Atlan - Der Held von
Arkon
Nr. 247
Befreiungsaktion Tekayl Er sitzt im sichersten Gefängnis des Imperiums - der Hinr...
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Atlan - Der Held von
Arkon
Nr. 247
Befreiungsaktion Tekayl Er sitzt im sichersten Gefängnis des Imperiums - der Hinrichtungsroboter wartet auf ihn von H. G. Francis Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindli che Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III. den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fort zusetzen. USO-Agent Sinclair M. Kennon, der Mann, der aus ferner Zukunft kam, un terstützt diesen Kampf seines späteren Chefs von Arkon aus. Unter dem Namen Le bo Axton ist es dem Terraner gelungen, sich in unmittelbarer Nähe des Imperators zu etablieren und zu einem As der arkonidischen Geheimpolizei zu werden. Offiziell arbeitet Kennon also für Orbanaschol III. doch in Wirklichkeit tut er alles, um die Position des Imperators zu schwächen. Das zeigt auch die BEFREIUNGSAK TION TEKAYL …
Befreiungsaktion Tekayl
3
Die Hautpersonen des Romans: S. M. Kennon alias Lebo Axton - Atlans Mann auf Arkon.
Kelly - Kennons seltsamer Roboter.
Myro Havvaneyn - Ein Todeskandidat soll befreit werden.
Avrael Arrkonta und Kirko Attrak - Kennons Helfer.
Ervolt Far - Ein betrogener Betrüger.
Orbanaschol III. - Imperator von Arkon.
1. Der gehörnte Kopf der Schlange hing re gungslos in der Luft. Der blauschimmernde Leib schien zu Stein erstarrt zu sein. »Passen Sie auf, Lebo«, sagte Avrael Arr konta. »Gleich greift sie an.« Lebo Axton richtete sich etwas höher auf, damit er besser sehen konnte. Der Arkonide, dem sein Interesse galt, stand vor einem glä sernen Kasten, in dem die Schlange gefan gengehalten wurde. Er hielt die rechte Hand zwischen die Steine, die der Schlange als Versteck dienten. »Keine andere Schlange stößt beim An griff so schnell vor wie die Esupam«, flü sterte Arrkonta. »Für die meisten Männer wäre es purer Wahnsinn, sich ihr zu stellen. Nicht aber für Myro Havvaneyn.« Im Raum war es still. Niemand sprach. Alle Männer und Frauen blickten gebannt auf Havvaneyn und die Schlange. Alle war teten auf den entscheidenden Moment, in dem die Schlange zustoßen würde. Bis dahin rückte sie so langsam auf die Hand des Ar koniden zu, daß ihre Bewegung schon fast nicht mehr wahrnehmbar war. Lebo Axton wußte nicht, was der Anlaß für die Mutprobe gewesen war. Myro Hav vaneyn hatte mit anderen Arkoniden an ei nem Tisch gesessen und getrunken. Plötzlich hatte jemand lautstark nach einer EsupamSchlange gerufen, und Havvaneyn hatte kei ne Sekunde gezögert, sich auf ein Duell mit ihr einzulassen. »Was passiert, wenn sie ihn beißt?« fragte Axton leise. »Dann sieht es schlecht aus für ihn. Das Gift wirkt außerordentlich schnell. Havva
neyn müßte das Gegengift innerhalb von zwanzig Sekunden injiziert bekommen, sonst ist es zu spät. Sie sehen also, es ist ein Duell, das es in sich hat.« Axton glaubte, es in den Augen der Schlange aufblitzen zu sehen. Alles weitere geschah so schnell, daß niemand es verfol gen konnte. Plötzlich befand sich die Hand Havvaneyns über dem Behälter, und der Kopf der Schlange stieß gegen die Glas wand. Tosender Beifall brach los. Die Freunde Havvaneyns umringten diesen und beglück wünschten ihn. »Ich wünschte, Orbanaschol, der Feigling, würde sich einmal mit dieser Schlange ein lassen«, brüllte Havvaneyn. »Der Fettwanst würde seine Hand nicht einmal in die Nähe des Schlangenkopfes bringen. Darauf gehe ich jede Wette ein.« »Sei still«, riet ihm einer seiner Freunde. »Warum sollte ich das tun?« brüllte Hav vaneyn. »Ich erkläre hiermit aus tiefster Überzeugung, daß Orbanaschol ein ausge machter Feigling ist.« Einer seiner Freunde drückte ihm einen Becher in die Hand. Hav vaneyn trank, und seine Begleiter nutzten die Gelegenheit, ihn dabei zu ihrem Tisch zu drängen und abzuschirmen. Für einige Zeit wurde es ruhiger. »Wer ist dieser Mensch?« fragte Lebo Axton. »Es gehört Mut dazu, Orbanaschol in der Öffentlichkeit so zu beschimpfen. Ist dieser Mann nun mutig, oder ist er ver rückt?« »Myro Havvaneyn ist ein alter Kampfge fährte Gonozals VII. Mit ihm zusammen hat er die tollsten Schlachten geschlagen«, be richtete Arrkonta. »Er ist ein glänzender Stratege. Auf militärischem Gebiet hat er
4 Großartiges geleistet, und auch jetzt gehört er noch zu den erfolgreichsten Offizieren der Flotte.« »Aber er ist ein Gegner Orbanaschols«, stellte Axton fest. »Das läßt sich nicht leugnen«, entgegnete Arrkonta. »Ein interessanter Mann, finden Sie nicht auch, Avrael?« »Unbedingt. Sie denken an die Organisa tion Gonozal?« »Natürlich. Glauben Sie nicht, daß Hav vaneyn hervorragend für uns geeignet sein könnte?« »Nein, eigentlich nicht«, erwiderte der In dustrielle, nachdem er kurz nachgedacht hat te. »Sie meinen, weil öffentlich bekannt ist, daß er ein Gegner des Imperators ist? Sie meinen, weil er aus diesem Grunde bereits beobachtet wird?« »Eben, deshalb.« »Er kann dennoch ein äußerst wichtiger Mann für uns werden. Wer sich so offen ge gen Orbanaschol ausspricht, kann doch un möglich tatsächlich gegen ihn kämpfen. Das ist die Ansicht des Geheimdienstes, und dies kann man sich durchaus zunutze machen.« »Vielleicht haben Sie recht, Lebo.« Axton nickte. Er war davon überzeugt, daß Havvaneyn für seine Pläne geeignet sein konnte. Dieser Arkonide gefiel ihm auf An hieb. Er erinnerte ihn an Männer wie Mentro Kosum oder Reginald Bull. Sie waren Kämpfer, die eine gerade Linie verfolgten. Havvaneyn war etwa 1,90 m groß. Er hat te die breitesten Schultern, die Axton je bei einem Arkoniden gesehen hatte. Er hatte ein scharfgeschnittenes, kantig wirkendes Ge sicht und auffallend schmale Hände, die eher zu einem Künstler paßten. Das weiße Haar reichte ihm bis auf die Hüften herab und wurde durch ein netzartiges, silbrig schimmerndes Gebilde zusammengehalten. Plötzlich wurde es wieder laut am Tisch Havvaneyns. »Orbanaschol ist fett, faul und falsch«, rief der Offizier. »Warum sollte man das
H. G. Francis nicht öffentlich sagen dürfen?« Seine Freunde versuchten vergeblich, ihn zum Schweigen zu bringen. Axton spürte in stinktiv, daß Havvaneyn im Begriff war, ei ne Dummheit zu begehen. Er überlegte fie berhaft, was er tun konnte, das zu verhin dern, doch bevor ihm etwas einfiel, war es bereits zu spät. »Und ich sage dir«, schrie Havvaneyn wütend. »Orbanaschol ist der Mörder Gono zals VII. Wir alle wissen das. Orbanaschol hat Gonozal umbringen lassen, um selbst an die Macht zu kommen.« »Sei still«, bat ein Arkonide. »Warum sollte ich still sein? Ich sage doch nur die Wahrheit. Orbanaschol ist ein Mörder. Wäre es nicht so, würde er den rechtmäßigen Thronfolger, den Kristallprinz Atlan, zum Zuge kommen lassen.« An einem der anderen Tische erhoben sich zwei Männer. Sie gingen zu Havvaneyn und zeigten ihm etwas. Axton konnte nicht erkennen, was es war, aber er wußte auch so Bescheid. Havvaneyn lachte verächtlich. »Na und?« rief er. »Verhaftet mich doch. Morgen bin ich wieder frei.« »Das glaube ich nicht«, flüsterte Arrkon ta.
* Lebo Axton verließ die Hygienekabine seiner Wohnung und blickte voller Skepsis auf den Frühstückstisch. »Wie appetitlich«, sagte er abfällig. »Weißt du wandelnder Schrotthaufen eigent lich, was Phantasie ist?« »Das ist ein Begriff, der mir aus der Mu sik bekannt ist«, antwortete Gentleman Kel ly, der neben dem Tisch stand, während der Terraner sich ankleidete. Axton stutzte, »Was weißt du denn schon von Musik?« »Es wird dir erinnerlich sein, daß du nicht mein erster Geliebter bist«, antwortete der Roboter. »Mein erster …« »Ruhe«, kreischte Axton. Er schleuderte einen Becher nach dem Roboter und traf ihn
Befreiungsaktion Tekayl am Kopf. Kelly blieb stehen, wo er war, und schwieg. Der Verwachsene atmete schwer. Er kämpfte mit dem spontan in ihm aufbre chenden Roboterhaß, den er schon fast ver gessen hatte. »Erstens verbiete ich mir, daß du in einer derart geschraubten Weise mit mir sprichst. Ich will klare und verständliche Worte hö ren. Zweitens wirst du dir niemals wieder er lauben, mich Geliebter zu nennen. Wenn du dich nicht an dieses Verbot hältst, werde ich dich vernichten. Hast du verstanden?« »Ich habe verstanden. Ich hatte lediglich den Wunsch, meinem tiefempfundenen Sympathiegefühl für dich Ausdruck zu ver leihen.« Axton lief rot an. »Irgendwo ist eine Grenze, du metallene Bestie«, sagte er drohend. »Ich will jetzt wissen, was du von Musik verstehst. Heraus damit.« »Ich habe alle wichtigen Informationen über dieses spezielle Gebiet der Kunst erhal ten und in mir gespeichert. Wenn es dir recht ist, werde ich dir eine Probe meines Könnens geben.« »Eine Probe deines Könnens?« Sinclair Marout Kennon – Axton entspannte sich. Er setzte sich an den Tisch und nahm ein paar Bissen zu sich. Dabei beschloß er, sich durch nichts provozieren zu lassen. Selbst verständlich wußte er, daß Gentleman Kelly ein hochwertiger Roboter mit einem bei spielhaften Leistungsvermögen war. Er wäre mit ihm absolut zufrieden gewesen, wenn Kelly nicht auch seine Fehler gehabt hätte, die vermutlich in seiner Basisprogrammie rung lagen. »Warum solltest du mir keine Probe deines Könnens geben? Also, bitte.« Kelly hob seine Arme und winkelte sie nach innen hin ab. Er drehte den Kopf leicht zur Seite und richtete seine Linsen zur Decke. »Bist du bereit?« »Natürlich, du Esel. Ich warte die ganze Zeit, daß es endlich losgeht.« »Esel? Was ist das?«
5 »Ein extremer Ausdruck für Dämlich keit.« »Dieser dürfte im Zusammenhang mit mir unangebracht sein.« »Ich will keine Diskussion über deine Dämlichkeit oder Intelligenz«, brüllte der Terraner wütend. »Ich will endlich etwas Vernünftiges von dir hören.« »Also gut. Ich beuge mich deinem Wort terror.« »Na endlich«, sagte Axton seufzend. Dann aber zuckte er zusammen, als sei er von einem Peitschenhieb getroffen worden. Gentleman Kelly begann zu singen! Da bei befaßte er sich mit einem auf Arkon I außerordentlich populären Kunstwerk der gehobenen Unterhaltung. Leider gerieten ihm die Töne grundsätzlich um einen halben Ton zu tief oder einen halben Ton zu hoch. Außerdem fehlten ihm einige Höhen und ei nige Bässe. Dazu zeigte sich, daß einige Po sitronen auch noch falsch getrimmt waren. So ergab sich ein unerträgliches Krei schen und Quietschen. Lebo Axton sprang vom Stuhl. »Halt«, schrie er aus Leibeskräften, um Kelly zu übertönen, doch der Roboter unter brach seinen Vortrag nicht, sondern steigerte seine Stimme noch weiter. Axton nahm den Aufstrichtopf und schleuderte ihn gezielt auf die Lautsprecher öffnungen des Roboters, so daß Kellys Stim me vorübergehend in einem kläglichen Gur geln erstickte. »Hör auf«, brüllte der Verwachsene. »Schluß, ich will nichts mehr hören.« Gentleman Kelly strich den Brei von den Lautsprechern, bis die volle Stimme wieder durchbrach. Doch jetzt griff Axton zu sei nem Energiestrahler. »Aus. Vorbei. Schluß!« Kelly senkte seinen Kopf und blickte ihn an. »Was ist denn los, Schätzchen?« fragte er. »Für einen Beifallssturm ist es doch noch viel zu früh. Ich bin noch längst nicht fer tig.« Er hob den Kopf. Bevor er jedoch weiter
6 singen konnte, rief Axton: »Ich verbiete dir, weiterzusingen. Schluß mit dem Unsinn.« »Du bezeichnest die hohe Kunst, der du teilhaftig werden durftest, als Unsinn, Sü ßer? Ist vielleicht mit deinem Hörsystem et was nicht in Ordnung? Solltest du nicht in der Lage sein, alle Frequenzen dieses bei spielhaften Werkes zu erfassen?« »Doch, doch«, entgegnete Axton. »Bei mir ist alles in Ordnung. Ich fürchte nur, daß du das Werk in einer so modernen Weise in terpretiert hast, daß deine eigene Positronik bei diesem Klangbild durcheinandergerät.« »Du glaubst also, daß ich falsch gesungen habe?« »Aber nicht doch, Kelly. Falsch war das nicht. Ich fürchte nur, daß bei diesen Ge räuschen, die du von dir gegeben hast, alles Leben in der Umgebung dieser Wohnung vernichtet wird. Und das wollen wir doch nicht – oder?« »Ist die Klangfülle meiner Stimme so ge waltig?« »Geradezu unfaßlich. Du solltest schon aus diesem Grund nie wieder singen. So, und jetzt schalte das Videogerät ein. Das ist ein Befehl.« »Welches Programm? Unterhaltung, Kul tur, Politik, Sport, Medizin oder Justiz?« »Justiz. Ich will wissen, welche Fälle heu te verhandelt werden.« »Es geht dir um Myro Havvaneyn.« »Du bist ein kluges Kerlchen«, antwortete Axton spöttisch. Der Roboter schaltete das Gerät ein und forderte das Tagesprogramm ab. Eine Liste der Fälle, die abgehandelt werden sollten, erschien auf der Projektionsfläche. »Verdammt«, sagte Axton. »Havvaneyn wird ja schon verhandelt. Schnell, schalte um.« Die Gerichtsverhandlungen auf Arkon I waren öffentlich. Die Zuschauer konnten je doch nicht direkt daran teilnehmen, sondern nur am Bildschirm verfolgen, was geschah. Dabei wurde nur ein Bruchteil der Verhand lungen übertragen, da die Zeit nicht ausge reicht hätte, alle Prozesse in einem Pro-
H. G. Francis gramm unterzubringen. Sämtliche Fälle wurden jedoch elektronisch aufgezeichnet. Die Aufzeichnungen blieben für sechs Jahre im Archiv, wo sie jederzeit von jedem ein gesehen werden konnten. Axton begrüßte das System. Der besonde re Vorteil lag für ihn darin, daß er sich an onym über den Ausgang der Verhandlung informieren konnte. So konnte niemand auf den Gedanken kommen, daß ihn das Schick sal dieses Offiziers berührte. Der Vorsitzende des Gerichts faßte die Anklagepunkte zusammen. Dabei erhob er Beschuldigungen, die mit den Vorfällen des vergangenen Abends nichts zu tun hatten. Kelly war überzeugt davon, daß sie aus der Luft gegriffen waren. Der Vorsitzende warf Havvaneyn nicht nur Verleumdung des Imperators vor, son dern auch die Beteiligung an einem Mord an einem hohen Politiker. »Angesichts dieser Fakten«, fuhr der Vor sitzende danach fort, »ist die Möglichkeit ei ner geringen Strafe ausgeschlossen. Das Ge richt verurteilt den ehemaligen Offizier der Raumflotte Myro Havvaneyn hiermit zum Tod durch Erwürgen. Das Urteil soll durch einen Hinrichtungsroboter vollstreckt wer den. Der Roboter wird den Verurteilten in dreißig Tagen töten. Havvaneyn soll diese Frist bleiben, damit er Zeit hat, über seine Verbrechen nachzudenken.« Lebo Axton hatte mit einem harten Urteil gerechnet, nicht aber mit einem Todesurteil. Dieses ging weit über alles hinaus, was ver tretbar war, und konnte nur durch ein direk tes Eingreifen Orbanaschols erklärt werden.
* »Öffne«, befahl Axton, als das Besucher signal an der Tür ertönte. Der Roboter ging zur Tür und öffnete. Avrael Arrkonta trat in Begleitung eines dunkelhaarigen Arkoniden ein. Axton blieb in seinem Sessel sitzen. »Ich habe mit Ihnen gerechnet«, sagte er. »Sie haben die Sendung gesehen?« fragte
Befreiungsaktion Tekayl Arrkonta. »Allerdings«, erwiderte der Verwachsene. »Setzen Sie sich, Avrael.« Er blickte den zweiten Arkoniden durch dringend an und nickte ihm danach freund lich zu. »Ich hatte gehofft, daß sie auch kommen würden. Kirko Attrak. Wir haben wichtige Dinge zu besprechen. Kelly, bringe etwas zu Trinken auf den Tisch.« Kirko Attrak war ein schlanker, zurück haltend wirkender Mann. Er trug das Haar kurz, so daß es ihm nur bis in den Nacken herabreichte, und er kleidete sich unauffäl lig. Seine Jacke war weit und trapezförmig, ebenso wie die graublauen Hosen und die Stiefel. Das einzig Auffallende an ihm wa ren die Armbänder und Ringe, mit denen er sich schmückte. Kirko Attrak arbeitete als Makler und verfügte daher über die besten Verbindungen zu einflußreichen und reichen Arkoniden auf vielen Planeten des Imperi ums. Lebo Axton vertraute ihm ebenso wie Avrael Arrkonta, der sich als zuverlässiger Freund erwiesen hatte. Daher hatte der Ter raner Attrak die Leitung der Untergrundor ganisation Gonozal VII. übertragen. »Ich habe bereits gestern abend befürch tet, daß Havvaneyn dieses Mal zuviel ge wagt hat«, sagte Avrael Arrkonta. »Nun müssen wir ihn wohl vergessen. Reden wir über etwas anderes.« »Über die bevorstehenden Wahlen«, be merkte Attrak. »Was für Wahlen?« fragte Axton zer streut. »Der 17. Jahrestag der Inthronisation Or banaschols III. nähert sich«, erklärte Arr konta. »Wie schon zweimal zuvor wird Or banaschol sich fraglos auch dieses Mal in demokratischer Weise bestätigen lassen, daß er hoch in der Gunst der Arkoniden steht, und daß seine Politik von einer überwälti genden Mehrheit vorbehaltlos befürwortet wird.« Attrak machte eine abfällige Handbewe gung.
7 »Selbstverständlich wird das Ergebnis ganz im Sinne Orbanaschols ausfallen, ganz gleich, wie abgestimmt wird«, sagte er. »Natürlich«, erwiderte Axton geistesab wesend. Er richtete sich auf und blickte die beiden Freunde abwechselnd an. Dann erst schien er zu begreifen, was er gehört hatte. Er hob abwehrend die Hände. »Aber das ist ein Problem, das uns noch nicht interessie ren soll. Wir werden später sehen, ob wir Kapital aus diesem Ereignis schlagen kön nen.« »Woran denken Sie?« fragte Avrael Arr konta argwöhnisch. »Ich denke an Myro Havvaneyn.« »Dachte ich es doch«, entgegnete der In dustrielle. »Was soll es denn, Lebo? Der Mann ist verloren. Er hat sich dem Henker selbst in die Hände gespielt.« »Er ist ein Gonozal-Anhänger.« »Na und? Es ist zu spät. Wir können nicht jeden retten, der sich durch Leichtsinn und Selbstüberschätzung dem Henker ausgelie fert hat. Und Havvaneyn schon gar nicht.« »Warum nicht?« »Wie können Sie so fragen, Lebo?« Arr konta schien ehrlich empört zu sein. »Havvaneyn sitzt im Tekayl-Gefängnis, und aus diesem gibt es bekanntlich kein Entrin nen.« »Wirklich nicht?« fragte Kennon ironisch lächelnd. »Nein, wirklich nicht«, bestätigte Kirko Attrak. »Dieses Gefängnis gleicht einer Fe stung. Es ist durch modernste Sicherheits einrichtungen sowohl nach außen wie nach innen hin abgeschirmt. Noch nicht einmal ein Insekt käme hinein oder heraus, ohne da bei einen Alarm auszulösen. Wenn die Tore dieses Baus sich hinter jemandem geschlos sen haben, dann ist die Hinrichtung bereits so gut wie vollzogen.« »Übertreiben Sie nicht, Kirko«, bat Ax ton. »Das tue ich nicht, Lebo«, erwiderte der Makler heftig. »Aber Sie überschätzen sich selbst, und Sie begehen damit den gleichen Fehler wie Havvaneyn.«
8 Axton Kennon lächelte. »Es ist wichtig, daß Atlan endlich von un serer Organisation erfährt«, sagte er und tat, als habe er Myro Havvaneyn völlig verges sen. »Er muß wissen, daß er hier im Herzen des Imperiums einflußreiche und mächtige Freunde hat, die ihm helfen werden, Orbana schol zu stürzen.« »Das ist richtig«, stimmte Attrak zu. »Er muß informiert werden.« »Einen ersten Versuch habe ich bereits unternommen«, berichtete Axton. »Ich habe einen zuverlässigen Freund unserer Organi sation zum Stützpunkt Travnor geschickt. Vielleicht gelingt es ihm, Kontakte zu knüp fen, die uns unserem Ziel näher bringen.« »Aber das genügt noch nicht«, kritisierte Attrak. »Völlig richtig«, bestätigte Axton. »Wir brauchen einen Mann, der sich mit aller Energie bis zu Atlan durchkämpft, weil er keine andere Wahl mehr hat.« »Jetzt verstehe ich«, sagte Arrkonta kopf schüttelnd. »Sind Sie denn überhaupt nicht von einer Idee abzubringen, die Sie einmal ins Auge gefaßt haben?« »Nein«, erwiderte der Verwachsene lä chelnd. »Das bin ich nicht.« »Sie haben den Verstand verloren«, sagte Attrak ärgerlich. »Es ist purer Wahnsinn, einen Gefangenen aus dem Tekayl-Ge fängnis herausholen zu wollen.« »Das wird sich zeigen.« Tiefe Kerben bildeten sich in den Mund winkeln Attraks. »So geht es nicht, Lebo«, sagte er mah nend. »Mit einer solchen Aktion würden Sie nicht nur Ihr eigenes Leben riskieren, son dern auch die Existenz der Organisation Go nozal VII. aufs Spiel setzen.« »Das sind harte Worte«, erwiderte Axton. »Sie sind vielleicht notwendig, um Sie zur Vernunft zu bringen.« »Man kann alles übertreiben«, bemerkte Avrael Arrkonta besänftigend. »Können wir uns nicht in Ruhe über dieses Thema unter halten?« »Warum nicht?« fragte Attrak. »An mir
H. G. Francis soll es nicht liegen.« »Ich schlage vor, Lebo, daß Sie sich erst einmal mit den Bauplänen des TekaylGefängnisses beschäftigen«, sagte der Indu strielle. »Ich bin ganz sicher, daß Sie danach anders über eine Befreiungsaktion denken werden.« »Das ist ein vernünftiger Vorschlag«, stimmte Axton in fast heiterem Ton zu. »Ich werde mir die Pläne ansehen, und Sie über legen in der Zwischenzeit, welche Männer wir einsetzen können. Sie müssen hundert prozentig vertrauenswürdig sein. Dann den ken Sie darüber nach, welche Ausrüstung wir benötigen. Wichtig ist auch, wohin wir Myro Havvaneyn bringen, wenn wir ihn be freit haben.« »Wir werden ihn niemals befreien«, rief Attrak ärgerlich. »Das ist unmöglich, und deshalb ist es auch überflüssig, daß wir uns damit befassen, wo wir ihn verstecken kön nen.« Lebo Axton lächelte nachsichtig. »Warum so aufgeregt, Kirko?« fragte er. »Es geht doch gar nicht darum, Havvaneyn zu verstecken, sondern ihn von Arkon weg zubringen. Er soll sich auf den Weg zu At lan machen.« »Lebo, so hören Sie mir doch wenigstens einmal zu«, bat Attrak verzweifelt. »Es wird außerordentlich schwierig sein, ihn auf ein Raumschiff zu bringen, denn die Behörden werden alle Raumhäfen nach der Flucht besonders scharf bewachen«, fuhr Axton unbeeindruckt fort. »Wenn Sie nicht daran glauben, daß wir es schaffen, so neh men Sie diesen zweiten Teil der Flucht Hav vaneyns als Trainingsspiel.« Die Stimme des Verwachsenen wurde schneidend scharf und so zwingend, daß der Widerstand der beiden Arkoniden zusam menbrach. »Ein solches Denkspiel kann von höchster Bedeutung für uns sein. Ich will, daß wir ein fertiges Modell haben, das wir auch für an dere Fälle einsetzen können. Unabhängig von Havvaneyn.« »Ich werde mich damit befassen«, ver
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9
sprach Attrak seufzend.
hätte es genügt, ihm nach Verlassen des Re staurants zwei meiner Männer zu schicken, die ihn verhaftet hätten.« »Wollen Sie damit das Verhalten jener Männer kritisieren, die ihn im Restaurant festnahmen?« fragte Frantomor scharf. Axton lächelte. Er spürte, daß es ihm ge lungen war, mit diesen wenigen Worten Frantomor in die Defensive zu drängen. »Es hat mich zutiefst befriedigt, daß Hav vaneyn sofort daran gehindert wurde, noch weitere Verleumdungen auszusprechen«, er klärte er, »aber es mißfiel mir, daß die Öf fentlichkeit erfuhr, welche Funktion zwei bis dahin völlig unauffällig beobachtende Män ner ausüben. Für uns haben diese Männer an Wert verloren.« »Wir können nicht dulden, daß irgend je mand sich so wie Havvaneyn benimmt. Die Ehre des Imperators steht höher als die Be deutung einiger Geheimdienstler. Zugleich gebe ich zu, daß Sie sich nicht falsch verhal ten haben.« »Danke.« »Doch deshalb habe ich Sie nicht angeru fen«, fuhr Frantomor kühl fort. »Ich habe einen Auftrag für Sie.« »Im Zusammenhang mit Havvaneyn?« »Keineswegs. Das ist erledigt. Nein, es geht um einen an sich nicht gerade bedeu tenden Mann namens Ervolt Far. Suchen Sie sich seine Unterlagen heraus.« »Was habe ich zu tun?« Kethor Frantomor lächelte herablassend. »Ich habe mir sagen lassen, daß Sie nur für große und schwierige Fälle herangezo gen werden«, sagte er maliziös. »Ich denke, es kann Ihnen nicht schaden, wenn Sie auch einmal etwas tun, was weniger bedeutend ist. Ihre Aufgabe ist, Ervolt Far daran zu hindern, am 17. Prago des Eyilon nach Zfol than zu fliegen.« »Ich habe verstanden.« Frantomor blickte Axton belustigt an. »Wenn Ervolt Far auf Arkon bleibt, wird ihn das ein Vermögen kosten. Es wird also nicht ganz leicht sein, ihn davon zu überzeu gen, daß er auf die Reise verzichten muß.
