast ihn entfernt.« »Du sprichst von Born?« Ich bekam keine Antwort. »Dann kennst du auch Chybrain?« »Chybrain«, sagte der Achte Zähler langsam, »ist ein unerlaubtes Produkt. Er weiß das. Er ist ein Bastard.« »Ich sehe die Sache völlig anders.« »Wie immer.« Wonat-Zount lachte mitleidig. »Du weißt nicht, auf was du dich eingelassen hast. Und damit, so meine ich, ist unser Gespräch vorerst beendet. Bis mich Anti-ES in das Manifest Wonatrin verwandelt hat, kannst du mich über Knautz vielleicht noch erreichen. Und nun geh.« Vor mir entstanden Schlieren in der Luft, die sich zu winzigen farbigen Bällchen verformten und dann auflösten. Von einem
Gedanken zum anderen fand ich mich draußen vor der Heimstatt des Achten Zählers wieder. Knautz wartete hier auf mich.
* »Ich muß zu Rico, dem Roboter«, sagte ich. Der Neutralschweber schwankte leicht und meinte: »Im Augenblick ist das unmöglich. Die Kämpfe dauern noch an. Und irgendwann werden wir zurückgedrängt und ebenfalls unterjocht werden.« »Zuvor müssen wir handeln. Ich muß Kontakt mit der Basis des Ersten Zählers aufnehmen. Ohne sie bin ich verloren.« »Ich weiß. Du wirst in ein Manifest verwandelt werden. Wir haben erfahren, daß die Vorbereitungen bereits getroffen worden sind. Du wirst stark sein. Anti-ES hat dich als Steuerhirn für eine Hyperwaffe ausersehen, die in einem anderen Raum wirken kann.« »Jetzt redest du auch schon wie Wonat-Zount«, warf ich dem Kugelwesen vor. »Er hat uns darüber informiert, wes Geistes Kind du bist. Er fragt sich auch, wer mehr Unruhe in die erste Relativ-Einheit von Anti-ES gebracht hat. Es oder du.« Ich biß mir auf die Lippen, weil mir diese Entwicklung nicht gefiel. Sicher, durch den halbwachen Zount hatte ich wesentliche Dinge über die Zusammenhänge um meinen Feind und um die Zähler erfahren. Mir war jetzt auch klar, daß jener Janvrin, der mir auf der Basis zu schaffen gemacht hatte und der für den Tod von Beyl Transot verantwortlich war, letztlich der Erste Zähler in einer anderen Form gewesen war. Anti-ES hatte, so verstand ich nun, erst einen Teil von Janv-Zount verwendet und dann den ganzen Zähler. Der Gedanke, daß ein schier unbesiegbares Wesen wie Janvrin auf Terra oder auf Perry Rhodans BASIS auftauchen könnte, bereitete mir mehr als Unbehagen.
Ich mußte dieser Superintelligenz entgegentreten, koste, was es wolle. »Rico«, bekräftigte ich erneut. »Ich muß zu ihm. Auch wenn er nur noch ein reparaturbedürftiger Torso ist. Nur er kann mit der Basis Kontakt aufnehmen.« »Du besitzt ein zweites Bewußtsein«, antwortete Knautz, ohne auf meine Forderung mit einem Wort einzugehen. »Das hat Anti-ES vorrangig für das Manifest ausgewählt. Du nennst es den Extrasinn.« »Schöne Aussichten.« Ich merkte, daß ich dem Neutralschweber immer fremder wurde. Er interessierte sich nicht mehr für meine Probleme. Er dachte bereits an das, was da kommen sollte, an das, was ich verhindern mußte. »Und was wird aus mir?« »Warte hier, Atlan. Ich will sehen, ob es noch einen Ausweg gibt.« Bevor ich antworten konnte, glitt das Kugelwesen davon. Ich war allein in dieser völlig fremdartigen Umgebung. Mein Extrasinn schwieg, als habe er sich schon mit dem zu erwartenden Geschehen abgefunden. Auch auf heftige Vorwürfe reagierte er nicht. »Hunger, nicht wahr?« Ich fuhr herum. Hinter mir stand Kik und hielt mir ein Päckchen Nahrungskonzentrate entgegen. »Wo kommst du denn her, Kleiner?« staunte ich. »Ich komme von hier, nicht wahr? Und du wirst vergessen, daß ich hier bin. Wenn Anti-ES es merkt, ist alles aus. Ich handle jetzt aus eigenem Willen. Ich weiß, daß ich schon bald dafür sterben muß, aber das macht nichts. Einen Tod kann ich leicht verkraften. Du mußt nur alles vergessen, sonst sterbe ich doch noch ganz.« »Wer oder was bist du?« Ich kniff die Augen zusammen und starrte den Fünfbeiner durchdringend an. »Ich bin Kik. Sonst bin ich nichts. Rico kann die Basis nicht rufen. Die Spinarmaterie verhindert das.« »Wie könnte ich sonst Hilfe bekommen? Wonat-Zount hat angedeutet, daß die Basis mit der Lichtquelle ein mächtiges
Instrument darstellt, mit dessen Hilfe ich sogar Anti-ES trotzen könnte.« »Wer ist Wonat-Zount? Ich kenne ihn nicht, nicht wahr?« »Aus dir werde einer schlau, Kik. Du bewegst dich nach Gutdünken im Spinar, entfliehst auf undurchschaubare Weise den abtrünnigen Neutralschwebern der ersten drei Zähler und willst dann nicht wissen, wer Wonat-Zount ist? Das ist doch unmöglich! Wonat-Zount ist der Achte Zähler.« »Interessant. Du willst also die Roboter der Basis alarmieren? Sie sind dumm und unfähig. Sie können nicht von GESTERN über HEUTE bis MORGEN denken, nicht wahr?« »Du betonst diese drei Zeitbegriffe so merkwürdig. Was soll das bedeuten?« »Es sind doch keine Zeitbegriffe.« Nun war ich ganz ratlos. Warum gab mir der Logiksektor keinen Rat? »Ich werde Pit informieren«, fuhr der Fünfbeiner fort. »Aber er wird nichts unternehmen, wenn du ihm nicht Janv-Zount präsentierst.« »Du kannst ihm berichten, was hier geschehen ist? Das ist gut. Tu es! Und wenn du dann den Weg zu mir zurück findest, wäre es noch besser.« »Willst du jetzt die Konzentrate oder nicht?« fragte Kik und ließ das Päckchen einfach fallen. Ich bückte mich automatisch danach, und als ich wieder nach oben blickte, war der kleine Bursche verschwunden. Er konnte gar nicht so schnell gelaufen sein, daß ich ihn nicht mehr erblickte, aber es gab keine Spur von ihm. Noch während ich überlegte, was er mir gesagt hatte, begann die Erinnerung daran zu verblassen. Ich konzentrierte mich, so sehr es ging, aber mir fielen einige Dinge einfach nicht ein. Was ich klar in den Gedanken behielt, war, daß er sich angeboten hatte, die Roboter der Basis zu informieren, aber alles andere verschwand.
Er beeinflußt dich, meldete sich endlich der Extrasinn. Er tut dies, um sich selbst zu schützen. Die Gründe sind mir auch unverständlich. »Weißt du noch alles, was er gesagt hat?« fragte ich zurück. Nein. Mir ergeht es wie dir. Viele Rätsel haben sich gelöst, aber andere tun sich auf. Insbesondere die Worte des Achten Zählers beunruhigen mich. »Welche Worte?« Er hat unseren Chybrain als unerlaubtes Produkt und Bastard bezeichnet. »Sind das deine ganzen Sorgen? Denkst du daran, was Anti-ES mit mir und dir beabsichtigt?« Ich habe es gehört, aber ich bin zuversichtlich. Ich spüre die Wirkung der magnetisch-materiellen Energien des Spinars. Ich empfinde dieses ganze Instrument, und ich beginne, es zu verstehen und mir nutzbar zu machen. »Drücke dich deutlicher aus!« Versuche, noch einmal mit Wonat-Zount in Kontakt zu gelangen. Er hat behauptet, daß die Lichtquelle, die Quelle der Jenseitsmaterie auf der Basis, der Schlüssel zu einer Lösung ist. Ich weiß nicht, wie das geschehen soll. »Ich verstehe dich nicht.« Tu, was ich sage. Oder werde ein waffenstrotzendes Manifest und ein Sklave von Anti-ES für alle Relativ-Einheiten. Ich gab keine Antwort, denn durch den Gang schwebten ein Dutzend Kugelwesen heran. An der Spitze der Gruppe erkannte ich Jio.
* Die Neutralschweber sagten kein Wort. Sie kreisten mich ein, fuhren an den Enden ihrer Keulenarme die Finger aus und packten damit nach mir. Ich wurde in die Höhe gehoben und fortgetragen. Mit rasender Geschwindigkeit glitten wir durch einen Korridor aus Spinarmaterie, bis dieser in einer Sackgasse endete.
