Jean Bruyère
Clotilde und Roger
Roman
Deutsch von
Monique Bertrand und Georges Jourdain
Rowohlt
Die Original...
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Jean Bruyère
Clotilde und Roger
Roman
Deutsch von
Monique Bertrand und Georges Jourdain
Rowohlt
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel «Roger ou Les à-côtés de l’ombrelle» im Verlag Jean-Claude Simoën, Paris Umschlagentwurf Manfred Waller (Foto: Studio Hammar) Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Februar 1981 Copyright © 1981 by Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg «Roger ou Les à-côtés de l’ombrelle» © Éditions Jean-Jacques Pauvert et Jean-Claude Simoën, Paris, 1979 Alle deutschen Rechte vorbehalten Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany ISBN 3499 14685 1
Zu diesem Buch Enttäuscht von seinen ersten sexuellen Erfahrungen wird der Junge Maler Roger von der vorurteilslosen Clotilde während einer hemmungslosen Bildungsreise auf die labyrinthischen Pfade des Eros geführt. Roger wandelt sich zu einem einfühlsamen Liebhaber, der nur in der Lust, die er seiner Partnerin schenkt, auch seine eigene Erfüllung findet. Einer nicht nur wegen der Delikatesse seiner sinnenfreudigen Szenen, seines beschwingten Stils und seines feinen Humors beachtlichsten Romane der erotischen Weltliteratur: Er verkün det Liebe nicht als körperliches Bedürfnis, sondern als ein Kunstwerk. Das Buch wurde zuerst 1926 in einer begrenzten Auflage von 125 Exemplaren veröffentlicht und erst 1979 neu aufgelegt. Seine Autorenschaft ist nach wie vor unaufgeklärt. Ein Hotelboy, der das Manuskript für 2 Pfund Sterling veräußerte, versicherte, daß es aus dem Sonnenschirm einer vornehmen Dame der Pariser Gesellschaft gefallen sei, die zum Fünf-Uhr-Tee ins Claridges zu kommen pflegte.
Ich war im Garten, als mein Sohn herbeieilte. Ich liebe Pflanzen, Tiere und Kinder. Wenn ich seine winzigen Ohren zum Scherz gelegentlich mit Küssen bedecke, mag er das gar nicht und stößt Schreie aus, die mir mitunter schon unter die Haut gehen. Er war wie erstarrt. Ich setzte ihn ab. Zwei große Tränen hinterließen ihre Spuren auf seinen Wangen. Empörende, stumme Kinderträ nen, Antwort auf einen Schrei, der nicht einmal mehr etwas Fragendes hatte. «Mutter sagt, Roger geht es schlecht, du sollst sofort kommen.» Ich liebte (liebe) Roger vielleicht mehr als einen Sohn. Meine Zuneigung erhob nicht jenen Ausschließlichkeitsanspruch, mit welchem Väter und Mütter gemeinhin unsinnige Eifersucht rechtfertigen… Ich verspürte nie den Drang, ihn aus der Weit sicht, die mir mein Alter verlieh, zu lenken oder gar über ihn zu richten. Man richtet nicht über einen Schößling, der sich im Wachsen vom schützenden Stamm entfernt. Ich sah ihm stets mit der distanzierten, warmherzigen Zuneigung beim Leben zu, die der Biologe für seine Bazillen empfinden mag, wenn sie ihm durch «Gehorsam» zu Ruhm verhelfen. Roger war zwölf Jahre jünger als ich. «Augen lügen nicht.» Ach, nie sah ich lebendigere Augen. Mit seinen zweiundzwanzig Jahren hatte Roger die Züge eines Drei ßigjährigen. Eine schöne, gerade, sich zur Spitze hin leicht ver jüngende Nase verweiblichte sein Gesicht, das man sonst den noch hätte männlich nennen können, wäre eben nicht der zärt lich stimmende Liebreiz seiner Nasenflügel gewesen. Seine Hän de erfüllten so manche Frau mit Neid, ja Leidenschaft. Sie waren ungewöhnlich feingliedrig und dennoch kräftig. Er war stolz auf sie und ließ sich von ihnen hin und wieder, wenn er allein war, zu Tränen rühren. Oh, dieses Kind begriff die Göttlichkeit des Körpers, dem uns so viele heute verworfene Jahrhunderte entfremdet haben. Seine
Augen logen schamlos. Ich fühlte – bis zu unserer Trennung waren es nur noch wenige Tage. Er hingegen wußte es – und da er sofort begriff, daß es auch mir nicht unbekannt war, überkam uns beide eine große Ruhe. Er küßte meine Hand. Damit wob er zwischen uns eine Art Frühlingshauch. Ich bin sicher, keiner von uns beiden litt. Wer das Leben wahrhaft erfaßt und eingesaugt hat und wer es furcht bar, ja, zuweilen bis zur Schändlichkeit liebt, dem kann es in manchen Stunden und bei manchen Gedanken durchaus leicht und nutzlos vorkommen wie ein Luftballon. Ich liebe Luftballons – sie zerplatzen in der Sonne, statt küm merlich dem Tode entgegenzuschrumpfen.
Motive einer Beichte
Lieber Jean, heute fühle ich mich ausnehmend wohl. Beim Erwa chen drückte mir mein Vater zwei Zitronen in die Hand, die frisch gepflückt und noch so warm waren, daß ich es nicht über mich brachte, sie aufzuschneiden. Geschweige denn, mich in den Schatten tragen zu lassen. Ich genieße nach Herzenslust die Sonne und überlasse alles andere den Rastlosen. Ich liebe meinen Vater; er nimmt meine «Abreise» nicht zu schwer. Seine Kunst hilft ihm, so manches zu begreifen – sogar seinen Sohn. Eine außergewöhnliche Leistung! Sprechen jedoch könnte ich nur mit Ihnen, Jean. Sie hören ohne Hintergedanken zu; die selbstsüchtige Zuneigung, die uns, so glaube ich, verbin det, läßt jedem in seinem Bereich seine Freiheit. Wie bei einem Kind mit zwei Kreiseln – fällt der eine um, vergnügt es sich mit dem andern. Roger bat mich um Zigaretten. Ich begriff, daß er mit mir spre chen wollte und daß es um Wichtiges ging. Zu sehr liebte ich dieses mitreißende Kind, um mich zum Komplicen der Ärzte zu machen. Ich reichte ihm meine Packung. In wenigen Stunden vertraute mir Roger sein ganzes Leben an. Danach sah ich ihn, seinem Wunsch entsprechend, nicht wieder. Es zog ihn zu dem Meer im Süden, dem schon von Kind an seine Liebe gehörte. Den Ruhelosen genügen die Ebenen und die Berge nicht, deren Friedfertigkeit sie schreckt. «Das Meer ist wohl die widersinnigste Schöpfung dieses alten Moralisten Gott», sagte zuweilen mein Freund. «Ihm ist da ein meisterlicher Wurf plastisch gestalteter Nutzlosigkeit gelungen.» Wir lachten jedesmal über seinen Einfall, über das seltsame Zweigespann von Nutzlosigkeit und plastischer Gestaltung. «Sie wissen ebensogut wie ich, lieber Jean, was mich fasziniert. Am Geldanlegen kann ich nicht mehr Gefallen finden als Sie.
Überlassen wir es also den lebenstüchtigen Schlitzohren, die Einkommen mit Genuß verwechseln. Ich weiß, ich reise ein wenig früh ab – ob mein Vater wohl ahnt, daß ich ihm seine vornehme Denkungsart solchermaßen vergelte? Dabei wird behauptet, zu schnell gereiften Früchten fehlt es an Geschmack. (Wir mußten beide herzlich lachen; davon leuchtet immer noch ein Rest Frische in unseren Augen.) Ich reise ein wenig früh ab, und sähe ich nicht voraus, daß es nur Zeitverschwendung wäre, ich könnte noch Tage in zärtlicher Wehmut schwelgen. Doch was soll ich mit diesem verflixten Frühling! Sehen Sie sich die Rosen an, die mir mein Vater an den Flor hier gesteckt hat. Wären sie gleich nach dem Abschneiden der Melancholie verfallen, könnten wir dann diesen Anblick genießen, der uns Gott gleichstellt? – Sie wissen ja, lieber Jean, wie unvorhergesehen mein Leben verlief. Die Indiskretion, dank derer ich über die Begrenztheit meiner mir noch vergönnten Frist aufgeklärt wurde, hat im gleichen Atemzug auch über den Rhythmus meiner Handlungen entschieden. Ich wurde Opfer eines Scherzos, das mich nun schon zweier oder dreier Lenze beraubt, doch bin ich mir wenigstens sicher, daß ich die vorange gangenen ohne Hagel und Aufschübe gelebt habe. Sie wissen alles von mir – bis auf ein Detail. Sie kennen meine ersten litera rischen Versuche und die anmutige Kurve, die mich bis zu dieser Rast geführt hat. Der Mensch will sich nun einmal durch Erho lung erneuern, was nichts mit jenem fleischlosen, allzu endgülti gen Tun gemein hat… Doch nie haben wir bisher über Frauen gesprochen. Schon der Ausdruck ist mir zuwider, der Scheinursachen von Scheinwir kungen trennt. Doch müssen wir uns dieser Männersprache wohl noch einige Tage bedienen.» Roger wurde müde. Ich ging für eine Stunde hinunter an den Strand, seines Vaters Schaffen im Angesicht der Uferfelsen zu verfolgen. Nicht ein einziges Mal in dieser Stunde überprüfte er die Übereinstimmung zwischen seiner Leinwand und dem doch so sorgfältig ausgesuchten Motiv. Dieser Mann malte quasi mit
geschlossenen Augen: aus sich selbst heraus; so wie die Schall platte die Klänge ihrer Musik rein aus der eigenen Umdrehung hervorzulocken scheint. Welch absonderliche «Gaukler» doch Maler sind! Als ich wieder zu Roger hinaufstieg, sog er gerade das saure Aroma seiner inzwischen abgekühlten Zitronen in sich ein. Noch am gleichen Abend erzählte er mir sein ganzes bisheriges Sinnenleben. Die Pracht seiner fast versengenden Worte rührte mich an wie ein verstohlener Frauenblick. Hiermit gebe ich sein Intimle ben denn ungeschminkt wieder. «Der Hintern meiner Geliebten» klingt immer noch besser als «ihre Schamteile».
Einweisung in die Liebe auf einem Rücken oder Die schlimmsten Fehler eines Übersensiblen
Sie haben nun, lieber Freund, alles und fast Tag für Tag über einen Pol meines Lebens erfahren. Ich vermeinte, Ihnen das Wesentliche gesagt zu haben. Ich besaß noch nicht jene endgülti ge Klarheit, die es mir heute morgen gestattet, alle Ebenen zu vermengen. Mein Leben bestand nicht nur aus Gedanken, Büchern und göttlichen Gesprächen, wie man sie nach lauschigen Nächten führt. Was ich heute weiß und was mich so ruhig und gleicher maßen erholt abreisen läßt, habe ich, Sie erraten es, bei Stendhal, Watteau, Laforgue, Picasso und Renoir ebensowohl wie zwischen den wunderbaren, feuchten Schenkeln meiner Geliebten gelernt. Ich brauchte lange, bis ich beide Pole miteinander verbinden konnte. Ich glaubte immer, ich beginge zum Schaden des einen Diebstahl am andern. Doch rührte mich Picassos Wesen nicht wirklich an, es sei denn in den schlimmsten Augenblicken bitterer Enthaltsamkeit. Und meine Ihnen ja bekannte Vorliebe für Milch, gepflegten Rasen und Renoir rührt von meinen «Aus schweifungen» her, wie ich es nenne. Meine Kindheit hindurch wurde ich, wie ich Ihnen schon be richtete, in Keuschheit, Unwissenheit und fern von allem Bösen gehalten. Ich log nicht, wenn ich mich «jungfräulich» nannte. Trotzdem erbebte ich lange vor meiner ersten Frau nur allzuoft vor Wollust! Gab sich meine Jugend, voll Scham in Worten und Gedanken, doch verworfenen zärtlichen Liebkosungen hin! Die pflückte ich, wo es sich ergab: selbst unter den Augen mei ner Schwestern, meiner Lehrer. Schlimmer noch – ich entdeckte
die Quelle meiner in jungen Jahren vielleicht allzu häufigen Mat tigkeit… auf dem Rücken eines Freundes. Huckepack ging es durch das Wäldchen, das dem tiefer liegen den Teil des Gutes Schatten spendete. Wir nannten es das Gau cho-Spiel. Dabei saßen wir abwechselnd auf dem Rücken dessen, der gerade das Pferd spielte, und galoppierten scheinbar einer rätselhaften Gazelle nach. Der Reiter beugte sich nach vorn, wie wir es auf den englischen Stichen gesehen hatten, die in der Kanzlei meines Onkels die Wände zierten. So berührten sich unsere Wangen, und ihre Feuerröte hatte noch nichts mit Sinn lichkeit zu tun. Eines Tages aber (ich war der Reiter) drohte ich abzurutschen und mühte mich mit Hüften und Armen, wieder in den «Sattel» zu kommen. Ich preßte den Bauch an den Rücken des Läufers und empfand dabei ein gewisses Vergnügen. Ich war noch völlig ahnungslos. Ich ließ mich einfach gleiten, um noch einmal durch den winzigen Nebel entrückt zu werden. Und der Nebel kam. Ohne jede ohnehin illusorische Hilfe, ohne Liebkosungen, ohne lüsterne Berührungen hatte ich die Quelle einsamer Spiele – ich hielt es für Spiele – erschlossen, mit denen ich mir hinfort im Übermaß die Zeit vertrieb. Eigenartige Entdeckung dessen, was wir als Sünde bezeichnen – sie ersparte mir immerhin all die Schrecken, die an Gymnasien sonst derjenigen Teil sind, die sich in banger Wißbegier an brennenden, doch rohen Fragen den Kopf einrennen. Ich hatte keine Ahnung, was ich tat, ich vertrau te mich niemandem an. Doch verheimlichte ich es auch kaum. Es genügte mir zu meiner Freude, daß die Hand in meiner Hosenta sche leicht den Hort der Lust berührte. Ein Schritt auf dem Flur, ein Pausenklingeln, ein heftiges Wort von Nachbarn beschleunig te den Ablauf, führte zu schnellerem Ende. Es war ein flüchtiges und mildes Vergnügen, das mich kaum erhitzte und sich in vier undzwanzig Stunden hundertmal wiederholen ließ. Niemals jedoch strebte ich es bei nächtlichem Erwachen an. Im Unter richt hingegen, bei Freunden und an meinem Schreibtisch, mitten in den Hausaufgaben oder beim Lesen ergötzte ich mich. Und
weder davor noch danach verspürte ich Ermattung oder Nieder geschlagenheit. Kurzum, die Lust war immergrün und leicht wie Rasen und auch kaum folgenreicher als er. Die Wirren der Pubertät spielten sich also in meinem Fall in mir selber ab. Die Niedrigkeit meiner Schulkameraden konnte mich nie treffen, das Laster ihrer schmutzigen Neugier steckte mich nicht an. Es gab wohl einige Skandale, doch ohne daß ich sie verstand. Die Frauen ängstigten mich ein wenig, aber sie stellte ich mir in meinem Aufruhr nie vor. Statuen und Gemälde großer Meister betrachtete ich mit der allergrößten Unschuld, und die schwüle, zielbewußte Unzucht, mit der meine Mitschüler auf die üppige Blüte, die zwischen den Beinen der Göttinnen prangt, starrten, war mir fremd. Wozu, mein lieber Jean, hätte ich auch anderwärts suchen sol len? Meine eigene Welt der Wollust, in der ich lebte, war für mich genug und hielt mir den Kopf frei. Später überraschte ich mich zuweilen dabei, wie ich mein Gemächt betrachtete. Wenn ich es so ansah, überflutete, ohne daß mir dabei anderes als der Geist zu Hilfe kam, warme Erregung meinen Körper. Meine ganze Lust bestand darin, es anwachsen und atmen zu sehen. Nach mehr verlangte mich nicht. Mein fünfzehnter Geburtstag stand bevor. Verschüttet unter dem kindlichen Streben nach Leistungen, wie Rhetorik und Philosophie sie erfordern, kam mein Körper zur Ruhe. Nur zuweilen befielen mich nervöse Krisen, die sich in Tränen auflö sten. In unseren Gymnasiastengesprächen priesen wir die Gött lichkeit der platonischen Liebe und waren doch selber zumeist keusche Jünglinge. Es lag auf der Hand, man hatte uns ver dummt! Bald darauf reiste ich zu meiner zweiten Abiturprüfung nach M. Am Abend meines erfolgreichen Bestehens schleppten mich Kameraden mit. Die Fragen meiner Familie nach den Vergnü gungen dieses Abends ließen mich noch lange erröten. Ich hütete mich ängstlich, meine Erlebnisse preiszugeben. Ach, Jean, dabei waren wir zwei Stunden… im Varieté!