2. Lebo Axton setzte sich hinter seinen Ar beitstisch in dem ihm zugewiesenen Zimmer im Geheimdienstzentrum auf dem Hügel der Weisen. Hier befand er sich in der Zentrale der Macht. Nicht weit von ihm entfernt war der Kristallpalast, von dem aus Orbanaschol III. die Geschicke des arkonidischen Imperi ums lenkte. Hier war der Kern des Imperi ums, und es erschien wie ein Wunder, daß es Axton-Kennon gelungen war, so weit zu kommen. Keiner der Mächtigen ahnte, wer er wirklich war. Vermutlich reichte auch die Phantasie der meisten Arkoniden nicht aus, das zu begreifen, was mit ihm geschehen war. Oft genug fragte Sinclair Marout Ken non sich selbst, ob alles Wirklichkeit war, oder ob er nur träumte. Das Rufzeichen am Videogerät blinkte. Kelly schaltete den Apparat ein. Das aufge schwemmte Gesicht Kethor Frantomors er schien auf der Projektionsfläche. Frantomor war überraschend der Nachfolger des Ge heimdienstchefs Quertan Merantor gewor den. »Ich habe gehört, daß Sie in dem gleichen Restaurant waren wie Myro Havvaneyn, als dieser die Äußerungen machte, für die er verurteilt wurde«, sagte Frantomor. »Das ist richtig«, bestätigte Axton. »Dann frage ich mich, warum Sie nicht sofort ein gegriffen haben?« »Weil das nicht meine Art ist«, antwortete der Verwachsene gelassen. Weder seine Stimme noch seine Mimik zeigte, daß er un ter höchster Anspannung stand. Er wußte, daß der neue Geheimdienstchef wunde Stel len suchte. Ein einziges Wort konnte zerstö ren, was in monatelanger Arbeit aufgebaut worden war. »Was ist denn Ihre Art, Axton?« fragte Frantomor zynisch. »Sollte ich in aller Öffentlichkeit demon strieren, welcher Organisation ich diene? Havvaneyn wäre mir nicht entkommen. Mir
10 Gewalt verbietet sich von selbst. Sie würden einen Skandal auslösen, Axton, wenn Ervolt Far sich empört an die Öffentlichkeit wendet und sich darüber beschwert, daß man ihn an dieser Reise hindert.« »Der Fall ist also doch nicht so ganz leicht«, bemerkte Axton. »Sie sagen es«, erwiderte Frantomor zy nisch. Er schaltete ab. Lebo Axton lehnte sich in seinem Sessel zurück. Nachdenklich blickte er Gentleman Kelly an. »Hast du das gehört?« fragte er. »Natürlich. Du hast mich nicht desakti viert, also habe ich vernommen, was gespro chen wurde.« »Was hältst du davon?« »Frantomor will dich blamieren, Lieb ling.« »Er will mich hereinlegen«, stimmte Ax ton zu. »Geht die Sache gut, ist alles in Ord nung. Frantomor streicht vermutlich einen hohen Gewinn ein. Geht sie daneben, dann bin ich der Sündenbock. Fein ausgedacht.« Er rutschte aus seinem Sessel, winkte Kelly zu sich heran, ließ ihn niederknien und kletterte auf seinen Rücken. Er stellte sich in die Haltebügel und stützte sich mit den El lenbogen an dem Kopf des Roboters auf. »Ins Archiv?« fragte Kelly. »Natürlich, du Ausbund der Weisheit. Wohin sonst?« Gentleman Kelly marschierte los. Lebo Axton überlegte angestrengt. Der Name Er volt Far kam ihm bekannt vor. Er war sich dessen absolut sicher, daß er ihn schon ir gendwo einmal gehört hatte. Er konnte sich nur nicht daran erinnern, wo das gewesen war. Es mußte im Arkon dieser Zeit gewe sen sein. Oder sollte es sich um einen Na men handeln, den er aus seinem intensiven Studium der altgalaktischen Geschichte kannte? Wenn Ervolt Far ein so wichtiger Mann sein sollte, daß er sogar in den geschichtli chen Unterlagen aus der Regierungszeit Or banaschols III. verzeichnet war, dann hatte er es absolut nicht mit einem leichten Fall zu tun. Handelte er sich bei Ervolt Far um eine
H. G. Francis geschichtliche Persönlichkeit, aus der Sicht des später existierenden Sinclair Marout Kennon heraus, dann war die Gefahr eines Zeitparadoxons gegeben. Hinderte er diesen Ervolt Far daran, am 17. Prago des Eyilon nach Zfolthan zu fliegen, dann konnte er da mit eine nicht wieder gutzumachende Kata strophe auslösen. Gentleman Kelly trug ihn ins Archiv. Er zeigte seine Kontrollmarke vor und konnte den eigentlichen Archivraum betreten. Hier war er allein und unkontrolliert. Wer diesen Bereich aufsuchen durfte, dem glaubte man die absolute Loyalität. »Ich will nicht nur die Daten von Ervolt Far«, sagte Axton leise zu Kelly. »Ich will auch soviel wie möglich über das TekaylGefängnis wissen. Ich werde die vorhande nen Daten abrufen, und du wirst sie fotogra fieren. Es muß schnell gehen. Verstanden?« »Selbstverständlich, Meister.« Lebo Axton zuckte zusammen. So hatte ihn Kelly noch nie genannt. Er hieb ihm die Faust auf den Kopf. »Keine Mätzchen jetzt, Kelly«, sagte er wütend. »Ich bin nicht zum Scherzen aufge legt.« Axton ließ sich an die Kartei herantragen. Kelly tippte nach seinen Anweisungen die Abrufdaten ein. Auf einer Folie erschien we nig später alles, was über Ervolt Far bekannt war. Axton interessierte sich im Augenblick überhaupt nicht dafür, da er wußte, daß er später Zeit genug haben würde, die Unterla gen zu studieren. Er lenkte Kelly zu einem anderen Abschnitt der positronischen Kartei und fragte ab, was über das Tekayl-Ge fängnis vorhanden war. Enttäuscht blickte er auf die wenigen Zeilen, die wenig später auf einer Folie erschienen. Er ließ sich das Blatt von Kelly geben und steckte es ein. »Das genügt. Zurück ins Arbeitszimmer«, befahl er. Ungeduldig wartete er, bis er in seinem Raum wieder vom Rücken Kellys steigen konnte. Er setzte sich in seinen Sessel und nahm zuerst die Folie mit den Daten über Ervolt Far. Kaum hatte er die ersten Zeilen
Befreiungsaktion Tekayl gelesen, als er sich wieder daran erinnerte, wer dieser Mann war. Er lachte laut auf. »Darf man fragen, was dich so belustigt?« fragte Kelly. »Seit wann bist du neugierig?« »Ich bin nicht neugierig, sondern wün sche, so viele Informationen über dich zu bekommen wie irgend möglich. Es ist mein tiefes Interesse an deiner Persönlichkeit.« »Blödsinn«, sagte Axton schnaubend. »Ich will dir dennoch verraten, warum ich gelacht habe. Ich kenne diesen Ervolt Far. Er ist einer der ersten Arkoniden, denen ich hier begegnet bin.« Axton erinnerte sich daran, wie er zu sich gekommen war, als Ishtars Traummaschine ihn in diese Zeit geschleudert hatte. Völlig mittellos und so schwach wie ein Kind war er in einer Welt körperlich geworden, die Krüppel verachtete. Nachdem er sich erst einmal an die neue Situation gewöhnt hatte, hatte er versucht, Fuß zu fassen. Er hatte sich bemüht, zu Geld zu kommen, um sich damit das Nötigste zu beschaffen, was er brauchte. Aus diesem Grunde hatte er Ervolt Far, einem Produzenten für Schleusenschott kupplungen technisches Wissen verkauft. Far hatte erkannt, daß er damit viel Geld verdienen konnte. Er war jedoch nicht bereit gewesen, Axtons Leistung auch entspre chend zu honorieren. Er hatte ihn vielmehr in schäbigster Weise übervorteilt. Amüsiert erinnerte Axton sich daran, daß er sich diese Behandlung bewußt hatte gefal len lassen, ohne zu protestieren. Jetzt freute er sich auf eine erneute Begegnung mit Er volt Far. Er wußte, daß diese ganz anders verlaufen würde als die erste. Und er wußte, daß er keinerlei Rücksichten zu nehmen brauchte. Wenn er Ervolt Far beeinflußte, so entstand sicherlich nicht die Gefahr, daß er damit die Zukunft veränderte. Er wandte sich den Unterlagen über das Gefängnis zu und las sie aufmerksam durch. Seine gute Stimmung schwand. Er hatte er wartet, daß das Tekayl-Gefängnis Besonder heiten aufwies, aber nicht diese. »Wir müssen unseren Gedanken aufge
11 ben, Havvaneyn zu befreien«, sagte er zu Gentleman Kelly. »Es ist ein subplanetari sches Verlies, das wie ein riesiger Safe an gelegt ist. Nur die gefährlichsten und wich tigsten Gefangenen werden hier eingesperrt. Es ist, wie Avrael sagte, unmöglich, jeman den daraus hervorzuholen.« »Das sagst du, Schätzchen?« Axton seufzte. »Es ist unmöglich. Tatsächlich. Das hätte ich nicht gedacht.« »Dann gibst du auf? Havvaneyn ist verlo ren?« Axton stützte seinen Kopf in die Hände. Er dachte nach. Selbstverständlich war er bereit, für Atlan praktisch jedes Risiko ein zugehen. Irgendwo aber mußte eine Grenze sein. Es hatte keinen Sinn, ein von vornher ein aussichtsloses Unterfangen überhaupt erst zu beginnen. Wo keine Erfolgschance zu sehen war, da lohnte sich das Risiko nicht. Eine Verbindung zu Atlan mußte jedoch hergestellt werden. Zuviel Zeit war schon verstrichen, seit er sich hier aufhielt, ohne daß es ihm gelungen war, Atlan zu informie ren. Atlan mußte wissen, daß es auch die Möglichkeit gab, das Imperium von innen heraus aufzubrechen. Axton rutschte von seinem Sessel herun ter und gab Kelly einen befehlenden Wink. »Ich will zu Arrkonta«, sagte er. Der Roboter nahm ihn auf den Rücken und brachte ihn zu seinem Gleiter. Mit die sem erreichte er in wenigen Minuten die Lu xuswohnung, die der Industrielle in einem der höchsten und schönsten Trichterbauten von Arkon bewohnte. Die beiden Frauen Arrkontas zogen sich diskret zurück, nach dem sie ihn begrüßt hatten. »Nun?« fragte der Arkonide. »Was führt Sie zu mir, Lebo?« »Ich habe erste Informationen über das Gefängnis bekommen«, antwortete der Ter raner. »Ich muß Ihnen recht geben. Es scheint unmöglich zu sein, jemanden da her auszuholen.« »Es scheint?«
12 »Sie kennen mich, Avrael. Es fällt mir schwer, in einem Fall zu resignieren, indem mir noch nicht alle Fakten vorliegen.« Eine der Frauen Arrkontas kehrte zurück. Sie brachte eine Schale mit exotischen Früchten. Dabei waren Kerne, die Axton be sonders liebte. Diese Kerne stammten vom Planeten Solkman, der über hundert Licht jahre von Arkon entfernt war. Sie kosteten ein kleines Vermögen. Daß Arrkonta sie ge rade für ihn opferte, weil er wußte, daß Ax ton sie liebte, war eine besondere Auszeich nung und ein Beweis seiner Freundschaft. »Warum versteifen Sie sich überhaupt auf Havvaneyn?« fragte der Arkonide. »Warum schicken wir nicht irgend jemanden anderen zu Atlan?« »Das ist schnell beantwortet. Stellen Sie sich vor, wir würden uns auf jemanden eini gen, dem wir alle blind vertrauen, in dem wir uns aber dennoch getäuscht haben. Überlegen Sie, was passieren könnte, wenn so ein Mann mit unserer Hilfe zu Atlan kommt.« »Das wäre eine Katastrophe.« »Ich bin vollkommen Ihrer Meinung.« »Deshalb also haben Sie sich für Myro Havvaneyn entschieden«, stellte Arrkonta fest. Er nickte. »Ich glaube, das ist richtig. Besteht aber nicht die Gefahr, daß dieser Mann seine Rolle nur gespielt hat? Viel leicht ist er ein verkappter Freund Orbana schols, der alles nur unternommen hat, um die Anhänger Gonozals oder Atlans zu kö dern?« »Daran habe ich auch schon gedacht«, er widerte Axton. »Inzwischen aber habe ich mich informiert. Havvaneyn hat schon über mehr als zehn Jahre hinweg Schwierigkeiten gemacht. Außerdem sind Orbanaschol und seine Freunde fest davon überzeugt, daß es nun keine Gegenströmung mehr auf Arkon gibt, die im Sinne einer Untergrundorganisa tion aktiv werden könnte. Darüber hinaus muß ich Ihnen sagen, daß Orbanaschol nicht wissen kann, daß wir jemanden zu Atlan schicken wollen. Wenn er es aber ahnen sollte, und er wollte Havvaneyn dazu einset-
H. G. Francis zen, dann würde er diesen nicht in einem Gefängnis unterbringen, das in dieser Weise abgesichert ist.« Axton lächelte. »Myro Havvaneyn haßt Orbanaschol wirklich, und ich bin fest davon überzeugt, daß er für Atlan kämpfen wird.« »Wird?« »Würde.« Avrael Arrkonta erhob sich und ging zu der Fensterfront, die eine Seite des Salons bildete. Von hier aus reichte der Blick weit über das Land bis hin zum Hügel der Wei sen, auf dem der Imperator residierte. »Sie haben es noch nicht aufgegeben«, sagte der Arkonide. »Sie wollen Havvaneyn noch immer befreien.« »Ich möchte in erster Linie mehr über das Gefängnis wissen. Ich möchte alles in Erfah rung bringen.« »Es ist eine Herausforderung für Sie. Sie wollen nicht zugeben, daß irgend etwas für Sie unmöglich ist.« »Vielleicht ist es das. Es geht mir aber hauptsächlich um Myro Havvaneyn. Ich will nicht, daß er hingerichtet wird. Und wenn er doch sterben muß, dann möchte ich mir sa gen können, daß ich alles versucht habe, ihn zu retten.« Arrkonta blickte ihn lange an. Er nickte schließlich. »Sie haben recht, Lebo«, sagte er. »Das ist das Entscheidende. Wir dürfen nicht zu sehen, daß ein Freund Atlans getötet wird, ohne wenigstens zu versuchen, ihm zu hel fen.« »Ich muß genaue Unterlagen vom TekaylGefängnis haben«, sagte der Verwachsene entschlossen. »Ich brauche Bauzeichnungen, alles über Sicherungs- und Alarmanlagen, Angaben über Baumaterialien, Kontrollpha sen, Wachabläufe und was der Dinge mehr sind. Dies alles muß im Hofarchiv des Kri stallpalasts zu finden sein.« »Da kennen Sie sich ja aus.« »Sie täuschen sich. Diese Unterlagen sind mit Sicherheit in einem Sonderarchiv, zu dem nicht jeder Zutritt hat. Das Tekayl
Befreiungsaktion Tekayl Gefängnis hat nichts mit Geheimdienstbe langen zu tun, also erhält der Geheimdienst auch keine Informationen über dieses Ver lies. Ich muß mal wieder einen Einbruch be gehen.« »Können Sie sich nicht einen Schlüssel besorgen? Wäre es nicht unter irgendeinem Vorwand vielleicht doch möglich, in das Ar chiv zu kommen?« »Das wäre zu gefährlich, weil es unsere Gegenspieler auf uns aufmerksam machen könnte«, erwiderte Axton ablehnend. »Nein, es bleibt nur der Einbruch. Ich habe inzwi schen erfahren, daß das Archiv durch ein po sitronisches Schloß gesichert ist. Zu diesem gibt es nur zwei Schlüssel. Einer befindet sich im Arbeitsbereich Orbanaschols und ist damit unerreichbar für mich. Der andere liegt beim Hofarchivar, und bei diesem muß ich den Hebel ansetzen.« »Also gut«, sagte der Industrielle. »Versuchen wir es. Meine Unterstützung ha ben Sie. Ich werde alles tun, um Ihnen zu helfen, sofern sich alles in einem Rahmen bewegt, in dem das Risiko vertretbar bleibt.« »Mehr wollte ich nicht wissen«, entgeg nete Axton.
* Axton arbeitete bis weit nach Mitternacht in seinem amtlichen Arbeitsraum in der Nä he des Archivs. Er wartete darauf, daß das Gebäude sich leerte. Schon bald nach seiner Ankunft im Trichterbau des Geheimdienstes rief er über Video Informationen verschie denster Art ab. Da es sich um Basisinforma tionen handelte, erhielt er sie ausnahmslos. Geschickt versteckte er darunter eine Aus kunft über den Hofarchivar. Er erfuhr, daß dieser ein kranker Mann war, der sich kaum bewegen konnte. So schwach er körperlich aber auch war, so rege war er geistig. Er galt als mißtrauischer und stets aufmerksamer Mann, der sorgfältig darüber wachte, daß kein Unbefugter das Archiv betreten konnte. Dem Archiv war eine kleine Wohnung ange schlossen, in der der Kranke auch schlief.
13 Hier war er immer erreichbar. Sein Schlaf war leicht. Überhaupt konnte er auf natürli che Weise keinen Schlaf finden, sondern brauchte ein Strahlengerät, das ihn dazu be fähigte. Axton stutzte. Ihm fiel sofort auf, daß der Schlafstrah lenschleier der wunde Punkt war. Sollte nie mand sonst darauf gekommen sein? Er beschloß, äußerst vorsichtig zu sein. Nach Mitternacht wählte er die Nummern einiger Büros. Als sich niemand meldete, wußte er, daß die betreffenden Männer ihre Arbeitsräume verlassen hatten. Er brauchte nicht zu befürchten, von ihnen überrascht zu werden. Er stieg auf den Rücken Kellys und ließ sich auf den Gang hinaustragen. Alles war still. Gentleman Kelly ging ruhig und unauffällig. Das Schott zum Archiv war verschlossen. Axton hätte den Archivar rufen müssen. Er tat es jedoch nicht, sondern befahl Kelly, den Durchgang mit einem Magnetschlüssel zu öffnen. Der Roboter hatte keine Schwie rigkeiten. Schon nach drei Sekunden glitt das Schott lautlos zur Seite. Kelly schaltete seinen Antigrav ein und schwebte in den Vorraum zum Archiv, in dem sich niemand aufhielt. Geräuschlos glitt er an die Tür zur Wohnung des Archivars heran und brach auch diese mit dem Magnetschlüssel auf. Axton beugte sich unwillkürlich nach vorn. Er horchte und vernahm die regelmä ßigen Atemzüge eines Schlafenden. Er gab Kelly einen befehlenden Wink. Der Roboter schwebte durch einen Torbogen in einen kleinen Raum hinein, in dem der Archivar unter einem rötlichen Strahlenschleier sch lief. Unruhig wälzte sich der Arkonide hin und her. Seine Hände zuckten. Axton spürte, daß er bald aufwachen würde. »Schnell«, wisperte er. Gentleman Kelly glitt an das Strahlenge rät heran. Axton beugte sich rasch über seine Schulter hinweg und stellte den Projektor auf stärkere Leistung ein. Der Archivar wur de augenblicklich ruhig. Er versank in einen tiefen Schlaf. Vorsichtig regulierte der Ter
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raner das Gerät ein, bis er sicher war, daß der Arkonide in den nächsten Stunden nicht aufwachen würde. Nun rutschte er von den Schultern Kellys herunter und durchsuchte den Schlafenden. Er entdeckte den positronischen Schlüssel in einer der Brusttaschen. Triumphierend hielt er ihn hoch, stieg wieder in die Haltebügel auf dem Rücken Kellys und ließ sich zum Hauptschott des Archivs tragen. Mühelos öffnete er es. Als es zur Seite glitt, hielt Ax ton unwillkürlich den Atem an. Für einen kurzen Moment fürchtete er, im Archiv auf einen Arkoniden zu stoßen. Doch seine Sor ge war unnötig. Da er schon häufig hier gewesen war, kannte der Terraner sich aus. Er holte sich die Pläne und Zeichnungen aus der Compu terkartei. Dazu brauchte er nur wenige Mi nuten. Anschließend aber arbeitete er fast ei ne Stunde daran, die Spuren seiner Tätigkeit am Computer wieder zu beseitigen. Nie mand durfte wissen, daß er sich Informatio nen über das Tekayl-Gefängnis besorgt hat te. Danach zog er sich zurück, schob dem Archivar den Schlüssel wieder in die Tasche und stellte das Schlafgerät zurück. Ungese hen verließ er den Archivbereich und befahl Kelly, ihn in seine Wohnung zu bringen. Es gab keinerlei Komplikationen. Er be gegnete niemandem. Axton war mit sich und seiner Arbeit zufrieden. Mit einem wahren Feuereifer stürzte er sich auf das Studium der Pläne, als er allein war. Sein Eifer er losch jedoch recht bald, da sich seine Be fürchtungen schneller bestätigten, als ihm lieb sein konnte. Das Tekayl-Gefängnis war mehr als ein Gefängnis. Es war eine Fe stung.