Sieben Kugelwesen glitten voraus. Die magnetische Materie wich vor ihnen zurück und bildete so einen neuen Durchlaß. Die anderen Neutralschweber trugen mich in den schmalen und unbeleuchteten Gang. Ich hatte das Gefühl, daß sich dieser Weg nach unten neigte. Da alles mit hohen Geschwindigkeiten ablief, konnte ich die Einzelheiten kaum alle aufnehmen. Die Fahrt endete in einem kreisrunden Raum, der hell erleuchtet war. Ich erblickte verschiedene technische Geräte, während die Neutralschweber mich unsanft absetzten. Hinter einem Energiefeld sah ich zwei merkwürdige Erscheinungen. Die eine war eine leuchtende Säule von etwa fünf Metern Länge und kantiger Form. Die andere war ein durchsichtiges Gehirn von der Größe eines Elefanten. Beide Figuren waren durch eine weitere Energiewand voneinander getrennt. Die Neutralschweber verschwanden durch eine Seitenwand. Der Eingang, durch den sie mich in diesen Raum transportiert hatten, war längst verschwunden. Nur Jio blieb bei mir zurück. »Komm her!« forderte er mich auf und schwebte auf einen faustgroßen Glaskörper zu. Er deutete mit einem Arm darauf. Ich trat hinzu und erblickte ein winziges Ding, das mich entfernt an eine der Raumfestungen der Akonen erinnerte. Nur war dieses Modell selbst für ein Spielzeug zu klein. Die Projektoren der Waffensysteme waren dennoch deutlich erkennbar. »Das wird das Manifest Atlan«, erklärte mir Jio. »Dein Extrasinn wird das Steuerhirn sein. Dein Originalbewußtsein ist als Reservesystem eingeplant. Wenn du dich zu sehr sträubst, wird Anti-ES aber darauf verzichten. Nach der Umwandlung in ein Manifest wirst du mit dem Urmuster wachsen und die stolze Größe von zehn Kilometern erreichen. Später ist deine Versetzung in dein Universum vorgesehen, wo du für Anti-ES den Weg in seine neue Existenz ebnen sollst. Eine hübsche Aufgabe.« »Es wird nie und nimmer so kommen, Jio.« Ich trat gegen den Sockel, auf dem der Glaskörper stand, aber ich prallte an einem
unsichtbaren Energiefeld ab. »Deine Reaktionen sind kindisch«, zürnte der Neutralschweber. »Sieh dir Perv-Zount und Erf-Zount an.« Er deutete auf die leuchtende Säule und das durchsichtige Gehirn. »Da drinnen stecken zwei Zounts, zwei Zähler, die einmal ausersehen waren, meinen Herrn Anti-ES zu verändern und zu läutern. Was haben sie erreicht? Nichts! Im Gegenteil, sie sind nun Knechte dessen, den sie bewachen sollten. Zugegeben, noch sind Pervrin und Erfrin klein und unausgereift. Aber es wird nicht mehr lange dauern, bis AntiES sie einsetzen kann. Ein Zount ist ein mächtiges Wesen, das weiß ich, denn ich diente früher Janv-Zount. Aber selbst ein Zount ist Anti-ES nicht gewachsen. Was willst du Knirps aus einem ordinären Universum gegen diese Macht ausrichten? Du solltest zufrieden sein, daß du und dein Extrasinn wenigstens noch eine sinnvolle Aufgabe bekommen.« Ich gab keine Antwort, teils aus Resignation, teils aus der Einsicht, daß jedes weitere Gespräch mit diesem Instrument meines Gegners sinnlos war. »Du hast noch etwas Zeit, Atlan.« Der Neutralschweber glitt auf eine Außenwand zu. »Zur Zeit weckt Anti-ES Tremt-Zount, um ihn für seine Aufgabe als Tremtrin zu präparieren. Danach bist du an der Reihe.« Jio verschwand durch die Wand. Ich begann sofort mit der Untersuchung des Raumes, aber ich mußte schon sehr bald feststellen, daß überall unsichtbare Energiefelder waren, die schon ein direktes Berühren irgendwelcher Einrichtungen unmöglich machten. »Schlechte Aussichten, lieber Extrasinn«, sagte ich laut, aber ich bekam keine Antwort. Schließlich hockte ich mich auf den Boden und packte die Konzentratwürfel aus, die mir Kik gegeben hatte. Was mochte der Fünfbeiner jetzt wohl tun? War er in der Lage, die Basis zu erreichen? Was würden die Roboter sagen, wenn er dort vom
Schicksal Ricos berichtete und von meinem? Viele Fragen und keine Antworten. Und kein Ausweg aus dieser Situation. Bleibe wachsam, warnte mich der Extrasinn. Mir fehlen nur noch ein paar Informationen. Als ein Neutralschweber durch den Boden glitt, stand ich ruckartig auf. »Knautz?« »Ich bin es. Leider reicht die Zeit nicht mehr. Wonat-Zount wird gelähmt werden, bevor du ein ausgewachsenes Manifest bist. Er schickt mich für deine letzte Frage. Ich habe nur Sekunden Zeit, denn die Neutralschweber der ersten drei Zähler überwachen jede Einzelheit im Auftrag von Anti-ES.« Laß mich diese Frage stellen, verlangte der Extrasinn. Und vertraue mir. Knautz' Zeit ist wahrscheinlich zu kurz, um dir alles zu erklären. Ich selbst sehe eine Lösung, aber es ist zunächst eine Lösung ohne dich. Da ich ohnehin durch das plötzliche Auftauchen des Neutralschwebers überrascht war, willigte ich ein. Doch was der Extrasinn dann sagte und machte, verwunderte mich zutiefst und stürzte mich in neue Zweifel. Die Spinarmaterie belebt mich, sagte er. Ich bin beweglich. Und da dies der falsche Ort ist, um etwas über die Quelle der Jenseitsmaterie zu erfahren, werde ich nun mit Knautz verschwinden. Es war, als ob eine Explosion in meinem Kopf stattfände. Ich spürte nur die Leere und einen verwehenden Gedanken. Der Extrasinn war weg. Ich hatte kaum Zeit, mich daran zu erinnern, das dieser unerklärliche Vorgang bei Chybrains Geburt schon einmal abgelaufen war, da verschwand auch Knautz ohne ein weiteres Wort. Ein letzter Gedanke erreichte mich: Du mußt dich so verhalten, als sei ich noch da! Ich ballte die Fäuste und beschloß, den Rat zu befolgen. Sollte das
Produkt der alten arkonidischen Kunst der ARK SUMMIA nun mein entscheidender Retter werden? Was hatte der Extrasinn mit der Quelle der Jenseitsmaterie im Sinn? Die Leere in mir ließ mich schwindeln. Der Zellaktivator arbeitete mit einer höheren Impulsfolge, so daß ich diese unmittelbar spürte. Die psychischen Belastungen konnte auch dieses wunderbare Instrument nicht so schnell ausgleichen. Wütend, verwirrt und doch voller Hoffnung biß ich auf einen Konzentratwürfel.
7. Sie kamen keine halbe Stunde später. Ich besaß keinen Zeitmesser, aber ich hatte mir in den über dreizehn Jahren der Einsamkeit in der Namenlosen Zone angewöhnt, Zeitabläufe genau einzuschätzen. Es waren vier Neutralschweber, darunter Jio, dem ich am liebsten seine Keulenarme aus dem Rumpf gerissen hätte. Als ich sie sah und zudem bemerkte, wie sich zwei von ihnen an den für mich unzugänglichen Geräten zu schaffen machten, erfaßte mich eine unnatürliche Ruhe. Alles, was ich jetzt noch tun konnte, war, Zeit zu gewinnen, Zeit für meinen Extrasinn, der erst einmal der drohenden Versklavung entfliehen konnte. Die Hoffnungen, die ich in mein zweites Ich setzte, überwogen meinen Ärger, denn schließlich mußte ich hier Qualen erleiden, die er nicht mit mir zu teilen brauchte. Die Energiesperren, hinter denen sich die wachsenden Manifeste Pervrin und Erfrin befanden, wurden verdunkelt, als ob sie das schändliche Vorhaben der Diener von Anti-ES beeinträchtigen könnten. Ich verfolgte beunruhigt das Handeln der Neutralschweber und schritt dabei auf und ab, bis ich plötzlich zu keiner Bewegung mehr fähig war. Ein Fesselfeld schnürte mich ein.
