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Leonard Carpenter
DER ANGREIFER
42. Roman des Conan-Zyklus
A LEONARD CARPENTER
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H
Leonard Carpenter
DER ANGREIFER
42. Roman des Conan-Zyklus
A LEONARD CARPENTER
DER ANGREIFER
42. Band der Conan-Saga
R h WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY Band 06/5143
Titel der amerikanischen Originalausgabe CONAN THE RAIDER Deutsche Übersetzung von Edda Petri Das Umschlagbild schuf Thomas Thiemeyer
Redaktion: F. Stanya Copyright © 1986 by Conan Properties, Inc. Copyright © 1994 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Germany 1994 Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Satz: Schaber, Wels Druck und Bindung: Pressedruck, Augsburg
ISBN 3-453-07790-3
A-Saga Band 42: Conan der Angreifer
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1. KAPITEL DAS GIFTMEER Die Sonne brannte vom blauen Himmel wie mit höllischen Flammen. Unter ihr erstreckte sich die Wüste des östlichen Shem: Bizarre Berge und unendlich weite, unbewohnte Sandflächen lagen wie Knochen und Staub von Giganten da. Stellenweise war die Erde weiß und hart gebacken wie der Boden eines Brennofens. Wie ein Insekt bewegte sich ein Roß mit Reiter über die heiße Platte. Die weiße Stute war schaumbedeckt und von der Hitze erschöpft. Sie trottete nur langsam dahin. Den Reiter hüllte ein langer Kaftan ein. Das Kleidungsstück war aus dicker Wolle, um die Wüstensonne davon abzuhalten, auch noch den letzten Tropfen Wasser aus der Haut des Trägers zu saugen oder aus seinem Gehirn Suppe zu kochen. Trotz des faltigen weiten Gewandes sah man, daß der Reiter ein sehr großer und kräftiger Mann war. Strahlend blaue Augen blitzten aus dem Sehschlitz hervor und suchten die Weite mit der Erfahrung eines Jägers ab. Einmal drehte er sich im Sattel um und spähte angestrengt nach hinten. Offenbar befand er sich auf der Flucht. Bei der Gewichtsverlagerung stolperte das Pferd, und der Reiter fluchte: »Crom! Ruhig! Ich habe keine Lust, in dieser teuflischen Wüste zu Fuß zu gehen.« Dann klopfte er dem Tier liebevoll den Hals. »Alles in Ordnung, altes Mädchen. Lauf ganz ruhig weiter. Wenn unsere Verfolger auch nur ein Fünkchen Verstand haben, halten sie uns längst für tot. Jetzt mußt du nur noch die schwerbeladene Mähre von Juvius einholen, dann bekommen wir das Juwel zurück.« Der goldene Ring mit dem großen blauen Saphir, dem Stern von Khorala, strahlte vor ihm in der flimmernden Hitze. Er schüttelte unwillig den Kopf, um die Vision zu verscheuchen, da er wußte, daß es nur eine trügerische und gefährliche Halluzination war. Dann heftete er die Augen wieder auf den in der Hitze tanzenden Horizont. »Bei allen Plagen Sets, kannst du mir sagen, wohin uns dieser Schurke Juvius führt?« Im tiefsten Innern kannte Conan der Cimmerier die Antwort, und sie stimmte ihn keineswegs froh. Es lag bereits über zwei Tage zurück, daß die schwachen Hufspuren, denen er folgte, sich von den Knochen getrennt hatten, welche die Karawanenstraße markierte. Die Berge, die am Horizont
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standen, mochten Tage oder Wochen entfernt sein. Für einen einzelnen, schlecht ausgerüsteten Reiter schimmerten sie unendlich weit weg. Es gab auch keine Erhöhung, von der aus er das Gelände erkunden konnte. Nirgends gab es Schatten, wo er die müden, geblendeten Augen hätte ausruhen können. Conan wußte, daß Juvius ihn nur in den sicheren Tod führen konnte. Eigentlich war das auch keine Überraschung. Bereits in dem Wüstenposten Uwadra hatte sich der Schurke heimtückisch und schleimig die Bekanntschaft des Cimmeriers erschlichen. Mit dem schweren Melonenwein der Gegend hatte er ihn betrunken gemacht, den kostbaren Ring gestohlen und wertlosen Tand ins Gepäck geschmuggelt. Teuflisch geschickt hatte er damit Conan der Willkür der Soldaten des Wesirs ausgeliefert, die ihn wegen eines Diebstahls zur Rechenschaft zogen, der so lächerlich war, daß ihn Conan niemals begangen hätte. Allerdings hatte er bei dem Schurken Juvius, der für einen kleinen Dieb in einer Grenzstadt zugegebenermaßen äußerst geschickt vorgegangen war, keine Spur von Tapferkeit oder Kampfgeist festgestellt. Der Mann war ein Stadtgauner und in der feindlichen Wüste völlig fehl am Platz. Als er gesehen hatte, wie dieser Conan auf einem gestohlenen Pferd aus der Garnison geflohen war und wie Mordlust in den blauen Augen blitzte, war er in Panik geraten und wie ein Idiot in blinder Flucht in die weglose Wüste geritten. Der Cimmerier hatte die wütenden Wachen des Wesirs auf den Fersen, aber keinen Augenblick gezögert, Juvius in die Wüste nachzureiten, um seinen Stern von Khorala wiederzubekommen. Jetzt irrte der Kerl planlos durch die brennende Hölle, wie Conan aus den Zickzackspuren der Hufe ablesen konnte. »Wenn die Wüste ihn nicht umbringt, werde ich das mit Freude besorgen«, sagte der Cimmerier laut. »Der Schuft verdient, daß er bei lebendigem Leib gebraten wird, weil er mir etwas gestohlen hat.« Danach ritt er schweigend weiter und dachte über die schwierigen Besitzverhältnisse des Sterns von Khorala nach. Schließlich erklärte Conan der Stute: »Und überhaupt habe ich - und nicht Juvius - dem betrügerischen Prinzen den Ring vom Finger gezogen.« Dann änderte sich das Gelände. In dem von der Hitze gebackenen Wüstenboden traten Spalten auf, in denen ein Pferd leicht mit dem Bein hängenbleiben konnte. An anderen Stellen erhoben sich gefährliche Salzgebilde, die wie glitzernde Raubtierfänge aus Kristall aussahen. Ihre Basen
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schimmerten bläulich wie Gewebe, das nach einem Wundbrand abgestorben ist. Conan zügelte die Stute zu langsamer Gangart. »Ganz ruhig, mein Mädchen«, sagte er. »Wenn deine früheren Besitzer uns überhaupt einholen, dann hier.« Wieder spähte er nach hinten; aber er entdeckte keine Spur von Verfolgern in der Wüste. Hitzeschlieren waberten so stark, daß der Horizont ganz verschwamm. Aber die Hufspuren führten immer weiter in die Hölle hinein. Plötzlich blieb die Stute stehen und weigerte sich, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Seufzend schwang sich der Cimmerier aus dem Sattel, ergriff die Zügel und führte das Pferd vorsichtig über die tiefen Risse im Boden, die von schmutzigen Salzkristallen bedeckt waren. Conan blinzelte erstaunt. Vor ihm lag ein kleiner runder See. Wie ein Spiegel so klar, lag er unter der sengenden Sonne. Er kniete nieder und schöpfte mit der Hand etwas Wasser. Es war warm, und die Tropfen glitzerten wie Glasperlen auf der Haut. Er schob die Kapuze etwas zurück, so daß er das Wasser trinken konnte. Kaum waren die ersten Tropfen auf der Zunge, spuckte er es aus. Das Wasser brannte wie das Gift eines Skorpions. Conan nahm einen Schluck aus dem halbleeren Wasserschlauch, der hinter dem Sattel angebunden war, und spuckte ihn wieder aus, um den ekelhaften Geschmack loszuwerden. Dann führte er die Stute weiter. Überall waren Schlammlöcher. Die aufragenden Salzkristalle reichten ihm manchmal bis zum Gürtel. Conan war ziemlich sicher, daß der große blaue Spiegel weiter vorn ein See war. Es mußte hier früher auch Leben gegeben haben. Das bezeugten die Fischgräten und Entenmuscheln, die in dem Lehm unter seinen Füßen eingebettet lagen. Manche Fischköpfe waren so groß wie Menschenschädel. Mit den herausragenden Dornen glichen sie Morgensternen. Dann wendete Conan die Augen von diesen toten Zeugen ab und spähte nach vorn. Ein schwarzer Punkt! Größer und dunkler als die blassen Salzsäulen. Er beschirmte die Augen, um in der grellen Sonne klarer zu sehen. Dann ging er weiter. Allmählich nahm der Punkt die Gestalt eines kräftigen Mannes an, der auf dem Boden saß und sich am Bauch eines toten Pferdes anlehnte. Juvius war so weit geflohen, wie ihn das Pferd getragen hatte. Jetzt saß er auf einer kleinen Anhöhe, die auf drei Seiten von den Wellen des trügerischen Salzsees umspült wurde. Dieser erstreckte sich weithin. Sein Ufer verschwamm in der Ferne als wabernde Fata Morgana. Conan
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schätzte, daß ihm das Wasser nur bis zur Hüfte reichte. Der Schurke Juvius saß auf Muscheln am Rand des toten Meers und blickte seinem Verfolger entgegen. Er wartete mit bloßem Haupt zwischen den Beinen seines toten Pferds. Er saß so still da, daß Conan nicht sicher war, ob er überhaupt noch lebte. Doch dann hob Juvius die Hand und hielt sie über den kahlen roten Schädel, um den Cimmerier besser zu sehen. Jetzt erst war Conan überzeugt, daß er kein Trugbild vor sich hatte, das die Sonne oder die Wüstendämonen ihm vorgaukelten. Der Cimmerier verzog vor Wut die Lippen. Trotzdem war er von dem bizarren Anblick des gestrandeten Diebs beeindruckt. Juvius saß wie ein Häuflein Elend gegen das tote Pferd gelehnt, als sei es ein Thron. Der Cimmerier schüttelte den Kopf und seufzte. Es fiel ihm schwer, diesem armen Narren böse zu sein. Conan zog am Zügel. Mit hängendem Kopf blieb die Stute stehen. Schwungvoll entledigte sich der Cimmerier des dicken Mantels. Jetzt sah man seinen prächtigen, bronzefarbenen Körper. Er trug ein weißes Seidenhemd, einen braunen Lederschurz und Sandalen. Dann band er den Wasserschlauch los und ließ etwas von dem kostbaren Naß in die hohle Hand fließen. Diese hielt er der durstigen Stute hin. Danach ging er auf den Dieb zu. Der Salzboden knirschte und knackte unter dem Gewicht des Cimmeriers. Als der Dieb noch auf Bogenschußweite entfernt war, blieb Conan stehen und rief: »He, Juvius! Hier endet offensichtlich deine Spur.« Er wartete auf Antwort; aber nichts kam. »Bist du jetzt bereit, mit mir einen Handel um den Stern von Khorala abzuschließen?« »Einen Handel? Ja.« Die Stimme klang rauh und schwach. Jetzt bewegte sich der glänzende rote Schädel. »Juvius ist immer zu einem Handel bereit, sogar mit einem blutrünstigen Barbaren!« Die krächzende Stimme klang irgendwie übergeschnappt. Conan fragte sich, ob die Hitze dem Dieb den Verstand geraubt hatte. Er ging weiter. »In Ordnung!« rief er. »Eigentlich müßte ich dich wegen deiner Schurkerei in Streifen schneiden, einsalzen und in der Sonne trocknen lassen! Aber ehrlich gesagt bin ich zu müde dazu; deshalb schlage ich dir einen Handel vor.« »Ja, ja, einen Handel!« Juvius‘ Mund bildete in dem grauen Bart eine dunkle Höhlung. »Nenn deine Bedingungen!« »Ich will nur das zurück, was du mir gestohlen hast.« Der Cimmerier kam immer näher. »Meinen Ring, den Stern von Khorala. Dafür gebe ich
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dir einen Schluck Wasser.« Er hob den Wasserschlauch hoch und schüttelte ihn. »Wasser, ja! Juwelen für Wasser! Ein angemessener Handel! Der Ring... irgendwo habe ich ihn...« Dann wurde die krächzende Stimme unverständlich. Juvius wühlte aufgeregt in den Satteltaschen. Sein kahler Kopf und das Gesicht waren tiefrot und blasenbedeckt. Die Lippen waren weiß und aufgesprungen. »Du kannst so viel Wasser trinken, wie du willst. Wenn du dann noch genügend Kraft hast, kannst du dich am Schwanz meines Pferds festhalten, wenn ich wegreite«, sagte der Cimmerier. Mehr konnte er nicht sagen; denn Juvius hatte blitzschnell eine kleine Armbrust aus dem Gepäck geholt und abgeschossen. Conan spürte, wie der Bolzen ihn an der Seite traf. Warmes Blut lief ihm über den Schenkel. Eine Wunde in der Seite; aber er lebte und hatte auch keine Schmerzen. Im nächsten Augenblick rannte er mit gezücktem Dolch los, ohne auf den Unrat am Ufer zu achten. Die Entfernung zum Feind war kürzer als die Strecke, um aus der Reichweite der Armbrust zu gelangen. »Ei, welch ein Meisterschuß! Ich habe ihn gut getroffen, und jetzt erledige ich ihn ganz!« krächzte Juvius. »Der Barbar will seinen Ring zurück! Dafür will der Trottel mir Wasser geben!« Er preßte die Armbrust gegen den fetten Bauch und spannte die Sehne. Ohne auf den Angreifer zu achten, griff er zum nächsten gefiederten Bolzen. Dann schrie er mit heiserer Stimme weiter: »Kann er nicht sehen, daß ich jede Menge Wasser habe? Einen ganzen See voll Wasser und direkt vor meiner Nase! Wozu brauche ich ihn?« Mit irrem Blick hob er die Armbrust. Der sitzende Mann war immer noch außer Reichweite des Cimmeriers. Dieser blieb stehen und schleuderte den schweren Dolch mit gesamter Kraft. Die Waffe zischte durch die Luft und bohrte sich bis zum Griff in Juvius‘ Brust. Röchelnd sank er gegen den Pferdekadaver. Die Armbrust glitt herab, der Bolzen bohrte sich zwischen Muscheln in die Erde. Juvius starb, ohne noch etwas zu sagen oder sich zu bewegen. Jetzt hatte Conan auch Zeit, die Wunde an der Seite zu untersuchen. Zum Glück hatte der Bolzen ihn nur gestreift. Aber er hatte den Wasserschlauch ebenfalls getroffen und aufgeschlitzt. Jetzt waren nur noch wenige Schlucke darin; das meiste Wasser hatte er bei dem Wettlauf mit dem Tod verloren.
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Fluchend band der Cimmerier den unteren Teil des Schlauchs ab, um wenigstens den Rest des lebenswichtigen Wassers zu behalten. Dann wendete er sich dem toten Juvius zu. Den Schurken hatte er gefährlich unterschätzt, das stand fest. Zweifellos hatte er in der sengenden Sonne den Verstand verloren. Und nur die Götter wußten, wieviel er von dem Wasser des sterbenden Sees getrunken hatte. Das hatte ihn endgültig wahnsinnig gemacht. In Juvius‘ Bart hingen weiße Salzkrusten. Ja, er hatte von dem stark salzhaltigen Wasser getrunken. Als Conan seinen Dolch aus Juvius‘ Brust zog, knirschte es unheimlich. Auf der Klinge klebten keine Blutstropfen, sondern Salzablagerungen, die bereits den blitzenden Stahl schwärzten. Jedoch die grausamste Überraschung sollte noch kommen! Der Cimmerier durchsuchte peinlich genau alle Sachen des toten Diebs; aber nirgends fand er den Ring, den Stern von Khorala. Conan drehte noch einmal alle Taschen um und schaute in jede Falte oder Ritze am Sattel und Zaumzeug. Nichts! Keuchend wälzte er den Kadaver des Pferd beiseite und suchte den Boden darunter ab. Weder dort noch unter Juvius‘ Leiche war der Ring. Nachdenklich spielte er mit dem Dolch und betrachtete den fetten Bauch des Schurken. Nein, der Ring mit dem kostbaren Stein war ein zu großer Brocken. Den hatte er nicht verschlucken können; daher war es sinnlos, ihn aufzuschlitzen. Dann musterte der Cimmerier die Umgebung. Den weißen Uferstreifen, die unzähligen Salzsäulen, die Schlammseen dahinter und an drei Seiten das Wellengekräusel des trügerischen Sees, der sich als Fata Morgana am Horizont verlor. Conan konnte das Land absuchen, falls Juvius den Ring in seinem Wahn oder aus schlauer Berechnung weggeworfen hatte. Der Stein war so groß, das er bei sorgfältigem Suchen auch in diesem teuflischen Labyrinth mit Spalten und Kristallsäulen ins Auge fiel. Aber was war mit dem Wasser? Sollte er auch den Grund des Sees absuchen? Das Wasser war glasklar, der Boden aber hellbrauner Treibsand. Conan probierte das Wasser, spuckte es jedoch sofort wieder aus, da es ebenso scheußlich schmeckte wie das im Teich. Er holte eine Kupfermünze aus dem Beutel am Gürtel und warf sie in den See. Sie versank vor seinen Augen schnell im weichen Boden. Der Cimmerier blieb noch ein paar Minuten in der brennenden Hitze stehen und fluchte, weil er in diesem Inferno gelandet war und jetzt
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ohne Reichtum und Wasser dastand. Dann erfaßte er aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung. Offenbar war der See doch nicht ganz tot. Ein Ungeheuer mit aufgerissenem Maul und Stacheln am Schwanz strich flügelschlagend über die Wasseroberfläche dahin, wie ein flacher Stein, der immer wieder aufschlägt, ehe er versinkt. Jetzt tauchte auch dieser fliegende Fisch oder Rochen wieder unter. Ölige Kreise markierten die Stelle, wo er verschwunden war. Conan schickte eine letzte vergebliche Verwünschung zu Crom hinauf, dann machte er kehrt und ging.
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2. KAPITEL DIE SCHÄNDER DER TOTEN Unbarmherzig peitschte der Wüstenwind die Erde, gleich einem Kutscher, der die müden Gäule heimjagt. Bei der Einmündung zweier Schluchten hatte der vom Wind mitgeführte Sand das kahle Urgestein zu einer Galerie hoher bizarrer Türmchen und Minarette gemeißelt. Wenn ein Windstoß hindurchpfiff, rauschte es, als wollten sie Warnschreie ausstoßen. Zwischen zwei Türmchen schob sich der breite Kopf eines Reptils. Dann folgte der dicke Körper, fett wie eine Mastgans. Er schimmerte unter dem Alkalistaub in allen Farben des Regenbogens. Langsam glitt die Echse auf den Felsen zum sandigen Boden der Schlucht, wo einige dürre Skelette von Büschen standen. Halbtot vor Durst schleppte der Cimmerier sich zu dem Spalt, den die Echse soeben verlassen hatte. Sein Mund war ausgetrocknet. Er trug die zerfetzten Überreste seines Kaftans, den er in Kniehöhe abgeschnitten hatte, um leichter marschieren zu können. Von der Schulter hing der geschrumpfte leere Wasserschlauch. Das letzte Mal hatte er den Durst mit dem Blut seiner toten Stute gestillt. Jetzt beäugte er gierig die Felsenechse. Ohne die ihm sonst eigene Vorsicht kletterte der Cimmerier dem Tier nach. Mit einem Riesensatz warf er sich auf die Echse und rollte mit ihr gegen einen Busch, dessen kahle Äste scharf wie Speerspitzen waren. Conan stieß einen Schrei aus, ließ das Schuppentier aber nicht los. Dann schaute er sich die Beute näher an. Er hatte nur den immer noch wild um sich schlagenden Schwanz des Reptils in Händen. Verstört sah er, wie das restliche Tier zwischen Felsbrocken verschwand. Ganz schwindlig vor Durst untersuchte er den Schwanz näher. Er war trocken und von Hornschuppen bedeckt. Trotzdem preßte er den ekligen Stumpf an die Lippen, um die wenige Feuchtigkeit herauszusaugen. »Stammt das von einem Menschen?« ertönte eine tiefe spöttische Stimme. Nur wenige Schritte weiter saß ein Mann auf einem Kamel. Er hatte in der Unterhöhlung der Schlucht angehalten. »Oder ist es ein Sand-Troglodyt, ein Dämon der Einöde?« Der Reiter war untersetzt, blond und hellhäutig. Er stammte eindeutig aus dem Norden, obwohl er mit dem weichen Akzent Shems sprach. »Ja, Otsgar, anscheinend stimmt es, was ich gehört habe.« Ein zweiter, kleinerer Kamelreiter ritt herbei. »Man sagt, daß wilde Affen manchmal die
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Kleidung von Menschen stehlen und sie anziehen, wenn ihnen aus Nahrungsmangel das Fell ausgeht.« »Wasser!« krächzte Conan. Das Wort war kurz, aber wie ein Befehl ausgestoßen worden. Mühsam kam der Cimmerier wieder auf die Beine. Schwankend ging er auf den Mann zu, den dessen Gefährte Otsgar genannt hatte, und hob die Hand zum Wasserschlauch hinter dem Sattel hinauf. »Warte, nicht so hastig!« rief Otsgar und zog am Zügel, daß das Wüstenschiff einige Schritte zurückging. »Wasser ist in dieser Gegend sehr selten, wie dir vielleicht schon aufgefallen ist.« Er blickte mit gespielter Strenge auf den Cimmerier hinunter. »Wir sind Kaufleute und geben unsere Waren nicht umsonst her. Was kannst du uns als Preis anbieten?« Jetzt kamen noch weitere Reiter. Über ein Dutzend Kamele war versammelt. Einige warteten geduldig wiederkäuend, andere knabberten an den Dornenbüschen. Die meisten Reiter waren Shemiten mit lockigem Haar und jünger als der Blonde und Otsgar, der einen Spitzbart trug. Mehrere grinsten über Conans abgerissene Kleidung und die Abfuhr, die Otsgar ihm soeben erteilt hatte. Einige machten in ihrem jugendlichen Bemühen, hart und gefährlich zu wirken, möglichst grimmige Gesichter. »Du scheinst mir kein reicher Mann zu sein«, fuhr der Anführer fort. »Vielleicht kannst du für einen großzügigen Schluck mit einer Information bezahlen und uns ehrlichen Kaufleuten erklären, wie wir von hier wegkommen. Wir haben uns nämlich verlaufen.« Otsgar klatschte gegen den prallen Wasserschlauch, so daß man das Gluckern hörte. »Bist du auf deinen Wanderungen auf antike Ruinen oder Grabhügel gestoßen? Derartige Monumente könnten für uns... nützliche Markierungen sein.« Conan trat einen Schritt vorwärts. Der Mann aus dem Norden trieb sein Kamel weiter nach hinten, zwischen die anderen Tiere, welche empört schnaubten und die Zähne zeigten. Jetzt blickte er tatsächlich finster auf den Cimmerier und legte eine Hand an den Griff des Krummschwerts an seiner Seite. Seine Gefährten taten es ihm nach und rasselten ebenfalls mit den Waffen. Conan suchte unter dem zerfetzten Kaftan nach dem Dolch, fand ihn aber nicht. Dann schaute er über die Schulter und sah die Waffe neben dem abgetrennten Echsenschwanz im Sand liegen. »Wartet, ich kenne den Mann!« rief einer der Shemiten. Er stieg vom Kamel und nahm den Stöpsel aus seinem Wasserschlauch. »Hier, alter Freund, trink, Conan aus Cimmerien!« Dabei hielt er Conan
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den prallen Schlauch hin. Der Cimmerier beäugte ihn mißtrauisch. »Das ist eine angemessene Bezahlung dafür, daß du mir das Leben gerettet hast beziehungsweise meine rechte Hand vor dem Beil des Diebefängers in Arenjun.« Er hielt dem Durstigen den Schlauch an die Lippen und preßte kleine Schlucke heraus. Der Barbar fiel auf ein Knie und verkrallte sich in den Mantel aus Schaffell des Shemiten. Er schluckte gierig. »Isaiab, was fällt dir ein?« fuhr Otsgar wütend seinen Gefolgsmann an. »Ich wollte ihm noch ein paar dringende Fragen stellen.« »Das ist jetzt unwichtig. Außerdem hätte er sie dir sowieso nicht beantwortet. Diese Cimmerier sind stur bis in den Tod. Beinahe so stur wie ihr Männer aus Vanir«, fügte der Shemite noch schnell hinzu. Dann zog er den Wasserschlauch außer Reichweite des Cimmeriers. »Das reicht fürs erste. Laß es einsickern«, sagte er freundlich. »Später kannst du noch mehr haben.« »Laß ihm den Wasserschlauch da, und wir reiten weiter«, meinte Otsgar ungeduldig. »Wir sollten weiter im Osten suchen.« Isaiab schaute seinen Anführer an. »Damit würde ich meinem Freund keinen Gefallen in dieser brütend heißen Wildnis erweisen, Otsgar. Das bißchen Wasser würde seinen Tod nur hinauszögern. Ich finde, wir sollten ihn mitnehmen. Conan ist ein nützlicher Bundesgenosse.« Er klopfte dem Barbaren auf die Schulter. Conan stand nach den wenigen Schlucken bereits viel aufrechter. »Ja, nehmen wir ihn mit, Otsgar.« Die Gestalt im Umhang mit Kapuze saß dicht hinter dem Mann aus dem Norden. »So ein stattlicher, kräftiger Kerl könnte sehr nützlich sein... beim Schleppen und Hochziehen.« Eine zarte Hand schob die Kapuze zurück. Jetzt sah man das Gesicht einer schönen Frau mit rabenschwarzem Haar und olivenfarbener Haut. Das Gesicht des Anführers verfinsterte sich noch mehr, doch dann zuckte er mit den Schultern und lächelte auf die beiden Männer hinab. Ein Goldzahn blitzte in dem breiten bärtigen Gesicht auf. »Na schön, einen guten Mann können wir immer gebrauchen. Conan, ich heiße dich in unserer Gruppe willkommen.« »Danke, Isaiab«, krächzte der Cimmerier. »Ich habe dich auf die Entfernung nicht erkannt.« Dann legte Conan dem Shemiten die Hand auf die Schulter. Das geschah einesteils aus Freundschaft, anderenteils um sich zu stützen. Dann blickte er ausdruckslos zu Otsgar und den anderen Reitern
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auf. »Ich will deine Frage beantworten, Vanir: Nein, ich habe weder Ruinen noch Grabhügel in dieser Gegend gesehen.« Er ließ Isaiab los und ging weg, um seinen Dolch zu holen. Jetzt machte die Gruppe richtig Rast. Die Kamele falteten die Beine, um die Reiter absteigen zu lassen. Isaiab bot Conan noch mehr Wasser an und später süße Datteln, damit er wieder zu Kräften kam. Der Shemite fragte den Cimmerier, wie er zu Fuß so tief in die Wüste gekommen sei. Conan berichtete ihm leise und stockend von dem Diebstahl des Sterns von Khorala und der anschließenden Verfolgung. Er wollte nicht, daß die anderen von dieser peinlichen Geschichte etwas mitbekamen. Isaiab hörte ihn mit ernstem Gesicht an und bedauerte den Freund wegen dieses schweren Verlusts. Nachdem Conan eine Zeitlang geschlafen hatte, gab man ihm ein kastanienbraunes Kamel mit einem provisorischen Sattel. Otsgar behandelte den Cimmerier jetzt freundschaftlich und hatte befohlen, daß dieses Tier von den Lastkamelen genommen wurde, die der Reiterschar unter der Aufsicht eines ältlichen einäugigen Zuagir folgten. Conan war so erschöpft und entkräftet, daß er über jede Hilfe froh und dankbar war, ganz gleich, von wem. Dennoch machte er sich seine Gedanken, warum diese Reiter sich so weit in die Wüste vorgewagt hatten. Sie hatte einige unbeladene Kamele dabei. Andere trugen Proviant, Wasser, Feuerholz und Ledersäcke, in denen möglicherweise Waffen klirrten. Irgendwie war es ein bunt zusammengewürfelter Haufen: meist junge, unerfahrene Männer. Nur Otsgar, Isaiab und zwei andere vermittelten den Eindruck alter Haudegen. Alle sahen aber nicht wie die Kaufleute aus, die Conan bisher als Karawane getroffen hatte. Die Frau, dem Aussehen nach offenbar eine Stygierin, gab ihm Rätsel auf. Anmutig saß sie im Schatten ihres Kamels und bewahrte sich die zarte Tönung ihrer Haut. Dabei kämmte sie sich hingebungsvoll das lange schwarze Haar. Sie sah nicht so aus, als ließe sie sich schnell mit gewöhnlichen Strauchdieben ein. In Conans Kopf formte sich ein ganz bestimmter Verdacht; aber er behielt diese Gedanken für sich. Es wurde überhaupt fast nicht gesprochen, bis Otsgar befahl, wieder aufzusteigen. Conan schaffte es unter den kritischen Blicken der anderen, ohne fremde Hilfe den Sattel auf dem knienden Kamel zu besteigen. Er gewann seine alte Kraft schnell wieder. Dann trieb er das störrische Biest hinter Isaiab
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und folgte ihm in die weiter werdende Schlucht. Kaum hatten die Reiter die offene Wüste erreicht, schwärmten sie fächerförmig aus. Offenbar war dies früher schon so geplant gewesen. Die Frau blieb bei Otsgar, die jüngeren Reiter ritten an die Flanken. Jeder Mann hielt so viel Abstand, daß der Nachbar ihn gerade noch sehen konnte. Isaiab bedeutete Conan, in seiner Nähe zu bleiben. Die beiden Männer nahmen die Position im Zentrum der Abteilung ein. »Eine gute Art, die Wüste zu erforschen«, meinte Conan, als die anderen außer Hörweite waren. Er ritt mit seinem Kamel auf die Höhe seines Retters, aber nicht so nahe, daß sich die Tiere hätten in die Ohren beißen können. »Ja, aber heute haben wir keine gute Fernsicht. Wind ist aufgekommen und treibt die halbe Wüste zum Himmel hinauf.« Isaiab zog das gestreifte Tuch weiter vors Gesicht. Die Hitze setzte allen bereits mächtig zu. Der Horizont verschwamm in grauem Dunst. Conan wußte, daß dieser Wind aus einem Menschen die Feuchtigkeit schneller als die grelle Sonne heraussaugen konnte. Außerdem bearbeitete er die Menschen ebenso hart wie das Urgestein aus Granit. »Jaja, die Suche ist heute recht schwierig.« Er hielt sich dicht neben dem Shemiten. »Aber wonach sucht ihr eigentlich? Eine Karawane? Wen wollt ihr ausrauben, Isaiab?« »Niemanden, der sich darüber beschweren könnte«, lautete Isaiabs rätselhafte Antwort. »Wir nehmen nur denen etwas, welche über die Maßen habgierig waren und ihren Reichtum noch nach dem Tode horten, obwohl sie keinerlei irdische Bedürfnisse mehr haben.« . »So etwas habe ich mir schon gedacht. Ihr seid also Grabräuber.« Conan lief es trotz der Hitze kalt über den Rücken. »Das klingt wenig heldenhaft. Nenn uns statt dessen einen Stoßtrupp. Tollkühne Wüstenreiter.« Isaiab warf dem Cimmerier einen neugierigen Blick zu. Conan ritt so, daß er einen Teil des Winds abwehrte. »Aber warum jammerst du denn, du Meisterdieb? Bist du nicht unter lebendigen Menschen größere Risiken eingegangen als ich unter Toten?« »Ein normales Risiko scheue ich nie. Das weißt du genau«, erklärte Conan und schüttelte den Kopf. Dann runzelte er die Stirn. »Aber Grabschändung ... Ich kann die Feigheit und den Gestank dabei nicht ausstehen. Gräber öffnen und zwischen den verrotteten Gebeinen den Sand nach Schätzen durchsuchen! Pfui! Außerdem kann ich Geister und Zauber nicht ausste-
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hen, und davon weisen alle alten Gräber ein gerütteltes Maß auf.« Nachdenklich strich sich der Shemite durch den gekräuselten Bart. »Wenn ich mich recht entsinne, hast du mir mal eine Geschichte erzählt - zweifellos in einem Bordell oder einer verrufenen Schenke. In der Geschichte störte ein junger Barbar aus dem hohen Norden die Grabruhe eines längst verstorbenen Königs und stahl ein hervorragendes Schwert aus den Armen eines Skeletts, das die Waffe nicht hergeben wollte.« »Ja, stimmt«, gab Conan zu. »Aber das geschah aus Verzweiflung! Ich war nackt im Schnee, und Wölfe jagten mich! Mir blieb keine andere Wahl, als in das Grab einzudringen.« »Und ist unsere Situation jetzt so anders?« Conan redete jedoch weiter, ohne auf Isaiabs Bemerkung einzugehen. »Eure Methode ist doch hirnrissig! Hier in dieser einsamen Wüste nach Gräbern suchen! Wie wollt ihr eins finden?« Der Cimmerier zeigte auf die Umgebung, welche jetzt nicht mehr aus in der Sonne gebackenem Lehm, sondern aus Sand bestand, welchen der Wind vor sich hertrieb. »Wie kommt ihr überhaupt auf die Idee, daß in dieser trostlosen Einöde je Menschen gelebt haben?« »Da hast du die früheren Bewohner... Schau!« Isaiab deutete auf einen flachen runden Stein, der im harten Lehm vor ihnen eingebettet war. »Zweifellos ist das der Grundstein einer Getreidemühle oder Weinpresse, wie wir sie heute noch im Hochland von Shem verwenden. Das sieht man an dem Loch in der Mitte.« Er machte eine schwungvolle Armbewegung. »Es gab einmal eine Zeit, als dies alles fruchtbares Land war, das sich von den Hängen der Berge dort drüben bis an die Gestade eines stillen Meeres erstreckte.« Conan folgte der Handbewegung des Freundes. Einen Augenblick lang sah er die grünen Wiesen auf Sand und Alkaliböden. Weiße Schäfchenwolken trieben am blauen Himmel dahin. Seine Phantasie gaukelte ihm eine Hafenstadt vor, mit Kuppeln und Türmen... Aber dann schüttelte er den Kopf, um den Spuk zu verjagen. »Crom!« stieß er finster aus. »Und nun zu der Methode, wie wir die Gräber der Reichen finden«, fuhr Isaiab fort. »Du hast völlig recht. Es wäre dumm, wahllos danach zu suchen. Aber Otsgar hat scharfe Ohren.« Er grinste und blinzelte Conan zu. »In Shem gehört ihm eine Schenke, eine bekannte Karawanserei. Da sitzt er sozusagen an der Quelle. Er hat Freunde unter den Wüstenreitern, dadurch
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hört er natürlich von allen neuen Entdeckungen, welche diese machen. Außerdem hat er gute Beziehungen zu Adligen und Kaufleuten. Daher kann er für alle Schätze, die wir vielleicht finden, die besten Preise aushandeln.« »Mit diesem Wissen hat er in der Vergangenheit einen guten Profit erzielt - und ich auch, wenn ich ihm geholfen habe, einige reiche Minen auszunehmen.« Der Shemite lächelte. »Es waren so viele, daß es in letzter Zeit fast unmöglich geworden ist, unzerstörte Gräber oder Heiligtümer zu finden. Dabei handelt es sich natürlich nur um alte heidnische Begräbnisstätten, welche nicht von unseren für die Religion zuständigen Autoritäten geschützt sind. Vor einigen Tagen hat Otsgar eine neue Expedition ausgerüstet; aber sehr viel großartiger als alle früheren. Und das, weil ein alter Juwelenjäger an der Schwelle des Todes bei den Zuagir, die ihn auffanden, eine Menge dummes Zeug geschwätzt hat. Kurz vor dem Sterben hat er geflüstert, er habe die Ecke eines uralten Monuments gesehen, das der Sand erst kürzlich freigegeben habe. Es soll sich dabei um das Grab eines Königs handeln, von dessen Existenz bis heute niemand eine Ahnung hatte. Der Alte schwärmte von einem Eckstein, der in Gestalt eines Dämonen mit dem Maul eines Reptils geschnitten war. Dieses Gerücht drang nach Shem und kam auch Otsgar zu Ohren. Mein Herr und Gebieter hat sehr viel bezahlt, um die genaue Örtlichkeit zu erfahren.« Isaiab betrachtete mit düsterer Miene die grenzenlose Wüste. »Aber jetzt frage ich mich, ob dabei je ein Körnchen Wahrheit war. Vielleicht haben die Sanddünen das Grab inzwischen wieder verschlungen.« Conan murrte unwillig. »Und diese Kerle nennst du erfolgreiche Grabräuber?« »Allerdings. Dazu gehören Otsgar, ich, Philo der Kothier und der alte Kameltreiber Elohar. Der Rest sind harte junge Burschen aus Abaddrah. In den shemitischen Städten sehnen sich alle Nichtstuer und Schläger nach einem derartigen Abenteuer. Wir können sie gut gebrauchen. Bei unserem Geschäft braucht man viele... Muskeln.« »Und was ist mit der Frau?« Conan verengte die Augen, weil ihn der Wind direkt von vorn traf. »Ach, Zafriti!« Isaiab lachte. »Otsgar hätte sie gern zu Hause gelassen; aber er traut ihr nicht, wenn er so lange weg ist. Und aus irgendeinem Grund wollte sie unbedingt mitkommen. Sie ist eine Stygierin und setzt
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ihren Kopf durch. Sie tanzt in Otsgars Karawanserei, wenn sie Lust hat.« Isaiab musterte den Cimmerier scharf. »Sie ist Otsgar mit keinerlei Eid verpflichtet und steht ihm auch nicht mehr überaus nahe.« Conan schüttelte überrascht den Kopf. »Und mit diesem bunten Haufen wollt ihr die alten Gräber ausbuddeln? Hast du überhaupt eine Ahnung, welches Risiko damit verbunden ist?« Isaiab winkte ab. »Conan, ein für allemal, laß deine Zweifel sausen! Im Lauf der Jahre haben wir die Tricks gelernt.« Er zwinkerte dem Cimmerier zu. »Die Dinge erledigen sich alle irgendwie von selbst. Du wirst es ja sehen.« Im stärker werdenden Wind wurde die Verständigung schwieriger, daher verfielen die Reiter in Schweigen. Conan ließ sein Kamel hinter Isaiabs zurückfallen. Gleichmäßig trotteten sie über den Wüstenboden dahin. Plötzlich riß Isaiabs Ruf den Cimmerier aus dem Dahindämmern. »Wir müssen nach Süden reiten!« Der Shemite hatte sein Kamel gezügelt und zeigte in die neue Richtung. »Philo hat angehalten. Schaut, er winkt uns mit dem Banner. Und da kommt Otsgar über die Dünen gestürmt... Sie haben etwas entdeckt!«
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3. KAPITEL DIE MASTABA Die Kamelreitertruppe sammelte sich unterhalb einer hohen Düne. Conan blinzelte, weil ihm der beißende Wind den Sand in die Augen trieb. Dann sah er etwas Dunkles an einer Seite der Düne. Es war ein gedrungenes rechteckiges Bauwerk aus schwarzem Basalt: eine Mastaba aus uralter Zeit, mit der man den Eingang zum Grab für die Ewigkeit versiegelt hatte. Die schwarzen Mauern wirkten unheimlich inmitten der Sandwüste. Die Quadern waren alt und verwittert; aber man erkannte noch die kunstvoll herausgearbeiteten Skulpturen. An den drei freiliegenden Ecken ragten böse dreinschauende Dämonenköpfe in Form von Riesenkrokodilen wie Hörner hervor. Tief eingemeißelte Schlangenmuster überzogen die leicht geneigten Wände des Heiligtums, das oben in einer niedrigen Pyramide mit vier Seiten auslief. Die verschlungenen Echsenschwänze der Dämonenwächter bildeten die Spitze. Die Reiter suchten so schnell wie möglich den Windschatten der halb im Sand vergrabenen Mauer der Mastaba auf. Die Kamele stellten die Hinterteile in den Wind und trampelten ständig hin und her, um nicht im Sand zu versinken. Auf Otsgars Befehl hin ritten mehrere Männer auf die Düne hinauf und gaben den anderen ausgeschwärmten Kameraden mit ihren Tüchern das Zeichen heranzureiten. »Wir sind gerade noch rechtzeitig an diesen Ort gekommen!« rief Isaiab dem Cimmerier zu. »Der Sand verdunkelt schon die Sonne.« In der Tat färbten die von Wind getriebenen Sandmassen das Tageslicht eklig gelbbraun. Wie ein Wasserfall rauschte ständig eine Kaskade aus Sand fächerförmig über den Gipfel der Düne herab. Zum Glück kam der Wind aus einer Richtung, bei der er die Mastaba weiter freilegte, anstatt sie weiter zu begraben. »Bindet den Kamelen die Beine zusammen! Los, Beeilung! Legt euer Gepäck auf einen Haufen, damit es nicht weggeblasen wird.« Otsgar lief umher und brüllte seine Anweisungen. Zwei Männer breiteten den ledernen Zeltboden aus, während die anderen neugierig das Grabmal inspizierten, das ungefähr so groß war wie ein Haus. Als Conan abstieg, rief ihm Isaiab zu: »Bete zu El-Lil, daß dieser verfluchte Sandsturm bis abends vorbei ist. Ganz gleich, wie schlimm es wird, Otsgar wird sich nicht von der Stelle rühren.«
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»He, ich habe den Eingang gefunden!« schrie einer der jungen Männer, die die halbverschüttete Seite der Mastaba untersucht hatten. »Kommt und schaut es euch an!« Conan ging mit den anderen zu dem jungen Burschen. Unterwegs wechselte er einen Blick mit einem der schwarzen Krokodilköpfe, die der Wind halb weggefressen hatte. Dabei hatte er den Eindruck, das Monster beäuge ihn gierig und haßerfüllt. Vorsichtig kämpfte er sich weiter durch den Sand auf die Düne hinauf. Plötzlich rutschte ihm Zafriti von oben entgegen. Die Frau war hinter der Mastaba gewesen und hatte den Halt verloren. Schnell packte der Cimmerier sie um die Taille und hielt sie fest. Ihr Körper schmiegte sich einen Augenblick lang in seine Arme. Ein tiefer Blick traf ihn aus feuchten dunkelbraunen Augen unter der Kapuze. »Langsam, Mädchen!« sagte er. Dann ließ er sie los und blickte zu Otsgar, der ihn mit finsterer Miene anschaute. An der Rückwand der Mastaba bildeten die Reliefs einen kunstvollen Rahmen, der offenbar eine Tür begrenzte. Der Junge hatte den oberen Teil freigelegt. Jetzt kniete er davor und schaufelte mit beiden Händen den Sand weiter weg. Eine dunkle Nische kam zum Vorschein. »Schaut her! Da ist kein Sand. Der Weg ist frei!« Dann streifte er ohne Rücksicht auf den Wind den Umhang weiter zurück und steckte die Arme weit in die dunkle Öffnung. Stumm stand Otsgar hinter dem Jungen. Zafriti hielt sich an ihm fest und schaute fasziniert zu. Conan wollte gerade eine Warnung rufen. »Au! Au!« Der junge Shemite wich vor dem Loch zurück und starrte auf seinen nackten Arm. Ein halbes Dutzend tödlicher roter Skorpione hatte sich mit den Rückenstacheln durch seine Haut gebohrt. Schreiend schlug er mit dem Arm in den Sand, um die Biester abzuschütteln. Die Umstehenden trampelten auf den roten Teufeln herum oder stachen mit Dolchen auf sie ein. »Holt die Schaufeln!« befahl Otsgar und schüttelte ungeduldig die Hände seiner Geliebten ab. Zafriti starrte mit großen Augen entsetzt auf die Szene. »Schlagt die Biester tot und legt den Rest des Eingangs frei!« Er stand neben dem unglücklichen jungen Shemiten und sah, wie dieser mehrmals krampfhaft zuckte, dann totenbleich wurde und gleich darauf sein junges Leben aushauchte. Dann wendete Otsgar seine Aufmerksamkeit wieder den Männern zu, die mit Schaufeln die restlichen Skorpione totschlugen. Für Zafriti hatte er keinen Blick übrig. Starr vor Entsetzen schaute sie zu, wie die Männer die Leiche des Jungen forttrugen.
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Es fiel den Männern leicht, den Eingang freizulegen. Sie mußten lediglich die Schaufeln mit dem Sand hochheben, der Wind erledigte den Rest. Conan und Isaiab arbeiteten mit den Männern, die Bretter in den Sand hämmerten, damit die Düne die Grabungsstelle nicht unter sich begrub. Der Sandsturm wurde stärker. Mit beinahe übernatürlicher Gewalt hatte er schon bald eine U-förmige Kerbe hoch über der Mastaba gerissen. Jetzt zeigte sich unter den Schaufeln ein neues Hindernis: eine hohe Bronzetür, welche der Wüstensand in vielen Jahrhundert poliert hatte, bis beide Flügel glänzten. Im Gegensatz zu den Wänden trugen sie keine anderen Verzierungen als schwere Buckelbeschläge in Form von Rauten. Man sah keine Angeln, keine Griffe. Otsgar ließ sich einen Hammer bringen und schlug gegen die Tür. Der glockenähnliche tiefe Klang zeigte an, daß die Tür sehr dick und massiv aus Metall war. »Halt! Hört ihr das?« rief Isaiab. »Die Schläge hallen im Innern des Grabes nach, als führe es bis tief in die Erde.« Alle rückten und lauschten wieder auf Otsgars Schläge. Es klang wie ein riesiger Gong. Otsgar brüllte weitere Befehle. Man brachte ihm einen Ledersack mit Werkzeug. Zwei kräftige Burschen mit den Gaunergesichtern erfahrener Einbrecher holten Meißel und Hämmer heraus und knieten sich auf die nach oben hin leicht ansteigende Schwelle. Dann machten sie sich an die Arbeit und schlugen in die Ritzen. Kurz darauf schrie einer Otsgar zu: »Ich haben einen Riegel gehört. Gleich geht sie auf!« Alle scharten sich jetzt vor der Bronzetür zusammen. Sogar Zafriti hatte wieder Interesse an der Schatzsuche und kam näher; aber da stieß Otsgar sie grob zurück. Conan sah es und warf einen fragenden Blick zu Isaiab, der stumm neben ihm stand und das Grabmal betrachtete. Plötzlich ertönte ein dumpfes Donnern, dann Schreie. Der Sand bebte unter seinen Füßen. Modergeruch stieg ihm in die Nase, wurde aber sogleich vom Wind weggetragen. Die schwere Bronzetür war vornüber gekippt und hatte die beiden Einbrecher unter sich erschlagen. Dahinter gähnte Dunkelheit. Die Tür war in Wahrheit nur eine riesige Metalltafel. Conan sah, daß der Eindruck von zwei Flügeln durch eine flache Einkerbung in der Mitte bewirkt worden war; in dieser falschen Ritze befand sich offensichtlich ein geheimer Mechanismus, den die beiden mit den Stemmeisen ausgelöst
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hatten. Es war eine Falle, eine sehr massive, schwere Falle, welche jeden unglücklichen Eindringling das Leben kostete. Jetzt hörte er schwere Ketten rasseln und das Reiben eines Steins. Offenbar gab es noch einen weiteren geheimen Mechanismus im Innern des Grabmals. Vor seinen Augen zogen zwei Ketten, die an den oberen Ecken des Türrahmens angebracht waren, die Tür wieder hoch. Jetzt sah man auch die schrecklich zugerichteten Körper der beiden Männer darunter. Der Cimmerier rief Isaiab etwas zu, rannte vor und sprang mit einem riesigen Satz auf die nach oben schwebende Tür. Dann stieß er ein Stemmeisen in ein Kettenglied, kurz bevor es in einem Loch im Schlußstein verschwand. Otsgar verlor ebenfalls keine Zeit, sondern folgte dem Beispiel des Cimmeriers und rammte den Handgriff einer Zange in die Kette. Dann sprangen beide Männer wieder hinab. Das Knarzen im Innern des Grabes dauerte an, aber es klang schleppender. Dann kam ein lautes Knakken, beide Ketten rissen, die schwere Bronzetür fiel ein zweites Mal auf die Leichen herab. Dann hörte man, wie drinnen in der Mastaba die schweren steinernen Gegengewichte herabdonnerten. Die Grabräuber standen stumm da. Es hatte ihnen die Sprache verschlagen. Doch dann trat Otsgar vor und grinste, daß sein Goldzahn blitzte. »Ja, jetzt ist der Weg in der Tat weit offen.« Triumphierend zeigte er auf die Steinstufen, welche in das Grab nach unten führten, bis sie sich in der Dunkelheit verloren. Seine Gefährten stießen ein Freudengeheul aus. Ohne einen Gedanken an die toten, zerschmetterten Kameraden zu verschwenden, die unter der Tür lagen, stürzten sie wild vorwärts und klopften ihrem Anführer auf die Schultern. Auch Zafriti schob die Kapuze in den Nacken, umarmte und küßte ihren Geliebten. Immer noch tobte der Sandsturm. »Fackeln! Bringt Fackeln und Seile!« schrie Otsgar. »Dann sind wir bald aus diesem verfluchten Wind raus.« Ein junger Shemite, ein stiller Typ, der Freund des Jungen, den die Skorpione getötet hatten, rief Otsgar besorgt ins Ohr: »Herr, wäre es nicht besser, wenn wir erst das Lager fertig aufschlügen?« Er blickte zum vom Sand verdunkelten Himmel hinauf. »Wir haben schwer gearbeitet, und es wird bald Nacht.« Otsgar musterte den jungen Burschen verächtlich und deutete auf die Öffnung zum Grab. »Du Narr, da unten spielt es keine Rolle, ob Tag oder Nacht ist.« Er lachte und strich sich durch den blonden Bart. »In der Unter-
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welt herrscht immer Nacht!« Die anderen lachten. Die Ohren des jungen Manns wurden sichtbar rot. Die Männer aßen und tranken noch schnell etwas, ehe sie sich gestärkt daran machten, in das Grabmal einzudringen. Unter Isaiabs Anleitung bewaffnete sich jeder nicht mit Schwertern, sondern mit Brechstangen, Haken und Hämmern. Conans Brechstange war so lang wie sein Arm. Dazu schlang er sich noch ein aufgerolltes Seil über die Schulter. Dann zündeten mehrere Männer Fackeln an und steckten zusätzlich einige in den Gürtel. Der alte Zuagir blieb als Wächter bei den Kamelen zurück, die jetzt dichtgedrängt im Windschatten der Mastaba Zuflucht gefunden hatten. »Was für Schätze werden wir wohl finden?« fragte Zafriti wieder enthusiastisch. Sie hatte den Umhang abgelegt. In der Seidenbluse und den Pumphosen kam ihre wohlgeformte Figur sehr schön zur Geltung. Sie lief mit einem Stapel Ledersäcken herbei. »Nehmt die Säcke mit! Darin können wir die Schätze aus dem Grab wegtragen.« Verführerisch lächelnd und mit glänzenden Augen verteilte sie die Säcke an die Männer. Jetzt, ohne Kapuze, sah Conan erst richtig den schmalen Nasenrücken und die zarte Linie des Kinns, die eine klassische stygische Schönheit auszeichnen. Unter Otsgars strengem Blick stellten sich die Grabräuber in einer Reihe auf. Der von ihm vor kurzem beschämte junge Mann hielt eine brennende Fackel. Offensichtlich wollte er sich wieder die Gunst des Anführers verschaffen; denn er übernahm eifrig die Führung. Conan warf Otsgar einen fragenden Blick zu; doch der Vanir hielt den Jungen nicht zurück. Ein anderer Straßenräuber und Philo, der Mann aus dem Norden, übernahmen die zweite und dritte Position, dahinter kamen Isaiab und Conan. Ihnen schlossen sich die übrigen Shemiten an; Otsgar und Zafriti marschierten in ihrer Mitte. In der Mastaba, der beinahe ganz aus festem Gestein erbaut war, befand sich keine geräumige Grabkammer, sondern eine enge, sehr steil nach unten führende Treppe. Der Gang war hoch, jedoch so eng, daß sich ein Mann nur mühsam an einem anderen vorbeiquetschen konnte. Die Stufen waren nicht nur von Sand bedeckt, sondern auch gefährlich abgenutzt und rutschig. »Priester oder Gläubige müssen jahrhundertelang auf dieser Treppe gegangen sein«, flüsterte Conan Isaiab zu. »Vielleicht führen diese Stufen in einen großen unterirdischen Tempel.« Der Shemite drehte sich nicht um, sondern brummte nur eine undeutliche Antwort.
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Conan ging langsam und vorsichtig. Er stützte sich mit den Armen an den Wänden ab und richtete den Blick mehr auf die Stufen und Schatten als auf die Fackeln, welche vor ihm in Augenhöhe tanzten. Nachdem die Gruppe den Eingang der Krypta verlassen hatte, änderte sich bald die Struktur der Wände. Die massigen Zyklopenmauern wichen grünlichem Granit, welcher makellos behauen und glatt war. Immer noch blieb die Decke sehr hoch, wahrscheinlich wegen der Ventilation. Trotzdem roch Conan den schwachen Modergeruch. Langsam wurde das Heulen des Wüstensturms oben zu einem leisen Flüstern. Uralter Staub nahm jetzt den Platz des Sands auf den Stufen ein. Dabei blieb aber jeder Schritt auf dieser steilen Treppe gefährlich. Plötzlich rief der junge Bursche an der Spitze aufgeregt: »Die Treppe hört hier auf, und an den Wänden sind Bilder.« In der Tat betrat auch Conan bald den glatten Steinboden, der nichtsdestotrotz weiter nach unten führte. Die Wände waren weiß gekalkt und dann mit Farben bemalt worden, welche durch den Staub und den Zerfall von Jahrhunderten stellenweise deutlich zu sehen waren. Die Malereien zeigten keine erkennbaren Szenen, sondern stellten eher eine Art Schriftzeichen dar - allerdings glichen sie nicht den Runen der hyborischen Länder, sondern waren mehr eine Bilderschrift, wie sie die älteren Zivilisationen in Stygien und Khitai verwendet hatten. Die kunstvoll gezeichneten bunten Piktogramme zogen sich in horizontalen Bändern dahin. Der Cimmerier sah einige Menschen und Tiere, aber auch so stilisierte Gestalten, daß er ihre Bedeutung auf Anhieb nicht zu erkennen vermochte. Ein unheimliches Gefühl beschlich ihn jedoch, als er die Teile der Wandmalereien im flackernden Schein der Fackeln betrachtete, welche nicht herabgefallen oder dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen waren. Diese menschenähnlichen Gestalten standen auf zwei Beinen, trugen Kleidung und hatten Werkzeug und Waffen, aber sie waren alle mit grüner Haut und Krokodilmäulern abgebildet. Haltung und Beigaben waren bei allen ganz normal. Sie wiederholten sich auch ständig; aber vergeblich suchte er nach richtigen Menschen. Isaiab blickte zum Cimmerier zurück. »Die Menschen, die dieses Grab gegraben haben, müssen aus einem Sumpfgebiet stammen. Ihr heiliges Totem war das Krokodil, deshalb haben sie sich selbst auch so gemalt.« Er sprach laut genug, daß alle ihn hören konnten, aber in eher gleichgültigem
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Ton. »Vielleicht verstieß es gegen ihre heiligen Gesetze, richtige Menschen abzubilden.« Von hinten ertönte Otsgars tiefe Stimme durch den Gang. »Weitergehen! Bewegt eure Füße! Wir sind hier, um reich zu werden, nicht um bunte Bildchen anzuschauen!« Nach der Aufforderung des Vanir gingen alle schneller hinunter und schenkten den Bildbändern zu beiden Seiten keine Beachtung mehr. Nur Conans scharfen Augen entging nicht, daß an einigen Stellen größere Bilder auftauchten, offensichtlich als Illustrationen des Texts. Er sah, wie diese symbolischen Krokodilsgestalten die Erde pflügten, Städte bauten, Schiffe zu Wasser ließen und tiefe Brunnen und Grabkammern aushoben. Die seltsam zwanghafte Art dieser Darstellungen verursachte ihm Unbehagen. Dennoch schritt er furchtlos weiter. Mit jeder Faser seines Körpers empfand er Widerwillen gegen Zauberei und alles Übernatürliche; aber es schien sein Schicksal zu sein, immer wieder derartigen Dingen zu begegnen. Jetzt hatte er sich mit diesem zusammengewürfelten Haufen von Leichenfledderern zusammengetan, nun mußte er auch seine uralten Ängste bekämpfen und das Unternehmen bis zum Ende durchstehen. An der Spitze entstand plötzlich Unruhe. Eine Fackel war verschwunden, und fast gleichzeitig hörte man den schrillen Schrei des Trägers. Der hagere, hakennasige Kothier Philo drängte verängstigt an Conan vorbei nach hinten. Der Cimmerier schaute über Isaiabs Schulter, um den Grund für die Panik zu entdecken. Das Gewicht des ersten Manns hatte offensichtlich eine steinerne Falltür geöffnet, die jetzt mit lautem Krachen wieder hochschnellte. Aus der unsichtbaren Tiefe unter dem Gang hörte er wieder das vertraute Knirschen der steinernen Gegengewichte. Diesmal jedoch war es von den Schreien des Burschen begleitet, der in diese Tiefe gestürzt war. Sie wuchsen zu einem schrecklichen Crescendo an - und verstummten! Gleich darauf war auch das Knirschen vorbei. Nach dem ersten Schock verlangten die Männer weiter hinten zu wissen, was geschehen war. Allerdings schoben sie sich weiter zurück, um weiteren Bedrohungen zu entgehen. Dann hörte Conan, wie Otsgar der Panik mit harten Flüchen Einhalt zu gebieten suchte. Er drehte sich um. Otsgar hatte den feigen Philo an der Tunika gepackt und stieß ihn zurück in die Reihe. Der dritte Mann von vorn, ein junger Shemite, sprach mit Isaiab.
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»Ich habe gesehen, wie ihn die Falltür verschlungen hat. Sie war nicht sehr groß.« Der junge Bursche zuckte gespielt kaltblütig mit den Schultern; aber im Fackelschein sah man die Schweißperlen auf seiner Stirn. »Ich bin ein guter Springer und kein Feigling. Ich könnte ohne weiteres über die Falltür hinüberspringen.« Isaiab musterte den Burschen von oben bis unten und nickte dann. Sofort übergab dieser ihm die Fackel, streifte den Kaftan ab, so daß er nur das lange Hemd und die Pumphosen trug. Dann schickte Isaiab den Rest der Gruppe ein Stück zurück, damit der Junge Platz zum Anlauf für den Sprung hatte. Der junge Shemite nahm das Ende eines Seils zwischen die Zähne und rannte los. Er sprang weit über den Abschnitt des Gangs hinaus, welcher seinen Gefährten verschlungen hatte. Mit dumpfem Aufprall landete er und drehte sich triumphierend lächelnd um. Im nächsten Augenblick öffnete sich dieser Teil des Fußbodens unter ihm. Er hielt sich am Stein fest und versuchte hochzuklettern; aber dann war er bereits verschwunden. Nur sein Schrei drang aus der Tiefe herauf. Mit lautem Knall schloß sich die Falltür über ihm. Wieder kamen das entsetzliche Knirschen und die Todesschreie. Conan und die anderen hatten das lose Seil in den Händen. Jetzt schob Otsgar sich nach vorn. Er stieß dunkle Verwünschungen aus. Isaiab wandte sich an ihn. »Andere vor uns sind hier gegangen. Es muß eine Möglichkeit geben, die Fallen festzustellen...« Der Spitzbart brach ab und starrte Conan an, welcher gerade seinen Umhang ablegte. »Ja, das ist ein Mann nach meinem Herzen, ein Mann aus dem Norden!« rief Otsgar. »Der läßt sich von einem bißchen Pech nicht abschrecken!« Er drängte sich vor und schlug dem Cimmerier auf die Schulter. »Ich wette, der Cimmerier schafft den Sprung. Was meinst du, Isaiab?« »Er wäre ein Narr...« Der Shemite schwieg und sah schweigend zu, wie Conan das Seil um die Brust festknotete und eine Brechstange hineinschob. Dann preßte er sich mit dem Rücken gegen eine Wand und stemmte die Füße auf die gegenüberliegende Seite. Seine Sandalen knirschten auf den bunten Bildern. Zwischen die Wände geklemmt, schob er sich seitlich ganz langsam über die gefährlichen Stellen des Fußbodens. Erst bewegte er die Füße, dann die
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Ellbogen und den Rücken. Er kam nur im Schneckentempo voran, aber solange er den Druck auf die gebogenen Knie halten konnte, rutschte er nicht nach unten. Nachdem er die erste Falltür überwunden hatte, riefen ihm die anderen ermutigende Worte zu. Keiner der Flachlandbewohner hatte diese Technik je gesehen. Bei der Enge des Gangs waren Conans Beine unter grauenvollem Druck. Manchmal war der Halt auch unsicher. Lose Teile des Verputzes bröckelten unter seinen Sohlen ab. Nachdem er die zweite verräterische Ritze im Steinboden überklettert hatte, fühlte er seine Kräfte rasch schwinden. Wie töricht von ihm, eine derartige Kraftanstrengung so kurz nach den Strapazen der Wüste zu versuchen! Er schlängelte sich etwas schneller dahin, da die Bewegung nicht mehr schmerzte, als wenn er auf der Stelle verharrte. Die Sehnen und Muskeln in den Knien brannten wie glühend heiße Drähte. Er wagte einen Blick nach unten. Seiner Meinung nach hatte er das Ende der doppelten Falltür erreicht. Vorsichtig tastete er den Boden ab. Er fühlte sich fest an. Dankbar ließ er sich nach unten. Keuchend nickte er nur als Antwort auf die Glückwünsche der anderen. Sobald er wieder ein wenig bei Kräften war, zog er an dem Seil und holte damit Holzpflöcke herüber, mit denen er das Seil sichern konnte. Unter Isaiabs Aufsicht spannten sie es so stramm, daß alle die kurze Strecke darauf hinübergehen konnten, wenn sie sich an der Wand abstützten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Otsgar befahl Zafriti, zurückzubleiben und zu warten; sie lehnte jedoch entrüstet ab. Anmutiger und leichtfüßiger als alle Männer schaffte sie die Überquerung. Jetzt sah man im Schein der mitgebrachten Fackeln, daß sich der Gang bald darauf zu einer Galerie mit kunstvoll verzierten Steinsäulen öffnete. Ein kräftiger junge Shemite, in dessen Ohr ein Silberring blitzte, kroch mit einer Fackel neugierig voraus, doch Otsgar rief ihn sofort zurück und warnte alle vor den Fallen, welche womöglich noch auf sie lauerten. »Jetzt warnt er die Leute, da es zu spät ist!« flüsterte der Cimmerier Isaiab zu. »Meiner Meinung hat er mehr Angst davor, daß einer etwas klaut, als vor einer Falle.« Isaiab antwortete nur mit stummen Blick und spannte das Seil noch strammer. Otsgar hielt die Grabräuber in Schach, bis auch der letzte Mann - der schlaksige Philo, jetzt mit beschämtem Gesicht - herübergekommen war. Dann erst marschierte die Gruppe weiter.
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Doch jetzt bewegten sie sich langsam und waren ständig auf der Hut vor neuen Todesfallen. Conan sah, wie Isaiab nachdenklich eines der letzten Wandfresken betrachtete. Darauf sah man, wie die Erbauer des Grabmals mittels unterschiedlicher grausamer Todesarten Kriegsgefangene töteten. Das Beunruhigende bei diesem Bild war die Tatsache, daß hier die hilflosen Opfer, welche verbrannt, geköpft und gepfählt wurden, eindeutig als Menschen mit Menschengesichtern dargestellt waren, die Henker jedoch wie überall als stilisierte Krokodile. »Offensichtlich galt das Verbot der Menschendarstellung nur für das eigene Volk«, meinte Isaiab zu Conan und ging schnell weiter. »Für sie hatten die Feinde keine heiligen Tierseelen.« Nun gelangten sie in eine Grabkammer von beeindruckender Größe; aber leider ohne eine Spur von dem Reichtum, den sie suchten. Die Doppelreihe der steinernen Säulen ragte hoch auf. Um die Basen und Kapitelle zogen sich kunstvoll gemeißelte Friese mit Lotuswurzeln und Blättern, Vögeln und Schlangen. Auch die hohen gewölbten Wände wurden von einem farbenprächtigen Bildband abgeschlossen. Halterungen für Fackeln gab es, aber keine reichen Sarkophage oder Grabbeigaben. Wohin die Grabräuber auch im unsteten Schein der Fackeln blickten: nur kahler Raum. »Zwei Mann auf jede Seite«, befahl Otsgar. »Und auf verborgene Falltüren achten!« Er ging von einer Seite der Kammer zur anderen und musterte das Gemäuer mit geschultem Auge. Conan und Isaiab blieben in der Mitte. Zafriti hielt sich zwischen ihnen und den Nachfolgenden. Sie bewegte sich mit der Anmut einer Tänzerin. Ihre Augen leuchteten vor Angst und Faszination. Alle lauschten angestrengt, hörten aber nur das Zischen der Fackeln und die eigenen Schritte. Die Luft im Grab war kalt und abgestanden. »Am Ende sehe ich etwas - eine Tür. Daneben zwei Kisten mit Mumien!« rief der junge Shemite mit dem silbernen Ohrring. Er lief aber nicht sofort hinüber, sondern inspizierte mißtrauisch den Boden in diesem Teil des Grabs. Otsgar kam hinter einer Säule hervor und hielt seine Fackel hoch. Dann klopfte er dem jungen Mann auf die Schulter. »In der Tat, Asrafel! Dort werden wir unsere Schätze finden! Komm mit! Du darfst dir als erster eine Belohnung aussuchen.« Asrafel ließ sich aber durch die Versprechung seines Anführers nicht
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zu einer Unbesonnenheit hinreißen, sondern ging ebenso langsam und vorsichtig wie zuvor weiter. Jetzt sah auch Conan die große Tür am Ende der Grabkammer. Auf jeder Seite stand ein Sarg hochkant an der Wand. Wie das Außenportal bestand die Tür aus Bronze; aber nicht glänzend, sondern dick von Grünspan überzogen. Besonders an den Rändern, wo sie in die Mauer eingelassen war, waren dicke Krusten erkennbar, das Ergebnis jahrhundertelanger Korrosion. Isaiab stieß Conan an. »Auf der anderen Seite der Tür muß es verdammt feucht sein, wenn das Metall so anläuft!« »Ja. Und diese Särge mit den Mumien... die gefallen mir überhaupt nicht.« Die beiden Sarkophage waren verstaubt. In ihrer Form folgten sie den Wesen, welche vor uralter Zeit in ihnen zur Ruhe gebettet worden waren. Auch sie waren ebensowenig normale Menschen wie die auf den Fresken. Die Köpfe waren verlängert. Krokodilschnauzen lagen auf der Brust der Schlafenden. Dazu hielten sie die Abbildungen von Schwert und Keule gekreuzt über der Mittelpartie. Die anderen Grabräuber verloren kein Wort über die seltsamen Ungeheuer, welche die Bronzetür bewachten, auch nicht über den dicken Grünspan darauf. Hastig schlugen sie auf die Steine. Nachdem sie sicher waren, daß keine Falltüren angebracht waren, tanzten sie jubelnd vor den Mumien hin und her. Philo hatte seine Angst vergessen. Er wischte mit seinem Schaffellmantel den Schmutz von einem Sarkophag. Freudenschreie wurden laut, als rötlich schimmerndes Blattgold und Edelsteine zum Vorschein kamen. Im nächsten Augenblick hörte man, wie das uralte Holz zersplitterte. Andere machten sich mit Stemmeisen beim zweiten Sarg ans Werk. »Schiebt diese Kisten weiter von der Tür weg, damit wir mehr Platz zum Arbeiten haben!« befahl Otsgar. »Legt sie flach auf den Boden!« Während einige die knarrenden Särge wegschoben, kratzten andere bereits das Blattgold ab und schlugen die eingelassenen Türkise und Amethyste heraus. Wie Geier auf frisches Aas stürzten die Grabräuber los. Es dauerte nur wenige Minuten, dann lagen die in Binden gewickelten Mumien offen da. »Es ist nicht nötig, daß wir alle an den Sarkophagen arbeiten. Isaiab, nimm den Cimmerier und den jungen Asrafel und fangt mit der Tür an.