3. Kirko Attrak betrat die Wohnung Axtons am frühen Morgen des nächsten Tages. »Haben Sie Erfolg gehabt?« fragte er nach der Begrüßung und setzte sich. »Wie man's nimmt«, erwiderte Axton. Er
holte die erbeuteten Zeichnungen und Pläne aus einem Schrank hervor und breitete sie auf dem Tisch vor dem Arkoniden aus. »Ich habe alles, was ich haben wollte, und ich weiß jetzt, wie das Tekayl-Gefängnis ange legt ist.« »Dann glauben Sie nun endlich auch, daß es unmöglich ist, einen Gefangenen daraus zu befreien?« »Unmöglich«, rief Axton erbittert. »Ich will dieses Wort nicht akzeptieren.« Attrak lächelte undurchsichtig. Er blickte den Verwachsenen an. »Dieses Wort ist eine Herausforderung für Sie«, stellte er fest. »Sie wollen nicht ak zeptieren, daß es irgend etwas im arkonidi schen Imperium gibt, was Sie zu einer Kapi tulation zwingen könnte. Ist unsere Zivilisa tion in Ihren Augen barbarisch und rückstän dig, Lebo?« »Wie kommen Sie darauf?« fragte Axton verblüfft. Niemand wußte, woher er wirklich kam. Er hatte zwar Arrkonta gegenüber ein mal zugegeben, daß er von dem Planeten Terra stammte, aber das war eher im Scherz geschehen. Außerdem konnte niemand et was mit dem Begriff Terra anfangen. Nie mand konnte ahnen, daß er aus der Zukunft in diese Zeit geschleudert worden war; auch Attrak nicht. »Sie sind ein Mann voller Rätsel«, sagte der Arkonide. »Es soll nicht Ihre Aufgabe sein, diese Rätsel zu lösen«, erwiderte der Terraner. »Wir wollen uns auf die vorliegende Arbeit konzentrieren. Das ist allein wichtig.« Er legte die Hand auf die Zeichnungen und Plä ne. »Ich habe einen Stufenplan der Schwie rigkeiten ausgearbeitet. Wir haben allein fünfundzwanzig Hürden im Gefängnis zu nehmen. Sehen Sie sich alles genau an, Kir ko. Ich habe die kritischen Stellen mit einem roten Stift gekennzeichnet.« Attrak beugte sich über die Pläne. Axton beobachtete ihn, und während der Arkonide sich mit den Schwierigkeiten befaßte, den Gefangenen zu befreien, fragte der Terraner sich, ob alles Wirklichkeit war, was er erleb
Befreiungsaktion Tekayl te. Träumte er in Ischtars Traummaschine, oder lebte er in der Realität dieser Zeit? War sein Traum Wirklichkeit geworden, oder täuschte er sich? Er wußte es nicht zu sagen. Er spürte Schmerz und Freude, körperlich wie psychisch. Und wenn er sich in Lebens gefahr befunden hatte, dann hatte er um sein Leben gezittert, weil er niemals gewußt hat te, ob er wirklich sterben oder eben nur in der Traummaschine aus einem Traum erwa chen würde. War seine Angst vor einem Zeitparadoxon unbegründet oder nicht? Be stand die Gefahr, daß er die Zukunft verän derte? Ihm wäre wohler gewesen, wenn er we nigstens einige der drängenden Fragen hätte beantworten können. Kirko Attrak richtete sich auf. »Nun?« fragte Axton. »Der Zugang zum eigentlichen Verlies ist ein senkrechter Gang. Normalerweise ist es ein Antigravschacht. Nachts, zu der einzigen Zeit, in der das Gefängnis nicht mit mehre ren Wächtern besetzt ist, wird das Antigrav feld abgeschaltet, und Spezialsensoren lösen sofort einen Alarm aus, wenn jemand ein Antigravgerät in den Schacht bringt«, erklär te der Arkonide. Er tippte mit den Fingern auf die Pläne. »Sehen wir einmal von der positronisch gesteuerten und gesicherten Ka mera am Boden des Schachtes ab. Nehmen wir einmal an, wir könnten sie ausschalten, was unmöglich ist, dann würden wir schon an dem Antigravproblem scheitern.« »Weiter«, bat Axton, als der Arkonide schwieg. »Genügt das noch nicht?« »Nein.« »Nun gut«, erwiderte Attrak angriffslu stig. »Als nächstes Hindernis sind Neutrino schranken zu überwinden, und damit wäre alles aus.« »Warum? Man könnte die Neutrinostrah len mit Spiegeln umlenken und so eine Lücke schaffen.« »Unmöglich«, widersprach der Arkonide. »Sie sollten wissen, daß Neutrinostrahlen durch jegliche Materie hindurchgehen. Es ist
15 kein Material bekannt, mit dem man sie spiegeln und damit umlenken könnte.« Attrak schob die Pläne zu. Er seufzte. »Geben Sie es doch endlich zu, Lebo. Es ist unmöglich, den Gefangenen zu befreien.« »Gerade das will ich nicht wahrhaben«, erwiderte der Verwachsene. »Ich fühle mich herausgefordert. Ich bin nicht bereit, vor die sen Schwierigkeiten zu kapitulieren.« »Ihnen ist nicht zu helfen. Wie wollen Sie es denn anfangen?« »Wir müssen uns langsam an das Problem heranarbeiten. Wir werden Arbeitsgruppen bilden. Jede Gruppe bekommt einige Hin dernisse zugewiesen und damit die Aufgabe, einige Probleme zu lösen. Ich schlage vor, daß keine Gruppe mehr als drei Probleme vorgesetzt bekommt.« »Sie wollen es also wirklich riskieren?« »Das will ich.« »Wissen Sie, daß diese Aktion ein Ver mögen kosten wird?« »Darüber bin ich mir klar«, antwortete Axton ärgerlich. »Wenn Sie Atlan an die Macht bringen wollen, dann darf es Ihnen auf Geld nicht ankommen. Oder wollen Sie sich zurückziehen?« »Natürlich nicht«, antwortete Attrak ge reizt. »Es ist nicht richtig von Ihnen, derarti ge Vermutungen auszusprechen.« »Ich habe in der letzten Zeit beträchtliche Summen verdient«, erklärte Axton kühl. »Ich werde von meinem Konto einige Hun derttausend Chronners abziehen. Noch heute werde ich mit Arrkonta sprechen. Er soll uns Gelände zur Verfügung stellen.« »Was haben Sie vor?« »Arrkontas Fabriken und Handelsgeschäf te befinden sich auf Arkon II. Dort werden wir ein Trainingszentrum für den Einsatz einrichten. Ich werde einen Schacht bauen lassen, der bis ins kleinste Detail dem Ge fängnisschacht gleicht. Alle Alarm- und Si cherheitseinrichtungen werden originalge treu installiert, so daß wir am Modell den Einsatz üben können. Nur so können wir uns nach und nach mit allen Schwierigkeiten vertraut machen. Sollte dann schließlich et
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was nicht zu bewältigen sein, dann hat uns der Versuch Geld, aber nicht das Leben ge kostet.« Attrak nickte Axton zu. »Sie machen keine halben Sachen, Lebo«, sagte er anerkennend. »Das ist der Grund dafür, daß ich Ihnen vertraue.« »Ihre Aufgabe wird es sein, die für uns geeigneten Männer auszuwählen. Sie ken nen die Mitglieder unserer Organisation bes ser als ich. Bis heute abend möchte ich wis sen, wer uns nach Arkon II begleitet.« »In dieser kurzen Zeit ist das nicht zu schaffen.« »Es ist«, sagte Axton mit schneidend scharfer Stimme. »Jede Minute ist kostbar. Eine einzige verschwendete Minute kann unter Umständen bedeuten, daß der Hinrich tungsroboter uns zuvorkommt.«
* Lebo Axton war sich darüber klar, daß er zumindest in den ersten Stunden seines Auf enthalts auf Arkon II ständig beobachtet werden würde. Das begann schon auf dem Raumhafen. Er wußte, daß es zahlreiche Ka merasysteme gab, die praktisch jeden Win kel des Kontrollgebäudes erfaßten. Wer auch immer den Boden von Arkon II betrat, der geriet vor die Linsen der elektronischen Geräte. Die Aufnahmen wurden von positro nischen Computern kontrolliert und auf Ma gnetbändern gespeichert, wo sie als Informa tionen stets abrufbar waren. Auch die Flug bewegungen der Gleiter, die von den Passa gieren benutzt wurden, konnten anhand der Aufzeichnungen leicht verfolgt werden. So wußte das Computersystem am Raumhafen bereits, wohin ein Besucher fliegen würde, noch bevor dieser an seinem Ziel angekom men war. Am Ziel wurde er dann von auf nahmebereiten Kameras erwartet. Die com putergesteuerten Geräte konzentrierten sich besonders auf Leute, auf die es dem Ge heimdienst ankam. Axton hatte auf diese Weise selbst schon genügend Personen überwacht, ohne dabei
sein Büro im Gebäude des Geheimdiensts zu verlassen. Er wußte daher, was geschah, aber er kannte auch die Tricks, mit denen man das System überwinden konnte. Des halb machte er sich keine Sorgen. Ihn störte lediglich, daß er vorläufig nicht feststellen konnte, ob er wirklich beobachtet wurde oder nicht. Es war für ihn auch nicht heraus zufinden, zu welchem Zeitpunkt sich ein eventueller Beobachter ausblenden würde. So mußte er den Weg gehen, der von ihm er wartet wurde. Und der führte zu Ervolt Far, jenem Produzenten für Schleusenschott kupplungen, der ihn in den ersten Tagen sei ner Zeit in dieser Welt so arg übervorteilt hatte. Axton-Kennon dachte schmunzelnd daran zurück, als er sich von Gentleman Kelly durch die Menge der Reisenden zu einem Gleiter tragen ließ. Ervolt Far war der Mei nung gewesen, ein blendendes Geschäft ge macht zu haben. Der Terraner landete vor dem Verwal tungsgebäude der Fabrik und kletterte auf den Rücken des Roboters. Am Empfang saß die gleiche dunkelhaarige Arkonidin wie da mals. Sie erkannte ihn augenblicklich wie der. »Was kann ich für Sie tun?« fragte sie mit stockender Stimme. »Ich will Ervolt Far sprechen«, antwortete er. »Er ist nicht da«, erklärte sie. Offenbar wußte sie genau über den hinterhältigen Vertrag Bescheid, in dem Axton nach Ab schluß der Erprobung der Kupplungen eine beträchtliche Summe zugestanden wurde. Selbstverständlich hatte Ervolt Far nie daran gedacht, die Erprobung jemals abzuschlie ßen, so daß das Honorar für Axton auch nicht fällig werden konnte. »Machen Sie sich selbst keine Schwierig keiten«, riet er ihr sanft. »Es ist zu gefähr lich für Sie, wenn Sie sich mir widersetzen.« Seine Ruhe und Gelassenheit ängstigten sie. Rasch stand sie auf, eilte zur Tür, die zum Büro Ervolt Fars führte, und ver schwand im Büro. Schon nach Sekunden
Befreiungsaktion Tekayl kehrte sie zurück. Sie hielt die Tür offen. »Er ist gerade zurückgekehrt«, sagte sie stammelnd. Axton beachtete sie nicht mehr. Er richte te seine Aufmerksamkeit auf den Produzen ten, als Kelly ihn in den Arbeitsraum trug. Ervolt Far gab sich jovial. »Sie glauben gar nicht, wie leid es mir tut«, sagte er, »aber wir haben die Erpro bung der neuen Kupplungen noch immer nicht abgeschlossen. Selbstverständlich bin ich bereit, Ihnen einen Vorschuß zu geben.« Axton verschränkte die Arme über dem Kopf des Roboters. »Sie haben ein verdammt schlechtes Ge wissen, Ervolt Far«, sagte er, griff in die Ta sche seiner Blusenjacke und holte seinen Ausweis hervor. Er reichte ihn Kelly, und dieser hielt ihn dem Produzenten hin. Der Arkonide wurde bleich. Er setzte sich hinter seinen Arbeitstisch. »Was wollen Sie von mir?« fragte er hei ser. Axton sagte es ihm. Ervolt Far blickte ihn an. Seine Augen wurden feucht, und er schüttelte den Kopf. »Wenn ich auf diese Geschäftsreise ver zichte, verliere ich ein Vermögen«, erklärte er. »Dennoch werden Sie es tun«, sagte Ax ton und steckte die Ausweiskarte wieder ein. »Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig.« »Hören Sie, Axton«, rief der Arkonide, als der Verwachsene den Roboter zur Tür lenkte. »Ich bin damit einverstanden, daß die gesamte Honorarsumme, die Ihnen zusteht, noch heute an Sie ausgezahlt wird.« »Das interessiert mich nicht mehr«, erwi derte Axton kalt. »Finden Sie sich damit ab, daß sie am 17. Prago des Eyilon nicht nach Zfolthan fliegen werden. Je eher Sie das be greifen, desto besser für Sie. Je mehr Sie sich dagegen sträuben, desto gefährlicher für Sie.« »Wollen Sie mir drohen?« »Nennen Sie es, wie immer Sie wollen.« Axton gab Gentleman Kelly ein Zeichen. Der Roboter öffnete die Tür und ging hin
17 aus. Als sie an der Sekretärin vorbeikamen, sagte Axton: »Ich komme wieder.« Ein seltsames Gefühl beschlich ihn. Nie zuvor war er sich dessen bewußt gewesen, wie sehr sich alles für ihn verändert hatte, seitdem ihn die Traummaschine Ischtars hierher geschleudert hatte. In den ersten Stunden seiner Anwesenheit in dieser Zeit hatte er um das nackte Leben kämpfen müs sen. Jetzt war er ein mächtiger Mann, dem es gelungen war, seinen Einfluß bis in die höchsten Kreise des arkonidischen Imperi ums geltend zu machen. Aus dem Schatten reich des Geheimdienstes heraus hatte er so gar den nach dem Imperator gefährlichsten Mann gestürzt. Er konnte mit dem zufrieden sein, was er erreicht hatte. Er stieg in den Gleiter und startete. Kelly programmierte das Ziel ein. In einem Re staurant aß Axton eine Kleinigkeit, ließ sich danach durch einige Automatengeschäfte tragen, bis er sicher war, daß er nicht mehr beobachtet werden konnte. Dann benutzte er erneut einen Gleiter und setzte sich bewußt der Möglichkeit aus, wieder erfaßt zu wer den. Danach verwischte er seine Spur wie der in einem Einkaufszentrum und wieder holte das Spiel noch einige Male, bis er sich in unmittelbarer Nähe des Industriekomple xes befand, der Avrael Arrkonta gehörte. Es war bereits dunkel geworden. Axton ließ Gentleman Kelly bis in eine Höhe von etwa zweihundert Metern aufsteigen und auf das Verwaltungsgebäude der Fabrikationsstätten fliegen. Von hier aus begab er sich zu dem Freund, der ihn in seinem Büro erwartete. Arrkonta begrüßte ihn freundlich. Er frag te nicht nach Sicherheitsvorkehrungen, weil er wußte, daß Axton alles getan hatte, was nötig war. Auf einer Wandtafel hatte er einen Querschnitt des Tekayl-Gefängnisses aufgezeichnet. Er bat Axton, alle Schwierig keiten einzutragen, auf die man treffen wür de. »Ich hatte bisher nur die Informationen, daß ein Antigravschacht von zwanzig Me tern Höhe und fünf Metern Durchmesser zu
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überwinden ist«, sagte er. »Ich habe einen solchen Schacht in den Boden einer Halle graben lassen. Dort können Sie ungestört am Modell arbeiten.« »Wir müssen uns beeilen«, entgegnete Axton. »Die Sicherungen müssen in späte stens zwei Tagen eingebaut sein, sonst schaffen wir es nicht mehr.« »Keine Sorge, ich habe bereits umfangrei ches Material gekauft. Dabei habe ich die gängigen Geräte ausgewählt, so daß ich si cher sein kann, das zumindest die Hälfte für uns in Frage kommt. Das andere wird eben falls innerhalb weniger Stunden hier sein.«
* Avrael Arrkonta hatte recht gehabt. Ohne die Anlagen des Tekayl-Gefängnisses zu kennen, war es ihm gelungen, einen be trächtlichen Teil der Sicherheitsvorkehrun gen zu erraten und sich darauf einzustellen. Er bot alle Kräfte auf, die ihm zur Verfü gung standen. Roboter und Spezialisten ar beiteten an dem Schacht, um ihn so herzu richten, daß er dem Original bis ins kleinste Detail ähnelte. Im Laufe des nächsten Tages traf Kirko Attrak mit vier Männern und ei ner jungen, attraktiven Frau ein. Sie alle ge hörten zur Organisation Gonozal VII. Axton war überrascht, daß auch eine Frau dabei war. Er arbeitete ungern mit Frauen zusammen, da er sich ihnen gegenüber we gen seines Äußeren stets unsicher fühlte. Seine Unsicherheit verbarg er oft hinter ei nem abweisenden, schroffen Wesen. »Wie sieht es aus?« fragte Attrak, nach dem Axton ihn begrüßt und die anderen Mit glieder der Organisation in einen Früh stücksraum geschickt hatte. Der Terraner führte Attrak in die Fabrik halle, in der der Schacht gebaut worden war. Er blieb mit ihm am oberen Rand stehen und blickte in die Tiefe. Direkt unter ihren Füßen spannte sich ein blauschimmernder Energie schirm über die Öffnung des Schachtes. »Das kann ich noch nicht beurteilen«, er widerte der Verwachsene. »Wieviele der Ih-
nen gestellten Probleme haben Sie gelöst?« »Alle bis auf fünf.« »Welche sind das?« »An erster Stelle die Kamera. Dann kommt dieser Energieschirm, den wir nicht durchbrechen können. Danach folgt ein Git ter aus Arkonstahl, dann ist da die Neutrino schranke, und den Abschluß der unbewältig ten Probleme bildet eine transparente, elek trisch leitende Folie.« »Das ist das, was auch mir am meisten Schwierigkeiten macht«, gestand Axton ein. »Aber vielleicht werden wir alles schaffen.« »Wir müssen an der Kamera scheitern«, erklärte der Arkonide. »Sie ist mit einem Aufzeichnungsgerät gekoppelt. Sobald sich die geringste Veränderung auf einem Band abzeichnet, wird Alarm ausgelöst. Die Ka mera ist mit keinem bekannten Mittel zu stö ren und damit auszuschalten. Und da sie am Grund des Schachtes angebracht ist, kommt niemand an sie heran. Selbst wenn wir uns unsichtbar machen könnten, ließe sich nicht vermeiden, daß Veränderungen aufgezeich net werden.« Lebo Axton war noch nicht bereit, die Ka mera als unüberwindbar hinzunehmen. Er rief die anderen Mitglieder der Organisation hinzu. Damit begannen arbeitsreiche Stun den, in denen sich die Gruppe Stück für Stück an die Kamera heranarbeitete. Keln Vorkean fiel Axton durch ihren Arbeitseifer auf. Wo die Männer bereits zu resignieren begannen, da suchte sie immer noch nach ei ner Lösung und fand sie in zwei Fällen auch. Am Abend aber schob Axton die Pläne zur Seite. »Wir können die Sache drehen und wen den, wie wir wollen«, sagte er enttäuscht. »Zwei Probleme bleiben: Die Neutrino schranke und die Kamera.« Keln Vorkean blickte ihn an. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Wollen Sie damit sagen, daß Sie aufge ben?« fragte sie. Axton fuhr sich mit der Hand über die brennenden Augen. Er war so müde, daß er kaum noch klar denken konnte.
Befreiungsaktion Tekayl »Ich habe getan, was ich tun konnte«, er widerte er. »Irgendwann einmal aber muß man einsehen, daß alles umsonst war.« »Sie geben also auf?« Der Verwachsene nickte. Er rutschte aus seinem Sessel und ging mit schleifenden Fü ßen auf die Tür zu. »Das dürfen Sie nicht tun«, rief die Arko nidin. »Sie dürfen Myro nicht sterben las sen!« Axton drehte sich um. Forschend blickte er sie an. »Myro?« Sie senkte den Kopf und schwieg. »Lassen Sie uns allein«, befahl Axton den anderen. Er kehrte zu seinem Sessel zurück und wartete, bis alle den Raum verlassen hatten. Keln Vorkean blieb sitzen. Tränen flossen ihr über die Wangen. Sie war eine ungewöhnlich schöne Frau mit klaren Ge sichtszügen und einem verführerisch ge formten Mund. Ihre Hände wirkten zierlich, und dennoch konnte Axton ihnen ansehen, daß sie kräftig zupacken konnten. »Sind Sie mir nicht eine Erklärung schul dig?« fragte er. »Verzeihen Sie mir«, bat sie mit erstickter Stimme. »Ich habe wohl die Beherrschung verloren.« »Ich möchte, daß Sie die Wahrheit sa gen.« Seine Stimme klang kalt und fordernd. »Wer sind Sie?« »Ich bin die Tochter eines Mannes, dem Myro Havvaneyn zweimal das Leben geret tet hat«, antwortete sie. »Als die Häscher Orbanaschols dann zum dritten Mal zuschla gen, war Myro nicht in der Nähe.« »Sie wollen ihn also retten, weil Sie sich ihm verpflichtet fühlen.« »Ist das nicht Grund genug?« fragte sie leise. »Was wissen Sie eigentlich über die sen Mann?« »Wenig«, erklärte Axton. »Myro Havvaneyn ist ein Mann, der nicht nur im Raum für Arkon gekämpft hat«, be richtete Keln Vorkean, »sondern sich auch hier aufopfernd für Gonozal eingesetzt hat. Er war ein guter Freund Gonozals und hat
19 diesen bei mehreren gefährlichen Unterneh mungen zu fremden Planeten begleitet. Es heißt, daß er auch Gonozal einmal das Le ben gerettet hat. Auf jeden Fall ist er ein Mann, der für Arkon und das Imperium im mer nur gegeben, der aber nie den ihm ei gentlich zustehenden Lohn eingestrichen hat.« »Ich verstehe«, sagte Axton. »Sie meinen, Havvaneyn sei ein Mann, der es verdient hat, daß man ihm hilft.« »Er hat es mehr verdient als jeder ande re.« »Was soll ich tun?« fragte Axton hilflos. »An zwei Sicherheitsschranken kommen wir nun mal nicht vorbei.« »Vielleicht läßt sich doch noch eine Lö sung des Problems finden, wenn wir es wei ter versuchen.« »Es tut mir leid, Keln«, erwiderte er nie dergeschlagen. »Irgendwo sind auch mir Grenzen gesetzt.« Sie senkte den Kopf und verließ den Raum. Lebo Axton blickte ihr nach. Sie so verzweifelt zu sehen, schmerzte ihn. Wieder vertiefte er sich in die Fragen, die das Te kayl-Gefängnis ihm stellte. Vorübergehend glaubte er, der arkonidische Wächter, der hinter der Kamera in einer Wachstube sei nen Dienst versah, könne ihnen helfen. Aber dann fand er eine Notiz in den Plänen, aus der hervorging, daß auch er nicht in der La ge war, die Kamera abzuschalten, ohne da bei einen Alarm auszulösen.
* Zwei Tage verstrichen, in denen Avrael Arrkonta und Lebo Axton immer wieder über das Problem Tekayl-Gefängnis disku tierten. Beide Männer wollten nicht wahrha ben, daß sie kapitulieren mußten. Axton hat te Keln Vorkean wieder nach Arkon I zu rückgeschickt. Die Tatsache, daß sie Myro Havvaneyn gut kannte, konnte gefährlich für sie und die Organisation werden. AxtonKennon wußte aus Erfahrung, wie leicht ein präzise durchorganisierter Plan durch eine
20 Unvorsichtigkeit undurchführbar werden konnte. Drei Tage nach seiner Ankunft auf Arkon II suchte er den Industriellen Ervolt Far er neut auf, um ihn abermals unter Druck zu setzen. Befriedigt stellte er fest, daß nun schon kein allzu großer Widerstand mehr vorhanden war. Als er später das Büro Avrael Arrkontas betrat, war auch Keln Vorkean dort. Der Terraner gab Gentleman Kelly mit einem leichten Schlag auf den Schädel zu verste hen, daß er in Türnähe bleiben sollte. »Ich erinnere mich, Ihnen deutlich gesagt zu haben, daß Sie von hier verschwinden sollen«, bemerkte Axton mit eisiger Stimme. Sie sprang auf und kam zu ihm. Sie trug ein Schlauchkleid, das ihr bis auf die Füße herabreichte. Es unterstrich jede ihrer Bewe gungen in raffinierter Weise. »Verzeihen Sie mir«, bat sie hastig. »Ich habe etwas entdeckt, was Sie unbedingt wis sen müssen.« »Und was ist das?« fragte er. Abweisend blickte er auf sie herab. »Die Kamera am Grund des Antigrav schachts kann doch auf funktechnischem Wege gestört werden«, behauptete sie. »Das glaube ich nicht«, erwiderte er. »Ich habe die Pläne gesehen. Diese Konstruktion ist nicht zu stören.« »Sie irren sich«, rief die Arkonidin voller Eifer. »Stellen Sie sich vor, in der Nähe des Gefängnisses werden Bauarbeiten ausge führt. Ich habe mich dort aufgehalten, weil ich nach einem Weg zu Myro suchte.« »Was sind das für Bauarbeiten?« fragte Axton. »Ein Tunnel wird durch den Boden getrie ben. Es geht um eine große, subplanetari sche Anlage. Dabei werden positronisch ge steuerte Maschinen eingesetzt.« »Ja und?« »Gestern wurde im Gefängnis ein Alarm ausgelöst, obwohl offensichtlich nichts los war.« »Nichts beweist, daß es die Maschinen waren«, wandte Avrael Arrkonta ein.
H. G. Francis »Ich bin anderer Ansicht«, sagte Keln Vorkean überzeugt. »Ich habe mit Hilfe ei nes Freundes, der ebenfalls zu unserer Orga nisation gehört, rekonstruiert, was auf der Baustelle geschah. Ich bin der Ansicht, daß für einen kurzen Moment zwischen zwei der positronisch gesteuerten Maschinen ein hy perenergetisches Feld aufgebaut worden ist, das die Kamera berührt und dabei einen Alarm ausgelöst hat.« »Das kann ich mir nicht vorstellen«, ent gegnete Arrkonta. »Warten Sie, Avrael«, sagte Axton. Er war wie elektrisiert. »Wir haben eine solche Kamera. Wir können das genau testen. Wir werden versuchen, ein hyperenergetisches Feld zwischen zwei Punkten zu erzeugen. Dann werden wir die Kamera genau zwi schen diese Punkte bringen. Danach werden wir weitersehen.« »Damit ist das Problem der Neutrino schranke noch nicht gelöst«, stellte Arrkonta fest. »Warum sollten wir uns darüber schon jetzt den Kopf zerbrechen?« fragte Axton. »Das hat noch Zeit.« Dreißig Stunden später heulten im Te kayl-Gefängnis die Alarmsirenen auf. Die Bereitschaftsdienste rückten an und schirm ten die gesamte Umgebung ab. Es dauerte etwa eine Stunde, bis die leitenden Offiziere festgestellt hatten, daß blinder Alarm gege ben worden war. Sie rückten ab. Zehn Minuten später schaltete Lebo Ax ton, der sich im Keller eines Trichterbaus in der Nähe befand, eine kompliziert aussehende Apparatur ein. Im gleichen Moment heul ten die Sirenen wieder auf. Der Bereitschaftsdienst rückte wieder an, nur um zu konstatieren, daß wiederum blin der Alarm vorlag. Als er abgezogen worden war, schaltete Axton seine Apparatur erneut ein, und wiederum heulten die Sirenen im Tekayl-Gefängnis. Axton stand in Funkverbindung mit ei nem Ingenieur, der auf der subplanetari schen Baustelle tätig war. Von ihm erfuhr er jeweils, wann die positronisch gesteuerten
Befreiungsaktion Tekayl Maschinen eingesetzt wurden. Das war je weils für ihn das Zeichen, einen Alarm aus zulösen. Er trieb dieses Spiel fast zehn Stunden lang, dann glich das Gefängnis einem Toll haus.
4. »Ich gebe dir einen guten Rat, Kelly«, sagte Axton. »Rede nur, wenn ich es dir aus drücklich befehle. Und verzichte auf alle al bernen Bemerkungen. Heute geht es um sehr viel, und ich werde nicht erlauben, daß du ir gend etwas zerstörst.« »Ich habe nicht die Absicht, so etwas zu tun«, antwortete der Roboter. Er saß am Steuer des Gleiters. Er lenkte diesen auf das Dach eines vierhundert Meter hohen Trich terbaus und parkte ihn dort. Er öffnete Ax ton die Tür und kniete sich vor ihm nieder. Der Verwachsene kletterte aus der Maschine und stieg auf seinen Rücken. Axton trug einen Umhang, der doppelt so lang war wie er selbst. Als er in den Haltebügeln stand, reichte der Umhang bis fast auf den Boden herab. In dem roten, wallenden Stoff waren seine Beine gut versteckt. Wer nicht genau hinsah, mochte annehmen, daß er selbst fast so groß wie Gentleman Kelly war. Auch kam der tonnenförmige Körper bei dieser Bekleidung nicht so zum Vorschein. Der Schädel mit dem schütteren Haar blieb un bedeckt. In einem Antigravschacht sanken Kelly und der Terraner nach unten. Wenig später trug Kelly den Verwachsenen in die Vorhal le einer Luxuswohnung, in der etwa hundert festlich gekleidete Arkoniden mit ihren Frauen versammelt waren. Da er der einzige war, der mit einem Roboter erschien und noch dazu mit einem Exemplar, das in jeder Hinsicht schrottreif aussah, erregte er eini ges Aufsehen. Aber das war er gewohnt. Es regte ihn nicht auf. Er begrüßte einige Män ner, die ihm bekannt waren, wechselte eini ge Worte mit dem Gastgeber, einem hohen Politiker, und gab sich völlig zwanglos.