»Nun, Atlan«, wandte sich Jio an mich, »wie geht es euch?« Er nahm also tatsächlich an, daß der Extrasinn noch in mir weilte. Ich erinnerte mich an dessen letzte Worte und beschloß sogleich, auf diese harmlose Frage einzugehen, um etwas Zeit zu gewinnen. »Es geht«, lautete meine Antwort, »denn noch sind mein zweites Ich und ich frei. Du kannst nicht beurteilen, wie das ist, denn du hast deinen wahren und guten Herrn, den Ersten Zähler JanvZount, bereits verraten. Ich bedaure dich jetzt schon wegen der Strafe, die dich von den Hohen Mächten ereilen wird. Natürlich wirst du nie wieder als Neutralschweber einem Zount dienen dürfen.« »Du bist erstaunlich intelligent«, antwortete das Kugelwesen. »Jetzt verstehe ich auch, warum dich Anti-ES als Gehirn für die ultimate Hyperwaffe ausersehen hat.« »Du vergißt nur eins, Jio.« Ich mußte einfach pokern, um Zeit zu gewinnen, denn meine ganzen Hoffnungen ruhten auf dem Extrasinn und auf Kik. »Die Hohen Mächte erlauben keine ultimate Waffe. Anti-ES hat schon einmal Waffen der Vierten Kategorie eingesetzt, und dafür wurde es in diese Verbannung geschickt. Sag das deinem neuen Herrn, wenn er zufällig einmal Zeit haben sollte, dir zuzuhören.« Tatsächlich schwieg der Neutralschweber. Ich konnte nur hoffen, daß mein Bluff wirkte. »Anti-ES ist nie ganz hier«, verriet mir der Neutralschweber in seiner Unruhe. »Aber es sagt, ich solle nicht auf dich hören, denn du seist mit allen Wassern gewaschen. Leider weiß ich nicht, was diese Redewendung bedeutet.« »Ich kann sie dir erklären, Jio.« Es gelang mir tatsächlich, das Kugelwesen in ein Gespräch zu verwickeln. Selbst seine Begleiter stellten ihre Aktivitäten ein und verharrten ruhig. »Das bedeutet, daß es Anti-ES und euch nie gelingen kann, mich zu einem Werkzeug, zu einem Manifest, zu machen. Ich bin weniger als ein Zount, aber dennoch habe ich einen Vorteil, der durch nichts
auszugleichen ist. Ich kann handeln. Du und deinesgleichen, ihr seid unfähige Scheinprodukte. Ihr seid nichts, denn nur der Wille eurer Zähler hat euch gemacht, und jetzt zehrt ihr von dem, was der aus euch macht, der euch euren wahren Herrn entrissen hat. Was seid ihr doch für jämmerliche Kreaturen!« Mich traf ein Schockstrahl am Kopf. Einer der schweigsamen Helfer Jios hatte plötzlich auf mich geschossen. »Das sind Argumente!« stieß ich lachend aus, obwohl mir der Schädel brummte. »Das beweist eure Schwäche und die eures scheinbaren Herrn. Wenn sachliche Argumente nicht mehr verkraftet werden können, dann greift ihr zur rohen Gewalt. Da ich weiß, daß die Hohen Mächte nichts unbestraft lassen, kann ich über euch nur lachen. Ich sehe das Ende eures Seins vor mir. Ihr werdet einmal meine Manifeste sein, meine Diener. Und dann werde ich euch zeigen, daß man seine Helfer auch würdig behandeln kann. Ich werde euch dann lehren, was positives Verhalten ist. Aber ich befürchte, dazu kommt es nicht, denn ihr besitzt ja keinen Willen mehr. Ihr seid nichts weiter als schwache Knechte.« Die Neutralschweber schwiegen. Meine Worte hatten sie tatsächlich verunsichert, und das war ein Teilerfolg, an den ich gar nicht geglaubt hatte. Ich wartete nur sehnsüchtig auf mein zweites Ich, aber von dem zeigte sich keine Spur. »Was weißt du von den Hohen Mächten?« Jio sank auf den Boden nieder. Er wirkte müde und ausgelaugt. »Ich weiß von ihnen, und ihr wißt nichts.« Alle Neutralschweber glitten plötzlich auf mich zu. Sie bildeten einen Ring um den Energiekäfig, der mir ohnehin keine Bewegung erlaubte. »Was bist du?« fragte einer mit einer hohen Stimme. »Wer bist du?« fügte ein anderer, der auch bislang noch nichts gesagt hatte, hinzu. Jio lag noch immer auf dem Boden. »Euch sage ich nichts«, erklärte ich kalt. »Erst befreit ihr mich aus
dieser Gefangenschaft. Dann sorgt ihr dafür, daß die unterjochten Zounts ihren wahren Aufgaben nachgehen können. Und wenn das geschehen ist, bekommt ihr eine Antwort.« »Wo ist dein Extrasinn?« stieß der vierte Neutralschweber hervor. »Er ist nicht mehr hier.« »Das glaubst du, Kreatur aus dem Nichts.« Ich deutete auf meinen Kopf. »Er ist hier. Er funktioniert. Er lacht. Über euch!« Ich bemerkte nicht, wie sich eine Öffnung in einer Wand seitlich von mir bildete. Ein Dutzend metallischer Gestalten befand sich plötzlich in dem Raum. Die Neutralschweber schossen erregt in die Höhe und stießen dabei schrille Pfiffe aus. Und da war noch etwas, etwas Unsichtbares und Unnahbares, ein Hauch von Geist und Gewalt. »Du nicht, Atlan«, sagte eine Stimme, und ich wußte sofort, daß sie Anti-ES gehörte. »Du wirst mein Manifest sein. Ich bin noch rechtzeitig gekommen, denn ich habe geahnt, daß du die Neutralnullen einlullen wirst. Das nützt dir jedoch nichts.« Die Roboterwesen, skurril und fremd, hatten seltsame Projektoren in den Händen. Sie richteten sie auf die Neutralschweber, und unter gräßlichen Schreien lösten sich die Gestalten langsam auf. »Hätten wir nur früher auf dich gehört!« waren Jios letzte Worte. Er rematerialisierte mehrmals, aber dann war seine Existenz erloschen. Die Robots fuhren ihre Waffenarme wieder ein. Sie wirkten kühl und sachlich. Keiner sprach ein Wort, keiner reagierte auf meine Bemerkungen. Das Fesselfeld wurde abgeschaltet, aber das nützte mir wenig. Stählerne Klauen packten mich und zerrten mich zu einem Projektor, der von oben herabschwebte. Ich wurde in ein Instrument gepreßt, das Stuhl und Folterbank zugleich war. Rotes Licht betäubte meine Sinne und stach grell in meine Augen. Plötzlich war ich froh, sitzen zu dürfen. Dann kam der Schmerz. Etwas rumorte in meinem Gehirn, trieb mich an den Rand der Besinnungslosigkeit, konnte mich aber nicht
betäuben. Ich wehrte mich mit allen psychischen Kräften, bäumte meinen Geist auf und stieß ein heiseres Lachen aus, als ich die Worte hörte: »Ich kann ihn nicht finden. Dieses Wesen hat dich auf eine üble Weise betrogen. Ich schlage seine Vernichtung vor.« Und Anti-ES antwortete dem Robot: »Eliminieren! Er hat schon als Geisel nichts getaugt. Wie sollte es dann als Manifest anders sein.« Aus halb geschlossenen Augen sah ich, wie die Roboter ihre Waffenarme ausfuhren. Diesmal waren es andere Vernichtungsinstrumente als die, die sie gegen Jio und seine unfreiwilligen Artgenossen benutzt hatten. Es waren harte Desintegratoren. Die Energiebahnen schossen auf mich zu, aber ich spürte keine Panik, keine Angst und keine Unruhe. Da war auf einmal etwas anderes in mir, das mir Vertrauen einflößte. Der Extrasinn! Er war wieder da, und er sagte nur ein Wort voller Kraft und Zuversicht: Geschafft! Irgendwie trafen mich die Strahlen doch, denn ich fühlte neben dem Wohlbehagen, wie meine wachen Sinne einer wohltuenden Besinnungslosigkeit wichen. Wahrscheinlich sank ich mit einem Lächeln auf den Lippen zusammen.
* Das Erwachen war nicht weniger merkwürdig. Ich befand mich noch immer in dem gleichen Raum des Spinars, wie ich sofort erkannte. Zwei Dinge hatten sich verändert. Die Roboter waren nicht mehr hier, und die beiden wachsenden Manifeste, Pervrin und Erfrin, waren wieder sichtbar. Die Verdunkelung des Energiefelds
war verschwunden. Mich erfüllte noch immer ein Gefühl des Triumphs, obwohl ich eigentlich keinen Grund dafür hatte. Da war etwas, was alle anderen Empfindungen und Eindrücke überdeckte. Ich spürte, daß der Extrasinn wieder in mir weilte. Er sagte nichts, oder noch nichts? Im Vergleich zu den dreizehn Jahren Gefangenschaft, den dreizehn Jahren Öde und Hoffnungslosigkeit, waren die jüngsten Ereignisse nichts. Ich hatte wenig erreicht, und ich wußte nicht, was geschehen war, aber ich war innerlich ruhig. Ich dachte daran, daß ES mir einmal vor vielen tausend Jahren einen Zellaktivator verliehen hatte, durch den ich nicht nur relativ-unsterblich geworden war, sondern auch ein Auserwählter dieser Superintelligenz. Auserwählter einer Superintelligenz! Welch hohe Worte. Und ich hatte einmal daran geglaubt, Auserwählter der Kosmokraten werden zu können. Anti-ES hatte es verhindert. Anti-ES! Schlagartig fand ich in die Realität zurück. Ich sollte ein Manifest werden, ein Knecht von Anti-ES. Der Extrasinn war als Steuerhirn einer Vernichtungsmaschine ausersehen worden, und mein Körper sollte, zu atomaren Strukturen aufgelöst, die Hyperwaffe beleben. Noch war ich ich selbst. Und du wirst es bleiben! Die gedanklichen Worte des Logiksektors waren eine Wohltat. Sie riefen mich aber auch endgültig in die Wirklichkeit zurück. Ich befand mich in dem Spinar. Irgendwo lag der Torso von Rico oder Spyk-14. Mein Extrasinn war wieder da, in mir. Was war geschehen? Die Roboter des Spinars waren verschwunden. Ich war kein Manifest. Ich steckte nicht in einer Vernichtungsmaschine vom Anti-ES. Du willst es wissen?
»Natürlich«, antwortete ich und starrte das noch durchsichtige Gehirn Erfrins an, in dem ich den Dritten Zähler förmlich sah. Plötzlich stand Kik neben mir. »Huch!« quietschte er. »Du hast es geschafft. Und irgendwann in ferner Zukunft wirst du erfahren, welchen Kummer dir Erfrin bereitet, nicht wahr?« Mich interessiert keine Zukunft, mich interessierte, was der Extrasinn zu berichten hatte. Sehr vernünftig, hörte ich und sah, wie Kik verschwand. »Wie verschwand er?« fragte ich, weil sich meine Sinne trübten. Unverständlich, bekam ich zur Antwort. Hör besser zu, was ich dir zu berichten habe. Was du daraus machst, ist nämlich deine Sache. Ich hörte zu.