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Dahinter liegt der richtige Schatz!« Während Otsgar sprach, schlitzte er gekonnt an bestimmten Stellen die Leichenbinden der Mumie auf: bei den Händen, der Brust und der Stirn. Mit der freien Hand griff er hinein und holte Ringe, Amulette und anderen Schmuck heraus. Er steckte alles in den Lederbeutel an seinem Gürtel. Zafriti stand dicht neben ihm. Ihre Augen leuchteten. Wenn sie glaubte, er habe etwas übersehen, fuhr sie ihn auf stygisch an. »Sieh dir doch diese Ausgeburt der Hölle an«, rief Conan. »Das Monster ist halb Mensch und halb Krokodil.« Vorsichtig hielt er sich in einiger Entfernung vom Sarkophag. Jetzt zeigte er auf den großen Krokodilkopf, der unter den Binden der Mumien sichtbar war. »Sei nicht so schrecklich zimperlich, Cimmerier.« Otsgar lachte spöttisch. »Noch heute nähen die Priester in dieser Gegend gern menschliche und tierische Körperteile zusammen. Wenn du willst, statten sie dich nach deinem Tod mit einem Hundekopf, Habichtsklauen und den Lenden eines Stiers aus, damit du es in der nächsten Welt leichter hast.« Rohes Gelächter von allen Seite folgte Otsgars Bemerkung. Conan widerte es zutiefst an, wie die Leichenräuber in den Toten wühlten. Er wendete sich der Bronzetür zu. Isaiab und Asrafel meißelten bereits eifrig daran herum. Sie überlegten, ob die Tür ebenfalls mit einem tödlichen Mechanismus ausgestattet sei, meinten aber, daß die Korrosion diesen mit Sicherheit unbrauchbar gemacht habe. Isaiab hielt es für am besten, Schmutz und Rost am Türstock wegzukratzen und die Tür dann aufzubrechen. Sie wollten von beiden Seiten aus arbeiten, damit sie wegspringen konnten, wenn die Tür herabfiel. »Eine Frage, Männer«, sagte Conan. »Was passiert mit uns, wenn sie sich wie eine gewöhnliche Doppeltür öffnet, aber mit übernatürlicher Gewalt statt durch Gewichte oder Federn?« Die anderen überlegten kurz und beschlossen, die Tür unten mit Metallmeißeln zu verkeilen, um diese Möglichkeit auszuschließen. Gleich darauf hallte die Kammer wider von den Schlägen. Der Lärm brach sich an den mächtigen Säulen. Sobald die anderen mit dem Plündern der zerstörten Sarkophage und der Mumienschändung fertig waren, machten sie sich ebenfalls bei der Tür an die Arbeit. Selbst Otsgar griff zum Meißel und schlug mit erstaunlicher Kraft zu. Doch die meiste Zeit blieb er im Hintergrund und dirigierte das Licht der Fackeln, um nach möglichen
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Falltüren Ausschau zu halten. Zafriti lief zwischen ihm und den Arbeitern hin und her und verfolgte begeistert die Fortschritte. Conan fiel auf, daß sich der Kothier Philo so weit wie möglich von der Tür entfernt hielt. Er preßte den Beutel mit abgekratztem Gold an sich und war bereit, jeden Augenblick davonzulaufen. Die Grabschänder wechselten sich bei der schweren Arbeit ab. Trotzdem dauerte es ziemlich lange, bis die Kanten der Tür frei waren. Unter der schuppigen Schicht aus Grünspan und Rost war das Metall beinahe so hart wie der grünschwarze Stein des Türstocks. Nach mehreren Stunden lagen überall Späne beider Materialien umher. »Und was ist, wenn die innere Kammer überflutet ist?« fragte Asrafel nach einiger Zeit. »Das würde den Zustand der Tür erklären. Sobald wir sie öffnen, ersaufen wir womöglich wie die Ratten.« Doch Isaiab war es gelungen, ein tiefes Loch in die Tür zu schlagen. Er erklärte, daß er einen kalten Luftzug spüre. Die Gefahr des Ertrinkens schien somit gebannt, und alle arbeiteten verbissen weiter. »Das müßte reichen!« rief Otsgar schließlich. »Wir haben so viel an der verdammten Tür herumgebohrt und geschlagen, daß ein paar kräftige Männer sie jetzt mit Stemmeisen herausbrechen können.« Er musterte die erschöpfte Schar. »Du, Cimmerier, bist dafür bestimmt der Richtige. Hier, nimm die Brechstange! Und wie wäre es mit...« »Wie wäre es mit dir, Otsgar?« unterbrach ihn Conan. Trotzig und herausfordernd musterte er den Anführer. »Ich werde mein Bestes geben, um mich mit dir zu messen.« Locker schwang er die schwere Brechstange. »Ja, nun, na ja... vielleicht sollten wirklich die beiden Kräftigsten es zuerst versuchen...« Otsgar warf dem Herausforderer einen mordlüsternen Blick zu. »Na schön, Conan! Wir beide!« Die anderen wichen erwartungsvoll ein Stück von der Tür zurück. Otsgar zählte bis drei, dann stemmten sich die beiden Hünen aus dem Norden mit aller Kraft gegen die Brechstangen, welche sie in Ritzen auf beiden Seiten der Tür gesteckt hatten. Nichts rührte sich. Wieder zählte Otsgar, wieder legten sich die beiden mit verzerrten Gesichtern und ächzend ins Zeug. Nur ein paar Metallspäne fielen oben von der Tür, sonst geschah nichts. »Mannanan! Dein von Mitra verlassenes Herz soll auf einem Scheiterhaufen aus Teufelsknochen rösten! Beweg dich, verdammte Tür!« Conans
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deftiger Fluch verblüffte die hartgesottenen Burschen. Dann stemmte sich der Cimmerier wieder gegen die Brechstange. Gleichzeitig warf auch Otsgar sich mit dem ganzen Gewicht gegen das Eisen, um die Hebelwirkung zu verstärken. Widerlich quietschend gaben beide Türflügel gleichzeitig nach. Langsam neigten sie sich nach außen und fielen mit ohrenbetäubendem Lärm auf den Steinboden. Das Klingen des Metalls hallte noch lange nach und übertönte die Jubelschreie der Wartenden. Dann verstummten alle und spähten aufgeregt nach den Wundern, welche hinter dem Portal lagen. Unheimliche Nebelschwaden waberten hinter der Türöffnung. Die unterirdische Quelle des grünlichen Lichtscheins war nicht sichtbar. Sie war jedoch stark genug, um die Fackeln verblassen zu lassen. Durch den Luftzug beim Einstürzen der Türen wirbelten die Nebel über einer Steinterrasse mit Balustrade neben einer breiten Treppe, welche nach unten führte und deren Ende nicht zu erkennen war. Die Nebelschwaden glichen beinahe lebendigen Wesen. Und wirklich! Jetzt nahmen sie festere Gestalt an: Abstoßende grüne Ungeheuer mit weit vorspringenden Schnauzen schoben sich eng aneinandergedrängt durch den Nebel. Sie kamen nicht schweigend, sondern stießen ein immer stärker werdendes bedrohliches Gebrüll aus. Im nächsten Augenblick schrien die Grabräuber beinahe ebenso laut vor Schrecken und Angst. Nicht nur über die Treppe, sondern auch von der Terrasse her liefen jetzt die krokodilköpfigen Monster auf sie zu. In ihren Augen loderte ein seit Äonen genährter Haß. Es war, als hätte der Klang der einstürzenden Tür sie geweckt und herbeigerufen. Mit ihren scheußlichen Schnauzen stürzten sie sich auf die Grabschänder. Dabei schwangen sie seltsame, uralte Schwerter und Keulen. Im Nu waren die Menschen in großer Bedrängnis, da die Ungeheuer so zahlreich waren und sich mit unglaublicher Schnelligkeit auf sie stürzten. Zweifellos waren es die Krokodilwesen, die Conan auf den Fresken gesehen hatte. Der Cimmerier schlug eine Krokodilschnauze mit der Brechstange weg. Mit ledernen Klauen, die Händen glichen, griff der Besitzer sich an den zerschmetterten Kiefer. Conan nutzte die Gelegenheit und sprang schnell zurück zu den anderen, welche in überstürzter Flucht davonliefen. Gebrüll und Geschrei füllten die riesige Grabkammer. Der Arm eines jungen Shemiten verschwand samt Dolch zwischen den scharfen Zähnen eines Krokodilmauls. Gleichzeitig versenkte der Dämon sein mit Grünspan
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bedecktes Schwert im Bauch des jungen Burschen. Ein anderes Ungeheuer hatte Zafriti am Fuß erwischt und wollte sie ins Maul schieben. Conan versetzte diesem Ungeheuer einen fürchterlichen Schlag mit der Brechstange und preßte es mit aller Kraft gegen eine Steinsäule. Dann versetzte er ihm noch einen wohlgezielten Tritt in den Unterleib, packte die schreiende Stygierin und lief mit ihr davon. Jetzt stieß Otsgar den Kriegsschrei der Vanir aus und brach sich durch einen Ring von Angreifern freie Bahn. Bei der Übermacht der grünen Krokodildämonen war jeder Gedanke an einen Sieg oder eine geordnete Flucht sinnlos. Einige Grabräuber waren unbewaffnet. Wegen der Säulen konnten sie auch keine geschlossene Linie bilden, so daß die Krokodilmonster sie seitlich angreifen konnten. Daher rannten alle blindlings so schnell wie möglich davon. Auch Conan blieb nicht zurück. Das Gebrüll der Ungeheuer und die Schmerzensschreie der Menschen gellten ihm in den Ohren. Der grünliche Lichtschein verblaßte sehr schnell hinter ihm. Zum Glück hatten einige Männer die Fackeln als Waffen eingesetzt und trugen sie daher noch bei sich. Im flackernden Schein flohen sie durch die unterirdischen Gänge. Todesangst trieb sie an. Aber diejenigen, welche sie in der Tiefe geweckt hatten, folgten schnell. Die Räuber mußten innehalten, als sie zu der Engstelle des Korridors kamen. Conan und Otsgar stellten sich den ersten Grabbewohnern, welche sich mit Gebrüll, laut wie Trompetenschall, auf sie stürzten. Wutentbrannt griffen die Ungeheuer an, lernten aber schnell den mächtigen Hieben Otsgars mit der Brechstange und den blitzschnellen Dolchstößen des Cimmeriers auszuweichen. Dennoch lagen bald einige der uralten Reptilien tot am Boden, als die beiden Männer ihren Gefährten nachliefen. Aber die Krokodilmonster gaben die Verfolgung keineswegs auf. Unzählige grüne Dämonen sprangen über die Toten hinweg. Gleich darauf waren die Grabräuber an der nächsten Engstelle, wo die Seile über die Falltüren gespannt waren. Isaiab turnte gerade im Schein von Asrafels Fackel hinüber, und Zafriti wartete verängstigt. Conan wandte sich Otsgar mit der unausgesprochenen Frage zu: Wer von uns beiden als erster? Die Augen der beiden Männer bohrten sich ineinander. Dann ließ der Vanir mit finsterem Blick Conan den Vortritt. Er selbst drehte sich um und schlug dem ersten Angreifer die Brechstange auf die Schnauze.
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Conan sprang zum Seil. Zafriti war bereits darauf. Diesmal aber ging sie nur langsam und zögernd. Offenbar hatte sie sich bei dem Angriff des Krokodilungeheuers am Knöchel verletzt. »Du mußt schneller gehen!« Conan umfaßte sie von hinten und trug sie über die restliche Strecke. Kaum waren sie auf der anderen Seite, stellte er sie fluchend auf die Beine. »Was bei Sets Flammen...« An seiner Hand baumelte eine kostbare Silberkette, vom Alter geschwärzt, aber mit vielen Edelsteinen besetzt. Die Stygierin entriß ihm fauchend vor Wut die Beute und steckte sie wieder in die Bluse, wo sie den Schmuck vorher bereits versteckt hatte. Dann nahm sie Asrafels Arm und humpelte schnell weiter. Conan drehte sich um und sah im Licht der verschwindenden Fackel, wie auch Otsgar auf dem Seil war. Mit einem großen Satz landete der Vanir neben ihm. Offenbar wußten aber die Nachkommen der Erbauer des Grabmals, wie man die Falltüren betätigte; denn ohne die Hilfe der Seile stürmten sie weiter. Am Fuß der steilen Treppe kam es wieder zu einer Stockung der Flüchtigen, da die Stufen gefährlich waren und die ersten kein Licht hatten. Conan sah im flackernden Schein von Asrafels Fackel, wie Philo der Kothier die sandigen Stufen erprobte. Das Gewicht des Sacks mit dem Gold zog ihn nach unten. Außer dem Kothier waren noch fünf Grabräuber übrig: Isaiab, Asrafel mit Zafriti am Arm, Conan und Otsgar, den man weiter hinten hörte, wie er wilde Flüche ausstieß oder mit der Brechstange zuschlug. Welch erbärmlicher Rest der über ein Dutzend zählenden Schar Abenteurer, die ausgezogen war, um mit Hilfe des Grabschatzes zu Reichtum zu gelangen! Da stieß Philo einen Schrei aus. Conan schaute nach vorn. Ja, jetzt sah er es auch! Ein heller blauer Fleck war am Ende des Tunnels sichtbar. Tageslicht! Offenbar hatten sie die ganze Nacht in der Unterwelt zugebracht. Jetzt strömte helle Morgendämmerung durch den Eingang des Grabmals. Der Anblick war herzerfrischend. Der häßliche Kothier mit dem Gold beschleunigte seine Schritte. Auch die übrigen liefen schneller, um den gefräßigen Rachen der Grabbewohner zu entgehen. Conan war klar, daß das Tageslicht ihn anfangs blenden würde. Er wollte die anderen warnen, die dem Kothier hinterherliefen. Aber Philo stürmte dem Licht entgegen. Dann kam ein Schrei. In der nächsten Sekunde war der Kothier ihren Blicken entschwunden. Sie hörten nur noch einen zweiten längeren Schrei.
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»Halt! Bleibt stehen!« rief Conan und packte Zafriti an der Schulter. Dabei blinzelte er, weil das Tageslicht ihm schmerzend in die Augen drang. Asrafel und Isaiab hatten seine Warnung befolgt. Jetzt standen sie vor dem Abgrund, in den Philo blindlings gestürzt war. Conan beschirmte die Augen mit der Hand und trat zu ihnen. Ungläubig blickte er in die Tiefe. Während ihres Ausflugs ins Innere des Grabmals hatte sich offenbar der Wind gewendet und unwahrscheinlich viel Sand vom Grabmal weggeblasen, so daß man jetzt das gesamte Bauwerk sah. Die niedrige Mastaba, welche sie gefunden hatten, war nur die Spitze einer riesigen Stufenpyramide gewesen, die jetzt in der Wüste hoch aufragte. Unter ihnen rollte Philos zerschmetterter Leib gerade über die letzte gewaltige Stufe. Dann landete er im Wüstensand. Die Kamele standen noch an der Seite. Ein fluchender Elohar versuchte die Tiere zu beruhigen. Hinter ihnen wurde Waffenklirren laut. Otsgar kämpfte immer noch gegen eine Horde krokodilköpfiger Ungeheuer. »Hier entlang, Mädchen!« Der Cimmerier nahm Zafriti um die Taille und zog sie vom Eingang weg auf das Steinsims der zweithöchsten Stufe der Pyramide, wo das Seil baumelte, das der alte Kamelhirte an dem Krokodilkopf an der Ecke des Grabmals hatte hängen lassen. Isaiab ergriff es und kletterte behende nach unten. Asrafel wartete, um ihm zu folgen. Sobald Zafriti das Seil in den Händen hielt, war ihre Behinderung unwichtig. Mit den geschmeidigen Bewegungen einer Tänzerin ließ sie sich hinab. Schnell gelangten die vier zu der den Sanddünen am nächsten gelegenen Stufe der Mastaba. Auch Otsgar war den dämonischen Verfolgern entkommen. So schnell er konnte, ließ er sich am Seil hinab. Doch diese Eile war unnötig. Am Pyramideneingang, wo soeben noch dichtes Gedränge geherrscht hatte, war jetzt alles totenstill. Verblüfft schauten alle hinauf. Dann hörten sie, wie sich die große Bronzetür der Pyramide hinter den letzten uralten Wächtern schloß. Es klang wie das warnende Dröhnen einer riesigen Glocke.
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4. KAPITEL DIE EBENE DER FÜLLE Und du hast behauptet, daß die Erbauer dieses Grabmals Menschen seien, die diese Sumpfechsen nur anbeteten!« Zafriti drehte sich im Sattel um und warf Isaiab einen verächtlichen, wütenden Blick zu. »Conan hat etwas anderes vermutet, nicht wahr, Conan?« Das Pferd des Cimmeriers befand sich in einiger Entfernung hinter Zafritis Reittier; aber der Blick aus diesen kunstvoll ummalten Augen traf ihn so heftig, daß er im ganzen Körper ein gewisses Prickeln spürte. Zafriti hielt einen Ring hoch, um ihn den Gefährten zu zeigen. Ein großer rosaroter Karneol war von zwei silbernen, leicht geschwärzten Krokodilen gefaßt, welche sich in die Schwänze bissen. »Nachdem ich die Wahrheit kenne, ist es mir unerträglich, den Ring am Finger zu tragen.« Sie ließ ihn im Sonnenlicht aufblitzen und schüttelte sich. Conan sagte nichts, sondern dachte nur daran, daß sie keine Skrupel hatte, anderen Schmuck in der Bluse zu verbergen. Doch Isaiab ritt neben sie und streckte die Hand aus. »Wenn er dir Unbehagen bereitet, nehme ich ihn dir gern ab.« »Nein!« Schnell steckte die Stygierin den Ring zurück in den Beutel am Gürtel. »Der Profit unserer Expedition ist ohnehin mehr als dürftig.« Diese anklagende Bemerkung war an Otsgar gerichtet, der an der Spitze ritt. Aber der Anführer trabte stumm weiter, sah sich nicht einmal um. Er und die fünf Überlebenden, darunter der alte Zuagir hinten, ritten jetzt Pferde, welche sie unterwegs gegen die Kamele eingetauscht hatten, weil die Wüstenschiffe in den Hügeln und Wiesen des westlichen Shem weniger geeignet waren. Da nur wenige ihrer Gepäckstücke den Sandsturm überstanden hatten, brauchten sie auch weniger Tiere. Jetzt folgte die Schar einem Weg durch einen herrlichen Zedernwald. Kühler Schatten wechselte mit strahlenden sonnigen Abschnitten. Neben dem Weg plätscherte ein kristallklarer Bach. Die sechs hatten aufgejauchzt, als die Wüste endlich hinter ihnen lag. In der ersten shemitischen Herberge in einer der westlichen Oasen hatten sie sich an Wein, Obst und Geflügel gelabt. Danach hatten sie beinahe vierundzwanzig Stunden lang geschlafen. Doch dann war die Freude überlebt zu haben, bald geschwunden. Wenn sie jetzt an die Zukunft dachten, verdüsterten sich die Mienen. Nur Isaiab nicht. Er hatte den ganzen Tag
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den Weinschlauch kräftig an die Lippen geführt und war dementsprechend übermütig. »Unser Profit mag nicht sehr reichlich sein«, erklärte er. »Aber wir brauchen ihn auch nicht unter so vielen aufzuteilen. Das Grab hat die Unfähigen unter uns beträchtlich ausgemerzt.« Otsgar drehte sich im Sattel um und funkelte den Spitzbart warnend an, um ihm Schweigen zu gebieten. Aber es war zu spät. Asrafel war bereits in Wut geraten. »Dann bestätigt sich also mein Verdacht! Du hast die ganze Zeit gewußt, wie gefährlich es ist! Trotzdem hast du meine Gefährten weitergehetzt, besser gesagt, gerade deshalb hast du sie angetrieben!« Der dunkeläugige junge Shemite trieb sein Pferd an, zügelte es aber sogleich wieder. Der erste Vorwurf war an Isaiab gerichtet, der zweite an Otsgar. Sein goldener Ohrring blitzte im Sonnenschein. »Einige der Jungs waren meine Freunde seit Kindertagen. Zugegeben, sie waren Tunichtgute; aber trotzdem haben sie es nicht verdient, wegen eurer Habgier zu sterben!« Otsgar wendete sein Pferd und blieb vor dem jungen Mann stehen. In seiner Rüstung und dem Helm bot er einen beeindruckenden Anblick. »Rede du nicht von meiner Habgier, du Grünschnabel! Ich bin schließlich der große Verlierer bei diesem Unternehmen! Mein Anteil an dem schäbigen Schatz, den wir gefunden haben, reicht kaum, um für das Futter der Kamele zu bezahlen!« Dann ließ der Vanir den finsteren Blick über die übrigen schweifen. »Dennoch habe ich meinen Teil des Vertrags mit euch und deinen übereifrigen Freunden erfüllt. Wäre es ein ehrliches Grab gewesen, wärst du jetzt über deinen Reichtum überglücklich.« Der junge Shemite schrak unter Otsgars wildem Blick mehr zurück als unter den Worten. Mit gesenktem Kopf saß er im Sattel und starrte finster auf den Boden vor den Hufen des Pferdes seines Brotherrn. Conan wollte die verfahrene Situation durch einen Scherz retten. »Otsgar, wenn du nächstesmal ein Grab aussuchst, vergewissere dich vorher, daß die Bewohner auch tatsächlich tot sind und nicht nur schlafen.« Isaiab rülpste bekräftigend. Mit einem wütenden Blick auf Conan drehte Otsgar sein Pferd um und ritt wieder vorwärts. Der betrunkene Shemite ritt neben den Cimmerier und flüsterte ziemlich unüberhörbar: »Ich wette, daß das stimmt. Selbst bei den vielen Klunkern, die Otsgar und die Tänzerin in der Kleidung versteckt haben, kann er kaum die Inve-
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stition für diesen Ausflug zurückbekommen.« Dann beugte sich Isaiab noch näher und zwinkerte Conan zu. Dieser wich vor dem Weinatem etwas zurück. »Es würde mich nicht überraschen, wenn unser Führer schon sehr bald zum nächsten Abenteuer aufbricht. Auf seinem Geschäft liegen viele Schulden. Außerdem liebt er wie alle aus dem Norden das Risiko.« »Ich glaube kaum, daß er Schwierigkeiten hat, etwas Neues zu finden«, meinte Conan. »Ich habe gehört, daß in den shemitischen Ländern an Gräbern kein Mangel besteht.« »Stimmt! Gräber gibt es jede Menge«, bestätigte Isaiab und rülpste. Dann fügte er schnell hinzu: »Natürlich nicht so viele wie in Stygien, jenseits des Flusses! Dort gibt es mehr Gräber als Behausungen für die Lebenden. Die Schlangenanbeter sind ganz vernarrt in Gräber. Sie bauen die Gräber übereinander und schleifen sogar Städte, um Platz für die Nekropolen zu schaffen! Also wirklich, das ist einfach ekelhaft!« Er dachte kurz nach. Dann seufzte er. »Aber vielleicht gehen wir in Shem auch mal diesen Weg, wenn die Lehren des Propheten Horaspes sich weiterhin so ausbreiten.« Gedankenverloren strich er sich den Spitzbart, als wolle er wieder den ursprünglichen Gedanken finden. »Aber, hm, ach ja! Das Problem mit den meisten Gräbern in Shem ist die Tatsache, daß sie sehr gut bewacht werden und daß die Tage, da wir uns getraut haben, sie auszurauben, längst vorbei sind. Jetzt passen sie zu gut auf.« »Liegen den Einwohnern ihre verstorbenen Herrscher so sehr am Herzen?« fragte Conan erstaunt. »Nein, aber die Priesterschaft ist sehr mächtig. Sie bewacht die Gräber sorgfältig. Und jetzt hat Horaspes sogar erreicht, daß die Grabpolizei denen, die sich entgegen dem Verbot den Gräbern nähern, Ohren und Nase abschneiden oder sie auf angespitzte Pfähle setzen darf.« »Wer ist dieser Horaspes, der bei euren Schwierigkeiten eine so große Rolle spielt?« »Ach, das ist ein Wanderprophet, der am königlichen Hof in Shem auf begierige Ohren gestoßen ist. Er predigt eine leicht zu verstehende Lehre von der Herrlichkeit der Nachwelt sowie die letzten Neuerungen auf dem Gebiet des Einbalsamierens und Grabbaus. Während der letzten Jahre wurde er von König Ebnezub, dem Herrscher meiner Heimatstadt Abaddrah, großzügig unterstützt. Er hat den König überredet, das monumentalste Grabmal in Shem zu bauen. Jetzt schwindet Ebnezubs Gesundheit, und er beeilt sich mit den Bauarbeiten. Dadurch gewinnt Horaspes
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immer mehr Einfluß auf die Belange der Stadt.« »Gräber und Monumente«, murmelte Conan. »Blödsinn! Ich werde nie verstehen, warum Menschen sich zu ihrem eigenen Ruhm derartig hohle Bauwerke errichten! In meiner Heimat reicht ein einfacher Schwertpfahl.« Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht mit den Schädeln einiger Feinde verziert...« »Diese riesigen Grabmale sind für das Land Shem die reinste Pest«, mischte sich Asrafel ein. Er ritt neben ihnen und blickte nach der Auseinandersetzung mit Otsgar immer noch düster drein. »Sie sind mit dem Blut und dem Schweiß der Bauern erbaut und nehmen den Platz ein, der würdigeren öffentlichen Bauten zusteht. Und die kleinen Höfe werden den Besitzern einfach mit den Steuern weggenommen.« Der Ohrring des jungen Shemiten blitzte auf, als er unwillig den Kopf schüttelte. »Wegen Ebnezubs Spinnereien habe auch ich mein Erbe verloren, so daß ich jetzt als Dieb mein Leben fristen muß.« Isaiab zuckte mit den Schultern. »Ich würde diese großen Grabmale nicht so schnell verdammen. Sie bieten vielen müßigen Händen Arbeit und verteilen Schätze im Land, die ansonsten in der Schatzkammer des Königs lägen. So ein Reichtum kann in viele Taschen fließen - unsere eingeschlossen.« Der Shemite grinste Conan verschlagen an und zwinkerte Asrafel zu. »Aber natürlich stimme ich dir zu, daß die Idee schwachsinnig ist, mit riesigen Schätzen, Waffen und Nahrungsmitteln ins Grab zu gehen«, fuhr Isaiab fort. »Ja, sogar mit lebendigen Dienern und Frauen! Ich weiß gar nicht, wieso sich diese Sitte so verbreitet hat.« Der Shemite dachte kurz nach und drehte den Spitzbart zusammen. »Es ist der stygische Einfluß, verbreitet von Horaspes. Stygien ist ein großes und mächtiges Land, allerdings nicht beliebt. Das riesige Gebiet liegt gleich jenseits des Flusses... dort drüben. Siehst du, was ich meine?« Conan folgte Isaiabs ausgestrecktem Finger. Für geraume Zeit war ihr Weg unter Bäumen verlaufen. Jetzt waren sie auf einem kahlen braunen Hügelrücken, von dem aus die Reiter eine großartige Aussicht hatten. Es war das große Tag des Styx. Gelbgrün erstreckten sich die sumpfigen Wiesen bis zum westlichen Horizont, wo sie sich im blauen Dunst und in Wolken verloren. Links rollte unter einem leichten Schleier der mächtige schlammgrüne Strom dahin, riesig wie ein Ozean war der letzte der Flüsse. Hinter ihm ragte ein halbes Dutzend symmetrischer Pyramidenspitzen in verschiedenen Größen empor. Conan wußte, daß er dort in weiter Ent-
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fernung die Grabmale der Stygier sah - uralte Symbole eines noch älteren Landes, welches am gegenüberliegenden Flußufer begann und sich nach Süden bis in die berüchtigten Dschungelgebiete der Schwarzen Königreiche erstreckte. »Wie du siehst, liegt das gesamte prächtige Stygien direkt vor uns.« Isaiab seufzte. »Trotzdem ist mir die aufgeklärte shemitische Lebensweise lieber. Dort drüben liegt unser Ziel: Abaddrah.« Er deutete nach rechts, wo das Gelände anstieg und die Grenze zur grünen Ebene markierte. Innerhalb einer dicken Stadtmauer erhoben sich viele weiße Kuppeln. Die Stadt wirkte gedrungen. Weiße Wege und ein in der Sonne glänzender Kanal durchzogen sie wie Radspeichen. Doch vor den starken Mauern, an den Ufern des Kanals, breiteten sich schutzlos die bunt zusammengewürfelten Vorstädte aus. Auf der dem Landesinneren zugewendeten Seite war die Verteidigung der Stadt durch breite Straßen mit vielen Häusern geschwächt, die sich an den Hügeln hinaufzogen. »Dort hinter der Stadt liegen die Gräberfelder«, erklärte Isaiab. »Die meisten Elendsviertel auf der anderen Seite wurden für das Bauvorhaben des Königs beseitigt, das alle bisherigen Bauwerke in den Schatten stellen soll.« Er zeigte auf eine riesige Baugrube, die teilweise von den Hügeln der Stadt verdeckt war. »Eindrucksvoll, nicht wahr, Conan?« Zafriti war abgestiegen, um den Ausblick zu genießen. Mit strahlendem Gesicht schaute sie zum Cimmerier auf, als er näher ritt. »Das ist viel schöner als die Seite des Flusses, von der ich stamme. Hier leidet auch das Land nicht so unter der Prüderie und Frömmelei der Priester.« Sie warf den Kopf zurück. »In Stygien ist öffentlicher Tanz verboten. Da hätte ich dem Harem eines Statthalters beitreten müssen. Aber in Shem kann man frei atmen. Dein Land ist ein glückliches Land, Isaiab.« »Für meinen toten Vater war es weniger glücklich«, warf Asrafel ein, dessen Pferd den Weg entlangtrottete. »Man hat ihn in einem Bewässerungskanal ertränkt, weil er etwas von dem ausbeuterischen Tribut zurückgehalten hatte, den König Ebnezubs Steuereintreiber von ihm wollten.« Der junge Mann saß ruhig im Sattel; aber der Haß in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Heutzutage ist Abaddrah nur für die ein glücklicher Ort, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden - und für die Verschlagenen«, fügte er mit einem beziehungsvollen Blick auf Otsgar hinzu.
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»Schon gut, Junge, die Hand des Herrschers liegt überall schwer auf den Köpfen der kleinen Leute«, sagte Isaiab beschwichtigend. »Abaddrah ist in dieser Hinsicht nicht der schlimmste Ort...« »Ich finde, es ist eine wundervolle Stadt«, unterbrach ihn Zafriti, wie stets bemüht, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu bleiben. »In meiner Heimat gibt es kein Publikum mehr, das meine Kunst zu schätzen weiß. Aber mit Otsgars Unterstützung kennt man mich hier im ganzen Land. Du mußt mich morgen abend tanzen sehen, Conan! Mein Knöchel ist schon wieder heil.« Mit einem feurigen Blick auf den Cimmerier führte sie einige Tanzschritte aus, die mit einem so aufreizenden Hüftschwung endeten, daß es den Männern die Sprache verschlug. Otsgar saß immer noch im Sattel. Er wendete die Augen von der Aussicht ab und musterte seine noch beeindruckendere Geliebte. »Zafriti, du bringst Conan vielleicht unnötig in Schwierigkeiten. Ich glaube nicht, daß er den ganzen Weg bis zur shemitischen Ebene mit uns reiten wollte, stimmt‘s, Cimmerier?« Dabei blickte er den Landsmann aus dem Norden bedeutungsvoll an. »Ach, ich sähe gern mehr von diesem Teil Shems.« Conan schaute Zafriti an. »Die Landschaft hat wirklich etwas zu bieten.« Mit finsterer Miene ignorierte Otsgar das schallende Gelächter Isaiabs. »Sag mal, Cimmerier, welche Geschäfte haben dich eigentlich dazu gebracht, daß du halbtot in der Wüste gestrandet bist?« Conan zuckte mit den Schultern. »Ich war auf dem Weg nach Ophir, weil ich mit der Königin des Landes ins Geschäft kommen wollte; aber daraus ist nichts geworden.« »Siehst du, Otsgar, er kann mit uns in der Herberge bleiben!« Zafriti schwang sich strahlend auf ihre gescheckte Stute. »Schließlich hat er sich im Krokodilgrab wacker gehalten - wir alle.« Sie warf ihrem Herrn und Gebieter einen unterwürfigen Blick zu. »Vielleicht kann er bei unserer nächsten Expedition mitmachen.« »Ich kann wirklich nicht ablehnen.« Conan schaute Otsgar ernst an. »Meine Börse bedarf dringendst einer Auffüllung, ehe ich Weiterreisen kann.« Er wendete sein Pferd zurück auf den Weg. »Allerdings würde ich das lieber erreichen, ohne in alten Gräbern herumzugraben und uralte Flüche zu wecken.« »Das hast du schön gesagt, Conan«, meinte Isaiab. »Ich bin inzwischen auch deiner Ansicht. Laß uns ein neues Leben beginnen und von jetzt an
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ehrliche Diebe bleiben.« Er hob den Weinschlauch an die Lippen. »Ali, habe ich einen schrecklichen Durst! Beinahe habe ich mich nüchtern geredet.« Otsgar schwieg. Die Reiter trabten den Weg ins Tal. Jetzt wand sich der Weg wieder durch einen Wald, der allmählich in Obstgärten mit Granatapfelbäumen und Dattelpalmen überging. Schließlich gelangten sie auf offene Felder in der Ebene. Hier verzweigte sich der Strom in ein Netz von glänzenden Bewässerungskanälen, wo Feldarbeiter das Wasser mit Eimern herbeischafften, die an langen Stangen angebracht waren. Das langsame Schwingen der Schöpfstangen und das gurgelnde Wasser in den Eimern sorgte für ein monotones, rhythmisches Begleitgeräusch, als sie dahinritten. Conan spürte, wie die schwüle Luft des Tals auf sein Genick drückte. Überall sah er die grünen Spitzen der Gerste und des Emmers aus dem fruchtbaren Ackerboden emporsprießen. »Die unteren Felder sind noch nicht bepflanzt, weil der Styx gerade erst über die Ufer tritt«, erklärte ihm Isaiab. »Die Stadt wird voll mit Bauern sein, die von ihrer Heimstatt vertrieben wurden. In diesem Jahr ist die Flut besonders schlimm. König Ebnezub hat in seiner Eile, das Grabmal zu vollenden, die Bewässerungskanäle gefährlich versanden lassen. Aber viele heimatlose Bauern haben beim Bau des Grabmals Arbeit gefunden. In dieser Jahreszeit macht der Bau die größten Fortschritte.« Den Rest des Ritts überschwemmte Isaiab den Cimmerier mit seinem Geschwätz wie die Fluten des Ewigen Styx. Zafriti blieb verschont, da Otsgar sie sofort an seine Seite rief, sobald der Weg breiter wurde. Sie begann sogleich Otsgar zu necken, wie Conan an ihren Gesten und ihrem Lachen feststellte. Dann kamen sie ans Ende der bebauten Felder. Rechts und links vom Weg breiteten sich schilfbestandene Sümpfe aus. Die Deiche waren großenteils überspült oder weggewaschen. Auf Pfählen stand ab und zu ein verlassenes Bauernhaus. Bei einigen hingen die aus Schilf geflochtenen Wände bereits ins Wasser. Der Styx war durch Regenfälle in den weit entfernten Dschungelgebieten und die Schneeschmelze in den südlichen Bergen stark angeschwollen und hatte die Ebene mit seinen Wassermassen verwüstet. Schon bald war der Weg auf dem Deich ein Damm zwischen einem wellenlosen Meer, das in den Strahlen der untergehenden Sonne golden leuchtete. Zweimal mußten die Reiter absteigen, um breite Kanäle mit Schilfbooten zu überqueren, welche Fährleute, nur mit einem Lenden-
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schurz bekleidet, mit langen Stangen vorwärtstrieben. Die Pferde mußten nebenherschwimmen. Dann kam Abaddrah mit den vielen Türmen und Verteidigungsanlagen wieder in Sicht. Man hörte die Trompeten der Priester von den Minaretten erschallen. Die Rauchwolken von den Feuerstellen der Häuser und Tempelopfer kräuselten sich blutrot in den Abendhimmel hinauf. Jetzt wurde der Verkehr auf der Straße und den Kanälen dichter. Trotz des herabsinkenden Abends waren überall Ochsenkarren zu sehen, hochbeladen mit Obst und Pelzen. Edle Pferde zogen silberbeschlagene Kutschen. Barken transportierten riesige Schilfbündel und gigantische Steine. Schon bald erreichte die Gruppe die Außenbezirke der Stadt: Elende Lehmhütten oder Zelt aus zerfetzten Decken säumten die Ufer der Kanäle. Schlammbedeckte nackte Kinder brachten sich laut schreiend vor den Hufen der Pferde in Sicherheit. Die Eltern stocherten an flachen Stellen im Wasser, auf der Suche nach Aalen und Krebsen, um etwas zu essen zu haben. Oft lagen Krokodile nur wenige Schritte entfernt träge im schlammigen Wasser. Beim Anblick dieser Reptilien verkrampfte sich Conans Magen. Vor seinen Augen tauchten alptraumartig die Bilder des soeben bestandenen Kampfes mit den unterirdischen Ungeheuern auf. Dann gelangten die Reiter ans Stadttor. Es war ein eindrucksvolles Bollwerk, mit bunten Kacheln verziert. Fackeln loderten und vertrieben die hereinbrechende Dunkelheit der Nacht. Zu Conans Überraschung führte Otsgar sie nicht durchs Tor, sondern daran vorbei. Er konnte nur einen kurzen Blick hindurchwerfen. Vor dem Zollhaus wurden alle erdenkbaren Waren genau geprüft, ehe man sie in die Stadt hineinließ. Auf der Straße entlang der Stadtmauer kamen sie an eine Kreuzung. »Die Straßen nach Norden führen nach Eruk und in die hyborischen Länder, die nach Westen nach Asgalun und ans Meer«, erklärte Isaiab. »An ihnen sind die großen Stadtstaaten von Shem wie Juwelen auf einem goldenen Brustschmuck aufgereiht. Der reichste Handel der Welt findet auf diesen Straßen statt.« Direkt an der Kreuzung stand ein großes niedriges Gebäude aus luftgetrockneten Ziegeln. Es war zur Hälfte ein Haus, zur Hälfte ein Fort. Das Tor zu dem von Mauern umschlossenen Innenhof stand offen. Conan sah den flackernden Schein offener Feuer und hörte rauhe Stimmen. Vieh blökte. Als Otsgar hineinritt, gab er laut Befehle: »Aufwachen! He, Diener, kümmert euch um die Gäste! Euer Herr ist zurück!«
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5. KAPITEL ZAFRITIS TANZ Musik und Wohlgerüche füllten die Luft in der Karawanserei. Das Schluchzen der Geigen, das Klirren der Zimbeln, der Geruch des Lammbratens am Spieß und der schwere Duft des Geißblatts vermengten sich miteinander. Und wenn die Sinne der Gäste nicht zu sehr vom Wein betäubt waren, konnten sie sich an dem Sprachengewirr, dem gurrenden Lachen der Frauen und einem verführerischen Duftgemisch aus Parfüm, Räucherstäbchen und berauschenden Kräutern laben, welche in dunkleren Nischen mit Wasserpfeifen ausgegeben wurden. Der große Hauptraum der Karawanserei wurde durch niedrige geschwungene Bögen auf schlanken Säulen in separate Alkoven getrennt, welche auf verschiedenen Stufen angeordnet waren. In diesen konnten es sich die Gäste auf weichen Kissen vor niedrigen Tischen mit erlesenen Speisen und Getränken bequem machen. An den Decken der Nischen schimmerten wunderschöne Mosaiken. Im größten Alkoven in der Mitte hatte man den Eindruck, direkt unter dem sternenbedeckten Firmament einer schwülen Sommernacht Shems zu liegen. Hier hingen Ranken an den Säulen und von den Torbogen, welche sich im Nachtwind leise drehten, während der mit herrlichen bunten Kacheln verzierte Springbrunnen in der Mitte plätscherte. »Ich hatte nicht erwartet, daß euer Banditenführer so wohlhabend ist«, vertraute der Cimmerier Isaiab bei einem Becher gelben Palmweins an. Er saß im Schneidersitz in einem Alkoven beim Schein der Öllampen und hatte sich nach den Strapazen des Unternehmens wieder gut erholt. Er trug geborgte seidene Pumphosen und eine Weste. Die rabenschwarze Mähne war lose unter einem gestreiften Turban gezähmt. »Der Vanir bewirtet einen ja königlich.« »Ja, er wird in Abaddrah beinahe für einen Edelmann gehalten.« Der Shemite nickte zu dem blondbärtigen Otsgar hinüber, welcher in erlesener seidener Kleidung die Gäste am Haupteingang begrüßte. »In dieser Karawanserei wirst du kaum die schmutzigen, streitsüchtigen Wüstenreiter der östlichen Karawanen finden. Otsgar beherbergt lieber die steinreichen Kaufleute, welche mit den kostbarsten Waren und vertrauenswürdigen Dienern reisen. Oft kommen sie so spät nach Abaddrah, daß die Stadttore bereits geschlossen sind.« Isaiab zwinkerte Conan zu. »Oft wollen sie aber auch ihre
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Handelsgeschäfte ohne die vorherigen Zollformalitäten abschließen.« »Naja, wenigstens bleibt Otsgar bescheiden.« Conan leert den Becher und griff nach dem Krug auf dem Tisch. »Wenn es um das Teilen der Beute geht, tut er, als müsse er am Hungertuch nagen, und alle Gegenstände, die er nicht bekommt, seien einzigartige Kunstwerke.« »Ja, er ist ein schlauer Fuchs.« Isaiab schwenkte die letzten Tropfen in seinem Becher und betrachtete sie nachdenklich. »Abaddrah ist wie ein tiefer Teich, den die Fluten des Flusses zurückließen: Die Oberfläche glitzert verführerisch; aber darunter ist es dunkel und schlammig. Um zwischen den verschiedenen Schichten zu schwimmen, muß man ein ganz besonderer Fisch sein: wie Otsgar.« Er schaute Conan an. »Manchmal ist es für einen Fremden leichter, sich durchzuschlagen.« »Ja, ich finde deine Stadt höchst interessant.« Conan lehnte sich zu Isaiab und sprach etwas leiser. »Als ich heute über den Hauptmarkt geschlendert bin, habe ich Barren aus reinem Gold gesehen, so groß wie der Fuß eines erwachsenen Mannes. Dazu Fässer mit Edelsteinen und Jadebrocken, die ich nicht hätte heben können. Großer Reichtum wechselt hier den Besitzer; aber alles ist zu gut bewacht, als daß man es in die Finger bekommt. Überall haben die Leute nur von dem Prunk in Ebnezubs Grab geredet.« »Ja, ja. Der König zahlt für die Reichtümer der westlichen Welt Spitzenpreise. Deshalb ist Otsgar ja auch so hinter den Schmuckstücken her. Ebnezubs äußerer Sarkophag soll aus Alabaster und weißem Gold bestehen, habe ich gehört. Alle seine juwelenbesetzten persönlichen Gegenstände sollen ihm ins Grab mitgegeben werden. Die Decke seiner Grabkammer soll vor Edelsteinen ebenso funkeln wie die im Mosaik über uns.« Isaiab deutete nach oben. »Ach was!« Der Cimmerier strich sich übers glattrasierte Kinn. »Und das alles hat er aus den Armen des Landes herausgequetscht. Da kommt man wirklich ins Grübeln. Ist es nicht eine wahre Schande, daß soviel Reichtum mit einem König vergraben wird, wenn seine Untertanen hungrig und obdachlos durch die Straßen wandern?« Isaiab schaute überrascht auf. »Trügen mich meine Ohren, Conan? Es sind doch nicht etwa Asrafels ständige Klagen über die Aristokraten bei dir auf fruchtbaren Boden gefallen, oder?« Conan lächelte. »Nein, das nicht gerade. Aber als ich gestern so durch die Stadt schlenderte, kam mir ein Gedanke. Was wäre, wenn...« Aber dann brach er jäh ab und schaute in den hinteren Teil des Raums.
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Die Musik der Saiteninstrumente und das Klirren der Zimbeln waren lauter geworden. Eine Flöte hatte sich zu ihnen gesellt und spielte eine hohe, verführerische Melodie. Alle Augen wendeten sich zu der Seite, wo Zafriti aus einem Perlenvorhang heraustrat und mit ihrer Vorführung begann. Zafriti tanzte die Werbung einer Frau aus Zuagir, allerdings ohne die vielen hinderlichen Schleier und Tücher, welche die Frauen dieses Wüstenvolks für gewöhnlich tragen. Die hauchdünnen schmalen Schleier und die glitzernden Ketten und Reifen an ihrem athletischen Körper spotteten jedem Schamgefühl, wenn sie sich aufreizend bewegte. Sie war außerdem weit geschmeidiger als gewöhnliche Zuagir-Frauen, da sie sich bei ihrer Vorführung nicht auf ein von einer Öllampe erhelltes Zelt oder einen Teppich auf dem Marktplatz beschränken mußte. Mit den Glöckchen an den Fingern gab sie den Rhythmus vor, den sie durch das Klingeln der Ketten und Ringe an der Taille und den Füßen unterstrich. Ihre Bewegungen waren rasch und sinnlich. So tanzte sie durch die Alkoven der Karawanserei. Die Musiker folgten ihr, ebenso Diener, welche Lampen hochhielten, damit alle sie sehen konnten. Wie ein Windhauch glitt sie über die Kissen und Beine ihres Publikums, stets mit einem neuen Trick oder Scherz, um die Männer zu ergötzen. Otsgar hielt sich im Schatten, klatschte gelegentlich, um das Tempo der Musik zu steigern, und nickte seinen Gästen mit der Genugtuung eines zufriedenen Wirts zu. Wohlgefällig sah er zu, wenn Zafriti vor fetten Kaufleuten ihre Reize darbot und diese ihr Silbermünzen in den Gürtel steckten. Conan fiel auf, daß sie sich weit mehr diesen Gästen widmete als den hageren, wettergegerbten Typen. Vor allem aber schien sie den Teil der Herberge zu meiden, wo er und Isaiab saßen. Doch dann veränderte sich plötzlich die Richtung ihres Tanzes. Sie wirbelte zum Springbrunnen und sprang mit einem Satz auf den niedrigen Marmortisch vor dem Cimmerier. Mit den bloßen Füßen fegte sie Schüsseln, Brotkrusten und Melonenschalen von der schwarzen Oberfläche. Dann blieb sie atemlos stehen. Sie glich einer Gazelle, die während der Flucht auf einer Lichtung innehält. Dann stimmte sie mit den Fingerglöckchen eine andere Melodie an. Die Musiker verstanden sofort und verlangsamten ihr Tempo. Zafriti begann jetzt mit der langsameren, aufreizenderen Phase ihres Tanzes. Schamlos drehte und wendete sie sich vor den Augen des Cimmeriers. Ab und zu warf sie Isaiab einen tiefen Blick zu oder lächelte den Musikern, Lampenträgern
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oder anderen Gästen zu, welche sich um Conans Alkoven drängten. Aber ihre Bewegungen waren nur auf den Cimmerier ausgerichtet, der wie angewachsen vor ihr saß. Zafriti gab sich große Mühe, ihren goldbraunen Körper mit sinnlichen Windungen zur Geltung zu bringen. Langsam und ausdrucksvoll wies sie mit den Händen auf ihre Kurven hin. Juwelen blitzten an jedem Finger. Ein Zittern durchlief ihren Körper vom Kopf bis in die Fußspitzen. Dabei klirrten die Ketten und läuteten die Glöckchen. Kunstvoll gab sie in immer neuen Drehungen und Windungen weitere Einzelheiten ihres schönen Körpers preis. Leichte Schweißperlen glänzten im Schein der Lampen auf ihrer goldenen Haut. In vollkommenem Einklang mit dem Rhythmus der Musik ging sie auf der Marmorplatte in die Knie und streckte ihren Körper vor Conan bogenförmig nach hinten. In dieser Haltung lagen Abwehr und gleichzeitig verführerische Einladung. Bei diesem Anblick seufzten viele Zuschauer. Ein leises Raunen lief durch den Raum. Manche bekundeten Mitleid mit dem Barbaren aus dem Norden, welcher so nahe an dieser lebenden Flamme saß, daß er von ihrer Hitze ins Schwitzen geriet, vielleicht sogar verzehrt wurde. Conan spürte ein Kribbeln im ganzen Körper. Er mußte etwas tun. Schnell griff er in den Geldbeutel und holte die erste Münze heraus, die ihm in die Finger kam: ein schweres rautenförmiges Goldstück. Zafriti schlängelte sich bereits wieder nach oben. Conan streckte die Hand aus, um ihr die Münze in den Gürtel aus purpurfarbener Seide zu stecken, da wich sie vor ihm zurück, sprang auf und tanzte wie ein Wirbelwind aus seiner Reichweite. Im nächsten Augenblick drehte sie sich auf dem Hauptgang, wo viele Gäste sich mit begeisterten Rufen um sie drängten. Geschickt ließ Zafriti ein Tuch fallen. Auf dieses warfen die Männer die Münzen als Tribut für ihre Schönheit und Tanzkunst. Gleich darauf hatte Otsgar sich vorgedrängt und klatschte lautstark. Hinter seinem breiten Rücken raffte Zafriti ihre Schätze zusammen und verschwand unter donnerndem Applaus hinter dem Perlenvorhang. Im Nu trat wieder Ruhe ein. Alle kehrten zu ihren Plätzen zurück und bestellten noch mehr zu essen und zu trinken. Jetzt kamen junge Schankmädchen, um die Bedürfnisse der Gäste zu stillen, welche Zafriti mit ihrem Tanz geweckt hatte. Isaiab war sehr erstaunt, daß Conan alle Annäherungsversuche dieser spärlich bekleideten Mädchen zurückwies.
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Der Cimmerier hatte das Goldstück wieder in den Beutel gesteckt und saß mit finsterer Miene stumm da. Isaiab hielt es für klug, nichts über Zafriti zu sagen, sondern nahm wieder das Thema auf, das durch den Tanz so aufreizend unterbrochen worden war. Als die Stimmung der Gäste dem Höhepunkt zustrebte, wurde Conan ruhelos. Er leerte den Becher in einem Zug und stand auf. Dann erklärte er, daß er einen Spaziergang an die frische Nachtluft machen wolle - allein. Als Isaiab ihn fragte, was er vorhabe, gab er keine Antwort. Der Cimmerier ging durch die Küche, in welcher rege Geschäftigkeit herrschte, um sich aus der Kammer, die er mit Otsgars Spießgesellen teilte, einen Umhang zu holen. Als er den langen Gang hinunterging, hörte er, wie hinter ihm eine Tür geöffnet wurde. Er drehte sich um. Die Tür war aus kräftigen Bohlen gebaut, allerdings nicht so verziert wie die Türen in dem Teil der Karawanserei, der für die Öffentlichkeit bestimmt war. Jetzt stand die Tür halb offen; aber niemand war zu sehen. Der Duft eines vertrauten Parfüms stieg ihm in die Nase. Conan ging zurück und warf einen Blick in das Zimmer. Zafriti stand vor einem großen Spiegel aus poliertem Metall und legte ihren Schmuck ab. Sie war noch immer so spärlich wie beim Tanzen bekleidet. Offensichtlich war die Kammer ihr Schlafzimmer. Überall hingen und lagen glitzernde Kostüme. »Na, Conan, hast du bei meinem Tanz noch nicht genug gesehen?« Zafriti sprach, ohne ihn anzusehen. Jetzt beugte sie sich vor, um einen verhakten Ohrring zu entfernen. »Mehr konnte ich dir wirklich nicht bieten! Komm herein und schließ die Tür! Und dann sag mir, wie dir mein Auftritt gefallen hat.« Nach kurzem Zögern trat Conan ein und schloß die Tür hinter sich. »Ich habe selten etwas Besseres gesehen«, gab er zu. »Und zwischen Zingara und Khitai habe ich eine Menge Verführungstänze erlebt.« Zafriti musterte ihn kurz und blickte dann auf die Münzen, die zwischen Kajaltöpfen und Rouge auf dem Tisch vor dem Spiegel lagen. »Ich wünschte, du würdest meinen anderen Kunden das erzählen. Sie stöhnen und schmachten wie verrückt; aber mit der Bezahlung steht es schlecht.« Sie öffnete eine Schublade im Tisch und schob die Münzen hinein. Conan musterte sie scharf. »Bist du sicher, daß ich sehen soll, wo du deinen Reichtum verborgen hältst, Mädchen? Die Kerle, mit denen du dich herumtreibst, bestehlen nicht nur die Toten. Das ist dir doch klar, oder?«
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Zafriti zuckte mit den Achseln. »Heute abend ist es sowieso nicht viel. So weit traue ich dir schon, Conan.« »Trotzdem hast du das Gold nicht genommen, das ich dir geben wollte.« Abschätzend schaute er sie an. »Das kommt mir bei dir wirklich seltsam vor.« Zafriti trat einen Schritt näher. Sie bewegte Schultern und Hüften aufreizend, als wolle sie wieder tanzen. »Warum sollte ich mich bei dir mit Münzen begnügen, Conan?« Dann legte sie die Hände über dem Schwertgurt auf die Hüften des Cimmeriers und schaute ihm herausfordernd ins Gesicht. »Warum nur Münzen, wenn ich alles haben kann?« »Alles...?« wiederholte er verblüfft. Sein Blick hing an ihrem Gesicht. Zafritis Augen unter den grüngefärbten Lidern waren verhangen. Ihr mit Beeren geröteter Mund war halb geöffnet. Und darunter, dicht vor ihm, begannen die verführerischen Rundungen ihres Körpers. »Ja, ich glaube, daß ich alles bekommen könnte - nicht nur dein Geld, sondern deinen Körper, deine Leidenschaft und deine nördliche Wildheit. Ich brauche es nur von dir zu verlangen.« Sie kam noch näher, aber ohne ihn zu berühren. Nur ihre warmen Hände glitten über seine Lenden. »Und was ist mit deinem Herrn und Gebieter?« fragte Conan vorsichtig. »Was würde er dazu sagen?« »Otsgar? Pah!« Zafriti warf den Kopf zurück. »Er ist mein Arbeitgeber, sonst nichts! Er schätzt mich, das stimmt. Für ihn bin ich jedoch nur eine gute Investition oder eine Wertsache. Aber ich bin nicht an ihn gebunden.« Sie schüttelte unwillig den Kopf. Dann lächelte sie wieder und schob sich noch näher an den Cimmerier heran, bis sie ihn leicht berührte. Mit einer Hand streichelte sie ihm über den Arm und die Brust bis hinauf ins Gesicht. »An mich würdest du dich bestimmt auch nicht gebunden fühlen, falls dir jemand anderer besser gefällt«, meinte Conan trocken und wich mit der Wange ihrem Streicheln aus. »Nein, Zafriti, das gefällt mir nicht. Noch nie habe ich einem Mann die Frau weggenommen - nicht einmal ein so leichtfertiges Geschöpf wie dich einem Schurken wie Otsgar. Allerdings, bei Crom, ich täte ihm sicher einen Gefallen...« »Barbarischer Tugendbold!« Zafriti versetzte ihm einen kräftigen Schlag ins Gesicht. »Mir einen Korb zu geben! Was bildest du dir eigentlich ein? Du bist trotz deiner Muskelberge kein richtiger Mann...« Conan packte Zafritis Handgelenk, damit sie nicht noch einmal zuschla-
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gen konnte, dann auch das zweite, damit sie ihm nicht mit den scharlachroten Nägeln die Augen auskratzte. Sie schäumte vor Wut und wehrte sich heftig. Bei dem Ringkampf kam Conan mehrmals in engste Berührung mit ihrem geschmeidigem Körper. Er wollte ihr nicht weh tun, sondern sie nur ruhig stellen, daher zog er sie an sich und hob sie vom Boden hoch. Sie kämpfte nun mit den Knien weiter. Er mußte sich zur Seite drehen, um seine edelsten Körperteile zu schützen. Sie rangen erbittert weiter. Doch dann - ehe Conan wußte, wie ihm geschah - hatte sie ihn mit den Beinen umschlungen und biß ihn mit den kleinen scharfen Zähnen liebevoll ins Ohr und in den Hals. Im nächsten Monat vergrub der Cimmerier das Gesicht begierig in ihrem Haar. Mit einer Hand streichelte er ihre üppigen Brüste, während sie ihren Körper noch enger an ihn preßte. Wie ein Äffchen einen Banyanbaum hinaufklettert, so klammerte sie sich an ihn. Da hörte Conan, wie sich hinter ihm die Tür öffnete. Er wollte sich umdrehen; aber Zafritis Kraft und Leidenschaft behinderten ihn. Kaum hatte er sie endlich eine Handbreit von sich geschoben, da traf ihn ein kräftiger Faustschlag am Kopf, so daß er zu Boden ging. Eine nur allzu bekannte Stimme brüllte: »Dreimal verfluchter Cimmerier! Dein Volk hat schon immer Weiber gestohlen! Aber meine Landsleute im schneebedeckten Vanaheim lassen sich das nicht gefallen - und ich auch nicht!« Wutentbrannt trat und schlug Otsgar auf Conan ein. Der Cimmerier kam trotzdem wieder auf die Beine. Als Otsgar ihn gegen die Wand stieß, blühte ihm eine Überraschung. Conan schnellte von der Ziegelmauer wie ein Geschoß von einem Katapult und hämmerte mit den Fäusten auf Brust und Kinn des Vanirs ein, bis dieser zurückwich. Otsgar fing sich jedoch sogleich wieder, unterlief Conans Deckung und packte ihn mit einem geschickten Ringergriff. Doch der Cimmerier befreite sich sogleich und versetzte dem Gegner einen kräftigen Tritt in die Weichteile. Der blonde Vanir krümmte sich und traf dabei mit dem eisenharten Kopf genau Conans Kinn, so daß dieser Sterne in allen Farben sah. Beide Männer japsten nach Luft und kämpften wie die Tanzbären weiter, bis Conan endlich wieder klar sehen konnte. Dann schlang er von hinten sein Bein um Otsgar und packte ihn am Haarschopf. Ein eleganter Hüftwurf schickte den Vanir aufs Bett, auf Zafritis flitterbesetzte Kostüme.
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Das Holzgestell hielt diesem Aufprall nicht stand und zerbrach. Otsgar rollte über den Fußboden. Fluchend kam er wieder hoch und packte einen Bettpfosten, aus dem im rechten Winkel Splitter abstanden. Wütend schwang er ihn; aber Conan duckte sich und wollte den Dolch zücken - doch Otsgar hatte seinen Dolch noch im Gürtel stecken. Es wäre eine Schande gewesen, eine gute Prügelei so schmutzig und blutig zu Ende zu bringen. Der Cimmerier erwischte das Holz in der Luft - und auch das Handgelenk, das es hielt. Dafür bekam er einen unerwartet kräftigen Tritt in den Bauch, so daß er nach hinten gegen den Tisch mit den Schönheitsmitteln fiel. Außerdem schlug er mit dem Kopf gegen Zafritis Spiegel, so daß dieser eine Delle bekam. Flaschen fielen zu Boden und zerbrachen. Wohlgerüche breiteten sich aus. Conan versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Er war entschlossen, den Kampf bis zum bitteren Ende durchzuführen; aber da krallten sich spitze Nägel in seine Schulter. Spitze Schreie gellten in sein Ohr. Es war die Tänzerin. »Jetzt reicht‘s! Raus ihr Narren! Das sind meine Sachen. Damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt.« Im nächsten Augenblick stürzte sie sich auf Otsgar und behämmerte den Hünen wutentbrannt mit ihren kleinen Fäusten. »Raus, du fettbäuchiger Gorilla! Du hast genug Schaden angerichtet! Ich will keinen von euch beiden mehr sehen! Raus!« Conan folgte seinem Gegner hinaus auf den Korridor. Dort blieb Otsgar stehen und ballte wieder die Fäuste. »Halt, Vanir!« rief Conan und hob schützend einen Arm vors Gesicht. »Ich mache dir einen geschäftlichen Vorschlag.« Das Sprechen fiel ihm schwer mit der geschwollenen Lippe. »Ich will dich nicht zum Krüppel machen - jedenfalls nicht bevor ich dich reich gemacht habe.« Otsgar funkelte ihn wütend an. »Was könnte das für ein Geschäft sein, Cimmerier? Willst du dich mit Flitter und Perlen behängen und Zafriti beim Tanz begleiten?« Unwillig schüttelte Conan den Kopf. »Wegen der Stygierin haben wir genug gekämpft.« Er streckte die wunde Lippe vor. »Allerdings ist sie ein Weib, bei dem dein Kampfarm nicht aus der Übung kommt, wenn du sie nicht fest an die Kandare nehmen willst. Laß uns aufhören, bevor die Klingen ins Spiel kommen.« Er musterte den Vanir, der immer noch die Fäuste
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kampfbereit hochhielt. »He, was meinst du? Was ich dir vorschlagen will, ist kein leeres Gerede und sehr gewinnbringend.« Otsgar blickte noch immer finster drein. Doch dann verzog sich sein Mund zu einem Grinsen. Im nächsten Moment lachte er schallend. »In Ordnung! Wir sind wieder Freunde!« Schnell trat er auf den Cimmerier zu und wollte ihm die Hände auf die Schultern legen. Instinktiv wich Conan als erfahrener Kämpfer zurück, doch dann ergriff er die Hand Otsgars und schüttelte sie als Zeichen der Versöhnung. »Au!« schrie Otsgar und rieb sich die Abschürfungen an den Knöcheln. Dann wackelte er an einem losen Zahn. »Ich glaube, ich brauche noch einen Goldzahn.« Lachend schaute er den Cimmerier an. Dann wurde er wieder ernst und fragte in geschäftsmäßigem Ton: »Und wie lautet dein Vorschlag?« Vorsichtig schaute Conan nach beiden Seiten den Gang entlang. Zafritis Tür war geschlossen. Nur einige Küchenhilfen mit Schürzen standen weiter hinten. Die Leute waren bei dem Lärm des Kampfes herbeigeeilt. »Das ist nur für deine Ohren bestimmt, vielleicht noch für Isaiabs - und Asrafels Ohren, falls wir den irgendwo finden.« »In Ordnung.« Otsgar schnippte mit den Fingern. »Schickt Isaiab und Asrafel sofort zu mir auf mein Zimmer!« Sofort verschwanden die Dienstboten wieder in der Küche. Der Wirt winkte Conan, ihm zu folgen. In Otsgars Gemach herrschte kein Luxus; aber es war bequem mit Möbeln aus dunklem Holz und Bronze eingerichtet. Ein breites Bett mit Seidendekken stand neben einer Kommode, auf der auch Sachen von Zafriti lagen. Anstelle von Fenstern sorgte ein kunstvoll geschnitztes Gitter unter der Decke dafür, daß die leichte Nachtbrise Kühlung brachte. Otsgar goß aus einer kostbaren Karaffe mit Lackschmuck Palmwein in zwei Becher und reichte dem Cimmerier einen davon. Conan setzte sich auf einen Bronzeschemel dem Wirt gegenüber und wartete. Isaiab kam herein. Er trug eine Kanne mit Wein. Obwohl er leicht angetrunken war, blickte er die Männer neugierig an. Danach kam wortlos auch Asrafel. Jetzt ergriff Conan das Wort. »Willkommen, Freunde. Schließt die Tür!« Er stand auf und blickte die anderen ernst an. »Mein Vorschlag sollte jedem Berufsdieb sofort einleuchten: auf leichte Weise sehr reich zu werden, ohne dabei jemanden zu schädigen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ihr drei lebt hier und haltet euch an die Landes-
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sitten. Deshalb seid ihr wohl noch nicht auf diese großartige Idee gekommen. Ihr durchstreift die Wüste und brecht mühselig in uralte Gräber ein, um Beute zu machen, dabei liegt ein viel größerer Schatz direkt vor eurer Nase.« »Du meinst, wir sollten die Hügelgräber der Könige und Priester von Abaddrah ausrauben?« unterbrach ihn Isaiab. Er warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, daß die Tür geschlossen war. Dann wandte er sich wieder Conan zu. »Diesen Gedanken kannst du sofort vergessen! Ich habe dir doch gesagt, daß diese Gräber viel zu gut bewacht sind - durch Menschen und Zauber...« »Nein, Isaiab. Mein Plan ist sehr viel kühner.« Conan sprach ruhig und ernst. »Viel leichter können wir das Grab des Königs dieser Stadt ausrauben, Ebnezubs Grab.« Die dunklen Augen des Shemiten wurden groß. »Aber das Grabmal ist doch noch gar nicht fertiggestellt! Der König lebt noch!« Conan zuckte mit den Achseln. »Nicht mehr sehr lange, wenn du und der Klatsch auf dem Markt recht haben. Wie beurteilst du Ebnezubs Gesundheit?« Isaiab starrte den Cimmerier an. Dann seufzte er und spreizte die Hände. »Ich weiß nur, was die Hofschranzen in ihre Becher murmeln, wenn sie herkommen, um sich zu vergnügen. Angeblich vergiftet Nitokar, die Gemahlin des Königs, ihn langsam, so wie sie es mit seiner ersten Frau schon getan haben soll. Er aber liebt sie so innig, daß er zu blind ist, um es zu bemerken.« »Möge er bis zu seinem Tod so blind bleiben!« fügte Asrafel hinzu. »Der habgierige Blutsauger verdient es nicht besser!« »Also, das ist doch schierer Wahnsinn!« Empört stand Otsgar auf. »Vergeßt diese schwachsinnigen Ideen, alle drei! Für einen Mann in meiner Stellung ist es schon riskant, über derartige Schurkereien zu sprechen. Schließlich liegt mein ganzer Besitz hier in Abaddrah! Und selbst wenn dieser Raub Erfolg hätte, würde er zu einem unvorstellbaren Aufruhr und Geschrei führen...« »Nur dann, wenn der Verlust entdeckt wird«, unterbrach ihn Conan schnell. »Anstatt einzubrechen, könnten wir die Schätze wegzaubern, indem wir zu diesem Zweck einen Geheimgang anlegen. Dann wird nie jemand etwas vermissen.« Die Worte des Cimmeriers erstickten Otsgars Protest. Er setzte sich mit gerunzelter Stirn wieder hin.
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Isaiab hatte das Kinn auf die Faust gestützt. Manchmal grinste er, manchmal furchte er die Stirn, entsprechend den Gedanken, welche ihm durch den Kopf schossen. »Du meinst, wir unterlaufen die Sicherheitsvorkehrungen des Grabmals schon während des Baus, damit wir es hinterher leichter ausrauben können«, meinte er. »Das ist verdammt riskant! Aber die Grabpolizei dürfte kaum auf diese Idee kommen und sich daher auch nicht dagegen schützen.« Der drahtige Shemite schlug sich begeistert auf die Schenkel. »Bei Ishtars Gürtel! Das ist viel leichter, als hinterher einzubrechen!« Dann zwirbelte er seinen Bart. »Aber schon jetzt wird die Baustelle strengstens bewacht, damit keiner etwas klaut.« »Also ich bin dafür!« erklärte Asrafel und stand entschlossen auf. »Wir sollten den Reichtum zurückstehlen, den der alte Ebnezub ehrlichen Leuten wie meinem ermordeten Vater weggenommen hat.« Conan nickte geduldig. »Der beste Punkt des Plans liegt darin, daß wir damit alle Fallen und Zauber der Priester umgehen. Für mich ist es nicht einmal ein richtiger Grabraub. Wir riskieren auch nicht, daß uns irgendwelche Gespenster oder längst tote Biester angreifen.« Isaiab hob den Becher und sagte feierlich zu Asrafel: »Conan ist ein Ehrenmann! Ihm behagt die Vorstellung nicht, daß wir Leichen berauben, es sei denn, daß es Leichen sind, die er selbst umgebracht hat.« Conan schüttelte ungeduldig den Kopf. »So ist es nicht! Ich verabscheue nur den ekligen Geruch uralten Moders! In Cimmerien haben wir ein Sprichwort: ›Tote Geister sind wie Weingeister. Sie werden mit zunehmendem Alter immer stärker.‹« Otsgars Stimme übertönte die anderen. »Und wie kommst du auf den Gedanken, daß du das Grabmal so leicht berauben kannst? Auch wenn man dazu nur eine einzige Reihe von Steinen entfernen müßte, ginge das weit über unsere Kräfte. Außerdem könnten die Wächter es entdecken und in eine Falle verwandeln.« »Stimmt! Wir können es nicht wagen, viele Komplizen einzuweihen. Sie könnten uns verraten.« Isaiab sprach nervös und blickte scheu zur Tür. »Die Grabpolizei hat teuflische Tricks und Foltermethoden.« Conan zuckte mit den Achseln. »Es dürfte nicht allzu schwierig sein, im Innern einen Tunnel zu graben. Oft hat man bei einer Stadtmauer nur außen dicke Quadern, und der Zwischenraum ist mit Geröll und Kies aufgefüllt. Vielleicht ist das bei Ebnezubs Grab auch so. Ich wollte mir heute abend das Grab schon genauer ansehen, ehe ich... abgelenkt wurde.«
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Er machte eine Pause und rieb sich den Hinterkopf, der bei dem Kampf vorhin in Mitleidenschaft gezogen worden war. »Aber vielleicht wäre es besser, wenn ich mit dir, Isaiab, hinginge. Du könntest mich führen und mir mehr über die Bauweise und Verteidigungsanlagen des Grabes sagen.« »Heute... du meinst... jetzt?« Als Conan nickte, blickte Isaiab unsicher zu Otsgar hinüber. Dieser hob mit den kräftigen Händen den Weinbecher und blickte tiefsinnig hinein. Sein Gesicht mit der stumpfen Nase zeigte, daß er stumm nachdachte. Plötzlich schaute er auf. »Warum eigentlich nicht? Aber warum gehen wir nicht alle?« Er lächelte Conan so breit an, bis die Goldzähne blitzten. »Wenn wir noch vor dem alten Ebnezub im Grab sein wollen, müssen wir uns beeilen.«
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6. KAPITEL DIE NÄCHTLICHE EXKURSION Die shemitische Nacht lag schwer und schwül auf den schmalen Gassen am Rande der Stadt. Conan fühlte sich an die Nächte in Stygien erinnert. Ihm fielen wieder gewisse schwarze Stunden ein, welche er in dem südlichen Land erlebt hatte, wo man Schlangen anbetete. Hier war es allerdings weniger still. Er fühlte sich nicht so allein. Trotz des wirklich gewagten Abenteuers, auf das er sich einlassen wollte, hatte er auch weniger Angst. Unter den geschwungenen Dächern der Palmen rollten Dattelkerne unter den Sohlen seiner Sandalen. Die Sterne schienen auf dieser Seite des Flusses freundlicher zu funkeln, und die zirpenden Zikaden und quakenden Frösche sangen ein harmonischeres, einschmeichelnderes Lied. Trotz der späten Stunde herrschte überall reges Treiben. Durch die Türen der aus Lehmziegeln erbauten Villen drang der Schein der Öllampen. Vom Ufer des Kanals drangen Stimmen herauf. Lagerfeuer brannten. Auch Fußgänger waren noch unterwegs: Heimatlose, durch die Flut vertriebene Bauern eilten dahin. Die Frauen hielten die Augen gesenkt, die Männer trugen auf den Schultern die langen Stangen mit den Wasserschöpfern, ihren einzigen Besitz. Conan sah auch buntgekleidete Galane, welche vor den mit Holzläden verschlossenen Fenstern der Villen leise Serenaden darbrachten. »Das sind die Häuser von wohlhabenden Handwerkern, die am Grab arbeiten«, erklärte ihm Isaiab. »Shemitische Mädchen sind im Umgang mit Männern nicht zimperlich«, bemerkte Conan. Er hatte gesehen, wie sich eine Seitentür öffnete und ein Harfenspieler eingelassen wurde. »Ja, leider!« Der Shemite nickte. »Im Vergleich zu manchen dieser Töchter der Vorstadt ist Zafriti ein scheues Reh.« Er musterte den Cimmerier von der Seite. Doch Conans Gedanken waren woanders. Er blickte zu Otsgar und Asrafel hinüber. Die beiden gingen ein Stück voraus, um den Eindruck zu erwecken, daß die vier Männer nicht zusammengehörten. »Wir nähern uns anscheinend dem Grabbezirk.« Conan machte diese Bemerkung, weil er weiter vorn ein prächtiges schmiedeeisernes Portal sah, das den Weg abschloß. Es war in eine Mauer eingelassen, welche nur ungefähr mannshoch war; aber sie schien das Ende
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des Reichs der Lebenden zu markieren. Dahinter schimmerten riesige weiße Steinquader im Licht des tiefstehenden Mondes im Osten. Vergeblich hielt Conan nach Wächtern oder einem Schilderhaus neben dem Portal Ausschau. Er war überrascht, daß mehrere Obdachlose mit ihrer kärglichen Habe direkt vor dem Portal an der Mauer lagerten. »In der Tat. Wir sind am Ziel. Siehst du, die Menschen haben sich schon versammelt, um morgen um Arbeit beim großen Grabmal zu bitten - oder um die Ehre, tote Verwandte oder sich selbst dort begraben zu dürfen.« Isaiab drückte sich an den Straßenrand, um nicht aufzufallen. »Paß auf, wohin Otsgar geht!« flüsterte er. »Da! Folge ihm jetzt - aber vorsichtig!« Conan tauchte in das dichte Schilf neben dem Kanal. Er gab sich Mühe, die hohen Halme an der Außenseite nicht niederzutreten. Hier lagerten keine Obdachlosen. Der Boden fiel steil nach unten ab. Im nächsten Augenblick stand er bis zum Gürtel in warmem Wasser. Das Schilf reichte ihm über den Kopf. »Hört auf herumzuplätschern und haltet euch dicht hinter mir!« zischte Otsgar wütend die Gefährten an. Er führte sie ans Ende der Mauer, die mehrere Schritte weit in den verschilften Kanal hineinragte. Conan setzte die Sandalen vorsichtig auf den glitschigen Untergrund. Dann suchte er an den schleimigen Ziegeln der Mauer Halt. Dauernd mußte er an die Krokodile denken, die er in den Kanälen gesehen hatte; daher suchte er die mondbeschienene Wasseroberfläche sorgfältig nach irgendwelchen Wellen ab. Da flüsterte Isaiab an Conans Schulter: »Dieser Kanal führt ganz in die Nähe von Ebnezubs Grab. Der König hat ihn eigens für den Transport großer Steine graben lassen; aber der Fluß füllt ihn nur während der Flut im Frühling.« »Wenn er es so eilig hat, das Grab fertig zu bekommen, verstehe ich nicht, warum er die Leute nicht Tag und Nacht arbeiten läßt.« »Damit würde er riskieren, den Sonnengott Ellael zu beleidigen«, antwortete Isaiab nach kurzem Nachdenken. »Nach shemitischem Glauben ist die Nacht unrein. Daher sind nächtliche Arbeiten im Freien verboten.« Conan holte tief Luft und versuchte die Stimme zu dämpfen. »Offensichtlich teilst du diesen Glauben nicht, da du schon viele Jahre nachts arbeitest.« Der Shemite zuckte mit den Schultern; aber vielleicht war es ein eiskalter Schauder. »Man darf solche Dinge nicht auf die leichte Schulter nehmen.