21 Den meisten Arkoniden war er bekannt. Entweder hatten sie von ihm und seiner un gewöhnlichen Erscheinung gehört, oder er hatte irgendwann einmal mit ihnen zu tun gehabt. So hatte er es leicht, genügend Ge sprächspartner zu finden und sich in den ge sellschaftlichen Kreis einzufügen. Es gab viele Arkoniden, die das Gespräch mit ihm geradezu suchten. Sie hatten auf Umwegen erfahren, daß er eine wichtige Po sition bei einer Behörde hatte. So sprachen einige Arkoniden mit ihm, um ihm zu de monstrieren, daß sie in jeder Hinsicht loyal waren und keinerlei Nachforschungen zu be fürchten hatten. Aus ihren Worten entnahm Axton, daß einige vermuteten, er sei bei der Finanzbehörde, andere glaubten, daß er im Wirtschaftsministerium tätig sei und somit erheblichen Einfluß auf die Abwicklung von Geschäften nehmen könnte. Niemand aber sprach die Vermutung offen aus, daß er zum Geheimdienst gehören könne. Axton wartete fast zwei Stunden, dann gesellte er sich wie zufällig zu einem unter setzten Mann, der sein Haar zu zwei dicken Zöpfen geflochten hatte. »Monskap Orpuskofem«, sagte er. »Erlauben Sie, daß ich mich zu Ihnen set ze?« Ein Servoroboter brachte eine Platte mit gegrilltem Fleisch und verschiedenen Obst sorten. Er setzte sich vor Orpuskofem ab. »Das ist mir recht«, erwiderte der Arkoni de. »Ich freue mich immer über jemanden, der zusammen mit mir ißt.« Axton stieg vom Rücken Kellys herunter, raffte seinen Umhang hoch und kletterte in einen Sessel. Wenn der Roboter ihn dabei nicht unauffällig gestützt hätte, wäre er aus gerutscht und auf den Boden gefallen. Axton kannte Orpuskofem schon seit fast einem Jahr, hatte sich daran aber erst vor wenigen Stunden wieder erinnert. »Wie ich hörte, haben Sie allerlei Ärger«, sagte Axton und griff nach einem Becher mit Wein. »Ärger? Das ist gar kein Ausdruck. Ich nehme an, Sie sprechen vom Tekayl-Ge
22 fängnis.« »Allerdings«, erwiderte Axton amüsiert. »Man sagt, im Gefängnis werde andauernd Alarm ausgelöst, obwohl absolut kein Grund dafür vorliegt.« Er griff nach einer Frucht und biß davon ab. »Man sagt auch, das liege an der von Ih nen gelieferten Kamera«, fuhr er fort. Monskap Orpuskofem stöhnte. »Wissen Sie überhaupt, um was es geht?« fragte er. »Ich habe von diesen Dingen keine Ah nung«, behauptete Axton. »Dann lassen Sie sich mal erklären, was da passiert ist«, sagte der Kameraproduzent. Und damit begann ein fast einstündiger Vor trag. Axton gab sich immer wieder den An schein, als wolle er ihn unterbrechen, ver hielt sich dabei aber so geschickt, daß Or puskofem bei seinen Erläuterungen noch weiter ausholte. Er schilderte das System der Kamera, die positronische Sicherung und endlich, wie durch die Baumaschinen in der Nähe der Alarm ausgelöst wurde. Befriedigt stellte der Terraner fest, daß sein Täuschungsmanöver ein voller Erfolg war. »Und was nun?« fragte er schließlich. »Ist damit nicht bewiesen, daß die Kamera für das Gefängnis so gut wie unbrauchbar ist?« »Genau das«, gestand der Arkonide un glücklich. »Und man gibt mir die Schuld daran. Dabei gibt es keine bessere Möglich keit, verbotene Tätigkeiten im Gefängnis aufzudecken, als die mit der Kamera.« »Das ist ein Irrtum«, sagte Axton. Die Augen des Arkoniden weiteten sich. Er stopfte sich rasch noch ein Stück gegrill tes Fleisch zwischen die Lippen. Dann frag te er: »Wie meinen Sie das?« »Nun, ich habe von Geräten gehört, die Individualtaster genannt werden. Sie reagie ren auf die Individualschwingungen eines Menschen. Hätte Ihre Kamera so etwas, dann könnte sie Berechtigte und Unbefugte mühelos unterscheiden. Sie würde immer nur dann Alarm auslösen, wenn dafür tat-
H. G. Francis sächlich ein Grund vorhanden ist.« »Unmöglich«, rief Orpuskofem. »So et was gibt es nicht.« »Die Technik der Individualschwingungs geräte steckt noch in den Anfängen. Das ist mir klar. Dennoch müßte sie nach meinen Informationen für Ihre Kamera bereits voll einsetzbar sein.« Der Arkonide war fasziniert. Sein Ruf als genialer Konstrukteur hatte gelitten. Nun bot sich ihm plötzlich eine Möglichkeit, schnell neues Ansehen zu gewinnen. Er stürzte sich geradezu auf den Köder, den Axton ihm an geboten hatte. »Erzählen Sie«, bat er, und seine Augen begannen vor Erregung zu tränen. »Wie funktioniert diese Technik? Wer befaßt sich damit? Wo kann man so etwas kaufen?« Axton schlug die Hände zusammen. »Ich bitte Sie, lieber Freund«, sagte er. »Das weiß ich natürlich nicht. Mit diesen Dingen habe ich überhaupt nichts zu tun.« Axton sah, daß die Begeisterung des In dustriellen jäh in tiefe Resignation umzu schlagen drohte. »Ich kenne jemanden, der Ihnen Auskunft geben kann«, fügte er daher rasch hinzu. »Wer ist es?« fragte Monskap Orpusko fem. »Bitte, helfen Sie mir, diesen Mann kennenzulernen.« Der Verwachsene blickte sich suchend um, obwohl er genau wußte, wohin er sich wenden mußte. Nach einigen Minuten sagte er: »Da ist er ja. Kommen Sie. Ich führe Sie zu ihm.« Axton kletterte wieder auf den Rücken seines Roboters und führte Orpuskofem durch die Menge der Gäste zu einem un scheinbaren Arkoniden. Dieser Mann gehör te zur Organisation Gonozal VII. und hatte bei diesem Einsatz nur eine einzige Aufga be. Er sollte Axton zu dem maskierten Kirko Attrak weiterleiten. Axton stellte den Industriellen vor und verwickelte den Kontaktmann in ein nichts sagendes Gespräch. Auf Drängen Orpusko fems kam er dann jedoch auf das Thema In dividualtaster.
Befreiungsaktion Tekayl »Sie haben mir davon berichtet, Jacklo«, sagte er. »Erwähnten Sie nicht auch einen Ingenieur, der sich mit dieser neuen Technik eingehend befaßt?« Axtons Kontaktmann zierte sich zunächst ein wenig, verwies ihn dann jedoch an At trak. »Führen Sie uns zu ihm«, bat Axton. Wenig später standen sie vor dem Leiter der Organisation Gonozal VII. Er war selbst für Axton kaum wiederzuerkennen, da er sich hervorragend maskiert hatte. Er sah jetzt viel älter aus, trug einen Bart, und seine Wangen wirkten viel voller als sonst. Er nannte sich Akkain. Auch er ließ Orpusko fem eine Weile zappeln, bevor er zugab, daß er in der Tat über eine neue Technik verfüg te, die sich bestens für die Kameras des In dustriellen eignete. Attrak hatte keine genaue Vorstellung da von, wie Individualtaster funktionierten. Diese Technik war in dieser Entwicklungs phase des arkonidischen Imperiums tatsäch lich erst wenig bekannt. Selbstverständlich dachte Axton-Kennon gar nicht daran, den Arkoniden eine neue Technik in die Hand zu geben. Aus seinem Studium der altgalakti schen Völker wußte er, daß Arkon diese Technik erst später entwickeln würde. Sie vorzeitig aufkommen zu lassen, konnte da her schwerste Folgen für die Zukunft haben. Also hatte er auch hier falsche Spuren ge legt, die diese Technik zunächst einmal in eine Sackgasse führen mußten. Er blieb bei Attrak und Orpuskofem, um die Diskussion zu überwachen und notfalls eingreifen zu können. Attrak hatte sich je doch so gut vorbereitet, daß sein Gesprächs partner ihm alles glaubte. Er war fasziniert von dem Gedanken, die entscheidende Pro blemlösung für die immer wieder versagen de Kamera gefunden zu haben.
* Am frühen Morgen des nächsten Tages betrat Axton die Wohnung von Attrak. Der Arkonide erwartete ihn bereits.
23 »Ist alles in Ordnung?« fragte Axton. »Es ist alles vorbereitet«, antwortete At trak. »Meine Leute haben gestern am späten Abend ein positronisches Großlaboratorium ausfindig gemacht. Es ist zur Zeit stillgelegt. Alle Mitarbeiter befinden sich auf einer ge meinsamen Urlaubsreise nach dem Planeten Expoff. Sie sind vor Ablauf von zehn Tagen nicht zurückzuerwarten.« »Fabelhaft. Besser hätten wir es nicht treffen können.« »Ich komme gerade von dem Labor. Mei ne Leute haben es zu einem Scheinleben er weckt, das so echt wirkt, daß ich fast selbst getäuscht worden wäre. Orpuskofem muß glauben, daß alles in Ordnung ist.« Axton rieb sich die Hände. »Sehen Sie, Kirko«, sagte er zufrieden. »Es klappt alles bestens. Selbst schwierigste Probleme lassen sich bewältigen, wenn man mal einen kleinen Umweg riskiert. Wann kommt Orpuskofem?« »In einer Stunde. Er will die Kamera aus dem Tekayl-Gefängnis gleich mitbringen.« »Besser könnte die Sache gar nicht ver laufen. Ich werde bei Ihnen bleiben.« »Vielleicht ist es besser, wenn Sie das nicht tun, Lebo«, widersprach Attrak. »Wenn man später die Spuren verfolgt, braucht man nicht über Sie zu stolpern.« »Sie haben recht«, stimmte der Terraner zu. »Ich verschwinde und kümmere mich lieber um das Problem Neutrinoschranke. Diese müssen wir schließlich auch noch knacken.« »Wenn Sie das übernehmen, dann schaf fen wir es auch«, sagte Attrak überzeugt. Seine Augen leuchteten. Er stand nun vorbehaltlos hinter Axton. »Wenn Sie das glauben, muß ich mich ganz besonders anstrengen«, erwiderte der Verwachsene, kletterte auf den Rücken Kel lys und zog sich aus der Wohnung des Arko niden zurück, die dieser auf Arkon II gemie tet hatte.
*
24 Axton hatte die Wohnung kaum betreten, die er auf dem Handelsplaneten genommen hatte, als das Videogerät ansprach. An dem Blinklicht konnte er erkennen, daß das Ge spräch von Arkon I kam. Eilig schaltete er ein. Das Gesicht des neuen Geheimdienst chefs entstand auf der Projektionsfläche. Kethor Frantomor blickte ihn ungehalten an. »Ich versuche schon seit geraumer Zeit, Sie zu erreichen«, sagte er in scharfem Ton. »Ich bin nicht untätig«, erwiderte Axton. »Wie weit sind Sie?« »Ich schaffe es. Ervolt Far wird die Reise nicht antreten, allerdings benötige ich noch einige Tage, ihn davon zu überzeugen.« »Ich wünsche, laufend unterrichtet zu werden. Und beeilen Sie sich. Viel Zeit ha ben Sie nicht mehr.« Die Stimme Franto mors klang drohend. Obwohl der Arkonide ein enger Freund Orbanaschols war, brauch te er Erfolge. Das wußte er sehr gut. Das Wohlwollen des Imperators konnte schnell umschlagen, wenn Frantomor seine Erwar tungen nicht erfüllte. »Verlassen Sie sich auf mich«, sagte Ax ton. »Far wird tun, was wir wollen, ohne sich anschließend über uns beklagen zu kön nen.« »Keine Gewaltmaßnahmen«, befahl der Arkonide. »Das ist wichtig.« Er schaltete ab. Axton legte sich ins Bett und schlief rasch ein. Doch schon bald wachte er wieder auf. Das Problem der Kamera war so gut wie ge löst. Nun beschäftigte ihn die Neutrino schranke. Er wußte, daß es auch dafür eine Lösung geben mußte. Er entsann sich, ir gendwann einmal etwas über NeutrinoAblenkung gehört zu haben, doch ihm fiel nicht ein, was das gewesen war. Axton schlief wieder ein und wachte erst am späten Nachmittag wieder auf. Plötzlich war die Erinnerung da. Es gab ein Energie feld, mit dem Neutrinos gespiegelt werden konnten. Der Terraner war wie elektrisiert. Er eilte in die Hygienekabine und duschte sich, um die Lebensgeister zu wecken. Da-
H. G. Francis bei grübelte er weiter über die Frage nach. Nach und nach setzte die Erinnerung ein. Er hatte sich nicht geirrt. Es gab ein von Auf bau und Struktur her einfaches Energiefeld, das für seine Zwecke geeignet war. Er begann mit der Befragung des Robo ters, und er erhielt einige Hinweise, die ihm entscheidend weiterhalfen. Danach setzte er sich an das Videogerät und fragte die Infor mationen ab, die er benötigte. Als es dunkel wurde, wußte er, wo er zu suchen hatte. Zu dieser Zeit meldete sich Kirko Attrak über Video bei ihm. »Wir konnten das Geschäft ganz in unse rem Sinne abwickeln«, teilte er mit und schaltete wieder aus. Axton wußte Bescheid. Attrak hatte dem Kameraproduzenten einen in aller Eile kon struierten Individualtaster vorgeführt und diesen in die Kamera eingebaut. Der IDTaster war mit Informationen über das Per sonal des Tekayl-Gefängnisses versorgt und wieder am Grund des Schachtes installiert worden. Eine kleine Zusatzeinrichtung wür de in einigen Tagen dafür sorgen, daß der ID-Taster sich selbst zerstörte, so das keine Spuren zurückblieben. Auch Attrak würde aus eigener Kraft kein neues Gerät bauen können. Damit war das Problem der Kamera be wältigt. Axton kletterte auf den Rücken Gentle man Kellys und gab ihm sein Ziel an. »Leise und unauffällig«, befahl er. »Wir wollen nicht gesehen werden.« Eine halbe Stunde später schwebte er über den größtenteils abgedunkelten Hallen einer Fabrik in einem einsamen Waldgebiet. – Vor den Gebäuden parkten einige Gleiter. »Nach unten«, sagte Axton flüsternd. »Schnell.« Kelly ließ sich abfallen. Er landete auf dem Innenhof der Fabrik zwischen vier Hal len. Hier war es dunkel, aber weder der Ro boter noch der Terraner hatten Schwierig keiten, zu sehen. Axton war nachtsichtig, Kelly verfügte über Infrarotkameras. »Durch die Tür dort.« Axton zeigte auf
Befreiungsaktion Tekayl den Zugang zu einer Halle, in der kein Licht brannte. Gentleman Kelly eilte zur Tür und öffnete das Schloß. Er trug Axton in einen Vorraum, in dem anhand graphischer Dar stellungen aufgezeigt wurde, was hier pro duziert wurde. »Hier sind wir nicht richtig«, stellte der Terraner fest. »Versuchen wir es in der Hal le dort drüben.« »Dort brennt Licht«, sagte Kelly. »Du Wunderkind. Ich hätte niemals ge dacht, daß du das merkst«, entgegnete der Verwachsene zynisch. »Los, beeile dich.« Er schlug dem Roboter die flache Hand auf den Kopf. »Bei dieser Gelegenheit laß dir sagen, daß ich noch einen Konstruktionsfehler bei dir gefunden habe.« »Ich bin vollkommen«, erwiderte Gentle man Kelly, während er den Innenhof im Flug überquerte, um keine Spuren zu hinter lassen. »Wer hat das gesagt?« »Ich. Hast du es nicht gehört?« »Dumme Frage. Ich möchte wissen, wer dir eingeredet hat, daß du vollkommen bist.« »Das hat mir niemand eingeredet, Schätz chen. Ich bin aufgrund mathematisch-physi kalischer Überlegungen zu diesem Schluß gekommen.« Axton stöhnte. »Wahnsinnsvogel«, sagte er. »Ich werde demnächst eine Eisenstange an deinem Rücken aufhängen, damit ich dir notfalls kräftig eins über den Schädel geben kann.« »Das könnte zu einer Beeinträchtigung meiner Qualitäten führen«, mahnte Kelly. »Was nicht vorhanden ist, kann man nicht beeinträchtigen«, erwiderte der Terraner. »Willst du gar nicht wissen, welchen Kon struktionsfehler ich entdeckt habe?« »Nein.« »Bist du eingeschnappt?« »Bei mir kann nichts einschnappen. Ich denke auf positronischem Wege, also ohne mechanische Vorgänge.« Axton stöhnte erneut. Er gab es auf. Um sich ein wenig Luft zu machen, hieb er Kel
25 ly abermals die flache Hand auf den Schä del. »Los, mach die Tür auf«, befahl er. Kelly gehorchte. Das Türschott glitt laut los zur Seite. Auch hier war ein Vorraum vorhanden, der Auskunft über die Art der Produktionsstätten gab. Axton triumphierte. Er war am Ziel. Hier wurden Projektoren für die Energiefelder hergestellt, die er benötig te. Er informierte Kelly über das Gerät, das er suchte. »In Frage kommt nur ein fertiges Gerät«, sagte er. »Irgendwo muß eines vorhanden sein.« Kelly trug ihn durch die Halle, in der po sitronisch gesteuerte Fertigungsstraßen vor handen waren. Nur an wenigen Stellen wur den zusätzliche, frei bewegliche Roboter be nötigt. Sie waren jedoch nicht aktiviert. Die Anlage ruhte. Axton prüfte Gerät um Gerät, bis er endlich eines gefunden hatte, das er gebrauchen konnte. »Ich will wenigstens drei Apparate ha ben«, erklärte er. »Vier wären noch besser.« Es war, als hätte der Roboter nur auf diese Worte gewartet. Innerhalb weniger Minuten gelang es ihm, drei weitere Geräte ausfindig zu machen. Er verstaute sie in einer Trans portbox und befestigte diese magnetisch hin ten an seinen Beinen, so daß es schien, als stehe Axton direkt auf dem Behälter. »Das reicht jetzt«, entschied der Terraner. »Wir verschwinden.« Gentleman Kelly wandte sich dem Tür schott zu, durch das sie hereingekommen waren. In diesem Moment öffnete sich weni ge Meter neben ihnen ein anderes Schott. Grelles Licht fiel herein und riß den Roboter und den Verwachsenen auf seinem Rücken aus der Dunkelheit. Axton war für Sekun denbruchteile geblendet. Er erkannte nur die Umrisse von zwei Männern, die die Halle betreten wollten. Einer von ihnen stand di rekt im Durchgang, der andere war einige Meter weiter entfernt. Instinktiv riß Axton den Arm vor das Ge sicht. »Weg. Schnell weg«, befahl er mit heise
26
H. G. Francis
rer Stimme. Gentleman Kelly reagierte gewohnt schnell und zuverlässig. Er beschleunigte aus dem Stand heraus. Sein Antigravgerät heulte kaum hörbar auf. Axton und der Ro boter stiegen steil auf, rasten auf eine der großen Scheiben zu und brachen durch sie hindurch. Mit ohrenbetäubendem Lärm zer splitterte die Scheibe. Der Terraner klam merte sich an die Griffe auf den Schultern des Roboters und preßte seinen Kopf an den stählernen Ovalkörper. Dennoch wäre er fast vom Rücken Kellys herabgeschleudert wor den. Die beiden Männer in der Halle schrien unwillkürlich auf. »Wer war das?« brüllte Axton. »Kennen wir ihn? Hast du ihn erkannt?« »Es war Ervolt Far«, antwortete Gentle man Kelly. Axton fuhr der Schrecken in die Glieder. Schlimmer hätte es nicht kommen können.
* »Zurück«, befahl Axton erregt. »Wir müssen zurück. Wir müssen wissen, wie Er volt Far sich verhält.« Sie befanden sich in einer Höhe von etwa eintausend Meter und flogen mit hoher Ge schwindigkeit nach Westen. Kelly verzöger te stark und ging dann auf Gegenkurs. Dabei ließ er sich in die Tiefe fallen. So waren nur wenige Minuten nach ihrem Ausbruch aus der Halle vergangen, als sie schon wieder vor dieser erschienen. Fast gleichzeitig rück ten zwei Polizeigleiter heran und landeten vor einem Schott. Durch die transparenten Scheiben konnte Axton Ervolt Far und einen anderen Arkoniden sehen. Er machte sich schwerste Vorwürfe, weil er so spät reagiert hatte. Er hätte sich gar nicht erst von der Fabrik entfernen dürfen. »Beobachte Far und den anderen Arkoni den«, befahl Axton, als sie in etwa einhun dert Meter Höhe in der Luft verharrten, »Achte auf die Lippenbewegungen. Ich will wissen, was sie sprechen. Ich will wissen, ob
Far mich erkannt hat und mich verrät.« Gentleman Kelly verfügte über eine aus gezeichnete Optik, deren Brennweite sich stufenlos verstellen ließ. So konnte er alle Einzelheiten erkennen und auf Band spei chern. Das Gespräch mit den Polizisten dauerte etwa zehn Minuten. Dann zogen diese wie der ab, nachdem sie die Halle kurz inspiziert hatten. »Offenbar hat man wenig Hoffnung, den Einbrecher bald finden zu können«, sagte Axton. Zugleich dirigierte er Kelly weiter von der Halle weg. Er wollte nicht von den Polizisten überrascht werden. Der Roboter verbarg sich hinter dem Aufbau einer be nachbarten Produktionsstätte. Von hier aus konnte er Far und seinen Begleiter gut beob achten. »Ervolt Far hat dich bis jetzt noch nicht verraten«, erklärte er, als die Polizeistreife weggeflogen war. »Er hat nur gesagt, er ha be einen Roboter gesehen.« »Dabei bin ich davon überzeugt, daß er mich erkannt hat«, bemerkte Axton voller Unruhe. »Einen Roboter wie dich, der einen Mann wie mich auf seinem Rücken herum schleppt, gibt es nur einmal im Imperium. Näher heran.« Kelly gehorchte. Er flog bis auf hundert Meter an die Halle heran, in der Ervolt Far und der Mann, in dem Axton den Besitzer der Fabrik vermutete, miteinander diskutier ten. Wiederum erfaßte der Roboter jede Lip penbewegung. »Wovon sprechen sie?« forschte der Ver wachsene ungeduldig. »Vom Überfall. Sie reden nur von einem Roboter. Far verabschiedet sich jetzt.« »Wir folgen ihm.« Der Arkonide bestieg einen Gleiter und startete. Obwohl er mit hoher Geschwindig keit davonflog, hatte Kelly keine Mühe, in seiner Nähe zu bleiben. Dabei blieb er stän dig in einer Position, aus der heraus er in die Flugkabine blicken konnte. Ervolt Far führte kein Videogespräch, machte also nicht den Versuch, irgend jemanden zu informieren.
Befreiungsaktion Tekayl Er kehrte in seine eigene Fabrik zurück, wo er eine kleine Wohnung besaß, wie Ax ton nun feststellen konnte. Auch hier ver hielt er sich ruhig und führte keine Gesprä che. Der Terraner beobachtete ihn durch die unverhängten Fenster. Über eine Stunde ver strich. Ervolt Far arbeitete über Zeichnungen und Plänen. Axton beschloß, mit ihm zu reden.
