Aus ihnen spricht die Freude des Lesers an der kleinen Schriftenreihe der Lux-Lesebogen, die aus Natur und Technik plau...
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Aus ihnen spricht die Freude des Lesers an der kleinen Schriftenreihe der Lux-Lesebogen, die aus Natur und Technik plaudernd berichten und große Ereignisse und Gestalten aus dem Leben der Völker, aus der Kunstgeschichte und Literatur lebendig werden lassen. — Aus der großen Zahl der Zuschriften: „Ihre natur- und kulturkundlichen Hefte sind unserer Zeit wahrhaft auf den Leib zugemessen Wie weit ist die Welt, die Sie mit Ihren kleinen Heften auftun! Ich selbst habe immer ein oder zwei Hefte in meinem Notizbuch stecken, das ich täglich bei mir trage," K. G., Landshut „Ich wüßte keine Lektüre, die geeigneter wäre, die Bildungslücken zu schließen, als gerade Ihre ansprechenden Hefte." Th. M., Lentesheim „Ihre Lesebogen bringen einen großen Kreis von Menschen, alt und jung, an oft bis ins Tiefste packende Dinge heran." Studienrat H. Seh., Bebra „Die Heftchen sind ganz entzückend. Ich muß Sie — fast nicht ohne Neid — zu der guten verlegerischen Idee beglückwünschen. Ich lese die Hefte als „alter Hase" selber mit viel Vergnügen." Verleger G W., Braunschweig „Das, finde ich, ist eine der stärksten Seiten der Lux-Lesebogen, daß sie in einer dem völlig unbelasteten Laien verständlichen Sprache Dinge erzählen, die mitunter den ausgekochtesten Fachmann überraschen." H. W., Bad Harzburg „Die Lesebogen sind geradezu unübertrefflich gut." Kultusminister Dr. G., Hannover „Beste Autoren haben mitgeholfen, dem Leser das Beste zu schenken." Bayer. Lehrerverein „Die leichtverständliche Form Ihrer Lesebogen ist am besten geeignet, Laien einen Begriff von bestimmten wissenschaftlichen Gebieten zu geben." Astron. Arbeitsgem. Nordwest
„Wir sind erstaunt darüber, daß es Ihnen möglich ist. für 20 Pfg. etwas so Wertvolles und Gediegenes zu bieten." Rektor W. B., Thiede „Der frische Stil gefällt, in dem hier an sich schwere Stoffe faßlich dargeboten werden." Nordwestd. Rundfunk „Auch die älteren Pfadfinder sind von den Heften begeistert. Im letzten Herbstlager haben wir manchen Regentag mit Hilfe Ihrer Leseboge 1 ausgestaltet." L. S., Burbach „Ich schließe mich dem Urteil eines Schulleiters aus dem Rheinland an, daß Ihre Heftchen wohl das einzig wirklich nutzbringende und lehrreiche Schrifttum für die Jugend sind." E. Fl., Herrsching „Mit Ihren Lesebogen erziele ich als Klassenlektüre schöne Erfolge. Sie regen meine Schüler zum Lesen un i Lernen an und helfen mit, einen lebendigen Unterricht zu gestalten " E. H., Rapperzell „Mit Ihren Lesebogen haben Sie einen überaus glücklichen Vorstoß in jenes Gebiet guter Literatur unternommen, in dem noch immer eine fühlbare Lücke klafft." G. P., Zool. Institut d. Univ. Kiel „Ich möchte Ihnen danken dafür, daß Sie diese Reihe herausgeben. Wir taten noch keinen Mißgriff." W. G., Steinkirchen „Die Lesebogen sind inhaltlich wertvoll und gut durchgearbeitete Hefte." „Denkendes Volk", Braunschweig „Die Lux-Lesebogen sind eine in jeder Hinsicht einzigartige Leistung." Dr. G., Oberursel
KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L T U R K U N D L I C H E
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Manni
HEFTE
Digitally signed by Manni DN: cn=Manni, c=US Date: 2006.05.06 06:12:33 + 01'00'
Tierleben Lebenskunde der Säugetiere von ALFRED E. BREHM
INHALT DES
HEFTES
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Zweierlei Temperamente — Wie sie laufen und springen — Kletterkünstler — Flatterer und Schwimmer — Schreien, Bellen, Brummen — „Allsinns'-Tiere — Tierreiche der Erde — Lebensraum — Geselligkeit — Leben und Nahrung — Auch die Tiere haben ihre Schicksale
VERLAG SEBASTIAN LUX « MURNAU/MÜNCHEN
_^
Zweierlei Temperamente
l ^ a s Leben der Säugetiere bietet reichen Stoff zur Belehrung und Unterhaltung. Sie leben nicht wie die Vogel; ihr Leben ist bedächtiger und schwerfälliger als das jenes leichtsinnigen Volkes der Höhe. Ihnen mangelt die heitere Lebendigkeit und unerschöpfliche Lebensfröhlichkeit der Lieblinge des Lichtes; sie zeigen dafür eine gewisse Behäbigkeit und Lebensgenußsucht, die vielen sehr gut und vielen sehr schlecht ansteht. Hinsichtlich ihrer Beweglichkeit und Bewegungsfähigkeit kommen sie den Vögeln nicht im entferntesten gleich. N u r wenige kennen die unbeschreibliche Lust einer u n g e b u n d e n e n Bewegung, nur wenige jagen jauchzend zwecklos umher wie die mit ihren herrlichen Gaben scherzenden u n d spielenden Kinder der Luft. Sie haben ein ernsthafteres W e s e n und verschmähen ein unnützes Anstrengen ihrer leiblichen Kräfte. Bloß in der Kindheit, und w e n n die allmächtige Liebe sie kindisch und kindlich macht, sind sie zu fröhlichem Spiele geneigt und geben sich ganz der Lust der Bewegung hin. Bei den Vögeln heißt sich bewegen leben und leben sich bewegen. Der Vogel ist in steter Unruhe und möchte am liebsten die ganze Nacht zum Tage machen, um seiner ewigen Regsamkeit voll Genüge zu leisten. Sein kleines Herz schlägt schneller, sein Blut jagt stürmischer durch seine Adern, seine Glieder scheinen gelenker, gestählter zu sein, als es bei den Säugetieren der Fall ist. Bewegung ist dem Vogel Bedürfnis, unbedingte Notwendigkeit, dem Säugetier meist nur l
ein M i u e l zum Zweck, Es scheint die w a h r e Lebensbehaglichkeit erst zu empfinden, w e n n es sich möglichst bequem hingelagert h a t u n d sich, w e n n nicht dem Schlafe, so doch wenigstens einem Halbschlummer h i n g e b e n kann. Ein in solchem Zustande v e r h a r r e n d e r Mensch,' ein auf der Seite liegender Hund und vor allem der w i e d e r k ä u e n d e Ochse mögen meine Behauptung bildlich e r l ä u t e r n : ein solches „süßes Nichtstun" mit offenen A u g e n k o m m t u n t e r den Vögeln höchstens bei einem voll und toll gefressenen Geier vor. Die Vögel sind eben Bewegungs-, die Säuger Empfindungstiere. Man k a n n allerdings nicht sagen, daß die Bewegungsfähigkeit der Säugetiere gering sei; denn die Säugetiere gehen, laufen, springen, klettern, „fliegen", schwimmen und tauchen wie die Vögel. Aber die Masse beherrscht sie, die Scholle fesselt, sie, und so wird ihre größte Schnelligkeit von den Seglern der Lüfte, v o n den erdfrei g e w o r d e n e n luftigen Vögeln durchschnittlich überboten. Ja selbst die Erdvögel, wie der Strauß oder der Kasuar, wetteifern im Laufen mit dem schnellfüßigen Roß oder der behenden Antilope. Und w e n n die armen Säugetiere n u n gar versuchen wollen, den gefiederten Scharen es gleichzutun, zeigen sie erst recht, wie weit sie hinter diesen zurückstehen: die Fledermaus ist nur ein Zerrbild des Vogels.
Wie sie laufen und springsn Die Säugetiere gehen auf zwei oder auf vier Beinen. Einen aufrechten Gang hat bloß der Mensch. Kein Affe geht aufrecht; die K ä n g u r u h s oder Springbeuteltiere, die sich ausschließlich auf den Hinterbeinen fortbewegen, gehen nicht, sondern springen, fördern sich also durch Aufschnellen ihrer Beine satzweise, und die Springmäuse, die eines ihrer Hinterbeine um das andere bewegen, gehen nicht aufrecht. Alle übrigen Landtiere laufen auf ihren vier Füßen, und zwar indem sie ein Vorderbein u n d das gegenseitige Hinterbein zugleich oder fast zugleich aufheben, vorstrecken u n d wieder niedersetzen. Eine A u s n a h m e hiervon machen Elefant, Nilpferd, Kamel, Giraffe und m e h r e r e Antilopen; sie b e w e g e n beide Beine einer Seite fast genau zu gleicher Zeit. Diese Gangart, der Paß, k a n n unseren gezähmten Einhufern ebensogut anerzogen w e r d e n wie der natürliche Trab. J e d e Beschleunigung des Gehens h e b t beide Gangarten, den Paß oder den Wechselschritt, wenigstens ?