In der gleichen Stadt wurde ich schließlich zum Studium ein quartiert. Das Meer und der Hafen reizten mich womöglich noch mehr als die Bibliotheken, dazu – altbekannt – die unerwartete Freiheit, die wir ja doch nur dazu benutzten, uns zu beweisen, daß es endlich «soweit» war. Mehrere Monate hindurch blieb ich keusch, verbrachte meine Nächte, weitab vom lockeren Leben meiner Freunde, mit Lesen. Ich ging auch oft in einen Club, in dem Scharen rachitischer Maler, schmächtiger Poeten und «italienischer» Musiker sich gegenseitig den illusorischen Luxus gemeinsam aus den Fingern gesaugten Ruhms boten. In den ersten Wochen nahm ich sie noch ernst, dann wählte ich mir meine Gefährten aus und zog mich zurück. Um diese Zeit bekam ich meinen ersten lebendigen nackten Frauenleib zu Gesicht. Ein alter Maler, dem es meine Malversuche angetan hatten, bot mir an, vormittags einmal bei ihm zu zeichnen. Er sah meinen Eifer mit Wohlwollen, schätzte mich aber doch zu sehr, um mich in einer Kunst fortfahren zu lassen, von der ich keine ausrei chenden Proben gab. «Sie können doch mit den Augen noch viel mehr lernen als mit der Hand», sagte er häufig. «Es entspricht einfach Ihrem Alter, diese göttlichen Gestalten in der Bewegung kennenzulernen.» Meine Erregung wird mir unvergessen bleiben. Die angekündig te Lust verwirrte meine Sinne. Mich überfiel Angst, ich könnte mich lächerlich machen vor jenem Körper, denn allein schon der Gedanke… Ich erstand ein langes weißes Hemd, das mich ver hüllen sollte. Doch leider rührte der anbetungswürdige Leib des herrlichen, blonden, kaum Frau gewordenen Geschöpfes mit der unterm goldenen Vlies nur schlecht verborgenen Muschel meine Sinne nicht, versetzte nur mein Herz in Aufruhr. Zu Hause versiegten lange meine Tränen nicht, dann verbrannte ich mein Hemd. Ich hatte mich in Juliette verliebt.
Liebestechnik oder Zurückhaltung ist das Maß der Liebe
Auch ich war ihr im übrigen nicht gleichgültig. Mein alter Maler amüsierte sich und brachte uns einander näher. «Sie haben eini ges zu lernen, junger Mann. Vergessen Sie nicht, in Ihrem Alter ist der Kopf gefährlicher als die gewagtesten Körperspiele.» Juliette wußte, wie es um mich stand, und lachte mitunter dar über. Ach, Jean, ich wußte nicht einmal, daß ein Frauenkörper, wo ich nur vage einen rätselhaften Mund vermutete, ganz son derbar geschlitzt ist. Meinen Kameraden hörte ich jetzt besser zu, weigerte mich jedoch immer noch, Abbildungen, die mir ein Medizinstudent anbot, entgegenzunehmen. So kam ich, weil ich nicht wußte, wozu meine Hände taugten, in meinem Geschäft doch schlecht voran. Andere Frauen brach ten es mir später dann zur Genüge bei. Juliette hatte ich schon nackt gesehen und ihre Brüste schon geküßt. Doch wenn ich vor ihr stand, war ich verlegen, bekam vor lauter Wallen im Kopfe keine Luft. Ich wußte nichts, nicht einmal, wie ihr Kleinod roch. Ich teilte mich einem verläßlichen, wenngleich ein wenig rohen Freunde mit. Seine Ausdrucksweise schreckte mich ab: «Wenn du sie nicht v… bist du sie in einer Woche los. Juliette sieht viel zu klar, um sich mit einem Trottel einzulassen. Und vergiß nicht, halte es zu deinem eigenen Vergnügen bis zum äußersten zurück. Dadurch wird’s doppelt schön.» Dies war nun, mein lieber Jean, mein erster Rat in Liebesdin gen. Und er galt mir allein. Ach, Grünschnäbel und alte Frauen vergessen ihren Gespielen schnell. Sie nehmen, was kommt, und wollen Erfolge sehen. Doch um die «Technik» ist es bei ihnen schlecht bestellt!
O weh oder Ein Schlag ins Wasser
Das wurde mir bald klar. Als ich mich, ohne alle Umschweife auf Juliette legte, entdeckte ich sehr schnell die anbetungswürdige Körperöffnung, deren Gesetze ich nicht kannte. Zu heftig gab ich her, was langem Sehnen vorbehalten sein muß. Ich Unglücksrabe ergriff, weil sie unter meinen Lippen «Deine Hand, deine Hand!» flüsterte, ihre Handgelenke! Arme Juliette, in die Arme eines allzu reinen Liebhabers ver schlagen, von dir sollte ich nichts lernen. Ich suchte sie nicht wieder auf, denn ich war mir meines Versagens dunkel bewußt. Doch ich liebte sie drei Monate lang. Nie kam mir der Gedanke, auf die Kniffe zurückzugreifen, die mir in meiner Jugend wohlgetan, obwohl Phantasie mir dann vielleicht weitergeholfen hätte… Da begegnete ich Clotilde.
Ein Längsschnitt und danach mehrere Ansichten des Längsschnitts
Clotilde war groß, schlank, leichtfüßig, trotz ihres italienischen Vaters nordisch blond, und amazonenhaft bis zur Taille. Ich mochte Frauen von ihrem Schlag schon immer, wenn damit nicht eine gewisse Kühle einherging. Aber Clotilde rundete sich hüftabwärts, sie war vom Gesäß bis zu den Füßen eine bewun dernswert üppige Frau. Ihr Bauch war flach, ihr Kleinod vorge wölbt, schön offen, und ihre Lippen langgezogen, weich und von süßem Duft. Wenn ich von ihr ging, netzte ich jedesmal mein Taschentuch darin, und betupfte manchmal sogar meine Nasen flügel. Ach, wie ich ihren Duft genoß – und sie war, obgleich stets Erstaunen vorschützend, stolz darauf. Clotilde war in M. die Geliebte eines mit mir befreundeten Stu denten gewesen. Auch sie studierte. Gemeinsam besuchten wir die Vorlesungen von V… Doch berührte das Studium der Philo sophie sie immer nur insoweit, als es ihr eine Möglichkeit zu ihrer eigenen Befreiung lieferte. Sie war gutem Wein ebenso zugetan wie der Liebe, den unseli gen Dichtern und den jungen Malern. Lange vor mir fand sie Zugang zu Matisse und den ersten Kubisten. In Picassos respekt loser Hölle jedoch trafen wir uns und schreckten nicht davor zurück, einen Monat lang auf das Notwendigste zu verzichten, um dann eines der verrückten Bilder aus seinem Jolie-Zyklus aufhängen zu können. Clotilde verließ ihren Freund, den Dichter C… wegen einer Nichtigkeit. Er hatte sich unterstanden, sich für vierundzwanzig Stunden nach Monte Carlo abzusetzen, und dazu um des Spieles willen. Sie verließ ihn, obwohl sie darunter litt, unwiderruflich.
Um diese Zeit kam sie nach Paris, wo wir uns eines Tages bei Marie begegneten. Marie kannte Juliette über die Maler aus M. Ich verheimlichte ihr mein Versagen nicht. Dies stolze Mädchen, das doch immer hin fünf Jahre älter als ich war, betrübte mich weder durch Lä cheln noch durch wohlmeinende Ratschläge. Erst später klärte sie mich durch vage Anspielungen allmählich auf. Wir sahen uns oft. Alle unsere Sonntage und einige vom Studi um abgezwackte halbe Tage verbrachten wir im Umkreis von St. Germain. So lebhaft und so ungezwungen vergnügten wir uns, daß ich die Unausweichlichkeit unserer Leidenschaft nicht ahnen konnte. Wenn ich nur ihre Hände küßte, vermeinte ich ihre kameradschaftlichen Gefühle – denn dafür hielt ich sie – schon zu verletzen. Für Mitte Juni etwa war ein Geländelauf nach Meudon angesagt. Die dortige Tribüne gefiel uns beiden sehr, und Clotilde zogen die Leiber der Athleten an, die sie mit den Augen einsog wie sonst den Duft von Blüten und Speisen. Den ganzen Tag waren wir durch die Wiesen, Haine und Wäl der gewandert, die die sanfte Meudon-Landschaft durchziehen. Clotilde sprang über Gräben, führte mich Hänge hinauf, lief vor und hinter mir und köpfte mit ihrem Sonnenschirm Blumen. Am Abend hatten wir uns verlaufen; die Dunkelheit überraschte uns am Saum des Waldes, der sich zwischen Meudon und Villacou blay hinzieht. Ein heftiger Gewitterwind kam auf, und Clotilde wurde plötz lich müde. Sie machte einen Satz und streckte sich am Boden aus. Ich baute aus einem leichten, über Dornensträucher gespannten Überzieher ein Zelt, das sie vorm Winde schützte. Heftig tobte der Sturm und verurteilte uns zum Schweigen. Wir rückten so eng zusammen, daß sich unsere Hände ver schlangen und unsere Wangen aneinanderlagen. Clotilde berührte hin und wieder spielerisch meine Wangen, Ohren, Haare, sagte dabei aber kein Wort und hatte keinen Blick für mich. Ich war ganz hingerissen von Sturm und Gewitter, und jeder andere Gedanke sowie jede Begierde war, so schien es,
angesichts des Unwetters verdrängt. Irgendwie glitt dann ihre Hand auf meine Brust. Sie meinte später, in dieser Nacht seien wir beide unserer nicht Herr gewesen und unserer Handlungen nicht bewußter als die Bäume und die trockene Wärme, die sie zauste. Doch erschauerte mein Körper in plötzlicher Entspannung unter der Berührung ihrer rastlosen kühlen Hand – auf Kosten meiner Begierde. Ich näherte meinen Mund Clotildes Mund. Da ließ sie sich gleich einem aufrollenden Stoffballen auf den Boden sinken, stumm. Mein Kopf ging bei ihrem langsamen Abgang mit, und ich fand mich wie auf einem weichen Kissen zwischen zwei glutheißen Schenkeln wieder, denen das auch nicht mißfiel. Dort erfuhr ich in einem tiefen Atemzug denn auch, wie Frauen an ihrer verborgensten Stelle riechen. Die für mich neue Wonne wäre beinahe mein Verderben gewe sen. Mein ganzer Körper sehnte sich nach nichts anderem mehr, als diese Blüte einzuatmen, die freizulegen ich jedoch nicht das mindeste unternahm. Ich wagte es nicht, meine flach auf ihrem Schenkel und ihrem Schoß ruhenden Hände zu bewegen. Ich atmete im Taumel über ihr verborgenes Fleisch – und vergaß darüber die Welt und die Stürme am Himmel. Clotilde sagte mir später, ich sei über eine Stunde wie hingegos sen in dieser ungetrübten Wollust verharrt. Doch dann rief sie plötzlich meinen Namen und riß mich aus kurzem, selbstverges senem Schlummer. Nun stand mir, mochte ich zu seiner Erkenntnis auch noch so lange gebraucht haben, das Ziel meiner Wünsche mit einemmal klar vor Augen. Heftig wie ein Orkan riß ich ihre Röcke hoch. Ihre vom Duft der Sehnsucht getränkte Wäsche entlockte mir Schreie, unter denen wiederum Clotilde am ganzen Körper er bebte. Ihre Muschel tauchte unter meinen Lippen auf und war auf so zarte, feuchte Weise schön, daß mir zwei große Tränen über die Wangen liefen. Da drückte ich mein ganzes Gesicht hinein. Ich badete darin meine im Dunkel unnützen Augen. All meine Unbildung schmolz dahin in der Berührung dieses emp
findsamen, beweglichen Punktes, der, dank Clotildes sehnendem Verlangen, hervortrat wie die Rosenknospe ihrer Brüste. Meine Zunge entdeckte von allein, was sie zu tun hatte und welches Vergnügen sie damit bereitete. Noch genauer sollte ich es wissen, als sich zwei glutheiße Schenkel so fest um meinen Nacken schlossen, daß ich fast erstickte. Und auf einmal begann sich der Schoß, auf dem mein Kopf ruhte, zu heben und zu senken, und im Takt dazu stieg ein Kla geton in den Wind. Clotilde holte noch einmal tief und lautlos Atem, daß es ihren ganzen Körper zusammenzog, und ließ dann, mit weit ausgebreiteten Armen, im Gras liegend, ihre Lust her aus. Ich wollte mich schon über sie schieben und mir in diesem Fleisch, dessen Öffnung meine Lippen geschmeckt hatten, die verdiente Lust holen, da streifte, bei der Bewegung, zu der ich ansetzte, Clotildes bloßer Fuß von oben nach unten mein Ge schlecht. Meine Lust war so wild, daß ich nach dem Bein griff und es derb an meinen Leib preßte. Das war die Erfüllung. Ich sank besinnungslos auf Clotilde, die mich in ihre Arme schloß. Wie wir an jenem Abend zurück in unsere Zimmer fanden, bleibt wohl für immer ein Rätsel. Ich spürte die schweren Regen tropfen auf meinem Gesicht. In meinen Armen trug ich die ermattete Clotilde mit aufgelösten, über die Erde schleifenden Haaren durch Wiesen und Felder. Zuweilen legte ich sie auf grüner Flur nieder, und Seite an Seite fielen wir in Schlaf.
