Sandra Lieske Das Image von Journalisten
VS RESEARCH
Sandra Lieske
Das Image von Journalisten Eine qualitative Unt...
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Sandra Lieske Das Image von Journalisten
VS RESEARCH
Sandra Lieske
Das Image von Journalisten Eine qualitative Untersuchung
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha
VS RESEARCH
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Die vorliegende Arbeit mit dem Titel „Schmierfink oder Schreibtischheld? Das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten“ wurde vom Fachbereich 02 Sozialwissenschaften, Medien und Sport der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2007 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen. Die Publikation wurde durch ein Begabtenstipendium der Hanns-Seidel-Stiftung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Christina M. Brian / Dr. Tatjana Rollnik-Manke Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-7013-4
Geleitwort
Umfrageergebnisse zum Ansehen bestimmter Berufe, wie sie immer mal wieder von Meinungsforschungsinstituten vorgelegt werden, verweisen eher auf ein relativ schlechtes Image von Journalisten. Auf Skalen, die zur Ermittlung des Ansehens verschiedener Berufe in Umfragen eingesetzt werden, landen Journalisten meist ziemlich weit unten – ganz in der Nähe von Politikern. In den letzten Jahren scheint das Ansehen von Journalisten sich sogar noch weiter verschlechtert zu haben. Andererseits rangiert der Journalistenberuf hoch, wenn es um die Berufswünsche junger Menschen geht. Obendrein genießen manche Journalisten Prominentenstatus und erfreuen sich erheblicher Popularität; sie sind gefragte Redner, erhalten Fanpost und werden um Autogramme gebeten. Solche Beobachtungen verweisen, wenn nicht auf ein Paradox, so doch wenigstens auf eine gewisse Ambivalenz im öffentlichen Image von Journalisten. Diese ebenso wie die Frage nach den Ursachen wären nur für Journalisten interessant und vielleicht auch betrüblich, wenn dem Bild, das sich das Publikum von ihnen macht, nicht auch Wirkungsrelevanz im Massenkommunikationsprozess zugewiesen würde. Darauf verwies früh schon Gerhard Maletzke in seinem Feldschema der Massenkommunikation (1963), ähnlich wenig später Henk Prakke in seinem Ansatz der funktionalen Publizistik (1968). In den achtziger Jahren haben Werner Früh und Klaus Schönbach mit dem dynamisch-transaktionalen Ansatz dem Journalistenimage wiederum diese Rolle zugewiesen: Ebenso wie das Bild, das sich Journalisten von ihrem Publikum machen, gilt das Bild, das sich das Publikum von Journalisten macht, als Einflussvariable im Wirkungsprozess. Obwohl also das journalistische Image bereits vor mehr als vier Jahrzehnten als ein relevanter Wirkungsfaktor beschrieben wurde, ist die Forschung diesem bislang kaum nachgegangen. Auch die Untersuchungen, die sich auf den dynamischtransaktionalen Ansatz beriefen, haben nur wenige Erkenntnisse dazu geliefert. Daher war es gewiss an der Zeit, sich mit der Qualität des Journalistenimages zu befassen und den Gründen für die offensichtliche Widersprüchlichkeit nachzugehen. Mit ihrer hier vorgelegten Untersuchung bereitet San-
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Geleitwort
dra Lieske den Grund für die weitere Forschung zum Ansehen von Journalistinnen und Journalisten. Sie kann zeigen, dass sich die Rezipienten sehr wohl ein Bild von Journalisten machen, aber meist kein einheitliches Journalistenimage pflegen, sondern den Berufsstand durchaus differenziert beurteilen. Als hauptsächliche Trennlinie ergibt sich dabei die Unterscheidung zwischen seriösen Journalisten, die positiv beurteilt werden, und Sensationsreportern, die ein negatives Image haben. Beide Typen werden zudem bestimmten Medien zugeordnet. Das negative Image scheinen Befragte in Interviews offenbar bevorzugt zu aktualisieren, wenn sie um eine Beurteilung des Journalistenberufs gebeten werden. Viele Befragte haben auch bestimmte Erwartungen, wie Journalisten mit Informationen und Menschen, über die sie berichten, umgehen sollten, wissen aber zugleich, dass die Realität oft etwas anders aussieht und dafür der ökonomische Druck verantwortlich zu machen ist. Indessen ist das Bewusstsein für die positiven Funktionen des Journalismus und die Rolle der Medien in der Gesellschaft unterschiedlich stark ausgeprägt und wiederum abhängig von der Mediennutzung und den damit verbundenen Variablen wie Bildung und politisches Interesse. Hier ließen sich Aufgaben für die "Öffentlichkeitsarbeit" des Journalismus ableiten. Die Fülle von Befunden, die Sandra Lieske mit ihrer Arbeit präsentiert, sollte Anlass und Anregung für weitere Studien bieten, die das Image von Journalisten, seine Ursachen und schließlich auch seinen Einfluss im massenmedialen Wirkungsprozess untersuchen. Christina Holtz-Bacha
Vorwort
Gescholten und gleichzeitig verehrt – es gibt wohl kaum eine Berufsgruppe, auf die diese Beschreibung besser zutrifft als auf Journalisten. Die vorliegende Arbeit versteht sich als einen Schritt, das Image dieses Berufsstandes aufzudecken und somit zur Erklärung des Phänomens des auf den ersten Blick ambivalent erscheinenden Bildes der Medienakteure aus der Sicht von Rezipienten beizutragen. Sie lag dem Fachbereich Sozialwissenschaften, Medien und Sport im Januar 2007 als Dissertation vor und wäre ohne die Bereitschaft der vielen Freiwilligen, die mir als Interviewpartner ihre individuelle Sicht auf den Berufsstand der Journalisten erläutert haben, nicht zustande gekommen. Für ihren Mut, sich zunächst ohne Kenntnis des Gesprächsgegenstandes in ein solches Interview zu begeben und dies zudem auf Tonband dokumentieren zu lassen, sei Ihnen herzlich gedankt. Mein Dank gilt außerdem der Hanns-Seidel-Stiftung e. V. München, die die Publikation in finanzieller und ideeller Hinsicht gefördert hat. Ebenso sei Dr. Tatjana Rollnik-Manke, meiner Lektorin, sowie Jacob Leidenberger für die Unterstützung bei der Veröffentlichung der Arbeit gedankt. Einen besonderen Dank möchte ich Professor Dr. Christina HoltzBacha aussprechen, die mich zu diesem Projekt maßgeblich bewegt hat und mir stets mit fachlichem Rat zur Seite stand. Auf das herzlichste danken möchte ich auch meiner Familie, allen voran meinen lieben Eltern, die mir das Studium ermöglicht und somit die Voraussetzung für diese Arbeit geschaffen haben. Ein großer Dank gilt auch meinen Freunden, die immer an mich geglaubt und mich zur rechten Zeit angespornt und abgelenkt haben. Denn es steht außer Frage: Eine Dissertation gleicht einer emotionalen Achterbahnfahrt. Daher danke ich ganz besonders Jörg, der mich in der gesamten Zeit mit Gelassenheit ertragen hat. Sandra Lieske
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung............................................................................ 15
2. Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess ........................................ 19 2.1 Das Image von Journalisten – Eine Begriffsklärung .............................. 19 2.2 Berufsbezeichnung „Journalist“ – Systemtheoretische Betrachtungen ............................................................................................... 25 2.3 Das Image von Journalisten als Wirkungsfaktor: Theoretische Ansätze und empirische Untersuchungen ................................................ 29 2.3.1 Feldschema der Massenkommunikation ........................................ 29 2.3.2 Funktionalpublizistischer Ansatz..................................................... 34 2.3.3 Dynamisch-transaktionaler Ansatz ................................................. 36 2.3.4 Exkurs: Funktion und Bedeutung der Massenmedien................. 41 2.3.5 Experimente zur Wirkung des Kommunikatorimages ................ 44 2.3.6 Befunde der Dortmund-Studie ........................................................ 51 2.4 Die Entwicklung des Images von Journalisten beim Rezipienten .................................................................................................... 54 2.4.1 Art der Informationsquellen ............................................................ 54 2.4.2 Einflussstärke der Informationsquellen ......................................... 56 2.4.3 Qualität der Informationsquellen .................................................... 59 2.5 Geschichte und Tradition des Journalismus in Deutschland................................................................................................... 69 2.5.1 Vom Minnesänger zur Massenpresse ............................................. 69 2.5.2 Deutsche Journalismustradition – Ursache und Folgen .............. 71 2.5.3 Die soziale Stellung des Zeitungsredakteurs im 19. und frühen 20. Jahrhundert ...................................................................... 73
10
Inhaltsverzeichnis
2.6 Journalistenimage – Medienimage: Empirische Befunde....................... 76 2.6.1 Ansehen und Prestige von Journalisten.......................................... 77 2.6.2 Journalist – ein „Traumberuf“? ....................................................... 82 2.6.3 Das Image von Lokaljournalisten.................................................... 83 2.6.4 Das Image prominenter Journalisten.............................................. 85 2.6.5 Das Image der Massenmedien in Deutschland ............................. 88 2.6.6 Allgemeine Darstellungen................................................................. 90 2.7 Zwischenbilanz ............................................................................................. 97
3. Methodisches Vorgehen ................................................... 105 3.1 Datenerhebung .......................................................................................... 3.1.1 Das Leitfadeninterview als Instrument zur Datenerhebung ................................................................................ 3.1.2 Entwicklung des Interviewleitfadens und Gesprächsaufbau................................................................................................ 3.1.3 Kriterien zur Auswahl der Befragten und Stichprobengröße.................................................................................................. 3.1.4 Kontaktaufnahme und Teilnahmebereitschaft der Befragten .......................................................................................... 3.1.5 Durchführung und Nachbereitung der Interviews.................... 3.1.6 Die Interviewteilnehmer ................................................................
105 106 107 109 112 113 117
3.2 Datenanalyse............................................................................................... 118 3.2.1 Datenaufbereitung: Sinn und System der Gesprächstranskription .................................................................. 118 3.2.2 Datenanalyse: Methodik und technisches Vorgehen ................ 122
4. Ergebnisse: Einzelfallanalysen ......................................... 129 4.1 Befragte ohne direkten Kontakt zu Journalisten.................................. 4.1.1 Interview mit Samuel.................................................................... 4.1.2 Interview mit Herbert .................................................................. 4.1.3 Interview mit Werner ...................................................................
129 129 133 139
Inhaltsverzeichnis 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7 4.1.8 4.1.9 4.1.10 4.1.11 4.1.12
11
Interview mit Klara....................................................................... Interview mit Selma...................................................................... Interview mit Sina ......................................................................... Interview mit Katrin ..................................................................... Interview mit Gisela ..................................................................... Interview mit Sonja....................................................................... Interview mit Helmut................................................................... Interview mit Willy ....................................................................... Interview mit Alexander ..............................................................
143 147 151 157 161 165 170 176 180
4.2 Befragte mit direktem Kontakt zu Journalisten.................................... 4.2.1 Interview mit Friederike............................................................... 4.2.2 Interview mit Anna....................................................................... 4.2.3 Interview mit Jette ........................................................................ 4.2.4 Interview mit Christian ................................................................ 4.2.5 Interview mit Michaela................................................................. 4.2.6 Interview mit Isabelle ................................................................... 4.2.7 Interview mit Steffen.................................................................... 4.2.8 Interview mit Simon ..................................................................... 4.2.9 Interview mit Wanda .................................................................... 4.2.10 Interview mit Ingo ........................................................................ 4.2.11 Interview mit Gina........................................................................ 4.2.12 Interview mit Emil........................................................................
183 183 188 193 197 203 208 213 218 223 227 231 235
5. Übergreifende Interpretation: Gemeinsamkeiten in den Vorstellungen und Einstellungen der Befragten zu Journalisten und zum Journalismussystem ................. 241 5.1 Gibt es den typischen Journalisten? ....................................................... 5.2 Alter, Geschlecht und Erscheinungsbild des typischen Journalisten................................................................................................. 5.3 Typische Wesenszüge und Fähigkeiten von Journalisten ................... 5.4 Journalist – ein Begabungsberuf?............................................................ 5.5 Elite des Journalismus – Prominente Journalisten............................... 5.6 Berufliche Motivation und Journalistenausbildung.............................. 5.7 Das Image der Medien und dessen Einfluss auf das Bild der Journalisten ..........................................................................................
242 243 247 250 252 254 259
12
Inhaltsverzeichnis
5.8 Arbeitsplatz und Berufsalltag des typischen Journalisten ................... 5.9 Journalismus – eine „brotlose Kunst“? Gehälter im Journalismus ............................................................................................... 5.10 Erwartungen an den Umgang der Journalisten mit Informationen ............................................................................................ 5.11 Vorstellungen vom journalistischen Handeln in der Realität......................................................................................................... 5.12 Gesellschaftliche Funktion des Journalismus .......................................
262 267 269 272 281
6. Fazit: Das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten ...................................................................... 287 7. Literaturverzeichnis ......................................................... 298 Anhang – Interviewleitfaden .................................................. 309
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Grundmuster des dynamisch-transaktionalen Ansatzes......................................................................................... 37 Abbildung 2: Interaktionsebenen zwischen Journalist und Rezipient als Basis für die Entwicklung des Images von Journalisten beim Rezipienten ................................................... 55 Abbildung 3: Der MAXQDA2–Bildschirm mit seinen vier Hauptfenstern............................................................................ 128
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Quotenplan zur Auswahl der Interviewteilnehmer.................... 111 Tabelle 2: Ort, Datum und Dauer der Interviews in der Befragtengruppe ohne direkten Kontakt zu Journalisten .......................... 114 Tabelle 3: Ort, Datum und Dauer der Interviews in der Befragtengruppe mit direktem Kontakt zu Journalisten............................ 115 Tabelle 4: Soziodemografische Merkmale, Art des Schulabschlusses und berufliche Situation der Befragten ohne direkten Kontakt zu Journalisten ................................................................. 116 Tabelle 5: Soziodemografische Merkmale, Art des Schulabschlusses und berufliche Situation der Befragten mit direktem Kontakt zu Journalisten ................................................................. 117
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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Tabelle 6: Angewandte Transkriptionszeichen in Anlehnung an das Gesprächsanalytische Transkriptionssystem (GAT) ................. 120 Tabelle 7: Alter und Geschlecht des typischen Journalisten – Befragte ohne direkten Kontakt zu Journalisten ....................... 244 Tabelle 8: Alter und Geschlecht des typischen Journalisten – Befragte mit direktem Kontakt zu Journalisten ......................... 245 Tabelle 9: Typische Eigenschaften und Fähigkeiten von Journalisten – Befragte ohne direkten Kontakt zu Journalisten ....................... 249 Tabelle 10: Typische Eigenschaften und Fähigkeiten von Journalisten – Befragte mit direktem Kontakt zu Journalisten ....................... 250 Tabelle 11: Journalistenausbildung – Befragte ohne direkten Kontakt zu Journalisten ............................................................... 256 Tabelle 12: Journalistenausbildung – Befragte mit direktem Kontakt zu Journalisten ............................................................... 257
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Einleitung
Missbilligendes Kopfschütteln und verächtliches Naserümpfen zählen nicht selten zu den typischen Gesten, wenn in Gesellschaften das Gespräch auf Journalisten kommt. „Immer auf der Jagd nach der besten Story, egal mit welchen Mitteln!“ ist der Gedanke, der möglicherweise hinter diesen Reaktionen steht. Häufiger Vorwurf: Journalisten hätten kaum Interesse an einer wahrheitsgemäßen Information der Öffentlichkeit, sondern dächten nur an ihre berufliche Profilierung durch die Verbreitung eigener, Aufsehen erregender Meldungen (vgl. Ronneberger, 1988, S. 395). Das Buch So lügen Journalisten. Der Kampf um Quoten und Auflagen von Udo Ulfkotte (2001) bringt diesen Vorwurf auf den Punkt und dürfte nicht wenigen Menschen aus der Seele sprechen. Doch trifft diese Kritik tatsächlich mit dem Image überein, das Rezipienten von Journalisten haben? Für eine eher negative Einstellung gegenüber dem Beruf spricht das mäßige Abschneiden von Journalisten in Berufsrankings. Bei derartigen Ranglisten landen sie traditionell auf den hinteren Rängen. Zudem hielten bei einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2001 gerade einmal fünf Prozent der Bevölkerung Journalisten für besonders ehrlich. Damit schnitten sie fast genauso gut (oder schlecht) ab wie die Zunft der Börsianer. Zeitungsreporter wurden sogar noch kritischer beurteilt (vgl. Noelle-Neumann & Köcher, 2002, S. 206–207). Kann man allerdings aus der Erkenntnis, dass die Bevölkerung Journalisten bestimmte Tugenden abspricht, tatsächlich auf ein insgesamt negatives Image des journalistischen Berufsstands schließen? Diese Frage pauschal zu bejahen, dürfte höchst kritisch sein, zumal man in Gesprächen über Journalisten häufig auf ein bemerkenswertes Phänomen stößt: Einerseits wird die „schreibende Zunft“ ganz pauschal verteufelt, andererseits scheinen Journalisten für ihre Arbeit geradezu bewundert zu werden, insbesondere wenn sie einem persönlich bekannt sind. Diese Leute seien „hoch gebildet“, „irgendwie interessant“, hätten einen „spannenden Job“ und ein „aufregendes Leben“ – so die Aussagen, die man zu hören bekommt. Und wenn Journalisten gar in Gesellschaften auftauchen, sei es auf Partys oder öffentlichen Veranstaltungen, scheinen sie als Gesprächspartner besonders
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Einleitung
begehrt. Diese Beobachtungen sprechen eher dafür, dass das Verhältnis der Bevölkerung zu Journalisten nicht durchweg negativ, sondern vielmehr ambivalent ausfällt. Diesen „emotionalen Zwiespalt“ hat Nina Grunenberg (1967, S. 279) – selber Journalistin – treffend umschrieben: „Das Bild, das sich die Allgemeinheit vom Journalismus macht, orientiert sich in nicht geringem Maße an jenen journalistischen Erzeugnissen, die der Gosse näher sind als dem Olymp. (…) Journalisten stellt man sich, ähnlich wie Schauspieler, auch als gute Gesellschafter vor, als interessante Farbtupfer für eine Party, als beschlagene, belesene, in jeder Hinsicht erfahrene Leute – wobei insgeheim vielleicht überlegt wird, ob man Kinder nicht besser vorher hinausführt.“
Welche Vorstellungen und Gefühle herrschen also in den Köpfen der Menschen vor, wenn sie an Journalisten denken, kurzum: welches Image besitzt die Berufsgruppe in den Augen von Rezipienten? Ist das Image des journalistischen Berufsstands tatsächlich durch einen Widerspruch gekennzeichnet und wenn ja, wie lässt sich dieser erklären? Diese Fragen stehen im Fokus der vorliegenden Arbeit, zu deren Klärung Leitfadeninterviews mit 24 Rezipienten beitragen, von denen die Hälfte einen Journalisten persönlich kennt. Im Sinne von kommunikationswissenschaftlichen Modellen, die unter dem Begriff des Rezipienten den Gegenpart zum Kommunikator verstehen – im Fall von Massenkommunikation zum Journalisten –, handelt es sich dabei um Personen, die dem journalistischen Berufsstand selbst nicht angehören. Sie sind damit Teil des so genannten „dispersen Publikums“, das nach einer Definition von Maletzke (1963, S. 85) „… jener – in der Regel relativ großen – Zahl an Menschen [entspricht], die sich einzeln oder in kleinen Gruppen den Aussagen der Massenkommunikation zuwenden …“ Mit der zentralen Fragestellung der Arbeit sind gleich mehrere Gebiete der Kommunikationswissenschaft berührt, die Lasswell erstmals mit seiner berühmten Frage „Who Says What In Which Channel To Whom With What Effect?“ (Lasswell, 1948, S. 37) in ihre Teilbereiche Kommunikator-, Inhalts-, Medien-, Publikums- und Wirkungsforschung untergliedert hat (vgl. Schenk, 2002, S. 4). Zwar richtet sich die vorliegende Arbeit vornehmlich auf das Feld der Publikums- und indirekt auf das der Kommunikatorforschung, berührt jedoch auch den Bereich der Medienwirkungsforschung. Denn man kann davon ausgehen, dass das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten als Faktor im Massenkommunikationsprozess auch
Einleitung
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die Wirkung von Medienaussagen beeinflusst (vgl. Maletzke, 1963, S. 41). Doch wird damit auch schon deutlich, was die vorliegende Arbeit weder leisten kann noch will: die Stärke des Images von Journalisten als Wirkungsfaktor im Kommunikationsprozess neu zu belegen oder gar zu bemessen. Ihr Ziel richtet sich vielmehr darauf, die Struktur des Images von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten aufzudecken sowie das scheinbar ambivalente Verhältnis von Rezipienten zum journalistischen Berufsstand zu erklären. Dabei steht nicht das Bild einer bestimmten Journalistengruppe im Fokus des Forschungsinteresses, sondern das Image des Berufsstands allgemein. Dieser breite Blick ermöglicht es, eventuelle Unterschiede in den Vorstellungen des Rezipienten von verschiedenen Journalistengruppen aufzudecken: Nimmt er vielleicht den Zeitungsjournalisten anders wahr als seinen Kollegen vom Fernsehen, ist das Image von Lokalreportern ein anderes als das der Redakteure von überregionalen Tageszeitungen? Wie verhält es sich mit dem Bild von Journalisten, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten, wie mit dem von Privatsendern? Orientiert sich der Rezipient vielleicht dabei am Image, das er von den entsprechenden Medieninstitutionen hat? Und welche Rolle spielen bei alldem die Boulevardjournalisten? Um dem zentralen Forschungsanliegen nachzukommen, diskutiert das zweite Kapitel die Bedeutung des Images von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten im Massenkommunikationsprozess auf theoretischer Basis. Dabei wird zunächst erläutert, was unter dem Begriff „Image“ beziehungsweise „Journalistenimage “ zu verstehen ist, wer in Deutschland als Journalist gilt und wie diese Berufsgruppe im Journalismussystem verankert ist. Ziel soll sein, thematische Aspekte aufzuzeigen, die eine Untersuchung zum Image des journalistischen Berufsstands in jedem Fall berücksichtigen sollte. Der nachfolgende Abschnitt widmet sich dann der Frage, wann und wodurch der Gedanke aufkam, dass das Image des Kommunikators aus der Sicht des Rezipienten als Wirkungsfaktor relevant ist, wie dieser Faktor in kommunikationswissenschaftlichen Ansätzen verankert ist, von welchen Bedingungen seine Entwicklung abhängt und welche empirischen Befunde seinen Einfluss auf den Kommunikationsprozess belegen. Ein Exkurs diskutiert dabei auch die gesellschaftliche Bedeutung der Massenmedien in Demokratien. Da die meisten Menschen Journalisten nicht persönlich kennen, sondern meist nur durch die Massenmedien, beleuchtet das Kapitel des Weiteren die verschiedenen Informationsquellen, die zur Entwicklung des
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Einleitung
Journalistenimages beitragen. Dies ist auch aus dem Grunde sinnvoll, da man durch den Vergleich ihrer Qualität mit den Ergebnissen der Arbeit Hinweise darauf gewinnen kann, welche Informationsquellen das Image von Journalisten in besonderem Maße prägen. Zudem soll die theoretische Auseinandersetzung mit dem Image von Journalisten als Wirkungsfaktor deutlich machen, dass seine Entwicklung von verschiedenen Bedingungen abhängig ist. So steht unter anderem zu vermuten, dass dabei persönliche Kontakte zu Berufsvertretern eine Rolle spielen und sich dadurch möglicherweise die Ambivalenz im Image von Journalisten erklären lässt – eine Überlegung, die mit der Unterscheidung zweier Befragtengruppen ihren Niederschlag in der Untersuchungsanlage gefunden hat. Kapitel 2 präsentiert darüber hinaus einen historischen Rückblick auf die Entwicklung des Journalismus in Deutschland, dessen spezielle Tradition möglicherweise das Image von Journalisten bis heute beeinflusst. Der darauf folgende Abschnitt dokumentiert den bisherigen Forschungsstand zur Frage, wie sich das Image von Journalisten in der Bevölkerung gestaltet. An dieser Stelle sei bereits angemerkt, dass in vielerlei Hinsicht empirischer Nachholbedarf besteht, was die Beschäftigung mit der Thematik nahe gelegt hat. Die vorliegende Arbeit versteht sich als einen ersten Schritt, diese Lücke zu schließen. Eine Bilanz am Ende des Kapitels fasst die theoretischen Überlegungen zusammen und leitet zum empirischen Teil der Arbeit über. Kapitel 3 dient der Begründung der Methodenwahl und einer ausführlichen Beschreibung des empirischen Vorgehens der Arbeit, die sich bewusst als qualitative Studie versteht. Dieser Abschnitt soll die Untersuchung auch für Dritte nachvollziehbar machen. Dabei orientiert sich die Darstellung an der Chronologie des methodischen Vorgehens, wobei grob zwei Untersuchungsphasen zu unterscheiden sind: die Phase der Datenerhebung sowie die der Datenauswertung. Kapitel 4 und 5 präsentieren die Ergebnisse der Untersuchung, wobei zunächst die Befunde der 24 Interviews im Einzelnen dargestellt und anschließend in einer übergreifenden Interpretation zusammengeführt werden. Dieses zweistufige Vorgehen dient dazu, die Gemeinsamkeiten in den Vorstellungen und Einstellungen der Interviewteilnehmer in Bezug auf Journalisten systematisch aufzudecken. Kapitel 6 widmet sich der Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse und liefert eine Antwort auf die zentralen Forschungsfragen.
2. Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess
2.1 Das Image von Journalisten – Eine Begriffsklärung Der englische Begriff „Image“ wird im Deutschen mit „Bild“ übersetzt. Doch was versteht man überhaupt unter diesem Ausdruck, der in unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht wird, beispielsweise für Marken, Firmen oder auch Politiker? Bis heute hat sich die wissenschaftliche Literatur auf keine einheitliche Definition einigen können. Fest steht nur, dass es sich um einen relativ jungen Begriff handelt, der über vielfältige philosophische, historische und literarische Bezüge verfügt (vgl. Johannsen, 1971, S. 15). Etymologischer Ursprung des Imagebegriffs Fasst man die am häufigsten wiederkehrenden etymologischen Bedeutungsgehalte des Imagebegriffs zusammen, so kann man unterscheiden zwischen „a) dem gegenständlichen Bild, Abbild Gottes bzw. der Heiligen (Götzen) in der bildenden Kunst; b) der sichtbaren, realen Darstellung, dem gegenständlichen Bild, auch im Sinne von Ebenbild, Verkörperung, Spiegelbild, Abbild (z. B. Bildnis, Statue) einer Person, eines Objekts; c) Dem [sic] ‘wesen’- und phantasiehaften geistigen (ideellen) Wertund Vorstellungsbild (Urbild, Leitbild) einer Person, einer Sache.“ (Johannsen, 1971, S. 19)
Die etymologischen Wurzeln des Begriffs machen also deutlich, dass das Image nicht zwangsläufig damit übereinstimmen muss, wie eine Sache oder eine Person tatsächlich ist, sondern wie sie jemandem erscheint. Zu denken sei hier beispielsweise an die möglichst positive Darstellung von Politikern in der Öffentlichkeit oder die Bemühungen von Unternehmen, ihre Firma oder Produkte mit einem besonders attraktiven Image auszustatten, um
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Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess
dadurch Wahl- beziehungsweise Kaufanreize zu schaffen. Dabei geht es nicht um den wahren Charakter des Politikers oder die tatsächlichen Produkteigenschaften, sondern um eine möglichst positiv anmutende Darstellung der Person/des Produktes in der Öffentlichkeit beziehungsweise gegenüber Konsumenten. Auch in der vorliegenden Arbeit ist nicht danach gefragt, ob das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten tatsächlich dem „wahren“ Wesen der Journalisten entspricht, also ein genaues Abbild der real existierenden Journalisten in Deutschland in allen seinen Facetten darstellt. Es geht vielmehr um die Frage, wie der journalistische Berufsstand dem Rezipienten erscheint, wie er sich Journalisten vorstellt und welche Gefühle er mit ihnen verbindet. Ohnehin wäre es unrealistisch anzunehmen, die Bevölkerung verfüge über ein Bild von Journalisten, das tatsächlich der Wirklichkeit entspricht. Zum einen macht sich jeder einzelne Rezipient sein ganz eigenes Bild von Journalisten, zum anderen ist jeder einzelne Journalist als Subjekt eine eigene Persönlichkeit. Außerdem sind durch die räumliche Distanz zwischen Journalist und Rezipient, die in den meisten Fällen über die Massenmedien miteinander kommunizieren, Verzerrungen in den beiderseitigen Vorstellungen vorprogrammiert. Der Imagebegriff in der wissenschaftlichen Literatur Befasst man sich mit dem Imagebegriff näher, so erkennt man schnell, dass ihn verschiedene wissenschaftliche Disziplinen geprägt haben. Dabei kam der Wirtschaftswissenschaft, insbesondere der Wirtschaftspsychologie, ein wesentlicher Anteil zu. Hier kursiert der Begriff „Image“ als wissenschaftlicher Ausdruck seit etwa der Mitte des 20. Jahrhunderts (vgl. Johannsen, 1971, S. 23), wobei sich seine Auffassung bis heute kaum gewandelt hat. In jüngerer Zeit plädieren allerdings einige Forscher dafür, den Imagebegriff nicht mehr zu verwenden. Ihr Argument: Der Begriff sei in der kommerziellen Marktforschung überstrapaziert worden (vgl. Wiswede, 1992, S. 72). Bereits Mitte der 1950er-Jahre sprachen Burleigh B. Gardner und Sidney J. Levy (1955) von Images, und zwar im heutigen Sinne der Marketingtheorie. Ihrer Auffassung nach entscheidet das Image einer Marke („brand image“) darüber, ob der Konsument das Produkt kauft oder nicht. Unter „Image“ verstehen sie dabei die Ideen („ideas“), Gefühle („feelings“) sowie die Einstellungen („attitudes“), die der Konsument mit einer Marke verbin-
Das Image von Journalisten – Eine Begriffsklärung
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det, wobei diese nicht unbedingt den wesentlichen Produkteigenschaften entsprechen müssen (vgl. Gardner & Levy, 1955, S. 35). Kurze Zeit später wurden ihre Überlegungen durch den Werbefachmann David Ogilvy aufgegriffen, der während eines Arbeitsessens der Vereinigung amerikanischer Werbeagenturen in Chicago im Oktober 1955 die Bedeutung des Images für die Markenartikelwerbung herausstellte. Als Folge dieser Rede und des wegweisenden Aufsatzes von Gardner und Levy wurde das Image sehr bald zum Schlüsselbegriff der Wirtschaftspsychologie und der Bemühungen von Unternehmen um Werbung, Absatz und Verkauf (vgl. Johannsen, 1971, S. 23). In der deutschen Wirtschaftspsychologie setzte sich der Imagebegriff ebenfalls schnell durch. So stellt ihn Gerhard Kleining (1959a, 1959b) Ende der 1950er-Jahre als eine neue Konzeption der psychologischen und soziologischen Absatzforschung vor, wobei er darunter „die dynamische Ganzheit von Vorstellungen einer Person oder einer Personengruppe von einem Reiz“ (Kleining, 1959b, S. 203) versteht, das Image als Resultat der Auseinandersetzung einer Person mit ihrer Umwelt. Der Reiz, das heißt die Außenwelt, sowie die individuellen Persönlichkeitsmerkmale würden dabei, so Kleining, ineinander spielen (vgl. Kleining, 1959b, S. 202). Darüber hinaus seien Images unterschiedlich beschaffen: Sie könnten sich im Zeitverlauf als relativ stabil erweisen oder sich rasch verändern. Manche würden eine große Nähe aufweisen, andere fern und verschwommen erscheinen. Außerdem könne man, so der Forscher, das Image einer Marke – ähnlich dem Charakter eines Menschen – mit verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen beschreiben. Manche Images seien einfach strukturiert, andere hochkomplex, wobei jedes Image bestimmte Inhalte umfasse (vgl. Kleining, 1959b, S. 206–208). Kleinings Umschreibungen des Imagebegriffs ähneln damit dem Charakter der von Kroeber-Riel (1986) als „innere Bilder“ bezeichneten Vorstellungen eines Menschen von einem Produkt. Unter diesem Begriff versteht er die im Gedächtnis einer Person gespeicherten Bilder von einem Objekt, die sich im Gegensatz zu den Wahrnehmungsbildern, die sich auf einen tatsächlich anwesenden Reiz beziehen, erst in Abwesenheit des Meinungsgegenstandes einstellen. Bezogen auf Marken, so der Autor, seien „innere Bilder“ dann besonders erfolgreich (das heißt einen Kaufanreiz generierend), wenn sie sich durch Lebendigkeit auszeichnen, anziehend und anregend wirken würden sowie reichhaltig und neuartig seien (vgl. Kroeber-Riel, 1986, S. 50–51). Beim Image von Journalisten handelt es sich um ein solches
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Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess
„inneres Bild“, da der Meinungsgegenstand – der Journalist – nicht anwesend ist. Der Rezipient stellt sich vielmehr einen Journalisten vor und verbindet mit ihm bestimmte Eigenschaften, die er mehr oder weniger deutlich vor seinem „inneren Auge“ erkennt. Dabei dürfte dieses Bild umso schärfer, lebendiger und damit vielleicht auch positiver ausfallen, je besser die Person mit Journalisten vertraut ist. Dröge und Haft (1968) machen darauf aufmerksam, dass nicht nur Journalisten, sondern auch verschiedene Medieninstitutionen über ein eigenes Image verfügen. Sie definieren dabei den Imagebegriff als Gesamtbild, das sich jemand von einem Objekt macht – sei es von einem Menschen, einer Sache oder einer Institution: „Dies Bild ist ein ganzheitliches Gebilde, das aus mehreren Elementen strukturiert ist. (…) Die Elemente können faktenbezogen sein, sind in ihrer Konstellation aber durchaus subjektiv. Sie prägen durch die charakteristische Reaktion das Verhalten des Menschen wesentlich.“ (Dröge & Haft, 1968, S. 3)
Die Autoren sprechen in diesem Zusammenhang auch von „Vorstellungsbildern“, die trotz individueller Varianten ein hohes Maß an sozialer Übereinstimmung aufweisen und dadurch eine öffentliche Dimension erreichen können (vgl. Dröge & Haft, 1968, S. 4). Uwe Johannsen (1971, S. 35) liefert schließlich in seiner Dissertation die wohl umfassendste Definition des Imagebegriffs, die er aus der angloamerikanischen und deutschsprachigen wissenschaftlichen Literatur ableitet: „Ein Image ist ein komplexes, anfänglich mehr dynamisches, im Laufe seiner Entwicklung sich (stereotyp) verfestigendes und mehr und mehr zur Stabilität und Inflexibilität neigendes, aber immer beeinflußbares mehrdimensionales System, dessen wahre Grundstrukturen dem betreffenden ‘Imageträger’ oft nicht voll bewußt sind. Das Image ist als eine nuancenreiche, dauerhafte und prägnante, aber kommunizierund mit psychologischen Methoden durchaus ermittelbare Ganzheit aufzufassen. Eine Ganzheit richtiger, d.h. objektiver und subjektiver, also eventuell auch falscher, teilweise stark emotional getönter Vorstellungen, Ideen, Einstellungen, Gefühle, Erfahrungen und Kenntnisse einer Person bzw. einer Personengruppe von einem ‘Meinungsgegenstand’ (z. B. einem Produkt, einer Marke, einer Firma).“ [Hervorhebung im Original]
Das Image von Journalisten – Eine Begriffsklärung
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Johannsen nimmt an, dass das Image aus der Auseinandersetzung des durch seine Persönlichkeit und Biografie geprägten Menschen mit der Gesellschaft einerseits und dem Meinungsgegenstand andererseits resultiert. Es bestimme durch seine emotional gefärbte und wertende Komponente die Meinungen, das Verhalten und das Handeln des Individuums dem jeweiligen Objekt gegenüber. Die eigentliche Funktion des Images, so der Autor, läge letztendlich aber darin, dass es den Meinungsgegenstand auf seine wesentlichen Eigenschaften reduziere. In diesem Sinne sei das Image als ein „… durchaus legitimer weil ‘ökonomischer’ – i. S. v. entlastender, zur Umweltbewältigung, Orientierung, Individualisierung und Bedürfnisbefriedigung beitragender – seelischer Komplex (‘Mechanismus’) anzusehen.“ (Johannsen, 1971, S. 35) Image, Einstellung und Stereotyp – Abgrenzung der Begrifflichkeiten Vergleicht man die angeführten Definitionen, so fällt auf, dass das Image als sozialwissenschaftlicher Ausdruck eng mit dem der Einstellung verwandt sein muss, da immerhin zwei der angeführten Definitionen den Einstellungsbegriff verwenden. Außerdem betonen viele Autoren die Verhaltenssteuerung des Images, die man auch dem Begriff der Einstellung nachsagt. So begreift beispielsweise Roth (1967) Einstellung als sozialpsychologisches Konstrukt beziehungsweise als ein System psychischer Elemente, bei dem die Änderung nur eines Elements bereits mit einem veränderten Verhalten gegenüber dem Objekt einhergeht. In diesem Sinne definiert er Einstellungen auch „als gegenstandsbezogene, erfahrungsbedingte und systemabhängige Verhaltensdeterminanten.“ (Roth, 1967, S. 43) Andreas Herrmann (1998, S. 77) schließlich bezeichnet den Imagebegriff „… als mehrdimensionales Konstrukt …, das in etwa die gleichen Charakteristika wie die Einstellung aufweist.“ Das Image umfasse die Vorstellungen und Ansichten des Individuums von einem Gegenstand, wobei dieses subjektive Bild sowohl auf dem Wissen über den Sachverhalt als auch auf gefühlsmäßigen Wertungen basiere. Ein Ausdruck, der im Gegensatz zur Einstellung vom Imagebegriff abgegrenzt werden sollte, ist der des Stereotyps. Im Vergleich zum relativ jungen Imagebegriff ist das Stereotyp als wissenschaftlicher Ausdruck bereits früher geläufig und geht auf Walter Lippmann (1964) zurück. Er diskutiert ihn bereits in seinem 1922 erstmals veröffentlichten Buch Public Opinion in
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Zusammenhang mit Politik und öffentlicher Meinung. Seiner Auffassung nach prägen Sittengesetze, die Gesellschaftslehre und die politischen Anschauungen Stereotype, nach denen der Mensch Dinge in eine vorgefertigte Form presst und alles, was nicht diesem Bild entspricht, für abwegig oder unsinnig zu hält (vgl. Lippmann, 1964, S. 64). Stereotype leiten den Blick des Menschen: „Meistens schauen wir nicht zuerst und definieren dann, wir definieren erst und schauen dann. In dem großen blühenden, summenden Durcheinander der äußeren Welt wählen wir aus, was unsere Kultur bereits für uns definiert hat, und wir neigen dazu, nur das wahrzunehmen, was wir in der Gestalt ausgewählt haben, die unsere Kultur für uns stereotypisiert hat.“ (Lippmann, 1964, S. 63)
Johannsen verweist außerdem darauf, dass sich Stereotype im Gegensatz zu Images dadurch auszeichnen, dass sie gruppenspezifisch und weniger individuell geprägt seien, darüber hinaus ohne eigene Erfahrungen vorschnell gefällt und von anderen ungeprüft übernommen würden. Außerdem seien sie nicht korrigierbar, objektiv meistens falsch, von Anfang an feststehend und nur sehr schwer zu beeinflussen (vgl. Johannsen, 1971, S. 45–46). Das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten – Begriffsdefinition Eine Synopse der angeführten Definitionen zeigt, dass sich der Begriff des Images durch zwei wesentliche Merkmale auszeichnet: Komplexität und Subjektivität. So werden im Image subjektiv geprägte Vorstellungen und Einstellungen, Ideen sowie Erfahrungen des Individuums gebündelt und zu einem komplexen Gesamtbild von einem Meinungsgegenstand verschmolzen. Sowohl der Meinungsgegenstand selbst als auch die Persönlichkeit des Individuums sind somit ausschlaggebend für das Image, so dass dieses als gedankliches Abbild eines Meinungsgegenstands zwar der objektiven Wirklichkeit entsprechen kann, aufgrund seiner Subjektivität aber meistens nicht wird. Images beeinflussen zudem das Verhalten des Individuums gegenüber dem Meinungsgegenstand und erfahren dadurch gesellschaftliche Relevanz, da sie trotz subjektiver Prägung für große Teile der Bevölkerung gemeinsame Strukturen aufweisen. Images erleichtern den Blick des Menschen auf seine Umwelt, da sie die Dinge des Alltags auf ihre wesentlichen Eigenschaf-
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ten und Strukturen reduzieren. Sie sind mit empirischen Methoden messbar und zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht von Anfang an feststehen, sondern sich im Laufe der Zeit entwickeln und verändern. Sie sind also keine starren Konstrukte, sondern für Einflüsse von außen offen – wenn auch in unterschiedlichem Maße. Fasst man die wesentlichen Definitionsmerkmale zusammen, so ist unter dem Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten folgendes zu verstehen: Das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten umfasst das objektiv richtige und falsche Wissen sowie subjektive, das heißt von der Persönlichkeit und den Erfahrungen des Einzelnen geprägte Vorstellungen, Einstellungen und Gefühle gegenüber Journalisten. Es wandelt sich im Laufe der Zeit, ist mit empirischen Methoden messbar und besitzt Handlungsrelevanz, da es das Verhalten des Einzelnen gegenüber Journalisten und Medieninhalten steuert.
Nun liegt die Frage nahe, warum eine Begriffsklärung möglich ist, ohne den Begriff „Journalist“ näher zu definieren. Dies ist deshalb legitim, da Images subjektiv geprägt sind und daher auch auf objektiv falschem Wissen basieren können. Somit ist denkbar, dass der Rezipient sein Image von Journalisten mit Personen verknüpft, die streng genommen gar nicht als Berufsvertreter gelten. Dennoch oder gerade deshalb macht es Sinn, die Kriterien herauszuarbeiten, die den journalistischen Berufsstand kennzeichnen. 2.2 Berufsbezeichnung „Journalist“ – Systemtheoretische Betrachtungen Wer gilt in Deutschland überhaupt als Journalist und wie kann dieser Berufsstand von anderen abgegrenzt werden? Darauf eine präzise Antwort zu finden, ist grundsätzlich schwer, da die Berufsbezeichnung „Journalist“ in Deutschland nicht geschützt ist und sich jeder Mensch so nennen darf. Dies ist auf die Festschreibung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten …“ Daraus wird abgeleitet, dass der Zugang zum Journalismus frei sein muss und nicht an eine bestimmte Ausbildung gebunden sein darf. Diese verfassungsrechtliche Verankerung wird verständlich vor dem
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Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte. Im Dritten Reich war es nur bestimmten Personen möglich, als Journalist zu arbeiten. Grundlage dafür war das so genannte Schriftleitergesetz von 1933, das den Nationalsozialisten eine nahezu problemlose Lenkung der Presse nach ihren politischideologischen Vorstellungen ermöglichte. Und auch in der ehemaligen DDR herrschten ähnlich restriktive Regelungen vor. So waren eine spezielle Ausbildung zum Diplom-Journalisten an der Karl-Marx-Universität sowie die SED-Parteimitgliedschaft notwendige Voraussetzungen, um als Journalist in der DDR tätig zu sein (vgl. Donsbach, 2003, S. 81). Die Literatur bietet verschiedene Definitionen des Begriffs „Journalist“. Am geläufigsten sind solche, die Journalisten von anderen Berufsgruppen danach abgrenzen, ob Berufsvertreter bestimmte Strukturmerkmale erfüllen. Eine solche Definition liefert beispielsweise der Deutsche JournalistenVerband (DJV) in seinem Berufsbild des Journalisten, das nach Auffassung von Donsbach (2003, S. 79) als „quasi-offizielle“ Definition des Berufs gilt: „Danach ist Journalist/in, wer hauptberuflich produktiv oder dispositiv Informationen sammelt, auswertet und/oder prüft und Nachrichten unterhaltend, analysierend und/oder kommentierend aufbereitet, sie in Wort, Bild und/oder Ton über ein Medium an die Öffentlichkeit vermittelt oder den publizistischen Medien zu dieser Übermittlung bereitstellt.“ (Deutscher Journalisten-Verband, o. J.a)
Diese Definition macht deutlich, dass es sich bei Journalisten um Personen handelt, die an der Produktion von Medieninhalten geistig beziehungsweise intellektuell beteiligt sind. Personen, die ausschließlich mit technischen Dienstleistungen betraut sind, gelten demnach nicht als Journalisten. Das heißt allerdings nicht, dass Journalisten nicht gleichzeitig auch im technischen Bereich aktiv sein können. Diese Entwicklung hat gerade in den letzten Jahren den Journalismus geprägt. So ist beispielsweise bekannt, dass Radiomoderatoren ihre Sendungen nicht nur redaktionell gestalten, sondern während der Sendung auch die technischen Gerätschaften bedienen. Der Journalist im System Journalismus Journalisten arbeiten in unterschiedlichen Institutionen: Als fest angestellte oder freie Mitarbeiter sind sie bei Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften,
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Anzeigenblätter etc.), Rundfunksendern (Hörfunk, Fernsehen) oder in anderen elektronischen Medien (z. B. Online-Medien) beschäftigt. Sie arbeiten für Nachrichtenagenturen und Pressedienste, in der externen oder internen Kommunikationsabteilung von Wirtschaftsunternehmen, Verwaltungen oder gemeinnützigen Organisationen sowie in der medienbezogenen Beratung und Bildungsarbeit (vgl. Donsbach, 2003, S. 79). Sie agieren aber niemals losgelöst im „luftleeren Raum“, sondern sind Teil des Systems Journalismus, dessen Primärfunktion darin besteht, Themen zur öffentlichen Kommunikation her- und bereitzustellen (vgl. Rühl, 1980, S. 323). Das Journalismussystem begrenzt und strukturiert die Themen der öffentlichen Kommunikation, indem es Ereignisse vereinfacht, konzentriert und zu konkreten Mitteilungen macht. Berufs- und Organisationsstrukturen übernehmen dabei die Aufgabe, das journalistische Material zu sichten, zu bearbeiten, zu systematisieren und es auf Fehler hin zu kontrollieren (vgl. Rühl, 1980, S. 342–343). Wie vielschichtig das Journalismussystem ausfällt, macht Frank Esser (1998) in seinem auf Siegfried Weischenberg (1994, S. 431) zurückgehenden Integrativen Mehr-Ebenen-Modell deutlich. Esser unterscheidet in seinem Modell vier Ebenen, die auf den Journalisten als Kern des Journalismussystems einwirken. Sie liegen wie Zwiebelschalen übereinander, beeinflussen sich gegenseitig und interagieren mit anderen gesellschaftlichen Teilsystemen wie beispielsweise Politik, Kunst oder Wirtschaft. Die äußere Ebene bezeichnet Esser als Gesellschaftssphäre. Sie umfasst die historischkulturellen Rahmenbedingungen, also die gesellschaftliche Auffassung von Pressefreiheit und Presseselbstverständnis, die journalistische Tradition, die politische Kultur und die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen eines Landes. Eine Ebene tiefer liegt die Medienstruktursphäre, die sich auf die ökonomischen Bedingungen des Medienmarktes, auf das Presserecht sowie die berufsethischen Grundsätze von Journalisten bezieht. Hierzu zählen auch Verbände und Gewerkschaften sowie das Ausbildungssystem der Journalisten. Die dritte Schale bezeichnet Esser als Institutionssphäre. Hier geht es um Berufsbilder und Organisationsstrukturen, um redaktionelle Abläufe und Redaktionstechnologien innerhalb der Medieninstitutionen. Der Journalist stellt schließlich die Subjektsphäre dar und bildet mit seinen subjektiven Werten, politischen Einstellungen, seinem Rollenselbstverständnis und Berufsmotiven den Kern des Journalismussystems. In seiner Rolle als Subjekt wird er durch die äußeren Ebenen des Journalismussys-
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tems geprägt. Gleichzeitig verhindern diese, dass sich die subjektiven Werte und Motive des einzelnen Journalisten ungehindert in den Medieninhalten niederschlagen (vgl. Esser, 1998, S. 25-27). Wie an den Ideen Essers deutlich wird, beschränkt das mehrschichtige „Zwiebelmodell“ den Journalismus nicht auf einzelne Personen, ihre Merkmale oder Handlungen. Dies wäre aus systemtheoretischer Perspektive ohnehin unzureichend (vgl. Weischenberg, 1994, S. 430). Vielmehr umfasst es nahezu alle zum Journalismussystem zählenden Teilsysteme mit ihren spezifischen Eigenschaften und Funktionen, also beispielsweise auch das journalistische Ausbildungssystem oder die ökonomischen Gegebenheiten des Medienmarktes etc. Im Sinne der Systemtheorie, die vor allem als Hilfsmittel zur Beschreibung und Analyse sozialer Phänomene gilt (vgl. Kunczik, 1984, S. 155), ist das Zwiebelmodell somit besonders geeignet, sich der komplexen Fragestellung nach dem Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten anzunähern. Vor diesem Hintergrund wird es dem empirischen Vorgehen der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt. Der Blick richtet sich dabei vornehmlich auf den Kern des Journalismussystems, also auf das Bild des Rezipienten vom Journalisten als Subjekt. Jeder Mensch wird mit Journalisten bestimmte Eigenschaften verbinden und vielleicht auch eine Vorstellung vom Selbstverständnis eines Medienakteurs haben. Doch entsprechend der Annahme des „Zwiebelmodells“ wird das Image von Journalisten, je nach Persönlichkeit des Rezipienten, auch durch dessen individuelles Verständnis von Pressefreiheit und den gesellschaftlichen Funktionen des Journalismus bedingt. Zudem dürfte sich die Vorstellung des Rezipienten von den ökonomischen Gegebenheiten des Medienmarkts (z. B. Konkurrenzkampf, Quotendruck etc.) und den Abläufen innerhalb einer Medieninstitution darauf auswirken, wie er sich die Arbeitsbedingungen (z. B. Höhe des Leistungsdrucks, Stress etc.) im Journalismus vorstellt. Anzunehmen ist außerdem, dass er mit Journalisten bestimmte Medien, Tätigkeiten oder vielleicht sogar ein bestimmtes Ressort (z. B. Politik, Wirtschaft, Sport etc.) verbindet. Festhalten lässt sich also, dass der Rezipient – ob unbewusst oder bewusst – den Journalisten nicht nur als ein von anderen Faktoren unabhängiges Element im Journalismussystem begreifen wird, sondern auch als Subjekt, das durch äußere Faktoren in seiner Arbeit beeinflusst wird. Doch warum ist die Frage, wie sich das Image von Journalisten aus Rezipientensicht gestaltet, überhaupt von wissenschaftlichem Interesse?
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2.3 Das Image von Journalisten als Wirkungsfaktor: Theoretische Ansätze und empirische Untersuchungen Wie die Annäherung an den Imagebegriff verdeutlicht hat, kommt dem Image von Journalisten deshalb besondere Bedeutung zu, weil es das Verhalten des Rezipienten gegenüber Journalisten und Medieninhalten steuert. Seit wann diese Vorstellung auch in der kommunikationswissenschaftlichen Theorie verankert ist und welche Überlegungen dazu geführt haben, wird im Folgenden erörtert, wobei sich die Diskussion an drei Ansätzen der Kommunikationswissenschaft orientiert. Dem schließt sich ein Exkurs zur Funktion der Massenmedien in modernen Gesellschaften an sowie ein Überblick über empirische Untersuchungen, der ein tieferes Verständnis vermittelt, in welcher Weise das Journalistenimage den Kommunikationsprozess beeinflusst. 2.3.1 Feldschema der Massenkommunikation Bereits Anfang der 1960er-Jahre berücksichtigt Gerhard Maletzke im so genannten Feldschema der Massenkommunikation, dass das Bild des Kommunikators beim Rezipienten im massenmedialen Prozess von Bedeutung ist: „Schließlich wird der Prozeß der Massenkommunikation durch die Bilder modifiziert, die sich die Kommunikationspartner voneinander machen, also durch das Bild vom Rezipienten beim Kommunikator und durch das Bild vom Kommunikator beim Rezipienten.“ [Hervorhebung im Original] (Maletzke, 1963, S. 41)
Dabei erkennt er auch die Bedeutung der Rolle, die der Rezipient dem Kommunikator zuspricht. So sei es wichtig, „... ob er ihn als neutralen Informationsvermittler oder als Propagandisten betrachtet, als Freund und Berater oder als Vertreter der Obrigkeit, als Geschäftsmann oder als Künstler.“ (Maletzke, 1963, S. 117) Außerdem besäße der Rezipient, so Maletzke, nicht nur ein Bild vom Kommunikator als Persönlichkeit, sondern auch von einzelnen Medieninstitutionen:
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Allerdings versteht Maletzke unter dem Begriff des Kommunikators nicht zwangsläufig den Journalisten als Medienakteur, sondern unterscheidet zwischen „... Kommunikatoren, die namentlich genannt werden und die die jeweilige Aussage selbst produziert haben (Leitartikler, Rundfunkkommentator); Kommunikatoren, die wesentlich an der Aussage beteiligt sind und auch genannt werden, selbst aber nicht erscheinen (Filmautor, Regisseur); Kommunikatoren, die genannt werden und in Person auftreten, aber im wesentlichen nicht ‘produzieren’, sondern ‘reproduzieren’ oder ‘interpretieren’ (Rundfunksprecher, Schauspieler); Personen, die keine professionellen Kommunikatoren sind, sondern nur gelegentlich in Aussagen der Massenkommunikation auftreten (Politiker im Interview); Personen, die in öffentlichen Veranstaltungen auftreten, von denen die Massenmedien berichten (Redner, Sänger, Sportler).“ (Maletzke, 1963, S. 111) Dabei macht Maletzke darauf aufmerksam, dass die ablaufenden Prozesse zwischen den Faktoren „Kommunikator“, „Aussage“ und „Rezipient“ nicht mehr mit der „Denkkategorie der einfachen Kausalität“, dem einfachen Ursache-Wirkungs-Modell zu erklären seien. Vielmehr habe man von Interdependenzen zwischen diesen Variablen auszugehen (vgl. Maletzke, 1963, S. 19). In seinen Ausführungen bedauert Maletzke ausdrücklich, dass Einzelheiten über die Beziehung zwischen Rezipient und Kommunikator und somit auch über das beim Rezipienten vorhandene Bild des Kommunikators kaum bekannt seien. Dies führt er auf mehrere Gründe zurück, die wohl auch heute noch weitgehende Gültigkeit besitzen, auch wenn durch innovative Techniken wie E-Mail oder Internet die Interaktionen zwischen Rezipienten und Journalisten zugenommen haben dürften. So verweist Maletzke einerseits auf den Umstand, dass die Kommunikationspartner im Prozess der Massenkommunikation durch die Zwischenschaltung eines Mediums räumlich und zum Teil auch zeitlich voneinander getrennt sind. Außerdem verlaufe, so der Autor, die massenmediale Kommunikationsrichtung in der Regel einseitig, nämlich vom Kommunikator zum Rezipienten. Die Beziehung zwischen beiden Kommunikationspartnern sei aber auch deshalb kompliziert, weil der „Normalverbraucher“ die Arbeit der Kommunikatorseite nur unvollkommen, einseitig und verzerrt wahrnehmen würde (vgl. Maletzke, 1963, S. 111). Maletzke formuliert daher die nahe liegende Frage:
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„Wie sieht nun das Bild aus, das sich der Rezipient unter den spezifischen Bedingungen der Massenkommunikation vom Kommunikator formt? Welches ‘Image’ vom Kommunikator baut der Rezipient auf?“ (Maletzke, 1963, S. 112)
Eine präzise Antwort bleibt er allerdings schuldig, auch wenn er davon überzeugt ist, dass es ein solches Image geben muss: „Begegnen sich zwei Menschen von Angesicht zu Angesicht, so entwickelt sich bei beiden – oft äußerst schnell und differenziert, wenn auch selten klar bewußt und verbalisierbar – ein Bild vom Partner.“ (Maletzke, 1963, S. 112)
Das passende Argument für seine Annahme findet Maletzke im Psychologie-Lexikon von Hofstätter (1957), genauer genommen unter dem Eintrag „Erster Eindruck“: „Richtig ist, daß der innerhalb sehr kurzer Zeit gewonnene Eindruck von einem bisher gänzlich unbekannten Menschen erstaunlich reichhaltig, in sich ziemlich widerspruchsfrei und daher subjektiv sehr sicher zu sein pflegt.“ (Hofstätter, 1957, S. 97)
In seinen theoretischen Ausführungen spricht Maletzke dem Radio und dem damals noch relativ jungen Fernsehen besondere Möglichkeiten zu, zum Bild des Kommunikators beim Rezipienten beizutragen. Dabei erkennt er, dass das Radio das Informationsmaterial für den Rezipienten allein auf den akustischen Reiz reduziert. Doch nimmt er an, dass „dem Menschen eine sehr urtümliche Tendenz eigen [ist], sich eine Person, die man nur sprechen hört, auch in ihrer äußeren Erscheinung sowie als Persönlichkeit vorzustellen …“ (Maletzke, 1963, S. 113) Für das akustisch bedingte Bild vom Kommunikator beim Rezipienten wählt Maletzke dementsprechend auch die Bezeichnung „auditives Image“ und beklagt den spärlichen Forschungsstand zu dieser „... ausdruckpsychologisch bedeutsamen Frage, ob und wieweit die Vorstellung vom Sprecher auch zutrifft, ob es also möglich ist, auf Grund [sic] von Stimme und Sprechweise zuverlässige Aufschlüsse über Aussehen und Persönlichkeit des Sprechers zu gewinnen.“ (Maletzke, 1963, S. 113)
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Als Grundlage für die Annahme eines auditiven Images dient Maletzke wissenschaftliche Literatur zum Thema „Ausdruckstheorie“. Außerdem bezieht er sich auf internationale Studien der Psychologie und der damals noch relativ jungen Kommunikationswissenschaft. So verweist er in dem Zusammenhang unter anderem auf ein Hörstück-Experiment von Kerr und Pear (1931), in dem die Forscher untersucht hatten, welche Vorstellungen die Zuhörer allein aufgrund der akustischen Reize von den Protagonisten besaßen. Dabei hatte sich gezeigt, dass die Probanden durchaus lebendige Vorstellungen („vivid visual imagery“) von den Charakteren der Sprecher entwickelten und mit den gehörten Stimmen vielfältige emotionale Sinneseindrücke („synaesthesia“) verbanden (vgl. Kerr & Pear, 1931, S. 54). Darüber hinaus bezieht sich Maletzke bei seinen Ausführungen auf eine Studie von Herta Herzog (1933). In einem Experiment mit 2700 Wiener Radiohörern hatte Herzog zeigen können, dass die Versuchsteilnehmer andere Personen nur anhand der Stimme in Fragen wie Körperbau und Größe, aber auch in Details des Aussehens „überraschend richtig“ einschätzten, jedoch nicht ohne „arge Fehldeutungen“ (vgl. Herzog, 1933, S. 327). Außerdem verweist Maletzke auf die erstmals 1933 veröffentlichte Studie von Cantril und Allport (1971). In dem Experiment von Cantril und Allport hatten die Versuchsteilnehmer nur anhand des akustischen Reizes der Stimme verschiedene Sprecher in ihren physischen und psychischen Eigenschaften („physical and expressive features“) wie Körperbau, Alter und Handschrift zu beurteilen sowie ihre Interessen und Wesenszüge („interests and traits“) zu benennen. Aus ihren Befunden hatten die Forscher schließlich gefolgert, dass die Stimme eines Menschen anderen Personen durchaus korrekte Informationen über dessen Eigenschaften liefern könne und dass Fehleinschätzungen meistens von allen geteilt würden (vgl. Cantril & Allport, 1971, S. 122–123). Letztere Erkenntnis deckt sich mit den Befunden der französischen Wissenschaftler des Centre d’ Etudes radiophoniques (vgl. Fuzellier, 1954, 1956), die Gerhard Maletzke als ein weiteres Argument für die Annahme eines auditiven Images heranzieht: „… si l’on demande à un public-témoin de décrire l’image qu’il se fait d’un inconnu dont il vient d’entendre la voix enregistrée, ce public le décrira le plus souvent d’une façon très éloignée de la réalité. Mais ces descriptions concordent entre elles. C’est-à-dire que la grande majorité de ce public imagine, d’après cette voix, un même personnage.” [Hervorhebung im Original] (Fuzellier, 1954, S. 108)
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Dem widersprachen allerdings die Ergebnisse eines Experiments von Fay und Middleton (1944), das Maletzke zwar ebenfalls als Argument für die Annahme eines auditiven Images anführt, bei denen es den Versuchsteilnehmern aber nicht möglich gewesen war, das Selbstvertrauen von verschiedenen Sprechern nur anhand ihrer Stimme zu erkennen. Dennoch kommt Maletzke zu dem Schluss, „… daß das auditive Image einer Person sich keineswegs wahllos und zufällig, sondern durchaus nach faßbaren Regeln aufbaut“ (Maletzke, 1963, S. 114), dass jedoch der Themenkomplex „Stimme und Personvorstellung“ noch als weitgehend unerforscht gelten müsse. Dem Fernsehen attestiert Maletzke von allen Medien die besten Möglichkeiten, zur Entwicklung des Bildes vom Kommunikator beim Rezipienten beizutragen, und begründet dies mit dem audiovisuellen Charakter des Mediums (vgl. Maletzke, 1963, S. 114-116). Bei seiner Argumentation stützt er sich vor allem auf ältere empirische Studien zur imagebildenden Funktion des Fernsehens im Bereich der politischen Kommunikation, unter anderem auf die Studie von Lang und Lang (1961). Sie hatten im Rahmen des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs 1960 die Reaktionen von 95 New Yorker Fernsehzuschauern auf die Fernsehdebatten der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten John F. Kennedy und Richard Nixon untersucht. Dabei hatten sie belegen können, dass das Image von Nixon, der vor den Fernsehdebatten als „Meister-Diskutierer“ und „Fernsehpolitiker par excellence“ gegolten hatte, durch seinen ersten Auftritt zerstört worden war und selbst bei Parteianhängern der Republikaner ungünstiger ausfiel als vorher, dass sich aber die Wahlabsichten der Zuschauer nicht in dem Maße geändert hatten wie ihre Bilder von den Politikern (vgl. Lang & Lang, 1961, S. 268–269). Nach Maletzkes Ansicht zeigt diese Studie – auch wenn sie sich auf das Image von Politikern bezieht – besonders gut, wie viele Faktoren zur Imagebildung des Kommunikators beim Rezipienten beitragen, „… wie die Zuschauer teils erst ein Image aufbauen, teils ein bereits vorhandenes Image verstärken und präzisieren oder auch umstrukturieren …“ (Maletzke, 1963, S. 115) Die Ausführungen von Maletzke machen deutlich, dass die Idee, das Image vom Kommunikator beim Rezipienten würde den Massenkommunikationsprozess beeinflussen, schon relativ früh in der kommunikationswissenschaftlichen Theorie verankert worden ist. Den Anstoß dafür lieferten empirische Befunde aus den 1930er-Jahren. Dennoch sind seit der ersten
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Veröffentlichung des theoretischen Ansatzes von Maletzke bis heute über vierzig Jahre vergangen, ohne dass sich die Kommunikationswissenschaft den daraus resultierenden Forschungsfragen in erschöpfender Weise gewidmet hat (vgl. Kapitel 2.6). Dabei stellen Maletzkes Überlegungen durchaus sinnvolle Anregungen dar, die es zu ergründen gilt. So ist tatsächlich zu vermuten, dass das Bild des Kommunikators beim Rezipienten durch den Charakter des Mediums bedingt wird (z. B. durch die audiovisuellen Gestaltungsmöglichkeiten des Fernsehens). Es dürfte umso deutlicher ausfallen, je mehr Informationen es dem Rezipienten über den Kommunikator (z. B. über dessen Aussehen, Mimik, etc.) liefert. Man kann daher annehmen, dass vor allem Fernsehjournalisten, und hier vor allem diejenigen, die vor der Kamera tätig sind, das Image des journalistischen Berufsstands in entscheidender Weise prägen. Der audiovisuelle Charakter des Fernsehens bietet dem Rezipienten neben der persönlichen Begegnung mit einem Journalisten zweifelsohne die – im wahrsten Sinne des Wortes – anschaulichste Möglichkeit, sich ein Bild vom journalistischen Berufsstand zu machen. Außerdem erwähnt Maletzke bereits die imagebildende Funktion des journalistischen Rollen- und Aufgabenverständnisses, die der Rezipient bei seinem Gegenüber vermutet. Das Feldschema von Maletzke wirft also zweifelsohne zahlreiche Fragen auf. Dennoch kann es nicht als alleinige Grundlage für eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Image von Journalisten als Wirkungsfaktor dienen. Hier sei vor allem auf den von Maletzke selbst kritisierten Umstand verwiesen, „… daß dieses Modell sich auf die Faktoren und Prozesse im individuellen Bereich beschränkt und größere soziale Zusammenhänge nicht hinreichend berücksichtigt.“ (Maletzke, 1981, S. 15) 2.3.2 Funktionalpublizistischer Ansatz Mit seinem Ansatz zu einem funktionalpublizistischen Modell kann Henk Prakke (1968) dieses theoretische Defizit schließen. So bezieht er in sein Schema auch das sozio-kulturelle System mit ein, das mit dem Zeichensystem (z. B. Sprache, Bilder etc.), dem Vermittlungskanal der Aussage, dem Kommunikator sowie dem Rezipienten interagiert. Unter dem soziokulturellen System versteht er dabei die sozialen und kulturellen Trends, das „Weltbild“ einer Kulturepoche, von dem er annimmt, dass es sich nicht nur in der Publizistik widerspiegelt, sondern auch durch diese geprägt wird (vgl.
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Prakke, 1968, S. 92 und S. 99-101). Somit umfasst Prakke mit seinem Ansatz den gesamten publizistischen Prozess einer Gesellschaft und folgt damit seinem Postulat einer funktionalen Publizistikwissenschaft, die er ansieht als „… die Lehre von der zwischenmenschlichen Kommunikation, besonders in ihren öffentlichen Leistungen als Informator, Kommentator und Sozius – und deren gesellschaftlicher Regelung.“ [Hervorhebung im Original] (Prakke, 1968, S. 60) In seinem Ansatz betrachtet Prakke Kommunikator und Rezipient als Träger publizistischen Handelns auf gleichem Niveau, „… die sich auf einer horizontalen Ebene im gesellschaftlichen Zwiegespräch begegnen.“ [Hervorhebung im Original] (Prakke, 1968, S. 58) Damit verleiht er dem Rezipienten ein deutlich stärkeres Gewicht als Maletzke, der sich allein auf Massenkommunikation beschränkt und diese noch als einseitig verlaufenden Prozess vom Kommunikator hin zum Rezipienten versteht, „… ohne Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem.“ (Maletzke, 1963, S. 32) Ähnlich wie Maletzke macht auch Prakke darauf aufmerksam, dass man nicht alleine die Aussage des Kommunikators als wirkungsrelevante Größe betrachten könne, sondern „… daß bestimmte Eigenschaften und Attribute des Kommunikators als intervenierende Variable in den Wirkungsprozeß einfließen.“ (Prakke, 1968, S. 108) So würden unter anderem das unterschiedlich hohe Prestige und die davon abhängige Glaubwürdigkeit verschiedener Kommunikatoren aus der Sicht des Publikums unterschiedliche Wirkungen derselben Aussage zur Folge haben. Als Argumentation für seine Behauptung führt er die Befunde der so genannten Yale-Gruppe um Carl I. Hovland an, die bereits Anfang der 1950er-Jahre in sozialwissenschaftlichen Experimenten hatte zeigen können, wie die Glaubwürdigkeit eines Kommunikators die Akzeptanz von Aussagen – zumindest auf kurzfristige Sicht – beeinflusst (vgl. Prakke, 1968, S. 109; Hovland & Weiss, 1951/52; Kelman & Hovland, 1953; Kapitel 2.3.5). Darüber hinaus betont Prakke ebenso wie Maletzke, dass das Bild des Kommunikators auch vor der Aufnahme von Kommunikationsinhalten wirke, da es das Selektionsverhalten des Rezipienten steuere. Der Autor spricht in dem Zusammenhang auch von „Stereotypen“ und „Vorurteilen“, die Rezipienten gegenüber Kommunikatoren entwickeln, wobei er erstere als „personenbezogene, dauerhafte Meinungs- und Einstellungsfestlegungen“ definiert und dabei auch auf den Imagebegriff verweist (vgl. Prakke, 1968, S. 109 und 160). Allerdings verleiht er dem Bild des Kommunikators beim Rezipienten – anders als Maletzke – nicht so viel
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Gewicht, dass er es als einen eigenständigen Faktor in sein Schema integriert. Sowohl Maletzke als auch Prakke erwähnen in ihren theoretischen Ausführungen die Bedeutung des Faktors „Zeit“ für den Prozess der Massenkommunikation. So stellt Maletzke fest: „Das Beziehungsfeld der Massenkommunikation ist zu verstehen als ein kompliziertes dynamisches System von Dependenzen und Interdependenzen der beteiligten Faktoren.“ (Maltzke, 1963, S. 37)
Und auch Prakke macht deutlich, dass sein Schema „… ein sich ständig wandelndes Kommunikationssystem in einer sich wandelnden Gesellschaft dar[stellt].“ (Prakke, 1968, S. 103) Dennoch kann man beide Ansätze als einen statischen Querschnitt zu einem beliebigen Zeitpunkt des Kommunikationsprozesses lesen. Aus diesem Grunde scheinen die kommunikationswissenschaftlichen Schemata der 1960er-Jahre weder dazu geeignet, die Entwicklung des Images vom Kommunikator beim Rezipienten zu erklären, noch den kurzfristigen Einfluss dieses Bildes auf den Wirkungsprozess zu verdeutlichen. 2.3.3 Dynamisch-transaktionaler Ansatz Dies gelingt auf Grundlage des dynamisch-transaktionalen Ansatzes von Früh und Schönbach (1982; 2005; Schönbach & Früh, 1984), der nicht nur dem prozessualen Charakter des Massenkommunikationsprozesses Rechnung trägt, sondern auch das Bild vom Kommunikator beim Rezipienten als Wirkungsfaktor berücksichtigt. Zusammengefasst handelt es sich bei diesem hochkomplexen Ansatz „... um eine Kombination von Wirkungs- und ‘uses and gratifications’-Ansatz, bei der beide Perspektiven jedoch nicht als alternierende Beschreibungs- und Erklärungsmöglichkeiten gesehen werden, sondern vielmehr als gleichzeitig relevante, sich wechselseitig beeinflussende und bedingende Modellkomponenten.“ (Früh & Schönbach, 1982, S. 85) So erklären Früh und Schönbach die Wirkung einer Meldung, die beim Rezipienten zufällig für Aufmerksamkeit sorgt, mit dem die Anfangsjahre der Kommunikationswissenschaft dominierenden Stimulus-Response-Modell, das von einer direkten Einflussnahme des Medieninhalts auf den Rezipienten ausgeht – „… a one-to-one relationship between the content of the
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media and their impact on the public.“ (Bauer & Bauer, 1960, S. 7) Das gesteigerte Interesse des Rezipienten an einem Thema und seine dadurch bedingte Zuwendung zu anderen Medien sprechen sie hingegen dem Nutzen- und Belohnungsansatz zu, der in den 1960er-Jahren aufkam und die kommunikationswissenschaftliche Theorie in den Folgejahren beherrschte. Dieser Ansatz sieht den Rezipienten nicht mehr als ein passives Element im Wirkungsprozess an, sondern unterstellt vielmehr, dass das Publikum die Medien aktiv zur Befriedigung seiner Bedürfnisse („needs“) nutzt, dass also die Ansprüche und Wünsche des Rezipienten als intervenierende Variablen in den Wirkungsprozess eingreifen (vgl. Elliott, 1974; Renckstorf, 1973). Abbildung 1: Grundmuster des dynamisch-transaktionalen Ansatzes (in Anlehnung an Früh & Schönbach, 1982, S. 78)
Rezipient
Kommunikator/Medium
Aktivation
Transaktion 2: Intra-Transaktion
Transaktion 1: Reale und imaginäre Inter-Transaktion (Para-Feedback) Stimulation/Manipulation Interpretation (Selektion/Elaboration)
Medienbotschaft
Wissen
Ausgehend von einer Kombination dieser beiden Modelle unterscheiden Früh und Schönbach in ihrem Ansatz zwischen zwei Arten von Transaktionen (vgl. Abbildung 1). Transaktion 1 umschreibt dabei den real oder imaginär ablaufenden Austauschprozess zwischen Kommunikator/Medium und Rezipient, wobei die Medienbotschaft den Rezipienten im Sinne des Stimu-
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lus-Response-Modells stimuliert und manipuliert. Transaktion 2 steht für den Austauschprozess zwischen dem Wissen und dem affektiven Zustand des Rezipienten wie Stress oder Müdigkeit (Aktivation). Diese Transaktion hat wiederum einen Einfluss darauf, welche Medienbotschaft der Rezipient wahrnimmt und wie er sie interpretiert, wirkt also zurück auf Transaktion 1 (vgl. Früh & Schönbach, 1982, S. 78-79). In einem späteren Beitrag sprechen Früh und Schönbach auch von Inter-Transaktionen und IntraTransaktionen im Wirkungsprozess, wobei sie betonen, dass IntraTransaktionen allein im kognitiven System des Rezipienten ablaufen und mit der eigentlichen Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern nichts zu tun haben (vgl. Früh, 1991, S. 42 und 53; Schönbach & Früh, 1984, S. 315). Verankerung des Journalistenimages im dynamisch-transaktionalen Ansatz Wie ist nun das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten als Wirkungsfaktor im dynamisch-transaktionalen Ansatz verankert, sucht man doch darin nach dem Ausdruck „Image“ vergebens? Eine Antwort liefern die theoretischen Ausführungen von Früh und Schönbach, wo man in Zusammenhang mit dem Begriff der imaginären Inter-Transaktion (Transaktion 1) auf das so genannte „Para-Feedback“ stößt. Unter Para-FeedbackProzessen verstehen Früh und Schönbach „… Vorstellungen, Vorannahmen, Erwartungen und Vorurteile, die Kommunikator wie Rezipient auf den Kommunikationsvorgang beziehen.“ (Früh & Schönbach, 1982, S. 80) Die Forscher unterstellen dabei, dass das Para-Feedback wirkt, noch bevor der Kommunikator seine Aussage produziert oder der Rezipient die Botschaft aufnimmt. Sie folgen damit dem Maletzke-Modell sowie dem funktionalpublizistischen Ansatz. Der Faktor fungiere, so die Autoren, losgelöst vom eigentlichen Kommunikationsvorgang und somit unabhängig von einer zeitlichen Abfolge, was ihm einen „besonderen Charakter“ verleihe (vgl. Früh & Schönbach, 1982, S. 80). Folgt man dem dynamisch-transaktionalen Ansatz, so entspricht das Image von Journalisten als Wirkungsfaktor einem Teilaspekt des ParaFeedbacks, nämlich der Perspektive aus der Sicht des Rezipienten. Es handelt sich dabei gewissermaßen um ein in der Vorstellungswelt des Rezipienten vorhandenes Konstrukt aus Einstellungen, Vorstellungen, Gefühlen und
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objektiv richtigem und falschem Wissen in Bezug auf Journalisten und Journalismussystem (vgl. Kapitel 2.1), das als Ergebnis von realen InterTransaktionen zwischen den Kommunikationspartnern anzusehen ist. Nicht umsonst betonen Früh und Schönbach, dass das Bild des Kommunikators beim Rezipienten beziehungsweise das Bild des Rezipienten beim Kommunikator nicht nur Basis, sondern auch das Produkt von Inter-Transaktionen sei (vgl. Früh & Schönbach, 1984, S. 315.) Der dynamisch-transaktionale Ansatz ist damit eng verknüpft mit dem Konzept der parasozialen Interaktion (PSI) (vgl. Hartmann, Schramm & Klimmt, 2004). Demnach neigt jeder Rezipient dazu, sich mehr oder weniger intensiv mit so genannten Medienpersonae – beispielsweise Moderatoren, Schauspielern, aber auch Journalisten – auseinanderzusetzen. Wie intensiv diese Auseinandersetzung ausfällt, hängt sowohl von den Eigenschaften des Rezipienten als auch von der Persistenz der Medienpersona ab und davon, ob diese den Rezipienten in der eigentlichen Kommunikationssituation direkt anspricht (Adressierung). Hartmann, Schramm und Klimmt unterscheiden hier zwischen zwei Ebenen der parasozialen Interaktion: so genannten „High-Level-PSI“- und „Low-Level-PSI“-Prozessen. Entscheidend hierfür ist, wie stark die Auseinandersetzung des Rezipienten mit der Medienpersona sein Denken, seine Gefühle und sein Verhalten berührt. Das Ergebnis der Auseinandersetzung mit Medienpersonae sind Informationen, aus denen im Laufe der Zeit ein Beziehungsschemata entsteht, das zur individuell-kognitiven Basis einer parasozialen Beziehung werden kann (vgl. Hartmann, Schramm & Klimmt, 2004, S. 42). Statt von Informationen könnte man in diesem Zusammenhang auch vom Image der Medienpersonae aus der Sicht des Rezipienten sprechen. Einen Fortschritt zu den beiden älteren kommunikationswissenschaftlichen Ansätzen stellt der dynamisch-transaktionale Ansatz insofern dar, als dass die Autoren das Para-Feedback als abhängig betrachten von Austauschprozessen, die sich zwischen dem Wissen und der Aktivation des Rezipienten abspielen (Intra-Transaktionen). Dadurch lässt sich die Entwicklung und Modifizierung des Images von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten sinnvoll erklären, wobei der zeitliche Horizont langfristig zu verstehen ist. Der Zusammenhang wird deutlich, wenn man die Begriffe „Aktivation“ und „Wissen“ nochmals differenzierter betrachtet, wie Früh (1991) dies in seiner Monographie zum dynamisch-transaktionalen Ansatz getan hat.
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Der Begriff „Wissen“ umfasst demnach das Fakten-, Struktur- und Hintergrundwissen, das themenspezifische Wissen sowie das themenunabhängige Allgemeinwissen des Rezipienten, der Ausdruck „Aktivation“ hingegen die physiologischen Zustände des Rezipienten, seine Konzentrationsfähigkeit sowie sein affektives beziehungsweise emotionales Befinden (vgl. Früh, 1991, S. 64). Wenn man nun unterstellt, dass ein Rezipient mit einem umfangreichen Allgemeinwissen wohl auch ein gesteigertes Interesse an seiner Umwelt (z. B. Politik, Wirtschaft, Sport etc.) hat, so dürfte wahrscheinlich dessen Bild von Journalisten umfassender und präziser ausfallen als das eines Menschen, der sich für solche Themen kaum oder gar nicht interessiert. Der interessierte Rezipient wird sich wahrscheinlich öfter und intensiver den Medien zuwenden, weil er sich meist nur dort über die entsprechenden Themen informieren kann. Es kommt langfristig betrachtet zu häufigeren realen und meist massenmedial vermittelten Inter-Transaktionen zwischen ihm und Journalisten als Produzenten der Medienaussagen. Sein Journalistenbild dürfte dementsprechend klarer umrissen sein als das eines Menschen, der sich kaum oder gar nicht für seine Umwelt interessiert. Das Image von Journalisten als Teilaspekt des Para-Feedbacks beziehungsweise der imaginären Inter-Transaktion zwischen den Kommunikationspartnern wird somit durch Intra-Transaktionen beeinflusst, die sich im psychologischen System des Rezipienten abspielen. Es wirkt aber auch auf diese zurück, indem es unter Umständen das Interesse des Rezipienten an bestimmten Themen weckt und somit sein Medienverhalten und seine Verarbeitung von medienvermittelten Inhalten beeinflusst. Das Image von Journalisten kann daher auch als ein besonderer, nämlich zeitlich unabhängiger, aber unter langfristiger Sicht veränderbarer Wirkungsfaktor mit vielfältigen Wechselbeziehungen aufgefasst werden, der aktiv auf andere Faktoren einwirkt und passiv durch solche verändert wird. Gesellschaftspolitische Relevanz des Faktors „Journalistenimage“ Der dynamisch-transaktionale Ansatz bietet den Vorteil, dass er sich – ähnlich wie der funktionalpublizistische Ansatz – auch auf die gesellschaftliche Ebene projizieren lässt. So präzisiert Früh (1991) in seiner Monographie, dass der einzelne Rezipient Teil des dispersen Publikums ist, das in westlichen Industrienationen nahezu dem System Öffentlichkeit entspricht. Das
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Medienpublikum und die Bevölkerung westlicher Industrienationen, so Früh, seien weitgehend eins (vgl. Früh, 1991, S. 70). Geht man nun davon aus, dass das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten zwar individuell geprägt ist, aber dennoch gemeinsame Strukturen mit dem Journalistenbild anderer Rezipienten aufweist, so ergeben sich daraus Konsequenzen für die Beziehung zwischen Öffentlichkeits- und Journalismussystem. Wüsste man nämlich um die Gemeinsamkeiten in den Vorstellungen und Einstellungen des Publikums gegenüber Journalisten und somit um das Image des Berufsstands in der Bevölkerung, so ließe sich daraus ein Hinweis erhalten, ob der Austauschprozess zwischen beiden Systemen intakt ist. Dieser Zusammenhang erfährt deshalb besondere Bedeutung, da die Massenmedien und mit ihnen die Journalisten in modernen Demokratien wichtige gesellschaftliche Funktionen übernehmen. 2.3.4 Exkurs: Funktion und Bedeutung der Massenmedien „Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.“ (Deutscher Presserat, o. J., S. 4)
So lautet Ziffer 1 der Publizistischen Grundsätze, des so genannten Pressekodex des Deutschen Presserats, an denen sich nicht nur die Vertreter der Printmedien orientieren sollten, sondern grundsätzlich alle Journalisten. Denn sie informieren die Menschen über Ereignisse – beispielsweise über politische Entscheidungen, sportliche Wettkämpfe oder die neuesten Entwicklungen an der Börse –, die sich dem Einzelnen in den meisten Fällen verschließen. Man muss sich zwangsläufig darauf verlassen, dass sich die Dinge, die die Medien berichten, so ereignet haben, wie sie berichtet werden – anders ausgedrückt: dass die Berichte der Journalisten „wahr“ sind. Doch was bedeutet eigentlich Wahrheit im Journalismus? Entsprechen die Meldungen der Medien tatsächlich dem, was in der Welt geschieht? Die Forschungsliteratur resümiert zu dieser bedeutsamen Frage, dass die Massenmedien in der Regel die „objektive“ Wirklichkeit nicht repräsentieren: „Die in den Medien dargebotene Wirklichkeit repräsentiert in erster Linie die Stereotype und Vorurteile der Journalisten, ihre professionellen Regeln und politischen Einstellungen, die Zwänge der Nachrich-
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Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess tenproduktion und die Erfordernisse medialer Darstellung.“ (Schulz, 1989, S. 139)
Medien können demnach nicht die „wahre“ Realität abbilden. Dennoch sind sie für die Gesellschaft von großer Bedeutung, da Journalisten täglich neu über den Blick der Menschen auf die Welt entscheiden. Damit übernehmen sie besondere Verantwortung. Dies gilt insbesondere für den Fortbestand demokratischer Gesellschaften. Massenmedien und Meinungsbildung in modernen Demokratien Etymologisch betrachtet bedeutet das Wort „Demokratie“ nichts anderes als die „Herrschaft des Volkes“. Damit ist also ein politisches Herrschaftssystem gemeint, „… in dem kollektiv bindende Entscheidungen auf der Willensbekundung der Bürger beruhen.“ (Voltmer, 1998/99, S. 18) In modernen Demokratien wie der Bundesrepublik Deutschland wird dabei die Partizipation der Bürger durch das Repräsentationsprinzip sichergestellt. Politische Entscheidungen werden – bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Bürgerentscheide) – nicht direkt durch die Bürger, sondern durch die vom Volk gewählten Repräsentanten gefällt. Dabei basiert die Entscheidung, wer als Repräsentant die Regierung bildet, auf einem pluralistischen Wettbewerb der Politiker beziehungsweise der Parteien um die Gunst der Wähler. Dieses Prinzip soll sicherstellen, dass die Bürger zwischen alternativen politischen Kursen wählen können und die Wahl eine tatsächliche Entscheidung ist. Das Repräsentationsprinzip mit Mehrheitsregel und pluralistischem Wettbewerb ist der bislang beste „Entscheidungsmechanismus“, mit dem das Problem moderner Demokratien gelöst werden kann, nämlich die Massen trotz zunehmender gesellschaftlicher Komplexität an Wahlen zu beteiligen (vgl. Voltmer 1998/99, S. 18–19). Um seiner Rolle als mündiger im Sinne von informierter und zwischen politischen Alternativen abwägender Bürger gerecht zu werden, muss sich der Wähler eine Meinung über die politische Situation des Landes bilden. Dabei ist er auf Kommunikation angewiesen: auf Gespräche mit anderen, vor allem aber auf die Kommunikationsleistung der Massenmedien. Ohne sie wären moderne Demokratien nicht denkbar (vgl. Beierwaltes, 2000, S. 203). Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen
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immer wieder die Meinungsfreiheit als ein konstituierendes Freiheitsrecht herausgestellt (vgl. Beierwaltes, 2000, S. 34). Die Massenmedien übernehmen dabei die Funktion eines Mittlers zwischen Wählern und politischen Akteuren. Klingemann und Voltmer (1998) beschreiben die Wahlkampfkommunikation daher auch als ein Handlungssystem, in dem Medien, Parteien und Wähler in einer Art „Dreiecksbeziehung“ zueinander stehen. Dieses Schema verdeutlicht, dass die Parteien sowohl in direkten Kontakt mit den Bürgern treten (z. B. auf Wahlveranstaltungen), mit ihnen aber auch – und wohl deutlich häufiger – indirekt über die Massenmedien kommunizieren (vgl. Klingemann & Voltmer, 1998, S. 396-397). So erfahren Politiker in der Regel über die Medien von den Wünschen der Wähler, die Wähler hingegen von den Zielen der Parteien. Die Massenmedien agieren dabei aber nicht nur als reine Informationsvermittler, sondern wählen Inhalte bewusst aus und erklären Zusammenhänge. Sie helfen so den Bürgern, das Berichtete besser zu verstehen und einzuordnen. Außerdem liefern die Medien Themen für Gespräche unter den Bürgern, da nicht selten in persönlichen Kontakten Dinge aufgegriffen werden, die in den Medien gerade präsent sind. Und auch innerhalb des politischen Systems spielen die Massenmedien eine wichtige Rolle. So erfahren Politiker teilweise erst durch sie von Handlungen und Zielen des politischen Gegners. Teilweise werden die Medien sogar ganz bewusst dafür eingesetzt, die politische Konkurrenz zu schwächen oder öffentliche Debatten in eine bestimmte Richtung zu lenken (vgl. Voltmer, 1998/99, S. 31). Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürger in die Massenmedien Wie die theoretischen Ausführungen zur Wirkung des Kommunikatorimages im Kommunikationsprozess verdeutlich haben, beeinflusst dieser Faktor nicht nur die Auswahl der Kommunikationsinhalte durch den Rezipienten. Auch die Art und Weise, wie Rezipienten Botschaften interpretieren, ist davon abhängig. Dieser Wirkungszusammenhang gilt auch für den Kommunikationsprozess der Massenmedien, auf dem das demokratische System maßgeblich basiert. Der Austauschprozess zwischen Wählern und Politikern hängt somit auch vom Verhältnis der Rezipienten zum Journalismussystem ab. Man könnte auch sagen: vom Image der Medien und Medienakteure aus der Sicht des Wählers. Angenommen, die Wähler würden dem System Jour-
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nalismus, das heißt den Medienakteuren und ihren Aussagen nicht mehr vertrauen, würde der Kommunikationsprozess zwischen beiden Lagern ins Stocken geraten. Kritische Stimmen, die davor warnen, dass das Handlungsdreieck zwischen Wählern, Medien und politischen Akteuren tatsächlich nicht mehr intakt ist, werden immer wieder laut. Kritiker beschwören den Verfall der traditionellen Parteien, die zur Geisel der Medien würden. Die Demoratie verkäme zur „Mediokratie“ (Mazzoleni, 1998, S. 107) oder „Mediendemokratie“ (Sarcinelli, 1998). Auch wenn einiges dafür spricht, dass es sich hierbei nur um einen Veränderungsprozess der politischen Kultur und Struktur handelt, den man nicht als „Ende der Parteiendemokratie“ missverstehen sollte (vgl. Sarcinelli, 1998, S. 274), dürften solche Diskussionen das Vertrauen der Bürger in die Medien nicht gerade stärken. Dies könnte fatale Folgen haben. Denn würden Bürger an der Aufrichtigkeit und dem guten Ansinnen der Journalisten und ihrer Aussagen zweifeln, wäre die Willensbildung der Wähler im Sinne des demokratischen Systems somit nicht sichergestellt. Die Idee der Demokratie wäre auf lange Sicht untergraben. 2.3.5 Experimente zur Wirkung des Kommunikatorimages Einen ersten Nachweis für die Wirkung des Bildes vom Kommunikator beim Rezipienten lieferten sozialwissenschaftliche Experimente schon Anfang der 1950er-Jahre. So gingen damals Hovland und Weiss (1951/52) der Frage nach, wie sich eine aus Sicht des Rezipienten hohe beziehungsweise niedrige Glaubwürdigkeit des Kommunikators auf die Akzeptanz von Meinungen auf Seiten des Empfängers auswirkt und wie sich Meinungen beim Rezipienten im Zeitverlauf verändern. Unter dem Begriff der Glaubwürdigkeit verstanden sie dabei das Ausmaß an Vertrauenswürdigkeit („trustworthiness“), das der Rezipient dem Kommunikator zuschreibt. Hintergrund der Untersuchung war die Annahme, dass Menschen grundsätzlich skeptisch sind gegenüber den Motiven des Kommunikators, dass sie aber im Zeitverlauf die Quelle einer Aussage vergessen und sich vornehmlich daran erinnern, was inhaltlich kommuniziert wurde. Dementsprechend müsse sich, so die Forscher, bei Personen, die mit der Aussage eines unglaubwürdigen Kommunikators konfrontiert werden, eine Anpassung an dessen Meinung erst im Laufe der Zeit einstellen. Dann nämlich würde die Bedeutung des
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(negativen) Images des Kommunikators in den Hintergrund treten – ein Phänomen, das die Wissenschaftler auch als so genannten „Sleeper Effect“ bezeichneten (vgl. Hovland & Weiss, 1951/52, S. 636). Das Untersuchungsdesign von Hovland und Weiss sah vor, den Versuchsteilnehmern zu vier verschiedenen Themen einen identischen Text vorzulegen, der jeweils angeblich einer glaubwürdigen und einer unglaubwürdigen Quelle entstammte. Bei den Quellen handelte es sich teilweise um reale Personen (u. a. Robert J. Oppenheimer als glaubwürdige Quelle zum Thema „Bau von Atom-U-Booten“), zum Teil um fiktive Autoren oder Publikationen (u. a. Pravda als unglaubwürdige Quelle zum Thema „Bau von Atom-U-Booten“). Unmittelbar nach Konfrontation mit den Texten mussten die Versuchsteilnehmer einen Fragebogen ausfüllen, der nach den Inhalten der Aussagen fragte, aber auch die Meinungen der Versuchsteilnehmer zu den Themen erhob (vgl. Hovland & Weiss, 1951/52, S. 636639). Die Ergebnisse des Experiments zeigten, dass die Glaubwürdigkeit des Kommunikators die Erinnerungsleistung der Rezipienten nicht beeinflusst hatte, sehr wohl aber ihre Meinungen. So hatten die Probanden, die mit der Aussage der glaubwürdigen Quelle konfrontiert worden waren, unmittelbar nach Konfrontation ihre Meinungen deutlich stärker an die Position des Kommunikators angepasst als die Versuchsteilnehmer in der Gruppe mit der unglaubwürdigen Quelle (vgl. Hovland & Weiss, 1951/52, S. 641-644). Die Ergebnisse bestätigten zudem die These, dass Inhalte über einen längeren Zeitraum erinnert werden, die Quelle einer Aussage jedoch im Zeitverlauf verblasst. So zeigte sich der Effekt der unterschiedlich starken Meinungsanpassung an die Position des Kommunikators in den beiden Gruppen zu einem zweiten Messzeitpunkt vier Wochen später nicht mehr. Vielmehr hatten sich die Versuchsgruppen in ihren Positionen einander angeglichen: Die Akzeptanz der Meinung bei denjenigen Rezipienten, die mit der Aussage des glaubwürdigen Kommunikators konfrontiert worden waren, hatte in dem Maße abgenommen wie sie in der anderen Gruppe gestiegen war. Die Forscher sahen in diesem Befund den Sleeper Effect bestätigt (vgl. Hovland & Weiss, 1951/52, S. 645-647) und folgerten aus ihren Beobachtungen: „Under the conditions of this experiment, neither the acquisition nor the retention of factual information appears to be affected by the trustworthiness of the source. But changes in opinion are significantly
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Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess related to the trustworthiness of the source used in the communication.” (Hovland & Weiss, 1951/52, S. 647)
In einem weiteren Experiment konnten Kelman und Hovland (1953) diesen Befund bestätigen. Dieses Mal variierten sie die Untersuchungsanlage dahingehend, dass der einen Hälfte der Probanden zum Zeitpunkt der zweiten Messung – drei Wochen später – der Kommunikator der Aussage nochmals genannt wurde, der anderen Hälfte der Probanden (Kontrollgruppe) hingegen nicht. Als Hintergrund dieses Vorgehens stand die Hypothese, dass sich bei einer nochmaligen Nennung der Aussagenquelle zum späteren Zeitpunkt die gleichen Effekte ergeben würden wie unmittelbar nach der ersten Konfrontation mit der Aussage (vgl. Kelman & Hovland, 1953, S. 328). Die Forscher unterschieden dieses Mal drei Kommunikatoren mit unterschiedlichem Prestige: einen glaubwürdigen und positiv besetzten („trustworthy“, „well-informed“) Kommunikator, eine unglaubwürdige und negativ konnotierte („untrustworthy“, „poorly-informed“) Quelle sowie eine neutrale („neutral“) Person. Bei der glaubwürdigen Quelle handelte es sich um einen Richter, bei der unglaubwürdigen Quelle um eine Person mit eindeutigem Hang zur Kriminalität. Zum neutralen Kommunikator erhielten die Untersuchungsteilnehmer keine weiteren Informationen. Alle drei Kommunikatoren sprachen sich gegenüber den Versuchsteilnehmern für eine milde Behandlung von jugendlichen Straftätern aus, bezogen zu dem Thema also ein und denselben Standpunkt (vgl. Kelman & Hovland, 1953, S. 329-330). Die Ergebnisse des Experiments belegten, dass die Versuchsteilnehmer, die den Namen der Kommunikatoren nach drei Wochen erneut genannt bekamen, in ihren Überzeugungen entsprechend differierten. Die Teilnehmer in den drei Kontrollgruppen, die nach drei Wochen an die ursprüngliche Quelle der Aussage nicht erneut erinnert wurden, also weder mit dem glaubwürdigen, neutralen noch mit dem unglaubwürdigen Kommunikator konfrontiert wurden, wiesen hingegen ähnliche Einstellungen auf, hatten sich in ihren Überzeugungen also einander angeglichen. Daneben konnten die Forscher als Ergebnis festhalten, dass die Inhalte der Aussagen in allen Untersuchungsgruppen in fast gleichem Maße und somit unbeeinflusst von der Glaubwürdigkeit des Kommunikators gelernt und wieder vergessen wurden – eine Beobachtung, die sich mit dem Ergebnis der älteren Untersuchung deckte (vgl. Kelman & Hovland, 1953, S. 334; Weiss & Hovland, 1951/52, S. 647). Kelman und Hovland sahen in den Ergebnissen nicht nur einen weiteren
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Beleg für den Sleeper Effect. Sie kamen außerdem zu dem Schluss, dass Kommunikationswirkungen aus dem Zusammenspiel von Inhalten („content factors“) und der Akzeptanz des Kommunikators durch den Rezipienten („acceptance factors“) resultiere, wobei letztere wiederum abhängig sei vom Prestige des Kommunikators (vgl. Kelman & Hovland, 1953, S. 332333). Die Befunde der Forscher um Carl I. Hovland blieben jedoch nicht unkritisiert. So machte Raymond A. Bauer (1964) darauf aufmerksam, dass sich die Effekte unter Laborbedingungen gezeigt hätten und es unter diesen besonderen Umständen möglich sei, eine Person von ihrer ursprünglichen Überzeugung abzubringen. Diese Situation sei jedoch nicht mit dem wirklichen Leben zu vergleichen, wo sich Menschen ihr eigenes Urteil über den Kommunikator der Aussage bilden würden. In einer natürlichen Gesprächssituation würde möglicherweise ein Abweichen der Meinung des Kommunikators von der eigenen Überzeugung dazu führen, dass die eigene Sichtweise gestärkt werde: „If the audience is confronted with a communicator trying to convert it to a position opposed to its own, it is likely to see him as ‘biased’, and the like, and come away further strengthened in its own convictions.“ (Bauer, 1964, S. 321)
Tatsächlich spricht einiges dafür, dass sich der Wirkungszusammenhang weitaus komplexer gestaltet und dabei unter anderem auch der Zeitpunkt eine Rolle spielt, zu dem der Rezipient von der Quelle der Aussage erfährt, sich also ein Bild von seinem Kommunikationspartner machen kann. Dies zeigt ein Experiment von Greenberg und Miller (1966), die sich darin mit der Wirkung beschäftigten, die von besonders unglaubwürdigen Quellen („low-credible sources“) im Vergleich zu solchen ausgeht, die der Rezipient hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit nicht einschätzen kann („unidentified sources“). Ausgangspunkt der Untersuchung war die Annahme, dass die Bekanntgabe einer unglaubwürdigen Quelle, nachdem der Rezipient mit der Aussage konfrontiert worden ist, zu einer höheren Akzeptanz der Inhalte führt als die Nennung eines unglaubwürdigen Kommunikators vor Konfrontation des Publikums mit der Aussage. Greenberg und Miller vermuteten außerdem, dass eine Aussage aus dem Munde einer nicht zu identifizierenden Quelle eher akzeptiert werde als die Meinung einer unglaubwürdigen Quelle (vgl. Greenberg & Miller, 1966, S. 128-129). Die Ergebnisse des Ex-
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periments bestätigten die Hypothesen, was Greenberg und Miller folgern ließ, dass der Rezipient durch das Wissen um die Unglaubwürdigkeit der Quelle, falls er von ihr noch vor Konfrontation mit der eigentlichen Aussage erfährt, in gewisser Weise „vorgewarnt“ und somit gegen vorgebrachte Argumente immunisiert werde. Die zeitlich verzögerte Bekanntgabe einer unglaubwürdigen Quelle verstärke hingegen die Überzeugungskraft einer Aussage. Allerdings schränkten die Forscher die Gültigkeit ihrer Befunde ein, da die Aussagen insgesamt – auch die der unglaubwürdigen Quelle – in sich relativ schlüssig waren und von den Versuchsteilnehmern auch so wahrgenommen worden waren (vgl. Greenberg & Miller, 1966, S. 135-136). In einem weiteren Experiment gingen Baseheart und Bostrom (1972) der Frage nach, wie sich die Kompetenz, die der Rezipient sich selbst im Vergleich zu derjenigen des Kommunikators zuspricht, den Kommunikationsprozess beeinflusst. Hintergrund der Studie war die Vermutung, dass ein Rezipient, der seine eigene Kompetenz als genauso hoch beziffert wie die des Kommunikators, weniger leicht dessen Meinung übernimmt als jemand, der seine Qualifikation für geringer hält als die des Kommunikators. Die (nicht signifikanten) Ergebnisse bestätigten diese Vermutung: „… it appears that the effectiveness of a communicator in a persuasive situation is at least partly dependent upon the receiver’s perception of not only the source’s qualification level on the topic being discussed, but also on the perception of his own level of qualification as compared with that of the source, and further that this effect is more pronounced when the receiver perceives the source to be significantly more qualified on the issue than he perceives himself to be than when the receiver perceives himself to be about equally knowledgeable.” (Baseheart & Bostrom, 1977, S. 744)
Außerdem machten die Befunde deutlich, dass ein guter Stil der Argumente eine (scheinbar) relativ schlechte Qualifikation des Kommunikators ausgleichen kann (vgl. Baseheart & Bostrom, 1977, S. 744-745). Darüber hinaus befasste sich Sargent (1965) mit den Wirkungsunterschieden von Aussagen, die einer namentlich genannten Medienquelle („personal source“) entstammen im Vergleich zu solchen unpersönlicher Medienquellen („impersonal source“). In seinem Experiment gab er den Versuchsteilnehmern vier Aussagen in Form von Artikeln vor, die nach dem Zufallsprinzip acht Quellen zugeordnet wurden: vier namentlich benannten
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und relativ populären Journalisten, von denen drei tatsächlich existierten, sowie vier bekannten US-amerikanischen Medien. Die Probanden wurden im Anschluss daran gebeten, die Quellen der Artikel mit Hilfe eines Semantischen Differentials einzustufen. Sie sollten dabei die Art der Darstellung des jeweiligen Artikels einschätzen, wozu ihnen elf verschiedene Eigenschaftspaare vorgegeben wurden. Zudem mussten die Versuchsteilnehmer auf einer sechsstufigen Skala angeben, inwieweit sie dem Artikel persönlich zustimmten (vgl. Sargent, 1965, S. 35-37). Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Aussagen der namentlich genannten Journalisten deutlich anders bewertet wurden als die der unpersönlichen Medien, wobei die Differenzen bei der Beurteilung der journalistischen Aussagen vor allem bei Eigenschaften hervortraten, die man unter dem Begriff der Moral („ethical scales“) zusammenfassen kann. So hielten die Teilnehmer des Experiments die Aussagen der persönlich genannten Journalisten für deutlich akkurater/gezielter („accurate“), aufrichtiger („sincere“) und zuverlässiger/seriöser („responsible“) als die Aussagen der unpersönlichen Medienquellen, selbst wenn die Versuchsteilnehmer der Meinung des Artikels persönlich nicht zustimmten. Lediglich die Namensnennung des fiktiven Journalisten resultierte nicht in einer besseren Bewertung seiner Aussage im Vergleich zu derjenigen des unpersönlichen Mediums. In puncto Voreingenommenheit („prejudiced“ – „impartial“) schnitten im Übrigen alle Quellen, sowohl die anonymen als auch die namentlich genannten, mit Abstand am schlechtesten ab, was Sargent folgern ließ: „Apparently at this point the armor of virtue which surrounds the media is most vulnerable.“ (Sargent, 1965, S. 42)
Ein Experiment von Andreoli und Worchel (1978) belegt außerdem, dass ein Einstellungswandel beim Publikum nicht nur vom Image des Kommunikators abhängt, sondern auch davon, in welchem Medium der Kommunikator auftritt. In der Untersuchung wurden die Probanden mit den Aussagen von zwei glaubwürdigen Quellen (Nachrichtensprecher, ehemaliger Abgeordneter) und zwei unglaubwürdigen Quellen (politischer Kandidat, Abgeordneter) konfrontiert, wobei die Kommunikatoren ihre Aussagen in unterschiedlichen Medienkanälen (Fernsehen, Radio, Zeitung) präsentierten. Dabei wurden der Nachrichtensprecher und der ehemalige Politiker von den Versuchsteilnehmern nicht nur für glaubwürdiger gehalten. Sie traten im Fernsehen aus Sicht der
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Probanden auch am überzeugendsten auf. Der politische Kandidat und der Repräsentant und somit die unglaubwürdigeren Kommunikatoren bewirkten hingegen in Radio und Zeitung einen größeren Meinungsumschwung beim Publikum, konnten hingegen mit ihrer Fernsehbotschaft am wenigsten überzeugen – insbesondere der politische Kandidat. Die Forscher folgerten daraus, dass die Mediengattung mit der Glaubwürdigkeit der Quelle interagiere und diese Interaktion die Effektivität einer Aussage beim Publikum modifiziere (vgl. Andreoli & Worcherl, 1978, S. 64-69). Fasst man die Befunde der Experimente zusammen, so spricht vieles dafür, dass Personen, die als glaubwürdig, kompetent und vertrauensvoll eingeschätzt werden, ihr Publikum mit ein- und derselben Botschaft kurzfristig besser überzeugen können, als dies einem unglaubwürdig erscheinenden Menschen gelingt. Dies ist insbesondere dann zu beobachten, wenn der Rezipient das Gefühl hat, der Kommunikator sei ihm in fachlicher Hinsicht überlegen. Darüber hinaus ist belegt, dass das Fernsehen ein positives Kommunikatorimage besonders gut unterstützt, die Überzeugungskraft einer unglaubwürdigen Person hingegen abschwächt und bei alldem auch der Zeitpunkt eine Rolle spielt, an dem sich der Rezipient ein Bild von seinem Kommunikationspartner machen kann. Die Chance für einen Meinungswandel beim Empfänger ist nämlich dann geringer, wenn er erst nach Konfrontation mit einer Aussage erfährt, dass die Information von einer unglaubwürdigen Quelle stammt und umgekehrt. Der Zusammenhang im Kommunikationsprozess ist also mehr als komplex, wobei sich ein positives/negatives Image des Kommunikators vornehmlich auf die Einstellungen des Publikums auswirkt, der Einfluss des Faktors sich im Laufe der Zeit abschwächt und das Lernen oder Vergessen von Inhalten davon unberührt bleibt. Allerdings ist bei den referierten Befunden auch zu beachten, dass sie allesamt auf sozialwissenschaftlichen Experimenten beruhen, die den Kommunikationsprozess immer unter unnatürlichen Laborbedingungen abgebildet haben. Sie stehen damit in der Tradition der so genannten „Persuasionsforschung“, die sich – wenn auch mit Modifizierungen – an die Vorstellung des Stimulus-Response-Modells anlehnt: Rezipienten werden unter kontrollierten Bedingungen einer Kommunikation ausgesetzt, wobei sich deren Wirkung in einem Einstellungs- beziehungsweise Meinungswandel beim Empfänger manifestiert (vgl. Schenk, 2002, S. 77-79). Doch können Laborexperimente, bei denen die Bedingungen vom Forscher weitgehend kontrolliert werden können, nicht gleichgesetzt werden mit Massen-
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kommunikationsprozessen. Daher liegt die Frage nahe, ob sich Wirkungen von Kommunikation in Abhängigkeit vom Image des Kommunikators auch unter „natürlichen“ Bedingungen nachweisen lassen. Mit dieser Forschungsproblematik beschäftigten sich Kommunikationswissenschaftler Mitte der 1980er-Jahre in einer groß angelegten Untersuchung, der so genannten „Dortmund-Studie“, deren Ergebnisse in mehreren Aufsätzen veröffentlicht wurden (vgl. Schönbach, 1989; Schönbach & Baran, 1990; Schönbach & Weischenberg, 1987; Weischenberg, 1985; Weischenberg & Scholl, 1989; 1992). 2.3.6 Befunde der Dortmund-Studie Ziel der Dortmund-Studie war es, Medienwirkungen erstmals aus dem Zusammenspiel von Medienaussagen und Bedürfnissen des Publikums zu erklären und somit den Nachweis zu erbringen, dass der dynamisch-transaktionale Ansatz zur Beschreibung des hochkomplexen Medienwirkungsprozesses geeignet ist. Das passende Forschungsfeld bot dazu die Dortmunder Kommunalwahl 1984, in deren Umfeld eine Panelumfrage unter Dortmunder Zeitungslesern, eine Inhaltsanalyse von drei in Dortmund vertriebenen Tageszeitungen sowie eine Umfrage unter den lokalen Zeitungsjournalisten durchgeführt wurde. Das Image der Lokaljournalisten diente den Forschern dabei als so genannte „contingent condition“ zur Strukturierung der Dortmunder Zeitungsleser, deren Wahlinteresse in vier Panelwellen erhoben wurde. Das Interesse der Leser (Rezipienten) an der Kommunalwahl sahen die Forscher also als abhängige Variable an und dessen Veränderung im Zeitverlauf als Beweis für die Wirkung der Zeitungslektüre. Dabei zeigte sich, dass sich diejenigen Leser, die den Dortmunder Lokaljournalisten besonders kritisch gegenüberstanden, eher von den Inhalten ihrer Lokalzeitung beeinflussen ließen und mehr über die Wahl lernten als die Leser mit einem positiven Journalistenimage. So steigerte sich das Interesse der „Journalistenkritiker“ an der Dortmunder Kommunalwahl, je bedeutsamer für sie die Zeitungslektüre war, am stärksten. Weischenberg folgerte daraus: „Journalistenkritiker zeigen ‘Wirkung’. Wenn der Journalist nicht beliebt ist, führt das zu intensiverer Lektüre und größerem Interesse an der Wahl: ‘Bei diesen Zeitungsschreibern lese ich alles zweimal.’“ (Weischenberg, 1985, S. 101)
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Die Forscher sprachen dem Image von Journalisten dementsprechend eine Art „Katalysatorwirkung“ zu und nahmen an, dass eine Abweichung von einer durchschnittlichen Basiseinstellung gegenüber Journalisten mit einer besonderen Sensibilisierung der Rezipienten gegenüber Medieninhalten einhergehe. Das Journalistenimage greife strukturierend in den Wirkungsprozess ein, indem es nicht nur Wirkungen generell fördere oder behindere, sondern den Einfluss anderer Elemente des Wirkungsprozesses begünstige oder abschwäche (vgl. Schönbach & Weischenberg, 1987, S. 272). Allerdings stimmte dieses Ergebnis die Forscher unzufrieden, da es nicht recht zu den Befunden der Persuasionsforschung passen wollte. Zudem deutete einiges darauf hin, dass ein Teil der Zeitungsleser überhaupt keine genauen Vorstellungen von Journalisten besaßen. Dass sich nämlich zunächst ein insgesamt recht positives Journalistenimage gezeigt hatte, führten die Forscher darauf zurück, dass die positiven Antworten der Zeitungsleser vor allem aus Höflichkeit zustande gekommen waren (vgl. Weischenberg & Scholl, 1989, S. 422). Aufgrund dieser Ungereimtheiten unterzogen Weischenberg und Scholl die Dortmunder Daten einer weiteren Analyse. Dieses Mal näherten sie sich dem Faktor „Journalistenimage“ auf indirektem Wege, nämlich durch die Erfassung der Kommunikationserwartungen, die die Dortmunder Zeitungsleser an die Lokaljournalisten stellten. Dies führte zu einer Einteilung der Untersuchungsteilnehmer in drei Cluster, die wiederum unterschiedliche Journalistenimages aufwiesen: Beim ersten Cluster handelte es sich um die „Anspruchsvollen“, die große Erwartungen an die Journalisten stellten und ihnen eine aktive, anwaltschaftliche Rolle zusprachen. Die zweite Gruppe umfasste die „Skeptiker“, die die Leistungen der Medien sehr kritisch betrachteten und kaum davon ausgingen, dass diese von den Journalisten erfüllt werden. Und schließlich waren dies die „Unpolitischen“, die sich von der Tageszeitung vor allem Unterhaltung und Lebenshilfe versprachen. Letztere standen den Lokaljournalisten insgesamt positiver gegenüber als die „Skeptiker“ und „Anspruchsvollen“, woraus die Forscher folgerten, dass unterschiedliche Kommunikationserwartungen an Journalisten mit verschiedenen Bewertungstendenzen des Berufsstands einhergehen (vgl. Weischenberg & Scholl, 1989, S. 426-427). Medienwirkungen untersuchten die Forscher dieses Mal auf der Wissens-Ebene (Wissen über die Dortmunder Wahl), der Vorstellungs-Ebene (politische Vorstellungen/Einstellungen) sowie der Verhaltens-Ebene (Wahlabsichten als Projektion des Wahlverhaltens) der Zeitungsleser (vgl.
