N e g a s p h ä r e
B a n d
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Nr. 2497
Hubert Haensel
Das Monokosmium Der zweite Teil der Kybernetischen Konspiration – und der Kampf gegen Kirmizz Über dreieinhalb Jahre währte der verzweifelte Abwehrkampf der Milchstraße gegen die wohl größ te Gefahr, der sich die Lokale Gruppe der Galaxien, ein wesentlicher Teil der Mächtigkeitsballung von ES, jemals ausgesetzt sah: die Entstehung einer Negasphäre in Hangay, einer Brutstätte des Chaos. Dank einer Reise über 20 Millionen Jahre hinweg konnte Perry Rhodan in Erfahrung bringen, wie eine Retroversion durchzuführen ist, die Umkehrung der brisanten Entwicklung. Mithilfe der Terra ner, zahlreicher anderer Freunde der heimatlichen wie der umliegenden Galaxien, der Organisation der Friedensfahrer und nicht zuletzt des Nukleus gelang es letztlich, den Prozess zu stoppen und den Kosmischen Messengern Zugang nach Hangay zu verschaffen: Diese führten wieder einen kos mologischen Normalzustand herbei, sodass dort nie wieder eine Negasphäre wird entstehen kön nen. Allerdings ist die Gefahr für Terra damit nicht beseitigt. Der Heerführer der Chaosmächte, die duale, negative Superintelligenz KOLTOROC, erinnert sich an Perry Rhodan als Schlüsselfigur seiner Nie derlage und fordert den Terraner zum Duell. Indessen setzt sich Roi Danton, Rhodans Sohn, mit dem Piloten des Chaotenders VULTAPHER auseinander. Auf der Hundertsonnenwelt erwartet ihn DAS MONOKOSMIUM ...
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HUBERT HAENSEL
Prolog
»Wo finde ich den Maskenträger?«, fragte er. Kirmizz hatte lange gewartet. Seine Das warzenhäutige Wesen wechselte zornige Erinnerung an den Mann mit seine Farbe in dumpfes Rot. Die Mehr der Maske lag mittlerweile unter sehr zahl seiner dünnen Pseudopodien ver viel Ballast verschüttet. Vergessen hat schmolz wieder mit dem Zentralkörper. te er jenen Friedensfahrer aber nie. Zugleich sonderte die Kreatur Boten Nun spürte er erneut die Nähe des stoffe in rauer Menge ab. Es blieb ein Gegners. untauglicher Versuch, denn Kirmizz Es war Zeit für ihn, den Zweikampf reagierte nicht auf die biochemische zu Ende zu führen und herauszufinden, Attacke. was sich unter der Maske verbarg. Ein »Ich werde diesen Terraner aufspü zweites Mal würde ihn diese aggressive ren«, stellte er fest. »Wie viele Friedens Kreatur jedenfalls nicht überraschen. fahrer haben die Verfolgung durch die Der Maskenträger Kolonne überlebt? selbst war Kirmizz Keinesfalls mehr als egal – ein Terraner, zwanzig ...« Die Hauptpersonen des Romans: der für ihn nicht Eine Aura aus mehr als ein namen Schwefelwasserstoff Roi Danton – Perry Rhodans Sohn will einen Chaotender in die Hände der Menschheit loser Schatten blei stieg von dem Gefan bringen. ben würde. Der Pi genen auf. Kirmizz Senego Trainz – Der Anführer der Mikro-Bes lot des Chaotenders deutete die expan tien geht auf der Welt der hundert künstli chen Sonnen in den Einsatz. VULTAPHER wuss dierende Wolke der te, dass kaum noch Geruchsmoleküle als Kirmizz – Der Pilot von VULTAPHER muss seinen Chaotender funktionsfähig machen Terraner in diesem Ausdruck von Furcht. und seinen ersten Einsatz bewältigen. Universum lebten. Zudem fand sein Ge Zaubilski und Gessounin – Zwei Posbis be Sie hatten ihre eigene genüber langsam zur nutzen die Hintertür. Stärke überschätzt, festen Gestalt zu und daran waren sie rück. zugrunde gegangen. Kirmizz’ Versuch Ihre Heimatwelt – der mentalen Beein nach dem Angriff des Chaotenders flussung hatte den symmetrischen Kör und der Traitanks im Atombrand ver per geschädigt. Es hätte ihn nicht über glüht. rascht, wäre das blütenförmige Wesen Ihre Sonne – bald eine Nova, deren in einer zweiten heftigen Reaktion in Explosion das Achtplanetensystem für kleinere Exemplare zerfallen. Vermeh immer auslöschen würde. rung durch Teilung war in diesem Be Viele Millionen Lichtjahre entfernt reich des Universums weit verbreitet, bestanden noch kleinere terranische das hatte er während seiner Ausbildung Kolonien. Nur weil sie nie besondere in der XIX. Kosmität erfahren. Bedeutung erlangt hatten, existierten Sein eigener Körper ... sie bis heute. Der Mahlstrom der Ster Denk nicht darüber nach!, meldete ne, Alashan in der Galaxis DaGlausch sich das Untha-Myrre-Restbewusst ... Beides vielleicht eines Tages Ziele für sein. Das ist nicht dein Kör... VULTAPHER. Vorerst aber unerheb Schweig!, fuhr Kirmizz auf. lich, denn vorrangig blieb die Fertig Er erinnerte sich nicht an seine eige stellung des Chaotenders. ne Existenzform und fragte sich sogar, Kirmizz wandte sich wieder seinem ob er jemals einen Körper besessen hat Gefangenen zu. te. Sein Bewusstsein war verpflanzt
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worden. Man hatte Untha Myrres Be wusstsein gelöscht, wenn auch unvoll ständig, und den Körper recycelt ... Ein heftiger Schlag traf seine Brust. Kirmizz spürte eisige Kälte, doch im nächsten Moment war er schon nicht mehr in der Lage, darüber nachzuden ken – dieser Bereich seines muskulösen Brustkorbs existierte in seiner Wahr nehmung nicht mehr. Ein zweiter Schlag. Der Pilot des Chaotenders spürte ihn, vergaß ihn ... und ignorierte den gur gelnden Aufschrei des Myrre-Bewusst seinssplitters. Starr blickte er seinen Gefangenen an. Der sternförmige rote Leib hatte sich wieder stabilisiert: eine hoch aufgewölbte Blüte, die Arme wie Blütenblätter weit nach innen gebo gen ... ... sie schnellten einzeln zurück. Kirmizz spürte einen heftigen Schlag gegen seinen Handrücken, dann gab es diese Hand für ihn nicht mehr. Er konn te die Finger nicht bewegen, und das Absonderliche daran war, dass er das nicht einmal als ungewöhnlich emp fand. Es bringt uns um! Kirmizz verstand nicht, warum das Myrre-Bewusstsein laut wurde. Er sah, dass sein Gefangener sich erneut an spannte, sah die warzenartigen Gewe beklumpen wie Geschosse heranfliegen, spürte die Treffer und ... reagierte nicht darauf. Töte ihn, Kirmizz! Töte diesen Frie densfahrer – oder wir werden sterben! Er machte einen Schritt auf das selt same Wesen zu, aber schon gehorchten ihm die Beine nicht mehr. Kirmizz stürzte. Er spürte kaum, dass er auf dem Boden aufschlug. Sein Gesicht riss auf. Das war das Einzige, was er noch bewusst wahr nahm. Die Einkerbung, die seinen Kopf vom Hals bis zur Schädeldecke spalte te, platzte auseinander. Kirmizz’ Stummes Gesicht brach
hervor. Graue wulstige Haut und eine schlundähnliche Öffnung, aus der sein Schmerzruf erklang. Der Ruf tötete den Gefangenen. * Kirmizz hatte allen Grund, unzufrie den zu sein. Er hatte zu lange gezögert; ohne den Schmerzruf wäre er von dem Friedensfahrer besiegt worden. Dass Myrres Restbewusstsein hart näckig schwieg, verstand der Pilot zu dem als bitteren Vorwurf. Gerade deshalb hatte er sich beeilt, die Spur des Maskenträgers aufzuneh men. Nichts anderes zählte gegenwär tig für ihn. Dabei war keineswegs der hagere Terraner das Problem, sondern das gierige Geschöpf, das sich hinter dessen Maske verbarg. Kirmizz entsann sich nicht, jemals eine ähnliche Bedro hung wahrgenommen zu haben. Das grüne Tropfenraumschiff, mit dem der Maskenträger die Sonnenbar riere überwunden hatte, würde sich nie wieder von der Ebene erheben. Kir mizz argwöhnte, dass der Terraner be wusst an diesen Ort geflohen war. Der Hagere suchte die Nähe der Ordnungs mächte, und mochte sie noch so margi nal sein. Kirmizz spürte nichts davon, dass jemals Kosmokraten an jenem Ort tätig gewesen wären. Im Gegenteil. Er sah deutlich, dass die Ebene verfiel. Dass sie einst Treffpunkt der Mächtigen ge wesen war, verhinderte nicht, dass sie morsch und brüchig wurde. Selbst die schützenden Sonnen waren matt ge worden und nur mehr ein müder Ab klatsch einstiger Pracht. Es war nicht zu übersehen, dass die Zeit tiefe Spuren hinterließ. Vielleicht glauben die Kosmokraten wirklich noch an ihre Stärke, ging es Kirmizz durch den Sinn. Trotzdem werden sie bald erkennen müssen, dass ihre Epoche endet.
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Nichts ist beständig außer dem Cha os. Myrres Einwand klang spöttisch und herausfordernd zugleich. Kirmizz dachte während dieser Wor te an Jasper, den Kosmokratendiener. Gemeinsam hatten sie ihre Ausbildung bewältigt. Bis zu dem Tag, an dem sie zwangsläufig zu Todfeinden geworden waren. Kirmizz hatte die Auseinanderset zung als Einziger überlebt. Abrupt hielt er inne. Vor ihm war die Ebene aufgebrochen, die Bruchstellen hatten sich hoch aufgetürmt und inein ander verkeilt wie mächtige Eisschol len auf einem Fluss. Diese zerklüftete Wand badete in Kaskaden von Licht und Schatten. Kirmizz glaubte zu spüren, dass der Maskenträger dort Zuflucht gesucht hatte. Immer wieder hielt er für kurze Zeit inne und ließ seine mentalen Füh ler schweifen. Er spürte Leben. Mehr, als er an die sem Ort erwartet hätte. In die Primiti vität zurückgefallene Raumfahrer haus ten auf der Ebene. Ihre Existenz war eine Überraschung, nicht mehr. Sie in teressierten ihn nicht. Es musste leicht sein, sie mit winzigen Bewusstseins splittern zu beherrschen. Ruckartig hob Kirmizz den Kopf. Et was zerrte an ihm – ein gieriger, uner sättlich scheinender Einfluss. Er entsann sich der wirbelnden Farb explosionen, die ihm die Kraft aus dem Leib gesogen hatten. Bis heute spürte er in der Erinnerung jene beängstigende Schwäche, die ihn daran gehindert hatte, den hageren Terraner zu töten. Eine seltsam unwirkliche Erfahrung war das gewesen. Er splitterte seinen Geist auf und suchte intensiver nach dem Maskenträ ger. Doch alle Aktionsquanten griffen ins Leere. Der Gegner entzog sich ihnen – bis Kirmizz endlich verstand, dass diese Kreatur mit ihm spielte. Sie woll te ihn schwächen, ihn zwingen, den
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Kampf nach ihren Regeln auszutra gen ... Er sträubte sich dagegen. Sein Aufbegehren war ein Fehler, der ihn ablenkte. Das erkannte er, als ihm der Rückweg verwehrt wurde. Zum zweiten Mal stand er dem Maskenträ ger gegenüber. Unglaublich zerbrech lich erschien ihm dieser Mann. Ver wundbar. Dennoch widerstand der Terraner mühelos Kirmizz’ Versuch, ihn zu beeinflussen. Dann ging alles sehr schnell. Ein Schwall destruktiver Energie schlug über dem Piloten zusammen. Kirmizz taumelte auf den Terraner zu, unter dessen Maske archaische Gewal ten tobten. Lodernde Glut schlug aus den Schlitzen und brodelte an den Rän dern. Sie verdichtete sich zum Puls schlag der Vernichtung. Wie aus weiter Ferne hörte Kirmizz die Reste des Myrre-Bewusstseins schreien. Er sah den Terraner die Hän de heben, nach der Maske greifen und ihre Haltebänder lösen. Aber genau das durfte nicht geschehen ... Erinnerungsfetzen: ein greller Wir bel, die Ahnung vom Ende der Zeit, Materie und Energie zur Singularität verdichtet ... Der Hagere hatte die Maske schon halb gelöst. Kirmizz spürte das Un heimliche, das sich in der grellen Aura manifestierte. Gierig sprang es ihn an. Die Simulation beenden! Sein Befehl blieb wirkungslos. Kir mizz hatte schon zu viel von sich in die sen Aufbau einfließen lassen, er hatte das Extrem gesucht, und aus dem Schein heraus manifestierte sich die neue Realität. Er würde der Kraft un terliegen, die er selbst gerufen hatte. Von irgendwoher erklang ein dump fer, schwingender Ton. Informations alarm!, erkannte Kirmizz. Für einen Moment zerfloss die Ebene vor ihm ... Er konzentrierte sich neuerlich auf den Maskenträger. Die Naht in seinem
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Gesicht riss auf. Er spürte, wie sich darunter sein Stummes Gesicht entfal tete, hörte, dass der Schmerzruf dem Terraner entgegensprang – in dem Mo ment, als dieser die Maske mit einem Ruck abnahm. Kirmizz wimmerte nur noch, als das grelle Leuchten des unbegreiflichen Gewebeklumpens nach ihm griff. Es fraß seinen Körper und ließ seinen Geist haltlos verwehen ... Ein Fehlschlag, war der letzte Ge danke des Piloten. * Sein Hals pochte, die Kiemen waren geschwollen. Es fiel Kirmizz schwer, ausreichend Luft zu bekommen. Trotz dem achtete er kaum darauf. Mit einem hastigen Blick streifte er die Skulptur des Maskenträgers. Er un terdrückte das aufkommende Verlan gen, mit beiden Händen zuzupacken und die Figur zu zerbrechen. Immer noch hallte der Informations alarm über das Areal mit den Kuppeln. Es gab Schwierigkeiten – ausgerechnet in einer Zeit, da die Integration der Ka binette in den Chaotender intensiv vor angetrieben wurde. Nur mit zwei Fingern, als fürchtete er, die Statuette zu beschädigen, rückte Kirmizz diese zurecht. Sie war nicht höher als sein ausgestreckter Unter arm, aber ihre Details zeigten sich prä zise herausgearbeitet. Alles so, wie es in seine Erinnerung eingebrannt war. Mit den Fingerkuppen fuhr Kirmizz die Konturen der glatten Maske nach. Sie schmiegte sich dem länglichen Ge sicht an. Dennoch erwartete Kirmizz, das grelle Leuchten erneut aus den Öff nungen der Maske und unter ihren Rändern hervorschlagen zu sehen. Die Figur stand nur auf einer kahlen Platte. Ein Provisorium bislang. Es war verständlich, dass er dieses Szenario als Ebene gedeutet hatte. Womöglich
kam das der Wahrheit sogar sehr nahe. Kirmizz würde es herausfinden. Spä ter! Ein letztes Augenmerk galt der Skulptur. Der Pilot hatte den Eindruck, dass sie seinen Blick herausfordernd erwiderte. Ihre Auseinandersetzung war längst nicht entschieden. Er drehte sich um. Mit schnellen Schritten und ohne die anderen Expo nate zu beachten, verließ er den Raum. Der Alarm wurde lauter. Drängender, erschien es dem Piloten. Solange er in die Aufarbeitung eines Problems versunken war, gab es keine Möglich keit, ihn auf andere Weise anzuspre chen. 1. Eine neue Aufgabe »Dieser Terraner wird zur Heraus forderung für uns.« Zaubilski drehte den birnenförmi gen Leib im warmen Wind. Eine sanf te Wellenbewegung huschte über die Metallhaut hinweg, das neue PlasmaIch empfand sie als sensitives Prickeln. Während zwei seiner drei Tentakelau gen mit selbstverliebtem Ausdruck die eigene Hülle fixierten, pendelte das dritte Sehorgan Gessounin entge gen. Der kleinere Posbi reagierte mit ei nem anklagenden Seufzen. »Lass ande re diesmal die Arbeit tun«, bat er. »Was wir geleistet haben, ist nicht zu über treffen, nicht einmal von uns selbst. Wir laufen eher Gefahr, unseren guten Ruf zu verlieren.« Vor Wochen hatte Gessounin in sei nem neuen Leib ein vergessenes Pro gramm aufgespürt. Gefühlswelt terra nischer Organismen – eine Betrachtung zwischen energetischer Effizienz und der Notwendigkeit biogenetischer Pro grammierung. Mit Begeisterung hatte
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er sich diesen Informationen gewidmet und sie fragmentweise extrapoliert. Herausgekommen, fand Zaubilski, war dabei ein unverständliches Zau dern. Die Folge der Erkenntnis, dass jede Form biologischer Existenz in ih rem Grundgehalt schon lebensgefähr lich sei. »Ich erkenne dich nicht wieder, Gessounin«, sagte er freiheraus. Der Angesprochene blickte zu dem Band der Kunstsonnen empor, die den Planeten am Leben erhielten. »Sind sie nicht schön, unsere Sonnen? Mir ist er schreckend nachhaltig bewusst gewor den, dass ich sie vermissen würde. Ich will nicht noch einmal mein Ich zu ei nem Datenpaket verschnüren müssen, um irgendwohin in Sicherheit gebracht zu werden. Verstehst du das, mein Freund ...?« »Nein«, erwiderte Zaubilski heftig. »Ich verstehe das nicht.« Gessounin schwieg. Als er sich zu dem abkapselte, schlug Zaubilski zu. Die Faust des Birnenförmigen klatschte auf den Schwächeren herab und provozierte genau den Protest, den er erwartet hatte. Zaubilski nutzte Gessounins Aufbegehren und drang auf derselben Frequenz in den Gefähr ten ein: »Unser Freund Danton ist zu rückgekommen und steckt erneut in Schwierigkeiten. Aber solange du dich aus Trotz allen Informationen ver schließt, erfährst du das natürlich nicht.« Gessounin erschrak. »Reißt Kirmizz ihm diesmal den Kopf ab?«, fragte er heftig. »Kirmizz? Nein.« Zaubilski kompri mierte alles, war er eben erst erfahren hatte, in diesem einen ultrakurzen Im puls. »Dantons gekaperter Traitank wurde vernichtet. Er konnte sich mit seinesgleichen an Bord der BOX-9912 retten. Noch ist unbekannt, ob die Transmitterdurchgänge wirklich unbe merkt geblieben sind.«
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Die BOX durfte ihre Position keines falls verändern. Sobald der Plasma kommandant beschleunigte, würden Dutzende Traitanks über den Raumer herfallen. Falls die Aktivierung des Käfigtrans mitters trotz Abschirmung angemessen worden war, würden die Traitanks je doch ebenso angreifen, wenn BOX 9912 sich unauffällig verhielt. Das war die offensichtliche Schwierigkeit der Situation. »Menschen ziehen den Ärger an wie ein Stück Metall den Blitz«, behaupte te Gessounin. »Ich möchte alles sein, nur kein Mensch. Also dann: Suchen wir nach Ortungsdaten. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit ...?« * »Und nun?« Das Ortungsbild war erloschen. Die DARK GHOUL existierte nicht mehr. Dass ich dem Schiff nachtrauerte, wenn auch aus rein pragmatischen Gründen, lag auf der Hand. »Und nun?« wiederholte eine Frau enstimme. Zuvor hatte ein männliches Besat zungsmitglied diese Frage gestellt. Beide konnte ich wegen der Düsternis an Bord der BOX nicht sofort erken nen. Roboter brauchten keine Beleuch tung. Uns hätte sie gutgetan, abgesehen von dem anzumessenden Energiever brauch. Aber schon die teilaktive Kli makontrolle bedeutete ein Risiko. »Wir sind zur richtigen Zeit am rich tigen Ort«, stellte ich fest. »Das ist mehr, als wir erwarten durften.« »Jetzt erst recht!« Major Ustinoth stand nicht mehr als vier Schritte von mir entfernt und war im Begriff, seine Ganschkaren-Maske abzunehmen. Geradezu peinlich akku rat reichte er die Elemente einem Posbi weiter. Als lege er Wert darauf, sich je
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derzeit wieder in einen Vogelabkömm ling verwandeln zu können. Unsere Blicke trafen sich. Er hob die Schultern, als wolle er sich bei mir ent schuldigen. Dafür, dass er seine Maske nicht ebenfalls im Aufwallen der Ge fühle abgerissen hatte. »Danke!«, sagte ich, auf den Kom mentar des Majors bezogen, aber den noch an alle gewandt. »Danke für das, was jeder geleistet hat ...« »... und was noch kommen muss!«, rief Cinderlyn aus dem Hintergrund. »Den Chaotender zu stoppen dürfte riskanter werden als der Angriff auf CRULT.« »Wir schaffen es!«, kommentierte Frownie. Was sonst hätte der Kosmo psychologe sagen sollen? Wir waren längst eine zusammenge wachsene Mannschaft. Techniker, Wis senschaftler, Agenten des Terranischen Liga-Dienstes: Keiner hatte gezögert, den Kampf gegen TRAITOR aufzuneh men. So gigantisch die Terminale Kolonne erschien, so unbesiegbar sie sein moch te: Sie war keineswegs unverletzlich. Das hatte sich längst erwiesen. Ihre Größe war nicht gleichzusetzen mit Spontaneität. Ihre Stärke schützte sie nicht vor der List der Schwächeren. Viele kleine Na delstiche, die wir dem Heerwurm der Chaosmächte zufügten, konnten sich schnell zu eiternden Geschwüren ent zünden. Wer behauptete, die Milchstraßen völker hätten gegen TRAITOR keine Chance, der machte sich keine Vorstel lung, zu welchen Anstrengungen intel ligentes Leben fähig sein konnte. Der hatte aus der schmerzvollen galakti schen Geschichte nichts gelernt. Zu al len Zeiten waren auf den ersten Blick übermächtige Gegner erschienen. Kein Zweifel: Die Evolution war gnadenlos in ihrem Streben nach Optimierung. Oft genug unmenschlich.
Wir stehen wieder auf, wenn wir hin fallen. Wir erkämpfen uns den Platz, der uns zusteht. Davon bin ich über zeugt. Am Ende wartet der Triumph des Lebens in seiner Gesamtheit, und die Hohen Mächte sind nichts weiter mehr als Erinnerungen an eine Zeit der Prüfungen ... Ich erschrak über mich selbst. Was trieb mich zu solchen Gedanken? Be ginnender Größenwahn etwa ...? Blas phemie ...? Vor drei Jahrtausenden hatten wir Menschen nicht einmal gewusst, dass es Superintelligenzen und deren Mäch tigkeitsballungen gab. Und selbst nach dieser Erkenntnis hatte es geraumer Zeit bedurft, bis die Existenz von Kos mokraten und Chaotarchen, Materie quellen und Materiesenken zum Allge meingut geworden war. Aber war das wirklich alles? Manch mal argwöhnte ich, dass wir Menschen erst einen winzigen Blick auf das er hascht hatten, was unser Universum ausmachte. Vor mir schwangen sich mehrere Mi kro-Bestien an einem Posbi in die Hö he. Auf den Schultern des positronisch biologischen Roboters breitete Senego Trainz um Aufmerksamkeit heischend alle vier Arme aus. »Wir sagen euch, was noch kommen muss!«, rief er. »Wir müssen VULTA PHER aufhalten, und es gibt nur einen Weg, das zu tun. Wir werden Kirmizz töten! Ohne den Piloten kann der Cha otender nicht einsatzfähig sein. Und danach ...« Trainz schwieg bedeutungsvoll, aber nur für wenige Sekunden. »Danach können wir Terraner darangehen, VULTAPHER für unsere Zwecke zu nutzen.« * Das war eine sachliche Feststellung, als hätte Trainz soeben zum Ausflug
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mit einer Mikro-Space-Jet eingeladen. Ich glaubte trotzdem zu spüren, dass einige Frauen und Männer den Atem anhielten. Ein Chaotender in unseren Händen – das war ungefähr so, als würde ein gerüsteter Samurai einen Behälter voll STOG-Säure an sich bringen, um ihn mit seinem Katana aufzuschlagen. Mir fiel kein besserer Vergleich ein, aber die Katastrophe war in dem Fall pro grammiert. Ich hatte mich noch vor wenigen Stunden mit ähnlichen Über legungen herumgeschlagen. Der Reiz war extrem, wenngleich ich mich frag te, ob unsere Wissenschaftler über haupt die Spur einer Chance haben konnten, mit einem Chaotender klar zukommen. Vor allem: Würde der Chaotarch Xrayn tatenlos zusehen ...? Wir konnten dann nur hoffen, dass es gelang, VULTAPHERS Vernichtung vorzutäuschen und den Chaotender an einen sicheren Ort zu transportieren. Wobei das Wort sicher einen Beige schmack entwickelte, der mir gar nicht gefiel. Sicher würde VULTAPHER bestenfalls hinter den Materiequellen sein – wohin wir ihn nicht bringen konnten. Und selbst wenn wir ihn in einer Raum-Zeit-Falte oder dem Hy perraum würden deponieren können, bedeutete das keinesfalls, dass er nicht zur Gefahr werden könnte. Schon bei der PAN-THAU-RA war das schiefge gangen. »Kirmizz zu töten wird alles andere als einfach«, widersprach ich Trainz. »Solange er sich auf der Hundertson nenwelt aufhält, sind wir mit Robotern der Kolonne und Energieschirmen kon frontiert. Und ins Herz des Chaoten ders werden wir ohnehin nicht vordrin gen können.« »Außerdem ist es Spekulation, dass VULTAPHER ohne den Piloten nicht einsatzfähig sein wird«, gab Ustinoth zu bedenken. »Unsere Strategie, nur
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auf eine Karte zu setzen, scheint mir zu gewagt.« »Welche Alternativen haben wir?«, wollte Tapas wissen, der Spezialist für Kolonnen-Funk. »Die Kybernetische Konspiration übernimmt mehrere Chaos-Geschwa der und greift den Chaotender an«, sag te einer der Posbis. »Das wäre machbar?«, fragte Frow nie überrascht. »Die Kontrolle einer größeren Zahl Supratroniken liegt im Bereich des Möglichen.« »Du übersiehst, dass die Baustelle lediglich sieben Lichtsekunden von der Hundertsonnenwelt entfernt ist«, erin nerte ich. »Keineswegs.« »Normalenergetische Waffensysteme werden den Zusammenhalt der Kabi nette kaum aufbrechen. Außerdem sehe ich die Wachflotte als größtes Problem.« Für mein Dafürhalten hatte der Posbi zu lapidar und zu selbstaufopfernd ge antwortet. »Unsere Zugriffsmöglichkeit umfasst voraussichtlich fünfundzwanzig bis dreißig Prozent aller Traitanks«, erläu terte der Roboter. »Das Gros dieser Schiffe müsste die Abwehr der übrigen Chaos-Geschwader und der KolonnenForts übernehmen. Die Einflussnahme unter Einsatzbedingungen konnte bis lang nur in Simulationen der Zentral positronik getestet werden. Die Wirk zeiten liegen zwischen sieben und acht Minuten, maximal. Nicht zuletzt des halb erscheint für die Bekämpfung des Chaotenders nur der Einsatz von Po tenzialwerfern geeignet.« »Die extremen Schwerkraftfelder würden die hyperphysikalischen Gege benheiten bedrohlich verändern«, gab ich zu bedenken. »Das entspricht den Berechnungen des Zentralplasmas.« Wie der Posbi das sagte, klang es nach der alltäglichsten Feststellung überhaupt.