Ein Manuskript, Gerüche, Einsamkeiten und danach ein Schauspiel
Am nächsten Morgen sahen wir uns in der Vorlesung von S… wieder. Clotilde vermied es, mit mir allein zusammenzutreffen, und nutzte die Gegenwart von Freunden, um sich zu verabschie den und uns ihre Abreise in den Süden mitzuteilen. Drei Tage danach fand ich unter meiner Tür ein Telegramm: «Bin in V… im Savoy. Kommen Sie heute abend». Ich traf sie in dem Zimmer mit dem Blick auf das Schloß, das Sie ja gut kennen, lieber Jean. Sie empfing mich in Abendrobe und vermied jedes Wort, das an unsere vergangenen Sinnesfreu den erinnert hätte. Wir plauderten mehrere Stunden beim Mahle, das in der Nähe des Fensters aufgetischt war, dann klingelte sie und bat, es möchte abgedeckt werden. Daraufhin ersuchte sie mich, ihr aus meinem Zimmer das Manuskript über die «Zones» zu holen, das M. mir anvertraut hatte. Bei meiner Rückkehr lag sie mit geschlossenen Augen reglos und bis zum Halse zugedeckt im Bett. Ich begann alsbald am ganzen Leibe zu zittern und vermochte mich nur mit Mühe zu ihr ans Bett zu setzen. Sie drehte den Kopf ganz leicht zu mir hin und behielt die Augen dabei wie für immer geschlossen. Ich war fassungslos vor Verlangen, und zugleich erfaßte mich ein Entset zen, das mir jede Bewegung und jedes Bitten unmöglich machte. Ich wartete noch (auf ein Wunder?), als ein leises Geräusch meine Blicke zu ihren Füßen lenkte. Ich streckte meine Hand aus und spürte, wie sich ihre Hände unter der Decke sanft hoben und senkten. Ihr Name, den ich hervorstieß, riß meine Lippen auseinander, ohne daß ihr Gesicht seine Ausdruckslosigkeit auch nur eine Sekunde verloren hätte. Doch als sie eine heftigere Bewegung machte, stieg das Aroma ihrer Lust so mächtig empor,
daß mich letzte Kühnheit packte. Ich warf meine Kleider wahllos ins Zimmer, legte mich zu ihr und schob die Decke wild ent schlossen zur Seite. Beide Hände auf ihrem Kleinod, genoß Clotilde so erlesene Wonnen, daß es mir das Herz zerriß. Ich legte mich, die Beine geschlossen, auf sie. Das leichte Auf und Ab ihres Schoßes verschaffte meinem Fleisch Genüsse, die ich mir nur örtlich präziser gewünscht hätte. «Streichle dich doch», hauchte Clotilde mir zu. Ich gehorchte. Und mit auf flammendem Blick verfolgten ihre Augen in den meinen die Phasen einer Lust, auf die ich mich seit meiner Jugend verstand. Mit einer einzigen drängenden Frage trieb sie mich an, beschleu nigte meinen Rhythmus und beflügelte ihre Hände: «Schön? Schön?» Schließlich glitten ihre Finger an ihrem Körper entlang, erreichten ihre Hüften, kneteten ihre Brüste, und während sie sich, Mund an Mund mit mir, über mich schob, spürte ich ihre Fingernägel nach meiner Brust und dann nach meinen Hüften suchen. In einer Liebkosung, die weder endete noch neu begann, die gleichermaßen kratzte wie streichelte, die weder örtlich noch rhythmisch festgelegt und ebenso gekonnt wie zaghaft war, gewährte sie, mir, was sie sich selbst kurz zuvor gegönnt hatte. – Auf Knien und die Augen tief in den meinen, spielte sie auf meiner Schalmei und wartete darauf, daß meine aufsteigende Wonne ihr den Zeitpunkt verrate, den sie abzupassen schien. Dann ließ sie sich mit ihrem ganzen Gewicht auf meinen Schaft fallen und pflückte im gleichen Atemzug von meinen Lippen die Schreie, die mir entfuhren. Ein Gurren entrang sich ihrer Kehle und ließ ihre Beine zucken. Der Anblick meiner Lust brachte auch die ihre hervor.
Schöpferische Phantasie oder Unternimm doch was!
Clotilde war zu einfallsreich, als daß unser Verhältnis gleichmäßig hätte verlaufen können. Sie bat mich, mein Zimmer aufzusuchen und F… ohne sie noch einmal zu sehen, den Rücken zu kehren. Ihre Art überrumpelte mich ein wenig, und vielleicht hätte mich mit meinen neunzehn Jahren ja auch ein ruhiges, weniger maßlo ses Verhältnis ohne weiteres zufriedengestellt. Doch begriff ich sehr schnell, wie grausam Clotilde mit ihrer Leidenschaft geizte. So auserlesen waren ihre Gesetze, daß unseren Vergnügungen dadurch der heilige Aufruhr gesichert war, der die Sinne bis zu ihrer äußersten Empfänglichkeit aufpeitscht. Ich fügte mich den Einsichten einer Frau, die es verstand, ihre Wonnen lieber fein zu dosieren, als sich von ermüdender Übersättigung ersticken zu lassen. Schon am nächsten Morgen war ich wieder in Paris. Über zwei Wochen mußte ich ausharren. Dann kam ihre Nach richt: Sie erwarte mich heute nacht gegen zwei Uhr gegenüber der Gare des Invalides am Kai. Ich beschloß, mich zu wehren. Hinter einer Rampe versteckt, wartete ich, bis es weit über die Zeit war und Clotilde die Augen schließlich doch von der lichterglänzenden, herrlichen Seine abwandte. Auf der Esplanade holte ich sie ein. Ah, der erwartete Ausbruch traf ein, war jedoch stumm und konzentrierte sich auf ihre Hände, die zitternd die Blumen hiel ten, mit denen sie beladen war. Als sie einen Wagen heranwinkte, fragte ich: «Zu Ihnen?» Sie nickte. In ihrer Wohnung dann erschreckte mich ihr geballter Zorn so sehr, daß ich mich ihr zu Füßen warf. Sie packte mit einem Griff alle ihre Blumen und schleuderte sie mir ins Gesicht. Dann zog
sie mich zu sich hoch, legte ihre Lippen auf meinen Mund, faßte mich um den Nacken und biß so jäh und rasend zu, daß das Blut spritzte. Mit einem Satz fuhr ich zurück. Ich stand mit dem Rücken an ein Möbel gepreßt, Clotilde drückte mich mit ihrem ganzen Körper an die Wand und durchbohrte mich mit ihrem Blick. Ihre Augen sahen aus, als wollten sie meine Schmerzen aufsaugen, mit ihren Fingernägeln zerkratzte sie mir Hüften, Brust und dann die Oberschenkel unter der Kleidung. Mich ergriff rasende Lust. Ich glaube, ich packte sie an der Kehle und zog sie dabei mit einem Bein zu mir heran. Oh, ich bereitete mir eine Niederlage, die ich mir so süß nicht vorgestellt hätte. Lang sam näherten sich Clotildes Hände, langsam knöpfte sie mir ein Kleidungsstück nach dem andern auf. Sanft ziehend legte sie mein glühendes Gemächt frei, streifte mir das Hemd über die Hüften und vereinte Stoff und Hände zu so verführerischer Süße, daß ich vor Sehnsucht verging. Als ich dann, endlich nackt, meinen bebenden Unterleib an ihre Beine preßte, schob auch Clotilde ihre Röcke hoch, entblößte ihre Schenkel, ihren Schoß und preßte sich fest an mich – die Lust war mir gewiß. Als sie in meinen Augen sah, daß es mir kommen würde, bäumte sie sich wie ein Schrei jäh auf und floh zum Fenster hin. Die grausame Anspannung hatte meine Kräfte erschöpft. Ein Teppich lud mich ein – ich kauerte mich einige Sekunden hin. Und nun war sie es, die wiederkam. Sie lehnte sich an ein Möbel, schob einen Fuß zwischen meine Beine, und mit noch immer starrem Blick belauerte sie die furchtbaren Wirkungen der Begierde in meinem Gesicht. Ich zog sie an mich. Da die Unterwäsche die Linie ihrer Beine unter brach, kniete ich mich hin und schürzte ihr den Rock. Sie lächel te. Der Hautstreifen zwischen Strumpf und Schoß tauchte auf. Ich wollte ihn küssen, aber sie drückte meinen Kopf zurück. Meine Hände und Augen suchten unter der Seide nach der dunk len Muschel, von der so sengend heißer Duft aufstieg, daß ich erbebte. Clotilde ließ es geschehen, preßte sich nur an meinen Arm. Zwischen ihren geöffneten Schenkeln und der zerwühlten
Unterwäsche war meine Hand zum Gipfel aller ihrer Wonnen vorgestoßen. Mit Handfläche und Handrücken verwöhnte ich die feuchten Lippen, die mir so unendlich wie eine weite Ebene vorkamen. Weiter glitt meine Hand über ihren Hintern, ihren Rücken. Das steigerte meine Erregung bis an die Grenze. Clotil de schob mahnend meine Hand zurück: Unter ihrem Bauch ertastete ich ihr herrliches Vlies und spürte, daß ein Paar schauer lich starr blickender Augen auf eine Zärtlichkeit warteten, die durchaus gezielt hätte sein können. Unser neugieriges Kindergemüt aus vergangenen Zeiten er wacht zuweilen gerade bei der Frau wieder, mit der wir schlafen. Meine ganze Wollust war auf der Suche, eine Scham zu entdek ken, die mir natürlich nicht mehr fremd war – doch lernt man sie je zur Genüge kennen?… Ich flehte Clotilde an, sie betrachten zu dürfen. Sie lehnte sich halb verschämt, halb begierig zurück, und ich konnte an den Lippen ihres geheimnisvollen Mundes den schweren Atem ihrer Lust beobachten. Wir Männer glauben, die Frau gebe sich uns hin, dabei diktiert sie uns die Bedingungen. Ich hielt Clotilde fest in den Armen und drängte sie zum Bett. Ich hätte sie gern so hingelegt, daß ihre Beine herunterhingen und ich ihre Lippen streicheln könnte. Doch federnd wie eine Sehne drehte sie sich um und sank mit kraftlosen Armen ohne ein Wort mit dem Gesicht aufs Bett. Unter ihren zerwühlten Röcken erblickte ich jetzt ihre Beine. Ich riß die Ösen, den Unterrock und die zarten Strumpfbänder ab, daß sie wie Peitschenhiebe knallten. Unter dem Klageton, den der Schmerz bei ihr auslöste, entblößte ich ihre Hüften. Ach, unendlich sind die lustempfindlichen Stellen einer Frau! Ob Lenden, Achselhöhlen, Scham oder Hintern – allenthalben sehnt sie sich nach dem männlichen Geschlecht. Wir lassen uns um eines Teils willen ihren ganzen Körper entgehen! Jean, wenn ich abreise, werde ich maßlose und meiner Liebe zum Leben doch angemessene Freuden erlebt haben. Frauen haben meine jungen Jahre so reich beschenkt, daß ich mich nicht an Monate, sondern an Jahrhunderte erinnern mag.
Doch welch seltsamer Zufall, nicht ein einziges Mal ist mein Fleisch da schwach geworden, wo die meisten Menschen ihre Lust hinlenken. Ich glaube, ich habe beim immerwährenden Zurückdrängen der Erfüllung mehr gelernt, und ich bereue nichts. Ein Mann, der die Flamme der Wahrheitsliebe in sich immer höher schüren will, opfert der Wißbegier so all seine Kraft und schiebt die Grenzen seiner Wahrhaftigkeit und auch die Hoffnung auf ein Ausruhen immer weiter hinaus. Wieder und wieder küßte ich diese anbetungswürdigen Lippen, meine Zunge, eine züngelnde Schlange, kostete die üppige schat tige Schote. Mit Lippen und Nase verlängerte ich den Genuß, indes meine Freundin den Kopf auf dem Lager hin und her warf und mich anflehte: «Tu etwas!» Doch ich war fest entschlossen, die seltsame Belagerung ihrer Scham bis zum Ende durchzustehen. Ich begehrte sie zwar, wollte sie aber noch nicht besitzen. Ich legte die Hand auf mich selber und entfachte dort eine mindere Lust, die jedoch kein rasendes Ende befürchten ließ. Clotilde entging das nicht. Sie richtete sich auf, und, mich mit ihrem erregten Leib überragend, hitzig wie ein wildes Tier befahl sie: «Leg dich hin!» Kaum war ich gehorsam aufs Bett gesprungen, hockte sie sich auf meine ausgestreckten Knie und riß sich die Kleider vom Leib. Endlich nackt, paßte sie den Takt ihrer Hände dem meinen an, mit denen ich an meiner Rute auf und ab fuhr, und zerteilte dann zärtlich ihre Frucht. Ich sah sie ihre Finger anfeuchten und dann an einem Punkt am oberen Ende ihrer Spalte tippen. Ich wollte etwas sagen, doch ihr Saft überflutete mich. Aufgebäumt und mit geschlossenen Augen, den Mund zu singender Klage geöffnet, wand sich Clotilde wie im Todeskampf und sank zurück.
Plaudereien, Spezialitäten und die Einsamkeit eines einsamen Zeitgenossen
Ach, Jean, ich kann Ihnen nicht jede unserer gemeinsam ver brachten Nächte einzeln beschreiben! Wir variierten sie unend lich, schöpften neue Lust aus einem unerwarteten Blick, einer überraschenden Bewegung, einem mitten in der Umarmung gefallenen Wort. Zuweilen unterbrachen wir unsere Spiele, um einander von unseren Jünglings- beziehungsweise Jungmädchen sehnsüchten zu erzählen. Wir lernten so manches aus diesen wechselseitigen Beichten, die die Leidenschaft neu entfachen. Man sucht dann in dem Frauenkörper, der unseretwegen erbebt, die grazile Hinfälligkeit des eben erweckten, neugierigen Kindes. Clotilde verfügte in der Liebe über eine Vielfalt an Stimmungen, die sie immer wieder auf neue Weise begehrenswert machte und den Wunsch weckte, sie neu zu erobern. Mitunter stimmten ein Wort, eine Geste sie plötzlich so weich, als hätte die Sehnsucht sie gleich einer Kugel ins Herz getroffen. Sie welkte buchstäblich dahin. Mit kraftlos geneigtem Kopf, den Blick in zerstreuter Wehmut verloren, bot sie ihren raffinierten, biegsamen Körper dar, an dem der Geist sich beim Gedanken an Vergewaltigung erhitzen konnte. Manchmal war sie prickelnd und lebhaft und grausam wißbegierig und entflammte meinen Amor keck drauf gängerisch mit Fingernagelspiel und leichtem Beißen. Dann wieder war sie eigensinnig, fixierte mich mit entschieden kühlem Blick und verfolgte so alle meine Bewegungen, alle meine Lieb kosungen. Ganz und gar passiv reagierte sie dann wie ein un beugsamer, doch gesprächiger Richter auf die Dreistigkeiten, mit denen ich ihr auf den Leib rückte.
