Abb. I : Griechisches Theater von Epidauros
C.H.BECK �WISSEN in der Beck'schen Reihe
Dieser reich bebilderte Band bietet einen informativen und an regenden Ü berblick über das antike Theater. Er informiert über die Produktions- und Rezeptionsbedingungen des klassischen griechischen Theaters und des römischen Theaters während der Republik und in der Kaiserzeit: Organisation und Finanzierung, Theaterbauten und Zuschauer, Schauspieler, Kostüme und Re quisiten, Musik und Tanz. Es entsteht ein lebendiges Bild eines zentralen Elements der antiken Kultur, dessen Rezeption bis in die Gegenwart andauert. Bernd Seidensticker lehrte bis zu seiner Emeritierung als Profes sor für Klassische Philologie an der Freien Universität Berlin. Er ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wis senschaften. Antikes Drama und Rezeption der Antike in der deutschen Literatur bilden Schwerpunkte seiner Forschung. Im Verlag C.H.Beck hat er die Ü bersetzung der Orestie des Aischy los von Peter Stein herausgegeben ('2007 ) .
Bernd Seidensticker
DAS ANTIKE THEATER
Verlag C.H.Beck
Mit 3 9 Abbildungen
Powared by LATINSCAN
Originalausgabe ©Verlag C.H.Beck oHG, München 2.010 Satz: Fotosatz Amann, Aichstetten Druck und Bindung: Druckerei C.H.Beck, Nördlingen Umschlagabbildung: Theatermaske, römisches Fußbodenmosaik aus Thysdrus, EI Djem (Tunesien); Archäologisches Museum.
© akg-images/Gilles Mermet Umschlagentwurf: Uwe Göbel, München Printed in Germany
ISBN
97 8 3 4 0 6 5 S79 6 2. www.beck.de
INHALT
Einleitung: Das antike Theater Das griechische Theater I. Entstehung und Entwicklung des Theaters 2. Der Theaterbetrieb
3·
II
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a) Die Dionysosfeste und ihre Theaterwettbewerbe
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b) Organisation und Finanzierung des Theaters
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Das Dionysostheater des 5 . jahrhunderts
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a) Theatron
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b) Orch�stra
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c) Sken�
4· Die Zuschauer 5 . Die Akteure
28 32 37
a) Autoren
37
b) Schauspieler
38 42
c) Chor
6. Die Inszenierung
II
7
45
a) Kostüme und Masken
46
b) Requisiten
61
c) Theatermaschinen
63
d) Schauspielkunst
69
e) Choreographie
73
f) Musik
77
Das römische Theater Republik I. Entstehung und Entwicklung des römischen Theaters 2. Der Theaterbetrieb
82 85
a) Die Feste und ihr Theaterprogramm
8s
b) Die Organisation und Finanzierung
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3 . Theaterbauten 4· Die Zuschauer 5 . Die Akteure a) Autoren
90 93 95 95
b) Produzenten
96
c) Schauspieler
96
d) Tibiaspieler
98
e) Weitere Akteure
98
6. Die Inszenierung
99
a) Kostüme und Masken
99
b) Requisiten und Maschinen
103
c) Musik
104
Die Kaiserzeit
r . Theaterbau, Organisation und Finanzierung 2. Die Aufführungen
ro6
113
a) Tragödien
113
b) Pantomime
II5
c) Tragoedia cantata und Kitharadie
117 n8
d) Komödie e) Mimus
n8
3 · Das Ende des antiken Theaters
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Bibliographie Nachweis der Bildzitate
1 23 128
.
EINLEITUNG:
DAS ANTIKE THEATER
Das abendländische Theater ist in Griechenland entstanden und hat von dort aus schnell die gesamte antike Welt erobert. Noch heute bewundern Touristen Lage, Architektur und Akustik an tiker Theater bauten, und die im 5. Jh . in Athen aufgeführten Stücke werden auf allen fünf Kontinenten gespielt. Eine Einführung in das antike Theater ist aber nicht nur in teressant für alle diejenigen, die bei der Betrachtung eines mehr oder minder gut erhaltenen griechischen oder römischen Thea ters darüber nachdenken, was denn da wohl aufgeführt worden ist - und wie, oder für Regisseure und Dramaturgen, die sich fragen, wie der Text des Sophokleischen König Ö dipus oder der Medea des Euripides, den sie für ein modernes Publikum insze nieren möchten, wohl von ihren antiken Kollegen präsentiert worden ist. Jeder Leser und jeder Interpret eines antiken Stücks, der sich die Szenen, die er liest, vorzustellen versucht, möchte gerne wissen, wie die antike Aufführungspraxis ausgesehen hat. Der folgende Ü berblick über die Organisation und über die Pro duktions- und Aufführungsbedingungen des antiken Theaters wird nicht alle diese Wünsche erfüllen können, da die Material basis, wie ein Blick auf die zur Verfügung stehenden Quellen zeigt, zur Beantwortung vieler Fragen nicht ausreicht. So sind zwar Hunderte von griechischen und römischen Thea tern ausgegraben und mehr oder minder gut publiziert worden, aber gerade für das klassische griechische Theater und für das Theater der römischen Republik, d. h. für die Blütezeiten des antiken Dramas, ist die Situation ganz unzureichend: Die tem porären Theater, in denen Plautus und Terenz oder die großen römischen Tragiker Ennius, Pacuvius und Accius aufgeführt worden sind, haben kaum archäologische Spuren hinterlassen; und das Theater, für das fast alle erhaltenen griechischen Tragö-
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Einleitung
Abb. 2: Blick von der Akropolis in das D i o nysostheater
dien und Komödien geschrieben worden sind, ist so oft umge baut worden, daß dem ursprünglichen Bau heute nur noch we nige Steine zugewiesen werden können. Was der Besucher, der heute das Dionysostheater am Südwest abhang der Akropolis besichtigt, sieht, sind die Reste des Stein theaters aus der zweiten Hälfte des 4· Jh. sowie seiner mehr fachen Umbauten in hellenistischer und römischer Zeit. Für das Theater des 5. Jh. bleiben so zentrale Punkte wie die Größe des Auditoriums, die Form der Orch estra oder des Bühnenhauses und die Existenz einer erhöhten Bühne offen. Auch die anderen archäologischen Zeugnisse -wie Vasenbilder und Reliefs, Mas ken aus den verschiedensten Materialien und Terrakotta-Sta tuetten, Wandmalereien und Mosaike - stammen zum großen Teil aus nachklassischer Zeit und können für die Rekonstruk tion der bedeutendsten Phase des antiken Theaters wenn über haupt nur mit großer Vorsicht herangezogen werden; und für die republikanische Phase des römischen Theaters stehen sogar so gut wie gar keine archäologischen Zeugnisse zur Ver fügung.
Das antike Theater
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Dasselbe gilt auch für die literarischen Quellen. Von der rei chen Fachliteratur der Antike besitzen wir lediglich die Ü ber legungen des römischen Architekten Vitruv ( 2 . Hälfte des r . Jh. v. Chr. ) , der im 5· Buch seiner Abhandlung de architectura ne ben dem römischen auch das griechische Theater behandelt, und das Onomastikon des Julius Pollux ( 2 . jh. n. Chr. ) , der im 4 · Buch seines thematisch geordneten enzyklopädischen Lexi kons Bühnenaltertümer zusammengestellt und erläutert hat. Die für das 5. Jh. bezeugte Literatur zum antiken Theater und Drama, wie Agatharchs (Mitte 5 . ]h . ) Schrift über die Bühnen malerei oder Sophokles' (496-40 6 ) Studie Über den Chor, ist vollständig verloren, und von der umfangreichen Sammetarbeit des Aristoteles ( 3 84-3 2 2 ) und seiner Schüler sind a uch nur küm merliche Reste erhalten. Immerhin bieten Platons (429-3 4 7 ) Staatsentwürfe Politeia und Nomoi, Aristoteles' Poetik , Rheto rik und Politik sowie die attischen Redner interessante Einblicke in das antike Theaterleben, und auch die spätantiken Kommen tatoren und Grammatiker, Lexikographen und Enzyklopädisten haben manches Detail bewahrt, das auf die Forschungen des Aristoteles und seiner Schüler oder der alexandrinischen Philo logen zurückgehen mag. Für das römische Theater sind es ne ben der Horazischen Ars Poetica vor allem Historiker, wie Li vius oder Tacitus, und die Polemik der Kirchenväter gegen das Theater, die kostbare Informationen liefern. Von besonderer Bedeutung sind die zwischen den archäologi schen und den literarischen Quellen stehenden epigraphischen Zeugnisse. Ausgrabungen haben große Mengen von Inschriften zutage gefördert, die ganz verschiedene Aspekte des Theaters erhellen. In erster Linie informieren sie uns über Form und Fi nanzierung der Theaterfeste und liefern kostbare Daten zur Chronologie und Wirkungsgeschichte von Stücken und Auto ren und zur Organisation des Theaterwesens. So besitzen wir beispielsweise umfangreiche Bruch stücke einer auf Studien des Aristoteles basierenden großen Inschrift aus dem 3 . Jh. v. Chr. , a u f der die Sieger b e i d e n dramatischen Wettbewerben i n Athen zusammengestellt sind, und es sind in erster Linie Inschriften, die uns die räumlichen und zeitlichen D imensionen des antiken
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Einleitung
Theaterbetriebs und seine gesellschaftliche Bedeutung erahnen lassen. Schließlich sind da natürlich die erhaltenen Stücke, die uns eine Fülle wichtiger Informationen über Masken und Kostüme, Requisiten und Bühnenmaschinen liefern und deren Texte im mer wieder Schlüsse auf ihre szenische Umsetzung erlauben. Al lerdings zwingt die Tatsache, daß wir nur einen verschwindend kleinen Teil der tatsächlichen antiken Produktion besitzen, zu größter Vorsicht bei Verallgemeinerungen; und das Fehlen von Regiebemerkungen verleiht jedem Versuch, die intendierte In szenierung einer Szene zu rekonstruieren, hypothetischen Cha rakter. Angesichts der Bruchstückhaftigkeit und Zufälligkeit des Materials kann es nicht verwundern, daß viele wichtige Fragen umstritten sind und, wenn sich die Quellenlage nicht wesentlich verbessert, auch umstritten bleiben werden. Eine detaillierte Diskussion kontroverser Positionen ist im folgenden nur in Aus nahmefällen möglich. Der knappe Raum, der im Rahmen der Reihe zur Verfügung steht, zwingt zur Konzentration auf das Wesentliche. Auch die Abbildungen mußten nach Zahl und Größe reduziert werden; sie haben ausschließlich erklärende Funktion. Daß dem griechischen Theater mehr Raum eingeräumt wird als dem römischen, trägt seiner größeren Aktualität für das mo derne Theater Rechnung. Die erhaltenen lateinischen Komödien und Tragödien sind weitgehend aus dem professionellen Thea ter verschwunden. Das gilt zwar - außerhalb Griechenlands auch für die griechische Komödie; um so zahlreicher und erfolg reicher sind dafür j edoch die Aufführungen griechischer Tragö dien. Die Gliederung der beiden Teile des Bandes ist nicht ganz identisch. Während im ersten Teil das · klassische griechische Theater irri Zentrum steht, mußte im zweiten Teil dem größeren zeitlichen Rahmen Rechnung getragen und historisch stärker differenziert werden.
DAS GRIECHISCHE THEATER
I. E ntstehung und Entwicklung des The aters
Die Anfänge eines organisierten Theaterbetriebs sind mit dem Namen des Tyrannen Peisistratos verbunden. Als es diesem nach langen Auseinandersetzungen mit aristokratischen Kon kurrenten um die Mitte des 6;Jh. v. Chr. gelungen war, die Al leinherrschaft über Attika an sich zu reißen, versuchte er, seine Position nicht nur durch eine Reform des Rechtssystems, durch ein großes Bauprogramm und durch Landverteilungen zu si chern, sondern auch durch eine gezielte Kulturpolitik, zu der die Neuordnung und großartigere Ausgestaltung alter Feste ge hörte. Unter anderem ließ er ein ehrwürdiges hölzernes Kultbild des Dionysos aus Eleutherai, einem kleinen Ort a n der attisch böotischen Grenze, nach Athen bringen und richtete dem Gott am Südwestabhang der Akropolis einen heiligen Bezirk ein. Die für diesen Kontext bezeugte erste Aufführung einer Tragödie durch Thespis im Jahre 5 34 ( oder wenig später) kann als Grün dungsakt des europäischen Theaters gelten. Natürlich gab es, lange bevor Peisistratos dramatische Auf führungen in das Fest des Dionysos Eleuthereus integrierte, be reits vielfältige Formen prädramatischer
. Es sind vor allem Vasenbilder, die ein buntes Bild ritueller Tänze ver mitteln, die offenbar nicht auf den Dionysoskult beschränkt waren. Es handelt sich um den in vielen Kulturen für die Ent wicklung von Musik, Tanz und dramatischem Spiel bedeutungs vollen Kontext ländlicher Fruchtbarkeitsfeste mit ihren Opfer ritualen und mit magisch-mimetischen Tänzen und Gesängen, mit denen Familie, Clan und Dorfgemeinschaft versuchten, sich vor bösen Geistern zu schützen bzw. deren Hilfe herbeizuzwin gen, den Jagderfolg zu sichern oder die Fruchtbarkeit ihrer Her den und Felder zu fördern. Mit Maske und Kostüm, Gesang
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I D a s griechische Theater
und Tanz finden sich in diesem Kontext zentrale Elemente des Theaters. Es ist aufschlußreich, daß sowohl die sogenannten Dickbauchtänzer, die seit ca. 6 3 0 auf Hunderten von Vasen zu nächst aus Korinth, dann auch aus vielen anderen Gegenden Griechenlands abgebildet sind, als auch die seit ca. 6oo immer populärer werdenden Satyrn und Silene immer wieder auch in Kontexten erscheinen, die auf nachahmende Darstellung von Alltagssituationen oder mythologischen Geschichten deuten. Daß sich in diesen Bildern maskierter und kostümierter Tän zer die Frühgeschichte des Theaters und seiner verschiedenen dramatischen Formen spiegelt, wird durch die wenigen literari schen Zeugnisse bestätigt. So erklärt Aristoteles im 4· Kapitel der Poetik, daß Tragödie und Komödie aus dem Dithyrambos, dem Kultlied für Dionysos, bzw. den Phallosliedern entstanden seien. Allerdings hatte bereits Aristoteles offenbar keine detail lierten Informationen mehr über den Verlauf der Entwicklung, und auch der modernen Forschung ist es, trotz aller Versuche von Klassischen Philologen und Theaterwissenschaftlern, Reli gionswissenschaftlern und Ethnologen, bisher nicht gelungen, den dunklen Weg von den frühen Chortänzen zum voll entwik kelten Theaterbetrieb des 5. Jh. zu rekonstruieren. Einig sind sich die verschiedenen Theorien immerhin in einem Punkt: Alle suchen die Ursprünge des Theaters im Bereich des Dionysos kults oder rechnen doch, wenn sie von nicht-dionysischen Bräu chen und Ritualen ausgehen, mit deren früher Integration in den Kult des Theatergotts . Zum reinen Weingott haben erst die Römer - und große Ma ler der Renaissance wie Tizian und Rubens - Dionysos gemacht. Gewiß war dieser a uch für die Griechen der Gott des Weins; er war für sie aber weit mehr als das. Viele Kultnamen zeigen, daß der Wein nur einer der Säfte ist, in denen Dionysos erfahren wird. Plutarch (um 4 5 -nach 1 20 n. Chr. ) bezeichnet ihn als << feuchte Natur» (hygrti physis) , als Saft in Bäumen, Pflanzen und Früchten, als pulsierendes Blut in Tieren und Menschen, als fruchtbares lebenspendendes Wasser in Seen und Sümpfen. Wie Demeter ist also auch Dionysos ein Fruchtbarkeitsgott, der j edes Jahr mit der erwachenden Natur geboren wird und j edes
Entstehung und Entwicklung
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Jahr stirbt, und wie Demeter ist er damit auch ein Totengott, Herr über die toten Seelen, dessen Mysterien den Eingeweihten ein seliges Leben nach dem Tod verheißen. Dieser Vegetations- und Totengott ist für die Griechen aber auch und in ganz besonderem Maße der Gott des ekstatischen Rausches. Wer sich ihm hingibt, muß bereit sein, seine Identität aufzugeben und eins zu werden mit dem Gott und seinem Fest schwarm, den Satyrn und Mänaden. Die dionysische Ekstase, das aus sich selbst und seiner gesellschaftlichen Rolle Heraus treten, bedeutet Befreiung von den Fesseln der Rationalität, Auf gabe der Individualität und Verwandlung in einen anderen oder gar den Gott selbst. Mittel dieser ekstatischen Verwandlung sind Maske und Kostüm, Musik und mimetischer Tanz. Es ist diese Seite des vielgestaltigen Gottes, die Dionysos zum Gott des Thea ters macht. Offenbar wurde der Gott schon im 6. Jh. überall in Attika nicht nur mit Opfern, sondern auch mit Chören geehrt, die als Satyrn verkleidet oder auch in Tiergestalt auftraten und das, was sie singend und tanzend vortrugen, auch mimetisch dar stellten. Peisistratos' Entscheidung, diesen Darbietungen einen Platz in seinem zentralen Dionysosfest zu geben, muß die Ent wicklung des Dramas und des Theaters erheblich beschleunigt
Abb. 3: Dionysos mit Mänaden und Satyrn Amphora, um 540, Antikensam m l u ng München 1 374
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I Das griechische Theater
haben. Schon am Ende des 6. Jh., als Kleisthenes im Rahmen der Reformen, mit denen er nach der Vertreibung des letzten Peisistratiden und seiner Anhänger die Grundlagen für die De mokratie legte, auch das Festprogramm der Großen Dionysien (S. 18-20 ) neu ordnete, war die Konkurrenz unter den Dramati kern so groß, daß die Aufführungen als Wettbewerb organisiert wurden. Fortan traten in j edem Jahr drei Tragiker mit je einer Tetralogie gegeneinander an, d. h. mit drei Tragödien und einem komischen Nachspiel, das nach den Satyrn, die immer den Chor bildeten, <Satyrspiel> (satyrik6n drdma ) oder einfach (hoi sdtyroi) genannt wurde, und im Jahre 4 8 6 erhielt a uch die Komödie, deren Geschichte sicher wie die der Tragödie eben falls weit ins 6. Jh. zurückreicht, einen Platz im offiziellen Fest programm. Nichts dokumentiert die schnell wachsende Bedeutung des Theaters und die zunehmende Professionalisierung deutlicher als die Einrichtung von Schauspielerwettbewerben in der Mitte des 5 . Jh. und der etwa in die gleiche Zeit fallende Ausbau des Dionysostheaters. Form und Funktion des von Perikles an der Ostseite des Auditoriums errichteten Odeion (Abb. 5 Nr. 6) sind noch nicht eindeutig geklärt; es ist jedoch wahrscheinlich, daß das Gebäude auch für Proben benutzt worden ist, und es liegt nahe anzunehmen, daß Perikles im Zuge dieser Arbeiten auch das Auditorium erneuert und erweitert hat. In der zweiten Hälfte des 5. Jh. setzt sich die Entwicklung fort. Der Staat organisiert nun auch an einem zweiten großen Dionysosfest, den Lenäen (S. 17 f. ), offizielle Theaterwettbe werbe, zunächst nur für die Komödie ( um 440), dann auch für die Tragödie ( 4 3 0 ) , und die Zahl der Theateraufführungen außerhalb Athens wächst: Immer mehr attische Gemeinden nehmen in ihre Dionysosfeste, die sogenannten Ländlichen Dio nysien ( S . 16 f. ) , Theateraufführungen auf und bauen eigene Theater oder nutzen ihre traditionellen Versammlungsplätze auch für Aufführungen. Im 4· Jh. verbreitet sich das Theater in der gesamten grie chischsprachigen Welt. Athen und sein Dionysostheater bleiben zwar der glanzvolle Mittelpunkt dieser Entwicklung, aber über·
Entstehung und Ent wicklung
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all entstehen neue Theater, die von wandernden Schauspiel truppen bespielt werden. Während Wiederaufführungen belieb ter Stücke an den Ländlichen Dionysien wahrscheinlich schon früh möglich waren, waren sie an den Großen Dionysien und an den Lenäen im 5. ]h. nur in der Form von Neubearbeitungen durchgefallener Stücke (wie im Falle des Euripideischen Hippo lytos ) erlaubt oder als Ausnahme. So wurde nach dem Tode des Aischylos (456) durch einen Volksbeschluß die Inszenierung sei ner Stücke im Rahmen des tragischen Wettbewerbs erlaubt, und a uch die Frösche des Aristophanes durften wegen des großen Erfolgs noch einmal gezeigt werden. Im 4 .]h. werden Klassi kerinszenierungen, außerhalb der Wettbewerbe, ein fester Be standteil des Programms, und im 3 . Jh .. gibt es dann sogar Schauspielerwettbewerbe mit alten Dramen. Die exponentielle Erweiterung des Theaterbetriebs treibt nicht nur die in den letz ten Jahrzehnten des 5. ]h. beginnende Professionalisierung des Theaters voran, sondern sorgt auch dafür, daß die Zahl der Wiederaufführungen alter Stücke kontinuierlich wächst. Vor allem die Stücke des zu Lebzeiten nicht sonderlich erfolgreichen Euripides ( 4 8 5-406) erlangen nun besondere Popularität, wäh rend es in der Komödie seit dem Ende des 4· ]h. die sogenannte neue Komödie Menanders ( 3 4 2 -ca. 290) und seiner Konkur renten ist, die die Bühnen der griechischen Welt beherrscht. Nimmt man die leider weniger gut bezeugten Formen des Volks theaters, wie Mimos, Posse und Puppenspiel hinzu, so wird das Bild noch reicher. Im Hellenismus hat das griechische Theater seine größte Verbreitung erreicht und die zentrale Stellung im kulturellen Leben der Griechen später auch im Kontext des römischen Imperiums immer behauptet. Von der umfangreichen dramatischen Produktion ist nur ein verschwindender Bruchteil erhalten. Handsch riftlich überliefert sind nur antike Schulauswahlen der drei großen Tragiker, die im Falle des Euripides durch den zufällig erhaltenen Teil einer al phabetisch geordneten Gesamtausgabe erweitert ist, sowie die elf Stücke des Aristophanes (ca. 445-3 85). Dazu kommen ein fast vollständiges Stück und umfangreiche Fragmente weiterer Komödien Menanders, die wir Papyrusfunden in Ä gypten ver-
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I Das griechische Theater
danken. Von den Tragödien und Komödien der bedeutenden Dramatiker des 4· Jh. besitzen wir, außer dem Euripides zuge schriebenen Rhesos, lediglich Fragmente, die nur in seltenen Fällen Hinweise auf ihre Inszenierung oder den Theaterbetrieb der Zeit erlauben. Der folgende Versuch, die Produktions- und Rezeptionsbedingungen des griechischen Theaters zu skizzieren, konzentriert sich aus diesem Grunde auf das klassische Theater mit kurzen Ausblicken auf die nachklassische Entwicklung.
2. D e r Theaterbetrieb
a) Die Dionysosfeste und ihre Theaterwettbewerbe Der attische Festkalender enthielt eine ganze Reihe von Diony sosfesten. Für drei davon sind Theateraufführungen bezeugt: für die in den Landgemeinden Attikas gefeierten Ländlichen Dionysien und für die in Athen lokalisierten Lenäen und Großen Dionysien. Alle drei lagen im Winter bzw. zu Beginn des Frühlings. Der frühe Termin mag überraschen. Auch in Griechenland kann es zu dieser Zeit noch bitterkalt sein, und man fragt sich, wie die Zuschauer, die im Freien auf Bänken oder auf dem Boden saßen, sich gegen die Kälte gewappnet ha ben, um die stundenlangen Aufführungen durchzustehen. An dererseits konnten die traditionellen Daten der heiligen Feste, die ursprünglich nicht zuletzt die Funktion hatten, die Frucht barkeit zu fördern, nicht einfach verschoben werden, als Thea teraufführungen in das Festprogramm aufgenommen wurden. Zudem war nur in den Wintermonaten ausreichend Zeit für die Vorbereitungen der Aufführungen, an denen ein erheblicher Teil der männlichen Bevölkerung direkt und indirekt beteiligt war. Im Winter war nicht nur in der Landwirtschaft weniger zu tun als im Rest des Jahres; es ruhten auch Seehandel und kriegeri sche Auseinandersetzungen. 1. Den Anfang machten Ende Dezember die Ländlichen oder auch Kleinen Dionysien, über die wir nicht gut informiert sind. Immerhin bieten die A charner des Aristophanes ein instruktives
Der Theaterbetrieb
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Bild eines solchen ländlichen Festes. Als es dem Helden des Stücks, Dikaiopolis, der den Krieg gegen die Spartaner und die verheerenden Folgen für die Landbevölkerung satt hat, gelun gen ist, einen Privatfrieden mit dem Feind abzuschließen, feiert er diesen mit seinen privaten kleinen Dionysien. Daß zu Phal lusprozession und Bocksopfer, aus denen das Fest bei Aristo phanes besteht, schon früh auch prädramatische Chortänze und komische Späße und Spiele gehört haben, ist sicher. Zur Auf führung von Dramen dürfte es an den Ländlichen Dionysien aber erst in der 2. Hälfte des 5 . Jh. gekommen sein. Wahrschein lich wurden sowohl Stücke, die an den Großen Dionysien ur aufgeführt worden waren, im folgenden Jahr wiederaufgeführt als a uch neue Stücke produziert. Umfangreicheres Material für Theateraufführungen an den Ländlichen Dionysien besitzen wir j edoch erst für die folgenden Jahrhunderte. Im Zuge der wach senden Popularität und Professionalisierung des Theaters ent standen zahlreiche , und an verschiedenen Or ten entwickelten sich die Ländlichen Dionysien zu Theaterfesten von einiger Bedeutung. Platon macht sich im Staat über Thea terverrückte lustig, die von einem Dionysosfest zum anderen ziehen ( 47 5 d), und auch Inschriften bezeugen, daß die Gemein den ihre Terminpläne koordinierten, damit die Schauspieltrup pen ein Fest nach dem anderen bedienen konnten. 2 . Die Lenäen wurden einen Monat nach den Ländlichen Dionysien, Ende Januar, gefeiert. Auch über dieses Fest, das sei nen Namen von den Lenai, einem seltenen Synonym für Bak chai, die ekstatischen Anhängerinnen des Dionysos, trug und ursprünglich wohl ein orgiastisches Frauenfest war, wissen wir recht wenig. Bezeugt sind eine Prozession sowie Theaterauffüh rungen, die, soweit wir sehen können, erst nach der Mitte des s . Jh. vom Staat organisiert wurden. Dabei stand der seit 4 3 9 bestehende Komödienwettbewerb, zu dem in der Regel fünf Dichter mit j e einer Komödie antraten, im Vordergrund . Um den Sieg im zehn Jahre später eingerichteten Tragödienwettbe werb stritten dagegen nur zwei D ichter mit je zwei Stücken. Bei beiden Wettbewerben gab es - wohl von Anfang an - auch Schauspielerwettbewerbe.