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»Das Risiko gehe ich nicht ein. Kon kurrierende Schwerkraftfelder mit je weils mehreren Millionen Gravos ... Zudem ein ultrahochfrequenter Strah lensturm, sobald die ersten Kabinette aufbrechen ... Diesen Gewalten hätte die Hundertsonnenwelt wenig entge genzusetzen.« Damit war alles gesagt, was ich zu sagen hatte. »Das Zielszenario rechtfertigt den Einsatz«, beharrte der Posbi. »Trotzdem lehne ich ab.« »Dann bleibt nur die Möglichkeit, gegen Kirmizz vorzugehen!« Wismo Kantelaki reagierte zornig auf den Dis put. »Warum willst du ihn schonen, Roi? Glaubst du, er würde an deiner Stelle eine Sekunde lang zögern?« »Das ist unsere Aufgabe!«, rief Knorm Ultrecht. Seine Piepsstimme ging auf einen Programmfehler bei der Gestaltung der Stimmbänder zurück, sie passte nicht zu einer Mikro-Bestie. Ein einfacher medizinischer Eingriff hätte das beheben können. Bislang sträubte Ultrecht sich aber gegen eine Operation. Auch wenn er es nicht ein gestand, seine Aversion gegen medizi nische Gerätschaften war unverkenn bar. Die Kolonnen-Anatomen hatten möglicherweise schlimmere Experi mente mit ihm vorgenommen, als der Kleine jemals preisgeben würde. Manchmal fragte ich mich, ob er aus Scham schwieg. Die Mikro-Bestien wa ren von der Kolonne gezüchtete Mord maschinen. Mini-Haluter, ungefähr zwanzig Zentimeter groß. Alle, die seit Monaten zu meinem Gefolge zählten, hatten an Bord der Skapalm-Bark DE RUFUS als Ausschuss gegolten. Missge staltete Kreaturen, gerade noch gut für Forschungszwecke, aber niemals brauchbar als Kolonnen-Assassinen. Sie verdankten mir ihre Freiheit, ich vertraute ihnen, und Senego Trainz hatte vor wenigen Minuten wieder ein mal bewiesen, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt war.
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»... danach können wir Terraner dar angehen, VULTAPHER für unsere Zwecke zu nutzen.« Der Satz klang in mir nach. ... wir Terraner, hatte Trainz auf seine ruhige Art gesagt, ohne dar über nachdenken zu müssen. Völlig un verkrampft war seine Empfindung deutlich geworden, und Momente wie dieser zeigten mir, dass unser Weg der richtige war. »Kirmizz ist eine der großen Num mern in der Kolonne!«, rief Trainz. »Zumindest wird er einen entsprechen den Rang einnehmen, wenn wir ihn ge währen lassen.« »Deshalb muss er sterben!«, brüllte Kantelaki. »Wir schicken ihn in die Hölle zu rück!« Trainz lachte meckernd wie über einen besonders guten Witz. Kirmizz’ Tod würde uns Luft ver schaffen. Mittlerweile glaubte ich selbst daran, dass der Chaotender ohne den Piloten für längere Zeit sein Bedro hungspotenzial verlor. Allerdings hatte ich auch darüber nachgedacht, ob es möglich sein könnte, Kirmizz auf unse re Seite zu ziehen. Das wäre ein Spiel mit dem Feuer gewesen, aber warum nicht das Undenkbare denken? VUL TAPHERS Möglichkeiten konnten die Milchstraße einen gewaltigen Schritt vorwärtsbringen ... ... und würden uns endgültig in den Fokus der Chaosmächte rücken. Mit Folgen, die ich mir besser nicht auszu malen versuchte. »Wir sind nicht in der Lage, uns zu MINATERG Zutritt zu verschaffen«, hörte ich Ustinoth sagen. »Ohne die DARK GHOUL als Eintrittskarte ha ben wir keine Chance, unbehelligt in Kirmizz’ Nähe zu gelangen. Und Dan tyren ...« »Das Spiegelwesen hat die Maske durchschaut«, sagte ich abwehrend. »Der Dual wird nicht wiederauferste hen.« »Die beste Zugriffsmöglichkeit bietet
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sich, wenn wir den Piloten auf der Hundertsonnenwelt überraschen kön nen.« Das kam von einem der TLDAgenten. »Er nutzt das Areal der Hyperinpo tronik und des Zentralplasmas zur Kontemplation.« Daran hatte sich nichts geändert. Ich musste nur eine Einschränkung machen: »Zumindest war das bis vor einem halben Tag der Fall. Seitdem alle Kabinette im Eilver fahren integriert werden, kann von ei nem Status der Versunkenheit kaum mehr die Rede sein.« »Der Alarm, den wir beim Kuppel areal gehört haben ...«, erinnerte Kirl Harra. »Wem anders als Kirmizz sollte er gegolten haben?« Captain Bertram, der ebenfalls zu dem Erkundungstrupp auf der Hundertsonnenwelt gehört hatte, führte den Gedanken zu Ende. Harra lachte triumphierend. »Kir mizz wurde möglicherweise von einem der Traitanks abgesetzt, die wir über den Kuppeln gesehen haben. Bis zu dem Alarm hat er sich kaum länger als vierzig Minuten dort aufgehalten.« Fragend schaute ich Mogart den Dritten an. Er war einer der beiden Posbis, die uns in der BOX freundlich empfangen hatten. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich ha be aus Sicherheitsgründen keine Ver bindung, ich ...« Das kaum wahrnehmbare Summen der Luftumwälzung verstummte. Die spärliche Helligkeit wich nahezu völli ger Finsternis. »Gegnerische Ortung!« Mogart er starrte. Niemand redete. Obwohl ich mir si cher war, dass Schallwellen kein Krite rium bildeten, das eine Entdeckung provozieren konnte, schwieg ich eben falls. »Tasterstrahlung ist weitergezogen!«, stellte der Posbi nach einer halben Mi nute fest. »Die Traitanks suchen nach
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Unregelmäßigkeiten. Wahrscheinlich keit für die Richtigkeit dieser Feststel lung: zweiundneunzig Prozent.« Hatte ein Kalbaron in der Flotte Ver dacht geschöpft? Wurde mittlerweile in Zweifel gezogen, dass die Registerein heit 1.199.188 mitsamt ihrer Besatzung vernichtet worden war? Zum ersten Mal, seitdem wir uns auf BOX-9912 befanden, fürchtete ich, ei nes der Spiegelwesen könnte an Bord erscheinen. »Wir brauchen einen Transmitter transport zur Hundertsonnenwelt!«, wandte ich mich an den Posbi. »Sofort und in jeder Hinsicht abgeschirmt.« * Etwa vierzig Minuten zuvor: »Ein Dualer Kapitän soll die Kolon ne verraten haben?« Kirmizz’ Gesichtsnaht spannte, als würde sie in der nächsten Sekunde auf reißen und das Stumme Gesicht freige ben. Der Pilot des Chaotenders war erregt. Gerade deshalb durfte er sich vor dem String-Legaten keine Blöße geben. Die Niederlage gegen den Masken träger würde er sehr schnell revidieren. Noch einer oder zwei Versuche, dann musste die Szenerie seinen Vorstellun gen entsprechen. Aber davon wusste niemand außer ihm. Als wirklich gefährlich hatte sich die übereilte Assemblierung der Kabinette erwiesen. Nach der Kollision zweier UHF-Objekte blieb die Situation ex trem bedrohlich, weil sich ihre Oszilla tion erneut aufschaukeln konnte. Kirmizz schrieb diesen Zwischenfall den Angriffen der Friedensfahrer zu. Nahtlos reihten sich ihre Attacken und die Kollision der Kabinette in die Pro bleme der Terminalen Kolonne ein. Der Widerstand im Großraum Hangay war unterschätzt worden. Sogar dann noch,
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als sich die scheinbaren Zufälle gehäuft hatten. Der Verlust der Negasphäre war der vorläufige Höhepunkt in diesem System von Anschlägen. Kirmizz schaute den String-Legaten an, der neben ihm auf dem Kuppelare al eingetroffen war. KOLTOROCS Bote musste gespürt haben, dass er wegen des Alarms das Monokosmium verlas sen hatte. Dann blickte er wieder in den Himmel des Planeten. Wahrscheinlich gab es, gefiltert durch die dichte Atmo sphäre, Nebenerscheinungen der Kolli sion zu entdecken. Deshalb war er nach oben gekommen. »Ein Dualer Kapitän?«, wiederholte Kirmizz seine Frage. Die Missgeburt? Es konnte kaum an ders sein. Irgendetwas an dem Dual aus Terraner und Mor’Daer hatte ihn irri tiert. Im Nachhinein glaubte er, das noch deutlicher wahrzunehmen als während Dantyrens selbstherrlicher Inspektion. Schon wieder ein Terraner ... Kirmizz verstand, dass er Dantyren mehr Aufmerksamkeit hätte widmen müssen. Der Dual hatte zugegeben, ge gen den Willen des Progress-Wahrers den Komplex Astrovent aufgesucht zu haben. Auch gegen den Einfluss der Kralle? Vergeblich wühlte der Pilot in seiner Erinnerung. Er hätte Dantyren töten müssen. Aber er hatte dieses Mängel exemplar stattdessen nur ausgesetzt. Weil er dem Progress-Wahrer den un zulänglichen Diener gönnte. Nun war der Dual für eine zweite In spektion zurückgekehrt? Kirmizz’ Misstrauen wuchs. Anta kur von Bitvelt war tot. Die Angriffe der Friedensfahrer auf die Baustelle des Chaotenders hatten eine Unterbre chung der Assemblierung provoziert. Das alles war geschehen, seit Danty ren den Komplex vor Monaten wieder verlassen hatte. Der Maskenträger war ein Terraner
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und Friedensfahrer; die linke Hälfte des Duals war ebenfalls ein Terra ner ... Die wuchtige Gestalt des String-Le gaten verwandelte sich in ein perfektes Spiegelfeld. Es öffnete Kirmizz den Blick in eine ausgedehnte Halle. Der Spiegel zeigte ihm Ganschkaren, Kolonnen-Geometer, Mor’Daer. Der Hintergrund wirkte verschwommen und weitaus weniger detailliert als die Personen. Kirmizz erkannte dennoch, dass es sich um den Kommandobereich einer Kolonnen-Fabrik handelte. Urplötzlich erschien ein Assassine in Kampfmontur. Aber der Spiegel be gnügte sich nicht mit dem Oberflächli chen, er blickte tiefer und zeigte einen verunstalteten Körper. Wucherndes Narbengewebe bedeckte die rechte Schädelhälfte des kleinen Vierarmi gen. Eine missgestaltete Züchtung. Eine der Kreaturen, die von den KolonnenAnatomen für Experimente herangezo gen wurden, die Skapalm-Barken aber nie verlassen durften. Kirmizz fragte sich, wieso dieser Aussätzige überhaupt im Bereich Astrovent erscheinen konn te ... Die Fehlzüchtung gehört zu Danty rens Gefolge? Das Spiegelbild sprang weiter. Kir mizz spürte seine Gesichtsnaht pulsie ren, als er den Dual sah. In seiner Hal tung war der Kapitän immer noch die erbärmliche Missgeburt, derer Kirmizz sich entsann. Der Mor’Daer vermittelte einen Hauch von Gleichgültigkeit, der Terranerkopf starrte Kirmizz heraus fordernd an. Dantyrens Ausdruck ver änderte sich jäh. Er hatte wohl sein eigenes Spiegel bild entdeckt. Kirmizz schaute tiefer. Er sah einen verkrümmten humanoiden Körper, vollständig mit zwei Armen und zwei Beinen. Die Mor’Daer-Hälfte bestand nur aus spärlichem technischen Innen
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leben: Schaltkreisen, künstlichen Seh nen und stabilisierenden Verstärkun gen. Für einen Sekundenbruchteil glaub te Kirmizz zu sehen, dass der falsche Dual erschrak. Der Terraner riss seine Waffe hoch und feuerte; das Spiegelfeld loderte in einer grellen Entladung. Sofort war der Kommandobereich der Fabrik wieder zu erkennen. Die missgestalteten Ausschuss-Assassinen entfesselten mit ihren Kombiladern ei nen Feuersturm. Dantyren hastete, um sich schießend, auf den Transmitter zu. Augenblicke später waren der Dual und seine Bestien verschwunden. Das Transportfeld erlosch. Sie können nur mit einem Traitank gekommen sein, erkannte Kirmizz. Das Schiff muss umgehend vernichtet wer den. 2. Es roch nach Moder, nach feuchter Erde und Ozon. Ein Funkenregen stob in der Düsternis auf, zeichnete für we nige Sekunden eine engmaschige Git terstruktur nach und verflüchtigte sich knisternd. Der Schimmer fahler Helligkeit hat te Roi Danton genügt, den bizarren Transmitterkäfig zu erkennen. Es war eine eigenartige Konstruktion, die we nig Ähnlichkeit mit terranischen Kä figtransmittern aufwies. Einige Meter entfernt züngelte ein Licht auf. Danton hielt es auf den ers ten Blick für eine Kerzenflamme – und tatsächlich: Zwei weitere Flammen er wachten zu unruhig rußendem Leben. Ihr zitternder Widerschein huschte über unfertig anmutende Gesichter. Leise summend schwang ein Teil der Gitterkonstruktion vor ihm zur Seite. Danton half mit sanftem Druck nach.
Der Transmitterkäfig, den er verließ, wirkte auf den Terraner wie ein Hams terrad. Der Käfig war gerade so breit, dass er, wenn er die Arme anwinkelte, mit den Ellenbogen die Wandungen be rühren konnte. Bestenfalls eine Hand breit über Danton verlief eine gerade Decke. Das Gerät war also kaum geeig net für Personen, die größer als zwei Meter waren. Außer ihm würden sowieso nur die Mikros den Transmitter benutzen. Dan ton hatte für den Einsatz klare Grenzen gesteckt. Kirmizz war extrem gefähr lich, Mikro-Bestien hatten die besten Überlebenschancen. »Die Gittertür bitte fest schließen!«, sagte eine heisere Stimme. »Sonst kommt der Kontakt für den nächsten Transport nicht zustande.« »Wo sind wir hier?«, fragte Knorm Ultrecht. Zehn Mikros hatten diesen ersten Transmitterdurchgang mitgemacht. Neunzig von Trainz ausgewählte Ein satzkräfte würden in vier oder fünf weiteren Transporten folgen. Abermals huschte ein bläulicher Funkenregen über die Gitterkonstruk tion. »Mit energetischen Nebeneffekten ist zu rechnen.« Das hatte Mogart der Dritte Danton mit auf den Weg gege ben. »Denk dir nichts dabei, der Trans mitter ist sicher. Verschiedene Effekte hängen mit dem Ortungsschutz zusam men. Die Kolonne muss ja nicht unbe dingt mitbekommen, was sich zwischen unseren Schiffen abspielt.« Nein, das musste sie nicht. Das ble cherne Lachen des Posbis klang dem Terraner noch in den Ohren, als der Kä fig aufsprang. Zwanzig Mikro-Bestien in voller Ausrüstung, von Senego Trainz angeführt, stürmten heran. »Die Gittertür bitte fest schließen!«, erklang die heisere Stimme erneut. Der Sprecher wirkte wie die Karika tur eines humanoiden Wesens: Zwei
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Säulenbeine trugen einen birnenförmi gen, sich nach oben deutlich verjün genden Körper. Der Größe des Kopfes nach zu schließen, schien dieser das un bedeutendste Organ des Wesens zu sein. Nur wenig mehr als faustgroß, die Stirn flach gedrückt, darunter ein breiter Mund. Zwei Glupschaugen auf der Schädeldecke lösten sich mit einem schmatzenden Laut; es wurde deutlich, dass sie auf fleischigen Stielen saßen. Während eines der Augen im fahlen Kerzenschein die Transmittertür inspi zierte, wandte sich das andere Danton zu. Blinzelnd stieg es vor ihm in die Hö he und pendelte aus. »Was bist du für ein hohes Tier?«, er klang es salopp. »Kommst mit ganz schön viel Sicherheitsaufwand.« »Wenn die Kerzen dazugehören, kann man das zweifellos behaupten«, ant wortete Danton mit leichtem Spott. »Ich bin Roi. Wie heißt du, Willy?« »Roi wer ...« Der dritte Transport. Danton mus terte die Anzeige seines Armbands. Ei ne Minute vierzig, seit er auf der BOX 9912 den Käfig hinter sich geschlossen hatte. Insgesamt bestimmt drei Minu ten oder knapp darüber, bis alle seines Trupps den Ortswechsel vollzogen ha ben würden. Über das womöglich doch bestehende Ortungsrisiko dachte er besser nicht nach. Vielleicht kontrol lierten die Posbis einige Supratroniken der Kolonne, bei denen die Ortungen zusammenliefen. Mogart der Dritte hatte sich dazu ausgeschwiegen. »Die Gittertür bitte fest ...« »Lass es gut sein, Roi wer. Von uns weiß jeder, wie er mit einem Käfigtrans mitter umzugehen hat.« Der Matten-Willy ruckte zu ihm her um. Fast zu schnell. Die Kerzenflamme flackerte bedenklich. »Seit einer kleinen Ewigkeit haben wir die Großmäuler da draußen«, schimpfte der Willy los. Natürlich meinte er die Kolonne. »Jetzt haben wir
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uns zudem welche in die Stadt ge holt.« »Ich bin Roi Danton.« Es war beängstigend zu sehen, wie schnell die birnenförmige Gestalt nach der Namensnennung in sich zusam mensackte. Die Kerze fiel zu Boden, der Matten-Willy versetzte sich in rasend schnelle Rotation. Seine diamanthar ten Teleskopfüßchen bohrten sich in den Untergrund, der nur aus natürli chem Material bestand. Da war nichts, was einer gegnerischen Masseortung hätte auffallen können. Wenn der Transmitter hundertprozentig abgesi chert war, hatten die Kerzen durchaus ihre Berechtigung. Danton zweifelte nicht an der Findigkeit des Zentral plasmas und der Posbis. Der nächste Transportvorgang. Schon halb im Boden versunken, hielt der Matten-Willy inne. »Die Git tertür bitte fest schließen!« Diesmal klang seine Stimme eher weinerlich. »Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte Danton. Er wusste, dass die Mat ten-Willys, die seit Jahrtausenden dem Zentralplasma als treue Helfer dienten, ebenso sensibel wie ängstlich waren. »Du bist Danton? Der Danton?« »Ja. Aber das solltest du nicht gleich lauthals hinausschreien.« Beide Stielaugen pendelten dem Ter raner entgegen. »Dann wird alles gut.« Der Willy seufzte erleichtert. Das für Danton weiterhin namenlose Wesen streckte sich der Decke entge gen. Es formte eine hagere, schwanken de Gestalt, die von oben alles über blickte. »Freunde, der hier ist Rhodans Sohn!«, rief er. »Ich glaube, er hat die geschrumpften Haluter mitgebracht, um uns zu befreien. Was heißt, ich glau be? Ich weiß es. Wir helfen euch, Roi, wir ...« Der letzte Transmittertransport war erfolgt. Für einen Moment wartete Danton auf den Standardsatz. »Vollzählig?«, fragte der Matten-Wil
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Das Monokosmium
ly stattdessen. »Wenn nicht, haben wir ein Problem. Die Verbindung wurde von der BOX gekappt.« »Alle sind eingetroffen«, bestätigte Danton. »Jetzt brauche ich direkten Kontakt zum Zentralplasma.« * Die Oszillation der beiden schadhaf ten Kabinette war weitgehend einge dämmt, ihre Integration schritt zügig voran. Das Herz des Chaotenders wür de bald stärker schlagen, obwohl nur ein Bruchteil der Kapazität abgerufen wurde. Ein Gefühl der Leere belästigte Kir mizz, der von der Hundertsonnenwelt zur Baustelle zurückgekehrt war. Für lange Zeit würde er der Pilot eines un zureichend ausgestatteten Chaotenders sein, unfähig, sich in jenen Bereichen zu bewegen, die ihm wirklich wichtig erschienen. Im direkten Umfeld einer Negasphäre, geschützt von Abermillio nen Kolonnen-Einheiten, wäre das kein großes Problem gewesen, aber diese Vorgaben galten nicht mehr. Sein Unbehagen wuchs, als er sich zum zweiten Mal die Aufzeichnungen ansah. Traitank 1.199.188 war inzwischen vernichtet. Der falsche Dantyren und seine missgestalteten Assassinen exis tierten nicht mehr. Eigentlich waren sie unbedeutend gewesen. Der Frage nach zugehen, weshalb sie erneut Komplex Astrovent aufgesucht hatten, lohnte nicht. Kirmizz empfand sogar etwas wie Belustigung. Er vermutete, dass der Terraner das Werk der Friedensfahrer zu Ende führen und VULTAPHER hat te zerstören wollen. Das passte in das Bild, das er sich von den Angehörigen dieses Volkes machte. Die Analysen belegten, dass die ver nichtende Woge von den Potenzialwer fern der Registernummer 1.199.188
ausgegangen war. Der Verlust der Ko lonnen-Fabrik war bedauerlich. Eben so, dass mehrere Traitanks von dem Schwerkraftkern zermalmt worden waren. Der Terraner hatte es demnach vor gezogen, sich der Gefangennahme durch die Kolonne zu entziehen, und sich selbst gerichtet. Irgendetwas daran störte den Pilo ten. Ein Mann, der sich erfolgreich als Dual ausgab, kapitulierte nicht vor den ersten größeren Problemen. Erst recht nicht, wenn ihm tatsächlich die Ver nichtung der Dienstburg CRULT zuzu schreiben war. So jemand stach weit über das Gros der Kalbarone, Vize-Ka pitäne und Kapitäne heraus. Die Speicherdaten wiesen den Dual als Komplex des Terraners Danton und des Mor’Daer-Kalbaron Yrendir aus. Kirmizz fragte sich, ob der Terraner in der Maske jener Danton gewesen sein konnte. Eigentlich eine Unmöglichkeit. Falls doch, war sein Tod in der Schwerkrafthölle keinesfalls glaub haft. Danton war von der KolonnenFabrik über Transmitter in den Trai tank zurückgekehrt. Von da an bis zur Vernichtung des Schiffes war nur kurze Zeit vergangen, aber trotzdem mehr als genug für weitere Transmitterdurch gänge. »Die Posbis!«, stieß Kirmizz unge wollt heftig hervor. Die eigene Reaktion überraschte ihn. »Wenn er sich in Si cherheit gebracht hat, kann er nur bei den Posbis sein.« Kirmizz wandte sich der Supratro nik zu. Das komplette Ortungsbild rund um Komplex Astrovent würde ihm verraten, ob der Terraner noch leb te. * Die Intelligenz der Posbis und zu gleich der biologische Anteil der Posi
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tronik war das Zentralplasma. Es lebte in den subplanetaren, zylinderförmigen Tanks, die von der Oberfläche bis in rund fünfhundert Meter Tiefe reichten. Sichtbar waren davon lediglich die zwanzig Meter hoch aufragenden Ab schlusskuppeln. Achtzig große Kuppel anlagen über ein kreisförmiges, zehn Kilometer durchmessendes Areal ver teilt. Südlich davon erstreckte sich die Siedlung der Matten-Willys, deren größte Ausdehnung knapp drei Kilo meter betrug. Der Käfigtransmitter, in dem Roi Danton und seine hundert Mikro-Bes tien angekommen waren, lag tief unter der Siedlung. Der Weg nach oben tan gierte ein Labyrinth von Schächten und Kanälen, die Peripherie der Infra struktur. Die teils monströs anmuten den Versorgungsstränge durchzogen den Untergrund wie wild wucherndes Wurzelwerk. Eigentlich war der gesamte Bereich eine gigantische Maschinerie, die das Wohlbefinden des Zentralplasmas si chern sollte. Posbis, in erster Linie aber die Matten-Willys, betreuten die gigan tischen Nährstofftanks und Wiederauf bereitungsanlagen, die Filtersysteme und Druckbehälter der atmosphäri schen Versorgung. Zudem wanden sich die weitverzweigten Systeme der Da tenleitungen durch Zwischendecks. All das ging Danton durch den Sinn, als er mit seinem Trupp den Transmit terbereich hinter sich ließ. Nacktes Erdreich prägte auf den ersten hundert Metern das Bild. Die Wände waren mit transparentem Kunststoffausguss sta bilisiert. Ortungssicheres Material – zu dem überdeckt von den umliegenden technischen Anlagen. Ein Lastenantigrav trug mehrere Matten-Willys, den Terraner und die Mikro-Bestien aufwärts. Senego Trainz schwebte dicht neben Dantons linker Schulter. »Dieser Be
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reich weist vielfältige Streustrahlung auf«, stellte der Kalbaron fest. »Der Transmitter selbst kann wohl nicht ein mal von den Traitanks angemessen werden. Was wollten diese Gestalten mit den Kerzen beweisen?« »Die Matten-Willys sind übervor sichtig«, antwortete Danton. »Eher furchtsam«, korrigierte Sene go Trainz. »Dumm und überheblich!«, wandte Kantelaki heftig ein. Der Schacht endete. Vor ihnen lag einer der vielen Versorgungstrakte. Kantelaki ließ sich auf die Laufarme sinken und hetzte ein Stück weit vor aus. Ebenso unerwartet warf er sich herum und sprang auf einen der Mat ten-Willys zu, der seinen ausgebreite ten Körper mit wellenförmigen Kon traktionen über den Boden bewegte. »He!« Kantelaki stemmte beide Arm paare in seine Seiten. »Du magst uns nicht?« Der Willy wich zur Seite aus, doch Kantelaki reagierte ebenso schnell und versperrte dem anderen erneut den Weg. »Ich will mit dir reden!«, verkündete er schroff. »Später.« »Jetzt, sofort!« »Suchst du ein Streitgespräch?«, er kundigte sich der Matten-Willy freund lich. »Du magst uns nicht – ich mag euch nicht«, knurrte Kantelaki gereizt. »So einfach ist das.« »Da hast du recht«, erwiderte der Willy. »Aggressionen sind immer ein fach. Aber sie sind auch nicht beson ders intelligent.« Die Wellenkontraktion seines Kör perrandes erinnerte an die träge Bewe gung eines Rochens, der gemächlich durchs Wasser trieb. Er schob ein zwei tes Paar Stielaugen aus seiner Obersei te und sicherte sich damit einen perfek ten Rundumblick.