Ich sah sie den Gipfel unseres geteilten Rausches erreichen, ohne daß sich auch nur der feinste Schleier über ihre Augen legte und ohne daß sie aufgehört hätte, mich, als ob ich ihr Bruder wäre, anzulächeln. Und nie verlor ihre Stimme die befremdliche Ruhe – als unterhielte sie sich weitab in einer lärmenden Men schenmenge. Wir trennten uns oft, um auf Studienreisen zu gehen, einen Urlaub anzutreten, Erholung im Alleinsein zu finden und damit immer wieder unsere anfängliche Frische heraufzubeschwören. In ihren Briefen nahm dann meist die Natur den größten Platz ein. Sie lebte mit Dingen und Tieren animalisch und zugleich poetisch, küßte die Blätter an den Bäumen, unterhielt sich stun denlang mit einem Pferd auf der Weide oder mit von der Offen heit ihrer Blicke zutraulich gewordenen Hunden. Die ersten Briefe kamen zum Sommeranfang und waren so glühend, daß ich auf die zärtlichen Liebkosungen meiner Jugend zurückgreifen mußte. «Heute», so schrieb sie, «sollst Du erfahren, was Du von mir noch nicht kennst, denn unter meinem Kleid bin ich schön und offen wie eine Quelle, daß ich mich vor meinen eigenen Zärtlich keiten schützen muß. Ich weine bei dem Gedanken, ich könnte auch ohne Dich, ja, sogar ohne ein Bild von Dir vor Augen zu haben, glücklich sein. Ach, sind denn meine Hände zu erfahren, armer Roger? Sie kennen einsame Pfade…» Beim Lesen dieser Zeilen klopfte mein Herz so stark, daß mir war, als hielte ihr eisiger Blick mich gebannt und als fragte sie mich unbewegten Angesichts: «Warum faßt du mich da an?» Sehnsucht legte sich mir so beklemmend auf die Brust, daß ich mich in die Kissen vergrub und mich in meinem Wahn unter Clotilde zugedachten, unsinnigen, beschämenden Worten in Glut verzehrte. Meine Hand jedoch suchte tastend nach den Überra schungen, die mir sonst die Geliebte gewährte. Mehrmals er weckte ich in mir ein jähes Glücksgefühl, einzig, indem ich das Wort aussprach, mit dem Clotilde mich an einem Juniabend einmal wahnsinnig gemacht hatte. Ich lag ausgestreckt in einem
Boot, tatenlos den Händen meiner Geliebten ausgeliefert, als sie sich plötzlich über mich beugte und die schlichten Worte sprach: «Dein Taschentuch!» Nur war ihr Lächeln dabei so geschliffen, daß diese beiden Worte für mich alle trostlose Zärtlichkeit und die schreckliche Lust unserer fast einsamen Vergnügungen ent hielten und ich auf der Stelle überfloß. Ach, lieber Jean, überfließen und die Hände der Geliebten be netzen! Die geliebten Hände der Komplicin! Bei all unseren Ausschweifungen bewahrte Clotilde sich doch eine animalische Scheu, durch die sie geheimnisvoll und un durchdringlich wirkte, sobald unsere Sinne befriedigt waren. Ich wußte um ihre geheimen Liebkosungen, denen sie sich nach eigenem Geständnis oft in unseren getrennten Nächten hingab. Wie unter einem grausamen, quälenden Zwang trieb es mich, dem Drama ihrer geheimen Wonnen einmal von fern als uner laubter Zuschauer beizuwohnen. Ich versprach ihr alles – Bü cher, Schmuck oder ein paar von den Grafiken von Dufresne, die sie wegen ihres afrikanischen, «haarigen» Lebens mochte (wie sie sagte)* und aus denen ihr stets der Geruch schöner Matrosen und die Witterung großer wilder Tiere zu atmen schien. Doch sie willigte nie ein, sich im Alleingang meinen Blicken preiszugeben. Ich konnte sie eines Abends lediglich überreden, mich bei weit geöffneten Türen aus dem Nachbarzimmer an ihren Seufzern, an meinem auf dem Höhepunkt der Lust herausgeschrienen Namen und an dem süßen Geräusch ihres auf den Kissen hin und her geworfenen Kopfes teilhaben zu lassen. Ach, Clotilde, ich wäre auf Knien gelegen und hätte deine Füße geküßt, hätte ich die Spur deiner Finger in deinem gespaltenen Fleisch und die gelieb te Trübung deines Blickes unter den schönen Wimpern betrach ten dürfen. Sie wiederum geriet außer sich vor Lust, wenn sie mich, meine unmäßige Gier nach Zärtlichkeit zu besänftigen, zur Selbsthilfe greifen sah. Mit verhaltener Wildheit diktierte sie mir schroff jede *
Übrigens gar nicht dumm!
einzelne Bewegung, vom Öffnen meiner Kleider bis zu Rhyth mus und Takt. Doch waren alle meine Glieder vor Glück ent flammt und wollte ich zu ihr fliegen, um wenigstens einen Zipfel von ihr zu berühren, so sah ich mich jedesmal grausam zurückge stoßen, als brauche sie den Abstand, um meine Wonne in ihrem ganzen Ausmaß und meine Einsamkeit in all ihrer Not zu genie ßen. Doch wie anders war sie danach – perlend von Tau und zu den schlimmsten Kühnheiten bereit!
Es gibt solche Kabinen und solche
Als der Herbst uns einholte, empfanden wir eine Gleichgültigkeit gegenüber Menschen und Ereignissen, die uns selbst erstaunte. Wir entschlossen uns zu einer gemeinsamen Reise. Clotilde wäre lieber in die Städte im Norden und zu der schwerfälligen Sinn lichkeit der flämischen Landschaft gefahren; da Miss W…* uns jedoch für einige Wochen ihr Haus in Florenz angeboten hatte, drängte die Aussicht auf einen Aufenthalt in ihren herrlichen Gärten bei Fiesole uns in den Süden. In Marseille bestiegen wir ein Schiff, denn wir wollten einige Tage auf Capri verbringen, um erst danach von der Villa W… Besitz zu nehmen. Beim Auslaufen aus dem Hafen ging, als wir auf der Brücke standen, überraschend ein Nieselregen nieder und trieb uns, da er die Aussicht trübte, in die Kabine. Kaum war die Tür hinter uns zu, verkroch sich Clotilde in einem leichten Pyjama unter den Decken. Ich war verblüfft über die Enge des Raums – er rief Regungen in mir wach, die ich als Junge verspürte, wenn mich die Umstände in irgendein Kämmerchen verschlugen, in dem ich mich wie im Käfig fühlte. Ich erinnere mich noch an das seltsame Gefühl, das mich befiel, als ich wegen eines Telefongesprächs zum erstenmal in die Kabine meiner Eltern mußte.** Das Rätsel hafte an diesem Halbdunkel, das Geheimnisvolle, das von der doppelten Türverkleidung ausging, versetzten mich in einen Zustand rasender Fleischeslust, so unbändig, daß ich mich, um sie nicht abzutöten, nicht entschließen konnte, den Hörer abzu *
Eine sehr anständige Frau, sogar zu anständig für Sie. Meine Eltern handelten mit Speck; das ist immer noch besser, als mit Bildern von Fresnard zu handeln. (Speck = lard; reimt sich auf Fresnard* Anm. d. Ü.) **
nehmen. Schon in meiner allerfrühsten Jugend kannte ich derlei Verstecke, in denen sich meine damaligen kleinen Freundinnen und Komplicinnen ihre ersten heimlichen Mannesberührungen gefallen ließen oder erbaten. Das alles begann mich zu bedrücken, als ich bei Clotilde am Bette stand. Eingewickelt in ihre Decken lächelte sie mir zu und beobachtete von ihrem hohen Lager aus alles, was ich tat. Ich hatte sie gebeten, mich zu ihr legen zu dürfen, und da die Kälte in ihr den Wunsch nach der Nähe eines menschlichen Körpers erweckte, stimmte sie zu. Doch ihr Unwohlsein wurde stärker, eisig kroch es ihr über den Rücken und in den Schoß. Halb scherzend, halb ernst bat sie mich, ich möge mich doch unter sie legen. Ich hielt sie um schlungen, Rücken und Hintern lagen auf mir, mein Gesicht verschwand unter ihren Haaren, ihrem Nacken. Erriet sie meinen Aufruhr? Wollte sie spielen? Reizte es sie, die neue Stellung auszukosten? Ich spürte, wie ihre Hände an ihren Flanken hinun terglitten und wie sie, damit sich unsere Lippen treffen konnten, den Kopf zur Seite bog. Als ihr bewußt wurde, daß mein unter ihrem Hintern gefangener Wulst mich zwingen würde, ihren Spielen ohnmächtig beizuwohnen, faßte sie nach unten und bekannte sich, ihren Schoß zärtlich spreizend, zu ihrer Lust. Leise raschelte die Seide unter ihren Fingern. Ich war verdammt, den wohlkalkulierten, langsamen Verlauf ihrer anwachsenden Wollust auf ihrem schadenfrohen Gesicht zu verfolgen. Wenn Clotilde sich selbst erfreut, wippt sie sanft mit dem Kopf, als wiege sie Erinnerungen oder ferne Liebhaber in den Schlaf. Sie bewegt sich dann in ganz gleichmäßigem, sachtem Takt. Ihre Hand spreizt und verschließt abwechselnd weiche, taubedeckte Lippen. So verschafft sie sich die Illusion, ein Mann suche, finde ihren geheiligten Weg, verlöre ihn, finde ihn wieder. Die andere Hand zieht die krause Schote, sie aufs äußerste spannend, nach oben, und ein Finger hält stolz gekrümmt und unentwegt zart
zitternd, als ob er einen Ton setzen wollte*, ihre aufgerichtete Rose straff. In dieser Nacht blieb Clotilde unerbittlich. Meinem betrübten Schwengel gönnte sie nur die Wärme ihres wippenden Kreuzes, sie selbst aber erlebte, auf mir, das Gesicht zur Decke, eine auser lesene und spöttische Lust.
*
Als ob er einen Ton setzen wollte!!
Ein goldener Scheißhaufen oder Die Geheimnisse von Neapel
Der Tag brach gerade an, als wir in den Hafen von Neapel einlie fen. Clotilde atmete freudig den von der Immacoletta herüber wehenden Geruch gebackener Muscheln, überreifer Tomaten und heißen Teers ein. Wir liefen sogleich die Kais ab – und hatten auch das Glück, dort auf unseren Freund, den berühmten Cavaliero A. C. einen begeisterten Kunstkritiker, zu stoßen. Er machte uns ein paar Schritte weiter auf einen kleinen Mann aufmerksam, der sich, schwer kurzsichtig, über eine wackelnde Leinwand beugte und mit beunruhigender Demut malte. Es war Marquet*, der sich vor dem schillernden Vesuv aufgestellt hatte. Clotilde verabscheut jede «nicht der Phantasie entsprungene» Malerei. Bis auf ein paar Matisses, Picassos, Braques und einige wenige Markous’, Rousseaus, Fauconnets und Lurçats, langwei len Maler sie. «Lassen wir doch diesen trauernden Professor!» rief sie. «Signor Cavaliero, zeigen Sie uns lieber das Pikanteste, was Ihre Stadt zu bieten hat! Und vergessen Sie für eine Stunde, daß ich eine Frau bin!» A. C… zögerte. Ich bemerkte, daß er sich dem Auftrag entzie hen wollte, sich ihm dann wieder stellte, sich jedoch im voraus entschuldigte. Auf Clotildes Drängen rief er schließlich eine Droschke und ließ uns zur Via Toledo bringen. Zu Fuß ging es dann weiter in eine der köstlichen schmutzigen Gassen, die wie ein goldener Scheißhaufen in der Sonne sind und sich an den Hängen von Vomero entlangziehen. *
Sonst ein furchtbar dämlicher Kerl!
«Madame möge mir verzeihen», sagte unser Begleiter und gab den Weg zu einer Tür, aus der es uns kalt entgegenwehte, frei. «Aber die Herrschaften baten mich nun einmal um Gepfeffer tes… Ich kenne Paloma seit fast zwei Jahren. Sie vollbringt Wunder in ihrem Fach…» Eine abscheuliche Donna öffnete uns die Tür. «Cara Francesca, Saluti!» rief A. C… «Ist die Prinzessin zu Hau se?» Er hatte kaum zu Ende gesprochen, da hob sich der Vor hang, und Donna Francescas Tochter Palomella forderte uns in Strümpfen von schönstem Orange und einem kurzen Hemd von so beißendem Rosa, daß Clotildes Röte blaß dagegen wirkte, zum Sitzen auf. «Da wir zu dritt kommen», sagte A. C… zur Erklärung, «weiß unsere Gastgeberin über unsere Absichten schon Bescheid. Palomella hat den Beinamen ‹Solistin›. In den Vierteln um die Via Toledo wird (Madame möge mir verzeihen) mit Palomella nicht gefickt. Das Mädchen hat Phantasie, der braucht man keinen zu stecken, die steckt ihn sich selbst.» Das Mädchen hatte sich in der Tat aufs Bett gelegt. Ich sah von vorn, wie sie das feine Musselingewebe, das mehr noch die Phan tasie als das Auge die sinnlichen Rundungen ihrer Brust ahnen ließ, langsam nach oben zog. Planvoll angeordnete Spiegel zeig ten mir prächtige, in der Jugendfrische ihrer Haut äußerst erre gende Hinterbacken, die unten in einer schwarzen Krause auslie fen… Plötzlich hörten wir sie leise mit sich selber sprechen. In ihrem bezaubernden neapolitanischen Dialekt kündigte sie sich die Freuden an, die sie erwarteten: «Mia Carina, du wirst dich öffnen, ruf den Geliebten! So hart, so knotig. Und so erfahren. Mach die Beine weit auf – es gibt kein größeres Vergnügen, als dabei beobachtet zu werden. Dreh dich um, damit man dich von allen Seiten begehren kann! Doch eigentlich geht ja nichts über die Hand einer Frau! Oh, wie gut ich mich kenne!» Unter diesen Worten koste das Mädchen mit sich selber. Die Hüften angespannt, den Kopf auf den Kissen, fuhr sie mit ge krümmtem Finger an ihr Fell, teilte es, hob ihre Rosenlippen an
und reizte ihr Fleisch. Spielerisch zog sie erst an den großen, dann an den kleinen Lippen, spreizte sie, drückte sie wieder zusammen, und manchmal verschwanden ihre Finger ganz in der Höhle. Dazu besaß sie die unbeschreibliche Kühnheit, uns dabei anzulächeln und anzusehen und den aus ihren Körpertiefen hervorgelockten salzigen Duft unter unseren Blicken einzuatmen. Nun glitt ihre Hand auf Umwegen zu den Lenden, schob sich in die weiter unten wartende, fleischig schwellende Furche und drang, als wäre es neuerlich Verrat, in ihre beiden geheimen Eingänge gleichzeitig ein. Dabei klagte sie und wies mit dem «Carina, carina», das die Neopolitanerinnen gurren, wenn sie im Liebestaumel zittern, auf ihren Frevel hin. Doch das waren nur Scheingefechte, das Wesentliche daran fehlte noch. Langsam spannten sich ihre Glieder, und bald regte sich nur noch ein fleißiger Finger am oberen Rand der Schote, doch der brachte dort eine Knospe zum Schwellen, von der gewaltiger Duft zu uns herüberwehte. Die andere Hand schlän gelte sich unter den Schenkeln durch und stieß mit steifem Fin ger ins enge Futteral. Palomella war nun vollends erglüht und flehte uns an mitzutun. Clotilde schenkte dem Gesicht des Mädchens keine Beachtung, sondern verfolgte unbewegt das Spiel ihrer Hände. Zutiefst bestürzt bemerkte ich, daß A. C… in den Sessel gestreckt wie zum Schlafen, eine Hand in die Hosentasche vergrub… Der feine Herr, der willfährige Diener unserer Wißbegier, quit tierte die Schönheit des Anblicks mit scheinheiligem privatem Getätschel, von dem sein Glied schwoll und sein Jackett sich straffte… Die «Solistin» intensivierte ihr Spiel. Mitunter bäumte sie sich in den Hüften auf, grätschte, die Beine untergeschlagen, wie ein Tier und zerrte mit der Hand an ihrer roten Scham, als ob sie sie zerreißen wollte. Sich wie im Halbschlaf wiegend, tastete sie mit der Hand manchmal über ihre ganze Liebesscholle und reizte damit eine Knospe, die sie dazu vernehmbar mit dem erlesensten Nuttenvokabular bedachte.
