IMPRESSUM
Romane des Projekt 99 erscheinen mit freundlicher Genehmigung der Erben Kurt Brands und des Hansjoachim Bernt-Verlages bei HEUL-Press für den REN DHARK Club. Anzeigenleitung, Bestellung & Vertrieb: Heinz Mohlberg, Hermeskeiler Str. 9, 50935 Köln Fon/Fax 0221 / 43 80 54 email:
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REN DHARK
DIE GROSSE SF-STORY VON KURT BRAND Band 109
Cyborgjagd Hans-Georg Hoffmann
Es ist den Terranern gelungen, einen Grako in ihre Gewalt zu bringen, einen jener goldenen Menschen, die vor langer Zeit Terror und Vernichtung über die Milchstraße gebracht haben sollen. Eine Untersuchung in der Cyborg-Station im Brana-Tal ergibt, daß der Grako von einem Mental-Parasiten, einem Mensiten, kontrolliert wird. Die Arbeiten an dem Organismus nehmen plötzlich eine unerwartete Wende. Der Mensit detoniert in viele Millionen Partikel von viraler Größe und infiziert Cyra Simmons, die rechte Hand Ezbals. Sie verschwindet spurlos. Henner Trawisheim stellt daraufhin die Erde unter Quarantäne und riegelt die Heimatwelt der Menschen durch einen planetenweiten Schutzschirm vom restlichen Sonnensystem ab. So bleibt Ren Dhark, dem es durch eine Rettungsexpedition zwar gelungen ist, eine Art diplomatischen Kontakt mit den Amphis zu etablieren, dabei aber durch den Angriff eines unbekannten Raumschiffs die POINT OF verloren geben mußte, die Heimkehr nach Terra verwehrt. Olan, der weise Anführer der Salter, entrinnt nur knapp einer Katastrophe. Der Wohnturm, in dem er seine Mitarbeiter
aufsuchen wollte, explodiert. Seine Artgenossen, die sich dort aufhielten, sind alle dem Unglück zum Opfer gefallen. Aber war es wirklich ein Unglück? Bernd Eylers bezweifelt dies und betraut seinen besten Agenten mit den Ermittlungen. Jos Aachten van Haag findet tatsächlich die bittere Wahrheit heraus und bezahlt diese Erkenntnis beinahe mit seinem Leben. Cromar indes wird von einer unbekannten Ringraumerflotte angegriffen. Mit seinem neuen Flaggschiff – der GALAXIS II – eilt Ren Dhark zusammen mit einer riesigen Flotte der Zentralwelt des Telin-Imperiums zu Hilfe und kann die unbekannten Angreifer vertreiben. Doch die Tels erweisen sich als undankbar. Sie locken das Schiff des Commanders in eine Falle und bringen das Vario an Bord – jene grauenvolle Waffe, die ihren Opfern gnadenlos den Hitzetod bringt. Für Schiff und Besatzung gibt es keine Hoffnung. Auf Terra breitet sich inzwischen der Mensit aus und droht die Menschheit zu versklaven. Einige wenige Menschen beginnen die Wahrheit zu ahnen und versuchen gegen das Unheil anzukämpfen. Doch selbst die Cyborgs scheinen dem Mensiten wehrlos gegenüber zu stehen. Und während dieser unaufhaltsam nach der totalen Macht auf der Erde strebt, kommt es zu letzten verzweifelten Aktionen, zur Cyborgjagd...
Personenverzeichnis Marschall Bulton ................. der Chef der TF ist entmachtet
Bernd Eylers ........................ er koordiniert erneut GSOAktionen Matury Xentar,
Stephanie Cane,
Ingmar Knutsson .................. GSO Agenten im Einsatz
Bert Stranger ........................ er hinterläßt Denksport-
Aufgaben Cyra Simmons ...................... die Wissenschaftlerin sucht nach der Nadel im Heuhaufen Holger Alsop ......................... der Cyborg versucht sich zu erinnern Greg Austin .......................... der Söldner bekommt einen »einmaligen« Auftrag Robert von Scherenberg ...... ein Techniker mit einem Hang zu Basteleien
Karvek Myradan galt als ruhiger und ausgeglichener Mensch. Der knapp fünfzig Jahre zählende Parlamentsangehörige hatte sich in der Vergangenheit als scharfer Kritiker der terranischen Politik einen Namen gemacht. Besonders hatten es ihm die Cyborgs angetan. Karvek, einer der wenigen reinrassigen Indianer, die es im Jahre 2061 noch gab, war ein zutiefst religiöser Mensch. Und so war sein Zorn auf Ezbal und die von ihm geschaffenen Cyborgs zu verstehen. In seinem Innersten war er davon überzeugt, daß Gott Ezbal für seine blasphemischen Experimente mit Menschen früher oder später strafen würde. So beschränkte er sich auch darauf, nur verbal gegen die Cyborgs und ihren Schöpfer vorzugehen. Dies aber mit schöner Regelmäßigkeit. Seit Karvek von den seltsamen Vorfällen und dem irrationalen Verhalten der Cyborgs gehört und in der Presse gelesen hatte, ließ er nichts unversucht, um seine Mitmenschen auf das gotteslästerliche Fehlverhalten Ezbals aufmerksam zu machen. So hatte er sich angewöhnt, seine Reden, von denen es nicht allzuviele in der Vergangenheit gegeben hatte, mit den Worten ... und im übrigen stellen die Cyborgs Satans Macht auf Erden dar! zu beenden. Obwohl die meisten seiner Parlamentskollegen ihn für einen Spinner hielten, verfügte Karvek über einen messerscharfen Verstand. So konnte es nicht verwundern, daß sich Karvek beim ersten Bekanntwerden der Zwischenfälle mit den Cyborgs nicht von den Aussagen Henner Trawisheims und Cyra Simmons, es handele sich lediglich um geringe Störungen, verursacht durch einen schweren Magnetsturm, beeindrucken ließ. Vielmehr begann Karvek mit seinen eigenen Nachforschungen. Zwar fehlte ihm jegliche wissenschaftlichen Grundlage, um die Funktionsweise eines manipulierten Cyborggehirns zu verstehen, aber er verfügte über genügend Schläue, um zu erkennen, daß es hier nicht mit
rechten Dingen zugehen konnte. Ein befreundeter Neurologe, Karvek hatte ihn während eines Kurzurlaubes in Syrien kennengelernt, erklärte ihm dann, wenn wirklich die Auswirkungen eines Magnetsturmes für das Fehlverhalten der Cyborgs verantwortlich seien, dann müßten eigentlich noch mehr Menschen davon betroffen sein. Ja, es hätte zu einer Welle von Ausschreitungen kommen müssen. Diese Aussagen waren für Karvek schlüssig genug, um Unheil zu wittern. Bestätigten sich doch seine Vorahnungen, als dem Parlament angeboten wurde, die Station im Brana-Tal zu besuchen, um sich von der Richtigkeit der Aussagen Trawisheims zu überzeugen. Er hatte die Einladung abgelehnt. Im Nachhinein beglückwünschte er sich dazu, denn mehrere seiner Kollegen waren ihm nach dem Besuch im Tal stark verändert vorgekommen. Karvek konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, was dort im Tal geschehen war, aber er war sich sicher, daß Ezbal hinter all dem steckte. Vermutlich hatte er die Besucher einer Gehirnwäsche unterzogen. Nur so konnte er sich das Verhalten einiger seiner Kollegen erklären. Dies hatte dann für ihn den Ausschlag gegeben. Für die heute anstehende Sitzung des Finanzausschusses, dem er seit über sieben Jahren angehörte, hatte er sich bestens vorbereitet. In seiner Aktentasche lag ein Gesetzesentwurf, der, wenn er genehmigt werden würde, Ezbal ein für allemal den Geldhahn zudrehen würde. Karvek stand vor dem Spiegel in seiner kleinen Appartmentwohnung am Rande des Regierungsviertels, und versuchte, sein mittlerweile schütteres Haar in Ordnung zu bringen. Er kämpfte gerade mit den letzten Strähnen, als er den Türsummer hörte. »Ja, bitte?« fragte er und drückte auf den Öffnungssensor. »Herr Myradan, dürfte ich Sie einen Augenblick sprechen?«
Der Mann in sportlicher Kleidung wartete die Antwort Karveks erst gar nicht ab, sondern drängte ihn sanft in die kleine Wohnung hinein. »Wer – wer sind Sie?« entfuhr es Karvek. »Kennen Sie mich wirklich nicht?« fragte Karveks Gegenüber, und schaute den Abgeordneten an. »Eylers! Sie sind Bernd Eylers!« stammelte Karvek erstaunt. Noch bevor er zu einer weiteren Regung fähig war, schloß der GSO-Chef die Tür und trat in den Wohnbereich des kleinen Appartments. »Sie werden sich sicherlich wundern, ausgerechnet von mir besucht zu werden. Soweit mir bekannt ist, haben Sie nicht viel für Leute meines Schlages übrig.« »Da haben Sie verdammt recht, Eylers. Sie, Ezbal und seine Cyborgs sind eine Plage! Eine Geißel der Menschheit! Ein Übel, das ausgerottet gehört! Ginge es nach mir...« Es schien als habe sich Karvek von dem anfänglichen Schrecken erholt. Bernd Eylers erkannte, daß sein Gegenüber zu einem neuen Wortschwall saftiger Beschimpfungen ansetzte. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wen die erneute Kanonade treffen sollte. »Langsam, langsam, mein Lieber«, versuchte er den Abgeordneten zu beruhigen. »Bevor Sie mir eine Standpauke halten, geben Sie mir doch bitte die Gelegenheit zu erklären, was ich hier bei Ihnen will.« *** Matury Xentar fühlte sich rundum wohl. In den frühen Morgenstunden waren wieder mehrere Container mit Versorgungsgütern eingetroffen und verstaut worden. Die ehemalige Elektrofabrik war zur Aufnahme ihrer Gäste bereit. Auch wenn das eine oder andere noch nicht ganz so perfekt
war, wie es sich der Japaner wünschte, so konnte er doch stolz vermelden, daß sein Beitrag zum Gelingen der Operation »HYPERION« getan war. Während der letzten Tage hatte er aus dem Nichts eine Zufluchtsstätte für mehrere hundert Menschen geschaffen. Eylers hatte schon zu Beginn des Unternehmens die Forderung an ihn herangetragen, so schnell wie möglich die Räumlichkeiten herzurichten, da es sein könnte, daß innerhalb kurzer Zeit eine größere Anzahl Menschen eine sichere Fluchtstätte benötigen würden. Schon am ersten Abend waren dann auch tatsächlich die von Eylers angekündigten »Gäste« eingetroffen. Xentar hatte sie alle zu ihrer Zufriedenheit versorgt. Er war so etwas wie der gute Geist des Hauses. Für alle Sorgen seiner Gäste hatte er stets ein offenes Ohr. Fehlte hier eine Decke oder da ein Eßgeschirr, so konnte er schnell für Abhilfe sorgen. Auch dem Umstand, daß unter den Anwesenden Frauen waren, trug er Rechnung und hatte für sie alle notwendigen Utensilien herbeigeschafft. Was ihn besonders befriedigte, war die Tatsache, daß die Außenwelt von alledem nichts mitbekommen hatte. Ein zufälliger Beobachter, der die ehemalige Elektrofabrik in Augenschein nehmen würde, würde nichts auffälliges entdecken. Auf dem großen Hof eilten geschäftig aussehende Arbeiter hin und her. Baumaschinen errichteten neue Hallen und renovierten die Überreste des ehemaligen Bürokomplexes. Nichts deutete darauf hin, daß in dieser Firma nie produziert werden sollte. Der stete Strom von Transportgleitern lieferte dann auch keine Elektroartikel an, sondern im Inneren der Containeraufbauten befanden sich Versorgungsgüter, die für eine Armee gedacht waren. Eylers’ Armee der Schläfer. Agenten, die schon zu Anfangszeiten der GSO rekrutiert worden waren, aber nicht, oder nur selten zum Einsatz gelangten. So verfügte der Chef der GSO nun über eine kleine Streitmacht, die außerhalb jeglicher Kontrolle stand, von
der Trawisheim und die mit dem Mensiten infizierten Cyborgs nichts wissen konnten. In der ersten Stufe des Unternehmens »HYPERION« sammelten sich die GSO-Leute in der Fabrik, um ihre Befehle entgegenzunehmen. Doch seit den frühen Morgenstunden war das Unternehmen in eine entscheidende Phase getreten. Eylers hatte die Order gegeben, gefährdete Regierungsmitglieder und Beamte des öffentlichen Lebens dem Zugriff Trawisheims und der infizierten Cyborgs zu entziehen. Wie dieses Entziehen im einzelnen aussehen sollte, hatte Bernd Eylers offen gelassen. Xentar verfügte jedoch über genügend Phantasie, um es sich vorzustellen. Aus diesem Grunde hatte er auch in seiner Fabrik ein paar Räume speziell präpariert. In ihnen sollten die schwierigen Gäste untergebracht werden. Er stapfte den schmalen Gang entlang, der in die unterirdisch gelegenen Teile der Produktionsstätte führte. Je tiefer er ging, um so ungemütlicher wurde es. Der kahle, enge Gang wurde nur schwach beleuchtet. Auch das Äußere der Wände entsprach nicht unbedingt Xentars Vorstellungen; an einigen Stellen tropfte rostig braunes Kondenswasser zu Boden und bildete kleine Seen. Nun, man würde im Laufe der Zeit auch dieses noch ändern. Vor einer schweren Stahltür blieb der Japaner stehen. Mit bedrücktem Gesicht inspizierte er den dahinter liegenden Raum. Von der Decke hing eine kleine Lampe, die spärliches Licht spendete. Fein säuberlich ausgerichtet lagen zwölf Schlafsäcke am Boden. An der gegenüberliegenden Wand konnte der Japaner mehrere Tische und Stühle erkennen. Nicht gerade gemütlich, aber es muß reichen, dachte Matury Xentar. Er schloß die Tür wieder und ging weiter. Nach und nach schaute er sich weitere vier Räume an. Obwohl es ihm nicht besonders gefiel, mußte er zugeben, daß die Räume ihren Zweck erfüllen würden. Notfalls konnten hier
sechzig bis siebzig Gefangene untergebracht werden. Eylers hatte ihm eingeschärft, für höchste Sicherheit zu sorgen, denn er wollte dort Infizierte unterbringen. Daß sich dann auch Cyborgs darunter befinden konnten, gab dem Ganzen eine besondere Note, und stellte an Xentars Organisationstalent die höchste Anforderung. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte dem Mann, daß es Zeit war, sich nach oben zu begeben, um die nächsten Transporter zu entladen und die Neuankömmlinge zu begrüßen. Mit einem kaum hörbaren Seufzer wandte er sich der steil nach oben führenden Treppe zu und begann den Aufstieg. Er war froh, daß noch keine schwierigen Gäste eingetroffen waren. *** »Dort ist er!« raunte Ingmar Knutsson seiner Kollegin Stephanie Cane zu und deutete auf den Mann, der vor wenigen Augenblicken aus dem Regierungsgebäude getreten war, und sich nun anschickte in die Sam-Dhark-Straße zu biegen. Die beiden Agenten Eylers’ hatten es sich in dem Mietgleiter einigermaßen gemütlich gemacht, und warteten seit den frühen Morgenstunden auf den Mann. Neben den Informationen, die Eylers ihnen hatte zukommen lassen, befand sich auch eine Fotografie ihres Opfers. Stephanie war zuvor in die Regierungszentrale gegangen, um mehr über ihren Kandidaten herauszufinden. Der attraktiven, wohlgeformten Steph, wie sie allgemein von ihren Freunden genannt wurde, war es ein leichtes gewesen, den Wachmann am Portal, des Gebäudes in ein Gespräch zu verwickeln. Die gelangweilte Wache war nur allzugern bereit gewesen, sich mit Stephanie zu unterhalten. Dabei hatte sie in Erfahrung gebracht, daß Will Rydell es sich zur Angewohnheit gemacht hatte, seinen Arbeitsplatz um die Mittagszeit zu
verlassen, und in einem nahegelegenen Restaurant einen kleinen Imbiß zu sich zu nehmen. Joe’s Schlemmerstube, Rydells Ziel, lag ungefähr zehn Minuten vom Arbeitsplatz des Abgeordneten entfernt, am Ende der Sam-Dhark-Straße, und galt bei den meisten Volksvertretern als nicht standesgemäß. Da sich aber Rydell noch nie in seinem Leben danach gerichtet hatte, was gerade in war, besuchte er Joe’s Schlemmerstube regelmäßig, und hätte jemand ihn nach seiner Meinung über die Qualität von Joe’s Speisen gefragt, dann wäre die Antwort »Nicht schlecht, mein Freund, nicht schlecht« gewesen – aber Rydell wurde nicht gefragt. Knutsson hatte den Weg und Joe’s Schlemmerstube inspiziert und darauf seinen Plan aufgebaut. Da Joe’s Etablissement etwas versteckt in einer Einfahrt lag, sah der GSO-Mann keine größeren Schwierigkeiten in der Ausführung seines Planes. Nach kurzer Rücksprache mit Stephanie Cane forderte Ingmar die zur Durchführung benötigten Materialien an. Matury Xentar sicherte schnellste Lieferung zu und hielt Wort. Nur eine knappe Stunde später war alles an Ort und Stelle. »Wartest du auf besseres Wetter?« fragte Stephanie als Ingmar noch immer keine Anstalten machte, dem Abgeordneten zu folgen. »Nur die Ruhe, geht gleich los! Wir haben Zeit genug«, erwiderte ein gut gelaunter Ingmar Knutsson. Er startete den Gleiter und ließ ihn sanft in die Sam-Dhark-Straße gleiten. Wenige Augenblicke später hatten sie dann Rydell ein- und überholt. Neugierig betrachtete Steph den Mann, der in Kürze ihr Gefangener sein sollte. Auf Stephanie Cane machte der Politiker einen normalen Eindruck. Zwar sah man Rydell sein Alter an, dennoch machte er auf die junge Frau einen
gepflegten und ruhigen Eindruck. Unter anderen Umständen wäre Stephanie nicht abgeneigt gewesen, den Volksvertreter näher kennen zu lernen. Aus Eylers’ Unterlagen ging hervor, daß Rydell als schwierig galt. So ohne weiteres konnte man ihn von der Notwendigkeit, für eine Ungewisse Zeit von der Bildfläche zu verschwinden, nicht überzeugen. Anders als ein großer Teil seiner Parlamentskollegen, leistete sich der neben ihr langsam zurückfallende Mann ein eigenes Gewissen. Ingmar beschleunigte den Mietgleiter leicht und nur zwei Minuten später hatten die beiden GSO-Schläfer das Ende der Sam-Dhark-Straße erreicht. Mit katzenhafter Gewandtheit verließ Stephanie das Gefährt und schaute sich kurz um. Schnell hatte sie ihren Standort gefunden, an dem sie auf Rydell warten wollte. Der Abgeordnete mußte durch eine kurze, überdachte und sehr schmale Einfahrt gehen, um seinen Mittagstisch zu erreichen, und diesen Umstand wollte die Agentin nutzen. Sie winkte Knutsson kurz zu und verschwand in dem Gang. Ein schneller Rundblick und sie hatte die einzige Lichtquelle in der Zufahrt entdeckt. Sie verstand zwar nicht viel von der Technik des Jahres 2061, aber um eine Lampe auszuschalten, mußte man diese auch nicht unbedingt verstehen, es gab probatere Mittel! Stephanie langte in ihre Handtasche und zog einen handlichen Blaster hervor. Sie mochte keine Waffen, und nur mit sehr viel Überredungskunst von Ingmar Knutsson war sie überhaupt bereit gewesen, dieses Mordinstrument einzustecken. Schon bei der Waffenausgabe am frühen Morgen hatte sie beschlossen dieses Ding nie einzusetzen. Stephanie hörte einen kurzen Hupton – das Zeichen! Rydell war nur noch wenige Meter entfernt. Steph überlegte nicht weiter, sie nahm den Lauf des Blasters in die rechte Hand, schloß die Augen und schlug zu. Ein Klirren war zu hören, Glas zersprang, und als sie die Augen wieder öffnete, lag der
Zugang zu Joe’s Schlemmerstube im Dämmerlicht. Stephanie stand regungslos da und lauschte, aber nichts regte sich. Niemand hatte etwas gehört, oder falls doch, so nahm niemand Anstoß daran. In Windeseile verstaute sie den Blaster wieder in ihrer Handtasche und entnahm ihr eine aufgezogenen Spritze. Ihr war versichert worden, daß die Flüssigkeit im Inneren der Spritze innerhalb von Sekundenbruchteilen wirken würde, und einmal in den Blutkreislauf gelangt, nicht mehr zu stoppen war. Ein ausgewachsener Elefant sollte nach Verabreichung des ansonsten harmlosen Medikaments mindestens eine Stunde bewegungslos liegen bleiben; das mußte für den Abgeordneten allemal reichen. Im gleichen Augenblick betrat Will Rydell den Zugang zu seinem Lieblingsrestaurant. Steph konnte erkennen, wie der Mann kurz zögerte, dann aber in den nun dunklen Gang schritt. Stephanies Herz schlug schneller, ihre Sinne waren auf das Höchste angespannt. Langsam und ohne ihre Aufregung zu zeigen, bewegte sie sich auf den Mann zu. Nach ein paar Schritten hatte sie ihn erreicht. »Entschuldigen Sie bitte...«, sprach Steph Rydell an, und trat dabei ganz nahe an ihn heran. »Ja?« Steph stach zu. Die Nadel der Spritze, offenbar eine Sonderanfertigung, drang mühelos durch Rydells Straßenanzug in die Haut ein. Ein kurzes, leises Zischen war zu vernehmen. Die Flüssigkeit wurde mit Hochdruck in den Körper des Opfers gepumpt und begann augenblicklich zu wirken. Sekundenbruchteile später konnte die Frau sehen, wie Rydells Gesichtszüge sich zu einer grotesken Maske verzerrten. Er taumelte, stützte sich an der Gangwand ab. Während er langsam in sich zusammensank, starrte er Stephanie mit ungläubigem Ausdruck an.
Die Agentin, selbst über die Wirkung des Mittels überrascht, bückte sich zu Rydell herab, um zu sehen ob der sich ernsthaft verletzt hatte. In diesem Augenblick betrat ein junges Pärchen die Zufahrt. Offensichtlich kamen sie vom Mittagstisch bei Joe, und wollten nun zurück zu ihren Arbeitsplätzen. »Was ist passiert?« fragte der junge Mann und beugte sich zu Steph und Rydell herunter. Stephanies Gedanken rasten, dieser Zwischenfall war nicht vorgesehen. Wo blieb Ingmar? Er hätte schon lange mit dem Gleiter hier sein müssen, um ihr beim Abtransport des Abgeordneten Rydell zu helfen. »Ich... ich weiß es nicht genau!« stammelte Steph. Sie bemerkte die Panik, die in ihr hochsteigen wollte. »Er brach einfach so zusammen!« Vergessen! Ich habe vergessen, den Impulsgeber zu betätigen! schoß es ihr durch den Sinn. Ingmar sollte erst auftauchen, wenn sie das Signal gegeben hatte. Der junge Mann war nun ganz nahe an sie herangetreten und beäugte den am Boden liegenden Rydell, während seine Begleiterin ein wenig zurück geblieben war, um die Szenerie aus der Entfernung zu betrachten. Noch bevor sie zu einer weiteren Regung fähig war, geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Der unbekannte Mann sagte: »Ich werde Hilfe holen!« und der gesamte Tunnel lag im gleißenden Scheinwerferlicht von Ingmar Knutssons Mietgleiter. Endlich hatte Stephanie Cane ihre Panik überwunden. Mit einer einzigen fließenden Bewegung zog sie den Blaster, zielte kurz auf den Mann und drückte ab. Sie konnte ihn gar nicht verfehlen! Übergroß ragte ihr Ziel vor ihr auf. Sie hörte den spitzen Schrei der Frau, und als sich Stephanie ihr zuwandte, hörte sie das helle Singen einer Waffe. Die Frau brach auf der Stelle zusammen. »Kindchen, was machst du solange?« hörte Steph ihren
Partner fragen. »Nun aber schnell!« Mit vereinten Kräften trugen Steph und Ingmar Will Rydell zu dem Gleiter und verstauten ihn wie einen Sack Kartoffeln im hinteren Teil des Gefährts. Beide Agenten sprangen in den Fond des Fahrzeuges und Ingmar startete. Mit aufheulenden Motoren jagte er aus der Einfahrt heraus und raste die SamDhark-Straße entlang nach Norden. Erst als Ingmar die vielbefahrene Sternen-Avenue erreicht hatte, drosselte er die Geschwindigkeit ihres Gleiters und fädelte ihn in den fließenden Verkehr ein. Mit einem kurzen Seitenblick erkannte er, daß Stephanie ein wenig ruhiger geworden war. Er legte seine Hand auf ihre und drückte sanft zu. Väterlich sagte er: »Hey, Steph, alles in Ordnung, wir sind in Sicherheit.« »Sind die beiden tot?« »Nein, ich habe mir erlaubt, den an dich ausgegebenen Kombiblaster gegen einen Paralysator auszutauschen!« antwortete Ingmar lächelnd. »Und die Frau?« »Steph, ich bin kein Killer! Ohne zwingende Notwendigkeit laufe ich nicht mit einem scharfen Blaster durch die Gegend! Mach dir keine unnötigen Sorgen, die schlafen nur! In ein paar Stunden werden sie wieder fit sein. Und heute abend, beim Bier, werden sie ihren Bekannten eine Räuberpistole auftischen können. Die beiden haben heute das Abenteuer ihres Lebens erlebt. Eigentlich sollten sie uns dankbar sein.« Ingmar bemerkte, wie sich seine Kollegin nun vollends entspannte, und sich ein Lächeln auf ihrem schönen Gesicht zeigte. Er begann, sich auf den Verkehr zu konzentrieren, und überholte ein paar Frachtgleiter. Stephanie wandte sich um und schaute auf den Rücksitz des Gleiters. In unbequemer Haltung lag dort der Abgeordnete Will Rydell, so, wie er in der Einfahrt verfrachtet worden war, mit vollem Bewußtsein, aber unfähig, sich zu bewegen.
Nachdenklich, mit nach oben gezogenen Augenbrauen, schaute Stephanie den Mann an. »Knapp war es aber trotzdem«, sagte die Agentin Stephanie Cane nachdenklich. »Ja, Stephanie, knapp war es«, antwortete Ingmar Knutsson ohne den Blick von der Fahrbahn zu nehmen. In Gedanken hatte er den Einsatz schon abgehakt. Es hatte Spaß gemacht. Ingmar Knutsson freute sich auf weitere Aktionen dieser Art. *** Mit schnellen und sicheren Schritten eilte der Soldat auf die Tür zu. In seinen Händen hielt er einen Umschlag, in dem sich mehrere Folien mit wichtigen Nachrichten befanden. Einen Augenblick lang hielt er inne und schaute zu der Frau hinter dem Empfangstisch. Sie schien keiner besonderen Aufgabe nachzugehen, denn ihr Blick war ausdruckslos und leer. Mit einem leichten Nicken bestätigte sie ihm, daß er ins Allerheiligste eintreten durfte. Hinter der in Eiche gehaltenen Tür thronte der derzeit mächtigste Mann des Planeten Terra. Henner Trawisheim. Hätte der Soldat den Inhalt der Folien gekannt, die er beförderte, dann wäre er vielleicht vorsichtiger gewesen. So aber konnte er nicht wissen, mit welcher Reaktion er bei dem Cyborg zu rechnen hatte, und trat unbesorgt in das Büro des Stellvertreters Ren Dharks. Henner Trawisheim nahm die Folien schweigend entgegen. Seine Haltung ließ nicht erkennen, daß er seit ein paar Tagen von einem Grako-Mensiten übernommen worden war und dessen Befehlen folgte. Auch wenn der Soldat es nicht wahrnehmen konnte, Henner Trawisheim war auf das höchste beunruhigt. Schon seit den frühen Morgenstunden brachte ein Strom von Boten ihm
Nachrichten aus allen Teilen des Planeten. Keine einzige hatte es bisher vermocht, ihm ein Lächeln abzugewinnen. In den letzten Stunden waren in allen Teilen der Welt Menschen, die im Lichte der Öffentlichkeit standen, verschwunden. Alle Verschwundenen hatten eines gemeinsam: Sie standen auf der Liste, die Henner Trawisheim zusammen mit Echri Ezbal und Cyra Simmons erstellt hatte, und sie waren für die Unterwanderung des Planeten mit von Mensiten Übernommenen wichtig. Mit einem kalten Blick musterte Henner den Mann. Der Cyborg auf geistiger Ebene hatte in früheren Zeiten immer ein freundliches Wort für einfache Soldaten. Aber diese Zeiten waren vorbei. Durchschnittliches Trägermaterial, nicht für höhere Ziele geeignet, ging es ihm durch den Kopf. Laut sagte er: »Sie können gehen, Soldat.« Nachdem der Bote den Raum verlassen hatte, wandte sich Trawisheim seinen Aufgaben zu. Schnell riß er den verschlossenen Umschlag auf und studierte die neuesten Berichte. Ganz oben lag die ausführliche Stellungnahme zu einer Entführung, die noch keine vier Stunden her war. Einer der Abgeordneten war betäubt und entführt worden. Die Aussagen der Augenzeugen waren zwar widersprüchlich, aber Trawisheim konnte man nichts vormachen. Alle Details deuteten darauf hin, daß es sich nicht um einen Zufall handelte. Die Tat paßte in das Schema der anderen Berichte. Hier war eine gut ausgerüstete und entschlossene Organisation am Werk. In dem momentanen Stadium konnte sich Henner Trawisheim nur zwei Menschen vorstellen, die in der Lage gewesen wären, innerhalb kurzer Zeit solche Aktionen durchzufuhren. Marschall Ted Bulton und GSO-Chef Bernd Eylers!
Nun, das Problem Bulton war zwischenzeitlich gelöst. Der Marschall saß in Haft. Sicher verwahrt hinter einer Tür aus hochwertigem Stahl. Blieb nur noch Eylers übrig. Zwar hatte es schon Versuche gegeben, seiner habhaft zu werden, aber geklappt hatte es bisher noch nicht. Für den Mensitenträger Trawisheim war Bernd Eylers Staatsfeind Nummer 1. In Gedanken zählte der Cyborg nach, wieviel hochrangige Politiker ihm schon verloren gegangen waren. Zehn, fünfzehn, oder mochten es, während er sich diese Berichte durchlas, schon mehr sein? Henner Trawisheim kam zu dem Entschluß, daß sofort etwas geschehen mußte. Auch wenn der Zeitpunkt nicht günstig war, und er lieber noch ein paar Tage gewartet hätte. Noch immer mußte mit der Entdeckung der Machtübernahme gerechnet werden, und es gab noch nicht genügend von Mensiten Beeinflußte in den Verwaltungsstrukturen, um gefahrlos agieren zu können. Aber eines war dem versklavten Cyborg klar: Eylers und seine Leute mußten unverzüglich gestoppt werden, bevor der Schaden zu groß und irreparabel wurde. Entschlossen betätigte er das Vipho: »Waranow soll sofort herkommen!« Ohne auf eine Bestätigung zu warten, schaltete er das Gerät ab. Mit grimmig entschlossenem Gesichtsausdruck betrachtete er erneut die vor ihm liegenden Berichte. *** Der langgezogene, gequält klingende Schrei brach so abrupt ab, wie er vor einigen Minuten begonnen hatte. Cyra Simmons schreckte hoch und betrachtete die vor ihr postierten Monitore. Jeder einzelne von ihnen zeigte einen anderen Abschnitt der Cyborgstation. Ihr erstes Interesse galt jedoch dem Gerät, welches die Bilder im Gang zur Notzentrale wiedergab. Nur allzu deutlich hatte Cyra noch das Toben von Mark Carrell in
den Ohren, der wie wild gegen das Schott gehämmert hatte. Ohne auch nur einen Gedanken an seine eigene Sicherheit zu verschwenden, hatte Carrell auf die Tür eingeschlagen. Irgendwann mußte sie trotz der Anwesenheit des durchgedrehten Cyborgs auf der anderen Seite des Schotts eingenickt sein. Seit dem Ausscheiden des Mensiten hatte Cyra kein klares Zeitgefühl mehr, und eine permanente Müdigkeit schien ihren Körper befallen zu haben. Regenerationsphase! Mein Körper heilt sich selbst. Daher die anhaltende Müdigkeit. Cyra überprüfte schnell die Lage vor dem Schott. Die Teleoptik zoomte die Tür in Nahaufnahme heran. Blutverschmiert aber unversehrt zeichnete sich das Schott ab, von Mark Carrell keine Spur. Erleichtert atmete Cyra Simmons auf. Dann begann sie die einzelnen Sektoren und Gänge der Station zu scannen. Nichts, der Hauptgang war leer! Sollten alle Stationsmitglieder tot sein? Hatte der Mensit zum endgültigen Schlag gegen seinen Wirt ausgeholt? Die Wissenschaftlerin in ihr bezweifelte es, denn ein Parasit, in diese Gattung hatte sie den Mensiten eingeordnet, würde seinen Wirt nicht ohne Not töten – und nach ihren bisherigen eigenen Erfahrungen mit der Grako-Seuche zehrte der Mensit zwar von den Lebenskräften seines Wirtskörpers, aber töten würde er nicht! Immer noch war ihr nicht klar, warum ihr Körper den Mensiten abgestoßen hatte. Sie war zwar bei ihren Experimenten mit dem Mentalparasiten tief in die Struktur des Virus eingedrungen, konnte sich aber nicht erklären, was im einzelnen geschehen war. Zeit! Ich brauche Zeit und ein Labor für weitere Experimente! dachte sie. Solange aber dort draußen ein verrückter Mark Carrell und wer noch alles sein Unwesen in der Station trieb, blieb Cyra Simmons nichts anderes übrig, als zu beobachten und abzuwarten, wie sich die Dinge weiter
entwickeln würden. *** »Ah, Waranow! Gut, daß Sie da sind. Schließen Sie die Tür und kommen Sie her. Es gibt ernsthafte Dinge zu besprechen!« begrüßte Henner Trawisheim den Mann, der sich anschickte, das Büro des Cyborgs zu betreten. Ohne eine Antwort des Militärs zu erwarten, fuhr Trawisheim fort: »Ungewöhnliche Vorkommnisse erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. In den letzten acht Stunden ist Eylers mit seinen Leuten aktiv geworden! Er versucht unsere Pläne, falls sie ihm überhaupt in ihrer Gänze bekannt sein sollten, zu unterlaufen!« Einen Moment verhielt Henner Trawisheim, so als müßte er seine Gedanken neu sortieren, dann fuhr er emotionslos fort: »Ich will, daß sich alle auf dieser Liste aufgeführten Personen bis morgen 15:00 Uhr entweder im Brana-Tal – zwecks Behandlung – aufhalten, sich in Ihrer sicheren Obhut befinden, oder tot sind. Haben Sie mich verstanden, Waranow? Wie Sie es anstellen, ist mir ziemlich egal. Nur, halten Sie den Zeitplan ein« »Verstanden, Trawisheim! Ich werde unverzüglich mit der Festsetzung der Personen beginnen. Welches Personal steht mir zur Verfügung?« »Falls Ihre Frage auf den Einsatz der Cyborgs abzielt, Waranow, vergessen Sie es. Die bleiben vorerst im Tal! Ihre eigenen Leute tragen doch alle den Mensiten in sich. Greifen Sie auf die zurück. Und, Waranow, noch eines, versuchen Sie nicht mehr Porzellan zu zerschlagen als unbedingt notwendig. Einen rebellischen Planeten können wir noch nicht gebrauchen!« »Verstanden, Trawisheim.« Jossip Waranow, der noch vor kurzem eine ganz andere
Rolle im Spiel um den Planeten Terra innegehabt hatte, drehte sich grußlos um und verließ das Büro Trawisheims. Der Cyborg saß hinter seinem Schreibtisch und schaute durch das Panoramafenster hinaus auf Alamo Gordo. Sanftes Rotlicht einer untergehenden Sonne fiel auf das starre Gesicht Henner Trawisheims. Er bemerkte von all dem nichts. Seine Gedanken weilten weit entfernt in einer anderen, vom Mensiten beherrschten Welt. Eine Welt, die trostloser und kälter nicht hätte sein können. *** Untätigkeit im allgemeinen war Marschall Ted Bulton schon ein Greuel, analysierte er jedoch seine momentane Situation, so paarte sich die Untätigkeit noch mit Hilflosigkeit und Niedergeschlagenheit. Alles in allem, eine Mischung, die bei einem labileren Menschen als dem Marschall zum Selbstmord ausgereicht hätte. Ted Bulton dachte jedoch nicht im geringsten an Freitod. Seinen Tod hatten andere längst beschlossen. Trawisheim konnte ihn gar nicht am Leben lassen, dafür hatte er zu viele Karten vom Blatt der Cyborgs gesehen und die richtigen Schlüsse gezogen. Er hatte lange darüber nachgedacht, ob es in seinem bisherigen Leben schon einmal eine solch ausweglose Situation gegeben hatte. Er fand keine Antwort. Bei allen gefährlichen und lebensbedrohenden Operationen, an denen er beteiligt war, hatte es immer einen Ausweg gegeben. Auch wenn der Marschall oft dem Tod ins Auge geblickt hatte, und es manchmal nur einem glücklichen Zufall zu verdanken war, daß er weiterleben durfte, die Hoffnung war ihm immer gegönnt gewesen. Wie ein Tiger hinter Gittern war der Marschall stundenlang in der kleinen Zelle auf und ab gelaufen. Hatte nach Möglichkeiten gesucht, von diesem Ort zu fliehen. Immer
wieder starrte er die Tür und die Wände an, suchte jeden Zentimeter in seiner Zelle ab, so als würde irgendwo ein Fluchtweg verborgen sein. Das Schlimmste aber war, daß ihn Trawisheim perfekt von der Außenwelt abgekapselt hatte. Ted Bulton hatte seit seinem Verhör niemanden mehr zu Gesicht bekommen. Es machte ihn wahnsinnig, nicht zu wissen, was auf der anderen Seite der Gefängnistür vor sich ging. War Terra schon vom Mensiten übernommen worden? Er konnte noch nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, wie lange er sich schon in dieser Zelle befand. Nach der Zeit, die er dösend oder schlafend verbracht hatte, konnte er nicht gehen. Jedesmal, wenn der Marschall die Augen öffnete, starrte er in das kalte, bösartige Licht des Deckenleuchtkörpers. Die tief in die Decke eingelassene Lampe schien niemals zu erlöschen. Ob dies eine Gemeinheit des Cyborgs war, konnte Ted Bulton nicht sagen, aber zutrauen tat der Mann es ihm. Trawisheims Schergen hatten ihm alles abgenommen, nur seine Kleidung, eine Einsatzkombination mit vielen, jetzt leeren, Taschen, war ihm geblieben. Selbst die Schulterstücke, die ihn als Marschall der terranischen Flotte auswiesen, hatten sie ihm verächtlich mit den Worten »Die brauchst du nicht mehr!« von der Montur gerissen, und der fensterlose Raum, in dem er sich befand, ließ ein Bestimmen der Tageszeit nicht zu. Wie gerne hätte er sich in diesem Moment mit Doris unterhalten, oder auch nur einen Schluck heißen Kaffees getrunken. Selbst Nahrung und Getränke schienen sie ihm zu verweigern. Nicht einmal die Möglichkeit zur Verrichtung seiner Notdurft hatten sie ihm gegeben. Es war gerade so, als würde Marschall Ted Bulton nicht mehr existieren. Weggeschlossen und vergessen. Ein lebender Toter. Der einst mächtigste Militär des Planeten Erde hatte keine Ahnung, wie lange ein Mensch es aushalten konnte, diese
Zustände zu ertragen. Resigniert zog er sich auf die Pritsche zurück, starrte an die Zellendecke und wartete. Wartete auf ein Wunder, von dem er selbst nicht mehr glaubte, daß es geschah. *** Waranow ließ sich mit der Ausführung von Trawisheims Befehlen nicht sehr viel Zeit. Sobald er seinen Kommandostand, in den Kellerräumen des Gebäudes gelegen, erreicht hatte, verfiel er in hektische Betriebsamkeit. Schnell hatte er die Liste, die er von dem Cyborg bekommen hatte, durchgearbeitet. Anhand der an der Wand hängenden Straßenkarte von Alamo Gordo markierte er die Wohnorte aller Personen, die in Schutzhaft genommen werden sollten, mit kleinen roten Fähnchen, die eigentlich die feindlichen Stellungen in einem Kriegsszenario darstellten. Zwar hatte Trawisheim es ihm anheim gestellt, die Feinde des Mentalparasiten auch zu töten, aber er gedachte diese Möglichkeit nur im äußersten Notfall anzuwenden. Politiker waren gutes Trägermaterial für den Mensiten und kein Schlachtvieh. Nachdenklich betrachtete er sein Werk. Auf der Karte waren leider mehr rote Fähnchen, als ihm zuverlässige und brauchbare Soldaten zur Verfügung standen. Seine erste Idee war es gewesen, alle Kandidaten zur gleichen Zeit in einer einzigen Großaktion festzusetzen. Nach Studium der markierten Karte mußte er seinen Plan revidieren. Zu wenig Personal und zu weit verstreute Einsatzorte! Zu große Entdeckungsgefahr! Jossip Waranow hätte den Beinamen »der Falke« völlig zu Unrecht getragen, wenn er vor der ihm gestellten Aufgabe kapituliert hätte. Er begann erneut zu überlegen und bezog diesmal nicht nur militärische Aspekte in seine Pläne mit ein.