scheinbar auf. Man glaubt nämlich, daß ein im schnellsten L a u f « dahinjagendes Tier zuerst beide Vorderfüße u n d dann b e i d « Hinterfüße auf den Boden setze und wieder erhöbe, obgleich e l in Wirklichkeit seinen ursprünglichen Gang behält. Die S c h n e M ligkeit dieser Bewegung ist so verschieden, daß ihre allgemeine l Schätzung hier unausführbar erscheint, zudem hat man sie a u d l nur beim Pferde genau gemessen. Das Ergebnis dieser Messungen ist übrigens in hohem G r a d e überraschend. Einige englische Rennpferde haben sich durch ihre Leistungen einen geschichtlichen N a m e n erworben. Eine ähnliche Schnelligkeit dürfte im Freileben der Säugetiere übrigens selten v o r k o m m e n . Und was ist sie gegen die Schnelligkeit des Vogelfluges? Schon die langsame Krähe w ü r d e mit dem Rennpferd wetteifern können; die Brieftaube überholt es bald; denn sie durchfliegt mehr als den doppelten Raum in derselben Zeit. Und wenn n u n erst. ein Edelfalk zu ernster J a g d oder ein Segler zum Liebesreigen seine kraftgestählten unermüdlichen Schwingen in Bewegung setzt, wo bleibt da die Schnelle des edlen Rosses? Auch dieses klebt an der Scholle; darum g e w ä h r t die Zeit und Raum überfliegende Dichtung ihrem Rosse, dem Pegasus, die den Leib vergeistigende Schwinge. Das Springen geschieht sehr verschiedenartig. Alle Säugetiere, die springend laufen,wie die v o r h i n genannten, schnellen sich durch plötzliches Ausstrecken ihrer z u s a m m e n g e b o g e n e n Hinterbeine v o r w ä r t s und machen Sätze anstatt der Schritte. Diejenigen, die nur dann springen, wenn sie angreifen oder ein Hindernis übersetzen wollen, schnellen sich immer durch die Kraftanstrengung aller vier Beine empor, w e n n auch die Hinterbeine das Hauptsächlichste dabei leisten müssen. Der Schwanz bestimmt oder regelt die Richtung des Sprunges, und deshalb ist auch bei fast allen Springern dieses notwendige Steuer besonders entwickelt, bei den Affen ebensowohl wie bei der Springmaus, bei der Katze wie bei dem Känguruh. Ausnahmsweise, zum Beispiel bei den Langarmaffen, verrichten die Hinterbeine anstatt des Schwanzes den Dienst des Steuers. Die Kraft des Sprunges ist sehr bedeutend. Ein Affe k a n n einen in w a a g e rechter Richtung acht bis zehn Meter von ihm entfernten Zweig springend erreichen; ein Eichhorn springt ungefährdet aus einer Höhe v o n zwanzig und mehr Meter zur Tiefe nieder; ein Hirsch setzt über eine W a n d von drei, ein Löwe über eine solche von vier Meter Höhe, eine Gemse über eine Kluft von gleicher I
vVeilej ein Steinbock schnellt suii bis drei Meter senkrecht empor. Der hüpfende Gang der Känguruhs fördert fast ebenso schnell wie der Lauf des Hundes; eine Springmaus wird niemals von einem laufenden Menschen eingeholt. Im Springen sind die Säugetiere Meister — selbst der behende, starke Lachs, der doch oft unter den scheinbar ungünstigsten Umständen bedeutend hohe Sprünge macht, kann mit ihnen nicht wetteifern.
Kletterkünstler Sehr merkwürdig und verschieden ist die Kletterbewegung der Säugetiere. Wir finden unter denen, deren ganzes Leben auf dem Baume verläuft, ausgezeichnete Kletterer, Seil- oder Zweigkünstler und Gaukler. Nicht nur alle vier Beine, Hände oder Pfoten, sondern auch der Schwanz werden in Tätigkeit gesetzt; der Schwanz übernimmt sogar eine eigentümliche Rolle, deren Wiederholung wir nur bei einigen Kriechtieren und Fischen bemerken: er dient als Werkzeug zum Anheften, zum Festbinden des Leibes. Alle altweltlichen Affen klettern, indem sie das Gestein oder die Äste und Zweige mit ihren vier Händen packen und sich durch Anziehen der Vorderarme und Strecken der hinteren Glieder fortschieben. Ganz anders klettern viele Affen Amerikas. Sie sind geistig wie leiblich träger, also vorsichtiger und langsamer als ihre übermütigen Verwandten in der Alten Welt, auch ihre Bewegungen müssen daher andere sein. Allerdings werden die Hände noch benutzt; der Schwanz aber ist es, der zum Festhalten dient. Seine starken Muskeln rollen dessen Ende so fest um einen Ast oder Zweig, daß der ganze Leib hierdurch allein schon eine Stütze oder einen Henkel erhält, mit dem er sich so sicher befestigen kann, daß die Benutzung aller vier Beine möglich wird. Der Schwanz ist es, der vorausgeschickt wird, um Anhalt zu suchen, an ihm klettert unter Umständen der Affe wie an einem festgebundenen Seile empor. Von beiden Familien unterscheiden sich die Krallenkletterer, zu denen auch eine Familie der wirklichen Affen gehört. Sie häkeln sich mit ihren gebogenen, scharfen Krallen in die Baumrinde ein und gebrauchen den Schwanz höchstens noch zum Anstemmen gegen die Fläche, an der sie hinaufklettern, oder garnicht mehr. Unser Eichhorn und die Katze, der Marder und der Bär, der Beutelbilch und das Löweniffchen sind solche Krallenkletterer. Sie können sich mit großer
Klettergeschwindigkeit auf waagerechten, schiefen und senkrechten Flächen bewegen, ja auf ihnen förmlich umherlaufen, und einzelne v o n ihnen, w i e die Kusus u n d Beutelratten, besitzen dazu auch nocti einen Wickelscnwanz und geoen dann kaum den Affen im Klettern etwas nach. W e i t schwerfälliger ist das Klettern der Faultiere. Ihre Füße sind zwar mit scharfen Krallen versehen, sie benutzen sie aber weniger zum Einhäkeln in die Rinde, als vielmehr zum Umklammern der Äste und Zweige der Bäume, wie es der Mensch tut. Noch einfacher, keineswegs aber ungefährlicher ist das Ersteigen von Felswänden oder starken Stellungen der Gebirge. Die Paviane, auf den Bäumen tölpisch, müssen als die Meister in dieser Fertigkeit a n g e s e h e n werden; gleich hinter ihnen aber kommen — die Wiederkäuer, die auf Gebirgen leben. Sie steigen zwar bloß, allein dieses Steigen ist ein Klettern in halsbrecherischer W e i s e und erfordert eine weit größere Sicherheit und eine k a u m minder große Gewandtheit als das Klettern aller v o r h e r g e n a n n ten Tiere, ü b r i g e n s h a b e ich in den Urwäldern Afrikas die Ziegen mit großer Geschicklichkeit an schiefen Stämmen hinaufund in dem Gezweige der Bäume u m h e r k l e t t e r n sehen. M a n sollte nicht meinen, daß die Vögel auch in dieser Bew e g u n g die Säugetiere wenigstens in einer Hinsicht überträfen. Ein Eichhörnchen „reitet" allerdings schneller an einem Stamm hinan als ein Specht, keineswegs aber auch so behend und zierlich kopfunter an dem Stamm h i n a b wie die Spechtmeiss, mit der hierin nur die Eidechsen, namentlich die Geckos, wetteifern können. Die Affen, Katzen und Eichhörnchen und einige marderartige Tiere gehen zwar auch in der g e n a n n t e n Richtung nach unten, sie klettern aber nicht, sondern rutschen und können sich, w e n n sie einmal in Bewegung gekommen sind, keineswegs so ohne alle Umstände auf derselben Stelle erhalten wie der e r w ä h n t e Vogel. Dagegen steht die W i e d e r g a b e derselben Grundform in einer a n d e r e n Tierklasse, ich meine den „Vogelaffen" Papagei, weit hinter seinem Vorbild zurück. Er stümpert nur, wo jener vollkommener Künstler ist.
Flauerer und Schwimmer Das Flattern der Säugetiere, das oft mit Unrecht schon „Fliegen" genannt wird, lehrt uns eine a n d e r e Bewegungsart u n s e r e r Klasse kennen. Es läßt sich in ihr allerdings eine Steigerung h
Känguruhs
wahrnehmen, doch bleibt diese Bewegung immer nur bei dem Anfange, bei dem Versuche stehen u n d gelangt nie zur Vollendung. W i e ganz anders erscheint der Flug des Vogels. Er ist die köstlichste, e r h a b e n s t e aller Bewegungen: bald ein geruhiges Schweben, bald ein pfeilschnelles Stürmen, bald ein Wiegen, Schaukeln, Spielen, bald ein Gleiten, Dahinschießen, ernstes Eilen, bald ein Reisen mit Gedankenschnelle, bald ein Lustwandeln, langsam, gemächlich. Er k a n n so mannigfaltig, so verschieden sein wie er n u r will: immer bleibt und immer heißt er Flug. Bloß das Flugwerkzeug des Vogels n e n n e n wir Flüqel — das Säugetier h ä n g t auch mit Flügelgedanken noch an der Scholle. Freundlicher, beglückender für das Tier ist die vielen Säugern* v e r l i e h e n e Gabe, das W a s s e r bewohnen, in ihm schwimmen, in seine Tiefen hinabtauchen zu können. Nur sehr w e n i g « Säugetiere sind gänzlich unfähig, sich schwimmend auf der] Oberfläche des W a s s e r s zu e r h a l t e n : ich glaube bloß der un-J gelernte oder u n g e ü b t e Mensch u n d einige Affen w i e d i a Menschenaffen und die P a v i a n e ; daß Paviane ertrinken, wenn] sie in das W a s s e r fallen, weiß ich aus Erfahrung. Alle übrige™ versinken wenigstens nicht alsbald in die Tiefe. Eigentliche! W a s s e r s ä u g e t i e r e a b e r sind, mit A u s n a h m e der den h ö h e r e r ! O r d n u n g e n a n g e h ö r i g e n W a s s e r b e w o h n e r , doch bloß die wah-l ren Meeressäuger, die Robben u n d W a l e . Sie sind gleich-1 sam zu säugenden kiemenlosen Fischen geworden und brauchen] ihr W o h n g e b i e t allein der A t m u n g w e g e n n u r noch auf wenige! Augenblicke — wenigstens mit einem Teile ihres Leibes — zu verlassen; sie w e r d e n im W a s s e r geboren, leben, lieben u n d sterben in ihm. Kein Schwimm- oder Tauchvogel dürfte sie in der Schnelligkeit, k a u m einer in der Gewandtheit ihrer Bew e g u n g e n übertreffen: W a s s e r s ä u g e t i e r e und W a s s e r v ö g e l stehen sich durchschnittlich gleich. Es ist anziehend und b e l e h r e n d zugleich, die Steigerung dei Schwimmtätigkeit zu verfolgen u n d die den Schwimmern ge-; gebenen Bewegungswerkzeuge vergleichend zu betrachten. Wirf k ö n n e n dabei zuerst auch auf die unfreiwilligen Schwimmer j blicken. Hier ist das behufte Bein als das unvollkommenste W e r k z e u g anzusehen; allein dieses v e r v o l l k o m m n e t sich rasch in demselben Grade, in dem der Huf noch geteilt ist, und so ireffen wir unter den Vielhufern ausgezeichnete Schwimmer.' •i im Nilpferd schon ein echtes Wassertier. Die Hand steht H
höher als der Hui, ertordert aber wie immer so auch zum Schwimmen größere Geschicklichkeit. Viel leichter wird dies den Pfotentieren. Die weit vorreichende Fingerverbindung durch die S p a n n h a u t läßt aus der Pfote ein breiteres Ruder bilden, u n d dieses muß um so vollkommener sein, je m e h r die Spannhaut sich a u s d e h n t u n d zur Schwimmhaut wird, ü b r i g e n s ist diese keineswegs unbedingtes Erfordernis zu geschicktem Schwimmen, denn die W a s s e r s p i t z m a u s schwimmt unzweifelhaft ebenso gut wie das Schnabeltier, obgleich bei ihr nur straffe Haare zwischen den Zehen den breiten Entenfuß des Schnabeltieres ersetzen. Die Robben bilden Übergangsglieder v o n den Pfontentieren zu den eigentlichen ,,Fisch"-säugern, den W a l e n . Ihre Füße sind nur noch dem N a m e n nach Füße, in W a h r h e i t aber bereits Flossen; denn die Zehen sind schon gänzlich in die Bindehaut eingewickelt, und nur die N ä g e l lassen sie äußerlich noch sichtbar erscheinen. Bei den W a l e n fehlt auch dieses Merkmal; die Zehen w e r d e n durch Knorpelgewebe dicht und unbeweglich miteinander v e r b u n d e n , u n d bloß die gesamte Flosse ist noch beweglich; die hinteren Gliedmaßen verschwinden, aber der Schwanz breitet sich waagerecht zur echten Flosse a u s : das Mittelding zwischen Säuger u n d Fisch ist fertig geworden. Eine solche Verschiedenheit der W e r k z e u g e ändert auch die Bewegung, Die Huf- und Pfotentiere g e h e n oder strampeln im W a s s e r u n d stoßen sich dadurch weiter; die Floss e n - u n d ,,Fisch"-säuger fördern sich, indem sie ihre Ruder auch rudermäßig benutzen, das heißt mit der schmalen Kante durch die W e l l e n vorschieben u n d dann mit de'f Breitseite gegen sie Irücken; oder indem sie den Flossenschwanz kräftig seitlich oder auf u n d nieder bewegen, wie der Bootsmann sein Fahrzeug mit einem Ruder durch die Fluten treibt, wenn er dieses im Stern einlegt und bald nach rechts und bald nach links hin drückt, immer aber mit der Breitseite w i r k e n läßt. Die Pfotentiere mit Schwimmhäuten .legen ihre Ruder zusammen, wenn sie die Beine v o r w ä r t s bewegen, und breiten sie aus, wenn sie Riegen das Wasser arbeiten: sie r u d e r n wie die Vögel.
