Wilhelm Heyne Verlag München
HEYNE SCENE 18/66 Titel der amerikanischen Originalausgabe SHEDEVILS Deutsche Übersetzun...
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Wilhelm Heyne Verlag München
HEYNE SCENE 18/66 Titel der amerikanischen Originalausgabe SHEDEVILS Deutsche Übersetzung von Sonia Mikich Copyright © 1984 Verlag Gudula Lorez GmbH, West-Berlin Copyright © 1987 der Taschenbuchausgabe by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Germany 1987 Umschlagillustration: Mayer Norton Group, München Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Satz: Presse-Druck Augsburg Druck und Bindung: RMO, München ISBN 3-453-00105-2
BARBARA SHEEN wurde 1949 geboren und lebt heute im südlichen New Mexico in den USA. Sie ist außer Schriftstellerin auch Bodybuilderin, Schwimmerin und Lehrerin. Vor kurzem hat sie ihren ersten Roman, eine historische Romanze, beendet. Außerdem verfaßt sie Kinderbücher. Zur Zeit arbeitet sie an einem neuen Roman. Geschichten mit Widerhaken – böse, genau und kräftig: Zwillinge Mayflower Hotel Die Tramperin Bar in New Hampshire Sarah Eine Klo-Geschichte Midway Inn Maria Nachhausekommen
Für meine Mutter
ZWILLINGE
Die Zwillinge standen vor dem doppelten Wandschrank und begutachteten ihre Garderobe. Zwei Ausgaben von jedem Kleidungsstück hingen hübsch ordentlich Seite an Seite zusammen. Anna Mae seufzte: Bist du sicher, daß du das Blaue tragen willst? Ich bin irgendwie eher für die orangefarbene Spitze. Ihre Schwester drehte sich zu ihr. Spiegelbilder. Das Ansteckbukett von Pappi ist rosa. Zu orange sähe es einfach nicht gut aus. Es ist unser 25. Geburtstag, und wir sollten richtig gut aussehen. Ich dachte, du magst das blaue Kleid. Außerdem sagt Mama immer, daß Blau uns am besten steht, es betont unsere Augen. Anna Mae runzelte die Stirn: Wahrscheinlich hast du recht, Billie Jean. Du hast ohnehin einen besseren Geschmack als ich. Ihre Schwester lächelte. Unsinn. Sie drückte die Hand ihrer Schwester. Du hast einen ausgezeichneten Geschmack. Außerdem – sie kam näher, fuhr mit der Hand den langen, weißen Hals der Schwester entlang, streichelte ihr Gesicht. Ich schaue dich gerne an in dem blauen Kleid. Du siehst so sexy aus. Anna Mae seufzte: Billie.
Billie Jean kam näher, drückte sie an sich, ihre Lippen suchten die von Anna Mae, ihre Zunge ringelte sich um die ihrer Schwester. Anna Mae flüsterte heiser: Ich liebe dich, Billie Jean, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Billie Jean fuhr durch das blonde Haar ihrer Schwester. Ich liebe dich auch, Anna Mae. Ich liebe dich so sehr. Ihre Hand umschloß die Brust ihrer Schwester. Beide atmeten schwer. Anna Mae schloß die Augen. Ihr Körper bebte. Wie ich Lust auf dich habe, Billie Jean, solche Lust. Billie seufzte, schob die Schwester sanft fort. Ich weiß. Aber wir haben jetzt keine Zeit. Mutter und Pappi warten auf uns. Sie haben für acht Uhr im Restaurant reserviert. Wir dürfen sie nicht enttäuschen und einfach zu spät kommen. Es ist wirklich nett von ihnen, uns auszuführen. Das ist für sie ein ganz besonderer Anlaß. Anna Mae nickte. Ich weiß, und wir haben ja die ganze Nacht. Ihre Schwester seufzte, lächelte. Langsam machten sich die Zwillinge fertig. Sie lebten in einem großen, weißen Klinkerhaus. Schon ihr ganzes Leben lang. Pappi hatte eine Immobilienfirma. Der Staat Texas expandierte. Er war ein reicher Mann, ein wichtiges Mitglied der Gemeinde. Mama führte den Haushalt, ging zu Vereinsversammlungen, war Vizepräsidentin vom Junior League sammelte Antiquitäten. Ihre große Liebe waren die Mädchen, dann kamen die Antiquitäten. Das Haus war voll davon, französische Möbel. Ein Zimmer wie das andere in Weiß und Gold, rosa Wände. Außer Pappis Schlafzimmer waren alle Zimmer rosa. Die Mädchen schliefen im gleichen Zimmer. Hier hatten sie schon immer geschlafen. Keines von beiden hatte je woanders geschlafen. Mama hielt nichts davon, wenn sie bei Freundinnen übernachteten. Während der College-Zeit wohnten sie zu Hause. Als sie noch jünger waren, sprach Pappi davon anzubauen, damit die Mädchen getrennte Zimmer hätten. Mama hielt das für Unfug. Die Mädchen waren Zwillinge. Sie teilten alles. Außerdem hatten beide Angst vor dem Dunkeln. Also blieben die Mädchen im
gleichen Zimmer, ein enormes rosa Schlafzimmer mit riesigen Fenstern, hinter Organdy-Gardinen und mit einem herrschaftlichen Himmelbett. Früher nahmen sie Puppen und Stofftiere mit ins Bett. Jetzt brauchten sie es nicht mehr mit ihnen zu teilen. Sie hatten einander, jede Nacht. Sie waren zufrieden. Sie waren wunschlos glücklich. Seite an Seite gingen die Mädchen ins Wohnzimmer. Pappi und Mama warteten bereits. Pappi las die Abendzeitung. Mama arbeitete an ihrer Stickerei. Ihr Vater stand auf, als sie das Zimmer betraten. Mama hielt bei ihrem Anblick den Atem an. Sie waren so hübsch. Sie waren ihre Mädchen. Das versetzte sie immer wieder in Staunen. Mama Mae Bel war keine hübsche Frau. Sie war mager, hatte eine fleckige Haut und strohfarbenes Haar. Sie wußte, daß Gene sie hauptsächlich wegen ihres Geldes geheiratet hatte. Sie stammte aus einer reichen Familie. Gene ebenfalls. Es war eine Vernunftehe. Eine gesellschaftliche Verbindung. Sie hatte aus der Ehe etwas gemacht. Gene war glücklich. Sie wußte, daß er fremdging, aber er war diskret. Innerlich war sie zutiefst erleichtert, daß sie seine plumpen Annäherungsversuche nicht erdulden mußte. Die anderen Frauen taten ihr leid. Sie und Gene waren Freunde. Das war ihr lieber so. Sie waren gerne zusammen. Sie spielten Bridge, gingen reiten. Ihr Vater war Grundstücksmakler gewesen. Sie kannte sich da aus. Sie sprachen über Geschäfte. Sie beriet ihn. Sie hatte ihre Antiquitäten. Er hatte seine Arbeit, seine anderen Frauen, die ihm gefällig waren. Eine perfekte Ehe. Ihre Töchter Billie Jean und Anna Mae waren daraus hervorgegangen, ihr Stolz und ihre Augenweide. Nun, Gene, findest du nicht, daß deine Töchter nett aussehen? Nett – nun, sie sind die schönsten Mädchen von ganz El Paso. Es gibt keinen Jungen in der Stadt, der nicht sein letztes Hemd für ein Küßchen von diesen beiden geben würde. Die Zwillinge erröteten. Ihr Vater hatte so eine Art, sie in Verlegenheit zu bringen. Sie wollten ihm gefallen, aber all diese unverheirateten jungen Männer waren ihnen zuwider. Während
der Schulzeit hatten sie die üblichen Rendezvous. Sie waren Cheerleaders. Sie waren gefragt. Sie waren schöne Mädchen, rund und rosig mit langen, platinblonden Locken, die sich wie Goldreben über ihren Busen kringelten. Ihre Körper waren reif, weiß und füllig. Sie hatten Stupsnasen. Makellose Zähne, strahlend weiß. Sie waren die perfekten amerikanischen Mädchen. Sie waren fünfundzwanzig. Sie sahen aus, als kämen sie frisch aus einer Teenager-Illustrierten. An Verabredungen mit jungen Männern hatten sie keinen Spaß. Aber es gehörte sich einfach so. Sie waren zur Anpassung erzogen worden. Es war wichtig, gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Es gefiel ihrem Pappi, wenn sie Fußballhelden mit nach Hause brachten. Sie wollten ihrem Pappi gefallen. Er war gut zu ihnen. Sie haßten diese Fußballhelden, die ihre Körper begrabschten. Anna Mae auf dem Rücksitz, Billie Jean vorne. Sie ekelten sich vor fremden Lippen, dem rauhen Reiben männlicher Haut. Sie verabredeten sich immer gleichzeitig. Das war sicherer. Nie waren sie getrennt, die eine kam nicht ohne die andere aus. Das Gerede der Männer langweilte sie. Mit Ausnahme der Mutter langweilten sie die meisten anderen Leute. Sie hatten nie Freundinnen. Andere Frauen waren Eindringlinge. Sie genügten sich selbst. Sie hatten die gleichen Interessen: Modezeitschriften, Kleider, Freundschaftsringe, Kuchenbacken, die Stofftiersammlung. Sie lasen zusammen Gruselgeschichten, schauten sich alte Spielfilme im Fernsehen an. Sie machten alles gemeinsam, es war leicht miteinander zu reden, es war wie Selbstgespräche. Es war leicht, sich zu berühren, es war wie Selbstbefriedigung. Niemand ahnte etwas. Sie waren so schön, so süß. Die Leute fanden es so nett, daß zwei Schwestern sich so nahestanden. Verwundert starrten Fremde sie an wie Ausgeburten auf einem Jahrmarkt, zwei vollkommene Spiegelbilder. Als sie jünger waren, dachten sie ans Heiraten. Sie malten sich ihre Brautkleider aus. Natürlich eine Doppelhochzeit mit zwei Brüdern. Dann könnten sie im gleichen Haus zusammenleben. Wenn sie sich tagsüber hätten, wäre es leichter, nachts den Ehe-
mann zu ertragen. Aber das war nur Phantasie. Die Zeiten änderten sich. Heutzutage mußten Frauen nicht heiraten. Sie waren fünfundzwanzig, anscheinend machte es niemandem etwas aus, daß sie unverheiratet, daß sie immer noch unschuldig waren. Niemand wollte ihnen die Unberührtheit nehmen. Den Eltern machte es nichts aus. Sie hatten sie gerne zu Hause. Mae Bel sagte oft, die Ehe sei eine überholte Institution. Die Mädchen hatten ein gutes Zuhause, sie würden erben und immer füreinander da sein. Was mehr konnten sie sich wünschen? Mama verstand. Pappi war es egal. Trotz seines ganzen Geredes über junge Männer war es ihm egal. Sie waren immer noch seine kleinen Mädchen. Das würden sie auch bleiben. Er wollte sie nicht verlieren. Sie gehörten einander Nacht für Nacht. Seit sechs Jahren. Sie verzehrten sich nacheinander. Sich in die eigenen Augen blicken, sich selbst in der anderen spüren. Am Anfang hatten sie Schuldgefühle. Sie verstanden nicht, was vorging, nur das brennende Verlangen. Aber es war so schön: es mußte einfach richtig sein. Sie gaben nach. Mae Bel runzelte die Stirn, reckte das Kinn. Unsinn, es gibt keinen einzigen Mann in der ganzen Stadt, der diesen Mädchen das Wasser reichen könnte. Sie sind viel zu schade für deine ganzen Junggesellen. Die Mädchen nickten stumm. Gene schluckte. Natürlich hast du recht, Liebes. Unsere kleinen Mädchen sind etwas Besonderes. Weißt du, seitdem sie im Büro mitarbeiten, ist das Geschäft gewaltig gestiegen. Anna Mae seufzte. Oh Pappi, du weißt, es liegt an dem neuen Einkaufszentrum. Gene blies ein Küßchen hinüber. Einkaufszentrum, von wegen. Die Kunden kommen nur herein, um euch zwei zu sehen. Ihr seid die hübschesten Empfangsdamen in der Stadt.
Die Zwillinge kicherten. Ihr Kichern klang wie Schweizer Glocken. Oh Pappi. Mae Bel unterbrach: Euer Vater hat recht. Obwohl ich eigentlich nichts von berufstätigen Frauen halte. Ihr beiden macht das wirklich gut. Erst kürzlich hat mir Mrs. Carson gesagt, es sei ein Vergnügen, in Pappis Büro zu kommen und von euch beiden begrüßt zu werden. Also, weißt du, Mae Bel, hat sie gesagt, es ist eine Augenweide und eine Freude, deine beiden Mädchen zu sehen. Sie sind so frisch und rein, wie der Frühling. Nicht irgendwelche Flittchen ohne BH, die mit dem Hintern wackeln, als ob sie Flöhe hätten. Pappi lachte. Angela Carson hat das gesagt? Mae Bel nickte. Die Frau hat Humor. Die Zwillinge schauten auf ihre Lackschuhe, bescheiden und sittsam. So wie man sie erzogen hatte. Mae Bel erhob sich: Nun, es wird Zeit, daß wir gehen. Einen Augenblick noch. Gene runzelte die Stirn. Hast du nicht etwas vergessen, meine Liebe? Mae Bel nickte. Oh je, ja. Im Takt klopfte sie mit dem Fuß, eins und zwei und drei. Gemeinsam sangen sie für ihre Töchter Happy Birthday. Mae Bel befestigte ein Bukett an der rechten Schulter von Billie Jean. Das Bukett war aus winzigen Teerosen, den Lieblingsblumen der Zwillinge. Gene befestigte das gleiche Bukett an der linken Schulter von Anna Mae. Wie Spiegel. Pappi half den drei Frauen in den Mantel. Dann holte er das Auto. Die drei warteten am Bordstein geduldig auf ihn, als wären sie behindert. Das Restaurant war ein beliebtes Steak-House, viele kleine Räume, ruhige Atmosphäre. Kerzen leuchteten auf den Tischen. Der Oberkellner zeigte ihnen ihren Tisch. Guten Abend Mr. Bronson, Mrs. Bronson, Anna Mae, Billie Jean. Und herzlichen Glückwunsch.
Die Mädchen waren mit dem Oberkellner auf die Schule gegangen. Er war arm. Sie hatten sich nie mit ihm verabredet. Sie nickten: Danke, Hank. Sie saßen an einem runden Tisch, Ma und Pa auf der einen Seite, die Mädchen Hüfte an Hüfte auf der anderen. Unter dem Tisch umschlang Anna Mae mit ihrem Fuß das Bein von Billie Jean. Der Kellner brachte eine Flasche Champagner. Überraschung. Genes Augen zwinkerten. Zum Geburtstag ist mir für meine Mädchen nichts gut genug. Die Mädchen lächelten, Blick auf die Tischdecke. Danke, Pappi. Mae Bel lächelte. Das ist aber wirklich nett von dir, Gene. Sie tranken auf die Mädchen, Mae Bel räusperte sich: Auf die süßesten Mädchen in ganz Texas. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, meine Lieblinge. Sie küßte ihre Wangen. Die Gläser klirrten. Der Kellner nahm die Bestellungen auf, vier Filetsteaks. Die Mädchen entschuldigten sich. Gingen Arm in Arm zur Toilette. Der Blick der Eltern folgte ihnen. Wir haben wirklich Glück, nicht wahr, Mae Bel? Sie sind ein hübscher Anblick. Mae Bel lächelte das Gesicht in tausend Fältchen. Das sind sie wirklich. Gene fuhr nachdenklich fort: Ja, wir haben wirklich Glück, weil sie brave Mädchen sind. Du weißt, was dauernd in der Zeitung steht, diese jungen Leute, wie sie sich benehmen. Laufen halbnackt herum, drehen durch, feiern Sexorgien, nehmen Drogen, es ist widerlich. Hast du von Lavonne Davis’ Mädchen gehört, hat sich schwängern lassen. Mae Bel runzelte die Stirn. Ihr Mund zuckte: Wie furchtbar. Die Davis sind so nette Leute. Lavonne bringt das Mädchen nach Houston, um die Sache zu regeln. Wenn du weißt, was ich meine. Gene nickte, ja.
Mae Bel runzelte die Stirn, das Gesicht wie eine Pflaume. Das Davis-Mädchen ist eine Schlimme. Und sie ist nicht die einzige, weißt du. Ich habe gehört, die kleine Peggy Raynolds hat die Scheidung eingereicht. Genes Mund verzog sich voller Mitleid. Wirklich? Und dabei arbeitet Jack Raynolds so schwer. Mae Bel nickte: Er ist sehr nett, und sie mit den beiden Kleinen! Mrs. Carter sagte, es wäre wegen seiner Seitensprünge. Nun, ich meine, eine Frau muß das in Kauf nehmen. Männer haben andere Bedürfnisse als Frauen. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Gene errötete. Gewissensbisse. Du hast vollkommen recht. Wir haben wirklich Glück, Mae Bel, daß wir so brave Mädchen haben. Das hast du wirklich gut hingekriegt. Ich bin so stolz. Mae Bel lächelte, nahm die Hand ihres Gatten, des Vaters ihrer Töchter. Die Mädchen gingen in dieselbe Toilette. Schlossen die Tür hinter sich ab. Billie Jean schaute zu, wie Anna Mae pinkelte. Hier ist es wirklich nett. Anna Mae nickte: Ja wirklich. Es ist auch nett, mit Mama und Pappi auszugehen. Billie Jean nickte, wirklich nett. Sie wechselten. Anna Mae schaute ihrer Schwester zu. Setz dich nicht hin, du könntest dir was einfangen. Billie nickte lächelnd. Keine Sorge, mir würde nicht im Traum einfallen, mich auf eine öffentliche Toilette zu setzen. Man weiß doch nie, wer zuletzt darauf gesessen hat. Anna Mae nickte: Das stimmt. Billie Jean stand auf, zog die Spülung. Die Toilette war eng. Musik aus dem Lokal übertönte das Wasserrauschen. Die Mädchen standen sich dicht gegenüber, ihre Körper berührten sich, ihre Lippen. Umarmung. Finger auf den Brüsten. Anna Maes Hand glitt hinunter zur Möse ihrer Schwester. Ihre
Finger drangen unter die Strumpfhose und kraulten das dicke blonde Haar. Ihre Daumen tauchten gleichzeitig ineinander, mit der gleichen Bewegung, in vollendeter Harmonie, rein und raus, rein und raus. Schenkel feucht und heiß. Die Daumen wurden immer schneller, gleichzeitig. Ihre Körper zuckten, kamen gleichzeitig. So wie sie immer alles zusammen machten. Ihre Lippen streiften sich. Sie hielten sich fest, küßten sich zärtlich. Anna Mae und Billie Jean saßen vor dem Spiegel, legten neues Lippenrot auf. Im Spiegel lächelten sie einander an, zufrieden. Eine Frau kam herein, Mary Peterson, eine Freundin ihrer Mutter. Sie lächelten sie an, standen artig auf. Hallo, Mrs. Peterson, wie geht es Ihnen? Wie nett, Sie zu treffen. Im Chor, zwei Stimmen, die in Wirklichkeit eine waren. Sie gingen hinaus, lächelten die ältere Frau liebenswürdig an. Mary Peterson ging in die Toilette. Sie setzte sich und lächelte. Was für nette Mädchen.