Warum sollte er sich nicht auch geheimdienstlicher Methoden bedienen? Ihr Hauptfeind Eylers hatte es ihnen doch vorgemacht. Ja, das war die richtige Mischung! Waranow hatte die Lösung für sein Problem gefunden! Schnell schrieb er seine Befehle nieder und rief den diensthabenden Offizier, der sich im Vorzimmer aufhielt: »Sorgen Sie für die sofortige Ausführung meiner Befehle!« *** Auch Bernd Eylers machte Pläne, nur war er nicht ganz so zuversichtlich wie seine Gegenspieler Waranow und Trawisheim. Nachdem es ihm und seinen Leuten gelungen war, über zwanzig gefährdete Personen dem Zugriff Trawisheims zu entziehen und hier in der ehemaligen Elektronikfabrik in Sicherheit zu bringen, war es dem GSO-Chef klar, daß es nur noch eine Frage von Stunden sein konnte, bis der Stellvertreter Dharks die richtigen Schlüsse zog und zum Gegenschlag ausholen würde. Nachdem Bernd Eylers den Abgeordneten Karvek Myradan überzeugen konnte und dieser in die Fabrik übersiedelt war, machte sich der GSO-Mann daran, die eingegangenen Meldungen und Berichte seiner Agenten zu sichten. Schnell wurde ihm klar, daß seine Organisation viel zu klein war, um innerhalb kurzer Zeit alle gefährdeten Personen zu evakuieren. Tröstlich für ihn war aber der Umstand, daß es Trawisheim ähnlich ergehen mußte. Es war nur die Frage, wer war schneller? Eylers saß in seiner kleinen, spartanisch eingerichteten Unterkunft und überflog die Einsatzberichte. Trotz der gefährlichen Situation auf Terra bestand er auf einem schriftlichen Bericht seiner Agenten. Sollte der Mensit irgendwann einmal wirklich besiegt werden, würde er sich, vor
wem auch immer, verantworten müssen. Dafür waren, unter anderem, die schriftlich niedergelegten Einsatzberichte gedacht. Nachdem er alle Berichte gelesen hatte, überlegte Eylers, welches die nächsten Schritte seiner Gegner sein könnten. Eine Frage, die ihn immer noch quälte, war der Verbleib von Ted Bulton und seinem Stab. Der Marschall hätte gut in seine Pläne gepaßt, aber seit seiner Verhaftung war es Eylers Leuten noch nicht gelungen, seinen Aufenthaltsort zu bestimmen. Vielleicht war der Mann auch schon tot? Eylers rieb sich die müden Augen und seufzte leise. Dann gab er sich einen Ruck: »Jammern hilft keinem!« murmelte er vor sich hin. Er rief seinen Verwalter Xentar zu sich. »Matury, lassen Sie bitte alle verfügbaren Agenten in die ehemalige Produktionshalle kommen. Sagen wir so in einer halben Stunde. Ich habe einiges zu sagen! Und Ingmar Knutsson möchte ich sofort sprechen!« Nickend verließ der Japaner den kleinen Raum. *** Auch im Brana-Tal brach die Nacht herein. Anders als in Alamo Gordo kam die Dunkelheit schnell, und mit ihr kam auch die Kälte. Schon bald nachdem die letzten Sonnenstrahlen verschwunden waren, pfiff ein eisiger Wind durch das enge Tal. Pal Hertog starrte fröstelnd auf den Energieschirm, der die Cyborgstation eingehüllt hatte. Schon kurze Zeit nachdem die drei Männer festgestellt hatten, daß die Cyborgstation vorerst für sie nicht erreichbar war, hatten sie begonnen, sich auf dem Baugelände vor der eigentlichen Station so häuslich wie möglich einzurichten. Hier sollte ein neuer Gebäudetrakt entstehen, aber wie es aussah, waren auch die Bauarbeiter alle verschwunden. Vielleicht in die Cyborgstation? Vielleicht abberufen? Vielleicht aber auch tot?
Manu Tschobes Nase hatte sich nicht getäuscht. Irgend etwas im Tal war oberfaul. Der afrikanische Arzt war bei einem Besuch im Tal angegriffen worden, und bei ihrem Herweg durch die Wildnis des Himalayagebirges hatten sie sich in einem Feuergefecht mit einem Cyborg und Stationspersonal den Weg freischießen müssen. Auch eine reichlich seltsame Angelegenheit. Nur der Unachtsamkeit des Cyborgs – er hatte schlicht vergessen zu phanten – hatte man es zu verdanken, daß das Gefecht zu Gunsten von Manu Tschobe, Pal Hertog und Bud Clifton ausging. Als man dann endlich das Tal erreicht hatte, verhinderte der Energieschirm das Eindringen in die Station. Dies alles lag nun schon einen Tag zurück. Die Strapazen des Aufstieges waren weitestgehend auskuriert und vergessen. Seitdem hatten sie abwechselnd Wache geschoben und die Cyborgstation beobachtet. Aber es war in der ganzen Zeit nichts aufregendes passiert. Es schien, als wäre das Tal ausgestorben. Nirgendwo regte sich Leben. Selbst Tiere schienen diesen Ort zu meiden, gerade so wie der Teufel das Weihwasser mied. Hinter sich wußte Pal Hertog seine Freunde. Tief in den Kellerräumen eines halbfertigen Gebäudes hatten sie Unterschlupf gefunden. Pal Hertog stand auf und schlenderte gemächlich Richtung Unterschlupf. Heftig zerrte der eiskalte Wind an seiner Montur. Vom ersten Stock des Gebäudes aus konnte er die Station genauso gut beobachten, und dort wäre er auch vor dem Wind geschützt. Wenige Minuten später hatte er seinen neuen Beobachtungsplatz bezogen. Er setzte das Nachtsichtgerät an die Augen und starrte in die Dunkelheit. »Na, wie sieht es aus?« Pal Hertog zuckte zusammen. »Mann, hast du mich erschreckt. Du hast doch sonst nicht so einen leisen Gang«, entfuhr es ihm. Bud trat an ihn heran und reichte ihm einen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit.
»Tschobe schläft den Schlaf der Gerechten, und mir war langweilig. Also sagte ich zu mir, besuche einfach Pal und bringe ihm was Warmes!« »Danke, Bud. Damit hast du was gut bei mir.« Pal schaute erneut durch das Sichtgerät. »Und?« fragte Bud Clifton erwartungsvoll. »Nichts. Absolut nichts! Die Station ist tot und verlassen. Wenn du mich fragst, dann ist ein weiteres Abwarten reine Zeitverschwendung. Falls sich doch noch jemand dort aufhält, denkt er nicht im Traum daran, bei dem Sauwetter ‘raus zu kommen und uns mitzuteilen, was hinter dem Schutzschirm gespielt wird.« »Dich fragt aber keiner« antwortete Bud Clifton. »Du willst doch nicht aufgeben, Pal?« »Quatsch, mir fehlt nur der warme Platz am Ofen und eine ordentliche Portion Brandy oder Rum. Wirst schon noch merken wieviel Vergnügen es bereitet, in einer solchen Nacht Wache zu halten. Wie spät ist es eigentlich?« »Gleich halb zwei. Ich werde dich dann so um drei herum ablösen.« Pal nickte nur und trank den Rest der Flüssigkeit aus dem Becher. Nochmals dankend gab er ihn dann an Clifton zurück und wandte sich wieder seiner unterbrochenen Tätigkeit zu. »Hau dich auch etwas hin, Bud, sonst pennst du noch bei deiner Wache ein!« Aus den Augenwinkeln heraus nahm Pal Hertog wahr wie sein Kampfgefährte von der Point Of über die steile Treppe nach unten verschwand. In ein paar Minuten würde sich Bud in seinen Schlafsack legen und es schön warm haben. Er hätte liebend gern mit Bud getauscht. Erneut schaute Pal durch das Glas, suchte jeden Zentimeter des vor ihm liegenden Geländes ab und hoffte, daß irgend etwas die Monotonie seiner Wacht unterbrechen würde.
Langsam verstrich die Zeit und Pal Hertog fühlte, wie die Müdigkeit in seine Knochen kroch. Es fiel ihm immer schwerer, die Augen offen zu halten. Mehrmals nickte er kurz ein. Immer widerwilliger zwang er sich dazu, das Nachtsichtgerät zu erheben und an die Augen zu führen. Der Rundblick in die dunkle, eiskalte Nacht würde doch nichts Neues ergeben. Zu seinem Verdruß fing es auch noch an zu regnen. Erst langsam und sacht, dann immer stärker werdend. Pal fluchte und schaute sich nach einem Unterschlupf um, aber in dem halbfertigen Bau ohne Dach gab es keine Stelle, von der aus er trockenen Fußes die Station der Cyborgs hätte beobachten können. Also fluchte er vor sich hin und starrte weiter in die Nacht hinaus. Nur ein paar Minuten später hörte er das erste Donnergrollen und die engen Talwände wurden durch zuckende Blitze erhellt. Etwas später öffnete der Himmel vollends seine Tore, und eine wahre Sturzflut ergoß sich iii das Tal. Pal Hertog war nun hellwach und verteufelte sich selbst und Manu Tschobes verrückte Idee. Der immer dichter werdende Regen nahm dem Mann jede Sicht. Immer häufiger mußte er das Nachtsichtgerät absetzen und das Okular trocken wischen. Ein weiteres Beobachten der Station hatte unter diesen widrigen Umständen keinen Zweck mehr. Fluchtartig verließ Pal Hertog seinen Beobachtungsposten, um in dem tiefer gelegenen Stockwerk Zuflucht zu suchen. Hätte er gewußt, daß sich nur weniger als hundert Meter von ihm entfernt, in einer der Betonkuppeln der Station, gerade in diesem Augenblick das Schicksal von zwei Menschen entschied, er wäre vielleicht doch an seinem Platz geblieben. *** Echri Ezbal wurde von dem Alarm vollkommen überrascht. Er befand sich gerade in der Hauptabfüllstation, als die Sirenen
ihr schrilles Lied begannen. Hier hatte er sich vom ordnungsgemäßen Abfüllen des Mensiten in Sprühflaschen überzeugen wollen. Sein vom Mentalparasiten versklavtes Gehirn hatte den teuflischen Plan ersonnen, die Bruchstücke des Mensiten in Sprühflaschen zu füllen und dann in der Atmosphäre freizusetzen. Ergänzend hierzu sollten die öffentlichen Transmitternetze zur Verbreitung der Sporen genutzt werden. Seine und Cyra Simmons Berechnungen gingen davon aus, daß es möglich war, den Planeten Terra innerhalb von vierzig bis fünfzig Stunden komplett zu unterwerfen. Bevor der Brahmane noch zu irgendeiner Reaktion fähig war, hatten sich die Schotts der im 3. Kellergeschoß gelegenen Anlage bereits gesenkt und waren fest verschlossen. Ezbals Gesichtsausdruck zu deuten, war nicht allzuschwer. Der junge Techniker, der hier seinen Dienst versah und den Abfüllungsprozeß überwachte, zuckte zusammen, als der Brahmane anfing loszubrüllen: »Was geht hier eigentlich vor? Sie da, sehen Sie zu, daß sich diese verdammten Schotts sofort wieder öffnen!« Ohne den Techniker weiter zu beachten, stürzte Ezbal auf das an der Wand angebrachte Schaltpult zu. Wild hieb er auf das Steuerpanel ein. »Ezbal an Zentralcomputer: Sofortiger Zustandsbericht der gesamten Station erbeten!« Es dauerte nur Sekundenbruchteile bis einer der Kommunikationsschirme aufflackerte, und das Symbol des Zentralcomputers zeigte. Eine wohlklingende, synthetisch erzeugte Frauenstimme antwortete: Stimmenanalyse abgeschlossen Teilautorisierung zugestanden Oberflächenscanner aktiviert Oberflächenscan abgeschlossen
Zustandsbericht Station: • Station aufgrund Notfallprogramm gegen Außenwelt • abgeschottet. • Hochleistungsenergieschirm aktiviert • • Überlebenssysteme aktiviert • • Notausgänge durch autorisierte Person geschlossen und • versiegelt. • Automatisches Verteidigungssystem durch autorisierte • Person deaktiviert • Kampfrobotereinheiten durch autorisierte Person deaktiviert • • Medo-Robotereinheiten durch autorisierte Person aktiviert • • Zustand Medo-Robotereinheiten: Stand-by Modus • • Untersektion K7b weist schwere Kontaminierung durch F• Viren auf • Gegenmaßnahme 1: Abschottung der angrenzenden • Bereiche eingeleitet • Gegenmaßnahme 2: Automatische Dekontaminierung • eingeleitet • Notzentrale in Sektion K12c weist irreparablen Schaden der • Verriegelungseinrichtung auf • Gegenmaßnahme: durch autorisierte Person unterbunden • • Laboreinrichtungen in den Sektionen 16 bis 21 weisen • Teilzerstörung auf • Gegenmaßnahme: im Programm nicht vorgesehen. • • Kryogentanks in Sektion V12 weisen Unregelmäßigkeiten • auf. Ursache: unbekannt • Zustand verbleibende Systeme: ordnungsgemäß • Zustandsbericht Station ENDE •• DNA-Scanner aktiviert. • DNA-Scan abgeschlossen • WARNUNG, WARNUNG:
• nicht eindeutig spezifizierbare Lebensform entdeckt • VORSCHLAG: Fremdorganismus auf Viren-Basis • Maßnahme: Dekontaminierungsprogramm aktivieren. • • Dekontaminierungsprogramm durch autorisierte Person • Ezbal am 17. August 2061 gestoppt. • Weiterführende Maßnahme: keine • WARNUNG ENDE DNA-Zustandsbericht: • erfaßte höhere Zellkomplexe: 765 • • erfaßte humanspezifische Komplexe: 212 • • erfaßte säugetierspezifische Komplexe: 553 • • erfaßte Zellstruktur Typ Mensch, Zustand tot: 42 • KORREKTUR, KORREKTUR: • erfaßte Zellstruktur Typ Mensch, Zustand tot: 43 • • erfaßte Zellstruktur Typ Tier, Zustand tot: 0 • DNA-Zustandsbericht ENDE. NACHTRAG 1 • Untersektion • K7b: Dekontaminierung durchgeführt. • Zustand Untersektion K7b: ordnungsgemäß • NACHTRAG 1 ENDE
erfolgreich
NACHTRAG 2 •• Autorisierungskorrektur: Teilautorisierung Ezbals durch autorisierte Person aufgehoben • Löschvorgang eingeleitet • • Kommunikationskanäle werden geschlossen • NACHTRAG 2 ENDE *** Karen Rice war nicht ganz mit sich zufrieden, als sie an diesem
Tag ihr Stadtbüro verließ. Als Abgeordnete des Parlaments hatte sie schon zu Beginn ihrer Laufbahn darauf verzichtet, die im eigentlichen Parlamentsgebäude zur Verfügung stehenden Büros zu nutzen. Einmal wollte sie sich ein Stück Unabhängigkeit bewahren, zum anderen fand sie es ganz praktisch, ein Büro im Zentrum Alamo Gordos zu haben. Sie schätzte es sehr, die Einkäufe für ihre vierköpfige Familie selbst zu tätigen. Die hochgewachsene, blonde Frau stand mit zwei schweren Einkaufstüten bepackt vor ihrer Bürotür, als ihr einfiel, daß Moris, ihr Ehemann, an diesem Abend kochen würde, und sie hatte ihm hoch und heilig versprochen, einige seltene Gewürze zu besorgen. Natürlich hatte sie es vergessen! Karen beschloß, erst mal ihre Einkäufe zu deponieren, und dann noch schnell loszugehen, um das Vergessene zu besorgen. Sie würde sich beeilen müssen, denn es war doch schon sehr spät, und ihr Mann war nicht sonderlich begeistert, wenn sie sich an einem der seltenen freien Abende auch noch verspätete. Schon als sie ihr Büro betrat, hatte Karen so eine Vorahnung, als würde der Abend anders verlaufen, als sie es geplant hatte. Sie spürte, daß etwas nicht stimmte, ohne daß sie hätte sagen können, was vor sich ging. Mit dem Instinkt einer langjährigen Hausfrau, Mutter und Gattin sah sie, daß sich irgend etwas in ihrem Büro verändert hatte. Hinter dem kleinen Schreibtisch, an dem normalerweise ihre Sekretärin Tracy saß, hatte ein ihr unbekannter Mann Platz genommen und blickte sie eindringlich an. Noch bevor die Frau etwas sagen konnte, trat aus dem Schatten der Eingangstür ein zweiter Mann. »Abgeordnete Karen Rice?« sprach er sie an. »Ja, Sie wünschen?« »Im Interesse der nationalen Sicherheit muß ich Sie bitten, uns zu begleiten. Sie sind vorübergehend in
Sicherheitsverwahrung genommen!« Er hielt ihr ein Formular entgegen, aus dem sie entnehmen konnte, daß sie verhaftet war. Neben dem Siegel des terranischen Regierungspräsidenten prangte die Unterschrift Henner Trawisheims. »Darf ich fragen, was das alles soll? Welchen Verbrechens habe ich mich schuldig gemacht?« Karen hatte ihre Selbstsicherheit wiedergewonnen. So leicht konnte man ihr keine Angst machen. Schließlich kannte sie ihre Rechte als Abgeordnete. »Abgeordnete Rice, bitte machen Sie sich und uns keine unnötigen Schwierigkeiten. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als auf diesem Haftbefehl steht. Sollte es sich um ein Versehen handeln, so können Sie selbstverständlich Protest einlegen. Aber dieses zu beurteilen steht mir nicht zu. ich führe nur die Befehle von Ren Dharks Stellvertreter aus, also bitte begleiten Sie uns nun. Henner Trawisheim, zu dem wir Sie bringen sollen, wird Ihnen alles erklären.« Einen Moment lang zögerte Karen Rice noch, dann sagte sie sich aber im Stillen: Es kann sich alles nur um ein Mißverständnis handeln. Die beiden tun schließlich nur ihre Pflicht. Ich werde das mit Trawisheim klären. »Ja, natürlich! Ich möchte nur schnell meine Familie informieren...«, begann Karen und wollte nach dem ViphoGerät greifen, wurde aber von dem Mann hinter Tracys Schreibtisch daran gehindert. »Es tut mir leid, Abgeordnete, aber Vipho-Gespräche sind untersagt!« Grob hielt er ihren Arm fest. Karen ließ mehr vor Schreck als aus Angst vor dem Mann ihre Einkäufe fallen. »Was fällt Ihnen eigentlich ein...«, brauste die Frau auf. »Ich werde mich...« »Es reicht jetzt!« brüllte der Mann an der Tür. Er brachte einen Blaster in Anschlag und fuhr Karen an: »Abgeordnete
Rice, sollten Sie sich weiterhin den Anordnungen Henner Trawisheims widersetzen, so bin ich ermächtigt, von der Schußwaffe Gebrauch zu machen.« Drohend deutete er mit dem Lauf des Blasters auf Karens Brustkorb und ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, daß er die Waffe auch einsetzen würde. Die Abgeordnete Karen Rice kapitulierte. Ohne weiteren Widerstand zu leisten, ließ sie sich abführen. *** Schmerz! Die Welt von Mark Carrell bestand nur noch aus Schmerz. Der Cyborg preßte beide Hände an seinen Schädel. Eine erneute Welle stechenden Schmerzes peinigte seinen Kopf. Ein Gefühl wie tausend glühender Nadeln, die sich langsam durch die Schädeldecke schoben und tief in seine Hirnrinde eindrangen. Carrell taumelte durch die verlassenen Gänge der Cyborgstation. Sein geschundener Körper prallte gegen die Gangwand und langsam, zeitlupenhaft, sackte der Cyborg zusammen. Rutschte zu Boden. Für einen Moment verhielt Mark Carrell in liegender Stellung und hoffte auf ein Abklingen der Schmerzen. Dann wurde er erneut von einer Schmerzenswelle gepeinigt. Sein Körper bäumte sich wild zuckend auf, trieb ihn weiter. Carrell konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Irgend etwas in seinem Gehirn schwoll an, wucherte wie ein Krebsgeschwür. Anfangs, als er noch fähig gewesen war, klar zu denken, war es nur ein leichter aber permanenter Druck gewesen. Der Cyborg hatte nichts weiter unternommen, da der Mensit ihm suggerierte, es sei alles in Ordnung. Aber gar nichts war in Ordnung! Carrell spürte wie das Ding in seinem Kopf wuchs. Immer mehr Raum für sich beanspruchte. Die Schmerzen waren heftiger geworden. Nach seiner planmäßigen Infizierung mit
dem Mentalparasiten war Carrell von dem neuen Weltbild, das sein Gast ihm vermittelte, erfüllt worden. Der Mensit hatte ihn spüren lassen, welches Potential er besaß. Mark fühlte die unbändige Kraft und Macht des Parasiten, bereit, eine neue Ordnung im Universum zu errichten. Der Parasit und seine eigenen Cyborgfähigkeiten ergänzten sich ideal. Als der Einsatzbefehl gegen Bultons Leute gegeben wurde, erschien es ihm nur natürlich, mit aller Härte vorzugehen. Es war ein Kinderspiel gewesen. Sie hatten ihre Feinde einfach ausgelöscht. Es war, als würde man ein störendes Staubkorn auf dem neuen Anzug wegwischen. Als alles vorbei war, hatte er eine Befriedigung verspürt, die in seinem Leben bis dahin einmalig war. Wenig später dann zeigten sich bei ihm die ersten Veränderungen. Das Ding in seinem Kopf gab keine Ruhe mehr, forderte immer mehr. Unterwerfung seines Geistes und Raum in seinem Schädel. Carrell gab ihm beides. Eine weitere Nebenwirkung des wachsenden Mensiten war, daß immer mehr Teile seines eigenen Gehirns ausfielen. Einfach ihre Funktion einstellten. Mark Carrell stolperte weiter, erreichte eine Ganggabelung. Eine weitere Welle Schmerz raste durch seinen Körper. Ein langgezogener, gequälter Schrei entfuhr seiner Kehle. Irgendwie schaffte es der Cyborg, sich auf den Beinen zu halten und in den linken Gang zu taumeln. Vor seine Augen legten sich Nebelschleier. Carrells Blick war getrübt, seine Umwelt nahm er nur noch schemenhaft wahr. Seine torkelnden Bewegungen wurden abrupt gestoppt. Mit großer Wucht prallte er gegen eine der vielen Reinigungsmaschinen, die trotz der Ausnahmesituation ihren Dienst im gesamten Stationsgebiet verrichteten. Das Programm des Roboters erkannte das plötzlich aufgetauchte Hindernis als Mensch, und seinen Befehlen folgend verharrte der Roboter regungslos in der Gangmitte.
Erneut schrie der Cyborg gequält auf. Durch seine blutunterlaufenen Augen erkannte er etwas Großes vor sich. Für einen kurzen Augenblick war der Schmerz vergessen. Unbändiger Haß flammte auf. Mit wilder Entschlossenheit zu töten hieb Carrell auf den Reinigungsroboter ein. Seine blanken Fäuste trafen auf das kalte, harte Metall der Maschine. Rissen auf. Mit einem lauten Knacken brachen Carrells Finger. Blutige Hautfetzen blieben an dem Roboter hängen. Wieder wurde sein Körper von einer Schmerzenswelle gepackt, während aus seinen aufgeplatzten Händen Blut auf den Roboter tropfte. Haß! Töten! Töte deine Feinde! Töte! Sein von Schmerzen gemarterter Körper reagierte auf die Anweisung des Mensiten. Carrell schlug mit aller ihm noch zur Verfügung stehenden Kraft auf den Reinigungsroboter ein. Immer und immer wieder. Selbst als der Schmerz zu übermächtig wurde, und der Cyborg vor den noch immer rotierenden Scheibenbesen der Maschine zusammenbrach, hämmerten seine blutigen Fäuste noch auf das Gehäuse des Roboters ein. Wimmernd lag der Mann auf dem blankpolierten Gangboden. Unfähig sich zu erheben. Der Natur des menschlichen Körpers folgend, stellten immer mehr lebenswichtige Organe ihren Dienst ein. Der Druck in Carrells Kopf wurde immer größer. Der Mensit spürte, daß sein Gastkörper nicht mehr in der Lage war, zu reagieren. Gierig sog der Schmarotzer die Restenergie in sich auf. Ein erneuter Wachstumsschub. Immer größer wurde sein Umfang. Die Augäpfel Mark Carrells quollen immer weiter aus ihren Höhlen heraus. Die schützende Haut über der Schläfenpartie dehnte sich weiter nach außen, wurde immer dünner und überdehnte sich. Platzte auf. Mit großem Druck wurden Hautfetzen und rotweiße Gehirnmasse, die mit silbernen Fäden durchzogen war, aus dem Schädel des Cyborgs herausgepreßt.
Klatschten auf den geduldig wartenden Reinigungsroboter. Mark Carrell, einst von Ezbal zum Nutzen und Wohl der Menschheit zum Cyborg gemacht, starb langsam. Als sein gepeinigter Körper endlich zur Ruhe gekommen war, reagierte die Reinigungsmaschine. Nun, da kein menschliches Wesen mehr ihren Weg blockierte, nahm sie ihre unterbrochene Tätigkeit wieder auf. *** Mit mäßiger Geschwindigkeit bog der Transportgleiter in die schwach beleuchtete Hope-Straße ein. Hier, in den Randzonen von Alamo Gordo, schien die Welt sich nicht weitergedreht zu haben. Zu beiden Seiten der Fahrbahn standen mächtige Bäume Spalier. Großzügig gebaute Einfamilienhäuser, umgeben von Hecken und Grünflächen, ließen den Betrachter spüren, daß der Architekt bei der Planung dieser Siedlung an längst vergangene Epochen in der Menschheitsgeschichte gedacht hatte. Die gesamte Hope-Straße, benannt nach der von Ren Dhark mitgegründeten menschlichen Kolonie im Weltall, strahlte Ruhe und Wohlstand aus. »Halt mal an, Ingmar!« Stephanie Cane, mit der Ingmar Knutsson erneut im Auftrage Bernd Eylers’ unterwegs war, rüttelte sanft an seinem Arm. Der Transportgleiter begann leicht zu schlingern, aber Ingmar gelang es sofort, das ausbrechende Gefährt unter seine Kontrolle zu bringen. Ärgerlich kam er der Bitte seiner Kollegin nach. Sanft bremste der Gleiter ab und hielt an. »Was gibt es denn, Steph?« brummte Ingmar und bedachte die Frau auf dem Nebensitz mit einem strafenden Blick. Seit ihrem Aufbruch war Stephanie wortlos geblieben, hatte nur so da gesessen und vor sich hin gegrübelt. Wahrscheinlich steckt ihr noch der Schock von heute morgen in den Knochen, dachte
Ingmar. Also hatte auch er geschwiegen und sich auf ihren bevorstehenden neuen Auftrag konzentriert. Eylers hatte ihn extra zu sich gerufen und über die Ereignisse des Morgens befragt. Insbesondere hatte ihn Stephanies Verhalten interessiert. Am Ende der Befragung hatte der GSO-Chef es ihm dann freigestellt, einen neuen Auftrag mit Steph als Partnerin zu übernehmen, oder lieber einen anderen Agenten zugewiesen zu bekommen. Knutsson konnte zwar die Bedenken von Bernd Eylers nachvollziehen, empfand es aber der jungen Frau gegenüber als ungerecht. Schließlich war der Einsatz doch zu aller Zufriedenheit erfüllt worden. Eine kleine Panne konnte es bei jedem Team geben. Der Norweger machte Eylers deutlich klar, daß er keinen neuen Partner wollte. Damit hatte sich dann auch Eylers zufrieden gegeben. Mit den Worten: »Ich freue mich über Ihre Entscheidung und wünsche Ihnen beiden viel Glück!« hatte er ihm den braunen Umschlag, der den neuen Einsatz beinhaltete, übergeben. »Unser Mann wohnt doch in Nummer 37?« fragte Steph. »Ja, ich glaube schon. Warum?« knurrte Ingmar, der noch nicht ganz verstand, was seine Partnerin von ihm wollte. Schließlich kannte sie die Unterlagen genauso gut wie er. »Dann schau mal nach links! Wenn mich nicht alles täuscht, dann wird die Nummer 37 gerade von Trawisheims Schergen besucht!« Ihre Stimme war ein wenig hektischer geworden. Das Haus mit der Nummer 37, in der ihr zweites Entführungsopfer für diesen Tag mit seiner Frau wohnte, wurde von einer dicht bewachsenen Steinmauer umschlossen, und lag von der Straße zurückgesetzt. Das schmiedeeiserne Tor, das die Zufahrt zu dem Gebäude sicherte, wurde von zwei, jeweils links und rechts von den Torpfosten oben auf der Mauerkrone angebrachten Scheinwerfern ausgeleuchtet. Ein zum Transporter umgebautes Aufklärungsfahrzeug, das an den
Seiten noch die verwaschenen Insignien der terranischen Raumstreitkräfte trug, stand mit geöffneter Rückklappe in der Einfahrt des Anwesens. Ein zufällig vorbeikommender Beobachter hätte der Szenerie wohl kaum Bedeutung beigemessen. Alles erweckte den Eindruck, als würde die Familie Jackson eine Lieferung bekommen. Auch die Tatsache, daß dies am späten Abend erfolgte, hätte den angenommenen Beobachter kaum stutzig gemacht. Im Jahre 2061 gab es kaum noch Einschränkungen der Öffnungs- und Produktionszeiten. Gearbeitet wurde 24 Stunden am Tag, und jeder Bürger suchte sich die ihm passende Zeit zum Einkaufen aus. Ingmar betrachtete den Mann, der lässig an der offenen Containertür lehnte und gelangweilt eine Zigarette paffend zu dem Haus hinschaute. Auch hier deutete nichts auf etwas Ungewöhnliches hin. Der GSO-Mann wollte seine Kollegin schon anraunzen, als er die Unstimmigkeit der Kulisse bemerkte. Das grelle Scheinwerferlicht leuchtete einen Teil des Containerinnenraumes aus. Ingmar konnte undeutlich erkennen, daß auf dem Kabinenboden ein menschlicher Körper in seltsam gekrümmter Haltung lag. Schnell griff der Norweger auf den Rücksitz, tastete nach dem Infrarotsichtgerät. Ein kaum hörbares Summen deutete an, daß sich der Scanner des Gerätes eingeschaltet hatte. Ingmar war nun in der Lage, trotz der Dunkelheit seine Umgebung genau zu betrachten. Die vom Scanner gefundene Restenergie wurde innerhalb des Sichtfeldes in Formen umgewandelt. Tatsächlich lag dort auf dem Kabinenboden ein Mensch. Die gekrümmte Haltung verriet dem Agenten, daß die Person an Händen und Füßen mit Energiebändern gefesselt worden war. »Was siehst du?« Stephanies Stimme zitterte leicht. »Hast verdammt gute Augen! Du hattest recht, es sind tatsächlich Trawisheims Leute!« erwiderte Ingmar Knutsson. Er drehte sich leicht zu Stephanie um und betrachtete durch das
Seitenfenster den sichtbaren Teil des Hauses. »Und was machen wir nun?« Ingmar setzte das Sichtgerät ab. Auf seiner Stirn zeigte sich eine steile Falte. »Was auch immer wir machen, es muß schnell gehen! Ich schätze mal, daß sich im Haus noch mindestens zwei von Trawisheims Männern befinden. Der dort...«, er deutete mit dem Glas in der Hand zu dem Transportgleiter hin, »... ist wohl nur der Fahrer.« Beide schwiegen einen Moment, dann fragte Stephanie Cane: »Sollen wir Verstärkung anfordern oder die Sache ganz einfach abblasen?« »Aufgeben? Du spinnst wohl! Ich lasse mir doch nicht von den paar Figuren den Spaß verderben«, antwortete Ingmar Knutsson gut gelaunt. »Wir werden Eylers eine besondere Freude bereiten, und ihm nicht nur die Jacksons bringen! Vielleicht haben wir Glück, und es befindet sich einer darunter, der den Mensiten trägt.« »Was... was hast du vor?« stotterte Stephanie. Sie war durch Knutssons Andeutung leicht verwirrt und hatte Angst. »So genau weiß ich das selbst noch nicht. Zunächst werden wir uns um den Gleiterkutscher kümmern, und dann sehen wir weiter.« *** Boris Pasternack war schon zu lange Soldat, um sich über Einsatzbefehle noch Gedanken zu machen. So hatte es ihm auch nichts ausgemacht, als er in seiner Freiwache den Auftrag bekommen hatte, zusammen mit einigen Leuten aus Waranows Division loszufahren, um Fracht abzuholen. Es war ihm völlig gleichgültig, daß es sich dabei um menschliche Fracht handelte. Er war schließlich nur Fahrer, und was er
transportierte, spielte keine Rolle. Gelangweilt lehnte er am Träger der offenen Gleitertür und schnippte die fast aufgerauchte Zigarette in die Dunkelheit. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, fast kaum sichtbar, näherte sich schnell laufend ein Mann. Noch so ein Verrückter, dachte Boris. Er hatte nie viel für Jogger übrig gehabt. Der Mann war nun fast auf seiner Höhe, und Boris konnte seine keuchenden Lungen hören. Der Läufer verlangsamte sein Tempo, neigte den Oberkörper leicht vornüber und atmete tief aus. Der hat keine Luft mehr! Belustigt schaute Pasternack dem Läufer zu. Nachdem der Mann mehrfach tief geschnauft hatte, setzte er sich gehend wieder in Bewegung. Boris wollte dem Läufer weiter nachsehen, als er ganz in seiner Nähe Schritte hörte. Er wandte sich um, und aus der Dunkelheit heraus trat eine junge Frau in das Licht der Torscheinwerfer. Boris glaubte zu träumen, die Frau schien keine Bluse zu tragen! Er rieb sich nochmals die Augen, und sah erneut zu der Frau hin. Tatsächlich, er konnte ganz deutlich den weißen BH sehen. Boris Pasternack hatte den Jogger längst vergessen, fasziniert starrte er auf den gut gefüllten BH der Unbekannten. Sie schien es nicht zu bemerken, oder aber, falls doch, störte sie es nicht weiter. Die blonde Frau hatte ihn fast erreicht, war nur noch wenige Schritte von ihm entfernt. Boris kam in den Genuß, ihre Brust noch deutlicher betrachten zu können. Spontan kam dem Soldaten die Idee, die Schönheit anzusprechen, vielleicht ergab sich ja noch etwas in dieser Nacht. Er trat dicht an sie heran, doch noch bevor er sein Sprüchlein sagen konnte, spürte er einen schweren Gegenstand auf seinen Kopf niedersausen. Boris Pasternack brach zusammen. »Klappte besser als ich es angenommen habe, aber bei den
überzeugenden Argumenten auch kein Wunder«, spöttelte Ingmar Knutsson und warf seiner Begleiterin schmachtende Blicke zu. »He, du hast wohl vergessen, warum ich diesen halben Strip gemacht habe!« protestierte Stephanie lachend. »Hier, Steph!« Ingmar warf der Agentin ihre Bluse zu. Bedauernd sah er, wie sie ihre Pracht mit dem Stoff bedeckte, dann wandte er sich wieder seinen eigentlichen Aufgaben zu. Er überzeugte sich davon, daß der Fahrer sich in der nächsten Zeit nicht rühren würde. Er stemmte den bewußtlosen Körper hoch und schob ihn tief in das Innere des Gleiters. Kaum war er fertig, hörte er Stephanie raunen: »Sie kommen!« Über die kiesbedeckte Zufahrt konnte Ingmar deutlich vier Personen sehen, die sich langsam auf das Fahrzeug zubewegten. Senator Jackson und seine Frau vorneweg, bedroht von den Blastern ihrer Bewacher. »Jetzt kommt es drauf an, Steph! Mache keinen Fehler! Halte einfach mit dem Strahler drauf, wenn es soweit ist!« Ingmar huschte schnell zurück in die Dunkelheit und hielt seinen Blaster bereit. Flink betasten seine Finger den Knauf der Waffe. Mit einem leichten Druck stellte der GSO-Mann sicher, daß nur ein Paralysestrahl die Kombiwaffe beim Abschuß verlassen würde. Inbrünstig hoffte er, daß die Ladung ausreichen würde, um beide Bewacher des Senators für längere Zeit ins Reich der Träume zu schicken. Mit einem kurzen Seitenblick überzeugte sich Ingmar davon, daß auch Stephanie ihre Position eingenommen hatte. Wie schon bei dem Fahrer, sollte sie den Köder spielen. Die vier hatten nun fast das Tor durchschritten. Ingmar konnte den Senator und seine Frau schon gut erkennen, als Stephanie Cane die Szene betrat. »Senator Jackson!« rief Steph erstaunt, und tat so als würde sie das Ehepaar schon seit Jahren kennen. »Nett, Sie hier zu