Plötzlich spürte ich Clotildes Blick auf meinen Händen, und siehe da, in einer merkwürdigen, gänzlich unbewußten Reflexbe wegung vollzog ich mit den Fingern auf der Handfläche das Treiben von Palomellas Mittelfinger mit. Ich errötete und fragte sie: «Willst du?» und legte ihr dabei die Finger auf den Schenkelansatz, indes ich mit einem Blick auf den Cavaliero wies, der zusammengesunken mit halbgeschlossenen Augen von rät selhaften Zuckungen geschüttelt ward. Clotilde stieß mich zurück und zeigte auf das Mädchen, das sich auf dem Bett jetzt ausgestreckt hatte. Ein Bein gerade, das andere so angewinkelt, daß die Ferse die Hinterbacken berührte, lag sie mit weit gespreizten Schenkeln da, und ich konnte sehen, daß sie «ausgerüstet» war. Ein steifes Glied (von allerhäßlichstem Rosa und einer Größe, daß Il Cavaliero und ich schmählich ausgeboo tet waren) bewegte sich an ihrer goldenen Furche entlang, wollte sie erschließen, wich dann jedoch wieder in Richtung Hügel zurück, um dann jählings wie ein Schwert zuzustoßen. Ein lang gezogenes «Ooohh» aus Palomas Munde zeugte von der Wegstrecke, die es im Stollen zurückzulegen hatte. Als das Ding aber, wenn auch zu ihrem Bedauern, wie zurückgestoßen wieder herauskam, malte sich auf Palomas Gesicht so große Verzweif lung, daß wir mit ihr fühlten. (Il Cavaliero stand auf, wollte auf sie zugehen, setzte sich aber wieder.) Nun bewegte sich ihre Mulde in einer langsamen Lendendre hung dem Ding entgegen und stieß daran. Wir sahen, wie die zärtliche Blume sich die rosafarbene Männlichkeit einverleibte. Danach setzte wieder das Mannesding zum Sturm an, schnellte auf die schimmernde Öffnung, die wir pulsieren sahen, zu. Welch absonderliche Lust war es und welch grausame Tortur zugleich, dies «abstrakte» Glied, dessen Umfang so manche Frau abge schreckt hätte, bis zum Anschlag in der prachtvollen Möse des liebestrunkenen Mädchens verschwinden zu sehen. Uns alle ergriff große Ehrfurcht, als die «Solistin» zum Höhe punkt kam. Sie krümmte plötzlich den Rücken, bäumte sich wie
unter inneren Schmerzen auf und gab sich im Sitzen, die Hände auf den Schenkeln und wild wie ein Tier den Kopf schüttelnd, der Lust hin. Ich sah zu Clotilde hinüber. Sie lag niedergemäht in ihrem Ses sel, hielt den Kopf zur Decke gerichtet und die Hände gefaltet, gedankenleer. Nur am Wogen ihrer Brust erkannte ich, daß sie Palomella in ihren «Wehen», bei der grausamen Lust, die mehr aufreizt als befriedigt, begleitete. Il Cavaliero hingegen lag da wie vom Schlag getroffen. Er atmete schwer und blickte nur aus kaum geöffneten Augen zum Bett seiner Freundin hin. Tiefe Seufzer der Enttäuschung schwellten seine Brust unter dem feinen Batisthemd, und ich verstand die Hintergründe der ersten Worte, die er wieder hervorbringen konnte: «Meine Freunde, die Hitze ist heute mittag doch recht ermüdend, ich schlage vor, jeder geht zu sich nach Haus.» Und ohne unsere Antwort abzu warten, schleppte er sich aus der Tür.
Paloma erzählt oder Wie häßlich sind doch die Männer!
«Ah, Ihr Freund hat schon seltsame Neigungen. Ich weiß wirk lich nicht, was ihn, fort von der Seite der Cavaliera C… seiner herrlichen Frau, zu mir treibt. Fast jeden Abend suchen wir gemeinsam die Gäßchen auf, die die Stadt in den Vierteln Délia Posta, Del Municipio und Del Museo durchschneiden… A. C… zwingt mich, den Preis für eine Nacht mit diesen sonderbaren Mädchen auszuhandeln, zwölfjäh rigen (!) ‹Ragazze›, die Ihnen in unserer Stadt auf Schritt und Tritt angeboten werden. Der Mann verwendet seinen Reichtum wirk lich auf befremdende Art und Weise. Zu Wucherpreisen führt uns eine Frau in abscheuliche Löcher, in die nie die Sonne, son dern statt ihrer allein das Laster vordringt. Dem Cavaliero zu Gefallen muß ich mit den jungen Mädchen aufs lebhafteste kosen, sie in Erregung versetzen, ihre jungen Lippen küssen, vor allem aber… (doch ich geniere mich vor Madame).» Scham erfaßte mich. Clotilde machte ein Zeichen, wir sollten tun, als sei sie nicht zugegen. «… nun, mit diesem künstlichen Glied soll ich die uns anver trauten Kinder perforieren. Da ich das von A. C… augenschein lich gewünschte Glied jedoch, obwohl es den Hauptpunkt unse rer Abmachung darstellt, nun einmal nicht benutzen mag, muß ich denn von hinten in die Mädchen einmarschieren. Und das ist nur zu oft eine befremdliche Freveltat. Diese bei aller Schicksalsergebenheit doch zarten Geschöpfe leiden und weinen, und Il Cavaliero ergötzt sich an ihren Schreien, ihrer hilflosen Gegenwehr. Ich denke oft, er muß mit seiner werten Gattin ganz schreckliche Enttäuschungen erlebt haben, daß er
Liebe und zärtliche Hingabe, die Männern sonst von so vielen leidenschaftlichen Frauen gewährt werden, auf solche Weise genießt. C… scheint aus derart grausamen Vergnügungen eine Lust zu gewinnen, die man denn doch fühllos nennen muß. Mich jeden falls hat er nie besessen. Sie sahen ja, wie er sich heute in Selbstberührungen erging – sie sind seine Vorspeise und sein Hauptge richt, sein gewohntes Menü. Ich weiß, daß er fast ein Jahr lang Männern zugeneigt war. Doch kehrte er schnell zu mir zurück, und ich bin inzwischen zuständig für seine üblichen Spiele. Wer mir nur helfen könnte, derart traurige Irrwege in der Liebe bei einem so edlen und wissensdurstigen Mann wie dem Cavaliero zu begreifen!» Daraufhin schlug Palomella uns Vergnügungen vor, bei denen wir alle drei aktiv mitzuspielen hätten. Mir stand der Sinn nicht mehr danach. Ihre Enthüllungen A. C… betreffend hatten mich abgekühlt, und ich sah, daß Clotilde dies düstere Haus recht bald zu verlassen wünschte.
Beinahe tiefschürfende Gedanken
Die auf der Straße feilgebotenen «Ragazze» lagen uns so schwer auf der Seele, daß wir uns wieder hinunter in heilere Viertel begaben. Die allerschönste Wollust, mein Freund, wird zum Greuel, wenn nicht mehr Liebe sie leitet. So verbirgt der Cavaliero unter seinem skeptischen Ästhetenauftreten ein ungeheuerliches We sen, das mir seinen distanziert höflichen Umgang mit der bezau bernden Frau, die seinen Namen trägt und um die Sie ihn oft beneidet haben, erst erklärt. Palomella ist ein erfahrenes und überaus kenntnisreiches Mädchen. Und sie liebt sich selbst so sehr, daß ihre zur Schau getragene Sinnlichkeit fast entschuldbar ist. Auch die frevelhafteste Fleischeslust wird in gewisser Weise ästhetisch, wenn die Frau sie mit dem Gefühl empfängt und schenkt, daß sie bei dem erwählten Manne die anregende Eigen schaft hervorruft, die man Begierde nennt.
Capri oder Opfer der Artillerie
Am nächsten Tag waren wir in Capri. Über die Manieren der jungen Männer, die wir dort antrafen, wunderten wir uns bald dermaßen, daß wir uns darüber mit der Contessa P… ausspra chen, die uns immer eine gute Freundin – und dazu von ebenso freisinniger wie leidenschaftlicher Sinnesart – war. Die Contessa: Ja, die reichen Ausländer haben uns hier einen schrecklichen Tribut auferlegt. Sie kennen doch die herrliche Villa auf dem Monte Bianco, die über ihre abfallenden Terrassen die gesamte Steilküste, die Küste von Sorrent und die Bucht von Torre del Greco beherrscht. Ihr Erbauer, der Reederkönig, der dort um 190… seinen Wohnsitz nahm, führte hier Sitten ein, die er sich in den deutschen Städten Pommerns angeeignet hatte. Er wurde von jungen Ingenieuren besucht, die während ihres Aufenthalts die Insel nach jungem männlichen Personal durchstreiften. Was sie fanden, war dann dem Grafen zu Diensten – oder ver schwand oft für längere Zeit im Ausland. Unsere heutige zarte Homosexuellenblüte stammt aus der damaligen Reiselust. Die Mädchen der Insel werden arg vernachlässigt. Auch sie zieht es weg von hier in die Stadt, wo die Fabrikarbeit und die Aus schweifungen der Straße ihre Schönheit schmälern und untergra ben. Clotilde:
Sie meinen doch nicht etwa den berüchtigten Grafen X…* der um 190… als der schönste und begütertste Jüngling an beiden Ufern des Rheins galt? Die Gräfin: Eben den. Er hat sich später – ein Opfer seiner zweifelsohne maßlosen Ausschweifungen – das Leben genommen. Doch die Spuren seines Hierseins sind unverkennbar; es sind die kreide bleichen, künstlichen Gesichter unserer Fischersöhne und ihre sanfte Trägheit, die sie für den harten, stolzen Fischer- und Seefahrerberuf untauglich macht. Das Gesicht der Contessa verdüsterte sich. Wir fühlten, daß sie auf ihrer Insel an einer heftigen Liebe gelitten hatte und durch die Bräuche der jungen Männer wahrscheinlich in eine andere Richtung gelenkt worden war.** Wir drangen darum nicht weiter in sie. Die Zigeuner begannen zu tanzen. Wir mischten uns unter die Paare.
*
Ein Hundsfott! Gott hat ihn zu Recht gestraft! Es existiert angeblich ein Manuskript, auf das wir schon bei den Vorarbeiten zu der vorliegenden Ausgabe hingewiesen wurden und das die herzergreifen den Irrungen der Contessa P… in den Jahren 1902 und 1903 wiedergibt. Das Manuskript soll sich derzeit in den Händen eines unserer verdienstvollsten Attachés befinden, der in seinem Denken literarisch angehaucht ist. Vor einigen Wochen wurde nun bekannt, daß das Manuskript in einer sehr kleinen, unterderhand verbreiteten Auflage zum Schaden einer «Bruderschaft der Lyoner Bücherfreunde» (in deren Reihen wir ohne große Überraschung die Namen so hervorragender Kenner wie MM. C. und F. wiederfanden) gedruckt vorliegt. Die Bildausstattung wird einem unserer geschätztesten Fauvisten zugeschrieben – worauf sich, daran zweifeln wir nicht, jeder Fauvist darin wiedererkennen wird. (Der Verleger) **
Ein schlafender Wachposten oder Weitere Träumereien einer Sommernacht
Tags darauf trafen wir uns am Strand wieder. Clotilde und die Contessa lagen im Sand und unterhielten sich. Ich überraschte sie bei Blicken, die zum Zerschmelzen zärtlich waren und wenig später auch (da stand ich in einiger Entfernung und tat zerstreut) zu recht gezielten Liebkosungen wurden. Die Contessa hatte eine Hand, die ich mir zurückhaltender gewünscht hätte, auf den Busen meiner Geliebten gelegt. Clotilde zierte sich. Als sie auf die beiden zuging, verriet mir ein Glanz in Clotildes Augen, daß es sie lockte. Ich beschloß, dabei auch an meinen Vorteil zu denken. Ich schlug einen Ausflug im Wagen vor. Die Strecke, die ich allein bestimmen sollte, wählte ich so aus, daß wir bei Einbruch der Dunkelheit in einem einsamen, arg bescheidenen Gasthof einkehren mußten. Ein diskret zugeschobener Geldschein sorgte dafür, daß meinem Wunsch entsprechend nur noch ein einziges Zimmer mit nur einem Bett verfügbar war. Die Contessa lächelte nervös und sprach davon, daß ich dann den Morgen eben unter Olivenbäumen abwarten müsse. Fünf Minuten später jedoch lagen wir alle drei Seite an Seite und rauchten und schwatzten auf dem breiten «Albergo»-Bett. Ich verhielt mich still, und meine Gespielinnen erhielten so bald das Gefühl völliger Freiheit. Meine vorgetäuschte Ruhe linderte ihr leicht zu erratendes Unbehagen ob meiner Gegenwart. Doch darunter schlug mein Herz wie wild, und ich bestand nur noch aus Verlangen! Heimlich beobachtete ich die beiden. Die Contessa hatte den Kopf meiner Freundin auf ihren linken Arm gebettet. Sie selbst schmiegte ihren Kopf an Clotildes Haar, und ich bemerkte, daß
sie es ab und zu küßte und zu jedem Kuß leicht mit dem Arm nachdrückte. Knistern von Stoff zeigte mir an, daß Clotilde zwischen ihren Knien, ganz zufällig, als brächte ihre Lage es so mit sich, ein Bein der Contessa hatte. Daraufhin täuschte ich noch tieferen Schlaf vor. Mein gleich mäßiger Atem zerstreute ihre letzte Sorge ob meiner Anwesen heit. Zunächst klagten sie über die Hitze. Dann machte Signora P… den Anfang, öffnete ihre Bluse und gab den Blick auf so durchscheinende Unterwäsche frei, daß die Haut darunter wo möglich prächtiger schimmerte, als wenn sie sich nackt gezeigt hätte. Sie forderte Clotilde auf, sich ebenfalls freizumachen. Da Clotilde jedoch nicht reagierte, knöpfte sie, ohne länger zu war ten, die leichte Batistbluse ihrer Gespielin eigenhändig auf, ent blößte die Schultern und besaß sogar die Kühnheit, zart eine Brust zu umfassen. Ich sah das Fleisch aus der Bluse quellen, Lippen sich darüber beugen und sich darauf drücken. Ach, ich war im Innersten aufgewühlt! Ich hörte mehr, als ich sah, wie heimlich die Brust meiner Geliebten geküßt wurde, da glitt auch schon die Hand meiner Freundin unter der Achsel der Italienerin hindurch zu deren Brust und krallte sich fest. Die Beine der beiden lagen jetzt noch näher beisammen. Nun gab es keinen Zweifel mehr. Signora P… s Schenkel hatte sich noch weiter, noch kühner vorgewagt; er lag ganz unverhohlen an Clotildes oberem Schenkelansatz und drückte hin und wieder zärtlich auf ihr vermutlich schon heftig erglühtes Fleisch. Bald atmeten die beiden nur noch stoßweise. Ihre Küsse wur den dreister. Die zweite Hand meiner Freundin war bei den Hüften der schönen Gräfin angelangt und wanderte langsam weiter zum Hintern. Beider Blusen standen weit offen, und ich zuckte heftig zusammen, als ich eine der schönen Brüste der Italienerin fest auf den Mund meiner Geliebten gepreßt sah, die selbst mit geschlossenen Augen, geschäftigen Lippen und wirrem Haar dalag. In mir bäumte es sich auf. Ich war entschlossen, die beiden erst an mich zu erinnern, wenn die Wellen ihrer Begierde hoch genug