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I Das griechische Theater
Da im Januar die Schiffahrt noch ruhte, war das Fest familiä rer und infolge davon a uch weniger bedeutend als die Großen Dionysien. Das gilt besonders für die Tragödie ( Sophokles hat nur ein Viertel seiner 2 4 Siege an den Lenäen errungen; für Aischylos und Euripides .ist die Teilnahme an diesem Wett bewerb gar nicht bezeugt); es gilt aber auch für die Komödie, obwohl der Wettbewerb nicht kleiner war als der an den Gro ßen Dionysien. Aristophanes ließ seiner Enttäuschung darüber, daß er nach zwei Siegen an den Lenäen mit der ersten Version seiner Wolken beim Wettbewerb der Großen Dionysien geschei tert war, bei der Präsentation einer überarbeiteten Fassung des Stücks freien Lauf ( s r 8-2 5 ) . Das Fest wurde im Lenaion, dem Heiligtum des Dionysos Le naios gefeiert, dessen Lage bis heute unbekannt ist. Daß es dort ein eigenes Theater gegeben hat, {st zwar nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich. Die Aufführungen dürften schon früh, spätestens aber seit Einrichtung der Wettbewerbe im Dia nysostheater stattgefunden haben. 3· Das wichtigste der D ionysosfeste und bedeutendste Thea terfest waren die Städtischen oder auch Großen Dionysien, die Ende März gefeiert wurden und über deren Programm wir recht gut informiert sind. Daß das im folgenden skizzierte Fest programm in Ausnahmefällen ( etwa während des Peloponnesi schen Kriegs, 4 3 I -404 ) gekürzt oder umgestellt werden konnte, ist wahrscheinlich; zu größeren Ä nderungen kam es aber erst im 4 .]h. Kurze Zeit vor dem Fest wurden die Aufführungen bei dem sogenannten Proagön (Vor-Wettbewerb) angekündigt. Dichter und Musiker, Schauspieler und Chöre präsentierten sich be kränzt, aber noch ohne Masken und Kostüme, der Öffentlich keit. Ob und in welcher Weise dabei auch die Stücke vorgestellt wurden, ist ebenso u nklar wie der Zeitpunkt der Einführung dieser und ihr Ort. Nach der Erba uung des Odeion (S. 1 4 ) dürfte der Proagon in diesem Gebäude, das wahrscheinlich auch für Proben genutzt werden konnte, statt gefunden haben. Ebenfalls noch vor dem Beginn des eigent lichen Festes wurde das Kultbild des Dionysos Eleuthereus zu
Der Theaterbetrieb
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einem kleinen Heiligtum außerhalb det Stadtmauern gebracht und von dort in einer Fackelprozession, die symbolisch den Ein zug des Gottes in die Stadt wiederholte, in sein Heiligtum am Fuß der Akropolis geleitet. Das fünftägige Fest begann - nach einer großen Prozession von Akteuren und Zuschauern zum Tempelbezirk des Gottes und einem Opfer - mit den beiden Dithyrambenwettbewerben, in denen die zehn Bezirke, in die Attika seit dem Ende des 6. Jh. eingeteilt war, mit j e einem Knabenchor und einem Männer chor, die j eweils aus 50 Choreuten ( Chorsängern und -tänzern) bestanden, um den Sieg stritten. Auf die Präsentation dieser 20 gesungenen und getanzten Kultlieder folgte am zweiten Tag der Komödienwettbewerb, zu dem, wie bei den Lenäen, fünf Dichter mit je einem Stück antraten, und den Höhepunkt und Abschluß bildete der tragische Wettbewerb. Jeder der drei mit einander wettstreitenden Tragiker mußte eine Tetralogie präsen tieren. Seit der Mitte des s . Jh. wurde auch der beste tragische Schauspieler ausgezeichnet. Ein Wettbewerb der komischen Schauspieler kam erst im 4· Jh. dazu. Ü ber die Reihenfolge der Tetralogien bzw. der Komödien im Wettbewerb entschied - wie über so vieles in der athenischen Demokratie - das Los. Die Sieger wurden mit Hilfe einer Laien j ury ermittelt, deren Wahl und Urteil, um absolute Unparteilich keit zu sichern, in einem komplizierten System geregelt waren. Jeder der zehn Bezirke Attikas benannte zehn potentielle Rich ter, deren Namen auf Tontäfelchen in einer Urne verwahrt wur den. Erst am Ende des Wettbewerbs wurde dann die Zahl der r oo potentiellen Richter auf die tatsächlich votierenden ro re duziert, indem aus j eder der ro Urnen ein Täfelchen ausgelost wurde . Doch auch damit nicht genug. Nach Stimmabga q e der auf diese Weise benannten Richter wurden der Sieger im Wett bewerb und der 2. und 3. Platz auf der Basis von nur 5 der ro Voten - und zwar wieder durch Urnenlos - ermittelt, so als wollte man die letzte Entscheidung dem Festgott selber überlas sen. Die restlichen Voten wurden wahrscheinlich dann hinzuge nommen, wenn die ersten 5 Voten keine eindeutige Entschei dung über die Reihenfolge ergeben hatten. Ü ber die Kriterien,
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I Das griechische Theater
nach denen die Bürgerj ury urteilte, erfahren wir nichts. Gewiß haben die Popularität der Dichter und die Reaktionen der Zu schauer eine Rolle dabei gespielt, daneben aber auch die gesell schaftliche Bedeutung des verantwortlichen Choregen (S. 21 f. ) und der äußere Aufwand der Inszenierung. In der Komödie ha ben sich die Dichter immer wieder den Spaß gemacht, sich mit direkten Ansprachen und Versprechen, Mahnungen und Dro hungen an die Jury zu wenden. Die Wettbewerbssituation begann übrigens sch on weit vor den Aufführungen. Die Dichter, die sich am Wettbewerb beteili gen wollten, mußten sich bereits im vorausgehenden Spätsom mer beim zuständigen Beamten bewerben. Die umfangreichen Vorbereitungen, die sich über Monate erstreckten und an denen sehr viele Bürger, direkt oder indirekt, beteiligt waren, steiger ten nicht nur die Erwartung der Öffentlichkeit, sondern sorgten gewiß auch für Spannung zwischen den konkurrierenden Dich tern, Choregen, Schauspielern und Chören und unter den vielen anderen, die in der einen öder anderen Funktion an der Produk tion der Stücke mitwirkten. Der Wettbewerbscharakter der athenischen Theaterfeste (das Gesagte gilt analog auch für die Aufführungen an den Lenäen ) mag den modernen Betrachter, der Vergleichbares allenfalls von den großen Filmfestivals kennt, überraschen. Im Kontext der griechischen Kultur stellt er j edoch keineswegs eine Besonder heit dar. Der Wettbewerbsgedanke prägte viele Bereiche des Le bens, Denkens und Fühlens.
b) Organisation und Finanzierung des Theaters Charakteristisch für das klassische griechische Theater ist die unauflösliche Verbindung von religiösen und politischen Ele menten und Aspekten. Die Aufführungen waren im 5. Jh. zwar keine rituellen mehr, aus denen sie einmal ent standen waren. Die Feste, an denen sie stattfanden, waren aber zentrale Ereignisse im Kult des Dionysos, und die Stücke waren, wie Prozession, Opfer und Dithyramben, Geschenke an den Festgott, der, wenn auch nur selten dionysische Stoffe themati-
Der Theaterbetrieb
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siert werden, in vielfacher Weise präsent ist. Auf der anderen Seite wird die politische Bedeutung schon in den politischen Ak ten und Demonstrationen ganz deutlich, die in den Rahmen der Aufführungen integriert waren . So wurden vor Beginn der Auf führungen nicht nur verdiente Bürger, Metöken und Gäste ge ehrt und die volljährig gewordenen Kriegswaisen in der Orch e stra mit einer Hoplitenrüstung ausgestattet, sondern auch von den zehn Generälen ein Weihgußopfer dargebracht und die Tri bute der Bundesgenossen in feierlicher Prozession ins Theater getragen und in der Orch estra zur Schau gestellt. Auf diese De monstration der politischen Macht und wirtschaftlichen Kraft Athens als Zentrum und Führer des attischen Seebundes folgte mit den Aufführungen die nicht minder wirkungsvolle Demon stration seiner künstlerischen Hegemonie als <Schule Griechen lands>, die zweifellos dazu angetan war, nicht nur den Stolz der anwesenden Bürger auf die Leistungen der Polis zu stärken, sondern auch Bewunderung und Respekt der angereisten Bun desgenossen und Freunde hervorzurufen. So lag denn auch die Verantwortung für die Aufführungen und ihre Finanzierung in der Hand des Staates: Für die Großen Dionysien war der oberste der Stadt, der Archön Ep o nymos, verantwortlich, für die Lenäen der für die Kulte der Polis zuständige Archön Basileus, und· die Ländlichen Diony sien wurden von den Bürgermeistern der Landgemeinden orga nisiert. Die j eweils zuständigen Beamten entschieden darüber, wer zu den dramatischen Wettbewerben zugelassen wurde. Nach welchen Kriterien die Entscheidung erfolgte, ist nicht be kannt. Da die Auswahl eine der ersten Amtshandlungen der jährlich wechselnden Beamten war und das athenische Jahr im Juli begann, konnten die Inszenierungen in aller Ruhe vorbereitet werden. Jedem Dichter wurde ein Chorege zugeteilt, der die Zusam menstellung und Ausstattung des Chors, einen Raum für die Proben sowie die Verpflegung und Bezahlung und, wenn nicht der Dichter, sondern ein spezieller Chortrainer den Chor einstu dierte, auch diese Kosten übernahm. Der Chorege, der auch alle Statisten und eventuell erforderliche Nebenchöre finanzieren
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I Das griechische Theater
mußte, während der Staat die Schauspieler bezahlte, die Hono rare für die Autoren und das Preisgeld für die Sieger in den dra matischen Wettbewerben bereitstellte und das Theater herrichten ließ, trug damit einen großen Teil der Kosten der Inszenierung. Die ebenso kostspielige wie ehrenvolle Choregie war Bürger pflicht, zu der der Archön, wenn sich nicht genügend Freiwillige zur Verfügung stellten, reiche Bürger verpflichten konnte. Der finanzielle Aufwand, den ein Chorege - nicht zuletzt zum eige nen Ruhm - zu treiben bereit war, hatte maßgeblichen Anteil am Erfolg des Dichters. Von Themistokles über Perikles bis zu Alkibiades haben die Großen der Zeit sich als Choregen be tätigt. Das System, dem Dichter einen an die Seite zu stellen, hat sich lange bewährt; es wurde erst am Ende des 4 . ]h. aufgegeben. Fortan übernahm ein j ährlich gewählter Agö nothetes (Wettkampfleiter) die Organisation der Dionysien, und die erforderlichen Mittel wurden komplett aus der Staatskasse zur Verfügung gestellt.
3. Das Dio nysostheater des S.Jahrhunderts
Hunderte von griechischen Theatern sind erhalten, einige da von so gut, daß sie a uch heute wieder für Aufführungen ge nutzt werden . Auch wenn sie aus ganz verschiedenen Zeiten stammen und viele von ihnen immer wieder umgebaut worden sind, läßt sich doch eine Reihe von Gemeinsamkeiten be stimmen: - Griechische Theater liegen in der Regel in der Stadt, in der Nähe der Agora oder eines Dionysos-Heiligtums. Wie die ·Theater in Deiphi oder Epidauros zeigen, können sie aber auch recht weit entfernt von einer Stadt errichtet sein und in oder bei einem Heiligtum anderer Götter wie Apollon (Dei phi) oder Asklepios (Epidauros) liegen. - Griechische Theater sind Freilichttheater, die, von wenigen Ausnahmen (z. B. in Metapont) abgesehen, am Fuße eines Hangs angelegt sind und dem Zuschauer so einen weiten Blick in die Landschaft oder auf das Meer eröffnen.
Das Dionysostheater des 5. Jahrhunderts
Abb.4 : Das Dionysostheater des 4 . J h . (Modell Korres)
- Es gibt zwar keine einheitliche Orientierung nach einer be stimmten Himmelsrichtung, aber dort, wo ein entsprechen der Hang zur Verfügung steht, wird offenbar eine Ausrich tung nach Süden bevorzugt. Das hat den Vorteil, daß die Sonne den Zuschauer bei den Aufführungen im Winter und Frühj ahr wärmt und ihn bei flachem Stand, am Morgen bzw. Abend, nicht blendet. Allerdings muß dabei der Nachteil in Kauf genommen werden, daß das Licht von hinten - und nicht wie das Scheinwerferlicht im modernen Theater von vorne - auf die Schauspieler fällt. - Jedes voll entwickelte griechische Theater besteht qUS drei Teilen: a ) dem Theatron (von theasthai: schauen, betrachten) - seit dem 4 . ]h. auch Koilon (von koilos: ausgehöhlt, gewölbt) genannt -, d. h. dem Auditorium, von dem aus die Zu schauer das Spiel verfolgen;
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I Das griechische Theater
b) der Orch estra (von orcheisthai: tanzen ) , d. h. der Spielflä che, auf der der Chor singt und tanzt, auf der aber, jedenfalls in klassischer Zeit, auch die Schauspieler agieren können; c ) der Skene (von sken e : Zelt, Hütte), d. h . dem Bühnenge bäude, das den Hintergrund des Spiels bildet und als Palast oder Tempel, Wohnhaus, Zelt oder Höhle fungieren kann. Das Bild, das sich der interessierte Laie vom griechischen Thea terbau macht, ist ganz von den gut erhaltenen nachklassischen Theatern an der kleinasiatischen Küste oder von dem großen Theater in Epidauros (Abb. r ) geprägt, das schon in der Antike als das schönste Theater der griechischen Welt galt. Das atheni sche Dionysostheater erhielt erst durch den großen Umbau, der gegen 3 30 a bgeschlossen war, eine ähnliche Gestalt (Abb. 4 ) . D a s Theater, für das die Tragiker und Komödienschreiber des 5. Jh. ihre Stücke geschrieben haben, sah dagegen mit großer Wahrscheinlichkeit recht anders aus:
a) Tbeatron Das voll ausgebaute Steintheater des 4· Jh., dessen Sitzreihen bis hoch hinauf an den Felsen der Akropolis reichten, faßte ca. I4 ooo bis 17 ooo Zuschauer (Abb. 4 ) . Wie groß das Audi torium des 5. Jh. war, ist nicht mit letzter Sicherheit zu sagen, da der obere Teil des Theatron nicht ausgegraben ist. Immerhin er laubt der archäologische Befund (Abb. 5 ) den Schluß, daß der Zuschauerraum zunächst nur etwa bis zur halben Höhe des Hangs reichte, in den das Theater hineingelegt ist. Darüber sind Reste von Brunnen (Nr. 8), d. h. von Hausbebau ung, sowie Hinweise auf einen gerade durch den Hang gelegten Weg (Nr. 9) und eine Abarbeitung (Nr. 7) erhalten, die vielleicht einen oberen Zugang zum Theater anzeigt. Sollte diese Deutung der Grabungsergebnisse zutreffen, so ergibt sich, daß wir für das Theater des 5 . }h . nur mit ca. 6ooo bis maximal 8ooo Zu schauern zu rechnen haben, und wenn wir davon ausgehen, daß das Theater mit der wachsenden Bedeutung der Aufführungen allmählich erweitert worden ist, könnte die Zahl zur Zeit des Aischylos sogar noch niedriger gewesen sein.
Das Dionysostheater des J.Jahrhunderts
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Abb. 5: Das Dionysostheater des S.Jh., vereinfachter Grabungsplan (nach Goette)
Die Zuschauer saßen auf hölzernen Bänken am gestuften Hang oder auch auf tribünenartigen Holzgerüsten, wie sie litera risch und archäologisch schon für das 6. Jh. bezeugt sind. Daß die Reihen anders als im kreisförmigen Steintheater des 4· Jh. gerade verliefen, ergibt sich schon aus dem Material der Bänke bzw. Tribünen, ist a ber auch durch eine Reihe von ganz oder teilweise erhaltenen Kalksteinplatten und -blöcken gesichert, die ursprünglich Teil der ersten Reihen waren (Abb. 6 ) . Diese sind an den Seiten so gearbeitet, daß sie nur in gerader Linie angeordnet gewesen sein können, und tragen Sitzmarkierungen, die, wie das verwendete Alphabet zeigt, aus der zweiten Hälfte des 5. Jh. stammen. Daß das Theatron des 5. Jh. stumpfwinklig a bknickende Sei tenflügel besaß (Abb. 8 ) , wie sie für andere frühe Theater in Attika bezeugt sind, ist wahrscheinlich. Eine solche Struk tur, die einer größeren Zahl von Zuschauern eine gute Sicht bie-
I Das griechische Theater
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Abb. 6: Blöcke und Platten mit Siezplatzmarkieru ngen aus dem Dionysoscheacer des S.Jh.
tet, wird auch dadurch suggeriert, daß man sich beim Bau des Odeion offenbar am schrägen Ostflügel des Theatron orientiert hat (Abb. 5 Nr. 6 ) . Die hölzernen Bänke bzw. Tribünen müssen durch getreppte Zugänge gegliedert gewesen sein, auf denen die Zuschauer ihre Plätze erreichen konnten; daß es einen vertika len Weg ( diazoma ) gab, ist unwahrscheinlich, ein Zugang von oben dagegen denkbar. b) Orcbestra Lange Zeit galt es - trotz vereinzelter Widersprüche - als aus gemacht, daß nicht erst das Steintheater Lykurgs, sondern be reits das Theater des 5.]h. eine kreisrunde Orchisrt abesessen habe, wie das Theater in Epidauros (Abb. r ) . Es gibt j edoch gute Gründe anzunehmen, daß diese Rekonstruktion falsch ist. Da für sprechen nicht nur die bereits genannten Fragmente der ersten Sitzreihen des klassischen Theaters und die Lage des Odeion. Das stärkste Argument für eine aus diesen Befunden zu erschließende rechteckige oder trapezoide Orch istraist die Tat sache, daß die bisher ausgegrabenen frühen Theater in Attika und eine Reihe anderer früher Theater außerhalb Attikas - eben diese Form aufweisen. Die besten Beispiele sind das Theater in Thorikos (Abb. 7), das lange Zeit als Ausnahme galt, und das noch nicht lange be-
Das Dionysostheater des s.Jahrhunderts
Abb. 7: Theater in Thorikos
Abb. 8: Modell des D i o nysosth eaters des S. J h . (nach M oretti)
I Das griechische Theater
kannte Theater in Trachones. Eine runde Orchestra hat sich für das 5 . Jh. dagegen bisher nirgends nachweisen lassen. Bis zu einer endgültigen Klärung, die, wenn überhaupt, wohl nur durch neue Grabungen erreicht werden könnte, sollten Inter preten des klassischen Dramas deswegen davon ausgehen, daß die Orch estra des 5 . ]h. trapezoid war. Von beiden Seiten führten breite Wege in die Orch estra, auf denen die Chöre ein- und wieder auszogen und alle diejenigen Personen auftraten, die aus der näheren oder weiteren Entfer nung kamen. Diese Zugänge, die auch als Haupteingänge für die Zuschauer fungierten, heißen Pdrodoi (oder auch Eisodoi). Daß es bereits im 5. Jh. unterirdische Gänge vom Bühnenhaus in die Orch estra gab, mit deren Hilfe Geistererscheinungen in szeniert werden konnten, ist eher unwahrscheinlich. Die von Pollux als Charo niai klimakes ( Charons Stufen) bezeichnete Vorrichtung ist archäologisch erst für das hellenistische Theater bezeugt (z. B. in Eretria ) , und auch dann nur ganz vereinzelt. c) Skene Auf der dem Publikum gegenüberliegenden Seite der Orch estra stand ein Bühnengebäude (Abb. 9 ) . Wie der Name Sken e (Zelt, Hütte) andeutet, wird es sich zunächst um ein einfaches Kasten� zelt gehandelt haben, das, nach der Thespis zugeschriebenen <Erfindung> des ersten Schauspielers, diesem dazu diente, sich in die verschiedenen Personen, die er zu spielen hatte, zu verwan deln. Spätestens seit der Aischyleischen Orestie (4 5 8 ) muß die Skene ein so stabiles Gebäude gewesen sein, daß auch auf dem Dach gespielt werden konnte. Das Dach wurde vor allem für Auftritte von Göttern genutzt und hieß deswegen theologeion (der Ort, wo die Götter sprechen); es konnten aber auch mensch liche dramatis personae auf dem Dach auftreten, wie der Wäch ter im Prolog des Agamemnon oder Orest, Elektra und Pylades mit ihrer Geisel Hermione am Ende des Euripideischen Orestes. Erreicht werden konnte das Dach sowohl mit Hilfe einer Lei ter im Ionern des Hauses und einer Ausstiegsluke als auch von außen auf einer Leiter hinter dem Bühnengebäude. (Abb. 8 )
Das Dionysostheater des 5. Jahrhunderts
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Abb. 9: B ü h n e n haus im Dionysostheater des S . J h . (Modell Theatermuseum M ü nchen)
Für das Steintheater des 4.]h. sind Länge und Breite des ein stöckigen Bühnenhauses durch die erhaltenen Fundamente ge sichert. Wie groß die in j edem Jahr neu errichtete hölzerne Sken e des 5 . Jh. gewesen ist, muß dagegen offenbleiben. Für die Auf führung der meisten erhaltenen Dramen war eine Tür in der Sken e ausreichend. In einer Reihe von Fällen spricht der Text allerdings eher dafür, daß es neben dem großen doppelflügeligen Zentraltor noch eine oder - vor allem in der Komödie - zwei weitere Türen gegeben hat: So stürzt in den Choephoren des Aischylos nach der Ermordung Aigisths ein Sklave auf die Bühne und ruft nach Klytaimestra, die gleich darauf aus dem Frauengemach erscheint ( 875-8 8 5 ) ; und einzelne Komödien des· Aristophanes, wie z . B. der Frieden oder auch die Ekkle siazusen, lassen sich zweifellos leichter mit den drei Türen, die später - zur Zeit Menanders - Standard waren, auffüh e n als mit nur einer Tür. Die Antwort auf die Frage nach der Zahl der Türen hängt sicher nicht zuletzt davon ab, wie realistisch man sich die Inszenierungen des 5 . Jh. vorstellt. Denn natürlich ist es denkbar, daß der Zugang zu verschiedenen hinterszenischen Räumen oder verschiedenen Häusern durch ein und dieselbe
I Das griechische Theater
Tür erfolgt. Im übrigen gibt es keinen Grund zu der Annahme, daß die temporären hölzernen Bühnengebäude nicht den j ewei ligen Erfordernissen angepaßt werden konnten. Das gilt auch für Fenster, die gelegentlich benötigt werden: In den Aristo phaneischen Wespen wird der prozeßsüchtige Philokleon von seinem Sohn eingesperrt und versucht daraufhin, unter anderem auch durch ein Fenster zu entfliehen ( 3 6 5 ff. ) . Ob und wie der Ortswechsel zwischen den einzelnen Stücken einer tragischen Tetralogie bzw. zwischen mehreren Komödien durch Bühnenmalerei verdeutlicht worden ist, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Der römische Architekt Vitruv berichtet, daß der Maler Agatharch für ein � Inszenierung des Aischylos zum ersten Mal ein ( skenographfa) geschaffen habe. Da Vitruv erklärt, daß Agatharch in diesem Zusammen hang die Zentralperspektive entdeckt habe, gehen die meisten Spezialisten davon aus, daß es sich noch nicht um naturalistische Kulissenmalerei gehandelt hat, sondern um perspektivische Architekturmalerei. Das Problem des Ortswechsels ist damit natürlich nur dann gelöst, wenn man annimmt, daß die ver schiedenen Orte auf große Holztafeln oder Stoffbahnen gemalt wurden, die man vor die Fassade des Gebäudes hängen konnte. Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob es bereits im 5. Jh. vor dem Bühnenhaus eine erhöhte Bühne gegeben hat. Weder die Perseusvase (Abb. ro), die immerhin zeigt, daß es am Ende des 5 . Jh. erhöhte hölzerne Bühnen gab, noch die Text stellen, die auf verschieden hohe Spielniveaus zu deuten schei nen, können eine endgültige Antwort geben. Angesichts der rasch wachsenden Bedeutung der Schauspieler und ihrer Künste erscheint es aber plausibel, daß sie, vielleicht nach der Einfüh rung der Schauspielerwettbewerbe in der Mitte des Jahrhun derts, auf einer Bühne agierten, die von der Orch istra auf einer oder mehreren Treppen erreichbar war. Allerdings war die Bühne, wenn sie denn schon existiert hat, sicher nur wenige Stufen hoch und bildete keine schwer zu über windende Grenze zwischen Schauspielern und Chor. Die Texte lassen keinen Zweifel daran, daß Schauspieler und Chor jeder zeit auch zusammen agieren konnten. Auf j eden Fall bleibt fest-
Das Dionysostheater des 5. Jahrhunderts·
Abb. 10: Erhöhte B ü h ne. Szen e e i n e r Kom ö d i e oder Posse: Schauspieler in der Rol l e des Perseus und Publikum Sam m l u ng Vl astos, Athen (Ze i c h n u ng E. R. Malyon)
zuhalten, daß die Schauspieler, auch solange es noch keine er höhte Bühne gegeben hat, ihren Platz. in· der Regel in größerer Nähe zum Bühnenhaus hatten als der Chor. Erst für das Ende des 4 .jh. sind dann Theater mit einer ho hen Bühne gesichert, wie sie in der Folgezeit für das griechische Theater kanonisch wird. Warum das D ionysostheater erst in späthellenistischer Zeit eine solche Hochbühne erhielt, ist nicht klar. Für die regelmäßigen Wiederaufführungen der klassischen Stücke war die konservative Form auf jeden Fall besser geeig net. Vor das Bühnenhaus wurde nun ein von Pfeilern getragener, schmaler Vorbau vorgeblendet, das sogenannte Proskinion (Abb. 11 ) . Die Schauspieler spielten jetzt auf dem Dach dieses drei bis vier Meter hohen Vorbaus, zu dem von beiden Seiten Rampen hinaufführen konnten. Aber auch die Verwendung von beweglichen, hölzernen Trep pen ist bezeugt. Bei Aufführungen von Stücken, in denen der Chor eine bedeutende Rolle spielte, d. h. vor allem bei Wieder aufführungen von Tragödien des 5. Jh., wurde wahrscheinlich weiter vor dem Proskenion in der Orch estra gespielt oder viel leicht der Chor - wie in modernen Inszenierungen - stark redu-
I Das griechische Theater
Abb. I I : Theater in Ep idauros mit h e l l e n i stisc her Hochbühne Modell H i n ri ku s , Royal O ntario M u s e u m , To ro nto
ziert. Die neue Komödie benötigte die Orch estra nicht mehr, da sie den Chor nicht mehr verwendete. Zwischen den Pfeilern, die die Bühne trugen, und in der von drei bis fünf großen Ö ffnungen ( thyromata ) durch b rochenen Front des Bühnenhauses, vor der die Schauspieler agierten, konnten auswechselbare bemalte Holztafeln (pinakes ) ange bracht werden. Diese Bilder waren nicht individuelle Bühnen bilder für einzelne Stücke, sondern Standardkulissen für die drei Gattungen Tragödie, Komödie und Satyrspiel.
4 . Die Zu sch a u e r
Das Publikum war zahlreich und bunt. Offizielle Regelungen, die bestimmte Gruppen vom Besuch der Aufführungen ausschlos sen, sind nicht bezeugt. Neben den männlichen Bürgern, ihren Söhnen und Sklaven waren auch die in der Stadt lebenden Frem den (Metöken ) anwesend. Dazu kamen Delegationen der ver bündeten Städte, und mit der wachsenden Bedeutung der G roßen Dionysien reisten auch immer mehr Gäste aus allen Teilen Griechenlands zu dem Fest an. Keine Einigkeit besteht darüber, ob auch Frauen zugelassen waren oder ob sie durch
Die Zuschauer
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Gesetz oder Brauch a usgeschlossen blieben. Unsere literarischen Zeugnisse erlauben keine sichere Entscheidung. Späte Anekdo ten, die z. B. berichten, daß die Erscheinung der Erinyen in Ais chylos' Eumeniden so gräßlich gewesen sei, daß schwangere Frauen bei ihrem Anblick Fehlgeburten erlitten hätten, bewei sen nicht mehr ( a ber auch nicht wenigt;r), als daß man zu der Zeit, als sie entstanden, der Auffassung war, daß Frauen Teil des Publikums waren; und die zahlreichen Stellen der Aristophanei schen Komödien, die beide Seiten für ihre Position angeführt haben, sind alles andere als eindeutig. Immerhin gehen sowohl Platon als a uch Aristoteles wie selbstverständlich davon aus, daß a uch Frauen die Aufführungen verfolgten, und man fragt sich, was denn zu einer Ä nderung der Regelung im 4· Jh. geführt haben sollte. Das stärkste Argument für die Anwesenheit von Frauen im Theater ist aber die Tatsache, daß die Aufführungen Teil des wichtigsten Festes gerade des Gottes waren, in dessen Kult Frauen eine besondere Rolle spielten. Das Bild, das unsere fragmentarischen Quellen von der Stellung der athenischen Frau und ihrem Leben bieten, wird zwar bestimmt von ihrem nahezu vollständigen Ausschluß von allen politischen Rechten und Pflichten sowie einer räumlichen und ideellen Beschrän kung auf den privaten Bereich und die Funktionen von Haus fra u und Mutter. Es gab j edoch eine wichtige Ausnahme: und das war der Kult. Es gibt keinen Hinweis darauf und kein Argu ment dafür, daß Frauen, die in vielen Kulten und Ritualen eine wichtige Rolle spielten, von irgendeinem kultischen Ereignis ausgeschlossen waren. Der Versuch, diesem Argument mit dem Vorschlag zu begegnen, die Frauen hätten natürlich an der großen Prozession und an den Opfern teilgenommen und viel leicht auch den Dithyrambenwettbewerb verfolgen dürfen, nicht aber die Aufführungen der Tragödien und Komödien, überzeugt nicht. Wie Prozession, Opfer und Dithyramben sind a uch die Dramen Teil der Ehrung des Gottes. Daß Frauen teil nehmen durften, bedeutet allerdings nicht, daß sie von diesem Recht auch zahlreich Gebrauch gemacht haben, und die, die es taten, waren neben Hetären und Sklavinnen wohl vor allem äl tere Frauen. Heranwachsende Mädchen und j unge Ehefrauen
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I Das griechische Theater
wurden streng vor j edem Kontakt mit der männlichen Welt ge schützt. Es war also sicher ein vorwiegend männliches Publi kum, für das die Dramatiker ihre Stücke produzierten. Anders als heute bestimmte nicht der Eintrittspreis die Qua lität des Sitzplatzes. Man konnte allerdings auch nicht völlig frei wählen, wo man saß. Die ersten Reihen waren schon im 5 . Jh. architektonisch deutlich gegen den Rest des Theatron a bgesetzt. Ob auf den marmornen Sitzplatten zusätzlich Stühle oder Sessel gestanden haben, wie sie später allgemein üblich waren, muß offenbleiben. Hier saßen neben dem Priester des Dionysos, der als Stellvertreter des Gottes den Ehrenplatz in der Mitte der er sten Reihe innehatte, auch die Priester anderer Götter und die höheren Beamten der Polis: die neun Archonten und die zehn Strategen sowie die Mitglieder weiterer politischer Kollegien. Die Prohedrie, das Recht-des-vorne-Sitzens, konnte auch an Metöken und Fremde verliehen werden, die sich um die Stadt verdient gemacht hatten. Ebenfalls in den vorderen Reihen saßen die 5 00 Mitglieder des Rats, die Bouleuten, und die Eph eben, die j u ngen Männer zwischen r 8 und 2 1 , die ihren Wehrdienst ableisteten. Dann folgten die Bürger, vielleicht schon im 5 . Jh. nach Phylen, den zehn Verwaltungseinheiten, in die Kleisthenes Attika am Ende des 6.Jh. eingeteilt hatte, geordnet. Ob diese für das Steintheater des 4· Jh. gesicherte Regelung schon früh galt, können wir nicht mehr sagen. Dann folgten die Metöken, Fremden und Sklaven. Daß Frauen, die ihre Männer begleite ten, ebenfalls hinten saßen, ist keineswegs so sicher, wie es oft behauptet wird. Die Ehrengäste erhielten natürlich - wie heute - freien Ein tritt. Alle anderen mußten wahrscheinlich schon im 5 . Jh. be zahlen. Der wiederholt bezeugte Preis von zwei Ob6len - wohl für jeden Tag der dramatischen Aufführungen - war recht hoch. I m 5. Jh. verdiente ein Arbeiter beim Bau des Parthenon eine Drachme, das sind sechs Ob6len pro Tag. Der Besuch des drei tägigen tragischen Wettbewerbs kostete ihn nach dieser Rech nung einen Tageslohn, d. h., wenn man de n Verdienstausfall hinzurechnet, sogar zwei Tageslöhne . Plutarch ( Perikles 9 , 2 ) und andere späte Quellen berichten, daß bereits Perikles einen
Die Zuschauer
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Theaterfonds geschaffen habe, aus dem j edem Bürger, der da von Gebrauch machen wollte, ein Theatergeld ( theörik6n) ge zahlt werden konnte. Die frühe Einführung des für das 4 . ]h. si cher bezeugten Theatergelds ist j edoch nicht unstrittig. Für den Auf- und Abbau des hölzernen Bühnenhauses und der Zuschauerbänke bzw. Tribünen, für den Verkauf und die Kontrolle der Eintrittsmarken sowie für die Ordnung im Thea ter war eine große Organisation erforderlich. Nur für das Thea ter im Piräus ist durch eine Inschrift aus dem 4 . ]h . bezeugt, daß diese Arbeiten an den Meistbietenden verpachtet werden konn ten. Ob dieses Verfahren auch für den Theaterbetrieb im Diany sostheater des 5. Jh. angewendet worden ist, muß offen bleiben. Da wir über Aufführungsstil und Tempo nichts wissen, kön nen wir die Dauer der Aufführungen an den Großen Dionysien nur schätzen. Die griechischen Tragödien und Komödien sind relativ kurz. Die drei Stücke der Aischyleischen Orestie haben zusammen weniger Verse als Shakespeares Harnlet oder Goe thes Faust I, und die erhaltenen Tragödien der beiden anderen Tragiker sind nicht wesentlich länger. Satyrspiele waren offen bar deutlich kürzer als Tragödien. Ca. fünf bis sechs Stunden dürften für die Aufführung einer Tetralogie ausgereicht haben. Die fünf Komödien werden dagegen den ganzen Tag gefüllt ha ben. Auch darüber, wann morgens begonnen wurde oder ob zwischen den vier Stücken einer Tetralogie bzw. zwischen den fünf Komödien Pausen lagen, gibt es keinerlei Informationen. Klar · ist a ber auf j eden Fall, daß die stundenlangen Auffüh rungen erhebliche physische und geistige Anforderungen an das Publikum stellten, jedenfalls an den Teil des Publikums, der alle Aufführungen oder doch alle Aufführungen eines Tages ansah. Sicher haben die Zuschauer sich, wie es bei modernen Freilicht aufführungen üblich ist, zu essen und zu trinken mitgebracht oder sich bei Händlern im Theater eingedeckt; und in den Ari stophaneischen Komödien finden sich Hinweise darauf, daß die Schauspieler getrocknete Früchte und Süßigkeiten ins Publikum warfen. Wenn wir Demosthenes ( de corona 2 6 2 ) glauben wol len, konnte es vorkommen, daß die Zuschauer Schauspieler, die ihnen nicht gefielen, damit bewarfen.