MAYFLOWER HOTEL
Die Straßen von Chinatown sind leer. Der Wind peitscht durch die schmalen Gassen, wirft Papier hin und her. Die Luft ist grau. Canal Street liegt verlassen da. Die Geschäfte sind geschlossen. Autos flitzen die große Avenue hinunter. Der Wind heult. Er bläst meine Tweedjacke auf wie ein großes Segel. Die Jacke ist zu groß. Alle meine Kleider sind zu groß. Mein weißes Hemd, in die Hose gestopft, bläht sich um die Taille. Der Filzhut wärmt den Kopf. Die Kleider sind abgetragen. Der Wind wickelt sich um meine Knochen. Meine Zähne klappern. Bald muß ich mir bei der Heilsarmee einen völlig neuen Anzug besorgen, bevor der Schnee kommt. Mir ist kalt, ich bin zu mager. Habe einen Knabenkörper. Neutrum, weder Mann noch Frau. Meine Sexualität hat sich verabschiedet. Ich hole die Flasche Thunderbird aus der großen Tasche, hebe die braune Papiertüte zum Mund. Mir ist warm. Aber nur für eine Minute. Es geht vorbei. Ich wische mit der Handfläche über das Gesicht. Socken über die Hände gezogen zum Wärmen. Mir zittern die Knochen. Ich gehe schneller. Die Männer fragen mich nie aus. Wir sind alle geschlechtslos. Da gibt es das Trinken, sonst nichts. Sie nennen mich Bart. Die rosa
Kleidchen und die liebe Art, wie meine Mutter mich kleine Susi nannte – vorbei. Kann mich kaum daran erinnern. Ich ziehe den Hut tief in die Stirn. Mein Haar ist voller Läuse. Mit Fett flachgedrückt, tiefschwarz. Ich denke nicht weiter darüber nach, trage nur den Hut. Dreck verdunkelt mein Gesicht wie Bartstoppeln. Ich ziehe die Tüte heraus und genehmige mir noch einen Schluck, beschleunige meinen Gang, sehe das Schild vom Mayflower an der Ecke. Das Mayflower ist nicht schlecht. 50 Cents die Nacht, ein Bett, ein Laken, eine Armeedecke, kein Kissen, eine Glühbirne an der Decke mit einer Papiertüte als Schirm. Die Flure werden von roten Glühbirnen beleuchtet, wie die Puffs in Amsterdam, an die ich mich nur dunkel und mit Unbehagen erinnere. Die Arbeit dort war nichts für mich. Sich angrabschen lassen. Das hier ist besser. Das Mayflower wird von Mr. Joe betrieben, einem zahnlosen alten Mann. Sein Körper ist vertrocknet. Aber er ist ein guter alter Mann. Hat mich eine Woche lang aufgenommen während des großen Schneesturms, obwohl ich nicht bezahlen konnte. Ließ mich im Hotel arbeiten, Fußboden und Klo putzen. Viele Kumpels sind da draußen im Schnee gestorben. Er lächelt mich an. Ein Gesicht wie ein Honigkuchen. He, Bart, gut dich zu sehen. Wo bist du überhaupt gewesen? Ich grinse, lache: Zum Sonnen an der Riviera, aber ich hatte bald genug von diesem Oben ohne. Er lacht dreckig. So etwas hört er gern. Manchmal überlege ich, ob er es schon einmal getrieben hat. Ob er wohl ahnt, daß ich eine Frau bin? Er bringt mich auf Zimmer 4, dritter Stock. Ich sitze auf dem Bett, reibe die Hände aneinander, wärme sie. Biete ihm vom Thunderbird an. Er holt ein Glas. Er ist ein wählerischer alter Mann. Ich lache leise.
Nun, Mr. Joe, was gibt es Neues hier? Oh, nicht viel, nicht viel. Gut, daß du hier bist und Stimmung in die Bude bringst. Wie lange willst du bleiben? Ich krame 2 Dollar aus meiner Hosentasche, gebe sie ihm. Seine Hände sind voller Leberflecken. Seine Haut ist gelb. Gut. Er zündet eine Zigarre an. Ich nicke, trinke, denke, daß es bei diesem Wetter gut ist, ein Dach über dem Kopf zu haben. Ich kam vom Pflücken, Tomaten in Kalifornien, Chilies in Arizona. Ich mochte Arizona, dachte sogar ans Bleiben. Ich schüttle den Kopf. Es ist mir ein Rätsel. Immer wieder lande ich hier. Nun, sage ich, mache die Flasche auf, nun, Mr. Joe, wer ist zu Gast in dieser Nobelherberge? Er kichert. Wade, Milo, der alte Musiker Scotty, Mr. Tricks, Oscar, die Stammkunden. Ich habe Miller lange nicht mehr gesehen. Ich nicke. Miller war mein As, mein bester Kumpel. Zusammen haben wir im ganzen Land, auf der ganzen Welt als Taschendiebe angeschafft. Wir teilten dieselben Flaschen, schliefen in den gleichen Ausnüchterungszellen. Ich sehe noch sein schwarzes Gesicht auf mich herunterlachen, wenn er mit seinem massigen Körper neben mir geht. Miller war mein bester Kumpel, würde es immer bleiben. Ich runzle die Stirn. Miller ist tot. Mr. Joe schluckt. Das habe ich befürchtet. Wie ist denn das passiert? Die Leber. Er nickt. Habe ich mir gedacht. Schlimm. Ich nicke. Ja, schlimme Sache. Ich starre auf meine Hände, knacke mit den Gelenken. Mr. Joe rutscht hin und her. Nun, gut dich zu sehen, Bart. Im zweiten Stock läuft ein Spielchen.
Ich nicke: O.K. sehe auf seine gebeugten Schultern, als er die Tür schließt. Miller ist seit fast einem Jahr tot, starb in Los Angeles in einem staatlichen Krankenhaus. Bin nicht hingegangen. Er verstand das. Konnte das nicht mit ansehen. Ich leere die Flasche. Ich bin ein schwacher Mensch. Ich werde wie Miller sterben, das weiß ich. Wahrscheinlich begraben sie mich unter einem Berg zerbrochener Flaschen und Müll, wahrscheinlich in New York. Dann wird einer zu Mr. Joe kommen, vielleicht Oscar. Ich habe Oscar immer gemocht. Der kann lachen. Mr. Joe wird lächeln und Oscar fragen, was es Neues gibt. Er wird sich auf Oscars Bett setzen und lächelnd Oscars Wein aus einem Glas trinken. Habe Bart schon lange nicht mehr gesehen. Oscar wird die Stirn runzeln und auf seine Tennisschuhe stieren. Bart ist tot. Mr. Joe wird seufzen. Schlimm. Ich habe Bart immer gemocht. Er hat immer seine Rechnungen bezahlt. Ja, würde Oscar dann weiter sagen, und weißt du, was komisch ist? Im Krankenhaus sagten sie, nun ja, es heißt, Bart sei eine Frau gewesen. Sie werden beide staunen. Mr. Joe wird sich zur Tür verziehen, sich umdrehen und Oscar ansehen: Scheißleben. Ich leere die Flasche und mache eine neue auf. Ich habe drei Flaschen. Eine verstecke ich unter dem Bett. Die Zimmer haben keine Schlösser. Gehe runter zum zweiten Stock. Die roten Lichter sind gut für Säuferaugen. Die Treppe ist morsch. Ich wette, daß Mr. Joe gegen sämtliche Feuerschutzbestimmungen verstößt. Dieses Haus ist alt. Vor 200 Jahren war es eine Herberge für spanische Juden, die sich hier niederließen. Sie waren Seeleute. Ihr Friedhof ist um die Ecke. Die Gräber bilden Hügel. Der Friedhof ist abgeschlossen. Manchmal linse ich durch das Tor und suche nach in Spitze gehüllten Frauen, die für ihre Toten beten und
Rosen bringen. Ob meine Mutter noch lebt? Ob sie je für mich betet? Oscar, Scotty, Wade, Mr. Tricks und ein Neuer, ein Blonder, der wie ein Docker aussieht, spielen Karten. Ich höre, wie sie lachen. Eine Flasche Thunderbird steht auf dem Tisch. Ich gehe rein. He, laßt mich mitmachen. Oscar steht auf, umarmt mich. Hände wie Beefsteaks. Bart, du alter Gauner, gut dich zu sehen, verdammt gut. Ich nicke. Ich mag Oscar, aber ich rede nie viel. Nicht meine Art. Ja. Ich nicke. Wie steht’s mit Karten für mich? Ich sitze neben dem Neuen, Bill nennen sie ihn. Ich nicke den anderen zu, Mr. Tricks, Wade, Scotty. Scotty schüttelt meine Hand. Er ist sehr alt. Hände wie Vogelklauen. Er hat keine Zähne. Er nuckelt an der Flasche Thunderbird wie ein Säugling an der Mutterbrust. Vor McCarthy∗ war er Trompeter, arbeitete für große Clubs. Jetzt spielt er Gin Rummy, Einsatz ein Penny. Ich spiele gut. Ich gewinne oft. Es ist das Spiel für mich. Wenn ich früher geboren worden wäre, hätte ich mein Leben auf Flußdampfern verbracht, als Spieler. Manchmal male ich mir das aus: ich mit weißem Anzug und Hut, Stiefel aus Schlangenhaut, blendende Erscheinung. Auf Flußdampfern fahren, Karten spielen, Kentucky Bourbon im Glas. Ich hatte schon immer eine Schwäche für den Süden. Mindestens zwei Monate im Jahr schaffe ich als Taschendieb in Atlanta. Atlanta war Millers Stadt. Der Neue ist gut. Er gewinnt die beiden ersten Spiele. Er ist ein gutaussehender Mann, füllig und stark. Flanellkleidung, roter Flanell. Dreistes Lachen, Wein für alle. Es ist seine Flasche. ∗
US-Senator Joseph McCarthy: Berühmt-berüchtigter Kommunistenjäger Anfang der 50er Jahre. Zahlreiche Künstler, Intellektuelle und Personen des öffentlichen Lebens wurden Opfer einer hysterisch betriebenen Hexenjagd und verloren ihre Arbeit und gesellschaftliche Stellung. (Anmerkung der Übersetzerin)
Eines Tages, sagt er zu uns, wischt sich das Gesicht mit seinem Ärmel, eines Tages werde ich Wodka trinken. Oscar lacht. Mr. Tricks spuckt auf den Tisch, das Gesicht so ausgemergelt, als schaue es aus einem Zerrspiegel. Ja, murmelt er, Glaskugeln im Mund, ja. Eines Tages werden wir alle Wodka trinken. Der Neue wird plötzlich steif. Seine Hände ballen sich zu Fäusten. Nein, ich meine es ernst, Tricks, ich meine es wirklich. Ich bin Boxer, ein verdammt guter Boxer. Bin auf dem Weg nach oben. Helles Gesicht wie ein Schwede. Er hat die zähe Kraft der Schweden. Mr. Tricks lacht, sein Bleistiftkörper schüttelt sich. Er wischt sich die Tränen aus den Schlitzaugen. Ich auch, mein Junge, ich auch. Er steht mit einem Ruck auf, nimmt die paar Cents, die er gewonnen hat. Nun, Gentlemen, die Welt erwartet mich, gute Nacht. Ich habe Mr. Tricks nie besonders gemocht. Wahrscheinlich macht er mir Angst. Immer in Schwarz, pickeliges Gesicht, wie ein Leichenbestatter. Scotty gibt neu, lächelt. Hör nicht auf ihn, Bill. Hör einfach nicht hin. Ich kenne Mr. Tricks jetzt schon seit 30 Jahren. Er ist kein schlechter Kerl, aber seltsam, verdammt seltsam. Scotty spuckt beim Reden, besprüht den ganzen Tisch. Ich sehe ihn an. Hatte vergessen, daß er so alt ist. Seine Haut spannt sich wie Papier über seine Knochen. Er erzählt weiter. Weißt du, Tricks war Börsenmakler, ein echter Wall-Street-Löwe, verlor alles bei der großen Krise. Er hatte ein großes Haus mit Dienern da draußen in Long Island, eine Frau aus gutem Hause, Kinder. Tricks trägt ihre Fotos mit sich herum. Eines Nachts zeigte er sie mir. Er war wirklich betrunken und wurde rührselig. Oscar runzelt die Stirn. Sieht ihm nicht ähnlich.
Scotty seufzt. Ja, und ich glaube, es tut ihm leid, mir je was erzählt zu haben. So ist Tricks, verschlossen. Aber ihr müßt ihn verstehen. Er ist wirklich nicht so schlimm. Nur einsam. Der Neue starrt Scotty an. Er hätte sich umbringen können. Scotty lacht. Sein Lachen klingt wie eine balzende Krähe. Genau das tut er seit 30 Jahren, junger Mann, er bringt sich um, oder? Die Luft war zum Schneiden. Ich teile die nächste Runde aus. Scotty dreht sich zu mir, lächelt. Habe von Miller gehört. Er schüttelt mir die Hand: Tut mir echt leid, Bart, echt leid. Er spuckt den Tisch voll. Du und er, ihr wart wirklich eng. Es ist gut, Freunde zu haben. Ich nicke. Es ist schwer, sie zu verlieren. Ich nicke wieder. Wir spielen noch zwei Stunden. Wade bringt eine Flasche Port. Bill lächelt, haut Wade auf den Rücken. Du bist genau mein Typ. Und Port mag ich besonders. Wade grinst. Wir trinken. Bill sagt: Ich habe mir einen Job auf dem Fulton-Fischmarkt besorgt. Sie stellen noch Leute ein. Wade schaut interessiert auf. Er murmelt: Könnte das Geld gebrauchen. Bill dreht sich zu mir: Was ist mit dir, Bart? Ich schüttle den Kopf. Bin gerade vom Pflücken an der Küste zurück. Jetzt hab ich Ferien. Bill nickt. Wie arbeitet es sich da draußen? Heiß, antworte ich. Seine Augen glänzen. Und die mexikanischen Frauen? Verheiratet, lächle ich, alle verheiratet. Er dreht sich zu Scotty: Was ist mir dir, Alter, brauchst du Arbeit?
Scotty kräuselt die Lippen. Ich bin Musiker, nicht Fischhändler. Eines Tages hole ich mir die Trompete zurück aus der Pfandleihe drüben in der Mott Street, und dann geht es los. Mein Foto in den Schaukästen, junge Mädchen in Massen. Wade kichert blöde. Bill lacht. Und Wodka? Scotty grient. Klar, warum nicht? Und Wodka. Ich gehe in mein Zimmer hinauf. Vor dem Fenster eine Straßenlaterne, ich sehe den Staub fliegen. Ich erinnere mich an einen Fensterplatz mit Samtpolstern, dort saß ich mit meiner Mutter. Fast kann ich spüren, wie ihre weißen Finger meine Haare zwirbeln und Schillerlocken drehen. Ich seufze. Der Wind heult, rüttelt an der Fensterscheibe. Morgen werde ich wieder auf der Straße sein und die Gegend klarmachen.
DIE TRAMPERIN
Die Tramperin hieß Madiline Dubous. Gott hatte, so glaubte sie jedenfalls, ihr diesen Namen gegeben. Früher nannte die Mutter sie Rayette Scroggs. Ein Name, der zu ihr paßte wie Fleischpastetchen zu einem Zuchtbullen. Also änderte sie ihn. Sie war ein Albino mit papierweißer Haut. Quecksilberhaare bis zur Hüfte. Es war heiß. Echsendünnes Züngeln zwischen blutroten Lippen. Alfred Lemay fuhr eine Pontiac-Limousine. Er war deprimiert. Sein einziger Bruder war vor zwei Wochen gestorben. Mit 32 hatte er sich von einem Kornsilo gestürzt, dem höchsten in der Stadt Tucson. Nach der Beerdigung, der Sarg war wegen des zerfetzten Körpers versiegelt, fühlte er, der Onkel Alfred von drei kleinen Kindern und einer blonden Witwe, sich völlig ausgelaugt. Die Kinder hatten ihn geliebt. Die Witwe auch. Zu sehr. Seine Leisten schmerzten. Er wurde steif. Er seufzte. Alles seinem Bruder zuliebe, armer Roger. Und doch meldete sich ein kleines Schuldgefühl. Die Witwe war sehr sanft. Er hatte Kopfschmerzen. Wie schön, bald wieder zu Hause in Amarillo zu sein. Er wußte nicht, wo er war, irgendwo zwischen Tucson und Lordsburg, irgendwo im östlichen Arizona. Seit mindestens 20 Meilen kein Ausfahrtsschild mehr. Er kniff die Augen zusammen,
als er die Frau am Straßenrand erblickte. Sie sah aus wie ein Mannequin, Mannequin für ein Bestattungsinstitut. Enges, schwarzes Kleid, Strümpfe mit Naht. Er schüttelte den Kopf, schüttelte die Schuldgefühle und den Unsinn ab. Aber die Frau stand immer noch da. Er fuhr langsamer, beäugte sie. Figur wie eine Barbie-Puppe. Hintern himmelwärts wie eine Stupsnase. Ob sie wohl auch eine Schweißnaht in der Mitte hatte? Er wollte sie anfassen. Der Mann hatte noch nie eine Albino-Frau gehabt. Das Auto rollte an ihr vorbei und hielt. Madiline Dubous starrte geradeaus. Sie bewegte sich nicht. Eine Frau bettelt nicht. Das war unter ihrer Würde. Der Mann fuhr zurück, hielt neben ihr, murmelte: Scheißnutte, was denkt sie eigentlich, wer sie ist, steht da wie Königin Elisabeth, und dann schaute er genauer hin und fragte sich: Was zum Teufel macht sie hier am Arsch der Welt, ohne Gepäck, ohne Hut oder Sonnenbrille. Alfred wischte sich über die Stirn. Es war 40 Grad. Sie schwitzte nicht einmal. Wortlos blieb Madiline stehen. Der Mann öffnete die Autotür. Die Frau kam langsam auf ihn zu. Er starrte in ihr ausdrucksloses Gesicht, sie starrte auf den Boden. Dick ausgemalte, metallisch glänzende Augenlider wie Tiefseemuscheln. Er spürte ihr Gewicht und zuckte zusammen. Sie bewegte sich im Zeitlupentempo. Alfred lehnte sich über den Sitz. Wohin fährst du, fragte sie. Alfred antwortete nicht. Sein Hirn klebte an ihrem Weiß, das wie Babypuder unter das schwarze Kleid rieselte. Hauteng war das Kleid, und das erinnerte ihn an seine Schwägerin, an ihr rotes Satinbett. Er blickte auf die Brüste der Tramperin – die gleichen Brüste.