Das Image von Journalisten als Wirkungsfaktor
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Weischenberg & Scholl, 1989, S. 427-428). Dabei zeigte sich, dass sich die Wirkungen auf der Wissensebene der Leser nicht durch ihre Kommunikationserwartungen an die Journalisten, sondern allein durch die Intensität der Zeitungslektüre erklären ließen. Auf den anderen zwei Wirkungsebenen waren jedoch Unterschiede in Abhängigkeit von den Kommunikationserwartungen und somit auch vom Faktor „Journalistenimage“ auszumachen. So zeigten sich die „Unpolitischen“ – meist Menschen mit geringer formaler Bildung, niedrigerem politischen Interesse und einem gleichzeitig positiveren Bild von Journalisten – am anfälligsten für die Inhalte der Medien. Unter Zusammenwirkung verschiedener Faktoren fielen bei ihnen die Chancen am größten aus, sie in ihren politischen Einstellungen und ihrem Wahlverhalten zu beeinflussen (vgl. Weischenberg & Scholl, 1989, S. 427-433). Festzuhalten bleibt also, dass das Image des Kommunikators aus der Sicht des Rezipienten nicht nur in Situationen der direkten Kommunikation, sondern auch im Massenkommunikationsprozess als Wirkungsfaktor fungiert und sich die Folgen eines positiven beziehungsweise negativen Journalistenimages vornehmlich in den Einstellungen des Rezipienten manifestieren. Dabei sind Personen, die ein relativ positives Bild von Journalisten haben und sich von ihnen vor allem Unterhaltung und Lebenshilfe erwarten, anfälliger für einen Einstellungswandel bei massenmedial vermittelten Inhalten als Rezipienten, die den Medien kritisch gegenüberstehen, hohe Anforderungen an ihre Leistungen stellen oder skeptisch sind, dass Journalisten diesen Anforderungen überhaupt gerecht werden können – Einstellungen, die mit einem negativeren Bild vom journalistischen Berufsstand einhergehen. Dieser Zusammenhang macht deutlich, dass die Frage, wie sich das Image von Journalisten aus Rezipientensicht tatsächlich gestaltet, welche Erwartungen an Journalisten gestellt werden und inwieweit Rezipienten annehmen, dass diese auch zu erfüllen sind, von wissenschaftlichem Interesse sein muss. Denn würde sich beim Rezipienten eine insgesamt als unkritisch zu bezeichnende Haltung gegenüber Journalisten und Journalismussystem abzeichnen, würde dies auch bedeuten, dass es Journalisten ein Leichtes wäre, die Bevölkerung in ihrem Sinne zu lenken, negativ ausgedrückt: zu manipulieren. Vorgehalten bekommen sie dies – und nicht selten von den Politikern selbst. Man denke hier nur an die Journalistenschelte von Gerhard Schröder nach seinem gescheiterten Wahlsieg 2005, die Medien hätten den Bundestagswahlkampf manipuliert (vgl. Ulrich, 2006, S. 59).
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Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess
Bevor man sich aber der Frage zuwendet, was Rezipienten von Journalisten erwarten und vor allem, wie optimistisch sie sind, dass sie ihre Erwartungen tatsächlich erfüllen, sollte zunächst geklärt werden, welche Informationsquellen dem Rezipienten zur Verfügung stehen, um sich ein Bild von Journalisten zu machen. Schließlich kennen die meisten Menschen Journalisten „nur“ aus den Medien. 2.4 Die Entwicklung des Images von Journalisten beim Rezipienten Die Entwicklung des Images von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten hängt von mindestens drei Faktoren ab: 1.) von der Art der Quellen, die Rezipienten Informationen über Journalisten liefern, 2.) von der Stärke ihres Einflusses sowie 3.) von ihrer inhaltlichen Qualität. 2.4.1 Art der Informationsquellen Auf Basis des dynamisch-transaktionalen Ansatzes leitet Engesser (2003, S. 21-25) drei Interaktionsebenen zwischen Rezipient und Kommunikator ab, die den Kommunikationspartnern Informationen über den jeweils anderen liefern: die direkte, indirekte und imaginäre Interaktionsebene. Folgt man diesem Schema, so bezieht der Rezipient Informationen über Journalisten auf direktem Wege durch persönliche Kontakte zu diesem Berufsstand, die sich beispielsweise aus Freundschaften, Verwandtschaftsverhältnissen oder losen Bekanntschaften ergeben können. Solche Begegnungen zählen nicht zur Massenkommunikation im eigentlichen Sinne. Manchmal sind Rezipienten aber auch als Zuschauer oder Hörer bei Aufzeichnungen von Sendungen in Hörfunk- oder Fernsehstudios anwesend oder begegnen Journalisten bei öffentlichen Veranstaltungen, die von Medieninstitutionen organisiert werden. Solche direkten Erfahrungen des Rezipienten mit Journalisten kann man auch als Primärerfahrungen bezeichnen. Auf indirektem Wege (Sekundärerfahrungen) erhalten Rezipienten Informationen über Journalisten durch Mediendarstellungen (Journalisten im beruflichen Kontext, Berichte über Journalisten), personale Darstellungen (Autobiografien, Biografien), fiktionale Darstellungen (Fernsehserien, Filme, Literatur) sowie durch Kontakte zu journalistischen Produkten (Zeitungsar-
Die Entwicklung des Images von Journalisten beim Rezipienten
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tikel, Radio- oder Fernsehbeiträge), die sie bewerten und von denen sie auf den Journalisten als Produzenten der Aussage schließen (vgl. Engesser, 2003, S. 24-25). Abbildung 2: Interaktionsebenen zwischen Journalist und Rezipient als Basis für die Entwicklung des Images von Journalisten beim Rezipienten
direkte Inter-Transaktionen (= Primärerfahrungen) A
Rn+1
Journalistenimage
Aktivation
Journalistenimage = Para-Feedback
W
R Direkte Kontakte (= Primärerfahrungen, in Bezug auf Journalisten Sekundärerfahrungen)
(Einstellungen, Vorstellungen, Wissen, Gefühle in Bezug auf Journalisten)
J
Wissen
indirekte Inter-Transaktionen (= Sekundärerfahrungen) Inter-Transaktion Intra-Transaktion Bezugsebene R = Rezipient J = Journalist
Nun sind die Wege, auf denen der Rezipient Informationen über Journalisten sammelt, mit den genannten Möglichkeiten noch nicht erschöpft. Vielmehr wird er auch in persönlichen Kontakten zu anderen Medienkonsumenten seinen Wissensschatz über Journalisten erweitern und dabei erfahren, wie beispielsweise Verwandte, Freunde oder Arbeitskollegen über diesen Berufsstand denken. Diese Personen beziehen wiederum auf direktem oder indirektem Weg Informationen über Journalisten und werden so ihr eigenes Bild vom journalistischen Berufsstand entwickeln. Der Rezipient
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Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess
wird also seine Erfahrungen mit und Einstellungen zu Journalisten in direkten Kontakten auch an andere Individuen weitergeben und dabei gleichzeitig Einsichten in die Vorstellungen und Einstellungen seiner Gesprächspartner erhalten. Somit lassen sich diese Austauschbeziehungen ebenfalls als Interaktionen bezeichnen, die allerdings innerhalb des Rezipientenkreises ablaufen. Die Informationen, die dabei ausgetauscht werden, fließen entsprechend dem Kommunikationscharakter auf direktem Wege und gelten somit als Primärerfahrungen. Da sie sich aber auf die imaginäre Interaktionsebene zwischen Rezipient und Medienakteur beziehen, kommen sie streng genommen Sekundärerfahrungen mit Journalisten gleich. Schließlich handelt es sich um einen Meinungsaustausch zwischen Medienkonsumenten über ihre subjektiv geprägten Vorstellungen von Journalisten, aus denen wiederum bestimmte Einstellungen und Gefühle bezüglich des journalistischen Berufsstands resultieren. Dabei erhält der Einzelne Informationen über Journalisten zwar nicht medienvermittelt, aber dennoch „gefiltert“, nämlich durch die subjektive Sicht seines Gegenübers. Abbildung 2 verdeutlicht den erläuterten Zusammenhang. 2.4.2 Einflussstärke der Informationsquellen Engesser stellt fest, dass sich die Stärke des Einflusses der verschiedenen Quellen, die das Bild der Kommunikationspartner vom jeweils anderen prägen, nicht genau beziffern lässt (vgl. Engesser, 2003, S. 25). Man kann aber davon ausgehen, dass sich das Journalistenbild beim Rezipienten desto umfangreicher und klarer ausnehmen wird, je besser er mit Journalisten vertraut ist und ihre Arbeitsweise kennt. Und dies hängt wiederum davon ab, auf welchen Wegen er Informationen über Journalisten erhält und wie umfangreich sie ausfallen. Es steht zu vermuten, dass sich direkte Kontakte zu Medienakteuren auf das Image des journalistischen Berufsstands beim Rezipienten positiv auswirken. Dafür spricht nicht nur der gesunde Menschenverstand. Auch empirische Befunde unterlegen diese These. So neigen Menschen dazu, ihre Mitmenschen generell positiv oder generell negativ einzuschätzen, was mit einem allgemeinen Konsistenzstreben erklärt werden kann. Diese Tendenz ist in der sozialpsychologischen Literatur schon seit den 1920er-Jahren unter dem Begriff „Halo-Effekt“ bekannt, der von Edward L. Thorndike (1920)
Die Entwicklung des Images von Journalisten beim Rezipienten
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geprägt wurde. Er kam zu dem Schluss, dass eine Person – sei sie noch so kompetent und erfahren – nicht in der Lage ist, eine andere Person als ein Individuum unterschiedlicher und voneinander unabhängiger Eigenschaften zu betrachten. Demnach unterstellt ein Mensch, der einen anderen Menschen hinsichtlich bestimmter Eigenschaften positiv einschätzt, ihm auch andere positive Qualitäten. Es kommt zu einer ständigen Verzerrung, „a constant error of the halo“ (vgl. Thorndike, 1920, S. 28-29).1 Überträgt man diese Befunde auf die Frage nach der Qualität des Images von Journalisten, könnte dies bedeuten, dass eine Person, die mit einem Medienakteur befreundet ist und ihn als Menschen sehr schätzt, dieses Urteil auch auf dessen Rolle als Journalist überträgt. Dies gilt gleichermaßen für jemanden, der einen Journalisten schon einmal persönlich kennen gelernt hat und mit dieser Begegnung positive Erinnerungen verknüpft. Auch diese Person könnte ihre positiven Erfahrungen auf den journalistischen Berufsstand übertragen und möglicherweise ein besseres Bild von Journalisten haben als jemand, der einem Medienakteur noch niemals persönlich begegnet ist. Die Gelegenheiten für Rezipienten, einen Journalisten persönlich zu treffen, sind allerdings selten und scheinen auch von seiner sozialen Stellung abzuhängen, wie eine empirische Untersuchung zeigen konnte. So berichtet Donsbach von der Mainzer UNESCO-Studie, bei der mehr als 93 Prozent der Eliteangehörigen gleich mehrere Journalisten kannten, von den Arbeitern hingegen gerade einmal zwölf Prozent mit Berufsvertretern Kontakt hatten (vgl. Donsbach, 1982, S. 228). Engesser stellt außerdem fest, dass für die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens keine Notwendigkeit besteht, in direkten Kontakt mit Journalisten zu treten und die geringe Zahl an Journalisten es ohnehin unwahrscheinlich macht, einen Berufsvertreter persönlich kennen zu lernen (vgl. Engesser, 2003, S. 22). Die meisten Menschen werden daher sehr wahrscheinlich ihr Bild von Journalisten aus massenmedial vermittelten Informationen zusammensetzen, wobei Schriefers vermutet, dass Negativdarstellungen von Journalisten in der Fiktion (z. B. Filme, Romane etc.) von den massenmedial vermittelten Informationen den größten Einfluss auf das Journalistenbild der Bevölke1
In einem Experiment konnten Karen Dion, Ellen Berscheid und Elaine Walster (1972) sogar nachweisen, dass Menschen auch vom Aussehen einer Person auf deren soziale Eigenschaften schließen. So werden äußerlich attraktiven Personen positivere soziale Wesenszüge zugesprochen als unattraktiven Personen und ersteren sogar eine glücklichere Partnerschaft sowie ein prestigeträchtigerer Job unterstellt (vgl. Dion, Berscheid & Walster, 1972, S. 288–299).
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Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess
rung haben (vgl. Schriefers, 1992, S. 120). Cecilia von Studnitz hingegen behauptet, dass fiktionale Berufsbilder nur dort meinungsbildend und beispielhaft sein können, wo sie Assoziationserlebnisse beim Rezipienten auslösen. Bilder würden nur dort wirken, wo bereits bestimmte Vorstellungen vorhanden seien. Sie betrachtet fiktionale Journalistenbilder deswegen nur als einen Einfluss im Kontext von vielen, allerdings nicht als den entscheidenden (vgl. Studnitz, 1983, S. 184-185). Engesser wiederum ist überzeugt davon, dass Rezipienten auch von gelesenen, gehörten oder gesehenen Beiträgen auf die Verfasser der Produkte schließen. Ein als schlecht eingeschätzter Fernsehbeitrag werde nicht nur dem Produzenten der Sendung angelastet, sondern auch dem Moderator, der Redaktion oder sogar dem ganzen Sender, so die Forscherin. Dabei nimmt sie an, dass solche Urteile auf unterschiedlichen Kriterien basieren, beispielsweise auf der Wahrnehmung, wie vollständig und ausgewogen die Berichterstattung ausfällt, möglicherweise aber auch auf rein emotionalen und hoch subjektiven Wertungen. Den Bezug des Rezipienten zu Medienprodukten selbst hält sie jedoch für weniger groß als den medialer, personaler und fiktionaler Darstellungen (vgl. Engesser, 2003, S. 24-25). Auch die Stärke der Informationen, die innerhalb des Rezipientenkreises ausgetauscht werden, lässt sich nicht quantifizieren. Fest steht nur, dass ein solcher Meinungsaustausch über Journalisten möglich ist, auch bei Personen, die einem Berufsvertreter noch nie persönlich begegnet sind. So nimmt Schönbach an, dass jeder Mensch ein Bild von gesellschaftlichen Gruppen oder Institutionen hat, selbst wenn kein persönlicher Kontakt zu ihnen besteht, und er seine Eindrücke bei passender Gelegenheit an andere weitergeben wird. Images von gesellschaftlichen Gruppen und von unpersönlichen Institutionen sind dabei überaus klar – auch bei Leuten, die nie Kontakt zu ihnen hatten: „Institutionen und Organisationen wie die Gewerkschaften, die katholische Kirche und Daimler-Benz erzeugen eindeutige Bilder in den Köpfen vieler Personen. Das ist offenbar auch der Fall, wenn es um Medieninstitutionen wie ‘die Presse’ oder um bestimmte Zeitungen, Fernsehstationen usw. geht.“ (Schönbach, 1990, S. 136)
Schönbach geht davon aus, dass diese Bilder das Verhalten des Einzelnen beeinflussen, selbst wenn sie objektiv betrachtet „falsch“ sind und somit Vorurteilen entsprechen. Typisch für Vorurteile sei nämlich, „… daß dieje-
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nigen, die sie besitzen, oft nicht wissen (wollen), daß sie verzerrt sind, mehr noch: daß sie sich verhalten, als seien sie korrekt.“ (Schönbach, 1990, S. 136) 2.4.3 Qualität der Informationsquellen Trotz oder gerade wegen der vielen Diskussionen um die Einflussstärke der verschiedenen Informationsquellen sollte man sich ihrer Qualität widmen. Schließlich weisen Images auch immer ein hohes Maß an sozialer Übereinstimmung auf (vgl. Kapitel 2.1), so dass man annehmen kann, dass das Journalistenbild in der Gesellschaft durch manche Quellen stärker geprägt wird als durch andere. Ein Vergleich des Journalistenimages aus der Sicht des Rezipienten mit der Beschaffenheit der Informationen über Journalisten, die die direkte und indirekte Interaktionsebene dem Einzelnen liefern, könnte zumindest einen Hinweis darauf erbringen, welche Quellen sich als besonders stark erweisen. Damit ein solcher Vergleich gelingt, werden im Folgenden Befunde präsentiert, die Aufschluss über die Qualität der Informationsquellen der direkten und indirekten Interaktionsebene geben. Hier sei zunächst auf die so genannte „Kommunikatorforschung“ verwiesen. Anfang der 1970er-Jahre kam Fabris (1971, S. 357) noch zu dem ernüchternden Urteil, dass „… die Journalisten zu den vor dem Zugriff der empirischen Sozialwissenschaften am besten ‘gehüteten’ Berufsständen [zählen].“ Seitdem widmete die Wissenschaft der Kommunikatorforschung viel Aufmerksamkeit, deren Befunde beispielsweise Auskunft darüber geben, wie viele Journalisten überhaupt in Deutschland arbeiten, wie groß der Frauenanteil ist oder wie die Alterstruktur im Journalismus ausfällt. Dieses Forschungsfeld hat sich darüber hinaus mit dem Selbstbild von Journalisten auseinandergesetzt, von dem die Selektion von Nachrichtenmeldungen sowie die Aussagenproduktion abhängen, also mit dem „… Bild, das der Kommunikator von sich selbst hat, von seinem Beruf und seinen Aufgaben, von seiner Rolle und Funktion innerhalb des Teams, der Institution und der Gesellschaft ganz allgemein.“ [Hervorhebung im Original] (Maletzke, 1963, S. 40) Man kann vermuten, dass dieses Selbstbild sowohl auf direkter als auch auf indirekter Interaktionsebene zwischen Rezipient und Kommunikator zum Tragen kommt. So wird ein Journalist – selbst wenn er dies gar nicht beabsichtigt – in persönlichen Gesprächen mit Lesern, Hörern oder Zuschauern sein subjektives Rollen- und Selbstverständnis einfließen lassen.
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Und auch Berichte, die Journalisten im beruflichen Kontext darstellen (Medien-Darstellungen), oder biografische Berichte über Journalisten werden niemals völlig frei sein vom Selbstbild derjenigen, die sie verfassen. Selbst in der gewöhnlichen Berichterstattung spiegeln sich die Gesinnung von Journalisten wider. So stellt Noelle-Neumann (1977) für den Bundestagswahlkampf 1976 fest, dass sich die politischen Einstellungen der Journalisten auch in den Medieninhalten niederschlugen, wobei das Meinungsklima unter den Medienakteuren der Stimmung in der Bevölkerung entgegenlief. Jedenfalls wollte bei einer Befragung die Mehrheit der Zuschauer in verschiedenen politischen Fernsehsendungen ein SPD/FDPfreundliches Klima erkannt haben, was Noelle-Neumann vermuten ließ, dass das medienvermittelte Meinungsklima der sozialliberalen Regierung zum Wahlsieg verholfen habe (vgl. Noelle-Neumann, 1977, S. 436-439 und 442). Für die Frage nach der Qualität der Informationsquellen sind zudem Befunde bedeutsam, die sich mit dem fiktionalen Journalismusbild befassen, also mit Darstellungen von Journalisten in Filmen, in der Literatur und in Theaterstücken. Übrigens gehen fiktionale Quellen, in denen Journalisten eine Rolle spielen, nicht selten auf journalistisch geprägte Urheber zurück, die darin ihre Erfahrungen und ihr Selbstbild, vielleicht auch ihre Kritik am Journalismus verarbeitet haben. So stellt Engesser in ihrer Dissertation über das Journalismusbild in Bestsellern fest, dass immerhin 17 von 42 BestsellerAutoren journalistisch tätig waren oder sind (vgl. Engesser, 2003, S. 102). Umgekehrt wirken fiktionale Journalistenbilder auch auf das Selbstbild von Journalisten in der Realität zurück: Reale Journalisten haben nicht selten dieselben berufsspezifischen Ansichten wie ihre fiktionalen Kollegen (vgl. Studnitz, 1983, S. 184). Befunde zum Selbstbild deutscher Journalisten Nach Auffassung von Mathias Kepplinger (1979), der Ende der 1970erJahre die wichtigsten Befunde der Kommunikatorforschung zusammengefasst und interpretiert hat, fühlten sich deutsche Journalisten zur damaligen Zeit als eine Art „Gegenelite“ zu den Mächtigen im Staat wie Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Sie verstanden sich selbst meist als „Kritiker an Missständen“ und „Wächter der Demokratie“ (vgl. Kepplinger, 1979, S. 25).
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In ihrer politischen Einstellung tendierten sie zum linken Lager, da diese Parteien noch am ehesten die fundamentale Distanz der Journalisten zu Wirtschaft, Verwaltung und Politik repräsentierten. In dieser Distanz lag nach Auffassung des Autors meist auch das Hauptmotiv, den Journalistenberuf zu ergreifen (vgl. Kepplinger, 1979, S. 27). Ähnliche Ergebnisse zur Frage des Selbstbilds deutscher Journalisten präsentierte auch Renate Köcher (1985) in ihrer Dissertation, in der sie sich mit dem Aufgabenverständnis und der Berufsethik von britischen und deutschen Journalisten auseinandergesetzt hat. Als Ausgangspunkt ihrer Untersuchung stand die Annahme, dass die historischen und rechtlichen Rahmenbedingungen den Journalismus eines Landes prägen und sich die unterschiedliche Entwicklung des Journalismus in Großbritannien und Deutschland auch in den Köpfen der Journalisten bemerkbar macht. Tatsächlich bestätigten Köchers Ergebnisse diese Vermutung. So fühlten sich deutsche Journalisten in den 1980er-Jahren deutlich stärker als ihre Kollegen aus dem angelsächsischen Raum in der Rolle eines „Kritikers an Missständen“. 95 Prozent der deutschen Journalisten bestätigten dieses Aufgabenverständnis (vgl. Köcher, 1985, S. 90). Köcher sah darin einen Anhaltspunkt für die unterschiedliche Interpretation der gesellschaftlichen Funktion des Journalismus in Deutschland, der sich nach 1848 zu großen Teilen als eine auf Lenkung abzielende Meinungspresse verstanden hat. Außerdem konnte sie zeigen, dass sich deutsche Journalisten zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung – ähnlich wie ihre britischen Kollegen – dem politisch linken Spektrum verbunden fühlten. So stuften sich 44 Prozent der befragten deutschen Journalisten auf einer Skala zwischen 0 (für ganz links) und 100 (für ganz rechts) zwischen 0 und 44 ein, nur 19 Prozent hingegen auf der rechten Seite zwischen 55 und 100 (vgl. Köcher, 1985, S. 52). Die Ergebnisse der jüngeren Kommunikator-Studie „Journalismus in Deutschland“ (Weischenberg, Löffelholz & Scholl, 1993; 1994), die im Frühjahr 1993 erstmals und Anfang 2005 erneut ins Feld ging, deuten allerdings einen Wandel im Selbstbild deutscher Journalisten an. So belegen die Ergebnisse, dass sich die Mehrheit der deutschen Journalisten mittlerweile nicht mehr primär als „Kritiker an Missständen“ versteht, sondern sich vornehmlich den Standards eines neutralen Informationsjournalismus verpflichtet fühlt (vgl. Weischenberg, Löffelholz & Scholl, 1994, S. 154-155; Weischenberg, 2005). Bei der ersten Erhebung von 1993, die als persönliche Befragung durchgeführt wurde, gaben 74,1 Prozent der 1.498 repräsentativ
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ausgewählten Journalisten an, ihrem Publikum vor allem komplexe Sachverhalte erklären sowie die Leute schnell (73 Prozent) und präzise (74,4 Prozent) informieren zu wollen. Knapp zwei Drittel (65,7 Prozent) der Befragten bestätigte damals die Antwortvorgabe, die Realität so abbilden zu wollen wie sie ist. Lediglich 63,2 Prozent von ihnen sprachen sich für die Rolle des „Kritikers an Missständen“ aus, nur 26,6 Prozent wollten Meinungsjournalismus machen (vgl. Weischenberg, Löffelholz & Scholl, 1994, S. 160-161). Der Trend im Selbstbild deutscher Journalisten, sich primär als neutraler Informationsvermittler zu begreifen, scheint sich seitdem nochmals verstärkt zu haben: Bei der Neuauflage der Studie 2005 – dieses Mal wurden 1.536 fest angestellte und freie, hauptberuflich tätige Journalisten aller Mediensparten per Telefon interviewt (vgl. Weischenberg, Scholl & Malik, 2005) – gaben sogar 88,3 Prozent der Befragten an, die Realität mit den Mitteln der Berichterstattung abbilden zu wollen. Nur noch knapp jeder siebte Journalist bestätigt aktuell die Aussage, die politische Tagesordnung beeinflussen zu wollen (1993: knapp jeder Fünfte), wobei jedoch rund 60 Prozent der politischen Redakteure diesem Ziel etwas abgewinnen können (Weischenberg, 2005). Was sich seit den 1980er-Jahren allerdings kaum verändert hat, ist die politische Orientierung der deutschen Journalisten. Sie fühlen sich nach wie vor dem Mitte-Links-Spektrum verbunden. So sympathisieren die meisten Journalisten (35,5 Prozent) mit Bündnis ’90/Die Grünen, 26 Prozent mit der SPD und nur 8,7 Prozent mit CDU/CSU. Allerdings zeigen aktuell immerhin 19,6 Prozent der Berufsvertreter gar keine konkrete Parteipräferenz (vgl. Weischenberg, 2005). Befunde zur Struktur des deutschen Journalismus Die „Journalismus in Deutschland“-Studie liefert auch die aktuellsten Befunde zur Struktur des deutschen Journalismus. Demnach beläuft sich die Gesamtzahl der in Deutschland beschäftigten Journalisten auf 48.400, wovon circa 12.200 und damit 25,2 Prozent als Freie arbeiten (vgl. Weischenberg, Scholl & Malik, 2005). Der Deutsche Journalisten-Verband geht sogar von 70.000 Journalisten aus, wovon 45.000 als Festangestellte, 22.500 als Freie und 2.400 als Volontäre beschäftigt sind, die meisten davon bei der Presse (vgl. Deutscher Journalisten-Verband, o. J.b). Das Übergewicht an Printmedienjournalisten bestätigt auch die „Journalismus in Deutschland“-
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Studie: So arbeiteten 1993 47,5 Prozent der 36.000 fest angestellten Journalisten (inklusive Volontäre) bei Zeitungen, 17,5 Prozent bei Zeitschriften, 17 Prozent im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sieben Prozent bei Anzeigenblättern, 6,5 Prozent bei privaten Rundfunksendern sowie 4,5 Prozent bei Agenturen/Diensten (vgl. Weischenberg, Löffelholz & Scholl, 1993, S. 26). Betrachtet man die Tätigkeit der Journalisten nach thematischen Bereichen, so fallen präzise Angaben aufgrund der unterschiedlichen oder gänzlich fehlenden Ressortaufteilungen der Medien schwer. Informationen darüber sind noch am ehesten bei Zeitungen möglich, wo Anfang der 1990erJahre etwa zwei Drittel des Personals für die lokale und regionale Berichterstattung (inklusive lokaler Sport) tätig waren. Etwa zehn Prozent der Zeitungsjournalisten waren für den aktuell-politischen Bereich zuständig, acht Prozent für den (überregionalen) Sport, fünf Prozent arbeiteten im Feuilleton- und Kulturressort, etwa fünf Prozent für den Wirtschaftsteil und knapp zwei Prozent im Bereich „Vermischtes/Aus aller Welt“. Der Rest fungierte als Reporter, Korrespondent oder Redakteur für die Sonntagsausgabe oder war mit nicht näher definierbaren Aufgaben betraut (vgl. Weischenberg, Löffelholz & Scholl, 1993, S. 27). Knapp die Hälfte der Journalisten war Anfang der 1990-Jahre unter 35 Jahren und nur knapp sieben Prozent 55 Jahre oder älter (vgl. Weischenberg, Löffelholz & Scholl, 1994, S. 155). Nach den neuesten Daten aus 2005 liegt der Altersdurchschnitt mittlerweile bei gut 40 Jahren. Allerdings waren Frauen im deutschen Journalismus mit einem Anteil von 31 Prozent Anfang der 1990er-Jahre deutlich unterrepräsentiert und sind es auch heute noch: Die neuesten Zahlen gehen von einem Frauenanteil von 37,3 Prozent aus (vgl. Weischenberg, Scholl & Malik, 2005). Die stärkste Unterrepräsentanz von Journalistinnen wurde 1993 bei den klassischen Medien wie der Zeitung, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder bei Nachrichtenagenturen registriert – insbesondere dann, wenn es um Führungspositionen ging (vgl. Weischenberg, Löffelholz & Scholl, 1993, S. 27). Und auch beim Einkommen schnitten Frauen damals in der Regel schlechter ab als ihre männlichen Kollegen. Sie verdienten durchschnittlich 3.400 DM, Journalisten hingegen knapp 3.900 DM pro Monat. Besonders gut zahlten in den 1990er-Jahren die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, wo Journalisten durchschnittlich ein Nettogehalt von 4.500 DM bezogen. Deutlich unterbezahlt waren hingegen Redakteure bei den privat-kommerziellen Anbietern mit einem Ver-
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dienst von durchschnittlich 3.600 DM netto (vgl. Weischenberg, Löffelholz & Scholl, 1994, S. 156). Bei den Ausbildungswegen zeigen die neuesten Befunde aus 2005, dass ein Studium als Voraussetzung für einen Einstieg in den Journalismus immer wichtiger wird. Konnten 1993 nur 64,8 Prozent der Journalisten auf einen Hochschulabschluss (inklusive Promotion) zurückblicken, so ist der Anteil der Akademiker unter ihnen im Jahr 2005 auf 68,8 Prozent angestiegen. Außerdem besitzt das Volontariat, die klassische Journalistenausbildung, nach wie vor einen hohen Stellenwert: 62,4 Prozent (1993: 60,9 Prozent) der Berufsvertreter steigen heutzutage über diesen Weg in den Beruf ein (vgl. Weischenberg, Scholl & Malik, 2005). Befunde zum Journalistenbild in der Fiktion Zur Frage, wie sich das Journalistenbild in der Fiktion gestaltet, liegen mehrere Untersuchungen vor, von denen sich die meisten mit fiktionalen Journalistendarstellungen in der Literatur auseinander gesetzt und dabei teilweise sogar nur ein spezielles literarisches Genre (z. B. Krimis, Unterhaltungsliteratur etc.) analysiert haben (zum Forschungsstand vgl. Engesser, 2003, S. 54–80). Zwei umfassende Darstellungen des fiktionalen Journalistenbilds sollen im Folgenden exemplarisch vorgestellt werden: die Dissertation von Cecilia von Studnitz (1983) sowie die von Evelyn Engesser (2003). Cecilia von Studnitz (1983) analysierte in ihrer Arbeit mit Hilfe eines eigens entwickelten Fragebogens das fiktionale Journalistenbild in Literatur-, Film-, Theater- und Hörspielstücken aus 200 Jahren und verglich dieses mit dem Journalistenbild der Realität. Die Ergebnisse ihrer Studie zeigen, dass zwei Haupttypen von journalistischen Helden die Werke vor 1900 prägen, die gleichzeitig die Realität der Epoche widerspiegeln. Zum einen ist dies der „Unabhängige“ – eine sorgenfreie, autarke Persönlichkeit mit einem politischen Ideal und einer unabhängigen Meinung, der dem Typ des „Akademischen Journalisten“ der Realität entspricht, zum anderen der „Abhängige“ – gescheuchte Existenz und Hungerleider, der zur Meinungslosigkeit aus finanzieller Not tendiert und meist nicht besonders gebildet ist (vgl. Studnitz, 1983, S. 63). Ab etwa 1900 taucht immer häufiger der Typus des „Emporkömmlings“ auf – das Pendant zum „Self-made-Journalisten“, der sich in der Realität mit dem Aufkommen der Generalanzeigerpresse ab etwa 1870
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entwickelte, bewusst unpolitisch war und seine Leser vor allem unterhalten wollte. Der „Emporkömmling“ erfährt im Laufe der Geschichte eine Wandlung und tritt zunächst als negativ besetzter Antitypus zum „Unabhängigen“ auf. In Werken der jüngeren Zeit entwickelt er sich aber zum positiven Helden, „… der es der verdammten Gesellschaft zeigen will, daß man nur intelligent, begabt, pfiffig und gewitzt genug sein muß, um den Weg nach oben zu finden.“ (Studnitz, 1983, S. 69) Cecilia von Studnitz stellt in den analysierten Werken insgesamt ein relativ positives Bild der journalistischen Helden fest, wobei sie den fiktionalen Journalismus durch einen Wandel gekennzeichnet sieht, der die ehemals geltenden Verhältnisse in jüngeren Werken ins Gegenteil verkehrt: „Was einst als Charakteristikum negativer journalistischer Helden galt, zeichnet heute oft gerade den positiven Helden aus. Das ist jedoch nicht verbunden mit einer negativen Beschreibung des aktuellen positiven Helden. Im Gegenteil: gerade, weil er pragmatisch orientiert, desillusioniert, listenreich und berechnend die Anforderungen seiner Gesellschaft erfüllt, wird er zum ebenso positiven wie guten Journalisten.“ (Studnitz, 1983, S. 180)
Darüber hinaus kommt sie zu dem Ergebnis, dass Berufsbilder der Realität zahlreiche fiktionale Elemente enthalten, die von den Autoren der Werke jedoch nicht neu erfunden werden, sondern lediglich formuliert, da sie den historischen Begebenheiten des Journalistenberufs einst entsprochen haben (vgl. Studnitz, 1983, S. 183-184). Die Ergebnisse von Cecilia von Studnitz wurden allerdings auch massiv kritisiert, insbesondere ihre methodische Vorgehensweise. So wurde unter anderem ihre Entscheidung als willkürlich empfunden, nur solche Texte in die Untersuchung einzubeziehen, die auf mindestens 70 Prozent der Fragen des Fragebogens eine Antwort lieferten. Zudem bemängelte man die stark vereinfachende Kategorisierung der Texte sowie die Auszählung von Häufigkeiten mit dem Argument, dies führe zu einem reduzierten Informationsgehalt. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Art der Texte, da von Studnitz’ Studie nicht zwischen Kunst- und Trivialliteratur unterscheidet, letztere aber den Journalismus weit weniger kritisch darstellt als die Kunstliteratur (vgl. Engesser, 2003, S. 58-59). Die Kritik und den unbefriedigenden Forschungsstand nahm Evelyn Engesser dann auch zum Anlass, sich selbst dem fiktionalen Journalismusbild zu widmen, zumal solche Darstellungen
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nicht nur das Berufbild realer Journalisten und den historischen Wandel im Journalismus reflektieren, sondern auch das journalistische Selbstverständnis und die gesellschaftlichen Vorstellungen vom Journalismus prägen. Gerade letzteres, so Engesser, verleihe weit verbreiteten Texten Relevanz (vgl. Engesser, 2003, S. 4). Nicht ohne Grund analysierte Engesser in ihrer Dissertation massenhaft verbreitetes Kommunikationsmaterial: 61 Bestseller beziehungsweise 73 Texte, die von 1970 bis 2000 mindestens ein Mal auf der Bestseller-Liste des Nachrichtenmagazins Der Spiegel standen und vorwiegend Handlungen in Deutschland, den USA und Großbritannien beschreiben. Als Untersuchungsinstrument zur Durchführung ihrer qualitativen Inhaltsanalyse, mit der sie sich den Texten näherte, diente ihr das Einflusssphärenmodell des Journalismussystems von Esser (1998). Dieses Modell ergänzte sie im Bereich der Subjektsphäre um die Elemente „Aussehen“, „Charakter“, „Privatleben“, „Berufszufriedenheit/Arbeitsbelastung/Berufskrankheiten“, „Publikumsbild“ sowie „Journalistenbild des Publikums“ (vgl. Engesser, 2003, S. 96-100). Somit konzentrierte sich Engesser – anders als von Studnitz – nicht nur auf die Subjektsphäre des Journalismus, sondern stellte ihre Untersuchung auf eine umfassendere Ebene, die auch die Gesellschafts-, Medienstruktur- und Institutionssphäre berücksichtigt. Da die Forscherin im Rahmen der Aufarbeitung des Forschungsstands bei früheren Untersuchungen einen mangelhaften Vergleich der Befunde mit der Realität festgestellt hatte, konfrontierte sie zudem ihre Erkenntnisse mit empirischen Befunden der internationalen Kommunikatorforschung und glich so gewissermaßen das Journalismusbild der Fiktion mit der Wirklichkeit ab. Die Beschreibung der Subjektsphäre nimmt bei Engesser den größten Raum ein, wobei sie feststellt, dass Bestsellerautoren ihre journalistischen Helden nahezu homogen schildern und diese wiederum große Ähnlichkeit zu den Journalisten in der Realität aufweisen. So sind die meisten Romanhelden männlich, verheiratet, gebildet und im mittleren Alter, schätzen das Großstadtleben und lieben die Abwechslung. Darüber hinaus kennzeichnen Beststeller zwei Tendenzen, die auch im realen Journalismus zu beobachten sind: ein anwachsender Frauenanteil sowie eine Verbesserung des Bildungsstands. Fiktionale Journalisten kleiden sich häufig gut und teuer, die weiblichen Helden mitunter sehr ausgefallen. Letztere erscheinen in den Romanen überaus attraktiv, was ihre Stellung in dem von Männern dominierten Beruf besonders unterstreicht. Das Wesen des fiktionalen Journalisten zeichnet
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sich durch drei Kerneigenschaften aus – Intelligenz, Ehrgeiz und Selbstbewusstsein –, die ihn mit weiteren positiven oder negativen Eigenschaften zu einem mehr oder weniger liebenswerten Menschen machen: Ist er sensibel, mutig, unabhängig, lebensfroh, so wird er zum positiven Helden; zeichnet er sich durch Skrupellosigkeit, Inkompetenz, Überheblichkeit und Selbstverliebtheit aus, macht ihn dies zum unsympathischen Charakter (vgl. Engesser, 2003, S. 311-312). Darüber hinaus ist der fiktionale Journalist ein gehetzter Typ, der seinen Beruf zwar liebt, aber kaum Zeit findet für Hobbys oder private Beziehungen. Eher zufällig in den Beruf reingerutscht und meist durch die Not der Existenzsicherung getrieben, ist er nur selten politisch interessiert oder gar darum bemüht, für Ideale oder Werte zu kämpfen. Dies ändert sich erst, sobald er den Beruf ergriffen hat. Dann fühlt er sich meist als „Anwalt“ der Schwachen, als „Kontrolleur und Kritiker“ an Missständen in Politik und Wirtschaft sowie als „Aufklärer“, der ähnlich einem Detektiv Straftäter jagt und Verbrechen auf den Grund geht. Allerdings deckt sich nicht immer das geäußerte Rollenverständnis des fiktionalen Helden mit seinem tatsächlichen Handeln. Vor allem die Boulevardjournalisten betreiben den Kampf um Auflage und Quote meist unter dem Deckmantel des Erziehers, Kritikers, Kontrolleurs und Anwalts (vgl. Engesser, 2003, S. 312313), wobei das Journalismusbild der Literatur durch diese Art von Journalismus „zwar nicht dominiert, aber doch entscheidend geprägt [wird].“ (Engesser, 2003, S. 321). Zahlenmäßig überwiegen in Bestsellern die „Schurken“, da 55 Prozent der fiktionalen Helden negative Charaktere sind, wobei unter den Hauptfiguren der positive Held als deren Gegenspieler dominiert (vgl. Engesser, 2003, S. 240-241). Und auch das Journalistenbild des Publikums fällt insgesamt negativ aus, wovon die häufigen Tiervergleiche zeugen, die in jedem zweiten Roman auftauchen. Sie sind meist wenig schmeichelhaft, präsentieren sie doch die breite Masse der Journalisten als „Beutejäger“, „Aasfresser“ oder „Schweine“. Liebevolle Bezeichnungen wie „alter Hase“ oder „Nachteule“ sind hingegen selten (vgl. Engesser, 2003, S. 304-311). Nicht ohne Grund kommt Engesser zu dem Schluss, dass die „seriösen“, das heißt an ethischen Grundsätzen orientierten Journalisten in Bestsellern aussterben. Journalistische Leistung werde dort verstärkt am Markterfolg gemessen, der fiktionale Journalist orientiere sich bei der Auswahl der Inhalte weniger an Nachrichtenfaktoren, sondern vornehmlich am Publikumsgeschmack (vgl. Engesser, 2003, S. 325-326). Gleichzeitig betonen Bestseller vor allem die
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schönen Seiten des Berufs, die ihn für den Leser zum „Traumberuf“ machen: „… der rechtlich kaum reglementierte Handlungsspielraum, das aktive, stark idealistisch motivierte Selbstbild, der abwechslungsreiche, geradezu abenteuerliche Berufsalltag. Realität wird nicht gespiegelt, sondern überzeichnet, verzerrt, beschönigt.“ (Engesser, 2003, S. 328) Ob dieses Bild der Realität entspricht, erachtet Engesser dabei als „völlig irrelevant“ und argumentiert: „Wahr ist, was der Leser für wahr hält, der sich aus dem, was er liest, aber auch aus dem, was er aus anderen Medien erfährt oder persönlich erlebt, sein eigenes Bild von der Wirklichkeit zimmert.“ (Engesser, 2003, S. 327)
Fasst man die angeführten Befunde zusammen und vergleicht sie mit dem Selbstbild deutscher Journalisten und den Strukturen des Journalismus in Deutschland, so wird deutlich, dass die Darstellung des Journalismus in der Fiktion – von der unpolitischen Haltung der meisten fiktionalen Helden abgesehen – tatsächlich nicht weit von der Wirklichkeit entfernt ist. So verstehen sich in beiden Welten Journalisten auch als „Kritiker an Missständen“, auch wenn sich im deutschen Journalismus ein Wandel vollzogen hat hin zu einem Selbstbild, das einen neutralen Informationsjournalismus stärker betont. Darüber hinaus ist hier wie dort ein Übergewicht an Printmedienjournalisten zu beobachten, eine zunehmende Professionalisierung des journalistischen Berufsstands sowie ein Anwachsen des Frauenanteils, auch wenn das Metier noch immer von Männern beherrscht wird. Und auch hinsichtlich der soziodemografischen Merkmale von Journalisten sind im realen und fiktionalen Journalismus deutliche Parallelen auszumachen, nach denen der typische Berufsvertreter in Realität und Fiktion männlich, verheiratet und im mittleren Alter ist. Würden das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten ähnliche Strukturen kennzeichnen, so wären Aussagen darüber, welche Informationsquellen als dominierend gelten können, kaum möglich. Wenn jedoch Rezipienten und hier vor allem Personen, die einem Berufsvertreter noch nie persönlich begegnet sind, beispielsweise dem typischen Journalisten bestimmte Wesenszüge zusprechen, ihn gar als intelligent, ehrgeizig und selbstbewusst bezeichnen, seine Tätigkeit für spannend und aufregend, aber auch für stressig erachten, so spräche dies für einen starken Einfluss weit verbreiteter fiktionaler Quellen. Vor allem Bestseller
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zeichnen ein geradezu ambivalentes Bild vom Journalismus, in dem sich positive und negative Aspekte gegenüberstehen, bei dem der Leser sowohl dem „guten“ Helden als auch dem „negativen“ Journalistentypus begegnet. So thematisieren solche Werke – trotz der Überbetonung der „Zuckerseite“ des Berufs – auch den Konkurrenzkampf der Medien und die Sensationsgier der Journalisten, die mit boulevardesken Themen und illegitimen Methoden dem Zwang zur Quote Paroli bieten. Wie sich das Image von Journalisten aus der Sicht von Rezipienten tatsächlich gestaltet, darüber ist allerdings nur wenig bekannt. Dies zeigen das nächste Kapitel über die Geschichte des Journalismus in Deutschland und die soziale Stellung der Journalisten in der Vergangenheit sowie der Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse zum Image von Journalisten in der deutschen Bevölkerung. 2.5 Geschichte und Tradition des Journalismus in Deutschland Ein historischer Rückblick auf die Entwicklung des journalistischen Berufsstands in Deutschland und seine spezifische Tradition ist aus drei Gründen sinnvoll: Zum einen können aus historischen Daten Erkenntnisse über die gesellschaftliche Stellung der Journalisten in der Bevölkerung für das 19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts abgeleitet werden – für eine Zeit also, für die keine empirischen Daten über das Image von Journalisten vorliegen. Zum anderen vermitteln zeitgenössische Zitate aus Reden oder Zeitschriftenbeiträgen einen Eindruck davon, wie bestimmte Gruppierungen oder Organisationen den Journalisten in jener Zeit gegenüberstanden und durch ihren Einfluss sicherlich auch die Einstellungen ihrer Anhänger geprägt haben dürften. Und drittens könnte die spezielle Entwicklung der Presse in Deutschland und die darin begründete Journalismustradition das Image von Journalisten in der deutschen Bevölkerung bis heute beeinflussen. 2.5.1 Vom Minnesänger zur Massenpresse Im Mittelalter waren zunächst umherfahrende Minnesänger für die Verbreitung von Nachrichten zuständig, da es eine gedruckte Presse in jener Zeit
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noch nicht gab. Diese Epoche bezeichnet Baumert (1928) deshalb auch als „präjournalistische Periode“. Die umherfahrenden Sänger gelten aus heutiger Sicht als frühe Vorläufer des journalistischen Berufsstands, gehörten meist einem niederen Stand an und waren dementsprechend schlecht angesehen. Nicht selten wurden sie für ihre Tätigkeit sogar verprügelt oder festgenommen, vor allem dann, wenn ihre Nachrichten negativ ausfielen. Über die Stellung von Gesinde kamen sie meist nicht hinaus und genossen keinen besseren Ruf als die umherfahrenden Schauspieler ihrer Zeit (vgl. Haacke, 1970, S. 426). Zur schriftlichen Weitergabe von Nachrichten kam es erst in der von Baumert (1928) als „Periode des korrespondierenden Journalismus“ bezeichneten Epoche, als Korrespondenten den mittelalterlichen Briefverkehr von Fürsten, Kirchen, Universitäten und Handelshäusern bestritten. Allerdings bildeten die „Zeitunger“, „Novellisten“, „Avisenschreiber“ und „Conzipisten“ noch lange keinen geschlossenen Berufsstand (vgl. Haacke, 1970, S. 429). Die ersten regelmäßig erscheinenden Zeitungen gab es erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts: 1609 wurde der Wolfenbütteler „Aviso“ gedruckt, möglicherweise bereits 1605 die Straßburger „Relation“ (vgl. Wilke, 2003, S. 463-464). In der „Periode des schriftstellerischen Journalismus“ (Baumert, 1928), die etwa mit der Epoche der Aufklärung im 18. Jahrhundert und dem damit einhergehenden Kampf um Meinungs- und Pressefreiheit zusammenfällt, lösten sich die Schriftsteller in Deutschland aus der fürstlichen Patronage und begannen für Zeitungen und Zeitschriften zu schreiben (vgl. Wilke, 1993, S. 324). Als „Spion des Publikums“, „Sittenrichter“ und „Advokat der Menschheit“ wollten sie weniger als getreue und neutrale Berichterstatter auftreten, sondern vielmehr die geschilderten Ereignisse für ihre Leser einordnen (vgl. Wilke, 1993, S. 326). Ganz bewusst ließen sie in ihren Artikeln ihre eigene Meinung durchscheinen und gerieten dadurch nicht selten in Konflikt mit den amtlichen Autoritäten. Frühe Journalisten wie Christian Friedrich David Schubart oder Wilhelm Ludwig Wekhrlin sieht Wilke (2003, S. 472) daher auch als Wegbereiter der politischen Publizistik an. Von einer Massenpresse konnte in Deutschland in der damaligen Zeit allerdings keine Rede sein und somit ebenso wenig von einer Etablierung des journalistischen Berufsstands. Der Bedarf an hauptberuflich tätigen Journalisten ergab sich erst durch den Aufschwung der Presse, der in Deutschland ab Mitte des 19. Jahrhun-
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derts einsetzte und somit – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Großbritannien – erst relativ spät. Diese zeitliche Verzögerung war bedingt durch das strenge kirchliche und staatliche Kontrollsystem, das seit Aufkommen der ersten Zeitungen bis zur Auflösung des Deutschen Reichs 1806 fortbestand (vgl. Wilke, 2003, S. 466-467). Erst die Märzrevolution von 1848, genauer gesagt die Verkündigung des „Gesetzes betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes“ durch die Paulskirchenversammlung schaffte die für die Entwicklung des Journalismus in Deutschland notwendige politische Freiheit, auch wenn darauf schon bald wieder rechtliche, fiskalische und inhaltliche Reglementierungen folgten (vgl. Esser, 1998, S. 54-55). Neben den politischen Umbrüchen im 19. Jahrhundert trugen auch technische, soziale und vor allem wirtschaftliche Neuerungen zur Etablierung einer massenhaft verbreiteten Presse bei. So fiel unter anderem 1850 in Preußen der staatliche Intelligenzzwang, so dass Anzeigen nicht mehr ausschließlich in den so genannten „Intelligenzblättern“ geschaltet werden durften, sondern auch im Anzeigenteil von Zeitungen. Durch diese neu eröffnete Einnahmequelle war es den Zeitungsverlegern möglich, den Bezugspreis ihrer Produkte zu senken. Die vornehmlich auf dem Anzeigengeschäft basierende Generalanzeigerpresse entstand, so dass die Zeitung schließlich zur Massenware wurde (vgl. Wilke, 1991, S. 79-81; 2003, S. 468). Fest angestellte Journalisten wurden in jener Zeit unentbehrlich, so dass diese Epoche auch als „Periode des redaktionellen Journalismus“ (Baumert, 1928) bezeichnet wird. Auf Basis eines Dienstvertrags und für ein festes Gehalt redigierte der Journalist von nun an hauptberuflich die Publikationen seines Verlegers.
2.5.2 Deutsche Journalismustradition – Ursache und Folgen Typisch für die Entwicklung der Presse in Deutschland war die Etablierung eines Meinungsjournalismus, der sich bereits in der Periode der Aufklärung ankündigte, einen Aufschwung durch die politische Presse im 19. Jahrhundert erfuhr und sich in der Weimarer Republik dramatisch zuspitzte. So präsentierte sich als Folge des Parlamentarismus nach 1848 eine Presselandschaft, deren Inhalte durch den Einfluss der politischen Parteien und anderer weltanschaulich geprägter Organisationen wie der Katholischen Kirche politisch oder ideologisch gefärbt waren (vgl. Esser, 1998, S. 69-71). Zu
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Beginn des 20. Jahrhunderts nahm die Bedeutung der Parteipresse in Deutschland – anders als in Großbritannien – sogar noch weiter zu. Und selbst vor der Generalanzeigerpresse, die in den angelsächsischen Ländern „Grundstein für einen kommerziellen, unabhängigen Journalismus“ (Esser, 1998, S. 71) war, machte die Parteilichkeit der deutschen Journalisten nicht halt. Im Gegenteil: Selbst die Massenblätter, die sich an ein großes mittelständiges Publikum richteten, nahmen ihre anfänglich versprochene Unparteilichkeit seit der Jahrhundertwende zunehmend zurück, „… die ursprüngliche Unparteilichkeitsbehauptung verkam zum Lippenbekenntnis.“ (Esser, 1998, S. 71) Die Tradition dieser Gesinnungspublizistik hatte für Deutschland verheerende Folgen. So kam es in der Weimarer Republik zu einer Radikalisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die sich auch in den Zeitungen widerspiegelte. Sozialistische, kommunistische und deutschnationale Organe trugen dort ihren Kampf gegen die Republik, ihre Institutionen und führenden Repräsentanten aus. Verleumdungen, Beleidigungen und unwahre Darstellungen waren an der Tagesordnung, wobei sich fast jedes der zahlreichen Heimatblätter einer bestimmten Partei verschrieben hatte. Von Forumszeitungen, die den einzelnen Bürger umfassend informieren und ein breites Meinungsspektrum präsentieren, konnte damals keine Rede sein (vgl. Esser, 1998, S. 70). Die geringe Auflagenzahl niveauvoller Zeitungen wie der Frankfurter Zeitung, dem Berliner Tageblatt oder der Vossischen Zeitung konnte die demokratiefeindlichen Tendenzen nicht aufhalten – nicht zuletzt deshalb, weil die im Reichspressegesetz von 1874 verankerte Pressefreiheit durch die Notverordnungen in der Weimarer Republik nur in eingeschränktem Maße galt. Ab Hitlers Machtergreifung waren Journalisten schließlich vollends dem Staat untergeordnet. Das nationalsozialistische Regime beanspruchte die absolute Kontrolle über die öffentliche Meinung, so dass eine kritische Berichterstattung unmöglich wurde und der journalistische Beruf streng genommen gar nicht mehr existierte (vgl. Esser, 1998, S. 73-74). Wirkliche Pressefreiheit war in Deutschland erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dauerhaft garantiert, genauer gesagt seit Aufhebung des Lizenzzwangs durch die alliierten Westmächte im Jahr 1949 (vgl. Koszyk, 1999, S. 44-47). In der „historischen Sondererfahrung“ (Esser, 1998, S. 53-54) der spät errungenen Pressefreiheit in Deutschland wird heute auch der Grund für das unterschiedliche Rollenverständnis deutscher und angelsächsischer
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Journalisten erkannt. So stellt unter anderem Frank Esser in seiner Dissertation über das englische und deutsche Journalismussystem fest, dass sich in Deutschland – anders als in Großbritannien – ein Selbstverständnis von Presse als eine von staatlichen und politischen Einflüssen unabhängige Vierte Gewalt im Staat nie wirklich hat entwickeln können. Ein Bewusstsein für journalistische Werte wie Neutralität, Faktizität und Trennung von Tatsache und Meinung war bei angelsächsischen Journalisten wesentlich frührer ausgeprägt: „Nach Deutschland kamen sie erst mit den ‘Care’-Paketen.“ (Esser, 1998, S. 83) Dieses spezielle Selbstverständnis der deutschen Journalisten wirkt sich auch heute noch in den Medieninhalten aus, auch wenn Objektivität und Unparteilichkeit im Journalismus westlicher Länder mittlerweile universal anerkannte Leitmaximen sind und sich deutsche Journalisten mehr denn je einem neutralen Informationsjournalismus verpflichtet fühlen (vgl. dazu auch Kapitel 2.4.3). Dennoch: Die Parteilichkeit deutscher Medien ist immer noch größer ist als die amerikanischer oder britischer Presseerzeugnisse (vgl. Esser, 1998, S. 84-90). Und selbst beim Magazin Der Spiegel, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Anlehnung an die angelsächsischen News Magazines Time und News Review gegründet worden war und als das wichtigste Organ des investigativen Journalismus in Deutschland gilt, ist diese Tendenz zu beobachten (vgl. Essser, 1998, S. 99-107). Bedeutsam für die vorliegende Arbeit ist die deutsche Journalismustradition deshalb, da sie sich – wenn auch in abgeschwächter Form – im Selbstbild deutscher Journalisten gehalten hat und möglicherweise auch in den Köpfen der Bevölkerung. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Rezipienten Journalisten eine Art „missionarischen Eifer“ unterstellen und davon ausgehen würden, dass sie ihr Publikum in ihrem Sinne lenken wollten. Diese Überlegung wirft die grundsätzliche Frage auf, was Rezipienten überhaupt von Journalisten erwarten und inwieweit sie annehmen, dass die Medien ihren Ansprüchen gerecht werden. 2.5.3 Die soziale Stellung des Zeitungsredakteurs im 19. und frühen 20. Jahrhundert Zwar etablierte sich der journalistische Berufsstand durch den Aufschwung der Massenpresse im 19. Jahrhundert und den dadurch bedingten Bedarf an hauptberuflich tätigen Redakteuren, doch schützte diese Entwicklung die
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Journalisten nicht vor heftiger Kritik. Diese entstammte zum einen den Kreisen der Arbeiterbewegung, die vornehmlich gegen die Journalisten der liberalen Presse wetterten. So titulierte sie Ferdinand Lassalle in einer Rede auf dem Frankfurter Abgeordnetentag 1863 als „Hauptfeind aller gesunden Entwicklung des deutschen Geistes und des deutschen Volkstums“ (Lassalle, 1863, S. 350) und empörte sich: „Sie sind eine Bande von Menschen, sage ich daselbst, zu unfähig zum Elementarschullehrer, zu arbeitsscheu zum Postsekretär, zu keiner bürgerlichen Hantierung tüchtig und eben deshalb sich berufen glaubend, Volksbildung und Volkserziehung zu treiben!“ (Lassalle, 1863, S. 366–367)
Weitere Kritik ernteten Journalisten von Seiten der Katholischen Kirche, die ihnen vorwarf, die Sensationsgier der breiten Massen zu schüren. Dabei richteten sich die Angriffe vor allem gegen Angehörige der Generalanzeigerpresse oder jene Journalisten, die dem konservativen Lager fern standen. So heißt es in einem Zeitschriftenartikel aus den Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland von 1840: „Nicht bloß auf die Leichtgläubigkeit, die Urtheilsunfähigkeit der Menschen kann die schlechte Presse unbedenklich speculieren, sondern ein unbegränztes Feld zerstörender Wirksamkeit wird ihr dadurch eröffnet, daß sie sich mit den verworfensten Leidenschaften der Menschen verschwistert, diese immer frecher hervorruft und ihnen täglich neue Nahrung zuführt. Heute ist’s der Neid, morgen die wilde Frechheit, dann wieder die Schadenfreude, oder die Ruchlosigkeit, abwechselnd der Hohn oder die Begierlichkeit, die sie herauslockt, speist, im wilden Fandango erhält. Sie entstellt die Geschichte, befleckt die Gegenwart, spritzt ihren ätzenden Geifer über die Zukunft und, den Harpien gleich, besudelt sie jeden Fraß, über den sie sich herwirft; und, je ärger dieß Alles, unter desto brüllenderm Gejauchz einer zuchtlosen, verwilderten oder der Verwilderung entgegenstürmenden Menge.“ (Die gute und die schlechte Presse, 1840, S. 156–157)
Und auch Kaiser Wilhelm II. ließ kein gutes Haar an Journalisten und titulierte sie in einer Rede aus dem Jahr 1890 als „Hungerkandidaten“ und „vielfach verkommene Gymnasiasten“ (vgl. Frizenschaf, 1901, S. 57).
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Andere Zeitgenossen hingegen schwankten zwischen Bedauern und Anerkennung der Journalisten. So beklagt Max Weber (1919) in seinem Aufsatz Politik als Beruf das Schicksal der Journalisten, keiner festen sozialen Klasse anzugehören, sondern vielmehr stets nach ihren ethisch am tiefsten stehenden Repräsentanten eingeschätzt zu werden. Der Journalist, so Weber, sei Angehöriger einer „Pariakaste“, und deshalb seien auch die seltsamsten Vorstellungen über Journalisten im Umlauf. Dabei stünde eine gute journalistische Leistung der eines Gelehrten geistig in nichts nach, „... vor allem infolge der Notwendigkeit, sofort, auf Kommando, hervorgebracht zu werden und: sofort wirken zu sollen, bei freilich ganz anderen Bedingungen der Schöpfung ...“ [Hervorhebung im Original] (Weber, 1919, S. 525–526) Das Verantwortungsgefühl eines ehrenhaften Journalisten werde fast nie gewürdigt, da die verantwortungslosen journalistischen Leistungen aufgrund ihrer furchtbaren Wirkung viel stärker im Gedächtnis verhaftet bleiben würden. Das Publikum habe sich daran gewöhnt, „... die Presse mit einer Mischung von Verachtung und – jämmerlicher Feigheit zu betrachten.“ (Weber, 1919, S. 526) Doch gerade für die Stärke der Journalisten, die gesellschaftliche Missachtung zu ertragen, und für ihre Fähigkeit, über jedes Thema aus dem Stegreif etwas Sinnvolles zu berichten, bewunderte sie Weber: „Es ist durchaus keine Kleinigkeit, in den Salons der Mächtigen der Erde auf scheinbar gleichem Fuß, und oft allgemein umschmeichelt, weil gefürchtet, zu verkehren und dabei zu wissen, daß, wenn man kaum aus der Tür ist, der Hausherr sich vielleicht wegen seines Verkehrs mit den ‘Pressebengeln’ bei seinen Gästen besonders rechtfertigen muß, - wie es erst recht keine Kleinigkeit ist, über alles und jedes, was der ‘Markt’ gerade verlangt, über alle denkbaren Probleme des Lebens, sich prompt und dabei überzeugend äußern zu sollen, ohne nicht nur der absoluten Verflachung, sondern vor allem der Würdelosigkeit der Selbstentblößung und ihren unerbittlichen Folgen zu verfallen.“ (Weber, 1919, S. 528)
Entgegen Webers Annahme und trotz der Journalistenschelte einzelner Gruppen dürfte sich die soziale Anerkennung der deutschen Zeitungsredakteure in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts tatsächlich verbessert haben, so die Meinung der wissenschaftlichen Literatur. Als Argument verweist sie auf die zunehmende Professionalisierung des
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Berufsstands in jener Zeit, die ihren Ausdruck in der Gründung von Berufsverbänden und Journalistenschulen fand. So formierte sich 1895 der Verband deutscher Journalistenvereine, aus dem 1910 der Reichsverband der Deutschen Presse hervorging (vgl. Wilke, 2003, S. 479); 1900 gab es in Berlin die erste Journalistenschule (vgl. Haacke, 1970, S. 437). Auch das finanzielle Auskommen der hauptberuflichen Redakteure verbesserte sich im 19. Jahrhundert. In einem soliden Verlag konnte man mindestens das Gehalt eines Pastors oder Gymnasiallehrers verdienen, was den Beruf zunehmend erstrebenswert machte (vgl. Haacke, 1970, S. 435). Als einen weiteren Grund für die Steigerung der sozialen Stellung von Journalisten verweist unter anderem Wilke (2003, S. 479) auf den relativ hohen Bildungsstand der Journalisten im 19. Jahrhundert und die häufige Rekrutierung des Personals aus angesehenen Gesellschaftskreisen. Demnach entstammten mehr als 50 Prozent der hauptberuflich tätigen Zeitungsmacher dem Bildungsbürgertum oder Beamtenfamilien, so dass der Journalistenberuf für unbürgerliche Schichten nicht so zugänglich war, wie man lange Zeit angenommen hatte. Zudem betrug der Anteil an Akademikern im deutschen Journalismus für das gesamte 19. Jahrhundert über 80 Prozent, von denen mehr als die Hälfte promoviert waren. Wilke nimmt daher an, dass Journalisten damals wohl kaum deklassiert gewesen sein können. Lediglich in den Journalisten der sozialdemokratischen Presse sieht er eine Ausnahme, da diese vor ihrer journalistischen Karriere häufig als Handwerker tätig gewesen waren. Allerdings sollte man bei diesen Erkenntnissen immer auch beachten, dass sie allein auf den Zahlen der Berufsstatistik basieren beziehungsweise von den Gründungsdaten bestimmter Institutionen abgeleitet werden. Empirisch gesichert sind sie nicht, da Untersuchungen zur Frage, wie sich das Image von Journalisten gestaltet, erst seit den 1960er-Jahren vorliegen – und das auch nur in Bezug auf bestimmte Aspekte dieses komplexen Konstrukts. 2.6 Journalistenimage – Medienimage: Empirische Befunde Frank Böckelmann (1993) zählt in seiner Bilanz der Kommunikatorforschung im deutschsprachigen Raum von 1945 bis 1990 unter der Rubrik „Glaubwürdigkeit, Image, Berufsethos, Problematik der Berufsrolle“ von Journalisten insgesamt sieben Studien auf, von denen lediglich drei für die vorliegende Arbeit relevant sind. Dies alleine macht deutlich, dass bis heute relativ wenige Un-
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tersuchungen vorliegen, die der Forschungsfrage nach dem Image von Journalisten aus Rezipientensicht nachgegangen sind. Dennoch ist es nicht leicht, die wenigen Studien sinnvoll zu ordnen, da sie inhaltlich und methodisch sehr unterschiedlich ausfallen. Um dem Ganzen dennoch eine Struktur zu verleihen, werden an dieser Stelle zunächst Studien zum so genannten „Berufsranking“ präsentiert, in denen auch der Journalistenberuf berücksichtigt wurde. Weiterhin werden Umfrageergebnisse dokumentiert, die Auskunft über die Beliebtheit des Journalistenberufs aus der Sicht von deutschen Jugendlichen und Erwachsenen geben. Im Anschluss daran richtet sich der Blick auf zwei Studien, die sich mit dem Image von ganz speziellen „Arten“ von Journalisten befasst haben. Zum einen geht es hier um das Bild von Redakteuren bei regionalen Tageszeitungen, zum anderen um das Image prominenter Journalisten. Des Weiteren werden Befunde einer Langzeitstudie zum Image der Medien präsentiert, zum anderen drei umfassendere Studien zum Image von Journalisten aus Sicht der deutschen Bevölkerung. Der Überblick berücksichtigt dabei eigenständige Studien oder – falls diese nicht zugänglich sind – zusammenfassende Zeitschriftenartikel. Mit einer Ausnahme beschränkt er sich auf Untersuchungen zum Image von Journalisten in Deutschland. Innerhalb der einzelnen Abschnitte erfolgt die Darstellung in chronologischer Reihenfolge, beginnend mit den ältesten empirischen Daten2 bis hin zu den jüngsten. 2.6.1 Ansehen und Prestige von Journalisten In Deutschland fand das erste so genannte „Berufsranking“ 1966 statt. Federführend war dabei das Institut für Demoskopie Allensbach, das seitdem in regelmäßigen Abständen durch repräsentative Umfragen das Prestige und Ansehen verschiedener Professionen untersucht und dabei auch den Beruf des Journalisten berücksichtigt. Der gesellschaftliche Status des Journalistenberufs ist daher über einen relativ langen Zeitraum dokumentiert. Aber auch andere Institutionen haben sich mit diesem Thema auseinandergesetzt. So führte unter anderem Emnid Mitte der 1980er-Jahre eine ähnliche Befragung durch (vgl. Das Prestige der
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Entscheidendes Kriterium ist der Zeitpunkt der Datenerhebung.
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Chronisten, 1987). Weitere Erkenntnisse lieferte eine Umfrage im Auftrag des Nachrichtenmagazins Der Spiegel (vgl. Berufsimage, 1995). Prestige, Ansehen und Image – Anmerkung zu den Begrifflichkeiten Beim Berufsranking gibt es allerdings begriffliche Unzulänglichkeiten, da hier die Begriffe „Image“, „Ansehen“ und „Prestige“ häufig nicht klar voneinander getrennt werden. Das Institut für Demoskopie Allensbach überschreibt sein letztes Berufsranking mit „Berufsprestige-Skala“ (vgl. Ärzte weiterhin vorn, 2003), spricht in älteren Publikationen jedoch von „Berufsansehen“. Gefragt wird jedoch nach den fünf Berufen, die die Befragten „… am meisten schätzen, vor denen sie am meisten Achtung haben.“ (Ärzte weiterhin vorn, 2003) Emnid spricht mal vom Image, mal vom Prestige der Berufe, obwohl die Interviewteilnehmer das Ansehen der Professionen einschätzen mussten (vgl. Das Prestige der Chronisten, 1987). Und auch Der Spiegel titelt mit „Berufsimage“, obwohl die Befragten um eine Bewertung der beruflichen Tätigkeit gebeten wurden (vgl. Berufsimage, 1995). Solche Ungenauigkeiten sind kritisch, weil schon alleine die Begriffe „Prestige“ und „Ansehen“ unterschiedliche Dinge bezeichnen. So stellt Hradil (2001, S. 277) fest, dass das Prestige „… ausschließlich die gesellschaftlich typische Bewertung der unpersönlichen sozialen Positionen und Merkmale von Menschen bezeichnet.“ [Hervorhebung im Original] Solche Charakteristika umfassen unter anderem den Beruf, die Einkommensverhältnisse oder den Bildungsabschluss eines Menschen, wobei ersterer unter den objektiv zurechenbaren prestigehaltigen Merkmalen mit am wichtigsten ist. Er stellt gewissermaßen den „harten Kern“ des Prestigegefüges in industriellen Gesellschaften dar (vgl. Hradil, 2001, S. 276–277 und S. 286). Auch Kunczik (1988, S. 48) bezeichnet das Prestige als „eine Art Kristallisationspunkt“, in dem sich Merkmale wie Bildung, Einkommen und Besitz überschneiden, die für die Zuordnung von Prestige entscheidend sind. Das Ansehen eines Menschen hingegen bezieht sich auf die Bewertung der ihm zugeschriebenen persönlichen Merkmale, beispielsweise auf seine moralischen Eigenschaften und fachlichen Fähigkeiten. Sowohl die prestigehaltigen Merkmale als auch solche, die über das Ansehen eines Menschen entscheiden, müssen im Übrigen nicht zwangsläufig bekannt sein oder tatsächlich auf die Person zutreffen. Vielmehr kommen Wertungen
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alleine schon durch die Vermutung oder Behauptung zustande, die Eigenschaften würden eine Person auszeichnen – unabhängig davon, ob dies in der Realität tatsächlich der Fall ist oder nicht (vgl. Hradil, 2001, S. 276-277). Darin besteht der Bezug zum Imagebegriff. Auch hier ist nach dem „Schein“ gefragt und nicht danach, wie eine Sache oder Person tatsächlich ist. Allerdings ist das Image als Konstrukt aus Einstellungen, Vorstellungen, Gefühlen und Wissen eines Menschen in Bezug auf einen Meinungsgegenstand weitaus komplexer. Natürlich können dies auch Vorstellungen vom Bildungsstand, den Einkommensverhältnissen oder den persönlichen Eigenschaften einer Person sein. Doch muss man sich bewusst sein, dass die Befunde des Berufsrankings, die man – je nach Fragestellung – als Ausdruck des Prestiges und Ansehens der Berufe in der Bevölkerung lesen muss, eben nur bestimmte Aspekte ihres Images abdecken. Damit gleichzusetzen sind sie nicht. Möchte man also die Begrifflichkeiten „Ansehen“, „Prestige“ und „Image“ in ein sinnvolles Verhältnis zueinander bringen, so kann man letzteres den anderen zwei Begriffen überordnen. Ergebnisse einer Emnid-Umfrage von 1987 Im Mai 1987 forderte Emnid 1006 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger auf, das Ansehen von 25 Berufen auf einer sieben-stufigen Skala zu beurteilen. Dabei galt ein Wert von 1 als „besonders niedriges Ansehen“, der Wert 7 als „besonders hohes Ansehen“. Daraus ergab sich das Ranking der Berufe, bei dem der Praktische Arzt (6,1) vorne lag. Ihm folgten der Tierarzt, Zahnarzt, Rechtsanwalt und Pfarrer (5,5). Der Fernsehjournalist landete auf Rang 14 (4,7), der Zeitungsredakteur auf Platz 19 (4,4). Somit lagen beide im hinteren Drittel der Ranking-Liste. Den Vorsprung des Fernsehjournalisten erklärten die Forscher damit, dass dieser, anders als sein Kollege bei der Zeitung, mehr im Rampenlicht stehe und vom „Glanz der Großen“, über die er berichtet, profitiere (vgl. Das Prestige der Chronisten, 1987, S. 3) Ergebnisse einer Spiegel-Umfrage von 1995 Eine Umfrage im Auftrag des Magazins Der Spiegel, die in einem Sonderheft des Magazins dokumentiert ist (vgl. Berufsimage, 1995), förderte ähnliche
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Ergebnisse zutage. Wie viele Personen befragt wurden und ob die Umfrage repräsentativ war, ist nicht bekannt. Darüber hinaus war die Fragestellung – wie bei allen repräsentativen Umfragen zum Berufsranking – mehr als allgemein formuliert. Hier wurden die Befragten gebeten, die Tätigkeit verschiedener Berufe oder Berufsgruppen (Arzt, Hausfrau, Handwerker, Lehrer, Polizist, Ingenieur, Landwirt, Architekt, Rechtsanwalt, Journalist, Postbeamter, Meinungsforscher, Politiker, Bundestagsabgeordneter, Werbefachfrau/-mann, Offizier, Versicherungsvertreter) auf einer Skala von 1 („besonders niedrig“) bis 7 („besonders hoch“) zu bewerten. Dabei erreichte der Journalist den Wert von 4,5 und lag damit hinter dem Rechtsanwalt (4,9) und vor dem Postbeamten (4,3). Auch hier schnitt der Arzt am besten ab (5,9), der Versicherungsvertreter (3,0) hingegen am schlechtesten (vgl. Berufsimage, 1995, S. 166). Ergebnisse des Instituts für Demoskopie Allensbach von 2003 Bei der jüngsten Berufsprestige-Skala des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2003 landete der Journalist von 18 Berufen auf dem 14. Platz. So entschieden sich 13 Prozent der Befragten bei der Frage, welche fünf Berufe sie am meisten schätzen, vor denen sie die meiste Achtung haben, für den Beruf des Journalisten (vgl. Ärzte weiterhin vorn, 2003). Er schnitt damit im Vergleich zum Ranking von 2001 um fünf Prozent schlechter ab. Damals zählten ihn immerhin noch 18 Prozent der Bevölkerung zu den fünf am meisten geschätzten Berufen. Damit liegt der Journalist aktuell knapp vor dem Offizier (neun Prozent) und hinter dem Studienrat (14 Prozent). Angeführt wird die Berufsranking-Liste derzeit mit großem Vorsprung vom Arzt (72 Prozent), gefolgt vom Pfarrer beziehungsweise Geistlichen (39 Prozent) sowie vom Hochschulprofessor (30 Prozent) (vgl. Ärzte weiterhin vorn, 2003). Betrachtet man das Abschneiden des Journalistenberufs im Ranking seit der ersten Allensbacher Erhebung von 1966 bis heute, so fällt auf, dass er stets im letzten Drittel der Liste anzufinden ist, wobei die Ergebnisse leicht schwanken. Bei der ersten Befragung 1966 zählten ihn 15 Prozent, 1985 und 1991 immerhin jeweils 18 Prozent und im Jahr 1995 17 Prozent der Bevölkerung zu den fünf am meisten geschätzten Berufen. Mitte der 1970er-Jahre brach er sogar auf elf Prozent ein (vgl. Noelle- Neumann &
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Köcher, 1997, S. 964). Die Entwicklung in jüngster Zeit deutet darauf hin, dass der Beruf des Journalisten an sozialer Wertschätzung aktuell einzubüßen scheint. Allerdings muss man bei diesen Ergebnissen auch beachten, dass die Schwankungsbreite der Ergebnisse auch mit den zur Auswahl stehenden Berufen zusammenhängen könnte. So wurde bei der Vorgabe der Berufe nicht immer die Berufsbezeichnung „Journalist“ gewählt, sondern beispielsweise auch vom „Zeitungsredakteur“ (Noelle & Neumann, 1974, S. 370) oder vom „Fernsehjournalisten“ (Noelle-Neumann & Köcher, 1993, S. 837) gesprochen. Damit könnte vor allem das relativ gute Abschneiden des Journalistenberufs Anfang der 1990er-Jahre erklärt werden, da das Fernsehen für viele Menschen nach wie vor einen besonderen Reiz besitzt. Außerdem gibt das Institut für Demoskopie Allensbach den Befragten seit jeher konkrete Berufe vor. Offen bleibt daher, ob der Journalist, wenn man auf eine solche Vorgabe verzichten würde, ebenfalls auf der Liste der am meisten geschätzten Berufe landen würde. Befunde aus Allensbach zur Ehrlichkeit der Journalisten Das Institut für Demoskopie Allensbach bat im Januar 2001 insgesamt 2000 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger ab 16 Jahre um die Einschätzung der Ehrlichkeit beziehungsweise Unehrlichkeit von insgesamt 26 Berufsgruppenvertretern. Damit stand bei dieser Umfrage eine Charaktereigenschaft im Mittelpunkt, die Einfluss auf das Ansehen eines Menschen hat. Dabei schnitt der Journalist auffallend schlecht ab. Lediglich fünf Prozent der Befragten hielten den Beruf des Journalisten für ehrlich, 29 Prozent hingegen für besonders unehrlich. Damit lag er in etwa gleich auf mit der Zunft der Wertpapierhändler und Börsianer sowie der Gruppe der leitenden Angestellten. Angeführt wurde das Ranking von der Berufgruppe der Geistlichen (Pastoren, Pfarrer, Vertreter der Kirche), die 44 Prozent der Befragten für ehrlich hielten, gefolgt vom Apotheker (32 Prozent) und dem Polizisten (30 Prozent). Der Zeitungsreporter schnitt im Übrigen noch schlechter ab als die Berufsgruppe der Journalisten allgemein. Nur drei Prozent der Befragten hielten ihn für ehrlich, aber 35 Prozent für besonders unehrlich. Als unehrlicher galten nur noch Immobilienmakler (46 Prozent), Versicherungskaufleute (52 Prozent) und Autoverkäufer (56 Prozent) (vgl. NoelleNeumann & Köcher, 2002, S. 206).
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2.6.2 Journalist – ein „Traumberuf“? Emnid fand Ende der 1990er-Jahre heraus, dass der Beruf des Journalisten in puncto Beliebtheit bei deutschen Jugendlichen an der Spitze steht, noch vor Architekt und Rechtsanwalt. Der Arztberuf, der bei Repräsentativumfragen meist das größte Ansehen und Prestige genießt, landete in dieser Studie sogar nur auf dem sechsten Platz. Fast ein Viertel (22 Prozent) der Jugendlichen gab an, sich für den Beruf des Journalisten besonders zu interessieren (vgl. Spitze, 1998, S. 9). Bei diesem Ergebnis ist jedoch zu beachten, dass aus der Dokumentation der Befunde nicht hervorgeht, ob die Umfrage für die jugendliche Bevölkerung repräsentativ war, ob die Jugendlichen aus einer Liste verschiedener Berufe auswählen konnten und welche dies im Einzelnen waren. Zudem wird keine Unterscheidung hinsichtlich des Geschlechts der Jugendlichen vorgenommen, obwohl gerade dies bei der Frage nach dem Traumberuf eine Rolle zu spielen scheint. Darauf deuten die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema „Traumberufe“ hin, die das Institut für Demoskopie Allensbach unter circa 1000 deutschen Schülern im Jahr 2000 durchgeführt hat. Den Jugendlichen wurden anhand von Bildblättern 21 Berufe vorgegeben und folgende Frage gestellt: „Könnten Sie bitte diese Berufe auf die Liste hier verteilen, je nachdem, wie sehr Sie diese Berufe interessieren. Sie sehen ja, was auf dem Bildblatt steht.“ (Noelle-Neumann & Köcher, 2002, S. 209)
25 Prozent der Mädchen gaben dabei an, der Beruf der Journalistin würde sie besonders interessieren. Größeres Interesse hatten die Mädchen nur noch am Beruf der Designerin (35 Prozent) und der Ärztin (27 Prozent). Jungen hingegen interessierten sich vornehmlich für informationstechnologische Berufe, zum Beispiel für den Beruf des Softwareentwicklers (33 Prozent), Informatikers (30 Prozent) oder EDV-Fachmanns (24 Prozent). Der Beruf des Journalisten landete hier nur auf Rang Acht, da lediglich zwölf Prozent der Jungen angaben, sich dafür zu interessieren (vgl. NoelleNeumann & Köcher, 2002, S. 209). Erwachsene scheinen bei der Frage nach ihrem „Traumberuf“ wiederum andere Kriterien heranzuziehen als Jugendliche, Frauen haben diesbezüglich offenbar andere Vorlieben als Männer. Dies zeigen Befunde einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, die ebenfalls 2000 unter Erwachsenen durchgeführt wurde. Hier belegte der
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Journalistenberuf weder bei Männern noch bei Frauen einen Spitzenplatz, war aber bei beiden Geschlechtern in etwa gleich beliebt. So bezeichneten ihn zehn Prozent der Männer und neun Prozent der Frauen – unabhängig von ihrer tatsächlichen Tätigkeit – als ihren „Traumberuf“, wobei er damit beim „starken Geschlecht“ auf Platz Acht landete, bei den Frauen auf Rang Neun. Bei den Männern führten die Liste der beliebtesten Berufe der Spitzensportler (20 Prozent), der Unternehmer (19 Prozent) und der Schiffskapitän (17 Prozent) an. Bei den Frauen waren dies der Beruf der Stewardess (19 Prozent), der Floristin (17 Prozent) und der Ärztin (16 Prozent) (vgl. Noelle-Neumann & Köcher, 2002, S. 208). Aus der Darstellung der Umfrageergebnisse im Allensbacher Jahrbuch geht allerdings nicht hervor, wie viele Berufe den Erwachsenen bei der Frage nach ihrem „Traumberuf“ insgesamt zur Auswahl standen und welche dies im Einzelnen waren. 2.6.3 Das Image von Lokaljournalisten Schönbach und Weischenberg untersuchten im Rahmen der DortmundStudie das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten, dem sie einen zentralen Einfluss auf den Wirkungsprozess zusprachen (vgl. Schönbach & Weischenberg, 1987, S. 16; Weischenberg, 1985, S. 92; Kapitel 2.3.6). Dabei stand allerdings das Image eines ganz bestimmten Journalistentyps im Zentrum des Forschungsinteresses, nämlich das Bild von Lokaljournalisten bei regionalen Tageszeitungen. Erfasst wurde ihr Image durch eine repräsentative Panelumfrage unter Dortmunder Lesern der drei regionalen Abonnementzeitungen Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Ruhr-Nachrichten sowie Westfälische Rundschau. Bei der Untersuchung stellte man den Panelteilnehmern zunächst folgende offene Frage: „Wenn Sie einmal an die Journalisten denken, die in Ihrer Zeitung hier über die Stadt Dortmund berichten: Wie stellen Sie sich die vor, welche Eigenschaften haben die nach Ihrer Meinung? Sagen Sie mir doch bitte einmal ganz spontan, was Ihnen alles zu diesen Journalisten, die über Dortmund berichten, einfällt.“ (Weischenberg, 1985, S. 105–106)
Zudem setzten die Forscher bei ihrer Untersuchung ein Semantisches Differential ein. So wurden die Befragten aufgefordert, eines von sechs Kästchen
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zwischen je zwei entgegen gesetzten Eigenschaftspaaren anzukreuzen, je nachdem, welcher Wesenszug aus ihrer Sicht auf die Dortmunder Journalisten eher zutraf. Zur Auswahl standen die folgenden 18 Merkmale, von denen sich 13 in eine Positiv-Negativ-Skala überführen ließen: politisch uninteressiert/politisch interessiert, nicht intelligent/intelligent, ungebildet/gebildet, ängstlich/selbstsicher, faul/fleißig, verschlossen/zugänglich, engstirnig/aufgeschlossen, verantwortungslos/verantwortungsbewusst, unkritisch/kritisch, kleinbürgerlich/weltoffen, konservativ/fortschrittlich, arm/reich, alt/jung, unehrlich/ehrlich, einflusslos/einflussreich, oberflächlich/gewissenhaft, rechts/links, einfach/kompliziert (vgl. Weischenberg, 1985, S. 97). Die Auswertung des Semantischen Differentials zeigte, dass die Leser insgesamt betrachtet ein relativ gutes Bild von den Dortmunder Zeitungsjournalisten hatten. So bewegten sich die Einstufungen der Eigenschaftspaare im positiv konnotierten Bereich. Dabei fiel die Zustimmung der Leser zu den Eigenschaften „politisch interessiert“, „intelligent“ und „gebildet“ am deutlichsten aus (vgl. Weischenberg, 1985, S. 97). Zunächst schienen sich die Leser der drei Tageszeitungen in ihren Urteilen kaum voneinander zu unterscheiden. Doch zeigte eine genauere Betrachtung der Daten, dass ein positives beziehungsweise negatives Image der Lokaljournalisten vom Alter, dem Geschlecht und der formalen Bildung der Zeitungsleser abhing. Schönbach und Weischenberg erkannten dabei, dass Frauen Lokaljournalisten mehr mögen als Männer und Leser den Lokalredakteuren desto unkritischer gegenüberstehen, je älter und weniger gebildet sie sind. Zudem ging ein geringes Interesse der Leser an Politik mit einem besseren Image von Journalisten einher, was auch dann galt, wenn die Merkmale „Schulbildung“ und „Alter“ kontrolliert wurden (vgl. Schönbach & Weischenberg, 1987, S. 142-143). Ihre Befunde präzisierten Weischenberg und Scholl (1989) in einem weiteren Aufsatz unter Einbezug der Antworten auf die offene Fragestellung, die relativ instabil ausgefallen waren, wobei neutrale, nicht wertende oder überhaupt keine Aussagen überwogen hatten. Aus dem Positivitätsbias des Images der Journalisten und dem instabilen Antwortverhalten der Dortmunder Zeitungsleser auf die offene Fragestellung zogen sie schließlich den Schluss, dass die meisten Rezipienten grundsätzlich nur ein vages Bild von Lokaljournalisten haben. Das relativ positive Image der Dortmunder Lokaljournalisten war aus Sicht der Forscher dadurch zustande gekommen,
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dass die Befragten – mehr aus Höflichkeit – positivere Werte angekreuzt hatten (vgl. Weischenberg & Scholl, 1989, S. 422–423). Erwartungen der Bevölkerung an Lokaljournalisten Trotz des scheinbar nicht vorhandenen Images von Lokaljournalisten bei den Rezipienten nahmen Weischenberg und Scholl dennoch an, dass die Dortmunder Zeitungsleser konkrete Vorstellungen von den Kommunikationsleistungen der lokalen Medien und dem Rollenverständnis der Lokaljournalisten besaßen. Ausgehend von dieser Vermutung erfassten sie die Erwartungen des Dortmunder Zeitungspublikums an die Lokaljournalisten mit Hilfe von neun Items, die die Befragten auf einer Skala von 1 („stimme überhaupt nicht zu“) bis 6 („stimme voll und ganz zu“) bewerten sollten. Dabei zeigte sich, dass die Dortmunder Leser von ihren Lokaljournalisten vor allem einen neutralen Journalismus verlangten. Jedenfalls erhielt die Rolle des „neutralen Berichterstatters“ (5,284) die größte Zustimmung bei den Befragten, gefolgt von der Aufgabe des „Kritikers an Missständen“ (4,971) und „Sprachrohrs der Bevölkerung“ (4,516). Etwas weniger stark wurden die Rolle „Wächter der Demokratie“ (4,306), „Anwalt Benachteiligter“ (4,135) und „Vermittler neuer Ideen“ (4,049) bestätigt. Die Funktion des Lokaljournalisten als „Berater“ (3,585), „Unterhalter“ (3,455) und „Pädagoge/Erzieher“ (2,247) fand bei den Lesern die geringste Akzeptanz (vgl. Weischenberg & Scholl, 1989, S. 425). 2.6.4 Das Image prominenter Journalisten Journalisten genießen ein durchweg positives Image in der Bevölkerung, wenn sie zum Kreis der Prominenten zählen. Dies zeigt eine Studie von Birgit Peters (1996) zu dem bis dato kaum untersuchten Prominenzphänomen. Die folgende Darstellung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse konzentriert sich auf die so genannte „Medienprominenz“, also auf den Kreis der Prominenten, „… die allein in den Medien oder für die Medien agieren.“ (Peters, 1996, S. 63) Peters Studie basiert auf einer Umfrage, die im Herbst 1990 durchgeführt wurde und repräsentativ war für die westdeutsche Bevölkerung ab 18
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Jahre. Um die Zusammensetzung von Prominenz aufzudecken, wurden insgesamt 2029 zufällig ausgewählte Personen aufgefordert, die Namen von Prominenten zu benennen, die sie zu einer Fernsehtalkshow einladen würden. Zudem sollten die Untersuchungsteilnehmer angeben, welche Promis sie auswählen würden, wenn es sich dabei um eine politische Talkshow handeln würde. Insgesamt kamen 1461 Interviewpartner dieser Bitte nach (vgl. Peters, 1996, S. 45-47). Bei der Betrachtung der Gesamtheit aller Nennungen3 – jeder Befragte konnte maximal sechs prominente Personen aufzählen – zeigte sich, dass 90 Prozent aller Prominenten den Gesellschaftsbereichen Kultur (Kunst/Medien), Politik und Sport entstammen. Gesellschaftliche Teilsysteme wie Wirtschaft, Wissenschaft oder die Kirche spielen beim Prominenzphänomen somit kaum eine Rolle. 19,1 Prozent aller Nennungen entfielen auf die Medienprominenz, die damit hinter der Politprominenz (43,1 Prozent) und Kunstprominenz (27,1 Prozent) auf dem dritten Rang landete und damit vor der Sportprominenz (7,3 Prozent). Bezogen auf die Anzahl der insgesamt 722 Prominenten, die von den Befragten für eine Talkshow vorgeschlagen wurden, waren dies 88 Prominente (vgl. Peters, 1996, S. 56-57). Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Prominenz des Medienbereichs brachte ans Licht, dass dort die Fernsehprominenz dominiert, also Entertainer oder Moderatoren, die im Fernsehen präsent sind. Auf sie entfielen 619 der insgesamt 707 Nennungen im Bereich der Medienprominenz. Allein 17 Entertainer erhielten gemeinsam 500 Nennungen, wobei mit 199 Nennungen Thomas Gottschalk der eindeutige Spitzenreiter war gefolgt von Rudi Carrell (70 Nennungen), Frank Elstner (56 Nennungen), Günther Jauch und Hans Joachim Kulenkampff (beide 35 Nennungen). Alleine diese Medienprominenten und somit Persönlichkeiten, die häufig im Fernsehen 3
Die Studie unterscheidet insgesamt drei Grundgesamtheiten. So standen als Analysebasis die Menge der befragten Personen zur Verfügung, die Anzahl der Nennungen sowie die genannten Prominenten selbst. Dabei war die am häufigsten zugrunde gelegte Größe die Gesamtheit der Nennungen, wobei der Datensatz nicht in der konventionellen Form vorlag (also pro Interviewteilnehmer eine Zeile, die alle Informationen enthält), sondern die Angaben pro Befragungsteilnehmer auf sechs Zeilen verteilt wurden, wobei sich die Zeilenanzahl durch die maximal mögliche Anzahl an Nennungen ergab. Jede Prominentennennung wurde somit als ein Fall behandelt – unabhängig davon, ob der Prominente auch von anderen Befragten genannt wurde oder nicht. Bei Zugrundelegung dieser Analyseeinheit ging somit jeder Prominente so oft in die Analyse ein wie er insgesamt von allen Befragten genannt wurde (vgl. Peters, 1996, S. 48).