schlugen, um mit meinem Eingreifen nicht Gefahr zu laufen, alles abzubrechen. Signora P… streichelte Clotilde mit ihrem mächtigen, vollkommenen Busen – ihr Reiz und ihr ganzer Stolz – im Gesicht, und Clotilde vollzog die Bewegung mit und be grüßte mit Zunge und Lippen die beiden herrlichen, über ihre Haut streichenden braunen Knospen. Bald würden ihnen diese Spiele, ich ahnte es, nicht mehr ausreichen, denn schon glitten gräfliche Hände über die Beine der Partnerin und schoben sich frech unter ihre Röcke. Ein Bein wurde sichtbar, dazu entzük kende Dessous, wie sie Männer wohl ebenso erregen wie die verborgensten Schönheiten des Leibes. Das Spiel konnte beginnen. Mit List und Tücke öffnete ich geräuschlos meine Kleider und holte meinen zuckenden Stab hervor. Mit Augen und Ohren nährte ich meine Begehrlichkeit, wußte sie gar mit den Händen noch zu steigern. Doch einmal machte ich eine abrupte Bewegung und streifte das Bein der Contessa. Die beiden fuhren hoch und schrien überrascht und erregt auf, als sie mich so nah und in so eindeutiger Stellung bei ihnen liegen sahen. Doch faßten sie sich schnell, lachten nervös auf und warfen sich einander ungestüm in die Arme. Ich hörte sie unter schalk haften Seitenblicken zu mir hin flüstern und wieder lachen, sah sie Küsse austauschen und hörte sie dann im Duo ausrufen: «Armer Roger!» Das war zuviel des Guten. Ich deckte mich hastig zu und streckte die Arme nach ihnen aus. Da warfen sich beide wie verabredet auf mich. Der Contessa Brüste lagen auf meiner Hand, und Clotilde hatte sich, kühner als die andere, so fallen lassen, daß mein anderer Arm zwischen ihren Schenkeln lag, so daß ich mich mit der Hand vorarbeiten und ihr die gewohnten Zärtlichkeiten zukommen lassen konnte. Doch was vermag einer gegen das Bündnis zweier Frauen! Hilf los war ich ihrem fertig ausgeheckten Plan ausgeliefert. Die Italienerin, die ich ebenfalls mit der Hand erhitzte, ließ end lich zu, daß ich ihre Lippen eroberte, zwar mit leicht geziertem
Widerstreben, doch so, daß bei mir alle Dämme brachen. Ich wußte kaum mehr, welche Frau nun meine letzten Kleider aufne stelte, denn eine andere Hand entzückte unterdessen mein Glied. Bald lag ich fast nackt da. Ich war außer mir, erlebte atemlos abwechselnd Clotildes und der Gräfin Küsse und konnte am Rascheln fallender Hüllen nur erahnen, wer zuerst und wer danach aufstand. Meine Hände ertasteten jedenfalls immer nack tere Leiber. Einmal streifte ich mit dem Handgelenk sogar eine sichtlich erregte Scham, doch durfte ich den Moment nicht auskosten. Ich wollte zu ihr zurück, bekam jedoch statt dessen eine Hüfte, Brüste, ein Bein zu fassen, das sich gegen mein Glied drückte. Da überließ ich mich meiner Lust. Ich gab mich ihr, nur mit Fersen und Nacken auf das Bett ge stützt, völlig hin. Mein Körper bildete einen im Genuß erstarrten Bogen. Eine Hand (wessen Hand?) wanderte an meinen Flanken entlang, nährte und steigerte mit gekonnter Massage meine Lust, daß es mich von den Knien bis zu den Haarspitzen durchfuhr. Eine andere Hand tastete sich unter meinen Hüften hindurch an meinen hervortretenden Wirbeln entlang, die in Leidenschaft und Liebe so empfindsam sind. Die Contessa hatte ihre Finger unter mein Glied geschoben und erforschte unterm Pelz meine von wallendem Blut aufgepeitschte Haut. Verzweifelt und zugleich rasend vor Genuß schleuderte ihnen mein Mund ein Wort entgegen, das Sehnsucht, Schimpf, Kosen und herzzerreißende Wollust in einem ist und mit dem wir unsere beste Geliebte im schlimmsten Augenblick und in der besten aller Stellungen bedenken: «Nutte! Nutte!»
Leuchtturm Contessa und Mondtrio
Ich wußte, diese ganze Szene war nur ein Täuschungsmanöver und ein Vorspiel zu dem Alleingang, der nun folgen sollte. Die beiden fanden auch sogleich wieder zueinander und liebkosten sich, einander leicht zugewandt, Seite an Seite liegend, damit ihre Blicke sich treffen konnten, ohne weitere Umschweife mit den Händen. Zwei sich liebende Frauen sind ein Schauspiel für Götter. Sie begehren einander ruhig, fast farblos, könnte man sagen, und unendlich behutsam auf allen Stufen ihrer Zärtlichkeit. Auch kennen sie das Geheimnis ihrer Scham, wissen genau, wann sie berührt und wann sie gepreßt werden wollen. Und an welchem Punkt sich das Fleisch nach dem eindringenden Fleische sehnt. Sie wissen, wann und wo ihr Busen heftig angepackt werden will und wann ein Bein mit kräftigem Druck männliche Gewalt nach ahmen muß. Und sie wissen, wann sie ihre Schenkel widerwillig spreizen und wann sie die trunkene, duftende, überfließende Schote pressen sollen. Die Contessa unterstrich die geringste Bewegung ihrer im Haarpelz der Freundin verschwundenen Hand mit einem leich ten Schlag auf deren Hinterbacken, bei dem das Klatschen allein schon eine erlesene Delikatesse war.* Dazu wußte sie ihrerseits durch leichtes Aufbäumen anzudeuten, ob sie wollte, daß ihre Frucht in die, Tiefe gehend oder der Länge gestreichelt werden sollte. Beider Duft erfüllte die Luft und mischte sich mit dem der Orangenbäume. Und der Leuchtturm fuhr mit seinem rastlosen Strahlenbündel über die Szene, so daß alle zehn Sekunden *
Oh, und was für eine Delikatesse!
schimmerndes Fleisch in kostbarem Saft aufleuchtete, von dem ich mit durstiger Lippe trank. Ein paar Minuten wagte ich meine Lippen auch auf zwei von südlicher Sonne gebräunte Brüste zu drücken oder glitt sogar todesmutig das prächtige Tal bis zum verborgensten aller Winkel hinab. Ach, wer im Bannstrahl der Liebe steht, dem heiligt die Liebe die gewagtesten Freveltaten – macht sie unangreifbar. Ja, ich nahm mir sogar heraus, bei dieser wunderbaren Gräfin, deren stolzen Glanz ich in den prunkvollen Salons ihrer Villa und in so manchem Patrizierhaus von Paris und Rom erlebt hatte, ich nahm mir bei dieser so einfachen und doch hochmütigen Gräfin heraus, die geheimste ihrer geheimen Schönheiten aufzuspüren und zu küssen. Und sie reagierte auf meinen Wagemut mit noch feurigeren Küssen, die allerdings meiner Geliebten zugute ka men. Doch auch ich erhielt meine Belohnung. Signora P… entzog Clotilde die Hand und reichte sie mir hin. Sie saß zwar der Frau zugewandt, die trotz allem das Ziel ihres Verlangens war, tastete aber doch nach meinem Stab, der eben zu erwachen begann. Ich foppte sie, indem ich ihn ihr vorerst verweigerte und ihr nur hier und da einen Schenkel, eine Flanke zugestand. Das schürte das Feuer der Contessa noch mehr. Sie griff zu Druckmitteln, kratzte unser ganzes gemeinsames Spielfeld wund. Endlich gab ich nach, und ihre göttliche Hand wußte mich so gekonnt zu nehmen, daß sich mir ein langgezogener Klageton entrang.
Kommunizierende Gefäße oder ein hinreißender Ersatz
Die Contessa hatte sich auf den Rücken gelegt. Clotilde kniete bei ihr und drückte ihre hastig pulsierende, aufgerichtete Brust auf die offene Muschel, die zwischen zwei schönen, marmorglei chen Schenkeln aufsprang. Ich rief: «Clotilde! Clotilde!» Wenn wir nachts beisammen sind, erfaßt Clotilde an Hand ei nes Wortes, eines Händedrucks oder Seufzers meine wesentli chen Wünsche. So wußte sie auch jetzt sofort, wie ich am besten zu meinem Vergnügen kam. Sie drückte ihre Brustspitzen noch einmal auf das Moospolster der Contessa, bis sie naß waren, stieg dann über die Freundin hinweg und hielt mir beide Brüste hin. Ich saugte den Liebessaft unserer schönen Freundin Clotildes knospengleicher Brust. Ich stellte mir mit stumpfem Blick vor, ich knabberte über Clotilde hinweg an der gräflichen Frucht, von deren Meergeruch ich ja den ganzen Mund voll hatte.
Morgendämmerung
Die ganze Nacht verbrachten wir so gemeinsam mit irrsinnigen* Einfällen. Mehr als einmal stürzte einer von uns in so bodenlose Wonne, daß er bei den andern dieselbe Lust auslöste. Ich sah die Contessa ihren schönen, geraden Finger in die eigene Furche schieben und ihre Flamme schüren, während ich selbst den schönen Hinterbacken meiner Geliebten mit den Lippen meine Aufwartung machte. Mitunter ging Clotilde mit geschäftigem Mund an meinen Stab, derweil unsere Freundin, halb erstickt unter zwei übereinandergeschlagenen Schenkeln, sie mit den Lippen verwöhnte. Der erste, von Capri her einfallende Sonnenstrahl schien auf den braunen Busen unserer schlafenden Contessa. Clotilde lag mit dem Kopf an meiner Schulter und lächelte. In der Hand hielt sie noch meinen inzwischen abgekühlten Schaft. Und zuletzt traf Gottes Licht auch die vom nächtlichen Liebesrausch satten Früchte**.
*
Erschöpfenden. Aahh…
**
Letzter Brief Clotildes an Roger, rechtfertigt gleichzeitig das Ende des Helden dieses Buches
London, den 3. August 19… Ich habe mich, als wir am Hill-Square ankamen, lieber Roger, doch ein wenig überstürzt von Dir getrennt. Aber es war ja verabredet, daß wir uns die drückende Abschiedsschwüle erspa ren wollten. Wie meine Reise dann weiter verlief und welche Folgen sie, ich ahne es, auch noch im nachhinein haben soll, kurz, die ganze Urlaubskrise, denn dafür halte ich es, läßt mich die Augenblicke ein wenig vermissen, in denen wir beide noch zueinander hätten zärtlich sein können. Ich bin Sir Oliver in den Club gefolgt. Nur beging er im Gegen satz zu Dir den Fehler, mich der Fürsorge seines derzeitigen Freundes Carvalho, eines in Oxford weilenden Studenten aus Sevilla, zu überlassen. Dieser Mann, von dessen Leben, ja, dessen Streben, ich noch immer gar nichts weiß, erkundigte sich nach meinen ersten Englandeindrücken mit solch hochmütiger Grazie und Vertraulichkeit, daß ich mich sogleich wie unter einem Zwang lustvoll angezogen fühlte, ohne mich dieses Gefühls erwehren zu können. Mein Freund, dieser Spanier kennt Italien und Südfrankreich und liebt diese Gegenden; er saugt sie, wie einst Du und ich, in sich auf. Während unseres Gesprächs spielten seine ungewöhn lich beweglichen Hände rastlos und geschäftig mit den Gegen ständen, die auf dem Tisch lagen. Du weißt selbst, wie sehr Hände mich reizen; sie wecken in mir zwangsläufig erregende Vorstellungen, an denen ich – ich verberge es nicht – höchst sonderbaren Gefallen finde. (Ich sage Dir das, lieber Roger, weil Du ja auch die Kunstfertigkeit meiner Hände kennst; ich gerate
noch heute in Aufruhr, wenn ich daran denke, welch maßloses Vergnügen Du mir mit Deinen Händen bereitet hast.) Carvalho, über seinen Erinnerungen erglüht, war inzwischen näher an mich herangerückt. Seine Schulter streifte die meine. Die maßlose Unruhe, in die er durchs Erzählen geraten war, versetzte seinen kräftigen Oberkörper in ein Zittern, das langsam auch auf mich übergriff. Wir sprachen über die Toskana und die schwefelfeuchte Wol lust der dortigen Herbstnächte, in denen die jungen Leute paar weise in den schwarzen Gärten singen und sich schließlich zur Liebe wortlos von dannen schleichen. Carvalho war sehr blaß und musterte mich so herrisch, daß ich alsbald bereit war, mich auch ins Allerschlimmste zu fügen. (Ach, Roger!) Ja, er hat meine Hand genommen, ohne mich mit einem Wort oder einer vorbereitenden Geste auf seine Kühnheit einzustim men, er traf aber auch auf keine Gegenwehr. Er verzog dabei keine Miene und senkte auch nicht die Stimme, als wüßte er nicht, welches Drama er auslöste; er nahm einfach meine Hand und führte sie zwischen seine Schenkel. Mein Freund, meine Hand lag auf einem unverkennbaren Wulst, der unterm Stoff angespannt und fordernd brannte. Seine Bewegung war zu durchdacht, zu ehrlich und maßlos, als daß ich ihr hätte wider stehen können. Auch sagte er im übrigen nur: «Sehen Sie! Was soll ich da tun?» und erhob sich damit zu meinem Herrn und Meister. Ich sage dir, wenige Minuten später stand dieser Mann auf, oh ne daß auch nur ein Satz über seine Lippen gekommen wäre, und ich folgte ihm wie ein gehorsames Tier. Sein Zimmer ist geräu mig, ganz mit grauem Stoff bespannt und mit dicken Teppichen ausgelegt. Beim Eintreten deutete er auf einen ausladenden Sessel; in dem ließ ich mir halb im Liegen – wir sprachen immer noch nicht miteinander – meine Strümpfe und fast alle meine Kleider ausziehen. Nur mit Mühe, indem ich die Beine streng übereinander schlug, konnte ich mich eines denn allzu dreisten Kusses erwehren. Aber der Geruch, den mein Verlangen aus
strömte, hinderte mich, ihm zu verbergen, was er mir mit seinem beredten Schweigen und seinem in der Unnachgiebigkeit zutage tretenden unbändigen Willen ohnehin befahl. Er kniete vor mir nieder, ergriff meine Schamlippen, aber auch eines meiner Knie, und verschaffte sich damit, nachdem er sich freigemacht, ein Vergnügen, das ich ihm zwar nur ungern gewährte, aber auch schlecht verweigern konnte. Allzu feurig verfolgte ich die Ent wicklung in seinen Augen. Wenige Augenblicke später bat er mich kalt, die Beine ausei nanderzunehmen. Da ich nichts unternahm, stand er brüsk auf, verschwand kurz und kehrte dann Lichter löschend zurück. Seine Gestalt war jetzt nur noch im Mondschein zu erkennen. Ach, Roger, er war nackt! Gut gebaut, mit langen, kräftigen Beinen – die personifizierte Lust! Sein nackter strammer Schaft schimmer te im Mondlicht wie Perlmuttschmuck. Er schien sich der bruta len Sinnlichkeit nicht bewußt zu sein, die seine weiße Gestalt mit dem steifen Schaft vor dem von übereifrigen Dienern schon aufgeschlagenen weißen Bett im halbdunklen Zimmer ausstrahl te. Ich schwöre Dir! Wir sprachen nicht ein Wort. Er zog mich jäh an sich und warf mich aufs Bett. Im Fallen öffneten sich meine Beine. Eine Kraft, stärker als alle Muskeln der Welt, hinderte mich, sie wieder zu schließen. Aufrecht stand er vor mir und betrachtete lange meine zuvor verborgenen Schätze. Dann küßte er mich dort, wurde durch meinen Geruch sichtlich erregt und befahl mir mit verwirrender Arroganz: «Mach dich breit!» Durch diesen Ausdruck kam ich wieder zu mir. Die Angst vor Vergewaltigung, die ich fast jedesmal, wenn ich mich hingebe, verspüre und die ich oft auch bei Dir empfand, wenn Du zwi schen meine Schenkel stiegst, um Dich auf mich zu legen, sie erfaßte mich auch hier, und zwar so heftig, daß ich aufschrie und daß Kräfte in mir freiwurden, um meine Schenkel wieder zu schließen und schützend eine Hand vor den geschlitzten feuch ten Sitz meiner Lust zu halten.