Ich hab gesagt, wohin fährst du? Sie hatte nur ein Auge. Der Mann schüttelte den Kopf. Ein rosa Kaninchenauge. Ihm war schwindlig. Krüppel hatte er noch nie gemocht. Verdammte Wüstenhitze. Wie ein nasser Hund schüttelte er den Kopf. Kaum vernehmbar: Amarillo. Seine Stimme war weg, er hustete. Amarillo. Sie schloß die Wagentür. Pech, ich will nach Clinton, Oklahoma. Sein langer, behaarter Arm griff über den Sitz, öffnete wieder die Tür. He, rief er grinsend, he, steig ein. Clinton ist nur eine Stunde östlich von Amarillo. Er wollte sie anfassen. Es sind 18 Stunden Fahrt bis nach Amarillo. Du kannst von Amarillo aus weitertrampen, gar kein Problem. Die Frau warf ihr Quecksilberhaar nach hinten, schüttelte den Kopf. Nein. Ich warte einfach auf jemanden, der direkt hinfährt. Er schaute auf das gesenkte Augenlid. Naßsilbern sah es aus. Er wollte es mit seiner fleischigen Zunge ablecken. Ist Clinton nicht ein kleines Nest? Keine Antwort. Ich täte dir einen großen Gefallen, wenn ich dich nach Amarillo fahren würde. Überhaupt, was glaubt du, wie viele Leute nach Clinton fahren? Nein. Sie flüsterte. Du kommst nicht in Frage, überhaupt nicht. Seine Stimme war breiig, er war sauer. Du hast Glück, daß ich wegen dir angehalten habe, verdammtes Glück. Ich bin ein ehrlicher Geschäftsmann. Was, wenn irgendein LKW-Fahrer dich mitnimmt? Er würde dich wahrscheinlich bis zum Gehtnichtmehr vergewaltigen. Seine Augen glänzten. Er fühlte, wie seine Finger an silbrigen Schamhaaren zogen, eine nasse Möse streichelten.
Mich vergewaltigen? Ganz monoton klang sie, wie Bienensummen. Wie einfältig. Langsam saugte sie an ihrem Ringfinger. Niemand kann über Madiline Dubous verfügen. Sie begann leise zu lachen. Wie ein Flüstern kam eine heiße Brise auf. Sie starrte ihn lachend an. Alfred beobachtete ihr Gesicht und spürte, wie sein Penis steif wurde, als sie ihren Finger sachte in den Mund schob. Reinraus, reinraus. Den Speichel mit der rosa Zunge ableckte. Er sah, wie sie das augenlose Auge öffnete, ihn immer noch anstarrte, ihn in ein blutrotes Loch sog. Fasziniert sah er sich auf ihr liegen, sie auf eine blutige Schlachtbank niederzwingen, an ihren Kleidern reißen, an ihren mageren Schultern zerren. Er sah seinen Penis, riesig und wie ein Messer in sie hineinstechen, schneller und schneller, bis er sich ergoß und seine Hose naß machte. Niemand – ein verhaltenes Lächeln huscht über ihr Gesicht – niemand kann über Madiline Dubous verfügen. Ein Eissturm tobte durch seinen Körper. Er fröstelte. Das Essen kam ihm hoch. Er schluckte. Das Auge war zu. Verdammte Wüstenhitze. Wie schön, bald wieder in Amarillo zu sein, weit weg von der Wüste. Scheiß auf Roger, der ausgerechnet hier leben mußte. Scheiß auf seine Witwe, die kleine Schlampe. Scheiß auf diese Verrückte. Ich warte einfach auf jemanden, der direkt hinfährt. Gute Fahrt, lachte sie, knallte die Wagentür zu. Er rollte davon. Sein Sporthemd schweißnaß. Seine Hose klebte am Sitz. Scheiß einäugiges Biest. Im Rückspiegel sah er, wie sie immer kleiner wurde. Schließlich war sie verschwunden.
BAR IN NEW HAMPSHIRE
Bin in einer Bar in New Hampshire. Klasse-Bar mit Samttapete und Sturmlaternen aus New England, wo ein Bourbon mit Wasser einen Dollar kostet. Bin mit der Band, die gerade einen sanften Blues spielt, befreundet. Bin ganz locker, betrunken und locker. Beschwipste Stimmung, D. H. Lawrence live. Ich lasse mich treiben und warte. Vier Frauen kommen herein, eingehakt, fassen sich an, lachen, machen ziemlich viel Lärm. Sie setzen sich neben ein steifes Ehepaar aus New England, das mit Scotch und Soda Silberhochzeit feiert. Alle vier sind sehr große Frauen. Jede von ihnen war in der Grundschule die Größte, immer die Letzte in der Reihe. Die größte der vier, eine gewaltige Erscheinung, ist auch am meisten betrunken. Seit Stunden schon haben sie getrunken, der Regen hat ihr Fußballspiel am Nachmittag verdorben. Ihre Trunkenheit machte sie selbstsicher, angeberisch wie einen betrunkenen Mann, den es nach einer Schlägerei juckt. Sie füllt den ganzen Raum mit ihrer Gegenwart. Ich lächle ihr zu. Der Mann an meiner Seite nennt das Flirten, aber er ist zu sex-
besessen, er weiß es nicht besser. Wie gut, eine Frau zu erleben, die unerschrocken ihre Männlichkeit zeigt. Sie hat kein hübsches Gesicht. Ich denke darüber nach, wie es wohl ist, ohne hübsches Gesicht mit dem Leben fertig zu werden. Nur die Kraft des Körpers, um deine Gefühlswelt aufzubauen, blanke Kraft. Nicht leicht für eine Frau, von der man Zartheit und Zwischentöne erwartet. Wieder lächle ich. Unser Fußballspiel ist ins Wasser gefallen. Das, worauf ich mich die ganze Woche gefreut habe. Wir spielen jeden Samstag. Wochentags arbeite ich als Telefonistin. Kannst du dir nicht vorstellen, wie das ist: die ganze Woche in der Telefonzentrale eingesperrt, und jetzt hat der Regen alles verdorben. Ich freue mich wirklich auf meine Samstagsspiele. Ich lächle. Sie gibt mir ein Bier aus. Der Mann an meiner Seite fragt, ob ich Ärger will. Anscheinend läuft es immer darauf hinaus. Nicht, daß er mich will, er will eine andere: die Sängerin. Eine ehrliche Beziehung, aber mich kotzt an, was in seinem Kopf abläuft. Ganz schnell trinke ich das Bier, das sie mir ausgegeben hat. Sie bestellt mir ein neues und setzt sich neben uns. Ich betrinke mich einmal in der Woche, meistens sonntags, erzählt sie mir. Eine Art innerer Reinigung. Ich meine, so was braucht man. Ich nicke. Früher lebte ich mit meinem Vater in Maine. Er ist jetzt tot. Wir wohnten draußen direkt am Meer. Jeden Samstag tranken mein Vater und ich Wodka und gingen dann schwimmen. Sogar bei Schnee: Wir heizten uns mit Trinken auf und rannten dann an den Strand. Man kann lernen, sich gegen sehr vieles abzuhärten. Die Leute aus Maine sind hart. Diese Typen aus New Hampshire und Vermont bilden sich ein, hart zu sein. Sie meinen, ihr Winter sei was für harte Männer. Was
wissen die schon? Mein Vater, der war hart, sein Leben lang Holzfäller. Bei minus 30 Grad war der alte Mann draußen im Wald bei der Arbeit. Wenn er scheißen mußte, ließ er die Hosen mitten im Schnee runter und schaute zu, wie es dampfte. Dann arbeitete er weiter. Er zeigte mir, was Härte ist. Weißt du, ich könnte deinem Kerl den Arsch versohlen – mit links. Der Mann an meiner Seite zuckt zusammen. Ich sage ihr, daß er nicht mein Mann ist. Sie lächelt. Sie mag ihn nicht, diesen Mann, den alle lieben. Sie spürt seine Sexualität, wie er Frauen letztendlich nur benutzt, um sich zu beweisen. Sie weiß, daß sie ihn bedroht. Sie weiß, wie sie mit seiner Männlichkeit spielen kann, und das genießt sie. Wie Katz und Maus. Sie beobachtet, wie er sich windet. Sie kauft eine Tüte Erdnüsse. Plötzlich bin ich sehr hungrig.
SARAH
Es machte Sarah nichts aus, allein zu leben. Das kleine Haus stand ganz einsam, 6 Meilen bis zur Bundesstraße, 8 Meilen bis zu den Nachbarn, den Quiggleys. Es machte Sarah nichts aus. Sie mochte die Ruhe. Das Haus war für zwei Menschen nicht groß genug. Das Zusammenleben mit Eric hatte sie beengt. Für einen Mann war in ihrem Haus einfach kein Platz. Vor 75 Jahren hatte ihr Großvater das Haus für seine Braut gebaut. Später hatte hier die Mutter, verwitwet im zweiten Weltkrieg, mit Sarah und ihren zwei Schwestern gewohnt. Es war ihr Heim. Die vier kleinen Zimmer, der Wellblechschuppen, die Scheune. Eric wollte die Scheune wieder aufbauen, wollte anbauen oder einen Wohnwagen hinstellen. Sarah wollte das nicht. Eine Scheune war nicht nötig. Sie hatte nur vier Hühner und einen Hahn, drei alte Katzen. Sie benutzte die Scheune als Atelier. Das Haus war genau richtig, so wie es war. Es war ein Fehler, sich mit Eric einzulassen, einen Mann in ihr geregeltes Leben hineinzulassen, noch dazu einen Mann aus der Stadt.
Sie lernte ihn auf einem Elternabend beim Enchilada-Essen kennen. Er war der neue Englischlehrer an der Mittelschule. Ab und zu machte sie Vertretung. Das war ihre Bürgerpflicht. Er trug einen taubenblauen Anzug, nur in Illustrierten hatte sie diese Mode gesehen. Haarschnitt von einem schicken Salon in Albuquerque. Geschniegelt und gebügelt. Den ganzen Abend lang verfolgte er sie mit den Augen. Sie spürte seinen drängenden Blick und hielt den Kopf abgewandt. Schließlich lächelte sie ihn an. Er stellte sich vor: Ich heiße Eric Deerfield. Sie reichte ihm die Hand: Ich heiße Sarah Dodd. Er küßte ihre Hand. Sie errötete. Sie sind eine sehr schöne Frau. Sie lächelte verwirrt. Ein prüfender Blick: Er war ein großer Mann, groß und dunkel. Unter dem modischen Anzug vermutete sie einen schönen Körper, schlank und stark. Er kam aus Albuquerque. Wahrscheinlich konnte er dort keine Stelle finden. Deswegen war er wohl nach Norden gegangen, wo es mehr Arbeit für Lehrer gab. Fremde kamen nicht oft nach Red River, vor allem keine jungen Männer. Eric war jung, frisch vom College, 23, 24. Hier gab es nichts Besonderes. Hier passierte nichts. Die Berge waren hoch. Die Winter streng. Sarah war daran gewöhnt. Sie war hier aufgewachsen. Sie liebte das Hochland, besonders im Frühjahr, wenn ihr Garten blühte und der kleine Bach neben dem Haus über die Ufer trat. Sie kam gut zurecht. Man konnte nicht viel machen, nicht mal ein Kino gab es, aber Sarah hatte das Haus und ihre Töpferei. Ein gutes Leben. Sie war eine begabte Töpferin, verkaufte ihre Arbeiten an einen Laden in Santa Fe. Ein regelmäßiges Einkommen. Das machte Sarah sicher und stolz auf ihre Arbeit. Ihre Arbeit war ihr Leben, dazu war sie auf die Welt gekommen. Es gab nichts Wichtigeres. Sie freute sich über die eigenen Fortschritte. Eines Tages würde sie endlich zufrieden sein. Bis dahin würde sie arbeiten.
Für Eric war nichts los. Der Arbeitstag war lang, die Schüler schwer von Begriff. Er lebte im Ort, in der Pension von Mrs. Wilbur, in zwei dunklen Zimmern mit vergilbtem Linoleumboden. Sein Weg zur Arbeit führte an Sarahs Haus vorbei. Der Rauch, der sich aus dem Schornstein kringelte, zog ihn an. Er machte sich zur Gewohnheit, auf dem Heimweg bei ihr hereinzuschauen. Anfangs ärgerte sie seine Gegenwart. Sie hatte zu tun. Sie sagte ihm: Eric, ich habe einfach keine Zeit für Geselligkeit. Der Tag ist ohnehin zu kurz. Zuerst kommt meine Töpferei. Sie wischte sich lächelnd den roten Ton an der Baumwollschürze ab. Er zwinkerte mit seinen kleinen, dunklen Augen. Seine Zähne strahlten. Ich möchte Sie nicht stören. Es ist nur, weil ich einsam bin. Wenn ich den ganzen Tag Kinder unterrichtet habe, brauche ich die Gesellschaft eines Erwachsenen. Sie sind so intelligent, es ist so interessant, mit Ihnen zu reden. Sie lachte, aber sie war geschmeichelt. Außerdem, fuhr er lächelnd fort, ist das Wetter so deprimierend, und dieses Haus ist so warm und fröhlich. Bei Mrs. Wilbur ist es wie im Bestattungsinstitut. Ihr Haus spiegelt Ihre ganze Schönheit wider, Sarah. Es macht mich sehr glücklich, Sie einfach nur anzusehen. Sie errötete. An Schmeicheleien war sie nicht gewöhnt. Die Leute von Red River zeigten ihre Gefühle nicht sonderlich. Schscht, sagte sie, ich bin sowieso zu alt für Sie. Er lächelte, legte die Hand auf ihre Schulter, drückte sie. Sie spürte ein Kribbeln. Zweifellos, sie fühlte sich von ihm angezogen. Alt? Sie sind nicht alt. Sarah, Sie sind vollkommen. Er küßte ihre Wange. Ich werde Sie nicht stören. Ich werde einfach hier sitzen und ihnen bei der Arbeit zusehen und kein Wort sagen. Sie gab nach. Sie arbeitete immer weniger. Er blieb immer länger. Schon bald machte sie ihm das Essen, die Wäsche. Dann blieb er zum Fernsehen. Innerhalb von zwei Wochen schliefen sie miteinander. Sarah war nicht prüde. Vor ihm hatte es andere gegeben.
Er sagte, es wäre bequemer, wenn er einziehen würde. Sie wollte nein sagen wegen ihrer Arbeit. Er hatte so eine Art mit Worten, die sie zum Schmelzen brachte. Obwohl sie es nur ungern zugab: Sie hatte angefangen ihn zu lieben. Die Leute aus der Stadt redeten nicht darüber. Sarah war 35, alt genug, und eine gutaussehende Frau. Mr. Quiggley war erleichtert, Pastor Burns ebenfalls. Sie machten sich Sorgen, wenn eine Frau alleine lebte. Außerdem war sie Künstlerin. Man erwartete fast ein ungewöhnliches Verhalten von ihr. Sie lebten friedlich. Eric ging regelmäßig zur Schule, Sarah töpferte. Seit er eingezogen war, verbrachte sie mehr Zeit mit Putzen. Sie ging neuerdings einmal wöchentlich zum Frisör nach Taos, um die langen Zöpfe zu einem hohen Knoten stecken zu lassen. Sie fing an, ihr dunkles Gesicht zu pudern. Das tat sie, um Eric zu gefallen. Es machte ihr Spaß, abends neben ihm zu sitzen, zu plaudern, fernzusehen. Noch mehr genoß sie es, seinen Körper hart und warm neben sich zu spüren, wenn er sie unter der Bettdecke streichelte. Er war jung und gesund. Der Sex war heftig. Im Herbst und im Winter lebten sie zusammen. Sie half ihm über das schlechte Wetter, hielt ihn warm. Sie zeigte ihm, was man anzieht, wie man das Auto startet. Sie versuchte ihm beizubringen, wie der Schneepflug funktioniert, aber er haßte körperliche Arbeit. Morgens stand sie immer vor ihm auf, machte ihm Frühstück, räumte die Einfahrt. Im Frühling blühte ihr Garten. Sie war glücklich. Sie sprach mit Eric über Angelferien in Mexiko. Sie war eine wohlhabende Frau. Er stimmte allem zu, lachte über ihre Begeisterung, brachte ihr nachmittags Flieder aus dem Garten. Sie liebte ihn. Sie dachte, es wäre für immer. Ihr Leben lang hatte sie den Menschen vertraut. Die Menschen vertrauten ihr. So waren die Leute von Red River. Sie kannte es nicht anders.