I Das griechische Theater
Ü berhaupt haben wir - j edenfalls für das 4 . Jh. - zahlreiche Zeugnisse dafür, daß das athenische Publikum temperamentvoll mitging. Bezeugt sind Rufen, Pfeifen, Zischen und Schnalzen, a ber auch lautes Schlagen an die Holzbänke. Auch vor und nach den Aufführungen ging es oft so lebhaft zu, daß Ordner eingrei fen mußten . Die Reaktionen des Publikums waren sicher nicht ohne Einfluß auf die Jury. Der gezielte Einsatz von Claqueuren, wie später in Rom, ist allerdings nicht bezeugt. Das athenische Publikum des 5. Jh. war aber nicht nur laut und lebhaft; es war auch a ußergewöhnlich kompetent. In - den Fröschen des Aristophanes versichert der Chor den beiden Tra gikern Aischylos und Euripides, die darüber streiten, wer der größte Tragiker ist, daß sie ein kundiges Publikum ( rro9-rri 8) vor sich haben . Viel wichtiger als die Lektüre von Stücken, die der Aristophaneische Chor zum Beweis anführt, ist die reiche Theatererfahrung, die ein großer Teil des Publikums mitbrachte. Da ist zunächst einmal die Tatsache, daß allein an den beiden großen Theaterfesten in Athen (d. h. gar nicht zu sprechen von den zahlreichen Aufführungen an den lokalen Dionysosfesten in j edem Frühjahr) nicht weniger als I 3 neue Tragödien mit drei Satyrspielen und zehn neue Komödien a ufgeführt wurden und daß wir annehmen dürfen, daß ein erheblicher Prozentsatz der athenischen Bürger diese Stücke auch tatsächlich sah. Ein Mann in mittleren Jahren dürfte also ca. 500 Stücke gesehen haben. Der Sachverstand des Publikums der klassischen Tragödie be ruhte aber nicht nur auf dem regelmäßigen Besuch der Auffüh rungen und einem guten visuellen und verbalen Gedächtnis, sondern auch darauf, daß ein nicht unerheblicher Teil der Zu schauer in irgendeiner Funktion selbst an zahlreichen Auffüh rungen beteiligt gewesen war: Allein für die Städtischen Diony sien wurden in j edem Jahr, wenn man die großen Dithyramben Wettbewerbe mitrechnet, ca. I 200 Choreuten benötigt, und wenn man alle Feste Attikas hinzunimmt, dürfte die Zahl bei 5000 gelegen haben. Dazu kamen die vielen Helfer für die An fertigung der Kostüme, Masken und Requisiten sowie für die im 5 . Jh. in j edem Jahr neu aufzubauende und zu bemalende Bühne und schließlich die zahlreichen Statisten und Helfer, die für die
Die Akteure
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Aufführungen erforderlich waren. Bei einer Bevölkerung von 30 ooo männlichen Bürgern dürfte der größte Teil des Publi kums mehrmals mitgewirkt haben. Kein Wunder also, daß Ari stophanes die Zuschauer als « Veteranen >> ( I I I 3 ) bezeichnet. Ohne ein solches außergewöhnlich kompetentes Publikum ist die außergewöhnliche Qualität der Dramatik des 5 . Jh. mit ihren reichen Anspielungen auf andere Texte und Aufführungen nicht zu erklären. 5 . Die A kte u re
a) Autoren Für das Programm der beiden städtischen Dionysosfeste wurden in j edem Jahr nicht weniger als 1 5 Autoren ( mit insgesamt 2 6 Stücken) benötigt (S. 1 7-2 0 ) . Wenn man hinzunimmt, daß die Dichter, die an einem dramatischen Wettbewerb teilnehmen wollten, sich bei dem zuständigen Beamten bewerben mußten, dieser also offenbar eine Auswahl zu treffen hatte, wird deutlich, daß es neben den vier großen D ramatikern des 5. Jh., von denen Stücke erhalten sind, noch wesentlich mehr Autoren gegeben ha ben muß als die, die uns wenigstens namentlich oder durch eine mehr oder minder große Zahl von Fragmenten bekannt sind. Die enorme Konkurrenz ist gewiß einer der Faktoren für die a ußergewöhnliche Blüte des Dramas und des Theaters im 5 - Jh . Im 5 . J h . stammten d i e Autoren - von wenigen Ausnahmen abgesehen - alle aus Athen bzw. Attika. Erst mit der Erweite rung und Internationalisierung des Theaterbetriebs waren es dann im 4· und 3 . Jh. immer mehr Autoren auch aus anderen Teilen der griechischen Welt, die ihre Stücke im Dionysosthea ter uraufführten. Die Auswahl der Autoren erfolgte am Anfang des athenischen Jahres im Juli. Da die Aufführungen im Winter (Län dliche Dio nysien und Lenäen) bzw. im Frühling (Städtische Dionysien ) stattfanden, standen für d i e Proben, d i e bald nach der Entschei dung begonnen haben dürften, sechs bis neun Monate zur Ver fügung.
I Das griechische Theater
Zunächst lagen alle Aufgaben der Inszenierung in der Hand der Autoren, die nicht nur den Text schrieben, die Musik kom ponierten und die Choreographie entwarfen und einstudierten, sondern auch selber Regie führten und als Schauspieler auftra ten . Erst allmählich entwickelte sich eine immer stärkere Diffe renzierung und Spezialisierung der einzelnen Teilbereiche des Theaterbetriebs. Eine besondere Form der Spezialisierung be stand allerdings von Anfang an: die exklusive Spezialisierung der Autoren auf eine der beiden großen dramatischen Gattun gen . Sokrates versucht zwar am Ende des Platonischen Sympo sion, seine beiden Gesprächspartner, den Tragiker Agathon und den Komödienschreiber Aristophanes, davon zu überzeugen, daß derselbe Autor sehr wohl im�tande sein müsse, Tragödien und Komödien zu schreiben ( 2 2 3 d ) . Es ist aber, soweit wir sehen können - anders als später in Rom -, kein Autor bezeugt, der diese Forderung erfüllt hätte. Ungewöhnlich ist auch die Kreativität der griechischen Dra matiker. Für die drei Tragiker läßt sich aus der bezeugten Zahl ihrer Stücke berechnen, daß sie etwa alle zwei Jahre am Wett bewerb teilgenommen haben; das bedeutet, daß sie in j edem Jahr durchschnittlich zwei Stücke geschrieben haben müssen. Auch Aristophanes hat jährlich mindestens ein Stück produ ziert; und für eine Reihe von Dramatikern des 4· Jh. ·s ind sogar noch weit höhere Zahlen bezeugt.
b) Schauspieler Der entscheidende Schritt in der Entwicklung des literarischen Dramas aus Chortänzen ist der Moment, in dem der Chorfüh rer, der als Vorsänger ( exdrchön) agiert, sich ganz vom Chor löst und diesem als selbständiger Schauspieler gegenübertritt. D ieser Schritt ist für die griechische Tragödie mit dem Namen des Thespis verbunden. Erst die diesem zugeschriebene <Erfin dung> des Prologs (zur Einführung in die dargestellte Geschichte) und der monologischen Rede ( für Botenbericht und individuelle Reaktion auf die Ereignisse ) macht die prädramatische chori sche zum Drama . Das Wort für Schauspieler ist
Die A k teure
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verschieden erklärt worden. Hypokrites kann sowohl « Antwor ter, Bescheid-Geber>> als auch « Ausleger, Erklärer » heißen. Eine Entscheidung ist nicht möglich, da beide B edeutungen gut zur Funktion des ersten Schauspielers passen. Aristoteles bezeugt, daß Aischylos den zweiten und Sophokles schließlich den drit ten Schauspieler hinzugefügt habe (Poetik 1 4 4 9 a 1 6-1 9 ) . Für die Tragödie jedenfalls ist e s immer bei der Dreizahl ge blieben. Dazu konnten allerdings jederzeit Statisten (für stumme oder ganz kleine Sprechrollen) hinzutreten, die dann aber nicht vom Staat finanziert wurden, sondern von dem Choregen be zahlt werden mußten . Für die Komödie scheint die Dreischau spielerreget im 5. Jh. nicht so strikt gegolten zu haben. Eine Reihe der Aristophaneischen Komödien kann nur mit einem oder zwei weiteren Schauspielern aufgeführt werden, die aller dings keine großen Rollen zu ü bernehmen haben. Die Frage, warum sich Tragödie und alte Komödie in diesem wichtigen Punkt unterschieden, ist nicht geklärt. Spätestens für die neue Komödie Menanders hat die strenge Regelung der Tragödie aber auch gegolten. Die Begrenzung der den Autoren zur Verfügung stehenden Schauspieler hat eine Reihe gewichtiger Folgen: Da die Zahl der Rollen immer deutlich größer war als drei, mußten mindestens zwei der drei Schauspieler mehr als eine Rolle übernehmen. Die Analyse der Auf- und Abtritte, mit deren Hilfe wir ermitteln können, wer welche Rollen in einem Stück gespielt hat, zeigt, daß gelegentlich eine Rolle auch auf zwei Schauspieler aufgeteilt werden mußte. Die Rolle des Theseus im Oidipus auf Kolanos des Sophokles mußten sich offenbar sogar alle drei Schauspieler teilen. Das sogenannte Dreischauspielergesetz bede.utet ferner, daß anders als bei Shakespeare oder Tschechow und Ibsen nie mehr als drei Personen gleichzeitig agieren können, und das hat zwangsläufig weitreichende Konsequenzen für die dramatische Technik. Die Regulierung der Zahl der Schauspieler ergibt sich zwei fellos daraus, daß die Aufführungen als Wettbewerbe organi siert waren. Die Regeln sollten für alle gleich sein. Nur spekulie ren können wir allerdings darüber, warum die Zahl so klein
I Das griechische Theater
war. Antike Erklärungen dafür sind nicht erhalten. Am wahr scheinlichsten ist, daß der Zuschauer im Maskentheater nur schwer unterscheiden kann, wer gerade spricht, und daß diese Schwierigkeit durch die Größe des antiken Theaters noch ver stärkt wird. Es fällt auf, daß sich wirkliche Dreigespräche nur in Ansätzen finden. Die Regel sind auch bei Anwesenheit dreier Personen sukzessive Dialoge. Auch die Entwicklung der stren gen Stichomythie bzw. Distichomythie dürfte nicht zuletzt darin begründet sein, daß der Zuschauer leichter solchen Dialogen folgen konnte, in denen die maskierten Sprecher in regelmäßi gem Wechsel j eweils einen bzw. zwei Verse sprachen. Neben der Festlegung der Zahl der Schauspieler, die einge setzt werden durften, gibt es zwei weitere Besonderheiten, die das griechische Theater vom modernen abendländischen Thea ter unterscheiden: Erstens waren alle Schauspieler Männer. Wir müssen uns also die großen Frauengestalten des antiken Dra mas, von Klytaimestra über Antigone und Medea bis zu Lysi strata, immer von Männern gespielt denken. Im 4 . jh. gab es sogar Spezialisten für Frauenrollen. Zweitens spielten die Schau spieler lange Zeit nur entweder in Tragödien oder in Komödien. Erst für das hellenistische Theater sind vereinzelt Schauspieler bezeugt, die in Stücken beider Gattungen gespielt haben. Für die Choreuten galt diese strikte Trennung, jedenfalls im 4· Jh., offenbar nicht (Aristoteles, Politik 1 � 7 6 b 4-6) . Am Anfang traten die Dichter auch selber als Schauspieler auf. Für Sophokles ist bezeugt, daß er die Schauspielerei auf gegeben habe, weil seine Stimme zu schwach war; und die sich in dieser Nachricht andeutende allmähliche Trennung der Funktionen von Autor und Schauspieler setzte sich in der Folge - mit der wachsenden Professionalisierung der Schauspielerei und der Einführung der Schauspielerwettbewerbe - durch. Es bildeten sich kleine Schauspieltruppen, die von einem Prin zipal geleitet wurden und in zunehmendem Maße auch außer halb Athens bei den lokalen Dionysosfesten auftraten. Diese Gruppen waren hierarchisch gegliedert. Der Leiter und Star der Gruppe war << der erste Schauspieler» (Protagonist); seine beiden Helfer wurden als << zweiter>> bzw. << dritter Schauspieler>>
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(Deuteragonist und Tritagonist) durchnumeriert. Es war der Protagonist, der sich um die Teilnahme am Wettbewerb be warb, das Preisgeld erhielt und in den urkundlichen Aufzeich nungen der Ergebnisse der Schauspielwettbewerbe als einziger genannt wurde. Zu den Schauspieltruppen gehörten neben den drei Schauspielern sicher auch Familienangehörige und Lehr linge, die bei den Aufführungen halfen und kleine Rollen über nehmen konnten. Zunächst beschäftigten die Autoren Schauspieler ihrer Wahl. Die ersten Schauspieler, die wir namentlich kennen, sind Schau spieler, die über längere Zeit mit Aischylos und Sophokles zu sammengearbeitet haben sollen. Als die Bedeutung der Schau spieler für den Erfolg der Autoren und umgekehrt die Bedeu tung der Autoren für den Erfolg der Schauspieler wuchs, wur den die Schauspieler den einzelnen Autoren zugelost; und für das 4 · Jh. ist sogar eine Regelung bezeugt, nach der jeder der drei Protagonisten im Tragödienwettbewerb in je einer der drei Tragödien der drei Tragiker spielte. Das sollte offenbar unbe dingte Chancengleichheit der Autoren garantieren, könnte aber auch als Erleichterung für die Starschauspieler gedacht gewesen sein, die nun nicht mehr wie im 5 . Jh. an einem einzigen Tag hin tereinander vier Hauptrollen spielen mußten. Die Einführung von Schauspielerwettbewerben in der Mitte des 5 . Jh. ist ein erstes klares Zeichen für die wachsende Popu larität der Schauspieler, die im 4· Jh. mit der Ausweitung und Professionalisierung des Theaterbetriebs einen ersten Höhe punkt erreichte. Aristoteles konstatiert in der Rhetorik, daß die Schauspieler j etzt ( um 3 3 0 ) größere Bedeutung hätten als die Dichter ( 1 40 3 b 3 1-3 5 ) . Die Stars der Zeit, von denen uns eine ganze Reihe aus Ehren- oder Grabinschriften bekannt ist, er hielten riesige Gagen und wurden mit der Verleihung des Bür gerrechts belohnt. Da sie als Diener des Dionysos vom Kriegs dienst befreit waren und Immunität genossen, konnten sie sich auch in Spannungs- und Kriegszeiten ungehindert bewegen und wurden von mächtigen Patronen gern als Boten oder gar Bot schafter eingesetzt. Besonders gut informiert sind wir darüber, daß und wie Philipp von Makedonien im Streit mit Athen be-
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rühmte Schauspieler als Botschafter einsetzte, die seine Position in Athen erläutern sollten. Natürlich gab es neben den gefeierten Stars mit ihrem Ge folge auch viele Schauspieltruppen, die sich mehr schlecht als recht durchschlagen mußten. Als sich mit den Feldzügen Alex anders des Großen und der Politik seiner Erben die Zahl grie chischer Städte enorm vergrößerte und die Zahl der Theater und Aufführungen weiter stark anwuchs, schlossen sich - zu nächst in Athen, bald darauf aber in verschiedenen Teilen der griechischen Welt - die an den verschiedenen Festen und Wett bewerben beteiligten Künstler zu einer Art von Gilden zusam men, um ihre Interessen gemeinsam besser vert reten zu können. Die Mitglieder dieser gewerkschaftsähnlich organisierten Ver einigungen (synodoi) nannten sich << Künstler des Dionysos >> (Dionysou technitai) . In ihrer jahrhundertelangen Geschichte, die erst im 3. Jh. n. Chr. allmählich zu Ende ging, sicherten die Gilden ihren Mitgliedern wichtige Privilegien, wie Steuerfreiheit oder Immunität, garantierten dafür aber auch die Kontinuität und Qualität des Theaterbetriebs.
c) Chor Die dramatischen Chöre waren nicht gleich groß. In der Tragö die und im Satyrspiel bestanden sie zunächst aus r 2 und dann aus r 5 Choreuten. Eine Erklärung, was Sophokles, dem die Er weiterung zugeschrieben wird, dazu veranlaßt haben mag, ist nicht überliefert. Die Bedeutung des Chores ist in seinen Stük ken insgesamt geringer als bei Aischylos, und im Unterschied zu diesem und anderen frühen Tragikern galt Sophokles der Antike auch nicht als besonders innovativer Choreograph. Vielleicht hat die allmähliche Erweiterung des Theatron eine Rolle ge spielt? Der Komödienchor war mit 24 Choreuten immer noch deutlich größer. Auch für die Differenz zwischen Tragödie und Komödie gibt es keine antike Erklärung und kein überzeugen des modernes Argument. Gelegentlich gab es einen zweiten Chor, der kleiner gewesen sein dürfte als der Hauptchor. So wird z. B. Hippolytos bei sei-
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nem ersten Auftritt im Prolog von Freunden b'egleitet, die er dazu auffordert, Artemis mit einem Lied zu ehren ( 5 8-7 1 ) , und auch der berühmte Chor der Frösche, die in Aristophanes' gleichnamiger Komödie die Fahrt des Dionysos ü ber den Ache ron mit ihrem brekekekex begleiten ( 209-269 ) , ist ein Neben chor. Finanziert wurden die Chöre - und gegebenenfalls auch die Nebenchöre - von dem Choregen (S. 21 f. ) . D ieser war auch für die Rekrutierung der Sänger und Tänzer verantwortlich. Dabei konnte er Bürger sogar zur Teilnahme zwingen. Der Tanz im Chor war - wie die jury duty im angloamerikanischen Recht eine nicht immer geliebte Bürgerpflicht, aber auch exklusives Bürgerrecht. Zugelassen waren, j edenfalls an den Großen Dio nysien, nur Athener mit einem athenischen Vater und einer athe nischen Mutter, und diese Regelung galt - trotz der wachsenden Professionalisierung des Theaters - bis weit ins 4 . ]h . hinein. Ein Chorege konnte den Chor eines Kontrahenten überprüfen las sen und noch am Tage des Wettkampfs den Ausschluß eines Choreuten beantragen, der die geforderte Voraussetzung nicht erfüllte. Die wenigen Darstellungen von Choreuten auf Vasen zeigen durchweg j unge, bartlose Männer. Hieraus kann zwar ebenso wenig wie aus den für diese These angeführten literarischen Quellen geschlossen werden, daß die Chöre aus Eph iben, den 1 8 - bis 2 1 jährigen Athenern im Militärdienst, gebildet wurden, wohl aber, daß die Choreuten in der Regel j ung waren. Platon konstatiert in den Nomoi, daß ältere Männer für den Tanz nicht mehr geeignet seien ( 6 5 7 d ); und auch wenn wir über die Cho reographie im einzelnen wenig wissen, kann es in der Tat keinen Zweifel geben, daß die Anforderungen an die physische Lei stungskraft und die Konzentrations- und Gedächtnisleistung vor allem für die tragischen Choreuten, die hintereinander in vier Stücken singen und tanzen mußten, erheblich gewesen sind. Zunächst waren es die Autoren selber, die die Chöre einstu dierten. Phrynichos ( um 64o-nach 5 7 6 ) und Aischylos sollen besonders innovative Choreographen gewesen sein. Später übernahmen offenbar spezielle Chortrainer die Arbeit. Darüber,
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ob bzw. wie lange Chor und Schauspieler gemeinsam geprobt haben, gibt es keine Zeugnisse. Das Training der Chöre war zweifellos lang und hart. Die I 5 bzw. 24 Choreuten sangen und rezitierten unisono. Es war si cher niCht einfach, die sprachlich und gedanklich hoch komple xen Chorlieder so vorzutragen ( und dazu auch noch zu tanzen) , d a ß die Zuschauer d e n Text verstehen konnten. Mit der wachsenden Zahl und Bedeutung der Schauspieler verringerte sich zwangsläufig die Rolle des Chors. Quantitativ sinkt sein Anteil an der Gesamtzahl der Verse von 40 bis s o % i n den Tragödien des Aischylos kontinuierlich bis auf etwa r o % i m Orestes des Euripides oder i n Sophokles' Philoktet. Ausnah men wie die Euripideischen Bakeben (ca. 27 % ) oder der Oidi pus auf Kalonos des Sophokles (ca. 22 % ) ändern nichts an dem generellen Trend, der sich auch für die Komödie bestätigt. Wäh rend in den Stücken des Aristophanes, die im 5 . Jh. entstanden sind, der Anteil des Chores bei 20 bis 2 5 % liegt, beträgt er in seinen beiden letzten Stücken, die schon in das 4 .]h. gehören, deutlich unter r o % . Diese Entwicklung bedeutet nicht, daß mit der Reduzierung der Rolle des Chors der Anteil der gesungenen Partien sinkt. Die Schauspieler, die zunächst nur im Wechsel gesang mit dem Chor auch einmal gesungen hatten, erhielten in der zweiten Hälfte des s . Jh. immer häufiger auch große Arien und Duette (S. 69-7 1 ) , und in einzelnen Fällen werden sie beim Vortrag ihrer Lieder auch getanzt haben. Mit dem Umfang der Rolle sank auch die Bedeutung des Chors als Teil der dramatischen Handlung. Konnte der Chor bei Aischylos noch Hauptfigur sein oder doch als unmittelbar von den Ereignissen Betroffener erscheinen und aktiv in die Handlung eingreifen, so wurde er zunehmend zum Betrachter und Kommentator der Ereignisse. Innerhalb dieser Entwicklung gab es zwar signifikante Unterschiede. So konstatiert Aristoteles in der Poetik , daß der Chor von Sophokles noch wie ein Schau spieler behandelt werde, während dies bei Euripides nicht mehr der Fall sei ( 1 4 5 6 a 2 5-27 ) . Insgesamt h at sich die Entwicklung, die bei Euripides beginnt, a ber offenbar fortgesetzt. Aristoteles erklärt im selben Zusammenhang, daß die Chorlieder der späte-
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ren Autoren genausogut i n jeder anderen Tragödie stehen könn ten, da es sich nur noch um <Einlagen> (emb6lima ) handele . Mit dieser Technik habe kein Geringerer als Agathon begonnen ( 1 4 5 6 a 29 f. ) . Es gibt zwar vereinzelte Hinweise darauf, daß noch lange nach dem 5. Jh. Stücke mit Chor geschrieben und aufgeführt worden sind. Umfang und Bedeutung der Chorrolle lassen sich aber, da Texte oder größere Fragmente nicht erhalten sind, nicht mehr bestimmen. Groß dürften sie kaum gewesen sem. Es liegt nahe, diese Entwicklung mit der Erweiterung des Theaterbetriebs zu verbinden. Die Autoren trugen wahrschein lich der Tatsache Rechnung, daß die Schauspieltruppen, die mit den Stücken auf Tournee gingen, weder große Chöre mitneh men konnten noch am jeweiligen Spielort genug Zeit hatten, komplexe Texte und Choreographien einzustudieren. Kurze, wiederverwendbare Lieder boten sich als Lösung ebenso an wie der in der Komödie üblich werdende Einsatz von Zwischenakt musik, und für Klassikeraufführungen hat man sich vielleicht, wie bei modernen Inszenierungen, mit Kürzungen der Chorlie der und kleineren Chören beholfen.
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Lange Zeit haben Interpreten des antiken Dramas sich, wenn überhaupt, nur am Rande mit der szenischen Realisierung der Stücke beschäftigt. Ein wesentlicher Grund dafür, die überlie ferten Texte primär als literarische Meisterwerke zu studieren und nicht als für die Aufführung, als die sie ur sprünglich entstanden sind, dürfte die geringe Bedeutung sein, die die Aristotelische Poetik der Inszenierung ( 6psis) beimißt. Erst in den letzten 30 Jahren haben sich die Interpreten des anti ken Dramas intensiv mit allen Fragen der szenischen Umsetzung der überlieferten Texte beschäftigt. Einfach ist das nicht: Abge sehen von einer Reihe von Anekdoten, gibt es keine literarischen Zeugnisse, in denen eine Aufführung oder deren Wirkung be schrieben wird, und zentrale Aspekte der antiken Inszenierung
I Das griechische Theater
wie Musik und Tanz, Bühnenmalerei und Schauspielkunst sind uns weitgehend verschlossen. Immerhin bieten Vasenbilder und andere archäologische Zeugnisse Informationen über Masken, Kostüme und Requisiten, und die Texte enthalten zwar keine Regiebemerkungen, in denen die Autoren ihre Figuren und das, was sie tun, beschreiben; es läßt sich aber zeigen, daß alle wich tigen Bühnenhandlungen so in den Text integriert sind, daß sich durch eine aufmerksame Lektüre wichtige Elemente der Insze nierung, wie sie sich der Autor vorgestellt hat, erschließen las sen. Das gilt für Auf- und Abtritte durch die seitlichen Zugänge oder aus dem bzw. in das Haus ebenso wie für bedeutungsvolle Handlungen und für den Einsatz von Requisiten.
a) Kostüme und Masken Originalkostüme und -masken sind nicht erhalten. Für das 5 . Jh. bieten Vasenbilder einige Hinweise; später kommen Terrakot ten und Reliefs, Gemälde und Mosaiken hinzu. Abgesehen vom Mirnos ( S . u 8-I 2 I ), der auf die Maske ver zichtete, wurden in allen dramatischen Gattungen Kostüme und Masken verwendet. Ihr Gebrauch, der weit in die Anfänge kul tischer Vermummung und Verwandlung zurückreicht, bot auch dem entwickelten Theater große praktische Vorteile. Sie halfen dem Schauspieler nicht nur dabei, ein anderer zu werden, son dern ermöglichten es ihm, wenn erforderlich, auch in sehr kur zer Zeit von einer Rolle in die andere zu schlüpfen; sie erleich terten ferner die Darstellung von Frauenrollen durch Männer und erlaubten die zeichenartige Visualisierung des Wesentlichen in einem Theater, in dem große Teile des Publikums weit von der Bühne entfernt saßen. Zunächst wurden die erforderlichen Masken und Kostüme für jede Aufführung individuell angefertigt. Mit der wachsen den Zahl von Aufführungen, spätestens mit der wachsenden Ty pisierung der Rollen seit dem Ende des 5 . Jh., wurden sie aber si cher auch aufbewahrt und wiederverwendet. Auch wenn wir keine literarischen Zeugnisse dafür haben, können wir wohl da von ausgehen, daß die Schauspieltruppen (S. 14 f. ) und die auf die
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Abb. 1 2 : Ko m ö d i e n kostü m Kleiner K rug (Au sschn itt) , um 400, St. Petersburg, Sam m l u ng Tam a n , Erem itage 1 8 69 (Ze i c h n u ng G. Seidensticker)
Herstellung von Masken und Kostümen sowie vo n Requisiten spezialisierten Handwerker, die sogenannten Skeuopoioi (Aus stattungsmacher), Sammlungen bzw. Vorräte angelegt haben. Unter den eigentlichen Kleidungsstücken des Kostüms wurde in allen drei dramatischen Gattungen ein Trikot getragen, das den ganzen Körper bedeckte und als fungierte (Abb. 1 2 und 2 1 ) . Für Frauenrollen war dieses Trikot hell, für Männerrollen dunkler. Die Masken waren Kopfmasken (Abb. 12 und 1 3 ) , d. h. sie bedeckten nicht nur das Gesicht, sondern auch Ohren und große Teile des Kopfes. Haare und Bart gehörten zur Maske; Teile von Nacken und Hals konnten frei bleiben. Unter der Maske konnte, um den Druck zu lindern und einen festen Sitz zu sichern, eine Filzkappe getragen werden (Abb. 1 2 ) . Be festigt wurden die Masken mit Bändern, an denen sie auch ge tragen werden konnten (Abb. 14 und 1 5 ) . Literarische Zeugnisse für die Entwicklung der Maske besit zen wir nur für die Tragödie. Thespis, dem ihre Einführung zu geschrieben wird, soll zunächst Bleiweiß, dann eine aus Portu lak gewonnene Substanz und schließlich Leinen verwendet ha ben. Neben Leinen, das mit Kleister gesteift wurde, sind wohl auch Kork und Holz benutzt worden. Die Nachricht, daß Phry-
I Das griechische Theater
Abb. 1 3 : Kopfmaske Zwei Choreuten beim Ankleiden. Attischer K rug, u m 450, Boston, Museum of Fine Arts
nichos Frauenmasken eingeführt habe, dürfte bedeuten, daß der ältere Zeitgenosse des Aischylos als erster Frauenrollen mit wei ßen Masken ausgestattet hat. Aischylos soll dann den nächsten Schritt gemacht und die Masken bemalt haben.
