Es war eine Nacht zum Sterben. Eine Nacht, in der selbst die Kojoten verstummten, in der sich die Kühe auf den Weiden d...
15 downloads
698 Views
706KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Es war eine Nacht zum Sterben. Eine Nacht, in der selbst die Kojoten verstummten, in der sich die Kühe auf den Weiden dicht zusammen drängten in ihrer Angst vor dem to benden Sturm, in der es passieren konnte, daß der Ehemann nicht mehr zu seiner Ranch zurückkehrte. Christie Patridge dachte daran, während sie aus dem Fenster in die Dunkelheit starrte, die in immer kürzeren Abständen von Blitzen durchzuckt wurde. Die Windböen peitschten den Regen fast waage recht von Nordosten gegen das Holz haus. Selbst die breite Veranda konnte die Scheiben des Wohnzim mers und der geräumigen Küche nicht vor dem hämmernden Regen schützen. Die Sturmlaterne draußen am Korral flackerte und schwang in wilden Kreisen, ohne die Dunkelheit erhellen zu können. Mit berstendem
Krachen entluden sich die Blitze, und dann sah Christie Patridge für Sekundenbruchteile die Umrisse des Bunkhauses, der Korrals, in denen die verängstigten Mutterkühe mit ihren Kälbern standen. Ganz schwach konnte sie dahinter noch die schwarze Linie der Cottonwood bäume am Fluß erkennen, nicht mehr als eine Meile entfernt. Wahr scheinlich war es nur Einbildung, ein Schatten in der Schwärze der Nacht, von dem sie aus langen Jahren wuß te, daß es der mit Bäumen gesäumte South Platte sein mußte. Sie drehte sich um und fuhr mit den Fingern über ihre brennenden Augen. In der Mitte der Küche stand der Eßtisch. Er war für zwei Perso nen gedeckt: abgestoßene Porzellan teller, Messer und Gabeln mit Holzgriffen, Emailletassen, eine Flasche mit Wasser. Die Pfannen auf dem Herd waren so weit wie möglich 3
nach außen gerückt. Man sah den band die Schleife ihrer geblümten Kartoffeln und Bohnen trotzdem an, Schürze auf. Sie hängte sie an einen wie lange sie schon darauf gewartet Haken an der Tür und stellte eine der hatten, gegessen zu werden. Pfannen auf den Tisch. Lustlos aß sie Die Standuhr an der Wand schlug direkt aus der Pfanne wenige Bissen neun Uhr. Christie Patridge be Bratkartoffeln, stellte sie dann zu trachtete das Zifferblatt mit einem rück auf den Herd und ging zur Tür. seltsamen Ausdruck auf ihrem blei Eine schwere Männerjacke hing an chen Gesicht. Dann wanderte ihr einem Nagel. Christie Patridge warf Blick auf den fleckigen Spiegel ne sie sich über. Dann setzte sie den ver ben der Uhr. beulten Hut aus schwerem Filz auf Wie alt war sie eigentlich? Ihre und band ihn mit einem Halstuch unter dem Kinn Augen wirkten fest. unnatürlich jung Die Hauptpersonen des Romans: in dem Gesicht, das Sie schob den Lobo — Als Tall Bull auf der Ranch ihr entgegenstarr Riegel der Tür zu auftauchte, wußte er, daß die näch te. Mein Gott, rück und mußte sten Tage heiß werden würden dachte sie, sind sich mit ihrem Christie Patridge — Sie hatte ein fürch wirklich dreißig ganzen Gewicht terliches Geheimnis, aber einer kannte Jahre schon so es gegen das feuchte schnell vorüberge Holz stemmen. Der Roy Johnson — Er wollte die Frau und gangen? Sie fühlte die Ranch, und damit hatte er sich Sturm tobte immer zuviel vorgenommen. sich alt und ver stärker, und die braucht, obwohl Holon Godfrey — Ein Baum von einem Kräfte der Frau Kerl, der für drei Männer kämpfen die Linien ihres reichten kaum aus, konnte. Gesichtes weder um die Tür zu öff Tall Bull — Er wollte den Tod seines hart noch scharf, nen. Endlich be Sohnes rächen. sondern weich
kam sie ihren Fuß wirkten wie die ei
in den Spalt, und nes jungen Mädchens. Aber an die dann arbeitete der Wind nicht mehr sem Abend lagen tiefe Schatten un gegen sie, sondern für sie. Die Tür ter ihren Augen, die sonst so sorgfäl flog auf und schmetterte gegen die tig zu einem Knoten gebundenen Hauswand. Holz splitterte. Haare hingen wirr in ihre Stirn, und
Ohne sich weiter darum zu küm ihre Schultern waren gebeugter als
mern, rannte Christie Patridge los. je zuvor.
Der Wind beutelte ihre Kleider und Donnernd fuhr der Blitz nicht weit brachte sie aus dem Gleichgewicht. entfernt ein, die Fensterscheiben Torkelnd arbeitete sie sich auf die klirrten drohend, als eine stärkere schwach sichtbaren Lichter des Windböe das Haus erzittern ließ. Bunkhauses zu. Der Sturm orgelte in Draußen im Hof krachte es in den den Baumwipfeln, dem Hühnerstall, Wipfeln der vom Sturm geschüttel pfiff durch die Ritzen des Geräte ten Bäume. Das klagende Brüllen schuppens und brachte ausgerissene der Kühe war für kurze Zeit hörbar. Sträucher, Sand und Staub mit sich. Die Frau ging zurück zum Fenster, Obwohl der Regen etwas nachgelas lehnte mit der Stirn gegen die kalte sen hatte, war Christie Patridge bis Scheibe und starrte hinaus in das auf die Haut durchnäßt, als sie die Tür des Bunkhauses erreicht hatte. Unwetter. Minutenlang rührte sie sich nicht. Sie klopfte, und als ihr niemand Im Bunkhaus brannte Licht. Sie hat öffnete, trat sie mit den schweren te Mühe, die schwachen Lichtflecken Lederschuhen gegen das Holz. zu sehen. Die nassen Fensterschei Es dauerte eine Weile, dann öffnete ben verzerrten die Sicht. sich die Tür. Die Frau starrte in die Endlich wandte sie sich um und Mündung eines Revolvers, kaum ei
4
nen Zoll vor ihrem Gesicht. Bevor sie noch etwas sagen konnte, brachte ein Windstoß sie aus dem Gleichgewicht. Sie wurde von der Tür weggetrieben, aber da packte ei ne kräftige Männerhand ihren Ober arm und zog sie ins Bunkhaus. Je mand drängte an ihr vorbei, und dann schloß sich die Tür. Nach dem Tosen des Sturmes kam es ihr nun seltsam still vor. Zwei Männer standen vor ihr, ei ner in langen wollenen Unterhosen, den Colt noch in der Hand. „Mrs. Patridge, was machen Sie denn mitten in der Nacht hier drau ßen? Noch dazu bei solch einem Un wetter!" Der grobschlächtige Mann in den Unterhosen hielt sie immer noch am Arm. Christie Patridge löste sich aus sei nem Griff und trat einen Schritt vor. Das Licht der Petroleumlampe fiel auf ihr bleiches Gesicht. Die zwei Männer am Tisch hatten ihre Karten niedergelegt. Alle musterten sie neu gierig. „Mein Mann", sagte sie schwach. Sie stützte sich gegen die Seitenwand der zweistöckigen Betten. „Was ist mit Ihrem Mann?" fragte sie Roy T. Johnson. Der schwarz haarige Junge saß breitbeinig am Tisch, die Daumen hinter die breite Gürtelschnalle gehakt. Er sah so aus, als ob ihn nichts aus der Ruhe brin gen könnte. Der Blick aus seinen dunklen Augen heftete sich auf das schmale Gesicht der Frau. „Er - er ist noch nicht zurückge kommen." „Sie wollen doch nicht sagen, daß er bei diesem Wetter auf die Weide geritten ist?" fragte der Mann in den Unterhosen. Er wirkte weitaus un ruhiger als Roy Johnson, obwohl er gut zehn Jahre älter war. „Doch - doch ..." Es sah so aus, als wolle sie noch etwas hinzufügen, doch sie schwieg. „Bei diesem Sturm?" drängte der Mann. Er hielt immer noch den Colt in seinen breiten Händen. Die Waffe wirkte wie ein zerbrechliches Spiel
zeug darin. „Hörst du schlecht, Godfrey?" meinte Roy Johnson und kratzte sich den nackten Bauch. „Hören Sie, Christie!" polterte Ho lon Godfrey, „wenn Sie uns einen Bä ren aufbinden wollen, d a n n . . . " Er schwieg, als er das Gesicht der Frau sah. Es war starr und weiß wie Kalk. „Allmächtiger!" sagte er leise. „Scheiße!" Roy Johnsons Stimme klang selbst jetzt noch ruhig. „Pat ridge ist kein Trottel. Er weiß, was ein Sturm ist. Wenn er jetzt noch nicht zurückgekommen ist, dann kann das nur bedeuten, daß er ir gendwo am Fluß Unterschlupf ge sucht hat, bis das Schlimmste vorbei ist. Bei den verdammten Blitzen rei tet kein vernünftiger Mann über die flache Prärie. Da kann er sein Testa ment schreiben. Und Ihr Mann ist vernünftig, Mrs. Patridge, darunter setze ich Ihnen meine Unterschrift." „Er ist immer zurückgekommen", sagte sie nervös. Roy Johnson schenkte sie nur einen kurzen Sei tenblick. „Seltsam", meinte der Mann, der neben Roy am Tisch saß. Bisher hat te er der Unterhaltung schweigend zugehört. „Was ist seltsam?" fragte Holon Godfrey. Er war sichtlich aufgeregt, tanzte mit kleinen, plumpen Schrit ten mittem im Raum herum, fuhr sich mit den riesigen Händen durch die rotblonden Haare und faßte alles an, was er in Reichweite fand. „Der Boß hat uns sonst immer ge sagt, wenn er alleine losritt." „Frank hat recht", sagte Godfrey und deutete mit dem Coltgriff auf Roy. „Da hast du's!" „Was habe ich?" fragte Roy unge rührt. „Daß - d a ß . . . " Godfrey ver stummte und blickte Christie Pat ridge hilfeheischend an. „Er hatte es eilig", sagte diese. „Er wollte nachsehen, ob die neuen Bul len in ihrer Angst nicht die Herde in den South Platte trieben." „Unsere Leitbullen hätten schon 5
dafür gesorgt, daß dies nicht ge schieht." Roy Johnson verzog die Lippen, als er mit einem Holzstück chen zwischen seinen Zähnen bohr te. „Das hätte ich dem Boß von An fang an sagen können." „Wann ist er denn weggeritten?" fragte Frank Harper. Sein Arkan sas-Akzent war so breit und gedehnt, daß Roy behauptete, man könne noch am Morgen das Echo von Franks „Gute Nacht" leise nachklingen hö ren. Jetzt aber achtete keiner der Anwesenden auf Harpers Akzent. „Gegen sechs Uhr, vielleicht etwas früher oder später." „Um zehn vor sechs kam ich von der Nordweide, und ich weiß, daß sämtliche Pferde im Stall standen", meldete sich Will „Skunk" Hender son, der vierte der Cowboys. Er war als einziger aus Colorado, und seine Eltern wohnten auf Hadfield's Is land, einer kleinen Insel im South Platte River nahe der Einmündung des Pawnee. Die anderen neckten ihn, wenn er an manchen Wochen enden seinen namenlosen kleinen Hengst sattelte und die vierzig Mei len südich am Fluß hinunterritt, um seine Eltern zu besuchen. „Ich sagte ja, daß es etwas später gewesen sein kann", meinte Christie Patridge. Sie wirkte irritiert. „Es ist ja auch egal, wann", meinte Godfrey polternd. „Jetzt sitzt er auf jeden Fall irgendwo unten am Fluß und wartet, bis das Wetter besser wird." „Wenn er überhaupt noch lebt", sagte die Frau mit einem leicht hei seren Unterton in ihrer Stimme. „Klar lebt er noch." Roy Johnson kratzte sich erneut am Bauch. „War um soll er auch nicht? Die Sioux sit zen entweder in ihren Tipis und rau chen ihre komischen Kräuter, oder aber sie benützen die Gelegenheit und schlagen den Utes die Köpfe ein. Aber auf verrückte Weiße, die in ei nem Gewitter nach Bullen sehen, warten sie nicht." „Vielleicht ist er vom Pferd gefal len", meinte die Frau nach einer län 6
geren Pause. Sie wirkte nun eher wütend als beängstigt. „Ihr Mann kann quer durch die Hölle und zurück reiten, aber er fällt nicht vom Pferd, verdammt! Allein die Idee ist lächerlich!" „Roy, benimm dich einer Dame ge genüber", sagte Holon Godfrey ha stig. „Ach was, ich streite ja gar nicht. Aber Ihrem Alten ist nichts passiert, das ist so sicher wie der Whisky in der Satteltasche eines Priesters. Und ich habe keine Lust, mich bei dem Sturm auf meinen Braunen zu schwingen und den Hals zu riskieren, wenn Ihr Mann von alleine wieder kommt, sobald das Gewitter auf hört!" Die anderen drei Männer schwie gen betroffen. Im Grund gaben sie Roy ja recht, aber er hätte sich ruhig etwas netter ausdrücken können. Ei ner Dame gegenüber. Christie Patridge wandte sich um und öffnete die Tür. „Soll ich Sie hinüberbringen?" fragte Holon Godfrey hastig. „Danke, ich brauche keine Hilfe. Nicht - nicht von euch!" Damit ver schwand sie in der Dunkelheit. „Du hast weniger Taktgefühl als ein betrunkener Bär", sagte Godfrey, während er mit seinen Pranken die Querbalken der Bunkhaustür um klammert hielt. Aber Roy zuckte nur mit den Schultern und nahm seine Karten wieder auf.
Am nächsten Morgen war das Un wetter vorbei. Um fünf Uhr kam Roy Johnson zusammen mit Frank Har per aus dem Bunkhaus. Der Himmel erhellte sich am östlichen Horizont, und sie blieben einen Augenblick stehen und sahen auf das weite, fla che Land mit dem kurzen Büffelgras und dem langstieligen Gramagras, auf das ein langer, heißer Tag warte te. Gewitter und Regen waren in
Nordost-Colorado selten, und wenn, dann konnte es leicht geschehen, daß zuviel Wasser auf einmal die Creeks und Flüsse zum Überlaufen brachte. Aber die Rancher und Heimstätter warteten darauf, denn mit dem Hochwasser kam mineralhaltiger Schlamm, der die Maisernte verdop pelte. Jeder Rancher hatte sein eige nes Maisfeld, denn die Winter waren kalt und oft schneereich. Da wurden zehntausend Hörnerpaare zu einem Problem, das schon manchen Mann zerbrochen hatte. Und es konnte ge schehen, daß ein Maiskolben fast den Wert eines Rindes besaß. Daran dachten die beiden Cow boys, während sie über das Land blickten und sich immer wieder ver schlafen die Augen rieben. Dann sah Roy Johnson, daß die Sturmlaterne über dem mit Erdreich bedeckten Vorratsraum mitten im Hof immer noch schwach brannte. „He, Frank!" zischte Roy und stieß seinen Freund mit dem Ellenbogen an. „Was ...?" begann Harper gedehnt, da sah er es ebenfalls. Christie Patridge stand auf ihrer Veranda, einen Wollschal um die Schultern, das Gesicht ein weißer Fleck gegen die noch in Dunkelheit liegende Nordfront des Hauses. Sie schien die Männer nicht wahrzuneh men, sondern starrte nur nach Nor den, wo die ersten Cottonwoodbäume aus der Dunkelheit emporwuchsen. Wo ihr Mann sein mußte. „Ich - ich werd' verrückt!" sagte Frank Harper leise. Der Schreck fuhr ihm durch die vom Schlaf noch steifen Glieder. „Weißt du, was das heißt?" fragte er nach einer Weile, in der sie die Frau auf der Veranda nicht aus den Augen ließen. „Klar weiß ich es." Roy Johnson fuhr sich mit den Fingern über das unrasierte Gesicht. Die Bartstoppeln kratzten laut. Frank Harper drehte sich um und ging zurück zum Bunkhaus. Und ob wohl er sich dabei nicht sonderlich
beeilte, sah man seinen Bewegungen an, wie ungemütlich er sich dabei fühlte. Nach wenigen Minuten kam er zu rück. Holon Godfrey band sich gera de den Gürtel zu, und Will Hender son zog sich die runde Nickelbrille hinter die Ohren. Schweigend sahen sie die Frau an. Christie Patridge bewegte sich nicht. Wie eine Statue stand sie auf der Veranda, das Gesicht ein heller Fleck gegen den schwarzen Wollschal um Schultern und Hals. Ohne ein Wort zu sagen, drehte Roy Johnson sich um. Er ging zum Stallgebäude und öffnete die Rund türen. Das Quietschen riß die ande ren Cowboys aus ihrer Betrachtung. Sie folgten ihm in den Stall. Zehn Minuten später ritten sie los. Zu Christie Patridge hatten sie kein einziges Wort gesagt. Es gab auch nichts, was sie mit der Frau hätten besprechen können. Gegen Mittag waren Frank Harper und Roy Johnson zurück. Sie waren beide schweißgetränkt, und als sie die Hüte abnahmen, blieb noch lange Zeit der Abdruck der Schweißbän der auf ihren weißen Stirnen, die sich gegen die dunkle Haut der Ge sichter abhoben. Christie Patridge stand immer noch auf der Veranda. Roy Johnson trat neben sie. „Ich werde uns etwas zu essen brutzeln", sagte er heiser. „Werd' schon zurechtkommen." „Ich - ich helfe Ihnen", sagte sie, und ihre Stimme kam wie aus weiter Ferne. „Nicht nötig", sagte er und ging ins Haus. „Wo sind Holon und Will?" hörte er sie fragen. „Sie suchen noch", antwortete Frank Harper. Er stand in der Küche gegen den schweren Holztisch ge lehnt und wischte sich immer wieder den Schweiß von der Stirn. Aber es war nicht die Hitze, das wußte er. Roy Johnson knöpfte sich das Baumwollhemd bis zum Gürtel auf, 7
als er von der Vorratskammer zu rück in die Küche kam. Er hielt eini ge Büchsen und die dicke Speck schwarte, die John Patridge mit ihm zusammen gekauft hatte, nicht ein mal eine Woche zuvor. „Warum kommen Sie nicht her ein?" rief er halblaut, während er Pfannen hin- und herschob und den Schmalztopf zum Herd trug. „Ich habe keinen Hunger", kam ih re Antwort von der Veranda. „Sie kann doch nicht stundenlang auf der verdammten Veranda her umstehen!" flüsterte Frank Harper nervös. Er drehte sich eine Zigarette und beugte sich über die Herdplatte, um sie anzuzünden. „Laß", meinte Roy. Er war ganz froh, daß sie nicht bei ihnen in der Küche war. Zehn Minuten später aßen die bei den Männer schweigend. Roy John son schob sich gewaltige Mengen Bohnen mit Speck in den Mund und spülte mit Brunnenwasser nach, während Frank Harper nur lustlos im Teller herumstocherte und ihn dann von sich schob. „Scheiße", sagte er. Roy sah auf. „Was gibt's?" „Der Boß kann doch nicht - ich meine - weshalb ..." Harper ver stummte hilflos, während er auf sei ne Hände starrte, die sich um die Tischplatte krallten. Roy kaute mit vollen Backen. „Vielleicht hat das Pferd ihn abge worfen, und er hat unterdessen Bla sen an den Füßen und kann kaum laufen." „Die Nordweide ist nicht weiter als zehn Meilen entfernt. Selbst zu Fuß wäre der Boß längst hier. Außerdem habe ich dort alles abgesucht." „Sind die Rinder noch auf der Wei de?" Frank Harpers Augen weiteten sich. „Verdammt, der Boß kann ver letzt sein oder sogar tot, und du fragst nach den Rindern auf der Weide! Ich verstehe dich nicht." „Was soll ich denn tun? Die Hände ringen und heulen wie ein Kojote? 8
Das hilft uns auch nicht. Es gibt jede Menge Arbeit, die getan werden muß. Nachsehen, ob ..." „Das ist jetzt unwichtig. Es geht um den Boß. Wenn er nicht mehr da ist, dann..." Erneut verstummte Harper. Man sah ihm an, wie ungern er das Thema berührte. „Wenn nicht? Das kann ich dir sa gen. Alles geht so weiter wie zuvor, hast du gehört? Alles. Du und ich und Holon und Skunk Henderson, wir al le werden weiterhin für diese Ranch arbeiten wie in den letzten Jahren und Monaten. Wenn wir nicht unsere Aufgaben erfüllen, dann gibt es hier in wenigen Wochen keine Felder und keine Rinder mehr. Dann holt sich die Wüste zurück, was ihr gehörte. Willst du das? Willst du, daß Christie alleine auf ihrer Ranch sitzt, wäh rend die Rinder verwildern und den Fluß hinunter den Indianern in die Hände laufen?" Frank Harper starrte Roy Johnson an. Sein spitzer Kehlkopf hüpfte er regt einige Male auf und ab. Er be netzte seine Lippen. „Nein", sagte er dann. „Ich glaube, ich habe etwas den Kopf verloren, Roy." Der jüngere Mann vor ihm ant wortete nicht. Er warf nur einen kurzen, unbewegten Blick über Har per hinweg zur Tür. Dort ver schwand gerade Christie Patridges Schatten vom rissigen Holz der Ver schalung. Roy wußte, daß die Frau ihm zugehört hatte. Hoffentlich hat sie genug Geld, um uns zu bezahlen, dachte er grimmig. Eigentlich sollte sie.
Um drei Uhr nachmittags kam Pat ridges Pferd mit hängenden Zügeln zur Ranch und blieb vor dem Stall gebäude stehen. Christie Patridge, die auf der Ve randa gesessen war, sprang auf und lief über den Hof zu dem hochbeini gen Braunen. Minutenlang starrte sie das Pferd
an, während die Cowboys sie aus ei niger Entfernung betrachteten. Dann wandte sie sich um. Mit einer zögernden Handbewegung fuhr sie sich über die Augen. Ihre schmalen Schultern zuckten kaum merklich. Holon Godfrey trat zu dem Pferd. Er sah, daß der Sattelgurt immer noch strammgezogen war, und löste ihn. Dann führte er den Braunen in den Stall und fütterte ihn. Roy Johnson kümmerte sich um die Satteltaschen. Sie waren bis auf wenige Kleinigkeiten leer. Der Cow boy spürte die Blicke der Frau auf sich ruhen, als er den Hammer, die wenigen Nägel, einige Schnurreste und Bleistiftstummel im Staub aus breitete. Während er den Hammer in der Hand hielt, sah er zurück zu Christie Patridge. Ihre Augen wirkten ohne jeden Ausdruck. Sie weinte nicht, sie sagte nichts. Sie musterte Roy, der mit dem Hammergriff spielte. Holon Godfrey kam zurück aus dem Stall. Er blieb stehen und sah auf das, was Roy in den Sattelta schen gefunden hatte. „Keine Lebensmittel, wie?" fragte er, aber es schien, als ob er nicht auf eine Antwort warten würde. „Hat er nichts mitgenommen, als er Sie verließ?" fragte Will Henderson. Christie Patridge schüttelte den Kopf. „Soweit ich mich erinnere, nein. Hat es irgendeine Bedeutung?" „Nein." Roy erhob sich und warf den Hammer mit einer schnellen Be wegung des Armes in den Geräte schuppen, dessen Tür offenstand. „Ihr Mann trug eine Waffe. Wenn er bei Bewußtsein war, dann hat er wahrscheinlich ...", er stockte, „hätte er wahrscheinlich einige Schüsse ab gegeben, um uns zu benachrichti gen." „Vielleicht war er nicht bei Be wußtsein", warf Holon Godfrey ein. „Oder aber seine Munition wurde durch den Regen unbrauchbar." „Ein Mann verliert durch den Sturz von einem Pferd nicht für mehr als zwölf Stunden das Bewußt
sein, selbst, wenn er verdammt un glücklich fällt", sagte Roy. „Sie wollen damit sagen, daß mein Mann tot ist?" Christie Patridges Stimme klang erstaunlich gefaßt. Roy zögerte keine Sekunde. „Ja", sagte er. „Das glaube ich." „Ich glaube es erst, wenn ich ihn se he." Holon Godfreys Gesicht glänzte dunkelrot. Er schlug sich mit der ge ballten Rechten in seine mächtige Handfläche. Es knallte wie eine Peit sche. „Gibt es denn keinen Weg, um ihn zu finden?" fragte Frank Harper dü ster. „Den Weg gibt es." Roy straffte sei ne Schultern, als er sich mit gespreiz ten Fingern durch sein volles schwarzes Haar fuhr. „Wie?" Roy sah sich um. „Der Hund", sagte er und deutete auf das Tier, das zu sammengerollt im Schatten der Cot tonwoods schlief. „Ich frage mich so wieso, weshalb Fox nicht längst un ruhig geworden ist. Hunde sollen so eine Art sechsten Sinn dafür besit zen, oder nicht?" „Versuchen wir es." Holon Godfrey war offensichtlich froh über die Möglichkeit, seine Gedanken unter Arbeit zu vergessen. „Fox ist alt", erwiderte Christie Patridge. „Ich weiß nicht, ob er über haupt noch eine Spur aufnehmen kann." „Ein Versuch kann nicht schaden." Die vier Männer sattelten ihre Pfer de auf. Am Abend kamen sie zurück. Christie Patridge konnte schon an den Mienen ablesen, daß sie nichts erreicht hatten.