Eines Tages kam Eric lachend von der Arbeit nach Hause, schwenkte einen Brief. Er strahlte. Sarah, rief er, das Gesicht wie ein Honigkuchen: Ich ziehe nach Los Angeles und gebe Englisch an einem Junior College. Wie toll, aus diesem Kaff wegzukommen. Sie war nicht eingeladen. Nicht, daß sie gegangen wäre. Er hatte sie benutzt. Sie gehörte hierher. Sie haßte ihn, er hatte sie zum Narren gehalten. Sie haßte sich, sie hatte für ihn Gefühle empfunden. Im Juni schaute sie zu, wie er packte und fortging, sein schwarzes Haar glatt über die Stirn frisiert. Sie tat unbekümmert. Er sollte nicht merken, was in ihr vorging, daß er ihr wehtat. Auch sie konnte lässig sein. Auch sie konnte die Frau von Welt spielen. Nachdem er gegangen war, verdrängte sie, was passiert war. Sie war schon immer eine verschlossene Frau gewesen. Die Leute redeten nicht viel. Alle mochten Sarah viel zu sehr. Sie arbeitete an ihrer Töpferei. Nichts gelang. Sie war geistesabwesend. Sie machte einen kurzen Urlaub bei ihrer Schwester und deren drei Kindern in Phoenix. Ihre Schwester war geschieden, arbeitete als Kellnerin in einer Bar. Ihr Leben war hart. Zwei Wochen lang saß Sarah in der heißen Sonne. Sie fing an, den Männern zu mißtrauen. Sie ließ sich nicht mehr das Haar machen, ließ es in dicken Zöpfen herunterhängen. Die Jahre gingen vorüber. Jedes Frühjahr bepflanzte sie den Garten, ließ aber den Fliederbusch entfernen. Ab und zu gab sie Unterricht. Ihre Töpferei wurde berühmt. Ihre Töpferwaren wurden an reiche Leute in Kalifornien verkauft, wo sie ihre Keramik, wie sie es nannten, in Galerien ausstellten. Sie ging nie zu den Ausstellungen. Selten verließ sie Red River. Red River war ihr Zuhause. Es war friedlich und sicher. Männer kamen und gingen, aber sie ließ sich
ihr Leben nicht durcheinanderbringen. Sie hatte das Vertrauen verloren. Als sie 51 war, kam ein Fernmeldemechaniker an ihr Haus. Er war ein junger Mann, groß und mager. Dunkles, glattes Haar. Als er die Tür öffnete, hielt sie den Atem an. Sie wurde in die Vergangenheit zurückgewirbelt. Wie ein Film rasten die Jahre an ihr vorbei. Es war Eric. Selten dachte sie an ihn, aber das Gesicht des jungen Mannes erinnerte sie schmerzlich. Lange Nächte im Messingbett. Ihr wurde ganz flau. Mrs. Dunn, sagte der Mechaniker, ich kam gerade vorbei und sah, daß Ihre Telefon- und die Stromleitung ineinander verwickelt sind. Muß wohl am Wind liegen. Ich muß da hoch und es reparieren. Das ist gefährlich bei diesem Wetter, aber es ist mein Job. Außerdem wollen wir doch keinen Leitungsbrand, oder? Er lächelte. Gebannt starrte sie den Mechaniker an. Ich würde es sehr schätzen, wenn Sie das Telefon nicht benutzen würden, bis ich fertig bin. Das könnte mein elektrischer Stuhl werden. Er lachte: In Ordnung, Mrs. Dunn? Sie nickte, starrte auf seinen Rücken. Schloß langsam die Tür und murmelte: Jesus, Gott, Herr im Himmel. Es war Eric. Sie rannte zum Spiegel, um sich anzusehen. Mit den Fingern zeichnete sie ihre Falten im Gesicht nach. Ihr Haar wurde allmählich grau. Sie war nicht mehr die Sarah von damals. Sie war eine andere Frau. Ihre Augen wurden feucht. Sie sah zu, wie der Junge den Mast hochkletterte. Heftiger Wind. Ein Sturm zog auf. Sie müßte Mr. Todd vom Lebensmittelladen anrufen, damit er ihr ein paar Sachen lieferte. Sie sah zu, wie der Junge die Drähte entwirrte. Er sah sie am Fenster und winkte. So wie Eric gewunken hatte, als er damals ging – genauso lässig.
Sie schaute zum Himmel. Ein Schneesturm zog auf, vermutlich kam er noch heute nacht. Sie nahm den Hörer auf, um den alten Redd Todd im Laden anzurufen. Sie hörte den Jungen schreien, sah zu, wie er fiel. Mit den Fingern trommelte sie auf den Tisch. Redd, hier ist Sarah Dunn. Schicke mir bitte Milch und Butter, zwei Brote, Gewürztee und ein paar von deinen tiefgefrorenen Krabben vorbei. Ja, ich glaube, diesmal wird es schlimm. Dann rief sie im Büro des Sheriffs an. Jed Munson war ihr Jugendfreund. Während der Schulzeit waren sie fest befreundet gewesen. Einmal machte er ihr einen Heiratsantrag. Sie lehnte ab. Er war immer noch Junggeselle. Ab und zu hatten sie Sex miteinander. Vielleicht würde sie ihn eines Tages heiraten. Jed, sagte sie, hier ist Sarah. Danke gut. Und dir? Gut. Anscheinend hat es hier einen Unfall gegeben. Sieht so aus, als wäre ein Mechaniker vom Leitungsmast gefallen. Nein, keine Ahnung, wer er ist, ein Junge, sieht tot aus. Ja, wahrscheinlich aus Santa Fe. Ja, muß der Wind sein. Du hast recht, ziemlich dumm von ihm, bei so einem Wetter da hochzuklettern. Nein, mit dem Telefon ist nichts. Ja, ich erwarte dich in einer halben Stunde. Und, Jed – bei diesem Sturm wäre es ziemlich hart, wieder in die Stadt zurückzufahren. Ich mache uns ein paar Koteletts, vielleicht möchtest du gern zum Essen bleiben. Gut, bring eine Flasche Wein mit. Fein, dann bis später. Sie legte den Hörer auf, warf die Koteletts in die Pfanne, summte. Sie nahm eine Decke mit nach draußen, für den Toten. Es war kalt. Der Wind zerrte an ihren Haaren. Sie glättete die Decke über sein stummes Gesicht und lächelte.
EINE KLO-GESCHICHTE
Bin in einer Tanzhalle, die vor 200 Jahren erbaut wurde, um die Cowboys und Missionare unterzubringen, die auf dem Santa-Fé-Treck hier vorüberkamen. Immer noch die alten Lehmziegelwände. Sie sehen aus, als wären sie seit 200 Jahren nicht mehr gestrichen worden. Ein schmutziger Ort. Hohe Decke mit Eichenbalken. Fledermäuse hausen im Raum zwischen Decke und Dach. Kein schickes Lokal. Es gibt Besseres in dieser Stadt. Aber hier ist etwas los. Hier ist es dunkel, und hier ist etwas los. Hippies tanzen zur Musik der Rock-and-Roll-Gruppe. Die Schüler vom Ort versammeln sich an den Tischen, trinken Bier zu ein Dollar fünfzig, lachen laut. Ich trinke viel. Ich gehe nicht tanzen, ohne mich zu betrinken. Mich betrinken und gehen lassen. Mein Körper schlingert wie Eiernudeln. Meine braune Haut kommt mir schwarz vor. Meine Blase drückt. Drinnen schwappt das Bier. Verbringe immer mehr Zeit auf dem Klo. Das Klo ist nicht schön. Es paßt zu diesem Lokal. Bei ein Dollar fünfzig pro Bier kriegst du keine Spitzengardinen auf dem Klo. Aber das ist schon in Ordnung so. Das erwarte ich. Was ich nicht erwarte, obwohl ich das sollte, ist die Zahl der Kabinen. Macht mich rasend. Es gibt nur eine. Bei den Männern gibt es fünf
Pißbecken und ein Klo. Männer verbünden sich, weil sie zusammen pissen. Frauen stehen herum, kneifen die Beine zusammen, winden sich und warten. Keine Zeit zum Verbünden, nur Verlegenheit. Eine Frau ist auf dem Klo. Eine andere wartet schon. Ich lehne mich neben sie an die Wand. Sie ist groß und blond. Ich starre sie an. Sie lächelt. Ich lächle. Sie ist sehr hübsch. Wir reden nicht. Die Frau auf dem Klo ist hinreißend, Porzellanhaut, strahlende große Augen. Weiß wie Schnee. Bei ihrem Anblick würde mein Vater dahinschmelzen. Sie ist eine Dame, sehr elegant. Lackierte Nägel, Make-up. Ich bin keine Dame, die Blonde auch nicht. Wir sind nur halbe Frauen. Das ist einfacher. Sie kommt aus dem Klo, in Panik. Ihre Wangen sind gerötet. Die Toilette ist verstopft. Flattrige Stimme: Ich habe immer wieder versucht zu spülen. Ehrlich. Es ging einfach nicht. Ich habe es wirklich versucht. Alle Tricks probiert. Hab an der Spülung gerüttelt. Das half nicht. Hat einfach nicht gespült. Sie preßt die Hände zusammen. Ich habe nur Pipi gemacht, es ist also nicht so schlimm, aber ich hab es wirklich versucht. Nervös fährt sie mit den Händen durchs Haar. Ihr Gesicht ist knallrot. Warum will sie auf uns Eindruck machen? Warum macht es ihr etwas aus, was die Blonde und ich, zwei wildfremde und ohnehin halbbetrunkene Frauen, von ihr denken? Es ist unglaublich. Frauen müssen einfach immer gefallen. Ich seufze. Es macht ihr etwas aus, so wie meine Mutter sich sorgte, ich könne bei einem Autounfall keine sauberen Unterhosen anhaben. Meiner Mutter war es ernst damit. Beide meinen es ernst. Mir macht es nichts aus. Die Augen der Frau sind wie dunkle Teiche. Sie ziehen mich hinab. Ich möchte ihr sagen, daß sie schön ist. Ich halte mich zurück. Schon jetzt ist sie in heller Panik. Sie würde es falsch
verstehen. Sie versucht die Lage zu meistern. Ich möchte sie beruhigen. Ich kann es nicht ausstehen, wenn Leute fassungslos sind. Es ist so lächerlich. Das Klo bei mir zu Hause ist verstopft. Ich entschuldige mich nie bei meinen Gästen, bei Bekannten. Ich gebe ihnen Papier und schicke sie auf den Hof. Ich lächle, berühre ihren weißen Arm. Alles in Ordnung. Es ist nicht deine Schuld. Das ist ein altes Lokal. Die Rohre sind alt. Mach dir keine Sorgen. Ihr Gesicht entspannt sich. Du hast wahrscheinlich recht, aber ich habe es wirklich versucht. Ich lächle, na klar. Sie kämmt sich. Die Blonde geht aufs Klo. Ich beobachte die Dunkle beim Kämmen. Ihr Haar ist dicht. Mir ist so heiß. Dieses Tanzen bringt mich wirklich ins Schwitzen. Sie kichert: Es ist ekelhaft. Ich nicke: Ich weiß nicht. Ich schwitze immer. Irgendwie ist es auch ganz schön. Es ist mein Geruch. Sie schaut mich von der Seite an. Ich grinse. Sie lächelt zurück. Sie denkt, ich mache Witze. Sie malt sich die Lippen rot und geht hinaus. Ich lache. Mir ist es egal. Ich bin betrunken. Pobrecita. Ich sage es laut. Ich höre die Blonde im Klo lachen. Ich denke über die Frau nach. Ich seufze. Ich stelle mir vor: sie alleine, nachts, mit einem dunklen Ehemann, der sie begehrt. Sie will nicht, aber sie tut als ob. Warum machen Mütter aus ihren Töchtern Kurtisanen? Es ist traurig. Ich seufze wieder. Ich scharre mit den Füßen und warte. Die Blonde kommt lachend heraus, schüttelt den Kopf: Die Spülung hat wirklich funktioniert. Sie lächelt. Ich habe nur gezogen, und sie hat funktioniert. Sie seufzt.
Zu blöd, sage ich und gehe hinein. Ja, zu blöd, stimmt sie zu. Ich hebe den Rock, sehe zu, wie der gelbe Strahl das Becken füllt, wische mich schnell ab. Meine Gedanken flitzen zu der Dunklen zurück. Manchmal ist das Leben schon komisch.
MIDWAY INN
Die Frau steuert auf das Lokal zu. Das Midway Inn gehört zu einer großen Motelkette. Die Frau fährt ein VW-Kabrio, sie fährt sehr gekonnt, eine Hand auf dem Lenkrad, mit der anderen stellt sie das Radio ein. Das Lokal ist elegant, die Frau nicht. Ein Lokal für bessere Leute. Keine Cowboys, Hippies, Indianer oder Mexikaner. Eine gutbürgerliche Bar mit Grüppchen von pseudo-intellektuellen Studenten. Es gibt eine Rockband in glitzernden Trainingsanzügen. Sie spielt Mantovani, asynchron, und lächelt viel. Eigentlich ist das Lokal ein Fleischerladen, wo Leute ihre makellosen Körper ausstellen und schließlich zum Verkauf anbieten. Es ist acht Uhr. Zur Cocktailstunde ging ihr Lover ins Midway Inn. Die Frau ist Schriftstellerin und mit sich selbst beschäftigt. Jetzt ist sie mit der Arbeit fertig und fährt in die Stadt zum Midway Inn in der Hoffnung, den Lover dort zu treffen. Die Eingangstür sieht aus wie Eiche natur. Die Außenwände sehen aus wie harte, rote Ziegel. Die Frau weiß Bescheid. Sie hatte die Arbeiter beim Bauen der Gaststätte beobachtet. Vier Wochen hatte es gedauert. Eiche und Ziegel sind nachgemacht, die Gaststätte ist aus Fertigteilen ohne Fundament. Die Geschäftsführer
legen keinen Wert auf Qualität, die Frau wohl. Sie läßt sich nicht gern verschaukeln. Die Frau betritt den Raum, kneift die Augen in der verräucherten Dunkelheit zusammen, sucht ihren Lover. Sie ist eine attraktive Frau. Jedenfalls scheint das, was unter der dicken Armeejacke erkennbar ist, gut auszusehen. Stolz wie eine junge Stute. Ihre Selbstachtung ist augenscheinlich. Sie hat langes, dunkles Haar, das in dicken Strähnen auf den Rücken fällt. Das Haar kann leicht zum Köder werden. Jetzt ist es tief unter die Jacke gestopft, dicht an den Kopf gedrückt, um die kalte Nachtluft abzuhalten. Es ist eine ruhige Bar. Keine Schlägereien, kein Geschrei, kein Gejohle oder kindisches Gequietsche. Die Frau mag die Bar nicht. Stimmung wie bei einem Leichenschmaus. Sie geht in Bars, um sich auszutoben, und hier tobt sich niemand aus. Sie sind zu verklemmt. Die Ruhe macht die Frau traurig. Es ist eine trostlose Bar mit erfolgreichen Leuten ohne Sorgen, allein und stumpf. Am Tisch bei der Tür sitzen drei Männer. Geschäftsleute mit Plateau-Schuhen, Tweed-Sakkos, Brillen mit Metallrand und geföntem Haar. Sie sind geschieden, haben es alle einmal durchgemacht: die Einsamkeit in der Ehe, die Ansprüche jungfräulicher Gattinnen in Nylonnachthemden und Haarnetzen. Jetzt sind sie frei. Manchmal macht ihnen diese Freiheit Angst. Sie können nichts damit anfangen. Sie hatten so wild vom Junggesellenleben geträumt, Partys bis zum frühen Morgen und emanzipierte Frauen mit schlüpfrigen Schenkeln. Meist sitzen sie allein in ihren Wohntürmen, essen Fertiggerichte und wundern sich, was mit ihnen los ist oder warum nichts mit ihnen los ist, fühlen sich einsam und verlassen. Einer von ihnen geht zum Psychiater, um zu sich selbst zu finden. Aber das hier ist New Mexiko, wo Männer Helden sind. Die anderen billigen das nicht.
Die drei Männer schauen die Frau begierig an. Ihre Augen tasten sie ab wie ein Fleischgericht. Ihre Köpfe arbeiten wie Röntgenapparate. Sie sind betrunken. Sie wissen nicht, wie man sich an Frauen heranmacht. 1955 hatten sie im Lieferwagen ihres Vaters die Hauptstraße unsicher gemacht, aus dem Fenster Obszönitäten geschrien und Mädchen mit rosa Lockenwicklern Küsse zugeschmatzt. Die Mädchen kamen dann zu ihnen in den Lieferwagen. Manchmal gab es ein heißes Geknutsche. 1960 waren sie verheiratet, Kinder-Ehen. Als sei die Zeit dazwischen bedeutungslos, sind sie immer noch auf Tour. Die Frau sieht aus wie ein Hippie. Angeblich sind Hippies leicht zu kriegen. Ihre Trunkenheit verleiht ihnen Mut. Sie sehen, wie die Frau die Augen zukneift, dunkle Augen. Sie sucht jemanden. He, Baby, genau vor dir. Hier ist er, Süße. Ernie zwinkert ihr zu. Ja, Puppe, hier steht dein Stuhl. John winkt, zieht einen freien Stuhl an seine Seite. Hier ist er, Schatz. Hier ist er. Die Frau kommt auf den Tisch zu, schaut die Männer genau an. Die Männer sind ganz von sich überzeugt. Einer würde es heute nacht besorgt kriegen. Er würde es den anderen ausmalen. Ein Hippie mit behaarten Beinen und Achselhöhlen. Interessant. Die Frau ist am Tisch angelangt, legt die Hände auf die Resopalplatte. Ernie legt seine Hand auf ihre. Sie zieht sie nicht zurück. Ernie hat Schweißhände. Die Frau schaut auf die Hand, fettes, rosa Fleisch wie halbgares Roastbeef, das zu nichts nutze ist. Die Frau ist Männern gegenüber hart. Ihre eigenen Hände haben Blasen, das kommt von der
Landarbeit, es macht ihr nichts aus. Sie muß niemandem gefallen. Sie schaut die Männer an. Voller Hohn. Sie hat es satt, wie Dreck behandelt zu werden. John und Bob starren auf Ernies Hand, der die Finger der Frau tätschelt. Die Frau ist sehr gelassen. Sie ist sehr selbstsicher. Ich suche meinen Lover, sagt sie sehr sanft. Hier bin ich, Baby. Hier bin ich, antwortet Ernie. Die Stimme der Frau ist wie geschmolzene Butter: Vielleicht könnt ihr mir helfen? Falls ihr sie gesehen habt, sie ist groß, gute Figur, langes, blondes Haar. Sie lächelt ein verhaltenes Lächeln. Nein? Nun, Pech gehabt. Sie schlendert aus der Bar. Die Männer sitzen stumm, schauen sich an. Schließlich bestellen sie Bier. Ernie seufzt: Was zum Teufel…?
