Jonas Lie Das Seegespenst
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Die Übersetzung stammt von Wilhelm Lange. Cover mit einer I...
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Jonas Lie Das Seegespenst
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Jonas Lie Das Seegespenst
Die Übersetzung stammt von Wilhelm Lange. Cover mit einer Illustration von Laurence Housman (Ausschnitt).
© eBOOK-Bibliothek 2005 für diese Ausgabe
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littera scripta manet
Auf dem Kvalholm da unten auf Helgeland wohnte ein armer Fischer namens Elias mit seiner Frau Karen, die früher bei dem Pastor in Alstadhaug bedienstet war. Sie hatten sich dort eine Hütte gebaut, und der Mann machte nun gegen Tagelohn die Lofotenfischerei mit. Auf dem einsamen Kvalholm war es nicht ganz geheuer. Wenn der Mann fort war, hörte die Frau allerlei unheimliches Lärmen und Schreien, das von nichts Gutem herrühren konnte. Als sie eines Tages auf der Hochebene Winterfutter für ihre Schafe mähte, hörte sie sogar vollkommen deutlich unter dem Berge am Strande sprechen; aber sie wagte der Sache nicht auf den Grund zu gehen. Jedes Jahr wurde bei ihnen ein Kind geboren; aber sie waren beide arbeitsam und fleißig. Als sieben Jahre verstrichen waren, befanden sich sechs Kinder im Hause; aber um diese
Zeit hatte der Mann auch so viel gespart, daß er sich selbst ein sechsrudriges Boot kaufen und für eigene Rechnung zum Fischen aussegeln zu können glaubte. Eines Tages, als er mit einer Flunderpicke in der Hand daherkam und über das eigene Boot nachdachte, stieß er hinter einem Felsenvorsprung am Strande unvermutet auf einen gewaltigen Seehund, der sich da sonnte und den Elias wahrscheinlich ebensowenig erwartet hatte wie jener ihn. Elias aber überlegte nicht lange: er stieß ihm die lange, schwere Picke dicht unterm Genick in den Rücken. Da aber gab es ein Wesen! Der Seehund richtete sich mit einemmal auf dem Schwanz in die Höhe, hoch wie ein Bootsmast, sah Elias mit blutunterlaufenen Augen boshaft und giftig an und wies so fürchterlich grinsend die Zähne, daß Elias beinah den Verstand verlor. Dann fuhr der Seehund plötzlich ins Wasser, und der Schaum hinter ihm war vom Blute rot. Mehr sah Elias nicht; aber an der Landungsstelle, wo sein Haus stand, trieb an demselben Nachmittage die Flunderstange mit abgebrochener Spitze an Land. Elias vergaß aber das Geschehnis; er kaufte sich im Herbst ein sechsrudriges Boot, für das er schon im Sommer den Schuppen gebaut hatte. Eines Nachts, als er wach lag und an seinen neuen Sechsruderer dachte, fiel ihm ein, daß er zur besseren Verwahrung des Bootes doch lieber an jeder Seite noch eine kleine Klammer zum Stützen einsetzen sollte. Er war so unsinnig froh über das Boot, daß es ihm tatsächlich Freude machte, aufzustehen und es mit der Laterne in der Hand zu besichtigen. Wie er nun dastand und das Boot beleuchtete, glaubte er plötzlich in einer Ecke auf dem Netzhaken ein Gesicht zu
bemerken, das ganz so aussah wie das des Seehunds. Eine Weile grinste es ihn und die Laterne boshaft an, wobei der Rachen größer und größer wurde, und schließlich fuhr ein riesiger Mann zur Tür hinaus, dem, wie Elias beim Schein der Laterne ganz deutlich sah, eine lange Eisenspitze aus dem Rücken hervorragte. Nun fing er an, dies und das zu begreifen. Aber noch jetzt war er mehr um das Boot als um sein Leben besorgt, und deshalb setzte er sich mit der Laterne ins Boot und hielt Wache. Als seine Frau am folgenden Morgen in den Schuppen kam, fand sie ihn schlafend im Boot vor, neben sich die ausgebrannte Laterne. Als er eines Morgens im Januar mit zwei Männern in seinem Boote zum Fischfang auszog, hörte er in der Dunkelheit eine Stimme, die von einer der Schären, gerade an der Ausfahrt der Bucht, mit höhnischem Lachen sagte: »Wenn du ein großes Boot bekommst, so nimm dich in acht, Elias!