Tragödie Die Heldinnen und Helden der Tragödie trugen in der Regel ein bis auf die Füße herabfallendes, gürtelloses Gewand mit engen langen Ä rmeln, das figürlich und geometrisch reich verziert war (Abb. 1 4a und b ) . D i e Herkunft dieses Kostüms, d a s a u f den athenischen Zu schauer leicht orientalisch gewirkt haben mag, ist ebenso um stritten wie der Zeitpunkt seiner Einführung. Die Vorteile für die Theaterpraxis liegen dagegen auf der Hand : Das Gewand hebt den Träger aus dem Alltag heraus und bezeichnet ihn unmißver ständlich als mythischen Heroen. Die Tatsache, daß das lange, überall eng geschlossene Gewand keine Haut sehen läßt, erleich tert die Darstellung von Frauen durch Männer, und da Frauen und Männer das grundsätzlich gleiche Gewand trugen, mußte bei den immer wieder erforderlichen schnellen Rollenwechseln nur die Maske, nicht aber das Kostüm gewechselt werden. Die Vasenbilder, die dieses Gewand zeigen, sind um 4 0 0 ent standen, und die literarischen Zeugnisse, die die Erfindung die-
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ses speziellen Theatergewands schon Aischylus zuschreiben, sind sämtlich recht spät ( das früheste ist Horaz, A rs Poetica 278 f. ) . Wir können also nicht sicher sein, daß das Gewand schon vor dem Ende des 5. Jh. in Gebrauch war. Immerhin werden die spä ten Nachrichten indirekt dadurch bestätigt, daß Aristophanes seinen Aischylos in den Fröschen erklären läßt, daß er seine großen Heroen in würdevolleren und prächtigeren Gewändern habe auftreten lassen als Euripides mit seinen Lumpenkönigen ( r o s 8- 6 r ) . Neben den Prachtgewändern der Hauptfiguren gab e s die dem Alltag entlehnte Kleidung der einfachen Leute, wie Diener und Ammen, Boten und Soldaten (Abb. 1 4 c ) , aber auch beim Kostüm der Protagonisten konnte offenbar nicht nur zwischen Griechen und Barbaren, sondern auch zwischen Ä gyptern, Phrygern und Thrakern bzw. zwischen Athenern und Sparta nern unterschieden werden. Ferner wurde das Kostüm durch unterschiedliche Farben (genannt sind immer wieder Weiß und Schwarz, Gelb und Purpurn) und vor allem durch zusätzliche
Abb. 1 4 : a) H erakles und b) barbarischer Kön ig (Au sschn itte aus A b b i l d u ng 20) ; c) Bote (Aussc h n itt aus einem apul ischen Krater, um 340, Lo n d o n , British M us e u m F 279)
I Das griechische Theater
Kleidungsstücke wie Mäntel, Hüte oder Schleier und durch Ac cessoires wie Sieges- und Brautkränze oder Schmuck modifi ziert. Besondere Effekte wurden zudem dadurch erzielt, daß die Kleidung während einer Szene (etwa bei exzessivem Klagen) oder zwischen zwei Szenen (durch die Spuren blutiger Taten ) verändert oder der radikale Umschlag der Situation mit Hilfe eines anderen Kostüms visualisiert wurde. So trat in Aischylos' Persern die persische Königin Atossa, die bei ihrem ersten Auf tritt in königlichen Gewändern - und auf einem Wagen - er schienen war, nach der Meldung der Katastrophe von Salamis, wie ihre Worte beim zweiten Auftritt zeigen, in einfacher Trau erkleidung - und zu Fuß - auf ( 607-9 ); und in den Bakchen wird der völlige Sieg des Dionysos über seinen Widersacher Pentheus in der grausig-komischen Verkleidungsszene (9 1 2-70) dadurch offenbart, daß der j unge König, der sich zunächst über die weibische Kleidung seines Gegners lustig gemacht hat, nun selber in Frauenkleidern erscheint. Auch sonst dienten Kostüme immer wieder dazu, die besondere Lage von Personen zum Aus druck zu bringen, wie im Falle des Sophokleischen Philoktet, der seit zehn Jahren einsam und krank auf Lernnos dahinvege tiert, oder der Euripideischen Elektra, die auf einem armseligen Bauernhof leben muß und wie eine Sklavin gekleidet ist. Ge legentlich wird das Kostüm offensichtlich auch dazu eingesetzt, den Charakter einer Figur zu visualisieren. Das gilt beispiels weise für Hermione, in Euripides' Andromache, die schon beim ersten Auftritt ihre Eitelkeit durch den Hinweis auf ihre reichen Gewänder und den goldenen Glanz des Diadems, das sie trägt, zu erkennen gibt ( 1 4 7-5 3 ) , oder, in vergleichbarer Weise, für die Helena der Troerinnen des Euripides, die am Ende des Stücks ein prachtvolles Gewand anlegt, um Menelaos zu bezau bern ( 1 023 f. ); und auch die radikale Verschiedenheit der Sopho kleischen Schwestern Antigone und Ismene (in der Antigone) sowie Elektra und Chrysothemis ( in der Elektra) wurde wahr scheinlich dadurch angezeigt, daß sie schwarze (Antigone und Elektra) bzw. helle ( Ismene und Chrysothemis ) Kleidung trugen. Die tragischen Masken des 5. Jh. waren offenbar . Vasenbilder zeigen Masken mit natürlichen Gesichtszügen,
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ohne Ausdruck von tragischen Emotionen wie Schrecken oder Schmerz. Andererseits wirken sie nicht maskenhaft starr. Der frühen Darstellung einer Frauenmaske (Abb. r 5 ) ver leihen schon kleine Asymmetrien Lebendigkeit. Ob das auch bei den Theatermasken so war oder der Maler ausdrücken wollte, daß die Masken im Spiel gleichsam lebendig werden, muß offen bleiben. Auf j eden Fall wirken auch die Masken des barba rischen Königs und des Herakles auf dem Pronomoskrat e r (Abb. 1 4 ) lebendiger als die Gesichter der Schauspieler, die diese Rollen verkörpern. Wer j e Aufführungen mit Masken gesehen hat - wie etwa Jür gen Goschs faszinierende Inszenierung des Sophokleischen Ö di pus mit Ulrich Wildgruber ( 1 9 8 4 ) oder Peter Halls berühmte Oresteia ( 1 9 8 1 ) - wird bestätigen, daß die Sprache (und das Körperspiel des Schauspielers ) der starren, ausdruckslosen Maske Leben verleihen kann, weil der Betrachter die Leere mit seiner Imagination ausfüllt. Zudem haben die griechischen Tra giker immer wieder im Text Hinweise auf das, was der Zu schauer sehen <soll> , gegeben. So fordert z. B. im Hippolytos des Euripides Phaidra, die sich der Liebe zu ihrem Stiefsohn schämt, ihre Amme auf: « Verhülle mir wieder das Haupt! . . . Aus den Augen rinnen mir Tränen, und schamvoll hat sich mein Gesicht verfärbt ( 24 3 - 6 ) . »
Abb. 1 5 : Trag ische Maske Frag ment einer attischen Kanne, um 470, Athen, Agoramuseum P 1 1 8 1 0
I Das griechische Theater
Abb. 1 6 : H e l l e n istische M asken l i n ks : Frauenmaske aus To n , 2 J h . v. C h r. , Wü rzbu rg, Martin -von -Wagner- Museum K 1939; rechts : M ä n n e rm aske aus Bronze, 3 20-300, Archäologisches M u s e u m Piräus 4649 .
Im Laufe der Zeit wurden vor allem Haare und Mund, aber auch Augen und Augenbrauen immer expressiver gestaltet, und seit der Mitte des 4· Jh. finden sich die ersten Darstellungen des Maskentyps, der in den folgenden Jahrhunderten zur Stan dardmaske wird (Abb. r 6) : mit pathetischem Gesichtsausdruck und über der Mitte der Stirn mit Hilfe eines in das Haar inte grierten Gestells hoch aufgetürmten Haaren, dem sogenannten Onkos. Tausende von Masken dieser Art, als Einzelmasken aus Stein, Ton oder Bronze, aber auch auf Reliefs, Wandgemälden und Mosaiken sowie als Gebäudeschmuck, nicht nur an Theatern, sind erhalten und haben das moderne Bild der antiken Tragö dienmaske nachhaltig geprägt. Es ist deswegen wichtig, sich klarzumachen, daß die Masken, mit denen die erhaltenen klas sischen Tragödien des 5. Jh. aufgeführt worden sind, ganz an ders aussahen. Im 5 . Jh. sind die Masken zunächst wohl individuell, d. h. für j edes Stück neu angefertigt worden. Die sich allmählich entwik kelnde Typisierung dürfte bei sich ständig wiederholenden Ne benfiguren, wie Boten oder Ammen, eingesetzt haben, hat spä ter dann aber, wie Pollux' Liste zeigt, auch die Masken der Hauptfiguren erfaßt. Der Redner und Gelehrte des 2. Jh. n. Chr.
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nennt 6 Masken für alte Männer und 8 für junge sowie r r Frauen- und 3 Sklavenmasken. Natürlich gab es für beson dere Gestalten auch immer besondere Masken: für den hundert äugigen Argos beispielsweise (Sophokles, Inachos ) oder die in eine Kuh verwandelte Io (Aischylos ( ? ) , Prometheus ) , aber auch für die Blinden wie Teiresias (etwa in der Sophokleischen Anti gone) und für die Geblendeten wie Ö dipus ( S ophokles, Oidipus Tyrannos ) oder Polymestor (Euripides, Hekabe ) . Und schließlich trugen die Schauspieler d e s s . Jh. auch noch nicht den Kothurn (Abb. r 7c) mit der bis zu 20 cm hohen Holz sohle, der wie die expressive Onkosmaske erst allmählich im
Abb. 1 7: Schuhe der tragischen Schauspieler a) S . J h . : Au sschn itt aus G locken krater, 460/50, Ferrara - b) Ausschnitt aus Abb. 20 - c) nachklassisc her Plateauschuh ( Kot h u rn ) ; Elfe n b e i nstatuette, 3 J h n. C h r. ( 1 ) , Pari s , Petit Palais A DUT 1 92 .
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Abb. 1 8 : Tragischer Chor Attischer Kol o netten krater, 490/80, Basel BS 4 1 5
Zusammenhang mit der hellenistischen Hochbühne ( S . 3 I f. ) entstand. Auch er ist wie die pathetische Maske fester Bestand teil der populären Vorstellung vom griechischen klassischen Theater. Die Korrektur dieser Vorstellung ist wichtig, weil der stelzen artige Schuh, der zum Sinnbild steifer Erhabenheit geworden ist, nicht nur die Erscheinung der Schauspieler artifizialisiert, sondern auch ein natürliches Agieren unmöglich macht. Im 5. Jh. trugen die Schauspieler einen weichen, aus einem Stück geschnittenen geschnürten Lederschuh oder -stiefel ohne Sohle, manchmal mit hochgebogener Spitze, der ihnen für ihr Spiel jede Bewegungsfreiheit ließ (Abb. I 3 ; Abb. I ?a und b). Der Chor tanzte barfuß (Abb. I 8 ) . Die I 2 bzw. I 5 Choreuten trugen wahrscheinlich, wie die Choreuten auf der einzigen Darstellung eines tragischen Chors aus dem 5. Jh. (Abb. I 8 ), alle das gleiche Kostüm und die gleiche Maske. Lediglich die besondere Rolle des Chorführers, der den Chor im Gespräch mit den dramatis personae repräsentierte, war vielleicht durch ein besonderes Kostüm herausgehoben.
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Satyrspiel Ü ber Kostüme und Masken des Satyrspiels sind wir in erster Linie durch etwa 20 spätarchaische und klassische Vasenbilder informiert. Danach waren die Satyrn bis auf einen Schurz ge wöhnlich nackt, d. h. nur mit dem enganliegenden Trikot be kleidet (Abb. 19 links) . Der Schurz diente vor allem der Befesti gung eines kräftigen, recht langen Pferdeschwanzes und eines meistens erigierten Phallus. Der Vater der Satyrn, der ( Papp o ) Sih � n (Abb. 19 rechts ) , der ebenso wie der Satyrchor obligatorisch für die Gattung war, trug dagegen ein enganliegendes weißbraunes Fellgewand, den sogenannten mallot6s chiton. Die Masken des Satyrchors (Abb. 1 9 links) hatten eine stumpfe, leicht aufgeworfene Nase, spitze Ohren - wie Pferde oder Maulesel - sowie, je nach Alter, entweder volles Haar oder eine mehr oder minder weit zurückreichende Stirnglatze. Auf den erhaltenen D arstellungen von Theatersatyrn haben diese einen langen, struppigen Bart; Pollux kennt daneben aber auch
Abb. 1 9 : Satyr und Pappesi l e n links: Aussc h n itt aus A b b . 20 - rechts : G l ocke n krater mit Dionysos u n d S i l � n . 350-25 , Syd n ey, Nieholsan M u s e u m 47.04
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Abb. 2 0 : Kompl ettes Ensemble eines u n bekannten Satyrspiels Atti scher Vo lute n k rate r des Pronomosmalers, u m 400, Neapel, Archäo l ogisches Museum 8 1 673
den Typus des bartlosen Satyrn. Der Sil � n war grauhaarig, mit grauem Bart. Alle anderen Figuren des Satyrspiels trugen die Kostüme und Masken der Tragödie (Abb. 20 ) . Der Kontrast zwischen den nackten Satyrn mit erigiertem Phallus und ihrem komischen Va ter auf der einen und den in den reichverzierten Gewändern der Tragödie auftretenden Göttern und Heroen auf der anderen Seite bildete, wie die Vasenbilder ahnen lassen, auch ästhetisch einen der Hauptreize des Satyrspiels.
Komö die Das Standardkostüm der Komödie des 5 . und 4 · Jh. ist uns von zahlreichen Vasenbildern und Terrakottastatuetten aus Athen und Unteritalien gut bekannt. Das den ganzen Körper bedeckende Trikot (Abb. 1 2 und 2 1 ) war am Bauch und am Gesäß in grotesker Weise ausgestopft; ein großer Lederphallus hing entweder schlaff herab oder war schneckenartig aufgerollt (Abb. 1 2 ) ; wenn die Situation es na helegte, wie z. B. in der Lysistrata, konnte er wahrscheinlich auch erigiert werden. Die Frauenfiguren hatten natürlich keinen
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Phallus, waren aber wie die Männer an Bauch und Gesäß - und dazu an der Brust - ausgestopft. Vasenbilder erlauben den Schluß, daß die S chauspieler in männlichen Rollen nackt, d . h. nur mit dem Trikot bekleidet, auftreten konnten . Für nackte Frauen gibt es keine Darstellung; es spricht aber einiges dafür, daß die schönen jungen Mädchen, mit denen die Aristophaneischen Helden in einer Reihe von Stücken am Ende belohnt werden, nackt erscheinen sollten. In diesen Fällen dürfte auf den Trikots der männlichen Statisten, die diese Rollen übernahmen, die weibliche Scham aufgemalt oder auf andere Weise angebracht worden sein. In der Regel trugen die Schauspieler aber über der ein oder mehrere Kleidungsstücke, und zwar, wie die ar chäologischen Zeugnisse zeigen und die Texte bestätigen, alles, was auch die Zuschauer trugen. Bei den Männern war die Thea terkleidung allerdings in der Regel so kurz, daß das Gesäß nicht völlig bedeckt war und der Phallus, auch aufgerollt, gut sicht bar blieb (Abb. 2 I ) ; Frauen trugen dagegen in der Regel, wie im Alltag, bis auf die Füße fallende Gewänder. Götter und my-
Abb. 2 1 : Sze n e aus Kom ö d i e oder Posse mit e i n e r tragi schen Figur (Ä gisth) Apulischer G locken krater, 400-380, N ew Yo rk, Fleischmann Collection F 93
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thische Heroen, wie sie vor allem in den zahlreichen Mythentra vestien auftraten, sahen genauso aus und wurden lediglich durch signifikante Attribute oder Requisiten gekennzeichnet. So zeigt ein Vasenbild aus der Mitte des 4 . ]h. z. B. Zeus, im Begriff bei Alkmene zu fensterln, mit einer kleinen Krone, und seinen Diener und Helfer Hermes mit Heroldsstab und Petasos, dem breitkrempigen Reisehut ( Abb. 2 2 ) . Tragische Figuren, die in der Komödie auftraten, trugen da gegen ebenso wie die tragischen Dichter, die nicht nur Aristo phanes immer wieder auf die Bühne brachte, das prächtige Theatergewand der Tragödie (Abb. 2 1 ) . Ü berhaupt gab e s neben dem Standardkostüm zahlreiche Sonderkostüme für Barbaren, wie z. B. für den Perser Pseudar tabas und sein Gefolge und für die thrakischen Odomanten, die zu Beginn der Acharner auftreten ( 9 8 ff. , r 5 6 ff. ), oder für alle gorische Figuren, wie Krieg und Tumult im Frieden ( 2 3 6 ff. ) , aber auch für Tiere wie den Wiedehopf u n d seinen Diener in den Vögeln ( 9 2 ff. , 6o ff. ) oder die als Schweinchen verkleideten
Abb. 22: Zeus und H ermes vor Alkmenes Fenster G l ockenkrate r des Asteas malers, 3 50-325, Rom Vatikanische M u seen 1 7 1 06
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Abb. 2 3 : Reite rchor mit Au losspieler ( Vo rl äufer v o n Aristophanes' R ittern) Attische A m p h o ra, 550/40, Berlin, Staatliche Museen
Töchter des megarischen Händlers in den Acharnern ( 7 29 ff. ) . Besonders phantastisch waren häufig die Kostüme der Chöre. Drei der elf erhaltenen Komödien des Aristophanes ( Ritter, Wespen, Frösche) haben Tierchöre, wie sie schon für die Früh geschichte der Komödie bezeugt sind; und der Chor der R itter ist wahrscheinlich auf als Pferde verkleideten Komparsen einge ritten (Abb. 2 3 ) . Andere Aristophaneische Chöre dürften i n Variationen des Standardkostüms a ufgetreten sein, wie der Chor der Köhler in den Acharnern, der zusätzlich den Tribön, einen kurzen, groben Wollmantel, trug. In der Regel hatten die 24 komischen Cho reuten wie die I 5 Mitglieder der tragischen Chöre und des Sa tyrchors alle das gleiche Kostüm; Ausnahmen sind aber denk bar. So könnten sich die nacheinander hereinflatternden Cho reuten in den Vögeln des Aristophanes, die im Text als ganz verschiedene Vögel bezeichnet werden, auch in ihren Kostümen unterschieden haben ( 2 60 ff. ) . Genauso vielfältig wie die Kostüme waren auch die Masken der Komödie des 5. Jh. Nicht nur Chöre konnten Tiermasken tragen; Herakles trug zweifellos die für ihn typische Löwen-
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kopfmaske ( Vögel I s 66 ff. ) , und Pseudartabas hatte sicher eine Maske, die mit einem riesigen Auge seiner Vorstellung (Achar ner 9 2 ) als << Auge des Großkönigs » sichtbaren Ausdruck ver lieh. Viele der in der alten Komödie verspotteten Zeitgenossen trugen Porträtmasken: Kratinos stellte Perikles als mit einer Maske auf die Bühne, die seinen ungewöhnlich langen Schädel abbildete; Sokrates soll bei der Aufführung der Wolken aufgestanden sein und sich dem Publikum gezeigt ha ben, als sein poetischer Doppelgänger auftrat ( Aelian, Varia Hi storia, 2, I 3 ) . Aristophanes weist in den Rittern ausdrücklich auf diese Praxis hin, wenn er im Prolog des Stücks einen der beiden Sklaven, die möglicherweise als die bekannten Politiker Nikias und Demosthenes dargestellt waren, erklären läßt, daß kein Maskenmacher sich getraut habe, eine Maske ihres Herrn, des Demagogen Kleon, herzustellen ( 2 3 0-3 2 ) . In vielen Fällen haben sicher individuelle Kleidung oder charakteristische Attri bute und Requisiten zusätzlich dafür gesorgt, daß das Publikum sofort erkannte, wer gemeint war. Zu den Spezial- und Porträtmasken kommt eine große Zahl von Masken, die nach Alter und Geschlecht, sozialem Stand und Beruf differenziert waren. Diese waren durchweg stark ins Grotesk-Häßliche verzerrt, mit tiefen Stirnfalten, wulstigen Au genbrauen, breiter oder krummer Nase und breitem, weit geöff neten Mund (Abb. I 2 ) . Die Masken von j ungen Mädchen und j ungen Männern waren, wie es scheint, natürlicher gestaltet als die der anderen Figuren. Im Verlauf des 4 . ]h. ist es dann zu einer immer stärkeren Ty pisierung von Masken und Kostümen und zu einer immer rei cheren Differenzierung dieser Typen gekommen. Pollux ver zeichnet für die neue Komödie nicht weniger als 44 typische Komödienmasken: 9 alte Männer (darunter auch ein Kuppler), I I j unge Männer (darunter auch Soldat, Parasit, Bauer und ver schiedene Sklaven) , 3 alte Frauen (darunter eine Haushälterin) und 1 4 j unge Frauen ( darunter auch verschiedene Hetären und Dienerinnen) . Seine kurzen Beschreibungen sind durch das rei che archäologische Material weitgehend bestätigt worden. Einige der Masken ( besonders Sklaven und Alte ) behalten die
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grotesken Züge; insgesamt werden die Masken aber deutlich natürlicher; und dasselbe gilt auch für die Kostüme, die immer dezenter und länger werden. Die Schauspieler tragen immer noch das den ganzen Körper bedeckende Trikot; der Phallus aber und die grotesken Ausstopfungen verschwinden allmäh lich. Lediglich die Sklaven behalten ihre dicken Bäuche und Ge säße. Politische und mythologische Stoffe treten aber immer mehr zurück. Die neue Komödie erzählt Geschichten aus dem Leben ihrer Zuschauer, und die Personen sehen so aus wie die Zuschauer.
b) Requisiten Da die antiken Texte keine Regieanmerkungen enthalten, fehlen uns explizite Angaben über die j eweilige Ausstattung des Spielorts und die Verwendung von Requisiten. Immerhin bieten die Texte der Stücke selber eine Fülle von Hinweisen, und wenn wir auch nicht sicher wissen können, ob es neben dem, was sich aus den Texten erschließen läßt, noch Weiteres zu sehen gab, so erscheint doch die Annahme berechtigt, daß das, was hand lungsrelevant war, auch im Wort erscheint. Die Komödie hat - wie die Texte zeigen - reichen Gebrauch von Requisiten gemacht. Die Aristophaneische Komik lebt ne ben den oft phantastischen Situationen und Handlungen und ihrem unerschöpflichen sprachlichen Witz in erheblichem Maße von dem, was sich auf der Bühne ereignet, und damit auch von der einfallsreichen und witzigen Verwendung der verschieden artigsten, meistens ganz alltäglichen Requisiten. Instruktive Bei spiele bieten die Schlußszenen der Acharner oder die Verklei dung und Entlarvung des Mnesilochos sowie sein Versuch, sich zu retten, in den Thesmophoriazusen ( 2 1 0 ff., 6 r o ff. ) Die Tragödie hat dagegen Requisiten offenbar nur sparsam und gezielt verwendet. Die wenigen Requisiten sind duq;hweg von erheblicher dramatischer oder thematischer Bedeutung, wie etwa die blutroten Gewebe, die Klytaimestra im Agamemnon des Aischylos vor dem Palast ausbreiten läßt, oder die beiden Urnen, in die die Geschworenen des Areopag in den Eumeniden ihre Stimmen für oder gegen Orest werfen. Hektars Schwert, in
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das sich Aias stürzt, Philoktets Bogen oder die Urne, in der Elektra die Asche ihres Bruders wähnt, sind wirkungsvolle So phokleische Beispiele für die dramatische und symbolische Funktion, die Requisiten gewinnen können. Der größere Rea lismus des Euripides zeigt sich auch in seiner Vorliebe für ganz alltägliche Requisiten, die aber nicht weniger bedeutsam sind. So gewinnen der scheinbar so triviale Besen, mit dem Ion den Platz vor dem Tempel des Apollon fegt, angesichts der des Tempels durch das Leid, das der Gott über Kreusa gebracht hat, und seine Versuche, die peinliche Ge schichte zu vertuschen, symbolische Bedeutung; und der ein fache Wasserkrug, mit dem Elektra am Anfang des nach ihr benannten Stücks Wasser holt, dient zunächst einmal dazu zu zeigen, in welch elenden Umständen die Tochter Agamemnons leben muß, wird von Euripides aber gleichzeitig auch zur Cha rakterisierung seiner Heidin eingesetzt, die gar nicht wie eine Sklavin Wasser holen müßte, sondern die unwürdige Arbeit nur ausführt, um den Göttern zu demonstrieren, wie übel Ägisth sie behandelt. Neben solchen für einzelne Stücke bedeutungsvollen Requisi ten gibt es aber auch Versatzstücke, die in vielen Dramen auftau chen : Das gilt besonders für Altäre, die oft im Zentrum ganzer Stücke oder einzelner Szenen stehen. Opfer und Altarflucht sind häufige dramatische Situationen. Von Aischylos' Hiketiden bis zur Euripideischen Helena flüchten sich große und kleine Grup pen oder auch einzelne Personen an einen Altar, um sich gegen die Verfolgung mächtiger Gegner zu schützen oder ihren Bitten um Unterstützung Nachdruck zu verleihen. Eine ähnlich bedeu tungsvolle Rolle spielen - nicht selten im Zusammenhang mit Altären - auch Götterbilder, z. B. wenn Orest sich in den Eum e niden des Aischylos auf der Flucht vor den Erinyen an die Statue der Athene setzt und die Göttin anruft, ihn zu schützen ( 2 3 5-4 3 ) oder wenn im Euripideischen Hippolytos die Statuen der beiden Göttinnen Aphrodite und Artemis sich am Eingang des Palasts gegenüberstehen und so das Spannungsgefüge be stimmen, in dem sich Phaidras und Hippolytos' Schicksal voll zieht (73 ff. , I O I ) .
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Altäre und Statuen sind nach Ausweis der Texte so häufig ver wendet worden, daß manche Interpreten der Auffassung sind, daß sie zur festen Ausstattung des Theaters gehört haben. Die li terarischen Zeugnisse, auf die sich diese Annahme stützen kann, sind allerdings sämtlich spät und alles andere als klar. Auch ar chäologisch ist für die Orch estra des Dionysostheaters kein Al tar bezeugt, und dort, wo sich bei Ausgrabungen Altäre gefun den haben, standen diese nicht etwa im Zentrum der Orch estra, sondern mehr oder weniger weit an den Rand versetzt und kön nen kaum als Teil der Bühnenausstattung angesehen werden. Daß sich ein größerer fester Altarbau in der Orch estra befun den hat, ist im übrigen nicht nur deswegen unwahrscheinlich, weil er in den vielen Stücken, in denen kein Altar benötigt wird, ein störender Fremdkörper hätte bleiben müssen, sondern auch, weil er die freie Bewegung der tanzenden Chöre erheblich einge schränkt hätte; und die vielen verschiedenen Götterbilder, die sich aus den Texten erschließen lassen, können kaum alle durch die Statue des Apollon Agieus repräsentiert worden sein, die Pollux als Ausstattung der Bühne anführt. Es spricht also vieles dafür, daß auch Altäre und Statuen nicht Standardelemente des griechischen Theaters waren, sondern tragbare Requisiten, die nach den Erfordernissen der j eweiligen Inszenierung eingesetzt wurden.