MARIA
Maria Rodriguez hatte lange Beine. Lang für eine Mexikanerin. Ihre Haut war braun, so weich wie ein feines Wildleder. Sie ölte sie jeden Morgen, jeden Abend, rieb sich sanft an allen Stellen mit dem dunklen, dicken Öl ein. Sie lebte alleine am Strand der Baja in einer kleinen Hütte. Vor 14 Jahren hatte sie die Hütte gebaut, wie ein Vogelweibchen hatte sie Schilf und Stroh gewebt. Sechs räudige Hunde schliefen vor der Hütte, knurrten Besucher an. Ihre Knochen stachen unter der Haut hervor, kleine Wellen auf der Brust. Sie hielt sie und fütterte sie und ließ sie bei Regen sogar in die Hütte. Aber sie waren nicht ihre Kinder oder ihre Freunde, nur Tiere, eine Tauschbeziehung. Sie war Prostituierte. Ihre Kunden waren Angler, kalifornische Angler, die mit neuen Wohnwagen und großen Booten im Schlepptau in die Baja kamen. In der Hoffnung, Schwertfische und Seebarsche zu fangen und ein bißchen Spaß zu haben. Sie waren verheiratete Männer mit einer Frau und drei Kindern in einem Rancho-Haus in San Diego. Maria mochte die Gringos nicht. Sie waren Attrappen, aber sie zahlten gut. Sie mochte ihr Geld. Manchmal leerte sie ihre dicken Brieftaschen, während sie in ihrem Bett schliefen. Sie sprach kein Englisch. Das machte das Leben leichter. So konnten sie nicht unvernünftige Forderungen
an sie stellen oder gar Gefühle verlangen. Sie mochte das Alleinleben, das Geschäft. Die Männer waren wie die Hunde: Sie benutzte sie und umgekehrt. Es war ein fairer Handel. Morgens wachte sie immer früh auf, wenn die Sonne in die Hütte kroch und ihren Körper kitzelte. Dann zog sie den geblümten Bikini an, räumte auf und spazierte zum Strand. Morgens war die beste Zeit zum Schwimmen, bevor die Touristen ankamen und den Strand mit ihrem Weiß überschwemmten. Sie beobachtete sie, lachte über ihre Hühnerbeinchen, beäugte die gelbhaarigen Babys mit Schnullern in den runden, kleinen Mündern. Sie ging langsam das Ufer ab, suchte Krebse, die sie in einem großen, schwarzen Topf kochte. Krebse und Reis waren ihre Hauptnahrung. Manchmal führten die Gringos sie aus zum Essen in La Paz. Es machte ihr nichts aus, obwohl die Stadt groß und schmutzig war. Dort konnten die Männer spezialisierte Mädchen finden. Mädchen für Perversionen. So eine war Maria nicht. Sie war sauber. Auf dem Felsen vor ihrem Haus fischte sie, die Hunde leckten ihre Füße. Mittags kam der Junge aus dem Ort mit zwei Flaschen Rum. Ein Schluck Rum gehörte zum Kundendienst. Das und ein gesunder Körper. Sie sagte immer sofort, daß sie keine Geschlechtskrankheiten hatte. Das war den Gringos wichtig. Sie hatten zu Hause Ehefrauen. Maria kannte ihren Markt. Sie war eine gute Geschäftsfrau. Einmal, vor einigen Monaten, hatte sie zwei Gringos gleichzeitig, zwei riesige, blonde Männer, deren Weiß sie bedeckte wie Schnee die Berge. Es war nicht übel. Sie waren nervös. In Wirklichkeit hatten sie Lust aufeinander und benutzten Maria als Ausrede. Sie blieben nicht lang. Sie zahlten 50 Dollar, gutes, amerikanisches Geld.
Die 50 Dollar, tief in ihrer Matratze versteckt, gaben Maria das Gefühl, eine wichtige Frau zu sein, wichtig und intelligent. Nicht wie ihre Mutter, ganz und gar nicht. Ihre Mutter war ebenfalls Prostituierte, arbeitete am selben Strand, wo Maria lebte. Sie war eine junge Frau vom Land, ohne Stärke. Sie liebte die Gringos unter Preis, immer machte sie sich klein, machte nie ein anständiges Geschäft, gab mehr als sie bekam. Ihre Mutter hieß Estela Chavira Rodriguez, gute, bäuerliche Herkunft. Tochter eines Bauern, dessen Frau starb, bevor Estela alt genug war, um zu wissen, was eine Mutter ist. Ihr Vater war zu schwach, um das Kind alleine großzuziehen. Er wurde ein stadtbekannter Säufer, schlug seine Tochter jeden Abend. Bis sie die Prügel schon erwartete. Schließlich folgte er seiner Frau ins Grab, als Estela 13 Jahre alt war. Estela fand La Paz und die Straße. Und schließlich den Frieden am Strand und die Gringos. Maria besaß ein Foto von ihrer Mutter als 18jährige, frisch und jung, eine exotische Orchidee im weißen Sand. Händchenhaltend mit einem sanften Anglo, rund wie ein Fleischklops. Honcho, zischte Maria dem Bild entgegen, Gringo. Ein Mann mit einer rotgefärbten Frau und sommersprossigen Kindern im hügligen Vorort von Los Angeles. Er kam mit Wohnwagen und Boot auf der Suche nach Abenteuern. Wie sie es alle in der schwarzen Sommerhitze von Mexiko machen. Sie war damals drei Jahre alt, tapste neben der Mutter her, hielt sich an den breiten Hüften fest. Hüften wie ein schützender Schirm. Sie hatte ihrer Mutter mit den Männern zugesehen. All die Männer in all den Jahren. Dann dieser Mann, den ihre Mutter einmal, zweimal hatte. Beim dritten Mal nahm sie sein Geld nicht, Estela war verliebt in einen ehrenwerten amerikanischen Arzt, der sie als Spielzeug benutzte, eine niedliche kleine spanische Barbie-Puppe. Vor Jahren war er in Korea stationiert gewesen und hatte ein rundes, kleines Baby zurückgelassen mit der Schande, ein Niemand zu sein. Der Doktor hieß Bob. Sie konnte sich erinnern,
wie ihre Mutter damals das dunkle Haar vor dem Spiegel ausbürstete, summte, das Kind tätschelte und fragte: Maria, le gusta el doctor Bob? Lachend. Lächelnd. Als Antwort rieb sie ihr Gesicht an den Brüsten der Mutter, so wie die zahlreichen Männer es machten, unwillkürlich. Das Boot von Dr. Bob war groß und lang, das Boot eines Schönheitschirurgen. Es hatte zwei Schlafkabinen und eine hübsche Küche, die seine Frau mit rotem Baumwollstoff dekoriert hatte. Vier präparierte Schwertfische hingen stolz über seinem Bett. Maria erinnerte sich. Sogar jetzt, 22 Jahre danach, erinnerte sie sich. Zum vierten Mal war ihre Mutter mit dem Baby aufs Boot gegangen. Legte es auf den Boden der Kabine zum Schlafen. Sie trank Tequila mit dem Doktor, lachte, küßte, träumte davon, diesen Luxus zu behalten. Der Doktor fesselte ihre Mutter ans Bett. Maria sah zu, Füße und Hände. Estela lachte, keuchte. Er zog sie aus, zerrte am gelben Kleid, schob es hin und her mit der Unbeholfenheit eines Fünfzehnjährigen. Schließlich nahm er sein Anglermesser und riß das Kleid in Stücke, Streifen für Streifen zog er es ab. Maria sah zu, wie er seine Hose fallenließ, sein blaurotes Hawaii-Hemd hing schlaff über den vollen Bauch. Er bestieg Estela, drängte sich in ihren nachgiebigen Körper. Estela wand sich, starr, gefesselt. Maria sah zu. Als der Doktor fertig war, glänzten seine Augen. Er drückte seinen Mund an die weiche, dunkle Stelle zwischen den Schenkeln der Mutter und lutschte. Maria sah zu. Dann hob er Maria, das dreijährige Baby, vorsichtig hoch, und fesselte sie neben die Mutter ans Bett. Die Mutter schrie: No, doctor, no. Schüttelte den Kopf. Seine Augen glänzten. Er stopfte seine schweißnassen Shorts in Estelas Mund, um sie zu knebeln. Er preßt seinen Mund zwischen die Schenkel des Kindes und sog fest. Maria spürte den Biß seiner gelben Zähne, schrie: Mama, Mama. Wußte instinktiv, daß ihr
Gewalt angetan wurde. Die Mutter zerrte mit dem ganzen Körper, Augen voller Wut, aber die Stricke schnürten sie immer fester. Maria starrte den Doktor an, seine brennenden, blauen Augen. Man konnte blauen Augen nicht trauen, so wechselhaft wie das Wetter. Langsam zwängte der Doktor seinen hochroten Penis in ihren Babymund. Maria sog, so wie sie an der Mutter sog, und der Doktor lachte beim Zusehen. Als er fertig war, ließ er vom Baby ab, kehrte zur Mutter zurück. Er trank große Schlucke aus einer neuen Flasche Tequila. Kopf wie abgeschraubt. Sau, flüsterte er, mexikanische Sau. Steckte seine Zunge in das Ohr der Mutter, kreiste damit herum, bis sie taub war, biß grob an den Brustwarzen herum, wollte sie wie Obstkerne abbeißen und sie auf den polierten Boden ausspucken: Mexikanischer Dreck. Weiße Hure. Estela bäumte sich auf. Ihr Körper spannte sich wie ein Bogen. Augen voller Wut. Was glaubst du, wieviel du wert bist, du spanische Nutte, wieviel? Seine Augen funkelten in der dunklen Kabine. Wieviel? Wieviel? So viel? Schlug mit der Faust tief in ihren Bauch. Oder so viel? In ihre Brust, mit heiserem Lachen. Bande, verdammte, häßliche Bande, ihr alle. Ihr seid Affen. Wollt so sein wie wir. Du willst, daß ich dich liebe. Du Schlampe. Ausgerechnet dich. Dir würde ich nicht einmal erlauben, den Dreck von den Schuhen meiner Frau zu lecken. Komm her, Zigeunerweib. Er zerrte am Kinn der Mutter, mit festem Griff. Estela wandte es mit Gewalt ab. Maria hörte das Krachen beim Brechen des Kiefers. Dr. Bob will dich küssen, Hure. Er küßte die Lippen der Mutter. Dann hob er das Anglermesser und zeichnete ein X auf Estelas Samtwange. Hure, kicherte er. Langsam leckte er das Blut mit seiner Doktorzunge auf, spuckte es in großem Bogen auf ihren Bauch. Biß wieder in ihre Brust-
warzen, spielte mit dem Messer daran herum, schnitt, pellte sie wie eine Apfelsine ab. Hure, du bist der größte Fisch, den ich je zum Abziehen hatte. Zuerst will ich dich ficken. Der gute Doktor wird dich ficken. Langsam bestieg er die Mutter. Maria sah zu, wie die Tränen leise über Estelas Gesicht strömten. Wie ein gestrandeter Wal hämmerte er seinen fetten Körper gegen den festen von Estela. Als er fertig war, rollte er zur Seite, lag auf dem Kind, erdrückte es fast. Lachend stand er auf. Trank reichlich aus der Tequila-Flasche, ein Gemurmel zwischen den fetten Lippen. Das ist Hurenfusel. Meine Frau, meine Jean, serviert mir Martinis mit gefüllten Oliven. Was weißt du schon von Martinis, du Hure? Das hier ist alles, was du kennst. Er zerschlug die Flasche am Bett. Der Inhalt floß über die Brust der Frau. Brauchst du ein Bad, du Sau? Er lachte. Mit seiner pickligen Zunge leckte er schnell alles auf, fuhr mit der Flasche über ihre Haut, machte eine rote Zickzacklinie. Lachte unentwegt dabei. Maria sah zu. Oder ist dieser Fusel zu gut für dich, Mexikanerin? Zu gut für dich und Pancho Villa und eure anderen Dreigroschenhelden? Wie wär’s damit? Vielleicht paßt dir das eher? Er zog sein Messer. Wie gefällt dir das? Maria sah zu, wie ihre Mutter die Augen schloß. Ihr Gesicht völlig erstarrt. Ihre Haut wurde weiß, als der Doktor ihr das Messer zwischen die Beine stieß, rein und raus, rein und raus. Genauso wie die vielen Männer es so oft mit ihren Fingern bei der Mutter gemacht hatten. Das Bett war naßrot. Der Doktor legte sich lächelnd auf die Mutter. Hast du genug, du Hure? Genug gehabt? Maria schlief, ans Bett gefesselt, neben dem Doktor. Am Morgen sah sie zu, wie er das Zimmer säuberte. Ruhig, als wäre er daran gewöhnt. Dann band er das Kind los und trug den Körper der Mutter an Deck und ließ ihn ins Meer gleiten, nahm die Hand des Kindes, winkte damit.
Sag tschüß Mammi, tschüß. Er ließ das Kind am Strand zurück. Dann kehrte er heim zu seiner Frau und zu seinem großen Haus in den Hügeln von Los Angeles, wo die Reichen wohnen. Eine andere Prostituierte, eine andere Strandhure, Teresa Leticia Garcia, nahm sie bei sich auf, sah sie zur Frau heranreifen. Sie führte sie behutsam in das Leben ein. Bis Maria erwachsen war und auf sich selber aufpassen konnte. Maria hatte zugesehen und sich alles gemerkt. Sie paßte ziemlich gut auf sich auf, nicht wie ihre Mutter, überhaupt nicht.
NACHHAUSE-KOMMEN
Gracie wollte nach Hause. Ein seltsamer Gedanke, heimzukehren. Seit acht Jahren lebte sie zufrieden im Beton von Los Angeles, fuhr ein Auto, kam herum, war Amerikanerin. In der ganzen Zeit war sie nicht einmal zu Hause gewesen. Sie dachte über einen Besuch nach. Einmal die Woche schrieb sie an ihre Mutter. Sie dachte an ihre Familie. Nur schien sie nie Zeit für einen Besuch zu finden. Sie hatte Angst davor. Zu Hause war nördlich von Mexico City, mitten im Landesinneren von Mexiko, wo ihre Mutter und ihre Tante Silvia zusammen in einem kleinen Haus wohnten. Ihr Vater war tot. Er starb, als sie noch ein kleines Mädchen war. Sie vermißte ihn nie. Sie war zu jung. Es gab so viele Onkel und Brüder. Seit sie gegangen war, starben die Onkel, einer nach dem anderen, schieden im Alter dahin, füllten die Friedhöfe von San Miguel. Nur ihre Mutter, ihre Tante Silvia, drei ältere Brüder, Jaime und Reyes blieben übrig. Roberto, der dritte Bruder, lebte in ihrer Nähe in Los Angeles. Er war der jüngste Sohn. Sie waren die Kleinen. Komisch, daß die Kleinen fortgingen. Sie waren modern. Sie hatten eine Ausbildung. Nie wollte sie die Frau eines Bracero sein. Sie beobachtete, wie ihre Mutter und ihre Tanten dahinwelkten.
Als Roberto fortzog, bettelte sie darum, mitgehen zu dürfen. Sie war nicht glücklich. Sie wurde älter. Es gab im Dorf keinen Mann, den sie wollte. Ihre Mutter war weise. Sie wußte: Wenn ihre Tochter gehen wollte, konnte sie sie nicht zurückhalten. Es war besser, wenn sie mit ihrem Bruder ging. Außerdem gefiel ihr der Gedanke nicht, daß Roberto allein wäre. Er war ungestüm. Gracie würde ihn beruhigen. Besser, wenn sie zusammen gingen. Besser, wenn sie mit dem Segen der Mutter gingen. In den ersten Jahren lebten sie und Roberto gemeinsam in einer einfachen Wohnung mit einem Schrankbett. Sie waren illegale Ausländer, billige Arbeitskräfte. Sie zählten nicht. Leicht auszunutzen. Sie kannten die Sprache nicht. Roberto und Gracie waren pfiffig. Sie paßten auf sich auf. Sie gingen zur Abendschule und lernten Englisch. Sie bekamen Papiere, bestanden die Prüfung zur mittleren Reife, arbeiteten ununterbrochen wie Dienstboten. Gracie ging putzen, ihr Bruder wusch Teller in einem schmierigen Laden. Sie verdienten Besseres. Das wußten sie. Sie waren geduldig. Schließlich heiratete Roberto, ließ sich mit Frau und Kind als Versicherungsvertreter nieder. Gracie freundete sich mit Angelica an, seiner Frau. Sie war eine Chicana, voller Leben. Sie lernten voneinander. Angelica anglisierte sie. Sie waren ihre kleine Familie, lebten ein paar Häuser weiter. Dennoch, manchmal war sie sehr einsam, wenn sie an ihre Mutter dachte. Die Landschaft raste an ihren Augen vorbei. Sie kletterten hoch ins Gebirge hinein. Vorbei an kleinen Dörfern voller Stroh- und Lehmhütten, rostender Autos, Waggonsiedlungen. Das Land war braun und trocken, wie Knochen. Halbnackte Kinder spielten im Staub. Es war Mai. Der große Regen ließ noch einen Monat auf sich warten. Ihre Augen verfolgten die Landschaft. Das war ihr Land. Egal, wie weit sie davonlief: sie konnte ihm nicht entkom-
men. Sie trug es in sich. Sie war jetzt alt genug, das zu verstehen. Dennoch erschien es ihr häßlich. Das war schon immer so. Sogar als Kind hatte sie im Wohnzimmer ihres Onkels ferngesehen und sich dann umgeschaut. Sie plagte ihre Mutter: Mama, warum ist es so häßlich? Ihre Mutter seufzte: Nein, Hija, es ist schön. Du wirst es noch sehen. Sie sah es nie. Das Land selbst war nicht häßlich. Es war stark. Sie grübelte darüber nach. Auch die Menschen waren nicht häßlich, sie waren schön. Sie wußte nicht, was sie störte. Alles war durcheinandergewürfelt: die Indianer, die an den Bahnhöfen durchs Fenster an ihrem Ärmel zerrten und bettelten, ihre Kinder, die wie Kokons an den Kleidern klebten und in deren Haaren das Ungeziefer tanzte. Es war der Schmutz. Gracie würde niemals den Schmutz ertragen können. Sie lehnte den Kopf gegen den Sitz, schloß die Augen. Ein hübscher Kopf. Sie war 26 Jahre alt, adrett gekleidet, gepflegt. Sie arbeitete als zweisprachige Sekretärin. Ein guter Job. Sie hielt sich für wichtig. Sie führte ein angenehmes Leben. Gracie sah jung aus für ihr Alter, wie die Frauen im Fernsehen. Früher hatte sie davon geträumt, einmal so zu sein wie sie. Wenn sie im Dorf geblieben wäre, sähe sie jetzt älter aus. Mit Goldzähnen. Sie seufzte. Sie hatte es besser. Sie hatte Glück, sie war davongekommen. Fast gegen ihren Willen fragte sie sich, wie es wohl sein würde: zu Hause. Sie befürchtete, nicht dorthin zu passen. Sie hatte zwei Wochen. Das könnte lang werden. Ihr Koffer war voller Geschenke, Kleider für Mutter und Tante, Hemden und Pullover für ihre Brüder, Hosenanzüge für deren Ehefrauen. Spielzeug für die Nichten und Neffen. Sie hatte für diese Reise gespart. Sie wollte es richtig machen. Sie wollte sie beeindrucken. Sie schloß die Augen, Tagträume. Sie stellte sich vor, wie sich ihre
Familie um sie scharte, wie die Kleinen voller Bewunderung zu ihr aufschauten, wie ihre Mutter an ihrer Seite saß. Es würde guttun, die Mutter wiederzusehen. So oft träumte sie in den letzten Jahren davon, wie sie mit der Mutter zusammensaß und sich unterhielt. Die Mutter hielt sie in ihren Armen. Roberto stand ihr nahe. Es war nicht dasselbe. Sie war immer noch einsam. Sie war die einzige Tochter ihrer Mutter. Das gleiche Blut. Sie vermißte ihre Mutter. Mehr als alles andere wünschte sie sich die Anerkennung ihrer Mutter, befürchtete, inzwischen eine Fremde zu sein. Sie war nicht mehr das Mädchen, das das Dorf verlassen hatte. Gracie war älter. Sie wollte, daß ihre Familie sie liebte. Sie brauchte das. Graciela hatte Angst. Der Zug schleppte sich dahin, ein Dorf nach dem anderen, die Pfeife tönte schrill. Kleine Kinder rannten herbei, um den Zug zu sehen. Das war der aufregendste Moment in ihrem Alltag. Gracie winkte. Sie wußte nicht, ob sie zu sehen war. Nacht würde es sein, bevor sie zu Hause wäre. Sie aß im Speisewagen, saß allein bei ihren Enchiladas. Sie aß langsam, gedankenverloren. Sie hatte gelernt, die Zeit mit sich allein zu genießen. In dieser Hinsicht war sie Amerikanerin. Belästigungen ertrug sie nur schlecht. Das Haus ihrer Mutter war immer voller Leute, Familie, Nachbarn. Kinder liefen kreischend über den Flur. So könnte sie nicht mehr leben. Die Enchiladas waren fade, nicht wie die ihrer Mutter. Unbewußt registrierte sie das Geschirr. Ein hübsches Gedeck. Sie spielte mit einem Perlenring an ihrem Finger. Er hatte ihrer Großmutter gehört. Ihre Gedanken flatterten hin und her: Hoffentlich denkt Angelica an das Blumengießen. Welcher Bruder wird sie wohl abholen? Ob er die Mutter mitbringt? Wahrscheinlich nicht. Es wird wohl spät werden. Die Mutter wird schon schlafen. Hoffentlich ist es Jaime, ihr Lieblingsbruder. Sie dachte an den Mann, mit dem sie in Los Angeles ausging, Tony. Ob sie ihn vermissen würde? Er war nicht ihr erster Freund.