treffen!« Im gleichen Moment brach Ingmar Knutsson aus dem Gebüsch hervor. Mit der einen Hand stieß er den Senator zur Seite, gleichzeitig betätigte er mit der anderen Hand den Auslöser des Kombiblasters. Stephanie Cane hatte ebenfalls blitzschnell reagiert. Kaum hatte sie das »zu treffen« ausgesprochen, lag die Waffe auch schon in ihren Händen, und nur Sekundenbruchteile später verließ der Lähmungsstrahl ihre Waffe und traf eine der Wachen voll. Zufrieden schaute Ingmar auf die bewegungslosen Körper, die vor ihnen auf der Straße lagen, dann sagte er zu dem verwirrten Senator: »Helfen Sie mir, die beiden zu verstauen. Wir müssen hier schnellstens verschwinden. Ach übrigens, Senator, Sie und ihre reizende Gattin sind zu einem kleinen Imbiß in lauschiger Umgebung eingeladen. Ihr Gastgeber, Bernd Eylers, kann es kaum erwarten, sie beide persönlich begrüßen zu dürfen.« *** An diesem Abend machte Bert Stranger, entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten, Überstunden. Dazu noch ohne von seinem Arbeitgeber aufgefordert worden zu sein. Birthe, seiner unauffälligen Kollegin, der er so gar nichts abgewinnen konnte, schenkte Stranger kaum Beachtung. Sie werkelte an ihrem Terminal, verfaßte einen kurzen Bericht über irgendeine Veranstaltung, die sie besucht hatte. Bert starrte Birthe, die mit dem Rücken zu ihm saß, an, ohne sie wirklich zu sehen. Strangers Gedankengänge kreisten immer noch um den gleichen Punkt, wie bereits Tags zuvor. Warum mußte Generalin van Maarten sterben? Was hatte Trawisheim damit zu tun? Er kam einfach zu keiner schlüssigen Antwort. Bert Stranger war sicher, daß die Lösung vor ihm lag, er konnte sie
nur im Moment noch nicht erkennen. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und ging Punkt für Punkt nochmals alle Informationen durch. Eigentlich hätte sich Moris schon lange melden müssen. Stranger hatte seine Informationsquelle im Parlament, den Hinterbänkler Moris Akran, am frühen Morgen angerufen. Der in der Öffentlichkeit kaum bekannte Politiker hatte auch zugesagt, sich gleich an die Arbeit zu machen, um die gewünschten Auskünfte zu besorgen. Danach war dann das große Schweigen ausgebrochen. Trotz mehrfacher Nachfrage Strangers war der Abgeordnete nicht mehr für ihn erreichbar. Nachdenklich schaltete Stranger sein Vipho ein. Die automatische Wahlwiederholung, in der die Nummer des Abgeordneten eingespeichert war, summte ihr monotones Lied. Nichts, Moris ging einfach nicht an das Vipho. »Hast du diesen Ryan eigentlich aufgesucht, Bert?« fragte Birthe plötzlich und wandte sich dem Starreporter zu. »Ja, ja«, brummte dieser. »Ist vielleicht eine Story wert.« Stranger, der immer versucht war, aus seinen Stories ein Geheimnis zu machen, war in der Nacht zuvor zu dem Entschluß gekommen, sein Wissen mit jemanden zu teilen. Ihn hatte ein Gefühl der Angst gepackt, und Birthe erschien ihm als geeignete Person. Falls ihm etwas zustoßen sollte, verfügte sie über genügend Fachwissen, um die richtigen Schlüsse zu ziehen und über genügend Zivilcourage, um alles zu veröffentlichen. Bert Stranger brütete immer noch vor sich hin, und hörte wie Birthe ihren Bericht in das Terminal tippte. Minutenlang war nur ihr schnelles, gleichmäßiges Tippen zu hören. Dann wurde die Tür zu ihrem gemeinsamen Büro aufgerissen, und der Kopf des Redaktionsassistenten Emerald war zu sehen. Emerald hatte erst vor ein paar Monaten in dem Pressebetrieb angefangen. Da er noch sehr jung war, Stranger schätzte ihn auf höchstens 19 Jahre, erledigte er zu Beginn seiner Tätigkeit fast ausschließlich Botengänge. Allgemein galt
Emerald als Frohnatur. »Na ihr beiden! Hier, Stranger...« In Emeralds Händen war urplötzlich ein versiegelter Umschlag aufgetaucht. »... ist für dich abgegeben worden.« Emerald zielte mit dem Umschlag auf Strangers Gesicht und tat so als wolle er werfen. Bert, der die Späße des Botenjungen schon öfters auskosten durfte, und wußte, daß er es nicht tun würde, ging auf das Spiel ein. Er beugte den Oberkörper nach unten, so als wolle er Schutz unter seinem Schreibtisch suchen. »Hättest du gern! Ich gebe es lieber meiner heimlichen Liebe Birthe!« rief der junge Mann lachend und legte den Umschlag auf Birthes Schreibtisch. »Viel Spaß noch!« rief er den beiden zu und verschwand genau so schnell und laut wie er aufgetaucht war. Neugierig betrachte die junge Frau den braunen Umschlag. Drehte ihn mehrfach, so als stände auf der Rückseite, was sich in ihm verbarg. »He, das Ding ist für mich. Wenn du unbedingt wissen willst was darin ist, dann sei ein braves Mädchen, und hole uns Kaffee. Ich sage dir dann alles!« Birthe, von dem plötzlichen Sinneswandel ihres Kollegen völlig überrascht, stammelte: »Alles? Kein Scherz?« »Nein, ganz ehrlich, Birthe! Du wirst die ganze Geschichte erfahren.« *** Langsam und vorsichtig balancierte Birthe mit dem Tablett durch die engen Gänge des Zeitungsgebäudes. Irgend etwas in Strangers Stimme hatte ihr gesagt, daß der Starreporter es diesmal ehrlich meinte. Das Gespräch mit dem Mann namens Ryan schien tiefe Spuren bei dem Reporter hinterlassen zu
haben. So bedrückt wie an diesem Tag hatte Birthe ihn noch nie erlebt. Etwas schreckliches mußte geschehen sein. Etwas, mit dem Stranger allein nicht fertig wurde. So hatte sie dann auch auf jegliche Kommentare verzichtet und sich aufgemacht, um den Kaffee zu holen. Natürlich war der Automat auf ihrer Etage mal wieder kaputt. Auch der sonst allgemein gebräuchliche Fußtritt gegen die Seitenwand der Maschine war wirkungslos verpufft. So begab sie sich schweren Herzens ein Stockwerk tiefer, um dort das belebende Getränk zu holen. Auf ihrem Rückweg war sie dann noch von einer Kollegin länger aufgehalten worden. Sie war fast in Reichweite des gemeinsamen Büros, als sie undeutlich mehrere Stimmen aus der halboffenen Bürotür hörte. Neugierig trat Birthe näher. »... und Sie sind absolut sicher, daß Trawisheim mich zu sprechen wünscht? Er ist doch sonst nicht so scharf darauf, mich zu sehen«, hörte sie Stranger sagen. Ob es weibliche Intuition war, oder ob sie der Umgang mit Journalisten so mißtrauisch gemacht hatte, konnte Birthe später nicht mehr sagen. Sie lugte vorsichtig durch die halboffene Tür. Vor Berts Schreibtisch hatten sich zwei Männer postiert, die ihr unheimlich vorkamen. Der eine hatte die typische Verbrechervisage, und wenn sie nicht das Wort Trawisheim ganz deutlich verstanden hätte, wäre sie bereit gewesen zu glauben, die beiden stammten aus der tiefsten Unterwelt der Stadt. Der größere der beiden trat einen Schritt näher an Stranger heran. »Wir machen nur unseren Job. Er wird schon seine Gründe haben, Ihnen seine Einladung auf diesem Wege zu überbringen. Und nun machen Sie keine Schwierigkeiten. Der Stellvertreter Dharks wartete nicht gerne!« »Na, wenn eine Einladung so nett ausgesprochen wird, dann kann ich einfach nicht nein sagen!« erwiderte Bert Stranger. »Kleinen Moment noch, ich muß meiner Sekretärin noch etwas Arbeit hinlegen! Sie wissen ja wie diese jungen Frauen von
heute so sind.« Birthe sah, wie der Reporter den eben angekommenen Umschlag zusammen mit einem Stapel Altpapier auf ihren Tisch legte. Dann nahm er einen Schmierzettel aus der Box und kritzelte schnell ein paar Worte darauf. Dabei schaute der Sprecher der beiden Trawisheim-Leute ihm über die Schulter. Birthe hatte genug gesehen. Das Verhalten von Bert paßte so gar nicht zu ihm. Auch war seine Stimme eine Spur zu laut gewesen, und seine Sekretärin war sie bestimmt nicht. Stranger mußte sie entdeckt haben, und ließ ihr auf diesem Weg eine Warnung zukommen. Birthe zögerte nicht länger, jeden Augenblick konnten die Männer aus dem Raum kommen. Sie glaubte zwar nicht, daß sie sich in ernsthafter Gefahr befand, aber Bert wollte sicher unter keinen Umständen, daß die beiden sie zu Gesicht bekommen sollten. Schnell verschwand sie in der kleinen Teeküche, die nur ein paar Schritte von ihrem gemeinsamen Büro entfernt lag. Sie verschloß die Tür und wartete. *** »Mein lieber Stranger!« begrüßte Henner Trawisheim seinen Gast freundlich. »Kommen Sie her und leisten Sie mir einen Augenblick Gesellschaft.« Bevor der Reporter eine Antwort geben konnte, fühlte er sich unsanft nach vorne geschubst. Bert stolperte in Richtung Trawisheims Schreibtisch. Der Stoß war kräftiger ausgefallen, als vielleicht beabsichtigt. Stranger taumelte und stürzte zu Boden. »Ha, ha, so sehe ich euch Erdenwürmer am liebsten!« hörte er einen plötzlich gar nicht mehr freundlich gesinnten Henner Trawisheim sagen. Benommen versuchte Bert sich
aufzurichten. Die beiden Männer, die ihn in der Redaktion abgeholt hatten, standen mit gezückten Blastern neben ihm, aber keiner machte Anstalten, ihm aufzuhelfen. Bert rappelte sich hoch und sah in die Augen des Cyborgs. Haß, blanker Haß funkelte in ihnen. Stranger, der sich schon des öfteren mit seinem Gegenüber heftige Wortgefechte geliefert hatte, kannte den Stellvertreter Dharks als ausgeglichenen Menschen. Aber in dieser Sekunde kam es ihm vor, als wäre Trawisheim vollkommen verrückt geworden. Sein Gesicht schien ausgemergelt zu sein, als hätte sich der Cyborg in der letzten Zeit verausgabt. In seinen Augen spiegelte sich blanker Wahn wieder. »Was soll das, Trawisheim? Was geht hier vor? Glauben Sie wirklich, daß ich über diese Behandlung schweigen werde?« Bert hatte sich wieder gefaßt. Der Cyborg auf geistiger Ebene lachte laut auf. »Glauben Sie mir, Stranger, Sie werden schweigen! Dort, wohin ich Sie in Kürze schicken werde, gibt es geeignete Mittel, um Sie zum Schweigen zu bringen. Notfalls sogar für immer!« »So wie Generalin van Maarten?« fragte Bert Stranger und schaute Trawisheim an. Für einen Moment lang schien der Cyborg verwirrt zu sein und nach einer Antwort zu suchen. »Ach, Sie haben es also erfahren? Nun, es ist nicht zu ändern.« Trawisheim schaute verächtlich zu dem Reporter hin. »Die van Maarten...«, sagte Henner Trawisheim, wobei er den Namen der Admiralin in die Länge zog, um damit seine Verachtung auszudrücken, »... sie war ein wenig zu heldenhaft. Wenn wir schon dabei sind, Stranger, woher wissen Sie vom Tod der Generalin?« »Gegenfrage, Trawisheim, was für ein Spiel läuft hier ab? Was ist mit Marschall Bulton? Was geschieht mit den Cyborgs im Brana-Tal?«
Der Stellvertreter Dharks überlegte kurz. Der unbändige Haß in seinen Augen schien den Reporter durchbohren zu wollen. Leicht neigte sich der Cyborg zu dem nun vor ihm sitzenden Reporter. »Eins zu Null für Sie, Stranger! Es ist Ihnen also tatsächlich gelungen, einige nicht für Sie bestimmte Informationen zusammenzutragen. Respekt, Sie haben sich den Beinamen ›Starreporter‹ wirklich verdient!« Trawisheim lehnte sich genüßlich grinsend in seinen Sessel zurück. »Und nun, Stranger? Sie können das Puzzle nicht lösen? Tappen im Dunkeln?« Wieder veränderte sich das Gesicht des Cyborgs. Der Haß flammte mit einem mal wieder auf. Mit spöttischer Stimme fuhr der Mann fort: »Sie haben es sich wirklich verdient, die Wahrheit zu erfahren! Nur nützen wird es Ihnen nichts mehr!« Bert Stranger verspürte Angst. Trawisheims Ankündigung schien weit über das hinaus zu gehen, was er vermutet hatte. Der Cyborg mußte vollkommen durchgedreht zu sein. »Sie sind wahnsinnig, Trawisheim! Völlig übergeschnappt« stammelte Bert. »Wahnsinnig? Stranger, Sie haben keine Ahnung!« schrie Henner Trawisheim den Reporter an. »Sie glauben, durch ihre angeblich objektive Berichterstattung den Menschen bei ihrer Meinungsbildung zu helfen. Zugegeben, hin und wieder treffen Sie ins Schwarze, zerren einige Dinge, die besser im Verborgenen geblieben wären, ins Licht der Öffentlichkeit. Aber in Wahrheit, Stranger, sind Sie ein Nichts! Was glauben Sie denn, worum es geht?« Bert hatte seine Angst unterdrückt, und da sich der wahnsinnig gewordene Trawisheim offenbar im Lichte seiner Macht spiegeln wollte, ging der Reporter auf seine Frage ein. Vielleicht würde ihm dieses Wortgefecht das Leben retten. »Macht! Sie wollen Macht, Trawisheim, wie jeder kleine Despot, den es in der Menschheitsgeschichte vor Ihnen gab,
auch! Aber Sie werden scheitern, Trawisheim!« »Macht? Despot?« der Cyborg brach in schallendes Gelächter aus. »Köstlich! Stranger, Sie sind einfach unterhaltsam. Napoleon, Hitler, Stalin und wie immer die ganzen armen Würmer in der Geschichte auch geheißen haben mögen, waren Stümper! Natürlich, sie haben mächtige Armeen geschaffen, den Planeten mit Krieg überzogen. Und, Stranger, manch einer von ihnen hätte es vielleicht sogar schaffen können!« Für einen Moment unterbrach er sich und schien auf eine Reaktion des Reporters zu warten. »Aber wir sind allen bisher bekannten Diktatoren um Lichtjahre voraus! Wir werden nicht nur diesen Planeten unterwerfen! Ein ganzes Universum wartet auf uns! Macht, mein Lieber, ist nur eine leere Worthülse! Ich werde Ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Passen Sie gut auf, Stranger, denn Sie werden erkennen, daß wir gar nicht scheitern können!« In der Gewißheit des sicheren Sieges lehnte sich Trawisheim entspannt zurück und fuhr fort. »Über die Gefangennahme eines Grakos brauche ich Ihnen ja nichts zu erzählen. Ihr Blatt hat ausgiebig über dieses Thema berichtet. Was Sie aber nicht wissen, ist die Tatsache, daß der Grako nur Träger von etwas viel Größerem war! Dem Mentalparasiten! Nun, bei den Untersuchungen im Brana-Tal setzte Cyra Simmons ihn, zugegebener Weise aus Versehen, frei und brachte den Stein ins rollen! Innerhalb kürzester Zeit trugen alle Cyborgs den Mensiten in sich und erkannten ihre wahre Bestimmung! Eine neue Ordnung im Universum!« Die Stimme Trawisheims wurde schriller. »Das, Bert Stranger, ist es worum es hier geht! Im Moment sind wir nur wenige, aber stündlich werden wir stärker! Dieser Planet verfügt über große Mengen von ausgezeichnetem Trägerpotential für den Mensiten! Schon in wenigen Tagen wird jeder Mensch ein Mensitenbruchstück in sich tragen!
Bulton und ein paar andere hoffnungslose Narren haben sich unseren Zielen entgegengestellt. Darum mußte Generalin van Maarten sterben. Und, Stranger...«, der Cyborg machte eine Kunstpause, »... sie war nicht die einzige!« Entsetzt starrte Bert Stranger auf Trawisheim. Seine Gedanken rasten. Er verstand zwar noch nicht alle Einzelheiten, aber eines war sicher: Trawisheim machte keine Späße. Er war tatsächlich davon überzeugt, den Mensiten in Kürze über ganz Terra verbreitet zu haben. Es lief ihm eiskalt den Rücken herunter. Er erschauderte bei der Vorstellung einer versklavten Menschheit. »Das Beste, mein lieber Stranger, habe ich Ihnen aber noch nicht erzählt! Nach Ihrer Behandlung im Tal werden Sie alles hautnah miterleben dürfen!« Henner Trawisheims Gesicht verzog sich wieder zu einer Teufelsmaske. »Jeder soll unserer Sache nach seinen Fähigkeiten dienlich sein! Ich habe Sie als Chronist ausgewählt, Stranger! Sie werden unseren Siegeszug durch das Universum niederschreiben! Und nun schafft ihn weg!« Ohne den Reporter weiter zu beachten, griff Henner Trawisheim zu einem Stapel Folien und wollte gerade beginnen, sie zu lesen, als ein Vipho-Gespräch zu dem Cyborg geschaltet wurde. »Trawisheim! Hier ist Jogdal von der Operationszentrale!« »Was gibt es?« fragte er ungehalten. »Machen Sie schnell, ich habe viel zu tun.« »Wir bekommen keine Verbindung mehr zu Ezbal und seinen Leuten! Alle Kommunikationskanäle sind ausgefallen! Und die Transmitterstation ist mit einer Sperrschaltung versehen worden. Wir sind nicht mehr in der Lage, Transporte ins Tal durchzuführen!« Die beiden Wächter ergriffen Bert Stranger und führten ihn aus dem Raum. Das besorgte Gesicht des Cyborgs sah er nicht
mehr. *** Birthes Gedanken kreisten um Stranger. Sie hatte den Umschlag geöffnet, und die Folien vor sich auf den Tisch gelegt. Aus ihnen ging hervor, daß Trawisheim und eine nicht näher beschriebene Gruppe hochrangiger Personen damit begonnen hatten, Parlamentarier zu beeinflussen. Berts Informant hatte seine Mitteilung mit dem Satz begonnen: Wenn Sie diese Zeilen erhalten, Stranger, bin ich entweder tot oder von Trawisheims Leuten verhaftet und ins Tal geschickt worden. Auf den weiteren Folien hatte Moris, so nannte sich der Schreiber, von nächtlichen Verhaftungen und Abtransporten ins Brana-Tal berichtet. Auffällig war, daß jeder, der vom Tal zurückgekehrt war, in seinem Wesen verändert erschien. Ganz am Ende war dann von einem Mensiten die Rede. Birthe hatte bisher noch nichts von einem Mensiten gehört, und sie konnte sich auch keinen richtigen Reim auf alles Gelesene machen. Nur war ihr schnell klar geworden, daß Bert Stranger hier brisantes Material bekommen hatte. Nach ihren bisherigen Vermutungen zu urteilen, hatte Trawisheim irgend etwas vor. Nachdenklich starrte die junge Frau die auf dem Schreibtisch ausgebreiteten Folien an. Nirgends konnte sie einen Hinweis darauf entdecken, wie alles zusammenpaßte. Denk nach, Birthe, spornte sie sich an. Irgendwo dort drin ist die Wahrheit verborgen. Du mußt nur genau hinsehen! Wenn Stranger die Zusammenhänge erkannt hat. Dann kannst du es auch. Streng dich an! Ihr Blick schweifte erneut über die Folien, während sich ihre Gedankengänge um die Geschehnisse im Tal und um den Begriff Mensiten drehten. Sie kam zu keiner schlüssigen
Lösung. Plötzlich blieb ihr Blick an dem kleinen Schmierzettel hängen, den Stranger ihr mit angeblichen Arbeitsanweisungen hinterlassen hatte. Für Rätselecke in der Samstagsausgabe: Nenne den Namen des Tieres, das aus der Tiefe aufsteigen wird. Johannes. Hätte Birthe nicht an der Tür gelauscht und die auffällige Sprachweise ihres Kollegen mitbekommen, sie wäre spätestens beim Lesen dieses Satzes davon überzeugt gewesen, daß Bert Stranger verrückt war. Weder er noch sie selbst hatten irgend etwas mit der Magazinseite, auf der sich auch die Rätselecke befand, zu tun. Aber der Reporter hatte den Satz auf dem Zettel mit Bedacht gewählt. In diesen elf Worten steckte eine Nachricht für sie. Schnell wechselte die Frau an den Arbeitsplatz von Bert und begann, ihn einer systematischen Suche zu unterziehen. Minuten später schob sie resigniert die Schublade zu. Ein paar persönliche Dinge und alte Berichte. Mehr hatte die Durchsuchung nicht ergeben. Als letzte Möglichkeit schaltete sie Strangers Terminal ein, wurde aber sofort aufgefordert das Paßwort einzutippen. Birthe stutzte. Wieder starrte sie den Zettel an. Natürlich! Warum war sie nicht gleich darauf gekommen! Stranger hatte ihr auf dem Zettel den Schlüssel zu seinem Terminal übergeben. Schnell tippte sie ein: »Johannes« Nichts, der Schirm änderte sich nicht. Nacheinander gab sie Tier und Tiefe ein, ohne jedoch ein Ergebnis zu erzielen. Beharrlich forderte das Terminal sie zur Eingabe der Benutzerberechtigung auf. Was habe ich falsch gemacht? Ich bin sicher, daß er ein Substantiv gewählt hat. Birthe kam nicht recht weiter. Immer wieder tippte sie die
Substantive des Satzes in verschiedenen Kombinationen ein. Das Ergebnis war immer gleich. Und wenn es die Antwort auf die Frage ist? Mit einem mal war ihr alles klar. Bert hatte das Paßwort mit einer Frage umschrieben. Aber wie hieß dieses seltsame Tier? Ihr war kein Lebewesen bekannt, das in der Zukunft aus der Tiefe aufsteigen würde. Da sie im Moment keinen brauchbaren Einfall hatte, tippte sie das Wort »PHÖNIX« ein. Schließlich war diese Sagengestalt aus der Asche aufgestiegen. Wieder ein Fehlschlag. Das Terminal wartete weiterhin geduldig mit blinkendem Cursor auf die richtige Eingabe. Aufseufzend lehnte sich Birthe zurück, legte den Kopf in den Nacken, während ihre Augen die Raumdecke absuchten. Plötzlich machte etwas »Klick« in ihrem Hirn. Tier, Tiefe, Johannes! Es kam ihr bekannt vor. Irgendwann in ihrem Leben hatte sie die drei Worte in der richtigen Kombination schon einmal gehört. Krampfhaft durchstöberte sie ihre Erinnerungen. Immer tiefer und weiter stieß sie in ihre eigene Vergangenheit vor. Namen von Orten und Personen tauchten auf und verschwanden nach intensiver Prüfung wieder. Birthe schloß die Augen und dachte noch intensiver an ihre Kindheit und Jugend. Schnell war die Büroumgebung vergessen, und sie sah sich selbst als neunjähriges Kind im Obstgarten ihre Oma stehen und nach den saftigen, reifen Früchten greifen. Hinter den überladenen Ästen der Obstbäume konnte sie das Dach des kleinen Hauses sehen. Dort stand ihre Oma am Herd und bereitete das Mittagsmahl. Opa würde sie rechtzeitig rufen, solange konnte sie noch die süßen Früchte in sich hineinstopfen. Es würde zwar wie gewohnt ein Donnerwetter von Oma geben, die es nicht so gern sah, wenn Klein-Birthe vor dem Mittagessen noch naschte, aber das würde vorübergehen. Spätestens wenn sie alle zusammensaßen und das Tischgebet gesprochen würde...
Natürlich! Birthe schrak hoch. Sie hatte die Lösung, alles war so einfach. Warum war sie nicht früher daraufgekommen! Die Bibel! Die Offenbarung! Schnell tippte sie nacheinander ins Terminal ein: »TEUFEL, SATAN, BIEST, 666, DIABOLO« Birthe hatte schon ein neues Synonym für das Böse eintippen wollen, als sich der Terminalschirm änderte. -ZUGRIFF GESTATTETMit geübtem Blick schaute sich Birthe die vorhandenen Dateieinträge an. Ganz am Ende der Liste befand sich eine erst kürzlich eröffnete Datei mit dem Namen »RYAN«. Birthes Herz machte einen Sprung vor Freude. Sie hatte es geschafft! Schnell öffnete sie die Datei und begann zu lesen. Die Resignation, die sie kurz vorher noch verspürt hatte, war verschwunden. Nach einer knappen halben Stunde hatte sie den gesamten Datenordner gelesen und ausgedruckt. Ihr war klar, daß sie eine Bombe in den Händen hielt. Fieberhaft überlegte die junge Frau, wie es weitergehen sollte. Was hätte Bert Stranger an ihrer Stelle als nächstes getan. Ruhe, Birthe, konzentriere dich! mahnte sie sich selbst. Ihre Hände zitterten, als sie sich eine von Strangers Zigaretten anzündete. Eigentlich mochte sie den Tabak nicht sonderlich. Sie war nur eine Gelegenheitsraucherin, und auch nur dann, wenn sie sich im Freundeskreis befand und sich zu später Stunde eine ausgelassene Stimmung einstellte. Gierig sog sie den Rauch in sich und redete sich ein, daß sie ruhiger geworden war. Mit einem Male war ihr alles klar. Sie wußte, was nun zu tun war. Nach einem kurzen Vipho-Gespräch hatte sie einen sofortigen Termin bei der Verlagsspitze erreicht. Sie drückte die halbgerauchte Zigarette aus, schnappte sich die Ausdrucke und steckte sie zu den Folien von Moris. Eilig verließ sie das Büro und ließ sich vom Antigravlift nach oben tragen.
»Du kannst gleich rein gehen, die Herren erwarten dich, Birthe«, wurde sie von der Vorstandssekretärin empfangen. Mit kritischem Blick überprüfte die junge Reporterin den Sitz ihrer Kleidung. Dann schnaufte sie durch und öffnete mit sicherer Hand die Tür zum Allerheiligsten der Zeitung. *** Leutnant Cohlham deutete mit dem Zeigefinger auf die Karte des Marsraumhafens. Kleine rote Punkte markierten all die Parkpositionen, die zur Zeit belegt waren. Für Mel Harrisons Geschmack leuchteten auf der Folie zu viele rote Punkte auf. Seit Beginn der Quarantäne auf Terra hatten sich alle Raumschiffe, die als Ziel die Erde gehabt hatten, auf und um den Mars herum versammelt. Auch wenn man es relativ schnell geschafft hatte, das Chaos unter Kontrolle zu bekommen, und den an- und abfliegenden Verkehr sicher zu separieren, waren genügend Probleme geblieben. Hatte zu Beginn das Parkproblem für die Männer der Raumradarleitstelle des Mars an erster Stelle gestanden, waren es nun die ungeheuren Mengen Nachschub- und Versorgungsgüter. Ein steter Strom von Transportraumschiffen, meist noch aus Giantproduktion stammend, flog den Mars an, um seine Fracht zu löschen. Zwar war der gesamte Raumhafen auf dem roten Planeten schon im Planungsstadium großzügig angelegt worden, aber die Einrichtungen waren ursprünglich nur als Standort eines Raumschiffsverbandes des Militärs gedacht gewesen. Zivile, und insbesondere zivile Transporter, konnten den Raumhafen im Notfall als Ausweichstelle nutzen, aber auf die Massen an Versorgungsgütern war der Mars nicht eingerichtet. Schon die kurze Zeitspanne, als die Cromar-Flotte den Planeten als Sammelpunkt genutzt hatte, zeigte den Verantwortlichen, daß die Kapazität des Raumhafens nicht ausreichend genug war.
Die unterirdisch angelegten Lagerhallen quollen über. Neben den hier gelagerten Nachschubgütern für die 10.000 Raumschiffe, die Richtung Cromar abgeflogen waren, lagerten nun auch die für Terra bestimmten Waren hier. Die Transmitterverbindungen zur Erde, von denen erst ein Drittel fertiggestellt worden waren, standen seit der Errichtung des Quarantäneschirms nicht mehr zur Verfügung. »Wir müssen uns ganz schnell etwas einfallen lassen.« Der Leutnant, zur Zeit der verantwortliche Offizier der Leitstelle, schaute in das Rund der versammelten Männer. »Wir sind zwar nicht die richtige Ansprechstelle, wenn es um das Löschen und Lagern von Frachtgütern geht, aber leider wendet sich jeder mit seinen Fragen an uns! Die zivilen Stellen haben versagt! Sie werden mit den anstehenden Problemen nicht mehr fertig.« Fragend schaute Cohlham seine Leute an. »Wie steht es mit schwerem Erdgerät?« Einer der Männer hatte diese Frage gestellt. »Irgendwo in den Hangars müßten noch die Baumaschinen lagern, die Feld 9 bearbeitet haben, aber es würde viel zu lange dauern, bis wir eine provisorische Lagerstätte errichtet hätten!« »Warum schmeißen wir den ganzen Krempel nicht einfach in einen der vielen Marskrater, und decken ihn mit einem großen Haufen Sand ab?« fragte Duff mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck. Bevor er eine Antwort bekam, wurde Cohlham von einem heraneilenden Funker unterbrochen. »Herr Leutnant, würden Sie bitte mal ins Funkschap kommen. Wir empfangen da einen Spruch vom Planeten Reet. Ich glaube, es ist Colonel Huxley!« »Huxley? Okay, ich komme sofort!« Der Leutnant folgte dem Funker in eine kleine Nische ganz am Ende der Leitzentrale. Hier, zwischen den riesigen Radarschirmen und Ortungsgeräten, hatten sich die Funker eingerichtet. Immer zwei Mann teilten sich eine Schicht. Rund um die Uhr hatten
sie ihre Ohren am Äther. Horchten hinaus ins Universum. Ihre einzige Aufgabe bestand darin, Funksprüche fremder Intelligenzen aus dem Gewirr herauszufiltern und an die Aufklärungsabteilungen, die ihren Standort auf Terra hatten, weiterzuleiten. In Zeiten wie diesen, in denen Terra vom Rest des Universums abgeschnitten war, diente die Funkstelle auf dem Mars als Relaisstation. Mit ihren Geräten waren die Männer in der Lage, den anfliegenden Raumverkehr schon weit vor den Grenzen des Sonnensystems aufzupicken und heranzuführen, bevor dann die Leitstelle eingriff, die Schiffe übernahm und ihnen den knappen Parkraum zuwies. Leutnant Cohlham zwängte sich hinter eines der Geräte. Durch die aufgesetzten Kopfhörer vernahm er nur Rauschen, das zeitweilig von seltsamen Tönen unterbrochen wurde. Er nickte dem Funker zu. »Kann losgehen!« Der Funker machte sich an den Geräten zu schaffen, und mit einem Mal hörte der Leutnant eine Stimme. »... Reet, Huxley spricht. Können Sie mich ver...« Erneut dröhnte das Rauschen im Ohr des Mannes. »Huxley? Hier Leitstelle Mars, Leutnant Cohlham spricht. Verständigung sehr schlecht. Hören Sie mich, Huxley?« Der Funker an den Geräten veränderte einige Einstellungen. »So, Leutnant. Nun müßten Sie den Colonel besser hören können.« »... stelle Mars? Was zum Teufel ist bei Ihnen los? Warum werde ich nicht mit der Erde verbunden?« Die Stimme des Colonels dröhnte Cohlham in den Ohren. Der Funker stieß ihn am Arm und schüttelte bedauernd den Kopf. »Machen Sie schnell, Leutnant! Lange kann ich das Frequenzband nicht mehr halten! Scheint sich ein neuer Magnetsturm in unserer Gegend anzukündigen!« »Huxley, hören Sie, die Verbindung kann jederzeit wieder zusammenbrechen. Wir rechnen in Kürze mit einem neuen
schweren Magnetsturm, dessen erster Ausläufer uns jetzt schon zu schaffen machen. Terra ist zur Zeit nicht erreichbar. Der Planet steht unter Quarantäne. Haben Sie mich verstanden, Huxley?« Wieder schwankte das Frequenzband, wurde von einem hellen Kreischen überlagert. »... Quaran... Ich komm...«, Huxleys Stimme klang verzerrt aus dem Kopfhörer. »Colonel? Sind Sie noch da?« »Ja, verdammt. Was ist das mit der Quarantäne?« Für einen Moment war die Stimme Huxleys klar und deutlich zu verstehen. »Es würde zu lange dauern, Colonel, bis ich ihnen alle Einzelheiten erläutert hätte. Zudem kennen wir hier auf dem Mars auch nicht alle Details. Wir haben zur Zeit die Kontrolle über die Bewegungen im Sonnensystem übernommen, und sind für jedes Schiff, das uns nicht anfliegt, sehr dankbar. Ich glaube, Sie wären uns keine allzugroße Hilfe. Ich kann Ihnen zwar keine Befehle erteilen, Colonel, aber wenn Sie mich fragen, dann bleiben Sie wo Sie sind. Wir haben die Situation einigermaßen im Griff!« Erneut konnte der Leutnant die Antwort vom Planeten Reet nicht verstehen. In seinen Ohren dröhnte und brummte es. »Huxley, Huxley, haben Sie verstanden? Wir haben die Situation im Griff! Sie brauchen nicht herzukommen! Huxley?« Rauschen, unterbrochen von ohrenbetäubendem Lärm, war alles, was Leutnant Cohlham in den Kopfhörern vernehmen konnte. Reet war aus dem Äther verschwunden. Huxley nicht mehr zu verstehen. Fragend sah der oberste Militär auf dem Mars den Mann neben ihm an. Der Funker zuckte mit den Schultern und schaltete die Anlage ab. »Hat keinen Zweck mehr, Leutnant! Die Störungen durch den Sturm sind zu stark.
Der überlagert jetzt alles! Für die nächsten acht bis zehn Stunden werden wir keinen Kontakt mehr herstellen können. Ich kann Ihnen noch nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob der Colonel Ihren letzten Satz empfangen hat.« *** »Verrückt«, sagte der stellvertretende Direktor Muller und schüttelte mit dem Kopf. »Kompletter Unsinn! Das ist mit Abstand die schlechteste Räuberpistole, die mir ein Reporter in den letzten 25 Jahren andrehen wollte, und man hat mir in dieser Zeit schon einen Haufen Mist angeboten!« »Und was ist, wenn Birthe recht hat? Was ist, wenn Strangers Unterlagen und Informanten die Wahrheit sagen? Wollen Sie Schuld sein am eventuellen Niedergang der Menschheit?« »Niedergang der Menschheit? Lohman, machen Sie sich nicht lächerlich!« Muller schaute Arthus Lohman, den er selbst vor etlichen Jahren als verantwortlichen Chefredakteur eingestellt hatte, an, als würde er seine Entscheidung von damals in diesem Augenblick bitter bereuen. Birthe hatte den beiden Männern alle Unterlagen übergeben und ihnen die Vorkommnisse im Büro genauestens berichtet. Während Muller ihr von Anfang an keinen Glauben geschenkt hatte, und die Geschichte als Spinnerei abtat, war Arthus Lohman eher geneigt, Strangers Unterlagen als real anzuerkennen. Der dritte Mann im Raum, Alexander Shamtar, hatte bis jetzt aufmerksam zugehört, aber geschwiegen. Er war für die Innenpolitik in den Druckerzeugnissen von Terra-Press verantwortlich. Arthur Lohman hatte, nachdem er den Bericht Birthes gehört hatte, darauf bestanden, den Griechen mit hinzuzuziehen. Galt er doch als der Mann im Redaktionsstab, der über das feinste Gespür für außerordentliche
Vorkommnisse verfügte. Alex, wie er allgemein in dem ganzen Verlagsgebäude genannt wurde, stand langsam und gemächlich aus dem bequemen Sessel auf, und schritt wortlos zur Kommunikationswand. Er betätigte das Vipho und wartete darauf, daß sich Mullers Vorzimmer meldete. »Ich brauche eine Verbindung mit Trawisheims Büro«, sagte er mit ruhiger Stimme zur Chefsekretärin Mullers. Nach wenigen Sekunden bekam er das gewünschte Gespräch. Eine Frauenstimme, scheinbar die Vorzimmerdame des Cyborgs. »Hier Büro Trawisheim, Sie wünschen?« »Alexander Shamtar, Terra-Press«, stellte Alex sich vor. »Hören Sie, einer meiner Mitarbeiter, ein Mann, der auf den Namen Bert Stranger hört, befindet sich in Ihren Räumen. Würde es Ihnen viel Mühe bereiten, ihn ans Vipho zu holen?« »Tut mir leid, Herr Shamtar, Bert Stranger befindet sich zusammen mit Henner Trawisheim auf dem Weg ins Brana-Tal und ist zur Zeit leider nicht erreichbar.« »Vielen Dank für Ihre Mühe. Auf Wiedersehen.« Alexander unterbrach die Verbindung und sagte zu den Anwesenden: »So viel zu Strangers Aufenthaltsort.« Er trat an den runden Konferenztisch heran und tippte auf den braunen Umschlag, der von Strangers Informant abgegeben worden war. »Unabhängig davon, daß sich die Geschichte nicht unbedingt schön anhört und vor Ungereimtheiten strotzt, ist etwas faul in den Kreisen des Henner Trawisheim. Er würde nie mit jemanden aus unserem Hause länger als nötig sprechen. Und jetzt soll er ausgerechnet mit Stranger zusammen ins Heiligste, ins Brana-Tal gefahren sein?« »Was schlägst du vor, Alex?« fragte Arthus Lohmann. »Abwarten!« Die Antwort des Redakteurs überraschte alle Anwesenden, hatten sie doch mit einer eindeutigen Stellungnahme von Alex Shamtar gerechnet.