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Die Nacht birgt viele Gefahren, besonders im Bereich der Gräber.« Conan brummte etwas vor sich hin und ging schweigend weiter. Die Mauer lag jetzt hinter ihnen, und das Schilf war nicht mehr so dicht. Otsgar schlich tief gebückt am Ufer des Kanals entlang und gab den anderen ein Zeichen, es ihm gleichzutun. Dann verschwand er im Dunklen unter einer Brücke, welche sich über den Kanal wölbte. Gerade als Conan ihm folgte, ertönte in der Nähe lautes Lachen. Der Cimmerier zog Isaiab schnell in den Schatten, denn schwere Fußtritte wurden auf den Planken der Brücke über ihnen laut. Es waren zwei Paar Füße, die mit der stoischen Geduld von Wachtposten hin- und herschritten. In der Mitte der Brücke trafen sich die Männer und wechselten gelangweilt ein paar Worte, ehe sie wieder weitermarschierten, jeder an sein Ende der Brücke. »Die Grabpolizei«, flüsterte Isaiab Conan ins Ohr. Regungslos warteten sie, bis die Schritte weit entfernt waren. Dann schlichen sie zu Otsgar. »Der Kanal vor uns ist blockiert«, erklärte dieser leise. »Am besten durchqueren wir jetzt die Heiligtümer.« Hinter der Brücke lag ein Schilfboot im ölig aussehenden Wasser. Eine Planke führte vom Ufer zum Boot. Achtern glühte ein Kohlenbecken und schickte Rauchwölkchen zum Nachthimmel hinauf. Es war zu gefährlich, um das Boot herumzuschwimmen. Der Cimmerier kroch daher mit den Gefährten auf dem Bauch die schlammige Uferrampe hinauf und dann über den Damm auf das dahinterliegende flache Gebiet. Vorsichtig überquerten sie eine Wiese mit hohem Gras, bis sie in den Schatten eines Mausoleums gelangten. Der Bau war einer unter Hunderten von Grabmalen, wie Conan sah, als er vorsichtig um eine steinerne Urne lugte, die zur Verzierung an einer Ecke angebracht war. Zu einem Hügel führten viele Straßen, die zu beiden Seiten von Mausoleen gesäumt waren. Beim Anblick dieser riesigen Totenstadt lief es dem Cimmerier eiskalt über den Rücken. Kein Mensch war zu sehen, kein Laut war zu hören - lautlos huschten Fledermäuse durch die Strahlen des tiefstehenden Mondes. Einige Bauten waren aus Natursandstein errichtet. Andere dagegen wiesen kunstvolle Türmchen und Zinnen auf. Viele Grabstätten glichen kleinen Häusern. Die Umrisse von Fenstern und Türen waren eingemeißelt. Mehrere waren lediglich als steinerne Portale in den Hang eingelassen. Wahrscheinlich waren sie Eingänge zu Katakomben. Es war unmöglich, die
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ganze Ausdehnung der Nekropole abzuschätzen, da die Straßen um den Fuß des Hügels herumführten. »Du sagst, hier gibt es nicht viel zu holen?« Conan schüttelte verwundert den Kopf, als er den Blick über die Stadt der Toten schweifen ließ. »Hier müssen weit über hundert reiche Gräber liegen!« »Ja, aber der Ort ist gut bewacht«, erwiderte Otsgar. »Bleib unten, sonst sieht man dich!« Er zog den Cimmerier am Arm nach unten. »Ein guter Beutezug würde sich bestimmt auszahlen, da hast du recht. Aber es wäre purer Wahnsinn, jede Nacht wegen ein paar lächerlicher Schmuckstücke wiederzukommen. Los, weiter jetzt!« Vorsichtig kroch Otsgar auf den engen Wegen zwischen den Heimstätten der Toten weiter. Im Mondlicht glänzten die weißen Steine der Mausoleen so hell, daß man die Diebe, welche sich in der dunklen Schattenunterwelt dahinbewegten, kaum sah. Trotzdem ließ sich Otsgar entsetzlich viel Zeit. Bei jeder Ecke spähte er mehrmals in alle Richtungen, ehe er weiterkroch. Das Verhalten des Vanirs ließ darauf schließen, daß er nicht nur nach menschlichen Wächtern Ausschau hielt. Conan zeigte sehr bald die gleiche Wachsamkeit, denn mehrmals hatte er den Eindruck, daß auf den Wegen lautlos etwas dahinhuschte. Endlich gelangten sie an das Ende des Kanals. Ihnen gegenüber türmte sich ein riesiger Rohbau auf. Er glich einem Palast oder einer Festung. Holzgerüste hüllten ihn ein, wo die Arbeiter tagsüber herumkletterten. Eine Lehmrampe diente dem Transport der großen Steinquadern. Im Zentrum erhoben sich beinahe senkrechte Mauern, die bereits von einigen Zinnen gekrönt wurden. Conan wußte sofort, daß er vor Ebnezubs Grabmal stand. Otsgar wandte sich an die drei Gefährten. »Isaiab, du bleibst hier und hältst Wache. Von hier aus kannst du die ganze Baugrube überschauen.« Er zeigte mit dem Finger auf die anderen. »Ihr beiden wartet, bis ich außer Sicht bin, ehe ihr mir folgt.« »Ich will, daß Isaiab mit uns geht«, widersprach ihm Conan. »Wenn du einen Wächter aufstellen willst, dann laß den Jungen hier.« Otsgar warf dem Cimmerier einen nachsichtigen Blick zu. »Wenn Isaiab jemanden kommen sieht, stößt er den Schrei einer Eule aus, damit wir in Deckung gehen. Asrafel, kannst du diesen Schrei glaubwürdig nachahmen?« Der junge Shemite nickte mit dem Kopf.
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»Siehst du, Cimmerier? Isaiab ist genau der richtige Posten. Und jetzt paßt auf!« Otsgar musterte die Baustelle und rannte los. Seine kräftige Gestalt flitzte nach rechts, dann nach links, blieb aber immer im Schatten. Kaum war er hinter einer Bretterrampe verschwunden, lief Asrafel los. Als nächster war Conan an der Reihe. Der Cimmerier zögerte kurz. Aber ihm war klar, daß er Otsgar als Führer hinnehmen mußte, wenn er ihn und seine Männer für seine Zwecke benutzen wollte. Alles oder nichts! Er nickte Isaiab zum Abschied zu und folgte den beiden anderen. Das Mondlicht so gut wie möglich meidend, lief er durch Reihen von trapezoidförmigen Steinquadern. Manche waren höher als er. Die meisten waren roh behauen. Erde klebte an vielen. In der Nähe des Grabmals waren die Steinblöcke gesäubert und geglättet, so daß sie beinahe wie poliert glänzten. Viele Steinsplitter lagen auf dem Boden. Der Cimmerier mußte vorsichtig auftreten, um kein Geräusch zu verursachen. Die fertigen Blöcke hatte man auf runde Baumstämme geschoben. Um sie zum Grab zu bringen, legte man vorn immer wieder die Rundhölzer hin, welche man hinten wegnahm, sobald die Blöcke darübergeglitten waren. An einigen Blöcken waren bereits die Lederriemen und Seile befestigt, die zu den schweren Stangen führten, mit denen jeweils vierzig Männer sie zogen. Morgen früh würden die Arbeiter die Quader über die Erdrampen an den richtigen Platz im Grabmal schleppen. Conan hatte grauenvolle Geschichten über die tödliche Gefahr gehört, wenn die Männer die riesigen Blöcke über die schmalen Rampen schafften. Daran mußte er jetzt auch denken, als er wie eine Raubkatze durch die Baustelle schlich. Im nächsten Augenblick kauerte er im Schatten des Baugerüsts neben Asrafel an der Basis des Grabmals. Otsgar war schon ein Stück höher geklettert und winkte den Gefährten, ihm zu folgen. »Offenbar haben sie die eigentliche Grabkammer noch nicht geschlossen und auch noch nicht mit der reichen Innenausstattung begonnen, sonst wären mehr Wächter da«, sagte Otsgar, während die drei über die rohen Bretter des Gerüsts weiterkletterten. »Dann haben wir einen günstigen Zeitpunkt erwischt«, meinte Asrafel. »Ja, aber zwischen diesen gigantischen Blöcken können wir nicht viel graben«, erwiderte Otsgar bissig, ohne sie eines Blickes zu würdigen. »Nur um einen Stein wegzuschieben, brauchten wir hundert Männer!« In der Tat wirkte der bereits fertiggestellte Teil des Bauwerks nicht so, als könne man ihn leicht ausplündern. Als die Grabräuber das Ende der
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Bauten erreichten, sahen sie, daß der Kern nicht mit Kies gefüllt war, sondern aus ebenmäßig großen Felsblöcken bestand, welche schuppenförmig übereinandergelegt waren. Sie waren so präzise behauen, daß kein Mörtel nötig war, um sie an Ort und Stelle zu halten. Jetzt gelangten die drei Männer an eine Erdrampe, welche zum Ende des letzten Bauabschnitts führte. Hebel und Scherenkräne ragten in den Nachthimmel auf. Einer der riesigen Quader stand auf den Holzrollen, welche mit Keilen gesichert waren. Offenbar hatte man ihn dort am Abend stehengelassen, um ihn am nächsten Morgen weiterzubewegen. Weit mußte man ihn nicht mehr schleppen, damit die Kräne ihn packen konnten. Conan kroch vorsichtig und versuchte, sich in dem Schattengewirr irgendwie zu orientieren. Hinter dem Rand des Grabmals erspähte er tiefe Kanäle und Schächte, die ins Innere führten. Er legte die Hand über die Augen, um vom hellen Mondschein nicht geblendet zu werden. Da hörte er plötzlich ein lautes »Psst!« von Otsgar. Sofort schmiegte er sich in den Schatten des großen Steins. Gleich darauf vernahm auch er in der Ferne die Schritte und die Stimmen, welche seine Gefährten alarmiert hatten. Vorsichtig wendete er den Kopf. Von Otsgar und Asrafel war nichts zu sehen. Vielleicht versteckten sie sich auf der dem Hügel zugewandten Seite des Steins. Eigentlich spielte es keine Rolle - selbst wenn die Wächter die Rampe heraufkamen, um sich hier die halbe Nacht um die Ohren zu schlagen, konnten sich die drei Räuber mit Leichtigkeit unbemerkt wegschleichen und über das Gerüst nach unten verschwinden. Langsam schob sich der Cimmerier um die Ecke des mächtigen Quaders. Da hörte er etwas klappern. Die Holzpflöcke, mit denen der Stein verkeilt gewesen war, fielen neben ihm zu Boden. Gleichzeitig ertönte lautes Knirschen, als der riesige Monolith sich in Bewegung setzte. Conan war direkt vor ihm. Er spürte das Zittern des Steins. Dann drückte ihm die scharfe untere Kante gegen den Fußknöchel. Geistesgegenwärtig sprang der Cimmerier beiseite. Dabei geriet er aber ins Stolpern. Als er wieder festen Fuß gefaßt hatte, stand er eine Handbreit vor der glänzenden Oberfläche des todbringenden Quaders. Der Steinblock wurde schneller und drehte sich langsam. Offenbar waren einige Keile noch an Ort und Stelle. Verzweifelt tat Conan einen Satz zur Seite. Dabei streifte er die stahlharte Kante. Kaum war der Felsbrokken an ihm vorbeigerutscht, mußte er höllisch aufpassen, weil die runden
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Stämme unter seinen Füßen in Bewegung geraten waren. Er tanzte um sein Leben. Der Stein rutschte von den Rundhölzern und bohrte sich in den Boden. Eine riesige Staubwolke wirbelte auf. Jetzt donnerten auch die Baumstämme herab, da das Gewicht des Quaders sie in Bewegung versetzt hatte. Conan wich zweien aus, ein dritter erwischte ihn an der Brust, so daß ihm die Luft wegblieb und er rote Sonnen vor den Augen sah. Er sank auf die Knie und rang keuchend nach Luft. Der Steinstaub kratzte ihm im Hals. Irgendwo in der Nähe ertönte eine laute Trompete. Schritte näherten sich. Ehe der Cimmerier wieder auf den Beinen war, packten ihn Männer in langen Gewändern an den Haaren und drehten ihm die Arme auf den Rücken. Er konnte sie durch die brennenden Augen nur unscharf erkennen. Trotzdem trat er einen gegen das Schienbein, und einem anderen rammte er den Kopf in den Bauch. Doch es waren zu viele Gegner. Ein Tornado von Knien, Sandalen und Fäusten prasselte auf ihn ein und schlugen ihn zu Boden. Als Conan wieder Luft holen konnte, lag er mit dem Gesicht nach unten da, und die Hände waren ihm auf dem Rücken gefesselt worden. Er hörte einen Befehl. Dann drehte man ihn unsanft auf den Rücken. Vor dem mondhellen Himmel zeichneten sich mehrere große Gestalten ab. »Das ist ja ein wahrer Riese! Ein Barbar aus dem Norden!« »Seht nur, welchen Schaden dieser Narr angerichtet hat!« »Was wolltest du hier?« Diese Stimme sprach mit mehr Autorität als die anderen. Der Mann trug einen dunklen Umhang und - wie die übrigen Grabwächter - nur einen kurzen Rock mit Messinggürtel. Er sprach ein gepflegtes Shemitisch. Das selbstsichere Auftreten und der goldene Stirnreif wiesen ihn als Offizier aus. Er beugte sich zu Conan herab. Auf seinem Gesicht waren die Falten eines lebenslangen finsteren Ausdrucks tief eingegraben. »Bist du allein hergekommen? Denk sorgfältig nach, ehe du antwortest.« Stumm starrte Conan in das finstere Gesicht. Er lauschte, ob er irgendwo im Grabmal Schritte von Verfolgern hörte; aber nichts - doch dann hörte er ein leises Plätschern im fernen Kanal. Offensichtlich waren seine Gefährten entkommen. Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, seine Häscher auf das Plätschern aufmerksam zu machen, ja sogar ihnen von den anderen
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zu erzählen. Es wäre gerechte Rache für den Verrat gewesen. Aber nein! Isaiab war nicht so hinterhältig. Asrafel auch nicht, obgleich er noch jung und leicht zu hintergehen war. Otsgar allein hatte den Stein gelöst, welcher Conan erschlagen sollte und durch den er in die Hände der Grabwächter gefallen war. Mit ihm würde er abrechnen - falls er so lange lebte! Seine Häscher hatten das Plätschern in der Ferne nicht gehört. Sie traten und stießen ihn wieder, um ihn zum Sprechen zu bringen. »Bei Ishtars Gürtel! Vielleicht versteht der stinkende Barbar kein Shemitisch!« »Möglich. Die Kerle kommen aus den hintersten Ecken der Welt, um beim Bau des Großen Grabes Arbeit zu finden!« »Wie kommt der Barbar nur auf die Idee, er könnte mit ehrlichen Shemiten Seite an Seite arbeiten?« »Ruhe!« brüllte der Offizier und warf seinen Männern einen wütenden Blick zu. »Fremder, hör mir zu! Du bist in großer Gefahr für Leib und Seele. Wenn du gedacht hast, du könntest nachts hier hereinschleichen und dich unter die Arbeiter schmuggeln, hast du einen schweren Fehler begangen. Indem du diesen Frevel begangen hast, hast du dich selbst der göttlichen Gerechtigkeit überantwortet!« Er gab seinen Männern ein Zeichen. Sie rissen den Cimmerier hoch und stellten ihn auf die Beine. »Nun, Nordländer, was hast du mir zu sagen?« Der Offizier packte Conan unterm Kinn. »War das dein Motiv, um herzukommen? Wenn ja, warum hast du dich an dem Stein zu schaffen gemacht und einen kostspieligen Unfall verschuldet? Sprich! Wenn du redest, kannst du vielleicht dein Leben retten.« Als Antwort wehrte sich der Cimmerier nur stumm gegen die Hände, welche ihn mit Mühe halten konnten, da er die Wachen kopfhoch überragte. Erst als sie dem Gefangenen ihre langen Krummdolche an Kehle und Bauch hielten, konnten sie ihn bändigen. »Genug! Entweder ist der Kerl verrückt oder stumm. Schafft ihn in die Wachstube!« Auf den Befehl ihres Kommandanten hin führten die Wächter den Cimmerier die Rampe hinunter. Unter schwerer Bewachung marschierten sie mit ihm über den mondbeschienenen Bauplatz zu einem Tor, das er vorher nicht gesehen hatte. Es lag auf jener Seite des Grabbezirks, welche an die Stadt grenzte. Hier gab es Ställe für die Pferde. Vor dem Wachraum brannten Fackeln. Zwei Posten standen da. Über die niedrigen Lehmhütten bei den Kanälen hinweg sah man die Wachfeuer auf der Stadtmauer.
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Vier Männer hielten Conans gefesselte Arme, zwei weitere hatten die Dolchspitzen auf seinen Bauch gerichtet. Der Offizier mit dem goldenen Stirnreif ging zum Tor. Conan hörte, wie der eine Wachposten seinen Vorgesetzten ganz geschäftsmäßig fragte: »Hat sich wieder einer unbefugt eingeschlichen? Verstümmelung und Pfählen wie üblich?« »Nein, obwohl er es mehr als die meisten anderen verdient hätte«, antwortete der Offizier mürrisch. »Der Kerl ist ein Barbar aus dem Norden und so etwas wie eine Kuriosität. Sein Körperbau ist... außergewöhnlich, wie du sehen kannst.« Er zeigte mit dem Kopf zu dem Gefangenen. Der Wächter nickte beifällig. »Der königliche Hof wird ihn für seine Unterhaltung wollen. Für uns ist die Sache damit erledigt.« Der Offizier drückte sein Zeichen auf ein Wachstäfelchen ein, gab es dem Posten und machte auf dem Absatz kehrt. Der Posten musterte den Cimmerier im gelben Fackelschein abschätzend und rief dem Offizier hinterher: »Sollen wir ihn dann bis morgen früh hierbehalten?« »Nein. Laß sofort einen Streitwagen kommen.« Nach einem nochmaligen mürrischen Blick auf Conan fügte er hinzu. »Ich glaube kaum, daß ihr den Burschen hier sicher aufbewahren könntet.« Stumm und ausdruckslos hörte Conan zu. Hinter ihm drehte ein Wächter die Handfesseln noch fester zu und schimpfte vor sich hin: »Nein, für einen Kerl wie diesen ist das wirklich eine zu leichte Strafe! Aber heutzutage kommt jeder mit einem Klaps auf das Händchen davon! Es wäre besser, ihn zwischen den Gräbern auf einen Pfahl zu spießen und ihn den Geistern der Toten zu überlassen.« Ein anderer Posten hinter dem verstockten Gefangenen meinte: »Ach, was spielt das schon für eine Rolle? Die Spiele am Hof übersteht er sowieso nicht lange.«
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7. KAPITEL ABEND IN ABADDRAH Conan erwachte im Verlies. Schreie hallten durch die unterirdischen Gänge, Türe knallten. Aufwachen bedeutete für den Cimmerier lediglich, daß er die Lider hob, denn er saß bereits mit dem Rücken an der Mauer seiner engen Zelle. Irgendwann hatte er sich während der heißen Morgenstunden dagegen gestützt, um den Kopf auf einen leicht vorragenden Stein legen zu können. Er wollte ein wenig schlafen, um Kräfte für das Schicksal zu sammeln, das ihm bevorstand. Es war nicht leicht, Ruhe zu finden; denn zusätzlich zu den Schnüren, mit denen seine Hände auf den Rücken gefesselt waren, hatte man ihm noch einen Lederriemen durch die Hände, über den Rücken und als Schlinge um den Hals gelegt. Infolgedessen konnte er die Arme nicht nach unten hängen lassen, ohne sich zu erwürgen. Nur seine starke Natur, in Krieg und Wildnis gestählt, hatte es ihm ermöglicht, leicht dahinzudämmern. Jetzt am späten Nachmittag fiel Licht durch das winzige vergitterte Fenster oben in der dicken Mauer. Sobald er richtig wach war, kamen auch die Schmerzen wieder. Die vielen Tritte und Schläge der Wachen hatten ihn geschwächt. Die Qual, beide Arme nach hinten gegen die rauhe Mauer gepreßt zu halten, hatten einige Muskeln seines Oberkörpers betäubt, andere taten höllisch weh. Als jemand an seiner Zellentür mit Schlüsseln rasselte, wollte er nach vorn rollen, um für jeden Angriff bereit zu sein; aber er konnte das Gleichgewicht nicht halten und fiel auf die Knie. Eigentlich war das auch nicht so schlimm, da das Deckengewölbe der Zelle so niedrig war, daß er nicht aufrecht stehen konnte. Die Tür war nur halb so groß wie er. Jetzt öffnete sie sich knarrend. Ein älterer Wärter trat ein. Die gebückte Haltung schien ihm angeboren zu sein. »Dein Abendessen, Sklave!« Er stellte zwei Tabletts neben die Tür. »Dank der Großzügigkeit unseres Königs bringe ich dir Wein und Braten von der königlichen Tafel. Ich werde jetzt deine Fesseln lösen, damit du essen kannst. Aber versuch keine Tricks. Ich warne dich!« Der Graukopf schob sich mit einem blitzenden Messer auf den Cimmerier zu. »Nachdem du gegessen hast, sollst du dich waschen und für den Dienst bei Seiner Königlichen Hoheit umkleiden.« Conan hoffte, den Alten überwältigen und fliehen zu können; aber dieser schnitt nur blitzschnell die Fesseln durch und lief sofort zurück zur Tür. Als
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der Gefangene endlich die Hände bewegen konnte, war die Tür längst von außen verschlossen und der Riegel vorgelegt. Der Cimmerier war auch vorerst damit beschäftigt, gegen die Schmerzen anzukämpfen, welche in Wellen seinen geschundenen Körper durchliefen. Endlich konnte er die Hände wieder ballen. Er kroch zur Tür und sah sich das Essen an. Von dem gepriesenen Lammbraten war nicht viel übrig, seit der den Tisch des hohen Spenders verlassen hatte. Offenbar hatten alle, vom Küchenjungen bis zum Stallburschen, ihre Zähne daran erprobt, so daß der Cimmerier von dem Knochen nur noch einige Sehnen und Talgfetzen abnagen konnte. Danach saugte er das kalte Mark heraus. Er betrachtete den Röhrenknochen. Nein, als Waffe war er zu dünn und zu kurz. Für einen Dolch fehlte die Schärfe. Wütend warf er ihn beiseite. Nach dieser schnellen Bewegung mußte er die schmerzende Schulter massieren. Auf dem Tablett lag noch ein alter Brotkanten und stand ein Tonbecher mit Wein. Letzterer bestand aus zusammengegossenen Resten verschiedener Weinsorten. Für den Cimmerier war er zu sauer, außerdem wies der Becher einen dicken Bodensatz auf. Auf dem zweiten Tablett stand eine Holzschüssel mit Wasser, das nach Primeln duftete. Daneben lagen Kleidungsstücke. Conan schnupperte mißtrauisch am Wasser. Es war sauber genug, damit er sich damit waschen konnte, aber zum Trinken ungeeignet. Schnell wusch er sich, so gut es in der Enge möglich war. Da seine Kleidung bei den Kämpfen und in der schmutzigen Zelle sehr gelitten hatte, zog er sie aus. Man hatte ihm eine enge ärmellose Jacke aus grüner Seide und ein rotes leinenes Lendentuch gebracht. Conan fand diese Sachen wegen der bunten Farben und der flotten Machart recht seltsam. Aber dann beschloß er, bei dem Spiel mitzumachen, streifte die Jacke über und wickelte das Tuch um die Lenden. Zweifellos drohte ihm Gefahr; aber irgendwie zerbrach er sich darüber weniger den Kopf als über die Möglichkeit zu fliehen und den Weg zurück in Otsgars Karawanserei zu finden. Er wollte diesem Schurken wegen des Verrats zu gern den Hals umdrehen. Für ihn bestand kein Zweifel, daß Otsgar ihn absichtlich und hinterlistig den Grabwächtern ausgeliefert hatte. Bei diesem Gedanken ballte er eine Faust und schlug sie gegen die Handfläche der anderen Hand. Der Schmerz durchfuhr ihn messerscharf. Vor der Zelle erklang wieder Geschrei. Im nächsten Augenblick wurde die Tür aufgestoßen, und der bucklige Wärter krächzte: »Ah, hervorragend!
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Unser Gast ist wohlgenährt und gut gekleidet, wie das shemitische Gesetz es vorschreibt. Jetzt ist er bereit, an den Spielen des Hofes teilzunehmen. Komm heraus! Das ist ein Befehl des Königs!« Conan war schneller aus der Zelle heraus, als der alte Mann sich gewünscht hatte - aber es nützte ihm gar nichts; denn der Alte hatte sich hinter zwei Palastwachen versteckt, welche mit silbern schimmernden Rüstungen die gesamte Breite des Korridors einnahmen. Einer war ein Schwarzer aus Kesh, der andere ein stämmiger Shemite mit krausem Haar. Sie versperrten dem Cimmerier mit ausgestreckten Kurzspeeren den Weg. Dann trieben sie ihn wie einen Stier im Schlachthaus vor sich her. Stumm und barfuß trottete Conan dahin. Er mußte den Kopf einziehen, weil der Gang für den Mann aus dem Norden zu niedrig war. Sie kamen zu einer Wendeltreppe. Folgsam kletterte er hinauf, da er an die scharfen Bronzespeere dachte, deren Spitzen dicht vor und hinter ihm tanzten. Der Weg führte ihn durch mehrere Gänge und Vorzimmer des Palasts von Abaddrah. Es war ein großes Gebäude aus Stein und Ziegeln. Überall waren herrliche Mosaiken zu sehen, auch in den Deckengewölben. Sie begegneten vielen Dienern in prächtiger Livree. Sie machten dem Cimmerier Platz, betrachteten ihn jedoch zumeist gelangweilt. Schließlich gelangten sie vor einen hohen Torbogen, welcher durch einen mit Pailletten besetzten Samtvorhang verschlossen war. Die Soldaten bedeuteten dem Cimmerier unmißverständlich, daß er hindurchgehen solle. Danach warf er den ersten Blick auf den Königshof von Abaddrah. Es war eine riesige Halle. Hohe Fenster mit feinem Gitterwerk ließen das Licht ein. Das Hauptportal befand sich dem Cimmerier gegenüber. Auf einer Seite erhob sich ein Podest, wo offensichtlich nur die erlauchtesten Herrschaften saßen. In der Mitte war ein freier Platz, so daß man den herrlichen Mosaikboden sehen konnte. Außen herum standen Tische und lange Bänke. Dort saßen die shemitischen Höflinge, von denen immer mehr durch das Portal hereinströmten. Stimmengewirr erfüllte die Luft. Diener schenkten aus goldenen Karaffen großzügig ein. Die Wachen ließen Conan keine Zeit zum Staunen, sondern trieben ihn an die Seite, wo sich eine Art Grube befand, die durch eine geschwungene Steinbalustrade vom Hauptraum getrennt war. Ein anderer Gefangener hockte bereits dort. Es war ein dunkelhäutiger Shemite aus dem Osten des Landes und ebenso farbenfroh und spärlich bekleidet wie der Cimmerier. Vor der Balustrade standen zwei Wächter mit dem Rücken zur
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Wand. Nachdem Conans Wachen ihn durch ein enges Türchen in die Senke gestoßen hatten, bezogen sie ebenfalls Posten. Zwei weitere Wachen standen neben dem Torbogen mit dem Samtvorhang. Da es in dem Pferch weder Kissen noch Stühle gab, hockte sich Conan neben seinen Mitgefangenen. Der Mann schien ihn nicht wahrzunehmen; denn er starrte gedankenverloren ins Leere. Trotz seiner dunklen Hautfarbe war er blaß wie Asche. Conan sprach ihn auf shemitisch an. »Volles Haus heute, was?« Er blickte zu den Wachposten hinauf. Sie hatten offenbar nichts dagegen, daß er sprach. Da der andere Gefangene nicht antwortete, versuchte er es mit einem stygischen Dialekt. »Weißt du, was sie mit uns vorhaben?« Immer noch keine Reaktion. Conan stieß den Shemiten vorsichtig am Arm an. Der Mann zuckte zusammen und schaute ihn stumm mit irrem Blick an. Dann entspannte er sich langsam und starrte wieder ins Leere. Der Cimmerier brummte etwas Unverständliches und rückte etwas beiseite. Die Haut des Burschen war feucht und eiskalt. Wahrscheinlich litt er an Sumpffieber - oder unter schrecklicher, lähmender Angst. Letzterer Gedanke behagte Conan gar nicht, da der Mann dann offensichtlich mehr wußte als er. Schnell verdrängte er diese Vorstellung. Wenn sie wollen, daß ich gegen ihn kämpfe, ist das keine Herausforderung, sagte er sich. Dann wendete er seine Aufmerksamkeit wieder den Festlichkeiten im Saal zu. Die Höflinge von Abaddrah waren äußerst redselig. Sie beugten sich über die Tische und gestikulierten wild beim Sprechen. Conan konnte leider keine Gesprächsfetzen verstehen. Eine weibische Mode schien hier zu herrschen, ganz im Gegensatz zu den robusten und wettergegerbten Arbeitern und Soldaten der Stadt. Die meisten Adligen waren blasser als die Shemiten, die Conan bisher gesehen hatte. Ihre Kleidung war kostbar, aber spärlich. Der Cimmerier fand es befremdlich, daß die Diener weit züchtiger gekleidet waren als die edlen Herren und Damen. Die Mundschenke schleppten in Leinentuniken die Karaffen umher, während die Gäste an den Tischen in der Hitze beinahe nackt herumsaßen. Viele Frauen waren von der Hüfte bis zum Kopfschmuck nackt. Andere trugen als Oberbekleidung lediglich über den Brüsten gekreuzte Perlenschnüre. Die Männer zeigten ganz offen ihre hohlen Brustkästen und Bäuche über den Ledergürteln der kurzen Röcke. Nur an einem Tisch vorn im Saal saßen Männer mit langen Gewändern.
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Anscheinend waren es Gesandte aus einem fremden Land. Ebnezub, der König von ganz Abaddrah, machte keine Ausnahme. Er rekelte sich in einem vergoldeten Sessel in der Mitte des Podests. Sein blasser Körper ähnelte einer gestrandeten Seekuh. Conan erkannte sein Gesicht wieder, das auf den Münzen der Stadt und auf einer Wandplakette über ihm abgebildet war. Allerdings wirkte dort das Ebenbild des Königs weniger fleischig und aufgedunsen. Der Cimmerier betrachtete noch einmal das Halbrelief ans Ebenholz. Dort stand Ebnezub hoch aufgerichtet vor einer Bresche in einer Stadtmauer. Sein Körper war muskulös und straff. Der König schwang sein königliches Beil über einem Haufen enthaupteter Feinde. Conan war nicht bekannt, daß der Stadtstaat Abaddrah in letzter Zeit einen größeren militärischen Triumph errungen hatte. Amüsiert verglich er den Mann auf dem Relief mit der Gestalt auf dem Podest. Ja, dieser Sieg hatte in grauer Vorzeit stattgefunden - wenn überhaupt. Jetzt raffte sich der abgeschlaffte Ebnezub nur ab und zu auf, etwas zu dem jungen Diener zu sagen, welcher mit einer Wachstafel und einem Griffel hinter seinem Herrn kniete. Allerdings konnte Conan keine Anzeichen für die angebliche Krankheit des Monarchen entdecken. Der Mann war nur zu fett und zu verweichlicht. Mehrere Personen genossen das Privileg, neben dem König auf dem Podest sitzen zu dürfen. Eine war mit Sicherheit Königin Nitokar. Ihre auffallend starken Gesichtszüge und die schwarz ummalten Augen erweckten wiederholt das Interesse des Cimmeriers. Obgleich sie nicht mehr ganz jung war, war sie von allen Frauen am spärlichsten bekleidet. Ein juwelenbesetzter Brustschmuck reichte aus, um ihr Schamgefühl zu befriedigen. An Ketten baumelten die kostbarsten Edelsteine vom Busen bis zum Nabel. Die Königin saß neben Seiner Königlichen Hoheit Ebnezub. Sie glich seine Trägheit aus, indem sie ständig den Dienern Befehle gab oder ihrem Gatten delikate Häppchen in den Mund schob. Sie kümmerte sich dagegen kaum um die zwei jüngeren Mitglieder des Königshauses. Ein dunkelhäutiger feister Junge lümmelte sich neben ihr auf dem Diwan und blickte mißmutig drein. Das Mädchen, offenbar die Prinzessin, war etwas älter und hielt sich deutlich von ihm fern. Sie war eine zierliche erblühende Schönheit, noch kaum im heiratsfähigen Alter. Ihr in allen Farben schimmerndes Gewand reichte bis an die Knie, ließ aber die Schultern frei. Sie trug einen hohen Kopfschmuck mit Federn. Die Schäkereien zwischen
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Königin und König langweilten oder stießen sie ab, denn sie vermied es deutlich, zu den beiden hinüberzuschauen. An Ebnezubs anderer Seite saß in einem hochlehnigen Sessel eine Gestalt, die sich in jeder Hinsicht königlicher und mächtiger als der Herrscher von Abaddrah benahm. Ein weißes Gewand mit Goldborte verhüllte den Mann vom Hals bis zu den Füßen, welche in goldenen Sandalen steckten. Conan wußte, daß dies Horaspes war, der Prophet, von dem ihm Isaiab so viel berichtet hatte. Der Cimmerier hatte ihn gestern in der Stadt gesehen und seinen Namen gehört. Horaspes hatte von einer Sänfte aus sein Amt als Kanzler wahrgenommen und die Käufe für das Grabmal beaufsichtigt. Obwohl der Prophet nicht sehr groß und etwas feist unter dem weißgoldenen Gewand war, wirkte er ungemein energisch und amtseifrig. Nie gab er den goldenen Amtsstab aus der Hand, mit dem er ständig spielte. Nur gelegentlich legte er ihn für kurze Zeit in den Schoß. In dem aufgedunsenen blassen Gesicht lag ein gütiger Ausdruck. Der ziemlich kahle Kopf mit dem kurzen schwarzen Lockenkranz im Nacken war ständig in Bewegung. Er ließ die Blicke über die Anwesenden schweifen, um danach anscheinend bissige Bemerkungen dem König und der Königin gegenüber zu machen. Gelegentlich richtete er das Wort an den hochgewachsenen Mann mit ledergegerbtem Gesicht, welcher hinter ihm saß. Ohne zu lächeln oder zu antworten, hörte der Mann dem Propheten zu. Im Gegensatz zu den anderen Personen auf dem Podest war er mit einem kurzen Krummschwert bewaffnet, welches in der Schärpe seiner Uniformtunika steckte. Conan hielt ihn für einen Leibwächter, aber nicht den des Königs; denn er erinnerte sich, dieses hagere Gesicht auch auf dem Marktplatz hinter dem Propheten gesehen zu haben. Jetzt saß dieser Mann da und musterte die Menge mit eiskalten Blicken. Jetzt sagte Horaspes etwas zu Ebnezub, und der König nickte zustimmend. Unter Mühen richtete sich Seine Königliche Hoheit so weit auf, bis er sich auf einen Ellbogen stützen konnte. Dann hob er den anderen Arm und sprach. Seine Stimme war bei dem Lärm im Saal kaum zu hören. Dennoch verstand Conan einige Satzfetzen: »Diese edlen Anwesenden ... meine Untertanen... die Worte meines geschätzten Kanzlers Horaspes.« Dann ließ sich seine Majestät wieder zurücksinken, als wäre die Spirale abgelaufen, mit der er zu dieser Rede aufgezogen worden war. Auf die Armbewegung ihres Monarchen hin hatten die Höflinge ihre Gespräche unterbrochen; aber seine Rede war beinahe schon beendet, als
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sich endlich Ruhe einstellte. Jetzt herrschte Stille im Saal. Horaspes erhob sich. Auf seinem Gesicht war immer noch der betont wohlwollende Ausdruck zu sehen, als er den Blick über die Menge schweifen ließ. Das weiße Gewand verlieh ihm eine schlichte Würde. Seine Stimme war wohltönend und voll. »Seine Königliche Hoheit, König Ebnezub von Abaddrah, heißt euch alle willkommen auf diesem Empfang, welchen er zu Ehren unserer verehrten Verbündeten gibt, den edlen Gesandten der Stadt Eruk.« Freundlich winkte er den Fremden in den langen Gewändern zu, welche in Gesellschaft schöner Kurtisanen in der Nähe des Königs saßen. »Laßt uns auf ihr Wohl trinken, liebe Abaddrahner!« Sofort erklangen die Gläser, und Hochrufe wurden ausgebracht. Als Horaspes wieder die Hand hob, verstummten alle sofort. »Seine Königliche Hoheit hat seinem unwürdigen Diener Horaspes, dem aus Stygien verbannten Priester« - er zeigte kurz auf seine Brust - »gnädig erlaubt, für die Gestaltung des heutigen Abends zu sorgen. Dafür werde ich Euch, o erhabener Herrscher, ewig dankbar sein!« Er verbeugte sich tief vor dem König, ehe er sich wieder an die Gäste wendete. »In wenigen Augenblicken werden wir mit unseren traditionellen Vergnügen beginnen. Danach wird das Mahl serviert, welches hoffentlich eure Zustimmung finden wird. Und danach« - Horaspes machte eine Pause, sein Tonfall hatte etwas von dem selbstgefälligen Ausdruck verloren - »werde ich zur Ergötzung unserer geschätzten Freunde aus Eruk von einer Gefahr berichten, welche uns alle bedroht. Mit einigen von euch habe ich bereits darüber gesprochen; aber ich fürchte, daß die meisten keine Ahnung von dieser Bedrohung haben, welche unser Leben, unseren Besitz und sogar unsere Seelen so finster überschattet. Daher werde ich meine Prophezeiungen noch einmal für alle verkünden.« Conan war von Horaspes‘ Worten und der plötzlich so finsteren Miene überrascht. Er musterte die Gesichter der Höflinge im Saal. Inzwischen hatte die Abenddämmerung eingesetzt. Einige blickten unbekümmert drein; aber die meisten schauten ernst zum Propheten hin oder nickten einander mit gerunzelter Stirn zu. »Doch vorher, edle Gäste und hohe Herrschaften Abaddrahs, laßt uns die Unterhaltung und das Mahl genießen!« Jetzt lag wieder eitel Wohlwollen auf dem Gesicht des Propheten. »Die traditionellen Spiele mögen jetzt beginnen!«
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Bei dieser Ankündigung gewann das Gespür für eine drohende Gefahr im Cimmerier wieder die Oberhand. Seine vorherigen Bemühungen, die Angst zu bannen, waren nicht ganz erfolgreich gewesen; denn jetzt stieg sie in ihm auf und traf ihn wie eiskalter Stahl mitten ins Herz. Er sagte sich, daß diese Angst lächerlich sei. In einem Kampf oder in anderen kritischen Situationen hatte er sich auch nie gefürchtet. Warum jetzt? Warum hier? Trotzdem stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Conan musterte die Wachen. Alle vier beobachteten aus dem Augenwinkel die Gefangenen und warteten auf eine feindliche Bewegung. Sein Kamerad hockte immer noch teilnahmslos da. Allerdings rang er jetzt krampfhaft die Hände zwischen den Knien. Diener steckten Öllampen an. In ihrem Licht zeigte Horaspes auf einen stämmigen, fremdländisch anmutenden Mann, welcher durch denselben Torbogen eingetreten war wie zuvor Conan. »Hier ist wieder einmal der königliche Champion Khada Khufi, der berühmte Tempelkämpfer aus Vendhyen.« Donnernder Applaus folgte Horaspes‘ Worten. Der Champion war bis auf einen gepolsterten Lendenschurz nackt. Seine zimtfarbene Haut war eingeölt und glänzte. Die Muskelpakete verrieten den kampferprobten Ringer. Bis auf eine kurze Locke am Hinterkopf war sein Schädel kahlgeschoren. Unter jedem Arm trug er einen viereckigen großen Weidenkorb. Er stellte die Körbe ab und sank auf ein Knie. Dann verneigte er sich vor den Majestäten auf dem Podest. »Zur Ergötzung unseres Monarchen haben wir heute zwei tapfere Freiwillige, welche den Kampf mit Khada Khufi wagen wollen. Als erster tritt an Elam, ein unerschrockener Ziegenhirte aus den Bergen im Osten.« Zwei Wächter traten durch die Tür zu den Gefangenen. Der eine stellte sich hinter den kauernden Ziegenhirten und riß ihn hoch. Conan stand auf, um zu protestieren; aber der zweite Soldat versperrte ihm mit dem Speer den Weg. Da er die beiden anderen Wachen hinter sich hörte, gab der Cimmerier auf. Der shemitische Soldat versetzte dem unglücklichen Hirten mit dem Speerschaft einen kurzen Schlag ins Kreuz, um ihn in Bewegung zu setzen. Schwankend trat Elam durch die Tür. Als er die freie Fläche zwischen den Tischen betrat, brach Jubel aus. Irgendwie paßte das nicht zu der mitleiderregenden Figur. Conan schaute fragend zu Khada Khufi. Der Vendhyer hatte einen Weidenkorb geöffnet
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und einen Arm hineingesteckt. Dann richtete er sich wieder auf und blickte ins Publikum. Der Jubel wurde lauter. Khada Khufi stand mit ausgebreiteten Armen da. Um jeden Arm war eine Schlange gewunden. Der Ringer hielt die grünschwarzen Reptilien dicht hinter den schmalen Köpfen fest. Es waren Sumpfpythons, nicht giftig, soweit Conan wußte; aber die Tiere waren wohlgenährt, ungefähr so dick wie die Arme, an denen sie hingen, und so lang, wie Khada Khufi groß war. Träge wanden sie sich auf der öligen braunen Haut. Ihre gespaltenen schwarzen Zungen flitzten unentwegt aus den kleinen Mäulern. Der Champion hielt die Schlangen dicht vors Gesicht und küßte sie auf die Mäuler. Dabei stieß er Koselaute aus. Conan schüttelte den Kopf. Im nächsten Moment hielt Khada Khufi die Arme mit den Schlangen wie Waffen ausgestreckt. Die Wachen trieben den Gefangenen vorwärts. Man hatte ihm eine kurze Bronzekeule in die Hand gegeben; aber er ließ sie lahm herabhängen. Die unsägliche Angst des Shemiten zeigte sich in seinem Gang. Conan hatte den Eindruck, als bewege sich der Ziegenhirt irgendwie gottergeben vorwärts, als zöge ihn ein tödliches Schicksal magisch an. Als Elam so nahe war, daß die Schlangen ihn entdeckten und in seine Richtung züngelten, blieben die beiden Wachen stehen und traten zurück. Doch der Gefangene ging wie betäubt noch einige Schritte weiter, ehe er unschlüssig in der Mitte der Arena stehenblieb. Khada Khufi ging jetzt langsam und stumm mit leicht eingeknickten Beinen auf ihn zu. Trotz des nicht unbeträchtlichen Gewichts der Schlangen war sein Rückgrat ungebeugt. Der Champion kam unerbittlich näher. Die Schlangenköpfe mit den gierigen Zungen waren ungefähr in Augenhöhe Elams. Kurz vor dem Opfer blieb Khada Khufi stehen. Jetzt reagierte auch Elam endlich. Ein leiser Klagelaut entrang sich seiner Kehle. Dann warf er die Keule Khada Khufi vor die Füße und lief fort. Mit ungeahnter Schnelligkeit hatte der Champion die Keule aufgehoben. In zwei großen Sätzen hatte er den Gegner fast eingeholt. Dann zischte ein schwarzer Blitz durch die Luft. Eine der Schlangen landete hörbar auf dem Rücken Elams und ringelte sich sofort um Hals und Schultern. Der Unglückliche stieß einen schrecklichen Schrei aus und zuckte unter dem Gewicht des Reptils zusammen. Dennoch lief er weiter, wobei er an der tödlichen schwarzen Schlinge um seinen Hals zerrte. Seine Flucht trieb ihn zu einem Tisch. Zwei Wachen traten schnell zwischen ihn und die Höflinge,
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welche mit großen Augen zuschauten. Doch diese Vorsichtsmaßnahme war unnötig, denn schon hatte Khada Khufi sein Opfer fast eingeholt. Wieder hob er den Arm. Diesmal löste sich die Schlange wie eine Peitsche von seinem Arm. Er behielt den Schwanz in der Hand, während sich das Reptil um einen Knöchel des Shemiten schlang. Mit einem kräftigen Ruck riß der Champion Elam zu Boden. Jetzt mußte dieser sich gegen die tödliche Umschlingung zweier Schlangen wehren. Sein Kampf war kaum mit anzuschauen. Er rollte auf dem Mosaikboden dahin und schrie laut. Dann wurden die Schreie leiser, gingen in ein Röcheln über, als ein Python den Druck auf den Hals verstärkte. Auch wenn es keine Giftschlangen waren, bedeuteten die Pythons eine tödliche Gefahr, weil sie mit den langen spitzen Zähnen erbarmungslos den Körper ihres Opfers zerfetzten und ihn gleichzeitig erwürgten. Khada Khufi stand hocherhobenen Hauptes daneben. Er hatte die Arme vor der kräftigen Brust gekreuzt und ließ den Blick über die Menge schweifen, bis er zum Hochsitz des Königs kam. Auf ein kleines Zeichen des Monarchen hin entfaltete der Champion die Arme und kniete neben Elam nieder. Geduldig zwängte er die Hände zwischen die Windungen der Schlangenkörper und die Kehle des Ziegenhirten. Dann zuckten die mächtigen Schultermuskeln. Man hörte ein lautes Knacken. Der Ziegenhirte stieß noch ein letztes Mal mit den Beinen, dann lag er reglos da. Ebnezub hatte Milde walten lassen. Einen Augenblick lang waren die Höflinge noch stumm vor Staunen über das Schauspiel. Dann setzte der Applaus ein. Er schwoll zu ohrenbetäubendem Lärm an. Khada Khufi verbeugte sich nach allen Richtungen. Horaspes war aufgestanden und klatschte ebenfalls. Conan hörte, wie eine zarte Frau mit einer Federboa zu ihrem Nachbarn sagte: »Ja, ich mag Ringen viel lieber als die Kämpfe mit Waffen. Sie sind mir zu unappetitlich, und ich hasse Blutvergießen.« Ihre hohe Stimme war durch den Lärm zu verstehen. Conan hätte in diesem Augenblick nicht sagen können, was er dachte. Ihm war irgendwie schwindlig. In seinen Ohren dröhnte es. In allen Gliedmaßen kribbelte es und vertrieb die Schmerzen. Mühsam ballte er die Hände zu Fäusten. »Wieder einmal hat der Champion des Königs seine Fähigkeiten bewiesen!« rief Horaspes laut. »Aber der Wettkampf ist noch nicht vorüber.
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Wir haben noch einen Herausforderer! Ein namenloser Barbar aus dem Norden, vom eisigen Rand der Welt, wird antreten. Man hat mir gesagt, daß er unseren Champion an Größe und Wildheit übertrifft. Khada Khufi, bereite dich auf eine noch härtere Probe deiner Tapferkeit vor! Herausforderer, tritt hervor!« Nach diesen Worten kamen die beiden Wachen von der Wand auf Conan zu und stießen ihn mit den Speerspitzen leicht in den Rücken. Unwirsch drehte der Cimmerier sich um. Dabei ritzte eine Klinge ihn leicht am Arm. Wütend funkelte er die beiden Soldaten an. Sie zogen schnell die Speere zurück. Mit entschlossenen schnellen Schritten ging Conan zur Tür in der Balustrade. Als er die Arena betrat, waren alle Augen auf ihn gerichtet/besonders die kunstvoll ummalten Augen der Königin Nitokar. Sie beugte sich über ihren Gatten hinweg und sagte Horaspes lächelnd etwas ins Ohr. Die meisten Höflinge betrachteten den Cimmerier überrascht, nur wenige wagten zu lachen. Khada Khufi hatte eine Decke über die Leiche des Hirten geworfen, die immer noch in der Umarmung der Pythons dalag, und den Körper weggezogen. Jetzt richtete er sich auf und musterte Conan abschätzend. Dann ging er zu dem zweiten Korb und nahm den Deckel ab. Als er sich wieder aufrichtete, lief ein aufgeregtes Raunen durch den Saal. Die Arme des Tempelkämpfers trugen diesmal keine sehr schwere Bürde. Jedoch war ihr Schmuck wieder absolut todbringend. Der Vendhyer hielt nämlich zwei rote Nattern hoch - die legendären Blutschlinger aus den Bergen Afghulis. Ihr Biß brachte, laut Aussagen der Bergbewohner einem Mann den Tod, ehe dieser das letzte Gebet zu Erlik schicken und damit seiner Seele eine sichere Passage ins Paradies verschaffen konnte. Die Reptilien waren knapp so lang wie die Arme, welche sie hielten. Wie Armbänder aus feinen Korallen schlangen sie sich um die zimtfarbenen glänzenden Arme des Champions. Selbst Khada Khufi behandelte die Schlangen mit großem Respekt. Er hielt sie dicht hinter den zischenden Köpfen mit den gespaltenen Zungen. Er wagte es aber nicht, sie zu liebkosen und zu küssen wie ihre größeren Kusinen. Conan war inzwischen bis zur Mitte der Arena gegangen, wo noch die Bronzekeule seines Vorgängers lag. Ohne den Champion aus den Augen zu lassen, hob er sie auf. Eigentlich würde die Waffe ihm wenig nutzen, da er mit ihr weder den Kopf noch den Körper des Gegners treffen konnte, ohne
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in Reichweite der tödlichen Nattern zu kommen. Und wenn er sie warf, würde das einen so kräftigen Kerl wie Khada Khufi auch nicht sonderlich erschüttern. Dennoch wollte er sein Heil im Kampf suchen. Der Cimmerier ging in die Hocke und näherte sich Khada Khufi wie eine Raubkatze. Im Publikum wurde erstauntes Raunen laut. Wahrscheinlich hatte noch kein ›Freiwilliger‹ bei den königlichen Spielen eine derartige Kühnheit gezeigt. Der Tempelkämpfer trat schnell von den Körben und der Decke weg, unter der die Pythons sich noch immer um den Leichnam des Hirten ringelten. Dann stellte er sich vor Conan auf und schien ihn mit ausgebreiteten Armen, an denen die todbringenden Schlangen hingen, begrüßen zu wollen. Auf seinem Gesicht war einstudierte höhnische Überlegenheit zu lesen. Da tat der Cimmerier einen blitzschnellen Schritt nach vorn und schwang die Keule hin und her, um die Schlangen zu reizen. Dabei wich er geschickt der großen Faust aus, die nach ihm griff. Doch auch der Tempelkämpfer bewegte sich für einen so athletisch gebauten Mann erstaunlich behende. Jäh ging Conan in die Hocke und schlug mit der Bronzekeule gegen das ungeschützte Schienbein des Gegners. Der Schlag zeigte jedoch keine große Wirkung. Khada Khufi blinzelte nur kurz. Immerhin war er durch diesen Angriff in Wut geraten, wie an den geblähten Nasenflügeln zu beobachten war. Schnell kam Conan wieder hoch; aber da holte sein Gegner schon weit aus. Wie ein Geschoß sauste die korallenrote Giftschlange durch die Luft, geradewegs auf die Brust des Cimmeriers zu. Instinkt allein, ganz gleich wie reaktionsschnell, hätte Conan vor dem todbringenden Biß nicht gerettet. Aber offenbar hatte er seinen nächsten Schritt klug geplant. Er machte eine schnelle Wendung zur Seite und riß dabei die Keule hoch, um die Schlange abzufangen. Unmittelbar vor seiner Kehle erwischte er sie und schleuderte sie samt der Keule zurück auf den Champion. Im letzten Augenblick hatte Conan die Hand vor den gefährlichen Giftzähnen wegziehen können. Als Khada Khufi die um die Keule geringelte Schlange auf sich zufliegen sah, sprang er beiseite. Dabei sah man nicht nur seine akrobatische Körperbeherrschung, sondern auch seinen Respekt vor dem giftigen Reptil. Sicherheitshalber machte er noch eine Schulterrolle, wobei es ihm gelang, die zweite Schlange vom Körper wegzuhalten. Die Keule mit der roten Giftschlange fiel auf den Mosaikboden und rollte unter einen Tisch. Laut schreiend sprangen die Leute auf und ergriffen die Flucht. Mehrere spran-
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gen sogar auf die Tischplatte, um sich vor den giftigen Fängen in Sicherheit zu bringen. Auch Khada Khufi war wieder aufgestanden und hielt die zweite Viper kampfbereit dem Cimmerier entgegen. Er hatte aber nicht mit Conans erstaunlicher Schnelligkeit gerechnet. Im nächsten Augenblick warf sich der Cimmerier ihm entgegen und packte den Champion an der Schulter. Dann stand er hinter dem Vendhyer und drückte ihm einen Arm gegen die Kehle. Mit der anderen Hand versuchte er das Handgelenk des Gegners zu ergreifen, mit welchem dieser die Schlange hinter dem Kopf umklammert hielt. Das war jedoch wegen der eingeölten Haut nicht möglich. Immer wieder rutschte Conan ab. Dabei mußte er aufpassen, nicht selbst von der Schlange gebissen zu werden. Todesmutig hielt er den Stiernacken des Tempelkämpfers umklammert, welcher immer noch die Schlange in der braunen Faust hielt. Während die Männer so ihre Kräfte maßen und sich hin und her schoben, um festzustellen, wer in diesem Kampf der hungrige Wolf und wer das arme Geißlein war, zeigten sich die Auswirkungen der Gefangenschaft bei dem Cimmerier. Seine Knie wurden weicher und seine Glieder schwer, obwohl er in seinem rauhen Leben gelernt hatte, Strapazen zu ertragen. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte er allein durch die Kraft gesiegt, welche ihm die Wut verlieh. Hatte er nicht in früheren Kämpfen Männernacken gebrochen, die ebenso dick waren wie der von Khada Khufi, obwohl er sie im roten Rausch der Wut kaum erkennen konnte? Doch jetzt steckten in den schmerzenden Armen und Schultern keine Kraftreserven mehr. Während der korallenrote Tod ihn jeden Moment ereilen konnte, wurde sein Griff schlaffer. Er kam sich wie ein unglücklicher Wolf vor, der von einem wutschnaubenden Stier auf den Hörnern umhergeschleudert wurde. Auch das Publikum spürte, daß die Kräfte des Cimmeriers nachließen. Kaum hatten die Wachen die erste Giftschlange mit den Speeren aufgespießt, beruhigten sich die Höflinge wieder und verfolgten fasziniert das Schauspiel. Über hundert Gesichter warteten auf den Tod, welcher unmittelbar bevorzustehen schien. Auch die königliche Familie starrte wie gebannt auf die Kämpfer. Nur Afrit hielt das Gesicht starr zur Seite. Selbst König Ebnezub hatte die Mühsal auf sich genommen, einen Ellbogen auf den Tisch zu stützen, um ja nicht den Augenblick zu verpassen, da sich die kleinen Giftzähne in ihr Opfer schlugen und damit das Ende des Kampfes anzeigten.
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Unter den gierigen Blicken der Höflinge verlor der Cimmerier immer mehr Halt an Khada Khufis eingeölten Schultern und seinem Hals. Verzweifelt bemühte er sich, den Champion nicht entwischen zu lassen. Zum Glück konnte der Vendhyer die Schlange nicht loslassen, da auch er gegen ihr tödliches Gift und ihre blinde Rache nicht gefeit war. Daher mußte er immer einen Arm ausgestreckt lassen und konnte ihn nicht gegen Conans Würgegriff einsetzen. Die Schlange war durch den Ringkampf der Männer völlig verstört. Krampfhaft öffnete und schloß sie das blasse Maul und wollte dem harten Griff hinter ihrem Kopf entfliehen. Reines Gift tropfte aus ihren Fängen. Wo dieses Conans Haut traf, bildeten sich sofort Blasen. Das Reptil hatte den Körper um Khada Khufis Arm gewunden, so daß der Schwanz wie eine dünne rote Peitsche den Kämpfenden in die Gesichter schlug. Plötzlich warf sich der Vendhyer nach vorn und spannte die Schultermuskeln wie ein Stier unter dem Joch, um den Gegner abzuschütteln. Conans Arme rutschten unaufhaltsam ab. Doch er sah eine neue Gelegenheit, als sich der Schwanz der Schlange vor Khada Khufis Hals befand. Blitzschnell packte der Cimmerier zu und erwischte die Schlange über der Schulter des Tempelkämpfers. Gleich darauf wechselte er den Griff, so daß seine Handgelenke jetzt hinten im Genick des Vendhyers lagen. Den roten Schlangenkörper spannte er vorn über die Kehle des Gegners wie einen Strick, mit dem er ihn erdrosseln konnte. Triumphierend machte Khada Khufi ein paar Schritte nach vorn und schleifte Conan hinterher. Doch dann wurde ihm seine neue Lage bewußt. Immer noch hielt er den Kopf der Schlange dicht neben dem Gesicht. Jetzt begann er sich zu drehen und zu wenden, um dem Würgegriff zu entkommen - doch vergeblich; denn Conan konnte in seiner neuen Stellung Muskeln einsetzen, die noch nicht überanstrengt waren. Er zog langsam, aber sicher die Schlinge zu. Wütend schlug Khada Khufi mit dem Schlangenkopf nach hinten auf den für ihn nicht sichtbaren Quälgeist. Doch stand ihm jetzt nur noch ein kurzes Stück des Schlangenkörpers zur Verfügung, während der Cimmerier Platz zum Ausweichen hatte. Die gequälte Schlange biß nicht mehr blindlings in die Luft. Unter Khada Khufis unbarmherzigem Griff schwoll sie an. Blutunterlaufen traten ihre Augen hervor. Die Giftzähne hatte sie halb eingezogen. Auch das Gesicht des Vendhyers hatte sich dunkel verfärbt und war angeschwollen. Hilflos suchten seine Beine auf dem Mosaikboden nach
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einem Halt. Dann zog Conan den Champion mit letzter Kraft nach hinten, so daß ihm die Luft wegblieb und er nicht einmal mehr keuchen konnte. Seine Lippen formten stumme Flüche. Vergeblich suchten seine Hände den Gegner im Rücken. Conans Gesicht war dicht hinter Khada Khufis Schulter, aber außer Reichweite der Hände. Auch der Cimmerier war hochrot, aber vor Wut. Er konzentrierte sich völlig auf die hilflosen Zuckungen seines Opfers und darauf, den Griff der höllisch schmerzenden Hände nicht zu lockern. Er wußte, nur so hatte er eine Chance, den Sieg davonzutragen. Aus dem Augenwinkel nahm er durch rotglühende Schleier eine Bewegung wahr: Die Palastwachen schoben sich mit erhobenen Speeren näher. Sie blickten zum König, als erwarteten sie Befehle. Würde Ebnezub zulassen, daß sein für viel Gold aus dem Ausland eingeführter Preisringer von einem fremden Niemand getötet wurde? Conan drehte den sich heftig wehrenden Khada Khufi so, daß er den beiden anmarschierenden Wachen und dem Podium mit den Majestäten entgegenschaute. Alle dort oben starrten wie gebannt herab. Sogar die junge Afrit saß mit offenem Mund da und hatte ihre gespielte Interesselosigkeit aufgegeben. Horaspes machte ein ernstes Gesicht. Offenbar mißfiel ihm die Wendung, die dieser Kampf genommen hatte, ganz und gar. Nur Königin Nitokars dunkel geschminkte Lippen kräuselten sich amüsiert. Jetzt flüsterte sie ihrem Gatten etwas ins Ohr. Daraufhin machte König Ebnezub eine rasche Handbewegung. Sofort traten die Wachen zurück an den Rand der Arena. Conan wußte nicht, ob sein Gegner diesen Rückzug gesehen und damit erkannt hatte, daß seine Hoffnung auf Rettung dahinschwand; denn Khada Khufis Augen rollten nach oben. Aber er wehrte sich noch heftiger als zuvor. Plötzlich ließ er den Kopf der Viper los und griff mit beiden Händen nach der korallenroten Würgeschnur an der Kehle. Seine dicken Finger konnten sich jedoch nicht zwischen Schlange und Hals zwängen. Als er Conans weiße Knöchel wegdrücken wollte, hatte er ebenfalls kein Glück. Sobald die Schlange sich frei bewegen konnte, regten sich ihre Lebensgeister wieder. Die Giftzähne kamen ganz heraus. Der Kopf fegte wild durch die Luft. Der Cimmerier sah es mit Schrecken. Jetzt konnte er nicht länger die eigenen Fäuste vor dem todbringenden Biß der Viper schützen. Aber er wollte den um sein Leben kämpfenden Vendhyer auch nicht loslassen. Im nächsten Augenblick war der Kampf entschieden: Der rote Kopf
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der Schlange schoß zur Seite und versenkte die Fänge in Khada Khufis Ohr. Nach dem Biß der Viper riß der Champion, dessen purpurrotes Gesicht unfaßbar angeschwollen war, den Mund zu einem stummen Schrei auf. Schaum trat ihm auf die Lippen. Ein mächtiges Aufbäumen lief durch den massigen Körper und löste sich aus Conans Griff. Angewidert sprang dieser zurück. Die Schlange hing immer noch an Khada Khufis Ohr, ihr Körper war um seinen Hals geringelt. Das Ohr schwoll an und sah wie eine dicke graue Kröte aus. Khada Khufi zerrte vergeblich an dem todbringenden Reptil. Er machte noch zwei taumelnde Schritte vorwärts, dann fiel er aufs Gesicht. So starb er, ohne einen Laut von sich zu geben.