Schreien, Bellen, Brummen, Brüllen Die unwillkürlichen Bewegungen des inneren Leibes sind bei Jen Säugetieren durchschnittlich langsamer als bei den Vögeln. ) a s Herz schlägt seltener, u n d der Luftwechsel ist weniger hau9
tig in der Brust des Saugetieres als in der eines gleich grolie^ Vogels. Hiermit steht die etwa um zwei Grad geringere Blutwärme der Säuger im Einklänge. Den W a s s e r s ä u g e t i e r e n gewährt diese verhältnismäßige Trägheit der Atmungs- und Blutumlauf swerkzeuge große Vorteile; sie erlaubt ihnen, länger unter dem Wasser auszuharren, als es die Vögel vermögen. Am eigentümlichsten und zugleich auffallendsten aber zeigt sich die Trägheit der A t m u n g bei denjenigen Säugetieren, die Winterschlaf halten, solange dieser Totenschlummer anhält. Ein Murmeltier etwa, das im wachen Zustand w ä h r e n d eines Zeitraums von zwei Tagen 72 000 mal atmet, tut dies w ä h r e n d des Winterschlafs in der Zeit v o n sechs Monaten nur 71 000 mal, verbraucht also w ä h r e n d dieser Zeit höchstens den neunzigsten Teil der Luft, die w ä h r e n d des Wachseins zu seinem Leben erforderlich ist. Mit den A t m u n g s w e r k z e u g e n steht die Stimme in so enge Beziehung, daß wir sie schon jetzt berücksichtigen k ö n n e n W e n n wir die Säugetiere auch hierin wieder mit den Vögeln vergleichen, muß uns sogleich die geringe Biegsamkeit der Stimme fast aller Glieder u n s e r e r Klasse auffallen. Der Mensch allein besitzt eine v o l l k o m m e n e Stimme, wie die Vögel sie haben; ja, seine Stimme steht so hoch über der aller Vögel unc a n d e r e n Tiere, daß man sie mit als einen H a u p t g r u n d der Erhebung des Menschengeschlechts zu einer eigenen Klasse an gesehen hat. Das Säugetier im allgemeinen muß als ein klang und sangloses Geschöpf bezeichnet werden, als ein Wesen, das im Reich der Töne fremd ist. Kaum ein einziges Säugetier besitzt eine Stimme, die unser O h r befriedigen oder gar entzücken könnte. Nicht bloß zur Zeit der Liebe ist die Stimme des Säugetieres unserem Ohre unwillkommen, sondern stets, sobald sie irgendwelche Aufregung bekundet, ja auch w e n n dies nicht der Fal' ist, fast immer. Es fällt n i e m a n d e m ein, von singenden Säugetieren zu reden, m a n kann v o n Schreien, Bellen, Brummen Brüllen, Quieken, Pfeifen, Fauchen und so weiter reden — wahrhaftig nicht v o n a n g e n e h m e n Tönen. W i r sind zwar an die Stimmen vieler unserer t r e u e n Hausgefährten so gewöhnt, daß wir sie zuletzt ebenso gern v e r n e h m e n wie den r a u h e n Brummbaß eines uns lieb g e w o r d e n e n Freundes, fragen wir aber einen Tondichter nach dem Tonwert des Hundeaebells. Katzenmiauens, Rossewieherns oder Eselgeschreis, so lautet die Antwort in
sicherlich nicht anerkennend. Kurz, die Stimme aller Säugedere, mit A u s n a h m e des Menschen, ist rauh, mißtönig, unbiegsam und unbildsam, und sogar die, die uns zuweilen gemütlich anzusprechen dünkt, hört auf, beides zu sein, sobald irgendwelche Erregung die Seele des Tieres bewegt, w ä h r e n d bei dem Vogel oft das g e r a d e Gegenteil v o n all dem stattfindet. Auch hinsichtlich der Stimme ist der Vogel Bewegungstier,
Säuser sind „Allsinns'-Tiere Solange wir uns mit der rein leiblichen Tätigkeit der Säugetiere beschäftigten, mußten wir die großen Vorzüge a n e r k e n nen, die die Bewegungstiere oder Vögel, wenigstens in vielen Stücken, den Mitgliedern u n s e r e r Klasse, den Empfindungstieren, gegenüber besitzen. A n d e r s ist es aber, wenn wir die geistigen Fähigkeiten der Säuger betrachten. Die Sinnestätigkeit, die bei den u n t e r e n Klassen als die einzige geistige Regung angesehen w e r d e n muß, ist auch bei den Fischen und Lurchen noch verhältnismäßig sehr gering und bei den Vögeln vielfach beschränkt; bei unserer Klasse aber treten alle Sinne gleichsam erst in volle Wirksamkeit. Ihre einhellige und gleichmäßige Entwicklung erhebt die Säugetiere hoch über die Vögel. Die Vögel sind vorzugsweise Augentiere, die Säuger „All3inns"-Tiere. Die Vögel sehen besser als die Säuger, weil ihr großes A u g e v e r m ö g e seiner inneren Beweglichkeit für verschiedene Entferungen eingestellt u n d sehfähig gemacht werden kann; sie stehen dagegen in allen übrigen Sinnestätigkeiten weit hinter den Säugern zurück. Bei diesen zeigt sich schon überall mehr oder weniger jene Allseitigkeit, die im Menschen zur vollen Geltung gelangt, und deshalb eben stehen sie an der Spitze des Tiereiches. Zartfühlende Wesen Das Gefühl dürfte unter allen Sinnen derjenige sein, der am wenigsten hervortritt, und wie ausgebildet ist gerade diesei Sinn bei den Säugetieren! Der gewaltige W a l soll durch die geringste Berührung seiner Haut zum sofortigen Tieftauchen bewogen w e r d e n ; der Elefant spürt augenblicklich die Fliege, die sich auf seinem dicken Fell festsetzt; dem Ochsen verursacht leises Krabbeln zwischen seinen Hörnern angenehmen Kitzel; den schlafenden H u n d erweckt das sanfteste Streicheln. Und alle diese Tiere sind gefühllos zu nennen im VerII
yieiciie zuai Menschen. Bei ihm ist die äußere Haut ja so zartfühlend, daß auch der leiseste Lufthauch, der sie trifft, empfunden wird. Der Tastsinn zeigt sich zwar schwächer als die Empfindung, aber doch überall mindestens in demselben Grade wie bei den Vögeln. Selbst die Einhufer besitzen ein gewisses Tastgefühl in ihren Füßen, trotz des Hornschuhes, der vom Hufschmied wie ein dürres Stück Holz behandelt werden kann; man muß nur ein Pferd beobachten, wenn es nachts das Gebirge hinauf oder hinab steigt. Mit seinem Hufe prüft es den Weg, mit ihm betastet es den Boden. Die Tastfähigkeit der Schnurrhaare ist schon viel größer; die mit ihnen versehenen Tiere tasten fast ebensogut wie viele Kerbtiere, die ihren ersten Sinn in den Fühlhörnern tragen. Unsere Hauskatze, die Ratte oder die Maus zeigen in sehr ersichtlicher Weise, wie nützlich ihnen die Schnurrhaare sind: sie beschnuppern oft nur scheinbar einen Gegenstand oder wenigstens erst, nachdem sie ihn betastet haben. Allen Nachtsäugetieren dienen die Schnurrhaare als unentbehrliche Wegweiser bei ihren nächtlichen Wanderungen: sie schützen vielfach die edleren Sinneswerkzeuge des Gesichts und Geruchs. Zu welcher bewunderungswürdigen Vollkommenheit aber der Tastsinn in unserer Klasse gelangen kann, hat jeder meiner Leser an seiner eigenen Hand erfahren, wenn sie auch noch weit hinter der eines Künstlers oder eines Blinden zurückstehen dürfte. Die Hand ist das vollkommenste aller Tastwerkzeuge, sie kann das Gesicht, wenn auch nicht ersetzen, so doch oft und wirksam vertreten. Tiere mit „gutem G e s c h m a c k * Der Geschmackssinn oder das Gefühl der Zunge kommt, streng genommen, erst in unserer Klasse zu allgemeiner Geltung. Ein gewisser Grad von Geschmack darf zwar den Vögeln, Kriechtieren, Lurchen und Fischen nicht abgesprochen werden, denn man kann beobachten, daß sie manche Speisen lieber fressen als andere; allein der Sinn erhält doch nur bei wenigen Vögeln, beispielsweise bei den Papageien und den Zahnschnäbiern, zu denen unsere Würger gehören, ein Werkzeug, das vermöge seiner Weichheit und der hierdurch wirksam werdenden Nerventätigkeit das Schmecken möglich macht, während dieses Werkzeug, die Zunge, bei der großen Mehrzahl so verhärtet und verkümmert ist, daß es den chemischen Hergang des Schmeckens, die Auflösung der Speiseteile und die dann 12
Afrikanische
Elefanten