c) Theatermaschinen Verglichen mit den nahezu grenzenlosen Möglichkeiten, die modernen Regisseuren zur Verfügung stehen, waren die techni schen Mittel des antiken Theaters · eher beschränkt. Immerhin gab es zwei Theatermaschinen mit einem beträchtlichen Poten tial für spektakuläre dramatische und visuelle Effekte: Mechan e und Ekk-yklema. Der Bühnenkran (Mechan e)
Daß es bereits im 5. Jh. eine Vorrichtung gab, mit deren Hilfe eine oder mehrere Personen samt Requisiten durch die Luft be wegt und entweder auf dem Dach der Sken e oder davor abge-
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Abb. 24 : Bühnen kran (Modell M astronarde)
setzt werden konnten, ist unstrittig. Nicht klar ist, wie diese Maschine, die sicher auch zum Auf- und Abbau des jährlich neu errichteten Bühnenhauses verwendet worden ist, im einzelnen funktionierte. Die neben mechan e ( Maschine) gebräuchliche Bezeichnung geranos (Kran) läßt keinen Zweifel daran, daß es sich um eine Art von Kran gehandelt hat. Die beiden überzeugendsten Re konstruktionsvorschläge stimmen weitgehend überein, unter scheiden sich aber in der technischen Komplexität: Das erste Modell (Abb. 2 4 ) geht von einem asymmetrisch auf einem Ständer liegenden langen Balken aus, der über einen Dreh punkt mit Hilfe eines Gegengewichts sowohl angehoben als auch geschwenkt werden konnte, eine Konstruktion, wie sie im ge samten Mittelmeerraum zum Lastenheben weitverbreitet war. Das zweite Modell (Abb. 2 5 ) ist komplizierter: Hier besteht die Hebemaschine aus einem senkrecht in einem Ständerschuh aufgestellten Ständer und einem an seiner Spitze mit einem Dreh-
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Abb. 25: Bühnenkran (Modell Lendle)
kippgelenk ( karch esion) verbundenen Querbalken, der mit Hilfe eines Gegengewichts - und eines Flaschenzugs - sowohl nach oben oder unten als auch nach rechts oder links bewegt werden konnte. Eine Winde ermöglichte es, Schauspieler ( und Requisiten) in die Höhe zu heben oder bis auf den Boden herab zulassen. Besticht das erste Modell durch seine Einfachheit, so erscheint die zweite Konstruktion eher imstande, auch mehrere Personen zu bewegen. Denn wiederholt fliegen zwei Götter herbei, wie die Dioskuren in Euripides' Elektra ( 1 2 3 8 ff. ) oder Iris und Lyssa im Euripideischen Heraktes ( 8 22 ff. ); und am Ende der Medea erscheint die Medea sogar mitsamt den beiden von ihr getöteten Söhnen auf einem Wagen über dem Palast ( 1 3 1 7 ff. ) . Der Kran dürfte direkt hinter dem Bühnengebäude gestanden haben. Wenn er nicht gebraucht wurde, lag der schwenkbare Arm wahrscheinlich waagerecht auf einem Hilfsständer oder auf dem hinteren Rand des Bühnendachs (Abb. 2 4 ) , so 9aß er nicht auffiel und sein plötzliches Aufrichten den zweifellos be absichtigten Effekt der Ü berraschung auslösen konnte. Wie die Schauspieler ( mitsamt allen Requisiten ) an dem schwenkbaren Arm angebracht waren, läßt sich nicht sagen. Der vorgeschlagene Brustgurt eignet sich sicher nur für eine ein-
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zeine Person. Saß die Person auf einem Tier, wie z. B. Okeanos im Prometheus des Aischylos ( ? ) auf einem Greifen oder Belle rophon in dem gleichnamigen Stück des Euripides auf seinem P�gasos, könnte dieses Tier an dem Schwenkarm aufgehängt ge wesen sein. Bei mehreren Personen brauchte man aber wohl eine trapezartige Vorrichtung (Abb. 24 ) , bei der die Schauspieler auf einer kleiner Plattform standen. Um unkontrolliertes Drehen zu vermeiden, mußte das, was am Hebearm hing, an mehr als im einem Punkt befestigt sein. Seit wann der Bühnenkran eingesetzt worden ist, ist nicht si cher zu bestimmen. Bezeugt ist seine Verwendung für den Frie den des Aristophanes (424 v. Chr. ) , in dem der Held Trygaios auf einem riesigen Mistkäfer zum Palast des Zeus auf dem Olymp hinauffliegt und dabei mit einer für die Komödie typi schen metatheatralischen Durchbrechung der Illusion dem Kran führer ( m echanopoi6s) zuruft, er solle nur ja gut achtgeben, daß kein Unglück passiert ( 1 73-7 6 ) . Da es sich bei dem Flug auf dem Mistkäfer um eine Tragödienparodie handelt, in der der hybride Flug des Bellerophon auf dem Pegasos verspottet wird, ist es sicher, daß der Bühnenkran schon im 3 . Viertel des 5. Jh, ver wendet worden ist. Das bestätigt auch die Euripideische Medea ( 4 3 1 ) , in der die Heidin am Ende des Stücks wie ein de u s ex machina erscheint. Noch älter wäre die Mechan e, wenn sich be weisen ließe, daß Athene in den Aischyleischen Eumeniden auf Orests Hilferuf durch die Luft heranfliegt, wie in der berühmten Inszenierung von Peter Stein. Das ist j edoch eher unwahrschein lich, und auch für Sophokles läßt sich der Bühnenkran nicht sichern; immerhin ist seine Verwendung für den Auftritt des Herakles am Ende des Philoktet wahrscheinlich ( 1 409 ff. ) . Es ist der j üngste der drei großen Tragiker, der ausgiebig von ihm Ge brauch gemacht hat, in erster Linie für die zahlreichen Auftritte von Göttern, aber auch für die kühnen Flüge von Heroen wie Perseus ( vgl. die Parodie in den Thesmophoriazusen des Aristo phanes ) oder Bellerophon (vgl. die Parodie in seinem Frieden) und für den spektakulären Schluß der Medea. Auch wenn sich in vielen Fällen nicht entscheiden läßt, ob die auftretenden Götter tatsächlich mit dem Theaterkran <eingeflo-
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gen> wurden oder ihr Auftritt auf andere Weise inszeniert wor den ist, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, daß die Ver wendung der Mechan e in den letzten Jahrzehnten des s . Jh . vor allem in der Tragödie weitverbreitet war. Im 4 . jh. wurde der deus ex machina ( the6s apo mechan es ) , der am Schluß plötzlich erscheint und eine Lösung der ausweglosen tragischen Situation herbeiführt, sprichwörtlich. Der Komödienschreiber Antipha nes ( F r 8 9 ) macht sich - mit Platon ( Kratylos 4 2 5 d ) - darüber lustig, daß die Tragiker immer dann, wenn sie nicht mehr weiter wüßten, einfach << die Mechan e heben wie einen Finger >> ; und Aristoteles kritisiert in der Poetik ( r 4 5 4 a 3 7-b 8 ) den offenbar beliebten Gebrauch des deus ex machina innerhalb der Dra menhandlung (wie in der Medea) und erklärt, dieser dürfe al lenfalls zur Erläuterung der Vorgeschichte oder zur Vorhersage der Zukunft verwendet werden. Die hölzerne Plattform auf Rädern (Ekkyklema)
Die zweite Theatermaschine war eine flache hölzerne Plattform, die auf Rädern aus der breiten Zentraltür des Bühnengebäudes herausgerollt werden konnte: das sogenannte Ekkyklema. Die ses diente in erster Linie dazu, den Zuschauer einen Blick auf den ihm eigentlich verborgenen Ort der Tat werfen zu lassen und ihm die Ergebnisse der tragischen Gewalt zu präsentieren, die im griechischen Theater bekanntlich - anders als bei Seneca (um 4 v. Chr.- 6 5 n . Chr. ) oder bei Shakespeare - von der Bühne in den hinterszenischen Bereich verbannt war. Wie im Fall des Bühnenkrans ist auch für das Ekkyklema um stritten, seit wann die Maschine verwendet worden ist und wie oft, d . h. in welchen Szenen. Einen eindeutigen terminus ante quem bietet auch hier Aristophanes, der schon in der frühesten seiner erhaltenen Komödien den Gebrauch des Ekkyklemp par odiert und dabei - wie im Falle der Mechan e - metatheatralisch auf den Einsatz der Vorrichtung verweist. In den Acharnern ( 4 2 4 ) möchte sich der Held Dikaiopolis, um bei dem ihm dro henden Prozeß Mitleid bei den Richtern erwecken zu können, von Euripides eines der für diesen Tragiker so berühmt-berüch-
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tigten Lumpengewänder ausleihen. Als der Dichter, der gerade an einer neuen Tragödie schreibt, auf Dikaiopolis' Rufen er klärt, er habe keine Zeit herauszukommen, antwortet der Ari stophaneische Held: « Dann laß dich doch herausrollen ! » , und tatsächlich wird Euripides, nachdem er zugestimmt hat, auf der hölzernen Plattform herausgerollt, inmitten tragischer Lumpen und selber in ein Lumpengewand gehüllt (404 ff. ) . In ganz ähnlicher Weise wird in den Thesmophoriazusen der Tragiker Agathon aus einem Haus herausgerollt (9 5 f. ) . Daß es in diesen beiden Szenen, in denen der Einsatz des Ekkyklema durch die Verwendung des Verbs ekkyklein (herausrollen ) gesichert ist, gerade Tragödiendichter sind, die am Ort ihrer Taten, gleich sam bei ihren Verbrechen, gezeigt werden, erlaubt den Schluß, daß das Ekkyklema gerade in der Tragödie häufig verwendet worden ist; und wie die Mechan e ist auch das Ekkyklema in er ster Linie für die Euripideische Tragödie gesichert: Im Hippoly tos wird Phaidras Leichnam auf Theseus' Ruf, das Tor zu öffnen und ihm das bittere Schauspiel zu zeigen, aus dem Palast gerollt { 8o8-ro); im Heraktes wird der Held, der im Wahnsinn Frau und Kinder getötet hat und dann ohnmächtig zusammengebro chen ist, inmitten seiner Waffen und aller Leichen gezeigt ( 1 029 ff. ) . Aber auch bei den beiden anderen Tragikern finden sich Szenen, für die die Verwendung des Ekkyklema sehr wahr scheinlich ist: Im Aias des Sophokles läßt Tekmessa von Dienern das Zelt öffnen und zeigt dem Chor - und den Zuschauern den Helden, der nach dem grotesk gescheiterten Versuch sich zu rächen, inmitten des Viehs sitzt, das er anstelle seiner Feinde hingemetzelt hat ( 3 44-4 7 ) ; und in der Orestie dürften gleich drei Szenen mit Hilfe des Ekkyklema inszeniert worden sein. In den ersten beiden Stücken der Trilogie sind es die beiden paral lelen Szenen, in denen die Täter, über ihren Opfern stehend, ihre Tat rechtfertigen. Dabei ist aufschlußreich, daß Klytaimestra ausdrücklich erklärt, daß sie an dem Platz steht, an dem sie Agamemnon erschlagen hat ( r 3 79 ). Das Ekkyklema hat also, wenn diese Deutung richtig ist, gleichsam das Bad aus dem In nern des Palasts nach außen gerollt. Ebenso blickt der Zu schauer auch in der Ecce-Szene der Choephoren auf den Ort, an
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dem Orest erst Ägisth und dann Klytaimestra getötet hat ( 9 7 3 ff. ); und am Anfang der Eumeniden zeigt das von dem Ekkyklema präsentierte Tableau Orest, mit Schwert und Lor beerzweig, im Heiligtum des delphischen Apollon inmitten der schlafenden Erinyen ( 3 9 ff., 64 ff. ) . Nicht alle Interpreten gehen davon aus, daß i n den drei Sze nen der Orestie - und in anderen Szenen - das Ekkyklema ver wendet worden ist. In der Tat läßt sich in einigen Fällen ( bei spielsweise in den beiden Elektren) auch denken, daß die Opfer der tragischen Tat von Statisten aus dem Haus getragen worden sind. Auch für die Szenen des Agamemnon und der Choephoren ist das vorgeschlagen worden. Ausgeschlossen werden kann da gegen, daß lediglich das Zentraltor geöffnet worden ist, um das Innere sichtbar zu machen. Ohne Scheinwerfer - j a bei der Lage des Dionysostheaters sogar gegen die Sonne blickend - hätten die Zuschauer wichtige Szenen vieler Tragödien gar nicht sehen können. War das Ekk.yklema erst einmal erfunden, wird es si cher auch vielfach eingesetzt worden sein. Außerdem gab es sicher schon im 5 . ]h. <Maschinen>, mit de nen man Blitz und Donner simulieren konnte, wie sie für das hellenistische Theater bezeugt sind.
d) Schauspielkunst Eine theoretische Schrift zur Schauspielerei ist für die gesamte Antike nicht bezeugt. Offenbar galt sie - bei aller Nähe zur Rhe torik - nicht wie diese als Kunst ( techne ) . So gab es denn auch im Zuge der Ausweitung und Professionalisierung des Theater betriebs nicht, wie heute, Schauspielschulen. Der Beruf des Schauspielers wurde zunächst, wie andere Berufe auch, inner halb der Familie weitergegeben. Später erfolgte die Ausbildung als innerhalb der kleinen Schauspieltr�ppen, zu denen neben den drei Schauspielern immer auch eine Reihe von Eleven und Helfern gehört haben muß. Die Anforderungen an die Schauspieler des klassischen grie chischen Theaters waren hoch. In den erhaltenen dramatischen Texten des 5 . Jh. stehen neben Sprechpartien in iambischen Tri-
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metern immer wieder auch Verse, die zu musikalischer Beglei tung in einer Art Sprechgesang bzw. singen zu lassen, bleibt die enorme Be deutung von Rezitativ und Gesang dem modernen Rezipienten ganz verborgen. Bereits in der ältesten erhaltenen Tragödie, den Persern des Aischylos, besteht die Rolle des vernichtend geschlagenen Per serkönigs Xerxes, der am Ende des Stücks in Lumpen und ohne das gewaltige Heer, mit dem er ausgezogen ist, nach Susa zu rückkehrt, aus einem langen, sich steigernden Klageduett mit dem Chor, das mit einem kurzen rezitativen Teil beginnt und dann in einen großen strophisch gegliederten Wechselgesang übergeht ( 9 0 8 ff. ) . In den erhaltenen Aischyleischen Tragödien gibt es überall solche und andere Formen des ganz oder teil weise gesungenen Dialogs zwischen Chor und Schauspielern, die sogenannten Amoibaia, a ber noch keine Duette von Schau spielern oder Schauspielerarien. In den beiden ältesten Tragö dien des Sophokles finden sich dann Szenen, in denen die von Schauspielern gesungenen Teile solcher Amoibaia immer mehr anwachsen, bis am Schluß der Gesang nur noch kurz unterbro chen wird; aber es war offenbar Euripides, der als erster den letzten Schritt der Entwicklung zur Schauspielerarie gemacht hat. Die Schlußszene des im Jahre 4 2 8 aufgeführten Hippolytos beginnt mit einer aus Rezitativ und Arie bestehenden Klage des tödlich verwundeten Titelhelden ( 1 3 4 7 ff. ) , und in der Folge hat Euripides diese j üngste Bauform der griechischen Tragödie syste matisch weiterentwickelt. Zwar finden sich auch im Spätwerk des Sophokles Arien (Elektra, Oidipus auf Kolonos) und längere Gesangspartien, die von kurzen Chorrezitativen eher gegliedert als unterbrochen werden (Philoktet) , aber schon der Antike galt Euripides als der Meister der Monodie. In fast j eder seiner Tra gödien gibt es mindestens eine Arie, nicht selten sind es zwei
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oder sogar drei. In der Regel waren sie den Hauptpersonen der Stücke, d. h. dem ersten Schauspieler, vorbehalten; es gibt aber auch Ausnahmen, wie die spektakuläre Falsetto-Arie des phry gischen Eunuchen im Orestes ( I 3 69 ff. ) zeigt, die vom 2 . Schau spieler gesungen wurde. Götter singen nie; einfache Leute nur ganz vereinzelt, wie der Phryger oder der Sohn der Alkestis in der gleichnamigen Tragödie des Euripides ( 3 9 3-4 1 5 ) . Nimmt man die große Zahl der duettartigen dialogischen Szenen hinzu, in denen Schauspieler sangen oder , so wird die Bedeutung des Schauspielergesangs noch offensicht licher. Die Verbindung dieser Entwicklung mit der Professiona lisierung des Schauspielerberufs liegt auf der Hand. Aber auch die Entwicklung der sogenannten (S. 8 1 ) in den letzten Jahrzehnten des 5. Jh. hat sicher ihren Teil dazu beigetra gen. In den folgenden Jahrhunderten waren es dann gerade die Arien, die sich besonderer Beliebtheit erfreuten. Schon im 4· Jh. begannen Schauspieler mit Programmen herumzureisen, die nur aus berühmten, meist Euripideischen Arien bestanden, und diese Solokonzerte ersetzten zunehmend die Aufführung voll ständiger Tragödien. Wie populär die Vorstellungen dieser Kon zertsänger ( tragödo{) waren, die bis weit in die römische Kaiser zeit hinein bezeugt sind ( S . 1 1 7 f. ) , zeigt sich auch daran, daß schließlich auch Sprechpartien, wie z. B. Botenberichte und so gar Dialoge, vertont wurden. In der Komödie spielte der Sologesang eine deutlich geringere Rolle. Neben der Parodie tragischen Gesangs oder einzelner tra gischer Arien finden sich bei Aristophanes vor allem einfache, volkstümliche Lieder, wie die Liebeslieder in den Ekklesiazusen ( 8 9 3 ff. ) oder die Trinklieder, die der alte Philokleon in den Wes pen schon einmal für das Symposion übt, auf das ihn der Sohn führen will ( 1 2 24-4 8 ) . In der weiteren Entwicklung der griechi schen Komödie ist der Gesang dann aber offenbar mehr und mehr zurückgetreten. In der neuen Komödie finden si� h nur noch vereinzelt oder gesungene Partien, wie etwa im 5· Akt des Menandreischen Dyskolos. Angesichts der Bedeutung des Gesangs und der Größe des Theaters verwundert es nicht, daß antike Autoren in erster Li-
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nie von der Stimme des Schauspielers sprechen. Neben Stärke, Klarheit und Wohlklang, die durch ständiges Training und durch Diät erworben und verbessert wurden, ist es vor allem die Fähigkeit des Schauspielers, seine Stimme dem Charakter der j eweiligen Rolle bzw. dem Pathos der Situation anzupassen, die gepriesen wird . So lobt Aristoteles den berühmten Schauspieler Theodoros dafür, daß seine Stimme immer << die des Redenden >> gewesen sei, während die der anderen Schauspieler « fremd >> klängen, d . h. nicht zur Rolle paßten ( R hetorik 1 4 04 b ) . Da die Mimik dem Schauspieler des Maskentheaters als Aus drucksmittel nicht zur Verfügung steht, kommt neben der Stimme der Körpersprache besondere Bedeutung zu. Von ein zelnen Aufführungen oder allgemein vom Theater inspirierte Vasenbilder sind keine Szenenphotos. Immerhin erlauben sie, wie auch die zu Tausenden erhaltenen Terrakotten von typi schen Komödienfiguren, gewisse Schlüsse auf typische Gesten, Haltungen und Bewegungen. Unsere beste Quelle sind j edoch die Texte selber, die eine Fülle von Beschreibungen und indirek ten Hinweisen auf Bewegungen der dramatis personae enthal ten. So erlauben die ersten Worte des Wächters in der Sopho kleischen Antigone, der dem König die unangenehme Nachricht überbringen muß, daß das Bestattungsverbot trotz der Bewa chung der Leiche übertreten worden ist, den Schluß, daß ·der Mann sich, während des Gesprächs zwischen Kreon und dem Chor, zögernd und mit allen Zeichen großer Furcht genähert hat: «Ü Herr, ich werde nicht behaupten, daß ich in Eile, atemlos, gelaufen komme und daß der Fuß mir leicht sich hob. >> ( 22 3 f. ) Aber auch die Bewegungsabläufe ganzer Szenen und die räumliche Choreographie der beteiligten Personen lassen sich häufig aus dem Text erschließen: wie Klytaimestra die blutro ten Gewänder vor dem Palasttor ausbreiten läßt zum Beispiel und wie Agamemnon sich von einem Diener die Stiefel auszie hen läßt und dann, immer wieder zögernd, Fuß vor Fuß set zend, über die kostbaren Stoffe in den Palast geht (90 8-74 ) , oder wie Kassandra sich später immer wieder der Tür, hinter der sie, wie sie weiß, der Tod erwartet, nähert und immer wie-
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der davor zurückschreckt, das <Schlachthaus> der Atriden zu betreten ( I 2 5 8-I 3 3 0) . Für Komödie und Satyrspiel gilt analog das gleiche. Allerdings sind von den Dichtern, die ja selber Regie führten, gewiß nicht alle Bewegungen auch sprachlich im Text worden, und vor allem können wir die individuelle Umsetzung der impliziten Regiebemerkungen durch die Schauspieler natür lich nicht bestimmen. So bleibt uns der Schauspielstil der Zeit oder gar einzelner Schauspieler ganz verschlossen. Viel mehr, als daß die Größe des Theaters eine klare, mehr oder minder stili sierte und konventionalisierte Körper- und Gebärdensprache verlangt hat und daß die komischen Schauspieler lebhafter und weniger würdevoll agiert haben dürften als die tragischen, läßt sich kaum sagen. Immerhin spricht einiges dafür, daß die Schau spielkunst im Verlaufe des 5 . ]h. nicht nur, wie die Einrichtung von Schauspielerwettbewerben zeigt, artistischer, sondern auch realistischer geworden ist. Aristoteles verweist zum Beweis da für, daß die Schauspielerei (in der Tragödie) immer <mimeti scher> geworden sei, auf die Anekdote, daß Mynniskos, ein Schauspieler der alten Schule, der schon für Aischylos gespielt haben soll, seinen j üngeren Kollegen Kallippides einen << Affen » genannt habe, weil dieser << allzusehr übertreibe » , d. h., weil er den Text << in der Annahme, das Publikum könne sonst nicht fol gen » , in exzessiver Weise gestisch begleitet habe (Aristoteles, Poetik, r 4 6 r b 34 f. ) . Wie es scheint, hat der wachsende Realis mus, mit dem Euripides die alten Geschichten erzählt, sein Pen dant in einem realistischen Schauspielstil gefunden.
e) Choreographie In modernen Inszenierungen werden die Chorpartien, wenn der Regisseur überhaupt einen mehr oder minder großen Ch9r ein setzt, in der Regel gesprochen, nicht, wie in der Antike, gesun gen und getanzt. Ariane Mnouchkines Les Atrides haben dem Publikum eine Ahnung davon vermittelt, welchen Verlust an äs thetischer Qualität und emotionaler Ausdruckskraft dieser Ver zicht bedeutet, und auch Mnouchkine hat nicht etwa versucht,
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die antiken Tänze historisch zu rekonstruieren, von denen wir uns nur noch ein sehr allgemeines Bild machen können. Die Abhandlungen des 5. und 4 · Jh., die sich mit dem Tanz des klassischen Theaters beschäftigt haben - wie Sophokles' Studie Über den Chor oder die Schrift des Aristotelesschülers und Musiktheoretikers Aristoxenos Über den tragischen Tanz -, sind ebenso verlorengegangen wie die reiche hellenistische Lite ratur über das Drama; und die zahlreichen Bezeichnungen für einzelne Tänze und Tanzfiguren, die bei Athenaios (um 200 n. Chr. ) und Pollux ( 2 . ]h. n. Chr. ) , in Scholien und bei Lexi kographen erhalten sind, sind allesamt spät und durch die spä tere Entwicklung des Tanzes (vor allem durch die ungeheuer populäre Tanzpantomime, S. I I 5 - I 7 ) verformt. Zudem wer den sie nur selten erläutert, und wenn, dann sind die Erläute rungen wenig erhellend und basieren, wie es scheint, nicht auf fundierter Kenntnis. Anders als im Falle der Musik hat es offenbar für den Tanz keine Notation, ja vielleicht nicht einmal technische Hand bücher gegeben, in denen Tanzschritte und -figuren oder gar ganze Choreographien für den Unterricht beschrieben waren. Vasenbilder, die von dramatischen Chören inspiriert zu sein scheinen, sind rar, und die wenigen, die wir besitzen (Abb. r 8 } , zeigen lediglich einzelne Bewegungen. Eine fließende Schreit oder Tanzbewegung läßt sich daraus nicht rekonstruieren, von der Choreographie eines Theatertanzes ganz zu schweigen. Immerhin bieten die Texte der erhaltenen Stücke Hinweise, die eine Reihe von allgemeinen Aussagen erlauben: Sie zeigen z. B. mehr oder minder deutlich die relativ seltenen Fälle an, in denen Chöre vorübergehend oder dauernd in Halbchöre geteilt waren oder sich ganz in einzelne Choreuten auflösten, und sie beschreiben gelegentlich Bewegungen des Chors. Wichtiger ist, daß die Metrik der Chorlieder uns erlaubt, den Rhythmus zu bestimmen, der dem j eweiligen Tanz zugrunde lag, und uns so wenigstens einen gewissen Eindruck von seinem Tempo und von der Ausdrucksqualität der Szenen vermittelt. Daß sich die Tänze der drei dramatischen Hauptgattungen voneinander unterschieden haben, ist evident. Der Chortanz der
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Tragödie, die emmeleia, war gemessener und würdevoller als die lebhaften, burlesken und nicht selten obszönen Tänze der Komödie ( k6rdax) und des Satyrspiels (sikinnis ) . In den Grund strukturen ihrer Choreographien waren die so verschiedenen Theatertänze aber eng verwandt. Alle hatten - anders als der kreisförmige Chortanz (kyklios chor6s) des D ithyrambos - in der Regel rechteckige Formen (Abb. 2 6 ) . In der Tragödie und im Satyrspiel bildeten d i e erst 1 2 und dann I 5 Choreuten erst 4 , dann 5 Reihen a 3; die 24 Choreuten der Komödie gliederten sich entsprechend in 6 Reihen a 4· Eine kreisförmige Choreographie läßt sich zwar für eine Reihe von Chorliedern aus dem Text erschließen oder vermuten - wie etwa für das Lied, mit dem die Erinyen in den Aischyleischen Eume niden um Orest herumtanzen, der sich an die Statue der Athene geflüchtet hat ( 3 07-9 6 ) ; sie sind aber die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Da der Chor im Dionysostheater durch die vom Zuschauer aus gesehen rechte Parodos (Zugang) in die Orch estra einzog, wurden die besten Sänger und Tänzer auf der linken Seite des Zuges postiert, so daß sie, wenn der Chor sich bei den dann
Chorführer
x x c x x X X X X X x x x x x
Aulosspielor
Orchestra
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parodos
Bühnenhaus
Abb. 26: Ei nzug des Chors in die O rchistra
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folgenden Tänzen dem Publikum zuwandte, die erste Reihe bil deten. Der Chorführer, der Einsätze und Takt vorgab, hatte sei nen Platz in der Mitte. Angeführt wurde der Chor, j edenfalls wenn er in geschlossener Formation einzog, von dem Aulosspie ler (S. 77-79 ) , der im folgenden auch alle Chorlieder ( und alle anderen gesungenen Partien) begleitete. Die ursprüngliche Form des geschlossenen Einzugs konnte allerdings auch variiert wer den. Vor allem im Satyrspiel und in der Komödie sind die Cho reuten offenbar häufig auch ungeordnet, einzeln oder in kleinen Gruppen, in die Orch estra gelaufen und haben sich erst dort formiert. Daß die Tänzer den gesungenen Text mit Gebärden, Haltun gen und Bewegungen mimetisch illustrierten, ist wahrscheinlich. Auch die Tänzer, stellt Aristoteles im ersten Kapitel der Poetik fest, ahmen dadurch, daß sie Rhythmen in Körperbewegungen umsetzen, Charaktere ( ethe), Gefühle (pdthe) und Handlungen (prdxeis) nach. Besondere Bedeutung kam dabei offenbar der expressiven Gestik ( cheironomia) zu. In den antiken Quellen werden Tänzer - und später vor allem die Pantomimen (S. I I 5 I ? ) - dafür gepriesen, daß sie mit den Händen sprechen kön nen. Wie detailliert im einzelnen diese Mimesis war, entzieht sich j edoch unserer Kenntnis. Die große Zahl der Tanzfiguren (s-ch emata) mit sprechenden Namen legt die Vermutung nahe, daß wir es, wie beim klassischen Ballett, mit einer stark konven tionalisierten Tanzsprache zu tun haben, die natürlich von den Autoren, die ja die Choreographie ihrer Stücke selber entwar fen, individuell erweitert und modifiziert werden konnte. Vor allem die frühen Tragiker Phrynichos und Aischylos, in deren Stücken der Chor noch eine ganz besondere Rolle spielt, sollen immer neue Tanzfiguren erfunden haben. Nicht zu beantworten ist die Frage, was der Chor, der nur in ganz seltenen Fällen während des Stücks aus der Orch estra aus und wieder einzog, während der reinen Schauspielerszenen ge tan hat und wo er postiert war. Daß er die dramatische Ent wicklung, auch wenn er an vielen Szenen nicht direkt beteiligt war, aufmerksam verfolgt hat, ist ebenso sicher wie es wahr scheinlich ist, daß er, schon um den freien Blick der Zuschauer
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auf die Schauspieler nicht einzuschränken, sich an einer der Sei ten der Orch estra aufhielt. Wieweit er aber auch dort, wo uns der Text keinen Hinweis darauf gibt, mit Gebärden und Bewe gungen auf das Geschehen reagiert hat, muß offenbleiben. Zu stark durfte er die Aufmerksamkeit des Publikums in diesen Szenen nicht auf sich lenken; ganz ohne Ausdruck seiner Anteil nahme bleiben, konnte er aber gewiß auch nicht.
f) Musik Wie die Choreographie ist auch die Musik, die, wie wir gesehen haben, in der klassischen Dramatik des 5 · und 4 . ]h . eine große Rolle spielte und für die ästhetische und emotionale Wirkung der Stücke von fundamentaler Bedeutung war, unwiederbring lich verloren. Nicht nur die Lieder des Chors, sondern auch alle Rezitative und die immer zahlreicher werdenden Arien und Du ette wurden von einem Aulosspieler begleitet, det, wie zahlrei che Vasenbilder zeigen, keine Maske, aber ein bis auf die Füße herabfallendes Gewand trug (Abb. 27), das den Schauspielerge wändern ähnelt. Aus dem 4 . ]h. gibt es Zeugnisse, daß die Aule ten ihr Spiel mit expressiver Mimik und mimetischen Bewegun gen begleiteten.