* Bericht des Extrasinns: Schon kurz nach dem Betreten des Spinars hatte ich die seltsame Wahrnehmung. Es war, als ob direkt etwas auf mich wirkte, also nichts, was von Atlans natürlichen Sinnen oder seinem Gedächtnis kam. Zunächst hatte ich keine Erklärung dafür. Ich versuchte zwar, die Gründe zu erkennen, aber mir fehlten jegliche Hinweise. Atlan selbst spürte nichts von diesem unerklärlichen Geschehen. Für ihn war alles normal. Auch auf Kik schienen die unbekannten Einflüsse belebend zu wirken. Er verfügte über Kräfte, die ich nicht bei ihm vermutet hatte. Abgesehen davon war er während der letzten Ereignisse auch für mich undurchschaubar geworden. Je länger ich in dem Spinar weilte, desto merkwürdiger wurde alles. Ich wurde lebendiger und wacher, obwohl das eigentlich gar nicht möglich war. Eine logische Berechnung ergab, daß dies alles nur einen Grund haben konnte. Die seltsame Spinarmaterie, die wie
eine feste Substanz wirkte, aber mit Sicherheit etwas anderes war, beeinflußte mich. Als der Achte Zähler dann von sich und den anderen Zounts berichtete, wurde die Angelegenheit noch klarer. Die Zounts waren in ihrer Grundform auch körperlos – wie ich. Auf sie wirkte sich die umgebende magnetische Masse lebenserhaltend aus. Es mußte also eine Wechselwirkung zwischen den Energien dieser Materie und speziell körperlosen Einheiten geben. Im weitesten Sinn war auch ich eine körperlose Einheit. Nur konnte ich in Atlans Bewußtsein sehr wohl ohne die Wirkungen der Spinarmaterie existieren. Ich verfolgte die Einflüsse weiter, ohne Atlan etwas davon wissen zu lassen. Seine Lage war schwierig genug, so daß ich es für besser hielt, ihn nicht noch zusätzlich zu beunruhigen. Abgesehen davon belebte mich die unerklärliche Einwirkung. Ich wußte, daß es nur eines kurzen Anstoßes bedürfen würde, den ich mir selbst geben konnte, um mich von Atlan zu lösen. Natürlich war mir auch klar, daß ich nur innerhalb des Spinars ohne Körper würde existieren können. Das schränkte meine Planungen erheblich ein. Richtig aufmerksam wurde ich erst, als Wonat-Zount voller Verwunderung bemerkte, daß die Basis des Ersten Zählers mit der Lichtquelle in der Nähe des Spinars weilte. Damit hatte er offenbar nicht gerechnet. Nahezu alle anderen Ereignisse seit Atlans Auftauchen in der Namenlosen Zone waren ihm jedoch bekannt. Er wußte selbst um die Abtrennung Borns, und da war er bestimmt nicht dabei gewesen. Es mußte also eine Art Kommunikation zwischen den Zounts geben, die sogar während deren Ruhezeit anhielt. Und da der Halbwache nichts von der Anwesenheit der Basis wußte, gab es wieder nur eine logische Schlußfolgerung. Alle Dinge, die Atlan von sich aus in Bewegung gebracht hatte, waren Wonat-Zount unbekannt. Der Arkonide hatte also durch sein Wirken dem Ablauf der Geschehnisse bereits eine Wende gegeben. Es war also durchaus nicht so, daß alles nach dem guten Glauben
des Achten Zählers ablief. Die Dinge ließen sich beeinflussen, und das war ein wichtiger Punkt in meinem noch unvollkommenen Plan. Die Quelle der Jenseitsmaterie mußte ein besonderes Gewicht haben. Das zeigte das Erstaunen des unsichtbaren Zählers. Ich zweifelte nicht daran, daß sie ein Machtinstrument darstellte, mit dem man sogar Anti-ES in die Schranken weisen könnte. Diese Überlegung ließ sich auch damit begründen, daß Janv-Zount sich nie und nimmer als »Partner« von Anti-ES' erster Läuterungsphase eingelassen hätte, wenn er dieses nicht jederzeit auch beherrscht hätte. Warum er der verbannten Superintelligenz dann doch solch große Freiheiten eingeräumt hatte, war mir jedoch unklar. Atlans Lage war nach der erneuten Verschleppung durch die abtrünnigen Neutralschweber hoffnungslos. Auch ich konnte keine Chance mehr erkennen, ihn vor einer Verwandlung in ein Manifest und damit in ein willenloses Werkzeug von Anti-ES zu bewahren. Also mußte ich handeln. Zunächst mußte ich versuchen, erneut mit Wonat-Zount zu sprechen. Ohne nähere Kenntnisse über die Quelle der Jenseitsmaterie war mein Vorhaben sinnlos. Ich teilte Atlan mit, daß ich ihn verlassen würde. Um den Schock, den ich dabei in ihm auslöste, konnte ich mich nicht kümmern, denn ich wußte, daß die Zeit drängte. So gab ich Atlan nur zu verstehen, daß er mir vertrauen und Zeit gewinnen sollte. Dazu würde er auch ohne meine Hilfe in der Lage sein, denn an Erfindungsgeist hat es ihm nie gemangelt. Ich konnte mich innerhalb des Spinars frei bewegen und dabei auch jede Richtung bestimmen, in die ich wollte. Zunächst eilte ich durch die magnetische und feste Masse auf die Randzone zu, um meine. Möglichkeiten zu testen. Schon in dem Metallring, der das Spinar umlief, spürte ich ein Nachlassen der belebenden Wirkung. Weiter nach draußen wagte ich mich nicht, denn ich konnte mir ausmalen, daß dann etwas Unerwartetes geschehen würde, was
mein ganzes Vorhaben nicht nur zum Scheitern brächte, sondern womöglich auch meine Existenz auslöschte. Ich flog den Weg zurück bis zu einer Stelle, von der aus ich die Wohnung des Achten Zählers finden konnte. Mehrere Neutralschweber, die mir hier begegneten, bemerkten mich nicht. Allerdings sahen diese Kugelwesen für mich in der jetzigen Daseinsform nicht mehr wie Lebewesen aus. Sie glichen körperlosen Schemen. Ich kümmerte mich nicht weiter um sie. Eine Kommunikation erschien mir zudem unmöglich. Auf dem Weg zu Wonat-Zounts Wohnstatt passierte ich das Zentrum des Spinars. Die Normalmaterie, die hier zu finden war, stellte kein Hindernis für mich dar, denn die Auswirkungen der eigentlichen Spinarmaterie waren auch hier vorhanden. Die Nabe des Spinars durchmaß etwa 800 Meter. Sie war eine riesige Maschine, deren Konstruktion ich nicht entschlüsseln konnte. Ich entdeckte einen kugelförmigen Steuerkern, rotierende Energiefelder und mächtige Projektorrippen, die die Magnetfelder abstrahlten und so die eigentliche Masse des Spinars bildeten. Für diese Untersuchungen benötigte ich nur Sekunden, dann eilte ich weiter, bis ich den Eingang zur Wohnstatt des Achten Zählers fand. Hier zögerte ich einen Moment, denn meine Überlegungen besagten, daß ich ein unüberschaubares Risiko einging. Auch schien sich mir etwas entgegenzustemmen. Schließlich gab ich mir einen Ruck und glitt in die fremdartige Welt. Den Raum, in dem Atlan mit dem Zount gesprochen hatte, fand ich sofort wieder. Mein Verstand registrierte jedoch sofort eine Veränderung. Atlan wäre über alle Maßen erstaunt gewesen. Auf den Polstern des fünfeckigen Raumes saß ein riesiger Klumpen aus Zellplasma, wie ich es aus den Positroniken oder von der Hundertsonnenwelt kannte. Ein einzelnes Auge starrte mich freundlich an und zwinkerte mir zu. »Ich bin Wonat-Zount«, teilte mir der grüngelbe Ball mit. »Wir können uns auf geistiger Ebene unterhalten. Messe meinem
Aussehen keine Bedeutung bei.« Bei den letzten Gedanken zerfiel der Klumpen in etwa hundert kleine Kügelchen, die sich überall auf dem Boden verteilten. »Teile mir deine Gedanken mit, du Teil Atlans«, fuhr der Achte Zähler fort. »Wenn du noch etwas erreichen willst, mußt du dich beeilen.«
8. Ich versuchte, dieses Wesen zu begreifen, aber es gelang mir nicht. Wahrscheinlich spielte es mir mit seinen unfaßbaren Fähigkeiten nur etwas vor. »Du hast gemerkt, Wonat-Zount«, strahlte ich gedanklich aus, »daß nicht alles so in der Namenlosen Zone verläuft, wie man es dir berichtet hat. Es gibt noch andere Einflüsse, nämlich Atlan. Seine Handlungen wirken sich auf die Verbannungszeit von Anti-ES aus, und sie werden es weiter tun, wenn er nicht in ein Manifest verwandelt wird.« »Ich sagte schon«, bekam ich zur Antwort, »daß die Pläne der Hohen Mächte den Zounts nicht bekannt sind. Ich kann aber nicht ausschließen, daß Atlan in ihnen eine Rolle spielt.« »Das ist mit Sicherheit der Fall, denn Atlan ist auserwählt worden, zu den Kosmokraten zu gehen, um dort einen wichtigen Auftrag zu erledigen.« »Das kann ich mir nicht vorstellen.« »Es ist so. Jedoch wurde er vor dem Erreichen der Materiequelle von Anti-ES abgefangen, das ihn als Geisel in einem wohl sinnlosen Erpressungsversuch gegen die Hohen Mächte verwenden wollte.« »Das ist bekannt.« Wonat-Zount seufzte. »Ich nehme an, daß dies nicht ohne Wissen der Hohen Mächte geschah. Ob es aber ein Teil der Verbannung von Anti-ES sein sollte, vermag ich nicht zu beurteilen.«
»Ich bin mir sicher«, entgegnete ich konsequent, »daß Atlans Wirken trotz seiner langen Gefangenschaft den positiven Kräften hilft. Nun ist er aber in eine Lage geraten, die alles wieder zerstören könnte. Er droht endgültig der Macht von Anti-ES zu verfallen. Es ist meine feste Absicht, dies mit allen Mitteln zu verhindern.« »Du willst etwas verhindern?« Der Achte Zähler lachte, und seine hundert Plasmakügelchen tanzten dazu einen wilden Reigen. »Du besitzt nur ein jämmerliches Scheindasein, und das verdankst du nur den Magnoströmen des Spinars, du Nichts.« »Zugegeben, ich nutze sie aus. Ohne sie wäre ich jetzt nicht hier. Auch gebe ich zu, daß ich in Verhandlungen mit Wesen, wie du eins bist, nicht geübt bin. Normalerweise werden diese Dinge durch Atlans eigentliches Bewußtsein gesteuert, während ich eine Überwachungs- und Hilfsfunktion habe. Atlan kann aber nicht selbst zu dir kommen. Also bin ich hier.« »Ich kenne dich längst von deinem ersten Besuch. Ich bewundere deine strenge Logik, aber laß dir gesagt sein, daß sie allein nicht alles ist.« »Willst du mich belehren? Oder willst du mir helfen?« Wieder lachte Wonat-Zount. Seine Plasmakügelchen ballten sich zusammen und stoben wieder auseinander. Für Sekunden kamen sie mir wie viele winzige Menschen vor, die sich amüsierten. »Helfen kannst du dir nur selbst.« »Und die Lichtquelle. Ich weiß, daß sie stur ist, obwohl ihr schon geholfen wurde.« »Die Lichtquelle benötigt andere Hilfe. Davon verstehst du nichts. Wenn du diese Hilfe geben könntest, wäre sie vielleicht bereit, Atlan vorübergehend zu unterstützen.« »Wie sieht diese Hilfe aus?« »Was nützt es, wenn ich es dir sage?« Nun wirkte der Zähler traurig. »Du kannst nicht zu ihr gelangen.« »Ich möchte es dennoch wissen.« »Nun gut, du Quälgeist. Ich werde es dir sagen, aber dann werfe
ich dich hinaus.« Es waren keine Worte, die ich hörte. Bilder, Figuren und Ereignisse flossen in mich. Ich verstand den Sinn dieser Botschaft nicht, aber ich prägte mir jede Einzelheit genau ein. Plötzlich war wieder mentale Stille. Die Plasmakugeln lösten sich auf, und der Raum verdunkelte sich. Ich glitt langsam wieder aus der Wohnung des Zounts und überdachte alles, was ich in Erfahrung gebracht hatte. Es war kein logisches Bild, das ich gewann. Und das machte die Sache nicht einfacher. Vor allem sah ich keinen Weg, um zur Basis des Ersten Zählers zu gelangen.