Drei Tage waren vergangen. Drei Tage, in denen die vier Cowboys ver bissen wie noch nie gearbeitet hat ten. Selbst die Rinder hatten sie ge zählt, obwohl dies schon vor einem Monat geschehen war. Der Stall war ausgebessert, die Türen des Bunk 9
hauses gestrichen und die Sicker grube neu ausgehoben. Christie Pat ridge hatte den Männern gekocht, größere Rationen ausgegeben als je zuvor, aber geredet hatte sie kaum ein Wort. Von ihrem Mann fehlte weiterhin jede Spur. Friedensrichter Jimmy Chambers, ein Freund Holon God freys, war unterdessen informiert worden. Aber bei den Schwierigkei ten mit den Indianern bei der Valley Station und auch Fort Wicked konn te er keine Zeit aufbringen, sich um einen möglicherweise verirrten oder verunglückten Rancher zu küm mern. Das Überleben war schon schwer genug, hatte er gemeint, und die Frau vor herumstreunenden In dianern gewarnt. In einer Nacht hatte der Hund ge heult. Nach einer Stunde war das Heulen verstummt, und am nächsten Tag fand Holon Godfrey den leblo sen Körper auf der Veranda des Ranchhauses. „Indianer", sagte er und kratzte sich am Hinterkopf. Seine rotblon den Haare standen in alle Himmels richtungen, denn er war gerade erst aus dem Bett gekommen. Frank Harper sah sich um. „Die Sache gefällt mir nicht", brummte er, während er die obersten drei Knöpfe seines Unterhemdes schloß. „Indianer?" Christie Patridge war gerade auf der Veranda erschienen. Ihr Gesicht war eine starre Maske, als sie die Männer musterte. Roy kniete sich neben dem Tier nieder und drehte es auf den Rücken. „Erwürgt", sagte er. „Ich frage mich, weshalb ein Indianer den Hund erwürgt und nicht abgesto chen hat." „Was ist daran so komisch?" fragte Will Henderson, der Roy Johnson über die Schulter spähte, als dieser das Fell zur Seite strich. „Wie konnte eine Rothaut wissen, daß Fox zwar noch laut heulen konnte, aber schon fast zu alt zum Laufen war?" „Vielleicht dachte er, das Messer 10
sei zu unsicher", wandte Godfrey ein. Er schüttelte langsam den mächtigen Kopf. „Ist ja auch egal. Auf jeden Fall wissen wir, daß es aus ist mit dem Frieden auf dieser Ranch." „Wenn ..." Christie Patridge legte beide Hände an ihre Schläfen und sprach mit geschlossenen Augen, „wenn Sie sich zu unsicher fühlen, dann gehen Sie. Ich kann Sie nicht halten. Sie alle haben schon mehr für mich getan, als es zu Ihren Aufgaben gehörte. Ich ..." Sie verstummte und schlug die Augen wieder auf. Dann, nach einer kleinen Pause, sprach sie weiter, diesmal mit festerer Stimme: „Wir müssen vorher noch zusam mensitzen und den genauen Lohn für jeden ausrechnen." Roy Johnson schob sich eine zer drückte Zigarette in den Mund und schützte die Streichholzflamme ge gen den Wind, der plötzlich vom Fluß herüberwehte. „Wer redet denn vom Weggehen?" fragte er. „Nur, weil der Hund tot ist? Das ist ja lächerlich!" „Es dreht sich nicht um den Hund. Aber wir alle wissen, daß mein Mann nie wieder zurückkehren wird", sag te Christie Patridge wie in Gedanken versunken. „Haben wir in den letzten Tagen die Arbeit etwa nicht erfüllt?" fragte Will Henderson heftig. „Das ist es nicht", erwiderte die Frau. „Wollen Sie weg von hier?" fragte Roy Johnson in die lastende Stille. Sie musterte ihn, als hätte sie sich diese Frage noch nie gestellt. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Ich glaube nicht, Roy." „Na also, was gibt es dann noch zu überlegen?" „Wollen Sie denn für eine Frau ar beiten?" Roy grinste. „Solange die Frau die Hosen trägt, ist es uns egal. Ich habe von keinem Gesetz gehört, das so et was verbietet." Die Männer grinsten. Alle sahen Christie erwartungsvoll an. „Seid ihr einverstanden?" fragte sie.
„Wüßte nicht, was ich dagegen ha ben sollte." Holon Godfrey bohrte sich verlegen im Ohr und betrachtete dann seine abgearbeiteten Fingernä gel. Auch Frank Harper nickte. „Ich auch nicht", sagte er, und er dehnte die Worte in seinem Arkansas-Ak zent, als bekäme er für jede Sekunde einen Golddollar. „Will?" fragte Christie. „Nun, ich ..." Er trat von einem Fuß auf den anderen. „Warum auch nicht, verflucht!" Er war froh, es über seine Lippen gebracht zu ha ben. „Danke." Mehr sagte die Frau nicht. Sie drehte sich um und ging zurück in die Küche. Pfannen klap perten. Zum ersten Mal seit Tagen pfiff Holon Godfrey wieder, während er sich an der Pumpe wusch.
„Begrabt ihn hier", sagte Christie. „Nicht dort!" Sie ging zu Will Hen derson und zog ihn zu einer Stelle zwischen zwei Sträuchern. Will, der schon die Schaufel in den Boden ge rammt hatte, zuckte mit den Schul tern und tat, was sie ihm gesagt hat te. Roy Johnson saß auf dem Schau kelstuhl und schnitzte an einem Ast herum, der seit dem Sturm im Hof gelegen hatte. Plötzlich sah er auf. Seine schwarzen Augenbrauen zo gen sich zusammen. Er blieb aber ru hig sitzen. „Schätze, wir bekommen Besuch", sagte er ruhig. Die Männer, die sich nach dem reichlichen Mittagessen auf der Ve randa ausruhten, betrachteten eben falls den einzelnen Reiter, der von Südwesten auf sie zuritt. „Wo kommt der denn her?" fragte Holon Godfrey erstaunt. „Dort liegt ja Fort Wicked." „Ja und?" „Da wimmelt es nur so von India nern. Das Fort ist doch total von der Umwelt abgeschnitten!"
„Wer sagt dir denn, daß der Kerl von Fort Wicked kommt", meinte Roy kopfschüttelnd. „Vielleicht ist er auf die südliche Absperrung unserer Weide gestoßen und ist dann einem der Rinderpfade gefolgt." „Kann auch sein", gab Holon zu. Dann versank er in Schweigen, bis der Reiter zweihundert Yards an das Ranchhaus herangeritten war. „Sollen wir uns nicht lieber vertei len?" meinte Will Henderson, der im mer noch am Graben war. „Warum? Hast du etwa Angst vor einem einzelnen Mann?" Roy grinste. „Skunk" Henderson spuckte sich wütend in die Hände und grub wei ter. Der Reiter zügelte sein Pferd unter den alten Cottonwoods neben dem Vorratsraum im Hof. Er saß ruhig im Sattel und sah sich um, betrachtete das Stallgebäude, die neuen Bunk haustüren, den Geräteschuppen, Henderson, der immer noch grub, und dann die drei Männer auf der Veranda. Er stieß sich mit einer langsamen Bewegung den Hut aus der Stirn. Zwei dunkle Augen tauch ten für einen Augenblick aus dem Schatten der Hutkrempe, bevor sie wieder darunter verschwanden. Roy starrte den Fremden an. Ein Halbblut, stellte er fest. Unwillkür lich verkrampfte sich seine Haltung ein wenig. Es war kaum merklich, aber der Fremde sah es. Holon hingegen brachte ihm nur das Interesse entgegen, das man ei nem Fremden gegenüber hatte. Nicht mehr und nicht weniger. Will Henderson stand auf seine Schaufel gelehnt im Garten und schwitzte. Frank Harper dachte daran, daß ihm irgend etwas an dem Fremden auf fiel. Aber er wußte weder, was es war, noch, ob es ihm gefiel oder nicht. „Wer von euch ist der Boß?" fragte der Fremde. Seine Stimme klang bei nahe fröhlich. Die vier Cowboys wußten nicht, was sie sagen sollten. Sie warfen sich Blicke zu, und selbst Roy war einen Moment ratlos. 11
„Habt ihr noch nie einen Fremden gesehen?" fragte der Fremde, immer noch in fröhlichem Plauderton. Christie Patridge trat auf die Ve randa. Sie hatte die Schürze vorge bunden und nasse Hände. „Ich bin der Boß", sagte sie. Der Fremde lächelte, aber sein Lä cheln war weder frech noch aufdring lich. Er lüftete seinen verbeulten Hut und benutzte die Gelegenheit, das Schweißband auszuwischen. Das Sonnenlicht zeichnete die Linien und Falten in seinem Gesicht nach. Es waren auch nicht wenige Narben darunter, bemerkte die Frau. „Was wollen Sie?" fragte sie, wäh rend er mit etwas steifen Bewe gungen aus dem Sattel kletterte und sich reckte. Seine Hosen hatten Lö cher, und sein Baumwollhemd brauchte dringend eine Reinigung. „Wollte mal anfragen, ob ich bei Ihnen was zu futtern bekomme. Ich habe seit drei Tagen nichts mehr ge gessen und bin mächtig hungrig, Ma'am. Ich sah Ihr Vieh draußen. Prächtige Tiere darunter, wirklich." Er verstummte und musterte Chri stie Patridge vom Fuß der Holzstu fen zur Veranda. Sie nickte. „Viel habe ich nicht mehr, aber es ist besser als nichts." Als er sich nicht rührte: „Kommen Sie herein." Auf der Veranda blieb der Fremde stehen, während die Frau schon in der Küche verschwunden war. Er setzte sich neben Holon Godfrey auf die abgewetzte Holzbank und streckte die Beine aus. Bis zum Ve randageländer fehlte ein Zoll. Also rutschte er mit dem Rücken tiefer, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Hände über der breiten Brust. Holon Godfrey betrachtete ihn ei ne ganze Weile. Als der Fremde schwieg, streckte er die Hand vor. „Bin Holon", sagte er. „Lobo", stellte sich der Fremde vor. Sein Händedruck stand nicht hinter dem Holons zurück. „Dort, mit der Schaufel, das ist 12
Will. Im Schaukelstuhl Roy, neben mir Frank", erklärte Holon. Seine Neugierde ließ ihm keine Ruhe. „Kommst du von Fort Wicked?" Lobo erhob sich, ging die Veranda stufen hinunter und sattelte sein Pferd ab. Mit Tabaksbeutel und ei nem zerfledderten Buch kam er zu rück. „Ja", sagte er. Dann riß er eine Seite aus dem Buch, faltete sie mehr mals und sorgfältig. Schließlich hat te er mehrere Papierstreifen in der Hand. Er häufte Tabak auf einen und begann zu drehen. Die fertige Zigarette in der Hand war perfekt gerundet. „Triumph, Triumph! Es kommt mit Pracht der Siegesfürst heut aus der Schlacht!" las er vor. Er grinste, als er sich die Zigarette anzündete. „Es gibt Leute, die singen so etwas", meinte er amüsiert. „Ich rauche es." Er ließ Ta bak und Papier herumwandern. Die Cowboys betrachteten ebenfalls die Schriften auf ihren Zigaretten und grinsten. Nur Roy lehnte ab. Er rauchte schon sein eigenes Kraut, er klärte er. Bevor sich noch ein Gespräch ent wickelte, war das Essen fertig. Lobo zerdrückte den Zigarettenstummel zwischen den Fingern, nahm den Hut ab und trat in die Küche. Er setzte sich an den Tisch, während Christie Patridge auf der Türschwelle stand und ihm zusah. In aller Stille aß der Fremde die große Schüssel mit den Resten leer, langsam, wie ein Mann, der jeden Bissen genoß. Als er geendet hatte, sah er auf. „Hat es Ihnen geschmeckt?" fragte die Frau. Sie hatte ihn die ganze Zeit über beobachtet. „Ausgezeichnet." Lobo trank das Wasser und wischte sich dann den Mund am Schulterteil des Hemdes ab. Irgend etwas an seinen Bewe gungen fiel der Frau auf. Die Träg heit schien nicht zu dem muskulösen, geschmeidigen Mann zu passen. „Sie müssen müde sein", sagte sie. Er erwiderte ihren Blick. Eine Weile sagte er nichts, dann nickte er mit dem Anflug eines Lächelns auf
den Lippen. „Waren Sie früher einmal verhei ratet?" fragte er. Sie zuckte unmerklich zusammen. „Wie - w i e kommen Sie darauf?" „Ein Mann ist wie ein Buch, dessen Sprache man nur versteht, wenn man lange Zeit damit verbringt und die Sprache lernt." Er lehnte sich im Stuhl zurück. Sie nickte, das Gesicht blaß. „Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen", erwiderte sie leise. „Es tut mir leid, daß ich meine plumpen Finger auf die Narbe gelegt habe", sagte er leichthin. „Ich konnte nicht wissen, daß es erst vor kurzem geschehen ist." Sie musterte ihn interessiert, aber sie war auch etwas erschrocken, daß dieser Fremde so einfach in ihr In neres blicken konnte. „Schon gut", meinte sie nach einer Weile. Sie strich sich über die Schür ze mit dem verwaschenen Blumen muster. Lobo erhob sich. „Ich werde mich mal wieder auf den Weg machen", sagte er und streckte sich. Dann ging er um den Tisch zur Tür. Sie trat zur Seite. Er war fast einen Kopf größer als sie, und als er an ihr vorbeiging, konnte sie den leichten Geruch von Pferden, Sattelleder und Schweiß wahrnehmen. Auf der Schwelle blieb er stehen und sah sich um. „Eine schöne Ranch haben Sie hier, Ma'am. Es ist ein gu tes Land für Rinder." „Und für Männer", fügte sie leise hinzu. Er sah ihr in die Augen. „Für Frauen nicht?" Sie senkte den Blick. „Doch - doch. Solange sie die Hosen anhaben." „Arbeiten muß jeder in diesem Land." Er verschränkte die Hände hinter dem Nacken und gähnte. „Sie nicht?" Er lachte. Es war ein fröhliches La chen. Seit langer Zeit hatte sie solch ein Lachen nicht mehr gehört. „Ich auch", sagte er. „Bei der Ebbe in meinen Taschen bleibt mir gar
nichts anderes übrig, als Arbeit zu suchen." Er setzte den Hut auf und trat auf die Veranda. „Vielen Dank für das Essen, Ma'am." „Warum schlafen Sie sich nicht aus, Lobo?" fragte sie. Die Cowboys auf der Veranda musterten sie er staunt. „Ich habe schon zuviel von Ihrer Gastfreundschaft in Anspruch ge nommen." „Im Bunkhaus sind noch Betten frei." Er wartete einen Moment mit sei ner Antwort. Dann nickte er. „Okay, vielen Dank." „Frank, bringen Sie Lobo zum Bunkhaus." Christie Patridge hatte ein kaum sichtbares Lächeln auf den Lippen. Sie sah hinter Lobo und Frank Harper her, die zum Schlafge bäude herübergingen und darin ver schwanden. Eine Minute später kehrte Frank zurück. „Der muß verdammt müde sein", meinte er. „Warum?" „Er lag noch nicht ganz auf dem Bett, da schlief er schon fest." „Wer weiß, was er bei Fort Wicked alles erlebt hat." Holon musterte sei ne Fingernägel. „Sie sollten nicht einfach jeden Fremden einladen", sagte Roy John son leise. Christie Patridge stützte die Hän de in die Hüften. „Warum nicht?" „In diesen harten Zeiten weiß man nie, wer einem alles auf die Ranch kommt. Es treibt sich allerlei Gesin del herum." „Dieser Mann hier hat das Recht auf ein Essen und ein Bett", sagte sie. „Richtig.'' Holon Godfrey nickte bedächtig. „Habt ihr seine Hände ge sehen? Es ist ein Cowboy wie wir auch, und vor harter Arbeit scheut er sich nicht." Er hatte die Narben gese hen, die ein rauhes Lasso auf den Handballen und zwischen Daumen und Zeigefinger eines Cowboys hin terließ. „Auch Pferdediebe haben abgear 13
beitete Hände", warf Roy Johnson ein. Er kratzte sich am Kinn und sah zum Bunkhaus hinüber. „Willst du damit sagen, daß ..." „Ich will gar nichts sagen", unter brach Roy Frank Harper hitzig. „Warum dann der ganze Aufruhr?" „Weil man nie vorsichtig genug sein kann." „Ich finde, Sie übertreiben, Roy", sagte Christie Patridge härter als ge wollt. „Ich sehe nichts Schlimmes an einem Mann, der sich vor der Arbeit nicht scheut. Außerdem...", sie stockte, „ ... hat er sich mir gegen über wie ein Gentleman benommen." Schweigend erhob sich Roy John son und ging hinunter zum Stallge bäude. Kurz darauf ritt er in schar fem Tempo in Richtung Fluß. Der Hufschlag verklang bald darauf im leisen Wispern der Baumwipfel. „Die Arbeit ruft", sagte Holon God frey. Er wirkte etwas verlegen, als er die Verandastufen hinunterging.
Als die Cowboys am nächsten Mor gen erwachten, war das Bett, auf dem Lobo geschlafen hatte, leer. Das Halbblut stand draußen in der kühlen Morgenluft mit bloßem Oberkörper und wusch sein Hemd. Er hatte das große Stück Seife neben sich liegen und hobelte mit dem Mes ser gerade dünne Späne davon ab. Er nickte den Männern zu und be endete schweigend seine Arbeit. Sorgfältig hängte er das Hemd an der neben dem Hühnerstall ge spannten Schnur auf und knotete es mit den Ärmeln fest. Als er aufsah, stand Christie Pat ridge vor ihm. Sie lächelte. „Sie hat ten den Schlaf dringend nötig, nicht wahr?" Er grinste. „Ich war ziemlich mü de." „Sie sollten das Hemd nicht so auf hängen. Es hat Falten, wenn es ge trocknet ist." Er winkte ab. „Ist nicht so wichtig. Ich muß ja nicht an einer Schön 14
heitskonkurrenz teilnehmen, Ma'am. Wie heißen Sie übrigens?" „Christie. Christie Patridge." „Ein hübscher Name", sagte er und stand eine Weile so da, als ob ein Ge danke ihn besonders beschäftigen würde. Dann zuckte er mit den Schultern. „Ich schätze, ich werde in zwei bis drei Stunden weiterreiten." „Wohin?" „Ich weiß es noch nicht. Irgendwo hin, wo ich Arbeit finden kann." „Das können Sie auch hier." Sie lä chelte verlegen. Lobo sah ihr an, daß sie darüber nachgedacht hatte. „Sie haben Arbeit für mich?" „Seit mein Mann nicht mehr nicht mehr zurückgekommen ist, fehlen mir zwei kräftige Hände, Lobo." Er hob die Hände und betrachtete sie. „Glauben Sie, daß meine Hände gut genug sind?" Sie sah ebenfalls auf seine breiten, langfingrigen Hände. „Stark sind sie jedenfalls." Er sah sich um. „Es würde mir hier gefallen, Christie. Es ist eine gute Ranch, das Essen schmeckt, und das Bunkhaus ist sauber." „Ich kann Ihnen nicht viel bieten. Dreißig Dollar im Monat, mehr nicht." Er schwieg einige Sekunden. „Ist mehr als genug für mich", sagte er dann. Sie wirkte froh darüber. „Abge macht?" „Abgemacht!" Als er ihre Hand drückte, staunte er über die Kraft, die in ihren schmalen Fingern steck te. „Wer ist der Vormann?" fragte er später, als die vier Cowboys gerade zurück in das Bunkhaus gegangen waren. Sie strich sich über die Haare. „Roy Johnson", antwortete sie. „Das dachte ich mir." Er sah über die Schulter zurück. „Ich werde mei ne Sachen ins Bunkhaus tragen, wenn Sie nichts dagegen haben." Sie nickte. „Ich komme mit Ihnen. Die Männer sollen erfahren, daß ich
Sie eingestellt habe." Im Bunkhaus war ein reges Ge spräch im Gange. Die Männer ver stummten, als die Tür geöffnet wur de und Christie Patridge erschien. Lobo folgte ihr. „Welche Betten sind frei?" fragte sie. Das Bunkhaus hatte sie höchst selten betreten, und sie wußte nicht, in welcher Ordnung die Männer schliefen. „Das Bett, auf dem Lobo geschla fen hat", erwiderte Frank Harper. „Weshalb fragen Sie?" Roy John son saß mit untergeschlagenen Bei nen auf dem Bett neben dem Fenster und reinigte seine Winchester. Das schräg einfallende Licht hob die scharfen Falten um seine Nasenflü gel stark hervor. „Ich habe gerade beschlossen, Lobo einzustellen." „Wir brauchen keinen weiteren Mann", erwiderte Roy Johnson so fort. „Doch." Christie Patridges Stimme klang gereizt. „Mein Mann fehlt mir an allen Ecken und Enden. Er hat hier nicht herumgelegen und gefau lenzt." Ein seltsamer Blick Roys traf sie. „Das ist wahr!" Holon Godfrey sprang auf die Beine und ging zu Lo bo. „Bin froh, daß du gekommen bist", sagte er, und Lobo hörte ihm an, daß er die Wahrheit sprach. Er schwenkte Lobos Hand wie einen Pumpenschwengel. „Wir haben auch zu fünft soviel Arbeit, daß du nach einer Woche von alleine wegrennst." Will Henderson gab Lobo ebenfalls die Hand. Und Frank Harper folgte ihm auf dem Fuß. „Wenigstens schnarchst du nicht wie Holon, das alte Nilpferd", sagte er grinsend. Dann trat Stille ein. Alle sahen auf Roy Johnson, der weiterhin auf dem Bett saß und keine Anstalten traf, Lobo die Hand zu geben. Christie Patridge verschränkte die Arme vor der Brust. Der Blick, mit dem sie Roy ansah, war wütend. Es verging beinahe eine Minute, 16
bevor Roy Johnson den Mund ver zog, das Gewehr niederlegte und Lo bo die Hand vorstreckte, ohne sich zu erheben. „Nimm's ihm nicht übel", sagte Will Henderson und stotterte ungeschickt dabei. „Es liegt nur daran, daß ich ihm schon viel zu lange keine Tracht Prügel mehr versetzt habe." Aber das Gelächter war viel zu kurz und künstlich, und es lastete in dem engen Raum wie eine schwere, schwarze Gewitterwolke. Ohne ein Wort verließ Christi Pat ridge das Bunkhaus. Etwas später ging auch Roy hin aus. Aber an diesem Tag wollte kein rechtes Gespräch mehr aufkommen zwischen den Männern. Es war Lobos erster Arbeitstag. Am nächsten Tag ritten Holon Godfrey, Frank Harper und Lobo zu sammen aus. Sie wollten ihm die Grenzen der Ranch, die Quellen und Rinderpfade zeigen. Insgeheim hat ten sie auch vor, den Neuling auf Herz und Nieren zu testen. Aber er stens war Holon viel zu plump in sei nen Versuchen, Lobo zu übertölpeln, und zweitens stellte es sich bald her aus, daß das Halbblut ihnen noch ei niges beibringen konnte, von dem sie keine Ahnung hatten. Auf der Ranch bot sich Roy John son Christie Patridge an, ihr im Haus zu helfen. Eine halbe Stunde arbeiteten sie schweigend. Es galt, die schweren Möbel zu verrücken, damit die Frau auskehren konnte. Dann kamen die Wäschezuber an die Reihe. „Was haben Sie gegen Lobo?" frag te Christie Patridge plötzlich. Roy schneuzte sich in sein Ta schentuch. „Gar nichts, gar nichts", versicherte er. „Warum haben Sie sich dann so flegelhaft benommen?" „Dieser Mann gefällt mir nicht", sagte er ruhig. „Etwas an ihm stört mich "
„Mich nicht." Mit einer heftigen Handbewegung schob er das Taschentuch zurück in den Hosenbund. „Sie sollten mich nicht verurteilen. Was ein Mann wert ist, stellte sich oft erst nach mehreren Jahren heraus. Es ist im merhin möglich, daß Lobo ein Bandit ist, der es nur ..." „Wie lange kannte mein Mann Sie, als er Sie einstellte?" unterbrach sie ihn. Er ließ die Arme kraftlos herun terhängen. „In Ordnung", sagte er lä chelnd. „Sie haben gewonnen." Eine halbe Stunde später, als sie gerade einen Wäschekorb trug, nahm er ihn aus ihren Händen. Da bei hielt er wie zufällig auch leicht ihre Hände umklammert. „Ich wollte Ihnen noch etwas sa gen, Christie", begann er. „Jetzt, da Sie - allein sind - ich meine, da kom men viele schwere Aufgaben auf Sie zu." Sie unternahm nichts, um ihre Hände zu befreien, sondern sah ihn nur an. „Oft braucht man einen Mann, Christie. Glauben Sie nicht, ich wüß te das nicht. Und nun - warum warum rufen Sie nicht einfach mich in solchen Situationen? Ich meine, in allen Situationen, in denen Sie Hilfe brauchen oder nicht gerne alleine sind?" „Das ist nett von Ihnen", sagte sie. Dann zog sie ihre Hände zurück. „Denken Sie daran", drängte er. „Ich bin immer bereit, tagsüber und auch nachts." Damit drehte er sich um und trug den Wäschekorb in das Vorzimmer. Eine Minute später kam Will Hen derson ins Haus, und das Gespräch wanderte auf alltägliche Dinge zu rück. Bis Christie Patridge aus purem Zufall zum Hof hinaus blickte. Und dort standen vielleicht zwan zig Pferde. Auf ihnen, farbenpräch tig gekleidet, saßen Indianer. Cheyennes.