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auftreten und dort im Unterhaltungsbereich, vereinten 50 Prozent aller Nennungen auf sich und erzielten somit die größte Aufmerksamkeit in diesem Gesellschaftsbereich. Auf die Gruppe der Herausgeber, Intendanten, Redakteure und Journalisten – insgesamt 36 an der Zahl – entfielen hingegen nur 86 Nennungen. Hier war die Journalistin Alice Schwarzer mit 21 Nennungen die prominenteste Person. Persönlichkeiten wie Elke Heidenreich (14 Nennungen), Alfred Biolek (14 Nennungen), Hans-Joachim Fuchsberger (13 Nennungen) und Hans-Joachim Friedrichs (elf Nennungen) erhielten im Kreis der Journalisten ebenfalls relativ viel Aufmerksamkeit. Die beiden Sportmoderatoren Dieter Kürten und Harry Valérien (jeweils drei Nennungen) sowie die Journalisten Peter Scholl-Latour, Ernst Dieter Lueg und Friedrich Nowottny (jeweils zwei Nennungen) fielen dagegen schon deutlich ab. Rudolf Augstein, Henri Nannen, Marion von Dönhoff oder Axel Springer, also Persönlichkeiten, die sich als Herausgeber von bedeutenden deutschen Printmedien wie Spiegel, Stern, Zeit und Bild hervorgetan haben, wurden sogar nur jeweils ein Mal genannt (vgl. Peters, 1996, S. 63-64 und S. 231-235).4 Peters folgerte aus diesen Beobachtungen, dass Prominente, die häufig im Fernsehen auftreten, die Medienprominenz dominieren und somit ein Merkmal des Prominenzphänomens erfüllt wird, das für alle anderen Gesellschaftsbereiche gleichermaßen gilt. Allerdings stellte sie diesen Befund unter Vorbehalt, da er möglicherweise dem Stimulus der Talkshowfrage zu schulden war (vgl. Peters, 1996, S. 63). Außerdem wies sie darauf hin, dass das Phänomen der Prominenz einem ständigen Wandel unterliege und der Prominentenstatus in der Regel flüchtig sei (vgl. Peters, 1996, S. 138-142). Dies bedeutet, dass sich bis heute möglicherweise die Zusammensetzung der Medienprominenz und somit auch der Kreis der prominenten Journalisten geändert haben könnte. Aktuell werden wahrscheinlich andere Journalisten, Redakteure, Intendanten und Herausgeber als „Spitzenjournalisten“ genannt als Anfang der 1990er-Jahre, dem Erhebungszeitpunkt der Daten. Relevanz für die vorliegende Arbeit erfährt Peters Studie vor allem dadurch, dass sie die Frage klärt, welches Image Prominente und somit auch Persönlichkeiten aus dem Bereich der Medien in der Bevölkerung haben. Zur Erfassung des Prominentenimages wurden den Befragten dreizehn 4
Bei den genannten Journalisten handelt es sich nur um eine Auswahl an Persönlichkeiten aus dem Bereich der Medienprominenz (Zur vollständigen Übersicht der genannten Prominenten vgl. Peters, 1996, S. 231-235).
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Eigenschaften vorgegeben mit der Bitte, auf einer siebenstufigen Skala anzukreuzen, inwieweit diese auf die von ihnen genannten Prominenten zutreffen oder nicht (vgl. Peters, 1996, S. 146). Mit Hilfe einer Faktorenanalyse reduzierte Peters die Eigenschaften auf drei Hauptfaktoren, wobei sie den ersten Faktor als „moralische Dimension“ bezeichnete, der sich aus den Eigenschaften „vertrauenswürdig/gutes Vorbild“ ergab. Den zweiten Faktor bezeichnete sie als „instrumentelle Dimension“, der aus den Merkmalen „einflussreich/durchsetzungsfähig“ resultierte. Die „expressive Dimension“ stellte schließlich den dritten Faktor dar, auf den die Eigenschaften „interessant/unterhaltsam“ luden. In allen drei Dimensionen wurden die Prominenten positiv beurteilt (vgl. Peters, 1996, S. 150-152). Eine Analyse der Profile der Prominenten aus Politik, Medien, Kunst und Sport brachte allerdings deutliche Imageunterschiede ans Licht. So wurden Medienprominente – und damit auch prominente Journalisten – auf der moralischen und instrumentellen Dimension durchschnittlich positiv beurteilt, erfuhren jedoch auf der expressiven Dimension eine deutliche Überbetonung. Peters schloss daraus, dass Medienprominente in der Bevölkerung ein gutes Image genießen, vor allem aber als interessant und unterhaltsam gelten (vgl. Peters, S. 154-155). 2.6.5 Das Image der Massenmedien in Deutschland Es steht zu vermuten, dass publizistische Institutionen selbst ein bestimmtes Image in der Bevölkerung besitzen (vgl. Kapitel 2.1 und 2.3.1) und dass Rezipienten dieses Image in irgendeiner Form auf die dort tätigen Journalisten übertragen. Aus diesem Grund sollen hier die jüngsten Ergebnisse der seit 1964 bestehenden ARD/ZDF-Langzeitstudie angeführt werden, deren wichtigste Befunde in regelmäßigen Abständen zusammengefasst werden (vgl. Ridder & Engel, 2001; 2005). Sie untersucht als weltweit einzige repräsentative Studie nicht nur die Entwicklung von Mediengewohnheiten, sondern vergleicht intermedial auch das Image, die Akzeptanz und die Bindungsstärke der Massenmedien Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und seit 2000 auch des Internets. Im Frühjahr 2005 wurde sie zum neunten Mal durchgeführt (vgl. Ridder & Engel, 2005, S. 422). Die aktuellsten Ergebnisse der Untersuchung belegen, dass Rezipienten von den vier genannten Medien konkrete Vorstellungen haben. Das Fernsehen besitzt dabei seit Jahren das breiteste Imageprofil, was seinen Charakter
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als „Allroundmedium“ widerspiegelt. Es wird von der Bevölkerung als besonders anspruchsvoll, modern, zukunftsorientiert, vielseitig, unterhaltend/unterhaltsam, aktuell, informativ, glaubwürdig, kompetent, kritisch, mutig, locker/ungezwungen und sympathisch empfunden. Sogar in puncto Sachlichkeit schneidet das Fernsehen in der jüngsten Umfrage etwas besser ab als die Tageszeitung, die im Jahr 2000 bei diesem Kriterium noch vorne lag. Die Zeitung besitzt aktuell von allen Medien das konservativste Image. So erhielt sie bei den Eigenschaften „modern“, „unterhaltend/unterhaltsam“ und „locker/ ungezwungen“ mit Abstand die wenigste Zustimmung (vgl. Ridder & Engel, 2005, S. 432-433). Auch innerhalb der gleichen Mediengattung herrschen deutliche Imageunterschiede vor. So werden beispielsweise die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender im Vergleich zu den privaten Anbietern bei weitem als sachlicher, glaubwürdiger, kompetenter, anspruchsvoller, informativer, kritischer und aktueller wahrgenommen. Privatsender gelten hingegen als sympathischer, zukunftsorientierter, vielseitiger, mutiger, unterhaltsamer, moderner und lockerer/ungezwungener als ARD und ZDF. Die Stärke der öffentlichrechtlichen Sender bei den rationalen Beurteilungskriterien ist also gepaart mit einem Image emotionaler Schwäche. Dabei zeigt ein Vergleich der Ergebnisse aus dem Jahr 2000 mit den jüngsten Befunden, dass sich die Urteile der jeweiligen Systemanhänger verfestigt haben. So bewerten Zuschauer mit einem öffentlich-rechtlichen Lieblingssender ARD und ZDF in allen Kategorien außer „mutig“ und „locker/ungezwungen“ deutlich besser. Personen, die lieber einen Privatsender einschalten, betonen hingegen bei den privaten Anbietern verstärkt die emotionalen Eigenschaften (vgl. Ridder & Engel, 2005, S. 433-434). Vergleicht man die Images von öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern hinsichtlich der ihnen zugeschriebenen Leistungen, so stehen erstere nach wie vor für politische Meinungsbildung, Glaubwürdigkeit und Kultur. Ihre politische Berichterstattung erscheint der Bevölkerung ausgewogener als die der Privaten, ihre Informationen als zuverlässiger und glaubwürdiger. Die öffentlich-rechtlichen Anbieter gelten stärker als die privaten als unverzichtbarer Bestandteil der Kultur in Deutschland, als Wertevermittler, verlässliche Helfer in Alltagsfragen und als bessere Lieferanten von Hintergrundinformationen. Aus Sicht der Rezipienten bieten sie zudem niveauvollere Unterhaltung, haben interessantere Themen in ihren Gesprächssendungen, weisen stärker als die Privatsender auf gesellschaftliche
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Ungerechtigkeiten hin und lassen eher Leute zu Wort kommen, die sich um solche Fragen kümmern. Die privaten Sender laufen den öffentlichrechtlichen nur in zwei Aspekten den Rang ab: Sie sprechen aus Sicht der Bevölkerung stärker die ganze Familie an und werden als geeigneter empfunden, um zu entspannen (vgl. Ridder & Engel, S. 2005, S. 438-439). 2.6.6 Allgemeine Darstellungen Es gibt nur relativ wenige Untersuchungen, die sich mit dem Image von Journalisten in der Bevölkerung in umfassender Weise auseinander gesetzt haben. Somit ist es möglich, das methodische Vorgehen und die Befunde dieser Studien ausführlich zu dokumentieren und zu diskutieren. Die ältesten Daten gehen auf eine empirische Untersuchung von Gottschlich und Karmasin (1979) zurück, die sich allerdings auf Österreich bezieht. Diese Studie findet im Folgenden dennoch Berücksichtigung, da das österreichische Mediensystem trotz zahlreicher Unterschiede in ausgewählten Punkten Ähnlichkeiten zum deutschen aufweist, die sich wiederum im Image des journalistischen Berufsstands niederschlagen könnten. So ist dort beispielsweise der Zugang zum Journalismus ebenfalls frei, das heißt unabhängig von bestimmten Ausbildungsvorgaben (vgl. Dorer, 2003, S. 238). Zudem besteht in Österreich mit dem ORF und den privaten Radio- und Fernsehstationen – ebenso wie in Deutschland – ein auf zwei Säulen basierendes Rundfunkssystem. Das Image von Journalisten in Österreich Gottschlich und Karmasin (1979) untersuchten mittels einer repräsentativen Befragung die Vorstellungen der österreichischen Bevölkerung vom Journalistenberuf, das Image von Journalisten aus Sicht von österreichischen Politikern und das Selbstbild der österreichischen Journalisten und verglichen die Bilder untereinander. Im Folgenden werden nur die Befunde zum Image der Journalisten in der österreichischen Bevölkerung dokumentiert, da vor allem sie für die vorliegende Arbeit relevant sind. An der Bevölkerungsumfrage, die im Januar 1977 durchgeführt wurde, nahmen insgesamt 1000 Personen teil, die repräsentativ waren für die öster-
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reichische Bevölkerung ab 16 Jahre (vgl. Gottschlich & Karmasin, 1979, S. 28). Durchgeführt wurde die Befragung mittels eines Fragebogens, der durch ein mehrstufiges, qualitativ angelegtes Vorgehen konstruiert worden war. So hatten die Forscher zunächst drei Gruppendiskussionen organisiert, auf dieser Basis Items zur Beschreibung des Untersuchungsgegenstands ermittelt und einen Fragenkatalog zusammengestellt, der durch Expertengespräche und Einzelinterviews validiert wurde. Auf diese Weise entstand ein Datenerhebungsinstrument mit unterschiedlichen Themen, von dem sich die Forscher Aufschluss über das Vorstellungsbild der Bevölkerung von Journalisten erhofften. So sollten die Befragten unter anderem das Alter und Geschlecht eines typischen Journalisten angeben und seinen Tätigkeitsbereich benennen. Zudem bat man die Befragten um Auskunft darüber, für welches Medium sich ein junger Journalist bei der Wahl eines Arbeitsplatzes entscheiden würde. Außerdem wurden die Vorstellungen der Befragten von der Journalistenausbildung erhoben, wobei sie sich auch dazu äußern sollten, ob sie einem guten Freund zu diesem Beruf raten würden oder nicht. Zudem wurden die Befragten gebeten, auf einem fünfstufigen Semantischen Differential Journalisten hinsichtlich bestimmter Merkmale und Eigenschaften zu beurteilen. Eine weitere Frage knüpfte an das Berufsranking des Instituts für Demoskopie Allensbach an. So wurden die Befragungsteilnehmer dazu aufgefordert, aus einer Liste von 14 Professionen die zwei Berufe herauszusuchen, die sie am meisten schätzten (vgl. Gottschlich & Karmasin, 1979, Anhang: Fragebogen – Bevölkerung). Neben den thematischen Aspekten wurden auch die soziodemografischen Merkmale der Befragten sowie das Ausmaß ihrer Medienzuwendung erfragt, da die Forscher zunächst vermuteten, dass durch das Mediennutzungsverhalten das Vorstellungsbild von Journalisten beeinflusst werde (vgl. Gottschlich & Karmasin, 1979, S. 23). Diese Annahme erwies sich als Irrtum. Es kristallisierte sich im Laufe der Untersuchung aber eine Gruppe heraus, die die Autoren „Zeitungslesergruppe“ nannten und die sich aus Personen zusammensetzte, die angaben, mindestens eine Tageszeitung und ein politisches Wochenmagazin zu lesen. Diese Gruppe verfügte über ein teilweise sehr kritisches, aber auch überaus positives Journalistenbild. Vor allem aber besaßen diese Untersuchungsteilnehmer – meist höher gebildete Personen aus gehobenen Einkommensschichten zwischen 20 und 45 Jahren – ein sehr viel konkreteres Vorstellungsbild von Journalisten als der Durchschnitt der Bevölkerung (vgl. Gottschlich & Karmasin, 1979, S. 31–32).
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Die Auswertung der Antworten brachte teils ein sehr klares, teils ein eher verschwommenes Vorstellungsbild der österreichischen Bevölkerung von Journalisten ans Licht – je nach untersuchtem Themenfeld. Relativ deutlich fielen die Vorstellungen der Bevölkerung von den demografischen Merkmalen und dem Tätigkeitsbereich des typischen Journalisten aus: 91 Prozent der Befragten beschrieben ihn als einen Mann unter fünfzig Jahren. Mehr als die Hälfte ordnete ihn der Zeitung zu; 19 Prozent vermuteten ihn beim Fernsehen (vgl. Gottschlich & Karmasin, 1979, S. 48–50). Das Vorstellungsbild von der Journalistenausbildung gestaltete sich hingegen undeutlicher. So nannten 18 Prozent der Befragten ein Hochschulstudium als Voraussetzung für den Journalistenberuf; 36 Prozent der Befragten gaben an, dass man durch eine Lehre bei einer Zeitung Journalist werde; aus Sicht von 42 Prozent der Befragten reichte dafür das Abitur (vgl. Gottschlich & Karmasin, 1979, S. 61). Viele betrachteten die journalistische Profession außerdem als einen Begabungsberuf, jedoch nicht als eine „Verlegenheitslösung“ für Leute, die woanders keine Chance haben (vgl. Gottschlich & Karmasin, 1979, S. 72–73). Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, einem Freund den Beruf des Journalisten zu empfehlen, obwohl auch in dieser Umfrage der Journalist beim Ranking nur auf Platz 13 landete (vgl. Gottschlich & Karmasin, 1979, S. 33). Diejenigen, die angaben abzuraten, begründeten ihre Entscheidung meist mit dem hohen Stress und der allgemeinen Unsicherheit des Berufs (vgl. Gottschlich & Karmasin, 1979, S. 64). Die Beurteilung der persönlichen Eigenschaften von Journalisten fiel in der Untersuchung relativ schlecht aus. So bezweifelten die Befragungsteilnehmer vor allem die moralische Integrität von Journalisten, insbesondere ihre Wahrheitsliebe und Unbestechlichkeit. Dies galt erstaunlicherweise auch für diejenigen, die den Journalisten im Berufsranking an erster Stelle genannt hatten. Eine differenzierte Analyse zeigte dabei, dass sich hier vor allem Wiener, Frauen, Befragte in der Altersgruppe bis 30 Jahre sowie Personen mit abgeschlossener Mittel- oder Hochschulbildung kritisch äußerten (vgl. Gottschlich & Karmasin, 1979, 67). Zum Berufsbild des Journalisten fielen die Vorstellungen der Österreicher insgesamt widersprüchlich aus. Auf der einen Seite vermuteten viele, dass der Berufsalltag vor allem von finanziellen Abhängigkeiten geprägt sei. Auf der anderen Seite bestätigten die Befragten die Funktion der Journalisten als Kontrollorgan der Politiker – also deren Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme (vgl. Gottschlich & Karma-
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sin, 1979, S. 73). Gottschlich und Karmasin (1979, S. 92) folgerten schließlich aus ihren Befunden: „Das Bild des Journalisten in der öffentlichen Meinung ist eindeutig widersprüchlich in sich. Positive und negative Werte unserer Gesellschaft, die sich nicht auf verschiedene, sondern auf dieselben Sachverhalte beziehen, also einander logisch ausschließen würden, werden ihm gleichzeitig zugeschrieben, und nicht verschiedene Individuen oder Teilgruppen schreiben ihm jeweils die einen oder die anderen zu, sondern es sind – denn anders können die quantitativen-statistischen Ergebnisse nicht interpretiert werden – dieselben Individuen und Gruppen, die ihm sowohl die eine wie auch die andere Eigenschaft zuschreiben.“
Diskussion Gottschlich und Karmasin bieten mit ihrer Untersuchung einen ersten umfassenden und durch das mehrstufige und teilweise qualitative Vorgehen methodisch ausgereiften Entwurf des Journalistenbilds in der Bevölkerung – aber eben nur für Österreich. Außerdem ist die Untersuchung knapp 30 Jahre alt. Sie bietet also nur bedingt Anhaltspunkte dafür, wie sich das Image von Journalisten aus der Sicht der Deutschen gestaltet. So ist grundsätzlich nicht sicher, ob die Ergebnisse noch Gültigkeit besitzen, auch wenn sich Images generell nur langsam wandeln. Auch der österreichische Medienmarkt war, ähnlich wie der deutsche, in der Vergangenheit strukturellen Umbrüchen unterworfen, die nicht ohne Folgen für das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten geblieben sein dürften. So ist beispielsweise 1998 das Rundfunkmonopol des ORF weggefallen (vgl. Dorer, 2003, S. 239). Zudem gilt auch für diese Studie, dass ihr methodisches Vorgehen – bis auf die Entwicklung des Fragebogens und zwei der insgesamt 17 Fragen des Untersuchungsinstruments – weitestgehend standardisiert war. Die Antworten wurden den Befragten in fast allen Fällen vorgegeben, so dass sie ihre Entscheidungen in der Regel nicht begründen konnten. So liefert beispielsweise das Ergebnis, dass die meisten Befragten den Journalistenberuf als Begabungsberuf ansehen, keine Antwort darauf, in welchen Bereichen das Talent vermutet wird. Außerdem muss nicht gesagt sein, dass die Befragten überhaupt eine passende Antwort in den Vorgaben des Fragebogens
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Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess
gefunden haben. Dies ist ein Manko, das an standardisierten Befragungen immer wieder kritisiert wird. Den Widerspruch im Journalistenimage können die Autoren aufgrund des standardisierten Vorgehens schließlich nicht schlüssig erklären. Doch immerhin hat die Studie eines gezeigt: Rezipienten scheinen mehr oder weniger klare Vorstellungen von Journalisten zu besitzen – zumindest dann, wenn Antworten vorgegeben werden. Und diese Vorstellungen fallen in sich widersprüchlich aus, wobei diese Ambivalenz bei Personen deutlicher hervortritt, die regelmäßig Zeitungen oder Magazine lesen („Zeitungslesergruppe“). Solche formal meist höher gebildeten Personen beurteilen Journalisten einerseits positiver, gleichzeitig kritischer und haben vor allem ein klareres Image als der Durchschnittsösterreicher. Image von Journalisten in Deutschland: Befunde einer Emnid-Studie Im Frühjahr 1977 führte Emnid eine standardisierte Umfrage unter 1005 Personen zum Image von Journalisten durch, die repräsentativ war für die deutsche Bevölkerung ab 16 Jahre. Ein Polaritätenprofil sollte dabei zeigen, welche Eigenschaften dem „idealen“ und dem in der Realität existierenden Journalisten zugesprochen werden. Dabei zeigte sich, dass insgesamt betrachtet eine relativ große Übereinstimmung in der Vorstellung der Bevölkerung vom realen und dem „idealen“ Journalisten vorherrschte und dass Berufsvertretern vor allem drei Wesenszüge attestiert wurden: Fleiß, Mut und Erfahrenheit. Allerdings hielten die Befragten Journalisten für wenig zugänglich (vgl. Massmann, 1977, S. 1604). Darüber hinaus erhob Emnid die Assoziationen der Befragten zu der Berufsbezeichnung „Journalist“, wobei sich ein differenziertes, aber auf wenige Begriffe bezogenes Vorstellungsbild offenbarte: 57 Prozent der Befragten nannten hier den Begriff „Zeitungsschreiber“, 27 Prozent „Reporter/Berichterstatter“, 19 Prozent „Rundfunk/Fernsehen“, vier Prozent „Nachrichten“, vier Prozent „Zeitungsschmierer“, drei Prozent „Aktualität“, zwei Prozent „Informationen“, zwei Prozent „anstrengender/aufregender Job“, zwei Prozent „interessanter Beruf“, zwei Prozent „Fachjournalist“, ein Prozent „Pressefreiheit“ sowie ein Prozent „Meinungsmacher“. Lediglich sieben Prozent der Befragten hatten keine Vorstellungen von Journalisten (vgl. Massmann, 1977, S. 1604-1605).
Journalistenimage – Medienimage: Empirische Befunde
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Unterschiede in den Antworten der Befragten in Abhängigkeit von soziodemografischen Merkmalen zeigten sich in der Untersuchung kaum. Lediglich Abiturienten oder Hochschulabsolventen nannten den negativen Begriff des „Zeitungsschmierers“ etwas häufiger als der Durchschnitt der Bevölkerung, standen dem Journalismus in dieser Umfrage insgesamt jedoch positiver gegenüber als niedriger gebildete Personen mit Volksschul- oder Mittelschulabschluss. Eine deutliche Abneigung gegenüber Journalisten zeigten interessanterweise die Landwirte, die den Beruf in hohem Maße als „schädlich“ ansahen. Mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Befragten vertrat die Meinung, der Journalistenberuf sei ein Begabungsberuf und weniger erlernbar. Außerdem war die Mehrheit (57 Prozent) von ihnen überzeugt davon, dass ein Journalist in der Redaktion einer Tageszeitung arbeite. 34 Prozent sahen ihn bei einem Verlag, 20 Prozent beim Fernsehen und 15 Prozent beim Radio. Rund die Hälfte der Befragungsteilnehmer vermutete den Journalisten in einem Angestelltenverhältnis, die andere Hälfte sah in ihm einen Freiberufler. Insgesamt kamen die Bielefelder Forscher zu dem Ergebnis, dass die Bevölkerung den Journalismus als eine notwendige Einrichtung im demokratischen Staat erlebt (vgl. Massmann, 1977, S. 1605). Diskussion Die Emnid-Studie versteht unter dem Image von Journalisten vor allem bestimmte Charaktereigenschaften, die die Rezipienten den Medienakteuren zuschreiben, unternimmt jedoch auch den Versuch, Begriffe zu erfassen, die die Bevölkerung spontan mit Journalisten verbindet. Darüber werden Fragen nach der Begabung, nach dem Tätigkeitsbereich und dem Arbeitsverhältnis von Journalisten thematisiert. Damit zählt die Untersuchung zu den umfassenderen Darstellungen des Images von Journalisten in der deutschen Bevölkerung und reduziert die Frage nicht auf ein einfaches Ranking, das lediglich das Prestige oder Ansehen des Berufs widerspiegelt. Allerdings sind auch diese Ergebnisse bereits relativ alt und stammen aus einer Zeit, in der beispielsweise der deutsche Rundfunkmarkt für private Rundfunkanbieter noch nicht geöffnet war. Außerdem basieren die Befunde auf einer standardisierten Befragung. Sie sind damit zwar repräsentativ, doch ist zu bezweifeln, ob sie das Image von Journalisten in all seinen Facetten widerspiegeln.
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Das Image von Journalisten im Massenkommunikationsprozess
Journalistisches Aufgaben- und Rollenverständnis aus Sicht von Rezipienten Eine Studie, die sich im weiteren Sinne mit dem Image von Journalisten aus Sicht von deutschen Rezipienten befasst hat, legte Annette Schriefers (1992) mit ihrer Magisterarbeit an der Mainzer Universität vor. Sie untersuchte darin in einer (bedingt repräsentativen) Umfrage die Ansichten deutscher Rezipienten vom journalistischen Aufgaben- und Rollenverständnis und verglich diese mit dem Aufgaben- und Rollenverständnis deutscher Journalisten. Dabei griff sie auf die bereits erwähnte Dissertation von Renate Köcher (1985) zum Selbstbild von britischen und deutschen Journalisten zurück (vgl. Kapitel 2.4.3). Aus dem Vergleich zwischen den Ansichten beider Seiten schloss Schriefers schließlich auf das Gesamtbild von Journalisten in der Bevölkerung – und bilanzierte nüchtern: „Wenn das Publikum sich für eine Beschränkung des journalistischen Einflusses ausspricht, wenn es glaubt, daß Journalisten häufig Informationen in einer Art manipulieren, die eindeutig mißbilligt wird, ist das Bild sicherlich nicht positiv.“ (Schriefers, 1992, S. 117)
Als Ursache für das negative Gesamtbild vermutete die Autorin Sekundärerfahrungen von Rezipienten mit Journalisten. Primärerfahrungen mit dem Berufsstand zog sie als Ursache nicht in Betracht, da sie keine Besonderheiten im Antwortverhalten ausfindig machen konnte bei Personen, die zu Berufsvertretern persönlichen Kontakt hatten. Allerdings stellte Schriefers ihre Ergebnisse aufgrund der geringen Fallzahl ihrer Befragung grundsätzlich unter Vorbehalt (vgl. Schriefers, 1992, S. 119-120). Diskussion Ein pauschaler Schluss auf ein insgesamt negatives Image von Journalisten aus Sicht des Publikums erscheint tatsächlich fraglich, zumal Schriefers Studie auch zahlreiche Parallelen in der Auffassung der Bevölkerung vom journalistischen Rollen- und Aufgabenverständnis und dem Selbstbild deutscher Journalisten offenbart. So erfüllen die Journalisten in Deutschland aus der Sicht ihres Publikums alles in allem die Aufgaben, die sie erfüllen sollten, auch wenn Rezipienten ihnen ein eher aktives politisches Rollenverständnis unterstellen und insbesondere die Funktion des „Politikers mit anderen
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Mitteln“ kritisch bewerten (vgl. Schriefers, 1992, S. 51). Und auch die Ergebnisse zur Frage, ob ein Journalist zugunsten der Informationsweitergabe auf die Einhaltung journalistischer Normen verzichten soll, sprechen für eine relativ große Übereinstimmung in den Ansichten von Rezipienten und Journalisten. So plädieren beide Parteien eher für eine Zurückhaltung von Informationen als für eine Missachtung von Schutzansprüchen oder die Anwendung unlauterer Recherchemethoden – vor allem im Bereich des Privaten (vgl. Schriefers, 1992, S. 73–74). Nicht selten widersprechen also Schriefers Befunde ihrem kritischen Gesamtergebnis, und auch die Frage, wie sich das Image von Journalisten in allen Facetten gestaltet, wird von ihr nicht beantwortet. Von den Vorstellungen der Bevölkerung vom journalistischen Rollen- und Aufgabenverständnis kann man jedenfalls kaum auf das komplexe Konstrukt des Journalistenimages insgesamt schließen. Zudem basieren auch diese Ergebnisse auf einer quantitativen Methode, bei der die Befragten ihre Antworten nicht begründen konnten. 2.7 Zwischenbilanz Die theoretische Auseinandersetzung mit dem Forschungsthema hat gezeigt, dass das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten im Kommunikationsprozess eine wichtige Rolle spielt – auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht. So steuert es nicht nur die Selektion und Verarbeitung von Medieninhalten auf individueller Ebene, sondern definiert auch das Verhältnis zwischen Öffentlichkeits- und Journalismussystem. Dadurch gewinnt die Frage, wie sich das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten gestaltet, auch gesellschaftspolitische Relevanz. Schließlich lassen die Massenmedien die Bevölkerung an Ereignissen teilhaben, die sich in den meisten Fällen der Erfahrungswelt des Einzelnen entziehen. Sie eröffnen dadurch die Möglichkeit eines Dialogs zwischen den Gesellschaftsmitgliedern, beispielsweise zwischen Politikern und Wählern, der für den Fortbestand des demokratischen Systems unerlässlich ist. Gleichzeitig machen empirische Studien deutlich, wie stark dabei die Medienakteure auf die Einstellungen und Meinungen des einzelnen Bürgers einwirken können. Dies gilt vor allem für Rezipienten, die sich von den Medien Unterhaltung und Lebenshilfe erwarten und ein relativ positives Bild von Journalisten haben. Denn sie lassen sich in ihren Einstellungen und ihrem Verhalten eher durch
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mediale Inhalte beeinflussen als Personen, die an die Medien hohe Ansprüche stellen oder ihnen skeptisch gegenüberstehen – eine Haltung, die mit einem negativeren Image von Journalisten einhergeht. Im Übrigen gilt dieser Wirkungszusammenhang auch bei direkten Kommunikationssituationen, da auch hier eine hohe Glaubwürdigkeit und Kompetenz des Kommunikators und somit sein positives Image die Wahrscheinlichkeit eines Meinungswandels beim Rezipienten erhöht. Allerdings haben Studien immer wieder bestätigt, dass sich die Verarbeitung von Kommunikationsinhalten in Abhängigkeit vom Image des Kommuniaktors vornehmlich auf der Einstellungsebene des Rezipienten vollzieht und die Wissensebene von diesem Faktor unberührt bleibt. Doch wie ist das Image des Journalisten aus Rezipientensicht tatsächlich beschaffen, ist es möglicherweise in sich widersprüchlich und wie lässt sich diese Ambivalenz sinnvoll erklären? Auf diese Fragen richtet sich der Fokus der vorliegenden Arbeit. Dabei hat die theoretische Auseinandersetzung mit dem Imagebegriff gezeigt, dass darunter ein hochkomplexes Gesamtbild zu verstehen ist, das sich aus subjektiv geprägten Einstellungen, Vorstellungen, Gefühlen und objektiv richtigem und falschem Wissen einer Person gegenüber Journalisten zusammensetzt. Das Image von Journalisten als Teilaspekt des so genannten „Para-Feedbacks“ ist somit im kognitiven System des Rezipienten verankert. Dort entwickelt es sich theoretisch betrachtet auf Basis von Primär- und Sekundärerfahrungen mit Journalisten und ist für Einflüsse durch äußere Faktoren offen. Dabei ist es unerheblich, ob es tatsächlich der Realität des Journalismus entspricht oder nicht. Ohnehin fällt eine Festlegung dessen, wer in Deutschland als Journalist gilt, aufgrund des heterogenen Tätigkeitsfeldes und des freien Berufszugangs schwer. Fest steht, dass Journalisten Subjekte sind, die bedingt durch individuelle Einstellungen, Rollenbilder, Vorlieben und einem bestimmten Professionalisierungsgrad an der Produktion von Medieninhalten intellektuell beteiligt sind. Sie agieren dabei niemals losgelöst vom System Journalismus, sondern sind abhängig von bestimmten Organisationsstrukturen und redaktionellen Abläufen, der rechtlichen und ökonomischen Situation des Medienmarkts und den historisch-kulturellen Rahmenbedingungen ihres Landes (Pressefreiheit, politische Kultur etc.). Man muss also bedenken, dass der Journalist als Subjekt und Medienakteur von der Institutionssphäre, der Medienstruktursphäre sowie der Gesellschaftssphäre beeinflusst wird, so dass auch der Rezipient sein Journalistenbild nicht völlig losgelöst von sei-
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nen Vorstellungen und Einstellungen gegenüber dem Journalismussystem bilden wird. Das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten wird daher sehr wahrscheinlich zahlreiche Themen umfassen, die streng genommen den verschiedenen Ebenen des Journalismussystems zuzuordnen sind. Es macht daher Sinn, bestimmte Themenfelder in die Untersuchung mit einzubeziehen, beispielsweise Fragen nach den Vorstellungen des Rezipienten vom Journalisten als Subjekt (Alter, Geschlecht, Charakter, Fähigkeiten etc.), von seiner Ausbildung und seinem Berufsalltag. Vielleicht orientiert sich der Rezipient dabei am Bild des typischen Journalisten, den er – ähnlich einem Bekannten – in allen möglichen Belangen beschreiben kann. Möglicherweise knüpft er bestimmte Eigenschaften aber auch nur an ganz bestimmte Journalisten, an andere wiederum nicht, so dass die Frage nahe liegt, ob es aus Sicht des Publikums überhaupt den typischen Journalisten gibt. Da diese Überlegungen nur Vermutungen sind, soll sich die vorliegende Studie dem komplexen Konstrukt des Journalistenimages weitgehend unbefangen nähern, gleichzeitig aber die erwähnten Themen berücksichtigen. Dies gleicht unweigerlich einer Gratwanderung, ist aber dennoch die beste Möglichkeit, offen zu legen, welche Aspekte Rezipienten von sich aus mit Journalisten verbinden, wie klar ihre Vorstellungen dabei ausfallen und gleichzeitig die angeführten Fragen zu behandeln. Obwohl das Bild des Kommunikators beim Rezipienten schon relativ früh in kommunikationswissenschaftlichen Ansätzen verankert wurde und empirische Studien sich bereits in den 1950er-Jahren mit seiner Wirkung befasst haben, liegen bisher nur wenige Erkenntnisse über seine Qualität vor. Seit 1966 ist die gesellschaftliche Anerkennung des Journalistenberufs in Deutschland dokumentiert, der dort ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts einen Aufschwung erfuhr, sich bis zur Jahrhundertwende endgültig etablieren konnte und in jener Zeit gesellschaftlich anerkannt war. Dafür sprechen der passable Verdienst, das hohe Bildungsniveau der Berufsvertreter im 19. Jahrhundert sowie die Gründung erster Journalistenschulen und Berufsverbände um 1900. Typisch für die Prägung des deutschen Journalismus waren von Anfang an eine parteipolitisch beziehungsweise ideologische Färbung der Presse und eine Gesinnungspublizistik, bei der der einzelne Journalist sein Publikum bewusst lenken wollte. Dieses aktive journalistische Selbstverständnis, das heute als Folge der spät errungenen Pressefreiheit in Deutschland betrachtet wird, schlägt sich auch aktuell in einer höheren Parteilichkeit deutscher Presseerzeugnisse nieder, ist in abgemilderter Form
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noch im Selbstverständnis deutscher Journalisten zu erkennen und macht sich möglicherweise auch im Image von Journalisten bemerkbar – wahrscheinlich in negativer Weise. Jedenfalls wird ein aktives Rollenverständnis von Journalisten, wie empirische Studien zeigen, seitens des deutschen Rezipienten abgelehnt (vgl. Kapitel 2.6.6). Kritik für diese Art von „Volkserziehung“ ernteten die Journalisten bereits im 19. Jahrhundert, unter anderem von Ferdinand Lassalle, dem Anführer der deutschen Arbeiterbewegung. Die Katholische Kirche warf ihnen hingegen vor, die Sensationsgier der Massen anzuheizen. Andere Zeitgenossen wie Max Weber wiederum bewunderten die Journalisten für ihre Stärke, solch barsche Kritik einzustecken, aber auch für ihre Leistung, aus dem Stehgreif und überzeugend über alle Belange des Lebens zu berichten. Möglich ist, dass sich solche negativen und positiven Kritikpunkte, mit denen sich schon die ersten hauptberuflich tätigen Journalisten konfrontiert sahen, im Laufe der Zeit zu Stereotypen verfestigt haben und bei der Bewertung des Journalistenberufs und seiner Vertreter auch heute noch gegeneinander „aufgerechnet“ werden – Fragen, die bisher nicht geklärt sind. Fest steht nur, dass der Journalistenberuf in „Berufsrankings“ schon seit Jahren auf den hinteren Rängen landet, wobei seine soziale Wertschätzung in letzter Zeit sogar zu sinken scheint. Besonders schlechte Werte bescheinigt ihm die Bevölkerung in puncto Ehrlichkeit, wobei der Typ des Zeitungsjournalisten besonders schlecht angesehen ist. Gleichzeitig gilt das Journalistendasein auch als „Traumberuf“ – insbesondere unter weiblichen Jugendlichen. Bei Erwachsenen scheint der Beruf hingegen weniger beliebt, landet aber auch dort immerhin unter den zehn begehrtesten Professionen. Die Gründe hinter diesen widersprüchlichen Befunden sind bis heute unbekannt. Dies hat mehrere Ursachen: Das größte Manko von Umfragen zum Prestige und Ansehen von Berufen und zum Thema „Traumberufe“ besteht sicherlich darin, dass solche Studien von den Befragten streng genommen Pauschalurteile abverlangen, in denen sie mehrere Kriterien zusammenfassen müssen. Ausführliche Erklärungen können sie dabei nicht abgeben, die Hintergründe ihrer Entscheidungen bleiben offen. Dass bei solchen Rankings unterschiedliche Kriterien eine Rolle spielen und diese wiederum abhängig sind vom Alter und Geschlecht des Einzelnen, steht zu vermuten, da Jugendliche offenbar anders urteilen als Erwachsene und Männer anders als Frauen. So ist anzunehmen, dass Jugendliche ihr Urteil davon abhängig machen, wie sehr ein Beruf „in Mode“ ist, wie abwechslungsreich ihnen der
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Berufsalltag erscheint, wie sehr die Tätigkeit den eigenen Fähigkeiten entspricht und Spaß am Arbeiten verheißt. Bei Erwachsenen hingegen dürfte auch die Einschätzung der Gehaltschancen und die Bewertung der Arbeitsmarksituation eine Rolle spielen. Bei ihnen ist außerdem die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie mit Journalisten bereits persönliche Erfahrungen gemacht haben, die den Beruf weniger verklärt erscheinen lassen als einem jungen Menschen. Darüber hinaus nutzt jede Umfrage zum Berufsranking eine andere Frageformulierung und stellt unterschiedliche Berufsbezeichnungen zur Auswahl, so dass die Ergebnisse im Grunde genommen nicht vergleichbar sind. Letztendlich erfasst das Berufsranking aber sowieso nur einen Teilaspekt des Images von Berufen, nämlich deren Position im sozialen Gefüge, die Attraktivität der beruflichen Tätigkeit und die Vorstellung von den persönlichen Eigenschaften eines typischen Berufsvertreters. Wie gezeigt werden konnte, genießen Journalisten ein durchweg positives Image, wenn sie in die Riege der Medienprominenz aufsteigen. Solche Leute gelten nicht nur als gute Vorbilder, vertrauenswürdig und einflussreich, sondern in besonderem Maße als unterhaltsam und interessant. Doch erreichen den meist flüchtigen Prominenzstatus nur die wenigsten Journalisten, wobei sich ihre Chancen dann erhöhen, wenn sie oft im Fernsehen zu sehen sind. Zur Journalistenprominenz zählten Anfang der 1990er-Jahre Alice Schwarzer, Elke Heidenreich, Alfred Biolek, Hans-Joachim Friedrichs sowie Hans-Joachim Fuchsberger, also Journalisten, die relativ häufig im Fernsehen präsent waren beziehungsweise sind. Spitzenjournalisten wie Rudolf Augstein, Henri Nannen, Marion von Dönhoff oder Axel Springer, die sich vor allem im Printmedienjournalismus einen Namen gemacht haben, waren damals deutlich unpopulärer. Überhaupt ernten Journalisten als Teil der Medienprominenz im Vergleich zu den Entertainern und Moderatoren des Unterhaltungsbereichs des Fernsehens deutlich weniger Aufmerksamkeit. Die starke Varianz in den Aufmerksamkeitswerten innerhalb der Medienprominenz und auch unter den prominenten Journalisten spiegelt nämlich wider, was auf Prominente generell zutrifft: Wer als Eliteangehöriger eines bestimmten Gesellschaftsbereichs regelmäßig im Fernsehen auftritt, erhält seitens der Bevölkerung mehr Aufmerksamkeit und hat damit bessere Chancen, den Prominentenstatus zu erreichen. Jedenfalls fördern bewegte Bilder die Entstehung von Prominenz (vgl. Peters, 1996, S. 72). Diese Erkenntnis und der ohnehin flüchtige Prominentenstatus wirft unweigerlich die Frage auf, welche Journalisten aktuell für ihre Leistungen
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bewundert werden und ob es sich dabei ebenfalls um Persönlichkeiten handelt, die häufig im Fernsehen zu sehen sind. Die Bedeutsamkeit des Fernsehens für den Prominentenstatus verdeutlicht einmal mehr die Relevanz des Fernsehens als Leitmedium, was sich auch darin widerspiegelt, dass es das umfassendste und positivste Image in der deutschen Bevölkerung genießt. Überhaupt besitzen die Medien ganz unterschiedliche Images, die sogar innerhalb derselben Gattung (z. B. öffentlich-rechtliches/privates Fernsehen) differieren. Hier liegt die Vermutung nahe, dass Rezipienten diese Images auf die dort tätigen Journalisten übertragen. Wenn dem so wäre, so müsste der Fernsehjournalist als mutiger, unterhaltsamer, lockerer und moderner gelten als der Zeitungsjournalist. Ein Journalist des öffentlich-rechtlichen Fernsehens besäße das Image des anspruchsvollen, kompetenten und kritischen Berichterstatters, sein Kollege von den Privaten würde als emotionaler und mutiger wahrgenommen. Die empirische Untersuchung will prüfen, ob sich solche Tendenzen erkennen lassen, inwiefern also Rezipienten mit Fernseh-, Radio- und Zeitungsjournalisten verschiedene Vorstellungen verknüpfen und inwiefern sich darin Abhängigkeiten vom Image der Medien zeigen. Wie der Forschungsüberblick ferner verdeutlich hat, sind umfassende Studien zum Image von Journalisten in der Bevölkerung rar, beziehen sich zum Teil auf spezielle Journalistengruppen (Lokaljournalisten bei regionalen Tageszeitungen, prominente Journalisten) und/oder sind schon relativ alt. Eine Untersuchung stammt mit Österreich sogar aus einem anderen Land. Somit ist fraglich, ob die vorliegenden Erkenntnisse überhaupt noch aktuell sind – dies auch aus dem Grund, weil das deutsche Journalismussystem in den letzten 20 Jahren Entwicklungen unterlag, die nicht ohne Folgen für das Image des journalistischen Berufsstands geblieben sein dürften. So ist anzunehmen, dass schon allein der Markteintritt von privaten Rundfunkanbietern Mitte der 1980er-Jahre die Vorstellungen des deutschen Publikums von Journalisten verändert hat. Eines machen die Befunde allerdings deutlich: Rezipienten besitzen mehr oder weniger konkrete Vorstellungen von Journalisten. So halten die meisten Menschen den typischen Berufsvertreter für einen Mann, der bei einer Zeitung tätig ist und sich durch Mut, Fleiß und Erfahrenheit auszeichnet. Außerdem gilt der Beruf als ein Begabungsberuf und eine Tätigkeit, bei der der Journalist als unabhängiges Gegengewicht zur Politik fungiert. Gleichzeitig wird ihm unterstellt, dass er bei seiner Berufsausübung in Abhängigkeiten steht, Informationen manipuliert und es
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mit der Wahrheit nicht allzu genau nimmt. Mit dem Journalistenberuf werden also positive und negative Aspekte gleichermaßen assoziiert, die sich auf den ersten Blick gegenseitig ausschließen. Dies bestätigt die Vermutung, dass das Image von Journalisten aus der Sicht von Rezipienten in sich widersprüchlich ausfällt, wobei die Hintergründe dieser Ambivalenz bis heute nicht hinreichend bekannt sind. Dies liegt vor allem daran, dass die vorliegenden Erkenntnisse zum Image von Journalisten in der Bevölkerung auf standardisierten Methoden basieren, die den Befragten wenig Raum für Erklärungen boten. Somit besteht ohnehin die Möglichkeit, dass bestimmte Facetten des Images von Journalisten bis heute nicht aufgedeckt wurden. Darüber hinaus ignorieren fast alle Studien bestehende persönliche Kontakte zwischen Rezipienten und Journalisten, aus denen aber möglicherweise ein positiveres Image des Berufsstands resultieren könnte. Dafür spricht der Halo-Effekt (vgl. Kapitel 2.4.2). Anzunehmen ist nämlich, dass Personen, die einen Journalisten persönlich kennen (z. B. auf Basis einer Freundschaft, Verwandtschaft, lose Bekanntschaft) und mit ihm bestimmte positive Eigenschaften verbinden oder gute Erfahrungen mit dieser Person gemacht haben, von diesem Urteil auch auf das Gesamtbild des journalistischen Berufsstands schließen. Rezipienten mit direktem Kontakt zu einem Journalisten dürften demnach ein generell besseres Bild von Journalisten haben als solche ohne direkten Kontakt zu einem Berufsvertreter. Diese theoretische Annahme gilt es zu überprüfen. Direkte Kontakte zwischen Journalisten und ihrem Publikum sind jedoch nur einer der Wege, auf denen Rezipienten Informationen über Journalisten sammeln können und überdies relativ selten. Das Journalistenbild der meisten Menschen wird durch Fernsehberichte geprägt, durch Biografien oder Autobiografien von Journalisten sowie durch fiktionale Quellen, in denen der Berufsstand eine Rolle spielt. Außerdem werden Medienakteure Gegenstand von Gesprächen unter Rezipienten, so dass das individuelle Journalistenimage von zahlreichen Einflüssen abhängig ist, deren Wirkungsstärke sich nur schwer beziffern lässt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Informationsquellen, die das Journalistenimage prägen, ineinander greifen und sich gegenseitig beeinflussen. So konnten Studien zeigen, dass Selbstbilder von Journalisten auch fiktionale Elemente erhalten und – umgekehrt – fiktionale Darstellungen von Journalisten Elemente der Realität. Als Folge dieser gegenseitigen Reflektionen gestaltet sich das Journalismusbild in der Fiktion relativ ähnlich zur Struktur des realen Journalismus. Andererseits
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widmen gerade fiktionale Quellen dem Journalisten als Subjekt, seinem Charakter und seinen Einstellungen große Aufmerksamkeit. Besäßen Rezipienten und hier vor allem solche ohne direkten Kontakt zu Journalisten in diesen Belangen konkrete Vorstellungen, so spräche dies für einen starken Einfluss fiktionaler Darstellungen auf die Entwicklung des Images von Journalisten. Denkbar wäre dies, da der Journalismus aufgrund seiner Vielfältigkeit als literarisches Thema nicht nur bei Lesern und Schriftstellern beliebt ist (vgl. Engesser, 2003, S. 315), sondern mit demselben Argument auch in Fernsehserien, Kinofilmen, Theaterstücken oder Hörspielen Eingang finden dürfte. Fasst man die Erwägungen zusammen, so liegt der Schluss nahe, sich dem Forschungsproblem auf qualitativem Weg zu nähern und die Repräsentativität der Ergebnisse dem Anspruch der Theorieentdeckung unterzuordnen. Wissenschaftliche Forschung sollte nämlich immer dann qualitativ vorgehen, „… wenn die Gegenstände und Themen, nach allgemeinem Wissensstand, nach Kenntnis des Forschers oder auch nur nach seiner Meinung, komplex, differenziert, wenig überschaubar, widersprüchlich sind oder wenn zu vermuten steht, daß sie nur als ‘einfach’ erscheinen, aber – vielleicht – Unbekanntes verbergen.“ (Kleining, 1991, S. 16) Außerdem sollte die Methode den Rezipienten als Individuum und seine subjektive Erfahrungswelt in den Mittelpunkt stellen, wobei zwei Gruppen zu unterscheiden sind: eine Rezipientengruppe mit persönlichem Kontakt zu Journalisten und eine, die Journalisten lediglich über die Medien kennt.
3 Methodisches Vorgehen
Qualitative Methoden sind bis heute kritischen Einwänden ausgesetzt, die sich auf drei Punkte reduzieren lassen: So wird der Vorwurf erhoben, ihr ständig wechselnder Kontext beziehungsweise Interpretationsrahmen würde eine Offenlegung des empirischen Verfahrens unmöglich machen. Ein weiterer Kritikpunkt: Qualitative Forschung ginge oft mit einer Elaboration statt mit einer Reduktion der Primärdaten einher, so dass der Blick auf die wesentlichen Merkmale des Forschungsgegenstands verstellt werde (vgl. Früh, 1992, S. 60–61). Und drittens erscheinen manchen Wissenschaftlern die qualitativen Verfahren lediglich zur Exploration geeignet, vor allem aber als zu subjektiv. Sie fordern daher eine objektivierende Hypothesenprüfung im Anschluss an ein qualitatives Verfahren (vgl. Kleining, 1991, S. 12). Die Forscherin hat sich aufgrund der angeführten Argumente dennoch für ein qualitatives Vorgehen entschieden, wobei sie mit der ausführlichen Dokumentation des methodischen Vorgehens möglichen Vorbehalten entgegentreten will. So dient das folgende Kapitel, in dem die einzelnen Schritte der Datenerhebung und Datenanalyse ausführlich beschrieben werden, der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit, die als zentrales Gütekriterium qualitativer Forschung gilt (vgl. Steinke, 2000, S. 324). 3.1 Datenerhebung Für das Verfahren der Datenerhebung war ein Untersuchungsinstrument zu finden, das gleichzeitig mehreren Ansprüchen gerecht werden musste. So war zum einen sicherzustellen, dass der einzelne Rezipient mit seiner subjektiven Erfahrungswelt in den Mittelpunkt gerückt wird. Zum anderen sollte eine möglichst offene, das heißt aus der Sicht des Forschenden unvoreingenommene Herangehensweise an den Forschungsgegenstand ermöglicht werden. Und schließlich musste das Verfahren gezielte Fragen nach bestimmten Themengebieten zulassen, aus denen sich das Image von Journalisten rekonstruieren lässt. Für das Verfahren der Datenerhebung lag daher
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Methodisches Vorgehen
die Methode des Leitfadeninterviews nahe, eine spezielle Befragungs- beziehungsweise Interviewvariante. 3.1.1 Das Leitfadeninterview als Instrument zur Datenerhebung Grundsätzlich handelt es sich bei einem Interview um „… eine verabredete Zusammenkunft …, die sich in der Regel als direkte Interaktion zwischen zwei Personen gestaltet, die sich auf der Basis vorab getroffener Vereinbarungen und damit festgelegter Rollenvorgaben als Interviewender und Befragter begegnen.“ (Friebertshäuser, 2003, S. 374) Bei Interviews werden verschiedene Standardisierungsgrade unterschieden, wobei das völlig standardisierte Interview mit festgelegtem Wortlaut der Fragestellung, vorgegebenen Antworten und einem gleich bleibenden Ablauf auf der einen Seite und das vollkommen unstrukturierte, an wenigen Stichworten orientierte Interview auf der anderen Seite zwei Extrempole darstellen (vgl. Brosius & Koschel, 2001, S. 127-129). Das zentrale Charakteristikum des Leitfadeninterviews liegt darin, dass dem Interview zwar ein Leitfaden mit zum Teil vorformulierten Fragen zugrunde liegt, mit denen bestimmte Aspekte gezielt angesprochen werden können. Dennoch werden den Befragten keine Antworten vorgegeben, so dass auf diesem Wege Ergebnisse zutage gefördert werden können, an die der Forscher selbst nicht gedacht hat. Der Standardisierungsgrad des Leitfadeninterviews bewegt sich somit in der Mitte zwischen den beschriebenen Extrempolen eines völlig offenen Interviews auf der einen und einer völlig standardisierten Befragung auf der anderen Seite. Doch vor der endgültigen Entscheidung für oder gegen die Methode war zunächst zu prüfen, ob Rezipienten überhaupt in der Lage sind, sich über den Berufsstand des Journalisten – einem recht abstrakten Thema – zu äußern. Aus diesem Grund wurde ein Interviewleitfaden entwickelt (vgl. Kapitel 3.1.2), der vorab in zwei Gesprächen „getestet“ wurde. Dieser Test erfolgte mit Personen, die der Autorin persönlich bekannt waren und von ihr als relativ eloquent eingeschätzt wurden. Beide „Testpersonen“ waren dabei über das Thema des Interviews nicht informiert. Falls sich bei den Testinterviews gezeigt hätte, dass sich selbst diese Personen nicht zu den Leitfadenfragen hätten äußern können, wäre die Methode zu überdenken gewesen. Da dies nicht der Fall war, wurde am Leitfadeninterview als Instrument für das Verfahren der Datenerhebung festgehalten.
Datenerhebung
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3.1.2 Entwicklung des Interviewleitfadens und Gesprächsaufbau Leitfadeninterviews setzen ein bestimmtes Vorverständnis der zu untersuchenden Thematik voraus, weil sich das Erkenntnisinteresse auf vorab als relevant erachtete Themenkomplexe richtet. Die Bedeutung solcher Themen kann dabei auf Theorien, eigenen theoretischen Überlegungen, dem bisherigen Forschungsstand sowie auf ersten eigenen empirischen Befunden beruhen (vgl. Friebertshäuser, 2003, S. 375). Die Entwicklung des Interviewleitfadens vollzog sich im vorliegenden Fall in mehreren Entwicklungsstufen. So entstand eine erste Version in einer Art „brainstorming“ durch die Forscherin vor dem Hintergrund der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand. In den zwei „Testgesprächen“ sowie drei weiteren Interviews wurde diese erste Version getestet und weiterentwickelt. Einige Fragen wurden dabei gestrichen, andere hinzugenommen. Dieses Vorgehen entsprach somit dem Prozesscharakter qualitativer Forschung, deren Anliegen darin besteht, den Konstitutionsprozess von Wirklichkeit durch die Gesellschaftsmitglieder zu dokumentieren, analytisch zu rekonstruieren und durch das verstehende Nachvollziehen zu erklären. Zum anderen ist auch der Akt des Forschens selbst ein Prozess, der die Kommunikation zwischen Forscher und Informant voraussetzt (vgl. Lamnek, 1995, S. 24-25). So entstand ein Leitfaden, der die komplexe Forschungsfrage nach dem Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten auf acht Themenfelder reduzierte (zur ausführlichen Dokument des Leitfadens vgl. Anhang): 1 Assoziationen des Befragten zum Begriff „Journalist“ (Alter, Geschlecht, Charaktereigenschaften, äußere Erscheinung) 2 Persönliches Interesse des Befragten am Journalistenberuf und persönliche Beziehung zu Journalisten (je nach Befragtengruppe) 3 Ansehen und Prestige des Journalistenberufs 4 Ausbildung, Berufsalltag, wirtschaftliche Situation von Journalisten 5 Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit, Moral, Fairness, Macht von Journalisten 6 Image der Medien – Image der Journalisten 7 Einstellung zum Boulevardjournalismus 8 Elite des Journalismus – Prominente Journalisten
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Methodisches Vorgehen
Bei Leitfadeninterviews können verschiedene Fragetechniken zum Einsatz kommen. So unterscheidet man zwischen erzählungsgenerierenden Kommunikationsstrategien („allgemeine Sondierungen“), verständnisgenerierenden Strategien („spezifische Sondierungen“) und so genannten „ad-hocFragen“, mit denen Themen spontan angesprochen werden können, zu denen sich der Befragte noch nicht geäußert hat (vgl. Witzel, 1985, S. 244255). In der vorliegenden Untersuchung kamen alle drei Techniken zum Einsatz. So wurden die Befragten unter anderem gebeten, ihr Verhalten gegenüber Journalisten in fiktionalen Handlungssituationen zu beschreiben oder zu erklären, wie sie reagieren würden, falls eines ihrer Kinder Journalist werden wollte. Darüber hinaus wurden die Interviewteilnehmer bei Widersprüchen oder unklaren Äußerungen gebeten, ihre Gedanken nochmals zu erläutern. Spontane Ad-hoc-Fragen dienten dazu, bis dato unbesprochene Themen anzuschneiden sowie den Interviewfluss in Bewegung zu halten. Dies war vor allem bei den (wenigen) Befragten von Vorteil, die Schwierigkeiten hatten, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Die Gespräche begannen meist mit Fragen nach dem Alter, dem formalen Bildungsgrad, der schulischen und beruflichen Ausbildung und der derzeitigen beruflichen Situation der Befragten, sofern dies nicht aus Vorgesprächen oder persönlichen Kontakten bereits bekannt war. In einigen Fällen wurden diese Angaben im Anschluss an das Interview erbeten. Solche Fragen nach dem biografischen Hintergrund sind – ganz unabhängig vom Thema – unabdingbar für das „Sich-Einfühlen“ in die Sicht des Befragten, für das „Fremdverstehen“ des Subjekts durch den Forscher (vgl. Bock, 1992, S. 97). Außerdem wurden die Befragten zu Beginn des Gesprächs darum gebeten anzugeben, welche Medien sie täglich nutzen und wie viel Zeit sie in etwa mit ihnen verbringen. So kann man von bestimmten Mediennutzungsgewohnheiten (z. B. intensive Lektüre einer Tageszeitung, Bevorzugung öffentlich-rechtlicher Sender etc.) auf das politische Interesse eines Menschen schließen – ein Merkmal, das sich nach Erkenntnissen älterer Studien wiederum im Image von Journalisten aus Rezipientensicht bemerkbar macht (vgl. Kapitel 2.6.3 und 2.6.6). Dieser Gesprächseinstieg über solche „Eisbrecherfragen“ (vgl. Brosius & Koschel, 2001, S. 123) diente dabei auch dem Abbau von Nervosität. Schließlich kann jeder Mensch ohne Probleme erzählen, welche Ausbildung er durchlaufen hat, ob und wie lange er in etwa täglich Zeitung liest und welche Fernsehsender beziehungsweise Sendungen er am liebsten schaut. Erst dann schlossen sich die Fragen zu
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den oben angeführten Themenfeldern an. Die Reihenfolge und der Wortlaut der Fragen wurden in den einzelnen Gesprächen im Übrigen nicht strikt eingehalten, um den Befragten möglichst viel Freiraum einzuräumen und spontane Gedankengänge, die sich aus dem Dialog heraus entwickelten, nicht zu unterbinden. Gleichzeitig gab der Leitfaden den Gesprächen eine bestimmte Struktur vor, so dass sie trotz ihres individuellen Charakters in gewissem Maße vergleichbar waren. 3.1.3 Kriterien zur Auswahl der Befragten und Stichprobengröße Die Entscheidung für eine qualitative Methode geht fast immer einher mit dem Verzicht auf Repräsentativität der Ergebnisse. Dies zählt zu den Kritikpunkten, die die Verfechter einer streng quantitativ orientierten Forschung vorbringen. So bemängeln beispielsweise Noelle-Neumann und Petersen (2000, S. 77), dass die Ergebnisse qualitativer Forschung nur auf kleinen, nicht-repräsentativen Stichproben basieren, somit weder für die Gesamtbevölkerung zu verallgemeinern noch ausreichend standardisierbar sind und sich somit einer Überprüfung und Wiederholung entziehen. Dieses Manko wurde bewusst in Kauf genommen, da es bei qualitativen Studien eben nicht auf die statistische Repräsentativität der Ergebnisse ankommt, sondern auf die Erfassung der Typik des untersuchten Forschungsgegenstands – in diesem Fall dem Image von Journalisten aus Sicht des Rezipienten. Dennoch sollte auch eine qualitative Untersuchung nicht auf ein systematisches Vorgehen bei der Auswahl der Untersuchungsteilnehmer verzichten. Dazu merkt Merkens an, dass sich das Sampling einer qualitativen Untersuchung häufig aus der Forschungsfrage heraus ergibt, nach der die Definition der Grundgesamtheit festgelegt wird (vgl. Merkens, 2000, S. 291). Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn man die Erfahrungen von Unternehmensnachfolgern untersuchen wollte. Hier würde die Grundgesamtheit aus Personen bestehen, die durch das gemeinsame Erlebnis der Übernahme eines Familienunternehmens ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Aus dieser Gruppe, die selbstverständlich nicht der Grundgesamtheit der Bevölkerung entspricht, wären dann die Befragten auszuwählen. In der vorliegenden Arbeit war der Fall anders gelagert. Jedenfalls ist durch die Frage, wie sich das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten gestaltet, die Grundgesamtheit keineswegs klar definiert. Um ein systemati-
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Methodisches Vorgehen
sches Vorgehen dennoch sicherzustellen, mussten daher Regeln zur Auswahl der Befragten festgelegt werden. Eines der relevanten Auswahlkriterien war dabei der persönliche Kontakt der Befragten zu einem Berufsvertreter – ein Merkmal, das sich aus der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand ergeben hatte und das als Erklärungsansatz für die Ambivalenz im Image von Journalisten vermutet wurde. Es waren also grundsätzlich zwei Befragtengruppen zu unterscheiden: eine Gruppe ohne und eine mit persönlichem Kontakt zu einem oder mehreren Journalisten. In welches Lager die Befragten fielen, wurde im Rahmen der ersten Kontaktaufnahme zwischen Forscher und potenziellem Interviewpartner oder zu Beginn des Interviews abgeklärt. Aufgrund der Forschungsfrage beschränkte sich dabei die Auswahl auf Personen, die hauptberuflich nicht als Journalist tätig waren oder sind und somit zum Kreis der Rezipienten zählen.1 Innerhalb der zwei Befragtengruppen griffen Quotenvorgaben, die der repräsentativen Verteilung der Merkmale „Alter“, „Geschlecht“ und „Bildungsgrad“ innerhalb der deutschen Bevölkerung ab 18 Jahre entsprachen. Dieses Vorgehen hatte den Vorteil, dass die Befragten auch in ihren übrigen Merkmalen stark variierten und somit keine allzu homogene Gruppe bildeten. Die Beschränkung auf die erwachsene Bevölkerung beruhte dabei auf der Überlegung, dass die Befragten überhaupt über ein Image von Journalisten verfügen mussten. Voraussetzung dafür ist ein gewisses Hintergrundwissen über Journalisten und Journalismussystem. Ob Jugendliche, erst recht aber Kinder, bereits über ein derartiges Wissen verfügen, ist kaum zu erwarten. Die Quotenvorgaben für das Sampling innerhalb der Befragtengruppen lieferte die jüngste Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften aus dem Jahr 2002, die auch als „Allbus-Datensatz“ bekannt ist. Allerdings wurden die Merkmalsausprägungen aufgrund der kleinen Befragtenzahl von letztendlich 24 Personen nur relativ grob gefasst. So wurden beim Alter nur drei Alterskategorien (18–39 Jahre; 40–61 Jahre; 62 Jahre und älter) unterschieden. Beim Merkmal „Bildungsgrad“ wurde lediglich die Quotenverteilung innerhalb der Bevölkerung von Akademikern (FH- oder Universitätsabschluss) und Nicht-Akademikern (niedrigerer formaler Bildungsgrad als FH-/Universitätsabschluss) zugrunde gelegt (vgl. Tabelle 1). 1
In einem Fall (Steffen) gab der Befragte an, freiberuflich für eine Lokalzeitung tätig zu sein. Da diese Tätigkeit jedoch nicht seine berufliche Hauptbeschäftigung darstellt, wurde das Interview in die Untersuchung mit einbezogen.
Datenerhebung
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Tabelle 1: Quotenplan zur Auswahl der Interviewteilnehmer Quotierte Merkmale
Merkmalsausprägung
Geschlecht
Männer Frauen
Alter
18 – 39 Jahre 40 – 61 Jahre 62 Jahre und älter
Bildung
Deutsche Bevölkerung (ab 18 Jahrea) 49,5% 50,5% 100%
Stichprobe (n = 24) 12 12 24
Quotenvorgaben pro Gruppe (n = 12) 6 6 12
38,5% 38,2% 23,2%
10b 8b 6
5 4 3
99,9%c
24
12
82,7%
20
10
17,3% 100%
4 24
2 12
„NichtAkademiker“ „Akademiker“
a Daten: Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (Allbus) aus dem Jahr 2002. b Die Aufteilung beruht auf der Überlegung, die Anzahl der Personen in den jeweiligen Alterskategorien je Befragtengruppe möglichst gleich hoch zu halten c Die Abweichung beruht auf Rundungsfehlern
Festlegung der Stichprobengröße Bei einer qualitativen Studie stellt sich angesichts der prinzipiell unbegrenzten Fälle, die in die Untersuchung einbezogen werden können, die Frage, wann man mit der Rekrutierung weiterer Untersuchungsteilnehmer aufhören sollte. Die Kriterien, die diese Entscheidung beeinflussen, sind mannigfaltig. So plädieren einige Forscher dafür, mit der Einbeziehung weiterer Fälle aufzuhören, wenn eine „theoretische Sättigung“ eintritt, wenn also von weiteren Fällen kein Erkenntnisgewinn mehr zu erwarten ist (vgl. Flick, 1989, S. 4). Weiterhin spielt auch der relativ hohe technische Aufwand von
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Methodisches Vorgehen
qualitativen Studien eine Rolle, der aufgrund der Transkription der Gespräche (vgl. Kapitel 3.2.1) und der aufwändigen Datenanalyse im vorliegenden Fall nicht zu unterschätzen war – zumal im Vorfeld der eigentlichen Untersuchung insgesamt fünf Interviews geführt worden waren. Dies war dann auch das entscheidende Argument, den Umfang des Datenmaterials auf 24 Interviews zu beschränken. Dass diese Größenordnung sinnvoll war, zeigten die zuletzt geführten Interviews, die als Zeichen einer „theoretischen Sättigung“ kaum noch neue Erkenntnisse geliefert haben. 3.1.4 Kontaktaufnahme und Teilnahmebereitschaft der Befragten Wie in quantitativen Studien kommt auch bei qualitativer Forschung der Zugänglichkeit der Untersuchungsteilnehmer besondere Bedeutung zu (vgl. Merkens, 2000, S. 288). Auch die vorliegende Untersuchung war mit der simplen Frage konfrontiert: Wie kommt man an Gesprächspartner heran, und wie gewinnt man sie für eine Teilnahme? Im vorliegenden Fall sprach die Interviewerin auf informelle Weise – teils per Telefon, teils persönlich – Bekannte an, ob sie Lust und Zeit hätten, an einem rund 30- bis 60minütigen Interview teilzunehmen, das auf Tonband aufgezeichnet werden würde. Darüber hinaus wurden Freunde der Forscherin gebeten, in ihrem Bekanntenkreis Personen ausfindig zu machen, die die Quotenvorgaben erfüllen und sich für ein Interview zur Verfügung stellen würden. Sofern sich jemand zur Teilnahme bereit erklärte, vereinbarte die Interviewerin telefonisch oder per E-Mail Zeit und Ort des Gesprächs. Dabei wurde den Interviewteilnehmern auch zugesagt, dass ihre Daten anonymisiert würden. Die meisten Befragten reagierten auf die Anfrage außerordentlich offen und erklärten sich sofort zur Teilnahme bereit. Ein entscheidender Faktor war dabei sicherlich der persönliche Bezug zur Forscherin – sei er direkt oder indirekt bedingt –, der sich positiv auf die Bereitschaft zur Teilnahme an einem wissenschaftlichen Projekt auszuwirken scheint. Übrigens veränderte dies das Antwortverhalten der Befragten in der vorliegenden Untersuchung in keiner Weise: Persönliche Bekannte der Interviewerin antworteten ähnlich wie Gesprächspartner, die sie vorher noch nie gesehen hatte. In wenigen Fällen wurden im Vorfeld von Seiten der Interviewteilnehmer Bedenken laut hinsichtlich der Thematik, ob die Fragen auch nicht zu persönlich seien und man darauf auch wirklich antworten könne. Solche
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Zweifel sind verständlich, sind doch bei einem Tiefeninterview Forscher und Interviewteilnehmer in hohem Maße persönlich involviert, so dass es insbesondere bei intimen Themen eher einem psychoanalytischen Erstgespräch als einem sozialwissenschaftlichen Erhebungsinstrument gleicht (vgl. Bock, 1992, S. 96). Doch auch solche Sorgen ließen sich ausräumen: zum einen durch die Zusage einer Anonymisierung der Daten, vor allem aber durch den Hinweis, dass es sich bei dem Interview um keinen „Wissenstest“ handeln würde und das Thema relativ unpersönlich sei, man also keine intimen Details von sich preis geben müsse. Allerdings erhielten die Befragten – auch diejenigen, die direkt danach fragten – im Vorfeld keinerlei Auskünfte über die Thematik des Forschungsvorhabens.2 Dies war Voraussetzung für die Teilnahme an einem Gespräch, da andernfalls der Sinn des Interviews verfehlt worden wäre und sich die Befragten vorab mögliche Fragen und Antworten hätten überlegen können. Nach jedem Interview wurde den Befragten das gesamte Forschungsprojekt mündlich vorgestellt. 3.1.5 Durchführung und Nachbereitung der Interviews Die ersten fünf Testgespräche wurden zwischen dem 28. August 2004 und dem 2. November 2004 geführt. Die 24 Interviews, die letztendlich in die Analyse einbezogen wurden, fanden im Zeitraum vom 11. Dezember 2004 bis 25. August 2005 statt. Der Ort, an dem die Gespräche geführt wurden, variierte und richtete sich nach den Wünschen der Interviewpartner. So fanden einige Gespräche im Wohnzimmer der Interviewerin statt, die meisten jedoch in Besprechungsräumen am Arbeitsplatz der Befragten oder in deren privaten Wohnräumen. Zwei Befragungen fanden in Büros auf dem Universitätscampus statt. Die Dauer der Gespräche sowie die Qualität der Aussagen hingen stark von der Gesprächsbereitschaft und dem verbalen Ausdrucksvermögen der Befragten ab. So zog sich das längste Interview eine Stunde hin, das kürzeste Gespräch war insgesamt nur 24 Minuten lang. Im Schnitt dauerten die Gespräche der Befragtengruppe mit persönlichem Kontakt zu Journalisten 39 2
Darüber, dass potentielle Gesprächspartner im Vorfeld keinerlei Informationen über das Thema erhalten durften, wurden auch die Bekannten der Forscherin unterrichtet, die Interviewteilnehmer rekrutieren sollten. Da alle Interviewteilnehmer „ahnungslos“ zu den Gesprächen erschienen, wurde diese Bedingung in jedem Fall erfüllt.
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Methodisches Vorgehen
Minuten und waren damit durchschnittlich etwas länger als die der Gruppe ohne persönlichen Kontakt zu Journalisten. Hier lag der Gesprächsumfang bei durchschnittlich 37 Minuten (vgl. Tabelle 2 und 3). Tabelle 2: Ort, Datum und Dauer der Interviews in der Befragtengruppe ohne direkten Kontakt zu Journalisten Deckname
Ort des Gesprächs
Datum
Samuel Herbert Werner Klara Selma Sina Katrin Gisela Sonja Helmut Willy Alexander
Wohnzimmer des Befragten Arbeitsplatz des Befragten Wohnzimmer des Befragten Wohnzimmer der Interviewerin Arbeitsplatz der Befragten Büro auf dem Universitätscampus Wohnzimmer der Befragten Arbeitsplatz der Befragten Arbeitsplatz der Befragten Wohnzimmer des Befragten Wohnzimmer des Befragten Wohnzimmer der Interviewerin
11.12.2004 27.01.2005 05.04.2005 11.04.2005 23.04.2005 25.05.2005 22.06.2005 24.06.2005 24.06.2005 19.07.2005 20.07.2005 25.08.2005
Gesprächsdauer (in Minuten) 27 36 39 39 33 37 34 33 43 56 37 31
Dokumentation der Gespräche Voraussetzung dafür, dass Interviews zum Gegenstand einer Untersuchung werden, ist eine qualitätsvolle Aufzeichnung auf Ton- oder Videoband. Andernfalls bleiben die Gespräche flüchtige Ereignisse (vgl. Deppermann, 1999, S. 21). Allerdings birgt dies die Gefahr, dass die Gesprächssituation, die ja möglichst natürlich ablaufen sollte, durch das Wissen des Befragten um die Aufzeichnung gestört wird. Deshalb empfiehlt es sich, den technischen Aufwand bei Leitfadeninterviews möglichst gering zu halten und die Aufzeichnung auf das zur Beantwortung der Forschungsfrage Notwendige zu beschränken (vgl. Flick, 1991, S. 161). Da es bei Fragen nach dem Image von Journalisten vorwiegend auf die verbalisierten Vorstellungen, das Wissen, die
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Gefühle und Einstellungen der Befragten in Bezug auf den journalistischen Berufsstand ankommt und weniger stark auf ihre Mimik, Gestik oder ihr Verhalten, wurden Tonbandaufzeichnungen als ausreichend erachtet. Tabelle 3: Ort, Datum und Dauer der Interviews in der Befragtengruppe mit direktem Kontakt zu Journalisten Deckname
Ort des Gesprächs
Datum
Friederike Anna Jette Christian Michaela Isabelle Steffen Simon Wanda Ingo Gina Emil
Arbeitsplatz der Befragten Wohnzimmer der Interviewerin Wohnzimmer der Befragten Arbeitsplatz des Befragten Wohnzimmer der Befragten Wohnzimmer der Befragten Büro auf dem Universitätscampus Wohnzimmer des Befragten Wohnzimmer der Befragten Wohnzimmer des Befragten Terrasse der Befragten Wohnzimmer des Befragten
04.01.2005 12.01.2005 19.01.2005 25.01.2005 05.04.2005 02.05.2005 30.05.2005 03.06.2005 08.06.2005 08.06.2005 23.06.2005 08.07.2005
Gesprächsdauer (in Minuten) 30 34 32 60 38 41 52 38 41 24 38 42
Die Notwendigkeit einer Tonbandaufnahme wurde den Interviewteilnehmern jeweils vor dem Gespräch erklärt und dabei um ihr Einverständnis gebeten. Dies stellte in keinem Fall ein Problem dar. Allerdings schienen einige Interviewteilnehmer durch das Wissen, dass sie aufgezeichnet werden, in ihrem Gesprächsfluss gehemmt. Die anfängliche Nervosität legte sich jedoch in allen Fällen in den ersten Minuten. Manche Befragte hingegen schien das Aufnahmegerät gar nicht zu stören. Solche Eindrücke notierte die Interviewerin kurz nach dem Gespräch in einer Postkommunikationsbeschreibung, einem so genannten „Postscriptum“ (vgl. Witzel, 1985, S. 238). Dieser Bericht ist Teil des Interviewtextes und hilft bei der Aufbereitung und Auswertung der Daten (vgl. Friebertshäuser, 2003, S. 392). Eine solche Notiz ist deshalb anzuraten, da neben den spontanen Eindrücken des For-
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Methodisches Vorgehen
schers auch weitergehende Informationen gesammelt werden können: zum Beispiel über die Anwesenheit Dritter oder Gesprächsunterbrechungen während des Gesprächs. Im vorliegenden Fall notierte die Forscherin auch die wichtigsten Informationen über den Befragten (Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, berufliche Situation etc.) sowie Ort, Datum und die geschätzte Dauer des Interviews. Tabelle 4: Soziodemografische Merkmale, Art des Schulabschlusses und berufliche Situation der Befragten ohne direkten Kontakt zu Journalisten Deckname Samuel
Alter 32
Akademiker Nein
Herbert
64
Ja
Werner Klara
78 36
Ja Nein
Selma
30
Nein
Sina Katrin
20 36
Nein Ja
Gisela
41
Nein
Sonja
41
Nein
Helmut
65
Nein
Willy
60
Nein
Alexander
46
Nein
Schulabschluss, berufliche Situation Abitur, Lehre zum Bankkaufmann, in diesem Beruf tätig Abitur, promovierter Jurist, freiberuflich als Rechtsanwalt tätig Abitur, BWL/VWL-Studium, Rentner Hauptschulabschluss, Friseurlehre, abgebrochene kaufmännische Lehre, Hausfrau und Mutter, arbeitet als Putzfrau Realschulabschluss, Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten, Mutter und Hausfrau Abitur, Studentin im 1. Semester Abitur, Lehre zur Groß- und Einzelhandelskauffrau, Philologiestudium, z. Zt. im Mutterschutz Abitur, Lehre zur Bankkauffrau, Sekretärin in Teilzeit Abitur, abgebrochenes Studium, gelernte Fremdsprachenkorrespondentin, Sekretärin Realschulabschluss, Lehre zum Speditionskaufmann, Rentner Volksschulabschluss, Lehre zum Feinund Flugzeugmechaniker, in diesem Beruf tätig Hauptschulabschluss, Lehre zum Werkzeugmacher, in diesem Beruf tätig
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3.1.6 Die Interviewteilnehmer Insgesamt wurden 24 Gespräche geführt – in jeder Gruppe zwölf –, wobei die Quotenvorgaben fast vollständig erfüllt werden konnten. Lediglich in der Gruppe der Befragten mit Kontakt zu Journalisten waren Frauen leicht über- und Befragte über 62 Jahre leicht unterrepräsentiert. Tabelle 5: Soziodemografische Merkmale, Art des Schulabschlusses und berufliche Situation der Befragten mit direktem Kontakt zu Journalisten Deckname Friederike
Alter 46
Akademiker Nein
Anna
39
Nein
Jette
29
Nein
Christian
38
Ja
Michaela
71
Nein
Isabelle
57
Nein
Steffen
20
Nein
Simon
31
Nein
Wanda
42
Nein
Ingo
44
Ja
Gina
51
Nein
Emil
64
Nein
Schulabschluss, berufliche Situation Fachabitur, Ausbildung zur Sozialarbeiterin, Redaktionsassistentin in einem Medienunternehmen Realschulabschluss, Ausbildung zur technischen Zeichnerin, als kaufmännische Angestellte tätig Abitur, Lehre zur Bankkauffrau, in diesem Beruf tätig Abitur, Studium zum Kommunikationsdesigner (FH), in diesem Beruf tätig Realschulabschluss, Ausbildung zur Buchhändlerin und Besuch einer kaufmännischen Schule, Rentnerin Realschulabschluss, kaufmännische Lehre, als Schulsekretärin tätig Abitur, Student im 1. Semester, jobbt nebenbei als freier Journalist bei einer Lokalzeitung Fachabitur, Schreinerlehre, selbständiger Schreinermeister Fachabitur, Lehre zur Steuerfachangestellten, Hausfrau und Mutter Abitur, Lehre zum Industriekaufmann, Studium, selbständiger Handelsvertreter Realschulabschluss, kaufmännische Lehre, Hausfrau und Mutter abgebrochene Schulausbildung, Lehre zum Industriekaufmann mit Besuch der Handelsschule, Rentner
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Methodisches Vorgehen
Außerdem waren in der Gruppe der Befragten ohne persönlichen Kontakt zu Journalisten insgesamt drei statt zwei Akademiker vertreten. Die übrigen Quotenvorgaben wurden eingehalten, so dass das Datenmaterial zwar nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ist, die Befragten jedoch als relativ heterogene Gruppe gelten können. So hatten die beiden jüngsten Interviewteilnehmer zum Zeitpunkt des Interviews gerade einmal das 20. Lebensjahr erreicht, der älteste Befragte war hingegen schon 78 Jahre alt, wobei der Altersdurchschnitt in der Gruppe der Befragten mit persönlichem Kontakt zu Journalisten bei 44 Jahren, derjenige in der zweiten Gruppe bei 46 Jahren lag. Auch hinsichtlich des formalen Bildungsabschlusses der Befragten fiel die Spannweite relativ groß aus. So wurden neben Personen, die über einen Hauptschul- oder Volksschulabschluss verfügten, auch promovierte Akademiker interviewt (vgl. Tabelle 4 und 5). Auch das Merkmal des persönlichen Kontakts zu Journalisten gestaltete sich relativ variantenreich. So gaben manche Befragte an, mit Journalisten eng befreundet oder gar verwandt zu sein, andere hingegen waren nach eigener Auskunft lediglich flüchtig mit Berufsvertretern bekannt. Bei Wanda und Simon stellte sich erst im Laufe des Gesprächs heraus, dass sie einen beziehungsweise mehrere Journalisten persönlich kennen, obwohl beide diese Frage zunächst verneint hatten. Wie sich der Kontakt der Befragten zu Journalisten im Einzelnen gestaltete, wurde bei der Analyse der Leitfadeninterviews berücksichtigt und ist im Ergebnisteil der Arbeit dokumentiert. 3.2 Datenanalyse Bei der Datenauswertung von Leitfadeninterviews unterscheidet man grundsätzlich zwei Schritte: 1.) die Datenaufbereitung und 2.) das Verfahren der Datenauswertung. 3.2.1 Datenaufbereitung: Sinn und System der Gesprächstranskription Zwischen der Aufzeichnung der Leitfadeninterviews und ihrer Analyse steht ein notwendiger Zwischenschritt: die Transkription. Darunter „… versteht man die Verschriftung von akustischen oder audiovisuellen (AV) Gesprächsprotokollen nach festgelegten Notationsregeln.“ (Deppermann,
Datenanalyse
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1999, S. 39) Bei der Transkription geht es also darum, akustische Ereignisse in einem grafischen Medium zu repräsentieren. Solche Transkripte geben zwar nur auf selektive und abstrahierende Weise die Gesamtheit eines Gesprächs wieder. Dennoch bieten sie gegenüber auditivem beziehungsweise audiovisuellem Material auch einige Vorteile: Sie erleichtern durch ihre einfache Handhabung die Analyse der Daten, geben einen Überblick über den Verlauf eines Gesprächs und ermöglichen es, ein Datensegment beliebig lange unter verschiedenen Aspekten zu untersuchen oder es mit anderen Textstellen zu vergleichen. Nicht zuletzt geht mit der Transkription die Möglichkeit einher, dem Leser das Datenmaterial wenigstens in schriftlicher Form zugänglich zu machen, zumal audiovisuelle Medien meist nicht veröffentlicht werden (vgl. Deppermann, 1999, S. 40). Transkriptionssystem Bei Gesprächstranskriptionen hat sich bis heute kein allgemeingültiger Standard durchgesetzt (vgl. Flick, 1991, S. 161). Deppermann empfiehlt, auf Lesbarkeit und einfache Handhabung der Transkripte zu achten und nur solche Gesprächspassagen zu transkribieren, die für die Untersuchungsfrage relevant sind. Transkriptionsaufwand und -nutzen sollten immer in einem ausgewogenen Verhältnis stehen (vgl. Deppermann, 1999, S. 46-48). In der Literatur finden sich verschiedene Transkriptionssysteme, unter anderem das Gesprächsanalytische Transkriptionssystem (GAT), nach dem ein Transkript aus drei Spalten besteht: Die erste Spalte enthält eine durchgehende Zeilennummerierung, die zweite die Siglen der Sprecher, die dritte die Transkription der Äußerungen (vgl. Deppermann, 1999, S. 42). Die Lautung der gesprochenen Sprache wird bei GAT nach literarischer Umschrift wiedergegeben und orientiert sich an der Standardorthografie, wobei GAT durchgehend Kleinschreibung verwendet, um den mündlichen Charakter zu betonen. Phonetische Merkmale wie beispielsweise Vokalverschleifungen (von „machen“ zu „machn“) werden nicht erfasst. Allerdings bietet GAT Notationen an, um so genannte „prosodische Parameter“ wie Pausen, Intonation, Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit, Dehnungen, Akzente und den Rhythmus der Sprache zu erfassen. Außerdem werden nicht-lexikalisierte Laute wie Lachen oder Seufzen durch generische Beschreibungen („lacht“) wiedergegeben sowie nonvokale Phänomene wie Umgebungsgeräusche,
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Methodisches Vorgehen
gegenständliche Handlungen (z. B. Blättern in Unterlagen), Mimik, Gestik und Blickrichtung des Befragten erfasst (vgl. Deppermann, 1999, S. 42-46). Tabelle 6: Angewandte Transkriptionszeichen in Anlehnung an das Gesprächsanalytische Transkriptionssystem (GAT) Transkriptionszeichen [Ach, ja!] = :, ::, ::::, ::::: äh, öh, etc. / // (-), (--), (---), (----) Hm, H=hm, nee, aha akZENT ((hustet)) < > <<erstaunt> > ( ) (solche) ((…)) (Stadt), (Ort) B. IV: B:
Bedeutung Überlappung und Simultansprechen schneller, unmittelbarer Anschluss neuer Beiträge oder Einheiten Dehnung, Längung – je nach Dauer Verzögerungssignale, so genannte „gefüllte Pausen“ Abbruch eines Wortes oder Satzesa Unterbrechung durch den Gesprächspartner Pausen – je nach Länge Rezeptionssignale Hauptakzent para-/außersprachliche Handlungen/Ereignisse sprachbegleitende para- und außersprachliche Handlungen und Ereignisse mit Reichweite interpretierende Kommentare mit Reichweite unverständliche Passage – je nach Länge vermuteter Wortlaut Auslassungen im Transkript anonymisierte Stadt- und Ortsangabe Namenskürzel für Personen, Vereine etc. – je nach Anfangsbuchstabe Zeichen für Interviewer Anfangsbuchstabe des Vornamens des Befragten
a Dieses
Transkriptionszeichen entstammt dem System der Halbinterpretativen Arbeitstranskriptionen (HIAT) (vgl. Ehlich & Rehbein, 1976, S. 37).
Die Forscherin hat sich bei der Transkription der Leitfadeninterviews vornehmlich an GAT orientiert und ist der Empfehlung von Deppermann (1999) gefolgt, nur solche Passagen zu transkribieren, die tatsächlich ausge-
Datenanalyse
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wertet werden sollten. Dies waren Aussagen, die sich auf die forschungsrelevanten Themenfelder bezogen, auf das Mediennutzungsverhalten der Befragten sowie – falls vorhanden – auf deren Beziehung zu Journalisten. Angaben über die Ausbildung, das Alter und die derzeitige berufliche Situation der Interviewten wurden nicht transkribiert, sondern direkt nach dem Gespräch oder durch nochmaliges Abhören der Tonbandaufnahme auf dem Postscriptum notiert. Auch Passagen, in denen der Interviewte vom eigentlichen Thema abwich, wurden nicht verschriftet.3 Auslassungen wie auch mögliche Unterbrechungen während des Gesprächs wurden in den Transkripten an den entsprechenden Stellen vermerkt. Bei der Transkription wurde allerdings an der deutschen Standardorthografie festgehalten: Großund Kleinschreibungen wurden zugunsten einer besseren Lesbarkeit eingehalten und Dialekte nicht beachtet; Apostrophe wurden kaum verwandt und Vokalverschleifungen („ne“ statt „eine“) nur an wenigen Stellen berücksichtigt. Zudem wurden simultan geäußerte Zustimmungslaute oder Aussagen der Interviewerin und des Befragten in eckigen Klammern vermerkt. Auf eine Feintranskription, die beispielsweise Lautstärken auffällige Tonhöhensprünge erfasst, hat die Autorin verzichtet. Tabelle 6 gibt einen Überblick über die angewandten Transkriptionszeichen. Anonymisierung der Daten Bei einer Transkription von Gesprächen sind wichtige Datenschutzmaßnahmen zu berücksichtigen. So müssen die Daten derart anonymisiert werden, dass keine Rückschlüsse auf die Interviewteilnehmer möglich sind. Dabei sind Personen-, Orts- und Firmenangaben, Datumsangaben sowie weitere Sachverhalte abzuändern, durch die man den Befragten identifizieren kann (vgl. Deppermann, 1999, S. 39). Wie bereits erwähnt, wurden diese Maßnahmen auch im vorliegenden Fall umgesetzt.4 3
Zum Beispiel Helmuts Bericht über den Verkauf eines Möbelstücks im Internet
4 Lediglich in dem Gespräch mit Michaela wird durch die häufige Bezugnahme der Befragten auf die Frankfurter Allgemeine Zeitung deutlich, aus welcher Stadt sie stammt. Aufgrund der Größe der Stadt Frankfurt am Main und der nicht als besonders persönlich einzuschätzenden Thematik der Forschungsfrage wurde hier bewusst auf eine Verschlüsselung der entsprechenden Stellen verzichtet.