»Ich schlage vor, wir treffen uns in, sagen wir einer Stunde wieder hier«, sagte er und blickte dabei auf seine Armbanduhr. »Ich werde in der Zwischenzeit ein paar Gespräche mit meinen Informanten führen. Irgend jemand muß doch etwas mitbekommen haben. Außerdem kenne ich noch eine reizende junge Frau in Eylers’ direkter Umgebung. Zumindest die GSO dürfte wissen, was hier gespielt wird!« Und an Birthe gewandt sagte er: »Versuch’, diesen Ryan zu erreichen. Wenn die Geschichte stimmt, dann dürfte er bei uns besser aufgehoben sein als in seiner Stammkneipe, und wenn sie falsch ist, dann schadet es auch nicht, ihn in die Redaktion zu holen.« *** Knappe fünfzig Minuten später betrat Birthe erneut das Büro des stellvertretenden Direktors der Terra-Press. Sie hatte die Unterbrechung dazu genutzt, um Ryan über Vipho zu erreichen. Es hatte ihr viel Überredungskunst abverlangt, bis der verängstigte Ryan bereit gewesen war, seine Geschichte nochmals zu erzählen. Birthe hatte es schließlich mit vielen Worten und noch mehr Versicherungen doch geschafft, ihn zu einer Aussage zu bewegen. Nun befand sich der Mann zusammen mit dem Wirt Giligan, der offenbar so etwas wie Ryans Aufpasser war, auf dem Weg zum Redaktionsgebäude von Terra-Press. Direktor Muller und Arthus Lohmann saßen in den bequemen Möbeln und diskutierten noch immer über den Wahrheitsgehalt von Strangers Unterlagen. »Ryan ist auf dem Weg hierher«, sagte Birthe zu Alexander Shamtar, der in diesem Augenblick den Raum betrat. Zusammen mit dem Redakteur für Innenpolitik begab sie sich zu dem Konferenztisch. Nachdem es sich alle Anwesenden bequem gemacht hatten, ergriff Alex das Wort: »Also, es
zeichnet sich so etwas wie ein klares Bild ab. Ich habe alle mir in der Kürze der Zeit zur Verfügung stehenden Quellen abgeschöpft. Folgendes ist dabei heraus gekommen: Es deutet alles daraufhin, daß die Cyborgs mit einem Virus infiziert wurden, das der gefangene Grako in sich trug. Ich kann es natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen, aber es scheint als gesichert zu gelten, daß das Virus extrem gefährlich ist. Wenn ich alles richtig verstanden habe, dann übernimmt es die Befehlsgewalt über seinen Träger. Das Ziel scheint wohl die komplette Unterwerfung des Planeten zu sein. So nach und nach wurde das gesamte Personal der Station planmäßig dem Virus ausgesetzt. Später erwischte es dann wohl Henner Trawisheim. Der Cyborg hat dann auch das Kommando übernommen und gibt die Befehle. Seinem Hirn ist wohl auch der Plan entsprungen, die öffentlichen Strukturen zu unterwandern. Man hat angefangen, einen Teil der Abgeordneten mit dem Mensiten, so heißt das Virus, zu infizieren. Insoweit stimmt alles mit den StrangerInformationen überein. Im Brana-Tal befindet sich übrigens eine Kollegin von uns, Ina Kirkendall! Sie hat es irgendwie geschafft, an Echri Ezbal heranzukommen und wollte ein Interview mit dem Brahmanen machen. Nach ihrer Ankunft im Tal hat niemand mehr etwas von ihr gehört. Meine Versuche, Kontakt mit der Cyborgstation zu bekommen, sind leider gescheitert. Die Pressestelle im Regierungsgebäude, bei der seltsamerweise alle meine Anrufe entgegengenommen wurden, teilte mir mit, die Verbindungen ins Tal seien leider gestört. Es tobe zur Zeit ein gewaltiger Magnetsturm in der Nähe des Sonnensystems, der viele Transmitter- und ViphoVerbindungen auf der gesamten Erde beeinträchtige. Ich solle mich doch gedulden.« Shamtar unterbrach sich und griff nach einer der Mineralwasserflaschen in der Mitte des Tisches. Nachdem er
einen großen Schluck getrunken hatte, fuhr er fort: »Die Verhaftung von Marschall Bulton ist allgemein bekannt, so daß ich hier nicht weiter nachgeforscht habe. Interessanter ist da schon die Rolle der GSO! Eylers ist verschwunden! Nach Auskunft meiner Informantin ist er nicht auffindbar. Ich glaube, er hat etwas von den Vorgängen im Tal erfahren und ist dann auf Tauchstation gegangen. Das ist alles, was ich in Erfahrung bringen konnte.« Alle Anwesenden schwiegen. Jeden der vier Menschen hatte die Worte von Alexander Shamtar tief getroffen. Birthes Gesicht war weiß wie eine getünchte Wand. Nervös fingerte sie an ihrer Bluse herum. Arthus Lohmann holte hörbar nach Luft. Er hatte den beiden Reportern zwar von Anfang an geglaubt, aber eine solche Enthüllung nicht vermutet. Endlich durchbrach Muller das Schweigen. Er schien sich am schnellsten wieder gefangen zu haben. Ganz im Stile eines Zeitungsdirektors sagte er: »Gut, wir wissen nun Bescheid. Bleibt die Frage, wie geht es weiter? Eine Veröffentlichung der Fakten in unserem Blatt kommt absolut nicht in Frage!« Erstaunt blickte ihn Arthus Lohmann an. »Aber Chef, wir halten hier eine Bombe in der Hand! Es geht um den Untergang der Menschheit!« »Eben, mein Lieber. Was glaubt ihr denn, geschieht, wenn wir morgen als Aufmacher auf der Titelseite die Story bringen: Invasion der Erde durch Cyborgs?« fragend blickte er ins Rund. Scheinbar wollte ihm niemand antworten. »Ich sage es euch! Entweder werden wir sofort verhaftet und mundtot gemacht, oder aber man wird uns als Lügner brandmarken und uns eine Klage nach der anderen anhängen. Die Folge wäre wohl, daß sich jeder einzelne von uns einen neuen Job suchen müßte. Nicht, daß ich mir etwas daraus machen würde, wenn ich als Lügner bezeichnet werde, und so sehr klebe ich nicht am Direktorensessel, daß ich auf ihn nicht verzichten könnte.
Aber verdammt noch mal, ich liebe diesen Planeten! Wir beschuldigen so ganz nebenbei den mächtigsten Mann der Erde, daß er der Drahtzieher einer Verschwörung ist! So etwas will reiflich überlegt sein. Wenn wir nicht ganz behutsam vorgehen, wird der Planet zu einem Irrenhaus!« »Wenn ich mich dann auch noch äußern dürfte«, mischte sich nun Alex Shamtar ein. »Es stimmt schon, wir können es nicht riskieren, als Auslöser einer Panik dazustehen. Neben den Verleumdungen und Klagen von Regierungsseite, die uns mit Sicherheit ins Haus stehen würden, wäre es unverantwortlich, einen solchen Bericht dem Leser auf den Frühstückstisch zu legen. Andererseits sehe ich es als unsere Pflicht als freies und unabhängiges Pressehaus, der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen.« Alexander wartete kurz, um aus dem zustimmenden Nicken aller Anwesenden zu entnehmen, daß er fortfahren konnte. »Also geht es doch nur um die Frage, wie bringen wir es der Menschheit bei, ohne allzuviel Porzellan zu zerschlagen?« »Außerdem erreichen wir mit unserer Auflage nur einen kleinen Teil der Bevölkerung!« mischte sich nun auch Birthe ein. In diesem Augenblick wurde die Tür zu dem Büro des stellvertretenden Direktors Muller aufgerissen. Eine aufgeregte Chefsekretärin stürzte in den Raum, »Direktor, schalten Sie schnell Terra 1 ein. Dort wird weltweit eine Sondersendung ausgestrahlt!« *** Auszug aus »Die Chronik des Chaos« von J.R.R. Talk, Alamo Gordo 2062
Niemand vermochte später mit Sicherheit zu sagen, wer für die Verbreitung der Sondersendung verantwortlich war. Erstaunlich war die detaillierte Auflistung der Ereignisse im Brana-Tal. Ebenso, und da waren sich alle einig, ließ die Bekanntgabe von Trawisheims Aktivitäten auf Insiderwissen schließen. Der Absender blieb im Verborgenen. Gemutmaßt wurde viel. Während die meisten überlebenden Angehörigen des Parlaments die Ansicht vertraten, die Informationen müßten aus der Umgebung des GSO-Chefs Bernd Eylers stammen, vertrat dieser die Meinung, einzig die sogenannte freie Presse könne so unverantwortlich mit hochsensiblem Material umgegangen sein. Die Zunft der Journalisten und Fernsehleute ihrerseits standen einmütig zueinander, und wiesen alle Schuld von sich. Man sprach vom Versagen des gesamten Regierungsapparates und von der Suche nach einem Sündenbock. Scheinbar solle die einzige echte Opposition im Staate, die freie Presse, zu eben diesem gemacht werden. Weiterhin ließ der Chefredakteur der Terrania Post, einem der Regierung im allgemeinen und Ren Dhark im besonderen, wohlgesonnenen Presseorgan, keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die Schonfrist für Politiker endgültig vorbei sei. In einem Leitartikel schrieb die Post: »Man müsse wohl nochmals ernsthaft darüber nachdenken, ob die zur Zeit amtierende Regierung, mit Henner Trawisheim an der Spitze, nicht besser aus dem Amt gejagt werden solle.« Auch dieses war einmalig in der Pressegeschichte der letzten zehn Jahren. Hatte man nach der Befreiung der Erde durch Ren Dhark und seine Getreuen die Weltregierung noch in Schutz genommen, wurde sie nun ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt und mit Kritik überzogen. Am schlimmsten aber traf es Ren Dhark und seine Leute. Man sprach von einer einzigen Verschwörung gegen die Menschheit, deren Hauptverantwortlicher Ren Dhark sei. Anstelle der bedrängten Menschheit zu Hilfe zu eilen,
führe der Möchtegern-Imperator einen Eroberungskrieg im fernen Cromar. Wem nütze dieser Krieg eigentlich? Doch nur ihm und seinen Militärs. Was war eigentlich genau geschehen? Spätere Rekonstruktionsversuche, die von einer Vielzahl von Menschen aus den unterschiedlichsten Beweggründen angestellt wurden, kamen zu den unterschiedlichsten Ergebnissen. Genau hat man niemals herausfinden können, wie der chronologische Ablauf der Geschehnisse wirklich gewesen war. Als gesichert gilt aber, daß eine unbekannte Anzahl schwerbewaffneter Männer gegen 06:00 Uhr Terra-Normzeit in die Sendezentrale von Terra 1 eingedrungen waren, und das laufende Programm unterbrochen hatten. Mit der Androhung, jeden Widerstand sofort mit Waffengewalt zu brechen, verschafften sie sich den Zugang zu einem der Kommentatorenpulte und begannen mit dem Verlesen einer vorbereiteten Botschaft: »Bürger Terras, eine erneute Attacke auf Leib und Leben der Menschheit hat begonnen. Während wir diese Zeilen verlesen, werden an anderer Stelle die von Euch gewählten Volksvertreter ihres Willens beraubt und von einer fremden Macht, die sich in den Köpfen der Cyborgs, angeführt von Echri Ezbal und der Clique um Henner Trawisheim, manifestiert hat, versklavt. Eine...« Die Verantwortlichen von Terra 1 schienen vollkommen gelähmt zu sein, und dachten gar nicht daran, das Ausstrahlen der Sendung zu verhindern. Nur der Geistesgegenwart eines Technikers, dessen Name später als Ron Clarke ermittelt wurde, war es zu verdanken, daß nicht die gesamte Botschaft verlesen wurde. Er zerstörte die Hauptgeneratoren in den tiefen Kellergeschossen des Gebäudes und unterbrach damit die Sendung. Dabei mußte es dann zu einer Energieüberlagerung gekommen sein, denn Wochen später, als das Chaos wieder einigermaßen unter Kontrolle war, fand eine Reparaturkolonne,
die beauftragt war, die beschädigten Generatoren wieder in Betrieb zu nehmen, die verkohlte Leiche des Technikers. Die gesamte Aktion der Unbekannten hatte lediglich 15 Minuten gedauert, dann war der Spuk vorbei. Genauso geheimnisvoll wie die Bewaffneten aufgetaucht waren, verschwanden sie auch wieder. Zurück ließen sie ein Chaos, das größer nicht hätte sein können. Wenn auch, wie weiter oben erwähnt, niemals bekannt wurde, wer eigentlich die Verantwortung für das Ausstrahlen der Sendung trug, ist über den weiteren Verlauf der Ereignisse fast alles bekannt geworden. Einige der Betroffenen erwähnten in ihren Memoiren, daß in den sozial schwachen Gegenden Alamo Gordos, man scheute sich, den Ausdruck Slums zu verwenden – wohl, weil er die Situation im 21. Jahrhundert auch unzureichend beschrieben hätte – die Panik zuerst ausbrach. Mehrfach wurde in diesem Kontext der Name »BERSERKER« genannt. Zwar galt der »BERSERKER« als beliebter Treffpunkt der sozial schwächeren Gesellschaftsschichten, gab es doch hier Speis und Trank (Rausch inklusive) für ein paar Galax, aber politische Aktivitäten konnten zu keiner Zeit nachgewiesen werden. Der »BERSERKER« war den Ordnungshütern der Stadt schon lange ein Dorn im Auge, aber es muß mehr als bezweifelt werden, daß ausgerechnet hier das Chaos seinen Ursprung hatte. Um diese Zeit, also etwa 06:20 Uhr am frühen Morgen, hatte der »BERSERKER« zwar seine Pforten geöffnet, aber die, nach übereinstimmenden Zeugenaussagen, wenigen Besucher hätten wohl kaum ausgereicht, einen ganzen Planeten in Panik zu versetzen. Zudem seien sie ihrem Rausch erlegen gewesen und hätten friedlich geschlafen. Nachweislich nicht geschlafen hatte die Besatzung des schnellen Frachters ELEMENT 7. Aber lassen wir den Wachoffizier der ELEMENT 7 selbst zu Wort kommen:
»Die ELEMENT 7 lag schon seit Beginn der Quarantäne auf Terra fest. Wir waren Anfang August von Hope aus mit einer Ladung Maschinen gestartet. Nachdem wir die Parkposition auf Cent-Field eingenommen hatten, gingen wir davon aus, noch am gleichen Tag nach Hope zurückzufliegen. Diesmal mit einer Ladung Textilien. Leider sahen wir uns bitter getäuscht! Schon kurz nach der Landung wurde uns mitgeteilt, wir müßten vorerst auf Terra bleiben. Dann kamen die Verhaftung Bultons und der Versuch der Raumhafentruppen, einen Putsch zu machen. Die ganze Zeit über war der Funk unsere einzige Verbindung zur Außenwelt. Kommandant Mayers hatte schon gleich nachdem der Nogkschirm eingeschaltet worden war, befohlen, alle Schotten dicht zumachen und abzuwarten. Ich hatte an diesem Morgen meine Wache schon zur Hälfte hinter mich gebracht, als auf dem Vorfeld Bewegungen zu sehen waren. Eine große Menschenmenge bewegte sich schreiend auf die geparkten Schiffe zu. Ich alarmierte die Besatzung. Neben uns lag ein alter Frachter, dessen Rampe heruntergelassen war. In den stürmte die Menschenmenge hinein. Was dann geschah, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Es dauerte aber nicht lange, und der Kahn begann zu brennen. Erst zogen dicke schwarze Rauchwolken aus einer der Ladeluken, und dann knallte es auch schon. Der Frachter ist einfach explodiert, aber das war nur der Beginn einer sinnlosen Zerstörungsorgie. Die aufgebrachten Massen waren nicht mehr zu stoppen.« Soweit also die Element 7. Es hatte somit schon kurz nach der Nachrichtensendung heftige Reaktionen der Bevölkerung gegeben, und zwar auf dem Raumhafen. Damit schied der »BERSERKER« als Ursprungsquelle der Unruhen aus! Vom Raumhafen aus verbreitete sich die Panik in die angrenzenden Stadtgebiete. Die Menschen hasteten kopflos ins Freie und versuchten zu fliehen. Obwohl eigentlich keine echte
Gefahr bestand, der Mensit war zu diesem Zeitpunkt nur in wenigen Menschen verankert, kam es zu Ausschreitungen, die eigentlich nur aus Kriegen bekannt sind. So wurden zum Beispiel im Stadtteil »Inner City« die staatlichen Versorgungseinheiten ein Opfer der Flammen. Innerhalb nur eines halben Tages stand ganz Alamo Gordo Kopf. Der Marsch der aufgebrachten Massen zum Sitz Henner Trawisheims wurde von dessen Truppen blutig gestoppt. Auch aus den anderen Regionen der Erde wurden Hiobsbotschaften bekannt. In der Region um Kapstadt brachen längst vergangene Konflikte wieder aus. Innerhalb einiger Stunden war ein Viertel der Stadt zerstört. An allen Ecken und Enden loderten die Flammen. Der Globus drohte zu bersten. Und es kam noch schlimmer! Die Gebiete Mesopotamiens waren schon in der Vergangenheit ein permanenter Unruheherd gewesen. Nur der geschickten Politik der letzten 50 Jahre war es zu verdanken, daß es in den ehemaligen Golfstaaten zu keiner größeren Auseinandersetzung gekommen war. In den letzten Augusttagen des Jahres 2061 kam es dann zur Explosion. Plötzlich strotzte die gesamte Region vor Waffen. Lange verborgen gehaltene Arsenale öffneten ihre Pforten und spien ihren todbringenden Inhalt unter die Bevölkerung. Die Ideen und Führer der Vergangenheit waren auf einmal wieder in aller Munde und riefen zu den Waffen. Ein neuer »Heiliger Krieg« verwüstete innerhalb von nur zwei Wochen die gesamte Region. Es gelang erst Wochen später, die kriegerischen Parteien, die sich zwischenzeitlich von der Erdregierung losgesagt und ihren neuen, unabhängigen, heiligen islamischen Staat ausgerufen hatten, voneinander zu trennen und Ruhe zu schaffen. Diese, über Jahre hinweg angestauten Aggressionen tauchten aber nur sporadisch auf, und auch nur in Regionen,
die zu allen Zeiten als gefährdet galten. Die meisten Menschen waren auf ihr eigenes Schicksal bedacht. So konnte es auch nicht verwundern, daß immer wieder die Raumhäfen Ziel der Flüchtenden waren. Innerhalb von nur vier Wochen glichen die meisten Raumfelder Terras einer Trümmerwüste, übersät von zerstörten und abgeschossenen Raumschiffen. Einen genauen Bericht vom Untergang des Raumhafens Delhi 2 gibt uns der heute im Ruhestand befindliche Kommandant der Anlage, Indra Maschad: Ich erinnere mich noch ganz genau an diese schlimmen Tage. Zuerst haben meine Leute und ich nicht viel mitbekommen. Keiner von uns hatte an diesem Tag die Nachrichtensendungen verfolgt, und darum traf es uns ziemlich unvorbereitet. Die Startbasen lagen weit außerhalb der Stadt, und normalerweise verkehrten Pendelbusse zwischen Raumhafen und Stadt. An diesem Tag blieben die Busse plötzlich aus! Nun müssen Sie wissen, daß Verspätungen in Indien auch heute noch nichts Ungewöhnliches sind, zudem stand ja auch noch der Nogkschirm, so daß wir nur den Flugverkehr zwischen den einzelnen Raumhäfen abzuwickeln hatten. Im Zeitalter der Transmitter ist dies aber nicht allzuviel. Kurz gesagt, wir machten uns keine großen Gedanken, und das Ausbleiben der Busse beunruhigte uns in keinster Weise. Dann, es muß so um die Mittagszeit gewesen sein, sahen wir im Westen die ersten Rauchwolken über der Stadt stehen. Niemand von uns hatte eine Ahnung, was dort brannte. Einer der Lotsen meinte noch spaßhaft, endlich hat sich jemand ein Herz gefaßt und die Fastfood-Restaurants, von denen es in Delhi jede Menge gab, angesteckt. Im Laufe des Tages mehrten sich dann die Brände in der Stadt. Mit einem Male gab es eine Riesenexplosion. Die Erschütterungen haben wir ziemlich heftig gespürt! Die Antenne auf dem Dach des Gebäudes wurde von der
Druckwelle einfach weggefegt. Das müssen die Meiler des Kraftwerkes gewesen sein. Wann dann die ersten Menschen auf dem Raumhafen auftauchten, kann ich nicht einmal mehr genau sagen, aber es wurde schon dunkel, und die Scheinwerfer erhellten die Landefelder und Abfertigungsgebäude. Mit lautem Geschrei stürmten sie auf den einzigen Raumer zu, der an diesem Tag bei uns gelandet war. Der Kapitän des Schiffes muß wohl übernervös gewesen sein, denn er hat sich von Panik anstecken lassen. Kurze Zeit nachdem die aufgebrachten Menschen sich um den Raumer versammelt hatten und laut schreiend forderten, eingelassen zu werden, startete er das Schiff. Mit einem Riesensatz sprang das Schiff in die Höhe. Die austretenden Energiefluten der Triebwerke haben dann alles und jeden verbrannt! Wir konnten beobachten, wie das Raumschiff immer schneller wurde und in den dichten Wolken verschwand. Später habe ich dann irgendwo gelesen, daß der Kahn am Nogkschirm hängengeblieben ist. Überlebt hat das keiner. Die nachdrängenden Menschen gerieten dann in Wut und begannen alles kurz und klein zu schlagen. Erst war die Abfertigungshalle dran. Innerhalb von ein paar Minuten stand sie in Flammen. Wir konnten das ja alles von unserer überhöhten Position genau beobachten. Ich bekam es dann mit der Angst zu tun und befahl, die Tür zum Tower zu verschließen. Zum Glück hatten wir einige Signalpistolen da. Mit denen gelang es uns das Schott zu verschweißen, so daß niemand zu uns gelangen konnte. Dann muß einer von denen in den Frachthangar 3 eingedrungen sein. Dort lagerten einige tausend Flaschen Spirituosen. Alles hochprozentiges Zeug. Das hat dann auch die Stimmung noch mehr angeheizt! Vom Frachthangar aus sind sie dann plündernd weitergezogen. Kein Gebäude haben die ausgelassen! Sind erst
weitergegangen als alles brannte. Irgendwann in dieser Nacht haben sie dann auch die Stromversorgung gekappt. Nur die brennenden Gebäude erleuchteten den Raumhafen noch etwas. Aber wir konnten nicht mehr viel erkennen. Überall nur Feuer und dichter Rauch. Über die Außenlautsprecher konnten wir dann auch die Schreie der Frauen hören. Grauenhaft! Einfach grauenhaft! Gegen Morgen wurde es dann etwas ruhiger, die Brände flauten ab. Als es dann ganz hell war, war die Masse der Menschen verschwunden. Zurückgeblieben sind nur Tote, Sterbende und ein paar der geschändeten Frauen. Alle Gebäude waren zerstört. Selbst unser Tower hatte einiges abbekommen. Wir haben dann versucht zu helfen, wo es eben ging. Man kann es sich in den heutigen Tagen nicht mehr vorstellen, aber ein paar Fakten, gepaart mit Mutmaßungen und der elementaren Angst des Menschen reichten aus, um den Planeten Erde ins Chaos zu stürzen. Eine der am häufigsten gestellten Fragen ist immer noch, ob es auch großangelegte Hilfe gab. In den ersten Tagen des ausbrechenden Chaos kaum, noch mußte Bernd Eylers vorsichtig zu Werke gehen, da Trawisheims Leute noch sehr aktiv waren, aber im Verlauf der kommenden Wochen wurde sein Auftreten immer häufiger, während Trawisheims Schergen immer mehr aus dem öffentlichen Leben verschwanden. Er und eine heute nicht genau bekannte Anzahl an Helfern gingen immer zielstrebiger zu Werke. Wir haben Berichte von Menschen, denen die GSO buchstäblich in letzter Sekunde zur Hilfe kam und ihr Leben rettete. Besonders gegen die immer häufiger auftretenden und gut organisierten Banden von Plünderern gingen die GSOLeute mit aller Härte vor. So wird von einem Feuergefecht aus den Vororten von Alamo Gordo berichtet, in dessen Verlauf die GSO nicht weniger als zwanzig Plünderer und
Vergewaltiger erschoß. Aus London wird berichtet, daß mehrere Agenten des GSO-Chefs die Plünderung und Sprengung eines großen Proviantlagers der Flotte nur durch den eigenen Tod verhindert haben. Später einrückende Soldaten des von Trawisheim hingerichteten Oberst Kolimas fanden die GSO-Leute tot in ihren Stellungen rund um das Proviantlager noch mit der Waffe in der Hand. Davor viele tote Plünderer. Erst mit der Zeit wurde die Hilfe immer effektiver und viele Politiker, die von Eylers in Sicherheit gebracht worden waren, halfen mit, das normale Leben halbwegs wiederherzustellen. Es dauerte aber noch bis in die späten Novembertage des Jahres 2061 bis die öffentliche Ordnung wieder einigermaßen hergestellt war. *** Im Brana-Tal hatte man von der Ausstrahlung bei Terra 1 und den anschließenden Unruhen nichts mitbekommen. Seit die Kommunikationskanäle von der Stationspositronik übernommen und/oder gesperrt worden waren, flossen den Angehörigen des Stationspersonals keine Informationen mehr zu. Sie hätten auch nicht viel damit anfangen können. Probleme hatten sie selbst genug. Der Tod ging um in der Station. Cyra Simmons saß vor den Kontrollschirmen der Notzentrale und konnte den Tod der Cyborgs hautnah miterleben. Immer wieder ließ sie die einzelnen Teile der Station von den Kameras abfahren. Die Bilder, die sie zu sehen bekam, entsetzten Cyra. Der Tod der Snide Brüder nahm sie besonders mit. Hilflos mußte die Stellvertreterin Ezbals mit ansehen, wie George Snide kalt lächelnd von seinem Bruder Charlie erschossen wurde. Georges Kopf platzte beim Auftreffen des Blasterstrahls auseinander wie eine überreife Melone wenn sie auf den Boden fällt. Charlie Snide kümmerte
es nicht. Er war außer sich, total übergeschnappt und dem Wahn verfallen. Schreiend warf er sich auf die Überreste seines toten Bruders und schlug in blindem Wahn auf ihn ein. Cyra schrie, wie sie noch nie in ihrem Leben geschrien hatte: »Was habe ich getan?« Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, die Welt um sie herum bestand nur noch aus Tod und Zerstörung. Ihr Verhältnis zum Tod war nie besonders ausgeprägt gewesen, und oft genug in ihrer bisherigen Karriere hatte sie mit Stoffen experimentiert, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wieviel Menschen bei einer Verbreitung dieser Stoffe sterben konnten. Es war einfach ein Teil ihrer Welt gewesen. Aber die letzten Stunden in der Cyborgstation hatten Cyra Simmons eines besseren belehrt. Anfangs hatte sie zu ihrem Mentor und Übervater Ezbal aufgeschaut, doch nachdem sie vom Mensiten befreit war, sah sie den Brahmanen in neuem Licht. Durfte ein Mensch in die Schöpfung eingreifen? Ihre Überlegungen wurden unterbrochen. Charlie hatte aufgehört auf den toten George einzuschlagen. Stumpfsinnig vor sich hin murmelnd saß er auf dem Boden des OPs. Aus glasigen, blutunterlaufenen Augen starrte er in die Kamera, die über ihm installiert war. Es schien Cyra einen Augenblick so, als wäre der Cyborg wieder normal. Deutlich konnte sie seine Worte vernehmen, die er in das Objektiv schrie: »Helft mir!« Im nächsten Augenblick krümmte sich der Mann zusammen. Scheinbar übermächtiger Schmerz quälte ihn. Zusammengekauert, in der Embryostellung lag der Cyborg da und schrie seinen Schmerz in die Welt hinaus. Cyra erschauderte. Tränen rannen ihre Wangen hinunter. Sie schwor sich, nie wieder eine solche Katastrophe zuzulassen. Sie und Echri waren schuld an dem, was sich in der Station vollzog. Warum nur mußten sie die Natur des Mensiten erforschen? Ohne ihre Neugierde wären die Cyborgs noch am
Leben! Und nun, vor ihren Augen, starb einer der letzten neuen Menschen. Charlie Snide hatte es irgendwie geschafft, sich aufzurichten. Mit erstaunlich sicheren Schritten ging der Mann auf den Operationsroboter zu. Für Cyra Simmons sah es so aus als wäre der Cyborg wieder im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Seine Schritte wurden immer sicherer. Schnell hatte er den Automaten erreicht. An einem der drei Tentakelarme, die bei Maschinen diesen Typs üblich waren, war ein künstlicher Aufsatz mit einem Skalpell befestigt. Cyra wurde klar was der Mann vorhatte. »Nein!« schrie sie verzweifelt. Charlie Snide schaute noch einmal in die an der Decke des OPs befestigten Kamera. Cyra glaubte, ihn lächeln zu sehen, als er sich in das Skalpell stürzte. Die scharfe Klinge des Skalpellarms durchtrennte das Fleisch des Cyborgs ohne Mühe. Weinend sah die Frau zu wie sich der Mann selbst zerfleischte. Immer tiefer drang das Skalpell in die Eingeweide des Cyborgs. Dann war es am Herzen Charlies. Ein leiser, befreiender Schrei entfuhr ihm, dann war alles vorbei. Charlie Snide war tot. Sein zerschnittener Körper hing fest in dem Operationsautomaten. Blut tropfte auf den Boden und bildete einen kleinen See. Cyra starrte auf den Toten. Plötzlich war es ihr, als würde der Kopf des Cyborgs explodieren. Der Mensit! Er wird freigesetzt! Wie vor wenigen Wochen bei ihren eigenen Untersuchungen explodierte der Mentalparasit. Breitete sich in dem OP aus. Auf der Suche nach einem neuen Opfer. Cyra sah ihn auf den Boden regnen. Kleine, silberne Sterne, die vom Himmel fallen. Als Cyra sich von ihrem Schock erholt hatte, wandte sie sich dem Rest der Station zu. Sie ließ die Kameras jeden erreichbaren Sektor absuchen. Außer im Hochsicherheitstrakt, fand sie keine Spur von sich noch bewegenden Menschen. Einen Moment ließ sie das Objektiv
über dem Raum stehen. Dicht gedrängt saßen und lagen hier die mensitenverseuchten Regierungsbediensteten, die von Trawisheim so nach und nach ins Brana-Tal geschickt worden waren. Hier sollten sie die erste Phase der Übernahme abwarten, um dann im Sinne des Mensiten handeln zu können. Da Cyra Simmons selbst befallen gewesen war, wußte sie, was früher oder später, abhängig vom Zeitpunkt der Infizierung, in diesem abgeschlossenen Trakt der Cyborgstation geschehen würde. Genau wie bei ihr würden die Menschen beginnen, den Mensiten abzustoßen. Unklar war der Wissenschaftlerin aber das Warum. Bisher hatten nur die Cyborgs so stark auf den Mensiten reagiert, und auch nur die Cyborgs waren dann Amok gelaufen. Ihr wissenschaftlich geschulter Verstand raste. Es mußte einen bisher völlig unbekannten Zusammenhang zwischen den Cyborgs und dem Mensiten geben! Cyra beschloß, da die Situation keine akute Gefahr mehr darstellte, ein paar Stunden zu schlafen, sich dann auf die Suche nach Ezbal zu machen. Vielleicht konnten sie gemeinsam das Rätsel lösen und ein Gegenmittel finden. »Ich werde dich töten, Mensit! Ich gelobe, daß ich nicht eher ruhen werde bis du tot bist!« murmelte die Frau. Augenblicke später war sie eingeschlafen. *** Gespenstische Lichter durchzuckten den dunklen Raum. In nicht bestimmbaren Takten leuchteten Kontrollampen auf. Der Suprasensor der Cyborgstation scannte in dem festgelegten Zyklus alle Sektionen der Forschungsstation ab. DNASuchgeräte erfaßten alle Spuren von Leben und übertrugen ihre Ergebnisse auf den Folienschreiber. Auch die schlafende Frau in dem Kontursessel wurde von den unsichtbaren Tastern erfaßt und eingeordnet. Das leise Murmeln und Summen der
elektronischen Geräte hatte eine beruhigende Wirkung auf die Schlafende. Cyra Simmons bewegte sich dennoch unruhig, sie schien einen Alptraum zu durchleben. Irgendwann schreckte sie hoch. Ihr Blick richtete sich auf den Folienschreiber. Sie ging zu dem Gerät und in dem Auswurfschacht entdeckte sie mehrere, eng beschriebene Folien. Cyra entnahm sie dem Schacht und besah sie sich lange. Anhand der aufgedruckten Balkendiagramme sah die Wissenschaftlerin sofort, daß es während ihres kurzen, aber erfrischenden Schlafes keine weiteren Toten gegeben hatte. Nachdenklich legte sie die Folien beiseite. Schon früher war ihr aufgefallen, daß nur die Cyborgs diese Überreaktion auf den Mensiten gezeigt hatten. Normale Befallene wie sie selbst eine gewesen war, stießen den Mensiten nach kurzer Zeit wieder ab. Ob eine Neuinfektion mit dem Mentalparasiten möglich war, konnte Cyra nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ausschließen wollte sie es aber nicht. Sie mußte unbedingt einen der toten Cyborgs untersuchen. Nur so konnte sie herausfinden, wie der Mensit auf die veränderten Menschen reagierte. Es war der jungen Frau klar geworden, daß die Notzentrale nicht länger ihr Aufenthaltsort bleiben konnte. In ihr würde sie die Antworten auf die drängendsten Fragen nicht finden. Aber ihr war auch klar, daß sie sehr vorsichtig sein mußte. Kam sie auch nur in die Nähe eines Infizierten, konnte es durchaus möglich sein, daß sie erneut unter die Kontrolle des Mensiten geriet. Cyra Simmons nächster Schritt war offensichtlich. Sie mußte überprüfen, ob sich Infizierte in ihrer Nähe befanden. Der Scanner der Station war leider so programmiert, daß er Lebewesen erkannte und registrierte. Ob sich diese Lebenden bewegten oder schliefen, konnte das Gerät ohne weitere Programmierung nicht erkennen. Um das Programm in Cyras Sinne umzuschreiben, waren Spezialkenntnisse notwendig, über die Cyra Simmons nicht verfügte. Schnell ließ sie vom
Stationssuprasensor überprüfen, ob sich noch Bruchstücke in der Atmosphäre der Station befanden. Tatsächlich wurden fremde Lebensformen im Hochsicherheitstrakt der Station festgestellt. Es hätte die junge Wissenschaftlerin auch verwundert, wenn es nicht so gewesen wäre. Schließlich befanden sich dort die Frischinfizierten. Sie ließ die Kamera in diesen Bereich schwenken. Auf Liegen festgeschnallt konnte Cyra vierzig Männer und Frauen erkennen. Sie stellten augenblicklich keine Gefahr dar. Cyra überzeugte sich davon, daß die Schotts des Gefängnistraktes fest verschlossen waren und die Entlüfter der Station keine ungefilterte Luft in den Hauptbereich der Station abgeben würden. Zur Sicherheit gab sie dem Suprasensor den Befehl, noch einen Dekontaminierungsfilter vor die Entlüftungssektion der Anlage zu schalten. Sie war sich nicht sicher, ob die Bruchstücke des Mensiten, die in der Atemluft schwebten, dadurch abgetötet werden konnten, aber sie wollte nichts unversucht lassen. Erst nachdem alles zu ihrer Zufriedenheit war, beobachtete Cyra wieder das Innere des Raumes. Einige der Gefesselten befanden sich bei Bewußtsein und starrten haßerfüllt an die Decke des Raumes. Obwohl die Wissenschaftlerin es besser wußte, erschien es ihr so, als könnten die Befallenen sie sehen. Für einen Moment glaubte Cyra, der Blick, den der Gefesselte in das Objektiv warf, würde sie durchbohren. Mit einem leichten Unbehagen schaute sie zur Seite. Dann begann sie systematisch jeden einzelnen Sektor der Cyborgstation zu überprüfen. Zuerst schaute sie sich die Hauptgänge der Station an. Nur das leise Summen der ferngesteuerten Kameras war zu hören. Nirgends sah sie einen aufrecht gehenden Menschen. Cyras Blick blieb an einer hohen Konsole hängen. Ein kurzer Blick auf die schematische Karte der Station genügte ihr. Dort befand sich eine der vielen Verteilerstationen für Erfrischungsgetränke. Direkt vor den Schaltelementen lagen
zusammengekrümmt ein Mann und eine Frau. Cyra zoomte das Bild näher heran. Sie konnte ein leises Stöhnen hören. Der Brustkorb der Frau hob und senkte sich unregelmäßig. Dann zeigte ihr das Objektiv das Gesicht der Frau in der Totalen. Cyra erschrak. Sie kannte diese Frau! Es war eine der Laborantinnen ihres eigenen Experimentallabors. In den letzten Monaten hatte sie oft mit Jessica Kaltenbrunner zusammengearbeitet. Jes, wie Cyra sie nannte, hatte die ersten Kulturen des Parasiten angelegt. Nun war die Frau am Ende ihrer Kraft. Das Wimmern aus ihrem Munde quälte Cyra Simmons. Schnell drehte sie das Objektiv weg. Stunde um Stunde verging. Cyra hatte fast jeden Raum der Station durchforstet. Überall das gleiche Bild. Ohnmächtige, schlafende Menschen. Die menschliche Natur hatte ihr Recht gefordert und durchgesetzt. Auch gegen den Willen des Mentalparasiten. Endlich näherte sich die ferngesteuerte Überwachungskamera dem letzten Bezirk der Cyborgstation. Cyra verhielt einen Moment und rieb sich die Augen. Das unentwegte Starren auf die leeren Gänge und Räume der Station hatte sie doch mehr ermüdet als sie sich selbst eingestehen wollte. Doch in Kürze hatte sie es geschafft. Der letzte, noch zu überprüfende Teil war der stationseigene Werkstattbereich. Auch in der heutigen Zeit, in der fast überwiegend die Technik der Mysterious eingesetzt wurde, konnte man nicht ganz auf Produkte aus irdischer Fertigung verzichten. Hauptsächlich waren das die mechanischen Komponenten in den hochkomplizierten Forschungsapparaturen. So verwunderte es nicht weiter, wenn es bei diesen Teilen des öfteren zu Ausfällen kam. Hier, im Werkstattbereich der Cyborgstation, wurden diese Teile wieder instandgesetzt. Die Kamera zeigte der jungen Frau eine Totale des Raumes.