Lobo zügelte sein Pferd. Mit einem leisen Zischen bedeutete er Holon und Frank, ebenfalls zu halten. „Was ist?" fragte Holon, der die ge spannten Züge Lobos bemerkte. „Seht jetzt bloß nicht sofort hin, wenn ich euch sage, daß wir be obachtet werden!" sagte Lobo leise. Er glitt aus dem Sattel und tat so, als ob sein Pferd ein Steinchen unter dem Huf hätte. „Wo?" Frank Harper hatte sofort begriffen. „Genau im Westen, zwischen den zwei kleineren Cottonwoods in der Flußniederung." Holon äugte angestrengt. „Ich kann nichts sehen." „Es sind zwei Männer. Wahr scheinlich Indianer." Lobo erhob sich und zog sich wieder in den Sattel. „Ich sehe nichts." „Sie wissen längst, daß ich sie gese hen habe." Lobo trieb das Pferd an. „Habt ihr jemals Schwierigkeiten mit Indianern gehabt?" Frank Harper zog sich die Hut krempe tiefer in die Stirn. „Schwie rigkeiten nicht gerade. Einmal ka men vier Indianer zur Ranch und wollten Whisky. Der Boß schickte sie weg." „Wann war das?" „Vor ungefähr vier Monaten." Lobo grinste grimmig. „Also noch vor dem Sand Creek Massaker", meinte er. Holon drehte sich im Sattel um. „Wo reiten wir hin?" fragte er. Un merklich hatten er und Frank Har per in den letzten Minuten Lobo die Führung überlassen. Das Halbblut wirkte wie ein Mann, der sich in sol chen Situationen auskannte. Er strahlte Ruhe und Gelassenheit aus. „Zunächst zur Ranch. Wir müssen Christie und die Männer warnen, da mit sich niemand alleine von der Ranch entfernt." „Glaubst du, daß die Rothäute es auf uns abgesehen haben?" fragte 17
Frank. „Schwer zu sagen. Man weiß nie, was in den Köpfen der Indianer vor sich geht. Ich persönlich glaube, daß sie uns in Ruhe lassen werden. Heute jedenfalls." „Vielleicht wollen sie unsere Pfer de stehlen." Holon trieb sein Pferd zu einer schnelleren Gangart an. Sein breites Gesicht war gerötet, und Schweißtropfen glitzerten im Haar ansatz. Lobo antwortete nicht. Die Männer legten den Weg zur Ranch schwei gend zurück. Sie sahen die Indianer schon von weitem. Der ganze Hof war voll mit Pferden. Alle Indianer blickten auf Christie Patridge, die mit leeren Händen auf der Veranda stand, der Mund ein dünner Strich im bleichen Gesicht. Lobo zügelte sein Pferd leicht. Langsam ritten die drei Cowboys auf den Hof. Während Holon Godfrey und Frank Harper in weitem Bogen um die Indianer ritten, bahnte sich Lobo ganz einfach einen Weg zwi schen den nervös tänzelnden Ponys hindurch zur Veranda. Christie Patridge zeigte nicht, wie erleichtert sie war, die Männer zu se hen. Rechts von ihr, etwas zurück, stand Roy Johnson. Sein Gesicht war eine finstere Maske. Als Lobo vor dem Haus aus dem Sattel glitt, konn te er Skunk Henderson hinter den Indianern neben dem Holzhäuschen im Hof stehen sehen. Holon, Frank Harper und Lobo stellten sich neben Christie Patridge auf. Es herrschte Stille. Nur das leise Rauschen der Baumwipfel und das dumpfe Scharren der Hufe war zu hören. Lobo sah, daß Christie Patrid ge die Hände vor dem Schoß ver krampft hatte. Das Blut war aus den schmalen Knöcheln gewichen. Aber wenn die Frau Angst hatte, dann sah man nichts davon in ihrer Miene. Sie sah hübsch aus in ihrer Anspannung, fand Lobo, und er wunderte sich, wie er in einer solchen Situation über 18
haupt daran denken konnte. „Was wollt ihr?" fragte Christie Patridge. Ihre Stimme klang leiser als gewöhnlich. Der Anführer der Indianer war ein kleiner, stämmiger Mann mit einer erstaunlich hohen, intelligenten Stirn. Er hatte die blauschwarzen Haare zu zwei straffen Zöpfen ge flochten und mit Perlenketten ver ziert, die in der Sonne glitzerten. Sein Oberkörper war nackt bis auf meh rere Ketten, an denen silberne Me daillons mit Türkisen hingen. Seine Beine steckten in weichen Lederho sen, die Nähte waren mit Fransen versehen. Die Mokassins waren prächtig verziert. „Wir suchen einen Mann", sagte er in ziemlich gutem Englisch. Seine Lippen bewegten sich beim Sprechen kaum. „Hier ist niemand außer uns", sagte Holon Godfrey. Er schwitzte stark. „Wie sieht der Mann aus?" fragte Roy Johnson. Der Anführer lehnte sich nach vorn und stützte sich dabei auf den Sattel. „Das weiß ich nicht genau", sagte er langsam. „Wie kannst du nach einem Mann suchen, von dem du nicht weißt, wie er aussieht?" fragte Christie Patrid ge. „Er ist groß und sehr stark. Und er ist schlau, sehr schlau." „Das ist keine besonders gute Be schreibung", sagte Roy Johnson. Er grinste den Häuptling etwas überle gen an. „Wenn ich schlau sage, weißer Mann, dann trifft das nur auf wenige Männer mit weißer Haut zu", erwi derte der Häuptling ruhig. „Das soll test du wissen." Lobo fand, es sei an der Zeit, daß er einschritt. „Was hat der Mann euch getan?" fragte er. Der Häuptling löste seinen Blick von Roy Johnson, der immer noch an seiner Bemerkung zu schlucken hat te. Ruhig musterte er das Halbblut. „Dieser Mann ritt nachts an drei meiner Wachen vorbei, die ihn vom
Pferd rissen und fesseln wollten. Aber er verwundete zwei und tötete den dritten Wächter, bevor meine Krieger ihnen zu Hilfe kommen konnten." Lobo legte den Kopf schief, als er sich eine Zigarette in den Mundwin kel schob und anzündete. „Wenn ihr diesen Fremden angegriffen habt, dann war es sein gutes Recht, sich zu verteidigen, oder nicht?" Der Häuptling fuchtelte mit der Rechten wütend durch die Luft. Sei ne Züge spannten sich. „Er hat einen meiner Männer getötet, Halbblut!" „Durfte er sich nicht verteidigen?" hakte Lobo nach. Er wußte, daß er es nicht zu weit treiben durfte. Gegen zwanzig Cheyennes waren die Chan cen verschwindend gering. Noch da zu, wenn die Indianer fast aus nahmslos gute und neue Gewehre besaßen. „Ich bin nicht gekommen, um mich zu rechtfertigen. Was ich will, ist die ser Mann. Er hat meinen Sohn getö tet!" Bei den letzten Worten des An führers, die laut und drohend ge sprochen worden waren, begannen die anderen Indianer miteinander zu sprechen. Einige nahmen die Ge wehre aus den Scabbards und hiel ten sie in der Armbeuge. Es dauerte eine ganze Weile, bis wieder Ruhe herrschte. „Wie willst du ihn erkennen?" fragte Lobo. „Er muß am Bein verwundet sein. Wahrscheinlich traf ihn eine Kugel." Der Anführer sah die Weißen der Reihe nach an. „Er ist nicht hier", sagte Christie Patridge in die lastende Stille hinein. „Wie kannst du wissen, ob nicht ei ner dieser Männer meinen Sohn ge tötet hat?" „Wann ist es geschehen?" fragte die Frau. „Vor drei Nächten." „Keiner von uns ist von der Ranch weggeritten", sagte Lobo hart. „Du mußt dich woanders umsehen, Tall Bull." „Du kennst meinen Namen, Halb
blut?" „Man erzählt von dir an allen La gerfeuern", sagte Lobo in unverän dertem Ton. „Dann wirst du auch gehört haben, daß Tall Bull niemals vergißt, Mann-ohne-Farbe. Und daß er Ra che übt gegen jeden, der ihm etwas angetan hat." „Ich möchte nicht der Mann sein, den du jetzt suchst", sagte Lobo. „Versuche dein Glück an einem an deren Ort. Hier vergeudest du nur deine Zeit." Tall Bull richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er lächelte kalt. Seine Zähne glitzerten. „Ich will alle Männer ohne Hosen sehen", sagte er. „Du siehst Gespenster", meinte Lo bo schnell. „Keiner von uns ist in den letzten Tagen von der Ranch wegge ritten. Wir haben zuviel Arbeit..." „Schweig. Ich habe gesagt, ich will eure nackten Beine sehen." Tall Bulls Stimme ließ keinen Zweifel aufkom men, daß er entschlossen war, nöti genfalls mit Gewalt vorzugehen. Wieder legte sich das drückende Schweigen über den Hof. Alle India ner starrten Lobo an. Und dieser zog seine Waffe. Häß lich und drohend lag der schwere Colt in seiner Hand. Der Lauf deute te auf Tall Bull. „Du kannst deinen Mann woanders suchen", sagte er kalt. „Hier ist er auf jeden Fall nicht. Und jetzt reite. Du hast uns lange genug aufgehalten." Tall Bulls Augenbrauen zogen sich zusammen. „Du drohst mir, Mann ohne-Farbe?" „Genau." Lobo warf einen schnel len Seitenblick auf Holon Godfrey. Der mächtige Cowboy zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen, daß es ihm jetzt egal war. Und dann zog er ebenfalls seine Waffe. Auch Frank Harper und Roy Johnson taten es Lobo nach. Hinter den Indianern hielt Skunk Henderson seinen Colt bereits in der Hand. „Fordere mich nicht heraus, Halb blut." Man hörte dem Anführer an, daß er trotz allem beeindruckt war 19
„Was geschah?" fragte Roy John von diesen fünf Männern, die sich von einer solchen Übermacht nicht son spöttisch. Man hörte ihm an, daß einschüchtern ließen. er Lobo nicht glaubte. „Ich fordere dich nicht heraus. Wir „Nichts", erwiderte das Halbblut. wollen keinen Ärger, Tall Bull. Aber „Die Postkutsche war viel zu vergiß nicht, daß wir keine kleinen schnell." Dann drehte er sich um und Kinder, sondern erwachsene Männer ging hinüber zum Korral. sind, die sich nicht gerne befehlen Roy Johnson sah ihm nach. „Auf lassen." schneider!" sagte er. „Jetzt wird er „Eine Handbewegung von mir ge auch noch behaupten, der Mann zu nügt, und ihr seid tot." sein, hinter dem Tall Bull her ist." Christie Patridge verschwand im Und er lachte wie über einen beson Haus. Als sie wieder auf die Veranda ders gut gelungenen Witz. trat, hielt sie eine-Schrotflinte in den Als die Männer sich am Abend ent Händen. kleideten, saß Roy Johnson rau „Bevor wir sterben, nehmen wir chend auf seinem Bett. Rein zufällig dich und viele deiner Männer mit fiel sein Blick auf Lobo, der sich ge uns in die Hölle, Tall Bull." Holon rade die Jeans auszog. Godfrey nickte düster. „Bei Gott, das Dabei fiel sein Blick auf die frische, steht fest. Wir leben jetzt seit fast noch nicht verheilte Streifwunde an vier Jahren hier und sind immer gut Lobos linkem Oberschenkel. Und miteinander ausgekommen. Aber erst die Glut der Zigarette, die seine das heißt nicht, daß wir Angst vor dir Finger versengte, riß Roy Johnson haben!" aus seiner Erstarrung. Tall Bull musterte schweigend die Männer. Auf Christie Patridge mit ihrer Schrotflinte blieb sein Blick längere Zeit ruhen. Dann nickte er. Etwas später erhob sich Roy. Er „Ihr werdet es noch bereuen!" zischte war noch angezogen. Wortlos ging er er. zwischen den Betten zur Tür und Die Cowboys warteten, bis die In trat in die Nacht. dianer in einer Staubwolke ver Irgendwo heulten Kojoten, und schwunden waren. Dann erst kam Roy hörte ihnen zu, bis er sicher war, Bewegung in sie. daß es sich nicht um Indianer han Skunk Henderson trat auf die Ve delte. Dann ging er über den Hof, randa und setzte sich auf die Bank. vorbei am Vorratsraum, der Sicker Seine Hände zitterten, als er sich eine grube mit dem Holzhäuschen dar über, bis er zum Ranchhaus gelangte. Zigarette drehte. „Das ging beinahe ins Auge", sagte Leise betrat er die Veranda. er. Im Haus brannte noch Licht. Holon Godfrey wischte sich den Durch die fleckigen Scheiben des Schweiß vom Gesicht. „Woher kann Wohnzimmerfensters sah er Christie test du Tall Bull?" fragte er Lobo. Patridge am erloschenen Kamin sit „Vor einigen Jahren war er noch zen. Sie starrte an irgendeine Stelle ein junger Krieger auf der Jagd nach an der Wand, regungslos, die Hände Ruhm und einem Namen. Mit vier im Schoß verschränkt. Der Falten Männern griff er eine Postkutsche rock war leicht verrutscht, und Roy an. Ich saß darin." Lobo betrachtete konnte ihre Waden erkennen, zwei gedankenversunken den Colt in sei hellere Flecken im Halbdunkel des ner Hand, bevor er ihn zurücksteck Raumes. te. „Das war gar nicht so weit von Er grinste und ging zurück zur hier entfernt auf der Stage Road bei Tür. Dann klopfte er. der Eagle's Nest Station beim Crow Kurz darauf hörte er Christie Pat Creek." ridge kommen. „Wer ist da?" fragte 20
sie. „Ich bin's, Roy." Sie schob den Riegel zurück und. öffnete. Er sah, daß sie das Gewehr hielt und in der anderen Hand die kleine Lampe. „Was gibt es?" „Kann ich mit Ihnen sprechen?" „Jetzt?" „Jetzt." Sie sah ihn eine Weile nachdenk lich an. „Kommen Sie herein", sagte sie dann. „Danke." Er schloß die Tür hinter sich. Christie Patridge setzte sich an den Küchentisch und lehnte das Ge wehr an einen Stuhl. „Draußen ist alles ruhig", sagte er. „Von den Indianern keine Spur." „Wollten Sie mir das erzählen?" „Nein." Er schüttelte den Kopf. Oh ne zu fragen ging er zu der Emaille schüssel und trank Wasser aus der Kelle. „Es dreht sich um Lobo", mein te er dann. „Was ist mit ihm?" „Erinnern Sie sich an das, was Tall Bull von dem Mann erzählte, den er suchte? Daß er eine Wunde am Bein haben muß?" Sie nickte. „Nun, als Lobo sich auszog, sah ich eine kaum verheilte Wunde an sei nem linken Oberschenkel. Ein Streifschuß." Sie strich über ihr Kleid. „Ja und?" Er wirkte erstaunt. „Verstehen Sie denn nicht? Lobo ist der Mann, den Tall Bull sucht!" „Das ist nicht gesagt. Eine Wunde hat nichts zu bedeuten, gar nichts." „Wenn Sie mich fragen, Tall Bull war meiner Meinung nach ziemlich sicher, daß Lobo der Mann war, den er suchte." „Sie sehen Gespenster", sagte sie. Aber nun wirkte sie doch etwas ver unsichert. „Nein, das tue ich nicht." Roy häng te die Schöpfkelle zurück an den Ha ken. Er setzte sich auf den Stuhl ne ben Christie Patridge. „Lobo ist eine Gefahr für uns alle", sagte er nach ei ner Weile.
„Sie sind sich nicht sicher, Roy." Er legte seine Hand auf ihren Un terarm. „Nicht hundertprozentig, versteht sich. Aber beinahe." Wie zu fällig blieb seine Hand, wo sie war. Sie suchte in seinen Augen zu le sen. „Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?" „Das beste ist, Sie entlassen ihn. Das ist besser für uns alle." „Er ist ein guter Arbeiter und hat sich mir gegenüber immer fair ver halten." „Wenn seinetwegen Tall Bull Ihre Ranch niederbrennt, dann nenne ich das nicht fair." „Tall Bull war nicht sicher, daß Lo bo sein Mann ist. Sonst wäre er nicht weggeritten." „Er hatte die Hosen gestrichen voll, der Gute. Aber er kommt wieder, verlassen Sie sich drauf!" „Glauben Sie?" „Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Tall Bull kommt irgend wann zurück. Aber nicht mit zwan zig, sondern mit hundert Kriegern. Und das heißt, daß keiner von uns überlebt. Nur wegen Lobo. Findest du, das lohnt sich?" Er war wie zufäl lig dazu übergegangen, sie mit du an zureden. Und seine Finger glitten über ihre immer noch gefalteten Hände. „Ich finde, wir sollten mit Lobo darüber reden", sagte sie leise. „Er wird leugnen." „Er sieht mir nicht aus wie ein Lüg ner." „Vergiß nicht, daß er selbst ein hal ber Indianer ist." „Das hat nichts zu sagen!" Sie ent zog ihm ihre Hände und stand auf. Er sah hinter ihr her, als sie vor das dunkle Rechteck des Fensters trat und ihm den Rücken zudrehte. „Viel leicht ist es besser, ich spreche mit ihm." Er stand ebenfalls auf und strich sich die Haare aus der Stirn. „Es liegt bei dir, wie du dich verhalten willst. Aber wenn Lobo bleibt, kannst du mit Holon, Frank, Skunk und mir nicht mehr rechnen." 21
Sie drehte den Kopf zur Seite. „Ist das eine Drohung?" „Nimm es, wie du willst. Ich hänge zu sehr am Leben, als daß ich es ei nem Halbblut zuliebe verliere." Er trat hinter sie und berührte sie leicht an der Schulter. „Es gibt noch etwas, wegen dem ich mit dir sprechen möchte", sagte er. Sein Atem war in der Stille hörbar. „Was?" Immer noch drehte sie sich nicht um. „Es ist gefährlich für eine einzelne Frau, alleine im Hauptgebäude zu schlafen", sagte er. „Ein Mann sollte sicherheitshalber bei dir bleiben." Sie starrte schweigend auf die Dunkelheit hinter der Fensterschei be. Er schlang beide Arme von hinten um sie. „Ich weiß, was es für eine Frau bedeutet, alleine in einem Haus wie diesem hier zu sein, Tag und Nacht, ohne einen Mann, der ihr hilft und sie schützt." Sein Atem strich heiß über ihren Nacken. Er drückte sich gegen ihren Rücken. Sie versuchte, sich sanft aus seinen Griffen zu befreien. „Bitte nicht, Roy", sagte sie leise. Er ließ sie nicht los, sondern ver suchte, sie auf den Mund zu küssen. Sie drehte den Kopf zur Seite. „Roy, bitte!" Ihre Stimme klang nun ärgerlich. Mit raschen Bewe gungen wollte sie seinen Griff lösen. „Ich weiß, was dir fehlt, Christie!" flüsterte er erregt. „Du bist eine schöne, junge Frau, geschaffen, um mit einem Mann zu leben. Du sehnst dich nach Liebe und Befriedigung und nach Hilfe." „Das genügt!" Sie stieß ihm die El lenbogen in die Seiten und schlüpfte gleichzeitig unter seinen Armen hin weg zur Seite. Er grinste, als er sich die Rippen rieb. „Wehr dich ruhig, Mädchen", sagte er rauh. „Ich bekomme auch so, was ich will, und es wird dir so sehr gefallen wie noch nie zuvor!" Lang sam ging er auf sie zu. Christie Patridge wich zurück. Ihr Gesicht war schneeweiß, und eine 22
Spur Angst hatte sich in ihre Züge geschlichen. „Laß mich in Ruhe, Roy!" sagte sie hastig. Er trieb sie vor sich her durch die Küche, ließ sich dabei Zeit und ko stete die Vorfreude aus. Wenn sie zur Seite ausbrechen wollte, schnitt er ihr den Weg ab. „Nun sträub dich doch nicht", sagte er grinsend. Seine Wangen leuch teten, und er benetzte die Lippen mit der Zungenspitze. „Roy, nicht jetzt!" sagte sie. Er blieb stehen. „Wann dann?" Sie war außer Atem. Ihre Brüste hoben und senkten sich in schnellem Rhythmus. „Später, vielleicht." „Jetzt." Er ging weiter auf sie zu. „Ich schreie, Roy!" „Schrei doch. Ich an deiner Stelle würde den Mund halten." „Du kannst mich nicht daran hin dern. Geh jetzt, bitte!" Sie stand kurz vor dem Weinen. „Wenn du schreist, bin ich gezwun gen, die Männer über eine bestimmte Kleinigkeit in deinem Leben aufzu klären." Christie Patridge blieb wie ver steinert stehen. „Was meinst du da mit?" Er lachte leise. „Es dreht sich um deinen Mann." Christie Patridges Hände ballten sich zu kleinen weißhäutigen Fäu sten neben dem Grün des Rockes. „Ich wüßte nicht, was du mir über meinen Mann erzählen könntest, von dem ich noch nichts weiß." „Du nicht, aber die Männer." Roy war sich seiner Sache sehr sicher. „Du weißt, wo dein Mann ist, die Männer nicht." „Was willst du damit sagen?" frag te sie nach einer ganzen Weile. Er grinste. „Das weißt du so gut wie ich." „Sag's doch!" Er vergrub die Daumen hinter sei nem Ledergürtel und stand breitbei nig vor ihr. Seine Augen wirkten stumpf und klein im Licht der Petro leumlampe. „Willst du, das ich es dir sage?" fragte er erneut.
„Ja." Jetzt erst erlosch das Grinsen auf seinem Gesicht. „Du hast deinen Mann ermordet", sagte er. Als nach einer halben Stunde Roy immer noch nicht zurückgekommen war, wurde Lobo unruhig. Er richte te sich auf und spähte aus dem Fen ster. Draußen war alles ruhig bis auf die Kojoten in der Ferne. Lobo stand auf und ging zur Tür. Keiner der Männer rührte sich, als er leise hinaus in die Nacht trat. Im Hauptgebäude brannte noch Licht. Lobo musterte die schwach er leuchteten Fensterscheiben der Kü che und des Wohnzimmers. Schatten bewegten sich dahinter. Nach einer Weile sah er undeut lich, daß jemand ins Wohnzimmer rannte. Ein zweiter Schatten folgte. Da beschloß er, der Sache näher auf den Grund zu gehen. Als er auf der Veranda stand, hörte er unterdrückte Stimmen. Und er sah, daß Roy Johnson Christie Pa tridge auf die Couch geworfen hatte. Er hielt sie mit seinem Gewicht auf die Kissen gedrückt, während er mit den Händen ihr Kleid hochschob bis zu den Hüften. Die Frau strampelte und wehrte sich, und Roy Johnson gab ihr einen Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht. Dann zerriß er ihr Kleid. Christie Patridge lag regungslos da, das Gesicht in die Kissen ge drückt, als er ihren Körper ent blößte. Roy legte seine rauhen Hände auf ihre hellhäutigen, kleinen Brüste. Christie Patridge schluchzte, ihr Körper bebte. „Na also", sagte Roy. „Ich wußte, daß wir uns verstehen würden." Er lachte leise und seine Hände glitten tiefer. „Nein, nein!" sagte Christie Patrid ge immer wieder. „Bitte nicht!" „Komm schon, ein bißchen Spaß
kann nicht schaden!" Roy begann, seinen Gürtel zu lösen. „Kommt darauf an, was man unter Spaß versteht", sagte da Lobos Stim me hinter ihm. Roy fuhr herum und starrte Lobo entgeistert an. „Was - was suchst du hier?" fragte er, während er von Christie Patridge stieg. Die Frau drehte sich zur Seite, den Kopf immer noch in den Kissen verborgen. „Raus!" Mehr sagte Lobo nicht. „Moment, Halbblut. Du hast mir nichts zu befehlen." „Raus!" Roy Johnson hatte sich wieder ge faßt. „Du mischst dich in fremde An gelegenheiten!"
„Verschwinde! Das hier nenne ich Vergewaltigung, Freund." Roy strich sich mit einer fahrigen Bewegung die Haare aus der Stirn. „Frag sie doch, ob sie einverstan den ist oder nicht", sagte er. „He, Christie." Er stieß sie an. „Ich sag's dir zum letzten Mal: Raus!" Lobo ging auf Roy Johnson zu. „Bist du übergeschnappt, Halb blut? Christie, sag ihm doch, daß ich dich nicht vergewaltigt habe!" Seine Worte wurden drohender, und er neut stieß er die Frau an. Christie Patridge antwortete nicht. „Christie!" brüllte Roy sie an. ,,Sag's ihm, los!" Lobo stieß Johnson von der Frau weg. Der Vormann lief dunkelrot an. „Ich habe keine Waffe!" konnte er 23
gerade noch sagen, da schlug Lobo ihn mit der flachen Hand ins Gesicht, genau wie Roy es zuvor mit Christie Patridge getan hatte. Der Cowboy taumelte einen Schritt zurück. Dann stieß er einen Schrei aus und stürzte sich auf das Halbblut. Lobo wich etwas zu Seite und rammte ihm die Linke eisenhart in die Magengrube. Sofort setzte er nach und deckte Roy mit einem Schlagwirbel ein, der den Mann quer durch das Wohnzimmer gegen die Standuhr trieb. Dort blieb er stehen und wischte sich das Blut vom Mund. Lobo wartete. „Und jetzt geh!" sag te er. Roy gab noch nicht auf. Er trat nach Lobo, aber dieser packte Roys Stiefel und drehte ihn hart zur Seite. Der Boden dröhnte, als Roy hart auf schlug und sekundenlang wie be nommen liegenblieb. „Das - das wirst du noch bereuen!" drohte er mit vor Haß triefender Stimme, als er sich hochstemmte. Taumelnd ging er in die Küche und von dort auf den Hof. Lobo hörte, wie der Cowboy den Pumpenschwengel bewegte. Lobo nahm eine Decke und legte sie über Christie Patridge. „Sie holen sich sonst noch eine Erkältung", ver suchte er sie aufzuheitern. Die Frau reagierte nicht. Sie musterte ihn nur mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht. Es war nicht nur Angst, dachte Lobo, und auch nicht nur Scham wegen ihrer Blöße. Es lag et was in ihrer Miene, das er nicht ver stehen konnte. „Sie entlassen Roy besser", sagte er. „Er wird Ihnen sonst nur noch mehr Schwierigkeiten bereiten." Sie hüllte die Decke um sich. „Dan ke", sagte sie, als ob sie ihm gar nicht zugehört hätte. „Brauchen Sie noch etwas?" „Danke", wiederholte sie, und dann, leiser: „Nein, es geht schon wieder." „Es liegt an Ihnen, wie Sie sich jetzt verhalten wollen, Christie", sagte 24
Lobo, tippte sich grüßend an die Stirn, als hätte er einen Hut auf, dann drehte er sich um und verließ das Haus. Draußen stand Roy Johnson. „Das wirst du noch bereuen, Halb blut!" sagte er, als Lobo stehenblieb. „Verhalte dich in Zukunft wie ein Mann und nicht wie ein Feigling, der alleinstehende Frauen belästigt. Dann kommen wir miteinander aus." Der Cowboy vor ihm in der Nacht lachte. Es war ein grimmiges Lachen, das tief aus seiner Brust kam. „Du wirst noch sehen, wer von uns ein Mann ist und wer nicht", sagte er. Lobo ging an ihm vorbei zum Bunkhaus. Aber er lag noch lange wach und starrte auf die blassen Sterne, die er durch das Fenster se hen konnte. Am nächsten Morgen aßen die Männer wie sonst auch ihr Früh stück. Außer Roy, Christie und Lobo wußte niemand von dem Vorfall. Lobo wartete darauf, daß Christie Patridge etwas zu Roy sagte, aber sie tischte nur schweigend die Pfannen auf, stellte den dampfenden Kaffee topf vor die Männer und war sorg fältig darauf bedacht, keinen der Männer anzusehen. Roy schon gar nicht. Johnson hingegen scherzte, als ob nichts geschehen wäre. Einige bissi ge Bemerkungen gegen Lobo konnte er sich nicht verkneifen, aber er hör te wütend damit auf, als Holon God frey ihn plötzlich ansah und sagte: „Sag mal, hast du schlecht geschla fen, Roy, oder ist dir jemand auf den Zeh getreten? Laß Lobo gefälligst in Ruhe!" Als das Frühstück beendet war, gingen die Männer hinaus. Roy blieb zurück. „Also?" fragte er und schlug die Beine übereinander. Christie Patridge stellte das Ge schirr zusammen, ohne zu antwor ten.