« Es dauerte aber viele Jahre, bis es Elias zu einem großen Boote brachte; sein ältester Sohn, Bernt, war damals bereits siebzehn Jahre alt. Aber eines Herbsttages fuhr er mit seiner Familie im Boote nach Ranen, um den Sechsruderer gegen ein großes Boot zu vertauschen. Im Hause blieb nur ein eben konfirmiertes Lappenmädchen, das Elias vor Jahren zu sich genommen hatte. In Ranen war wirklich ein Boot zu haben, ein kleineres Großboot, um das ihm zu tun war; der beste Bootsbauer hatte es just in diesem Herbst fertiggestellt und geteert. Elias wußte sehr wohl, wie ein Boot beschaffen sein mußte und glaubte, nie eins gesehen zu haben, das unter der Wasserlinie so vorzüglich gebaut war wie dieses. Über dem Wasser sah es
wenigstens für einen wenig Erfahrenen etwas plump aus und nicht besonders schön. Der Baumeister sah alles das ebensogut wie Elias. Nach seiner Ansicht, sagte er, würde es der schnellste Segler werden, der jemals in Ranen gebaut worden sei; Elias sollte es aber trotzdem billig haben, wenn er das eine versprechen wolle: keine Änderung an dem Boote vorzunehmen, nicht einmal einen Nagel in die geteerten Steven zu schlagen. Erst als Elias dieses Versprechen gegeben hatte, bekam er das Boot. Der Mann, der den Baumeister diese Form unter der Wasserlinie zu bauen gelehrt hatte – über Wasser mußte er arbeiten, wie er selbst es konnte, und das wurde manchmal schlecht genug –, war wahrscheinlich dort gewesen und hatte ihm geraten, das Boot so billig zu verkaufen, daß es Elias erwerben könne; zugleich hatte er ihm eingeschärft, er möge im voraus zur Bedingung machen, daß das Boot nicht gezeichnet werden dürfe. Auf diese Weise verhinderte man, daß, einem alten Brauche gemäß, am Vorder- und Hintersteven Kreuze angebracht wurden. Bevor Elias wieder nach Hause segelte, begab er sich nach dem Handelsplatz und versorgte sich und die Seinen mit Weihnachtsvorrat, unter anderem mit einer Branntweinkruke. Sehr froh und mit seinem Handel zufrieden, tranken er und ebenso seine Frau an diesem Tage einen Schluck über den Durst, und auch Bernt, der Sohn, durfte einmal kosten. Dann segelten sie in dem neuen Boot heimwärts. Anderer Ballast als Elias selbst, dessen Frau und Kinder sowie der Weihnachtsvorrat befand sich in dem Boote nicht. Bernt saß vorn; die Frau bediente, unterstützt von dem zweitältesten Sohne, die Segel, und Elias selbst saß am Ruder; die
beiden jüngeren, zwölf und vierzehn Jahre alten Brüder sollten sich beim Wasserschöpfen ablösen. Sie hatten im ganzen acht Seemeilen zu segeln, und als sie auf die See hinauskamen, zeigte sich, daß das Boot gleich seine erste Probe würde bestehen müssen. Der Wind steigerte sich nach und nach zum Sturm, und die Schaumkämme der schweren Wogen begannen sich aneinander zu brechen. Jetzt sah Elias, was für ein Boot er besaß; wie ein Seevogel durchschnitt es die Wellen, ohne auch nur einen Tropfen Wasser zu übernehmen; Elias meinte, er brauche gar nicht voll zu reffen, was bei einem gewöhnlichen Großboot in solchem Wetter nötig gewesen wäre. Später bemerkte er nicht weit entfernt auf See ein anderes Großboot mit voller Besatzung und gerefften Segeln. Es hatte denselben Kurs, und Elias fand es ein wenig seltsam, daß es ihm bis dahin entgangen war. Es schien, als wolle das andere Boot mit dem seinigen um die Wette segeln, und als er das merkte, konnte er nicht unterlassen, sein Segel wieder voll zu entfalten. Mit rasender Schnelligkeit ging es an Landzungen, Wedern und Schären vorüber, so daß es Elias bedünken wollte, als sei er noch nie auf einer so prächtigen Segelfahrt gewesen; nun zeigte sich wirklich, daß das Boot das beste in Nordland war. Die See ging indessen höher und höher; schon waren sie von mehreren tüchtigen Sturzwellen überschüttet worden. Sie brausten vorn am Bug, wo Bernt saß, herein und flossen am Heck wieder in die See. Beim Eintritt der Dunkelheit war das andere Boot so nahe gekommen, daß sich die beiderseitigen Insassen etwas hätten zuwerfen können.