5. Axtons Hand glitt unter seine Blusen jacke. Er spürte das blaue Band zwischen seinen Fingern. Es war wie ein lebendes Wesen. Es fühlte sich warm und geschmei dig an, und es war, als flüstere es ihm etwas zu, etwas, das in ihm selbst aufklang. Er horchte in sich hinein, aber er konnte nichts verstehen. Unruhig zog er seine Hand zurück. Ihm wurde bewußt, daß er Ervolt Far un terschätzt hatte. Und damit hatte er zugleich den gefährlichsten Fehler begangen, den er im Rahmen seiner Geheimdiensttätigkeit überhaupt begehen konnte. Er hatte nicht be rücksichtigt, daß sein erster Kontakt mit die sem Arkoniden ganz anderer Art gewesen war als sein letzter. Damals war er ein Nie mand gewesen, der auf die Hilfe Fars ange wiesen war. Jetzt war er als Mann des Ge heimdienstes mit einer handfesten Drohung bei Far erschienen und hatte sich dabei über legen gefühlt, so sehr, daß er diesen Arkoni den überhaupt nicht in seine Planungen mit einbezogen hatte. Axton wußte, daß er nur noch angreifen konnte. Er durfte nicht abwarten, denn wenn Far seine Beobachtung erst einmal meldete, dann würde er den Einbruch begründen müssen. Und das konnte er nicht, ohne sich und seine Pläne zu verraten. »Los«, sagte der Terraner zischelnd. »Wir gehen durch die Tür. Kein Aufsehen. Keine Gewalt.« »Ich kann mich beherrschen, hoffentlich kannst du es auch, Liebes«, erwiderte der
27 Roboter. Gentleman Kelly öffnete die Tür. Sie war nicht verschlossen. Eine Treppe führte ins obere Geschoß hinauf. »Antigrav«, befehl Axton leise. Der Ro boter gehorchte. Er hob vom Boden ab und schwebte hinauf. So glitt er über eventuell vorhandene Alarmanlagen hinweg, die durch das Körpergewicht eines Besuchers ausgelöst wurden. Lautlos drang Kelly bis vor die Tür vor, hinter der Ervolt Far war. »Öffne«, flüsterte der Terraner. Das Türschott glitt zur Seite. Der Arkoni de saß hinter einem mit Papieren bedeckten Arbeitstisch. Sein Gesicht war schweißnaß. Er blickte auf und zuckte zusammen. »Ich habe gewußt, daß Sie kommen«, er klärte er und versuchte, seine innere Erre gung vor Axton zu verbergen. »Warum?« fragte der Verwachsene und stützte sich mit verschränkten Armen auf den Kopf Kellys. »Müssen wir darüber reden, Lebo Axton? Wir beide wissen, daß ich Sie erkannt ha be.« »Also gut«, erwiderte der Kosmokrimina list. »Und was jetzt?« Ervolt Far lächelte verzerrt. Er erhob sich. »Kann ich Ihnen etwas anbieten?« »Nein.« »Werden Sie mir sagen, warum Sie den Einbruch begangen haben?« »Nein.« »Sie sind nicht gerade gesprächig.« »Muß ich das sein?« Axton blieb kalt und abweisend. Er merkte, daß er durch diese Haltung den Arkoniden immer unsicherer machte. Ervolt Far setzte sich wieder. »Also schön«, sagte er, und seine Miene verhärtete sich. »Dann lassen Sie mich über legen, wozu solche Energiefeld-Projektoren benötigt werden, die Sie entwendet haben.« »Das ist nicht notwendig«, widersprach der Verwachsene. »Die Aktion hatte Ihren Sinn. Sie wissen, welcher Organisation ich angehöre, und ich empfehle Ihnen, sich aus dieser Sache herauszuhalten. Ich bin keines wegs in Schwierigkeiten, wie Sie vielleicht
28 vermuten.« »Warum sind Sie dann zu mir gekom men?« »Weil ich verhindern will, daß Sie Dummheiten begehen.« Der Arkonide schüttelte den Kopf. »Sie hätten sich anders verhalten, wenn die Situation für Sie selbst nicht so unange nehm wäre. Sie sind gekommen, um sich mit mir zu einigen. Wäre es nicht so, dann hätten Sie mich in der Fabrik kaltblütig er schossen. Ebenso meinen Begleiter.« »Meinen Sie?« fragte Axton spöttisch. »Wie dem auch immer ist«, erklärte Far. »Sie sollen wissen, daß ich meine Reise zum geplanten Termin antreten werde, und nichts kann mich davon abhalten. Sollten Sie es dennoch versuchen, dann wird sehr schnell bekannt werden, was Sie heute nacht getan haben.« »Sie sind genauso, wie ich befürchtet ha be«, sagte Axton. »Sie sind ein verdammter Narr.« Er stieg vom Rücken des Roboters herun ter und ging mit schleifenden Schritten zu einem Sessel. Er stieg mühsam hinein und setzte sich. »Geben Sie mir etwas zu trinken«, forder te er. Ervolt Far atmete auf. Er erhob sich und brachte Axton ein alkoholisches Ge tränk. Dann setzte er sich wieder. »Sie werden Ihre Reise nicht antreten«, sagte Axton. »Und was ist, wenn ich doch …« »Dann sind Sie Orbanaschol III. geschäft lich in die Quere gekommen«, eröffnete ihm Axton. »Was das bedeutet, wissen Sie hof fentlich.« Far wurde bleich. »Sind wir schon soweit, daß wir zu ver zichten haben, wenn der Imperator irgendwo fette Beute vermutet?« fragte er zornig. Axton horchte auf. Bis jetzt hatte er sich wenig Gedanken darüber gemacht, wie Er volt Far einzuordnen war. »Soweit sind wir«, antwortete er. »Es ko stet Sie Ihre Existenz, wenn Sie nicht zu rückstecken. Vielleicht sogar den Kopf.«
H. G. Francis Ervolt Far wollte etwas erwidern, doch die Stimme versagte ihm. »Ich brauche dieses Geschäft«, erklärte er nach einigen Minuten, in denen er sichtlich mit sich gekämpft hatte. »Sonst bin ich rui niert.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Dennoch werde ich nicht reisen«, sagte er. »Ich werde auf Arkon bleiben, aber ich kann Ihnen nicht garantieren, daß nicht ein Skandalreport irgendwo erscheint, der die ganze Sache aufdeckt.« Er blickte Axton zornig an. Der Kosmopsychologe hatte in den letz ten Minuten einen verwegenen Plan ent wickelt. Entschlossen trug er ihn vor. »Ich gebe Ihnen eine Chance, so viel Geld zu machen, daß Sie über das entgangene Ge schäft nur noch lachen werden«, versprach er. »Lassen Sie hören«, bat Ervolt Far zö gernd. Axton besaß Kenntnisse über Planeten und Sonnensysteme des arkonidischen Im periums, die teilweise über das hinausgin gen, was die Arkoniden selbst wußten. So erinnerte er sich an eine Welt ganz beson ders. »Ich kenne einen Planeten«, sagte er, »auf dem Edelmetalle und Dakrey – Steine im Wert von weit mehr als einhundert Millio nen liegen. Wenn wir uns einigen, werde ich Ihnen die Koordinaten des betreffenden Sonnensystems angeben und Ihnen die Aus beutung überlassen.« »Warum haben Sie sich die Millionen nicht schon selbst geholt?« »Weil mir die Mittel dazu fehlten. Ich brauchte beispielsweise ein Raumschiff. Sie haben sogar zwei Raumer, die Sie einsetzen können.« »Sie werden mir nicht mehr gehören, wenn mir der Imperator das Geschäft verdirbt.« »Wenn wir rasch handeln, haben Sie bald keine finanziellen Sorgen mehr.« »Was verlangen Sie?« »Dreißig Prozent – und in einigen Tagen
Befreiungsaktion Tekayl einen Raumer, der von Arkon I startet und eine Fracht für mich besorgt.« »Jetzt verstehe ich«, erwiderte Ervolt Far. »Ein solches Angebot hätten Sie mir nicht gemacht, wenn Sie keine Schwierigkeiten hätten.« Der Terraner schwieg. Er wußte genau, daß die Sache gut für ihn stand. Ervolt Far stand Orbanaschol III. feindlich gegenüber. Das bedeutete noch nicht, daß er ein Freund Gonozals und Atlans war. »Ich bin einverstanden«, sagte der Arko nide nach einigen Minuten, in denen er an gestrengt überlegt hatte. »Hoffentlich gehen Sie nicht von dem Ge danken aus, daß Sie mich in ähnlicher Weise wie bei unserer ersten Begegnung betrügen können«, entgegnete Axton. »Damals war mir alles egal. Ich brauchte dringend etwas Geld. Jetzt aber steht viel auf dem Spiel.« »Das ist mir vollkommen klar. Sie können sich auf mich verlassen. Ich meine es wirk lich ehrlich.« Die beiden Männer blickten sich lange an. Sie verstanden einander. Lebo Axton hoffte, daß Ervolt Far einmal ein wichtiger Verbündeter für ihn werden konn te. »Was auch immer der Grund für Ihren Einbruch war, und welcher Art die Fracht auch sein wird, die Sie für mich haben, ich werde schweigen«, versprach der Arkonide. Lebo Axton eröffnete ihm keine Geheim nisse aus seinem augenblicklichen Tätig keitsbereich. Er ließ auch nicht erkennen, welche politische Richtung er vertrat. In den folgenden Stunden aber besprach er bis ins letzte Detail hinein, wie die Geschäfte abge wickelt werden sollten, die geplant waren. Spätestens dabei mußte Ervolt Far erkennen, daß der Verwachsene ein Partner war, der über eine ungewöhnliche Intelligenz verfüg te und genau wußte, was er tat. Axton gab ihm die Koordinaten des Sonnensystems und verriet ihm die Fundorte, die er kannte. Er wußte, daß er damit nicht in die Entwick lung der Zukunft eingreifen würde, weil die Schätze, die Far bergen sollte, keine ge schichtliche Rolle bis zu dem Zeitpunkt ge
29 spielt hatten, zu dem Ischtars Traummaschi ne ihn in die Vergangenheit geschleudert hatte. Als Axton die Wohnung verließ, war er mit sich und der gesamten Entwicklung zu frieden. Die Voraussetzungen für eine Be freiung Myro Havvaneyns waren gut. Ervolt Far würde ein Raumschiff zur Verfügung stellen, mit dem er fliehen konnte. Und in den kommenden Monaten war mit einem Geldregen zu rechnen, der die Organisation Gonozal VII. zu gezielten Aktionen gegen Orbanaschol und seine Macht befähigte.
* Als Lebo Axton am nächsten Tag zur ver einbarten Stunde bei Avrael Arrkonta eintraf und die Energiefeldprojektoren mitbrachte, blickte er in betretene Gesichter. »Nanu?« fragte er überrascht. »Was ist los? Sie sehen aus, als hätten Sie mit Orba naschol gefrühstückt?« Avrael Arrkonta erhob sich aus seinem Sessel und kam Axton entgegen. »Uns ist nicht zum Scherzen zumute«, er widerte er. »Es ist etwas geschehen.« Axton stieg vom Rücken Kellys herunter und setzte sich in einen Sessel. Einer der an deren Arkoniden, die an der Befreiungsakti on teilnehmen sollten, reichte ihm ein Glas Fruchtsaft. Er nahm es erfreut entgegen. »Was ist passiert?« fragte er. »Es ist nicht zu fassen, Lebo«, entgegnete Arrkonta. »Myro Havvaneyn hat einen ural ten Paragraphen unserer Verfassung ausge graben. Das heißt, sein Rechtsvertreter hat es auf seinen Antrag hin getan.« »Was für einen Paragraphen?« fragte Ax ton beunruhigt. »Nun reden Sie doch schon.« »Es geht um das sogenannte Theinon-Ge setz, nach dem ein Verurteilter das Recht auf eine rasche Vollstreckung des Urteils hat.« Axton blickte den Arkoniden bestürzt an. »Reden Sie weiter, Avrael«, bat er. »Myro Havvaneyn sollte dreißig Tage Zeit haben, über sein Verbrechen nachzu
30 denken. Nun hat er sich auf das Theinon-Ge setz berufen und verlangt, daß die Hinrich tung innerhalb der nächsten fünf Tage voll zogen wird.« »Das darf doch nicht wahr sein!« »Es ist wahr. In den Imperiumsnachrich ten wurde dieser Fall heute morgen ausführ lich diskutiert. Das Gericht hat keine andere Möglichkeit, als seinem Antrag stattzuge ben. Noch ist keine Entscheidung gefallen, aber es steht fest, daß Havvaneyn mit sei nem verrückten Antrag durchkommen wird.« »Verrückt?« fragte Kirko Attrak. »Man muß diese Sache auch einmal aus der Sicht Havvaneyns betrachten. Er weiß, daß er ster ben wird und keine Aussicht auf Rettung hat. Für ihn ist jeder Tag, der verstreicht, ei ne einzige Qual. Er hat mit dem Leben abge schlossen und wartet nur noch darauf, daß diese entsetzliche Tötungsmaschine in seiner Zelle erscheint, um ihn zu erwürgen. Haben Sie schon einmal gesehen, wie so etwas ge schieht?« »Nein, wie sollte ich«, erwiderte Arrkon ta. Axton schüttelte nur den Kopf. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Sein linkes Lid zuckte, wie immer, wenn er erregt war. Ner vös spielten seine Hände mit dem Gürtel. »Diese Hinrichtungsart ist erst durch Or banaschol III. eingeführt worden«, erklärte Attrak. »Sie ist Ausdruck seines zynischen und grausamen Wesens. Vor einigen Jahren war ich bei einer Filmvorführung dabei. Nacheinander wurden fünf Hinrichtungen gezeigt. Es war so entsetzlich, daß ich wo chenlang nicht mehr richtig schlafen konnte. Die Delinquenten haben sich verzweifelt ge wehrt. Sie haben um den letzten Lebensfun ken gekämpft, konnten aber gegen die über legene Kraft des Roboters nichts ausrich ten.« Attrak räusperte sich. Er war blaß gewor den. »Diese Hinrichtungsart ist grausamer als alle Verbrechen, die ein Verurteilter began gen haben kann. Ich wünsche aus tiefstem Herzen, daß Orbanaschol III. eines Tages ei-
H. G. Francis nem solchen Roboter in die Hände gerät.« »Lenken wir nicht vom Thema ab«, schlug Axton beherrscht vor. »Es hilft uns nichts, wenn wir uns in Rachegedanken er gehen. Es geht nicht um Orbanaschol, son dern um Myro Havvaneyn. Wieviel Zeit hat er noch?« »Das kann niemand sagen«, antwortete Attrak. »Vielleicht sind es noch einige Stun den, vielleicht aber auch fünf Tage.« »Ich glaube, daß es fünf Tage sind«, be merkte Arrkonta. »Das Gericht muß sich dem Paragraphen beugen, daran ist nicht zu rütteln. Aber es wird die äußerste Frist wäh len, die möglich ist. Und das sind fünf Ta ge.« »Wahrscheinlich haben Sie recht«, stimmte Attrak zu. »Lassen Sie mich nur noch sagen, daß ich Havvaneyn verstehe. In seinem Fall ist es tatsächlich leichter, das Entsetzliche bald hinter sich zu bringen, als endlos darauf warten zu müssen.« »Er kann von unseren Plänen nichts ah nen«, bemerkte Avrael Arrkonta. »Natürlich nicht«, sagte Axton, »aber er zwingt uns zum Handeln, obwohl wir noch nicht genügend vorbereitet sind.« »Wir haben drei bis vier Tage Zeit, am Modell zu üben«, erwiderte Arrkonta. »Unmöglich. Auf gar keinen Fall. Wir müssen sofort anfangen. Heute nacht müs sen wir Havvaneyn befreien.« »Ohne vorher alles wenigstens einmal durchgeprüft zu haben?« fragte Arrkonta. »Das geht niemals gut.« »Das wäre Wahnsinn«, protestierte At trak. Axton spürte den entschlossenen Wider stand der Arkoniden. Er konnte sie verste hen. Für sie stand außerordentlich viel auf dem Spiel, vielleicht mehr als für ihn. Auch für ihn ging es um das Leben. Er aber stand allein in dieser Welt, während die Arkoni den auch um ihre Familien bangen mußten. Und blieb ihm nicht immer noch die Hoff nung, daß alles nur ein Traum war, während sie sich mit der unerbittlichen Realität kon frontiert wußten?
Befreiungsaktion Tekayl »Wir haben noch einige Stunden Zeit«, erklärte der Kosmopsychologe. »Diese Stun den werden wir für eine Generalprobe nut zen, bei der wir die Probleme, die sich uns stellen, noch einmal kennenlernen können. Wir werden uns mit jeder Hürde nur einmal beschäftigen, egal ob wir Alarm auslösen oder nicht. Sobald wir den Grund des Schachtes erreicht haben und wieder aus ihm aufgestiegen sind, kann sich jeder von uns noch einmal überlegen, was er tun will.« »Wie meinen Sie das?« fragte Attrak in schroffem Ton. »Jeder kann sich anschließend entschei den, ob er mitmachen will oder nicht«, ant wortete Axton. Der Leiter der Organisation Gonozal VII. schüttelte den Kopf. »Ich bin mir darüber klar, daß wir ein ge wisses Risiko eingehen müssen«, sagte er verärgert. »Geradezu verrückt aber wäre es, das Risiko durch einen zu frühen Einsatz noch weiter zu erhöhen. Dadurch verringern sich unsere Chancen bis fast auf Null. Wir haben fünf Tage Zeit bis zur Hinrichtung. Wenn wir nur einen Tag trainieren, steigen unsere Chancen erheblich.« »Wir wollen uns nicht streiten«, entgeg nete Lebo Axton ruhig. »Die Entscheidung ist bereits gefallen. Unsere Aktion startet heute nacht.« »Ach, das entscheiden Sie allein?« fragte Attrak zornig. »In diesem Fall ist es so. Ich gehe nicht das Risiko ein, in diese Festung einzubre chen, nur um später einen Toten herauszu holen.« »Sie gehen zu weit, Axton.« Attraks Au gen wurden feucht vor Erregung. Seine Lip pen bebten. »Ich habe Ihnen erklärt, daß Sie zurück treten dürfen, wenn Ihnen die Aktion zu ge fährlich erscheint. Ich kann niemanden ge brauchen, dessen Hände zittern. Notfalls werde ich Havvaneyn ohne Ihre Hilfe her ausholen.« »Sie sind ungerecht. Keiner von uns ist ein Feigling«, empörte sich Attrak.
31 Lebo Axton rutschte von seinem Sessel und kletterte auf den Rücken des Roboters. »Wir wollen jetzt mit dem Training be ginnen«, sagte er gelassen. »Es wäre unver antwortlich, die kostbare Zeit, die wir haben, auch noch mit Diskussionen zu vertun.« Er tippte Gentleman Kelly auf den Kopf und veranlaßte ihn damit, den Raum zu ver lassen. Zögernd folgten die Arkoniden ihm.
* »Warum sind Sie so hart mit uns?« fragte Avrael Arrkonta fünf Stunden später, als Le bo Axton als letzter mit einer Puppe, die den befreiten Gefangenen darstellen sollte, aus dem Übungsschacht auftauchte. »Weil ich mein Ziel erreichen will«, ant wortete der Kosmokriminalist. »Sie werden keinen Erfolg haben«, sagte Kirko Attrak. Er saß erschöpft auf dem Bo den. Das schweißnasse Haar klebte ihm am Kopf. Er zeigte auf den Schacht. »Siebenmal haben wir beim Abstieg Alarm ausgelöst, fünfmal beim Aufstieg.« Er schüttelte enttäuscht den Kopf. »So haben wir keine Chance.« »Lassen Sie es uns nach einer Pause von zwei Stunden noch einmal versuchen«, bat einer der anderen Arkoniden. »Nein«, erwiderte Axton. »Dann mache ich nicht mit.« »Das ist Ihre Sache. Wer steigt sonst noch aus?« Axton blickte die anderen Arkoniden an. Avrael Arrkonta kam nicht in Frage. Er durfte nicht an der Aktion teilnehmen, weil er aufgrund seines industriellen Potentials viel zu wichtig war, um einer Gefahr ausge setzt werden zu dürfen. Kirko Attrak senkte den Kopf und schwieg. Die anderen vier Arkoniden wi chen den forschenden Blicken des Verwach senen aus. Einer nach dem anderen hob schweigend die Hand. »Und Sie, Kirko?« fragte Axton scharf. »Was ist mit Ihnen?« »Ich will, daß wir die Übung wiederho
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H. G. Francis
len.« »Und ich sage: Nein!« »Warum denn nicht, zum Teufel?« brüllte Attrak. »Die Diskussionen sind längst beendet«, erwiderte Axton abweisend. »Es bleibt bei meiner Entscheidung.« Der Makler blickte Axton an. In seinem schmalen Gesicht zuckten die Muskeln. Er massierte sich das linke Handgelenk. Der Verwachsene wich seinem Blick nicht aus. Minuten verstrichen. »Sie müssen Atlan lieben«, sagte Attrak dann. »Sie müssen ihn sehr lieben, sonst würden Sie so etwas nicht tun. Wer sind Sie, Lebo? Sie sind kein Arkonide. Wer also sind Sie? Warum setzen Sie sich so für den Kri stallprinzen ein? Warum kämpfen Sie so hart für eine Sache der Arkoniden?« Lebo Axton lächelte. »Jetzt gefallen Sie mir schon viel besser«, erwiderte er in einem fast heiteren Ton. »Sie sind also dabei?« »Was bleibt mir übrig?« fragte Attrak re signierend. »Gegen einen solchen Dickschä del wie Sie komme ich nicht an.« »Und die anderen?« Axton blickte sich fragend um, doch die anderen Arkoniden än derten ihre Entscheidung nicht mehr. »Das heißt also, daß wir ein hartes Stück Arbeit vor uns haben«, stellte der Kosmokri minalist fest. »Sie können sich zurückzie hen, nachdem Sie uns geholfen haben, das Material, das wir benötigen, bis zum Ge fängnis zu bringen.«
6. Das Tekayl-Gefängnis war unter einem Trichterbau von nur etwa einhundertfünfzig Metern Höhe gebaut worden. In dem Gebäu de darüber arbeiteten mehrere Behörden. Es war also nicht leicht, überhaupt an das Ge fängnis heranzukommen. Doch mit dieser Frage hatte Lebo Axton sich lange genug beschäftigt. Er wartete, bis es dunkel genug und der Dienstbetrieb in den Räumen weitgehend eingestellt war.
Dann flogen die mit Antigravgeräten verse henen Männer an den Trichterbau heran. Sie landeten in einer Parknische, die etwa vier zig Meter unter der Dachterrasse lag. Von hier aus flog Gentleman Kelly mit dem Ver wachsenen auf dem Rücken allein weiter zu einem Fenster zu einem abgedunkelten Raum. »Hält sich jemand darin auf?« fragte Ax ton leise. Er konnte durch die Scheiben hin durch alle Einzelheiten erkennen, wollte aber sichergehen, daß auch Kelly nichts Verdächtiges entdeckt hatte. »Niemand.« »Dann los.« Eine Roboterhand streckte sich vor, und das transparente Material der Plastikscheibe kreischte auf. Unerträglich laut, wie es schi en. Axton fluchte unterdrückt. »Kannst du nicht vorsichtig sein?« fragte er. »Völlig geräuschlos geht es nicht«, ant wortete Kelly. Er drückte ein quadratisches Stück Scheibe nach innen. Es fiel nicht her unter, sondern haftete an seinen Fingern. »Fertig«, rief Axton den Arkoniden mit gedämpfter Stimme zu. Er schwebte auf dem Rücken des Roboters durch die Öff nung und wartete, bis die anderen bei ihm waren. Sie legten das Arbeitsmaterial ab, das sie mitführten. »Jetzt können Sie eigentlich schon ver schwinden«, sagte Axton grob. »Wir bleiben noch«, antwortete einer von ihnen. »Wir reichen Ihnen das Material bis unten nach. Dann verschwinden wir.« »Na schön«, lenkte der Terraner ein. »Wie Sie wollen.« Tatsächlich war er froh darüber, daß er für den nächsten Wegabschnitt auch noch Un terstützung hatte. Attrak nahm Gentleman Kelly die Scheibe ab und lehnte sie gegen die Wand. »Einer von Ihnen bleibt ständig hier am Fenster und paßt auf«, ordnete er an. Sinclair Marout Kennon-Axton kniete be reits dicht neben der Tür am Boden. Seine Hände glitten tastend über die Wand.