„Was ist? Hast du es dir überlegt?" die Decke. „Ich kann dir alles Geld geben, das „Da gibt es nichts zu überlegen", sagte sie mit sichtlich erzwungener ich besitze", sagte sie stockend. „Wenn du mir versprichst, mich in Ruhe und musterte Roy. „Das würde ich nicht sagen." Er Ruhe zu lassen und wegzureiten." Er schüttelte den Kopf. „Ich will war sich seiner Sache sicher. „Wenn du mich ins Haus einziehen läßt, ist dich ebenso wie die Ranch und das alles in Ordnung. Wenn nicht, dann Geld." Etwas Leben kam wieder in ihren bin ich gezwungen, dem Sheriff ei Blick. Ein Funken glomm in ihren nen Brief zu schreiben." Sie warf den Kopf leicht in den Augen. „Dann weißt du, daß es zwi Nacken und strich ihre Haare zu schen uns nie so etwas wie Freund rück. „Ich weiß nicht, wer dir diesen schaft geben wird!" Floh ins Ohr gesetzt hat." Er musterte sie einige Sekunden, „Dein Mann persönlich", sagte er bevor er antwortete: „Du wirst dich hüten, dumme Tricks mit mir zu ver leise. suchen. Ich werde nicht ahnungslos „Du bist verrückt!" Er lächelte. „Er wußte, daß es mit in den Tod gehen wie Merrill und ihm schnell bergab ging, und wenige jetzt Patridge, glaub mir. Mit solchen Tage vor seinem ,Verschwinden' Spielchen läufst du bei mir auf, mei ne Liebe." sprach er mit mir." Sie antwortete nicht. Das Funkeln „Du bluffst", meinte Christie Pat war immer noch in ihren Augen. ridge leise und atemlos. „Ich werde mein Essen mit den „Nicht im geringsten." Sie stellte die Teller ab und setzte Männern teilen, und mit dir auch. sich auf einen Stuhl ziemlich weit Das Gift kannst du also vergessen. Dein Mann merkte es erst, als es be von Roy entfernt. reits seinen Körper zerfressen hatte. „Warum stellst du dich so an? Gib doch zu, daß du einen Mann brauchst, Ich weiß von Anfang an, was ich von wenn du ganz ehrlich bist. Ich dir zu erwarten habe." Ihre Hände verkrampften sich auf bin nicht besser und nicht schlechter als viele andere." Er zündete sich eine ihrem Schoß. Er bemerkte es und lachte. „Und falls ich eines Nachts Zigarette an. verschwinden sollte, dann öffnet je „Ich will alleine sein, Roy." mand einen Brief, den ich ihm be „Das hättest du dir überlegen sol gegeben habe", log er. „Und dar len, als Merrill starb", meinte er ru reits in steht eine nette Geschichte von hig. Frau, die zwei Ehemänner in Sie schrak zusammen. „Du einer die Hölle geschickt hat und die dafür weißt..." Sie stockte. immer noch nicht zur Verantwor „Ich weiß zufällig, daß Patridge nicht dein erster Mann war. Merrill, tung gezogen worden ist." Stille legte sich über den Raum. Er so war dein Name doch, bevor du Pat drückte die Zigarette aus und beugte ridge geheiratet hast, richtig?" Sie antwortete nicht. Weiße Flek sich vor. „Hast du mich verstanden?" Sie blieb still sitzen. Endlich nickte ken waren auf ihrem Gesicht er sie. Ihre Augen schimmerten feucht. schienen. „Ach, hör schon auf", sagte er. „Was - was willst du von mir?" fragte sie nach einer ganzen Weile. „Tränen passen nicht in dein Gesicht. „Willst du meinen Körper oder nur Du bist zu hart zum Weinen, Mäd chen." Er stand auf und trat vor sie. mein Geld?" „Na also, wurde auch Zeit, daß du Mit der ausgestreckten Hand fuhr er einsiehst, daß ich dich in der Hand unter ihr Kinn und hob es an, bis sie habe." Vergnügt zog er an seiner Zi ihm in die Augen sah. Dann berührte garette und blies den Rauch gegen er ihre Brüste. „Du wirst sehen, wir 25
kommen schon miteinander aus", sagte er. „Fahr zur Hölle!" sagte sie ihm ins Gesicht. „Du weißt, was dann passiert. Dann folgst du mir in kurzem Ab stand. Du mußt jetzt umdenken, Frau. Von heute morgen an mußt du beten, daß mir nichts passiert, sonst bist du geliefert. Ist das klar?" Laut lachend verließ er das Haus. Gegen Mittag kamen Lobo und Holon Godfrey von der Westweide zurück. Sie hatten die Windmühlen überprüft, die den Rindern das Was ser in die Holztröge pumpten. Alles schien ruhig. Von Indianern fehlte jede Spur. Die Rinder scharten sich um das Wasser, denn die Sonne brannte unerbittlich heiß auf das flache, eintönige Land. Ein Großteil der Herde hatte sich unter die Cot tonwoods am South Platte zurückge zogen und stand bis zum Bauch im Brackwasser. Lobo und Holon hat ten die Tiere nur unter Schwierig keiten aus dem Wasser treiben kön nen. Es schadete Rindern, wenn sie zu lange im Fluß standen. Nun ritten die beiden Männer auf die Ranch zurück. Sie waren müde, hungrig und von Kopf bis Fuß mit unterdessen getrocknetem Lehm und Schlamm bedeckt. „Scheißleben", sagte Holon gedan kenversunken. Lobo grinste. „So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Das Logan County ist ein hartes, aber ein gutes Land. Patridge muß kein dummer Mann gewesen sein, als er sich hier die Ranch baute." „Nein, dumm war er nicht." Holon stützte sich schwer auf das Sattel horn. „Was für ein Mann war er?" fragte Lobo beiläufig. „Er war ein harter Arbeiter. Er stand als erster auf und ging erst zu Bett, wenn wir schon längst schlie fen. Er hatte dauernd etwas zu tun 26
und zu verbessern." „Wie war sein Verhältnis zu seiner Frau?" Holon grinste. „Er liebte sie über alles, aber ..." „Aber?" „Ich schätze, über seiner Arbeit vergaß er oft, daß er eine junge und hübsche Frau hatte." „Du hättest es wohl kaum verges sen, wie?" scherzte Lobo gutgelaunt. „Darauf kannst du Gift nehmen", lachte Holon. Er wußte nicht, wie makaber seine Worte in Wirklich keit waren. Lobos Lächeln wirkte deshalb auch etwas starr. Aber er fragte wei ter: „Hast du eine Ahnung, was ge schehen sein mag an dem Abend, als er nicht mehr zurückkam?" „Ich hatte ihn den ganzen Tag über nicht gesehen. Abends kam ein Un wetter auf, und wir gingen früh ins Bunkhaus und spielten Karten. Bis dann spät nachts Christie kam und uns sagte, daß er noch nicht zurück gekehrt sei." Lobo antwortete nicht. Er sah aus dem Augenwinkel eine Bewegung zu seiner Rechten. Und dann erkannte er, daß er mit offenen Augen in eine Falle geritten war. Rechts und links kamen sie aus ih ren Deckungen, tief gebeugt über ih re kleinen, häßlichen Ponys gebeugt, galoppierten sie heran und schnitten ihnen den Weg ab. „Jesus!" sagte Holon, als er die In dianer sah. „Was, zum Teufel, geht hier vor?" Lobo ritt in unverändertem Tempo weiter. Er wußte, daß jeder Yard nicht mit Gold aufzuwiegen war. Aber er durfte nicht zeigen, daß er Angst hatte. Er hatte auch keine Angst. Nicht im herkömmlichen Sinn. Was in ihm vorging, konnte niemand aus seiner Miene lesen. Aber innerlich bereitete er sich auf den Kampf vor. Daß er dabei sein Leben verlieren konnte, daran dachte er erst gar nicht. Wenn ein Mann anfing, um sein Leben zu fürchten, dann kämpfte er als
Feigling und nicht als Mann, dann lähmte die Angst seine Gedanken und Bewegungen, ließ ihn nicht mehr los, bis er blindlings in den Tod rannte. Tall Bull wartete genau vor ihnen. Sein Gesicht war unbewegt, aber man sah ihm an, wie zufrieden er mit sich war. „Wie viele Rothäute sind's?" fragte Holon, ohne die Lippen zu bewegen. Er war erfahren genug, um zu wis sen, daß er in Lobo einen Mann ge funden hatte, der aus jeder Situation das Beste zu machen versuchte. „Über dreißig", sagte Lobo und blickte starr geradeaus. Er sah, daß man sie von beiden Seiten in die Zan ge genommen hatte und sie zu Tall Bull geleitete. Schweigend legten sie die letzten dreißig Yards bis zu dem Häuptling zurück. Dort zügelten sie ihre Pfer de. „Ist das eine Art, seine Freunde zu empfangen?" fragte Lobo laut. Tall Bull lächelte. „Meine Freunde wissen, daß sie sich vor mir nicht zu fürchten brauchen." „Siehst du mich weinen wie ein Weib?" fragte Lobo mit einem An flug von Spott. „Du hast eine scharfe Zunge und keine Angst", gab Tall Bull zu. „Ich habe mich in dir nicht getäuscht." „Was denkst du denn über mich?" Lobo wußte, daß seine Augen unter der Hutkrempe im Schatten lagen. Unbemerkt sah er nach der besten Möglichkeit, dem scheinbar Unver meidlichem zu entgehen. Aber er wußte selbst, daß seine Chancen ver schwindend gering waren. „Was ich über dich denke? Daß du ein Mann bist, der eine Wunde am Bein hat", sagte Tall Bull mit ver blüffender Ehrlichkeit. „Wie kommst du darauf?" „Weil ich sämtliche Ranches der Gegend abgeritten habe. Kein Frem der ist in den letzten Tagen vorbeige kommen. Und die Spuren des Man nes, den ich suche, verloren sich nicht weit von hier." 28
„Bin ich ein Fremder hier?" Tall Bull nickte. „Du bist geschickt im Umgehen der Lügen", sagte er und lächelte. „Und du bist ein schlauer Mann", sagte Lobo und erwiderte das Lä cheln. Er sah, daß mindestens drei Gewehre auf ihn gerichtet waren. „Ziehst du dir deine Hosen alleine aus, oder sollen es meine Männer für mich tun?" Lobo umklammerte nun sein Las so. Das ganze Gespräch über hatte er benötigt, um seine Linke dorthin wandern zu lassen. Neben sich spür te er Holons Gespanntheit. Hoffent lich reagiert er schnell genug, dachte Lobo. „Ich kann meine Hosen ohne frem de Hilfe ausziehen", sagte er und be gann, einen Fuß aus dem Steigbügel zu nehmen. Er wußte, daß der Kampf unvermeidlich war, und er war be reit. Die Indianer hingegen waren noch nicht sicher. Darin lag sein Vor teil. Und dann geschah alles blitzartig. Mit der Linken schwang er das zu sammengerollte Lasso durch die Luft und schlug es um die Köpfe der Indianerponys neben ihm. Die ver ängstigten Tiere stiegen auf oder bockten, und für wenige Sekunden hatten die Krieger keine Möglich keit, auf Lobo zu schießen. „Holon!" brüllte Lobo aus Leibes kräften zwischen markerschüttern den Schreien, die unter den India nerpferden heillose Unordnung und Verwirrung stifteten. Gleichzeitig riß er mit der Rechten seine Waffe aus der Halfter und trat dem Pferd die Fersen in die Weichen. Das Tier galoppierte los, genau auf Tall Bull zu, der gerade sein Gewehr hochge bracht hatte. Donnernd löste sich der Schuß und fuhr an Lobos Schulter vorbei. Da war das Halbblut auch schon neben dem Häuptling und schlug mit dem Lasso zu. Der Anführer wurde rückwärts vom Pferd geschleudert und über schlug sich am Boden. Lobo holte das
Letzte aus seinem Pferd und sah, daß Holon ihm folgte, tief über sein Tier gebeugt. Die ersten Schüsse krachten, als die beiden Männer schon hundert Yards entfernt waren und auf die Ranch zuritten. Die Cheyennes verfolgten sie nicht. Lobo sah, daß die Krieger gerade ih rem Häuptling auf die Beine halfen. Tall Bull schüttelte die Faust hinter ihnen her. Wenig später erreichten sie die Ranch.
mit mir zu verteidigen?" Holon nickte. „Mir dir schon", sagte er grimmig und ging dann mit seinen mächtigen Schritten zum Bunkhaus. Lobo sah, wie er von innen die Holz verschalungen vor einige Fenster legte und mit den Querbalken befe stigte. Roy Johnson erschien auf der Ve randa, das Gewehr schußbereit in den Fäusten. „Kommt schon, Holon, Lo bo!" brüllte er nervös. Er sah, daß die ersten Indianer schon um den Korral mit den Muttertieren und Kälbern ritten. Ihre kurzen, heiseren Schreie ließen keinen Zweifel daran, was sie auf der Ranch wollten. „Wir bleiben im Bunkhaus!" rief Lobo sprang aus dem Sattel, als Lobo. Dann verschwand er in dem sein Pferd noch nicht stand. „Ins Haus, schnell!" brüllte er. Gebäude und verbarrikadierte die Dann trieb er sein Pferd in das Stall schwere Holztür hinter sich. gebäude, wartete, bis auch Holons Der erste Schuß wurde auf die Tier darin verschwunden war, und Ranch abgefeuert und riß Holzsplit warf die schweren Türen zu. ter aus dem Türrahmen neben Roy Frank Harper trat aus dem Bunk Johnsons Kopf. Blitzartig ver haus, das Gewehr in den Händen. schwand der Cowboy im Haus. „Was ist los?" rief er. Und dann brach die Hölle aus auf „Tall Bull ist hinter uns her!" der Ranch. Es war Lobos dritter Tag. brüllte Holon. „Kommt alle ins Ranchhaus, schnell!" Lobo sah sich um. „Wo ist Skunk Wo Tall Bull all diese Krieger in so Henderson?" „Hier!" Der kleine, stämmige Jun kurzer Zeit aufgetrieben hatte, war ge tauchte aus dem Vorratsraum auf, Lobo ein Rätsel. Er schätzte, daß Würste in den Armen. „Wir brau nach einer halben Stunde fast hun chen was zu futtern, oder nicht?" dert Indianer in wildem Galopp in Dann war er schon an Lobo vorbei unberechenbaren Kreisen um die Ranch und quer über den Hof jagten. im Hauptgebäude verschwunden. Lobo konnte sich ein Grinsen nicht Und es war fast unmöglich, einen verkneifen. Er sah, daß sich von Süd von ihnen mit einem sicheren Schuß westen eine Staubwolke näherte, zu treffen. und das Grinsen erlosch. „Schnell!" Das Bunkhaus war erfüllt vom Christie Patridge stand auf der berstenden Krachen der schweren Veranda, ihre Schrotflinte in der Repetiergewehre und Pulverdampf, Hand. Sie war sehr blaß. „Was ist ge der die Augen beizte und in den Lun gen kratzte. Aber außer zertrüm schehen?" fragte sie. Lobo scheuchte sie mit einer Hand merten Fensterscheiben war nichts bewegung ins Haus. „Später, später!" Schlimmes geschehen, dank der klei Holon stand plötzlich neben ihm. nen Fensteröffnungen und der mas „Wir sollten das Bunkhaus nicht ein siven Wände, aus denen das Haus er baut worden war. Selbst eine Kano fach so aufgeben", sagte er. Lobo nickte, während er immer nenkugel hätte kaum großen Scha noch nach Südwesten starrte. den anrichten können. Anfangs hatten die Indianer ver „Fühlst du dich imstande, das Ding 29
sucht, das Bunkhaus zu erobern. Aber obwohl sie es nur mit zwei Ver teidigern zu tun hatten, merkten sie bald, daß ihre Chancen gering wa ren, solange man sie vom Hauptge bäude aus mit einem tödlichen Ku gelhagel eindeckte. Sie konnten nicht unbemerkt an die Hauswand gelangen und Lobo und Holon aus nächster Nähe mit gezielten Schüs sen erledigen. Zwei tote Indianer knapp vor den Fenstern zeugten da von, und sie waren eine deutliche Warnung. Dann konzentrierten sich die An griffe auf die Rückseite des Haupt gebäudes. Eine Stunde lang waren Lobo und Holon unbelästigt, wäh rend sie das tödliche Stakkato der Schüsse hinter dem Ranchhaus hör ten. In regelmäßigen Abständen donnerte Christie Patridges Schrot flinte auf, und jedesmal ertönte wü tendes Geheul der Indianer. Lobo er kannte, daß sie für heute in Sicher heit waren. Die Krieger hatten keine Brandpfeile dabei, ihre wirksamste Waffe gegen Holzgebäude, die sie aus der Nähe nicht stürmen konnten. Und Feuer hätte den Tod der Vertei diger bedeutet. So aber merkten selbst die India ner bald, daß sie ihr Ziel nicht errei chen konnten. Sie zogen sich zurück und berieten. Die Stille war fast schmerzlich für die Ohren der Män ner, die stundenlang das Krachen und Donnern der Gewehre aus näch ster Nähe hatten ertragen müssen. Lobo setzte sich auf die Fenster bank und rauchte, sein geladenes Gewehr schußbereit neben sich. Aber nichts rührte sich für lange Zeit. Auch drüben am Hauptgebäude zeigten sich Gesichter an den Fen stern. „Alles in Ordnung?" brüllte Holon. „Ja!" kam die Antwort. „Bei euch?" „Wir haben Hunger!" rief Holon und schnitt Grimassen am glaslosen Fenster. Zehn Minuten später sah Lobo, wie die Tür des Ranchhauses geöffnet wurden. Blitzschnell rannte eine ge 30
beugte Gestalt über den Hof. Holon öffnete. Grinsend, noch au ßer Atem vom Laufen, huschte Skunk Henderson in den Raum. Er trug ei nen Topf, der vielversprechenden Duft verströmte. „Mit den besten Wünschen unserer Köchin", sagte er. Und dann war er auch schon wieder im Hof und haste te die Stufen zur Veranda hinauf. Als sich die Tür hinter ihm schloß, bohr te sich mit einem dumpfen, satten Geräusch ein Pfeil tief in das Holz und blieb dort zitternd stecken. Holon aß den Topf zur Hälfte leer, dann löste er Lobo am Fenster ab. „Du bist ein ganz schön verrückter Kerl", sagte er, während er dem Halbblut zusah. Lobo kaute auf beiden Backen. „Warum?" „Erst reitest du mitten in der Nacht durch Tall Bulls Lager, verwundest zwei Krieger und tötest einen drit ten, und als ob das nicht genügte, schlägst du Tall Bull in Person noch dein Lasso um die Ohren." „Was sollte ich denn sonst tun? Warten, daß er mir die Hosen aus zieht?" „Trotzdem, es hätte ins Auge gehen können." „Alles kann ins Auge gehen. Du kannst aus dem Bett fallen und dir das Genick dabei brechen, wenn du dich nur dumm genug anstellst." Holon lachte laut. „Ich bin froh, daß ich dich kennengelernt habe, Lo bo", sagte er dann. „Ich wäre da nicht so sicher", erwi derte das Halbblut und deutete mit der Gabel zum Fenster. „Schließlich bin ich schuld daran." Holon winkte ab. „Kein echter Mann kann seinen Stolz vergessen. Daß du gerade Tall Bulls Sohn erwi schen mußtest, war Pech. Wie ist es eigentlich geschehen?" „Ich dachte, er sei bewußtlos." Lobo rieb sich die Knöchel seiner rechten Hand, als ob er den Schlag immer noch darin spürte. „Aber dann schoß er, als ich gerade mit den anderen zwei Kriegern beschäftigt war. Es
blieb mir nichts anderes übrig, als zurückzuschießen." Holon verzog das Gesicht. „Schät ze, Tall Bull ist ganz schön sauer. Der gibt so schnell nicht auf." Lobo nickte. „Vielleicht sollte ich besser von hier verschwinden. Ich habe schon genug Ärger gestiftet." „Einen Teufel wirst du tun. Glaubst du, ich würde dich ziehen lassen?" Der mächtige Cowboy schlug mit der Faust in seine Hand fläche. „Wenn du alleine da rausrei test, dann haben sie dich. Du kannst dir genausogut eine Kugel durch den Kopf jagen." „Das ist nicht gesagt." „Du bist verdammt schnell mit der
Waffe und auch nicht auf den Kopf gefallen, aber gegen hundert wüten de Indianer hast du keine Chance. Wir sollten uns lieber überlegen, wie wir die nächsten Stunden und Tage überleben. Ob du nun wegreitest oder nicht, Tall Bull wird uns nicht mehr in Ruhe lassen. Also bleiben wir zusammen." „Okay." Lobo stellte den leergeges senen Topf zur Seite. Dann riß er sein Gewehr an die Schulter und feuerte drei Schüsse ab, so schnell, daß Holon Godfrey die Explosionen kaum auseinanderhalten konnte. Draußen im Hof erscholl ein lang gezogener Schrei, der ebenso plötz lich aufhörte, wie er begonnen hatte.
31
Wütendes Gebrüll der Krieger war die Antwort, und Lobo brachte sich in Sicherheit, als ein Pfeilregen auf das Fenster zuschwirrte, an dem er stand. „Einer weniger", sagte er zufrieden und lud nach. Und Holon Godfrey, der wußte, daß keiner von ihnen wahrschein lich den nächsten Tag , überleben würde, wunderte sich über das laute, herzhafte Lachen Lobos.
Am späten Nachmittag trieben die Indianer die Rinder aus dem Korral. Hilflos mußten Christie Patridge und die Männer zusehen, wie die ver ängstigten Tiere nach Westen zum Fluß getrieben wurden. Eine Gruppe von Kriegern ritt ihnen nach, und sie schossen auf die Kälber, die das Tempo nicht mithalten konnten. Vor den Augen der Cowboys wurden die Tiere ausgeschlachtet, man entzün dete große Feuer, über denen das Fleisch in Stücken gebraten wurde. Rund um die Feuer saßen die Krie ger. Sie hatten von irgendwoher Whisky aufgetrieben, wahrschein lich von einer Ranch, die sie überfal len hatten, und die Flaschen wurden immer schneller herumgereicht. Bald begannen die Indianer zu tanzen, Gesang wurde laut, bis schließlich sämtliche Krieger sich zu einem monotonen Singsang im Takt bewegten. Die Dunkelheit legte sich über das Land und die Gesichter der belager ten Menschen der Ranch. „Sie werden uns töten", sagte Roy Johnson, der am Fenster der Nord front stand und auf den entfernten Feuerschein starrte. „Das haben sie jedenfalls vor." Frank Harper saß breitbeinig auf der Couch und tauchte harte Brot rinden in den dampfenden Kaffee vor sich auf dem Tisch. „Glaubst du etwa, sie schaffen es nicht?" Roy Johnsons Stimme klang gereizt. 32
„Wir werden ja sehen." „Das genügt mir nicht. Ich will nicht wie ein Schwein verbluten, nur weil ein Halbblut den Sohn des Häuptlings über den Haufen schießen mußte." „Meinst du, Lobo hat es Spaß berei tet?" Skunk Henderson nahm den Blick nicht vom Fenster. „Auf jeden Fall sehe ich nicht ein, daß wir seinetwegen sterben sollen." „Was willst du tun? Ihn fortschik ken?" Frank Harper leerte die Tasse und schlürfte genießerisch dabei. „Warum schicken wir ihn nicht einfach weg?" „Einfach so!" Skunk Henderson lachte bitter. „Du spinnst, Roy. Wür dest du einen Mann einfach so in den Tod schicken können?" „Ja", sagte Roy Johnson sofort. „Ich wußte nicht, daß du ein sol cher Feigling bist", sagte Skunk Hen derson. Roy ging mit schnellen Schritten zum Fenster zurück. „Nimm das so fort zurück, Skunk!" „Nein." Der kleine, stämmige Cow boy wich keinen Zoll vor Johnson. „Schlag mich doch, Johnson", sagte er heftig. „Los, schlag mich, wenn du denkst, du könntest es dir leisten, ei nen Mann außer Gefecht zu setzen, während die Indianer vor dem Haus stehen." Sekunden verstrichen, in denen die beiden Männer sich in die Augen starrten. Dann drehte Roy Johnson sich zur Seite. Er wandte sich an Christie Patridge. „Du bist der Boß hier. Du kannst Lobo wegschicken. Worauf wartest du noch?" Die Frau schüttelte den Kopf. „Er stens, weil ich Lobo nicht einfach in den Tod schicken will, und zweitens, weil es gar nicht sicher ist, daß Tall Bull uns in Ruhe läßt, wenn Lobo nicht mehr hier ist. Vielleicht tötet er uns trotzdem, und dann fehlt uns ein kampferfahrener Mann wie Lobo doppelt." „Schick ihn weg!" Roys Stimme war schneidend scharf. „Nein."