Sie war keine Jungfrau. Sie mußte an Tante Silvia denken. Auch sie war keine Jungfrau mehr, als sie heiratete. Sie stellte sich vor, wie sich die rauhen Hände der Tante anfühlten. Hoffentlich sahen ihre Mutter und ihre Tante nicht allzu alt aus. Ob sie inzwischen hilflose Frauen sind – ein schauderhafter Gedanke. Sie waren so stark gewesen. In ihrer Familie waren die Frauen immer stark. So wie Frauen sein müssen. Es wurde dunkel. Sie starrte aus dem Fenster, wartete. Der Zug schien eine Ewigkeit zu brauchen. Sie hörte wieder auf, hinauszustarren. Sie blätterte in einer amerikanischen Illustrierten. Keine Geduld. Zu aufgeregt. In ihrem Kopf drehte es sich. Schließlich kamen sie in ihr Dorf. Sie starrte ins Schwarze. Es war zu dunkel. Niemand zu sehen. Sie waren immer noch zu weit vom Bahnhof entfernt. Sie hatte feuchte Hände. Gracie stieg langsam und steif aus dem Zug. Schweifender Blick. Plötzlich war sie sehr schüchtern. Sie könnten sie nicht mehr mögen. Sie hatte Angst, auch sie könnte sie nicht mehr lieben. Nervös kaute sie ihre Lippen. Zuerst fiel ihr Blick auf ihren Bruder Reyes. Er war älter. Grau gesprenkelte Haare. Hinter ihm stand Jaime, hochgewachsen, schmunzelnder Schnurrbart. Daneben standen zwei winzige, runde Frauen in Schwarz mit Kopftüchern, um die Nachtluft abzuhalten. Es war kalt. Ihre Mutter und ihre Tante Silvia, sie winkten. Sie schienen so weit weg zu sein. Sie schrie: Mama. Rannte auf sie zu. Arme weit wie Flügel. Die Großstadt fiel stückweise von ihr ab. Sie schrie immer wieder Mama. Tränen strömten über ihr Gesicht. Ihre Mutter kam auf sie zu. Gracie warf sich in ihre Arme. Ihre Mutter hielt sie wie ein Baby fest: Graciela, mi hijita.
Sie klammerten sich aneinander, kniffen sich wach. Ihre Tränen vermischten sich, wie bei einem indianischen Blutritual. Sie schaute auf das Gesicht ihrer Mutter, ihre Finger zeichneten die Falten nach. Die Mutter war gar nicht so alt. Niemals würde sie hilflos sein. Das war ihre Mutter. Hatte sie schon so viel vergessen? Ihre Mutter war schön. Sie küßte Gracie. Mama, ich habe dich vermißt. Ihre Mutter nickte: Yo tambien, aber jetzt bist du zu Hause. Sie nickte, schaute in die Augen ihrer Mutter. Mondlicht spiegelte sich darin. Si, Mama, si. Ihre Brüder und ihre Tanten kamen herbei. Nacheinander umarmte sie alle. Sie drückte sie, lachte und weinte gleichzeitig, ließ nie die Hand ihrer Mutter los. Sie schaute ihnen ins Gesicht und sah Liebe. Das war ihre Familie. Sie liebte sie. Nie hatte sie sich eingestanden, wie sehr sie sie vermißte. Das hätte ihre Entscheidung zu schwer gemacht. Alle redeten gleichzeitig. Ohrenbetäubend. Gracie lachte. Es war gut, zu Hause zu sein. Ihre Brüder trugen ihre Koffer. Sie ging zwischen ihrer Mutter und ihrer Tante, ihre Arme umschlangen sie wie ein Goldring. Warum war sie nicht schon früher gekommen? Der Besuch würde gut werden. Sie würde noch oft kommen. Jedesmal würde der Abschied schwerer fallen. Das wußte sie.
NEPTUN
Michelle stieg rasch aus dem Wasser, die kurzen, goldblonden Locken klebten verfilzt am Kopf. Groß und jung stand sie da auf dem unberührten Sand, das Wasser tröpfelte in winzigen Rinnsalen an ihrer Haut hinab und fing sich in ihrem kleinen, goldenen Vlies. Sie legte sich auf ihre Strandmatte, mit dem zarten, braunen Rücken der Frühsommersonne entgegen. Sie seufzte zufrieden: die einschläfernd wohlige Stille der kleinen Bucht, der bezaubernde Strand, den sie gefunden und in Besitz genommen hatte. Seit Wochen kam sie zu dieser Bucht, zu ihrem Geheimplatz, wo der weiße, mit rosa Muscheln gesprenkelte Sand glitzerte, und nie hatte sie eine Menschenseele gesehen. So wollte sie es auch. Weit weg vom Dauerlärm der Großstadt, vom Alltagsstreß, von der Hochspannung ihres Spitzenjobs, von den Anspannungen des Junggesellinnenlebens. Hier in der Bucht durfte sie ganz und gar sie selbst sein. Sie war nicht mehr die stellvertretende Leiterin der Marketingabteilung, nicht mehr die Junggesellin im heiratsfähigen Alter. Hier war sie einfach Michelle Hintze. Eine Frau. Allein: mit den Vögeln, dem weiten Himmel und dem Meer. Allein: nackt den Strand entlanglaufen wie ein Kobold, Kopf und Körper völlig frei.
Allein: in die Wellen hineintauchen und nackt in der warmen Sonne liegen. Ihr schmaler, muskulöser Körper drückte sich im weichen, weißen Sand ab. Die sanfte Brise, die durch die Palmwipfel wehte, und das rhythmische Rauschen der Wellen waren geradezu hypnotisierend. Michelle geriet in eine Art Halbschlaf. Eigentlich sollte sie sich ja mit dem Sonnenöl, das sie achtlos neben sich gelegt hatte, gut einreiben, damit sie später keine Falten bekommen würde. Aber Sorgen mit dem Älterwerden schienen nicht hierherzugehören. Und ihre Lethargie war überwältigend. Diese schläfrige Stimmung war einfach zu groß, fast lähmend. Wie eine angenehme Droge. Sie hatte keine Lust, sich zu bewegen. So lag sie hingegossen in der Sonne, die langen, kräftigen Beine, die Beine einer Läuferin, waren ganz leicht geöffnet. Ihr mit Salzwasser gesprenkelter, gleichmäßig gebräunter Hintern rundete sich schön, um sich dann dem breiten, muskulösen Rücken entgegenzuneigen. Die Arme waren neben dem Körper ausgestreckt. In der hellen Sonne schmiegten sich die goldenen, feuchten Locken an ihren Nacken. Ihr zartes Profil mit den langen Augenwimpern und der feinen Knochenstruktur drückte vollkommene Zufriedenheit aus. Ihre Lippen deuteten ein winziges Lächeln an. Das Sonnenöl, dachte sie noch, aber der Schlaf umfing sie wie ein mächtiger Zauber, den sie nicht brechen konnte. Träume wirbelten sie davon. Vor ihren Sinnen tauchte er auf: ein Mann kam aus dem Meer. Zudecken dachte sie sofort. Aber der Gedanke wehte davon wie Herbstlaub. Da war niemand, sie träumte bloß. Sie war allein mit dem Meer und ihren Gedanken, vollkommen allein. Lächelnd beobachtete sie ihn. Sie beobachtete dieses Meereswesen, das aus der Tiefe gestiegen war und anmutig wie ein Fisch gegen die starke Strömung schwamm, als ob die riesigen Wellen nur das Oberflächengekräusel eines Teichs wären. Sie beobachtete, wie er durch das seichte Wasser watete und ans Ufer ging, wie er den Strand überquerte und auf sie zukam, wie er sich in seiner
vollkommenen Nacktheit entspannt und frei bewegte, einem Tier gleich. Er kam näher, und sie schaute ihn genauer an. Seine unglaubliche Schönheit raubte ihr den Atem. Er war groß, sehr groß und kräftig gebaut. Die breite Brust und die Schultern, der flache, harte Bauch, die schmale Taille formten ein Dreieck. Zwischen den langen, sehnigen Beinen, die kleinen Baumstämmen glichen, hing seine große Männlichkeit. Seine Haut war nußbraun, und das rabenschwarze, glatte, nasse Haar hing ihm bis zur Hüfte. Feine Gesichtszüge, eine lange, gerade Nase, volle Lippen. Aber es waren seine durchdringend blauen Augen, die sie staunen machten. Augen von der Farbe des Ozeans und genauso alt. Sie starrten sie an, nahmen sie gefangen, saugten sie auf und liebkosten sie. Leise kniete er sich neben sie hin, goß sich das schlüpfrige Sonnenöl auf die starken Handflächen und rieb es warm. Sie spürte, wie seine öligen Hände ihren Nacken langsam einrieben. Eine heiße Welle durchflutete ihren Körper. Er streichelte ihren Nacken zärtlich, malte mit dem Öl ein Gemälde. Langsam bewegte er sich abwärts, das Rückgrat entlang. Zunächst mit großer Kraft, dann flaumfederweich. Sie spürte, wie er das Öl einrieb, wie er jeden Gedanken wegrieb. Er wechselte die Stellung, kniete über sie. Seine dicken, starken Knie, die gegen ihre Schenkel drückten, ließen sie wohlig erschauern. Sie seufzte leise. Seine Hände strichen weiter über ihren Rücken, sie ölten jeden Zentimeter Haut ein, bis sie im Sonnenlicht glänzte. Seine Hände kneteten ihren Po. Das Öl tropfte in ihre Ritze. Seine Hände waren überall, sie massierten und kitzelten sie aufs Köstlichste. Sie riefen in ihrem Fleisch ein lustvolles Stöhnen hervor und in ihrer Weiblichkeit einen süßen Schmerz. Er rieb ihre Beine ganz ein, die Schenkel, die Knie mit ihren Grübchen, die Fußsohlen. Er ölte jede einzelne Zehe ein, bis sie im Sonnenlicht glänzten. Dann, an den Innenseiten ihrer Schenkel hoch, beinahe, beinahe, aber nicht ganz an das Delta ihrer Weiblichkeit. Sie stöhnte beim Gedanken an diese Berührung.
Jene allwissenden Hände reisten behutsam wieder nach oben, verzärtelten ihre Pobacken. Noch höher, das Rückgrat entlang, bis zu ihrem Nacken. Zu ihrer empfindlichen Stelle unterhalb des Ohrs. Ganz leicht, als wäre sie nicht schwerer als eine Muschel, drehte er sie um. Sie schaute zu ihm hoch. Er stand da wie ein Häuptling der Urzeit, seine Männlichkeit war steinhart, sein Körper purer Muskel. Er starrte auf sie herab, seine Saphiraugen verschlangen sie. Er beugte sich über sie. Sein Körper berührte den ihren kaum, obwohl sie sich verzweifelt nach jener Berührung sehnte. Wieder senkten sich seine Hände auf ihre Haut. Sie rieben sanft ihr Gesicht, ihre Stirn, ihre Augenlider, ihre Stupsnase und ihr Kinn ein. Den Hals hinab, und wieder das köstliche Erschauern. Ganz zart faßte er ihre Brüste an, schon bei der ersten Berührung brannte sie lichterloh. Unendlich langsam malte er ölige Kreise auf ihren kleinen, festen Brüsten. Herum und herum und wieder und wieder. Bis seine Fingerspitzen ihre harten Brustwarzen streiften. Es durchrieselte sie. Träge lächelte er sie an, und seine Hände reisten zu ihrem Bauch, wo er mit kleinen Kreisbewegungen ihren Nabel einölte. Dann langsam, ganz langsam zu ihren Schenkeln. Seine Finger näherten sich ihrem Brennen immer mehr. Sie wartete mit angehaltenem Atem, bis er endlich angekommen war. Sie verzehrte sich nach dieser Berührung. Dort, ja dort. Noch näher kamen seine Finger, dabei berührte er ihre nassen Schamhaare, ihre Beckenknochen kaum. Bitte, schrie es stumm in ihrem Kopf, bitte. Leise rückte er näher. Sie spürte seinen heißen Atem in ihrem Innersten. Seine Zunge tanzte und wirbelte über ihre Weiblichkeit hinweg, und sie zitterte. Ein herausfordernder, quälender Tanz. Als sie spürte, wie ihr Körper unkontrolliert zu zucken begann, legte er sich auf sie. Sein riesiger, starker Körper verschlang sie. Wie ein Blitz drang seine harte Männlichkeit in sie hinein. In ihrem Kopf schrie es verzückt auf. Ihre Finger gruben sich in seinen Rücken, während er sie liebte wie ein Reiter im Sturmwind. Sie hörte die Wellen gegen den Strand donnern. Hinter geschlossenen Augen sah sie
eine Saphirwelt mit Schlössern und Meerjungfrauen auf dem Grund des Ozeans. Der Mann bewegte sich immer schneller in ihr, stieß bis zu ihrem innersten Kern vor. Sie wurde zu einer Quelle glühendheißen Schmelzes. Schneller, immer schneller, bis ihre Sinne leidenschaftlich schrien: das Finale. Wenige Augenblicke später beobachtete sie mit der Gleichgültigkeit einer zufriedenen, soeben gefütterten Katze, wie der Mann sie sanft küßte, aufstand, den Strand überquerte und in den Wellen verschwand. Sie öffnete die Augen und fühlte sich erfrischt. Sie war erstaunt, so fest geschlafen zu haben. Plötzlich fiel ihr alles wieder ein, und sie wurde rot. Was für ein Traum. Sie räkelte sich und setzte sich auf. Ihre Blicke suchten den Horizont ab. Natürlich war niemand da. Nur ein Traum. Sonst müßte es ja Fußabdrücke geben. Als wolle die Welle sich über sie lustig machen, rollte sie über den Strand und spülte ihn glatt. Michelle sah das Wasser ins Meer zurückfluten und lachte laut auf.