Abb. 27: Aulosspieler mit Mänade Attische Kan ne, u m 470 , Berl i n , Antikensam m l u ng 3223
I Das griechische Theater
Der Aulos, der wohl erst um 700 aus Kleinasien oder Syrien nach Griechenland gekommen ist und als Solo- sowie als Begleit instrument in vielen kultischen und sozialen Kontexten verwen det wurde, bei Opfer- und Klageritualen ebenso wie beim Sym posion oder eben auch im Theater, war das wichtigste Blasinstru ment der Alten Welt. In Griechenland wurde er in der Regel als Doppelaulos gespielt, der aus zwei voneinander unabhängigen, zylindrischen oder leicht konischen Rohren bestand, die "gleich zeitig gespielt wurden. Die klassischen Auloi waren gleich lang (ca. s o cm) und hat ten fünf Fingerlöcher (das zweite von oben an der Unterseite, für den Daumen ) und je ein eigenes Mundstück. Wie die Oboe war der Aulos ein Doppelblattinstrument mit einem durchdrin genden Ton, der noch dadurch verstärkt wurde, daß die beiden Auloi offenbar in der Regel im selben Register und Rhythmus dieselben Töne bzw. dieselbe Melodie spielten. Ob und in wel chem Umfang einer der beiden Auloi auch einen harmonischen oder rhythmischen Kontrapunkt lieferte, muß offenbleiben. Das Blasen der Auloi verlangte erhebliche Anstrengung. Ein wohl erst im s . Jh. entstandener Mythos erzählt, wie die gött liche Erfinderin des Aulos, Athene, das Instrument voller Ab scheu wegwirft, als sie entdecken muß, wie sehr das Spiel ihr Gesicht entstellt. Professionelle Aulosspieler benutzten eine halfterartige Konstruktion aus ledernen Riemen (Abb. 27), die sogenannte phorbeia (Halfter) , deren Funktion nicht geklärt ist. Sie könnte dazu gedient haben, die Backenmuskulatur zu schützen und die beiden Mundstücke des Doppelaulos zu fi xieren. Die Auleten spielten bereits bei den Proben eine wichtige Rolle; bei den Aufführungen führten sie den Chor in die Orch e stra und am Ende der Stücke auch wieder hinaus, und sie beglei teten nicht nur alle und gesungenen Partien, son dern gaben dem Chor bzw. den Einzelsängern - zusammen mit dem Chorführer - wohl auch Einsätze und Takt vor. Trotz die ser wichtigen Aufgaben blieben sie lange Zeit anonym. In den Urkunden der Aufführungen sind sie nicht genannt. Aber mit der wachsenden Spezialisierung des Theaterbetriebs und der zu-
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nehmenden Komplexität der Musik am Ende des Jahrhunderts gewannen sie immer größere Bedeutung und Ruhm. So ist der berühmte Autosspieler Pronomos erst auf der nach ihm benann ten Vase (Abb. 20) in zentraler Position dargestellt. Schließlich überließ man es nicht mehr den Dichtern bzw. ihren Choregen, einen Auleten zu engagieren. Im 4· Jh. wurden diese, um Chan cengleichheit im Wettbewerb zu garantieren, wie die Schauspieler den einzelnen Inszenierungen zugelost. Neben dem Doppelaulos sind andere Musikinstrumente im Theater nur selten verwendet worden. Die großen mythischen Sänger, wie Thamyras, den Sophokles in seiner gleichnamigen Tragödie selber gespielt haben soll, oder Orpheus und Amphion sind sicher mit ihrer Lyra aufgetreten und haben wohl auch zu ihrer Begleitung gesungen; und auch Schlaginstrumente sind wie beispielsweise in Euripides' Bakchen - offenbar gelegentlich eingesetzt worden . Die Melodien, d i e d i e Auleten spielten bzw. begleiteten, sind fast völlig verloren . Es gab zwar wohl schon im 5 . Jh. eine mehr oder minder entwickelte Notenschrift; in unseren Hand schriften, die auf Leseausgaben zurückgehen, sind die Zeichen, die über dem Text die Tonhöhe der einzelnen Silben angaben,
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I Das griechische Theater
a ber nicht mitüberliefert, und die wenigen Papyrusfragmente dramatischer Texte mit musikalischer Notation sind so klein, daß sie kaum mehr als Melodiefetzen bieten (Abb. 2 8 ) . Zudem ist keiner der Papyri ä lter als aus der Mitte des 3 . ]h . , so daß wir nicht einmal ganz sicher entscheiden können, o b es sich um die Originalmusik handelt oder um Musik, die für eine Wiederaufführung neu komponiert worden ist. Immerhin ist, da die antike Metrik quantitativ ist, d. h., auf dem regelmäßi gen Wechsel von langen und k urzen Silben beruht, in der me trischen Form der Lieder der Rhythmus der Melodien enthal ten und damit ein basales Element der Musik bewahrt. Es ist der Klang, der uns weitgehend verschlossen ist. Wie im Falle der Choreographie sind darüber nur ganz allgemeine Aussa gen zu machen : Die griechische Musik kannte nicht nur ganze und halbe Ton schritte, sondern auch kleinere Intervalle, und sie besaß nicht nur zwei Tongeschlechter wie die klassische westliche Musik, sondern eine ganze Reihe von harmoniai (Fügungen), die nicht, wie Dur und Moll, nach ihrer Klangqualität ( hart und weich ) und auch nicht, wie die Bluestonleiter, nach der Gattung, in der sie verwendet wurden, benannt waren, sondern nach den Land schaften bzw. Stämmen, in denen sie entstanden bzw. für die sie typisch waren. Dorisch, Phrygisch, Lydisch, Mixolydisch u . a. unterschieden sich dabei nicht nur wie Dur und Moll oder auch die Bluestonleiter durch eine j eweils andere Reihenfolge größe rer und kleinerer Intervalle voneinander, sondern auch durch Rhythmus, Tonlage und Melodieumfang sowie durch für sie typische melodische Phrasen. In den antiken Charakterisierun gen der Harmonien verbinden sich ästhetische, ethische und emotionale Aspekte und Wertungen. So galt z. B. Dorisch all gemein als <ernst und feierlich>, aber auch als <männlich und straff,, Lydisch und Ionisch dagegen als <schlaff und weich>, Mixolydisch als und Phrygisch als , aber auch <erregend> . Entsprechend wurden sie in unterschiedlichen Kontexten mit verschiedenen Wirkungsabsichten eingesetzt. Die Tragödie verwendete in erster Linie die erhabene dorische und die mitleiderregende mixolydische Harmonie, konnte aber
Inszenierung
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j e nach Thema und Stimmung der Lieder auch auf andere zu rückgreifen. In den letzten Jahrzehnten des 5. Jh. entwickelte sich eine Musik, die nicht nur neue Intervalle und Harmonien, sondern auch Erweiterungen, Modulationen und Kombinationen der al ten Harmonien erfand und rhythmisch immer komplexere Strukturen schuf. Diese Entwicklung ist mit der Erfindung eines Aulos verbunden, auf dem verschiedene Harmoniai gespielt werden konnten, so daß der Aulet nun ohne Wechsel der Flöte direkt von einem Tongeschlecht in das andere übergehen konnte. Die wohl im Kontext der Dithyrambenwettbewerbe entstandene sogenannte neue Musik, die von konservativen Kri tikern wie Platon scharf angegriffen worden ist, blieb nicht ohne Einfluß auf die Theatermusik, die lange Zeit dienenden Charak ter hatte. Sie war dem Wort klar untergeordnet und diente pri mär der Begleitung und Verstärkung der menschlichen Stimme. Aristoteles' Feststellung, daß der Aulos sich besser für die Be gleitung eigne als die Lyra, weil Aulos und Stimme beide Blas instrumente seien und nicht nur ihr Klang besser verschmelze, sondern der Aulos auch die Fehler des Sängers besser kaschiere, zeigt, daß der Aulosspieler dieselbe Melodie spielte, die der Chor bzw. die Solisten sangen. Mit der neuen Musik trat dann die Musik gleichberechtigt neben das Wort. Vor allem Agathon und Euripides sollen reichlich mit den neuen Möglichkeiten ex perimentiert haben. Die nicht mehr strophisch gegliederten, polymetrischen Chorlieder der späten Euripideischen Tragödie lassen uns ahnen, welchen grundlegenden Wandel das bedeutet haben muß.
II
DAS R Ö M ISCHE THEA TER
Rep u b l i k
I. Entste h u ng u n d E n t wicklung des rö mischen Th eate rs
Die Geschichte des römischen Theaters als Institution beginnt 240 v. Chr. In diesem Jahr erhält L. Livius Andronkus, ein wahr scheinlich aus Tarent stammender Grieche, den Auftrag, für die Ludi R omani, das älteste und wichtigste Staatsfest Roms zu Ehren des Jupiter Optimus Maximus, ein Stück zu produzieren. Daß Livius Andronicus, wie Cicero betont (Brutus I 8. 7 2 ) , << als erster [in Rom] ein Stück aufgeführt hat » , bedeutet nicht etwa, daß den Römern das Theater zu diesem Zeitpunkt noch völlig fremd gewesen ist. Die politischen, wirtschaftlichen und kultu rellen Kontakte Roms zu den Griechen, die seit ca. 7 5 0 v. Chr. in Unteritalien und Sizilien, der sogenannten Magna Graecia, siedelten, waren so alt wie die Stadt selbst, und im Zuge der erst diplomatischen und dann militärischen römischen Expansion nach Süden hatten immer mehr Römer seit der Mitte des 4 · Jh. Gelegenheit, die griechische Kultur im Süden Italiens kennenzu lernen, in der das Theater, wie überall in der griechischen Welt, von fundamentaler Bedeutung war. Gespielt wurden dort zu dieser Zeit offenbar Stücke, die ursprünglich für die Theater feste in Athen geschrieben worden waren und nach der Urauf führung im Dionysostheater auf Tou rnee gingen oder von ein heimischen Schauspieltruppen übernommen wurden. Daneben gab es aber auch populäre Kleinformen komischen: Spiels, über die wir, da sie weitgehend improvisiert wurden, nur sehr schlecht informiert sind: die sogenannte Phlyakenposse und den Mimos. Während die Phlyakenposse, die die dorischen Griechen aus der
Entstehung und Entwicklung
Heimat mitgebracht hatten, auf die Magna Graecia beschränkt blieb, wurde der Mirnos (S. u S -12 1 ) früh von den Römern ü bernommen und gewann immer mehr an Popularität. Theater wurde im Süden von Rom aber nicht nur in den grie chischen Städten gespielt, sondern auch im oskischen Teil Kam paniens. Hier entwickelte sich früh eine eigene Form des volks tümlichen komischen Stegreifspiels, die nach dem zwischen Capua und Neapel gelegenen Städtchen Atella (fabula) A tellana genannt wurde. Die anspruchslose komische Kleinform arbei tete mit festen Figuren, den sogenannten personae Oscae ( oski schen Masken) . Die vier wichtigsten - wenn nicht sogar einzi gen - waren Maccus, ein clownesker Tölpel; Bucco (von bucca, die Backe) , ein pausbäckiger Hanswurst oder vielleicht auch Maulheld, Dossenus, ein cleverer, gefräßiger Parasit, der, wenn die Ableitung des Namens von dorsum ( Rücken) richtig ist, wohl bucklig war, und Pappus, der einfältige Alte. Die Figuren teilen manche Eigenschaft miteinander, vor allem Gefräßigkeit, Trunksucht und Geilheit ( alle), aber auch Tölpelhaftigkeit (Mac cus und Pappus ) . Die Stücke waren kurz, mit schnellen Szenenfolgen und über raschenden Verwicklungen; charakteristisch waren ferner Mas keraden, wilde Clownerien und derbe O bszönitäten. Die Sze nen wurden offenbar lange Zeit, wie im Mirnos und in der Phlyakenposse, improvisiert. Festgelegt wurde lediglich ein Handlungsgerüst ( Personenkonstellation, Stoff und zentrale Situationen) . Erst zu Beginn des 1 . ]h. v. Chr. entstand eine lite rarische A tellana. Die Stücke der beiden populärsten Autoren, L. Pomponius und Novius, sind leider verloren. Aus den spär lichen Fragmenten und aus den erhaltenen Titeln lassen sich im merhin Stoffe erschließen, die wahrscheinlich auch für die frühe A tellana charakteristisch waren. Die Titel bestehen oft aus einer der typischen Figuren und einem Attribut, das die dramatische Grundsituation des Spiels evoziert: Maccus als Verba n nter; Bucco als Adaptivsohn oder Bucco als Gladiator; Die zwei Dosseni; Pappus als Bauer oder Die Braut des Pappus. Präsen tiert wurden offenbar alltägliche Lebenssituationen und Pro bleme einfacher Leute: Hochzeit und Mitgift, Ehe und Ehe-
Il Das römische Theater - Republik
bruch, Krankheit und Tod, Adoption und Erbschaft sowie die tägliche Arbeit als Bauer oder Handwerker. Daneben gab es a ber, jedenfalls in der literarischen Atellana, auch Götterburles ken und Mythenparodien. Die Atellana kam schon früh nach Rom und blieb bis in die Kaiserzeit populär. Der Einfluß, den die Etrusker im Norden Roms auf die Ent stehung des römischen Dramas und Theaters gehabt haben, sollte dagegen nicht überschätzt werden. Livius ( 5 9 v. Chr: - 1 7 n . Chr. ) berichtet i m 7· Buch seiner Römischen Geschichte, daß die Römer im Jahre 3 64 , um die Götter anläßlich einer hart näckigen Seuche gnädig zu stimmen, etruskische Tänzer her beigeholt hätten ( Livius 7 , 2 ) . Die Formulierungen des Histo rikers lassen aber keinen Zweifel daran, daß es sich bei der der etruskischen Tänzer nicht um dramatisches Spiel gehandelt hat, sondern um einen Kulttanz, und daß Li vius keinen Hinweis auf ein etruskisches Drama hatte . In der Tat zeigen etruskische Wandmalereien Aulosspieler und andere Musikanten, Tänzer und den maskierten Totendämon Phersu, von dem das lateinische Wort für Maske, persona, abgeleitet sein dürfte. Szenen dramatischen Spiels fehlen j edoch völlig, und die zahlreichen Terrakottastatuetten und -masken oder auch die griechischen Vasen mit möglicherweise vom Theater beeinflußten Szenen, die in etruskischen Gräbern gefunden worden sind, beweisen nur die Kenntnis des griechischen Thea ters, nicht aber einen eigenen Theaterbetrieb mit einem eigenen Drama. Von größerem Gewicht für die Vorgeschichte des römischen Theaters ist Livius' Hinweis auf eine genuin römisch-italische Wurzel dramatisch-mimetischen Spiels. Die römische Jugend so der Historiker - habe begonnen, die etruskischen Tänzer nachzuahmen, die Tänze aber durch improvisierte komische Dialoge erweitert, die sogenannten (versus) Fescennini. Als di rekten Vorläufer des römischen Dramas können die einfachen nicht gelten; als eine Keimzelle dramatischen Spiels kann man das dialogische Hin und Her j edoch durchaus betrachten, zumal die derben Witze und deftigen Obszönitäten, wie Livius betont, auch mimetisch umgesetzt wurden.
Der Theaterbetrieb
Das Jahr 240 mit der ersten staatlich organisierten Auffüh rung eines Theaterstücks war also nur der offizielle Beginn des römischen Theaters. Die Römer waren seit langem mit vielfälti gen literarischen und subliterarischen Formen dramatischen Spiels vertraut. 2. Der Th e a terbetrieb
a) Die Feste und ihr Theaterprogramm Leider erfahren wir nicht, ob Livius Andronfcus eine Tragödie oder eine Komödie ausgewählt hat. Fest steht j edoch, daß die Aufführung ein Erfolg war. In schneller Folge wurden immer neue Feste ( Iudi) eingerichtet, zu deren Programm durchweg auch Theateraufführungen gehörten. Wie der folgende Ü ber blick zeigt, wurde, anders als im klassischen Griechenland, nicht im Kontext des Dionysoskults, sondern zu Ehren vieler ver schiedener Götter Theater gespielt: r. Die Ludi Romani für den höchsten der römischen Götter, Jupiter Optimus Maximus Capitolinus, waren das älteste der Staatsfeste. Das Programm des im September gefeierten Festes umfaßte anfangs nur Ludi circenses (Wagen- und Pferderennen sowie Gladiatorenkämpfe ) . 3 64 kamen Iudi scaenici (Bühnen spiele) hinzu, die allerdings zunächst nur aus rituellen Tänzen und subliterarischen bestanden; mit dem Jahr 240 begannen die Aufführungen von Bearbeitungen griechi scher Tragödien und Komödien, für die seit 2 1 4 vier Tage vor gesehen waren. 2. Die 220 eingerichteten Ludi Piebei waren ebenfalls dem Jupiter Optimus Maximus geweiht und wurden im November gefeiert. Spätestens seit 200 (Aufführung des Plautinischen Sti chus) gab es an dem Fest auch Theateraufführungen, für die mindestens drei Tage reserviert waren . 3 · Die Ludi Apo/tinares wurden 2 1 2 eingerichtet. Das Fest für den Gott der Musik und Dichtung erhielt natürlich sofort auch Ludi scaenici, die mindestens zwei, wahrscheinlich sogar sieben Tage dauerten. ·
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Das römische Theater - Republik
4· Mit den Ludi MegaZenses ehrten die Römer seit 204 die kurz zuvor aus Kleinasien nach Rom eingeführte Göttin Kybele. Für die Einführung von Iudi scaenici finden sich bei Livius wi dersprüchliche Angaben. Fest steht, daß im Jahre 1 9 1 anläßlich der Einweihung des Tempels der Mater deum magna Idaea (der großen Göttermutter vom Ida ) , wie sie in Rom offiziell hieß, der Pseudolus des Plautus aufgeführt worden ist. Die Schlußverse des Stücks beweisen, daß mehr als ein Tag für Theaterauffüh rungen reserviert war ( 1 3 3 5 f. ) . Auch vier der sechs Stücke des Terenz s�nd an diesem Fest aufgeführt worden . 5 . Die Ludi Ceriales für Ceres, das römische Pendant der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, sowie für Liber und Libera, die später mit Dionysos und Persephone gleichgesetzt worden sind, wurden seit etwa 2 20 ebenfalls im April gefeiert. Ludi scaenici sind erst für die Augusteische Zeit sicher bezeugt, dürften aber bereits während der Republik Teil des Festpro gramms gewesen sem. 6 . Die Ludi Florales, das im Jahre 2 3 8 an läßlich einer schwe ren Dürre eingerichtete Fest, erhielten erst 1 7 3 Iudi scaenici. Diese bestanden aber offenbar nur a us der Aufführung von Mimen; Tragödien und Komödien sind nicht bezeugt. Während die Theaterfeste im klassischen Griechenland alle im Winter und Frühj ahr lagen (S. 1 6-2o ) , fanden die römischen Ludi in den acht Monaten von April bis November statt. Die Zahl der Tage, die in der großen Zeit des republikani schen Dramas (von 240 bis zum Anfang des r . Jh. v. Chr. ) pro Jahr für die Aufführungen zur Verfügung standen, läßt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Das liegt nicht nur daran, daß wir für diese Zeit keine vollständigen Angaben über die Zahl der Auf führungstage an den einzelnen Festen besitzen. Zwei weitere Gründe kommen erschwerend hinzu: Erstens gab es neben den regelmäßigen Staatsfesten ( Iudi sollemnes) auch außerordent liche Spiele (munera), die aus besonderen Anlässen vom Staat oder von Privatpersonen organisiert wurden und Theaterauf führungen einschließen konnten: Iudi votivi zur Einlösung von Gelübden oder zur Einweihung von bedeutenden öffentlichen Bauten oder von Tempeln, Iudi triumphales als krönender Ab-
Der Theaterbetrieb
schluß eines Triumphzuges, mit dem Heerführer für große mili tärische Erfolge gefeiert wurden, und Iudi funebres zu Ehren ei nes großen Toten. So sind zum Beispiel zwei der sechs Stücke des Terenz im Jahre I 6o an den Leichenspielen für Aemilius Paullus aufgeführt worden, dem für seinen entscheidenden Sieg über die Makedonen im Jahre I 6 8 der Ehrentitel Macedonicus verliehen worden war. Und zweitens wird die Berechnung der tatsäch lichen Zahl der Theateraufführungen in dieser Zeit auch da durch erschwert, daß die Götterfeste - und damit auch die Iudi scaenici - oft wiederholt wurden. Eine Wiederholung ( instaura tio) eines Teils oder des ganzen Fests wurde dann erforderlich, wenn etwas geschah, was den rituell festgelegten Ablauf des Fe stes störte und so den Gott, zu dessen Ehren das Fest veranstaltet wurde, erzürnen konnte. Die Zahl der bezeugten Wiederholun gen ist erstaunlich hoch. In den fünfzehn Jahren von 2 I 4 bis 200 wurden die Ludi Romani nicht weniger als elfmal, die Ludi Pie bei neunmal wiederholt, in manchen dieser Jahre mehrfach, in zwei Fällen gleich siebenmaL So regelmäßige Wiederholungen lassen sich kaum mit ständigen versehentlichen Verstößen gegen die rituellen Vorschriften erklären. Es liegt nahe, daß die Instau rationes absichtlich herbeigeführt worden sind, und es ist denk bar, daß unter anderem der große Erfolg eines Theaterstücks der Anlaß dafür sein konnte. Das könnte beispielsweise für den Miles Gloriosus des Plautus gelten, wenn dieser tatsächlich, wie man vermutet hat, im Jahr 205 aufgefu hrt worden ist, für das die siebenmalige Wiederholung der Ludi Piebei bezeugt ist. Es bleiben also viele Unsicherheiten. Man wird aber davon ausgehen dürfen, daß die Zahl der Theateraufführungen vom Ende des 3 . Jh. bis zur Mitte des 2. Jh. kontinuierlich angewach sen ist und daß in der Blütezeit des republikanischen Dramas zwischen 20 und 30 Tage für die Aufführungen zur Verfügung standen. Das sind deutlich mehr als im Athen des 5 . Jh., selbst wenn man die Aufführungen in den ländlichen Gemeinde n Atti kas hinzuzählt. Am End e der Republik gab es bereits an ca. 50 Tagen im Jahr Iudi scaenici. Angesichts der großen Zahl der Aufführungen verwundert es nicht, daß auch die Zahl der Dra matiker, die mit ihren Stücken den wachsenden Bedarf befrie-
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digten, bemerkenswert ist und daß die Autoren sich offensicht lich schon bald spezialisieren konnten. Für Livius Andronicus, Naevius (um 2 8 5-20 1 ) und Ennius ( 23 9- 1 6 9 ) sind noch Tragö dien und Komödien bezeugt, wenn ihre Vorliebe für eine der beiden Gattungen auch deutlich ist; Plautus (um 2 5 0-1 8 4 ) und Terenz (um 1 90-1 5 9 ) haben dagegen nur noch Komödien ge schrieben, Pacuvius ( 220-um 1 3 0 ) und Accius (um 1 70-nach 9 0 ) nur Tragödien. Der größte Teil der aufgeführten Tragödien und Komödien waren mehr oder weniger freie Ü bersetzungen bzw. Bearbeitun gen griechischer Stücke. Daneben entwickelten sich aber schnell auch spezifisch römische Formen. So produzierte bereits Nae vius, ein Zeitgenosse des Livius Andronicus, neben Komödien nicht nur Tragödien, sondern auch ernste Stücke ü ber Romulus und Remus und über einen großen Sieg des Kon suls M. Claudius Marcellus über die Kelten im Jahre 222 v. Chr.; und auch in der Komödie traten schon bald neben die Bearbei tung griechischer Originale auch Stücke, die sich in Struktur, Stoffen und Personal an der griechischen Komödie orientierten, aber Geschichten aus dem römisch-italischen Alltag erzählten. Die spätere römische Literaturgeschichtsschreibung unterschied die je zwei Typen von Tragödie und Komödie durch Adjektive, die von einem signifikanten Teil des j eweiligen Kostüms abgelei tet sind: Da die Personen in Bearbeitungen griechischer Komö dien griechische Kleidung trugen, wurden diese Stücke nach dem pallium, einer typisch griechischen Form des Obergewands, (fabula) Palliata genannt; die einheimische Komödie hieß dage gen nach der römischen Toga (fabula) Togata. Das ernste Schau spiel mit römischen Stoffen erhielt seinen Namen (fabula) Prae texta (oder auch Praetextata) von der toga praetexta, der mit einem Purpurstreifen gesäumten Toga, die von hohen Amtsträ gern getragen wurde; die Adaptation griechischer Tragödien wird in den Quellen meistens einfach als tragoedia bezeichnet. Nebe.n Tragödien und Komödien wurden im Rahmen der Fe ste auch die improvisierten Kleinformen komischen Spiels prä sentiert. So verwendeten die Römer die A tellana (S. 8 3 f. ) an Stelle des Satyrspiels, das in Rom keine Aufnahme fand, als ko-
Der Theaterbetrieb
misches Nachspiel (ex6dium) nach Tragödien, und die Beliebt heit der oskischen Posse wird auch dadurch signalisiert, daß sie zu Beginn des r . Jh. v. Chr. literarisch wurde. Mimenaufführun gen sind nur für die Ludi Florales bezeugt, dürften aber auch an anderen Festen Teil des Programms gewesen sein. Erhalten sind von der reichen dramatischen Produktion der republikanischen Zeit lediglich 26 Palliatae ( zwanzig von Plautus und alle sechs des Terenz ) . Die Tragödie ist - von spärlichen Resten abge sehen - ebenso vollständig verlorengegangen wie A tellana und Mimus. Anders als in Griechenland waren Theateraufführungen Teil eines bunten Festprogramms, das neben Iudi scaenici auch Wa gen- und Pferderennen, Box- und Gladiatorenkämpfe, Tierhet zen, Seiltänzer und Gaukler sowie allerlei musikalische Vorfüh rungen bieten konnte. So mußten sich die Stücke nicht in einem dramatischen Wettbewerb gegen andere Stücke behaupten, son dern konkurrierten mit ganz anderen Formen der Unterhaltung um die Gunst der Zuschauer ( S . 9 4 ) .
b) Die Organisation und Finanzierung Ü ber die Organisation der Iudi scaenici sind wir nur ganz unzu reichend informiert. Sicher ist, daß der Staat für die Festspiele insgesamt eine gewisse Summe zur Verfügung stellte. Für die Er stellung der lange Zeit temporären Theater und die Gestaltung des Festprogramms waren Beamte zuständig, die die staatliche Grundausstattung aus eigenen Mitteln beliebig erweitern konn ten und das offenbar in zunehmendem Maße auch getan haben. Diese Co-Finanzierung aufwendiger Spiele gilt allgemein als wichtiger Faktor für eine erfolgreiche politische Karriere im antiken Rom. Es ist aber auch darauf hingewiesen worden, daß sich ein statistisch relevanter Zusammenhang zwischen p riva tem Aufwand für Feste und politischer Karriere aus den Quellen nicht sichern läßt. Eine Garantie war der Einsatz privaten Ver mögens also nicht; er dürfte aber, wie die Ü bernahme des Cho regen-Amts in Athen ( S . 2 I f. ) , erwartet worden sein und den gesellschaftlichen Status des Beamten erhöht haben.
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Der für das Fest verantwortliche Beamte schloß einen Vertrag mit dem Leiter einer der Schauspieltruppen, die sich offenbar nach der Institutionalisierung des Theaters mit der wachsenden Zahl von Aufführungen schnell bildeten. Dieser kaufte die Stücke von den Autoren und produzierte sie. Da die meisten Fe ste bereits im April, nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt der Beamten am I 5 . März, stattfanden, muß man, wenn man nicht extrem kurze Probezeiten annehmen will, davon ausge hen, daß die Leiter der Theatergruppen die Stücke auf Vorrat einkauften und einstudierten.
3. Th eaterbauten
Das erste Steintheater wird in Rom erst im Jahre 5 5 eingeweiht (S. I o 6 f. ) . Während der Blütezeit des republikanischen Theaters wurden die Stücke in Theatern gespielt, die, wie in den ersten I 50 Jahren des griechischen Theaters, in j edem Jahr neu errich tet wurden. Da die Feste, in deren Rahmen Theateraufführun gen stattfanden, zu Ehren vieler verschiedener Götter gefeiert wurden, wurden auch die Theater an verschiedenen Orten der Stadt aufgebaut. Die Ludi R omani, zu denen von Anfang an Iudi circenses gehört hatten, wurden im Circus Maximus gefeiert, die Ludi Piebei im Circus Flaminius auf dem Marsfeld; daß die Iudi scaenici der beiden Feste wie die Wagen- und Pferderennen in den riesigen Zirkusanlagen aufgeführt wurden, ist nicht be zeugt; denkbar ist auch, daß sie auf dem Forum Romanum stattfanden. Die Spiele für Apollo und die anderen Götter wur den im unmittelbaren Kontext ihrer Heiligtümer gefeiert. Livius bezeugt für die Jahre I 79 (40. 5 f ) und I 74 (4 1 . 27 ) die öffentliche Ausschreibung von Theaterbauten. Während es sich in diesen Fällen um temporäre Bauten gehandelt haben dürfte, die deswegen von dem Historiker erwähnt werden, weil sie be sonders aufwendig waren, hatte die für das Jahr I 54 bezeugte Ausschreibung eines Theaters sehr wahrscheinlich die Errich tung einer permanenten Spielstätte zum Ziel. Livius berichtet, daß der Senat den bereits begonnenen Bau abreißen und das Bau-
Theaterbauten
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material versteigern ließ ( Livius, Epitom J 4 8 ) , und spätere Quellen fügen hinzu, daß der Senat außerdem beschloß, daß in Zukunft niemand in der Stadt und in ihrer näheren Umgebung Sitzbänke für Theateraufführungen bereitstellen dürfe. Als Ar gument für die spektakuläre Entscheidung des Senats, ein, wie der griechische Historiker Appian (BC 2. 1 . 2 8 ) weiß, fast fertiges Theater wieder abzureißen, wird die drohende Gefährdung der öffentlichen Moral genannt. Dieser Vorwurf, der dem Theater seit Platon (Staat, Buch 3 und ro) immer wieder gemacht wor den ist, ist durchaus plausibel. Es ist aber auch die Auffassung vertreten worden, daß die Verhinderung fester Theaterbauten mit Widerständen gegen die wachsende Hellenisierung der römi schen Kultur oder auch damit zu tun haben könnte, daß die Ari stokratie die Kontrolle über den Theaterbetrieb behalten wollte. Für die Konstruktion der temporären Theater, in denen die Komödien von Plautus und Terenz sowie die Tragödien der drei großen Tragiker Ennius, Pacuvius und Accius aufgeführt wor den sind, gibt es so gut wie keine archäologischen oder literari schen Anhaltspunkte. Zwei Formen des Theaters standen den Römern als Modelle vor Augen, an denen sie sich orientieren konnten: die zahlreichen, voll entwickelten permanenten, grie chischen Theater in Sizilien und Unteritalien und die sogenannte Phlyakenbühne, die auf vielen der ca. 2 5 0 erhaltenen Vasen mit Komödienszenen zu sehen ist (Abb. 21 und 29 ) . Gespielt wird auf einer von Balken getragenen, niedrigen Plattform aus Holz. Die Räume zwischen den Balken sind auf den Bildern oft mit geschmückten Tüchern zugehängt. Den Hin tergrund bildet eine glatte Wand (mit oder ohne Fenster) . O b diese d i e Stirnseite eines hölzernen Bühnenhauses darstellt oder lediglich eine einfache Rückwand aus Holz oder Stoff wieder gibt, muß offenbleiben. Wandernde Truppen dürften die einfa chere Form bevorzugt haben, die leicht zu transportieren war · und sich schnell auf- und abbauen ließ. Die Schauspieler konn ten die Bühne entweder von hinten durch eine oder mehrere Tü ren betreten oder von vorn über eine kleine Treppe erreichen. Es ist wahrscheinlich, daß die frühen temporären Bauten in Rom große stabile Versionen dieser einfachen Phlyakenbühne
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li Das römische Theater - Republik
Abb. 29: Die soge . nan nte Phlyake n bühne. Sze n e aus e i n e r Komödie oder Posse: Geburt der Helena aus dem E i . A p u l i s c h e r G l ocken krater, um 370, Bari, N ational m u s e u m 3 89
gewesen sind, die den Römern seit langer Zeit nicht nur aus Un teritalien, sondern wohl auch durch wandernder Schauspieltruppen bekannt war. Plautus und Terenz können auf solch einer Bühne aufgeführt werden. Die meisten ihrer Komö dien spielen in der Stadt, auf einer Straße (via ) vor ein bis drei Häusern oder auch Häusern und einem Tempel; nur der Plauti nische Rudens spielt am Meer, aber auch hier gibt es ein Land haus und einen Tempel. Es ist denkbar, aber nicht so sicher, wie oft behauptet wird, daß vor den drei Türen ( oder vor einer der drei Türen ) , die ins Innere der Häuser bzw. Tempel führen, kleine verandaartige Vorbauten (vestibula ) standen. Hinter den Häusern verläuft, parallel zum Schauplatz des Spiels, eine ima ginäre Gasse (angiportum ) , durch die Personen, ohne von ande ren Personen - und von den Zuschauern - gesehen zu werden, ihr Haus verlassen und auch wieder in das Haus zurückkehren können. Auf- und Abtritte sind nur durch die Türen im Bühnen gebäude und von den beiden Seiten möglich. In den meisten der 26 erhaltenen Stücke liegt das Zentrum der Stadt mit de � Marktplatz offenbar rechts vom Zuschauer, während es links zum Hafen ( und in die Fremde) oder auf das Land geht. Aus nahmen zeigen aber, daß diese Zuordnung der hinterszenischen Räume nicht zwingend war.