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Methodisches Vorgehen
3.2.2 Datenanalyse: Methodik und technisches Vorgehen Wie nähert man sich auf offene Weise einem Datenmaterial von insgesamt rund 300 Textseiten, ohne sich dem Vorwurf der Willkür auszusetzen? Hierzu bedarf es eines systematischen Analyseinstruments, das in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse entwickelt wurde. Früh (1998, S. 25) definiert die Inhaltsanalyse allgemein als ein Verfahren, das der „ … systematischen und intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen“ dient. Die Stärke der qualitativen Inhaltsanalyse besteht nun darin, dass sie sich die Regelgeleitetheit und Systematik der quantitativ orientierten Inhaltsanalyse zu Eigen macht, auf diese Weise für Außenstehende nachvollziehbar bleibt, aber gleichzeitig inhaltlichen Argumenten mehr Gewicht verleiht als Verfahrensargumenten. Validität rangiert bei ihr vor Reliabilität (vgl. Mayring, 2003, S. 42-45). Entwicklung und Aufbau des Kategoriensystems Ein wesentliches Element, das die Systematik und somit die Intersubjektivität einer qualitativen Inhaltsanalyse sicherstellt, ist das Kategoriensystem. Mit ihm wird das Kommunikationsmaterial – in diesem Fall waren dies die Transkripte – wie mit einem „Rechen“ systematisch durchkämmt, so dass bestimmte Materialteile daran „hängen bleiben“. Allerdings stehen die Kategorien meist nicht von vornherein fest, sondern müssen zunächst entwickelt werden. Dies geschieht in einem Austauschprozess, bei dem das Vorverständnis des Forschers, das durch die theoretische Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand gegeben ist, mit den Daten interagiert. So werden Kategorien gebildet, die später als Fragen an das Datenmaterial herangetragen werden. Die einzelnen Kategorien werden dabei durch Zuordnungsregeln ergänzt, so dass ein Codierleitfaden entsteht, der durch „Ankerbeispiele“ aus den Texten erweitert wird und dessen Tragfähigkeit am Datenmaterial nochmals überprüft wird (vgl. Mayring, 2003, S. 53-56). Ähnlich gestaltete sich auch die Kategorienentwicklung im vorliegenden Fall. So wurde die Hälfte der transkribierten Interviews zunächst mehrere Male intensiv durchgelesen. Dabei notierte die Forscherin verschiedene Themen, die sich aus den Aussagen der Befragten ergaben, aber nicht
Datenanalyse
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zwangsläufig mit den Themenkomplexen des Leitfadens übereinstimmen mussten. Sie stellten gewissermaßen die Grundlage für die Kategoriendefinitionen dar, die durch besonders treffende Zitate der Befragten ergänzt wurden. Manche Kategorien wie beispielsweise die Vorstellungen der Befragten vom Einkommen eines Journalisten ließen sich dabei relativ leicht definieren – zumal der Leitfaden diese Frage vorgegeben hatte und nur geprüft werden musste, ob eine Kategorienbildung tatsächlich Sinn macht. Andere Kategorien hingegen wurden rein aus dem Textmaterial heraus entwickelt, was dem offenen Charakter des Leitfadeninterviews entsprach. Schließlich besteht die Stärke von Leitfadeninterviews darin, in der Gedankenwelt der Befragten Aspekte aufzudecken, die dem Forscher vorab nicht bekannt sind. Auf diese Weise entstand ein erster Entwurf eines Kategoriensystems mit entsprechenden Codieranleitungen. Dieser „Codierleitfaden“ wurde an alle Texte herangetragen, die ursprünglichen Definitionen überarbeitet und einige Kategorien zu sinnvollen Einheiten zusammengefasst. Dabei wurde bewusst darauf geachtet, das Kategoriensystem nicht zu feingliedrig ausfallen zu lassen. Am Ende entstand ein Analyseinstrument mit den folgenden aussagenbezogenen Ober- und Unterkategorien: 1 Spontane Assoziationen zum Begriff „Journalist“ 2 Persönliches Verhältnis des Befragten zum Journalismus 21 Kontakt zu Journalisten 22 Mediennutzungsverhalten 3 Der Journalist als Subjekt 31 Alter 32 Geschlecht 33 Äußere Erscheinung 34 Charakter, Fähigkeiten, sonstige Merkmale 35 Begabung 36 Idealtypus oder Realität? 37 Elite des Journalismus – Prominente Journalisten 4 Wege in den Journalismus 41 Motivation 42 Ausbildungsweg, Professionalisierungsgrad 43 Ausbildungsniveau 44 Konkurrenzsituation 45 Image der Medien als Arbeitgeber
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Methodisches Vorgehen
451 Printjournalismus versus Rundfunkjournalismus 452 Öffentlich-rechtlicher versus privater Rundfunk 5 Berufsbild des Journalisten 51 Primärer Arbeitsplatz 52 Primäre Tätigkeiten 53 Stress 54 Vorteile und Chancen des Berufs 55 Nachteile und Risiken des Berufs 56 Finanzielles Auskommen 6 Umgang der Journalisten mit Informationen 61 Forderungen, Erwartungen des Befragten 62 Verhalten der Journalisten in der Realität 621 Unabhängigkeit, Objektivität 622 Ehrlichkeit, Wahrheitsliebe 623 Sachlichkeit 624 Verantwortungsbewusstsein, Respekt vor Privatsphäre 625 Grenzen der Toleranz 626 Boulevardjournalismus: Bedeutung und Bewertung 7 Journalisten und Macht 71 Indifferente Einstellung 72 Befürwortung 73 Bedenken Analyseeinheiten Mayring (2003, S. 53) empfiehlt, vor der eigentlichen Analysephase – dem Herantragen des Kategoriensystems an die Texte – die Analyseeinheiten festzulegen, um die Präzision der qualitativen Inhaltsanalyse zu erhöhen. Er unterscheidet dabei drei Einheiten: die Kodier-, die Kontext- sowie die Auswertungseinheit. Die Kodiereinheit legt den kleinsten Textbestandteil fest, der ausgewertet werden darf. Die Kontexteinheit definiert den größten Textteil, der unter eine Kategorie fallen kann. Die Auswertungseinheit gibt schließlich vor, welche Textteile jeweils nacheinander ausgewertet werden. In der vorliegenden Arbeit konnte die Kodiereinheit aus einem einzelnen Wort (z. B. „Mann“ oder „Frau“) bestehen. Die Kontexteinheit entsprach gemäß der Begrifflichkeit einer inhaltlich zusammenhängenden Aus-
Datenanalyse
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sage des Befragten, die dementsprechend auch mehrere Sätze umfassen konnte. Die Auswertungseinheit war das einzelne Interview, wobei die Gespräche zunächst als 24 Einzelfälle in die Analyse einflossen und sich erst im Anschluss daran eine übergreifende Interpretation der Befunde anschloss. Dieses zweistufige Vorgehen entsprach dem Vorschlag von Flick, die einbezogenen Fälle zunächst als Einzelfälle in ihrem Verlauf zu analysieren und erst dann zu verallgemeinerbaren Aussagen vorzudringen (vgl. Flick, 1991, S. 163-164). Begonnen wurde dabei mit der Gruppe der Befragten ohne persönlichen Kontakt zu Journalisten, wobei sich die Abfolge innerhalb der zwei Befragtengruppen nach der Chronologie des Erhebungszeitpunktes der Interviews richtete. Inhaltliche Strukturierung als Hauptinterpretationstechnik Die Reihenfolge, mit denen die Interviews als Analyseeinheiten bearbeitet wurden, war somit festgelegt. Doch wie gestaltete sich das Herantragen des Kategoriensystems an die einzelnen Gespräche? Hier bietet die qualitative Inhaltsanalyse drei Grundtechniken des Interpretierens an: die Zusammenfassung, die Explikation sowie die Strukturierung des Textmaterials. Das Ziel der zusammenfassenden Analyse ist es, das Datenmaterial so zu reduzieren, dass seine wesentlichen Inhalte erhalten bleiben. Auf diese Weise entsteht ein zweiter Text als Abbild des analysierten Materials auf einem höheren Abstraktionsniveau. Die Interpretationstechnik der Explikation hingegen zieht zu fraglichen Textstellen zusätzliches Material heran, teils aus demselben Text („enge Kontextanalye“), teils aus zusätzlichen Quellen („weite Kontextanalyse“). Die Technik der Strukturierung möchte schließlich bestimmte Aspekte aus dem Material herausfiltern, nach festgelegten Kriterien einen Querschnitt durch das Datenmaterial legen oder es nach bestimmten Merkmalen hin einschätzen (vgl. Mayring, 1991, S. 210; 2003, S. 58-59). Bei der vorliegenden Analyse wurden alle drei Grundformen angewandt, allerdings mit Schwerpunkt auf einer inhaltlichen Strukturierung der Texte – einer speziellen Variante der Strukturierung als Interpretationstechnik (vgl. Mayring, 2003, S. 89). So wurde jedes einzelne Gespräch mit Hilfe des Kategoriensystems nach bestimmten Themen/Inhalten durchsucht, die relevanten Textpassagen herausgefiltert und den entsprechenden Kategorien
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Methodisches Vorgehen
zugeordnet. Die wissenschaftliche Literatur bezeichnet diesen Vorgang auch als „Codierung“ (vgl. Schmidt, 2000, S. 452; 2003, S. 555-556). Im Anschluss daran wurden die extrahierten Fundstellen zu einem neuen Text verarbeitet, redundante Passagen zusammengefasst, so dass am Ende 24 Einzelfalldarstellungen entstanden. Sie waren Ausgangsbasis für die anschließende übergreifende Interpretation, bei der die Vorstellungen und Einstellungen der Befragten – je nach Kategorie – systematisch miteinander verglichen und Gemeinsamkeiten in den Ansichten der Interviewteilnehmer herausgearbeitet wurden. Aus diesem Vergleich ergaben sich schließlich Antworten auf die zentralen Forschungsfragen. Technische Unterstützung durch MAXQDA2 Technisch unterstützt wurde das Verfahren der Datenanalyse – angefangen bei der Kategorienbildung bis hin zur übergreifenden Interpretation – durch das Softwareprogramm MAXQDA25. QDA-Software steigert die Effizienz einer qualitativen Datenanalyse in nicht unerheblichem Maße, da sie die „Zettelwirtschaft“ herkömmlicher Inhaltsanalysen und das komplizierte Markieren von Textstellen in den Transkripten überflüssig macht. So lässt sich das Kategoriensystem per Computer unkompliziert und schnell handhaben. Codierte Textstellen lassen sich problemlos auffinden. Außerdem können in Sekundenschnelle Übersichten erstellt und Informationen über die Befragten (z. B. Geschlecht, Alter bzw. Alterskategorie etc.) als Fallvariablen definiert werden. Voraussetzung für die Anwendung einer QDASoftware ist lediglich die Vorlage der Transkripte in digitaler Form, um sie in das Analyseprogramm importieren zu können (vgl. Kuckartz, 2005, S. 2028). Dennoch kann MAXQDA2 – trotz aller Begeisterung für die technische Erleichterung, die dieses Programm bietet – die Denkleistung des Forschers weder bei der Kategorienentwicklung noch bei der Codierung ersetzen.
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QDA steht dabei für „Qualitative Data Analysis“. Eine Demoversion von MAXQDA2 kann auf der Homepage www.maxqda.de im Internet für insgesamt 30 Tage heruntergeladen werden, um das Programm zu testen. Eine Lizenz der Software kann man ebenfalls über das Internet beziehen. Außerdem bietet das Internetforum von MAXQDA2 schnelle Hilfe bei auftretenden Fragen und Problemen.
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MAXQDA2 ist ähnlich einem Windows-Programm aufgebaut, relativ leicht über eine Menüleiste zu bedienen und bietet vier Hauptfenster an. So enthält ein Fenster eine Übersicht über alle Texte des Projektes, ein weiteres das Kategoriensystem, das dritte die transkribierten Texte sowie das vierte die so genannte „Liste der Codings“, die die Resultate der Codierungen aufführt (vgl. MAXQDA2. Einführung für Windows 98, 2000 und XP, 2004, S. 14). Abbildung 3 verdeutlicht den Aufbau des MAXQDA2Bildschirms mit seinen vier Hauptfenstern: das Fenster für die Textgruppen (oben links), das Fenster, in dem die einzelnen Transkripte aufgerufen werden (oben rechts), die Liste der Kategorien beziehungsweise „Codes“ (unten links) sowie das Fenster mit der „Liste der Codings“ (unten rechts). In der vorliegenden Untersuchung wurden zunächst die Texte im Textverarbeitungsprogramm Word als digitale Dateien erstellt und als RTFFormat in MAXQDA2 importiert, wo zuvor für die beiden Befragtengruppen je eine Textgruppe eingerichtet worden war. Anschließend wurde in Anlehnung an das oben beschriebene Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse der Codierleitfaden entwickelt. Das heißt, die Texte wurden aufgerufen, vor dem Hintergrund des Interviewleitfadens und der Forschungsfragen aufmerksam durchgelesen und dabei verschiedene Themen als Ausgangsbasis für das zu entwickelnde Kategoriensystem notiert. Als Notizzettel dienten dabei die so genannten „Memos“ von MAXQDA2 – eine Art digitaler Merkzettel, wo Kategoriendefinitionen festgehalten beziehungsweise verfeinert und Ankerbeispiele aus den Texten unkompliziert eingefügt werden können. Die Memos wurden so lange aufgerufen und modifiziert, bis das Kategoriensystem endgültig stand. Für die Anwendung des Kategoriensystems auf die gesamten Texte wurden die Transkripte je Befragtengruppe in chronologischer Reihenfolge nacheinander aufgerufen und die Codierungen in einem Durchgang vorgenommen. Auch dies gestaltete sich in MAXQDA2 durch die einfache Handhabung relativ einfach: Die entsprechenden Textsegmente in den Transkripten wurden markiert und mit gedrückter linker Maustaste an die entsprechende Stelle im Kategoriensystem „gezogen“ (Codierung), das mit seinen sieben Oberkategorien und den nicht allzu tief gestaffelten Unterkategorien relativ überschaubar war. Anschließend wurde die Liste der codierten Textsegmente je Interviewteilnehmer im Fenster „Liste der Codings“ aufgerufen, in das Schreibprogramm Word exportiert und schließlich von dort aus ausgedruckt. Auf Basis dieser Listen wurden die Aussagen der Be-
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Methodisches Vorgehen
fragten mittels der Technik der inhaltlichen Strukturierung zu 24 neuen Texten verarbeitet und somit jeder Interviewteilnehmer zunächst einmal als Einzelfall behandelt. Abbildung 3: Der MAXQDA2–Bildschirm mit seinen vier Hauptfenstern
Die übergreifende Interpretation, die sich an die Einzelfallanalysen anschloss, wurde im Übrigen auf ganz ähnliche Weise unterstützt: So kann man in dem Fenster „Liste der Codings“ nicht nur für jedes einzelne Gespräch eine Liste mit allen darin codierten Textpassagen erstellen. Ein solcher Überblick ist auch gesprächsübergreifend für bestimmte Kategorien möglich, wobei die Aussagen entweder für alle oder nur für einen bestimmten Teil der Befragten (z. B. nur Frauen, Akademiker etc.) herausgefiltert werden können. Dies erleichtert zweifelsohne einen Vergleich aller Aussagen, die in eine Kategorie fallen beziehungsweise zu einem Thema getroffen wurden.
4 Ergebnisse: Einzelfallanalysen
Die Ergebnisdarstellung orientiert sich am zweistufigen Aufbau der Analyse: So werden im Folgenden zunächst die Befunde der 24 Einzelfallanalysen präsentiert, im Anschluss daran die Ergebnisse der übergreifenden Interpretation. Die Darstellung beginnt mit der Befragtengruppe ohne persönlichen Kontakt zu Journalisten. Zitate der Interviewteilnehmer – kenntlich gemacht durch Anführungszeichen – sollen die Ausführungen untermauern, auch wenn dadurch syntaktische Fehler entstehen können. Die Übernahme von Textpassagen aus den Transkripten macht dennoch Sinn, da der Leser auf diese Weise die Interpretationen der Verfasserin besser nachvollziehen kann. Denn schließlich ist eine qualitative Inhaltsanalyse immer auch eine subjektive Einschätzung von Kommunikationsmaterial durch den Wissenschaftler, der zwar dank festgelegter Analysekriterien systematisch vorgeht, den Daten aber dennoch nicht völlig objektiv begegnet. Bei der Übernahme von Zitaten wurden die Transkriptionszeichen für parasprachliche Handlungen oder sprachbegleitende Interpretationen, Dehnungen oder parallele Äußerungen sowie Verzögerungs- und Rezeptionssignale weggelassen, um den Text lesefreundlicher zu gestalten. 4.1 Befragte ohne direkten Kontakt zu Journalisten 4.1.1 Interview mit Samuel (32): „… wahrscheinlich grundsätzlich jemand, der irgendwie Zeitungsartikel schreibt, recherchiert, ja, irgendwelche Storys sucht und findet. Samuel hat nach dem Abitur eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht und ist auch heute noch in diesem Beruf tätig. Er hat keinen direkten Kontakt zu Journalisten und zeigt für den Beruf kein sonderlich großes Interesse. Für ihn „ist [das] auch nicht SO der interessante Job“, dass er einen Journalisten persönlich kennen lernen wollte. Auch mit Medien befasst sich Samuel nicht übermäßig viel. So kommt er „halt nur am Wochenende“ zum Zeitungslesen, und auch Fernsehen guckt er fast nie, „Tagesschau vielleicht
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Ergebnisse: Einzelfallanalysen
mal, aber in der Regel keine Zeit.“ Wenn er fernsieht, dann vor allem Privatsender, was daran liegt, „dass im Öffentlich-rechtlichen so wenig Fußball kommt, also generell wenig Sport.“ Von allen Medien nutzt Samuel das Internet am häufigsten, womit er täglich im Durchschnitt etwa anderthalb Stunden verbringt. Das Gespräch verläuft ohne Unterbrechungen, allerdings fühlt sich Samuel aufgrund des Aufnahmegeräts, wie er selbst zugibt, anfänglich irritiert. Zudem wirkt er häufig etwas unsicher, was sich auch dadurch ausdrückt, dass er viele Fragen nur sehr leise beantwortet und er sich auch bei seinen Antworten häufig nicht festlegen möchte. Ein Journalist ist für Samuel „ein Typ, … also männlich“, „Anfang Vierzig“ und ein leicht chaotischer Mensch, der immer unterwegs ist. Vor seinem inneren Auge sieht er jedenfalls jemanden, der „ein bisschen durcheinander vielleicht auch [ist] und immer viel im Kopf [hat]“, der „immer irgendwie einen Stift dabei [hat] und einen Zettel“ sowie ein „Diktiergerät, [und der] irgendwie unterwegs [ist] auf Pressekonferenzen oder so was wahrscheinlich.“ Was das äußere Erscheinungsbild angeht, stellt sich Samuel diese Person „jetzt nicht super stylisch“ vor, sondern eher „LEGER“. Den Charakter des Journalisten beschreibt er durchweg positiv. So zeichnet sich dieser typischerweise durch eine „gute Auffassungsgabe“ aus, denn Samuel erklärt: „… [er] muss sich viel merken können, weil mitschreiben ist ja auch nicht immer so …“ Als weitere Fähigkeit attestiert ihm Samuel eine besondere Sprachbegabung. Der Journalist „muss [nämlich] das, was er recherchiert, unheimlich gut in Worte fassen können, und zwar, also textlich und verbal“. Darüber hinaus besitzen Journalisten in seinen Augen Durchhaltevermögen. Jedenfalls sei das bei Redakteuren so, die beispielsweise für eine Wochenzeitschrift arbeiten würden. Da müsse man schon „sehr, sehr tief recherchieren und, und sich sehr, sehr dahinter hängen“. Beim Journalisten, der tagesaktuell arbeitet, sei hingegen Spontaneität gefragt. Über die Ausbildung zum Journalisten weiß Samuel nur sehr wenig: „Ich denke, das geht wahrscheinlich auch irgendwie über ein Studium grundsätzlich, aber keine Ahnung.“ Er denkt sich jedoch, dass „schon ne … sehr, sehr gute Ausbildung dazu[gehört], ja.“ Je fundierter die Artikel oder Recherchen des Journalisten seien, desto „besser“ müssten die Leute sein. Hohe Anforderungen an das journalistische Personal stellt aus Samuels Sicht beispielsweise das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Er erklärt: „Wenn man … so ne Zeitung hat, die nur ein Mal die Woche rauskommt, dann müssen die Artikel, ja, einfach fundierter, denke ich, sein, weil sie auch um-
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fangreicher sind.“ Was die Attraktivität der verschiedenen Mediengattungen angeht, so hält Samuel den Printmedienbereich im Vergleich zum Rundfunk für anziehender, weil ein Journalist in seinen Augen dort die größeren Chancen hat, bekannt zu werden, „sich in einer Sparte vielleicht auch einen NAMEN … zu machen.“ Beim Hörfunk hingegen hat Samuel das Gefühl, dass die Fluktuation des Personals höher ist, „dass das ständig wechselt, … dass immer wieder andere Leute kommen müssen, damit das auch interessant bleibt, das Radio.“ Aufgrund ihres höheren Bekanntheitsgrads und ihres Stellenwerts erscheint Samuel die überregionale Tageszeitung im Vergleich zur Lokalzeitung eindeutig als der interessantere Arbeitsplatz. Andererseits vermutet er, dass die Arbeit dort stressiger ist und die Zwänge für die Journalisten wohl auch größer, so dass man „bei den Kleineren … wahrscheinlich ein bisschen mehr individuell einfach auch arbeiten [kann].“ Von den Arbeitsbedingungen beim öffentlich-rechtlichen und beim privaten Fernsehen hat Samuel so gut wie keine Ahnung, so dass er auch „keine pauschale Aussage treffen [kann], dass nur A oder nur B gut ist“. Allerdings vermutet er, dass sich die Journalisten in ihrer Einstellung hinsichtlich der Gründlichkeit ihrer Recherchen sehr wohl voneinander unterscheiden. Er hat jedenfalls die Vorstellung, dass der Journalist beim Privatsender im Vergleich zu seinem Kollegen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk „vielleicht nicht ganz so tief recherchiert und die Highlights irgendwie darstellt, ja.“ Als Begründung verweist Samuel auf das aus seiner Sicht oberflächlichere Fernsehprogramm der kommerziellen Sender. Der klassische Arbeitsplatz eines Journalisten ist für Samuel die überregionale Zeitung, wo er mit Recherchen sowie der Fertigstellung seiner Arbeiten betraut sei. Samuel stellt sich den Berufsalltag eines Journalisten jedenfalls so vor: „… der [Journalist wird] sich ans Telefon setzen, ins Internet, wird Telefoninterviews führen, wird vielleicht irgendwo vor Ort fahren, wird, ja, vielleicht auch paar Fotos machen, obwohl das wahrscheinlich auch schon eher der Fotograf macht, ja, wird möglichst viele Informationen sammeln, um, um dann ne coole Arbeit abzuliefern.“ Das Gehalt eines Journalisten schätzt Samuel als weder besonders hoch noch niedrig ein, denkt sich aber nicht, „dass man damit reich wird.“ Er schätzt, „dass die so zwischen dreifünf und viertausend Euro [brutto] vielleicht rauslaufen.“ Stressig ist der Journalistenberuf in seinen Augen in jedem Fall, weil er sich nicht vorstellen kann, „dass die einen Acht-Stunden-Tag haben …“ Samuel erklärt: „Ich denke, die haben halt nicht dieses ‘Vier-Uhr-vorbei-und-dann-
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Ergebnisse: Einzelfallanalysen
nach-Hause-und-dann-wird-bis-zum-nächsten-Tag-um-acht-nicht-mehr-drangedacht’. Also je nachdem, wie intensiv die Storys sind, werden die sich auch daheim dann noch mal mit beschäftigen wahrscheinlich.“ Teilweise birgt der Beruf aus seiner Sicht auch das Risiko, das eigene Leben zu riskieren, beispielsweise bei einem Einsatz in einem Krisengebiet. Die Journalisten, die „dort recherchieren und teilweise auch, ja, unter Einsatz ihres Lebens da versuchen, … die Menschen in Deutschland darauf hinzuweisen, was da ist, um zu informieren“, findet Samuel „unheimlich MUTIG“ und ihre Arbeit „schon bewundernswert“. Samuel stellt von sich aus keine Forderungen, wie Journalisten mit Informationen umzugehen haben. Und auch hinsichtlich dessen, wie Journalisten seiner Meinung nach tatsächlich in der Realität agieren, fallen seine Vorstellungen – mit wenigen Ausnahmen – relativ vage aus. Ob sie beispielsweise ihrem Publikum gegenüber ehrlich sind, kann Samuel nur aus dem Bauch heraus beantworten, meldet in diesem Punkt jedoch Zweifel an: „… wahrscheinlich nicht immer.“ Für ihn ist seine Skepsis jedoch „mehr so ein GEFÜHL einfach.“ Auch bei der Frage, ob man den Inhalten der Medien vertrauen kann, ist er zwar etwas optimistischer, setzt aber auch hier verstärkt auf das Prinzip Zuversicht und hofft „auf irgend so n Berufsethos oder so irgendwas, dass die auch SELBST den Anspruch haben, dass es so ist.“ Er wisse aber nicht, ob es ein solches Ethos im deutschen Journalismus überhaupt gäbe. Nur dass die Journalisten in Deutschland nicht unabhängig berichten, das weiß Samuel sicher: „Also ich denke, die meisten auch größeren Blätter sind ja auch irgendwie politisch angehaucht, das heißt schwarz oder rot oder, je nachdem. Und KLAR, sind auch die Artikel dann in der Richtung, ja.“ Solange aber in den Medien alle Meinungen in etwa gleich stark vertreten seien, findet er diesen Meinungsjournalismus „eigentlich ganz okay, ja, weil sich dann die Leute auch damit auseinander setzen.“ Nur in zwei Punkten äußert Samuel deutliche Kritik an Journalisten. So zum Beispiel, wenn Sportreporter aus seiner Sicht Dinge falsch oder ungenau darstellen, wofür er aufgrund der Spartenvielfalt im Sport aber noch Verständnis aufbringen kann. Eindeutig ablehnend und ohne Verständnis steht Samuel den Boulevardjournalisten gegenüber. Vor allem deren fehlendes Verantwortungsbewusstsein für die Folgen ihrer Berichterstattung ärgert ihn. So hat er beispielsweise bei der Bild-Zeitung „immer das Gefühl, dass die das dann besonders ausschlachten wollen, wenn sie bei einem was Negatives
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gefunden haben und sich da eigentlich keine Gedanken drum machen, was der MENSCH dabei empfindet, der hinter der Geschichte steht.“ Die Vorstellung, dass dort die Journalisten „immer wieder nachbohren“, nur um mit „diesen NEGATIVSCHLAGZEILEN halt eigentlich ihre Zeitungen [zu] füllen“, überschreitet Samuels persönliche Toleranzgrenze. Verärgert stellt er fest: „Muss halt nicht sein, ja, dass das jeder Mensch erfährt auch, ja.“ Den Umstand, dass Journalisten Macht haben, sieht Samuel gelassen, weil er annimmt, dass ein Machtmissbrauch in erster Linie von der Gesellschaft abhängt und davon, wie sich der einzelne Bürger informiert. Er erklärt: „Ich denke, das kommt wahrscheinlich … auf den LESER drauf an, ob er sich dadurch beeinflussen lässt oder nicht. (…) Sicherlich, wenn man nur eine Zeitung auch liest oder seine kompletten Informationen aus einer Zeitung herausnimmt, dann wird man wahrscheinlich schon irgendwie gesteuert durch die Zeitung, ja. Und das kann dann schon passieren. Aber ich denke, das hängt dann wirklich vom Leser ab, inwieweit er sich beeinflussen lässt.“ Somit sieht Samuel weniger die Journalisten in der Pflicht, mit ihrer Macht bewusst umzugehen, sondern wälzt die Verantwortung auf den einzelnen Bürger ab, sich in den Medien umfassend zu informieren. 4.1.2 Interview mit Herbert (64): „Wenn ich den Begriff ‘Journalist’ höre, tja, da assoziiere ich zunächst mal Sprache, Art der Darstellung, Ausgewogenheit, Sachlichkeit und Informationsgehalt, Neugierde, Interesse an Aufdecken von irgendwelchen Missständen, Vertraulichkeit …“ Herbert ist promovierter Jurist und Rechtsanwalt. Er hört im Alltag Radio, schaut Fernsehen und liest „regelmäßig“ die Tageszeitung, wobei er mit allen Medien täglich eine „dreiviertel Stunde“ verbringt. Beim Fernsehen bevorzugt er die öffentlich-rechtlichen Programme und schaut, „wenn überhaupt, bei den Privaten nur Sportübertragungen.“ Das Interview findet ohne Unterbrechungen statt, wobei Herbert zunächst ein wenig nervös erscheint, seine Aufregung aber nach kurzer Zeit verfliegt. Wenn sich Herbert einen Journalisten vorstellt, dann denkt er dabei „zunächst mal eher an einen Mann“, der vom Alter her „Mitte Dreißig bis Mitte Fünfzig“ ist und dessen äußeres Erscheinungsbild „nicht UNBEDINGT den bürgerlichen … Vorgaben“ entspricht. Herbert erklärt: „Also ich würde mal so sagen, … dass der Schlips nicht unbedingt an der Tages-
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ordnung ist, auch wenn das im Fernsehen jetzt anders dargestellt wird …“ Er verbindet mit Journalisten nämlich „ne gewisse Lockerheit, ja, die aber nicht bedeutet, dass irgendwie darunter die Sachlichkeit leidet.“ Darüber hinaus zeichne sich ein Journalist durch „Neugierde“ aus, im Idealfall durch „Vertraulichkeit“, und interessiere sich für gesellschaftliche Themen aller Art. Außerdem sei er sich auch der Verantwortung seiner journalistischen Macht bewusst, das heißt darüber, „dass nach wie vor … das geschriebene Wort eine doch erhebliche Bedeutung hat.“ Für den Fernsehjournalisten umfasse dies auch das Bewusstsein, dass sich Menschen durch Bilder besonders leicht ablenken lassen, so dass der Journalist ferner die „Kunst“ beherrschen müsse, „sich möglichst zurückzunehmen, um die Information rüberzubringen.“ Weitere idealtypische Eigenschaften eines Journalisten sind in Herberts Augen „ne gewisse Ehrlichkeit, ne gewisse Konsequenz in der eigenen Denkweise“ sowie der Wille, Informationen weiter zu bilden. Zudem attestiert er den Berufsvertretern „Kontaktfähigkeit“ und eine besondere Beherrschung der eigenen Sprache – Eigenschaften, die für Herberts Begriffe einem Menschen von Natur aus gegeben sind: „Ja, ich glaube schon, dass ein Großteil Begabung, Begabung Voraussetzung ist.“ Aus seiner Sicht schlägt sich das besondere Talent eines Journalisten schon alleine im Stil seiner Artikel nieder. Herbert erklärt: „Also wenn ich beispielsweise, sei es in der Zeit oder im Spiegel oder auch in der FAZ, lese, dann ist da oft ein Thema dargestellt mit einer doch gekonnten Schreibe, ja. Wenn ich das mal vergleiche mit einem juristischen Schriftsatz …, [dann] ist doch so n Bericht, der, der vom Journalisten geschrieben ist, der ist irgendwie, sage ich mal, SPANNENDER kreiert, ja.“ Für ihn sind die genannten Eigenschaften „sicherlich Idealvorstellungen“ und werden eher von den Journalisten großer Qualitätszeitungen erfüllt als von den Boulevardjournalisten. Jedenfalls hat Herbert Zweifel, „ob das jetzt auf einen Redakteur der Bild-Zeitung zutrifft im gleichen Maße wie auf einen Redakteur der FAZ …“ Dennoch kann er verschiedene Journalisten aufzählen, die seinem persönlichen Ideal sehr nahe kommen. So sagt er: „Also, ich habe immer ne große Hochachtung vor Rudolf Augstein gehabt, erstmal mit dem, was er getan hat, was er geschaffen hat, und zum anderen mit dem Inhalt seiner Kommentare. Das hat mir immer sehr zugesagt: zum einen die Schreibe, also der Stil, wie er sich ausgedrückt hat, und zum anderen auch, ja, was er inhaltlich von sich
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gegeben hat.“ Außerdem habe ihm das Verhalten von Stefan Aust „zurzeit damals der ganzen … APO-Geschichte1“ imponiert, vor allem sein Einsatz für diejenigen, die „nicht nur die Minderheit darstellten, sondern die an sich schon vorverurteilt waren.“ Die journalistische Ausbildung umfasst für Herbert „in der Regel“ ein Hochschulstudium, „wobei im Vordergrund wohl steht ein Studium der Philologie.“ Jedenfalls würde das Impressum von Zeitungen, wo er manchmal nachschlagen würde, häufig promovierte Philologen aufführen. Überhaupt habe man im Journalismus, so Herbert, „ohne akademisches Studium wohl kaum ne Chance“, so dass Journalisten in jedem Fall hoch ausgebildet und intelligent seien. Scharfsinn attestiert Herbert auch der Boulevardpresse. Er erklärt: „… auch da muss ich sagen, wenn man mal jetzt in … einer Talkrunde oder so was, [einen] Chefredakteur der Bild-Zeitung … mitbekommt, abgesehen davon, dass das in der Regel auch Akademiker sind, was man zumindest aus dem akademischen Titel ablesen kann, merkt man, … dass die intelligent sind, die Burschen. Die haben was drauf, ja.“ Eine Ausnahme sieht er lediglich in den Redakteuren bei Lokalzeitungen, die in seiner 1
Damit spielt Herbert auf die so genannte „Außerparlamentarische Opposition“ der 1968erBewegung an, wobei Stefan Aust auf journalistischer Ebene für die Belange seiner Generation eintrat. Er brach damals sein Soziologiestudium ab und arbeitete von 1966 bis 1969 als Redakteur für die Zeitschrift Konkret (vgl. Jacoby & Hafner, 1993, S. 193). In Deutschland steigerte sich die international zu beobachtende Studentenrevolte, bedingt durch die Belastung der älteren Generation im Nationalsozialismus, zu einem heftigen Generationenkonflikt. Dabei gab der Protest gegen das Kriegsengagement der USA in Vietnam der Studentenbewegung den wesentlichen Impuls. Während der so genannten „Vietnam-Woche“, die vom 3. – 10. Oktober 1966 in Berlin stattfand, sprach Rudi Dutschke, einer der führenden Köpfe der deutschen Studentenbewegung, erstmals von einer „Außerparlamentarischen Opposition“, die sich von diesem Zeitpunkt an als einzig relevantes Gegengewicht gegenüber der Großen Koalition im Deutschen Bundestag verstand (vgl. Jacoby & Hafner, 1993, S. 143). Dutschke, den die Bild-Zeitung zur negativ besetzten Symbolfigur stilisierte, wurde an Gründonnerstag 1968 durch den Bild-Zeitungsleser Josef Bachmann angeschossen. Als Folge richteten sich die Proteste der Studenten vornehmlich gegen die Presse des Springer-Konzerns, denen die Studenten eine einseitige Berichterstattung im Sinne der Staatsräson vorwarfen. Gleichzeitig nutzten die Studenten die Medien als Kommunikationsplattform für ihre Forderungen und wurden für ihre „parasitäre Publizistik“, wie der Soziologe Erwin K. Scheuch es nannte, scharf attackiert (vgl. Aust, 1993, S. 87). Und nicht zuletzt übten die Medien auch untereinander heftige Kritik und warfen sich Parteinahme für die eine oder andere Seite vor (vgl. Aust, 1993, S. 89-96). Nicht umsonst bezeichnet Stefan Aust (1993, S. 81) die 1968erBewegung rückblickend als „Medien-Revolte: mit den Medien, gegen die Medien, vor den Medien.“
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Vorstellung beispielsweise über Fastnachtsitzungen berichten, weil er nicht glaubt, „dass da immer ausgebildete Journalisten sitzen, die irgendeinen Bericht darüber machen, sondern irgendwelche, wie gesagt, die im Volontariat sind oder nebenbei als Studenten, freie Mitarbeiter.“ Die Attraktivität der verschiedenen Medien als Arbeitgeber macht Herbert davon abhängig, wie sehr diese der aus seiner Sicht primären Aufgabe des Journalisten entgegenkommen, die Aufmerksamkeit des Publikums auf gesellschaftlich relevante Themen zu lenken und es umfassend zu informieren. Dies ist seiner Meinung nach am ehesten bei der Zeitung möglich, „weil das geschriebene Wort, ja, bei den Lesern doch mehr … Interesse hervorrufen kann als möglicherweise das schnell gesprochene Wort im Fernsehen vor der laufenden Kamera.“ Daher hält er einen Arbeitsplatz bei einer Zeitung, vor allem bei einem überregionalen Blatt, für „interessanter“, weil dort „einfach der Leserkreis höhere Anforderungen stellt und man diesen höheren Anforderungen auch gerecht werden muss.“ Im Rundfunkjournalismus erachtet Herbert den journalistischen Anspruch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern für höher, so dass er annimmt, dass ein Journalist, „wenn er vernünftig ist und seinen Job auch seriös machen will“, sich gegen einen Arbeitsplatz bei einem Privatsender entscheidet. Dort stellt Herbert nämlich „eine etwas überzogene Form der Lockerheit“ fest, auch im „seriösen Journalismus, also bei Nachrichten“, die der Information als solches abträglich sei. Die Journalisten bei den öffentlich-rechtlichen Sendern hingegen seien, so Herbert, dank des geringeren Quotendrucks „einfach mehr an der Sache ausgerichtet“, könnten unabhängiger arbeiten und deswegen auch offener Kritik an Politikern üben. Entschieden stellt Herbert fest: „… da werden also auch die Etablierten einschließlich Bundeskanzler schon mal sehr hart ran genommen, und DAS, das ist gut so!“ Der Arbeitsplatz eines Journalisten ist für Herbert typischerweise die Zeitung, wobei der journalistische Alltag, je nach Sparte, „eine Mixtur ist zwischen Irgendwo-vor-Ort-sein, Gespräche führen, Kontakte haben und die Dinge zu Papier bringen beziehungsweise heute Laptop oder wie es eben technisch gemacht wird.“ Recherchetätigkeiten und Schreibaufgaben sind in Herberts Augen demnach die primären Aufgaben eines Journalisten. Die Gehaltshöhe im Journalismus macht er davon abhängig, auf welcher Stufe der Karriereleiter der Journalist sich befindet. So muss Herbert grundsätzlich „gewisse Bedenken anmelden, ob das [Anm.: der Journalismus] so das Richtige ist für den Broterwerb“, da man insbesondere als Berufsanfän-
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ger „relativ wenig“ verdient. Andererseits kann er sich vorstellen, „dass die Spitzenjournalisten überdurchschnittlich gut verdienen …“ Solche „Spitzenjournalisten“ – in Herberts Augen sind dies unter anderem die Herausgeber der FAZ oder des Spiegels – würden zwar „sicherlich nicht die TopManagergehälter“ beziehen, aber bestimmt „so zweihundertfünfzig bis fünfhunderttausend Euro im Jahr.“ Im Idealfall sollten Journalisten, so Herbert, sachlich und ausgewogen berichten – Gedanken, die er spontan mit dem Begriff des Journalisten verbindet. Seine Vorstellung davon, wie Medienvertreter tatsächlich mit Informationen umgehen, fallen hingegen ernüchternd aus. So kann sich Herbert vorstellen, dass Journalisten ihre Meinung nicht immer frei äußern können, vor allem dann nicht, wenn diese der Auffassung ihres Chefs dauerhaft entgegensteht. Schwierigkeiten seien da vorprogrammiert. „Und wo es Schwierigkeiten gibt, gibt es dann auch wieder Abhängigkeiten, um diese Schwierigkeiten zu vermeiden“, beschreibt Herbert das journalistische Dilemma. Auch an der Ehrlichkeit der Journalisten zweifelt er. Er verweist auf den „breiten“ Wettbewerb des Medienmarkts und glaubt daran, „dass hin und wieder mitspielt, das Publikum ein bisschen zu beeinflussen, um nicht zu sagen, zu manipulieren.“ Außerdem kann sich Herbert „gut vorstellen“, dass deutsche Journalisten – wie ihre Kollegen in anderen Ländern – auch „über Leichen“ gehen und die Privatsphäre andere Menschen missachten. Spontan denkt er an die Journalisten der Bild-Zeitung: „Und DA muss ich sagen, dass DA sicherlich die, die Grenze oder die Latte sehr, sehr hoch liegt, bevor man sagt: ‘Da gehe ich nicht mehr drüber’, ja, also dass nach Möglichkeit also doch in die Intimsphäre oder in die Privatsphäre noch einzudringen und so weiter oder irgendwo auf der Lauer zu liegen und Bilder zu schießen und so weiter über irgendwelche arme Würstchen oder so was, ja“ Allerdings lasse sich ein Blatt wie die Bild-Zeitung gar nicht „verhindern“, weil das Publikum einfach neugierig sei. So habe die Bild-Zeitung beispielsweise über den Tod von Rudolph Moshammer2 „seitenweise“ berichtet. Entschie2
Am 14. Januar 2005 wurde der deutsche Modemacher Rudolph Moshammer in seiner Villa im Münchner Vorort Grünwald ermordet. Durch die Ermittlungsarbeit der Polizei kam die homosexuelle Neigung Moshammers ans Licht – eine Seite seines Privatlebens, die er vor der Öffentlichkeit stets verborgen hatte. So wie die Boulevardpresse regelmäßig über die exzentrischen Auftritte von „Mosi“ zu seinen Lebzeiten berichtet hatte, war auch sein Tod und nicht zuletzt das Schicksal seiner treuen Begleiterin, der Yorkshire-Terrierin Daisy, Gegenstand der Berichterstattung (vgl. Moshammer: Mordprozess mit Hund, 2005).
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den stellt Herbert fest: „Also ne seriöse Zeitung MACHT das eben nicht, aber die BEDÜRFNISSE, das intensiv, darüber intensiv zu lesen und, und dass darüber intensiv berichtet wird, die sind offensichtlich DA.“ Andererseits gesteht Herbert ein, das Boulevardblatt „hin und wieder“ selbst zu lesen, vorzugsweise im Urlaub. Dann würde er sich „erlauben“, sowohl die Bild als auch die FAZ zu kaufen, auch wenn er schamhaft die eine Zeitung in der anderen verstecken würde. Er erklärt: „… habe das auch sehr schön erlebt auf Sylt, habe da ein paar Mal Urlaub gemacht … Die Männer gehen da die Brötchen kaufen und gehen dann nebenan in den Zeitungsladen, und da holen sie die Bild und sie holen die FAZ, und die Bild-Zeitung wird in der FAZ versteckt. Vergleichbar habe ich das dann auch gemacht.“ Dass Journalisten eine Machtposition im Staat innehaben, davon ist Herbert überzeugt. So steht er „zwischenzeitlich auf dem Standpunkt, dass die eigentliche Macht in unserem … Staat, und nicht nur bei uns, FAST die eigentliche Macht von der, von den Medien ausgeht.“ Einerseits bewertet Herbert diesen Umstand positiv, da Journalisten dadurch Missstände aufdecken können, andererseits betrachtet er ihn auch mit Sorge, weil er die Gefahr einer „Stimmungsmache“ erkennt. Er gibt zu bedenken: „Die können ein Thema, können es hochbringen, sie können es mehr oder weniger … auch verschweigen, und sie können das so puschen, dass letztendlich, ich sage mal, das auch an Personen HÄNGEN bleibt, denen gar nichts mehr anderes übrig bleibt, als dann Konsequenzen zu ziehen, die möglicherweise ÜBERZOGEN sind, die bei sachlicher Betrachtung nicht erforderlich wären.“ Das sei insbesondere dann „sehr bedenklich“, wenn der Bürger seine Informationen nur aus einer Medienquelle beziehen würde. Herbert erlebt eine solche Situation an seinem Wohnort, wo eine Tageszeitung die Monopolstellung innehat, so dass diese die Themenagenda eigenmächtig bestimmen kann. Den Boulevardmedien, insbesondere der Bild-Zeitung unterstellt Herbert auch, ihre Machtposition zu missbrauchen. So habe er „moralische Bedenken bei solchen Zeitungen“, wenn die Berichterstattung die Stimmung im Volk derart aufrühre, dass Verfassungsgrundsätze und Normen wie das Verbot der Todesstrafe in Frage gestellt würden und dadurch ein (gemessen an rechtlichen Maßstäben) falsches Meinungsklima entstünde. Als klassisches Negativbeispiel führt er die Berichterstattung der BildZeitung im Mordfall Jakob von Metzler an, insbesondere die Schilderung
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der Situation des Magnus Gäfgen3. Herbert ärgert sich: „Und da wurde doch auch JEDE Situation, ich sage mal, ausgenutzt oder jede Situation wahrgenommen, um über diesen, wenn auch Mörder, muss man ja sagen, aber um diesen in die Öffentlichkeit zu zerren, auch wieder mit einer Berichterstattung: ‘(…) Er hat die Möglichkeit, im Knast jetzt Jura zu studieren und kennt seine Rechte am besten und so weiter.’ Das war schon eine, eine Darstellung sowohl in Schrift als auch in Bild, aber in Schrift auch nach dem Motto, wo der Bundesbürger so aufgewühlt wird. (…) Ja, das, das ist schon bedenklich, mehr als bedenklicher Journalismus.“ 4.1.3 Interview mit Werner (78): „Also ich habe, sagen wir mal, teilweise eine sehr negative Einstellung zum, zum Journalismus, weil das zum großen Teil, … so Sensationsjournalismus ist, in dem alles viel übertrieben wird und alles hochgespielt wird, ja. Und dann gibt’s natürlich auch, denke ich, auch an SERIÖSE Journalisten, ja, aber also das Negative überwiegt, muss ich sagen.“ Werner hat Volks- und Betriebswirtschaftslehre studiert und war als leitender Angestellter in einem Wirtschaftsunternehmen tätig. Heute ist er Rentner. Sein bevorzugtes Medium ist die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die er „ausgiebig“, das heißt durchschnittlich drei Stunden am Tag liest. Fernsehen schaut er „ab und zu“, wobei er die öffentlich-rechtlichen Sender bevorzugt. Am liebsten schaut er dort Nachrichten, „ab und zu Fußball“ – auch auf den Privaten – und Dokumentationen, Opern oder Schauspiele. Das Ge-
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Bei Magnus Gäfgen, der 2002 den Frankfurter Bankierssohn Jakob von Metzler entführt und ermordet hat, handelt es sich um einen ehemaligen Jura-Studenten, der anscheinend während der Zeit seiner Untersuchungshaft das juristische Staatsexamen absolvieren konnte und dem sein Verteidiger sogar öffentlich zur Promotion riet (vgl. Schwan, 2003, S. 37). Schon während seines Prozesses sorgte Gäfgen mit seinen Foltervorwürfen gegen die Frankfurter Polizei immer wieder für Schlagzeilen und hitzige Debatten in der Öffentlichkeit, wer in diesem Fall nun eigentlich Opfer und wer Täter sei. So wurde Gäfgen zwar am 27. Juni 2003 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die Richter die besondere Schwere der Schuld feststellten. Er legte jedoch gegen das Urteil Revision ein – ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof sah den Revisionsantrag als unbegründet an und wies ihn zurück. Daraufhin klagte das angebliche „Folteropfer“ vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das jedoch ebenfalls die Klage für unzulässig erklärte. Schließlich reichte Gäfgen am 15. Juni 2005 vor dem Europäischen Gerichtshof ein Beschwerdeverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein (vgl. Metzler-Mörder zieht vor Europäischen Gerichtshof, 2005).
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spräch verläuft ohne Störungen durch Dritte, wobei sich Werner in keiner Weise durch das Aufnahmegerät stören lässt. Der Journalist, den sich Werner vor seinem inneren Auge vorstellt, ist eine Person „mittleren Alters, mit Lebenserfahrung“, allerdings ohne eindeutiges Geschlecht. So verbindet er mit dem Beruf nicht zwingend einen Mann oder eine Frau, auch wenn er glaubt, dass der Journalismus in Deutschland derzeit noch von Männern dominiert werde. Das äußere Erscheinungsbild eines Journalisten stellt sich Werner, je nach Einsatzgebiet, unterschiedlich gepflegt vor. So sagt er: „Wenn er da irgendwo in Afrika oder irgendwo ist, … da würde ich mir einen vorstellen, der also mehr sportlich oder der Situation dort angepasst gekleidet ist, denke ich mir. Hier in Deutschland oder zum Beispiel bei politischen Journalisten, ja, da würde ich mir natürlich vorstellen, dass die gut angezogen sind.“ Von den Fähigkeiten und Wesensmerkmalen des Journalisten hat Werner ein relativ positives Bild. Als Ausnahme kritisiert er nur den Hang zur Selbstdarstellung, den er für den Berufsstand als charakteristisch ansieht. Grundsätzlich ist der Journalist für Werner aber eine Person mit „gesundem Menschenverstand“, die „ne gute Allgemeinbildung“ besitzt und sich durch eine schnelle Auffassungsgabe auszeichnet. Im Idealfall sei ein Journalist zudem „ehrlich“, „Vertrauen erweckend“ und verfüge über eine „klare Ausdrucksweise“, beherrsche seine Muttersprache also „fast perfekt in Wort und Schrift“. Darüber hinaus, so Werner, müsse ein Journalist einen klaren Bezug zur Realität haben, also „einen klaren Blick für, für das Geschehen …, über das man berichtet.“ Der „Sinn für Realitäten“, wie Werner es nennt, und die besondere Beherrschung der eigenen Sprache seien einem Journalisten von Natur aus gegeben. So erklärt er: „Es gibt Dinge, die kann man nicht lernen im Leben, auch nicht durch Erfahrung.“ Dass sein Idealbild eines Journalisten „zum Teil“ auch in der Realität auf den Berufsstand zutrifft, davon ist Werner überzeugt. Als Positivbeispiel führt er die Berichterstattung der deutschen Journalisten aus dem Irak an, die „packend erzählt und dann sehr, sehr realitätsnah [war], ja, ohne Umschweife und ohne großes Drumrum.“ Zudem kann er einige Journalisten namentlich nennen, die ihm persönlich gefallen und seinem Ideal eines Journalisten relativ nahe kommen. Für ihn sind das vor allem Journalisten, die in den Nachrichtensendungen oder in den politischen Talksendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auftreten: Steffen Seibert, Maybrit Illner und Sandra Maischberger, Petra Gerster, Thomas Roth, Peter Hahne, Peter Frey sowie Ulrich Wickert.
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Werner glaubt, dass sich Journalisten zu ihrem Beruf berufen fühlen. Über den journalistischen Ausbildungsweg wisse er allerdings „gar nichts“. Er erklärt: „… man schreibt in der Schülerzeitung, interessiert sich für, für Schreiben und Interviews und bewirbt sich dann mal bei so nem kleinen Blatt und darf dann mal so kleine Artikel schreiben. Kenne ich von Schulkameraden von unseren Kindern, ja. Und dann, na JA, dann sind sie nicht SCHLECHT, und dann, dann werden sie ausgebildet, ja. Ich weiß nicht, ob’s Journalistenschulen gibt oder so was, wahrscheinlich DOCH, ja, und na ja, und wenn sie gut sind, gehen sie dann, einigermaßen gut sind, gehen sie dann ihren Weg, ja.“ Für eine journalistische Karriere ist ein Studium aus Werners Sicht „nicht unbedingt notwendig“, nicht zuletzt deswegen, weil man sich eine umfassende Allgemeinbildung und eine besondere Ausdrucksfähigkeit auch auf anderen Wegen aneignen könne. So stellt er fest: „Es gibt ja auch Leute, die nicht studiert haben und ne bessere Allgemeinbildung haben als Leute, die von der Universität kommen, ja, und ne gute Allgemeinbildung haben und, ja, das haben wir ja schon gesagt, sich gut ausdrücken können …“ Die Attraktivität der verschiedenen Medien als Arbeitgeber macht Werner von der Veranlagung des einzelnen Journalisten abhängig. Nicht jedes Medium sei für jeden Journalisten gleichermaßen geeignet. So würde ein Journalist, „wenn er sich gerne selbst DARSTELLT, ja, und auch GESEHEN und GEHÖRT werden will, ja, vor allen Dingen gesehen werden will und sich da in Positur setzen kann“, wohl eher zum Fernsehen gehen, jemand, „der sich gerne durch Schreiben verbalisiert“ hingegen zur Zeitung. Außerdem habe man beim Fernsehen die größeren Chancen, bekannt zu werden, wobei sich ein Journalist, der besonders schnell Karriere machen wolle, für eine Stelle bei einem Privatsender entscheide. Jedenfalls ist Werner überzeugt davon, dass „beim privaten Fernsehen … die Hierarchie nicht so ausgeprägt [ist] wie beim öffentlichrechtlichen.“ Im Printmedienjournalismus ist aus Werners Sicht die überregionale Zeitung der attraktivere Arbeitsplatz, weil er dort die Themenwahl für „weitläufiger und interessanter“ hält als bei einem lokalen Blatt. Die Tätigkeit bei einer Lokalzeitung findet Werner hingegen „nicht so berauschend“. Für Werner arbeitet ein Journalist typischerweise in der aktuellen Berichterstattung „von allen möglichen Dingen“, beispielsweise auf dem Gebiet der Politik und Wirtschaft. Dabei nimmt Werner an, dass der journalistische Arbeitsalltag, je nach Ressort, durch Recherchen vor Ort und
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Schreibtätigkeiten am Laptop geprägt wird. Teilweise würden sich beide Tätigkeiten zeitlich sogar überlagern, was vom Journalisten „eine gewisse Wendigkeit natürlich [erfordert] … etwas, was man aufnimmt, schnell umsetzen zu können.“ Für ihn ist Intelligenz im Journalismus daher „eine wichtige Sache, denn wenn der Schröder dann ne Rede hält und, und er, er nimmt das da auf, ja, dann, dann setzt er das ja gleichzeitig um in seinen Artikel wahrscheinlich.“ Stressig sei der Beruf in jedem Fall, glaubt Werner, würde dafür aber auch die Chance bieten, „dass man erstens viel herumkommt, mit vielen Leuten zusammenkommt und eigentlich viel erlebt.“ Außerdem würden „gute Journalisten auch gut verdienen.“ Die Kehrseite der Medaille bestehe in den mit dem Beruf verbundenen Gefahren. „Es kommen ja immer wieder Journalisten um“, gibt Werner zu bedenken und verweist dabei auf die Risiken eines beruflichen Einsatzes in einem Krisengebiet wie dem Irak oder Afghanistan. Werner erwartet von Journalisten eine verständliche Darstellung von Ereignissen und einen Verzicht auf unnötige Umschweife. Seiner Meinung nach wäre dabei eine völlig neutrale Haltung der Idealfall. Allerdings glaubt er nicht, dass die Medienakteure seinem Wunsch nach Neutralität gerecht werden können. Schließlich würde man auch bei den verschiedenen Fernsehsendern merken, „zu welcher Partei sie tendieren und so.“ Allein schon die Subjektivität des Journalisten stehe einer neutralen Berichterstattung entgegen: „Natürlich lässt sich nicht vermeiden, dass ne eigene Meinung da mit einfließt.“ Einen solchen Meinungsjournalismus findet Werner andererseits auch gar nicht schlecht, denn er sagt: „Die will man ja auch hören, sonst wäre ja alles ganz einseitig. Also das darf schon sein, würde ich jetzt mal so sagen, ja, also die können ruhig Stellung beziehen, ja.“ Was den sonstigen Umgang der Journalisten mit Informationen angeht, hat Werner einiges zu beanstanden. So glaubt er, dass Journalisten in Deutschland bei der Informationsbeschaffung zu unfairen Methoden greifen und beispielsweise spezielle Interviewtechniken anwenden, um Gesprächspartner an die Wand zu spielen. Und auch ihrem Publikum gegenüber seien Journalisten nicht immer ehrlich, sondern würden es „manipulieren“, was seiner Meinung nach „ja auch schon ein Teil der Unehrlichkeit“ ist. Allerdings bezieht Werner seine Kritik nicht auf alle Journalisten, sondern erklärt: „Man kann das ja nicht VERALLGEMEINERN, sondern es gibt solche und solche wie überall im Beruf, ja.“ Dennoch ärgert er sich schon allein beim bloßen Gedanken an Journalisten über eine häufig unsachliche Art der Darstellung – eine
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Vorstellung, die er eindeutig mit dem Sensationsjournalismus verknüpft. Dies machen seine Assoziationen zum Journalistenbegriff zu Beginn des Gesprächs deutlich. Dementsprechend kritisch bewertet Werner auch die Bild-Zeitung sowie Medien wie Bunte, kurzum „die ganze Yellow Press da“, auch wenn er im Wartezimmer beim Zahnarzt „immer mal hin[guckt] wie die Überschrift aussieht.“ Er bilanziert: „… das ist für mich ein Schmierenjournalismus, ja.“ Als Ursache für diesen Berichterstattungsstil führt er die Orientierung der Boulevardmedien am Geschmack des Publikums an und verdeutlicht dies am „blutrünstigen“ Stil der Bild-Zeitung: „Die macht Zugeständnisse an das ganz breite Volk, ja, an den einfachen Mann auf der Straße, an den Bauarbeiter oder wer auch immer, der dann in seiner Pause ganz schnell, ja, mal durchguckt …“ Den Umstand, dass Journalisten Macht haben, findet Werner „nicht gut“ und begründet seine Bedenken damit, „weil sie zu viel beeinflussen, wenn sie zuviel Macht haben, und … NICHT immer so, wie man sich das halt vorstellt.“ 4.1.4 Interview mit Klara (36): „Ja, gut, dass die halt, weiß nicht, die müssen da eben so ein Thema zusammenfassen und recherchieren …“ Klara hat nach ihrem Hauptschulabschluss eine Friseurlehre gemacht und danach eine kaufmännische Ausbildung angefangen, die sie jedoch abgebrochen hat. Derzeit arbeitet sie stundenweise als Putzfrau, um noch genügend Zeit für ihre Tochter zu haben. Das Fernsehen ist das von ihr am intensivsten genutzte Medium, wobei sie die privaten Rundfunkprogramme bevorzugt. Am Tag verbringt sie damit mindestens fünf Stunden. So guckt sie meist mittags eine Stunde, abends schaut sie dann noch mal „ja, ungefähr von sechs bis sieben und, ja, dann bis abends um zehn, elf.“ Dabei guckt sie „Nachrichten, was so in der Welt passiert“, außerdem Serien wie Gute Zeiten – Schlechte Zeiten oder Cobra Elf. Klara hört zudem Radio, nutzt aber außer der Freizeitrevue oder dem „Wochenblättchen“ kein weiteres Printmedium. Zum Zeitunglesen hat sie „die Ruhe und die Zeit nicht“, und außerdem haben sie und ihr Mann auch gar keine Zeitung abonniert. Das Gespräch verläuft ohne Unterbrechungen und in freundlicher Atmosphäre. Allerdings wirkt Klara sehr aufgeregt und unsicher, was sich dadurch äußert, dass sie teilweise sehr leise antwortet. Außerdem fällt es ihr schwer, ihre Gedanken
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in Worte zu fassen, so dass sie dazu tendiert, die Aussagen der Interviewerin zu bestätigen oder die ihr gestellten Fragen mit Gegenfragen zu beantworten. Klaras Vorstellungen vom Alter des typischen Journalisten fallen recht vage aus, so dass sie ihn lediglich als „jung“ bezeichnet, „ab Achtundzwanzig“. Darüber hinaus verbindet sie mit dem Beruf einen Mann, der ihr „doch schon gepflegt“ erscheint. Seinen Charakter beschreibt sie als „hartnäckig“. Indirekt spricht sie dem Berufsstand Mut und Selbstbewusstsein zu, vor allem denjenigen Berufsvertretern, die die Bevölkerung über Missstände informieren. So findet sie es „schon interessant, wie die das so rauskriegen, dass die das überhaupt so machen.“ Fasziniert stellt sie fest: „Also es gibt Dinge, die würde ich, würde ich NIE machen, ja, würde ich sagen: ‘Um Gottes Willen!’“ Als besonders selbstbewusst umschreibt sie den Charakter des Bild-Zeitungs-Journalisten: „Der muss, ja, WILLEN [haben] und … auch mal Ellenbogen auseinander und sagen: ‘Hier, jetzt komm’ ich, und ich mach’ das jetzt und schreib das jetzt’, und tja.“ Außerdem könnten Journalisten, so Klara, gut mit Menschen umgehen und besäßen zudem die Fähigkeit, „ein bisschen geschickter [zu] fragen, … um das rauszukriegen, was sie brauchen.“ Diese Eigenschaften sieht sie als eine Form der Begabung an. Allerdings ist sie sich unsicher, ob die von ihr genannten Merkmale auch in der Realität auf Berufsvertreter zutreffen. So stellt sie zögernd fest: „Das kann auch eine Idealvorstellung von mir sein. Ich meine, mir ist ja noch keiner begegnet, mit dem ich mich da jetzt unterhalten hätte oder so.“ Dennoch kann sie mit Ulrich Meyer und Sabine Christiansen zumindest zwei bewunderungswürdige Persönlichkeiten des Fernsehjournalismus benennen. Vor allem Christiansen scheint sie besonders zu beeindrucken, denn Klara sagt: „Die ist da ja sehr in Politik sehr gewandt und unterhält sich auch mit Politikern und so. Da muss man auch wissen, wie man sich da ausdrückt und sich verhält …“ Über die journalistische Ausbildung weiß Klara kaum etwas und scheint mehr zu raten als zu wissen, dass ein Studium wohl dazugehört. Was genau man studiert, davon hat sie jedoch „nicht so ne große Ahnung“. Die besonders gut ausgebildeten Journalisten vermutet Klara beim Fernsehen, weil das das „Hauptmedium“ sei und es einfach jeder gucken würde. Außerdem glaubt sie an dessen hohes Ansehen in der Bevölkerung, so dass sie daraus folgert: „Es ist also schon, muss also schon was Gutes sein.“ Bei der Wahl zwischen Zeitung und Fernsehen, entscheidet sich ein Journalist aus Klaras
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Sicht für den Rundfunkbereich, weil er dort bessere Aufstiegschancen habe und wohl auch mehr verdienen würde. Könne er dort wählen zwischen einem Arbeitsplatz bei einem Privatsender und einem öffentlich-rechtlichen, so würde er zu den Privaten gehen, vorzugsweise zu RTL. Begründen kann Klara dies nicht – außer mit ihrer eigenen Vorliebe für den Sender und damit, dass die Arbeit dort „umfangreicher“ sei. Im Printmedienbereich hält Klara einen Job bei einer überregionalen Tageszeitung für attraktiver, weil dort der Journalist mehr Leser erreichen und ein umfassenderes Themenfeld vorfinden würde als bei einem lokalen Blatt. Ein Journalist arbeitet in Klaras Vorstellung typischerweise beim Radio oder Fernsehen, doch hat sie kein Bild vor Augen, wie sein beruflicher Alltag aussieht. Sie nimmt lediglich an, dass er viel schreiben muss. Doch vielmehr weiß sie nicht darüber und erklärt: „Ich meine, da macht man sich auch nicht so große Gedanken da drüber …“ Auch vom Gehalt eines Journalisten hat Klara „keine Ahnung“, nimmt aber an, dass man gut davon leben kann. Stressig ist der Beruf in ihren Augen in jedem Fall, doch fällt es ihr schwer, die Ursachen der Belastung präzise zu benennen. Etwas unbeholfen erklärt sie: „Puh, ja, da gibt es dann gewisse Themen, dann, das muss dann auch geschrieben werden, Gedanken, ALLES!“ „Interessant“ erscheint ihr der Beruf dennoch. Überzeugt stellt sie fest: „Journalist, das hat irgendwas!“ Doch auch hier fällt es ihr schwer, den besonderen Reiz der journalistischen Tätigkeit in Worte zu fassen: „… ja, das auszudrücken ist schwer. Ich meine, Journalist ist ja VIELSEITIG, ja, also verschiedene Dinge und, und/ Ich weiß nicht, ich kann das nicht ausdrücken.“ Konkrete Forderungen, wie Journalisten mit Informationen umgehen sollten, formuliert Klara nicht. Sie geht aber davon aus, dass Journalisten in der Realität weder unabhängig agieren noch besonders ehrlich sind. So nimmt sie an, dass Journalisten ihre Meinung in die Berichterstattung einfließen lassen, was sie jedoch nicht zu stören scheint. Schließlich würde sie das genauso handhaben, wenn sie Journalist wäre. Außerdem seien Journalisten „nicht immer“ ehrlich, auch wenn man nicht alle „über einen Kamm scheren“ könne. Als Beleg führt Klara Falschmeldungen im Fernsehen an, die später revidiert würden. Manchmal käme sie sich von Journalisten sogar regelrecht „begackeiert“ vor, was man aber als Zuschauer schnell merken würde. Selbstbewusst stellt sie fest: „… ich als Kleinbürger denke mir, der macht das SO oder der macht das SO, oder man weiß ja schon irgendwie, wenn man das verfolgt oder mal regelmäßig Fernsehen guckt, und dann
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merkt man: ‘Guck mal, da ist ein Sender, die begackeiern einen nur.’“ Das beste Beispiel sei der verschobene Hochzeitstermin von Prinz Charles und Camilla Parker Bowles gewesen, mit denen die Presse die Bevölkerung auf die Folter gespannt habe. Eine gewisse Unehrlichkeit und Unfairness gehört für Klara somit zum Journalismus dazu. Sie bilanziert: „… Journalismus stelle ich mir so vor, dass da von allem ein bisschen was drin ist. Da wird da ein bisschen geschummelt und, na ja, und: ‘Dann schreiben wir da mal n Satz und, na ja, und wenn nicht, dann entschuldigen wir uns wieder und’/ Also ich weiß nicht, da ist irgendwie ALLES drin, ja.“ Zudem kann sie sich vorstellen, dass Journalisten auch „über Leichen“ gehen, wobei ihr spontan die Reporter der Boulevardpresse einfallen, die darauf warten, „dass sie dann berühmte Leute treffen in irgend[welchen] POSEN oder, ja, weiß ich nicht, ja, halt einfach ein bisschen, ja, auch aufdringlich [sind]“, und die sich in ihren Augen rücksichtslos verhalten, „weil sie halt die Leiter hochgehen oder hoch wollen, sich dann beim Chef beliebt machen …“ Den Boulevardjournalismus im Stil der Bild-Zeitung bewertet Klara dennoch kaum negativ. Zwar findet sie es „nicht so gut“, dass es die Journalisten von Bild mit der Wahrheit nicht immer genau nehmen, doch steht sie dieser Art von Journalismus insgesamt unkritisch gegenüber. So sagt sie: „Ich meine, ich guck’ mir die mal durch, ja, und denke mir: ‘Ach, toll, Bild war dabei.’ Na ja, dann mache ich Kreuz-, mein Kreuzworträtsel, das kleine, was da drin ist, und die Witze, ja, und ansonsten mache ich mir da keine großen Gedanken da drüber.“ Klara reagiert deutlich verunsichert auf die Frage, ob Journalisten Macht haben und wie sie diesen Umstand bewertet. So antwortet sie leise: „Macht? Hm, kann schon passieren, Macht.“ Im Laufe des Gesprächs benennt Klara dennoch – mehr unbewusst als bewusst – einige positive Funktionen des Journalismus. So findet sie es beispielsweise „gut“, wenn Journalisten „die Leute auch mal richtig aufklären oder sagen: ‘Das ist eine Lüge’ und so …“ Sie verweist auf den Fleischskandal bei Real4, „wo sie uns hier so 4
Anfang März 2005 wurde bekannt, dass beim Lebensmittelmarkt Real Hackfleisch mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum umgepackt, neu etikettiert wurde und wieder in den Verkauf gelangt war. Bei einer Razzia in zwei Real-Filialen wurden Mitarbeiter beim Umetikettieren des Frischfleischs auf frischer Tat ertappt. Gegen mehrere Mitarbeiter wurde ermittelt (vgl. Strafbefehl gegen Etikettenschwindler, 2005). Real reagierte auf den Skandal mit einer groß angelegten Werbekampagne und der Entlassung mehrerer Führungskräfte (vgl. RealKrise zwingt Metro zum Sparen, 2005).
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[gesagt haben]: ‘Wochenende abgelaufen und dann verpacken wir es noch mal neu’, und so, ja.“ Zudem führt sie indirekt die Aufgabe der Medien an, das Fehlverhalten gesellschaftlicher Eliten zu kritisieren, indem sie sich über Prinz Ernst August von Hannover entrüstet, dessen Benehmen durch die Presse publik gemacht wurde.5 Sie findet es jedenfalls „gut, dass die das auch … mal schreiben, dass nicht nur wir immer die Bösen sind, … [sondern] dass auch gewisse Prinzen und Könige, ja, Prügelheinis sind, ja, und an die Wände machen. Ja, also ich finde das, das finde ich UNMÖGLICH! Und das sollen dann unsere Vorbilder sein, ja, also! 4.1.5 Interview mit Selma (30): „… also da stelle ich mir halt die, die LEUTE vor, die, ja, verschiedene Sachen RECHERCHIEREN und ihre Berichte da drüber verfassen. Und jetzt so als Erstes Journalist, da sehe ich irgendeinen Mann oder Frau, die da irgendwo auf dem Marktplatz stehen und Umfragen machen, um dann so ihre Notizen [zu machen] und dann anfangen, ihre Sachen, ja, auszuarbeiten, ja. Also das ist so das Bild Journalist: Der steht da mit dem Mikrofon in der Hand.“ Selma hat nach dem Realschulabschluss ihr Fachabitur in der Abendschule nachgeholt und ist gelernte Rechtsanwaltschaftsfachangestellte. Derzeit hat sie einen 400-Euro-Job in einer Anwaltskanzlei, da sie sich die meiste Zeit um die Erziehung ihrer beiden Kinder kümmert. Die regionale Tageszeitung liest Selma „eigentlich jeden Morgen beim Frühstück“, allerdings nicht sehr 5
Klara spielt damit auf die so genannte „Pinkelaffäre“ und die Prügelattacken des Prinzen Ernst August von Hannover an, mit denen er seit Jahren für Publicity in den Medien sorgt. So veröffentlichte die Bild-Zeitung Fotos, die Ernst August von Hannover beim Urinieren gegen die Holzfassade des türkischen Pavillons auf der Expo 2000 zeigen sollen (vgl. Stellungnahme des Bild-Chefredakteurs Udo Röbel, 2000). Außerdem stand der Prinz wegen Beleidigungen und mehrerer Schlägereien vor Gericht, unter anderem wegen des Angriffs auf die Bunte-Fotografin Sabine Brauer in Salzburg, mehrerer Beleidigungen von BildZeitungredakteuren sowie einer Attacke auf den Hotelier und Diskothekenbesitzer Josef Bruhnlehner in Kenia im Januar 2001. Im Dezember 2001 verurteilte das Amtsgericht Springe (Niedersachsen) den Welfenprinzen zu acht Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldbuße von 500 000 DM (vgl. Dahlkamp, 2004, S. 48). Die Staatsanwaltschaft Hannover und ein Nebenkläger legten gegen das Urteil Berufung ein. Das Landgericht Hannover verurteilte Ernst August von Hannover schließlich wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 445.000 Euro (vgl. „Tiefgreifende Bewußtseinsstörung“, 2004). Nach diesem rechtskräftigen Urteil gilt der Prinz als vorbestraft (vgl. Revision zurückgezogen …, 2005).
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intensiv, weil gleichzeitig ihr Sohn „da rum springt“. Ihr Fernsehkonsum fällt unterschiedlich lang aus, wobei sie eindeutig die privaten Sender bevorzugt. Sie erklärt: „… an Bügeltagen … sind es vielleicht zwei Stunden, ansonsten ne Stunde, wenn man jetzt nicht gezielt sagt: ‘Heute Abend kommt der Spielfilm Sowieso, den ich jetzt angucken will.’“ Bei der Papstwahl habe sie den Fernseher sogar „nonstop“ laufen lassen. Außerdem hört Selma Radio, „im Auto sowieso, und, ja, ist auch zu Hause normalerweise immer an.“ Abends nutzt sie auch mal das Internet. Das Gespräch verläuft in angenehmer Atmosphäre und ohne Störungen in einem Besprechungszimmer an Selmas Arbeitsplatz. Da mit dem Interview auch ihr Vorgesetzter einverstanden ist, wirkt sie nicht gehetzt, und auch das Aufnahmegerät scheint sie wenig zu beeindrucken. Ein Journalist ist für Selma typischerweise „irgendwie ein Mann“, und vom Alter her „so Vierzig“. Er wirke auf sie sympathisch, und auch von seinem Erscheinungsbild her sei er gepflegt: „Ja, mit Anzug, geschniegelt und gebügelt, ordentliche Frisur, ja …“ Überhaupt ist der Journalist in Selmas Vorstellung ein positiver Charakter und zeichnet sich durch „Offenheit“ und „Feingefühl“ aus. „Wenn ich da so in meinem Kämmerlein sitze und kleiner Eigenbrötler [bin], ich denke, hat man keine Chance, ja“, erklärt sie dementsprechend. Außerdem müsse man als Journalist intelligent sein, also die Dinge, über die man berichtet „schon ein bisschen … durchDENKEN können.“ Selma ist sich sicher, dass von diesen Eigenschaften „einem ein Großteil mit auf den Weg gegeben sein [muss]“, also Begabung ist. Ob allerdings die Journalisten in der Realität diesem Ideal entsprechen, kann sie „wirklich nicht beurteilen.“ Offen und direkt seien Journalisten aber schon, und bestimmt auch nicht „hohl“. Aber vielleicht würden einige, so Selma, auch nur an ihr berufliches Vorankommen denken? Schließlich hat sie „so das grobe Bild“, dass Journalisten auch sehr ehrgeizig und karriereorientiert sind. „Vielleicht kommt das vom Fernsehen, so Spielfilm Sowieso“, begründet Selma dieses Gefühl. Über die Journalistenausbildung in Deutschland weiß Selma gar nichts und müsste sich „jetzt wirklich irgendwas aus den Fingern ziehen“, um diese Frage beantworten zu können. Doch schließt sie von dem allgemein hohen Ausbildungsstandard in Deutschland auch auf ein hohes Ausbildungsniveau im Journalismus. Welche Medien für Journalisten als Arbeitgeber besonders attraktiv sind, ist für Selma eine Frage der „LEBENSAUFFASSUNG des einzelnen“, also des Charakters. Daher sei Fernsehen auch nur etwas für
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selbstbewusste und extrovertierte Menschen. Sie erklärt: „… ich denke, das muss man schon können da und muss wissen: ‘Da stehen Tausende, die jetzt gucken, wie ich da irgendeinen Bericht dann verfasse’, und so weiter.“ Bei der Zeitung wäre man dieser Öffentlichkeit weniger ausgesetzt, würde aber auch nicht so bekannt werden wie im Fernsehen. Aus diesem Grund erscheint ihr das Fernsehen vielleicht auch „interessanter“ als der Printmedienjournalismus. Von den Arbeitsbedingungen im privaten und öffentlichrechtlichen Rundfunk hat Selma nur vage Vorstellungen und legt sich deswegen auch nicht fest, welcher Sendertyp auf Journalisten besonders anziehend wirkt. Im Printmedienbereich fällt sie hingegen eine eindeutige Entscheidung. Hier erscheint ihr die Arbeit bei einer überregionalen Tageszeitung attraktiver und „interessanter“ als die bei einem Lokalblatt – und zwar aufgrund ihrer höheren Reichweite. Ein Journalist, „der auf die KARRIERE aus will, wird auf jeden Fall zur FAZ gehen“, ist sich Selma daher sicher, „weil sie also auch ÜBERALL gelesen wird, ja, um nicht zu sagen WELTWEIT …“ Für Selma arbeitet der typische Journalist beim Fernsehen und befasst sich dort vor allem mit dem aktuellen Weltgeschehen, also „Politik, was da so aktuell ist …“, weil sie das als wichtiger erachtet als die Sportberichterstattung. An „so Fußball und Kram“ denkt sie beim Gedanken an einen Journalisten erst als zweites. In ihrer Vorstellung fällt der journalistische Alltag relativ trocken aus, wobei Recherchetätigkeiten überwiegen. So müsse man als Journalist Themen zunächst einmal recherchieren und sich auch vor Ortsterminen umfassend informieren. „Also ich denke schon, da ist schon viel … Computerarbeit, SCHREIBTISCHarbeit zu machen“, verdeutlicht Selma ihre Vorstellung. Der Beruf des Journalisten wird in ihren Augen gut entlohnt, wobei sie davon ausgeht, dass Fernsehjournalisten am besten verdienen. Hinsichtlich des Durchschnittsverdienstes von Journalisten stellt sie daher fest: „Ich sage jetzt mal, so viertausend Euro [netto] hat der bestimmt. Ich weiß es nicht. Ich denke, eher MEHR, ja, und wenn der da noch, wieder mein Bild, der gurkt da in der Gegend rum, die ganzen Auslagen und, was der ja dann mit Sicherheit auch kriegt. Ich denke, da kommt schon ein bisschen was rum dabei. Also bestimmt keine zweitausend Euro. Ich denke, da lacht der nur drüber, ja.“ Der Nachteil des Journalistendaseins besteht in Selmas Augen darin, dass der Beruf „auf jeden Fall“ mit Stress einhergeht und auch mit einem Familienleben nur schwer zu vereinbaren ist. Nüchtern stellt sie fest: „Also ich glaube, wenn, wenn mein Mann jetzt Journalist wäre
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oder das, was ich mir halt unter Journalist vorstelle, ja, der da durch die Welt reist, ich denke, das ist mit der Familie schwer zu verbinden oder zumindest bedarf es ner großen Organisation.“ Zudem sei der Beruf nicht ungefährlich. Selma denkt an die Reporter in Kriegs- und Krisenregionen wie beispielsweise dem Tsunami-Gebiet6. Den Mut dieser Journalisten, „die irgendwo stehen und im Hintergrund kommen dann die Bomben runter oder so“, findet sie „bewundernswert“. Gleichzeitig mache das unmittelbare Erleben von Ereignissen – auch von gefährlichen – den Beruf „schon sehr interessant“. Journalisten kämen „in der Weltgeschichte“ rum und würden „also wirklich am Zeitgeschehen“ teilnehmen. Sie könnten Ereignisse vor Ort beobachten und würden so auch die Gefühle der Menschen hautnah miterleben. „Und das ist schon spannend, ja, heute HIER, morgen DA …“, schwärmt sie. Außerdem könne man in dem Beruf „viel SELBSTÄNDIG arbeiten“ und habe schon „so ein bisschen FREIHEIT.“ Beim Umgang mit Informationen sollten sich Journalisten in Selmas Augen möglichst neutral verhalten, auch wenn sie – ausgehend von sich selbst – annimmt, dass sie das „so hundertprozentig neutral … nicht wirklich“ schaffen. Gleichzeitig findet Selma es „gut“, dass Journalisten ihre eigene Meinung in die Berichterstattung einfließen lassen und widerspricht sich damit selbst. Es müsse aber so viel Neutralität gegeben sein, dass „der Hörer oder wer auch immer die eigene Meinung BILDEN [kann] …“ Von der Ehrlichkeit der deutschen Journalisten ist Selma grundsätzlich überzeugt, auch wenn sie nicht ausschließen kann, „dass es auch DA schwarze Schafe gibt, die dann auch mal ein bisschen berichtemäßig was … verschönern oder so, ja.“ Doch gäbe es die überall – auch in anderen Berufen. Den meisten Meldungen vertraut sie daher und erklärt: „Also wenn ich die Zeitung aufschlage … zweifele ich da jetzt nicht an, dass das nicht stimmt.“ Auch ein fehlendes Verantwortungsbewusstsein ist für Selma die Ausnahme 6
Am 26. Dezember 2004 forderte eine riesige Flutwelle, ein so genannter „Tsunami“, in Asien Hunderttausende Todesopfer, darunter auch zahlreiche Touristen; Millionen von Menschen wurden obdachlos. Der Tsunami war durch ein schweres Seebeben in rund 40 Kilometer Tiefe vor der Küste von Sumatra ausgelöst worden. Durch die kreisrunde Ausbreitung der Flutwelle war die gesamte Region Südostasiens betroffen, u. a. Indien, Sri Lanka, die Malediven, Sumatra, Indonesien, Malaysia, Thailand (vgl. Beste, Brinkbäumer, Dahlkamp, Deggerich, Falksohn, Matussek, Meyer, Neumann, Prothmann, Puhl, Rao, Schmid, Simons, Ulrich & Wiedemann, 2005). In den folgenden Tagen und Wochen waren in den Medien immer wieder erschütternde Berichte zu sehen, beispielsweise über Menschen auf ihrer verzweifelten Suche nach Angehörigen.
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im Journalismus. Nur dass Journalisten mitunter illegitime Recherchemethoden anwenden, kann sie sich vorstellen und weiß dies aus „irgendwelchen Fernsehsendungen, wo das dann immer so ist.“ Überzeugt stellt sie fest: „Das gehört so dazu!“ Einen Tatsachen verdrehenden Berichterstattungstil verbindet Selma nur mit Bild-Zeitungsreportern, die sich von „normalen“ Journalisten – wie sie lachend feststellt – dadurch unterscheiden, dass „die dann wirklich nur auf Sensationen aus sind und DIE dann auch entsprechend aus-, wirklich ausschmücken, ja.“ „Und wenn mal nichts passiert ist, dann müssen sie halt eine [Meldung], ja, ich sage jetzt nicht, erfinden, aber eine machen …“, erklärt Selma deren Arbeitsstil. Dennoch steht sie der Boulevardpresse nicht negativ gegenüber, sondern erkennt in ihr auch Vorteile. Sie erzählt: „Genau! Wenn ich irgendwo einkaufen bin und habe wieder mal so gar nichts mitgekriegt, oder wenn ich im Ausland unterwegs bin, gerade DANN hole ich mir nämlich die Bild-Zeitung, weil, dann weiß ich wirklich mit einem Blick, was war, ja.“ Und auch als Informationsmedium über „irgendwelche Highlights“ wie die Hochzeit eines europäischen Königshauses, also über den „KLATSCH, was die Bild-Zeitung im Grunde ist“, findet Selma das Boulevardblatt „weiß Gott, gut.“ Journalisten haben in Selmas Augen dadurch Macht, dass sie Tatsachen unvollständig darstellen können, was einer Manipulation des Publikums gleichkäme. Doch hält sie die Gefahr, dass der einzelne Bürger möglicherweise einseitig informiert würde, für begrenzt. Schließlich könne man als solcher ja auf ganz unterschiedliche Medien zurückgreifen, um sich zu informieren. „Insofern, ja, wird da … die Macht dann wieder ein bisschen weniger, ja, weil ich dann schon, ja, gucken kann, wo ich meine Infos herkriege und nicht nur von dem einen, ja“, stellt Selma unbekümmert fest. 4.1.6 Interview mit Sina (20): „Was fällt mir SPONTAN ein? Na ja, erstmal diese ganzen bösen Bezeichnungen von wegen Geier und so weiter, und dann jemand, der mit dem Notizblock irgendwo steht und irgendwas aufschreibt, ziemlich gestresste Leute mit Zigaretten, die irgendwo durch’s Gebäude rennen, um irgendwelche Nachrichten noch zu tippen, ja, so Klischeebilder ehrlich gesagt nur, ja.“ Sina hat Abitur und studiert im 1. Semester Medienmanagement. Sie schaut gerne Fernsehserien, beispielsweise Desperate Housewives, Schillerstraße auf Sat.1 oder die Simpsons, bei Gelegenheit aber auch die Tagesschau. Außerdem guckt
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sie gerne „irgendwelche Dokumentationen auf Arte oder irgendwelche BBCDokumentationen“. Sie betont zu Beginn des Gesprächs ausdrücklich, dass sie nicht nur private Sender guckt, sondern auch öffentlich-rechtliche. Außerdem liest sie „in der Regel“ den Spiegel, „aber eigentlich nicht jede Woche, so im Prinzip jede zweite und jede zweite dann auch Zeit, also so versetzt einfach.“ Insgesamt beläuft sich ihr täglicher Medienkonsum mit Computer und Telefon auf „sicherlich drei Stunden.“ Radio hört sie im Moment gar nicht, da ihr Rundfunkgerät noch bei ihren Eltern steht. Doch zu Hause hat sie „schon so ne halbe Stunde pro Tag auch Radio gehört zum Aufstehen.“ Das Gespräch findet ungestört in einem Büro auf dem Universitätscampus statt, wobei Sina einen sehr lebhaften Eindruck macht, großes Interesse an dem Gesprächsthema zeigt und sich vom Aufnahmegerät nicht stören lässt. Bei der Frage, wie sie sich einen Journalisten vorstellt, fällt Sina spontan Wolfram Siebeck ein. Für sie ist der typische Berufsvertreter nämlich „nicht unbedingt mal der Jüngste sozusagen“, weil es in dem Beruf aus ihrer Sicht auch darauf ankommt, „dass man halt was vom Leben schon ERFAHREN hat, um wirklich was schreiben zu können, was den Menschen weiterhilft und sie BEWEGT sozusagen auch …“ Allerdings verbindet Sina mit Journalisten kein spezifisches Geschlecht, dafür aber „so n Trenchcoat … und ne Zigarre.“ Dabei erscheint ihr der typische Journalist „eigentlich eher schon sympathisch“, weil Sina zugeben muss, dass sie den Berufsstand „in gewisser Hinsicht“ bewundert. Anerkennend stellt sie fest: „‘Die können so viel, die haben schon so viel erreicht. Und ich? Gar nichts.’“ Das äußere Erscheinungsbild eines Journalisten macht Sina von der Zeitung abhängig, für die er arbeitet. So hat sie beispielsweise bei einem Redakteur der taz einen eher ungepflegten Menschen vor Augen, weil sie einmal ein Foto der Reaktion gesehen habe, das eindeutig war: „Also mindestens sechs, sechs … von, was weiß ich, zwanzig Leuten hatten Birkenstocksandalen an und sahen etwas alternativ aus. Das war echt witzig!“ Einen Bild-Zeitungsjournalisten stellt sie sich wiederum gepflegt vor und begründet dies mit „diesen SUPERgepflegten Journalisten“ einer Werbekampagne von Bild. Ansonsten spricht Sina dem typischen Journalisten durchweg positive Eigenschaften zu. So besteht für sie eine seiner Fähigkeiten darin, „wirklich komplexe Dinge zu reduzieren, so dass man sie gut versteht“, was für sie eine Frage der Begabung ist. Ihr Argument: „… sonst würde sich ja auch nicht erklären, warum nicht JEDER Mensch Journalist ist sozusagen.“ Darüber hinaus
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verbindet sie mit dem Berufsstand „Weltoffenheit“, das Bemühen, „ne objektive Wahrheit zu finden“, sowie Ehrlichkeit. Ob diese Merkmale allerdings auch in der Realität auf Journalisten zutreffen, kann Sina nicht generell sagen. So würde es „sicherlich Journalisten geben, bei denen viele dieser positiven Eigenschaften zutreffen“, doch gäbe es bestimmt auch solche, die diesem Ideal nicht entsprächen. Ein Paradebeispiel für den Berufsvertreter, der all die positiven Eigenschaften auf sich vereint, ist in Sinas Augen – von Wolfram Siebeck abgesehen – Peter Kloeppel. Sie erklärt: „Den könnte man auch als Vorlage für den typischen Journalisten nehmen. Wenn er redet, versucht er, sehr bedacht zu reden und nicht gleich irgendwie ne Meinung abzugeben. Und er, ja, wägt ziemlich ab und redet halt, kleidet sich distinguiert und redet auch entsprechend, versucht, Hochdeutsch zu reden und so, ja.“ Dass Journalisten sich zu ihrer Tätigkeit berufen fühlen, davon ist Sina überzeugt: „Sicherlich. Ja, das glaube ich.“ Die journalistische Ausbildung umfasst in ihrer Vorstellung grundsätzlich ein Hochschulstudium und ein Volontariat. Man könne aber auch eine Journalistenschule besuchen oder „Journalistik auch studieren an manchen Universitäten …“ Doch hält sie ein Studium für einen Berufseinstieg nicht für zwingend notwendig. Ein „geradliniger Weg“ in den Journalismus sei sowieso die Ausnahme. Sina verdeutlicht dies am Beispiel des Spiegels: „Das können auch manche sein, die aus der Wirtschaft kommen, die irgendwie im Unternehmen, im Unternehmen arbeiten und so dann schreiben, also die kommen sicherlich aus vielen Ecken.“ Im Feuilleton, weiß sie, sei es außerdem „oft so, dass es nicht Journalisten sind, die die Artikel schreiben, sondern irgendwelche bekannten Musiker, Künstler oder sonst irgendwas.“ Der Journalismus ist in Sinas Augen ein durch Konkurrenz geprägtes Metier, einfach weil Medien – mit Ausnahme der öffentlich-rechtlichen Sender – Wirtschaftsunternehmen seien. Und Sina ist sich sicher, „dass in der Wirtschaft ohnehin tendenziell eher ne Ellenbogengesellschaft ist …“ Sie nimmt zudem an, dass Journalisten, vor allem die jüngeren, sich lieber für eine Arbeitsstelle im Rundfunk entscheiden, weil ihr persönlich diese Tätigkeit „spannender“ erscheint. Zum einen hält Sina Rundfunkjournalisten für jünger als das Personal einer Zeitungsredaktion. Außerdem würde das Programm, vor allem das des Hörfunks, ein jüngeres Publikum ansprechen als das einer Zeitung. Besonders zu faszinieren scheint sie allerdings das Fernsehen, über das sie urteilt: „… [das] hat schon einen gewissen Reiz, dadurch, dass es eben so, ja, vieles so
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Improvisation ist einfach.“ Außerdem erscheint Sina die Arbeit beim Rundfunk greifbarer: „Man hat auch was zum Anfassen, eben diese Fernsehbilder oder eben dann die beim Hörfunk, die SENDUNG sozusagen. Und wenn man einen Artikel schreibt, dann ist das ein bisschen abstrakter.“ Die Entscheidung für oder gegen den privaten Rundfunk ist für Sina grundsätzlich eine Frage des Charakters. So glaubt sie, dass ein Journalist, der „auf Sicherheit bedacht ist“, zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht. Dort stünden Journalisten weniger „unter dem Wirtschaftlichkeitsdruck“, so dass man außerdem die Chance habe, „Sparte- oder Nischenprogramm noch zu machen …“ Den privaten Rundfunk sieht Sina hingegen aufgrund der „sinkende[n] Werbeeinnahmen und die Konkurrenz von Pay-TV“ als umkämpften Markt an. Außerdem glaubt sie, dass man dort „vielleicht ein wenig mehr an die Vorgaben vom Programmdirektor gebunden [ist] …“ Im Printmedienjournalismus bietet in ihren Augen die überregionale Zeitung den attraktiveren Arbeitsplatz für Journalisten, weil man dort bessere Karrierechancen habe. Außerdem hält Sina die Qualität der journalistischen Leistung bei Lokalzeitungen für schlechter. So glaubt sie, dass Leute, die für eine Lokalzeitung Artikel schreiben, häufig „halt absolute Laien [sind], … können halt einigermaßen schreiben, aber haben sonst von Tuten und Blasen nicht viel Ahnung und schreiben halt viel für den Lokalteil.“ Der typische Arbeitsplatz eines Journalisten ist für Sina, die größtenteils ohne Fernsehen aufgewachsen ist, die Zeitung: „Ja, definitiv, also Fernsehjournalisten, die verbinde ich nicht mit Journalismus überhaupt so, obwohl das natürlich auch Journalisten sind …“ Außerdem arbeitet für sie der „klassische Journalist“ im Bereich der aktuellen politischen Berichterstattung, „weil das halt noch … der älteste Teil von der Zeitung ist … und bei vielen immer noch der wichtigste hoffentlich.“ Den journalistischen Berufsalltag stellt sich Sina als eine Mischung vor zwischen „Büroarbeit“ und Besuch von Außenterminen oder Redaktionssitzungen, wobei die Schreibtischtätigkeit in ihren Augen überwiegt. Das finanzielle Auskommen eines Journalisten kann Sina nur erraten, nimmt aber an, dass das Gehalt in der Gesellschaft eher überschätzt wird. Dennoch geht sie davon aus, „dass [es], wenn man jetzt bei der Zeitung fest angestellt ist, zum Leben reicht…“ Der freie Journalist hat es da aus ihrer Sicht schon schwerer, „weil man kein festes Einkommen hat und immer wieder versuchen muss, bei der Zeitung seine Artikel zu verkaufen sozusagen …“ Zögerlich schätzt sie das durchschnittliche Bruttogehalt im Journalismus auf „fünfundfünfzigtausend pro Jahr oder
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so, keine Ahnung, irgendwie plus minus, ja.“ Stress gehört für Sina zum journalistischen Berufsbild dazu, den sie auf den Termindruck zurückführt und der ihrer Meinung nach nicht ohne gesundheitliche Folgen bleibt. So geht sie davon aus, „dass vielleicht die Prozentzahl der Rauchenden etwas HÖHER ist als bei der normalen Bevölkerung …“ Sina erwartet von einem Journalisten, dass er sich um Objektivität und Verständlichkeit bemüht, ehrlich ist und seine eigene Meinung, sofern sie in die Berichterstattung einfließt, kenntlich macht. Außerdem sei er im Idealfall unabhängig. Sina glaubt aber nicht, dass dies auch in der Realität auf Journalisten zutrifft. Schon die redaktionellen Tendenzen der Zeitungen würden dem widersprechen. Außerdem stünde der Journalist unter Termindruck und sei nicht zuletzt von seinem Vorgesetzten abhängig. Für Sina steht daher fest: „Also WIRKLICH unabhängig sind sie, glaube ich, nicht.“ Auch dass Journalisten „über Leichen“ gehen, ist für sie denkbar, hält dies aber vornehmlich für eine Frage des Charakters. Sie erklärt: „Manche Journalisten wahrscheinlich schon, gerade vielleicht etwas karrieresüchtigere Menschen. Das, schätze ich, werden die schon tun, vor allem, wenn man die Möglichkeit hat. (…) Das ist ne Frage der Persönlichkeit, ob man sie nutzt oder nicht, ob man’s ehrlich macht oder nicht ehrlich.“ Dennoch gibt es in Sinas Augen eine Gruppe von Journalisten, die in puncto Unehrlichkeit besonders hervorsticht: die Boulevardjournalisten. Und die verbindet Sina mit Medien wie der „Bild-Zeitung, Frau im Bild, ja, das ganze Gros der Frauenzeitungen, -zeitschriften, aber jetzt nicht unbedingt Elle oder Vogue, aber so halt Lisa, keine Ahnung, ja, Gala oder so Zeugs.“ Dabei fällt ihr auch der Bericht eines Bekannten ein, der ihr erklärt hat, wie bei Bild die Meldungen auf der letzten Seite zustande kommen. Sie erinnert sich an seine Schilderungen: „Auf der Alster, glaube ich, gab es irgendwelche Algen und die haben CO2 emittiert, und dann hat einer bei der Redaktionssitzung wohl gesagt: ‘Ja, das ist doch das, was immer aus den Kühen hinten rauskommt, explodiert!’ Schlagzeile am nächsten Tag: ‘Explodiert die Alster?’“ Zwar gibt sie zu, dass sie die Geschichte auch nur gehört habe und sie deswegen nicht wahr sein müsse. Dennoch ist sie überzeugt: „Also Boulevardjournalismus hat mit der Ehrlichkeit nicht viel zu tun, sonst würden sie auch nicht so oft von den Prominenten verklagt werden, glaube ich.“ Überhaupt hat Sina beim Gedanken an Journalisten – das machen ihre Assoziationen zum Journalistenbegriff deutlich – spontan das Bild eines Geiers vor Augen, wobei sie an einen Bild-Zeitungsjournalisten denken muss. Sie glaubt nämlich,
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„dass das einfach so ne Art Mensch ist, der überall hinspickt und so wie ein Geier von oben sich dann das Fressen so raussucht“ und sich die Meldungen bei anderen „klaut“. Dementsprechend abwertend steht sie dieser speziellen Journalistengruppe gegenüber. Sie selbst lese die Bild-Zeitung nicht regelmäßig, so Sina, sondern nur, wenn „sie im Zug mal rum liegt oder im Urlaub aus, ja, aus Witz.“ Von der Macht der Journalisten ist Sina überzeugt: Doch könne sie auch negative Folgen haben, weil Journalisten „schon verdammt viel [beeinflussen], vor allem bei DEN LEUTEN, die durch die Schulbildung, Ausbildung nicht daran gewöhnt sind, Sachen zu hinterfragen sozusagen.“ Dass Journalisten dies „manchmal“ ausnutzen, steht für Sina fest. Andererseits würden Journalisten auch positive Funktionen in der Gesellschaft übernehmen – wenn auch für ihre Begriffe zu selten. So hätten sie die Chance, auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen. Gerade das Aufdecken von politischen Skandalen stellt für Sina eine Leistung dar, für die sie Hochachtung empfindet. So sagt sie: „Ja, so ne Geschichte mit dem Watergate-Skandal7. So was aufzudecken, das finde ich sehr bewundernswert.“
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Unter diesem Schlagwort ging einer der größten Politskandale in die US-amerikanische Geschichte ein, der als das Paradebeispiel für den Erfolg des investigativen Journalismus gilt. Begonnen hatte alles mit einem vermeintlich gewöhnlichen Einbruch in das Wahlkampfbüro der Demokratischen Partei im Washingtoner Watergate-Komplex, der sich jedoch im Laufe der Ermittlungen als lancierte Aktion des Wahlkampfstabes des damaligen US-Präsidenten Richard Nixon entpuppte. Zwei Reporter der Washington Post, Bob Woodward und Carl Bernstein, berichteten über den Vorfall und konnten nachweisen, dass ein Wahlkampfmanager des Präsidenten den Einbruch in Auftrag gegeben hatte, um die Wahlkampfzentrale des politischen Gegners zu verwanzen (vgl. Hornig & Mascolo, 2005). Nixon musste sich im Zuge der Ermittlungen des Vorfalls vor einem Untersuchungsausschuss des Senats verantworten. Die Berichterstattung der Washington Post führte schließlich zum Amtsenthebungsverfahren, dem Nixon durch die Ankündigung seines Rücktritts am 8. August 1974 zuvorkam. Woodward und Bernstein wurden für ihre journalistische Leistung mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Die Geschichte wurde unter dem Titel „Die Unbestechlichen“ mit Robert Redford und Dustin Hoffman in den Hauptrollen verfilmt (vgl. Kreye, 2004, S. 6; Künzel, 2004; Hornig & Mascolo, 2005). Die Umstände, die zur Aufdeckung der Watergate-Affäre geführt hatten, haben bis heute nicht an Brisanz verloren. So diskutiert man auch aktuell über die Frage des Quellenschutzes und die Bedrohung der Pressefreiheit, falls das Recht der Journalisten, ihre Informanten zu schützen, ausgehöhlt würde. Fälle wie die Inhaftierung der Star-Reporterin Judith Miller von der New York Times (vgl. Kröger, 2005) oder die Durchsuchung der Redaktionsräume der Zeitschrift Cicero durch das Bundeskriminalamt (vgl. Weimer, 2005; „Schlicht Blödsinn“, 2005) heizen die Debatte an.