zur Sinneswahrnehmung gelangende Verschiedenheit unmöglich einleiten und befördern k a n n . A n d e r s ist es bei den Säugern. Hier ist die Zunge regelmäßig schmeckfähig, mag sie auch noch so h a r t und rauh erscheinen. Salz und Zucker äußern, wie j e d e r m a n n weiß, fast immer ihre W i r k u n g auf die Geschmackswerkzeuge der Säugetiere; sogar die Katzen verschmähen diese beiden Stoffe nicht, sobald sie ihnen gelöst geboten werden. Die harte Zunge des stumpfsinnigen Kamels, die durch nadelscharfe Mimosendornen nicht verletzt werden kann, widersteht dem chemischen Einflüsse des Salzes nicht, sondern fühlt sich höchst a n g e n e h m geschmeichelt, w e n n dieser Zauberstoff durch sie gelöst und seine Annehmlichkeit fühlbar gemacht wird; der Elefant, dessen Zunge als ein ungefüges Stück Fleisch erscheint, beweist durch große Zufriedenheit, daß dieses klotzige Fleischstück durch Süßigkeiten oder geistige G e t r ä n k e äußerst a n g e n e h m gekitzelt wird; u n d alle, selbst die wildesten Katzen, finden in der Milch eine Leckerei. Hinsichtlich des Geschmacks stehen die Vögel wieder unendlich weit zurück hinter den Säugern. SpürenundWittern Der Geruchssinn erreicht bei den Säugetieren ebenfalls die höchstdenkbare Entwicklung. Ein vergleichender Überblick der verschiedenen Tierklassen belehrt uns, daß gerade der Geruch schon bei niederen Tieren einer der ausgeprägtesten Sinne ist; ich will bloß an die Kerbtiere erinnern, die dem Blumendufte nachschwärmen oder zu A a s - und Kothaufen von fern herangezogen werden. Die Fische erscheinen in der N ä h e eines Aases, das ihnen vorgeworfen wird, in Flüssen sogar von oben her, aus derjenigen Richtung, nach der das W a s s e r doch unmöglich Vermittler des Riechstoffes sein kann. Bei Lurchen und Kriechtieren ist der Geruchsinn schlecht ausgebildet, bei den Vögeln so gut wie gar nicht. Bei den Säugetieren aber finden wir viele Tiere, deren Geruchssinn eine wahrhaft überraschende Ausbildung erlangt hat. Der Geruch ist selbstverständlich nur befähigt, gasförmige Stoffe zur S i n n e s w a h r n e h m u n g zu bringen; wie es aber möglich ist, bloß noch A n d e u t u n g e n solcher Gase aufzuspüren und zum Bewußtsein gelangen zu lassen, wird ein ewiges Rätsel bleiben. Ein H u n d spürt die bereits vor Stunden g e t r e t e n e F ä h r t e seines H e r r n unter tausend a n d e r e n Menschenfährten unfehlbar aus oder folgt dem Wilde, das gestern einen 14
gewissen Weg ging, aut diesem Wege durch dass zu vollem Bewußtsein kommende Riechen, das heißt durch das Ausscheiden des einen eigentümlichen Geruchs aus hundert anderen Gerüchen, und hat dazu nicht mehr Anhalt als die Gase, die von einer augenblicklichen Berührung des Stiefels oder Hufes und des Bodens herkommen. Dies uns zu denken oder klar vorzustellen, halte ich für unmöglich. Ebenso undenkbar für uns Stumpfsinnige ist diejenige Ausbildung des Geruches, die wir „Wittern" nennen. Daß ein Hase den verborgenen Jäger, der im Winde steht, auf dreißig Schritte Entfernung riechen kann, erscheint uns gar nicht so merkwürdig, weil selbst unsere Nasen, die doch durch Stubenluft und alle möglichen anderen edeln und unedlen, unserem geselligen Leben notwendig anhängenden Düfte hinlänglich entnervt sind, die eigentümlichen Gerüche unserer Haustiere auf zehn bis zwanzig Schritte Entfernung noch wahrzunehmen vermögen; daß aber ein Rentier den Menschen noch auf fünfhundert Schritte hin wittert, ist unbegreiflich, und ich würde es, offen gestanden, gewiß nicht geglaubt haben, hätte ich es nicht durch eigene Beobachtung erfahren müssen. Spüren und Wittern sind gleich wunderbar für uns, weil wir weder die eine noch die andere Höhe des Geruchs auch nur annähernd erreichen können. Große Ohren — gutes Gehör Fraglich erscheint, ob bei den Säugern der Sinn des Geruches von dem des Gehörs überboten wird oder nicht. So viel steht fest, daß das Gehör in unserer Klasse eine Entwicklung erreicht wie in keiner anderen. Der Gehörsinn ist zwar schon bei den tieferstehenden Klassen des Tierreiches ziemlich ausgebildet, jedoch nirgends in dem Grade, daß er zum Leben, beispielsweise zum Aufsuchen der Beute oder Nahrung, unumgänglich nötig wäre. Dies ist erst bei den zwei oberen Klassen der Fall; allein das vollkommenste Ohr der Vögel erscheint immer nur als eine Nachbildung des Säugetierohres. Daß die Vögel ganz vortrefflich hören, geht schon aus ihren tonkünstlerischen Begabungen hervor; sie erfreuen und beleben sich gegenseitig durch ihren liederreichen Mund und durch ihr Gehör, das ihnen eben das Reich der Töne erschließt. Es ist aber bemerkenswert, daß unter ihnen nur diejenigen liederbegabt sind, oder nur diejenigen sich in Klängen und Tönen berauschen, die das am wenigsten entwickelte Gehör besitzen, wäh-
iend den Feinhörigen, etilen Eulen beispielsweise, dieselben Töne, die a n d e r e Vögel entzücken, ein Greuel sind. Geradeso ist es bei den Säugern. Hier zeigt schon der äußere und hoch mehr der innere Bau des O h r e s die h ö h e r e Begabung de^ entsprechenden Sinnes an; die Begabung aber k a n n sich so steigern, oder der Sinn k a n n sich so verfeinern, daß ihm Klänge, die stumpferen Ohren wohllautend erscheinen, gellend oder u n a n g e n e h m werden. Ein musikalisches Gehör ist deshalb keineswegs ein gutes oder feines Gehör zu nennen; es steht vielmehr auf einer tieferen Stufe der Entwicklung als das eines wirklich feinhörenden Tieres, u n d w e n n m a n v o n seiner Ausbildung spricht, kann man das immer nur bedingt meinen. Hieraus geht hervor, daß beim Menschen der Sinn des Gehörs wie der des Geruches auf einer tieferen Stufe steht als bei den a n d e r e n Säugern; dies tut aber seiner Stellung unter den lebenden W e s e n durchaus keinen Abbruch, denn eben die gleichmäßige Ausbildung aller Sinne ist es, die ihn über alle Tiere erhebt. Die Hörfähigkeit der Säuger ist sehr verschieden. Taub ist kein einziger v o n ihnen, wirklich feinhörig aber sind nur wenige. Das äußere Ohr gibt einen ziemlichen richtgen Maßstab zur Beuteilung der g e r i n g e r e n oder größeren Entwicklung des Sinnes; das heißt, alle Tiere, die große, stehende und bewegliche Ohrmuscheln besitzen, hören besser als diejenigen, deren Ohrmuscheln hängend, klein oder gar v e r k ü m m e r t sind. Mit dem äußerlich v e r b e s s e r t e n Sinneswerkzeug v e r m e h r t sich die Empfänglichkeit für die Töne; um es mit w e n i g e n Worten zu sagen: großohrige Säuger hassen, kleinohrige lieben Töne u n d Klänge. Der Delphin folgt entzückt dem Schiffe, von dessen Bord Musik zu ihm herabklingt; der Seehund erscheint an der Oberfläche des W a s s e r s , w e n n der Fischer leise und klangvoll pfeift; das Roß w i e h e r t vor Lust beim Schmettern der Trompeten; das Kamel stelzt frischer dahin, w e n n die Zugglocke läutet; der Bär erhebt sich beim Ton der Flöte; der Elefant, der wohl einen großen Ohrlappen, aber keine große Ohrmuschel besitzt, bev/egt seine Beine tanzartig bei der Musik, unterscheidet sogar schmelzende Arien von kräftigen Märschen oder Kriegsgesängen. Aber keines dieser Tiere gibt einen für uns angenehmen, w o h l t ö n e n d e n Laut von sich wie die tonbegabten Vögel, die die Musik lieben und durch sie zum Singen und Tnhehi ruifqern'intPrl werden. Anders b e n e h m e n sich die fein-