Seite an Seite ging nun die Fahrt auf der immer stürmischer werdenden See in die Nacht hinein. Eigentlich hätte man wieder reffen müssen; aber Elias wollte sich bei der Wettfahrt nicht gerne für besiegt erklären; er wollte mit dem Reffen solange wie möglich warten – bis sie es auch in dem anderen Boot täten, wo es wahrscheinlich nicht weniger nötig war. Immer öfter ging die Branntweinkruke herum, da man sowohl der Kälte wie der Nässe Widerstand leisten mußte. Das Meerleuchten, das auf den schwarzen Wogen neben Elias’ Boot spielte, war eigentümlich stark auf dem Schaumrande um das andere Boot, das gleichsam durch eine feurige Brandung segelte. Bei dem hellen Phosphorschein konnte Elias sogar die Taue an dem andern Boot unterscheiden. Er konnte auch deutlich die Leute an Bord mit ihren Südwestern auf dem Kopf erkennen; aber da ihm die Luvseite des Bootes zunächst lag, kehrten ihm alle den Rücken zu und wurden obendrein meist von dem hoch emporschnellenden Bootsrand verdeckt. Plötzlich schlug eine schreckliche Sturzwelle, deren weißen Kamm Elias schon lange durch die Dunkelheit schimmern sah, über das Vordeck, wo Bernt saß, ins Boot. Sie hielt förmlich das Boot einen Augenblick auf; die Planken bebten und zitterten unter ihrem Druck, und dann strömte sie über das Hinterdeck wieder hinaus, als das für einen Augenblick halbgekenterte Boot sich wieder auf richtete und von neuem dahinschoß. Während dies geschah, glaubte Elias, vom andern Boot her ein gräßliches Geschrei zu vernehmen. Aber als es vorüber war, rief die Frau, die das Segel bediente, mit einer Stimme, die ihm ins Herz schnitt: »Herrgott, Elias, die See hat Martha und Nils mitgenommen!«
Das waren ihre jüngsten Kinder, das erstere neun, das andere sieben Jahre alt. Sie hatten neben Bernt gesessen. Elias antwortete nur: »Laß das Segel nicht los, sonst verlierst du noch mehr!« Es galt nun das vierte Reff einzustecken, und als das geschehen war, fand Elias, daß er sogar zum fünftenmal reffen müsse; denn das Unwetter nahm zu; um aber andrerseits die immer schwereren Wogen durchschneiden zu können, durfte er nicht mehr reffen, als unbedingt notwendig war. Es half jedoch nicht: die Segelfläche mußte noch weiter verkleinert werden. Die See schäumte, daß ihnen der Gischt ins Gesicht peitschte, und Bernt und der nächstälteste Bruder, Anton, der der Mutter am Segel geholfen hatte, mußten schließlich die Raa halten – ein Ausweg, zu dem man seine Zuflucht nimmt, wenn das Boot auch das fünfmal gereffte Segel nicht mehr verträgt. Das benachbarte Boot, das eine Weile nicht sichtbar gewesen, tauchte plötzlich neben Elias’ Boot wieder auf, mit ganz derselben Takellage wie seines; aber die Mannschaft, die dort an Bord war, gefiel ihm nicht recht. Die beiden, die die Raa hielten und deren bleiche Gesichter unter den Südwestern hervorblickten, glichen bei der seltsamen Beleuchtung durch die Schaumwoge mehr Gespenstern als Menschen; auch sprachen sie kein einziges Wort. In einiger Entfernung sah Elias in der Finsternis wieder den hohen Kamm einer Sturzwelle schimmern; die Woge rückte näher und näher heran, und er bereitete sich darauf vor, sie zu empfangen. Er hielt direkt auf die Welle zu und ließ das Segel so viel als möglich entfalten, um genügend Fahrt zum Durchschneiden der Woge zu bekommen. Tosend wie ein Wasserfall
brauste die Sturzwelle heran; wieder waren sie einen Augenblick nahe am Kentern; aber als die Gefahr vorüber war, saß die Frau nicht mehr am Segel, und Anton stand auch nicht mehr an der Raa – sie waren beide über Bord. Auch diesmal glaubte Elias denselben gräßlichen Ruf in der Luft zu vernehmen. Aber dazwischen hörte er deutlich seine Frau angstvoll seinen Namen rufen. Als er merkte, daß sie von Bord gerissen war, sagte er nur: »In Jesu Namen!