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4.1.7 Interview mit Katrin (36): „Journalist ist jemand, der in meinen Augen entweder für Fernsehen oder fürs Radio oder für die Zeitung arbeitet und versucht, Themen aufzuarbeiten und dem Publikum dann zur Verfügung zu stellen.“ Katrin hat nach ihrem Abitur eine kaufmännische Lehre absolviert, danach Slavistik studiert und arbeitet als kaufmännische Angestellte in einem Industrieunternehmen. Zur Zeit des Gesprächs befindet sie sich allerdings in Mutterschutz. Zeitung liest Katrin „eigentlich nur am Sonntag“, nämlich die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, mit der sie „so zwei Stunden“ verbringt. Was sie an interessanten Artikeln an diesem Tag nicht gelesen hat, verteilt sie dann auf den Rest der Woche. Fernsehen schaut sie „unterschiedlich [lang].“ Katrin erklärt: „Es kann ein bis zwei Stunden am Tag sein, je nachdem.“ Dabei guckt sie am liebsten „Spielfilme, und dann Tagesschau, Tagesthemen, so politische Sendungen“, wobei sie die öffentlich-rechtlichen Sender bevorzugt. Nur wenn ein Spielfilm auf den Privaten käme, dann würde sie auch dort einschalten. Radio hört Katrin „gar nicht“, surft aber dafür im Internet, wo sie „vielleicht mal unter Spiegel-Online die Neuigkeiten [liest], die es gibt.“ Das Gespräch findet in Katrins Wohnzimmer statt und verläuft ohne Störungen. Zunächst wirkt sie etwas aufgeregt, was sich aber nach kurzer Zeit legt. Wenn Katrin an einen Journalisten denkt, dann stellt sie sich einen „vierzig bis sechzig“ Jahre alten Mann vor. Lediglich der Bild-Zeitungsjournalist erscheint ihr jünger. Beinahe erstaunt stellt sie fest: „… komischerweise verbinde ich DA jetzt eher so n JUGENDLICHEN Journalisten.“ Spontan kommt ihr zudem ein ungepflegter, chaotischer und hektischer Typ in den Sinn, der „immer unterwegs [ist] auf der Suche nach DER Story. Aufgrund der Vorstellung, „dass er einem irgendwelche INFORMATIONEN aus dem Kreuz leiern will, dass er irgendwie einen BEDRÄNGT“, wirkt die Person auf sie eher unsympathisch. Ganz offensichtlich bezieht sich Katrin dabei auf den Bild-Zeitungs- beziehungsweise Boulevardjournalisten, den sie – auch im weiteren Verlauf des Gesprächs – vom „seriösen“ Journalisten deutlich abgrenzt. Letzterem spricht sie überwiegend positive Eigenschaften zu. So zeichnen sich Journalisten in ihren Augen zwar generell durch ein offenes Wesen aus, der „seriöse“ Berufsvertreter jedoch in besonderem Maße durch Sensibilität im Umgang mit anderen Menschen und eine gewissenhafte Arbeitsweise. Katrin glaubt beispielsweise fest daran, dass er sich „gut vorbereitet, akribisch arbeitet“ und seine eigene Meinung in der Be-
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richterstattung möglichst ausklammert. Außerdem zeige er Interesse an Themen und MENSCHEN und müsse „gebildet sein, um überhaupt auf die Menschen zugehen zu können, um diesen seriösen Journalismus zu machen, und EINFÜHLUNGSvermögen vielleicht auch haben.“ Für sie ist dieses Bild nicht nur Utopie, sondern wird von den „SERIÖSEN“ Journalisten in der Realität auch durchaus erfüllt. Und die verbindet sie „auf jeden Fall mit Zeitungen wie zum Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frankfurter Rundschau, … mit Magazinen wie Der Spiegel“, im Rundfunkjournalismus mit Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wie „Tagesschau, Tagesthemen, heute, heute-Journal oder … Plusminus.“ Die Eigenschaften, die Journalisten in ihrer Vorstellung kennzeichnen, stellen für Katrin eine Form von Begabung dar, wozu sie auch die Fähigkeit zählt, mit Sprache gekonnt umzugehen. Gerade letzteres stellt ein Talent dar, für das sie Journalisten bewundert, denn sie erklärt: „… das ist AUCH, finde ich, ne Leistung, wenn jemand so einen witzigen Stil hat und kann den rüber bringen. Da denke ich AUCH: ‘Also das hat die echt super geschrieben, die Frau oder der Mann.’“ Aus Katrins Sicht entscheiden sich Journalisten für ihren Beruf, weil sie ihren Mitmenschen etwas vermitteln wollen, „Informationen weitergeben möchten.“ Einige Journalisten würden sich sogar im wahrsten Sinne des Wortes dazu berufen fühlen – beispielsweise Berichterstatter aus Kriegsgebieten. Katrin erklärt: „Ich denke, dass das auch Journalisten sind, die … das WOLLEN, ja, die sich berufen fühlen, da jetzt was zu berichten, was für schlimme Ereignisse in anderen Ländern passieren.“ Zunächst gibt Katrin an, über die journalistische Ausbildung nichts zu wissen, kann dann aber trotzdem den Werdegang eines Journalisten relativ gut beschreiben: „Also ich denke mal, dass man ein Studium hat. Ich glaube nicht, dass es ein BESTIMMTES Studium gibt, aber ich WEISS es nicht. Vielleicht studiert man Germanistik, macht dann ein Volontariat bei der Zeitung …“ Dabei ist ein Hochschulstudium aus ihrer Sicht nicht zwingend notwendig, vor allem nicht im Boulevardjournalismus. Hier käme es vor allem darauf an, dass der Journalist, „nen kurzen prägnanten Artikel schreibt …“ Deshalb kann sie sich auch vorstellen, „dass einige von diesen UNseriösen eben KEIN Studium haben, sondern einfach … hartnäckig sind und, ja, einfach der Information hinterherlaufen und vielleicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, aber jetzt nicht unbedingt das Hintergrundwissen haben.“ Katrins Vorstellungen von den Arbeitsbedingungen im Medienbereich sind relativ ungenau. Dennoch führt sie zwei Gründe an, warum ihr ein Job im Printmedienbe-
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reich – vor allem bei einer überregionalen Zeitung – für einen Journalisten attraktiver erscheint als eine Tätigkeit beim Rundfunk. Zum einen erreiche man als Redakteur bei einer Qualitätszeitung ein größeres Publikum, zum anderen sei das Themenspektrum anspruchsvoller und „vielfältiger, weil es eben nicht nur auf den regionalen Bereich sich bezieht, um hier über irgendwelche … Kleintierzuchtvereine zu berichten.“ Im Rundfunkbereich, so Katrin, käme es darauf an, ob dem Journalisten der Faktor Geld wichtiger sei oder der eigene Anspruch an die journalistische Leistung. So glaubt sie, dass Leute, denen „wirklich ein guter Journalismus viel Wert ist“, eher zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen gehen, wo es „nun doch die seriöseren Journalisten [gibt].“ Wem es hingegen um ein hohes Gehalt ginge, den ziehe es zu den Privaten. Fernsehen und Zeitung sind für Katrin gleichermaßen die typischen Medien, in denen ein Journalist arbeitet, wobei sie spontan ans politische Ressort denken muss. Im Alltag ist der Journalist ihrer Meinung nach mit Recherchen befasst, besucht Veranstaltungen vor Ort und arbeitet die gesammelten Informationen – je nach Medium – am Schreibtisch auf. Von seinem finanziellen Auskommen hat Katrin keine konkreten Vorstellungen, vermutet aber, „dass Journalisten nicht SO gut bezahlt werden.“ Allerdings ist sie sich bei diesem Thema unsicher und gibt zu: „Ob das stimmt, weiß ich zwar NICHT, aber das ist so ein GEFÜHL, was ich damit verbinde.“ Stressig ist der Beruf aus ihrer Sicht „auf alle Fälle“, weil Journalisten permanent unter Zeitdruck arbeiten. Artikel müssten in einer bestimmten Frist geschrieben werden und Beiträge im Fernsehen rechtzeitig auf Sendung gehen, so dass sich Katrin sicher ist, „dass Termindruck vorliegt, ja.“ Gleichzeitig bekäme der Journalist durch seinen Beruf aber auch die Chance, neue Dinge zu erfahren und während seiner Arbeit permanent sein Wissen zu erweitern. Fasziniert erzählt Katrin: „… man ist IMMER up to date, man hat alle Informationen, und ich glaube, das ist superINTERESSANT, auch sich in Sachen rein zu lesen, … die einen vorher gar nicht so interessiert haben, aber die man dann eben aufgrund des Auftrags, dass man darüber was schreiben soll, nachliest.“ Katrin erwartet von Journalisten, dass sie objektiv berichten und versteht darunter, dass Journalisten nicht im Sinne ihrer eigenen Sichtweise Tatsachen verdrehen. In einem Interview sollten beispielsweise Äußerungen des Gesprächspartners nicht so wiedergegeben werden, dass sie den subjektiven Standpunkt des Journalisten unterstützen. Katrin möchte sich nämlich
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ihre eigene Meinung bilden und nicht die des Journalisten „aufgedrückt“ bekommen. Er könne gerne seine Ansicht äußern, stellt sie klar, „aber dann auch SO deutlich, dass ich sehe: ‘Aha, das hat jetzt der Journalist dazu gesagt’, und nicht einfach die Worte des Interviewten umdrehen in seine Meinung …“ Dass ein Teil der Berufsvertreter in Deutschland diesem Ideal durchaus gerecht werden, davon ist Katrin überzeugt: „Ich glaube, dass also, wer seriösen Journalismus betreibt, wirklich auch versucht, das so dem Leser wiederzugeben, … dass DAS rüberkommt, was der Interviewte [gesagt hat].“ Sie kann sich allerdings auch vorstellen, dass Journalisten berechnend agieren und Gefühle vortäuschen, nur um an Informationen zu gelangen: „… also das kann’s vielleicht geben in einzelnen Fällen, ja, …“ Katrin denkt dabei spontan an die Journalistin, die „mit irgendjemandem ins Bett steigt, nur um an Informationen zu kommen.“ Doch verbindet sie unmoralische Recherchemethoden vor allem mit denjenigen Berufsvertretern, „die auf Sensationslust aus sind“. Damit spielt sie eindeutig auf die Gruppe der Boulevardjournalisten an, bei denen sie erhebliche Zweifel hat, ob sie es mit der Ehrlichkeit immer genau nehmen. Katrin sagt: „Weiß ich nicht, wenn jemand für die Bild-Zeitung vielleicht ein Interview gibt, ob das wirklich so abgedruckt wird, wie man das eigentlich dem Journalisten erzählt hat, KANN sein, mag ich aber bezweifeln. Da wird bestimmt nur die interessante Headline irgendwie hervorgehoben, vielleicht noch ein kleines Fragezeichen hintergesetzt, aber der Leser denkt erst mal: ‘Oah, das und das ist passiert!’“ Als Grund für diesen journalistischen Stil führt Katrin an: „… das ist einfach die Sensationslust, die dann im Vordergrund steht.“ Sie selbst habe die Neugierde allerdings auch schon gepackt, denn sie gibt zu: „Ich muss gestehen, ich habe mal vor längerer Zeit im Internet bei der Bild-Zeitung reingeguckt, also um zu wissen, was es Neues gibt bei den Prominenten, also es hat mich schon interessiert, aber das ist so eher so dieses Boulevardressort …“ Doch informiere sie sich bei Bild „auf keinen Fall“ über Politik. Die Existenz des Boulevardblatts hält Katrin dennoch für gerechtfertigt und argumentiert: „Ich denke, dass es VIELE Leser gibt, die die Bild-Zeitung hat, und warum soll man denen ihre Zeitung wegnehmen? (…) Man soll seine Meinung äußern können, und wenn das eben über diese Weise von der Bild ist, bitteschön!“ Auch wenn Katrin unsicher ist, ob redaktionelle Strukturen der Macht des Journalismus entgegenstehen, ist sie sich sicher, dass ein Journalist die Möglichkeiten besitzt, durch seine Arbeit die Politik eines Landes zu beein-
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flussen. So stellt sie fest: „Gerade in der Politik, denke ich, … kommt es schon mal vor, dass jemand dann einen Artikel schreibt über, was weiß ich, über Kohl8 oder so, um ihn dann EIGENTLICH zu schaden mit diesem Artikel, und damit seine Macht ausübt.“ Diese Art von journalistischer Einflussnahme lehnt sie entschieden ab: „Ich finde das nicht gut.“ 4.1.8 Interview mit Gisela (41): „Freier Journalist, gebunden, viel unterwegs, Informationsbeschaffung, nicht immer sehr einfach, objektiv zu berichten. Was fällt mir noch ein bei Journalist? Spontan jetzt auch ein Film mit Robert Redford, ich weiß gar nicht mehr, wie er heißt, wo er einen Journalisten spielt.“ Gisela hat Abitur gemacht und ist gelernte Bankkauffrau. Zurzeit arbeitet sie halbtags als Sekretärin in einem kleinen mittelständischen Unternehmen. Dort überfliegt sie ab und zu das Handelsblatt oder die Financial Times Deutschland. Darüber hinaus bleibt ihr kaum Zeit zum Zeitunglesen, am Tag „ne Viertelstunde maximal, und das ist schon viel.“ Sie schaut dafür „nach Möglichkeit ein Mal am Tag ne Nachrichtensendung“, wobei sie die öffentlichrechtlichen Nachrichtensendungen bevorzugt. Für Spielfilme und Unterhaltungssendungen schaltet sie aber auch die privaten Sender ein – „wie es gerade kommt.“ Insgesamt schaut Gisela aber nur wenig Fernsehen, am Tag „also MAXIMAL ne Stunde.“ Während der Hausarbeit und beim Autofahren hört sie auch Radio. Das Internet nutzt sie „zur GEZIELTEN Informationsbeschaffung“; außerdem liest sie sehr gerne. Das Gespräch findet an Giselas Arbeitsplatz statt, wobei sie sehr offen und freundlich wirkt und auch keine Scheu vor dem Aufnahmegerät zeigt. In Giselas Vorstellung ist ein Journalist typischerweise „Dreißig bis Fünfzig“. Beim Geschlecht will sie sich nicht festlegen, weil sie da „kein Bild“ vor sich habe. Nur beim Bild-Zeitungsjournalisten stellt sie sich „komischerweise“ einen Mann vor und sucht für diesen Gedanken selbst nach einer Begründung. Vielleicht läge es an den „teils nackte[n] Frauen“ oder der überzogenen Darstellung von Unglücken? Jedenfalls steht für Gisela fest: „Irgendwie assoziiere ich das eher mit nem männlichen Journalisten.“ In der Zuschreibung bestimmter Eigenschaften und Merkmale an den journalistischen Berufsstand unterscheidet sie deutlich zwischen zwei Kategorien von 8
Gemeint ist damit der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl.
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Journalisten. So gibt es aus ihrer Sicht einerseits den „ernsthaften“ Berichterstatter, „der eventuell auch Dinge aufdecken will“ und der keinen Wert auf Äußerlichkeiten legt, „weil ihm wichtig ist, … an der Sache zu bleiben.“ Dieser Typus ist für sie „durchaus POSITIV belegt“ und dementsprechend sympathisch. Andererseits hat Gisela den Journalisten vor Augen, der „nur auf Halbwahrheiten [aus ist] und denkt: ‘Oh, jetzt ist da was, womit ich mir einen Namen machen kann …’“ Dieser Typus erscheint ihr unsympathisch und ist für sie „sehr NEGATIV belegt.“ In diesem Sinne würden positiv verstandene Eigenschaften wie Wissbegierde und Neugierde genauso den journalistischen Charakter auszeichnen, glaubt Gisela, wie eine gewisse Hartnäckigkeit, die durchaus „auch unangenehm werden [kann].“ Der positive Journalistentypus muss in ihren Augen „gut mit Worten umgehen können“, was für sie „in der Hauptsache ne Begabung“ ist, „ein Gefühl für n Gesamtzusammenhang“ sowie das nötige Einfühlungsvermögen haben, um sein Anliegen der jeweiligen Zielgruppe näher zu bringen. Dem negativen Typus hingegen geht es aus ihrer Sicht nur darum, „diesen Aufhänger zu finden, diesen Reißer, der das Titelblatt interessant macht.“ Dementsprechend bietet der journalistische Berufsstand in Giselas Augen ein „breites Band“, das sowohl den „engagierten Journalisten, … dem wirklich was an der WAHRHEIT liegt“ umfasst als auch den „Publizist, der wirklich nur auf große Aufmerksamkeit aus ist, der die Schlagzeile sucht, ne, Paparazzi.“ Allerdings kann Gisela keinen Journalisten aus dem Lager der „wirklich Guten“ benennen, weil diese „wahrscheinlich auch häufig in Zeitschriften [arbeiten], die gar nicht SO populär sind, weil die populären wollen ja die breite Masse erreichen und schreiben …, was die breite Masse hören will, und polarisieren.“ Bei der Frage nach der Journalistenausbildung reagiert Gisela unsicher, glaubt aber, „dass es kein allgemeines Ausbildungsraster gibt für den Journalisten.“ In ihrer Vorstellung sammeln viele bereits als Schüler erste journalistische Erfahrungen und wählen dann den Weg des Studiums. Doch könne sie sich auch vorstellen, „dass man auch viel erstmal über freie Artikel mit reinkommt“ und beispielsweise als freier Mitarbeiter Artikel für eine Lokalzeitung schreibt, wofür eine akademische Ausbildung nicht erforderlich sei. Die Attraktivität des Arbeitsplatzes macht Gisela vom Charakter des Journalisten abhängig und davon, „wo seine Stärken liegen.“ So tendiere der extrovertierte Typ, der die Information „als Person, als Ganzes“ vermitteln möchte, eher zum Fernsehen. „SCHREIBT er lieber, dann wird er zur Zei-
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tung gehen“, erklärt sie. Innerhalb des Rundfunkjournalismus entscheide er sich wohl eher für einen Privatsender, weil er dort weniger reglementiert arbeiten könne als bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten mit ihrem „ganz konkreten Informationsauftrag“. Dementsprechend vermutet Gisela bei den Privatsendern auch die „progressiveren“ Journalisten. Bei der Entscheidung zwischen einem Job im lokalen oder überregionalen Printmedienjournalismus gibt aus ihrer Sicht das persönliche Interesse des Journalisten den Ausschlag für die Arbeitsplatzwahl. Je nachdem, „ob er das Breitere liebt oder jetzt Lokales“, so Gisela, entscheide er sich für oder gegen die Lokalzeitung, die von der Themenauswahl „doch ein bisschen eingegrenzter [ist] von dem, was passiert.“ Der typische Arbeitsplatz eines Journalisten ist für Gisela die Zeitung, wobei sie sich den journalistischen Berufsalltag wenig spannend vorstellt. Sie erklärt: „… die Hauptarbeit wird sein, in irgendwelchen Archiven zu gucken, Nachrichten sich zu beschaffen: ‘War da irgendwann schon mal was?’, also die SUCHE nach den Beweisen oder nach dem, was meine Idee unterlegt, untermauert. Das stelle ich mir auch sehr anstrengend und trocken vor.“ Begegnungen „mit interessanten Leuten“ seien wohl nur die „schönen GIPFELERLEBNISSE“, der überwiegende Teil hingegen „Fleißarbeit“. In Giselas Vorstellung verrichtet der Journalist seine Aufgaben an ganz unterschiedlichen Orten und bedient sich dabei neuester Technik. Sie erklärt: „Wenn er sich rein Informationen beschaffen will, geht das heute über Internet von zu Hause aus. Der arbeitet aber auch in seinem Verlag oder in seinem Sender, um mit anderen den Austausch zu haben, sich abzusprechen. Und er arbeitet vor Ort, da, wo er seine Recherchen jetzt dann vor Ort auch ausführen muss.“ Vom Durchschnittsgehalt im Journalismus hat Gisela „ÜBERHAUPT keinen Schimmer“ und nimmt an, dass „einige wenige“ gut verdienen, die Öffentlichkeit das Durchschnittsgehalt aber eher überschätzt. Stress gehört für sie zum Berufsdasein dazu, weil der Journalist „keinen Arbeitsschluss“ hat und sich durch seine Arbeit nicht sonderlich beliebt macht. So gibt sie zu bedenken: „Ja, ich denke mal, wenn ich jetzt wirklich ner unangenehmen Sache auf der Spur bin, habe ich auch mit vielen Anfeindungen zu rechnen. Wenn ich das tatsächlich VERSUCHE, das neutral darzustellen, mache ich mir damit auch keine Freunde, je nachdem, was es ist.“ Doch findet sie den Mut dieser Journalisten, die „um neutraler und objektiver Informationen Willen auch Nachteile in Kauf nehmen, sich Feinde machen“, ebenso beachtlich wie die Courage der Kriegsberichterstatter,
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„die wirklich, um Informationen zu liefern, dort bleiben, Gefahren auf sich nehmen.“ Bewundernd stellt Gisela fest: „… das beeindruckt mich schon sehr, also weil, ich würde eher die Füße in die Hand nehmen und sehen, dass ich auf sicheren Boden komme.“ Giselas Assoziationen mit dem Journalistenbegriff machen deutlich, dass sie sich von Berufsvertretern eine möglichst objektive, unvoreingenommene Berichterstattung erhofft. Allerdings ist dieser Wunsch aus ihrer Sicht wohl Utopie, weil sie es sich „sehr schwer“ vorstellt, die subjektive Sicht „möglichst auszuschalten oder so weit es geht zu reduzieren…“ Deswegen könnten Journalisten auch nicht losgelöst von ihrer eigenen subjektiven Sicht auf die Dinge berichten. Entschieden stellt sie fest: „HUNDERT PROZENT nicht, glaube ich nicht, weil wir bleiben Subjekt und wir haben ne ganz, also ganz spezielle Art, etwas wahrzunehmen.“ Auch an die Ehrlichkeit der Journalisten glaubt Gisela nicht (mehr), seitdem ein lokales Ereignis, das sie selbst miterleben konnte, in der lokalen Presse völlig anders dargestellt worden sei als sie es selbst empfunden habe. Lachend stellt sie fest: „Das war schlichtweg anders als es tatsächlich war, ne, also!“ – eine Erfahrung, die sie „doch sehr auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt“ hat. Auch in der Sportberichterstattung entdeckt Gisela immer wieder Fehler – „und seien es nur Tippfehler“ –, was sie kritisiert: „… also es kommt einfach einiges nicht korrekt an.“ Dennoch will sie „nicht den Stab über den Journalisten brechen“, weil sie glaubt, „dass es auch wirklich ernsthafte Journalisten gibt, die EHRLICH mit ihrem Publikum umgehen.“ Rücksichtslosigkeit und einen für ihre Begriffe überzogenen Stil der Berichterstattung attestiert Gisela lediglich der Bild-Zeitung, der sie dementsprechend ablehnend gegenübersteht. Missbilligend stellt sie fest: „Das ist mir zu reißerisch und auch Bilder oft zu, dass sie auch zu sehr in die Privatsphäre ab und an gehen. Also ja, zu reißerisch, das trifft’s.“ Daher würde sie die BildZeitung selbst auch nicht lesen, obwohl sie zum deutschen Journalismus ihrer Meinung nach auf jeden Fall dazugehört. „Allein die Auflagen“ würden das schon belegen. In Giselas Augen besteht die Macht der Journalisten in der Möglichkeit, das Publikum im Sinne ihrer eigenen Interessen und Ideologien zu beeinflussen, denn „dieses Manipulieren ist schon ne gewisse Art von, von Macht …“ Dieser Umstand erfüllt sie mit Sorge, weil sie sich vorstellen kann, dass „einige“ Journalisten diese Chance auch ausnutzen und in die Rolle des Politikers schlüpfen. Andererseits schreibt sie dem journalistischen Berufs-
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stand auch positive gesellschaftliche Funktionen zu. So sieht sie es als primäre Aufgabe der Medien an – zumindest der „positiven“ Journalisten – Missstände aufzudecken, wobei sie die Stärke und den Mut der Medienakteure, die damit einhergehenden Anfeindungen und Nachteile in Kauf zu nehmen, „beeindruckend“ findet. 4.1.9 Interview mit Sonja (41): „Zeitung, ja, alles was, was mit, mit Zeitung, Zeitschriften, Artikeln, Befragungen, Öffentlichkeitsarbeit [zu tun hat].“ Sonja hat nach ihrem Abitur und einem abgebrochenen BWL-Studium eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin absolviert. Derzeit arbeitet sie als Assistentin der Geschäftsführung in einem mittelständischen Unternehmen. Da sie allein erziehende Mutter ist und dabei voll berufstätig, ist sie „zeitlich etwas eingeschränkt“, so dass sie am Tag „maximal ne halbe Stunde“ Zeitung liest. Wenn sie dazu kommt, dann liest sie das Handelsblatt, „punktuell“ die Wirtschaftswoche oder „auch mal die hiesige Lokalzeitung“. Zum Fernsehschauen kommt sie „relativ wenig“, schaut aber nach Möglichkeit die Nachrichtensendungen, wobei sie die öffentlich-rechtlichen Programme bevorzugt. Radio und Internet nutzt sie so gut wie gar nicht. Die Atmosphäre während des Gesprächs, das an Sonjas Arbeitsstelle stattfindet, ist freundlich und offen, wobei Sonja reges Interesse an dem Thema zeigt. Sie erzählt sogar, dass sie „schon häufiger drüber nachgedacht [hat], auch vor vielen Jahren schon“, Journalist zu werden, weil sie dieser Beruf „schon sehr interessiert vom, ja, vom Arbeitsfeld her, weil man eben … sehr vielfältig arbeiten kann und auch sehr interessante Arbeitsgebiete dann haben kann.“ Wenn sich Sonja einen Journalisten vorstellt, dann ist dies eine Person im Alter von „Mitte Zwanzig bis Fünfzig“. Nur der Bild-Zeitungsreporter erscheint ihr jünger. Sie erklärt: „Den stelle ich mir so vor, also relativ jung, also ich sage mal, zwischen Fünfundzwanzig und Vierzig …“ Ein spezifisches Geschlecht verbindet sie allerdings nicht mit dem Journalistenberuf, sondern stellt fest: „Das spielt keine Rolle.“ Vom Erscheinungsbild und dem Charakter eines Journalisten zeichnet Sonja ein überwiegend positives Bild und schildert ihn als zugänglichen und offenen Menschen, auch wenn sie feststellen muss, dass es „solche und solche [gibt], wie in jedem Beruf auch.“ In ihren Augen ist der typische Journalist „sehr weltoffen, sehr ver-
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bindlich, auf Menschen zugehend, sehr gut informiert, sehr gebildet, umfassend gebildet vom Allgemeinwissen her, natürlich auch spezialisiert dann auf, auf bestimmte Fachgebiete.“ Und auch vom äußeren Erscheinungsbild wirkt er auf sie „gepflegt, umgänglich, ansprechend, sympathisch.“ Gerade Sympathie ist in ihren Augen in diesem Beruf besonders wichtig, damit „man an Menschen herankommt.“ Außerdem „müssen [Journalisten] ein großes Durchsetzungsvermögen haben“, ist sich Sonja sicher, „und man muss sich auch in Menschen einfühlen können, einfühlsam sein.“ Darüber hinaus muss ein Journalist „mit der SPRACHE umgehen können“, was Sonja ebenso für eine Form von Begabung ansieht wie ein sympathisches und feinfühliges Wesen. So erklärt sie: „Also ich denke NICHT, dass das jeder machen kann. Da gehört schon, ja, ne gewisse Aura auch dazu, dass man bei Menschen gut ankommt. Das, denke ich, ist sehr wichtig.“ Für sie sind die genannten Eigenschaften zwar „sicher ne Idealvorstellung“. Dennoch ist sie optimistisch, „dass das auf die Mehrheit der Journalisten zutrifft, denn sonst hätten sie oder könnten sie den Beruf nicht erfolgreich ausüben.“ In Sonjas Augen ist der Journalistenberuf durchaus eine Profession, zu der sich Menschen berufen fühlen. So kann sie sich vorstellen, „dass der WUNSCH, Journalist zu werden, schon ganz früh entsteht und dass das dann auch irgendwo ein Traumberuf für jemanden ist, mit dem man sich dann ABSOLUT identifizieren kann.“ Sonja versichert: „Also so halbherzig, denke ich, ist das nicht machbar, weil, da gehört auch ein gewisses Herzblut dazu, sich in, in gewisse Themen auch reindenken zu können und sie dann auch so rüberzubringen, egal ob das jetzt Fernsehen, Rundfunk oder Zeitung, Zeitschrift ist.“ Den Ausbildungsweg in den Journalismus, „den genauen Studiengang“, kann Sonja nicht benennen, weil sie sich „auch nie damit befasst“ hat. Sie denkt jedoch, dass ein Studium der Germanistik die „Grundlage“ und somit eine akademische Vorbildung als Berufsvoraussetzung „zwingend notwendig“ ist. Überhaupt erscheint ihr die journalistische Ausbildung „sehr breit gefächert“, da sie dem Journalisten ein umfassendes Allgemeinwissen vermitteln muss, „was in die Politik reingeht, in Wirtschaftswissenschaften.“ Was die Arbeitsbedingungen im Journalismus angeht, erscheint Sonja vor allem das Fernsehen, aber auch der Hörfunk als Arbeitsplatz für einen Journalisten aufregender und „interessanter“ als ein Job in einer Zeitungsredaktion. So sagt sie: „Man erreicht wahrscheinlich MEHR Leute, und ich denke vom ganzen Umfeld, es läuft einfach anders
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ab beim Fernsehen als jetzt in ner Redaktion. Redaktion stellt man sich, ja, eher so [als] Bürobetrieb [vor] …, während Fernsehen ist doch ne andere Welt.“ Vielleicht würde das aber auch nur dem „Laien“ so erscheinen. Dennoch ist sie sicher: „… so auf den ersten Blick, denke ich, ist Fernsehen schon interessanter. Und Rundfunk genauso.“ Bei einer Entscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern geht man als Journalist aus Sonjas Sicht zu den Privaten, wo man als Journalist sicherlich „mehr Freiheiten genießen würde.“ Journalisten bei öffentlich-rechtlichen Sendern seien hingegen „eingeschränkter in der Berichterstattung“. Sonja hat dementsprechend die Vorstellung, dass in öffentlich-rechtlichen Anstalten „so eher Beamtentum herrscht und bei den Privaten eher der freie Journalismus vorherrscht.“ Im Printmedienbereich erscheint ihr die Arbeit bei einer überregionalen Zeitung attraktiver, und zwar aufgrund der vielfältigeren Themenwahl, weil Lokaljournalisten „eingeschränkter, begrenzter in ihrer Berichterstattung [sind], weil es eben regional ist, weil es lokal begrenzt ist …“ Als Journalist bei einer Qualitätszeitung habe man hingegen „alle Möglichkeiten“ und bekäme mit der Zeit „ein wesentlich BREITERES Blickfeld.“ Rundfunk und Zeitung stellen für Sonja gleichermaßen den klassischen Arbeitsplatz eines Journalisten dar, wobei ihr ganz spontan Kriegsberichterstatter aus dem Fernsehen einfallen. Außerdem denkt sie bei der Frage nach dem für Journalisten typischen Ressort zunächst einmal an die aktuelle politische Berichterstattung. Der journalistische Berufsalltag ist in Sonjas Vorstellung „zweigeteilt“ und besteht zum einen aus Recherchetätigkeiten vor Ort, „an der Front sozusagen“, sowie aus „Büroarbeit, denn das muss ja auch verarbeitet werden, was da an Informationen kommt.“ Sonja gibt zunächst an, vom Durchschnittsgehalt eines Journalisten kaum eine Vorstellung zu haben, äußert dann aber den Gedanken, dass, „wenn man sich da in diesem Bereich gut etabliert hat und eben erfolgreich ist, … auch Karriere machen und dann auch gut verdienen kann.“ Sie setzt das Durchschnittsgehalt eines Journalisten mit „zehntausend Euro“ brutto dementsprechend hoch an. Allerdings zähle „sicher ein gutes Beziehungsgeflecht dazu“, um als Journalist erfolgreich zu sein. Besondere Attraktivität spricht Sonja dem Journalistenberuf deshalb zu, weil er Flexibilität und Abwechslungsreichtum garantiere. So könne man als Journalist – je nach Interesse – auch in anderen Berufsfeldern tätig werden, beispielsweise in der „Öffentlichkeitsarbeit“, bei einer „MODEzeitschrift“ oder „Frauenzeitschrift“ oder als Persönlichkeitsberater von Managern großer Unternehmen. Sonja begeistern dabei vor
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allem die zahlreichen Kontakte zu anderen Menschen, die mit der Tätigkeit einhergehen, sowie die Chance, an „Informationen [zu kommen], die man als Normalsterblicher … NICHT bekommt.“ Sonja gerät bei dieser Vielfalt regelrecht ins Schwärmen: „… das finde ich einfach interessant und spannend, … weil es sich auch eigentlich NIE wiederholt, sondern immer wieder neue Sachen sind und auch irgendwo neue Herausforderungen bietet, auch auf verschiedene Menschen einzugehen, auf verschiedene Charaktere, auf, ja, verschiedene Lebensbereiche auch, je nachdem, was man da eben gerade bearbeitet. Aber es ist nie langweilig, denke ich, der Beruf des Journalisten oder der Journalistin.“ Andererseits geht das Journalistendasein aus Sonjas Sicht auch mit Stress einher, „weil man immer unterwegs sein muss, weil man dauernd mit anderen Menschen zu tun hat, weil man sich auf verschiedene Situationen auch einstellen muss …“ Zudem gibt sie zu bedenken, dass Journalisten mitunter gefährlich leben, zum Beispiel Berichterstatter in Kriegsgebieten. So findet sie deren Leistung zwar „schon sehr bewundernswert, absolut, ja“, doch sei eine solche Tätigkeit nur schwer mit einem Familienleben zu vereinbaren. Sonja stellt keine konkreten Forderungen an den Umgang der Journalisten mit Informationen, kann sich aber weder vorstellen, dass sie immer unabhängig berichten noch dass sie ihrem Publikum gegenüber stets ehrlich sind. So hätten sich beispielsweise Zeitungs- oder Zeitschriftenredakteure fast immer den politischen Vorstellungen der Verlage oder Herausgeber zu beugen. Und auch bei Fernsehsendern, glaubt Sonja, würde „schon ne gewisse RICHTUNG zumindest vorgegeben.“ Auf die Ehrlichkeit der Journalisten hofft sie daher eher als dass sie fest daran glaubt, weil für sie ganz einfach die Frage nahe liegt: „… wie weit ist dann auch ein Journalist bereit, die Wahrheit da etwas zu verfälschen, nur um ne gute Story abzuliefern?“ Dennoch glaubt sie nicht, dass Journalisten Informationen „GRUNDSÄTZLICH manipulieren oder GANZ verfälschen“, auch wenn sie „vielleicht das eine oder andere, ja, hinzufügen oder auch wegnehmen, um das auch den Zuschauern oder Hörern oder Lesern gut rüber zu bringen.“ Nur die Boulevardjournalisten nimmt sie davon aus. Hier sind aus Sonjas Sicht Rücksichtslosigkeit und Unehrlichkeit an der Tagesordnung. So kann sie sich vorstellen, „dass es da auch sehr aufdringliche Reporter gibt, die zum Beispiel Prominente irgendwie BEDRÄNGEN oder wie auch immer, die Privatleben nicht respektieren, die eben sehr aufdringlich sind oder auch falsche Nachrichten irgendwo weitergeben oder VERFÄLSCHEN.“ Dem-
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entsprechend ablehnend steht Sonja dem Boulevardjournalismus gegenüber, was auch daraus ersichtlich wird, dass die „Klatschreporter“, wie sie sie nennt, ihre Toleranzgrenze teilweise deutlich überschreiten. Sie könne nicht akzeptieren, dass Journalisten in die Privatsphäre anderer Menschen eindringen würden, ohne dass sich diese dagegen wehren könnten. Als Negativbeispiel führt sie die Berichterstattung nach dem plötzlichen Unfalltod von Lady Diana an, bei der die Trauer der damals noch minderjährigen Prinzen William und Harry ihrer Meinung nach unverblümt in den Medien zur Schau gestellt wurde. Sonja ärgert sich: „Also es muss nicht unbedingt sein, dass man Menschen da so, ja, bloßstellt auch irgendwo oder auch in ihrer Trauer zeigt oder, wie gesagt, so in die Privatsphäre eindringt. Das geht manchmal ZU weit.“ Und auch die öffentliche Darstellung des Privatlebens von Politikern hält Sonja für überzogen. So empört sie sich: „… das denke ich, sollte man außen vor lassen, denn die machen auch ihren Job, stehen in der Öffentlichkeit, und ich denke, man muss nicht alles wissen, wie die sich privat auch geben. Also ich muss keinen Gerhard Schröder in der Badehose sehen oder so, ja, nee. Das muss nicht sein!“ Die Ursache dieses Berichterstattungsstils erkennt Sonja darin, mit solchen Meldungen ein breites Publikum zu erreichen, weil „viele Leute … ja wirklich sensationsGIERIG“ sind. Für sie liegt das Prinzip klar auf der Hand, das sie folgendermaßen erklärt: „… das ist dann natürlich auch die Karriere, die da im Vordergrund steht: ‘Wie bin ich erfolgreich? Indem ich viele Menschen erreiche. Und wie erreiche ich viele Menschen? Indem ich deren Neugierde befriedige.’ Das ist dann so ein schmaler Grat, denke ich, auch für einen Journalisten, für sich da selbst die, die Richtung zu finden …“ Doch generell glaubt Sonja nicht, dass Journalisten „über Leichen“ gehen: „… ich denke, dass die meisten da schon ihre Grenzen kennen und auch akzeptieren.“ Dass Journalisten „schon Einflussmöglichkeiten haben“, davon ist Sonja überzeugt. Allerdings erscheint ihr der Machtbegriff als „vielleicht zu stark“, und auch bei der Frage, wie sie die Macht des Journalismus bewertet, möchte sie sich nicht festlegen. Stattdessen gibt sie zu bedenken: „Man darf nicht alles glauben, was man liest, hört, sieht, ja. Da muss man schon kritisch mit umgehen, denke ich. Also es gibt … Menschen, die glauben alles, was in der Bild-Zeitung steht, sage ich mal, oder im Stern oder wo auch immer. Ich denke, da muss man schon etwas differenzierter rangehen und die Informationen aufnehmen und dann vielleicht mehrere Artikel zu einem Thema lesen, um sich da für sich ein Bild machen zu können.“
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4.1.10 Interview mit Helmut (65): „Eigentlich ist das ein toller Beruf, würde ich sagen, hätte ich auch gerne gemacht vielleicht. Erstens, weil sie rumkommen …/ Es gibt ja Journalisten, also es gibt ja diesen politischen Journalismus, es gibt ja den wirtschaftlichen Politjournalismus, es gibt auch den ABENTEUERjournalismus und den, den LEBENSGEFÄHRLICHEN, wenn die also, … wie jetzt im Irak, mitten drin sind.“ Helmut hat nach seinem Realschulabschluss eine Speditionskaufmannslehre gemacht und war berufsbedingt häufig im Ausland unterwegs, hat dort sogar einige Jahre gelebt. Mittlerweile ist er im Ruhestand. Helmut liest regelmäßig Zeitung: unter der Woche eine regionale Abonnementzeitung und „gelegentlich die FAZ, sonntags in jedem Fall.“ Mit Zeitunglesen verbringt er täglich „mindestens ne Stunde“, wobei er angibt, sich vor allem für den Wirtschafts- und Politikteil zu interessieren. Fernsehen schaut er täglich im Schnitt „anderthalb Stunden, zwei Stunden MAXIMUM“, wobei er sich auf die Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Sender konzentriert, aber auch Talksendungen wie Sabine Christiansen ansieht, auch wenn ihm „diese Gesprächsrunden ein bisschen auf die Nerven gehen.“ Privatsender schaltet er nur für Sportübertragungen ein. Helmut hört außerdem Radio: meistens beim Autofahren und dort am liebsten hr 1 weil ihm die Mischung aus politischen Kommentaren und Musik gut gefällt. Das Internet nutzt er nur „ein bisschen“, vorwiegend zum Verschicken von E-Mails. Das Gespräch findet in Helmuts Wohnzimmer statt und wird zwei Mal für kurze Zeit unterbrochen. Die Atmosphäre ist freundlich, und Helmut lässt sich durch das Aufnahmegerät nicht beeindrucken. Im Gegenteil: Er erzählt auffallend viel und sehr lebhaft, so dass es schwer fällt, bei bestimmten Themen „nachzuhaken“. Beim Journalisten, den Helmut vor seinem inneren Auge sieht, handelt es sich um eine Person, die vom Alter her mindestens „Fünfunddreißig, … Vierzig“ ist. Ein Journalist müsse über die notwendige Erfahrung verfügen, um hochrangige Gesprächspartner in angemessener Weise anzusprechen. Denn um von „im Blickpunkt stehende[n] Menschen, Hartz9 und Co.“, einen Kommentar zu kriegen, sollte ein Journalist Helmuts Auffassung nach „schon eine sehr vertrauensvolle Persönlichkeit sein …“ Bei der Frage nach dem Geschlecht des typischen Journalisten denkt Helmut „SPONTAN“ an 9
Gemeint ist damit Peter Hartz, ehemaliger Personalvorstand von Volkswagen.
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einen Mann, lehnt aber eine Festlegung auf ein bestimmtes Geschlecht ab. Er verweist stattdessen auf Journalistinnen wie „Christiansen, Maischberger und so weiter, die eine tolle Arbeit leisten“, und stellt fest: „… in den letzten Jahren, muss ich sagen, hat sich das Bild völlig aufgelöst. Mann, Frau, ganz klar …“ Von der äußeren Erscheinung, den geistigen Fähigkeiten und Charakterzügen eines Journalisten zeichnet Helmut ein durchweg positives Bild. So müsse er sich gut verkaufen können, außerdem „Vertrauen ausstrahlen“, „sympathisch sein“ und „eine Begabung haben, auf Menschen zuzugehen“. Und das hat für Helmut nichts mit Schönheit zu tun, sondern mit Charisma, denn er erklärt: „Wenn jemand intelligent ist und … eine gute Stimme hat und auf Menschen zugehen kann und … kann zuhören, dann vergessen Sie, wie der Mensch aussieht. Das ist ja völlig irrelevant, denn die Person ist wichtig, was kommt da rüber.“ Für Helmut ist insbesondere die Feinfühligkeit von Journalisten nicht nur ein Ideal, sondern durchaus auch in der Realität bei Berufsvertretern zu beobachten. Das beste Beispiel sei Johannes B. Kerner, der auf seine Gesprächspartner derart sensibel eingehen könne, dass sie sich plötzlich öffnen und dabei ganz vergessen würden, „dass sie vor Millionenpublikum sprechen.“ Fasziniert erklärt Helmut: „… das ist ja das Schöne, das ist ja das TOLLE, was ein Journalist fertig bringen kann, wenn er’s kann: den Menschen einzuschließen in sich, ne, ihm das Gefühl zu geben, er ist bei ihm zu Hause, es ist eigentlich nur ein Zwiegespräch, ein VierAugen-Gespräch.“ Andererseits regt sich Helmut über Journalisten auf, die unfähig sind, die richtigen Fragen zu stellen. Er denkt dabei spontan an die Gruppe der Sportreporter und ihre „Scheißfragen“. Dennoch überwiegen in Helmuts Vorstellungsbild von Journalisten die positiven Eigenschaften. Und das sind in seinen Augen – abgesehen von Charisma und Sensibilität – „ein HERVORRAGENDES Allgemeinwissen“ und Mut. Ein Journalist, der Helmuts Journalistenideal relativ nahe kommt und den er dementsprechend bewundert, ist Klaus Bednarz. Seine Berichte würden ihn „hoch begeistern“, und Helmut gesteht: „… das ist etwas, wo ich sage: ‘… Das würde ich auch gerne machen.’ Das ist hochinteressant.“ Ein Studium sieht Helmut als notwendige Voraussetzung für einen Berufseinstieg in den Journalismus an, wobei die akademische Ausbildung Fächer wie „Politik“ und „Wirtschaft“, aber auch „Geographie“ und „Geschichte“ umfassen sollte. Von allen Medien empfindet Helmut den Hörfunk am anspruchsvollsten und äußert spontan den Gedanken, dass sich ein Journalist am liebsten für einen Arbeitsplatz im Rundfunk entscheidet. Au-
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ßerdem vermutet er, dass es schwer sei, vom Printmedienjournalismus später in den Rundfunk zurückzukehren, wenn man einmal den Einstieg verpasst habe. Doch dann widerruft Helmut seine Aussage plötzlich, da das Radio in seinen Augen an Bedeutung verloren hat. Die Frage, für welches Medium sich ein Journalist am liebsten entscheidet, lässt er letztendlich unbeantwortet. Im Fernsehjournalismus macht Helmut die Attraktivität des Arbeitsplatzes vornehmlich von der „Persönlichkeit des Menschen“ abhängig. So würde ein Journalist, „der was erleben will, der würde immer zu den … Privaten gehen, weil die haben durch die Werbung mehr Geld, vielleicht auch mehr Einfluss und bewegen sich schneller, die müssen KÄMPFEN.“ Außerdem bieten diese Sender aus Helmuts Sicht die besseren Karrierechancen. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hingegen vergleicht er mit einer beamtenähnlichen Institution, in der die Angestellten „wie Lehrer bezahlt werden, nach irgendwelchen [Tarif-]Klassen“, und nicht durch ihre persönliche Leistung Karriere machen, sondern durch die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit. „Wenn du lange genug gedient hat, dann bist du irgendwann einmal ganz oben“, erklärt Helmut dieses Prinzip, was er persönlich „nicht so gut“ findet. Doch erkennt Helmut gleichzeitig, dass solche Aspekte aufgrund der unsicheren Arbeitsmarktsituation, die seiner Meinung nach auch vorm Journalismus nicht halt macht, heutzutage wohl kaum eine Rolle spielen würden, denn er stellt fest: „… ich meine, heute kannst du wahrscheinlich nicht fragen, ne, wenn du im Öffentlich-rechtlichen einen Job kriegst, dann … würdest du den wahrscheinlich sofort nehmen, würdest gar nicht nachdenken! Alleine schon am Punkt Sicherheit, ne.“ Was die Attraktivität von lokalem und überregionalem Printmedienjournalismus angeht, fällt Helmuts Urteil eindeutig aus. Hier entscheidet sich ein Journalist „immer für das interessantere Blatt, für das größere Auflagenblatt“, weil er „in ner großen Redaktion mehr Chancen“ hat. Er erklärt: „Erstens kommt er an mehr Informationen ran, kann sich ne bessere Meinung bilden, hat mehr Möglichkeiten.“ Die Lokalzeitung sei hingegen „das Minimum wahrscheinlich an Zeitung, mehr oder weniger ein Informationsblatt, was in der Gemeinde passiert.“ Ihre Meldungen, so Helmut, würden über Berichte von Einbrüchen, Autobeschädigungen oder den Neubau eines Kreisels meist nicht hinausgehen. „Ich denke in erster Linie an die schreibende Zunft“, erklärt Helmut im Laufe des Gesprächs und macht damit deutlich, dass der Journalist in seiner Vorstellung typischerweise bei einer Zeitung arbeitet. Allerdings verknüpft
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er mit dem Beruf kein spezielles Ressort. Dafür hat Helmut vom journalistischen Berufsalltag konkrete Vorstellungen, denn dieser besteht in seinen Augen vornehmlich aus Recherchetätigkeiten, die der Journalist größtenteils vom Schreibtisch aus erledigt. Dabei bediene er sich auch neuester ITTechnik, beispielsweise um angesprochene Themen weiter zu verfolgen, was Helmut an dem Beruf „HOCHINTERESSANT“ findet. Darüber hinaus sei ein Journalist auch mit dem „Dingfestmachen von … Ansprechpartnern“ beschäftigt, beispielsweise von Politikern, was aber nicht immer einfach und als Fernsehjournalist noch am ehesten zu bewerkstelligen sei, „weil die Burschen natürlich auch sich ständig präsentieren wollen, ne.“ Wie ein solcher Interviewtermin abläuft und was hinterher geschieht, davon hat Helmut ein ziemlich genaues Bild: „Meistens wird es mitgeschnitten, meistens wird der Text natürlich geschrieben und meistens kriegt der Herr Hartz, der Angesprochene, jetzt natürlich auch den Text und sagt: ‘Okay, so kannst du ihn veröffentlichen.’ Das ist so, wahrscheinlich.“ Vom Durchschnittsgehalt eines Journalisten hat Helmut „WIRKLICH keine Ahnung“, schätzt aber dessen Bruttoeinkommen auf „vier-, fünftausend Euro“ pro Monat, sofern er „nicht gerade Sensationsreportagen macht und im Ausland ist und Gefahrenzulage kriegt …“ Für Helmut ist der Beruf mit Stress verbunden, weil ein Journalist in seinen Augen stets kreativ sein muss und dabei stets unter Zeitdruck steht. Helmut staunt: „Es muss ihnen jedes Mal was einfallen. Ich weiß überhaupt nicht, wie die Journalisten das machen!“ Doch der Druck lohnt sich, weil das Journalistendasein in Helmuts Augen auch zahlreiche Chancen bietet und einfach „ein toller Beruf“ ist. Ihm selbst hätte ein solches Leben auch gefallen, aber immerhin habe er durch seinen Beruf ähnliche Möglichkeiten gehabt, „Menschen kennen zu lernen … und Sprachen zu sprechen.“ Andererseits birgt das Journalistendasein aus Helmuts Sicht auch lebensbedrohliche Gefahren, wobei er an die Kriegsberichterstatter aus dem Irak denkt. Allerdings sei dies „übertriebener Journalismus“, und Helmut erklärt auch, warum er das so sieht: „Das ist wie ein Bergsteiger, der hochsteigt und dann anschließend gerettet werden muss, weil er sich in Gefahr begeben hat und ANDERE wiederum in Gefahr bringt. Davon halte ich überhaupt nichts. Nein, nein, das muss nicht sein.“ Doch auch in anderen Bereichen riskieren Journalisten aus Helmuts Sicht ihr Leben, so zum Beispiel bei investigativen Recherchen, wo sie Gefahr laufen, „verhaftet zu werden, erschossen zu werden …“ Allerdings sieht er das Leben deutscher Journalisten als weniger gefährlich an als das ihrer Kollegen in anderen Län-
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dern, beispielsweise in den USA. Jedenfalls geht er davon aus, „dass ein Journalist in Amerika, der offen berichtet gegen die Regierung, noch gefährlicher lebt im Verhältnis als hier bei uns zum Beispiel im europäischen Bereich.“ Helmut erwartet von Journalisten, dass sie „keine halben Sätze publizieren“ und Informationen „wertfrei“ und „neutral“ verkaufen. Gleichzeitig fordert er, dass sie Ereignisse bewerten, denn er sagt: „… der Kommentator links oder rechts oder innen drin, DIE will ich lesen, DAS sind für mich die Journalisten, die das bewerten, die Situation.“ Dabei sollte die Meinung des Journalisten „ehrlich“, das heißt „parteipolitisch … nicht eingefärbt“ sein. Doch gerade das, findet Helmut, sei „sie aber leider in Deutschland zu oft“, und auch mit der Wahrheitsliebe nehme es der Berufsstand nicht immer genau. Er ärgert sich: „Was im Journalismus passiert, Bild-Zeitung, würde ich mal sagen, passiert das OFT, dass Leute aus einer Konversation heraus, wie wir sie jetzt machen, … aber die nehmen dann Sätze und nehmen Tatsachen, also gewisse Sätze raus und publizieren nur die Hälfte davon.“ Das hält Helmut für „sehr unseriös“ und spricht vor allem den BildZeitungsjournalisten zu, die negativen Folgen einer solchen Berichterstattung bewusst in Kauf zu nehmen: „Dafür haben sie auch ihre Juristen und haben Budgets …“ In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass Journalisten dabei teilweise auch Helmuts persönliche Toleranzgrenze überschreiten. Dies ist für ihn immer dann der Fall, wenn Medienakteure zu tief in die Privatsphäre anderer Menschen eindringen – auch in die von Politikern –, wenn Journalisten beispielsweise „dem Schröder nachweisen oder versuchen nachzuweisen, dass er seine Haare gefärbt hat.“10 Sichtlich echauffiert stellt Helmut fest: „Also das finde ich also einen beschissenen Journalismus, muss ich sagen. Das muss nicht sein, ne.“ Er selbst habe sich im Übrigen die BildZeitung „noch nie gekauft“, sondern sie nur „vor lauter Langeweile“ gelesen, wenn sie „irgendwo rumlag“. Ihre Meldungen hält Helmut nämlich für „einseitig“; außerdem würde „das Kleingedruckte“ nur die dicken Schlagzei10 Im Januar 2002 zitierte die Nachrichtenagentur ddp die Münchener Imageberaterin Sabine Schwind von Egelstein, die dem Kanzler im Zuge der Bewertung seines Images geraten hatte, zugunsten seiner Glaubwürdigkeit auf das Tönen seiner Haare zu verzichten. Nachdem Gerhard Schröder gegen die Meldung protestiert hatte, zog sie ddp zurück, akzeptierte aber nicht die anschließend erlassene einstweilige Verfügung. Der Streit landete daher vor dem Hamburger Landgericht, das dem Kanzler schließlich Recht gab und ddp untersagte, die Meldung weiterhin zu verbreiten (vgl. AFP Agence France-Presse, 2002).
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len in anderer Form wiederholen. Er bilanziert: „…ich würde sagen, das ist das Billigste, was sie an Zeitung aufmachen, aber es genügt dem Otto, dem Normalverbraucher …“ Andererseits erkennt Helmut im sensationalisierenden Stil der Bild-Zeitung eine Absatzgarantie, denn „die bringen diese Schlagzeilen, weil sie die Zeitung nicht anders verkaufen wollen, weil, das sind ja ganz seriöse Journalisten.“ Einen Chefredakteur der Bild-Zeitung habe er schon einmal in der Sendung Sabine Christiansen erlebt. Und entgegen seiner auffallend barschen Kritik am Boulevardjournalismus spricht aus Helmuts Worten Anerkennung für diese Person: „… ein HOCHINTELLIGENTER Mann, toller Typ und so weiter. Verdient natürlich massig Geld und steuert das Blatt, ne.“ Richtig wütend macht Helmut der Gedanke an eine Instrumentalisierung des Journalismus durch den organisierten Terrorismus. Er denkt dabei an die Selbstmordattentäter im Nahen Osten, denen die Jagd der Journalisten nach Sensationen aus seiner Sicht direkt in die Arme spielt. So würden es Terroristen ausnutzen, dass die Schreckensmeldungen über derartige Anschläge die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf sich ziehen würden. Und diese Instrumentalisierung ärgert Helmut ebenso wie die Sensationsgier der Journalisten. Wutschnaubend stellt er fest: „Sie bedauern ja nur, die da unten berichten, dass sie nicht das SENSATIONSBILD kriegen, wo der Bus direkt in die Luft fliegt. Das wäre natürlich das Sensationsfoto, das würden die ja sogar noch PUBLIZIEREN. Das finde ich den hässlichen Journalismus, ja. Aber ich unterstelle, dass genau dieser Journalismus DIESE Leute dazu veranlasst, immer mehr sich in die Luft zu sprengen …“ Fast fehlen ihm die Worte, so sehr regt er sich über diesen Gedanken auf: „Das ist ja, das ist ja HORROR, das ist ja!“ Andererseits schreibt Helmut den Medien bedeutsame Funktionen zu, wenn nicht gar einen zentralen Stellenwert in der Gesellschaft. Beinahe feierlich erklärt er: „Journalismus ist, das ist unser Leben.“ So sei Journalismus vor allen Dingen „AUFKLÄRUNG“ in Fällen, „wenn die Politik oder die Wirtschaft und so weiter versagt.“ Dann würden Medien wie der Spiegel ihre Journalisten losschicken, glaubt Helmut, die „ganz TOLLE Leute“ seien und „sicherlich auch mit sehr viel Geld behaftet, die manche Leute eben zum Reden zwingen …“ Schmiergeldzahlungen an Informanten, für die der Spiegel aus seiner Sicht „ein RIESENBUDGET“ zur Verfügung stellt, hält er dabei für gerechtfertigt und Journalisten, die „Betrügereien“ von Politikern aufdecken, für durchaus anerkennenswert. In pathetischem Ton erklärt er: „Ich danke diesen Journa-
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listen, die das machen, die Sachen so knallhart bringen. Und ich glaube, dass wir auch hier bei uns in Europa, speziell in Deutschland, diesem offenen Journalismus sehr viel verdanken.“ 4.1.11 Interview mit Willy (60): „… das ist ein Reporter oder, der Berichte bringt in Zeitungen oder Sportberichte zum Beispiel … Journalist, ja, gut, meistens also, das ist meistens, der Meinung bin ich schon, dass das also mit der Zeitung zusammenhängt, ja.“ Willy hat acht Jahre lang die Volksschule besucht und danach eine Lehre zum Feinmechaniker sowie eine weitere Ausbildung zum Flugzeugmechaniker gemacht. Als solcher ist er auch heute noch tätig. Willy liest morgens auf dem Weg zur Arbeit Zeitung, manchmal auch „zu Hause noch zum Kaffeetrinken“, und zwar eine regionale Abonnementzeitung. Außerdem guckt er durchschnittlich zwei Stunden am Tag Fernsehen, wobei er meist private Sender einschaltet – wenn auch nicht ausschließlich. So erklärt er: „Das kommt drauf an, … nicht unbedingt, dass ich also nur private Sender anschaue, auch wenn’s ARD oder irgendwas ne gute Sendung bringt, und dann Monitor oder irgendwas in der Richtung, … gucke ich mir das lieber dort an.“ Radio hört Willy ebenfalls, „gerade am Wochenende und wenn man mal den ganzen Tag zu Hause ist“, außerdem morgens beim Aufstehen. Als weiteres Medium nutzt er das Internet, meistens aber nur in der Firma. Obwohl Willy bei der ersten Kontaktaufnahme skeptisch war und ausdrücklich darum gebeten hat, dass seine Daten vertraulich behandelt werden, findet das Gespräch in offener und freundlicher Atmosphäre statt. Auch von Nervosität oder Aufregung ist bei Willy nichts zu spüren. Beim Alter und Geschlecht eines Journalisten orientiert sich Willy vornehmlich daran, wie er sich den Idealtypus vorstellt. Vom Alter her sei dieser „zwischen Dreißig und Fünfzig“, weil er „schon ein bisschen Erfahrung haben“ sollte. Das Geschlecht eines Journalisten spielt für Willy dabei keine Rolle. So sagt er: „… also da lege ich also keine Schwerpunkte drauf, dass es jetzt unbedingt im Sport wegen mir ein Mann sein muss oder irgendwas. Wenn die Frau … das gut rüberbringt, dann bin ich genauso bereit, das zu akzeptieren beziehungsweise zu LESEN, ja, also das ist für mich nicht bindend in dem Fall, ja.“ Nur mit zwei bestimmten Journalistengruppen verbindet Willy ein typisches Geschlecht. Dies gilt zum einen für den Bild-
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Zeitungsjournalisten, bei dem Willy an einen Mann denken muss, weil er nicht sicher ist, „ob ne Frau genauso in der Lage ist oder beziehungsweise die, die Gedanken hat wie der Mann, dass er dann also n Riesenletter reinbringt in die Zeitung.“ Denn schließlich sei dieser Reporter in erster Linie auf „Klatsch …, also ne Reisenschlagzeile [aus], wo nichts hintendran steht …“ Bei der Regenbogenpresse – „das Grüne Blatt oder die Dinger wie sie alle heißen“ – stellt er sich hingegen eine Journalistin vor. In Willys Vorstellung verfügt ein Journalist über ein gepflegtes Äußeres: „Das ist schon, schon BESSER das, das Erscheinungsbild, auf jeden Fall.“ Zudem müsse er – zumindest beim Radio – eine „angenehme Stimme“ haben und nicht zuletzt „gut schreiben können“. Außerdem spricht Willy Journalisten die Fähigkeit zu, sich selbstbewusst und redegewandt in Szene setzen zu können, was aus seiner Sicht eine Frage der Begabung ist, auch wenn man das seiner Meinung nach noch „verfeinern“ kann. Jedenfalls nimmt er an, dass das „schon ein bisschen in den Genen drin sein [muss] von nem Menschen.“ Auch in der Realität, so Willy, könnten sich Journalisten „gut verkaufen“, auch wenn damit die Aufrichtigkeit ihrer Aussagen noch lange nicht garantiert sei. So gibt er zu bedenken: „… ob sie es dann auch MEINEN, das ist ne andere Sache …“ Ein Journalist, der Willys Idealbild nahezu entspricht und „auf ne bestimmte, ehrliche Art auf die Leute [zugeht]“, ist Harry Valérien. Willy erklärt: „… der hat die BEGABUNG, sagen wir mal, wegen mir einen Menschen zu interessieren, dass er also das wirklich dann mit, mit Spannung zuhört und dran interessiert ist …“ Über die journalistische Ausbildung weiß Willy nichts und hat sich darüber auch „noch keine Gedanken gemacht.“ Die Arbeit in einer Zeitungsredaktion hält er im Vergleich zum Rundfunk für attraktiver, weil dort die Artikel des Journalisten namentlich gekennzeichnet würden und ein Rundfunkjournalist – „der Tagesschau-Sprecher oder der, der Moderator von der Sendung“ – im Gegensatz dazu die Dinge einfach nur wiedergebe. Allerdings hat Willy in diesem Zusammenhang deutliche Schwierigkeiten, seine Gedanken in Worte zu fassen. Im Rundfunkbereich selbst macht er die Arbeitsplatzwahl vom journalistischen Interessensgebiet des Redakteurs abhängig. So entscheide sich ein Journalist mit Interesse am Politjournalismus eher für einen öffentlich-rechtlichen Sender. Außerdem nimmt Willy an, dass die Arbeit bei ARD und ZDF „schon ein bisschen mehr Intelligenz“ erfordert. Journalisten, die Sendungen machen wollten, „wo also über Klatsch und Tratsch, über sonst was gesprochen wird“, seien hingegen bes-
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ser bei den Privatanbietern aufgehoben. Im Printmedienbereich entscheiden sich Journalisten aus Willys Sicht zunächst einmal für eine Tätigkeit bei einer Lokalzeitung, um auf diese Weise praktische Erfahrungen zu sammeln. Diese sei erforderlich, um überhaupt bei großen Qualitätszeitungen landen zu können. Zudem könne man sich bei einer Zeitung wie der FAZ „weniger Schnitzer erlauben“, so Willy, weil „schon ein Leser hintendran[steht], der sich Gedanken drüber macht, ne, und nicht nur einfach LIEST über irgendwas …“ Wie seine spontanen Assoziationen deutlich machen, verbindet Willy mit dem Journalistenberuf primär einen Arbeitsplatz im Printmedienbereich, „also Zeitungen und so weiter …, also was zum Lesen, und nicht zum Sehen oder Hören, ja.“ Allerdings kommt ihm dabei kein spezifisches Ressort in den Sinn, und auch bei der Frage nach dem Gehalt eines Journalisten zeigt Willy Unsicherheiten. So schätzt er „unter Vorbehalt“ dessen monatlichen Durchschnittsverdienst auf „viertausend Euro“ brutto, wobei er die Höhe vor allem vom Alter und Können des Redakteurs abhängig macht. In Willys Vorstellung befasst sich der Journalist im beruflichen Alltag hauptsächlich mit Recherchen, wobei er glaubt, dass es im Journalismus keine geregelten Arbeitszeiten gibt. Jedenfalls ist Willy überzeugt davon, dass der Beruf „schon ne Sache wiederum [ist], die kein ALLTAG in dem Sinn ist, weil, da wird man immer wieder mit Neuem konfrontiert …“ Bei der Frage, ob das Journalistendasein in seinen Augen stressig ist, möchte sich Willy nicht festlegen, weil er dies vor allem von der Freude an der Arbeit abhängig macht. So erklärt er: „Wenn mir ein Beruf Spaß macht, dann ist es mir egal, ob ich jetzt als Beispiel jetzt aus meiner Freizeit rausgeholt werde und irgendwo vor Ort irgendwo bin … oder ich weiß, ich muss recherchieren wegen mir in den Abendstunden, dann würde ich das gerne machen, ne.“ Willy findet, dass ein Journalist „unparteiisch“ und „wahrheitsgemäß“ berichten sollte. Außerdem müsse er „ne Sache ausschmücken ein bisschen, nicht nur ganz stur berichten über irgendwas“, um beim Publikum Spannung zu erzeugen und es auf diese Weise zu fesseln. Willy glaubt allerdings nicht, dass Journalisten seine Erwartungen tatsächlich in vollem Umgang erfüllen. So widerspreche alleine schon die politische Tendenz der Zeitungen seiner Forderung nach Unparteilichkeit. Er erklärt: „Die eine ist, wegen mir, rot orientiert, die andere ist schwarz orientiert. Ich meine, da … ist schon ein bisschen Abhängigkeit da, ne, also.“ Doch traut sich Willy zu, die politische Färbung der Zeitung und somit die Einflussnahme der Journalis-
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ten zu durchschauen. In überzeugtem Ton sagt er: „Also das, das merke ich schon, ne, und DA gehe ich drüber hinweg und sage mir: ‘Pass’ auf! Was der da berichtet hat, das ist nicht meine Meinung, ne.’“ Daher könne ein Journalist in seinen Berichten auch ruhig seine eigene Überzeugung erkennen lassen. Willy sieht das gelassen: „… ich meine, das, das ist ja sein Recht, warum nicht, das, das kund zu tun. Und der Leser oder sonst was, der kann es so auffassen, kann es so nehmen und so weiter, aber muss nicht unbedingt der gleichen Meinung sein, ne.“ Von der Ehrlichkeit der Journalisten ist Willy nicht immer überzeugt. Doch kompensiert er den Großteil seiner Zweifel durch die Überzeugung, dass man das Gesagte sowieso nicht überprüfen könne. So sagt er: „Meist ist es ja so, dass man das gar nicht nachvollziehen kann zum Teil, ja. Wenn ich irgendwas jetzt erfahre über, übers Fernsehen oder irgendwas, ne, und habe jetzt keinen Gegenbeweis, dann muss ich es halt glauben, und dann bin ich der Meinung, dass es dann ehrlich ist, ne. Aber es ist schon manchmal garantiert was dabei schon, dass man sagt: ‘Also hundertprozentig stimmt es nicht’, oder ‘schlecht recherchiert’, oder irgendwas in der Richtung, ne, also das.“ Dabei vermutet er journalistische Fehltritte „weniger in den politischen Sendungen“, sondern verstärkt in der Yellow Press des Privatfernsehens, beispielsweise in der Redaktion der RTL-Sendung Explosiv. Doch wird dieser Berichterstattungsstil in Willys Augen weniger durch unzulängliche Recherchen bedingt, sondern vielmehr durch die Lust des Publikums an Sensationen, so „dass man halt was reinhaut, was die Leute eventuell interessieren könnte, weil’s halt jetzt wegen mir Gott weiß was ist.“ Allerdings zeichnen sich nur wenige Journalisten in Willys Augen durch ein fehlendes Verantwortungsbewusstsein aus. Nur „ein kleiner Prozentsatz“ der Berufsvertreter gehe „über Leichen“, vornehmlich die „Paparazzis“, was Willy dennoch ärgert: „Das ist denen vollkommen Wurscht, ne, wie die zu Bildern kommen oder wie die zu Berichten kommen, ne. DA kann man schon sagen, also das interessiert die nicht, was dann die FOLGEN davon sind, ne …“ Vor allem bei den Boulevardmagazinen der Privatsender könne man sehen, zu welchen Maßnahmen solche Journalisten greifen würden, „ob es jetzt Eindringen in … die Privatsphäre ist, in Häuser oder irgendwas oder, oder [jemand] VERFOLGT wird mit dem Auto, weiß der Teufel, was da alles, was die alles NEHMEN, ne.“ Und das findet Willy „schon also manchmal haarsträubend“. Für Boulevardmedien wie die Bild-Zeitung bringt Willy dementsprechend nur wenig Begeisterung auf und erklärt, dass er das Blatt das letzte Mal bei der Bundeswehr
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gelesen habe. Nur den Sportteil von Bild findet er „optimal“, doch insgesamt distanziert er sich von dieser Zeitung und sagt: „… wenn er [Anm.: der Bild-Zeitungsjournalist] meint, dass er da also solche Schlagzeilen bringen muss oder irgendwas, ist in Ordnung, bitte, ne, aber ich lese sie nicht.“ Zur Frage, ob Journalisten Macht haben und wie er dies bewertet, äußert sich Willy nicht, da dieses Thema in dem Gespräch durch ein Versäumnis der Interviewerin nicht angesprochen wird. Allerdings benennt Willy – im Gegensatz zu anderen Befragten – auch nicht von sich aus positive gesellschaftliche Funktionen der Medien. Und auch die Gefahr, dass Journalisten ihren Einfluss im negativen Sinne ausnutzen könnten, erkennt er nicht, noch äußert er Kritik, dass sie dies tatsächlich tun. 4.1.12 Interview mit Alexander (46): „Klatsch.“ Alexander hat nach der Volksschule den Beruf des Werkzeugmachers gelernt und dabei seinen Realschulabschluss gemacht. In diesem Beruf ist er bis heute tätig. Von allen Medien nutzt er das Fernsehen am intensivsten, das heißt durchschnittlich „zwei Stunden“ am Tag, wobei er „eigentlich eher Private“ einschaltet. Außerdem hört er beim Autofahren Radio und liest eine „halbe Stunde“ am Tag Zeitung, die Abonnementzeitung seiner Region. Die Atmosphäre während des Gesprächs, das im Wohnzimmer der Interviewerin stattfindet, ist sehr freundlich. Zunächst wirkt Alexander sehr aufgeregt, was sich jedoch nach einigen Minuten legt. Allerdings erwähnt er mehrmals, dass er die Fragen als „schwierig“ empfindet. Für Alexander ist der typische Journalist „fünfundzwanzig, dreißig Jahre“ alt, doch verbindet er mit dem Beruf nicht zwingend einen Mann oder eine Frau. So erklärt er: „… das ist überhaupt nicht vom Geschlecht abhängig, GAR nicht!“ Von den Eigenschaften eines Journalisten hat Alexander allerdings ganz konkrete Vorstellungen und äußert spontan, dass der typische Berufsvertreter ein „bisschen aufdringlich“ sei – ein Gedanke, den er sogar begründen kann: „… durch die Medien oder durch unser HEUTIGES Fernsehen wird der Journalismus ja eigentlich in Anführungszeichen als Beruf schlecht dargestellt, durch die Klatschpresse teilweise. Das ist immer das erste, woran man da denkt, ja.“ Den äußeren Eindruck, den ein Boulevardjournalist macht, weiß Alexander ebenfalls zu beschreiben: „Ja, immer die Kamera bereit, immer sein Handy am Ohr, viele Informationen,
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wer, wo, was passiert …“ Im Idealfall, so Alexander, sei der Journalist jedoch ein aufgeschlossener Mensch mit „Einfühlungsvermögen“ und umfassendem „Fachwissen“. Ersteres hält Alexander für Genie, doch ist der Beruf in seinen Augen „ein gesunder Mix“ aus Talent und angelerntem Wissen, wobei für ihn die Begabung „WENIGSTENS fünfzig Prozent“ ausmacht. Außerdem erfordert das Journalistendasein in seinen Augen Mut, weil es „wirklich viele Journalisten [gibt], die sich, um die Wahrheit, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen, wirklich in Lebensgefahr bringen, … um anderen Menschen zu helfen …“ Vor allem aber spricht Alexander Journalisten eine gehörige Portion an Neugierde zu, was er „ganz klar positiv“ verstanden wissen möchte: „Neugierde als ALLERERSTES, ein Journalist muss neugierig sein.“ Von der journalistischen Ausbildung hat Alexander „keine Ahnung“, glaubt aber, dass ein Arbeitsplatz beim Rundfunk, insbesondere beim Hörfunk, für einen Journalisten am attraktivsten ist. Als Begründung führt er die häufigeren Kontakte zu anderen Menschen an, die er hinter den Kulissen des Rundfunks vermutet. Die Tätigkeit in einer Zeitungsredaktion erscheint Alexander hingegen eher langweilig. Das sei „viel Schreibarbeit, ja, Büroarbeit.“ Innerhalb des Rundfunkbereichs bieten die Privatsender aus Alexanders Sicht die besseren Arbeitsbedingungen für Journalisten, weil man dort mehr Freiraum habe als bei öffentlich-rechtlichen Sendern. So erklärt er: „Ich glaube, … bei den Öffentlich-rechtlichen könnte, könnte man sich da nicht so entfalten oder die Chance nicht bekommen, sich so zu entfalten wie bei den Privaten.“ ARD, ZDF und die dritten Programme seien einfach „etwas konservativ“. Im Printmedienbereich entscheidet sich ein Journalist in Alexanders Augen am liebsten für eine Stelle bei einer überregionalen Zeitung. „Das glaube ich hundertprozentig so“, erklärt er überzeugt und verweist dabei auf das weitere Themenfeld einer Qualitätszeitung: „… da guckt er, wie man so schön sagt, weiter über den Tellerrand, VIEL weiter, ja.“ Allerdings schätzt Alexander die Anforderungen an das Personal im überregionalen Journalismus als höher ein. Dort muss „ein Journalist mehr können, besser sein wie bei ner lokalen Zeitung.“ Das typische Arbeitsumfeld von Journalisten ist für Alexander der Rundfunk, also Hörfunk und Fernsehen, wobei er beim Ressort „spontan, geprägt durchs Fernsehen, eigentlich [an die] Yellow Press in Anführungszeichen“ denkt. Die wesentlichen Tätigkeiten im journalistischen Berufsalltag beschränken sich aus Alexanders Sicht auf die Gewinnung und Verarbei-
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tung von Informationen. Dabei nimmt er an, dass sich das Verhältnis zwischen Redaktionsarbeit und Außenterminen durch die Art des Journalismus bestimmt, und erklärt: „Ist das die Yellow Press, ist er bestimmt ACHTZIG Prozent außer Haus, und probiert, irgendwelche Storys und Prominente zu fotografieren oder irgendwelche Geschichten zu erfahren und, und, und das. Und im seriösen Journalismus, … glaube ich, da geht’s mehr eigentlich in der Redaktion selber auch [zu] …“ Das Gehalt eines Journalisten weiß Alexander nicht zu beziffern, sieht aber den Journalismus keinesfalls als „brotlose Kunst“ an. So könne man durchaus „SEHR gut verdienen“, vorausgesetzt man sei „super in seinem Geschäft“, wozu ein gutes soziales Netzwerk notwendig sei. Stressig ist der Beruf in seinen Augen auf jeden Fall, weil er annimmt, „dass ein Journalist keine geregelte Arbeitszeit hat.“ Außerdem müsse man sich als Journalist aufgrund der zahlreichen Begegnungen mit anderen Leuten „ja jedes Mal auf den Typ Mensch einstellen …“ Zudem erachtet Alexander den Beruf auch nicht für ungefährlich und verweist auf die Watergate-Affäre11: „Das ist damals von Journalisten ist das ja aufgedeckt worden, Nixon-Affäre, richtig, und die haben ja Morddrohungen bekommen, die haben ja richtig gefährlich gelebt teilweise und zeitweise, ja.“ Alexander verlangt von Journalisten, dass sie unvoreingenommen an Themen herangehen und nur soweit in die Privatsphäre anderer Menschen eindringen, wie diese es zulassen. Zumindest versteht Alexander ein solches Verhalten „unter nem sauberen Journalismus“. Allerdings geht er nicht davon aus, dass Journalisten seinen Ansprüchen tatsächlich gerecht werden, was für ihn aber daran liegt, dass es „in jedem Medienbereich im Journalismus, ob das Yellow Press ist, politisch, in welche Richtung es auch geht, … immer schwarze Schafe [gibt].“ Deswegen könne man auch nicht grundsätzlich sagen, dass Journalisten „über Leichen“ gehen. Alexander erklärt: „Gibt’s bestimmt auch, ne, aber würde ich nicht verallgemeinern. Das kommt, das kommt auf den Journalisten selber drauf an, auf den Charakter, was für ein Mensch er ist und wie karrierebesessen der Journalist ist …“ Verstöße gegen Berufsnormen sind für ihn daher kein spezifisches Merkmal des Journalismus, sondern resultieren grundsätzlich aus dem Wesen eines Menschen. Und auch die Vorstellung, dass Journalisten mit ihrem Publikum „eigentlich nicht“ immer ehrlich umgehen, betrachtet er nicht als ein Charakteristikum des journalistischen Berufsstands, sondern vielmehr als ein 11
Zu den Hintergründen vgl. Fußnote in Kapitel 4.1.6
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soziales Problem. So stellt Alexander desillusioniert fest, „dass unsere Gesellschaft sowieso verlogen ist …“ Als typisch für Journalisten beklagt er lediglich eine fehlende Rücksichtnahme auf die Privatsphäre anderer Menschen, insbesondere bei den Journalisten der „Yellow Press“, was in seinen Augen eine Grenzverletzung darstellt. Doch ist das Wühlen „hinterm Haus vom Prominenten in der Mülltonne“, was er den Reportern der Boulevardpresse unterstellt, seiner Meinung nach auch „eigentlich gar kein Journalismus“. Trotz der negativen Bewertung dieses journalistischen Normverstoßes lehnt Alexander den Boulevardjournalismus nicht gänzlich ab, sondern schreibt beispielsweise der Bild-Zeitung einen festen Stellenwert in der deutschen Medienlandschaft zu. Lachend stellt er fest: „… ja, die gehört dazu, auf alle Fälle, ja. Bild-Zeitung ist ein Stück Deutschland eigentlich.“ Auch er würde sie – aller Kritik zum Trotz – gerne lesen. Amüsiert erzählt er: „Jeder sagt: ‘Um Gottes Willen! Bild-Zeitung! … würde ich mir nie kaufen!’ Ist ja auch so, kaufe ich mir auch nicht! Aber Arbeitskollegen kaufen sie sich, [sie] liegt da, man geht vorbei, blättert mal durch, überfliegt sie.“ Alexander ist überzeugt, dass Journalisten die Macht besitzen, die Politik eines Landes zu beeinflussen – eine Chance, die sie in seinen Augen auch nutzen. Zumindest würden sie es „probieren“, was er aber „nicht immer“ negativ bewertet wissen möchte. So könnten Journalisten auch im positiven Sinne Einfluss nehmen, beispielsweise der Politik „auf die Sprünge“ helfen oder das organisierte Verbrechen bekämpfen. Das sei, so Alexander, „guter Journalismus“ und bewundernswert. Daher plädiert er bei der Bewertung der Macht des Journalismus für eine Betrachtung des Einzelfalls, was aber deutlich macht, dass er den Journalisten Machtmissbrauch zumindest zutraut, auch wenn er dies an keinem konkreten Beispiel festmacht. 4.2 Befragte mit direktem Kontakt zu Journalisten 4.2.1 Interview mit Friederike (46): „… jemand, der sich gründlich mit nem Thema befasst, der in der Welt rumkommt, also wie jetzt zum Beispiel da in Asien, der für eine Zeitung arbeitet, für’s Fernsehen, auch für’s, auch für’s Radio, der zum Beispiel Kolumnen schreibt, der irgendwelche Reportagen macht.“ Friederike hat nach dem Fachabitur eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin absolviert und arbeitet heute als Redaktionsassistentin in einem öffentlich-
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rechtlichen Fernsehsender. Sie hat in ihrem Berufsalltag täglich Kontakt zu Journalisten, gibt jedoch an, nur einen Journalisten persönlich näher zu kennen. Es handelt sich dabei um einen Sportjournalisten, der beim gleichen Sender wie Friederike arbeitet. Beruflich schaut sie relativ viel Fernsehen, allerdings verbringt sie privat mit Fernsehen, Radio und Internet im Durchschnitt insgesamt nur etwa anderthalb Stunden. Dabei schaut sie „eher öffentlich-rechtliche Sender, weil mir bei den Privaten einfach die Werbung total auf den Geist geht.“ Mit der Tageszeitung verbringt sie relativ wenig Zeit, „so Viertelstunde vielleicht.“ Das Gespräch findet in ruhiger und freundlicher Atmosphäre am Arbeitsplatz der Befragten statt. Der typische Journalist ist für Friederike „um die Vierzig“, wobei sie „sowohl an Frauen als auch an Männer denken“ muss. Bei der Frage, ob diese Person ein gepflegter Typ sei, will sie sich nicht festlegen. Sie unterscheidet stattdessen zwischen Journalisten, die vor der Fernsehkamera stehen und dann „natürlich gepflegt“ sind, und solchen, die als Auslandsreporter unterwegs sind und „meistens so verwuschelt“ herumlaufen. Was seinen Charakter angeht, so stellt sich Friederike den typischen Journalisten „seriös“ vor. Außerdem verbindet sie mit dem journalistischen Wesen ganz spontan eine gewisse Hartnäckigkeit sowie die Stärke, auch mit Anfeindungen leben zu können. Diese Eigenschaften spricht sie auch ihrem Kollegen zu: „… also er interessiert sich also mit Leib und Seele für seinen Sport. Das ist ihm TOTAL wichtig! Da ist es ihm auch vollkommen egal, ob er mit allen anderen Leuten aneckt. Ich glaube, dafür mag ich ihn auch, auch wenn er manchmal ein bisschen schwierig so im Umgang ist dadurch, aber irgendwie bewundere ich das, dass er sich so nicht verbiegen lässt, dass er sich mit allen möglichen Leuten anlegt, wenn’s sein muss, und dass es ihm halt wirklich um die Sache geht und nicht, um Macht haben wollen oder Recht haben wollen, sondern es geht ihm um die SACHE.“ Damit kommt dieser Sportjournalist Friederikes Vorstellung vom Charakter des idealen Journalisten relativ nahe, da dieser für sie „wissbegierig“, „gründlich“, „EHRLICH“ und „ehrgeizig“ sein sollte, denn sie findet: „… das muss ja auch nichts Schlechtes sein.“ Außerdem sollte er „auch so ne Leidenschaft haben.“ Wenn sie an Journalisten denkt, die diesem Ideal nahezu entsprechen, fallen ihr – von ihrem Arbeitskollegen abgesehen – zunächst einmal „diese ganzen Alten“ ein wie Friedrich Nowottny und Marion Gräfin Dönhoff, weiterhin Giovanni di Lorenzo, Sonia Mikich sowie Ernst Dieter Lueg. Allerdings ist sich Friederike mit den Namen unsicher und beklagt: „Ich kann mir Namen
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nicht merken. Das ist mein Problem.“ Den Charakter der breiten Masse an Journalisten schildert Friederike hingegen überwiegend negativ. So erklärt sie: „Ja, und wie so viele Journalisten bei uns drauf sind? Da würde ich sagen: ziemlich skrupellos, … zum Teil auch, ja, menschenverachtend ist vielleicht ein bisschen krass, aber wo wenig Respekt anderen Menschen gegenüber da ist, also dass dann ohne mit der Wimper zu zucken irgendwelche, ja, die Privatsphäre zum Beispiel verletzt wird.“ Als sie damit konfrontiert wird, dass diese Aussage im Widerspruch zu ihren anfänglich geäußerten und durchaus positiven Schilderungen des journalistischen Charakters steht, einigt sich Friederike schließlich darauf, dass „so der Normale … halt so n Mittelding sein [wird].“ Von der Journalistenausbildung in Deutschland weiß Friederike zwar „nicht so wirklich“ etwas, kann jedoch die Journalistenausbildung in Deutschland de facto gut beschreiben. Sie erzählt: „Also ich denke mal, man muss STUDIEREN. So weit ich weiß, gibt es da Publizistik. Man kann Germanistik studieren, ich glaube, man kann alles Mögliche studieren, und dann kann man als Volontär dann zu ner Zeitung gehen oder auch zum Fernsehen.“ Das Ausbildungsniveau von Journalisten in Deutschland schätzt sie als relativ hoch ein, da sie überzeugt davon ist, „dass die ziemlich viel wissen, also eine gute Allgemeinbildung haben müssen.“ Deswegen findet Friederike den Beruf auch „gut“. Als attraktivstes Medium für einen Journalisten sieht sie das Fernsehen an, „weil Fernsehen einfach das populärste Medium ist“ und sie glaubt, dass ein junger Journalist mit dieser Arbeitsplatzwahl vielleicht die Hoffnung verbindet, auch mal vor der Kamera stehen zu dürfen. Dabei denkt sie, dass die öffentlich-rechtlichen Sender aufgrund ihrer Seriosität das bessere Personal anziehen – ein Bild, das sie allerdings von sich aus als Klischee erkennt. Lachend stellt sie fest: „… die GUTEN, die gehen zur ARD und ZDF, und die anderen gehen zu den Privaten. Ist jetzt kein, überhaupt kein Vorurteil!“ Als Begründung führt sie die größere Abhängigkeit der Privatsender von Werbeeinnahmen an. Sie ist jedenfalls überzeugt davon, dass diese Sender „halt auch ihr ganzes Programm dann so stricken [müssen], dass das so werbekompatibel ist, dass sie halt auch ihre Werbeminuten verkaufen.“ Ein Journalist bei den Öffentlichrechtlichen könne daher „unbeeinflusster“ seine Berichte machen. Bei der Wahl zwischen überregionaler und lokaler Tageszeitung hält Friederike erstere für attraktiver, ohne dies näher zu begründen.
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Der Journalist arbeitet in Friederikes Vorstellung typischerweise bei einer Zeitung und hat dabei die Chance, „dann vielleicht auch ganz gut Geld“ zu verdienen. Im Durchschnitt, so schätzt sie, seien das „bestimmt so dreitausend Euro“ brutto. Sein Arbeitsalltag wird ihrer Meinung nach vornehmlich durch Recherchen bestimmt, was Friederike sich unterschiedlich interessant vorstellt: „Da wird’s interessante, sehr interessante Tage geben, wo man halt dann, was weiß ich, in der Gegend herumfährt und recherchiert. Dann wird es halt auch Tage geben, wo man dann halt irgendwo sich durch Archive wühlt, was ich mir mal nicht so wirklich interessant vorstelle.“ Dennoch sei der Journalistenberuf nicht vergleichbar mit dem gewöhnlichen Büroalltag, sondern „n sehr interessanter Job“. Er würde nämlich, so Friederike, die Chance eröffnen, in der Welt herumzukommen und „sich schon mal mit sehr vielen verschiedenen Themen“ zu beschäftigen. Andererseits assoziiert sie mit dem Beruf auch Gefahren, sieht ihn als „nicht ganz ungefährlich“ an. Sie denkt dabei an die Journalisten, die aus Kriegsländern wie beispielsweise dem Irak berichten. Friederike sieht solche Leute ebenso wie die Reporter, die aus Katastrophenregionen wie dem Tsunami-Gebiet12 berichten, enormen psychischen Belastungen ausgesetzt. Mit solchen Eindrücken umzugehen, bewundert sie, da sie es sich „einfach entsetzlich“ vorstellt, „da halt jetzt zu sein und, und, und die Leichen zu sehen und die armen Leute …“ Stress durch Zeitdruck gehört für Friederike ebenfalls zum Journalistendasein dazu, „weil man dann auch unter nem Abnahmedruck steht, also, also ner Frist besser gesagt, dass halt die Sendung fertig werden muss oder die Zeitung erscheint.“ Friederike fordert, dass sich ein Journalist seines Einflusses auf die Einstellungen des Publikums bewusst sein sollte und geht davon aus, dass ein “guter“ Journalist wie beispielsweise Friedrich Nowottny dies tatsächlich berücksichtigt. Vom Verantwortungsbewusstsein der Journalisten bei der Recherche ist sie allerdings wenig überzeugt und glaubt, dass manche von ihnen für eine gute Story auch mal „über Leichen“ gehen. Rücksichtslosigkeit unterstellt sie jedoch dem journalistischen Berufsstand nicht generell, sondern sieht diese vielmehr als „typisch [an] für ne ganz bestimmte Art von Journalismus, also diese Sensationsgeschichten da“. Und zu diesen Negativbeispielen zählen für sie nicht nur die Reporter von Bild, sondern auch diejenigen der privaten Fernsehanstalten. Sie empört sich: „… da habe ich 12
Zu den Hintergrund vgl. Fußnote in Kapitel 4.1.5
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einmal so einen Fall gehört. Da war Hochwasser in (Stadt), und da müssen sich also die Reporter, also von dieser Yellow-Press und halt auch von den Privatsendern wirklich ABSOLUT übel aufgeführt haben. Die haben also vor lauter Geilheit auf das beste Foto, auf das beste Bild haben die halt auch massiv die, also die Rettungsdienste da auch behindert. Also und so was finde ich halt, finde ich UNSÄGLICH!“ Dementsprechend negativ bewertet sie auch den Stil der Bild-Zeitung und führt dies unter anderem auf den Erlebnisbericht von Günter Wallraff (2004)13 zurück, den sie selbst gelesen hat – „auch noch die unzensierte Fassung“. Vor allem „diese Fleischbeschau, also das Frauenbild, was da vermittelt wird“, findet sie bei Bild „WIDERLICH“ und „EKELHAFT“, außerdem „diese Sensationshascherei, dass auf ganz üble Art und Weise Meinung gemacht wird, also dass zum Beispiel eben diese Artikel dann nicht gut recherchiert sind, sondern dass es einfach drum geht, irgendeiner Partei eine, eine reinzuwürgen. Und, ja, dass auch überhaupt nicht, ja, nach dem Hintergrund gefragt wird oder, ja, dass es auch so, ja, auch so VERLETZEND ist, also dass da auch oft Leute dann wirklich ganz übel in die, in die Pfanne gehauen werden.“ Generell hält Friederike den journalistischen Berufsstand in Deutschland jedoch für ehrlich, insbesondere die Journalisten, die für Nachrichtensendungen wie beispielsweise Tagesthemen arbeiten. Bei politischen Sendungen gibt sie allerdings zu bedenken, dass Journalisten dort durch ihre eigene politische Meinung beeinflusst werden und somit – auch wenn sie es ehrlich meinen – „vielleicht ein bisschen zu tendenziös“ sind. „Aber das hat jetzt nichts mit Unehrlichkeit zu tun“, stellt Friederike fest. Auch wenn sie glaubt, dass Journalisten „teils, teils“ ihre Machtposition ausnutzen, vertraut Friederike auf das Verantwortungsbewusstsein der Journalisten im Umgang mit ihren Einflussmöglichkeiten. Überzeugt stellt sie fest: „Also ich denke mir mal, ein GUTER Journalist ist sich dieser Macht bewusst.“ Außerdem erkennt Friederike, dass Journalisten aufgrund ihrer machtvollen Position auch auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam machen können. So spricht Hochachtung aus ihren Worten für Journalisten, 13 In dem 1977 erstmals erschienen Buch Der Aufmacher schildert Wallraff seine Eindrücke aus seiner Zeit als Reporter bei der Bild-Zeitung Hannover, wo er sich unter dem Pseudonym Hans Esser beworben hatte, um das System des Boulevardblatts von innen heraus besser kennen zu lernen. Bild ging juristisch gegen die Veröffentlichung bestimmter Passagen des Buches vor – mit Erfolg: Im Buchhandel ist Wallraffs Bericht heute nur noch in der zensierten Fassung erhältlich.