Das Monokosmium
»Du unterstellst mir Dummheit?«, fauchte die Mikro-Bestie. »Dumm und überheblich – ich habe deine Behauptung gehört. Also fang nicht schon wieder damit an, du halu tischer Zellrest. Ich würde mich schä men, solche Vorurteile über andere ...« Nicht einmal Danton reagierte rasch genug. Ohnehin hätte er Kantelaki nicht aufhalten können. Die Mikro-Bestie schnellte vorwärts, bekam den Matten-Willy aber nicht zu fassen, weil dieser sich extrem ge schmeidig zusammenzog. Dann ging alles sehr schnell. Kantelaki griff an. Vielleicht nicht mit tödlicher Effizienz, aber doch, um seine Überlegenheit zu zeigen. Im einen Moment sah es für Danton so aus, als wolle die Mikro-Bestie den Matten-Willy förmlich zerreißen – in der nächsten Sekunde stand Kantelaki da wie erstarrt. Tentakelförmige Pseu dogliedmaßen hatten ihn blitzschnell gepackt und seine Arme auseinander gezerrt. Wie Wurfschnüre ringelten sich weitere dünne Fangarme um seinen Leib. Danton verbiss sich einen harschen Befehl. Plötzlich interessierte ihn die ses Kräftemessen mehr als die Gefahr, dass sich andere Mikros von Kantelakis Ungestüm anstecken ließen. Er sah, dass Trainz schon zwei seiner Kämpfer zurückhalten musste. Kantelaki zerrte an den nachgiebi gen Fesseln. Er ignorierte, dass der Matten-Willy beruhigend auf ihn ein redete. Einige Pseudotentakel hielten dem wütenden Zerren nicht stand. Sie rissen und klatschten mit einem Rest von Bewegungsenergie gegen Kantela kis Leib. Einen triumphierenden Auf schrei ausstoßend, schwang er herum, packte mit zwei Händen nach den üb rigen Fangarmen – und registrierte ei nen Sekundenbruchteil zu spät, dass der Matten-Willy sich um ihn herum zusammenzog. Einer Flutwelle gleich,
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brandete das Körpergewebe des Geg ners über der Mikro-Bestie zusam men. Kantelakis Umrisse verschwanden unter dem zuckenden Leib. Der Mat ten-Willy ließ dem Angreifer nicht ein mal den Bruchteil eines Millimeters Spielraum. Kantelaki konnte seine Kräfte nicht mehr ausspielen. Danton zählte in Gedanken bis fünf. »Lass ihn wieder frei!«, wandte er sich an den Matten-Willy. »Der Kleine ist unberechenbar wie ein tobender Haluter.« »Ich garantiere dafür, dass er sich ru hig verhält!« Der Matten-Willy bildete neue Stiel augen aus. Schwankend richteten sie sich auf den Terraner. Eine heftige Wel lenbewegung überzog den weiter kon trahierenden Körper. Prüfend sog Danton die Luft ein. Er hatte es vorher schon wahrgenommen, aber nun wurde das Aroma deutlicher. Ein stechender, zugleich fruchtiger Ge ruch hing in der Luft. Danton schürzte die Lippen. »Wie heißt du überhaupt?«, wollte er von dem Matten-Willy wissen. Die anderen hatten sich mittlerweile ein Stück weit zurückgezogen. Auf ihn wirkte ihr Gehabe, als wüssten sie, was kommen würde. Sie ließen alle Anzei chen eines schlechten Gewissens er kennen. »Zwanzig ...«, stieß der Gefragte end lich hervor. »Zwanzig?« Danton ärgerte sich über jede Minute, die er unnötig verlor. »Ist das dein vollständiger Name?« »Zwanzig Promille«, kam es sto ckend, begleitet von einem neuen Dunstschwall. Das alkoholische Aroma war nicht mehr zu verbergen. Der Name war bezeichnend. Danton argwöhnte, dass das gesamte Emp fangskommando der Matten-Willys, bevor sie zum Transmitter gekommen
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waren, kräftig Alkohol aufgesogen hat te. Vurguzz in größerer Menge. Zu hören, dass gleich Mikro-Bestien der Kolonne erscheinen würden, hatte den Willys wohl einen gehörigen Schrecken eingejagt. Alkohol erweiter te ihr Bewusstsein, er weckte ihre Kreativität, machte diese Wesen aber nicht unbedingt betrunken. Zwanzig Promille hatte offensichtlich sein Furchtempfinden eingeschränkt. An dernfalls hätte er sich nie auf die Aus einandersetzung mit der Mikro-Bestie eingelassen. Ein dumpfer schmatzender Laut er klang. Der Matten-Willy hatte annä hernd seine kugelförmige Normalge stalt angenommen, die schwammige Haut platzte auf. Kantelaki wurde von einem zucken den Fleischwulst ausgespuckt. Mit al len vier Händen versuchte er, seine Kampfmontur von dem Matten-Willy zu säubern. Er fletschte sein Raubtier gebiss und duckte sich zum neuerlichen Sprung. Schon waren drei der anderen über ihm und hielten ihn unnachgiebig fest. »Keinen Streit!«, sagte Danton war nend. »Wir sind wegen Kirmizz hier! Wer das vergisst, gehört nicht mehr zu unserem Team.« Er wandte sich an die Matten-Willys: »Weiter jetzt! Oder sol len wir hier Wurzeln schlagen?« * Problem erkannt und behoben Eine Hintertür, fand Zaubilski, war stets etwas Feines. Das hatte er schon vor Jahrhunderten von Terranern zu hören bekommen, und seitdem waren sie ihm richtig sympathisch. »Hintertüren stehen immer offen – vor allem dem Klugen«, signalisierte er an Gessounin und fügte gönnerhaft hinzu: »Oder bewertest du das anders, mein Freund?«
»Die Aussage hinsichtlich des Klu gen?« »Den Gesamtkontext.« Gessounin schwieg. Er hielt es für angebracht, seine Bewertung für sich zu behalten. Zaubilski, verriet ihm sein Plasmaanteil, würde darüber wenig er freut sein. Die Kontaktströme zwischen den Kolonnen-Einheiten waren auf ein überdurchschnittliches Volumen ange wachsen. Großmaßstäbliche Verände rungen kündigten sich stets durch üp pige Datenkolonnen an. Das ließ Flottenbewegungen erwarten, die nicht nur im Bereich weniger Chaos-Ge schwader lagen. »Einheitliche Muster in ungewöhn licher Fülle«, stellte Zaubilski fest. »Jemand fragt alle Ortungen nach Transmitterprotokollen ab. Zeitfenster aktuell minus eineinhalb Standard stunden.« Gessounin hatte erstmals Mühe, sich der Recherchegeschwindigkeit des Freundes anzupassen. Der hangelte sich durch die Impulsflut, als hätte er nie etwas anderes getan. Die Gefahr, mitgerissen zu werden und dabei Peri pheriebereiche seines Daten-Ich zu verlieren, ignorierte er völlig. Gessounin spürte schon ein un behagliches Zerren, als er jeweils Dut zende Datenströme zeitgleich absuch te. »Das geht von MINATERG aus«, er kannte er. »Der Urheber ist Kirmizz. Überprüfung Transmittersendung von Traitank 1.199.188 nach unbekannt. – Wir wussten es.« Ein Aufschrei. Danach Stille. »Zaubilski?«, fragte Gessounin vor sichtig. Er erhielt keine Antwort. Zaubilski sendete nicht mehr. Schlaff hingen die Arme an seinem birnenför migen Leib herab. Gessounin schob sich zögernd näher. Er kannte Zaubilskis Gemütswallun
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Das Monokosmium
gen zur Genüge. Etliche Dellen in sei nem neuen Körper zeugten davon. »Bist du abgeschaltet, Zaubilski?« Keine Antwort. »Zerstörtes Daten-Ich?« Gessounin fuhr seinen Datenarm aus. Nicht einmal das kreisende Senso rium brachte Zaubilski zur Besinnung. Gegen dieses Eindringen in seine Bio ponkreise verwahrte er sich stets mit Nachdruck – diesmal schwieg er. Nur wenige Zentimeter trennten den Sensorkopf von Zaubilskis fülligem Leib, als Gessounin ruckartig zustieß. Exakt in dieser Sekunde desaktivierte er den eigenen Empfindungssektor. Es tat ihm weh, Zaubilski hintergehen zu müssen. Dessen Plasma war verwaist. Ob wohl die Verzahnung mit der Positro nik des Daten-Ich weiterbestand, gab es keine Kontrolle. Gessounin wühlte sich durch die äußeren Speicherfelder, bis er endlich die Datensätze aufspürte. Zaubilski hatte sie gut verborgen. Viel zu gut für jemanden, der seine Freunde nicht zu fürchten brauchte. Als habe er geradezu erwartet, dass Gessounin in ihn eindringen würde. Ein knapper Sequenzaustausch zwi schen Zaubilski und einer Supratronik lag vor. Es handelte sich um Ortungs daten zweier Transmittersprünge. Die Supratronik gehörte zu einem Traitank. Kennung 12.774.749. Unwichtig, befand Gessounin. Weit aus bedeutender fand er die Feststel lung, dass dieser Diskus bis zuletzt eine Permanentposition bei der ver nichteten TRAIGOT-Fabrik gehalten hatte. Er rechnete die Zeitdaten zurück. Demnach handelte es sich eindeutig um zwei Transfers zwischen Dantons geka pertem Traitank und BOX-9912. Genau das, was den Terraner Kopf und Kra gen kosten konnte. In dem Moment kam Zaubilskis Ich zurück. Sein Erschrecken über Gessou
nins aufdringliche Nähe verwandelte sich in Ärger, in Zorn. »Ich mag mein Plasma«, signalisierte er heftig. »Lass dir ja nicht einfallen, mit deinen klammen Schaltkreisen meine Seele abspenstig zu machen. Ich ...« »Was hast du erreicht?«, drängte Gessounin, ohne den absurden Vorwurf zu beachten. »Willst du das wirklich wissen?« Gessounin empfand Entsetzen. Wo für all die Anstrengungen, fragte er sich, wenn sich nun doch herausstellte, dass die Supratroniken widerstandsfä higer waren als erwartet? »Die Daten sind gelöscht«, sagte Zaubilski zufrieden. »Es hat keine Transmittertransporte gegeben, die von Traitank 12.774.749 aufgezeichnet worden wären.« 3. »... Kirmizz hat die Hundertsonnen welt verlassen!« Der Tonfall, in dem das Zentralplas ma Auskunft gab, schloss jeden Zweifel aus. Trotzdem schüttelte ich den Kopf. Um die Diskrepanz zu sehen, musste man kein Rechenkünstler sein. Es ge nügte, eins und eins zusammenzuzäh len. »Du kannst nicht erkennen, was der Pilot des Chaotenders unternimmt, so bald er sich auf dem Planeten befindet«, wiederholte ich mit meinen Worten, was die Positronik vor wenigen Minu ten erklärt hatte. »Nicht immer.« »Was ist ursächlich?« »Der jeweilige Aufenthaltsort des Pi loten.« »Du bist aber informiert, was im Be reich des Kontaktturms geschieht?« »Das ist zutreffend, Roi Danton.« Der Plasma-Anteil der Zentralposi tronik ließ ein amüsiertes Lachen ver
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nehmen. Es klang verblüffend mensch lich. Mir war jedoch klar, dass ein Blue an meiner Stelle dieses Lachen wie eine ultraschallhohe Heiterkeitsäußerung empfunden hätte. Icho Tolot hätte be hauptet, brüllendes Gelächter zu ver nehmen. »Du musst mit mir nicht reden wie mit einem Matten-Willy«, fuhr die Po sitronik fort. »Kirmizz wurde wegen eines Problems bei der Integration der restlichen Kabinette zurückgerufen. Aktuell befindet er sich im Chaoten der.« »Sabotage?«, fragte ich freiheraus. »Haben die Posbis einen Weg gefunden, den Bau des Chaotenders zu verhin dern?« »Das nicht. Nachwirkende Einflüsse der Strukturbrennertorpedos sind ver antwortlich. Mindestens zwei Kabinet te wurden auf ein identisches Energie niveau versetzt, was eine Oszillation zwischen ihnen auslöste. Kirmizz ver mutet sogar eine gewisse Fluktua tion.« »Das hat er dir auf die Nase gebun den?« Das Lachen des Plasmas klang dies mal nachdenklicher. »Zwei Supratroniken waren gezwun gen, Teilbereiche ihrer Informations ketten abzusondern. Mein Datenzugriff blieb unbemerkt. Deshalb bin ich un terrichtet, dass Kirmizz zur Baustelle zurückgekehrt ist. Sein Verhalten ent zieht sich häufig jedem Schema.« »Andernfalls wäre er nicht als Pilot des Chaotenders eingesetzt worden«, sagte ich ungewollt heftig. Mit der DARK GHOUL und der Maske des Dualen Kapitäns Dantyren hätten wir Kirmizz ausspielen können. Aber das war vorbei. Ich wusste, wor auf ich mich eingelassen hatte. KOLTOROCS Befehl, das Solsystem zu vernichten, ließ mir keine Wahl. Über unsere Chancen, VULTAPHER rechtzeitig zu stoppen, dachte ich bes
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ser nicht nach. Dennoch wäre es der falsche Weg gewesen, in Panik mit dem Kopf durch die Wand zu rennen. »Kirmizz hat offenbar einen größe ren Bereich von Energiefeldern und Robotern der Terminalen Kolonne ab riegeln lassen.« Ich entsann mich, dass unser Gleiter im Anflug auf das Kup pelareal aufgehalten worden war. »Gibt es dort einen Ansatzpunkt?« »Ein Abschnitt der oberen Versor gungsbereiche wurde von ihm okku piert. Das geschah sofort nach seinem Eintreffen auf der Hundertsonnenwelt. Das Areal umfasst etwa einen halben Kilometer und gehört zum Umfeld des Kontaktturms. Es wurde von Robotern der Kolonne geräumt und neu ausge stattet.« »Mit verkapselter Kolonnen-Tech nik?« »Das ist mir unbekannt.« »Du weißt nicht, was installiert wurde? Kein Posbi hat versucht, das herauszufinden ...? Was ist mit deinen Zugriffsmöglichkeiten auf die Supra troniken?« »Offenbar existieren keine Informa tionen. Ich konnte nur erfahren, dass sich Kirmizz’ Monokosmium in jenem Areal befindet.« »Monokosmium«, wiederholte ich nachdenklich. Mono – allein ... Das war die erste mögliche Bedeutung, die mir in den Sinn kam. Und Kosmium: kosmisch ... Weltraum ... Universum ... Also etwas wie Kirmizz’ alleiniger Weltraum? Ein Bereich, in dem er mit sich selbst allein war. Ich wusste, dass der Pilot sich zur Kontemplation in den Bereich des Kon taktturms zurückzog. War er auf beson dere Vorrichtungen angewiesen? Etwas, das ihn für uns angreifbar machte? »Ich kann dir nicht mehr bieten«, stellte das Zentralplasma fest. »Aber du kannst mich und meine Be gleiter zu diesem Monokosmium füh ren.«
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Das Monokosmium
Einen Versuch war es wert. Vielleicht konnten wir Kirmizz überwältigen, so bald er auf die Hundertsonnenwelt zu rückkam. Wir hatten einige Trümpfe in der Hand. Unsere Dunkelfelder waren einer davon. »Ich kenne keine Möglichkeit, das Monokosmium zu betreten. Die Posbis, die es versucht haben, existieren nicht mehr.« »Wir schaffen es und werden Kirmizz besiegen«, sagte ich überzeugt. Kurz schloss ich die Augen und atmete tief durch. Ich brauchte keine Rechtferti gung. Trotzdem klang meine Stimme belegt, als ich hinzufügte: »Sein Leben gegen das von Milliarden Galakti kern.« Unterschwellig suchte ich immer noch nach einer Möglichkeit, Kirmizz auf unsere Seite zu ziehen. Ich dachte an Kapitän Zerberoff. Nachdem es ge lungen war, seine Beeinflussung durch die Kralle zu beseitigen, hatte er gegen die Kolonne gekämpft. Die Rebellen unter den Dunklen Ermittlern hatten sich ebenfalls gegen TRAITOR gewen det. Es war wie ein Gespenst, das immer öfter durch meine Gedanken spukte: Ich wollte den Chaotender. War ich verrückt geworden? Größen wahnsinnig. Dantyren hatte alles Nor male in mir verdrängt. Ich musste VULTAPHER haben, das wurde mir erst richtig bewusst. Egal in welchem Zustand ... Unsere Wissenschaftler würden Jahrtausende mit dem Chaotender beschäftigt sein. Und die Algorrian? Wenn das kein An reiz für sie war. Mit einem heftigen Kopfschütteln verscheuchte ich alle diese Überlegun gen. Die Beute konnte ich erst auftei len, sobald sie mir gehörte. »Gib mir einen Posbi, der uns zum Monokosmium führt!«, verlangte ich. Dabei freute ich mich schon auf das Gesicht, das Perry beim Anblick des
Chaotenders machen würde. Und Bully erst. Ich hörte ihn eine Verwünschung nach der anderen ausstoßen, den guten alten Reginald Bull. »Es gibt keine Garantie, dass Kir mizz auf die Hundertsonnenwelt zu rückkommt.« Das Zentralplasma ver trieb meinen schönen Traum. »In dem Fall müssen die Waffen entscheiden, ob wir Terra retten können.« »Kirmizz’ Tod würde ein Problem lö sen. Die Kolonnen-Einheiten schafft er uns nicht vom Hals.« Wie auch immer, eine Entscheidungsschlacht war unum gänglich. »Unser Gegenschlag wird vorberei tet«, stellte die Hyperinpotronik fest. »Seit du zur Hundertsonnenwelt ge kommen bist, wissen die Posbis, was sie erwartet.« * Artefakt sah aus, wie ein humano ider Roboter aussehen sollte – zumin dest eine jener Maschinen, die seit zwei Jahrtausenden in terranischen Museen standen. Ein kantiger Körper, nicht ge rade mit Wespentaille, aber doch in der Leibesmitte eher schmächtig. Die brei ten Schultern mit den schweren Mehr weg-Gelenken vermittelten einen Ein druck bulliger Kraft. Seine Arme wirkten demgegenüber skelettiert: Knochen aus mattem Stahl, die Draht sehnen außen liegend. Fünf Finger an jeder Hand. Sie bestanden jeweils aus einer Vielzahl schmaler, ineinander greifender Ringglieder. Der Roboter kopf kantig, mit markant vorspringendem Kinn und hohen Wangenknochen, der Mund ein Membrangitter. Düster rote Sehzellen ersetzten die Augen, in ihnen glitt ein abtastendes Lauflicht permanent von einer Seite zur ande ren. Vielleicht, argwöhnte Danton, war dieser Posbi tatsächlich in den Leib ei nes Museumsstücks integriert worden
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– sein Name deutete unzweifelhaft darauf hin. Der Plasmaanteil konnte überall Platz gefunden haben, und die hochmodernen positronischen Anteile benötigten nur einen Bruchteil des Rechnervolumens von einst. Exponate pflegten allerdings voll ständig zu sein. Nicht so Artefakt. Er hatte keine Beine. Sein Rumpf saß auf einem erkennbar nachträglich ange flanschten Konglomerat aus Rädern und Gyrokreiseln. Jäh hielt er inne und wirbelte her um. Sein Leuchtblick taxierte Danton und die Mikro-Bestien. Die MattenWillys waren an der Kontaktstelle des Zentralplasmas zurückgeblieben. Gut vier Kilometer hatte der Trupp von da aus zu Fuß überwunden. In dieser nur für Willys und Roboter konzipierten Anlage gab es kaum Transportmittel über größere Distanzen hinweg. Hier und da waren Danton jedoch abge schaltete Transmitterstationen aufge fallen. Jetzt standen sie wieder vor einem Transmitter. Es handelte sich um ein Gerät aus der Zeit vor der Erhöhung der Hyperimpedanz, das nicht erneuert worden war. Heutzutage war es ein mit Risiken behaftetes Wagnis, sich einem solchen Bogentransmitter anzuvertrau en. »Kein Raumschiffsverkehr ... Trans mitterdurchgänge nur nach vorheriger Genehmigung ...« Die Fistelstimme des Posbis empfand Danton als gewöh nungsbedürftig. »Natürlich halten wir alle Auflagen der Kolonne ein.« »Natürlich«, bestätigte er, während sich der Blick des Roboters an ihm fest fraß. »Der abgesperrte Bereich liegt nur noch einen halben Kilometer vor uns.« »Niemand wird uns sehen, wenn wir dort eindringen.« »Sei dir dessen nicht so sicher, Roi. Mehrere Posbis haben das im Schutz
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von Deflektorfeldern versucht. Ihre Existenz wurde gewaltsam beendet.« »Deflektoren zu vertrauen, halte ich allerdings für ein Vabanquespiel. Einen überlegenen Gegner muss man überra schen. Sobald das nicht mehr möglich ist, bleibt nur noch die Wahl, ihn mit seinen eigenen Waffen anzugreifen.« Danton hatte, während er sprach, sein Dunkelfeld eingeschaltet. Er lä chelte grimmig, weil der Posbi sich su chend mehrmals um die eigene Achse drehte. Als Artefakt gleich darauf die Sinnlosigkeit seines Tuns erkannte, winkelte er beide Arme vor sich an. »Roi?« »Ich habe meine Position kaum ver ändert.« »Das ist nicht wahr. Ich habe keine Ortung, keinen optischen Eindruck ...« Der Posbi drehte sich nur mehr leicht. Er versuchte, sich an der akustischen Peilung zu orientieren. »Da fehlt etwas ... Nein, das ist ein falscher Algorithmus. Ich registriere eine schwache optische Verzerrung, et was wie einen zitternden Schatten, der nicht in diese Existenzebene gehört.« »Gut beobachtet.« Danton wich zwei Schritte weiter zurück. »Es ist nicht mehr da. Du verwendest ein Dunkelfeld der Terminalen Kolon ne, Roi? Das gibt deiner Bemerkung eine tiefere Bedeutung, einen überlege nen Gegner mit dessen eigenen Waffen anzugreifen.« * Sie befanden sich im Bereich der Plasmakuppeln. Hier kamen die mannsdicken Versorgungsleitungen von den Oberflächenkuppeln herab und wurden zu monströsen Strängen gebündelt. Fließgeräusche bildeten die akustische Kulisse. Sie klangen wie der Pulsschlag des Plasmas – langsam und bedächtig. Ein minutenlanges Atemholen, dann Pause. Gelegentlich
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Das Monokosmium
hallten metallisch dumpfe Schläge durch die Unterwelt. Die Mikro-Bestien sicherten nach al len Seiten. Sie konnten es nicht erwar ten, Kirmizz zu stellen. Das Zentral plasma interessierte sie in keiner Weise, obschon der Trupp zwangsläufig bald auf den ersten Zylindertank stoßen musste. Das Plasma war die Seele der Hundertsonnenwelt, es hatte aufgrund seiner großen Masse Intelligenz ent wickelt. In jedem Posbi steckte ein Ableger des Zentralplasmas, der den Robotern ein Bewusstsein verschaffte – Kreativität und ausgelebte Emotionen machten sie zu wirklichen Lebewesen. »In fünfzig Metern gabelt sich der Gang. Dort beginnt der gesicherte Be reich.« Artefakt drehte sich um die eigene Achse, während er redete. Er konnte den Terraner ebenso wenig erkennen wie die Mikro-Bestien, die sich inzwischen eben falls hinter ihren Dunkelfeldern verbar gen. Das schneller werdende Lauflicht in den Sehzellen verriet Danton, dass der Posbi die Situation als unbefriedigend empfand. Offensichtlich bereitete es ihm Unbehagen, ins Leere zu reden und die Reaktion auf das Gesagte nicht erkennen zu können. Das machte ihn menschlicher als manchen Menschen. »Du darfst dich zurückziehen«, sagte Danton. Das Licht in Artefakts Sehzellen schien zu stocken, als er den Kopf drehte. Es hatte es den Anschein, dass der Posbi den Terraner trotz des Dun kelfelds sehen könne. Aber Danton konnte für ihn nichts anderes sein als ausgestanzte Wirklichkeit, eine zit ternde Schattenflamme, die wesenlos blieb, solange der Schattenschirm be stand. Der Aktivatorträger sah Artefakts abwehrende Handbewegung und hörte sein verschwörerisches Flüstern: »Ich begleite euch, solange es möglich ist. Ich weiß, wo die Sperren verlaufen.«
Keine Minute später war der Roboter tot. Ein grelles Leuchten umfloss den Posbi. Die Ursache schien aus ihm selbst herauszukommen. Sein Leib glühte, und dieses unheimliche Feuer verzehrte den Stahl gedankenschnell. Artefakts Umrisse verwehten wie ein Trugbild. Zugleich erklang Trainz’ Warnung. Ein Energiefeld riegelte den Korridor ab, nicht erst nach der Gabe lung, wie der Posbi vermutet hatte, sondern schon mehrere Meter davor. Der Roboter hatte es nicht anmessen können. »Sogar unsere Anzugorter reagieren erst aus kurzer Distanz darauf«, stellte Trainz fest. »Aber das Destruktionsfeld behindert uns nicht. Wir können es durchdringen.« »Bist du dir sicher?«, fragte Danton. »Würdest du sonst noch leben? Du hast das Feld nur einen Sekunden bruchteil nach dem Posbi durchdrun gen, Roi.« Wie zum Beweis sprang Trainz vor wärts und hielt erst nach der Gabelung an. Die einfachste Erklärung wäre ge wesen, dass die Sperre nur auf opti scher Basis arbeitete. Aber dann hät ten die Posbis sie im Schutz eines Deflektors überwinden können. Eher schien es Danton, dass Dunkelschirme die destruktive Energie absorbierten. Kirmizz hatte seinen Bereich gegen galaktische Technik gesichert. Mit Eindringlingen, die sich der Kolon nen-Technik bedienten, musste er sich normalerweise nicht auseinanderset zen. »Weiter! Wir müssen uns beeilen!« Danton fürchtete, dass Kirmizz die Absicherung verstärkte, weil er inzwi schen die Wahrheit kannte. Im schlimms ten Fall geschah das schon in diesen Minuten. *
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Die Roboter der Terminalen Kolonne schwebten aus einem der Schächte em por, die in unergründliche Tiefe zu füh ren schienen. Düsteres Zwielicht be herrschte jenen Bereich, in dem Kühlschlangen zwischen umlaufenden Wartungsgalerien hervorbrachen und sich im Würgegriff um einzelne Lei tungsstränge legten. Die Dunstschwa den der abkühlenden Atmosphäre wur den zur Melange pulsierender dunkler Farben wie die Palette eines jener Ma ler, die in der terranischen Kunst die Zeit nach dem Ende der Dunklen Jahr hunderte geprägt hatten. Düsternis. Beklemmung. Undurch dringlicher Nebel, der erstickend über der Zukunft lastete – das Thema, das ein ganzes Jahrhundert prägte. Die Roboter kamen schnell näher. Kantige Kolosse von bedrückender Präsenz. Kampfmaschinen, auch wenn ihre Projektormündungen nicht akti viert waren. Sie schwebten vorbei, ohne auf die Nähe der Eindringlinge zu reagieren. Eine Routinekontrolle, mehr nicht. Sie hatten auf dem Planeten keinen Gegner zu fürchten. Danton wartete, bis die Roboter hin ter der nächsten Biegung des Korridors verschwanden. Mit einer knappen Ges te forderte er die Mikro-Bestien zum Weitergehen auf. Sie waren unsichtbar, dennoch kann te jeder die Position der anderen. Weil die Anzugorter rechnerische Bewe gungsbilder projizierten. Basis dafür waren die über Kolonnen-Funk gesen deten Peilsignale jedes DunkelfeldProjektors. Eine spezielle Frequenz, aber dennoch unsicher. Angespannt hatte Danton nach der Waffe gegriffen. Seine Befürchtung, dass die Roboter die Frequenzbänder abhörten und die ultrakurzen Peilsi gnale aufspürten, erwies sich jedoch als unbegründet. Augenblicke später gab es kein Wei
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terkommen mehr. Ein flirrendes Ener giefeld blockierte das Schott vor ih nen. »Wir könnten die Sperre beseitigen«, hörte Danton eine der Mikro-Bestien raunen. Wahrscheinlich war es Trainz. In dem Moment achtete er nur nicht darauf, weil er sich nach beiden Seiten umsah. »Mit einer Unterbrechung lösen wir aber höchstwahrscheinlich Alarm aus«, fuhr die Bestie fort. Ineinander übergehende Säle, so hat te ihm die Hyperinpotronik den von Kirmizz okkupierten Bereich beschrie ben. Von den Posbis waren sie nicht genutzt worden, weil Umbauten nach dem Hyperimpedanz-Schock Eingriffe in die Infrastruktur erfordert hatten. Danton musste nicht lange suchen, bis er die Schächte der Atmosphären aufbereitung fand. Sie waren groß ge nug, dass er sich einigermaßen gut dar in würde bewegen können. Er hatte die Dantyren-Maske ertragen, schlimmer konnte der Weg durch den Klima schacht kaum werden. Er entdeckte eine Wartungsöffnung und schickte zwei Mikro-Bestien vor aus. Sie kamen rasch zurück. Es gab keine Sperren, die das Eindringen in die angrenzenden Räume verhindert hätten. Der Pilot des Chaotenders begnügte sich mit einer eher demonstrativen Ab schirmung seines Refugiums. Über die Bedeutung seines Monokosmiums sagte das noch wenig aus. Weshalb mehr Aufwand treiben als unbedingt nötig? Kirmizz’ hatte auf der Hundertsonnenwelt nichts zu fürch ten. Du kennst uns Terraner noch nicht, dachte Roi Danton angespannt. Wir lassen uns nicht so leicht das Genick brechen. Mit einem heftigen Kopfschütteln wischte er seine Erinnerung an die ers te Begegnung mit Kirmizz auf der Hun