Befreiungsaktion Tekayl Schließlich streckte er schweigend die Hand aus. Kelly überreichte ihm einen Stab. »Was ist das?« fragte Attrak. »Ein Desintegratormesser«, erklärte der Verwachsene. Er fuhr die Energiefeldklinge aus und schob sie in die Wand. Sie leuchtete grünlich auf. Vorsichtig und langsam führte er sie senkrecht nach unten, dann zur Seite, senkrecht nach oben und wieder zu seinem Ansatzpunkt zurück. Als er sie herauszog, leuchtete Attrak mit einer Taschenlampe. »Es ist nichts zu sehen«, sagte er ver blüfft. »Haben Sie wirklich einen Schnitt an gebracht?« »Das habe ich«, erwiderte Axton. »Er ist haarfein. Kelly, hebe die Platte heraus.« Der Roboter kniete sich neben ihm nieder, legte seine Hände gegen die Wand, und der Kosmokriminologe klebte ihm vier Haftbän der darüber. Er wartete einige Sekunden ab, bis er sicher war, daß die Bänder ausrei chend stark hafteten. Dann gab er dem Ro boter ein Zeichen. Kelly zog behutsam, und knirschend löste sich die Platte aus der Öff nung. Attrak pfiff anerkennend, als er sie auf dem Boden ablegte. »Man könnte fast meinen, Sie seien ein professioneller Einbrecher«, sagte er scherz haft zu Axton. Dieser beachtete ihn jedoch nicht, sondern trennte mit einem Lösemittel die Haftbänder von den Händen des Robo ters ab. Attrak leuchtete in die Öffnung hinein. Dahinter lag ein schräg nach unten führen der Schacht mit Kabeln und Versorgungs rohren. »Es ist wenig Platz darin«, sagte Axton, »aber für uns muß es reichen.« Er gab Kelly wiederum ein Handzeichen, und der Roboter kroch kopfüber in den Schacht. Axton folgte ihm. Allerdings stieg er mit den Beinen voran durch die Öffnung. Er stellte sich zwischen Kellys Beine auf den Ovalkörper. »Wir zuerst«, sagte er zu Attrak. »Sie warten, so wie es abgemacht ist, bis wir un ten sind. Dann gebe ich Ihnen ein Lichtzei chen, und Sie schicken das Material hinter
33 her.« »Ich habe es nicht vergessen.« »Bis gleich.« Axton schnippte mit den Fingern. Kelly reagierte prompt auf das Kommando. Er ließ sich nach unten sinken. Sanft schwebte er durch den Schacht, wobei er geschickt allen Hindernissen auswich. Oft blieben nur noch wenige Millimeter an den Seiten Platz, so daß Axton schon be fürchtete, er habe sich verrechnet. Aber alles war so, wie es anhand der Pläne sein sollte. Nur einmal machte ein verbogenes Rohr Schwierigkeiten. Es ragte zu weit in Kellys Weg, so daß dieser es, zurückbiegen mußte. Da es dabei zu brechen drohte, mußte er es mit seinem sorgfältig einjustierten Energie strahler erhitzen. Axton beobachtete ihn be sorgt, mußte schließlich aber zugeben, daß der Roboter diese Aufgabe perfekt bewältig te. Nach etwa einer halben Stunde erreichten sie ihr nächstes Ziel. Es unterschied sich durch nichts von anderen Bereichen des Schachtes, doch das war unwichtig. Kelly hatte die für den Einsatz wichtigen Daten in sich aufgenommen. Sein Positronenhirn konnte sich nicht irren. Axton wußte, daß sie exakt an der richtigen Stelle waren. Er gab Lichtzeichen nach oben. Wenig später schwebte das Ausrüstungsmaterial mit klei nen Antigravgeräten versehen herunter. Ax ton fing es ab. Die Behälter prallten gegen seine Brust und drängten ihn zurück. Hastig griff er nach den Schaltelementen der Antigravs und schaltete sie aus. Seine schwachen Arme waren dieser Arbeit kaum gewachsen. Ur sprünglich war dafür auch ein Arkonide vor gesehen gewesen. Jetzt kämpfte der Terraner keuchend gegen die in viel zu kurzen Ab ständen kommenden Boxen. Ihm brach der Schweiß aus. Seine Arme zitterten schon nach wenigen Sekunden, und er glaubte, un ter der Last zusammenbrechen zu müssen. Verbissen kämpfte er gegen das Material an, das ihn zu erdrücken drohte. Er wollte nicht, daß einer der Arkoniden seine Schwäche er kannte. Deshalb bot er alles auf, was sein
34 schwächlicher Körper hergeben konnte. Als der letzte Behälter angekommen war, sank Axton wie betäubt auf die Knie. Vor seinen Augen tanzten feurige Kreise. Zum erstenmal begann er, ernsthaft daran zu zweifeln, daß sie die Aktion erfolgreich durchführen konnten. Er wurde sich zu gleich dessen bewußt, in welch erbärmlicher Verfassung er körperlich war. Jetzt machte er sich Vorwürfe, daß er in den vergangenen Tagen zu hart und verbissen gearbeitet hatte. Er hatte seine Kräfte nicht richtig eingeteilt und sich darauf verlassen, daß Kelly ihm die schwersten Arbeiten abnehmen würde. »Sie sehen nicht gerade so aus, als hätten Sie sich gut erholt«, ertönte eine Stimme über ihm. Er zuckte zusammen und blickte nach oben. Attrak musterte ihn mit vereng ten Augen. Ihm war anzusehen, wie sehr ihn der Zustand des Verwachsenen erschreckte. Axton richtete sich auf. Er fuhr sich mit beiden Händen über das verschwitzte Ge sicht und atmete einige Male tief durch. Ob wohl er so schwach war, daß er kaum noch auf den Beinen stehen konnte, rang er sich ein Lächeln ab. »Ich pflege kleine Erholungspausen ein zulegen«, antwortete er so ruhig, als sei alles in Ordnung. Dabei war ihm die Luft so knapp geworden, daß er meinte zu ersticken. »In diesen Pausen schalte ich total ab. Das hilft mir am besten. Und jetzt machen wir weiter.« Wiederum setzte er das Desintegratormes ser an. Dabei konzentrierte er sich derart, daß seine Hand nicht zitterte. Er war sich dessen bewußt, daß Attrak nur auf ein weite res Zeichen der Schwäche wartete, um die ses als Anlaß dafür zu nehmen, die Aktion abzubrechen. Es dauerte nur Sekunden, bis er den quadratischen Schnitt zu Ende geführt hatte. Dieses Mal befestigte er die Haftbänder direkt am Betonplastikblock, wartete einige Sekunden und zog vorsichtig daran. Das Ausschnittstück gab überraschend leicht nach. Axton konnte es herausheben. Er setz te es zur Seite hin ab, drehte sich um und
H. G. Francis blickte direkt in die Linsen eines riesigen Hinrichtungsroboters. Unwillkürlich schrie er auf und fuhr zu rück. Er fiel in die Arme Attraks. »Was ist los?« fragte dieser bestürzt. Axton blickte wie gebannt auf den Robo ter, bis ihm klar wurde, daß dieser nicht akti viert sein konnte. »Sehen Sie selbst«, sagte er und wich et was zur Seite. Obwohl der Arkonide auf etwas Unerwar tetes vorbereitet sein mußte, erschrak er. Ax ton griff beruhigend nach seinem Arm und kletterte durch die Öffnung. Er ging auf den Roboter zu, nachdem er sich davon über zeugt hatte, daß ihm Gentleman Kelly folg te. Der Hinrichtungsroboter war pech schwarz. Er besaß vier Armpaare und zwei kräftige Beine. Die unteren Arme dienten dazu, die Beine seines Opfers festzuhalten, das nächste Paar sollte offensichtlich die Hüften packen, und das darüber die Arme. Das oberste Armpaar diente der eigentlichen Hinrichtung. Die Metallhände waren so ge formt, daß sie einen menschlichen Hals um schließen konnten. Sie besaßen keine Dau men, so daß der Kehlkopf des Opfers nicht verletzt werden konnte. Die grausame Auf gabe des Roboters war es, den Tod durch Ersticken herbeizuführen. Axton erschauderte. Der tiefverwurzelte Roboterhaß drohte in ihm aufzubrechen. Keine Maschine fand er abscheulicher und verdammenswerter als diese. Nur mühsam beherrschte er sich. Am liebsten hätte er zur Waffe gegriffen und den Tötungsautomaten zerstrahlt. »Wollen Sie mir die Behälter nicht abneh men?« fragte der Arkonide. »Los, Kelly«, befahl der Terraner barsch. »Beeile dich.« Er ging um den Hinrichtungsroboter her um, der ihn um anderthalb Meter überragte. Der Automat erschien ihm wie die Ausge burt der Hölle. Er blickte zu ihm auf und suchte nach einer Möglichkeit, ihn vollstän dig unschädlich zu machen, ohne ihn äußer
Befreiungsaktion Tekayl lich zu verändern. Doch vergeblich. Axton wurde sich dessen bewußt, daß kein Delin quent die Chance haben durfte, den Roboter durch einen zufälligen Griff zu desaktivie ren. Maschinen dieser Art konnten nur über Funk ein- oder ausgeschaltet werden. Es gefiel ihm nicht, daß er nichts tun konnte, aber er sagte sich, daß die Tötungs maschine frühestens am nächsten Tag zu neuem Leben erwachen würde. Von ihr war keine Behinderung zu erwarten. Er ent schied, sie nicht zu zerstören. »Warum lassen Sie das Ding heil?« fragte Attrak, als Axton sich von dem Roboter ab wandte. »Ich möchte Havvaneyn aus diesem Ge fängnis holen, ohne die geringste Spur zu hinterlassen«, erklärte Axton. »Das habe ich Ihnen schon gesagt. Nichts darf auf eine Be freiungsaktion hinweisen. Die Verantwortli chen sollen an Spuk glauben oder daran, daß sich ihr Gefangener in Luft aufgelöst hat.« »Sie haben recht«, erwiderte der Arkoni de. Er ging auf eine bläulich-violett schim mernde Energiemulde zu. »Vorsicht«, rief Axton. »Nicht zu nahe. Erst müssen wir die Kamera ausschalten.« Attrak blieb stehen, während Kelly die Behälter mit dem Ausrüstungsmaterial dicht an ihn herantrug. »Das Modell war wirklich perfekt«, stellte der Arkonide fest. »Dieser Schacht scheint sich durch nichts von ihm zu unterschei den.« Axton blickte kaum hin. Er öffnete die Behälter und holte ein flaches, kastenförmi ges Gerät daraus hervor. »Hoffen wir, daß die Individualtaster sich wirklich abschalten lassen, ohne einen Alarm auszulösen«, sagte er. »Das wird alles entscheiden.« »Wir haben genau nach Ihren Anweisun gen gearbeitet«, entgegnete Attrak. Seine Stimme bebte vor Erregung. »Es klappt. Verlassen Sie sich darauf.« Lebo Axton entsicherte die Schaltungen des Funkgeräts, das auf eine extrem hohe
35 Frequenz eingestellt war. Dann drückte er eine Taste herunter. Alles blieb ruhig. »Verdammt«, flüsterte Attrak. »Wenn man doch wenigstens ein Klicken oder sonst was hören würde.« »Und jetzt die Kamera«, sagte der Terra ner. Er hatte sich inzwischen gut erholt. Sein Atem ging wieder normal. Wieder drückte er eine Taste, und wiederum blieb alles still. »Kelly«, befahl er. Der Roboter löste sich vom Boden und schwebte langsam über die Öffnung des Schachtes. Wenn die Kamera noch gearbei tet hätte, dann wäre er nun erfaßt worden, und die auf dem Band aufgezeichneten Im pulse hätten einen Alarm ausgelöst. Doch wiederum blieb alles still. »Wir können uns schon mal gratulieren«, sagte Attrak aufatmend. »Bringen Sie die Gegenfeldpole an, Kir ko. Schnell, wir wollen keine Zeit mit ge genseitigen Gratulationen verlieren.« »Schon gut«, antwortete der Arkonide. »Ich mach's ja schon.« Er öffnete drei weitere Behälter und nahm kompliziert aussehende Apparaturen aus ih nen hervor. Er stellte sie so um den Schacht herum auf, daß sie ein gleichschenkliges Dreieck bildeten. »Einschalten«, befahl Axton, als er, At trak und Kelly bei je einem Gerät knieten. Er legte einen Hebel um, und ein starkes Energiefeld baute sich in der Mitte der Schachtöffnung auf. Es riß den primitiven Energieschirm auseinander, so daß eine Strukturlücke darin entstand. »Antigravabschirmung«, sagte der Kos mokriminalist. Er betätigte einen Hebel an seinem mit Apparaturen versehenen Gürtel, und ein kaum sichtbares Energiefeld hüllte ihn ein. So geschützt, konnte er sich den Sensoren im Schacht nähern, ohne daß diese auf das Antigravgerät reagierten, mit dem er ausgerüstet war. Axton befestigte nun die noch nicht geöff neten Behälter an Brust und Beinen Kellys, kletterte danach auf seinen Rücken und gab das entscheidende Zeichen. Gentleman Kel
36 ly hob ab, schwebte über den Schacht und senkte sich mit den Füßen zuerst durch die Strukturlücke hinab. Attrak folgte, als beide im Schacht verschwunden waren. Dicht über einem Gitter aus Arkonstahl warteten Kelly und Axton auf den Arkoni den. »Jetzt sind Sie an der Reihe«, sagte Ax ton. Die Stahlstäbe des Gitters waren mit ei nem stromführenden Draht versehen. Wür den sie durchtrennt, dann heulten die Alarm sirenen auf. Sollte unter normalen Umstän den jemand passieren, dann konnte das Git ter zur Seite in die Schachtwand eingefahren werden. Jetzt aber war es an tief in der Wand eingelassene Kontakte gekuppelt. Diese waren unerreichbar für Attrak. Der Arkonide schwebte in waagerechter Haltung über dem Gitter. Vorsichtig legte er zwei Klammern an zwei Gitterstäbe und den an der Wand liegenden Rahmen. Dann streckte er wortlos die Hand aus. Lebo Ax ton legte das Desintegratormesser hinein. Er beobachtete Attrak. Die Hand des Ar koniden war völlig ruhig, als sie die Ener gieklinge in den Arkonstahl senkte. Die Ma terie löste sich auf. Feiner, grauer Staub rie selte aus einem haardünnen Spalt. Gentle man Kelly hielt die Düse eines winzigen Staubsaugers darunter und fing den Staub ab, damit dieser nicht in die vier Meter tiefer liegende Neutrinoschranke fiel und dort Alarm auslöste. Attrak konnte auch den zweiten Stab durchtrennen, ohne daß etwas geschah. »Das hätten wir«, sagte er erleichtert und gab das Messer zurück. Er schob sich dichter an das Gitter heran und hob die beiden Stäbe, die er abgeschnit ten hatte, vorsichtig hoch. Sie ließen sich erst herauslösen, nachdem er das Desinte gratormesser noch einmal durch die Schnitt stellen geführt hatte. Die Klammer sorgte dafür, daß der Energiestrom nicht unterbro chen wurde. Attrak regulierte nun seinen Antigrav neu ein, so daß sich sein Kopf absenkte, und die
H. G. Francis Füße sich hoben. Millimeter für Millimeter schob er sich durch die Öffnung im Gitter nach unten. Axton und Kelly achteten dar auf, daß er das Gitter nicht berührte und da durch erschütterte. Attrak kam durch, so wie er es beim Training an dieser Stelle auch ge schafft hatte. Er schwenkte herum, so daß er nunmehr mit den Füßen nach unten im Schacht hing. »Aufpassen jetzt«, sagte Axton mahnend. »An dieser Stelle haben wir Alarm ausge löst.« »Glauben Sie, ich hätte das vergessen?« fragte der Arkonide gereizt. Er litt unter der Nervenanspannung. Axton lächelte. Ihm war es nur recht, wenn er die Spannung durch solche Ausbrüche abbaute. »Nur zur Erinnerung und damit wir aus Versehen nichts falsch machen«, fuhr er ge lassen fort. »Hinter dem grünen Quadrat an der Wand befindet sich eine Notschaltung, mit der das Gitter entsperrt werden kann.« »Ich weiß«, entgegnete Attrak gequält. »Das ist um so besser, Kirko«, sagte der Kosmopsychologe so ruhig, als bestehe nicht die geringste Gefahr. »Normalerweise wird der Deckel von einem Roboter abge schraubt, weil dieser ihn mit absolut gleich mäßigen Bewegungen und genau in der vor geschriebenen Zeit abnehmen kann. Leider können wir keine so große Öffnung schaf fen, damit Gentleman Kelly diese Aufgabe übernimmt. Also müssen Sie es tun.« »Meine Güte, das ist mir klar. Seien Sie doch endlich still«, rief Attrak mit gepreßter Stimme. »Konzentrieren Sie sich«, befahl der Ter raner ungerührt. »Der Roboter gibt Ihnen einen genauen Zeittakt an, nach dem Sie sich unbedingt richten müssen.« »Er soll anfangen«, verlangte Attrak hef tig. »Sie haben zweimal an dieser Stelle ver sagt«, erklärte Axton unbarmherzig. »Ein drittes Mal können wir uns nicht leisten. Machen Sie sich klar, worum es geht, und fangen Sie erst an, wenn Sie so kalt sind wie ein Eisblock.«
Befreiungsaktion Tekayl »Das bin ich!« »Finger weg. Konzentrieren Sie sich.« Jetzt klang die Stimme des Verwachsenen so scharf und befehlend, daß Attrak zusammen zuckte. Er blickte Axton an, preßte die Lip pen zusammen und beugte sich seinem Wil len. Er senkte den Kopf. Fast eine Minute ver strich. Attrak blickte wiederum zu Axton hoch, und jetzt war seine Miene entspannt. »Es kann losgehen, Lebo.« »Kelly. Den Takt.« Gentleman Kelly gab ein gleichmäßiges Ticken von sich. Attrak streckte die Hand nach dem markierten Deckel aus. Seine Fin ger legten sich fest an das Material. Er nick te, atmete noch einmal tief durch und be gann. Axton ließ seine Hand nicht aus den Au gen. Dies war für ihn die schwierigste Stelle im Schacht überhaupt, weil hier nichts mit einem Trick oder mit Technik zu machen war. Alles hing nur davon ab, wie gut der Arkonide sich in der Gewalt hatte, und wie präzise er arbeitete. Viel besser wäre es gewesen, wenn Kelly diese Aufgabe übernommen hätte, aber es hätte Stunden gedauert, bis sie eine ausrei chend große Lücke für ihn geschaffen hät ten. Die Zeit mußte man sparen, wenn man Myro Havvaneyn befreien wollte. Endlos lang strichen die Sekunden dahin. Immer wieder glaubte der Kosmokrimina list, Unregelmäßigkeiten zu bemerken, aber die Alarmsirenen schwiegen. Sie blieben auch noch still, als Attrak schließlich den Deckel aus der Wand hob, und die Schalt elemente offen vor ihm lagen. Axton konnte sie kaum noch sehen, weil sie so tief unter dem Gitter angebracht worden waren. »Ist es so, wie ich es Ihnen geschildert ha be?« fragte er atemlos. Der Arkonide wandte ihm das Gesicht zu. Erst jetzt bemerkte Axton, daß sein Gesicht von Schweiß und Tränen überströmt war. »Kommen Sie hoch zu mir«, befahl er. »Langsam und vorsichtig. Achten Sie dar auf, daß kein Tropfen in die Tiefe fällt.
37 Dann wäre alles aus.« Er wußte, daß die Tränen normalerweise von dem Antigravfeld am Körper des Arko niden gehalten wurden. Eine unbedachte Be wegung aber konnte alles verderben. Attrak schwebte zu ihm hoch, und Axton tupfte ihm das Gesicht mit einem Tuch ab. »Sie scheinen eine ziemlich verheulte Ty pe zu sein«, sagte er grinsend. »Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß ich Ihnen noch einmal die Tränen abwischen muß.« »Sie machen das aber ganz niedlich«, gab der Arkonide gereizt zurück. »Sie würden sich als Kindermädchen eignen.« »Dazu bin ich viel zu häßlich«, antwortete Axton. »Die Kinder würden vor mir weglau fen.« Attrak blickte den Verwachsenen an. »Sie könnten ruhig einmal sagen, daß ich meine Sache gut gemacht habe.« »Das tue ich später vielleicht, wenn wir es geschafft haben. Mann, und halten Sie keine Volksreden.« Kirko Attrak verzog das Gesicht und ließ sich wieder nach unten sinken. Geschickt blockierte er die Schaltung, und Sekunden darauf glitt das Gitter zur Seite, ohne daß ein Alarm ausgelöst wurde. Axton und Kelly ließen sich wortlos absinken. »Und jetzt die Spiegel«, sagte der Kosmo kriminalist. »Verdammt, Kirko, nehmen Sie die Füße hoch, sonst unterbrechen Sie die Lichtstrahlen.« Der Arkonide zuckte zusammen. »Entschuldigen Sie«, sagte er betreten. »Ich habe für einen kurzen Moment nicht aufgepaßt.« »Dann tun Sie es jetzt«, forderte Axton zornig. Er wußte genau, was er tat. Attrak brauchte jetzt eine harte Hand, wenn ihn das Erfolgsgefühl nicht zu Nachlässigkeiten ver leiten sollte. Axton und Kelly übernahmen die Haupt arbeit bei der nächsten Phase des Abstiegs. Sie war relativ leicht. Es galt, Lichtschran ken zu überwinden. Das Prinzip dieser Si cherungen war ebenso einfach wie wirksam. Das Licht bildete eine Brücke von Quelle zu
38 Sensoren. Sobald diese unterbrochen wurde, löste ein Impuls den Alarm aus. Licht ließ sich jedoch umleiten. Gewöhnliche Spiegel konnten eine solche Anlage überlisten. Die se setzten Kelly und Axton ein, und schon nach Minuten hatten sie ein vorher schier undurchdringlich erscheinendes Gewirr von Lichtstrahlen überwunden. Sie glitten auf die beiden letzten Hürden zu. Die erste be stand aus der Neutrinostrahlenschranke. Da Axton nun über die entsprechenden Geräte verfügte, war sie fast ebenso leicht zu über winden wie die Lichtschranken. Es kam nur darauf an, die Neutrinobahnen mit Hilfe der Energiefeldprojektoren so umzulenken, daß eine ausreichend große Lücke für Axton, Kelly und den Arkoniden entstand. Danach trennte sie nur noch eine transpa rente Plastikfolie vom Boden des Schachtes. Da Lebo Axton jedoch die Bau- und Ausrü stungspläne des Tekayl-Gefängnisses bis in die letzten Details hinein kannte, wußte er, wie die Folie behandelt werden mußte. Sie verfügte über eingeschweißte KunststoffStromleiter, die normalerweise unsichtbar waren. Axton wußte jedoch, aus welchem Material die Stromleiter bestanden. Er strich eine farblose Flüssigkeit auf die Folie und bestrahlte diese mit einer Ultraviolettlampe, als er meinte, einen genügend großen Be reich angefeuchtet zu haben. Die stromführenden Kunststoffstränge leuchteten blau auf. Während der Terraner die Lampe hielt, trennte Attrak die Folie auf, wobei er es sorgfältig vermied, in die Nähe der blauen Stränge zu kommen. Vorsichtig bog er die Folie danach auseinander, bis eine ausrei chend große Öffnung entstand. Axton ließ sich als erster hindurchsinken. Gentleman Kelly folgte, und schließlich glitt der Arko nide selbst auch durch den Spalt. Axton landete neben der Kamera. Er tipp te sie kurz mit den Fingerspitzen an, als wollte er sich bei ihr bedanken, daß sie kei nen Alarm ausgelöst hatte. Mahnend legte er den Zeigefinger vor die Lippen. Als Attrak neben ihm aufsetzte, konnte er
H. G. Francis in einen seitlich abzweigenden Gang sehen. Aus einem mit einem Fenster versehenen Türschott fiel Licht auf den Gang. »Der Wächter scheint nicht zu schlafen«, wisperte Axton. »Wir benutzen besser wei terhin die Antigravgeräte, um alle Geräusche zu vermeiden.« Der Arkonide nickte. Lautlos glitt Axton voran. Er verhielt am beleuchteten Fenster und blickte hinein. Lächelnd drehte er sich zu Attrak um und gab ihm das Zeichen, daß alles in Ordnung war. Als der Arkonide das Fenster erreichte, sah er, daß der Wächter auf einem Ruhebett lag und schlief. Inzwischen hatte Lebo Axton eine etwa dreißig Meter von der Wachstube entfernte Stahltür erreicht. Durch ein Beobachtungs loch konnte er in eine Zelle sehen. Myro Havvaneyn saß auf einer Liege. Er stützte das Kinn auf die Hände und blickte ins Lee re. Axton gab Kelly einen befehlenden Wink. Der Roboter schwebte heran und führte einige Metallfäden ins Schloß der Tür ein. Damit untersuchte er es etwa eine Minu te lang. Danach setzte er einen Ma gnetschlüssel an, und das Türschott glitt zur Seite. Myro Havvaneyn sprang entsetzt auf. Er blickte auf den Roboter. »Ist es soweit?« fragte er verstört. Axton drängte sich an Gentleman Kelly vorbei. »Keine Sorge, Havvaneyn«, sagte er ha stig. »Dieses Ungeheuer von einem Roboter sieht zwar unglaublich häßlich und monströs aus, kann aber niemandem etwas tun.« Attrak und Gentleman Kelly drängten in die Zelle. Das Türschott schloß sich hinter ihnen. »Wir sind gekommen, um Sie zu befreien, Havvaneyn«, beteuerte der Kosmokrimina list. »Was soll diese Quälerei?« fragte der Ge fangene zornig. »Genügt es euch nicht, daß ihr mich umbringen wollt? Müßt ihr mich auch noch foltern? Verschwindet.« »Beruhigen Sie sich, Havvaneyn«, sagte Attrak. »Wir sind wirklich gekommen, um
Befreiungsaktion Tekayl Sie hier herauszuholen. Sie können sich nicht vorstellen, welche Schwierigkeiten wir hatten.« Der Gefangene trat zurück, bis er sich mit dem Rücken an eine Wand lehnen konnte. Voller Argwohn musterte er seine Besucher. Dann schüttelte er den Kopf, drehte sich um und strich sich das Haar aus dem Nacken. »Bitte«, sagte er. »Bedienen Sie sich.« »Havvaneyn, was soll das?« fragte Axton. »Seien Sie vernünftig. Wir müssen so schnell wie möglich wieder heraus. Der Wächter kann jeden Moment aufwachen. Oben am Schachteingang kann jemand er scheinen und einen Alarm auslösen. Wir sind nicht gekommen, um Sie zu töten. Wirklich nicht.« Havvaneyn drehte sich langsam um. Seine Augen schienen von innen heraus zu glühen. »Für wen halten Sie mich?« fragte er ver ächtlich. »Ich weiß genau, daß niemand in dieses Gefängnis einbrechen kann. Und ich weiß, daß hier niemand herauskommt, den man nicht herauslassen will. Sie können kei nen Narren aus mir machen.« »Ich komme im Namen des Kristallprin zen Atlan«, erklärte Axton. »Für ihn will ich Sie befreien. Sie sollen zu ihm gehen und ihm eine Nachricht über bringen.« Havvaneyn blickte ihn an. »Ein halbwegs normal aussehender Arko nide, ein Roboter, der direkt vom Schrott haufen gekommen zu sein scheint, und ein Krüppel«, sagte er. »Welch ein Anblick! Wird das alles gefilmt? Soll die Öffentlich keit erfahren, wie ein zum Tode Verurteilter sich benimmt? Will Orbanaschol sich daran ergötzen, daß in mir Hoffnung aufkommt? Verschwinden Sie, oder ich werde rabiat.« »Sie verdammter Idiot«, entgegnete Ax ton. »Sie sind ein erbärmlicher Feigling.« »Das hat noch niemand zu mir gesagt.« Havvaneyn trat rasch auf Axton zu und packte ihn an der Bluse. Zornig zog er ihn zu sich herab. »Sie sind ein Feigling, weil Sie es nicht wagen, uns zu glauben«, sagte der Verwach
39 sene. »Warum begleiten Sie uns nicht we nigstens bis zum Schacht? Dort können Sie sehen, daß wir uns zu Ihnen durchgearbeitet haben.« Havvaneyn ließ ihn los. Er war nachdenk lich geworden. »Lebo Axton hat recht«, bemerkte Attrak. »Sie sind nicht der mutige Mann, für den wir Sie alle gehalten haben. Mir scheint, Sie sind nur ein Großmaul, weiter nichts.« Der Gefangene wurde bleich. Seine Wan genmuskeln zuckten. »Gehen wir«, sagte er. »Kelly, gib ihm das Antigravgerät«, be fahl Axton. »Wir müssen jedes Geräusch vermeiden.« Widerstrebend ließ sich Havvaneyn die Apparatur von dem Roboter anlegen. Er schien zu fürchten, daß Kelly jeden Moment nach seinem Hals greifen würde. Axton schnürte es die Kehle zu, als er es sah. Er konnte sich vorstellen, wie es im Innern die ses Mannes aussah. Havvaneyn war psychi schen Foltern unterworfen gewesen, daran konnte es keine Zweifel mehr geben. Gentleman Kelly öffnete das Schott und schwebte auf den Gang hinaus. »Leise, bitte«, wisperte Axton. »Absolut leise.« Die Gestalt Havvaneyns spannte sich, und seine Augen wurden eng. Langsam glitt er hinter dem Verwachsenen her. Axton ergriff seinen Arm und führte ihn an der Wachstube vorbei bis zur Kamera. »Sehen Sie«, sagte er. »Es war eine ver dammt mühsame Arbeit, die Sicherheitsbar rieren zu überwinden. Glauben Sie, das hät ten wir alles nur getan, um Sie zu quälen?« Myro Havvaneyn blickte sichtlich beein druckt nach oben. Er schien nicht fassen zu können, was er sah. »Ich fordere von Ihnen eine eiserne Diszi plin«, fuhr Axton fort. »Nur dann kommen wir heil nach oben. Ein winziger Fehler schon kann einen Alarm auslösen, und dann ist es für uns alle aus.« »Wer sind Sie?« fragte Havvaneyn. »Ich sagte es doch schon: Ein Freund des
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H. G. Francis
Kristallprinzen Atlan und ein Feind Orbana schols. Genügt das?« »Das genügt«, antwortete der Arkonide. In seinen Augen flammte neue Hoffnung auf.