* Noch während ich in dem halbdunklen Gang aus Spinarmaterie verharrte und meine nächsten Schritte überlegte, sah ich eine Bewegung. Es war Kik, der langsam vor sich hintrottete. Natürlich konnte mich der Fünfbeiner nicht erkennen. Er schien ratlos zu sein. Immerhin war es ihm gelungen, den Neutralschwebern bis jetzt zu entkommen, und insofern war er besser dran als Atlan. Ich tankte die wohltuenden Strömungen, die mich umgaben, voll in mich auf. Das gab mir neue Kraft. So tastete ich mich behutsam an Kik heran und versuchte, in seinen Körper zu dringen. Ich wußte nicht einmal, wo sein Bewußtsein zu suchen war, aber ich fand es. Die Enttäuschung war groß. Kik unterschied sich in seinem geistigen Niveau nur wenig von einem halbintelligenten Tier. Natürlich erkannte ich sofort, daß dies nie und nimmer stimmen konnte, denn dafür hatte er in der Vergangenheit schon für zu viele Überraschungen gesorgt. Seine wirklichen Fähigkeiten, die Atlan selbst erlebt hatte, standen jedenfalls in einem krassen Widerspruch zu dem, was ich als sein Bewußtsein identifizierte. »Hallo, Kik«, flüsterte ich.
»Atlan, nicht wahr?« antwortete er. »Ein Teil von ihm. Du weißt, daß Atlan ein Knecht von Anti-ES werden soll?« »Das weiß ich. Und niemand kann ihm helfen, nicht wahr?« »Absolut unrichtig, du Narr!« schimpfte ich. »Es gibt einen Weg. Wir können ihm helfen, wenn du es willst.« »Gut«, antwortete er widerwillig. »Ich habe genau gemerkt, Kik, daß in dir mehr steckt, als du nach außen hin zeigst. Ich habe gesehen, wie du spurlos verschwunden bist. Bei uns nennt man das Teleportation.« »Ich weiß, aber diese Kunst beherrsche ich nicht. Ich weiß auch nicht, warum ich bisweilen ganz plötzlich an einen anderen Ort versetzt werde.« »Willst du damit sagen, daß du diese Versetzung nicht beeinflussen kannst?« »So ist es.« Ich überlegte einen Moment und faßte dann einen vielleicht verrückten Entschluß. Da ich weder Kiks Fähigkeiten durchschaute, noch wußte, ob diese wirklich vorhanden waren, mußte ich pokern. Natürlich würde ich Atlan nie davon berichten, denn schließlich hatte ich dieses unlogische Verhalten von seinem ordinären Bewußtsein übernommen. »Wir müssen ein paar Neutralschweber finden«, behauptete ich. »Es müssen welche sein, die zu den ersten drei Zählern gehören, denn diese sind uns feindlich gesinnt.« »Sie werden mich erschießen, nicht wahr?« »So ist es, Kik. Es muß sein.« Ich bekam keine Antwort. Das simple Gehirn reagierte wie ein treuer Hund, der für seinen Herrn sogar in den Tod ging. Ganz wurde ich dabei den Gedanken nicht los, daß der Fünfbeiner mir nur etwas vorspielte und daß sein wahres Ich mir einfach verschlossen blieb. Schon nach einer kurzen Strecke kam uns eine Gruppe
Neutralschweber entgegen. Die Kugelwesen zauberten prompt ihre merkwürdigen Waffen hervor. Es gibt nur einen sicheren Ort, dachte ich so intensiv, daß Kik es verstehen mußte. Die Basis des Ersten Zählers. Die Umgebung verschwamm vor Kiks Augen, durch die ich auch sah. Kälte griff nach mir, als ich außerhalb des Spinars war, aber ich hoffte, daß der Körper des Seesternähnlichen mich für eine begrenzte Zeit schützen würde. Der Transport dauerte nur Sekundenbruchteile, aber ich durchlebte diese winzige Zeitspanne wie eine Endlosigkeit. Dann erblickte ich den Roboter Zcryk-3, den Atlan Pit genannt hatte. »Du bist schon wieder zurück?« fragte die Maschine. »Was ist mit Atlan? Hat er Janv-Zount endlich gefunden?« Du mußt jetzt genau das sagen, was ich dir vorsage, teilte ich Kik mit. Der Kleine gehorchte brav. »Es gibt eine Lösung, Zcryk-3. Aber die Zeit drängt, denn Atlan ist in höchster Gefahr. Du weißt, daß ihr ohne ihn Janv-Zount nie zurückbekommen werdet.« »Wie soll diese Lösung aussehen?« Die Lichter des Roboters funkelten nervös. »Ich werde sie herbeiführen. Das muß dir genügen. Alles, was ich verlange, ist, daß ich sofort zur Quelle der Jenseitsmaterie gebracht werde.« »Sie wird nicht auf dich reagieren, Fremdling.« »Sie wird reagieren, denn ich bringe ihr das, was sie braucht«, antwortete Kik mit dem Brustton meiner Überzeugung.
* Alles, was Wonat-Zount mir gegeben hatte, war eine Geschichte in Bildern und Namen. Sie ergab aus meiner Sicht keinen Sinn. So mußte ich mich auf die Worte des Zählers verlassen, ich könne die
Zusammenhänge gar nicht verstehen. Das war der einzige logische Anhaltspunkt, mit dem ich mein Handeln begründen konnte. Es gab einen Hinweis auf die Richtigkeit von Wonat-Zounts Bildern, denn in der Geschichte kamen fast ausschließlich Wesen vor, von denen uns jüngst ein paar auf der Basis des Ersten Zählers begegnet waren. Es mußte also einen tieferen Zusammenhang geben, aber damit wollte ich mich jetzt nicht befassen. Das war eine Sache für Atlan selbst, immer vorausgesetzt, ich würde ihn vor der Umwandlung in ein Manifest bewahren können. Pit begleitete uns (womit ich Kik und mich selbst meine) zu der Lichtquelle. Auf der Basis war alles unverändert. Die früheren Schäden waren längst ausnahmslos beseitigt worden. Der Roboter blieb zurück, als Kik ganz dicht an die strahlenden Kaskaden herantrat. »Lichtquelle!« rief der Fünfbeiner in meinem Auftrag. »Ich habe wichtige Nachrichten für dich. Sie stammen von dem Achten Zähler, und sie betreffen deine Zukunft.« Da keine Reaktion bemerkbar war, wiederholte ich den Ruf mehrmals. So geht es nicht, teilte mir Kik auf gedanklicher Ebene mit. Tritt noch näher heran, bat ich ihn. Ich will versuchen, deinen Körper zu verlassen und direkt in die Quelle gehen. Das ist riskant, nicht wahr? Atlan ist mir die Sache wert. Ich bin er. Kik tastete sich unsicher vorwärts. Er achtete nicht auf die warnenden Rufe Pits. Als er unmittelbar an dem Ring war, in dessen Innerem die roten und grünen Strahlen, vermischt mit Materiebrocken der gleichen Farbe, in die Höhe schossen und sich wieder nach unten senkten, wagte ich es. Ich stieß mich ab, um in die Lichtquelle zu dringen. Das war schwerer, als ich befürchtet hatte. Ein unsichtbarer Einfluß stemmte sich mir entgegen. Gleichzeitig spürte ich Kälte, die mich erstarren zu lassen drohte.