Werkbänke, Schränke in denen Sauerstoffflaschen für die Schweißapparate lagerten. Schraubstöcke, zum Teil noch mit eingespannten Gegenständen. Cyra konnte nichts auffälliges entdecken, und wollte schon abschalten, als sie das Geräusch hörte. Es klang so, als würden zwei Metallgegenstände aufeinander geschlagen. Unterbrochen von einem Zischen. Einen Augenblick war Cyra Simmons verwirrt. Nach allem, was sie in den letzten Stunden gesehen hatte, sollte kein Stationsangehöriger mehr in der Lage sein, irgendwelche Arbeiten durchzuführen. Aber die Geräuschkulisse ließ keinen anderen Schluß zu. Dort waren arbeitende Menschen zu hören. Die Müdigkeit der jungen Frau war verflogen. Sie begann, den Werkstattbereich einer gründlicheren Überprüfung zu unterziehen. Sie nahm die Karte der Station zur Hand. Schnell hatte Cyra sich orientiert. Die Werkstatt bestand aus zwei annähernd gleich großen Räumen. Beide an der Außenwand der Station gelegen. Cyra betätigte ganz langsam und vorsichtig die Handsteuerung des Objektivs. Zeitlupenhaft glitt der Raum auf dem Monitor an ihren Augen vorbei. Cyra steuerte die Kamera in jede erreichbare Ecke der Werkstatt. Nichts entging ihren aufmerksamen Augen. Erst als sie sicher war, daß es in diesem Raum keine Möglichkeit zum Verstecken gab, steuerte sie den Nebenraum der Werkstatt an. Sie brauchte nicht lange zu suchen. Vier Befallene, wie Cyra aus dem wahnsinnigen Ausdruck in ihren Augen ablesen konnte, hieben mit schweren Hämmern auf die Rückwand der Station ein. Ein fünfter Mensiteninfizierter schrie auf die Arbeitenden ein. So etwas hatte die Wissenschaftlerin noch nicht gesehen. Es kam der Frau so vor, als sporne der Mensit die Männer an. Als würden die Mensitensporen wissen, daß ihre Zeit vorüber war. Cyra wurde den Eindruck nicht los, als kämpfe der Mentalparasit um sein Überleben. Tatsächlich hatten die fünf es geschafft, einen kleinen Teil der Außenwand
aufzureißen. Durch den schmalen Spalt fiel helles Tageslicht in den Raum. Immer hektischer und wilder schlugen die Männer auf die Wand. Immer größere Gesteinsbrocken brachen aus dem Gemäuer heraus. Dann war es soweit. Der entstandene Riß hatte die Größe eines Kindes erreicht. Die Männer warfen ihre Werkzeuge achtlos zur Seite und zwängten sich durch die Öffnung ins Freie. *** Schmerz! In seinem Kopf hämmerte und dröhnte es ohne Unterbrechung. Henner Trawisheim, Cyborg auf geistiger Ebene, stöhnte auf. Er versuchte die Augen zu öffnen, konnte aber nur verschwommene Umrisse wahrnehmen. Für einen kurzen Augenblick ließen die Schmerzen nach, befähigten Henner, seine Umgebung zu erkennen. Langsam erkannte er wo er sich befand. Er hatte sich nur für ein paar Stunden hinlegen wollen, das war nun etwa sieben Stunden her. Es gelang dem Cyborg sich aufzurichten, bevor die nächste Welle Schmerz kam. Henner stöhnte, preßte die Fäuste an seine Schläfen. Langsam ebbte der Schmerz ab. Erneut öffnete er die Augen. Schlieren, zuckende Blitze und sich wild drehende Farbkreise. Mehr vermochten seine Augen nicht erkennen. Heftig rieb er mit seinen Fingern in den Augen, glaubte das Farbchaos wegwischen zu können. Endlich verbesserte sich seine Sehkraft. Die Schlieren verschwanden langsam und zögerlich. Machten Gegenständen Platz, mit denen der Cyborg etwas anfangen konnte. Tastend und unsicher stand Henner Trawisheim auf. Kaum hatte er beide Beine auf festem Boden, zwang ihn eine heftige Schmerzwelle erneut auf die Liege zurück. Trawisheim schloß die Augen und wartete. Wartete darauf, daß die Schmerzen nachlassen würden. Dann gab er sich einen
Ruck und schaffte es diesmal wirklich, mit beiden Beinen auf den Boden zu kommen und sich aufrecht zu halten. Wilde Entschlossenheit erfaßte den Mann. Er taumelte in die Richtung, in der er die Tür vermutete. Seine kräftigen tastenden Hände spürten plötzlich Widerstand. Er wollte sich aber nicht aufhalten lassen. Der Mensit in ihm übernahm den Körper des Mannes. Befahl seinen Händen den Widerstand zu brechen. Ihn einfach beiseite zu schieben. Krachend schlug das Tablett mit der Wasserkaraffe und dem Bleiglas darauf auf dem Steinfußboden auf. Hastig wurde eine Tür aufgerissen. »Trawisheim? Ist alles in Ordnung, Trawisheim?« Der Cyborg erkannte die besorgt fragende Stimme. Sie gehörte seiner Sekretärin. »Mein Gott! Trawisheim, Sie sehen aus wie der leibhaftige Tod!« *** Der Regen hatte endlich aufgehört. Aus müden Augen konnte Pal Hertog sehen, wie sich die Sonne anschickte, das Tal mit ihren wärmenden Strahlen zu überschütten. Er richtete sich auf und streckte seine steif gewordenen Glieder der aufgehenden Sonne entgegen. Dumpf erinnerte er sich daran, wie der Dicke ihn endlich abgelöst hatte. Benommen und total durchnäßt war er zu seinem Schlafsack gewankt und in ihn gekrochen. Noch bevor der Stoff seinen Körper aufwärmen konnte, war er eingeschlafen. Gähnend und frierend ging er zur Feuerstelle hinüber. Dankbar dafür, daß hier ein heißer Kaffee auf ihn wartete. Genüßlich schlürfte er das heiße Getränk. Er fühlte sich gleich ein wenig besser. Pal war nun endgültig wach. Er stellte den Becher auf die Feuerstelle zurück und begann mit Lockerungsübungen. Langsam kam sein Kreislauf wieder in Schwung. Dann sah Pal Hertog sich um. Gleich neben dem
prasselnden Feuer hatte Bud seinen Schlafsack deponiert. Von dem Dicken war nur der Haarschopf zu sehen, aber Pal brauchte Buds Gesicht nicht unbedingt zu sehen. Das überlaute Schnarchen zeugte von der Anwesenheit Bud Cliftons. Also mußte Tschobe seine Wache angetreten haben. Pal Hertog stieg über die kurze Leiter ins Freie und sah sich um. Mächtig und undurchdringlich erhob sich der halbkugelförmige Energieschirm vor ihm. Pal machte ein paar Schritte auf ihn zu, als er auch schon Manu Tschobe entdeckte. Der Afrikaner hatte es sich neben einem Felsblock gemütlich gemacht und beobachtete die Cyborgstation durch sein Allwettersichtglas. Hertog schlenderte auf den Afrikaner zu und erfreute sich an den wärmenden Sonnenstrahlen. Langsam verschwand das schwere Gefühl aus seinen Gliedern und er gewann ihrem Aufenthalt hier vor der Station der Cyborgs wieder etwas Positives ab. »Guten Morgen, Manu.« Pal setzte sich auf den Felsbrocken. »Wie sieht es aus?« »Da, schau es dir selbst einmal an«, antwortete der Arzt und hielt Pal sein Glas hin. »Gleich links neben der großen Betonkuppel!« Mit klammen Fingern ergriff Hertog das Sichtgerät und als er hindurchschaute, sah er was Manu Tschobe gemeint hatte. Die Rückwand des Gebäudes war aufgebrochen worden. Sorgsam suchte er die unmittelbare Umgebung ab, dann glaubte er eine Bewegung zu erkennen. Er stellte die Schärfe des Glases neu ein, und tatsächlich, dort unten lief ein Mensch ziellos hin und her. »Ich habe bis jetzt fünf Männer ausgemacht. Wann genau sie aus dem Gebäude gekommen sind, kann ich nicht sagen, aber solange ich sie jetzt beobachte, laufen sie ziemlich planlos hin und her. Die anderen müssen irgendwo weiter westlich sein!«
Pal Hertog schaute erneut durch das Glas. In der angegebenen Richtung fand er dann nach und nach die von Manu erwähnten Männer. Einer von ihnen rannte immer wieder gegen den Schutzschirm der Station an, und wurde jedesmal zurückgeworfen. »Was hältst du davon? Soll ich den Dicken wecken?« fragte Pal und reichte das Sichtgerät an den Afrikaner zurück. »Nein, lassen wir Bud noch schlafen. Ich weiß noch nicht ganz genau, was ich davon halten soll. Die Männer scheinen komplett verwirrt zu sein. Sie suchen offenbar einen Weg durch den Schirm. Auch daß sie die Außenwand des Gebäudes zerstört haben, um ins Freie zu gelangen, verstehe ich nicht so ganz.« Der afrikanische Arzt erhob sich und schritt auf den Schirm zu. »Komm, Pal, es wird Zeit, daß wir uns die Männer einmal aus nächster Nähe ansehen. Vielleicht können wir uns mit ihnen verständigen und erfahren auf diesem Weg, was passiert ist. Zumindest gibt es noch Leben in der Cyborgstation!« Mit schnellen Schritten, gefolgt von Pal Hertog, eilte Tschobe auf den Schirm zu. Als sie die Stelle erreicht hatten, an der die Männer immer wieder vergeblich versuchten, die Energiesperre zu überwinden, erstarrte der Afrikaner. Es waren Techniker der Station, wie man unschwer an ihren Monturen erkennen konnte. Ihr qualvoller Gesichtsausdruck verriet dem Arzt, daß sie unter großen Schmerzen leiden mußten. »Schau dir ihre Augen an, Pal!« rief Manu erregt. Hertog war nun auch ganz nahe am Schirm. Nur wenige Schritte von ihnen entfernt, nur durch die Energiesperre getrennt, sah Pal, was der Afrikaner meinte. Aus der Nähe betrachtet ähnelten die Gesichter der Techniker verzerrten Dämonenfratzen. Pal Hertog fühlte sich an seine Jugend erinnert. Damals, als Jugendlicher, hatte er alle Bücher, die im entferntesten mit Horror zu tun hatten, gelesen. Immer wieder hatten die
Schriftsteller früherer Jahre die Gesichter von Besessenen beschrieben. Das was Pal Hertog hier sah, kam dem Gelesenen sehr nahe. Nichts deutete mehr darauf hin, daß die Techniker einmal ein menschliches Antlitz gehabt hatten. Nur noch vom Schmerz zerfressene, grotesk verzogene Gesichter starrten die beiden Männer an. Dann kam Regung in die Techniker. Wie auf ein geheimes Kommando hin stürzten die Männer auf Pal und den Afrikaner zu. Hieben mit bloßen Fäusten auf den Schirm ein. Immer heftiger wurden die Attacken der Techniker gegen den Schirm. Die Augen der Männer blitzten vor Haß auf. Minutenlang sahen Pal und Manu den fruchtlosen Bemühungen zu. Nie zuvor war dem Arzt eine solche Beharrlichkeit bei einem Wahnsinnigen untergekommen. »Komm, Pal, ich habe genug gesehen«, sagte der Afrikaner plötzlich und machte sich daran, zurück zu ihrem Lagerplatz zu gehen. Als sie ihre Ausgangsposition wieder erreicht hatten, setzte sich Pal Hertog auf den Felsbrocken, der ihm zuvor schon als Beobachtungsplatz gedient hatte. Er nahm das schwere Sichtgerät zur Hand. Deutlich konnte er die Techniker im Okular des Gerätes ausmachen, immer noch hieben sie auf den Schirm ein, aber es schien deutlich schwächer zu sein als vorher. Dann, ohne eine Ankündigung wandten sich alle vier von der Energiesperre ab, und verschwanden zwischen den Gebäuden der Cyborgstation. *** Cyra Simmons war nach dem Verschwinden der Techniker nicht untätig geblieben. Zuerst sorgte sie dafür, daß die Männer nicht in die Station zurückkehren konnten. Sie wies den Stationssuprasensor an, den Werkstattbereich hermetisch abzuriegeln. Danach begann sie mit ihrer Befreiung aus der
Notzentrale. Mit sicherer Hand führte die Stellvertreterin Ezbals den Blasterstrahl am Schott entlang. Schnell fraß sich der Energiestrahl in das Metall, bildete eine ovale Form. Der giftige Metalldampf wurde sofort von den Aggregaten der Klimaanlage abgesogen. Endlich war Cyra fertig. Sie versetzte dem ausgeschweißten Oval einen heftigen Tritt. Krachend schlug die Metallplatte auf der anderen Seite des Schottes auf den Gangboden. Die Ränder der künstlichen Öffnung glühten zwar noch, aber Cyra achtete nicht darauf. Vorsichtig stieg sie durch das zerstörte Schott und war frei. Schnell lief sie den Gang entlang. Als sie eine Kommunikationssäule erreichte, verhielt sie und machte sich am Kontrollpanel zu schaffen. »Stationscomputer erkennst Du meine Befehlsgewalt an?« Stimmenanalyse abgeschlossen. Autorisierte Person Cyra Simmons erkannt. Deine Befehle, Cyra? »Außer in den im Ablaufplan festgelegten Sektoren ist der Alarmzustand auf die niedrigste Stufe herunterzufahren. Die Schutzmaßnahmen für die gefährdeten Sektionen bleiben von dieser Anordnung ausgenommen. Außerdem sind alle sich bewegenden Objekte vom Typ Mensch durch Medo-Einheiten versorgen zu lassen.« Verstanden, Cyra. Ich werde deinen Befehlen Folge leisten. Cyra unterbrach zufrieden die Verbindung mit dem Stationsrechner. Ihr nächster Weg führte sie zur Unterkunft des Brahmanen. Schon als sie den kleinen, spartanisch eingerichteten Raum betrat, bemerkte sie die wimmernde Katze Ezbals. Das Tier schien total verängstigt zu sein. Es verkroch sich laut fauchend unter dem schlichten Holzschrank, in dem Echri Ezbal seine wenigen Kleider aufbewahrte. Den Cyborgschöpfer konnte sie nirgends entdecken. »Ich habe leider wenig Zeit für dich«, sprach Cyra besänftigend auf das Tier ein. Ihr suchender Blick blieb an der
einfach gehaltenen Küchensektion hängen. Schnell öffnete sie den Kühlschrank und fand eine verschlossene Flasche Milch. Die Frau schüttete ein wenig der Flüssigkeit in eine Schale, die sie im Waschbecken gefunden hatte, und stellte sie dann in die Nähe des Schrankes, unter dem die fauchende Katze sich versteckt hatte. »Mehr kann ich leider nicht für dich tun!« Cyra Simmons schloß die Tür von Ezbals Unterkunft und überlegte, wo sich Ezbal aufhalten könnte. »Was...? Was ist passiert?« wurde die Frau plötzlich von hinten angesprochen. Als sich Cyra umdrehte, sah sie in die Augen eines verwirrten Stationsangehörigen. »Können Sie sich an irgend etwas erinnern?« fragte die Wissenschaftlerin den verwirrten Mann. »Der Mensit! Wir standen unter dem mentalen Einfluß des Mensiten.« »Ja, aber Sie brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen! Sie sind das Ding losgeworden! Helfen Sie mir bitte, die anderen Stationsangehörigen zu versorgen.« Cyra schaute den Mann lange an, er schien wieder Herr seiner eigenen Sinne zu sein. Die junge Frau hatte diese Phase der Verwirrtheit auch bei sich selbst nach dem Abstoßen des Mensiten festgestellt, darum ließ sie dem Techniker noch einige Minuten. »Hören Sie, ich brauche Ihre Hilfe. In den nächsten Stunden werden die Überlebenden der Cyborgstation aus ihrer Ohnmacht erwachen. Wir müssen ihnen helfen! Haben Sie mich verstanden?« Der Mann schüttelte heftig den Kopf, und Cyra bekam einen heftigen Schreck. War er vielleicht doch noch mit dem Mensiten infiziert? »Keine Angst! Ich bin schon wieder ganz klar. Natürlich helfe ich Ihnen, Cyra. Womit fangen wir an?« fragte er
unternehmungslustig. »Ezbal, wir müssen unbedingt Echri Ezbal finden. Haben Sie eine Ahnung, wo er stecken könnte?« *** Im Verlaufe der nächsten Stunden erwachten immer mehr Stationsangehörige. Ihre anfängliche Verwirrtheit wurde aber von Cyra Simmons Anwesenheit schnell abgebaut. Nachdem die ehemals Infizierten erkannten, daß sie wieder frei waren, unterstützten sie die Wissenschaftlerin tatkräftig. Zunächst sorgten die wiedererwachten Techniker dafür, daß jeder Befreite einen Schutzanzug anlegte. Noch immer konnte nicht gänzlich ausgeschlossen werden, daß sich in der Atemluft der Station noch Rückstände des Mensiten befanden. Cyra, die versuchte, an allen Stellen gleichzeitig zu sein, saß erschöpft in der Zentraleinheit der Cyborgstation. Eigentlich war es ihr primäres Ziel gewesen Ezbal zu finden, aber das herrschende Chaos ließ ihr keine Zeit dazu. »Wir sollten die gesamte Luft in der Station austauschen!« meinte ein neben Cyra Simmons stehender Techniker und hielt ihr einen Becher hin. Dankend trank sie einen Schluck des Fruchtsaftes. Erst jetzt bemerkte die Frau, wie trocken ihr Hals sich anfühlte. »Wie meinen Sie das mit der Luft? Ich kann Ihnen im Moment nicht ganz folgen.« »Nun, sehen Sie, Cyra!« erwiderte der Mann. »Wir können immer noch nicht alle Teile der Station ungehindert betreten. Die Luftanalysen haben ergeben, daß wir in den Hauptbereichen sicher sind. Aber was ist mit dem Hochsicherheitstrakt? Dort muß es immer noch lebende Mensitenteile geben. Und was ist mit den Laboreinheiten? Während der Abstoßphase ist einiges zu Bruch gegangen.
Selbst wenn es in diesen Sektionen keinen Mensiten oder Teile von ihm mehr gibt, kann die Atmosphäre trotzdem verseucht sein. Zum Beispiel mit F-Viren oder ähnlichem.« »Danke! Sie haben natürlich vollkommen recht. Warum habe ich nicht an das Naheliegendste gedacht?« Cyra war verwirrt. Warum war ihr als verantwortungsbewußte Wissenschaftlerin diese Sicherheitsmaßnahme nicht eingefallen. »Was schlagen Sie vor? Wie können wir es bewältigen, ohne uns selbst ein Bein zu stellen?« »Ich verstehe was Sie meinen, Cyra.« Der Mann zog einen Stuhl heran und setzte sich neben Cyra. Nachdem er aus seinem Becher getrunken hatte, stellte er ihn achtlos auf eine Steuerkonsole und zog eine Karte der Station aus seiner Montur. Sorgfältig strich er sie glatt und breitete sie vor Cyra Simmons aus. »Sehen Sie! Hier befinden sich die Hochsicherheitstrakte«, der Techniker deutete auf einen von ihm selbst mit roter Farbe markierten Bereich. »In ihnen ist der Mensit noch enthalten. Aber die umliegenden Hallen, eigentlich als Lagerstätten gedacht, sind nicht verseucht. Jeder einzelne Raum kann notfalls von hier aus geflutet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Flüssigkeit oder Atmosphäre handelt.« »Verzeihen Sie, aber ich verstehe immer noch nicht ganz worauf Sie hinaus wollen.« »Ganz einfach, wir bauen so eine Art Mensitendekontaminierungsstation auf! Vom Hochsicherheitstrakt aus holen wir jeden, der einwandfrei als nicht mehr infiziert gilt, heraus und schaffen ihn in die angrenzende Halle. Dort wird er gründlich untersucht und erst wenn feststeht, daß sich keine Bruchstücke mehr in ihm befinden, wird er in den nächsten Raum gebracht. Dann fluten wir die Halle und töten eventuelle Bruchstücke des Mensiten ab. Der DNA-Scanner wird uns Auskunft geben, ob sich noch
Fremdkörper im Raum befinden. Das machen wir so lange, bis der Mensit allein im Hochsicherheitstrakt ist. Den fluten wir dann als letztes.« »Schön und gut, Ihr Plan könnte funktionieren!« sagte Cyra. Sie war ehrlich davon überzeugt, daß der Mann die richtige Lösung gefunden hatte. Dann verzog sie fragend das Gesicht. »Bleibt nur die Frage wie wir die Personen aus dem Sicherheitsbereich rausbringen, ohne unsere Leute erneut dem Mensiten auszusetzen.« Der Techniker schaute sie an, als bezweifle er, daß Cyras Frage ernstgemeint war. »Mit den Anzügen der Mysterious natürlich! Wir haben genug davon in der Station. Was für die F-Viren ausreichend ist, sollte auch mit dem Mensiten fertig werden.« In diesem Moment wurde die beiden von einem hereinkommenden Vipho-Signal unterbrochen. Cyra Simmons hastete zu dem Gerät und schaltete es auf Empfang. Eine leicht zitternde Männerstimme sagte: »Wir haben Ezbal gefunden! Kommen Sie schnell, es sieht nicht gut aus!« *** Als Cyra Simmons den Raum erreichte, in dem Ezbal gefunden worden war, erschrak sie zutiefst. Der Inder lag in verkrümmter Haltung zwischen zwei Schränken gegen die Wand gelehnt. Sein aschfahles Gesicht war noch immer schmerzverzerrt. Erste Untersuchungen der herbeigerufenen Medo-Einheit bestätigten, daß sich der Brahmane in tiefer Bewußtlosigkeit befand. Sie trat ganz nahe an ihn heran und fragte einen der Ärzte, die zusammen mit dem Roboter eingetroffen waren. »Wie steht es um ihn?« »Er ist vom Mensiten befreit, aber sein Herz und der
Kreislauf machen uns Sorgen. Er ist schon sehr alt, und die Belastung des Abstoßens waren sehr viel für den Mann. Er zeigt Anzeichen einer totalen Erschöpfung! Ich lasse ihn in die Krankenstation überführen und dann sehen wir weiter.« »Danke, Doktor, er muß so schnell wie es irgend geht wieder auf den Beinen sein! Wir brauchen sein Wissen im Kampf gegen den Mensiten.« Der Arzt wandte sich wieder seiner Tätigkeit zu. Er befahl dem Medo-Roboter, Echri Ezbal auf eine Trage zu legen und schnellstens in die Krankenstation zu bringen. Mit großer Sorge um ihren Mentor beobachtete Cyra, wie die MedoEinheit den Inder aus dem Raum trug. Für Cyra Simmons gab es hier nichts weiter zu tun. Sie beschloß, in die Zentralsektion der Station zurückzukehren. Schließlich trug sie als Stellvertreterin des Brahmanen die Verantwortung für die Cyborgstation. Als die Frau durch das Zentralschott trat, kamen auch schon mehrere Stationsangehörige auf sie zu, um Bericht zu erstatten. Cyra hörte sich jeden einzelnen Bericht genauestens an. Dann, als der letzte Mann fertig war, zog sie sich in einen Nebenraum zurück, um nachzudenken. Kaum hatte sie sich hingesetzt und ein Glas Saft aus dem Spender vor sich stehen, betrat der Techniker, der die Idee mit dem Austausch der Atemluft gehabt hatte, den Raum. Cyra nahm sich jetzt die Zeit, den Namen des Mannes auf dem gut sichtbaren Schild auf seiner Montur abzulesen. »Techniker Brown, was kann ich für Sie tun?« fragte sie mit müder Stimme. Der Anblick des erschöpften Ezbals hatte Cyra doch mehr mitgenommen, als sie sich selbst eingestehen wollte. »Es tut mir sehr leid, Cyra...«, begann der Mann und trat näher an Cyra heran, »... aber es sieht so aus als hätten wir ein neues Problem.«
»Der Mensit ist doch in der Luft?« entfuhr es Cyra. »Nein, den haben wir ganz gut im Griff! Die Atmosphäre ist zu 80% schon ausgetauscht, und die DNA-Scanner haben bisher keine Fremdkörper entdeckt. Auch das Behandeln der Infizierten im Hochsicherheitstrakt geht problemlos. Es wird zwar länger dauern als wir errechnet haben, aber wir haben alles unter Kontrolle.« »Und wo ist nun Ihr Problem?« Cyra schaute Techniker Brown fragend an. »Bei der Überprüfung aller Sektionen ist festgestellt worden, daß sich im Werkstattbereich ein ziemlich großes Loch in der Außenwand befindet!« Entsetzt schaute die Wissenschaftlerin auf. »Heißt das, es befinden sich noch weitere Infizierte auf dem Gelände, die nicht unter unserer Kontrolle stehen?« »Genaues wissen wir noch nicht, aber es bleibt uns nichts anderes übrig, als davon auszugehen, daß einigen Befallenen die Flucht gelungen ist!« Plötzlich lachte Cyra gequält auf. Brown sah sie verwundert an. »Natürlich! Es sind fünf Männer, ich habe sie von der Notzentrale aus beobachtet, wie sie das Loch in die Stationswand geschlagen haben. Tut mir sehr leid, Brown, ich habe es bei dem Trubel hier glatt vergessen!« »Schon gut, Cyra! Sie sollten ein wenig ausspannen. Ich werde mich um die Ausbrecher kümmern. Vom Gelände können sie ja dank des Schirmes nicht weg, also ist es nur eine Frage von Stunden bis wir sie wieder eingefangen haben! Sie sollten sich ein wenig hinlegen, denn sie sehen schrecklich aus. Während der nächsten Stunden wird nichts aufregendes passieren.« Cyra dankte dem Techniker und als er gegangen war, ließ sie sich auf der schmalen Liege, die an der Wand des Raumes stand, nieder. Es dauerte nicht lange bis Cyra Simmons
eingeschlafen war. *** »Es tut sich was bei der Station!« rief Bud Clifton dem Afrikaner zu. In Windeseile rannte Tschobe, gefolgt von Hertog, zu dem Dicken hin. Alle drei lagen mit den Sichtgeräten an den Augen auf dem Boden und schauten zur Station hinunter. Tatsächlich, aus einer der Kuppeln waren mehrere Männer oder Frauen, so genau konnte es Tschobe nicht bestimmen, da sich alle Personen in Schutzanzügen befanden, getreten. Mit Paraschockern bewaffnet verteilten sie sich auf dem ganzen Gelände. Für Manu sah es so aus, als würde man die vier Kranken, die sie am Morgen gesehen hatten, suchen. Schon bald war der erste gefunden. Die drei Männer sahen, wie er hinter einer Hausecke hervorsprang und in Angriffshaltung auf die Leute aus der Station zustürmte. Nach wenigen Schritten brach er aber dann im konzentrierten Feuer der Schocker zusammen. Da Tschobe keine typischen Energieentladungen gesehen hatte, atmete er auf. »Paralysestrahler! Sie paralysieren die Ausreißer nur!« Pal Hertog stieß Manu Tschobe an. »Schau zur Transmitterstation! Sie haben den nächsten erwischt!« Tschobe schaute in die angegebene Richtung. Tatsächlich trugen zwei der in Schutzanzüge gehüllten Männer den Paralysierten zurück in die Cyborgstation. Im Verlaufe von nur vierzig Minuten hatte das Jagdkommando der Station alle Geflüchteten erledigt. Manu Tschobe erhob sich und deutet seinen Begleitern an, ihm zu folgen. Für den Arzt stand fest, daß es sich bei den Leuten in den Mysterious-Anzügen nicht um Kranke handeln konnte. Alle drei liefen auf den Schutzschirm zu und machten sich mit heftigem Winken bemerkbar. Es dauerte auch nur wenige
Minuten, bis die vermummten Gestalten hinter dem Schirm sie entdeckt hatten. Einer von ihnen trat dicht an den Schirm heran und machte Tschobe mit einer Handbewegung deutlich, daß er sie gesehen hatte. Anhand der Mundbewegungen konnte Tschobe erkennen, daß der Mann in das Mikro sprach, das sich in jedem Mysterious-Anzug befand. Manu hätte viel darum gegeben, wenn er verstanden hätte, was der Mann gesagt hatte. Der Arzt sah, daß der Anzugträger in einer der Außentaschen fingerte. Offenbar fand er aber nicht das was er suchte. Einen Augenblick schien der Anzugträger ratlos zu sein. Dann deutete er mit den Armen an, daß Tschobe und seine Begleiter an dieser Stelle stehenbleiben sollten. Durch heftiges Nicken, machten sie ihm klar, daß er verstanden worden war. Der Mann im Schutzanzug drehte sich um und rannte so schnell er konnte zur Cyborgstation zurück. *** Cyra Simmons war schon wieder auf den Beinen. Sie hatte tatsächlich ein paar Stunden geschlafen, und fühlte sich seltsam erfrischt. Zischend öffnete sich das Schott zur Krankenstation. Schnell hatte sie den Brahmanen ausgemacht. Sie eilte zu seinem Bett. Der Inder schlief, aber seine Gesichtszüge waren nicht mehr so verkrampft wie bei seinem Auffinden. Cyra berührte ihn sanft an der Schulter. »Ezbal, wachen Sie auf!« Echri Ezbal erwachte tatsächlich langsam. Er öffnete die Augen und sah Cyra Simmons verstört an. »Cyra? Was ist geschehen? Ich kann mich nicht mehr richtig erinnern!« »Keine Angst, Echri, Ihre Erinnerungen werden in Kürze wiederkommen! Jeder, der den Mensiten abgestoßen hat, leidet eine Zeit lang an Orientierungslosigkeit und Erinnerungsstörungen.« »Der Mensit!« Ezbal schaute betroffen und beschämt auf
die Decke seines Bettes. »Cyra, was haben wir getan?« fragte er leise. »Ezbal, was wir getan haben, darüber können wir uns später unterhalten! Wichtig ist, was wir jetzt zu tun gedenken! Innerhalb der Cyborgstation ist der Mentalparasit entweder abgetötet oder unter unserer Kontrolle.« Sie schilderte dem alten Inder genauestens, was sie in den Stunden nach ihrer Befreiung unternommen hatte, und welche Maßnahmen zur Zeit an und abliefen. Als sie fertig war, schaute Ezbal sie lange schweigend an. Cyra hatte das Gefühl, seine Erinnerungen kehrten zurück. Er richtete sich in seinem Bett auf und fragte seine Stellvertreterin: »Die Cyborgs, was ist mit ihnen?« »Tot, sie sind alle tot! Während bei einem Normalterraner der Mensit nach einer gewissen Zeit von selbst abstirbt, kam es bei den Cyborgs zu dem Phänomen der Selbsttötung! Die meisten von ihnen begannen plötzlich Amok zu laufen.« »Alle tot?« Ezbals Gesicht wurde weiß. Er schlug die Hände vor sein Gesicht. Ob er damit seine aufsteigenden Tränen vor ihr verbergen wollte, konnte Cyra nicht sehen. »Alle bis auf Trawisheim und Alsop! Und bei Lati Oshuta sind wir uns nicht sicher!« »Wie meinen Sie das, Cyra? Bei Oshuta sind Sie sich nicht sicher?« fragte der Inder. »Nun...« Cyra zögerte. »Oshuta ist offenbar in die Kryotechnik-Anlage eingedrungen und dabei in einen der Frosttanks gefallen. Er ist...«, sie suchte nach Worten, »er ist quasi schockgefroren. Ob er das überlebt hat, könnten wir nur feststellen, wenn wir ihn wieder auftauen – aber dann würde er sofort dem Mensiten zum Opfer fallen und dagegen haben wir kein Mittel!« Echri Ezbal hob abwehrend die Hand. »Auf keinen Fall. Lassen Sie Oshuta in dem Zustand, in dem er sich jetzt befindet. Wenn wir je ein Mittel gegen den Mensiten
entwickeln können, welches auch bei den Cyborgs wirkt, dann können wir versuchen ihn vorsichtig aufzutauen. Nicht vorher!« Der Brahmane sammelte sich einen Moment. »Dann haben also zwei Cyborgs auf jeden Fall überlebt?« »Bei Trawisheim bin ich mir nicht sicher, er gehörte zu der Personengruppe, die erst ziemlich spät mit dem Mensiten infiziert wurde. Es ist also durchaus möglich, daß er noch lebt, und Holger Alsop war nie infiziert!« »Nie infiziert? Soweit ich mich erinnern kann, haben wir doch alle Cyborgs behandelt. Cyra, was bedeutet nie infiziert?« Echri Ezbal schien nun wieder vollkommen der Alte zu sein. Seine Stimme war wieder fester geworden, und auch sein äußeres Erscheinungsbild war wieder fast normal. Cyra setzte sich dicht neben den Schöpfer der Cyborgs und fuhr in ihrem Bericht fort. »Irgendwie muß ich geahnt haben, daß sich der Mensit verbreiten würde. Bevor ich mit meiner eigentlichen Arbeit an dem Mentalparasiten begann, habe ich Holger Alsop unter dem Vorwand einer Kontrollinspektion zu mir bestellt und Veränderungen an seinem Programmhirn vorgenommen. Gleichzeitig blockierte ich einige Sektoren in seinem Gehirn und sorgte dafür, daß er eine Zeit lang meinen implementierten Befehlen Folge leisten würde. Dann schickte ich ihn nach T VII um den Schutzschirm um die Cyborgstation im Notfall abschalten zu können. Sie werden sich doch sicher noch daran erinnern können, daß der Schutzschirm der Station nur von T VII aus abgeschaltet werden kann?« Ezbal nickte leicht. Seine Erinnerungen schienen im vollen Umfang wiedergekehrt zu sein. »Was geschah weiter?« »Nun, der Rest ist schnell erzählt. Alle übrigen Cyborgs und das Stationspersonal wurden planmäßig infiziert, aber das wissen Sie ja selber. Ich weiß nicht mehr ganz genau, wann es begann, aber ich fühlte mich plötzlich sehr schlecht und wahnsinnige Kopfschmerzen setzten ein. Ich wurde
ohnmächtig! Als ich Stunden später wieder zu mir kam, stellte ich fest, daß ich den Mensiten abgestoßen hatte. Ich schlich mich zur Notzentrale und verbarrikadierte mich dort. Dann begann der Amoklauf der Cyborgs! Echri, es war schrecklich!« Beruhigend legte Ezbal seine Hand auf die Cyras. »Erzählen Sie weiter, meine Liebe! Ich muß genau wissen was geschehen ist.« Schnell erzählte die Wissenschaftlerin den Rest ihrer Geschichte. Ezbal hörte schweigend zu. Als Cyra fertig war, sagte Ezbal zu ihr: »Halten wir also fest, daß sich das normale Stationspersonal weitestgehend selbst von dem Mensiten befreit hat! Scheinbar haben Menschen eine natürliche Resistenz gegen das Virus, während die Cyborgs sich nicht dem Einfluß entziehen konnten.« »Nein, Ezbal!« unterbrach Cyra ihn heftig. »Wir haben mehrere Fälle von Erstinfizierten, die nach wie vor unter der Kontrolle des Parasiten stehen. Und genau das ist es, was mir solche Sorgen macht, Echri. Wir haben nicht die geringste Ahnung warum nicht alle Menschen den Mensiten abgestoßen haben.« Für einen Moment herrschte Schweigen, dann unternahm Ezbal den Versuch, sich von seinem Lager zu erheben. »Cyra, seien Sie so lieb und helfen mir beim Aufstehen.« »Echri!« rief die junge Frau. »Sie müssen sich noch schonen!« »Schonen? Cyra, wir haben einiges an unerledigter Arbeit! Schauen Sie nicht so verdutzt drein, ich fühle mich wieder prächtig! Und nun helfen Sie mir!« »Was haben Sie denn vor, Echri« fragte Cyra und reichte dem Alten ihre Hand. Nachdem der Inder auf den Beinen stand, antwortete er: »Natürlich die toten Cyborgs untersuchen!«
* * *
Innerhalb kürzester Zeit hatten Cyra Simmons und Echri Ezbal das Labor erreicht. Beide begannen sofort mit Aufräumungsarbeiten. Einer der Infizierten mußte wohl das Labor während der Abstoßphase aufgesucht haben, denn einige der Einrichtungsgegenstände lagen zerstört am Boden. Nachdem sie einigermaßen aufgeräumt hatten, schlüpften Cyra und der Inder in Mysterious-Anzüge und holten eine der Cyborgleichen aus den Kühlkammern der Station. Hierhin hatten Cyras Helfer alle Toten gebracht. Schweigend begannen sie mit der Untersuchung der Leiche. Als Ezbal und Cyra mit der Autopsie des Cyborgs fertig waren, holten sie noch einen toten Stationsangehörigen aus der Kühlkammer, und unterzogen ihn ebenfalls einer Autopsie. Schnell wurde klar, daß der Hauptunterschied zwischen den infizierten Stationsangehörigen und den Cyborgs in der Hirnstruktur lag. Während das Gehirn des untersuchten Cyborgs starke Deformationen aufwies, war das Hirn des zweiten Untersuchten nahezu in seiner Normalgröße geblieben. Ezbal konnte zwar noch keine genaue Analyseergebnisse ausweisen, aber er war sich sicher, auf der richtigen Spur zu sein. Während die beiden Wissenschaftler die Untersuchungen an beiden Körpern durchführten, erhielten sie die Nachricht, einer der Nochinfizierten sei ohne ersichtlichen Grund gestorben. »Was halten Sie davon, Cyra? Normalerweise tötet der Mentalparasit seinen Wirt nicht.« »Echri, ich habe keine Ahnung. Wir sollten uns den Toten auf jeden Fall sofort ansehen!« erwiderte Cyra. Ezbal war damit einverstanden, und gemeinsam schafften sie den Toten ins Labor. Nach der ersten, oberflächlichen Untersuchung war den beiden nicht klar, woran der Mann
gestorben war. Cyra begann die Schädeldecke des Toten zu öffnen, und als das Hirn freilag, stieß sie einen kleinen Schrei der Überraschung aus. Echri sprang sofort zu der Frau und fragte besorgt: »Was ist mit Ihnen, Cyra?« Statt eine Antwort zu geben, deutete Cyra auf die offene Schädeldecke. Interessiert beugte sich Ezbal zu dem Hirn des Toten hinunter. Je länger er es betrachtete, um so aufgeregter wurde der Inder. Immer wieder murmelte er vor sich hin: »Das kann nicht sein. So etwas darf es gar nicht geben.« Er entfernte einen großen Teil der Hirnmasse aus dem Kopf des Toten und begab sich zu den Mikroskopen auf die andere Seite des Labors. Zu Cyra gewandt sagte er: »Cyra, stellen Sie bitte die genaue Todesursache dieses Mannes fest!« »Was meinen Sie, Echri? Wir kennen die Ursache doch!« »Cyra, bitte tun Sie das, was ich Ihnen aufgetragen habe! Dieser Mann ist auf gar keinen Fall an dem Mensiten gestorben! Was auch immer ihn getötet hat, es hat mit dem Mentalparasiten nicht das Geringste zu tun! Schauen Sie sich sein Gehirn an! Es weicht sowohl von dem des Cyborgs als auch von dem des anderen Infizierten extrem ab.« *** Manu Tschobe schaute verwundert auf die Männer in den Schutzanzügen. Immer mehr hatten sich in der Zwischenzeit auf der anderen Seite des Schirms versammelt. Einer, scheinbar derjenige, der die drei als erster entdeckt hatte, trat ganz dicht an den Schirm heran und hielt eine beschriebene Folie hoch. Wer seid ihr? stand dort zu lesen. Pal Hertog nickte dem Mann heftig zu, zum Zeichen, daß die Botschaft von ihnen verstanden worden war, dann deutete er ihm an zu warten. Er rannte so schnell er konnte zu ihrem
Lagerplatz zurück und suchte in dem zurückgelassenen Gepäck nach Schreibutensilien. Es dauerte einige Zeit, bis er wieder bei seinen Freunden angekommen war. Stolz hielt er einige unbeschriebene Folien und einen Folienschreibstift hoch. Er hatte ihn in Tschobes Tasche gefunden. Der Afrikaner hatte sie wohl für eventuelle Patienten nutzen wollen. Schnell schrieb er ihre Namen auf die Folie, und hielt sie den Männern hin. Auf der anderen Seite des Schirms entstand etwas Unruhe, als sie den Namen Tschobes lasen. Danach trat ein reger Kommunikationsaustausch ein und die drei Freunde erfuhren so nach und nach von den Ereignissen in und um die Cyborgstation. Immer wieder löschten sie die Schrift auf der Folie um neue Botschaften an die Männer hinter dem Schirm zu übermitteln. Das System funktionierte zwar langsam, aber es funktionierte! Im Verlaufe der nächsten Stunden tauchten dann auch Cyra Simmons und Echri Ezbal am Schirm auf. Sofort begannen die beiden Wissenschaftler mit der Übermittlung ihrer Daten und Erkenntnisse. Besonders aufschlußreich waren für Manu Tschobe die Autopsien der Gehirne. Mehrfach fragte er nach, ob Ezbal oder Simmons ihm nicht genauere Aufzeichnungen zur Verfügung stellen konnten. Aber Ezbal verneinte. Es sei noch zu früh, um endgültige Schlüsse zu ziehen. Erst die einsetzende Dämmerung beendete den Dialog des Arztes mit Ezbal. Kurz bevor es ganz dunkel war, hatten Cyra Simmons und Tschobe verabredet, daß sie gleich beim ersten Tageslicht wieder zusammentreffen wollten, um weiterführende Maßnahmen zu besprechen. Der Afrikaner wartete, bis Ezbal und Simmons in der Cyborgstation verschwunden waren, bevor auch sie sich in ihren Unterschlupf zur Nachtruhe zurückzogen. Zum erstenmal seit dem Beginn ihrer Reise ins Brana-Tal verzichtete die Gruppe auf eine Wache. Die drei Männer besprachen noch einmal ausführlich die Ereignisse des Tages,
und Pal Hertog übertrug alle Daten in einen handelsüblichen Speicherkristall. Die letzte Handlung von Hertog an diesem Abend war das Löschen der Folien. Blank und bereit, mit neuen Daten beschrieben zu werden, lagen sie vor Hertog. Er nickte zufrieden und sah zu seinen schon schlafenden Freunden. Er knipste die starke Stablampe aus und kroch in seinen Schlafsack. Auf dem Rücken liegend starrte er auf die dunkle Decke des Zeltes und machte sich darüber Gedanken, wie es weitergehen sollte. Bald darauf schlief auch er ein. *** Der kommende Morgen brach an, und das Brana-Tal wurde mit warmen Sonnenstrahlen durchflutet. »He, du Langschläfer! Komm hoch, Pal, sonst verpaßt du alles. Tschobe ist schon wieder zum Schutzschirm gegangen!« begrüßte Bud seinen Freund. Lachend schob er ihm einen vollen Becher mit dampfenden Kaffee hin. Hertog schälte sich aus dem Schlafsack und brummte: »Immer langsam, ein alter Mann ist doch kein R-Raumer!« Genüßlich schlürfte er das heiße Getränk. Nach einem herzhaften Gähnen stellte er den Becher zurück zur Feuerstelle und folgte dem Dicken zum Schirm. Dort angekommen, stellten die beiden fest, daß Manu sich mit Cyra Simmons über die Folien unterhielt. Echri Ezbal schien diesmal nicht mitgekommen zu sein. Jedenfalls konnten die Freunde ihn nirgends entdecken. Hertog schaute dem Afrikaner über die Schulter. Auf der Folie stand eine lange Liste mit Namen, der Manu immer noch weitere hinzufügte. Nach fast zwei Stunden, in denen Clifton und Hertog zur Untätigkeit verdammt waren, verschwand Cyra Simmons wieder in der Station. Auch Manu Tschobe erhob sich und
sagte: »Auf geht’s, Freunde, Cyra hat uns alles Notwendige mitgeteilt. Es wird Zeit, daß wir handeln.« Als sie ihren Rastplatz erreicht hatten fragte Bud Clifton neugierig: »Darf man erfahren, was genau wir wissen?« »Man darf, Bud, man darf! Also, Cyra hat mir die Namen sämtlicher noch frei herumlaufender Mensitenträger übermittelt! Mit dieser Liste werden wir so schnell wie es geht bei Bernd Eylers vorstellig. Er und die GSO sind im Moment die einzigen, die es schaffen können, alle Infizierten unschädlich zu machen.« »Du meinst abknallen?« fragte Pal besorgt, dem die Vorstellung nicht gefiel, auf die Befallenen zu schießen. »Nein, natürlich nicht!« antwortete ein gut gelaunter Manu Tschobe. »Wenn ich Cyra richtig verstanden habe, dann wird der Mensit von den meisten Befallenen früher oder später wieder abgestoßen, und nur eine kleine Minderheit behält ihn bei sich! Wenn wir es schaffen, Eylers diese Liste zu überbringen, dann kann er gegensteuern und verhindern, daß sich der Mentalparasit weiter verbreitet.« Pal Hertog kratzte sich den Kopf. »Manu, so ganz verstehe ich es nicht. Eylers’ Leute werden doch bei dem Versuch der Infizierten habhaft zu werden auch mit dem Mensiten verseucht, oder etwa nicht?« »Ja und nein, diesen Teil verstehe ich auch nicht so richtig. Aber Cyra hat mir versichert, daß der Mensit nur in der Abstoßphase in der Lage ist, sich ein neues Opfer zu suchen. Darum ist es ja auch so wichtig, alle Infizierten so schnell wie irgend möglich in Sicherheitsgewahrsam zu nehmen. Nur so ist eine Ausbreitung zu verhindern. Außerdem sind die Leute in der Cyborgstation nicht in der Lage, den Schutzschirm zu deaktivieren. Das ist nur von einer anderen Station aus möglich. So, genug Erklärungen. Wir brechen sofort auf und suchen Eylers.«
Auch wenn Bud Clifton und Pal Hertog den Ausführungen des Arztes nicht ganz folgen konnten, begannen sie unverzüglich ihr Lager abzubauen. Knapp eine Stunde später waren die drei Männer auf dem Rückweg nach Alamo Gordo. Diesmal jedoch ersparten sie sich den Umweg durch das Gebirge, sondern marschierten mit hohem Tempo auf der normalen Straße aus dem Tal hinaus. Stunde um Stunde verging, längst war der Marsch zur Routine geworden. Endlich tauchten dann die ersten Umrisse des Regionalraumhafens Larnugarn vor den Wanderern auf. Der Anblick der Gebäude beschleunigte ihre Schritte nochmals. Als sie sich in die bequemen Sessel der Wartehalle fallen ließen, sagte Bud Clifton noch schnaufend: »Wenn wir schon keinen Begrüßungsschluck nehmen konnten, dann ist jetzt etwas Hochprozentiges fällig!« Er kramte eine Weile in seinem Gepäck und zauberte dann eine bauchige Flasche daraus hervor. In Windeseile war der Schraubverschluß verschwunden und Bud hatte einen tiefen Schluck genommen. In der Zwischenzeit hatte sich Manu Tschobe an den Abfertigungsschalter begeben und ihren Rückflug gebucht. Als er zu den beiden Männern in die Halle zurückkam, wurde ihm die nur noch halbvolle Flasche hingehalten. »Prost, Manu!« sagte Hertog. Dann begann das Warten. Volle zwei Stunden vergingen, bevor der Zubringergleiter auf dem Raumfeld landete. Die drei Männer schulterten ihre Gepäckstücke und bewegten sich über das Vorfeld des kleinen Raumhafens zu dem wartenden Gleiter. Wenig später waren sie im Inneren des Gefährts verschwunden. Lautlos, wie der Gleiter gekommen war, stieg er in den Abendhimmel auf und verschwand kurz darauf in den Wolken. Zurück in der kleinen Wartehalle des Regionalraumhafens blieb eine bauchige, braune Flasche, die nun allerdings leer war.