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Das Monokosmium
dertsonnenwelt beiseite. Sie war ihm eine eindringliche Warnung. * Der Saal war verlassen. Roi Danton hatte erwartet, etwas Spektakuläres zu sehen, aber keine technischen Anlagen, die mit dem Ent stehen des Chaotenders zu tun hatten. Vielleicht ein Trainingsareal für Kir mizz. Nicht aber diesen Hauch von Ein samkeit, der sich ihm aufdrängte, als er den Blick schweifen ließ. »Hier ist niemand außer uns. Wir müssen auch nicht fürchten, entdeckt zu werden«, hörte er Ultrecht sagen. Dessen Piepsstimme war unverkenn bar. »Wir messen keine Raumüberwa chung an, keine optischen oder akusti schen Spione. Absolut nichts.« »Sobald Kirmizz hier ist, will er un beobachtet sein.« Danton atmete tief durch. Seine Anspannung wich ein we nig. »Wenn der Pilot zurückkommt, welche Möglichkeiten hat er dazu?« »Meine Leute nehmen gerade die üb rigen Räume in Augenschein«, antwor tete Trainz. »Im äußeren Bereich steht ein abgeschalteter Kolonnen-Trans mitter. Er kann über eine spezielle Sen destation aktiviert werden.« »Gut. Wir verzichten vorerst auf die Dunkelfelder«, entschied Danton. »Se nego, die Hälfte deiner Leute bezieht in Transmitternähe und an den übrigen Zugängen Position. Wir müssen infor miert sein, sobald das Gerät auf Emp fang geht. Kirmizz darf uns keinesfalls überraschen. Eine zweite Gelegenheit, ihn anzugreifen, werden wir nicht be kommen. Der Rest deiner Truppe nimmt alles in Augenschein, was wichtig wirkt.« Trainz hatte seinen Dunkelschirm ebenfalls abgeschaltet. Sein dreiäugi ger Blick ruhte kurz auf Danton. Dann drehte er sich langsam zur Seite. Mit zwei Händen kratzte er sich über die
lederartige kahle Kopfhaut. An dem aufgequollenen Narbengewebe der rechten Schädelhälfte hielt er inne. Danton glaubte zu sehen, dass der An führer der Mikro-Bestien unwillig den Mund verzog. »Was macht Kirmizz hier?«, fragte er mit Nachdruck. »Ich verstehe den Sinn dieses Raumes nicht.« »Eine Art Museum«, erwiderte Dan ton. »Das ist jedenfalls mein erster Ein druck. Ausstellungsstücke, die nur Kir mizz zugänglich sind. Aber was bedeuten sie? Handelt es sich um Beu testücke? Dinge, die ihm irgendwann wichtig waren?« Der Aktivatorträger ging auf das nächstbeste Exponat zu und blieb erst dicht vor dem Podest stehen, das pyra midenförmig an die zwei Meter hoch aufragte. Das fluoreszierende Material konnte er nicht einordnen. Aus jedem Blick winkel schimmerte es anders. Der Auf bau wirkte stufenförmig, doch sobald sich Danton darauf konzentrierte, ver schwamm diese Struktur. Die Pyrami de schien transparent zu werden, und für die Dauer eines Atemzugs war ihm, als stürze er ins Nichts. Erst danach spürte er die Fraktale. Sie brachen das Licht in Tausenden Facetten und erweckten den Eindruck von Tiefe, wo keine war, vermischten die Ewigkeit mit dem Endlichen. Zu gleich lenkten sie Dantons Blick ab, als hätten sie seine Sinne eingefangen und wollten ihn nicht mehr loslassen. Für jeden Betrachter gab es nur ei nen einzigen bedeutungsvollen Punkt in diesem Universum: das obere Ende der Pyramide, eine Fläche, nicht größer als eine Handspanne im Qua drat. Eine Figurengruppe stand dort, her ausgeschliffen aus einem faustgroßen Kristall. Vier eigentümliche Gestalten. Danton hatte Wesen wie diese nie zuvor gesehen, er glaubte nicht, dass sie aus
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einer Galaxis der Lokalen Gruppe stammten. Langsam ging er um das Exponat herum. Die Figuren blickten ihm ent gegen. Zumindest entstand dieser Ein druck durch die sich permanent verän dernde Lichtbrechung. Erst jetzt bemerkte er die unvollendete Gestalt zwischen den anderen. Wenige Kontu ren waren eingraviert, das bereits Er kennbare ließ keine Rückschlüsse zu. Vielleicht, im Gegensatz zu den schon dargestellten Wesen, ein humanoides Geschöpf. Danton sah sich weiter um. Tausend und mehr Exponate waren allein über diesen Saal verteilt, und die Ausstellung erstreckte sich bis in die Nebenräume. Der Kristall war eines der kleinen Objekte. Die größeren maßen mehrere Kubikmeter. Gemeinsam war allen die plastische Bearbeitung. Sie zeigten Gruppen mit Personen oder Gegen ständen. Im Mittelpunkt jedes Arran gements stand eine muskulöse, breit schultrige Gestalt. Auffällig an ihr war die steife aufrechte Haltung. Als hätten der oder die Künstler diesen Umstand betonen wollen. Vergeblich suchte Roi Danton bei der zentralen Kristallfigur nach Gesichts zügen. Ihr haftete etwas Unfertiges an. Das Gesicht wirkte glatt – und zugleich wieder nicht. Die beiden Augen schie nen der Skulptur Leben einzuhauchen, doch das Gesicht, mundlos und ohne Nase, strafte diesen Eindruck Lügen. Es war ein Gesicht voll Gegensätz lichkeiten. Danton kannte es, und es weckte zwiespältige Empfindungen in ihm. Dieses Gesicht drückte Leben aus und Tod. Es war starr und unnahbar wie eine Maske. Nur diese Augen ... Danton fühlte sich von ihrem Blick durchbohrt. »Was ist an der Gestalt Besonderes?«, hörte er Trainz fragen. Der Kalbaron
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hatte wieder zu ihm aufgeschlossen, aber aus nur zwanzig Zentimetern Hö he konnte Trainz nicht das erkennen, was Danton sah. »Das ist Kirmizz!«, antwortete der Terraner verhalten. Er sah die tiefe, senkrecht den Schä del teilende Kerbe. Vom Kinn bis über die Stirn schien sie den Kopf zu spal ten. Eine Bruchstelle, an der das Wesen Kirmizz eines Tages aufplatzen und et was Neues freigeben würde, so, wie der Schmetterling aus einer Puppenhülle schlüpfte. Aber was ...? »Welchen Grund könnte der Pilot ha ben, Tausende Skulpturen zu sammeln, die ihn zum Mittelpunkt haben – und diese Darstellungen als Monokosmium zu benennen?« Senego Trainz’ Stimme durchbrach Dantons Überlegungen. Der Terraner zögerte. »Genau das frage ich mich ebenfalls«, erwiderte er. 4. Infiltriert Die Meldung, die der Plasmakom mandant der BOX-9912 erhielt, war knapp, präzise – und für den Komman danten absolut überraschend: »Datenprotokoll Konstantmessung zeigt nicht identifizierbaren Vorgang. Verwaschene Charakteristik entspricht möglicherweise übergeordnetem Trans portvorgang.« Es folgten Datensätze, die eine zeit liche und räumliche Zuordnung ermög lichten. Der Kommandant benötigte die ungewöhnlich lange Spanne von drei Sekunden, die ihm bislang nur un zureichend bekannten Systemdaten umzurechnen. Das Ergebnis versetzte den Plasmaanteil in einen Zustand äu ßerster Erregung. »Benötigt werden Detailangaben über Zweck und Ziel des vermuteten Transportvorgangs!«, forderte die Mel
Das Monokosmium
dung. »Eine fehlerhafte Zuordnung be dingt Standardmeldung an höhere In stanz.« Die Analyse der Datensätze er schreckte den Kommandanten. Die un klaren Angaben bezeichneten drei von sechs Transmitterdurchgängen, mit de nen Roi Danton und seine Einsatzgrup pe den Fragmentraumer verlassen hat ten. Obwohl BOX-9912 bislang als ener getisch tot erschienen war, jagten nun komprimierte Datenströme durch das Schiff. Die Ortungssysteme erwachten zu Minimalleistung. Das Ergebnis bestätigte, was der Plasmaanteil intuitiv erfasst hatte. Ab sender der Meldung war ein Traitank. Dass Registereinheit 98.317.465 in ei ner Entfernung von lediglich dreiein halb Lichtsekunden stand, blieb dabei eher zweitrangig. Der Plasmakommandant versetzte sich selbst auf die höchste Alarm stufe. Bereits acht Sekunden waren seit dem Empfang der Meldung verstrichen. Sie war über Richtfunk eingegangen, zudem auf einer Reserve-Frequenz, die ausschließlich von Posbis verwendet wurde. Ein nachweislicher Erfolg der Ky bernetischen Konspiration, erkannte der Kommandant. Die Supratronik des Traitanks 98.317.465 gehörte zu den in filtrierten Systemen. Vorgänge, die Pos bis betrafen, unterlagen an Bord des Kolonnen-Diskusses seitdem einem Zwang zur Separierung. Ebenfalls mit Richtstrahl sendete BOX-9912 die Antwort: »Nicht identi fizierbarer Vorgang wird überprüft. Er gebnisprotokoll folgt.« Dessen ungeachtet verlangte der Plasmaanteil des Kommandanten, die an Bord befindlichen Terraner und Mi kro-Bestien zu evakuieren. »Du verkennst die hohe Zahl erfor derlicher Transmitterdurchgänge«, er
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widerte das positronische System in kalter Logik. »Ohne zwingende Not wendigkeit würden sie uns der Gefahr weiterer Ortungen aussetzen.« »Wir dürfen die Terraner über diese Bedrohung nicht im Ungewissen las sen. Sie können im Notfall nicht wie derhergestellt werden wie unsere Da tenpakete.« »Die Information bleibt unter Ver schluss!«, entschied die Positronik. »Es dient der Deeskalation.« Der Plasmakommandant wendete sich erneut an die Supratronik. »Die Überprüfung ergibt eindeutig, dass kein Transmittertransport stattge funden hat. Jedoch wurde ein Pro grammleck in der Justierung erkannt. Folge könnte ein irregulärer Spon tanabfluss schwacher Grundenergie in den Hyperraum sein.« Das erklärte die nicht vorhandenen Zielkoordinaten. Die Supratronik schwieg. »Dennoch muss die Evakuierung vorangetrieben werden!«, drängte der Plasmaanteil. »Die Terraner sind wich tig. Wir dürfen sie keiner Gefährdung aussetzen.« »Deine emotionale Sichtweise be deutet das größte Gefahrenpotenzial«, erwiderte die Positronik. Nach zehn Sekunden meldete sich die Supratronik erneut. »Die Erklärung wird vorerst akzep tiert. Sie scheint symptomatisch für die einfache technische Ausstattung der Posbi-Schiffe. Ich weise darauf hin, dass BOX-9912 für eine vorerst unbe stimmte Zeitspanne unter erhöhte Be obachtung gestellt ist.« »Bist du bereit für ein Spiel?«, fragte der Plasmakommandant begierig. »Ich biete dir an, in eine Simulation der Zu kunft dieses Galaxienhaufens einzu steigen.« »Mit welchem Endziel?« »Mit dem Ziel, Einflüsse zu generie ren, welche die Entstehung einer neuen
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Negasphäre im Bereich des Galaxien haufens begünstigen.« »Ein reizvolles Thema«, bestätigte die Supratronik. »Du bist also bereit?« »Ich bin bereit – und du wirst das Spiel verlieren. Nenne deinen Einsatz, Hyperinpotronik ...« Als Lebewesen, das über einen durch schnittlich geprägten Körper verfügte, hätte die Positronik von BOX-9912 ih rem Plasmaanteil einen triumphieren den Blick zugeworfen. Da sie kein Le bewesen im eigentlichen Sinne war, begnügte sie sich mit einem knappen Impuls, der das Plasma dennoch er schütterte. »Vorerst akzeptiert« und »erhöhte Beobachtung« – das bedeutet das Risi ko eines Angriffs während Dantons Rückkehr. Ich muss spätestens dann zur Interaktion fähig sein. Das Plasma verstand. * Ihm brannte die Zeit unter den Nä geln. Dennoch betrachtete Roi Danton die Skulpturen, die womöglich nur Kir mizz’ übersteigerte Eitelkeit befriedi gen sollten. Wer sagte ihm, dass der Pilot des Chaotenders überhaupt zurückkom men würde? Vielleicht wartete er ver geblich, und es wäre besser gewesen, schnellstens Angriffe auf den Chaoten der zu fliegen. Dreihunderttausend Posbi-BOXEN hatten wenigstens eine kleine Chance, das Entsetzen hinaus zuzögern. Aufhalten konnten sie es nicht. Langsam ging Danton an den Aus stellungsstücken vorbei. Er hatte keine Ahnung, wonach er eigentlich suchte. Doch er war überzeugt davon, dass er es erkennen würde, sobald er es fand. Hinter ihm rumorten die Mikro-Bes tien. Sie sicherten den Transmitter und suchten nach den idealen Schussposi
tionen. Sobald der Pilot ankam, durfte er keine Gelegenheit für den Schmerz ruf erhalten. »Achtet auf genügend große Di stanz!«, warnte Danton. »Nicht weni ger als hundert Meter.« Er blieb stehen. Sein Blick pendelte zwischen zwei Figurengruppen. Inter essant wirkten beide. Die, vor der er innehielt, hatte den besser herausgear beiteten Kirmizz – eine Statue, die den Eindruck erweckte, als lebte sie. Danton fragte sich, ob Kirmizz die Figuren mit einem Splitter seines Geis tes belebt hatte; als Mental-Dislokator wäre dies durchaus vorstellbar. Er ge wann den Eindruck, dass die Statue ihn durchdringend musterte. So, wie er ihr plötzlich größtes Interesse entgegen brachte. Kirmizz stand vor einer Reihe bizar rer Gestalten. Seine steife Körperhal tung, die Art, wie er seine Arme erho ben hatte: Danton war überzeugt davon, dass der Pilot diesen unbekann ten Wesen Befehle erteilte. Die Figur bestand im Gegensatz zu vielen anderen aus glattem, marmorar tigem Material. Als Danton langsam seinen Blickwinkel veränderte, weil er Details erfassen wollte, schien Kirmizz sich mit ihm zu drehen. Eine Illusion, hervorgerufen durch den perfekten Schliff und das Zusam menspiel von Licht und Schatten? Zö gernd hob der Aktivatorträger die Hand. Mit den Fingerspitzen berührte er die Statue. Sie fühlte sich kühl an, wie er es von Stein erwartete. Und den noch ... Deutlich glaubte Danton eine mentale Ausstrahlung von der Skulp tur auf ihn überspringen zu fühlen. * Der Alarm schreckte Kirmizz aus der beginnenden Ruhephase auf. Er brauchte nur einen heftigen Kiemen schlag, um zu erkennen, dass VULTA
Das Monokosmium
PHER auseinanderbrechen würde. Die Phase des Übertritts zwischen den Kontinua war noch akut, eigentlich ein automatisierter Vorgang, der keiner Überwachung bedurfte. Statuskontrolle!, donnerten die Ge danken des Piloten. Ich brauche die Verlaufsanzeigen für die vergangenen zwei Sequenzen mit Überblendung der Ist-Zustände. Potenzielle Fehlerquellen lokalisieren! Die sensorische Darstellung machte die aufbrechende Raumkrümmung für ihn greifbar. Die Librationsschicht war in diesem Bereich schon unglaublich dünn. Kirmizz blieb keine andere Wahl, als seinen Geist aufzuteilen und Dut zende starker Aktionsquanten in die Projektion zu schicken. Sie verloren sich in den Sturmfeldern aufgepeitsch ter Energie. Konvektionsströme tobten durch den Überlappungsbereich der Kontinua. Obwohl die Verwirbelungszonen keine Bedrohung für den Chaotender bedeu teten, hatte der Alarm Bestand. Die Gefahr lauerte also in einem anderen Gebiet. Erstickend zogen sich die Projektio nen um den Piloten zusammen, als er seinen Geist in kleinere Quanten teilte. Ihm blieb keine andere Wahl, wollte er verhindern, dass VULTAPHER in den Niederungen von Raum und Zeit stran dete. Zugleich war er sich der Tatsache bewusst, dass er nur einen Bruchteil aller Kabinette prüfen konnte. Der Chaotender war schon zu tief in die Überlappung vorgedrungen. Jenseits der Hüllballungen manifes tierten die ersten Raumschatten – Ge biete, deren exotische Parameter nach schnellem Potenzialausgleich gierten. Zwischen den Einflussbereichen der Kosmonukleotide verwünschte Kir mizz die XIX. Kosmität, die während seiner Ausbildung versäumt hatte, ihn auf solche Geschehen vorzubereiten. Irreale Fragestellung, war ihm be
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schieden worden. Eine rein theoretische Bedrohung, die das Zusammentref fen widrigster Umstände voraussetzt. Entsprechende Vorgänge sind unbe kannt ... Ein Angriff auf VULTAPHER?, frag te sich Kirmizz jetzt. Er hatte Grund dafür, denn zum ers ten Mal manifestierte Düsternis im Herz des Chaotenders. Noch verwehte sie wie träger Nebel. Aber das änderte nichts daran, dass die Hüllfelder durch lässig wurden. »Die Adhäsionskräfte anzeigen!« Noch während er diese Worte sprach, ahnte Kirmizz, dass er seiner wachsen den Unruhe bald machtlos gegenüber stehen würde. Die Bildreize lösten in ihm neue Missempfindungen aus. Er spürte den Verfall des Chaotenders geradezu kör perlich. Zum ersten Mal überkam ihn die Furcht, er könnte zusammen mit VULTAPHER sterben. Die äußeren Kabinett-Potenziale so gen die heranbrandende Strangeness auf. Kirmizz registrierte das Aufschau keln auf ein höheres Niveau, dem zwangsläufig eine zerstörerische Ab stoßungsreaktion folgen musste. Wahrscheinlich würden mehrere be nachbarte Sternhaufen ebenfalls dem Strudel der Vernichtung anheimfallen. Dieser Vorgang, so unglaublich ihm das vorkam, konnte nur künstlich her beigeführt worden sein. Also Sabota ge. Kirmizz’ Geist verschmolz mit dem Herzen MINATERG. Er wurde eins mit den gewaltigen Energieblöcken, die VULTAPHER stabilisierten und voran trieben. Dennoch war er nicht mehr als ein Katalysator, dessen Instinkt zielsi cher Vorgänge auslöste, die eine Ma schine nur über das Abarbeiten unge zählter Sequenzen erreicht hätte. Viele Ruheperioden vergingen für Kirmizz in dislozierter Anstrengung. Endlich wurde ihm bewusst, dass er
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das Unmögliche geschafft und VULTA PHER vor dem Auseinanderbrechen bewahrt hatte. Schwerkraftadern durchwoben nun das Herz und legten sich wie gierige Fangarme über die Kabinette. Kirmizz spürte, wie unglaublich feinfühlig sie auf die extremen Bedingungen reagier ten und die Kabinette zu neuer Adhä sion anregten. Der Pilot wusste nun, dass die Ver säumnisse der Kosmität keinen Makel an ihm haften ließen. Er hatte die Kraft und die Überlegenheit, damit fertig zu werden. Ebenso würde er jene aufspü ren, die den Untergang VULTAPHERS betrieben. * Es war ein beinahe perfekter An schlag gewesen. Kirmizz hielt es jedoch für ausgeschlossen, dass eine Handvoll niederer Wesen auch nur ansatzweise das nötige Wissen haben konnte, um den Chaotender in Gefahr zu bringen. »Ihr verdingt euch als Kosmokraten knechte!«, herrschte er die Gefangenen an. Sie hatten geglaubt, ihm überlegen zu sein. Seinen Aktionsquanten waren sie trotzdem nicht entkommen. Sie entstammten unterschiedlichen Kabinetten. Bislang wusste Kirmizz nicht einmal, wie sie es fertiggebracht hatten, über deren Grenzen hinweg miteinander zu kommunizieren, ge schweige denn VULTAPHERS Kurs zu beeinflussen. Es gab einige Hinweise, mehr nicht. Andeutungen auf Kabinet te, die zu den ersten zählten, aus denen VULTAPHER entstanden war. Dort wuchsen Zivilisationen heran, die einer strengen Führung bedurften. Kirmizz entsann sich des hartnäckigen Wider stands, den die Völker der Milchstraße TRAITOR entgegengebracht hatten. Allen voran die Terraner. Aber VULTAPHER hatte die Welten des Solsystems ausgelöscht.
»Jemand aus den Drorah-Kabinetten hat euch unterstützt!« Er provozierte die Gefangenen mit dieser Feststel lung. Sie reagierten nicht darauf. Auch nicht auf die Quanten, mit denen er sie infiltrierte. Fast schien es ihm, als hät ten diese Geschöpfe aus ihrer Entde ckung gelernt. Sie stammten aus einem weit entfernten Bereich dieses Univer sums, in dem eine Negasphäre kurz vor der Vollendung stand. Eine sorgfältig von den Ordnungs mächten aufgebaute Falle? Kirmizz war verwirrt. Was sollte er von den eigentümlichen Fähigkeiten der drei unterschiedlichen Wesen hal ten? Waren ihre Welten schon lange vor der Verkündung der TRAITOR-Direk tive von Kosmokraten präpariert wor den – mit dem Ziel, VULTAPHER zu beeinflussen? Handelte es sich bei seinem Projekt lediglich um ein taktisches Manöver in der ewigen Auseinandersetzung? Die Negasphäre Hangay war in einer sehr frühen Entwicklungsphase verloren gegangen, trotz lediglich unkonventio neller, unerwarteter und im Grunde trotz allem unterlegener Mittel. Es hät te nicht geschehen dürfen, aber TRAI TOR hatte sich zu sehr darauf verlas sen, adäquate gegnerische Einheiten an anderen Orten gebunden zu haben. Und dann war das Blasphemische gesche hen: Der Negasphärenkeim war ver nichtet worden. All das trug zwar nicht die Handschrift der Kosmokraten, aber Kirmizz hielt den Erfolg der Galakti ker ohne das Eingreifen der Ordnungs mächte für undenkbar. Hatten die Mächte jenseits der Mate riequellen also verdeckte Hilfestellung für Hangay geleistet? Gerade so weit, dass ihr Tun nicht ruchbar geworden war, weil andernfalls TRAITOR sehr schnell Nachschub herangeführt hät te? Die dann nachfolgenden schweren
Vierwöchentliche Beilage zur PERRY RHODAN-Serie. Ausgabe 432.
Abbildung: Cover Flieger 55 von Anton K. Scholten
Vorwort
Guten Tag,
dieses Mal gibt es keine »Empfehlung des Monats«. Das liegt nicht daran, dass ich zu faul gewesen wäre, diese zu schreiben
– es war einfach dieses Mal kein Fanzine dabei, das mich wirklich vom Hocker gerissen hat. Mal sehen, wie das in den nächs ten Wochen weitergeht. Per aspera – ad astra! Euer Hermann Ritter
Nachrichten Con in Hamburg Vom 11. bis 13. September 2009 findet unter dem Motto »Ali ens, Monster und Mutanten« der 6. Hamburger Zellakti vatorCon statt. Veranstaltungsort ist das Eidelstedter Bür gerhaus, Alte Elbgaustraße 12, 22523 Hamburg. Mehr findet man im Internet unter www.za-con.de.
Online Über 130 Seiten Text erhält man, wenn man Terracom 117 herunterlädt. Darunter sind viele Seiten über PERRY RHODAN, aber ebenso Rezensionen, Infos aus der Szene und – das sage ich dieses Mal ausdrücklich – sehr gute Illustrationen. Nils Hirseland, der erste Vorsitzende der herausgebenden PROC e.V., verweist wieder auf seinen Aufruf an Club- und Vereinsvorsitzende im PERRY RHODAN-Fandom. Leider hat er auf seine Denkanstöße nur wenige Antworten bekommen. Ich kann nur hoffen, dass sich hier noch einige Stimmen zu Wort melden. Das Fanzine erscheint monatlich zum Herunterladen unter www.terracom-online.net. Die Seite der herausgebenden PROC findet man unter www.proc.org. Chefredakteur ist Lo thar Bauer, Mondorferstraße 49, 66663 Merzig (per E-Mail unter
[email protected] zu erreichen).
Abenteuer & Phantastik Aus diesem Heft werde ich nicht schlau. Manchmal sind die Ausgaben ein Lese-Paradies der ersten Güte, dann kommen wieder Hefte wie das aktuelle Abenteuer & Phantastik 62, bei denen ich die gerade Linie vermisse. Es wirkt alles ein wenig zusammengewürfelt, die Qualität der einzelnen Beiträge ist sehr schwankend. Dieses Mal gibt es ein paar schöne Artikel und die üblichen guten Rezensionen. Es findet sich eine Abhandlung über »Teuflische Romanzen« (Untertitel: »Himmel und Hölle zwi schen Buchdeckeln«), eine (viel zu kurze) Würdigung der Neuausgabe der Comic-Serie »Prinz Eisenherz«, ein wenig inspirierter Artikel über »König Arthur« und etwas über »Das Mittelalter im Brettspiel«. Immer noch ist alles gut lesbar, aber eben nur das. Das Heft kostet im Fachhandel 4,50 Euro. Herausgeber ist
der Abenteuer Medien Verlag, Rostocker Straße 1, 20099 Hamburg (im Internet unter www.abenteuermedien.de).
Basis Zum zehnjährigen Jubiläum erscheint das französischspra chige Basis 37 mit buntem Cover. Ich verstehe immer noch kein Wort, aber es geht um Nachrufe auf verstorbene PERRY RHODAN-Autoren und Interna. Eine Wertung kann ich nicht abgeben, dazu verstehe ich zu wenig vom Inhalt. Einen Preis habe ich nicht gefunden. E-Mails gehen an asso
[email protected], im Internet unter www.stellar que.com.
Enigma Ein Führer für Touristen in das Fantasy-Land »Enigma« ist The Melancard. Auf der Fantasy-Welt Magira befindet sich dieses Reich, das sich kulturell irgendwo zwischen Muske tieren, Seeräubern, sprechenden Tieren und Schottland des 18. Jahrhunderts verorten lassen könnte. Dieses Heft ist als Selbstvorstellung von Kultur und Land gedacht; von daher ist es gerade für jene interessant, die sich mal über Magira und das Drumherum informieren wol len. Dazu kommt, dass Herausgeber Norbert Weiser sich mit Optik viel Mühe gegeben hat, sodass ein nettes Heft heraus gekommen ist. Also: Blick riskieren! Herausgeber ist Norbert Weiser, Birkenstraße 13, 65428 Rüsselsheim (E-Mail
[email protected]). Das Heft wird kos tenlos abgegeben.
Fandom Observer Der beste Nachruf, den ich auf James Graham Ballard bis jetzt lesen durfte, erschien im Fandom Observer 239. Es ist zwar nur eine Seite lang und offensichtlich hastig zusam mengestellt, aber er traf mehr von dem Autoren als so man cher längere Nachruf, der in der Zwischenzeit erschienen ist. Ein Blick in meine private Geschichte war der Rückblick auf Fanzines aus dem Jahre 1983. Damals erschien der Fandom Observer 1 gleich mit einem Schlag gegen die Fanzine-pro duzierende »Zalmanazzar Association«, deren Name unter
anderem Auslöser für mein jahrzehntelang erscheinendes Ego-Zine Shazam war. Die Alterung über 25 Jahre hat vielen der Streitigkeiten von damals gut getan ... Dazu Conberichte und Rezensionen, was will man mehr. Herausgeber ist Martin Kempf, Märkerstraße 27, 63677 Al zenau. Ein Heft kostet zwei Euro.
Flieger Immerhin schon Dieter Steinseifers 286. Fanzine ist Flieger 55. In Rente scheint er noch einmal »einen Zahn zuzule gen«, was die Herausgabe von Fanzines betrifft. Die lustigen Illustrationen von Anton K. Scholten garnieren ein Heft voll mit interessanten Leserbriefen und Fanzine-Bespre chungen. Immer wieder kommen hier »Alt-Fans« zu Wort, die Interes santes aus der Frühzeit des Fandoms berichten. Manfred Roth schreibt über seine Arbeit an einer kompletten Liste aller Mitglieder von FOLLOW, und Gerd Maximovic erzählt von früher. Immer wieder unterhaltsam – ein Fanzine der »alten« Sorte. Das Fanzine ist umsonst. Herausgeber ist Dieter Steinseifer, Dr.-Geiger-Straße 1, 83022 Rosenheim.