„Du weißt, was passiert, falls wir je lebend davonkommen, nicht wahr?" Christie Patridge nickte stumm. „Also?" „Lobo bleibt. Es ist mir egal, was du tust, Roy. Ich mag keine Feiglinge, und du bist einer." Roy schlug sie. Seine Faust warf Christie Patridge vom Stuhl, sie schrie unterdrückt auf und blieb auf dem Boden liegen. „Wirf ihn raus, habe ich gesagt! Setze das verdammte Halbblut vor die Tür! Los!" Roy brüllte wie ein Be sessener. Skunk Henderson erreichte ihn, bevor Roy Christie Patridge treten konnte. Er rammte ihm den Gewehr lauf so hart in die Seite, daß Roy auf stöhnte und taumelte. „Genug! Das genügt!" Skunk Hen derson hielt den Abzug seines Ge wehres sehr nahe am Druckpunkt, und das merkte auch Roy, denn er wurde plötzlich wächsern im Gesicht und blieb regungslos stehen. „Christie!" sagte er mit gezwunge ner Ruhe. „Christie, sag ihnen, sie sollen mich in Ruhe lassen!" Die Frau zog sich am Tisch in die Höhe. Sie hatte eine Schwellung an der rechten Schläfe, aber sie weinte nicht. Sie war sehr ruhig. „Christie!" wiederholte Roy. „Laßt ihn", sagte sie schwach. „Bit te, hört auf mit dem Unsinn!" Roy leckte sich die Lippen und lachte leise. „Hast du gehört, Skunk? Nimm das Gewehr runter und geh zurück zum Fenster, aber schnell!" „Lady, sind Sie sicher, daß Sie die sen Mann noch im Haus haben wol len?" fragte Henderson. Sie nickte mit zusammengepreß ten Lippen. Frank Harper stieß hörbar den Atem durch die Nase. „Ich an Ihrer Stelle würde ihn raus werfen." „Das tut sie aber nicht." Roy John son schlug den Gewehrlauf zur Seite. „Und jetzt werde ich Lobo sagen, daß er verschwinden soll." „Lobo bleibt hier!" sagte Skunk Henderson. „Jetzt erst recht. Nur
über meine Leiche, Roy!" Der Cowboy musterte Henderson mit einem seltsamen Blick. Seine Augen leuchteten fiebrig. „Ich werde nicht zulassen, daß wegen Lobo die Ranch zerstört wird, und daß wir al le sterben müssen!" „Nur über meine Leiche." „Zwinge mich nicht dazu, Skunk!" Roy legte seine Rechte schwer auf den Revolvergriff. „Bist du total übergeschnappt?" Frank Harper erhob sich und wollte zwischen die Streitenden treten. Roy verscheuchte ihn mit einer Handbe wegung. „Ich werde jeden töten, der mich davon abhalten will, Lobo Tall Bull zu übergeben", zischte er mit zusam mengekniffenen Augen. „Roy, sei vernünftig!" Christie Pat ridge spürte, daß sich die Situation immer mehr zuspitzte. „Schweigt, alle!" brüllte Roy. „Ich weiß, daß ihr alle gegen mich seid, daß ihr nicht wollt, daß ich Christie heirate und Herr dieser Ranch wer de, und daß ..." Es klopfte an der Tür, niemand achtete darauf. Alle starrten Roy Johnson entgeistert an, der mit den Augen eines Wahnsinnigen vor Skunk Henderson stand und weiter brüllte: „. .. ich Lobo dem verdamm ten Häuptling übergebe und unser Leben damit rette." „Macht auf, zum Teufel! Es wird verdammt ungemütlich hier drau ßen!" ertönte es vor der Tür. „Das ist Lobo", sagte Skunk Hen derson und starrte auf die Tür. Er war wie gelähmt von dem, was sich gerade im Zimmer abgespielt hatte. „Lobo!" Roy Johnson rannte zum Fenster und riß es auf.„Tall Bull!" brüllte er so laut er konnte. „Lobo ist hier draußen, du kannst ihn dir holen. Er war es, der deinen Sohn getötet hat! Tall Bull...!" Er wirbelte herum und sah, daß Skunk Henderson dabei war, den Riegel der Tür aufzuschieben. Sein Colt flog aus der Halfter. Er riß mit der Linken den Hammer zu 33
rück, sein Zeigefinger krümmte sich terten Siouxangriff verteidigt hatte. Daraufhin nannten die Indianer das um den Abzug. Frank Harper schrie: „Achtung!" Fort „Wicked", das verwünschte da donnerten auch schon zwei Fort, und der Name hatte auch den Schüsse auf, einer davon ohrenbe Insassen nicht schlecht gefallen. Jetzt aber schien die Geschichte täubend laut. Skunk Henderson wurde zu Boden um den Namen vergessen, denn geschleudert und rollte mehrmals mehrere hundert Indianer umlager um seine eigene Achse, bevor er re ten das kleine Fort seit fast einer Woche, gungslos liegenblieb. Frank Harper starrte Roy Johnson Die Palisaden waren teilweise vom an, der sich am Fensterladen festhal Feuer geschwärzt und eingebrochen, ten wollte, den Colt noch in der Hand. die Prärie davor von unzähligen Po Aber seine Finger hatten keine Kraft nyhufen durchpflügt, und verendete mehr, und er brach in die Knie. Mit Pferde verbreiteten einen pestilenz riesiger Anstrengung sah Roy John artigen Gestank. Aber die dreißig son an sich hinunter, sah auf das Soldaten gaben nicht auf. Sie hatten faustgroße Loch in seiner Seite, aus alle Hände voll zu tun, ihre Toten zu dem Blut quoll, und dann öffnete er begraben, und damit waren sie auch die Lippen zu einem Schrei, aber beschäftigt, als General George Cu kein Laut drang aus seiner Kehle. ster in der Ferne erschien, mitten Mit einem dumpfen Geräusch fiel er zwischen seinen Kavalleriesoldaten, mit dem Gesicht gegen die Wand und die mit gezogenen Säbeln auf die In rutschte zu Boden. dianer zugaloppierten. Und Christie Patridge starrte auf Und so endete auch die Belagerung das Büffelgewehr in ihren zittern des Forts. Die Indianer zogen sich den Händen, dessen Lauf noch zurück und plünderten in kleineren rauchte. „Nein! "sagte sie leise. „Nein! Gruppen die umliegenden Farmen Nein!" Und dann ließ sie die Waffe und Ranches. fallen und vergrub den Kopf in ihren Das war vor zwei Tagen gewesen. Händen. Seitdem lagerte George Custer mit „Was, zum Teufel, geht hier vor!" seinen Soldaten im Fort, ohne bei den rief Lobos Stimme vom geöffneten Reparaturarbeiten helfen zu lassen. Fenster. Er schwang sich auf das General Custer saß in seinem ge Fensterbrett und ließ sich auf den räumigen Zimmer am Schreibtisch Boden fallen, landete zum Teil auf und ließ sich von seinem Corporal Roy Johnsons Leiche, aber das war die Füße mit einer heißen Salzlösung ihm im Moment egal, denn er sah, abspülen. daß das schmerzliche Brennen in sei „Ich hasse diese Hitze!" sagte er, als ner linken Schulter von dem Pfeil es an der Tür klopfte. stammte, der jetzt zitternd mitten in „Herein!" der großen Standuhr an der anderen Holon Godfrey war stämmig, mit Zimmerwand steckte. breiten Schultern, die seine Uni formjacke fast sprengte. Seine Haare waren silbern über dem gerö teten Gesicht. Schweißringe Fort Wicked lag nicht weit vom schwärzten das Blau der Jacke unter Ufer des South Platte entfernt. Sei den Armen und auf dem Rücken. Cu nen Namen hatte das Fort von sei ster verzog das Gesicht. „Major?" nem Erbauer, Holon Godfrey erhal fragte er, und man hörte ihm an, wie ten, der an derselben Stelle ein Jahr gelangweilt er war. zuvor mit seinen zwei Söhnen, seiner „Kann ich Sie einen Moment Frau und einem Freund drei Tage sprechen?" Major Holon Godfrey be lang seine Farm gegen einen erbit trachtete einen Moment das Zimmer, 34
Frl. I uns:
M
aus Bad Sachsa schrieb
„Ich lese die RONCO-Serie mit Begeiste rung. Jetzt ist sie meiner Meinung nach noch ein bißchen spannender, weil RON CO nicht mehr geächtet ist. An alle Autoren ein großes Lob. Das erste Heft, in dem RONCO als Texas Ranger auftritt („Heißer Job für RONCO"), hat schon gut angefangen. Ich bin gespannt auf jedes Heft. Ich hoffe, daß diese Serie noch lange besteht." Unser Leser K schrieb uns:
B
aus Schmatzhausen
„Ich bin ein sechzehnjähriger LOBO-Fan und lese die LOBO-Serie seit Nr. 51, was mehr durch Zufall geschah. Nachdem ich den Brief von Herrn S gelesen habe, möchte ich meine Meinung dazu sagen: Ich bin nicht der Meinung, daß die LOBOSerie sich anderen Western-Serien nähert. Was die Fortsetzungen angeht, so kann ich Herrn S nicht zustimmen. Es sind durchaus schon Fortsetzungen in der LOBO-Reihe enthalten gewesen. Herr S schreibt, daß den LOBO-Ro manen der sogenannte ,rote Faden' fehle. Ich meine, daß es auch Romane geben muß, in denen der Held nicht unbedingt ein großes Ziel vor Augen hat, wie es bei RONCO und seiner Rehabilitierung der Fall war. LOBO ist ein typischer Au ßenseiter, ein Einzelgänger. Das sollen die Romane zeigen. Ich finde auch nicht, daß LOBO nur der ,zweite Mann' hinter RONCO ist.
Zu der Titelbildgestaltung von RONCO kann ich nur sagen: Es ist meiner Mei nung nach egal, ob das RONCO-Bild er scheint oder nicht. Dadurch werden schließlich die Romane weder besser noch schlechter, die ohnehin schon zu den be sten Romanen auf dem Western-Markt gehören." Eine Bitte hat unser Leser K
K
„Ich — 14 Jahre alt — konnte die hervor ragende RONCO-Serie leider erst ab Nr. 63 lesen. Seitdem kaufe ich mir regelmä ßig jede Woche die RONCO-Hefte. Nun fehlen mir leider die ersten Romane. Hiermit möchte ich die anderen Leser bit ten, mir doch einige Exemplare zuzuschik ken, wenn es geht. Möglichst umsonst. Mein Taschengeld ist gering. Meine Adresse: K K , str. , 5483 Bad Neuenahr."
AMERIKANISCHE PRÄSIDENTEN — VIII Andrew Jackson, der 7. Präsident der Verei nigten Staaten von Amerika war eine der schillerndsten Figuren auf dem Präsidenten stuhl und sicherlich einer der markantesten und profiliertesten Politiker seiner Zeit, auch wenn man ihn nicht unbedingt als großen Staatsmann bezeichnen kann. Jackson machte in seinem Leben im Grunde mehrere Karrieren, und er war immer und überall erfolgreich. Ein Mann von urtümlicher, gewaltiger Energie, starker Ausstrahlung und
ungeheurer Führungskraft. Er war Nachfahre einer schottischen Familie, und wenn man von der sprichwörtlichen Dickschädeligkeit der Schotten redet, so waren Andrew Jacksons Per sönlichkeit und Wesen in starkem Maße von seinem schottischen Erbteil geprägt. 1767 wurde er in South Carolina geboren und verlor während der englischen Besetzung während des Unabhängigkeitskrieges seine Mutter und zwei seiner Brüder. Diese schmerzlichen Verluste und eine auch im übri gen nicht besonders vergnügliche Jugend machten Jackson hart und widerstandsfähig gegen Widrigkeiten jeglicher Art. Er begann ein Jura-Studium und ließ sich nach kurzer Zeit in Salisbury als Rechtsanwalt nieder. Un geduld war ein wesentlicher Zug bei ihm. Be günstigt wurde diese Eigenschaft durch eine große Intelligenz und die Fähigkeit, schnell zu lernen und zu begreifen. Als er sich 1788, einundzwanzigjährig, als Anwalt niederließ, war er bereits ein guter, kenntnisreicher Jurist, der zudem über Bauernschläue, Menschen kenntnis und eine erstaunliche Lebenserfah rung verfügte. Dies führte dazu, daß er rasch zu Wohlstand gelangte und sein Name weit hin bekannt wurde. — Jackson siedelte nach Tennessee über und erhielt dort die Zulas sung als Anwalt am Gericht in Nashville. Auch hier bewältigte er alle Aufgaben glänzend, erregte öffentliches Interesse und wurde schon Anfang der 90er Jahre ins Staatsparla ment gewählt. Gleichzeitig wurde er Offizier der Staatsmiliz von Tennessee und kämpfte furchterregend gegen die Cherokees. Jackson, der glänzende Anwalt, wurde zum hervorra genden Offizier. 1796 wurde er als Abgeord neter in den Nationalkongreß der jungen Ver einigten Saaten gewählt und zwei Jahre später auch Senator von Tennessee. Jackson aber war ein Mann der Tat, der für sich in der Po litik noch zu wenig Möglichkeiten sah. Er war ein junger Mann, der sich politisch noch nicht in dem Maße durchsetzen konnte, um wirk lich etwas bewegen zu können. So legte er seine Ämter nieder und ging nach Tennessee zurück, wo er zum Richter am obersten Ge richt des Staates ernannt wurde. Das war im Jahre 1798, und von Anfang an, stritt Jackson sich mit dem Gouverneur von Tennessee her um, den er 1803 schließlich zum Duell for derte. 1804 mußte Jackson sein Richteramt niederlegen, da er die illegalen Geschäfte ei nes guten Freundes begünstigt hatte, Jackson zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück, zusammen mit seiner Frau ging er auf seine Plantage, die er mittlerweile erworben hatte, und lebte als Baumwoll- und Tabakpflanzer mit vielen Sklaven. Er war einer der wohlha bendsten Mähner des Staates. Aber Jackson
war noch zu jung, um sich zur Ruhe zu setzen, zu aktiv. Er behielt seine Stellung in der Staatsmiliz, und als 1812 der Krieg gegen England ausbrach, setzte er sich im Rang ei nes Generals an die Spitze der TennesseeMiliz und kämpfte erfolgreich gegen die Eng länder — die ansonsten überall auf dem Vor marsch waren — und gegen die mit den Bri ten verbündeten Creek-Indianer. Als die Eng länder in New Orleans landeten, um Loui siana zu erobern, marschierte Jackson mit seinen Truppen südwärts, übernahm das Kom mando über einen Haufen unausgebildete Hinterwäldler und Trapper und schlug in der legendären Schlacht von New Orleans die Engländer am 8. Januar 1815 vernichtend. Jackson, der als einziger gegen die erdrük kende Übermacht nicht aufgegeben und den Sieg mit taktischer und strategischer Überle genheit herbeigeführt hatte, wurde genannt „so hart wie ein Hickory-Baum". Er erhielt den Spitznamen „Old Hickory" und wurde zum Volkshelden. (Wird fortgesetzt!) Bis zur nächsten Woche! Ihre RONCO-/LOBO-Redaktion
Andrew Jackson: Offizier und Politiker. Archiv D. Kügler.
das sonst sein eigenes war. Nun mußte digung sind die Menschen alle nicht er mit einer Vorratskammer Vorlieb eingerichtet. Man dachte, daß sich nehmen, da Custer um das Wohl sei die Indianerunruhen gelegt hätten." ner Untergebenen sehr gesorgt war. „Ich habe sowieso vor, hoch zur Li Man munkelte, daß es seine direkten lian Spring Station zu reiten, Major. Untergebenen gewesen waren, die Dort soll es zu schweren Kämpfen ihm wieder in den Dienst verholfen gekommen sein." hatten, als man ihm gekündigt hatte. „Auch Valley Station ist schlecht Major Godfrey musterte das lange, dran. Ein Mädchen erschien eines blonde Haar des Generals, und man nachts auf dem bloßen Pferderücken sah ihm beinahe an, wie er über die und erzählte, daß sich ihre Eltern sichtbare Eitelkeit Custers dachte. kaum noch halten könnten." Aber nur beinahe. Seine Aufgabe „Valley Station also!" Custer lehn verlangte das von ihm. te sich zurück und lächelte verste „Wenn's nur einen Moment dauert, hend. bitte." Custer wies mit seiner mani „Sie sind auf der falschen Fährte, kürten Hand auf einen Ledersessel General", sagte Godfrey gereizt. Das neben dem Schreibtisch, als ent Gehabe Custers ging ihm auf die schuldige er sich dafür, daß es hier Nerven. „Ich sagte schon, es gehe um nichts Besseres gäbe. alle Siedler, nicht nur um Valley Sta Das ist mein liebster und teuerster tion." Sessel, du eingebildeter Hund, dachte Custers Gesicht wurde ernst. Er der Major und setzte sich schnau strich sich über den mächtigen, röt bend. lich-blonden Schnurrbart. „Ich bin nicht gehalten, mit Ihnen über meine „Worum geht's?" „Um die Siedler flußabwärts, Ge Pläne zu sprechen." „Wenn Sie nicht hoch zu den Sied neral." Godfrey betrachtete den Cor poral, der die zarten Generalsfüß lern reiten, dann werde ich es tun, chen mit einem blütenweißen Ta und wenn das Fort unbewacht zu schentuch trocknete. „Sie sind in rückbleibt, General", sagte Godfrey. „Ich habe das Gefühl, daß es Ihnen Schwierigkeiten." „Denken Sie an einen bestimmten weniger um Menschenleben als um Siedler, Major?" fragte Custer lä Ruhm geht." chelnd. Custer fuhr in die Höhe. „Das geht „Nein", sagte Holon Godfrey und zu weit!" sagte er schneidend. „Sie dachte an seinen Sohn, der jetzt ge überspannen den Bogen, Major. Ich rade auf der Patridge Ranch um sein werde veranlassen, daß Sie aus dem Leben kämpfen mußte. Aber er Dienst..." zwang sich zum Schweigen. „Tun Sie, was Sie wollen, General", „Sie müssen doch jede Menge der sagte Godfrey. Er fühlte sich plötz Rancher hier kennen, Major", sagte lich müde und abgespannt. „Mir ist Custer und entließ den Corporal mit alles egal. Noch etwas wollte ich Ih einer Handbewegung. „Um wen nen sagen: Ich schickte ein Halbblut handelt es sich denn?" Er lächelte zur Patridge Ranch, da einer der charmant. „Sie können es ruhig sa Cowboys in einem ziemlich seltsa gen, jeder Kommandant sagt es mir, men Brief erwähnte, die Rancherin wenn ich seinem Fort zu Hilfe ge habe ihren Mann vergiftet. Das Halbblut sollte nachsehen, ob das der kommen bin." Wir hätten es auch ohne dich ge Wahrheit entspricht oder nicht. Er schafft, dachte Godfrey grimmig, bekommt dafür fünfzig Dollar, falls sagte aber: „Es gibt eine Menge Sied er es überhaupt lebend durch den ler entlang der Overland-Linie. Et Ring der Belagerer geschafft hat. Sie wa fünfzehn Ranches und auch eini können die Frau mitnehmen und ei ge Heimstätter. Zu längerer Vertei nem Richter in Junction abliefern, 37
falls sie unterdessen gestanden hat was ich nicht glaube." Custer kritzelte Notizen auf einen Zettel. „Ist das alles?" fragte er kalt. Godfrey nickte. „Zahlen Sie dem Halbblut die fünfzig Dollars aus, wenn Sie ihn sehen. Er scheint ein verdammt tüchtiger Mann zu sein." Godfrey erhob sich, salutierte mü de und verließ den Raum. In der dunklen, stickigen Vorratskammer angelangt, legte er sich auf die Strohmatratze und schlief ein, daß heißt, er wollte einschlafen. Aber Custers zarte, weißhäutige Füße und das Gesicht seines Sohnes ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.
Lobo spürte warmes Blut an seinen Händen, als er den leblosen Körper unter sich abtastete. Schnell rollte er sich zur Seite. Vor ihm im Zimmer standen Frank Harper, Skunk Hen derson, der seinen Arm hielt, und Christie Patridge wie bizarre Gipsfi guren, erstarrt in einer furchterre genden Szenerie. Aber als Lobo Schritte vor dem Fenster heranhuschen hörte und: „Achtung!" brüllte, kam Bewegung in die Gruppe. Skunk Henderson sah den Schatten vor dem Fenster und riß Christie Patridge mit seinem Ge wicht zu Boden. Frank Harper wir belte herum und zielte mit dem Ge wehr auf das schwach sichtbare Fenster, durch das er undeutliche Schatten sehen konnte. In diesem Moment donnerte es auch schon beim Fenster auf. Mün dungsblitze erhellten die Dunkelheit, jemand schrie, und in der Zimmer wand erschien ein ziemlich großes Loch. Lobo stand vor dem Fenster und nahm der schwankenden Gestalt vor ihm das Gewehr aus den kraftlosen Händen. Dann brach der tödlich ver wundete Indianer zusammen. Das Halbblut starrte einige Sekun den hinaus in die Nacht, dann wand te er sich um. Er reichte das Gewehr 38
Skunk Henderson und setzte sich dann auf einen Sessel. „Was ist geschehen?" fragte er. Christie Patridge erhob sich. Ihr Gesicht war ein weißer Fleck. Mit hölzernen Bewegungen ging sie zur gegenüberliegenden Zimmerwand und setzte sich. „Ich habe ihn erschossen", sagte sie. Ihre Stimme schwankte bedenklich. „Ich - ich konnte nicht anders." „Roy war total übergeschnappt, Lobo", sagte Frank Harper. Sein Ar kansas-Akzent war stärker als je zu vor, daran merkte Lobo die Anspan nung des Cowboys. „Hast du ihn nicht gehört?" fragte Skunk Henderson. „Doch", entgegnete Lobo. „Den Schluß habe ich so einigermaßen mitgekriegt. Und warum das alles?" „Er wollte Christie heiraten und die Ranch übernehmen. Das hat er jedenfalls gesagt." Frank Harper steckte eine Zigarette in den Mund, stockte, und ließ sie wieder zurück in seine Tasche gleiten. „Jetzt hätte ich beinahe mein eigenes Todesurteil unterschrieben", murmelte er, das Streichholz immer noch zwischen den Fingern. „Warum haben Sie Roy die ganze Zeit über gedeckt, Christie?" fragte Skunk Henderson plötzlich. Sie vergrub wieder den Kopf in ih ren Händen. Ihre Stimme klang wie aus weiter Ferne, als sie sagte: „Ich schätze, jetzt ist es Zeit, daß ich spre che. Wir ...", sie stockte, „,.. wir wer den die Nacht nicht überleben, und und ich möchte mein schreckliches Geheimnis nicht mit in den Tod neh men." Die Männer starrten entgeistert die Frau an, die nun den Kopf wieder hob und mit ruhigerer Stimme fort fuhr, als wäre sie erleichtert, daß sie endlich sprechen konnte nach so lan ger Zeit. „Ich - ich habe euch belogen", sagte sie. „Mein Mann ist damals nicht nicht weggeritten, wie ich erzählte. Er hat das Haus nie verlassen." Sie legte eine Pause ein, in der es so
ruhig im Raum war, daß die Männer das sanfte Rauschen der Cotton woods im Hof hören konnten und das leise Knarren des Stuhles, auf dem Christie Patridge saß. „Ich - ich habe ihn getötet!" sagte sie so heftig, daß Skunk Henderson zusammenzuckte. „Warum?" Lobo stand gegen die Wand gelehnt, das Gewehr in der Armbeuge. In der Dunkelheit war nur das Weiße seiner Augen zu se hen. Sie sah aus dem Fenster, vorbei an Lobo, durch die Äste der Bäume auf die Sterne am schwarzblauen Früh lingshimmel. Für einen Augenblick vergaß sie, daß sie in diesem dunklen Raum gefangen war, daß draußen die Indianer warteten, und daß sie nun, da sie ihr quälendes Geheimnis verraten hatte, auch ohne Indianer keine Freiheit mehr besaß. Weiß oder Rot, ihr Schicksal war besiegelt, aber nun, da sie die Sterne sah, fühlte sie sich frei. So frei wie seit Wochen
nicht mehr. „Warum?" wiederholte Lobo sanft. „Ich liebte ihn nicht, und er wußte es. Aber er sah nicht ein, daß ich ihn selbst nach hundert Jahren noch nicht hätte lieben können." Sie sah immer noch hinauf in den Himmel, und die scharfen Linien ihres Ge sichtes lockerten sich, die Lippen wurden voller und weicher, wie die Männer noch nie gesehen hatten. „Er dachte, daß Liebe etwas sei, das man sich erobern konnte. Er wuß te, daß mein erster Mann mich ohne Geld zurückgelassen hatte und daß ich nicht wußte, wie ich die nächsten Wochen überleben sollte. Also heira tete ich." „Patridge war ein guter Mann", sagte Skunk Henderson sehr ernst. „Ich weiß." Sie nickte und wandte den Kopf. „Ich wollte, ich könnte weinen, aber ich kann nicht." „Wo ist er?" fragte Skunk Hender son. „Mein Mann?"