* * *
Der einsame Mann hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Dumpf vor sich hinbrütend saß er auf dem Felsen. Weit vor sich erstreckte sich eine Ebene aus kniehohem Gras. Jetzt, im Spätsommer des Jahres 2061, begann das saftige Grün langsam zu verblassen. Erste Stellen von verwelktem Gras bildeten sich. Ganz am Ende der Ebene, das wußte der Mann, befand sich der Ort, von dem er angenommen hatte, er sei das Ziel seiner Suche. Holger Alsop, der Cyborg, der seine Fähigkeiten verloren hatte, kniff die Augen zusammen, und schaute in die Ferne. Dort, wo die ersten Ausläufer der Station T-VII lagen, hatte es ihn hingetrieben. In den letzten Tagen hatte er sich an einige Einzelheiten erinnern können. Zu dem Namen Cyra Simmons hatte er einen Bezug herstellen können. Ihm war klar geworden, daß die Stellvertreterin Ezbals massive Eingriffe in sein Planhirn vorgenommen hatte. Warum oder zu welchem Zwecke war dem Cyborg nicht klargeworden. In seinen Träumen, die ihn in jeder Nacht seit der Manipulation quälten, sah er sich selbst in der Station T-VII. Dort führte er die Anweisungen von Cyra Simmons aus. Aber er konnte sich nicht daran erinnern, welche Anweisungen die Wissenschaftlerin ihm gegeben hatte. Teile seines Hirns, zu dem auch der Erinnerungssektor gehörte, waren blockiert worden. Dabei drängten die Erinnerungen mit Macht an die Oberfläche, fügten dem Cyborg Schmerzen zu. Er wollte sich erinnern! Seit Stunden schon saß Alsop auf dem Stein und grübelte. Er war am Ende seiner Weisheit. Nachdem er die Station zum erstenmal erblickt hatte, hatten sich auch seine Kopfschmerzen verstärkt. Er war bis zu dem niedrigen Energieschirm vorgedrungen und hatte begonnen, das dahinter liegende
Gelände zu beobachten. Gebracht hatte es ihm nichts. Er hätte auch in die Station eindringen können, da es keine großartigen Sicherheitssysteme gab, die ihn davon abhalten hätten können, und der niedrige Schutzschirm wirklich keine Hürde darstellte. Seine einzige Funktion bestand darin, wilde Tiere von der Station fern zu halten. Aber Holger hatte den Gedanken verworfen. Er sah keinen Sinn darin. Zwar war der Zutritt Unbefugten nicht gestattet, aber Alsop war sicher, wenn er zum Tor gewandert wäre, hätten die Wachen ihn ohne Schwierigkeiten passieren lassen. Warum sollten sie ihn auch aufhalten wollen? Holger Alsop war sich keiner Schuld bewußt, warum er nicht in die Station gehen sollte. Irgend etwas hielt ihn aber davon ab. So saß er weiter untätig auf dem Felsen und wartete. Rang mit der Entscheidung was er tun könnte, um den Block, der Teile seines Gehirns versiegelt hatte, zu lösen. *** Alamo Gordo zu erreichen, stellte für Manu Tschobe und seine beiden Gefährten keine größeren Schwierigkeiten dar. Der Gleiter landete planmäßig auf einem der kleineren Landefelder des Raumflughafens Cent Field. Bei ihrem Verlassen des Gleiters bemerkten die drei, daß einige Teile des Raumhafens zerstört waren. Dort, wo noch vor einigen Tagen ein großer Frachthangar gestanden hatte, gähnte ein metertiefer Krater. Die Bögen der Transmitterstation ragten zerschossen und nackt in den Himmel. Das Gitternetz zwischen ihnen war verbrannt. Ohne ein Wort zu sagen gingen die Männer an der Ruine eines Abfertigungsgebäudes vorbei. Ihnen war klar geworden, daß es auch in Alamo Gordo begonnen hatte. Die Abstoßphase des Mensiten war für diese sinnlose Zerstörung verantwortlich. Pal
Hertog besorgte sich an einem provisorisch errichtetem Verkaufsstand eine der wenigen angebotenen Tageszeitungen. Aus ihr erfuhren die Männer, daß es in der Stadt zu schweren Auseinandersetzungen gekommen war. Ohne näher auf die Umstände des Dramas einzugehen, oder nach Hintergründen zu suchen, listete das Blatt nur die Schäden und Gewalttätigkeiten auf. »Reiner Sensationsjornalismus!« kommentierte Bud Clifton kopfschüttelnd die gerade gelesene Zeitung und gab sie an Tschobe weiter. »Stimmt«, nickte der Afrikaner zustimmend. »Leider bringt uns das Eylers keinen Schritt näher. Wie findet man jemanden, der sich nicht finden lassen will?« »Indem man sich hinsetzt, und sich nach einem guten Essen Gedanken darüber macht!« Clifton deutete auf das hell leuchtende Reklameschild des Raumhafenkasinos. In seinen warmen Farbtönen lud es die Besucher ein, in seinem Inneren einige Stunden zu verweilen. »Du denkst wohl auch nur noch ans Essen, Dicker!« sagte Pal lachend. »Fällt dir vielleicht was besseres ein? Dann nur zu!« Die Stimme Cliftons klang leicht beleidigt, aber Pal kannte den Mann besser. Bud Clifton machte sich schon lange nichts mehr daraus, wegen seiner Figur und der Vorliebe für gutes Essen und Trinken gehänselt zu werden. »Vielleicht hat Bud recht? Bei einem guten Essen sind schon manche noch besseren Ideen geboren worden!« mischte sich nun Manu Tschobe ein. »Also laßt uns essen gehen!« »Und falls uns nichts einfällt, haben wir wenigstens einen gut gefüllten Magen, und das kann auf gar keinen Fall schädlich sein!« schickte Bud seinen Kommentar hinterher. Er folgte den beiden Freunden in das Kasino. Schon bei ihrem Eintreten bemerkten sie, daß auch hier der Mob gewütet
hatte. An einigen Wänden waren Brandspuren zu bemerken, und die Tür zu den hinteren Teilen des Restaurants fehlte gänzlich. Seltsamerweise waren sie zu dieser Stunde die einzigen Gäste, und so konnten sie sich ihren Sitzplatz frei wählen. Sie suchten sich einen Tisch in der Nähe der ViphoZellen. Kaum hatten die Männer sich niedergelassen, erschien auch schon eine hübsch zurechtgemachte Bedienung. »Hallo, guten Tag meine Herren. Was darf es denn sein?« begrüßte sie die Ankömmlinge. »Drei große Bier und die Speisekarte, danach sehen wir dann weiter!« Pal begann mit der Bedienung zu flirten. Als sie sich anschickte, die bestellten Sachen zu holen, sagte Tschobe zu Hertog: »Sehr gut, Pal! Ich werde mal ein bißchen rumtelefonieren! Sieh du zu, daß du aus der Bedienung etwas Nützliches herausbringst.« Tschobe verschwand in einer der Vipho-Zellen, war aber kurz darauf wieder draußen. Mit einer Kopfbewegung deutete er an, daß die Zelle kaputt sei. Schließlich fand er doch eine funktionsfähige Zelle, denn die beiden Wartenden sahen ihn nicht wieder auftauchen. Pal schaute dem hüftschwingenden Gang der Bedienung zu, und ließ die rothaarige Frau spüren, daß ihm das Gesehene gefiel. Nachdem sie die Biere mit einem bezaubernden Lächeln abgestellt hatte, fragte Pal Hertog: »Nicht viel los hier? Ist heute ein besonderer Tag?« »Sie müssen aber von weither kommen, wenn Sie nicht wissen was hier in Alamo Gordo los war!« »In der Tat, meine Schöne!« säuselte Pal und legte sein Sonntagslächeln auf. »Wir waren zu einem zweiwöchigem Angelausflug in der Amazonasgegend. Dort gibt es nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten sich über die Tagesereignisse zu informieren, und wenn man nur seine Ruhe haben will, dann nutzt man die wenigen Informationsquellen auch nicht.«
Die Rothaarige schenkte Pal einen verständnisvollen Blick. »Tja, wenn das so ist, dann können Sie ja gar nicht wissen, was hier in den letzten Tagen los war.« Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, setzte sich die Bedienung neben Hertog, und schenkte ihm neben einem Lächeln auch noch die Gelegenheit, ihre langen, wohlgeformten Beine zu betrachten. *** Einen Blick ganz anderer Art tat Cyra Simmons. Seit Stunden schon ging sie zusammen mit Ezbal die verschiedenen Gewebeproben der von ihnen untersuchten Toten durch. Cyra hatte sich zum wiederholten Male die zuletzt gezogene Probe durch das Elektronen-Mikroskop angeschaut. Sie wies ganz erhebliche Unterschiede zu den Proben des toten Cyborgs und des anderen Befallenen auf. »Cyra, wir sind uns darüber einig, daß die veränderte Gehirnstruktur der Cyborgs für deren Amoklauf und schließlich auch deren Tod verantwortlich ist. Das ist auch nur zu erklärlich, denn die Schädigung des Gewebes durch den Mensiten, kann niemand überleben. Aber bei den beiden Normalterranern ist es nicht nachzuvollziehen! Es liegen zwar geringfügige Deformationen vor, aber daran hätten sie nicht sterben können!« Cyra unterbrach ihre Tätigkeit. Sie schob Ezbal die Folien mit den Ergebnissen ihrer Untersuchung hin. Echri überflog sie kurz, und legte sie beiseite. »Auch nichts gravierend Neues.« »Doch, Echri, schauen Sie sich die Folien mit der roten Markierung nochmals genauer an!« Cyras Stimme verriet einen Anflug von Erregung. »Ich habe bei dem zuletzt Untersuchten eine komplette Autopsie durchgeführt! Er ist nicht an dem Mensiten gestorben!« »Was? Cyra, wissen Sie genau was Sie sagen?« Das Gesicht
des Inders war eine Spur weißer geworden. »Echri, mir ist genau bewußt was ich sage! Der Mann, bei dem ich eine genaue Autopsie vorgenommen habe, ist an einem ganz normalen Herzinfarkt gestorben! Es ist möglich, daß die Belastung durch den Mensiten den Infarkt beschleunigt hat, aber ursächlich verantwortlich ist der Mensit nicht!« »Alles umsonst, Cyra! Wir können unsere Erkenntnisse auf den Müll werfen und ganz von vorne beginnen. Wenn der Mann wirklich an einem Infarkt gestorben ist. dann bedeutet es, nicht jeder Mensch stößt den Mensiten automatisch ab! Weiterhin, können wir nicht mehr davon ausgehen, daß es die menschliche Gehirnstruktur allein ist, die ein Festsetzen des Parasiten auf Dauer verhindert, und was das bedeutet wissen Sie genauso gut wie ich!« *** Nach nicht ganz zwanzig Minuten war Manu Tschobe fertig. Er ging zurück an den Tisch und trank einen großen Schluck des Bieres. »Engelchen, würdest du uns bitte das Essen bringen«, säuselte Pal Hertog der Bedienung zu, als er den Blick des Arztes sah. Die Frau tat, wie ihr geheißen, und sobald sie verschwunden war begann Tschobe: »Ich habe mit mehreren Leuten gesprochen, die wissen könnten, wo sich Eylers aufhält. Genaues habe ich aber nicht erfahren! Niemand will etwas wissen. Nur einer war dabei, der sich nach unserem Aufenthaltsort erkundigt hat, und in Kürze zurückrufen will. Und hier? Habt ihr was raus bekommen?« »Du hast was?« fragte Clifton entsetzt. »Wenn das ein Infizierter war, Tschobe, dann gute Nacht!« »Tja, Bud, so ist es nun mal, wer nichts wagt, der kann auch nichts gewinnen!« Noch bevor die drei weiterreden konnten, wurde ihr Essen
aufgetragen. Pal schenkte der Rothaarigen noch einen schmachtenden Blick, und machte sich dann über Speis und Trank her. Für die nächsten zwanzig Minuten konnte man nur die Eßgeräusche der Männer hören. Die Bedienung hatte sich zurückgezogen und blätterte gelangweilt in einem Hochglanzmagazin. Erst als alle Teller leer und abgeräumt waren, und die Tassen mit dampfendem Kaffee vor den dreien standen, begann Pal von seinem Gespräch mit der Frau zu berichten. »Viel ist es nicht, die Qualitäten der Dame scheinen auf anderen Gebieten zu liegen, aber immerhin wußte sie, daß es in der ganzen Gegend um den Raumhafen zu schweren Auseinandersetzungen gekommen ist. Die Verwüstungen stammen hauptsächlich von Bürgern, die mit Raumschiffen fliehen wollten. Seit zwei Tagen ist aber Ruhe eingekehrt. Sie sagt, es gäbe mittlerweile so etwas wie eine Bürgerwehr, die in regelmäßigen Abständen den Raumhafen und die Umgebung kontrollierten. Es scheint größere Gruppen von Plünderern zu geben, aber das werden nur kriminelle Subjekte sein. Vom Mentalparasiten hat sie keine Ahnung gehabt. Es sieht so aus als hätte die Verbreitung noch nicht begonnen.« In diesem Augenblick betrat ein kleiner, untersetzter Mann das Kasino und strebte dem Tisch neben Tschobe und seinen Gefährten zu. Nachdem die Bedienung ihm eine Tasse Kaffe gebracht hatte, und wieder in ihrem Magazin blätterte, sprach der Fremde sie leise an. »Sind Sie der Mann, mit dem ich eben gesprochen habe?« Verdutzt schaute Tschobe den Mann an. »Und was, wenn dem so wäre?« »Dann, Manu Tschobe...«, ließ der Fremde verlauten und schob dem Arzt ein Foto zu, das ihn selbst zeigte, »haben wir einen gemeinsamen Bekannten, der liebend gern ein wenig mit Ihnen plaudern möchte!«
* * *
Sekretärin zu sein, war für Eleni Sachs schon immer ein Traum gewesen. Der hübschen schwarzhaarigen Neufundländerin sah man ihre 43 Jahre nicht an. Als sie ihren Arbeitsplatz, das Vorzimmer von Henner Trawisheim betrat, erschrak sie. Ihr stets gut aufgeräumter Schreibtisch glich einem Schlachtfeld. Herumliegende Stifte, zerrissene Berichte und verschüttete Flüssigkeit, die sie als Blumenwasser identifizierte, waren über die Metallplatte verteilt. Noch bevor sich Eleni von ihrem Schrecken erholt hatte, hörte sie das Stöhnen aus dem Zimmer des Cyborgs. Sie eilte hinein. Zuerst sah die Frau überhaupt nichts, denn der gesamte Raum lag in Dunkelheit. Der automatische Druck auf das Sensorfeld der Deckenbeleuchtung brachte nicht den gewünschten Effekt. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und sie konnte sogar einige Gegenstände ausmachen. Wieder hörte sie das Stöhnen. Langsam und vorsichtig tastete sie sich durch den Raum. Als ihre ausgestreckten Hände auf Widerstand stießen, wußte Eleni, daß sie sich nur noch wenige Schritte von dem Panoramafenster entfernt befand. Trawisheim ließ die Läden zu diesem Fenster nie herunter, da er es stets genoß, die Skyline der Stadt von hier aus zu betrachten. Endlich hatte Eleni den Sensor gefunden. Langsam und lautlos hob sich der Laden und Sonnenlicht fiel in den Raum. Sofort bemerkte sie die gleiche Unordnung wie in ihrem eigenen Büro. Umgestürzte Möbel säumten das Zimmer. Dort, wo die Deckenbeleuchtung eingelassen war, gähnte ein schwarzes Loch. Splitter von zerbrochenen Gläsern lagen auf zerrissenen Folien. Vorsichtig, und stets darauf bedacht nicht in die Scherben zu treten, machte sich Eleni auf, um nach dem Stöhnen zu suchen. Es hatte sich nicht wiederholt, und die Frau bekam
eine leichte Gänsehaut. An dem langen Panoramafenster entlang, zwängte sich die Neufundländerin an der Sitzgarnitur vorbei. Nach wenigen Schritten war sie am anderen Ende des Raumes angelangt. Hier, hinter einer schmalen Holztür, befanden sich die sanitären Anlagen. Wieder überzog sie ein Gefühl des Erschauderns, als das Stöhnen erneut einsetzte. Diesmal langgezogener und gequälter als zuvor. Kein Zweifel, es kommt von hinter der Tür! Eleni Sachs gehörte nicht unbedingt zu den ängstlichen Menschentypen, aber wann immer möglich, vermied sie es, sich in Situationen zu begeben, die sie nicht überblicken konnte. Für einen Moment lang überlegte sie, ob sie eine der Wachen des Gebäudes rufen sollte, aber dann siegte ihre Neugierde doch. Mit einem entschlossenen Ruck riß sie die kleine Schiebetür zur Seite. Auf dem Boden des kleinen Bades erkannte sie sofort ihren Chef. Henner Trawisheim lag in einer gekrümmten Haltung am Boden, so als habe er große Schmerzen. Als Eleni näher herantrat und sich zu dem Cyborg hinunterbeugte, öffnete er den Mund. Ein Mark und Bein erschütternder Schrei entfuhr seiner Kehle und die Sekretärin des Cyborgs starrte in ein Paar blutunterlaufener Augen, aus denen der Wahnsinn sprach. *** »Herzlich willkommen in meiner bescheidenen Unterkunft!« Der GSO-Chef Bernd Eylers schloß Manu Tschobe freundschaftlich in die Arme. »Ich habe nicht geglaubt, Sie so bald wiederzusehen. Wie ist es Ihnen ergangen?« Der Beauftragte Eylers’ hatte die drei Männer auf ihren eigenen Wunsch hin zuerst ein wenig in der Stadt herumgefahren, um ihnen die entstandenen Schäden zu zeigen, bevor er sie in die Fabrik brachte. Manu Tschobe, der den
Mann mit der Armprothese schon seit den Tagen auf Hope kannte, kam gleich zur Sache. Er erzählte ihre ganze Geschichte mit knappen Worten und gegen Ende seines Berichtes übergab er Eylers die angefertigten Namenslisten. »Vielen Dank für diese hochinteressanten Informationen. Endlich sehen wir ein wenig klarer. Sie müssen wissen. Tschobe, in den letzten Stunden und Tagen ist es ruhig um unseren verehrten Henner Trawisheim geworden! Anfangs, da hat er versucht, uns an allen Aktivitäten zu hindern. Zeitweise mußten meine Leute einen regelrechten Krieg gegen die Truppen des Cyborgs führen. Aber nun, nichts mehr! Wir beherrschen Alamo Gordo nahezu komplett, darum war es uns auch möglich, sofort Hilfsmaßnahmen einzuleiten, und das Chaos im Stadtgebiet in Grenzen zu halten. Das Regierungsgebäude und einige angrenzende Straßenzüge stellen augenblicklich das letzte Bollwerk des Cyborgs dar. Dort hat er auch seine Soldaten konzentriert!« »Ich verstehe. Sie wollen eine weitere offene Auseinandersetzung verhindern,« antwortete Tschobe. »Ja, in der Tat. Es ist genug Blut geflossen! Als erstes werden wir versuchen, eine bessere Verbindung mit dem Tal zu bekommen. Wir verfügen zum Glück über genügend Personal, um eine Mannschaft zur Cyborgstation zu entsenden. Wenn Ezbal etwas weiteres über den Mensiten herausfindet, dann werden wir es schnellstens erfahren.« Eylers griff zu dem Vipho, das auf seinem Arbeitstisch stand und veranlaßte sofort alles Notwendige. »So, das wäre erledigt. Es macht sich sofort ein Trupp auf den Weg ins Tal. In der Zwischenzeit überlegen wir uns mal, wie wir am besten gegen die Leute auf der Liste vorgehen.« »Wenn ich alles, was ich von Ezbal und Simmons mitgeteilt bekommen habe, richtig verstanden habe, dann besteht die Gefahr einer weiteren Infizierung nur dann, wenn der Mensit
explodiert!« sagte Manu Tschobe. »Also ist das Gefahrenmoment stark reduziert.« »Bedingt, mein Lieber. Nur bedingt, wir wissen nämlich nicht, wann es bei den Betroffenen soweit ist! Wann genau der Abstoßprozeß eingeleitet wird!« Der GSO-Chef schaute nachdenklich auf den Arzt, ohne daß er ihn wirklich sah. Seine Gedanken waren schon einen Schritt weiter. »Stellen Sie sich vor, der Mensit explodiert in einer vollbesetzten Gleiterbahn, oder in einem Einkaufszentrum. Dank Ihrer Listen sollte es uns relativ schnell gelingen, den Aufenthaltsort aller Infizierten ausfindig zu machen. Und dann, mein Lieber...«, Eylers machte eine Kunstpause, »fängt unser Wettlauf gegen die Zeit an! Wir müssen unter allen Umständen verhindern, daß sich der Mensit weiterverbreiten kann.« *** »Wir kommen nicht weiter!« hatte Echri Ezbal zu seiner Kollegin Simmons gesagt und enttäuscht das Labor verlassen. Cyra sah dem alten Mann noch eine Weile nach. Sie konnte seine Enttäuschung nachempfinden. Nach den ersten Testreihen mit dem abgestorbenen Mensitenbruchstücken glaubten sie endlich die Lösung gefunden zu haben. Die immer noch Infizierten in dem Hochsicherheitstrakt sprachen jedoch eine andere, wesentlich deutlichere Sprache. Cyra hatte eine Liste angefertigt, auf der die Daten standen, wann sich wer infiziert hatte. Immer und immer wieder sah sie sich die Daten an. Eigentlich hätten vier der Erstinfizierten schon lange den Abstoßprozeß einleiten müssen. Aber sie standen nach wie vor unter der Kontrolle des Mentalparasiten. Während einige der erst vor kurzem Infizierten schon wieder ohne den Mensiten durch die Station spazierten. Der Wissenschaftlerin war schon klar, daß jeder Befallene
individuell auf den Mensiten reagierte, und auch die zeitlichen Unterschiede in der Loslösung von dem Virus bereitete ihr kein Kopfzerbrechen, schließlich war jeder einzelne Mensch einmalig. Nachdenklich studierte sie die Personalbögen, die sie sich aus der Zentralkartei hatte kommen lassen. Vor sich sah sie die Lebensdaten einer Laborantin mit dem Namen Dawn Appelgate. An ihrer Biographie war absolut nichts ungewöhnliches. Sie hatte in etwa die gleiche Jugend und Ausbildung durchlaufen, wie ihr ebenfalls infizierter Kollege Mohl. Auch das Infektionsdatum war gleich, und doch war sie mensitenfrei, während Kirk Mohl noch immer im Sicherheitsbereich eingesperrt sein mußte. Cyra beschloß, mit der Frau zu sprechen. Schaden konnte ein Gespräch auf gar keinen Fall. Auch wenn sie sich nicht viel davon versprach, wollte Cyra doch jede, auch noch so kleine Chance nutzen. Zehn Minuten später klopfte es zaghaft an der Labortür und herein trat eine überaus hübsche Frau. Schüchtern fragte sie: »Sie wollten mit mir sprechen?« »Wenn Sie Dawn Appelgate sind, dann herein mit Ihnen« , erwiderte Cyra und musterte Dawn. Höchstens Ende zwanzig. Normaler Körperbau, keine Auffälligkeiten, schoß es durch Cyras Sinn. Dawn mußte bemerkt haben, daß die Wissenschaftlerin sie anstarrte. Errötend trat sie langsam näher. »Entschuldigen Sie, Dawn, aber ich war in Gedanken versunken. Sie sind sehr schön.« »Danke, Cyra,« stotterte sie. »Ich weiß eigentlich gar...« »Oh, Entschuldigung. Natürlich können Sie nicht wissen, warum ich mit Ihnen sprechen möchte«, erwiderte die Cyborgforscherin. »Nehmen Sie doch Platz, Dawn. Ich bin gleich soweit.« In aller Eile räumte Cyra ihre Papiere weg und widmete sich dann ihrem Gast.
»Nun, Dawn, Sie haben ja sicher mitbekommen, daß uns der Mensit noch immer Sorgen bereitet. Sie waren mit ihrem Kollegen Mohl mit bei den ersten Menschen, die dem Mensiten ausgesetzt worden sind. Während, und das ist Ihnen ja auch bekannt, alle Cyborgs dem Mensiten erlegen und gestorben sind, sind die Normalterraner in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine, zu der auch Sie gehören, hat den Mensiten abgestoßen, während eine deutlich kleinere Gruppe, und dazu gehört ihr Kollege Mohl, ihn immer noch in sich tragen. Wir wissen aber nicht warum dies so ist.« »Mohl?« fragte Dawn die Wissenschaftlerin. »Sie meinen Kirk Mohl?« »Sie kennen ihn näher? Um so besser.« Cyras Erregung war nicht zu übersehen. Die Wissenschaftlerin beglückwünschte sich im Stillen dafür, Dawn zu einem Gespräch gebeten zu haben. Alles deutete darauf hin, daß man nun zwei direkte Vergleiche anstellen konnte. »Natürlich kenne ich Kirk. Er hat früher ganz in unserer Nähe gelebt, und teilweise hatten wir in der Schule die gleichen Kurse belegt.« »Warum sagen Sie früher, Dawn?« fragte Cyra neugierig. »Nun, Kirks Eltern sind zusammen mit den Siedlern der GALAXIS nach Hope ausgewandert, während meine Familie von den Giants verschleppt wurde. Die Mohls sind, glaube ich, erst 2058 oder 2059 nach Terra zurückgekehrt.« Eifrig machte sich Cyra Notizen. Jede Kleinigkeit konnte wichtig sein. Als sie nach zwei Stunden endlich glaubte, genug Informationen von Dawn bekommen zu haben, verabschiedete sie sich von der sympathischen jungen Frau. »Dawn, ich glaube, Sie haben der Menschheit einen großen Dienst erwiesen.« Dawn Appelgate erwiderte nichts. Mit hochrotem Kopf verließ sie das Labor.