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8. KAPITEL DER UNGLÜCKSPROPHET Während der Applaus im Saal aufbrandete, stand Conan erschöpft, aber wachsam in der Mitte der Arena und überlegte, wo die nächste Gefahr lauernd wohl sein mochte. Die Wachen hatten die rote Viper mit den Speeren getötet, indem sie die Schlange einfach auf den toten Khada Khufi spießten. Jetzt schleppten Diener eilfertig die beiden Leichen und die Schlangenkörbe weg. Ob der Preis für den Sieger Freiheit wäre? Der Cimmerier wußte nicht, welches Schicksal ihm bevorstand. Vor Erschöpfung, Schmerzen und Wut war ihm schwindlig im Kopf. Vom Podium der Majestäten näherten sich ihm zwei lächelnde Dienerinnen auf bloßen Sohlen. Ihre Gewänder aus Leinen waren schlicht. Die beiden nahmen ihn bei den Armen und führten ihn ans Ende des Saals. Conan spürte, wie die mit Kajal geschwärzten Augen von Königin Nitokar durchdringend auf ihm ruhten. Er vermutete, daß er auf ihr Geheiß hin zum Podium gebracht wurde. Die anderen Mitglieder des Königshauses musterten ihn mit halbherzigem Interesse. Nur Horaspes tiefliegende Augen funkelten wütend. Aber die Dienerinnen brachten den Cimmerier nicht zur Königin, sondern geleiteten ihn zu dem Tisch vor dem Podium und nötigten ihn, auf den Samtkissen neben den Gesandten aus Eruk Platz zu nehmen. Der Tisch war nicht nahe genug, als daß er sich mit den Majestäten hätte unterhalten können. Und sobald Conan saß, mißachtete Nitokar ihn vollkommen. Zur Freude aller Anwesenden wurde jetzt das Essen serviert. Diener brachten auf riesigen goldenen Platten Obst, Brot und Käse herein. Gierig griffen alle zu. Danach kamen Schüsseln aus getriebenem Silber mit Soßen und Puddings. Als Glanzstück des Mahls rollte ein bronzener Streitwagen herein, auf dem ein riesiger Eber an Ketten über einem Rost glühender Kohlen hing. Ein schwitzender, beinahe nackter Chefkoch säbelte dicke Scheiben vom Braten. Er wirkte wie Khada Khufis größerer Bruder, hätte er nicht das typisch shemitische Gesicht gehabt. Der Tisch mit den Gesandten bekam die besten Stücke. Nachdem Conan die schlimmsten Erinnerungen an den gerade überstandenen Kampf mit einem Becher Wein hinuntergespült hatte, machte er sich daran, die verlo-
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renen Kräfte mit großen Portionen Fleisch, Brot und Obst wiederzugewinnen. Die Dienerinnen blieben an seiner Seite. Sie sagten fast nichts, aßen auch kaum etwas. Die meiste Zeit verbrachten sie damit, die schmerzenden Schultern des Cimmeriers zu massieren. Einer der spitzbärtigen Gesandten aus dem Norden, aus Eruk, machte auf Conan einen recht vernünftigen Eindruck. Er redete den Mann in kothischer Sprache an, weil er vermutete, daß die Einheimischen diese Sprache nicht verstanden. »Hallo, Nachbar! Ein prächtiges Fest, nicht wahr? Ich glaube, der Bursche mit dem Fleischerbeil, der den wilden Eber bearbeitet, würde sich auch gut an der Spitze einer Phalanx von argossischen Bewaffneten machen.« Der Gesandte hatte bereits so einige Becher Wein geleert. Auf Conans Worte hin schob er die niedliche Rothaarige, die schwer an seiner Schulter lehnte, etwas beiseite und lachte. »O ja! Ich glaube, daß ich ihn selbst schon ein oder zweimal im Kampf aus dem Sattel gestoßen habe.« Dann musterte er Conan genauer. »Aber du bist kein Kother - vielleicht Nemedier?« »Ich stamme aus dem Norden, aus Cimmerien.« »Ach was! Ein Bergnomade. Aber - alle Achtung, Cimmerier!« Er hob so schwungvoll das Glas, daß der Wein auf den Tisch spritzte. »Mit diesem Teufel aus dem Osten und seinen Schlangen bist du hervorragend fertiggeworden! Allerdings fand ich das Schauspiel etwas zu barbarisch für den heutigen Abend. In Eruk würde man so etwas niemals bei einem Staatsbankett dulden.« Er ließ den Blick über die krakeelenden Höflinge schweifen. Dann wandte er sich wieder an Conan. »Aber ich schätze, daß du auch nicht freiwillig mitgemacht hast.« Conan schüttelte den Kopf. »Nein. Man hat mich lediglich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort erwischt.« Der Gesandte nickte. »Ja, ja, im Süden haben sie seltsame Sitten und Gebräuche...« Er blickte über die Schulter zu den hohen Herrschaften auf dem Podium, die jetzt mit dem Anführer der Delegation in eine Unterhaltung vertieft waren. »Aber es gibt da eine Redensart: Wenn man in Abaddrah ist, muß man eben...« Er brach ab und zuckte mit den Schultern. »Und was geschieht jetzt mit dir?« Conan runzelte die Stirn und rückte ein Stück näher. Er blickte prüfend die Dienerinnen an, ob sie vielleicht doch etwas von dem Gespräch verstanden. Nein, er war sicher. »Ich habe keine Ahnung«, erklärte er. »Ich glaube, daß ich auf Geheiß der Königin an diesen Tisch gebracht wurde.«
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Der Mann aus Eruk hob eine Braue und lachte. »Dann wünsche ich dir viel Glück, mein Lieber!« Jetzt saß Conan so dicht bei dem Mann, daß ihn dessen Bart fast im Gesicht kitzelte. »Warum? Was weißt du über sie?« »Man sagt, daß sie einen ziemlich gefräßigen Unterleib haben soll. Aber das ist wohl kaum eine Überraschung für dich - schau sie doch an!« Er nickte mit dem Kopf zu Nitokars üppiger und kaum bekleideter Gestalt auf dem Diwan. »Man sagt ferner, daß man vor ihrem Gatten keine Angst haben muß. Bei seiner schwindenden Gesundheit und Energie hat er nichts gegen ihre Affären.« Dann blickte er Conan wieder an. »Aber an deiner Stelle wäre ich trotzdem vorsichtig. Man hat mich gewarnt, daß Ihre Königliche Hoheit mit jüngeren Männern nicht gerade zimperlich umgeht... und daß sie sie nicht lange behält.« Conan nickte ernst. »Und was ist an dem Gerücht, daß sie eine Giftmischerin ist, Ebnezubs erste Frau umgebracht hat und bei ihm das gleiche vorhat?« Der Gesandte zuckte bei diesen Fragen zurück. Er machte kein überraschtes Gesicht; aber er stellte das Glas auf den Tisch. Seine weinselige Freundlichkeit war plötzlich erkaltet. »Also wirklich, Fremder! Wie könnte ein Gesandter aus einem entfernten Land in derartige Einzelheiten des Königshauses von Abaddrah eingeweiht sein? Falls es stimmt, ist es mit Sicherheit ein sorgfältig gehütetes Geheimnis, und es wäre gefährlich, darüber in der Öffentlichkeit zu sprechen.« Sein Gesicht war jetzt sehr ernst. Conan nickte. »Aber noch gefährlicher wäre es, die Sache zu vergessen.« Der Gesandte nickte leicht, widmete sich aber sogleich wieder dem Essen und Trinken und sagte nichts mehr. Conan fand, daß er den Mann genügend ausgefragt hatte, und rutschte zwischen die beiden Dienerinnen zurück. Die beiden unterhielten sich leise in einer shemitischen Mundart und kneteten weiter die schmerzenden Muskeln des Cimmeriers. Er legte die Arme um beide und kitzelte sie, worauf die Mädchen fröhlich kicherten. Aber weit kam er nicht, denn nun stand der nächste Punkt der abendlichen Veranstaltung an. Horaspes, der Kanzler, verließ das Podium und ging zur Arena. Als er am Tisch der Gesandten vorbeikam, grüßte er diese überfreundlich. Dabei gelang es ihm jedoch, den hünenhaften Cimmerier zu übersehen. Selbstsi-
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cher bewegte sich der Prophet dahin. In der Hand hielt er den goldenen Stab, mit dem er vorhin gespielt hatte, wie Conan gesehen hatte. Dann stellte sich Horaspes in der Mitte des freien Platzes so auf, daß sein Gesicht dem Podium mit der königlichen Familie zugewandt war. Die Stille im Saal wurde kurz unterbrochen, als man den Streitwagen mit den Resten des Eberbratens hinauszog. Die meisten Diener verschwanden ebenfalls. Horaspes wartete noch einen Augenblick und ließ die Stille einsinken, ehe er das Wort ergriff. »Mein König, meine Königin, Abaddrahner und edle Herren aus Eruk! Jetzt kommen wir zu dem ernsten Teil dieses Banketts, von dem ich vorhin sprach. Es ist keinesfalls mein Wunsch, die Ohren einer so erlauchten Gesellschaft mit einer Predigt zu belästigen.« Er lächelte und breitete die Hände aus. »Ich werde es auch nicht tun.« Jetzt ließ er die Arme sinken, als habe er ein unangenehmes Thema abgeschlossen. »Aber wir sind alle Menschen von hohem Rang und kennen die Macht und die Verantwortung, welche wir durch das Recht unserer Geburt empfangen haben. Wir alle sind daher interessiert, diese Macht zu erhalten und auszuweiten. Jeder von uns ehrt unsere Monarchie und die shemitische Lebensweise. Auch ich, obgleich ich erst so spät in dieses von Ellael so geliebte Land gekommen bin.« Die Zuhörer murmelten zustimmend. Vielleicht waren die meisten auch erleichtert, daß es nicht um ein religiöses Thema ging. Horaspes lächelte strahlend und fuhr fort. »Wir in Shem genießen das Privileg, auf dem Gebiet des menschlichen Wissens an vorderster Front zu sein. Die Ungläubigen weit im Norden und Süden verschwenden immer noch ihre Gebete an so lächerliche Gottheiten mit bizarren Riten und Namen wie Erlik, Gwahlur, Orthyx, Crom...« Der Prophet sprach die fremden Namen mit verächtlicher Miene absichtlich falsch aus. Dadurch brachte er die Zuhörer zum Lachen - nur Conan nicht. Seine Miene verdüsterte sich. »In der Wiege des Wissens, welche sich zu beiden Ufern des großen Flusses Styx ausbreitet, haben wir die wahren beherrschenden Mächte im Universum entdeckt, die beiden gewaltigen Gottheiten, deren ewigwährender Streit die Geschicke der Menschen in diesem Leben und in der Nachwelt formt. Ich spreche von unserem geliebten Sonnengott - einer seiner vielen Namen lautet Ellael, welchen wir hier in Abaddrah verehren - und Set, der unsterblichen Nemesis, welche in früheren Inkarnationen als Schakal und
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Schlange unter den Menschen weilte. Wir beten den einen Gott an und verachten die andere Gottheit; aber wir wissen, daß der seit Urzeiten wogende Kampf zwischen den beiden das Universum ordnet. Unsere Weisen haben kraft ihrer Sehergabe und durch die ständige Beobachtung des Himmels und der Gestirne sowie durch das Studium auf den Priesterschulen schließlich gelernt, inwieweit sich die göttliche Ordnung im Leben von Göttern und Menschen unterscheidet, wie diese Ordnung von den erhabenen Göttern sich auf die von ihnen abstammenden Göttersprößlinge überträgt, welche über uns für kurze Zeit hier auf Erden herrschen.« Horaspes machte eine Pause und verbeugte sich vor König Ebnezub. »Bis hin zu den Aristokraten und niedrigen Sterblichen, welche uns dienen, ja sogar bis hin zu den Heeren. Dieses Naturgesetz, welches sich unseren Augen offenbart hat, ist wunderbar einfach. Durch das Licht seiner Erkenntnis folgen wir Ellael und verbreiten seinen Glauben, damit alles, was gut und gerecht ist, auf Erden wachsen und gedeihen möge.« Wieder legte Horaspes eine Pause ein und breitete die Arme aus. Doch dann verfinsterte sich der wohlwollende Ausdruck auf seinem Gesicht. Er ließ die Hände wieder sinken. »Daher ist es besonders schwer, die große Tragödie in unserer Zeit zu erklären: Warum beten die Menschen, die südlich des Flusses im großen stygischen Reich leben, zu den finsteren Mächten der verhaßten Set?« Ein aufgeregtes Murmeln lief durch den Saal. Aber Horaspes sprach sogleich weiter. »Ich bin selbst Stygier und war früher ein Schüler an der Tempelschule, ehe ich aus diesem finsteren Land verbannt wurde. Oft werde ich gefragt, warum. Welch übler Trick der Natur kann dazu führen, daß eine ganze Nation im Heiligtum des Bösen betet? Welch unheiliges Band hält Sets Macht so stark im Land Stygien?« Horaspes machte eine Handbewegung, als wolle er etwas vom Tisch wischen. »Die Antwort auf diese Fragen wage ich kaum zu erahnen, da mein Glaube sich von dem meiner Landsleute sosehr unterscheidet. Vielleicht ist es ihr Fehler, daß sie keinen König haben und verehren wie wir hier. Denn solange die starke Hand der Priesterschaft die Peitsche der Herrschaft über das Land schwingt, ist das Ergebnis der vereinten Macht in der Tat beachtlich und stark genug, um eine große Nation ins Unglück zu treiben. Tiefer ins Unglück kann ich nicht schauen als in den finsteren Abgrund des stygischen Frevels. Sobald ich die wahren Ausmaße des Bösen in jenem
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Land erkannte, floh ich in ein besseres Land, um das Heil meiner Seele zu retten. Aus Erfahrung kann ich euch sagen: Das Begehren der Stygier nach dem Bösen ist ebenso stark und unerschütterlich wie euer Begehren nach dem Guten. Ihr Wissen und ihre Kunst sind ebenso weit fortgeschritten wie euer Wissen und eure Kunst. Allerdings gibt es bei den Stygiern Abgründe und Forschungen auf Gebieten, welche in einer so aufgeklärten Nation wie Shem niemals erlaubt wären. Wir alle kennen den großen Reichtum und die militärische Stärke jenes Volks - doch kommt es mir so vor, als würden die Herrscher in Shem sich nicht davor fürchten - sich vielleicht nicht genug fürchten.« Er warf einen ernsten Blick auf die Delegation aus Eruk. »Im Augenblick herrscht Friede zwischen den beiden Reichen. Das mögen viele als eine gute Sache ansehen.« Seine Miene zeigte, daß er diese Ansicht keineswegs teilte. »In diesen Tagen des Friedens schreitet das Wissen ständig vorwärts. Unsere Handwerker auf dem Gebiet der Metallverarbeitung und des Bauwesens überragen an Können alle in den hyborischen Königreichen. Die Medizin steht in nie geahnter Blüte. Unsere Priester Ellaels haben neue Methoden der Einbalsamierung von hochgestellten Persönlichkeiten und ihrer Lieblingsdiener gefunden, damit ihr Fortleben in der Nachwelt gesichert ist. Dank den Segnungen der modernen Wissenschaft kann jeder in diesem Saal, der von edler Geburt ist, in die Ewigkeit mit seinem ganzen Besitz, mit Dienern und Vieh und vor allem mit der Hoffnung betreten, daß er in Ellaels leuchtendem Reich einen hohen Rang einnehmen und dem Gott mit Freude dienen wird. Aber, Mitbrüder im Glauben, bedenkt: Werden wir auch unsere hohen Stellungen und Privilegien halten können, wenn wir dereinst unsere Plätze unter unseren verehrten Ahnen einnehmen werden? Wir müssen gut vorbereitet sein, meine Freunde, und an unserem Vorsatz festhalten, die Nachwelt mit ebenso starker Hand wie die jetzige zu beherrschen. Wir leben in einer Zeit gesellschaftlicher Unruhen, in welcher die alten Sitten und Gebräuche in Frage gestellt werden. Es geht uns aber so gut, daß jeder wohlhabende Kaufmann ein steinernes Grabmal erbauen läßt und große Schätze mit hineinnimmt. Sogar der Ärmste der Armen kann die wenigen Münzen zusammenkratzen, um für einfache Mumienbinden und etwas Essen zu zahlen, weil er hofft, daß es ihm in der Nachwelt besser gehen wird. Alle haben die Augen auf die Ewigkeit gerichtet. Um wieviel großartiger sollten aber dann unsere Vorbereitungen sein! Unser Können
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im Bauwesen und in der Verwaltung steht auf ungeahnter Höhe. In unserer Macht liegt es, Festungen zu errichten, welche jedem Heer standhalten, und Grabmale, welche Jahrtausende überdauern werden. Wir müssen alle diese Fertigkeiten einsetzen, Shemiten, um uns den Platz in der Nachwelt zu sichern; denn Ellael liebt die Starken! Denkt immer daran: Diese Welt ist im Vergleich zur Ewigkeit wie ein Wassertropfen im Vergleich mit den Fluten des mächtigen Flusses Styx! Unser einziges Ziel in diesem Leben sollte sein, uns für das nächste vorzubereiten. Wenn wir durch eine kluge Investition unseren Rang im nächsten Leben bewahren, ja sogar heben können, wäre es doch schiere Dummheit, es nicht zu tun.« »Warte, Priester! Gestatte, daß ich dazu etwas sage«, unterbrach jemand in Conans Nähe den Propheten Horaspes. »Willst du sagen, Prophet, daß alle diese irdischen Probleme in der Nachwelt weiterbestehen?« Es war der Gesandte aus Eruk, mit dem sich Conan vorher unterhalten hatte. Er hatte noch einige Gläser Wein mehr geleert und sprach jetzt ziemlich laut. »Wo steht das denn auf den heiligen Tafeln? Ich stelle mir die Nachwelt als einen Ort der Harmonie und des Friedens für alle Menschen vor, über dem die Gnade Ellaels scheint.« »Verehrter Gesandter, gestatte, daß ich dir antworte ...«, begann Horaspes. »Nein, Priester! Ich möchte erst zu Ende sprechen!« Der Gesandte verfügte über das laute Organ eines langjährigen Militärausbilders und übertönte mühelos den Propheten. Ein Landsmann stieß ihn an, um ihn zum Schweigen zu bringen, aber er schüttelte nur unwillig den Kopf. »Wenn du uns einreden willst, daß wir in Eruk auch unseren gesamten Reichtum in Prachtgräber und ähnlichen Schnickschnack stecken oder in die Hände deiner Priesterkumpane legen sollen, verschwendest du deine Zeit! Wir müssen uns um dringendere Angelegenheiten kümmern...« Während der Gesandte noch sprach, ging Horaspes auf den Tisch zu. Jetzt stand er ihm - und auch Conan - gegenüber. Der Prophet beugte sich über die Tischplatte und legte dem Gesandten beschwichtigend die Hand auf die Schulter. Der Eruker wollte hochfahren, besann sich aber und blieb steif sitzen. Horaspes blickte ihn mit ernstem Gesicht an. »Mein Bruder, ich verstehe deine Zweifel. Dennoch bitte ich dich, Ruhe zu bewahren. Ich werde alles zu deiner vollsten Zufriedenheit erklären«, sagte er. Dann schwenkte er die Hand mit dem Stab über die Anwesenden. »Ich kann euch allen einen Beweis liefern, daß man mich zu Recht einen
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Propheten nennt.« Bei diesen Worten hatte Horaspes aber die Schulter des Gesandten nicht losgelassen. Der Mann war seltsam still geworden. Conan spürte, daß mit seinem Nachbarn etwas nicht stimmte, und wollte sich zu ihm beugen; aber die beiden Dienerinnen hielten ihn krampfhaft fest. Mit furchtsamen Augen blickten sie auf Horaspes. Als Conan sich freimachen konnte, hatte der Prophet die Hand vom Gesandten genommen. Der Eruker war nicht mehr aufmüpfig. Mit leerem, verständnislosem Blick schaute er zu Horaspes auf. Conan sah weiße Flecken auf der dunklen Haut des Gesandten, wo der Prophet ihn offenbar mit ungeheurer Kraft niedergedrückt hatte. Gleich darauf schmiegte sich die rothaarige Kurtisane wieder an den Eruker. Seine Landsleute redeten leise auf ihn ein. Er nickte nur dümmlich. Horaspes war wieder in die Saalmitte gegangen. »Mein Helfer Nephren und seine Sklaven werden Weihrauch im Raum verteilen, damit ihr alle meine Prophezeiungen leichter versteht.« Er winkte. Der große hagere Mann mit dem Schwert, den Conan für einen Leibwächter hielt, und ein junges Mädchen kamen mit dem brennenden Weihrauch herein. Sie wandelten langsam durch die Tischreihen und schwenkten dabei die goldenen Rauchfässer mit der einen Hand. Mit der anderen wedelten sie die Rauchschwaden mit Papyrusfächern den Gästen ins Gesicht. Conan sah, daß auf dem Podium hinter ihm ein eigenes Rauchfaß für die hohen Herrschaften angezündet worden war. Als der hagere Nephren in Conans Nähe kam, steigerte sich beim Cimmerier die Abneigung gegen das ausdruckslose, ausgezehrte Gesicht. Er fächelte die stark duftenden Rauchwolken von sich weg. Das half ihm jedoch wenig; da der ganze Saal vernebelt war, stiegen auch ihm die Düfte in die Nase. Er spürte sofort, wie ihm schwindlig wurde. Er glaubte einen bunten Lichtschein zu sehen. Nachdem Nephren und das Mädchen ihre Runden mit den Rauchfässern beendet hatten, schritt Horaspes zu einer großen leeren Wand und hielt den Stab hoch. Offenbar diente er auch als Schreibwerkzeug; denn er malte damit große tiefrote Buchstaben auf die Wand. Conan versuchte vergeblich, die verschlungenen shemitischen Schriftzüge zu entziffern. Da raunte ihm eine seiner Dienerinnen die Worte ins Ohr: »Jazarat, der Tag des Jüngsten Gerichts.« Wie Rauschen im Schilf beim ersten Windstoß eines Unwetters wiederholten die Anwesenden: »Jazarat!« »Habt keine Angst, meine Landsleute«, erklärte Horaspes. »Ich werde
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nicht alles offenbaren, was mein inneres Auge erblickt hat. Das Schlimmste will ich euch ersparen. Betrachtet fürs erste nur dieses Wort und denkt über seine Bedeutung nach.« Nephren trat jetzt zur Wand und löschte mit bloßen Händen die Lampen. Zu Conans Erstaunen wurden die Buchstaben auf der Wand immer deutlicher, obwohl es im Saal dunkler wurde. Auch der Cimmerier starrte unwillkürlich auf die Schriftzüge. Auf einmal kam Leben in die Buchstaben. Es stellten sich ihm die Nackenhaare auf, als sie sich vor seinen Augen wie die roten Schlangen ringelten, gegen die er gekämpft hatte. Im nächsten Augenblick loderten die purpurroten Linien auf und zerstoben wie brennende Blätter in einer Bö. Dabei rissen sie auch die Steine aus der Mauer. Durch die entstandene Öffnung sah Conan sonnenbeschienene Gefilde. Wie Conan den Lauten des Erstaunens aller übrigen entnahm, sahen diese dasselbe. Er blickte zu den Palastwachen hinüber. Teilnahmslos und unbewegt standen sie neben der übernatürlichen Bresche. Offenbar wußten sie, daß sie sich in der Gewalt eines Zaubers befanden. Dunstschleier legten sich auf die Landschaft. »Hier vor euch steht ein Monument, welches wir errichten könnten: eine Bastion aus Stein, Fleisch und Blut, das triumphierende Wahrzeichen für die Fähigkeit eines Herrschers, seine Anhänger zu vereinen, ein Symbol alles dessen, was wir in einem allmächtigen Königtum verehren.« Die Schleier, die das magische Tor verhüllten, hatten sich bei Horaspes‘ Worten gelichtet: Die Wüste lag vor Conans Augen. Er spürte die sengende Hitze und den Staub. Schnell blickte er zu den Gitterfenstern unter der Decke hinauf. Ja, dort herrschte dunkle Nacht. Aber hinter der Bresche, nur etwa einen Bogenschuß von König Ebnezub entfernt, schleppten Sklaven einen riesigen Stein auf Holzrollen über den Sand. Conan hörte ihren rhythmischen Gesang und das Knallen der Peitsche des Aufsehers. Nachdem man das Wunder der Nacht-in-Tag-Verwandlung anerkannt hatte, sah man nur das übliche Treiben auf einer Baustelle. Doch das wahre Wunder erhob sich im Hintergrund: eine gigantische Stufenpyramide, deren dreieckige weiße Seite von einem Säulengang aufgelockert war. Gerade setzten die Arbeiter den Schlußstein auf den Torbogen in der Mitte. Die Säulen waren so hoch wie zwanzig ausgewachsene Männer aufeinandergestellt. Wie Ameisen huschten Sklaven auf den Gerüsten umher. Trompetenstöße
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sorgten für einen gleichmäßigen Arbeitsrhythmus. Conan erkannte einige Züge von Ebnezubs Grabmal wieder. Sah er hier das Bauwerk kurz vor seiner Vollendung? Im Stil ähnelte es den kleineren Monumenten, welche er im stygischen Khemi, weit im Osten, gesehen hatte. »Diese frommen Arbeiten für die Vorbereitung auf die nächste Welt schreiten täglich voran. Sie kosten viel Mühe und Schweiß, zahlen sich aber aus.« Horaspes beschrieb mit dem Stab einen Bogen. Staub wirbelte auf und verschleierte den Blick. Dunkle Wolken verfinsterten den Wüstenhimmel. Sand wehte in den Palast. Dann legte sich der Wind. »Wenn der Tod zu frommen Menschen kommt, ist das keine Tragödie, sondern ein Triumph; denn dann wird die Saat für das Leben danach bereitet!« verkündete der Prophet. Jetzt war der Himmel düster. Conan sah einen Leichenzug. Die Pyramide war fertig. Die Strahlen der Morgensonne tauchten sie in rosiges Licht. Das riesige Portal stand weit offen. Wie die Pfoten einer Sphinx ragten die Säulen an den vier Ecken hervor. Eine endlose Prozession Trauernder und Streitwagen bewegte sich zum Grabmal hin. Auf Totenbahren schwankten prächtige Sarkophage vor dem rosagoldenen Horizont dahin. Trauernde in kostbaren Gewändern folgten. Sklaven trugen die für das Grab bestimmten Waren in Bündeln oder Kupferkesseln. Hinter der langen Reihe von Kühen und Ochsen marschierten mehrere Abteilungen Bewaffneter. Alle Stimmen vereinigten sich zu einer lauten Totenklage. Ein Hauch der kühlen Morgenluft berührte Conans Wangen. »So dient ein frommes Volk seinem Herrscher und seinen Göttern! Keine Forderung ist zu groß. Von der Arbeit eines jeden Mannes müssen drei Fünftel der Nachwelt gewidmet werden. Wir haben die dazu erforderliche Zahl von Menschen und auch die Mittel. Es bedarf nur unseres Willens. Auch unsere Baukunst ist der Aufgabe gewachsen. Wie ich euch bereits sagte, Brüder, jeder in diesem Saal kann - dank der fortgeschrittenen Kunst des Einbalsamierens - das schimmernde Gewand der Unsterblichkeit anlegen.« Horaspes machte eine Pause und betrachtete sein Zauberbild. Das Raunen der Bewunderung im Saal ging in besorgtes Flüstern über. Jetzt trat eine neue Gruppe von Trauernden in das Bild, welches der Prophet herbeigezaubert hatte: Priesterschüler in schwarzen Lendentüchern schoben sich ächzend und vornübergebeugt dahin. Priester schlugen mit lebendigen Schlangen anstatt von Peitschen auf ihre nackten Rücken. Anführer war ein hagerer großer Mann mit kahlgeschorenem Kopf und
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einer Schakalmaske vor dem Gesicht. Sein Totengesang klang rauh. Er hielt ein aus Holz geschnitztes Emblem hoch: zwei gekreuzte Schlangenköpfe mit langen Giftzähnen. »Die Priester Sets!« hörte Conan. »Stygier! Mögen sie verflucht sein!« In der Tat waren es Stygier. Conan erkannte sie von seinen Streifzügen südlich des Flusses wieder. Horaspes wandte sich wieder der Menge zu. Sein Gesicht war zu einer eisigen Maske erstarrt. »Ja, Shemiten, ihr seht richtig. Die Visionen, die ich euch zeige, sind nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart - nicht nördlich des Flusses, sondern südlich! Ihr müßt nämlich wissen, daß die Stygier auch über das so begehrte Geheimnis der Unsterblichkeit verfügen, da sie ebenfalls alle unsere Künste und Fertigkeiten beherrschen. Während wir uns freudig darauf vorbereiten, unserem Gott zu dienen, sind auch sie nicht untätig. Entschlossen arbeiten sie für seine Nemesis!« Der Kanzler ließ den verzweifelten Klang in seiner Stimme durch die Stille des Saals hallen, ehe er fortfuhr. »Aber, Freunde, ein Prophet kann auch die Zukunft zeigen, und das werde ich jetzt tun! Schaut her, Brüder, und blickt auf einen kurzen Tag, welcher kommen wird; aber ich weiß nicht genau, wann. Doch kann ich euch versichern, daß es nicht mehr lange dauern wird.« Horaspes schwang erneut den Stab. Wieder wirbelte Staub auf. Ein Sandsturm überschattete den Leichenzug. Finstere Wolken bildeten phantastische Formen vor den Augen der Betrachter. Dann verzog sich das dunkle Gewölk ein wenig; aber es blieb düster. Aus dem messingfarbenen Himmel drangen nur wenige Strahlen auf die Sandberge. Wieder sah Conan das imposante Grabmal, doch diesmal stand es näher vor ihm. Alles war still, nur die Wolken zogen dahin. Er sah weder Menschen noch Tiere. Der Bau wirkte verlassen und verstaubt. Da hörte er ein schwaches Geräusch. Es war ein tiefes Dröhnen. Langsam schwoll es an, bis es ohrenbetäubend laut in den Saal drang. Es klang wie der Ruf einer unvorstellbar großen Posaune. Conan wurde plötzlich klar, daß der Klang von dem riesigen Portal des Grabmals herrührte. Es öffnete sich langsam. Die widerwillig nachgebenden Angeln schrien laut. Wie von Geisterhand bewegt, schwangen die Bronzetüren auf. Das Licht über der Wüste drang nicht in die dahinterliegende Finsternis vor. Schließlich prallten die Türen gegen die steinernen Flanken der Pyramide. Das Klirren verhallte langsam. Stille legte sich über die Szene.
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Alle Augen hingen an der schwarzen Öffnung des Torbogens. Im nächsten Augenblick rollten Streitwagen heraus. Rosse mit feurigen, wilden Augen zogen sie. Kahlgeschorene stygische Adlige und Priesterkrieger lenkten sie mit ernster Miene und schwangen die zerfetzten Banner ihres Landes hoch durch die Lüfte. Bei den Pferden erkannte man das Gerippe unter den flatternden Mähnen. Auch die Gesichter der Rosselenker wirkten wie kantige Totenschädel, über die sich pergamentähnlich die Haut spannte. Dennoch preschten die Wagen mit den Sprossenrädern, an denen scharfe Sicheln blitzten, in atemberaubender Schnelligkeit dahin. Den Streitwagen folgten stygische Fußtruppen. Die Soldaten trugen Piken mit Haken und marschierten so schnell, wie es für gewöhnliche Sterbliche unmöglich war. Die Prozession war damit aber noch lange nicht zu Ende. Die Pyramide spuckte immer neue Reiterscharen und Bogenschützen aus. Das dämonische Heer ritt schnurstracks auf eine unbewaffnete Menschenmenge zu. Schreckensrufe im Saal wurden laut. Jetzt sah auch Conan, daß die unglücklichen Opfer der Stygier nach shemitischer Sitte gekleidet waren. Einige wollten fliehen. Sie bewegten sich so langsam wie Schlafwandler. Einige zückten die Kurzschwerter, um sich zu verteidigen; aber die Stygier machten alle erbarmungslos nieder. Ihre Streitwagen richteten ein Blutbad an, die Bogenschützen, Reiter und Fußtruppen erledigten den Rest. Die Söhne Shems wurden gnadenlos abgeschlachtet. Ein Mann mit viereckigem Bart und besonders prächtiger Kleidung hob stolz das Zeremonienbeil eines Provinzstatthalters und erwartete so den Feind. Im nächsten Augenblick erfaßten ihn die scharfen Klingen der Sicheln am Rad eines Streitwagens. Blut spritzte. Im Saal schrien die Menschen vor Wut und Entsetzen laut auf. »Schaut nur genau hin, Freunde!« rief Horaspes und drehte der Schrekkensszene den Rücken zu. »Was ihr dank meiner Gabe der Prophezeiungen erblickt, ist die Vision des Großen Tages. So kann die Zukunft aussehen. Sie wird auch so aussehen, wenn die Shemiten ihr Leben nicht ändern!« Schnell schwang er den goldenen Stab. Die entsetzlichen Bilder verblaßten. Das überirdische Licht wurde schwächer. »Ich frage euch, Brüder: Werdet ihr an diesem Schicksalstag, wenn der Himmel wie ein riesiger Gong aus Kupfer dröhnt, wenn alle winzigen Werke von Menschenhand weggefegt werden, wenn die Gräber sich öffnen und der Styx sich in schwarzen Sand verwandelt - ja, werdet ihr an diesem
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Tag stark genug sein, um euren Feinden Widerstand zu leisten? Ihr müßt wissen, daß nur der Sieger in dieser letzten Schlacht in die Ewigkeit eingeht.« Die Helligkeit hinter dem Propheten war vergangen. Das magische Fenster schloß sich. Conan sah wieder die blutroten Buchstaben. Allerdings lief die Farbe wie Blut oder flüssiges Wachs über die Steine in der Mauer. Während der Zauber an Wirkung verlor, wurde die Menge immer erregter. Einige edle Herren waren aufgesprungen und hämmerten wütend mit den Fäusten auf die Tische. Die Lampen wurden wieder angezündet. Conan sah bei mehreren Männern und Frauen Tränen schimmern. Die meisten machten verschreckte Gesichter und blickten flehend oder wütend auf Horaspes. Er öffnete den Mund, um weiterzusprechen; aber dann blickte er zum Podium und streckte nur stumm den Arm aus. Alle Augen hefteten sich auf König Ebnezub.
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9. KAPITEL DIE KÖNIGLICHE BELOHNUNG Zum ersten Mal an diesem Abend hatte der König sich von seinem goldenen Sessel erhoben. Leicht schwankend stand er da und hielt sich an der Tischplatte fest. Die Königin war sitzengeblieben. Sie schaute zu ihrem Gatten auf und hielt ihn am Arm. Hinter Ebnezub standen zwei Wachen, um den fast nackten König aufzufangen, sollte er umfallen. Doch Ebnezub achtete in seiner Eigenschaft als König nicht auf die Gesetze der Schwerkraft und hob den Arm. »Meine getreuen Untertanen, laßt euch versichern, daß das... was der Prophet euch gezeigt hat, nicht das Schicksal unserer großen Stadt Abaddrah sein wird, denn wir werden seinen Ratschlägen folgen. Wir haben alle nichtigen Sorgen dieser Welt abgeschüttelt, und unsere Augen sind einzig und allein auf die nächste Welt gerichtet. Wißt, daß auch wir mit Hilfe von wunderkräftigen Kräutern Visionen hatten, herrliche Bilder von zukünftigen Wundern. Abaddrahner, euer König wartet ungeduldig, daß diese Wunder wahr werden. Auch ihr solltet danach trachten, dieses Leben zu verlassen, um im nächsten Leben aufzuwachen. Der Große Ellael weiß, daß wir uns gläubig auf den Tag des Jüngsten Gerichtes vorbereiten!« Die Stimme des Königs war von Anfang an nicht sehr stark gewesen. Jetzt wurde sie immer brüchiger, weil er kaum noch Luft bekam. Die schwammige nackte Brust hob und senkte sich heftig. Dann hob er wieder den Arm. »Wenn wir bereit sind, uns in die Nachwelt zu begeben, soll unser Zufluchtsort das schönste und stärkste Monument auf dieser Seite des Großen Flusses sein. Dafür wird nicht an Ausgaben gespart. Heute haben wir befohlen, hundert edle Rosse zu kaufen, dazu Stallknechte und Futter, damit unsere Offiziere auf der Jagd oder im Krieg stets gut beritten sind. Alles wird hergerichtet: Zwinger, Brutkästen, Schreiber und Sänger. Im nächsten Leben soll es an nichts, wirklich an gar nichts, fehlen! Unsere Planung ist vollkommen. Fürchtet daher nicht, daß es euch nicht gutgehen wird...« Ebnezubs Begeisterung steigerte sich; aber seine Kräfte nahmen ab. Seine Stimme wurde rasch schwächer. Sein massiger Körper schwankte bedrohlich. Königin Nitokar erhob sich und half den beiden Wächtern, den König zurück auf den Sessel zu befördern. Wie im Fieberwahn sprach
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Ebnezub weiter. Allerdings konnte ihn niemand mehr verstehen. Er gestikulierte wild, während seine Gemahlin sich um ihn kümmerte. Gleich darauf hörte Conan wieder die salbungsvolle Stimme des Propheten. »Es ist also klar, daß ganz Abaddrah vereint hinter seinem weit vorausschauenden Monarchen steht. Möge Ellael uns den Sieg gewähren.« Horaspes sank auf ein Knie und verbeugte sich tief vor Ebnezub. »Königliche Hoheit, hiermit gelobe ich Euch ewige Treue. Untertanen, dankt den gütigen Göttern für einen so guten Herrscher!« Er erhob sich wieder. »Und ihr edle Herren aus dem Ausland, denkt darüber nach, was ich euch heute abend gezeigt habe. Nun lebt wohl! Ich wünsche euch eine gute Nacht!« Noch einmal hob der Prophet zum Abschied die Hände. Jubel wurde laut. Conan hatte das Gefühl, als käme er mehr aus den Herzen, als es sonst nach der Rede eines Königs üblich war. Wie alle anderen war auch er aufgestanden; aber er stieß keine Freudenschreie aus, schlug sich auch nicht auf die Schenkel. Außer den Wachen blieben nur die Gesandten aus Eruk ruhig. Sie neigten respektvoll den Kopf vor der königlichen Familie auf dem Podium und gingen stumm davon. Die Worte des Kanzlers schienen sie aufgerüttelt, aber nicht völlig überzeugt zu haben. Am nachdenklichsten war Conans Nachbar. Sein Gesicht über dem Spitzbart war kreidebleich. Er hielt die Schulter merkwürdig verrenkt, als seine Gefährten ihn fortführten. Er hatte sich von Horaspes‘ Berührung noch nicht erholt. Als sich die Menge zur Tür schob, wollte sich Conan unauffällig daruntermengen. Die beiden Dienerinnen schlangen jedoch die Arme um ihn und drängten ihn zu bleiben. Allein hätten sie den Cimmerier nie und nimmer aufhalten können; aber zwei Palastwachen vertraten ihm ebenfalls den Weg. »Nein, Nordländer, bleib noch!« ertönte die Stimme des Propheten. Verblüfft drehte Conan sich um. Der Kanzler hatte sich noch nicht zurückgezogen, sondern stand jetzt da. Auf seinem Mondgesicht lag wohlwollendes Lächeln. Die tiefliegenden Augen funkelten tückisch. »Das ist doch die Nacht deines Triumphs! Durch deine Kühnheit hast du dir einen Platz zu Füßen der königlichen Familie erworben. Du wirst noch viele Wunder schauen und die großzügige Belohnung genießen! Schlag das nicht aus!« Dann trat Horaspes zum Podium, wo Königin Nitokar ihm an der Seite des Königs freundlich zunickte.
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Dann wanderten die Augen Nitokars vom Propheten zu Conan. In ihrem Lächeln lag eine offene und schamlose Einladung an den Cimmerier. Ein Schauder durchlief bei diesem Blick seinen Körper. Er war nicht sicher, ob aus Lust oder Besorgnis. Da die beiden Wachen mit den Speeren noch in seiner Nähe standen, ließ er sich von den Dienerinnen wieder auf die Seidenkissen nötigen. Die Gäste aus niederem Stand hatten inzwischen den Saal verlassen. Jetzt zogen Diener Vorhänge vor die Eingänge. Auf dem Podium schenkten die Diener wieder Wein ein und brachten Platten mit Süßigkeiten. König Ebnezub hatte es sich auf dem Diwan bequem gemacht. Er flüsterte nur noch und wedelte mit den blassen Händen in der Luft. Die Königin beugte sich fürsorglich über ihn. Ihre Ketten fielen über sein Gesicht. Dann flüsterte sie zwei Dienern etwas zu. Diese nickten und eilten davon. Kurz danach kamen sie zurück und brachten auf einem buntbemalten hölzernen Gestell ein seltsames Gerät. Es war ein dickbäuchiges niedriges Gefäß. Der Fuß war aus Gold in Form einer Lotusblüte. Auf den Blütenblättern ruhte eine Kristallkugel mit einer klaren Flüssigkeit. Der Deckel war ebenfalls aus Gold. Schläuche mit Mundstücken hingen aus ihm heraus. Sie erinnerten entfernt an Blütenstengel. Die Diener stellten die Last auf einen niedrigen Tisch neben dem König. Nitokar löste mehrere edelsteinbesetzte goldene Duftkugeln vom Gürtel und schüttete daraus farbiges Pulver in die Öffnungen. Dann nahm sie mit einer silbernen Zange glühende Holzkohle aus einem Kohlenbecken und legte sie auf den goldenen Rost unter der Kugel. Es dauerte nicht lange, dann stiegen gelbe Rauchwölkchen aus der sprudelnden Flüssigkeit auf. Die Königin hielt ihrem Gemahl das Elfenbeinmundstück eines Schlauchs an die Lippen, die immer noch unhörbare königliche Gedanken aussprachen. Anfangs reagierte König Ebnezub nicht. Nitokar fächelte ihm verführerisch den Rauch ins Gesicht und schwenkte das Mundstück. Endlich schaute der König sie an. Rasch steckte sie ihm das Mundstück zwischen die Lippen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Danach drehte sie oben an der Wasserpfeife. Durch einen zweiten Schlauch blies sie kräftig hinein und schickte den gelben Rauch durch die brodelnde Flüssigkeit. Der Rauch erreichte den König. Er zuckte zusammen, sog dann aber gierig am Mundstück und stieß den Rauch durch die Nase wieder aus. Als Nitokar das sah, lächelte sie zufrieden und tätschelte seinen zitternden Arm.
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Danach flüsterte sie ihm lange etwas ins Ohr. Wieder blies sie in die Pfeife und bewirkte, daß ihr Gemahl zusammenzuckte. Ziellos fuhr seine freie Hand durch die Luft. Horaspes, der auf der anderen Seite des Königs saß, ergriff sie und hielt sie beruhigend fest. Nitokar beobachtete die Zuckungen des Königs mit offensichtlichem Vergnügen. Sie wischte ihm die Schweißperlen von der Stirn und scherzte und lachte mit Horaspes über den König hinweg. Während die Königin Ebnezub mit Rauch versorgte, vergnügten sich die anderen Personen auf dem Podium auf ihre Weise: Der Prophet plauderte mit der Königin, sein Leibwächter Nephren hörte aufmerksam zu. Der schlaksige Prinz schikanierte ständig die Diener und Dienerinnen. Einmal bedrohte er sogar eine Sklavin mit dem Dolch. Die Unglückliche verschüttete aus Angst Wein. Für diese Ungeschicklichkeit gab ihr ein älterer Diener eine Ohrfeige und schickte das schluchzende Mädchen hinaus. Niemand wies den Prinzen zurecht. Die Prinzessin saß die ganze Zeit teilnahmslos da und schrieb auf ein Wachstäfelchen. Ab und zu warf sie einen Blick auf ihre Eltern, um sogleich angewidert die Augen abzuwenden. Allmählich verfiel der König in Betäubung. Das Mundstück entglitt seinen Lippen, in dem geröteten Gesicht rollten die Augen nach oben, um unsichtbare Gefilde zu betrachten. Die Königin schnippte mit den Fingern. Vier starke Diener eilten herbei und verschränkten die Hände unter dem König. Dann hoben sie ihn auf und trugen ihn, von Palastwachen eskortiert, behutsam fort, wahrscheinlich ins königliche Schlafgemach. Das war das Zeichen, daß das Fest beendet war. Jetzt erhoben sich auch alle übrigen. Die beiden Mädchen entglitten Conans ziemlich gleichgültigen Liebkosungen und standen ebenfalls auf. Dann versuchten sie, den Cimmerier auf die Beine zu stellen. Als die Königin ihre Bemühungen sah, gab sie zwei Dienern einen kurzen Befehl. Diese waren wohl zu ihrem persönlichen Gebrauch bestimmt. Aufgrund der mehr als knappen Bekleidung und den unverschämten Blicken hielt Conan sie für Eunuchen. Gleich darauf trat Nitokar mit den beiden zum Cimmerier. »Nun, mein tapferer Fremdling, du hast Khada Khufi wirklich auf elegante Weise ins Jenseits geschickt!« Nitokars Stimme war tief und melodisch. Beim Sprechen zog sie die schön geschwungenen Brauen hoch. »Ich muß zugeben, daß ich erleichtert war; denn die Schlangenvorführungen
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langweilten mich. Du bist sicher noch ganz steif, und dein Körper schmerzt nach diesem anstrengenden Kampf.« Sie betastete den Oberarm des Cimmeriers mit erstaunlich kräftigen Fingern. Conan aber zuckte nicht mit der Wimper. »Nein, eigentlich nicht«, erwiderte er. »Die beiden Mädchen haben mich gut durchgeknetet...« Er schaute sich um. Überrascht sah er, wie die beiden Dienerinnen den Saal verließen, wobei sie anmutig mit den Hinterteilen wackelten. »Trotzdem solltest du mit in meine Gemächer kommen, damit ich deine Verkrampfungen und wunden Muskeln behandeln kann«, erklärte Nitokar. »Ich verstehe mich auf die Heilkunde und habe viele Salben und Öle, welche deine Kraft wieder ganz herstellen.« Ihre roten Nägel bohrten sich in seine Haut. »Und während wir damit beschäftigt sind, kannst du mir ja erzählen, wie du ein so ausgezeichneter Ringer geworden bist.« Conan ließ sich von den dreien zu einer kleinen Tür führen. Ihm blieb keine andere Wahl, obwohl er die Grausamkeit gespürt hatte, die hinter der Sinnlichkeit der Königin lauerte. Conan spürte auch die Blicke der anderen: Horaspes‘ eiskalten Spott, den kaum verhohlenen Abscheu der jungen Prinzessin, die sofort in die andere Richtung ging. Alle anderen grinsten zynisch, als er der Königin folgte. Die beiden Diener blieben neben ihm; aber es folgten keine Palastwachen. »O ja, ich mag Ringen sehr«, fuhr Nitokar fort. »Aber den Vendhyer konnte ich nie ausstehen. Sein Körperöl stank wie ranzige Ziegenbutter...« Sie schritten jetzt eine breite, mit bunten Fliesen geschmückte Rampe in einem Innenhof mit vielen Springbrunnen hinauf. Exotische Vögel flatterten zwischen Obstbäumen umher. Künstliches Licht ließ alles taghell erscheinen. »Khada Khufi war ein ungehobelter Klotz. Er konnte kaum shemitisch sprechen. Außerdem war er ständig schlechter Laune, wie viele der ausländischen Sklaven, die wir für viel Gold importiert haben. Er hätte meine Künste nie zu schätzen gewußt.« Am oberen Ende der Rampe führte eine Veranda mit Marmorsäulen auf einen breiten Korridor, dessen Verlauf nicht zu überschauen war. »Weißt du eigentlich, daß es die Kunst der Sensibilisierung gibt? Gelehrte aus alter Zeit haben die Geheimnisse weitergegeben, wie man mit Hilfe gewisser Salben Schmerzen, aber auch Lust ins Ungeahnte steigern kann.« Nitokar hob wieder die Brauen und lachte verführerisch. »Aber natürlich weiß man nie genau, wo die Lust aufhört und die Schmerzen anfangen. Besteht zwischen den beiden eigentlich überhaupt ein
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Unterschied?« Sie beugte sich verschwörerisch zu Conan. »Ich besitze zum Beispiel eine fünfschwänzige Peitsche mit Haken. Jeder Haken ist ein verschiedenes stimulierendes Mittel getaucht, um verschiedene Gefühle hervorzurufen. Ein reichhaltiges Mahl der Schmerzen, mit scharfer Soße zur Luststeigerung. Ich bestreite, daß irgendein Mann nach einem Schlag mit meiner Peitsche noch zwischen Lust und Schmerzen unterscheiden kann.« Vor einer großen vergoldeten Tür blieb Nitokar stehen. »Ich bin sicher, daß es dir gefallen wird.« Sie strich ihm über die Wange. »Wenn dir nun einmal dein Schicksal bestimmt ist, kannst du es ebensogut auch genießen.« Der eine Diener riß die schwere Tür auf. Dahinter lag ein Raum, der weniger einem Schlafgemach als einer Apotheke glich, so viele Döschen und Phiolen standen auf den Tischen. Seltsame Instrumente hingen von der Decke und an den Wänden. Conan fand, daß kein Mann mit Verstand dort freiwillig hineingegangen wäre. Doch die Königin zog ihn hinein. Plötzlich riß er sich los und rammte dem Diener hinter ihm den Ellbogen in den Bauch. Er spürte, daß unter dem Babyspeck des Eunuchen feste Muskeln waren. Der Mann krümmte sich keuchend. Sicherheitshalber stieß ihm der Cimmerier noch das Knie ins Gesicht und versetzte ihm als Krönung einen Faustschlag ins Genick. Trotzdem gab der Kerl den Eingang nicht frei, sondern taumelte blindlings vor und griff nach Conans Gürtel. Vielleicht stand er unter dem Zauber eines von Nitokars schmerzstillenden Mittels. Fluchend bückte sich der Cimmerier und schlang die Arme um die Körpermitte des Eunuchen. Dann hob er ihn hoch. Verzweifelt strampelte der Mann. Aus einem Hüftschwung heraus schleuderte ihn Conan mit dem Kopf nach unten gegen den Türrahmen. »Du ungehobelter Kerl, dafür wirst du büßen!« schrie Nitokar wütend, mischte sich aber nicht in den Kampf ein. »Wachen! Ein meuternder Sklave! Kommt und ergreift ihn! Aah!« Ihr Eunuch war gegen ihre Beine gerollt und schob sie auf den Korridor hinaus. Damit war der Weg für den zweiten Eunuchen frei, der sich vorsichtig um seine Herrin herumschob. Er sprang über den liegenden Kameraden und verfolgte den Cimmerier. Conan war bei der ersten Gelegenheit losgerannt. Jetzt blieb er auf dem Korridor stehen, um sich dem Diener zu stellen. Dieser hatte aus dem
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Gemach der Königin eine Waffe mitgenommen. Es war ein langer Krummdolch mit verführerischen Kurven, aber kaum für einen richtigen Kampf geeignet. Vielleicht sollte er nur den ästhetischen Eindruck von Bedrohung erwecken. »Komm doch!« rief Conan dem Verfolger entgegen. »Wenn du nicht schon ein Eunuche wärst, würde ich dir...« Mit dem Dolch in Gürtelhöhe schoß der wütende Sklave vor. Conan parierte den Stoß und schlug den Arm des Gegners nach oben, so daß die Waffe in hohem Bogen über ihre Köpfe flog. Dann erwischte der Cimmerier als erster den Dolchgriff und zog die Klinge blitzschnell dem Eunuchen über den Bauch und über die Kehle. Die Klinge blieb an einer Sehne unter dem Kinn des Eunuchen hängen und brach. Gurgelnd griff der Sklave danach und stürzte blutüberströmt zu Boden. Conan schleuderte den wertlosen Griff weg und floh. »Ergib dich, Barbar! Wachen, ergreift ihn! Er widersetzt sich seiner Königin! Ooh!« Nitokar unterbrach ihre Befehle und beugte sich über den toten Eunuchen. Conan warf einen Blick zurück. Die Königin betrachtete fasziniert ihre blutige Hand. Trotz ihres Geschreis tauchten keine Wachen auf. Der Cimmerier hatte aber den Eindruck, daß sich weiter vorn etwas bewegt hatte. Verzweifelt sah er sich nach einem anderen Fluchtweg um. Eine der vergoldeten Türen stand einen Spaltbreit offen. Ohne zu zögern, stürmte er mit geballten Fäusten hindurch. Der Türflügel fegte eine zierliche Gestalt zurück in das Zimmer, welches nur von einer Lampe schwach erhellt war. Conan erkannte die Prinzessin wieder. Sie trug immer noch das dunkelgrüne Gewand. Da sie den Kopfschmuck abgenommen hatte, umrahmten braune Locken ihr hübsches Gesicht. Sonst war niemand im Raum. Das Mädchen hätte schreien können; aber sie starrte den Cimmerier nur mit offenem Mund an. Vor Schreck brachte sie keinen Laut über die Lippen. Conan schob schnell den Riegel vor die Tür. »Ich warne dich. Keinen Laut. Ich tue dir nichts, wenn du mich nicht verrätst.« Die Prinzessin nickte und betrachtete den großen Hünen aus dem Norden. »Deine Hand ist mit Blut befleckt.« Ihre Stimme war leise, zitterte aber nicht. Conan betrachtete die blutige Faust. »Stimmt.« Er schaute sich um. Offensichtlich war es das Schlafgemach der Prinzessin und hatte nur diese
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eine Tür. Dann entdeckte er eine goldene Waschschüssel in einer Ecke. Ohne das Mädchen aus den Augen zu lassen, wusch er sich die Hände. »Du hast doch bestimmt das Geschrei auf dem Korridor gehört.« Sie nickte und warf die Haare betont gleichgültig nach hinten. »Wenn aus Nitokars Gemächern Schreie kommen, ist das nicht ungewöhnlich.« Conan nickte und trocknete sich die Hände am Gobelin neben der Waschschüssel ab. »Du bist die Tochter des Königs?« »Ja, ich bin Afrit.« Mit dem offenen Haar wirkte sie sehr kindlich, obwohl die Formen unter dem dünnen Gewand verrieten, daß sie kein Kind mehr war. Afrit schritt mit aristokratischer Haltung an Conan vorbei, nahm die Schüssel mit dem rötlichen Wasser und leerte sie in den Abfluß im Fußboden. »Du fragst gar nicht, von wem das Blut stammt«, sagte Conan erstaunt. »Die Königin lebt noch...« »Leider! Ich liebe Nitokar nicht.« Afrit stellte die Schüssel zurück und blickte den Cimmerier trotzig an. »Wenn du ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht hast, will ich dir helfen, so gut ich kann.« »Ja, sie ist gefährlich«, meinte Conan. »Gefährlich?« Die Augen der Prinzessin sprühten Feuer, als sie näher kam. »Das Miststück hat meine Mutter vergiftet, um ihre Stellung als Königin einzunehmen, und jetzt macht sie das gleiche mit meinem Vater! Sie verdirbt den gesamten Hof, und ich bin machtlos. Ich kann ihr keinen Einhalt gebieten.« Trotz der zierlichen Gestalt hob Conan die Hand, weil er den Eindruck hatte, er müsse sich vielleicht verteidigen. Aber dann strich er ihr nur leicht über die Locken; denn jetzt strömten Tränen ohnmächtiger Wut aus ihren schönen Augen. »Schon gut, beruhige dich.« Aber Afrit schüttelte seine Hand ab und wischte sich die Tränen vom Gesicht. »Wie töricht von mir! Warum solltest du dich mit den Sorgen der Mächtigen beschweren?« Sie drehte sich zur Seite. »Ich bin schrecklich kindisch. Einem Fremden offenbare ich meine Seele. Dabei willst du nur dein eigenes kümmerliches Leben retten!« »Das stimmt allerdings.« Conan nickte. »Wenn es noch ein paar Minuten draußen ruhig bleibt, klettere ich durch das Fenster und störe dich nicht länger.« Er zeigte auf das große Bogenfenster mit dem vergoldeten Gitterwerk davor. »Aber, sag mal - stimmen eigentlich die Gerüchte, die ich über Nitokar gehört habe?«
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Afrit zuckte ungeduldig mit den Schultern. »Ich nehme an, daß sie stimmen. Sie ist ein so entsetzliches Ungeheuer, daß ihr kaum jemand Unrecht tun könnte. Sie war die Leibärztin meiner Mutter. Mit ihren schmutzigen Tricks hat sie die arme kranke Frau von ihren teuflischen Tränken und Rauchwolken so abhängig gemacht, daß sie schließlich daran gestorben ist. Mein Vater wollte sich aber nicht rächen. Ich fürchte, er hatte schon lange nichts mehr für meine Mutter übrig.« Die Prinzessin schluckte. »Nitokar verlor keine Zeit, ihn zu verführen und in die Klauen der gleichen bösen Mächte zu treiben. Jetzt sind seine Tage gezählt. Das weiß jeder, aber niemand wagt es, diese Tatsache offen auszusprechen.« Conan war überrascht. »Und was wäre, wenn jemand am Hof die Giftmischerin öffentlich anklagt und ihrem Treiben ein Ende macht?« »Vater würde doch bald sterben oder ohne Nitokars Drogen den Verstand verlieren. Wenn sie ihm ihre Mittelchen nicht rechtzeitig gibt, tobt und leidet er unsäglich. Man kann es nicht mit ansehen.« »Und was gewinnt die Königin durch seinen Tod? Kann sie danach die Herrschaft über Abaddrah antreten?« Afrit seufzte. »Nach dem Gesetz von Abaddrah hat der König die Macht, seinen Nachfolger zu bestimmen. Ich fürchte, daß Vater die Schlange Nitokar und ihren gräßlichen Balg Eblis mir vorzieht. Er sagt zwar, daß er mich über alles auf der Welt liebt und wie sehr er den Gedanken verabscheut, je von mir getrennt zu sein; aber ich bin in seinen Augen noch ein Kind. Er nimmt mich nicht ernst.« »Hm. Wirklich ein kühner Plan. Nitokar muß einflußreiche Freunde bei Hofe haben.« Afrit lachte verbittert. »Ja, den mächtigsten. Horaspes. Er ist der einzige, der noch bessere Verbindungen zu den bösen Mächten hat als sie.« Die Prinzessin verstummte plötzlich. Auf dem Korridor wurden Schritte laut. »Die Königin läßt jetzt den Palast durchsuchen«, flüsterte Conan und schlich zum Fenster. »Nein, warte! Wenn sie dich suchen, bringt dich die Flucht durchs Fenster auch nicht in Sicherheit.« Afrit löschte die Lampe. Im Mondlicht sah Conan, wie sie schnell ihr Gewand abstreifte. Dann warf sie ein fast durchsichtiges Batisthemd über. Mißtrauisch folgte der Cimmerier ihren Bewegungen. Aber sie winkte ihm. »Es wäre töricht, jetzt wegzugehen. Wenn Wachen hereinkommen, stelle
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ich mich schlafend. Du kannst dich dort verstecken.« Sie trat zum Bett, das auf einem Podest stand, und hob die seidene Decke. »Wenn du dich auf den Boden legst, ziehe ich die Decke über dich. Wenn es sehr heiß ist, schlafe ich oft ohne Decke.« Conan versuchte in dem schwachen Licht ihre Gesichtszüge zu erkennen. Auf dem Korridor herrschte wieder Ruhe. »Du nähmst wirklich das Risiko auf dich, daß sie mich in deinem Schlafgemach finden?« Afrit zuckte nur mit den schönen bloßen Schultern. »In diesem Palast ist alles möglich, wie du selbst erlebt hast. Warum soll ich immer die einzige sein, die allein schläft?« Sie setzte sich im Bett auf. Conan fand, daß sie ungemein kindlich und rein aussah. »Außerdem unterhalte ich mich gern mit dir. Ich habe bei Hofe keine Freunde. Alle sind so in Intrigen verwickelt, daß ich es nie wagen würde, offen mit jemandem zu sprechen.« »Das ist wirklich eine Schande.« Der Cimmerier setzte sich auf die Bettkante. »Ein Mädchen wie du sollte viele Freunde haben, treue Freunde.« »Danke - Conan, so heißt du doch, oder?« Ihm kam es vor, als sei sie errötet. »Aber der Hof von Abaddrah ist krank. Horaspes und die Königin haben alle verzaubert, so daß sie nur um die Gunst dieser beiden Schurken buhlen.« »Ach ja, Horaspes! Du scheinst seinen Prophezeiungen nicht zu glauben.« »Nein.« Afrit schüttelte energisch den Kopf. »Aber das ist nur der Anfang. Seine Predigten werden sich ausbreiten und auch andere Städte außer Abaddrah ruinieren, weil er die Menschen dazu bringt, ihre ganze Arbeitskraft in den Bau nutzloser Grabmale zu stecken. Seine Phantastereien und Zaubertricks haben mit unserem alten shemitischen Glauben nichts zu tun. Mit seinem Mischmasch will er nur die dummen und einfachen Menschen überreden, ihm, dem Propheten, zu folgen, weil er daraus Nutzen zieht.« Conan nickte. »Das ist gut möglich. Crom weiß, der Kerl lebt hier wie die Made im Speck, nachdem er das Ohr des Königs für sich gewonnen hat.« »Ja, und sein Einfluß wird noch zunehmen, wenn meine Stiefmutter den Thron besteigt. Sie hilft ihm jetzt schon, die Höflinge bei der Stange zu halten.« Afrit blickte nachdenklich in die Dunkelheit. »Aber trotzdem bin ich nicht sicher, ob er nicht noch tiefere Motive hat. Er wirkt so ehrgeizig. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sich wie die meisten Priester damit zufriedengibt, einen willfährigen Monarchen auf den Thron zu schieben.«
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Sie schaute den Cimmerier an. »Weißt du, er ist ein Asket und hat für die Freuden des Fleisches nichts übrig. Und sein Leibwächter, dieser Nephren, sieht so eiskalt und leblos aus... Igitt!« Sie schüttelte sich. »Du hast wirklich eine unglückliche Stellung.« Conan rutschte etwas näher und legte die Hand auf Afrits Arm. »Dabei dürftest du nichts zu fürchten haben, wenn alles rechtmäßig verliefe. Eine Frau in deiner Stellung und mit deinen Gaben sollte in der Lage sein, Nitokar jederzeit bei einer Intrige am Hof auszuspielen.« Die Prinzessin ergriff seine Hand. »Darum bete ich täglich, Conan. Ich bin noch keine erwachsene Frau. Meine Jugend ist ein großes Hindernis. Ich gebe mir Mühe, alles zu lernen; aber werde ich es rechtzeitig schaffen? Conan, du kannst mir helfen!« »Ich?« Er zog sie an die Brust. Sofort schmiegte sie sich an ihn. »Wie könnte ich dir helfen?« »Töte Nitokar für mich! Du schaffst es. Du bist stark und hast keine Skrupel.« Sie hob das Gesicht und blickte ihn an. »Wenn sie beseitigt ist, werde ich einen Weg finden, um meinen Vater wieder gesund zu machen. Geh gleich zu ihr. Ich hole dir einen Dolch.« »Nein, Prinzessin. Ich bin kein Meuchelmörder - und auch kein Narr!« Conan schüttelte den Kopf und schob sie von sich. »Ich stecke jetzt schon tiefer in deinen Familienproblemen, als mir lieb ist.« »Bitte, Conan! Wenn nicht für mich, dann für Abaddrah!« Wieder schwiegen sie, da auf dem Korridor Schritte zu hören waren. Jetzt klapperte jemand mit Schlüsseln an Afrits Tür. »Prinzessin Afrit! Seid Ihr da drinnen?« fragte eine männliche Stimme. »Schnell, versteck dich!« flüsterte Afrit. »Man kann die Tür von außen öffnen.« Der Cimmerier ließ sich schnell neben das Bett gleiten. Afrit warf die seidene Decke über ihn. Gleich darauf wurde der Riegel zurückgeschoben, die Tür ging auf, ein Lichtschein fiel herein. »Prinzessin! Verzeiht mir, daß ich Euch störe! Ein gefährlicher Gefangener ist flüchtig.« Es war ein junger Mann. Der Federbusch am Helm wies ihn als Hauptmann der Palastwache aus. Hinter ihm traten noch zwei Wächter ein. »Ich habe Befehl, alle Räume in diesem Flügel des Palasts zu durchsuchen.« Afrit hielt nur den äußersten Zipfel der seidenen Decke vor die Brust. »Hauptmann Aramas, ich habe schon geschlafen! Ich versichere Euch: Hier
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ist niemand außer mir.« Der f zier blieb dicht hinter der Tür stehen. r war verwirrt. weifellos hielt er die geröteten angen der Prinzessin für m dchenhafte Scheu, weil er in ihr Schlafgemach eingedrungen war. » s tut mir sehr leid, Prinzessin Afrit aber wir müssen nachsehen. enn er sich hier ohne uer issen verstecken würde, w rt hr in großer efahr.« Aramas stellte die ampe auf den Tisch. Dann begannen die beiden achen mit der Durchsuchung. Sie schauten hinter die Uorh nge, öffneten den Schrank und sp hten aus dem enster. Schließlich wandte sich der ltere an Aramas. »Hauptmann, hier ist niemand. Auch kein eichen, daß er aus dem enster geklettert ist... He, was ist das?« Auf dem eg zurück zur Tür war er auf Afrits ettdecke getreten und über etwas gestolpert. Jetzt beugte er sich hinab, um nachzusehen. Da packte ihn eine große Hand an der Kehle. Dann schüttelte Conan die Decke ab und stand auf, dabei ließ er den Soldaten aber nicht los. Mit einer Hand griff er nach dem Schwert in der Scheide. » ein, Conan itte nicht « Afrits itte - und die beiden Schwertspitzen im Rücken überredeten Conan, aufzugeben. r stieß den halberstickten Mann von sich. Dann knurrte er wie ein gefangener olf. »Keine ewegung, oder du bist tot « Hauptmann Aramas blickte Afrit vorwurfsvoll an. »Prinzessin, hr habt uns gesagt, daß niemand außer uch da sei.« Afrit hatte die Decke zurückgeworfen und war über das ett gekrochen, als sie Conan anflehte. Jetzt blickte sie zu Aramas auf. Sie hatte ihre Schamhaftigkeit vergessen. »Hauptmann, schaut ihn doch an und habt rbarmen r ist ein armer Sklave, der um sein eben k mpft « Sie berührte seine Schwerthand. »Hauptmann Aramas, ich habe uch aus der erne öfter beobachtet. hr seid freundlich und immer anst ndig. hr wißt, wie grausam die Uergnügungen meiner Stiefmutter sind. ollt hr diesen armen Mann zu ihr zurückbringen, damit sie ihn als Spielzeug mißbrauchen kann? itte, verschont ihn « Der Hauptmann konnte die Augen nicht von der Prinzessin wenden. Und in der Tat - angesichts von Afrits knospender Schönheit vergaß sogar Conan die Klingen im Rücken. Jetzt errötete Hauptmann Aramas tief. »Prinzessin, wie könnte ich? Das liegt nicht in meiner Macht...« Afrit schaute ihn flehend an. »Hauptmann, heute abend wurde ein Sklave
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als Opfer der perversen Vergnügungssucht Königin Nitokars getötet. Bringt seine Leiche zurück und laßt diesen hier laufen. Sagt, daß er auf der Flucht gestorben ist.« Jetzt erst warf Aramas einen Blick auf Conan. »Dieser Mann ist gefährlich, Prinzessin. Er ist ein Fremder und ein erfahrener Kämpfer. Ich kann ihn nicht laufen lassen.« »Dann haltet ihn unter Bewachung. Oder setzt ihn beim Bau des Grabmals ein. Dort könnte er nützlich sein.« »Ja, er gäbe einen kräftigen Arbeiter ab.« Der Hauptmann schaute wieder wie gebannt Afrit an. »Aber Prinzessin, Ihr verlangt etwas von mir, wodurch ich mein eigenes Leben gefährde.« Afrit winkte den anderen beiden Wachen, die unschlüssig dastanden. »Diese Männer sind zuverlässig und loyal. Sie werden Euch nicht verraten. Tut mir diesen Gefallen, und ich nehme Euch unter meinen Schutz und helfe Euch auf jede nur mögliche Weise.« Dem Hauptmann war nicht klar, auf welch schlechten Handel er sich einließ. Mit strahlenden Augen legte er seine Hand auf die Afrits. »Nun gut, Prinzessin. Ich werde ihn von hier wegzaubern.« Er richtete sein Schwert auf den Cimmerier. »Aber du - du mußt ganz still mitkommen, sonst mußt du sterben. Komm!« Als Conan zur Tür ging, spürte er den Blick der Prinzessin. Ihre Augen sagten: Vergiß mich nicht!
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10. KAPITEL DIE ARBEIT AM GRABMAL In den folgenden Tagen wurde der Bau des Grabmals noch schneller vorangetrieben. Schrill bliesen die Trompeten, und die Peitschen der Aufseher knallten laut und schnell. Immer mehr Scharen von braunhäutigen Arbeitern kletterten emsig wie Ameisen auf dem riesigen Bau herum. Ihre Zahl hatte von den Bauern Verstärkung bekommen, welche ihr Land wegen der Flut verlassen mußten. Niemand konnte sich erinnern, daß der Styx je so starkes Hochwasser geführt hatte. Unter den Arbeitern raunte man sich zu, daß der Bau deshalb so schnell fertig sein müsse, weil sich die Gesundheit des Königs trotz aller Bemühungen seiner Gemahlin und Leibärztin Nitokar rapide verschlechterte. Nur wenn alle ihr Bestes gaben, würde das Grabmal fertig sein, ehe Ebnezub es brauchte. Unter den Höflingen und Skeptikern in der Stadt ging ein anderes Gerücht um: Der mächtige Kanzler Horaspes erwarte eine Einladung nach Norden, nach Eruk, und er sehe das Grabmal gern nahezu fertig, ehe er fortging, um seine Lehren in ertragreicherem Boden auszusäen. Conan fügte sich in die betriebsame Arbeit am Grabmal gut ein. Er war überrascht, daß sein fremdländisches Aussehen und seine Sprache sowie sein Status als ehemaliger Gefangener ihm hier halfen; denn man setzte ihn nicht bei den Routinearbeiten ein. Die Aufseher schätzten seine Größe und Kraft und teilten ihm daher Sonderaufgaben zu, bei denen diese Qualitäten erforderlich waren. Oft mußte er hoch droben oder auf beengtem Raum arbeiten, wo schwächere Männer nicht viel ausrichten konnten. Um das Projekt voranzutreiben, ging man oft ziemliche Risiken ein; aber ein solches Arbeitstempo gefiel dem Cimmerier besser als das monotone Schuften in den Kolonnen. Vor allem hatte er so Gelegenheit, den gesamten Bau kennenzulernen. Einmal mußte er den Schlegel schwingen, um den verrutschten Deckel eines Marmorsarkophags zu entfernen, weil ein Steinmetz dort in der Falle saß. Bei anderer Gelegenheit rief man ihn in die Heilige Schule der Einbalsamierer, um den schwächlichen Akolythen zu helfen, die Mumie eines besonders schweren Beamten in den vergoldeten Innensarg zu legen. Natürlich dachte Conan ständig an Flucht. Wenn er nachts in dem fensterlosen Loch lag, wo sich seine Schlafstelle befand, brachte ihm oft
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die angenehme Vorstellung Schlaf, wie er den Verräter Otsgar genüßlich erwürgte. Sollte das Flittchen Zafriti noch in der Karawanserei sein, würde er sich nicht so lange bitten lassen - aber vielleicht hatte sie in der Zwischenzeit einen reicheren Narren gefunden, den sie eifersüchtig machen und in den Wahnsinn treiben konnte. Der Cimmerier dachte auch an Flucht, weil ihm aus dem Palast ständig Gefahr drohte. Niemand wußte, wann Königin Nitokar zwischen ihren Intrigen und perversen Ausschweifungen im Drogenrausch von seiner Anwesenheit auf der Baustelle erfahren würde. Er war sicher, daß sie ihn sofort töten ließe. Noch schlimmer wäre es, wenn Prinzessin Afrit ihn wieder bestürmte, die Königin umzubringen. Bei ihrer letzten Begegnung hatte sie einen offenen und guten Eindruck auf ihn gemacht; aber die gesamte Luft am Hof war durch Verrat vergiftet. Es war durchaus möglich, daß Afrit sich zu einer noch gefährlicheren Frau als ihre Stiefmutter entwickelte. Seit man ihn hierher gebracht hatte, hatte er von Afrit nur eine spitze Botschaft erhalten, welche in grüner Seide gewickelt eines Abends auf seiner Schlafstelle gelegen hatte. Jetzt trug er den nadelspitzen Dolch versteckt hinten im Lendenschurz. Auf der Flucht würde er die Waffe sicher gebrauchen können. Warum Conan bei diesen Gründen immer noch nicht geflohen war, konnte er selbst nicht begreifen. Bestimmt nicht wegen des Hungerlohns, den ihm die Schreiber wie allen anderen Arbeitern jeden Abend in die Hand zählten. Nachdem er für Milch, Hafergrütze, Schlafstelle und Miete für die Sandalen aus Nilpferdhaut bezahlt hatte, blieben ihm nur wenige Münzen. Irgendwie faszinierte den Cimmerier als alten Dieb der Geruch des Reichtums. Nicht alle Arbeiter wurden so mies bezahlt wie er, und seiner Berechnung nach brauchte man mehrere Ochsenkarren, um die Münzen für einen Monatslohn für alle herbeizuschaffen. Außerdem hatte er bei seiner Arbeit so viel Gold, Silber, Lapislazuli, Bernstein, Rubine und Onyx gesehen, daß man damit jede mittelgroße Stadt im Norden hätte kaufen können. Während der Bauarbeiten wurden diese Schätze innerhalb der Quartiere der Handwerker und Künstler gelagert, natürlich sehr gut bewacht. Den Zaun um diesen Teil des Lagers zierten viele Köpfe von Dieben, welche man erwischt hatte. Am meisten grämte den Cimmerier, daß selbst er bei einem einzigen Beutezug nur einen verschwindend kleinen Teil der Schätze würde wegschleppen können. Neben den unermeßlichen Schätzen zog aber das Grabmal selbst den Cimmerier immer mehr in seinen Bann. Das Geheim-
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nis, welches das Monument umgab, kitzelte seine Neugier. Er spürte es, wenn seine Arbeitskollegen über seltsame Geräusche und Schatten sprachen, denen sie in der Dämmerung, aber auch tagsüber in dunklen Gängen begegnet waren. Er spürte es, wenn sie über unerklärliche Unfälle tief im Innersten sprachen oder diese verschwiegen. Am deutlichsten spürte er es an einem Abend, als der Prophet Horaspes den Bau inspizierte. Seine Miene zeigte eine geheime Genugtuung, als habe das Grabmal einen Zweck und eine Bedeutung, welche nur er allein kannte. Conan bemühte sich stets, dem Propheten bei den Inspektionsgängen nicht unter die Augen zu kommen. Schwieriger war es, Nephren zu entgehen, da dieser sehr oft die Baustelle besuchte und sich von den Architekten genau die Pläne erklären ließ, welche diese auf den zusammengerollten Schafsfellen aufgezeichnet hatten. Obwohl Nephren ein wettergegerbtes Gesicht hatte, haßte er die Sonne. Immer kam er mit zwei Sklaven, die ständig einen gewebten Baldachin über ihn halten mußten, damit er Schatten hatte. Mußte er längere Zeit im Freien sitzen, träufelte eine junge Sklavin Öl in sein Haar und salbte seine Haut, um sie gegen den heißen Wind aus dem Flußdelta zu schützen. Conan fiel auf, daß die Sklavin sich zwar ihrer niedrigen Stellung entsprechend demütig benahm, aber ihren Herrn offenbar aus tiefstem Herzen verabscheute. Manchmal verzog sie unwillkürlich angewidert das Gesicht, wenn sie ihn berühren mußte. Conan hatte Mitleid mit ihr. Nephren dagegen schien sie mit boshafter Freude zu betrachten - so weit sein undurchdringliches Gesicht zu Gefühlsregungen fähig war. Conan verstand ihre Furcht nicht, denn bei ihrer knappen Bekleidung konnte er sehen, daß sie wohlgenährt war und keine Striemen von Peitschenhieben trug. Der Cimmerier hatte das Gefühl, daß Nephrens seltsames Benehmen mit dem Geheimnis des Grabmals zusammenhing. Zu gern hätte er mehr darüber gewußt. Als die Sklavin Wasser holte, trat er zu ihr und sprach sie auf stygisch an. »Du hast vor deinem Herrn große Angst«, sagte er und lächelte. »Kein Wunder, mir gefällt sein Aussehen auch nicht.« Mit schreckgeweiteten Augen schaute sie zu ihm auf. Sie stieß einen Laut aus, wie der Cimmerier ihn nur von Stummen oder von Menschen gehört hatte, denen man die Zunge herausgeschnitten hatte. Dann lief sie so schnell weg, daß das Wasser aus ihrem Kupferkessel schwappte. Nephren hatte ihren ängstlichen Schrei gehört. Jetzt drehte er sich um und sah den Cimmerier. Seine Augen verengten sich, als er ihn erkannte.