hö;iycii Sauger beim Empfinden der Töne und Klänge, die ihren O h r e n zu stark sind. Der H u n d erträgt den Baß des Mannes, nicht aber den Sopran der Frau; er heult beim Gesänge des W e i b e s wie bei Tönen aus Blaswerkzeugen, w ä h r e n d er die milderen Saitentöne schon viel besser leiden mag. Noch auffallender gebärdet sich eine großohrige Fledermaus, wenn sie Musik hört: sie gerät in peinliche Unruhe, zuckt mit den Vordergliedern u n d begleitet die äußeren Bewegungen mit zitternden Lauten ihrer Stimme; ihr sind die starken Töne geradezu entsetzlich. W i e sich das W i l d beim Hören greller Töne benimmt, weiß ich nicht, ich glaube aber, daß es ebenso empfindlich gegen sie ist wie die a n d e r e n großohrigen Tiere, ü b r i g e n s läßt sich über die wirkliche Schärfe des Gehörsinns nichts Bestimmtes sagen. W i r sind n u r imstande, bei den einzelnen Tieren v o n diesbezüglicher Schärfe zu reden; die H ö h e der Entwicklung des Sinnes läßt sich nicht messen. Daß sehr viele Säuger noch Geräusche hören, die wir durchaus nicht mehr w a h r n e h m e n können, ist sicher, wie weit dies aber geht, wissen w i r nicht. Es steht wohl fest, daß eine Katze, wie die Eule, das Geräusch, -das eine M a u s beim Laufen verursacht, vernimmt, allein wir v e r m ö g e n nicht zu bestimmen, auf welche Entfernung hin sie die leisen Fußtritte noch v o m Rascheln des W i n d e s unterscheiden kann. Die großohrige Fledermaus hört wahrscheinlich das Fluggeräusch kleiner Schmetterlinge, v o n deren Bewegung wir entschieden nichts m e h r durch den Gehörsinn w a h r n e h m e n können, der Wüstenfuchs vielleicht das Krabbeln eines Käfers im Sande noch auf ein gutes Stück; das Wild vernimmt den Schall der Fußtritte des J ä g e r s auf hundert, vielleicht zweihundert Schritte. Alle diese A n g a b e n aber beweisen gar nichts u n d g e w ä h r e n u n s keinen Anhalt zu g e n a u e r Bestimmung. Das A u g e als S p i e g e l der T i e r s e e l e Der Gesichtssinn der Säugetiere erreicht wahrscheinlich nie dieselbe Schärfe wie der Geruch und das Gehör. Daß alle Säuger hinsichtlich des Sehens von den Vögeln übertroffen werden, h a b e ich bereits erwähnt, bis zu welchem G r a d e aber, dürfte schwer zu sagen sein, da wir auch hierin wirkliche Beobachtungen nur an uns selbst machen können. Es ist wohl anzunehmen, daß v o n den T a g s ä u g e r n k a u m einer den Menschen in der Entwicklung seines Auges und der damit v e r b u n d e n e n i /
Sehschärfe überbietet; w e n i g s t e n s k e n n e ich keine Beobachtungen, die dem widersprächen. A n d e r s v e r h ä l t es sich bei den Nachttieren, also fast allen Räubern, einigen Affen, allen Halbaffen, den Flattertieren, m e h r e r e n N a g e r n und anderen. Sie besitzen entweder sehr entwickelte oder aber auch sehr verk ü m m e r t e Augen. Die w a h r e n Raubtiere h a b e n unstreitig das schärfste Gesicht unter allen Säugern; ihre Augen sind auch so empfänglich für die Einwirkung des Lichts, daß schon gewöhnliches Tageslicht wenigstens vielen äußerst u n a n g e n e h m wird. Das Raubtierauge besitzt d a h e r viel innere Beweglichkeit; sie ist aber nicht willkürlich wie bei den Vögeln, sondern unwillkürlich, und steht mit der g r ö ß e r e n oder geringeren Helle gen a u im Einklang. Unsere Hauskatze zeigt uns deutlich, wie das Licht auf ihr A u g e wirkt. Es schließt sich bei Tage dergestalt, daß der Stern nur wie ein schmaler Strich erscheint, w ä h r e n d es sich mit der Dunkelheit verhältnismäßig ausdehnt. Sie bestätigt also auch hinsichtlich des Gesichts die W a h r h e i t , daß nur ein mittelmäßig entwickelter Sinn s t ä r k e r e Reize v e r t r a g e n kann. Als Regel darf gelten, daß alle Säuger, die r u n d e A u g e n s t e r n e besitzen, Tagtiere sind oder bei Tage und bei Nacht verhältnismäßig gleich scharf sehen, w ä h r e n d diejenigen, deren Stern spaltartig erscheint, erst mit der D ä m m e r u n g die volle Schärfe ihres Sinnes benutzen können. M e r k w ü r d i g erscheint die in der höchsten Klasse einige Male v o r k o m m e n d e V e r k ü m m e r u n g der Augen, die vollkommene Blindheit bedeuten kann, wie beim Blindmull, einem unterirdisch lebenden Nagetier Südosteuropas. Das A u g e fehlt, soviel jetzt bekannt ist, keinem Säugetier; auch unser Maulwurf, der oft genug mit seinem „blinden" Bruder verwechselt worden ist, besitzt ein ziemlich sehfähiges A u g e . Das A u g e der Säugetiere müssen wir übrigens auch noch v o n einem anderen Standpunkt betrachten: als äußeres, sichtliches Bild des Geistes. Bei den u n t e r e n Klassen hat es noch nicht die Beredsamkeit erlangt, daß es als Spiegel der Seele erscheinen k ö n n t e . W i r finden es zwar bei der Schlange tückisch, beim Krokodil hämisch und bei einigen Vögeln mild, bei a n d e r e n aber streng oder ernst und mutig, allein mit wenigen Ausn a h m e n legen wir selbst das hinein, was wir zu sehen glauben. Erst aus dem lebendigen Falken- oder A d l e r a u g e spricht uns das Innere an; bei dem A u g e der Säugetiere ist das aber fast immer der Fall. Hier k ö n n e n wir wirklich v o n einem Gesichtsir
Giraffen
Ausdruck reden, und an einem solchen nimmt ja eben das Auge den größten Anteil. Deshalb hat sich das Volk mit richtiger Erkenntnis längst seine Bilder gewählt und spricht mit Recht von dem stumpfen Auge des Rindes, dem schönen A u g e der Giraffe, dem milden der Gazelle, dem treuherzigen des Hundes, dem frommen oder dummen des Schafes, dem falschen des Wolfes, dem glühenden des Luchses, dem tückischen des Affen, dem stolzen des Löwen; denn bei allen diesen Tieren ist das A u g e wirklich der truglose Spiegel des Inneren. Die Bewegung der Tierseele spricht aus dem Auge, es ersetzt die fehlende Sprache. Schmerz und Freude, Betrübnis und Heiterkeit, Angst und Leichtsinn, Kummer und Fröhlichkeit, Haß und Liebe, Abscheu und Wohlwollen finden in dem A u g e ihren stummberedten Verkündiger; der ,Geist' offenbart sich hier äußerlich. Und so mag uns das A u g e als Bild und Dolmetsch zur allgemeinen Betrachtung des Tiergeistes führen. Noch sind wir weit entfernt, das tierische Leben e r k a n n t zu haben, und noch studieren wir am Tiere, in der Absicht, uns.selbst k e n n e n zu lernen. Aber wir schreiten in unserer Erkenntnis vor von J a h r zu Jahr, von Tag zu Tag, und schon seit langem h a b e n wir uns einverstanden erklärt mit Scheitlins goldenen W o r t e n : „Alles Tier ist im Menschen, aber nicht aller Mensch ist im Tiere!" Begierden und Leidenschaften Das Tier handelt genau so verständig, wie sein Gehirn es vermag. Dieses Gehirn k a n n mehr oder weniger entwickelt, mehr oder weniger geschult, das Handeln dementsprechend sehr verschiedenartig sein. Das Säugetier besitzt Gedächtnis, Verstand und Gemüt und hat daher oft einen sehr entschiedenen, bestimmten Charakter. Es zeigt Unterscheidungsvermögen, Zeit-, Orts-, Farben- und Tonsinn, Erkenntnis, W a h r n e h m u n g s gabe, ja Urteil und Schlußfähigkeit; es b e w a h r t sich gemachte Erfahrungen auf und benutzt sie. Es beweist Neigung und Abneigung, Liebe gegen Gatten und Kind, Freunde und Wohltäter, Haß gegen Feinde und Widersacher, Dankbarkeit, Treue, Achtung und Mißachtung, Freude u n d Schmerz, Zorn und Sanftmut, List und Klugheit, Ehrlichkeit u n d Verschlagenheit. Das Tier hat von der Geselligkeit sehr hohe Begriffe und opfert sich zum W o h l e der Gesamtheit: es pflegt Kranke, unterstützt Schwächere und teilt mit Hungrigen seine N a h r u n g . Es überwinriel Begierden unri Leidenschaften und lernt sich beherr?(!
stiieu, zeigt diso dudi selbständigen Willen und Willenskralt Es erinnert sich der V e r g a n g e n h e i t j a h r e l a n g u n d „gedenkt" so gar der Zukunft, sammelt und spart für sie. Eines dürfen wir hier nicht v e r g e s s e n : ich meine die Steigerung, der alle Geisteskräfte des Tieres fähig sind, w e n n „ihm Erziehung zuteil wird. Es gibt ebensowohl gesittete, wohlerzogene oder ungesittete, flegelhafte, ungezogene Tiere wie Menschen. Der Erzieher übt einen unendlichen Einfluß auf das Tier aus. Schon eine wohlerzogene Tiermutter gibt einen guten Teil ihrer Tugenden an ihre Kinder weiter; der hauptsächlichste und vorzüglichste Erzieher aber ist der Mensch. Ein einziges Beispiel mag g e n ü g e n : unser am besten erzogenes Tier, der Hund, soll es sein. Er wird mit der Zeit ein w a h r e s Spiegelbild seines Herrn, er eignet sich sozusagen dessen C h a r a k t e r an, der J a g d h u n d den des Jägers, der Fleischerhund den des Fleischers, der Schifferhund den des Schiffers, der Lappen-, Eskimo-, Indianerhund den seiner jeweiligen Gebieter.