* * *
»Und ich sage es nochmals, der Mann ist eine tickende Zeitbombe und muß umgehend entschärft werden!« Xentars Stimme war klar und deutlich aus dem Stimmengewirr herauszuhören. Der kleine, mittlerweile von Zigarettenrauch verqualmte Raum beherbergte sieben Leute. Bernd Eylers hatte sofort reagiert und seine besten Agenten herzitiert. Im Moment diskutierte man leidenschaftlich über das Schicksal der Cyborgs Trawisheim und Alsop. Während man den Aufenthaltsort Henner Trawisheims genau kannte, und nur im Augenblick nicht in der Lage war, ihn unter Quarantäne zu stellen, war über Holger Alsops Verbleib nichts bekannt. Lediglich aus einer Andeutung Cyra Simmons heraus lag die Vermutung nahe, daß sich der Cyborg immer noch in der Nähe oder im Inneren der Station T-VII aufhalten konnte. Aber es waren eben nur Vermutungen. Die Meinung in dem siebenköpfigen Team war gespalten. Während die meisten der Anwesenden überzeugt davon waren, daß Alsop den Mensiten in sich trug und ein potentieller Gefahrenherd war, glaubte Manu Tschobe nicht so ganz daran. »Meine Herren!« beruhigte Eylers die aufgebrachten Männer. »Es nutzt niemanden wenn wir uns streiten. Unser Ziel ist doch klar, unabhängig davon, ob Alsop nun infiziert ist oder nicht, er muß hergeschafft werden. Erst wenn wir ihn haben, dann werden wir weiter entscheiden. Aber Alsop ist nicht unser einziger Kandidat!« Er hielt mehrere Seiten hoch, und sprach in die Runde. »Sie alle haben Kopien der Namensliste vor sich liegen. Stellen Sie ihre Teams zusammen und gehen sie dann unverzüglich an die Arbeit! Xentar, können Sie eine solche Dekontaminierungseinheit aufbauen, wie sie im Brana-Tal eingesetzt wurde, und wenn ja, wie lange dauert
es?« Einen Moment lang überlegte der Japaner, dann antwortete er: »Mit ein paar Umbauten und zusätzlichem Personal und Material stelle ich Ihnen in drei Tagen eine Anlage hin, mit der Sie notfalls die gesamte Milchstraße entseuchen können!« Lachend erwiderte Eylers: »Okay, wenigstens einer von uns hat seinen Optimismus nicht verloren. So, meine Herren, das war es für das erste. Sie alle kennen Ihre Aufgaben. Ich wünsche Ihnen allen viel Glück!« Nacheinander verließen alle den Raum. Als sich Matury Xentar anschickte zu gehen, hielt ihn der GSO-Chef zurück. »Schließen Sie bitte die Tür, Xentar.« Als der Japaner der Bitte nachgekommen war, fragte ihn Eylers leise: »Ist unser Gast schon angekommen?« »Tja, ich will es mal so sagen...«, begann Matury. »Ich habe ihn informiert, aber er ist der Meinung, Sie würden verstehen, daß er es vorzieht, Sie nicht hier aufzusuchen.« »Was soll das, will er den Preis in die Höhe treiben?« Eylers schien ärgerlich zu werden. »Glaube ich nicht. Er läßt Ihnen mitteilen, wenn Sie ihn engagieren wollen, dann wüßten Sie schon, wo er zu finden sei. Bis drei Uhr wird er dort auf Sie warten, danach allerdings wäre dann nichts mehr mit dem Geschäft.« »Danke, Xentar! Und bitte zu den anderen kein Wort!« »Natürlich,« versicherte Matury Xentar. »Brauchen Sie mich noch?« »Nein, danke! Sie können gehen.« Bernd Eylers lehnte sich in seinem Sessel zurück und überlegte. Im Gegensatz zu den anderen Männern traute er keinem Cyborg mehr über den Weg, ob nun mit oder ohne Parasit. Er hatte Matury Xentar vor ihrer Besprechung den Auftrag erteilt, einen alten Bekannten ausfindig zu machen und ihn herzubitten. Dem GSO-Chef schwebte eine Lösung des Cyborgproblems vor, die endgültig
war. Entschlossen, seinen Plan durchzufuhren, verließ er die Elektronikfabrik. Xentar würde schon eine Ausrede für seine Abwesenheit einfallen. *** »Echri, das müssen sie sich ansehen!« Cyra Simmons stürmte ohne anzuklopfen in die Unterkunft des Brahmanen. Seit ihrem Gespräch mit Dawn hatte sie sich die Datenblätter aller Infizierten der Station angesehen und zusätzliche Untersuchungen durchgeführt. Sie war sich sicher. Nun brannte der Wunsch in ihr, es mit dem Inder zu diskutierten, um zu sehen ob sie richtig lag. »Cyra, was gibt es denn so wichtiges?« Ezbal erhob sich von der einfachen Holzliege und schaute die Frau fragend an. »Ich glaube, ich habe die Lösung gefunden! Ich glaube, wir können den Mensiten töten!« Ezbal war nun vollkommen wach. Er stand auf und ging auf Cyra zu. »Wie, Sie haben die Lösung gefunden?« »Sehen Sie, Echri, den Tod der Cyborgs konnten wir klären, und es erschien uns logisch. Bei den normalen Terranern aber gab es keine Erklärung. Richtig?« »Ja, aber...« Noch bevor Ezbal weiterreden konnte, fuhr Cyra Simmons fort. »Ich habe ein wenig Grundlagenforschung betrieben, und dann war es weibliche Intuition oder ganz einfach Glück. Also, Echri, wie wir bei den Untersuchungen festgestellt haben, ernährt sich der Mentalparasit von den elektrischen Feldern im Gehirn, so daß seine Nahrungsquelle eigentlich erst bei dem natürlichen Tod eines Infizierten versiegen würde. Nun, wie wir wissen, ist das nicht der Fall. Der Mensit wird bei den meisten Infizierten abgestoßen. Ich habe mir alle Personalakten der Stationsangehörigen angeschaut und mit einer der Betroffenen lange gesprochen.«
»Und? Das gleiche haben wir zusammen doch auch schon einige Male gemacht, ohne etwas zu finden.« Ezbal glaubte plötzlich nicht mehr daran, daß seine Stellvertreterin neue Erkenntnisse gewonnen hatte. »Natürlich, wir hatten die Lösung schon die ganze Zeit vor uns liegen. Aber keiner von uns hat sich die Mühe gemacht, in die richtige Ecke zu schauen!« Cyras Stimme überschlug sich fast. »Wir haben die ganze Zeit nach Gemeinsamkeiten geforscht, anstatt nach den Unterschieden zu suchen. Alle, und zwar ausnahmslos alle Erstinfizierten, die den Mensiten noch in sich tragen, stammen von Hope, und sind erst in den letzten fünf, sechs Jahren nach Terra übersiedelt. Hier, schauen Sie es sich an!« Die Wissenschaftlerin schob ihm die Mappe mit den Personaldaten zu. Der Inder las nun die ihm gereichte Mappe mit aller Sorgfalt. Nach einer guten halben Stunde blickte er Cyra an. »Herzlichen Glückwunsch, Cyra! Sie haben recht! Alle Nochinfizierten kommen von Hope. Und nun passen auch die Cyborgs ins Bild!« »Wie meinen Sie das?« fragte Cyra erstaunt. »Über die Cyborgs waren wir uns doch einig!« »Waren, das ist genau die richtige Wortwahl, Cyra.« Der Brahmane strahlte über das ganze Gesicht. »Wir sind von vollkommen falschen Voraussetzungen ausgegangen. Wir glaubten, der Mensit hätte die Hirne der Cyborgs so deformiert, aber das war absolut falsch! Der Mensit ernährt sich von den elektrischen Feldern, insoweit ist alles klar. Nur, was passiert, wenn er keine Felder mehr erreichen kann, wenn die Nahrungsquelle abgeschnitten wird?« Für einen Augenblick war Cyra sprachlos. »Sie meinen...« »Ja, Cyra, die von mir geänderte Gehirnstruktur bei den Cyborgs versetzte den Mensiten in die Lage, sich eine Zeitlang zu ernähren, und als er bemerkte, daß seine Nahrungsquelle zu
versiegen drohte, verschaffte er sich gewaltsam Zugang zu neuen Feldern!« »Daher also die Deformierung der Hirne!« bestätigte Cyra. »Ja, und bei den Normalterranern ist es ähnlich! Auch hier wurden dem Mensiten die Nahrungsgründe abgeschnitten. Aber anders als bei den Cyborgs konnte der Mensit sich keinen gewaltsamen Zugang zu neuen Feldern verschaffen, da ein normaler Mensch nicht über eine geänderte Struktur der Hirnrinde verfügt! Der Mentalparasit ist bei den meisten Menschen sprichwörtlich verhungert!« »Bleiben aber noch die Leute von Hope. Was ist mit ihnen? Wenn alles so ist, dann müßten sie den Mensiten doch abstoßen!« Cyra konnte Ezbals Ausführungen zwar folgen, aber er schien zu einer Schlußfolgerung gekommen zu sein, auf die sie nicht kam. »Sie hatten vollkommen recht, Cyra! Die Lösung lag wirklich die ganze Zeit vor uns! Jeder Rückkehrer von Hope, genau so wie jeder, der nach dem 12. Juni 2052 geboren wurde, ist nie mit dem Commutator bestrahlt worden, Cyra! Die Bestrahlung durch den Gehirn-Commutator ist dafür verantwortlich, daß die meisten Menschen den Mensiten nach zwei bis drei Wochen abstoßen!« *** Laut krachend gab die in nur einer Angel hängende Holztür nach und fiel polternd in den Innenraum. Staub wirbelte auf und nahm Bernd Eylers die Sicht. Der starke Lichtstrahl seiner Stablampe vermochte es nicht, die Staubwolke zu durchdringen. Eylers hustete unterdrückt auf. Nach wenigen Minuten legten sich die Staubpartikel und verbesserten die Sichtverhältnisse des GSO-Mannes. Er horchte in die Dunkelheit, aber kein Laut drang an seine Ohren. Eylers betrat
vorsichtig das Abbruchhaus und rief laut in die undurchdringliche Schwärze: »Austin, kommen Sie heraus, die Zeit drängt!« Er ließ die Lampe durch den Raum wandern. Eylers stand in dem langen Flur des Hauses. Der Lichtschein seiner Lampe erfaßte meterhohen Abraum am Ende des Ganges. Warum Austin ausgerechnet diesen Treffpunkt gewählt hatte, wollte ihm nicht ganz einleuchten. Zwar war dem GSO-Mann bekannt, daß Greg Austin den größten Teil seiner Jugend in dieser Gegend verbracht hatte, aber was fand der Mann nur an diesem Haus. Er selbst hatte den Mann nur einmal getroffen, und das auch noch unter nicht gerade günstigen Bedingungen. Eylers hatte damals gegen eine Waffenschieberbande ermittelt, und als seine GSO-Leute den Unterschlupf der Bande stürmten, gerieten sie in einen Hinterhalt. Es galt als sicher, daß seine Männer aufgerieben worden wären, hätte nicht Greg Austin plötzlich die Seiten gewechselt. Sein überraschendes Eingreifen hatte die Waagschale auf die GSO-Seite gesenkt. Bernd Eylers hatte dem Mann für sein Eingreifen danken wollen, aber Austin war verschwunden. Später war er ihm nochmals begegnet, allerdings nicht persönlich. Aus einem gefundenen Dokument ging hervor, daß Austin so eine Art Söldner geworden war. Bereit, gegen Geld jeden Auftrag zu erledigen. Nun, Eylers gedachte seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Er ging tiefer in den Gang hinein. Immer noch war nichts von Greg Austin zu sehen oder zu hören. Bernd Eylers leuchtete mit der Lampe auf seinen Arm. Deutlich konnte er die Zeiger seiner Uhr erkennen. Zwei Minuten vor drei Uhr. »Hallo, Eylers,« klang es plötzlich hinter ihm. Er fuhr erschrocken herum und der Lichtkegel der Stablampe erfaßte eine Gestalt. »Austin! Verdammt, warum veranstalten Sie ein solches Versteckspiel? Wir hätten jetzt gemütlich bei einem Bier in
meinen Räumen sitzen können und...« »Sie meinen wohl Unterschlupf, Eylers!« unterbrach der Mann ihn. »Wissen Sie, Eylers, daß Sie in der letzten Zeit nicht unbedingt einer der beliebtesten Menschen sind?« »Okay, Austin, kommen wir zur Sache, meine Zeit ist begrenzt!« Eylers hatte die Fassung wiedergewonnen. Er trat dicht an den Mann heran. Der Lichtschein ließ die Gestalt verzerrt erscheinen. Austin mochte so um die 1,90 Meter sein. Kräftig gebaut, ohne dabei wie ein Athlet zu wirken. Die dunkelblonden Haare waren kurz gehalten. »Also, Eylers, worum geht es. Sie wollen mich doch nicht nur so zum Spaß sehen?« »Sind Sie noch im Geschäft, Austin? In der letzten Zeit ist es still um Sie geworden.« Eylers versuchte, die Reaktion des Mannes in der Dunkelheit zu erkennen. »Wie man es nimmt. Wissen Sie, ich bin langsam in ein Alter gekommen, in dem man sich um seinen Ruhestand sorgen sollte.« Austin lachte kurz auf. Er hockte sich auf den Boden und wartete. Eylers verspürte zwar nicht den Wunsch, sich in diesem Dreck niederzulassen, folgte aber Austins Einladung. »Erzählen Sie mal, kann sein, daß ich interessiert bin.« »Austin, sollten Sie versuchen, den Preis in die Höhe zu treiben...«, drohte der GSO-Mann. »Wer spricht von Geld, Eylers? Sagen Sie worum es geht und dann sehen wir weiter.« Greg Austins Stimme war vollkommen ruhig. »Also gut, Austin. Sie sollen jemanden für mich liquidieren!« Eylers hatte gezögert, diesen Satz auszusprechen, aber die Zeit drängte. Austin lachte laut auf. »Eylers, ich bin zwar Söldner, aber kein Killer! Wenn Ihnen jemand auf die Füße getreten hat, dann haben Sie doch eine Riesenorganisation, um solche
Probleme zu lösen. Wofür brauchen Sie dann mich?« *** Die Männer in den Mysterious-Anzügen arbeiteten schnell und beseitigten die Eingangstür des Hauses in wenigen Sekunden. Als sie durch den zersplitterten Rahmen in die dahinterliegende Diele stürmten, konnten sie über die Sprechverbindung ihrer Anzüge eine Stimme sagen hören: »Denkt daran, Jungs, nur Paralysestrahler benutzen!« Wie auf ein geheimes Zeichen hin stürmte ein Teil der Männer über die breite Treppe in die oberen Stockwerke des Hauses, während der Rest der Gruppe das Parterre und den Keller durchsuchten. Für Minuten waren nur die Geräusche hin und her hastender Männer, das Aufreißen von Türen und das Durchsuchen von Schränken zu hören. Dann das feine Singen eines Paraschockerstrahls. »Okay, wir haben ihn! Laßt den Wagen vorfahren!« Von oben kamen zwei Vermummte die Treppe herunter. In ihrer Mitte trugen sie einen etwa dreißigjährigen Mann. Schnell war der Mann in den wartenden Gleiter verstaut. Der Anführer der Gruppe sprach in sein Helmmikro: »Ging wie geschmiert, kein Widerstand! Xentar, das Paket ist auf dem Weg zu dir. Melden uns ab, um den nächsten Infizierten einzusammeln.« *** »Und du bist sicher, daß es die richtige Straße ist?« Die Frage galt dem Fahrer des Truppentransporters. Eylers’ Leute hatten in den vergangenen Tagen die kaum vorhandene Präsenz von Trawisheims Infizierten genutzt und sich einige leichte Panzer und Transportfahrzeuge aus Flottenbeständen besorgt. Obwohl
Oberst Kolima in den Wirren des Chaos umgekommen war, hatte sich ein Teil seiner Leute Eylers angeschlossen. Sie waren nicht nur eine willkommene Verstärkung von Eylers Truppen, sie wußten auch, wo die Fahrzeuge standen. In einer schnellen und unblutigen Aktion wurden die benötigten Panzer und Transporter beiseite geschafft. »Natürlich ist es die richtige. Frag mal nach, was wir machen sollen.« Der Beifahrer beugte sich zu dem Funksprechgerät und sprach leise in das Mikro. »Tiger 5 an Tiger. Haben Operationsgebiet erreicht. Erwarten weitere Anweisung.« »Tiger an Tiger 5. Beginnen Sie mit dem Aufbau der Straßensperren. Tiger Ende.« Beide sprangen aus dem Fond des Fahrzeuges und klopften auf die Seitenwände des aufgesetzten Containers. Die Klappen gingen auf und eine große Anzahl Soldaten in Schutzanzügen sprangen auf das Pflaster der Straße. Befehle wurden ausgestoßen. Nur Minuten später begannen die Männer mit dem Verlegen von Stacheldraht und schon bald war die Straße unpassierbar geworden. Der Fahrer lehnte leicht an der Containerwand und konnte im Lichte der aufgehenden Sonne sehen, wie rings um seine Position herum die anderen Einheiten des Tigerkommandos ebenfalls dabei waren, ihre Sperren zu errichten. Eine knappe halbe Stunde später kamen die Truppen. Schwere Gleiter fuhren an die Sperre heran. Soldaten in Schutzanzügen und mit Paralysegewehren Bewaffnete sprangen aus den Truppentransportern, sammelten und formierten sich kurz, und auf das Handzeichen des Offiziers an der Spitze gingen sie durch die Sperre. Schnell schwärmten sie aus und begannen ihr Werk. ***
»Operation Lumpensammler beginnt!« vernahm Bernd Eylers aus dem Gerät. Er schaute auf die Karte von Alamo Gordo. Ganz im Norden der Stadt, nahe bei den Industriegebieten waren mehrere Straßenzüge rot markiert. Hier, so hatten die GSO-Männer ermittelt, lebten fast vierzig Infizierte nahe beieinander. Ihnen galt Eylers’ Interesse an diesem Morgen. Sie wollte er in einer Großaktion einsammeln. Dafür hatte er den größten Teil seiner Streitmacht in den Nachtstunden nahe an das Gebiet heranmarschieren lassen. Gut bewachte Straßensperren waren errichtet worden. Selbst an die Kanalisation hatte der GSO-Chef gedacht und mehrere Jagdkommandos in den Untergrund der Stadt geschickt. Nach menschlichem Ermessen konnte es keinem Infizierten gelingen, die errichteten Sperren zu durchbrechen. Trotzdem war Bernd Eylers unruhig. Es konnte auch das Gespräch mit Austin gewesen sein, das seine Unruhe ausgelöst hatte, da es nicht ganz so verlaufen war, wie er es sich gewünscht hatte. Bernd Eylers zwang sich zur Ruhe und verfolgte die Operation am Funksprechgerät. Eben hatten seine Leute damit begonnen, die ersten Häuser des abgeriegelten Bezirkes zu durchsuchen. Er hoffte, daß die Aktion unblutig von statten ging. Da die meisten Bewohner dieses Bezirkes noch in ihren Betten liegen würden, hoffte der GSO-Chef auf einen schnellen Abschluß der Operation »Lumpensammler«. Matury Xentar war bereit, die eingefangenen Infizierten sofort in den unterirdischen Räumen der Elektronikfabrik, die er mit viel Mühe in ausbruchssichere Gefängnisse verwandelt hatte, einzulagern und auf das Abstoßen des Mensiten zu warten. Sobald sicher war, daß die Gefangenen sich vom Mensiten befreit hatten, würde Xentar mit der Entgiftung der Räume beginnen und so Platz für die nächsten Infizierten schaffen. »Brana-Tal ruft Tiger, bitte melden!« vernahm Bernd Eylers
plötzlich eine Stimme aus dem Äther. Er beeilte sich, den Sender klar hereinzubekommen. Dies war die erste Nachricht aus dem Tal, seit Eylers eine Gruppe seiner Leute hingeschickt hatte. »Tiger hört.« »Wir haben neue Meldungen von Ezbal und Co. Sie glauben, ein Mittel gegen den Mensiten gefunden zu haben. Haben Sie verstanden, Tiger? Sie haben ein Gegenmittel gefunden.« »Was?« brüllte er in das Mikro. »Brana-Tal, bitte Einzelheiten durch Kurier sofort an mich! Tiger Ende.« *** Greg Austin war nach seinem Gespräch mit dem GSO-Chef nicht in seine billige Unterkunft in der Nähe des Raumhafens zurückgekehrt. Nachdem Eylers verschwunden war, begab sich der Söldner in den Keller des Hauses. Mit einer starken Lampe leuchtete er den halbverfallenen Raum aus. Kurze Zeit später hatte er die Stelle gefunden. Auf einer der schmutzigen und mit Schimmel überzogenen Wände konnte er das verblaßte rote Kreuz sehen, das er suchte. Schnell waren die Trümmer mit den Händen beiseite geräumt und Greg zerrte eine Metalltruhe hervor. Er hatte sie vor zwei Jahren eigenhändig an dieser Stelle versteckt. Die großen Zeiten der Söldner waren unwiederbringlich vorbei. Es gab keine Kriege mehr. Noch vor weniger als dreißig Jahren hatten Männer wie Austin sich mit dem Kriegshandwerk eine goldene Nase verdienen können. Regierungen hatten um die Gunst der Söldner gebuhlt. Im Jahre 2011 geboren, war er im Alter von zwanzig in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Greg Austin verdiente in den folgenden 15 Jahren nicht schlecht. Meistens hatte er sich seine Aufträge selbst aussuchen können. Dann war die Welt sich einig, und Kriege wurden, sehr zu
seinem Leidwesen, geächtet. Die Aufträge, die er dann erhielt, hatten mit seinen eigentlichen Fähigkeiten wenig zu tun, und gehörten mehr in die Kategorie organisierte Kriminalität. Austin hatte es geschafft, sich während dieser, für ihn schweren Zeit, über Wasser zu halten, ohne in dieses Milieu abzurutschen. Vor gut zwei Jahren hatte er dann beschlossen, in den Ruhestand zu gehen. Für einen Mann wie ihn bot Terra einfach nicht die richtige Arbeitsumgebung. Zudem kam es für Austin nicht in Frage, sich für einen Mafioso abknallen zu lassen. Er war Einzelgänger, und das wollte er auch bleiben. Er hatte zwar keine Reichtümer angehäuft und bei seiner sparsamen Lebensart mußte das Gesparte eigentlich reichen, aber als die Nachricht des GSO-Chefs kam, juckte es Greg in den Fingern. Er hatte zugesagt. Vorsichtig öffnete er die Truhe. Ja, alles war noch so, wie er es damals verpackt hatte! Schnell und routiniert stellte er das Gepäck zusammen, das er benötigen würde. Nachdem er die Truhe wieder an ihrem Platz verstaut hatte, schaute er sich die Fotografie an, die Bernd Eylers ihm dagelassen hatte. »Nimm es nicht persönlich, Alsop, aber Job ist Job.« Die Jagd auf den Cyborg Holger Alsop hatte begonnen. *** »Der will abhauen!« schrie der Mann in sein Helmmikro und deutete mit der ausgestreckten rechten Hand über den Stacheldraht hinweg auf die laufende Gestalt. Noch bevor er weiterreden konnte, tauchte eine ganze Gruppe flüchtender Infizierter auf. Sie rannten schreien auf die Sperre zu, dabei schwangen sie Knüppel und Äxte. Scheinbar hatten sie alles ergriffen, was nur im entferntesten nach einer Waffe aussah. Aus ihren blitzenden Augen sprach der Wahn. Immer näher rückten sie an die Sperre heran. Mittlerweile waren,
aufgeschreckt durch den Alarmschrei des Soldaten, weitere Männer aufmerksam geworden. Hinter dem Stacheldraht bauten sich vier, mit weitreichenden Gewehren bewaffnete Soldaten auf und nahmen die Anstürmenden aufs Korn. »Laßt sie noch etwas näher herankommen!« hörten die vier plötzlich ihren Leutnant sagen. Er hatte sich hinter ihnen aufgestellt und beobachtet die Infizierten. Erst als sie nur noch wenige Meter von dem Stacheldraht entfernt waren, gab er den Feuerbefehl. Die Soldaten drückten auf die Auslöser der Paralysatoren. Innerhalb von Sekundenbruchteilen fuhren die blassen Strahlen in die Körper und mähten sie nieder. Als das Feuer eingestellt worden war, lagen nur noch bewegungslose Infizierte vor der Sperre. »Tiger 9 an Tiger« »Tiger hört« »Ausbruchversuch einer Gruppe Infizierter erfolgreich abgewehrt.« »Verstanden, Tiger 9. Wir schicken ein Aufräumkommando. Tiger Ende« Der Mann am Funkgerät notierte die Meldung von Tiger 9 und übergab dem neben ihm sitzenden Melder seine Aufzeichnungen. »Bringe das schnellstens zu Eylers. Er hört so gerne Erfolgsmeldungen!« *** In der Tat hatte sich Eylers’ Laune erheblich gebessert. Die neusten Nachrichten aus dem Tal verhießen nur Gutes. Ungeduldig erwartete er den Kurier. Irgendwie konnte er es noch nicht richtig glauben, daß es Ezbals Team gelungen sein sollte, ein Mittel gegen die Mensiten gefunden zu haben. Auch wenn sich die meisten Befallenen selbst heilten, es blieben immer noch genug übrig, die den Parasiten nicht abstoßen
konnten. Außerdem war da immer noch Trawisheims letzte Bastion. Bernd Eylers glaubte nicht daran, daß man den Cyborg ohne größeren Kampf besiegen konnte. Vielleicht half Ezbals Mittel gegen den Virus, eine Auseinandersetzung zu verhindern. Zwar kam der Cyborg nicht mehr aus seinem Hauptquartier, und auch seine Leute verhielten sich auffallend ruhig, aber Eylers traute dem Frieden nicht. Jeden irgendwie entbehrlichen Mann schickte er in die Nähe von Trawisheims Sitz. Ständig wurde er von dort mit Nachrichten versorgt. Gerade diese Untätigkeit des Cyborgs beunruhigte ihn. Was plante Trawisheim, oder sollte der einstige Stellvertreter Ren Dharks schon der Mensitenpest erlegen sein? Ein weiterer Bericht wurde dem GSO-Chef hereingereicht. Schnell überflog er die Folie und nickte dann zufrieden. Operation Lumpensammler lief sehr gut an. Es war seinen Leuten gelungen, das Viertel auszuräuchern. Von den vierzig Infizierten war es lediglich zwei Frauen gelungen, aus dem abgesperrten Gebiet zu entkommen. Eylers war sicher, daß die beiden Ausreißerinnen schnell gefunden und unschädlich gemacht werden konnten. Wenn die Operation in diesem Tempo weiter lief, und keine größeren Zwischenfälle auftraten, dann würde es in spätestens drei Tagen keinen frei herumlaufenden Mensitenträger mehr geben. »Eylers? Sind Sie hier, Eylers?« Eine Frau in mittleren Jahren betrat seine Operationszentrale. »Hier bin ich! Kommen Sie um die Wandkarte herum.« Er stand auf, um die Frau zu begrüßen. »Maria Vernandez«, stellte sie sich vor. »Ich komme aus dem Brana-Tal und soll dies überreichen.« Sie übergab dem Mann mit dem künstlichen Arm eine Mappe, in der sich eine Vielzahl eng beschriebener Folien befanden. »Danke! Ich habe schon sehnsüchtig auf Sie gewartet!«
Bernd Eylers nahm mit leicht zittriger Hand die Mappe in Empfang. »Wenn Sie eine Erfrischung möchten, dann gehen Sie bitte in den Vorraum. Man wird sich dort um Sie kümmern.« Er zog sich in seine Unterkunft zurück. Als Xentar eintrat, sagte er zu ihm: »Matury, besorgen Sie mir doch bitte etwas Kaffee. Ich möchte dann in der nächsten Zeit nicht gestört werde.« Nachdem Bernd Eylers die ersten Schlucke des Getränkes genossen hatte und der Japaner die Tür zu seiner Unterkunft fest hinter sich geschlossen hatte, begann er aufmerksam die Berichte aus dem Tal zu lesen. »Der Commutator!« entfuhr es ihm. Echri Ezbal hatte ausführlich beschrieben, wie er sich die Lösung des Mensitenproblems unter Zuhilfenahme dieses Gerätes vorstellte, aber dem GSO-Chef waren die Ausführungen der beiden Wissenschaftler zu kompliziert. Er versuchte sich so gut es ging, in Erinnerung zu rufen, wie das mit dem GehirnCommutator gewesen war: Die Baupläne für den Commutator-Enzephalo, wie die korrekte Namengebung war, wurde vom Cal der Giants erpreßt. Der Cal hatte sie daraufhin auf telepathischem Wege direkt in die Gehirne der anwesenden Menschen projiziert. An Bord der Point Of waren sie auf Papier übertragen worden, und dabei hatte man festgestellt, daß es unmöglich war, mit den Bordmitteln des Ringraumers den Commutator zu bauen. Die Produktion wurde dann im Industriedom von Deluge vorgenommen. Erste Testbestrahlungen auf der Erde überzeugten dann von der Wirksamkeit des Gerätes. Acht Schiffe, ausgerüstet mit dem C-E flogen Robon an, die neue Heimat der von den Giants entführten und umgeschalteten Menschen. Der Gehirn-Commutator bestand den Großversuch. Es gelang, den kompletten Planeten zu bestrahlen und so die
Robonen von ihrer Zwangsvorstellung, die neue Menschheit darzustellen, zu befreien. Später wurden die bestrahlten Robonen zur Erde gebracht, wo sie sich als nützliche Helfer erwiesen. Einen weiteren Einsatz des Gerätes hatte es dann nicht mehr gegeben. Der Commutator verschwand aus dem Gedächtnis der Menschheit. Bis heute! Bernd Eylers kehrte von seinem Ausflug in die Vergangenheit zurück. Es war ihm nicht sonderlich schwer gefallen, sich an alles zu erinnern. Er nahm nun nochmals die Folien zur Hand und las sie sorgfältigst durch. Diesmal mit den wissenschaftlichen Ausführungen von Cyra Simmons und Echri Ezbal. Er gelang ihm, diese Passagen besser zu verstehen. Als er die letzte Folie durchgelesen und in die Mappe zurückgelegt hatte, beschäftigte den Chef der GSO nur eine Frage: Wo war der Gehirn-Commutator abgeblieben? *** Austin blickte dem abfliegenden Auto-Mietgleiter hinterher, bis er sich in den Wolken verlor. Der Bordcomputer des Fluggerätes würde es sicher an seinen Ausgangsort Cent Fields zurückbringen. Greg öffnete den am Boden liegenden Rucksack und begann sich seiner Kleidung zu entledigen. Sorgfältig verstaute er die bisher getragene Zivilkleidung im Inneren des Sackes und legte die mitgebrachte grüne Tarnuniform an. Gemächlich begann er dann seine WIN 08 zusammenzusetzen. Im Gegensatz zu seinen früheren Kollegen mochte er die modernen Strahlenwaffen nicht besonders. Er konnte noch nicht mal genau sagen warum, denn sie waren mit hoher Präzision gefertigt, und im Nahkampf oft erprobt. Wahrscheinlich war es das häßliche saugende Geräusch des Abstrahlpols der Waffe und die abnehmende Genauigkeit auf
größere Entfernung, die Greg veranlaßt hatte, bei seinen Einsätzen auf Strahler zu verzichten. Statt dessen verließ er sich lieber auf die gute alte WIN 08, ein Raketenkarabiner mit 45 Hochexplosivgeschossen im Magazin, der ohne elektronische Bauteile auskam. Das Vorläufermodell war vor gut sechzig Jahren das Standardgewehr des westlichen Militärbündnisses gewesen. Einer der größten Vorzüge dieser Waffe war, auch auf Entfernungen bis 300 Meter die Explosivgeschoße sicher im Ziel anzubringen. Die WIN 08 verfügte über Umschaltmöglichkeit von Einzel- auf Dauerfeuer. Greg Austin hatte nicht vor, näher an den Cyborg heranzugehen, wenn er ihn gefunden hatte. Schon ein normaler Cyborg war eine Kampfmaschine, die sich kaum überwinden ließ, und er hatte keinen Grund, an Eylers’ Worten, Alsop ist komplett außer Kontrolle geraten, darum müssen wir ihn ja beseitigen, zu zweifeln. Was ein durchgeknallter Cyborg im Kampf Mann gegen Mann zustande bringen konnte, wollte der Söldner gar nicht so genau wissen. Falls er doch so nah an Alsop heran mußte, würde er die WIN 08 auf Dauerfeuer schalten. Er konnte sich nicht vorstellen, daß ein Cyborg, sei er nun durchgeknallt oder nicht, nach 45 Geschossen aus der WIN 08, jedes einzelne mit einer Sprengkraft, die ausreichend genug war, eine 40 cm dicke Stahlbetonplatte zu pulverisieren, noch laufen konnte. Sollte Alsop dieses Wunder doch vollbringen, so war das Magazin der WIN 08 in Sekunden gewechselt, und weitere 45 Miniraketen standen zur Verfügung. Nochmals überprüfte Austin die mechanischen Teile der Waffe auf Funktionstüchtigkeit. Als alles zu seiner Zufriedenheit ausgefallen war, schob er das erstaunlich kurze Stangenmagazin in den Schaft der WIN 08 und nahm das scharf geschliffene Kampfmesser aus dem Rucksack. Prüfend glitt sein Daumen über die kurze Klinge. Austin nickte
zustimmend. Er schulterte sein Gepäck und marschierte los. Greg war zuvor noch nie in dieser Gegend gewesen, aber Eylers hatte ihm Kartenmaterial zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus beschrieb ihm der GSO-Chef den Weg zu der Station T-VII genau. Auch deren Gebäudeaufteilung und Lage befanden sich im Kopf des Söldners. Da es nur eine Zugangsmöglichkeit zu der Station gab, die am Ende eines Talkessels lag, beobachtete der Söldner seine Umgebung ganz genau. Vielleicht würde dieses Wissen ihm später nützlich sein. Vor allen Dingen achtete Greg Austin auf Stellen, die sich für einen Hinterhalt anboten. Nicht daß der Mann nicht an seinen Erfolg glaubte, aber er wollte alle Eventualitäten berücksichtigen. Austin hatte schon so manchen Kampf ausgefochten, und dabei hatte er mehr als einmal Glück gehabt, daß er ihn überlebt hatte, aber immer waren seine Gegner Menschen. Gegen einen Cyborg hatte er noch nicht kämpfen müssen. Während der Söldner seinem Ziel entgegenmarschierte, zogen immer mehr Wolken auf. Die Wolkendecke war bald ganz geschlossen. Schwere dunkle Regenwolken wurden von dem heftiger werdenden Wind herangetragen. Austin schaute mit Besorgnis auf das sich verändernde Wetter. Regen hatte ihm zwar noch nie etwas ausgemacht, konnte sogar bei vielen Operationen von Vorteil sein, aber ihm wäre es lieber gewesen, wenn die Wolkendecke aufreißen und die Sonne wieder hervortreten würde. Zum einen mochte er die warmen Strahlen, zum anderen hätte er sich gerne mit der Sonne in seinem Rücken dem Cyborg genähert. Laut Aussage Bernd Eylers’ hatte Alsop seine Fähigkeiten, die ihn als Cyborg auszeichneten, eingebüßt. Es war also ein ganz normaler Mensch, der ihm gegenüber stehen würde. Ein Mensch, der sich zudem noch in einem Zustand höchster Verwirrung befinden sollte.