Dennoch gelang der Durchbruch. Plötzlich war ich in einer gänzlich anderen Umgebung. Die Kälte verschwand, aber meine Bewegungsmöglichkeiten wurden durch andere Einflüsse, die ich nicht identifizieren konnte, eingeschränkt. Dann ließ auch mein Wahrnehmungsvermögen nach. Ich wurde von allen realen Bezugsquellen abgeschnitten und konnte mich auch nicht mehr orientieren. Ich war also doch in eine Falle gerannt! »Durchaus nicht, kleines Nichts«, klang eine Stimme in mir auf. »Du bist vorerst in Sicherheit, denn ich spüre, daß du mich wirklich gesucht hast. Erst wenn ich weiß, warum du die Ruhe der Lichtquelle gestört hast, wird es für dich unangenehm.« Keine Falle! Ich war am Ziel. So formte ich meine Gedanken und hoffte, daß ich verstanden werden würde. »Ich bin gekommen, Lichtquelle, um dir eine Botschaft zu bringen und dich um Hilfe zu bitten.« »Du willst ein Geschäft mit mir machen, wenn ich dich recht verstehe«, lautete die kühle Antwort. »Ich bin bereit, dir zuzuhören.« Ich schilderte zuerst mein wichtigeres Anliegen, nämlich Atlans Lage und die Gefahr, in der er schwebte. Mein unfaßbarer Zuhörer unterbrach mich nicht, bis ich fertig war. Dann erklärte die Quelle der Jenseitsmaterie: »Eine uninteressante Geschichte, mit der ich nichts zu tun habe und nichts zu tun haben möchte. Dinge kommen und gehen, werden gut oder schlecht, schwingen sich empor oder vergehen. Das ist das ewige Gesetz.« »Du magst durchaus recht haben, Lichtquelle. Dennoch ersuche ich dich um Unterstützung, denn ich möchte den Körper, in den ich gehöre, nicht aufgeben. Wonat-Zount, der noch ruhende Achte Zähler des Spinars, hat mir etwas gegeben. Das biete ich dir an, und dafür hilfst du mir und Atlan.« »Ich warte auf dein Angebot, aber ich kann dir schon jetzt sagen,
daß aus unserem Handel nichts wird. Was hast du zu bieten?« Meine Zweifel waren gewachsen. Ich konnte nicht ausschließen, daß der Zähler mich nur einfach abwimmeln wollte. Dennoch mußte ich es versuchen. »Es ist eine Vision, die ich dir anbiete. Wonat-Zount hat sie erzeugt. Er selbst kennt ihren Sinn nicht, und auch ich habe ihn nicht verstanden. Es ist eine Geschichte aus der Zukunft, und sie handelt von Wesen, die sich Vulnurer nennen.« »Was?« Die sonst so distanzierte Lichtquelle schrie auf. »Rede! Ich muß alles wissen.« »In drei mächtigen Schiffen die GESTERN, HEUTE und MORGEN genannt werden, eilt das Volk der Vulnurer durch das All. Sie haben ihre Vergangenheit und ihre Herkunft vergessen, denn bei ihrer kurzen Generationenfolge und der Priesterkaste, die die Macht an sich gerissen hatte, um eigene Ziele zu verfolgen, mußte es so kommen. Sie nennen sich die Bekehrer, was eigentlich das gleiche bedeutet wie Vulnurer. Sie gleichen großen und aufrecht gehenden Ameisen. Sie hassen das Leben auf den Planeten des normalen Universums, denn sie befinden sich schon lange hier und wissen nicht mehr, woher sie stammen. Sie stammen jedoch aus deiner unmittelbaren Nähe, Lichtquelle! Ihr ganzes Trachten gilt einem äußeren und einem inneren Ziel. Das äußere Bestreben gilt den planetengebundenen Intelligenzen, die sie davon überzeugen wollen, daß nur ein Leben im freien Raum das wahre Heil ist. Es ist das Pech der Vulnurer, daß sie nirgendwo ein Volk finden, das auf ihre Beschwörungen reagiert. Das innere Ziel ist das Auffinden der Wiedergeborenen Lichtquelle. Sie wissen selbst nicht genau, was sich dahinter verbirgt, ahnen aber, daß es etwas mit der Heimat zu tun haben muß, also mit dem Ort ihrer Herkunft. Du, Quelle der Jenseitsmaterie, weißt nun, wie sehr die Erinnerung der Vulnurer an dich verblaßt ist. Das mag dich traurig stimmen, aber warte ab, denn die Vision ist noch nicht zu Ende.«
»Sprich weiter, kleiner Geist Atlans! Jedes Wort von dir ist mehr wert, als du dir jemals vorstellen kannst.« »In der Zeit der ersten Wende steht an der Spitze der rund 65.000 Vulnurer ein Mono namens Ferrunger-Mono. Er führt jedoch nur eine Scheinherrschaft, denn in Wirklichkeit bestimmen eine Handvoll Priesterinnen mit der Lichtquelle-Mara an der Spitze, was mit den drei Schiffen GESTERN, HEUTE und MORGEN passiert. Das Volk ist in vier Kasten gegliedert, über denen nur noch die geheimnisvollen Priesterinnen der Lichtquelle agieren. Die drei Schiffe treffen zufällig zu einem Zeitpunkt, zu dem mit Jacta Tars eine ungewöhnlich intelligente Vulnurerin geboren wird, erstmals auf ein anderes Volk, das sie nicht zu bekehren brauchen, denn dieses lebt wie sie auch nur im Weltraum und sucht Planeten nur in Ausnahmefällen auf. Dieses Volk nennt sich die Solaner, und an Bord des einen Schiffes, das sie ihre Heimat nennen, weilt auch der Körper und der Geist Atlans. Gemeinsam mit der neuen LichtquelleJacta bestehen beide Völker eine Auseinandersetzung mit den negativen Mächten jener Zukunft, mit einem Wesen namens HiddenX und dessen Handlanger, dem Schalter Hapeldan, der sich bereits die Priesterinnen durch einen üblen Trick gefügig gemacht, hatte. Ferrunger-Mono stirbt bei den Auseinandersetzungen, aber er hinterläßt seinem Volk eine neue Aufgabe. Man solle davon ablassen, die unsinnigen Bekehrungsversuche durchzuführen und sich statt dessen darauf konzentrieren, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Lichtquelle zu finden. Lichtquelle-Jacta nimmt diese Aufgabe an, und sie wird zugleich neuer Mono. Solaner und Vulnurer trennen sich in Frieden. Auf der GESTERN, der HEUTE und der MORGEN normalisieren sich die Verhältnisse wieder. Mit dem Ziel, die Wiedergeborene Lichtquelle zu finden, verschwinden die Vulnurer im All.« »Wenn Atlan und du in dieser Sache eine Rolle spielen«, unterbrach mich die Quelle der Jenseitsmaterie, »dann mußt du dich selbst doch auch daran erinnern können.«
»Es war so von Wonat-Zount gemeint«, antwortete ich, »daß sich diese Dinge erst ereignen werden. Daher kann ich jetzt noch nichts davon wissen.« »Ich verstehe, kleiner Geist. Das bedeutet, daß du und dein Atlan einmal alles vergessen werdet, wenn ihr die Namenlose Zone verlaßt. Was kannst du mir noch von meinen Vulnurern berichten? Du sprachst von einer ersten Wende.« »So ist es. Allerdings waren die Bilder der zweiten Wende sehr undeutlich, was wohl daran liegt, daß sie eine noch fernere Realität sind. Jacta bewahrt das Vermächtnis des verstorbenen Monos. Sie sucht nach dir, Lichtquelle der Namenlosen Zone, aber sie kann dich nicht finden, denn Dimensionsgrenzen trennen euch scheinbar für immer. Und doch kommt es ganz anders. Die drei Schiffe der Vulnurer begegnen an einem anderen Ort anderen Völkern und auch wieder der SOL. Dabei wird etwas vollzogen, was meine Vorstellungen überschreitet und was wohl auch der Zount nicht klar erkannte. Jedenfalls gelangen die Vulnurer zu dir zurück, und das geschieht wiederum durch das Einwirken Atlans. Das ist alles, was ich von Wonat-Zount erfahren habe.« »Ich danke dir, kleiner Geist, denn du hast mir wunderschöne Zeiten bereitet, die meine Einsamkeit durchbrachen. Ich werde mich dafür erkenntlich zeigen, aber sei gewiß, es heißt nicht, daß du nun für alle Zeit auf mich rechnen kannst. Ich bin einsam, und ich kann diese Einsamkeit nur durch Ruhe und Abkapselung ertragen. Außerdem mußt du wissen, daß deine Geschichte eine Zukunftsvision ist. Und da es nicht mehr ist, kann es so geschehen oder nicht. Es ist gut möglich, daß Wonat-Zount dir ein Märchen erzählt hat. Wie dem auch sei, du kannst jetzt gehen. Atlan wird nichts geschehen, bis er das Spinar verlassen hat. Ich habe ihn mit einer vorübergehenden Aura der Unantastbarkeit ausgestattet.« Ich wollte mich bedanken, aber die Quelle der Jenseitsmaterie sprach weiter.