39
„Ja." „Ich begrub ihn nachts im Garten." Ihre Stimme klang kraftlos, aber sie weinte nicht. „Konnten Sie nicht einfach weg reiten?" fragte Frank Harper. „Muß ten Sie ihn gleich töten?" „Er ließ mich nicht. Er sagte, daß er die Ranch für mich aufgebaut habe und daß er nicht zuließe..." „Sie haben einen Mann getötet, der Sie liebte!" Skunk Hendersons Au gen funkelten wütend. „Ich wußte nicht mehr, was ich tun sollte. Es gab keinen anderen Weg für mich." Sie schlug die Augen nie der. „Ich weiß, daß ich ein Verbre chen begangen habe, Will, und jetzt und jetzt bin ich froh, daß dieser schreckliche Alptraum endlich vor bei sein wird." „Wir schaffen es schon", sagte Frank Harper leise. „Die Indianer können ja nicht ewig angreifen." „Sie werden nicht aufgeben." Es war Lobo, der das Schweigen nach Harpers Worten brach. „Morgen früh kommen die Brandpfeile, und dann können wir hier einpacken." „Brandpfeile!" Skunk Hendersons Finger krampften sich um den Schaft seines Gewehres. Seine Hand blutete immer noch. „Vielleicht irrst du dich, Lobo, und die ziehen ab", sagte Harper. Lobo schüttelte den Kopf. „Roy hatte recht. Tall Bulls Stolz ist ver letzt worden, und er gibt nicht eher auf, bis er meinen Skalp hat. Mit ihm habe ich's gründlich verdorben!" „Was sollen wir tun? Wir alle wol len nicht, daß er seine Wut an dir ausläßt. Wir halten zu dir, denn jetzt sitzen wir alle in einem Boot." Lobo grinste. „Danke, Frank", sag te er. „Aber ich habe auch schon eine Idee, wir wir Tall Bull einen Strich durch die Rechnung ziehen können." „Wie?" Lobo trat zum Fenster und sah hinaus. Vom Fluß zogen schwache Nebelschwaden auf. Wie Schleier legten sie sich auf das Büffelgras der Weiden, krochen um die vom Wind 40
gekrümmten Baumstämme auf die Ranch zu. „Wir müssen von hier verschwin den", sagte Lobo leise. „Wann?" „Noch in dieser Nacht." Lobo sah, wie der Nebel langsam das entfernte Glimmen der Feuer einhüllte. „Wir müssen warten, bis der Nebel am dichtesten ist." „Das schaffen wir nie!" Frank Har per trat neben das Halbblut. „Im Ranchhaus noch viel weniger. Das Holz ist so verdammt trocken, daß es zwei Brandpfeile an der rich tigen Stelle in Flammen aufgehen lassen. Und ich ziehe es vor, von einer Kugel getötet, anstatt bei lebendigem Leib vom Feuer geröstet zu werden." „Wer sagt denn, daß die Kerle Brandpfeile benützen wollen?" frag te Skunk Henderson. Lobo grinste dünn. „Wir haben es leider mit Tall Bull zu tun, und er ist bekannt dafür, daß er nichts unver sucht läßt. Mit mir schon gar nicht." Die Cowboys schwiegen. Lobo fragte sich, was in den Köpfen der Männer vorging. Ob sie dasselbe dachten wie Roy, der es offen gesagt hatte, bevor die Angst und der Wahnsinn ihn gepackt hatten? Wahrscheinlich aber lag es daran, daß die Männer wußten, daß sich nun nichts mehr ändern würde, selbst wenn sie Lobo vor die Tür setzten. Lobo erwartete keine Freund schaft. Zu genau kannte er das Ver hältnis Weißer zu einem Halbblut wie ihm. Solange er arbeitete und es keine Schwierigkeiten gab, war alles in Ordnung. Aber die Schwierigkei ten kamen, früher oder später. Mei stens früher. Das war der Zeitpunkt, an dem die Weißen sich darauf be sannen, daß sie weiß und besser wa ren, eine Wahrheit, die man ihnen schon mit der Muttermilch eingege ben hatte und von der sie sich nicht mehr losreißen konnten. Es gehörte zur Erziehung der Weißen, sie vor al len Menschen zu warnen, die sich in Hautfarbe und Weltanschauung von
ihnen unterschieden. Das war die Krankheit der Vereinigten Staaten, das Geschwür, das von Jahr zu Jahr anschwoll und die Menschen ihren größten und schönsten Grundsatz vergessen ließ: die Freiheit. „Es ist unsere einzige Chance", sag te Lobo nach langen Minuten, in de nen kein Geräusch die Stille gebro chen hatte. „Wenn wir im Haus blei ben, schaffen wir es nicht." „Und wohin?" fragte Frank Har per. Lobo ging zum Tisch und setzte sich. „Ich kenne mich nicht beson ders gut hier aus." „Fort Wicked?" „Nein." Lobo verschränkte die Ar me hinter dem Kopf und starrte an die Decke. „Fort Wicked war seit Ta gen belagert, als ich vorbeikam. Wenn kein Wunder geschehen ist, dann hat sich dort nichts geändert." „Sioux?" fragte Henderson düster. „Mehr als hundert Krieger. Wir kommen niemals an ihnen vorbei." „Was ist mit Valley Station, Frank?" meldete sich Skunk Hen derson. Frank Harper zuckte mit den Schultern. „Valley Station, Washing ton Ranch, Lillian Spring, es gibt je de Menge Orte, in denen wir vor den Indianern Zuflucht finden können. Aber das Problem ist, ob wir es über haupt zehn Yards über die Tür schwelle schaffen." „Das werden wir noch früh genug merken." Lobos Stimme zeigte nicht, daß er selbst die Situation kaum bes ser als die Cowboys einschätzte. „Welche Ranch ist am nächsten?" „Kelly's Station", antwortete Skunk Henderson. „Sie grenzt an un sere Westweide, der Pawnee Creek mündet dort in den South Platte." „Wer lebt dort?" „Kelly, ein alter Haudegen, und sein Sohn mit einer jungen Frau." „Nur drei Personen? Auf einer Sta tion der gottverdammten Over land-Linie!" Lobo beugte sich vor. „Das ist reiner Wahnsinn." „Die Overland-Linie hält nur noch
selten auf Kelly's Station. Fünfzehn Meilen flußabwärts ist Valley Sta tion, und dort gibt es sogar zwei Räu me für Gäste, die übernachten wol len. Kein Wunder, daß alle bei der Valley Station halten." „Aber ich bin dafür, daß wir es bei Kelly versuchen", sagte Lobo. „Fünf zehn Meilen kann unseren Tod be deuten, wenn wir die Indianer auf den Fersen haben." Harper nickte. „Richtig." „Aber wer sagt uns, daß Kelly nicht schon lange von den Indianern bela gert und getötet worden ist?" fragte Lobo. „Zwei Männer und eine Frau können nicht viel gegen zwanzig Krieger ausrichten." „Oh, Kelly ist ein stahlharter Großvater. Als vor einem Jahr zwei betrunkene Pawnees auf seiner Sta tion randalierten, hat er sie sich ge schnappt, einen rechts, den anderen links, und dann hat er ihnen die Köp fe gegeneinander geschlagen, daß die Kerle zwei Tage lang nicht mehr zu sich gekommen sind." Lobo grinste. „Das klingt nicht schlecht." „Kelly hat mehr Indianerkriege überstanden als wir alle zusammen. Er kam als einer der ersten Siedler hierher, und im Dakota-Territorium war er der erste überhaupt", erzählte Henderson. „Okay, versuchen wir es mit ihm." Lobo ging wieder zum Fenster, nach dem er Roys leblosen Körper zur Sei te gerückt hatte. „In einer halben Stunde ist der Ne bel am dichtesten. Dann versäumen wir besser keine Zeit mehr." Er wandte sich an Christie Patridge, die das ganze Gespräch über schweigend auf dem Stuhl gesessen hatte. „Chri stie, wir packen einige Lebensmittel in einen Beutel. Trockenfleisch, ein paar Speckschwarten und Büchsen, dann noch Brot und Zwieback. Was ser werden wir schon finden." Sie nickte und ging wortlos hin über in die Küche. Die Männer hör ten sie im Dunkeln Schubladen auf ziehen, Papier knisterte. 41
„Wie steht es mit Munition? Müs sen wir Kugeln gießen, oder haben wir genug?" Henderson ging zum Wand schrank, in dem Gewehre lehnten. Er nahm mehrere Schachteln und stell te sie auf den Tisch. Sorgfältig füllte er die leeren Schlaufen in seinem Gürtel auf. Lobo und Frank Harper taten es ihm nach. Danach waren noch drei volle Munitionsschachteln übriggeblieben. Hundertfünfzig Schuß Randfeuerpatronen, die in sämtliche Waffen paßten. „Das sollte genügen", sagte Lobo zufrieden. „Wenn es hart auf hart kommt, dann werden wir sowieso keine Zeit mehr haben, hundertfünf zig Schüsse abzugeben." „Optimist", sagte Skunk Hender son grinsend. Auch Frank Harpers Gesicht hellte sich etwas auf. Lobo war froh, daß es bald losging. Sobald Männer eine Aufgabe hatten, vergaßen sie Streitigkeiten, Mei nungsverschiedenheiten und - und die Hautfarben. „Ich werde Holon benachrichti gen", sagte Lobo. „Kümmert euch in der Zwischenzeit darum, daß wir im Notfall sofort aufbrechen können." Geschmeidig schwang er sich über das Fensterbrett und federte auf dem Boden ab, ohne das geringste Geräusch zu verursachen. Er blieb stehen und versuchte, den nun dich ter werdenden Nebel mit seinen Blicken zu durchdringen. Nach wenigen Sekunden ging er los in Richtung auf das Bunkhaus. Sorgfältig vermied er Äste, die auf dem Boden lagen. Milchig grau wog te der Nebel, einige Male dachte Lo bo, eine vorbeihuschende Gestalt ge sehen zu haben, aber dann waren es nur Büsche, denen die Nacht und der Nebel die verrücktesten Formen ge geben hatten. Als er sich auf halbem Weg um drehte, war das Ranchgebäude nicht mehr zu sehen. Rechts von ihm er kannte er den mannshohen Erdhü gel, unter dem die Vorratskammer lag. Dahinter, schemenhaft, das 42
Holzhäuschen, dessen Benutzung zur Zeit etwas schwierig sein dürfte. Lo bo grinste beim Gedanken an Tall Bull, falls dieser mitten in der Nacht von seinen Kriegern im Häuschen angetroffen würde. Dann aber riß ein leises Geräusch Lobo aus seinen Gedanken. Als er sich umdrehte und den Colt ziehen wollte, war es schon zu spät. Ein Schlag traf ihn voll gegen die Brust und riß ihn von den Füßen. Er spürte heißen, keuchenden Atem gegen sein Gesicht. Ein matt glänzender Gegen standtanzte über ihm durch die Luft, und Lobo konnte den rechten Unter arm gerade noch hochbringen, als das Messer niederfuhr. Der kalte Stahl ritzte seine Haut an der Schul ter auf, ohne ihn außer Gefecht zu setzen. „Holon!" brüllte er, bevor sich zwei rauhe Hände von hinten auf seinen Mund preßten.
Holon Godfrey schrak auf, als er seinen Namen hörte. Es war Lobos Stimme, und sie kam vom Hof. Ohne zu überlegen, rannte er los, stürmte aus dem Bunkhaus, dessen Tür offenstand. Eine kleine Gestalt wuchs vor ihm aus dem Nebel. Holon sah das Fun keln in den Augen, und der Indianer wollte ausweichen, aber der mächti ge Cowboy stampfte wie ein wildge wordener Büffel auf ihn zu, ohne sei ne Schritte zu verlangsamen. Ein einziger Schlag Holons genügte, sei nen Angreifer mehrere Fuß weit durch die Luft zu wirbeln. Mit einem dumpfen Laut krachte der Indianer auf die Erde und blieb regungslos liegen. Holon hörte unterdrücktes Stöh nen, wenige Schritte vor ihm im Ne bel. Sofort rannte er darauf zu. Er prallte beinahe gegen einen Baum, wich seitlich aus und stolperte über mehrere Männer, die lautlos am Bo den kämpften. Holon brach sich beinahe die Knie,
als er fiel, doch er achtete nicht dar auf. Sofort beugte er sich über die drei Gestalten. Ein Indianer kniete auf Lobos Brust und hob gerade die Hand zum Schlag, da hob ihn Holon mühelos auf, schwang ihn über sei nen Kopf und warf ihn gegen den Baumstamm neben sich. Der India ner rutschte am Stamm hinunter und blieb still liegen. Ein dritter Indianer sprang Holon von hinten an. Der Cowboy hatte Glück, denn er bekam sofort die Messerhand zu packen und warf sich den Krieger über die Schultern, ohne die Hand loszulassen. Dann schlug er mit der Faust gegen das Kinn des stöhnenden Angreifers. Als er sich Lobo zuwendete, erhob sich dieser gerade auf die Knie. Er hielt einen Indianer um den Brust korb, hatte seine Hände auf dem Rücken des Mannes verklammert und drückte mit den letzten Kräften zu, die der Kampf ihm gelassen hatte. Der Krieger versuchte, sich aus dem Griff zu lösen, aber urplötzlich brach sein Widerstand, und er sackte in Lo bos Armen zusammen wie eine Ma rionette, deren Fäden gerissen wa ren. Lobo saß heftig atmend auf dem Boden. Aus seinem rechten Ärmel rann ein dünner Blutfaden. Aber er lächelte. „Danke", sagte er. Holon reichte ihm die Hand. „Komm, hier wimmelt es nur so von den Kerlen." Er zog Lobo auf die Bei ne. Das Halbblut hob seinen Hut auf und sah sich um. Aber kein weiterer Angreifer wurde von der unmerk lich dichter werdenden Nebelwand ausgespuckt. „Wohin?" fragte Holon leise. „Zum Ranchhaus?" „Nein." Lobo deutete nach rechts. „Wir müssen zum Stallgebäude. Hof fentlich sind die Pferde noch da." „Das wäre ein Wunder", flüsterte Holon Godfrey und schüttelte den Kopf. „Das ist genau, was wir jetzt
brauchen", sagte Lobo mit einem Grinsen. „Komm." Vorsichtig gingen sie durch den Nebel. Schemenhaft tauchte die Vor ratskammer neben ihnen auf. Lobo bedeutete dem Cowboy, auf ihn zu warten. Dann schlich er die Stufen hinunter und verschwand in dem Keller. Als er wieder herauskam, trug er mehrere Würste. „Was willst du mit den verdamm ten Würsten mitten in der Nacht?" fragte Holon. „Ich bin dafür, wir ver schwinden so schnell wie möglich im Bunkhaus. Es wimmelt hier nur so von Rothäuten." Lobo hielt die Würste in der linken Hand und fuchtelte mit ihnen vor Holons Nase. „Wir nehmen die Pfer de und verschwinden", erklärte er.
43
„Wer?" „Wir alle natürlich. Hier überleben wir den Morgen nicht mehr." „Wohin?" Man sah Holon an, daß er mit der Idee nicht sehr einverstan den war. „Kelly's Station." „Das sind fast zwanzig Meilen." „Und wenn es hundert verfluchte Meilen wären, wir müßten es trotz dem versuchen." Holon starrte Lobo nachdenklich an. Dann nickte er. „Du kennst dich mit Indianern besser aus als ich. Aber was ist, wenn die Pferde nicht mehr da sind?" „Dann laufen wir." Die Antwort kam so schnell und si cher, daß Holon lachen mußte. „Wenn's einem Mann wie dir so un ter den Füßen brennt, dann muß es schon höllisch schlecht aussehen, Lo bo", sagte er dann mit ernster Stim me. Lobo nickte. „Und jetzt komm schon!" Die Männer gingen weiter. Zwan zig Schritte später blieb Lobo stehen. „Das dort ist doch der Werkzeug schuppen, nicht wahr?" Er deutete mit den Würsten auf einen schwach sichtbaren Schatten im Nebel. Holon kniff die Augen zusammen. „Ja." „Gibt es Dynamit darin?" „Dynamit?" Holon musterte das Halbblut, seine Miene hellte sich auf. „Natürlich gibt es Dynamit im Schuppen. Warum bin ich nicht selbst auf die Idee gekommen!" Er ging los und hatte das kleine Holzge bäude schon fast erreicht, da hielt Lobo ihn am Arm zurück. „Still!" flü sterte er. Die Männer horchten. Leise Ge räusche erklangen in der Nacht, ver fälscht durch den Nebel. Es tönte wie fernes Murmeln. „Jemand ist im Schuppen!" zischte Holon erregt. „Es ist besser, wir ver gessen das Dynamit!" „Nein." Lobo ging langsam um das Gebäude. Er sah Licht durch einen Spalt im Holz fallen. Zufrieden nick 44
te er. Holon sah, wie das Halbblut vor der angelehnten Tür stehenblieb und seinen Colt überprüfte. Der mächti ge Cowboy gab sich einen Ruck und schlich sich neben Lobo. „Ich kann dich doch nicht im Stich lassen!" murmelte er so leise, daß selbst Lobo ihn nicht hörte. Und dann, die Würste immer noch in der Hand, rannte Lobo mit voller Wucht gegen die Tür, warf sie aus den Angeln, und das plötzlich auf gleißende Licht beleuchtete drei In dianer, die im Raum standen und ei ne Büchse betrachteten. Sie wirbel ten herum, einer von ihnen hob die Waffe, die er in der Hand gehalten hatte. Da war Lobo auch schon heran. Mit den Würsten in seiner linken Hand schlug er dem mittleren India ner die Waffe aus der Hand. Gleich zeitig schlug er ihm den Revolver lauf gegen den Kopf und begrub den Krieger links von ihm mit seinem Gewicht. Holon Godfrey ließ nicht lange auf sich warten. Er packte den rechten Indianer und schlug ihm die Faust gegen die Stirn. Der Indianer sackte zusammen, ohnmächtig durch den Hieb. Der mittlere stand noch, eine Hand gegen den Hals gepreßt, während er Holon, der gerade mit seinem Freund beschäftigt war, die Faust gegen das Kinn hämmerte. Holon schüttelte nur den Kopf und ließ von seinem unterdessen ohn mächtigen Gegner ab. Er hob den mittleren Indianer mit beiden Hän den hoch über den Kopf und warf ihn dann wie einen Sack Kartoffeln auf den Boden aus festgestampftem Lehm. Und damit war der Kampf been det. Lobo richtete sich gerade wieder auf. Der Indianer, auf dem er gelegen hatte, würde erst in mehreren Stun den wieder zu sich kommen. Kein einziger Schuß war gefallen, und au ßer dem dumpfen Knallen der Hiebe hatte kein Geräusch die Stille durch
brochen. Lobo schickte Holon nach draußen, während er nach dem Dynamit suchte. Schließlich fand er einen nied rigen Karton mit mehreren Stan gen darin. Er klemmte ihn sich unter den Arm, löschte das Licht und stürmte hinaus ins Freie. Holon erwartete ihn. Sie hasteten durch die Nacht, so schnell der Nebel es ihnen erlaubte. Endlich tauchte das Stallgebäude vor ihnen auf. Wie auf ein geheimes Kommando stoppten die Männer. Minutenlang verharrten sie in abso lutem Schweigen. Nichts rührte sich. Lobo ging als erster. Er öffnete so leise wie möglich den Eisenriegel am Gatter und zog dann die mächtige Tür auf. Die Pferde waren noch da. Lobo hörte leises Schnauben in der Dun kelheit. Er betrat den Stall und ging von Box zu Box, löste den Tieren das ge drehte Hanfseil und legte ihnen Zaumzeug um und die Sättel auf. Am Schluß kümmerte er sich um sein Pferd. Fast zehn Minuten waren vergan gen, in denen er verbissen gearbeitet hatte. Er führte das erste Pferd zur Tür und drückte dem nun stark schwitzenden Holon die Zügel in die Hand. Dann das zweite und dritte Pferd. „Soll ich auf dich warten, Lobo?" „Geh schon, aber sei vorsichtig. Paß auf, daß man dich nicht für ei nen Indianer hält, wenn du vor das Fenster trittst." Holon ging los. Sehr langsam führ te er die Pferde über den Hof. Das Hufgetrappel in der Stille hallte übernatürlich laut in seinen Ohren. Ich hätte den Viechern Stofflappen um die Hufe wickeln sollen! dachte er flüchtig. Aber jetzt war es zu spät. Er war schon bei der Vorrats kammer. Du bildest dir nur ein, daß die verdammten Hufe zu laut sind, dachte er und wünschte, er könnte es glauben. Lobo folgte nicht weit hinter ihm.