Fortean Times Dieses Mal habe ich einen themenbezogenen Grund, um auf die ForteanTimes 248 hinzuweisen. So enthält das Heft doch zwei sehr gute Nachrufe auf »Mister Science Fiction«, For rest J. Ackerman. Beispielsweise wusste ich nicht, dass er über 200 Autoren repräsentierte (unter anderem H. P. Love craft, Isaac Asimov und Hugo Gernsback). Sehr interessant! Aber es finden sich weiterhin Artikel über dumme Bankräu ber, eigenartige Ereignisse, viele Rezensionen und ein schö ner Artikel über Berichte von »Sky Serpents« (also fliegende Schlangen) in den USA. Für Freunde der Wissenschaftstheo rie gibt es einen schönen Beitrag über »Fictious facts«, er fundene Einträge in Lexika und Karten. Das haben die Her ausgeber wohl eingeführt, um Kopien erkennen zu kön nen ... was dann dazu führt, dass Stadtverwaltungen erfundene Straßennamen übernahmen. Insgesamt: eigenartig, aber immer unterhaltsam. Das Heft wird in Deutschland über einige Spieleläden vertrie ben. Näheres über das Heft und über Bestellmöglichkeiten erfährt man unter www.forteantimes.com.
operative, Heilbronner Straße 7, 70174 Stuttgart (www. leuchtameisen.de). Das Heft ist über Spieleläden erhält lich.
Inklings Endlich gibt es mal wieder Neues von den Inklings mit In klings Rundbrief 55. Der Verein, der sich eigentlich der För derung des Werks der Inklings verschrieben hat (die Autoren um J.R.R. Tolkien, Clive Staple Lewis und andere), »vertrö delt« diesen Rundbrief mit dem Bericht der Mitgliederver sammlung 2008 (na ja, ist jetzt schon fast fünf Monate her), ein paar Informationen über Mitglieder und eingegangene Bücher, beschäftigt sich aber wenig mit Kritik an der doch eher laschen Art der Organisation. Der Verfasser dieser Zeilen darf feststellen, dass seine um fassende Kritik an 25 Jahren Inklings im Fantasy-Jahrbuch Magira 2008 (www.magira.com) keine Erwähnung findet, nicht einmal der Eingang des Jahrbuchs wird genannt (das hat man davon, dass man Kritik übt). Aber da viele andere Dinge ausgelassen werden, die eigentlich interessant sind, spielt das wohl keine Rolle. Schade, vor 25 Jahren erschien mir das wie eine gute Idee, da Mitglied zu werden. Herausgeber ist die Inklings-Gesellschaft für Literatur und Ästhetik e.V., Ringofenweg 6, 47877 Willich (E-Mail in
[email protected]).
Paradise Die Jubiläumsnummer Paradise 75 enthält (leider) nur einen kurzen Rückblick der beiden Herausgeber auf die vergan genen 74 Hefte. Ich hoffe, dass das alles im Band Paradise 100 nachgeholt wird! Erneut findet sich der »Aufruf an die Verantwortlichen des PERRY RHODAN-Fandoms« von Nils Hirseland (von der PROC) in diesem Heft, dieses Mal beglei tet von Kommentaren des Herausgebers. Der Aufruf ist gut, aber es bleibt zu befürchten, dass er nicht dazu beitragen wird, erhöht Nachwuchs in das PERRY RHODAN-Fandom zu bekommen. Trotzdem – oder gerade wegen der Diskussionen – ist das ein interessantes Heft. Herausgeber ist der Terranische Club Eden (kurz TCE), Volker Wille, Hacheneyer Straße 124, 44265 Dortmund (E-Mail
[email protected]). Vier Hefte kosten im Jahres-Abonnement 16 Euro.
Games Orbit
SFCD
Wie schon mehrfach erklärt, handelt es sich bei games orbit 14 um ein Spielemagazin, das kostenlos in entsprechenden Läden ausliegt. Es ist ein Werbeheft, das gibt es auch gerne zu. Aber es ist kostenlos, schön gemacht und voller unterhaltsamer Rezen sionen. Herausgeber ist die Leuchtameisen Kommunikations-Ko
Zusammen mit den Andromeda Nachrichten 225 bekam man das putzige sfcd-intern 2 im A5-Format. Letzteres ent hält die Einladung zur Mitgliederversammlung 2009, Kas senbericht, Haushaltsplan und ein kleines Briefduell zwi schen Michael Haitel und dem Kassenwart des SFCD, Herbert Thiery. Dazu dann meinen Bericht für die Mitgliederver sammlung 2008, den ich mit Untertiteln wie »Mehrheitsfin
dung unbekannt« übertitelt habe, damit er überhaupt lesbar wird. Die Andromeda Nachrichten 225 werden mit einem nach denklichen Vorwort von Herausgeber Michael Haitel begon nen, der anmahnt, dass es zum 40. Geburtstag des Magazins nicht einen einzigen würdigenden Beitrag gab. Dafür erhielt das Magazin verdient den »European Award« als »Best Fan zine«. Sehr gut bebildert und gemacht sind die Conberichte, sodass es mich doch ärgert, dass ich wegen eines anderen Termins den Dort.con 2009 verpasst habe. PERRY RHODAN-Fans wer den gut versorgt mit einem Interview mit Kai Hirdt von der »Alligator Farm« und diversen Hintergrundartikeln. Dazu kommen bergeweise Rezensionen; besonders schön war die Abteilung »Phantastik Klassiker« mit vergessenen Perlen der phantastischen Literatur. Kurzum: Michael Haitel beweist, dass man selbst im SFCD ein gutes Magazin machen kann ... Herausgeber ist der Science Fiction Club Deutschland e.V. (kurz SFCD); 1. Vorsitzender ist Stefan Manske, Krefelder Straße 58, 47226 Duisburg (E-Mail stefan.manske@sfcd. eu). Beide Magazine sind im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Star Gate Der Jubiläumsband 49/50 der Serie Star Gate – das Original enthält die Romane »Welten im Krieg« und »Feindliche Übernahme« von Wilfried Hary. Als Bonus gibt es eine SFStory von Miguel de Torres. Schade, ich hätte mich über einen (gerne auch längeren) Rückblick auf 50 Hefte gefreut. Viel leicht muss ich ja nur bis zur Nummer 100 warten, um alles über die Serie zu erfahren. Die Folgenummer Star Gate 51/52 ist wieder ein Doppelband; der Titel »Raumpatrouille/Der Wald der Augen« erinnerte
mich an eine bekannte deutsche Fernsehserie, es sind aber
zwei Hefttitel. Ersterer ist von Wilfried Hary, der zweite von
Frederick S. List.
Deutsche Serien sind ein knappes Gut im Fanzine-Bereich.
Umso erfreuter bin ich über jedes Heft, das ich in die Finger
kriege.
Das Heft kostet 6,90 Euro. Herausgeber ist Hary-Production,
Canadastraße 30, 66482 Zweibrücken (im Internet unter
www.HaryPro.de).
Zukunft Am Kiosk gab es das Telepolis special Zukunft zwar schon Anfang des Jahres, aber ich kam erst jetzt dazu, mir das Ding (fast 140 Seiten plus eine DVD) anzuschauen. Illustriert ist das Heft mit Bildern von Frank R. Paul, dessen wundervoll auf dem Kopf stehendes, nun fliegendes Kriegsschiff gleich auf Seite 4/5 zu sehen ist. Die Bilder wurden vorzüglich re konstruiert und sind hier in einer Farbenpracht dargebracht, die ich schon lange nicht mehr bei diesen Bildern gesehen habe. Ein Artikel über den Künstler Frank R. Paul begleitet diese Werkschau. Es gibt in diesem Heft Artikel und Kurzgeschichten. Zu Letz teren gehören »First Contact« von Wolfgang Jeschke und »20. Juli 2969« von Marcus Hammerschmitt. Die Sacharti kel sind hoch interessant. Wir lesen unter »Nach vorn in die Zukunft« etwas über Science Fiction und Futurologie, erfah ren mehr über H.G. Wells (den Autor der »Zeitmaschine«), Bill Gates wirft einen Blick auf die Zukunft der Roboter im Alltag, und die »Menschenleere Stadt« schildert ein New York in 1000 Jahren. Sehr schön! Im Handel kostet das Heft 8,50 Euro. Näheres über Bezug und Nachbestellung findet man unter www.telepolis.de im Internet.
Impressum Die PERRY RHODAN-Clubnachrichten erscheinen alle vier Wochen als Beilage zur PERRY RHODAN-Serie in der 1. Auflage. Anschrift der Redaktion: PERRY RHODAN-Clubnachrichten, Pabel-Moewig Verlag KG, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Bei allen Beiträgen und Leserzuschriften behält sich die Redaktion das Recht auf Bearbei tung und gegebenenfalls auch Kürzung vor; es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Für unverlangte Einsendungen wird keine Gewähr übernommen.
Das Monokosmium
Schlachten, davon war Kirmizz über zeugt, hätten alle Galaxien der Lokalen Gruppe als verbranntes Terrain zu rückgelassen, genau wie viele Schlach ten, in denen die mächtigsten Vertreter der Hohen Mächte aufeinandergeprallt waren. Denn eines durfte man nicht vergessen: TRAITOR mochte groß, un endlich groß und vielgestaltig sein, aber Größe war nicht gleichbedeutend mit Macht. Ein Chaopressor wie KOLTO ROC würde Sterblichen der Niederun gen wohl omnipotent erscheinen, doch ein voll ausgestatteter und von erfahre nen Kommandanten betriebener Chao tender verhielt sich zu einer Superin telligenz wie Armageddon gegenüber den Göttern. Dass kein existierender Chaotender eingesetzt worden war, ließ sich auf mehrere Faktoren zurückfüh ren: Jedes Entblößen anderer Fronten hätte den Kosmokraten an wichtigen Schauplätzen des Krieges einen unver hältnismäßigen Vorteil eröffnet; der Einsatz eines Chaotenders zog fast un weigerlich die Aufmerksamkeit der Mächtigsten auf und das Auftauchen einer Kosmischen Fabrik nach sich; und ein vernichteter Chaotender stell te, so unwahrscheinlich dieses Ereignis sein mochte, einen Verlust dar, den nie mand leichten Herzens hinnahm. Seine Überlegungen griffen nahtlos ineinander. Wenn also die Kosmokraten mit List die Sterneninseln um Hangay fürs Erste dem Zugriff der Chaosmäch te entzogen hatten, war der verwund bare VULTAPHER das nächste Ziel. Die Vernichtung des Chaotenders könnte mit beinahe minimalem Auf wand gelingen. Kirmizz argwöhnte sogar, dass um fangreiche Kräfte der Kosmokra ten bereitstanden, um VULTAPHERS Überreste rechtzeitig aufzubringen. »Wer unterstützt euch?«, schleuderte er den Gefangenen entgegen. Der Fulthener überragte ihn um bei nahe eine Armlänge. Wie verwitterter
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Stein wirkte dieses Wesen, solange es sich nicht bewegte. Kaum jemand wür de vermuten, dass der dichte Moosbe wuchs die eigentliche Intelligenz war. Ein Schmarotzer, der sich aus eigener Kraft nur durch Sporen und Neubil dung bewegen konnte. Intelligenz hatte die unscheinbare graugrüne Masse erst durch die Verbindung mit den Fulthe nern erlangt: über Mineralien, die das Moos seinem Wirt entzog. Der Gragonn war im Begriff, in jahr zehntelange Winterstarre zu versinken. Nicht nur Feuchtigkeit und Schweb stoffe in der Luft ließen seine Körper fülle anwachsen, vor allem Sauerstoff lagerte er in seinen Körperzellen ein. Bis vor wenigen Tagen hatte dieses Ge schöpf die Anmutung eines schlaffen Hautsacks aufgewiesen, mittlerweile wirkte es aufgedunsen und hatte sicht lich Mühe, sich vom Boden zu lösen. Der Letzte der drei stieß eine Ver wünschung aus, als er Kirmizz’ Blick auf sich gerichtet sah. Der Torkasch zog den vorderen Körperteil ruckartig in die Fluchtröhre zurück. Die aufklap penden Stachelkämme schützten ihn mit einem tückischen Toxin gegen jeden physischen Zugriff. Kirmizz setzte eine zweite Welle sei ner Bewusstseinssplitter ein. Siedend heiß fluteten die Aktions quanten zurück. Es war beinahe ein Schock für den Piloten, dass der eigene mentale Angriff sich gegen ihn kehrte. Er taumelte. Gleichzeitig griffen seine Gefange nen an. Es war keine körperliche Atta cke, dazu wären sie nicht in der Lage gewesen. Aber Kirmizz spürte, dass sich ihre mentalen Kräfte vereinten, als hätten sie nur auf diesen Moment ge wartet. Er selbst hatte den Katalysator dafür geliefert. Seine Fähigkeit, das eigene Bewusstsein aufzusplitten, schwächte ihn. Vehement schlug die mentale Energie der Gefangenen zu. Sie rissen Kirmizz’
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Geist weiter auseinander, zerfetzten ihn geradezu. Schon spürte er die beginnende Schwäche. Die ersten Bruchstücke sei nes Ich wirbelten davon. Er schaffte es nicht, sie zu halten ... Er schrie, und al les um ihn herum geriet in schwanken de Bewegung. Der Angriff blockierte sein Stummes Gesicht. Vergeblich der Versuch, den Schmerzruf auszustoßen. Entsetzen durchpulste den Piloten, als er erken nen musste, dass die Gegner mehr über ihn wussten, als er je für möglich gehal ten hätte. Niemals konnten sie diese Informationen in ihren Kabinetten er worben haben. Es gab andere, mächti gere Feinde. Kirmizz’ Sinne schwanden. Er sank auf die Knie, schlug sich die Hände ins Gesicht. Tief krallten die Finger in sein Fleisch. Er zerrte, riss, und dann schien sein Schädel geradezu aufzuplatzen. Da war ein grauenvoller Schmerz, als die Naht barst und das Stumme Ge sicht vehement in den Vordergrund drängte. Ein trockenes Rascheln – Kirmizz hörte nichts anderes mehr. Seine Wahr nehmung versank in den grellen Schmerzen, die er sich selbst bereite te. * Fulthener ... Gragonn ... Torkasch ... Die Kabinette ihrer Heimatwelten wa ren sehr spät in VULTAPHER integriert worden. An einen Zufall glaubte der Pilot nicht mehr, nachdem seine Gefangenen den Schmerzruf überstanden hatten. Unbewegt blickte er sie an, während im Hintergrund der erste Roboter zwi schen den schwebenden Kugelfeldern der Außenbeobachtung näher kam. Nur wenige Kugeln waren aktiv und zeigten einzelne Sterneninseln, die anderen drängten sich in Warteposition.
»Ich klage euch der Verschwörung an!« Kirmizz hatte geahnt, dass keiner der Verschwörer darauf reagieren wür de. Möglich, dass sie gar nicht in der Lage waren, seine Anklage zu begrei fen. Sie waren Kosmokratenknechte ohne eigenen Willen. Kirmizz fragte sich, wie ein Leben in dieser Abhän gigkeit überhaupt erträglich sein konnte. Schon die Vorstellung, statt über den Chaotender VULTAPHER über eine Kosmische Fabrik zu gebieten, stieß ihn ab. »Anschlag auf die Sicherheit des Chaotenders! Kooperation mit den Mächten der Ordnung! Das sind schwerwiegende Anklagepunkte. Höre ich den Versuch einer Rechtferti gung?« Sie schwiegen. Keiner der Gefange nen zeigte eine Regung. Kirmizz hatte das ohnehin nicht erwartet. Die von ihm angeforderten Roboter waren schon nahe. »Wer steht hinter euch?« Keine Antwort. »Ich vergeude meine Zeit. Mein Ur teil lautet Exekution, die Kampfma schinen werden die Entleibung sofort vollstrecken. Außerdem habe ich ent schieden, die Kabinette eurer Völ ker auszutauschen und aufzulösen. Die Einleitung dieses Prozesses wird mit der gebotenen Eile vorangetrie ben ...« Kirmizz verstummte, ohne den Satz zu Ende zu bringen. Er wirkte unschlüssig, auf gewisse Weise irritiert, dann hob er ruckartig den Kopf. Suchend streifte sein Blick über die Verurteilten hinweg, verharrte für ein, zwei Sekunden auf den warten den Robotern und glitt weiter. Die Naht in seinem Gesicht pulsierte in höchster Erregung. *
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Das Monokosmium
Roi Danton spürte ein unerträglich werdendes Prickeln unter der Kopf haut. Die Kirmizz-Statue bewegte sich. Eben noch auf die drei exotischen Ge stalten ausgerichtet, die Danton nur wegen ihrer Anordnung für die Dar stellung intelligenter Lebewesen hielt, wandte die Skulptur den Oberkörper nun leicht zur Seite. Ihr Kopf ruckte wie suchend in die Höhe ... ... und verharrte in der nächsten Se kunde auf Danton gerichtet. Kein Zweifel, die Statue nahm ihn wahr. Aber nicht die Augen aus Stein fixier ten den Terraner, sondern jene starke mentale Komponente, die ihn in das Geschehen hineingezogen hatte. Sie konzentrierte sich auf den ungebetenen Beobachter. »Eine vierte Exekution wird nötig sein ...«, glaubte Danton, Kirmizz sa gen zu hören. Zum zweiten Mal lief er Gefahr, in der dargestellten Szene zu versinken. Eine der Kampfmaschinen griff nach ihm ... ... mit einer heftigen Kraftanstren gung löste sich Danton vollends von dem Einfluss. Zweifellos kam diese starke mentale Komponente aus dem Stein. Es war vorbei, als er die Statue umstieß. Dan ton fragte sich, ob sie tatsächlich ei nen Bewusstseinssplitter von Kirmizz barg. Falls ja, war anzunehmen, dass alle anderen Skulpturen des Piloten eben falls ein Stück seiner Lebensaura in sich trugen. Der Saal wäre dann alles andere als ein Museum. Er war Kirmizz’ Refugi um, in dem sich Vergangenes und Zu kunft verwoben. Eine Zukunft, die der Pilot nicht kennen konnte, in die er aber gerade deshalb seine Fragen und Befürchtungen projizierte. Seine Ängs te ebenfalls? Kirmizz nutzte das Monokosmium offenbar, um sich selbst zu vervoll kommnen.
5. Erübrigte sich die Frage, wie es mög lich sein sollte, Kirmizz in den Saal zu locken? Falls der Pilot die Reaktion der Statue wahrnehmen konnte, wusste er bereits, dass sich ein ungebetener Be sucher eingeschlichen hatte. Er wusste nur noch nichts von den hundert Mikro-Bestien. Oder doch? »Die Statuen nicht berühren!« Dan tons Ruf, beinahe schon ein Aufschrei, hallte durch die Räume. Ein verzerrtes Echo kam zurück. Der Terraner sah etliche seiner Be gleiter die Exponate betrachten. Die meisten debattierten über Sinn und Zweck der Figurengruppen. Mehrere Mikro-Bestien standen allerdings schon inmitten der Szenarien. Eine von ihnen wuchtete eine massive Skulptur in die Höhe. »Vorsicht mit den Statuen!«, rief Danton und lief zu der Mikro-Bestie, die ihr Beutestück langsam absetzte. »Das gilt für jeden!« Zu seiner Erleichterung stellte die Figur nicht Kirmizz dar, sondern einen Haluter. Vielleicht sogar eine der frü hen Bestien, so genau konnte er das nicht erkennen. Das Material war le diglich grob behauen. Als müsse die Statue erst fertiggestellt werden, sin nierte Danton. »Den da habe ich nicht angefasst.« Die Mikro-Bestie zeigte auf die kleine re zweite Gestalt. Mehr Figuren gehör ten nicht in die Szene. Die Kirmizz-Statue war grob ausge formt. Nur die stark betonte Gesichts naht verriet, dass es sich überhaupt um den Piloten handelte. Die Darstellung wirkte nichtssagend und unvollkom men. Ringsum gab es Dutzende ande rer, von denen Danton sich mehr ver sprechen durfte. Er glaubte, dass er schon mindestens eine halbe Stunde in dem MINATERG
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Szenario verbracht hatte. Ein Blick auf sein Armband verriet ihm jedoch, dass es nicht einmal zehn Minuten waren. War dies trotzdem Zeit genug für Kir mizz, falls er den Kontakt gespürt hat te, auf die Hundertsonnenwelt zurück zukommen? »Der Pilot kann jederzeit den Trans mitter benutzen.« Danton redete mit Trainz, Kantelaki, Maschir und einem Dutzend anderer Mikro-Bestien. »Mög licherweise wird er darauf vorbereitet sein, Eindringlingen zu begegnen. Dann haben wir es von Anfang an mit seinen besonderen Fähigkeiten zu tun. Außer dem wohl mit Robotern.« »Ich stelle zusätzliche Wachen ab«, sagte Trainz. »Sehr gut. Die Statuengruppen müs sen trotzdem unter Beobachtung blei ben. Ich will über jede Veränderung sofort informiert werden. Als MentalDislokator hat der Pilot besondere Möglichkeiten, uns anzugreifen.« »Was könnten die Statuen schon ver ursachen?« Missmutig drehte Allu Mischt den Oberkörper. Sein Kopf ging nicht völlig ohne Halsansatz in die Schultern über. Biologisch wäre er so gar in der Lage gewesen, den halbku gelförmigen Schädel ein klein wenig zu bewegen. »Eines muss absolut klar sein: Min destabstand zu Kirmizz sind hundert Meter«, erinnerte der Aktivatorträger. »Innerhalb dieses Bereichs wirkt der psionische Schmerzruf tödlich. Es wird keinem von euch schwerfallen, sich im Monokosmium zu verbergen. Trotzdem verlange ich, dass die Dunkelschirme wieder aktiviert sind. Ob das auch für mich gilt, weiß ich noch nicht. Gegebe nenfalls werde ich mich dem Piloten als Köder anbieten müssen.« * »... sobald die Assemblierung hinrei chend abgeschlossen ist. Das wird viel
leicht heute, spätestens jedoch morgen der Fall sein.« Einen Moment lang glaubte Danton, Kalbaron Sunouffs Stimme wieder zu hören. Er warf einen Blick auf sein Arm band. Es war zehn Minuten vor Mitter nacht terranischer Standardzeit, der 19. November 1347 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Das Heute, von dem der ganschkari sche Kommandant der Kolonnen-Fa brik TRAIGOT-1710 gesprochen hatte, neigte sich dem Ende zu. Jetzt die Zeit anhalten können ... Danton verdrängte den aberwitzigen Gedanken. Er hatte sich nie hinter Phrasen verkrochen. Aber in den kommenden Stunden würde eine Entscheidung über Terras Schicksal fallen. So beklemmend einfach war das. Wer stets von kosmischer Bedeutung redete, von großen Aufgaben, die auf die Menschheit warteten, der dachte nie darüber nach, wie schnell das Wort ei ner negativen Superintelligenz alles verändern konnte. Nur wenige Stunden blieben. Danton betrachtete eine umfangreiche Figu rengruppe. Kirmizz, kaum größer als wenige Zentimeter, stand inmitten ei ner riesigen Ansammlung unterschied lichster Wesen. Jedes dieser Geschöpfe war nur wenige Millimeter hoch. Dicht an dicht standen sie da. Hunderttau sende mochten es sein, wahrscheinlich sogar Millionen. Worauf wartest du? Komm schon, Kirmizz – wir haben nicht ewig Zeit! Dantons Finger berührten die kleine Skulptur. Einen Atemzug später schlos sen sie sich um den Piloten. Mit aller Kraft drückte er zu. Doch während er versuchte, die Statuette zu zerbrechen, brandete in ihm der Jubel der Menge auf. Von Horizont zu Ho rizont standen die Angehörigen Tau sender Völker dicht gedrängt unter wolkenlosem Himmel. Milliarden Indi
Das Monokosmium
viduen begrüßten Kirmizz mit freneti schem Jubel. Als die blauhäutige Gestalt die Arme hob, trat Stille ein. In Endloskopien entstand Kirmizz’ Hologramm am Himmel. Seine Stimme entfaltete sich zum Tosen eines Orkans. »... es ist an der Zeit, dass wir aufste hen und unser Erbe antreten. Unsere Raumschiffe werden, ohne Schaden zu nehmen, die Sonnenwüste durchque ren. Allein mit ihrer stolzen Zahl wer den sie den Horden trotzen. Der Weg in die Gefilde Ahandabas ...« Die Kirmizz-Figur zerbrach zwi schen Dantons Fingern. Er spürte einen kurzen stechenden Schmerz, als die Splitter seine Handfläche aufrissen. Entgeistert blickte der Terraner auf die beiden Fragmente, die sein Blut dunkel färbte. Ein grimmiger Zug grub sich um seine Mundwinkel ein, und er ließ die Hälften der Figur fallen. Beim Auf prall zersprangen sie in winzige Split ter. Minutenlang verharrte der Akti vatorträger regungslos. Nur sein Brust korb hob und senkte sich unter hasti gen Atemzügen. »Touché!,« murmelte er dann leise, während er mit dem Fuß die Splitter zur Seite wischte. Der neue Tag war angebrochen. Über Terrania herrschte jetzt Nacht, und wahrscheinlich tat sie sich wie immer schwer, gegen das Lichtermeer der Skyline und der Raumhäfen zu beste hen. Vielleicht stand der Mond am Himmel. Danton sehnte sich nach dem Anblick seiner Heimat. Flüchtig glaub te er, das Aroma der würzigen Atmo sphäre zu schmecken und den lauen Wind im Haar zu spüren, der vom Al taigebirge heranwehte. Das alles durfte nicht einfach so zu Ende sein. Womöglich wurden in diesen Minu ten VULTAPHERS letzte Kabinette integriert. Dann stand Kirmizz schon
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im Herzen des Chaotenders und gab den Befehl, den Sektor Hundertson nenwelt zu verlassen ... Danton wandte sich den nächsten Figurengruppen zu. Er taumelte unter der Wucht der er barmungslosen Raumschlacht, in die er von einem Sekundenbruchteil zum nächsten hineingezogen wurde. VUL TAPHER kämpfte gegen eine Kosmi sche Fabrik. Der Raum war übersät von den Überresten großer Flotten. Da zwischen zogen im Atombrand lodernde Planeten unbeirrbar ihre Bahn. Der Hintergrund ließ kaum Sterne erkennen. Wirbelnde schwarze Glut überlagerte alles. Sie gehörte zu zwei riesigen Schwarzen Löchern, deren Akkretionsscheiben einander im Au ßenbereich durchdrangen. Gigantische Eruptionen wuchsen dort aus dem Nichts auf und entfalteten sich wie wunderschöne Blüten. Doch an ihrer üppigen Pracht berauschte sich nur der Tod. Das Kontinuum brach unter der Wucht der entfesselten Gewalten auf. Für einen ultrakurzen Moment er haschte Danton einen Blick in das Jen seits hinter Raum und Zeit. Gierig nahm er den Eindruck in sich auf und verstand dennoch nicht, was er sah. Schon in der nächsten Sekunde fragte er sich, was er eigentlich entdeckt hat te – da war nichts, was in seiner Erin nerung Spuren eingegraben hätte. Lee re beherrschte sein Denken, eine Ahnung der Ewigkeit ... »Roi!« Aus weiter Ferne drang eine Stimme zu ihm vor. »Roi, was ist los mit dir? – Verdammt, Kirmizz kann jede Sekunde hier sein. Der Transmitter wurde aktiviert.« Danton reagierte verwirrt. Er fühlte sich leer und ausgelaugt. Doch tief in ihm brannte eine Sehnsucht nach et was, das er nicht beschreiben konnte. Vielleicht, sagte er sich, war es einfach
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die Gier nach Leben, die mit jedem Herzschlag neu durch seine Adern pochte. Die Erde ... KOLTOROCS Vernich tungsbefehl ... Heiß durchfuhr es ihn: Kirmizz kehr te zurück. Der Chaotender stand dem nach weiterhin über der Hundertson nenwelt. Das bedeutete, Terra hatte noch eine Chance. Keine Sekunde zu früh aktivierte Roi Danton den Dunkelschirm. Er sah den Piloten aus dem Nebenraum kommen, in dem der Transmitter stand. Dutzen de Roboter eskortierten ihn. * Kirmizz stand inmitten der Vor gangsprojektionen. Die Abtastung im übergeordneten Bereich wurde von MI NATERG in eine optische Hülle geklei det. Auf diese Weise erhielt das Nicht sichtbare eine erfassbare Dimension. Mit vielen Bewusstseinssplittern war der Pilot in die einander überlagernden Darstellungen eingetaucht. Jede lag nur um winzige Parameterverschie bungen von den anderen entfernt. Die meisten Kolonnen-Angehörigen wären bei diesem Anblick weit überfordert worden. Kirmizz wusste das. Ein einzi ges Mal hatte er versucht, die Vorgänge ohne mentale Dislokation zu begreifen – ein wirbelnder Rausch, der Eindruck, in Tausenden Welten gleichzeitig ge fangen zu sein, hatte ihn jeder Orien tierung beraubt. Erst die Aktionsquanten sicherten ihm einen festen Stand in diesem Wir bel der Wahrscheinlichkeiten, in denen die Kabinette ihre letzte Prägung er hielten. Jedes wurde manipulierbar in Raum und Zeit; jedes war bestrebt, den anderen zu entfliehen und sich auszu dehnen. Die Kalibrierung bändigte diesen Drang, den angestrebten Zusammen halt zu sprengen, indem sie die Frag