Die Tierreiche der Erde Der Heimatkreis des Säugetieres ist beschränkter als der eines Vogels oder Fisches, ja selbst eines Lurches. N u r das Meer gestattet den Bewohnern aus u n s e r e r Klasse große Willkürlichkeit der Bewegung und O r t s v e r ä n d e r u n g , allein immer nicht in demselben Grade wie dem Vogel; in den zusammenh ä n g e n d e n Meeren aller Erdteile finden sich n u r folgende Säugetiere: der Seehund, die O h r e n r o b b e , m e h r e r e Delphine und zwei W a l e . Auch die M e e r e s s ä u g e r beweisen, daß ihre Klasse dem Lande und nicht dem W a s s e r angehört, denn sie selbst ziehen die Küste dem offenen Meere vor. Auf dem Festland nimmt der Verbreitungskreis der Säugetiere viel engere Grenzen an als im Meer. Viele Arten h a b e n ein sehr kleines Vaterland. Man h a t die Erde mit Rücksicht auf ihre Bewohner in gewisse tierkundliche Reiche geteilt. Ein solches Reich hat immer seine ihm eigentümlichen tierischen Einwohner; zwei sich entsprechende Reiche weisen auch ähnliche Tiere auf, selbst w e n n das eine Reich v o n der Tiefe zur Höhe und das a n d e r e v o n niederer Breite zur höheren aufsteigt. Das P o l a r r e i c h Das erste Reich faßt in sich den ganzen Norden, der innerhalb des Polarkreises liegt. Die T r e n n u n g zwischen beiden Erd-
Uiliten ist noch nicht ausgesprochen, aber doch schon angedeutet. Der Eisbär, zwei Vielfraße, der Eisfuchs, m e h r e r e Lemmmge, zwei Schneehasen, die Pfeifhasen, das Rentier, m e h r e r e Seehunde, das Walroß, der Pot-, Nar-, Finn- und der gemeine W a l kennzeichnen diesen ärmsten Kreis der Erde. Ihm entspricht einigermaßen der H ö h e n k r e i s u n s e r e s gewaltigen Alpengebirges, v o n etwa zweitausend Meter über dem Meere an aufwärts; er enthält die Gemse, den Steinbock, eine Schneewühlmaus, das Murmeltier und den A l p e n h a s e n . Der g e m ä ß i g t e N o r d g ü r t e l Ungleich reicher an Formen und A r t e n zeigt sich der nördliche gemäßigte Gürtel u n s e r e r Erde. Seine Pflanzen- und Tierwelt scheidet ihn in zwei Hälften: in die des Ostens u n d des Westens. Man hat den östlichen in fünf Gebiete getrennt, nämlich in Mittel- und Südeuropa, in Nordafrika, Südsibirien und die Steppe von Turan. Diesen Gebieten sind gemeinsam: vier Fledermäuse, zwei Spitzmäuse, der Fischotter, der Fuchs, die weitverbreitete W a n d e r r a t t e und die W a s s e r r a t t e . Ihnen am nächsten verbreiten sich über die meisten Gebiete die Fledermäuse und Spitzmäuse, Maulwurf, Bär und Dachs, fast sämtliche Marder, der Wolf und der Luchs, das Eichhorn und die Mäuse. Mitteleuropa für sich allein besitzt n u r wenige Fledermäuse und Spitzmäuse, eine Schlafmaus, einen Blindmull, vier W ü h l mäuse und den nur noch in Gehegen lebenden Wisent, Südeuropa einige Fledermäuse, eine Rüsselspitzmaus, den Blindmaulwurf, die zu den W i e s e l n g e h ö r e n d e Boccamele, die Manguste oder Schleichkatze, einen Luchs, einen Hasen und den Mufflon, ein Wildschaf. Nordafrika ist charakterisiert durch den türkischen Affen, einen Igel, eine Rohrrüsselmaus, den durch seine Schlangenjagd b e r ü h m t e n Ichneumon, den Wüstenfuchs und den Wüstenluchs, ein Eichhorn, eine Springmaus und andere; Sibirien und Turan zeigen den Ohrenigel, den Korsak genannten Steppenfuchs, die W i l d k a t z e n a r t Manul, den Zobel, die Steppenantilope. Als C h a r a k t e r t i e r e der ganzen Ostbälfte des Reiches dürfen Dachs, Luchs, Wildkatze, Igel, Maulwurf, Blindmull, die W ü h l m ä u s e , Edelhirsch, Reh, Mufflon und Wisent betrachtet werden. Die zweite, amerikanische Hälfte des nördlichen gemäßigten Gürtels ist gekennzeichnet durch sehr viele eigentümliche Fler W m ä u s p und Spitzmäuse, die amerikanischen Bären und U
Waschbaien, einen Dachs, die Stinktiere oder Skunks, mehrere Marder, einen Vielfraß, einen Fisch- und einen Seeotter, mehr e r e Hunde, die einfarbige Katze, einige Beutelratten, sehr viele Baum-, Flug- und Erdeichhörnchen, Ziesel, Murmeltiere, klein e r e Nager, viele Hasen, m e h e r e Hirsche-, zwei Antilopen, das Bergschaf und den Indianerbüffel, den Bison. Die Ähnlichkeit der Tierformen der West- und Osthälfte des gemäßigten Gürtels ist u n v e r k e n n b a r . A n d e r s finden wir es, wenn wir die verschiedenen Gebiete der W e n d e k r e i s l ä n d e r miteinander vergleichen. Hier spricht sich jedes scharf u n d bestimmt für sich selbst aus, und nur wenige Formen sind allen Reichen gemeinsam. Der Reichtum der Tropenwelt ist zu groß u n d die Eigentümlichkeiten der verschiedenen Gebiete sind zu bedeutend, als daß nicht auch die Tierwelt in demselben Verhältnis Reichtum und Eigentümlichkeit der Gestalten zeigen sollte. Hochasien bildet gleichsam ein Bindeglied zwischen dem Nord- und dem Äquatorgürtel der Erde; es hat vieles mit beiden gemein, und deshalb müssen wir es wenigstens flüchtig betrachten. W i r v e r s t e h e n darunter Turkestan, die Mongolei, J a p a n , N e p a l und die Euphratländer. Diese Gebiete zeichnen a u s : der japanische Makak, das ist eine A.ffenart, zwei fruchtfressende und einige echte Fledermäuse, Spitzmäuse, ein Maulwurf, der Kragenbär, der japanische Dachs, der Band-Iltis, einige M a n g u s t e n und Ginsterkatzen, Baumund Flughörnchen, kleine Nager, eigentümliche Hasen und Murmeltiere, der Dschiggetai oder Halbesel, das japanische Schwein, das zweihöckerige Kamel, ein Moschustier, einige Hirsche und Antilopen, der kaukasische Steinbock, die Bezoarziege und die Himalayaziege, das Argalischaf und andere Schafe und der Yak oder Grunzochse. Das Reich S ü d a s i e n Südasien ist reicher als alle bisher g e n a n n t e n Gebiete, zeigt uns aber zugleich auch große Beschränkung in der Verbreitung mancher Tiere. W i r v e r s t e h e n unter Südasien Vorder- und Hinterindien, J a v a , Sumatra u n d Borneo sowie die Molukken. Hier leben der rothaarige Menschenaffe Orang-Utan, die Langarm- und die Schlankaffen, die meisten M a k a k e n oder Hundsaffen, die Loris oder Faulaffen, große Fledermäuse, der Halsband- und der Lippenbar, der Honigdachs, viele Zibet- und ^rhloir-hkat7Pn. vi^io H u n d e , der asiatische Löwe, Tiger, Pan
a
tliüi, lanyschwänziye Pardel, J a g d p a n t h e r u n d noch m e h r e r e andere Katzen, die meisten u n d größten. Flughörnchen, m e h r e r e Schuppentiere, der wilde Esel, der indische Elefant, das indische N a s h o r n und der indische Tapir, m e h r e r e Schweine, darunter der Hirscheber, die echten Moschustiere, die Nilgai-Antilopen, die vierhörnige und die Hirschantilope und m e h r e r e Rinder. Tierreich Afrika Afrika zeigt ein nicht minder selbständiges Gepräge und eine große Verbreitung der ihm eigentümlichen Tiere. Ihm gehören zu: die beiden Menschenaffen Gorilla und Schimpanse, sämtliche Meerkatzen, die Stummelaffen, Paviane und viele Halbaffen, die namentlich auf M a d a g a s k a r zu Hause sind, eigentümliche Fledermäuse, Igel, Spitzmäuse, viele Ginster-, Zibetund Schleichkatzen, der Löffelhund u n d der Wüstenfuchs nebst vielen a n d e r e n Hunden, die H y ä n e n u n d der H y ä n e n h u n d ; von Katzen: Löwe, Pardel, Gepard, Serval und Karakal sowie die Falbkatze, die meisten Erdeichhörnchen, eigentümliche Siebenschläfer, die Spring-, Steppen- und W ü s t e n m ä u s e , das Erdferkel u n d zwei Schuppentiere, das Zebra und die Tigerpferde, der afrikanische Elefant, drei Nashörner, das Fluß- oder Nilpferd, die Larvenschweine, die Klippschliefer, die sonderbarerweise murmeltiergroße V e r w a n d t e der Elefanten sind, die riesigen Giraffen, fünf Sechstel aller Antilopen, einige Steinböcke, das Mähnenschaf, zwei Büffel und eine Ohrenrobbe. Bei aller Eigentümlichkeit dieser Tierwelt zeigt sich gleichwohl noch immer große Übereinstimmung mit jener Asiens und selbst der Europas. Namentlich die W ü s t e n - und Steppentiere erinnern auffallend an die, die in der Tiefebene Turans leben. Die W a l d a r m u t Afrikas ist sehr deutlich ausgesprochen; die Hirsche beispielsweise fehlen im Süden und in der Mitte ganz, und die Eichhörnchen sind auf den Boden herabgekommen. In seinen Dickhäutern u n d der Giraffe zeigt sich Afrika gleichsam noch als Urland, als v o n gewissen n e u e r e n Schöpfungsabschnitten unberührt. Die T i e r w e l t A m e r i k a s Ganz das Gegenteil von Afrika macht sich in Amerika bemerklich. Das u n g e h e u r e Gebirge und die unermessenen W ä l der sprechen sich deutlich in seiner Tierwelt aus. Alles in diesem Erdteile ist neu, alles eigentümlich: an die Alte Welt er6
iiuieni manche Tierformen bloß noch entfernt. Ich will kurz sein und hier nur die bemerkenswertesten Tiere Mittel- und Sudamerikas nennen. Amerika beherbergt ausschließlich die Brüll-, Klammer-, Rollschwanz-, Woll-, Schweif-, Nacht- und Krallenaffen, die blutsaugenden Fledermäuse oder Vampire, einige ihm eigene Bärentiere, Stinkmarder und Fischottern, einige Hunde, den Silberlöwen oder Puma, die großen Raubkatzen Kuguar und Jaguar, die Pardel- und Tigerkatzen, viele Beuteltiere in zwei Amerika eigentümlichen Gattungen, sehr viele Nagetiere, darunter die Hasenmäuse und Hufpfötler, die ebenfalls nur hier vertreten sind, die Faultiere und Gürteltiere nebst den Ameisenbären, drei Tapire, die Bisamschweine, einige Hirsche, drei oder richtiger zwei Lamas. Im Vergleich zu der Zahl der Vögel scheint es, als ob Südamerika arm an Säugetieren wäre; wenn man aber die Eigentümlichkeit der Gattungen und die Menge der Arten bedenkt, wird man bald eines besseren belehrt. Säugetierarmes Australien Australien zeigt uns ein sehr selbständiges Gepräge, bei all seiner Armut an Säugern. Es ist das eigentliche Vaterland der Beuteltiere. Man kennt im ganzen etwa einhundertvierzig Arten von Säugern, die in Australien leben, davon sind hundertzehn Arten Beutler. Das allbekannte Känguruh, die Raubbeutler und Beutelbilche mögen sie kennzeichnen. Außerdem wohnen in Australien noch der Dingo, der ein eigentümlicher Windhund ist, und die beiden eierlegenden Säugetiere, das Schnabeltier und der Ameisenigel. Fassen wir -das nunmehr Gewonnene hinsichtlich der Ordnungen und Familien zusammen, so ergibt sich folgendes: Die Affen sind auf dem warmen Gürtel der Erde beschränkt, der Osten und Westen unterscheiden sich aber scharf durch eigene Familien, Gattungen und Arten; die Halbaffen bewohnen bloß die heißen Länder der Alten Welt, die Beuteltiere finden sich ausschließlich in Australien, Amerika und Asien; die Zahnarmen, zu denen Schuppen- und Gürteltiere, Faultier und Ameisenbär gehören, fehlen in Europa, die Wiederkäuer und Vielhufer in Australien; die Einhufer waren ursprünglich nur in Asien und Afrika heimisch, erst der Mensch hat das Pferd über die ganze Welt verbreitet. Die Fledermäuse, Raubtiere. Nager, Robben und Wale sind Weltbürger.