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»Fertig, ihr faulen Hunde? Jetzt hievt hoch! Hochhieven, ihr Nachkommen von Flußaalen!« Auf das Kommando des Aufsehers hin stemmten sich achtzig Sandalen gegen den steinigen Boden, und vierzig braune Körper bewegten sich wie die Beine eines riesigen Insekts. Die Lederschlingen um den riesigen Quader ächzten, als er zwischen seinen Brüdern herausgehoben wurde. »So, jetzt halten! Ja nicht loslassen!« brüllte der Aufseher. Ohne das Seil zu sichern, blieben die Arbeiter stehen und hielten den Stein einige Handbreit über dem Boden. »Jetzt die Hebel! Gleichmäßig hochstemmen, damit ihr nicht noch mehr Schaden anrichtet!« Der kräftige Aufseher stolzierte auf und ab. Er konnte den drei Männern auch keine weiteren Anweisungen geben, die mit langen Stangen in der Spalte neben dem Quader herumstocherten, um ihn von dem fest eingebetteten Nachbarstein wegzudrücken. Der Aufseher trat zur Kante der Mauer und schaute zu Conan hinab, der an einem Seil hing und ebenfalls mit einer Holzstange in der Spalte herumbohrte. »Beeil dich, Barbar! Der ganze Trupp wartet auf dich!« »Halt‘s Maul, du Hurensohn!« fuhr ihn der Cimmerier an. »Du könntest auch nicht mehr ausrichten, falls du die Nerven hättest, hier unten zu arbeiten! Sag ihnen, sie sollen noch kräftiger hochstemmen!« Conan hing an einer beinahe senkrechten Mauer und versuchte mit einem gekrümmten Eschenstab einen Steinsplitter zu entfernen, der von dem jetzt hochgezogenen Block abgesplittert war und verhinderte, daß der Quader nahtlos eingesetzt werden konnte. Conan stützte sich mit den Beinen gegen die Mauer und stieß und schabte, um den Splitter herauszuholen. »Er lockert sich!« rief er. »Etwas mehr auf diese Seite drücken. Ja, das war‘s!« Mit einer Drehung hatte er den Steinsplitter herausgeholt. »Ihr könnt den Block wieder hinunterlassen. Aber vorsichtig und ganz langsam!« befahl der Aufseher. Aber dazu hatten die Männer nicht mehr die Kraft. Sie ließen den Quader los. Peng! Jetzt lag der Stein wieder neben den anderen. »Nein, warte! Crom verfluche euch!« schrie Conan, doch seine Worte gingen in dem Gepolter unter. Aus der Tiefe schlug ihm heiße Luft entgegen. Sand und Steinsplitter sprühten ihm ins Gesicht. Geblendet verlor er den Halt und rutschte an der Mauer ab. Dann spürte er, wie das Seil nachgab. In letzter Sekunde konnte er den Krummstab über die Kante des Steins
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über ihm schlagen. Langsam hantelte er sich an der Stange nach oben. Endlich saß er auf dem Rand der Mauer. Er rieb sich die Augen. Das Seil, das um seine Brust führte, war bei der Rutschpartie über die scharfen Steinkanten ausgefranst. Der Cimmerier stieß eine Flut wilder Flüche aus. Vom Aufseher war nichts zu sehen. Dieser trieb die Arbeiter bereits eine Leiter hinunter, um den nächsten Quader heraufzuhieven. Da ertönte hinter ihm eine Stimme: »He, bist du der Gefangene Conan? Komm her! Ich habe einen neuen Auftrag für dich!« Conan drehte sich um. Ein Grabwächter zeigte auf die Leiter, welche ins Innere der Pyramide führte. Neben ihm stand noch ein Mann, der offenbar ein gut bezahlter Handwerker war, denn sein Baumwollrock war sauber und sorgsam gefältelt. Conan stand auf und hob seine Sandalen auf. »Nun, er scheint für diese Aufgabe wirklich der Richtige zu sein«, meinte der junge Handwerker. Er war mittelgroß und nicht sehr kräftig. Offenbar arbeitete er körperlich nicht schwer. Er war auch nicht so sonnengebräunt wie die anderen Arbeiter - wahrscheinlich arbeitete er für gewöhnlich im Innern des Grabmals. Dann sah Conan die Tastlehren im Gürtel, wo bei anderen Männern ein Dolch oder ein Schwert steckte. Aha, ein Konstrukteur! dachte der Cimmerier. Aber warum war er so weit entfernt von seinen Tintenfässern und Entwürfen? »Barbar, das ist Mardak«, erklärte der Wächter. »Er ist ab jetzt dein Aufseher. Gehorch ihm!« »Ich arbeite an einem speziellen Projekt, Conan. Es ist eine besondere Vertrauensstellung, für die ich nur die besten Arbeiter haben will. Über dich habe ich Gutes gehört.« Mardak sprach offen und nicht so überheblich wie die meisten anderen gelernten Handwerker. »Meine Männer bekommen auch mehr Lohn. Ich bin sicher, daß das auch für dich zutrifft.« Er schaute den Wächter fragend an. Dieser nickte. Conan blickte noch skeptisch drein, dann zuckte er mit den Schultern. »Die Arbeit kann auch nicht schlimmer sein als das, was ich bis jetzt gemacht habe. Gut, gehen wir!« Mardak lächelte und schüttelte dem Cimmerier die Hand. Dann trat er zur Leiter. Conan und der Wächter folgten ihm. Überall auf der Baustelle herrschte rege Betriebsamkeit. Es war, als hätte man in der sengenden Mittagssonne ein Termitennest aufgegraben. Trotz der harten Arbeit waren die Männer aber irgendwie guter Laune. Scherz-
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worte flogen durch die Luft, obwohl das Grabmal eigentlich für einen traurigen Anlaß errichtet wurde. Die meisten waren braungebrannte schlanke Kinder des Flusses, die das Leben liebten und an schwere Arbeit unter gestrengen Herren gewöhnt waren. Stoisch verrichteten sie ihre Arbeit, für sie eine Abwechslung zu der Bestellung ihrer Felder, und gaben sich der Illusion hin, zu etwas Wohlstand zu gelangen. Auch Frauen arbeiteten Seite an Seite mit den Männern. Manche trugen Säuglinge auf den Hüften. Alle sangen, selbst während der größten Schinderei. Leiter um Leiter stiegen die Männer hinab, immer tiefer ins Grabmal. Das Rechteck, durch welches man den Himmel sah, wurde immer kleiner. Conan hörte das Singen nur noch schwach. Das Innere des Monuments teilte sich in viele enge, nach unten führende Schächte und Bogengänge, die aus dem ursprünglichen Sandsteinfelsen herausgehauen waren. Auch hier wimmelte es von shemitischen Arbeitern. Allerdings waren sie still und blickten mißmutig drein. Wahrscheinlich fehlt ihnen der Sonnenschein, dachte der Cimmerier. Die drei Männer stiegen immer weiter hinab. Lange schon war der letzte Schimmer des blauen Himmels verschwunden. Öllampen an den Wänden wiesen ihnen den Weg. Die Luft war stickig. Die schweißbedeckten Arbeiter, die in den Gängen hämmerten, kamen Conan wie bucklige Höhlenbewohner vor. So tief ins Innere des Grabmals war er noch nie vorgedrungen. Mardak kannte sich hier unten offensichtlich gut aus; denn er begann locker eine, allerdings einseitige Unterhaltung. »Eigentlich bin ich ausgebildeter Konstrukteur. Jetzt habe ich endlich Gelegenheit, ein Werk vom Entwurf bis zur Fertigstellung zu betreuen.« Sie mußten warten, bis die Arbeiter mit großen Körben voll Gesteinsbrocken auf der nächsten Leiter Platz gemacht hatten. Mardak beugte sich zu Conan und sagte leise: »Bei einigen Teilen des Projekts dürfen nur so wenig Leute wie unbedingt nötig mitarbeiten. Aus Geheimhaltungsgründen, verstehst du? Wirklich, durch diese Arbeit eröffnen sich große Möglichkeiten, nicht nur für mich, sondern auch für einen Sklaven wie dich.« Conan runzelte die Stirn. Sie kletterten jetzt eine Doppelleiter hinunter. »Dann arbeiten wir wohl am geheimen Teil des Grabmals?« Mardak nickte. »Am allergeheimsten. Ich habe den Mechanismus zum Schließen der Grabkammer des Königs entworfen. Wenn sie versiegelt ist, kann man sie nur von innen öffnen. Das wird am Tag des Jüngsten
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Gerichts nötig sein, wenn der König und sein Gefolge wieder aufwachen.« Er lächelte. »Mein Plan ist großartig, wenn ich das sagen darf! Du wirst es bald sehen. Auf Wunsch des Kanzlers Horaspes habe ich diesen Mechanismus entworfen, die Pläne gezeichnet und das Schneiden der Steine überwacht. Das wurde in weit auseinanderliegenden Hütten durchgeführt, damit die Steinmetzen nicht wußten, woran sie arbeiteten. Jetzt müssen wir nur noch die Teile zusammensetzen.« Conan konnte kaum glauben, was er hörte. Sein Herz schlug höher. Der alte Plan, das Grab Ebnezubs auszurauben, stand ihm wieder vor Augen. Aber er gab sich die größte Mühe, sein Interesse zu verbergen. »Der Kanzler hat großes Vertrauen in dich.« »Ja, man hat mir versprochen... na ja, eine fürstliche Summe. Und alle meine Arbeiter bei der letzten Phase bekommen einen Bonus - dafür sorge ich. Wichtiger ist aber, daß es ein Schritt auf dem Weg zu größeren Aufgaben sein könnte... Vorsicht!« Sie gingen im Gänsemarsch durch einen engen Tunnel. Die einzige Lichtquelle war die Lampe, welche der Wächter als letzter hochhielt. Jetzt kamen sie zu einer Warnleuchte, die anzeigte, daß der Weg von dicken Stützbalken blockiert war, weil tiefe Risse sich auf den Wänden, der Decke und dem Boden hinzogen. »Diese Verschiebung war gestern noch nicht da. Wahrscheinlich muß der Gang zugeschüttet werden. Aber ich glaube, daß wir durchkommen.« Vorsichtig schob Mardak sich zwischen den Balken weiter vorwärts. »Ich habe von diesen Einstürzen gehört. Sie haben vielen Menschen das Leben gekostet.« Conan hatte Mühe, sich zwischen den Balken hindurchzuzwängen. Er hatte das Gefühl, als senke sich der Boden unter seinem Gewicht noch etwas. »Dann ist das Grabmal auf einem schwachen Fundament erbaut?« »Nein«, antwortete Mardak, »Einsturzgefahr besteht nur an wenigen Stellen, wo die älteren Grabschächte den Sandstein durchlöchert haben. Keine Angst, unter der Königskammer habe ich alles untersucht. Da kann nichts passieren.« Sie gelangten jetzt in einen breiteren, leicht abwärts führenden Korridor. Lampen steckten in Halterungen an den Wänden. »Das ist der Hauptgang, durch welche Seine Königliche Hoheit ins Grab getragen wird«, erklärte Mardak stolz. »Nach rechts führt er zu dem großen Eingangsportal. Und
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hier links ist das Vestibül zur Königskammer.« Er führte sie dorthin. Der Gang war hier erweitert und hatte ein Tonnengewölbe. Der Raum mit dem Säulengang in dem Wüstengrabmal war größer geworden. Conan hatte das Gefühl, als läge dieses Abenteuer schon ewig zurück. In diesem Raum standen die behauenen Quader in Holzverschalungen. Am Ende waren einige Arbeiter dabei, die Holzverschalung zu entfernen. In der einen Wand sah Conan einen eindrucksvollen Torbogen mit kunstvollen Reliefs. »Hier im Herzen des Grabmals ist unser Arbeitsplatz«, sagte Mardak und wandte sich an den Wächter. »Vielen Dank. Jetzt sind meine Männer vollzählig.« Der Wächter nickte nur kurz. Er hatte die ganze Zeit über mißmutig dreingeschaut, weil er es unmöglich fand, daß Mardak sich mit einem ausländischen Sklaven so vertraulich unterhielt. Er machte kehrt und trat zu den beiden Wachen, welche am Zugang postiert waren. Mardak führte Conan zu den anderen Arbeitern. »Das sind die fähigsten Männer, die ich auf dem Bau finden konnte. Aber ich brauchte noch einen mit deiner außergewöhnlichen Reichweite und Kraft. Wir arbeiten auf engstem Raum.« Er hob die Stimme und sagte zu den Arbeitern: »Männer, das ist Conan. Er ist der letzte in unserem Trupp.« Die sechs Männer blickten auf. Es waren kräftige Shemiten. Ihre Körper waren durch den Steinstaub weiß überpudert. Alle machten ein mürrisches Gesicht. Conan wußte nicht, ob sie die Arbeit oder ihn als Fremden nicht mochten. »Ich möchte, daß jeder von euch genau über unsere Arbeit und die damit verbundenen Gefahren Bescheid weiß. Wir werden dort arbeiten.« Mardak führte sie durch den Torbogen in einen kurzen Gang, der seltsam geformt war. An den Wänden waren Nischen zu sehen. Dahinter leuchteten Alabaster und Türkis, so daß Conan ganz geblendet war. Das mußte die Königskammer sein! Jetzt hielt Mardak die Lampe hoch. Er sagte kein Wort. Die Kammer war bis auf die Wandverkleidungen mit den Halbedelsteinen noch leer. Noch hatte man die Schätze nicht herangeschafft. »Ihr dürft in diesem Raum nichts beschmutzen oder etwa stehlen. Auf ein derartiges Verbrechen steht Todesstrafe«, erklärte Mardak ernst. »Wir arbeiten aber hier auf dem Gang, welcher hineinführt.« Dann ließ er noch mehr Lampen bringen und erklärte die Beson-
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derheiten im Plan des Gangs und wie seine Konstruktion funktionieren sollte. Sobald die Tür zur Königskammer geschlossen wäre, würden genau behauene Granitblöcke herabfallen und den Zugang blockieren. Danach würden weitere Steine nachgleiten, um sie zu verkeilen. Alles würde wie die berühmten Puzzles aus Khitai funktionieren. Die Keilsteine würden aus den Nischen in und über dem engen Gang rutschen. Am Ende würden alle Steine eine undurchdringliche Mauer bilden, welche mehrere Ellen dick wäre. Kein Grabräuber, kein Ghul, ja nicht einmal eine feindliche Armee konnte dann durch das Portal dringen. Wenn jedoch der König und sein Gefolge am Tag des Jüngsten Gerichts erwachten, konnten sie ohne weiteres hinausgehen, weil sie die verkeilten Steine von innen nur in einer ganz bestimmten Reihenfolge entfernen mußten. Dann ließ sich auch das Portal öffnen. Der Cimmerier konnte sich den genauen Mechanismus nicht vorstellen; aber Mardaks Erklärungen entnahm er, daß sie von außen nach innen arbeiten mußten, da die letzten Steine, die sie legten, die ersten sein würden, welche wieder herausgenommen würden. »Die größte Gefahr besteht darin, daß der Fall der Steine zu früh ausgelöst wird«, erklärte Mardak. »Denn dann sind nicht nur wir alle tot, sondern die späteren Arbeiter haben es unvorstellbar schwer.« Damit war Mardak am Ende mit seinen Erklärungen, und alle gingen an die Arbeit. Sie schlugen die Verschalungen von den Steinen, welche brustgroßen Melonenschnitzen glichen. Diese mußten sie in den Gang schaffen. Conans Aufgabe war die wichtigste; denn man brauchte einen einzigen starken Arm, um den vorigen Stein mit einer Brechstange in die exakte Position zu zwängen, ehe der nächste kam. Manchmal mußte sich Conan in die Schächte zwängen, um den Weg freizumachen. Er schwitzte neben den Shemiten, die Behelfsstützen einzogen. Trotzdem blieben seine Arbeitskameraden ablehnend und mürrisch. Aber er hörte auch nie ein fröhliches Wort, wenn sie miteinander sprachen. Die Zusammenarbeit ging reibungslos, jedoch ohne viele Worte vonstatten. Mardak trieb sie erbarmungslos an, bis es zu einem Unfall wegen Übermüdung kam, bei dem einem Arbeiter der Fuß zerquetscht wurde. Der übereifrige Konstrukteur vergoß Tränen der Reue, als zwei Wächter den stöhnenden Verletzten wegtrugen. Danach ordnete er sofort eine Ruhepause an. »Wir haben hart gearbeitet. Oben in der Außenwelt herrscht
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schon lange Dunkelheit. Aber wir dürfen hier nicht weg, bis wir das Werk vollendet haben. Wir verbringen die Nacht im Tunnel.« Man brachte ihnen Körbe mit Brot und Datteln, dazu Wein in Tonkrügen, welche sie später als Nachttöpfe benutzen konnten. Die Männer aßen schweigend und beobachteten den Wechsel der Wachmannschaft am Eingang zum Vestibül. Dann richteten sie mit Stroh die Nachtlager her und streckten die müden Glieder aus. Die meisten Lampen wurden gelöscht. Es war Nacht. Aber Conan konnte nicht so schnell einschlafen. Es ging ihm noch zu viel im Kopf herum. Er stand auf und ging zum Kopfende des Raums. Dort saß Madrak mit untergeschlagenen Beinen neben einer Lampe, trank Wein und zeichnete auf eine Wachstafel. Conan blieb neben ihm stehen. Überrascht blickte der Konstrukteur auf. »Also, Madrak, deine Schließvorrichtung für die Grabkammer ist wirklich eine erstaunliche Erfindung. Ich freue mich schon, wenn sie ausgelöst wird.« Der Cimmerier hockte sich auch auf den Boden. »Aber eine Frage hätte ich noch: Wird es auch funktionieren, wenn die Zeit gekommen ist? Und wenn ja - wie kann eine lebende Seele sicher sein, daß es funktionierte?« Mardak sah müde aus. Der Unfall machte ihm offenbar noch schwer zu schaffen. Aber er lächelte den Cimmerier an. »Ich habe ein Holzmodell gebaut und alles dem Kanzler Horaspes vorgeführt. Es ist mehr als einmal geglückt, ehe wir es aus Geheimhaltungsgründen verbrannt haben. Er vertraut mir, und mehr brauche ich nicht zu wissen.« Conan nickte und dachte über Madraks Worte nach. »Aber wird er dir hinterher noch trauen, daß du das Geheimnis bewahrst? Kann er irgendeinem von uns trauen, wenn wir wissen, wie die größten Schätze des Königs gesichert sind?« Mardak zog eine Braue hoch. »Sobald die Grabkammer verschlossen ist, können wir - und auch kein anderer - etwas von außen tun, ganz gleich, wieviel wir wissen.« Er schüttelte den Kopf und lächelte noch mehr. »Keine Angst, Conan. Der Kanzler gab mir das feierliche Versprechen, daß ich nach der Fertigstellung des Projekts entlassen werde und die versprochene Summe bekomme. Und wenn ich das Geld bekomme - warum du nicht auch?« »Und nun zu deiner Frage, ob meine Erfindung auch funktioniert.« Er blickte vorsichtig nach allen Seiten und senkte die Stimme. »Ist das wirklich
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in tausend Jahren für einen Haufen verschrumpelter Mumien noch wichtig?« Conan dachte kurz nach. »Also glaubst du nicht an die Auferstehung der Toten in der Nachwelt, wie Horaspes predigt?« Mardak zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist es in irgendeinem ätherischen, mystischen Sinn so. Aber ein Mann mit meiner Ausbildung müßte wirklich naiv sein, wenn er das ohne Beweise, nur auf das Wort von Priestern hin annähme.« Conan runzelte die Stirn. »Warum riskierst du dann dein Leben beim Bau dieses Grabmals?« »Warum nicht? Es gelingt.« Mardak nahm einen großen Schluck Wein. »Wichtig ist doch, daß das einfache Volk daran glaubt und der König es bestätigt. Für uns Handwerker ist der Bau eine Goldgrube und bietet ungeahnte Möglichkeiten, auch für dich.« Er schaute den Cimmerier an. »Es ist nur eine Sache des Vertrauens der anderen, genau wie beim Geld. Was sind schließlich Gold und Edelsteine? Du kannst sie nicht essen, keine Kleidung daraus machen oder ein Haus bauen. Warum sollte man sie nicht alle in Kammern, wie hier tief im Innern der Erde, einmauern? Was kann das schaden?« Wieder vergewisserte sich Madrak, daß niemand sie belauschte, ehe er leise fortfuhr. »Ich bin wirklich nicht raffgierig, das kannst du mir glauben. Ich nehme das Risiko auf mich, weil ich eine große Familie habe, für die ich der einzige Ernährer bin. Mit diesem Geld kann mein jüngerer Bruder in die Priesterschule eintreten. Meine Schwestern haben ihre Aussteuer, und meine alten Eltern brauchen sich nicht mehr vor Armut zu fürchten.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ich schwatze über Dinge, welche dich wohl kaum interessieren. Du brauchst deinen Schlaf.« Er legte dem Cimmerier die Hand auf die Schulter. »Gute Nacht, Conan.« Der Cimmerier ging zurück und legte sich aufs Stroh. Immer noch fand er keinen Schlaf. Er stützte sich auf einen Ellbogen und schaute zu seinem Nachbarn hinüber. Der Mann war einer der ältesten Arbeiter, ein hagerer, kahlköpfiger Mann, den die anderen Shemiten offenbar sehr achteten. Er schlief ebenfalls noch nicht. »Esfahan, deine Kameraden ziehen immer nur finstere Gesichter. Ich bin sicher, daß es dafür einen Grund gibt«, flüsterte Conan. »Habt ihr Angst, daß uns die Grabwächter zum Schweigen bringen, sobald wir hier unten fertig sind?«
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Der Alte schnaubte nur verächtlich. Seine Augen funkelten im schwachen Licht. »Ich weiß nicht, ob sie im Norden nur Narren aufziehen, Fremder, aber falls du glaubst, daß auch nur einer von uns hier lebend wieder rauskommt, bist du genau das. Ein Narr!« Conan fluchte leise. »Na schön! Aber wir können doch Pläne schmieden, wie wir uns wehren können. Ich werde mein Leben jedenfalls nicht so leicht aufgeben!« Keine Antwort. Esfahan wollte nicht mehr mit ihm sprechen. Er rollte sich auf die andere Seite und schwieg. Nach einiger Zeit fiel auch Conan in einen unruhigen Schlaf.
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11. KAPITEL UNTERIRDISCHES LABYRINTH Am Morgen war Wachablösung. Die Lampen wurden wieder aufgefüllt und angezündet. Alle wachten mit schmerzenden, schweren Gliedern auf. Nachdem die Männer kalten Haferbrei mit Ziegenmilch und Feigen gegessen hatten, gingen sie unter Mardaks aufmerksamen Augen wieder ans Werk. Sie arbeiteten jetzt besonnener, aber leistungsstärker. In wenigen Stunden war der letzte Stein in die richtige Stellung geschoben und die schwere Tür ins Mauerwerk eingefügt worden. Der Zeitmechanismus, eine Sanduhr, stand in einer Nische. Sie war so eingestellt, daß die ersten Sandkörner liefen, sobald die Tür geschlossen war. Mardak ging los, um die Vollendung des Werks zu melden. Conan und die Shemiten bauten die jetzt nicht mehr nötigen Stützbalken ab. Als sie fertig waren, sah das Vestibül zur Königskammer wie ein harmloser, schmuckloser Korridor aus. Jetzt bündelten sie noch die Bretter der Verschalungen zusammen. Conan entging nicht, daß sich am Eingang zum Vestibül etwas verändert hatte: Dort standen jetzt sechs Grabwächter, einen für jeden Mann aus Mardaks Trupp, und unterhielten sich betont gleichgültig. Hinter ihnen sah er die gespenstische Gestalt des unbeugsamen Nephren. Der Leibwächter des Kanzlers sprach mit dem Hauptmann der Wachen, ließ die Arbeiter dabei aber nicht aus den Augen. Der Cimmerier schob sich zu Esfahan und lenkte seine Aufmerksamkeit durch Kopfnicken auf Nephren. »Es sieht so aus, als sei die Zeit gekommen, Onkel! Die Wächter sammeln sich. Wir sollten sofort losschlagen.« Der Shemite blickte jedoch nicht zum Eingang hin. »Und was sollten wir deiner Meinung nach tun, Nordländer?« Nur mit größter Mühe zügelte der Cimmerier seine Ungeduld. »Nun, kämpfen natürlich!« flüsterte er zurück. »Und versuchen, zu fliehen oder wie Männer zu sterben! Schau her, ich habe einen Dolch.« Er holte das Päckchen aus dem Lendentuch und wickelte die grüne Seide von der Waffe. Dabei schirmte er mit dem Rücken die Blicke der Wachen ab. »Sag deinen Shemiten, sie sollen sich mit Knüppeln bewaffnen!« Esfahan schüttelte den grauen Kopf und vermied es, Conan in die Augen zu schauen. »Es gibt kein Entkommen, Fremder! Wenn du Widerstand leistest, verlängerst du damit nur deine Todesqualen - es sei denn,
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du bist ein Spion. Nein, du solltest den Dolch lieber gegen dich selbst richten!« Conan schnaubte verächtlich und ging zwischen den Arbeitern hindurch auf den Eingang zu. Dabei hielt er den Dolch sichtbar unterhalb des Gürtels, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Er hoffte nur, daß keiner der Männer einen Schrei ausstieß. Forschend musterte er die Gesichter nach einem Verbündeten. Zwei jüngere Männer folgten ihm schließlich, aber sie wirkten nicht gerade wild entschlossen. Die Wachen hatten sich unauffällig im Vestibül verteilt. Sie lehnten wie unbeteiligt an den Wänden oder unterhielten sich, während die Todeskandidaten ihre Arbeiten abschlossen. Conan schlenderte auf den Eingang zu. Den Dolch hielt er seitlich an sich gepreßt, so daß man ihn nicht sah. Ein Wächter musterte ihn mißtrauisch, drehte sich aber dann wieder zu seinem Kameraden, mit dem er angeregt geplaudert hatte. Die Burschen sind wirklich Schlappschwänze, dachte der Cimmerier, und dann stürmte er los. Er lief direkt auf Nephren zu, da zwei Wachposten mit dem Rücken zum Vestibül standen und sich mit ihrem Hauptmann unterhielten. Dieser hörte den Cimmerier kommen und drehte sich schnell um. Er wollte sein Schwert ziehen. Bei dieser Bewegung geriet er zwischen Conan und dessen Ziel, so daß ihn der Dolchstoß traf. Die Klinge streifte ihn zwar nur; aber Conan hörte, wie unter seiner Faust mindestens eine Rippe brach. Der Hauptmann taumelte gegen Nephren und drückte ihn an die Mauer. Wie der Blitz war der Cimmerier an den Wachen vorbeigerannt und hatte den mit Lampen erleuchteten Korridor erreicht. Hinter sich hörte er Schreie. Ein Blick zurück zeigte ihm, daß es keinem Arbeiter gelungen war, ihm zu folgen. Allerdings hatten sie die Verfolgung der Wachen verzögert. Er verdoppelte sein Schrittempo. Das Klatschen der Sohlen hallte laut. Conan wußte, daß der zentrale Gang in der Nähe des Ausgangs von vielen Arbeitern benutzt wurde. Daher wollte er in einen engen Seitengang abbiegen, wo die Verfolger ihn nur hintereinander angreifen konnten. Er sah eine Kreuzung und blieb stehen. Was waren das für Gestalten, welche sich da mit abgeschirmten Lampen lautlos bewegten? Dann blieb ihm beinahe das Herz stehen. Sein junger Aufseher, Mardak, taumelte dahin. Aber er hatte sich grauenvoll verändert: Die Augen waren glasig, das Gesicht wirkte bis auf das getrocknete Blut um den Mund herum totenblaß. Die Arme endeten an den Handgelenken in blutigen Stummeln. Zwei Priesterschüler begleiteten
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den Unglücklichen. Einer trug eine kleine goldene Kanope. Conan brauchte nicht in das Kästchen hineinzuschauen, um zu wissen, daß es Zunge und Hände Mardaks enthielt. Offensichtlich hielt Horaspes sein Versprechen, den Handwerker am Leben zu lassen. Sobald die Akolythen den Hünen aus dem Norden mit gezücktem Dolch erblickten, gerieten sie in Panik und zerrten Mardak zurück in einen Tunnel. Inzwischen hatte Conan sich von dem schrecklichen Anblick wieder erholt. Er blickte zurück zu den Verfolgern. Nephren war ihm dicht auf den Fersen. Rasch verschwand der Cimmerier in dem engen Gang rechts von ihm. Auf demselben Gang war er am Vortag hergekommen. Eine Lampe flackerte ein Stück weiter vorn an einem der Balken, welche die Decke stützten. Fluchend stürmte er weiter. Diese Hindernisse konnten ihn das Leben kosten! So schnell wie möglich schlängelte er sich durch die Balken. Nephren blieb ihm auf den Fersen. Der Gang war hoch genug, damit der hagere Stygier mit dem Schwert ausholen konnte. Anstatt zurückzuweichen, tat Conan einen Sprung nach vorn und stieß blitzschnell mit dem Dolch zu. Die Klinge traf Nephren in der Körpermitte, als dieser mit dem Schwert gegen einen Stützbalken schlug. Conan hörte ein Knirschen über sich. Ächzend knickten einige Balken ein. Dann spürte er, wie der Fels unter seinen Füßen bebte und nachgab. Im nächsten Augenblick stand die Welt kopf, und es wurde dunkel um ihn. Ein Bild blieb ihm jedoch, ehe er das Bewußtsein verlor. Er sah, wie Nephrens Seidenhemd und der Bauch von dem Dolch aufgeschlitzt wurden, daß aber anstelle von Blut nur heller Sand und vertrocknete Kräuter herausquollen. Schmerzen und Finsternis. Stille, Beengtheit, Schmerzen. Die Welt hatte neue, unnachgiebige Grenzen. Conan hatte das Gefühl, in dem geschlossenen Rachen eines riesigen steinernen Ungeheuers zu stecken. Trotz der Schmerzen versuchte er den Kopf zu heben. Kalter Sand lief ihm über die Wange. Eine rauhe, messerscharfe Felskante drückte auf sein Genick, so daß er sich nicht weiter bewegen konnte. Vorsichtig ließ er das Gesicht wieder auf das spitze Geröll hinunter. Eine Zeitlang rieselte noch Sand herab. Conan lag ganz still und überlegte, wer oder was ihn verfolgte. Er hörte jedoch keine anderen Geräusche - und sah nirgends Licht.
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Vielleicht gab es doch Licht, und er war blind! Vorsichtig bewegte er den Kopf und spähte nach irgendeinem Lichtschimmer. Nichts! Aber die heftigen Schmerzen in seinem Kopf kamen nicht von den Augen, sondern von der linken Schläfe. Daraus schloß er, daß er nicht blind war, aber in völliger Finsternis lag. Nach einiger Zeit prüfte er, ob die Gliedmaßen ihm noch gehorchten. Die Abschürfungen brannten höllisch, aber Arme und Beine waren nicht allzu tief im Geröll begraben. Mit einer Hand tastete er die Gegend um das Genick ab. Dabei ging er äußerst behutsam vor, denn ihm war klar, daß eine ungeschickte Bewegung, die Steinkante über ihm in ein Henkerbeil verwandeln konnte. Nachdem er einige kleinere Steine weggeschoben hatte, konnte er den Kopf aus der Falle ziehen und ein Stück weiterschieben. Keuchend lag er auf den spitzen Steinen. Obwohl er ganz vorsichtig weiterkroch, löste er das Gestein und sauste mit dem Kopf zuerst über einen steilen Abhang hinunter. Zum Glück dauerte die Talfahrt nicht lange. Dann lag er wieder da, die Hände gegen eine glatte, kalte Oberfläche gepreßt. Wieder wartete er, bis sich der Steinschlag gelegt hatte, und lauschte. Von Verfolgern war nichts zu hören. Jetzt wagte er es, sich auszustrecken, und befühlte die verletzte Schläfe. Eine blutige Wunde, aber die Knochen schienen unversehrt zu sein. Vorsichtig zog er sich auf die Steinplatte hinauf. Zweifellos war sie von Menschenhand bearbeitet worden. War es der Boden eines Tunnels, oder hatte ein Ungeheuer sie geschaffen? Conan lief es eiskalt über den Rücken, als ihm einfiel, was Mardak über die Schächte der älteren Gräber unter Ebnezubs Grab gesagt hatte. Dennoch hatte ihm offenbar eine solche Schwachstelle soeben das Leben gerettet. Wenn er Glück hatte, waren Nephren und seine Schergen durch den Erdrutsch von ihm getrennt worden oder sogar tot. Vielleicht hatte er den Stygier mit dem Dolchstoß tödlich verwundet? Falls ein Geschöpf, bei dem Sand in den Adern floß, überhaupt getötet werden konnte! Wieder lief es ihm eiskalt über den Rücken. Was hätte er nicht darum gegeben, ein für allemal frei von diesen teuflischen Zaubertricks und Intrigen zu sein! Ihm war jetzt klar, daß er nur deshalb zu Mardaks Todeskandidaten geschickt worden war, weil Nephren ihn am Vortag erkannt hatte. Bestimmt hatte er das auch Horaspes gemeldet. Und dann hatte der Prophet - oder die Königin - seine Versetzung befohlen, um ihn aus der Welt
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zu schaffen. Vielleicht hatte er Glück, und sie glaubten, daß er bei dem Einsturz ums Leben gekommen war. Hoffentlich würden sie nicht recht behalten! Wenn er ihnen beweisen wollte, daß sie sich irrten, mußte er schleunigst etwas unternehmen. Zumindest sich irgendwo verstecken. Den Dolch hatte er verloren, daher nahm er einen spitzen Stein als Waffe. Vielleicht räumte ein Suchkommando oben den Gang. Jeden Augenblick konnte einer herabstürzen. Conan stand auf. Die Beine trugen ihn. Dann griff er nach oben; aber er stieß an keine Decke. Sicherheitshalber hockte er sich wieder hin. Es gab keine Möglichkeit, die Größe des unterirdischen Raums festzustellen, es sei denn mittels des Echos, aber er wagte nicht laut zu rufen. Die Luft roch abgestanden nach Moder und uraltem Staub. Langsam kroch er vorwärts. Nach der Steinlawine war der Boden mit Staub und papiertrockenen Insekten bedeckt - namenlose Zeugnisse früherer Jahrhunderte. Conan tastete sich vorsichtig weiter, obwohl er wußte, daß Schlangen und Skorpione tiefe Tunnel und Höhlen mieden. Er erwartete nicht, irgendein lebendiges Wesen hier zu treffen. Daher prallte er entsetzt zurück, als seine Hand über die Zehen und Sandalenriemen eines menschlichen Fußes glitt. Dann merkte er, daß der Fuß aus Stein bestand. Er fühlte weiter. Da war die Wade, da der Schenkel. Er war auf das Relief eines aufrechtstehenden Sarkophags gestoßen. Zweifellos ruhte der abgebildete Besitzer im Innern. Die Wand hinter dem Sarkophag war geglätteter Sandstein. Conan zog sich hoch und betastete das Gesicht der Statue. Zu seiner Erleichterung war es eindeutig das eines Menschen. Sorgfältig herausgemeißelte Locken bildeten einen viereckigen Bart. Vielleicht stand dieser uralte shemitische Sarkophag seit Jahrtausenden hier unten. Conan fand keinerlei Kratzspuren oder Risse, die auf eine gewaltsame Grabschändung schließen ließen. Aber leider würde er keine Waffe darin finden. Otsgar hätte den Sarkophag bestimmt aufgestemmt und nach Wertsachen durchstöbert. Bei dem Gedanken an den Rivalen fiel dem Cimmerier wieder sein Ziel ein, und er schob sich an der Wand entlang, um den Ausgang zu finden falls es einen Ausgang gab. Große Hoffnung hatte er nicht, da Tausende von schweren Steinen auf diesem uralten Grab lagen, mit denen Ebnezubs Monument errichtet wurde. Doch dann machte er eine überraschende Entdeckung. In der Felswand befand sich knapp über Bodenhöhe eine Öffnung, etwa so groß wie eine
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Tür. Wenn er den Kopf einzog, konnte er durchgehen. Hier waren die Steine nicht so sorgfältig behauen wie in der großen Kammer. Der Gang stammte eindeutig aus späterer Zeit. Dann war das Grab doch ausgeraubt worden! Die Hoffnung auf einen Ausgang verlieh dem Cimmerier neue Kräfte. Langsam tastete er sich vorwärts. Nach wenigen Schritten spürte er eine spiegelglatte Oberfläche unter den Sohlen. Wieder ein Sarkophag! Der Tunnel erweiterte sich. Er führte demnach nicht an die Oberfläche, sondern verband zwei lichtlose Löcher. Das war doch der reine Wahnsinn! Seine Hoffnung schwand. Es blieb ihm jedoch keine Wahl als weiterzusuchen. Conan tastete sich an der Wand entlang und kam wieder zu einem Gang. Dieser war teilweise in den Fußboden gegraben, so daß er eine gefährliche Grube unten an der Mauer bildete. Conan befühlte die Spuren des Werkzeugs. Man hatte von außen nach innen, also in seiner Richtung gearbeitet. Langsam kam ihm die Erkenntnis: Wer auch immer diese Gänge angelegt hatte, hatte sich von einer Grabkammer zur nächsten durchgegraben. Aber wie groß war dieses unterirdische Labyrinth? Er gab die Hoffnung jedoch nicht auf. Die Grabsprüche an den Wänden verrieten ihm, daß er ihnen zu ihrem Ursprung folgte. Auch wenn das Labyrinth nur einen einzigen winzigen Eingang hatte, würde er diesen finden, wenn er seinen Verstand gebrauchte. Er tastete sich durch weitere Grabkammern, bis er an eine Abzweigung kam. Die Wände dieses Tunnels waren noch rauher, aber verputzt gewesen. Jetzt lag dieser Verputz haufenweise am Boden. Conan stampfte kräftig auf. Das Echo bestätigte ihm, daß er sich in einem Tunnel und nicht in einer neuen Kammer befand. Hervorragend! Dieser Gang führte vielleicht in die Freiheit. Er folgte ihm und hatte den Eindruck, daß es langsam nach oben ging. Er stellte fest, daß es auf beiden Seiten tiefe Nischen gab. Sie ähnelten den Nischen in Tempeln oder Krypten, wo Statuen oder Sarkophage standen. Aber diese Nischen waren leer. Ein Stück weiter fand er heraus, daß die Nischen nicht alle leer waren. In einigen stieß er auf ausgetrocknete Mumien, deren Binden mit einer Lackschicht überzogen waren. Unter seinen neugierigen Fingern fielen sie wie dürre Blätter ab. Conan untersuchte die menschlichen Überreste nicht näher; aber er hatte den Eindruck, daß sie sehr schlecht konserviert waren.
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Einige waren durch fehlerhaftes Einbalsamieren aufgeplatzt, andere waren wie Winterweide verkrümmt. Trotz der schaurigen Gesellschaft in den Nischen war der Cimmerier froh, einen offenbar häufig benutzten Korridor gefunden zu haben. Das ließ auf das Vorhandensein eines Zugangs schließen, welcher vielleicht jetzt noch benutzt werden konnte. Vielleicht erreichte er ihn mittels einer Rampe oder Treppe und nicht durch einen senkrechten Schacht. Natürlich konnte dieser Eingang beim Bau von Ebnezubs Grabmal zugeschüttet und überbaut sein. Conan hatte keine Ahnung, unter welchem Teil des großen Monuments er sich befand oder in welche Richtung er ging. Das waren aber unwichtige Einzelheiten, ebenso wie die Überlegung, was mit den Mumien in den leeren Nischen geschehen war, an denen er immer wieder vorbeikam. Ohne zu wissen warum, blieb Conan plötzlich stehen und hielt den Atem an. Immer noch herrschte tiefste Finsternis. Die einzigen Lichtpunkte, die er sah, waren die in seinem Kopf. Es war ein Geräusch gewesen. Klirren von Metall oder das Schlurfen von Sohlen auf Stein? Die Sinne des Cimmeriers waren so fein auf die Stille abgestimmt, daß sie beim leisesten Geräusch bereits Alarm schlügen. Er lauschte - nichts! Vorsichtig ging er weiter. Da! Diesmal war es ein Rascheln wie von dünnem Stoff. Er reagierte blitzschnell und schlüpfte in die nächste Nische. Wie das Leben so spielt - diese Nische war nicht leer! Er preßte den zerbrechlichen Bewohner gegen die Wand und wartete, ohne sich zu bewegen, da er Angst hatte, Teile der Mumie könnten herausfallen und seine Anwesenheit verraten. Das Versteck bot ihm zumindest die kleine Hoffnung, überraschend angreifen zu können, wenn etwas den Gang herabkam. Den spitzen Stein hielt er in der Hand. Die Geräusche waren schwach; aber jetzt hatte der Cimmerier den Eindruck, daß mehrere Menschen den Gang entlangkamen. Er hörte keine Stimmen, nur gemessene, schlurfende Schritte und ab und ein Klirren, als stießen Waffen oder Werkzeug gegeneinander - vielleicht aber auch Beutestücke in Säcken. Es war schwer, die Entfernung der Gruppe abzuschätzen, weil sie so leise auftrat. Conan hoffte, bald ein Licht zu sehen. Für ihn wäre das das kostbarste Juwel in diesem rabenschwarzen Todeslabyrinth gewesen. Allerdings hätte der Lichtschein auch ihn verraten können. Aber das war ihm recht. Er malte sich begeistert aus, wie er kämpfen würde, ohne daß ihre Lampe erlosch. Erwartungsvoll hielt er den Stein hoch.
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Und dann waren sie da! Sie schlurften so nahe an ihm vorbei, daß die Haare auf seinen Armen zitterten. Einer, zwei, drei... fünf! Und schon waren sie vorbei. Ihre Schritte wurden leiser. Jetzt erst begriff der Cimmerier, daß sie kein Licht mitgeführt hatten. Diese Erkenntnis ließ ihn erstarren. Welche Menschen konnten sich so sicher in solcher Finsternis bewegen? Er hatte nicht einmal ihr Atmen gehört. Hatten sie überhaupt Körper gehabt? Aber er war doch nicht blind! Das sagte er sich immer wieder. Die Dunkelheit mußte aber undurchdringlich sein, denn sie hatten ihn auch nicht gesehen. Was auch immer sie sicher durch die Finsternis führte, hatte der Cimmerier nicht wahrgenommen, obwohl er den Lufthauch gespürt hatte, als sie an ihm vorüberschritten. Zauberei! Eindeutig Zauberei! Es sei denn, die Wanderer waren irgendeine Spezies von Nachttieren. Der Cimmerier fühlte sich plötzlich nicht wohl in seiner Haut. Von hinten bedrängte ihn etwas. Wahrscheinlich hatte er in der Aufregung einen hervorstehenden Knochen der Mumie übersehen, und dieser preßte sich jetzt in seine Schulter. Da die Wanderer inzwischen außer Hörweite waren, konnte er den Knochenfreund abschütteln. Aber das gelang ihm nicht! Das noch halb in Leichenbinden eingehüllte Skelett hatte eine Knochenhand in seine Schulter gekrallt, während zwei eindeutig intakte Kiefer ihn seitlich in den Hals bissen. Conan stieß einen stummen Fluch aus. Der alte Blutsauger griff ihn an! In Panik griff er hinter sich, konnte aber den Angreifer nicht richtig packen. Auch der Stein war in der engen Nische unbrauchbar, daher ließ er ihn fallen. Er machte einen großen Schritt nach vorn. Die halb entkleidete Mumie war erstaunlich zäh. Sie fühlte sich so leicht wie Stroh an. Die Binden zerfielen wie alter Papyrus, doch darunter lagen harte Knochen und Sehnen, zäh wie Leder. Conan konnte die Umklammerung der Knochenfinger nicht lösen. Die Mumie preßte sich langsam und unerbittlich fester an ihn, als wolle sie in ihn hineinkriechen und seinen Körper in Besitz nehmen. Conan machte eine Drehung und schabte mit dem Rücken an der Felskante der Nische entlang. Dadurch schob er das Skelett nach vorn, wo er es angreifen konnte. Mit aller Kraft rammte er es gegen die Wand. Einige der uralten Rippen brachen. Die spitzen Knochen ritzten seine Haut. Aber das schien Freund Gerippe nicht sonderlich zu beeindrucken. Die Knochenfinger tasteten gierig seinen Körper ab. Wütend packte er den
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Schädel, um sich von dem Biß zu befreien. Dichte, lange Haarbüschel fielen über seine Arme. Da, ein metallenes Diadem über der Stirn, wie es nur von Frauen getragen wurde! Dem Cimmerier wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, daß ihn ein lüsternes Skelett umschlang. Unter Aufgebot aller Kräfte packte er zu und brach den Kopf ab. Dieser rollte klappernd über den Gang. Jetzt zerrte er verzweifelt an den knochigen Fingern, die sich in ihn verkrallt hatten. Nach kurzer Zeit lag das in mehrere Teile zerbrochene Skelett am Boden. Schweratmend stand er da und wischte sich den Mumienstaub ab. Er lauschte angestrengt. Nichts! Gut, dann konnte er weitergehen. Der Cimmerier tastete sich weiter durch die Finsternis, vorbei an Nischen, vorbei an Mumien, welche er aber nicht mehr zu berühren wagte. Er spürte, wie er unvorsichtiger wurde und daß er wahnsinnig zu werden drohte. Er sah seinen Verstand wie die schwache Flamme einer Kerze, die von allen Seiten von schwarzen Zauberwinden bedroht war. Wie schnell konnte er sich in ein wimmerndes Wesen verwandeln, ohne Geist oder Verstand, das sich mit wunden Fingern an den Wänden dieses endlosen Tunnels weitertastete. Er blieb stehen, um mit fast übermenschlicher Kraft seine Angstgefühle zu bezwingen. Und plötzlich brach die Hölle los. Von überallher dröhnten Geräusche. Rauhe Hände packten ihn. Grelles Licht blendete ihn.
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12. KAPITEL DIE LIST DER GRABRÄUBER Der Glanz der aufgehenden Sonne war wie der rotglühende Schein aus der offenen Tür eines Brennofens, eine deutliche Warnung, daß die Hitze das Land gegen Mittag versengen würde. Zu dieser frühen Stunde trafen die Sonnenstrahlen die östlichen Mauern Abaddrahs und die Gerüste und Rampen des beinahe vollendeten Grabmals. Aber die Sonne schien auch auf die Spitzen der großen Grabpyramiden, welche jenseits des stark angeschwollenen Styx Wache hielten. Sie ragten wie glühende Nadelspitzen aus dem Dunstschleier über dem Fluß. Als Ellaels strahlende Scheibe so hoch stand, daß die Dattelpalmen auf die Wände von Otsgars Karawanserei Schatten warfen, stand das Tor weit offen. Wagen und Reiter füllten den Hof. Ein Streitwagen preschte herein. Der Lenker rief den Dienern zu: »He, kümmert euch um die Pferde! Sie sind schaumbedeckt und müssen abgerieben werden. Vorsicht mit diesen Krügen! Da sind kostbare - hm, Gewürze drin. Wehe, wenn ihr die Siegel brecht!«. Otsgar gab einem Stallburschen die Zügel und sprang vom Wagen. »Ich bin die ganze Nacht durchgefahren. Diese verfluchten Schweinetröge, die man Straßen nennt! Jetzt brauche ich ein kühles Bad und ein weiches Bett!« Er klopfte den Schlamm vom kurzen Rock und marschierte zum Haupteingang. Die wenigen Frühaufsteher in der Halle beachtete er nicht. »Wo ist meine kleine Tanzmaus Zafriti? Ich habe etwas für sie!« Die ältere matronenhafte Sklavin neben der Treppe blickte ihn verstört an. »Herr, es ist sehr früh. Die Herrin ist noch nicht aufgestanden. Aber sie läßt Euch ausrichten, daß sie Euch in wenigen Minuten begrüßen wird.« »Noch nicht aufgestanden... in wenigen Minuten... Aha, ich verstehe!« Otsgars Gesicht verfinsterte sich. Er stürmte an der Frau vorbei. »Sie amüsiert sich mal wieder! Und welcher Kerl ist es diesmal?« Fluchend nahm er zwei Treppenstufen auf einmal. »Sie treibt es in meinem eigenen Schlafzimmer! Wer ist es? Wenn es dieses Bürschchen Asrafel ist, hänge ich es an den Ohren auf!« Jetzt war er im Obergeschoß und marschierte über die Zederbretter auf eine große Doppeltür zu. Ohne stehenzubleiben, trat er gegen den Spalt zwischen den Türflügeln. Krachend platzte der Riegel ab. Wutentbrannt stürmte er ins Zimmer.
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Das Bett war nicht gemacht, überall lagen Zafritis Kleidungsstücke umher; aber niemand war zu sehen! Im Hintergrund stand ein wunderschöner vierteiliger Wandschirm aus Khitai. Auf dem glänzenden Kirschholz waren mit Perlmutt Szenen einer Drachenjagd eingelegt. Jetzt ertönte Zafritis Stimme zuckersüß hinter dem Schirm. »Otsgar, Liebster, bist du es? Du bist aber stürmisch! Gedulde dich noch einen Augenblick, dann bin ich bei dir...« Aber da hatte Otsgar bereits den Raum durchschritten und legte die Hand auf den Wandschirm. Aus der Entfernung betrachtet, schien Otsgar ohne ersichtlichen Grund plötzlich zurückzuweichen; aber einem schnellen Auge wäre die Faust nicht entgangen, welche hinter dem Wandschirm hervorschoß und in seinem Gesicht landete. Der Wandschirm fiel um, und Conan stand mit geballten Fäusten und finsterem Gesicht da. Im nächsten Augenblick stürzte er sich auf Otsgar, während Zafriti sich schnell in Sicherheit brachte und ein paar Kleidungsstücke überwarf. Erbarmungslos schlug der Cimmerier zu. Die Hammerschläge kamen so regelmäßig, als wäre er ein Schmied vor einem Amboß. Dabei wich er geschickt den Versuchen des Hünen Otsgar aus, ihn durch einen Ringergriff zu packen. Der Vanir taumelte von rechts nach links und wieder zurück. Dann setzte Conan zum letzten Angriff an. Mit einer Serie von Schlägen und Tritten erreichte er, daß Otsgar regungslos am Boden lag - allerdings konnte man nicht erkennen, ob er das Bewußtsein verloren hatte oder sich klugerweise besinnungslos stellte. »Conan! Bring ihn nicht um!« Zafriti lief jetzt herbei und kniete neben Otsgar nieder. »Keine Angst! Auf einen solchen Gedanken käme ich nie!« erklärte der Cimmerier mit finsterer Miene und massierte sich die roten geschwollenen Knöchel. »Ich habe ihn mit Samthandschuhen angefaßt, weil ich weiß, wie sehr du seinen Reichtum und seine Fähigkeiten als Geschäftsmann und Dieb brauchst.« »Ohne Otsgar wären wir alle obdachlos«, sagte jemand. Conan wirbelte herum. Isaiab betrat das Zimmer. Der Shemite nickte ihm freundlich zu. »Aber das heißt nicht, daß ihm nicht ab und zu eine saftige Abreibung guttut.« Hinter Isaiab kamen Asrafel und zwei brutale Schlägertypen. Die beiden Shemiten waren Otsgars neue Schergen. Als sie ihren Arbeitgeber leblos auf dem Boden liegen sahen, machten sie bestürzte und ratlose Gesichter.
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Aber sie zogen nicht die Waffen. Asrafel schickte die Diener fort, welche bei dem Lärm herbeigelaufen waren und einen Blick ins Zimmer zu werfen versuchten. Dann schloß er die Tür. Otsgars Kopf lag in Zafritis Schoß. Jetzt bewegte er sich und öffnete die blutigen Lippen. »Mein Täubchen, wie konntest du mich betrügen... wieder... und so bald... und du, Cimmerier!« Seine Augen rollten nach oben zu Conan. »Man hatte mir gesagt, daß du tot seist. Aus welch finsterem Höllenloch bist du herausgekrochen?« »Aus dem, in welches du mich hineingeworfen hast, du Schwein! Ich hatte genug Zeit, um mir genüßlich auszumalen, wie ich dir das heimzahlen kann.« »Ich weiß überhaupt nicht, was du meinst. Wenn du an unseren Ausflug ins Grabmal denkst - also, da wurdest du wegen deiner eigenen Tölpelhaftigkeit gefangengenommen.« »Elender Schuft!« fuhr Conan ihn an. »Wenn es nach dir gegangen wäre, hätte mich der Stein zermalmt.« »Unsinn!« Otsgar sprach mit der geschwollenen Lippen ein wenig undeutlich. »Aber wenn du das glaubst und dich rächen willst, dann bring‘s hinter dich!« Ächzend öffnete er die Lederweste, so daß blonde Haarbüschel zu sehen waren. »Töte mich - falls du dazu in der Lage bist.« »Spiel dich nicht so auf!« Isaiab trat neben den Karawansereibesitzer. »Aufgrund meiner Bitte hat Conan dich nicht umgebracht, Otsgar! Er hat eine Idee, welche sich als recht einträglich erweisen könnte. Dazu braucht er aber deine Hilfe.« »Ja, Isaiab hat recht«, fügte Conan hinzu. Seine Wut legte sich langsam. »Wenn ich nicht Isaiab, Asrafel und die anderen getroffen hätte, die sich mit abgeschirmten Laternen im Labyrinth des Grabmals herumgetrieben haben, würde ich jetzt noch da unten herumirren. Sie haben dieselben Dinge wie ich gesehen und pflichten mir bei, daß unsere Aussichten gut sind...« »Ihr habt während meiner Abwesenheit in den Gräbern gestöbert?« Jetzt setzte Otsgar sich auf. Wütend schüttelte er Zafritis Hände ab. »Hast du den Verstand verloren, Isaiab? Willst du die Grabpolizei und die heilige Inquisition direkt hierher führen?« Isaiab zuckte mit den Schultern. »Du hast uns in letzter Zeit verdammt wenig zu tun gegeben. Immer warst du in dringenden Geschäften unterwegs. Unsere Expertenfinger hassen Nichtstun, und dieser plötzliche Auf-
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schwung im Schmuggel hat deine, aber nicht unsere Taschen gefüllt.« »Otsgar, du solltest erfahren, was wir gefunden haben«, warf Asrafel von der Tür ein. »Es gibt ein Netz aus Gängen, welches die alten Gräber verbindet.« »Du meinst die Löcher, die Grabräuber gegraben haben!« Otsgar winkte abfällig ab und rieb sich eine schmerzende Stelle unter dem linken Ohr. »Natürlich sind wir nicht die ersten Menschen oder wilden Tiere, welche den Ort entweihen...« »Nein, das sind Tunnel im festen Gestein, so groß, daß man darin gehen kann«, unterbrach ihn Conan. »Soll das heißen, du hast von diesem riesigen Tunnelsystem unter dem Gräberbezirk nichts gewußt?« Otsgar schüttelte langsam und nachdenklich den Kopf. »Nein, davon habe ich noch nie gehört. Jeder gute Grabräuber kann dir bestätigen, daß das Graben durch festes Gestein viel zu laut und zu zeitaufwendig ist. Wenn wir den Zugang zum Grab nicht aufstemmen können, vergessen wir die Sache. Isaiab kennt unsere Methoden.« Er schaute den Shemiten fragend an. »Dann sind also die Schätze aus dem Grabmal schon weggeschleppt worden?« Isaiab verschränkte die Arme vor der Brust. »Manche Sarkophage sehen unberührt aus und bergen vielleicht noch beträchtliche Schätze. Wir sind mit Hilfe unseres alten Eingangs durch die Krypta der Katzen hinuntergestiegen. Sobald wir auf das Tunnelsystem stießen, haben wir jeden Lärm vermieden. Weit sind wir nicht gekommen, weil wir dann auf Conan stießen. Daher haben wir keine Beute mitgenommen...« »Ja, ja, und wenn ihr die Aussteuer einer Königstochter gefunden hättet, würdet ihr es mir nicht sagen«, meinte Otsgar mißtrauisch. »Rede weiter!« »Na ja - da unten ist ein seltsamer Einfluß spürbar. Conan entkam nur mit knapper Mühe einem Zusammenstoß mit irgend etwas. Aber er hat uns nicht gesagt, was es war.« Der Cimmerier machte große unschuldige Augen. »Es war stockfinster, da sah ich nichts genau. Ich glaube nur, daß dort unten eine... eine gewisse Ruhelosigkeit unter einigen Untoten herrscht.« Er unterdrückte ein Schaudern. »Aber nichts, womit ein paar gutbewaffnete Männer nicht fertig würden.« Otsgar nickte, machte aber eine bedenkliche Miene. »Ja, zweifellos das Ergebnis von Horaspes‘ Schutzzauber. Noch ein Risiko mehr.« Er kam mühsam auf die Beine, wobei er die Schulter der knienden Zafriti als
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Krücke benutzte. »Um so mehr Grund für uns, diese Kleindiebstähle zu vergessen! Wenn ihr Schurken rastlos seid, kann ich euch Arbeit verschaffen. Ihr könnt Karawanen um die Zollstationen herumführen.« Otsgar blickte den Cimmerier an. »Sogar dir! Falls du lernst, dich in meinem Haus anständig aufzuführen, kannst du bei mir bleiben.« Conan schüttelte den Kopf. »Ist dein Verstand immer noch von meinen Schlägen lahmgelegt? Verstehst du denn nicht, daß diese Tunnel es uns ermöglichen, meinen früheren Plan auszuführen: Ebnezubs Grabkammer auszurauben?« Conan wollte Otsgar an der Schulter packen; aber dieser wich schnell zurück. »Ich bin ganz allein, ohne daß ich es wußte, von der Königskammer ins Labyrinth gelangt. Es dürfte nicht besonders schwierig sein, den Weg nach dem Tod des Königs wiederzufinden.« Otsgar setzte sich aufs Bett und schüttelte den Kopf. »Es ist schwachsinnig, über dieses Unterfangen überhaupt zu reden, jetzt, da meine Geschäfte so hervorragend laufen. Habt ihr eine Vorstellung davon, wieviel Stahlmeißel aus Aquilonia zur Zeit einbringen? Oder Jade aus Turan oder gutes argossisches Leder für Peitschen und Sklavengeschirre? Vor allem bei den irrsinnig hohen Zöllen und den ebenso irrsinnig hohen Prämien, wenn man die Zölle vermeidet! Ich kann ein größeres Vermögen am Bau des Grabmals verdienen als durch Plündern.« »Bist du da sicher?« Conan steckte die Hand in den Gürtel. Bei dieser Bewegung zuckte Otsgar zusammen. Aber der Cimmerier holte nur ein Medaillon heraus. Es war aus strahlendgelbem Elektron gefertigt und mit funkelnden Edelsteinen besetzt. »Teil des Schatzes aus Ebnezubs Grabmal«, erklärte Conan knapp. »Ich habe es aus der Mumie eines seiner niedrigen Beamten geholt, der bei den Privilegierten bestattet werden sollte. Selbst die niedrigsten Diener bekommen kostbare Grabbeigaben, wie du weißt. Wenn der König stirbt, werden unermeßliche Schätze in dem Grabmal aufgehäuft werden.« Zafriti nahm Conan rasch das Schmuckstück weg. »Nein, ist das hübsch! Darf ich es behalten, Conan?« Als er nickte, hielt sie sich das Medaillon gegen den halbnackten Busen und stolzierte damit vor den Männern auf und ab. »Otsgar, Conan hat recht! Wir können diese Gelegenheit einfach nicht verstreichen lassen. Wir können reich wie Könige werden.« Otsgar hatte den Kopf auf die Hand gestützt und blickte müde und resigniert auf den Fußboden, als entfalte sich sein Schicksal im Muster des Teppichs. Schließlich sagte er: »Ich bezweifle nicht, daß es in den Gräbern
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des Gefolges jede Menge dieser Schmuckstücke gibt; aber die Schatzkammer des Königs ist sehr viel besser gesichert.« »Stimmt.« Conan setzte sich auf einen geschnitzten Stuhl, der unter seinem Gewicht knarrte. »Ein hochintelligenter Handwerker, Mardak, hat eine Barriere entworfen und gebaut, durch die wir nie im Leben hindurchgekommen wären - sechzig genau behauene Steine fallen herab. Eine Sanduhr löst den Mechanismus aus. Ich habe aber einen kleinen Stein in das Reservoir gesteckt. Jetzt kann der Sand nicht durchfließen. Aber darauf kann man sich natürlich nicht blind verlassen. Am günstigsten wäre es, wenn wir zu dem Zeitpunkt, da die Grabkammer geschlossen wird, in der Nähe sind, damit ich den Mechanismus blockieren kann und damit die Königskammer offen bleibt.« Otsgar hatte die Augen zum Cimmerier erhoben und betrachtete ihn jetzt mit schmerzlichem Lächeln. »Durch das Wissen, das du im Grabmal erworben hast, kannst du uns durchaus nützlich sein. Ja, du bist unersetzlich, Cimmerier. Aber dein Plan erfordert ausgedehnte Erkundung und sorgfältige Planung. Jetzt verstehe ich, warum du meine Hilfe brauchst.« Er befühlte das Kinn und verzog das Gesicht. »Ironie des Schicksals ist nur, daß du es dir in den Kopf gesetzt hast, mir nicht zu trauen. Eine schwierige Situation.« Nachdenklich strich sich Otsgar wieder übers lädierte Kinn. »Ich hätte da eine Lösung anzubieten: Ich lasse dir bei meinen Männern freie Hand. Du brauchst keine Kosten zu scheuen, um einen Weg ins Grab vorzubereiten. Du leitest das Unternehmen. Inzwischen bleibe ich hier und gehe weiter meinen Geschäften nach. Auf diese Weise mußt du nicht dauernd über die Schulter schauen, um mich zu beobachten.« Conan schüttelte den Kopf und lächelte überlegen. »Nein, Otsgar, keine faulen Tricks! Ich will dich bei jedem Gang ins Grabmal dabeihaben. Zafriti auch. Ich weiß, daß ihr das Spaß macht.« Er warf einen Blick auf die Frau. Ihr feuriger Blick und die feuchten Lippen bestätigten seine Behauptung. »Denn dann weiß ich, daß du mich nicht an die Grabpolizei verraten kannst.« Otsgar wurde wütend. »Jetzt habe ich genug von deinen endlosen Forderungen! Ich riskiere jetzt schon, bei deinem tolldreisten Unternehmen mehr zu verlieren, als du je im Traum besitzen wirst.« Er musterte die Gesichter der beiden Neuen, welche geduldig zugehört hatten. »Ich hätte gute Lust, die ganze Grabräuberei und den Schmuggel aufzugeben und ein ehrlicher
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Karawansereiwirt zu werden.« Sein Blick fiel auf Zafriti, die neben ihm stand und sich aufreizend in den Hüften wiegte. Das Medaillon war bereits in den Falten ihres Umhangs verschwunden. Jetzt beugte sie sich zu ihm und massierte ihm sanft die Stirn. »Na schön!« Er seufzte. »Ich bin dabei - für die Hälfte der Beute. Ich hoffe nur, daß ihr wenigstens andeutungsweise eine Ahnung von der Gefahr habt, die uns bevorsteht.« Während der nächsten Nächte herrschte im Schutz der Dunkelheit reges Treiben in Otsgars Karawanserei. Alles Kommen und Gehen blieb natürlich geheim. Zum Glück wurde die Dienerschaft gut bezahlt. Außerdem hatte sie mit den vielen Gästen zu tun, welche aufgrund der anhaltenden Überschwemmung des Styx und dem blühenden Handel in Abaddrah dort abstiegen. Einige Diener wußten von den Schmuggeleien ihres Herrn; hätten sie aber gewußt, worum es sich bei seinem neuesten Projekt handelte, hätten sie ihn aus blankem Entsetzen wohl an die Grabwächter verraten. Dieses Risiko vermieden die Grabräuber, indem sie Lampen und Werkzeug in der verlassenen Krypta der Katzen versteckten, durch welche sie in das unterirdische Labyrinth einstiegen. Sie schafften auch einen zweiten Ausgang durch einen Grabschacht in der Nähe. Aus Vorsicht gingen sie stets getrennte Wege zwischen Karawanserei und Krypta. Dabei prägten sie sich genau ein, wo und wann welche Wächter patrouillierten. In den geheimnisvollen unterirdischen Gängen hatten sie es jedoch mit Wächtern zu tun, welche sie nicht einordnen konnten. Mehr als einmal mußten sie sich in einer dunklen Nische verkriechen, während die stummen, klirrenden Truppen unsichtbar an ihnen vorbeimarschierten. Oft hörten sie auch Hämmern und Meißeln in den lichtlosen Korridoren, wenn die Namenlosen ihr unterirdisches Labyrinth ausbauten. Waren die Grabräuber wieder in der Oberwelt, diskutierten sie heftig über die geheimnisvollen Tunnelbewohner. Zum Beispiel fragten sie sich, ob diese gegen das Licht der Lampen ebenso unempfindlich waren wie offenbar gegen ihre Wärme oder den Geruch des brennenden Öls. Unten in den Gängen wagte bisher keiner der Männer, dieses herauszufinden, indem er den Blendschutz von der Lampe entfernte, da die unheimlichen Wesen immer in Massen und mit klirrenden Waffen und Werkzeugen auftraten. Conan erforschte die Gänge in der Nähe von Ebnezubs Grabkammer und zeichnete eine Karte. Dabei wurde ihm klar, daß dieser Teil der am
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wenigsten benutzte des Labyrinths war. Vielleicht lag es daran, daß hier die meisten Sarkophage bereits ausgeplündert waren. Wenn diese Unterweltler Horaspes‘ Grabräuber waren und die alten Gräber plünderten, um ihn zu bereichern, wie Otsgar behauptete, dann hatten sie ihre Aktivitäten eindeutig in den riesigen hinteren Teil der Nekropolis am Fuß des Hügels verlegt. Dort schienen die Geräusche ihren Ursprung zu haben, und dorthin marschierten auch die neuen Arbeitertrupps. Und was die Fähigkeit der Unterweltler betraf, ohne Licht unbeirrbar durch die Gänge zu laufen, lautete Asrafels Erklärung: »Horaspes hat sie alle geblendet, um sie an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ich habe gehört, daß die anderen Sinnesorgane so geschärft werden, daß sie die Augen ersetzen können, wenn jemand blind ist. Und dem stygischen Schurken würde ich eine solche Grausamkeit jederzeit zutrauen.« Conan sprach nie über sein Erlebnis mit der Mumie in der Nische. Da keiner der anderen auf ruhelose, untote Mumien traf, wollte er seine Helfer nicht erschrecken, indem er sie auf eine weitere unsichtbare Gefahr aufmerksam machte. Crom weiß, der Cimmerier hatte schon so einige Begegnungen mit Untoten in seinem Leben gehabt! Wahrscheinlich war diese Mumie eine Art Inkubus aus grauer Vorzeit oder eine Vampirin, die den letzten verzweifelten Versuch gemacht hatte, neues Leben einzusaugen. Die meisten Nischen und Sarkophage in dem Teil, in dem sie sich jetzt aufhielten, waren leer. Die brüchigen Bewohner hatte man wohl mit dem Rest des Bauschutts weggefegt. Conan redete sich ein, daß hier keine Begegnung mit untoten Mumien drohe. Die Grabräuber schufteten nachts in den unterirdischen Gängen und versuchten tagsüber zu schlafen, obgleich das bei der Hitze und dem Lärm in der Karawanserei nicht leicht war. Conan und Otsgar wurden gereizt. Sie beobachteten sich ständig und stritten wegen Zafriti. Die Tänzerin hatte nichts gegen die Aufmerksamkeit beider Männer einzuwenden. Sie schürt sogar die Eifersüchteleien, indem sie dem einen und dann wieder dem anderen ihre besondere Gunst schenkte. Asrafel war der dritte Kandidat in ihrem Spiel, wie Conan wußte. Allerdings mußte sich der junge Shemite auf sehnsuchtsvolle Blicke beschränken, seit der Cimmerier zurückgekommen war. Obwohl Zafriti jeden Abend tanzte, begleitete sie die Grabräuber furchtlos bei ihren nächtlichen Ausflügen. Isaiab horchte die Gäste der Karawan-
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serei aus, wie es um die Gesundheit des Königs und den Bau des Grabmals stand. In beiden Fällen waren die Nachrichten für die Grabräuber günstig: Ebnezub wurde mit jedem Tag hinfälliger. Daher beeilte man sich noch mehr, sein Grabmal fertigzustellen. Ein weiterer Grund für die Eile war, daß Kanzler Horaspes bald nach Norden gerufen würde. Die Gesandten aus Eruk waren mit günstigen Berichten über die Lehren des Propheten heimgekehrt. Das heißt, nicht alle. Der Militärattache, der neben Conan gesessen hatte, war auf der Rückreise von einer unbekannten Krankheit dahingerafft worden. »Das war die gerechte göttliche Strafe für die blasphemischen Reden gegen Horaspes‘ Prophezeiungen«, sagten die Frommen. Conan erkundigte sich auch nach dem Schurken Nephren. Zu seiner Enttäuschung hörte er nichts über eine Verwundung in letzter Zeit. Offenbar erfreute er sich bester Gesundheit. Sein Name war in aller Munde. Überall wurde er gelobt, weil er Verschwörer entlarvt hatte, welche die Fundamente des Großen Grabmals an den entscheidenden Stellen schwächen wollten. Die Gerüchte darüber überschlugen sich in der Stadt: Der Saboteur, wahrscheinlich ein stygischer Spion, sei von Nephren gestellt worden und in einer von ihm gegrabenen Höhle tief unter dem Grabmal ums Leben gekommen. Man munkelte aber auch, daß es Verbindungen zum Palast gebe, möglicherweise zu einem Hauptmann der Wache und noch höher gestellten Persönlichkeiten. Der Kanzler hatte dem König eine genaue Untersuchung versprochen. Bei diesen Berichten verspürte der Cimmerier einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Zweifelsohne war er dieser angebliche stygische Spion. Sein Entkommen hatte man geschickt benutzt, um Schwachstellen im Grabmal zu vertuschen und am Hof Kriegshetze zu betreiben. Durch sein Überleben hatte er auch Prinzessin Afrit in Gefahr gebracht. Sie war zwar kein unschuldiges Kind, sondern handelte aus klaren Motiven heraus; trotzdem fühlte er sich ihr zu Dank verpflichtet. In letzter Zeit dachte er ziemlich oft an sie. Und was war mit Nephrens Wunde? Mit Sicherheit hatte er den Schurken erwischt. Selbst bei dem flackernden Licht kurz vor dem Einsturz im Tunnel hatte er sich nicht so irren können. Hatte Nephren vielleicht eine schützende, mit Sand gefüllte Bauchbinde getragen? Oder einen Beutel mit Kräutern, um Krankheiten abzuwehren? Nein. Conan schüttelte den Kopf. Er war ganz sicher, daß seine Klinge tief eingedrungen war. Die Erklärung konnte nur Zauberei sein: ein Zauber,
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durch welchen Nephren, ob er nun ein Mensch war oder nicht, gegen eine Klinge immun war. Diese Überlegungen bestärkten den Cimmerier, sich möglichst bedeckt zu halten. Schließlich hielten ihn jetzt mehrere Abaddrahner für tot. Diese nähmen seine plötzliche Auferstehung von den Toten bestimmt nicht wohlwollend auf. Eines Abends gab es für ihn eine angenehme Abwechslung. Otsgar mußte in dringenden Geschäften noch spät einen Kaufmann in seinem Lagerhaus besuchen. Verärgert bestand er darauf, daß Asrafel ihn begleitete. Conan konnte nicht mitkommen, da er sich in der Öffentlichkeit nicht zeigen durfte, und Zafriti mußte tanzen. Daher ging der Vanir mit saurem Gesicht und leise fluchend. Nachdem Zafriti ihre Darbietung beendet hatte, wartete Conan auf sie in ihrem Zimmer. Nach langem traulichen Beisammensein fragte er sie nach ihrer Jugend in Stygien. »War Horaspes damals auch schon so bekannt? Wenn er Stygier ist, warum ist er dann so blaß?« »Man sagt, daß er ein Sklave sei und als Kind aus dem Norden nach Pteion gebracht wurde - vielleicht aus Corinthien.« Zafriti rutschte auf dem Diwan etwas beiseite. »Was ich über ihn weiß, stammt eigentlich nicht aus den Zeiten in Stygien. Damals war ich noch sehr jung und nicht in politische Intrigen verwickelt.« Sie warf dem Cimmerier einen herausfordernden Blick zu und strich ihm durchs lange rabenschwarze Haar. »Aber ich habe von Leuten aus dem Süden gehört, die hier leben, daß die ehemaligen Landsleute Horaspes gegenüber sehr mißtrauisch sind. Niemand weiß genau, warum er verbannt wurde. Aber das ist bei Skandalen in der stygischen Priesterschaft meistens so. Man sagt, daß er furchtbar ehrgeizig war und daß seine Lehren darauf abzielten, seine Gegner zu entzweien und zu schwächen, damit er die Macht in die Hände bekam. Damals hat er genau wie heute den Menschen Angst gemacht mit seinen Prophezeiungen über die Auferstehung und das Leben nach dem Tod. Er war ungemein schlau und in der Magie ein Meister; aber er war zu kühn, als er den Glauben von Jahrtausenden in Frage stellte. Die älteren Priester haben sich von ihm abgewandt und ihn seines Amtes enthoben. Am Schluß marschierte eine ganze Armee gegen seinen Tempelbesitz - der liegt östlich von hier in den Bergen, ein Stück flußaufwärts am anderen Ufer. Aber selbst dort konnte man ihn nicht besiegen.« Sie zog einen Schleier über das Bein, weil die Nachtluft kühl wurde. »Angeblich hat es
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einen Kampf gegeben, in dem die stygische Armee größere Verluste als Horaspes und seine Anhänger hinnehmen mußte.« Sie zuckte die Schultern. »Schließlich mußte er sich nach Abaddrah einschiffen. Aber jetzt sieht es so aus, als sei sein Ehrgeiz zu groß für diese kleine Stadt.« »Und was ist mit seinen Anhängern im Süden? Hat man die alle umgebracht? Mit der stygischen Armee ist nicht zu spaßen.« »Gute Frage. Ich weiß nur, daß er Nephren und ein paar Sklaven mitgebracht hat. Aber hinterher hat man sich noch allerlei erzählt.« Sie zog den Schleier dichter um die olivenfarbenen Schultern und schmiegte sich an den Cimmerier. »Damals wickelte Otsgar noch viele Geschäfte auf dem Fluß ab. Er hörte, daß östlich der Stadt nachts Barken entladen werden. Da ist er mit einigen Schlägern hingezogen, um die unerwünschte Konkurrenz auszuschalten. Aber die Ladung bestand nur aus Menschen: Horden halb verhungerter Stygier. Das hat er mir jedenfalls erzählt. Angeblich gehörten sie Horaspes. Ich nehme an, daß sie seine Arbeiter und Einbalsamierer wurden.« Conan verzog das Gesicht. »Oder die Wesen, die im Dunklen durch die Gänge schleichen. Eine interessante Geschichte. Ich muß Otsgar nach Einzelheiten fragen. Allerdings wird er sofort mit mir kämpfen wollen, wenn ich dich erwähne.« »Warum machst du dir wegen Otsgar Gedanken?« Zafriti streckte sich wollüstig neben dem Cimmerier aus. »Du bist ihm als Mann doch haushoch überlegen.« »Ich habe auch keine Angst vor ihm. Trotzdem gehe ich, ehe er zurückkommt.« Conan setzte sich auf und glättete das Hemd, ehe er den Gürtel umschnallte. »Bei diesem Unterfangen hängt unser Leben davon ab, daß alles glatt verläuft. Es wird noch eine Zeitlang dauern, ehe ich mit Otsgar abrechnen kann.« Der Vanir hatte offenbar das gleiche Gefühl; denn er regte sich nicht auf, obwohl Zafriti ihn mit dem Cimmerier neckte. In den nächsten Nächten drangen die Grabräuber tiefer ins Labyrinth vor als je zuvor. In den Mußestunden gingen sie nochmals alle neuen Erkenntnisse durch und änderten ihre Pläne dementsprechend. In den Gängen unter dem großen Grabmal fanden sie ein halbes Dutzend möglicher Zugänge, darunter auch den mit der Steinlawine, der Conan gerade noch entkommen war. Viele Gänge waren in letzter Zeit mit Balken abgestützt oder zugeschüttet worden. Die Arbeiten waren aber offenbar in
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großer Eile ausgeführt worden, denn unter dem Verputz, der stellenweise bereits wieder herabfiel, sahen sie Geröll und unbehauene Steine. »Ebnezubs Monument soll von außen massiv wirken«, meinte Asrafel später in der Karawanserei. »Alles nur Blendwerk: Wenn jemand hineinwill, kann er von unten reinkriechen.« »Bestimmt verläßt sich Horaspes auf seine Zauberkünste, um das Grabmal von unten her zu schützen«, widersprach Isaiab. »Und wer weiß, sein Zauber könnte ebenso stark sein wie dicke Mauern, vielleicht auch so dauerhaft. Meiner Meinung nach sind wir noch nicht auf seine Hauptmacht gestoßen.« »Wer auch immer diese Tunnelgräber sind, auf alle Fälle sind sie genauso daran interessiert, Einstürze zu verhindern wie die oben«, meinte Otsgar. »Offenbar wollen sie aber ihre Anwesenheit unbedingt geheimhalten.« Es gab jedoch Anzeichen dafür, daß es zwischen der Unter- und der Oberwelt Handelsbeziehungen gab. An einigen Stellen hatte man aus Geröll Rampen zu den dünnen Stellen im Fundament gebaut, wo man leicht hätte durchbrechen können. Einmal fanden Conans Gefährten auch eine Steinplatte, die so nahtlos eingefügt war, daß man die Geheimtür kaum erkannte. Ein Stein lag davor. Nachdem man diesen weggerollt und die Tür aufgestemmt hatte, leuchteten die Lampen in einen der breiten Korridore hinein, die zur Königskammer führten. Damit war der großartigste Zugang gefunden! In jener Nacht wagten sie sich nicht weiter vor. Aber sie verließen das unterirdische Labyrinth in derartiger Hochstimmung, daß sie nicht wie sonst getrennt zurück zur Karawanserei gingen, sondern gemeinsam. Allerdings spielten sie fröhliche Zecher. Bei Sonnenaufgang prosteten sie sich ausgelassen mit großen Humpen zu und feuerten Zafriti an, einen Siegestanz vorzuführen. Danach wollte keiner schlafen; daher rief Otsgar sie zu sich, um die letzten Einzelheiten des Plans zu besprechen. »Jetzt bleibt uns nichts mehr zu tun übrig, als auf den Tod des fetten Tyrannen zu warten!« rief Asrafel. »Am Tag der Bestattung verstecken wir uns in den Gängen. Sobald dann die Schätze in der Königskammer und die äußeren Türen versiegelt sind, schlüpfen wir hinein und sacken ein, was wir tragen können. So einfach ist das!« »Nein, nein, das wäre pure Verschwendung«, widersprach Zafriti heftig. »Wir sollten mehrere Tage oder sogar Wochen lang immer wieder hingehen! Wir können die Beute in einer der alten Grabkammern verstecken und ganz
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nach Belieben herausschmuggeln.« »Aber damit stoßen wir bestimmt mit den Unterweltlern zusammen«, protestierte Conan und schüttelte die rabenschwarze Mähne. »Ich wette, daß die ihre eigenen Pläne haben, wie sie die Schätze rauben können. Wahrscheinlich hat Horaspes es ihnen erklärt. Unsere einziger Vorteil ist, schneller zu sein als sie. Ich finde, wir sollten beim ersten Mal kräftig zuschlagen und nicht damit rechnen, daß wir nochmals hineinkommen.« Er wandte sich an Otsgar. »Kannst du uns noch ein paar fähige Diebe besorgen, die ein derartiges Abenteuer riskieren würden?« »Möglich.« Der Vanir ging nicht weiter auf die Frage ein. »Aber jetzt seid mal still! Das Gerede bringt uns nichts. Kernpunkt ist, daß wir alle den Lageplan genau im Kopf haben, damit wir nicht mit der Suche nach den Schatzkammern unnötige Zeit vertun.« Er musterte den Cimmerier finster. »Ich verlasse mich nicht einzig und allein auf dein Gedächtnis oder daß du die Königskammer öffnen kannst, wie du so prahlerisch behauptest. Wir müssen noch einmal hineingehen und bis zur Grabkammer vordringen, damit wir alles genau planen können.« Er leerte seinen Humpen. »Und das sollten wir schon heute nacht erledigen.«
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13. KAPITEL DER GLANZ VERGEHT Diese verfluchten endlosen Korridore! Warum mußten die Narren so viele graben?« Der Cimmerier schimpfte leise vor sich hin, obwohl keine Arbeiter auf dem geraden Gang zu sehen waren, den sie überquerten. Er und Otsgar stellten sich taub, um nicht als Fremde und Unbefugte im Grabmal entlarvt zu werden. »Manche sind nach einem rituellen Muster angelegt«, flüsterte Otsgar. »Andere lassen kühle Luft herein und beschleunigen die Mumifizierung.« Er und Conan gingen in der Mitte der Gruppe und schleppten eine große silberbeschlagene Kiste. Der Cimmerier hielt den vorderen Griff, der Vanir den hinteren. Beide Männer trugen steife, gewachste Perücken, um zu verbergen, daß ihre Haare nicht gelockt waren. Otsgar hatte seinen blonden Bart und die Locken auf der Brust geopfert und die mit Sommersprossen übersäte Haut dunkel gefärbt. Sie trugen die kurzen Röcke und Sandalen der Sklaven im Dienste der Priesterschaft. Die Prunkkiste stammte aus Otsgars Warenlager. Drinnen lagen unter feiner Seide Schwerter, Beile und Stemmeisen. Die Grabräuber hielten es für besser, Werkzeug und Waffen im Grabmal nicht offen zu zeigen. »Still, ihr beiden! Wir biegen ab.« Isaiab ging an der Spitze, Zafriti und die anderen folgten im Gänsemarsch. Einer der neuen Männer hielt eine Fackel hoch. Sie versuchten, eine Priesterin mit Akolythen und Sklaven darzustellen. Offenbar wirkten sie überzeugend; denn bis jetzt hatten sie weder Wachen noch Arbeiter angesprochen. »Erlik soll mich niederschmettern! Jetzt weiß ich, wo wir sind!« stieß Conan hervor, nachdem sie um die Ecke gebogen waren. »Wir sind zu weit hochgestiegen. Da vorn liegt das Vestibül vor der Königskammer. Jetzt werdet ihr Augen machen, Freunde!« In der Tat standen sie gleich darauf auf der schmalen Galerie, welche um die Wände der riesigen unterirdischen Halle führte. An einer Seite befand sich der Haupteingang. Von dem Ende des breiten Tunnels führte eine steile steinerne Rampe hinab. Der flackernde Schein vieler hoher Messinglampen tauchte die Halle in ein düsteres, unheimliches Licht. Conan blickte nach oben. Vor einigen Tagen hätte man dort noch ein Stück Nachthimmel mit Sternen gesehen. Jetzt war das hohe Deckengewölbe bereits geschlossen.