mente einzeln in das Muster des entste henden Chaotenders einpasste. Ihre gezähmte Energie wurde zur Verhei ßung für den Piloten dieses machtvol len Instruments. Eines Tages würde er selbst die Grenzen sprengen, die ihm auferlegt waren. Natürlich konnte Kirmizz sich seiner Pflicht nicht entziehen. Aber hinter ihr wartete die Freiheit des Wissens, das er auf andere Weise niemals finden wür de. ... eine falsche Freiheit! In irgendeinem Winkel seines Seins spottete der klägliche Rest, der von Un tha Myrre geblieben war. Deine Aufgabe ist es nicht, frei zu werden. Schon in der ersten Schlacht gegen die Fabriken der Kosmokraten wird dein falscher Traum zum Alb traum werden. Kirmizz achtete nur auf VULTA PHER. Trotz der schnell hintereinander eingefügten weiteren Planetenfrag mente blieb die Kugelschale löchrig. Sie gewann lediglich an Dichte und Zu sammenhalt. Die energetischen Schauer über der Hundertsonnenwelt schwollen auf ein Maximum an. Leitfelder kanalisierten die pulsierenden Ballungen und ver hinderten neue Kollisionen. Die Gefahr, die sich abgezeichnet hatte, bestand nicht mehr. Obwohl sich weiterhin knapp hundert Objekte im Wartebe reich befanden. Der erste Einsatz des Chaotenders stand bevor. Eine Notwendigkeit, da nach in diesen Raumsektor zurückzu kehren, gab es nicht. Der String-Legat war gegangen, kurz nachdem sie gemeinsam MINA TERG erreicht hatten. Kirmizz musste sich nicht umsehen, er spürte, dass es so war. Und neue Anweisungen? Er war sicher, dass der Bote des Chaopressors diese zu gegebener Zeit übermitteln würde. Unter Umständen erschien so gar KOLTOROC vor Ort. Dass der
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Chaopressor ein besonderes Interesse an den Terranern hatte, war deutlich. Kirmizz löschte die Vorgangsprojek tionen, und MINATERG akzeptierte die Schaltung. Sein Eingreifen in die Assemblierung war nicht mehr erfor derlich. In wenigen Stunden würde VULTA PHER beschleunigen. Bis kurz vor die sem Zeitpunkt hatte Kirmizz Gelegen heit, sich dem Monokosmium zu widmen. Die Einrichtung war zu wert voll, sie den Posbis zurückzulassen. Sie lehrte ihn, jede denkbare Situation zu beherrschen. Das Monokosmium war der Garant für seine überragende Zukunft. * Als Kirmizz auf der Hundertsonnen welt aus dem Transmitter trat, be herrschte ihn ein eigenartiges Gefühl. Er war nicht gekommen, um Abschied zu nehmen. Vielmehr würde er seine sorgfältig erstellten Szenen den Robo tern übergeben und sie im Herzen des Chaotenders neu aufbauen. Dennoch fürchtete er, dass ein Stück seiner selbst zurückbleiben würde. Diese Art Wehmut hatte er nie gekannt. Nicht einmal sein Abschied von der Kosmität war ihm schwergefallen. Doch jetzt ... Er hatte das Monokosmi um geprägt. Die Säle atmeten seine An wesenheit und würden das auch dann noch tun, wenn er längst Hunderte Ga laxien entfernt war. Viel Zeit hatte er zwischen den Kup peln des Zentralplasmas zugebracht. Er hatte durch die mentale Versenkung seine Anspannung wachgehalten und sich der erzwungenen Untätigkeit zum Trotz seinen Aufgaben gewidmet. Im merhin waren sie die Berechtigung für seine Existenz und sein Leben als Pilot eines Chaotenders. Nur zögernd ging Kirmizz weiter, nachdem er den Transmitter verlassen
hatte. Die Roboter hielten sich hinter ihm. Sie würden den Abtransport der Szenen mit aller Sorgfalt vornehmen. Kirmizz wollte nicht, dass auch nur ei ne Figur Schaden davontrug. Große Namen waren hier versam melt. Der Chaopressor KOLTOROC – sein Ebenbild zu erstellen war eine Herausforderung gewesen. Der Chao tarch Xrayn. Außerdem mehrere Kos mokraten, denen Kirmizz eines Tages im Kampf auf Leben und Tod gegen überstehen würde. Geradezu zwangs läufig sah er jenen Tag auf sich zukom men, und mochte er in noch so ferner Zukunft liegen. Kirmizz schüttelte die Wehmut von sich ab. Er nahm nicht Abschied. Der Neuaufbau des Monokosmiums in MI NATERG würde im Laufe der Jahrhun derte um vieles imposanter ausfallen als die ersten Schritte auf der Hundert sonnenwelt. Xrayn und KOLTOROC hatten im großen Hauptsaal den ihnen zustehen den Platz erhalten. Kirmizz schritt schneller aus. Vor ihm breitete sich sein künftiges Leben aus, doch ihm blieben nicht mehr als zwei Stunden für den Abtransport. Al les in ihm drängte danach, in einzelne Szenen einzutauchen, zu sehen, welche Fortschritte entstanden waren, und ... Kirmizz verharrte jäh. Er stand vor den Attentätern. Ir gendwann würden einzelne Kabinette infiltriert sein. Fulthener, Gragonn und Torkasch, sie standen für die Anstren gungen der Gegner, den Chaosmächten empfindlich zu schaden. Es war seine Aufgabe als Pilot, solchen Angriffen zuvorzukommen. Dazu gehörte, die Verschwörer zu exekutieren und ihre Kabinette ebenfalls zu vernichten. Ri sikominimierung. Etwas stimmte nicht mit dieser Sze ne. Kirmizz konzentrierte sich darauf. Er hörte sein Abbild seufzen und davon reden, dass eine fremde Figur einge
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griffen hätte. Sie war aus einem für die Statue nicht einsehbaren Bereich ge kommen. Vielleicht ein Wesen des Hy perraums. Oder war lediglich ein Posbi einge drungen? Ausgeschlossen. Keiner der Roboter des Planeten konnte die Sperren über winden. Kirmizz richtete sich steif auf. Sein Hohlkreuz schmerzte. Suchend schaute er durch den Saal. Er spürte, dass da etwas sein musste, ohne es jedoch sehen zu können. Seine Erfahrung signalisierte ihm die Gefahr, auch wenn sie dadurch nicht greifbar wurde. Die Hormonausschüttung sei nes Körpers aktivierte den Defensiv schirm. * Mindestens fünfzig Roboter begleite ten den Piloten. Keine Kampfroboter, sondern einfache Lastenkonstruktio nen. Auf den ersten Blick erkannte Danton, dass Kirmizz nur gekommen war, um das Monokosmium abzubau en. Der Start des Chaotenders stand demnach bevor. Seine Vermutung, der Kontakt mit der Statue könne Kirmizz alarmiert ha ben, war offenbar falsch. Dann hätte sich der Blauhäutige anders verhalten, als mit schnellen Schritten durch den Saal zu gehen. Der Dunkel-Filter zeigte Danton die Positionen der Mikro-Bestien. Noch war nicht der richtige Zeitpunkt, das Feuer zu eröffnen, denn einige Mi kros waren dem Piloten sehr viel nä her als hundert Meter. Sie durften das Risiko nicht eingehen, dass der Schmerzruf schneller tötete als die Kombilader. Kirmizz näherte sich einer der Ideal positionen. Sekunden noch ...
Der Pilot hielt inne. Er widmete sich einem der Exponate. Danton blickte geradewegs in das mundlose blaue Ge sicht. Er starrte auf die senkrechte Naht, erwartete, dass sie sich öffnete, hob seinen Strahler ... Kirmizz neigte sich der Szene zu. Nur für eine oder zwei Sekunden, dann richtete er sich ruckartig wieder auf. Die Physiognomie des Piloten blieb für Danton undeutbar. Doch in den Augen des Blauhäutigen glaubte er einen lau ernden Ausdruck zu sehen. Die Statue hat ihn informiert! Er weiß, dass jemand eingedrungen ist ... Suchend schaute Kirmizz durch den Saal. Die ersten Muskeln zuckten in seinem Gesicht, eine unverkennbare Bewegung. In den nächsten Sekunden musste die Naht aufreißen. »Feuer!«, rief Danton über Funk. Aus mindestens fünfzig Kombiladern brachen schwere Salven hervor. Ein tödlicher Energiesturm erfasste den Pi loten – zu schnell, als dass er hätte aus weichen können. Erleichterung. Zorn. Die Gefühle waren gleichzeitig da. Aber Danton hatte damit gerechnet. Kirmizz war nicht so einfach zu besiegen. Bestimmt hielt er noch andere Überraschungen bereit als den starken Individualschirm, der dem wütenden Feuer der MikroBestien mühelos widerstand. Die Salven vereinten sich zu Punkt beschuss. Nur so konnte es möglich sein, den Schirm zu überlasten. Auch die Roboter waren jetzt von Abwehrfeldern umgeben. Sie versuch ten, Kirmizz in ihre Mitte zu nehmen. Danton achtete kaum darauf. Trotz der großen Distanz hatte er den Ein druck, dass Kirmizz’ Gesicht aufriss. Ein eigenartiges Geräusch hing in der Luft, ein Rascheln wie von trockenem Laub. Es wurde lauter. Der Aktivatorträger hatte auf Dau erfeuer geschaltet. Aber das Ziel ver schwamm vor seinen Augen. Sein Arm
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wurde schwer, er zitterte, ließ die Waffe sinken. Rings um ihn war nur mehr dieses grelle Rascheln. Ein Farbenmeer explodierte vor sei nen Augen. Laub. Herbstlaub. Es war überall. Er warf den Kopf in den Na cken, blickte zu den Baumkronen hin auf, sah, dass sich die Äste im Wind bogen, und dann regnete es welkes Laub. Jauchzend riss er die Arme in die Höhe, versuchte die Blätter aufzufan gen, dann sank er auf die Knie und tauchte ein in die bunte Pracht, die Vorboten des kommenden Winters. Er wälzte sich am Boden. Ein neuer Wind stoß deckte das Laub über ihn. Er sank zurück, halb betäubt von dem immer währenden Rascheln und dem Geruch nach Moder und Verwesung. Eine seltsame Müdigkeit machte es ihm leicht, loszulassen. Er wollte nur noch schlafen, wollte ... »Kirmizz!« Sein Aufschrei verschaffte ihm Luft. Das Rascheln der psionischen Schock welle war verstummt. In sich zusam mengesunken kauerte er auf dem Bo den. Der Kombistrahler lag neben ihm, doch seine Finger schlossen sich schon wieder um das Griffstück. Der Pilot stand hoch aufgerichtet im vorderen Bereich des Saales. Der An griff war ins Stocken geraten, aber Kir mizz’ Stummes Gesicht hatte sich na hezu wieder geschlossen. Danton sah nur noch wenig von dem grau verfärb ten Fleisch und den Hautwülsten, dann ließen die ersten gezielten Salven den Schutzschirm wieder aufflammen. »Danton?« Kirmizz’ Stimme hallte ihm entge gen. »Was willst du von mir, Danton?« Der Pilot wusste also Bescheid. Ver schaffte ihm das einen Vorteil? Wahr scheinlich nicht. »Ich bin an dir interessiert, Danton. Deine Assassinen sollen sich ergeben.
Danach werden wir miteinander re den.« Auch in dem Nebenraum, aus dem Kirmizz gekommen war, wurde ge kämpft. Offenbar waren mehrere Robo ter beim Transmitter zurückgeblieben. Ein blendender Lichtblitz verriet dem Terraner, dass die Mikro-Bestien das Gerät zerstört hatten. Damit war der Rückweg für den Piloten abgeschnit ten. »Und dann ...?« Danton stockte, weil etwas sehr rüde versuchte, in seine Gedanken einzu dringen. Eines von Kirmizz’ Aktions quanten attackierte ihn – und scheiter te an seiner Mentalstabilisierung. Roi Danton setzte das vereinbarte Funksignal an die Zentralpositronik der Posbis ab. Nun würde sich die Nachhaltigkeit der Kybernetischen Konspiration beweisen. Dreihundert tausend Fragmentraumer mussten in den Kampf eingreifen. Sie sollten ver hindern, dass Traitanks auf der Hun dertsonnenwelt landeten, um Kirmizz zu unterstützen. Außerdem hatten die Posbis darauf bestanden, VULTAPHER anzugreifen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Das war eine Argumentation, der sich Dan ton nicht hatte entziehen können. 6. Zum zweiten Mal ließ Kirmizz den psionischen Schmerzruf erklingen. Danton verfolgte den Vorgang über die optische Vergrößerung seines Kampfanzugs. Zu sehen, wie das blaue Gesicht aufriss, als würde es von den darunter liegenden Fleischwülsten ge sprengt, hatte eine besondere Qualität. Sie ließ den Piloten des Chaotenders noch unnahbarer erscheinen. Kaum mehr als drei Minuten waren seit dem Feuerüberfall vergangen, aber Kirmizz hatte die Position bislang nicht
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gewechselt. Als wolle er beweisen, dass die Angreifer ihm nichts anhaben konnten. Er hatte nicht einmal gedul det, dass die Lastenroboter einen Kor don um ihn bildeten. Sein Schmerzruf galt den heranstür menden Mikro-Bestien. Vielleicht griff er sie zugleich mit Aktionsquanten an. Danton hatte keine Möglichkeit, das zu erkennen. Er sah nur, dass die Schock welle die Angreifer nicht aufhielt und dass Kirmizz deshalb überrascht re agierte. Nur für wenige Sekunden wand te er sich den angreifenden Gestalten zu, dann hatte er erkannt, dass er mit leeren Kampfanzügen genarrt wurde. Sein Gesicht schloss sich bereits wie der, und genau diese Spanne nutzten mehrere Mikro-Bestien, um näher her anzukommen. Zum Teil nur noch aus vierzig, fünfzig Metern Distanz feuer ten sie mit ihren Kombiladern. Punkt beschuss. Dazu heftige Salven aus grö ßerer Distanz. Danton sah, dass der Individual schirm des Piloten dunkler wurde. Das leichte Flackern beginnender Über lastung zeichnete sich ab. »Haltet drauf!«, hörte er Trainz brül len. »Sobald sein Schirm bricht, krie gen wir ihn!« Kirmizz warf sich mit verblüffender Geschmeidigkeit herum und hetzte durch den Saal. Mehrere Salven ver fehlten ihn und zogen Glutspuren über die Wände. Eines der größeren Exponate wurde getroffen und zerbarst in einem glühenden Splitterregen. Es war Zufall, dass Danton die große Statue ebenso im Blickfeld hatte wie den Piloten. Er sah Kirmizz zusammenzucken. Doch schon brach das Stumme Gesicht wieder auf. »Zurück!«, brüllte jemand. Etliche Mikro-Bestien hatten ihre Dunkelschirme wieder abgeschaltet, weil sie ihnen keinen Vorteil brachten. Danton sah mehrere Mikros zusam
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menbrechen, einige überschlugen sich im schnellen Lauf und blieben reglos liegen. Ob sie tot waren, konnte er nicht erkennen. Kirmizz’ Blick verriet, dass er die Angreifer töten wollte. Er wusste, dass sie ihm nichts entgegensetzen konn ten. Er lief knapp vierzig Meter weiter und ignorierte die in seinen Schutz schirm einschlagenden Energiebahnen. Die Positionen der Schützen waren nicht mehr so, dass sie mühelos Punkt beschuss erzielen konnten. Der Schmerzruf streckte erneut meh rere Mikro-Bestien nieder. Wenige Mi nuten noch, dann würde er nicht mehr zu besiegen sein. Roi Danton schaltete nun seinen Dunkelschirm ebenfalls ab. Kirmizz schaute von der gegenüberliegenden Seite des Saales zu ihm herüber. Er zö gerte kurz, dann wandte er sich wieder den Mikro-Bestien zu. Danton feuerte kompromisslos. * Die Schlacht beginnt Das Signal war eingetroffen! Die Zentralpositronik auf der Hun dertsonnenwelt hatte den ultrakurzen Impuls an ihre Flotte weitergeleitet. Damit trat der Widerstand gegen die Terminale Kolonne TRAITOR in die entscheidende Phase. Der offene Kampf fing an. Nicht für uns selbst werden wir in den Tod gehen, erkannte der Plasma kommandant der BOX-4748 mit einem Bruchteil seiner erwachenden Kapazi tät. Wir teilen das Schicksal unserer biologischen Freunde. Der Tod an sich bedeutete dem Kom mandanten wenig. Ein abstrakter Be griff, mehr nicht. Geeignet, die Zell spannung des Plasmaanteils kurzzeitig zu erhöhen. »Furcht« nannten Lebewe
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sen diese Regung; sie entsprach der Überlastung einzelner Schaltelemen te. Den Tod zu umgehen war nicht allzu schwer. Der Kommandant hatte sich noch nie in einer Situation befunden, die dem entsprach. Gerade deshalb nahm er die Herausforderung an; sie würde eine neue Erfahrung für ihn be deuten. Nichts, was er als vorgefertigte Information erhielt, sondern eine Er kenntnis, die ausschließlich auf Lern effekten beruhte. Der richtige Zeitpunkt würde ent scheidend sein. Es kam darauf an, das eigene Daten-Ich als komprimiertes Paket exakt in dem Sekundenbruchteil abzustrahlen, in dem der Körper ver glühte. Irgendwann und irgendwo wür de die Datenwelle auf ein geeignetes Medium treffen, das ein neues Bewusst werden ermöglichte. Der Tod, so empfanden es viele Pos bis, war eine Reise in die Zukunft, ein Ausloten des eigenen Überlebenspo tenzials. Und wenn sie es nicht schaff ten – falls die Energie des Daten-Ich von Sonnengewalten zerrissen oder von einem Schwarzen Loch geschluckt wurde –, wussten sie zumindest, dass ihr Plasma längst auf anderen Planeten vertreten war. Die Achtzigsonnenwelt der Ambriador-Posbis galt als größte Nachbildung der Heimat. Dreihunderttausend Fragmentraum schiffe erwachten im Bereich der Hun dertsonnenwelt zu neuer Aktivität. Der Plasmakommandant spürte dem Pulsieren der anlaufenden Energieer zeuger nach. Er fühlte die ungebändig te Kraft der hochfahrenden Triebwer ke, die den Würfel mit drei Kilometern Seitenlänge beschleunigten. Kaum merklich erst, dann schneller werdend – und in dem Moment von den Ortun gen der Traitanks erfasst. Energie durchflutete die Waffen systeme und sprang über in die Projek toren der Schirmfelder.
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Neunzig Sekunden nach der Aktivie rung durch das Zentralplasma war BOX-4748 kampfbereit. Der Komman dant simulierte einen Einsatz der neuen Bewaffnung und spürte keine erkenn bare Fehlerquelle. Die Posbis in allen Bereichen des Schiffes signalisierten zufriedene Zustimmung. Ziel für BOX-4748: die Hundertson nenwelt. Aufgabe: Verhindern, dass Traitanks landen und Truppen absetzen. Noch zögerten die Chaos-Geschwa der. Für sie war die Flotte der Posbis ein großer Schwarm, der sich nach ir rationalen Gesetzmäßigkeiten in Be wegung setzte. Die Konzentration auf einzelne Ziele würde ihnen nicht leicht fallen. Der Plasmakommandant empfand einen Hauch von Belustigung. Die Or tung zeigte ihm die weit verstreuten Geschwader. Unschwer war die man gelhafte Koordination der Traitanks zu erkennen. Das Zentralplasma hatte Tausende Supratroniken dazu veran lasst, winzige Segmente ihrer Persön lichkeitsstruktur zu verändern. Diese hochgezüchteten Anlagen generierten seitdem fehlerhafte Befehlssequenzen. Allerdings kannte der Kommandant die Prognosen. In längstens acht Minu ten würde der Spuk vorbei sein. Auf Dauer blieben die Supratroniken der Terminalen Kolonne die überlegenen Systeme. Schweres Geschützfeuer setzte ein. Unbewegt registrierte der Komman dant, dass mehrere BOXEN aus der Or tung verschwanden. Die Schwerkraft kerne der gegnerischen Potenzialwerfer ließen ihre Masse kollabieren. Der Gegenschlag folgte schnell und ließ die ersten Kampfdisken der Kolon ne aufglühen. Wie von einem monströ sen Schredder erfasst, brachen die Schlachtschiffe auseinander. BOX-4748 scherte aus dem Schwarm aus. Mit einigen zehntausend Kilome
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tern Abstand folgten weitere Frag mentraumer. Die Hundertsonnenwelt wanderte in den Front-Erfassungsbereich. Sekun den später zeigte die Ortung Traitanks, die sich ebenfalls dem Planeten näher ten. Funkkontakt zu den anderen Plas makommandanten, permanente Da tenübermittlung über Richtstrahl. Die Manöver der eigenen Gruppe wurden auf diese Weise sichtbar, bevor sie von der Ortung erfasst und ausgewertet werden konnten. Zweihundertfünfundachtzig BO XEN befanden sich im Anflug auf den Planeten. Weitere Fragmentraumer wurden zur Unterstützung angefordert. Dem stand ein halbes Chaos-Geschwa der gegenüber, zweihundertzweiund vierzig Traitanks. Sie jagten dem Pla neten in lang gezogener Formation entgegen. Der Plasmakommandant erhielt die Information den Bruchteil einer Se kunde, bevor zweihundert BOXEN in Planetennähe den Linearraum verlie ßen. Den Traitanks schlug heftiges Ab wehrfeuer entgegen. Die Fraktalen Aufriss-Glocken hielten stand. Millionen Kilometer entfernt wurde ein Traitank von einer Vielzahl schwe rer Explosionen aufgerissen. Nachfol gende Disken stießen, ohne Schaden zu nehmen, durch die verglühenden Über reste hindurch. Sie schlugen einen Keil in die Sperrformation der klobigen Posbi-Schiffe. Der Plasmakommandant der BOX 4748 registrierte kurz darauf einen in Bedrängnis geratenen Traitank. Ein fünfdimensionales Leuchtfeuer umfloss den auseinanderbrechenden ovalen Diskus. Grelle Entladungen zeichneten die Rumpfstruktur des Schiffes nach, dann griffen grelle Blitze Hunderte Ki lometer weit in den Raum hinaus. Wie ein Nachgluten hinterließen sie Schat ten, die nur langsam verwehten.
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Nur noch zwei Lichtsekunden ... Die Hundertsonnenwelt, prachtvoll illumi niert vom Ring der zweihundert Kunst sonnen, wuchs vor der BOX an. Der Plasmakommandant leitete das Brems manöver ein. Kurz darauf war er allein. Die ande ren Fragmentraumer fielen schnell hinter ihm zurück. Sie wurden von Traitanks angegriffen und flogen Aus weichmanöver. Das Zentralplasma meldete sich: »BOX-4748, zwei Kolonnen-Einheiten nähern sich. Halte sie auf, Unterstüt zung ist unterwegs!« Impulsfeuer brandete heran. Die Be lastung der Schutzschirme schnellte in die Höhe – und erlosch beinahe ebenso schnell, als der Kommandant die Kor rekturtriebwerke einer Schiffsseite auf Volllast hochfuhr. Annähernd im Neun ziggradwinkel brach der Fragmentrau mer aus dem Kurs aus. Eine überschlägige Berechnung zeig te dem Plasmakommandanten, dass die Besatzungen der Traitanks die Poten zialwerfer nicht mehr einsetzen konn ten. Die Gravitationsfelder hätten schwere tektonische Schäden hervor gerufen, im schlimmsten Fall die Hun dertsonnenwelt auseinanderbrechen lassen. Wieder feuerten nur die Kombinati onsgeschütze beider Traitanks, aber die Schiffe reagierten sofort auf das Aus weichmanöver der BOX. Ihre Besat zungen lernten schnell. Der Plasma kommandant schickte ihnen sein positronisches Lachen entgegen. Die Zielerfassung für den 5-DSchredder zeichnete. Anregungsener gie jagte aus den Projektorantennen, sprang überlichtschnell dem nächsten Traitank entgegen und flutete an der Aufriss-Glocke empor. Für Sekunden hüllte sich der Diskus in das Fraktal gitter des Abwehrfeldes, dann reagier ten die grellweiß leuchtenden Projek torfurchen auf beiden Rumpfseiten.
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Das Monokosmium
Die Energieortung zeigte dem Plas makommandanten den zwischen Fur chen und Aufriss-Glocke entstehenden Rückschlag. Deutlich erkannte er auch den entstehenden Aufriss zum Hyper raum. Ein Pseudozapfstrahl bildete sich – eigentlich eine extreme Überla dung mit fünfdimensionaler Energie, die sich in den Aggregaten der Projek torfurchen manifestierte. Waffen-, An triebs- und Ortungssysteme wurden von den ersten Explosionen auseinan dergerissen. Brodelnde Glut wälzte sich durch die geradlinig verlaufenden Ein schnitte. Der Diskus wurde an diesen Schwachstellen geradezu aufgerissen. Ein irrlichterndes Energiegewitter um floss den auseinanderbrechenden Trai tank. Dann war da nur noch das Nachglü hen des Weltraums, ein Eindruck, als zeichneten langsam verblassende Schatten die Entladungen nach. BOX-4748 wurde schwer getroffen, als der zweite Diskus in geringer Di stanz vorbeizog. Mit Punktbeschuss aus schweren Geschützen brach der Traitank den Schutzschirm auf; mäch tige Impulsbahnen stachen in den Rumpf des Fragmentraumers. Zwei weitere Traitanks lagen auf Kollisionskurs. Noch einmal löste der Plasmakom mandant den 5-D-Schredder aus. Wie der wurde ein Diskus Opfer der entfes selten Überschläge, dann griff die Vernichtung auch nach BOX-4748. Einzelne Wrackteile rasten weiter der Hundertsonnenwelt entgegen. Wie Me teoriten tauchten sie in die Lufthülle, zogen einen weiten Feuerschweif über den Himmel und verglühten. * Es war die Szene, in der Kirmizz mit VULTAPHER gegen die Kosmische Fa brik der Kosmokraten antrat. Unaus löschlich hatte sich der Anblick des
gewaltigen Schlachtfelds in mir festge setzt. Die im Atombrand vergehenden Planeten, deren fahler werdender blau er Widerschein mich an die Erde erin nert hatte. Die nach Hunderttausenden zählenden, teils riesigen Schiffswracks. Der Tod hatte reiche Ernte gehalten. Bilder wie diese sollten eigentlich niemals Realität werden. Aber solche Schlachten hatten sich schon ereignet, und das würde in Zukunft kaum anders sein. Ich nahm an, dass Kirmizz bei der Erschaffung dieser Szene auf histori sche Erfahrungen zurückgegriffen hat te. Mehr als hundert Meter trennten den Piloten und mich. Dennoch vernahm ich leise den Schmerzruf, dieses trocke ne Rascheln, das Kindheitserinnerun gen in mir weckte, indes einen völlig anderen Stellenwert hatte. Aus nächster Nähe feuerte ich auf diese Szene des Monokosmiums. Kir mizz’ Statue und die zweite Figur, grö ßer als er und zyklopenhaft, vergingen in auseinanderfließender Glut. Ich blickte zu der großen blauen Ge stalt hinüber. Während des Schmerz rufs hatte keine der Mikro-Bestien den Piloten des Chaotenders angegriffen. Geschmeidig setzte er über die hüftho hen Elemente hinweg, die Nischen für Exponate abtrennten. Mir schien, dass er nicht mehr ganz so schnell wie zu vor war. Zehrte das Stumme Gesicht an seiner Kraft? Der psionische Ruf war für ihn selbst ebenfalls schmerz haft, das hatte er beim letzten Aufrei ßen der Naht nicht mehr verbergen können. Über gut fünfhundert Meter erstreck ten sich die Säle. Nicht überall waren die Gegebenheiten günstig, dass die Schützen mehr als hundert Meter Ab stand halten konnten. Kirmizz hatte das erkannt. Er spielte bereits mit uns, denn er wählte für seinen Weg genau die Bereiche, an denen die Mikros nicht auf Abstand bleiben konnten.