« Dann schwieg er. Ihm war zumute, als ob er ihr folgen solle; aber er fühlte, daß es den Rest der teuren Ladung, die er an Bord hatte, zu bergen galt: Bernt und seine beiden anderen Söhne, den zwölf und den vierzehnjährigen, die lange Zeit mit Wasserschöpfen beschäftigt gewesen waren und nun im Hinterraum saßen. Nun mußte Bernt allein auf die Raa achtgeben und sich und dem Vater helfen, so gut es ging. Das Ruder wagte Elias nicht loszulassen; mit eiserner Hand hielt er es umklammert – sie war schon vor Anstrengung ohne Gefühl. Nach einer Weile tauchte das Nachbarboot wieder auf, das wie schon früher eine Zeitlang nicht sichtbar gewesen war. Nun sah Elias noch deutlicher den Mann, der auf demselben Platz saß wie er. Aus seinem Rücken, unterhalb des Südwesters, ragte, als er sich umdrehte, richtig eine lange Eisenpicke, die Elias wohl zu erkennen glaubte. Er war sich nunmehr über zweierlei klar: erstens, daß niemand anders als das Seegespenst das Halbboot ihm zur Seite lenkte und ihn ins Verderben geführt hatte, und ferner, daß er in dieser Nacht seine unbedingt letzte Fahrt machen sollte. Denn wer das Gespenst auf der See erblickt, ist verloren. Er sagte seinen Söhnen nichts, um sie nicht mutlos zu machen, empfahl aber Gott seine Seele.
Seit ein paar Stunden hatte der Sturm ihn gezwungen, den Kurs zu ändern; und da zu gleicher Zeit ein Schneegestöber einsetzte, so machte er sich darauf gefaßt, daß er vor Tagesanbruch über die Richtung des Landes keine Klarheit bekommen würde. Die Fahrt ging inzwischen fort wie bisher. Von Zeit zu Zeit klagten die Knaben im Hinterraum über die Kälte; aber dagegen war bei dem Wetter ja nichts zu machen; Elias hatte auch andere Gedanken. Er hatte eine so wahnsinnige Lust, sich zu rächen, und wäre es ihm nicht mit das Leben seiner noch übrigen Kinder zu tun gewesen, so würde er durch eine plötzliche Wendung versucht haben, das verdammte Boot in den Grund zu segeln, das immer noch wie zum Hohn ihm zur Seite fuhr und dessen böse Absicht er lange durchschaute. Konnte früher die Fischpicke das Gespenst verwunden, so ließ sich jetzt wohl mit einem Messer oder Haken dasselbe erreichen; er würde gern sein Leben hingegeben haben, um den recht zu treffen, der ihm so herzlos das Liebste auf Erden geraubt hatte und wohl noch mehr wollte. Zwischen drei und vier Uhr nachts zeigte sich wieder in der Dunkelheit eine Schaumwand von solcher Höhe, daß Elias anfangs meinte, es müsse eine Brandung sein in der Nähe des Landes. Bald sah er jedoch, was er vor sich hatte: eine ungeheure Woge. Auf einmal glaubte er deutlich zu hören, wie in dem anderen Boot gelacht wurde über die Worte: »Nun steuere dein Großboot, Elias!« Dieser, der das Unglück voraussah, sagte jetzt laut: » In Jesu Namen!«, riet seinen Söhnen, sich mit aller Kraft an den Ruderpflöcken festzuhalten, sobald das Boot untertauche, und nicht eher loszulassen, als bis sie über Wasser wären. Er ließ den
älteren nach vorn gehen, zu Bernt, und behielt den jüngsten dicht neben sich; mehrmals strich er ihm heimlich die Wange und vergewisserte sich, ob er sich wohl auch fest genug hielt. Das Boot wurde buchstäblich unter der Schaumwelle begraben, erhob sich darauf mit dem Vordersteven und ging dann unter. Als es mit dem Kiel nach oben wieder emporkam, lagen Elias, Bernt und der zwölfjährige Martin neben dem Boot und hielten sich fest; der dritte Bruder war verschwunden. Nun galt es vor allem, die Wanten an der einen Seite zu durchschneiden, daß der Mast sich neben das Boot legen konnte, anstatt es beständig von unten zu beunruhigen; dann galt es, auf den Kiel zu gelangen, die Zapfen aus dem Schiffsboden herauszustoßen und so die Luft, die das Boot jetzt zu hoch über Wasser hielt, als daß es stilliegen konnte, herauszulassen. Nach großen Anstrengungen glückte das; Elias gelangte zuerst auf den Kiel und half seinen beiden Söhnen hinauf. Dort saßen sie nun die lange finstere Winternacht, mit Händen und Füßen sich krampfhaft anklammernd, von einer Welle nach der andern überspült. Bereits nach wenigen Stunden starb Martin, den der Vater die ganze Zeit nach Möglichkeit gestützt hatte, vor Ermattung und glitt in die See hinein. Sie hatten schon mehrmals um Hilfe gerufen, es aber als zwecklos aufgegeben. Während die zwei nun allein auf dem umgeschlagenen Boote saßen, sagte Elias zu Bernt, er werde wohl bald der Mutter folgen, hoffe jedoch, daß Bernt gerettet werden würde, wenn er nur wie ein Mann aushalte. Dann erzählte er ihm von dem Seegespenst, dem er die Flunderpicke in den Nacken gestoßen und das sich an ihm nun gerächt habe; es würde wohl auch nicht nachgeben, als bis sie quitt seien.