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Die Halle vermittelte den Eindruck gewaltiger Leere. Der Boden lag unter ihnen, ungefähr zwölf Körperlängen tief. Die Decke war doppelt so weit entfernt. Jetzt, kurz vor dem Abschluß des Baus, diente die Halle als Arbeitsraum. Tische standen da, Baumaterial war aufgestapelt. Trotz der späten Stunde liefen Hunderte von Arbeitern umher. Die Hohenpriester Ellaels hatten ihnen eine Sondererlaubnis erteilt. Conan vergewisserte sich, daß niemand sie hören konnte. Dann sagte er leise: »Dieses Vestibül ist das Herz des Grabmals. Der mittlere Gang führt zur Königskammer, der obere mit der Rampe zum großen Eingangsportal.« »Schaut her! Vergoldete Sarkophage!« Zafriti trat an die Balustrade, um die glänzenden Särge zu betrachten, die auf Schragen ruhten. »Ja, aber sie sind zu groß. Wir können sie nicht wegtragen«, meinte Isaiab. »Man müßte das Gold abkratzen und einschmelzen.« Er zeigte auf die Männer, die sich über menschliche Körper auf Steinplatten beugten. »Da drüben sind die Einbalsamierer am Werk. Sie entfernen die inneren Organe der Toten und legen sie in die Kanopen - das sind die juwelenbesetzten Kästchen. Dann werden die Bäuche mit Sand, Gewürzen und Kräutern gefüllt. Alles nach Horaspes‘ neuester Lehre.« Der Shemite stolzierte betont feierlich weiter, wie er es für einen Priesterschüler angemessen hielt. »Dann wird die Haut viele Male mit Lack bestrichen, und die Leinenbinden werden herumgewickelt. Zwischen die einzelnen Schichten stekken sie Edelsteine und Skarabäen - genauso wie Rosinen in einen Kuchen... Übrigens, wohin gehen wir eigentlich?« Otsgar sagte leise von hinten: »Meiner Meinung ist die Rampe der kürzeste Weg nach unten.« Isaiab stockte und ging nur zögernd weiter. »Endlich können wir unsere Verkleidung richtig ausprobieren«, meinte Asrafel. Man hörte die Nervosität in seiner Stimme. Der Shemite hatte recht; denn auf der Rampe herrschte reger Verkehr. Sie holten tief Luft und schritten dann entschieden und mit möglichst viel Würde weiter. Hoffentlich würde niemand es wagen, sie aufzuhalten. Die Augen geradeaus, weiter, weiter. Jetzt waren sie an den beiden Lampen vorbei, welche neben der Mündung des großen Korridors brannten, und wollten die Rampe betreten. »He, zurück!« riefen ihnen unfreundliche Stimmen vom Ende des Korridors zu. »Macht den Weg frei! Alle beiseite!«
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Conan drehte sich um. Sechs Palastwachen, mit finsteren Gesichtern und Helmbüschen. Dahinter sah er eine größere Gruppe näher kommen, allerdings waren wegen des Gefälles nur die Füße zu sehen. Gehorsam trat er beiseite und machte auch Otsgar Platz. Die Männer setzten die Kiste ab. Zafriti und die anderen drängten sich eng an den Cimmerier. Zwei Wachen postierten sich davor. Dann erschien die Prozession. Der Vorhut folgten die Sänftenträger. Auf langen Brettern stand eine schwere Sänfte. Die Träger waren barfuß, um die Unebenheiten des Bodens besser ausgleichen zu können. Außerdem mußten sie leicht gebeugt gehen, damit ihr Herr mit dem Kopf nicht an die Decke stieß. Als dieser endlich ins Blickfeld geriet, stockte den Grabräubern der Atem. Seine Königliche Hoheit, Ebnezub von Abaddrah, saß in der Sänfte. Der Monarch sah noch kränker aus, als Conan ihn in Erinnerung hatte. Sein spärlich bekleideter, schwammiger Körper war jetzt gelblich. Offenbar litt er unter Gelbsucht. Sein Gesicht war fiebrig erhitzt. Aufgeregt sogen die kleinen Augen die Wunder ringsum ein. Kaum hatte der hohe Kopfschmuck des Königs den Tunneleingang passiert, kam ein scharfer Befehl. Abrupt blieben die zwölf Sänftenträger stehen. Die Sklaven beäugten mißtrauisch die steile Rampe und benutzten die Pause, um die verkrampften Glieder zu strecken. Conan duckte sich hinter seine Gefährtin, um nicht entdeckt zu werden. Er hörte, wie Asrafel neben ihm wütend hervorstieß: »Der Tyrann! Dieses habgierige, mörderische Scheusal!« Obgleich der junge Mann die Stimme gedämpft hatte, hörte man ihn. Conan stieß ihm schnell den Ellbogen in die Seite. Der Offizier der Wache wandte sich an Ebnezub und sagte etwas zu dem Monarchen. Offenbar hatte er wegen der Abschüssigkeit der Rampe Bedenken. »Nein, weitergehen!« befahl der König mit krächzender Stimme und hob die Hand. »Einmal will ich mein Grabmal noch mit offenen Augen betrachten, ehe ich dort zur Ruhe gebettet werde.« Gehorsam trat der Offizier zur Rampe und brüllte einen Befehl. Die Träger hoben die Sänfte an und folgten ihm auf die Rampe. Diese hatte zwar Querrillen für besseren Halt, aber nur eine knöchelhohe seitliche Mauer. Die hinteren Träger gingen in die Hocke, um die Steigung etwas auszugleichen, während die vorderen die Stangen über die Köpfe hielten.
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Die Palastwachen marschierten als Nachhut hinterdrein. Conan war froh, als der letzte Soldat die Rampe betreten hatte. Plötzlich gab es neben ihm einen lauten Knall, und Tropfen einer heißen Flüssigkeit brannten sich in seine nackten Beine. Eine der großen Bronzelampen war umgefallen und rollte klirrend über die Steinplatten. Das rauchend heiße Öl floß heraus. Zum Glück traf der Hauptstrom nicht Conans Füße, sondern suchte den Weg zur Rampe. Blaue Flämmchen tanzten auf dem Ölteppich. Der Cimmerier wich mit den anderen Grabräubern zurück. Doch der junge Asrafel sprang wieder vor und versetzte der zweiten Lampe einen kräftigen Tritt, bis auch diese umfiel und ihr brennendes Öl vergoß. Dann schrie der Shemite lauthals: »Das ist für dich, du Mörder meines Vaters! Tod dem Tyrannen! Mögest du im Öl ertrinken und gleichzeitig verbrennen!« Die Ölrinnsale hatten jetzt die Palastwächter hinter dem König erreicht. Sie waren die Rampe zur Hälfte hinuntergegangen. Von dort war es zu hoch, um abzuspringen. Schreiend hüpften sie hoch, um dem siedendheißen brennenden Öl zu entkommen. Sie konnten auch nicht nach unten laufen, weil die Sänfte ihnen den Weg versperrte. Zwei sprangen auf die niedrige Mauer. Da aber ihre Sohlen durch das Öl rutschig waren, verloren sie sogleich den Halt und stürzten in die Tiefe. Als das Öl die Sänftenträger einholte, hielten diese trotz der nackten Füße die Sänfte noch einen Augenblick lang heldenhaft hoch. Doch kein Mensch kann derartige Schmerzen lange ertragen. Als sie hörten und sahen, daß auch die zweite Lampe umgefallen war und wie ein Feuerball die Rampe herabrollte, brach Panik aus. Die Sänfte neigte sich zur Seite, die massige Gestalt des Königs wurde herausgeschleudert und stürzte auf Steine, welche unten aufgeschichtet waren. Einige Arbeiter wurden von den zersplitterten Stangen verletzt. Die Sänftenträger liefen so schnell wie möglich die Rampe hinunter. »Hurra! Ein doppeltes Hurra auf den Sturz des Mächtigen!« schrie Asrafel von der Galerie. »Der Erzschurke ist tot! Schmeißt ihn in den Sarkophag!« Isaiab zerrte an seinem Arm. »Sei still, du Narr! Du verrätst uns!« Er blickte hinab in die bestürzten und wütenden Gesichter. »Allerdings haben wir kaum noch Aussicht, der Aufmerksamkeit der Menge zu entgehen.« »Greift zu den Waffen und dann los!« Conan hob den Deckel von der
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Kiste und warf den Gefährten die Schwerter zu. Zafriti nahm einen zierlichen Dolch, welcher höchstens für einen Selbstmord geeignet war. Otsgar packte Asrafel hinten im Genick und zerrte ihn von der Balustrade weg. »Komm mit, du verrückter Fanatiker!« schrie er ihn an. »Ich will nicht, daß sie dich erwischen! Selbst tot könnten sie deine Spur zu mir zurückverfolgen. Entweder du kommst jetzt mit, oder ich erwürge dich gleich hier!« »Warum regst du dich so auf ?« fragte Asrafel. »Der fette Possenreißer ist tot. Jetzt brauchst du nicht mehr zu warten, bis du seine Grabkammer ausrauben kannst.« »O nein, du bist doch ein Narr! Er wäre innerhalb einer Woche von selbst gestorben! Warum konntest du ihn nicht einfach dahinsiechen lassen!« »Falls er wirklich tot ist«, warf Otsgar ein und schaute kurz nach unten, wo eine aufgeregte Menge den Blick auf Ebnezub verstellte, »wenn dem so ist - und wir durch ein Wunder unerkannt entkommen könnten -, würde ich mich nicht zurückwagen, um ihn auszurauben. Unsere gesamten Pläne sind damit beendet.« Sie eilten auf der Galerie weiter. Einige Arbeiter standen auf der anderen Seite der Rampe. Sie waren vor dem brennenden Öl weggelaufen und wagten sich jetzt aus Angst vor den Königsmördern nicht vor. Daher drohte Conan und seinen Gefährten von ihrer Seite im Augenblick keine Verfolgung. Einige Wächter versuchten jedoch die durch das Öl rutschige Rampe heraufzukommen. Andere riefen nach Verstärkung. Das Echo der Stimmen beschleunigte die Schritte der Grabräuber. Doch nun drohte ihnen von vorn Gefahr. Priester und Wachen wollten ihnen den Weg abschneiden und liefen ihnen auf der Galerie entgegen. Es war unmöglich, vor ihnen den Eingang zum Fluchttunnel zu erreichen. Conan riß sich die Perücke herunter und übernahm die Führung. Die Angreifer konnten auf der schmalen Galerie nur allein oder zu zweit kämpfen und waren dem Cimmerier gegenüber hoffnungslos unterlegen. Wie ein Wolf gegen Schafe warf sich Conan ihnen entgegen. Das Schwert des ersten Manns brach er entzwei und schlitzte ihm den Bauch auf. Den zweiten Gegner erledigte er mit einem Stoß ins Herz. Als nächster kam ein Priester. Diesem trennte er mit einem gewaltigen Hieb ein Bein ab, so daß der Mann an der Balustrade Halt suchte, aber abrutschte, weil alles voller Blut war. Dann sprangen einige Männer freiwillig nach unten, um dem tödlichen
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Schwert des Cimmeriers zu entkommen. Der Zugang zum Tunnel war frei. Conan ließ den Gefährten den Vortritt. »Nun, den Kampf hast du gewonnen«, sagte Otsgar, als er an Conan vorbeilief. »Kannst du uns jetzt auch als Nachhut schützen?« »Ja, aber ich bleibe euch dicht auf den Fersen. Noch einmal lasse ich mich nicht von dir verraten. Aber jetzt schnell, sonst geben wir den Verfolgern unser Geheimnis preis.« Doch sie gelangten ungesehen zur Geheimtür. Conan und Isaiab rollten den Stein weder davor. Dann warteten sie nicht ab, ob ihnen jemand gefolgt war, sondern liefen schnell in die lichtlose Finsternis der tiefen Gänge hinein. Sie konnten nicht viel sehen, da eine Fackel verloren war und Otsgar nicht stehengeblieben war, um die Lampen anzuzünden. Der Cimmerier hatte ein sonderbares Gefühl. Irgend etwas stimmte nicht. Hinter den dunklen Ecken lauerte eine Bedrohung und schwängerte die Luft mit Gefahr. Als er dem flackernden Schein der einen Fackel folgte, stieg ihm zum ersten Mal in dieser Nacht der beißende Geruch der Angst in die Nase. Wenn er stehenblieb, hörte er leises Schlurfen und Klirren. Die Finsternis kam ihm wie in sprungbereiter schwarzer Panther vor. Ohne den Grund zu nennen, trieb er die anderen an, noch schneller durch das Labyrinth zu eilen. Endlich sahen sie wieder die Sterne am Nachthimmel. Der Cimmerier schob die Tür der Krypta zu. Er hatte das Gefühl, als sei er soeben einem weit schlimmeren Feind entronnen als dem Schwert eines Gegners.
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14. KAPITEL DER KLAGERUF DER POSAUNEN In den Tagen nach dem Tod des Königs herrschte in der Stadt eine seltsame, schweigende Aufregung. Die einfachen Leute liefen in Trauergewändern durch die Straßen. Wie es die alten Gesetze erforderten, hatten sie das Haar kurz geschnitten und die Gesichter mit blauem Antimon oder Holzkohle bemalt. Dabei waren sie aber in Hochstimmung und widmeten sich begeistert den Vorbereitungen für die grandiosen Bestattungsfeierlichkeiten. Überall hörte man die Gesänge der Priester und die langgezogenen Töne der Messinghörner, die Abaddrahs Verlust beklagten und gleichzeitig den triumphalen Einzug Seiner Königlichen Hoheit in die Ewigkeit feierten. Die Hohenpriester erklärten die Tage bis zur Beisetzung zur Fastenzeit. Dabei hatten die armen Bauern, welche vor der Flut hatten fliehen müssen, sowieso kaum etwas zu beißen. Der Erlaß diente lediglich dazu, daß ihnen bei dem Gedanken an die üppigen Festmähler anläßlich der Feierlichkeiten das Wasser im Mund zusammenlief. Arbeiter nahmen die Gerüste an dem riesigen Grabmal ab und beseitigten die Erdrampen, so daß sich jetzt hinter der Stadtmauer die glatten Steinwände erhoben. Dem Betrachter zeigte sich das graue Monument in seiner strengen Schönheit: ein viereckiger hoher Bau mit steilen Wänden, die sich nach oben verjüngten. Auf einer Art Schulter erhob sich die krönende Spitzpyramide. Die hohen schmalen Doppeltüren des Bronzeportals symbolisierten den Rachen, welcher den hingeschiedenen Monarchen verschlang, um ihn in die nächste Welt zu speien. Das Portal war nach Osten ausgerichtet und von der gesamten westlichen Stadtmauer aus zu sehen. Die Bevölkerung von Abaddrah fand die Vorstellung tröstlich, daß die Stygier das Monument jenseits des Flusses an klaren Tagen ebenso bedrohlich finden würden wie sie die Bauwerke dort. An allen vier Ecken des Grabmals wurden die Bretter und Balken des Gerüsts zusammengetragen und auf Befehl der Priester jeden Abend angezündet, so daß die hochauflodernden Flammen die schweißüberströmten Rücken der immer noch ohne Unterlaß schuftenden Arbeiter rot färbten. Während des Tages hing eine schwefelgelbe Rauchwolke über den Scheiterhaufen. Conan hielt sich die ganze Zeit über in einem Geheimzimmer von Otsgars Karawanserei versteckt. Tag für Tag hörte er die Posaunen von den
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Tempeln. Die anderen Grabräuber hatten nur einen Tag abgewartet, dann waren sie ohne Angst auf die Straße gegangen. Zafriti tanzte sogar jeden Abend. Nur den Cimmerier hatten die Priester namentlich als Spion und Saboteur angeklagt. Er konnte sich nicht in die Öffentlichkeit wagen. Ihn hätte man zu schnell erkannt. »Wenn wir dich nur irgendwie ungesehen aus Abaddrah herausschaffen könnten, Cimmerier!« sagte Otsgar. »Dann gäbe es keinerlei Verbindung mehr zwischen dem Tod des Königs und meinen Leuten.« Er seufzte. »Aber keine Angst, ich werde für dich sorgen, bis wir dich sicher hinausschmuggeln können.« Conan sagte nichts dazu. Ihm war klar, daß seine Anwesenheit bei Otsgar keine Freude hervorrief. Seit der Flucht aus dem Grabmal hatte er wenig geschlafen und noch weniger gegessen, weil er sich von seinem Beschützer nicht vergiften oder meuchlings erdolchen lassen wollte. Mißmutig saß er in dem dunklen Zimmer. »Weißt du eigentlich, daß sie dir und nicht Asrafel die Schuld an Ebnezubs Tod geben?« fuhr der Vanir fort und setzte sich an den niedrigen Tisch, auf dem unberührt das Essen stand. »Einige Arbeiter haben dich als den berüchtigten Spion erkannt, den die Obrigkeit sucht.« Conan zuckte mit den Achseln. »Na und? Ist das wichtig? Es ist doch besser, wenn sie mir den Tod anlasten als dem Heißsporn Asrafel, der nur seinen Vater gerächt hat. Crom weiß, daß sie gegen mich schon so viele falsche Anklagen vorgebracht haben, daß es wirklich gleichgültig ist, ob ich für das Schlachten eines fetten Ochsen oder einer nichtvorhandenen Ziege gehängt werde.« Er kippte mit dem Korbstuhl gegen die Wand und musterte Otsgar scharf. »Da ich so wenig zu verlieren habe, könnte ich noch mehr riskieren. Ich hätte Lust, unseren Plan, die Königskammer auszurauben, doch noch durchzuziehen. Was hältst du von dieser Idee?« Otsgar lächelte nachsichtig und schüttelte den Kopf. »Bei Ishtars spitzen Titten, Cimmerier! Du hast wirklich den Verstand verloren! Jetzt den Gräberdistrikt betreten! Wo alle Zeter und Mordio schreien...« Er machte eine Pause und schüttelte den Kopf. »In ein paar Monaten, vielleicht in einem Jahr, wenn sich die Gemüter wieder beruhigt haben...« »Mir kannst du nichts vormachen. Otsgar!« Der Cimmerier funkelten den Vanir spöttisch an. »Wir beiden wissen, daß du sofort das Grabmal ausraubst, sobald ich tot oder geflohen bin. Aber dann ist der größte Schatz für dich verloren.«
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An der Tür pochte jemand mit dem verabredeten Klopfzeichen. Otsgar stand auf und ließ Zafriti und Isaiab durch die Geheimtür eintreten, welche von außen in der kunstvollen Wandtäfelung nicht zu erkennen war. Kaum war die Tür wieder geschlossen, sprudelte die Tänzerin los. »Ich habe gute Nachrichten. Die Palastwachen haben keine Ahnung, wie wir entkommen sind oder wo sie nach uns suchen sollen. Natürlich behaupten sie, daß sie uns auf der Spur sind; aber das sagen sie nur, um die Bevölkerung zu beruhigen.« »Sei da nicht so sicher!« warf Conan ein. »Ich wäre nicht überrascht, wenn Horaspes unseren Weg durch das Labyrinth, vielleicht noch weiter, mit übernatürlichen Hilfsmitteln verfolgen kann.« »Wenn er etwas weiß, dann behält er es für sich«, meinte Isaiab. »Wer weiß, vielleicht will er uns gar nicht fangen. Für seine Pläne ist es doch gut, wenn der Hof unser Abenteuer als schurkisches stygisches Komplott verurteilt.« »Ja, und alle sind vor Freude halb verrückt, daß das Grabmal fertig ist und morgen die Bestattungsfeierlichkeiten beginnen.« Zafriti sank neben Otsgar auf den Boden und stützte einen Arm auf sein Knie. »Im Palast bestürmt der Mob die Königin, ihre kürzlich verstorbenen Verwandten wieder ausbuddeln und mit dem Gefolge Ebnezubs im großen Grabmal bestatten zu dürfen. Einige junge Soldaten haben sich im Tempelteich ertränkt, damit sie ihren König ins Grab begleiten und ihm in der Nachwelt dienen können.« Sie schüttelte die schwarzen Locken. »Selbst in Stygien waren wir nicht so verbohrt. Die Priester erklärten, wer mit in die Gräber mußte. Keiner hat sich je freiwillig gemeldet.« »Du hast von der Königin geredet«, unterbrach sie Conan. »Meinst du die alte oder die neue Königin?« »Die alte und die neue sind ein und dieselbe Person.« Zafriti breitete die Hände aus. »Die Nachfolge wurde sowohl durch die Erklärung des Königs noch zu Lebzeiten als auch durch die Wahl des Hofs geklärt. Nitokar herrscht über Abaddrah - soll vielmehr herrschen, sobald die Bestattung und die Krönung vorbei sind. Ich kann jetzt bereits allen mein Mitgefühl aussprechen, die Ebnezub für einen schlechten Herrscher hielten.« »Und was ist mit der Prinzessin?« fragte Conan. Zafriti lachte hellauf. »Ich fürchte, sie ist auch ein Opfer der Hofintrigen. Natürlich hätte sie ihr Leben retten können, wenn ihr Name nicht im Zusammenhang mit Verrat genannt worden wäre.«
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»Verrat? Was meinst du?« Die Vorderbeine des Rohrstuhls knallten auf den Boden, als sich der Cimmerier aufsetzte. »Na, den Verrat, den Nephren aufdeckte, bei beim der Hauptmann der Wache, Aramas, beteiligt ist - und du, Conan, wenn ich mich recht entsinne. Man hat noch vor Ebnezubs Tod im Grabmal einen grünen Seidenfetzen gefunden, welcher eindeutig von Afrit stammte. Hast du das nicht gewußt?« »Nein!« Der Cimmerier zog ein finsteres Gesicht. »Na ja, der König hat ihr die Strafe aus Vaterliebe erlassen; aber der Skandal hat sie jede Unterstützung bei Hof gekostet, die sie vielleicht aufgebaut hatte.« Zafritis Augen glänzten. Sie genoß offensichtlich ihren Bericht über das Unglück in höchsten Kreisen. »Nach den Gesetzen Abaddrahs hätte eigentlich Nitokar den Herrscher begleiten müssen, um im Paradies für seine Bequemlichkeit zu sorgen. Jetzt ist aber Afrit dieses Privileg zugesprochen worden, und die arme Nitokar muß die schwere Bürde der Herrschaft auf sich nehmen.« »Verdammt, Weib, drück dich deutlich aus!« Conan beugte sich vor. »Heißt das, daß Afrit mit dem König bestattet wird?« »So ist es in der Tat! Auf Befehl ihres Vaters wird sie lebendig begraben, damit ihr schöner junger Körper makellos bleibt. Man bindet sie mit Goldketten an seinen Sarkophag.« »Ja, die Königin hat ganze Arbeit geleistet. Jetzt wird die Krone an ihren Sohn Eblis übergehen. Obwohl der Bursche noch ziemlich jung ist, kann man jetzt schon sehen, daß er ein noch schlimmerer Tyrann als seine Mutter wird.« »Also mir ist das einerlei.« Otsgar warf ein Apfelgehäuse weg und rülpste laut. »Ich kann unter jedem Monarchen meine Geschäfte machen. Wichtig ist, daß man das Verbrechen nicht uns anlastet - bis jetzt noch nicht! Wenn wir uns noch eine Zeitlang bedeckt halten...« »Du kannst dich bedeckt halten, bis du erstickst, du verfluchter, hinterlistiger Vanir!« erklärte der Cimmerier und sprang auf. Er legte die Hand an den Schwertgriff. »Ich aber werde morgen, wie geplant, im Grabmal sein! Afrit hat mir das Leben gerettet, nachdem ihr alle mich aufgegeben hattet. Ich werde nicht zulassen, daß sie lebendig begraben wird!« Entschlossen blickte er in die überraschten Gesichter. »Ich werde sie retten oder eigenhändig töten, wenn es notwendig sein sollte.« »Laß dein Tranchiermesser los und setz dich wieder!« sagte Otsgar ganz
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ruhig. »Deine Liebesgeschichten sind mir völlig einerlei, Conan. Uns allen. Aber versteh doch: Wir können nicht zulassen, daß du dich in dieses wahnwitzige Abenteuer stürzt. Man wird dich erwischen und foltern, oder du lenkst bei einer Flucht die Verfolger auf uns.« Beinahe müde schüttelte er den Kopf. »Du gefährdest das Leben von uns allen. Verstehst du das nicht?« »Du kannst also auf Anhieb ein Risiko beurteilen, ja?« Der Cimmerier riß das Schwert heraus. »Hier hast du ein Risiko! Wenn du mich aufhalten willst, dann tu es jetzt!« Kampflüstern glitzerten seine eisblauen Augen. »Du kannst natürlich warten und mich an die Grabwächter verraten; aber dann kläre ich sie über deine Verbrechen auf!« Jetzt lächelte er zynisch. »Aber ihr könntet ja mitkommen und wirklich reich werden! Wir kennen den Weg, die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Wofür entscheidet ihr euch?« Otsgar hatte die Hand am Dolch und musterte den Cimmerier wütend. Zafriti schaute mit schlecht verhohlener Begeisterung zu Otsgar auf. Isaiab schwieg und runzelte nur nachdenklich die Stirn. »Ich gehe auf alle Fälle heute nacht ins Grabmal - mit oder ohne euch.« Conan stand hochaufgerichtet da. »Wer mich aufhalten will, riskiert sein Leben!«
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15. KAPITEL DAS TOR ZUR EWIGKEIT Am Tag des Begräbnisses und der Krönung drängte sich das Volk von Abaddrah auf der breiten Straße, die vom Palast durch das Westtor aus der Stadt hinausführte. Alles, was Beine hatte, war unterwegs. Viele arme Bauern trugen ihre Habe in Bündeln auf dem Rücken. Wie durch göttliche Gnade war das Hochwasser des Styx in der Nacht von Ebnezubs Tod zum Stillstand gekommen und fiel bereits wieder. Dennoch waren die meisten Felder überflutet, und außerdem wollte sich keiner auf den Heimweg machen, ehe er an den Feierlichkeiten der Bestattung teilgenommen hatte. Am Vormittag war der große Platz vor dem Monument so überfüllt, daß viele Menschen auf die Dämme der Kanäle auswichen. Eine ehrfürchtige Stimmung lag über der Menschenmenge. Alle waren sich bewußt, daß sie das Begräbnis eines Wesens erleben würden, dessen Natur ihnen so verborgen, aber ebenso strahlend wie die Natur der Sonne war. Ferner würden sie erleben, wie eine andere mystische Halbgottheit den Thron bestieg. Der Adel versammelte sich zum Leichenzug auf dem Palasthof oder wartete auf der Stadtmauer. Viele Aristokraten machten bedrückte Gesichter und beteten, da sie wußten, daß die Macht jetzt von einem geistig verwirrten König auf eine wahnsinnige Königin überging. Noch dazu hatten sie einen Fanatiker als Kanzler, durch dessen Pläne man über Nacht unendlich reich, aber auch bettelarm werden konnte. So herrschte große Unsicherheit. Als schließlich die Prozession auf der großen Straße dahinschritt, machte die Menge schweigend Platz. Eine Abordnung der Königlichen Palastwache, begleitet vom feierlichen Klang der Elfenbeintrommeln, bildete die Vorhut. Die grimmigen Gesichter der Soldaten reichten aus, um die Straße zu leeren, der Einsatz von Hellebarden oder Schlagstöcken war nicht vonnöten. Es waren alles Freiwillige der Elitetruppe auf dem Weg in eine Grabkammer, die Horaspes besonders gesegnet hatte. Dort würden sie lebendig eingemauert werden, um am Tag des Jüngsten Gerichts, vom König befreit, mit ihm die Nachwelt zu erobern. Es folgten verstorbene hohe Militärs und Adlige. Ihre sterblichen Überreste ruhten in prächtigen Sarkophagen, auf denen die Waffen der Toten lagen. Pferde und Diener begleiteten diese Wagen. Es waren die Mumien aller im Krieg Gefallenen der letzten Jahre sowie die Leichen der
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jungen Soldaten, die sich freiwillig geopfert hatten. Beim Anblick dieses militärischen Pomps ging stolzes, beifälliges Raunen durch die Menge. Nun kamen die Wagen mit Proviant und Möbeln, Schafen und Ochsen, deren Fell mit Duftöl eingerieben war. Sklaven schleppten Tabletts mit köstlichen Speisen sowie Gold- und Silberbechern voller Wein. Mehrere Sklaven trugen die buntbemalten Särge von verstorbenen Sklaven. Bei diesem Leichenzug bekamen die Zuschauer mehr Reichtum zu sehen, als sie je in ihrem Leben erblickt hatten. Und das war nur der Anfang. Denn jetzt kam der Privatbesitz des Königs: Sein goldener, mit funkelnden Edelsteinen besetzter, wenig benutzter Streitwagen wurde von sechs Apfelschimmeln gezogen. Dann die maßstabsgetreue Nachbildung der königlichen Barke, groß genug, daß man damit den angeschwollenen Styx hätte überqueren können. Vierzig Sklaven trugen das Schiff, welches vergoldet und mit kostbaren Intarsien aus Perlmutt und Emaille verziert war. Danach folgten die Sarkophage der Lieblingskonkubinen. Diese trugen Sklavinnen in durchsichtigen Gewändern, die Totenklagen sangen. Und dann kam König Ebnezub. Sein Sarkophag war so schwer, daß die Aristokraten, welche traditionsgemäß dem Herrscher die letzte Ehre zu erweisen hatten, indem sie den Sarg trugen, sich als Verstärkung Sklaven geholt hatten, die die größte Last trugen. So konnten die edlen Herren in gewohnter Würde einherschreiten. Der Sarkophag des Herrschers war aus Gold und Platin kunstvoll gearbeitet. In der Morgensonne glänzte er so stark, daß man ihn nur für wenige Minuten betrachten konnte. Angeblich wurden einige Zuschauer sogar blind. Alle waren von dem Prunk des Sarkophags so geblendet, daß sie der jungen Frau dahinter nur wenig Aufmerksamkeit schenkten. Sie trug ein einfaches Gewand. Die schweren goldenen Fesseln an den Handgelenken bildeten einen seltsamen Kontrast zu dem Golddiadem auf ihrer Stirn. Sie ging mit gebeugtem Haupt und vermied den Blick auf den strahlenden Sarkophag ihres Vaters. Neben ihr schritt ein junger Mann einher, der unter der Folter offensichtlich schwer gelitten hatte. Von Zeit zu Zeit legte ihm die Prinzessin die Hand auf die Schulter; aber er gab nicht zu erkennen, daß er die liebevolle Berührung wahrnahm. Die Zuschauer kannten die Prinzessin und wußten, daß sie für den Verrat bestraft wurde, den sie mit dem Hauptmann Aramas begangen hatte.
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Aber an diesem bedeutsamen Tag war sie unwichtig. Alle Augen waren auf Königin Nitokar gerichtet, die aus ihrer Sänfte Silbermünzen in die Menge warf. Ihr Trauerkleid betonte die weiblichen Reize. Sechs gut aussehende Sklaven trugen ihre Sänfte. Angehörige des niedrigen Adels folgten. Sie trugen Geschenke für den verstorbenen Herrscher. Die Nachhut bildeten wieder Palastwächter. Allerdings traten diese unbeschwerter auf als ihre Kollegen an der Spitze, weil sie wußten, daß sie nach der Zeremonie zurückkehren würden. Es fiel auf, daß weder der Kanzler Horaspes noch sein Diener Nephren an der Beerdigung teilnahmen. Laut offizieller Erklärung arbeitete der Prophet in vollkommener Abgeschiedenheit an einem wichtigen Zauber, um die Nachfolge auf dem Thron zu sichern. Es gab aber auch Gerüchte, wonach er bereits in die reicheren Stadtstaaten im Norden gereist war, weil er - nach Fertigstellung seines großen Projekts in Abaddrah - das Interesse an dieser Stadt verloren hatte. Die Einwohner drängten sich hinter dem Leichenzug zum westlichen Stadttor. Dieses war nicht so groß wie das Haupttor, aber es führte direkt zur Totenstadt und wurde daher bei Bestattungen gern benutzt. Kurz darauf brandete die Menschenmenge vor der großen Pyramide, deren hohe graue Mauern in den Himmel ragten. Ebnezubs glänzender Sarkophag glitt wie ein Silberschiff über dem Menschenmeer dahin. Posaunen erschallten. Langsam öffneten sich die schweren Bronzetüren, auf denen als Reliefs Ruhmestaten aus Ebnezubs Regierungszeit dargestellt waren - zum letzten Mal in dieser Ewigkeit, wie sich viele andächtig zuflüsterten. Nun verschwand der königliche Sarkophag in der Tiefe der Pyramide. Sofort wurden die Palastwachen in die für sie bestimmten Grabkammern geschickt. Neue Sklaven hatten bereits gewartet, um den Adligen die Last des schweren Sarkophags abzunehmen. Auf der Galerie des Vestibüls wurden Seile befestigt, um auf der steilen Rampe ein Mißgeschick wie bei Ebnezubs Sänfte auszuschließen. Schwierig wurde es in dem engen Gang vor der königlichen Grabkammer. Königin Nitokar war außer sich vor Wut, weil es so lange dauerte, bis der schwere Sarkophag seine endgültige Ruhestätte gefunden hatte. »Beeilt euch, ihr elenden Hunde!« schrie sie die Sklaven an, von denen einige Grabbeigaben trugen. »Legt diesen Plunder hin und verschwindet!« Die Sänfte wartete mit den Trägern im Vestibül. Die Königin war zu Fuß
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weitergegangen. Sie trug ein schwarzes Kleid mit knappem Oberteil und kurzem Rock, dessen bogenförmig ausgeschnittener Saum reich mit Opalen besetzt war. Wütend schlug sie mit der Peitsche nach rechts und links auf die Sklaven ein. »Was nutzt mir dieses ganze Zeug? Soll es doch neben dem Fettsack hier unten verrotten!« Sie versetzte dem Sarkophag des Königs einen Schlag. »Pfui! Ich kann es in dieser zugigen Gruft nicht länger aushalten!« »Meine Königin, darf ich Euch... um etwas Zurückhaltung an diesem heiligen Ort und an diesem Tag ersuchen?« Nur ein Hoherpriester Ellaels war noch bei ihr in der königlichen Grabkammer, deren blaue Decke mit den eingesetzten Edelsteinen wie das Firmament voller Sterne funkelte. »Zurückhaltung? Narr, einem Herrscher ist alles gestattet!« Nitokar hob die Peitsche, als wollte sie den alten Mann schlagen. Als dieser zurückzuckte, lachte sie. »Nein, Priester, keine Angst! Ich bin die Verkörperung der Zurückhaltung. Doch sollte dich mein gereizter Zustand beunruhigen, kannst du sofort gehen! Überprüf die anderen Grabkammern! Wenn diese hier verschlossen werden soll, lasse ich dich rufen.« »Hoheit, mein Platz ist hier mit Euch und dem König.« »Nein, verschwinde!« Bedrohend trat sie einen Schritt näher. »Und nimm deine frommen Brüder mit. Ich will nicht, daß sie an der Schwelle herumlungern. Jetzt möchte ich alleingelassen werden, um meiner teuren Tochter Lebewohl zu sagen.« Der Hohepriester ging verstört hinaus. Nitokar trat zu Afrit, die am Kopf des Sarkophags kniete. Die Locken ruhten auf den schweren goldenen Ketten, welche durch eine Öffnung im Sarkophag gezogen waren, ehe sie ihre Handgelenke fesselten. Bleich, aber ohne Tränen schaute sie völlig verzweifelt drein. »Ja, mein Kind, nun bist du mich bald für immer los, ebenso wie die gesamte Welt da draußen. Nur dein dich liebender Vater bleibt dir noch.« Sie schlug mit der Peitsche auf den Sarkophag. »Ach ja, und natürlich dieser Kerl da drüben, dein Verbündeter bei dem schurkischen Komplott gegen mich. Ihr könnt jetzt so lange Pläne schmieden, wie ihr noch atmen könnt. Ich hatte bereits eine längere und recht interessante Unterhaltung mit ihm.« Sie zeigte auf den verkrümmten, mit Eisenketten an einen vergoldeten Stein geschmiedeten Aramas. Die noch nicht verheilten Wunden an Armen und Beinen verrieten, welche Qualen er hatte erleiden müssen. »Es ist ungeheuerlich, wenn ein junges Mädchen gegen seine Eltern Verrat schmiedet«, fuhr Nitokar fort und achtete nicht auf die Sklaven,
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welche mit weiteren Schätzen hereinkamen. »Was hat dich so hart gemacht, mein Kind? Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit dir verbringen können und mir durch mütterliche Fürsorge deine Achtung, vielleicht sogar deine Liebe erringen können - vor allem aber durch strenge Disziplin. Weißt du, Disziplin kann Wunder bewirken. Das siehst du an dem jungen Burschen Aramas. Anfangs war er verstockt, weil du ihn zum Verrat gegen seinen rechtmäßigen Herrscher überredet hattest. Aber schon bald wimmerte er nur noch, daß er alle Geheimnisse preisgeben wolle. Deinen Namen hat er laut hinausgeschrien. Ja, mit jungen Männern kann ich gut umgehen. Auch du hättest bei mir viel lernen können; aber dein Vater ließ mir nie freie Hand. Er wollte, daß du unverletzt bliebst. Sogar nach seinem Tod solltest du makellos bleiben. Nun, jetzt kann er nicht mehr viel helfen!« Nitokar versetzte der jungen Prinzessin mit der Peitsche einen Schlag über die Arme. Afrit bekämpfte stumm den Schmerz. »Aber, aber, Prinzessin, als das Tribunal des Königs über dein Schicksal das Urteil fällte, hat niemand etwas von einem Gewand gesagt. Weg damit!« Nitokar packte Afrits Gewand am Saum und riß es von unten bis oben auf. Jetzt schrie Afrit, da sie sich nicht wehren konnte. »So! Schluß mit dem schamhaften Getue!« Nitokar schlug jetzt wahllos auf das fast nackte Mädchen ein. »Das hättest du bereits damals verdienst, als du dich zum ersten Mal bei deinem Vater über mich beschwert hast!« Afrit preßte sich schluchzend gegen den kalten Sarkophag. »Und was glotzt ihr so?« schrie Nitokar die beiden Sklaven an, welche erschrocken die Züchtigung der Prinzessin mitangesehen hatten. »Jetzt bin ich Königin, und ihr müßt bei mir lernen, blind und dumm zu sein!« Mit Peitschenhieben trieb sie die beiden aus der Grabkammer. Doch die Wut der Königin war noch nicht erschöpft. Jetzt wandte sie sich dem gebrochenen Aramas zu, der zum ersten Mal die Augen wieder geöffnet hatte. »Na und du? Willst du mir wieder den Hof machen? Hier hast du meinen Kuß!« Damit schlug sie ihm mit der Peitsche übers Gesicht. Stumm schloß er die Augen wieder. »Siehst du, mein Kind! Das ist wahre Ergebenheit!« erklärte sie triumphierend. »Kein Welpe könnte besser erzogen sein! Ich brauche dazu nur ein bißchen Zeit... Aber wer ist denn das?« Ein Mann in der Uniform der Grabwächter stand auf der Schwelle. »Ich brauche keine Wache!« »Wie schön, daß Ihr das annehmt!« Der Mann nickte irgend jemandem
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zu und zog das Schwert. Trotz des grauen Umhangs sah man, daß er sehr groß und muskulös war. Dennoch bewegte er sich mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze. »Conan! Wie kommst du hierher?« Nitokars Stimme überschlug sich vor Wut und Angst. »Wache! Wache! Herkommen! Der Meuchelmörder!« Der Cimmerier lachte nur. Hinter ihm tauchten die Helme zweier Wächter auf. Doch statt der Königin zu Hilfe zu kommen, eilten diese zu den Truhen und Tischen an den Wänden und stopften die Schätze in Säcke. »Ja, macht schnell! Nehmt mit, soviel ihr könnt, Hunde!« rief Conan. »Wir müssen schnell weg.« »Wie kannst du es wagen, die Grabkammer des Königs zu entweihen!« schrie Nitokar empört. »Willst du etwa meinem geliebten Gatten alles wegnehmen, was er in der nächsten Welt braucht?« Dann warf sie den Plünderern einen stolzen Blick zu. »Wenn ihr sofort geht, verspreche ich, einen Augenblick zu warten, ehe ich die Wachen und mein Gefolge rufe.« Wieder lachte Conan. »Wenn dein Gefolge der Stadt und sich einen Gefallen erweisen wollte, sollte es Euch hierlassen. Ich bezweifle nicht, daß viele schon jetzt überlegen, wie sie Euch auf diskrete Weise beseitigen können.« Die beiden Grabräuber hatten die Säcke gefüllt und gingen; aber zwei weitere kamen herein, ebenfalls mit leeren Säcken. »Du elender Schurke! Ich werde dich für diese Worte auf dem Hauptplatz der Stadt mit glühenden Eisen in Stücke reißen lassen.« Stolz warf sie den Kopf zurück. »Die Verehrung der meisten Untertanen ist mir sicher, vor allem die des nationalen Helden Horaspes. Mit seiner Hilfe werde ich Abaddrah zu größerem Ruhm als bisher führen.« »Zum Beispiel in einen Krieg mit Stygien?« fragte Conan. »Ich wüßte gern, welche Pläne dieser Heuchler im Priestergewand für Euch hat?« Jetzt hatten auch Isaiab und Asrafel die Säcke prall gefüllt und verließen die Grabkammer. »Aber eigentlich ist es mir einerlei. Ihr habt ausgespielt. Mit etwas Glück wird jemand die Krone tragen, der nicht wahnsinnig ist.« Er trat einige Schritte vor. Sofort änderte Nitokar ihr Verhalten. »Conan, es ist doch wirklich eine Schande, daß wir streiten.« Sie strich sich über die Brüste. »Gib diese rebellische Haltung auf und werde mein Prinzgemahl! Vom ersten Augenblick an wußte ich, daß du kein gewöhnlicher Mann bist. Unter meiner Hand könntest du ganz neue sinnliche Vergnügen erfahren. Versteh doch, du könntest weiter als andere gehen - sowohl im Schmerz als auch in der
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Ekstase.« Sie lächelte verführerisch. »Wir könnten gemeinsam lernen.« Als der Cimmerier immer noch schwieg, verzog sie schmollend den Mund. »Wie ich sehe, willst du dein grausames Vorhaben ausführen. Du willst mich ebenso abschlachten wie meinen Sklaven.« »Ja, Conan, bitte tu es! Laß dich nicht von ihr verführen!« schrie Afrit verzweifelt. Sie stand unweit der Königin und zerrte an den goldenen Ketten. »Sie hat meinem Vater die gleichen perversen Versprechungen gemacht.« Der Cimmerier hob das Schwert. »Nein!« Die Klinge sauste über Nitokars Kopf hinweg und traf Afrits Ketten auf dem Sarkophag. Klirrend fielen sie ab, als der scharfe Stahl das weichere Gold traf. »Afrit, ich habe dir gesagt, daß ich kein Meuchelmörder bin. Lerne lieber, schmutzige Geschäfte selbst auszuführen.« Mit einem Wutschrei stürzte sich die Prinzessin auf Nitokar und zerkratzte ihr die Haut. Die Königin war von dem Überfall der kleineren Frau so überrascht, daß sie die Peitsche nicht benutzte. Im nächsten Augenblick stolperte sie mit den hohen Schuhen und fiel zu Boden. Afrit schlug sie mit den goldenen Handschellen, trat sie und zog sie an den Haaren. »Prinzessin, normalerweise sehe ich ja gern zu, wenn Frauen kämpfen; aber wir haben keine Zeit. Hier, beende die Sache, dann können du und dein Hauptmann mit mir weggehen.« Der Cimmerier warf Afrit seinen Dolch zu. Als die Klinge durch die Luft flog, blitzte sie seltsam auf. Kaum hatte Afrit den Dolch mit beiden Händen gefangen, schrie sie vor Schmerzen und ließ die Waffe fallen. Ihre Handflächen waren stark gerötet, als hätte sie sich verbrannt. Verblüfft sah der Cimmerier, wie sich sein Dolch verflüssigte. Rauch stieg auf. »Ich bitte um Entschuldigung«, ertönte eine bekannte Stimme hinter dem Cimmerier. Der Mann sprach mit leichtem shemitischen Akzent. »Ich hasse es, billige Taschenspielertricks anzuwenden; aber manchmal sind die hilfreich, und wenn es nur darum geht, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erringen.« Begleitet von dem Leibwächter Nephren, betrat Horaspes in weißem Gewand die Grabkammer.
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16. KAPITEL DIE GESCHÖPFE DER NACHT Der Prophet lächelte den Cimmerier selbstzufrieden an, während sein größerer stygischer Begleiter keine Miene verzog. Allerdings entdeckte Conan in den Augen des dunkelhäutigen Mannes einen seltsamen Ausdruck. War es Staunen oder Angst? Angespannt stand der Cimmerier mit gezücktem Schwert da. Afrit und Nitokar hatten den Kampf beendet. In weniger Zeit, als ein Herzschlag währte, hatten beide Frauen die Rollen gewechselt. Wo soeben noch Triumph zu sehen gewesen war, zeigte sich jetzt Verzweiflung in den Augen. Nur der gebrochene Aramas saß verkrümmt in der Ecke und reagierte auf nichts. »Na, Cimmerier, warum so niedergeschlagen? Machst du dir wegen des Schicksals deiner habgierigen Freunde draußen Sorge?« Horaspes‘ rosiges Mondgesicht glühte beinahe vor Wohlwollen. »Sie haben uns nicht gesehen. Du weißt, daß ich Wege kenne, um selbst an den aufmerksamsten Wächtern ungesehen vorbeizukommen.« Wohlwollend breitete er die Hände aus. »Aber ich habe ihnen nichts getan. Sie entgehen ihrem Schicksal nicht, sobald sie versuchen, diese Katakomben zu verlassen. Nun, Königin Nitokar, meine liebe Verbündete, anscheinend bin ich gerade noch rechtzeitig gekommen, um einen plötzlichen Wechsel in der Thronfolge zu verhindern.« Der Prophet schüttelte tadelnd den Kopf. »Wie immer seid Ihr zu abenteuerlustig und zu unvorsichtig.« Mit hochrotem Gesicht und zerzaustem Haar stand die Königin auf. »Ach was, Kanzler! Du hast nur den ewigen Kampf einer Mutter gesehen, die versucht, einer undankbaren Tochter Manieren beizubringen. Mit deiner Hilfe werde ich es schnell geschafft haben.« Sie griff nach Afrits Hand; aber diese wich zurück und stieß wilde Flüche aus. »Nein, nein, Königin, verzichtet auf Eure Rache! Ab jetzt nehme ich die Sache in die Hand.« Als Horaspes den empörten Blick Nitokars auffing, fügte er schnell hinzu: »Ich unterstütze Eure Herrschaft, weil ich Euch brauche, um das Geschick Abaddrahs so zu lenken, wie wir abgesprochen haben. Allerdings erwarte ich, daß Ihr zumindest die Fassade königlicher Würde wahrt.« Jetzt klang seine sonst so wohlwollende Stimme sehr entschieden. »Geht jetzt zu den Sklaven und Priestern. Ich habe angeordnet, daß sie im Vestibül auf Euch warten. Den Weg werdet Ihr finden; aber bringt zuvor Euer Haar in Ordnung.«
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Der Prophet lächelte jetzt wieder hoheitsvoll. Erstaunlicherweise gehorchte Nitokar ihm widerspruchslos. Conan spürte, daß sie sich der größeren Macht und Rücksichtslosigkeit Horaspes‘ fügte. Als sie an ihm vorbeiwollte, streckte er den Arm aus und versperrte ihr den Weg. »Warum sollten wir sie gehen lassen?« fragte er Horaspes »Wir könnten doch euch drei hier umbringen.« Der Prophet war von Conans Drohung nicht beeindruckt. »Wenn du mein kleines Kunststück noch einmal sehen willst, ist das eine Kleinigkeit für mich. Gegen mich bist du ziemlich hilflos.« Conan schwieg, da er sein Schwert nicht wie den Dolch auch als rauchende Pfütze auf dem Boden sehen wollte. Er gab Nitokar den Weg frei. Sie blieb untertänig vor Horaspes stehen. »Soll ich die Wachen herschikken?« »Nein! Mir ist es lieber, wenn niemand von diesem barbarischen Eindringen erfährt. Führt die Leute aus dem Grabmal und beginnt dann mit der Zeremonie des Schließens des Portals. Sobald ich das kleine Problem hier erledigt habe« - er zeigte auf Conan und die Prinzessin -, »werde ich die königliche Grabkammer versiegeln und das Monument mittels meiner Magie verlassen.« Dann nahm Horaspes beide Hände der Königin in die seinen. »Geht jetzt! Eure Untertanen warten auf Euch! Wahrscheinlich sind sie schon unruhig.« Nitokar nickte gehorsam und küßte dem Propheten die Hand. Dann warf sie noch einen haßerfüllten Blick auf Conan und Afrit und verließ die Grabkammer. Kaum war die Königin verschwunden, schenkte Horaspes sein strahlendes Lächeln wieder den Anwesenden. »Nitokar ist eine Notlösung; aber wenn alles gut verläuft, muß Abaddrah ihre unfähige Herrschaft nicht lange ertragen.« Conan musterte Horaspes und Nephren mißtrauisch. »Dann hast du größere Pläne, Zauberer?« Er wollte eigentlich nur Zeit gewinnen. »In der Tat, sogar die allergrößten. Warum sollte ein wirklich entschlossener Mann sich mit irgendwelchen Grenzen auf dieser Welt begnügen? Oder in anderen Welten.« Prinzessin Afrit war dicht hinter den Cimmerier getreten, weil sie den gierigen Blicken des Propheten und seines Schergen in ihrer Nacktheit entgehen wollte. Jetzt nahm Conan seinen Umhang ab und reichte ihn ihr.
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»Es gibt aber Grenzen«, widersprach er. »Wie jeder echte Prophet erkennen sollte.« Horaspes lächelte süßlich und betrachtete Conan und die Prinzessin mit den hungrigen Augen einer Katze vor zwei Spatzen. »Ich sehe in der Zukunft nur einen glorreichen Sieg, und in diesem Sieg könntet ihr beide eine Hilfe sein. Deshalb habe ich euch hergelockt.« Dann trat er vor eine leere Wand. »Schließlich kann ich dich, Cimmerier, und deine Grabräuber frei herumlaufen lassen! Gibt es einen besseren Köder als königliche Schätze und eine sehnsüchtige Prinzessin?« Nephren stand im Ausgang, so daß dieser Weg versperrt war. »Weißt du, diese Zeit bietet ungeahnte Möglichkeiten für einen Mann, der sie sieht und entschlossen ist, sie wahrzunehmen«, fuhr Horaspes fort. »Dieser Teil der Welt, das fruchtbare Tal des Styx, ist ungeheuer reich. Besonders in Abaddrah ist viel zu holen, das meiste unterirdisch, da hier noch die alten Sitten der Bestattung gebräuchlich sind. Ich spreche dir meine Anerkennung aus, Conan aus Cimmerien, daß du die Möglichkeiten, die Gräber auszurauben, erkannt hast und durchführen wolltest.« Horaspes nickte und lächelte zynisch. »Aber bei deinem primitiven, barbarischen Wesen hast du die wahre Gelegenheit übersehen. In einem Land, welches so alt wie Stygien ist, wo ich herkomme, gibt es weit mehr Tote als Lebende. Das trifft auch auf Abaddrah und die Gegenden zu, in denen der stygische Glaube Wurzeln geschlagen hat. Dort werden die Toten sorgfältig einbalsamiert und mit dem gesamten Hausrat bestattet, um ihnen eine glorreiche Zukunft zu sichern. Andernorts werden die Toten den Schakalen zum Fraß vorgeworfen und ihre Knochen zerschlagen und in alle Winde zerstreut.« Horaspes lächelte. »In unserem trockenen, heißen Klima bleiben die Toten erstaunlich gut erhalten. Ich habe jahrhundertealte Mumien gesehen, bei denen der Körper phantastisch erhalten war. Mit den richtigen Ölen und Spezereien kann man Tote so erhalten, daß sie auch nach vielen Jahrhunderten noch wie Lebende aussehen. Die Sonne ist natürlich die größte Feindin, weil sie alles bleicht und austrocknet. Die Sonne ist die Wurzel allen Verfalls. Vielleicht ist euch aufgefallen, daß ich ihr Licht hasse und tagsüber kaum ins Freie gehe. Deshalb ist meine Haut auch so gesund blaß.« Er zeigte die rosigen Handflächen. »Jedoch ist auch der Tag nur ein vergängliches Ding, nicht beständiger als die Nacht. Und es war die Nacht, welche herrschte, ehe es jemals Tag
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wurde.« Er schüttelte in vorgespielter Verwunderung den Kopf. »Ich verstehe wirklich nicht, warum die Menschen die eine Zeit der anderen vorziehen. Es gibt keinen Grund, warum wir nicht alle irdischen Vergnügen oder Tätigkeiten nachts verrichten sollen. Dann wäre der Tag anstelle der Nacht verachtet. So, nun kennt ihr den Kern meines Plans: Ich werde der Nacht wieder ihre Vormachtstellung über den Tag verschaffen. Falls ihr meine Mittel nicht billigt, nun...« Horaspes schlug mit dem Handballen dreimal gegen die Wand. »Der Tag repräsentiert das Leben, nicht wahr? Und die Nacht bedeutet Tod!« Er trat zurück und wies auf ein Fresko an der Wand. »Daher ist wohl klar, daß das Imperium der Nacht nicht von Lebenden errichtet werden kann.« Conan betrachtete den Propheten mit unbestimmter Furcht. Er verstand diese weitschweifigen Ausführungen nur zum Teil; aber ihm war dabei unbehaglich. Auch Afrit zitterte, obwohl sie Conans Umhang trug. Sie hielt sich am Cimmerier fest, als könne er ihr von seiner Kraft ein wenig abgeben. Dann bemerkte Conan, daß sich an der Stelle der Wand, gegen welche Horaspes mit der Hand geschlagen hatte, etwas bewegte. Hatte der Prophet wieder magische Schriftzüge hingeschrieben, die zu Bildern würden? Nein, der kleine schwarze Fleck wurde rasch größer. Putz fiel von der Wand. Ein schwarzes Loch öffnete sich. Nein, das war keine Illusion wie an jenem Abend in Ebnezubs Festsaal! In den Staubwirbeln zeichneten sich Schemen ab. Afrits Finger gruben sich in Conans Arm. Beide starrten auf die Öffnung. Und dann stockte dem Cimmerier der Atem. Voll Entsetzen blickte er in die funkelnden Augen einer riesigen Hyäne, deren halbverwester Kopf auf den Schultern eines großen Mannes ruhte. Dahinter leuchteten gespenstisch Augen aus den tiefen Höhlen eines menschlichen Schädels, welchen ein Diadem mit Juwelen krönte. Aus dem weiten Priestergewand ragte der magere lange Hals des heiligen Vogels Ibis auf. Das Gefieder war nur noch teilweise vorhanden. Doch blitzschnell wendete der Vogel den Kopf und betrachtete den Cimmerier erst mit dem einen dann mit dem anderen Auge. Immer mehr schreckliche Monster wurden in dem Gang sichtbar. Manche hockten auf herabgefallenen Steinen. Einige trugen goldene Rüstungen, andere nur zerfetzte, schmutzige Binden. Irgendwie hatten sie
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aber alle etwas Menschliches an sich, allerdings waren einige so scheußlich, daß man sie nicht lange anschauen konnte. Offenbar waren die meisten Tote aus den Sarkophagen und jetzt nach vielen Jahrhunderten auf Geheiß ihres Propheten wieder zum Leben erwacht und bereit, in die Welt der Lebenden zu marschieren. »Und nun lernt ihr meine Geschöpfe der Nacht kennen, das Volk der Zukunft!« erklärte Horaspes. Afrit barg das Gesicht hinter der Schulter des Cimmeriers. »Bitte, fürchtet euch nicht vor der halbmenschlichen Gestalt einiger dieser armen Wesen. Sie entsprechen leider nicht der letzten Mode. Manche stammen noch aus der längst vergangenen Zeit, als hier im Tal des Styx die Einbalsamierer menschliche und tierische Teile zusammennähten, um ihre primitiven Götter nachzuahmen. Prinzessin, gönnt diesen Wesen einen freundlichen Blick; denn auch sie sind Eure Untertanen! Keiner könnte pflichtbewußter oder gehorsamer sein. Allerdings warne ich Euch, daß alle mir gegenüber immer zu Dank verpflichtet sein werden, da ich mit meiner Zauberkunst in ihren verwesten Körpern wieder den Lebensfunken entfacht habe.« Während der Prophet noch prahlte, zwang Conan sich, die Geschöpfe der Nacht näher zu betrachten. Einige sahen erstaunlich kräftig aus. Ihre ledrige Haut glänzte. Das rührte sicher von den bestimmten Ölen her, die Horaspes erwähnt hatte. Bei anderen dagegen war die Haut nur noch eine pergamentartige Umhüllung der Knochen. Manche waren auch durch die Mumifizierung verkrümmt oder hatten Gliedmaße verloren. Offensichtlich waren diese ehemaligen Toten nicht untätig gewesen. Sie trugen Hacken, Meißel und anderes Werkzeug, um den weichen Sandstein des Berges zu bearbeiten, jetzt konnte Conan die Geräusche deuten, die ihm die Anwesenheit der unsichtbaren Tunnelarbeiter verraten hatten. Die Werkzeuge waren von langem Einsatz ziemlich abgenutzt. »Nun kannst du sehen, Cimmerier, daß du trotz deiner Verschlagenheit den wahren Schatz dieser Gräber übersehen hast - nämlich die Toten!« erklärte Horaspes mit großer Begeisterung. »Angefangen habe ich mit einigen hundert Toten, die ich aus Stygien mitbrachte - das waren sozusagen die Überlebenden meines Zusammenstoßes mit den Soldaten und den engstirnigen Priestern dort. Inzwischen haben wir das gesamte Gräberfeld in Abaddrah unterminiert. Dabei habe ich nicht nur die Schätze, Waffen und andere Gegenstände in meinen Besitz gebracht, welche dort in den Sarkophagen lagen, sondern
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auch die Menschen: Reiche und Arme, Männer, Frauen und Kinder! Keine Grabkammer ist vor ihrem Eindringen sicher, nicht einmal diese königliche, welche für die Ewigkeit versiegelt sein sollte! In diesem Augenblick arbeiten meine Diener daran, noch die letzten ihrer Brüder und Schwestern aus den entferntesten Gräbern zu holen. Wahrscheinlich stemmen sie sich bereits gegen die Sarkophagdeckel, weil der Zauber, den ich über die gesamte Nekropole geworfen habe, sie aufgeweckt hat. Mit Leichtigkeit könnte ich Abaddrah erobern. Bereits jetzt sind meine Truppen in der Überzahl. Sie brauchen auch kein Tageslicht, um anzugreifen. Doch zuvor will ich meine Lehre und meine unterirdischen Anhänger in allen Städten Shems verbreiten. Schlage ich dann zu, herrsche ich über ein Imperium, das groß genug ist, um Stygien und die sture, selbstgerechte Priesterschaft dort in die Wüste zu schicken. Warum sollte ich es auch eilig haben, da doch jedes neue Grab mich nur reicher macht. Diese Pyramide bringt mir viele neue Soldaten und Waffen, wodurch mein Triumph immer sicherer wird. Die lebend Begrabenen und die Totenspeisen versorgen meine hungrigen Truppen für längere Zeit. Ihr müßt nämlich wissen, daß die Toten auch Hunger haben, allerdings sind sie geduldiger als die Lebenden.« Horaspes legte eine Pause ein, als er sah, daß die Prinzessin sich die Ohren zuhielt. »O je, arme Afrit, ich sehe, daß meine Rede Euch mißfallen hat! Aber Ihr habt mich gewiß falsch verstanden. Nicht einen Augenblick lang hatte ich vor, Euch meinen Dienern als Nahrung zu überlassen. Eine Prinzessin aus königlichem Geblüt, ganz gleich wie eigenwillig sie sein mag, ist dafür zu kostbar. Ich werde Euch weiterhin so aussehen lassen wie jetzt, nur mit viel größerem Mut. Damit sollten auch viele Eurer jugendlichen Fehler wegfallen und Euch die harten Fakten des Lebens klarmachen. Fragt Nephren. Er ist bis jetzt eines der feinsten Beispiele meines Wirkens. Auch Conan wird nach seiner Verwandlung einen prächtigen Leibwächter für mich abgeben. Ein Mann mit derartig prächtigem Körper ist wirklich zu wertvoll, um aufgegessen zu werden...« Horaspes verschlug es die Stimme. Er war beim Sprechen in die Nähe von Aramas gekommen, der gefesselt und anscheinend teilnahmslos dagesessen hatte. Nun aber packte er plötzlich den Propheten von unten. Wutentbrannt legte Horaspes beide Hände um die Kehle des Hauptmanns. Die Untoten sahen alles, griffen jedoch nicht ein.