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»Senego, bitte geht kein Risiko mehr ein!«, rief ich über Funk. Vorübergehend fürchtete ich, dass Trainz zu den Toten gehörte. Dann klang seine Stimme endlich aus dem Empfang. »Wir dürfen ihn nicht entkommen lassen, Roi.« »Haltet euch auf Distanz! Kein Kom mentar!« Ich weiß, was ich tue, fügte ich in Ge danken hinzu. Vielleicht registrierten einige Mikros, dass ich gezielt Exponate zerstörte. Bis sie verstanden, warum ich das tat, konnte es eigentlich nicht mehr lange dauern. Zwischen Kirmizz und den Fi gurengruppen bestand eine mentale Verbindung. Wahrscheinlich reichte sie nicht über das Monokosmium hinaus, sonst wäre dem Piloten mein Eindrin gen in mehrere Szenen eher aufgefal len. Ich musste trotzdem vorsichtig sein. In einer Nische neben mir stand ein großer, aufgeschnittener Marmorblock, auf gewisse Weise das stilisierte Abbild einer Hohlwelt. In der Mitte stand die Kirmizz-Figur. Ringsum andere Ge schöpfe. Nicht alle waren mir unbe kannt. O ja, ich glaubte, einige zu ken nen, nur schaffte ich es nicht, eine plausible Verbindung zu Kirmizz her zustellen. Prompt war ich versucht, diese Statuetten herauszunehmen und sie später analysieren zu lassen. Aber schließlich zerstörte ich den gesamten Block mit mehreren Schüssen. Kirmizz hatte ich währenddessen nicht aus den Augen gelassen. Er war ruckartig stehen geblieben, nun ging er weiter, ohne sich umzusehen. Ich fragte mich, ob er den auf ihn einwirkenden Einfluss tatsächlich nicht lokalisieren konnte. Zu meiner Rechten verliefen Regal reihen voll kleiner Exponate. Den Strahler auf Dauerfeuer geschaltet, ließ ich nicht eine der Figurengruppen aus.
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Kirmizz zuckte bei jedem Treffer heftig zusammen. Von zwei Seiten gingen die MikroBestien wieder gegen ihn vor. Sie hat ten das Zögern des Piloten bemerkt und glaubten, nun leichteres Spiel zu ha ben. »Zurück! Haltet die Distanz ein!« Mein warnender Ausruf kam zu spät. Kirmizz’ psionische Schockwelle streckte die Mikros nieder. Allerdings rafften sie sich nach einigen Sekunden schon wieder auf und liefen auseinan der. Solange sein Schutzschirm be stand, konnten sie den Piloten nicht direkt attackieren. Ich ging schneller. Mehrere MikroBestien schlossen zu mir auf. Ich er kannte Tork Maschir und den dreiarmi gen Horx. »Zerstört die Exponate!«, raunte ich ihnen zu. »Das schadet Kirmizz.« Der nächste größere Block stand nur wenig seitlich vor mir. Er hatte die Form eines Rochenraumschiffs, und ich fragte mich, warum er mir nicht schon eher aufgefallen war. Die obere Hälfte wirkte leicht transparent. Ich sah eini ge Figuren, ohne sie jedoch auf die Di stanz von mehreren Metern identifizie ren zu können. Eine davon war auf jeden Fall Kirmizz. Ich schaltete meinen Kombistrahler auf Desintegratorwirkung. Von der Szene blieb nur Staub. Fünfundzwanzig Minuten inzwi schen. Noch erhielt Kirmizz keine Un terstützung von außen. Allerdings zweifelte ich nicht daran, dass die Lastenroboter sofort Meldungen über Kolonnen-Funk abgesetzt hatten. Das war von vornherein nicht zu unter binden gewesen. Mittlerweile hatten die Mikro-Bestien alle Roboter zer stört. Kirmizz blieb stehen und lehnte sich gegen eine Wand. Er wirkte müde, als er mir plötzlich entgegenschaute. »Danton, was willst du von mir?«,
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Das Monokosmium
brachte er stockend hervor. »Ich hätte dich töten sollen.« »Das hast du«, sagte ich schroff. Er verstand nicht, wovon ich redete. Er kannte Gessounin und Zaubilski nicht, aber ich hatte nicht vor, ihn über die beiden Posbis aufzuklären. »Was ich von dir will?« Jeden Moment erwartete ich, seinen Schmerzruf zu vernehmen. Doch Kir mizz griff mich nicht an. »Du wirst KOLTOROCS Befehl ver weigern!«, verlangte ich von ihm. Sein Blick wurde starr. »Nichts wird vom Solsystem übrig bleiben, Danton. Wie willst du das verhindern?« Ich hatte die Mündung meines Strah lers nach unten gehalten. Ruckartig riss ich nun die Waffe hoch und schoss, oh ne zu zielen. Mehrere Exponate glühten auf. Kirmizz rutschte an der Wand zu Bo den. Er starrte mich nicht mehr so durchdringend an wie eben, er schaute an mir vorbei. Den Geräuschen im Hin tergrund nach zu urteilen, hatten die Mikro-Bestien angefangen, Statuen zu zerschlagen. »KOLTOROC will, dass das Solsys tem ausgelöscht wird. Was du auch ver suchst, Danton, du kannst das nicht verhindern.«
Kirmizz fühlte sich sicher hinter sei nem Schutzschirm. In seinem Gesicht zuckte es wieder. Die Naht brach auf. Ich schoss, aber die Energie wurde von seinem Schirmfeld absorbiert. Auch zwei Mikro-Bestien feuerten wie der. Fast gleichzeitig vernahm ich ein trockenes Rascheln. Der psionische Ruf hatte nicht mehr die Kraft zu töten, er schmerzte nur. Ich wollte mich herum werfen, um dem Einfluss zu entgehen ... Ich konnte es nicht. Ein zäher Sumpf hatte mich gepackt und ließ meine Be wegungen langsamer werden. Erneut brandete eine wilde Kraft ge gen meine Gedanken an. Diesmal hatte ich ihr wenig entgegenzusetzen. Ich spürte Kirmizz’ Bewusstseinssplitter und seine unglaubliche Selbstzufrie denheit, mit der er meine Mentalstabi lisierung überwand. * Überbringer schlechter Nachricht »Terra sehen und sterben«, zitierte Zaubilski. »Es liegt ein Jahrtausend und länger zurück, da haben sich die Galaktiker diesen Satz hinter vorge haltener Hand zugeraunt.«
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Gessounin antwortete mit einem be stätigenden Impuls. »Daran hat sich bis heute nichts geändert«, kommentierte er. »Der Ausspruch ist positiv belegt«, korrigierte Zaubilski. »Hast du nie da von gehört?« »Biologisches Leben wird den eige nen Tod niemals mit einer positiven Erfahrung verbinden.« Gessounin il lustrierte seinen Widerspruch mit dras tischen Bildern. Sie waren aktuell, zeigten im konzentrierten Feuer der Traitanks verglühende Fragmentrau mer ebenso wie aufbrechende Diskus schiffe. »Wenn wir jetzt nicht durch den Transmitter gehen, verlieren wir den Anschluss«, drängte Zaubilski. Gessounin zog die überschüssigen Gliedmaßen ein und verdichtete seinen Körper zu einem mittelgroßen Kegel stumpf. Die flexible Metallstruktur formte einen Wulst um sein unteres Drittel, der den Posbi behäbig erschei nen ließ. »Ich muss nicht Terra sehen, um zu sterben. Das kann ich ebenso gut auf der Hundertsonnenwelt.« »Du interpretierst falsch.« Zaubilski beobachtete die blinkende Transmit terkontrolle. »Terras Schönheiten sol len überwältigend sein. Sie rauben dem Besucher den Atem, lassen sein Herz stillstehen ...« Zaubilski schwebte in das Trans portfeld. Er empfing noch einen skepti schen Impuls des Freundes, dann be fand er sich an Bord der BOX-7743. Hinter ihm erlosch die Transmitterver bindung. Sein Plasmaanteil ließ flüchtiges Be dauern erkennen, weil der Freund zu rückgeblieben war. Die Positronik hin gegen reagierte nicht darauf. In Zeiten wie diesen war jedes Lebewesen auf Freunde angewiesen. Zaubilski würde neue Freunde finden. Auf Terra?
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Vielleicht. BOX-7743 war ein Kurierschiff des Zentralplasmas. Der Posbi mit der bir nenförmigen Gestalt klinkte sich in den Datenstrom der Bordverbindungen ein. Er fand nichts, was ihm unbekannt ge wesen wäre. Das Schiff nahm Kurs auf das Sol system. Ende der Beschleunigungspha se in fünfzehn Sekunden. Die erste Überlichtetappe war mit knapp fünfzig Lichtjahren anberaumt. Es gab keine Verfolger. Später wür den die Traitanks womöglich Jagd auf jede BOX veranstalten. Zaubilski bedauerte, dass er nichts mehr über Dantons Schicksal erfahren hatte. Jetzt war es zu spät für Nachfor schungen. Das Schiff wechselte in den Linear raum. Terra war weit entfernt. Niemand dort ahnte, dass Posbis unterwegs wa ren, um Perry Rhodan, Reginald Bull oder irgendeinem der großen Terraner Datenmaterial zu überbringen und zu dem eine denkbar schlechte Nach richt. Den Menschen des Solsystems stand der finale Kampf gegen VULTAPHER bevor. Es sei denn, Roi Danton schaffte es, Kirmizz zu besiegen. Du kannst es, dachte Zaubilski in tensiv. Du hast gelernt, wie du gegen ihn bestehen kannst. Dreihundertundelftausend Lichtjah re lagen vor BOX-7743. Bei einem ma ximalen Dauer-Überlichtfaktor von einer Million bedeutete das eine Flug zeit von 114 Tagen. Zaubilski fragte sich, was er am Ziel des Fluges vorfinden würde. Terras Schönheiten – oder brennende Plane ten. * Schieß endlich! Töte ihn, ehe er dich umbringt!
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Mein Aufbäumen gegen den unheim lichen Zwang, der von mir Besitz er griff, wurde schwächer. Ich wollte mich herumwerfen, wollte fort aus Kirmizz’ Nähe – die Muskeln gehorchten mir nicht mehr. Wie durch dichter werdenden Nebel hindurch sah ich Exponate in der Nähe aufglühen. Die Thermoschüsse kamen näher, zuckten über mich hinweg, schlugen in den Schutzschirm des Pilo ten ein. Ich spürte die sengende Hitze, aber ich war wie gelähmt, unfähig, mich aus dem Gefahrenbereich zurück zuziehen. Plötzlich waren die Mikro-Bestien da. Trainz, Ultrecht, der Albino Kelb, sie schossen aus wenigen Metern Di stanz auf Kirmizz. Ich sah sein Gesicht zucken, die Naht wieder aufgehen. Gleichzeitig flackerte sein Schutz schirm und brach einen Moment später zusammen. Die Schüsse der Mikro-Bestien töte ten Kirmizz und ließen den Leichnam in Flammen aufgehen wie eine Fa ckel. »Er ist tot! Was wollt ihr noch?« Ich brachte nur ein Ächzen hervor. Aber immerhin das. Kirmizz’ Bewusstseinssplitter, der von mir beinahe Besitz ergriffen hätte, wurde schwächer. Ich spürte, dass die Starre von mir abfiel. In diesen Sekun den erlosch Kirmizz’ letzte Lebens kraft. »Danke, Senego, alle anderen ...« Ein plötzlicher Schwindel ließ mich taumeln. Ich war gezwungen, mich an der Wand abzustützen. Ohne dass ich es wollte, fraß sich mein Blick an dem verkohlten Leich nam fest. Kirmizz war schnell und un spektakulär gestorben. Aber hatte ich nicht genau das gewollt? Der Pilot des Chaotenders lebte nicht mehr. Ich empfand nur noch grenzenlose Erleichterung. Es war vorbei.
Terra hatte zumindest eine Atem pause erhalten. »Wie viele sind tot?« Ich erschrak, als ich mich Trainz zuwandte und sah, wie wenig Mikro-Bestien sich um ihn schar ten. Vielleicht drei Dutzend von hun dert. »Wir müssen zurück auf die BOX – bevor Mor’Daer oder Kampfroboter hier eindringen!«, sagte ich. * Von vornherein verloren Das Plasma der Hundertsonnenwelt war zu jedem Zeitpunkt über den Stand der Raumschlacht informiert. Der Todesimpuls des Plasmakom mandanten von BOX-4748 klang noch in der Zentralpositronik nach, da fielen mehrere hundert Fragmentraumer in den äußeren Schichten der Atmosphäre aus dem Linearraum. Unter schweren Verlusten schafften sie es, die Landung der Traitanks zu verhindern. Für das Zentralplasma ging es dar um um Zeitgewinn. Noch hatte es keine neue Information über Roi Danton und seine Gruppe. Allerdings schien der Anflug der Traitanks darauf hinzudeu ten, dass der designierte Pilot des Chao tenders in Schwierigkeiten geraten war.
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Dem Plasma war bewusst, dass es auf Dauer den Planeten nicht verteidi gen konnte. Schon die nächste An griffswelle der Traitanks konnte den Durchbruch schaffen. Dabei waren die Anfangserfolge der Posbis ermutigend gewesen. Inzwischen jedoch verdräng ten wachsende Verluste den Hauch Hoffnung, der 5-D-Schredder und die Kybernetische Konspiration würden die Überlegenheit der Kolonne kom pensieren. Traitanks hatten gegen Traitanks ge kämpft. Beinahe hundertzehn Kampf disken waren von Potenzialwerfern vernichtet worden. Unbedeutend ange sichts einer viertel Million Einheiten rings um den Bauplatz des Chaoten ders. VULTAPHERS Funktionsfähigkeit wurde soeben hergestellt. Die letzten intensiv strahlenden Potenziale lösten sich aus der Warteposition. Sie drifte ten quer durch das Schlachtfeld, waren aber nicht aufzuhalten. Fragmentrau mer, die sich ihnen entgegenwarfen, verglühten wie Insekten im offenen Feuer. Das Zentralplasma sendete schließ lich den Befehl, die Integration der Po tenziale nicht mehr zu behindern. Zu dem Zeitpunkt rannten hundert tausend Fragmentraumer gegen den Chaotender an. Aber nicht einmal die 5-D-Schredder zeigten durchschlagen de Wirkung. Das Plasma erkannte, dass die Besatzungen der Traitanks immer öfter die Vernichtung verhindern konn ten. Sie hatten schnell erkannt, dass partielle Desaktivierungen der Frakta len Aufriss-Glocken der fünfdimensio nalen Aufladung den Gegenpol entzo gen. Damit wurden die Disken für kon ventionelle Waffen greifbar. Doch be durfte es nun der Zusammenarbeit mehrerer BOXEN, um einen Traitank zu zerstören. In einem Aufwallen der Gefühle er
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kannte das Zentralplasma, dass die ei gene Flotte untergehen würde. Trauer wurde zum beherrschenden Gefühl. Minuten später folgte Wut. Das Plasma ignorierte das Drängen des Positronikteils, die BOXEN zu rückzurufen. Es sperrte sich gegen die Logik der Vernunft. 7. Ein verlockender Gedanke: Wir hät ten Kirmizz’ Transmitter benutzen können. Aber dafür war es zu spät. Unwich tig, darüber nachzudenken, ob er die sen Schritt mit seiner merklich kleiner gewordenen Schar gewagt hätte. Doch! Roi Danton war überzeugt davon, dass er den Weg nach MINATERG gegangen wäre. Und seine kleinen Freunde? Natürlich hätten sie ihn begleitet. Im Schutz der Dunkelfelder und mit hilfe der Flugaggregate kamen sie schnell voran. Zwei ausbrennende Kampfroboter lagen schon weit hinter ihnen. Es kam nicht mehr darauf an, eine Ortung zu vermeiden, sondern nur noch, schnell an Bord von BOX-9912 zurückzukehren. Die ersten Traitanks schwebten über dem Kuppelareal. Andere landeten auf dem Raumhafen von Suntown, nur we nige Kilometer südlich. Wahrscheinlich würde schon in wenigen Minuten ein Heer von Mor’Daer die Siedlung der Matten-Willys und die Versorgungsbe reiche stürmen. Das Zentralplasma sendete die In formationen über das Vorgehen der Ko lonnen-Angehörigen. Danton antwor tete nicht, um die eigene Position nicht zu verraten. Sie brauchten nicht lange, bis sie den Käfigtransmitter erreichten. Mehrere Matten-Willys und Posbis warteten.
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»Die Verbindung zu BOX-9912 ist justiert. Viel Glück. Seht zu, dass ihr noch heil hier wegkommt.« Danton schwang sich in den Käfig. Die ersten Mikro-Bestien folgten ihm. Er sah, dass Trainz zur Seite trat, um andere vorzulassen. »Wie sieht es an der Baustelle aus?«, wollte er wissen. Ein raupenförmiger Posbi hob ihm den Oberkörper entgegen. »Die Kyber netische Konspiration war keineswegs wirkungslos – aber den Sieg hat sie uns nicht gebracht.« Die Tür wurde geschlossen. »Wie groß sind die Verluste ...?« Der Posbi hörte die Frage schon nicht mehr. Danton spürte trotz des sicheren Käfigtransmitters ein brennendes Zie hen im Nacken. Innerhalb von Sekun den breitete es sich über den Rücken aus, aber da war er schon aus dem Kä fig gestolpert. Mogart der Dritte nahm ihn in Emp fang. »Was ist mit dem Piloten Kirmizz?« »Tot«, antwortete Danton. Die nächsten Mikro-Bestien mate rialisierten im Käfig. Forschend schau te der Aktivatorträger ihnen entgegen. Der Transport war nicht behindert, wie er schon gefürchtet hatte. Der nur lang sam nachlassende Entzerrungsschmerz hatte das nahegelegt. »Wir verlieren die Schlacht?« »Daran ist nichts mehr zu ändern. Unsere Plasmakommandanten haben knapp tausend Traitanks vernichtet. Das ist eine erstaunliche Zahl ...« »Aber zu wenig.« Danton fuhr sich mit der flachen Hand übers Gesicht. Seine Augen waren gerötet und ver klebt. Er wischte sich mit dem Hand rücken die Augenwinkel aus. »Wie hoch sind unsere Verluste?« Mogart zögerte kurz, bevor er ant wortete. Für Danton war das ein deutli ches Zeichen, dass der Posbi beim
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Plasmakommandanten Rücksprache nahm. »Momentan verfügen wir noch über 28.000 kampffähige BOXEN. Der Rest wurde vernichtet, einige tausend flug unfähige Wracks ...« Dantons Blick verlor sich zwischen den Maschen des Käfigtransmitters. Von über 300.000 Posbi-Schiffen war weniger als ein Zehntel geblieben ... Wieder einmal hatten sich Freunde der Menschheit für Terra geopfert. Wie sollten sie diese Treue jemals vergel ten? Die letzten fünf Mikro-Bestien tra fen ein. Ein Posbi unterbrach die Energie versorgung. »VULTAPHER scheint so gut wie fertiggestellt zu sein. Es sieht nicht danach aus, als hätten wir dem Chaotender Schaden zufügen kön nen.« »Es hat keinen Sinn mehr, weiterzu kämpfen. Ich brauche eine Verbindung zum Zentralplasma. Der Rückzug der BOXEN muss sofort angeordnet wer den.« »Dir ist volle Befehlsgewalt erteilt, Roi Danton. Die Anordnung wurde vom Plasma schon vor der Schlacht ge troffen.« »Gut. Alle Kommandanten sind um gehend zu informieren: synchroner Rückzug sämtlicher Einheiten in den Leerraum. Zufallskurse.« »Befehl erteilt«, sagte der Posbi Se kunden später. »Sämtliche Schiffe be schleunigen und versuchen, Feindkon takt zu vermeiden. Erste Übertritte in den Zwischenraum ab vierzig Sekun den. – Das Zentralplasma meldet sich. Es wünscht Terra und der Menschheit den erhofften Erfolg.« Dantons Lippen bebten. Er wollte einiges sagen, brachte aber nur ein la pidares »Danke!« hervor. »Ich soll dich informieren, dass ver einbarungsgemäß ein Kurierschiff mit Kurs auf Sol aufgebrochen ist«, fügte
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Mogart hinzu. »An Bord befinden sich alle Informationen, die wir über Pro jekt Astrovent gewinnen konnten. Ei niges davon wurde durch die Kyberne tische Konspiration erbeutet. Das Zentralplasma sah die Raumschlacht als die einzige Chance, dieses Material abzuschicken.« Der Aktivatorträger nickte schwer. Das Plasma hatte demnach den Verlust seiner gesamten Flotte, womöglich so gar der Hundertsonnenwelt, ins Kalkül gezogen. Zweifellos lautete der Auftrag des Kuriers, auf eine der großen Welten der Liga Freier Terraner auszuweichen, falls Terra bei seiner Ankunft nicht mehr existierte. BOX-9912 glitt in den Linearraum hinüber. Anfliegende Traitanks waren kurz vorher im Statusholo des Trans mittersaales erkennbar geworden. Roi Danton hatte dabei den Eindruck ge wonnen, dass nur wenige Sekunden über Leben oder Tod entscheiden wür den. »Wir erleiden weiterhin schwere Ver luste«, stellte der Posbi fest. »Zum Zeit punkt des Übertritts waren bis auf 23.500 BOXEN alle vernichtet. Meine Hochrechnung ergibt, dass letztlich nur etwa 21.000 Fragmentraumer die Schlacht überstehen werden.« »Und wir konnten nicht einmal an satzweise erkennen, ob Kirmizz’ Tod den erhofften Erfolg zeigt«, sagte Dan ton mehr im Selbstgespräch als für die Gefährten bestimmt. * Zwanzig Lichtjahre von der Hun dertsonnenwelt entfernt beendete der Plasmakommandant den Linearflug. Das Schiff war bereit, sehr schnell wie der in den Überlichtflug zu gehen und dann eine größere Distanz zurückzule gen. Nach einigen bangen Minuten stand jedoch fest, dass wir nicht ver folgt wurden.
Die Fernortungen zeigten, dass die Chaos-Geschwader die fliehenden Fragmentraumer nicht verfolgten. Es sah vielmehr aus, als hätten sich die Traitanks um VULTAPHER zusam mengezogen, um den Chaotender zu schützen. Zweifellos sorgte Kirmizz’ unrühm liches Ende für Konfusion. Allerdings war die Ortung keines wegs so gut, wie ich sie mir gewünscht hätte. Nach wie vor verhinderte starke ultrahochfrequente Strahlung jede auch nur halbwegs eindeutige Erfas sung. Vielleicht hätte uns das Kantor sche Ultra-Messwerk mehr über die Verhältnisse bei der Hundertsonnen welt verraten können. Aber das war Wunschdenken. Ich schaffte die DARK GHOUL nicht wieder herbei, indem ich ihr nachtrauerte. »Die Traitanks schützen den Chao tender, so viel lässt sich immerhin aus den Ortungsergebnissen herauslesen.« Goran Frownie wirkte blass. Die Mor’Daer-Maske, die er monatelang getragen hatte, hatte Abschürfungen und Blutergüsse in seinem Gesicht hin terlassen. Eigentlich war jeder von uns auf die eine oder andere Weise gezeich net. Aber was waren Äußerlichkeiten schon im Vergleich zu dem, wie es in uns aussah? Kaum einer sprach es aus. Aber an zusehen war es jedem. Meine Begleiter fürchteten, urplötzlich vor dem Nichts zu stehen. Ich nahm mich in keiner Weise davon aus. Trainz und seine Leute waren sicher nicht in der Lage, das zu verstehen. Ihr Geburtsort war eine Skapalm-Bark ge wesen, doch sie hatten nie gelernt, diese als Heimat zu lieben. Bis heute hassten sie das Schiff und seine Besatzung. »Vielleicht schützt die Kolonne den Chaotender für die nächsten tausend Jahre«, sagte Carolin Baumeister. »Das Ding kann hier stehen, bis ...«
Das Monokosmium
Die Ortungsoffizierin blickte mich entgeistert an. Erst in dem Moment hatte sie erkannt, was sie den Posbis zumutete. Zwei Stunden vergingen in quälender Langsamkeit. Ohne gelegentliche Schwankungen der UHF-Erfassung wäre mir das Ortungsbild wie eingefro ren erschienen. Ich bat den Plasmakommandanten, wieder Kurs auf die Hundertsonnen welt zu nehmen und die BOX in kurzen Überlichtetappen bis auf zehn Licht jahre Distanz anzunähern. Den Flug nutzte ich zur Diskussion mit unseren Hyperphysikern. Auf kei nen Fall wollte ich zulassen, dass VUL TAPHER eine kleine Ewigkeit die Hun dertsonnenwelt okkupierte, bis ein neuer Pilot den Chaotender überneh men würde. Meine Frage nach einer Möglichkeit, dem Spuk ein schnelles Ende zu bereiten, wurde nur auswei chend beantwortet. Dabei dachte ich in erster Linie an
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die Friedensfahrer und ihre wiederhol ten Angriffe auf Komplex Astrovent. Möglicherweise, auch wenn sie die Strukturbrenner-Torpedos aus größe rer Distanz auf die Baustelle abge schossen hatten, lagen ihnen Messpro tokolle vor. Mit etwas Glück ließen sich daraus relevante Erkenntnisse ablei ten. Nach meiner ersten Inspektion in der Dantyren-Maske hatte ich die gewon nenen Erkenntnisse über Komplex Astrovent ins Solsystem übermittelt. Die Angriffe der Friedensfahrer muss ten nach meiner Schätzung im Juni er folgt sein. Und selbst wenn ich es nicht belegen konnte, Kirmizz’ Probleme bei der Integration einiger Kabinette mochten durchaus auf diese Angriffe zurückzuführen sein. Einen Versuch, wenigstens die Kabi nette aufzubrechen und aus dem Chao tender wieder herauszulösen, mussten wir unternehmen. Was danach gesche hen sollte – ich wusste es nicht. Eigent
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lich hatte ich nie erwogen, VULTA PHER in seiner Gesamtheit zu vernichten. Die Frage nach dem Wie hätte mir ohnehin niemand beantwor ten können. Ich dachte an die Planetenfragmente, die aus Drorah herausgeschnitten wor den waren. Wie viele Akonen mochten auf diese Weise in den Chaotender in tegriert worden sein? Hatte es andere galaktische Welten erwischt, von denen ich noch nichts wusste? Möglicherweise stammten Kabinette aus Andromeda und den Magellanschen Wolken. Ich war mir vollauf bewusst, dass jetzt schon Milliarden intelligenter Wesen in VULTAPHER existieren konnten. Die Vernichtung des Chaotenders würde ihre Existenz bedrohen, im schlimms ten Fall auslöschen. Vor einer solchen Option schreckte ich natürlich zurück. BOX-9912 nahm die neue Beobach tungsposition ein. Nach wie vor er schwerte starke UHF-Strahlung die Ortung. Minuten später löste der Plasma kommandant Ortungsalarm aus. Von einer Sekunde zur nächsten wa ren die hochfrequenten Störfelder erlo schen, die eindeutig von VULTAPHER und den integrierten Kabinetten ausge gangen waren. Die Ortung zeigte den Bereich der Hundertsonnenwelt plötz lich in bester Wiedergabe. Mir stockte der Atem. Ich hatte den Eindruck gewonnen, der Chaotender setze sich in Bewegung. Aber das war schlicht unmöglich. Es durfte nicht sein. »Mein Gott«, hörte ich Baumeister ächzen. »Wenn das wahr ist ...!« VULTAPHER beschleunigte tatsäch lich. Die Markierungen, die der Plas makommandant in das Ortungsbild einfügte, ließen den Vorgang schon nach wenigen Sekunden deutlich er kennen. Die Chaos-Geschwader nah men ebenfalls Fahrt auf. Ich stand da, die Hände geballt, und
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starrte in ohnmächtigem Zorn auf die Wiedergabe. So hilflos wie in diesen Minuten hatte ich mich selten gefühlt. Übergangslos verschwand VULTA PHER. Augenblicke später gab es keine Energieechos mehr im Umfeld der Hundertsonnenwelt. Da waren nur noch Zehntausende schwache Massere flexe, die Wracks der Fragmentrau mer. Ich fragte nicht nach dem angemes senen Kursvektor. Mir war klar, dass VULTAPHER und seine Begleitflotte erst in unmittelbarer Nähe des Solsys tems wieder in den Normalraum zu rückfallen würden. KOLTOROCS Ver nichtungsbefehl bestand unverändert. Kirmizz’ Tod hatte das Verderben nicht aufgehalten. Wir hatten alles ge tan, was uns möglich gewesen war, aber das ... »Was haben wir falsch gemacht?«, murmelte jemand hinter mir. »Nichts«, sagte ich hart und fragte mich, wer das Kommando im Chaoten der übernommen haben mochte. Kei nesfalls ein einfacher Kalbaron. Eines der Spiegelwesen? »Wir haben nichts falsch gemacht, denn wir hätten nichts anderes tun können«, wiederholte ich. »Gegen die sen Gegner kommen wir nicht an.« Ich musste nicht darüber nachden ken, wie schnell VULTAPHER die Erde erreichen konnte. Es würde auf jeden Fall immer zu schnell sein. Außerdem hatte uns die DARK GHOUL in den letzten Monaten deutlich bewiesen, welche Geschwindigkeit KolonnenEinheiten erreichten. »Ich will, dass wir ebenfalls Kurs auf das Solsystem nehmen!«, wandte ich mich an den Plasmakommandanten. »Höchstgeschwindigkeit!« »Die Anordnung wird bestätigt, Roi Danton.« Ich musste nicht lange rechnen. BOX-9912 war kein schnelles Fern raumschiff. Einhundertvierzehn Tage
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Das Monokosmium
bis Sol, wahrscheinlich sogar mehr. Wir würden Terra erst lange nach dem Chaotender erreichen. Den Illusionen folgte die Ernüchterung. Ich wollte mir trotzdem nicht vorstellen, was uns erwartete. Auch das Kurierschiff der Posbis
würde erst lange nach VULTAPHER über Terra eintreffen. Demnach gab es keine rechtzeitige Warnung für Bully und die Menschheit. Diesmal war es vorbei. ES!, schrie ich in Gedanken. Warum lässt du das zu?