Er hatte die Dynamitpatronen in sei ne Satteltasche gesteckt, griffbereit, denn er hatte das Gefühl, daß er sie wahrscheinlich bald benutzen wür de. Immer wieder drehte er sich um. Der Nebel wirbelte träge über den Hof, zerstreute sich und wurde Se kunden später wieder so dicht, daß er kaum die Hand vor Augen sehen konnte. An der Vorratskammer angelangt, sah er sich um. In diesem Moment schlich eine zusammengekrümmte Gestalt aus dem Gebäude, sah ihn und begann laut einige unverständ liche Worte zu brüllen. Matt schim merte das Metall in der Hand des In dianers, als er die Waffe hob. Lobo knickte in der Hüfte ein, und sein Colt sprang wie von selbst in sei ne Hand. Zweimal drückte er ab, und der Indianer wurde gegen die Bret terwand getrieben. Jetzt hatte Stille keinen Sinn mehr. Die Krieger konnten jede Sekunde den Hof erreichen, und gegen eine Übermacht konnte Lobo bei diesem Nebel nichts ausrichten, schon gar nicht mit drei Pferden, die sein Sichtfeld beschränkten. Er schwang sich mit einem einzi gen Satz auf den Rücken seines Pfer des. Dann trieb er es quer über den Hof zum Haus, die anderen Tiere hinter sich her ziehend. Beim Fenster traf er auf Holon, der ihm mit schneeweißem Gesicht ent gegensah. „Was ist passiert?" fragte er und senkte seine Waffe. „Später! Wir müssen weg!" Lobo war schon aus dem Sattel und flank te über das Fensterbrett. „Nehmt den Proviant, los!" Er packte Christie Pat ridge und wollte sie zum Fenster ziehen. Sie sträubte sich. „Was ist los?" herrschte er sie an. „Wir können keine Zeit mehr verlie ren!" „Ich bleibe hier!" sagte sie und schlug seine vor Erstaunen kraftlo sen Hände zur Seite. „Was?" Sie wich zurück und packte das 45
Gewehr, das hinter ihr an der Wand lehnte. Die Mündung richtete sich auf Lobo, der sie entgeistert anstarr te. „Geht!" sagte sie heiser. „Geht, schnell!" Das Gewehr in ihren Hän den zitterte. „Das ist nicht der geeignete Mo ment, um Theater zu spielen", sagte Lobo. „Das ist kein Theater, Lobo. Das ist meine Entscheidung. Dazu habe ich mich entschieden." Sie lachte leise. „Ich bleibe hier und kämpfe. Viel leicht kann ich die Indianer einige Minuten aufhalten, während ihr wegreitet. Ich bin es leid, Theater zu spielen. Jetzt wißt ihr die Wahrheit über mich. Vielleicht versteht ihr, weshalb ich nicht wegrenne, sondern kämpfen will. Ob ich nun durch die Hand eines Indianers oder die eines weißen Henkers sterbe, ist egal. Ich ziehe den schnellen Tod vor. Jetzt und hier in meinem Haus." Holon streckte den Kopf in den Raum. Draußen vor dem Fenster hatte er Christie Patridges Worte nicht hören können. „Worauf wartet ihr noch, ver dammt!" zischte er. „Die Indianer sind im Anmarsch!" „Geh jetzt!" befahl Christie Patrid ge ungeduldig. „Ich will nicht, daß meinetwegen noch größeres Un glück geschieht. Einige Minuten hal te ich es schon noch hier aus, bis da hin seid ihr längst..." Sie beendete den Satz nicht, denn Lobo hatte ihr das Gewehr aus den Händen geschlagen und die Faust nicht gerade sanft an das Kinn ge setzt. Mit einem leisen Seufzer brach sie zusammen. Lobo fing die ohn mächtige Frau auf, bevor sie den Bo den erreichte. „Weibergeschwätz!" fluchte er, als er zum Fenster eilte und Holon God frey, der ihn mit Unverständnis in den aufgerissenen Augen betrachte te, die regungslose Frau in die Arme legte. „Kümmer dich um sie!" befahl Lo bo. Er flankte aus dem Fenster, lief 46
zu seinem Pferd, wühlte in der Sat teltasche und rannte mit einem Ge genstand zurück zum Haus. Frank Harper und Skunk Hender son wichen vor dem heranstürmen den Halbblut aus. „Was hat er denn?" fragte Henderson. Frank Harper spuckte aus und wischte sich über den Mund. „Weiß nicht", sagte er. „Ich weiß nur, daß ich mich auf den Sattel schwinge und so schnell wie möglich wegreite. Der Boden unter meinen Füßen ist ver dammt heiß." „Lobo, mach schon!" rief Skunk Henderson unterdrückt, als er auf seinem Pferd saß. Neben ihm hatte Holon Godfrey gerade Christie Pat ridge auf ihr Pferd gebunden. Aus den Nebel drangen erregte Stimmen und Schritte, die immer näher ka men. Die drei Cowboys starrten in die Richtung, aus der die Indianer je de Sekunde auftauchen konnten. Sie hatten ihre Gewehre schußbereit in den Fäusten. Endlich kam Lobo aus dem Haus, diesmal durch die Tür. Er ließ sie an gelehnt und lief in höchster Eile zu seinem Pferd. Holon trieb sein Tier an und hielt die Zügel des zweiten Pferdes, auf dem Christie Patridge lag. Skunk Henderson und Frank Harper folg ten ihm. Lobo legte beide Hände auf sein Sattelhorn und stieß einen gellenden Schrei aus. Sein Pferd galoppierte los, Lobo lief wenige Schritte neben ihm her, dann warf er die Beine nach vorne und stemmte die Absätze in den Boden. Durch den Schwung wurde er hoch in die Luft geworfen, und er landete im Sattel seines Pfer des, ohne auch nur eine Sekunde ver loren zu haben. In scharfem Tempo ritt er hinter den Cowboys her, die sich selbst im dichtesten Nebel ohne Schwierigkei ten zurechtfanden. Als er sich kurz darauf im Sattel umdrehte, sah er die Umrisse des Ranchhauses nur noch schemenhaft. Und er erkannte gerade noch die
dunklen Gestalten, die durch den Nebel darauf zuliefen. Zufrieden grinsend ritt er weiter. Für den Moment waren sie in Sicher heit. Hinter ihnen erreichten die ersten Krieger das Haus. Ohne Zögern rannten sie darauf zu, einige hechte ten über das Fensterbrett des Wohn zimmers, andere stürmten durch die Tür. Bevor sie sich noch über die Stille wundern konnten, und was wohl mit den Weißen geschehen war, erreichte das Feuer der Lunte die Dynamitpatronen, die mitten im Zimmer unter dem Tisch lagen. Die Explodion war gewaltig. Stich flammen färbten den Nebel gelblich, dann ließ die Druckwelle das Ranch haus mehrere Yards durch die Luft fliegen, während Holzsplitter auf dem ganzen Hof niedergingen. Die Hauswände brachen auseinander, und selbst das Stallgebäude wurde von der Druckwelle eingerissen. Mit vor Wut und Enttäuschung zu sammengekniffenen Augen stand Tall Bull im Hof und sah auf die Zer störung und auf seine verletzten Krieger. Daß ein Holzstück seinen Arm aufgerissen hatte, bemerkte er gar nicht. Langsam hob er die Faust und stieß sie in den Nachthimmel, in dem der Nebel von den yardhoch schlagen den Flammen erleuchtet war. Und über das Brüllen des Feuers und die Schreie seiner Krieger hinweg don nerte der Fluch, den er gegen Lobo ausstieß. Weniger als eine halbe Stunde spä ter verließ Tall Bull an der Spitze seiner Krieger den niederbrennen den Hof. Zurück ließ er vier Tote und sechs verletzte Krieger, um die sich einige alte Squaws kümmerten, die er hatte kommen lassen. Er würde nicht eher ruhen, bis Lo bo tot vor ihm am Boden lag. Tall Bull war sicher, daß das Halbblut seinen Sohn getötet und das Dynamit im Haus versteckt hatte. Dafür sollte
Lobo büßen, und mit ihm die weißen Männer, die ihn geschützt hatten. Sie waren noch keine zehn Meilen weit, da strauchelte Skunk Hender sons Pferd und fiel. Der Cowboy überrollte sich mehrmals am Boden und kam fluchend wieder auf die Beine. Stark humpelnd ging er zu rück zu seinem Tier. Das Pferd hatte sich den Knöchel gebrochen. Skund Henderson zog seinen Colt. Als er ihn mit zusammengepreßten Lippen an den Hals des Tieres hielt, sprang Lobo aus dem Sattel und zog seine Hand zurück. „Nicht mit dem Colt", sagte er ru hig. „Die Indianer haben verdammt gute Ohren." Skunk Henderson nickte. „Geh schon vor. Ich erledige das
für dich." Lobo wußte, wie dem Cow boy zumute war. Es gab nichts Schlimmeres, als sein Pferd zu ver lieren. „Danke." Henderson humpelte zu den anderen, die mit starren Mienen darüber nachdachten, wie sie es nun bis zu Kelly's Station schaffen soll ten. Lobo kam zurück. Er wischte sich sein Messer an den Hosen ab und steckte es zurück in seinen Stiefel schaft. „Wir können zu zweit auf meinem Tier reiten. Du bist nicht be sonders schwer, Will." „Okay." Der Cowboy zog sich mit schmerzverzerrtem Gesicht hinter Lobo in den Sattel. Sie mußten ihr Tempo verringern. Lobos Pferd war stark und ausdau ernd, aber das Halbblut wollte nicht, daß es vorzeitig die Kräfte verlor. 47
Wenn er sich nicht sehr täuschte, Christie Patridge losband. Sie stand dann waren sie bald auf die Schnel eine Weile schwankend da und rieb ligkeit ihrer Pferde angewiesen. Vor sich die schmerzenden Glieder. Dann allem wußten die Männer, daß kein gab sie Lobo völlig unerwartet eine Pferd ein Indianerpony an Ausdauer schallende Ohrfeige. übertreffen konnte. Die Ponys wa „Die haben Sie sich verdient!" sagte ren nicht sehr schnell, aber dafür sie kleinlaut, selbst ein wenig er konnten sie unglaubliche Entfer schrocken über ihre Tat und in Er nungen zurücklegen, ohne an Kraft wartung seiner Reaktion. zu verlieren. Aber Lobo warf nur den Kopf in Der Nebel wurde dünner. Immer den Nacken und lachte. Die Männer schneller wuchs das Sichtfeld der stimmten ein. Für wenige Sekunden Cowboys, und bald konnten sie selbst vergaßen sie darüber ihre hoff die Cottonwoods des entfernten South nungslose Situation, die Indianer hinter ihnen und den langen Weg vor Platte erkennen. Eine halbe Stunde, nachdem ihnen. Skunk Hendersons Pferd gestrau Dann aber schwangen sie sich wie chelt war, drehte Lobo sich im Sattel der auf ihre Pferde und ritten los. um. Weit hinter ihnen stieg eine Sie folgten dem Flußlauf. In sanf dunkle Rauchwolke in den heller ten Schleifen wand der South Platte werdenden Morgenhimmel auf. Der sich durch die Niederungen, teilte letzte Nebel verflüchtigte sich in den sich und umspülte flache, grasbe Flußniederungen, lange bevor die wachsene Inseln. Waschbären, von Sonne aufging. den Reitern aufgescheucht, huschten Christie Patridge erwachte aus ih durch die Büsche und das Unterholz. rer Ohnmacht. Minutenlang lag sie Am anderen Ufer stand eine Antilo still auf ihrem Pferd und konnte sich penfamilie und flüchtete in langen nicht erinnern, was geschehen war Sätzen, als sie die Witterung der und wo sie sich befand. Dann aber Männer aufnahm. verlangte sie lautstark, losgebunden „Seid ihr sicher, daß das der kür zu werden. zeste Weg zu Kelly's Station ist?" „Nur, wenn Sie versprechen, sich fragte Lobo nervös. ruhig und vernünftig zu verhalten", Holon Godfrey spuckte in weitem meinte Lobo. Bogen aus. „Der kürzeste Weg ist es „Ich — ich hasse Sie!" Christie Pat nicht, aber der schnellste." ridge hatte Tränen in den Augen. „Sicher?" Tränen der Wut und Enttäuschung. „Ziemlich." „Dann binde ich Sie eben nicht los." „Hoffentlich genügt uns das ,ziem Lobos Stimme klang gleichgültig. lich', Holon." Lobo wandte sich um. Minutenlang sagte sie nichts. Sie „Bis zu Kelly schaffen wir es, keine lag mit dem Gesicht zum Boden quer Sorge." auf dem Sattel, eine Stellung, die al Lobo deutete mit dem Daumen les andere als bequem sein mußte über die Schulter. „Dreh dich mal und aus der sie die Gesichter der um, Holon", sagte er mit seltsamer Männer nicht sehen konnte. Stimme. „Binden Sie mich los, bitte!" sagte Sämtliche Männer und Christie sie endlich. Patridge wandten sich um. Und sie „Ich will Ihr Wort, daß Sie nicht alle konnten deutlich die kleinen wieder auf diese idiotischen Ideen dunklen Punkte hinter ihnen auf der kommen!" Prärie ausmachen. Wie ein riesiger, „Na gut!" Lobo hörte ihr an, wie lebender Fächer kamen die Indianer ungerne sie das Versprechen gab. hinter ihnen her, und an den Staub Die Männer grinsten sich an, wäh wolken konnte man erkennen, daß rend Lobo aus dem Sattel glitt und sie ein scharfes Tempo eingeschla 48
gen hatten. Wie viele Indianer es waren, konn ten die Cowboys nicht genau fest stellen. Aber an der genauen Zahl lag ihnen auch gar nichts. Sie sagten sich ganz richtig, daß es kein Unterschied war, ob nun dreißig oder hundert Krieger hinter ihnen ritten. Am En de kam doch alles aufs gleiche her aus. „Was sagtest du gerade, Holon?" fragte Lobo trocken. Der Cowboy war weiß unter der von der Sonne gebräunten Haut. „Nichts", sagte er. „Gar nichts." Aber keiner der Cowboys hatte noch den nötigen Humor, um auch nur zu lächeln.
sorgfältig. Mit dem ersten Schuß brach das Pferd des nächsten Indianers zu sammen. Der Krieger wurde durch die Luft gewirbelt und blieb in einer Staubwolke liegen. Skunk Hender son stieß einen Schrei aus und legte erneut an. Mit der nächsten Kugel holte er ei nen Krieger aus dem Sattel. Wüten des Gebrüll der Indianer war die Antwort. Nicht mehr als zwanzig Yards trennte Lobos Pferd von den nächsten Verfolgern. Noch drei Pferde brachen mitten im Galopp zusammen, als Skunk Henderson seinen Colt leerte. Der Cowboy schrie den Indianern die
Die Indianer holten auf. Ziemlich schnell wurden aus den dunklen Punkten schattengleiche Gestalten, die tief über ihre Ponys gebeugt über die Prärie flogen. Die unbeschlage nen Hufe trommelten hämmernd hinter den Cowboys heran, kamen unaufhaltsam näher und näher her an, während die Tiere der Verfolg ten das Letzte an Kraft gaben, was noch in ihnen steckte. Weißer Schaum wirbelte in dichten Flocken auf die Kleider der Cowboys, wäh rend hinter ihnen die Schreie lauter wurden und schon die ersten Schüsse krachten. Lobo war besorgt um Christie Pat ridge, doch die Frau ritt nach Män nerart, ohne die geringsten Schwie rigkeiten, tief über den Hals des Hengstes gebeugt. Ihre langen Haare flatterten im Wind, und sie drehte sich selbst dann nicht um, als eine Kugel knapp über ihre Schulter fuhr und ihr Kleid dabei aufriß. Skunk Henderson, der bisher dicht an Lobos Rücken geklammert hinter dem Sattel gekauert hatte, lockerte plötzlich seinen Griff. In vollem Tempo turnte er auf dem Pferderük ken, bis er mit dem Gesicht zu seinen Verfolgern saß. Er hob seinen schweren Patterson-Colt und zielte
wildesten Schimpfworte entgegen, während er nachlud. Noch einen Indianer erlegte Skunk Henderson, dann spürte Lobo plötz lich einen heftigen Schlag gegen sei ne Schulterblätter, der ihn beinahe aus dem Sattel warf. Sein Pferd be schleunigte augenblicklich, und Lo bo sah gerade noch, wie Skunk Hen derson sich am Boden überschlug. Da waren auch schon die ersten India ner heran. Drei Krieger sprangen in vollem Galopp von ihren Tieren und rannten zu dem regungslos daliegen den Cowboy, die Messer schon in der Hand. Lobo leerte das Magazin seiner Winchester und traf einen der India ner, als dieser sich gerade über 49
Skunk Henderson beugte. Die anderen zwei Krieger stürzten sich auf den Cowboy. Lobo wandte sich schnell wieder im Sattel um und lud sein Gewehr nach. Aber keiner der Cowboys hatte Zeit, auch nur einen Gedanken an Henderson zu verschwenden. Zu na he waren die Verfolger. Die Indianer schwärmten aus. Sie versuchten, die Cowboys von beiden Seiten in die Zange zu nehmen. Lobo gelang es, drei Pferde zu er schießen, und für kurze Zeit ließen die Indianer sich etwas zurückfallen. „Wie weit ist es noch bis zu Kelly?" brüllte Lobo. Holon warf einen Blick zurück über die Schulter. „Noch fünf Mei len!" kam seine Antwort. „Das schaffen wir nie!" Christie Patridges Gesicht war eine verzerrte Maske. Lobo steckte das Gewehr zurück in das Scabbard. Dann beugte er sich seitlich aus dem Sattel und streckte die linke Hand aus, bis er die Schlau fe der Satteltasche öffnen konnte. Endlich hatte er eine der Dynamit patronen gefunden. Er steckte sie zwischen die Zähne und suchte in seinen Taschen nach Streichhölzern. „Was hast du vor?" brüllte Holon. Lobo konnte ihm mit der Dynamit patrone im Mund schlecht antwor ten. Er lächelte nur und sah sich nach den Indianern um. Minutenlang hielten die Krieger einen ziemlichen Abstand ein. Sie ritten nahe beieinander und schie nen sich zu beraten, wie sie die Wei ßen am besten erledigen konnten. Dann kamen sie wieder näher. Die Cowboys konnten ihre Pferde nicht noch schneller antreiben, also muß ten sie zähneknirschend zusehen, wie die Verfolger Yard um Yard aufholten, beinahe mühelos, wäh rend die eigenen Pferde wie Schnek ken zu kriechen schienen. Als nur noch dreißig Yards zwi schen ihnen und den Kriegern lagen, riß Lobo ein Streichholz an. Es er 50
losch im Wind. Immer wieder ver suchte er es. Ergebnislos. Schließlich zügelte er sein Pferd, während die Cowboys und Christie Patridge weiterritten. Endlich schaffte er es, die Lunte in Brand zu setzen. Sofort trieb er sein Pferd wie der an, während die Kugeln bedenk lich nahe an ihm vorbeipfiffen. Es war ein Wunder, daß weder er noch sein Tier getroffen wurden, aber im Moment hatte er nur noch Gedanken für die brennende Lunte der Dyna mitpatrone zwischen seinen Fingern. Als der Docht nur noch wenige Zoll von der Patrone entfernt glomm, ließ er sie fallen. Er sah, wie die Indianer knapp vor der Dynamitstange zur Seite spritz ten und versuchten, dem Unglück auszuweichen. Aber die Explosion kam beinahe sofort. Mehrere Krieger wurden samt ih ren Pferden von der Druckwelle zur Seite geschleudert. Andere fielen von den erschreckt aufsteigenden Tieren und rollten sich katzenge wandt ab. Aber Lobo hatte erreicht, was er wollte. Die Indianer fielen zurück, um sich um die Verletzten zu küm mern. Lobo wußte, daß er kaum großen Schaden angerichtet hatte, aber wenigstens waren mehrere Pferde entweder verletzt worden oder ausgebrochen und liefen nun verängstigt mit hängenden Zügeln herum. Manche Krieger schüttelten in ohnmächtiger Wut ihre Gewehre hinter Lobo her, der sein Pferd sofort langsamer laufen ließ, um dessen Kräfte zu sparen. Was er mit Schrecken bemerkte, war die große Gruppe Indianer, die sich dem South Platte von Westen her näherte. Sie war zwar zu weit zu rück, um den Cowboys den Weg ab schneiden zu können, aber sie wirk ten verdammt frisch bei dem hölli schen Tempo, das sie vorlegten. Und wenn Lobo sich nicht sehr täuschte, dann hatten diese Indianer es eben falls auf sie abgesehen. Vor ihm verlangsamten die Cow
boys und Christie Patridge ihr Tem po. Sie sahen ihm entgegen. Er bedeutete ihnen schon von wei tem, weiterzureiten, und zeigte mit wilden Gesten auf die Indianer, die nun geradewegs auf sie zuritten. Die Cowboys starrten ungläubig in die von Lobo gezeigte Richtung. Bei nahe augenblicklich trieben sie ihre Pferde wieder an. Und Lobo fischte in seinen Sattel taschen nach der zweiten Dynamit patrone.
Es sollte viel knapper werden, als Lobo es sich ausgerechnet hatte. Die neue Gruppe Indianer ritt nach we nigen Sekunden nicht mehr schnur gerade auf sie zu, sondern änderte die Richtung. Zwar befanden sie sich noch auf der anderen Seite des South Platte, aber sie ritten nun auf einem Kurs, der sie in wenigen Minuten auf gleiche Höhe mit den Cowboys brin gen würde. Lobo war froh, daß Holon Godfrey so schnell begriffen hatte. Der Cow boy trieb Frank Harper und Christie Patridge zu höchster Eile an, wäh rend Lobo fast hundert Yards hinter ihnen das Wettrennen mit der Zeit schon beinahe verloren hatte. Die Indianer eröffneten das Feuer viel zu früh. Ihre Kugeln ließen das Wasser des South Platte neben den Cowboyes aufspritzen und rissen ganze Äste von den krüppeligen Cot tonwoods, ohne die Männer zu ge fährden. In ziemlich sicherer Ent fernung ritten Godfrey, Harper und Christie Patridge an ihnen vorbei. Wie er es fertiggebracht hatte, in vollem Galopp die Lunte anzubren nen, wußte Lobo selbst nicht. Auf je den Fall brannte sie plötzlich, zi schend und schnell. Lobo wechselte sie von der linken in die rechte Hand und ritt tief über den Hals seines Pferdes gebeugt auf die Stelle am South Platte zu, an der die Indianer ihn in wenigen Sekunden erreichen würden.
Alles kam darauf an, ob die India ner versuchen wollten, den Fluß zu überqueren, oder ob sie auf der ande ren Seite von den Pferden sprangen und ihn mit wenigen gezielten Schüssen vom Tier holten. Das Donnern der Pferdehufe hallte in Lobos Ohren. Er sah, daß sich Tall Bull mitten unter den Kriegern be fand und Befehle brüllte. Noch zwanzig Yard trennten ihn von der Stelle am Fluß, auf den die Indianer zuritten und an der ein Biberdamm eine geeignete Furt bot. Hinter dem Damm floß das Wasser seicht und langsam, und ein Indianer konnte den South Platte hier wahrschein lich selbst im gestreckten Galopp überqueren. Die Lunte brannte zischend. Noch drei Zoll, dann noch zwei, noch einen, Lobo hob die rechte Hand, richtete sich im Sattel auf und schleuderte die Patrone durch die Luft, gerade in dem Moment, in dem der erste Krie ger das Wasser erreichte und ohne zu zögern sein Pony durch das Flußbett trieb. Lobo sah die blauen Farbstriche im verzerrten Indianergesicht, kaum zehn Yards entfernt. Er sah, wie die Mündung der Winchester hochkam und sich auf ihn richtete, aber da flog auch schon seine Patrone heran, der Krieger sah sie, und als seine Augen sich zu weiten begannen, kam die Ex plosion. Was Lobo rettete, war die hausho he Wasserfontäne, die für mehrere Sekunden alles vernebelte, während das plötzlich reiterlose Pony neben ihm galoppierte, in panischer Angst wie auch die restlichen Tiere der In dianer. Lobo beugte sich instinktiv zur Seite, bekam die kurzen Hanfzü gel zu packen und schwang sich, oh ne auch nur eine Sekunde nachzu denken, auf den Rücken des Tieres. Dabei hielt er die Zügel seines Pfer des fest. Das Pony begann zu bocken, aber da preßten Lobos Schenkel sich zu sammen, und es gehorchte den Be fehlen des unbekannten Reiters. 51
Hinter Lobo glitzerte immer noch eine langsam niedergehende Was serfontäne in der aufgehenden Son ne. Auf der anderen Flußseite wur den reiterlose Pferde und umherren nende Krieger sichtbar. Und mitten unter den Kriegern, das Gesicht von Wut entstellt, mit hervortretenden Backenmuskeln und Schläfenadern, die Hände zu Fäusten geballt -Tall Bull. Aber da drehte Lobo sich auch schon nach vorne, und mit den fri schen Kräften des Ponys kam er viel schneller voran als zuvor. Wenige Minuten später hatte er die anderen erreicht.
Kelly schüttelte die knochigen, braunhäutigen Fäuste. „Kommt doch, ihr Hurensöhne!" brüllte er, und er stand mager und sehnig voll aufgerichtet hinter der kniehohen Lehmmauer und gab Schuß nach Schuß aus seiner Sharps auf die her anstürmenden Indianer ab. Jede Ku gel, abgegeben aus einem vom Rost und Alter entstellten Gewehr, riß ei nen Indianer aus dem Sattel. Neben ihm lag seine junge Schwie gertochter hinter der Lehmmauer, den Rücken gegen den Boden ge preßt, während sie mit zittrigen Fin gern ein zweites Gewehr für ihn lud. Beide Waffen waren glühend heiß, und das Mädchen hatte blasenbe deckte Finger, aber sie arbeitete mit der Verbissenheit eines Menschen, der nicht aufgeben wollte. Mit der selben Verbissenheit, mit der Kelly hochaufgerichtet vor den Resten sei ner niedergebrannten Station stand und gegen eine Übermacht kämpfte, gegen die er nie ankommen konnte. Der Alte blutete aus einer Schul terwunde, und seine ganze linke Sei te war von dem Blut verfärbt, selbst die Hosen und der Boden zu seinen Füßen. Aber er verzog keine Miene, sondern gab einen Schuß ab, brüllte einen Fluch, wechselte das Gewehr, legte an und schoß erneut. 52
Hinter der linken Umfassungs mauer kauerte sein Sohn, einen Colt in der Hand. Vor ihm lag ein toter In dianer, sein Arm mit der ausge streckten Hand griff noch im Tod nach dem Gesicht des Jungen, aber dieser schien es gar nicht zu bemerk en, denn er leerte seinen Colt auf drei Reiter, die auf ihn zugaloppier ten, tief über ihre Ponys gebeugt. Als der Colt leer war, schleuderte der Junge ihn gegen seine verbliebenen zwei Angreifer und zog sein Messer aus der Scheide. „Ich habe keine Munition mehr!" brüllte er, während er vor den her anpreschenden Ponys zur Seite aus wich. Das Mädchen neben dem alten Kelly wandte den Kopf, stieß einen gellenden Schrei aus und richtete das gerade geladene Gewehr auf einen der Indianer, der auf ihren Mann zu ritt. Sie traf ihn hoch in der Schulter, und er wurde von der Kugel wie von einer unsichtbaren Faust getroffen, die ihn vom Pferd warf. Da war aber auch schon der dritte Krieger heran, er schwang sein Ge wehr an der Mündung hoch über dem Kopf und schlug damit zu, als sein Pferd an dem jungen Weißen vorbeigaloppierte. Kelly hörte das dumpfe Krachen, als der schwere Gewehrschaft des Indianers seinen Sohn am Genick traf. Er sah seinen Sohn fallen und den Krieger sein Pony herumreißen. Der alte Mann blieb sekundenlang wie gelähmt stehen. Alle Kräfte schienen aus seinem Körper gewi chen zu sein. Mit hängenden Armen stand er da, während die Kugeln um ihn herum Staubfontänen aufwir belten und an seinen Hosen zupften. Dann endlich kam Bewegung in ihn. Mit einem fast unmenschlichen Laut zog er seinen Colt, und er leerte die Waffe gegen den Krieger, der sei nen Sohn getötet hatte, während er unzusammenhängende Worte aus stieß. Er verfehlte. Der Krieger ritt in atemberauben
dem Tempo auf ihn zu, quer über den Hof, während er das Gewehr über seinem Kopf schwang. Kelly hörte das Klicken, als der Hammer seiner Waffe gegen eine leere Patronenhülse schlug. Er hatte keine Zeit mehr, seinen Colt nachzu laden. Nur noch zehn Yards trennten ihn von dem heranstürmenden Indianer, und Kelly wußte, daß er am Ende seines Trails angelangt war. Neben sich hörte er seine Schwiegertochter in Todesangst und Schmerz auf schreien, hinter ihm donnerten Hufe auf ihn zu, die Indianer brüllten alle durcheinander, und auf der anderen Seite des Hofes lag sein toter Sohn im Staub. Das ist also das Ende, dachte er bitter und senkte die Hand mit der nutzlosen Waffe, um seinem Tod ins Auge zu sehen. Und plötzlich war das Pferd auf seiner Höhe, stürmte an ihm vorbei, aber der Indianer saß nicht mehr darauf, sondern lag vor Kelly auf dem Boden, das Gewehr noch in der Hand, und rührte sich nicht mehr. Kelly wirbelte herum. Ungläubig starrte er auf die drei Männer und die Frau, die gerade hinter ihm von ihren Pferden sprangen und sich hinter der Adobelehmmauer in Dek kung warfen. „Kelly, mach den Mund zu und setz dich endlich! Stehplätze sind zu win dig heute!" Holon Godfreys dröh nende Stimme übertönte selbst das enttäuschte Geschrei der Indianer, die plötzlich einsehen mußten, daß der Kampf noch lange nicht zu Ende war...