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Conan hatte auf die Gelegenheit gewartet, daß die Aufmerksamkeit des Propheten abgelenkt wurde. Mit einem Satz stürzte er sich auf Nephren. Der Leibwächter versperrte ihm mit erhobenem Schwert den Ausgang und blickte zu dem Kampf seines Herrn und Meisters hinüber. Der Cimmerier schlug zu. Diesmal hörte er deutlich, wie Sand knirschte, als seine Klinge sich in den Bauch des Gegners bohrte. Der anschließende Tritt schickte den Stygier neben das Loch in der Wand. Der Cimmerier zerrte Afrit hinaus auf den Gang. Sie wehrte sich jedoch und rief: »Conan, was ist mit Aramas? Er war mir treu ergeben.« Conan blieb stehen und fuhr die Prinzessin an: »Und was soll ich gegen Horaspes und alle diese Zombies unternehmen? Da schau!« Horaspes richtete sich gerade über der leblosen Gestalt des Hauptmanns auf. Zwei schwarze, rauchende Löcher befanden sich jetzt dort, wo der Prophet den Angreifer berührt hatte. Mit dämonischem Grinsen blickte Horaspes zu ihnen herüber. Dann versperrte Nephren ihnen den Blick. Mit hocherhobenem Schwert schritt er auf Conan und Afrit zu. Sand rieselte aus der Bauchwunde. Der Cimmerier stieß Afrit hinter sich, machte einen blitzschnellen seitlichen Ausfall mit dem Schwert und zertrümmerte das Tongefäß, welches in einer Nische stand. Scherben und Sand fielen auf den Boden. Lautes Knirschen begann. Nephren blieb stehen und blickte nach oben. Da lösten sich zwei trapezoidförmige Steine aus der Decke und landeten dicht hinter ihm. Ehe der Stygier recht begriffen hatte, was geschah, kamen die nächsten beiden Steine herab, dann nochmals zwei. Jetzt war der Gang blockiert. Nephren reagierte beinahe menschlich und machte einen Satz nach vorn - aber da traf ihn die Klinge des Cimmeriers in Brusthöhe und stieß ihn zurück. Mit ohrenbetäubendem Poltern kamen nun die restlichen Steine herab. Sand blendete Conan, als er zurückwich. In letzter Minute konnte er mit Afrit entkommen. Dann begruben die Steine Nephren unter sich. Afrit war erschrocken niedergesunken. »Die Grabkammer?« »Ist jetzt versiegelt«, erklärte ihr Conan. »Dieser Mechanismus stammt von einem genialen Mann namens Mardak, der jedoch nicht mehr lebt. Trotzdem werden die Steine uns nicht lange vor Horaspes schützen. Komm! Wir müssen uns beeilen!«
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17. KAPITEL DER JÜNGSTE TAG Conan und Afrit rannten den Hauptgang der Pyramide entlang. Die Lampen waren schon weit herabgebrannt. Niemand war zu sehen. Die Prinzessin war eine gute Läuferin. Nur einmal blieb Conan stehen, entfernte ihr die goldenen Handschellen und trocknete ihre Tränen, die sie um Aramas vergoß. Dann ging es weiter. Plötzlich fragte Afrit: »Was ist, wenn das Bronzeportal geschlossen ist? Gibt es noch einen Weg nach draußen?« »Jetzt, da alle Toten herumlaufen, keinen sicheren«, antwortete Conan. »Dauert die Zeremonie anläßlich des Schließens des Grabmals lange?« »Ich weiß es nicht.« Die Prinzessin atmete schwer. »In diesen Gängen kann man die Zeit schlecht abschätzen.« »Bei dieser Gabelung müssen wir trotzdem anhalten«, meinte er. »So, warte hier. Ruf, sobald du Verfolger hörst oder siehst.« Nach Atem ringend, blieb die Prinzessin stehen, während der Cimmerier in einen Seitengang lief. »Otsgar! Isaiab! Seid ihr schon weg?« Seine Stimme hallte in den hohen, dunklen Tunnel. »Vorsicht bei den Katakomben! Überall Zauber!« »Conan, wo hast du dich herumgetrieben?« Grinsend tauchte Isaiab mit einem prallen Sack über den Schultern auf. »Du, die Schätze sind wirklich lohnend. Wir sollten noch ein paarmal wiederkommen.« Dann stutzte er. »Was? Keine Beute? Hast du deine Prinzessin befreit?« »Vergiß den Plunder! Wo sind die anderen?« Isaiab deutete auf einen Nebengang. Seelenruhig sortierten dort die fünf Grabräuber die Wertsachen. »Laßt alles stehen und liegen und kommt mit! Wir müssen durch das Hauptportal hinaus - und zwar schnell!« befahl der Cimmerier. Otsgar schaute ihn skeptisch an. »Hat dich der Wahnsinn wieder gepackt? Der Mob da draußen reißt uns in Stücke.« Dann beugte er sich wieder über einen Sack, aus dem Zafriti gierig funkelnde Schmuckstücke holte. »Ich meine es ernst, Vanir!« Conan schlug mit dem Schwert gegen die Wand, bis alle sechs Männer erschrocken zusammenzuckten. »Ich biete euch die einzige Gelegenheit, lebend aus dieser Falle herauszukommen. Vergeßt die Beute und kommt mit!« Otsgar riß sein Schwert heraus. »Verflucht, Cimmerier! Was ist das für
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ein fauler Trick? Was redest du da von einer Falle? Niemand außer der Königin, die du töten wolltest, hat uns gesehen! Und jetzt willst du, daß wir die Beute zurücklassen? Ich...« Er sprach nicht weiter, da plötzlich im Gang lautes Hämmern ertönte. Steine fielen. Das Schlurfen vieler Füße. »Was in Nifelheim...?« Otsgar hielt eine Lampe hoch. Dann tauchten keine hundert Schritt entfernt die ersten Schemen auf. »Sie kommen! Das sind die Toten, die Horaspes wieder zum Leben erweckt hat!« rief Conan. »Nehmt euch vor ihnen in acht! Schnell, folgt mir!« Er hörte, wie die anderen die Beute fallen ließen und ihm hinterherliefen. Sobald er Afrit erreicht hatte, rief er ihr zu: »Die Nachtwesen sind in den Seitengang eingebrochen. Das sind meine Gefährten. Aber ich fürchte, wir sind zu wenige, um das Portal zu öffnen, wenn es bereits geschlossen ist.« Sie stürmten weiter, vorbei an Schatzkammern, die nur mit Bienenwachs und den Knoten der Priester versiegelt waren. Kurz darauf erreichten sie das Vestibül. Baumaterial und Werkzeug waren entfernt worden. Jetzt war alles zu einem Kriegszug herbeigeschafft worden. Streitwagen standen da. Pferde wieherten in Boxen. Viele Kisten, Fässer und zusammengerollte Zelte. »Eine Schande, daß hier alles mit Magie verseucht ist«, sagte Conan zur Prinzessin, als sie die Rampe hinaufgingen. »Ohne diese Nachtwesen hätten wir hier jahrelang leben können.« Sie hatten noch nicht die Galerie oberhalb der Rampe erreicht, als die ersten Verfolger unten in Sicht kamen: Ausgezehrte, martialische Mumien, mit Schwertern, Äxten und Spitzhacken bewaffnet. Ihre Füße trugen sie ebenso gnadenlos schnell dahin, wie auch Nephren gelaufen war. Die Pferde wieherten laut vor Panik; aber diese schrecklichen Wesen liefen stumm weiter. Conan sah sich auf der Galerie nach einem Hindernis um, womit er ihnen den Weg versperren konnte. Aber die Lampen waren verschwunden. Die Rampe war zu breit, als daß man sie mit so wenigen Männern verteidigen konnte. »Wir müssen weiter!« rief er Isaiab und den anderen zu. Dann lief er mit Afrit zum oberen Tunnel. Ein grauenvoller Schrei erklang von unten. Conan drehte sich um. Einer von Otsgars neuen Männern hatte mit einem halbvollen Sack Beute fliehen wollen. Jetzt hatten ihn die Mumien eingeholt, niedergeschlagen und
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zertrampelt. Sein Tod brachte den Grabräubern jedoch keinen großen Vorsprung. Diese Mumien waren beängstigend schnell. »Betet, daß das Portal noch offen ist!« schrie Conan. »Wenn nicht, müssen wir sie am Ende des Tunnels aufhalten.« Sie kamen an eine Seitentür, die mit einem schweren Metallriegel gesichert war. Conan glaubte, Stimmen zu hören. Er stieß einen Fluch aus und riß die Zauberamulette der Priester ab, die am Riegel hingen. Als seine Gefährten vorbeigelaufen waren, benutzte er den Riegel, um die Tür aufzuhebeln. Drinnen saßen Ebnezubs Elitesoldaten, die Waffen an der Wand aufgestapelt. Alle waren ziemlich berauscht, da die Priester sie unter Drogen gesetzt hatten. Jetzt verbrachten sie die letzten Stunden streitlustig beim Würfelspiel. »He, ihr Hunde!« brüllte der Cimmerier und starrte in die verblüfften Gesichter. »Auf, kämpft gegen die Dämonen der Hölle, die in das Grabmal eingedrungen sind!« Langsam und verwirrt standen einige auf, um zu den Waffen zu greifen. Conan aber rannte weiter, die Nachtwesen ihm dicht auf den Fersen. Als er Schreie und Waffenklirren hörte, wußte er, daß die Verfolger kurz aufgehalten wurden. Er lief weiter, so schnell er konnte, weil er als erster am Portal sein wollte. In wenigen Minuten hatte er die anderen eingeholt. Otsgar und Asrafel halfen Zafriti, die unverständlich langsam lief. Die Prinzessin war auch fast am Ende ihrer Kräfte. Besorgt hielt er sich an ihrer Seite. Vor ihm stürmten Isaiab und der zweite Mann Otsgars vorwärts. Doch dann sah er zu seiner großen Erleichterung helles Tageslicht. Allerdings war es nur ein Lichtstrahl, der durch einen immer enger werdenden Spalt fiel. Conan eilte aus dem Tunnel hinaus. Die schweren Bronzetüren des Portals waren schon halb geschlossen. Das Knarren und Quietschen der Gegengewichte hallte in dem hohen Raum wider. Der trickreiche Mechanismus schloß die Türen in wenigen Minuten, ohne daß eine Menschenhand vonnöten war. Conan sah durch den schmalen senkrechten Spalt zwischen den Türflügeln eine dichtgedrängte, ehrfurchtsvoll staunende Menge. Die Priester Ellaels knieten in der ersten Reihe und warteten auf das Ende der Zeremonie: das Schließen der Pyramide. Der Cimmerier konnte an den verschlossenen Mienen nicht ablesen, ob sie ihn und die anderen Grabräuber entdeckt hatten. Conan hatte keine Ahnung, wie der Schließmechanismus sich im einzelnen vollzog. Jetzt blieb keine Zeit,
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das Rätsel zu lösen. Die Mumien waren dicht hinter ihnen. Isaiab und der andere Mann liefen zum Portal und stemmten sich mit aller Kraft gegen die Türflügel. Aber sie rutschten mit den Sandalen auf dem glatten Steinboden weg. Erbarmungslos wurde der Spalt immer schmaler. Conan sah nirgends Gegenstände, mit denen er die Tür hätte blokkieren können. Noch war der Spalt groß genug, daß ein Mensch sich hindurchzwängen konnte. Isaiab erwog diesen Schritt. Conan sah ihm die Gedanken an: Was ist schlimmer? Die Menschenmenge draußen oder die wandelnden Mumien hinter ihnen? Der Cimmerier stieß ihn grob beiseite, lief jedoch nicht nach draußen, sondern blieb im Spalt stehen und stemmte sich mit ausgebreiteten Armen gegen die beiden Türflügel. Sofort wurde ihm klar, daß die Kraft seiner Schultern und Arme nicht ausreichte, zumal er vom Laufen ziemlich erschöpft war. In Sekundenschnelle stellte er sich seitlich auf. So konnte er sich mit dem Rücken gegen den einen Türflügel stemmen und mit den Beinen und Armen gegen den anderen. Das Erscheinen des Cimmeriers rief in der Menge draußen großes Erstaunen hervor. Aber kein Priester, kein Zuschauer kam näher. Allen war klar, daß die Türflügel den frechen Eindringling wie ein Insekt zerquetschen würden. Aber niemand konnte dem Mechanismus noch Einhalt gebieten. Mit großen Augen sahen sie, wie sich Conans bronzefarbener Körper rot färbte und die Muskeln an Schenkeln und Oberarmen wie dicke Stränge hervortraten. Der Cimmerier bekämpfte den Mechanismus wie einen Todfeind. Allein durch die Willenskraft eines Barbaren wollte er den Sieg erringen. Als erste hörten die Grabräuber drinnen, wie der zeitliche Abstand zwischen dem Einrasten der Zahnräder, welche die Gegengewichte steuerten, immer größer wurde. Und dann trat plötzlich Stille ein. Und immer noch fiel der Lichtstrahl durch den Spalt. Die großen Türen bewegten sich nicht mehr. Aber auch die Schmerzensschreie der Palastwachen im Tunnel wurden schwächer. Die dämonischen Verfolger nahten. Zögernd standen die Grabräuber vor dem Türspalt. »Verflucht, nun geht endlich!« stieß Conan grob zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich werde hier zu Tode gequetscht!« Isaiab wagte es als erster. Er bückte sich und kroch unter den Beinen des Cimmeriers nach draußen. Der zweite Halunke folgte ihm sogleich. Otsgar
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reichte Zafriti eine helfende Hand. Die Tänzerin strich sich noch über Haar und Gewand, um schlecht versteckte Beute zu verbergen, ehe sie anmutig hinter Otsgar herkroch. Asrafel war der nächste. Nun war Prinzessin Afrit an der Reihe. Auch sie hatte das Haar geglättet und trug jetzt stolz das königliche Diadem. »Um Ishtars Liebe willen, beeil dich, Mädchen!« Schweiß stand auf Conans Stirn. Sein Blick schoß zurück, um nachzusehen, ob die Schemen der Verfolger bereits am Tunnelende erschienen. »Wenn diese Türen uns nicht umbringen, dann die verfluchten Mumien!« »Hab Geduld, Conan!« mahnte die Prinzessin und bückte sich. »Vielleicht ist mein Aussehen, wenn ich hier hinauskomme, für unser Überleben ebenso wichtig wie deine Muskeln.« Und schon war sie hinausgeschlüpft. In königlicher Haltung stand sie vor dem Portal, immer noch den militärischen grauen Umhang um die Schultern. Die Menge erkannte sie offenbar. Staunendes Raunen wurde laut. Nur an einer Stelle kam es zum Tumult. Der Cimmerier sprang gleich hinter der Prinzessin aus dem Spalt im Portal. Obwohl ihm die Beine höllisch weh taten, gelang es ihm, elegant zu landen. Nun bemühte er sich, aufrecht zu gehen. Die Zahnräder des Schließmechanismus drehten sich wieder. Er hoffte, daß das Drehen in seinem Kopf nicht ebenso lautstark bemerkbar war. Wie alle anderen blickte er zum Portal. Da erschien ein menschlicher Arm mit einem abgebrochenen Schwert in dem Spalt. Kopf und Körper in grauer Tunika folgten. Es war ein Offizier der Elitegarde auf der Flucht vor den Wesen der Nacht. Vom Tageslicht geblendet, taumelte er vorwärts. Ein zweiter Soldat zwängte sich ins Freie und rang nach Luft. Dann preßte er die Hand auf die stark blutende Schulterwunde. Conans scharfen Augen entging nicht, daß sich hinter dem Spalt im Grabmal etwas bewegte. Doch dann trafen die bronzenen Türflügel aufeinander. Bei diesem Dröhnen bebten die Steine unter den Füßen der Zuschauer, und es hallte von der Stadtmauer wider. Das Geräusch riß die Menge aus dem starren Schweigen. Aber niemand stürzte nach vorn. Nur die ersten Reihen sahen etwas. Die Priester und Adligen aber hatten die dem Grabmal Entflohenen unbehelligt gelassen. Kaum war das Echo verklungen, stimmten die meisten eine traditionelle shemitische Totenklage an. Wie hohe Brandung in eine flache Bucht spülte der Chor über den Platz.
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Die Totenklage war noch nicht zu Ende, da traten die obersten Priester und ihre Wachen zur Prinzessin und ihren Begleitern. Conans Sinne hatten sich von dem Halbdunkel im Grabmals so weit wieder erholt, daß er die Szene aufmerksam beobachten konnte. Die Großartigkeit der hohen Pyramide und die riesige Menschenmenge davor wirkten wie Wunder auf ihn, und er verschwendete keinen Gedanken daran, daß er vielleicht bald schon einen aussichtslosen Kampf um sein Leben führen mußte. Am eindrucksvollsten war das ungewöhnliche Wetter. Der Himmel war keineswegs so hell und strahlend, wie es ihm aus der Tiefe des Grabmals vorgekommen war. Ein Wolkenschleier verhüllte die Sonne, als wollte das Firmament Trauer um den toten König bekunden. Noch nie hatte der Cimmerier einen so düsteren Nachmittag in Shem erlebt. Dennoch kam ihm alles sonderbar bekannt vor. Ein unheimliches Gefühl beschlich ihn, als er hinter die Prinzessin trat. Nach außen hin gab er sich zuversichtlich und tapfer. Jetzt hörte er durch den Schall der Totenklage, wie die alten Priester Afrit zornig mit Fragen überschütteten. Doch die Prinzessin behielt ihre königlich stolze Haltung. »Was ist mit dem göttlichen Willen Eures Vaters?« keifte ein kahlköpfiger Priester, der aussah wie ein Wiesel. »Die königliche Grabkammer mit Hilfe dieses ... Abschaums zu verlassen, ist eine schockierende Verletzung Eurer Pflichten!« »Und ganz zu schweigen vom Verschmähen des Nachlebens!« Das sagte der große Priester, der Afrit und die Königin ins Grabmal begleitet hatte. Neben ihm standen zwei Wachen mit aus Gold getriebenen Zeremonienhellebarden. »Es ist nämlich äußerst fraglich, ob jemand, der einmal ordnungsgemäß bestattet wurde und dann aus der Grabkammer floh, jemals wieder den Status der Unsterblichkeit erringen kann.« »Ich habe euch bereits erklärt, daß jetzt - angesichts der Entweihung des Grabmals meines Vaters - nicht die Zeit ist, um dieses Thema zu diskutieren.« Afrit musterte die Inquisitoren hochmütig. »Unter unseren Füßen laufen Ausgeburten der Hölle umher, gerufen durch einen Zauber, der den frommen Sinn unseres Hierseins verhöhnt!« »Du hast hier gar nichts zu suchen!« ertönte eine schrille weibliche Stimme hinter den Priestern. Königin Nitokar marschierte vor ihren Sänftenträgern einher. Sie hatte vor dem Grabmal unter ihren Lieblingshöflingen gesessen. Doch jetzt hatte sie es nicht mehr auf ihrem Platz ausgehalten. »Deine
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Flucht aus dem heiligen Grabmal beweist deine Treulosigkeit und wie sehr du an den Nichtigkeiten dieser Welt klebst. Darauf steht eindeutig die Todesstrafe.« »Aber was ist nun mit den Ungeheuern, die das Grabmal entweihen?« fragte Conan mit lauter Stimme und schob sich nach vorn. »Wir sind gekommen, um euch vor dieser Gefahr zu warnen, welche allein das Werk dieses stygischen Zauberers Horaspes ist.« Die Priester zuckten erschrocken zusammen; aber die Königin lachte nur zynisch. »Die einzigen Entweiher der heiligen Stätte, die ich hier sehe, seid ihr! In wenigen Minuten werdet ihr die Strafe für dieses Verbrechen erleiden.« Sie zeigte auf die Schar von Wächtern, welche die Menschenmenge zurückdrängte. »Und was das Geschwätz über Ungeheuer betrifft...« »Die Ungeheuer sind da«, erklärte ein Mann hinter Conan. Der Cimmerier drehte sich um. Der Offizier der Palastgarde, der ebenfalls entkommen war, stützte den jungen Burschen mit der Schulterwunde. Beide trugen den gleichen grauen Umhang wie Afrit. Jetzt schlug der junge Mann den Umhang zurück. Die in der Nähe Stehenden sahen, daß dort eine abgeschnittene Hand baumelte. Sie war eingetrocknet, blutlos, grauer noch als der Stoff des Umhangs. Sie war am Handgelenk abgetrennt. Offenbar hatten die Türen des Grabmals sie abgequetscht. Dennoch hielten die Finger den Stoff des Umhangs fest. Der Offizier nahm seinem Untergebenen das Kleidungsstück ab und schüttelte es kräftig. Entsetzt sahen die Umstehenden, wie die Finger auf dem glatten Steinboden umhergriffen. Die Hand sah wie ein großer Käfer aus, der auf dem Rücken lag und verzweifelt mit den Beinen strampelte. »Da, jetzt seht ihr es!« rief Conan. »Die Toten aller Jahrhunderte wurden durch Zauberei wieder geweckt. Aber nicht als strahlende Unsterbliche, sondern als eklige Monster. Sie haben sich sogar Zugang zu König Ebnezubs Grabkammer gegraben.« Conans Gefährten nickten bekräftigend, sagten aber nichts, denn keiner wollte zuviel Aufmerksamkeit auf sich lenken. »Das ist eindeutig ein Fall von Nekromantie!« rief ein Priester. »Aber diese Eindringlinge geben Kanzler Horaspes die Schuld, obwohl sie keinerlei Beweise erbringen können.« »Wo ist denn euer Prophet jetzt?« fragte Conan und trat einen Schritt vor. »Vor einer knappen Stunde habe ich ihn da unten beim Herumkommandieren der Untoten beobachtet.« »Halt deine verräterische Zunge!« Nitokar schrie, um sich bei den Prie-
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stern Gehör zu verschaffen; doch diese standen mit gerunzelter Stirn vor der noch immer zuckenden Hand und diskutierten miteinander. »Horaspes ist der Retter unseres Landes!« schrie die Königin. »Wer ihn verleumdet, muß mir das teuer bezahlen!« »Das Hauptproblem ist doch folgendes«, erklärte der große Priester seinen Kollegen. »Wenn es irgendeine zauberische Invasion im Grabmal gibt, können wir nichts dagegen unternehmen. Gewöhnliche Sterbliche können nicht hinein, da es bis zur Ewigkeit verschlossen ist.« Betroffen und stumm blickten alle zum Portal der Pyramide. Plötzlich hörte man ein Geräusch. Metall klirrte. Dann ein Knarren, als würden ein Mechanismus mit Zahnrädern in Gang gesetzt. Und dann öffneten sich die schweren Bronzetüren langsam und widerstrebend. Die Menge unter dem düsteren Himmel war starr vor Staunen und Entsetzen. Genau wie der Prophet es geschildert hat, dachte Conan. Die erwartungsvolle Stille, der dunkle Himmel, das Ächzen des Portals. Immer noch standen die Bewohner Abaddrahs starr und stumm da. Jetzt waren die Türflügel beinahe ganz geöffnet. Ein Schrei des Entsetzens erhob sich. In Panik wollten alle fliehen, als die ersten Reihen der wiedererweckten Toten zum Angriff übergingen.
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18. KAPITEL DAS IMPERIUM DER NACHT Die Bewohner von Abaddrah verloren fast den Verstand, als sich das Portal öffnete; denn sie sahen darin das Zeichen, daß nun das Ende der Welt gekommen war. Das gefürchtete Wort Jazarat fegte wie das Rauschen eines Heuschreckenschwarms durch die Menge. Der verdunkelte Himmel und der Trauerschmuck verstärkten die allgemeine Angst. Es waren fromme Menschen, die sich in der langen und reichen Geschichte ihres Landes gut auskannten. Nun wurde das alles durch die Gestalten, die das Portal ausspuckte, zunichte gemacht oder verhöhnt. Gesichter, traditionelle Gewänder aus uralter Vergangenheit, welche die Einwohner ehrten und liebten, kamen ihnen nun in Gestalt halbverwester, gnadenloser Untoter entgegen. Könige und Helden, Großväter und Enkel - alle waren Teil dieses schauerlichen Heers. Mit rostigem Stahl hieben verehrte Ahnen ihre Nachkommen nieder. Das Heer der Untoten rückte mit unglaublicher Schnelligkeit vor. Schreiend und hilflos versuchte die Menge sich in Sicherheit zu bringen. Prinzessin Afrit und die Grabräuber entgingen dem ersten Ansturm der nächtlichen Wesen, da Conan die Gefährten schnell beiseite gezogen hatte, als die Menge noch das Portal anstarrte. Skelettkrieger trieben die Pferde vor den Streitwagen mit langen Peitschen an. Sie fuhren Priester und Palastwachen unterschiedslos nieder; aber sie ließen die Flüchtlinge ungeschoren. Der Stoßtrupp zu Fuß kämpfte sich sogleich zu Nitokar vor. Dann bildeten die scheußlichen Gestalten mit ihren seltsamen Rüstungen und antiken Waffen einen Schutzwall um die Königin. Schnellen Schritts marschierten sie in dieser Formation zum Stadttor weiter. Jeder, der sich ihnen in den Weg stellte, wurde sofort getötet. Der Cimmerier sah jedoch einen möglichen Fluchtweg, als die Menge in Panik hin- und herwogte. Die Streitwagen schlugen eine Schneise in die Menschen, als sie mit den Sicheln an den Rädern blindlings drauflos fuhren. Nur wenige der Trauergäste waren bewaffnet. Fast alle schienen bei dem grausigen Anblick den Verstand zu verlieren. Mehr Bewohner Abaddrahs wurden von Landsleuten totgetrampelt als von den Waffen der Untoten getötet. Selbst die bewaffneten Priester und Palastwächter waren vor Angst nicht einsatzfähig. Conans Meinung nach war es leichter, sich beim Eingang zum
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Grabmal zu verteidigen als auf dem großen Platz. Daher lief er zu der Terrasse. Doch nur Isaiab, Asrafel und ein paar Wächter folgten ihm. Die anderen flohen kopflos. Zur Deckung der Flanken reichten die Männer aus, befand der Cimmerier. Er hob das Schwert und probierte es an dem Schild eines Untoten aus grauer Vorzeit aus, der in den Reihen des Leichenpöbels mitmarschierte. Der mit Grünspan bedeckte Schild zerbrach sofort; aber der Arm des Untoten sank nicht nieder, wie es bei einem lebendigen Menschen geschehen wäre. Offenbar völlig schmerzunempfindlich, suchte er Conans Klinge von der Seite her zu greifen. Gleichzeitig zielte eine Knochenhand mit der Streitaxt auf das Gesicht des Cimmeriers. Conan rettete mit einem Satz sein Schwert und seinen Kopf. Dann holte er aus und traf den Kopf mit dem geschlossenen Visier direkt am Schulteransatz. Der Helm flog in hohem Bogen davon. Innen klapperte der Knochenschädel. Aber die kopflose Mumie kämpfte erbittert weiter, nun jedoch gegen die eigenen Kameraden. Gut so, dachte Conan. Sollen sie sich gegenseitig in Stücke hacken. Kurz vor ihm hatte ein Priester mit dem Speer eine in Lumpen gekleidete stygische Mumie mit braunem Ledergesicht aufgespießt. Doch das Ungeheuer marschierte einfach weiter. Die unblutige Speerspitze ragte ihm zwischen den Schulterblättern im Rücken heraus. Ehe der entsetzte Priester reagieren konnte, hatte ihm die Mumie bereits mit dem Dolch die Kehle durchgeschnitten. Fluchend spaltete Conan dem Ungeheuer mit einem gewaltigen Schlag den Schädel, ehe er mit seinen Männern die Flucht ergriff. Beim letzten Blick auf das Grabmal entdeckte er die weißgekleidete Gestalt von Horaspes, wie dieser seinen stürmenden Kriegern Anweisungen erteilte. Nach einiger Mühe trafen sich alle Grabräuber wieder außer Reichweite der Streitwagen. »Croms Hunde!« fluchte der Cimmerier. »Habt ihr je solche Gegner erlebt? Sie zu töten ist schwerere Arbeit als einen Eichenwald zu fällen.« »Warum sollten wir gegen sie kämpfen?« fragte Otsgar, der schützend einen Arm um Zafriti gelegt hatte. »Wir haben zwar in diesem Chaos unsere Schätze verloren; aber wir haben unsere Haut gerettet. Wir sollten so schnell wie möglich fliehen.« Conan musterte ihn voller Verachtung. »Was? Und zulassen, daß diese wandelnden Leichen die Menschen morden? Übrigens, wohin würdest du fliehen? Nach Norden?«
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»Das wäre für dich die richtige Route, Conan. Was mich betrifft...« Otsgar zuckte mit den Achseln. »Abaddrah hat schon öfter einen Regierungswechsel erlebt. Meine Karawanserei und ich haben alle überstanden. Das hier ist Sache der Bürger, in die sich ein kluger Geschäftsmann niemals einmischt.« Conan starrte ihn fassungslos an. »Du hast vor, zu bleiben und deine Geschäfte weiterzuführen, obwohl Horaspes Herrscher wird?« Otsgar winkte ab. »Wie auch immer die Herrschaft des Propheten aussehen wird, wird es auch in seinem Reich Handel, Zölle, Gesandtschaften und so weiter geben. Das kannst du mir glauben. Und ich finde immer ein gemütliches Plätzchen. Im Gegensatz zu dir, Cimmerier, lebe ich im Frieden besser als im Krieg.« Conan trat näher. »Du bist ein Narr! Der Zauberer wird jeden lebendigen Menschen und jedes Her abschlachten. Er plant, tagsüber jede Tätigkeit zu verbieten und ein Imperium der Nacht zu errichten.« Otsgar verzog das Gesicht und lächelte. »Na und? Ich mache nachts meine besten Geschäfte! Abgesehen von deinem wahnwitzigen Plan, die Pyramide auszurauben. Damit hast du mich fast ruiniert. Geh jetzt, solange du kannst, und überlaß uns wieder unseren Geschäften.« »VOLK VON ABADRRAH!« Wie eine Antwort auf das Gespräch zwischen den beiden Männern ertönte eine laute Stimme aus der Richtung des Grabmals. Voll Bangen blickten alle dorthin. Horaspes stand auf einer Plattform, welche seine Krieger der Nacht trugen. »UNTERTANEN, HÖRT MIR ZU!« Da der Prophet von der überdachten Terrasse vor der Pyramide sprach, hallte seine Stimme weit über den Platz. Aber Conan war überzeugt, daß keine menschliche Lunge eine so laute Stimme hervorbringen konnte. Horaspes bediente sich wieder eines seiner Zaubermittel. Die Lautstärke ließ die Stimme unmenschlich klingen, als spräche ein riesiges wildes Tier die Worte. »IHR HABT NICHTS ZU BEFÜRCHTEN! IM AUFTRAG EURER KÖNIGIN HABE ICH JETZT DEN OBERBEFEHL!« Er zeigte auf Nitokar, welche der Menge von einem - allerdings etwas niedrigerem - Podest neben dem seinen zuwinkte. »WENN IHR MIR GEHORCHT, WIRD EUCH NICHTS GESCHEHEN. WR ABER WIDERSTAND LEISTET, WIRD GETÖTET!« Er machte eine Pause und stellte Ihrer Königlichen Hoheit eine Frage. Dann legte er die Hände wieder vor den
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Mund und erklärte: »KÖNIGIN NIKOTAR WIRD SICH JETZT ZUM PALAST BEGEBEN, UM DEN THRON ZU BESTEIGEN. MCHT PLATZ BEI DEN STADTTOREN!« Dann stieg Horaspes von der Plattform herab. Seine Rede hatte die Bevölkerung in noch größere Panik versetzt. In dem Gedränge wurden die Grabräuber getrennt. Viele konnten den Platz nicht verlassen, da sie in Scharen von den Mumienkriegern umhergetrieben wurden. Der Cimmerier war allein inmitten einem Meer brauner, schreiender, schiebender Leiber. Zum Glück ging er wegen seiner Größe und Kraft nicht in der Menge unter, sondern bahnte sich einen Weg zu der Gruppe von Palastwachen, welche auf einem Hügel in der Nähe des Stadttors Posten bezogen hatten. Prinzessin Afrit beriet sich dort mit Offizieren und Priestern. Dann entdeckte er dort auch den Sohn Nitokars. Wie immer machte Eblis ein mürrisches Gesicht. Jetzt sah Conan, daß jeder Offizier und Priester sich tief vor der Prinzessin verneigten, ehe er fortging, um Befehle zu erteilen. Als der Cimmerier endlich die Phalanx aufgepflanzter Speere erreichte, fiel seine hohe Gestalt Afrit sogleich auf. Sie klatschte in die Hände und befahl, ihn zu ihr zu lassen. Er war erstaunt, wie sehr sie angesichts der neuen Bedrohung Haltung bewahrte. Die Prinzessin begrüßte ihn erfreut und reichte ihm beide Hände. »O Conan, jetzt ist Horaspes endlich zu weit gegangen! Die Priester und Offiziere haben mir geschworen, sich ihm und Nitokar zu widersetzen und mich als legitime Thronerbin zu unterstützen.« »Wunderbar, Mädchen!« Conan wollte herzlich den Arm um sie legen, unterließ es aber, als er die mißbilligenden Blicke ihrer neuen Leibwächter sah. »Aber sei auf alle Fälle vorsichtig! Bei Hof wechselt man schnell die Seiten.« Dann sah er aus dem Augenwinkel, wie der blasse Eblis zu ihnen herüberstarrte. »Und was macht der Junge hier? Das ist doch Nitokars mieser Wurf, oder?« »Ja, und mein Halbbruder. Er wurde auf der Flucht von der Königin getrennt. Der Adel will ihn als Geisel gegen sie benutzen.« Conan senkte die Stimme. »Hüte dich vor ihm, ganz gleich, ob er Flüchtling, Geisel oder Spion ist. Wahrscheinlich hat er trotz seiner Jugend bereits so manchen üblen Trick von seiner Mutter gelernt. Und sei nicht zu zuversichtlich. In offenem Kampf sind diese Mumienkrieger der Nacht nur schwer zu besiegen, vor allem mit der Zauberkunst von Horaspes in der Hinterhand.« Afrit nickte und schaute besorgt drein. »Unsere größte Hoffnung ist die Stadtmauer. Loyale Truppen sind auf dem Weg dorthin, um sie zu
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besetzen. Aber wir brauchen auch die Hilfe der Bevölkerung.« Sie ergriff wieder die Hand des Cimmeriers. »Könntest du uns nicht helfen, indem du deine Freunde auf unsere Seite ziehst und unter den einfachen Leute um Unterstützung wirbst? Das wäre wirklich eine große Hilfe. Du hast mein Leben schon einmal gerettet! Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken kann.« Sie errötete und senkte die Augen. »Ich tue, was ich kann.« Conan drückte ihr bekräftigend die Hand, ehe er sie losließ. »Crom weiß, daß ich auf deiner Seite stehe. Horaspes ist ein zu gefährlicher Feind, als daß man vor ihm fliehen sollte. Ich kann dir aber nicht versprechen, ob meine sogenannten Freunde mitmachen.« Sie verabschiedeten sich. Dann ging Afrit unter dem Schutz ihrer Leibgarde zur Stadtmauer, um mit ihren Untertanen zu sprechen. Das war auch keine Minute zu früh; denn Horaspes‘ Untote sammelten sich neu und griffen erbittert an. Auf dem Platz herrschte absolutes Chaos. Zehntausende von Menschen hatten sich hier versammelt, und nur wenige waren entkommen, viele aber tot. Afrits Garde widersetzte sich dem Befehl des Propheten und schloß soeben das westliche Stadttor. Die Holzbrücken über die Kanäle waren unter der Last der Fliehenden bald zusammengebrochen. Trotz Horaspes‘ beruhigender Worte gingen seine Streitwagen und Fußtruppen noch brutaler gegen die Menschen auf dem Platz vor. Mit steinernen Mienen - sofern sie Mumien und keine Skelette oder scheußlich verwest waren - töteten sie alles, was ihnen in den Weg kam. Die Getöteten schleppten sie ins Grabmal. Man flüsterte sich zu, daß sie dort wie Mumien ausgenommen und dann wiederbelebt würden, um für den Propheten weiterzukämpfen. Die verängstigten Männer, Frauen und Kinder konnten nur auf die Deiche zwischen den Kanälen fliehen oder sich an die Stadtmauer pressen, oder versuchen, die hohe Steinmauer um die Totenstadt zu erklimmen. Einige hatten vor Angst den Verstand verloren und irrten ziellos umher, da sie sicher waren, der Tag des Jüngsten Gerichts sei angebrochen. Alle waren hungrig, da die Wagen mit den Speisen für die Teilnehmer an der Bestattung beim ersten Ansturm umgeworfen wurden und alles Eßbare in Panik zertrampelt wurde. Die Abenddämmerung nahte. Der wolkenverhangene Himmel wirkte noch bedrohlicher. Es war wie eine alptraumhafte Wiederholung von Horaspes‘ schlimmsten Prophezeiungen. Conan schloß sich einigen Shemiten an, die er vom Bau an der Pyramide kannte. Diese Männer hatten sich aus Angst und Verzweiflung zu einem
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Rudel zusammengeschlossen. Auf den Rat des Cimmeriers hin stahlen sie sich Werkzeug aus einem Wagen, um nicht ganz ohne Waffen dazustehen. Dann führte er sie gegen einen Streitwagen. Es war ein stabiles Gefährt, gebaut, um eine Ewigkeit zu überdauern. Heute war er zum ersten Mal gefahren worden. Jetzt allerdings waren die vier edlen Rosse davor schaumbedeckt und halbtot vor Erschöpfung. Als er nahe an der Gruppe vorbeifuhr, rammte ein Arbeiter ein Stemmeisen zwischen die Speichen. Dann sprangen die Männer hinauf und kämpften mit dem stygischen Lenker und dem zweiten Mann, welcher einen Hundekopf trug. Mit Schaufeln und Äxten hackten sie die beiden in Stücke. Die Menge bei den Kanälen jubelte. Doch schon näherte sich eine Abteilung Untoter aus dem Grabmal. Conan überredete die Kameraden, auszuhalten und zu kämpfen. Diese Mumien waren aber grauenvoll anzusehen. Uralt, schlecht konserviert, stark verwest. Am schlimmsten waren die verschiedenen Tierteile, welche man ihnen angenäht hatte. Krönung des Entsetzens war jedoch, als der Mann neben Conan plötzlich aufschrie, weil er seinen jüngeren Bruder weiter hinten erkannt hatte. Dieser trug noch das Festgewand, da er einer der Elitesoldaten gewesen war. Die anderen Shemiten verloren den Mut, als zwei in ihrer Mitte von den Klauen und rostigen Schwertern niedergemäht wurden. Da befahl Conan den Rückzug. Zum Glück waren die alten Mumien nicht so schnell wie die lebenden Männer. Daher erreichten sie die andere Seite des Platzes, Trotz der Niederlage hatte Conan mit diesen Shemiten allen vor der Stadtmauer ein Beispiel gegeben. Viele waren auch von den flammenden Worten Prinzessin Afrits so begeistert, daß sie zum Widerstand gegen die Armee des Propheten aufriefen. Andere verkündeten ihre absolute Treue Königin Nitokar gegenüber. Aber selbst die Streitigkeiten zwischen den beiden Gruppen erschwerten es Horaspes, sein Ziel rasch zu erreichen. Offenbar wollte der Prophet als nächstes das westliche Tor einnehmen. Seine Truppen bildeten einen dichten Kordon vom Grabmal bis knapp vor die Stadtmauer und trennten so den Platz in zwei Hälften. Conan vergaß nie, daß sein Feind jederzeit Magie einsetzen konnte und daß die Kämpfer der Nacht in der Dunkelheit im Vorteil waren. Er überließ die Shemiten neu ernannten Führern und schlich davon, weil er hoffte, den Angriffsplan der Untoten ausspionieren zu können. Dabei stieß er wieder auf Otsgar, Isaiab und Zafriti.
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Wie vielen anderen war es ihnen nicht gelungen, den Platz zu verlassen. Isaiab erklärte sich sofort bereit, den Cimmerier zu begleiten. Auch Otsgar war nicht mehr so überheblich wie zuvor. »Du glaubst also, daß Horaspes‘ Herrschaft den Tod für die Stadt bedeutet?« fragte er nachdenklich. Conan nickte nur grimmig. »Wenn ihm die toten Anhänger so hervorragend dienen, wäre er doch dumm, wenn er sich die Unbequemlichkeit lebendiger Sklaven aufbürdete.« Zafriti klammerte sich an Otsgar und betrachtete mit entsetzter Miene das grauenvolle Geschehen ringsum. »Das ist schrecklich! Es erinnert mich an meine Heimat Stygien; aber das ist noch viel schlimmer!« »Ja, schlimme Sache«, meinte Otsgar. »Vielleicht ist es doch schlecht für die Geschäfte, wenn Horaspes den Thron besteigt.« Conan schaute ihn an. »Dann hilf mir, ihn zu bekämpfen. Die Prinzessin hat uns ihre Freundschaft versprochen. Das ist eine Gelegenheit, dich bei der neuen Regierung lieb Kind zu machen.« »Ja, vielleicht ist es wirklich an der Zeit, die Seiten zu wechseln.« Conan schlug Otsgar auf die Schulter und lächelte. »Also gut! Und was ist mit Asrafel? Ist er tot?« Zafriti schüttelte den Kopf. »Er ist vorhin ganz begeistert weggelaufen und hat gemeint, er habe einen wilden Plan, wie man Horaspes‘ Armee vernichten könne.« »Der Bursche ist ein Hitzkopf! Ich hielte ihn für harmlos, hätte ich nicht gesehen, wie er mit König Ebnezub abgerechnet hat«, meinte Conan. »Aber um diesen Tag zu retten, braucht man mehr als sein hitziges Temperament.« Ein junger Shemite lief herbei. »Conan, mein Onkel Ezrah läßt dir ausrichten, daß Horaspes jetzt selbst losmarschiert ist. Er kommt zu Fuß hierher; aber er ist von einer großen Gruppe Mumien umgeben«, stieß der Junge aufgeregt hervor. Der Cimmerier nickte nachdenklich. »Er will das Stadttor öffnen, aber er kann seine Zauberkräfte anscheinend nur auf geringe Entfernung einsetzen. Eigentlich hatte ich erwartet, daß er erst nachts angreift, weil seine Truppen da im Vorteil wären. Aber so ist es besser für uns.« Er wandte sich an Otsgar und Isaiab. »Ich kann ihn mit ein paar hundert brüllenden Shemiten von der Flanke her angreifen; aber wir brauchen einen starken Stoßtrupp, um uns den Weg dorthin zu erkämpfen. Ich hätte euch beide gern an meiner Seite.«
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Otsgar dachte kurz nach. Dann blickte er den Cimmerier an. »Ich komme mit. In Ordnung. Mitra weiß, daß wir beide mit einem fetten Zauberer fertig werden. Aber es wäre mir lieb, wenn Isaiab bei Zafriti bliebe, um sie zu beschützen. Niemand weiß, was die Nacht noch bringen wird, nachdem die Hölle über die Erde hereingebrochen ist.« Conan warf Isaiab und der Tänzerin einen fragenden Blick zu. Keiner widersprach. Da ergriff er Otsgars Hand. »Wir beide also! Tod dem Horaspes! Und einen zweiten, länger anhaltenden Tod allen, welche ihm dienen!«
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19. KAPITEL LANG LEBE DER TOTE KÖNIG! Als das Gerücht über einen Kampf laut wurde, sammelten sich die rauflustigsten Shemiten scharenweise in der Nähe des Stadttors. Conan lief umher, bestimmte Anführer, sprach das Signal zum Angriff ab und gab sich größte Mühe, jedem Kämpfer mit einem feurigen Blick das zu vermitteln, was ihm an lebenslanger militärischer Ausbildung fehlte. Er mußte aus der Not eine Tugend machen und konnte nur hoffen, daß die überwiegende Zahl der Götter auf ihrer Seite war. Otsgar erteilte ebenfalls jungen Männern und Frauen gute Ratschläge. Von den beiden Männern aus dem Norden war er der bekanntere. Als die Shemiten ihn sahen, schwenkten sie ihre gestohlenen Schwerter oder Äxte und lächelten tapfer. Doch schon bald schob sich die Abteilung der Krieger der Nacht heran, in welcher sich angeblich Horaspes befinden sollte. Conan gebot Schweigen. Dann stieg er in der Mitte seiner Leute auf einen umgeworfenen Wagen, um die Lage zu erforschen. Der Kordon der Feinde erstreckte sich vierhundert Schritt vom Grabmal bis zum Tor. Zu beiden Seiten gab es eine breite Schneise, die kein Lebender zu betreten wagte. Innerhalb einer dreifachen Wache von je zehn schwerbewaffneten Untoten schritt Horaspes, immer noch im weißen Gewand. Von Königin Nitokar war nichts zu sehen. Ein Informant teilte Conan mit, daß sie den Befehl beim Grabmal übernommen habe, welches sich bedrohlich gegen den düsteren Himmel abzeichnete. Auf der Stadtmauer gegenüber lagen Fackeln für die Nacht bereit. Die Verteidiger standen am dichtesten über dem geschlossenen Tor. Der Cimmerier sah in der Ferne den Turm, wo Afrit und andere hochrangige Personen standen, um den Kampf zu beobachten. Die untoten Feinde waren erstaunlich unbesorgt bis in Speerwurfweite vors Tor marschiert. Offensichtlich hatten sie keine Angst mehr vor den Sterblichen, nachdem sie bereits einmal den Tod erlitten hatten. Die Situation machte dem Cimmerier Sorge. Wenn Horaspes so nahe zum Tor vorrückte, konnte er es mit Sicherheit durch einen Zauber oder eine politische Finte öffnen. Wenn das geschah, würde es wieder zu einem furchtbaren Gemetzel der Verteidiger und letztlich zum Fall der Stadt kommen. Nur ein schneller Überraschungsangriff konnte helfen. Und
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genau diesen wollte er in den nächsten Minuten beginnen. Immer noch drängten sich die Menschenmassen auf dem Platz. Weinend und laut wehklagend erwarteten die armen Bauern die Nacht und den Ausgang der Belagerung. Auf den Deichen bei den Kanälen wurden irgendwelche Arbeiten verrichtet. Menschen trugen Werkzeug oder Waffen hinauf. Einige gaben mit den Armen Befehle. Vielleicht wollten sie eine Hängebrücke mit Seilen oder eine behelfsmäßige Fähre bauen. Was auch immer - jetzt galt ihnen nicht Conans Hauptinteresse. Horaspes befand sich mit seiner Garde beinahe gegenüber. Die Shemiten blickten ihn erwartungsvoll an und warteten auf das vereinbarte Zeichen zum Angriff. Viele Augen funkelten wild. Er wußte, daß sie bereit waren, ihr Bestes zu geben. Otsgars Miene war etwas skeptischer. Aber er konnte sich nicht mehr aus dem Staub machen. Der Cimmerier legte die Hand an den Schwertgriff. Da blieb Horaspes kurz vor der Stelle stehen, die Conan für die Attacke ausgesucht hatte. Die Garde formte einen Kreis und hob einen runden, ebenen Schild hoch. Diesen bestieg der Prophet. Die Untoten hoben ihn bis auf Schulterhöhe. Er verbeugte sich leicht vor dem Stadttor, und dann erschallte wieder die Stentorstimme. Diesmal aber so laut, daß Conan fast die Trommelfelle platzten. »VOLK VON ABADDRAH! EURE BEFREIUNG STEHT UNMITTELBAR BEVOR!« Menschen in der Nähe schrien vor Angst auf. Auf der Stadtmauer herrschte bestürztes Schweigen. Conans Leute blickten vom stygischen Propheten zu ihrem cimmerischen Anführer und wieder zurück. Nervös warteten sie auf das Signal. »SHEMITEN, ZWEIFELT NIE DARAN, DASS ELLAEL EUCH GÜNSTIG GESONNEN IST! HEUTE IST EIN GLORREICHER TAG! ICH GEBE EUCH DAS ZURÜCK, WAS EUCH HERGEFÜHRT HAT UND WAS IHR ÜBER ALLES LIEBT.« Horaspes wies mit ausladender Geste auf das Grabmal. »ABADDRAHNER, ICH GEBE EUCH EUREN KÖNIG ZURÜCK!« Bei den letzten Worten entstand Unruhe vor dem großen grauen Mausoleum. In der Tat formierten sich neue Truppen. In ihrer Mitte war auf einer Plattform oder Sänfte etwas Großes, Helles zu erkennen. Jetzt bewegte es sich träge. Trotz der Dämmerung bestand kein Zweifel, was es war. »BÜRGER, SEINE KÖNIGLICHE HOHEIT EBNEZUB KEHRT
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ZURÜCK! ÖFFNET DAS STADTTOR, UM IHN WILLKOMMEN ZU HEISSEN!« Die Menschen reagierten heftig, aber verwirrt. Einige schrien laut auf. Einige Wachen wollten das Tor bereits öffnen, während ihnen andere den Weg versperrten. Hoffnung und Entsetzen vermischten sich bei der Menge auf dem Platz. Wieder trompetete der Prophet: »BILDET EIN SPALIER, UM EUREN KÖNIG ZU EHREN! SCHICKT SEINE KINDER VOR, DAMIT SIE IHN BEGRÜSSEN!« Conan lief es bei diesen Worten eiskalt über den Rücken. Der Prophet wollte Geiseln, darunter Afrit. Er wußte nicht, wie die Shemiten auf die Forderungen Horaspes‘ und die Wiedergeburt ihres Königs reagieren würden. Er jedenfalls wagte keine Sekunde länger zu warten. Er riß das Schwert heraus und schwang es hoch über dem Kopf. »Vorwärts, Hunde, für Shem! Tod dem Zauberer!« Sein Schrei klang etwas kläglich und schwach nach der Donnerstimme des Propheten. Doch dann nahmen über hundert Kehlen den Ruf auf. Conans Shemiten warfen ihre Zweifel ab und liefen über den Platz. Dann stürzten sie sich mit Geschrei auf die Untoten. Von Anfang an war es ein erbitterter Kampf, da den Mumien der Gedanke an Rückzug fremd war. Sie hackten und schlugen stur weiter, wo sie standen. Die Shemiten wüteten auch nicht schlecht, und schon bald war die strenge Aufstellung der Krieger des Propheten gelichtet, da sie sich nicht wieder formierten, wenn ein Nachbar gefallen war. Einige wurden buchstäblich in der Luft zerrissen. Gliedmaßen flogen umher. Die angestaute Wut und der Abscheu vor den Mumien entluden sich. Auch von den Menschen auf dem Platz warfen sich viele ins Getümmel, als der Sieg den Shemiten zuzufallen schien. Aber das war nur die erste Schlachtreihe gewesen. Dahinter kamen die frischeren und besser bewaffneten Untoten, welche den Propheten umringten. Diese waren meist verstorbene Aristokraten oder Offiziere aus jüngerer Zeit. Man hatte sie in kostbaren goldenen Rüstungen oder hochwertigen Brustharnischen bestattet. Sie unterschieden sich von den Lebenden nur durch die bleiche Gesichtsfarbe. Da man bei ihrer Einbalsamierung nicht gespart hatte, waren einige fast makellos. Außerdem kämpften hier auch viele aus der Elitegarde mit, welche man heute erst ins Grabmal gebracht hatte. Sie führten die Klingen gegen die Sterblichen mit großem Können.
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Gegen diese Krieger warfen sich Conan und Otsgar selbst in den Kampf. Gegen die beiden Hünen aus dem Norden hatte keiner eine Aussicht auf Sieg. Als erster mußte ein kräftiger, schnauzbärtiger Adliger aus einem früheren Jahrhundert daran glauben. Otsgars Schlag zertrennte den goldenen, rubinenbesetzten Stirnreif und spaltete auch den Schädel bis zur Mitte. Gleichzeitig durchbohrte ihn das Schwert des Cimmeriers. Sand rieselte aus der Wunde, als der Aristokrat zusammenbrach. Offenbar hatte Conan ihm auch das Rückgrat gebrochen. Als nächster stellte sich ein junger Offizier der Gräberpolizei den beiden. Wahrscheinlich gehörte er zu den Offizieren, welche sich übereifrig ertränkt hatten, um ihren König in die Nachwelt zu begleiten. An seinem Krummschwert klebte schon viel Menschenblut. Otsgar und Conan trafen gleichzeitig die Klinge, so daß diese entzwei brach. Die darauffolgenden Schläge trennten die Arme vom Körper, weil diese mit dem Schwertgriff weiterkämpfen wollten. Mit offenem Mund taumelte der Untote weiter. »UNTERTANEN, EUER KÖNIG NAHT!« Horaspes kümmerte sich nicht um das Getümmel zu seinen Füßen. »ÖFFNET SOFORT DIE TORE!« Conan hielt es für unwahrscheinlich, daß die Adligen die Tore öffnen würden; aber dennoch war Eile geboten. Er halbierte eine hagere Priestermumie; Otsgar tötete einen kräftigen Grabwächter. Jetzt hatten die beiden die Reihen durchbrochen und standen mitten unter den Kriegern der Nacht. Wütend teilten sie Schwerthiebe nach rechts und links aus. Plötzlich merkte Conan, daß er bis über die Knöchel im Wasser stand. Überall schwappte die Flut und schwemmte die Teile der Mumien viel schneller fort als die frischen menschlichen Leichen. Ein Jubelschrei erhob sich: »Sie haben die Deiche durchstochen! Vater Styx kommt, um uns zu retten!« Conan wagte einen schnellen Blick hinüber zu den Kanälen. Viele Menschen arbeiteten wie besessen und schwangen begeistert die Schaufeln. Die Flußkinder kämpften gegen die Nachtgeschöpfe mit Waffen, die sie zu benutzen wußten! Ein kühner Plan! Der Cimmerier wünschte sich, daß er ihm eingefallen wäre - allerdings konnten am Ende noch alle ertrinken. Ihm war nicht wohl, als ihm das Wasser rasch bis fast an die Knie reichte. »Die Bauern öffnen die Kanäle!« schrie er Otsgar ins Ohr, als dieser gerade den noch wild um sich
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schlagenden Arm einer Mumie zerteilte. »Der Fluß wird den Gräberbezirk überfluten und die Reserven der Untoten vernichten!« »Bei Mitra! Das war Asrafels wahnwitzige Idee.« Der Vanir blickte ihn überrascht an. »Offensichtlich hat der Bursche weitere Narren gefunden, die ihm dabei halfen.« Conan grinste. Für ihn war es einleuchtend, daß Asrafel der Urheber war. Schließlich stammte er von einem Bauernhof, und sein Vater war von Ebnezubs Leuten ertränkt worden. »Jetzt nehmen wir uns Horaspes vor«, sagte er zu Otsgar. »Halt Abstand und sei vorsichtig. Er kann Wurfgeschosse in der Luft schmelzen lassen, und seine Berührung ist tödlich.« In der Dämmerung erkannte man die Kämpfer nur schlecht. Aber es gab eigentlich nur noch eine echte Gefahr. Das waren Horaspes und der engste Kreis um ihn, alles gekrönte Häupter in reich geschmückten Gewändern und Rüstungen. Zwei der früheren Herrscher Abaddrahs stützten den Propheten, während die anderen unermüdlich mit den Schwertern auf die wilden Shemiten einhieben. Jetzt hatte auch der Prophet die Gefahr der Flut und den möglichen Sieg der Shemiten erkannt. In einer harten Sprache erteilte er den Kämpfern der Nacht Befehle und blickte besorgt zum Grabmal. Von dort näherten sich die Untoten um König Ebnezubs Sänfte. Jetzt war der richtige Zeitpunkt. Mit einem schrecklichen Kampfschrei stürzte sich der Cimmerier auf Horaspes‘ Leibwächter. Mit seiner Klinge parierte er den Schlag des Breitschwerts eines toten Königs, trat diesen aber gleichzeitig vor die Brust. Er war nicht sicher, ob er der weißhaarigen Mumie das Genick gebrochen hatte; denn der Untote hielt den Kopf nur leicht schief, als er zurücktaumelte. Danach hatte der Cimmerier Gelegenheit, den nächsten Mumienkönig, der ihn von der Seite bedrohte, die Hand mit dem Kriegsbeil abzuschlagen. Dann fuhr er herum und schlitzte dem ersten den Bauch auf, ehe dieser sein mächtiges Schwert noch einmal gebrauchen konnte. Er versetzte ihm noch einen Tritt, so daß er im Wasser landete und davontrieb. Otsgar hatte auf der anderen Seite des Propheten ebensoviel Glück mit seinen Gegnern. Das Schwert des Vanir wirbelte durch die Luft. Doch dann ließen alle die Waffen sinken und schauten zur Stadtmauer hinüber. Das Klirren der schweren Ketten zeigte an, daß das Tor von Abaddrah geöffnet wurde.
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Kaum war die Zugbrücke herabgelassen, schritt eine Fackelprozession darüber. Conan sah die Krone Afrits inmitten von bewaffneten Wachen und Höflingen. Die rebellische Tochter mußte ihre königlichen Eltern begrüßen, ob sie es wollte oder nicht. Horaspes hatte damit beinahe gewonnen. Diese Narren am Hof hatten weniger Angst vor den schrecklichen Ungeheuern als vor dem Zorn ihres toten Monarchen. Die Flut hatte sie auch nicht abgeschreckt, da die Stadt auf einer Anhöhe lag und das Wasser das Tor noch nicht erreicht hatte. Conan packte ungeheure Wut. Die Verstärkung der Untoten für den Propheten nahte, und die Stadt hieß ihre eigene Vernichtung willkommen! Wie ein Berserker teilte er nach rechts und links Schläge aus. Dem letzten königlichen Leibwächter schlug er mit einem Hieb beide Beine ab. Die Mumie fiel auf einen der Schildträger, welcher daraufhin ausrutschte. Der Schild neigte sich, und Horaspes mußte herabspringen, direkt zwischen die Männer, die ihn töten wollten. Der Cimmerier stieß einen Freudenschrei aus und holte aus. Im selben Augenblick schwang auch Otsgar sein Schwert, um dem Propheten den Kopf zu spalten. Der Stygier reagierte blitzschnell und überraschend. Als die Waffen auf ihn zusausten, fing er ohne Bedenken mit bloßer Hand je eine Klinge in der Luft. Die Kraft in den Händen verblüffte die Angreifer. Sobald Horaspes‘ Hand Conans Schwert berührte, fühlte dieser, wie der Griff heiß wurde. Eine geheimnisvolle Energie brachte das Metall zum Glühen. Mit jeder Sekunde wurde die Waffe heißer. War es Einbildung oder sah er die Schwertspitze bereits rötlich aufleuchten? War es die Energie, die das Metall ursprünglich ins Gestein der Erde hineingeschmolzen hatte? Wie gebannt starrte er auf das Schwert, obwohl die Schmerzen im Arm schrecklich waren. Er roch, wie sich der glühende Griff in seine Hand brannte. Einzig seine barbarische Sturheit brachte ihn dazu, das Schwert nicht loszulassen, sondern ins Wasser zu drücken, das ihm bereits bis an die Hüften reichte. Das kühle Wasser linderte die Schmerzen in der Hand, aber nur für einen Augenblick; denn das Metall glühte weiter und brachte das Wasser zum Sieden. Blasen stiegen auf und verbrühten ihm die Hand. Otsgar hatte inzwischen sein Schwert losgelassen, weil er die Hitze nicht ertragen konnte. Auch Horaspes ließ sofort los. Wo die Waffe zwischen den beiden ins Wasser gefallen war, stiegen dicke Dampfwolken auf, so
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daß Conan den Vanir nicht mehr sah. Die Dampfwolken lösten sich aber nicht wie in einer Schmiede auf, sondern stiegen nach oben. Dann sah er, daß Horaspes eine schnelle Handbewegung ausführte, die nichts Gutes verhieß. Trotz der unsäglichen Schmerzen hatte er sein Schwert nicht losgelassen. Horaspes aber auch nicht. Jetzt war die Aufmerksamkeit des Zauberers abgelenkt. Conan nahm den Griff noch fester in die verbrannten und verbrühten Finger. Wut schenkte ihm ein Aufbäumen der Kräfte. Er drehte die Klinge und stieß sie nach oben und vorwärts. Dann spürte er, wie sie durch die Hand des Propheten glitt, worauf dieser den Griff etwas lockerte. Im nächsten Augenblick bohrte sich die glühende Schwertspitze zischend durch das nasse Gewand in den Bauch. Wie durch Butter schnitt die heiße Klinge durch das schlaffe Fleisch des Schurken und kam im Rücken wieder zum Vorschein. Sie glühte dort wie eine schwache Fackel weiter. Blitzschnell ließ Conan das Schwert los, als Horaspes nach seinem Handgelenk griff. Mit hervorgequollenen Augen starrte Horaspes ihn an. Dann öffnete er in höchster Qual den Mund. Doch es drang keine Verwünschung heraus, sondern nur ein zischendes Dampfwölkchen. Das Schwert, das ihn durchbohrte, glühte noch heller. Als er mit der heilen Hand danach griff, glich er weniger einem sterbenden Menschen als einem Braten am Spieß. Ein letztes Stöhnen, dann glitt er nach hinten ins Wasser. Conan schaute hinterher, wie die Leiche des Zauberers langsam am Schwert dahintrieb und immer noch Dampfwolken aus dem Wasser aufstiegen. Er war bei diesem Schurken ebenso vorsichtig wie bei einer Giftschlange. Auch dort hätte er gewartet, bis er sich überzeugen konnte, daß sie wirklich tot war. Vorsichtig ging er zu Otsgar und zog seinen Kumpan aus dem unnatürlich heißen Wasser, wo er reglos gesessen hatte. Aber der Vanir war schon tot. Mitten auf der Brust klaffte verbrannte Öffnung, so wie bei dem armen Hauptmann Aramas. Conan ließ Otsgar wieder ins Wasser gleiten. Dann sah er die herausragende Hand des Propheten. Die Finger umklammerten einen schwarzen Klumpen: Das Herz des Vanirs! Obwohl Conan sich vor Ekel schüttelte, berührte er den Körper des Zauberers. Seltsamerweise waren seine eigenen Hände nicht mehr so verbrannt. Dann nahm er Horaspes das Herz Otsgars aus den Fingern und warf es neben dem rechtmäßigen Besitzer in die Flut.
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Jetzt erst bemerkte er, daß nicht mehr gekämpft wurde. Die überlebenden Menschen drängten sich auf die Anhöhe vor der Stadtmauer. Einige Untote irrten auf dem Platz umher. Das Wasser reichte den meisten bis an die Brust. Ihre ausgetrockneten Körper konnten sich gegen die Flut kaum halten. Viele wurden weggeschwemmt. Von dem wiederauferstandenen König und seiner Königin war nichts zu sehen. Ebensowenig von den Streitwagen. Zwischen dem Cimmerier und der Pyramide leuchtete nur die Wasserfläche rotgolden, weil sich die Fackeln am Fuß des Monuments darin spiegelten. Jetzt fiel ihm auf, daß die Flut zielstrebig dahinfloß. Alle frischen Leichen und die zahllosen namenlosen Untoten trieben zu Ebnezubs Grabmal und verschwanden dort in dem offenen Portal. Jetzt hörte er auch das Rauschen. Es klang wie ein unterirdischer Wasserfall in einer riesigen Höhle. Welche Ironie des Schicksals! Alle, die heute gestorben waren, sowie diejenigen, die niemals von den Toten hätten auferweckt werden dürfen, bestattete Vater Styx in einem gemeinsamen Grabmal. Conan hörte Waffengeklirr. Auf der trockenen Anhöhe vor dem Stadttor kämpfte immer noch eine Schar der führerlosen Untoten erbittert gegen Shemiten. Gleichzeitig drängten sich von allen Seiten Menschen nach oben, die sich vor den Fluten in Sicherheit bringen wollten. Das sah gefährlich aus. Hoffentlich war Afrit nicht dort oben ins Gedränge geraten. Ohne Waffen arbeitete sich Conan halb schwimmend, halb watend zum Tor hinüber.
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20. KAPITEL LANG LEBE DIE KÖNIGIN! Am Morgen wirkte die Stadt wie benommen und ruhelos. Die Bewohner standen immer noch unter dem Eindruck der Apokalypse. Wie in Kriegszeiten drängten sich auf den Straßen die vor der Flut geflohenen Bauern. Viele hatten sich auf dem harten Pflaster ausgestreckt, um ein wenig zu schlafen. Andere irrten verstört auf der Suche nach Essen und einem Obdach umher. Viele Häuser und Läden hatten die Fensterläden vorgelegt. Wo die Besitzer tot oder nicht zu Hause waren, hatten Plünderer sich gewaltsam Eingang verschafft. Die in der Stadt ansässigen Shemiten warteten einfach ab, was geschehen würde. Wie immer in einer herrscherlosen Zeit regierten Zweifel und Unsicherheit. Jeder spürte das Vakuum ohne einen rechtmäßigen Monarchen. Niemand konnte vorhersagen, welcher Bewerber diese Leere füllen würde. Trotzdem waren viele erleichtert und konnten das Glück kaum fassen, daß noch einmal die Sonne aufging und sie die Wände der Stadt in ihrem Licht goldrot leuchten sahen. Als erstes erreichten ihre Strahlen die Verteidigungsanlagen auf der Stadtmauer. Dort fragten sich die Wachposten, welchem Offizier sie heute morgen Meldung machen sollten. Sie waren die ganze Nacht nicht abgelöst worden und daher müde. Trotzdem bewunderten sie den riesigen See, welcher sich unter ihnen bis zu Ebnezubs Grabmal erstreckte. Irgendwann vor Sonnenaufgang hatte das Rauschen im Innern des Monuments aufgehört. Jetzt spiegelten sich die Bauten der alten Totenstadt in den neuen Kanälen, welche sie durchzogen. Langsam erwachte das Leben auf den Straßen. Auf dem Marktplatz trafen sich Freunde und sprachen über die Bestattung, den Kampf und alle Schrecken und Wunder des Vortags. Familien fanden sich wieder zusammen. Jene, die in der Nähe des großen Grabmals gewesen waren, beschrieben, wie die Wassermassen die Königin samt Gefolge in die dunkle Tiefe gerissen hatten - und wie König Ebnezub auf seiner Sänfte ebenfalls von dem gierigen Schlund eingesogen worden war. Niemand wagte zu sagen, ob das gut oder schlecht gewesen sei; aber die Geschichte wurde tausendmal wiederholt und jedesmal ein wenig mehr ausgeschmückt. Ein Stoffgeschäft war ganz nahe der Hauptstraße in den Wirren der Nacht aufgebrochen und geplündert worden. Jetzt am Morgen erschien
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ein Hüne aus dem Norden auf der Schwelle. Er mußte den Kopf mit der rabenschwarzen Mähne einziehen, um sich nicht zu stoßen. Wohlig reckte er die starken Arme in der Morgensonne. Hinter ihm verließ eine zarte junge Frau das Geschäft. Sie war ebenfalls schwarzhaarig. Ihre Locken krönte ein juwelenbesetztes Diadem. Geschickt hatte sie hellblaue Stoffbahnen als Gewand so drapiert, daß kein Zweifel bestand, daß sie eine Frau war. Die Intimität, mit der. sie sich am Arm des Hünen festhielt, verriet viel darüber, wie die beiden die Nacht verbracht hatten. »Conan, ich wünschte... ganz ehrlich... daß wir nie zurück in den Palast müßten. Das Leben als Monarchin ist schrecklich langweilig!« Sie errötete. »Nanu, nicht in letzter Zeit. Aber sonst geht es immer nur um Steuern und Gesetze. Dauernd schmeicheln die Höflinge, um sich lieb Kind zu machen und sich Vorteile zu verschaffen!« Sie schlang den Arm um seine Mitte. »Viel lieber würde ich für immer hier bei dir bleiben.« »Ich auch, Mädchen.« Der Cimmerier schloß sie in die Arme und küßte sie lange und innig. »Aber jetzt ist es Zeit, daß wir gehen. Ich wette, daß du ziemlich beschäftigt sein wirst, diese Stadt unter deinen Daumen zu bekommen.« »Glaubst du wirklich, daß ich es schaffen könnte?« fragte sie und ließ ihn nicht los. »Ja. Schon gestern nacht wäre es nicht zu früh gewesen, deinen Anspruch geltend zu machen. Aber diese schwachköpfigen Hofschranzen haben dich beinahe in den Tod geschickt, und bei dem Tumult konnte man keinem trauen.« Er steckte das gestohlene Schwert in den Gürtel »Sollen sich die verschiedenen Parteien doch über Nacht die Köpfe heiß reden. Wenn heute früh die Seiten geklärt sind, kommen sie schon und buhlen um deine Gunst.« Er machte eine Pause und betrachtete sie von der Seite. »Dir ist hoffentlich klar, daß es auch Menschen gibt, welche dir übelwollen; aber ich bürge mit meinem Leben dafür, daß du so lange leben wirst, bis du mit deinen Verbündeten im reinen bist. Der Rest ist dann deine Sache.« »Und danach« - Afrit rieb die Wange an seiner kräftigen Schulter - »wird es für dich einen Platz an meinem Hof geben.« »Vielleicht. Aber derartige Pläne haben sich in der Vergangenheit nie erfüllt.« Er lächelte sie aufmunternd an. »So, aber jetzt müssen wir dich sicher vor die hohen Herren bringen.« Bei dem Weg durch die Straßen zog die Prinzessin mit dem Abzeichen der Königswürde viele erstaunte Blicke auf sich. Aber es kam zu keinen
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unerfreulichen Zwischenfällen, wie der Cimmerier befürchtet hatte. Die Leute machten ihr respektvoll Platz. Sie schnitt mit stolz erhobenem Haupt neben ihm einher. Nur ihre Hand ruhte noch in seiner Armbeuge. Nicht in seinem Schwertarm natürlich! Es entging ihm nicht, daß einige Menschen ihnen folgten. Trotzdem war er erstaunt, als er sich auf dem Marktplatz umschaute, wie viele Bürger es waren. Alle schienen der Prinzessin wohlgesonnen zu sein. Als sie zu dem Platz mit den Säulen kamen, erregte Afrit noch mehr Aufsehen. Schnell wollte er sie durch die Menge führen; aber dann hörte er, wie ihn jemand aufgeregt rief. Er freute sich aufrichtig, als Isaiab und Asrafel sich zu ihnen drängten. »Willkommen, ihr alten Gauner! Nie habe ich euch dringender gebraucht!« Er schüttelte die Hände der Kumpane aus Grabräuberzeiten. Dann wurde er plötzlich ernst. »Otsgar ist...« »Wir wissen, Conan.« Isaiab nickte. »Ich habe es gesehen und Asrafel erzählt.« »Ja, ein grausiger Tod«, erklärte der junge Shemite. »Aber ehrenvoller, als ich es einem Schurken wie Otsgar zugetraut hätte.« »Das stimmt.« Conan grinste. »Beinahe so ehrenvoll wie deine Großtat, Asrafel! Die Stadt sollte dir dankbar sein.« Dann wandte er sich an Isaiab. »Und was ist mit Zafriti?« »Sie ist sicher in der Karawanserei und badet gerade. Danach will sie sich etwas ausruhen. Um sie brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Conan.« »Gut; aber nennt nicht wieder meinen Namen.« Conan musterte die Menge mißtrauisch. »Ich brauche eure Hilfe, um die Prinzessin sicher in den Palast zu bringen. Und dann wird es vielleicht erst richtig gefährlich. Kommt ihr mit?« Afrit sagte mit ernstem Gesicht: »Jede Hilfe, die ihr uns jetzt gewährt, vergrößert meine Schulden.« Die beiden verbeugten sich höflich vor der Prinzessin. Dann bahnten sich die vier einen Weg durch die Menschenmenge. Schon bald sahen sie den Säulenhof vor dem Palast. Trotz der frühen Stunde herrschte auch hier schon reges Treiben. Wagen hielten an der weiten Marmortreppe. Wenigstens drei unterschiedliche Gruppen Bewaffneter teilten sich den Platz auf der Terrasse: Palastwachen, Gräberpolizei und bewaffnete Priester. Sie beäugten sich gegenseitig mißtrauisch. Der Stapel abgebrannter Fackeln ließ darauf schließen, daß sie
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die ganze Nacht Wache gestanden hatten. Die vier ließen die Menge am Fuß der Treppe zurück und stiegen hinauf. Die Prinzessin blickte die Wachen herausfordernd an. Vielleicht lag es an ihrer königlichen Haltung, vielleicht aber an der herrschenden Unsicherheit, daß niemand ihr den Zugang verwehrte. Als sie kurz vor dem halboffenen Portal waren, stürzte ein Priester heraus und begrüßte sie. »Endlich, Prinzessin!« Es war der große Priester, den Conan schon kannte und dem er nicht traute. »Wir wußten nicht, was aus Euch geworden ist! Wir befürchteten... Aber kommt mit mir vor den Hohen Rat, teure Prinzessin!« Er warf einen Blick auf die Menge. »Wie ich sehe, wollen Eure Untertanen Euch auch begrüßen. Ellael sei Lob und Dank! Das ist ein Signaltag für unser Land. Eure Eskorte kann hier warten.« Der schleimige Kerl streckte Afrit freudig die Arme entgegen und erklärte gleich darauf, daß er ihre Freunde mißbilligte. »Heiligkeit, diese Männer haben mich bis jetzt hervorragend beschützt. Daher möchte ich sie an meiner Seite behalten.« Afrit reichte dem Priester die Hand, entschlüpfte aber seiner Umarmung. Im Innern des Palastes wimmelte es von Soldaten. Die Prinzessin würdigte sie jedoch keines Blickes, sondern schritt auf einen Torbogen mit offenen Türen zu. Gleich darauf stand Conan wieder in dem Saal, wo er die königliche Familie zum ersten Mal gesehen und mit dem Schlangenbändiger Khada Khufi gekämpft hatte. Hier waren keine Wachen, sondern Adlige und Priester versammelt. Manche trugen noch die beschmutzten Trauergewänder von gestern. Sie standen oder saßen in kleinen Gruppen um einen Divan herum, auf dem sich der Bengel Eblis so wie früher sein königlicher Vater räkelte. Beim Eintreten seiner Halbschwester schaute der junge Prinz verblüfft und keineswegs erfreut auf. Die Höflinge zeigten mehr Begeisterung. Sie verneigten sich vor Afrit und erklärten ihr, wie erleichtert sie seien, die Prinzessin wohlauf zu sehen. Dabei ließen sie die drei Leibwächter nicht aus den Augen. Im nächsten Augenblick war sie in ein halbes Dutzend Gespräche über das Schicksal des Königreichs verwickelt. Conan schnappte auf, daß offenbar die Partei der Priester sie als Regentin haben wollte, damit sie die Verwaltung der Stadt in die Hände nähme und so Unruhen unter den Bürgern vermieden würden - bis der männliche Erbe das Alter für die Thronbesteigung erreicht hätte.