»Sollte die Vision dennoch der Wahrheit entsprechen, und du kannst dir ausmalen, daß dies meinen Wünschen entspricht, und sollten du und Atlan sich irgendwann in der Zukunft daran erinnern, so handelt bitte mit aller Kraft so, daß die Vulnurer und ich wieder vereint werden. Nun sorge dafür, daß Atlan das Spinar umgehend verläßt!« Das Versprechen konnte ich geben, und ich tat es. Die Lichtquelle beförderte mich ohne ein Wort des Abschieds aus sich heraus. Ich fand mich in Kik wieder. »Zurück zum Spinar, Kik!« drängte ich. »Wir müssen zu Atlan, bevor ich vergehe, denn lange kann ich mich in diesem Zustand nicht mehr halten.« »Ich kann nicht!« klagte der Fünfbeiner. »Ich will ja, aber es geht nicht.« »Dann«, sagte ich hart, »muß ich dich leider mit in den Tod nehmen. Ich werde dein jämmerliches Bewußtsein zerquetschen wie …« Ich hatte den Gedanken noch nicht zu Ende formuliert, da fühlte ich Atlans Nähe und die wohltuende Wirkung der Spinarmaterie. Rasch schlüpfte ich an meinen angestammten Platz, wo Atlans verzweifelte Gedanken auf mich einhämmerten.
9. Ich brauchte einen Moment, um die ganze Geschichte des Extrasinns zu verarbeiten. Begreiflich war sie kaum, aber mein zweites Ich hatte mir geholfen, und nur das zählte im Augenblick. »Ich spüre nichts von einer Aura der Unantastbarkeit«, sagte ich und blickte mich um. Ich kam mir so normal vor wie eh und je. Die Roboter waren zwar verschwunden, aber was besagte das. Die Aura hält nur begrenzte Zeit, drängte der Logiksektor. Du solltest handeln. Probiere deine neuen Fähigkeiten aus. Ich glaube, daß du damit
die erwähnten Roboter schon vertrieben hast. »Die Frage ist, wie Anti-ES darauf reagiert.« Es wird sich wehren. Es wird deine Flucht verhindern wollen. Aber du mußt von dem Spinar verschwinden. Das wollte die Lichtquelle. Der Raum war nach allen Seiten verschlossen. Ob die Sperrfelder noch vorhanden waren, wußte ich nicht. Ich mußte es probieren. Dann fiel mir etwas anderes ein. »Ohne Janv-Zount darf ich nicht zur Basis zurückkehren. Ich habe es den Robotern versprochen.« Ich rate dir von einem Befreiungsversuch ab, der nur Zeit kostet. Außerdem würdest du Anti-ES damit nur unnötig reizen. Sei froh, wenn du diesen Ort verlassen kannst. Die Roboter kannst du vertrösten. Die Entscheidung wurde mir abgenommen. Die Ecke, in der die wachsenden Manifeste untergebracht waren, glühte plötzlich auf. Rauchschwaden breiteten sich aus. Als sie sich gelegt hatten, fehlte von dem leuchtenden Balken und dem durchsichtigen Gehirn jede Spur. Dazu erklang eine Stimme. »Du hast einen Sieg errungen, Atlan.« Das war Anti-ES! »Er nützt dir im Moment etwas, aber die Zeit arbeitet für mich. Ich kann dich hier nicht packen, aber unsere Wege werden sich weiter kreuzen. Du kannst die Namenlose Zone ebensowenig verlassen wie ich. Ich kann aber die Manifeste in unser Universum schicken, wo sie den Boden für meine Rückkehr vorbereiten. Suche nur nach Janv-Zount oder Janvrin. Du kannst ihn nicht finden, denn ich habe deine Absicht erkannt und alle Manifeste an einen sicheren Ort außerhalb des Spinars gebracht. Und wenn du jetzt selbst zur Basis zurück willst, so stelle dir das nicht so einfach vor. Ich werde dir alles in den Weg legen, was ich gegen die Aura einsetzen kann. Und du wirst verlieren.« Ich antwortete nichts und schirmte auch meine Gedanken ab, so gut es mir möglich war. Dann schritt ich auf eine beliebige Wand zu und streckte meine Hand aus. Je näher ich der Spinarmaterie kam, desto sicherer fühlte ich mich. Tatsächlich wich die festgewordene
magnetische Energie vor mir zurück. Weiter! drängte der Extrasinn. Ich machte einen Schritt. In der Wand bildete sich ein Hohlraum, den ich betrat. Es war gespenstisch. In welche Richtung ich mich auch bewegte, die Materie wich mir aus. Mein Gefühl der Sicherheit wuchs weiter. Ich schritt schneller aus und rannte durch die Dunkelheit, bis ich auf einen der normalen und beleuchteten Stollen des Spinars traf. Prompt tauchten hier mehrere Gruppen von Neutralschwebern auf. Aus einem Seitengang tobten mehrere Roboter heran. Jetzt brauchst du gute Nerven und viel Selbstvertrauen, sagte der Logiksektor. Sekunden später war ich in glühende Flammen gehüllt. Ich sah die Explosionen überall um mich herum, aber es gab keine Auswirkungen. Dennoch fühlte ich mich unsicher. Schließlich rannte ich einfach los, mitten in die um sich schlagenden Neutralschweber hinein. Die Kugelwesen prallten von mir ab und torkelten zu Boden. Den Robotern erging es nicht viel anders. Nach einem kurzen Spurt hängte ich meine hilflosen Widersacher ab. »Hier entlang!« An einer Abzweigung stand plötzlich Kik neben mir. Ich folgte ihm wortlos. Der Kleine flitzte einen geneigten Gang hinab. Ich hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Wir erreichten die Halle, in der wir angekommen waren. Die Trümmer des Beiboots lagen hier noch verstreut herum. Auch der Torso Ricos befand sich hier. »Hallo, Atlan«, knirschte der Roboter. »Es sieht nicht gut aus. Wo steckt Janv-Zount? Was ist mit ihm geschehen?« »Anti-ES hat ihn von dem Spinar geschafft. Wir müssen den Zähler an einem anderen Ort suchen. Alles andere erzähle ich dir später. Jetzt kommt es nur darauf an, schnell zur Basis zu gelangen, bevor mein Schutz verschwindet.« Ein einzelnes Licht blinkte an Ricos Kopf, aber er antwortete
nichts. Das konnte nur bedeuten, daß er auch keine Fluchtmöglichkeit wußte. Ich saß wieder fest. »Wir nehmen das Beiboot, mit dem wir gekommen sind«, behauptete Kik. »Nicht wahr?« »Mit den Trümmern lohnt es sich nicht einmal, nach Anti-ES zu werfen«, entgegnete ich. »Deine Aura, Atlan«, meinte Kik. »Sie macht dich unbezwingbar. Wenigstens für gewisse Zeit.« Ich zögerte, denn ich hielt den Kleinen für übergeschnappt. Dennoch packte ich Ricos Torso und trat damit langsam auf die Trümmer zu. Kik stellte sich hinter mich und schob mich voran. Was dann geschah, ließ mich schwindeln. Die Wrackteile des Beiboots begannen sich zu bewegen, und Sekunden später schloß sich das wieder intakte Schiff um uns herum. »Ich werde dir die Steuerung erklären«, rief Rico, dessen Kopf mit ein paar Teilen neben mir in der Liegeschale lag. Ich startete das Beiboot und hielt blindlings auf das geschlossene Schott zu. Im letzten Moment bildete sich ein Loch, ohne daß die Wände zur Seite glitten. Dann waren wir draußen. »Automatik!« krächzte Rico. »Zurück zur Basis.« Seine Stimmechanik schien auch einen Schaden erlitten zu haben, aber ich dachte, daß seine Artgenossen nicht nur das reparieren würden. Sie würden ihm auch wieder einen neuen Körper verpassen. Ich blickte auf den Torso und Kik. Merkwürdig, dachte ich, wie gern man solch fremdartige Kerle haben kann. Dann hörte ich die Stimme des Roboters Pit, der uns geortet hatte. Wir wären wieder in Sicherheit. Hinter uns quoll die Spinarmaterie wieder über die Ränder. Wir sehen uns wieder, Atlan, erreichte mich die Mentalstimme von Anti-ES. »Ganz bestimmt«, antwortete ich, und ich lächelte sogar dabei.