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„die halt so, es mag ne romantische Vorstellung sein, aber, ja, die sich halt an irgend nem Thema, von dem sie wissen, das ist total wichtig, sich da festbeißen und das dann wirklich, ja, gut recherchieren und, und, und dann halt auch so an Mann und an die Frau bringen, dass sie’s auch kapieren, also dass sie es halt schaffen, ja, irgendwelche Themen in die Öffentlichkeit zu bringen, die vielleicht so sonst NICHT an die Öffentlichkeit gekommen wären.“ 4.2.2 Interview mit Anna (39): „Journalist? Sollte unabhängig recherchieren Themen, die brisant sind, ohne UNBEDINGT seine eigene Meinung da mit rein fließen zu lassen, es sei denn, er schreibt einen Kommentar über ein gewisses Thema. Dann ist es natürlich seine urpersönliche Meinung, was weiß ich, jetzt hier diese Spendengeschichten, was er davon hält oder so, ja. Journalisten sollen halt aufklären, aber nicht diese Tätigkeit missbrauchen und absolute Meinungsmache, was ich halt in der letzten Zeit etwas/ Also nicht letzte Zeit, aber es ist halt schon so, dass die Medien halt die Meinung, die POLITIK auch zum Teil bestimmen.“ Anna hat nach ihrem Realschulabschluss eine Ausbildung als technische Zeichnerin gemacht, arbeitet heute jedoch als kaufmännische Angestellte in der Industrie. Eine ihrer Freundinnen ist Journalistin bei einer kleinen lokalen Tageszeitung, was Anna persönlich jedoch nicht als „wirklich prickelnd“ empfindet. Für sie hat ihre Freundin versäumt, „da was draus zu machen“, und ist „jetzt gelandet irgendwo beim Polizeireport oder irgendwie so Geschichten.“ Außerdem war Anna schon einmal als Besucherin im ZDF in Mainz und hatte dabei die Gelegenheit, Journalisten persönlich kennen zu lernen. Medien nutzt Anna kaum. So liest sie aus Zeitmangel keine Tageszeitung, nur gelegentlich „die lokale Presse“ oder „ab und zu“ Frauenjournale. Fernsehen guckt sie im Schnitt „vielleicht ne Stunde“ am Tag, wobei sie „in der letzten Vergangenheit öfter die Öffentlich-rechtlichen [guckt], MEHR als die Privaten.“ Das Gespräch findet im Wohnzimmer der Interviewerin statt, wobei Anna zunächst sehr aufgeregt wirkt, was sich jedoch nach wenigen Minuten legt. Mit Journalisten verbindet Anna weder ein konkretes Alter noch ein spezifisches Geschlecht. Nur die „SERIÖSEREN“ Berufsvertreter, glaubt sie, seien „irgendwie immer ein bisschen älter“. Spontan und amüsiert denkt sie außerdem an einen eher ungepflegten Menschen, der „dann eher schon
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so ein bisschen heruntergekommen“ wirkt, weil er „vielleicht voll in seinem Beruf aufgeht und wirklich nur dem hinterher hechelt, was er da versucht zu recherchieren oder aufzudecken …“ Während sie erzählt, fällt ihr jedoch ihre immer gut gekleidete Freundin ein, so dass sie letztendlich zu dem Schluss kommt, dass es hinsichtlich der Kleidung von Journalisten wohl „aller Couleur“ gibt. Den typischen Journalisten beschreibt sie als neugierigen Charakter mit detektivischem Drang, „immer irgendwas auf der Spur sein [zu] wollen“, und „Spaß am SCHREIBEN“. Die Freude, interessante Berichte zu verfassen, „wo der Leser nicht nach drei Sätzen einschläft“, entdecken Journalisten nach Annas Vorstellungen schon relativ früh, vielleicht sogar schon in der Schule, wo man Aufsätze schreiben muss – eine Fähigkeit, die sie an eine spezielle Begabung knüpft. So stellt sie entschieden fest: „… das liegt einem oder das liegt einem NICHT.“ Außerdem beschreibt sie ihre Freundin als „tough“ und redegewandt, wobei sie vermutet, dass diese Eigenschaften auf Journalisten generell zutreffen: „… vielleicht sind das alle Journalisten und müssen es auch sein …“ Als „SCHILLERNDE Gestalten“ des deutschen Journalismus, die ihrem Ideal eines Journalisten nahezu entsprechen, bezeichnet Anna Peter Kloeppel, Claus Kleber, Dieter Kronzucker und Peter Scholl-Latour, die sie alle hoch achtet. Bei ihnen hat Anna nämlich das Gefühl, „dass das, was sie machen, sehr FUNDIERT ist.“ Die „Liebe“ zu den von ihr genannten Eigenschaften und Fähigkeiten eines Journalisten führt Anna als Grund an, warum jemand den Journalistenberuf ergreift. „Seriöse“ Journalisten, glaubt sie, würden sich sogar regelrecht „berufen“ fühlen, beispielsweise „jemand, der jetzt für die Süddeutsche oder für die FAZ arbeitet …“ Die journalistische Ausbildung hält Anna für „sehr umfangreich“ und kann sich vorstellen, „dass man vielleicht Publizistik studiert“. Ein Journalist müsse sich grundsätzlich über aktuelles Zeitgeschehen, über Geschichte sowie über politische Zusammenhänge bilden, was sie hoch anerkennt. Bewundernd stellt sie fest: „… da habe ich schon Hochachtung vor, … ich denke mal, das ist nicht so EINFACH, das Studium.“ Aufgrund ihrer Freundin, die zunächst Jura studiert hat, jedoch zwei Mal durchs Staatsexamen gefallen und schließlich durch ein Volontariat zur Zeitung gekommen ist, hält Anna neben einem Studium auch andere Einstiegsmöglichkeiten in den Journalismus für denkbar. Die öffentlichrechtlichen Anstalten bieten dabei im Vergleich zu den privaten aus ihrer Sicht den attraktiveren Arbeitsplatz für einen Journalisten, was sie auf das
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bessere Renommee dieser Sender zurückführt. Anna verdeutlicht dies am Beispiel von Sandra Maischberger, von der sie annimmt, dass sie erst bei ntv gewesen sei und nun eine Talkshow in der ARD mache. So stellt sie fest: „… also das hat für mich schon so ein bisschen so den, den Eindruck so quasi aufgestiegen in Anführungsstrichen …“ Im Printmedienbereich erscheint Anna ein Job bei einer überregionalen Tageszeitung verlockender. Deutlich wird dies aus ihren Worten, mit denen sie sich über die Tätigkeit ihrer Freundin äußert, die bei einer Lokalzeitung arbeitet. So sagt sie abschätzig: „Also ich meine, Kaninchenzüchterverein und Tauben und, was weiß ich, und dann Polizeibericht, also das ist für mich schon ein bisschen Käseblatt, also, ne.“ Während Anna spricht, wird deutlich, dass sie mit Journalisten in erster Linie die „schreibende Zunft“ verbindet. Die Frage nach den Verdienstmöglichkeiten im Journalismus weiß sie zunächst nicht zu beantworten, schätzt das Durchschnittsgehalt aber schließlich auf „um die fünftausend Euro“ brutto. Dabei ist sie sich sicher, dass Berufsvertreter auch beim Autokauf oder bei Versicherungen finanzielle Vorteile genießen. Außerdem habe ihre Freundin aufgrund von Sonntags- und Nachtzuschlägen „nicht schlecht verdient“. Das finanzielle Auskommen eines Journalisten ist aus Annas Sicht also alles andere als beklagenswert. Eine Einschränkung macht sie allerdings beim freien Journalisten, der einem enormen „Erfolgszwang“ unterliege. Gut zu verdienen, stellt sie sich hier „unlängst schwerer vor, wenn man nicht gut im Geschäft ist.“ Den Journalistenberuf hält Anna für einen 24-Stunden-Job und verweist auf die Arbeit der Nachrichtenredakteure des Fernsehens: „… also gerade beim FERNSEHEN, das weiß ich halt, dass die fast vierundzwanzig Stunden, dass da irgendjemand ist und die diese ganzen Nachrichten, die halt reinkommen über, wie heißt es noch, dpa, ja, genau, dass das irgendeiner liest und aussortiert und, und macht und tut.“ Sie selbst würde diesen Beruf nicht ausüben wollen, was sie mit der enormen Arbeitsbelastung begründet: „Also möchte ich um’s Verrecken nicht tauschen! Es ist UNGLAUBLICH stressig! Ich finde das ganz furchtbar. Also das lasse ich mir mal ne Woche angehen, aber jeden Tag? Und DREI Minuten vor der Sendung kommt dann noch irgendein neuer Bericht rein. Ich glaube, ich würde SCHREIEND raus laufen, also ich finde das ganz schrecklich!“ Kurzum: Das Journalistendasein ist in Annas Augen mit Stress verbunden – auch für den Zeitungsjournalisten – und fordert enorme Flexibilität, da man immer auf kurzfristig eintretende Ereignisse reagieren
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müsse. Und selbst bei Auslandsreportern, die in ihrer Vorstellung langfristiger recherchieren, hält sie einen ruhigen Arbeitsalltag für Utopie. Für Anna steht fest: „Also ich glaube, man unterliegt da sehr großen Dogmen, also die man erfüllen muss.“ Wie Annas spontane Assoziationen mit dem Journalistenbegriff verdeutlichen, erwartet sie von Journalisten, dass sie „unabhängig recherchieren, … ohne UNBEDINGT seine eigene Meinung da mit rein fließen zu lassen …“ Allerdings glaubt sie kaum, dass Journalisten diesem Anspruch in der Realität gerecht werden – vor allem nicht bei der Boulevardpresse. Dabei betont sie jedoch ausdrücklich, dass sie deren „Hetzkampagnen“ auch nicht für das hält, was sie selbst unter Journalismus versteht. Was die Ehrlichkeit der Journalisten angeht, kommen Anna Zweifel, wobei sie auf die meist klein gehaltenen Dementis in der Presse verweist, mit denen große Schlagzeilen relativiert würden. Und auch mit dem Verantwortungsbewusstsein der Journalisten, glaubt sie, sei es nicht immer weit her, wobei sie auch hier spontan an die Bild-Zeitung denken muss. Anna jedenfalls ist überzeugt davon, „dass die da schon ein Budget zur Verfügung haben, um gewisse Dinge zu erreichen, ne, irgendwo, irgendwo in irgendeinen Vorgarten von irgendjemandem rein zukommen, um da drei Fotos zu schießen, wo sonst niemand reinkommt, und nur der Nachbar hat den Schlüssel …“ Hier wird deutlich, dass Anna das rücksichtslose Eindringen von Journalisten in die Privatsphäre anderer – selbst bei Prominenten – nicht mehr tolerieren kann. Entschieden stellt sie fest: „Es ist schon jeder Star, jeder Politiker ist ein Mensch der Öffentlichkeit. Die leben ja auch davon, in der Öffentlichkeit zu sein, und jeder Star sonnt sich mehr oder weniger da drin, ne. Aber ich denke mal, auch da sind Grenzen geboten, ne.“ Zwar hält sie das Recherchieren der Journalisten grundsätzlich für „gut“, dennoch findet sie, dass alles „so seine Grenzen“ hat. So kritisiert Anna auch die massenhaft verbreiteten Bilder aus dem Tsunami-Gebiet14, bei deren Aufnahmen die Reporter vor Ort die Würde der Menschen missachtet hätten: „Da sieht man in zehn verschiedenen Sendern immer dieselben Bilder, und ich weiß nicht, ob der eine die vom anderen kauft oder ob sie alle dann vor diesem armen Menschen stehen, der gerade dem Tode entronnen ist und blitzen und filmen und Mikrofone und/ Es ist, es ist einfach AUFDRINGLICH!“ Doch trotz ihrer Kritik am sensationalisierenden Stil der Medien gibt Anna zu, auch 14
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selbst solche Meldungen zu konsumieren und ab und zu zur Boulevardpresse zu greifen. Allerdings lese sie die Bild-Zeitung nur am Arbeitsplatz, und dort auch nur „die erste und die letzte Seite“. Dabei scheint sie hin- und her gerissen zwischen Spaß und Ekel, denn sie sagt: „Es ist so, so, ja, der eigene Voyeurismus, der vielleicht da zutage kommt so: ‘Ach, was steht denn heute so in der Bild, was haben wir denn wieder für Schlagzeilen? Uschi Glas nen neuen Mann, Udo Jürgens seine Tante da verloren an diesen ehemaligen Bürgermeister’ oder so. Also das fällt mir jetzt halt so spontan ein, also. (…) Manchmal ist es auch wirklich so, dass ich gesagt habe: ‘Und jetzt ist gut mit irgendwelchen Bildern.’ Ich weiß jetzt gar nicht mehr, was das war, wo ich gesagt habe: ‘Jetzt wird’s mir echt schlecht’, ob das nun irgendeine Operation war, wo sie dann so die Kamera mittendrin rein halten, oder n Unfall oder/ Also wirklich ganz EKLIG, also.“ Den sensationalisiernden Stil der Bild-Zeitung wirft Anna aber letztendlich nicht den Journalisten vor, sondern vor allem dem Publikum, das ihrer Meinung nach solche Meldungen verlangt. Nüchtern stellt sie fest: „Sie würden es nicht tun, wenn der Markt nicht dafür da wäre. Also wir leben von, von dem Angebot und Nachfrage, und wenn kein Mensch die Bild-Zeitung lesen würde, wenn sie alle boykottieren, dann würden sie vielleicht anders schreiben. Aber wie gesagt, der Voyeurismus ist sehr groß …“ Der Macht der Journalisten steht Anna mit gemischten Gefühlen gegenüber. So spricht sie der Presse einerseits die Aufgabe zu, die Bevölkerung über gesellschaftliche Missstände zu informieren und Skandale aufzudecken. Andererseits glaubt sie auch, dass Journalisten – insbesondere diejenigen der Boulevardpresse – ihre Machtposition mitunter missbrauchen und sich die Rolle von Politikern anmaßen, indem sie Kampagnen betreiben mit Themen, „die vielleicht noch gar nicht ausgereift sind, wie immer die auch an die Öffentlichkeit gelangen, um da irgendwas in Gang zu setzen, ob’s Gesetze oder sonst was ist, was vielleicht gar nicht so in Gang gesetzt worden wäre, ne.“ Aus diesem Grund verbindet Anna mit dem Journalistenbegriff auch die Vorstellung von „Meinungsmache“. Als Beispiel führt sie die aus ihrer Sicht einseitig recherchierte Berichterstattung über das Schmerzmittel Thomapyrin an beziehungsweise die Jagd der Journalisten nach Negativschlagzeilen und ärgert sich: „Und das ist einfach eine, eine Meinungsmache. Das ist jetzt nicht in Richtung Politik, aber es ist halt einfach eine Meinungsmache ‘bad news are good news’ …“
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4.2.3 Interview mit Jette (29): „… Berichterstattung, eigentlich Sachberichterstattung/ Ich denke im ersten Moment doch Printmedien, also Zeitung, Berichte schreiben und dann im Folgenden Informationssendungen, Reportagen im Fernsehen und ähnliches.“ Jette hat nach ihrem Abitur eine Banklehre gemacht und arbeitet, obwohl sie allein erziehende Mutter von zwei Kindern ist, weiterhin in ihrem Beruf als Bankkauffrau. Ihr Schwager ist Journalist bei einer regionalen Abonnementzeitung. Außerdem hat sie schon einmal an einer Führung beim ZDF teilgenommen, wo Gundula Gause der Besuchergruppe von ihrem Arbeitsalltag in der Nachrichtenredaktion erzählt hat. Jette nutzt Medien nur sehr selten, wobei sie die meisten Informationen aus der „halbe[n] bis dreiviertel Stunde“ zieht, in der sie Radio hört. Außerdem nutzt sie „durchschnittlich sicher mindestens ne halbe Stunde pro Tag, halbe Stunde, Stunde“ das Internet. Zeitung liest sie nur sehr selten, im Schnitt „vielleicht zehn Minuten“ am Tag, am Wochenende „dann vielleicht ein, zwei Stunden oder so“. Beim Fernsehschauen ist sie „im Nullkomma-Bereich“, weil ihr dafür die Zeit zu schade ist. Das Interview, das im Wohnzimmer der Befragten stattfindet, läuft ohne Unterbrechungen und in freundlicher Atmosphäre ab. Bei der Frage nach dem Geschlecht, Alter und dem äußeren Erscheinungsbild eines Journalisten legt sich Jette nicht fest, sondern erklärt stattdessen: „Also zum Aussehen, wirklich zum Äußeren habe ich keine, keine Meinung zu.“ Den Charakter und die Fähigkeiten eines Journalisten beschreibt sie hingegen relativ genau. So sei er „vom Typ her gebildet, belesen, sehr interessiert, aufgeschlossen, kontaktfreudig, ja, korrekt jetzt nicht im äußeren Auftreten, aber so in der Informationssuche und ähnlichem, vertrauenswürdig“, was in ihren Augen durchaus kein unerreichbares Ideal ist, sondern auch in der Realität bei Berufsvertretern zu beobachten. Eine Ausnahme stellen aus Jettes Sicht nur die Boulevardjournalisten dar. „Also wenn man jetzt einen Moment weiterdenkt und so an, an Boulevardjournalisten, Bild oder Explosiv-Sendungen im Fernsehen oder so was, denkt, das finde ich äußerst unangenehm“, erklärt sie dementsprechend und fügt lachend hinzu: „… dann ist das eher so der Maklertyp oder so, den man damit verbindet, also so was, was man aus dem Weg geht. Aber so das, was man unter seriösem Journalismus versteht, schon.“ Grundsätzlich zeichnen sich Journalisten aus Jettes Sicht durch „Souveränität“, „Unabhängigkeit“, „Flexibilität“ und „Wissbegierde“ aus, wobei sie diese Eigenschaften auch an
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den beiden Journalisten wahrnimmt, die sie persönlich kennt. So erzählt sie von der ZDF-Redakteurin Gundula Gause, die morgens als erstes das Radio anschaltet und die Zeitung liest, um informiert in der Redaktion zu erscheinen, oder von ihrem Schwager, der für seine Arbeit die Familie unterm Weihnachtsbaum warten ließ. Jette berichtet: „Also da musste die Bescherung warten, er musste erst klären, was mit der SWR-Nachricht ist und ob die am nächsten Tag in die AZ15 muss oder nicht.“ Außerdem verfüge ihr Schwager über „ein unheimliches WISSEN“, vor allem über seine Heimatstadt, was Jette „sehr imponierend“ findet, und gehe an Dinge immer „sehr neutral“ heran. Damit erfüllt er Jettes Idealvorstellung von „seriösem“ Journalismus, nämlich „dass man diese Souveränität und Unabhängigkeit auch hat.“ Berufsvertreter, die ihrer Idealvorstellung ebenfalls nahe kommen, sind Herbert Feuerstein sowie die Moderatoren der Nachrichtensendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. „… FASZINIEREN tun [mich] die ganzen Auslandskorrespondenten“, fügt Jette hinzu, „man merkt immer, dass sie mit, mit Herzblut dabei sind.“ Grundsätzlich zählt sie zu der bewunderungswürdigen Kategorie von Journalisten jeden, „der ne klare Persönlichkeit hat“, beispielsweise auch Gabriele Krone-Schmalz. „Die fand ich immer ganz schrecklich mit ihrer Frisur, aber das ging JEDEM so! Und trotzdem hat sie unheimlich Charisma gehabt“, erklärt Jette. Außerdem mag sie Roger Willemsen und erklärt auch, warum: „Das ist jetzt eher jetzt nicht der reine Informationsvermittler, aber der hat, finde ich, auch ein Niveau und einen Anspruch in den Dingen, die er tut …“ „Nicht wirklich viel“ weiß Jette über die Ausbildung zum Journalisten. So fallen ihr lediglich die Studiengänge ein, die ihr Schwager absolviert hat, allerdings kann sie nicht sagen, „ob es wirklich speziell einen Studiengang Journalistik oder so was gibt.“ Von den Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Medien hat sie hingegen konkrete Vorstellungen. Allerdings ist für Jette die Frage nach dem attraktivsten Medium primär eine Mentalitätsfrage. So glaubt sie, dass ein Journalist, „der eher in sich gerichtet ist und eher ne akkurate, ausführliche Berichterstattung will“, zu einer Zeitung gehe, ein eher extrovertierter, aufgeschlossener Typ, „so ein bisschen der Abenteuerlustigere“, sich hingegen fürs Fernsehen entscheide. Dieses Medium erscheint ihr einfach spannend, wobei sie vor allem an die Arbeit von Nachrichtenredakteuren denkt, die im letzten Moment noch eine wichtige Mel15
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dung bekommen, oder daran, dass die Schwangerschaft der Moderatorin dem Publikum verborgen bleibt. „… also so, das sind irgendwie, finde ich, spannende Momente“, stellt Jette begeistert fest. Außerdem bietet das Fernsehen in ihren Augen „ne sehr hohe Vielfältigkeit“ und „auch sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten“, um im Job voranzukommen. Auch innerhalb des Rundfunkbereichs macht Jette die Frage nach der Attraktivität des Arbeitsplatzes vom Anspruch des Journalisten abhängig. So findet ein Journalist, der Informationen vermitteln möchte, ihrer Meinung nach bei den öffentlich-rechtlichen Sendern die besseren Arbeitsbedingungen. Der Journalistentyp, der „mehr Unterhaltung“ und „mehr Action“ wollte, würde sich hingegen für die Privaten entscheiden. Außerdem ist Jette überzeugt davon, dass die privaten Anbieter die besseren Gehälter zahlen, denn sie erklärt lachend: „Also so viel, so viel Boulevardpresse lese ich dann doch, dass man grundsätzlich von den Öffentlichen zu den Privaten wechselt, wenn man denn Geld verdienen will.“ Die Arbeitsbedingungen beim Hörfunk stellt sich Jette von allen Medien am unattraktivsten vor und führt dies auf die extrem kurzen Sequenzen zurück, in denen Journalisten dort arbeiten würden: „Radio ist ja sehr flüchtig.“ Wenn Jette an Journalisten denkt, dann hat sie „die schreibende Zunft im Kopf.“ Bei der Frage nach dem Durchschnittsgehalt der Branche wirkt sie unsicher und schätzt es schließlich auf „zwischen drei- und fünftausend Euro“ brutto. Außerdem hänge das Einkommen davon ab, bei welchen Medien der Journalist arbeite und auf welcher Hierarchiestufe er stehe. Als einen Vorteil des Journalistenberufs sieht Jette die Möglichkeit an, auch in anderen Berufsfeldern unterzukommen, beispielsweise im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Allerdings sind solche Leute in ihren Augen keine Journalisten, „weil eben diese Unabhängigkeit fehlt.“ Außerdem gibt es in dem Beruf – das weiß Jette durch ihren Schwager – keine geregelten Arbeitszeiten. Sie glaubt dennoch nicht, dass der Beruf übermäßig stressig ist, zumindest „nicht mehr oder weniger stressig als andere Jobs auch.“ Schließlich habe „jeder mit einem einigermaßen anspruchsvollen Job … n komplexen Arbeitsalltag, wo spontane Einflüsse grundsätzlich DAS behindern, was du eigentlich tun wolltest.“ Jette erwartet, dass Journalisten beim Umgang mit Informationen unabhängig agieren, sich von Versuchen der Einflussnahme durch Dritte distanzieren sowie ein Verantwortungsbewusstsein für die Folgen ihrer Berichterstattung entwickeln. Allerdings können ihrer Meinung nach die Jour-
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nalisten der Realität diese Forderungen nur bedingt erfüllen – der freie Journalist noch am ehesten. Jette verweist als Hauptgrund auf vielfältige Zwänge seitens des Arbeitgebers. Außerdem würden sich Journalisten, sofern sie etwas mit ihrem Artikel erreichen wollten, auch an ihrer Zielgruppe orientieren und dementsprechend „die Dinge auch verpacken“. Dennoch ist Jette überzeugt davon, dass Journalisten – zumindest diejenigen, „die ihren Beruf ernst nehmen“ – die geforderte Unabhängigkeit und Ehrlichkeit wahren. Sie erklärt: „Also ich glaube, dass ein JOURNALIST, der sich als solcher VERSTEHT, schon auch das innere Bedürfnis hat, ne wahre Information rüberzubringen und auch einen ZUSAMMENHANG darzustellen, so dass der Zuschauer oder der Hörer die Möglichkeit hat, den Zusammenhang zu verstehen und, und zu begreifen, was er eben vermitteln will. Ansonsten stelle ich mir die Arbeit sehr unbefriedigend vor, ja.“ Die negativen Ausnahmen unter den Journalisten arbeiten aus Jettes Sicht vor allem bei den Boulevardmedien, wo es ihrer Meinung nach auch Journalisten gibt, die im übertragenen Sinn „über Leichen“ gehen. Jette denkt dabei nicht nur an die Bild-Zeitung, sondern verweist auch auf Fernsehmagazine wie beispielsweise Explosiv oder die nachmittäglichen Talkrunden auf den Privatsendern. Solche Sendungen schrecken ihrer Meinung nach nicht davor zurück, das Wohl von Kindern auf dem Altar der Sensation zu opfern. Als aktuelles Beispiel führt sie den Kontakt von Gentestlaboren zu Explosiv an, wo Väter so genannter „Kuckuckskinder“ eine Plattform geboten bekämen, um ihr Schicksal anzuprangern. Und das ärgert Jette ganz gewaltig: „Ja, also es ist jetzt keine Leiche, aber es ist ein Kindeswohl, und das finde ich also schon MASSIV angegriffen.“ Hier wird deutlich, dass diese Journalisten Jettes persönliche Toleranzgrenze überschreiten, was für sie immer dann der Fall ist, wenn „Unbeteiligte oder Minderjährige oder Hilflose oder so was, mit einbezogen werden.“ Dementsprechend ablehnend steht Jette auch der BildZeitung gegenüber, obwohl das Blatt aus ihrer Sicht auch Teil der deutschen Kultur ist. So urteilt sie hart: „Also für mich ist sie nach wie vor, egal welcher gebildete Mensch sie auf dem Schreibtisch hat, absolut disqualifizierend.“ Doch lastet sie deren Stil weniger den Journalisten an, sondern generell der Sucht des Publikums nach Sensationen. Denn dieser resultiere vorrangig aus dem Zwang der Journalisten, dem Geschmack der breiten Masse zu entsprechen, den die Bild-Zeitungsjournalisten besonders professionell zu bedienen wüssten. Jette erklärt: „… das, was sie schreiben, schreiben sie nicht, weil sie wirklich da dran glauben, sondern weil sie damit ihre Ziel-
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gruppe erreichen wollen, also das sind auch Leute, die ihren Beruf VERSTEHEN.“ Generell schreibt Jette dem Journalismus „ne wahnsinnige Macht“ zu, wobei sie überzeugt ist, dass die Berichterstattung nicht immer objektiv ist und die Medien ihre Position auch im negativen Sinne ausnutzen: „Also wenn wir jetzt mal aus Deutschland rausgehen und uns ne Berichterstattung, Irak-Krieg oder was, angucken, genauso ist auch, jetzt viel, viel abgespeckter, aber Stimmungsmache in anderen Bereichen in DEUTSCHLAND. Und andere Sachen werden tot geschwiegen.“ Diesen Missstand sieht sie vornehmlich in Zwängen seitens des Arbeitgebers begründet, denn sie erklärt: „Ich glaube SCHON, dass viele Pressemenschen klar unter der Kandare sind, also von den Verlagshäusern, dass man WEISS, was man zu schreiben hat und was man NICHT zu schreiben hat.“ Wie weit sich der Journalist diesem Zwang beuge, hänge vornehmlich vom Charakter des Einzelnen ab, denn „Journalisten sind MENSCHEN. Und die einen sind irgendwie HEHRER und IDEALISTISCHER und die anderen sagen: ‘Ich muss irgendwie meine Familie ernähren.’ Also da gibt’s sicherlich ne breite Palette.“ 4.2.4 Interview mit Christian (38): „… jemand, der sich mit geschriebenem, geschriebenem Wort auseinandersetzt oder selbst eben schreibt, Texte schreibt, die dann veröffentlicht werden, die einer breiten Menge von Menschen zugänglich gemacht werden, in jedweder Form, sei es im Fernsehen oder bei den Printmedien.“ Christian hat nach seinem Abitur an der Fachhochschule Kommunikationsdesign studiert und arbeitet heute als Grafiker in einem öffentlichrechtlichen Rundfunksender. Er ist mit drei Journalisten gut bekannt, wobei er einen davon als sehr guten Freund bezeichnet, vielleicht sogar als seinen besten. Christian liest Fachzeitschriften und schaut „ne Stunde oder anderthalb“ am Tag Fernsehen, wobei er die öffentlich-rechtlichen Sender den privaten vorzieht. Am liebsten sieht er dort Dokumentationen und Nachrichtensendungen. Darüber hinaus bezieht er Informationen auch aus dem Internet. Tageszeitung liest er hingegen nur „ganz selten“. Das Interview findet ungestört in einem Besprechungszimmer an Christians Arbeitsplatz statt, wobei er großes Interesse an der Thematik zeigt und sich vom Aufnahmegerät in keiner Weise beeindrucken lässt.
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Ein Journalist ist in Christians Vorstellung idealerweise zwischen „Vierzig und Fünfzig“, weil er davon ausgeht, „dass das für einen Journalisten ein gutes Alter ist irgendwo, weil er einfach extrem viel Erfahrung, auf extrem viel Erfahrung auch zurückgreifen kann in so nem Alter.“ Dies sieht Christian vor allem im Politjournalismus als „EXTREM wichtig“ an. Bei der Frage nach dem Geschlecht des typischen Journalisten will sich Christian allerdings nicht festlegen, weil da „beide Geschlechter typisch eigentlich [sind].“ Seine Vorstellungen vom äußeren Erscheinungsbild eines Journalisten macht er vor allem davon abhängig, ob dieser mit seiner Tätigkeit in der Öffentlichkeit steht oder nicht. So gäbe es mit Sicherheit „auch den Eigenbrötler, das Modell Eigenbrötler, der zu Hause mit seinen Birkenstocklatschen und den stinkenden Socken am Tisch sitzt und dann halt da seine Berichtchen schreibt und so.“ Doch grundsätzlich sieht Christian den Journalisten „als einen gepflegten Typ [an] …, der im Zweifelsfall auch mit interessanten anderen Menschen in Kontakt kommt und von daher einfach schon mal Berufskleidung trägt, nämlich einen Anzug oder ein Kostüm oder was auch immer.“ Was seinen Charakter angeht, so handelt es sich in Christians Augen um einen offenen, interessierten und diplomatischen Menschen mit einem „klaren Blick für eine, für eine objektive Berichterstattung oder eine objektive Dokumentation …“ Hinzu käme eine gute Allgemeinbildung, die mentale Stärke, Kritik zu ertragen, die Fähigkeit, soziale Netzwerke aufzubauen und zu unterhalten, aber vor allem eine besondere Beherrschung der Sprache, nämlich die Fähigkeit, „geschickt Fragen zu stellen, um Informationen zu bekommen“, gut zuzuhören und „mit dem geschriebenen Wort umzugehen.“ Dieses Geschick, so Christian, müsse angeboren sein, wenn man sich vom Durchschnitt der Journalisten abheben wollte. Entschieden stellt er fest: „… um es richtig krachen zu lassen, da gehört echt Begabung dann auch dazu. Die hat man oder man hat sie nicht.“ Zwar handelt es sich bei Christians Vorstellungen um ein idealisiertes Bild eines Berufsvertreters, doch ist er überzeugt davon, dass die Journalisten in der Realität diesem Ideal relativ nahe kommen – jedenfalls diejenigen, mit denen er Kontakt hat. Überzeugt stellt er fest: „Die, die ich kenne, die würde ich als solche Menschen bezeichnen.“ Außerdem kann Christian auch eine Reihe prominenter Journalisten benennen, die seiner Vorstellung vom idealtypischen Medienvertreter nahezu entsprechen. Dabei handelt es sich um Hans Leyendecker, Rudolf Augstein, den er als „Ikone“ bezeichnet, um Bob Woodward und Kurt Tucholsky. Diese Journalisten erkennt Christian zwei-
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felsohne hoch an und erklärt auch, warum: „… klar, die bewundere ich, die bewundere ich für ihre Intensität auch, mit der sie diesen … Beruf leben. Also zum einen so in diesen Aufbruchsjahren so n Verlagshaus zu gründen und so engagiert sich in die Politik auch einzumischen, das finde ich schon sehr bewundernswert, das ist/ Da gehört wahrscheinlich eine GIGANTISCHE Energie dazu, ein gigantisches WISSEN auch dazu. […] Ja, und den Tucholsky bewundere ich, weil, er hat fantastisch schreiben können, mit viel Ironie, mit/ Das ist, das ist, das hat Biss gehabt irgendwie. So jemand wie Leyendecker, den bewundere ich, weil er … einfach jetzt existent ist, weil er ein hervorragender Journalist ist und weil er, weil er auch jemand ist, der nicht locker lässt, der einfach sagt: ‘Okay, mir ist ne Sache so wichtig. Jetzt will ich mal wirklich wissen, was dahinter steckt.’ [Hm] Und DAS, JA, über einen ganz langen Zeitraum einfach nicht aus dem Auge verliert, dieses Thema und immer weiter schaut: ’Komme ich nicht doch dahin?’“ Den Ausbildungsweg eines Journalisten weiß Christian präzise zu beschreiben: „Ich habe so ne Vorstellung, dass man ein Studium absolviert. (…) Man absolviert ein Studium, überlegt sich: ‘Was fange ich jetzt mit diesem Studium an?’, kommt dann vielleicht auf die Idee zu sagen: ‘Mensch, ich könnte mich doch ja mal bei nem Hörfunk- oder Fernsehsender bewerben!’, und dann den klassischen Weg absolvieren in so Häusern, ich weiß nicht, mit nem Volontariat anzufangen oder, was weiß ich, Praktikum.“ Allerdings hält er ein Studium, erst Recht ein Journalistikstudium, für den Beruf nicht zwingend erforderlich und erkennt darin Ähnlichkeiten zu seinem eigenen Berufszweig. Christian sagt: „Designer sind auch, auch keine geschützte Berufsbezeichnung. Es gibt einen Studiengang, den kann man absolvieren, MUSS ihn aber nicht absolvieren, um sich Designer nennen zu können. Und ich denke mal, so ähnlich stelle ich mir das bei Journalisten auch vor.“ Aufgrund des fehlenden Ausbildungsstandards und der Vorstellung, dass die unterschiedlichsten Typen in den Journalismus „reinschwappen“, hält Christian auch das Ausbildungsniveau im Journalismus für „sehr durchwachsen“. Er stellt fest: „Ich glaube, da gibt’s super ausgebildete Leute, ganz hervorragend ausgebildete Leute, aber ich glaube, es gibt auch ne Menge Scharlatane und solche, die gerne oder die gerne Ausbildung ERFINDEN, keine Ahnung, um sich Journalist nennen zu können. Also ich glaube, da gibt es auch ne große Bandbreite.“ Die gut ausgebildeten Journalisten arbeiten in seinen Augen vor allem in den öffentlich-rechtlichen Sendern, in der Qualitätspresse wie beispielsweise der FAZ, „wo ein kluger
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Kopf sozusagen dahinter steckt“, im Stern, beim Spiegel, aber auch in der Bild-Zeitung. Nur was das journalistische Niveau bei Fachzeitschriften angeht, ist sich Christian unsicher: „Kann ich schlecht einschätzen. Ich glaube mal, da ist es einfach auch wichtig, dass man Interesse an einem Fachgebiet hat, also zum Beispiel sich für Wein interessiert oder für Autos oder Zigarren oder ich weiß nicht.“ Einen Einstieg in den Printmedienbereich hält Christian für den geeigneten Weg, um Karriere zu machen, weil man dort das Handwerk des Journalismus, nämlich eine exzellente Schreibe, seiner Meinung nach am besten lernt – jedenfalls besser als beim Rundfunk. Mit dieser Fähigkeit, so Christian, stünden einem danach alle beruflichen Optionen offen: „Egal, wo ich danach bin, ob ich beim Fernsehen bin, beim Hörfunk bin, wenn ich sehr gut schreiben kann, sehr gut formulieren kann, dann kann ich in jedem Medium tätig sein, ja, eigentlich fast in jedem BEREICH. Da kann ich auch, weiß nicht, zum DFB gehen und da Presse, PRArbeit machen oder so. Also dann kann ich, stehen mir eigentlich alle Wege offen.“ Besonders attraktiv erscheint Christian die Arbeit für eine überregionale Zeitung, beispielsweise für die FAZ, aber auch für die Bild-Zeitung, weil diese Medien in seinen Augen Marken sind, die „natürlich auch gut abstrahlen.“ Als Begründung verweist er auf die „ABSOLUTE Spitzenqualität“ ihrer Leistungen und die „Reputation“ dieser Medien. Sie würde geradezu ein Hauch von „Mystik“ umgeben, nicht zuletzt aufgrund der „berühmten Journalisten“, die für diese Medien geschrieben hätten. Bei der Wahl zwischen lokalem und überregionalem Journalismus ist es deshalb für Christian „gar keine Frage, wo man hingehen würde.“ Der typische Journalist arbeitet für Christian bei einer Zeitung, weil er sich beim Gedanken an einen Berufsvertreter „prinzipiell … so diesen Tucholsky-Typ vor[stellt] mit seiner Schreibmaschine … und so die Kippe im Mundwinkel, Trenchcoat und Hut auf der Birne, irgendwie so was, und diese etwas angeranzte Ledertasche, die man unterm Arm trägt …“ Dass diese, wie er selbst zugibt, klischeehafte Vorstellung stark durch den Zeitungsjournalismus geprägt wird, führt er auf den flüchtigeren Charakter des Fernsehens zurück. Letzteres scheint seiner idealisierten Vorstellung vom gewissenhaft und hartnäckig recherchierenden Journalisten offenbar nicht zu entsprechen. Recherchetätigkeiten und organisatorische Aufgaben wie beispielsweise die Vorbereitung von Drehs oder das Anheuern von Gesprächspartnern prägen aus Christians Sicht den journalistischen Arbeitsalltag. Dabei bestehe die zentrale Aufgabe des Journalisten darin, „einfach
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unheimlich bissig und geschickt [zu] formulieren. (…) Oder INTERESSANT zu formulieren, ja, also dass man Leute einfach auch in Themen … reinzieht und sie für Themen interessiert.“ Das Einkommen eines Journalisten kann Christian nur schwer einschätzen, beziffert es aber schließlich auf „vier-, fünftausend Euro netto“, wobei er davon ausgeht, dass das Gehalt eines Journalisten – wie in anderen Berufen auch – unterschiedlich hoch und die „Spitze … wahrscheinlich superdünn“ ausfällt. Er erklärt: „Ich glaube, dass es ABSOLUTE Topverdiener gibt, die sich dumm und dämlich verdienen, die, also bis hin zu den, bis hin zu der Überlegung, dass Journalisten auch in der Lage sind, Sendungen selbst zu produzieren. Nehmen wir Frau Christiansen zum Beispiel, die als Journalistin arbeitet, aber im Hintergrund noch einen riesigen Apparat hat, Produktionsfirma etcetera, etcetera. Ich glaube, die Leute verdienen AUSSERGEWÖHNLICH gut. Und ich glaube, es gibt ne ganze Menge ordentlicher Journalisten, auch hier in dem Haus, die haben ein Standardauskommen. Das ist nichts Besonderes. Das ist bestimmt im Schnitt nicht zu schlecht, … aber es ist jetzt auch nichts wahnsinnig Wildes. Ich kann mir vorstellen, es gibt Facharbeiter in bestimmten Bereichen, die mindestens genauso viel netto haben wie ein ordentlicher Journalist.“ Dennoch bezeichnet Christian den Journalistenberuf als „außergewöhnlich“, was er vor allem mit dem Status der Journalisten begründet, der ihn gegenüber dem Normalbürger privilegiert. Er ist jedenfalls überzeugt davon, „dass man [als Journalist] Menschen kennen lernt, die besonders sind im Zweifelsfall, die ne besondere Funktion haben, in nem Staat, in nem, ja, in nem bestimmten Bereich, dass man in der Lage ist, mit denen Kontakt aufzunehmen, sie zu befragen, dass man Antworten auf die Fragen kriegt, welche Antworten auch immer, ob ehrlich oder unehrlich.“ Außerdem schwärmt Christian von der Chance eines Journalisten, Gegenden zu erkunden, „die man als normaler Mensch entweder gar nicht bereist oder nicht unter solchen Umständen bereist, ja, weil, es ist natürlich ein Unterschied, ob ich als Tourist am Strand sitze oder ob ich wirklich einen, einen Informationshintergrund habe und dort dann wieder auf Menschen treffe, die dann sagen: ‘Komm, wir nehmen dich mal dahin mit und dahin mit und dahin mit, und schau dir das alles mal an, damit du dir ne Meinung bilden kannst.’“ Allerdings hält Christian den Beruf aufgrund des Zeitdrucks auch für stressig, vor allem für den Fernsehjournalisten, „was nicht heißt, dass der Zeitungsjournalist, der jeden Tag einen super Artikel da reinsetzen muss, nicht auch unter Druck steht.“
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„Themen, auch wenn sie noch so uninteressant sind, spannend darzustellen und daraus, von mir aus, auch einen kleinen Krimi zu machen“, erwartet Christian von Journalisten. Außerdem sollten sie im Idealfall einen „klaren Blick für eine … objektive Berichterstattung oder eine objektive Dokumentation bewahren.“ Doch ist gerade diese Forderung aus Christians Sicht unrealistisch, da er glaubt, „dass man in diesem Berufsbild schnell Gefahr läuft, in Abhängigkeiten zu geraten.“ Dem widerspricht seiner Meinung nach die Abhängigkeit der Journalisten von den Anzeigenaufträgen seitens der Industrie, die er wiederum als notwendig erachtet, um Medienprodukte zu finanzieren. Zeitung zu machen, ist in seinen Augen teuer, „einfach weil gute Journalisten auch gut bezahlt sind.“ Auf die Ehrlichkeit der Journalisten hofft Christian „inständig“. Allerdings kann er sich vorstellen, dass das ausgeprägte Karrieredenken des Einzelnen der journalistischen Integrität zuwiderläuft. So glaubt er, dass es, „wenn es als Mittel zum Zweck dient, mit Sicherheit auch Journalisten [gibt], die einfach auch mal ne Sache sagen, die nicht wahr ist, um ihr Ziel zu erreichen. Und das sind vielleicht auch die Journalisten, die mit harten Bandagen kämpfen, um in dem Beruf weiter zu kommen.“ In seinen Augen ist dies aber nicht typisch für den journalistischen Berufsstand als solchen, sondern „ein Phänomen, das es auch in vielen anderen Berufen gibt.“ Der Bild-Zeitung steht Christian gespalten gegenüber. Einerseits tut er sich „schwer“ mit ihrem am Publikumsgeschmack orientierten Stil, bei dem „bestimmt auch nicht alles FALSCH“, sondern eben nur „anders formuliert“ sei. Andererseits gibt er zu, dass es ihm selbst Spaß bereite, sie zu lesen – beispielsweise in der Sportredaktion an seinem Arbeitsplatz. Er erzählt: „Und sofort bin ich dran! Also DA will ich sie dann mir schnappen und sagen: ‘So, viele Bilder, witzige Unter-, Bildunterschriften’, ja, da sieht man auch mal das Grauen und das Blut am Messer und so“. Dass die Sensationsmeldungen der Bild-Zeitung ihm offensichtlich Vergnügen bereiten und er sie anscheinend nicht ganz ernst nimmt, ist an seinem Gesichtsausdruck zu erkennen. Grinsend fährt er fort: „Klar, da steige ich dann auch drauf ein und sage: ‘Mensch, toll!’“ Nur beim Sportteil der Zeitung, den er „außergewöhnlich gut“ findet, ist das anders. Hier nähme er die Bild-Zeitung „auch durchaus ernst“, weil er davon überzeugt sei, dass sie gerade im Sportmilieu „ein super Netzwerk hat.“ Außerdem begeistert ihn als Grafiker die Gestaltung und der Stil der Boulevardzeitung, den die Journalisten seiner Meinung nach optimal an den Geschmack ihres Publikums anzupassen wissen. Christian erklärt: „Ich meine, ich beurteile ja
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als Gestalter die Bild-Zeitung schon mal aufgrund ihrer Gestaltung, und DAS ist ja schon bewundernswert, ja, wie die dieses Ding gestalten, wie die aussieht: super zielgruppengerecht gemacht, also klares Konzept. Das erkennt man sofort. Die Gestaltung ist eindeutig, die Art wie Headlines getextet werden, ist eindeutig. Das ist super gemachter Journalismus! Die Frage, ob er einem GEFÄLLT, im Sinne: ‘Ist es das so, womit ich mich so gerne auseinandersetzen würde oder so, oder das, was ich gerne hören möchte?’, … steht dann auf einem ganz anderen Blatt.“ Christian ist davon überzeugt, dass Journalisten einen Beruf ausüben, „der sehr machtvoll eingesetzt werden kann“. Dies findet er „EIGENTLICH gut“, kritisiert jedoch auch, dass Journalisten ihre Position mitunter missbrauchen und Meinungsmache betreiben: „Da, finde ich, gibt es viele schlechte Dinge mittlerweile.“ Christian bemängelt beispielsweise, dass Journalisten Informationen teilweise vorschnell veröffentlichen oder so formulieren würden, dass sie demjenigen, der nicht genau zuhöre, als Fakten erscheinen würden. Dies ungeschehen zu machen, hält er für „unmöglich“ und wünscht sich von den Medien „ein bisschen mehr Zurückhaltung“. Er glaubt aber auch, dass es dabei die Zeitungsjournalisten leichter haben als ihre Kollegen vom Fernsehen oder Hörfunk, weil sie differenzierter berichten könnten. Bedenken äußert Christian, wenn Journalisten moralische Vergehen beispielsweise von Politikern anprangern. Hier geht ihm die Kontrolle der Medien „manchmal … zu weit“, auch wenn es um Leute in öffentlichen Ämtern gehe, die natürlich integer sein sollten. Aber in Anbetracht dessen, dass auch im eigenen Umfeld „Trickser“ gäbe, „die auch gucken, wie sie an diesem Staat irgendwas vorbeischieben können“, tue er sich schwer, solche Leute an den Pranger zu stellen. Generell befürwortet Christian jedoch die Macht der Journalisten, besonders ihre Kontrollfunktion gegenüber anderen machtvollen Teilsystemen wie beispielsweise der Politik: „Also ein Staat, der so was nicht hat, finde ich, hat keine demokratische Basis.“ 4.2.5 Interview mit Michaela (71): „Das wäre ich gerne geworden.“ Michaela hat nach der mittleren Reife eine Ausbildung zur Buchhändlerin gemacht und war in diesem Beruf bis zu ihrer Pensionierung tätig. Heute ist sie Rentnerin. Sie kennt mehrere Journalisten persönlich, teilweise durch ihr gesellschaftliches Engagement, teilweise aber auch durch ihren Beruf. So hat
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sie beispielsweise während ihrer Ausbildung zusammen mit Journalisten der FAZ Preisausschreiben organisiert. Darüber hinaus war Marcel ReichRanicki Kunde ihres früheren Arbeitgebers, und auch heute trifft sie ihn ab und zu auf der Straße, zumal er ganz in der Nähe ihrer Tochter wohnt. Radio und Zeitung sind die einzigen Medien, die Michaela nutzt – dies jedoch recht intensiv. So gibt sie an, „rund um die Uhr Radio“ zu hören, wobei sie in jedem Zimmer ihrer Wohnung einen anderen Sender eingestellt hat. Die Tageszeitung, in diesem Fall die Frankfurter Allgemeine Zeitung, liest sie täglich und „sehr ausgiebig“. Dies dauert „im Schnitt so anderthalb Stunden“, wobei sie sich vornehmlich fürs Feuilleton und den Rhein-Main-Teil interessiert. Über das politische Tagesgeschehen informiert sich Michaela ausschließlich durch das Radio; Fernsehen schaut sie gar nicht. Das Gespräch verläuft ungestört und ich angenehmer Atmosphäre, was nicht zuletzt daran liegt, dass Michaela großes Interesse an dem Thema zeigt und selber gerne Journalistin geworden wäre. Michaela verbindet weder ein bestimmtes Alter noch ein bestimmtes Geschlecht mit dem Beruf des Journalisten, denn sie sagt: „Ich bin da jetzt nicht festgelegt, ob Mann oder Frau. Ich gestehe das also beiden zu, ja.“ Lediglich im Sportjournalismus, glaubt sie, sei die Berufsausübung nur bis zu einem bestimmten Alter möglich, da dies auch von der „geistigen, physischen und psychischen Konstitution“ des Reporters abhänge. Allerdings bezeichnet Michaela den Sportreporter „jetzt aber auch nicht als den typischen Journalisten“. Was das äußere Erscheinungsbild und den Charakter von Journalisten angeht, beschreibt Michaela spontan ihr persönliches Idealbild eines Medienakteurs: „Ja, also ich würde nicht sagen, dass er jetzt unbedingt hübsch sein muss, aber er muss so sein, dass er umgänglich ist, dass er auch auf einen zugehen kann. Und vor allem, er darf nicht eins sein: arrogant und seinen Journalismus raushängen.“ Ein Journalist müsse auch nicht besonders teuer angezogen sein, aber er sollte schon „ein lockeres Erscheinungsbild [abgeben] …, nicht zu konservativ.“ Ähnlich wären auch die Journalisten der FAZ angezogen gewesen, denen sie auf einer Veranstaltung begegnet sei. Der ideale Journalist ist in Michaelas Augen außerdem vielseitig interessiert und in der Lage, Zusammenhänge schnell zu erfassen und wiederzugeben. Zudem sei er vielseitig einsetzbar und könne dementsprechend in jedem Ressort einer Zeitung arbeiten. Das wichtigste sei jedoch ein umfassender Wissensschatz, denn Michaela stellt fest: „Also erstmal als Grundausstattung, würde ich sagen, er braucht ne gute Allge-
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meinbildung. Das ist das WICHTIGSTE.“ Außerdem verfügt ein Journalist aus ihrer Sicht über besondere rhetorische Fähigkeiten – eine Eigenschaft, die sie neben Offenheit und Intelligenz für Begabung hält: „Unbedingt, UNBEDINGT, sowohl schriftlich als auch mündlich, beides.“ Zwar äußert sich Michaela nicht direkt dazu, ob dieses Idealbild auch auf die Journalisten in der Realität zutrifft. Doch ihre Unterscheidung dessen, wer in ihren Augen als Journalist gilt und wer nicht, deutet darauf hin, dass die Personen, die von ihr als solche angesehen werden, durchaus diesem Ideal entsprechen. Dem kommen beispielsweise Karl Korn und Marcel Reich-Ranicki sehr nahe, der „so ne gefeilte, ausgesprochen gefeilte Sprache hat.“ Außerdem hat sie Artikel von „HERVORRAGENDE[N] Feuilletonistinnen“ gelesen wie beispielsweise von Hilde Domin. Sportberichterstatter hingegen sind für Michaela keine „normalen Journalisten“ und solche, die Buntes aus der Welt berichten, erst recht nicht. Sie sagt: „Also ‘Deutschland und die Welt’ sehe ich jetzt nicht als Journalismus an. Das sind Reporter …“ Michaela glaubt, dass Journalisten sich berufen fühlen, „den Menschen was zu vermitteln.“ Um den Beruf auszuüben, ist aus ihrer Sicht ein Studium die zwingende Voraussetzung, was jedoch nicht für den Reporter gilt, bei dem ihrer Meinung nach ein Volontariat bei einer Zeitung ausreicht. Michaela erklärt: „Die brauchen ja auch keinen intellektuellen Anspruch.“ Als attraktivsten Arbeitsplatz für einen Journalisten sieht sie das Fernsehen an, „weil das doch publikumswirksamer ist, verbreiteter ist, mehr Menschen anspricht und man dort doch auch schneller Karriere machen kann, wenn man gut ist oder wenn man, wenn man das Feeling dazu hat.“ Dabei bietet aus ihrer Sicht das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Vergleich zum privaten den sichereren Arbeitsplatz, was solche Sender für Journalisten anziehender macht. Allerdings ist Michaela auch davon überzeugt, dass man in diesem Beruf sowieso häufig zwischen den Medien wechselt, wenn man denn Karriere machen will. Und deswegen würden sich die Arbeitnehmer bei den Privatsendern auch nicht von ihren Kollegen beim öffentlichrechtlichen Fernsehen unterscheiden. Für das zweitattraktivste Medium hält Michaela das Radio, wobei ihr die journalistische Arbeit aufgrund seines flüchtigen Charakters und des meist fehlenden Feedbacks durch das Publikum dort am anspruchvollsten erscheint: „Du musst dort sehr schnell gut vermitteln, ohne dass du Blickkontakt hast oder direkt ein Echo hast, ja.“ Im Printmedienbereich, so Michaela, gehe ein Journalist „mit Sicherheit zu einer Überregionalen“, auch wenn dort „das Auswahlverfahren sehr streng“
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sei und man dafür „hervorragende Eigenschaften mitbringen“ müsse. Die Tätigkeit bei einer überregionalen Zeitung erscheint ihr deshalb interessanter, weil Journalisten dort ein breiteres Themenspektrum vorfänden und beispielsweise auch über kulturelle Ereignisse berichten könnten, die die Leser einer Regionalzeitung nicht interessieren würden und deshalb auch nicht zu lesen bekämen. In Michaelas Vorstellung arbeitet ein Journalist typischerweise im Feuilleton einer Zeitung, wobei sie diesen Gedanken mit ihrer persönlichen Zuneigung zu dem Ressort begründet. Ihr Bild vom journalistischen Arbeitsalltag orientiert sie an ihren Beobachtungen, die sie machen konnte, als sie in jungen Jahren eine Zeit lang im Gebäude der alten FAZ-Redaktion in Frankfurt gearbeitet hat. Sie berichtet: „Da habe ich schon gesehen, dass die morgens erst ihre Konferenzen hatten, dass die die Tagesereignisse besprochen haben, dass sie an ihren Schreibtisch gegangen sind, geschrieben haben, ausgetauscht haben, und dass sie immer unter Zeitdruck standen, und dann die Bänder laufen mussten, ja.“ In ihren Augen ist der Beruf daher fast immer mit Stress verbunden – es sei denn, man ist freier Journalist. Dafür brauche man jedoch, so Michaela, schon einen Namen, und meistens sei man dann auch nicht mehr „so sehr jung“. Das Durchschnittsgehalt eines Journalisten kann sie nicht genau beziffern, ist aber überzeugt davon, dass ein „Spitzenjournalist“ wie beispielsweise der Chefredakteur des FAZFeuilletons oder die Herausgeber der Zeitung „bestimmt so gut gehandelt [werden] wie ein Manager, der so im oberen Bereich … angesiedelt ist“, also „unterhalb vom Vorstand“. Allerdings verdiene ein Berufsanfänger im Journalismus „nicht gut“ und habe auch nur sehr schlechte Chancen, in derartige Spitzenpositionen vorzudringen. Michaela stellt fest: „Viele sind berufen, aber nur wenige sind auserwählt.“ Von Journalisten erwartet Michaela, dass sie Dinge nicht nur wiedergeben, sondern auch bewerten: „Der Journalist muss ja ne Eigenleistung erbringen und ne eigene Meinung haben, sollte er unbedingt, auch wenn es unbequem ist.“ Neutral, so Michaela, könne ein Mensch sowieso nicht sein: „Ja, also irgendwo ist man ja DOCH in irgendeiner Weise in einer Richtung geprägt oder vertritt die Richtung. Und das möchte man auch!“ Ob Journalisten ehrlich sind, ist in Michaelas Augen eine Frage des Charakters und des persönlichen Ehrgeizes. Doch grundsätzlich vertraut sie den Journalisten in Deutschland und dem, was in der Zeitung steht: „Im Allgemeinen, ja.“ So kann sich Michaela von deutschen Journalisten im Gegensatz zu amerikani-
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schen auch „so gut wie gar nicht vorstellen“, dass sie Dinge erfinden. Zwar sei damals der Stern auf die Hitler-Tagebücher „reingefallen“16, merkt sie an. Allerdings sei diese Geschichte keine absichtliche Lüge gewesen, so Michaela, denn „da konnte er ja nichts dazu. Das wollte er bringen, das ist ja nun auch der freie Wille des Journalismus, dass er als erster etwas bringt, ja.“ Als ein „bisschen sensationshungrig“ bezeichnet Michaela lediglich die BildZeitung, stellt aber gleichzeitig fest, dass sie zum Journalismus dazugehört, „und wer das kauft, der will das ja auch.“ In dieser Zeitung erkennt sie vor allem das Medium des kleinen Mannes, denn sie erklärt: „Für einfache Menschen, man braucht keine Brille, es ist groß geschrieben, ist einfach geschrieben, ist kein Fremdwort drin. Und sie bringen mit ihren Überschriften eigentlich immer alles auf den Punkt. Man liest die Überschrift, dann weißt du: ‘Aha, das war das Wort zum Tag.’“ Dennoch kommen Michaela auch Normverstöße von Journalisten in den Sinn, wobei sie keineswegs nur an die Gruppe der Boulevardreporter denken muss. So überschreiten in ihren Augen auch die Journalisten der „seriösen“ Presse zum Teil die Grenze des guten Geschmacks, wobei sie als Negativbeispiel auf die Karikaturen in der 16 Am 28. April 1983 titelte das Magazin Stern „Hitlers Tagebücher entdeckt“ und sorgte damit weltweit für Aufsehen. Man sei 38 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs auf 60 handschriftliche Tagebuchbände von Hitler gestoßen, die kurz vor Kriegsende per Flugzeug in Sicherheit gebracht worden seien. „Die Geschichte des Dritten Reiches wird in großen Teilen neu geschrieben werden müssen“ (Hitlers Tagebücher, 1983, S. 20), kündigte das Hamburger Magazin an und ignorierte damit die Zweifel an der Authentizität der Dokumente, die schon vor der Veröffentlichung laut geworden waren (vgl. Hitler-Tagebücher: „Ha, ha, daß ich nicht lache“, 1983, S. 21). Schnell entbrannte eine öffentliche Debatte um die Herkunft und Echtheit der Tagebücher, bis der Stern selbst das Bundesarchiv in Koblenz mit deren Prüfung beauftragte. Als die Beamten die Aufzeichnungen als Fälschungen deklarierten, entpuppte sich die vom Stern als „größte journalistische Sensation der Nachkriegszeit“ angekündigte Story als der „größte Presse-Flop aller Zeiten“ (Hitler-Tagebücher: „Ein tödlicher Fehler“, 1983, S. 100). Heftige Kritik wurde laut, man habe beim Stern die gebotene Sorgfaltspflicht nicht gewahrt, aber auch Schadenfreude darüber, dass das Hamburger Magazin Fälschungen aufgesessen war, die der Präsident des Bundesarchivs als „grotesk oberflächlich“ bezeichnet hatte (vgl. ebd., S. 101). Die Blamage für den Stern war perfekt. Man schäme sich vor seinen Lesern, räumte Stern-Herausgeber Henri Nannen vor laufenden Kameras ein. Die SternChefredakteure Peter Koch und Felix Schmidt traten zurück. Gegen den fristlos entlassenen Stern-Reporter Gerd Heidemann, der die Geschichte jahrelang recherchiert und vom Fälscher Konrad Kujau für über 9,34 Millionen DM (vgl. Das Wind-Ei, 1983, S. 30) gekauft hatte, ermittelte die Staatsanwaltschaft. Heidemann und Kujau wurden wegen schweren Betrugs zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt (vgl. Klein, o. J.). Bis heute gilt die Geschichte um die gefälschten Tagebücher als einer der größten Skandale des deutschen Journalismus.
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FAZ hinweist, die „sich dann auf Kosten anderer, die unter Umständen in der Minderheit sind, ja, und sich nicht wehren können, dann sich da drüber lustig machen.“ Außerdem findet Michaela es „unnötig“, dass die Journalisten „also jede Zuckung des Papstes17 da gezeigt haben.“ Kritisch fügt sie hinzu: „Für meine Begriffe waren die Bilder, wo er da noch mal hochgehalten wurde, von dem sterbenden Papst, das hätten sie nicht machen brauchen. Da wird die Würde des Menschen für meine Begriffe angetastet.“ Die Macht der Journalisten beurteilt Michaela durchweg negativ und kritisiert dabei vor allem den aus ihrer Sicht massiven Zugriff der SPD auf die deutsche Presselandschaft: „Also wir wissen ja, dass der größte, ein großer Teil der Presse der SPD gehört, und das finde ich NICHT gut. (…) Das ist mir zu einseitig. Und diese, dass die SPD also so viele Regionalzeitungen auch jetzt in ihrem Besitz hat und das systematisch ausgebaut hat, da finde ich schon, dass sie ne Macht hat.“ 4.2.6 Interview mit Isabelle (57): „Jemand, der Reportagen erstellt, der recherchiert, der Informationen weitergibt.“ Isabelle hat nach ihrem Realschulabschluss eine kaufmännische Lehre gemacht und arbeitet heute halbtags als Sekretärin in einer Grundschule, wobei sie „ab und zu mit der Presse auch so zu tun [hat].“ Einen Journalisten kennt sie auch persönlich, weil dessen Tochter mit ihrem Sohn gemeinsam zur Schule gegangen ist, allerdings bezeichnet sie diese Verbindung nicht als Freundschaft: „… das nicht, nein.“ Isabelle hört Radio und schaut Fernsehen, dies allerdings unregelmäßig, wobei sie sowohl öffentlich-rechtliche 17 Am 2. April 2005 starb Papst Johannes Paul II, dessen körperliches Leiden bis zu seinem Todestag über Jahre hinweg öffentlich zur Schau gestellt worden war. So fingen erstmals im September 2003, während eines Slowakei-Aufenthalts des Pontifex, Fernsehkameras den physischen Verfall des einst für seine Sportlichkeit bekannten Papstes ein und sendeten die Bilder in die ganze Welt. Auch über seinen Zusammenbruch in Lourdes ein Jahr später berichteten die Medien (vgl. Matussek, Schimmöller, Schlamp, Schwarz, Smoltczyk & Wensierski, 2005, S. 97). Seit zwei Krankenhausaufenthalten des Papstes im Februar 2005 wurde die Weltöffentlichkeit durch den Propagandaapparat des Vatikans fast täglich mit Bildern versorgt, die das Leiden des Papstes öffentlich dokumentierten. Der Vatikan unternahm damit den verzweifelten Versuch, den Stellvertreter Gottes als voll arbeitsfähig darzustellen und dadurch die Machtverhältnisse der Katholischen Kirche zu erhalten – eine Inszenierung, die zunehmend in der Öffentlichkeit auf Unverständnis stieß (vgl. ebd., S. 105–106).
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Sender als auch private einschaltet. So sagt sie: „Das ist gemischt, gemischt.“ Sie liest außerdem täglich eine regionale Tageszeitung, für die sie sich „ne halbe Stunde“ Zeit nimmt. Das Interview findet in Isabelles Wohnzimmer statt und wird zu Anfang nur kurz durch ihren Ehemann unterbrochen. Die Befragte scheint zu Beginn durch das Aufnahmegerät etwas irritiert, was sich aber nach wenigen Minuten legt. Weder bei der Frage nach dem Alter und noch beim Geschlecht eines typischen Journalisten will sich Isabelle festlegen und betont ausdrücklich, dass der Beruf alters-, vor allem aber geschlechtsunabhängig sei. Die Charaktereigenschaften und den Kleidungsstil eines typischen Berufsvertreters kann sie hingegen genau beschreiben. So stellt sie sich einen Journalisten leger gekleidet vor, da er in ihrer Vorstellung viel unterwegs und deshalb „selten in Anzügen anzutreffen“ ist – es sei denn, die Kleiderordnung einer Veranstaltung schreibe dies vor. Was seinen Charakter angeht, so ist ein Journalist nach Isabelles Auffassung „immer ein Mensch, der etwas wissen möchte, also immer sehr konzentriert ist, immer auf der Lauer liegt und auch versucht, etwas aus einem in einem Interview herauszulocken, was man vielleicht nicht sagen möchte.“ Diese Form der Hartnäckigkeit sieht Isabelle aber nicht als negativ an, sondern stellt klar: „Es ist sein Beruf und ich akzeptiere das …“ Zudem müsse ein Journalist ein „offenes Auge“ haben und flexibel sein, das heißt die Bereitschaft mitbringen, „alles liegen und stehen zu lassen“, um auf Ereignisse entsprechend reagieren zu können. Außerdem erfordere der Beruf, so Isabelle, einen extrovertierten Charakter und sei für ruhige und zurückgezogene Menschen nicht geeignet, „weil, es ist auch immer ein Stück Profilierung dabei, wenn man etwas schreibt.“ Darüber hinaus gehöre zum Journalistendasein „ne gewisse Kaltschnäuzigkeit“ dazu sowie die Fähigkeit, eigene Emotionen unterdrücken zu können, wobei es nach Isabelles Auffassung männliche Journalisten leichter haben als ihre weiblichen Kollegen, „weil die Frauen doch emotionaler reagieren in der Regel.“ Die Frage, ob der Beruf Begabung erfordert, bejaht sie entschieden, wobei sie Genie mit der Bereitschaft gleichsetzt, sich für seine Arbeit begeistern zu können. Und schließlich spricht sie Journalisten rhetorisches Geschick und ein umfassendes Allgemeinwissen zu, wobei Isabelle überzeugt davon ist, dass diese Eigenschaften auf das Gros der Berufsvertreter zutreffen. So stellt sie fest: „Das kann ein Idealbild von mir sein, aber ich denke mir mal, nicht auf alle, aber auf viele trifft es schon zu.“ Ein Journalist, der ihrem Ideal relativ nahe kommt, durch seine Berichte Menschen
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fesseln kann und dementsprechend Popularität besitzt, ist für Isabelle Peter Scholl-Latour. Isabelle glaubt, dass Journalisten nicht zufällig in ihrem Beruf landen. Dabei sieht sie als eine treibende Kraft den Wunsch an, als Journalist bekannt zu werden und sich einen Namen zu machen. Die Frage, wie man in Deutschland Journalist wird, weiß Isabelle dabei sicher zu beantworten und erklärt: „Ich denke mal, ein Journalist könnte zum Beispiel über Germanistik einsteigen, dann über Marketingkommunikation oder über Publizistik zum Beispiel.“ Allerdings hält sie ein Studium nicht für zwingend notwendig, auch wenn sie überzeugt davon ist, dass es für den Beruf immer wichtiger wird, „weil im Studium doch sehr viel vermittelt wird, was, was man eigentlich wissen sollte, um gute Reportagen zu schreiben und gut recherchieren zu können, um auch Verbindungen knüpfen zu können.“ Was die Arbeitsbedingungen im Journalismus angeht, so erscheint Isabelle das Medium am attraktivsten, das die besten Chancen bietet, als Journalist bekannt zu werden und sich zu profilieren. Und die bestehen aus ihrer Sicht eindeutig beim Fernsehen, denn sie sagt: „Fernsehen lockt natürlich, weil beim Fernsehen kann man berühmt, bekannt werden und, ja, auf der Erfolgsleiter noch ein bisschen hochsteigen.“ Allerdings geht sie davon aus, dass es dort auch am schwersten ist unterzukommen. Die Frage, zu welchen Sendern es Journalisten hinzieht, ob zu den privaten oder den öffentlich-rechtlichen, kann Isabelle nur an sich selbst festmachen und stellt lachend fest: „Also wenn ich Journalist wäre, würde ich eher zu den Seriösen gehen.“ Die öffentlich-rechtlichen Sender erscheinen ihr glaubwürdiger und haben ihrer Ansicht nach in der Bevölkerung ein höheres Ansehen. Einen Arbeitsplatz beim Hörfunk findet Isabelle im Vergleich zu Fernsehen und Zeitung am unattraktivsten, weil dieses Medium die wenigsten Leute erreicht. Die Frage, ob sich ein Journalist für einen Arbeitsplatz bei einer überregionalen oder regionalen Zeitung entscheidet, weiß Isabelle sicher zu beantworten. Hier erscheint ihr ein Job bei einer überregionalen Tageszeitung wie beispielsweise der FAZ am reizvollsten, da dieser ihrer Meinung nach zwar höhere Ansprüche an die Bewerber stellt, dafür den Journalisten aber auch größere Entfaltungsspielräume bietet. So erklärt sie: „… ich denke mir mal, bei den überregionalen Zeitungen haben sie eher die Möglichkeit, auch größere Reportagen zu bringen, also EIGENE Reportagen zu erstellen.“ Als den klassischen Arbeitsplatz eines Journalisten betrachtet Isabelle die Zeitung, wobei sie sich auf kein bestimmtes Ressort festlegen will. Das
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Gehaltsniveau im Journalismus schätzt sie als solide ein und glaubt, dass ein fest angestellter Journalist „sein Auskommen haben“ wird, also mit Spesen im Schnitt „so seine viertausend Euro Minimum“ brutto verdient. Allerdings macht Isabelle das finanzielle Auskommen eines Journalisten auch von seinem Leistungsniveau und seinem Bekanntheitsgrad abhängig, so dass in ihren Augen die freiberuflichen Journalisten am besten verdienen, „die dann wirklich diese zündenden Storys liefern, die wirklich also … in vielen Zeitschriften und Zeitungen gedruckt werden, … die wirklich einen Großteil der Menschen interessiert.“ Neben einem guten Verdienst bietet der Journalistenberuf aus Isabelles Sicht noch weitere Chancen. So schwärmt sie zum einen von den vielen Kontakten der Journalisten zu anderen Menschen, zum anderen davon, dass sie durch Gespräche vielfältige Informationen erhalten, die sie auch für sich selbst nutzen können und dadurch „mehr Verständnis für schwierige Situationen“ aufbringen, also einfach „mehr DURCHBLICK“ haben. Deswegen führen Journalisten in ihren Augen auch „ein buntes Leben“, vor allem die erfolgreichen Freiberufler, „die nun tatsächlich, ja, mehr oder weniger engagiert werden, weil sie so gut sind, oder die von sich aus losgehen und Reportagen schreiben, selbst recherchieren.“ Auf der anderen Seite hält Isabelle das Journalistendasein auch für stressig. Dies führt sie auf die große Flut an Informationen zurück, die Journalisten auf Relevanz und Richtigkeit zu prüfen haben, sowie auf den Zeitdruck im tagesaktuellen Geschäft. Im Umgang mit Informationen erwartet Isabelle von Journalisten Unabhängigkeit und Neutralität, gerade wenn es um politische Ereignisse geht. Allerdings denkt sie nicht, dass Journalisten ihre Erwartung erfüllen können. Dies führt sie zum einen auf externe Zwänge durch Vorgesetzte zurück, zum anderen darauf, „dass die eigene Meinung immer mit einfließt.“ Was Isabelle offensichtlich ärgert, ist die Tatsache, dass Journalisten erhaltene Informationen bei der Weitergabe teilweise verfälschen. Außerdem würden Journalisten „nicht immer“ ehrlich mit ihrem Publikum umgehen und beispielsweise ein besseres oder schlechteres Bild von Personen oder Ereignissen zeichnen, je nach ihren persönlichen Erfahrungen. Die Bild-Zeitung spielt bei Isabelles Vorstellung vom Umgang der Journalisten mit Informationen keine besondere Rolle. Als die Rede auf das Boulevardblatt kommt, gibt sie sich abgeklärt und erzählt, dass sie die Zeitung schon „sehr lange“ nicht mehr in der Hand gehabt habe, auch wenn sie zum deutschen Journalismus in jedem Fall dazugehöre: „Ja natürlich!“. Nur als sie früher beim
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Bäcker die Brötchen geholt habe, erzählt Isabelle, habe sie die Schlagzeilen gelesen und sich darüber amüsiert, „denn unter der, der dicken Letter stand ja dann vielleicht öfter mal ne kleinere Zeile und da war das Thema irgendwie ganz anders ausgedrückt …“ Zudem betont sie, dass BildZeitungsjournalisten den Stil ihrer Berichterstattung eben dem Geschmack ihrer Leser anpassen würden. Isabelle ist überzeugt davon, dass Journalisten Macht haben und die öffentliche Meinung in der Bevölkerung auch im negativen Sinne beeinflussen können. So hätten die Medien ihren Einfluss beispielsweise ausgenutzt bei der Berichterstattung über den ehemaligen Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner18. Ihrer Meinung nach hätten die Journalisten damals „EIGENTLICH auch ein bisschen positiver“ über die Absichten dieses Mannes berichten können, der ja schließlich „nichts Falsches im Sinne gehabt“ habe und „ein Menschleben retten“ wollte und „ja auch an der richtigen Person“ gewesen sei. An dieser Stelle wird deutlich, dass Isabelle den Journalisten indirekt eine bewusst negative Darstellung, wenn nicht gar die Vorverurteilung des Polizeipräsidenten in der Öffentlichkeit vorwirft und damit auch eine Manipulation der öffentlichen Meinung, wodurch sie seine Rechte verletzt sieht. Sie erklärt: „Das war zwar jetzt ein Einzelfall, aber wenn man den projiziert auf andere Geschehen und sich selbst zum Beispiel mal nimmt, wenn man aus irgendeinem Grund vor die Justiz kommt, möchte man ja eigentlich auch seine Rechte wahren.“ 18 Am 27. September 2002 wurde der Frankfurter Bankierssohn Jakob von Metzler entführt und ermordet. Etwa dreieinhalb Monate nach der Tat beschuldigte der inzwischen rechtskräftig verurteilte Mörder des Jungen die Beamten der Frankfurter Polizei, sie hätten ihn damals unter Androhung von Foltermaßnahmen dazu zwingen wollen, das Versteck des Jungen preiszugeben (zu den Hintergründen vgl. auch Fußnote in Kapitel 4.1.2). Als dieser Vorfall publik wurde, entbrannte in den Medien und in der Öffentlichkeit eine Diskussion um die Frage, inwieweit Zwangsmaßnahmen durch den Staat gerechtfertigt sind, um im Notfall ein Menschenleben zu retten. Wolfgang Daschner, der zum Zeitpunkt der Entführung Polizeipräsident in Frankfurt war, wurde zusammen mit einem Ermittlungsbeamten wegen des Vorwurfs der Verleitung zur schweren Nötigung beziehungsweise wegen schwerer Nötigung angeklagt (vgl. Friedrichsen, 2004, S. 48-50; Ebner, 2004). Daschner wurde am 20. Dezember 2004 zu 10.800 Euro, sein Kollege zu 3.600 Euro Geldstrafe auf Bewährung verurteilt. Die Richter blieben damit deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Als strafmildernd sahen sie die ehrenwerten Motive der Angeklagten an. Dennoch seien, so das Gericht, nicht alle kriminalistischen Handlungsspielräume ausgeschöpft worden, so dass für ein Abweichen von der Verfassung kein Anlass bestanden habe. Daschner gilt nach dem Urteil als nicht vorbestraft (vgl. Mildes Urteil im Frankfurter Folter-Prozess, 2004).
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4.2.7 Interview mit Steffen (20): „… für MICH persönlich ist immer der Traum dahinter, erstens frei, also nicht in direktem zeitlichen Lohnarbeitsverhältnis stehend arbeiten zu können. (…) Ansonsten verbinde ich damit aber mittlerweile nicht mehr viel mehr als ein Job und keine großen Ideale, wie die vielleicht irgendwann mal formuliert worden sind in Richtung investigativ und Vierte Staatsgewalt oder so. Dafür sind sich die Staatsgewalten mittlerweile alle zu einig.“ Steffen studiert Anglistik im 1. Semester und arbeitet nebenbei als freier Journalist für eine kleine lokale Wochenzeitung, bei der auch seine Mutter Redakteurin ist. Somit kennt er mehrere Journalisten persönlich, allerdings beschreibt er den Kontakt zu ihnen als relativ lose: „… das sind Arbeitskollegen. Gut, meine Mutter ist meine Mutter, ja.“ Außerdem hat er persönlichen Kontakt zu Kollegen, die bei einer regionalen Abonnementzeitung arbeiten, kennt aber keine „journalistischen Größen oder Spiegel-Reporter oder so.“ Das Internet ist Steffens Hauptinformationsmedium, um sich zu informieren, wobei er Nachrichten am liebsten von unabhängigen Medien wie Indymedia bezieht, die da „weniger Befangenheit liefern.“ Solche OnlineRecherchen können „schon mal ne Stunde oder zwei dauern.“ Zeitung liest Steffen „eher wenig, Viertelstunde, zehn Minuten, je nachdem wie es interessant ist.“ Das Gespräch verläuft zwar in freundlicher Atmosphäre und ohne Störungen durch Dritte. Doch scheint das Aufnahmegerät zu verhindern, dass Steffen seine Kritik am deutschen Journalismus (noch) deutlicher formuliert. Der typische Journalist ist in Steffens Vorstellung „Mitte Zwanzig bis Mitte Dreißig“, was er damit begründet, „weil da dieses dynamische Bild irgendwie doch noch rüberkommt.“ Er glaubt aber gleichzeitig, dass das, „wenn man sich logisch umschaut, eher falsch ist“ und die meisten Journalisten – zumindest diejenigen, die in den Medien präsent sind – wahrscheinlich „die Vierzig schon überschritten“ haben. Außerdem denkt er bei Journalisten eher an Frauen, was aus seiner Sicht vielleicht „mit den typischen Eigenschaften, die man ner Frau zuschreibt, redegewandt und so weiter“ zusammenhängt. Doch Steffen kommt noch eine andere Erklärung in den Sinn: „KÖNNTE aber auch daran liegen, dass einfach in meinem Umfeld alle Journalisten Journalistinnen sind.“ Lediglich als Bild-Zeitungsredakteur kann er sich nur schwer eine Frau vorstellen, was er auf „die konservative Politik, die die Bild-Zeitung unterstützt und die schrecklichen Klischeefrauenbilder“ zurückführt, auch wenn er nicht ausschließt, dass diese Arbeit
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trotzdem von Frauen erledigt wird. Dennoch fragt er sich: „Wie kann das ne Frau guten Gewissens unterstützen?“ Beim Kleidungsstil von Journalisten möchte sich Steffen nicht auf ein Idealbild festlegen, da dies für ihn „sehr breit gefächert“ ist. So erklärt er: „Also da gibt’s sehr materiell orientierte Anzugtypen und die eher Laissez-faire-Leute mit Bart und langen Haaren oder, was weiß ich, Hippie-Frauen und genauso Karrierefrauen.“ Dennoch stellt er sich „bei den Zeitungen … schon eher Anzugträger und etwas hochgeschlossenere Menschen vor, gerade bei den so genannten seriösen Zeitungen der Mitte“, beim Radio hingegen „eigentlich eher gelöste Menschen in Shorts und T-Shirt oder so …, die dann munter ins Mikro plappern.“ Darüber hinaus verbindet er mit einem Journalisten eine Person, die ihm „persönlich sympathisch“ ist, weil er den Beruf „für sehr wichtig“ hält, die ihm aber „politisch eher unsympathisch“ erscheint. Er begründet seine Ablehnung damit, dass der überwiegende Teil der deutschen Presse abhängig sei, zum einen von der öffentlichen Meinung, zum anderen von der „Politik der Mitte bis in Richtung des leicht Konservativen“. Für dieses Phänomen wählt Steffen den Begriff der „Mitte-Presse“ und erklärt, was er darunter versteht und was ihn an dieser Form der Presse ärgert: „Nun, wir haben latent rechte Blätter, wir haben sehr wenige linke Blätter, leider, wir haben viele Blätter, die die Meinung der Leute aufnehmen und sie in anderer Form wiedergeben. Das ist für mich die Mitte. Und extreme Blätter oder extreme Zeitungen werden immer im Internet geschlossen teilweise, unabhängige Flugblattverteilungen werden gestoppt. Das heißt, letztendlich hat der Journalismus nicht die Möglichkeit, wirklich machtvolle Argumente ans Volk zu bringen oder an die Menschen zu bringen und wird so eigentlich die Spirale von immer ähnlichen Meinungen immer weiter, immer weiter drehen. Ist mein Gefühl.“ An seinen Worten wird deutlich, dass die meisten Medienvertreter in Deutschland Steffens persönlichem Ideal eines Journalisten nicht entsprechen, auch wenn er einschränkt, dass das „natürlich auf höherer Presseebene auch anders sein kann.“ Der ideale Journalist sei nämlich „unangepasst und auch bereit, frei zu denken und die eigene Meinung zu äußern, äußern zu DÜRFEN.“ Dennoch benennt Steffen einige Eigenschaften, die auch auf reale Journalisten zutreffen, „HÖCHSTENS bis zu einem gewissen Grad … erlernbar“ sind und somit aus seiner Sicht eine Form von Begabung darstellen. Dazu zählen für ihn „ne gewisse Offenheit und Toleranz auch anderen Meinungen gegenüber“, die „Fähigkeit zur Selbstorganisation“, „Spontaneität“, beispielsweise um in Interviews auf unerwartete
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Situationen angemessen zu reagieren, „die Fähigkeit, auch mal zuzuhören“ sowie eine besondere Sprachbegabung. So ist Steffen beispielsweise überzeugt davon, „dass man gewisse Schreibtechniken nicht erlernen kann“, und fügt hinzu: „Also diese fünf W’s, wenn ich die in nem Artikel abgehandelt habe, habe ich noch lange keinen Artikel geschrieben, der die Leute fesselt, der die Leute dazu bringt, weiter zu lesen.“ Steffen glaubt nicht, dass Berufung dazu führt, dass Menschen Journalist werden, sondern erklärt: „Ich glaube, es geht den meisten Leuten eher um die Anerkennung des Berufs Journalist, die ist immer noch sehr hoch, und um die, vielleicht auch um die Möglichkeit, sich kreativ ein bisschen selbst verwirklichen zu können.“ Er selbst distanziert sich von diesen Motiven und benennt als persönliche Motivation für seine Tätigkeit als freier Journalist seinen Traum von einem Leben in Unabhängigkeit und Freiheit: „… ich weiß, dass ich für das … kapitalistische … Arbeitsleben in Lohnabhängigkeit nicht geschaffen bin, bin aber auch so realistisch zu wissen, dass ich die GANZ große Freiheit innerhalb von Deutschland nicht bekommen werde. Und der Journalismus, wie ich ihn im Moment praktiziere, bringt mir, wenn ich jetzt nicht studieren würde, wahrscheinlich sogar schon genügend Geld, um zwar recht spartanisch, aber dafür auch recht frei leben zu können. Und mein Ziel ist es dann auch, eben NICHT groß Geld zu verdienen, sondern diese Freiheit weiterzuentwickeln und, auch wenn’s nur unterschwellig ist, meine Meinung auch offen platzieren zu können, die Leute zu erreichen.“ Ein Studium hält Steffen nicht für zwingend notwendig, um Journalist zu werden, sondern glaubt stattdessen, dass Leute oftmals über Praktika und Volontariate in den Journalismus einsteigen. Er selbst erlebt diese „Quereinsteiger“ an seinem Arbeitsplatz. Überhaupt sind seiner Meinung nach „die meisten journalistischen Eigenschaften … keine, die man beim Studium einfach so erlernen kann auf theoretischer Basis.“ Das Ausbildungsniveau im Journalismus hält Steffen für unterschiedlich hoch, glaubt aber, dass „die Journalisten der größeren Zeitungen“ wie Frankfurter Rundschau, FAZ oder Bild-Zeitung, aber auch Stern, Focus oder Spiegel studiert haben. Konkurrenz, so Steffen, spiele im Journalismus eine große Rolle, weil man letztendlich als Einzelkämpfer auftrete und durch eigene kreative Leistungen die Karriereleiter erklimmen würde. Zudem sei der Zeitungsmarkt mit Journalisten „überlaufen“ bei gleichzeitig knappem Stellenangebot. Und auch unter den Medien herrsche ein harter Wettbewerb, sogar teilweise innerhalb der gleichen Verlagsgruppe. Ob Radio, Fernsehen oder Zeitung die
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besten Arbeitsbedingungen für Journalisten bieten, ist für Steffen „personenabhängig, typabhängig“. So fühlen sich seiner Meinung nach ruhigere Menschen, die gerne und gut schreiben, bei der Zeitung wohler, hier vor allem bei einer Lokalzeitung, weil diese dem derzeit vorherrschenden „Lokalpatriotismus“ aus seiner Sicht entgegenkommt. Beim Rundfunk hingegen müsse man, so Steffen, „in erster Linie auch mal reden können“ und „ne gewisse Aufgewecktheit rüberbringen“, die man als Zeitungsjournalist nicht benötige. Das Fernsehen stellt in seinen Augen darüber hinaus die Anforderung an Journalisten, gut auszusehen und „vor der Kamera das richtige Bild“ abzugeben. Dabei sei jemand, so Steffen, der „eher hintergründig berichten und recherchieren will“, beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk besser untergebracht „als bei Sat.1 oder RTL oder ProSieben mit ihren bunten Magazinen, wo meistens auch vor allem Schlagzeilen oder tragische Geschichten präsentiert werden.“ Der typische Arbeitsplatz eines Journalisten ist für Steffen „die Zeitung, die Printmedien“, wobei in seinen Augen Recherche- und Verwaltungstätigkeiten den journalistischen Arbeitsalltag bestimmen. Diese berufsfremden Tätigkeiten nehmen aus seiner Sicht in den höheren Hierarchieebenen sogar zu, so dass man sich dort als Journalist von seinem ursprünglichen Aufgabenfeld immer mehr entfernt. Über das finanzielle Auskommen eines fest angestellten Journalisten hat Steffen „überhaupt keinen Überblick“, glaubt aber, dass sie „unter tausend, tausendfünfhundert [Euro] auch nicht zu arbeiten anfangen.“ Ingesamt betrachtet er den Journalistenberuf als nicht geeignet, um reich zu werden – zumindest nicht als Berufsanfänger. Den Berufsalltag hält Steffen für stressig und begründet dies mit der schwierigen Terminkoordination, die ein freier Journalist zu meistern habe – auch er selbst. Allerdings sei diese „Riesenrennerei“ für ihn „teilweise n sehr positiver Stress, weil eben auch die eigene Leistung selbst definiert werden kann“ und nicht durch Vorgesetzte bestimmt werde wie beim fest angestellten Journalisten. Diese Freiheit ist gleichsam die Chance, die Steffen im Beruf des Journalisten erkennt – sofern er denn frei arbeiten kann. So sei der fest angestellte Journalist abhängig von den Zeitvorgaben und dem Lohn seines Arbeitgebers, führe dafür aber ein stressfreieres Leben. Steffen erkennt aber noch einen weiteren Vorteil, der mit dem Dasein als Journalist einhergeht und den er auch bei seiner Mutter beobachten kann: der ungehinderte Zugang zu Veranstaltungen und Gesprächspartnern, nämlich „dann auch für
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jeden wichtigen Termin ne Einladung zu bekommen, nachträglich mit den Leuten persönlich noch mal reden zu können.“ Eine unabhängige Berichterstattung ist die zentrale Forderung, die Steffen an den Journalismus stellt, auch wenn er desillusioniert feststellt, dass die Realität anders aussieht. So würden unter anderem Berichte von Demonstrationen „extrem verfälscht“, wobei er rätselt, ob dies an der Angst der Journalisten läge, die Wahrheit zu sagen, oder der Staat die Medienberichterstattung beeinflusse. Fest steht für Steffen jedenfalls, dass es im Journalismus „schon Richtlinien [gibt], in welcher Richtung berichtet werden darf“, dass Journalisten also Zwängen unterliegen, beispielsweise seitens der Politik oder des Anzeigengeschäfts. Dennoch unterstellt Steffen den Journalisten bei der Verbreitung von Unwahrheiten keinen Vorsatz, denn er stellt fest: „… solange sich die Person dessen nicht bewusst ist, muss ich schon davon ausgehen, dass sie erstmal ehrlich mit mir ist.“ „Über Leichen“ gehen deutsche Journalisten aus Steffens Sicht nicht, dies allerdings weniger aus Gründen der Verantwortung Dritten gegenüber, sondern vielmehr, „um eben auch die eigene Karriere nicht zu gefährden.“ Nur in der „Yellow Press, in diesen Regenbogenblättern“ hält er Rücksichtslosigkeit für denkbar. Steffen sagt: „Also ich denke, dass es DA tatsächlich den so genannten Paparazzi recht egal ist, was dann aus dem Opfer … eines solchen Artikels wird.“ Negative Gefühle rufen bei ihm außerdem Journalisten hervor, die Dinge aufbauschen oder bewusst „Fronten … kreieren“, wobei er an den Sportjournalismus denken muss. Und auch als die Rede auf die Bild-Zeitung kommt, formuliert er seine Kritik sehr deutlich. So ärgert ihn das bewusste Bedienen von Klischees durch Bild, ihre politisch einseitigen Schlagzeilen, die in seinen Augen meist nichts mit dem eigentlichen Artikel zu tun haben, sowie ihr „latenter Nationalismus“. Dem Ansehen der BildZeitungsjournalisten habe ihr Stil dennoch nicht geschadet, erklärt Steffen bissig, „… denn sie haben es geschafft, sich nach oben zu arbeiten und sie schaffen es, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.“ Den Journalisten in Deutschland spricht Steffen, zumindest in der derzeitigen Situation, eine machtvolle Position in der Gesellschaft ab. Er betrachtet die Presse vielmehr als einen Spielball der öffentlichen Meinung, an die man sich anzupassen habe, um am Markt zu bestehen. Grundsätzlich befürwortet er jedoch die Macht der Medien und erklärt, dass er „das IDEAL der Presse als informatives Organ und auch als, als enthüllendes Organ, eben als, als Staatsgewalt, die wirklich möglicherweise den … anderen drei
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Gewalten entgegensteht“, noch nicht aufgegeben habe. Die Umsetzung eines unabhängigen und von Marktgesetzen losgelösten Journalismus, wie ihn aus seiner Sicht Indymedia oder der Offene Kanal in Berlin betreiben, betrachtet er jedoch in Deutschland für weitgehend unrealistisch. Dennoch hält er an diesem Traum fest: „… das ist für mich so die große Hoffnung des wahren Journalismus, des unabhängigen demokratischen Journalismus.“ 4.2.8 Interview mit Simon (31): „Ja, Zeitung, Medien, Fernsehen, Informationen, Boulevard … Recherche, Paparazzi.“ Nach dem Wirtschaftsabitur hat Simon eine Schreinerlehre gemacht, danach eine Meisterausbildung absolviert und führt heute einen kleinen Restaurationsbetrieb für antike Möbel. Er gibt zunächst an, Journalisten nicht persönlich zu kennen, hat aber mit diesem Berufsstand bereits im Rahmen seiner Vereinsarbeit direkten Kontakt. Außerdem fällt ihm im Laufe des Gesprächs noch ein Bekannter ein, der als Moderator für einen Radiosender arbeitet. Fernsehen, Zeitung, Radio und Internet nutzt Simon relativ intensiv. So ist er seit zwölf Jahren Abonnent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, mit der er täglich im Schnitt „ein bis anderthalb Stunden“ verbringt. Darüber hinaus liest er berufsspezifische Fachzeitschriften. Das Radio läuft in seiner Werkstatt den ganzen Tag über, und auch das Internet nutzt er beruflich wie privat. Er schaut auch Fernsehen, wobei er lieber öffentlichrechtliche Sender einschaltet, dort am liebsten Nachrichtensendungen oder Krimis. Private Sender sieht er nur selten, „vielleicht zehn Prozent.“ Bei der Begrüßung der Interviewerin wirkt Simon etwas gehetzt und verweist darauf, dass er „viel um die Ohren“ habe. Das Gespräch findet dennoch in freundlicher Atmosphäre statt, und nach ein paar Minuten entwickelt Simon sogar reges Interesse an dem Thema. Mit dem typischen Journalisten verbindet Simon weder ein konkretes Alter noch ein spezifisches Geschlecht und begründet dies mit seinen persönlichen Erfahrungen mit Journalisten, wo er auf die unterschiedlichsten Menschen getroffen ist. Entschieden bekundet er: „Nee, KEIN Typus!“ Lediglich beim Bild-Zeitungsjournalisten denkt er, wie er lachend zugibt, spontan an einen Mann, auch wenn er diesen Gedanken nicht begründen kann. Seine Vorstellungen von den Eigenschaften eines Journalisten fallen hingegen sehr konkret und umfassend aus. Hier zeichnet Simon ein beinahe
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durchweg positives Bild, da er an einen willenstarken, selbstbewussten und rhetorisch versierten Menschen denken muss. Und dass dies auch in der Realität so ist, davon ist Simon überzeugt: „Ich denke schon, dass das so auch ist, ja.“ In seiner Vorstellung ist der typische Berufsvertreter „forsch“, „gut informiert“ und „fit in Wort und Schrift, SOLLTE zumindest sein, ja“, außerdem im positiven Sinne neugierig. Simon unterstellt ihm sogar eine „leicht detektivische Ader“, wobei er davon ausgeht, dass „also dieser DRANG, immer wieder was zu erfahren und zu erforschen“ für eine gute journalistische Leistung Grundvoraussetzung ist. Für ihn ist der Journalistenberuf ganz klar eine Frage der Begabung, was aus seiner Sicht sowohl für den „seriösen“ als auch für den Boulevard- beziehungsweise BildZeitungsjournalisten gilt. Allerdings fällt auf, dass Simons Vorstellungen von letzterem einen deutlichen Kontrast zu seinem insgesamt positiven Bild des typischen Berufsvertreters darstellen. So antwortet er auf die Frage, welche Charaktere bei Bild arbeiten: „Die harten Knochen, ja, glaube ich schon. Harte Knochen einfach und, und unverschämt, frech bis unverschämt und, JA. Ich denke, dass es einen bestimmten Typ gibt, der einfach diesen Boulevardjournalismus, ja, vertritt und das wahrscheinlich auch GERNE macht, also die einfach genau wissen, was diese, was die breite Masse, wie man so schön sagt, eigentlich für n Bedürfnis hat, was die gerne konsumieren möchten an Informationen. Und genau das wollen die denen halt beschaffen.“ Journalist wird man in Simons Augen aufgrund des Wunsches, Informationen zu beschaffen und sie an andere weiterzugeben, gewissermaßen also eine „Mittlerrolle“ einzunehmen – eine Aufgabe, zu der man sich seiner Meinung nach berufen fühlt. Simon sagt: „Also so spontan würde ich sagen, dass Journalist durchaus ein Beruf ist, wo Berufung dazu führt.“ Ein Studium sieht er dabei als Grundvoraussetzung an, allerdings verbindet er mit Journalismus kein spezielles Studienfach, sondern erklärt: „Das muss nicht Journalismus sein. Da gibt’s ja unterschiedliche, … [auch] Germanisten, Kunsthistoriker, je nachdem, was man halt so bedient.“ Dennoch hält es Simon nicht für ausgeschlossen, dass sich eine Person, die über ein umfassendes Fachwissen verfügt, nebenberuflich als Journalist betätigt und für Fachzeitschriften schreibt. Er sagt: „Das habe ich auch schon von dem ein oder anderen gehört, dass das wohl möglich ist.“ Simon hält einen Einstieg in den Journalismus für schwer und kann sich vorstellen, dass dort ein starkes Karrieredenken vorherrscht, was er auf die Macht zurückführt, die mit gewissen Stellen und Positionen verbunden ist. Die Frage, welches Medium
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als Arbeitgeber für Journalisten am attraktivsten ist, macht er vorwiegend am Charakter des Menschen fest. So böten das Fernsehen und der Hörfunk für den extrovertierten Journalisten, den „Entertainertyp“, das geeignete Arbeitsumfeld, die Zeitung hingegen für den introvertierten, geduldigeren Berufsvertreter, „der eher äußerlich unscheinbar, vielleicht auch nicht so, ja, in seinem Auftreten nicht so viel POWER verströmt.“ Und auch innerhalb des Fernsehmarktes macht Simon die Entscheidung für oder gegen einen Sender vom Typ Mensch abhängig. So sei man bei den Privatsendern besser aufgehoben, „wenn man vom Typ her eher so n bisschen der reißerische Typ ist.“ Wenn man jedoch „halt eher diesen, ja, gut recherchierten, seriösen Journalismus vertreten möchte“, dann entscheide man sich für die öffentlich-rechtlichen Sender. Lediglich die Attraktivität von lokalem und überregionalem Journalismus stellt für Simon keine Charakterfrage dar, sondern liegt klar auf der Hand. Hier bieten seiner Meinung nach die überregionalen Zeitungen in jedem Fall die besseren Arbeitsbedingungen, da sie einem Journalisten „das Blicken über den Tellerrand“ ermöglichen und ihn auch besser bezahlen. Den „Kleinklein-Journalismus“ von Regional- und Lokalzeitungen hält Simon hingegen für „teilweise fast primitiv“, wirft dies jedoch nicht den Journalisten selbst vor, sondern sieht darin eine Folge von Zwängen seitens des Arbeitgebers, der sich mit dieser Art von Journalismus letztlich an die Bedürfnisse des Leser anpasse. Dadurch, dass die Zeitung Simons bevorzugtes Medium ist, arbeitet für ihn der typische Journalist bei einer Zeitung und dort im Bereich der „Tagespolitik“. Seine tägliche Arbeit, so Simon, umfasse sowohl das Sammeln von Informationen durch Recherchen außer Haus (z. B. auf Pressekonferenzen, Einweihungen etc.) als auch deren Verwertung, Zusammenfassung und Bebilderung. Abschließend stelle der Journalist seine Berichte in der Reaktionskonferenz vor, die dann darüber entscheide, ob der Beitrag genommen werde oder nicht. Das finanzielle Auskommen eines Journalisten hält Simon für unterschiedlich hoch und sieht es als abhängig an von dessen beruflicher Position. Allerdings kann er die Höhe des Journalistensalärs nicht genau beziffern und muss bei dieser Frage raten: „Das kann vielleicht tausend Euro im Monat sein, aber kann aber auch fünfhundert sein, Volontär. Ich weiß es nicht, muss ich sagen. Kommt wahrscheinlich auch drauf an, wo man ist und welche STELLE man auch da hat, da wird’s wahrscheinlich auch Unterschiede geben. Und ansonsten denke ich, dass viele Journalisten auch als FREIE Journalisten arbeiten oder für mehrere Zeitungen
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oder Zeitschriften, und dann richtet’s sich wahrscheinlich auch danach, wie viel sie eben bringen und was davon wiederum verwertet wird.“ Andererseits glaubt Simon, dass man als Journalist, „wenn man dann irgendwann mal in Amt und Ehren ist, ne feste Stelle hat … auch ganz gut verdienen [kann] dabei, ja. “ Freie Journalisten, die gut im Geschäft seien, könnten in dieser Hinsicht ihre fest angestellten Kollegen sogar noch übertreffen. Der Journalistenberuf bietet aus Simons Sicht außerdem zahlreiche Chancen, die ihn „spannend“ und „interessant“ machen. So sei der Journalist durch seine Recherchen viel unterwegs, würde „einfach unheimlich viel“ erfahren, „Dinge, die man vielleicht jetzt in dem Moment gerade gar nicht sucht“, und habe viel mit Menschen zu tun. Andererseits verbindet Simon mit dem Journalistendasein auch ein gewisses Maß an Stress. So stellt er sich den Beruf, gerade im tagesaktuellen Geschäft, auch „nervig“ vor, „dieses Hinterherrennen von Nachrichten, immer wieder, jeden Tag muss was Neues her, vielleicht sogar zwei Mal am Tag.“ Gerade letzteres führt er auch als Grund dafür an, warum für ihn selbst – wenn überhaupt – nur eine Tätigkeit als Fachjournalist in Frage käme, wo es längere Recherchezeiten gäbe. Im Umgang der Journalisten mit Informationen würde Simon Neutralität grundsätzlich begrüßen. Allerdings ist dieser Wunsch in seinen Augen kaum zu erfüllen. So sagt er: „Jeder bringt irgendwo sein subjektives Empfinden ein, und dazu kommt natürlich, dass, wenn wir jetzt wieder auf die Zeitungen gehen, dass die natürlich irgendwo auch ne gewisse Färbung haben.“ In der tendenziösen Berichterstattung sieht er aber den Vorteil, dass man immer genau wisse, welche Zeitung der eigenen politischen Einstellung entspräche und man dementsprechend seine Lektüre auswählen könne. Unehrlichkeit gehört für Simon zum Journalismus dazu, was er zwar „eher negativ“ findet, was sich für ihn aber durch die Motivation der Journalisten erklärt, ihr Publikum im gut gemeinten Sinne lenken zu wollen. Er erklärt: „Ich denke, dass sie, dass sie steuern wollen auch in gewisser Weise damit, und man ist ja nicht gleich unehrlich, wenn man mal was verschweigt. Also ich denke nicht, dass es drum geht, irgendwie Lügen zu verbreiten, zumindest im Großen und Ganzen nicht, aber dass man durchaus einfach durch die Art und Weise, WIE man es darstellt, auch, ja, einfach ne gewisse Richtung vorgibt, und dann ist vielleicht auch nicht immer alles ganz so ehrlich.“ Dass Journalisten bei Recherchen rücksichtslos vorgehen und auch mal Tricks anwenden, steht für Simon fest, wobei er ein härteres Vorgehen vor allem den Journalisten der Boulevardpresse attestiert: „Also n Bild-Reporter
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geht ganz anders zur Sache als jetzt, weiß jetzt nicht, jemand von ner Lokalzeitung oder so. Das auf jeden Fall.“ Diese Skrupellosigkeit bewertet er eindeutig negativ, denn er erklärt: „Also das ist halt nicht so mein Ding. Zum einen kann ich es mir nicht vorstellen, das selbst zu machen, und ich finde das auch halt DENEN gegenüber unfair, die, sage ich mal, darunter leiden und die eigentlich da, ich sage mal, aufgrund der Informationsgeilheit, ja, da eigentlich ausgepresst werden.“ Auch dass Journalisten für eine gute Story „über Leichen“ gehen, nimmt Simon an und denkt wiederum spontan an die Methoden der Bild-Zeitung, über die er schon mal ein Buch19 gelesen habe und die er als „haarsträubend“ bezeichnet. Doch ist Rücksichtslosigkeit im Journalismus für ihn in erster Linie eine Frage des Charakters, da vor allem die Skrupel jedes einzelnen Journalisten darüber entscheiden würden, ob er eine „Topstory“ ausnutze und dadurch eventuell den lange ersehnten „Durchbruch“ schaffe oder ob er eine Story „sausen“ lasse. Den Medien spricht Simon eine überaus machtvolle Position zu, wobei er deren Einflussnahme auf die öffentliche Meinung vornehmlich mit Sorge betrachtet. So gibt er zu bedenken, dass „durch diese Macht, die sie haben, viele andere mit auch beeinflussen können“ und „nicht alle Konsumenten dieser Informationen in der Lage sind, irgendwo zu filtern.“ Besonders kritisch steht er der Macht der Medien gegenüber, wenn es um politische Belange geht, da er glaubt, dass die Presse in Deutschland politisch eher links orientiert ist und dementsprechend diesen Parteien auch eher nutzt. Dass Journalisten ihre Machtposition auch ausnutzen, um bestimmte Themen immer wieder auf die Agenda zu bringen und die öffentliche Meinung dadurch gezielt zu beeinflussen, steht für Simon daher außer Frage. Entschieden stellt er fest: „Davon gehe ich aus.“ Andererseits erkennt er auch, dass Journalisten in der Vergangenheit immer wieder Skandale aufgedeckt haben – eine Leistung, die bei ihm allerdings kaum Bewunderung hervorruft. Das sei schlichtweg der Job eines Journalisten, so Simon, und eine solche Leistung reiner Zufall, gewissermaßen eine Frage des Glücks, im richtigen Moment „den richtigen Riecher gehabt und in die richtige Richtung recherchiert“ zu haben.