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Afrits Auftritt war beeindruckend. Sie sprach gefaßt und natürlich über die großen Sorgen. Ihre Wangen waren vor Glück so rosig angehaucht wie heute morgen. Den Höflingen gelang es nicht, sie zu verfrühten Festlegungen zu verlocken. Conan sah, daß er nicht gebraucht wurde, und hielt sich daher im Hintergrund. Nur Eblis saß da und blickte mürrisch drein, weil die Höflinge ihn verlassen hatten. Schließlich stand er auf und gesellte sich zu den heftig diskutierenden hohen Herren. Dabei hielt er die Arme unter dem viel zu aufwendig bestickten Umhang trotzig gekreuzt. Asrafel sagte leise zu Conan: »Es sieht so aus, als könnte die Prinzessin den Thron noch heute vormittag besteigen - und das mit unserer Hilfe! Seltsam, ich hätte nie geglaubt, in diesem Palast erwünscht zu sein.« »Stimmt, Conan«, pflichtete Isaiab ihm fröhlich bei. »Dieser kleine Freundschaftsdienst war nicht so schwierig, wie du gedacht hast.« »Conan!« Die Stimme des Prinzen überschlug sich vor Aufregung. »Das also ist der ausländische Spion, der meinen Vater umgebracht hat! Wie kannst du es wagen, hierher zu kommen?« Alle Augen richteten sich auf den Cimmerier, der so überrascht war, daß es ihm die Sprache verschlug. Noch verblüffter war er, als der Junge einen langen Krummdolch unter dem Umhang hervorholte und sich auf ihn stürzte. Mit Leichtigkeit wich der Hüne dem Jungen aus. Aber Isaiab war nicht so geschwind und trug eine Wunde am Arm davon. Wieder stürzte sich der Prinz auf den Cimmerier und fuchtelte wild mit dem Dolch. Conan zog nicht sein Schwert, sondern schlug mit der Faust auf die Hand mit dem Dolch. Der Schlag kam so blitzschnell, daß man ihm mit den Augen nicht folgen konnte. In Sekundenbruchteilen flog der Dolch dem Prinzen am Kopf vorbei in hohem Bogen auf den Marmorfußboden. Eblis befühlte sein Ohr, das einen kleinen Ritz abbekommen hatte. Als er das Blut auf der Hand sah, schrie er wie am Spieß. Sofort stürzten alle zu dem Jungen, um ihn zu trösten. Nur Afrit wagte es, auf Conan zuzugehen. Sie drückte ihm schnell die Hand. »Conan, hör zu! Du mußt sofort weg von hier!« Mürrisch nickte der Cimmerier. »Ja, ich gehe. Zum Glück ist nicht viel passiert. Der Junge brüllt zwar wie verrückt, aber es ist nur ein winziger Ritzer.« Die Prinzessin schüttelte den Kopf. »Nein, Conan, du verstehst nicht. Der Dolch war vergiftet, ein Geschenk seiner Mutter. Eblis ist sicher, daß er
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sterben muß. Aber dein Freund auch, fürchte ich.« Tief betroffen schaute sie Isaiab an, der blaß geworden war und die Hand gegen die Schnittwunde preßte. »Und dann wird man dich wegen Mords an dem Jungen mit Sicherheit zum Tode verurteilen!« Conan berechnete eiskalt, wie viele Soldaten sich draußen aufhielten. »Und was ist mit dir, Afrit?« »Mir geschieht nichts. Keine Angst. Ich bin der letzte legale Erbe der Dynastie, den sie haben. Aber du...« Sie packte ihn mit den zarten Händen an den Schultern und wollte ihn zur Tür schieben. »Du mußt sofort fliehen!« Ängstlich blickte sie über die Schulter zurück. Dann fuhr sie leise fort: »Sobald ich auf dem Thron sitze, werde ich versuchen, deine Freunde zu beschützen. Aber du, Conan, bist in Abaddrah nicht mehr sicher. Geh jetzt - Liebster!« Conan hörte das Schluchzen in ihren Worten. Er tauschte noch einen letzten Blick, dann wandte er sich mit Isaiab und Asrafel dem Ausgang zu. Dort hatten sich einige Wachen eingefunden; aber sie hatten nicht damit gerechnet, daß die drei derartig blitzartig hinausstürmen würden. Im Vestibül verwirrte der Cimmerier die Soldaten, die noch keinen gemeinsamen Kommandeur hatten, indem er mit gezücktem Schwert zwischen zwei Gruppen mit verschiedenen Uniformen hindurchpreschte. Dabei parierte er jedoch nur die Schläge. Im nächsten Augenblick standen die drei Freunde schon auf der Treppe vor dem Palast, wo die Menge sie anstarrte. Mit einem gutgezielten Tritt beförderte der Cimmerier zwei bewaffnete Priester über die Treppe nach unten. Dann trug Conan Isaiab hinab, während Asrafel ihm den Rücken freihielt. Conan lief zu den Streitwagen, die unbenutzt herumstanden. Er sprang auf den ersten hinauf, packte den verblüfften Lenker am Kragen und warf ihn kopfüber hinaus. Während die beiden Freunde aufstiegen, weckte er mit Peitschenknall die vier schwarzen Wallache. Erschrocken preschten sie los. Die Menge stob nach rechts und links auseinander. Schon bald hatten sie die breite Straße erreicht, welche zum südlichen Stadttor Abaddrahs führte. Dahinter lag die Straße ins Gebirge. Schlamm spritzte nach rechts und links, als der Streitwagen über die Kreuzung der Hauptstraßen vor der Stadt preschte. Der Lenker war ein Hüne aus dem Norden mit rabenschwarzer Mähne. Er spähte zurück, ob ihn jemand verfolgte. Nichts. Er schnalzte mit der Zunge und zog an den
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Zügeln. Dann stürmten die vier Rappen durch das Tor von Otsgars Karawanserei. »He, Stallburschen, schließt sofort das Tor und legt die Riegel vor! Zafriti, bist du da? Hol Hilfe, wir haben einen Verwundeten!« Conan zügelte die keuchenden Pferde, sprang vom Wagen und lief besorgt zu Isaiab, der hinten lag. Der drahtige Shemite hatte den Kopf in Asrafels Schoß gelegt. Seine olivenfarbene Haut hatte einen grauen Schimmer. Der Arm war geschwollen und bis zur Schulter grünlichrot verfärbt. Als der Cimmerier vorsichtig die Wunde berührte, konnte Isaiab ein schmerzliches Stöhnen nicht unterdrücken. Sein Kopf rollte hin und her. Die Augen traten hervor. »Isaiab, halt noch einen Augenblick lang durch! Gleich liegst du drinnen im Bett, mit lindernden Kompressen auf dem Schnitt. Du hast schon schlimmere Wunden überlebt...« »Nein, Conan. Ich spüre, wie das Gift in mir herumkriecht. Es ist, als würden feurige Schlangen sich zu meinem Herzen durchbeißen.« Isaiabs Stimme war schwach. »Bald bin ich so tot wie der alte Ebnezub. Aber macht keine scheußliche Mumie aus mir!« Der Sterbende mußte husten. Jetzt ging sein Atem pfeifend. »Werft mich nur in den Styx. Schützt mich vor Schurken wie Horaspes.« »Machen wir, alter Freund.« Conan nickte. Auf Zafritis Befehl erschien eine alte Dienerin mit Salben und einem Kräutertrank. Aber sie betrachtete hilflos und entsetzt den Arm. Der Cimmerier schickte sie zurück. »Conan, ich habe etwas für dich.« Isaiab griff mit dem unverletzten Arm vorn an sein Hemd. »Ich hätte nie gewagt... es dir zu sagen... aber jetzt ist es einerlei. Es gehört dir.« »Laß gut sein, Isaiab«, beschwichtigte ihn der Cimmerier. »Ruh dich aus.« Aber der Shemite holte einen pflaumengroßen Lederbeutel heraus, den er an einem Riemen um den Hals trug. Vergeblich nestelte er daran. »Hier, ich helfe dir.« Conan öffnete das Beutelchen. Ein goldener Ring mit einem riesigen blauen Saphir blitzte auf - der Stern von Khorala! »Ich hatte ihn schon gestohlen... ehe wir dich zum ersten Mal in der Wüste trafen.« Isaiab sprach wie unter Zwang. »Ich habe diesen Schwachkopf bei einem Nickerchen unter einem Busch überrascht und das Juwel aus dem Futter der Satteltasche geholt. Dafür habe ich einen Bergkristall hineingestopft. Bestimmt hat er es nie gemerkt.«
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Isaiab hielt das funkelnde Juwel in der zitternden Hand. Asrafel stand vor Staunen mit offenem Mund da. Zafriti trat näher. Habgier glitzerte in ihren Augen. Auch der Cimmerier machte große Augen. »Und du hast den Ring die ganze Zeit mit dir herumgeschleppt? Also, Mann, damit hättest du uns alle kaufen oder verkaufen können!« Isaiab stieß ein Krächzen aus, das wohl ein Lachen sein sollte. »Als du gesagt hast, daß er einen Raum voll Gold wert ist, wußte ich nicht, was ich machen sollte. Normalerweise habe ich alles Otsgar für einen Apfel und ein Ei verkauft. Aber so ein Juwel ist zu groß für einen kleinen Dieb ... zu gefährlich, es zu besitzen.« Isaiab rang röchelnd nach Luft. Seine Hand glitt zur Seite. Conan nahm den Ring und hielt ihn dem Sterbenden vor die Augen. »Außerdem«, flüsterte Isaiab. »Reich werden ist nur die halbe Miete. Man stiehlt aus Gewohnheit... weil es Spaß macht... weil man Freunde findet...« Das Röcheln hörte auf. Mit dem Glanz des Sterns von Khorala in den Augen starb er. Conan horchte an der Brust. Dann drückte er dem Freund die Augen zu. Mit Asrafel legte er den Leichnam in den Streitwagen. Den Ring hatte inzwischen ein anderer Taschendieb am Körper versteckt. Nur noch zwei seiner Räuberkumpane waren am Leben. Der Cimmerier lächelte. »So, damit ist mein Geschäft hier erledigt. Ich muß euch warnen: Wahrscheinlich wird es hier bald vor Wachen nur so wimmeln, die mich suchen. Ich habe nämlich gerade noch einen Ast vom königlichen Stammbaum abgeschlagen.« Jetzt lachte er laut und befreit. »Aber die Karawanserei ist ziemlich sicher. Ich nehme den Streitwagen und lenke die Verfolger von hier weg. Auf dem Weg werfe ich unseren alten Freund in einen schnell fließenden Kanal.« »Hervorragend, Conan! Ich komme mit dir!« Zafriti zog das violette Tuch fester um die braunen Schultern und rief einer Dienerin zu: »Hama, packe ein paar von meinen besten Sachen ein!« Kaum war die Alte verschwunden, trat die Stygierin dicht an den Cimmerier heran. Ihr Mund lächelte verführerisch. Mit der Anmut der Tänzerin wiegte sie sich in den Hüften; aber Habgier glitzerte in ihren Augen. »Sobald du dieses legendäre Juwel in Ophir verkauft hast, können wir beide wie die Fürsten leben! In den hyborischen Ländern werden die Leute große Augen machen, wenn wir...« »Nein, warte!« unterbrach sie Asrafel. »Zafriti, ich liebe dich! Conan, wenn du sie mir wegnehmen willst, mußt du mich vorher töten. Ich habe
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lange genug gelitten!« Der junge Shemite war gegen den Cimmerier ein schmales Bürschchen. Er war hoffnungslos unterlegen. Das wußte er auch, denn er war blaß, seine Hand am Schwertgriff zitterte. »He, ihr beiden!« Conan löste Zafritis Hand von seinem Arm und schob sie ein Stück weg. »Zafriti, ich habe nicht vor, dich mitzunehmen. Und du, Asrafel!« Er legte ebenfalls die Hand ans Schwert. »Wenn du wegen des Rings mit mir kämpfen willst, ist das in Ordnung! Aber wegen dieser Frau doch nicht.« »Aber Conan!« Zafriti schlang die Arme um ihn. »Du kannst mich doch nicht verlassen, nach allem, was zwischen uns gewesen ist! Otsgar ist tot. Endlich bin ich frei! Und hier hält mich nichts mehr.« »Wenn du frei bist, Zafriti, dann auch von mir«, wies sie Conan eiskalt zurück. »Du würdest mich ebenso betrügen wie Otsgar.« Er schüttelte sie ab, behielt aber Asrafel im Auge. Der Shemite stand da, ohne das Schwert zu zücken. »Crom, Weib! Der Vanir war ein Gauner; aber er liebte dich und hat für dich bis zuletzt gut gesorgt! Ich bin kein so liebeskranker Hund wie er, den man herbeipfeifen oder wegjagen kann - je nach Lust und Laune. Die Straßen, auf denen ich mich bewege, sind für derartige Spielchen zu gefährlich.« »Conan, du bist grausam!« Zafriti schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte herzzerreißend. »Du warst scharf auf mich, als Otsgar noch lebte, und wolltest mich ihm wegnehmen.« »Nein, Zafriti, ich bin nicht grausam, sondern wohlwollend. Hier steht jemand, der sich nach dir verzehrt und dich mehr als sein Leben liebt. Er wollte sogar mit mir um dich kämpfen. Vielleicht erträgt er deine kleinen Dramen. Ich hoffe allerdings, daß er nicht so tolerant wie Otsgar ist.« Conan zog der Tänzerin die Hände vom Gesicht. Von Tränen keine Spur. Er stieß sie sanft auf den hübschen Shemiten zu, dessen goldener Ohrring in der Sonne glänzte. »Asrafel ist ein richtiger Mann. Er steht auch in der Gunst der neuen Regierung. Ihr beide könnt gemeinsam Otsgars Geschäft übernehmen, sogar ausbauen.« Conan stieg auf den Streitwagen. »Oder ihr könnt es bleiben lassen. Tut, was ihr wollt.« Er winkte. »Leb wohl, Asrafel, und viel Glück!« Er ergriff Peitsche und Zügel und rief den Dienern zu: »He, öffnet das Tor und tretet beiseite! Ich komme im Galopp hindurch und nehme dann die Straße ins Gebirge!«
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NACHWORT von Lyon Sprague de Camp
Der größte Held des an Magie reichen Hyborischen Zeitalters war ein Barbar aus dem Norden: Conan der Cimmerier, um dessen Taten sich ein ganzer Legendenkreis rankt. Diese Legenden beruhen zwar hauptsächlich auf bestätigten Tatsachen über Conans Leben, doch gibt es bei einigen Geschichten Abweichungen, die wir so gut wie möglich in Einklang bringen wollen. In Conans Adern fließt das Blut der Menschen von Atlantis, diesem wunderbaren Stadtstaat, der bereits achttausend Jahre vor Conans Geburt vom Meer verschluckt worden war. Er wurde in einem Clan geboren, der ein Gebiet nordwestlich von Cimmerien sein eigen nannte, an den schattenverhangenen Grenzen von Vanaheim und der piktischen Wildnis. Sein Großvater hatte wegen einer Blutfehde seine Heimat verlassen müssen und bei den Stämmen im Norden Zuflucht gesucht. Conan selbst hatte auf einem Schlachtfeld - während eines Kampfes mit plündernden Vanir - das Licht der Welt erblickt. Noch ehe Conan fünfzehn Winter gesehen hatte, war der junge Cimmerier für sein Kampfgeschick an den Ratsfeuern berühmt. In jenem Jahr begruben die cimmerischen Stammesbrüder ihren Zwist, um gemeinsam gegen die Gundermänner zu kämpfen, die über die aquilonische Grenze gekommen waren, um den Süden Cimmeriens zu kolonisieren. Dazu errichteten sie das Grenzfort Venarium. Conan war einer aus der heulenden blutdürstigen Horde, die von den Hügeln des Nordens brauste, die Festung mit Feuer und Schwert stürmte und die Aquilonier über ihre frühere Grenze zurücktrieb. Bei der Plünderung von Venarium war Conan, obwohl noch nicht voll erwachsen, bereits sechs Fuß groß und wog hundertsechzig Pfund. Ihm waren die Wachsamkeit und die Lautlosigkeit des geborenen Waldläufers zu eigen, die eiserne Härte des Mannes der Berge, die herkulische Kraft seines Vaters, eines Schmiedes. Nach der Brand-schatzung des aquilonischen Außenpostens kehrte Conan eine Zeitlang zu seinem Stamm zurück. Doch trieb ihn das Ungestüm der Jugend wieder von dannen. Er schloß sich mehrere Monate lang einer Bande Æsir an, die Vanir und
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Hyperboräer überfielen. Dabei erfuhr er, daß mehrere hyperboräische Zitadellen von einer Kaste weithin gefürchteter Magier beherrscht wurden, die sich Zaubermänner nannten. Furchtlos nahm er an einem Raubzug gegen Burg Haloga teil. Dort erfuhr er, daß hyperboräische Sklavenhändler Rann gefangengenommen hatten, die Tochter Njals, des Häuptlings der Æsir. Conan verschaffte sich Zugang zur Burg und befreite Rann Njalsdatter. Doch dann wurde Njals Trupp auf der Flucht aus Hyperborea von einer Schar lebender Toter überwältigt. Conan und die wenigen Überlebenden der Æsir wurden in die Sklaverei verschleppt. Doch nicht lange blieb Conan Gefangener. Nachts feilte er so lange an seinen Ketten, bis ein Glied schwach genug war, um zu brechen. Mit der vier Fuß langen Kette kämpfte sich Conan dann in einer Sturmnacht aus dem Sklavenpferch frei und verschwand im strömenden Regen. Auf einem Tonscherben aus Nippur gibt es aber noch einen anderen Bericht über Conans frühe Jahre. Dieser Überlieferung zufolge wurde Conan als Junge von zehn oder zwölf Jahren von räuberischen Vaniren verschleppt und mußte als Sklave an einer Kornmühle arbeiten. Als er voll ausgewachsen war, kaufte ihn ein Hyrkanier, der mit einer Gladiatorentruppe herumzog und die Vanir und Æsir durch Schaukämpfe belustigte. Hier wurde Conan an den Waffen geschult. Später floh er und schlug sich nach Süden durch, nach Zamora (›Conan der Barbar‹). Welche der beiden Versionen die richtige ist, wird sich nie mit Sicherheit feststellen lassen. Allerdings ist der Bericht über Conans Versklavung mit sechzehn durch die Hyperboräer auf einem Papyrus im Britischen Museum lesbarer und erscheint schlüssiger zu sein als der auf dem Tonscherben. Der junge Cimmerier war zwar frei, aber ein halbes feindliches Königreich von seiner Heimat entfernt. Instinktiv suchte er in den Bergen ganz im Süden Hyperboreas Zuflucht. Als ihn ein Rudel Wölfe verfolgte, floh er in eine Höhle. Dort entdeckte er die Mumie eines großen Häuptlings der Urzeit, der dort saß und ein schweres Bronzeschwert auf den Knien hielt. Als Conan das Schwert an sich nahm, erhob sich der Leichnam und griff ihn an. Auf seinem Weg nach Süden, nach Zamora, kam Conan nach Arenjun, der berüchtigten ›Stadt der Diebe‹. Da der junge Cimmerier, unbeleckt von jeder Zivilisation, nur barbarische Vorstellungen von Ehre und Ritterlichkeit hatte, von Natur aus keine Gesetze anerkannte, machte er sich hier einen Namen als Dieb.
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Conan war jung und tollkühn, doch mangelte es ihm an Erfahrung; deshalb machte er nur langsame Fortschritte in seiner Karriere als Dieb. Das änderte sich erst, als er mit Taurus von Nemedien auszog, um den berühmten Edelstein zu erringen, genannt ›Herz des Elefanten‹. Dieses Juwel lag in dem beinahe unbezwingbaren Turm des berüchtigten Zauberers Yara, der das extraterrestrische Wesen Yag-Kosha gefangen hatte. Nun suchte Conan größere Entfaltungsmöglichkeiten für sein Gewerbe. Er wanderte nach Westen in die Hauptstadt Zamoras, nach dem verruchten Shadizar. Dort war er eine Zeitlang als Dieb recht erfolgreich. Allerdings nahmen die Huren Shadizars ihm seinen Gewinn schnell wieder ab. Bei einer Diebstour wurde er von den Soldaten der Königin Taramis von Shadizar gefangen genommen. Die Königin sandte ihn auf die gefährliche Mission, ein magisches Horn zu beschaffen, mit dem man einen uralten bösen Gott wiederbeleben konnte. Taramis‘ Plan führte jedoch zu ihrem eigenen Untergang. Bei Conans nächstem Abenteuer war Tamira beteiligt, ebenfalls eine Diebin. Die arrogante Aristokratin Lady Jondra besaß in Shadizar zwei überaus kostbare Rubine. Baskaran Imalla war ein religiöser Fanatiker und hatte bei den kezankischen Bergstämmen einen Kult gegründet. Auch ihn gelüstete es nach den Juwelen, weil er damit Kontrolle über einen feuerspeienden Drachen gewinnen wollte, den er seit dem Ausschlüpfen aus dem Ei erzog. Conan und Tamira wollten die Rubine ebenfalls unbedingt haben, deshalb nahm Tamira eine Stellung als Zofe bei Lady Jondra an, um so Gelegenheit zum Diebstahl zu bekommen. Als leidenschaftliche Jägerin zog Jondra in Begleitung ihrer Zofe und ihrer Bewaffneten aus, um Baskarans Drachen zu erschlagen. Doch Baskaran nahm die beiden Frauen gefangen und wollte sie schon seinem Haustier zum Fraße vorwerfen, als Conan eingriff (›Conan der Prächtige‹). Kurz darauf wurde der Cimmerier in ein weiteres Abenteuer verwickelt. Er verdingte sich bei einem Fremden, um eine Schatulle mit Edelsteinen zu stehlen, die der König von Zamora dem König von Turan geschenkt hatte. Der Fremde, ein Priester des Schlangengottes Set, brauchte diese Juwelen, weil er sie für einen Zauber gegen seinen Feind benötigte, den abtrünnigen Priester Amanar. Amanars Sendboten, menschenähnliche Reptilien, hatten die Edelsteine gestohlen. Obwohl Conan jegliche Zauberei höchst zuwider war, machte er sich auf, um die Diebesbeute zurückzustellen. Er ließ sich mit der Banditin
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Karela ein, die ›rote Falkin‹ genannt, was ihm aber sehr übel bekam, da diese sich als durch und durch verkommenes Geschöpf erwies. Als Conan sie vor einer Vergewaltigung bewahrte, versuchte sie ihn zu töten. Amanars Leute hatten in die Feste des Abtrünnigen auch ein Tanzmädchen entführt, dem Conan seine Hilfe versprochen hatte (›Conan der Unbesiegbare‹). Gerüchte über einen Schatz ließen Conan in die nahegelegenen Ruinen des alten Larsha eilen. Vor den Soldaten, die ihn festnehmen sollten, hatte er nur einen knappen Vorsprung. Durch einen von Conan herbeigeführten Unfall kamen alle Soldaten mit Ausnahme ihres Anführers Kapitän Nestor ums Leben. Nestor und Conan verbündeten sich, um den Schatz in ihre Gewalt zu bringen. Aber leider war ihm kein Erfolg beschieden. Conans letzte Abenteuer hatten ihm eine starke Abneigung gegen Hexer und östliche Zauberkünste eingeflößt. Er floh nach Nordwesten durch Corinthien nach Nemedien, dem zweitmächtigsten hyborischen Königreich. Dort führte er seine Diebstähle so erfolgreich aus, daß Aztrias Pentanius, ein nichtsnutziger Neffe des Gouverneurs, auf ihn aufmerksam wurde. Von Spielschulden bedrückt, heuerte dieser junge Adlige Conan an, ein zamorisches Trinkglas für ihn zu stehlen, das aus einem einzigen Diamanten geschnitten war und im Tempelmuseum eines reichen Sammlers stand. Conans Eintreffen im Tempelmuseum fiel zeitlich mit dem plötzlichen Dahinscheiden dessen Besitzers zusammen, wodurch der junge Dieb dem Inquisitor der Stadt, Demetrio, unliebsam auffiel. Hier machte Conan zum zweitenmal die unangenehme Bekanntschaft mit der dunklen Magie der Schlangenbruderschaft Sets, die der stygische Zauberer Thoth-Amon heraufbeschwor. Als Nemedien für Conan ein zu heißes Pflaster geworden war, ging er nach Süden, nach Corinthien, wo er die Tage ebenfalls damit verbrachte, andere um ihr Hab und Gut zu erleichtern. Selbst bei zurückhaltendem Urteil galt der junge Cimmerier schnell als der kühnste Dieb in ganz Corinthien. Da er sich aber immer mit den falschen Frauen einließ, landete er in Ketten, bis eine Wende in der örtlichen Politik ihm Freiheit und neue Zukunftschancen bescherte. Der ehrgeizige Adlige Murilo ließ ihn frei, damit er dem roten Priester Nabonidus, dem Drahtzieher im Machtkampf um den Thron, die Kehle aufschlitze. Dazu versammelte er die größten Schurken des Landes in seinem Haus. Dieses Abenteuer Conans endet mit Verrat und einem Blutbad.
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Conan begibt sich zurück nach Arenjun und führt ein beinahe ehrliches Leben, indem er Diebesgut für die rechtmäßigen Besitzer zurückstiehlt. So will er einen magischen Edelstein, das ›Auge von Erlik‹, vom Zauberer Hissar Zul holen und dem Eigentümer, dem Khan von Zamboula, wiederbringen. An dieser Stelle gibt es einige Probleme mit dem zeitlichen Ablauf in Conans Leben. Eine kürzlich übersetzte Schrifttafel aus der Bibliothek Asshurbanipals berichtet, daß Conan damals etwa siebzehn war. Damit würde dieses Abenteuer direkt dem ›Turm der Elefanten‹ folgen, der in diesem Keilschrifttext auch erwähnt ist. Aufgrund innerer Beweise scheint sich die Sache aber mehrere Jahre später ereignet zu haben. Conan ist einfach zu gerissen, zu reif. Ferner besagt ein aus dem Mittelalter stammendes arabisches Fragment, die Handschrift Kitab al-Qunn, daß Conan schon weit über zwanzig war. Der erste Übersetzer der Asshurbanipal-Tafel, Prof. Dr. Andreas von Fuss von der Münchner Staatsbibliothek liest Conans Alter als ›17‹. In der babylonischen Keilschrift wird 17 durch zwei Kreise ausgedrückt, gefolgt von drei vertikalen Keilen, über denen noch ein horizontaler Keil für ›minus‹ steht - daher ›zwanzig minus drei‹. Das Akademiemitglied Leonid Skram vom Moskauer Archäologischen Institut behauptet dagegen, daß der Eindruck über den vertikalen Keilen lediglich durch die Unachtsamkeit des Schreibers mit dem Griffel entstand und der Zahlenwert richtig als ›23‹ zu lesen ist. Wie dem auch sei, hörte Conan jedenfalls von dem Auge von Erlik, als sich die Abenteuerin Isparana und ihr Verbündeter darüber unterhielten. Der junge Cimmerier drang in die Burg des Zauberers ein. Doch dieser erwischte ihn und raubte Conan die Seele, indem er diese in einen Spiegel einschloß, wo sie bleiben sollte, bis ein gekröntes Haupt das Glas zerbrach. Hissar Zul zwang damit Conan, Isparana zu folgen und den Talisman zurückzubringen. Doch als der Cimmerier Hissar Zul das Juwel zurückbrachte, wollte der undankbare Zauberer ihn töten (›Conan und der Zauberer‹). Conans Seele war noch immer im Spiegel eingeschlossen, als er ganz legal die Stelle eines Leibwächters bei Khashtris antrat, einer Khaurani-Adligen. Diese Dame machte sich mit Conan, einem weiteren Wächter, Shubal, und mehreren Dienern auf den Weg nach Khauran. Dort traf Conan auf einen jungen Adligen, der der verwitweten Königin Ialamis den Hof
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machte, aber nicht das war, wofür er sich ausgab (›Conan der Söldner‹). Nachdem Conan seine Seele wiedererlangt hatte, erfuhr er von dem Iranistani Khassek, daß der Khan von Zamboula immer noch auf das Auge von Erlik warte. Der turanische Statthalter in Zamboula, Akter Khan, hatte den Zauberer Zafra angeworben. Dieser Magier behexte Schwerter, daß sie auf Verlangen töteten. Auf dem Weg dorthin begegnete Conan wieder Isparana. Es entwickelte sich zwischen ihnen eine Haßliebe. Ohne über die magischen Schwerter Bescheid zu wissen, setzte Conan seine Reise nach Zamboula fort und übergab das Amulett. Der ruchlose Zafra hatte aber den Khan inzwischen überzeugt, daß Conan gefährlich und ohne nähere Begründung zu töten sei (›Conan und das Schwert von Skelos‹). Conan hatte ausreichend in die Intrigen der hyborischen Ära hineingeschmeckt. Ihm war klar geworden, daß im Grunde kein Unterschied bestand zwischen der möglichen Ausbeute in Palästen oder in Rattennestern, abgesehen davon, daß die Beute nach oben hin immer ertragreicher wurde. Nein, er war des elenden, heimlich-tuerischen Lebens als Dieb überdrüssig. Der Barbar wurde aber nicht zum völlig gesetzestreuen Bürger! Wenn er bei niemandem im Dienst stand, genoß er durchaus ein kleines Schmuggelabenteuer. Durch einen Versuch, ihn zu vergiften, gelangte er nach Vendhya, einem Land des Reichtums, des Elends, der Philosophie, des Fanatismus, des Idealismus und des Verrats (›Conan der Siegreiche‹). Kurz danach tauchte Conan in der turanischen Hafenstadt Aghrapur auf. Hier am Meer befand sich das Hauptquartier des Hexers Jhandar, der einen neuen Kult gegründet hatte, zu welchem er Opfer benötigte, denen er Blut abzapfte und die er später als Diener wiederbelebte. Conan lehnte den Vorschlag eines Kumpans aus seiner Zeit als Dieb ab, eines gewissen Emilio, aus Jhandars Festung ein überaus prächtiges Rubinhalsband zu stehlen. Einem turanischen Hauptmann, Akeba, gelang es, den Barbaren zu überreden, ihm bei der Befreiung seiner Tochter zu helfen, die bei dem Kult verschwand (›Conan der Unbesiegbare‹). Nach dem Fall Jhandars drängte Akeba den Cimmerier, in die turanische Armee einzutreten. Anfangs behagte Conan die militärische Disziplin gar nicht, da er viel zu eigenwillig und heißblütig war, um sich leicht einordnen zu können. Außerdem hatte man Conan einer Abteilung mit wenig Sold zugeteilt, da er damals ein nur mittelmäßiger Reiter und Bogenschütze war. Doch bot sich ihm bald die Gelegenheit zu zeigen, was in ihm steckte. König Yildiz führte eine Strafexpedition gegen einen aufrüh-rerischen
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Satrapen durch. Mit Hilfe von Zauberei vernichtete der Satrap das gegen ihn aufgebotene Heer. Allein der junge Conan überlebte und kam so in die zauberverseuchte Stadt des Satrapan, Yaralet. Triumphierend kehrte Conan zurück in die schillernde Hauptstadt Aghrapur und erhielt einen Platz in König Yildiz‘ Ehrenwache. Zuerst mußte er noch den Spott der Kameraden wegen seiner bescheidenen Reitkünste und des häufigen Danebenschießens als Bogenschütze ertragen. Doch blieben die Spöttereien aus, als die anderen Soldaten Conans gewaltige Faustschläge kennenlernten. Außerdem verbesserte sich sein Können täglich. Zusammen mit einem kushitischen Söldner namens Juma wählte man Conan aus, König Yildiz‘ Tochter Zosara zu ihrer Hochzeit mit Khan Kujula zu geleiten, dem Häuptling der Kuigar-Nomaden. Im Vorgebirge des Talakma-Massivs wurden sie von einer Schar seltsamer, untersetzter, brauner Reiter in gelackten Kettenpanzern überfallen. Nur Conan, Juma und die Prinzessin überlebten. Man schaffte die drei in das subtropische Tal Meru und in die Hauptstadt Shamballah. Dort wurden Conan und Juma auf der Staatsgaleere ans Ruder gekettet. Das Schiff lief aus. Bei der Rückkehr der meruvischen Galeere nach Shamballah konnten Conan und Juma fliehen. Sie schlugen sich zur Stadt durch. Als sie den Tempel von Yama erreichten, feierte dort der mißgestaltete kleine Gottkönig von Meru seine Vermählung mit Zosara. Wieder in Aghrapur, wurde Conan zum Hauptmann befördert. Da er sich immer mehr einen Ruf als verwegener Kämpfer in schwieriger Situation erwarb, schickten die Generäle König Yildiz‘ ihn auf besonders gefährliche Missionen. So mußte der Cimmerier eine Gesandtschaft zu den räuberischen Stämmen in den Bergen von Khozgari eskortieren. Man hoffte sie durch Bestechung oder Drohungen zu veranlassen, ihre Überfälle auf die Turanier in den Ebenen einzustellen. Die Khozgari aber verstanden nur die Sprache roher Gewalt. Sie überfielen die kleine Abteilung und machten alle bis auf Conan und Jamal nieder. Als Garantie für einen sicheren Rückzug in die Zivilisation nahmen Conan und Jamal die Tochter des Häuptlings der Khozgari als Geisel. Der Weg führte sie in ein nebelverhangenes Hochland. Jamal und die Pferde wurden getötet. Conan mußte mit einer Horde haarloser Affen kämpfen und die Feste einer uralten sterbenden Rasse erstürmen.
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Ein andermal wurde Conan Tausende von Meilen ostwärts in das sagenumwobene Khitai gesandt, um dem König Shu von Kusan einen Brief König Yildiz‘ zu überbringen, in welchem dieser ein Freundschaftsabkommen und regere Handelsbeziehungen vorschlug. Der weise alte khitaische König schickte seine Besucher mit einem Dankesbrief des Inhalts zurück, daß er gern auf die Vorschläge eingehe. Als Führer teilte ihnen der König aber einen adligen Gecken zu, der ganz andere Ziele hatte. Conan diente in Turan etwa zwei Jahre lang, machte weite Reisen und lernte viel über organisierte, zivilisierte Kriegskunst. Wie üblich hatte er auch ständig wegen seiner Bettgeschichten Ärger. Bei einem dieser ungestümen Abenteuer war die Frau seines vorgesetzten Offiziers beteiligt. Da desertierte der Cimmerier und machte sich auf den Weg nach Zamora. In Shadizar hörte er, daß der Tempel des Spinnengottes Zath in der zamorischen Stadt Yezud Söldner suche. Er eilte dorthin; aber eine brythunische freie Abteilung hatte schon alle Söldnerstellen besetzt. Da wurde er der Hufschmied der Stadt. Schließlich hatte er dieses Gewerbe als Junge gelernt. Conan erfuhr von einem Gesandten König Yildiz‘, Lord Parvez, daß der Hohepriester Feridun Yildiz‘ Lieblingsfrau Jamilah gefangen hielt. Parvez entsandte Conan, um Jamilah zu entführen. Der junge Cimmerier wollte unbedingt die acht großen Edelsteine haben, die in der riesigen Statue des Spinnengottes die Augen bildeten. Als er die Juwelen herauslösen wollte, kamen Priester, und er mußte in die Krypta des Tempels fliehen. Die Tempeltänzerin Rudabeh, in die Conan sich zum erstenmal in seinem Leben so richtig verliebte, stieg in die Krypta hinunter, um ihn vor dem grauenvollen Schicksal zu warnen, das ihn dort unten erwartete (›Conan und der Spinnengott‹). Conans nächstes Ziel war Shadizar, wo er einem Gerücht über einen Schatz nachgehen wollte. Er besorgte sich eine Karte, worauf der Standort einer goldenen, mit Rubinen besetzten Götterstatue im Kezankian-Gebirge verzeichnet war. Aber Diebe stahlen ihm diese Karte. Bei der Verfolgung geriet er in einen Kampf mit den kezankischen Bergvölkern und mußte sich mit den Strolchen verbünden, die er verfolgt hatte. Schließlich fand er den Schatz, verlor ihn aber unter sehr mysteriösen Umständen. Nun wollte Conan wirklich nichts mehr mit Zauberei zu tun haben und ritt zurück in die heimischen Berge Cimmeriens. Eine Zeitlang genoß er das einfache Leben in seinem Heimatdorf; aber dann packte ihn die Lust, mit seinen alten Freunden, den Æsir, einen Raubzug nach Vanaheim
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zu unternehmen. In einem erbitterten Kampf auf schneebedecktem Feld wurden beide Heere vernichtet - nur Conan überlebte. Sein Weg führte ihn danach zu der seltsamen Begegnung mit Atali, der sagenhaften Tochter des Frostriesen Ymir. Von Atalis Eisschönheit besessen, ritt Conan wieder nach Süden, wo die goldenen Türme prächtiger Städte mit ihrem Menschengewimmel lockten, obwohl der Cimmerier so oft verächtlich von dieser Zivilisation gesprochen hatte. Im Eiglophianischen Gebirge befreite Conan eine junge Frau aus der Hand von Kannibalen, verlor sie dann aber durch sein allzugroßes Selbstvertrauen an das gefürchtete Ungeheuer, das die Gletscher heimsuchte. Schließlich kehrte Conan zurück in die hyborischen Länder, zu welchen Aquilonien, Argos, Brythunien, Corinthien, Koth, Nemedien, Ophir und Zingara gehören. Diese Länder waren nach Hyboriern benannt worden, die als Barbaren vor 3000 Jahren das Reich von Acheron erobert und auf seinen Ruinen zivilisierte Königreiche errichtet hatten. In Belverus, der Hauptstadt Nemediens, schaffte es der ehrgeizige Lord Albanus, mit Hilfe von Zauberei den Thron König Gurians für sich zu gewinnen. Conan kam nach Belverus, um einen reichen Gönner zu finden, der es ihm ermöglichte, selbst unabhängige Söldner anzuwerben. Albanus gab einem Verbündeten, Lord Melius, ein Zauberschwert. Dieser verlor den Verstand, lief auf die Straßen und griff die Menschen an, bis man ihn tötete. Als Conan das verhexte Schwert an sich nahm, trat Hordo an ihn heran, ein einäugiger Dieb und Schmuggler, den er schon damals als Leutnant bei Karela kennengelernt hatte. Conan verkaufte das Zauberschwert und konnte vom Erlös eine eigene freie Söldnertruppe auf die Beine stellen. Er brachte seinen Männern die Kunst des Bogenschießens zu Pferd bei. Dann überredete er König Garian, ihn anzuheuern. Aber Albanus hatte einen Mann aus Ton gefertigt, der durch Hexerei genau wie der König aussah. Dann warf er den König ins Verlies, ersetzte ihn durch seinen Golem und klagte Conan fälschlich des Mordes an (›Conan der Verteidiger‹). Conan führte seine freie Söldnerschar nach Ianthe, der Hauptstadt Ophirs. Hier wollte Lady Synelle, eine Zauberin mit langem Blondhaar, den Dämongott Al‘Kirr wieder zum Leben erwecken. Conan kaufte eine Statue dieses Dämonengottes. Alle möglichen Leute wollten sie ihm stehlen. Er trat mit seinen Männern in Lady Synelles Dienst, ohne ihre finsteren Pläne zu kennen.
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Es erschien die Banditin Karela und versuchte, wie immer, Conan zu ermorden. Synelle heuerte Karela an, um die Statuette zu stehlen, welche die Hexe für ihren teuflischen Zauber brauchte. Sie plante, Karela danach auch zu opfern (›Conan der Siegreiche‹). Conan zog weiter nach Argos. Da dieses Königreich in Frieden lebte, benötigte man dort keine Söldner. Eine falsche Auslegung des Gesetzes zwang Conan, aufs Deck eines Schiffes zu springen, als es gerade an der Pier ablegte. Es war die Handelsgaleere Argus, ihre Bestimmung waren die Küsten Kushs. Jetzt fing in Conans Leben eine ganz neue Epoche an. Die Argus wurde von Bêlit gekapert, dem shemitischen weiblichen Kapitän des Piratenschiffes Tigerin. Ihre Besatzung, mitleidlose schwarze Korsaren, hatten sie zur Königin der schwarzen Küste gemacht. Conan gewann Bêlit und wurde ein Partner in ihrem blutigen Geschäft. Vor vielen Jahren war Bêlit, die Tochter eines shemitischen Kaufmannes, samt ihrem Bruder Jehanan von stygischen Sklaven-händlern geraubt worden. Jetzt bat sie ihren Geliebten Conan, den Jungen zu befreien. Der Barbar stahl sich in den stygischen Hafen Khemi, wurde gefangengenommen, konnte aber fliehen. Er schlug sich an das östliche Ende Stygiens durch, bis zur Provinz Taia, wo ein Aufstand gegen die stygische Unterdrückung brodelte (›Conan der Rebell‹). Conan und Bêlit betätigten sich weiterhin erfolgreich als Piraten, kaperten aber hauptsächlich stygische Schiffe. Doch dann führte sie ein unglücklicher Zufall den schwarzen Zarkheba-Fluß hinauf zur verlo-renen Stadt einer uralten geflügelten Rasse. Als Bêlits brennendes Totenschiff hinaus auf das Meer trieb, wandte ein gebrochener Conan der See den Rücken. Die nächsten Jahre würde er nicht hinausfahren. Statt dessen tauchte er im Landesinneren bei den kriegerischen Bamulas unter, einem schwarzen Stamm, dessen Macht unter seiner Führung schnell wuchs. Der Häuptling des Nachbarstammes der Bakalahs plante einen heimtückischen Überfall auf Nachbarn und lud Conan mit seinen Bamulas ein, an der Plünderung und dem Massaker teilzunehmen. Conan nahm an, nachdem er erfahren hatte, daß ein Mädchen aus Ophir, Livia, in Bakalah gefangengehalten wurde. Dem Cimmerier gelang es, die Bakalahs zu täuschen, so daß Livia während eines Massakers fliehen konnte. Sie wanderte in ein geheimnisvolles Tal. Nur Conans rechtzeitiges Eintreffen
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bewahrte sie davor, einem außer-irdischen Wesen geopfert zu werden. Ehe Conan sein eigenes schwarzes Imperium aufbauen konnte, scheiterte er an einer Reihe von Naturkatastrophen und den ruchlosen Intrigen der Bamulas. Zur Flucht gezwungen, begab er sich in den Norden. Vor hungrigen Löwen in der Steppe brachte er sich in einer geheimnisvollen Burgruine aus prähistorischer Zeit in Sicherheit. Dort mußte er noch gegen stygische Sklavenhändler und ein feindliches übernatürliches Wesen kämpfen. Conan zog weiter und erreichte das halbzivilisierte Königreich Kush. Dies war das einzige Land, das zu Recht ›Kush‹ hieß, obgleich Conan wie andere aus dem Norden diesen Namen auf mehrere schwarze Länder südlich von Stygien anwendete. In der Hauptstadt Meroe befreite der Cimmerier die Königin von Kush, die arrogante, impulsive, feurige, grausame und ausschweifende Tananda, aus den Händen eines aufgebrachten Mobs. Dadurch wurde Conan in ein undurchschaubares Intrigenspiel zwischen Tananda und einem ehrgeizigen Adligen verstrickt, der über einen schweineähnlichen Dämon herrschte. Gesteigert wurden Conans Probleme noch durch die Anwesenheit von Diana, einer nemedischen Sklavin, die der Barbar ungeachtet der wahnsinnigen Eifersucht Tanandas sehr niedlich fand. Die Ereignisse gipfelten in einer Nacht des Aufruhrs und des Gemetzels. Enttäuscht über seine Mißerfolge in den schwarzen Ländern, wanderte Conan in das grasreiche Shem und wurde Soldat in Akkharia, einem Stadtstaat Shems. Er schloß sich einem Trupp Freiwilliger an, die den Nachbar Stadtstaat befreien wollten. Doch durch den Verrat Othbaals, des Vetters des wahnsinnigen Königs Akhirom von Pelishtien, wurden die Freiwilligen aufgerieben - als einziger überlebte Conan, der die Schurken nach Asgalun verfolgte, der Hauptstadt der Pelishti. Dort wurde der Barbar in einen Machtkampf verwickelt, der zwischen dem wahnsinnigen Akhirom, dem Verräter Othbaal, einer stygischen Hexe und einer Abteilung schwarzer Söldner tobte. Im Endkampf mit Hexerei, Stahl und viel Blut griff sich Conan Othbaals rothaarige Geliebte Rufia und galoppierte mit ihr gen Norden. Zu diesem Zeitpunkt herrscht über die Fahrten des Cimmeriers Unklarheit. Eine Legende, die manchmal in diese Zeit gelegt wird, berichtet von seinem Dienst als Söldner in Zingara. Ein ptolemäischer Papyrus im Britischen
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Museum überliefert, daß in der Hauptstadt Kordava ein Hauptmann der regulären Armee mit einem gewissen Conan Streit suchte. Als Conan seinen Herausforderer tötete, wurde er zum Tod durch Erhängen verurteilt. Ein ebenfalls zum Tode verurteilter Zellengenosse, Santiddio, gehörte der Partisanenorgani-sation ›Weiße Rose‹ an, die König Rimanendo stürzen wollte. Schon sind Conan und Santiddio am Galgen, als Briganten der ›Weißen Rose‹ ein Chaos herbeiführen. Conan und Santiddio entkommen. Mordermi, Anführer von Briganten, die sich mit der ›Weißen Rose‹ zusammengetan hatten, warb Conan für seine Zwecke. Die Verschwörer trafen sich in der ›Grube‹; die aus einem Labyrinth unterirdischer Tunnel bestand. Als der König mit Bewaffneten die Grube ausräuchern wollte, rettete der stygische Zauberer Callidos die Verschwörer. König Rimanendo wurde erschlagen, und Mordermi wurde König. Als er sich als ebenso feige und heimtückisch wie sein Vorgänger erwies, zettelte Conan einen erfolgreichen Aufruhr mit tapferen Kämpfern an. Der Cimmerier lehnte die Königskrone für sich ab und zog davon (›Conan und die Straße der Könige‹). Diese Episode wirft viele Fragen auf. Ist sie authentisch, so müßte sie in Conans frühere Söldnerzeit gehören, also etwa zu ›Conan der Verteidiger‹. Andererseits gibt es in anderen Erzählungen keinerlei Hinweise, daß Conan je Zingara besuchte, ehe er Ende Dreißig war, zu Zeiten von ›Conan der Freibeuter‹. Außerdem taucht keiner der Herrschernamen von Zingara des Papyrus auf der Königsliste für Zingara in dem byzantischen Manuskript Hoi Anaktes tes Tzingeras auf. Daher wird in der Wissenschaft die Meinung vertreten, daß der Papyrus eine Fälschung ist oder daß Conan mit einem anderen Helden verwechselt wurde. Zieht man alles in Betracht, was über Conan bekannt ist, kann man nur zu dem Schluß kommen, daß er mit beiden Händen die Königskrone in Zingara ergriffen hätte, wäre diese ihm tatsächlich angetragen worden. Als nächstes taucht Conan auf, nachdem er in die Dienste Amalrics von Nemedien getreten war, dem General der Regentin Yasmela im kleinen Grenzreich Khoraja. Während Yasmelas Bruder, König Khossus, in Ophir gefangen war, griffen die Truppen des angeblichen Zauberers Natokh (in Wirklichkeit der seit dreitausend Jahren tote Thugra Khotan aus der zerstörten Stadt Kuthchemes) die Landesgrenzen an. Yasmela gehorchte einem Orakel Mitras, des obersten hyborischen Gottes, und machte Conan zum Oberbefehlshaber der Armee in Khoraja.
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Er schlug Natokhs Heerscharen und befreite so die Regentin von dem teuflischen Zauber des untoten Hexers. Der Cimmerier gewann mit diesem Sieg auch die Königin. Conan war nun Ende zwanzig und Oberbefehlshaber der Truppen in Khoraja, nicht aber der Geliebte der Königin, was er sich ebenfalls erhofft hatte. Aber diese war zu sehr mit Staatsgeschäften beschäftigt, um Zeit für Lustbarkeiten zu haben. Der Cimmerier machte ihr sogar einen Heiratsantrag, aber sie erklärte ihm, daß eine solche Verbindung gegen Khorajisches Gesetz und Sitte verstieß. Falls aber Conan ihren Bruder irgendwie befreie, werde sie ihn zu überreden versuchen, das Gesetz zu ändern. Conan machte sich also auf mit Rhazes, einem Astrologen, und Fronto, einem Dieb, welcher einen Geheimgang zu dem Verlies kannte, in dem Khossos schmachtete. Sie befreiten den König, gerieten aber in einen Hinterhalt kothischer Soldaten, da Strabonus von Koth seine eigenen Gründe hatte, Khossos in seiner Gewalt zu haben. Nachdem auch diese Gefahren überstanden waren, mußte Conan feststellen, daß Khossos ein junger und arroganter Geck war, der nie und nimmer seine Einwilligung zu einer Heirat zwischen seiner Schwester und einem fremden Barbaren geben würde. Er wollte Yasmela einem reichen Aristokraten zur Frau geben, und Conan sollte sich mit einer Durchschnittsbraut begnügen. Conan sagte nichts, sprang aber in Argos beim Ablegen des Schiffes von Bord und nahm den Großteil von Khossos‘ Gold mit. Spöttisch winkte er dem König zum Abschied zu. Inzwischen fast dreißig geworden, machte Conan sich auf, seine cimmerische Heimat zu besuchen und sich an den Hyperboräern zu rächen. Seine Blutsbrüder bei den Cimmeriern und Æsir hatten Frauen genommen und besaßen schon Söhne, die beinahe so alt und stark waren wie Conan bei der Plünderung von Venarium. Aber die vielen Jahre des Blutvergießens und des Kämpfens hatten in ihm einen zu starken Wunsch nach Beute wachsen lassen, als daß er ihrem Beispiel folgen konnte. Als Händler von neuen Kriegen berichteten, ritt Conan stracks in die hyborischen Länder. Dort wollte der rebellische Prinz von Koth sich des Throns von Strabonus bemächtigen, dem geizigen Herrscher dieser weitausge-dehnten Nation. Im Gefolge des Prinzen stieß der Cimmerier auf alte Kumpane. Dann schloß der Rebell aber mit dem König Frieden. Wieder ohne Herrn, versammelte Conan Briganten um sich, die Freie Kompanie. Mit dieser Truppe zog er in die Steppen westlich des Vilayet-Meeres, wo er sich mit einer
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Schlägerbande vereinigte, die man Kozaki nannte. Conan wurde Anführer dieser Bande Gesetzloser und verwüstete die westlichen Grenzen des turanischen Reiches, bis sein früherer Dienstherr, König Yildiz, eine Heerschar unter Shah Amurath aussandte. Dieser lockte die Kozaki tief ins Landesinnere von Turan und machte sie nieder. Doch Conan tötete Amurath, nahm sich Prinzessin Olivia von Ophir, eine Gefangene der Turanier, und ruderte in einem kleinen Boot hinaus aufs Vilayet-Meer. Die beiden fanden Zuflucht auf einer kleinen Insel. Dort stand die zerstörte Grünsteinstadt mit seltsamen Eisenstatuen. Die Schatten, die das Mondlicht warf, erwiesen sich als ebenso gefährlich wie der riesige fleischfressende Affe, der sich auf der Insel herumtrieb, oder die Piraten, die sich dort auszuruhen pflegten. Conan übernahm das Kommando über die Piraten, die das Vilayet-Meer heimsuchten. Als Anführer der Roten Bruderschaft, einem Haufen Schurken, war Conan mehr als je zuvor König Yildiz ein Dorn im Auge. Dieser Monarch war so milde, daß er seinen Bruder Teyaspa nicht, wie es in Turan üblich war, erwürgte, sondern ihn in einer Burg in den Colchian-Bergen gefangenhielt. Yildiz schickte seinen General Artaban aus, das Piratennest an der Mündung des Flusses Zaporoska auszuräuchern. Doch statt des Jägers wurde der General zum Gejagten. Als Artaban sich ins Landesinnere zurückzog, geriet er zufällig zum Aufenthaltsort Teyaspas. Am Endkampf nahmen außer Conans Banditen und Artabans Turaniern auch eine Schar Vampire teil. Von den Seeräubern im Stich gelassen, besorgte Conan sich einen Hengst und ritt zurück in die Steppen. Inzwischen saß Yezdigerd auf dem Thron Turans. Er war ein bei weitem listigerer und energischerer Herrscher als sein Vorgänger. Er wollte sich ein großes Reich erobern. Conan aber begab sich in das kleine Königreich Khauran, wo er das Kommando über die Leibgarde der Königin Taramis gewann. Die Königin hatte eine Zwillingsschwester, Salome, als Hexe geboren und von den gelben Zauberern aus Khitai erzogen. Sie verbündete sich mit dem Abenteurer Constantius aus Koth und plante, die Königin ins Gefängnis zu werfen, um an ihrer Stelle zu regieren. Als Conan den Betrug entdeckte, lockte man ihn in eine Falle und kreuzigte ihn. Häuptling Olgerd Vladislav schnitt den Cimmerier herunter und brachte ihn in ein Zuagir-Lager in der Wüste. Dort ließ Conan seine Wunden verheilen und wurde aufgrund seiner Kühnheit und Rücksichtslosigkeit Olgerds Leutnant.
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Als Salome und Constantius in Khauran ihre Schreckensherrschaft angetreten hatten, führte Conan seine Zuagir gegen die khauranische Hauptstadt. Bald hing Constantius an dem Kreuz, an das er Conan hatte nageln lassen. Zufrieden lächelnd ritt Conan fort, um mit seinen Zuagir Raubzüge gegen die Turaner zu unternehmen. Mit dreißig, auf dem Gipfel seiner Manneskraft, verbrachte Conan beinahe zwei Jahre mit den Shemiten der Wüste, zuerst als Olgerds Leutnant und dann als alleiniger Führer, nachdem er Olgerd entmachtet hatte. Welche Umstände zu seinem Abschied von den Zuagirs führten, wurden kürzlich auf einer tibetischen Seidenrolle entdeckt, die ein Flüchtling aus Tibet mitbrachte. Dieses Dokument befindet sich nun im Orientalischen Institut in Chicago. Der energische König Yezdigerd schickte Soldaten aus, um Conan und seinen Leuten eine Falle zu stellen. Wegen eines zamorischen Verräters in Conans Reihen wäre der Hinterhalt beinahe gelungen. Conan verfolgte den Verräter. Als seine Männer desertiert waren, gab der Cimmerier nicht auf, sondern schleppte sich allein weiter. Vor dem sicheren Tode rettete ihn Enosh, ein Häuptling der Oasenstadt Akhlat. Akhlat litt unter der Herrschaft eines Dämons, der die Gestalt einer Frau angenommen hatte, die sich von der Lebenskraft lebender Wesen ernährte. Wie Enosh Conan mitteilte, war der Cimmerier der ihnen prophezeite Befreier. Nachdem das geschafft war, lud man Conan ein, sich in Akhlat niederzulassen. Da der Barbar aber seine Unfähigkeit kannte, ein eintöniges Leben in Achtbarkeit zu führen, ritt er mit Pferd und Geld von Vardanes dem Zamorier nach Südwesten, nach Zamboula. Mit einer gigantischen Orgie verpraßte Conan das Vermögen, das er nach Zamboula, einen turanischen Außenposten, gebracht hatte. Hier lauerte der böse Priester aus Hanuman, Totrasmek, der hinter einem berühmten Edelstein her war, dem ›Stern von Khorala‹. Die Königin von Ophir soll für dieses erlesene Juwel einen Raum voll Gold geboten haben. In der allgemeinen Verwirrung brachte Conan den Stern von Khorala an sich und ritt westwärts. Das mittelalterliche Manuskript De sidere choralae, das man aus den Ruinen des Klosters Monte Cassino barg, enthält die Fortsetzung dieses Abenteuers. Conan erreichte die Hauptstadt Ophirs. Dort hielt der weibische Moranthes II. seine Gemahlin Marala hinter Schloß und Riegel, während er ganz unter dem Einfluß des bösen Grafen Rigello stand. Conan
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kletterte über die Mauer von Moranthes‘ Burg und befreite Marala. Rigello verfolgte die beiden Flüchtigen fast bis zur aquilonischen Grenze, als der ›Stern von Khorala‹ in ganz unerwarteter Weise seine Macht offenbarte. Als Conan zu Ohren kam, daß die Kozaki wieder erstarkt seien, verlegte er sich mit Roß und Schwert wieder darauf, Turan zu plündern. Obwohl der inzwischen berühmt gewordene Held aus dem Norden eigentlich mit leeren Händen kam, stellten sich mehrere Abteilungen der Kozaki und die VilayetPiraten sogleich unter seinen Oberbefehl. Yezdigerd schickte Jehungir Agha aus, um den Barbaren auf der Insel Xapur zu überraschen. Doch Conan kam früher als erwartet zum Ort des Hinterhalts und fand die uralte Feste der Insel, Dagon, durch Zauberei wiederaufgebaut. Drinnen herrschte der übelsinnende Gott der Stadt in Form eines Riesen aus lebendem Eisen. Nach seiner Flucht von Xapur baute Conan seine Kozakis und Piraten zu einer schrecklich bedrohlichen Horde aus, so daß König Yezdigerd alle seine Kräfte zu ihrer Vernichtung aufbot. Nach der totalen Niederlage zerstreuten sich die restlichen Kozaki in alle Winde. Conan floh nach Süden und nahm Dienst in der leichten Kavallerie des Königs von Iranistan. Kobad Shah. Doch fiel der Cimmerier bald bei Kobad Shah in Ungnade und mußte in die Berge fliehen. In der Festungsstadt der Verborgenen, in Yanaidar, kam er einer Verschwörung auf die Schliche. Die Söhne Yezms wollten einen uralten Kult wiederbeleben und die noch lebenden Anhänger der alten Götter vereinigen, um über die Welt zu herrschen. Dieses Abenteuer endete mit der Aufreibung aller beteiligten Heere durch die grauen Ghuls von Yanaidar, worauf Conan nach Osten ritt. Conan tauchte wieder im Himelia-Gebirge auf, an der nord-westlichen Grenze von Vendhya. Er war Kriegsführer der wilden Afghuli-Stämme. Der kriegerische Barbar war jetzt Anfang Dreißig und in der gesamten Welt der hyborischen Ära berüchtigt und gefürchtet. Yezdigerd war absolut nicht zimperlich und bediente sich der Zauberkunst des Hexers Khemsa, eines Adepten des gefürchteten Schwarzen Kreises, um den König Vendhyas aus dem Weg zu räumen. Die Schwester des toten Königs, die Devi Yasmina, zog aus, um ihn zu rächen, wurde aber von Conan gefangengenommen. Der Cimmerier verfolgte gemeinsam mit ihr den Zauberer Khemsa. Dieser aber wurde vor ihren Augen durch die Magie des Sehers von Yimsha getötet, der auch Yasmina entführt hatte.
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Als Conans Pläne, die Bergstämme zu einen, fehlschlugen und er von Kriegen im Westen hörte, ritt er dorthin. Almuric, ein Prinz aus Koth, hatte sich gegen den verhaßten Strabonus erhoben. Während Conan sich in Almurics stolzes Heer einreihte, erhielt Strabonus Hilfe von befreundeten Königen. Der buntgewürfelte Haufen Almurics wird nach Süden getrieben und schließlich von den vereinigten stygischen und kushitischen Truppen vernichtet. Conan und die Marketenderin Natala flohen in die Wüste, wo sie ins alte Xuthal kamen, eine Phantomstadt mit lebenden Toten und ihrem schaurigen Schattengott Thog. Die Stygerin Thalis, die tatsächliche Herrscherin in Xuthal, legte Conan einmal zu oft aufs Kreuz. Conan schlug sich durch, zurück in die hyborischen Länder. Da er Arbeit brauchte, trat er ins Söldnerheer ein, das ein Zingarier, Prinz Zapayo de Kova, für Argos aufstellte. Geplant war, daß Koth von Norden aus in Stygien einfallen sollte, während die Argosser sich dem Reich von Süden, vom Meer aus, nähern sollten. Aber Koth schloß einen Separatfrieden mit Stygien, wodurch Conans Söldner in den Wüsten Stygiens in der Falle saßen. Conan floh mit dem jungen aquilonischen Soldaten Amalric. Kurz darauf wurde der Cimmerier von Nomaden gefangengenommen, während Amalric fliehen konnte. Als Amalric und Conan sich wiedertrafen, hatte Amalric das Mädchen Lissa bei sich, das er vor dem Menschenfressergott ihrer Heimatstadt errettet hatte. Inzwischen war Conan Kommandant der Kavallerie der Stadt Tombalku geworden. Zwei Könige herrschten in Tombalku: der Neger Sakumbe und der Mischling Zehbeh. Als Zehbeh mit seinen Anhängern vertrieben war, machte Sakumbe Conan zum Mitkönig. Aber dann tötete der Zauberer Askia Sakumbe mit seiner Magie. Nachdem Conan seinen schwarzen Freund gerächt hatte, floh er mit Amalric und Lissa. Jetzt schlug Conan sich zur Küste durch, wo er sich den barachanischen Piraten anschloß. Inzwischen war er etwa fünfund-dreißig. Als zweiter Maat der Hawk landete er auf der Insel des stygischen Zauberers Siptah. Dieser besaß angeblich einen magischen Edelstein mit sagenhaften Eigenschaften. Siptah hauste in einem zylindrischen Turm ohne Türen oder Fenster. Ihm diente ein geflügelter Dämon. Conan räucherte das Fabelwesen aus, wurde aber von seinen Klauen auf die Spitze des Turmes verschleppt. Dort stellte er fest, daß Siptah schon lange tot war. Beim Kampf gegen den Dämon erwies sich der magische Edelstein als unerwartete Hilfe.
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Laut Tontafeln mit Keilschrift aus der präsumerischen Zeit blieb Conan zwei Jahre bei den Barachaniern. Er war an die straffe Organisation in den Armeen der hyborischen Königreiche gewöhnt. Da fand er die sehr lockeren anarchistischen Horden der Barachanier für eine Stellung als Anführer ungeeignet. In Tortage gelang es ihm gerade noch, bei einem Treffen der Piraten zu entkommen. Allerdings war die Alternative zu einer durchschnittenen Kehle nur die, mit einem lecken Schiff dem westlichen Ozean zu trotzen. Als die Wastrel, das Schiff des Freibeuters Zaporavo, in Sicht kam, kletterte der Cimmerier an Bord. Schon bald gewann Conan den Respekt der Mannschaft und zog sich die Feindschaft des Kapitäns zu, dessen kordavische Geliebte, die aalglatte Sancha, den Hünen mit der schwarzen Mähne mit allzu freundlichen Augen betrachtete. Zaporavo fuhr westwärts zu einer nicht auf Seekarten verzeichneten Insel. Dort forderte Conan den Kapitän zum Zweikampf und tötete ihn. Sancha wurde von seltsamen schwarzen Wesen zu einem lebenden Teich entführt, den diese Wesen anbeteten. Conan überredete die Obrigkeit Kordovas, Zaporavos Freibeuter-patent auf ihn zu übertragen. Danach verbrachte er etwa zwei Jahre als ordentlich bestallter Freibeuter. Wie üblich wurden immer wieder Ränke gegen die zingarische Monarchie geschmiedet. König Ferdrugo war alt, und seine Kräfte schwanden. Für die Nachfolge auf dem Thron gab es nur Chabela, seine im heiratsfähigen Alter stehende Tochter. Herzog Villagro gewann den stygischen Supermagier Thoth-Amon, den Hohenpriester Sets, für seinen finsteren Plan, Chabela zu heiraten. Die mißtrauische Prinzessin fuhr jedoch mit der königlichen Jacht die Küste hinunter, um ihren Onkel um Rat zu fragen. Ein mit Villagro verbündeter Pirat kaperte die Jacht und entführte Chabela. Sie konnte jedoch entfliehen und traf Conan, der die magische Kobra-Krone in seinen Besitz brachte, hinter welcher Thoth-Amon ebenfalls her war. Ein Sturm trieb Conans Schiff an die Küste von Kush, wo er auf schwarze Krieger stieß, die von seinem alten Waffenbruder Juma befehligt wurden. Während der Häuptling die Piraten willkommen hieß, stahl einer aus dem Stamm die Kobra-Krone. Der Cimmerier machte sich an die Verfolgung. Prinzessin Chabela folgte ihm. Beide wurden von Sklavenhändlern gefangen und an die schwarze Königin der Amazonen verkauft. Die Königin machte Chabela zur Sklavin und Conan zu ihrem Beschützer. Doch dann wurde sie auf Chabela eifersüchtig, ließ das Mädchen auspeitschen und
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Conan einkerkern. Beide wurden verurteilt, von einem fleischfressenden Baum verzehrt zu werden (›Conan der Freibeuter‹). Nachdem Conan die zingarische Prinzessin befreit hatte, entrann er ihren Heiratswünschen, indem er sein Leben als Pirat wieder aufnahm. Aber andere - eifersüchtige - Zingarier kaperten sein Schiff vor der Küste von Shem. Conan gelang es, ins Landesinnere zu fliehen. Dort schloß er sich der freien Kompanie an, die aus Söldnern bestand. Statt auf reiche Beutezüge zu gehen, mußte der Cimmerier an der schwarzen Grenze Stygiens langweiligen Wachdienst abreißen. Und hier war der Wein sauer und kaum etwas zu holen. Conans Langeweile wurde durch das Auftauchen der Piratin Valeria von der Roten Bruderschaft beendet. Als sie das Lager verließ, folgte er ihr nach Süden. Die beiden fanden in einer Stadt Zuflucht, die von den sich befehdenden Clans der Xotalanc und Tecuhltli besetzt war. Das Paar aus dem Norden schlug sich auf die Seite der letzteren, bekam aber bald mit der Anführerin Ärger, der alterslosen Hexe Tascela. Conans Liebesbeziehung mit Valeria hatte zwar heiß begonnen, war aber nicht von langer Dauer. Valeria kehrte zum Meer zurück, Conan versuchte nochmals sein Glück in den schwarzen Königreichen. Er hör-te von den ›Zähnen von Gwahlur‹, einer Schatulle voller kostbarer Edelsteine, die in Keshan verborgen sein sollte. Sogleich bot er seine Dienste als Ausbilder der keshanischen Armee dem jähzornigen König an. Aber auch Thutmekri, der stygische Gesandte der Doppelkönige von Zembabwei, wollte die Juwelen haben. Aufgrund dieser Intrigen mußte der Cimmerier aus der Stadt fliehen. Er gelangte ins Tal, wo die Ruinen Alkmeenons samt Schatz verborgen waren. In einem wilden Abenteuer mit der keineswegs toten Göttin Yelaya, der Corinthierin Muriela, den schwarzen Priestern unter der Führung Gorulgas und den grimmigen grauen Dienern des längst verstorbenen Bît-Yakin gelang es Conan zwar, den Kopf zu retten, doch er verlor seine Beute. Conan machte sich mit Muriela auf den Weg nach Punt. Er hatte den Plan ausgeheckt, die Anbeter einer Elfenbeingöttin um ihr Gold zu erleichtern. Als der Cimmerier aber erfuhr, daß Thutmekri ihm zuvorgekommen war und den Sinn des Königs Lalibeha gegen ihn vergiftet hatte, suchte er mit seiner Gefährtin im Tempel der Göttin Nebethet Zuflucht. Als der König, Thutmekri und der Hohepriester Zaramba am Tempel eintrafen, wollte Conan sie erschrecken, indem er Muriela mit der Stimme
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der Göttin sprechen ließ. Das Ergebnis verblüffte alle, Conan eingeschlossen. In Zimbabwei, der Stadt der Doppelkönige, schloß Conan sich einer Handelskarawane an, die er an den Rändern der Wüste sicher nach Norden führte, nach Shem. Jetzt war der Barbar schon Ende Dreißig, aber immer noch ruhelos. Da hörte er, daß die Aquilonier sich nach Westen in die piktische Wildnis ausbreiteten. Sofort eilte er dorthin, um seinem Schwert wieder Arbeit zu geben. In Fort Tuscelan wogte gerade ein heftiger Kampf mit den Pikten. Dort wurde der Cimmerier Kundschafter. In den Wäldern jenseits des Flusses sammelte der Zauberer Zogar Sag seine Sumpfdämonen, um den Pikten beizustehen. Conan gelang es zwar nicht, die Zerstörung von Fort Tuscelan zu verhüten, konnte aber die Siedler um Velitrium warnen und den Tod Zogar Sags herbeiführen. In aquilonischen Diensten machte der Cimmerier eine steile Karriere. Als er noch Hauptmann war, wurde seine Kompanie durch die üblen, verräterischen Machenschaften eines Vorgesetzten geschla-gen. Conan fand heraus, daß dieser Verräter sein Vorgesetzter Viscount Lucian war und daß dieser die Provinz an die Pikten verraten wollte. Conan entlarvte den Verräter und schlug die Pikten vernichtend. Als General schlug Conan die Pikten in einer großen Schlacht bei Velitrium. Danach rief man ihn in die Hauptstadt Tarantia, um die Ehrungen der Nation zu empfangen. Doch der verruchte, engstirnige König Numedides hegte Mißtrauen gegen ihn. Conan wurde unter Drogen gesetzt, im Eisernen Turm in Ketten gelegt und zum Tode verurteilt. Aber der Barbar hatte nicht nur Feinde, sondern auch Freunde. Bald hatte man ihn befreit und mit Schwert und Roß fortgeschickt. Er wollte sich durch die unheimlichen Wälder der Pikten zum fernen Meer durchschlagen. Im Wald kam Conan an eine Höhle, in dem die Leiche des Piraten Tranicos samt dessen von Dämonen bewachter Schatz lagen. Vom Westen her, jagten ein zingarischer Graf und zwei Seeräuberbanden ebenfalls nach dem Schatz. Auch der stygische Zauberer Thoth-Amon hatte die Hand im Spiel. Eine aquilonische Galeere befreite Conan und man bat ihn, die Revolte gegen Numedides zu führen. Während die Revolution voll im Gange war, tobte an der piktischen Grenze der Bürgerkrieg. Lord Valerian, ein Parteigänger Numedides‘, plante, die Pikten zur Stadt Schohira zu bringen. Ein Kundschafter, Gault Hagars Sohn, vereitelte diesen Plan, indem er den piktischen Zauberer tötete.
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Conan, nun Anfang Vierzig, erstürmte die Hauptstadt und tötete Numedides auf den Stufen seines Thrones. Ohne Zögern beanspruchte der Cimmerier den Thron für sich und war damit einer der größten Herrscher der hyborischen Nation (›Conan der Befreier‹). Aber auch ein König liegt nicht nur auf Rosen gebettet. Innerhalb eines Jahres hatte ein verbannter Graf eine Schar Verschwörer gesammelt, um den Barbaren vom Thron zu jagen. Conan hätte Krone und Leben verloren, wenn nicht der lang verstorbene Weise Epimitreus rechtzeitig eingegriffen hätte. Kaum hatte Conan diese Revolte niedergeschlagen, wurde er mittels Verrat von den Königen der Länder Ophir und Koth gefangen und in den Turm des Zauberers Tsothalanti in der Hauptstadt Koths geworfen. Aus der Gefangenschaft entrinnen konnte Conan mit der Hilfe seines Mitgefangenen Pelias, der Tsothalantis Erzrivale in der Zauberkunst war. Pilia versetzte mit seiner Magie Conan gerade noch rechtzeitig nach Tarantia, um einen Thronprätendenten zu erschlagen und eine Armee gegen seine verräterischen Mitkönige zu führen. Beinahe zwei Jahre lang wuchs und gedieh Aquilonien unter Conans fester, aber toleranter Herrschaft. Der gesetzlose, hartgesottene Abenteurer der frühen Jahre war unter dem Zwang der Ereignisse zu einem fähigen und verantwortungsbewußten Staatsmann gereift. Doch im benachbarten Nemedien hegte man noch Groll aus früheren Tagen gegen den König von Aquilonien und wollte ihn mittels Zauberei vernichten. Mit etwa fünfundvierzig sah man Conan das Alter nicht an, abgesehen von den vielen Narben auf dem kräftigen Körper und dem etwas vorsichtigeren Umgang mit Wein, Weibern und Blutvergießen. Er hielt sich einen Harem der köstlichsten Konkubinen, hatte aber nie eine offizielle Königin an seiner Seite. Daher hatte er auch keinen legitimen Thronerben. Aus dieser Tatsache versuchten seine Feinde Gewinn zu schlagen. Die Verschwörer ließen Xaltotun wieder auferstehen, den größten Magier des alten Reiches Acheron, das vor dreitausend Jahren den wilden Hyboriern weichen mußte. Durch Xaltotuns Magie wurde der König von Nemedien getötet und durch seinen Bruder Tarascus ersetzt. Schwarze Magie besiegte Conans Armee. Der Cimmerier wurde in Ketten gelegt. Der Verbannte Valerius bemächtigte sich des Thrones. Mit Hilfe des Haremmädchens Zenobia entkam Conan aus dem Verlies und kehrte nach Aquilonien zurück, um die ihm ergebenen Truppen gegen
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Valerius zu sammeln. Von den Priestern von Asura erfuhr er, daß Xaltotuns Macht nur mittels eines seltsamen Juwels gebrochen werden könne, dem ›Herz von Ahriman‹. Die Suche nach diesem Edelstein führte zu einer Pyramide in der stygischen Wüste vor der Stadt Khemi. Nachdem Conan das ›Herz von Ahriman‹ gewonnen hatte, kehrte er zurück, um mit seinen Feinden abzurechnen (›Conan der Eroberer‹ ursprünglich veröffentlicht als ›Die Stunde des Drachen‹). Nachdem Conan sein Königreich zurückgewonnen hatte, machte er Zenobia zur Königin. Doch auf dem Ball zu Ehren ihrer Erhebung wurde die Königin von einem Dämon davongetragen, den der khitaische Zauberer Yah Chieng geschickt hatte. Conans Suche nach seiner Braut führte ihn durch die gesamte bekannte Welt. Er traf auf alte Freunde und Feinde. Im purpurtürmigen Paikang konnte er mit Hilfe eines Zauberrings Zenobia befreien und den Zauberer töten (›Conan der Rächer‹). Wieder daheim, verlief alles glatter. Zenobia schenkte ihm Erben: einen Sohn Conan, meist Conn genannt, und einen weiteren Sohn Taurus, dazu noch eine Tochter. Als Conn zwölf war, nahm der Vater ihn mit auf einen Jagdausflug nach Gunderland. Conan war jetzt Ende fünfzig. Sein Schwertarm war ein wenig langsamer als in seiner Jugend, und die schwarze Mähne und der wilde Schnurrbart der letzten Jahre zeigten schon graue Strähnen. Dennoch war er stärker als zwei normale Männer. Als Conn von den Hexenmännern Hyperboreas weggelockt war, verlangten diese, daß Conan allein zu ihrem Bollwerk komme. Das tat er. Er fand Louhi, die Hohepriesterin der Hexenmänner, in einer Besprechung mit drei anderen führenden Magiern der Welt: Thoth-Amon aus Stygien, der Gottkönig von Kambuja und der schwarze Herr von Zimbabwei. In dem folgenden Gemetzel starben Louhi und der Kambujaner, während ThothAmon und der andere Zauberer auf magische Weise verschwanden. Der alte König Ferdrugo von Zingara war gestorben, und sein Thron stand leer, da die Adligen sich über die Nachfolge nicht einigen konnten. Herzog Pantho von Guarralid fiel in Poitain ein, dem südlichen Aquilonien. Conan vermutete Zauberei und vernichtete die Eindringlinge. Als er herausfand, daß Thoth-Amon hinter Panthos Wahnsinnstat stand, rückte er mit seinem Heer aus, um den Stygier zur Rechenschaft zu ziehen. Der Cimmerier verfolgte den Feind bis zu Thoth-Amons Festung in Stygien, nach Zembabwei und bis ins letzte Reich des Schlangenvolks in den tiefsten Süden.
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Danach regierte Conan mehrere Jahre in Frieden. Doch die Zeit schaffte, was kein Feind fertiggebracht hatte: Die Haut des Cimmeriers wurde runzlig, das Haar grau. Die alten Wunden schmerzten bei feuchtem Wetter. Conans geliebte Zenobia starb bei der Geburt der zweiten Tochter. Da brach plötzlich eine Katastrophe über den leicht mürrisch gestimmten und irgendwie unzufriedenen Conan herein. Übernatürliche Wesen, die Roten Schatten, entführten Untertanen aus seinem Reich. Conan war verwirrt, bis er im Traum wieder den Weisen Epimitreus aufsuchte. Dieser sagte ihm, er sollte zugunsten seines Sohnes Conn abdanken und über den westlichen Ozean segeln. Conan fand heraus, daß die Roten Schatten von den Geisterpriestern der Antillien gesandt worden waren, einer Inselkette im westlichen Meer, wohin die Überlebenden von Atlantis vor achttausend Jahren geflüchtet waren. Diese Priester brachten ihrem Teufelsgott Xotli Menschenopfer in solchen Mengen dar, daß ihre eigene Bevölkerung vor dem Aussterben stand. In Antillien wurde Conans Schiff beschlagnahmt, aber er konnte in die Stadt Ptahuacan fliehen. Nach Kämpfen mit riesigen Ratten und Drachen tauchte er oben auf einer Opferpyramide auf, gerade als seine Mannschaft geopfert werden sollte. Übernatürliche Kräfte, Revolution und Erdbebenkatastrophen folgten. Am Schluß segelte Conan davon, um die Kontinente im Westen zu erforschen (›Conan von den Inseln‹). Ob er dort gestorben ist oder ob die Überlieferung recht hat, wonach er den Westen verließ und seinem Sohn im Endkampf gegen Aquiloniens Feinde zur Seite zu stehen, wird nur der wissen, der - wie Kuli von Valusien einst - in die mystischen Spiegel von Tuzun Thune schaut.
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