7. »Vorsicht«, mahnte Lebo Axton. »Sie dürfen die Folie nicht einreißen, sonst ist es aus.« Myro Havvaneyn verzog das Gesicht. »Glauben Sie, ich bin absichtlich dagegen gekommen?« fragte er. »Natürlich bin ich das nicht, aber ich bin nun mal ein bißchen breiter in den Schultern als Sie.« »Schon gut. Kommen Sie.« Axton schwebte über dem ehemaligen Of fizier. Er half ihm, durch die Öffnung in der Folie zu kommen. Als letzter stieg Gentle man Kelly auf. »Warum machen Sie das?« fragte Havva neyn, als Attrak damit begann, den Riß in der Folie zu schließen und zu verschweißen. »Wir wollen so wenig Spuren wie mög lich hinterlassen, am besten überhaupt kei ne«, erklärte Axton. »Warum? Wenn die Wachen morgen fest stellen, daß ich nicht mehr da bin, wissen sie ohnehin, daß ich geflohen bin.« »Das ist richtig, aber ich will ihnen keine Hinweise darauf hinterlassen, wie Sie es an gestellt haben.« Der Makler schliff die Schweißnaht an der Folie mit einem Spezialinstrument ab, bis nicht mehr zu erkennen war, daß die Fo lie beschädigt worden war. Währenddessen führte Lebo Axton den ehemaligen Offizier vorsichtig durch die Lücken im Neutrinound Lichtschrankensystem. Myro Havva neyn schwitzte. Je höher sie stiegen, desto mehr wuchs seine Erregung. Myro Havvaneyn geriet in eine fast eu phorische Stimmung, als sie das Gitter er reichten. Voller Ungeduld verfolgte er, wie der Makler die Schaltungen und das Gitter wieder in den ursprünglichen Zustand brach ten, so daß auch hier keine Spuren verblie-
ben. Nun blieb nur noch der Energieschirm als letzte Schranke. Deutlich war die Struk turlücke darin zu erkennen. Gentleman Kel ly glitt als erster nach oben. Ihm folgte Lebo Axton. Dann kam Myro Havvaneyn, dessen Augen vor Freude und Erregung tränten. Den Abschluß bildete Kirko Attrak. »Ich hätte so etwas nie für möglich gehal ten«, sagte der ehemalige Offizier strahlend, als sich die Strukturlücke im Energieschirm schloß. »Ich hatte tatsächlich schon mit dem Leben abgeschlossen.« Er drehte sich um und blickte noch einmal auf den Energieschirm. In diesem Moment sah er den Hinrichtungsroboter, den er bis dahin nicht bemerkt hatte. Er fuhr zurück. Jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht. Seine Augen weiteten sich, er öffnete den Mund. Bevor er jedoch sein ganzes Entset zen hinausschreien konnte, hing ihm der Verwachsene bereits auf den Schultern und preßte ihm beide Hände vor die Lippen. My ro Havvaneyn schüttelte ihn mit wütender Gebärde ab. Doch schon stürzte sich der Makler auf den ehemaligen Offizier. Er klammerte sich an Havvaneyn. »Nicht«, sagte er keuchend. »Ruhig, ver dammt. Das Ding ist nicht aktiviert.« Der Befreite schleuderte auch ihn zur Sei te. Wild blickte er um sich, bereit, um sein Leben zu kämpfen. »Sie Wahnsinniger«, rief Axton. »Begreifen Sie doch endlich.« »Ihr Teufel«, sagte Havvaneyn. »Ihr ab scheulichen Bestien.« »Kelly«, rief Axton befehlend. Gentleman Kelly schwebte zu dem Hin richtungsroboter hinüber. Er packte den Kopf der Maschine und riß ihn mit aller Ge walt herum. Mit einem häßlichen Knirschen brach das Halsstück ab. Myro Havvaneyn sank auf die Knie. Sei ne Schultern zuckten. Er preßte sich die Hände vor das Gesicht. »Verzeihen Sie mir, bitte«, sagte er mit erstickter Stimme. »Es tut mir leid.« »Reißen Sie sich zusammen«, befahl Ax
Befreiungsaktion Tekayl ton scharf. »Wir sind noch lange nicht aus diesem Gefängnis heraus. Stehen Sie auf.« Der Offizier erhob sich. Er fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Seine Wangen strafften sich. »Sie werden mich nicht wieder so schwach sehen«, versprach er. »Das will ich hoffen«, erwiderte Axton. »Zurück jetzt vom Schacht. Ich schalte die Kamera wieder ein.« Gentleman Kelly befestigte den abgebro chenen Kopf wieder am Rumpf des Hinrich tungsroboters. Attrak packte das Ausrüstungsmaterial wieder in die Behälter und heftete sie an den Körper Kellys. Axton wartete am Einstieg. Als Attrak fertig war, gab er ihm mit einem Wink zu verstehen, daß er als erster aufstei gen sollte. Dann schickte er den Befreiten hinterher. Gentleman Kelly folgte. Der Ver wachsene bildete den Abschluß. Er prüfte, ob Spuren am Schacht zurückgeblieben wa ren, konnte aber nichts entdecken. Er zog sich in den Versorgungsschacht zurück, schob die Platte in die Öffnung und bestrich die Schnittstellen mit einer Paste. Diese erhitzte sich und schloß die Fugen. Die überstehenden Reste schliff Axton weg. Er wußte, daß auf der anderen Seite nichts hervorquellen würde. Er packte die restli chen Sachen ein und hängte sich an die Beine Kellys. »Los, du metallische Mißgeburt«, befahl er. »Steig auf.« Langsam schwebte der Roboter mit seiner Last nach oben. Axton war mit sich zufrie den. Die Wachmannschaften würden nur noch feststellen können, daß der Gefangene weg und der Hinrichtungsroboter beschädigt war. Mehr nicht. Der Individualtaster in der Kamera würde noch einige Tage funktionie ren und dann zerbröckeln. Nun hatte der Terraner nur noch eine Sor ge. Er fragte sich, wie es oben am Einstieg aussah. Für einige Sekunden kämpfte er mit der Befürchtung, dort oben könnten bewaff nete Wachmannschaften bereitstehen. Doch als er aus der Öffnung stieg, sah er, daß alles
41 in Ordnung war. »Es hat geklappt«, stellte Attrak fassungs los fest. Er schüttelte den Kopf. »Es hat wirklich geklappt. Sie sind frei.« Er legte Havvaneyn die Hand auf die Schulter. »Man kann Ihnen nur gratulieren.« »Das wäre zu früh«, bemerkte Axton. »Wir müssen dieses Gebäude noch ungese hen verlassen und unseren Freund bis zum vorbereiteten Versteck bringen. Erst wenn er dort ist, können wir zufrieden sein. Aber auch dann haben wir unser Ziel noch nicht erreicht. Havvaneyn muß Arkon schließlich verlassen. Wenn er Atlan gefunden und mit ihm gesprochen hat, dann erst bin ich wirk lich zufrieden.« Gentleman Kelly schob die ausgeschnittene Platte in die Wand und versiegelte die Fugen. Er arbeitete so sorgfältig, daß mit dem bloßen Auge keine Spuren mehr zu er kennen waren. Ebenso verfuhr er mit der Scheibe des Fensters, als sie hindurchgeglit ten waren. Er prüfte sein Werk und stellte fest, daß eine homogene Fläche zurückblieb. Wer von drinnen nach draußen blickte, konnte keine Verzerrungen im Material aus machen. Axton schwang sich auf die Schultern des Roboters und streckte dem ehemaligen Offi zier die Hand hin. Es war noch immer dun kel. Niemand befand sich in der Nähe. »Wir verschwinden«, befahl Axton. »Kirko, führen Sie uns zum Versteck.«
* Am nächsten Morgen nahm Lebo Axton in einem Winkel des großen Konferenz raums des Imperators in einem Sessel Platz. Er war einer der letzten, der erschien. Die Minister, Berater, Sekretäre, Ressortleiter, Sonderbeauftragten und Beobachter Orbana schols III. hatten sich auf die Plätze gesetzt, die dichter am Konferenztisch des Impera tors standen. Orbanaschol III. war unpünktlich wie im mer. Er sah übernächtig und aufge
42 schwemmt aus, und er schien in den letzten Tagen zugenommen zu haben. Seine Augen waren klein und lagen tief in den Höhlen. An einer Seite ging Kethor Frantomor, der neue Geheimdienstchef, und auch ihm war anzusehen, daß er eine turbulente Nacht hin ter sich hatte. Orbanaschol setzte sich, nahm einige Ak ten und schlug sie auf. Er las darin, blickte aber ständig auf und musterte mal diesen, mal jenen seiner Mitarbeiter mit durchboh renden Blicken. Der Imperator war kein auf fallend intelligenter Mann, aber er verfügte über eine animalisch-instinkthafte Schläue. Er forderte die Minister mit keifender Stimme auf, mit ihren Berichten zu begin nen. Die Männer sprachen nur wenige Sätze und erwähnten nur das, was wirklich wichtig war. Aber das schien manchmal schon zu viel zu sein. Der Imperator wurde noch viel schneller ungeduldig als sonst. Lebo Axton verfolgte alle Berichte mit großer Aufmerksamkeit. Er war ständig auf der Suche nach lohnenden Angriffszielen, denn er war entschlossen, jede Chance zu nutzen, den Imperator zu schwächen und At lan, seinen Widersacher, zu stärken. Plötzlich unterbrach Orbanaschol den Be richt eines dreifachen Sonnenträgers. »Axton«, schrie er mit schriller Stimme. »Imperator?« Der Verwachsene richtete sich auf, konnte aber kaum über den Tisch hinweg sehen, zumal auf diesem noch Ak tenberge lagen. Um seine Position zu ver bessern, kletterte er auf die Sitzfläche des Sessels und stellte sich darauf. »Sie hatten sich um die Reisepläne eines Mannes von Arkon II zu kümmern«, sagte Orbanaschol und blickte Axton tückisch an. »Was haben Sie zu berichten?« »Die Reisepläne dieses Mannes haben sich völlig zerschlagen«, antwortete Axton. »Es ist ihm unmöglich, Arkon zu verlassen.« Orbanaschol lehnte sich zurück. Seine Lippen entspannten sich. Er wandte sich wieder dem Sonnenträger zu. Damit konnte Axton sich wieder setzen. Seine Anwesen heit an dieser Konferenz wäre eigentlich
H. G. Francis nicht mehr notwendig gewesen. Aber er durfte sich nicht entfernen, bevor der Impe rator ihn entließ. Der Sonnenträger setzte sich, und ein ranghoher Polizeibeamter erhob sich. »Heute nacht ist der zum Tode verurteilte Myro Havvaneyn aus dem Tekayl-Ge fängnis ausgebrochen«, teilte er mit leiser Stimme mit. Es wurde schlagartig still im Raum. Orba naschol beugte sich nach vorn. Sein Gesicht verfärbte sich. »Havvaneyn?« fragte er zischend. »Havvaneyn«, bestätigte der Beamte. Das Gesicht des Imperators verzerrte sich. »Gebt mir eine Waffe«, schrie er. »Eine Waffe. Schnell. Ich will diesen Versager er schießen. Frantomor, wo bleibt die Waffe?« Der Geheimdienstchef, der einige Sessel neben dem Imperator saß, legte seinen Ener giestrahler auf die Tischplatte und ließ sie mit einem kräftigen Schwung bis vor Orba naschol rutschen. Der Imperator nahm sie auf und richtete sie auf den Beamten. »Du elender, unfähiger Narr«, sagte er mit halberstickter Stimme. »Wie war das mög lich?« »Das ist völlig rätselhaft. Das TekaylGefängnis ist so gut abgesichert wie sonst nichts im Imperium. Es gibt keinerlei Spu ren, die uns anzeigen, wo Havvaneyn geblie ben sein könnte, oder welchen Weg er ge nommen hat. Es ist, als habe er sich in Luft aufgelöst. Alles, was wir feststellen konnten, ist, daß der Hinrichtungsroboter zerstört ist.« »Zerstört? Wodurch?« Orbanaschol zielte noch immer auf den Beamten, der trotz die ser Bedrohung ruhig blieb. »Mechanische Gewalt.« »Mechanische Gewalt? Unmöglich. Es sei denn, daß es durch einen anderen Roboter geschehen ist.« »Dafür gibt es keinerlei Hinweise, Impe rator. Wir stehen vor einem Rätsel.« Orbanaschol begriff, daß nichts damit er reicht war, wenn er den Beamten tötete. Er ließ die Waffe sinken und legte sie zur Seite. Minutenlang überlegte er, ohne daß sich ein
Befreiungsaktion Tekayl Muskel in seinem Gesicht bewegte. Nie mand sprach. Es herrschte eine geradezu ge spenstische Stille. »Kann Atlan, dieser elende Verräter, et was damit zu tun haben?« fragte der Impera tor endlich. »Ausgeschlossen«, antwortete der Poli zist. »Dieses Individuum ist nicht auf Arkon. Atlan hat keine Helfer hier. Er kann nichts damit zu tun haben.« »Wer will das wissen?« fragte Orbana schol. »Atlan ist ein Teufel. Er ist heim tückisch und gemein. Er ist die widerlichste Kreatur, die es je im Imperium gegeben hat.« Er atmete schwer und keuchend. Dann schlug er seine Faust krachend auf den Tisch. »Warum liegt sein Kopf noch nicht vor mir? Warum nicht? Ich will Atlans Kopf. Bin ich denn von lauter Idioten umgeben? Warum hat mir noch niemand den Kopf die ses Verräters hier auf den Tisch gelegt?« Er ließ sich wieder zurücksinken. Aber mals blickte er ins Leere und dachte nach. Minuten verstrichen, in denen sich jeder be mühte, so leise wie möglich zu sein. »Wir werden noch heute bekanntgeben, daß Myro Havvaneyn hingerichtet und an schließend desintegriert worden ist«, sagte Orbanaschol schließlich. »Die Öffentlichkeit soll glauben, daß er tot ist. Wir wollen vor den bevorstehenden Wahlen keine Skanda le.« Er blickte sich grimmig im Kreis seiner Mitarbeiter um. »Alle Raumhäfen werden abgeriegelt. Niemand darf unkontrolliert durchkommen. Falls Havvaneyn noch auf Arkon I ist und versucht, diesen Planeten zu verlassen, soll er sofort und ohne Anruf erschossen werden. Wer ihn erwischt, hat die Aufgabe, seinen Kopf augenblicklich zu zerstrahlen, falls das beim ersten Schuß noch nicht geschehen ist. Kein zufälliger Zeuge darf erraten, um wen es sich gehandelt hat.« Er atmete tief durch und wischte die Ak ten zur Seite, die vor ihm lagen.
43 »Und jetzt wenden wir uns anderen The men zu«, erklärte er.
* Als Lebo Axton von Gentleman Kelly in seine Wohnung getragen wurde, löste sich eine wuchtige Gestalt aus einer Nische in der Nähe und trat rasch an die Tür heran. »Moment, Lebo Axton.« Der Terraner blickte verblüfft zurück. Hinter ihm stand Ervolt Far. »Ich muß Sie sprechen.« »Treten Sie ein.« Axton gab Kelly das Zeichen, weiterzugehen. Der Roboter ge horchte. Der Verwachsene beugte sich vor und flüsterte: »Vorsicht.« Er stieg sofort vom Rücken Kellys herab, als er in der Wohnung war, und setzte sich in einen Sessel. »Kompliment«, sagte er. »Ich hätte nicht gedacht, daß Sie mich so schnell finden wür den.« »Das war nicht schwer«, erwiderte der In dustrielle. Er ließ sich in einen Sessel sin ken. »Und was führt Sie zu mir?« fragte Axton in harmlosem Plauderton. Er tat, als sei er völlig ruhig und ahnungslos. Dabei stand er tatsächlich innerlich unter Hochspannung. Er wußte, daß Ervolt Far gekommen war, weil er glaubte, einen Trumpf in der Hand zu haben, mit dem er die Abmachungen bre chen konnte. Als Kosmokriminologe durch schaute er den Arkoniden, obwohl dieser sich zunächst Mühe gab, sich nicht zu verra ten. »Was mich zu Ihnen führt, Lebo Axton? Das sind verschiedene Gründe. Einen davon möchte ich Ihnen zeigen.« Er griff in die In nentasche seiner Jacke. Gentleman Kelly stand schräg hinter ihm, so daß Axton nicht zu befürchten brauchte, so plötzlich mit ei ner Waffe konfrontiert zu werden. Ervolt Far holte keinen Energiestrahler, sondern ei nige Fotos hervor. Er warf sie vor Axton auf den Tisch. Der Verwachsene nahm sie ohne ein äußerliches Zeichen der Erregung auf
44 und betrachtete sie. Es waren Infrarotaufnahmen, die mit ei nem Teleobjektiv gemacht worden waren. Sie zeigten ihn, Kirko Attrak, Myro Havva neyn und Gentleman Kelly, wie sie, von An tigravgeräten getragen, das Verwaltungsge bäude verließen, unter dem sich das TekaylGefängnis befand. Auf einigen Aufnahmen waren sie so klein, daß sie nur mit Mühe zu erkennen waren. Auf anderen Aufnahmen aber waren sie groß und deutlich abgebildet. »Was sagen Sie dazu?« fragte der Indu strielle. Axton legte die Fotos auf den Tisch zu rück. Er lächelte ungezwungen. »Betätigen Sie sich neuerdings als Foto graf?« fragte er ironisch. »Kann man damit denn Geld verdienen?« »Ich denke schon«, antwortete Far. »Sehen Sie, ich habe lange darüber nachge dacht, was Ihr Einbruch in der Fabrik zu be deuten haben könnte. Und durch puren Zu fall kam ich darauf, daß man mit den von Ih nen erbeuteten Energiefeldprojektoren eine Neutrinostrahlung ablenken kann. Dann er innerte ich mich daran, daß Sie eigentlich recht seltsam auf meine beleidigenden Äu ßerungen gegen Orbanaschol reagierten. Ich hatte den Eindruck, daß Sie angenehm über rascht waren.« Axton nickte anerkennend. »Und dann habe ich kombiniert«, fuhr Er volt Far fort. »Ich habe Sie versuchsweise einmal als Gegner des Imperators eingestuft und mich dann nach bekannten, weiteren Gegnern umgesehen. Dabei fiel mir Myro Havvaneyn auf. Mir kam der Gedanke, daß sie ihn befreien wollten, gar zu phantastisch vor. Ich konnte nicht daran glauben, aber ich wollte es auf einen Versuch ankommen las sen.« Er deutete mit ausgestrecktem Finger auf die Fotos. »Und siehe da. Ich wurde fündig.« »Ich muß Sie loben«, entgegnete Axton. »Sie haben saubere Arbeit geleistet.« »Nicht wahr?« fragte Ervolt Far ironisch. »Ich denke, sie ist ihren Lohn wert.«
H. G. Francis »Selbstverständlich«, erwiderte der Ver wachsene, als könne es nicht den geringsten Zweifel daran geben, daß Far recht hatte. »Woran denken Sie?« »Sprechen wir doch zunächst einmal von Ihrer Situation«, schlug der Arkonide vor. »Sie haben einen zum Tode verurteilten Mann befreit, eine Tatsache, die den Impera tor nicht gerade freuen wird.« »Meinen Sie?« fragte Axton freundlich. Ervolt Far blickte ihn überrascht an. Ax ton spürte, daß er unsicher wurde. »Sie haben keinen Einblick in das, was man Politik nennt«, fuhr der Kosmopsycho loge lächelnd fort. »Sie wollen behaupten, die Affäre Havva neyn sei nichts als ein Winkelzug im Rah men eines politischen Täuschungsmanö vers? Sie wollen mich glauben machen, Or banaschol wollte, daß Havvaneyn ent kommt, damit er irgendwo die Rolle eines eingefleischten Orbanascholgegners spielen und somit bei einer feindlichen Organisation einsickern kann?« Der Arkonide schüttelte den Kopf. »Nein, Axton, das nehme ich Ih nen nicht ab.« »Das ist Ihre Sache.« »Hören Sie zu, Axton, Sie haben mir wahre Schätze versprochen. Noch hatte ich keine Gelegenheit, Ihre Angaben nachzuprü fen, aber das werde ich bald tun.« »Dieses Vermögen, das Sie machen kön nen, reicht Ihnen nicht, wie?« »Nein.« »Also, was wollen Sie?« »Sie verzichten auf sämtliche Anteile, Axton. Das ist meine erste Bedingung. Ich habe alle notwendigen Daten im Kopf. Sie können sie mir nicht mehr nehmen.« Ervolt Far glaubte, Axton nun in die Enge getrieben zu haben. Er fühlte sich überlegen. »Sie müssen Havvaneyn von Arkon I wegbringen, ob mit oder gegen den Willen Orbanaschols. Und dazu brauchen Sie mich. Helfe ich Ihnen nicht, dann ist Havvaneyn geliefert. Ich könnte der Fahndung sogar sa gen, wo er sich zur Zeit versteckt.« Axton-Kennon blieb kalt und gelassen,
Befreiungsaktion Tekayl wenngleich er sich darüber ärgerte, daß er sich von einem Amateur hatte beobachten lassen. Die Situation wäre tödlich gewesen, wenn einer von Orbanaschols Agenten an der Stelle Fars gewesen wäre. »Also?« fragte er. »Ich will fünf Millionen Chronners von Ihnen.« »Und was erhalte ich dafür? Ich meine, außer der Zusage, daß Sie Havvaneyn zur Flucht von Arkon verhelfen?« »Sie erhalten die Negative der Infrarotfo tos.« »Schade«, entgegnete der Verwachsene. »Ich glaubte, eine gewisse Zusammenarbeit zwischen uns sei möglich. Sie hätten dabei viel Geld verdienen können.« »Können?« »Natürlich. Glauben Sie denn wirklich, ich würde auf Ihre Erpressung eingehen?« Ervolt Far sprang auf. »Dann vernichte ich Sie, Axton.« »Dazu werden Sie nicht mehr kommen.« »Wollen Sie mich töten? Dann wird man die Negative der Fotos finden und an den Imperator senden.« »Wer spricht von Töten? Sie werden ver gessen. Mein Roboter wird Ihnen ein Medi kament verabreichen, daß Ihr Erinnerungs vermögen für etwa anderthalb Jahre aus löscht. Auch später wird es nicht vollständig zurückkehren, jedenfalls nicht so, daß Sie zu einer wirklichen Gefahr für mich werden können.« »Das wagen Sie nicht! Ich habe die Nega tive bei einem Verbindungsmann der SEN TENZA hinterlegt«, rief der Arkonide. »Diese Verbrecherorganisation beein druckt mich nicht.« »Aber Sie wissen, daß sie von Orbana schol geduldet wird. Der Imperator hat viele Vorteile von ihr. Die SENTENZA wird die Fotos sofort an Orbanaschol weitergeben, wenn ich verschwinde.« »Sie werden nicht verschwinden, Far. Sie werden diese Wohnung gleich verlassen. Sie werden zu Ihrem Gleiter eilen und die Ziel daten eintippen, aber dann wird es Nacht
45 werden um Sie. Ihre Bekannten und Ver wandten werden Sie identifizieren. Man wird sich um Sie kümmern und Sie behan deln. Sie werden ein angenehmes Leben ha ben, das frei ist von den Belastungen, denen Sie jetzt ausgesetzt sind.« Ervolt Far wich bis zum Türschott zurück. Er hieb seine Hand gegen den Öffnungskon takt. Im Ovalkörper Gentleman Kellys glitt eine kleine Klappe zur Seite. Es zischte lei se, als zwei Giftpfeile aus den Pneumatik läufen rasten. Der Arkonide blickte bestürzt auf seinen Handrücken, auf dem sich zwei grüne Krei se bildeten. Nach Bruchteilen von Sekunden schon verschwand die Verfärbung, und die Haut sah wieder so normal aus wie zuvor. »Schlafen Sie gut«, sagte Axton lächelnd. »Und erholen Sie sich gut.« Ervolt Far floh aus der Wohnung, als sei der Leibhaftige hinter ihm her.