Gegen neun Uhr morgens, als der Tag zu grauen begann, reichte Elias dem neben ihm sitzenden Bernt seine silberne Uhr mit der Messingkette, die er entzweigerissen hatte, um die Uhr unter der zugeknöpften Weste hervorziehen zu können. Er saß noch eine Weile; aber als es lichter wurde, sah Bernt, daß das Gesicht des Vaters totenbleich war und das Haar sich an mehreren Stellen geteilt hatte, wie es oft kurz vor dem Tode geschieht; die Haut an den Händen war ihm durch das Festhalten am Kiel vollständig abgerieben. Der Sohn erkannte, daß es mit dem Vater zu Ende ging und wollte, so gut es bei der Schaukelbewegung des Bootsrumpfes ging, zu ihm hinrücken, um ihn zu unterstützen; als aber Elias dies merkte, sagte er: »Halt dich nur selber so fest, wie du kannst, Bernt! In Jesu Namen; ich gehe zur Mutter!« Damit warf er sich rücklings vom Kiel in die See. Als die See ihr Opfer erhalten hatte, wurde sie, wie jeder weiß, der einmal auf solchem Bootskiel gesessen, nach kurzer Zeit ruhiger. Es wurde Bernt leichter, sich festzuhalten, und mit dem hellerwerdenden Tage kam neue Hoffnung. Der Himmel klärte sich auf, und als es völlig Tag geworden, war ihm, als ob er die Gegend kenne, als ob er vor seiner Heimat, dem Kvalholm, dahintriebe. Er begann wieder um Hilfe zu rufen, setzte aber mehr Hoffnung auf eine Strömung, die, wie er wußte, an einer Stelle gegen das Land ging, wo ein Vorgebirg auf der Insel den Wogengang brach, so daß er ruhig wurde. Er trieb auch richtig immer näher und kam schließlich einer Schäre so nahe, daß sich der neben dem Boot herschwimmende Mast an der schrägen Klippe mit den Wellen auf und ab senkte. So steif er vom Sitzen und Festhalten war, es glückte ihm dennoch unter
großer Anstrengung, sich auf die Felsenklippe zu retten, den Mast heraufzuziehen und das Boot zu befestigen. Das Lappenmädchen, das allein zu Hause war, hatte seit einigen Stunden Hilferufe zu hören gemeint und war, als sie nicht aufhörten, auf eine Anhöhe geklettert, um Ausschau zu halten. Da sah sie auf der Klippe Bernt und neben ihm das gekenterte Boot, das fortwährend gegen die Klippe schlug. Sie lief sofort zum Bootshaus hinunter, schob das alte Ruderboot ins Wasser und ruderte um die Insel herum zu ihm hin. Bernt lag den ganzen Winter in ihrer Pflege krank und ging dieses Jahr nicht auf den Fischfang. Die Leute meinten, er sei zuweilen ein bißchen wunderlich. Auf das Meer wollte er nicht wieder hinaus – er hatte den Seeschreck bekommen. Er heiratete das Lappenmädchen und zog hinauf nach Malangen; dort kaufte er sich ein Rodeland und befindet sich noch heute gut dabei.