19 Wahrscheinlich handelt es sich dabei um das bereits erwähnte Buch von Günter Wallraff (2004) Der Aufmacher. Zu den Hintergründen vgl. Fußnote in Kapitel 4.2.1
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4.2.9 Interview mit Wanda (42): „Da fällt mir eigentlich nur ein: Reisen.“ Wanda hat nach ihrem Fachabitur eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten gemacht, den Beruf jedoch nach der Geburt ihrer zwei Kinder aufgegeben. Sie ist mit Journalisten nicht befreundet, hat jedoch über ihre frühere Chefin einen Journalisten vom ZDF persönlich kennen gelernt, ihn aber „nur so drei, vier Mal gesehen“. Dennoch hat der Mann sie sichtlich fasziniert, denn sie betont mehrmals, wie „interessant“ sie die Begegnungen mit ihm fand. Überhaupt scheint sie der Beruf des Journalisten ganz offensichtlich zu begeistern, auch wenn sie sich als Kind nicht hätte vorstellen können, ihn selbst zu ergreifen, weil sie damals „eigentlich immer sehr GENANT“ war. Radio und Fernsehen sind die Medien, die Wanda am ausgiebigsten nutzt. Sie erzählt: „Also Radio habe ich IMMER an, den ganzen Tag, und Fernseher eigentlich erst ab abends halb zehn, von halb zehn bis also, bis zwölf.“ Dabei schaut sie „eher die Privaten“, schaltet aber auch gerne Talksendungen wie Johannes B. Kerner oder Sabine Christiansen ein. Mit der regionalen Tageszeitung verbringt sie „ne gute halbe Stunde morgens“. Außerdem liest sie gerne Dekorations- und Frauenzeitschriften. Das Gespräch läuft in freundlicher Atmosphäre ab, allerdings nicht ungestört von den beiden Kindern, die Wanda, aber auch die Interviewerin mit hochgehaltenen Botschaften am Wohnzimmerfenster immer wieder vom Gespräch ablenken. Der typische Journalist ist für Wanda „Ende Dreißig“, wobei sie sich „da jemanden sehr Sportliches vor[stellt], also vom Mann her halt n großer sportlicher Mann einfach, gut aussehend. Und bei ner Frau genauso!“ Ein spezifisches Geschlecht verbindet sie mit dem Beruf hingegen nicht: „Also ich würde da jetzt nicht unbedingt sagen: ‘Nur ein Mann’, nee, eigentlich nicht.“ Was für Wanda auf jeden Fall zu einem Journalisten dazugehört, sind ein sympathisches und gepflegtes Äußeres, was sie damit begründet, dass man andernfalls kaum Erfolg hätte, von anderen Menschen Informationen zu erhalten. Außerdem zeichne sich ein Journalist durch „ne gewisse Art“ aus, „die einem auch in die Wiege gelegt werden“ muss und somit für Wanda eine Form von Begabung darstellt. Die Eigenschaften eines Journalisten würden zudem aus der Erziehung eines Menschen resultieren, erklärt Wanda, also daraus, „ob du da schon von klein auf so überall so n bisschen mit so reinguckst und die Eltern viel mit dir unterwegs sind, ob du viel reist und alles.“ Wanda erklärt dies genauer: „… also man muss einfach unheim-
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lich gut reden können, denke ich so, mit, mit allen Leuten eigentlich sehr gut umgehen können, also ein sehr gutes GEFÜHL haben für, für jetzt Menschen, ne, also für die verschiedensten Menschen. Also da musst du auch sehr … sehr einfühlsam sein, und also man kann da auch nicht immer so gerade so reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist, sondern muss da, glaube ich, auch immer mal so n bisschen vorsichtig mit umgehen können.“ Dass diese Vorstellung auch in der Realität auf Journalisten zutrifft, nimmt Wanda durchaus an, „sonst kommen sie einfach nicht weit“. Und auch den Bild-Zeitungsreportern schreibt Wanda rhetorisches Geschick, „ein flottes Mundwerk“ zu, wenn auch einen weniger sensiblen Charakter als dem typischen Berufsvertreter, da sie glaubt, dass Boulevardjournalisten einem „bestimmt sehr gut übern Mund fahren“ können. Eine Persönlichkeit aus dem Medienbereich, die in Wandas Augen die „gewisse Art“ eines Journalisten verkörpert, ist Sabine Christiansen, weil sie bei ihr „immer so das Gefühl habe, sie, sie weiß so viel so dieses, dieses Hintergrundwissen, so diese gewisse Intelligenz.“ Bewundernd fügt Wanda hinzu: „… wenn ich die dann so sehe, denke ich: ‘Ach Mensch, so wolltest du auch sein’, so, so dieses so, auch dieses sichere Auftreten, dieses Nie-verlegen-sein. Und also die, die ist ja nicht verlegen, auch wenn irgendjemand, der mal was, was Hartes sagt oder so, also die findet da ja immer wieder, also das finde ich interessant, also ihre Art so wie sie ist.“ „Rein menschlich“ möge sie sie aber gar nicht, wobei Wanda ihr Urteil auf die Lektüre der Gala zurückführt und erklärt: „… da muss ich halt auch so immer reinlesen. Und dann denke ich mal, das sind halt eben dann so vielleicht auch Vorurteile, aber so ihre, ihre Art aufzutreten ist manchmal schon sehr arrogant, ne, so halt das.“ Andererseits kann sich Wanda vorstellen, dass Arroganz zum Journalistendasein dazugehört, denn „so diese ganze Art und Weise, wie du dich halt verhalten musst, … wirkt dann vielleicht auch manchmal schon auch n bisschen arrogant.“ Über die Ausbildung zum Journalisten weiß Wanda nur wenig und erklärt: „… ich meine, man sieht sie und WEIß auch, was sie sind, aber wie die jetzt letztendlich dazu gekommen sind, weiß ich natürlich jetzt nicht. Gut, Journalistik studiert haben dann wahrscheinlich, aber sonst weiß ich jetzt auch nicht, auch im Medienbereich vielleicht gearbeitet haben, damit sie dann dieses Wissen halt auch kriegen.“ Auch ihr Bild der verschiedenen Mediengattungen fällt relativ vage aus. So kann sie sich nur ungenau zu den Arbeitsbedingungen im Rundfunk- und Zeitungsjournalismus äußern. Ihre Vorstellungen unterscheiden sich in diesem Punkt unter anderem darin, dass
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Rundfunkjournalisten in ihren Äußerungen wohl „vorsichtiger“ sein müssten als die Zeitungsjournalisten, weil „bei der Zeitung kannst du dich vielleicht immer noch MEHR äußern als die jetzt beim Rundfunk.“ Außerdem vermutet sie, dass die öffentlich-rechtlichen Sender durch die Gebührenfinanzierung den sichereren Arbeitsplatz bieten, auch wenn sie dies nicht mit Bestimmtheit sagen kann. Nur bei der Frage nach der Attraktivität des lokalen im Vergleich zum überregionalen Printmedienjournalismus ist sich Wanda sicher. Hier hält sie einen Job bei einer überregionalen Zeitung in jedem Fall für interessanter, weil man dort als Redakteur auch mal „über den Tellerrand gucken“ könne. Deshalb hält sie Journalisten bei überregionalen Zeitungen auch „vielleicht auf ne ganz andere Art [für] wissbegieriger … [und] vielleicht n bisschen engagierter als wie die anderen.“ Wandas Vorstellungen vom Berufsbild eines Journalisten sind ebenfalls wenig konkret. So verbindet sie zwar spontan mit Journalisten das Medium Fernsehen. Aussagen über deren Alltag und Gehalt fallen ihr hingegen schwer. So vermutet sie, dass sich ein Großteil des journalistischen Alltags außer Haus abspielt und erklärt: „… im Büro selber kannst du da ja nicht viel erreichen. Ich denke, da musst du schon überall mal hin, um mal an deine Arbeit halt zu kommen, ja.“ Bei der Frage nach dem Durchschnittsgehalt von Journalisten überspielt Wanda ihre Unsicherheit dadurch, dass sie sich auf keine konkrete Antwort festlegt und stattdessen grinsend behauptet: „Ist bestimmt nicht schlecht, aber ist bestimmt auch nicht die Welt.“ Lediglich die Vor- und Nachteile dieses Berufs weiß sie genau zu beschreiben. So schwärmt sie: „Ja, die können immer so viel rumreisen und können überall hinfahren!“ Dadurch würden Journalisten „eigentlich alles kennen [lernen], so in der Politik, jetzt Wirtschaft, … im MODEBEREICH, … alles, was so, so, was es halt so gibt.“ Das hat sie offensichtlich auch an ihrem Bekannten, dem ZDF-Journalisten, fasziniert, denn sie erzählt völlig begeistert: „Der ist auch überall rumgekommen, so überall auf der ganzen Welt. Also der wusste über alles Bescheid, egal, wenn irgendjemand was gesagt hat, OCH! Hat der dann erzählt immer! Das fand ich total interessant!“ Allerdings gibt sie zu bedenken, dass sich das abwechslungsreiche Dasein eines Journalisten kaum mit einem Familienleben vereinbaren lasse, „weil, du musst ja immer irgendwo auf dem Sprung sein, du bist ja eigentlich, du kannst eigentlich nie so jetzt ein Familienleben so führen wie jemand, der jetzt ganz normal arbeiten geht.“ Und dieses „Einmal da und einmal da“ bedeutet in Wandas Augen Stress. Entschieden stellt sie fest: „Das glaube ich schon, ja.“
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Wanda stellt von sich aus keine besonderen Forderungen an den Umgang der Journalisten mit Informationen und reagiert auf Themen wie Unehrlichkeit und Unsachlichkeit im Journalismus insgesamt gelassen. So scheint sie sich beispielsweise an der Vorstellung, dass Journalisten mit ihrem Publikum nicht „unbedingt so GANZ ehrlich“ umgehen, wenig zu stören. Im Gegenteil: Die Cleverness, die sie Journalisten bei ihrer Informationsrecherche unterstellt, amüsiert sie offensichtlich, denn sie erklärt grinsend, dass Journalisten dabei durchaus „bisschen andere Tricks anwenden“ und auch mal etwas behaupten würden, um jemanden aus der Reserve zu locken. Aber das sei ja keine Lüge, so Wanda, sie selbst würde das ja schließlich bei ihren Kindern auch so machen: „Deswegen lüge ich nicht, aber irgendwo muss man ja manchmal so, um mal was zu erfahren, auch mal so n bisschen was sagen, was vielleicht nicht so ganz der Wahrheit entspricht, oder dass ich halt was SAGE, dass ich was weiß, was ich eigentlich gar nicht weiß, ne, so, nur um was zu erfahren.“ Auch die Vorstellung, dass es Boulevardjournalisten beziehungsweise die Reporter der Bild-Zeitung mit der Wahrheitsliebe weder genau nehmen noch Dinge sachlich darstellen, lässt Wanda ungerührt. Schließlich würden sie so schreiben, „um eben die Leute zu locken, damit die das überhaupt lesen, ne.“ Sie selbst liest die BildZeitung „nur im Urlaub“, findet sie dann aber „immer interessant“, auch wenn sie den Inhalt manchmal für „übertrieben“ hält und sie nicht alles glauben würde. Nur die „geschmacklose“ Berichterstattung aus dem Tsunami20-Gebiet bewertet Wanda eindeutig negativ, wobei sie ihre Kritik auf den journalistischen Berufsstand generell bezieht. Empört stellt sie fest: „Also ich meine, da haben schon einige … Interviews gemacht und, wo dann halt wirklich da rund rum die Menschenteile da gelegen haben. Da denke ich einfach mal: ‘So was muss einfach überhaupt gar nicht sein.’ (…) Also das fand ich echt, also das fand ich wirklich unmöglich“. Für sie ist das ein typisches Beispiel für Skrupellosigkeit im Journalismus, doch glaubt sie nicht, dass Journalisten im Umgang mit Informationen grundsätzlich so agieren und „über Leichen“ gehen: „Nee, generell nicht, also generell würde ich das nicht sagen.“ Bei der Frage nach der Macht der Journalisten zeigt Wanda große Unsicherheiten und äußert sich dementsprechend vorsichtig: „… ich weiß jetzt nicht, ob die unbedingt da so ne Macht haben? Ich meine, klar, gut, wird 20
Zu den Hintergründen vgl. Fußnote in Kapitel 4.1.5
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immer mal was verbreitet und wird dann, dann liest das jeder und, und, und jeder weiß es und hinterher ist dann überhaupt gar nix wahr. Und dann ist schon so vieles Schlimmes passiert, mit dem was sie falsch gemacht haben. Ich glaube, ne gewisse Macht haben sie schon, ja.“ Und auch bei der Frage, wie sie die Macht des Journalismus bewertet, bezieht Wanda keine eindeutige Position und stellt stattdessen fest, dass man zwar immer aktuell und umfassend unterrichtet werden wolle, die Macht der Journalisten aber andererseits vergleichbar sei mit der von Politikern. Und die findet sie auch „nicht unbedingt gut“. 4.2.10 Interview mit Ingo (44): „Journalist? Zeitungsschreiber, Verbreitung von Falschmeldungen, halbherzig recherchierte Dinge.“ Ingo hat nach seinem Abitur eine kaufmännische Lehre als Industriekaufmann gemacht und an der Fachhochschule Betriebswirtschaftslehre studiert. Heute arbeitet er als selbständiger Handelsvertreter eines Versicherungsunternehmens. Zwei Freunde aus seiner Studienzeit sind Journalisten, allerdings hat Ingo zu ihnen den Kontakt verloren, so dass er, „was die Arbeit [Anm.: seiner Freunde] anbetrifft, eigentlich keinerlei Hintergründe hat.“ Ingo liest durchschnittlich am Tag „ne halbe Stunde“ Zeitung, unter der Woche die regionale Tageszeitung, „ab und zu das Handelsblatt, ja, und am Wochenende ab und zu mal die Süddeutsche.“ Fernsehen schaut er im Schnitt „vielleicht zwei Stunden“ am Tag und dort am liebsten Magazine, Nachrichtensendungen und ab und zu einen Spielfilm, wobei er „doch schwerpunktmäßig eher privat[e]“ Sender einschaltet. Auch im Radio hört er Nachrichten. Das Internet nutzt er als Informationsmedium hingegen nur selten. Das Gespräch findet in Ingos Wohnzimmer statt, wobei er zwar freundlich, aber etwas gehetzt erscheint – vielleicht auch deswegen, weil seine Frau in der Zeit des Gesprächs das Abendessen vorbereitet. Der typische Journalist ist für Ingo „zwischen Vierzig und Mitte Fünfzig“, was er damit begründet, dass man in diesem Alter bereits vielfältige Erfahrungen gesammelt habe und sich der Verantwortung seines Berufs bewusst sei. Beim Geschlecht des typischen Berufsvertreters denkt Ingo „eher [an] n Mann“, dies aber aus reiner Gewohnheit, da er mit Journalisten kein spezielles Erscheinungsbild assoziiere. Ein Journalist sähe eben aus, so Ingo, „durchschnittlich wie eigentlich der Otto Normalverbraucher aus-
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sieht.“ Ohnehin sind für ihn die sichtbaren Qualitäten eines Journalisten weniger entscheidend. Was für ihn zählt, ist die Frage, ob jemand unvoreingenommen an Themen herangeht und das rhetorische Geschick besitzt, das Ergebnis seiner Recherchen „auf den Punkt zu bringen“. Und gerade letzteres ist aus Ingos Sicht nur bedingt erlernbar und somit eine Form von Begabung. Entschieden stellt er fest: „Ohne ne gewisse Grundbegabung kann ich’s einfach nicht. Da kann ich so viel trainieren wie ich will, da kann ich alles, alle möglichen Ausbildungen machen. Ich werde es nie schaffen, irgendwo über Mittelmaß zu spielen.“ In der Realität hält Ingo dieses Journalistenbild „schon eher [für] ne Idealvorstellung“, weil er annimmt, dass im deutschen Journalismus vieles „Meinungsmache“ ist und „viele … oberflächliche Leute unterwegs [sind] und auch, ja, Dilettanten ist ein bisschen übertrieben, aber doch etwas flach.“ Eine positive Ausnahme unter den deutschen Journalisten fällt ihm dennoch ein. Ingo berichtet: „Ederer heißt er. Der hat für den hessischen Rundfunk einen schönen Bericht gemacht, der hieß ’Planlos in die Zukunft’, da ging’s um Verkehrsplanung in Deutschland, Verkehrsentwicklung. Ich habe selten einen Bericht gesehen, der so auf der einen Seite neutral war, ohne Häme, ohne hämischen Unterton, ohne, ich sage mal, die anderen als Dummköpfe hinzustellen, sondern einfach sachlich eins zu eins zusammenaddiert und auf den Punkt gebracht. Also da muss man sagen: ‘Hut ab. Ne saubere, saubere Geschichte.’“ Ingo kann sich vorstellen, dass jemand aus „Neigung“ Journalist wird, weil er gerne schreibt, also beispielsweise „in der Schule früher gerne Aufsätze geschrieben hat“, und sich darüber hinaus auch der Verantwortung bewusst ist, dass man in diesem Beruf „schon ein gewisses SCHWERT in der Hand hat.“ Über die journalistische Ausbildung weiß Ingo nur wenig und sieht dabei ein Studium offensichtlich nicht für zwingend notwendig an. So sagt er: „Ich weiß, dass es welche gibt, die Publizistik studieren im Grunde genommen. Ich weiß, dass welche sich das erarbeiten, ansonsten fehlt mir da der Hintergrund.“ Für den attraktivsten Arbeitsplatz im Journalismus hält Ingo das Fernsehen und macht dies am audiovisuellen Charakter des Mediums fest, „weil doch den Menschen insgesamt eher sich Bilder einprägen als Informationen übers Ohr oder auch aus der Zeitung.“ Allerdings schränkt er ein, dass die Frage, welches Medium für einen Berufsvertreter die größte Anziehungskraft besitzt, in erster Linie vom Charakter des Einzelnen abhänge. So würde beispielsweise jemand, der den Wunsch nach einem sicheren Arbeitsplatz verspüre, lieber bei einem öffentlich-rechtlichen
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Sender arbeiten als bei einem privaten. Und auch das Fernsehen, so Ingo, sei nur etwas für extrovertierte Leute. Er erklärt diesen Gedanken: „Es gibt halt … Menschen, die lieben die Selbstdarstellung oder die Außendarstellung oder vielleicht globaler oder allgemeiner gesagt: Das sind die Extrovertierten. Die sind sicherlich beim Rundfunk besser aufgehoben …“ Jemand, der „die Buchhaltermentalität in sich verkörpert, der eher versteckt im Hintergrund ist, der im Hinterzimmer seinen Artikel schreibt und mit spitzer Feder im Grunde nur nach außen (tritt)“, sieht Ingo daher mit einem Arbeitsplatz bei einer Zeitung besser bedient. Hier erscheint ihm der Job bei einem überregional verbreiteten Blatt attraktiver als die Tätigkeit bei einer Lokal- oder Regionalzeitung, denn er sagt: „Also wenn er die WAHL hat, denke ich eher, dass er eher zu ner Überregionalen geht, weil er für sich selbst doch die Chancen sieht, weiterzukommen, weil das, was er dort abliefert, … ne ganz andere Verbreitung, ganz anderen STELLENWERT und auch n ganz anderes Feedback hat als bei ner regionalen Zeitung.“ Der typische Arbeitsplatz eines Journalisten ist für Ingo die Zeitung, wobei er annimmt, dass dieser in seinem beruflichen Alltag hauptsächlich mit dem Besuch von Redaktionssitzungen und der Bewertung beziehungsweise Selektion von Agenturmeldungen beschäftigt ist, die er anschließend zu fertigen Artikeln verarbeitet. Das Gehalt von Journalisten schätzt Ingo als eher gering ein, insbesondere das von Berufsanfängern, und beziffert den Durchschnittsverdienst bei Festangestellten – je nach Familienstand und Kinderzahl – auf durchschnittlich „zweitausend Euro im Monat“ brutto. Weil aber das finanzielle Auskommen vor allem von der Qualifikation und dem Können des Journalisten abhänge, so Ingo, könne ein freier Journalist durchaus mehr verdienen als sein fest angestellter Kollege. Er erklärt: „Es hängt davon ab, wie gut er ist. Das heißt, wenn er frei arbeitet, wird er für die Arbeit bezahlt, die er liefert. Und da ist halt die Frage: Wie gut ist die Arbeit, die er liefert? Und wie gut wird die Arbeit bezahlt? Also auch ein Freier kann durchaus MEHR verdienen als ein, ein Angestellter.“ Weil Journalismus ein Bereich ist, „wo Zeitdruck herrscht, das heißt … wo tagesaktuell berichtet werden muss“, ist der Beruf nach Ingos Auffassung auch mit Stress verbunden – vor allem im tagesaktuellen Geschäft. Bei langfristigen Recherchen hingegen sähe „die Welt wieder anders aus.“ Im Umgang mit Informationen erwartet Ingo von Journalisten Unvoreingenommenheit, aber auch die Entwicklung eines Machtbewusstseins und das entsprechende Verantwortungsgefühl. Doch gerade daran hapert es
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seiner Meinung nach erheblich, und zwar in allen journalistischen Bereichen. Ingo stellt nüchtern fest: „… da wird halt sehr, sehr lax oftmals umgegangen mit dieser Verantwortung in der Auslieferung, was es bedeutet, wenn ich Information herausgebe, ob sie falsch ist oder nur schlecht recherchiert. Die Wirkung, die dahinter steht, die wird oftmals unterschätzt.“ Ein Gros der Berichterstattung ist aus Ingos Sicht schlichtweg voreingenommen und letztendlich eine Folge ökonomischer Zwänge. Er bilanziert: „… viele Dinge werden ja offensichtlich auch gesteuert in der ganzen, in der Presselandschaft, weil man ein gewisses Bild widerspiegeln WILL und alles in die Richtung recherchiert, dass es auch so zum Ergebnis KOMMT. Also hier steht nicht die Offenheit, wie das eigentlich von Journalisten gefordert wird, im Vordergrund, sondern im Grunde genommen eher so diese, ja, vordergründige Geschichte: ‘Die Nachricht muss sich in irgendeiner Form in der Presse positiv widerspiegeln, damit die Auflagen stimmen’.“ Doch macht Ingo den Journalisten aus diesem ökonomischen Zwang keinen Vorwurf: „… das ist auch keine Kritik, das ist einfach NORMAL in der heutigen Zeit.“ Auch der Stil der Bild-Zeitung, so Ingo, sei letztlich Mittel zum Zweck der Auflagensteigerung und dementsprechend sensationalisierend. Er sagt: „Na ja, es gibt doch den berühmten Spruch, der da heißt: ‘Mutter dreht Kinder durch Fleischwolf, Bild sah die ersten Frikadellen.’ (…) Aber das spiegelt im Grunde genommen das wider, was die Bild-Zeitung wiedergibt. Bild-Zeitung ist sehr plakativ und will natürlich auch durch Überschriften letzten Endes nur anreißen, also erhebt auch gar nicht den Anspruch, auf irgendwelche Qualitäten, sondern ist halt n Massenartikel.“ Andererseits passt die BildZeitung seiner Meinung nach „schon in die Landschaft.“ Auch er selbst lese sie „ab und zu“, das heißt „insbesondere im Urlaub, weil das meistens doch die einzige Zeitung, deutschsprachige Zeitung [ist], die dort ankommt oder zumindest aktuell ankommt.“ Ingo fügt erklärend hinzu: „Die anderen kommen immer mit ein oder zwei Tagen Verzögerung. Da hat man zumindest überschriftenmäßig erfasst, um was es geht.“ Auch wenn Ingo den Medien grundsätzlich die Aufgabe zuspricht, zur Meinungsbildung der Bürger beizutragen, betrachtet er die Macht der Journalisten überwiegend mit Skepsis. Als Hauptgrund führt er die zahlreichen ökonomischen Zwänge an, die seiner Forderung nach einer unvoreingenommenen Berichterstattung entgegenstehen. So nimmt er an, dass Journalisten vornehmlich Meinungen manipulieren wollen, also „meinungsmachend“ agieren, um die Meldungen besser verkaufen zu können. Er selbst
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habe erlebt, wie bei einer Straßenumfrage von Sat.1 den Leuten eine vorgefertigte Meinung in den Mund gelegt wurde und sein Statement, das ein ganz anderes gewesen sei, erst gar nicht gesendet wurde. Verärgert bilanziert er: „Damit ist es im Grunde genommen Meinungsmache und nicht meinungsbildend.“ 4.2.11 Interview mit Gina (51): „Erstmal Schlagzeilen, immer so Negativsachen.“ Gina hat nach ihrem Realschulabschluss eine kaufmännische Ausbildung gemacht, ist jedoch seit der Geburt ihrer Kinder nicht mehr berufstätig. Lediglich in der Firma ihres Mannes hilft sie ab und zu aus. Ihr Onkel war Journalist bei einer Zeitung und sie erinnert sich daran, dass sie seinen Beruf als Kind „ganz aufregend, ganz interessant“ fand. Das von Gina am meisten genutzte Medium ist das Radio, manchmal sie liest aber auch Magazine wie Stern und Spiegel sowie die Wochenzeitung Die Zeit. Die regionale Tageszeitung nimmt sie nur unregelmäßig in die Hand – „halt wenn ich in der Firma bin.“ Insgesamt verbringt sie mit allen Printmedien durchschnittlich „ne halbe Stunde“ am Tag. Sie guckt auch Fernsehen, dort am liebsten Krimis, bevorzugt jedoch keine bestimmten Sender. Allerdings gibt es auch Zeiten, in denen sie überhaupt nicht fernsieht. So sagt sie: „Manchmal gucke ich zwei Monate überhaupt kein Fernsehen und höre nur Nachrichten wie jetzt SWR 3.“ Das Gespräch verläuft – bis auf extremen Fluglärm, der den Gesprächsfluss teilweise unterbricht – ohne Störungen durch Dritte und in freundlicher Atmosphäre, wobei Gina völlig ruhig und unaufgeregt erscheint. Der typische Journalist ist für Gina „Mitte Dreißig bis Mitte Vierzig“, doch verbindet sie mit ihm kein spezifisches Geschlecht – mit einer Ausnahme. Beim Boulevardjournalisten denkt sie spontan an einen Mann und kann dies auch begründen. So würden Männer mit Sensationsmeldungen einfach emotionsloser und großzügiger umgehen, während „Frauen da emotionaler sind und eher dran denken, jemanden zu verletzen oder nicht zu verletzen.“ Dennoch stellt sie sich den Klatschreporter keinesfalls unsympathischer vor oder anders als den Rest seiner Kollegen. Gina sagt: „Ich glaube, die sind genauso souverän wie jetzt ein Wirtschaftsjournalist oder jemand, der, der im Sport arbeitet.“ Das äußere Erscheinungsbild eines Journalisten macht Gina davon abhängig, für welchen Bereich er tätig ist, denn
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sie erklärt: „Ich habe so die Vorstellung, ein Journalist, der jetzt, sagen wir mal, mit Mode zu tun hat, der halt bisschen flippig ist. Und, gut, jemand, der jetzt für unsere Umwelt schreibt, den stelle ich mir eher vor wie so n, ja, so einen GRÜNEN, und sonst, halt über Wirtschaft stelle ich mir jetzt einen im dunklen Anzug vor, so halt schon ein bisschen klischeehaft.“ Ob der Journalist ihr sympathisch sei, würde sie dann spontan entscheiden: „Dafür müsste ich ihn kennen lernen.“ Grundsätzlich verbindet Gina positive Eigenschaften mit Journalisten, von denen sie annimmt, dass sie auch in der Realität auf Berufsvertreter zutreffen: „Ich glaube doch, ich denke schon, doch.“ In ihrer Vorstellung handelt es sich dabei um Menschen mit Einfühlungsvermögen, die neugierig seien, sich für ihren Beruf sehr engagieren und sich vor allem durch Mut und Selbstbewusstsein auszeichnen würden. Für diese Courage bewundert sie Gina, dafür „wie sie sich das jetzt so einfach TRAUEN, drüber zu schreiben, wenn es auch manchmal nicht stimmt, dann angegriffen [zu] werden, einfach, ja, so die Stärke [zu] besitzen: ‘So, das muss ich jetzt da kundtun, ins Blatt, müssen Millionen Leser lesen’, auch wenn’s manchmal gar nicht richtig ist.“ Außerdem verfügen Journalisten aus Ginas Sicht über besondere rhetorische Fähigkeiten, mit denen sie sich auch in Diskussionen durchsetzen können und die Gina für „ne Form von Begabung“ hält. Dieses Talent könne jedoch auch ins Negative umschlagen, nämlich dann, wenn Journalisten das nötige Feingefühl fehle – eine Eigenschaft, die Gina auch bei ihrem Onkel wahrgenommen hat. So stellt sie lachend fest: „Das einzige, was mich ein bisschen an ihm gestört hat, er hat diskutiert und hat einen, ja, in Grund und Boden diskutiert.“ In Ginas Vorstellung ergreifen Menschen den Journalistenberuf aus Sendungsbewusstsein, weil sie durch ihre Tätigkeit „vielleicht was bewirken wollen oder was ändern wollen, was sie stört.“ Über die journalistische Ausbildung gibt sie zunächst an, nichts zu wissen, spekuliert dann aber, dass man „vielleicht jetzt über ein Fach, dass man Politik studiert, wenn man jetzt zum Beispiel so wie bei Focus oder Spiegel oder da Journalist wird.“ Deswegen glaubt sie auch, dass ein Studium fast immer die Voraussetzung für den Beruf sei: „Doch, in mancher Hinsicht doch, ja, denke ich schon, Germanistikstudium vielleicht, doch denke ich schon.“ Dennoch sind nicht alle Journalisten nach Ginas Auffassung hoch ausgebildet, „nur „teils, teils, denke ich mal, so Hälfte, Hälfte.“ Die gut ausgebildeten Leute vermutet sie bei Medien wie beispielsweise GEO, Spiegel und der Zeit, die schlechter ausgebildeten Redakteure hingegen im Boulevardjournalismus, „die sich da halt
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jetzt nicht so die Gedanken machen, wenn sie mal reinhauen. Die wissen: ‘Gut, Hauptsache die Zeitung wird viel gekauft und es gibt ja Anwälte, die uns dann wieder raus hauen.’“ Die Attraktivität der verschiedenen Medien als Arbeitgeber macht Gina vom Charakter des Journalisten abhängig. So würden sich ruhigere Charaktere wohl eher in den Printmedien wohl fühlen und dort am liebsten für eine überregionale Zeitung arbeiten, „weil’s vielleicht abwechslungsreicher für ihn ist.“ Journalisten würden bei solchen Blättern ein breiteres Themenspektrum vorfinden und könnten darüber hinaus für ein größeres Publikum schreiben als bei einer Lokalzeitung. Im Fernsehbereich wiederum macht Gina die Entscheidung davon abhängig, inwieweit der Journalist bereit ist, einen unsicheren Arbeitsplatz für eine bessere Bezahlung und mehr Entfaltungsspielraum in Kauf zu nehmen. So würden Journalisten „vielleicht bei den Privaten doch eher gefeuert werden können“, glaubt Gina, dürften dort aber auch „freier schreiben, sage ich mal, oder freier interviewen.“ Wenn Gina an Journalisten denkt, dann spontan an Zeitungs- oder Zeitschriftenjournalisten, deren Arbeitsalltag sie sich aufwendig und zeitintensiv vorstellt. So umfasst die journalistische Tätigkeit ihrer Meinung nach sowohl die Recherche für als auch das Verfassen von Artikeln, wobei der Journalist teilweise bis spät in die Nacht beschäftigt sei. Gina verdeutlicht ihre Vorstellungen anhand des Sportreporters: „Wenn er jetzt zum Beispiel über, über ein Fußballspiel schreibt, dann wird er morgens früh aufstehen, sich angucken, was das Interessanteste ist, sich vorinformieren, wer wen ausgewechselt hat oder wer aufgestellt wird, und dann halt zu dem Spiel gehen, mitfiebern, und sich dann danach die Nacht hinsetzen und schreiben.“ Den Journalistenberuf stellt sich Gina dementsprechend „anstrengend“, „sehr zeitintensiv“ und auch stressig vor, weil man ständig den „Druck [hat], fertig zu werden oder besser zu sein, zu schreiben als die anderen …“ Der freie Journalist müsse außerdem seine Artikel bestmöglich vermarkten. Andererseits erkennt Gina in dem Beruf auch die Chance, viel zu erleben, „in die Welt zu reisen“ und „interessante Leute kennen zu lernen.“ Auch ihr Onkel habe „sehr viel erlebt“, „viele verschiedene Leute kennen gelernt“ und es verstanden, mit seinen Erlebnissen ganze Gesellschaften zu unterhalten. Gina erinnert sich: „Erstens hat er gerne viel erzählt und dann halt auch immer nette Storys.“ Schon alleine ihre spontanen Assoziationen mit dem Journalistenbegriff machen deutlich, dass der Boulevardjournalismus Ginas Vorstellungen vom
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Umgang der Medienakteure mit Informationen stark beeinflusst, an den sie jedoch keine expliziten Forderungen knüpft. Journalisten müssten „erstmal alles so ein bisschen aufputschen“, so Gina, „erstmal so AUSCHLACHTEN“. Dabei ist sie überzeugt, dass diese „ACTIONhascherei“ in den letzten Jahren zugenommen hat. „Schlimm“ erscheint ihr auch, dass Journalisten nicht davor zurückschrecken würden, das Leiden der Menschen in Kriegsgebieten drastisch darzustellen, „dann halt so Bilder über die Kinder so krass das zeigen.“ Darüber hinaus fehle den Journalisten teilweise das Verantwortungsbewusstsein für die Folgen ihrer Berichterstattung. So würden sie, um beruflichen Erfolg zu haben, auch das Risiko einer Falschmeldung in Kauf nehmen. Als typisches Beispiel für derartiges Fehlverhalten im Journalismus führt Gina den Stern-Skandal um die Hitler-Tagebücher21 an. Sie sagt: „War ja damals so, dass sie dann einfach erstmal sagen: ‘Das ist echt’, ohne überhaupt mal richtig nachzuprüfen so was, um einfach mal groß raus zu kommen. Gut, passiert wahrscheinlich bei den Besseren auch mal, weil du denkst: ‘Oh, jetzt hast du wirklich was Gutes’, und dann denkst du: ‘Nachprüfen kann man vielleicht doch später noch mal. Könnte ja echt sein.’ Das finde ich jetzt nicht so gut, die ganze Welt verrückt machen, und dann stimmt’s nicht.“ Auch wenn sie journalistische Verfehlungen nicht nur auf den Boulevardjournalismus beschränkt, kommen ihr dennoch eher die Bild-Zeitungsjournalisten in den Sinn, wenn es um Verstöße gegen journalistische Tugenden wie Wahrheitsliebe und Ehrlichkeit geht. So vertraut sie zwar darauf, dass deutsche Journalisten ehrlich mit ihrem Publikum umgehen – „EHER Ja als Nein“ –, verweist aber auch darauf, dass es immer wieder Journalisten gibt, die „einem schon das Wort im Mund rum[drehen].“ An welche Journalisten sie da denke? „Ja, wieder auch eher so an Klatschzeitungen“, gibt Gina offen zu. Der von ihr als „Revolverblatt“ titulierten Bild-Zeitung steht sie dementsprechend ablehnend gegenüber, auch wenn sie sicher ist, dass sie für manche Leute dazugehört „wie die Butter aufs Brot“. Die Frage, ob sie die Boulevardzeitung selbst lese, wehrt Gina entschieden ab: „Wenn ich diese große, schwarze Schrift schon sehe, tun mir die Augen schon weh, ne.“ Dass Journalisten Macht haben, davon ist Gina überzeugt. Und wenn sie diese Macht nicht dazu missbrauchen, „so Sensationen mit Tod zum Beispiel“ zu verbreiten, steht Gina diesem Umstand durchaus positiv ge21
Zu den Hintergründen vgl. Fußnote in Kapitel 4.2.5
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genüber. Als Begründung führt sie die Kontrollfunktion des Journalismus gegenüber anderen gesellschaftlichen Teilsystemen wie beispielsweise der Politik an. So hätten Journalisten – anders als der Normalbürger – die Chance, an schwer zugängliche Informationen zu kommen und die Bevölkerung auf diese Weise über Missstände zu informieren. Anerkennend stellt Gina fest: „Wenn dann ein Journalist sich mal da dran wagt und mal, finde ich’s eigentlich klasse.“ In solchen Fällen heiligt der Zweck aus ihrer Sicht illegitime Methoden der Informationsbeschaffung und den Umstand, dass Journalisten dabei auch mit „dem Gesetz in Konflikt kommen“, also beispielsweise „jemanden bestechen“. Gina stellt entschieden fest: „… wenn ich das sehe, für wie dumm sie [Anm.: die Politiker] uns alle verkaufen wollen, finde ich es vollkommen in Ordnung.“ 4.2.12 Interview mit Emil (64): „Was assoziiere ich mit Journalist? … allen voran, dass das eine der wichtigsten Funktionen ist, die wir in einer demokratischen, freien Gesellschaft haben. (…) Leider assoziiere ich auch mit, dass das auch nur Menschen sind und, und nicht unbedingt immer ihren Ansprüchen, die sie sich selbst stellen oder zumindest ihr Beruf da stellt, gerecht werden.“ Emil hat nach Abbruch des Gymnasiums eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert und war beruflich in mehreren Verlagen tätig. Heute ist er Rentner. Aus seiner Verlagszeit stammen auch seine persönlichen Kontakte zu Journalisten, wobei er sich gerne an die Zusammenarbeit mit ihnen erinnert: „Die waren sehr realistisch, sehr angenehm.“ Darüber hinaus war einer seiner Freunde Journalist, und auch sein Sohn arbeitet als Redakteur bei einer regionalen Abonnementzeitung. Emil beschäftigt sich im Alltag ausgiebig mit Medien. So schaut er am Tag im Schnitt drei Stunden Fernsehen, am liebsten „historische Sendungen“ auf Phoenix oder Arte. Er bevorzugt also eindeutig die öffentlich-rechtlichen Sender und schaut „eigentlich überhaupt keine Privaten“. Zeitung liest er ausgiebig – „morgens ne Stunde, mittags noch mal mehr als ne halbe Stunde, also anderthalb Stunden“ –, wobei er regelmäßig die regionale Tageszeitung studiert, aber auch „sporadisch mal, mal ne Frankfurter [Anm.: Allgemeine Zeitung], mal ne Welt, mal ne Zeit“ zur Hand nimmt. Mit diesen „Sonderlesungen“ kommt er täglich auf „zwei Stunden, aber maximal“, in denen er sich mit Printmedien beschäftigt. Auch das Internet nutzt er als Informationsquelle, wobei er darauf im Ta-
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gesdurchschnitt „anderthalb Stunden“ verwendet. Das Gespräch verläuft ungestört und scheint dem Befragten viel Spaß zu bereiten. Die Atmosphäre ist dementsprechend angenehm. Bei der Frage nach dem äußeren Erscheinungsbild eines Journalisten stellt sich Emil zwar grundsätzlich „keine besondere Persönlichkeit vor“, dennoch kommen ihm spontan seine ehemaligen Kollegen in den Sinn: „Die, die ich kenne, die mir gefallen haben, die waren immer so ein bisschen ‘columbohaft’, ein bisschen trottelig“, so Emil, „wie dieser Kriminalkommissar in der Serie Columbo …“ So muss er auch zugeben, dass er beim Journalisten zunächst einmal an einen Mann denkt, wobei er auch dies auf seine Erfahrungen während seines Berufslebens zurückführt. Er erklärt: „Ich habe ganz wenige Frauen in meinem Berufsleben in den Verlagen getroffen.“ Allerdings weiß er, dass das Verhältnis von Männern zu Frauen im deutschen Journalismus „heute … natürlich anders [ist].“ Für Emil ist der typische Journalist grundsätzlich ein sympathischer Zeitgenosse, dem er überwiegend positive Eigenschaften zuspricht, auch wenn er zugeben muss, dass dieses Bild „wohl idealisiert“ ist. Dennoch ist er überzeugt, dass es „genügend Journalisten [gibt], die das sind, ja“, die also „abstrahieren können“, „eloquent“ sind und „verständlich schreiben können“. Die Fähigkeiten eines Journalisten hält Emil für erlernbar, auch wenn er glaubt, dass „man das letztlich besser [kann], als wenn man nicht die Begabung hat.“ Darüber hinaus zeichnen sich Journalisten aus seiner Sicht durch „Integrität“, „Wahrheitsliebe“ und „Mut“ aus. Marion Gräfin Dönhoff, die ehemalige Herausgeberin der Zeit, ist für ihn eine idealtypische Journalistin. Aber auch der Süddeutschen Zeitung und der FAZ schreibt er solche Persönlichkeiten zu, auch wenn er zu bedenken gibt, dass letztere „doch auch nen Hang zum Kommerziellen“ hat, was die journalistische Leistungsfähigkeit seiner Meinung nach beeinträchtigt. Grundsätzlich sind Journalisten für ihn also positive Charaktere, deren Arbeit er durchaus bewundert. Emil erklärt, was ihn daran fasziniert: „… das beginnt schon, wenn ich einen Artikel lese, der schön geschrieben ist, der klar ist, wo man weiß, worum es geht, wo Kommentar und, und, und Meldung sauber getrennt ist, eigentlich jeden, der das so macht, schon, bewundere ich schon alleine vom Handwerkszeug und von der Art und Weise, wie er berichtet her. Und dann bewundere ich natürlich AUCH Journalisten, die eben Dinge aufdecken.“ Nur beim Boulevard- beziehungsweise Bild-Zeitungsjournalisten macht Emil eine Ausnahme. Ihn bezeichnet er als einen „charakterlosen“ Menschen, auch wenn er ihm die
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gleichen Fähigkeiten wie dem idealtypischen Journalisten zuspricht. Emil verdeutlicht dies am Fall Peter Boenisch, den er sogar persönlich kennen gelernt hat und erklärt: „Das ist ein sehr, sehr interessanter Mann, der eine exzellente Ausbildung hat, … aber der zu seiner Zeit eben auf Teufel komm’ raus die Bild-Zeitung noch ein paar Millionen Auflage mehr holen wollte und ihm jedes Mittel Recht war. … der hat all die, die Eigenschaften, also der konnte schreiben, der konnte reden, der hatte auch MUT durchaus, aber für mich war er, zu DER Zeit zumindest, charakterlos.“ Charakterlos war Boenisch für Emil deshalb, da „er die Unwahrheit gesagt hat“. Er fügt hinzu: „Er hat Geschichten rausgestellt wider besseren Wissens, die nicht so, nicht so geschehen sind. Das war nicht die ganze Wahrheit. Das war SEINE Wahrheit. Und für mich ist Wahrheit die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.“ Die Lust am Schreiben und Reden hält Emil für „eine große Triebfeder“, die Journalisten zur Berufswahl bewegt. Für einen Berufseinstieg in den Journalismus hält er ein Studium mittlerweile für „minder zwingend“, „allen voran Publizistik, aber auch andere Studien“. Er schließt aber auch einen „Quereinstieg“ nicht völlig aus. Dabei erscheint ihm die Tätigkeit im Rundfunkjournalismus für einen angehenden Journalisten am attraktivsten, was er mit der besseren finanziellen Situation der Sender begründet. Die wirtschaftliche Situation der Zeitungen sei hingegen schwierig. Innerhalb des Rundfunkbereichs sei die Entscheidung für oder gegen den öffentlichrechtlichen beziehungsweise privaten Rundfunk eine Frage der Persönlichkeit. Emil sagt: „Also ich glaube, die, die, die Ungeduldigeren würden wahrscheinlich eher zu den Privaten gehen. Die, die mehr Konservativen, auf langfristigen Erfolg, würden wahrscheinlich eher zu den Öffentlichrechtlichen gehen.“ Im Printmedienjournalismus hält Emil die überregionale Tageszeitung für den attraktiveren Arbeitsplatz und begründet dies mit dem höheren Prestige dieser Zeitungen, von dem der Journalist „was abbekommen möchte.“ Diese Tendenz führt in seinen Augen letztendlich auch dazu, dass „gerade so in den mittleren Rängen, in den überregionalen Zeitungen wahrscheinlich die besser ausgebildeten Journalisten [zu finden sind]“, auch wenn es seiner Auffassung nach zwischen den Medien einen regen Personalaustausch gibt. Bei Journalisten denkt Emil spontan an eine Tätigkeit im Printmedienbereich, wobei er kein spezifisches Ressort vor Augen hat. Vom Arbeitsalltag eines Journalisten hat Emil konkrete Vorstellungen, wobei er glaubt,
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dass Journalisten vielfältige Tätigkeiten zu erledigen haben und sich dabei moderner Computertechnik bedienen. So obliege ihnen in ihrer täglichen Arbeit die Recherche per Telefon, Internet, in Archiven oder – im tagesaktuellen Geschäft – die Durchsicht von Agenturmeldungen und Polizeiberichten. Außerdem müsse ein Journalist, glaubt Emil, an Redaktionskonferenzen teilnehmen und nicht zuletzt seine Artikel schreiben, „wenn er das durchgekaut hat, wenn er sich das Konzept gebildet hat“, was er „typischerweise seit zwanzig Jahren zumindest am Bildschirm“ erledigt. Für „BESONDERS stressreich“ hält Emil das Journalistenleben dennoch nicht, „wenn man nicht gerade der Endredakteur ist oder irgendwie so was“, und begründet dies damit, dass ein Journalist bei seiner Arbeit denken müsse, was seiner Meinung nach Zeit erfordert. Er erklärt: „Und wenn jemand nur permanent unter Stress arbeitet, … glaube ich nicht, dass er ein guter Journalist sein kann.“ Emil schätzt, dass die Gehaltsspanne im Journalismus sehr breit ausfällt – insbesondere bei freien Journalisten –, und verweist dabei auf die schlecht verdienenden Berufsanfänger und diejenigen Journalisten, die bereits seit Jahren im Geschäft sind. Dementsprechend beläuft sich das Einkommen bei angestellten Berufsanfängern – „in der unteren Kategorie“ – aus seiner Sicht auf rund 2.800 bis 3.000 Euro brutto und erreicht „oben, ja, zwanzigtausend, zweiundzwanzigtausend pro Monat.“ Allerdings kämen dazu, so Emil, „noch weitere Bezüge …, weil viele ja auch für Agenturen noch arbeiten oder auch freiberuflich noch nebenher arbeiten, Bücher herausgeben oder sonst oder für Firmen Prospekte bearbeiten und recherchieren.“ Die Chance des Berufs liegt für Emil in seiner Vielfältigkeit, die es einem ermöglichen würde, „vom Hausfrauenbund bis in die, in die HighTech-Firma rein[zukommen]“, und einem „viele, viele Möglichkeiten“ eröffne. Emil bilanziert: „Es gibt ganz wenige Berufe, wo man sämtliche Facetten einer Gesellschaft abdecken MUSS letztlich sogar, je nachdem, wo man hingestellt wird, sich hinstellt …“ Neben „Wahrheitsliebe“ und „Mut“ fordert und erhofft sich Emil von Journalisten „Integrität“, und zwar „eigentlich der Gesellschaft gegenüber, aber natürlich allen voran erstmal seinen Lesern und NICHT seinem Anzeigengeschäft gegenüber.“ Zwar gibt er zu, dass ein Journalist auch die ökonomischen Gesetze des Medienmarktes berücksichtigen müsse, also auch das Anzeigengeschäft, ist aber überzeugt davon, dass darunter nicht zwangsläufig seine Integrität zu leiden habe. Dementsprechend macht es Emil „fürchterlich sauer“, wenn Journalisten aus kommerziellen Gründen Dinge
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sensationalisieren, was er nicht nur bei den Boulevardmedien feststellen kann, sondern auch bei der „seriösen“ Presse. So sagt er: „… das gilt für alle, ja, also das gilt sowohl in den, in der Boulevardpresse bis hin in die seriöse Presse, also auch die FAZ oder Die Welt oder so ist nicht ganz frei davon“. Weitaus schlimmer findet es Emil jedoch, „wenn irgendwelche Dinge reißerisch aufgemacht“ und dabei sogar Lügen verbreitet werden, die die Stimmung in der Bevölkerung manipulieren. Dass manche Journalisten auch davor nicht zurückschrecken würden, davon ist Emil überzeugt. Entschieden stellt er fest: „Ja, ja, tun sie, weiß ich.“ Solche Verfehlungen im Journalismus stellen nach Emils Auffassung jedoch die Ausnahme dar, denn grundsätzlich ist er überzeugt davon, dass „der gute Mitteljournalismus … überwiegend ehrlich“ ist. So gibt es in seinen Augen zwar auch den verantwortungslosen Journalisten, der über „die Seelenruhe einiger Menschen“ geht, doch sieht Emil diesen negativen Typus nicht als die Norm an. Auch die Vorstellung, dass Journalisten niemals unabhängig berichten, sieht er gelassen, weil er überzeugt davon ist, dass „viele Zeitungen … genügend Unabhängigkeit“ haben, um den Aufgaben des Journalismus gerecht zu werden. Außerdem könne man eine gewisse Abhängigkeit der Journalisten nicht vermeiden, „weil sie Geld verdienen müssen, weil sie leben müssen.“ Schon allein die Subjektivität des einzelnen Individuums würde einer völligen Unabhängigkeit widersprechen. Emil spricht den Journalisten große Macht zu und befürwortet diesen Umstand ausdrücklich, weil für ihn die positiven Seiten des Journalismus – trotz seiner Kritik an den Medien – „doch noch“ überwiegen. So betont er beispielsweise die Aufgabe des Journalisten, die Bevölkerung über gesellschaftliche Missstände zu informieren und dadurch „die Menschen, die eben unsere Gesellschaft bestimmen, die im öffentlichen Leben stehen, sei es in der Politik, sei es in der Wirtschaft, sei es in der Kultur, wo auch immer, die bei der Stange zu halten.“ Deswegen hält er auch das Aufdecken von Skandalen durch Journalisten für „bewundernswert“ und „toll“ und verweist in diesem Zusammenhang auf die Korruptionsaffäre bei VW22. Das sei für ihn 22 Am 25. Juni 2005 wurden Berichte laut über eine Schmiergeld-Affäre beim Automobilhersteller VW. Ins Rollen kam die Geschichte durch einen Bericht in der Süddeutschen Zeitung, die unter Berufung auf Firmeninsider berichtete, der VW-Vorstand habe den Betriebsrat durch so genannte „Lustreisen“ gekauft (vgl. Die Affäre beim Autobauer Volkswagen, 2005). Im Laufe der Affäre geriet auch Peter Hartz, damals Personalvorstand von VW, unter Druck, weil die Abrechnungen der Fernreisen des Betriebsrates über seinen Schreibtisch gegangen
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„guter Journalismus“, auch wenn der Journalist dies nur gemacht habe, „weil er damit interessante Informationen VERKAUFEN kann …“ Kurzum: Journalisten nehmen nach Emils Auffassung eine zentrale Stellung in der Gesellschaft ein, was unter anderem seine spontanen Assoziationen mit dem Journalistenbegriff verdeutlichen, was er aber auch im Gesprächsverlauf mehrfach betont. So sagt er an anderer Stelle: „Ich glaube schon, dass er [Anm.: der Journalist] neben Richter und, und Lehrer, Lehrern auf der ganzen Ebene, einer der wichtigsten Menschen in einer funktionierenden Gesellschaft ist.“ Und Emil ist überzeugt davon, dass sich „genügend“ Journalisten in Deutschland dieser gesellschaftlichen Bedeutung bewusst sind, auch wenn er bedauernd feststellt, dass es „LEIDER ne ganze Reihe [gibt], die sich unter dem Deckmantel des integeren Journalismus austoben …“
sein sollen. Hartz bot am 8. Juli 2005 seinen Rücktritt an, den der VW-Aufsichtsrat am 05. August 2005 annahm (vgl. VW-Aufsichtsrat nimmt Rücktritt an, 2005). Kritiker werteten dies als Schuldeingeständnis, und tatsächlich ermittelt seit Anfang Oktober 2005 die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Dabei galt Hartz lange Zeit als Deutschlands „Vorzeigemanager“ und wurde vom damaligen amtierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder sogar damit beauftragt, die unter dem Schlagwort Hartz IV bekannten Arbeitsmarktreformen auszuarbeiten (vgl. Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Hartz, 2005). VW-Chef Bernd Pischetsrieder kündigte eine „lückenlose Aufklärung“ der Affäre an, wobei die Recherchen durch das Beziehungsgeflecht zwischen Top-Managern, Gewerkschaftern und der Politik – das Land Niedersachsen ist Großaktionär von VW – erheblich erschwert werden (vgl. Hawranek, 2005; Lamparter, 2005).
5 Übergreifende Interpretation: Gemeinsamkeiten in den Vorstellungen und Einstellungen der Befragten zu Journalisten und zum Journalismussystem
Wie die Darstellung der einzelnen Interviews gezeigt hat, haben die Interviewten vielfältige und unterschiedlich klare Vorstellungen von Journalisten und ihrer Einbindung ins Journalismussystem, aus denen sowohl positive wie negative Einstellungen resultieren. Somit lassen sich der Gedanken- und Gefühlswelt der Befragten Gemeinsamkeiten entnehmen, aus denen man gewissermaßen die Struktur des Images von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten rekonstruieren kann. Sie werden im Folgenden dargestellt, wobei sich das Augenmerk insbesondere auf die Widersprüchlichkeiten im Journalistenimage richten wird, die sich bereits bei Betrachtung der Einzelfälle an mancher Stelle offenbart haben. Abbildungen und Tabellen dienen dabei der Veranschaulichung der übergreifenden Interpretation, wobei auf Aspekte des Images von Journalisten, die sich eindeutig auf bestimmte Merkmale der Befragten zurückführen lassen, an entsprechender Stelle hingewiesen wird. Besondere Berücksichtigung findet dabei das Merkmal des persönlichen Kontakts zu Journalisten, von dem vermutet wurde, dass es die Einstellung zu Journalisten positiv beeinflusst. Die Einzelfalldarstellungen haben verdeutlicht, dass sich die Beziehungen der Befragten zu Berufsvertretern unterschiedlich intensiv ausnehmen. Besonders engen Kontakt mit Journalisten haben nach eigenem Bekunden Anna und Christian, die mit Berufsvertretern befreundet sind. Jette, Steffen, Gina und Emil sind mit Journalisten verwandt oder verschwägert, woraus man zwar nicht immer auf eine gute, aber doch einigermaßen intensive Beziehung schließen kann. Friederike, Michaela, Isabelle, Simon, Wanda und Ingo stehen mit Journalisten in mehr oder weniger losem Kontakt. Außerdem wurden die Befragten zu Beginn der Interviews darum gebeten, ihre Mediennutzungsgewohnheiten zu beschreiben. Hier fallen fünf Befragte auf, die täglich relativ intensiv Zeitung lesen, das heißt im Durchschnitt mindestens eine Stunde am Tag. In der Gruppe ohne Journalisten-
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Übergreifende Interpretation
kontakt sind dies Werner und Helmut, in der Gruppe derjenigen, die einen oder mehrere Journalisten persönlich kennen, Michaela, Simon und Emil. Bis auf Michaela, die kein Fernsehen guckt, aber dafür intensiv Radio hört, bevorzugen diese Personen beim Fernsehen die öffentlich-rechtlichen Sender, was sich mit dem empirischen Befund deckt, dass eine solche Sehgewohnheit mit hohem politischen Interesse einhergeht (vgl. Ridder & Engel, 2005, S. 439). Im Folgenden werden diese Befragten in Anlehnung an Gottschlich und Karmasin (1979) auch als „Zeitungsleser“ tituliert. Die übergreifende Interpretation wird zeigen, ob und wie sich ihr Mediennutzungsverhalten in ihren Vorstellungen von und Einstellungen gegenüber Journalisten bemerkbar macht. 5.1 Gibt es den typischen Journalisten? Die Frage, ob es aus Sicht von Rezipienten überhaupt den typischen Journalisten gibt, pauschal mit Ja oder Nein zu beantworten, fällt schwer, denn korrekterweise müsste man sagen: Es gibt ihn, und es gibt ihn doch wieder nicht. Die Aussagen der Befragten – und das wurde bei allen Gesprächen deutlich – beziehen sich nämlich auf ganz unterschiedliche Journalistentypen, wobei zwei Kategorien als dominierend gelten können: Dies ist zum einen der positiv besetzte, „seriöse“ Journalist, der nahezu das Idealbild verkörpert, zum anderen der „unseriöse“ Berufsvertreter, der zwar nicht immer, aber auffällig oft mit dem Boulevard- beziehungsweise Sensationsjournalismus in Verbindung gebracht wird. Beide Journalistentypen zeichnen sich in der Gedankenwelt des Rezipienten durch bestimmte, eben typische Merkmale aus und verkörpern gewissermaßen die guten und die schlechten Seiten des Journalismus. Dass Rezipienten also – grob gesprochen – zwischen einem positiven und einem negativen Journalistentypus unterscheiden, machen alleine schon die spontanen Assoziationen der Befragten mit dem Journalistenbegriff deutlich. So formuliert beispielsweise Herbert spontan seine Ansprüche und Erwartungen an die Medien und assoziiert sein persönliches Ideal eines Journalisten, von dem er sich „Ausgewogenheit, Sachlichkeit und Informationsgehalt, Neugierde, Interesse am Aufdecken von irgendwelchen Missständen, Vertraulichkeit“ erhofft. Andere Interviewteilnehmer üben wiederum deutliche Kritik am Journalismus oder äußern Gedanken, die eindeutig
Alter, Geschlecht und Erscheinungsbild des typischen Journalisten
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negativ besetzt sind. So verknüpft Sina gedanklich mit dem Begriff auch das Bild des „Geiers“, Alexander denkt an „Klatsch“ und Werner an „Sensationsjournalismus, in dem alles übertrieben wird und alles hochgespielt wird.“ Anna verbindet mit Journalisten „Meinungsmache“, Ingo denkt an „Verbreitung von Falschmeldungen“ und „halbherzig recherchierte Dinge“. Emil macht schließlich darauf aufmerksam, das Journalisten „nicht unbedingt immer ihren Ansprüchen … gerecht werden.“ Dass es also unter den Journalisten „solche und solche“ gibt, eben „seriöse“ und „unseriöse“ Medienakteure, ist der zentrale Befund, mit dem sich die Widersprüchlichkeit im Image von Journalisten zum Großteil erklären lässt. Wer sind nun die so genannten „seriösen“ Journalisten aus der Sicht von Rezipienten, die dem Idealtypus entsprechen, „die ihren Beruf ernst nehmen“, so wie Jette es umschreibt? Sie werden vorwiegend bei den öffentlich-rechtlichen Sendern vermutet, insbesondere bei den Nachrichtensendungen oder Politmagazinen von ARD und ZDF. Aber auch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der Süddeutschen Zeitung (SZ) oder der Frankfurter Rundschau (FR) traut man hochkarätige Journalisten zu, ebenso der Zeit sowie Spiegel, Focus oder Stern. Katrins Aufzählung kann daher stellvertretend für den Stimmungstrend unter den Befragten gelesen werden: „Die Seriösen, die verbinde ich also auf jeden Fall mit Zeitungen wie zum Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frankfurter Rundschau, verbinde ich mit Magazinen wie Der Spiegel. Und im Fernsehbereich würde ich sagen, ja, alles was jetzt zum Beispiel recherchiert wird für Tagesschau, Tagesthemen, heute, heutejournal oder Sendungen wie Plusminus.“ Der „unseriöse“ Journalist hingegen arbeitet aus Rezipientensicht in den Boulevardmedien, ist „Paparazzi“ oder Sensationsreporter. Dementsprechend wird er mit den Medien der so genannten „Regenbogenpresse“ beziehungsweise „Yellow Press“ assoziiert, mit Promi-Magazinen wie Gala oder Bunte, aber auch mit den Boulevardmagazinen und Talkshows der kommerziellen Fernsehanstalten – allen voran aber mit der Bild-Zeitung. 5.2 Alter, Geschlecht und Erscheinungsbild des typischen Journalisten Wie ein Blick auf Tabelle 7 und 8 verrät, schwanken die Vorstellungen vom Alter des typischen Journalisten, bei dem die meisten Befragten zunächst
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Übergreifende Interpretation
einmal an den „seriösen“, idealtypischen Berufsvertreter denken, häufig zwischen 30 und 50 Jahren. Begründet wird dieser Gedanke mit der Portion an Lebenserfahrung, die für den Journalistenberuf als notwendig erachtet wird. Vieles spricht somit dafür, dass Rezipienten jungen und unbedarften Menschen eine ernsthafte Ausübung dieser Tätigkeit anscheinend nicht zutrauen. Dementsprechend besteht bei den Vorstellungen vom „seriösen“ Journalisten bei rund 30 Jahren eine Art „Untergrenze“. Nur vier Befragte gehen in ihrer Altersangabe explizit über 50 Jahre hinaus, so dass hier anscheinend eine Schwelle nach oben hin existiert. Tabelle 7: Alter und Geschlecht des typischen Journalisten – Vorstellungen der Befragten ohne direkten Kontakt zu Journalisten Deckname Samuel Herbert Werner Klara Selma Sina Katrin Gisela Sonja Helmut Willy Alexander
Alter „Anfang Vierzig“ „Mitte Dreißig bis Mitte Fünfzig“ „mittleren Alters“ „jung“, „ab Achtundzwanzig“ „Vierzig“ „nicht … der Jüngste“ „Vierzig bis Sechzig“ „Dreißig bis Fünfzig“ „Mitte Zwanzig bis Fünfzig“ „müsste Fünfunddreißig sein, wenn er rausgeht Vierzig“ „zwischen Dreißig und Fünfzig“ „fünfundzwanzig, dreißig Jahre“
Geschlecht Mann Mann Beide Geschlechter Mann Mann Beide Geschlechter Mann Keine Vorstellung Beide Geschlechter Beide Geschlechter Mann Beide Geschlechter
Im Vergleich zum „seriösen“ Berufsvertreter gilt der Boulevardjournalist als jünger, da für diese spezielle Sparte des Journalismus andere Fähigkeiten und Eigenschaften als notwendig erachtet werden. Hier käme es in besonderem Maße auf Dynamik und Schnelligkeit an, nämlich darauf, „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ zu sein, so das Argument – eine Herausforderung, die eben ein relativ junges Alter voraussetzt.
Alter, Geschlecht und Erscheinungsbild des typischen Journalisten
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Geschlecht des typischen Journalisten Vergleicht man die Aussagen der Befragten zum Geschlecht des typischen Journalisten, so fällt auf, dass der Journalistenberuf von relativ vielen als eine „geschlechtslose“ Profession wahrgenommen wird. Immerhin denken 12 von 24 Rezipienten beim Gedanken an einen typischen Berufsvertreter sowohl an einen Mann als auch an eine Frau. Simon, Jette und Gisela haben bei der Frage nach dem Geschlecht des typischen Journalisten sogar gar kein konkretes Bild vor Augen. In der Gruppe ohne Kontakt zu Journalisten stellen sich hingegen immerhin acht Befragte spontan einen Mann vor, manche aber auch einfach „aus Gewohnheit“, so wie Ingo. Tabelle 8: Alter und Geschlecht des typischen Journalisten – Vorstellungen der Befragten mit direktem Kontakt zu Journalisten Deckname
Alter
Geschlecht
Friederike Anna
„um die Vierzig“ „die SERIÖSEREN … immer ein bisschen älter“ Keine Vorstellung “zwischen Vierzig und Fünfzig” „… das kann der … relativ lange machen“ “kann … Mitte Zwanzig bis … weit in die Siebziger sein” „Mitte Zwanzig bis Mitte Dreißig“ Keine Vorstellung „Ende Dreißig“ „zwischen Vierzig und Mitte Fünfzig“ „Mitte Dreißig bis Mitte Vierzig“ Keine Vorstellung
Beide Geschlechter Beide Geschlechter
Jette Christian Michaela Isabelle Steffen Simon Wanda Ingo Gina Emil
Keine Vorstellung Beide Geschlechter Beide Geschlechter Beide Geschlechter Frau Keine Vorstellung Beide Geschlechter Mann Beide Geschlechter Mann
Festzuhalten bleibt also, dass der „seriöse“ Journalist, wenn ihm überhaupt ein Geschlecht zugesprochen wird, aus Rezipientensicht typischerweise eher männlich als weiblich ist, vor allem in der Fantasie derjenigen, die noch
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Übergreifende Interpretation
niemals einem Berufsvertreter persönlich begegnet sind. Doch scheint sich das Bild des Journalismus als ein von Männern dominiertes Metier aus Sicht von Rezipienten immer mehr aufzulösen. Eine Erklärung dafür könnte der gestiegene Frauenanteil im realen Journalismus sein, der sich langsam aber sicher in den Köpfen der Zuschauer zu verankern scheint, aber auch die dank des Fernsehens für alle Welt sichtbare Präsenz von prominenten Journalistinnen wie Maybrit Illner oder Sabine Christiansen. Der Befund eines „geschlechtslosen“ Berufs könnte aber auch daher rühren, dass manche Befragte bei der Frage nach dem typischen Journalisten – und das ist zunächst einmal der „seriöse“ Berufsvertreter – nicht den Eindruck erwecken wollen, sie würden die erfolgreiche Ausübung des Berufs einer Frau nicht zutrauen. Dass also einige Interviewteilnehmer womöglich aufgrund von sozialer Erwünschtheit den spontanen Gedanken an einen Mann nicht eingestehen, ist anzunehmen und wird durch einige Reaktionen bestätigt. So betont zum Beispiel Isabelle ausdrücklich: „Oh nein! Das ist vom Geschlecht unabhängig!“ Und auch Michaelas Aussage, dass sie die erfolgreiche Ausübung des Berufs beiden Geschlechtern „zugestehe“, untermauert diese Vermutung. Eine Ausnahme stellt in dieser Hinsicht – ähnlich wie beim Alter – der Boulevard- beziehungsweise Bild-Zeitungsjournalisten dar. Diejenigen, die sich zu seinem Geschlecht äußern, denken dabei ausnahmslos an einen Mann, was sie mit dem Stil des Mediums begründen. Anscheinend traut man die mitunter rücksichtlose Jagd nach Schlagzeilen – eine Vorstellung, die mit diesem Journalistentypus eng verbunden ist (vgl. Kapitel 4.3.11) – Frauen kaum zu. So äußert zum Beispiel Gina, „dass Frauen da emotionaler sind und eher dran denken, jemanden zu verletzen oder nicht zu verletzen. Und Männer denken: ‘Och, na ja, das vergisst sich wieder.’ Die gehen damit großzügiger um.“ Einige begründen den Gedanken an einen Mann auch mit den „teils nackte[n] Frauen“, die auf der Titelseite der Bild-Zeitung zu sehen sind und vermuten, dass daran „eher n Mann Interesse dran“ hat. Äußeres Erscheinungsbild des typischen Journalisten Im Gegensatz zu den Vorstellungen vom Geschlecht und Alter des typischen Journalisten besitzen die Befragten ein deutlich klareres Bild von seiner physischen Erscheinung, beispielsweise von seiner Kleidung, seinem
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Auftreten und sogar von Gegenständen, die er bei sich trägt. Und auch hier kommt es wieder darauf an, welcher Journalistentyp die Gedankenwelt der Befragten beherrscht, ob mit ihm beispielsweise eine Tätigkeit assoziiert wird, die in der Öffentlichkeit stattfindet (z. B. Fernsehjournalist bzw. Moderator), oder eine Arbeit, die im Verborgenen stattfindet. Vergleicht man die Aussagen der Interviewten untereinander, so kristallisiert sich heraus, dass dem typischen Journalisten, der „im Zweifelsfall auch mit interessanten anderen Menschen in Kontakt kommt“, grundsätzlich ein gepflegtes Äußeres zugesprochen wird. Die Vorstellungen reichen dabei vom „Anzug“ und „Kostüm“ bis hin zum legeren Kleidungsstil, wobei letzterer überwiegt. Wenn Journalisten als ungepflegt gelten, dann diejenigen, die als „Modell Eigenbrötler“ ihr intellektuelles Dasein zelebrieren, die für den Rezipienten unsichtbar bleiben (z. B. Radiomoderator), viel unterwegs sind (z. B. Kriegsberichterstatter, Auslandsreporter) oder bei politisch links tendierenden oder alternativen Zeitungen arbeiten. Als typische Gegenstände eines Journalisten – sei er nun „seriös“ oder „unseriös“ – werden „Stift“, „Zettel“, „Notizblock“, „Diktiergerät“, „Kamera“, „Trenchcoat“ sowie „Zigarette“ genannt. In der Vorstellung der meisten Befragten gilt der „seriöse“ Journalist als sympathische Erscheinung, als „umgänglich“ und „ansprechend“, was häufig damit begründet wird, dass dies Voraussetzung sei, um an Informationen zu kommen. Und darauf sei ein Journalist ja schließlich angewiesen, so das Argument. Wenn ein Berufsvertreter ein unsympathisches Image besitzt, dann der Journalist des Boulevardformats, der „einem irgendwelche INFORMATIONEN aus dem Kreuz leiern will“, wie Katrin es formuliert, was einmal mehr die gedankliche Unterscheidung zweier Journalistentypen bestätigt. 5.3 Typische Wesenszüge und Fähigkeiten von Journalisten Auch bei der Frage nach den typischen Eigenschaften und Fähigkeiten von Journalisten wird die Unterscheidung zwischen dem „seriösen“ Berufsvertreter auf der einen Seite und dem „unseriösen“ Journalisten als sein Gegenpart deutlich. So erwähnen viele Befragten ausdrücklich, dass es im Journalismus ein „breites Band“ gäbe, eben „solche und solche“ Journalisten, und dass man daher differenzieren müsse zwischen dem „engagierten Journalisten, … dem wirklich was an der WAHRHEIT liegt, der sich da auf
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Übergreifende Interpretation
den Weg macht und wirklich das neutral erklären, erläutern MÖCHTE“, und dem Medienakteur, „der wirklich nur auf große Aufmerksamkeit aus ist, der die Schlagzeilen sucht …“ Ersterer gilt in der Regel als mutig, vertrauensvoll, verantwortungsbewusst, realitätsbezogen und ehrlich, letzterer hingegen als aufdringlich und unehrlich. Dennoch kristallisieren sich wenige, teils eng miteinander verknüpfte Kerneigenschaften heraus, die aus Sicht von Rezipienten größtenteils auf beide Kategorien von Journalisten zutreffen (vgl. Tabelle 9 und 10). Diese Merkmale können unter den Schlagworten „Intelligenz“, „Sprachgeschick“, „Wissbegierde“, „Extrovertiertheit“, „Selbstbewusstsein“ und „Soziales Gespür“ zusammengefasst werden und erfahren – je nach Journalistentyp – eine positive oder negative Prägung. Acht Befragte erwähnen, dass der typische Journalist intelligent ist, eine „gute Auffassungsgabe“ besitzt, geistig rege, spontan und „flexibel“ ist. Vor allem aber verfügt er über ein ausgeprägtes Sprachgefühl, was 19 Befragte explizit betonen. So hält ihn beispielsweise Simon für „fit in Wort und Schrift“, Christian erwähnt seine Fähigkeit, „geschickt Fragen zu stellen, um Informationen zu bekommen“, und auch Michaela erachtet einen versierten Umgang mit Sprache für den Beruf als „UNBEDINGT“ notwendig. 12 Befragte attestieren dem typischen Journalisten zudem ein wissbegieriges und neugieriges Wesen. Simon und Anna sprechen sogar von einem „fast detektivisch[en]“ Verlangen, „immer etwas auf der Spur sein zu wollen …“ Beim „unseriösen“ Journalistentypus schlägt Wissbegierde allerdings schnell in Aufdringlichkeit um, was eindeutig negative Gefühle hervorruft. Zudem stellen sich insgesamt 13 Interviewteilnehmer den typischen Journalisten als extrovertierten Menschen vor, der „weltoffen“ und „aufgeschlossen“ ist, problemlos „auf Menschen zugehen kann.“ Durch sein offenes Wesen sei er in der Lage, „gute Kontakte zu haben, Kontakte zu pflegen“, was für eine erfolgreiche Ausübung des Berufs als Voraussetzung angesehen wird. Zudem gilt der typische Berufsvertreter als selbstbewusst, durchsetzungsfähig und überaus guter Selbstdarsteller, der dank seines rhetorischen Geschicks „tough“ und „forsch“ auftritt – die „harten Knochen“ des Boulevardjournalismus mitunter „frech bis unverschämt“. Diese Wesenszüge sind aus Rezipientensicht im Journalismus unerlässlich, da er als ein hart umkämpftes Berufsfeld gilt, wo Konkurrenz „leider groß geschrieben“ wird und „sehr weit verbreitet“ ist. Einige Befragte verweisen auf den Konkurrenzkampf unter den Medien, die sich als „Wirtschaftsunternehmen“ auf dem Medienmarkt behaupten müssen, sowie auf die angespannte Arbeits-
Typische Wesenszüge und Fähigkeiten von Journalisten
249
marktsituation für Journalisten, die es schwierig macht, überhaupt „irgendwie erstmal rein zu kommen.“ Und auch der Charakter des Journalistenberufs selber, der als eine kreative und intellektuelle Tätigkeit angesehen wird, nährt die Vorstellung, dass sich der Journalist mit seinen Kollegen in einem dauerhaften Wettstreit befindet, in dem man nur mit dem entsprechenden Ehrgeiz und Selbstbewusstsein bestehen kann. Dabei birgt diese Seite des journalistischen Charakters auch die Gefahr von Eitelkeit, Arroganz und Geltungssucht, was unter anderem Werner und Wanda erwähnen. Tabelle 9: Typische Eigenschaften und Fähigkeiten von Journalisten – Vorstellungen der Befragten ohne direkten Kontakt zu Journalisten Deckname
Intelligenz
Sprachgeschick
Wissbegierde
Samuel
+
+
+
Herbert Werner
+ (B) +
Klara Selma
+ (B)
+
+ +
+(B)
Katrin
+ (B)
+
Gisela
++ (B)
+
Sonja
+ (B)
+ +
+
Helmut
+ (B)
+
++ (B) ++
+
+
+ (B)
+ (B)
+ (B)
+
+
+
+ (B) +
Soziales Gespür
+ +
Sina
Alexander
Selbstbewusstsein
+
+ (B) +
Willy
Extrovertiertheit
++
++ (B)
+ = Eigenschaften, die generell auf Journalisten zutreffen ++= Eigenschaften, die nur auf den „seriösen“ Journalisten zutreffen B = Eigenschaft, die der Befragte als Begabung ansieht
13 Befragte sprechen dem typischen Berufsvertreter außerdem Eigenschaften zu, die man unter dem Begriff „Soziales Gespür“ zusammenfassen kann, wobei dieser Wesenszug von drei Interviewteilnehmern ausdrücklich auf den „seriösen“ Berufsvertreter bezogen wird. So besitzen Journalisten typischerweise „Einfühlungsvermögen“, „Feinfühligkeit“ und die Fähigkeit,
250
Übergreifende Interpretation
einem anderen Menschen zuzuhören, ihn für Dinge zu interessieren und sich in ihn hineinzuversetzen. Einen negativen Touch bekommt diese Eigenschaft dadurch, dass sie Journalisten befähigt, „etwas aus einem herauszulocken, was man vielleicht nicht sagen möchte“ – ein Wesenszug, der vornehmlich mit dem „unseriösen“ Berufsvertreter assoziiert wird und sein negatives Image mitbegründet. Tabelle 10: Typische Eigenschaften und Fähigkeiten von Journalisten – Vorstellungen der Befragten mit direktem Kontakt zu Journalisten Deckname
Intelligenz
Sprachgeschick
Friederike
+
Anna Jette
+ (B) +
Christian Michaela
+ (B)
Isabelle Steffen
+ (B)
+ (B)
+
+ (B)
+ (B)
Wanda
+
Ingo
+ + (B) +
+
+ (B) + (B)
+
Soziales Gespür
+ +
+
Gina
Selbstbewusstsein +
+
+ (B) + (B)
Extrovertiertheit +
+ +
Simon
Emil
Wissbegierde
+
+ (B)
+
+ (B)
+ (B) + (B) +
+ (B)
+
+
+ (B)
+ = Eigenschaften, die generell auf Journalisten zutreffen + + = Eigenschaften, die nur auf den „seriösen“ Journalisten zutreffen B = Eigenschaft, die der Befragte als Begabung ansieht
5.4 Journalist – ein Begabungsberuf? Das Ergebnis früherer Untersuchungen, wonach der Journalistenberuf bei der Mehrheit der deutschen Bevölkerung als Begabungsberuf gilt (vgl. Kapitel 2.6.6), wird durch die vorliegende Untersuchung bestätigt. Zumindest halten alle Interviewteilnehmer – mit Ausnahme von Emil – Genie für eine
Journalist – ein Begabungsberuf
251
minder zwingende Voraussetzung, um als Journalist erfolgreich zu sein. In diesem Sinn erklärt auch Christian: „Fleiß ist ne tolle Sache, damit kann er so den Alltag bewältigen. Aber ich denke mal, um es richtig krachen zu lassen, da gehört echt Begabung dann auch dazu. Die hat man oder man hat sie nicht.“ Die Begabung, die dem Journalisten zugesprochen wird, bezieht sich vornehmlich auf drei Bereiche (vgl. Tabelle 9 und 10), auch wenn grundsätzlich alle Eigenschaften mindestens von einem Befragten als Talent angesehen werden. Hier dominiert das Sprachgeschick, das 14 Befragte für Genie halten und nicht selten für eine bewundernswerte Leistung. So stellt beispielsweise Katrin fest: „Also es gibt ja auch Kolumnen, die geschrieben werden, ja, also ich meine, das ist AUCH, finde ich, ne Leistung, wenn jemand so einen witzigen Stil hat und kann den rüber bringen. Da denke ich AUCH: ‘Also das hat die echt super geschrieben, die Frau oder der Mann.’ Das ist … dann SCHON bewundernswert, auf jeden Fall.“ Die Anerkennung, die Journalisten für ihre „gekonnte Schreibe“ entgegengebracht wird, rührt möglicherweise daher, dass sich nur wenige Interviewteilnehmer ein solches Genie selber zuschreiben. Das rhetorische Geschick lässt prominente Berufsvertreter sogar regelrecht zu Vorbildern werden, beispielsweise für Wanda, die von der Fernsehjournalistin Sabine Christiansen schwärmt: „… wenn ich die dann so sehe, denke ich: ‘Ach Mensch, so wolltest du auch sein’, so, so dieses so, auch dieses sichere Auftreten, dieses Nie-verlegensein. Und also die, die ist ja nicht verlegen, auch wenn irgendjemand, der mal was, was Hartes sagt oder so, also die findet da ja immer wieder [die richtigen Worte].“ Darüber hinaus gilt sechs Befragten das extrovertierte Wesen des Journalisten, sein Interesse an seiner Umwelt und seinen Mitmenschen, als eine Eigenschaft, die nicht erlernbar ist. Weitere fünf Interviewteilnehmer teilen die Auffassung, man könne die Fähigkeit, „mit den Menschen umgehen zu können“, nicht erlernen. So gehört für Sonja und Wanda dazu auch „ne gewisse Aura“, „ne gewisse Art“. Und auch Helmut deutet an, dass dieses Talent nicht unbedingt mit Schönheit einhergeht, sondern „was mit den Augen zu tun“ hat. Mit anderen Worten: Journalisten besitzen Charisma, was die Faszination des Berufs erklären dürfte, definiert doch Max Weber (1921/1972, S. 140) diesen Begriff als „eine als außeralltäglich … geltende Qualität einer Persönlichkeit“, die mit „übernatürlichen oder übermenschlichen oder mindestens spezifisch außeralltäglichen, nicht jedem andern [sic] zugänglichen Kräften oder Eigenschaften“
252
Übergreifende Interpretation
ausgestattet ist. Die charismatische Persönlichkeit, so Weber, werde auch als „gottgesandt“ und „vorbildlich“ angesehen.1 5.5 Elite des Journalismus – Prominente Journalisten Wer aber sind nun die Medienredakteure der Realität, die dem Idealbild eines Journalisten nahezu entsprechen, die sich durch Seriosität, Intellektualität, Sprachgeschick, ein sichereres Auftreten und das besondere „Etwas“ von der Masse ihrer Kollegen abheben? Dass die Journalisten der Realität, die dem positiven Journalistentypus entsprechen, eher in den „seriösen“ Medien, den Qualitätszeitungen wie der FAZ oder der SZ, dem Spiegel oder bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vermutet werden, wurde bereits an anderer Stelle erwähnt. Doch welche Journalisten stechen aus der Masse der „seriösen“ Presse derart heraus, dass sie als Elite des Öffentlichkeitssystems (vgl. Peters, 1996, S. 204) einem fachunkundigen Publikum namentlich bekannt sind und somit zum Kreis der Prominenten zählen? Vor dem Hintergrund dieser Fragen wurden die Interviews dahingehend analysiert, welchen Größen des Journalismus die Befragten besondere Anerkennung entgegenbringen, mit wem sie eindeutig positive Gefühle verbinden. Dazu sei zunächst angemerkt: Nicht jeder Befragte ist in der Lage, spontan eine „schillernde Gestalt“ des Journalismus zu benennen, wobei auffällig ist, dass diejenigen, die intensiv Zeitung lesen, höher gebildet sind oder – sei es beruflich oder privat – einen Berufsvertreter persönlich kennen, eher dazu in der Lage sind. Verwundern tut dies nicht, da man diesen Personen einen intensiveren Medienkontakt unterstellen kann, durch den sie in der Lage sind, die entsprechenden Namen kognitiv zu verankern und entsprechend aus ihrem Gedächtnis abzurufen. So zählen beispielsweise Werner, Christian, Friederike, Jette, Anna und Michaela im Verlauf der Ge1
Max Weber unterscheidet in seinem 1921 erstmals veröffentlichten Werk Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie drei Typen legitimer Herrschaft: die des rationalen Charakters, die des traditionalen Charakters und die des charismatischen Charakters (vgl. Weber, 1921/1972, S. 124). Bei der „charismatischen Herrschaft“ werde der Herrscher allein aufgrund seiner außergewöhnlichen, eben charismatischen Qualität seiner Persönlichkeit von seinen Anhängern als „Führer“ gewertet. Die objektiv „richtige“ Bewertung dieser Qualität sei dabei irrelevant. Es käme vor allem darauf an, wie diese von den Beherrschten bewertet würde (vgl. Weber, 1921/1972, S. 140).
Elite des Journalismus – Prominente Journalisten
253
spräche gleich mehrere Journalisten auf, andere Befragte wie Samuel, Selma, Alexander oder Sonja hingegen keinen einzigen. Mit Rudolf Augstein, Marion von Dönhoff, Kurt Tucholsky und Bob Woodward werden dabei auch Journalisten genannt, die bereits verstorben oder dem amerikanischen Journalismus zuzuordnen sind. Aus diesem Grund, aber auch aufgrund des qualitativen Vorgehens der Untersuchung darf die folgende Namensliste nicht als aktuelle deutsche Journalistenprominenz missverstanden werden: Rudolf Augstein (Herbert, Christian), Stefan Aust (Herbert), Klaus Bednarz (Helmut), Sabine Christiansen (Klara, Wanda), Marion von Dönhoff (Friederike, Emil), Hilde Dormin (Michaela), Günter Ederer (Ingo), Herbert Feuerstein (Jette), Peter Frey (Werner), Petra Gerster (Werner), Peter Hahne (Werner), Maybrit Illner (Werner), Johannes B. Kerner (Helmut), Claus Kleber (Anna), Peter Kloeppel (Anna, Sina), Ernst Dieter Lueg (Friederike), Karl Korn (Michaela), Gabriele Krone-Schmalz (Jette), Dieter Kronzucker (Anna), Hans Leyendecker (Christian), Giovanni di Lorenzo (Friederike), Sandra Maischberger (Werner), Ulrich Meyer (Klara), Sonia Mikich (Friederike), Friedrich Nowottny (Friederike), Thomas Roth (Werner), Peter Scholl-Latour (Isabelle), Steffen Seibert (Werner), Marcel Reich-Ranicki (Michaela), Wolfram Siebeck (Sina), Kurt Tucholsky (Christian), Ulrich Wickert (Werner), Harry Valérien (Willy), Roger Willemsen (Jette), Bob Woodward (Christian) Dennoch macht sie eines deutlich: Die Relevanz des Fernsehens für den Aufstieg in den Kreis der Prominenz. So dominieren bei den aufgezählten Persönlichkeiten Fernsehjournalisten aus dem Bereich des Informationsund Politjournalismus sowie diejenigen, die sich durch ihre Arbeit im Printmedienjournalismus bei bedeutsamen Medien wie Spiegel, SZ, Zeit oder FAZ einen Namen gemacht haben. Letztere sind zum Teil auch häufig im Fernsehen präsent und avancieren zusammen mit ihren Kollegen aus dem Fernsehbereich gewissermaßen zu „Dauergästen“ in Fernsehtalkrunden, sind Teil der „journalistischen Pseudoelite“, wie Weischenberg (2005, S. 54) solche Journalisten kritisch tituliert. Dies belegt auch eine Untersuchung der Wahlsendungen zur Bundestagswahl 2005. Hier waren im Zeitraum vom 23. Mai bis 19. September 2005 in den politikrelevanten Sendungen des Hauptund Spätprogramms von ARD, ZDF, Sat.1 und RTL insgesamt 95 Gastauftritte von Journalisten zu verzeichnen, unter anderem von Sabine Christian-
254
Übergreifende Interpretation
sen, Maybrit Illner, Peter Kloeppel, Giovanni di Lorenzo und Friedrich Nowottny – Journalisten, die auch von den Befragten genannt wurden. Nowottny trat in dem besagten Zeitraum sogar insgesamt drei Mal im Fernsehen auf (vgl. Krüger, Müller-Sachse & Zapf-Schramm, 2005, S. 598 und S. 610-611). Bei Betrachtung der Namensliste fällt zudem auf, dass mit Ulrich Meyer von Sat.1 und Peter Kloeppel von RTL nur zwei Berufsvertreter vertreten sind, die ausschließlich den kommerziellen Fernsehanstalten zugeordnet werden können. Diese Beobachtung unterstützt die These, dass die aus Rezipientensicht als „seriös“ geltenden Berufsvertreter im Fernsehjournalismus eher dem Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entstammen. Und noch zwei weitere Aspekte springen ins Auge: Zum einen werden in den Interviews deutlich mehr männliche als weibliche prominente Journalisten genannt. Zum anderen muss man, um als Journalist prominent zu sein, scheinbar ein gewisses Alter erreichen. Denn schließlich ist kaum einer der prominenten Medienakteure unter Vierzig. Somit erfüllen die genannten Journalisten zwei Kriterien, die nicht nur für den Bereich der Medienprominenz gelten, sondern auf das gesamte Prominenzphänomen zutreffen: die Unterrepräsentanz von Jüngeren sowie der (bisher) relativ geringe Anteil an prominenten Frauen (vgl. Peters, 1996, S. 67-68). 5.6 Berufliche Motivation und Journalistenausbildung Rund die Hälfe der Befragten sehen den Journalistenberuf als eine Profession an, zu der man sich berufen fühlt – in jedem Fall gilt dies für den „seriösen“ Journalisten. Nicht ohne Grund unterstellen ihm einige Befragte, dass er seine „Liebe“ fürs Schreiben meist schon in der Schule erkennt. In diesem Sinne erklärt auch Sonja, dass sie sich vorstellen kann, „dass der WUNSCH, Journalist zu werden, schon ganz früh entsteht und dass das dann auch irgendwo ein Traumberuf für jemanden ist, mit dem man sich dann ABSOLUT identifizieren kann.“ Sie fügt hinzu: „Also so halbherzig, denke ich, ist das nicht machbar, weil, da gehört auch ein gewisses Herzblut dazu, sich in, in gewisse Themen auch rein denken zu können und sie dann auch so rüberzubringen, egal ob das jetzt Fernsehen, Rundfunk oder Zeitung, Zeitschrift ist.“ Insbesondere Kriegsberichterstattern wird eine Art Sendungsbewusstsein zugesprochen. So nimmt unter anderem Katrin an,
Berufliche Motivation und Journalistenausbildung
255
„dass das auch Journalisten sind, die sich wirklich, die das, die das WOLLEN, ja, die sich berufen fühlen, da jetzt was zu berichten, was für schlimme Ereignisse in anderen Ländern passieren.“ Hinter dem Gefühl, zum Journalistendasein berufen zu sein, steht aus Sicht von Rezipienten somit der Wunsch, in der Gesellschaft eine Art „Vermittlerrolle“ einzunehmen, also „zum einen, Informationen zu beschaffen und im Prinzip die den anderen auch irgendwie zukommen [zu] lassen“, die Bürger umfassend über gesellschaftspolitisch relevante Themen zu informieren. Bei einigen Befragten geht damit der Gedanke einher, dass sich die „seriösen“ Journalisten für eine „bessere“ Gesellschaft einsetzen wollen und deshalb ihren Beruf ergreifen. So unterstellt ihnen unter anderem Gina, „dass sie manchmal vielleicht was bewirken wollen oder was ändern wollen, was sie stört.“ Journalistenausbildung Auf die Frage nach der Ausbildung deutscher Journalisten reagiert mehr als die Hälfte der Befragten mit Unsicherheit. An diesem Punkt scheint das Image von Journalisten beim Rezipienten deutlich unschärfer auszufallen als in anderen Themenbereichen, vor allem bei niedriger gebildeten und politisch wenig interessierten Personen. Denn höher gebildete Befragte und die Gruppe der „Zeitungsleser“ zeigen bei dieser Frage kaum Unsicherheiten und können sich zu Ausbildungswegen in den Journalismus in der Regel relativ umfassend äußern. Möglicherweise macht sich in diesem Punkt auch der persönliche Kontakt zu Berufsvertretern bezahlt, aus dem anscheinend ein etwas umfangreicheres Wissen über die Journalistenausbildung resultiert. Denn in dieser Befragtengruppe können sich alle Personen zu dem Thema äußern. Sucht man in den vorliegenden Aussagen nach Gemeinsamkeiten, so wird deutlich, dass ein Hochschulstudium mittlerweile als „Standardausbildung“ für Journalisten angesehen wird, wobei immerhin fast der Hälfte der Befragten das Volontariat als klassische Journalistenausbildung geläufig ist (vgl. Tabelle 11 und 12). Die Vorstellung, man könne als junger Journalist auch ohne akademischen Abschluss Karriere machen, ist kaum verbreitet. Fanden sich unter den Journalisten Mitte der 1970er-Jahre noch mehr als zwei Drittel Studienabbrecher (vgl. Kepplinger, 1979, S. 9), was möglicherweise erklärt, warum damals deutlich weniger Menschen ein Studium als notwendige Voraussetzung für den Journalistenberuf ansahen (vgl. Kapitel 2.6.6), so hat
256
Übergreifende Interpretation
sich das Bild der Journalistenausbildung aus heutiger Sicht gehörig gewandelt. Emil bringt dies auf den Punkt: „Vor dreißig, vierzig Jahren war das nicht so, also da gab es sehr viele Journalisten, die kein Studium hinter sich hatten. Hing natürlich auch teilweise mit dem Krieg viel zusammen. Aber heute, glaube ich/ Es gibt sicherlich auch heute die Ausnahmen, klar, aber heute, glaube ich, ist [ein] Studium zwingend, aber nicht unbedingt Publizistik oder so was, nein, das kann auch ein anderes Studium sein.“ Tabelle 11: Journalistenausbildung – Vorstellungen der Befragten ohne direkten Kontakt zu Journalisten Deckname
Genannte Ausbildungswege
Unsicherheiten im Antwortverhalten Ja
Studium aus heutiger Sicht notwendig? Ja
Samuel
Studium
Herbert Werner
Studium (Philologie), Volontariat Journalistenschule
Nein
Ja
Klara
Studium
Ja
Nein
Ja
Ja
Selma
keine Vorstellung
Ja
--
Sina
Journalistenschule, Studium, Volontariat Studium (Germanistik), Volontariat Studium (Germanistik, Journalistik)
Nein
Sonja
Studium (Germanistik)
Ja
Nein (z. B. Feuilleton) Nein (z. B. Boulevardjournalist) Nein (z. B. freier Journalist bei Lokalzeitung) Ja
Helmut
Nein
Ja
Willy
Studium, das Bereiche wie Politik, Wirtschaft, Geografie und Geschichte abdeckt Keine Vorstellung
Ja
--
Alexander
keine Vorstellung
Ja
--
Katrin Gisela
Ja Ja
Beim Gedanken an die Art der Hochschulausbildung dominieren die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer wie Germanistik, Publizistik oder Politik. Doch auch in Geschichte, Kunst und Wirtschaft verfügt ein Journalist nach allgemeiner Auffassung über einen breiten Wissensschatz – der „seriöse“ Berufsvertreter in jedem Fall. Dementsprechend wird diesem
Berufliche Motivation und Journalistenausbildung
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Journalistentypus Intelligenz und ein „HERVORRAGENDES Allgemeinwissen“ unterstellt, was sein hohes Prestige, das in den Gesprächen immer wieder anklingt, maßgeblich erklären dürfte. Tabelle 12: Journalistenausbildung – Vorstellungen der Befragten mit direktem Kontakt zu Journalisten Deckname
Genannte Ausbildungswege
Unsicherheiten im Antwortverhalten Ja
Studium aus heutiger Sicht notwendig? Ja
Friederike
Studium (Publizistik, Germanistik), Volontariat Studium (Publizistik), Volontariat Studium (Germanistik, Anglistik, Politik) Studium, Volontariat
Ja
Nein
Ja
--
Nein
Nein
Nein
Ja (Ausnahme: Reporter; hier reicht Volontariat)
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Ja (Ausnahme: Fachjournalismus)
Ja
--
Nein
Ja
Gina
Studium (z. B. BWL für Ressort „Wirtschaft“; Geschichte, Musik, Kunst für Ressort „Feuilleton“) Studium (Germanistik, Publizistik, Marketingkommunikation) Studium (z. B. Literatur, Publizistik, Germanistik) Praktika, Volontariat Studium (z. B. Kunstgeschichte, Germanistik, Publizistik, Ingenieurswesen), Volontariat Studium (Journalistik), praktische Erfahrungen Studium (Publizistik), Volontariat Studium (Politik, Germanistik)
Ja
--
Emil
Studium (z. B. Publizistik)
Ja
--
Anna Jette Christian Michaela
Isabelle Steffen Simon Wanda Ingo
Dennoch gibt es aus Sicht der Befragten auch Autodidakten im Journalismus. Sie werden meist Fachzeitschriften, speziellen Ressorts (z. B. Feuilleton, „Aus aller Welt“), vor allem aber dem lokalen Printmedienjournalismus zugeordnet. Gerade die freien Mitarbeiter von Lokalzeitungen scheinen in
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Übergreifende Interpretation
puncto Prestige aus diesem Grunde deutlich unter ihren hoch ausgebildeten Kollegen der „seriösen“ Presse zu rangieren. Sinas abfälliger Kommentar über Lokaljournalisten macht dies anschaulich, denn sie sagt: „Das sind halt absolute Laien, haben, ja, können halt einigermaßen schreiben, aber haben sonst von Tuten und Blasen nicht viel Ahnung …“ Wie steht es um das Ausbildungsniveau des Boulevardjournalisten, stellt er doch den negativ besetzten Gegenpol zum „seriösen“ Journalisten dar? Fasst man die Aussagen der Interviewten zu dieser Frage zusammen, so fällt auf, dass tatsächlich einige Befragte vermuten, dass es in diesem Bereich weniger auf eine formal hohe Ausbildung – ein Studium – ankommt, sondern insbesondere darauf, „nen kurzen, prägnanten Artikel“ zu schreiben und „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ zu sein, also eine gekonnte Schreibe und Schnelligkeit gefragt sind. Eine schnelle Auffassungsgabe wird dem Boulevardjournalisten dennoch attestiert, so dass er als nicht weniger scharfsinnig gilt als der Journalist der „seriösen“ Presse. So erkennt unter anderem Herbert an, „dass die [Anm: Bild-Zeitungsjournalisten] intelligent sind, die Burschen“. Und auch Helmut berichtet von einem Chefredakteur der BildZeitung, den er einmal in einer Talkrunde bei Sabine Christiansen erlebt hat, und stellt voller Bewunderung fest: „… ein HOCHINTELLIGENTER Mann, toller Typ und so weiter. Verdient natürlich massig Geld, ne, und steuert das Blatt, ne.“ Diese Aussagen belegen, dass das Personal der Boulevardmedien, vor allem das der höheren Hierarchieebenen, dank des ihnen unterstellten Scharfsinns und hohen Verdienstes wohl kaum ein geringeres Prestige besitzen dürfte als die Berufsvertreter der „seriösen“ Presse. Hinzu kommt, dass man als Boulevardjournalist aus Sicht von Rezipienten auch in anderen Gesellschaftsbereichen Karriere machen und dabei eine machtvolle und dementsprechend renommierte Position einnehmen kann. So sagt zum Beispiel Christian: „… die Art und Weise, wie die so ein Blatt machen, das finde ich schon bewundernswert. Und es gibt ja nicht wenige Berater in der Spitzenpolitik, die aus dem Umfeld der Bild-Zeitung stammen, ja. Das finde ich auch spannend zu sehen. Das sind nicht unbedingt die Süddeutsche- und FAZ- und Spiegel-Journalisten, die einen Bundeskanzler beraten, sondern das sind Leute, die wissen, was bei den Massen zieht, wie man Massen bewegt und manipuliert.“
Das Image der Medien
259
5.7 Das Image der Medien und dessen Einfluss auf das Bild der Journalisten Die Meinungen darüber, welches Medium den attraktivsten Arbeitsplatz für Journalisten darstellt – eine der Fragen des Interviewleitfadens, mit der nicht nur das Image der Medien als Arbeitgeber ermittelt, sondern auch geprüft werden sollte, ob sich das Bild der Medien in irgendeiner Weise auf das der Journalisten überträgt –, gehen in den Interviews auseinander. Es gibt offensichtlich kein Medium, das Rezipienten einem Journalisten uneingeschränkt empfehlen würden. Vielmehr machen sie ihr Urteil am jeweiligen Charakter des Journalisten fest, wobei sich eine Abhängigkeit des Journalistenimages vom Bild der drei Hauptmediengattungen (Zeitung, Fernsehen, Radio) und der verschiedenen Mediensysteme (lokaler/überregionaler Printmedienjournalismus; öffentlich- rechtlicher/privater Rundfunk) andeutet. Vor allem die Wahl zwischen einem Job bei einer Zeitung oder beim Rundfunk erscheint den Befragten als eine Wesensfrage. So herrscht die Vorstellung vor, dass sich ein Journalist, der zum Rundfunk – insbesondere zum Fernsehen – geht, vor allem durch ein extrovertiertes Wesen und einen gehörigen Hang zur Selbstdarstellung auszeichnen muss. In diesem Sinne argumentiert auch Ingo: „Es gibt halt, ich sage mal, Menschen, die lieben die Selbstdarstellung oder die Außendarstellung oder vielleicht globaler oder allgemeiner gesagt: Das sind die Extrovertierten. Die sind sicherlich beim Rundfunk besser aufgehoben …“ Dies deutet darauf hin, dass Rezipienten mit dem Bereich des Rundfunkjournalismus primär eine Tätigkeit verbinden, bei der der Journalist mit seinem Publikum in Kontakt tritt, sei es als Fernsehjournalist vor der Kamera oder als Moderator im Radio. Von dem lockeren und ungezwungenen Image dieser zwei Medien im Vergleich zu dem der Zeitung (vgl. Kapitel 2.6.5) wird dementsprechend auf den „Entertainertyp“ des Rundfunkjournalisten geschlossen. Zudem haben einige Befragte die Vorstellung, dass man beim Fernsehen besser verdient als im Printmedienjournalismus und dank des audiovisuellen Charakters des Mediums in der Branche auch schneller bekannt wird und als Journalist Karriere macht. Umgekehrt scheint auch das eher „steife“ und unmoderne Image der Zeitung (vgl. Kapitel 2.6.5) auf das Bild des Printmedienjournalisten abzufärben. So schwebt einigen Befragten beim Zeitungsjournalismus ein Job vor, der im Verborgenen stattfindet, woraus der Gedanke an einen Journa-
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Übergreifende Interpretation
listen mit „Buchhaltermentalität“ resultiert, „der eher in sich gerichtet ist und eher ne akkurate, ausführliche Berichterstattung will.“ Andererseits erkennen einige Befragte gerade in dem ruhigen und weniger flüchtigen Wesen des Mediums die Chance des Zeitungsjournalisten, sein Publikum für Themen zu interessieren. Das Medium lenke nicht durch Bilder ab und schaffe mehr Raum für Informationen, so das Argument. Die Entscheidung für oder gegen eine Tätigkeit im öffentlichrechtlichen beziehungsweise kommerziellen Rundfunkjournalismus beurteilen viele Befragte in Abhängigkeit von den jeweiligen Ambitionen des Journalisten. Dabei scheint in diesem Fall das Image des sachlichen, glaubwürdigen, kompetenten und anspruchsvollen öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf der seinen Seite und das Bild des lockeren und mutigen Privatrundfunks auf der anderen Seite (vgl. Ridder & Engel, 2005, S. 432-433) auf das Image der Journalisten abzufärben. So erscheint den Befragten ein Journalist, der „Informationsjournalismus“ als sein Steckenpferd ansieht, der „hintergründig berichten und recherchieren will“ und „seinen Job auch seriös machen will“, im öffentlich-rechtlichen Rundfunkbereich besser aufgehoben als bei einem Privatsender. Außerdem gilt ein Arbeitsplatz bei ARD oder ZDF sicherer als ein Job im kommerziellen Rundfunksektor, wo Journalisten „doch eher gefeuert werden können“. Der Journalist, der auf Nummer Sicher gehe, entscheide sich daher für den öffentlich-rechtlichen Bereich, der risikofreudige und mutige Berufsvertreter, „der weiterkommen will, der RAUS will, der was erleben will“, hingegen für den kommerziellen Sender, so das Urteil. Allerdings geht das (scheinbar) geringere Risiko des Arbeitsplatzverlustes, das die Interviewten mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten assoziieren, mit dem Gedanken einher, dass man dort als Journalist auch weniger verdient und überdies mit starren Hierarchien zu kämpfen hat. Eine steile Karriere halten die Befragten bei einem Privatsender für wahrscheinlicher als bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt. Am eindeutigsten fällt das Urteil der Befragten hinsichtlich der Attraktivität von lokalem und überregionalem Printmedienjournalismus aus, denn fast alle halten einen Job bei einer überregionalen Qualitätszeitung für einen Journalisten als verlockender. Begründet wird dies vornehmlich mit zwei Argumenten, die eng miteinander verknüpft sind. Eines davon ist das „höhere Prestige“, das Medien wie der FAZ oder der Süddeutschen Zeitung attestiert wird – ein Argument, auf das vor allem männliche Befragte verweisen. In diesem Sinne erklärt auch Christian, dass solche Zeitungen „Marken“
Das Image der Medien
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sind, und dass „jeder … irgendwie Marken besitzen, mit Marken in Verbindung gebracht werden [möchte], weil sie natürlich auch gut abstrahlen.“ Er fügt hinzu: „Ne Marke wie die FAZ strahlt einfach gut, und ich glaube, man bewegt sich lieber in so nem Dunstkreis als eben in dem Dunstkreis eines Durlacher Boten, Schwarzwälder Boten, was auch immer, der natürlich auch nicht diese, diese Reputation hat, bei dem nicht alle diese berühmten Journalisten vorher schon geschrieben haben.“ Das höhere Prestige dieser Medien ergibt sich aus Sicht von Rezipienten aus der „Spitzenqualität“ ihrer journalistischen Leistungen und den „höheren Anforderungen“, die der Leserkreis an die dort beschäftigten Journalisten stelle. Darüber hinaus verleiht die nationale und internationale Verbreitung solcher Zeitungen den journalistischen Beiträgen aus Sicht von Laien einen „ganz anderen STELLENWERT“. Mit diesem Image einher geht die Vorstellung, dass man als Journalist bei einer überregionalen Tageszeitungen „hervorragende Eigenschaften“ mitbringen muss, dass „das Auswahlverfahren sehr streng“ und ein Berufseinstieg dementsprechend schwierig ist. Neben dem höheren Prestige spricht das breitere Themensortiment für die Qualitätszeitung, was die Tätigkeit aus Sicht der Befragten deutlich „interessanter“ erscheinen lässt als eine Beschäftigung im lokalen beziehungsweise regionalen Printmedienjournalismus. Alexander, Simon und Wanda wählen in diesem Zusammenhang sogar den gleichen Wortlaut und sprechen vom Blick „über den Tellerrand“, den überregional und international verbreitete Zeitungen wie FAZ oder SZ ermöglichen. Auffällig ist dabei, wie negativ sich einige Befragte grundsätzlich über das Medium „Lokalzeitung“ äußern, so dass sie in puncto Prestige den Gegenpol zur überregional verbreiteten Qualitätszeitung darzustellen scheint und von allen Medien offenbar das niedrigste Prestige besitzt. Anna tituliert die Lokalzeitung sogar als „Käseblatt“, das über „Kaninchenzüchterverein[e]“ und „Tauben“ berichtet. Simon spricht von „Klein-Klein-Journalismus“ im lokalen Bereich und hält „die Art, wie berichtet wird“ für „teilweise fast primitiv“. Vor dem Hintergrund der insgesamt negativen Bewertung des Lokaljournalismus ist auch erklärbar, warum eine Tätigkeit bei einem Lokalblatt – wenn überhaupt – nur für den unerfahrenen Berufsanfänger oder heimatverbundenen Journalisten als attraktiv empfunden wird, nicht aber für den typischen Berufsvertreter, der generell als ehrgeizig gilt.