Geschöpfe Ihres Lebensraumes Leibliche und geistige Begabungen eines Säugetieres be stimmen seine Lebensweise in der ihm gegebenen Heimat, deren Erzeugnis, deren Geschöpf es ist. J e d e s richtet sich nach seinen Gaben ein und benutzt die ihm gewordene Ausrüstung in der ergiebigsten Weise. Eine gewisse verständige Willkür in der Lebensart kann keinem Tier abgesprochen werden. Die Säugetiere sind natürlich mehr an eine gewisse örtlichkeit gebunden als das leichte, bewegungslustige Volk der Vögel; allein sie wissen dafür eine solche örtlichkeit vielleicht besser oder vielseitiger zu benutzen als diese. Die Säugetiere sind wesentlich Landbewohner, und je vollendeter eine Art ist, umso mehr wird sie Landtier sein. Im W a s s e r finden wir daher bloß die plumpsten oder massigsten, auf dem Lande dagegen die entwickeltsten, edelsten Gestalten. Die größten Landsäugei sind im Vergleiche zu den W a l e n Zwerge. Das W a s s e r erleichtert jede Bewegung einer großen, ungeschlachten Masse, und je leichter ein Tier sich zu b e w e g e n v e r m a g , umso größer kann es sein. Daß auch das U m g e k e h r t e stattfindet, beweisen alle Tiere, die zu ihrer F o r t b e w e g u n g große Kraftanstrengung nötig haben, wie etwa die Gräber und Flatterer, die Maulwürfe oder Fledermäuse. Bei ihnen ist die Körpermasse in demselben Verhältnis v e r k ü m m e r t , in welchem sie sich bei den W a s s e r s ä u g e r n vergrößert hat. So zeigt sich also schon in der Leibesgröße eine Bestimmung für die Lebensweise des Tieres. Noch m e h r aber wird diese Bestimmung durch die A u s r ü s t u n g ausgesprochen. Daß ein Fisch- oder Flossensäugetier schwimmt oder ein Flattertier fliegt, v e r s t e h t sich eigentlich von selbst, ebenso gut aber auch, daß der Affe oder das Eichhorn oder die Katze klettern, der Maulwurf gräbt und die Viel- und Einhufer oder W i e d e r k ä u e r auf dem Boden laufen: ihre Gliederung weist sie dazu a n . Es muß jedem, der beobachtet, auffallen, daß sich nicht allein die Heimat im weiteren Sinne, sondern auch der W o h n k r e i s , ja der eng begrenzte Aufenthaltsort des Tieres in dem Geschöpfe selbst kundgibt. Die Zusammengehörigkeit von Land und Tier offenbart sich nicht allein in der jedem Tiere eigentümlichen Gliederung, sondern auch, und zwar sehr scharf und bezeichnend, in der Färbung. Als allgemeine Regel kann gelten, daß das Tier eine Färbung besitzt, die der vorherrschenden 26
I?ai bung seines W o h n o r t e s entspricht. Der außerordentliche Vorfeil, den das Tier v o n einer solchen Gleichfarbiglteit mit semei Heimat ziehen kann, wird klar, w e n n wir bedenken, daß sich das Raubtier an seine Beute möglichst u n m e r k b a r anschleichen, das schwache Tier aber vor dem Räuber möglichst gut verstecken muß. Man wird selten irren, w e n n man in einem braun, g r a u g r ü n oder silbergrau gefärbten Säuger einen Baumbewohner, in einem dunkelgrau, fahlgelb, rötlichgrau, e r d b r a u n und schneeweiß gefärbten einen Erdbewohner vermutet. Isabellgelb ist Wüstenfarbe, Dunkelgelb Steppenfarbe, Aschgrau Felsenfarbe; bei Nachttieren ist Grau vorherrschend, Tagtiere zeigen es mehr mit a n d e r e n Farben gemischt. Große Unsicherheit, Unbestimmbarkeit der Färbung läßt auf Vielseitigkeit in der Lebensweise schließen; bestimmte Färbung deutet auf einen abgeschlossenen bestimmten W o h n o r t des Tieres: einfach gelbe Tiere sind immer W ü s t e n b e w o h n e r , einfach weiße fast ausnahmslos Schneetiere,
Geselligkeit und Unterordnung Bei weitem die meisten Säugetiere sind gesellig und scharen sich deshalb mit a n d e r e n ihrer Art oder auch mit gleichlebenden fremder Art in kleine oder große Trupps zusammen. Niemals erlangen solche V e r b i n d u n g e n die A u s d e h n u n g oder die Anzahl der Vereine, die die Vögel bilden; denn bei ihnen tun sich oft sogar Millionen zu einem Ganzen zusammen. Bei den Säugern kommen nur unter gewissen Umständen Gesellschaften von Tausenden vor. Mehr noch als die gleiche Lebensweise vereinigt die Not; vor der Feuerlinie einer brennenden Steppe jagen selbst erklärte Feinde in dichtem Gedränge dahin. In jedem größeren V e r e i n e erwirbt sich das befähigtste Mitglied die Oberherrschaft und erlangt schließlich unbedingten Gehorsam. Unter den W i e d e r k ä u e r n kommen regelmäßig die alten Weibchen zu solcher Ehre, namentlich diejenigen, die kinderlos sind; bei a n d e r e n geselligen Tieren, bei den Affen etwa, werden nur Männchen Zugführer, und zwar erst nach sehr hartnäckigem, nebenbuhlerischem Kampfe, aus dem sie endlich als allgemein gefürchtete Sieger h e r v o r g e h e n ; hier ist die roha Stärke maßgebend, bei j e n e n die Erfahrung oder der gute Wille. Das erwählte oder wenigstens a n e r k a n n t e Leittier übernimmt die Sorge für den Schutz und die Sicherheit der ganzen 27
H e r d e und verteidigt die schwachen Glieder zuweilen mit Autopferung. Minder Verständige und Schwächere schließen sich Klügeren an u n d leisten allen ihren Anforderungen zur Sicherung Folge. Gewisse Säugetiere leben einsiedlerisch. Alte griesgrämige und bösartige Männchen w e r d e n gewöhnlich von dem Rudel oder der H e r d e v e r b a n n t und hierdurch nur noch mürrischer und w ü t e n d e r gemacht. Allein es gibt auch andere Säuger, die überhaupt ein Einsiedlerleben führen und mit jedem Eindringling sofort in heftigster W e i s e den Kampf beginnen
Wie sie leben und sich nähren Die Mehrzahl unserer Klasse wacht bei Tage und schläft bei Nacht; jedoch gibt es fast u n t e r allen O r d n u n g e n Tag- und Nachttiere. Einzelne h a b e n k e i n e bestimmte Zeit zum Schlafen, sondern ruhen oder wachen, w i e es ihnen gerade beliebt, so die Meertiere oder in den h ö h e r e n Breiten auch die Landtiere w ä h r e n d der Sommerzeit. Es mag im ganzen genommen viel leicht mehr eigentliche Tag- als Nachttiere geben, jedoch ist die Zahl derjenigen, die bei Nacht lebendig u n d tätig sind, nicht viel geringer als die Menge derer, die bei Tage ihrem Erwerbe nachgehen. Die starken und die sehr flüchtigen oder auf Bäum e n lebenden sind größtenteils Tagtiere, sie sind einer Verfolgung aber auch wenig ausgesetzt; es w ü r d e jedoch voreilig sein, w e n n man b e h a u p t e n wollte, daß alle Nachttiere feigere, plumpere, schwächere und dümmere Tieren seien als die, die bei Tage tätig sind; denn wir brauchen e b e n bloß an die Katzen. Marder, Hirsche und andere, die fast ohne A u s n a h m e bei Tage und bei Nacht wach sind, zu denken, um uns des Gegenteils bewußt zu werden. Als allgemeine Regel k a n n gelten, daß die w e h r l o s e r e n Tiere, die durch ihren Aufenthalt nicht vor Gefahren geschützt sind, die Nacht zu ihrer Tätigkeit benutzen. W ä h r e n d des Wachens beschäftigen sich die meisten Säuger ausschließlich mit Aufsuchen ihrer N a h r u n g . Sie k a n n höchst verschieden sein. Alle Mitglieder unserer Klasse sind Pflanzenfresser oder aber Räuber, die a n d e r e Tiere verzehren. Fast alle Erzeugnisse der beiden Naturreiche finden ihre Liebhaber: Die Pflanzenfresser v e r z e h r e n ganze Pflanzen, wie Gräser, Disteln, Moose, Flechten, oder einzelne Teile von Pflanzen, wie Blüten, Blätter, Früchte, Nüsse, Zweige, Äste, Dornen, Rinde. Die Raubtiere n ä h r e n sich v o n a n d e r e n Säugern oder 78