ENDE
Der Handstreich Roi Dantons hat stattgefunden und enorme Opfer gekostet. Ob er tatsächlich erfolgreich war, werden die nächsten Tage weisen. Im vorletzten Roman des laufenden Zyklus ist die Reihe an Perry Rhodan, für seine Menschheit zu kämpfen – er muss KOLTOROC höchstpersönlich aufsuchen. Mehr dazu berichtet Uwe Anton im ersten Teil des furiosen Finales, der in einer Woche als Band 2498 unter folgendem Titel überall im Handel erscheint: DIE DUALE METROPOLE
PERRY RHODAN – Erbe des Universums – erscheint wöchentlich in der Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Internet:
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ALOMENDRIS (II)
Alomendris’ neue Qualität wurde mit höchster Be dachtsamkeit eingesetzt – mit der Geduld des Waldes und der Intelligenz der Weißen Herren. Die Phantom körper nahmen die Gestalt von Robotern an, die von denen der Maschinenzivilisation nicht zu unterschei den waren. Und die Weißen Herren sorgten für spezi elle Identifikationskodes, die eine Entdeckung der »Eindringlinge« wirksam verhinderten. Verbunden damit war eine geradezu elektrisierende Entdeckung: Die 126 Schalen, in deren Nährboden die Kernwälder mit einem Durchmesser von je fünfzehn Kilometern wuchsen, ragten nicht einfach nur in den Boden der Planetenkruste, sondern waren allesamt scheiben förmige Raumfahrzeuge von knapp einem Kilometer größter Dicke. Etwa um 3,5 Millionen Jahren vor Christus führten die Roboter zum ersten Mal einen Rückzugskrieg. Und während die Erish Vikhtold ihre Entscheidungs schlacht schlugen, stiegen die 126 Schiffe Alomendris’ unter Kontrolle des Waldes und der Weißen Herren ins All. Viele Galaxien wurden gestreift, immer auf der Flucht. Niemand folgte ihnen – wie es schien. Schließ lich erreichten sie etwa zwei Millionen Jahre vor Chris tus die Galaxis Cydis-Cym – uns auch als Antlia, AM 1001-270 oder PGC 029194 bekannt, eine rund 4,23 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernte Kleingalaxis von nur 3100 Lichtjahren Durchmesser. Die Scheiben landeten auf dem Steppenplaneten Nini lath, der neuen Heimat von Alomendris ... ... bis es doch noch zu der Katastrophe kam, die keiner mehr erwartet hatte. Boresh Thanorn erschien, der »1-A1-1« der Erish Vikhtold – die unbemerkt einen ersten Brückenkopf auf Ninilath errichtet hatten. Als die ersten Raumschiffe der Maschinenintelligenz lan deten, zogen sich die seit Jahrmillionen in fast sym biotischer Verbundenheit mit Alomendris lebenden Weißen Herren schockiert zurück und ergriffen die Flucht. Während die Roboter begannen, eine neue Kriegsmaschinerie aufzubauen, kehrten die Weißen Herren aber zurück, um sich der Verantwortung zu stellen. Und es waren nicht nur 126, sondern Tausen de, alle! Um 550.000 vor Christus wurden sie in den Gedan kenbunkern stofflich, aktivierten die Schaltungen der Vernichtung. Und während die ersten Kuppeln explo dierten, während Boresh Thanorn und andere Phan tomkörper mitten in Alomendris’ Wäldern vergingen, opferten sich die Weißen Herren – und rissen dadurch
die Denkzentren der Maschinenzivilisation mit in den Untergang. Aus dem Chaos wiederum starteten die 126 Scheiben raumschiffe der Kernwälder und landeten ganz in der Nähe auf dem Planeten Yishra. Lange Zeit warteten die Wälder ab, ob vielleicht doch einer der Weißen Herren zurückkehren würde. Alomendris erholte sich von dem Verlust nicht, büßte viel seiner mentalen Leistungsfähigkeit ein, wuchs nicht mehr in seiner Moral und in seinen Kompetenzen, sondern entfernte sich mit jedem Jahrtausend mehr von den Gedanken gängen und Notwendigkeiten der Welt, die »draußen« herrschten. Rund 500.000 Jahre verstrichen, in denen sich Alo mendris mental im Kreis drehte. Dann kam es um 45.000 vor Christus zum Kontakt mit einer bis dahin unbekannten Macht, die sich Xybane nannte – und offensichtlich auf den Resten der Erish Vikhtold eine beachtliche Macht und Zivilisation gegründet hatte. Xybane würde in einigen Jahrmillionen zu einer Super intelligenz werden – aber das Geschöpf schien sich in eine negative Richtung zu entwickeln und wollte Alo mendris nicht mehr auf seinem Territorium dulden. Damit endete auch diese Episode, Alomendris war gezwungen auszuweichen. Die 126 Kernwälder star teten, wanderten mehr als 49.000 Jahre umher, auf der Suche nach einer neuen, dieses Mal hoffentlich endgültigen Heimat. Schließlich erkannte Alomendris seine Chance in einer Galaxis namens Hangay, einem vermeintlichen Niemandsland der Mächte, das »eben erst« in diesem Teil der Lokalen Galaxiengruppe aus einem anderen Universum materialisiert war. Die Strangeness-Effekte waren noch nicht vollständig verschwunden, als sich Alomendris 484 NGZ hier an siedelte. Die 126 Kernwälder verteilten sich in dem unbe dingten Versuch, unauffällig zu sein. Alomendris woll te nicht bedrohen, nicht kommunizieren, denn die Wälder waren von den gewöhnlichen Wesen viel zu verschieden. Etwa hundert nahmen Positionen zwi schen 10.000 und 25.000 Lichtjahren vom galak tischen Rand entfernt ein, die übrigen wagten sich etwas weiter ins Innere vor ... ... doch dann kam die Terminale Kolonne TRAITOR. Alo mendris und seine Ableger halfen als Kontaktwälder der Neuen Kansahariyya. 114 überlebten – sowie Kontaktwald Nr. 126 ... Rainer Castor
Liebe Perry Rhodan-Freunde, noch drei Wochen, dann brodelt der Asphalt vor den Kiosken, und die Fliesen in den Bahnhofsbuchhand lungen fangen an zu dampfen. Das Jubiläum steht bevor, Band 2500 der PERRY RHODAN-Serie er scheint. 2500! Unvorstellbar, und doch wahr. Die Titelvorschau liegt vor, die Werbung für den Jubel band läuft auf vollen Touren. Die Organisatoren des Cons in Garching bei München schwitzen jetzt schon. In all dem Trubel sollten wir aber eines nicht verges sen: Drei Wochen nach dem Jubiläum erreicht der dritte Zyklus der Bruderserie PERRY RHODAN-Action seinen Höhepunkt. Aktuell erscheint gerade die Num mer 33. Mit diesem Roman steht uns eine Premiere ins Haus. Zum ersten Mal ist ein Lektor Verfasser des Romans. PR-Action-Chefautor Christian Montillon hat mir dazu ein paar Zeilen geschickt, die ich euch im Folgenden präsentiere: »Wer von euch kennt Alex Huiskes? Ihr glaubt, euch dumpf erinnern zu können, diesen Namen schon einmal gehört zu haben? Stimmt! Alex hat jedes PERRY RHODAN-Manuskript in der Hand (beziehungsweise auf dem Bildschirm), ehe es gedruckt wird, denn er arbeitet als Außenlektor für den Verlag. Er gibt jedem Manuskript der Erstauflage den (vor)letzten Schliff. Nun hat er sich auf die andere Seite gewagt – er muss sich wohl gedacht haben, ›das kann ich auch‹, und im Verlag sah man es genauso ... zu Recht! Alex hat den PR-Action-Band 33 geschrieben und musste sich in die Hand des PR-Action-Außenlektors begeben – si cher eine interessante Erfahrung für ihn. Und mich würde interessieren, wie ihr das so seht. Kann er es? Inhaltlich stecken wir bei PR-A in der beginnenden Endphase des ›Wega-Zyklus‹; aber trotzdem sollte jeder, der bislang noch keinen Roman der Serie gele sen hat, problemlos in die Handlung kommen. Das werdet ihr schon schaffen ... Der Roman trägt den Titel ›Zwischen 42 Welten‹. Schauplatz ist das Wega-System – jenes Sonnensys tem, das unserem am nächsten liegt und das Perry als Erstes besucht hat (oder besuchen wird). Also: glasklare Lektüre-Empfehlung mit der Bitte, da nach einen Leserbrief an mich zu schreiben und die obige Frage zu beantworten! Herzliche Grüße, euer Christian Montillon.«
So viel vom LKS-Onkel des »kleinen Bruders«. Zu ei ner eigenen Info-Broschüre hat PR-Action es noch nicht gebracht, dafür ist die der Erstauflage dicker geworden. Einige von euch kennen sie sicher, die Bro schüre für Neuleser und Einsteiger, die über alles Wichtige im Zusammenhang mit der PERRY RHODANSerie informiert. Entsprechend dem stetig steigenden Umfang von PR ist auch sie dicker geworden. Sie prä sentiert sich mit doppeltem Umfang im Vergleich zu ihrer Vorgängerin. Dieses Einsteigerheft »Die Welt des Perry Rhodan« erklärt auf vierzig farbigen Seiten das Phänomen PERRY RHODAN – für Einsteiger, Leser und Fans. Ihr könnt die Broschüre als PDF von unserer Home page runterladen (unter »News« vom 14. April 2009 nachschauen). Wer die gedruckte Version bevorzugt, schreibt bitte an: Pabel-Moewig Verlag KG PERRY RHODAN-Kommunikation Karlsruher Straße 31 76437 Rastatt Bitte 1,45 Euro für Rückporto beifügen!
Autoren-Geburtstage im Juli Monika Flöschner,
[email protected] Die Idee mit dem Auflisten der Geburtstage auf der LKS finde ich sehr gut. Ich bin gespannt, ob mir alle Ge burtstage, die du noch bringen wirst, bekannt sind. Interessant fände ich die Frage, ob ihr durch die Auf listung auf der LKS mehr Glückwünsche an euren Geburtstagen bekommt, mehr Mails oder Briefe, die dann bei euch eintrudeln? Das würde ich euch jeden falls gönnen. Es sind ein paar Glückwünsche mehr, die eintrudeln. Die meisten Leser sind im Geiste bei uns und feiern mit. Es folgen die Daten für den kommenden Mo nat: 11. Juli: Hans Kneifel (73) 16. Juli: Robert Feldhoff (47) 24. Juli: Marianne Sydow (65) Frisch aus dem Briefkasten Axel Bauer,
[email protected] Hangay kommt im Moment sehr gut, nur weiter so. Falls sich irgendwer darum sorgt, was nach der Retro version aus ESCHER geworden ist, der kann ihn vieler orts auf Terra finden. Ich füge mal ein paar Bilder bei. ESCHER kann während der Retroversion gar nicht ver nichtet werden ... ESCHER hat sich offenbar überall im Universum dupli ziert. In Garagen, siehe Foto auf der LKS von Heft 2476, in Reformhäusern, im TV und sonst wo. Nicht totzukriegen, das Ding. Wie nahe du mit deiner Ver mutung der Wirklichkeit kommst, hat sich in den Ro manen der vergangenen Wochen gezeigt. Weiter geht’s mit Erwartungen an das Ende des Zy klus. Wir haben da noch eine kleine Überraschung für euch in petto. Björn Brender,
[email protected] Erst mal ein Riesenlob an euch alle. Der aktuelle Zy klus ist klasse. Ich lese gerade die letzten zirka 20 Hefte nach (kleine Aufholjagd), kam gestern in der Bahn zum Ende von Heft 2477 und bekam bald einen Schlag, dass die Bahn zu wackeln anfing: Kamuko ist die Gründermutter! Klasse Idee! Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Was anderes ist mir ins Auge gestochen. In einigen Heften war immer wieder die Reklame für den East side-Dreiteiler drin. Da stimmt was nicht; zu sehen ist das Cover von Band 1 »Hornschrecken«, aber laut Buchrücken soll es Band 3 sein. Grafiker sind wohl auch nur Menschen.
Macht weiter so wie bisher, und wir bleiben noch jah relang Freunde. Ich bin schon gespannt wie ein Flitze bogen, wie der Zyklus endet und wie es dann weiter geht. Das mit dem Buchrücken war Absicht, damit ihr das Gesamtkunstwerk des Rückens betrachten könnt und gleichzeitig aber das Deckblatt von Band 1 vor euch habt. Werner Schmidt,
[email protected] Es meldet sich einer aus der schweigenden Leser schaft. Ich lese PR seit meinem 16. Lebensjahr, bin aber weit davon entfernt, mich als Altleser zu bezeich nen. Zu meiner Person: Ich bin Gartenbautechniker, gehe stramm auf die 50 zu und lese die Reisen unseres Helden immer noch sehr gern. Es gibt gewiss Romane, die mal mehr oder weniger gut sind, doch das ist An sichtssache. Mein Lieblingszyklus ist der um die Kosmischen Burgen, was daran liegen mag, dass ich seinerzeit damit in die 1. Auflage eingestiegen bin. Dabei muss ich mal eine Lanze für die viel geschmähten Zyklen um das Tiefland und die Linguiden brechen, welche für mich mit zu den besten der gesamten Serie gehören. Der Sense of Wonder, der zwischenzeitlich auch für mich etwas weg war, kehrte mit den Spindelwesen mächtig zurück. Der Cantaro-Zyklus sowie die Gewaltorgie mit den ge hörnten Dscherro waren nicht unbedingt mein Fall. Aber das ist ja Geschmacksache. Zum Schluss mal ein Gedicht, welches ich vor Jahren über den Erben des Universums geschrieben habe. Vielleicht gefällt es euch ja so gut, dass es auf der Le serkontaktseite im Roman erscheint. Perry Rhodan, unser Mann, was hast du für uns getan? Hast die Menschheit schon geeint, an Thoras Grab hab ich geweint. Mit Crest und Atlan dann gen Arkon. Wir suchten ES, wir fanden Barkon. Du sporntest alle immer an und stopptest viele in dem Wahn.
Du hast Andromeda erkundet,
die Galaxien stets umrundet.
Die Welten hier und da vereint,
der Mensch sei gut,
hast du gemeint.
Wenn alle mal ein wenig denken
mehr an den anderen,
etwas schenken,
dann ist es da,
ist nicht mehr weit,
ein Stück davon –
Unsterblichkeit ...
PR-Autorenkonferenz 2009
»Vor dem Stardust-Zyklus« von Klaus N. Frick Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der PERRY RHODAN-Serie ist seit jeher die Autorenkon ferenz. Sie findet üblicherweise einmal im Jahr statt, und auf ihr legen die Autoren in Teamarbeit fest, wie sich die Serie weiter entwickelt. Und so widmete sich die Konferenz am Dienstag, 7. April, insbesondere dem bevorstehenden Stardust-Zyklus, der mit Band 2500 am 17. Juli dieses Jahres starten wird. Zu jeder Konferenz gibt es am Vortag – auch das ist längst zur Tradition geworden – das gemütliche Bei sammensein der Autoren und der Redaktion. So trafen wir uns am Montag, 6. April, im Restaurant; wie immer ist das sehr nett. Wir plauderten in lockerer Runde, und nach einiger Zeit ging es selbstverständlich wie der um PERRY RHODAN und ATLAN und andere Science Fiction. Gegen ein Uhr nachts verließ ich das Restau rant, um nach Hause zu fahren. Richtig los ging es am Dienstagmorgen. Leider waren Robert Feldhoff und Horst Hoffmann bei dieser Konfe renz verhindert, weil sie kurzfristig erkrankt waren; das führte vor allem bei den inhaltlichen Diskussionen gelegentlich zu Unsicherheiten. Aber die Kreativität der Autoren meisterte auch diese Schwierigkeit recht flott. Morgens berichtete ich über das abgelaufene Jahr, stellte einige neue Pläne des Verlages vor und erzähl te über die verschiedenen PERRY RHODAN-Produkte im In- und Ausland. Sabine Kropp stellte dar, wie sich die Buchpublikationen entwickelt hatten, und infor
mierte über die Zusammenarbeit mit »Fantasy Pro ductions« und anderen Verlagen. Bei Björn Berenz ging es vor allem um Hörspiele und Hörbücher, um E-Books und andere Aktivitäten im Bereich der moder nen Medien. Klaus Bollhöfener wies auf das bevorstehende Jubilä um hin: Im Jahr 2011 wird PERRY RHODAN fünfzig Jahre alt, und wir werden dieses Jubiläum mit einer Veranstaltung feiern. Schon jetzt ist der Rosengarten in Mannheim – das Kongresszentrum, in dem 1980 der erste WeltCon stattfand – für das letzte Septem ber-Wochenende reserviert, und schon jetzt ist Klaus Bollhöfener damit beschäftigt, die entscheidenden Weichen für einen erfolgreichen PERRY RHODAN-WeltCon zu stellen. Nach vielen Diskussionen um stilistische und inhalt liche Stärken und Schwächen des abgelaufenen Jah res gingen wir zum Mittagessen. Der Nachmittag ge hörte dann den Autoren fast allein: Es ging um konkrete inhaltliche Entwicklungen. Wir bildeten zwei Arbeitsgruppen, von denen sich jede mit einem Hand lungsschauplatz des kommenden Zyklus beschäf tigte. Sie legten fest, welche Protagonisten es gab und welche Gegenspieler sich entwickeln werden – wie immer eine spannende Diskussion, die es möglich macht, die kreativen Köpfe unterschiedlicher Autoren zu einem gemeinsamen Ziel zusammenzubringen. Um 18 Uhr waren wir alle ziemlich erschöpft; es bot sich schon allein aus diesem Grund an, eine Pause einzulegen. Um 19 Uhr lud der Verlag zum Abendes sen; wir gingen in ein nahe gelegenes italienisches Restaurant. Und natürlich wurde auch dabei weiter diskutiert ... Als ich an diesem Abend um Mitternacht nach Hause fuhr, war ich erneut sehr zuversichtlich. Das Auto renteam ist engagiert und kreativ, man arbeitet ge meinsam an den Zielen, und man möchte PERRY RHODAN weiterhin auf einem sehr hohen Niveau be treiben. Um die Zukunft muss man sich da nicht sor gen ... Es gibt übrigens einige Impressionen zur Konferenz, die Björn Berenz mit seiner privaten Video-Kamera gedreht hat. Wer die angucken möchte, sucht auf www.perry-rhodan.net das Logbuch zur Autorenkon ferenz mit Datum 14. April 2009; auf dieser Seite ist der entsprechende Link.
Der Cartoon der Woche
Die Nachtlicht-Rüstung – ein Rekonstruktionsversuch von Harald Lapp
Zu den Sternen! • Euer Arndt Ellmer • VPM • Postfach 2352 • 76413 Rastatt •
[email protected] Alle abgedruckten Leserzuschriften erscheinen ebenfalls in der E-Book-Ausgabe des Romans.
Die Redaktion behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen oder nur ausschnittsweise zu übernehmen.
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Ahandaba Ahandaba ist ein mysteriöser Ort »ohne Schmerzen«, an dem die Schutzherrin Carya Andaxi eines Tages anzukommen hofft, um dort zu einer höheren Wesen heit zu werden. Im Jahr 1335 NGZ brachen Carya An daxi und nahezu sämtliche Bewohner des Sternen ozeans und der anderen Hyperkokons, die mit den Schutzherren von Jamondi in Zusammenhang ste hen, zu ihrer Reise nach Ahandaba auf. Kirmizz; Allgemeines Kirmizz ist ein humanoides Wesen mit einer Körper höhe von zweieinhalb Metern, muskulös und sehr breitschultrig, mit gewaltigen Körperkräften ausge stattet. Die extrem aufrechte Haltung ist auffallend und trägt zu dem Beinamen bei. Seine Haut wirkt bläu lich, aus der Nähe betrachtet von Millionen dunkelblau mäandernden Äderchen durchzogen. Die Augen sind orangefarben. Einen offensichtlichen Mund hat das Wesen nicht, auch keine Nase. Stattdessen zieht sich von der Unterseite des – durchaus humanoid wirken den – Kiefers bis hoch zur Mitte der Stirn eine tiefe Einkerbung, die wie eine Falte aussieht. Die normale Sprechstimme dringt aus »kiemenar tigen« Öffnungen an den Seiten des Halses. Dort scheint das Wesen auch zu atmen, denn die Halsfal ten bewegen sich zitternd, werden mal eingesogen, mal nach außen gebläht. Die Nahrungsaufnahme erfolgt über die Füße, deren Unterseite eine Vielzahl an Lamellen aufweist, die praktisch permanent aus dem Boden Nahrung filtern. Dies kann bei nahezu allen mineralischen und orga nischen Substanzen geschehen – sogar bei Wüsten sand –, lediglich künstliche oder versiegelte Böden, wie man sie an Bord von Raumschiffen findet, bieten keine entsprechende Möglichkeit. Kirmizz; Fähigkeiten Kirmizz verfügt über mächtige Psi-Fähigkeiten: Ähn lich wie Gon-Orbhon ist er ein Mental-Dislokator, d.h. er vermag sein Bewusstsein oder Teile davon vom Körper zu trennen und damit fremde Bewusstseine zu übernehmen. Dazu vermag er seinen Geist in beliebig viele und kleine Aktionsquanten aufzuspalten, aller dings stehen Größe und Kraft der Aktionsquanten in direktem Zusammenhang, sodass diese ab einer ge wissen Quantelung nutzlos ist. Eine zweite Fähigkeit Kirmizz’ ist das Stumme Ge sicht, auch als Schmerzruf bezeichnet. Setzt er diese ein, reißt die Nut, die sein Gesicht vom Kinn bis zur Stirn teilt, auf und lässt das Stumme Gesicht zum Vor schein kommen. Es besteht aus einer länglichen, an
gedeutet humanoiden Physiognomie, die jedoch kei ne echten Gesichtsorgane beinhaltet, sondern sich aus grau verfärbtem Fleisch und Hautwülsten formt. Lediglich der »Schlund«, ein Loch mitten im Stum men Gesicht, besteht tatsächlich aus einer Öffnung. Die Laute, die der Schlund während des Schmerzrufs von sich gibt, ähneln akustisch dem Rascheln von trockenem Laub, verursachen jedoch eine mächtige psionische Schockwelle, deren Ausstoß Kirmizz Schmerzen bereitet, die im Gegenzug jedoch bis auf etwa 100 Meter Distanz Lebewesen blitzartig tötet, sofern sie keine besondere psychische Widerstands kraft aufweisen. Für paranormal begabte Personen ist der Schmerzruf noch auf viele Kilometer Entfernung deutlich zu orten. Kirmizz; Biografie Kirmizz wurde von der XIX. Kosmität ausgebildet, die zum damaligen Zeitpunkt noch stark unter den Folgen des Versagens von Gon-Orbhon stand. Zeitgleich mit ihm wurde ein Wesen ausgebildet, das einst als Mäch tiger für die Kosmokraten bereitstehen sollte: Faro Nuun Jasper, ein Wasserstoffatmer. Kirmizz jedoch war von den Chaotarchen als Pilot eines Chaotenders in Auftrag gegeben worden. In der Eile, geeignetes Material beschaffen zu müssen, griff die Kosmität auf einen vorhandenen Körper einer anderen Kosmität zurück. Dieser hatte zuvor den Geist Untha Myrres getragen, eines designierten Kosmokratenbeauftrag ten, doch dieser hatte sich als Fehlschlag erwiesen, und so war dessen geistige Matrix gelöscht worden und der Körper frei für ein neues Aufspielen eines Cha rakters: Kirmizz. Die Löschung der Untha-Myrre-Per sönlichkeit war jedoch offensichtlich nicht vollstän dig, denn nach einer Weile erwuchs in Kirmizz eine Art Zweite Persönlichkeit, die jenem seitdem als eine Art zweite Meinung, als Gegenpart für stumme Diskus sionen dient, eine besondere Art »Logiksektor« oder »virtueller Kontra-Computer«. Da Untha Myrre »ge löscht« wurde, ehe er endgültig auf seine Auftragge ber geprägt wurde, besitzt er keine Gesinnung, son dern ist moralisch neutral und Kirmizz gegenüber völlig loyal. Nachdem sowohl Kirmizz als auch Faro Nuun Jasper für ihre jeweilige Seite der kosmischen Mächte kondi tioniert wurden, entbrannte ein erbitterter Kampf zwi schen den ehemaligen Freunden, den Kirmizz letzt lich – auch dank der Hilfe der Kosmität – für sich entscheiden konnte. Jasper starb, und Kirmizz flog seiner Bestimmung entgegen: Pilot des zu bauenden Chaotenders VULTAPHER zu werden ...