Er stieß den rauhen, halb erstickten Schrei der neapolitanischen Bootsleute aus, der Dich, lieber Jean, damals so erregte wie der letzte Liebesschrei. Er legte sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich und nahm sich von meinen Lippen alles, wonach sein Herz begehrte. Obwohl er meinen Mund, meine Zunge schon kannte, war ich grausam genug, mich ihm noch immer zu verschließen. Er haschte nach jeder äußerlichen Liebkosung, die man sich bei der Frau, die sich leblos stellt und ihre Hände verweigert, nur denken kann. Ich war von Sinnen vor Verlangen nach ihm. Er wußte es. Er richtete sich, auf die Handflächen gestützt, über mir auf und strich mir mit dem Glied über Wangen, Lippen, Augen. Todesmutig starrte ich auf den schimmernden Stab, nach dem ich mich verzehrte und der jetzt meine zusammengepreßten Lippen zu öffnen versuchte. Es gelang nicht. Dennoch – was hatte ich ihm nicht alles gestattet! Die Kuppe seines Glieds glich der schönsten, strahlendsten und begehrenswertesten Blüte. Sie war wie eine Rose, wenn ich ihre Blütenblätter zerteile, um ihr kühles, taufrisches Inneres zu küssen. (Das erregte Dich, Roger, immer so sehr.) Verdrossen setzte er sich auf meine Brüste und verlangte, ich solle sie an seinen Stab pressen. Doch ich war unerbittlich. Ich spürte, wie rasend die Wollust in mir aufstieg, daß meine un sichtbaren Lippen anschwollen, und mir war nun gleichgültig, was er tat. Auf meinen Schenkeln sitzend, wollte er mich alsbald in Spiele zu zweit verwickeln, indem er mir lustvolle Griffe, bei sich selbst angewandt, vorführte. Damit verstärkte er nur noch meine gren zenlose Wollust, denn der war ich wehrloser ergeben, als wenn er mich mit dem königlichsten aller Schwänze genommen hatte. Ich bemühte mich mit meinem ganzen Willen nur um eins – die Lust, die mich endgültig überkam, vor ihm geheimzuhalten. Meine Schreie, die bei Dir immer sofort das befreiende Zucken auslösten, konnte ich noch in der Kehle ersticken, aber am gan zen Körper erfaßte mich, ohne daß Carvalho Intensität und genauen Zeitpunkt ahnte, eine so berauschende Wonne, daß mir
die Sinne schwanden. Als ich wieder zu mir kam, lag er zwischen meinen Beinen und hatte da wohl genug geschlitzte Weiblichkeit entdeckt, um sich darein zu ergießen und sein Verlangen für einen Augenblick zu stillen. Seither haben wir uns nicht mehr aus den Augen gelassen, lie ber Roger. Ich habe nichts von all dem getan, was ich in London hätte erledigen müssen. Der Mann ist mein Gebieter – für wie lange? Ob Du mich wohl verstehst? Du weißt genug vom Leben und den unausweichlichen Gesetzen, die es beherrschen, als daß Du mich darin enttäuschen könntest. Ich warte auf ein Zeichen von Dir, das mich des Fortbestands unserer Freundschaft versichert. Erinnere Dich an Capri und wie nah wir einander nach der Be gegnung mit der Contessa waren. Clotilde
Nachwort über echte Erotik
Dieses Buch bedarf noch einer letzten Erklärung, um ein abge schlossenes Werk zu sein. Erotik? Dann aber bitte fotogene Erotik in Super-Zeitlupe, erlesene Liebestechniken! Werden wir deutlich. Der Ballon ist am Boden vertäut. Sollen wir die Leine auf einen Schlag kappen? Na also! Wir schneiden sie in vier Stücke, bevor wir die gräßliche Mont golfière aufsteigen lassen, die sich nur wegen des nicht minder gräßlichen «Alle Leinen los!» als Ballon fühlen darf. Dieses «Alle Leinen los!» ist für uns das Ende jedes noch so schönen Starts. Der Ballon macht sich auf und davon, unser Vergnügen auch. Das ist Erotik. Vorbereitungen zu einer Abreise, zum traurig sten Abschiednehmen. Das Vergnüglichste an diesem erotischen Buch wider Willen ist der darin sichtbare ordnende Plan eines Liebesstrategen, dem es widerstrebt, eine Festung zu stürmen, die ohnehin nur in der menschlichen Phantasie uneinnehmbar ist.
Das Wort hat der Verleger
Das Manuskript zu dem vorliegenden Band füllt fünfundzwanzig Blätter mit einer ungleichmäßigen, verkrampften, unordentlichen, quer über die Zeilen fegenden Schrift. Die drei letzten Blätter sind mit roter Tinte geschrieben. Keine oder nur wenige Strei chungen. Ein paar Bleistiftnotizen zum Zweck späterer Korrek tur (so scheint es). Am unteren Rand der fünfundzwanzig Blätter eine Art «Erdge schoß», in dem dichtgedrängt oft unleserliche Notizen von ver schiedenen Handschriften in verschiedenen Tintenfarben stehen. Sie sind auch von sehr unterschiedlichem Interesse. In manchen geht es um Persönlichkeiten aus der Pariser Literatur- und Kunstwelt. Sie tragen dann eines Tages sicher dazu bei, daß unser getarnter Manuskriptautor gefunden wird. Das Manuskript über ließ mir übrigens ein Hotelboy vom Claridge (für zwei Pfund Sterling) mit der Versicherung, es sei einer angesehenen Dame, die in dem berühmten Etablissement zu den Stammgästen des «Five o’clock dancing» zähle, an einem Winterabend 191… aus dem Sonnenschirm gefallen. «Eine Person der wirklich guten Gesellschaft», beteuerte der junge Hoteldiener. Sein rein literarischer, sein Kuriositätenwert rechtfertigt es durchaus, daß wir manche dieser Notizen in unschwer zu erra tender bibliographischer Absicht veröffentlichen. Sie sind hier nur zu dem Zweck aufgenommen, künftigen Historikern einen Aspekt der Welt der Vorkriegskünstler, die die Katastrophe dann auseinandertrieb, zu erhellen. Auf Blatt 3 lautet die mit Füllfeder geschriebene Notiz 7: «A. S… versichert mir, er kenne dieses Landhaus. Er habe dort den Maler D… getroffen, den es wegen der herrlichen Schirmpinien
dahin zog. Der Kunstliebhaber Z… soll noch eine Leinwand aus dieser Zeit besitzen. (Nachprüfen!)» Notiz 8: «Z… verweist mich an B… zurück. Verdammt! Nichts zu machen! Ein geschickter Lügner!» Und auf einer Karte von Mistress G. S… die an die Notizblät ter angesteckt ist: «B… den ich trotzdem befragt habe, bricht schluchzend zu sammen und erklärt, er habe hundertelf Parklandschaften von D… erhalten, sie seien ihm jedoch 1914 eines Abends entwendet worden. Seine Verdachtsmomente hätten sich zunächst gegen R… dann gegen G. A. und in seiner Verzweiflung sogar gegen ein einfluß reiches Mitglied der ‹Folie Protestante› genannten Gruppe gerich tet. Er ging sogar so weit, J.-E. B… zu verdächtigen, der ihm anläßlich einer Vernissage eine kräftige Ohrfeige verpaßte, mit der (bis auf die Landschaftsbilder) alles wieder in Ordnung kam.» Auf Blatt 5, Notiz 12, mit Bleistift: «P. P…scheint von der Ähnlichkeit seines Namens mit dem Watteaus tief beeindruckt zu sein. Er gerät auch über die Worte ‹herzzerreißende Keuschheit› in steigende Erregung und erzählt mir ausgiebig von der Liebes geschichte zwischen Mademoiselle… und G. A…» Blatt 6, Notiz 2, Tuschstift: «C. B… bestreitet, daß das alles neu sei. Er verkaufte D… im Jahre 191… ein florentinisches Manu skript, in dem dieselben Tatsachen dargelegt werden. Mit einer Variante: ‹ohne Zuhilfenahme der Hände›. Das Kind nannte diese seltsame Wollust Zanzara.» Blatt 6, Notiz 3, Blaustift: «L. R… wirkte von Clotildes Porträt tief beeindruckt. Glaubt oder gibt vor, sie zu seiner BraqueSammlung gelockt zu haben. Bei diesem Besuch seien auch die Damen… (Namen unleserlich) dabeigewesen. Hielt sie für eine Schwedin.» Notiz 6: «Habe Mad. N. G… dazu befragt. Es soll sich um La dy St… N… handeln. Fügt hinzu: ‹Lady St… besaß eine über 600 Erotika umfassende Bibliothek. Zur Überbrückung eines
Engpasses hat sie dem Grafen G… von G… alle ihre Beardsleys verkauft.›» Im «Erdgeschoß» quer darüber nachstehende, nicht numerierte Anmerkung: «Sachverhalt in Lübeck überprüft. Graf G… von G… besitzt noch heute alle diese Beardsleys. Lady St… habe ihm gleichzeitig den Rousseau, den Gleizes und den Léger, die Zierde seiner Bibliothek, Übermacht.» Dann weiter unten mit Blaustift: «Dieses Kamel hat für den Rousseau 700 Francs und für den (aus Rußland heimgekehrten) Gleizes 100 Rubel hingeblättert.» Auf Blatt 10: «Mac O… soll dieses Horoskop erstellt haben.» Mit Blaustift durchgestrichene Notiz am Rande: «C… prustet hervor: ‹O… kann nur Akkordeon und Deutsch!›» Doch wer weiß das schon so genau? Auf Blatt 20 eine Notiz, die wir wegen ihrer Unsinnigkeit ab drucken: «Camille P… schlägt mir L.-L. Forain als Illustrator vor.»
Brief an den Herrn Verleger
In Ihrem Schreiben vom 30. des Monats bitten Sie mich, zum Manuskript Ihres nächsten Buches Clotilde und Roger ein (kurzes und bündiges – so Ihr geehrtes Schreiben) Vorwort beizusteuern, in dem ich die diversen Abenteuer darlegen soll, die diese reizvol len Seiten zu bestehen hatten, bevor sie aus den Händen eines unbekannten Autors in Ihre Direktionsetage gelangten, und denen wir auch die deftigen Stiche verdanken, die dem Buch beizugeben Sie den trefflichen Geschmack haben. Verehrter Herr, über Ihren Wunsch möchte ich mit Ihnen nicht streiten. Nur werden Ihre Leser noch einige Seiten länger auf die taktvollen Abbildungen noch taktvollerer Liebesversuche warten müssen. Dies vor allen Dingen aufreizende Buch wäre getrost ohne solche Lockspeisen ausgekommen… Es ist so unübersehbar erotisch und daher der Gattung dienlich, so anschaulich und so gewinnbringend, daß man es der angeborenen Vornehmheit Ihrer Leser ohne weiteres empfehlen kann. Seine abenteuerlichen Präliminarien – darf ich sie frühreif nennen? Ich gehe dieses Kapitel nun kurz entschlossen an. Und das soll auch meine einzige – Gott sei Dank begrenzte – Rolle hier sein! Nach dem Aufruhr, in den mich diese Seiten versetzt haben, treibt es mich voll vibrierender Ungeduld in die Arme meiner Geliebten. Ich erinnere mich, verehrter Herr, mit unveränderter Rührung noch jenes Abends, an dem mir mein lieber alter Freund G. A… des langen und breiten von jener erstaunlichen Schrift erzählte, von der er weder Titel noch Verfasser hat ausfindig machen können. «Kannst du dir vorstellen», fragte er und firnißte dabei einen «Jolie» von Pablo, den er unter einem alten Talmud ganz oben in seinem Henri-III.-Buffet ausgegraben hatte, kannst du dir vorstellen, ich sitze bei Z… (diesem Teufel von einem Zahn arzt; an den bin ich dank Max’ Boshaftigkeit geraten!) im Wartezimmer und schlage ein ledergebundenes Mariani-Album
zimmer und schlage ein ledergebundenes Mariani-Album auf. Ich studiere gerade leicht verärgert den Namenszug von P. Benoît (du weißt ja – sein stelzbeiniges ‹n›, das die Angst des absolut Unechten ausschwitzt, und sein wie ein genudeltes Tippfräulein am Hintern plattgedrücktes ‹B›), als ein Packen maschinege schriebener Seiten aus dem Album fällt. Der ganze Raum wird davon übersät. Mühsam sammle ich, auf allen vieren, die verlore nen Schäfchen ein. Wieder in meinem Sessel, untersuche ich meinen Fund. Und was entdecke ich? Ach, Lieber, Wunder über Wunder! Sade und Giorgio Baffo, Marx*, Restif, Daudet, Nerciat, Dumouchet und Margueritte sind nichts dagegen! Nachdem ich zwei Seiten gelesen hatte, loderte ich im schlimmsten Feuer, das ich in meiner «Hölle» je kennengelernt habe. Ich mußte den Sitz meines menschlichen Rührens mit einer aufgeschlagenen Num mer der Femina zudecken, fürwahr ein lobenswertes Rühren, das jedoch mein Gegenüber im Wartesaal, Frau Staatsanwältin X…, hätte verschrecken können. So überlegte ich mir denn insgeheim, wie sich die kostbaren Blätter möglichst unauffällig und ohne allzu sichtbare Taktlosig keit aus dem Album in die Taschen meiner Jacke befördern ließen. Doch war mir das Schicksal – ebenso wie dem Klotz Merovack**, und das will etwas heißen! – leider nie gewogen. Ein Marineoffizier stürmte in den Raum, sprang auf den Tisch, entriß mir die ersehnten Blätter und verschwand wie ein Irrer, bevor ich auch nur zum Sprechen, zu einer abwehrenden Geste oder einer Bitte kam. Was sollte ich tun? Z… hat mich an dem Tag furchtbar gequält, trotz seines ja doch tröstlichen Versprechens, meinen Eckzahn, von dem du die Lücke heute noch siehst, Doucet zu vermachen. Nur ließ mich, verehrter Herr, der glückliche Zufall, der die glücklichen Dichter geleitet und die schlechten Generäle zu Siegern weiht, wenig später erneut auf die Spur unseres Marine *
Der Jüngere.