Mit weit ausholenden Schritten lief Austin weiter. Immer noch beobachtete er mit Sorge die schwarzen Wolken. Greg bog gerade in den Talkessel ein, als der Himmel seine Pforten öffnete. Prasselnder Regen empfing den Mann. Innerhalb von ein paar Sekunden war Austin total durchnäßt. In Strömen lief das Regenwasser an seiner Kleidung hinab. Er überlegte kurz, ob es besser wäre, irgendeinen Unterschlupf aufzusuchen und abzuwarten, bis das Unwetter sich ausgetobt hätte oder abgezogen wäre. Der Söldner entschied sich dagegen. Er wollte so schnell wie es irgend ging an den Cyborg herankommen. Wollte ihn in Sichtweite haben. Greg Austin war vom Jagdfieber gepackt worden. Er versuchte trotz der schlechter werdenden Sichtverhältnisse die Lage im Tal zu erkunden. Der vor ihm liegende Kessel mochte gut achthundert Meter an seiner breitesten Stelle messen und etwas mehr als drei Kilometer lang sein. Die Hänge waren, soweit Greg es sehen konnte, mit dichtstehenden Bäumen bewachsen. Zudem schienen sie sehr steil zu sein. Der Kessel selbst bot nicht allzuviele Deckungsmöglichkeiten. Ein Höhenplateau mit dichtem, halbhohem Grasbewuchs. An einigen Stellen türmten sich Felsen auf. Greg blieb stehen und musterte die Umgebung. Er mußte vorsichtig sein. Auch wenn der Cyborg nichts von seiner Anwesenheit und von seinen Absichten ahnen konnte, würde er sich mit Sicherheit wundern, wenn ein bewaffneter Mann so urplötzlich im Tal auftauchen würde. Greg Austin beschloß, am Rand des Talkessels vorsichtig weiter zu marschieren. Alsop, so vermutete er, würde sicher Schutz vor dem Regen gesucht haben. Langsam drang der Söldner tiefer in das Tal ein. ***
Matury Xentar warf einen Blick durch das Sichtluk der Stahltür. Im Inneren des Raumes befanden sich ein gutes Dutzend Leute, die als Frühinfizierte bezeichnet wurden. Xentar, der mittlerweile wie alle anderen freien Bewohner der Elektronikfabrik einen Mysterious-Schutzanzug trug, betrachtete die Frau, die am Ende der Zellenwand hockte und wilde Schreie ausstieß, mit wachsender Besorgnis. In den letzten Stunden waren er und seine dreiköpfige Crew schon öfters in die isolierten Zellen eingedrungen, und hatten vom Mensiten befreite Menschen herausgeholt und zur wenige Meter entfernt liegenden Dekontaminierungsstation gebracht. Bisher war alles ohne Komplikationen abgelaufen. Die herausgeholten Menschen waren vom Abstoßprozeß viel zu sehr geschwächt gewesen, um so etwas wie Widerstand aufkommen zu lassen. Willig ließen sie alles mit sich geschehen, und nach dem Entgiften schliefen sie erst einmal in den vorbereiteten Quartieren. Die Frau vor Xentars Augen verhielt sich aber ganz anders, als es der Japaner bisher erlebt hatte. Sie steigerte ihr wilden Schreie. Plötzlich sprang sie auf und begann auf einen vor ihr liegenden Mann einzuschlagen. Ihre langen Fingernägel schienen die Kleidung des Mannes problemlos zu durchdringen. Hautfetzen und Blut klebten an ihren Nägeln, als sie erneut zu einer Attacke ausholte. Xentar hatte genug gesehen. Er schrie seiner Crew zu: »Los Leute, wir müssen rein!« und öffnete das Schott. Ohne sich darüber sicher zu sein, daß ihn seine Männer auch gehört hatten, stürmte Xentar in die Zelle. Noch bevor er seinen Paralysestrahler auf die Frau abfeuern konnte, sprangen mehrere Personen vom Boden auf und begannen auf den Japaner einzuschlagen. Matury Xentar sah sich plötzlich einer Vielzahl Gegner gegenüber. Es gelang ihm, sich von der Frau
zu befreien, aber schon war ein neuer Gegner an ihre Stelle getreten. Aus den Augenwinkeln heraus nahm Xentar war, wie sich einer Gruppe von fünf Infizierten anschickte. durch das offenstehende Schott in den dahinterliegenden Gang zu entfliehen. Dann, er wußte nicht woher der Schlag kam, spürte er einen wilden Schmerz in seinem Waffenarm. Erschrocken ließ er den Kombistrahler fallen. Im nächsten Augenblick sah er einen Blitz vor seinen Augen. Xentar sackte zusammen. Die fünf Infizierten waren aus der Zelle heraus und rannten den Gang entlang auf die Dekontaminierungsstation zu. Daß sich in ihrem Rücken die Crew von Matury Xentar inzwischen von ihrem Schrecken erholt hatte, bemerkten die Ausgebrochenen nicht. »Feuer!« schrie einer von Xentars Männer und drei Paralysestrahler bestrichen den Gang in seiner vollen Breite. Nacheinander brachen die Ausbrecher zusammen. Von dem Krach und Geschrei aufmerksam geworden, eilten mehrere Männer der Dekontaminierungsstation den dreien zu Hilfe. Die nachdrängenden Infizierten sanken nach und nach von den Paralysestrahlen getroffen zu Boden. Innerhalb von wenigen Minuten war alles vorbei. Der Ausbruchsversuch war gescheitert. Immer mehr in Schutzanzüge gekleidete GSOAgenten tauchten auf. Sie begannen sofort damit, die Ausbrecher in ihre Zelle zurückzubringen. Eine Medo-Einheit versorgte den inzwischen wieder aufgewachten Matury Xentar. Außer einem Brummschädel war der Japaner unverletzt. »Zur Sicherheit den Gang abriegeln und giftige Gase einleiten,« rief einer der Vermummten. Schnell wurden die vorbereiteten Flaschen herbeigeschafft. Matury Xentar hörte das Zischen der Flaschenventile, als die vergiftete Luft in den Gang gepumpt wurde. Er fühlte sich zwar noch benommen aber sonst ganz okay. Er ließ sich von dem Medo-Roboter eine Aufbauspritze geben, und überlegte
sich, wie er Eylers diese Panne beibringen sollte. *** Austin hatte sich im Schutze der Bäume langsam Richtung Station vorgearbeitet, ohne die geringsten Anzeichen von dem Cyborg zu entdecken. Nachdem der Baumbestand lichter wurde, und keine Deckung mehr versprach, wandte sich der Mann dem offenen Gelände zu. Von Gestrüpp zu Gestrüpp huschte er weiter auf die vor ihm liegende Station zu. Irgend etwas in ihm sagte, daß der Cyborg in unmittelbarer Nähe der Station zu finden sei. Greg Austins Sinne meldeten plötzlich Alarm. Der Söldner verharrte bewegungslos. Dort drüben, hinter dem dichten Gestrüpp, hatte er deutlich ein dumpfes Geräusch gehört. So als hätte jemand unbeabsichtigt gegen einen Stein getreten. Austin ließ sich zu Boden gleiten und lauschte. Nichts! Es blieb bis auf weit entfernte Geräusche, die wohl von T-VII kamen, still. Nur das leise Aufklatschen des Regens war zu hören. Immer noch verharrte der Söldner bewegungslos in seiner Position. Er war sicher, etwas gehört zu haben. Vorsichtig, immer darauf bedacht, keinen Lärm zu verursachen, schob sich Austin Zentimeter um Zentimeter näher an das Gestrüpp heran. Seine Sinne waren auf das Höchste angespannt. Da! Wieder drang der Laut an seine Ohren. Diesmal viel deutlicher und klarer identifizierbar. Schritte! Austin blieb regungslos liegen. Verschmolz mit der Umgebung. Langsam und ohne seine Position zu verändern, zog der Söldner das schwere Kampfmesser aus der Seitentasche seiner Uniform. Immer noch hörte er vor sich im Gestrüpp die Bewegungen. Etwas kam auf ihn zu. Innerlich freute sich Austin. So wie es aussah, brauchte er nicht länger
nach Alsop zu suchen. Der Cyborg schien direkt auf ihn zuzukommen. Nur noch wenige Schritte, und sein Ziel mußte aus dem Gestrüpp herauskommen. Austin machte sich bereit, sofort auf den Mann zu springen und ihm den kalten Stahl in seiner Hand ins Herz zu stoßen. *** Bernd Eylers trommelte nervös mit den Fingern seiner rechten Hand auf den stabilen Deckel der Mappe. Seit ihm mitgeteilt worden war, daß der Gehirn-Commutator wahrscheinlich das Mittel gegen den Mensiten darstellte, hatte er alles abkömmliche Personal auf die Suche nach dem Gerät geschickt. Jeder seiner Agenten hatte einen Schnellkurs bekommen, wie das C-E-Gerät aussah. Die letzten Meldungen aus dem Tal, die er vor wenigen Minuten hereingereicht bekommen hatte, gaben Anlaß zur Freude. Ezbal und Cyra Simmons waren sich nun absolut sicher, daß eine Bestrahlung des gesamten Planeten die beste Methode war, um die Menschheit gegen die Angriffe des Mentalparasiten weniger anfällig zu machen. Beide Wissenschaftler waren sich aber einig und wiesen den GSO-Chef mit Nachdruck darauf hin, daß der Gehirn-Commutator keine ultimative Waffe gegen den Mensiten war. Man würde weiter forschen müssen, ob der Mensit in der Lage sein würde, resistent gegen die Strahlen des Commutators zu werden. Den GSO-Mann interessierten die Fakten und Daten aus dem Tal nur am Rande. Er war froh, überhaupt etwas gegen den heimtückischen Feind in der Hand zu haben. Über alles weitere würde er sich erst dann Gedanken machen, wenn es soweit war. Immer ungeduldiger wartete er auf die erlösende Nachricht. ***
Auch Bud Clifton und Pal Hertog gehörten den Suchmannschaften an. Nachdem sie mit Eylers in Kontakt getreten und in der Fabrik angekommen waren, gab es für die beiden nichts mehr zu tun. Manu Tschobe hatte sich sofort bereit erklärt, den Männern der Dekontaminierungsstation sein Wissen als Arzt zur Verfügung zu stellen. Seitdem war er ununterbrochen bei der Arbeit und untersuchte die Befreiten auf ihre körperliche Unversehrtheit. Eine Weile hatte Pal und Bud dem Japaner Xentar bei seiner Arbeit geholfen, aber der beherrschte sein Fachgebiet souverän und dank seines Organisationstalentes waren alle ankommenden Waren schnell verstaut gewesen. So hatten sich Clifton und Hertog Eylers Aufruf, nach dem Gehirn-Commutator zu suchen, nicht zweimal sagen lassen. Es dauerte nicht lange, und die Männer bekamen ein Fahrzeug zugeteilt. Danach begaben sie sich zur Einsatzbesprechung. Hier erfuhren sie, wie das Gesuchte aussah, und wo man es vermutete. Nach der Besprechung, in der die Suchgebiete für jedes Team festgelegt worden waren, brachen Hertog und Clifton auf. Laut ihrem Einsatzbefehl mußten sie die mittlerweile stillgelegten und teilweise geplünderten Frachthangars des Terminals 4 auf dem Raumhafen Cent Field durchsuchen. Hier, so hatte Eylers angedeutet, lagerten viele nicht mehr benötigte Versorgungsgüter der TF. Innerhalb von nur acht Minuten hatten sie das Terminal erreicht. Überall waren noch deutlich die Brandspuren von den Kämpfen zu sehen. Der von Hertog und Clifton gesuchte Teil des Terminals lag tief unter der Erde. Schnell drangen die Männer in das Stollensystem des Terminals ein. Anhand der überall aushängenden Rißzeichnungen des Komplexes fiel es ihnen leicht, sich zu orientieren. »Wir müssen weiter nach unten. Such mal den nächsten
Antigravschacht,« rief Bud seinem Freund zu und trat gegen einen aufgebrochenen und angesengten Frachtcontainer. Krachend stürzte der Container um und Tausende von versiegelten Päckchen, in denen sich Einwegspritzen und Verbandsmaterial befanden, ergossen sich auf den Boden der Lagerhalte. Hier, in den oberen Etagen von Terminal 4, waren die Spuren der Verwüstung am deutlichsten zu erkennen. Fast sämtliche Beleuchtungskörper waren zerstört. Wiesen Spuren von Blasterbeschuß auf, oder waren mit roher Kraft aus ihren Verankerungen gerissen worden. »Etwa sechzig Meter weiter östlich von hier gibt es einen Schacht, der uns bis ins zwölfte Untergeschoß bringt!« Pal deutete mit der Hand in die Richtung, in der sich der Antigrav laut Plan befinden sollte. »Und wieviel Stockwerke gibt es?« fragte Bud besorgt. »24!« kam die knappe Antwort von Hertog. Er hatte sich schon Richtung Schacht in Bewegung gesetzt »Na, da freue ich mich aber!« Buds Gesicht verzog sich zu einer grinsenden Grimasse. Dann machte er sich auf, Pal Hertog zu folgen. Es dauerte nicht lange und beide standen vor der dunklen Öffnung des Antigravs. Scheinbar waren die Beleuchtungskörper des Liftes ausgefallen. »Ich zuerst?« fragte Clifton und schickte sich an, in das Kraftfeld des Liftes zu treten. »Warte, Bud!« hielt Hertog ihn zurück. Pal ging schnell zu den Überresten eines Regals, auf dem noch vor kurzer Zeit Einsatzmonturen gelagert gewesen waren, wie man anhand der überall verstreut liegenden, verbrannten Stoffreste erkennen konnte. Er griff nach einer von großer Hitze verbogenen Regalstange und schleuderte sie in den Schacht. Anstatt im sanften Sog des Kraftfeldes nach unten zu gleiten, verschwand die Metallstange mit zunehmender
Geschwindigkeit in der Tiefe. Atemlos schauten die beiden Freunde in die Schwärze des Schachtes. Nach wenigen Sekunden drang ein dumpfes Aufprallgeräusch vom Grunde des Schachtes zu ihnen herauf. »Mist, verdammter!« stöhnte Bud Clifton. »Schon wieder latschen!« Pal klopfte ihm auf die Schulter. »Komm, mein Alter, die paar Etagen schaffst du doch mit Links.« *** Jetzt, schoß es dem Söldner durch den Sinn, als etwas durch das Gestrüpp brach. Er schnellte vor und stieß zu. Die stählerne Klinge drang durch die braune Haut, suchte sich ihren Weg. Ein gequälter Schrei erklang. Erschrocken ließ Greg von seinem Opfer ab und erkannte sofort seinen Irrtum. Anstelle ins Herz des Cyborgs Alsop, hatte er seine Klinge in den Leib eines Rehes gestoßen. Das Tier blutete aus einer zwei Zentimeter breiten Wunde. Austin fluchte halblaut, und beeilte sich, durch den von dem Reh angelegten Pfad durch das Gestrüpp zu gelangen. Wie durch eine schmale, enge Gasse gelangte der Mann ans Ende des Gestrüpps. Er ließ sich zu Boden gleiten und lauschte. Nichts! Vor sich sah Greg eine weite Ebene, die ab und zu von Felsgruppen unterbrochen wurde. Der Regen hatte mittlerweile ganz aufgehört, die Wolkendecke war aufgerissen und die Sonne kam durch. Von den Ästen des Gestrüpps tropfte es unentwegt auf Greg herunter. Mit einem Ruck zog er das starke Sichtgerät aus dem Inneren seiner Montur und begann das vor ihm liegende Gelände abzusuchen. Ganz deutlich konnte er die Gebäude der Station sehen. Im Stillen hoffte Greg Austin, daß ihm das Glück hold sei, und der
Cyborg verwirrt genug war, nicht dort in den Gebäuden von T VII Unterschlupf gesucht zu haben. Sollte sich Alsop dort drüben in einem der Gebäude verkrochen haben, dann würde es fast unmöglich sein, an den Cyborg heranzukommen. Das Stationspersonal, laut Aussage Eylers zwei Techniker, die abwechselnd an den Überwachungsgeräten saßen, und eine Wache, die alle sechs Stunden abgelöst wurde, stellten eine Größe dar, die Austin nicht berechnen konnte. Daß er vom Inneren der Station keine Pläne besaß, machte die Sache nicht unbedingt leichter. Austin vertraute auf sein Glück. Er begann erneut, das Gelände abzusuchen. Diesmal schaltete der Söldner das Infrarotsuchgerät mit dazu. Normalerweise wurde diese Komponente des Gerätes nur nachts benutzt, aber Austin wollte auf Nummer sicher gehen. Im Umkreis von 200 Metern zeigte das Gerät ihm jedes Lebewesen an. Aus der Reststrahlung der abgegebenen Wärme eines Körpers wurde eine Projektion in dem Sichtschirm erkennbar, die den Umrissen des erfaßten Lebewesens entsprach. Leise surrten die Sensoren des Infrarotgerätes. Greg schwenkte seinen Blick nach links. Er konnte deutlich die Wärmepunkte in den Gebäuden der Station ausmachen. Dann glitten seine Augen weiter von der Station weg. Eine dunkler blauer Schatten erfüllte mit einem Male sein Gesichtsfeld. Wasser! Das muß ein Bach sein. Daher der große Temperaturunterschied. Austins Gedanken analysierten jede einzelne Farbschicht des Nachtsichtgerätes. Dann, Austin hatte das Glas wieder einige Zentimeter weitergleiten lassen, war plötzlich ein großer, roter Flecken zu erkennen. Greg Austin hielt den Atem an. Er schaltete das Gerät auf Normalsicht und begann dort, wo der rote Fleck zu sehen gewesen war, zu suchen. Schnell hatte er die Stelle ausgemacht. Zwischen zwei großen Felsbrocken, knapp zweihundert Meter entfernt, konnte der Söldner die linke Schulter eines Menschen erkennen. Er
zoomte den Ausschnitt näher heran. Kein Zweifel! Er hatte den Cyborg gefunden. Ohne das Glas von den Augen zu nehmen, griff Austin zu seinem Raketenkarabiner. Als er ihn ganz dicht bei sich liegen hatte, legte er das Sichtgerät beiseite, und zielte mit der WIN 08. Da die Zielferneinrichtung des Karabiners anders aufgebaut war als das Nachtsichtglas, brauchte Greg Austin einige Sekunden, bis er den Cyborg wieder im Visier hatte. Komm schon. Junge! Lehn dich ein paar Zentimeter weiter nach links! durchfuhr es den Söldner. Er hatte die Schulter fest im Fadenkreuz. Wenn er abdrückte, dann würde er den Cyborg auf keinen Fall verfehlen können, aber ob das explodierende Geschoß in dieser Stellung eine tödliche Wunde anrichten konnte, wagte Greg Austin zu bezweifeln. Die Wirkung des Geschosses konnte von den Felsen, hinter denen Alsop saß, aufgehalten und gemindert werden. Minutenlang hielt Austin den Raketenkarabiner auf die Schulter des Cyborgs gerichtet. Sein Opfer machte nicht die geringsten Anstalten, seinem Vollstrecker die gewünschte Position für den tödlichen Schuß zu geben. Langsam begann sein Arm durch die ständige Anspannung zu kribbeln. Ein sicheres Indiz dafür, daß Greg Austin den Raketenkarabiner nicht mehr lange im Ziel halten konnte. Immer schwerer wurde die WIN 08. Greg sah ein, daß er absetzen mußte. Er atmete mehrere Male tief durch und machte mit seinen Händen Lockerungsübungen. Das Kribbeln verschwand langsam wieder. Plötzlich und ohne eine Warnung hatte Greg den kompletten Körper des Cyborgs im Blickfeld. So eine Gelegenheit bekomme ich vielleicht nicht mehr, waren seine Gedanken. Ohne noch länger zu zögern, riß der Söldner den Karabiner hoch und drückte nach einem schnellen Zielen auf den Auslöser. Mit einem Fauchen verließ das tödliche Raketengeschoß den kurzen Lauf der Waffe und raste
auf Holger Alsops breiten Körper zu. *** »Wir haben ihn! Wir haben den Gehirn-Commutator gefunden!« Die erlösende Nachricht erreichte den Chef der GSO, als er in dem engen Raum saß, in dem die Funkgeräte untergebracht waren, und er die in den letzten Minuten angekommenen Standortmeldungen seiner Agenten durchsah. »Wo befindet er sich?« entfuhr es Eylers. Er stieß den Funker an. »Los, Mann, fragen Sie nach wo sich das Gerät befindet.« Nach kurzer Zeit kam die klare Stimme eines Mannes aus dem Äther: »Hier Hannibal Procupa. Wir befinden uns befehlsgemäß in den Lagerräumen von Monty Bells Institut. Soweit wir bisher sehen, lagern hier in diesem Raum sieben bis acht von den Geräten! Ob sich in den anschließenden Räumen noch mehr Commutatoren befinden, läßt sich noch nicht sagen. Wir werden sofort nachsehen.« »Gut gemacht, Procupa! Vielen Dank an Sie und Ihre Leute. Ich werde sofort veranlassen, daß eine Transportkolonne zu Ihnen aufbricht und die Geräte abholt!« Bernd Eylers fiel ein Stein vom Herzen. Auch wenn, wie er aus Ezbals Berichten wußte, der Gehirn-Commutator nur einen Abstrahlradius von 3,4 km hatte, und auch wenn wirklich nur sieben oder acht dieser Geräte zur Verfügung standen, es war ein vielversprechender Anfang. Er beschloß sofort in Erfahrung zu bringen, ob sich genügend einsatzbereite Raumschiffe auf Cent Field befanden. *** Sofort nach dem Schuß sprang Greg Austin auf und verließ die
Deckung des Gestrüpps. So schnell er konnte, rannte er auf die Felsen zu. Zur Sicherheit feuerte er noch drei weitere Schüsse auf die Gesteinsbrocken ab, hinter denen der hoffentlich tote Cyborg liegen mußte. Deutlich sah er die Raketengeschosse in die Felsgruppe einschlagen. Große Brocken wurden von den Steinen abgesprengt und heulten mit einem lauten Pfeifton davon. Als Austin die Felsen erreicht hatte, sprang er zwischen ihnen hindurch und mit bereit gehaltenem Karabiner sah er sich um. Nichts! Der verdammte Cyborg war nirgends zu sehen. Hatte er sich so getäuscht? Austin war zu sehr Söldner, als daß er nun in Wut ausgebrochen wäre. Sein Fehlschuß ärgerte ihn zwar, aber die Jagd war noch nicht zu Ende. Nur wußte der Cyborg jetzt, daß jemand hinter ihm her war. Schnell holte er das Infrarotgerät aus seiner Montur und begann das Gelände abzusuchen. Irgendwo mußte der Cyborg ja stecken. Aufmerksam beobachtete er die Umgebung. Nirgends entdeckte er eine Restspur, die die Größe eines Menschen hatte. Sorgfältig begann Austin die Felsen abzusuchen. Er fand Spuren, die eindeutig von einem Menschen stammten und sehr frisch waren. Immer weiter dehnte Greg Austin seine Suche in Richtung Station T-VII aus. »Er kann höchstens vierzig Sekunden gehabt haben, um zu verschwinden!« sagte der Jäger halblaut zu sich selbst. Wieder schaute er sich prüfend um. »Wohin würdest du verschwinden, Greg, wenn der Teufel hinter dir her ist, und du kaum Zeit hast? Denk nach, Greg Austin!« Mit einem Male entdeckte der Söldner einen hellen Fleck im Gras. Er beugte sich hinab und tauchte seinen Finger in die Flüssigkeit. »Blut!« stieß Austin aus. »Ich habe dich also erwischt, Cyborg!«
Schneil schaute sich Greg weiter um. Den nächsten Blutstropfen fand er einige Meter weiter. Er folgte der Spur durch das Gras. Dabei versuchte er gleichzeitig, die Station im Auge zu behalten. Das Wachpersonal mußte den Lärm, den die WIN 08 nun einmal machte, gehört haben. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis jemand sich die Mühe machen würde, und nachsehen kam. Bis dahin, schätzte der Söldner, würden noch ein paar Minuten vergehen. Immer näher kam der Mann an den Bach heran, der hier seit Urgedenken durch die Ebene floß. Langsam, halb geduckt und die Augen auf den Boden gerichtet, arbeitete sich Austin von einem Blutstropfen zum nächsten. Dann stand er am Bach. Mit einem Male fiel es wie Schuppen von seinen Augen. Der Cyborg war schlauer als er angenommen hatte. Kein Wunder, daß das Infrarotgerät keine besondere Restwärme zeigen konnte. Holger Alsop war in das kalte, klare Wasser gesprungen und hatte sich durch das Wasser weiterbewegt. Fragte sich nur in welche Richtung. Prüfend sah sich Austin um. Viel Zeit hatte er nicht mehr. Es war ihm klar, wenn der Cyborg sich zu weit entfernen würde und die Dunkelheit einsetzte, dann würde er ihn verlieren, und eine ganze Welt stände dem Cyborg als Versteck zu Verfügung. Soweit wollte es Austin nicht kommen lassen. Er ging wenige Schritte entgegengesetzt der Bachrichtung. Nichts! Dann wiederholte er die Prozedur in die andere Richtung. Etwa zwanzig Meter bachabwärts fand Greg wonach er gesucht hatte. Eine blutverschmierte Zellstoffverpackung lag zwischen einem Stein und dem Bachufer eingeklemmt im Wasser. »Du hast einen Fehler gemacht, Cyborg!« keuchte Austin aufgeregt. »Du läufst in die verkehrte Richtung!« Er watete so schnell er konnte den Bach weiter entlang. Seine aufmerksamen Augen waren auf das Wasser und auf die
Uferränder gerichtet. Nach gut vierhundert Meter bog der Bachverlauf sanft nach links und verschwand zwischen dichten Bäumen. Der Söldner fand den nächsten Beweis dafür, daß er Alsop getroffen hatte. Dort, wo der Cyborg aus dem Wasser gestiegen war, befand sich eine große Blutlache im Ufergras. Prüfend schaute er auf das Gelände, dann folgte er vorsichtig der dünnen Blutspur, die vom Bach weg in den ansteigenden Wald hineinführte. *** »Zwar nicht schön, aber es wird hoffentlich seinen Zweck erfüllen,« sagte der in eine dunkelblaue Montur gehüllte Mann und zog die letzten Befestigungsbolzen an. Dann ging er prüfend um den Hypersender herum, an dem er soeben das C-E Gerät angebracht hatte. Die blau-violett schimmernde Unitallkonstruktion sah wirklich nicht sehr schön aus. Die schlanken Unitallrippen, die durch eine Art Netz verbunden waren, verzerrten die Konturen des Senders erheblich. »War das Ihr erster Einbau eines C-E Gerätes?« fragte Eylers neugierig. Er hatte es sich nicht nehmen lassen beim Einbau des ersten von mittlerweile sechzehn gefundenen Commutatoren dabei zu sein. In Monty Bells Gewahrsam befanden sich noch weitere Geräte, die so nach und nach zum Raumhafen Cent Field geschafft wurde. Bernd Eylers hatte keine Ahnung, warum ausgerechnet bei dem Physiker Bell die Geräte deponiert worden waren, es kümmerte ihn auch nicht sonderlich. Hauptsache die Dinger waren da. »Nee, Meister,« antwortet der Techniker schnippisch. »Ich baue jeden Tag fünf von den Dingern ein. Mann, ich wußte bisher nicht, daß es so etwas häßliches wie den Commutator überhaupt gibt.« Bernd Eylers nahm dem Mann seine Antwort nicht
sonderlich übel. Wer dumm fragt und so. Sein Problem bestand nun darin, daß er über immer mehr Commutator-Enzephalos, aber nicht genügend Schiffsraum verfügte. Er beschloß schnellstens mit dem Brana-Tal Verbindung aufzunehmen. Vielleicht konnten ihm Ezbal oder Simmons sagen, ob er zwei oder drei von den C-E Geräten in ein Schiff einbauen lassen konnte, ohne die Wirkung des Commutators zu beeinträchtigen. In der Zwischenzeit war es Zeit für einen größeren Feldversuch. Über Vipho befahl er dem Kommandanten des Raumers STURMWIND, einem Transportschiff aus Giantproduktion, zu starten und in niedriger Höhe, mit eingeschaltetem Gehirn-Commutator, über das Fabrikgelände zu fliegen, in dessen Lagerräumen die Infizierten untergebracht waren. Nur wenige Minuten später ging ein Ruck durch den Raumer. Sanft hob er von seiner Parkposition ab, stieg auf achtzig Meter, und glitt auf die Fabrik zu. Eylers und der Techniker hörten nur das leise Summen des Commutators. Einzig ein kleines grünes Lämpchen brannte. Es zeigte an, daß von dem C-E Gerät Strahlen nach außen gegeben wurden. Nach einigen Minuten verhielt die STURMWIND. Bernd Eylers war auf dem Weg in die Zentrale. Als er eintrat, sah er in fragende Gesichter. »Ich weiß nicht mehr als sie alle,« versuchte er zu beruhigen. Eine Verbindung zur Elektronikfabrik war schnell hergestellt. »Wie sieht es aus, Xentar? Macht sich die Strahlung schon bemerkbar?« Der Japaner schüttelte heftig mit dem Kopf. »Wir haben hier noch nicht mal bemerkt, daß wir überhaupt bestrahlt worden sind!« ***
Greg Austin kniete am Rande des Waldes und betrachtete den Fußabtritt im feuchten Waldboden. Deutlich war das Blut in der Spur zu erkennen. »Cyborg, du blutest wie ein abgestochenes Schwein.« Die Verletzung Alsops mußte schwerwiegend sein, denn der Söldner fand bei seinem weiteren Eindringen in den steil ansteigenden Wald immer mehr und immer größer werdende Blutlachen. Irgendwo vor ihm knackten Äste. Austin blieb regungslos hinter einem Baum stehen. Seine Gestalt verschwamm mit den Konturen des Waldes fast vollständig. Vorsichtig zog er das Infrarotgerät hervor und begann mit der Suche. Schnell wurde er fündig. Keine fünfzig Meter von seinem jetzigen Standort entfernt, machte er eine kleine Mulde aus. Deutliche Wärmespuren gingen von dort aus. Es mußte Alsop sein! Für einen Moment überlegte Greg, ob es an der Zeit sei, Schluß zu machen. Der Cyborg vor ihm war zwar clever, aber er war auch schwer verwundet. Greg glaubte nicht an eine ernsthafte Gegenwehr des Mannes. Über eine Schußwaffe schien er nicht oder nicht mehr zu verfügen. Er konnte die Angst des Cyborgs förmlich riechen. Sorgfältig, wie es seine Art war, plante der Söldner sein weiteres Vorgehen. Es wurde langsam dunkel. In spätestens einer Stunde würde er nicht mehr viel sehen können. Wenn er jetzt zu lange warten würde, bestand die Gefahr, daß der Cyborg ihm trotz seiner Verwundung nochmals entkam. Die Dunkelheit war der Freund des Schwachen! Darauf wollte es Greg Austin nicht ankommen lassen. Nach wenigen Minuten in denen er die Mulde und das Gelände darüber intensiv beobachtet hatte, glaubte Austin einen gangbaren Weg gefunden zu haben. Er ließ sich auf den Boden nieder und kroch so leise wie möglich durch das lichte Unterholz tiefer in das Waldstück hinein. Alle fünf bis zehn Meter hielt er an und vergewisserte sich mit Hilfe des
Infrarotgerätes, daß der Cyborg seine Position nicht verlassen hatte. Nach fast dreißig Minuten robben und lauschen war er mit dem Cyborg auf einer Höhe, nur siebzig bis achtzig Meter rechts von ihm. Wieder verhielt der Söldner und schaute durch das Glas. Zum erstenmal sah er den Körper des Mannes, den er im Auftrage Eylers’ töten sollte, ganz deutlich vor sich. Die rechte Schulter wies Spuren des Raketengeschosses auf. Um das Schultergelenk herum war das Fleisch fast vollständig verbrannt. Der Arm hing wie leblos vom Körper des Cyborgs. Austin versuchte den Zoomer des Gerätes noch schärfer einzustellen. In diesem Moment bewegte sich Holger Alsop. Er rollte seinen Körper ein wenig, so daß er mit dem Kopf in Austins Richtung blicken konnte. Greg stellte alle Bewegungen ein und verschmolz mit dem Waldboden. Kaum hörbar ging sein Atem. Ihm war so, als könne er das schmerzverzerrte Gesicht des Cyborgs auch ohne Nachtsichtgerät ganz deutlich ausmachen. Greg Austin war sich ganz sicher, von diesem Mann dort in der Mulde würde keine Gefahr mehr ausgehen. Er war hierher geflohen, um zu sterben. Wie ein waidwundes Tier hatte er sich in den Schutz des Waldes zurückgezogen, um mit seinem Leben abzuschließen. Greg hatte schon viele Tote in seinem Leben hinter sich zurückgelassen. In den meisten Fällen waren es tote Gegner, und die hatten sich zumindest wehren können. Der Cyborg vor ihm hatte noch nicht mal eine Waffe. Für einen Moment kam sich Greg Austin schäbig vor. Er war im Begriff, einen Wehrlosen zu töten. Einen Wehrlosen, den er zum erstenmal in seinem Leben sah, und der ihm persönlich nichts getan hatte. In diesem Augenblick beschloß der Söldner Greg Austin, endgültig auszusteigen. Diesen einen Auftrag würde er noch erledigen, das zweite Opfer, Henner Trawisheim, sollte Bernd Eylers selbst erledigen. Er hatte genug von diesem Leben. Greg verließ seine Deckung und ging mit der WIN 08 im
Anschlag auf Holger Alsop zu. Als er nur noch wenige Meter von ihm entfernt am Rande der Mulde stand, hob er den Raketenkarabiner und legte an. Das Fadenkreuz wanderte auf den Kopf von Holger Alsop. »Tut mir leid, Cyborg! Du wirst noch nicht einmal erfahren, wer deinen Tod beschlossen hat.« *** Die STURMWIND sank zurück auf ihre Parkposition auf dem Raumhafen von Cent Field. Die Männer in der Zentrale des Schiffes waren enttäuscht. Besonders an Bernd Eylers Gesicht konnte man diese Enttäuschung deutlich ablesen. Er hatte sich vom Einsatz des Gehirn-Commutators wesentlich mehr versprochen. »Verdammt, was haben wir falsch gemacht?« Eylers stand neben dem Kommandantenpult und sah in das Rund der Versammelten. »Irgendeine Idee oder Vorschläge, meine Herren?« Stumm sahen sie den GSO-Chef an. Niemand war in der Lage, das Versagen des Gerätes zu erklären. »Okay, meine Herren,« sagte er dann entschlossen. »Sie werden nochmals jede Schraube an diesem Ding überprüfen und ich frage im Brana-Tal nach. Vielleicht kennt Ezbal die Lösung für unser Problem.« Bernd Eylers sah auf die Borduhr. »In drei Stunden machen wir den nächsten Versuch. Also dann, an die Arbeit!« Der GSO-Mann verließ die STURMWIND und begab sich so schnell es ging zurück zur Fabrik. Dort angekommen, ließ er sich von jedem Anwesenden seine Eindrücke schildern, die bei der Bestrahlung durch das C-E Gerät entstanden waren. Jede Kleinigkeit wollte Eylers ganz genau wissen. Einer der ersten, die von ihm befragt wurden, war Manu Tschobe. »Sie haben
nichts gespürt, Tschobe?« »Nein, Sie können hundertmal dasselbe fragen, Eylers. Der Commutator hat versagt! Ich habe mir während Ihrer Abwesenheit erlaubt, mit einigen Personen zu sprechen, die bei der ersten Bestrahlung Terras im Jahre 2052 dabei waren«, der Arzt schob Bernd eine Folie zu. »Alle Personen haben übereinstimmend ausgesagt, daß sie ein leichtes Kribbeln auf der Kopfhaut während des Bestrahlens gespürt haben. Wir haben aber nichts von dem gespürt!« »Also stehen wir wieder am Anfang«, sagte ein resignierender Bernd Eylers. *** Techniker Robert von Scherenberg fühlte sich ganz elend. Schließlich war er es gewesen, der den Commutator an dem Hypersender angebracht hatte. So traf es ihn ganz besonders hart, als nach einer intensiven Überprüfung des Gerätes durch zwei neu hinzugezogene Techniker der Point Of Besatzung feststand, daß es nicht funktionierte. Er stand allein in der Frachthalle des Schiffes und starrte das C-E an. Die Gitterkonstruktion ragte als Aufsatz in die ansonsten leere Halle. Von Scherenberg fühlte sich von dem Ding geradezu herausgefordert. Er trat dicht an den Block des Senders heran und berührte das Netz aus Unitall. Eigentlich solltest du verdammtes Ding ja ein Feld aufbauen. Warum tust du nicht wofür du konstruiert wurdest? Von Scherenberg umrundete den Hypersender langsam und überlegte. Sie hatten das Gerät aus dem Institut von Monty Bell geholt und aus der Verpackung heraus aufgebaut. Womit sich Bell, einer der besten Physiker des Planeten Erde, beschäftigt hatte, und wozu er die Commutatoren gebraucht hatte, wußte von Scherenberg nicht. Robert kniete sich zu der Kontrollampe
herunter. Lange starrte er auf das rote Licht. Es war ihm schon bei der ersten Inspektion, gleich nach dem Einschalten des C-E Gerätes aufgefallen, daß die Lampe rot leuchtete. Von Scherenberg hätte eher einen Grünton als Zeichen der Betriebsbereitschaft erwartet, aber das Gerät war nach Plänen der Giants gebaut worden, und über deren Farbempfinden war dem Techniker nichts bekannt. Robert von Scherenberg war gerade dabei, das Untitallnetz des Aufsatzes abzumontieren, als sich zischend die Schleusentore des Hangars öffneten. Herein kam ein Mann, der eine kleine Holzkiste in Händen hielt. Ohne sich um den Techniker zu kümmern, stellte er seine Fracht in dem Hangar ab und wollte gehen. Robert hielt ihn zurück. »Was haben Sie denn gebracht?« wollte er neugierig wissen. »Woher soll ich wissen was in der Kiste ist? Bin ich Wissenschaftler? Wir haben den Auftrag, alles aus den Räumen, in dem dieses Ding gefunden worden ist, herzuschaffen. Also schaffen wir es her!« »Sie wollen damit sagen, diese Kiste gehört zum C-E Gerät?« »Mann, es ist mir egal wozu es gehört!« Der Lieferant schien nicht recht zu wissen, ob ihn Scherenberg nicht verwechselte. Ihm war es ziemlich gleichgültig, was in der Kiste war. Er wollte sie loswerden und dann wieder von hier verschwinden. Im Raumhafencasino warteten seine Freunde, und denen gedachte der Mann nach Ablieferung der Kiste bei einer zünftigen Pokerrunde ein paar Dollar abzunehmen. »Noch eine letzte Frage, mein Freund.« Robert setzte eine kameradschaftliche Miene auf. »Wo genau lagerte die Kiste denn?« »In einem kleinen Nebenraum des Institutes, und es war nicht nur die eine Kiste. Wir haben so an die fünfzehn Stück rausgeschleppt. Reicht das jetzt, Mann? Ich habe noch mehr zu
tun!« Robert sah ein, daß er von dem Lieferanten keine weiteren Antworten mehr zu erwarten hatte. Er ließ den Mann gehen und wandte seine Aufmerksamkeit der Holzkiste zu. Mit einem kräftigen Schlag trieb Robert einen Schraubenzieher in den Deckel der Kiste und hebelte ihn auf. Mit leicht zitternden Händen hob von Scherenberg einen in Ölpapier verpackten Gegenstand aus der Holzwolle. Nachdenklich betrachtete er das Papier. Er legte es auf den Boden der Halle und begann es auszuwickeln. Zum Vorschein kam ein etwa zwanzig Zentimeter langer und im Durchmesser acht Zentimeter messender Metallzylinder. An einem Ende befand sich ein konischer Zapfen. Die in den Zylinder eingefräßte Nut war vollkommen mit einer durchsichtigen, weichen Plastikmasse ausgefüllt, in deren Inneren Robert einen kleinen Kristall ausmachen konnte. Nachdenklich betrachtete er den Zylinder und drehte ihn dabei. Der Verwendungszweck war ihm nicht klar. Er ging mit dem Zylinder in der Hand zum Commutator. Prüfend wog er die Metallröhre und schaute weiter auf das Gerät der Giants. Wieder fiel ihm die Kontrollampe auf. Von Scherenberg legte den Zylinder beiseite und untersuchte erneut den Bereich des Senders, in dem die Lampe eingelassen war. Nach weiteren fünf Minuten stand für den Techniker fest, daß es dort außer der kleinen Lampe nichts gab. Das Unitall war glatt und ohne Fugen oder Löcher gegossen worden. Wieder ergriff er den Zylinder und begann das C-E zu umrunden. Nirgends war eine Möglichkeit zu entdecken, um den Zylinder unterzubringen. Seine ganze Aufmerksamkeit galt nun der Antenne. Er verfolgte mit den Augen jede einzelne Strebe des Netzes. Sie alle gingen vom Mittelpunkt aus in einem Abstand von 15 Grad nach außen. Zwischen den 24 Streben war ein feines Netz gesponnen. Robert ging ganz nahe an die Metallkonstruktion heran. Dort, wo die Streben ihren
Ausgangspunkt hatten, glaubte er zwei kleine Erhebungen zu sehen. Er fuhr mit der Fingerkuppe seines Zeigefingers über das Zentrum der Antenne. Tatsächlich! Diese Erhebungen waren bisher unentdeckt geblieben. Wofür waren sie gut? Robert drehte den Zylinder so, daß die Nut mit der weichen Plastikmasse genau über die Erhebungen kam. Mühelos glitten die Erhebungen in das Plastik und hielten den Zylinder an der Antenne fest. Roberts Stimmung hob sich. Er besah sich die Antenne erneut von allen Seiten. Der kleine Kristall im Inneren der Nut saß nun genau über dem Mittelpunkt der Antenne. Robert ließ den Zylinder los und trat einen Schritt zurück. Die Plastikmasse hielt den Metallzylinder fest an den Streben des Netzes. Aufgeregt ging von Scherenberg zum Kontrollpult des Hypersenders und schaltete das Gerät ein. Ein feines Summen war aus dem Inneren des Senders zu hören. Robert schaute auf die Lampe und begann lauthals zu lachen. Sie leuchtete in einem sanften Grün. *** Der Morgen des 8. Oktober begann mit strahlendem Sonnenschein. So als würde der Herbst sich von seiner schönsten Seite zeigen wollen. Am Raumhafen Cent Field begannen die letzten Vorbereitungen. Das große Ereignis stand unmittelbar bevor. Gleich nach der Entdeckung von Robert von Scherenberg waren alle verfügbaren Schiffe mit dem GehirnCommutator ausgerüstet worden. Eylers war am Vorabend persönlich ins Brana-Tal gereist und hatte dort lange mit den Wissenschaftlern Ezbal und Simmons konferiert. Natürlich hatte es durch den Schirm, der das Tal immer noch fest umschloß, sehr lange gedauert, bis alle Fragen des GSO-Chefs zu dessen Zufriedenheit beantwortet waren. Nun stand Bernd Eylers wieder im Kommandostand der STURMWIND. Anders
als beim erstenmal, war er um einige entscheidende Erkenntnisse reicher. Neben ihm überwachten Männer aus den Laboratorien Monty Bells alle Abläufe. Sie hatten schon die ganze Zeit über zur Verfügung gestanden, und hätten schon beim ersten Test des Gehirn-Commutators sagen können, daß ein wesentliches Teil fehlte. Nur war niemand auf die Idee gekommen, sie zu fragen! »Wir sind soweit! Lassen Sie die STURMWIND starten, Eylers.« Der Physiker machte eine Handbewegung in Richtung Bernd Eylers. Langsam kam Leben in die STURMWIND. Von Prallfeldern getragen, stieg das Schiff majestätisch in die Höhe. Nach Erreichen der achtzig Metermarke schwenkte der ehemalige Giantraumer in den Horizontalflug. Immer näher kam sie an ihr Zielgebiet heran. Bernd Eylers hatte darauf bestanden, wie beim ersten Test, die Elektronikfabrik als Ziel zu nehmen. In der Fabrik hatte man alles unter Kontrolle. Sollte wirklich irgend etwas schieflaufen, und die Bestrahlung durch C-E nicht anschlagen, dann war man hier am besten darauf vorbereitet. Von Ezbal hatte man erfahren, daß nach dem Aussenden der Commutatorstrahlen noch weitere sieben bis acht Minuten vergehen konnten, bis eine Wirkung feststellbar war. »Schalten Sie ein, von Scherenberg! Schalten Sie das verdammte Ding endlich ein!« gab ein optimistischer Bernd Eylers den Befehl an den Finder des Zusatzteils. Von Scherenberg, der neben dem Commutator am Vipho stand, ließ sich nicht weiter bitten. Er fuhr sanft über die Sensoren des Hypersenders, und betätigte dann den Schalter. Das feine Singen der Antenne war sogar über Vipho in der Zentrale der STURMWIND zu hören. Aber nur Robert von Scherenberg sah, wie der Kristall über dem Zentrum des Abstrahlpols der Antenne zu glühen begann. Der GehirnCommutator hatte begonnen, das Zielgebiet zu bestrahlen.
* * *
In den folgenden zehn Tagen besserte sich die Situation auf Terra sehr schnell. Zwar mußten Eylers’ Leute immer noch gegen Infizierte kämpfen, aber man stellte schnell fest, daß es sich um vereinzelte Männer und Frauen handelte, die aus welchen Gründen auch immer nicht bestrahlt worden waren. Trawisheims Festung im Regierungsviertel fiel am 15. Oktober 2061. In den Morgenstunden dieses Tages gab Bernd Eylers den Befehl zum Sturmangriff auf das Hauptquartier des Cyborgs. Vorausgegangen war eine zusätzliche Bestrahlung durch die STURMWIND. Schon als die Türen von Trawisheims Stützpunkt gesprengt wurden und mit Paralysatoren Bewaffnete in die Gänge des Gebäudes stürmten, gab es so gut wie keinen Widerstand mehr. Nach Abschluß der Aktion stellte man fest, daß es nur noch neunzehn Infizierte in dem Gebäude gegeben hatte. Sie hatten sich in den Kellerräumen verschanzt und mußten einzeln aus ihren Verstecken geholt werden. Männer der 72. Sturmdivision, die sich nach dem Tode ihres Kommandeurs dem Befehl des GSOChefs unterstellt hatten, stürmten einen Lagerraum, in dem sich die letzten Infizierten aus Trawisheims Truppen versteckt hatten. Dabei liefen sie in das tödliche Blasterfeuer der Verteidiger. Oberst Kolimas Truppen waren die ersten Soldaten, die in den Kampf um Terra eingegriffen hatten. Die Männer der 72. Sturmdivision beendeten diesen Kampf auch. Henner Trawisheim, Cyborg auf geistiger Ebene, wurde neben der zerfetzten Leiche seiner Sekretärin Elina Sachs gefunden. Sein Zustand war mehr als kritisch. Niemand hatte eine Erklärung dafür, warum Trawisheim nicht wie die anderen Cyborgs vom Mensiten getötet worden war. Es sollte Ezbals und Simmons’ Aufgabe werden, dies herauszufinden.
Bernd Eylers ließ die beiden Soldaten, die Trawisheim gefunden hatten, am Abend des 20. Oktober zu sich kommen. Ihnen wurde ein Schreiben vorgelegt, in dem sie sich verpflichteten, von der Leiche der Sekretärin nichts verlauten zu lassen. Offiziell galt die Frau als verschollen. Am 21. Oktober 2061 befand sich kein Infizierter mehr auf dem Planeten. Die Commutator-Flotte, wie die mit C-E ausgerüsteten Schiffe im Volksmund genannt wurden, startete ein letztes mal und bestrahlte den Planeten erneut, um auch die letzten Mensitenbruchstücke abzutöten. Der Kampf gegen den Mensiten war gewonnen. Auch wenn man die letzten Geheimnisse dieses Lebewesens noch nicht entschlüsselt hatte, auf Terra konnte es keinen Schaden mehr anrichten. *** »Wie fühlen Sie sich, Henner?« fragte Bernd Eylers als er das Zimmer im Sam-Dhark-Krankenhaus betrat. Der Cyborg sah schlecht aus. Dunkle Ringe unter den Augen zeigten, daß der Mann nicht viel Schlaf bekommen hatte. Eylers hatte lange mit sich gerungen und vor dem Besuch Angst gehabt. Ihm war noch immer nicht wohl bei der Vorstellung, daß es immer noch Cyborgs gab, aber er hatte seine Bedenken zurückgestellt. Wahrscheinlich hatte Manu Tschobe recht, die Menschheit brauchte Trawisheim. »Danke, Eylers. Es geht schon wieder. Wenn nur diese Gedächtnislücken nicht wären!« Trawisheims Stimme hatte schwach und leise geklungen, versetzte dem GSO-Chef trotzdem Schläge. Nein, Bernd Eylers mißtraute dem Cyborg immer noch. Er konnte nicht glauben, daß Henner Trawisheim alles vergessen hatte. Nach außen versuchte Eylers ruhig zu bleiben. Er trat nahe an das Bett Henners heran. »Das wird schon wieder. In ein paar Tagen sind Sie wieder ganz der alte.«
In Gedanken fügte Bernd Eylers hinzu. Hoffentlich nicht! Er legte dem Cyborg ein paar Folien auf das Bett. »Bitte sehen Sie sich diese Unterlagen bei nächster Gelegenheit an. Wir warten dann auf Ihre Kommentare.« Bernd Eylers schaute aus dem Panoramafenster des Krankenhauses. Die Quarantäne war aufgehoben. Der Nogkschirm erloschen. Eben landete ein riesiger Frachter auf Cent Field. Eylers hätte gern gewußt, wie die letzten Monate auf diesem Schiff gewesen waren. Er vermutete, ruhig und friedlich. »Eylers, welches Datum schreiben wir heute?« Bernd Eylers drehte sich um und sah den Cyborg verwundert an. »Den 23. Oktober, warum wollen Sie das wissen, Henner?« Er sah in zwei entsetzte Augen. Stumm reichte ihm Henner Trawisheim die Folie hin. Eylers erkannte, daß es eines der üblichen Meldeformulare für Überwachungsstationen war. Funkstation Pluto, 17. August 2061 Die oben namentlich genannte Station hat folgenden Funkspruch empfangen. TEXT: Vario an Bord der GALAXIS II.
Keine Möglichkeit, dem Kampfstoff zu entkommen.
Gezeichnet DHARK.
- Ende
Nachdem sich die Lage auf Terra geklärt zu haben scheint, stellt sich die Situation um Ren Dhark und seine Begleiter um so dramatischer dar. Doch bevor wir auf die Geschehnisse an Bord der GALAXIS II eingehen, blenden wir noch einmal zurück zur Hauptwelt der Tels und zu den Ereignissen, die unmittelbar nach dem Abflug Ren Dharks ihren Anfang nahmen, denn die terranischen Helfer werden in die
Verschwörung auf Cromar verwickelt...