Voyein, Kriechtieren, Lurchen, Fischen, VVuuuein und Weichtieren; einige fressen ihre selbst erlegte Beute, andere lieben Aas. Manche verschonen ihr eigenes Fleisch und Blut nicht. Diese Mannigfaltigkeit der N a h r u n g bestimmt auch die Verschiedenheit ihres Erwerbes, das heißt die Verschiedenheit in der Erbeutung und Aufnahme. Einige nehmen ihre N a h r u n g mit den H ä n d e n zu sich; der, Elefant steckt sie mit dem Rüssel in das Maul; die meisten aber n e h m e n sie unmittelbar mit dem Maule auf, oft, nachdem sie sie vorher mit den Tatzen erfaßt und festgehalten haben. Pflanzennahrung wird mit den H ä n d e n oder dem Rüssel abgebrochen, mit den Zähnen abgebissen, mit der Zunge u n d Lippen abgerupft, mit dem Rüssel a u s der Erde gewühlt, tierische N a h r u n g dagegen bei wenigen zum Beispiel bei den Fledermäusen, Hunden, Fischottern, Robb e n und Walen, gleich mit dem Maule aufgenommen, bei anderen aber mit den H ä n d e n oder Tatzen erfaßt und dem Maule zugeführt u n d bei einigen auch mit dem Rüssel ausgegraben so v o n den Maulwürfen, Spitzmäusen, Igeln und Schweinen. Die Säugetiere fressen viel, verhältnismäßig jedoch weniger als die Vögel. Dies steht auch mit ihrer geringeren Regsamkeit vollkommen im Einklänge. Nach der Mahlzeit suchen sie die Ruhe und verfallen hierbei entweder bloß in einen Haibschlummer, wie die W i e d e r k ä u e r , oder in wirklichen Schlaf. Zum Spielen oder unnützen Bewegen zeigen sich nur wenige aufgelegt; es sind fast nur die Jungen, die hierzu Lust h a b e n und durch ihr tolles Treiben auch die gefälligen Alten aufzurütteln wissen. Bei guter und reichlicher N a h r u n g bekommen alle Säugetiere ein glattes, glänzendes Haarkleid und lagern im Zellgewebe und in den Leibeshöhlen viel Fett ab, das bei einig e n zur Erhaltung des Lebens w ä h r e n d der Hungerzeit dienen muß. Einigen Pflanzen- und Kerbtierfressern nämlich geht während des W i n t e r s die N a h r u n g vollkommen aus, u n d sie sind zu klein und zu schwach, als daß sie sich dagegen lange halten könnten. Zum W a n d e r n in w ä r m e r e und nahrungsreichere Geg e n d e n unfähig, w ü r d e n sie unbedingt zugrunde gehen, wenn die N a t u r nicht in sehr m e r k w ü r d i g e r W e i s e für sie gesorgt h ä t t e . Es scheint zwar, daß sie sich selbst schützen könnten, indem sie sich tiefgelegene, dick und weich ausgepolsterte und deshalb warme W o h n k a m m e r n anlegen, die .auch reichlich mit N a h r u n g versehen werden-, allein die N a t u r übernimmt doch 2fl
die Hauptsorge für ihre Erhaltung, und die eingetragene Nahrung dient nur dazu,.sie w ä h r e n d d e r Zeit, in der sie wirklich noch Nahrung bedürfen, gegen das Verhungern zu scüutzen Diese bauger, die so recnt eigentlich als Schutzkinder der N a t u r erscheinen, bedürfen lange Zeit gar keiner N a h r u n g von außen her, sondern zehren, w ä h r e n d sie in einen todesähnlichen Schlaf versinken, von ihrem Fette; sie halten Winterschlaf. Wahrscheinlich erreichen n u r die großen Vielhufer und die größten Meeressäuger ein h ö h e r e s Alter als der Mensch. Schon mittelgroße Säugetiere können, w e n n sie zehn J a h r e alt geworden sind, als greise Tiere betrachtet w e r d e n ; bei a n d e r e n tritt das Greisentum vielleicht erst nach zwanzig J a h r e n ein; allein ein Alter von dreißig J a h r e n , in dem der Mensch erst zur vollen Blüte gelangt, ist schon sehr selten. Das Greisentum zeig' sich sowohl in der A b n a h m e der Kräfte w i e auch im Ergrauen des H a a r e s und in der V e r k l e i n e r u n g gewisser Schmuckzeichen so setzen alte Hirsche geringere Geweihe auf als vollkräftige Der Tod erfolgt gewöhnlich nicht durch Krankheiten, sie sind unter den freilebenden Säugetieren selten. Bei ihnen erfolgt der Tod gewöhnlich aus Altersschwäche.
Auch Tiere haben ihre Schicksale Das Tier hat auch ein Schicksal. Es hängt v o n seinen Verhältnissen zur N a t u r und den natürlichen Umgebungen, zu dem Menschen, wenn es mit ihm in V e r k e h r kommt, zum Teil auch v o n ihm selbst ab. Oft muß es des Menschen Schicksal und der Mensch den des Tieres teilen; es geht mit ihm zugrunde in Feuer und Wasser, in der Schlacht und im Kampfe. Das j u n g e schöne Füllen wird fast mit Gold aufgewogen, dann zugeritten, zu freien frohen W e t t r e n n e n benutzt, bald darauf mit Stricken an eine Kutsche gespannt, doch immer noch mit Hafer gefüttert; es ist noch der Ruhm seines Kutschers, der Stolz seines Reiters. W i e oft kommt es dann in die H ä n d e eines rohen Gesellen, der es beinahe zu Tode quält. Es muß dennoch alltäglich wie ein Sklave ziehen; es hinkt, dennoch muß es laufen. Es wird halb oder ganz blind, seine Weichen und sein Vorderrücken bluten vom Riemenwerke, sein Bauch v o n Bremsenstichen. Für wenige Taler w u r d e es gekauft; es wird noch einige J a h r e lang mit Stroh gefüttert, mit groben Schuhen in die Rippen geschlagen und zuletzt, w e n n es zehnmal auf der Straße erlegen. :o
krepiert es endlich. Das ist der Fluch mancher Pferde, und diesen Fluch trägt mancher edle Hund, mancher Bär, mancher Büffel, manches andere Tier. Aber nicht bloß die Haustiere müssen dem Menschen zollen mit Leib und Leben, mit ihren Kräften, Fleisch, Haut, Haar, Hörn und Dunger: er h a t noch weit mehr' sich unterjocht .und nutzbar gemacht, selbst solche, die nicht mit ihm seine W o h nung teilen; zum Lasttragen, Ziehen und Reiten, zum Kriege wie zur Jagd, zum Post- und Hirtendienst, zu Gauklerkünsten und Kurzweil müssen sie ihm ihre Kräfte leihen. Zur N a h r u n g dienen ihm ihr Fleisch, Milch, Fett, und selbst ihre eigenen gesammelten V o r r ä t e . A n d e r e liefern Wohlgerüche, Spezerei und Arzneimittel, sehr viele müssen ihr Pelzwerk zu seiner Kleidung, ihre Haut zu Leder, ihre W o l l e zu Gespinsten und Geweben hergeben, noch a n d e r e liefern Hörn, Elfenbein, Zähne, Fischbein für seine Industrie, Düngestoffe für seinen Acker. Einen solchen Nutzen k a n n keine andere Klasse des Tiarreiches für uns aufweisen, und deshalb eben sind die Säuger bei weitem die wichtigsten aller Tiere für den menschlichen Haushalt. Deshalb e b e n k a n n man sagen, daß das bequeme Leben der Menschen, wie wir es gewohnt sind, ohne die Säugetiere geradezu unmöglich sein würde. Aber wir sehen auch wiederum aus dem Nutzen, den die Säugetiere u n s gewähren, aus der treuen Hilfe, die sie u n s leisten, aus der Verbrüderung, die sie mit u n s eingehen, wie nahe, wie innig verbunden wir mit denen sind, d e n e n wir unser Joch auferlegt haben. Die vorliegende meisterlich geschriebene Lebenskunde der Säugetiere ist Alfred Brehms klassischem Buchwerk „Tierleben" entnommen, das in den Jahren 1364 — 1869 erschienen ist. Die Entdeckung des Tieres als eines Geschöpfes, das des Menschen Schutz und Liebe verdient, war Brehms große Tat. Sie machte das „Tierleben" des großen Naturforschers, Gelehrten und Dichters zur volkstümlichsten Tierkunde der Erde. Die Auswahl besorgte Fritz Bolle, Murnau. — Umschlagzeichnung: Karlheinz Dobsky. Bilder nach der 1. Aufl. des „Brehm". Bild Seite 2: Zwergeichhorn, Seite 32: Weiß-Nase.
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