Pseudonym von Marc Brésil, wird uns versichert.
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leutnants stoßen. Es war ein zur Weiterbildung in den Hafen von La Rochelle abkommandierter portugiesischer Offizier, und der erzählte mir, welch schwere Erlebnisse ihm in den Besitz und dann wieder um den Besitz gebracht hatten von Clotilde und Roger. Ich bat ihn, alles schriftlich niederzulegen, was er über die Her kunft des kleinen Meisterwerks wisse. Ihre Leser müssen die Unzulänglichkeiten seines Stils entschuldigen, um den hat sich der Autor wahrscheinlich weniger gekümmert als um seine gol denen Achseltressen und seine inner- und außereuropäischen Orden. Nun denn: «Verehrter Herr, geneigter Verfasser, ich habe auf meinen Landgängen weiße, schwarze und gelbe Frauen und Soldatenfrauen geliebt. 1909 in Rotterdam verehrte ich auf einer Straße im Handelshafen eine Lyzeumsschülerin (Dalcroze-Tanzgymnastik, Höhere Mädchenschule). Ich war verliebt. Sie offensichtlich auch. Eines Tages, will sagen, eines Abends, steige ich auf sie drauf. Und zwar stieg ich so schnell (wie sagen Sie dazu?) auf sie drauf, daß ich mit Staunen entdeck te, daß sie schon ganz weit und naß war und zitterte vor Lust. Nun, ein Trottel bin ich auch nicht. ‹Ein Liebhaber!› sage ich zu ihr. ‹Nein›, antwortet sie, ‹ein Buch, und was für eins, Carino mio. Ein Buch – die reinste Animiervorlage!› Dabei zog sie Papier unter ihrer Matratze hervor: Ich las: Clotilde und Roger. Wer ist Roger, frage ich. Sie lacht auf…» Doch ich möchte es, verehrter Verleger, Ihren Lesern ersparen, sich durch diese sechs umfangreichen Seiten quälen zu müssen, auch wenn ich erst durch sie auf die Spuren der unerhörten Reise gekommen bin, die das Buch, das Sie vorbereiten, hinter sich hat… Bücher sind die schönsten Reisenden. Doch was gälte uns der gründlichste Forscher, bliebe er stumm, wäre er ein Analpha bet, besäße er keine Erinnerungen! Ach, könnten uns die Bücher doch ihre Erlebnisse schildern, ihre Schicksalsschläge, die Näch te, die sie hervorbrachten, ebenso wie die Nächte, die sie ausfüll ten, die Schauspiele, die man ihnen vorführte, die feinen und die
deftigen Gerüche, die die Finger, die in ihnen blätterten, auf den Seiten hinterließen! Unser maschinegeschriebenes Clotilde und Roger hat so manch seltsamen Augenblick erlebt, bevor es in Ihrer Druckerei «verendete». Und dank der Mithilfe eines Leutnants, der kaum lesen und schreiben kann, teile ich Ihnen nun kurz seine Kreuzfahrten durch Europa und beide Amerikas mit. Es liegt an Ihnen, ob Sie daraus dann auch das Beste machen. Das uns interessierende Werk hat zwar keinen Autor, aber dafür immerhin einen «Stammbaum», der uns über die möglichen, ja, fatalen Mißgeschicke aufklärt, die einem Buch, das sein Licht aus den süßen Irrwegen der Liebe und der betörenden Haut der Frauen in ihren diversen Stellungen bezieht, widerfahren können. Doch ich muß mich sputen. Sie zahlen pro Seite und waren gleichzeitig so grausam, mir nur sechs Seiten, einhundertachtzig Zeilen, zuzugestehen. Auch wenn ich unverbesserlich auf Um wegen wandere und in dichterischer Begeisterung zufällig über das erlaubte Ziel hinausschießen sollte, soll es mich nicht jucken! Über den Preis werden wir uns immer einig. Ein Verleger hält sich noch stets für einen Mäzen. Nein, auch meine Zwistigkeiten mit Ihrem Kollegen Graisse können mich von meiner Meinung nicht abbringen! Wo ist Clotilde und Roger nun entstanden? That is the question. Ich weiß es nicht. Weiß es der Verfasser? Ein befremdlicher Widersinn! Selbstverständlich nicht! Und wenn er es weiß – was nützt es uns? Die Frage bleibt offen. Verehrter Herr, ich scherze nicht. Sehen Sie darin nicht nur leichtsinnige, übelwollende Anspielungen. Schon die aufreizende Erotik Ihres Bandes könnte das Unangebrachte Ihrer Unterstellung belegen. Und wäre uns der Verfasser bekannt, was würden wir mit dem entjungferten Geheimnis – so hinfällig, so ganz seines Stachels beraubt – anfangen? Gamyani! Ist es wirklich von ihm? Oder von ihm und ihr, die hier wie dort miteinander verbunden sind? Uns ist es im übrigen schnurzegal, ob Autoren oder Akteure. Nur Clotilde und Roger ist für uns von Belang. Und Clotilde und Roger war nun wirklich ein Volltreffer. Da ist Leidenschaft! Da sind heitere
Berührungen! Da wird das Laster mit Umsicht geschürt! Und da erlebt man eine schöne, wohlriechende, wie ein Auge (und welch verschmitztes Auge!) leicht offenstehende, pudelig gekrauste Scham!… Doch zurück zum «Stammbaum»! Das Manuskript taucht erstmals (soweit Menschen sich erin nern können) im Mädchengymnasium des urfranzösischen stillen Städtchens R… auf – einer Art stillgelegtem Hafen. Es wird hinter Stellwänden aus weißem Linnen gelesen, die den schon gesetzteren unter den jungen Pensionsdamen Abgeschirmtsein vorspiegeln sollen. Es wird unermüdlich jeweils nach Mitternacht gelesen, und es bilden sich dabei Pärchen, wollüstige Gespanne, deren Versuche, sich gegenseitig Vergnügen zu verschaffen, oft in schlimme Verrenkungen ausarten. Belassen wir es dabei – mit einer Hand gehaltene Bücher, zärtliche Exkurse zu einem Kapi tel… Eines schönen Tages stolpert die Direktorin, die darüber zu wachen hat, daß ihre Zöglinge wenigstens halbwegs unberührt bleiben, um Mitternacht über ein so reizvoll verschlungenes Paar, daß sie ein Tier mit zwei Schwänzen vor sich zu haben glaubt. Signorina Benilibo aus Rio de Janeiro wird mit sofortiger Wir kung der staatlich anerkannten französischen Bildungsanstalt verwiesen. Sie rauscht denn auch (ein Manuskript zwischen zwei gestärkten Rasurel-Blusen) nach dem heimatlichen fernen Süd amerika ab. Doch hitzig Blut bahnt sich seinen Weg. Auf dem Schiff, gleich ob Brücke, Bar oder Sportsdeck, spinnt sich zwischen Signorina Benilibo und Arthur Godmibell eine Liaison an, bei der der schönste Gewinn bald aus – wie sag ich’s nur? – dem Zwickel der schönen Vertriebenen stammt. In einer etwas stürmischeren Nacht kommt es zu den entscheidenden Geständnissen, von denen Clotilde und Roger Zeugnis ablegt. Arthur Godmibell, ein zuvorkommender Gentleman, hatte jedoch lange Finger, und als der Hafen in Sicht kam, schaffte er ein gewisses Manuskript beiseite und lieferte eine dankbare, gebildete, nach höheren Studien dürstende Tochter, nur mit einer
Frucht im Leibe, bei ihrer hinfort franzosenfeindlichen Planta genbesitzerfamilie ab. Das Mädchen sollte sich über den Sohn, der ihr neun Monate später beschert ward, nie hinwegtrösten können – erst recht aber nicht über das gestohlene Manuskript. Arthur Godmibell aber ist (stellen wir ihn endlich vor) Beauf tragter der Kongregation für Heiligsprechungen (Rom) und zuständig für diskrete, ganz und gar gesittete Voruntersuchungen zu den in Zukunft unbezweifelbaren und beurkundbaren Wun dern einer gewissen Sanpinella, einer reuigen ehemaligen Kurti sane aus Vancouver, die von französischen Schwestern vom Orden zum Kleinen Kreuz einst bei einer Razzia nach Waisen mädchen aufgegriffen wurde. Ein gottgefälliger Tod tilgte hier die Sünden eines Hurendaseins. Godmibell mußte mit dem Urteil mehrerer Experten in den Händen zugeben, daß gewisse Mine ralwasserquellen (Harngrieß und Hautkrankheiten) nur deswegen aus den zum bloßen Zeitvertreib in die Böschung an der Vancouver-Bahn bei Meripoki eingelassenen vulkanischen Felsen sprudeln, weil die heilige Schwester Maria Magdalena (mit bür gerlichem Namen Sanpinella) dort ihr Gebetbuch aufgelegt hat. Außerdem mußte Godmibell (de visu audique) bestätigen und statistisch erfassen, daß den Schwestern vom Kleinen Kreuz in den an die Jagdreviere ihres Klosters angrenzenden Provinzen die Bekehrung der Einwohner in großem Umfang gelungen ist, obwohl die rückständigsten Einheimischen dort noch eine hot tentottenschwarze Venus mit drei Geschlechtsteilen anbeteten: einem Ohr, einer Brustfurche und dem «verbotenen Gebiet». Die Auskünfte, die er von den ehrwürdigen Nonnen hierzu erhielt, sind wahrhaft entsetzlich. Kurzum, nach hundert Tagen hochwichtiger, von der Vorste herin des Ordens unterstützter geheimer Bemühungen honorier te unser halbamtlicher römischer Bevollmächtigter deren äußerst wertvolle Gunstbeweise mit der Überlassung des fraglichen Manuskripts. Schon am nächsten Tag aber nutzte eine in der Zelle der Oberin diensttuende Pfortenschwester die Verwirrung, die ein waschechter Raubüberfall im Kloster gestiftet hatte, und
nahm das Manuskript an sich. Der Überfall jedenfalls brachte, das ist das mindeste, was man sagen kann, mehr als eines der heiligen Opfer Monsieur Combes zu später Besinnung und zu einem neuen Beruf – sie sind allesamt erstaunt, welche Freuden die prunkvollen, wappenbestickten und vom Sattel blankge scheuerten langen Lederhosen der räubernden Zivilisationsbrin ger (gestehen wir es uns ruhig ein!) bergen können. Unsere übermäßig analgeprüfte Pförtnerschwester liegt drei Wochen im Krankenhaus und verzieht sich dann unter ihrem wieder angenommenen Mädchennamen Mistress Pixine nach Kanada, wo eine leibliche Cousine sie aufnimmt, die vom Export protestantischer Bibeln nach Französisch-Äquatorialafrika und von Kokain nach Frankfurt am Main lebt. Die ehemalige Nonne vom Ölberg begleitet eine Sendung des letztgenannten Produkts – der weiße Stoff versteckt in zwei echten Stradivaris – bis nach Southampton, wo der genuesische Dreimaster Bebesina, auf dem auch ihre Kabine ist, wegen eines Maschinenschadens drei Tage festliegt. Während dieser Zeit läßt sich Mistress Pixine unter dem Ein fluß des feurigen Gins aus dieser Gegend von der Gattin des Obersten eines Elite-Bataillons der Heilsarmee, das dort gerade sein Herbstmanöver abhält, auf zärtliche Art Freiheit und Über zeugung nehmen. Ein siebenminütiges Telefongespräch mit Marshall Boot bewegt sie dazu, sich für ein Butterbrot von ihren beiden Stradivaris samt schneeweißem Innern zu trennen. Durch ihr bloßes Eingeständnis, im Besitz des Manuskripts zu sein, rückt sie sogleich zum Leutnant und zur Befehlshaberin über alle auswärtigen Einsatzgebiete (Vevey, Montreux und die savoyi schen Dörfer am Ufer des Genfer Sees) auf. Clotilde und Roger soll (nach gemeinsamer Lektüre im Komitee) trotz seines unbestreitbaren Werts durch Verbrennung gerade endgültig vernichtet werden, als sich der Generalstab doch noch dem Vorschlag des Oberstleutnants der Einsatzgruppe Dublin anschließt. Clotilde und Roger wird nun zugunsten der leidgeprüften irischen Sektionen verkauft.
Claude F… Leutnant auf einem Flugzeugträger und Zerstörer, erwirbt das Werk, das Sie heute herausbringen, in maschinege schriebener Form zu dem phantastischen Preis von sieben Pfund Sterling. Nach Frankreich zurück gelangt Clotilde und Roger in den Innentaschen der Strickweste eines Caproni-Piloten aus der Bomberstaffel von Port-Vendres. Dann verlieren sich seine Spuren bis zur «Weiterreise» nach Rotterdam. Zwischen zwei Bildern von M. M. D… einer , «Geburt Christi» und, ich glaube, einer «Marschkapelle aus dem Regiment meines Sohnes» (1917 1918), gelangt das Manuskript ungehindert über die Grenzen. Die beiden Gemälde, die ein holländischer Architekt, Van de Velde oder Fan de Felde, erworben hat, geben ihren blinden Passagier in den Händen eines Dienstboten frei, und der verkauft ihn an eine seiner Freundinnen, eine Berufs-Dalcrozianerin, weiter. Damit wären wir, verehrter Herr, endlich am Ende der Reise. Was für eine Odyssee! Welch phantastische Irrwege machte unser Manuskript durch, ehe es das Schicksal allen schwarzbe krakelten Papiers ereilt – die Druckerpresse! Welch rätselhafter und demütiger Handlanger des Schicksals war doch jener Hotel boy aus dem Claridge, der sich von der Blitzkarriere des kleinen Rotterdamer Professors, von dessen bekanntem tragischem Streit mit dem portugiesischen Offizier und auch von der unverhofften Reichhaltigkeit eines geheimnisvollen Sonnenschirms nicht beirren ließ! Nun sind es doch weit mehr als fünfundneunzig Zeilen gewor den. Mein Gott, wir werden uns wieder einmal in die Haare geraten. Sie sind so hart; zu herrisch – Sie werden es eines Tages einsehen – für einen jungen Verleger! Ich weiß, es heißt, die Freimaurer halten ihre Hand über Sie. Schwamm drüber. Hono rieren Sie mich nur so, wie beim Paris-Journal üblich. Dort werden die Berichte über Unfälle, Menschenraub und Begräbnisse ja auch nicht pro Zeile, sondern nach dem Bekanntheitsgrad des Opfers oder des Täters bezahlt.
Sie müssen sich entscheiden – Godmibell oder der Offizier! Ich wäre mehr für den Offizier. Geschmackssache. Mit der gesell schaftlichen Stellung hat das nichts zu tun. Mit allervorzüglichster Hochachtung Ihr…