8. Als Lebo Axton das Versteck betrat, in dem Myro Havvaneyn verborgen gehalten wurde, hielten sich nur dieser und Kirko At trak darin auf. Der ehemalige Offizier war unruhig und nervös. Kaum hatte sich das Türschott hinter dem Verwachsenen und dem Roboter geschlossen, als Havvaneyn schon auf Axton zueilte und ihn fragte: »Wann kann ich Arkon endlich verlassen?« »Ich hoffe, daß Sie bald aufbrechen kön nen.« Das Versteck lag in einem Trichter bau, der sich in unmittelbarer Nähe des Hü gels der Weisen befand. Hier, so hoffte der Kosmopsychologe, würde man den Entflo henen nicht suchen. Er setzte sich und be richtete von Ervolt Far. Myro Havvaneyn ließ sich in einen Sessel sinken. »Haben Sie nicht einen Fehler gemacht?« fragte er. »Ja, war es nicht zu gefährlich, Far so zu behandeln?« fügte Kirko Attrak hinzu. »Er hat sich bestimmt abgesichert. Die Drohung mit der SENTENZA ist nicht leicht zu neh
46 men.« »Wenn die Verbrecherorganisation wirk lich beteiligt ist, dann wird sie sich nicht so gleich an Orbanaschol wenden, sondern erst einmal versuchen, mich auszuquetschen. So weit sind wir aber noch nicht. Ich glaube, bereits zu wissen, wo ich suchen muß, wenn ich die Negative finden will. Das ist nicht das Problem.« »Sondern?« »Es gilt, Sie, Myro, in das Raumschiff Er volt Fars zu bringen. Es ist die SIMMIK, ein Frachtraumer, der einen Durchmesser von achtzig Metern und eine Besatzung von sechzig Mann hat«, erklärte Axton. »Mit diesem Raumschiff wollte Far Sie wegbrin gen. Ich weiß leider nicht, mit welchen Tricks er Sie an Bord schmuggeln wollte.« »Sie wollen auch jetzt noch, daß ich auf die SIMMIK gehe?« fragte Havvaneyn. »Das ist zu gefährlich. Ich hätte die gesamte Besatzung gegen mich.« »Allerdings«, gab der Verwachsene zu, »doch das muß nicht unbedingt ein Nachteil sein. Sie sind ein erfahrener Offizier, der weiß, wie man ein solches Schiff fliegt. Es wird Ihre Aufgabe sein, zusammen mit eini gen Männern der Organisation Gonozal VII. das Kommando an Bord zu übernehmen.« »Dazu muß Havvaneyn erst einmal an Bord kommen«, wandte Attrak ein. »Ich komme nicht unvorbereitet hierher«, erklärte Axton. »Ich habe mich über die SIMMIK und die Besatzung informiert. Ent scheidend ist, daß der Kommandant seinen Leuten die Genehmigung gibt, das Schiff zu verlassen. Selbstverständlich können sie die Kontrollen ohne weiteres passieren.« »Ja und?« fragte Attrak. »Was ist damit gewonnen?« »Sehr viel«, antwortete der Kosmokrimi nalist. »Unsere Aufgabe muß es sein, diese Männer abzufangen. Sie müssen für einige Zeit von der Bildfläche verschwinden. Sie sollen durch Männer unserer Organisation ersetzt werden. Wir werden unsere Leute maskieren und durch die Kontrollen schicken. Sie werden an Bord gehen und
H. G. Francis dort die erste Gelegenheit nutzen, das Kom mando zu übernehmen. Auch dafür habe ich bereits einen Plan erarbeitet.« »Unmöglich«, erwiderte Attrak kopf schüttelnd. »Niemand kann die Besatzung überwältigen und zugleich verhindern, daß irgend jemand über Video die Raumhafen behörde von dem Handstreich unterrichtet.« »Die Einsatzgruppe muß in die Zentrale vorstoßen, den Kommandanten und die Offi ziere ausschalten und sich damit die Aus gangsposition für alle weiteren Entscheidun gen schaffen«, sagte Axton. »Ich habe mich informiert. Es ist unmöglich, Sie, Myro, in einer Kiste oder einem anderen Transportbe hälter an Bord zu bringen. Die Kontrollen sind so scharf wie nie zuvor. Sie können es nur so schaffen, wie ich es Ihnen vorge schlagen habe. Überlegen Sie es sich in aller Ruhe, und entscheiden Sie dann. Sie müssen sich aber darüber klar sein, daß Sie nicht ewig in dieser Wohnung bleiben können.« »Erzählen Sie mir von Atlan«, forderte der ehemalige Offizier. »Atlan«, erwiderte Axton nachdenklich. »Ich tue alles nur für ihn. Ich will, daß ihm der Weg zur Macht geebnet wird. Für ihn ist wichtig, daß er von der Existenz der Organi sation Gonozal VII. erfährt. Er muß wissen, daß es einen Mann wie mich beim Geheim dienst gibt, der entschlossen für ihn kämpft, und der die Zusammenarbeit mit ihm sucht. Er muß darüber informiert werden, daß er nicht allein gegen Orbanaschol kämpft, son dern daß sein Angriff von außen durch ge zielte Aktionen von innen flankiert wird.« »Sie wollen, daß ich Atlan finde und ihn unterrichte«, stellte Myro Havvaneyn fest. »Also galten Ihre Anstrengungen eigentlich nicht mir. Sie hatten gar nicht vor, mir um jeden Preis das Leben zu retten. Sie wollten mir demonstrieren, über welche Machtmittel Sie verfügen, und was Sie bewerkstelligen können. Sie wollten mich beeindrucken, weil Sie wollen, daß ich zu Atlan gehe und ihm meine Eindrücke von Ihnen übermittle.« »Ich kann es nicht leugnen«, erwiderte Axton offen. »Ich mußte Sie davon überzeu
Befreiungsaktion Tekayl gen, daß Ihre Mission wichtig ist. Einen Mann zu Atlan zu senden, der nicht an mich glaubt, wäre wohl ziemlich sinnlos.« »Sie haben recht, Axton. Selbstverständ lich hatten Sie keinerlei Veranlassung, mein Leben zu retten, nachdem ich es selbst durch Dummheit und Selbstüberschätzung aufs Spiel gesetzt hatte.« »Dann sind Sie mit mir einverstanden?« »Das bin ich.« »Und Sie vertrauen mir?« »Auch das.« »Dann werden Sie den Plan so durchfüh ren, wie ich gesagt habe?« »Ich werde mich an Ihren Plan halten und versuchen, die SIMMIK in meine Hand zu bekommen. Ich werde das Schiff dazu be nutzen, Atlan zu suchen.« »Ich werde Ihnen eine gewisse Summe mit auf den Weg geben, damit Sie die Besat zung für sich gewinnen können. Zudem bin ich davon überzeugt, daß Sie es schaffen werden, den Widerstand der Besatzung bald zu überwinden und sie zur freiwilligen Mit arbeit zu veranlassen.« »Das hoffe ich. Orbanaschol hat nur we nige echte Freunde unter den Raumfahrern. Ich denke, daß es mir gelingen wird, die Männer nach einiger Zeit zu Anhängern At lans zu machen.« Axton wandte sich an den Makler. »Haben Sie Einwände, Kirko?« fragte er. Attrak schüttelte den Kopf. »Also gut«, sagte Axton. »Dann trom meln Sie etwa vierzig Männer zusammen, die bereit sind, den Einsatz mitzumachen.« »So viele?« fragte Attrak. »Wir wissen nicht, wieviele später tat sächlich in Frage kommen«, entgegnete der Kosmokriminalist. »Wir brauchen jedoch einen gewissen Fächer von Typen und Ge stalten, damit wir dann die Männer heraus suchen können, die den betreffenden Besat zungsmitgliedern am ähnlichsten sind. Das erleichtert die Arbeit unseres Maskenspezia listen.«
*
47 Schon wenige Stunden später bezog Ax ton mit seinem Roboter einen Beobach tungsposten auf dem Raumhafen. Mit sei nem Geheimdienstausweis war es leicht für ihn, einen günstig gelegenen Raum im Kon trollgebäude zu bekommen. Von hier aus konnte er die SIMMIK beobachten und alle Männer sehen, die das Schiff verließen. Als er sicher sein konnte, nicht mehr von ungebetenen Besuchern gestört zu werden, erschien Attrak mit zwei Begleitern bei ihm. Diese gehörten ebenfalls zur Untergrundor ganisation. Axton kannte sie bereits. »Es herrscht ein lebhafter Verkehr da draußen«, sagte er. »Vier Offiziere haben die SIMMIK bereits verlassen. Ich sah sie zu spät, um noch etwas machen zu können.« Attrak trat dichter an das Fenster heran. Das Raumschiff Ervolt Fars stand etwa zweihundert Meter von ihnen entfernt auf ei nem gelben Frachtstreifen. Zwei Transport gleiter waren bei ihm. Sie wurden entladen. »Ein Gleiter wird ausgeschleust«, meldete der Arkonide. »Kelly, was siehst du?« fragte Axton. »Es ist der Kommandant«, antwortete der Roboter. »Der Kommandant und drei Offi ziere.« »Die schnappen wir uns«, sagte Axton entschlossen. Er richtete die Antennen eines kastenförmigen Gerätes auf den Gleiter, der sich langsam dem Kontrollgebäude näherte. Auf einem Bildschirm erschien eine gezack te Linie. »Was bedeutet das?« fragte Attrak. »Der Kommandant führt ein Videoge spräch mit der Raumhafenbehörde. Er holt sich wahrscheinlich die Genehmigung ein, den Raumhafen auf einem bestimmten Glei terkorridor zu verlassen.« Axtons Hand zuckte vor. »Sehen Sie.« Eine Zahlenkombination erschien auf dem Bildschirm. »Das ist der Zielkode. Er zeigt an, wohin der Kommandant will.« »Was ist das für ein Gerät?« fragte Attrak betroffen. »Ist das wieder eine von Ihren Er findungen?«
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»Keineswegs«, erwiderte Axton. »Es kommt aus den Laboratorien des Sicher heitsministeriums.« »Das bedeutet also, daß man demnächst genau kontrollieren kann, wohin sich ein Gleiter wendet?« »Das kann man schon seit einiger Zeit. Es gibt die Möglichkeit, sich dagegen zu weh ren. Ich werde Ihnen später sagen, wie man das macht.« Der Gleiter mit dem Kommandanten lan dete. Er und die drei Offiziere stiegen aus. Zwei Roboter und ein Uniformierter kamen zu ihnen und überprüften ihre Identitätskar ten. »Die Roboter machen Aufnahmen von ih nen«, erläuterte Axton. »Später, wenn sie zurückkehren, muß eine absolute Überein stimmung erreicht werden.« »Und das ist zu schaffen?« fragt? Attrak zweifelnd. »Sie werden es sehen.« Axton stieg auf den Rücken Kellys. Er wandte sich an die beiden Männer, die mit dem Makler gekom men waren. »Sie bleiben hier und beobach ten weiter. Wir kümmern uns um den Kom mandanten und die Offiziere. Los, Kirko.«
* Eine halbe Stunde später schwebte der Gleiter mit Axton, dem Arkoniden und Gentleman Kelly in eine Parknische in ei nem fünfhundert Meter hohen Trichterbau ein. Die beiden Männer und der Roboter blieben im Gleiter sitzen. Sie blickten nach Süden, und es dauerte nicht lange, bis sie ei ne Flugkabine bemerkten, die sich aus dieser Richtung näherte. »Sie kommen«, sagte Attrak. Gentleman Kelly öffnete die Türen und drehte sich zur Seite, so daß Axton auf sei nen Rücken klettern konnte. Sie verließen die Maschine und wechselten über einen Gang zu einer etwa fünfzig Meter entfernten Parknische über. Der Arkonide öffnete das Türschott und blickte hindurch. Sekunden darauf fuhr er
zurück und schloß das Schott wieder. »Sie kommen«, wiederholte er. Axton stieg vom Rücken Kellys herunter und eilte über den Gang bis zu einer Ab zweigung. Sie waren allein in diesem Be reich. Die Gänge waren leer, und keinerlei Geräusche zeigten an, daß irgendwo unge wöhnlicher Betrieb herrschte. Sie befanden sich in einem Bereich für exotische Bäder und Traumduschen, der zu dieser Tageszeit kaum besucht wurde. Axton, der schon öfter hier gewesen war, wußte, daß in einigen Stunden alles anders sein würde. Dann wür de hier ein dichtes Gedränge herrschen, und die Bänder würden überfüllt sein. Offensichtlich plante der Kommandant mit seinen Offizieren so etwas wie einen Er holungsausflug. Attrak hatte sich in entgegengesetzter Richtung entfernt. Nur Kelly hielt sich noch in unmittelbarer Nähe der Parknische auf, in der der Kommandant landen mußte. Axton blieb an der Gangabzweigung stehen und lehnte sich an die Wand. Sein Atem ging schnell und keuchend. Er brauchte eine län gere Pause, um sich regenerieren zu können, sah dafür aber zur Zeit keine Möglichkeit. Das Türschott öffnete sich. Lachend und plaudernd kam der Kommandant der SIM MIK mit seinen Offizieren auf den Gang heraus. Keiner von ihnen beachtete den Ro boter. Gentleman Kelly löste die Paralyse strahler erst aus, als die Männer ihm den Rücken zuwandten. Die Offiziere und ihr Kommandant brachen schlagartig zusam men. Axton und Attrak eilten auf sie zu. Dabei blickten sie sich immer wieder um, doch es blieb still in den Gängen. »Schnell. Wir legen sie in den Gleiter«, befahl der Verwachsene. Attrak und Kelly packten zu, während Axton nichts tun konnte. Er war zu schwach. Er hätte keinen der Männer auch nur einen halben Meter über den Boden schleifen kön nen. Seine Hand schob sich unter seine Blu senjacke und krallte sich um den Gürtel aus
Befreiungsaktion Tekayl dem rätselhaften Material. Ihm war, als sei er in diesem Moment von der Welt abge schnitten und in eine andere, fremde Welt eingetreten. Lag die Ursache seiner Schwäche beim Gürtel? Raubte ihm dieser seine letzten Kräfte? »Schnell«, rief Attrak. »Steigen Sie ein, Lebo. Was ist denn mit Ihnen?« Axton fuhr wie aus tiefem Schlaf auf. »Nichts. Schon gut«, erwiderte er verstört. Er lief keuchend zum Gleiter, mit dem die SIMMIK-Offiziere gekommen waren. Er stieg aus. Mit unwilliger Gebärde vertrieb er Kelly von den Steuerelementen. »Verdammter Narr. Du mußt den anderen Gleiter steuern. Er muß von hier verschwin den. Fliege einige Kilometer weg. Wir neh men dich dann auf.« Gentleman Kelly verzichtete auf jede Ge genbemerkung und verließ die Maschine. Er stürmte davon. Axton überließ dem Arkoni den das Steuer. Die Maschine startete. Unmittelbar darauf beobachtete Axton den Gleiter mit Kelly am Steuer. »Bleiben Sie in seiner Nähe, Kirko«, bat er. Der Roboter lenkte seine Maschine steil nach unten, bis sie schließlich über einem Wäldchen in nur zwanzig Meter Höhe flog. Er stieg aus und ließ sich zwischen die Bäu me fallen. Der Gleiter flog mit Autopiloten weiter. Er würde zum Raumhafen zurück kehren und sich dort in den öffentlichen Gleiterpark einreihen, ohne aufzufallen. Ax ton hätte anders verfahren müssen, wenn die Maschine zur SIMMIK gehört hätte. Das aber war nicht der Fall. Attrak nahm Gentleman Kelly wenig spä ter auf und ging dann auf den Kurs, der ihn zum Versteck Myro Havvaneyns führte. Sie erreichten es, ohne kontrolliert zu werden. Unbemerkt schleppten Attrak und Kelly die paralysierten Offiziere in die Wohnung. »Wir haben ein unverschämtes Glück ge habt«, berichtete Axton triumphierend. »Es ist uns gelungen, den Kommandanten in die
49 Hand zu bekommen. Die Chancen stehen gut für Sie, Myro.« Attrak machte Axton mit einem alten, ge brechlich aussehenden Arkoniden bekannt, der sich neben Havvaneyn in der Wohnung aufhielt. »Dies ist Kalmak«, sagte er. »Kalmak ar beitet als Maskenbildner beim 3D-Video. Er ist zuverlässig.« Axton nahm den Alten zur Seite und un terhielt sich etwa eine Stunde lang mit ihm. Zug um Zug besprach er die Masken. Kal mak staunte nur. Er hatte nicht erwartet, auf einen Mann zu treffen, der mindestens eben soviel über das Fach wußte wie er. Axton konnte ihm sogar einige Tips über Arbeits weisen geben, von denen er noch nie etwas gehört hatte. »Entscheidend«, erklärte der Kosmokri minalist abschließend, »ist die Temperatur der Maske. Ich weiß, daß die Kontrollrobo ter am Raumhafen mit Infrarotkameras ar beiten. Sie machen Wärmeaufnahmen vom Gesicht und vergleichen sie mit denen, die sie gespeichert haben. Stimmen die Tempe raturabschnitte nicht überein, dann ist die Maske sinnlos.« »So exakt läßt sich keine Maske anle gen«, erwiderte Kalmak. »Sie irren sich«, erwiderte Axton, der aus seiner langen Erfahrung als USO-Spezialist schöpfen konnte. »Es gibt einen Kunststoff, der sich auf die benötigte Temperatur brin gen läßt und diese für etwa eine Stunde bei behält. Wenn dieses Material unter die Haut gespritzt wird, lassen sich auch die Kontroll roboter täuschen.« Er öffnete eine Klappe am Ovalkörper Kellys und holte einige Ampullen mit einer weißlichen Flüssigkeit daraus hervor. »Was ist mit der Körperstrahlung?« fragte der Maskenspezialist. Axton winkte ab. »Die Technik der ID-Strahlenmessung steckt noch in den Kinderschuhen. Ich glau be nicht, daß schon genügend Geräte zur Verfügung stehen, alle Raumhäfen damit auszurüsten, falls überhaupt schon einsatzfä
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hige Geräte da sein sollten.« »Das einzige wirklich brauchbare Gerät hatten wir im Tekayl-Gefängnis«, fügte At trak hinzu. Kalmak setzte seine Arbeiten an der Mas ke fort.
* »Ausgezeichnet«, lobte Lebo Axton eine halbe Stunde später. Er blickte Myro Havva neyn an. »Sie sind nun vom Kommandanten der SIMMIK nicht mehr zu unterscheiden. Und die Masken Ihrer Offiziere sind eben falls hervorragend gelungen. Achten Sie jetzt darauf, daß Ihr Gesicht nicht kalt wird. Der injizierte Kunststoff muß Ihre Körper temperatur behalten. Öffnen Sie das Gleiter fenster nicht und achten Sie auf die Innen temperatur. Sie darf nicht zu niedrig sein.« Havvaneyn tastete sein verändertes Ge sicht ab. »Was wird aus dem Zeug?« fragte er be sorgt. »Werde ich jemals wieder so aussehen wie früher?« »Der Kunststoff wird innerhalb von vier Tagen vom Körper abgebaut und ausge schieden.« Axton lächelte. »Sie werden also bald wieder in alter Schönheit erblühen.« »Falls ich nicht vorher unter dem Strah lenfeuer der Wachen zu Asche werde«, er widerte der ehemalige Offizier sarkastisch. »Das wird nicht geschehen«, sagte Axton überzeugt. Er reichte Havvaneyn und seinen Begleitern die Hand, um sich von ihnen zu verabschieden. »Erzählen Sie Atlan von uns. Das ist Ihre wichtigste Aufgabe.« Während Havvaneyn und seine Begleiter sich in einen Gleiter begaben, beseitigten Attrak, Kelly und Axton die Spuren, die sie in der Wohnung hinterlassen hatten. Sie bra chen die Arbeit jedoch bald ab, weil sie sich als überaus zeitraubend erwies. »Wir fliegen erst zum Raumhafen«, ent schied der Terraner. »Später können wir zu rückkommen und nachholen, was wir ver säumt haben.« Als Attrak, der das Steuer übernommen
hatte, auf dem Dach des Kontrollgebäudes landete, wartete Havvaneyn mit seinen Be gleitern noch in einer Schlange von Flugka binen vor den Kontrollen, die äußerst lang sam abgewickelt wurden. »Das habe ich mir gedacht«, sagt Axton, als Kelly ihn in den Beobachtungsraum trug. »Sie lassen sich viel Zeit.« »Hoffentlich nicht zuviel«, bemerkte At trak besorgt. Im Beobachtungsraum war es ruhig. Die Männer, die in der Zwischenzeit alle Vor gänge überwacht hatten, teilten Axton mit, daß nichts Ungewöhnliches vorgefallen war. Langsam verstrichen die Minuten. Immer wieder blickte der Kosmokriminalist auf sein Chronometer. Die Zeit wurde knapp. »Wieviel Zeit hat Havvaneyn noch?« fragte Attrak. »Ich weiß es nicht genau«, erwiderte Ax ton. »Wenn er klug ist, stellt er die Heizung im Gleiter hoch, so daß der Kunststoff warm bleibt. Dann schlägt er mindestens 30 Pro zent mehr Zeit heraus.« Er richtete die Optik der Beobachtungska mera auf den Gleiter, in dem die Agenten der Untergrundorganisation saßen. Durch die spiegelnden Scheiben war kaum etwas zu erkennen. Zwei Gleiter trennten Havvaneyn noch von den Kontrollen, als er die Fenster öffne te. Axton pfiff leise durch die Zähne. Er konnte sich denken, was das bedeutete. Hav vaneyn hatte die Heizung hochgestellt und ließ nun die heiße Luft entweichen, um bei den Robotern keinen Verdacht zu erregen. »Myro denkt mit«, sagte er begeistert. »Er ist ein wirklich guter Mann.« Er überprüfte die Richtmikrophone und stellte die Lautsprecher neu ein, so daß jedes Wort zu verstehen war, das bei den Kontrol len gesprochen wurde. »Jetzt«, sagte Attrak. »Havvaneyn ist dran. Hoffentlich geht das gut.« »Es geht gut«, erwiderte Axton. »Verlassen Sie sich darauf.« Der Gleiter mit den vier Männern rückte vor und verharrte bei den Kontrolloffizieren
Befreiungsaktion Tekayl und den beiden Robotern. Die Scheiben der Maschine senkten sich. Havvaneyn und sei ne Begleiter reichten ihre Ausweiskarten heraus. Axton konnte die Gesichter der Männer deutlich auf dem Bildschirm des Videoge räts erkennen. »Kelly«, fragte er mit gepreßter Stimme. »Was sagen deine Infrarotkameras? Wie sieht es mit dem Gesicht von Havvaneyn aus?« Der Roboter stand direkt am Fenster und hatte somit eine gute Sicht auf die Kontroll stelle. Das Gesicht Havvaneyns lag in sei nem Blickfeld. »Keine auffallenden Temperatur unter schiede«, erwiderte er nach einigen Sekun den. »Verdammt, warum dauert das so lange?« fragte Attrak nervös. »Es hat bei den anderen genauso lange gedauert«, entgegnete Axton. Doch ihm selbst erschien es auch so, als nehme diese Kontrolle viel mehr Zeit in Anspruch als die vorhergehenden. Plötzlich trat einer der Kontrolloffiziere zwei Schritte zurück. Seine Hand senkte sich auf den Kolben seines Energiestrahlers und spielte nervös daran herum. Axton stockte der Atem. Seine Kehle war wie zu geschnürt. Hatte der Offizier Verdacht geschöpft? Sollten alle Anstrengungen und Mühen, das Leben Havvaneyns zu retten, umsonst gewe sen sein? Die Worte, die aus den Lautsprechern hallten, wiesen nicht darauf hin. Doch dann rief der Kontrolloffizier, der zur Seite getreten war: »Pelkossy!« Axton und Attrak blickten sich ratlos an. Keiner von ihnen wußte, was das zu bedeu ten hatte. Die anderen Kontrolloffiziere grif fen zu ihren Waffen. Havvaneyn saß wie er starrt im Gleiter. Da liefen die Offiziere an seiner Maschine vorbei zur nächsten. Sie ris sen die Türen auf und befahlen den beiden darin sitzenden Männern, auszusteigen. Axton atmete auf.
51 »Es galt nicht Havvaneyn«, sagte Attrak erleichtert. Axton blickte auf den Videoschirm, auf dem das Gesicht Havvaneyns deutlich zu se hen war. Es war schweißüberströmt. Die Augen des ehemaligen Offiziers tränten. Er trocknete sie mit einem Tuch. »Warum fliegt er denn nicht weiter, ver dammt?« fragte Attrak nervös. »Es ist doch alles in Ordnung für ihn.« Zwei der Kontrolloffiziere führten die beiden Männer aus dem anderen Gleiter ab. Die anderen kehrten zu Havvaneyn zurück. »Weiter. Sie können passieren«, dröhnte eine Stimme aus den Lautsprechern im Be obachtungsraum. »Danke«, antwortete Havvaneyn ruhig. Der Gleiter flog mit sanfter Beschleuni gung weiter. Axton lehnte sich aufatmend zurück. Die Kontrolleure wandten sich ande ren Maschinen zu. »Geschafft«, sagte Attrak jubelnd. »Er hat es geschafft.« »Noch nicht«, erwiderte Axton. »Er muß noch in die SIMMIK kommen und mit dem Schiff starten.« »Das schafft er auch«, sagte Attrak über zeugt. Axton richtete die Optik seiner Beobach tungsgeräte auf die SIMMIK. Er verfolgte Havvaneyn, bis dieser in der Bodenschleuse verschwand. Kurz darauf wurde es still bei der SIMMIK. Die Außenposten kehrten in den Raumer zurück. Die Versorgungsgleiter entfernten sich von dem Schiff. »Havvaneyn trifft Startvorbereitungen«, stellte Attrak fest. Eine volle Stunde verstrich. Dann flamm ten die Abstrahldüsen des Kugelraumers plötzlich auf. »Er startet«, rief Attrak erregt. Die SIMMIK hob vom Boden ab und ra ste in den Weltraum hinauf. Zwanzig Minu ten später fing Kelly einen Funkspruch von Havvaneyn auf. »Roger okay«, lautete er. Kein Arkonide wußte mit diesen Worten etwas anzufangen, allein Lebo Axton wußte,
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was sie zu bedeuten hatten. »Jetzt können wir sagen, daß er es ge schafft hat«, erklärte er. »Geräte abbauen. Wir verschwinden.« »Wir müssen noch einmal in das Versteck zurück und die Spuren beseitigen«, sagte At trak. »Genau das habe ich vor. Außerdem müs sen der echte Kommandant der SIMMIK und seine Offiziere noch eine Injektion be kommen. Sie sollen für einige Zeit unter ei ner seltsamen Gedächtnisschwäche leiden und sich an nichts mehr erinnern können.« Axton lächelte. »Wir können mit uns und unserer Arbeit zufrieden sein, Kirko. Jetzt werden wir uns auf die bevorstehenden Wahlen konzentrieren.« »Die Wahlen?« fragte Attrak bestürzt. »Was wollen Sie damit sagen? Haben Sie et
wa vor, in die Wahlen einzugreifen?« »Warten Sie ab, Kirko«, entgegnete Ax ton vergnügt. »Ich warne Sie, Lebo. Die Wahlen sind ein ganz heißes Eisen.« »Ich liebe heiße Eisen.« »Sie werden sich die Finger verbrennen.« »Vielleicht werde ich mir die Finger ver brennen, aber ich werde die Wahlen nicht verstreichen lassen, ohne etwas zu tun. Das wäre ganz gegen meine Art, finden Sie nicht auch?« Attrak schüttelte den Kopf. »Sie sind unverbesserlich«, sagte er.
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