Gegen Mittag zogen die Indianer sich zurück. Sie schienen sich zu be raten, mit welcher Taktik sie die Weißen überrennen konnten. Daß sie es auf herkömmliche Art und Weise nicht schaffen würden, zeig ten die fünf Toten, die nicht weit von der Umfassungsmauer im Staub la gen. 54
Christie Patridge verarztete Kelly. Der Alte hatte noch kein einziges Wort gesagt, seitdem die Cowboys ihn in letzter Sekunde gerettet hat ten. Er stand mit nacktem Oberkör per neben Christie Patridge und ließ sich widerstandlos untersuchen. „Er hat einen Steckschuß", sagte die Frau schließlich mit ernster Stimme. „Er muß schleunigst zu ei nem Doc, der die Kugel entfernt." „Leichter gesagt als getan." Holon Godfrey paffte an einer selbstge drehten Zigarette, die an Dicke selbst eine Zigarre übertraf. Zwischen den Zügen las er, was auf dem Zigaret tenpapier stand, das Lobo ihm gege ben hatte. „Halleluja, schöner Mor gen, schöner als man denken mag; heute fühl ich keine Sorgen ..." Er runzelte die rotblonden Augenbrau en. „Nun ja, ich weiß nicht, ob ich das einen besonders schönen Morgen nennen würde, aber wenn es schon da steht..." Er grinste und rauchte weiter. „Sie sollten sich schämen, über ei nen solchen Tag zu scherzen, Mr. Godfrey!" sagte Kellys Schwieger tochter. „Wie können Sie sich so ver gessen!" „Was soll ich tun? Hier herumsit zen und weinen?" Holon Godfrey warf die Zigarette auf den Boden und zertrat sie unter seinem Stiefel. „Das verlangt niemand. Aber Sie sollten sich wenigstens nicht über die Toten lustig machen!" sagte die jun ge Frau scharf. „Jetzt will ich dir was sagen, Mäd chen!" ereiferte sich der Cowboy. „Mein ganzes verdammtes Leben lang habe ich das getan, was man von mir verlangt hat. Und jetzt, da wir alle den Abend kaum noch überleben dürften, da soll ich die wenigen Stunden, die mir noch bleiben, mit verheulten Augen auf den Tod war ten? Ändert das denn etwas an der Situation?" „Ich verlange nichts anders als Re spekt vor den Toten", sagte die Frau bissig. „Den habe ich, verdammt! Aber je
der hat seine eigene Art, den Respekt „Hier überleben wir den Abend zu zeigen. Skunk Henderson war nicht, soviel steht fest." mein bester Freund, und ich glaube Holon Godfrey nickte. „Da können nicht, daß er an meiner Stelle in Trä wir genausogut einen Ausbruch ver nen ausgebrochen wäre. Außerdem suchen." Er zuckte mit den Schul sehe ich nicht ein, weshalb ich mir tern. „Ob ich nun hier sterbe oder die wenigen verbleibenden Stunden hundert Yards entfernt, ist mir egal." verderben soll!" „In Ordnung, das sehe ich ja ein", Die Frau musterte Holon Godfrey sagte Frank Harper. „Aber wie wol mit einer Mischung aus Erstaunen len wir es schaffen?" und Wut, dann drehte sie sich abrupt Alle Augen richteten sich auf Lobo. um und ging zu Kelly, der sich gerade Das Halbblut lächelte. „Valley Sta sein Hemd über den behelfsmäßig tion liegt im Nordosten, richtig?" angelegten Verband streifte. „Richtig. Aber zwischen uns und „Ich finde, wir sollten uns lieber Valley Station warten dreißig Krie überlegen, wie wir den nächsten An ger auf uns." griff überleben, anstatt zu streiten", „Sie warten nicht auf uns, sondern sagte er. Seine Stimme klang hohl, sie rechnen damit, daß wir auf sie und das Feuer, das vor wenigen warten." Stunden noch in seinen hellblauen „Wo liegt da der Unterschied?" Augen geglüht hatte, war erloschen. „Der Unterschied ist ziemlich Lobo, der die noch rauchenden groß", erklärte Lobo. „Wie ich die In Trümmer der Station untersucht dianer kenne, haben sie bald Hun hatte, trat auf den Hof. ger." „Wo sind die restlichen Pferde, „Ja und?" Kelly?" fragte er. „Ich stelle mir vor, „Laß ihn doch ausreden, Frank!" daß auf einer Station sonst mehr als sagte Holon Godfrey. „Ich beginne zu nur ein Pferd im Stall steht." verstehen." „Die verfluchten Viecher sind aus „Wenn die tapferen Krieger Hunger gebrochen, als mein Haus brannte!" bekommen, dann setzen sie sich um Kelly spuckte aus und wischte sich einige große Feuer, strecken die Bein mit dem Handrücken über den chen aus und essen. Das liegt auf der Mund. „Ich konnte nur noch eines Hand. Ihre Ponys lassen sie in einem einfangen." Seilkorral weiden." Lobo überlegte. „Es sollte genügen." „Ich weiß immer noch nicht, was du eigentlich damit sagen willst", „Genügen zu was?" fragte Kelly. „Wie weit ist es bis zur Valley Sta meinte Frank Harper. „Von hier bis zu den Kriegern ist es tion?" fragte Lobo. vielleicht zweihundert, höchstens „Fünf Meilen." Yards weit. Auf einem Lobo kniff die Augen zusammen, dreihundert Pferd kann man diese Strecke in we als er nach Nordosten blickte. Dort niger einer Minute zurücklegen. weideten in einigem Abstand gerade Wenn als man sich sehr beeilt, in der die Indianerponys. Die Krieger hat Das ließe den Kriegern eine ten sich in drei Gruppen aufgeteilt Hälfte. halbe Minute Zeit, uns zu sehen, die und schnitten auf diese Art den Wei Augen aufzusperren, die Steaks ßen jede Ausbruchsmöglichkeit ab. hinzuwerfen, zu den Pferden zu ren „Gibt es hier eine Furt über den nen und aufzusteigen. Glaubt ihr, Fluß?" fragte das Halbblut. daß sie das alles in der kurzen Zeit Kelly nickte. schaffen?" „Du willst doch nicht etwa versu Holon lachte. Erst leise, dann im chen ..." Frank Harper beendete den mer lauter. „Das ist so verdammt gut, Satz nicht. daß ich es kaum glauben kann. Wir Lobo setzte sich. „Warum nicht?" donnern quer durch ihr Lager, bis die „Das schaffen wir nie." 55
Kerle überhaupt begriffen haben, was geschehen ist!" Lobo tätschelte die Dynamitpatro nen, die er sich hinter den Gürtel ge steckt hatte. „Wir können ihnen noch ein paar dieser Stengelchen hier zur Erinnerung dalassen, was meint ihr?" Kelly kratzte sich hinter dem Ohr. „Wenn das nicht die verrückteste, gottverdammteste Idee ist, die ich je gehört habe, dann soll mich der Teu fel holen!" sagte er, und für kurze Zeit kehrte das Glimmen zurück in seine Augen.
Zwei Stunden später wurden die Feuer am Lagerplatz der Indianer entzündet. Gespannt beobachteten die Männer, wie die Krieger ihre Po nys in den Seilkorral trieben und sich dann um Fleisch und Wasser kümmerten. Unterdessen hatte Lobo die Pferde aufgesattelt. Sechs Tiere drängten sich im engen Stall, aber Lobo war sicher, daß kein Späher der Indianer ahnen konnte, daß die Tiere in der Zwischenzeit aufgesattelt worden waren. Kurz darauf waren die Männer be reit. Lobo erklärte jedem, wie er sich verhalten sollte. Die Frauen wurden angewiesen, sich ganz außen zu hal ten, während Lobo und Holon genau auf die zwei Feuer zureiten würden. Lobo schnitt die Lunten der Dyna mitpatronen in die richtige Länge, dann saßen sie alle auf. Die Gesichter der Männer und Frauen waren weiß, die Mienen dü ster. Keiner freute sich auf das, was ihnen bevorstand. Sie alle wußten genau, daß der Plan schiefgehen konnte, und daß damit der Tod ver bunden war, lag auf der Hand. Aber irgendwie war ein jeder froh, daß nun die Entscheidung bei ihnen lag, daß sie nicht mehr untätig mit ange legten Gewehren auf die Indianer warten mußten, sondern daß sie es waren, die eine Entscheidung her beiführen würden. 56
In einer anderen Situation hätten die Männer wahrscheinlich gelacht, als sie alle so eng beieinander in dem dunklen Stall auf ihren Pferden sa ßen und flüsterten, als ob jemand sie hören konnte. So aber war das einzi ge, das in der Luft lag, ein Hauch von Angst. Endlich gab Lobo den Befehl. In strenger Ordnung ritten sie aus dem Stall und trieben ihre Pferde zu schnellstem Galopp an, während sie auf die Feuer zuhielten. Hundert Yards hatten sie bereits zurückgelegt, da erscholl ein erster Warnschrei bei den Feuern. Lobo hielt die Dynamitlunte an die Ziga rette im Mundwinkel. Zischend fing sie Feuer. Neben ihm hatte Holon es ihm nachgetan. Die Indianer spritzten auf und rannten alle durcheinander. Lobo legte in vollem Galopp die Winche ster an und jagte Schuß um Schuß mitten in die Gruppe der brüllenden Indianer. Er sah mehrere Krieger fallen, während andere überhastet das Feuer erwiderten und nur weni ge Indianer auf die Idee kamen, so schnell wie möglich zu ihren Pferden zu gelangen. Noch zwanzig Yards trennten sie von den Feuern. Neben Lobo ruderte Frank Harper plötzlich mit beiden Armen durch die Luft, hielt sich noch kurze Zeit auf dem Pferd und fiel dann aus dem Sattel. Lobo hatte keine Zeit, sich auch nur nach dem Cowboy umzudrehen. Er leerte das Magazin seiner Win chester, und dann war er auf Höhe des Feuers, warf die Dynamitpatro ne hoch in die Luft und trat einem Indianer das Gewehr mit dem Fuß gerade noch rechtzeitig aus der Hand. Der Schuß löste sich, aber die Kugel zupfte nur an Lobos Hut. Als er sich zur Seite drehte, warf Holon Godfrey gerade seine Dyna mitpatrone zurück in Richtung Feu er. Da kam auch schon die erste Ex plosion, knapp gefolgt von der zwei ten. Brennende Holzscheite wirbel ten durch die Luft, Steine, Staub und
Gewehre folgten ihnen, Schmerzens schreie der Indianer gellten in ihren Ohren, reiterlose Pferde galoppier ten in panischem Schrecken in alle Himmelsrichtungen, und zu Lobos linker Hand brach ein Pferd zusam men, überschlug sich und begrub Kellys Schwiegertochter unter sich. Sie hatten schon über hundert Yards zwischen sich und das rau chende Lager gebracht, als die ersten Indianer ihre Ponys antrieben. Weit hinter ihnen erkannte Lobo die zweite Gruppe der Krieger, an deren Spitze Tall Bull ritt. In gestrecktem Galopp jagten Lo bo, Kelly, Holon und Christie Patrid ge am Fluß entlang. Kelly hatte Schwierigkeiten, sich auf dem Pferd zu halten. Seine Schulterwunde war aufgebrochen und seine ganze linke Seite mit frischem Blut bedeckt. „Schaffst du es, Kelly?" rief Holon Godfrey, der knapp neben ihm ritt. Kelly wandte den Kopf. Schweiß perlte auf seiner Stirn. „Ich glaube nicht!" stieß er hervor, Holon sah über die Schulter zu rück. Die Verfolger kamen näher. „Reiß dich zusammen!" brüllte er, um das Donnern der Hufe zu übertö nen. „Wir sind bald in Sicherheit!" Aber bald sah er, daß Kelly sich kaum noch im Sattel halten konnte. Er trieb sein Pferd zu Lobo. „Kelly kann nicht mehr!" rief er dem Halbblut zu. Lobo warf einen Blick hinüber zu dem alten Mann, der zusammenge sunken im Sattel hin und her schwankte. „Was sollen wir tun?" fragte Holon. „Weiterreiten!" Lobo hatte es end lich geschafft, sein Gewehr nachzu laden. „Sie holen uns ein, Lobo. Bis zur Valley Station kommen wir nie!" Das Halbblut drehte sich im Sattel und feuerte einen Schuß auf die Ver folger ab. Er verfehlte. Holon ritt einige Sekunden schweigend neben Lobo. Schließlich hatte er sich zu einem Entschluß durchgerungen.
„Ich bleibe hier!" rief er. „Was?" Lobos Kopf wirbelte her um, und er starrte den Cowboy an. „Ich bleibe hier. Vielleicht kann ich die Indianer für einige Minuten auf halten!" „Blödsinn!" „Es gibt keinen anderen Weg!" „Doch. Schneller reiten." Holon riß sein Gewehr aus dem Sattelschuh. „Die Pferde sind am En de, Lobo. Einer von uns muß sich op fern!" „Dann bleibe ich!" „Kommt nicht in Frage. Gib mir ei ne Dynamitpatrone!" „Was willst du damit?" „Los!" Holons Stimme duldete kei nen Widerspruch. Lobo griff in seine Satteltasche. Er reichte Holon eine der Dynamitpa tronen. Der Cowboy steckte sie sich hinter den Gürtel. Dann, als vor ihnen plötzlich mehrere kleine Erdhügel auftauchten, zügelte er sein Pferd und sprang aus dem Sattel. Lobo sah noch, wie Holon die Lunte in Brand steckte, die Dynamitstange immer noch hinter dem Gürtel, und sich dann flach ins Gras warf, das Ge wehr auf die Verfolger gerichtet. Er wollt sein Pferd zügeln, doch Holon brüllte: „Reitet weiter, schnell!" Da trieb Lobo sein Tier wieder an und ritt hinter Kelly und Christie Patridge her. Er wußte, daß er Holon nie mehr wiedersehen würde ... Holon hatte seinen Colt und Muni tion neben sich ins Gras gelegt. Dann wartete er. Er hörte das leise Zischen der brennenden Lunte vor seinem Bauch und wußte, daß ihm noch knapp zwei Minuten blieben. In breiter Front kamen die India ner auf ihn zu. Holon wartete, Ge sicht und Hände schweißnaß. Dann zielte er sorgfältig und drückte ab. Der erste Indianer wurde aus dem Sattel gerissen. Wutgeheul war die Antwort. 57
Holon richtete das Gewehr auf den vordersten Krieger. Erneut traf er, und hinter dem sich überschlagen den Pony kam die Front ins Stok ken. Von beiden Seiten galoppierten je drei Krieger auf ihn zu. Sie beug ten sich tief hinter die Rücken ihrer Tiere, um Holon kein Ziel zu bieten. Der Cowboy traf mit den nächsten drei Kugeln die Ponys der heran stürmenden Indianer zu seiner Lin ken. Dann wirbelte er herum. Er konnte gerade noch sein Gewehr hochbrin gen und abdrücken, da waren die an deren drei Angreifer schon bei ihm. Holon kämpfte mit der Verbissen heit eines Mannes, der wußte, daß er auf verlorenem Posten stand. Er sprang auf die Beine, wurde plötzlich von einem Schlag in den rechten Oberschenkel zu Boden geworfen und überrollte sich mehrmals. Kugeln schlugen um ihn herum in den Boden, irgendwie schaffte er es, wieder auf die Beine zu gelangen und seinen Colt zu ergreifen. Von al len Seiten stürmten sie auf ihn zu, das ohrenbetäubende Krachen der schweren Waffen mischte sich mit Todesschreien und Wutgeheul, je mand taumelte mit weit aufgerisse nen Augen an ihm vorbei und riß ihn zu Boden. Aber Holon kam wieder auf die Knie, schoß, schrie, kämpfte, spürte plötzlich die Einschläge in sei nem mächtigen Körper nicht mehr, sah mehrere regungslose Gestalten vor sich am Boden liegen und merkte schon gar nicht mehr, daß er immer noch kämpfte, die Augen blind vor Blut, bis ein wirres Knäuel von Ge stalten ihn schließlich zu Boden zwang und unter sich begrub. Das Letzte, was ihm durch den Kopf ging, war die Dynamitpatrone in seinem Gürtel. Und dann erreich te die Glut der Lunte das Dynamit.
Der Abstand zwischen den India nern und den Weißen hatte sich schlagartig vergrößert. Ja, als Lobo 58
sich nach einer guten Minute im Sat tel umdrehte, sah er immer noch kei nen Krieger hinter sich. Sofort verlangsamten sie ihr Tem po, damit die Tiere nicht so nahe vor Valley Station zusammenbrachen. Hinter ihnen donnerten Schüsse. Der Kampflärm wollte und wollte nicht abbrechen, so unglaublich das Lobo auch vorkam. Er hätte nie ge dacht, daß ein einzelner Mann so lan ge gegen eine hundertfache Über macht ankommen konnte. Und dann zerriß die Explosion das leiser werdende Kampfgetümmel hinter ihnen. Schweigend, das Gesicht eine höl zerne Maske, ritt Lobo die verbliebe nen zwei Meilen zur Valley Station. Keiner von ihnen verspürte Freude, als sich die großen Tore vor ihnen öffneten und mehrere Personen sie mit Fragen überschütteten. Kelly wurde verarztet, Christie Patridge erzählte stockend den Män nern, was in den letzten Stunden ge schehen war. Stumm und in Gedan ken versunken saß Lobo mit dem Rücken zur Stallmauer und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Schließlich gaben die Männer es auf, mit ihm reden zu wollen, ja, sie wa ren sogar wütend auf das Halbblut, das ihnen nicht Rede und Antwort stehen wollte. Eine Stunde später erst erreichte Tall Bull mit seinen Kriegern Valley Station. Aber die Angriffe wurden mit geringer Überzeugung durchge führt, denn die Station war mit ziem lich hohen Mauern versehen und leicht zu verteidigen. Hoch erhoben stand Lobo auf der Umfassungsmauer, mit einer mäch tigen Sharps in den Fäusten. Und er hatte nur ein Ziel: Tall Bull. Aber er erreichte nur, daß er dem Häuptling zwei Pferde unter den Beinen erschoß, woraufhin Tall Bull sich fäusteschüttelnd weit zurück zog. Wenig später erscholl ein Posau nenstoß. Und als die Verteidiger sich neugierig an der südlichen Mauer
versammelten, kamen von dort hun der Zwischenzeit weggeschafft, aber dertfünfzig blaugekleidete, sä das eingetrocknete Blut rings um die belblitzende Soldaten, General Cu Stelle, an der Holon gestorben war, ster mitten unter ihnen, das lange sagte deutlich aus, welch schwere blonde Haar in der Sonne leuchtend, Verluste der Cowboy seinen Wider den Kopf hoch erhoben in seinem sachern beigefügt hatte. Holons Leiche war schlimm zuge Stolz. Tall Bull und seine Krieger zogen richtet. Lobo nahm die Schaufel aus sich sofort zurück. General Custer den Lederschlaufen seines Sattels verfolgte sie wenige Meilen und und hob eine Grube aus, in die er Ho kehrte dann im Triumph zurück zur lon legte. Sorgfältig bedeckte er das Grab mit Steinen aus dem Flußbett. Station. Custer, stolz über seinen Erfolg, Danach schnitzte er ein grobes Holz ließ sich vom Kommandanten der kreuz mit Holons Namen darin und kleinen Station empfangen. Insge steckte es in die Erde. heim wunderte er sich, daß die Ver Als er gerade auf sein Pferd stei teidiger ihn kaum bejubelten, wie er gen wollte, sah er eine dunkle Gestalt es von seinen vorhergehenden Ret auf einem Pferd sitzen, versteckt tungsaktionen her gewohnt war. hinter den Cottonwoods des South Hier am South Platte lebt ein seltsa Platte. mer, verschrobener Menschenschlag, Minutenlang starrten die beiden notierte er sich später auf dem Weg Männer sich an. Niemand sonst be nach Washington, wo er für seine Er fand sich in weitem Umkreis. folge gefeiert wurde. Und aus seinen Und in den langen Minuten ver Reden ging hervor, daß er die Vertei rauchte Lobos Wut gegen den diger von Valley Station vor dem si Cheyenne-Häuptling. Custers cheren Tod errettet hatte. selbstgefällige, weibische Miene er Am Nachmittag wurden die drei schien vor seinen Augen, und Lobo Toten begraben, die der Indianeran faßte einen Entschluß, den er wohl griff, der mehrere Tage gedauert nie gefällt hätte, wäre nicht Custer hatte, gekostet hatte. Custers Trom bei der Valley Station erschienen. peter blies den für Beerdigungen Langsam ritten die beiden Männer vorgesehenen Marsch, Custer saß aufeinander zu. Als ihre Pferde sich auf seinem Schimmel, das scharfge gegenüberstanden, brach Lobo nach zeichnete Profil umrahmt von sorg langen Sekunden das Schweigen. fältig gekämmten blonden Haaren, „Er war ein guter Mann", sagte er während er den zerlumpt gekleide und deutete mit einer schwachen ten Verteidigern aufmunternd zu Geste auf Holons Grab. nickte. Tall Bull nickte. „Er war ein guter Und dann ließ er das Lager errich Kämpfer. Ein tapferer Kämpfer. Und mein Sohn war ein guter Sohn." ten. „Ja", sagte Lobo. „Ich schätze, das war er." Die beiden Männer schwiegen. Lobo verließ Valley Station und Nach einer Weile begann Lobo zu ritt zurück am South Platte entlang. sprechen. „Du mußt lernen, daß es Drei Meilen trennten ihn von der nicht nur schlechte Menschen sind, Stelle, an der Holon Godfrey seinen die hier leben. Es gibt schlimmere." letzten Kampf gefochten hatte. „Sie nehmen unser Land. Sie neh Lobo saß regungslos im Sattel und men alles, was wir haben." ließ seine Blicke über das Schlacht Lobo konnte den Blick nicht von feld gleiten. Die Erde war aufgewor den dunklen Augen Tall Bulls lösen. fen und mit toten Ponys bedeckt. Er zuckte müde mit den Schultern. Die Indianer hatten ihre Toten in „Es ist dein Kampf", sagte er. „Ich 60
möchte nicht in deiner Haut stek ken." Tall Bull lächelte, aber es war ein Lächeln ohne Humor. Er sah dem Halbblut nach, das langsam sein Pferd wendete und zurück in Rich tung Valley Station ritt. Mit einem letzten Blick auf das schiefe Holzkreuz vor dem frischen Grab ritt auch Tall Bull weiter.
Ein Soldat kam am Abend zu Lobo, der im Stall saß und sein Gewehr öl te. „General Custer verlangt dich", sagte er. „Mich?" Lobo schüttelte den Köpf. „Ich wüßte nicht, was ich mit Custer zu besprechen hätte." Zehn Minuten später wurde er von drei Soldaten abgeholt. Man schob ihn quer über den Hof zu dem großen weißen Zelt, in dem Licht brannte. Lobo hob die Zeltplane und trat ein. Er sah, daß Christie Patridge auf einem Schemel saß. Davor thronte Custer hinter einem immensen Schreibtisch, den er auf allen Feld zügen mit sich schleppte. Custer ließ ihn warten. Er kritzelte in einer seltsam kleinen Handschrift in ein Notizbuch. Das lange blonde Haar fiel ihm ins Gesicht, als er die Seite wendete. „General?" fragte Lobo. Custer sah auf. „Sind Sie Lobo?" „Ja." „Ich bin es nicht gewöhnt, daß man mich warten läßt." „Ich stehe nicht unter Ihrem Be fehl." Custer klappte das Notizbuch zu und strich sich die Haare aus der Stirn. „Ich habe eine Frage an Sie, Lobo. Es betrifft diese Frau. In Fort Wicked wird gemunkelt, diese Frau hätte ihren Mann getötet, und wenn ich mich nicht irre, wurden Sie ge schickt, um Näheres darüber zu er fahren." Lobo sah, wie Christie Patridges Schultern unmerklich in die Höhe
zuckten. Aber sie wandte den Kopf nicht, um Lobo anzusehen. Ihre Hän de waren fest ineinander ver krampft. „Was haben Sie herausgefunden? Ich hörte, daß Sie der einzige Überle bende der Patridge Ranch sind, es gibt also keine anderen Zeugen." Lobo ließ sich Zeit mit seiner Ant wort. Auf Custers Schreibtisch tickte eine Standuhr die Sekunden. „Ich habe nichts herausgefunden", sagte er dann. „Keinen Beweis, nichts?" Lobo schüttelte den Kopf. „Ich weiß nur, daß Mrs. Patridges Mann eines Abends auf die Weide ritt und von einem starken Unwetter über rascht wurde. Er kam nie mehr zu rück." Custer musterte Lobo, dann die Frau. Er öffnete sein Notizbuch, las etwas und schloß das Buch dann wieder. „Sie können Ihr Geld beim Zahlmeister abholen, Lobo", sagte er. „Ich brauche Sie nicht mehr. Und Sie
61
können ebenfalls gehen, Mrs. Patrid ge." Sie erhob sich und verließ das Zelt. Schweigend ging sie neben Lobo zwischen den Zelten durch. Soldaten lachten, an den Feuern wurde um Geld gewürfelt, die Pferde wieher ten leise. Das Summen vieler Stim men lag in der kühlen Abendluft. „Lobo, ich ...", begann Christie Pat ridge, aber Lobo unterbrach sie. „Christie, ich will nichts mehr hö ren von der ganzen Sache. Ich will nur noch weg von hier", sagte er. Als er sich schon abwenden wollte, hielt sie ihn am Arm zurück. „War um, Lobo?" fragte sie. Seine Augen waren matt im Schein
der Feuer. Er wirkte müde und abge spannt. „Ich bin nicht dein Richter", sagte er. „Und ich will, daß Holon für einen guten Grund gestorben ist. Was für einen Sinn hätte es gehabt, wenn er für eine Frau gestorben wäre, die wenig später vor dem Henker ge standen hätte?" Da ließ sie ihn gehen. Das letzte, was sie von ihm sah, war seine Sil houette, hochaufgerichtet im Sattel seines Pferdes, als er eine halbe Stunde später durch das Tor hinaus in das weite Land ritt. Und zum er sten Mal seit langer Zeit hing der Himmel voll mit dicken grauen Wol ken. Es würde bald Regen geben.
ENDE
Für Sekunden erhellte ein Blitzschlag die Spalte zwischen den Felsen. Don ner grollte in den Bergen. Die Felsen zitterten. Lobo setzte sich auf. Er war tete auf den nächsten Blitz, um sich orientieren zu können. Er brauchte Schutz, vor dem Gewitter. Hier, in dieser Spalte konnte er nicht bleiben, denn im Falle eines Wolkenbruchs würde sie sich bald mit reißenden Wassern füllen. Lobo brauchte nicht lange zu warten. Blitzschläge folgten. Die Felsen schie nen im gleißenden Licht zu wanken, getroffen von gewaltigen Donnerschlä gen, die sich zu einem vernichtenden Inferno erhoben. Die ersten Regentrop fen fielen, groß, schwer, einige noch vereist. Dann kam der Hagel. Lobo kletterte an den Felsen hoch zu einem Vorsprung. Er fand eine kleine Höhle, etwa vier Yards über dem Grund des Canyons. Unter ihm schoß be reits das Wasser talwärts. Ober ihm schien der Himmel zu bersten. Lobo, der Einzelgänger, muß sich sein Recht zu leben gegen eine unerbitt liche Umwelt immer wieder erkämpfen. Lesen Sie nächste Woche Band 115 dieser großartigen Western-Serie:
Kein Weg zurück nach Eagle Flat von Lee Roy Jordan
ex libris KAPTAIN STELZBEIN
62