* Ich fühlte mich diesmal entspannt und frisch, als WöbbekingNar'Bon den temporären Reinkarnationseffekt beendete. Gleichzeitig spürte ich, daß der Kontakt zu ihm noch nicht abgerissen war. Wahrscheinlich wollte er mir eine Pause gönnen. Bjo Breiskoll, Barleona-Iray und ein paar meiner Freunde waren bei mir. Sie hatten es sich nicht nehmen lassen, meinem Vergangenheitserleben direkt zu lauschen. Sie ließen mir Zeit, bis ich aufstand. Insider reichte mir mit seinen vier Armen vier verschiedene Getränke. Ich ergriff wahllos eins und trank es in einem Zug aus. »Wöbbeking ist noch da.« Ich deutete auf meinen Kopf. »Er schweigt im Augenblick, aber ich spüre ihn noch. Er ist nicht hier. Vermutlich nahm er den Kontakt von außerhalb der Dunkelzone aus zu mir auf.« »Jetzt weißt du mehr über deine Vergangenheit«, sagte Iray und strahlte mich an. »Ich wünschte mir, ich hätte auch einen Wöbbeking, der das ganze Dunkel meiner Vergangenheit lüftet.« Ich schüttelte verlegen den Kopf. »Vielleicht siehst du das nicht ganz richtig«, erklärte ich ihr. »Jetzt und hier weiß ich, was heute und damals geschah. Während des Reinkarnationseffekts weiß ich nichts von meiner wirklichen Gegenwart, also nichts vom Jetzt. Manchmal habe ich zwar nachträglich das Gefühl, daß einzelne Dinge sich überlagern, aber das muß eine Täuschung sein.« »Am lustigsten fand ich«, bemerkte Argan U, »als du als dein Extrasinn gesprochen hattest. Deine Stimme klang so merkwürdig.« Ich winkte ab, denn ich hatte mir die Berichte meiner Erlebnisse selbst oft genug nachträglich noch einmal angehört und mich dabei beobachtet und SENECAS künstliche Bilder korrigiert. Hier auf der CHYBRAIN mußte das die Bordpositronik machen, denn wir hatten
ja keinen Kontakt zur SOL. »Ich darf Wöbbeking nicht zürnen, meine Freunde«, sagte ich, »aber irgendwie hat er uns alle doch geärgert. Wenn ich dieses Erlebnis vor ein paar Wochen gehabt hätte, dann wäre unser Hauptproblem längst erledigt.« »Die SOL und SENECA und Erfrin«, stellte Bjo Breiskoll fest. »Wieso?« fragte Argan U etwas einfältig. »Die wichtigste Erkenntnis, die ich mitgebracht habe, betrifft die Manifeste«, sprach ich. »Wie hat Wonat-Zount gesagt? Würde die magnetische Energie von Positronen erzeugt werden, also zur Herstellung von Posimagno-Energie führen, so wäre ein Manifest verloren. Das ist der Schlüssel zur Befreiung der SOL von Erfrin. Alle anderen Dinge, die ich erfahren habe, verblassen dagegen. Wir werden unsere Mission hier fortführen, aber wir werden verstärkt versuchen, wieder Kontakt zu Sternfeuer zu bekommen, damit Breckcrown Hayes erfährt, wie er die SOL vor dem Untergang retten kann.« »Warum hat Wöbbeking dir das nicht früher gesagt?« fragte Barleona und drängte sich an meine Seite. »Ich kenne den Grund nur allgemein. Er verfolgt mit dem derzeitigen Geschehen auch ein bestimmtes Ziel. Welches das ist, wird er mir wohl kaum verraten. Es ist doch klar, daß dann, wenn er mit offenen Karten spielen würde, das Erreichen dieses Zieles gefährdet wäre. Mein Extrasinn hat mich schon früher auf diesen Punkt aufmerksam gemacht. Wir können nur wachsam bleiben, weiter beobachten und handeln, damit sich die Dinge auch in unserem Sinn entwickeln.« »Zugegeben, das Problem Erfrin ist vorrangig«, meinte der Katzer. »Die anderen Schilderungen waren jedoch nicht minder interessant. Ich frage mich, was die Lichtquelle wirklich ist. Und die Zusammenhänge um die Zähler, die Manifeste und die Verbannung von Anti-ES eröffnen auch neue Perspektiven. Zumindest verstehe ich jetzt in etwa, was eine Relativ-Einheit ist. Nach unseren Maßstäben kann sie eine Sekunde oder eine Milliarde Jahre dauern.
In welcher Relativ-Einheit mag Anti-ES heute sein?« »Die Frage ist einfach zu beantworten«, entgegnete ich. »Da Janvrin bei uns mehrfach aufgetaucht ist, hat sich am Ablauf der Relativ-Einheiten seit über 200 Jahren nichts geändert. Anti-ES hat bereits die erste Phase der Läuterung auf den Kopf gestellt.« »Und du die Namenlose Zone«, bemerkte Argan U. Mir fiel auf, daß Sanny nicht unter den Anwesenden war. »Der Zweck des Handelns unseres Gegners im Hintergrund ist nun klar«, folgerte ich, während ich noch immer Wöbbekings Gedankenband spürte. »Anti-ES strebt nicht nur seine vollkommene Befreiung an. Es trachtet auch nach einem neuen Machtbereich.« »Den es sich in gewisser Hinsicht in Xiinx-Markant schon geschaffen hat« fügte Insider hinzu. Im Hintergrund erkannte ich Tyari, die die Gespräche aufmerksam verfolgte. Ihre Blicke wechselten dabei zwischen Iray Vouster und mir hin und her. »Wer sagt«, rief sie dazwischen, »daß Anti-ES seine Hand nur nach Xiinx-Markant ausgestreckt hat? Sicher, es hat hier seinen Helfer, Anti-Homunk. Aber wo wirkt es selbst und direkter?« Ich gab ihr keine Antwort, obwohl mir die Worte auf der Zunge lagen. Ihr Bestreben war, die SOL und mich nach der Nachbargalaxis Bars-2-Bars zu locken, aber ich dachte nicht daran, von meinem Weg abzuweichen. Mein Ziel war die Rückgewinnung der Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst. Nur so konnte ich den Auftrag der Kosmokraten erfüllen. Ich hatte schon viele Jahre seit der Ankunft auf der SOL verloren, und mehr sollten es nicht werden. Anti-ES besaß diese Information, und der Weg zu Anti-ES führte über Anti-Homunk. Es war ein gewagtes Spiel, sich mit dieser niederträchtigen Superintelligenz auseinanderzusetzen, aber ich hatte keine andere Wahl. Die Gedanken der Kosmokraten würden mir wohl für immer verschlossen bleiben. Ihr Verhalten gegenüber Anti-ES paßte nicht in meine Gedankenwelt.
Du zweifelst an dir? meldete sich mein Logiksektor ironisch. Das bin ich gar nicht mehr gewohnt. Vielleicht brauchst du eine logische Aufmunterung? Hier ist sie: Da du heute und hier existierst, hast du die Gewißheit, daß Anti-ES dich in der Namenlosen Zone nie in seine Gewalt bringen konnte. Und du hast die Gewißheit, daß es dir irgendwann und irgendwie gelungen ist, doch zu den Kosmokraten zu gelangen. Du darfst nicht übersehen, gab ich lautlos zurück, daß ich das während des temporären Reinkarnationseffekts nicht weiß. Dann weiß ich es auch nicht! »Ich erinnere mich noch gut an die Vulnurer.« Bjo Breiskoll riß mich aus dem stummen Zwiegespräch. »Unsere Erlebnisse am Rand der Zone-X beweisen doch, daß Wonat-Zount die Wahrheit gesagt hat. Und damit wissen wir jetzt auch, daß wir Lichtquelle-Jacta noch einmal begegnen werden. Du darfst nicht vergessen, was du als dein Extrasinn der Quelle der Jenseitsmaterie versprochen hast.« Ich nickte nur, denn der geistige Griff Wöbbekings wurde stärker. »Es ist notwendig«, erklärte ich meinen Freunden, »daß ich noch einmal mit Wöbbeking in einen festeren Kontakt trete. Ich spüre, daß er darauf wartet. Daher möchte ich euch bitten, mich noch einmal allein zu lassen, zumindest bis ich aus der realen Gegenwart entwichen bin. Die Verbindung ist nur locker, denn Wöbbeking ist weit weg.« »Ich hätte noch tausend Fragen«, klagte Argan. »Ich habe noch hunderttausend.« Ich lächelte dem Puschyden zu, und er machte als erster kehrt in Richtung des Ausgangs. Die anderen schlossen sich ihm zögernd an. Iray mußte ich förmlich von mir schieben, wobei sich widersprechende Gefühle in mir austobten. »Es muß sein«, erklärte ich ihr sanft. »Wenn wir nicht alles in Erfahrung bringen, werden wir irgendwann scheitern.« Ich drückte ihr einen Kuß auf die Wange und blickte noch einmal in ihre wunderbaren Augen. Dann schloß sich das Schott. Du läßt dir viel Zeit, Atlan, meldete sich sofort Wöbbeking-Nar'Bon.
»Du hast unsere Gespräche verfolgt?« fragte ich zurück. Natürlich. »Welches sind deine wahren Absichten? Warum gibst du dein Wissen nur in Mosaiksteinchen preis?« Meine wahren Absichten? Bin ich nicht wahrhaftig genug? Die Hintergründe wirst du bald selbst erkennen. Es wäre falsch, sie dir einfach mitzuteilen. Und die Preisgabe deiner Vergangenheit der letzten 207 Jahre? Du wirst erstaunt sein, denn ich kenne nur einen kleinen Bruchteil davon. Auch für mich sind die Kosmokraten ein Buch mit sieben Siegeln. Und das, was ich weiß, ist umfangreich genug, um dich zu verwirren, wenn du alles in einem Guß verkraften müßtest. Ich würde dir nicht nützen. »Du würdest dir nicht nützen«, entgegnete ich etwas aufsässig. Vielleicht, wich mein ferner Gesprächspartner aus. Es ist jedoch so, daß deine Aufgabe im kosmischen Sinn bedeutsamer ist als mein Streben. Das wirst du vielleicht nicht verstehen, aber es ist so. Meine Ziele sind in deinen Augen sogar egoistischer Natur. Ich muß aber erst diesen Schritt machen, bevor ich an Dinge denken kann, die dich motivieren. »Du sprichst von dem Auftrag der Kosmokraten?« Auch davon. Aber auch von dir, Chybrain und mir. Vielleicht ist es besser, wenn du mehr über mich erfährst. »Sprich!« Nein, Atlan. Du sollst es erleben, denn du spielst dabei eine entscheidende Rolle. Ich verstand. Wieder sank ich in dem Kontursessel nieder. Ich berührte einen Sensor, und die Aufzeichnungsgeräte schalteten sich ein. In der Zentrale der CHYBRAIN würde man merken, daß ich mich erneut aus der Gegenwart entfernte, auch wenn mein Körper noch vorhanden war. Durch den losen Kontakt glitt ich in eine Art Traum, in dem sich bekannte Vergangenheit, Vergessenes und Jetziges miteinander vermischten.
ENDE
Im Atlan-Band der nächsten Woche werden die Abenteuer des Arkoniden in der Namenlosen Zone fortgesetzt. Arndt Ellmer berichtet über das Eingreifen der Arltra-Ranger und über DAS GESCHENK DER LICHTQUELLE … DAS GESCHENK DER LICHTQUELLE – so lautet auch der Titel des AtlanBandes 617.