Die Zuschauer
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Da die temporären Bühnen an ganz verschiedenen Stellen der Stadt aufgebaut wurden, unterschieden sich die Auditoria in Form und Größe beträchtlich voneinander. In der Regel wurden für die Zuschauer hölzerne Bänke oder Tribünen aufgestellt, die bis dicht an die niedrige Bühne heranreichen konnten, da vor der Bühne nicht mehr, wie früher in der Orch estra, gespielt wurde. Dort, wo es möglich war, sind wahrscheinlich auch die natürlichen Gegebenheiten des Ortes, wie Abhänge oder Trep pen, benutzt worden: Das Fest der Magna Mater Kybele wurde vor ihrem Tempel auf dem Palatin gefeiert. Der dort zur Verfü gung stehende Platz ist j edoch, wie die Ausgrabungen gezeigt haben, recht klein für den Aufbau eines kompletten Theaters mit Bühne und Auditorium. Es ist daher anzunehmen, daß die Zuschauer ( auch) auf den Stufen der beiden Treppen saßen, die zum Tempel hinaufführten.
4 . Die Zus c h a u e r
Der Eintritt zu den Theateraufführungen war frei. Detaillierte Regelungen, wer wo sitzen durfte, gab es während der Republik noch nicht. Nur für Senatoren wurden am Anfang des 2 . Jh. Plätze reserviert. Die Einführung dieses Privilegs im Jahre 1 9 4 löste einen Sturm der Entrüstung aus, so d a ß erst i m Jahre 67 v. Chr. , in einem zweiten Schritt, auch den Angehörigen des Rit terstands I4 eigene Reihen, direkt hinter den Senatoren, zuge standen wurden. Frühes Kommen sicherte die besten Plätze. <<Wer zu lange geschlafen hat » , heißt es in einem Prolog des Plautus, << der mag nun, ohne zu meckern, stehen oder in Zu kunft wen i ger schlafen » ( Poenulus 21 f. ) . Stehen mußten auch die Sklaven, jedenfalls solange nicht alle Freien einen Platz ge funden hatten. Die bunte Menge aus Männern und Frauen j eden Alte r s und j eden Standes war ein unruhiges Publikum. Die Prologe der Stücke beginnen oder enden häufig mit einem Appell, aufmerk sam zuzuschauen und zuzuhören. Außerdem wurden Herolde eingesetzt, die mit lauter Stimme den Beginn des Spiels verkünde-
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Das römische Theater - Republik
ten (Asinaria 4, Poenulus I I ) . Plakate und Programme gab es nicht, so daß die meisten Zuschauer, wenn sie ins Theater ka men, nicht wußten, was sie erwartete. In der Regel bieten die Au toren im Prolog deshalb die wichtigsten Informationen, wie den Titel des Stücks, den Autor der griechischen Vorlage, eine mehr oder minder detaillierte Inhaltsangabe und vereinzelt auch Er klärungen zur Art des Stücks. Aber auch, wenn es gelungen war, das Interesse des Publikums zu gewinnen, konnte der Autor nicht sicher sein, daß es ihm treu blieb. Wir besitzen zwei Prologe zur Hecyra des Terenz, die zeigen, daß es den Schauspielern bei zwei früheren Gelegenheiten nicht gelungen war, das Stück zu Ende zu spielen, bevor sie es nun zum dritten Mal versuchten. Beim ersten Mal waren Boxer und Seiltänzer attraktiver; beim zweiten Mal sorgte das Gerücht, daß gleich Gladiatoren auftreten würden, für so ein Geschrei und Gerangel um die besten Plätze, daß die Aufführung der Komödie abgebrochen werden mußte. Die beiden Prologe sind aber nicht nur interessant, weil sie ein lebendiges Bild des römischen Publikums dieser Zeit bieten und deutlich machen, daß Terenz weniger populär war als Plau tus, für den kein v ergleichbarer Zwischenfall bezeugt ist. Der farbige Bericht ist auch ein wichtiges Zeugnis dafür, daß bei den römischen Festen nicht nur an verschiedenen Tagen, sondern an ein und demselben Tag, wie auf heutigen Volksfesten, sowohl nacheinander als auch nebeneinander ganz verschiedene For men der Unterhaltung angeboten wurden, mit denen die Thea teraufführungen konkurrierten. Zu diesen dürften neben den genannten Attraktionen auch musikalische Darbietungen und Tänze, aber auch die volkstümlichen Kleinformen des komi schen Spiels Atellana und Mimus gehört haben. Die griechischen Vorlagen der römischen Komödien waren durchweg in Akte gegliedert, die durch nicht unmittelbar zum Stück gehörende Lieder und Tänze oder woh l auch Instrumen talmusik voneinander getrennt waren. In den Bearbeitungen fehlen diese Intermezzi. Es liegt nahe anzunehmen, daß die rö mischen Komödienschreiber die Pausen deswegen beseitigt und durch kurze Monologe oder Dialoge ersetzt haben, weil sie fürchteten, sonst ihre Zuschauer zu verlieren.
Die Akteure
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Allerdings sollte das römische Publi k um auch nicht unter schätzt werden. Die Bearbeitungen der anspruchsvollen griechi schen Tragödien und Komödien fanden genauso ihre Zuschauer wie die populären Possen und Mimenaufführungen. Zu beson deren Anlässen wurden griechische Stücke sogar in der Origi n alsprache aufgeführt, und offenbar gab es schon bald so viele Theaterfreunde und -kenner, daß Plautus und Terenz damit rechnen konnten, daß ihr Spiel mit den Konventionen der Ty penkomödie zumindest von einem Teil des Publikums verstan den und geschätzt wurde. Ü ber die Zahl der Zuschauer läßt sich keine sichere Aussage machen. Sie wird bei den verschiedenen Spielen an den verschie denen Orten stark variiert haben und sicher auch davon abhängig gewesen sein, welchen Aufwand der zuständige Beamte bei <sei nen> Spielen zu treiben bereit war. Im Circus Maximus oder auf dem Forum stand erheblich mehr Raum zur Verfügung als vor den Tempeln der Festgötter. Für die Ludi Megalenses hat man auf Grund des archäologischen Befunds ca. I 5 00 Zuschauer errech net; an anderen Orten mögen es deutlich mehr gewesen sein. Die Zuschauerzahlen, die in den größten griechischen Theatern Platz fanden, dürften im republikanischen Rom aber nicht erreicht worden sein. 5. Die A kteure
a) Autoren Die Autoren spielten eine deutlich geringere Rolle im Theater betrieb als im Athen des 5 . ]h. v. Chr. Livius ( 7 . 2 ) schreibt, daß Livius Andronlcus auch selber als Schauspieler agiert habe, und fügt hinzu: « wie damals alle >> . Er mag an Naevius, den Zeitge nossen des Livius Andronlcus, gedacht haben, der aus dem os kischen Capua, der Heimat der A tellana, stammte. Aber auch Plautus ist ein guter Kandidl\t, da der Name Titus Maccius Plautus offenbar ein Künstlername ist: Maccius verweist auf Maccus, den clownesken Tölpel der A tellana; plautus (bzw. um brisch plotus; Plautus stammte aus dem umbrischen Sarsina )
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Das römische Theater - Republik
heißt << plattfüßig » , und Plattfüße (planipedes ) hießen auch die Darsteller des Mimus, weil sie barfuß spielten. Der Komödien schreiber wollte mit seinem Namen offenbar auf seine Tätigkeit als Volksschauspieler verweisen und wohl auch andeuten, wie viel er den populären volkstümlichen Formen des komischen Spiels verdankte. Von den genannten Fällen abgesehen, waren die Autoren wohl nur Stückeschreiber; an der Inszenierung ihrer Stücke waren sie, wenn überhaupt, nur am Rande beteiligt. ·
b) Produzenten Die Produktion der Stücke lag in den Händen der Leiter von Theatergruppen, den sogenannten Actores, die Manager, Regis seur und erster Schauspieler in einer Person waren. Sie stellten sich ihre Truppe zusammen und finanzierten sie, kauften die Stücke von den Autoren ( und vielleicht auch von anderen Thea tertruppen), verhandelten mit den für die Spiele verantwort lichen Beamten, inszenierten die Stücke und übernahmen die bzw. eine der Hauptrollen. Gab es in Rom nicht genug Arbeit, so gingen sie wohl auch auf Tournee. Aus den Prologen des Te renz wird deutlich, daß es zu langj ährigen Verbindungen zwi schen A ctor und Autor kommen konnte. Im zweiten Prolog der Terenzischen Hecyra erinnert der Actor Ambivius Turpio (Abb. 3 r a ) die Zuschauer daran, daß er schon die Stücke des Caecilius, eines Zeitgenossen des Plautus, durchgesetzt habe und daß er auch Terenz, trotz wiederholter Mißerfolge, zum verdienten Erfolg verhelfen werde. Neben Ambivius sind eine Reihe weiterer Actares namentlich bekannt; und es ist nicht ausgeschlossen, daß auch Plautus Leiter einer Theatertruppe war. Dafür könnte sprechen, daß in seinen Prologen im Unter schied zu denen des Terenz nie von einem Actor die Rede ist.
c) Schauspieler Wie in Griechenland waren die Schauspieler alle männlich; nur im Mimus (S. I I 8-r 2 r ) wurden die Frauenrollen von Frauen gespielt. Ü ber die Größe der Schauspieltruppen (greges, catervae)
D ie A k teure
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besitzen wir keine Zeugnisse. Klar ist, daß das sogenannte Drei schauspielergesetz (S. 3 9 f. ) in Rom nicht galt. Da die Auffüh rungen nicht in der Form von Wettbewerben organisiert waren wie in Griechenland, mußte auch nicht dafür gesorgt werden, daß die Bedingungen für alle Autoren und Schauspieler gleich waren. Im Prinzip hätten die Actares also darauf verzichten können, den Schauspielern mehrere Rollen eines Stücks zu über tragen. Aus finanziellen Gründen dürften sie aber an der grie chischen Praxis festgehalten haben, ohne sie, wie die Stücke zei gen, rigoros zu handhaben. Bei Plautus und Terenz sind immer wieder mehr als drei Personen gleichzeitig auf der Bühne, und dazu kommen nicht selten gleich mehrere Statisten, die entwe der stumm bleiben oder einzelne Sätze sprechen. Alle 26 erhal tenen römischen Komödien können mit vier bis sechs Schau spielern gespielt werden, wenn man davon ausgeht, daß die Sta tistenrollen von Familienangehörigen, Lehrlingen und Helfern übernommen worden sind, die zu j eder Theatertruppe gehört haben müssen. Schauspielschulen gab es nicht; die Ausbildung erfolgte in den Greges oder bei berühmten Schauspielern. Klei nere Greges könnten sich für einzelne Aufführungen auch zu sätzliche Schauspieler gemietet haben . Zahl und Zusammenset zung der Gruppen waren sicher flexibel. Auch wenn es keine offiziellen Schauspielwettbewerbe wie in Griechenland gab, wetteiferten die verschiedenen Schauspieltruppen und ihre Ac tores doch miteinander. Es gibt vereinzelte Hinweise auf die Verleihung von Palmzweigen und Kränzen (Plautus, Poenulus 3 7 ; Terenz, Phormio 1 7 ) . Während die Actares Freie oder Freigelassene waren, waren viele Mitglieder ihrer Greges Sklaven. Freie Römer, die als Schauspieler auftraten, wurden infames, d. h. sie verloren einen Teil ihrer bürgerlichen Rechte. Ob diese Einschränkungen, die mit wechselnden Einzelbestimmungen bis ans Ende des anti ken Theaters galten, gleich zu Beginn festgesetzt worden sin d oder erst nach einiger Zeit, muß offenbleiben. Wie in Griechenland wuchsen auch in Rom mit der zunehmenden Bedeutung des Theaters Bedeutung und Ruhm der Schauspieler. Am Ende der Republik verdienten berühmte Virtuosen wie der mit Cicero be-
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Das römische Theater - Republik
freundete Q. Roscius Gallus oder der Tragöde Clodius Aesopus enorme Summen. Roscius wurde von Sulla sogar in den Ritter stand erhoben. Insgesamt war und blieb die soziale Stellung von Schauspielern in Rom aber deutlich schlechter als in der griechi schen Welt.
d) Tibiaspieler Die tibia war das römische Ä quivalent für den griechischen Aulos. Die Tibiaspieler ( tibicines), die für alle Theaterauffüh rungen gebraucht wurden (S. 1 04 - 1 0 6 ) , gehörten entweder zur Schauspieltruppe oder wurden, wenn die Gruppe keinen eige nen Tibicen besaß, für die j eweilige Aufführung gemietet. Der Tibicen Flaccus, den der Actor Ambivius Turpio bei der Auffüh rung von Komödien des Terenz einsetzte, war der Sklave eines Claudius; der für die Aufführung des Plautinischen Stichus be zeugte Marcipor der Sklave eines Oppius.
e) Weitere Akteure Aus den Stücken lernen wir noch eine Reihe von weiteren Ak teuren des Theaterbetriebs kennen. Von dem Herold (praeco ), der, wie Plautus im Prolog der Asinaria formuliert, « dem Volk Ohren machen soll >> ( 4 ) , war schon die Rede. Er gehörte sicher nicht zu der Theatertruppe, sondern wurde von den für das Fest zuständigen Beamten bestellt und bezahlt. Ebenfalls selbständig war auch der Chorcigus. Das griechische Wort bezeichnet im rö mischen Kontext nicht wie in Griechenland den reichen Bürger, der den größten Teil der Produktionskosten einer Aufführung trägt (S. 21 f. ) , sondern den Kostümverleiher, bei dem neben den Kostümen sicher auch Requisiten ausgeliehen werden konnten. Daß zu seinem Angebot auch der Bau der Bühnen oder die Büh nenausstattung gehörte, ist denkbar, aber nicht sicher. Nicht si cher ist auch, daß die im Prolog des Plautinischen Amphitruo ( 6 5 ) genannten Ordner (conquistores) eine ständige Einrichtung waren; und Platzanweiser (dissignatores) , die im Prolog des Poe nulus erwähnt werden ( 1 9 f. ), können, da es während der Repu blik noch keine strenge Regelung gab, wer wo sitzen durfte,
Die Inszenierzmg
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wohl nur dafür gesorgt haben, daß die Senatoren zu den seit 194 v. Chr. für sie reservierten Sitzen gelangten.
6. Die In szenierung
a) Kostüme und Masken. Die Komödien des Plautus und Terenz spielen wie die von ihnen bearbeiteten Originale in Athen und anderen griechischen Städ ten, und die Personen tragen folglich griechische Alltagsklei dung, die aus tunica und pallium bestand (Abb. 3 0 ) . Die Tunica war ein knöchellanges leinenes oder wollenes Un tergewand, ohne oder - vor allem bei Frauen - auch mit Ä r meln, das über den Kopf gezogen wurde und mit einem Gürtel zusammengehalten werden konnte. Die Tunica konnte das ein zige Kleidungsstück sein; in der Regel trugen die Schauspieler aber, da die Stücke bis auf wenige Szenen im Freien spielten, darüber ein Obergewand: Das Pallium ( bzw. die Pa/la) bestand aus einem Stück Wollstoff, das um den Körper gewickelt und über der Schulter mit einer Fibel zusammengehalten wurde. Für Sklaven, Handwerker und Soldaten, Reisende und Fremde gab es neben dem langen Pallium auch noch einen kurzen Mantel ( chlamys ) . An den Füßen trugen die Personen entweder leichte gebundene Sandalen (soleae) oder Slipper (socci). Das für Männer und Frauen weitgehend identische Kostüm wurde durch individuelle Details wie Schmuck oder Hüte und typische Requisiten, vor allem aber farblieh differenziert. Li stenartige Beschreibungen, die den verschiedenen Typen ver schiedene Farben zuweisen, sind widersprüchlich und stammen aus so später Zeit, daß sie für die Kostüme der Flautinischen und Terenzischen Komödien keine Aussagekraft haben. Auch die Stücke selber helfen in dieser Frage nicht weiter. Die s � ltenen Schilderungen von Personen durch andere Personen beschrei ben nicht, was diese anhaben, sondern bieten physische Details und Hinweise auf die Maske. Auf die Frage eines verliebten Jünglings, wie der Mann, der ihm die Geliebte weggekauft hat,
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II Das römische Theater - Republik
Abb. 3 0 : Kostü m e der re p u b l i kanischen Komödie a) j u nger Mann ( N ationalmuseum Neapel ) ; b) H etäre ( M u s e u m Tarent) ; c) Sklave ( M useum of Fine Arts , Boston)
denn aus�ah, antwortet sein Freund : << Grauhaarig, krummbei nig, mit einem fetten Wanst und dicken Backen, ein kleiner Kerl mit schwarzen Augen, langen Kinnladen und ziemlich breiten Füßen>> ( Plautus, Mercator 6 3 9 f. ) . Darüber, o b die römischen Dramatiker mit den griechischen Stücken nicht nur die Kostüme, sondern auch die Masken über nommen haben, gibt es widersprüchliche antike Zeugnisse, und die Frage ist bis heute nicht endgültig entschieden. Dafür, daß auch im römischen Theater von Anfang an Masken getragen worden sind, spricht, neben einer Reihe anderer Argumente, in erster Linie, daß kein Grund erkennbar ist, aus dem die Römer, denen Masken und Maskentheater ja seit langem bekannt wa ren, bei der Ü bernahme der griechischen Stücke auf die in vieler Hinsicht praktischen Masken hätten verzichten sollen. Es er scheint deswegen bis zum Beweis des Gegenteils sinnvoll davon auszugehen, daß auch in Rom in allen dramatischen Formen Masken getragen wurden; und diese Ansicht setzt sich auch
Die Inszenierung
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mehr u n d mehr durch. D i e einzige Ausnahme stellt d e r Mimus dar, der auch in unseren antiken Quellen als Ausnahme bezeich net wird. In der Enzyklopädie des Pollux ( 2 .]h. n . Chr. ) finden sich Kurzbeschreibungen von nicht weniger als 4 4 Masken der neuen Komödie: 9 alte Männer, I I j unge Männer, 7 Sklaven, 3 alte Frauen und I4 j unge Frauen. Differenzierungsmerkmale sind Haarfarbe (weiß, grau, dunkel), Menge der Haare und Frisur ( dicht, dünn, Glatze, glatt, lockig) , Teint (hell, dunkel) , Augen brauen (normal, eine oder beide hochgezogen) und Gesichtsaus druck (freundlich, unfreundlich, fröhlich, traurig, griesgrämig etc. ) . Die Liste kann nicht eins zu eins auf eine 3 50 Jahre zurück liegende Theaterpraxis übertragen werden, bietet aber, wie die späten Kostümlisten, immerhin ein Modell, wie man sich die Differenzierung der Masken für die republikanische Komödie vorzustellen hat.
Abb. 3 1 : M i niatu ren aus d e m Te renz-Codex Vatican u s Lat i n u s 3868 a) Ambivius Tu rpio. der Leiter einer Theatertruppe, als Prologsprecher b) Masken aller Figuren von Te renz, Adelphen
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II Das römische Theater
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Republik .·. •'" ): 1"1
Abb. 32: M i n iatur aus dem Te renz-Codex Vaticanus Latinus 3868 Szenenbild zu Terenz, A delphen I1 r
Das gilt analog auch für die Illustrationen in mittelalterlichen Terenzhandschriften . Am Anfang j edes der sechs Stücke findet sich eine Zusammenstellung der Masken aller dramatis perso nae in der Reihenfolge ihres Auftretens ( Abb. 3 1 b ) . Vor jeder Szene sind außerdem alle Personen in stilisierten Szenenbildern, die auch die Kostüme zeigen, abgebildet (Abb. 3 2 ) : Die Illustrationen sind zwar aus spätantiken Handschriften übernommen, die, selbst wenn sie ihrerseits auf früheren Quel len fußen, sicher kein genaues Bild der Masken und Kostüme der römischen Komödie bieten; sie vermitteln uns aber doch einen gewissen Eindruck vom Erscheinungsbild der Figuren. Ü ber Masken und Kostüme der anderen dramatischen Gat tungen haben wir nur wenige Informationen. In der Togata, die an römisch-italischen Schauplätzen spielte (S. 8 8 ) , trugen die Personen die einheimische Alltagskleidung. Für die Tragödie waren sicher, wie in der zeitgenössischen griechischen Tragödie, die pathetische Onkosmaske (S. 5 2 ) und der Kothurn, der hohe Plateauschuh (S. 5 3 f. ) , charakteristisch. Daß die Kostüme sich von denen der Komödie deutlich unterschieden haben, ist wahr scheinlich und wird durch eine Bemerkung des Prologsprechers
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der Plautinischen Captivi bestätigt, der ein ernstes Stück ankün digt, die Zuschauer dann a ber beruhigt, daß sie keine Tragödie zu erwarten haben, und erklärt: << Das wäre j a wohl unpassend, wenn wir in diesen Kostümen plötzlich versuchen wollten, eine Tragödie zu spielen . >> ( 6 1 f. ) Ü ber die Art des Unterschieds er fahren wir nichts. Es liegt aber nahe, daß die Kostüme der Tra gödie, passend zu Onkosmaske und Kothurn, prächtiger und kostbarer waren bzw. wirkten. In der Praetexta, dem ernsten Schauspiel mit Stoffen aus der römischen Früh- und Zeitge schichte, trugen die Helden die mit einem Purpurstreifen ge säumte Toga, die hohen Beamten vorbehalten war. Auch über die Ausstattung der volkstümlichen Formen des komischen Spiels wissen wir wenig, können aber wohl davon ausgehen, daß auch in der A tellana und im Mimus Alltagsklei dung getragen wurde. Die Masken der A tellana waren offenbar unrealistischer und grotesker als die der Komödie, und das mag auch für die Kostüme gegolten ha ben .
b) Requisiten und Maschinen Ein wichtiger Teil der Requisiten, die sich aus den Texten sowie aus archäologischen und literarischen Quellen erschließen lassen, könnte auch als Element des Kostüms betrachtet werden. Das gilt nicht nur für Schmuck oder besondere Kopfbedeckungen, sondern auch für stereotyp mit einzelnen Figuren verbundene Utensilien, die den Träger sofort als einen bestimmten Typus definieren: So tragen nur Alte einen Stock; Soldaten haben ein Schwert oder einen Säbel, Köche erscheinen in der Regel mit Töpfen und Pfannen oder auch einmal mit einem Tier, das sie zubereiten wollen. Daneben gibt es aber natürlich a uch Requisiten, die für die Handlung des Stücks von Bedeutung sind: Kästchen oder Kof fer, in denen sich Schmuckstücke oder andere Gegenstä n de be finden, mit deren Hilfe sich die Identität eines ausgesetzten Kin des klärt; der Weinkrug, dem die alte Dienerin des Kupplers im Plautinischen Curculio ein Ständchen darbringt; der Topf mit Goldmünzen, der in der Aulularia des Plautus über allerlei Ver-
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wicklungen zum Happy-End führt, oder auch die Altäre, auf denen Sklaven, wenn ihre Intrigen zu scheitern drohen, Zuflucht suchen, um der Bestrafung durch ihre Herren zu entgehen. Daß es entsprechende Requisiten auch in der vollständig ver lorengegangenen republikanischen Tragödie gegeben hat, ist si cher; und denkbar ist auch, daß die römischen Tragiker zusam men mit den griechischen Stücken die Maschinen (S. 6 3 -69 ) übernommen haben, die für ihre Aufführung unentbehrlich waren: Allerding s sind weder der Kran (Mechan e) zum Einflie gen des deus ex machina noch die Holzplattform (Ekkyklema ) zum Herausrollen von Innenszenen für das römische Theater bezeugt. Daß es, wie im griechischen Theater, auch Vorrichtun gen zum Erzeugen von Blitz und Donner gab, die beim plötz lichen Erscheinen von Göttern eingesetzt wurden, ist dagegen sicher.
c) Musik In den von Plautus und Terenz bearbeiteten griechischen Komö dien waren Musik und Tanz, wenn wir die erhaltenen Texte ver allgemeinern dürfen, weitgehend auf die musikalischen Inter mezzi in den Aktpausen beschränkt. In der römischen Komödie spielten sie dagegen eine zentrale Rolle. Ein großer Teil der Verse wurde von einem Tibiaspieler begleitet. Gesprochen wurde nur der aus sechs iambischen Füßen be stehende Senar, der bei Plautus weniger als 4 0 % aller Verse aus macht. Die iambischen und trochäischen Langverse wurden in einer Art Sprechvers rezitiert (ca. s o % ) , während die aus bunt gemischten lyrischen Versen bestehenden Partien gesungen wur den. In den vollständig erhaltenen Plautinischen Komödien gibt es nicht weniger als 6o solcher Cantica ( Lieder), die sich aller dings nicht gleichmäßig auf die 20 Stücke verteilen. Diese Arien werden häufig von den Hauptfiguren gesungen; es gibt aber auch Arien, die Nebenrollen einen besonderen Akzent verlei hen. Manche typische Rollen, wie Soldaten, Parasiten oder Kö che, singen nie. Die Plautinischen Stücke waren <Singspiele>, die der Operette oder dem Musical ähnlicher waren als dem Sprech theater.
Die Inszenierung
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Das Verhältnis von gesprochenen, rezitierten und gesunge nen Partien variiert von Stück zu Stück deutlich; das musikali sche Element bleibt aber immer stark. Der Wechsel zwischen Szenen mit und Szenen ohne Musik strukturiert die Handlung; oft ist er mit dem Auf- oder Abtritt von Personen verbunden ; oft . betont er dramatisch oder emotional bedeutungsvolle Mo mente. Bei Terenz ist der Anteil der gesprochenen Verse mit über s o % deutlich höher als bei Plautus. Auf Cantica hat er fast völ lig verzichtet, dafür aber in den rezitierten Partien durch häufige Vers-, d. h . Rhythmuswechsel, mit denen Plautus nicht arbeitet, lebendige Duette und Terzette geschaffen. In der griechischen Tragödie war zwar die Rolle des Chors schon im 5. ]h. ständig zurückgegangen; der Rückgang war aber durch Schauspielergesang kompensiert worden (S. 4 4 f. ) . Der vollständige Verlust der republikanischen römischen Tragödie macht es unmöglich, die Bedeutung der Musik genau zu bestim men. Immerhin erlauben Fragmente und eine Reihe von Titeln den Schluß, daß auch die römischen Tragiker Chöre eingesetzt, Arien und Duette geschrieben und, wie die Komödienschreiber, Sprechpartien ihrer griechischen Vorlagen in von der Tibia be gleitete Rezitative umgesetzt haben. Ob die bezeugten Chöre, die ja j etzt nicht mehr in der Orch estra, sondern auf der Bühne agierten (S. 9 3 ) , noch so groß waren wie in der klassischen grie chischen Tragödie und ob sie trotz des eingeschränkten Raums noch tanzten oder nur noch sangen, wissen wir nicht. In der Plautinischen Komödie gibt es viele Szenen, in denen einzelne oder auch mehrere Personen tanzen; das mag es auch in der Tragödie gegeben haben. Der Tibicen war so wichtig für die Aufführung, daß er in den archivarischen Aufzeichnungen der Stücke gleich nach dem Er sten Schauspieler vermerkt wurde. Ob er die rezitierendep. oder singenden Schauspieler an der Seite der Bühne stehend beglei tete oder ihnen auf der Bühne bei ihrem Spiel wie ein Schatten folgte, wie man aus Bemerkungen bei Cicero (pro Murena 2 6 ) , Horaz (Ars Poetica 2 1 5 ) und Quintilian ( ?, r , p ) geschlossen hat, muß offenbleiben.
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II Das römische Theater - Kaiserzeit
Die Musik ist nicht erhalten. Es ist denkbar, daß die Tibicines die Begleitung der rezitierten Partien improvisierten. Hier ging es in erster Li li ie darum, Rhythmus und Stimmhöhe zu stabili sieren und den Inhalt zu akzentuieren. Die rhythmisch und mu sikalisch komplexen Cantica wurden aber sicher komponiert, wahrscheinlich von den Tibicines selbst.
D i e Kai s e rze i t
I . Th eaterbau, O rga n isation u n d Fin a nzierung
Die Blütezeit des republikanischen Dramas geht am Anfang des r . Jh. v. Chr. zu Ende. Das ist deswegen erstaunlich, weil die Po pularität des Theaters in dieser Zeit nicht etwa abgenommen hatte, sondern weiter zunahm: Die Zahl der Aufführungen wuchs; große Schauspieler gewannen Ruhm und Reichtum, und die temporären Theaterbauten wurden immer großartiger. Wir hören von vielbewunderter realistischer Bühnenmalerei, von kostbarer Verkleidung des Bühnenhauses mit Gold, Silber und Elfenbein und von einem Riesentheater mit einem gigantischen Bühnengebäude, dessen drei Geschosse mit 3 6o Säulen und Ta usenden von Statuen geschmückt gewesen sein sollen. Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildet das erste Steintheater Roms, das kein Geringerer als Pompej us, auf dem Höhepunkt seiner Macht, errichten ließ (Abb. 3 3 ). Der Bau wurde im Jahre 5 5 eingeweiht. Der monumentale Theaterkomplex, der bis auf den heutigen Tag deutliche Spuren im Stadtbild hinterlassen hat, kann als Muster des römischen Theaters gelten, das sich bei aller Ä hn lichkeit doch deutlich vom griechischen Theater unterscheidet (Abb. 3 4 ) : Der Zuschauerraum ( cdvea) und das Bühnengebäude (samt Bühne: scaena) waren anders als im griechischen Theater nicht durch breite, offene Zugänge, die von beiden Seiten in die Orch e-
Theaterbau, Organisation und Finanzierung
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Abb. 3 3 : Plan des Pampejusth eaters in Rom
stra führen, voneinander getrennt, sondern zu einem geschlosse nen Baukörper verbunden. Das hat zur Folge, daß Cavea und Orch estra halbkreisförmig sind und das Bühnengebäude - bzw. wenn die Bühne nicht durch ein Bühnengebäude, sondern nur durch eine Wand abgeschlossen ist, diese Wand - sehr viel höher ist als das einstöckige hellenistische Bühnengebäude mit der vorgeblendeten hohen Bühne ( S . 3 1 f. ) . Die Cavea, die wie i m griechischen Theater durch Umgänge in zwei oder drei Ränge und horizontal durch Treppen in viele Blöcke ( cunei) unterteilt ist, wurde nicht in einen Berghang ge legt, sondern - in der Regel - auf ebenem Gelände ( im Falle des Pampej ustheaters auf dem Marsfeld) errichtet. Sie ruht auf ge waltigen Substruktionen. Nach außen sind diese mit einer in zwei oder drei Arkadenreihen gegliederten und mit Säulen ge schmückten Fassade verkleidet (Abb. 3 4 ) . Der Zuschauer betrat das Theater durch einen der Arkadenbögen und erreichte seinen Platz über Gänge, Treppen und Ö ffnungen, die, da sie di � vielen Zuschauer gleichsam , vomitoria genannt wurden. Der Eintritt war frei, der Bereich, in dem man sitzen durfte, aber strikt reglementiert; Ordner überwachten die Einhaltung der Bestimmungen; mit welchem Erfolg sie das taten, ist allerdings unklar.