ROYAL FLUSH
Mollys hochhackige Stiefel klapperten elegant auf den Holzbohlen des Landungssteges. Unzählige Menschen hatten sich zur Begrüßung der Passagiere eingefunden, die soeben von Bord des Luxusschiffes gingen. Aber Molly schaute sich nicht suchend um, wie es ihre Mitreisenden taten. Niemand wartete dort, um sie abzuholen. Sie war auf einer Geschäftsreise gewesen. Sie bewegte sich wie selbstverständlich in der großen Welt – eine unabhängige Frau. Die Leute starrten sie an, als sie herrisch eine Droschke herbeiwinkte. 1911 war eine alleinreisende Frau von solcher Schönheit eine Rarität. Ihre Kleider verrieten einen exzellenten Schneider, und sie trat elegant auf. Sie war sehr selbstbewußt. Niemand wagte es, sich ihr in den Weg zu stellen. Sie strahlte Stärke und Macht aus wie eine wichtige Persönlichkeit. Die Fahrt in der Droschke war eintönig, aber zumindest verzichtete der Chauffeur darauf, Konversation zu machen. Mollys eisiges Benehmen ließ ihn verstummen. Sie war müde. Sie wollte nur sitzen, sich ausruhen und durchs Fenster Manhattan betrachten. Molly war nie sonderlich gesprächig. Sie machte nur den Mund auf, wenn sie etwas Wichtiges zu sagen hatte. Diesem unbekannten Fahrer hatte sie nichts mitzuteilen, und so wußte sie sein Schweigen zu schätzen. Sie bereiste die ganze Welt, aber New York war ihr
Zuhause. Als sie die Fifth Avenue hinabblickte, ließ ihr Mund ein winziges Lächeln ahnen. Hoffentlich hatte ihre Haushälterin Hedda das Telegramm erhalten. Es war eine lange Reise gewesen. Sie freute sich darauf, in ihrem Salon bei einer Tasse Minztee auszuruhen. Hedda war zuverlässig. Molly war überzeugt, daß alles gut vorbereitet sein würde. Die Droschke hielt vor einem Klinkerbau auf der Greenwich Avenue. Ein großes Haus, drei Stockwerke, ein üppig blühender Vorgarten, hochgewachsene Bäume am Treppenaufgang. Der Fahrer trug ihre Tasche zur Veranda. Molly sagte nichts, lächelte nicht, aber sie gab ihm ein großzügiges Trinkgeld. Gierig schaute er auf die Summe, soviel hatte er nicht erwartet. Normalerweise wußten Frauen nicht, wieviel sie geben mußten, aber diese hier verstand etwas davon. »Ich danke Ihnen, Madame«, murmelte er, »ich heiße Tom Higgins, falls Sie wieder eine Droschke brauchen.« Molly nickte und entließ ihn mit einer Handbewegung. Das Haus war auf ihre Ankunft vorbereitet. Hedda kam ihr an der Tür entgegen und strahlte. »Miss Shine, ich freue mich so sehr, daß Sie wieder gesund und heil nach Hause gekehrt sind.« Mollys Blick wurde wärmer. Sie mochte ihre Haushälterin. Hedda war tüchtig und nicht allzu neugierig. Sie kümmerte sich um ihre eigenen Angelegenheiten. Das waren wichtige Tugenden. Mehr konnte Molly von einer Bediensteten nicht verlangen. »Nun, Hedda, ich freue mich ebenfalls. Das Haus sieht wunderschön aus. Und offensichtlich hat Sam meinen Garten gut versorgt.« »Ja, Miss Shine«, lächelte Hedda, »Sam ist wie eine Biene herumgeschwirrt und hat die Ulmen zurechtgestutzt.« »Gut«, nickte Molly, »sehr gut. Du und Sam, ihr seid mir eine große Hilfe. Ich habe euch beiden ein kleines Geschenk aus London mitgebracht. Nach dem Auspacken werde ich es euch geben.« »O danke, Madame«, strahlte Hedda, »danke.«
Hedda erwartete Parfüm oder einen Seidenschal, etwas ganz Feines. Miss Shine brachte ihr und Sam immer etwas von ihren Reisen mit, und immer war es etwas Geschmackvolles und Teures. Hedda war wirklich froh, daß sie und ihr Mann für Molly Shine arbeiteten. Für sie gab es keine vornehmere Dame. Als sie damals bei ihr angefangen hatten, nannte Sam die Herrin einen kalten Fisch. Und es stimmte auch, daß Molly Kälte ausstrahlte. Manchmal schien sie eine ganz Harte zu sein, und sie sprach auch nicht sonderlich viel, aber Hedda und Sam gewöhnten sich an sie. Im Laufe der Zeit entwickelten sie sogar eine gewisse Zuneigung zu ihrer Lady. Miss Shine war eine richtig nette Person, den Dienstboten gegenüber immer sehr freundlich. Hedda war nicht besonders intelligent – was sie auch ohne weiteres zugab –, aber sie dachte bei sich, daß Miss Mollys Kälte eine Art Schutzwall ist, den sie brauchte, weil sie innerlich so traurig war. Sam teilte diese Vermutung nicht. Ja, gewiß doch, Miss Shines Gatte war vor einiger Zeit gestorben. Sam glaubte nicht, daß die Liebe eine Rolle gespielt hatte, aber er und Hedda waren dem Mann nie begegnet. Man erzählte sich, daß er ein alter, schwerkranker Mann gewesen wäre. Hedda wußte nicht, was sie davon halten sollte. Aber wie ja Sam sagte, ging es sie nichts an. Natürlich hatte er recht. Hedda versuchte, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Sie mochte ihre Stellung, es war leicht, für Miss Shine zu arbeiten. Die Hälfte der Zeit war sie auf Geschäftsreisen, und das Personal hatte das ganze Haus für sich. Es stand ihnen frei, sich aus ihren Speiseund Weinvorräten zu bedienen, und das taten sie auch. Hedda und Sam waren von beträchtlicher Leibesfülle, nichts mochten sie lieber als essen und trinken. Wenn Molly zu Hause war, stellte sie nicht allzu große Ansprüche, da sie sehr zurückgezogen lebte. Manchmal ging sie mit Mr. Hamfast aus, dem Bankier. Aber das war nichts Ernsthaftes, Hedda war sich da völlig sicher. Ab und zu wurden Abendgesellschaften gegeben, aber meistens hantierte Molly nur im Hause herum, ruhte sich von ihren langen Reisen aus, las, stickte, steckte Blumen, spielte Patience, lauschte Platten auf dem Grammophon. Ein eigenartiges Leben für eine Frau,
noch dazu eine alleinstehende. Hedda hätte so nicht leben mögen, schließlich war sie eine lebenslustige Frau, was man nicht von allen Frauen behaupten konnte. Vielleicht reichte eine Ehe für Miss Shine. Hedda wußte, daß es Frauen gab, die nichts von Männern oder von den ehelichen Pflichten hielten. Vielleicht gehörte Miss Shine dazu. Trotz aller Freundlichkeit war sie ja, weiß Gott, keine warme Frau. Dennoch gab es viele Herren, die sie begehrten. Wichtige Herren. Miss Molly war eine Schönheit und reich und klug. Wie viele Frauen gab es wohl, die mit so viel Erfolg das Geschäft des Ehemannes weiterführen konnten – was auch immer dieses Geschäft war? Wenn Hedda an die Geschäftswelt nur dachte, mußte sie schon schaudern. Aber die Herrin schien wirklich ihren Spaß daran zu haben. Hedda hatte sie nur dann wirklich fröhlich gesehen, wenn sie wieder einmal eine Geschäftsreise plante. Miss Molly wollte in der Tat keinen Mann an ihrer Seite haben, und sie brauchte anscheinend auch keinen. Auch wenn es nicht natürlich war: Miss Molly Shine liebte ihre Unabhängigkeit. Sam trug ihre Tasche in ihr Schlafzimmer. Sie war nicht schwer. Molly reiste stets mit leichtem Gepäck. Die Fenster ihres Schlafzimmers waren geöffnet, so wie sie es schätzte. Eine kühle Brise kräuselte die Gardinen. Ihr elegantes Boudoir war in einem zarten Elfenbeinton und Dunkelbraun – fast wie die Dame des Hauses selbst. Molly warf Tasche und Börse auf den Diwan, ging durchs Schlafzimmer ins Bad, warf etwas Badesalz in die Wanne, drehte den Wasserhahn auf. Zunächst würde sie sich im Wasser entspannen, später auspacken und ihre geschäftlichen Transaktionen überprüfen. Fünf Monate war sie fort gewesen. Sie hatte die Wonnen eines langen Bades verdient. Rosig erfrischt und eingehüllt in einen seidigen Hausmantel legte Molly eine Platte auf und packte aus. Ihre Reistetasche war leicht, sie warf alle Kleidungsstücke in den Wäschekorb. Hedda würde das meiste waschen und den Rest beim Chinesen reinigen lassen
müssen. Molly stellte ihren Puder und ihr Parfüm auf die Frisierkommode, dann nahm sie ihre kleine Börse und leerte sie. Der Inhalt purzelte auf den Diwan. In dieser kleinen Börse war alles Wichtige, das Molly zum Leben brauchte: Paß, Impfpapiere, eine glänzende Silberdose für die Zigarren, das passende Feuerzeug aus Silber, ein Kartenspiel, ein Portemonnaie fürs Kleingeld, eine Pistole, ein dickes Bündel Geldscheine, das von einer juwelenbesetzten Spange mit den Initialen J. S. zusammengehalten wurde. Molly summte lächelnd zur Musik, während sie das Geld zählte. Sie kannte die Höhe der Summe genau, aber das Nachzählen machte ihr immer wieder Freude. Siebentausend Dollar. Eine gute Reise. Sie hatte Erfolg gehabt, aber jetzt hatte sie Ferien. Sie legte ihr Handwerkszeug, Paß, Karten und Pistole, in die unterste Schublade der Kommode. Das Geld daneben. Morgen würde sie ihrer Bank einen Besuch abstatten, aber der heutige Tag gehörte nur ihr. Sie warf die anderen Gegenstände wieder in die Börse, zündete sich eine Zigarre an und legte die Füße auf einen Samtschemel. Leise summte sie zur Platte, ihr Gesicht strahlte vor Zufriedenheit. Langsam ging der Tag zur Neige. Sie las, lauschte ihren Platten und spazierte friedlich durch den Garten. Das Abendessen nahm sie alleine ein, ihr Platz war am Kopfende eines langen Mahagonitisches. Dann schlummerte sie in ihrem großen Bett ein, manchmal seufzte sie wohlig im Schlaf. Es war so gut, zu Hause zu sein. Sie wachte früh auf, frühstückte im Wohnzimmer und zog sich dann langsam an. Nichts drängte zur Eile. Aus der untersten Schublade der Kommode nahm sie ein paar Strümpfe heraus, dabei fiel ihr Blick auf ein kleines Bild in schlichtem Rahmen. Sie hob es hoch. Es war ihr Hochzeitsfoto: ein junges Mädchen, fast noch ein Kind, und ein älterer Mann. Molly Lafferty im Alter von fünfzehn, und James Shine. Sanft strichen ihre Finger über das Bild und tasteten über die abgelichteten Gesichter. So lange war das her, siebzehn Jahre, aber es kam ihr vor wie ein ganzes Jahrhundert.
Die Heirat war eine Vernunftehe; ihre Eltern waren arme irische Einwanderer, James Shine war ein reicher Mann. Er hatte sie eines Tages in dem Laden, wo sie arbeitete, gesehen und sie begehrt. Also kaufte er sie. Ihre Eltern gaben sie mit Freuden her, und ihr machte es nichts aus. Sie war zu jung, um das Ganze wirklich zu begreifen. Anfangs kam sie sich wie ein Aschenputtel vor, und später war es ihr egal. James war ein guter Ehemann. Er hatte sie aus Leidenschaft geheiratet. Aber als die Leidenschaft verging, lernte er ihren Kopf schätzen und ihr Pokergesicht. Sie sei ein Naturtalent, sagte er. Er brachte ihr alles bei, was er wußte. James Shine hatte aus Molly die Dame gemacht, die sie heute war. Und das würde sie ihm niemals vergessen. Sie stand für immer in seiner Schuld. James war Berufsspieler. Er reiste auf den Luxusdampfern und Vergnügungsjachten der Reichen, lächelte und schwatzte mit den oberen Zehntausend, brachte sie zum Lachen und um ihr Geld. Niemand konnte einen besseren Poker spielen als James. Zu seiner Zeit war er der Allerbeste, heute konnte sie das von sich behaupten. Aus purer Langeweile brachte er ihr das Kartenspielen bei, nicht, daß er sich davon etwas versprochen hätte. Aber sie begriff blitzschnell, und ihre kühle Natur war geradezu ideal für eine Karriere als Berufsspielerin. Ihr Gesicht verriet nichts. Ihr Talent begeisterte James und er begann sie ernsthaft zu unterrichten. Sie wurde sein Protegé. Molly starrte auf das Bild und schnalzte mit der Zunge. Es war so ein Jammer. James war der charmanteste Mann, dem sie je begegnet war. Sein Charme war die Eintrittskarte zu jenen abgeschotteten, hochkarätigen Spielen. Molly verfügte nicht über solchen Charme. Ihr half ihre Weiblichkeit, ihre strenge Damenhaftigkeit. Niemals würde sie seine Persönlichkeit haben, aber sie kam gut zurecht. Sie lernte James’ Lektionen perfekt. Sie wußte genau, wie man vornehm auftritt, wie man die Karten so austeilt, daß sie sich auf dem silbernen Zigarrenetui spiegeln, und wie man
eine Pistole benutzt. Die Pistole war ein Geschenk von James, und obwohl sie sie niemals brauchte – ihr kühles Auftreten enthob sie jeden Verdachtes –, war es gut zu wissen, wie man damit umgeht. Molly schätzte James und alles, was er für sie getan hatte. Sie liebte dieses Leben. Nichts ließ ihr Wohlbefinden so steigen wie der Platz an einem Kartentisch. Dort hatte sie Macht. Sie war den reichen Männern am Tisch gleichgestellt. Letztlich sogar überlegen. Darüber mußte sie innerlich lachen. Sie konnte ihre Kindheit nicht vergessen. Sie und James hätten ein gutes Team abgegeben, aber es geschah nicht oft, daß sie zusammen spielten. Er trainierte sie bis zum Schluß. Ihr Pokerspiel sollte einwandfrei sein. Das wurde es auch. Es waren seine Fähigkeiten, die allmählich zu wünschen übrig ließen. James nahm Belladonna und trank Coca-Cola. Das förderte seine Vitalität, die Teil seiner Ausstrahlung war und die anderen Spieler in Sicherheit wiegte. Aber er wurde zu abhängig von den Drogen. Sie waren sein Ruin. Er brauchte zu viel Belladonna und verlor den Verstand. Seit acht Jahren zahlte sie für sein Bett in einer Klinik in Westchester. Es handelte sich um eine Nervenanstalt für Reiche, eine sehr verschwiegene. Die Ärzte sagten, es gäbe keine Hoffnung für James. Er lebte in einer Welt voller Wahnvorstellungen und sah Gespenster an der Wand. Er randalierte und mußte in eine Zwangsjacke gesteckt werden, damit er sich nicht selbst verletzte. Er hatte sogar seinen Tastsinn verloren. Es war so traurig. Molly ließ ihn dort aufbewahren. Sie ging nicht mit anderen Männern aus. Die Leute dachten, sie sei in Trauer, aber in Wahrheit brauchte sie einfach keinerlei Gesellschaft. Manchmal ging sie mit Robin Hamfast, einem Freund der Familie, ins Theater. Aber es ging ihr eher darum, einen gewissen Schein aufrechtzuerhalten. Man begegnete ihr mit Sympathie, und das war gut für ihre Zwecke. Die Leute dachten, ihre Kälte sei auf einen persönlichen Verlust zurückzuführen, und sie bestärkte sie in diesem Glauben. Das gehörte zu ihrem Metier. Niemals würde sie sich von James scheiden lassen, obwohl ihr dieser Weg offenstand. Sie besaß Geld
genug, um ihn loszuwerden. Für Geld bekam man alles, aber sie wollte keine Scheidung. Auf ihre eigene Art liebte sie ihn. Wenn es nicht James Shine und seine Begierde gegeben hätte, säße sie wahrscheinlich immer noch im Dreck – eine vorzeitig gealterte, ewig schwangere Frau, die die Wäsche anderer Leute waschen müßte. Statt dessen hatte sie es zu etwas gebracht. James Shine hatte ihr das ihr angemessene Leben geschenkt, und das würde sie ihm niemals vergessen. Er hatte genug Geld hinterlassen, um seine Klinik zu bezahlen und gleichzeitig gut zu leben, ohne arbeiten zu müssen. Aber es ging ihr nicht um das Geld. Molly hatte das Fieber. Sie liebte es zu siegen und konnte davon nicht lassen. Schon jetzt hatte sie eine weitere Schiffsreise gebucht. Wenn Molly pokerte, stellte sie etwas dar, und das gefiel ihr. Am späten Vormittag war sie bereit, der Bank einen Besuch abzustatten. Sam fuhr den Wagen vor. Sie hielt ihre Börse fest. Robin Hamfast, der Bankpräsident, würde sich freuen, sie zu sehen. Sie war eine wichtige Kundin. Ihr Kontostand war hoch. Sie war äußerst wohlhabend. Der Bankier wußte, woher das Geld stammte. Er hatte früher James zu Diensten gestanden. Es machte ihm nichts aus. Ihr Geld trug reichlich zur Solvenz seiner Bank bei, nur darum ging es. Außerdem mochte Robin Hamfast Molly Shine. Berufsspielerin oder nicht – sie war eine vollendete Dame. Er hatte James Shine um diese Gattin beneidet und er respektierte das Geld. Molly war eine feinfühlige Frau. In ihrem Beruf mußte sie das sein. Sie wußte, was Robin für sie empfand. Das war gut so, und sie nutzte diese Gefühle für sich und zog ihn ins Vertrauen. Er war der einzige Mensch, dem sie wirklich vertraute. Er wußte alles über James, seit sie ihn eingeweiht hatte. Das hielt ihn davon ab, sich ihr zu nähern, und sie wurde davor bewahrt, ihn zurückweisen zu müssen. Zudem brauchte sie jemanden, der während ihrer Abwesenheit die Klinik bezahlte. Robin erledigte das. Wenn sie fort war, besuchte er sogar einmal im Monat die Klinik. Außerdem beglich er die laufenden Rechnungen ihres Haushaltes.
Molly Shine mochte ihn aufrichtig, und sie respektierte ihn. Vor ihm legte sie ihre Maske ab. Es war so, als zöge sie sich aus. Das entzückte ihn. Robin Hamfast war Molly gegenüber loyal. Er gestand es sich nicht ein, aber er war in sie verliebt. Sie jedoch war verheiratet. Molly akzeptierte seine Liebe und seine Loyalität. Sie brauchte sie. Die Bank war groß. Der Pförtner begleitete sie in das Büro des Präsidenten. Bei ihrem Anblick lächelte Robin breit und zog den Atem unwillkürlich ein. Sie war wirklich bezaubernd. »Molly, welches Vergnügen Sie zu sehen.« Molly schaute ihn an und nahm in einem Sessel Platz. Er war ein kleiner, zierlicher Mann. Aber im Sitzen war Molly kleiner als er. Sie nickte ihm zu: »Danke, ich freue mich ebenfalls, Sie zu sehen.« Ihre Stimme war weich und wohlklingend. Er hörte sie gerne. »Ich hoffe, sie hatten eine angenehme Reise. Molly lächelte zum ersten Mal. »Ja, recht angenehm. Es war eine ganz reizende Überfahrt. Der Ozean war ruhig, und das Schiff war wunderschön. Die Geschäfte gingen hervorragend.« Sie zog das Bündel Noten aus ihrer Börse. Die Augen des Bankiers leuchteten auf, und Molly lächelte abermals und berührte ganz sacht seine Hand. »Siebentausend Dollar. Ich vertraue sie Ihnen an.« Robin nickte und schluckte. »Selbstverständlich, selbstverständlich.« Das Geld lag zwischen ihnen auf dem Schreibtisch. Der Bankier lächelte. »Sie sehen sehr gut aus, Molly. Die See bekommt Ihnen.« Sie lächelte. »Es ist nicht die See, Robin. Es ist das Gefühl, mit meiner Arbeit erfolgreich zu sein.« Er nickte verständnisvoll. »Erfolg kann sehr erregend sein.« »Ja«, antwortete sie, »in der Tat.« Ihre Blicke berührten sich. Sie las die Dollarzeichen in seinen Augen. Er senkte als erster den Blick. »Haben Sie irgendwelche Pläne?«
Molly lächelte. »Ich weiß es nicht. Ich möchte mich zu Hause ausruhen und ein bißchen im Garten arbeiten. Sie müssen unbedingt einmal zum Essen kommen und sich den herrlichen Garten anschauen. Sam hat sich dieses Jahr selbst übertroffen, alles steht in voller Blüte.« »Das würde ich gerne tun.« Molly nickte. »Gut. Ist Ihnen Donnerstagabend recht?« »Ja«, nickte er, »Donnerstag paßt mir gut.« »Gut, ich erwarte Sie gegen acht.« Der Bankier freute sich bereits auf diesen Donnerstag, auf die ruhige Eleganz eines Abends mit Molly Shine, auf den Genuß ausgesuchter Weine, köstlicher Speisen, die erlesene Umgebung. Molly hüstelte, um seine Aufmerksamkeit wiederzuerlangen. »Ich muß wohl dem armen James einen Besuch abstatten.« Ein kleiner Wink, um den Bankier in Schach zu halten. »Haben Sie ihn in meiner Abwesenheit gesehen?« Hamfast nickte. »Wie ging es ihm?« Er runzelte die Stirn. »Immer dasselbe.« Er schaute die Frau an, ihr Gesicht war ausdruckslos. Er bewunderte sie. Eine andere hätte James längst verlassen. Sie nicht. Auch in Zukunft nicht. Obwohl er sie begehrte, wußte er doch, daß er keine Partie für sie war, und er respektierte ihre Treue. Es ließ seinen Phantasien mehr Raum und machte sie aussichtsreicher. Ganz tief im Inneren wußte er natürlich, daß er sie nicht bekommen würde, selbst wenn sie frei wäre. Und so war es auch besser. »Es tut mir leid«, sagte er. Sie schaute den Bankier an, unbewegt. Ein Pokergesicht. »Nun, damit muß man rechnen. Aber ich werde dennoch hinfahren und ihn besuchen. Dann werde ich den Schneider kommen lassen und mir eine neue Garderobe machen lassen.« Er nickte. »Neue Garderobe?« Sie lächelte, den Kopf voller Pläne: »In wenigen Monaten werde ich wieder verreisen.«
Er war überrascht. »So rasch?« Normalerweise pflegte sie mindestens ein Jahr lang zu Hause zu bleiben. »Ja.« Er runzelte die Stirn. »Ist das klug? James meinte immer, daß man den Verlierern Zeit geben müßte, sich zu erholen und zu vergessen.« Molly nickte. »Das ist richtig. Obwohl ich nicht glaube, daß dieses eine Mal einen großen Unterschied machen wird.« Der Bankier schüttelte den kleinen Kopf. »Warum? Wollen Sie nicht einmal zur Ruhe kommen, Molly? Sie brauchen das Geld nicht. Sie besitzen mehr Geld als die Hälfte der Herren in dieser Stadt. Es gibt keinen Grund, sich so zu plagen.« Molly zauberte sich Grübchen ins Gesicht, ganz kindlich sah sie aus. Nur James und der Bankier hatten sie je so gesehen – so strahlend. »Diesmal ist es eine Reise zum Vergnügen. Ich werde auf der Hinfahrt nach Southampton noch ein wenig arbeiten. Aber die Rückfahrt ist reines Vergnügen. Mit einem neuen Schiff, der Titanic.« Der Bankier nickte. »Ja, ich habe davon gehört.« Molly fuhr lächelnd fort: »Angeblich ist es das prachtvollste Schiff, das je gebaut wurde, und unsinkbar. An Bord werden viele reiche Leute sein, und so viel zu tun. Wirklich, es wird herrlich! Ich freue mich sehr darauf.« Molly stand auf, der Bankier schüttelte sanft ihre Hand. Sie war kühl und glatt. Die Berührung erregte ihn. »Nun, dann sehe ich Sie am Donnerstag?« Er nickte. Molly Shine glitt aus seinem Büro, ganz wie einer ihrer Ozeanriesen auf See.