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5.8 Arbeitsplatz und Berufsalltag des typischen Journalisten Die Zeitung gilt als der typische Arbeitsplatz eines Journalisten. So gibt die deutliche Mehrheit der Befragten an, sich beim Gedanken an Journalisten spontan einen Zeitungsredakteur vorzustellen, also die „schreibende Zunft“ vor Augen zu haben. Nur zwei Befragte (Katrin, Sonja) denken an Zeitung und Fernsehen, und lediglich vier Personen (Klara, Selma, Alexander, Wanda) stellen sich ausschließlich einen Fernseh- und/oder Hörfunkjournalisten vor. Somit hat sich das Bild des Zeitungsredakteurs als Prototyp des Berufsstands, das bereits in den 1970er-Jahren nachgewiesen werden konnte (vgl. Kapitel 2.6.6), bis heute nicht gewandelt. Auch der mittlerweile vollzogene Aufstieg des Fernsehens zum Leitmedium der Deutschen, das der Bundesbürger ab 14 Jahre durchschnittlich 202 Minuten und somit von allen Medien täglich am längsten nutzt (vgl. Daten zur Mediensituation in Deutschland, 2005, S. 68), hat daran nichts geändert, ebenso wenig die Verbreitung des Internets, das als relativ junges Medium im Image von Journalisten (noch) keine Rolle spielt. Wie die Aussagen und das Verhalten der Interviewteilnehmer deutlich machen, herrschen zum Teil gar keine und zum Teil sehr unterschiedliche Vorstellungen vor, in welchem Ressort ein Journalist typischerweise arbeitet. Dabei scheint hier der Gedanke an das politische Ressort, also die tagesaktuelle politische Berichterstattung, noch am weitesten verbreitet. Diese Vorstellung haben Werner, Selma, Sina, Katrin und Simon, im weiteren Sinne auch Sonja, der hier spontan die Fernsehbilder von Kriegsberichterstattern in den Sinn kommen. Vorstellungen vom journalistischen Berufsalltag Aufgrund der Tatsache, dass die Zeitung nach wie vor als der typische Arbeitsplatz eines Journalisten gilt, werden die Vorstellungen der Befragten vom journalistischen Berufsalltag maßgeblich durch den Zeitungsjournalismus geprägt. Dabei herrscht die allgemeine Auffassung vor, dass der berufliche Alltag eines Journalisten zweigeteilt ist und der typische Berufsvertreter einen Teil seiner Arbeitszeit auf Terminen außer Haus verbringt, den Rest des Tages im Büro. Einige Befragte sind überzeugt davon, dass der Arbeitstag eines Journalisten mit Recherchetätigkeiten startet, was als notwen-
Arbeitsplatz und Berufsalltag des typischen Journalisten
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dig erachtet wird, um „zu wissen, was tagesaktuell ist“. Dabei kursiert die Vorstellung, dass er dafür andere Medien nutzt, nämlich „Fernsehen, Zeitungen, Ticker, … Internet.“ Der morgendlichen Recherche folgt dann – je nach Ressort – der Besuch von Außenterminen, „zum Beispiel Pressekonferenzen, … Eröffnungen, Einweihungen, Spatenstiche“, ein Interviewtermin oder der Abstecher in ein Archiv, wobei letzteres als trockene Fleißarbeit empfunden wird. Den Rest des Tages verbringt der Journalist dann typischerweise am Schreibtisch, um aus den gesammelten Informationen einen möglichst ansprechenden Beitrag zu verfassen – so zumindest das Image. In diesem Sinne schildert auch Emil das charakteristische Alltagsprozedere eines Journalisten: „… wenn er [Anm.: der Journalist] eben, was weiß ich, für … eine Wochenzeitschrift oder so was arbeitet, dann wird er sicherlich an seinen Projekten, seinen Artikeln, die er gerade ab-, erarbeitet, morgens anfangen und eben … das Telefon benutzen, um zu recherchieren, Internet oder so, oder die Archive, die eigenen oder fremde, und, na ja, zur Not auch mal Interviews machen … […] Wenn er halt in der TAGESzeitung oder so was ist, dann läuft das natürlich (anders) ab. Dann geht er halt diese … örtlichen Informationsquellen durch, Polizeibericht, eben die Agenturenberichte durch, guckt sich an, was da für ihn jetzt in dem Bereich, wo er zuständig ist, verfügbar ist, muss natürlich auch die Konferenz noch besuchen, sicherlich, die jemand wohl täglich hat, auch in Zeitschriften, na ja, und schreibt dann eben, wenn er das durchgekaut hat, wenn er sich das Konzept gebildet hat, sitzt er dann typischerweise seit zwanzig Jahren zumindest am Bildschirm und tippt das ein.“ Auffällig ist, dass kaum einer der Befragten daran denkt, dass sich Journalisten in ihrem Alltag mit Kollegen oder Vorgesetzten auseinander setzen müssen und ihre Beiträge möglicherweise nicht gesendet oder abgedruckt werden. Im Gegenteil: Immer wieder klingt in den Gesprächen an, dass das Dasein als Journalist einem Leben gleicht, das mit relativ vielen Freiheiten verbunden ist, bei dem man Themen frei auswählen kann, wo man „von sich aus losgehen und Reportagen schreiben, selbst recherchieren“ kann – zumindest dann, wenn man in dem Metier erfolgreich ist. Fest steht also, dass der Journalistenberuf in der Vorstellung der Befragten keinem „gewöhnlichen“ Bürojob gleicht. Den Preis, den Journalisten für ihr Leben in (vermeintlicher) Freiheit zahlen müssen, ist das hohe Maß an Einsatzbereitschaft, Fleiß und Motivation, das der Beruf aus der Sicht von Laien voraussetzt. Schließlich müsse
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ein Journalist stets abrufbereit und „rund um die Uhr immer aktiv sein“, kenne also „keine geregelte Arbeitszeit“ und „keinen ArbeitsSCHLUSS“. Außerdem gilt der Beruf aus Sicht der Befragten als „UNGLAUBLICH stressig“, was mit dem „Termindruck“ und „Zeitdruck“ begründet wird, mit dem man insbesondere im tagesaktuellen Journalismus zu kämpfen hat. Für einige Befragte ist dies auch der Grund, warum sie den Beruf selbst nicht ausüben wollen, beispielsweise für Anna, die mit Journalisten „um’s Verrecken nicht tauschen“ möchte, die die Leistung der Journalisten dafür aber umso mehr zu schätzen weiß. Andere Interviewteilnehmer wiederum verweisen auf den Umstand, dass sich ein Journalist bei seiner Arbeit stets auf andere Menschen einlassen und einstellen muss. Als Stressfaktor wird darüber hinaus der Umstand betrachtet, dass Journalisten ihre Beiträge vermarkten müssen, was aus Sicht von Rezipienten insbesondere den freien Journalisten belasten kann. Und noch ein weiterer Punkt lässt die Arbeit von Journalisten für Außenstehende anstrengend erscheinen, wenn auch bewunderungswürdig: die Vorstellung, dass Journalisten täglich kreativ sein müssen. Dass sie diesem Druck standhalten, davon zeigt sich beispielsweise Helmut tief beeindruckt, denn er sagt: „Es muss ihnen jedes Mal was einfallen. Ich weiß überhaupt nicht, wie die Journalisten das machen!“ Der Journalist als Held – Risiken und Nachteile des Berufs Abgesehen vom Stress, den der Beruf mit sich bringt, lauern auf Journalisten auch zahlreiche Gefahren – eine Vorstellung, die das Bild des leidenschaftlichen und mutigen Medienakteurs untermauert. Als das bedeutsamste Risiko wird die Gefahr betrachtet, als Journalist bei einem Einsatz ums Leben zu kommen, was acht Befragte explizit erwähnen. Dabei denken die meisten spontan an die Berichterstatter aus Kriegs- und Krisenregionen, also beispielsweise aus dem Irak, aus Afghanistan oder dem TsunamiGebiet, „wo die [Anm: Journalisten] also wirklich mitten in der GEFAHR dann sind und stehen“ – ein Bild, das sicherlich durch Medienberichte über entführte oder getötete Journalisten immer wieder bestätigt wird. Immerhin kamen alleine im Irak seit dem Beginn der Kämpfe im März 2003 82 Journalisten ums Leben und damit mehr als in 20 Jahren Vietnamkrieg, wo zwischen 1955 und 1975 insgesamt 66 Journalisten starben (vgl. Fischer, 2006). Die mentale Stärke, die damit verbundenen psychischen Belastungen zu
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ertragen, und die notwendige Portion an Mut, „teilweise auch, ja, unter Einsatz ihres Lebens da versuchen, … die Menschen in Deutschland darauf hinzuweisen, was da ist, um zu informieren“, verleihen Kriegsberichterstattern und Auslandsreportern geradezu heldenhafte Züge. Damit zählt diese spezielle Gruppe von Journalisten zur Kategorie der „seriösen“ Berufsvertreter, die aus Sicht von Rezipienten couragiert auf gesellschaftliche Missstände im eigenen Land oder anderen Regionen der Erde aufmerksam machen oder Verbrechen aufklären wollen. Dies birgt mitunter das Risiko, dabei selbst in die Schusslinie zu geraten, sich unter Umständen in Regierungs- und Wirtschaftskreisen „Feinde“ zu machen – so das Image. Als das Paradebeispiel des heldenhaften und möglicherweise tödlich endenden Kampfs des „guten“ Journalisten gegen das Böse im eigenen Land gilt nach wie vor der Watergate-Skandal, den Sina und Alexander explizit erwähnen. Hier hätten die betroffenen Journalisten „ja Morddrohungen bekommen, … ja richtig gefährlich gelebt teilweise und zeitweise, ja“, wie Alexander beeindruckt feststellt. Allerdings wird das Risiko für deutsche Journalisten, aufgrund einer allzu kritischen Berichterstattung über politische und wirtschaftliche Belange Opfer eines Mordanschlags zu werden oder hinter Gittern zu landen, für geringer erachtet als in anderen Ländern (z. B. USA). Verbunden mit dem Gedanken, dass Journalisten häufig im Ausland unterwegs sind und bei der Berufsausübung möglicherweise ihr Leben aufs Spiel setzen, ist die Vorstellung, dass sich die Tätigkeit nur schwer mit einem Familienleben vereinbaren lässt. Auf diesen Nachteil verweisen allerdings nur weibliche Befragte, beispielsweise Wanda, die selbst Ehefrau und Mutter von zwei Kindern ist und bei aller Begeisterung für das „interessante“ Leben eines Journalisten kritisch anmerkt: „Also eins muss ich dazu sagen, wenn du so was wirklich richtig machst, dann kannst du, glaube ich, so ne Familie eigentlich wenig gebrauchen, weil, du musst ja immer irgendwo auf dem Sprung sein, du bist ja eigentlich, du kannst eigentlich nie so jetzt ein Familienleben so führen wie jemand, der jetzt ganz normal arbeiten geht.“ Das „bunte Leben“ des Journalisten – Chancen und Vorteile des Berufs Trotz der Nachteile, die dem Beruf nachgesagt werden, wird das Leben von Journalisten in den Gesprächen immer wieder als „HOCHinteressant“, „toll“ und „spannend“ bezeichnet. Dies spricht dafür, dass das Dasein eines
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Journalisten trotz aller Gefahren und Nachteile erstrebenswert erscheint, also Chancen bieten muss, die schwerer wiegen als die negativen Aspekte des Berufes. Sucht man in den Aussagen der Interviewten nach Erklärungen, so fällt auf, dass der Journalistenberuf aus Sicht von Laien – kurz gesagt – Abwechslung verspricht, wobei sich die Vielfalt auf mehreren, eng miteinander verknüpften Ebenen offenbart. Ein Umstand, der das Journalistendasein aus Sicht der Befragten kurzweilig gestaltet, sein „buntes Leben“ scheinbar niemals langweilig werden lässt, ist die Vorstellung, dass man als Medienakteur mit den unterschiedlichsten Menschen in Berührung kommt. Von dieser Idee ist beispielsweise Sonja ganz hingerissen, da es für sie beruflich „immer ne große Rolle [spielt], dass man mit Menschen zu tun hat …“ Begeistert erklärt sie: „… und das finde ich einfach interessant und spannend, immer WIEDER, immer wieder, weil es sich auch eigentlich NIE wiederholt, sondern immer wieder neue Sachen sind und auch irgendwo neue Herausforderungen bietet, auch auf verschiedene Menschen einzugehen, auf verschiedene Charaktere, auf, ja, verschiedene Lebensbereiche auch, je nachdem, was man da eben gerade bearbeitet.“ Doch hat ein Journalist nach Meinung von Rezipienten nicht nur mit vielen, sondern auch mit außergewöhnlichen Menschen Kontakt, kommt also beispielsweise mit prominenten oder mächtigen Persönlichkeiten (z. B. Politikern) in Berührung, die der normale Bürger nur aus den Medien kennt. Die Berufsgruppe der Journalisten gilt also als privilegiert, was den Zugang zu den Eliten anderer Gesellschaftssysteme anbelangt. Damit einher geht die Vorstellung, dass man als Journalist an Informationen gelangt und Eindrücke gewinnt, die man als gewöhnlicher Bürger, „als Normalsterblicher“, nur über die Medien erhält. Ein Journalist profitiert mit anderen Worten also von der Möglichkeit, hinter „die Kulissen zu sehen“ und Dinge „aus erster Hand“ zu erfahren, was den Beruf für Außenstehende reizvoll macht. Einige Befragte schwärmen regelrecht von der Chance, als Journalist „in die Welt zu reisen“, viel herumzukommen und viel zu erleben. Das findet beispielsweise auch Christian „SPANNEND, also DIE Möglichkeit oder auch in Gegenden zu kommen, die, die einfach interessant sind für ne Berichterstattung, die man als normaler Mensch entweder gar nicht bereist oder nicht unter solchen Umständen bereist, ja, weil, es ist natürlich ein Unterschied, ob ich als Tourist am Strand sitze oder ob ich wirklich einen, einen Informationshintergrund habe und dort dann wieder auf Menschen treffe, die dann sagen: ‘Komm, wir nehmen dich mal
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dahin mit und dahin mit und dahin mit, und schau’ dir das alles mal an, damit du dir ne Meinung bilden kannst.’“ Als einen weiteren Vorteil des Journalistenberufs wird die stetige Wissenserweiterung betrachtet, die Chance des Medienakteurs, „auch sich in Sachen rein zu lesen, die man, die man vielleicht vorher gar nicht so, die einen vorher gar nicht so interessiert haben, aber die man dann eben aufgrund des Auftrags, dass man darüber was schreiben soll, nachliest.“ Katrin beispielsweise empfindet gerade aus diesem Grund den Beruf als „superINTERESSANT“. Einige Interviewteilnehmer erwähnen zudem die vielfältigen Arbeitsfelder, die einem Journalisten durch seine Ausbildung offen stehen. Damit einher geht ihrer Meinung nach die Option, persönlichen Interessen auch beruflich nachgehen zu können, „sich dann irgendwo so [zu] orientieren …, was einem dann auch Spaß macht.“ So stellt unter anderem Sonja begeistert fest, dass man als Journalist auch im Bereich Öffentlichkeitsarbeit/PR, für eine „Frauenzeitschrift“ oder eine „MODEzeitschrift“ arbeiten kann oder aber als Persönlichkeitstrainer „für Leute, die in der Öffentlichkeit stehen und die man dann auf-, aufgrund seines GRUNDwissens im journalistischen Bereich da auch sehr gut beraten kann.“ Was berufliche Arbeitsgebiete und Beschäftigungsfelder angeht, bietet der Beruf aus Sicht von Laien einfach „viele, viele Möglichkeiten“. 5.9 Journalismus – eine „brotlose Kunst“? Gehälter im Journalismus Konkretes Wissen über Gehälter im Journalismus ist bei auffallend vielen Befragten kaum vorhanden, so dass das Image von Journalisten in diesem Punkt als undeutlich zu bezeichnen ist. Vor allem in der Gruppe der Befragten ohne Kontakt zu Berufsvertretern geben allein neun Personen (Klara, Selma, Sina, Katrin, Gisela, Sonja, Helmut, Willy, Alexander) zunächst an, vom finanziellen Auskommen eines Journalisten „keine Ahnung“ oder „ÜBERHAUPT keinen Schimmer“ zu haben, das ungefähre Durchschnittsgehalt im Journalismus also nicht genau beziffern zu können. Bei den Interviewten, die einen Journalisten persönlich kennen, beläuft sich die Zahl der Ahnungslosen und Unsicheren auf sieben Personen (Anna, Jette, Christian, Michaela, Steffen, Simon, Wanda). Die meisten Befragten fangen bei diesem Thema an zu raten. Dennoch lassen sich in ihren Aussagen Gemeinsamkei-
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ten ausfindig machen, aus denen sich das Image von Journalisten in diesem Punkt rekonstruieren lässt. Aus Sicht der Befragten fällt die Gehaltsspanne im deutschen Journalismus relativ breit aus, wobei die jeweilige Höhe von der Qualifikation des Journalisten abhängig gemacht wird. Einem erfolgreichen Journalisten wird durchaus ein gutes Gehalt zugestanden, wobei neben der Portion an Begabung auch ein gut funktionierendes Netzwerk als notwendige Voraussetzung erachtet wird. Dies gilt nach Auffassung der Befragten insbesondere für die Gruppe der freien Journalisten, die in puncto Gehalt aus Sicht von Laien ein größeres Risiko fahren, dafür aber auch die vermeintlich größere Chance haben, besser zu verdienen als ihre fest angestellten Kollegen – zumindest diejenigen, „die dann wirklich diese zündenden Storys liefern …“ Absolute Spitzengehälter – Herbert nennt hier eine Höhe von „zweihundertfünfzig bis fünfhunderttausend Euro“ Bruttojahresgehalt –, sind im deutschen Journalismus aus Rezipientensicht jedoch selten. Als „Topverdiener“ gelten nur die „Spitzenjournalisten“, also die prominenten Berufsvertreter, „die sich schon einen Namen gemacht haben.“ Zu ihnen zählen unter anderem die Herausgeber von Medien wie Spiegel oder FAZ, aber auch Journalisten wie Sabine Christiansen, die ihre Sendungen selbst produzieren. Dem Gros der Journalisten wird ein „Standardauskommen“ zugesprochen, wobei die Schätzungen etwas oberhalb des aktuellen Durchschnittsverdienstes eines deutschen Angestellten von derzeit 3.452 Euro2 liegen. So belaufen sich die meisten Angaben der Befragten zum durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen eines Journalisten auf etwa 3.000 bis 5.000 Euro, wobei sich immerhin sechs Personen (Samuel, Sina, Helmut, Willy, Christian, Isabelle) auf eine Höhe von etwa 3.500 bis 4.500 Euro festlegen.3 Manche Interviewteilnehmer verweisen auch darauf, dass das Gehalt eines Journalisten durch „Nebeneinkünfte“ aufgestockt werde, da ein Journalist meist mehrere Auftraggeber habe. Darüber hinaus kursiert die Vorstellung, dass Journalisten eine „Gefahrenzulage“ bekommen oder Spesen für Auslandseinsätze erhal2
Dieser Betrag entsprach 2005 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes der Bundesrepublik Deutschland dem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst eines Angestellten im Produzierenden Gewerbe, Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe (vgl. Löhne und Gehälter – Durchschnittliche Bruttomonatsverdienste, o. J.).
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Die Angabe von Sina (55.000 Euro) über das Bruttojahresgehalt eines Journalisten wurde entsprechend auf ein Monatsgehalt umgerechnet, und zwar durch die Anzahl von 12 Monaten geteilt.
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ten, geldwerte Vorteile beim Autokauf und bei Versicherungen genießen oder „diverse Zuschläge“ für Reisen, Sonn- und Feiertagsdienste beziehen. Als Fazit bleibt daher festzuhalten, dass der Journalismus von Rezipienten keineswegs als „brotlose Kunst“ begriffen wird. Eine Ausnahme stellt in dieser Hinsicht lediglich das Volontariat dar, das als außerordentlich schlecht bezahlt gilt. Hier nennt Simon den Betrag von „vielleicht tausend Euro im Monat“, möglicherweise „fünfhundert“. 5.10 Erwartungen an den Umgang der Journalisten mit Informationen Wie bereits die Betrachtung der Einzelfälle verdeutlicht hat, haben die Befragten bestimmte und unterschiedlich klare Vorstellungen, wie Journalisten im Idealfall mit Informationen umgehen sollten. Dabei scheinen die Ansprüche an die Medienakteure mit höherer formaler Bildung und größerem politischen Interesse der Interviewteilnehmer anzuwachsen. So fällt auf, dass sich unter den Interviewteilnehmern, die von sich aus keine Aussagen zu diesem Thema treffen (Samuel, Klara, Sonja, Friederike, Wanda, Gina), weder ein Akademiker findet noch jemand aus der Gruppe der „Zeitungsleser“. Hingegen wissen gerade die höher gebildeten Interviewteilnehmer und/oder diejenigen, die intensiv Zeitung lesen, sehr genau, wie Journalisten bei ihrer täglichen Arbeit agieren sollten (Herbert, Helmut, Sina, Katrin, Christian, Steffen, Simon, Ingo, Emil). Objektivität als journalistische Leitmaxime Sucht man in den Aussagen nach Gemeinsamkeiten, so sticht der Wunsch nach einer objektiven Berichterstattung deutlich hervor. Darunter verstehen die Befragten, dass ein Journalist im Idealfall ungeachtet seiner eigenen Interessen an Themen herangeht, also „ohne Vorurteile“ und somit unvoreingenommen recherchiert. Eng verknüpft ist damit die Forderung nach „Wahrheitsliebe“ im Journalismus. So sollten recherchierte Informationen aus Sicht der Befragten den Leser, Hörer oder Zuschauer vollständig erreichen, also weder verdreht noch unter den Tisch gefallen lassen werden. Mit anderen Worten: Medienakteure sollten Informationen nicht derart manipu-
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lieren, dass auf diese Weise ein verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit entsteht, das ihre eigene Überzeugung stützt. Die Forderung der Rezipienten nach Objektivität im Journalismus schließt im Übrigen nicht aus, dass ein Journalist auch seine eigene Meinung äußern darf. Im Gegenteil: Gerade ältere Befragte betonen ausdrücklich, dass sie sich von Journalisten eine Einordnung und Bewertung der Ereignisse wünschen. So sagt beispielsweise Helmut: „Ich meine, … das weniger Interessante ist für mich vorne, was da steht, der politische Ablauf. Den kann ich nachlesen, den kann ich im Fernsehen sehen. Das sind FACTS. Aber der Kommentator links oder rechts oder innen drin, DIE will ich lesen, DAS sind für mich die Journalisten, die das bewerten, die Situation.“ Und auch die jüngeren Interviewteilnehmer scheinen zu akzeptieren, dass ein Journalist ein Ereignis von seinem subjektiven Standpunkt aus bewertet, auch wenn hier der Wunsch nach einer möglichst neutralen Informationsvermittlung, die dem Medienkonsumenten Raum für eigene Interpretationen lässt, insgesamt größer erscheint. Objektivität und die Forderung oder zumindest Akzeptanz eines Journalismus, der subjektive Bewertungen zulässt, sind aus Rezipientensicht also durchaus vereinbar. Allerdings werden daran bedingte Bedingungen geknüpft, die typischerweise nur von höher gebildeten Personen und/oder den „Zeitungslesern“ in aller Deutlichkeit formuliert werden. Eine davon ist „Ausgewogenheit“ in der Berichterstattung sowie eine deutliche Kennzeichnung des journalistischen Standpunkts. Dies bedeutet, dass sich Rezipienten mit einer subjektiv geprägten Berichterstattung nach deutscher Journalismustradition also durchaus anfreunden können, solange die Meinung des Medienakteurs für den Zuschauer, Leser oder Hörer als solche erkennbar bleibt. Eine anschauliche Erklärung, was Rezipienten in diesem Sinne unter objektivem Journalismus verstehen, liefert Katrin. Sie verdeutlicht dies anhand der Darstellungsform des Interviews und erläutert, wie ein Journalist die Aussagen eines Gesprächspartners idealerweise an sein Publikum weitergeben sollte: „Objektiv verstehe ich so, dass die Fragen, die gestellt wurden, und die Antworten, die gegeben wurden, auch SO an mich weitergegeben werden, und ich mir selber meine Meinung bilden kann über das, was derjenige, der das gesagt hat, aber nicht, dass ich schon die vorgefertigte Meinung von dem Journalisten höre. Er kann zwar, also er kann das Interview wiedergeben und er kann wegen mir gerne, meiner Meinung nach, sein … Statement dazu abgeben, aber dann auch SO deutlich, dass ich sehe: ‘Aha, das hat jetzt
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der Journalist dazu gesagt’, und nicht einfach die Worte des Interviewten umdrehen in seine Meinung …“ Unabhängigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Respekt vor Privatsphäre, Sachlichkeit Neben Objektivität wird von Journalisten „Unabhängigkeit“ und „Integrität“ erwartet, wobei die Befragten darunter verstehen, dass sich Journalisten von Versuchen der Einflussnahme durch Dritte (z. B. Politik, Staat, Anzeigenkunden) deutlich distanzieren sollten. Zudem fordern einige Interviewteilnehmer von Journalisten „Verantwortungsbewusstsein“, also die Entwicklung eines Bewusstseins dafür, dass sie eine machtvolle Position in der Gesellschaft innehaben und „schon ein gewisses SCHWERT in der Hand“ halten. Außerdem sollten Journalisten die Privatsphäre von gewöhnlichen Bürgern, „von fremden Menschen“, aber auch von prominenten Persönlichkeiten respektieren – ein Wunsch, den auffallend viele und erstaunlicherweise auch niedriger gebildete Interviewteilnehmer äußern. Anna bringt diese Forderung auf den Punkt: „Es ist schon jeder Star, jeder Politiker ist ein Mensch der Öffentlichkeit. Die leben ja auch davon, in der Öffentlichkeit zu sein, und jeder Star sonnt sich mehr oder weniger da drin, ne. Aber ich denke mal, auch da sind Grenzen geboten, ne.“ Und schließlich wird von Journalisten ein klarer, prägnanter und verständlicher Stil der Berichterstattung verlangt, bei der sich der zuständige Redakteur nicht selbst profiliert. Es dürfe, wie Werner kritisch anmerkt, einfach „nicht so viel drum rum geredet werden“ und nicht der Eindruck entstehen, der Journalist würde „ne Selbstdarstellung betreiben“. Gleichzeitig sollte ein Journalist die Gratwanderung beherrschen, bei aller Sachlichkeit Dinge auch so spannend darzustellen, dass es ihm gelingt, die Aufmerksamkeit seines Publikums auf gesellschaftspolitisch relevante Themen zu lenken. So betrachtet es beispielsweise Christian als eine originäre Aufgabe von Journalisten, Geschichten, die auf den ersten Blick trocken erscheinen, dem Publikum „SCHMACKHAFT zu machen“ und „ne Sache spannend darzustellen und daraus … auch einen kleinen Krimi zu machen und zu sagen: ‘Guck mal, was da alles so passiert, ja.“
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5.11 Vorstellungen vom journalistischen Handeln in der Realität Ein Aspekt, der die Einstellungen der Befragten zu Journalisten maßgeblich beeinflusst, ist die Frage, inwieweit die Medienakteure ihren Erwartungen und Anforderungen (scheinbar) gerecht werden. Es geht also – und das sollte an dieser Stelle nochmals deutlich gesagt werden – nicht darum, inwieweit sich Journalisten in Deutschland tatsächlich um Objektivität, Unabhängigkeit und Sachlichkeit bemühen, ein Verantwortungsbewusstsein für ihre Macht entwickeln und die Privatsphäre Dritter respektieren. Entscheidend ist das Bild, das die Befragten vom Verhalten der Journalisten in der Realität haben. Und dass dabei ihre Ansprüche und ihre Vorstellungen von der Wirklichkeit des Journalismus auseinanderklaffen, wird in den Gesprächen immer wieder deutlich. Doch nicht alle scheinbaren Normverstöße im Journalismus werden als gleich schlimm und beklagenswert angesehen. Vor allem aber gilt: Nicht alle Vergehen treffen aus Sicht der Befragten auf alle Journalisten gleichermaßen zu. Denn gedanklich wird zwischen zwei Kategorien von Journalisten unterschieden: dem „seriösen“ Medienakteur, der den Forderungen nach Objektivität, Unabhängigkeit, Sachlichkeit und Verantwortungsbewusstsein aus Sicht von Rezipienten weitgehend gerecht wird oder sich zumindest darum bemüht, und dem „unseriösen“ Berufsvertreter, der diese in den Augen von Laien grundsätzlich ignoriert. Unabhängigkeit und Objektivität Kaum negativ wird der Umstand gewertet, dass Berichte von Journalisten niemals unabhängig und losgelöst von subjektiven Einstellungen zustande kommen. Denn keiner der Befragten ist überzeugt davon, dass dies überhaupt realistisch erscheint. Doch auch hier gilt wieder, dass die „seriösen“ Journalisten nach Meinung der Befragten genügend Unabhängigkeit und Objektivität zu wahren wissen „und auch irgendwo nen Punkt haben, wo sie sagen: ‘So weit und nicht weiter …’“ Der Unabhängigkeit von Journalisten stehen nach Meinung der Interviewten an erster Stelle externe Zwänge entgegen, denen sich Journalisten beugen müssen. Gerade die kritischer auftretenden Befragten – typischerweise sind dies die höher gebildeten Interviewteilnehmer und/oder „Zeitungsleser“ – verweisen in diesem Zusammenhang auf die redaktionelle
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Linie des Verlags oder des Senders, Vorgaben durch den Vorgesetzten – „Intendanten, Chefredakteur oder was auch immer oder Abteilungsleiter“ – sowie auf die Anzeigenkunden, von deren Gunst man als Journalist abhängig sei. In diesem Sinne bedauert es beispielsweise auch Ingo, dass Journalisten seiner Forderung nach „Offenheit“ nicht nachkommen können, klagt sie dafür aber auch nicht an, sondern sagt: „Also der ÖKONOMISCHE Aspekt steht deutlich, VERSTÄNDLICHERWEISE, das ist auch keine Kritik, das ist einfach NORMAL in der heutigen Zeit, und das steht verständlicherweise im Vordergrund mit allen Vor- und Nachteilen.“ Neben der Abhängigkeit von externen Zwängen stehen Journalisten nach Auffassung der Befragten auch immer unter dem Einfluss ihrer eigenen Sichtweise auf die Dinge, können ihre persönlichen Einstellungen also gar nicht aus ihrer Berichterstattung heraushalten. Da Subjektivität im Journalismus also als typisch menschlich betrachtet wird, erfährt dieser Normverstoß ebenfalls kaum eine negative Bewertung. In diesem Sinne ist auch Gisela überzeugt davon, dass kein Journalist wirklich unvoreingenommen berichten kann, „HUNDERT PROZENT nicht, … weil, wir bleiben Subjekt und wir haben ne ganz, also ganz spezielle Art, etwas wahrzunehmen“, und macht dem Berufsstand daraus keinen Vorwurf. Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe Deutlich anders sieht es hingegen aus, wenn es um die Frage nach der Ehrlichkeit von Journalisten geht beziehungsweise darum, ob Journalisten Informationen ganz bewusst verändern, was der Forderung nach Objektivität im Journalismus zuwiderläuft. Ein bewusst unehrliches Verhalten, das auf eine Manipulation der öffentlichen Meinung abzielt, womöglich rein egoistisch motiviert ist und beispielsweise der Karriere des Journalisten dient, wird deutlich schärfer kritisiert. Und dass ein solches Verhalten aus Sicht von Rezipienten zum Journalismus dazugehört, wird in den Gesprächen immer wieder deutlich, wobei diese Vorwürfe vornehmlich von höher gebildeten Personen und den „Zeitungslesern“ geäußert werden. Doch auch hier zeigt eine differenzierte Betrachtung der Aussagen, dass Rezipienten zwischen „solchen und solchen“ Journalisten unterscheiden und es vor allem als eine Frage des Charakters betrachtet wird, ob sich ein Journalist gegenüber seinem Publikum unehrlich verhält. Dabei schneidet
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der „seriöse“ Journalist eindeutig besser ab als der „unseriöse“ Medienakteur, da ersterem attestiert wird, dass er „gründlich“ und „akribisch“ arbeitet, sich um eine objektive Berichterstattung bemüht, einen „Sinn für Realitäten“ entwickelt, „vertrauensvoll“ und „ehrlich“ ist. Dass es dem Journalisten, „der sich als solcher VERSTEHT“, nicht darum geht, „Lügen zu verbreiten“, sondern um eine wahrheitsgemäße Berichterstattung, „ne wahre Information rüberzubringen und auch n ZUSAMMENHANG darzustellen, so dass der Zuschauer oder der Hörer die Möglichkeit hat, den Zusammenhang zu verstehen und, und zu begreifen, was er eben vermitteln will“, davon ist die Mehrzahl der Interviewteilnehmer überzeugt. Wenn ein spezieller Journalistentyp als unehrlich gilt, dann ist dies der „unseriöse“ Boulevardjournalist der „Yellow Press“, der „Paparazzo“. Glaubt man den Aussagen der Befragten, so ist für ihn Unehrlichkeit an der Tagesordnung, da er bei Recherchen auf unethische und illegitime Methoden zurückgreift und sich auch nicht davor scheut, Informationen bewusst zu manipulieren. Schließlich befände er sich stets auf der Jagd nach Sensationen, so das Argument, sei „immer unterwegs auf der Suche nach DER Story“ wie Katrin es umschreibt, was bei ihr den Gedanken an einen hektischen und chaotischen Menschen hervorruft. Sina hingegen verbindet mit ihm das Bild eines „Geiers“, der „von oben sich dann das Fressen raussucht“ und Informationen bei anderen Kollegen „klaut“. Katrin hält es sogar für möglich, dass ein Journalist, der „auf Sensationslust“ aus ist, Liebe vortäuscht und „vielleicht … mit irgendjemandem ins Bett steigt, nur um an die Information zu kommen.“ Und wenn ihm gerade keine Auflagen steigernde „Story“ einfalle, so die gängige Vorstellung, biege er sich unspektakuläre Informationen einfach so zurecht, dass sie titelseitenwürdig seien. In diesem Sinne erklärt auch Sina, wie bei Bild Schlagzeilen gemacht werden: „Auf der Alster, glaube ich, gab es irgendwelche Algen und die haben CO2 emittiert, und dann hat einer bei der Redaktionssitzung wohl gesagt: ‘Ja, das ist doch das, was immer aus den Kühen hinten rauskommt, explodiert!’ Schlagzeile am nächsten Tag: ‘Explodiert die Alster?’“ Zudem sprechen manche Befragte bereits von Unehrlichkeit im Journalismus, wenn inhaltliche oder formale Fehler in der Berichterstattung zu finden sind oder Journalisten ihre Informationen zielgruppengerecht „verpacken“. Ehrlichkeit im Journalismus wird also zum Teil mit sehr strengen Maßstäben gemessen und vor allem für eine bestimmte Gruppe von Journalisten als typisch erachtet, so dass das Pauschalurteil quantitativer Umfragen,
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der journalistische Berufsstand zeichne sich durch ein besonderes Maß an Unehrlichkeit aus (vgl. Kapitel 2.6.1), relativiert werden muss. Sachlichkeit Da Unehrlichkeit im Journalismus in der Vorstellungswelt der Befragten einhergeht mit der Jagd nach sensationellen Schlagzeilen, wird dem „unseriösen“ Boulevardjournalisten auch am ehesten ein unsachlicher Berichterstattungsstil nachgesagt. In Medien wie beispielsweise der Bild-Zeitung werde im Vergleich zur „seriösen“ Presse einfach öfter „ne Riesenschlagzeile“ produziert, „wo nichts hinten dran steht“, so der allgemeine Tenor. Gerade bei Bild gilt der Zwang der Journalisten, mit Aufsehen erregenden Schlagzeilen möglichst viele Leser anzulocken, als besonders groß, was Selma treffend beschreibt: „Und die [Anm.: Bild-Zeitung] ist ja da drauf aus, also … die müssen da schon die Leistung bringen und die brauchen dann auch wirklich die, die, die BRAUCHEN dann auch die Sensation. Und wenn mal nichts passiert ist, dann müssen sie halt eine [Anm.: Meldung], ja, ich sage jetzt nicht, erfinden, aber eine machen, … irgendwas, was man vielleicht, … wenn irgendwo ein Highlight in der Welt passiert wäre, aber dann: ‘Ach, ja, schreiben wir auf Seite zehn unten links’, oder so. Das muss dann halt so verpackt werden, dass es auf einmal vorne drauf kann, ja.“ Dennoch: Auch die „seriösen“ Medien sind nach Auffassung von Rezipienten nicht frei von Unsachlichkeit. Doch wird dies nur von wenigen Befragten kritisiert, vor allem von Interviewteilnehmern, die höher gebildet sind und/oder der Gruppe der „Zeitungsleser“ angehören. So macht es unter anderem Emil „fürchterlich SAUER“, wenn Journalisten „Dinge sensationalisieren“, was seiner Meinung nach auch in Zeitungen wie der FAZ oder der Welt zu beobachten sei. Und auch Werner ärgert sich über die unsachliche „Selbstdarstellung“ der beiden FAZ-Redakteure Christian Geier und Wilfried Barners, die in seinen Augen „absolute Spinner“ sind. Verantwortungsbewusstsein und Respekt vor Privatsphäre Auch wenn einige Befragte auf den Quoten- und Auflagenzwang im Journalismus verweisen, der grundsätzlich dazu verleiten würde, Informationen
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vorschnell an das Publikum weiterzugeben4, spiegelt sich auch beim Thema „Verantwortungsbewusstsein, Respekt vor Privatsphäre“ die gedankliche Unterscheidung zweier Journalistentypen wider. Auf der einen Seite ist dies der „seriöse“ Berufsvertreter, dem die Befragten attestieren, dass er sich der Folgen seines Handelns bewusst ist und das entsprechende Verantwortungsbewusstsein entwickelt. Dem steht gedanklich der „unseriöse“ Journalist gegenüber, dem nachgesagt wird, dass er die negativen Konsequenzen seines Handelns billigend in Kauf nimmt. So kursiert unter den Befragten die Vorstellung, dass die „Klatschreporter“ oder „Paparazzi“ der Boulevardpresse mit gezückter Kamera anderen Menschen auflauern und rücksichtslos in deren Privat- und Intimsphäre eindringen. Anna kann sich sogar vorstellen, dass Medien wie die BildZeitung über ein Budget verfügen, um Informanten zu bestechen, um beispielsweise „irgendwo in irgendeinen Vorgarten von irgendjemandem rein zukommen, um da drei Fotos zu schießen, wo sonst niemand reinkommt.“ Gina und Helmut verweisen auf die Rechtsanwälte, die die Boulevardpresse allein aus dem Grunde beschäftigen würde, um sich gegen mögliche Klagen zur Wehr zu setzen. Festzuhalten bleibt, dass dem „unseriösen“ Journalisten nach Meinung des Rezipienten die Folgen seines Handelns „recht egal“ sind, so dass ihm journalistische Tugenden wie „Verantwortungsbewusstsein“ und „Respekt vor Privatsphäre“ grundsätzlich abgesprochen werden. Friederike und Simon ereifern sich regelrecht darüber, dass die Boulevardjournalisten bei Unglücken „vor lauter Geilheit auf das beste Foto, auf das beste Bild“ die Rettungskräfte behindern und auch nicht davor zurückschrecken würden, aus „Informationsgeilheit“ andere Leute „auszupressen“. Die Wortwahl dieser Aussagen macht bereits deutlich, dass solche Vorstellungen bei den Befragten nicht nur durchweg negative Gefühle provozieren, sondern Medienakteure damit auch die Grenze dessen überschreiten, was ihr Publikum toleriert.
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Michaela und Gina verweisen in diesem Zusammenhang auf die gefälschten HitlerTagebücher und die Schmach des Sterns, der den Fund zunächst als Sensation gefeiert hatte, ohne die Schriftstücke auf ihre Echtheit hin zu überprüfen. Diese Geschichte, die bereits über 20 Jahre zurückliegt, gilt scheinbar bis heute als klassisches Beispiel für journalistisches Fehlverhalten, bei dem der Medienakteur die Freude über die sensationelle Meldung über die gebotene Sorgfaltspflicht stellt. Zu den Hintergründen vgl. Fußnote in Kapitel 4.2.5
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Grenzen der Toleranz Die Toleranzgrenze der Befragten scheint dann überschritten, wenn es um Themen wie Tod oder Trauer geht, wenn die journalistische Berichterstattung also die intimsten Bereiche des Menschen berührt. Dies stellt offenbar vor allem für Frauen einen inakzeptablen Normverstoß im Journalismus dar, da typischerweise weibliche Befragte auf solche Negativbeispiele verweisen. So führen unter anderem Anna und Wanda die drastischen und immer gleichen Bilder im Fernsehen von den vielen Toten und Leidenden aus dem Tsunami-Gebiet an, Michaela wiederum die Berichterstattung über den sterbenden Pontifex Johannes Paul II., wo Journalisten „also jede Zuckung des Papstes da gezeigt haben.“ Sonja verweist schließlich auf die Trauer der Söhne von Lady Di nach dem Tod ihrer Mutter, die ihrer Meinung nach von den Medien in übertriebener Weise öffentlich zur Schau gestellt wurde. Nach Ansicht von Rezipienten überschreiten Journalisten also dann die Grenze des „guten Geschmacks“, wenn die Berichterstattung auf sensationalisierende Art gesellschaftlich tabuisierte Themen anspricht und diejenigen, über die berichtet wird, nicht die Freiheit oder Möglichkeit haben, sich der Öffentlichkeit zu entziehen oder sich gegen die Berichte zur Wehr zu setzen. Dass Grenzen im Journalismus aus Sicht von Rezipienten und zu deren Ärgernis immer wieder überschritten werden – und dies bei weitaus belangloseren Themen, vor allem aber auch bei Personen, die mit ihrem Leben in der Öffentlichkeit stehen – wird auch an anderer Stelle deutlich. So gehen beispielsweise Helmut die Berichte über die angeblich gefärbten Haare von Gerhard Schröder zu weit, die er „einen beschissenen Journalismus“ schimpft. Und auch Sonja macht deutlich, dass ihr Meldungen über das Privatleben des ehemaligen Bundeskanzlers Schröder, beispielsweise über die Adoption eines russischen Waisenkindes5 – bei allem Respekt für das soziale Engagement – zuwider sind. Alexander und Anna haben das Bild des „unseriösen“ Boulevardjournalisten, der sich nicht scheut, in die Intimsphäre von Prominenten einzudringen, sogar bildhaft vor Augen. Er würde dafür sogar deren Hausmüll durchstöbern, wie Anna empört feststellt: „Genau! Ein Journalist von der Bunten hat doch irgendwie die Müllei5
Im Sommer 2004 ging die Meldung durch die Presse, dass Gerhard Schröder zusammen mit seiner Ehefrau Doris Schröder-Köpf ein russisches Waisenkind adoptiert hat. Nach Berichten der Bild-Zeitung soll der russische Präsident und Freund Schröders, Wladimir Putin, den Plan unterstützt haben (vgl. Putin half Schröder bei Adoption, 2004).
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mer vom Gottschalk durchgekämmt, und dann hat der doch seinen Bambi zurückgegeben, oder? Da war doch irgendwie so ne Geschichte? Ja, das, das ist so, wo ich sage: ‘Also und da hört’s auf.’“ Der negative Einfluss des Boulevardjournalismus – Ein Erklärungsversuch Betrachtet man die Aussagen der Befragten zum Umgang der Journalisten mit Informationen, so fällt die überaus negative Bewertung des „unseriösen“ Journalisten auf, der zwar nicht ausschließlich, aber doch oft mit den Boulevardmedien, insbesondere der Bild-Zeitung, in Verbindung gebracht wird. Der Gedanke an diesen Journalistentypus stellt offensichtlich einen zentralen Negativaspekt im Image des journalistischen Berufsstands dar und dürfte die Widersprüchlichkeiten im Bild des Journalisten zwar nicht ausschließlich, aber doch zu großen Teilen erklären. Einige Interviewteilnehmer betonen sogar ausdrücklich, dass der Stil der Boulevardpresse nicht das sei, was sie selbst unter Journalismus verstehen würden. In diesem Sinne sagt auch Alexander: „Und das ist halt für mich eigentlich gar kein Journalismus. Das ist/ Eigentlich tut man da den Stand Journalismus tut man damit keinen Gefallen oder den Leuten, die sich Journalist schimpfen, die so was tun.“ Fast die Hälfte der Befragten lehnen die Bild-Zeitung sogar kategorisch ab und beschimpfen sie als „Schmierenblatt“ und „absolut disqualifizierend“, „WIDERLICH“ und „EKELHAFT“, empören sich über die „Fleischbeschau“, das diskriminierende „Frauenbild“, die „Klischees“ und den unterschwelligen „Nationalismus“, den sie verbreiten würde. Gleichzeitig wird auffallend oft betont, dass die Boulevardmedien die Presse für das breite Volk seien, die Bild-Zeitung das „Sprachrohr“ des „kleinen Mannes“. So sagt auch Werner: „Die macht Zugeständnisse an das ganz breite Volk, ja, an den einfachen Mann auf der Straße, an den Bauarbeiter oder wer auch immer, der dann in seiner Pause ganz schnell, ja, mal durchguckt …“ Und um dessen Hunger nach Sensationen, den „Voyeurismus“ der Gesellschaft, „die Neugierde, die offensichtlich vorhanden ist“, zu stillen, müssten die Boulevardjournalisten eben mit sensationellen Themen aufmachen. Spricht man die Befragten auf ihr persönliches Verhältnis zur Boulevardpresse an, so fällt auf, dass sich kaum einer als regelmäßiger Konsument
Vorstellungen vom journalistischen Handeln in der Realität
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bezeichnet.6 Im Gegenteil: Immer wieder wird betont, dass man die BildZeitung höchstens am Arbeitsplatz oder im Urlaub lese, an der Tankstelle oder beim Bäcker, „vor lauter Langeweile“ oder „aus Witz“. Man würde sich die Zeitung aber auf keinen Fall regelmäßig kaufen, so die Aussage von vielen, und wenn man sie lese, dann nehme man ihre Berichte nicht ernst, amüsiere sich vielmehr darüber. Diese Beobachtung erstaunt in Anbetracht der hohen Reichweite der Bild-Zeitung, die im Schnitt täglich 11,64 Millionen Leser erreicht und damit 18 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung (vgl. ma 2007 aktuell). Man kann also vermuten, dass hinter der auffallend schlechten Bewertung der Boulevardmedien einerseits und der auffallend distanzierten Haltung der meisten Befragten andererseits andere Gründe stecken müssen. Eine Erklärung für diese Beobachtungen könnte das Phänomen der sozialen Erwünschtheit liefern, was auch Ulrike Dulinski (2003, S. 311) hinter ähnlichen Befunden einer Studie von Klingemann und Klingemann (1983) vermutet. Die beiden Forscher hatten Anfang der 1980er-Jahre die Nutzungsmotive von Bild-Zeitungslesern untersucht. Dabei hatten 55 Prozent der Untersuchungsteilnehmer bei der Frage nach positiven Aspekten der Bild-Zeitung spontan mit kategorischer Ablehnung reagiert und 37 Prozent keine spezifischen Angaben gemacht, umgekehrt aber 61 Prozent der Befragten bei den negativen Aspekten von Bild eine spezifische Antwort gegeben (vgl. Klingemann & Klingemann, 1983, S. 246). Klingemann und Klingemann (1983, S. 246) folgerten daraus, „… daß der deutschen Bevölkerung zu ‘Bild’ spontan eher etwas spezifisch Negatives als etwas spezifisch Positives einfällt.“ Darüber hinaus deute der hohe Anteil negativer Aussagen von Bild-Lesern darauf hin, dass die Differenzierungsfähigkeit von Bild-Lesern doch relativ stark ausgeprägt sei. Dulinski (2003, S. 311) kritisiert an diesem Ergebnis, dass die Forscher dabei nicht bedacht hätten, dass „die Art der Fragestellung hochgradig Artefakte im Sinne sozialen Erwünschtseins provoziert haben [dürfte].“
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Zur Aufdeckung der Einstellung der Befragten zum Boulevardjournalismus dienten Fragen rund um das Thema „Bild-Zeitung“, unter anderem die Frage: „Lesen Sie ab und zu die BildZeitung?“.
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Übergreifende Interpretation
Auch in der vorliegenden Untersuchung könnte Ähnliches passiert sein, auch wenn dies sicherlich nicht auf alle Befragten gleichermaßen zutreffen wird, die dem Boulevardjournalismus im Allgemeinen beziehungsweise der Bild-Zeitung im Besonderen mit Vorbehalten gegenüberstehen. Einige lehnen möglicherweise Boulevardmedien wie Bild und Bunte aus voller Überzeugung ab und konsumieren sie tatsächlich nie. Vieles spricht aber dafür, dass Rezipienten – egal, ob sie Boulevardmedien selbst konsumieren oder nicht – grundsätzlich nicht der Sensationsgier verdächtigt und als Teil der „breiten Masse“ neugieriger Voyeuristen wahrgenommen werden wollen. Das „öffentliche“ Bekenntnis zum Boulevardjournalismus, insbesondere zum Sensationsjournalismus als „Teilmenge des Boulevardformates“ (Dulinski, 2003, S. 101), wird also offenbar als ein Verstoß gegen die „guten Sitten“ empfunden. Dies dürfte auch erklären, warum der journalistische Berufsstand gleichermaßen geächtet und geachtet wird, gibt es aus Sicht von Rezipienten doch „solche und solche“ Journalisten, also auch die „unseriösen“ und skrupellosen Berufsvertreter. In den Vorstellungen von Laien wenden letztere bei der Informationsbeschaffung ohne Rücksicht auf Verluste unethische Methoden an und wissen gegenüber Informanten nicht die gebotene Distanz zu wahren. Ihre Berichte basieren zudem auf einem Gerüst aus Lügen und Fälschungen. Sie erfüllen damit die wesentlichen Merkmale des Sensationsjournalismus (vgl. Dulinski, 2003, S. 101)7, den es vor den Augen anderer abzulehnen gilt. Was die Annahme untermauert, dass solche Vorstellungen in den Köpfen von Rezipienten maßgeblich zur negativen Prägung des Journalistenimages beitragen, ist das Gefühl von Peinlichkeit, das bei einigen Befragten zu spüren ist, die in den Gesprächen zugeben, sich die Bild-Zeitung selbst zu kaufen oder online zu lesen. So muss Katrin „gestehen“, sich auf der Homepage des größten deutschen Boulevardblatts schon einmal über die Neuigkeiten aus der Welt der Promi7
Ulrike Dulinski entwickelt in ihrer Dissertation anhand eines Assoziationstests unter Mainzer Studenten eine Realdefinition von Sensationsjournalismus. Demnach ist Sensationsjournalismus „… eine journalistische diskursive Strategie, die in Reinausprägung als Teilmenge des Boulevardformates auftritt und die folgenden wesentlichen Merkmale aufweist: a) Sie ist i. d. R. medienökonomisch motiviert und zielt auf massenhaften Absatz b) Sie ist inhaltlich gekennzeichnet durch eine Auswahl von typisch sensationellen Themen und Ereignissen. Dabei handelt es sich um solche aus den Bereichen Sex & Crime & Tragedy. c) Sie bedient sich der formal-publizistischen Mittel des Sensationalismus (…) d) Sie geht einher mit einem unethischen und/oder unrechtmäßigen Distanzverlust gegenüber den Informanten bei der Informationsbeschaffung bzw. Recherche oder beruht auf Lüge bzw. Fälschung. (…)“ [Hervorhebung im Original](Dulinski, 2003, S. 101)
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nente informiert zu haben. Und auch aus Herberts Schilderung seines Kaufs der Bild-Zeitung auf der Insel Sylt spricht Schamgefühl: „Ich erlaube mir im Urlaub, wenn ich mir die Zeitung kaufe, die FAZ und die Bild-Zeitung zu kaufen, und habe das auch sehr schön erlebt auf Sylt, habe da ein paar Mal Urlaub gemacht, da sind also morgens/ Die Männer gehen da die Brötchen kaufen und gehen dann nebenan in den Zeitungsladen, und da holen sie die Bild und sie holen die FAZ, und die Bild-Zeitung wird in der FAZ versteckt. Vergleichbar habe ich das dann auch gemacht.“ 5.12 Gesellschaftliche Funktionen des Journalismus Journalisten übernehmen aus Sicht von Rezipienten wichtige Funktionen in einer Demokratie, denn 13 Befragte sind sich auch der Vorteile bewusst, dass Journalisten durch ihre Tätigkeit eine machtvolle Position in der Gesellschaft innehaben. Besonders stark betonen dies auffälligerweise Männer, nämlich Herbert, Helmut, Christian, Steffen, Simon und Emil, etwas weniger deutlich Sina, Gisela, Alexander, Friederike, Anna, Ingo und Gina. Dies deutet darauf hin, dass das Bewusstsein für die positiven Funktionen des Journalismus bei Rezipienten unterschiedlich stark ausgeprägt ist, mit höherem Bildungsniveau und größerem politischen Interesse anzuwachsen scheint und möglicherweise Männer den Medien gegenüber anspruchsvoller auftreten als Frauen. Für diese Annahme spricht auch das Mediennutzungsverhalten der Befragten: So reagieren vor allem diejenigen Interviewteilnehmer, die die Medien eher zu Unterhaltungszwecken nutzen, kaum eine Zeitung lesen und beim Fernsehen die privaten Sender bevorzugen, auf das Thema „Macht des Journalismus“ mit Unsicherheit. Sie sind sich entweder der positiven gesellschaftlichen Funktionen des Journalismus nicht wirklich bewusst oder halten die Macht der Medien für begrenzt, fühlen sich aber am ehesten in der Lage, den Versuch einer Einflussnahme durch Journalisten zu durchschauen Dies gilt in der vorliegenden Arbeit insbesondere für Samuel, Klara, Selma, Wanda, Sonja und Willy. Intervieweilnehmer, die positive Aufgaben des Journalismus für die Gesellschaft benennen können, geben hingegen auffallend oft an, sich in den Medien auch gezielt über Politik zu informieren (z. B. regelmäßiges Lesen von Tages-/Wochenzeitung oder Nachrichtenmagazinen; gezieltes Einschalten der Nachrichtensendungen im Fernsehen) und beim Fernsehen die öffentlich-rechtlichen Programme zu
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bevorzugen. Letzteres gilt uneingeschränkt für Herbert, Katrin, Gisela, Helmut, Friederike, Anna, Christian, Simon und Emil. Einen Sonderfall hinsichtlich des Mediennutzungsverhaltens stellt Steffen dar, der sich grundsätzlich nur bei unabhängigen Internetmedien über politische Ereignisse informiert, dies allerdings mit mehreren Stunden am Tag sehr intensiv, was sein großes politisches Interesse belegt. Fasst man die Aussagen der Befragten zusammen, so werden dem Journalismus vornehmlich zwei Aufgaben zugesprochen: die Bevölkerung über Missstände in der eigenen Gesellschaft oder in fremden Ländern aufzuklären und ein unabhängiges Gegengewicht zu anderen machtvollen Teilsystemen wie Politik und Wirtschaft darzustellen. Bemerkenswert ist dabei, dass – mit Ausnahme von Steffen8 – alle Befragten, die diese Funktionen des Journalismus betonen, überzeugt davon sind, dass Journalisten diese Aufgaben in der Realität auch erfüllen können – zumindest die „seriösen“ Berufsvertreter. In diesem Sinne erklärt unter anderem Christian: „Mein Gott, es gibt so viele Beispiele, wo Journalisten wirklich Grausliches aufgedeckt haben und, und wirklich auch Politiker, die ja auch ne Menge Macht haben, ne Menge Verantwortung haben, auch wirklich bloßgestellt haben mit ihrem Tun und Treiben. Und von daher halte ich das für ABSOLUT wichtig, ja, in nem Staat. Also ein Staat, der so was nicht hat, finde ich, hat einfach keine demokratische Basis.“ Als Positivbeispiele für investigativen Journalismus, der als Gegengewicht zu Politik und Wirtschaft erfolgreich fungiert hat, gelten die Watergate-Affäre sowie der VW-Skandal. Das Engagement und der Mut der daran beteiligten Journalisten werden durchweg hoch anerkannt, was das überaus positive Image des „seriösen“ Journalisten erklären dürfte. Dies wird auch aus Emils Worten deutlich, mit denen er 8
Steffen stellt zwar hohe Ansprüche an die Medien, ist jedoch desillusioniert, was die Realität des Journalismus in Deutschland angeht. So geht er nicht davon aus, dass „die Presse als informatives Organ, … als enthüllendes Organ, eben als, als Staatsgewalt, die wirklich möglicherweise den … anderen drei Gewalten entgegensteht“ dort tatsächlich funktioniert und begründet dies mit der Abhängigkeit der meisten Medien von wirtschaftlichen Zwängen. Dadurch würden sich, so Steffen, die Inhalte der Medien vornehmlich am Publikumsgeschmack, am „common sense“ der Öffentlichkeit, orientieren. Journalismus, der extreme Positionen beziehe, werde behindert, „extreme Blätter oder extreme Zeitungen werden immer im Internet geschlossen teilweise, unabhängige Flugblattverteilungen werden gestoppt.“ Steffen bilanziert: „Das heißt, letztendlich hat der Journalismus nicht die Möglichkeit, wirklich machtvolle Argumente ans Volk zu bringen oder an die Menschen zu bringen und wird so eigentlich die Spirale von immer ähnlichen Meinungen immer weiter, immer weiter drehen.“
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sich über den Journalisten der Süddeutschen Zeitung äußert, der den Filz aus Politik und Wirtschaft im VW-Skandal aufgedeckt hat. Anerkennend stellt er fest: „Das ist schon toll. Ich weiß zwar nicht seinen Namen, aber dieser Journalist von der Süddeutschen Zeitung, das finde ich schon toll, das ist bewundernswert, da dran zu bleiben.“ Bemerkenswert ist, dass in Fällen, in denen die Medien die Funktion einer Vierten Gewalt übernehmen, illegitime oder als unmoralisch geltende Methoden der Informationsbeschaffung (z. B. Bestechung von Informanten) von den Befragten gerechtfertigt werden. Nach dem Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ wird der gesellschaftliche Nutzen eines aufklärenden Journalismus, der sich unethischer oder illegitimer Methoden bedient, offensichtlich für wichtiger erachtet als die möglicherweise damit verbundenen negativen Folgen auf individueller Ebene. So stellt zum Beispiel Gina fest, dass sie journalistische Recherchemethoden, „die nicht so geradlinig sind“, bei denen die Journalisten „mit dem Gesetz in Konflikt kommen“, für gerechtfertigt hält und „vollkommen in Ordnung“ findet. Und auch Helmut erwähnt, dass es „EGAL“ sei, dass Journalisten Informanten mit Geld „zum Reden zwingen“, sofern dies höheren Zielen diene. Journalisten, die „Aufklärung“ betreiben – und sei es mit Zahlung von Schmiergeldern – sind seiner Meinung nach „ganz TOLLE Leute“. Die Kehrseite journalistischer Macht Andererseits stehen einige Rezipienten der Macht des Journalismus und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Funktionen nicht bedenkenlos gegenüber, zumal der gemeine Mediennutzer, wie einige Interviewteilnehmer zu Recht anmerken, das Berichtete kaum überprüfen könne. Aus diesem Grund betrachtet auch Simon die Macht der Journalisten und ihre damit verbundenen Einflussmöglichkeiten nicht ohne Sorge: „Ja, ist sicherlich PROBLEMATISCH, weil dadurch, dass ja immer wieder zum einen die subjektive Einschätzung einfließt, zum anderen unter Umständen auch gewisse Personen, JA, durch diese Macht, die sie haben, viele andere mit auch beeinflussen können, das sehe ich schon als problematisch an, weil nicht alle Konsumenten dieser Informationen in der Lage sind, irgendwo zu filtern. Und wenn man’s richtig anstellt, kann’s eigentlich keiner so richtig, also wie
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sich das jetzt tatsächlich verhalten hat, das ist für den Laien praktisch nicht mehr nachvollziehbar.“ In insgesamt 17 Gesprächen werden explizit Sorgen geäußert, dass Journalisten ihre Macht missbrauchen könnten, oder wird Ärger darüber laut, dass sie dies tatsächlich tun. Dabei scheint auch hier das Bewusstsein für die Kehrseite journalistischer Macht mit höherer formaler Bildung und größerem politischen Interesse geschärft zu werden, da sich unter den kritisch auftretenden Befragten alle interviewten Akademiker wiederfinden sowie die Gruppe der „Zeitungsleser“. Ausschließlich negativ bewerten die Macht des Journalismus Werner, Katrin, Jette, Michaela und Isabelle. Sina, Gisela, Alexander, Anna und Gina, die der Macht des Journalismus auch etwas Gutes abgewinnen können, äußern sich in diesem Zusammenhang ebenfalls kritisch, ebenso die (angehenden) Akademiker und/oder „Zeitungsleser“ Herbert, Helmut, Christian, Steffen, Simon, Ingo und Emil. Letztere stechen dabei mit ihren Äußerungen besonders hervor, da sie ihre Kritik an den Medien von allen Interviewteilnehmern am deutlichsten formulieren. Gleichzeitig betonen diese Befragten auch die positiven Funktionen des Journalismus von allen Probanden am stärksten, so dass ihre Einstellung gegenüber dem journalistischen Berufsstand auch als extrem ambivalent zu bezeichnen ist. Diese Beobachtung geht konform mit empirischen Befunden der 1970er-Jahre (vgl. Kapitel 2.6.6). So stellen unter anderem schon Gottschlich und Karmasin (1979) Ende der 1970er-Jahre fest, dass die formal höher gebildeten Befragten unter ihren Befragungsteilnehmern, denen man aufgrund ihres Mediennutzungsverhaltens ein überdurchschnittlich hohes politisches Interesse unterstellen konnte („Zeitungslesergruppe“), nicht nur ein konkreteres Bild von Journalisten hatten, sondern diese sehr viel positiver und gleichzeitig kritischer beurteilten als der Durchschnitt der österreichischen Bevölkerung. Ähnlich auch die Befunde von Emnid, die Massmann (1977) dokumentiert hat: Dort nannten höher gebildete Personen zwar einerseits den negativen Begriff des „Zeitungsschmierers“ häufiger als der Durchschnitt der Bevölkerung. Gleichzeitig standen sie dem journalistischen Berufsstand insgesamt aber positiver gegenüber als niedriger gebildete Personen. Sucht man in den kritischen Äußerungen der Befragten nach Gemeinsamkeiten, so wird am häufigsten der Vorwurf laut, die Medien würden die Stimmung in der Bevölkerung in ihrem Sinne beeinflussen beziehungsweise „manipulieren“ – ein Ausdruck, der in den Gesprächen auffallend oft fällt.
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Herbert, Anna, Jette und Ingo verwenden in diesem Zusammenhang auch die negativ konnotierten Begriffe „Meinungsmache“, „Stimmungsmache“ oder „Hetzkampagnen“, verweisen aber häufig auch darauf, dass sie derartige Normverstöße als Folgen externer Zwänge (z. B. Vorgaben durch Vorgesetzte, ökonomische Zwänge etc.) ansehen. Befragte wie Herbert, Steffen und Simon, die sich durch eine einerseits überaus positive, andererseits sehr kritische Haltung gegenüber Journalisten auszeichnen, sind es typischerweise auch, die auf die Gefahr einer Monopolstellung von Medien (z. B. im lokalen Bereich) oder das Sympathisieren der Journalisten mit bestimmten Parteien hinweisen. Eng verknüpft ist damit der Gedanke, dass Journalisten Themen immer wieder zur Diskussion stellen, andere hingegen der Öffentlichkeit vorenthalten und dadurch letztendlich politische Debatten und Entscheidungen in ihrem Sinne beeinflussen können, dies auch tun – und der Bürger ohnmächtig zuschaut. Dass ein solches Verhalten von den Befragten fast ausschließlich negativ bewertet wird, macht deutlich, dass deutsche Rezipienten das aktive journalistische Rollenverständnis eines „Politikers mit anderen Mitteln“ im Journalismus ablehnen. Dass solche Vorstellungen überhaupt kursieren, resultiert möglicherweise aus der deutschen Journalismustradition einer Gesinnungspublizistik und dem journalistischen Rollenverständnis des die Massen lenken wollenden Publizisten, die sich anscheinend bis heute im Image von Journalisten niederschlägt. Doch auch beim Thema „Macht der Journalisten“ fällt auf, dass sich die Einwände häufig auf die Kategorie der „unseriösen“ Journalisten beziehen, wobei diese Gruppe von den politisch interessierten und höher gebildeten Befragten deutlich seltener als Ausnahmeerscheinung im Journalismus betrachtet wird als beispielsweise von Selma, Sonja, Wanda oder Willy. So stellt unter anderem Emil fest, dass es „LEIDER ne ganze Reihe“ von Journalisten gibt, „die sich unter dem Deckmantel des integeren Journalismus austoben …“ Und auch Christian findet, dass es in den Medien „viele schlechte Dinge“ gibt, wo Journalisten ihre Macht missbrauchen, indem sie Vermutungen vorschnell veröffentlichen und damit ihr Publikum in ihren Einstellungen beeinflussen können. Auch wenn der negative Einfluss der Boulevardmedien bei diesem Thema insgesamt nicht so deutlich hervortritt wie bei der Frage nach der Ehrlichkeit und dem Verantwortungsbewusstsein von Journalisten, verweisen Herbert und Anna in diesem Zusammenhang einmal mehr auf die Bild-Zeitung, der Anna vorwirft, „Hetzkampagnen zu machen und auch politisch Dinge aufzugreifen, die vielleicht noch gar nicht
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ausgereift sind, wie immer die auch an die Öffentlichkeit gelangen, um da irgendwas in Gang zu setzen, ob’s Gesetze oder sonst was ist, was vielleicht gar nicht so in Gang gesetzt worden wäre, ne.“ Dem „seriösen“ Berufsvertreter hingehen wird großes Vertrauen entgegengebracht und das entsprechende Verantwortungsbewusstsein zugesprochen. Darauf vertraut beispielsweise auch Friederike, die sagt: „Also ich denke mir mal, ein GUTER Journalist ist sich dieser Macht bewusst.“
6 Fazit: Das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten
Welche Strukturen kennzeichnen das Image des journalistischen Berufsstands bei ihrem Publikum, zeigen sich darin Widersprüchlichkeiten und wenn ja, wie sind diese zu erklären? Zur Klärung dieser Fragestellung wurden 24 Leitfadeninterviews mit Rezipienten durchgeführt, von denen zwölf Personen einen oder mehrere Journalisten persönlich kennen. Dieses Merkmal lag der Probandenauswahl neben weiteren soziodemografischen Kriterien deshalb zugrunde, da vermutet wurde, dass sich die soziale Nähe zu einem Berufsvertreter im Sinne des Halo-Effektes in einer positiveren Einstellung gegenüber Journalisten niederschlägt. Möglicherweise hätte dies das scheinbar ambivalente Verhältnis von Rezipienten zu Journalisten erklären können. Diese Vermutung hat sich nicht bestätigt. Der direkte Kontakt zu einem Berufsvertreter schlägt sich allenfalls in einem etwas differenzierteren Wissen über das Journalismussystem (Journalistenausbildung, Gehälter im Journalismus) nieder, keineswegs aber in einem insgesamt positiveren Image von Journalisten. Die einerseits positive, andererseits negative Haltung gegenüber Journalisten rührt vielmehr daher, dass Rezipienten – überspitzt formuliert – zwischen zwei Journalistentypen unterscheiden. Dies wirft gleichzeitig die Frage auf, ob und wodurch dieses zweigeteilte Vorstellungsbild aktualisiert wird. Die vorgelegten Ergebnisse deuten darauf hin, dass hierbei sowohl herausragende negative als auch besonders positive Medienereignisse eine Rolle spielen. Zudem ist deutlich geworden, dass eine Aktualisierung Ereignissen zu schulden ist, die Jahrzehnte zurückliegen, was die Trägheit von Images – auch dem des journalistischen Berufsstands – unterstreicht. So ist hier beispielsweise der Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher zu nennen, den gleich mehrere Befragte erwähnten. Sie gelten offenbar noch heute als Ausdruck des „unseriösen“ Journalismus und Quote um jeden Preis, obwohl dieses Ereignis bereits mehr als 25 Jahre zurückliegt. Dem stehen die Erinnerungen des Publikums an besonders positive Leistungen von Journalisten gegenüber, die das Image des „seriösen“ Journalismus untermauern. Hier ist unter anderem auf die Watergate-
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Fazit: Das Image von Journalisten aus der Sicht des Rezipienten
Affäre und die damit assoziierte journalistische Leistung der Journalisten Woodward und Bernstein zu verweisen. Auch sie liegt Jahrzehnte zurück. Dominanz eines Zwei-Kategorien-Schemas von Journalisten Nicht umsonst ist das Bild des „seriösen“ Berufsvertreters überaus positiv konnotiert, von dem Rezipienten ein relativ klares Vorstellungsbild haben. Er wird mit den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und dort vor allem mit den Nachrichtensendungen und Politmagazinen, aber auch mit Printmedien wie der SZ, FAZ, Zeit, Focus, Stern oder dem Spiegel assoziiert. In der Vorstellungswelt seines Publikums gilt er eher als männlich denn weiblich, auch wenn sich dieses Bild – möglicherweise durch die Prominenz erfolgreicher Fernsehjournalistinnen – als ein männerdominiertes Berufsfeld immer mehr aufzulösen scheint. Allerdings sollte der Befund einer „geschlechtslosen Profession“ in weiteren Untersuchungen überprüft werden, und dies möglichst mit einer Methode, bei dem Forscher und Untersuchungsteilnehmer weniger stark involviert sind. Denn die Beobachtung, dass sich relativ viele Befragte bei der Frage nach dem Geschlecht nicht festlegen wollten, rührt möglicherweise daher, den Anschein vermeiden zu wollen, man würde die erfolgreiche, „seriöse“ Ausübung des Berufs einer Frau nicht zutrauen. Denn eines ist deutlich geworden: Das Image des „seriösen“ Journalisten entspricht nahezu dem Idealbild eines Berufsvertreters. So gilt er in den Augen von Rezipienten – abgesehen von seinem Hang zur Selbstdarstellung – als sympathische Persönlichkeit, ehrlich, realitätsnah, mutig und interessiert an einer wahrheitsgemäßen und ausgewogenen Berichterstattung. In der Gedankenwelt journalistischer Laien ist er meist kaum jünger als 30 Jahre, aber auch nicht älter als 50. Er verfügt über ein umfassendes Wissen, das er sich in der Regel durch ein Hochschulstudium erworben hat, was sein hohes Prestige zu weiten Teilen erklärt. Dass dieser Journalistentypus zudem hoch angesehen ist, belegen seine durchweg positiven Charaktereigenschaften, die ihm Rezipienten attestieren, sowie die seiner journalistischen Leistungen zugesprochene Qualität. So erfüllt er alle Erwartungen von Rezipienten an einen „seriösen“ Journalismus und berichtet objektiv im Sinne von unvoreingenommen, äußert seine Meinung in erkennbarer Form, informiert sachlich und gleichzeitig ansprechend, entwickelt das entsprechende Verantwortungsbewusstsein für sein Handeln und respektiert die
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Privatsphäre anderer Menschen. Zumindest ist er darum bemüht. Denn Journalisten unterliegen in den Augen von Rezipienten immer auch dem Zwang, für Quote und Auflage zu sorgen, was ihrer Forderung nach Unabhängigkeit und Objektivität im Journalismus entgegensteht. Die Aufzählung bewunderungswürdiger Journalisten durch die Interviewteilnehmer, die als (nicht repräsentative) Auswahl der aktuellen Journalistenprominenz angesehen werden kann, belegt, dass es auch in der Realität Medienakteure gibt, die dieses Idealbild aus der Sicht von Rezipienten verkörpern. Dabei steht zu vermuten, dass gerade diese – zugegebenermaßen kleine – Journalistengruppe das Image des „seriösen“ Journalisten im besonderen Maße prägen dürfte. Hierfür gibt es drei Argumente: Zum einen machen die vorgelegten Ergebnisse deutlich, dass die genannten prominenten Journalisten als glaubwürdig gelten und das Publikum ihnen großes Vertrauen entgegenbringt. Zum anderen haben Rezipienten heutzutage durch das Fernsehen fast täglich Kontakt mit Berichten von oder mit prominenten Journalisten, die den „seriösen“ Journalismus verkörpern. Und schließlich haben die Studien der Persuasionsforscher gezeigt, dass gerade glaubwürdige Kommunikatoren in der Lage sind, Rezipienten in ihren Einstellungen zu beeinflussen. Dass die hier genannte Journalistenprominenz die ihnen entgegen gebrachte Aufmerksamkeit vornehmlich ihrer Präsenz im Fernsehen verdankt und Frauen dabei in der Minderzahl sind, ist ebenso deutlich geworden wie der relativ stabile Prominentenstatus im Journalismus, der über den Tod hinaus und Ländergrenzen hinweg verliehen wird. Gerade letztere Beobachtung wirft die Frage auf, wie sich internationale Prominenz zusammensetzt, welche Länder dabei über-, welche unterrepräsentiert sind und für welche Gesellschaftsbereiche internationale Prominenz vornehmlich auszumachen ist. Neben dem „seriösen“ Journalisten existiert für Rezipienten aber auch der Typus des „unseriösen“ Medienakteurs, der zwar nicht ausschließlich, aber doch auffallend oft mit dem Boulevard- und Sensationsjournalismus, allen voran mit der Bild-Zeitung, in Verbindung gebracht wird. Er gilt im Vergleich zum „seriösen“ Journalisten als jünger. Zudem dominiert hier der Gedanke an einen Mann, was den unethischen und teilweise illegitimen Methoden der Informationsbeschaffung zu schulden ist, die mit ihm assoziiert werden. Nicht umsonst fungiert der „unseriöse“ Berufsvertreter – der „Schmierfink“ unter den Journalisten – in der Gedankenwelt des Rezipienten als Anti-Typus zum „seriösen“ Medienakteur, da er sich (scheinbar) an
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keine journalistischen Normen hält und einen entsprechend schlechten Leumund besitzt. Dies gilt zumindest dann, wenn man sich zu ihm öffentlich, in diesem Fall gegenüber der Interviewerin, äußern muss. Nun stellt sich die Frage, warum Rezipienten den Sensationsjournalismus öffentlich ablehnen, Medien wie die Bild-Zeitung aber dennoch hohe Reichweiten erzielen. Was also motiviert Menschen, dieses Medium zu konsumieren? Die moderne empirische Rezeptionsforschung vermutet hinter der Zuwendung zum Sensationsjournalismus bestimmte psychologische, sozioökonomische und Einstellungsvariablen des Rezipienten (vgl. Dulinski, 2003, S. 323-324). Wie die Arbeit gezeigt hat, sind qualitative Methoden wie das Leitfadeninterview, bei denen Forscher und Untersuchungsteilnehmer in hohem Maße persönlich involviert sind und erklärende Variablen nicht angemessen berücksichtigt werden können, bedingt geeignet, diese Forschungsfrage zu lösen. Nur an wenigen Interviewpassagen werden (teils sehr pragmatische) Gründe ersichtlich (z. B. Unterhaltungs-, Zerstreuungsfunktion, aktuellstes Medium am Urlaubsort), die den Erfolg der Bild-Zeitung erklären könnten. Der Frage nach den Motiven für die Zuwendung von Rezipienten zum bedeutendsten Medium des Sensationsjournalismus in Deutschland sollten sich daher weitere Studien widmen. Doch wirft die Ablehnung des Sensationsjournalismus nicht nur Fragen auf. Sie dient gleichzeitig auch als Erklärungsansatz für das traditionell mäßige Abschneiden von Journalisten in Berufsrankings (vgl. Kapitel 2.6.1). So gleichen solche Ranglisten Pauschalurteilen, die den Befragten keinen Raum für Erklärungen bieten. Hier werden vielmehr positive und negative Urteile gegeneinander abgewogen und zu einem Gesamtergebnis zusammengefasst. Dabei macht der negative Einfluss des „unseriösen“ Journalismus ein besseres Abschneiden der gesamten Berufsgruppe scheinbar unmöglich – trotz des hohen Prestiges und Ansehens der „seriösen“ Berufsvertreter und trotz der weit verbreiteten Überzeugung, dass diese in der Mehrzahl sind. Vieles spricht somit dafür, dass Max Weber, der Journalisten einst als Angehörige einer „Pariakaste“ bezeichnet hat, mit seinem Urteil nicht gänzlich verkehrt lag. Journalisten werden scheinbar tatsächlich nach ihren ethisch am tiefsten stehenden Kollegen eingeschätzt, auch wenn letztere als bedauerliche Ausnahmen gelten. Das Bild des Journalisten auf ein Zwei-Kategorien-Schema zu reduzieren, greift jedoch zu kurz. So besitzen Radio-, Fernseh- und Zeitungsjournalisten gänzlich verschiedene Images. Hinzu kommt das Bild des aufgrund
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seiner fehlenden journalistischen Ausbildung wenig geachteten Lokaljournalisten, der als „Laienjournalist“ in puncto Prestige von allen Journalistentypen am tiefsten rangiert. Zudem verbinden Rezipienten mit Medienakteuren einen differenzierten Charakter mit Wesenszügen wie Intelligenz, Sprachgeschick, Wissbegierde, Offenheit, Selbstbewusstsein, Ehrgeiz, Belastbarkeit und Fleiß sowie einem hohen Maße an Sensibilität. Außerdem haben sie ein mehr oder weniger klares Bild vom Äußeren eines Journalisten, von seinem Berufsalltag sowie seinen Karriere- und Verdienstmöglichkeiten. Und schließlich assoziieren Laien mit dem Beruf konkrete Gefahren. Insbesondere die Auslandskorrespondenten, die in den Fernsehnachrichten – beispielsweise in Berichten aus Krisengebieten wie Afghanistan oder dem Irak – fast täglich zu sehen sind, scheinen das Bild des Journalisten als Abenteurer zu untermauern. Auffallend oft haben die hier befragten Rezipienten auf diese besondere und für ihren Mut bewunderte Journalistengruppe verwiesen. Es steht sogar zu vermuten, dass dieser Typus von Medienakteur die Vorstellungen dessen prägt, was heutzutage überhaupt als Abenteuer gilt. Waren es früher Romanhelden wie beispielsweise Phileas Fogg in dem 1873 erstmals veröffentlichten Klassiker In 80 Tagen um die Welt von Jules Verne, die die Vorstellung der Menschen von einem „Vollblut-Abenteurer“ beeinflusst haben, so können Auslandskorrespondenten als die Abenteurer der Moderne gelten. Und dabei ermöglichen es Medien wie das Internet oder Live-Übertragungen im Fernsehen dem Publikum, diese Abenteuer aus sicherer Distanz und hautnah zugleich mitzuerleben. Neben dem Zugang zu anderen Gesellschaftseliten (z. B. aus Politik oder Wirtschaft), der Chance, den Prominentenstatus selbst zu erlangen, sowie der permanenten Wissenserweiterung lässt gerade der Aspekt des Abenteuers den Journalismus spannend und reizvoll erscheinen. Sehr wahrscheinlich sind dies auch die Gründe, weshalb der Journalistenberuf Rezipienten – vor allem den jüngeren unter ihnen – als „Traumberuf“ gilt. Den „typischen“ Rezipienten gibt es nicht Allerdings ist in der vorliegenden Untersuchung auch deutlich geworden, dass das Bild von Journalisten nicht bei allen Rezipienten gleich scharf und facettenreich ausgeprägt ist. Insbesondere sind die gesellschaftlichen Funktionen des Journalismus und die Gefahr journalistischer Macht nicht allen
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Rezipienten gleichermaßen bewusst. Den typischen Rezipienten scheint es somit ebenso wenig zu geben wie den typischen Journalisten. Vielmehr erinnert die unterschiedliche Haltung der Interviewteilnehmer gegenüber Journalisten, die anhand von drei Extrembeispielen deutlich gemacht werden kann, an die von Weischenberg und Scholl (1989) im Zuge der DortmundStudie vorgenommene Unterteilung der Zeitungsleser in die drei Cluster der „Unpolitischen“, „Anspruchsvollen“ und „Skeptiker“ (vgl. Kapitel 2.3.6). So stehen manche Rezipienten wie in der vorliegenden Arbeit beispielsweise Wanda dem Journalismus relativ unkritisch gegenüber und begeistern sich vor allem für das abwechslungsreiche Leben der Medienakteure. Typisch für diesen Rezipiententypus ist es, dass er die Macht des Journalismus und die damit einhergehenden Gefahren kaum einschätzen kann und sich der positiven Funktionen des Journalismus nicht wirklich bewusst ist. Nicht zuletzt das Medienverhalten dieses Rezipiententypus spricht dafür, dass er sich wenig bis gar nicht für Politik interessiert. So ist das Fernsehen meist sein Hauptinformationsmedium, wobei er kommerzielle Sender und unterhaltende Formate bevorzugt. Er weiß kaum etwas über die Ausbildung und das Gehalt von Berufsvertretern, kennt nur wenige bewunderungswürdige (Fernseh-)Journalisten mit Namen, hat nur vage Vorstellungen vom beruflichen Alltag und den Arbeitsbedingungen im Journalismus und formuliert von sich aus keine Forderungen an den Umgang der Journalisten mit Informationen. Das Spannungsverhältnis zwischen unabhängigem Journalismus und den Gesetzen des Medienmarktes erkennt er nicht und hält Verfehlungen im Journalismus für eine Ausnahme, aber kaum für beklagenswert. Seine Haltung dem Journalismus gegenüber ist daher insgesamt als passiv und relativ unkritisch zu bezeichnen. Anders sieht dies beim anspruchsvoll auftretenden Rezipiententypus aus, wobei diese Haltung – hier ist Emil ein anschauliches Beispiel – eher auf höher gebildete und politisch interessierte Menschen zutrifft, möglicherweise auch eher auf Männer als auf Frauen. Solche Personen besitzen in der Regel ein relativ differenziertes Bild von Journalisten, können mehrere prominente Persönlichkeiten aus dem Bereich (Zeitungs-)Journalismus benennen, sind über Ausbildungswege im Journalismus relativ umfassend informiert und haben konkrete Vorstellungen vom „richtigen“ Umgang der Journalisten mit Informationen. Sie stellen hohe Ansprüche an die gesellschaftlichen Funktionen der Medien und zeichnen sich durch eine extrem ambivalente Einstellung dem journalistischen Berufsstand gegenüber aus. So
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kritisiert der anspruchsvolle Rezipient journalistisches Fehlverhalten wie beispielsweise eine Manipulation der öffentlichen Meinung aus Gründen des Kommerzes oder ein ungerechtfertigtes Eingreifen der Journalisten in die Politik eines Landes sehr deutlich, betont aber auch die positiven gesellschaftlichen Funktionen des Journalismus überaus stark. Generell ist er von der Macht der Medien überzeugt und nimmt an, dass die Journalisten in Deutschland ihrer Funktion als Vierte Gewalt im Staat und Kritiker an gesellschaftlichen Missständen gerecht werden können. Seine Kritik an den Medien bezieht sich somit nicht auf den journalistischen Berufsstand generell, sondern vornehmlich auf die Gruppe der „unseriösen“ Berufsvertreter, auch wenn er letztere Kategorie als deutlich größer einschätzt als der passive Rezipiententypus und gedanklich nicht zwangsläufig mit dem Boulevardjournalismus verknüpft. Eine durchweg skeptische Haltung gegenüber Journalisten, wie sie in Extremform Steffen zeigt, der ein ähnlich differenziertes Bild von Journalisten aufweist wie der anspruchsvolle Rezipient, ebenfalls hohe Erwartungen an die gesellschaftlichen Funktionen des Journalismus hat, jedoch nicht davon ausgeht, dass Journalisten seinen Forderungen gerecht werden können, stellt in der vorliegenden Studie die Ausnahme dar. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Teil der Bevölkerung nicht ebenso zwischen Hoffnung auf einen unabhängigen Journalismus in Deutschland und Enttäuschung über die Abhängigkeit der Medien von ökonomischen Zwängen verharrt. Schließlich sind die hier vorgelegten Ergebnisse nicht verallgemeinerbar, woraus sich weitere Forschungsaufgaben ergeben. Zum einen sollte geprüft werden, ob eine Einteilung von Rezipienten in die drei genannten Cluster bezogen auf die deutsche Gesamtbevölkerung sinnvoll erscheint. Es deutet vieles darauf hin, dass hier Kriterien wie das formale Bildungsniveau und das politische Interesse des Rezipienten, möglicherweise auch das Merkmal „Geschlecht“ von Bedeutung sind. Zum anderen sollten sich weitere Untersuchungen der Frage widmen, wie sich verschiedene Rezipientencluster in der Bevölkerung hinsichtlich ihrer Größe zueinander verhalten. Denn ob deutsche Rezipienten den Medien überwiegend passiv, anspruchsvoll oder skeptisch gegenüberstehen, ist aus den vorliegenden Befunden nicht verlässlich abzulesen.
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„Seriöser“ Journalismus – eine gesellschaftspolitische Chance? Die Diskussion verschiedener kommunikationswissenschaftlicher Modelle und empirischer Studien hat zeigen können, dass das Image des Kommunikators beim Rezipienten auch für den Massenkommunikationsprozess relevant ist. Rezipienten wählen und verarbeiten Medien- bzw. Kommunikationsinhalte unterschiedlich – je nachdem, welches Bild sie vom Kommunikator besitzen. Dieser Zusammenhang betrifft sowohl die Mikroebene von Kommunikationsprozessen, kann aber auch auf die Gesellschaftsebene, die Makro-Ebene, projiziert werden (vgl. Kapitel 2.3.3). So entscheidet das Image der Medienakteure einer Gesellschaft darüber, ob der Austauschprozess zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Subsystemen intakt ist. Wichtig ist dies insbesondere für die Kommunikation zwischen dem politischen System und den Wählern. Denn nur so ist das demokratische System langfristig überlebensfähig. Die vorliegenden Ergebnisse, die für ein überaus positives Bild des „seriösen“ Journalismus aus der Sicht des Rezipienten sprechen, stimmen vor diesem Hintergrund einerseits optimistisch. Denn gerade die Journalisten der Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, die in den Augen von Rezipienten als überaus „seriös“ gelten und aus der Masse der Journalisten herausstechen, scheinen in der Lage, sich mit ihren Botschaften in der Gesellschaft Gehör zu verschaffen. Dies könnte durchaus eine Chance darstellen. Sie könnten ihren Status und ihre Vorbildfunktion beispielsweise dazu nutzen, um auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen oder Wertedebatten anzustoßen. Einige Journalisten aus dem Umfeld der öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen beschreiten bereits diesen Weg. So hat unter anderem der Fernsehjournalist Ulrich Wickert (2002) als ehemaliger Anchorman der ARD-Tagesthemen mit seinem Buch Der Ehrliche ist der Dumme. Über den Verlust der Werte die Wertedebatte in Deutschland angefacht. Auch die Fernsehjournalistin Anne Will, die sich für die Kindernothilfe engagiert und gemeinsam mit UNICEF für ein Verbot von Landminen kämpft, ist sich ihrer gesellschaftlichen Vorbildfunktion bewusst und geht mit gutem Beispiel voran. Andererseits birgt die Glaubwürdigkeit der „seriösen“ Journalisten auch ein gewisses Gefahrenpotential. Zu denken sei hier beispielsweise an die politische Berichterstattung, insbesondere an die gerade kurz vor Wahlterminen kommunizierten Ergebnisse zur „Sonntagsfrage“, die im Sinne des
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„horse races“ das Publikum täglich darüber informieren, welcher der beiden Kandidaten in der Gunst der Wähler gerade vorne liegt. Derlei Aussagen könnten durchaus Wähler in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen oder sogar dazu bewegen, erst gar nicht an der Urne zu erscheinen in der Annahme, ihr Favorit werde auch ohne ihr Zutun das Rennen machen. Weitere empirische Untersuchungen sollten sich aus den genannten Gründen der Frage widmen, ob der „seriöse“ Journalismus in Deutschland tatsächlich in der Lage ist, die Einstellungen und damit auch das Verhalten der Rezipienten zu beeinflussen. Zudem wäre zu klären, ob dies auf alle Rezipientencluster gleichermaßen zutrifft und wie lange der Einfluss anhält. Ein mögliches Untersuchungsdesign könnte dabei vorsehen, dass man im Rahmen eines Experimentes die Probanden mit Hilfe von im Vorfeld validierten Einstellungsskalen zunächst in die drei genannten Rezipientencluster einteilt und ihnen anschließend vorproduzierte TV-Beiträge oder Zeitungsartikel zu ein und demselben Thema präsentiert. Dabei sollten diese Beiträge aus einer als seriös geltenden, neutralen und einer dem Boulevard/Sensationsjournalismus zugeschriebenen Nachrichtenquelle stammen. Allerdings wäre mit einem solchen Experiment die Frage, wie lange Medienwirkungen anhalten, nicht geklärt. Zudem ist ein Experiment immer mit dem Problem der Unnatürlichkeit der Untersuchungssituation behaftet. Diese schließt andere, in einem natürlichen Umfeld wirkende Einflussfaktoren der Massenkommunikation aus. Verlässliche Antworten auf die oben diskutierten Forschungsfragen würde daher nur eine aufwendige, an das Design der Dortmund-Studie angelegte Untersuchung bringen – jedoch nicht bezogen auf lokale, sondern auf überregionale Medien bzw. deren Image. Langfristige Einflussfaktoren auf das Image von Journalisten Die teils vorhandene Vorstellung bei Rezipienten, dass Journalisten ihr Publikum in ihrem Sinne beeinflussen wollen, deutet darauf hin, dass sich die deutsche Journalismustradition mit dem aktiven Rollenverständnis des die Massen lenken wollenden Publizisten möglicherweise bis heute im Image des Berufsstands widerspiegelt. Zudem macht die Betrachtung historischer Quellen deutlich, dass sich im Image von Journalisten heutzutage Aspekte offenbaren, die beinahe so alt sind wie der journalistische Berufsstand selbst:
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der Vorwurf an den Boulevardjournalismus, die Sensationslust der Massen zu schüren, sowie die Bewunderung für den Mut und die Leistung der Journalisten. Dennoch macht diese Erkenntnis die Widersprüchlichkeit im Image von Journalisten nicht völlig plausibel. So zeigt sich eine der Ungereimtheiten auch in der Vorstellung von Laien, dass Journalisten einerseits ein abwechslungsreiches, geradezu spannendes Leben führen, andererseits ihren Alltag mit trockenen Recherchetätigkeiten in Archiven, dem Besuch von Redaktionskonferenzen und den Rest des Tages am Schreibtisch verbringen. Sucht man nach den Ursachen für dieses ambivalente Bild, so liegt folgende Erklärung auf der Hand: Hier spielt sicherlich der Kontrast eine Rolle, den das Publikum – mehr oder weniger bewusst – zwischen dem drögen Alltag der breiten Masse an Redakteuren und dem vermeintlich aufregenden Leben wahrnimmt, den die relativ kleine Zahl an „Journalistenpromis“ führt. Nicht ganz unschuldig an ihrem Image dürften also die Journalisten selbst sein, da insbesondere im Fernsehen ein „journalistischer Glitzerkosmos“ (Weischenberg, 2005) vorgeführt wird, der nur wenig mit dem Dasein der meisten Medienakteure zu tun haben dürfte. Den wohl stärksten Einfluss auf die langfristige Entwicklung des Journalistenimages kann man aber dem fiktionalen Journalismusbild unterstellen. So gestaltet sich hier wie dort das Dasein des Medienakteurs widersprüchlich: Wenn Rezipienten glauben, dass Journalisten unter Zeitdruck und dem Zwang von Vorgesetzten stehen, sich freiwillig Gefahren ausliefern, aber dennoch leidenschaftlich in ihrem Beruf aufgehen, so erinnert dies zwangsläufig an den gehetzten Helden der Fiktion. Auch er liebt seinen Beruf über alles, obwohl er kaum Zeit für sein Privatleben findet und ökonomische Zwänge sein Leben bestimmen. Zudem gehen typische Wesenszüge wie Intelligenz, Selbstbewusstsein und Ehrgeiz, die dem Journalisten der Realität zugesprochen werden, einher mit den drei Kerneigenschaften, die auch den fiktionalen Helden charakterisieren. Zudem zeichnet sich in der Vorstellung des Rezipienten mit dem „seriösen“ und dem „unseriösen“ Medienakteur ein ähnliches Spannungsverhältnis ab wie mit den „positiven“ und „negativen“ Helden des fiktionalen Journalismus, die sich in beiden Welten durch Mut oder Skrupellosigkeit zu jenen gegensätzlichen Typen entwickeln. Und noch ein weiteres Argument spricht für die Annahme, dass der fiktionale Journalismus das Image des Journalisten aus der Sicht von Laien in besonderem Maße beeinflusst. So thematisieren gerade die weit verbreiteten Best-
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seller die negativen Seiten des Berufes: die Abhängigkeit der Medien vom „Diktat der Wirtschaft“ (Engesser, 2003, S. 325) sowie die Prägung journalistischen Handelns durch den Boulevardjournalismus. Als Fazit bleibt somit festzuhalten, dass sich am widersprüchlichen Image des glorifizierten „Schreibtischhelden“ einerseits und des geächteten „Schmierfinken“ andererseits wohl kaum etwas ändern dürfte, solange der Eindruck, den die Fiktion vermittelt, der gleiche bleibt.
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Anhang – Interviewleitfaden
Einstieg ins Gespräch Soziodemografische Angaben - Schul- und Berufsabschluss - Berufliche Situation - Alter Art und Umfang der persönlichen Mediennutzung - Lesen Sie Zeitung, schauen Sie Fernsehen? - Wie viel Zeit verbringen Sie mit Zeitunglesen oder Fernsehen? - Welche Sender/Sendungen sehen Sie am liebsten? - Welche Medien nutzen Sie ansonsten (Radio, Internet etc.)? Einstieg ins Thema Assoziationen zum Begriff „Journalist“ - An was denken Sie, wenn Sie den Begriff „Journalist“ hören? - Wie stellen sie sich den typischen Journalisten vor (Alter, Geschlecht, äußeres Erscheinungsbild, Eigenschaften etc.)? - Sind das Idealvorstellungen oder trifft das auch auf Journalisten zu? Interesse am Journalistenberuf/persönliche Beziehung zu Journalisten (Gruppe ohne persönlichen Kontakt zu Journalisten) - Sie haben mir ja erzählt, dass Sie Journalisten nur aus den Medien kennen. Würden Sie gerne mal einen Journalisten persönlich kennen lernen? Warum? (Gruppe mit persönlichem Kontakt zu Journalisten) - Sie haben mir ja erzählt, dass Sie einen Journalisten persönlich kennen. In welcher Art von Beziehung stehen Sie zu ihm (Partner, Freund, Bekannter etc.)?
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Anhang – Interviewleitfaden -
Beschreiben Sie doch mal diese Person in Ihrer Eigenschaft als Journalist! Würden Sie gerne mit ihm tauschen? Warum? In Freundes- oder Bekanntenkreisen ist es ja normal, dass einige Persönlichkeiten stärker herausstechen als andere. Was meinen Sie: Trifft das auch auf den Journalisten zu, den Sie kennen?
Ansehen, Prestige des Journalistenberufs - Angenommen, Ihr Sohn/Ihre Tochter oder ein enger Freund erzählt, er möchte Journalist werden: Wie würden Sie reagieren? - Wenn Sie die Möglichkeit hätten, über Ihren Beruf neu zu entscheiden: Könnten Sie sich vorstellen, Journalist zu werden? Warum? - Wissen Sie eigentlich, wie man in Deutschland Journalist wird? - Was glauben Sie: Welche Eigenschaften muss man dafür mitbringen? - Ist für den Beruf Begabung Voraussetzung und wenn ja, welche? - Wie stellen Sie sich den Alltag eines Journalisten vor? - Wo arbeitet der typische Journalist Ihrer Meinung nach (Medium/Ressort)? - Glauben Sie, dass die Arbeit stressig ist? Wenn ja, warum? - Haben Sie eine Vorstellung davon, was ein Journalist in Deutschland verdient? - Glauben Sie, dass Journalismus eine „brotlose Kunst“ ist, oder kann man da auch ganz gut verdienen? Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit, Moral, Fairness, Macht von Journalisten - Glauben Sie, dass Journalisten ehrlich mit ihrem Publikum umgehen? - Glauben Sie, dass Journalisten unabhängig berichten? - Manche Leute behaupten ja, dass Journalisten für eine gute Story auch mal „über Leichen“ gehen. Glauben Sie das auch? - Was meinen Sie: Haben Journalisten Macht? Und wenn ja, wie finden Sie das? - Glauben Sie, dass Journalisten ihre Stellung manchmal ausnutzen, z. B. um Dinge in ihrem Sinne zu beeinflussen? Wenn ja, wie finden Sie das?
Anhang – Interviewleitfaden
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Image der Medien – Image der Journalisten Print- versus Rundfunkjournalismus - Angenommen, ein Journalist hätte die Wahl zwischen einem Arbeitsplatz beim Rundfunk, zum Beispiel beim Radio beziehungsweise Fernsehen oder bei einer Tagezeitung: Für welchen Bereich würde er sich Ihrer Meinung nach wohl am ehesten entscheiden und warum? Lokaljournalismus versus überregionaler Journalismus - Und wenn ein Journalist die Wahl hätte, bei einer Lokalzeitung oder einer großen Tageszeitung zu arbeiten, die in ganz Deutschland erscheint (z. B. FAZ, Süddeutsche Zeitung): Was meinen Sie, wofür würde er sich entscheiden und warum? Öffentlich-rechtlicher Rundfunk versus kommerzieller Rundfunk - Und wenn ein Journalist die Wahl hätte zwischen einer Tätigkeit bei einem öffentlich-rechtlichen Sender (z. B. ARD, ZDF) und einem Privatsender (z. B. RTL, Sat.1): Wo würde er eher hingehen und warum? Einstellung gegenüber Boulevardmedien - Lesen Sie ab und zu die Bild-Zeitung? - Angenommen, Sie würden sich auf einer Party sehr intensiv mit jemandem unterhalten und im Gespräch erfahren, dass diese Person Journalist bei der Bild-Zeitung ist. Wie würden Sie da reagieren? - Wie stellen Sie sich einen typischen Bild-Zeitungsjournalisten vor? - Finden Sie, dass diese Journalisten zum deutschen Journalismus dazugehören oder sollte man so etwas verbieten? Elite des Journalismus – Prominente Journalisten - Bewundern Sie einen bestimmten Journalisten oder eine Gruppe von Journalisten? Wenn ja, wen und wofür?