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I I Das römische Theater - Kaiserzeit
Es war Augustus, der im Zuge seiner Versuche, nach dem Chaos der jahrzehntelangen Bürgerkriege die Strukturen der ge sellschaftlichen Ordnung wiederherzustellen, auch die Sitzord nung in den Theatern und Amphitheatern detailliert regelte: Ganz vorne wurden auf breiten, flachen Stufen, die nicht selten von der eigentlichen Ccivea durch eine niedrige Mauer abge grenzt waren, Sessel für die Senatoren und für Ehrengäste aufge stellt. Diese betraten das Theater durch die j etzt überwölbten Seiteneingänge zwischen Ccivea und Scaena. Über dem linken der beiden Eingänge (aditus maximi) nahm der für das Fest ver antwortliche Beamte Platz. Hier konnte er zwar nicht besonders gut sehen, wohl aber gut gesehen werden. Direkt hinter den Se natoren kamen die Ritter, die Amtsträger und ihre Diener sowie Priester und Mitglieder von religiösen und profanen Vereinen ( collegia ) . Es folgten in der Mitte die römischen Bürger, die ge halten waren, in der festlich-weißen Toga zu erscheinen ( togati), u n d im obersten Rang d a s einfache Volk, d i e sogenannten pul lati ( benannt nach ihrer dunklen Alltagskleidung) . Noch über
Abb. 34: Modell des römischen Theaters (Zeic h n u ng Malyon)
Theaterbau, Organisation und Finanzierung
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diesen saßen die ganz nach hinten verbannten Fra u e n , u n d a u f der den Abschluß der Cavea bildenden Galerie standen d i e S k I a ven. Aber auch innerhalb der Ränge wurde noch weite r d i ffere n ziert: Soldaten hatten eigene Reihen; verheiratete und u n verlwi ratete Männer saßen getrennt; und für die minderj ährigen Söhne freier Römer sowie, gleich daneben, für ihre Hauslehrer waren ebenfalls eigene Blöcke reserviert. Diese Bestimmungen haben mit Modifikationen offenbar auch in den folgenden Jahrhunder ten ihre Gültigkeit behalten; entsprechende, die gesellschaftliche Ordnung spiegelnde Regelungen der Sitzordnung sind auch für Städte in den Provinzen des Römischen Reichs bezeugt. Mit Hilfe großer Masten konnten am oberen Rand der Cavea schattenspendende bunte Sonnensegel ( vela ) aufgespannt und nach dem Sonnenstand ausgerichtet werden. Die Bühne (pulpitum), die im Unterschied zu der drei bis vier Meter hohen Bühne des hellenistischen Theaters (S. 3 I f. ) recht niedrig war, war sehr breit ( im Pampej ustheater ca. 1 00 m) und hatte im Verhältnis dazu eine geringe Tiefe. Nach vorn konnte sie durch einen etwa drei Meter hohen Vorhang verhüllt wer den, der anders als im modernen Theater mit Hilfe von tele skopartig ineinander gesteckten Stäben am Anfang des Spiels in einen schmalen Graben direkt hinter dem Bühnenrand versenkt und am Ende des Stücks wieder emporgezogen wurde. Hinter der Bühne erhob sich das Bühnengebäude mit einem Zentraltor (regia ) und zwei Nebentüren (hospitalia) . Außerdem konnte die Bühne auch durch Türen in den Seitenflügeln ( ver surae) , die das Bühnengebäude an die Cavea anschlossen, betre ten werden. Die mit eckigen und runden Nischen gegliederte und mit Säulen und Statuen reich geschmückte Front des Büh nenhauses (scaenae frons) war das Prunkstück jedes römischen Theaters (Abb. 3 5 und 3 9 ) . Ob sie immer, wie in dem besonders gut erhaltenen Theater von Aspendos (in Pamphylien), ein von der Wand schräg nach oben verlaufendes Dach besaß, das wahr scheinlich der Verbesserung der Akustik diente, ist nicht sicher (Abb. 3 5 ) . I n der Mitte des oberen Rands der Cavea ließ Pampej us einen Tempel der Venus Victrix errichten, angeblich um das Verbot
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li Das römische Theater - Kaiserzeit
Abb. 3 5 : Dach über der B ü h n e des Theaters in Aspendes - Rekon stru kti on
der Errichtung eines permanenten Theaters zu umgehen. Tertul lian (de spectaculis r o. 5 ) berichtet, Pompejus habe Kritikern des Baus erklärt, er errichte ja kein Theater, sondern einen Tem pel mit einer monumentalen Treppenanlage. Ä hnliche Kombi nationen von Theater und Tempel sind schon vor dem Bau des Pampej ustheaters in italischen Heiligtümern bezeugt; später fin det sich diese Verbindung nur noch vereinzelt, während die große von Kolonnaden gerahmte Parkanlage, die Pompej us hin ter dem Theater anlegen ließ (Abb. 3 3 ) , oft kopiert worden ist. Diese Anlagen dienten den Zuschauern zum Aufenthalt wäh rend der Pausen und zum Schutz bei Unwettern. In der Folge entstanden in Rom kurz nacheinander zwei weitere Theater: zuerst das deutlich kleinere Theater des Bai bus ( 1 3 v. Chr. ) , dann das Marcellustheater, das Caesar begon nen hatte und das nach seinem Tod (44 v. Chr. ) von Augustus zu Ende gebaut und seinem verstorbenen Neffen und Schwie gersohn Marcellus geweiht wurde ( u v. Chr. ) . Der Typus der drei stadtrömischen Theater, den Vitruv in seinem Werk de ar-
Theaterbau, Organisation und Finam:;inwzg
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chitectura als Modell propagiert hat, ver b re i t e te sich i n dl'n lT sten beiden nachchristlichen Jahrhunderten, m i t v idl' n Va ri;t tionen im Detail, im ganzen Imperium Romanum, von N or d afrika bis Britannien, von Spanien bis Syrien. Ein Thl'a terha u wurde geradezu zum Symbol für die Zugehörigkeit zu m R i i m i sehen Reich. Im Osten des Reichs beschränkte man sich dort, wo es bereits griechische Theater gab, darauf, Bühnenhaus und Bühne umzubauen; aber auch hier entstanden zahlreiche neue Theater. Neben den großen offenen Theatern entwickelten die Römer noch eine zweite kleinere Form des Theaters mit einem geschlossenen Dach ( theatrum teeturn oder odeum), das vor al lem für Konzerte und Rezitationen, aber auch für Versammlun gen genutzt wurde (Abb. 3 6 ) . Das kleinere der beiden Theater in Pompeji ist das älteste dieser Odea; zwei der schönsten stan den in Athen (das Odeum des Agrippa auf dem Marktplatz und das Odeum des Herades Atticus am Südwestabhang der Akro polis; Rom erhielt erst unter Domitian ( 8 1-9 6) ein steinernes Odeum. Die Theaterbegeisterung der Kaiserzeit ist durch zahlreiche literarische, inschriftliche und archäologische Zeugnisse do kumentiert. Tacitus spricht davon daß ein Römer die Liebe zum Theater ( histrionalis favor) schon im Mutterleib empfange ( Dialogus 29, 3 ) . Gab es am Ende der Republik immerhin auch schon an ca. 50 Tagen Theateraufführungen, so verdoppelte sich diese Zahl in den ersten drei Jahrhunderten der Kaiserzeit noch einmal. Für das Jahr 3 2 5 n. Chr. sind in einem inschrift lich erhaltenen Festkalender mehr als 1 00 Tage Iudi scaenici bezeugt. Offenbar diente das Theater nach dem Verlust der politi schen Freiheit als eine Art Ersatz für die Volksversammlung. Es sind zahllose Fälle bezeugt, in denen das Publikum - oder be stimmte Teile des Publikums - die weitgehende Anonymit"ät des Theaters dazu nutzten, seine Unzufriedenheit mit Personen oder Entscheidungen deutlich zu machen, Wünsche und Forde rungen zu äußern oder gegen die wirtschaftliche Lage und ge gen Gesetze zu protestieren. Eine bei dem Historiker Cassius Dio ( 5 4 , 1 7 ) erhaltene Anekdote zeigt, daß die Ventilfunktion
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II Das römische Theater - Kaiserzeit
Abb. 3 6 : Odeum des Agrippa auf d e r Agora
des Theaters (wie auch der anderen Ludi) schon in der Antike erkannt worden ist. Als Augustus den berühmten Pantomimen Pylades wegen der Tumulte, die er ausgelöst hatte (S. I I 7 ) , kri tisierte, soll dieser geantwortet haben, es sei im Interesse des Princeps, wenn die Plebs sich mit den Schauspielern die Zeit vertreibe ( und nicht mit dem Kaiser ) . Kein Wunder, daß das Theater weiterhin staatlich kontrolliert und finanziert wurde, auch wenn die Organisation ganz oder zum Teil von privaten
Die Aufführungen
Individuen oder Organisationen übernommen werden konnte und große Summen für Bau, Renovierung und Ausschmückung von Theatern oder für die Aufführungen aus privaten Mitteln zur Verfügung gestellt wurden.
2. Die A u ffüh rungen
Vielerorts sind große Teile der monumentalen Theaterbauten erhalten, und der Betrachter mag sich bei ihrem Anblick fragen, was denn auf diesen großen Bühnen vor den imposanten Fassa den der Bühnenhäuser gespielt worden ist. Aus einem Brief Ci ceros (ad familiares 7, 1 ) erfahren wir, daß bei den Spielen zur Einweihung des Pampejustheaters neben (mindestens) zwei Tra gödien ( Pacuvius' Clytaemestra und Naevius' Equus Troianus) und Atellanen auch sportliche Wettkämpfe und Tierhetzen ge zeigt wurden. Daß die Wettkämpfe der Athleten und die Kämpfe mit wilden Tieren oder die Zurschaustellung von Elefanten, über die Cicero ebenfalls berichtet, auch im Theater stattgefun den haben, läßt sich nicht beweisen, ist aber denkbar. Bunte Mi schungen ganz verschiedener dramatischer Gattungen mit For men der Unterhaltung, die eigentlich nicht im Theater, sondern im Amphitheater oder im Circus zu Hause sind, waren später im Theaterbetrieb der Kaiserzeit .- keine Seltenheit. Besonders Gladiatorenkämpfe und allerlei Wasserspiele mit leicht oder gar nicht bekleideten j ungen Frauen wurden gerne auch in Theatern gezeigt. Die klassischen dramatischen Formen traten immer mehr in den Hintergrund.
a) Tragödien Aufführungen alter, aber auch neuer Tragödien sind vor_ allem für den griechischsprachigen Osten noch lange bezeugt, und auch in Rom sind bis in die erste Hälfte des 2 . jh. n. Chr. mytho logische Tragödien ( tragoediae) und historische Trauerspiele (praetextae) geschrieben worden. Zu den Autoren gehörten nicht nur dilettierende Aristokraten (wie Asinius Pollio oder
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Das römische Theater - Kaiserzeit
Augustus selber, der sich in seiner Jugend an einem Aias ver sucht haben soll ) , sondern auch bedeutende Dichter der frühen Kaiserzeit. Der Thyestes des Varius galt der Antike als Meister werk, das es mit j edem Stück der griechischen Klassiker aufneh men könne ( Quintilian, ro, r,9 8 ), und das dürfte auch für die M edea Tragödie Ovids gelten, die, wie fast alle Stücke des r . Jh. n. Chr., verloren ist. Erhalten ist lediglich das Corpus Senecani scher Tragödien, darunter auch zwei (der Hercules Oetaeus und die Praetexta O ctavia), die dem Politiker und Philosophen fälschlich zugeschrieben sind. Die letzte Tragödie, für die eine öffentliche Aufführung bezeugt ist, war der Thyestes des Varius, der im Jahre 29 v. Chr. bei den Spielen gezeigt worden ist, mit denen Octavian, der spätere Augustus, seinen Sieg über Anto nius und Kleopatra bei Actium ( 3 r v. Chr. ) feierte. Vieles spricht dafür, daß die römischen Tragödien der Kaiserzeit nicht - oder nur in Einzelfällen - für die großen Theater geschrieben worden sind, sondern für vollständige oder partielle Rezitationen und Aufführungen bei Symposien oder in Privattheatern, wie sie nicht nur für die Kaiser bezeugt sind. Als einen möglichen Grund für das Ende der Tragödie hat man aus der Tatsache, daß manche der namentlich bekannten Tragiker Mitglieder der senatorischen Opposition gegen den Prinzipat waren, ihren republikanischen Charakter vermutet. Daß Tragödien als Kritik am Prinzipat aufgefaßt und für ihre Autoren gefährlich werden konnten, ist gut bezeugt, war aber sicher nicht der entscheidende Faktor dafür, daß die Gattung im r Jh. n. Chr. einen langsamen Tod starb. Der eigentliche Grund liegt in einer tiefgreifenden Veränderung des Publikumsge schmacks. Die große Masse, für die die riesigen Theater gebaut wurden, bevorzugte eine neue Form der Unterhaltung, die Pan tomime, deren Verwandtschaft mit der Tragödie schon darin ihren Ausdruck findet, daß sie auch als tragoedia saltata (ge tanzte Tragödie) bezeichnet wurde. -
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Die Au(fiihnmgen
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b) Pantomime In der Pantomime präsentierte ein Solotänzer (pantomimus oder orchestes) mit mimetischen Bewegungen eine Geschichte, die in der Regel dem griechischen Mythos oder der literarischen Bearbeitung eines Mythos in Tragödie oder Epos entnommen war. Pantomimische Darstellung mythischer Stoffe durch meh rere oder einzelne Tänzer war im griechischen O sten schon seit geraumer Zeit bekannt, ist aber in Rom so grundlegend umge staltet worden, daß auch griechische Autoren der Kaiserzeit diese quasidramatische Form als << italischen Tanz >> bezeichne ten. Als <Erfinder> der Pantomime galten zwei berühmte griechi sche Tänzer, die beide höchste Protektion genossen: Pylades, ein Freigelassener des Augustus aus Kilikien, der sich auf tragi sche Stoffe spezialisierte, und Bathyllus, ein Freigelassener des Maecenas aus Alexandria, der heitere Mythenparodien bevor zugte, eine komische Form der Pantomime, die sich schon bald als weniger erfolgreich erwies als die tragische Pantomime des Pylades. Der Pantomime, der die verschiedenen Rollen der Geschichte mit wechselnden Masken und Kostümen darstellte (Abb. 3 7 ) , wurde von einem Chor ( seltener von einem Einzelsänger) , der
Abb. 37: Pantom imen darstel ler mit m e h reren M asken Elfenbei ntafe l . 4 6 J h , Berlin Staatliche M u seen 2497 .-
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Abb. 3 8 : Te rrakottamasken d e r Pantomime l i n k s : I . J h . n . C h r. ( ? ) , London, Britisches M u s e u m G R 1 87 3 , 8-20, 568 rechts : 3 . J h . n . C h r., Ath e n , Ago ram u s e u m T 1 8 1 8
das Libretto sang, sowie von einem Orchester (seltener nur von einem Tibiaspieler) begleitet, das aus ganz verschiedenen Instru menten bestand. Zu Tibia und einer Reihe von Schlaginstru menten (Trommeln, Becken und Kastagnetten) konnten auch Saiteninstrumente und die von hellenistischen Wissenschaftlern erfundene Orgel treten. Einer der Musiker trug einen speziellen Schuh, an dessen Sohle eine hölzerne Klapper (scabellum ) befe stigt war, mit der er den Takt angab. Die Tänzer trugen ein bis auf die Füße herabfallendes, reich verziertes Gewand aus kost baren Stoffen und Masken mit geschlossenem oder nur ganz leicht geöffnetem Mund, die im Unterschied zu den expressiv verzerrten tragischen Masken natürlich wirkten (Abb. 3 8 ) . Besonders hochgeschätzt wurden, wie beim modernen Ballett, neben der Exaktheit der artistischen Bewegungen und Sprünge, Anmut und Eleganz sowie die Fähigkeit, den Charakter der dar gestellten Figur genau abzubilden. Den Händen kam für die Dar stellung offenbar eine besondere Bedeutung zu; immer wieder heißt es, daß Pantomimen «mit den Händen reden >> konnten.
Die Aufführungen
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Die Erfindung war sofort ein großer Erfolg und, anders als der derb-zotige Mimus, auch bei der Oberschicht und nicht zu letzt bei Frauen. Die hochbezahlten Stars hatten ihre Fans und Claqueure, und bei den Wettbewerben, in denen sie gegeneinan der antraten, kam es immer wieder zu Tumulten und Auseinan dersetzungen zwischen den Anhängern der rivalisierenden Tän zer. Mehrfach wurden die Tänzer verbannt bzw. ihre Vorstel lungen verboten: Tiberius ( 1 4-3 7 ) verbannte die Pantomimen aus Italien, aber schon Caligula ( 3 7-4 1 ) holte sie wieder zu rück; Domitian ( 8 1 -9 6 ) verbot die Pantomime, Trajan ( 9 8-1 1 7 ) ließ sie wieder zu. Trotz der großen Beliebtheit der Pantomime, die nicht nur i n d e n großen Theatern gezeigt wurde, sondern auch b e i den Abendgesellschaften der Reichen und - als Beiprogramm - bei Gladiatorenkämpfen (im Amphitheater) und bei Pferde- und Wagenrennen (im Circus ) war die gesellschaftliche Stellung der Tänzer niedrig. Das hinderte j edoch Angehörige der oberen Ge sellschaftsschichten, vor allem Ritter, nicht daran, mit ihnen zu verkehren und auch selber als Pantomimen aufzutreten. Selbst Verbote des Senats und Gesetze scheinen nur begrenzt gewirkt zu haben, zumal Pantomimen immer wieder auch am kaiser lichen Hof großen Einfluß erlangten. Die Pantomime gehörte bis zum Ende der Antike zu den be liebtesten Formen der Unterhaltung. Der enorme Erfolg der Kunstform überall im vielsprachigen Römischen Reich dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, daß in der Pantomime nicht der Text, sondern mimetischer Tanz und Musik die ent scheidenden Komponenten der Wirkung waren.
c) Tragoedia cantata und Kitharadie Neben der Tragoedia saltata ( Pantomimus ) gab es noch 'Yeitere Konkurrenten und Erben der Tragödie: die Kitharodie, bei der ein Sänger, der sich selbst auf der Kithara, dem Konzert-Saiten instrument der Antike, tragische Arien vortrug, und die tragoe dia cantata (gesungene Tragödie) , bei der ein Schauspieler ( tra goedus) im tragischen Kostüm und mit Maske und Requisiten -
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Das römische Theater - Kaiserzeit
in der Regel allein, aber auch mit der Unterstützung von weite ren Schauspielern - tragische Szenen sang und spielte, die aus klassischen Tragödien stammten oder auch neu für diese Art des Vortrags geschrieben waren. Besonders beliebt waren Arien und vertonte Botenberichte. Die in Griechenland seit langem popu läre Form der Unterhaltung (S. 7 1 ) wurde spätestens gegen Ende der Republik von den Römern übernommen und erfreute sich in der Kaiserzeit großer Popularität. Der berühmteste Vertreter der Tragoedia cantata war kein anderer als Kaiser Nero, der erst pri vat und dann auch öffentlich nicht nur als citharoedus, sondern auch als tragoedus rriit tragischen Arien und Szenen auftrat.
d) Komödie Die Komödie e � litt in der Kaiserzeit dasselbe Schicksal wie die Tragödie. Während im griechischen Osten noch mindestens bis zum Anfang des 3 . ]h. n. Chr. alte und neue Komödien aufge führt wurden, sind für Rom nach der Augusteischen Zeit zwar noch vereinzelt Dichter von Palliatae und Togatae bezeugt, von WiederauffÜ hrungen alter oder Aufführungen neuer Stücke hö ren wir j edoch nicht mehr. Plautus wurde noch gelesen; Terenz war und blieb Schulautor. Wie im Falle der Tragödie ist es der wachsende Erfolg drama tischer Kleinformen, der die Komödie von der Bühne verdrängt: die A tellana ( S . 83 f. ) , die noch bis ins 2. ]h. n. Chr. viel gespielt wurde, vor allem aber der ungemein populäre Mimus.
e) Mimus Die volkstümliche Form komischen Stegreifspiels hat ihre Wur zeln in der dorischen Peloponnes und in den von Dorern be siedelten Städten Siziliens und Unteritaliens. Auch als die at tische Tragödie und Komödie ihren Siegeszug in die griechisch sprachige Welt antraten, hat sich der Mimus immer behauptet und war in der Zeit, als in Rom ein staatlich organisierter Theaterbetrieb entstand, vor allem in der Magna Graecia und in den Großstädten des hellenistischen Ostens, wie Antiochia
Die Aufführu ngen
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und Alexandria, zu Hause. Nach Rom ist der Mimus spätestens am Anfang des 2. jh. v. Chr. gekommen. Seit I 7 3 war er fester Bestandteil der Ludi Florales (S. 8 6) und scheint danach konti nuierlich an Popularität gewonnen zu haben. Ein erster Höhe punkt ist mit zwei Autoren verbunden, die dem Stegreifspiel eine literarische Form gegeberi haben: Decimus Laberius, ei nem Römer aus dem Ritterstand, und Publilius Syrus, einem wahrscheinlich aus Antiochia stammenden Freigelassenen. Ihre Stücke sind leider nicht erhalten. Immerhin sind für Laberius, den älteren der beiden, 4 3 Titel bezeugt, die uns einen Hinweis auf Stoffe und Themen geben können. Besonders häufig sind Berufsbezeichnungen (wie Der Fischer, Der Salzhändler, Der Wahrsager) und Titel, die auf weibliche Titelrollen deuten (wie Die Etruskerin, Die Nadelverkäuferinnen, Die Hetäre, Die Jungfrau, Die Schwestern) . Dabei handelt es sich oft um Titel, die auch für die Komödie und für die A tellana bezeugt sind. Von Publilius sind zwar mehr Verse erhalten als von Laberius; die 700 Sentenzen, die früh zu einer Anthologie zusammenge stellt worden sind, verraten aber wenig über seine Mimen. Obwohl der Mimus in der Kaiserzeit neben der Pantomime zur beliebtesten Form komischen Spiels wird, sind uns neben den vielen auf Inschriften bezeugten Mimenschauspielern nur wenige Namen von Mimendichtern bekannt. Das deutet darauf hin, daß der Mimus immer eine weitgehend improvisierte Form geblieben ist. Festgelegt wurde lediglich ein Handlungsgerüst, das den Mimen große Freiheiten ließ; und auch dort, wo der Text ausformuliert war, blieb offenbar immer reichlich Raum für Improvisation. Der Mimus ist weit weniger klar bestimmt als die meisten dramatischen Gattungen der Antike. Er besaß keine feste Form. Speechpartien verbanden sich mit schlagerartigen Liedern, Tän zen, Instrumentalmusik, aber auch akrobatischen Einlagen zu einem bunten Potpourri, das durch direkte Publikumsansprache sowie politische Witze und direkte und indirekte Angriffe auf Zeitgenossen kabarettartige Züge gewann. Den Handlungsrah men lieferten in der Regel die unsterblichen Stoffe des Volks theaters: Hochzeit und Ehebruch, Betrügereien und Diebstähle,
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JI Das römische Theater - Kaiserzeit
Giftmischerei und Scheintod sowie allerlei Geschichten aus dem Geschäfts- und Handwerkerleben. Es gab allerdings auch Göt terburlesken und Mythenparodien. D ie Sprache war einfach, der Ton derb und obszön, konnte in den politischen Anspielun gen aber auch raffiniert sein. Die Aufführungen waren ganz unterschiedlich umfangreich und aufwendig. Bezeugt sind Auftritte einzelner Mimen, aber auch sehr großer Ensembles. Standard waren Gruppen von vier Schauspielern, die sich offenbar auf bestimmte Rollen speziali sierten. Dazu kamen Musikanten und Statisten. Gespielt wurde der Mimus sowohl auf den großen Bühnen als auch in Privat theatern und bei den Dinnerparries und Symposien der Reichen und bei Hof sowie auf Markt- und Festplätzen der Kleinstädte und Landgemeinden. Alles, was die Schauspieler brauchten, wa ren ein erhöhter Platz oder eine Plattform und ein Vorhang, hin ter dem sie auf ihren Auftritt warteten und hinter den sie wieder zurücktraten. Dieser einfache, an einem Holzgerüst aufgehängte Vorhang hieß siparium und war so typisch für die Gattung, daß der Mimus auch als siparium bezeichnet werden konnte. Als Kostüm trugen die Mimen - passend zu den Geschichten aus dem Alltag, die sie erzählten - Alltagskleidung. Als Beson derheiten werden in den Quellen neben der Barfüßigkeit ein viereckiges Tuch (ricinium), das auch als Kapuze verwendet werden konnte, genannt, und der centiculus, ein Flickengewand, wie es später die Harlekine der Commedia dell'Arte tragen. Zweierlei unterschied den Mimus nicht nur von den anderen komischen Gattungen, sondern von allen anderen Formen dra matischen Spiels: Die Mimen trugen keine Masken und die Schauspieler waren nicht nur Männer. Es war offenbar eine der Hauptattraktionen des Mimus, daß die weiblichen Rollen - und in vielen Mimen hieß das: die Hauptrollen - von Frauen gespielt wurden. Es ist gut bezeugt, daß die oft sehr j ungen Schauspiele rinnen sich am Ende der Aufführung - so wie die Schauspieler der Tragödie und Komödie am Ende ihre Masken abnahmen auf Zurufe der Zuschauer auszogen. Die große und anhaltende Popularität des Mimus im gesam ten Imperium Romanum ist literarisch und inschriftlich reich
Das Ende des antiken Theaters
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dokumentiert: von Augustus, der laut Sueton auf dem Totenbett gefragt haben soll: << Habe ich den Mimus des Lebens gut ge spielt? >> ( Sueton, Augustus, 99, 1 ) , bis zu Justinian, dessen Frau Thcodora vor der Heirat mit dem Kaiser eine berühmte Mimen schauspielerin gewesen ist. Der Widerstand der Kirche gegen das Theater war nicht zuletzt ein Kampf gegen den Mimus, der nicht nur deswegen attackiert wurde, weil er vulgär und obszön war, sondern auch, weil er, wie alles andere, auch christliche Ri tuale (wie die Taufe ) und zentrale Glaubenssätze (wie die Jung frauengeburt) verspottete . Gewinnen konnte die Kirche diesen Kampf nicht; der Mimus blieb, wie es scheint, immer populär und hat wohl auch auf eine allerdings nicht mehr leicht zu re konstruierende Weise auf die komischen Kleinformen des Mit telalters und der frühen Neuzeit gewirkt, auf den türkischen Karagöz ebenso wie auf die Commedia dell' Arte.
3. Das E n de des antiken Th e a ters
Angriffe gegen das Theater hatte es seit seiner Institutionalisie rung in Rom immer wieder gegeben; mit den Christen gewan nen diese aber eine ganz neue Intensität. Schon lange bevor das Christentu m Staatsreligion wurde, attackierten die Kirchenvä ter Tertullian (um 200 n. Chr. ) und Novatian (um 2 5 0 n. Chr. ) das Theater als Herrschaftsbereich des Teufels, und i n der Folge wurden bis zum 6. Jh. immer wieder dieselben Argumente variiert: Götzendienst heidnischer Dämonen, Gefährdung der Sitten durch die Erregung der Leidenschaften und Verwirrung der Sinne, unmoralischer Lebenswandel und Unverschämtheit der Schauspieler und Schauspielerinnen, Vulgarität und Obs zönität ihrer Spiele. Die Wirkung der Angriffe hielt sich offen bar in Grenzen, vielleicht auch, weil wirkliche Verbote - sieht " man einmal vom Theaterverbot an Sonntagen ab - nicht erlas sen wurden. Auch christliche Kaiser sahen die Ludi offenbar als gesellschaftspolitisch unentbehrlich an, und die Christen gin gen, wie die Klagen ihrer Bischöfe zeigen, trotz aller Predigten gegen Pantomimen und Mimen weiterhin ins Theater.
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II Das römische Theater - Kaiserzeit
Erst mit dem Ende des römischen Staates verlor das Theater seine finanzielle und organisatorische Basis. Für den Westen des Reichs kann die Eroberung großer Teile Italiens durch die Lan gobarden im Jahre 5 6 8 als Schlußpunkt gelten; im Osten verbot erst mehr als r oo Jahre später das Konzil von Trullo ( 69 2 ) j ede Form des Theaters. Niedere Formen volkstümlichen Spiels ha ben gewiß weitergelebt. Heute lassen nur noch die monumenta len Reste der antiken Theaterbauten etwas ahnen von der Popu larität der Aufführungen, die sie einmal füllten. Einige werden heute wieder genutzt, wie das Theater in Orange (Arausio; Abb. 3 9 ). Jetzt sind es allerdings wieder die großen literarischen Formen des Dramas, die gespielt werden. Von dem bunten Pro gramm, das hier einmal die Massen unterhalten hat, ahnt der moderne Zuschauer nichts mehr.
BI BLI OGRA PH IE
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Abb. 3 8 (Fig. 1 4 und Fig. I J) . Aus: Lexico>t Iconographicum Mythologiae classicae (LIMC): Abb. 3 (Dionysos 3 03);
Abb. 22 (Alkmene 2 0) Aus:
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Aus: G. ]achmann, Teremianus Codex Vaticanus Latinus 3 8 68, Leipzig I 9 2 9 : Abb. 3 I
und 3 2 Einzelne Bilder: Abb. 5 aus: P. Wilson (ed.), The Greek Theatre a n d Festivals, Oxford 2 0 0 7, S. I I 7; Abb. 8 aus: ]. Ch. Moretti, The!itre et socititti dans Ia Grece antique, Paris 2 0 0 1, S. 1 24, Fig. 6; Abb. 12 Zeichnung Gertrud Seidensticker; Abb. 1 9b aus: A. D. Trendal/, The Red-Figured Vases of Paestt<m, Rom 1 9 87, Plate 9 9 c; Abb. 24 aus: D . Mastronarde, Actors on High, Classical Antiquity 9 . 2, I 99 0 , S. 2 9 I ; Abb. 2 5 aus: E. Pöhlma>tn (ed.), Studien z u r Bühnendichtung und z u m Theaterbau, Frank furt I 9 95, S. I 70; Abb. 26: Zeichnung Gertrud Seidmsticker; Abb. 2 8 aus: Pöhl mann- West, Documents of Ancient Greek Music, Oxford 2 0 0 I : Papyrus: links auf der Titelseite; Umschrift No.], S. u; Abb. 39 aus: Tagesspiegel I O . I . 2 0 1 0 (Bosra).
Abb. 3 9 : Römisches Theater vo n Bosra