FREUNDINNEN
Phyllis legte ihr Buch neben sich auf den freien Platz im Flugzeug. Mandy würde nicht eher zurück sein, bis der Kapitän das Zeichen zum Anschnallen gab und sie zur Landung ansetzten. Typisch Mandy. Das machte sie immer so, meinte, das Fliegen sei genau richtig, um jede Menge neue Bekanntschaften zu schließen. Sie verteilte ihre Visitenkarten sehr großzügig an alle und jeden, in der Hoffnung, eine ihrer Eigentumswohnungen zu verkaufen. Phyllis fand das albern, aber Mandy behauptete, es funktioniere ausgezeichnet. Letztes Jahr, so sagte sie, habe sie beim Fliegen Kontakte geknüpft, die zu zwei großen Abschlüssen geführt hatten. Möglich war alles. Phyllis hatte keine Ahnung. Vom Immobiliengeschäft verstand sie soviel wie vom Zebrazüchten. Tatsächlich, dachte sie schmunzelnd, es ist schon komisch, daß wir Freundinnen sind. Sie hatten so wenig gemeinsam. Sie waren die einzigen Kinder in ihrer Straße und im gleichen Alter. Mit drei Jahren befreundeten sie sich. Es war wie bei so vielen Kinderfreundschaften wegen der Nachbarschaft und hielt über all die Schuljahre. Warum sie auch als Erwachsene befreundet blieben, konnte Phyllis nicht sagen. Eine alte Gewohnheit. Und es gab so viele gemeinsame Erinnerungen. Sie und Mandy waren so
verschieden wie Tag und Nacht. Schon immer gewesen. Wären sie mit anderen Kindern aufgewachsen, hätten sie wohl nie Freundschaft geschlossen. Aber wie das Leben so spielt. Sie hörte Mandys Lachen hinter sich im Gang. O Gott – war Mandy wieder laut. So war sie immer. Laut und überschwenglich, eine Frau, die weiß, was sie will, wie schrecklich! Phyllis war leise, in sich gekehrt. Sie konnte mit Menschen nicht viel anfangen. Ja, sie hatte ein paar Freunde bei der Arbeit, flüchtige Bekannte, Akademiker wie sie selbst. Leute, mit denen sie intellektuelle Gespräche führte. Und sie hatte ihre Mutter, die beiden Kinder und Bücher. Bücher waren ihre Leidenschaft. Mandy las nie. Sie überflog die Rezensionen von Bestsellern, um auf Partys mitreden zu können, und studierte die Immobilien-Zeitschriften, aber das war schon alles. Sie konnte Büchern nichts abgewinnen. Noch nie. Schon als Kind, so erinnerte sich Phyllis, mußten die Lehrer Mandy zum Lesen zwingen, ihr drohen oder sie versuchten, sie zu bestechen. Phyllis war Englischprofessorin an der hiesigen Universität. Mandy lebte ganz in der Nähe. Trotzdem sahen sie sich nur in den Ferien oder wenn sie ihre Mütter besuchten. Ihr Alltag war sehr verschieden. Mandys Leben war hektisch und verrückt. Sie blühte richtig auf mit drei oder vier Männern gleichzeitig, wenn sie sich auf Partys und Vernissagen herumtrieb, sieben Tage die Woche arbeitete und haufenweise Geld verdiente. Sie lebte in einer Eigentumswohnung aus Glas und Chrom. Phyllis und ihre zwei Kinder, drei Katzen, zwei Hunde und sechs Goldfische lebten in einem großen gemütlichen Haus am Stadtrand. Sie unterrichtete zwei Klassen pro Woche, ihre übrige Zeit teilte sie auf zwischen dem Schreiben von Artikeln über englische Literatur im 16. Jahrhundert und ihren beiden Söhnen, Scotty und Moug. Das einzig Gute an ihrer mißratenen Ehe waren ihre beiden Söhne. Die Ehe war ein grober Fehler gewesen. Wie dumm, sein Herz so zu verlieren. Mandy hatte sie gewarnt. Sie waren damals gerade achtzehn gewesen. Sie hatte Michael nach Hause gebracht, um ihn der Familie und den engsten Freunden vorzustellen. An diesen Nachmittag erinnerte sie sich, als sei es gestern gewesen.
Sie und Mandy hatten sich in Mandys Zimmer zwischen die Stofftiere gekuschelt. Mandy lümmelte auf ihrem Bett, knautschte den Teddy in ihren Armen und machte ein Gesicht, wie immer, wenn sie etwas Ernstes zu sagen hatte. Sie zog ihre Haselnußaugen zusammen, die Brauen gingen hoch, ihre kleine Himmelfahrtsnase krauste sich kaum merklich. Damals waren wir ja noch so jung, dachte Phyllis, so unschuldig. Mandy hatte gerade ihre erste Stellung angetreten. Phyllis würde aufs College gehen und fühlte sich sehr erwachsen, sehr reif, der guten armen Mandy um Jahre voraus. Sie hielt sich für eine Frau von Welt, während Mandy noch immer ein Kleinstadtmädchen aus Colorado war, eine dumme kleine Schnepfe, die weder einen Abschluß hatte, der sie am College zugelassen hätte, noch den Ehrgeiz, aufs College zu gehen. Mandy hatte andere Sachen im Kopf. Sie arbeitete gerne. Sie verdiente gerne Geld. Als erstes wollte sie sich ein brandneues Auto kaufen, eine knallrote Corvette, dann eine eigene Wohnung. Phyllis spottete darüber, daß Mandy sich nur um materielle Dinge kümmerte. Mandy starrte sie in ihrer typischen Art an und blies dabei eine Strähne ihres sorgfältig gefärbten Haares aus den Augen. »Wahrscheinlich geht es mich nichts an«, begann sie, »aber ich bin deine beste Freundin.« »Oh?« Phyllis versuchte sich in ihrem frisch zugelegten akademischen Tonfall. Mit einem Lächeln dachte sie jetzt daran, daß sie damals wirklich ein wenig selbstgefällig gewesen war. »Also, ich werde es dir trotzdem sagen. Es ist wegen deinem neuen Freund, diesem Mike.« »Michael«, verbesserte Phyllis. »Michael, nicht jeder benutzt diese kindischen Kosenamen, Amanda«, sagte sie gespreizt. »Mike, Mickey, Michael, wie auch immer! Ich denke, du solltest ihm den Laufpaß geben. Er ist nichts für dich.« Phyllis starrte sie an. Sie war von Michael begeistert. Er war so überzeugend, so selbstsicher. »Wie kannst du so was sagen? Du kennst ihn ja gar nicht. Michael ist wunderbar. Er hat über Shakespeare promoviert und schreibt
Sonette. Er ist überall der Beste und Mannschaftskapitän im Lacrosse-Team. Ich kann es gar nicht fassen, daß er sich wirklich für mich interessiert.« »Warum sollte er sich nicht für dich interessieren?« sagte Mandy. »Du bist hübsch und klug. Er ist nicht gut genug für dich«, beharrte sie. »Spinnst du?« Mandy sah sie eindringlich an. »Ich kenn mich mit Sonetten nicht aus, Filly«, sagte sie, »aber ich versteh was von Jungens, und dieser Typ ist eine Niete. Er ist egoistisch und rechthaberisch, bestimmt immer, wo es langgeht und verbessert dich, als wäre er Dr. Henry Higgins und du – wie hieß sie noch, du weißt schon, diese Miss Pig…« »Pygmalion«, seufzte Phyllis. »Ja, genau die, und wie kommt er dazu, dir zu sagen, was du machen sollst? Soweit ich sehen kann, ist mit dir alles in Ordnung.« »Er versucht doch nur, mich auf sein Niveau zu bringen.« »Quatsch«, sagte Mandy. »Wer sagt, daß er der King ist? Ich sag dir, Filly, er ist nicht der Richtige für dich und ich mag ihn nicht, nicht im geringsten.« »Ich möchte nicht mehr darüber reden.« Phyllis war ärgerlich. »Du verstehst überhaupt nichts. Im College ist alles anders. Michael ist ganz anders als die Jungen, die du kennst. Das ist alles.« »Er wird dir weh tun, Filly«, Mandy runzelte die Stirn und drückte den Teddy fest an sich. Es war der Teddybär, den Phyllis ihr zum fünften Geburtstag geschenkt hatte. Seltsamerweise hatte Mandy recht behalten. Michael entpuppte sich als eingebildeter, aufgeblasener Schuft, aber sie war viel zu sehr von ihm überzeugt und merkte es erst, als es zu spät war. Als er sie und ihre beiden kleinen Söhne für seine neueste Frau verließ, ein schlankes blondes, ziemlich hirnloses Sexhäschen, da klingelten ihr Mandys Worte in den Ohren. Sie schüttelte verwundert den Kopf und versuchte, herauszufinden, wie Mandy das hatte wissen können.
Mandy war großartig, was die Scheidung betraf. Phyllis hätte nicht gewußt, wie sie das Ganze ohne sie durchgestanden hätte. Es war schon komisch. Als sie erst einmal mit Michael verheiratet gewesen war, hatte sie Mandy kaum noch gesehen oder gesprochen. Michael mochte Mandy nie. Er fand sie ungebildet, und Michael war es, der in ihrem Leben das Sagen hatte. Sie und Mandy schickten sich Weihnachtsgrüße und sie hörten über ihre Mütter voneinander. Aber sie trafen sich nie. Mandy vergaß nie die Geburtstage der Jungen und den von Phyllis. An dem Tag, an dem Michael sie endgültig verließ, zögerte Phyllis keinen Augenblick. Sie griff zum Telefon und rief Mandy an. Es gab niemand anderen, den sie hätte anrufen können. Mandy verstand. In Windeseile kam sie in ihrem neuesten roten Sportwagen angebraust, stürmte ins Haus und übernahm die Regie, als sei es die normalste Sache der Welt. Mandy hatte jetzt ihre eigene Wohnung und ein Auto. Sie war bereits im Immobiliengeschäft und schon sehr erfolgreich. Phyllis hing völlig in der Luft. Sie hatte ihre Söhne und eine Assistentenstelle an der Universität. Aber Michael war gegangen, und eine Welt war für sie eingestürzt. »Alles hat sein Gutes, Filly«, meinte Mandy in ihrer resoluten Art. »Ich mag dich zwar nicht gern daran erinnern, daß ich es so habe kommen sehen, aber ich habe es dir gesagt! Er war kein guter Mann, und ohne ihn bist du besser dran. Stell dir vor, er ist mit einer anderen weggerannt, obwohl er dich hatte, und du denkst, er wäre klug? Weg mit Schaden, sage ich. Eines Tages wirst du den Richtigen finden, wirst schon sehen«, tröstete sie Phyllis, die in ihren Armen weinte. Die Dinge kamen ins reine. Phyllis schaffte es. Sie graduierte und machte ihren Doktor. Es stellte sich heraus, daß sie Michael gar nicht vermißte. Die Jungen machten sich prächtig – Mandy kam öfter vorbei. Sie vergötterte die Jungen und die Jungen liebten Mandy. Sie war Tante Mandy, und manchmal führte sie sie aus, damit Phyllis einen ruhigen und friedlichen Tag genießen konnte. »Kinder kriegen werd ich nicht, aber die Jungen sind fast wie eigene«, sagte sie zu Phyllis. »Ich werde nie heiraten und Kinder
kriegen. Dafür hab ich keine Zeit. Zuerst kommt mein Geschäft. Mit vierzig bin ich Millionärin, wart’s nur ab.« Tatsächlich hatten die Jungen von Mandy in den folgenden Jahren mehr als sie. Seit Mandy ihre eigene Firma hatte, arbeitete sie noch mehr und Phyllis ging nicht viel aus dem Haus. Dreimal die Woche fuhr sie in die Stadt zur Gymnastik. Sie wollte Mandy mitnehmen, aber Mandy hatte damit nichts im Sinn. »Ich wiege zehn Pfund zuviel«, hatte sie schon als Kind gemault. »Ich bin mit zehn Pfund zuviel geboren und ich werde mit zehn Pfund zuviel sterben.« Phyllis wollte sie davon überzeugen, daß dies nicht so sein müßte, daß sie abnehmen könnte, wenn sie nur vernünftiger aß, Sport trieb, weniger trank und sich nicht dauernd mit Süßigkeiten vollstopfte. Aber Mandy hielt davon überhaupt nichts. »Jeden Morgen nehme ich einen Vitamin-Bomber, nur für dich, Filly, obwohl der Himmel allein weiß, wie nutzlos sie sind. Aber wenn ich auf Schokolade, Käsekuchen und Pralinen verzichten muß, kann ich mich gleich aufhängen«, verkündete sie pathetisch. »Du warst immer mager, Filly. Du warst ein schrecklich dünnes Mädchen. Du nimmst nicht zu, weil du eine Masochistin bist. Nur Masochisten zählen jede Kalorie und rennen in diese schrecklichen Schwitz- und Folterkurse.« Phyllis mußte lachen. Im Urlaub wird es genauso sein. Mandy wird wieder alles, was dick macht, essen und trinken, während Phyllis an Salaten knabbert. Nichts wird sich ändern. Sie fuhren jetzt schon seit Jahren zusammen in Urlaub, seit Mandy eine Wohnung an der mexikanischen Goldküste gekauft hatte. »Eine ausgezeichnete Investition«, hatte Mandy erklärt. »Ein paar Wochen im Jahr benutze ich sie selbst, sonst vermiete ich und mache einen guten Schnitt.« Mandy machte nicht gerne alleine Urlaub und hatte nicht viele Freunde. Sie gehörte zu den Menschen mit jeder Menge Bekannten, die in ihrem Leben aus- und eingingen wie auf einem Bahnhof. Da waren auch immer ein paar Männer, aber niemand, mit dem sie eine ganze Woche hätte verbringen mögen. Sie hatte keine
Zeit, Freundschaften zu pflegen. Das Geschäft ging vor. Als sie die Wohnung gekauft hatte, rief sie Phyllis an und lud sie ein. Phyllis konnte nicht ablehnen. Es war ein günstiges Angebot, und sie konnte die Jungen mitnehmen. Ohne es zu planen, wurde der jährliche Urlaub zu einer festen Einrichtung. Jedes Jahr in den Semesterferien fuhren sie und Mandy nach Mexiko. Mandy fragte nie, ob sie fahren wolle, sie setzte es als selbstverständlich voraus, und Phyllis machte es nichts aus. Es war ganz nett. Die Wohnung war prachtvoll, der Strand wunderschön, und irgendwie machte die Woche mit Mandy auch Spaß. Phyllis lag am Strand und las, während Mandy rund um den Swimmingpool Kontakte knüpfte. Sie fand immer zwei unterschiedliche Männer, mit denen sie abends essen gingen. Phyllis wäre auch ohne Begleitung ausgekommen, aber mit Mandy fühlte sie sich geborgen, und außerdem war es nett, auszugehen. Diskotheken ließ sie aus, und so ging Mandy ohne sie und kam dann mitten in der Nacht zurück, manchmal allein, manchmal mit einem Versicherungsvertreter oder einem Orthopäden, den sie getroffen hatte und der ihr bald langweilig wurde. Das Lichtzeichen zum Anschnallen ging an. Minuten später ließ sich eine große, mollige Frau mit wilder Mähne in grellgelbem Trainingsanzug auf den freien Sitz fallen. »He du«, sagte Mandy, »da sind ein paar interessante Leute an Bord. Ich habe ein ganz reizendes Paar getroffen, die sich für mein neues Duplex interessieren. Das könnte was werden«, lächelte sie und zeigte ihr makelloses Gebiß. Phyllis konnte sich noch gut an ihre Zahnklammern erinnern. »O Gott – wir landen. Nimm das, Filly!« Sie fingerte mit perfekt manikürten Nägeln einen Kaugummi aus ihrer Vuiton-Tasche. »Du weißt ja, was für einen Ärger du immer mit den Ohren hast. Übrigens, heute abend speisen wir mit Robert und Chuck.« »Mit wem?« »Zwei richtige Herzchen aus dem Raucherabteil, ein Zahnarzt und ein Hautarzt. Ich denke, wir gehen ins El Shrimp. Sie holen uns um acht ab, und Chuck ist für mich.«
Phyllis grinste. Es war sinnlos, zu protestieren. Sie kannte Mandy gut genug. Andererseits war es ja auch ganz schön so.